Nachhaltige Architektur in Vorarlberg: Energiekonzepte und Konstruktionen 9783034604901

Architecture with model character The successful combination of a regional building style of sophisticated simplicity

169 13 26MB

German Pages 176 Year 2009

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Nachhaltige Architektur in Vorarlberg: Energiekonzepte und Konstruktionen
 9783034604901

Table of contents :
Title Page
Copyright Page
Table of Contents
Vorwort
Übersichtskarte Voralberg
Tradition und Zukunft
Das BundesLand VorarLberg
Die heutige Architektur
Vom Holz lernen
Konstruktion
Energiekonzept
Auf alte Traditionen bauen
Konstruktion und Energiekonzept
Es werde Licht
Konzept der AuBen- und Innengestaltung
Materialwahl und Energiekonzept
Tradition neu interpretiert
Konstruktion
Energiekonzept
Harte Schale, weicher Kern
Konstruktion
Niedrigenergie in grofler Hohe
Konstruktion
Energiekonzept
Handwerk und Material
Holz
Das Zimmermannshandwerk
Die Kultur des Handwerks
Kompakt und stimmig
Konstruktion
Energiekonzept
Leben am Teich
Maßgeschneiderte Vorfertigung
Herstellung und Montage
Konstruktion und Energiekonzept
Natürliches Bauen
Konstruktion und Energiekonzept
Miteinander von Alt und Neu
Konstruktion
Nachhaltigkeit
Das Holzhaus
Die traditionellen Hauser
Nachhaltiges Ressourcenmanagement
Nachhaltiges Denkmodell
Konstruktion
Energiekonzept
Kompakt und kostengunstig
Konstruktion und Energiekonzept
Regionale Wertschopfung
Konstruktion
Energiekonzept
Nachhaltiges Wohnen
Konstruktion
Energiekonzept
Passivhaus macht Schule
Konstruktion
Energiekonzept
Konstruktions-systeme
Lokale Holzbauweisen
Tradition und Bruch
Ein neues Zeitalter
Ideenexport
Konstruktion
Energiekonzept
Die Kirche kommt zuden Menschen
Konstruktion
In Sachen Holz
Konstruktion
Schwebendes Leichtgewicht
Konstruktion
Energiekonzept
Licht und Schatten
Konstruktion
Projektubersicht
Biografie
Dank
Bibliografie
Websites
Abbildungsnachweis

Citation preview

Nachhaltige Architektur in Vorarlberg

Energiekonzepte und Konstruktionen Ulrich Dangel

sirkhauser Basel · Boston ' Berlin

Obersetz ung aus dem Engli schen : Christ ian Rochow. Berl in Korrektorat: Claud ia Mazanek. w ien Dieses Buch ist auch in engli scher sprache erschiene n: Sustaina ble Architecture in vorarlb erg ISBN 97B-3 -0346- 0119-1 Bibliografi sche Informati on der Deut schen Nationalbibliothek Die Deutsc he Natio nalbi bliothek verzeichn et diese Publi kat ion in der Deutschen Natio nalbibli ografi e; deta illierte bib liografische Daten sind im Int ern et uber http: //dnb. d·nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheb err echtlich geschut zt. Die dadur ch begru ndst en Recht e. insbesondere di e der Oberset zung. des Nachdr ucks. des vort rags, der Entnahme von Abbild ungen und Tabell en, der Funksendung . der Mikroverfilm ung oder der vervielfaltlgung auf anderen Wegen und der Speic herung in Datenve rarb eitun gsanlagen, bl eiben . auch bei nur auszugsweise r Verw ert ung, vorbeh alten . Eine vervielf alt lgung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlic hen Best immung en des Urheberr echt sgeset zes in der je weils gelte nden Fassung zulasslg. Sie ist gru ndsatzlich vergut ungspfl icht lg. Zuwiderh andlungen unte rliege n den Strafbestimm ungen des Urheberrechts . © 2010 Birkhauser v erl ag AG Basel · Bost on · Berli n Postfa ch 133,CH-4010 Basel. Schweiz Ein Unterneh men der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media Gedruckt auf sauref reis m Papier, hergest ellt aus chlo rfre i gebleichtem Zellsto ff. TCF 00 Design : Lea Pfister. Zuric h / Nadi ne Rindere r. Basel Pri nt ed in Germany ISBN : 97B-3 -0346-0118- 4 98 765 432 1 www .bir khauser.ch

7 8 11

Varwort Obersichtskarte Voralberg

93

Nachhaltigkeit

Bas Holzhaus - Die traditionellen Hauser Nachhaltiges Ressourcenmanagement

Tradition und zukunft

Bas Bundesland Vorarlberg Die heutige Architektur

100 Gemeindezentrum Ludesch

18

108 Wohnanlage Fichtenweg,

Nachhaltiges Denkmodell Hermann Kaufmann

Volksschule Doren

Yom Holzlernen Cukrowicz Nachbaur

26

32

Bartholomaberg-Gantschier

Kompakt und kostengGnstig Hans Hohenfellner

Skihiitte Schneggarei, Lech am Arlberg

Auf alte Traditionen bauen Katia Schneider + Gerold Schneider, Allmeinde Architektur, Philip Lutz

112

pfarrkirche St. Ulrich, Gotzis

118 Wohnpark Sandgrubenweg, Bregenz

Regionale Wertschopfung Johannes Kaufmann

Es werde Licht Christian Lenz

36

Nachhaltiges Wohnen Gerhard Horburger, Helmut Kuess, Wolfgang Ritsch, Norbert Schweitzer

Haus Riischer, Schnepfau

124 Hauptschule Klaus-Weiler-Fraxern

Tradition neu interpretiert oskar Leo Kaufmann, Albert RGf

42

48

Passivhaus macht Schule Dietrich Untertrifaller

Dorfzentrum Obersaxen

Harte Schale, weicher Kern Matthias Hein Olpererhiitte, Ginzling

Niedrigenergie in groBer Hohe Hermann Kaufmann

Gemeindehaus Raggal

133 Konstruktionssysteme Lokale Holzbauweisen - Tradition und Bruch Ein neues Zeitalter 142 Wohnanlage Miihlweg, Wien

57

Ideenexport Hermann Kaufmann + Johannes Kaufmann

Handwerk und Material

Holz - Bas Zimmermannshandwerk Die Kultur des Handwerks 64

150 Hugo Kleinbrod Austria-Kapelle, Lustenau Die Kirche kommt zu den Menschen Hugo Dworzak

Gemeindezentrum St. Gerold

154 Logistikzentrum Tschabrun, Rankweil

Kompakt und stimmig Cukrowicz Nachbaur

70

In Sachen Holz Christian Lenz

Badehaus Metzler, Rankweil-Brederis

158 Krankenhaus Dornbirn

Leben am Teich Marte Marte

76

Schwebendes Leichtgewicht Gohm & Hiessberger

SYSTEM3

164 Nordwesthaus, FuBach

MaBgeschneiderte Vorfertigung Oskar Leo Kaufmann, Albert ROf

82

HausRauch,SchUns

NatGrliches Bauen Planungsgemeinschaft Lehmhaus: Roger Boltshauser, Martin Rauch

88

Licht und Schatten Baumschlager Eberle

Gasthof Krone, Hittisau

Miteinandervon Alt und Neu Bernardo Bader

170 174 175 176

ProjektGbersicht Biografie und Dank Bibliografie Abbildungsnachweis

7

vorwort In den letzten dreiBig Jahren hat sich das kleine osterreichische Bundesland Vorarlberg mit seiner zeitgenossischen Baukultur einen Namen gemacht. Vorarlberg hat damit nicht nur eine eigene regionale ldentltat entwickelt, sondern gilt weit Oberseine Grenzen hinaus als ein einmaliges kulturelles Phanornen und vielbewundertes Vorbild. Die heimischen Architekten sind sich offenbar einig, angemessene Mittel und Ressourcen vernOnftig zu nutzen, um pragmatisch und unnachgiebig die formal, funktional und wirtschaftlich besten Gestaltungslosungen anzustreben. Die Verwendung innovativer Materialien und Konstruktionsweisen, die Integration neuester Technologien sowie die Entwicklung neuer Bauprodukte spielen dabei eine besonders wichtige Rolle. BegrOndet im innovativen Geist der sevolke rung ist aus diesem Pragmatism us, dieser Einfachheit und aatlonatitat eine groBe Zahl exemplarischer Bauten hervorgegangen, die fast wie unbeabsichtigte Nebenprodukte eines wohlOberlegten, komplexen Problernlosungsprozesses anmuten . In harmonischer Zusammenarbeit von Architekten, Handwerkern, Bauherren und ortlichen Behorden entsteht eine Architektur, die fortschrittlich, energieeffizient und nachhaltig ist und durch die Vorarlberg in der internationalen Szene heute hohes Ansehen genieBt. Obwohl ich in SOddeutschland, nur zwei Autostunden von Vorarlberg entfernt, aufwuchs , lernte ich Land und Leute erst mehrere Jahre sparer kennen, paradoxerweise erst, nachdem ich in die Vereinigten Staaten gezogen war. Von der Seite meines deutschen Vaters lernte ich schwabischen FleiB und schwabische Sparsamkeit schatzen - Wesensziige, die man im nahen Vorarlberg wiederfindet. Dasosterreichische Erbe meiner Mutte r steuerte Temperament und Hartnackigkeit bei und vermittelte mir eine Vorliebe zu ihrem Herkunftsland. DasArchitekturstudium an der universitat Stuttgart weckte mein starkes Interesse an Baukonstruktion, Tragwerkslehre, Materialien und Nachhaltigkeit. Angesichts meines familiaren Hintergrunds und meiner Ausbildung war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Architektur Vorarlbergs meine Aufmerksamkeit wecken wOrde. Seit meinem ersten Besuch bin ich vom «Landle» und seinen Bewohnern fasziniert. Besonders spricht mich die lokale Bau- und Handwerkstradition Vorarlbergs an und die Art und Weise, wie sie zur Entwicklung einer eigenstandigen und zeltgenosslschen Architektursprache beigetragen hat. Ohne Anspruch auf Vollstandigkeit versucht dieses Buch, einen Oberblick tiber die architektonische Geschichte und Kultur der Region zu geben . obwohl Vorarlberg vor den gleichen okologischen, sozialen, kulturellen und okonomischen Problemen steht wie andere Teile der Welt, hat das Bundesland doch einmalige Losungen entwickelt, die auch anderen als Inspiration dienen konnen. Ich hoffe, dass der Leser mir die uneingeschrankte Begeisterungfilr das PhanomenVorarlberg nachsehen wird, das in den Augen vieler immer noch ein architektonisches Paradies ist. Ulrich Dangel Austin, Texas, FrOhjahr 2009

8

1

volkssc hule Doren Cukrowic z Nachba ur Kirchdo rf 2. 6933 Doren

Deutschland 2 SkihOtte Schneggarei Katia Schne ider + Gerol d Schneider, All meinde Archite kt ur, Phil ipp Lutz Tannberg 629. 6764 Lech am Arlberg

3 Pfarrk irche St. Ulr ich Chris t ian Lenz Hauptstra6e 15. 6840 Glltzis 4

Haus ROscher Oskar Leo Kaufmann . Albert ROf 6882 Schnepfau

5 Dorfzentrum Obersaxen Matth ias Hein DorfstraBe 2, 6830 Obersaxen 6 OlpererhOtte Hermann Kaufmann Dornauberg 110. 6295 Ginzl ing

7 Gemeindezen trum SI. Gerold Cukrow icz Nachbaur FaschinastraBe 100. 6722 St. Gerold 8 8adehaus Metzler Marte Mart e Clun iastraBe. 6830 Rankweil ·8rederis 9 SYSTEM3 Oskar l eo Kaufmann , Albert ROf Jahngasse 9. 6850 Oornb irn 10 Haus Rauch Planungsgeme inschaft lehmhaus: Roger 8oltshauser, Mart in Rauch Torkelweg 17, 6824 Schllns 11

Schweiz

Gasthof Krone 8ernardo 8ader Am Platz 185, 6952 Hittisau 12 Gemeindezentru m ludesch Hermann Kaufmann Raiffe isenstraBe 56, 6713 ludesch 13 Wohnanlage Fichtenweg Hans Hohenfellner Fichtenweg. 6780 aarthotomaberg -nantscnter 14 Gemeindehaus Raggal Johannes Kaufmann Raggal31. 6741 Raggal

17 Wohna nlage MOhlweg Hermann Kaufmann + Johannes Kaufmann MOhlweg, 1210 Wien lB Hugo Kle inbrod Aust ria·Kapelle Hugo ·Dworzak SchOtzengartenstraBe 21.6890 lustenau 19 l ogist ikzentrum Tschabru n Chr ist ian Lenz Bundesstra6e 102, 6839 Rankweil

15 wohnpark Sandgrubenweg, Bregenz Gerhard Hllrburger, Helmut Kuess. wolfgang Ritsch, Norbert Schweitzer Mariahil fstr a6e 17a·d, 6900 Bregenz

20 Krankenhaus Dornb irn Gohm Hiessberger Lustena uer StraBe 4. 6850 Dornb irn

16 Hauptschule x taus-weuer-rraxern Dietrich Unt ertr ifall er TreietstraBe 17.6833 Klaus

21 Nordwesthau s Baum schlager Eberle HafenstraBe 18, 6972 FuBach

o I o

5 I

I

10

9

ra un

u(un

Volksschule Doren Vom Holz lernen Cukrowicz Nachbaur

sklhiitte Schneggarei, Lech am Arlberg Auf alte Traditionen bauen Katia Schneider + Gerold Schneider, Allmeinde Architektur, Philip Lutz

pfarrkirche St. Ulrich, Gotzis Es werde Licht Christian Lenz Haus Ruscher, Schnepfau Tradition neu interpretiert Oskar Leo Kaufmann, Albert RLif Dorfzentrum ilbersaxen Harte Schale, weicher Kern Matthias Hein

olpererhlltte, Ginzling Niedrigenergie in groBer Hohe Hermann Kaufmann

12 Tradition und Zukunft

Das BundesLand VorarLberg

,

Bl

IT

Pfar

It

t

d

It

1

1l'11 (H

I1t

rmann

auf

en 8r

art r

('nll

w ld

rn n Fill a thot Adl r ehw fzp.nh r eufm mn)

rr

r

Ren

rer

n~

Vorarlberg liegt an den nordwestlichen Hangen der Osterreichischen Alpen und grenzt an Deutschland, die Schweiz und Liechtenstein. Das Bundesland ist zwar das zweitkleinste Osterreichs, aber - nach Wien - auch jenes mit der hochsten sevolkerungsdichte. Insgesamt 368 000 Menschen [IJ, gerade einmal so viel wie in einer mittelgroBen europaischen Stadt, leben hier auf einer Flache von rund 2600 Quadratkilometern . [IIJ Geografisch ist Vorarlberg vom Rest Osterreichs abgesondert: Neben dem Eisenbahnund StraBentunnel durch den Arlberg existieren nur drei PassstraBen als Verbindung in das benachbarte Bundesland Tirol. Aufgrund der isolierten Lage sprechen die meisten Einwohner einen eigenen deutschen Dialekt, der fur viele andere Osterreicher schwer verstandlich ist . Er ahnelt den alemannischen Dialekten, die in der Schweiz, in liechtenstein, im franzosischen Elsass sowie in groBen Teilen sildwestdeutschlands gesprochen werden, wahrend im ubrigen Osterreich fast ausschlieBlich bairische Dialekte gesprochen werden . In Vorarlberg selbst haben viele stadte und Dorfer erkennbare sprachliche Besonderheiten. Mit seiner alpinen, gebirgigen Landschaft bietet das Bundesland keine gunstigen Bedingungen fiir eine intensive Landwirtschaft. [llAuch nennenswerte sodenschatze sind nicht vorhanden. Jahrhunderte lang konnte die Region die sevolkerung nicht ausreichend ernahren , deswegen verlieBen die jungen Leute ihre Heimat, um in den reicheren Nachbarregionen und -Iandern als Saisonarbeiter ihren Lebensunterhalt zu verdienen . Trotz der starken landwirtschaftlichen Pragung setzte die Industrialisierung in Vorarlberg schon zu Beginn des 19 . Jahrhunderts ein; im Vordergrund stand dabei vor allem die Textilfabrikation , die sich auf die traditionelle Herstellung von Leinen und das handwerkliche Kannen der bauerlichen sevolkerung stOtzen konnte , die zunehmend als Heimarbeiter Textilien und andere Produkte fur die Industrie herstellten . Bis ins 19 . Jahrhundert war das Land nur dunn besiedelt, und die einheimische sevolkerung blieb weitgehend unter sich. Die Begradigungdes Rheins, der sau von Eisenbahnlinien und der Einsatzvon Wasserkraft bildeten die Grundlage fUr ein eigenstandiges wirtschaftliches Wachstum und fOhrten zu einem Zustrom von Arbeitsmigranten , insbesondere aus Italien und der Turkel. [IIIJ Heute ist Vorarlberg die am starksten industrialis ierte Region Osterreichs, zugleich wird hier mit dem geringsten Energieverbrauch produziert . ungefahr 96 Prozent des benotigten Stroms stammen aus Wasserkraftwerken, die sich im Tal der III konzentrieren. [Ivl Von den 169 000 Menschen, die in Vorarlberg einer Beschaftigung nachgehen, arbeiten nur mehr 3000 in der Land- und Forstwirtschaft, wahrend 67 000 in der Textilindustrie, in der Elektroindustrie, im Maschinenbau sowie im Baugewerbe tatig sind . [v] Die Pro-Kopf-Produktion an Exportgutern ist viermal so hoch wie in den USA oder Japan und wird nur noch von der Schweiz ilbertroffen .

13

Font~nella.

Sonntag und R"l!8"I,m G.oG n W I, •• tal

14 Tradition und Zukunft

Angesichts der geringen GroBe Vorarlbergs magesGberraschen, dasshier in den letzten dreiBig Jahren eine zeltgenossische, innovative Architektur entstanden lst, die ihresgleichen in ganz Europa sucht. Eine Reihe wegbereitender Architekten, die tief in den alten, bauhandwerklichen Traditionen der Region verwurzelt waren, entwickelten eine ausgepragt technische, kosteneffiziente und funktionale Formensprache, aus der sich eine einzigartige architektonische Kultur herausbildete. Mit diesen einmaligen Voraussetzungen ist dasLand heute einVersuchsgelande, in demArchitekten und Bauhandwerker nach der symbiotischen Verbindung einer spezifisch regionalen Architektur mit einer progressiven architektonischen Formensprache streben. DarGber hinaus geht es um den Ausgleich zwischen Technologie und okologie und zwischen den WohnbedGrfnissen der sevolkerung und den Erfordernissen der lndustrie : Die heutige Architektur

Die zeitgenossische Architektur in Vorarlberg ist das Ergebnis einer beispiellosen regionalen Entwicklung, die in den 196oerJahren einsetzte. 1m Verlaufvon drei Jahrzehnten wurden ortliche Architekten durch systematische Arbeit zu Experten des technologischen, kosteneffizienten und funktionalen Bauens. Ihre Werke beruhen dabei nicht auf rein asthetischen Gesichtspunkten, sondern in erster Linieauf der BerGcksichtigung der EinflGsse, die von der heutigen Bauindustrie und der Produktionstechnologie ausgehen. Die Konzeption der Raume folgt nicht kurzlebigen, oberflachlichen Formalismen, sondern geht aus der Analyse und Integrat ion von Konstruktion, Montage und Funktion hervor. Grundlage der EntwGrfe sind konstruktive Effizienz, die maximale Nutzung von rnoglichst wenigen Ressourcen und die BedGrfnisse der Auftraggeber; im Ergebnis entstehen so einfache, aber sehr funktionale Raume. Diese raffinierte Einfachheit ist keineswegs nGchtern oder primitiv, vielmehr trifft auf sie genau der Satz des deutschen Architekten Heinrich Tessenow zu: «Das Einfache ist nicht immer das Beste, aber das Beste ist immer einfach.» Die Gruppe vonArchitekten, die die Pionierarbeit leistete,stand in einem grundsatzlichen Widerspruch zueinem formalen Regionalismus, der sichauf missverstandene Traditionen stGtzte. Ihr ging es nicht um eine Wiederholung tradit ioneller Formen, sondern darum, traditionelle Prozesse und Prinzipien ftlr die Gegenwart zu adaptieren und weiterzuentwickeln. 1m Zusammenspiel von Architekten und Handwerkern gelang es, die ortliche Tradition des Holzbaus fiir die BedGrfnisse zeitgen6ssischen Bauens zu erschlieBen. Vorarlbergs Architektur ist darin einzigartig, ausgesprochen moderne Tendenzen wie die Modulbauweise oder den Einsatz neuester baulicher Komponenten aufzunehmen, ohne dabei die traditionellen handwerklichen Fertigkeiten und Wohnhaustypologien der Region aufzugeben oder zu vernachlassigen. Das harmonische Miteinander von altem Baubestand undzeitgen6ssischen Interpretationen beweist , dass mandieTradition respektieren kann, ohne sich von dem modernen Leben abzuwenden . [3-5J

15

S Hau Stur z, Dalaa (Gohm HI'S berger)

4 F uerwehr und Bergrettung naus Mellau (Dietrich untertnfaller )

16 Tradition und Zukunft

8

,

17

Zu Anfang entwickelte sich dieser kritische Diskurs im Zusammenhang kleiner, privater Bauprojekte , bei denen die Architekten ihre Ideen und Konzepte gut erproben konnten . Hier wurde ein unschatzbares Wissen erworben, welches den erfolgreichen Obergang zu gr6Beren und komplexeren Bauprojekten fOr Investoren und 6ffentliche Trager erm6glichte. [VI] Diese einmalige Entwicklung war allerdings nicht nur den Architekten allein geschuldet: Aufgeklarte Bauherren, ein diskussionsfreundliches Klima, kooperationswillige Beh6rden und ein ausgepragter Konsens hinsichtlich asthetischer Werte und eines sparsamen Energieverbrauchs trugen zur wertschatzung und F6rderung einer zeitgen6ssischen und nachhaltigen Architektur auf allen gesellschaftlichen Ebenen bei,

If

oNlrt

Dastraditionelle Zimmerhandwerk hat den Obergangzu modernen Fabrikationstechniken erfolgreich bewaltigt, Es spielt eine aktive und wichtige Rolle im Planungs- und Gestaltungsprozess , indem es ein sehr hohes Niveau handwerklichen K6nnens vorgibt. Viele weitblickende Produzenten von Bauholz arbeiten engagiert mit Architekten zusammen , um ihre Produkte zu verbessern und deren Einsatz zu fOrdern. Die Vorfertigung spielt eine sehr wichtige Rolle, sie beruht aber auf den maBgeschneiderten L6sungen des Zimmerhandwerks und nicht auf billiger, industrieller Massenproduktion. [VII) Viele Hersteller bieten komplette Fertighaus-Bausatze an, die in der Zusammenarbeit mit Architekten entwickelt wurden . [6- S) Durch den ROckgang der traditionellen Landwirtschaft wurden viele Jahrhunderte alte Holzgebaude Oberall in der Region OberflOssig. Sisvor kurzem wurden sie einfach abgerissen. Gleichzeitig ist beim Nachkriegsbaubestand der 1950er und 1960er Jahre das Ende der Nutzung absehbar, da sebaudehutten und Energiesysteme dieser Gebaude nicht mehr den heute geltenden Baubestimmungen entsprechen. Deswegen wid men sich junge Architekten heute zunehmend der sensiblen Renovierung und Umnutzung solcher alten cebaude und legen auf Okologie, Nachhaltigkeit und den sparsamen Verbrauch von Ressourcen gesteigerten Wert. Die Anpassung dieser wertvollen historischen oebaude an die heutigen baulichen Standards stellt technische Herausforderungen dar und verlangt kreative gestalterische L6sungen. Der arbeitsintensive und oft schwierige Prozess der Restaurierung und Erhaltung halt traditionelles handwerkliches K6nnen am Leben, erzeugt neues, hoch spezialisiertes Expertenwissen und fOhrt zum Einsatz neuer Technologien auf dem Gebiet der Restaurierung historischer Gebaude. [VIII] Dem «Landte», wie Vorarlberg von seinen Einwohnern liebevoll genannt wird, ist es gelungen , neue architektonische Standards und neue handwerkliche Fertigkeiten zu entwickeln, indem hier erfolgreich an vorhandene Traditionen angeknOpft wurde.

v

it

nun

.1

j[

Anu d r vorar ber ier L'ode nll.Rl(~rLJn Abl All~ m IfH haft ,n,u I 'f nh It , B rt ch En r I En f If t"n h I wWW.v r lrlbt: r t • Okt bur

W"t

All

VII

1

abo

halt k arnrn r Vo"rlb"~. vor rlber 0 (WWW wko at IOj(. }()O )

traugou zecn.

Ookument atron

Ge pil

hall. 1

(j

Hollbautt~n III

vor artberg

In lahl n

[In

r letzten 20 Jahre (Fptdklrch RhellclI

'S

VIII v~l 0 t

KapfmRer xon t ukuve Provok atron Bauen In vorartberg. hg v vorarlberger Arcrutektur msutut (Salzburg Anton Pu, tet 200J). bes Nell

New

Raum

d r Archltektur

18

volksschule Doren Cukrowicz Nachbaur

Vom Holz lernen Die kleine Gemeinde Doren liegt im Bregenzerwald, einer Gebirgskette der nord lichen Kalkalpen . In diesem Tell Vorarlbergs leben die meisten Menschen vom Tourismus und der Landwirtschaft, auch wenn die zahl der Beschaftigten in der Landwirtschaft aufgrund der vielfaltlgen Arbeitsangebote im nahegelegenen Rheintal rapide abnimmt. Dorens neue volksschule liegt an einem steilen Hang im Dorfzentrum direkt neben Kirche, pfarrhaus und Gemeindeamt und bietet einen weiten Blick auf die umliegenden GebirgszOge. Das bauliche Programm umfasste eine Turnhalle , einen Kindergarten, vier Klassenzimmer, zwei Werkraume, einen Mehrzweckraum und ein Lehrerzimmer - eine groBe Herausforderung angesichts des sehr kleinen GrundstOcks. Mit ihrem Entwurf eines kantigen, kompakten Gebaudevolumens gingen die Architekten Andreas Cukrowicz und Anton Nachbaur-Sturm im Jahr 2001 als Sieger aus dem Wettbewerb hervor, an dem sich 17 weitere BOros beteiligt hatten. Ihr Entwurfverbindet aile Funktionen auf fOnf Geschossebenen und nutzt das abschOssige Gelande, um die Gesamthohe des Gebaudes zu reduzieren. Auf den ersten Blick scheint die neue Volksschule mit der landlichen Bautradition des Bregenzerwalds zu brechen. Tatsachlich aber vervollstandlgt sie das Ensemble aus Kirche und Gemeindeamt und stellt so den Charakter des Ortskerns wieder her. Der Massivbau spielt mit Themen des Drehens und des Oberlagerns von Schichten in der Horizontalen und Vertikalen . In jedem Geschoss ergibt sich ein anderer gerahmter Ausblick in die Landschaft. Durch diesen Orientierungswechsel ergeben sich innerhalb des einfachen cebaudevotumens ansprechende raumliche Beziehungen. Dank des

--.

••

o

/

{I M 1:1500

20 volksschule Doren

starken Gelandegefalles hat das Gebaude Eingange auf verschiedenen Ebenen, durch die zwei Hauptorientierungen vorgegeben sind: Der Eingang zur Turnhalle auf der unteren Ebene ist nach SOden ausgerichtetund wendet sich dem Platz zu, wahrend der eine Ebene hohere Haupteingang sich nach Osten der Kirche zuwendet. Die groBen, nach SOden orientierten Fenster in den Klassenzimmern geben den Blickfrei auf die Gebirgsziige in der Ferne. Durch die kompakte Gestalt des oebaudes werden die Verkehrsflachen zugunsten der programmatischen Funktionen minimiert. Das raumsparende fensterlose Treppenhaus erschlieBt aile Ebenen und flihrt zu groBzOgig bemessenen Korridoren, in denen die Garderoben fllr die SchOler untergebrachtsind. Diese Korridore sind breit genug, dass sie fllr projektbezogene Aktivitaten auch als Erweiterung der Klassenzimmer genutzt werden k6nnen. Die Architekten lieBen die Vorarlberger Schulbauverordnung auBer Acht, die eine Raumhohe von mindestens 3,20 m vorschreibt, und unterschritten sieum 10 Prozent auf 2,90 m. Diese Reduzierung wurde von den Beh6rden gebilligt, weil ein mechanisches BelOftungssystem eingebaut wurde, wahrend die Bauverordnung von einer ausschlieBlichen FensterlOftung ausging. Durch die niedrigeren Decken konnte der Bauk6rper insgesamt verkleinert und somit besser an die umliegenden cebaude angepasst werden . Der mit einer Natursteinmauer eingefasste, neu angelegte Dorfplatz dient nicht nur als Schulhof, sondern bildet zugleich das neue gesellschaftliche und kulturelle Zentrum der Gemeinde, wo veranstaltungen und Feste stattfinden. Konstruktion

1m Bregenzerwald haben Pfarrer, BOrgermeister und Lehrer auch heute noch einen gewissen Stellenwertund eine Machtposition inne. Beim Entwurfder neuen volksschule haben Cukrowicz Nachbaur denn auchdie Tradition aufgegriffen, die Gebaude ftlr diese drei saulen der d6rflichen Gesellschaft in Massivbauweise zu errichten. Die tragenden Aufienwande des Gebaudes bestehen aus Sichtbeton. 1m Innern unterteilen zwei setonwande die einzelnen Geschosse. Indem sie durch die gesamte Breite des Gebaudes gefOhrt sind, fungieren sie als raumhohe Trager fur das darOber befindliche Geschoss. 1m jedem Geschoss sind diese Trager zur horizontalen ErschlieBung mit einer groBen Offnung versehen. Das Zie! bestand darin, auf kleiner Flache und in einer kompakten Hlllle mit freier Spannweite aile geforderten Funktionen unterzubringen und dabei auf zusatzliche StOtzen im Innenraum zu verzichten.

n n

M 1:400

21

fYY t AttAHA ttt» lfi AyWN/01Nil0l,HJA "~ /. /. 0' i!/J ~//)f %. &-