Mutter und Kind: Wie man heikle Gegenstände mit Kindern behandeln kann [5.–10. Tsd. aus ndl. “Moeder en kind”. Reprint 2020] 9783111573397, 9783111201412

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Mutter und Kind: Wie man heikle Gegenstände mit Kindern behandeln kann [5.–10. Tsd. aus ndl. “Moeder en kind”. Reprint 2020]
 9783111573397, 9783111201412

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Mutter und Kind Wie man heikle Gegenstände mit Kindern behandeln kann Mit einem Vorworte von Georg Sticker

5.—10. Tausend

Verlag von Alfred Töpelmann in Gießen

Die erste Tugend ist Wahrhaftigkeit. So habt den Mut, In allem wahr zu sein; denn das ist groß und gut. N. Beets.

-s Die Frau, welche dieses Büchlein schrieb, hatte eine gute Absicht. Sie wollte zeigen, wie die Mutter, der am Vertrauen ihres Kindes gelegen ist, verhüten könne, daß es vor ihr Geheimnisse und besonders gefährliche Geheimnisse habe. Sie wollte zeigen, wie die Eltern mit ihren Kindern das Natürliche natürlich besprechen müssen, wie sie auf ernste Kinderfragen ohne Lug und Schaden antworten, eine schändliche Aufklärung durch große oder kleine Jugendverderber verhüten können. Als der Verleger mir vor drei Jahren die deut­ sche Übersetzung des Büchleins vorlegte mit der Ditte,

meine Meinung darüber zu äußern, schrieb ich ihm folgendes: „Mich dünkt, daß das Büchlein wohl wert sei, verbreitet zu werden. Es wird jeden, der für den Gegenstand ein Herz hat, ergreifen und zu inni­ gem Nachdenken und ernster Nutzanwendung an­ regen. Viele werden wohl beim Lesen hier und da stutzen und sich fragen: Muß man in der Befriedigung der kindlichen Neugier soweit gehen, wie es die Ver-

fassen« tut? Und sicher werden die Eltern, denen das moralische Übergewicht über ihre Kinder abgeht, lieber dem Zufall die Aufklärung überlassen. Aber die Eltern, die ihre Pflicht als natürliche Beschützer und Berater ihrer Kinder ernst nehmen, werden einsehen, daß gegenüber der unbarmherzigen Neugier der klei­ nen Frager kein Mittel ehrlicher und unschädlicher ist als das, welches die Verfasserin darlegt." Ich meinte also, über die Notwendigkeit einer Unterweisung der Kinder in geschlechtlichen Dingen dürfte kein Zweifel sein.

-s Inzwischen ist diese Notwendigkeit von vielen Er­

ziehern so stark betont worden, daß sie die Unter­ weisung von der Schule verlangen und als Gegen­ stand des Volksschulunterrichtcs durchsetzen wollen.

Hierfür stimme ich nicht.

Ich behaupte vielmehr

und verlange, kein Dritter habe ein Recht, mit den Kindern ohne Aufforderung ihrer Eltern über diese Dinge zu sprechen; dagegen sei es Pflicht der Eltern,

ihren Kindern zu verbieten, von anderen als von ihnen selbst sich über das Geheimnis der Kinderentstehung

und des Unterschiedes der Geschlechter belehren zu lassen. Dabei ist nicht ausgeschlossen, daß der naturwissenschaft­ liche Unterricht in der Schule auf die Entwicklungs­ geschichte der Pflanzen und Tiere und Menschen eingehe.

Jedenfalls kann man über Zeitpunkt, Form und Vermittler jener Belehrung streiten, darin aber einig sein, daß die Eltern den Kindern zwar nicht immerund sofort eine Antwort, aber unter allen Umständen Wahr­

haftigkeit schuldig sind. Eine Unwahrheit der Eltern ver­ dirbt das Kinderherz mehr als tausend Lügen der Welt. In den Besprechungen, welche dieses Büchlein er­

fahren hat, ist das einstimmig anerkannt worden*). Die erste Auflage ist vergriffen. Das ermuntert den Verleger, eine neue zu veranstalten. Auf seinen Wunsch habe ich, da der Übersetzer inzwischen gestorben ist, das Büchlein nochmals durchgesehen, mit der hol­ ländischen Urschrift verglichen und einige Berichti­ gungen gemacht. Weitere Veränderungen anzubringen

und das Schriftchen etwa nach den Grundsätzen zu ge­ stalten, die ich in meinem Buche „Gesundheit und Er­ ziehung" andeute, oder nach den Vorschlägen, die der treffliche Foerster in seiner „Jugendlehre" entwickelt, wäre wohl gegen den Sinn der Verfasserin und über

die Befugnisse des Herausgebers.

G. St.

Unsere kleinen Lieblinge. „Mama, woher kommen denn die kleinen Kinder?", fragte der kleine Fritz eines Tages. Seine Mutter erschrak zwar über diese Frage, allein sie hatte doch bald eine Antwort bereit: „Die bringt der Storch!" „Woher holt sie aber der Storch?" „Aus einem Brunnen, weit weg von hier!" „Aus einem Brunnen mit Wasser?" „Ja." „Ertrinken denn da die kleinen Kinder nicht?" „Nein." „Friert es sie in diesem Brunnen nicht?" „Nein." „Auch nicht im Winter?" „Nein." „Wer gibt ihnen in diesem Brunnen zu essen?" „Ach, Junge, höre doch einmal auf mit deinen Fragen!" Fritz hörte nun freilich auf mit seinen Fragen, allein er fuhr fort, über den sonderbaren Fall nach­ zudenken: kleine Kinder in einem Brunnen voll Wasser, die darin nicht ertrinken und im Winter nicht frieren! Wie viele Fragen hätte er darüber noch stellen mögen. Schwammen diese Kinder? Hatten sie Kleider an? Spielten sie mit den Fröschen? Ließ der Storch ein

solches Kind nicht fallen?

Woher wußte der Storch

so genau, wohin er die Kinder bringen mußte? -g, Die Mutter dachte über Fritzens Frage nicht weiter

nach. Sie war froh, ihn mit demselben einfältigen Gerede abgefunden zu haben, womit man sie selbst in ihrer Jugend abgefunden hatte. Sie schien sich nicht mehr zu erinnern, wie sie später von Freundinnen nicht nur das, sondern noch viele andere Dinge vernommen hatte, die ein Kind nicht zu wissen braucht; sie schien vergessen zu haben, daß sie nach dieser Zeit anfing, vor ihrer Mutter Geheimnisse zu haben. Es war ihr

gegangen, wie es den meisten geht; sie gab Fritz die Antwort, welche die meisten Mütter ihrem Kinde auf

eine solche Frage gegeben hätten, und es wäre ihr

sonderbar

vorgekommen,

wenn ihr jemand gesagt

hätte, sie habe damit verkehrt gehandelt, -s Nicht lange nach dem erwähnten Gespräch erzählte der Lehrer den Kindern in der Schule eine Geschichte;

er sprach von einem Storch, der sich mit seinen Jungen verbrennen ließ, weil er nicht im stände war, sie aus dem Neste zu tragen. „Aber Herr Lehrer", rief da auf einmal der Jüngste der Klaffe, unser kleiner Fritz,

„die Störche tragen doch kleine Kinder, warum konnte denn dieser Storch seine eigenen Kinder nicht tragen?" Es entstand ein allgemeines Kichern.

Es war nicht

ein Kind in der Klasse, das nicht alles verstand. Bloß

der Lehrer begriff nicht sofort, was Fritz meinte und sagte: „Ich habe noch nie von Störchen gehört, welche Kinder tragen." „Ja wohl, Herr Lehrer", sagte Fritz,

„meine Mutter hat es gesagt, sie holen die Kinder aus einem Brunnen und bringen sie den Menschen." Aufs neue kicherten alle Kinder.

Der Lehrer aber,

dem nun ein Licht aufging, sagte, weil er in dem Herzen des kleinen Jungen den Glauben an seine

Mutter nicht erschüttern wollte: „Nun, das ist eben eine andere Art von Störchen, der gewöhnliche Storch ist nicht so stark."

Allein die Kinder aus Fritzens

Klasse waren nicht so zartfühlend wie der Lehrer; kaum war die Schule aus, so umringten sie Fritz

und lachten ihn aus. Sie hießen ihn einen Dumm­ kopf und fragten ihn, ob er denn alles glaube, was seine Mutter ihm sage, und der größte von ihnen er­ zählte ihm auf die roheste Weise die Wahrheit. Fritz fühlte sich bitter gekränkt, nicht so sehr wegen

des Spottes seiner Kameraden, als deshalb, weil sie sagten, seine Mutter habe ihm etwas weisgemacht. Fritz war ein feinfühlendes Kind, sein kleines Herz blutete bei dem Gedanken, seine Mutter, das Vorbild von Vollkommenheit, habe ihm die Unwahrheit gesagt. Nach Hause gekommen, fragte er: „Ist es wahr,

Mama, ist das von dem Storch nur ein Geschwätz und bin ich aus deinem Leibe gekommen?" Die Mutter war wie vom Blitz getroffen. „Wer hat dir das

gesagt?" Da erzählte Fritz, was in der Schule vor­ gekommen war und was ihm die Jungen nach der

Schule gesagt hatten. Selbst jetzt konnte es seine Mutter nicht über sich bringen, mit ihrem unverdor­ benen Kinde über natürliche Dinge natürlich zu sprechen. „Wenn du mir wieder mit solchem gemeinen Ge­ schwätz kommst, werde ich dir tüchtige Schläge geben."

Fritz kam auch nicht mehr mit einem solchen Ge­ schwätz nach Hause. Der Verdruß über die Unauf­

richtigkeit seiner Mutter nahm bald ab und Fritz wurde wie die meisten anderen Kinder; er fand ein Vergnügen daran, mit seinen Kameraden des Langen und Breiten über die geheimnisvollen Dinge zu sprechen, über welche ihm seine Mutter keine Aufklärung geben wollte, viel länger und viel breiter, als für Kinder gut ist.

Er fing an, Geheimnisse vor seiner Mutter

zu haben. Er hatte sie zwar immer noch gern, denn sie war eine besorgte Mutter und er war ein lieber Junge, allein mit der ehrerbietigen Liebe und dem un­

begrenzten Vertrauen seiner Kinderjahre war es aus.

„Mutter, woher kommen die kleinen Kinder?" fragte Dietrich. Die Mutter war einen Augenblick überrascht, allein sie hatte doch bald eine Antwort bereit; denn sie hatte diese Frage erwartet und dar­ über nachgedacht, wie sie sie beantworten könne.

Ihr Mann hatte in einer Zeitschrift etwas darüber gelesen und sie hatten öfter miteinander darüber ge­ sprochen. Es kam ihnen anfangs so seltsam vor, einem Kinde die volle Wahrheit zu sagen, allein je mehr sie darüber nachdachten, um so deutlicher wurde es ihnen, daß die Wahrheit in jeder Hinsicht das Beste ist, und sie waren miteinander übereingekommen, ihr Kind nach bestem Wissen aufzuklären. Als dem­

nach Dietrich diese Frage tat, sagte seine Mutter: „Schau, Junge, gerade so, wie die Früchte an den Bäumen wachsen, so wachsen auch die kleinen Kinder

in dem Leibe der Mutter." Das Kind nickte mit dem Kopfe, als wollte es damit sagen, daß es die Sache verstehe und ganz natürlich finde. „Aber, Mama", fragte Dietrich weiter, „wie kommen sie denn heraus?" „Wenn das Kind groß und stark

genug ist, um aus der Mutter herauszukommen, dann öffnet sich ihr Leib von selbst und das kleine Kind

kann heraus."

„Aber das tut ja weh, Mama!"

„Freilich tut das weh, die Mütter sind auch immer

längere Zeit krank davon." „Mama, habe ich Dir auch so weh getan?" „Gewiß, lieber Junge." „Bist du jetzt noch böse auf mich?" „Böse!" rief die

Mutter aus, indem sie ihr Kind herzlich umarmte, „nein, dummer Junge, du konntest ja nicht dafür.

Alle Mütter leiden Schmerzen, wenn daS Kind ge­

boren wird, allein sie vergessen vor Freuden alle Schmerzen, sobald sie ihr Kind sehen. Komm, sieh nur nicht so traurig drein und lache wieder, schau, deine Mama lacht auch." Allein Dietrich konnte nicht so schnell lachen. Der Gedanke, daß er seiner lieben Mama solche Schmerzen verursacht hatte, machte ihn ernst und nachdenklich. Und als ihm eines Abends seine Mutter nach einem guten Essen einen Kuß gab, schlang er seine Arme um ihren Hals und sagte: „Ach liebe Mama, ich habe dich so gerne, noch mehr

als früher." -s Ja, auch diese junge Seele hatte Schmerz emp­ funden bei der Antwort, die sie auf die große, ernste Frage über den Ursprung ihres Daseins erhalten hatte. Allein es war kein Schmerz über eine erlittene

Täuschung, es war ein Schmerz darüber, daß die

Mutter wegen ihres Kindes hatte leiden müssen. Dietrich fühlte sich nicht zurückgestoßen und nicht ent­ täuscht, im Gegenteil, er gewann seine Mutter noch

mehr lieb. Er brauchte keinen Unterricht in einer un­ nötigen Wissenschaft bei seinen gleichalterigen Kame­ raden zu nehmen, denn seine Mutter sagte ihm, was er vorläufig wissen konnte und durfte. Er hatte kein

Geheimnis vor ihr, weil sie keines vor ihm hatte. Er wurde nicht bloß ein guter Sohn, er wurde auch der Freund seiner Mutter. Die ehrerbietige Liebe und das unbegrenzte Vertrauen seiner Kinderjahre wurde bei ihm durch nichts erschüttert.

Mütter, werfet diese kleine Schrift nicht unwillig weg, wenn Ihr nicht mit ihr einverstanden seid. Leset

dieses Stück noch einmal und bemühet Euch, zu be­ greifen, was ich will. Es wäre über diesen Gegen­ stand noch viel zu sagen und, wenn Ihr es wünschet,

so werden wir noch ausführlicher darauf zurückkommen. Doch eins lasset mich Euch jetzt noch sagen: ich habe es selbst erfahren und weiß von anderen Müttern, daß sie genau dieselbe Erfahrung gemacht haben, nämlich,

daß gutgeartete Kinder viel herzlicher gegen ihre Mutter werden, sobald sie wissen, daß diese um ihret­ willen gelitten hat. Das ist eine Tatsache. Ich will nur noch eine Frage an Euch richten: Waren die Belehrungen, welche Eure Jugendfreundinnen Euch

über Sachen gaben, die Eure Mutter Euch verschwieg, auch immer keusch? Und glaubt Ihr nicht, daß eine Mutter, die das leibliche wie das sittliche Heil ihrer Kinder will, allein die rechten Worte finden wird, um ihnen das mitzuteilen, was sic früher oder später doch erfahren müssen?

Von dm Japanern. Dr. W. Dclano Eastlake sagt in einem Aufsatz über die Sitten der Japaner folgendes: „Die Bezie­ hungen zwischen Eltern und Kindern sind ganz natür­ lich, frei und ungekünstelt. Die natürlichen Wahr­ heiten des Lebens werden den Kindern erklärt, sobald sie groß genug sind, um darnach zu fragen. Man hält ihnen nichts verborgen, was sie sonst doch von außen erfahren würden. Die Folge dieser vollständi­

gen Aufrichtigkeit

ist keineswegs eine unnatürliche

Frühreife bei den Kindern, im Gegenteil, sie behalten

dadurch ihre unbewußte Anmut, diese Zierde der Jugend, viel länger als Kinder, welche das verbotene Wissen auf schlimmen Wegen erfahren; daß hierbei Kinder ihre Unschuld einbüßen, steht nur zu deutlich auf dem Gesichte vieler frühreifen und verdorbenen Kinder des Westens zu lesen."

Unschuld und Unwissenheit. Amalie Rives, eine bekannte amerikanische Schrift­ stellerin, empfiehlt in der „North American Review“ beredt die Wahrheit in der Erziehung. Sie will, daß man den Kindern, auch den Mädchen alles erkläre, was auf ihr Geschlecht Bezug hat.

Zum Ausgangs­

punkt nimmt ste einen bekannten Satz Brownings: „Unwissenheit ist nicht Unschuld, sondern Sünde." Sie erklärt, sie habe die Frage jahrelang studiert

und sei zu dem Schlüsse gekommen, daß nicht allein jedes menschliche Wesen das Recht hat, die Gesetze zu kennen, welche seine leibliche Natur beherrschen,

sondern daß dieses Wissen auch das einzige Mittel ist, die Menschen zu lehren, geheime Dinge auf eine reine, unschuldige Weise zu betrachten. „Wie sollte es möglich sein", fragt sie, „daß ein Mädchen, das

ganz unkundig in dem ist, was ihrer in der Ehe wartet, seine Pflichten als Gattin mit Verstand und Herz erfüllen wird, wenn cs dazu berufen wird?

xs „Außerdem muß die Kenntnis der geschlechtlichen

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Vorgänge den Kindern als ein Mittel zur Selbst­ verteidigung gegeben werden. Eine Mutter, welche das versäumt, handelt ebenso schlecht wie eine Löwin täte, die ihren Jungen die Krallen ausziehen würde, um sie wehrlos wie Tauben zu machen, ohne zu bedenken, daß sie nicht, wie die Tauben, Flügel

haben, um den Gefahren zu entgehen, gegen welche sie sich mit ihren Klauen hätten verteidigen können." «e. Wenn daher Kinder neugierig sind und Fragen

stellen, dürfen sie nicht gescholten oder bestraft werden,

sondern man muß ihnen in der betreffenden Sache so

viel mitteilen, wie sie in diesem Augenblick vertragen können. Indessen sagt man ihnen gewöhnlich bei einer solchen Gelegenheit, sie seien freche Kinder und brauch­

ten nicht nach solchen Sachen zu fragen.

Das derart abgewiesene Kind aber geht hin und überlegt sich diese Dinge bei sich selbst oder spricht mit seinen Kameraden darüber, die in neun von zehn Fällen seine Phantasie mit unreinen Vorstellungen erfüllen oder ihm viel mehr erzählen, als ein Kind zu

wissen braucht.

Hat das Kind eine edle Natur, so

wird das, was es von seinen Kameraden erfährt, es mit einer Art Trauer und Ekel erfüllen, in den meisten Fällen aber wird es in ihm den krankhaften Wunsch

erregen, immer mehr davon zu hören, und dieser ent-

wickelt bei den Kindern jenen verdorbenen Geschmack, jene Unaufrichtigkeit, jenes Heucheln von Unwissen­ heit, jenes heimliche Stöbern in verbotenen Büchern und andere unkindliche Dinge. Was aber noch schlim­ mer ist, das Urteil der jungen Männer über die jungen Mädchen wird gefälscht, die Ehrerbietung gegen die Frau wird bei ihnen untergraben, und die Folge davon ist, daß oft die unschuldigsten Worte und Hand­ lungen eines Mädchens auf die unedelste Weise auf­

gefaßt und ausgelegt werden.

Ein Bruchstück aus einem Briefe. „Die Kinder haben mit allen menschlichen Wesen einen guten Teil Neugierde gemein. Wenn diese zu Fragen über geschlechtliche Dinge führt, werden sie

meistens zurückgewiesen und gescholten, so daß sie auf

eigene Faust nach den Kenntnissen ausgehen, welche ihnen von denen vorenthalten werden, die sie ihnen auf eine zartfühlende Weise hätten beibringen können.

«d „Würden die Kinder ordnungsgemäß über geschlecht­ liche Dinge aufgeklärt, so könnte daraus viel Gutes entstehen. Das Geheimhalten und nicht das Wissen ist zu fürchten. Wenn das Verlangen, etwas zu wissen,

im Kinde sehr groß ist, wird diesem seine Befriedigung auf irgend eine Weise gelingen; ist das Verlangen nicht vorhanden, so wird das Kind in späteren Jahren das Opfer seiner Unwissenheit in bezug auf die wichtig­

sten Verrichtungen deS menschlichen Lebens werden."

Unser kleiner Liebling. „Vater, was ist denn das, der gelbe Staub, der

da an meinen Fingern kleben bleibt?" fragte der kleine Dietrich, während er im Begriffe war, die schöne weiße Lilie zu begießen, welche seine Mutter in einen Topf gepflanzt hatte, wobei er die Gelegenheit wahr­ nahm, die schöne, schneeweiße Blume näher zu be­ trachten und zu betasten. -I Ja, dieser gelbe Staub an der Blume, was war das doch? Heinrich wußte es nicht. Er hatte die Fragen seines jungen Sohnes immer so gut wie mög­

lich beantwortet; was er nicht wußte, hatte er noch gelernt, sei es, daß er leichtverständliche Bücher ent­

lehnte oder kaufte, sei es, daß er gebildete Freunde

zu Rate zog. Allein auf diese Frage wußte er keine Antwort und er hatte auch kein Buch darüber in seiner Bibliothek. Seit indessen Dietrich die einfache Frage getan

hatte, bekam Heinrich Lust, etwas mehr von den Pflanzen und ihrem Leben zu erfahren. Er sparte sich

von seinem Verdienste als Arbeiter so viel, daß er ein einfaches Buch über Botanik kaufen konnte, und mit Hilfe eines ihm bekannten Studenten der Na­ turwissenschaften begriff er nach und nach genug, um Dietrich etwas davon mitteilen zu können. Als daher einige Wochen später Dietrich in einer der Rosen an dem schönen Rosenstock seiner Mutter wieder einen gelben Staub entdeckte und sagte: „Ach, Vater, wie schade ist es doch, daß wir nicht wissen, was das eigentlich ist", antwortete sein Vater freudig: „Junge, ich weiß jetzt alles, höre nur zu. Dieser Staub ist der sogenannte Dlütenstaub, das Mittel, wodurch sich die Blumen fortpflanzen. Er wird gebildet in diesen kleinen Deuteln, sieh hier, welche auf diesen langen dünnen Fäden sitzen. Die Fäden heißen Staub­ fäden und die Deutel Staubbeutel. Diese sind eigent­ lich kleine Fächer, in welchen der Dlütenstaub auf­ bewahrt wird, bis er reif ist, dann brechen die Fächer auf und zerstäuben ihn nach allen Seiten. Leicht wie er ist, wird er durch den schwächsten Wind nach links und rechts geblasen, auch wird er durch Schmetterlinge und Bienen, welche sich auf die Blumen setzen, um Honig zu schlürfen, mitgenommen und auf andere Blumen übertragen. Warum? Schau ein­ mal hierher: mitten zwischen den Staubfäden befindet

sich noch ein anderer kleiner Körper, eine kleine Röhre,

welche oben in eine Art offenen Mund endet und unten in ein kleines Fach oder eine kleine Kammer, wo kleine Körner sitzen, die sogenannten Eichen." Da­ bei ließ Heinrich seinen Sohn die Abbildungen in seinem Buch über Pflanzenkunde sehen und pflückte zugleich die schöne Rose der Mutter auseinander, ob­ wohl sie nicht die geeignetste Blume für den Anfang

war. Allein Heinrich hatte gerade keine andere. Seine Lust zu lehren und Dietrichs Lust zu lernen waren indessen so groß, daß sie es, trotz ihrer schwachen

Hilfsmittel, dennoch zu einem ordentlichen Begriff der Sache brachten. „Die kleinen Eier", fuhr Heinrich fort, „sind die zukünftigen Samen, aus denen wieder

neue Pflanzen derselben Art entstehen, wenn man sie zum Keimen in den Boden legt; allein diese Eier können kein Samen werden, wenn nicht zuvor der

Dlütenstaub aus den Staubbeuteln zu ihnen, ja in sie gedrungen ist.

Schau, die Mündung des Stempels

— so heißt der Dlumenteil, der aus der Eikammer herauskommt — ist klebrig; der Blütenstaub, der

durch den Wind

oder

durch Insekten hingebracht

wird, bleibt also leicht daran hängen, und sobald die Stempelmündung ihn aufgefangen hat, geschieht etwas Wunderbares. Schau, dasjenige, was wir für

Staub halten, besteht in Wirklichkeit aus einer un­ endlichen Menge von kleinen Körnern; durch ein star­ kes Vergrößerungsglas kann man das sehen. Diese

Körner, so klein sie auch sein mögen, bestehen noch aus einem mit Feuchtigkeit gefüllten Häutchen. Auf dem Stempelmund angekommen, verlängert sich dieses Häutchen zu einer Röhre, welche in den Hals des Stempels eindringt und den unendlich kleinen Tropfen Feuchtigkeit bis in die kleine Eikammer trägt, die

man Fruchtknoten nennt. Jedes Eichen ist mit einer ganz kleinen Öffnung versehen; die Feuchtigkeit dringt in das Eichen ein und jetzt erst kann dieses ein Samen,

eine Frucht, werden. Das Eichen ist nun befruchtet,

wie man das nennt, es lebt sozusagen und besitzt alles, was nötig ist, um wieder eine Pflanze derselben Art hervorzubringen. Kommt durch den einen oder anderen Umstand kein Blütenstaub auf den Stempel einer Blüte, bleibt den Eichen also die befruchtende

Feuchtigkeit entzogen, so sterben sie mit den anderen Blütenteilen ab. Ein starker Regenschauer, der beim Aufspringen der Staubbeutel fällt, kann eine ganze Ernte von Getreide oder Obst vernichten. Ein solches Ereignis hat unser Freund, der Student, der auf

dem Lande geboren ist, wiederholt erlebt. Er sah, daß mancher Bauer, dessen Felder herrlich in Blüte

standen, und dessen Zukunft von der Ernte eines Jahres abhing, durch einen einzigen Platzregen bettel­ arm wurde; die Felder und Bäume, welche so viel

versprochen hatten, trugen dieses Jahr keine Frucht. Also schau, Dietrich, dieser schöne gelbe Staub ist etwas ganz Wichtiges in dem Leben der Pflanzen,

und der sicheren Ankunft dieses Staubes bei dem Stempel und in den Eichen der Pflanzen haben wir

cs zu verdanken, daß es Getreide gibt, aus dem man Mehl und Brot macht, sowie Kirschen und Äpfel und Birnen, die wir uns so wohlschmecken lassen." -s Heinrich hatte mit glänzenden Augen gesprochen und freute sich über die schöne Wissenschaft, die zu besitzen er sich nie hatte träumen lassen, Dietrich aber hatte mit glühenden Augen zugehört. „O, Vater, wie schön das ist", sagte er, als Heinrich fertig war,

„weißt du noch mehr?" Sein Vater aber fand, daß es für diesmal genug sei. „Aber", fügte er bei, „weißt du was, Dietrich? Du hast eine Liebhaberei für Pflanzen und ich bekomme wahrhaftig auch Lust, etwas mehr von ihnen zu wissen. Wir wollen mein Buch miteinander studieren. Wenn ich ein halbes Stündchen frei habe, lesen wir ein Kapitel mit­

einander und am Sonntag gehen wir vor die Stadt hinaus und sehen uns die Blumen einmal recht an.

Bist du damit einverstanden?" „Ach, das ist herr­ lich", sagte Dietrich und gab seinem Vater einen Kuß. Der Plan wurde auch ausgeführt. Vater und Sohn gaben sich in freien Stunden mit dem Studium der Pflanzenwelt ab. Sie sammelten allerdings nicht gar viele Kenntnisse, aber doch reichten diese dazu aus,

daß sie sich an manchem Sommerabend damit ver­ gnügten, daß ihr Blick für die Schönheiten der Natur sich erweiterte und Vater und Sohn durch den ge­ meinsamen Genuß einer schönen Wissenschaft zu Freun­

den wurden. Wozu aber ihre botanischen Kenntnisse sonst noch dienten, werden wir im folgenden sehen.

Geheimhaltung, eine Ursache der Unkeuschheit. Es ist das ein schwer zu besprechender Gegenstand, allein, ist es nicht an der Zeit, daß ernstlich Einspruch erhoben werde wider die Geheimtuerei gegenüber der

Jugend beiderlei Geschlechts in bezug auf alles, was Geburt, Ehe usw. betrifft? _a, Es ist eine falsche Scham, welche die Mutter da­ von abhält, ihre Töchter und Söhne über diese Dinge zu unterrichten. Diese Dinge müssen erklärt werden; denn wenn sie so lange wie möglich verborgen gehalten und, so oft es geschieht, immer nur so erwähnt werden, als

sei ihre Behandlung unpassend, werden sie im ge­ heimen untersucht, was sie zu etwas Erniedrigendem

und Unreinem macht. -s Jünglinge und junge Mädchen müssen zur rechten Zeit und von der dazu geeigneten Person, die ohne Zweifel die Mutter ist, damit bekannt gemacht werden

und zwar so, wie es nur die Mutter kann.

Sie

werden jene Dinge dann anders ansehen, als es jetzt nur allzuoft der Fall ist, wie etwas zu heimlichem Lachen, rohem Spaß und Zweideutigkeit. Würden sie mit Ehrerbietung behandelt, würden zugleich Selbst­ beherrschung und Keuschheit eingeprägt, dann herrsch­ ten sicherlich bessere Sitten und ein glücklicheres Leben. Allein die Gewohnheit des Geheimhaltens und Ver­ schweigens, die fast allgemeine Duldung eines un­ keuschen Lebens der Männer, während gefallene Frauen

von einer verdorbenen und heuchlerischen Gesellschaft verurteilt werden, führt sicher dazu, das Übel zu ver­ größern.

Lerne jeder, im Reden und Handeln rein zu sein! Die Jugend ist von Natur zu einem guten und edeln Leben geneigt, bis sie durch schlechtes Beispiel davon

abgeleitet wird, weil kein Unterricht sie dagegen ge­ wappnet hat. Die Folgen eines keuschen Unterrichts würden ohne Zweifel die sein, daß tatsächlich das größte Übel des modernen Lebens abnähme. Manches körperliche und geistige Leiden des heutigen Geschlechts ist eine Folge der unkeuschen Lebensweise früherer Geschlechter. Wenn wir nur die schwere Verantwor­ tung gegenüber den unzähligen Leben, die aus uns hervorgehen, fühlten, dann würden die Menschen den verkehrten Gedanken fahren lassen, daß sie für sich

selbst leben, dann würden sie erwachen zu dem Be­ wußtsein, daß jeder Gedanke Einfluß hat auf die Nach­ kommenschaft so gut wie auf die Menschen unserer

Umgebung.

Unser kleiner Junge. Dem Reinen ist alles rein.

Christus.

Tante Johanna sollte ein Kleines bekommen. Unser Dietrich wußte seit seinen frühesten Kinderjahren, daß kleine Kinder im Leibe der Mutter wachsen und ihr recht viel Schmerzen verursachen, wenn sie groß ge­ nug sind, um den sichern Zufluchtsort zu verlassen und in die Welt einzutreten. Er sprach also in einem ganz natürlichen Tone von dem kleinen Kind, das Tante Jo­ hanna, die er sehr gern hatte, bekommen sollte, und sparte monatelang sein Sonntagstaschengeld, um ein Willkommengeschenk für das kleine Kind zu kaufen, -s Eines Abends befand sich die kleine Familie bei­ einander. Die Mutter nähte ein Kittelchen für Tante Johannas Kind, der Vater las seine Zeitung und sprach dann und wann über das Gelesene, Diet­ rich war mit Zeichnen beschäftigt, woran er viel Ver­ gnügen fand. Auf einmal unterbrach Dietrich die Stille, welche seit einigen Minuten in dem kleinen Kreise geherrscht hatte, durch die Frage: „Mutter,

ich weiß wohl, daß die Kinder aus dem Leibe der Mutter kommen, wie kommen sie aber hinein?" Die Mutter schaute etwas verlegen auf. Wahrheitsliebend und verständig wie sie war, hatte sie über natürliche Dinge immer natürlich und offen mit ihrem Kinde

geredet und ihm nichts vom Storch oder dergleichen vorgelogen. „Wenn er später die »große« Frage tut", hatte sie bei sich selbst gedacht, „werde ich schon Worte finden, um es ihm zu sagen." Und jetzt tat

er die große Frage, ganz unerwartet, so unerwartet, daß sic nicht sofort die rechten Worte für die Wahr­

heit fand, welche sie ihm sagen wollte.

Deshalb

schaute sie ein bißchen verlegen darein. Dietrich, der das für einen Beweis dafür hielt, daß die Mutter es nicht wisse, wandte sich an seinen Vater mit der Frage: „Kannst du es mir sagen, lieber Vater?"

„Ja wohl," sagte dieser, „wir können es dir beide

sagen, denn wir wissen es gleich gut; allein es ist nicht immer gerade leicht, etwas, was man weiß, einem Kinde begreiflich zu machen. Ich glaube in­ dessen, daß ich es dir sagen kann. Soll ich es ihm erklären, Mutter?" „Versuche es", sagte die Mutter, in der vollen Überzeugung, daß Heinrich auf die Sache ebenso ehr­

lich eingehen werde wie sie selbst und vielleicht ge-

schickter, weil er mehr Zeit zum Lesen hatte als sie und aus den Gesprächen mit dem Studenten viel

lernte. „Du weißt wohl noch, Dietrich, was ich dir von den Blumen erzählt habe, von dem Blütenstaub,

dem Stempel und den Eichen? Ja? Nun, dasselbe, was bei den Blumen vorgeht, geschieht auch bei den Menschen. Der Körper der Frau ist mit dem Stempel der Blume zu vergleichen. In dem weiblichen Körper bilden sich von selbst unendlich kleine Eier, aus wel­ chen Kinder entstehen können, wenn diese Eier be­

fruchtet werden, das heißt, wenn eine gewisse Feuchtig­ keit hineindringt, ohne welche sie sich nicht entwickeln können. Diese Feuchtigkeit wird in dem Körper des

Mannes gebildet und durch ihn in den Körper der Frau gebracht. Die Körperteile, womit die Über­

und das Empfangen dieser befruchtenden Feuchtigkeit geschieht, heißen Geschlechtsteile; es sind das dieselben Teile, welche dazu dienen, die überstüssige Feuchtigkeit aus unserm Körper auszuscheiden,

tragung

«e Sobald ein Eichen im Körper der Frau mit dieser Feuchtigkeit in Berührung gekommen ist, entwickelt es

sich

langsam und planmäßig zu einem lebendigen

Kinde. Das Kind wird deshalb auch, und zwar mit Recht, eine Frucht der Mutter genannt. Nichts ist schöner als das Werden des Menschen im Schoße der

Frau.

Das Blut der Mutter strömt durch den Leib

deS Kindes, alles teilt sie mit ihm: ihre Nahrung, ihre Ruhe, ihre Freude, aber auch ihre Schmerzen und Entbehrungen. Darum ist es die heilige Pflicht eines jeden Mannes, durch dessen Zutun eine Frau Mutter wird, sie mit Liebe und Sorgfalt zu umgeben und sie glücklich zu machen, so gut er kann, damit die gesunde und glückliche Mutter ein gesundes und munteres Kind zur Welt bringen kann. Denn wenn auch die Befruchtung auf ganz dieselbe Weise statt­ findet wie in der Pflanzenwelt, so besteht doch ein

Unterschied.

Die Pflanze weiß nicht, was sie tut,

wohl aber der Mensch; der Staubfaden, der seinen Blütenstaub fliegen läßt, bekümmert sich nicht um die

Eichen, welche damit befruchtet werden oder um die Früchte, welche aus diesen Eichen entstehen. Das ist

auch nicht nötig. Die Früchte der Pflanzen sind keine denkenden und fühlenden Wesen wie die Früchte der

Menschen. Aber ein kleines Kind ist ein hilfloses Wesen, das viel Liebe und Pflege nötig hat, ehe es ein Mensch genannt werden darf.

Und der Mann,

der mit der Frau zusammengewirkt hat, um das Kind zu schaffen, muß auch mit ihr die Sorgen und Mühen

teilen, die nötig sind, um das Kind zu pflegen und zu nähren.

Dazu verheiraten sic sich.

-s Gutgesinnte Menschen wählen zur Ehe jemand aus, den sie herzlich lieb haben, der bereit ist, mit ihnen das ganze Leben, auch Mißgeschick und Wider­ wärtigkeiten zu teilen, und mit dem sie gern bis zu ihrem Tode beisammen sein möchten. Eine solche ernste, lebenslängliche Vereinigung ist die Ehe, und

die Kinder, welche durch Menschen, die einander innig lieben, zur Welt gebracht werden, sind sehr glücklich;

denn Vater und Mutter haben sie recht lieb und tun alles, um brave und glückliche Menschen aus ihnen zu machen. So war es zwischen deiner Mutter und mir und ich hoffe, daß du, wenn du ein Mann ge­

worden bist und das Verlangen hast, eine Familie zu gründen, eine Frau findest, welche dir das wird, was deine Mutter für mich gewesen ist." Dabei reichte er seiner Frau über den Tisch hinüber seine Hand und sie wechselten einen Blick voll Liebe. „Du bist jetzt noch ein Kind, Dietrich", fuhr Hein­ rich fort, „und vorerst wirst du dieses Verlangen noch

nicht kennen, aber versprich mir eines" — dabei streckte er Dietrich die Hand hin und sah ihm ernst und herz­

lich in die Augen — „wenn du fühlst, daß du beginnst, ein Mann zu werden, ziehe dann niemand anders ins Vertrauen, als deinen Vater, denn es gibt noch mehr, was ich dir jetzt nicht sagen kann, was du aber

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später wissen mußt, und du weißt ja, daß dir dein Vater immer am besten raten und helfen wird. Wende dich also jetzt und später mit allen Fragen über diesen Gegenstand an ihn und zu ihm allein. Du versprichst mir das, lieber Junge, nicht wahr?" Dietrich aber sagte, ganz unter dem Eindruck von Ernst und Feier­ lichkeit, ehrlich und bestimmt: „Ja!" -s Heinrich hatte sittsam und ruhig gesprochen und Dietrich, der unverdorben war, weil er frühzeitig erfahren hatte, was nötig war, hatte ernst und lernbegierig zugehört, ebenso wie er bei Gesprächen über Tiere und Pflanzen zuhörte. Er fühlte wohl, daß diese neue Wissenschaft für ihn als Mensch eine besondere Bedeutung habe, allein er faßte sie auf als Wissenschaft. Seine unverdorbene junge Seele fand keinen Grund zum Erröten und noch weniger zum Kichern und Geheimnisvolltun bei der einfachen und natürlichen Tatsache, daß die kör­ perliche Vereinigung zweier Menschen einem neuen Menschen das Leben schenkt, gerade wie der Blüten­ staub der einen Blume auf den Stempel der ande­ ren gebracht sicher Früchte werden läßt. Was ihn aber sein Vater Auge in Auge und Hand in Hand in Gegenwart seiner Mutter gelehrt hatte, das schützte ihn als Kind gegen den Einfluß verdorbener

Mitschüler und als Jüngling schlechter Kameraden.

gegen den Einfluß

Dietrich hatte nach diesem Gespräch natürlich noch viel zu fragen, er mußte noch manche Einzelheiten wissen, ehe ihm die wichtige Sache ganz deutlich war. Er richtete dann auch abwechselnd an Vater und Mutter Fragen, so offen, wie nur ein unverdorbenes Kind fragen kann; und in dem Verlangen, aus ihrem unschuldigen Jungen einen reinen Menschen zu machen, fanden sie für alle Antworten immer die geeignetsten Ausdrücke.

Unser kleiner Liebling. Gespräch zwischen Mutter und Tochter. «s „Mutter, wie befindet sich doch das kleine Kind in dem Leibe der Mutter? Und was tut es? Schläft es und wird es wach? Ißt und trinkt es gerade wie wir?" So fragte Marie, ein reifendes Mädchen, einige Zeit, nachdem sie von ihrer Mutter vernommen hatte, was sie über das geschlechtliche Verhältnis von

Mann und Frau wissen mußte. Sie hatte sich wie die meisten Kinder lange Zeit mit dem Wissen begnügt, daß das Kind in der Mutter wächst, über das wie?

hatte sie noch nicht viel nachgedacht. Allein seit ihre Mutter ihr eine genügende Antwort auf die Frage gegeben hatte, wie die Kinder in die Mutter kommen, war sie in Gedanken viel damit beschäftigt gewesen; denn Kinder mit einem wirklich gesunden Verstand

haben keine Ruhe, ehe sie die Sache vollkommen wissen. Es geht ihnen im Kopfe herum, sie fragen und sprechen darüber, bis sie es ganz deutlich begriffen haben. Erst dann wird die neu erworbene Wissenschaft

in de r Schatzkammer ihres Gedächtnisses geborgen und

bloß zum Vorschein gebracht, wenn es nötig ist. So war denn Marie dieser Tage voll von Gedanken über die Fortpflanzung mit allem, was dazu gehört. Die Mutter aber, welche genug von der Seelenkunde wußte, um sich diese Erscheinung bei ihrer Tochter erklären zu können, gab ihr auf alle ihre kindlich neugierigen Fragen eine liebevolle und verständige Antwort.

„Nun, das will ich dir sagen", antwortete sie auf Mariens vielumfaffende Frage. „Allein wir müssen

uns setzen, denn ich kann dir das alles nicht in ein paar Worten sagen. So höre also. In dem Körper der Frau und zwar im Unterleib befindet sich ein be­ sonderes Organ, eine Art von Sack in der Größe

und Form einer mittleren Dirne, der sich aber zu einem ansehnlichen Umfang erweitern kann. Dieses

Organ heißt die Gebärmutter.

Das schmale Ende

ist nach unten gekehrt und, wo der Stiel der Dirne ist, ist die Öffnung des Säckchens. An dem breiten Ende sitzen rechts und links auch noch zwei Röhrchen, auf jeder Seite eins, verbunden mit den Eierstöcken, kleinen Organen, die links und rechts von der Gebär­ mutter liegen und worin sich die Eichen bilden, die sich, wenn sie befruchtet werden, zu Kindern entwickeln können. Ab und zu scheidet sich ein Eichen von dem

Eierstocke ab, kommt durch eines der Röhrchen in die

Gebärmutter, wird befruchtet und verbleibt dann oder verschwindet auch spurlos. Dieses Loslösen der Eichen

geht gleichzeitig mit Blutungen aus den Geschlechts­ teilen vor sich, welche bei gesunden Frauen ganz schmerzlos verlaufen. In einem Jahre oder in einem halben Jahre werden diese Blutungen auch bei dir beginnen. Du brauchst dann darüber nicht zu er­ schrecken, denn es ist etwas ganz Natürliches. So­ bald du also an dir etwas besonderes spürst, mußt

du es der Mutter mitteilen, diese wird dir dann schon sagen, was du in dieser Zeit tun und lassen mußt, z. B. große Ermüdung vermeiden usw. Nach ein paar Tagen ist es vorbei. Um aber auf unseren eigentlichen Gegenstand zurückzukommen, so weißt du

bereits, daß der Mann die befruchtende Feuchtigkeit aus seinem Körper in den derjenigen Frau überträgt, die er liebt und mit welcher er die Kinder, die sie miteinander bekommen, zu braven und glücklichen Menschen erziehen will.

In dieser Feuchtigkeit sind

nun unendlich kleine lebende Zellen, Samentierchen genannt, enthalten, viel kleiner als das Ei, welches von der Frau abgetrennt wird, die aber nur ein sehr

kurzes Leben haben. Wenn eine solche Zelle mit einem

der abgetrennten Eichen zusammentrifft, dann bleibt

es daran kleben und verbindet sich mit ihm; das Ei­ chen ist dadurch befruchtet und erfährt nun wichtige Veränderungen. Es vergräbt sich förmlich in der Innen­ wand der Gebärmutter, wo es sich ruhig und still

entwickelt. So findet denn im Schoße der Frau ein großes und liebliches Wunder statt, nämlich das Werden eines neuen Menschen, aus der innigen Ver­ einigung zweier Menschen, die einander herzlich lieben. Ich kann dir natürlich nicht alle Einzelheiten erzählen,

wie die Entwicklung vor sich geht, sonst würde dieses Gespräch zu gelehrt werden; nur soviel: schon nach

kurzer Zeit ist der Keim des Eichens in ein kleines Wesen verändert, an dem man die menschliche Gestalt bereits erkennen kann, wenn auch der Kopf noch un­ verhältnismäßig groß und die Ärmchen und Beinchen unverhältnismäßig dünn und klein sind. Die Haut des

Eichens hat sich allmählich ausgedehnt und mit Wasser gefüllt, eine Vorsichtsmaßregel der Natur, um das kleine Wesen gegen Schütteln und Stoßen zu beschützen. Es liegt ruhig und warm da; kein Lichtstrahl, kein Laut dringt zu ihm durch, es fühlt weder Hunger noch

Schmerz: das Blut der Mutter nährt seinen kleinen Körper und die Liebe der Mutter hegt ihn. /S Je mehr das Ei wächst, desto mehr dehnt sich die

Gebärmutter aus. An der Stelle, wo das befruchtete

Ei sich festsetzte, bildet sich nach und nach ein Körper, der sogenannte Mutterkuchen, der eigentlich nichts anderes ist als ein ganzes System von Adern und Blutgefäßen, zu dem Zwecke gebildet, um das Blut der Mutter mit dem Blute des Kindes in Berührung zu bringen. Das Blut des Kindes strömt nämlich

durch eine lange, aus Adern bestehende Röhre, den sogenannten Nabelstrang, von dem Bauche des Kindes

nach dem Mutterkuchen, erfrischt sich da an dem Blute der Mutter und strömt dann durch den Nabelstrang wieder zum Kinde zurück.

Ein solches werdendes

Kind ist noch kein selbständiges Wesen, es ißt und trinkt noch nicht, es ist ganz von der Mutter ab­ hängig; hat diese das Nötige, so bekommt das Kind

auch, was ihm zukommt, leidet sie aber Mangel, so kommt auch das Kind zu kurz. Nach der Geburt

des Kindes wird der Nabelstrang vorsichtig abge­ schnitten und das kleine Stückchen, das am Körper des Kindes hängen bleibt, zugebunden; dieses ver­ trocknet, fällt ab und läßt den sogenannten Nabel zurück.

Der Rest wird mit dem Mutterkuchen aus

dem Körper der Frau entfernt und als unbrauchbar

weggeworfen. x®. Sobald die menschliche Frucht reif ist, das heißt,

sobald das Kind groß und stark genug ist, um seinen

sichern Zufluchtsort zu verlassen und außerhalb des Körpers der Mutter zu leben, tritt es heraus oder wird vielmehr nach außen getrieben. Dann zieht sich die Gebärmutter unter starken Stößen und Zuckungen zusammen, so daß das Kind nach außen gepreßt wird; es ist dann, als ob der ganze Körper der Mutter biegen und bersten müsse und es werden die Geschlechts­ teile auseinander gedrängt, um dem Kinde den Durch­

gang zu bahnen. Zwar macht das Wasser, das aus der berstenden Eihaut fließt, den Durchgang etwas

leichter, allein immerhin leidet die Mutter in diesen Stunden große Schmerzen. Zum Glück haben fast alle Mütter ohne Ausnahme ihr Kind schon vor der Geburt lieb und erwarten es mit Freude und Span­

nung. Das gibt ihnen den Mut, die Schmerzen ohne Murren zu ertragen. Ein großer Trost ist es für die Frau, wenn in diesen Stunden der Vater ihres

Kindes an ihrem Lager steht, ihr liebevoll zuspricht und sie mit zarten Aufmerksamkeiten umgibt. Brave Männer, die ihre Frau lieben, leiden in diesen Augen­

blicken einen ganz eigenartigen Seelenschmerz, das Bewußtsein nämlich, daß sie von der Handlung, welche das Werden des Kindes zur Folge hatte, nichts als die Befriedigung hatten, während die Frau, solange das Kind in ihrem Leibe weilte, die Last davon hatte

und bei der Geburt große Schmerzen erduldete. An dieser eigenartigen Einrichtung der Natur ist natür­ lich nichts zu ändern. Allein brave und edle Männer, wie dein Vater, Marie, beruhigen sich dabei nicht. Sie verehren in der Frau die Mutter ihres Kindes, die Mutter eines ganzen Menschengeschlechtes, und sie tun, was in ihren Kräften steht, um der Frau im Hause und in der Gesellschaft einen ehrenvollen Platz zu verschaffen, ihr als Mädchen eine natürliche, ge­ sunde Erziehung mit vieler und kräftiger Leibesbewe­ gung zu geben, wodurch sie später eine bessere Aus­ sicht auf eine glückliche Entbindung haben wird, ihr als Gattin und Mutter die Rechte und Freiheiten zuzuerkennen, auf die sie als Mensch Anspruch machen darf, sie durch kein anderes Band an ihre Person, ihr Haus und ihre Kinder zu binden als durch das der innigsten Liebe. Das geschieht noch nicht in allen Ländern, selbst nicht in den gebildetsten. Du wirst das einmal erfahren, wenn du groß bist. Männer aber, wie dein Vater, die wirklich Achtung haben vor der Mutter des menschlichen Geschlechtes, arbeiten mit den Frauen zusammen, um ihnen zu der Ehre zu verhelfen, die ihnen zukommt. Und nun noch ein recht ernstes Wort, liebes Kind! Auch für dich wird die Zeit kommen, da dein junger

und gesunder Leib Bedürfnis nach Liebe hat.

Sei

dann auf der Hut! Befriedige dieses Bedürfnis nicht mit dem ersten besten Manne, der dir angenehme Worte zuflüstert und dir schöne Versprechungen macht. Bedenke wohl, es können Kinder daraus entstehen

und das Kind hat ein Recht auf die Sorge eines Vaters, sowohl für seine körperliche Verpflegung, als für seine sittliche Erziehung. Laß darum die Leiden­ schaft den Verstand nicht überstimmen und vertraue dich nur dem Manne an, den du für würdig erachtest, der Vater deiner Kinder zu sein. . . . Und ziehe deine Mutter stets ins Vertrauen!" s Das Gespräch wurde mit einer warmen, herzlichen

Umarmung geschloffen und dann gingen Mutter und Tochter, jede in ihre eigenen Gedanken vertieft, wieder an die Arbeit des Tages.

Ein Blick in mein Kinderzimmer. «s Ich betrachtete mit meiner fast neunjährigen Toch­ ter die Bilder in einem Buche über die Gesundheits­ lehre der Frau.

Ich zeigte ihr die Verengerung der

und gesunder Leib Bedürfnis nach Liebe hat.

Sei

dann auf der Hut! Befriedige dieses Bedürfnis nicht mit dem ersten besten Manne, der dir angenehme Worte zuflüstert und dir schöne Versprechungen macht. Bedenke wohl, es können Kinder daraus entstehen

und das Kind hat ein Recht auf die Sorge eines Vaters, sowohl für seine körperliche Verpflegung, als für seine sittliche Erziehung. Laß darum die Leiden­ schaft den Verstand nicht überstimmen und vertraue dich nur dem Manne an, den du für würdig erachtest, der Vater deiner Kinder zu sein. . . . Und ziehe deine Mutter stets ins Vertrauen!" s Das Gespräch wurde mit einer warmen, herzlichen

Umarmung geschloffen und dann gingen Mutter und Tochter, jede in ihre eigenen Gedanken vertieft, wieder an die Arbeit des Tages.

Ein Blick in mein Kinderzimmer. «s Ich betrachtete mit meiner fast neunjährigen Toch­ ter die Bilder in einem Buche über die Gesundheits­ lehre der Frau.

Ich zeigte ihr die Verengerung der

Rippen und des Beckens, wie sie durch das Tragen von Korsetten entsteht. Ich zeigte ihr in Verbindung damit die Lage des Kindes im Mutterleib, seine Er­ nährung durch die Nabelschnur, den Kanal, der von der Gebärmutter zum Ausgang führt und die Art und Weise wie das Kind ausgetrieben wird. Sie hörte alles mit kindlicher Verwunderung an, sie sah mir gespannt in die Augen, wie sie es immer macht, wenn ich ihr etwas erkläre. Nichts als Un­ schuld sprach aus ihren reinen Kinderaugen und ich fand bei meinen Erklärungen keinen Grund zu er­ röten. Es war Wissenschaft, die gegeben und aus­ genommen wurde. ,& Mein fast vier Jahre altes Bübchen saß neben mir und spielte. „Weil es so schön war", wollte es auch ein paar Bilder in Mamas Buch sehen. Ich zeigte ihm das Kämmerchen in Mamas Leib, in dem es so lange sanft und ruhig wie in einem Bette geschlafen hatte, ich zeigte ihm die Röhre, durch welche Mamas Blut in seinen kleinen Körper kam und es von einem kleinen Eichen zu einem lieben kleinen Kind werden ließ, wie das auf der Zeichnung .... Einen Augen­ blick waren wir alle drei in der Betrachtung dieses Wunders der Natur stillschweigend versunken. Da schaut mich der kleine Bursche mit lachenden, glän-

zenden Augen an, schlägt seine kleinen Arme um meinen Hals und sagt mit dem Ausdruck von inniger Freude: „Ich habe Blut von dir". Und beim Mittags­ tisch verkündete es: „Ich bin zuerst ein kleines Ei gewesen, wie die Henne". Am Abende dieses Tages sagte mein Töchterchen zu mir: „Mama, alles, was besteht, hat eigentlich dieselbe Geburt, denn die Blu­ men, die Tiere und die Menschen sind zuerst kleine Eier und befinden sich alle eine Zeitlang im Leibe ihrer Mutter".

s Alle diejenigen, welche sich nicht aufs „Glatteis" wagen, wissen nicht, daß dieses „Glatteis" eigentlich ein prächtiger Grasteppich ist, auf dem man unver­ dorbene Kinder sicher gehen lassen kann, und daß dar­ auf Blumen blühen, duftige Blumen von Unschuld, Zärtlichkeit und Vertrauen, die nirgends anders wachsen als auf dem Boden der Wahrhaftigkeit und Aufrich­ tigkeit.

Verlag von Alfred Töpelmann in Gießen

Gesundheit und Erziehung Eine Vorschule der Ehe von

Univ.-Prof. Georg Sticker, Dr.med. 2. vermehrte Auflage

Gebunden 5 Mark

Bäcker vom Werte des Stickerschen werden nickt häufig gesckrieben. Gewiß! was es sagt, lautet selbstverständlick. Aber ist die Wahrheit nickt immer selbstverständlick und einfach? Man braucht sie nur ernst­ lich zu suchen und mutig auszusprecken.Aber das Buch ist damit längst nickt erschöpft. In seinen Abhandlungen zur Erziehung enthält esebensoviele Perlen, die es sich lohnt, aufzulesen. Aus allem spricht der er­ fahrene Arzt und liebevolle Beobachter der Kindesseele ... Ist es noch nötig, den Wunsch der weitesten Verbreitung hinzuzufügen? Eltern und Lehrern diene das Buck zu ernstem Studium, der Vater möge es dem Sohne mit auf die Universität geben, und hoffentlich sind viele Mütter frei genug von ungesunder Prüderie, um es der er­ wachsenen Tochter zu empfehlen. (Germania, Berlin.)

Ein wahrhaft guter Mensch und ein geistreicher Gelehrter spricht aus diesem Bucke, das inehr enthält, als derTitel verspricht. Um zu lehren, wie man trotz der Uberkultur unsrer Zeit, die, indem sie den Körper schädigt, auch dem Geiste Gefahren bringt, an beiden gesund bleiben kann, wie man insbesondere die Kinder auch bei einer anspruchs­ vollen Erziehung gesünder und stärker machen kann, dazu ist dies Buch geschrieben. (Wissen für alle, Wien.)

Verlag von Alfred Töpelmann in Gießen

Nervöse Kinder Medizinische, pädagogische undallgemeineBemerkungen von

H. Bosma Geh. M. 1.60

100 Seiten

Geb. M. 2.30

Das lesenswerte Büchlein schildert in origineller Weise die Ursachen, die Kennzeichen und die geeignetste Be­ handlung der Nervosität des Kindesalters. Die häufig unscheinbaren Anfänge dieses weitverbreiteten Leidens, das in seinen Folgen für seinen Träger so oft von ver­ hängnisvollem Einfluß auf die ganzen ferneren Lebens­ schicksale ist, sind gleich anderen feinen Störungen des Nerven- und Seelenlebens nur für denjenigen erkennbar, der sich mit den Bedingungen seines Zustandekommens eingehend vertraut gemacht hat; Eltern und Erziehern kann daher nur aufs dringendste empfohlen werden, allen hierher gehörigen Erscheinungen die größteAufmerksamkeit zu schenkcn.Dazu istDosmasDuch wegen des warm­ herzigen Tones, in dem es geschrieben ist, und wegen seines geistvollen Inhalts, der eine feinsinnige Analyse der kindlichen Psyche in sich schließt, ganz besonders ge­ eignet. Jeder, der es mit seinen Erziehungspflichten ernst meintunddemWohlergehenderihm anvcrtrauten Kinder ein mehr als oberflächliches Interesse entgegenbringt, wird die Schrift mit Nutzen lesen und in vielerDeziehung wertvolle Belehrung daraus schöpfen. (Köln. Zeitung.)

Verlag von Alfred Töpelmann in Gießen

Walter Kinkel Vom Sein und von der Seele Gedanken eines Idealisten Fein geb.

1906

2 Mark

Aus Traum und Wirklichkeit der Seele Stille Gedanken aus einsamen Stunden Fein geb.

1907

2 Mark

In diesen beiden Bändchen veröffentlicht der Gießener Philosoph eine Reihe tiefempfundener Aufsätze: zwei Büchlein für das Leben im umfassenden Sinne des Wortes, voll innigen Idealismus. All die intimsten Fragen, die das menschliche Gemüt quälen können, werden aufgeworfen und mit begeisternder, hinreißender und poetischerSprachgewalt dargestellt. Die Bücher ent­ halten viele allerpersönlichste Erlebnisse, und wir be­ kommen einen Einblick in die reiche Innenwelt einer leidenden, tief angelegten Natur, die über das Schmerz­ liche, das Schöne, Wahre und Gute der Welt nachge­ dacht, die gelitten und sich durchgerungen hat. Alle die, denen die Probleme des Lebens amHerzen liegen, können in den schönen Büchern einen Führer finden.

Verlag von Alfred Töpelmann in Gießen

Was aus ihnen wurde -

Drei Novellen von

E. Müllenhoff 274 Seiten • Geschmackvoll gebunden M. 3.50

Wie die beiden ersten Bändchen „Aus einem stillen Hause" (1904) und „Abseits" (1905) sind diese drei

neuen Novellen wieder nicht geschrieben fürs große Publikum, das nie zur Ruhe kommt, wohl aber für die

auserlesene Schar der wenigen,dievom Leben noch etwas mehr verlangen als Gelegenheit zum Geldverdienen und Geldausgeben: für besinnliche Leute. Sic werden an diesen ersten größeren Arbeiten der Ver­

fasserin dieselbe reine Freude empfinden, die die beiden früheren Bändchen (wovon das erste bereits im achten Tausend, das andere im vierten erschienen ist) in ihnen

ausgelöst haben.