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German Pages 270 [293] Year 1818
Das Bild der Mutter und
das blonde Kind.
Zwei
Erzäh.lüngen
von
Chr. I. Contessa
C. W. Salice-Contessa.
Berlin,
181 6.
In der Rralschulbuchhandlung.
Das Bild der Mutter.
Erjkes Kapitel.
(£•6 war an einem Sonntage gegen Abend, als
Georg Haberland, der Maler, inüde und dur
stig vor dem Wipthshaase zum
gotdnen Bock
anlangte. Im
Sottntagsschmuck, festliche Erwartung
auf den Gestchtern, zogen Männer, Weiber rind
Kinder in bunten Schaaren durch das weitgeöff
nete Thor nach dein Hofraum.
Dor der Haus
thür aber stand ein bepackter Nrufewagen, und
vor dem Wagen ein ältlicher Herr, der eben ei2t
.2 neu darin sitzenden Dame die Hand zum Auösteigen reichte.
»Unter zwei Stunden keine Pferde!« hörte
ihn
Georg
»Sie
sagen.
müssen
es sich
nun
schon so lange hier gefallen lassen, liebe Ikatalie!
Oer Zufall sorgt indeß für unsere Unterhaltung. Eine wandernde Truppe hat den Thespiskarren
in dieses Haus geschoben u^nd eröffnet heut eben
ihre Bühne.« Während dieser Worte hatte
seiner Be
er
gleiterin den Arm geboten und führte sie lang
sam nach dem Hause. herrliche Gestalt.
Es
war eine schlanke,
Ein Schleier entzog Georgen
ihr Gesicht. -- »Aber, lieber Onkel« sprach sie auf italienifch, indem sie an ihm
vorüber gin
»lieber Onkel, Sie wissen doch — in einer
gen
solchen Stimmung---------« — »Mir zu Liebe!« unterbrach sie dieser
»Mir zu Liebe,
theure
Natalie, und sich selbst zum Besten!« Georg stand und sah ihnen nach.
Oie Stim
me der Unbekannten hatte ihn auf eine seltfame
Weise berührt.
Noch nie, schien es ihm, hatte
sein
so
O.hr
eine
wunderliebliche
vernommen.
3
und dennoch dünkte sie ihm bekannt, vertraut. Eine dunkle Erinnerung regte sich träumend in
seinem Innern; all sein 9iacf)sinnen aber war vergebens;
er vermochte sie nicht zum klaren
Erwachen zu bringen. Als er endlich ins Haus trat, stellte sich ihm an dem Eingang zur Wirthsstube ein besonderer
Auftritt entgegen. Diesseits der Lhür stand ein tanger, hagerer
Mann mit kahlem Kopfe, in einem grünen, mit gol^^apiernen Streifen reich besetzten Kleide, wel
cher eine jenseits besindtiche,
kleine,
breitschul
trige Figur- in Hanöwursttracht beim Arm ge faßt hatte, und sich aus allen Kräften bemühte,
dieselbe theils mit Gewalt>
theils mit Bitten
und Versprechungen über die Schwelle zu ziehen. Oer Hanswurst aber stemmte den freien Arm
gegen die ^hürpfoste, und antwortete hartnäckig
auf alle Bltten, Ermahnungen und Verheißun
gen nichts weiter^ als: »I will nit!« — und: »3 spiel nit! » Sey
5 doch kein Eset, himmlische Seele.'« fuhr er mit
sehr weicher Stimme fort. überall die Hauptrolle.
geschlagener Mann.
»Du spielst ja doch
Ohne dich wär' ich ein
Das nächsteniat sollst du
den Max spielen, ja den Tell, wenn du ihn ha ben
willst;
ich
verspreche cs
dir. — O mein
Schöpfer! Hörst du, wie die Hoch.- und. Höchstverel/rten da hinken schon trommeln vor Unge
duld? Was begehrst du noch weiter? Was ver
langst du? pfeife?
Wähle!
Fordere!
Meine Türken»
Meine rothe Ptüschweste, die du so oft
concupiäcirt?
Nimm ste hin, Satanas!
schenke ste dir, wenn
Ich
sie dich glücklich macht,
Geliebter!«
Da jener indeß allzeit bei seiner Weigerung
verharrte, so stieß ihn endlich der Alte zurück,
drang selbst in die Stube und rief, stch auf ei nen Stuhl werfend, nach Wein. — »Sic erat
in fatis!« sprach ec leise in gänzlicher Erschö
pfung.
>» Ich ergebe mich!
Es ist aus!
Fahr
hin! Mag nun tragiren und dirigiren wer will: mein Stündlein ist gekommen! An einem Hans
wurst sollt' ich
sterben: Ainsi seit - il! «
Er
6 schenkte ekn und reichte dem andern daS volle
Glas hin: rascal, trink! stoß.
Trink, nequam!
Guter Junge,
Ich danke dir für deinen Todes
BalS ists vorüber und der Erde geb' ich,
der ew'gen Sonne die 2ftome wieder,
die stch zu Schmerz und Lust in mir gefügt, und von diem mächt'gen Talbot, dec die Welt
mit feinem Kriegsrubin füllte, bleibt nichts übrig,
als eine Hand voll leichten Staubs! — So geht
der NIensch zu Ende. « Hanswurst ergriff das dürgebotene Glas und leerte es aqf einen Zug, indem sich fein Gesicht
dabei auf eine höchst possierliche Art zum Wei nen verzog.
Oer Alte reichte ihm schnell ein
zweites, Ulid legte dann den Kopf über die Rück lehne feines Stuhls zurück. —
»Hinauf! hin«
auf! « rief er —? >» Wie wird mir? Leichte Mol
ken ■*- apropos? du sollst fortan O^ekror seyn, ich will es: dem DTnrrenFönig gebürt die Welt.' « —
Oie hellen Thränen liefen dem Harlequin über
die Backen. Er schenkte sich schluchzend das dritte
Glas selber ein,
stürzte es ans,
ergriff dann
schluchzend des Direktors Arm und schrie ihm
jnS Ohr: «Ihr hobt gemeint,
3 spiel! 'S kann angeh!
will nit spiele?
«Und mit zwei gro
ßen Sprüngen warmer aus dem Zimmer.
Oer Alte richtete sich empor,
drata!«
sprach er,
»Bestia qua-
setzte die Flasche an
den
Mund nnd trank den Rest aus. — « Sehen Sie,
Hochgeschätztester« — er wandte stch an Georg, welcher dieser Scene mit großem Behagen zuge
sehen hatte —' » dieser Mensch hat stch entetirt, durchaus die ersten Liebhaber- und Heldenrollen
spielen zu wollen, und setzt mir auf porgelegene
Weise bei jedem neuen Stücke Oaumschrauben
an.
O Schöpfer! ich verstchre Sie, verehrter
Herr, ohne die feste Hoffnung, daß jedem Schau spieldirektor jenseits der Himmel werden muffe, da ihm der liebe Gott auf Erden schon die Hölle zugewiesen, — ich nehme jedoch ausdrücklich die
Oirektores von Hundekomödien aus, welche hie-
nieden die wahrhaft paradisifche Wonne genie ßen, ihre malveillanten Akteurs mit der Peitsche zu korrigiren, während ich die meinigen nicht
einmal ein wenig ausschimpfen darf, als etwa
auf lateinisch oder englisch, was sie nicht ver-,
8 stehen,
ohne jene Hoffnung,
gkauben Sie
mir, Weither, hätte ich schon längst nicht allein
dis Schauspielkunst an
den Ilagel gehangen,
sondern auch mich selber mit.
Aber das hält
mich aufrecht! Nunc iogens iterabimus aequor!«
Er sprang auf: »Sie werden uns doch auch
beehren, Jhro Gnaden?'
Ich darf Jbro Gna
den etwas mehr als Gewöhnliches versprechen. JNein erster Liebhaber, welcher der Verfaffer deauch a!s Schauspielen seine-
Stücks ist, sucht
Gleichen, und ich hoffe, daß alles zu einer emi
nenten
Rekreation
und- Satisfaktion
höchster
Standespersonen prosperiren wird," 'Er neigte stch bei diesen Worten abermals gegen den Ma ler
und schritt
mit
vieler Würde
zur Thür
hinaus. Georg folgte ahm, nachdem er von dem Wirth erfahren hatte, daß die fremde eben angelangre Herrschaft gleichfalls nach dem Theater sich be
geben.
Es war in einer geräumigen Scheune
hinten im Hofe aufgefchla-gen. Das Glück wollte Georgen so wohl,
daß er
auf einer Bank, dicht hinter dem Stuhl der Un-
9 bekannten
noch eln Plätzchen fand.
Indem er
sich setzte, wandte sich die letztei-e. nach ihm um;
sie hatte den Soleier zur ungeschlagen.'
Georg
schaute in ein jugendliches, aber bleiche^ Gesicht
voll Milde und Hoheit, wie in den klaren Him«
met einer stillen Mainacht.
E-n Blick aus den
dunkeln Augen begegnete dem seinigen, Herz bebte.
und sein
Ach, er kannte dieses Auge wohl;
er kannte diese
siegenden Strahlen, die so be
scheiden sich in die langen, schwarzen Wimpern hüllten; er kannte diese schönen Züge, er mußte
sie kennen!
er war dessen
so gewiß,
und doch
konnte ec sich nicht erinnern, wo, noch wann er
sie gesehen! Oie schöne unbekannte Bekannte saß zwischen
ihrem Oheiin und einer ältlichen Frau, die gleich falls zu ihr zu gehören schien. — »Ich bin doch ein recht leichtsinniges Kind« —-
sprach
sie nach einer Weile — ?, daß ich mich
von Ihnen hieher führen lasse, um ein Trauer
spiel zu sehen!
der
Trauer
Als hätte ich nichr schon überall
genug!«
—
»»Lassen Sie sich nur
durch den Namen nicht angst machen!«
siel je-
IO ner ein.
»Ich hoffe diese- Trauerspiel soll uns
blos ein recht ergötzliches Spiel mit der Tpauer
und nicht wenig zu lachen geben. schlimmer^' entgegnete ste.
Desto
»Ein solches Spiel
hat für mich etwas Unangenehmes und wirklich
Trauriges, ja Herzzerschneidendes, t« Indem fingen die zwei pder drei Violinen des Orchesters an zu knarren; eine Flöte, die einen
halben Ton zu tief stand und Hörbarlich am
Asthma litt, wehklagte darein; unwillig grunzte
dec Daß; zwei Oboen wimmerten jämmerlich, und eine aufgebrachte Trompete sprang
niederschmetternd durch
alles
die höllische Harmonie.
Endlich rollte der Vorhang in die Höhe, und
nachdem Hanswurst als Prologus sein Publi kum in behagliche Stimmung gesetzt und selbst
in dem Maler eine günstige Erwartung erregt hatte, begann das Stück, ruhig, klar, in kräf
tigen Zügen auseinander setzend, dann rascher fortschreitend, mit sich fortreißend in die Ver
wicklung.
Das Intereste wuchs mit jeder Scene;
immer gewaltiger regte fich dec Sturm des Le bens; wie eine dunkle Gewitterwolke, aus Wels
II
cher einzelne Blitze zuckten, zog die bange Ah nung
einer ungeheuern That herauf,
und die
kunstreich ssingewebten Scherze der lustigen Per
son hoben nur um so kräftiger den furchtbaren
Ernst.
Ja. sogar die armfeelige, zusamuicuge*
flickte Kleidung des größern Theils des Darstel lenden,
so
der fchneideride Contra st ihres
Spiels-mit den Worten, die aus ihkem Munde gingen, schienen fast der Wirkung dey Ganzen
beförderlich zu seyn, U)id dienten wenigstens da zu, das vollste Licht auf die Heldin des Stücks, den alten Direktor und einen jungen Schauspie
ler zu werfen, die ihre Rollen in stberraschendey Vollendung gaben, Oie Unbekannte war nicht minder von dem Inhalte des Ststcks und der Darstellung sicht
lich bewegt;
doch schien ihre Theilnahme
sehr
bald sich in eine heftige Unruhe zu verwandeln, die immer höhep stieg, je weiter das Spiel sei
ner Entwicklung entgegen ging, «Was ist das?
führt?
Wohin haben Sie mich ge
Welche Stimme!«
hörte sie Georg "auf
italienisch zu ihrem Begleiter sagen, dessen am
sangliche
Heiterkeit
gleichfalls
»Oie Stimme«
sprach
schien.
—
ben
»ja, Sie haben Recht!
sicht doch
verschwunden
er verle
Aber im Ge
gar keine Ähnlichkeit?« — Georg
merkte, daß diese Worte auf den jungen Schau spieler sich bezogen.
Auch auf ihn hatte seine
Erscheinung einen besondern Eindruck gemacht,
und es ward ihm endlich klar, daß er an Ge
stalt, Stimme und Bewegung, die größte Ähn lichkeit mit einem Offizier an fich trug, der ihm
in Rom einen sehr wichtigen Dienst erzeigt, ja
dem er beinah das Leben zu verdanken hatte. Indeß dringend,
büt der Oheim Ratalien mehrmals
fich
mit ihm zu entfernen.
Allein^
wider Willen an ihren Platz gefesselt, saß Ratalie, die Augen
unverwandt auf die Bühne
heftend; ihr Busen hob und senkte fich in stür-
/mischer Bewegung.
Sie sah die verbrecherische
Liebe der beiden Brüder zu ihrer Stiefmutter in immer wilderer.Glut gegeneinander streitend fich
erheben, sie sah die entsetzlichen Flammen fich
endlich drohend nach dem Leben des Vaters strekfen, und zwischen ihnen die unglückliche Hilde-
i3 gunde im Kampfe mit der eignen
strafbaren
Neigung: Georg bemerkte, Paß ste zitterte; ihre
Hand faßte mehrmals ängstlich ivrch Yem Arm ihres VeglciterS.
Es ward Nacht auf der Bühne.
Oer alte
Fürst lag im Hintergründe auf einem Ruhebette schlummernd.
Oer Narr, der ihn mit 9Nähr--
chen in den Schlaf gelullt hatte, saß zu seinen
Füßen auf der Erde; vor ihm lag der umge
die sind so roth. Und was sie sprechen, das bringt dir 2l?oth.
Und der Nachtwind kam von der Haide herüber und wimmerte:
Schlaf nit, schlaf nit, du alter Mann, Ick schau zwei Männer, die schleichen heran.
Ich lchau ihre Hände, von Blut so roth. Und was sie sprechen, das ist dein Tod.
Aber der Alte horte nichts und schlief ruhig
fort.« Und indem der Narr dieses sein Sprüchlein
zum zweitenmal gesprochen hatte, und ihm der Kopf wieder auf die Brust hinnb Nickte, da öst'-
nete sich leise die Thür, Und der jüngste Sohn
des ollen Fürsten trat, von seinem blutdürstigen Wahnsinn getrieben,
bleich, mit wildem Blick
herein, tinb trat an das Ruhebett; und als ec
des Vaters ehrwürdige Züge und
sein greises
Haupt erblickte, bebte er schaudernd zurück, und
es war andem, daß er sich wendete zur Flucht:^ in dem Augenblick aber stürzte Hildegunde, von einem entsetzlichen Traum aufgeschreckt,
in daS
Gemach; bei ihrem Anblick rafft die rasende Lei denschaft sich von neuem empor: er umschlingt die Geliebte,
sie ist sein, nichts wird sie ihm
entreißender schaudert vor keinem Verbrechen mehr; den Himmel hat er aufgegeben, der Hölle
will er dienen um solchen Preis; und von der
eigenen Neigung bedrängt,
entzündet
von der
wilden Glut des Jünglings, wankt Hildegunde; der gräßliche Augenblick ist nahe, wo sie erlie gen wird; dazwischen stammelt der Narr wieder
sein: Schlaf nit, schlaf nit, du alter Mann!
der Dolch
blinkt
in
des Sohnes
Hand;
schwarzem Fittich rauscht der Mord über
Bühne;
halb fortgerissen,
mit
die
halb dem Jüngling
folgend schwankt Hildegunde mit ihm nach dem Ruhebette hin. —
i6
DTdfa»
Ein dumpfer Schrei rdng lienö Drust;
bewußtlos
sank
hintenüber-.
Georg sing sie auf; mit starkem Arme hob er
sie empor und trug sie durch das^ Gedränge,
über den Hof weg,
nach
ihrem Zimmer.
In
höchster Bestürzung folgte der Oheim.
Unter den Bemühungen ihrer Frauen schlug Natalie bald, die Augen wieder auf. 'Oer Oheim
faßte des Malers Hand und sprach mit leiser
Stimme: »Wir sind Ihnen großen Dank schul
dig, junger Mann; doch vergeben Sie es wohl der Verwirrung des Augenblicks, wenn ich Sie bitte, sich jetzt zu entfernen/«
Er fragte nach feineni Namen, Und als ec ihn vernommen, rief er. ihni die Hand reichend:
„Georg Haberland?
Oer Mater?
Nun dann
sehn wir ja recht bald uns wieder!«
Georg schlich wie ein Träumender nach sei nem Zimmer. Er hörte das Ätappern der Pferde,
die vor den Wa^cn gelegt wurden, und riß das Fenster auf.
Natalie trat, auf ihre Frauen ge
stützt, aus deni Hause und stieg ein. Das Post horn
I? I
Horn schmetterte, und in der seltsamsten Bewe
gung schaute Georg,
an das Fenster gelehnt,
dem dahin rollenden Wagen nach hinaus in den dämmernden Abend.
Zweites Kapitel.
Georg fand am andern Morgen, als er, im
Begriff seinen
Stab weiter zu
setzen,
in
die
Wirthsstube trat, den alten Schauspieldirektoc schon beim Becher.
»^Jch wünsche Ihnen Gluck zu dem gestrigen
Abentheuer!«
rief ihm dieser sogleich entgegen.
»Eine schönere Last hat wohl nicht leicht eines.
Mannes Arm getragen, obwohl ich mich fast getraue zu behaupten, daß die Grastn Mathilde,
ihre Schwester, sie an Schönheit noch übertrifft.«
Sie kennen sie? rief Georg hastig. $> Allerdings! « entgegnete jener. B
» Es war
I? I
Horn schmetterte, und in der seltsamsten Bewe
gung schaute Georg,
an das Fenster gelehnt,
dem dahin rollenden Wagen nach hinaus in den dämmernden Abend.
Zweites Kapitel.
Georg fand am andern Morgen, als er, im
Begriff seinen
Stab weiter zu
setzen,
in
die
Wirthsstube trat, den alten Schauspieldirektoc schon beim Becher.
»^Jch wünsche Ihnen Gluck zu dem gestrigen
Abentheuer!«
rief ihm dieser sogleich entgegen.
»Eine schönere Last hat wohl nicht leicht eines.
Mannes Arm getragen, obwohl ich mich fast getraue zu behaupten, daß die Grastn Mathilde,
ihre Schwester, sie an Schönheit noch übertrifft.«
Sie kennen sie? rief Georg hastig. $> Allerdings! « entgegnete jener. B
» Es war
18
die junge Gräfin Roseneck mit ihrem Onkel dem Daron Freileben, dem edlen Mären jeder edlen
Kunst.« Höchst überrascht und nicht ohne Herzklopfen
vernahm Georg den letzten Atomen. dieser Daron Freileben,
der
ihn
Denn eben
nach
seinem
neuerbauten Schlosse beschieden, war^ ja die Ur
sach seiner jetzigen Reise.
Eine leise Hoffnung,
Natalien tvieder zu sehn, ließ ihn nicht länger rasten.
Er grüßte den Alten
freundlich zum
Abschied und wandte sich npch der Thür,
als
dieser von seinem Tisch aufspringend ihm in den Weg trat.
» Sia licet Felix ubicunque mavis, et memor nostri vivas! « rief er aus.
» Sie (in& zu etwas Hohem beru
fen, verehrter Herr, wenn mich diese Linemente nicht trügen, und ich fühle mich versucht, mich
im voraus Dero Gnade zu recommandiren. Oer
Himmel und
der gute Genius der Kunst sey
mit Ihnen.
Wir sehen uns bald wieder, hoff
ich!«
Georg reichte ihm lächelnd die Hand, die je-
19 ner
init einer tiefen Verbeugung an den Finger
spitzen ergriff sie leise drückend, und machte sich dann mit raschen Schritten auf den Weg.
Hoff
nung und Verlangen begleiteten ihn, mit man chem
bunten Feenschloß den 97ebeloorhang
Zukunft ausschniüekend^
der
und die Prophezeiung
des wunderlichen Alten ging, wie er nicht ohne Lächeln über sich selbst
bemerkte, jenen beiden
bei dieser Arbeit gar hülfreich Und geschickt zur Hand.
Der dritte Äbend, seitdem er das Äirthshaus
zum gotdnen Bock verlassen, fing schon an diS Wipfel der Bäume um.ihn her und die Wolken
über seinem Haupte zu
vergolden,
als er auS
dem Walde, durch den ihn sein Weg einen gro ßen Theil des Tages geführt, wieder ins Freie
gelangte»
Ein heiteteS Thal lag zu feineri Füßen. Jen seits des breiten Wiesenteppichs, der den Vorder grund der unmuthigen Landschaft bildete,
auf einem
fiachen Hügel
ein
hohes
ragte
Gebäude
mit vier Thürmen an den Ecken hell im Abendlicht empor.
Oie Straße schien hart daran oor-
über zu leiten, und Georg schritt mit einem selt
samen Gesüht daraus zu.
Denn
je näher er
kam, desto lebhafter sprach in seiner Seele eine
dunkle Erinnerung, daß er das wunderliche Gebäu und seine Umgebungen schon sonst gesehen.
Es war
ihm fast zu Muth wie einem irren
Wanderer bei Nacht, dem plötzlich der Mond, zwischen
finstern Gewitterwolken
heraustretend
und wieder verschwindend, bald hier, bald dort einen Gegenstand aus
der dunkeln Landschaft
klar hervorhebt, ohne ihm jeddch ein deutliches Bild der Gegend zu gewähren und ihm auf den rechten Weg zu helfen.
In der Nähendes Schlosses trabte ihm aus
einem Seitenwege von einem Bedienten beglei tet, ein Reiter entgegen, in welchem er alobatd
den Daron Freileben erkannte.
Auch dieser ge
wahrte ihn, hielt an, «nd indem er ihn freund lich begrüßte, lud er ihn zur Einkehr auf dem
Schloste seines Schwagers ein. res Ereigniß«
hieher zurück.
sprach er,
»Ein besonde
» ruft mich plötzlich
Morgen Host ich Sie nach Frei
leben zu führen.
Sie finden indeß hier noch
eine Person, die Sie kennen, und die sich freuen
wird.
Ihnen
selbst ihren
können.«
abtragen zu
Dank
I
Durch einen dunkeln Lindengang
niedergelassene Zugbrücke gelangten
über
eine
sie auf ei
nen geräumigen Hef. — Kein Diener kam ih nen weder hier, noch auf dem schallenden Haus
flur entgegen.
»> Was bedeutet das?
rief dec
Daron verwundert, und stieg hastig die Trespe
hinan.
Georg folgte ihm.
Eie schritten flüchtig hin durch mehrere Ge» macher und gewölbte Sale, alle mit Gemälden,
Schnitzwerk und kostbaren Tapeten zwar ganz, altmodisch aber sehr reich verziert.
reichten
sie
ein Zimmer,
dessen
Endlich er
Fenster durch
grünseidne Vorhänge dicht verhüllt waren. Durch die halboffne Thür eines angränzenden schimmerte ihnen Kerzenlicht
entgegen.
Der Daron
trat
schnell hinein. Der Thür gegenüber stand ein Dett mit ro then Gardinen, bei welchem die gesummte Die nerschaft des Hauses
sich versammelt zu haben
schien, und traurig schweigend umherstand.
Dor
den Herein tret enden öffnete sich ehrerbietig der
Halbkreis: starr,
Georg sah eine Frau,
hleich
pnd
dem Anschein nach todt auf dem Vette
liegen,
Oep Baroy schlug
voll
Entsetzen die
Hände zusanimen und blieb von dem Anblick ver- i steinert lange ohne Regung stehen.
Diener näherte
stch
ihm
Ein alter
endlich "besorgt
und
sprach: »Wir haben alles versucht, Wiewohl ver
geblich, doch hoff ich immer noch, daß es nur
eine tiefe Ohnmacht ist; der Arzt, nach dem ich gleich geschickt^ muß nun bald kommen.«
Oer
Daron ergriff seine Hand - und ging mit ihm
nach deni Fenster,
sprachen.
p>p sie leise
mit einander
'
Indem Georg mit den Augen ihnen folgte^
bemerkte er jetzt erst einen alten Mann, der in
Schlafrock und Nachtmütze auf einem großen,
mit gtünem Tuch beschlagenen Sopha saß, und unbekümmert, wie es schien, um alles, was um ihn her vorging, lediglich daniit beschäftigt war,
weiße und gelbe Stecknadeln, die er in einem Kästchen neben sich stehen hatte, mit künstleri
scher Wahl und Überlegung in den Sopha zu
stecken, und so der grünen Fläche einen Garten der seltsamsten araheskenarti'gen Zeichen und Fi
Seine Blicke waren
guren entblühen zu lassen.
unverwandt auf die Arbeit gerichtet; und wenn
er von Zeit zu Zeit mit etwas zuruckgelegtem Oberleibe und seitwärts
geneigtem Kopse sein dann flog ein
Werk überschauend
betrachtete,
höchst zufriedenes,
seeliges Lächeln
über das ohnehin
sehr
freundlich
verklärend gutmüthige
Gesichts Georg stand schwankend zwischen Erstaunen
und wehmüthiger Rührung.
Oie Frage beschäf
tigte ihn lebhaft, ob er hier wirklich Nataliens Eltern vor stch sehe; unwillkührlich näherte er
stch dem Vette, und aus den Zügen der darauf
Ruhenden trat ihm, wenigstens in Hinsicht der .Mutter, die Antwort sogleich deutlich entgegen,
denn die Ähnlichkeit mit Natalien war auffal lend groß; zugleich aber, wie er so in das blei che Antlitz niederschaute, von dessen milder Ho
heit im Leben selbst der SoD
noch spracht da
stieg ihm ein schmerzlich süßes Gefühl an das Herz; er sah keine Unbekannte mehr vor sich
-4 es war ihm, der nie eine Mutter ge
liegen,
kannt, jetzt auf einmal, als hätte er die geliebte, so oft vermißte Mutter e»tdlich gefunden; heiße Thränep füllten fssinf Augen, er streckte die Arme
voll Sehnsucht nach ihr aus; sein Herzblut hätt' er hingegeben, sich nur einmal noch Sohn nen
nen zu Horen
von
diesen freundlichen Sippen,
die nun doch vielleicht auf ewig sich geschlossen
hatten!
Ohne der Umstehenden zu achten, kniete
er an dem Bette nieder, und faßte leise, sie mit die kalte Hand, die
seinen Thränen benetzend,
einst, so kam es ihm vor, seine. Kindheit lieb reich gepflegt und geleitet.
Als er sich empor .richtete, sah er ll^atalien neben sich stehn, deren Blicke mir Verwunderung
auf ihm ruhten.
Sie schien ihn sogleich zu er
kennen; ein fluchtiges Roth überlief ihre Wan
gen.
Georg stand auf,
und von der Empfin
dung des Augenblicks hingerissen ergriff er gleich falls ihre Hand und führte sie an seine Lippen.
Ratalie zog sie nicht zurück. — In diesem Au genblick rasselte ein Wagen Marchese!«
in den Hof.
rief der Baron
hastig,
und
»Her
eilte
nach der Thür.
Natalie erschrack sichtlich und
ließ sich erbleichend auf einen Stuhl am Bette nieder. Oie Thür öffnete sich mit Geräusch; von dem
Daron begleitet trat ein ältlicher Mann
üoji
ho
hen: Wuchs und edlem Anstand rasch herein und ging ernst und feierlich grade auf das Bett ^u.
Georg wich unwillkührlich auf die Seite; auch Natalie stand auf und trat etwas zurück.
We
nige Schritte von dem Bett blieb der Freinde
stehen, streckte den ?lrm mit ausgespreizten Fin gern nach der Liegenden aus, und heftete unver wandt seine starren Blicke auf sie.
Ringsum
war alles still; kaum wagte ein halbunterdrück
ter Athemzug sich leise aus einer Brust.
Selbst
der Daron stand sehr ernst erwartungsvoll dem Treiben des Fremden zuschauend. Mit den mannigfachen Regungen seines In
nern beschäftigt, nahm Georg erst wenig wahr
von dem, waö um ihn her vorging; eine dumpfe
Bewegung jedoch, die mit halblauten Ausrufun
gen und leisem Gesiister durch den Kreis der Um stehenden lief, zog
bald seine Aufmerksamkeit
26
Er sah alle Gesichter voll
wieder nach außen.
freudiger Erwartung nach dein Bette gerichtet,-
und o(e er hinblickte, bemerkte er, daß das Ge sicht der darauf Liegenden nicht mehr wie eines
Todten.
wie eines Schlummernden er
fonDi'rn
Die bleichen Wangen belebten sich; um
schien.
den Mund zuckte ein inildes Lächeln; nach ei ner Weile beioegte sie die Lippen, als ob sie
sprechen wollte.
Oer Marchese hob, Etille ge
bietend, die Hand auf.
leiser Stimme an;
Endlich
sing
|re mit
»»Seyd hur ganz ruhig, lie
ben Kinder, eS wird alles gut.
Jetzt liegt al
Auch meinen armem Georg
les klar vor mir.
hab' ich gesehen, den armen zweimal Verlornen. Er lebt.
Habt nur Geduld; ich' bring' ihn sei
nem Vater wieder. Georgs Blicke
sielen indem auf seinen I7achbar- und er be merkte- daß der alte Mann dort drüben bitter lich weinte.
Immer schneller und unzusammenhängendec
durcheinander jagten sich indeß die Scenen auf dem großen Theater unten.
Es erschien ein un
geheurer Spiegel ihm gegenüber, und als er hineinschaute, trat ihm statt seines eigenen Abbildes der junge Schauspieler, den er kürzlich gesehen,
drohend mit gezücktem Dolche daraus entgegen; darauf sah ec sich in einem Wäldchen am Ufer
eines Sees, OTatalie lag in seinen Armen, aus ihren Augen strahlte ihm das Morgenroth eines
neuen Lebens, aus der Holdseeligen Knospe ihres
Mundes brach das süße Geständni'ß ihrer Liebe; plötzlich wieder baute sich aus Wolken eine ge waltige Staffeley> er hatte ipinset und Palette in der Hand,
warf aber beides mit Entsetzen
von ffch, als er tvahrnahm, daß an der Stelle von Natalieilü Portrait, welches er malen wollte,
eine abscheuliche Fratze unter seinem Pinsel ffch auf der Leinwand gestaltete: darüber erhob der häßliche Äffe auf der Gletschetgallerie von neuem
sein widerliches Gelächter- unter ihm aber er
scholl eine Stitnme herauf, die er alsbald für
die Stimme des
alten Schaufpieldirektorü er
kannte, und die zornig rief: »Hier lacht man
nicht!«
— Indeß
hatte ffch der Schauplatz
schon wieder verändert.
Wie der alte Fürst irt
dem Trauerspiel, welches ^Georg vor wenig Tägen gesehen, lag der Marchese schlummernd auf einem Ruhebette; dieselbe weibliche Gestalt,' die vorhin als Braut vor dem Altare ständ, trat herein von deni jungen Schauspieler begleitet, dieselbe Scene aus dem Trauerspiel wiederholte
ffch, der Jüngling trat an das Bett und zielte mit dem
blinkenden
Dolche
nach
62
dem
Her-
3o
)
zen des Vaters.
Darüber entstand in dem un
sichtbaren Parterre ein entsetzlicher Tumult; tau
send Stimmen schrien durcheinander, doch lauter als alle schrie der Schauspietdircktor: »Gewalt!
Mord! Feuer! Laßt den Vorhang nieder! Löscht die Lichter aus!« — Heulend fuhr der Sturm aus den Klüften der Berge, ^)ie Erde bebte, das
Nordlicht
fiel prasselnd
vom Himmel
herab;
Georg befand sich auf einmal unten im Thal, in großer Angst sich Bahn machend durch das
Toben und Gedränges denn hinter stch erblickte er den Schauspieler, jetzt in Uniform, und den M-archesedie rhp beide mit gezogenem Degen
verfolgten, und welchen stch immer mehr und mehr von den Zuschauern anschlosfen, bis end
lich, lawinenartig fortgezogen, der ganze Hau
fe
stch hinter ihm
drein in
Bewegung setzte;
mitten darunter aber rennte der alte Schauspieldirektor und schrie: » er sey ein ruinirter Mann, das zerbrochene Icordlicht komme, ihn allein über
So Reichsthaler zu stehen
und sey im neusten
Geschmack gewesen, die zerrisstnen Dekorationen könne er noch gar nicht berechnen, man solle
ihm seinen Schaden doch nur einigermaaßen er setzen !« — So ging die tolle Jagd bergauf,
bergab; immer höher stieg Georgs Angst, immer näher kamen ihm seine Verfolger, denn an fei« neu Füßen schienen bleierne Gewichte zu hän gen; da nahm ein unmuthiger Buchwald ihn
auf, plötzlich ward
eö nun stille hinter ihm,
und fernab zur Seite verhallte der tosende Lärm. Erquickung und stiller Friede trat ihm aus den grünen Schatten entgegen und legte stch besänf
tigend an seine hochktopjende Brust.
Ein Ge
fühl überkam ihn, als ob er stch einer geliebten
Heimalh nahete,
und deiinoch nahm alles um
ihn her eine fremdartigere Gestakt an, je weiter
er fortfchritt.
Utibckannte Bäume tauchten ihre
Wipfel in den Morgenhimmel, Blunien von un
gewöhnlicher Größ^ und Farbenpracht blühten zu seinen Füßen.
Endlich trat er auf einen
freien Platz, und vor ihm stand die schöne Frau mit dem Schleier, die er schon gesehen, und dje
ihn Sohn genannt.
Ein sanfter Schimmer schien
von der edlen Gestalt auszugehen, ihr Antlitz strahlte von seeliger Verklärung.
Mild lächelnd
38 streckte sie die Arme ihm entgegen.
überwästigt
von
Ergriffen,
einer Empfindung,
die jetzt
zum erstenmal seine Brust hob, sank er zu ihren Füßen nieder, schaute dann jir ihr empor und
konnte sich picht satt sehen an der unendlichen
Liebe und Güte dieses holden Angesichts und an
den dunkelblauen halb in Seeligkeit pnd halb in Wehmuth schwimnienden Augen. >> Mutter, meine
theure Mutter« rief er >» rneine arme Mutter!« Thränen benetzten
seine Wangen.
Sie neigte
sich za ihn» hinab und lispelte: »Georg, mein
geliebter Sohn, bringe deinem Vater und dei nem armen Bruder meinen Gruß!« — er wollte
ihre Hand fassen, da wich sie zurück, und ent
fernte sich immer weiter tz§n ihm und weiter, und ihre Züge wurden immer undeutlicher, und immer dichtes hüllte sie der lange Schleier ein,
bis endlich die ganze geliebte Gestalt in ein lich tes Wölkchep zerfloß, das von der Morgensonne geröthet zum Himniel aufschwebte.
Don der heftigen Bewegung seines Innern
Erwachte er.
39
Viertes Kapitel,
Die Sonne warf ihre ersten Strahlen auf die
Wand des Zimniers^
langfain durch
-en
Eine goldige Wolke zog,
blauen Hinimel
fdjijfen&i
eben vor -em hohen Fenst?x vorüber.
»Mutter? kleine Mutter!« rief Georg Vaute
und streckte weinend, zitternd vor Freude, Schmerz und Sehnsucht seine Arnie der Fliehenden nach. Es dauerte lange, ehe er sich besinnen und
stch überzeugen konnte, daß er nur geträumt; allein auch dann, als er endlich es stch eingeste hen mußte, blieb doch feine ganze Seele davon
erfüllt und jm Innersten
ihres Wefentz auf
geregt.
» Stein ede und versetzte fie_, indem es sich
mit der Erinnerung an seinen Eintritt in das Schloß und an seine Empfindung bei dem An blick von Nataliens Mutter verband,
in
eine
immer steigende unruhige Bewegung.
Er ging eben, Pinsel und Palette noch m dee Hand,
mit hastigen Schritten im Zimmer
auf und nieder, als die Thür sich öffnen
und
der Daron schnell einteetend ohne ein Wort zu sagen auf ihn zukam, vor ihm stehen blieb und
ihm, wie es schien,
von etwas Ungewöhnlichem
ergriffen, doch sehr freundlich Lnö Gesicht schaute. Georg wollte sich eben entschuldigen, daß^ ee
42 hier in
der fremden Wcrkstätte
als Herr und
Me-ster schalte, als jener, ahne darauf zu hö ren, ihn unterbrach.
"Ja« rief er »»es trifft
Die blapen Augen mit den schwarzen
alles zu!
Augenbrauen, die Irarbe an der Stirn, auch
der Name derselbe!
Und wie alt sind Sie?«
-»Drei und zwanzig Jahr!«
antwortete Ge
org verwundert ui>d erwartungsvoll.
Sein Herz
klopfte. »'Sechs und siebzehn — Wichtig!«
Daron.
rief der
>> lliifr dieser unterstrichene Tag — ? « —-
Er hielt ihm einen Zettel mit verblichener Schrift hin.
Georg fing an zu lesen: » dieser Knabe hat
in der Taufe den Namen Georg erhalten, und
ist geboren den I2ten Nkärz------- « — Das ist mein Geburtstag"
sprach er« «wie mein Vatex
mir gesagt!«
Oer Varon streckte die Arme gegen ihn aus; seine Augen füllten sich mit Thränen.
»»So ist
eS wirklich wahr?« sprach er endlich mit beweg
ter Stimme: mer Georg!
Unser guter Georg?
Unser ar
Sy haben wir Dich wieder!«
Er
umarmte ihn, tlnfr drückte ihn an seine Brust.
43 Georg stand wie ein Träumender.
Er konnte
sich in ein Verhältniß, das er geahnt, ja ge
wünscht hatte, jetzt da es ihm wirklich entgegen trat, nicht stndefi.
„Ach mein theurer Freund« fuhr der V^ron fort — sehen Sie mich nicht mit dieser fremden
Verwunderung an!
Sie sind kein Fremdling
mehr in diesem Hause. Don dem Augenblick an, wo Sie auf seiner Schwelle mit diesem Zetrel
gefunden wurden, galten Sie für ein Kind des
selben.
Don meiner Schwester wurden Sie erzo
gen; wir alle haben Sie so herzlich geliebt. Und als Sie auf eine
unbegreifliche Weise plötzlich
verschwanden, war es da nicht jedem von uns,
als hätte er seinen
eigenen Sohn
verloren?
Nun, Goth sey Dank, daß wir Hie wieder ha
ben!
Oer kleine Georg hat sich freilich verän
dert, und ist groß l^nd stattlich geworden, doch unsere Liebe ist immer noch die alte geblieben!«
Georg faßte, gerührt von dep Herzlichkeit,
mit welche»- fcec Daron sprach, die Hand^ destel-
ben, und
drückte sie an sein Herz, indem er
ihn bat, ihm seine Überraschung und sein Er-
44 staunen zu gut zu halten, besonders da er noch
immer nicht begreife, auf welche Art diese für ihn so wichtige Endeckung geschehen seyn könne.
»Ja so, daß wissen, Eie noch nicht?« sagte
der Daron. sollen.
»Damit hätte ich freilich anfangen
Die Geschichte ist ganz kurz diese.
Ei
ner von den Leuten des Marchese, der vor sieb
zehn Jahren in Diensten einer Frau von Wat-
lenrodt
stand,
Schlosse
half
damals 'Sie
und
entfuhren
begleitete
diesem
aus
dann
seine
Herrschaft zu dem alten Lorenz Haberland, wel chem sie übergeben wurden, und den« er seit die
ser Zeit eine Reihe von Jahren hindurch jähr lich 'eine
ansehnliche zu
stimmte Summe
Ihrer Erziehung . be
überbringen
Er sah
mußte.
Sie gestern, hörte Ihren Ramen,
und hielt es
für seine Pflicht, und alles zu entdecken.
übrigens jene Frau von Wallenrodt gewesen,
das-wissen
wir eben
so
eigentlich
wenig,
was sie vermocht, Sie uns zu rauben.
geht so viel aus der Erzählung
Wer
als
Indeß
btd Dienerd
hervor, daß sie wirklich Ihre.Mutter war und
ebendieselbe, die Sie fünf Jahre früher auf dec
45 Schwelle unsers Hauses auögeseHt hatte.
Doch
kommen Sie jetzt zu meiner Schwester, kommen
Sie geschwind!
Sie erwartet Sie mit Sehn
sucht. «’ Er zog ihn mit stch fort.
Auf der Treppe
begegneten ste dem Bedienten des Marchese. Ge org wußte sich noch sehr deutlich zu erinnern,
den alten Munn mehrmals in dem Hause seines Hundert Fragen
PstegevaterS gesehn zu haben.
drängten stch auf seine Lippen; allein der B^ron
ließ ihm. jetzt keine Zeit dazu, sondern führte ihn in das Zimmer der Grästn.
Sie saß auf dem Soph^, über.
der Thür gegen
Natalie stand »eben ihr.
Georg fühlte
stch beim Eintritt von einer Beklonimenheit,
ja
selbst Verlegenheit ergriffen, die ihm sonst frnnfr
war.
Doch so wie er stl^der Gräfin näherte,
und ihre Gestchtszüge" ihm
klar wurden,
schwand auch alsbald alle Scheu; und Liebe kamen
ver
denn Güte
ihm' wie alte Bekannte aus
ihren freundlichen Augen entgegen, er fühlte stch nicht mehr fremd, siebzehn Jahre waren verges
sen, und er war noch immer der geliebte Söhn
46 dieser freundsichen, geliebten Mutter.
Schwei
gend und duech Thränen lächelnd reichte sie ihm die Hand^ er kniete innig bewegt vor ihr nieder
und drückte ihre Hand bald
an seine Lippen,
bald an seine Brust. »O meine theure Mutter! •
i[Dci ,
die Gespenster der Niitternncht. — Gr Fum nicht ohne einiges Grauen an der Höle iwriibei".
ihrer seheru
Cie war eiiigguuFeii,
und uon
vorigen Schöi/Heit wenig Spur rnehr zu —
Endlich c11 !u)te er den (du-'sel,
von
dein ans geräumigen! Wiesenplan die Gebäude
st'ch erhoben. derung,
liLhurnieS
OuS Slhloß zeigte keine Derän-
aber an der Stelle des pnr.ujre
eine Kirche,
gestrecktes Geb«'inde fugte sich war
das
neue Kloster,
in
alten runden
und
ein
an diese an.
welchen,
lang Es
Eleonore
als Äbkichin gebot. — Dor ihn, stand 3iebert, wir
in einer neu entdeckten Welt und die Flnien seiner Kindheit lagen in weiter neblicher Ferne hinter ihrn.
2^0
Ec ließ sich als Tempelri'kkcc melden, ohne
seinen Namen kund zu thun. daS der
in
Man führte ihn
Sitte gemäß durch ein (bitter ge
theilte Sprachzimmer.
Eleonore
erschien
auf
der andern Seite mit gesenkten Augen, und nur,
als Robert zu sprechen begann, und die Töne wie
ein 2öi'ederball
der Vergangenheit an ihr Ohr
wogten, hob sie den Blick wie in träumendem
Sie schien die alten vertrau-
Erstaunen empor.
ten Züge aus dem gebräunten und gealterten,
von
gefurchten
Erfahrungen
Gesicht
zu
su
chen, und als sie sie gefunden hatte, erblaßte
sie in freudigem Erschrecken.
Sie führte das
Kreuz auf ihrer Brust an ihre Lippen, und sank
in ihre Kniee, Gott für seine El Haltung zu dan ken.
Es war ein schöner Augenblick,
endlicher Wehmuth
und
Eeeligkcit.
voll un
— Auch
Eleonore war nicht mehr das rosige Mägdlein, das er mit schwärmerischer Jugendliebe umfaßte,
aber sie war immer noch eine hohe schöne Frau, und er fühlte sich zu ihr,
wie sie zu ihm, mit
der reinsten himmlischen Liebe hingezogen.
Wohl
wußte
Roberts
aufgeklärter Geist, daß
.
-I die Vereinzelung
des , Menschen, aus welchem
frommen Glauben, sie
auch hervorgehen,,mag,
nicht seine naturgemäße Bestimmung seyn kann;
abe^ er fühlte auch, Dorurtheile giebt, man
daß es Verhältnisse ur^d
über-die sich lsinwegzusetzey
über die Menschheit erhqhey, seyn,
unter sie hinabsinken muß.
ydeL
Welches Mlück der
Wett hätte den zerstörten, Frieden dieser schönen Seele,
der sich in dem frommen. Gott ergebe
nen, glänzenden Auge auösorach, . ersetzen kön
nen? Braut,
Sie -war und blieb seine, holde verlobte aber der Morgen ihrer Hvchzeit. sollte
sie erst von einem andern schönern Himmel herab begrüßen, als der wolkentrübe dieser Erde.
/
In
dieser Stimmung
unterhielten
.
sie sich
lange in ernsten, aber wehmüthig freudigen Ge
sprächen, und gaben sich gegenseitig. Kunde von ihren Schicksalen.
Das blonde Kind hatte Eleonore nicht wie der gesehen, .aber oft in den Stunden geistiger Heiligung seine Nähe vcrspürL,
und das Säu
seln seiner lieblichen Töne vernvinmen, ja, als
sie ort dem Sterbelager ihres Vaters betete, war
ü
243
es iht gewesen,
als gewahrte sie durch ihren
Lhränenschleier hindurch
sein leichtes,
geistiges
Derschweben versöhnend an dem Sterbenden vor
überziehen,
dessen von Gram und Reue durch
furchten Züge sich, wunderbar beruhigt, im Tode
Der Versucher hatte es nicht
geglättet hatten.
gewagt, vor ihr zu erscheinen. nach
Robert fragte
den langen Schlaf.
Bernarda;
sie schlief
Benno war seiner Auflö
sung nahe. — Er eilte zu ihm.
Dem ehrwürdigen Greise war es, als leuch tete eine Erscheinung aus der Welt,
wohin er
feine Reise anzutreten im Begriff war, in das
verschwindende Leben hinein.
Sein ganzes We
sen blühte in milder Freudigkeit noch einmal, und wie ein bald
verlöschendes Licht flammte
sein Geist in Hellen Funken auf.
beschäftigungen
ihn her,
seines Lebens
Oie Lieblings reihten
stch um
und seine letzten Stunden waren wie
ein fortgesetzter Harfenton.
Aber die Freude,
die seine Kraft so lieblich aufgeregt hatte, er
schöpfte ste auch.
Es war ein schöner Abend,
die rothen Lichter sahen durch die das Fenster
=43 I
umwankenden Zweige in die kleine Zelle. "(Er begehrte in
das Gärtchen geführt zu werden,
das feine Hände gepflegt hatten, und ip dem
die ersten Blumen des nahenden Lenzes erglänz
ten. das
Hier ließ er sich in einer Laube nieder, Gesicht
gegen
Abendroth
das
v Stimm meine Harfe!«
habe ich
»»Mit dem Himmlischen
gewandt,
sptach er zu Robert.
nung hienieden abgeschlossen,
meine Rech
und ich hoffe auf
meine Entlastung von der Gnade meines Erlö
sers. -- Laß mich nun von dem Irdischen leicht und freudig grüßend scheiden! — Deine Ab schiedstunde ,
guter Robert,
freundlicher Umgebung dir die
Kraft
wird nicht in so
seyn,
verleihen,
aber Gott wird
die dem
abgelebten
Greise fehlen würde, und ein Engel wird Seiner
Todesschweiß abtrocknen. —« Robert griff tief und innig,
aber ohne quä
lenden Schmerz bewegt in die mit sanftem Thrä-
nenthau beträufelten Saiten. Lieblingsweisen
des' Alten,
Er spielte einige
und fiel endlich in
folgendes fich aus seiner innersten Seele lodern*
gende Lied:
$44 Des Frühlings sanfte Farben fliegen
wohl brüutlich schmückend durch die Flur
und tausend Seyn, dem Nichts entstiegen, beleben freudig die Natur.
Horch! in den bläuen Himmelslüften die Lerche singt ihr fröhlich Lied; Mit feinen taufend Blütendüften
der Lenz durch unser Wesen zieht.
•
Tief in des Menschen Dusen legen sich Wonn'gefühle seltner Art,
und der Erinnerung Bilder regen
sich in dem Strahl der Gegenwart.
Und wie aus Glaubens lichten Fernen winkt uns das heil'ge Abendroth,
und sinkt die Nacht, führt zu den Sternen die Phantasie, wie einst der Tod. Mein Gott, an meines Lebens Neige, bring ich mein dankend Opfer dar!
Mein Geist zu deinen Himmeln steige^
wie er entsandt war, rein und klar!
Des Gehens Nküh'n, des Lebens Fehle Verschwimmen im Dollendungsglanz;
245 Empfang, o Herr, bie treue Seele, und reich
deiner Gi^ad" Zlrnnz!
Der Grins hatte laa-elnd und mit gefallenen Handen, u'Mermandt in das Abendroth schauend, £uqc(;-ört, und als die Lsöne des liSachspiels Der«
klangen,
Id a 1*
aulh feine
auf ihren Fittigen
froniine Seele dem Urquell alles Lichts zugezogen^
Robert
drückte
den
Aschiedkuß
aus
die
freundlich geschlossenen Sippen, und rvandte sich ermuthigend Mieder zum Leben, das ihn in seine harten, stählernen Arme preßte.
Es hatten jich Mißbräuche in die Häuser des DeinprlordenS eingeschllichen, mit deren Un*
tersuchung und möglichster Behebung er sich in
streng er Pflichterfüllung beschäftigte, als auch ihn mit einem
male der
große
unerwartete
Schlag traf, den die Feinde des Ordens in der
Filchierniß ihrer Herzen, und im Rache mit den
gehäßigsten Leidenschaften, so kunstvoll vorberei tet hatten.
246
Vierzehntes Kapitel. Die Vergangenheit hat ihren
dunklen Man-
tel über die Schicksale der Templer ausgebceitet,
und ihre Fehler wie ihre Leiden sind unterge
gangen und verhallt und
in den
Stürmen der Zeit.
wogenden Fluten
Aber
das Andenken
jener Ungerechtigkeiten, jener Verirrungen des
menschlichen Geistes ist in leisen Tönen zu unS herübergedrungen.
Ihre Erzählung würde uns
fast komisch dünken, wenn sie weniger gräßlich wäre.
Der Drang der Ereignisse hatte sich gegen den Orden gewandt.
Oer Geist der Verfolgung, der
sich gegen ihn erhob, jenes Zeitalters,
trug die grellen Farben
daö, wie jedes andere seine ei
genthümlichen Tugenden, so wie seine Gebrechen hatte. Wenn man die Beschuldigungen und Klage
punkte,
welche damals gegen die Templer aus
gestellt
und
geltend
gemacht wurden,
(i^t,
dünkt es einem fast unmöglich, daß der Aber
witz und die Gewaltthat je so weit gehen konm
247 teil,
solche Dinge zu glauben, und auf solche
Dinge
tausende
und aber
tausende
rechtlicher
verdienstvoller unb angesehener Männer zu ver-
urtheilen, und unter den schrecklichsten Martern
zu morden^ um den schändlichsten aller Leiden schaften zu fröhnen.
die
fühlen,
Man würde sich versucht
Geschichte- in Zweifel
zu ziehen,
wenn über die Thatsachen nicht alle Geschicht schreiber
und
Partheien
einverstanden
wären.-
Wenn wir, durch die Romantik des Mittelal
ters geblendet und men,
bestochen,
in Gefahr kom
es zu sehr im Gegensatz unsrer Zeiten zu
überschätzen, so würden wir pur an den Prozeß
der Templer denkerr dürfen, um uns überglück lich zu fühlen,
daß wir im Anfang des neun
zehnten, und nicht des vierzehnten Jahrhunderts leben,
wenn uns nicht auch zugleich die Erfah
rung lehrte, daß List und Bosheit ihre Mittel überall und immer zu stnden und zu wählen
wissen, und daß nur jenes Zeitalter das barba rischere zu nennen sey,
in welchem die größte
Falschheit der Einpstndungen herrscht. — Sollte
man z. B. wohl glauben,
daß man einer geist-
248
Gesellschaft
lichen
christl/chee Ritter, die
ihr
2sut für die Gewinnung und Behauptung des getobten Landes fp oft vergossen, und fast allein
noch die letzten Reste der christlichen Herrschaft
gegen den
überlegenen ^Feind behauptet hatte,
unter andern, theils abschrulichen, theils nichtS/toürbig-en
und
lächerlichen
Punkten
und Be
schuldigungen auch folgende Schuld gab:? Sie glaubten nicht an Gott, und der Ein
geweihte müsse das Kreuz mit Füßen treten ünd anfpeien.
Sie verehrten ein Götzenbild, richteten an
dasselbe' ihr Gebet, und ^setzten'ihre Hoffnung darauf. Sie hegten ketzerische Lehren,
und pflogen
Männerliebe unter einander.
Sie hätten die todten Brüder verbrannt, und
ihre Asche den neu Aufgenommenen zu
trinken gegeben. S/e harren einen zauberischen Gürtel ge
tragen,
unt) mit diesem angethan,
kein Ge
setz geachtet. Sie dürften keiner Taufe beiwohnen.
349 Sie hätten
die von einem Tempelherrn
mit einem Weibe gezeugten Kinder am Feuee gebraten, und mit dem Fett X\yc. Götzenbild
gesalbt. (Softie waren die teuflischen und abgeschmack
ten Beschuldigungen,
deren
Geständniß
man
mit den ausgesuchtesten Martern von ihnen er-
erpreßte,
und auf welche hin man keine Scheu
trug, sie öffentlich zu richten und zu verdam
men,
weil ein beleidigter,
habsüchtiger Fürst,
gewaltthätiger
und
und ein gewissenloser Prie
stch zu ihrem Untergange vereinigt hatten.
ster
Laster und Vergehungen,
deren Verdacht viel
leicht einzelne auf stch gezogen hatten, inan
als
wälzte
Grundsätze auf einen ganzen großen
Orden frommer christlicher Ritter; Symbole und Bilder, in die nach der Sitte des Morgenlan
des vielleicht^ manche geheime Lehre verhüllt war,
nahm die boshafte Dummheit nach ihrer rohen Ansicht, und verzerrte sie zu den ungeheuersten Fratzen.
So geschah es denn, daß Pabst Clemens dec
Fünfte, nach dem Begehr des Königs Philipp
2jO
durch dis berüchtigte Bulle: cordiam»
den Tem^elorden
»Fadens miseriaufhob,
und der
Willkühr' seiner grausamen Verfolger übergab.
Oie Vorbereitungen aber
waren
zu
dem
großen
Schlage
so geheim getroffen und gehalten
worden, daß die Ritter in aller Sicherheit über
rascht und
in
ganz
Frankreich zu
derselben
Stunde eingezogen wurden. Die Theilnahme der Lesewelt ist neuerdings
durch
geschätzte Dichter für dieses
große ge
schichtliche Trauerspiel erregt worden,
und ich
verweise auf Werners Söhne des Thales und Reynouards Templer, um hier
über manches
schneller hinweggleiten zu können.
Fünfzehntes Kapitel. Robert war in Lyon verhaftet worden, und je mehr er im Rufe der Gelehrsamkeit stand, je
mehr war man auf allen Wegen der Güte und
2jO
durch dis berüchtigte Bulle: cordiam»
den Tem^elorden
»Fadens miseriaufhob,
und der
Willkühr' seiner grausamen Verfolger übergab.
Oie Vorbereitungen aber
waren
zu
dem
großen
Schlage
so geheim getroffen und gehalten
worden, daß die Ritter in aller Sicherheit über
rascht und
in
ganz
Frankreich zu
derselben
Stunde eingezogen wurden. Die Theilnahme der Lesewelt ist neuerdings
durch
geschätzte Dichter für dieses
große ge
schichtliche Trauerspiel erregt worden,
und ich
verweise auf Werners Söhne des Thales und Reynouards Templer, um hier
über manches
schneller hinweggleiten zu können.
Fünfzehntes Kapitel. Robert war in Lyon verhaftet worden, und je mehr er im Rufe der Gelehrsamkeit stand, je
mehr war man auf allen Wegen der Güte und
iet Schärfe, durch Überredung, Versprechungen
und Drohungen bemüht, ihm Geständnisse ab-
zugewinnen, oder durch Furcht abzupressen, von
welchen man einen so sieghaften Gebrauch hätte Er
machen können.
wies alle diese Versuche
mit dem Lächeln der Verachtung ab, und be
schäftigte
sich
mit einer schriftlichen Vertheidi
gung des Ordens,
die,
obwohl
fruchtlos,
alle andere ähnliche Bestrebungen, den
Annalen
dec
Geschichte
mit
wie
dennoch in Ehren
er
wähnt ist.
Da trat ihm noch einnial der Versucher nahe
und näher als je, indem er sich mit den geheim sten Wünschen seines Herzens, den anmuthigsten Bildern seiner Einbildungskraft verband.
Sein Jugendfreund Wilhelm war, wie schon erwähnt einer der vertrautesten Räthe und Mi
nister des Königs von Frankreich.
erwartet
in
das
Gefängniß.
Er trat un Mit
höstscher
Feinheit und Gewalt sein Inneres hütend und
bewahrend,
rief er alle Machte der Erinnerung
zu Hülfe, um in Roberts erweichtem Geinüth
wieder aufzuleben, im Nimbus der gemeinschaft-
252 Er verbreitete fllh
lich verlebken Jugendjahre.
über die Spiele ihrer Kindheit,
er sprach mit
Rührung von den Schicksalen, die sie aus ein*
und mit Reue von
anderrissen, sich
dabei
vorzuwerfen
zu
was ec
dem,
haben
bekannte.
Nur jetzt, als ei; Roberten aufs innigste gerührt
und in seinen Augen die Perlen freudiger Weh muth erglänzen sah,
wagte er es, mit seinen
Planen und Vorschlägen naher hervor zu treten.
Er schtvur, alles anzuwenden, utti den Gefähr ten,
den Bruder seiner Jugend dein unverdien
ten gräßlichen Geschick zu entreißen.
Und nun
suchte er ihm zu beweisen', daß nichts schneller, sicherer und erlaubter zu
könne,
diesem' Ziele führen
als das freiwillige Eingeständniß
dem Orden gemachten Beschuldigungen.
süh?e wohl,«
sprach er:
»»Ich
»wie ein edles Herz
sich dawider empören mag, manches davon unerwiesen,
gar lächerlich seyn kann.
dec
ich glaube,
daß so
übertrieben, ja so Aber der König hat
den Untergang des Ordens geschworen, der Pabst ist mit ihm einverstanden,
Dorwand,
man braucht einen
und der' beste ist das Selbstgeständ-
253
,
niß der Ritter, indem sie alle Wei'tläuftl'qkciten
gehässiiger
DaS Rad des Verhängnisses
eS
aufzuhalten,
zermalmt.
Wer in
Untersuchungen * entfernt.
wird von
greifen
will,
um
feinem Umschwung
Wer ihn zu benutzen versteht, wird
auf die Höhe menschlicher Größe und Glückse
und Tod
ligkeit gehoben.-.— Schande, Elend ist das unvermeidliche Loos dessen,
der frucht
los widerstrebt; aber nicht nur Verzeihung, son dern
auch Belohnung erwartet den klugen Be
kenner.
Oer Pabst
verspricht Vergebung aller
reumüthig gebeichteten Sünden: und die Indi
viduen sind gerettet, wenn das Band des Gan zen zerstäubt.
Deshalb wünscht der heilige Va
ter Ergebung und G^ständniß,
und wird dieje
nigen mit geistlichen und leiblichen Schätzen be
lohnen, die Ansehn und Gewicht genug haben, ihre Brüder zu dem gewünschten Ziele zu leiten,
und davon zu deren eigenem Besten Gebrauch zu machen. «
Als Wilhelm
so
die Grundsätze
schwankend gemacht zu
haben
Roberts
glaubte, fügte
er nun noch den letzten Angriff hinzu, um sei-
254' neu
(Sieg übet ihn zu vollenden.
nun noch,« nung,
so schloß er,
durch
»Laß
mir
»die tröstliche Hoff
die Bemühungen
meines spätern
einstußreichen Lebens ein Glück wieder herzustes, len, welches ich in meiner leidenschaftlichen Ju
gend frevelnd
zerstörte, das J^füdE der beiden
theuersten Wesen,
die mir in der Welt wurden,
und die ich getrennt zu haben mir nie verzei
hen konnte.
Ich spreche von Eleonoren und Dir.
Ich weiß, ihr bliebt euch noch; dein Gelübde ist gelöst,
und das ihrige vom Pabst lösen zu las
sen, ist auch jetzt noch nicht unmöglich geworden. Auf irgend
einer abgelegenen Burg, vergessen
von der Welt,
und durch euch
aber selig in
selbst, lebt ihr das Leben der Kindheit noch ein mal zurück, und ich rette mich zu euch, wenn
ich
mich, zerschlagen
von
den
Stürmen
dec
Welt, nach dem Hafen der Ruhe sehne.« Robert schwieg, tief in sich versunken.
Wie
Kinder zwischen Blumen und Bküten spielend
auf sonnbegtänzter Au, gaukelten rosige Bilder der Zukunft vor seiner Seele.
Aber bald erhob
sich in ihm daü Gefühl der Pflicht, des ewigen
=55 Ein ungeheu
Rechts und der eigenen Würde.
rer Schmerz durchzuckte ihn, jenem vergleichbar,
als er
einst,
vom
Freiherrn vertrieben,
alten
die Burg seiner Hoffnung und Seligkeit verließ.
Aber
mit gefaßtem
Ernste
wandte er stch zu
dem trauernden Freunde, und sprach: glauben, Wilhelm, gendfreund,
nicht
daß der
«Ich will
nur der liebende Ju
wett -
und
Rath Philipps aus dir spricht.
ftaatskluge
Es würde mich
selbst in diesem Augenblicke noch mehr atü alles
Andere schmerzen, müßte.
anderes
ich
wenn
glauben
Ich danke dir daher, aber ich bitte dich
vor allen Dingen,
du retten willst.
den Freund zu achten,
Mit
welcher
Stimme,
den mit
welchem Herzen sollt' ich vor daü Leben treten, das ich selbst entwerthele?
ein ewi
Es giebt
ges, unveräußerliches, unabänderliches Recht dec
Wahrheit; die Stimme der Gegenwart kann es übertäuben und unterdrücken,
aber der Spruch
einer
unbestochenen
her.
Oer Orden ist nicht fehler- und flecken
frei,
denn er ist Menschenwerk,
Nachwelt
stellt
es
wieder
aber bei dem
lebendigen Gott! er ist rein von den unsinnigen
256 Gräueln, Vie man ihm anschuldigen will.
König und seine Henker könyen
unS
Dein
morden,
aber sie können nicht gebieten über die Segnun
gen . und Verwünschungen der Geschichte, deren Gericht uns alle erwartet.
Mit diesem Bewußt
seyn und diesem Bekenntniß im Hekzen und auf
den ßippen,
hoff'
ich»
meines Gottes,
meines
Ordens und meiner selbst nicht unwürdig,
in
Ketten
als
ein
freier
auch
sterben.
Mann zu
Sage dies, wem es zu sagen 97otl) thut,
und
überlasse mich dem Schicksal, welches mich nur
durch die Zulassung Gottes
und nach
seinem
unerforschlichen Rath crgreifeq kann! « Nicht ohne Beschämung stch
allgewaltig
entfernte sich der
dü-nlende Nlinister,
alle seine
Künste vergebens gegen einen Mann aufgeboten
zu haben, der furchtlos dem schmählichsten Tode inü Auge sah.
,
=57
Sechzehntes Kapitel. Otoüerfö Seele war noch nicht beruhigt, als die Dhüre des Gefängnisses sich abermals öff
nete, und Astanin hereintrat. Robert wandte sich von ihm ab.
«Ich sehe wohl,«
»du
sprach jener lächelnd,
hast deine Dorurtheile gegen mich nach
nicht abgelegt.
Dennoch fühl ich mich gezogen,
dir auch gegen deinen Willen noch einmal meine hülfreiche Hand zu bieten,
Aber merke es wohl,
Robert, es ist das letzte mal.
Ich werde dir
nicht, wie der aberwitzige Wilhelm anmuthen,
dich selbst durch ein schändliches Bekenntniß vor Welt und Nachwelt zu entehren, und daraus kannst du die bessere Quelle beurtheilen, aus
welcher dir die Hülfe der Freundschaft kommt.« „Ich vertraue dem Siege dec Wahrheit,«
sagte Robert, » und der Gnade Gottes,
die mir
verleihen wird, ihr Wort in dieser meiner Schrift ertönen zu lasten.
„Das ist nicht wahr,« entgegnete der Grot tenjunker kalt und ruhig«
„Du bist kein so un-
258 um dieser Hoffnung Glauben
erfahrnes Kind,
geben zu
Eonnen
können.
Deine Buchstaben
könnten
seyn, und mit Donnerstimmen reden,
und sie würden die Finsterniß und dre Taubheit
dieser Herzen doch weder erhellen,
noch durch
dringen. — Aber Frankreich ist nicht die Wett,
und was hier Falschmünzer als Recht stempeln, gilt darum noch nicht dafür jenseits des Rheins oder der Pyrenäen.
des großen
Auch dort löste das Wort
Pfaffen den -Orden
Fürsten lasten
sich
auf,
und die
feine Güter gut schmeckens
aber der persönliche Charakter seiner Mitglieder blieb unangetastet von der giftigen Hand
der
Derläumdung, und ein erlaubter und gerechter Widerstand entkräftete die Gewalt ihrer Feindec
So trat der Präreptor von Deutschland, Hugo
Wildgraf vom Rhein,
muthig
an die Spitze
der Brüder vor dem Erzbischoff von Maynz,
der im Ramen des Pabstes richten wollte,
ver
wahrte den Orden gegen allen Unglimpf,
und
appcllirte an ein künftiges gerechteres Oberhaupt
der Kirche. dannen,
Frei und in Ehren gingen ste von
und Hugo ladet dich ein,
der Worte
259 seines Abschieds eingedenk zu seyn,
und zu ihm
in ein besseres Vaterland zu eilen. '< Mit diesen Worten
überreichte er dem stau
nenden Robert ein Drieflein, und fuhr,
als die
ser gelesen hatte, weiter fortr
Ich bringe dich zu ihm, wenn du mir tw
frdi^t, und willst du nicht Allein ziehen, so sind mir De Mauern
deS neuen Frauenmünsters zu
Belley weder *