Multidirektionale Erinnerung. Holocaustgedenken im Zeitalter der Dekolonisierung 9783863315580

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Multidirektionale Erinnerung. Holocaustgedenken im Zeitalter der Dekolonisierung
 9783863315580

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Michael Rothberg

Multidirektionale Erinnerung Holocaustgedenken im Zeitalter der Dekolonisierung

Aus dem Englischen von Max Henninger

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METROPOL

Die Übersetzung wurde ermöglicht mit freundlicher Unterstützung von: 1939 Society Samuel Goetz Chair in Holocaust Studies at UCLA, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Goethe-Institut, Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin, Stiftung Zeitlehren.

UCLA ZUlilrumlUr

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Zur Einführung: Interview mit Michael Rothberg von Felix Axster und !ana König

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1. Einleitung: Die TI1eorie multidirektionaler Erinnerung

in einem transnationalen Zeitalter ROSA ILUXEMBIUIRG S1I"SIFII"IUIII\IG

= Anilsumilismuslorschung

Inhalt

GOETHE

INSTITUT

STIFTUNG

=

Teil I: Bumerang-Effekte: Nacktes Leben, Trauma und die koloniale Wende in der Holocaustforschung 59

2. An den Grenzen des Eurozentrismus: Hannah Arendts Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft

97

3. »Un choc en retour«: Aime Cesaires Diskurse über Kolonialismus und Genozid

ZEITLEHREN

Teil II: Migrationen der Erinnerung: Ruinen, Ghettos, Diasporen 143

4. W. E. B. Du Bois in Warschau: Holocaustgedenken und die color line

169

5. Anachronistische Ästhetik: Andre Schwarz-Bart und Caryl Phillips über die Ruinen der Erinnerung

Teil III: Wahrheit, Folter, Zeugnis: Holocaustgedenken während des Algerienkriegs 211

6. Das Werk der Zeugenschaft im Zeitalter der Dekolonisierung: Chronik eines Sommers und das Auftauchen der Holocaust-Überlebenden

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7. Die gegenöffentliche Zeugin: Charlotte Delbos Les beIles lettres

Teil IV: Der 17. Oktober 1961: Ein Ort des Holocaustgedenkens? Erstausgabe: Michael Rothberg, Multidirectional Memory Remembering the Holocaust in the Age of Decolonization Stanford University Press 2009

ISBN: 978-3-86331-558-0 © 2021 Metropol Verlag Ansbacher Str. 70 I D-10777 Berlin www.metropol-verlag.de Alle Rechte vorbehalten Druck: buchdruckereLde, Berlin

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8. Eine Geschichte dreier Ghettos: Race, Gender und »Universalität« nach dem 17. Oktober 1961

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9. Versteckte Kinder: Die Ethik multigenerationeller Erinnerung nach 1961

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Epilog: Multidirektionale Erinnerung in einem Zeitalter der Besatzungen

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Dank

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Felix Axster • Jana König Nachwort: Multidirektionalität in Deutschland

381 399

Literatur Personenregister

Zur Einführung: Interview mit Michael Rothberg von Felix Axster • !ana König

Michael Rothberg, als Literaturwissenschaftier und Holocaustforscher beschäftigen Sie sich intensiv mit Fragen der Erinnerung, die Sie als Auseinandersetzung mit Gerechtigkeit verstehen. Können Sie kurz die Genese Ihrer erinnerungspolitischen Sozialisation skizzieren? Welche Debatten waren wichtig für Sie? Gab es bestimmte Zäsuren oder Wendepunkte?

Ich würde sagen, meine intellektuelle Entwicklung wurde durch eine Menge Zufälle und durch einige sehr klare soziale und biografische Fakten gekennzeichnet. Ich bin in einer, wie ich es beschreiben möchte, ziemlich »typischen« jüdisch-amerikanischen Familie aufgewachsen - Mittelklasse, meist säkular, politisch liberal. Sowohl die Familie meiner Mutter als auch die meines Vaters sind Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, Jahrzehnte vor dem Holocaust, aus Osteuropa an die Ostküste der Vereinigten Staaten migriert. Die Familie meines Vaters war etwas religiöser; einige Verwandte auf mütterlicher Seite waren Kommunisten oder Sozialistinnen. Ich würde nicht sagen, dass ich mit einem intensiven Bewusstsein vom Holocaust aufgewachsen bin, aber sicherlich war er mir durch Kinderbücher und vielleicht durch ein paar Unterrichtsstunden in der hebräischen Nachmittagsschule peripher gewahr. Obwohl meine Familie nur wenige direkte Verbindungen zu Israel hatte, wurde ich definitiv dazu erzogen, Israel unkritisch zu unterstützen und seine »arabischen Nachbarn« zu fürchten. Ich glaube nicht, dass "palästinensisch" ein Wort war, das ich je gehört habe, als ich in den 1970er und frühen 1980er Jahren aufwuchs. Ich habe wissentlich keine Palästinenser getroffen, bis ich in meinen frühen Zwanzigern während der ersten Intifada auf die Hochschule kam. Diese Begegnungen hatten gewaltigen Einfluss auf mein Denken über die Welt, denn sie zeigten mir, wie sehr ich mit einer sehr einseitigen - und, ehrlich gesagt, vorurteilsbehafteten - Weltsicht aufgewachsen war. Mein Interesse am Holocaust entstand etwa zur gleichen Zeit, als ich begann, mich mit der Politik Israels und Palästinas auseinanderzusetzen. Im ersten Semester meines Graduiertenkollegs an der Duke University belegte ich einen Kurs über »Krieg und Erinnerung«, der von Alice Kaplan und Linda Orr, zwei französischen Kulturwissenschaftlerinnen, geleitet wurde. Wir diskutierten über die Paul-de-ManAffäre und den »Historikerstreit« - beide hatten erst kurz zuvor stattgefunden -, sahen Claude Lanzmal1l1s Shoah und lasen Texte wie Christa Wolfs Kindheitsmuster und Art SpiegeImans Maus, die ebenfalls gerade erst erschienen waren. Ich setzte ein paar Jahre mit der Uni aus und zog nach New York City, wo ich erst in einer Suppenküche und dann für einen wissenschaftlichen Verlag gearbeitet habe. Während dieser Zeit begann ich, Bücher wie Primo Levis Die Untergegangenen und

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die Geretteten, Gita Serenys Am Abgrund und Christopher Brownings Ganz normale Männer zu lesen. An dem Punkt war ich wirklich süchtig danach: Der Völkermord der Nazis schien so viel von der Selbstverständlichkeiten meiner Ausbildung als Literaturtheoretiker infrage zu stellen, insbesondere die poststrukturalistischen und marxistischen Theorien, die mich als Student begeistert hatten und die mir nach wie vor wichtig sind. Als ich an die City University ofNew York zurückkehrte, begann ich, die Ereignisse des Holocaust als eine intellektuelle und ethische Herausforderung zu sehen, die nach Engagement rief. Ich hatte das Glück, mit Nancy K. Miller zusammenzuarbeiten, die zwar keine Holocaustforscherin, aber Expertin für Autobiografien und Memoiren war und die mir half, über Zeugnis und Erinnerung nachzudenken (und die mich zwang, einen Teil des theoretischen Jargons, den ich über die Jahre angesammelt hatte, abzulegen!) Als ich Mitte und Ende der 1990er-Jahre an meiner Dissertation und meinem ersten Buch Traumatic Realism arbeitete, wurde mir klar, dass ein scheinbar sehr persönliches Interesse am Holocaust Teil eines viel größeren Phänomens war: Es war die Zeit nach dem Kalten Krieg, in der der Holocaust »amerikanisiert« und »globalisiert« wurde. In meinem Buch schrieb ich über das Jahr 1993 - das Jahr, das eine amerikanische Nachrichtensendung »Das Jahr des Holocaust« genannt hatte, weil da das Holocaust-Memorial-Museum der Vereinigten Staaten eröffnet wurde, der Film Schindlers Liste erschien, der Völkermord in Jugoslawien begann und neonazistische Aktivitäten in Europa stark zunahmen - im folgenden Jahr kam der ebenso beunruhigende Genozid in Ruanda dazu. Das war ein Moment - ähnlich wie heute -, in dem das Echo der Vergangenheit sehr stark war und in dem der Holocaust oft für sehr zweifelhafte Zwecke vereinnahmt wurde. Man hatte den Eindruck, dass die amerikanischen Juden ihre Identität zugleich auf einer Besessenheit vom Holocaust und einer Loyalität zu Israel aufbauten, dessen Besatzungsregime durch die Intifada dramatisch infrage gestellt wurde. Philip Roth untersucht in seinem Roman Operation Shyloclc, der ebenfalls 1993 erschien und über den ich in Traumatic Realism schrieb, sehr provokativ und produktiv diese Triangulation von Israel, Holocaust und jüdisch-amerikanischer Identität. Ich verstand meine damalige Arbeit als Versuch, in diese Triangulation einzugreifen, indem ich einige Glaubensdogmen rund um den Holocaust infrage stellte, die ihn für eine rührselige Popkultur ausbeutbar machten und zugleich als Schutzwall gegen eine Kritik der israelischen Politik dienten - eine Politik, die ich zunehmend als unrechtmäßige Besatzung und Enteignung der Palästinenser sah. Ab Wal111 hat das Modell der multidirelctionalen Erinnerung in Ihrem Denlcen Konturen angenommen?

Während ich mich mit all diesem Material zum Holocaust befasste, entwickelte ich parallel ein Interesse an Literatur und Kultur der Afroamerikaner und der Schwarzen

INTERVIEW MIT MICHAEL ROTHBERG

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Diaspora sowie an postkolonialer Theorie, die in den USA etwa zeitgleich prominent wurde. Ursprünglich betrachtete ich dies als getrennt voneinander, aber dann erschien 1993 ein weiteres Buch, das mein Denken wesentlich beeinflusste: Paul Gilroys Ihe Blacle Atlantic. Gilroys hauptsächliches Ziel war es, die Auseinandersetzung mit Schwarzen Kulturen nicht aus einer national geprägten Perspektive zu führen, sondern in einen diasporischen Kontext zu stellen - und den Schlüsselmoment der Moderne für Schwarze und alle anderen in der »Middle Passage« (der Passage über den Atlantik von West-Afrika zu den Westindischen Inseln oder nach Amerika - der Route des früheren Sklavenhandels) zu verorten. Im letzten Kapitel des Buches erörtert Gilroy anhand von Toni Morrison und Primo Levi, wie die Sklaverei und der Holocaust, wie ich es nennen würde, »multidirektional«, also nicht konkurrierend, zusammengebracht werden können. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Universität gab ich 1994 eine Sonderausgabe unserer kulturwissenschaftlichen Zeitschrift Found Object zu Gilroys Arbeit heraus, die wir »Across the Blade Atlantic« nannten. Damit waren wir wirklich weit vorne, denn dieses Buch wurde zu einem der einflussreichsten (und zum Teil umstrittensten) akademischen Werke des Jahrzehnts. Für mich persönlich war es der Versuch, zwei Bereiche auf plausible Weise zusammenzuführen, die meist getrennt voneinander behandelt werden. Es zeigt ein Modell, wie man das bewerkstelligen kann, ohne die Unterschiede zu verwischen oder die Opfer und ihre Nachkommen gegeneinander auszuspielen. Ich bezog mich also in Traumatic Realism auf Blacle Atlantic und analysierte im Schlussteil zudem Drei Tage und eine Frage - einen kurzen Text der linken jüdischamerikanischen Schriftstellerin Grace Paley, in dem sie den Holocaust, die Besetzung Palästinas, die AIDS-Epidemie und die Notlage der haitianischen Flüchtlinge einander gegenüberstellt. Im Rückblick scheint mir klar, dass Gilroys und Paleys sorgfältige, ethisch anspruchsvolle vergleichende Perspektiven der Ursprung von Multidirelctionaler Erinnerung waren, aber damals wusste ich das noch nicht. Inspiriert von Gilroy begann ich, über ein Buchprojekt nachzudenken, das die »schwarz-jüdische Frage« - so hieß es damals in den USA - aus einem eher transnationalen Blickwinkel betrachten sollte. Ich stieß auf Ihe Negro and the Warsmv Ghetto, einen kurzen Text des afroamerikanischen Intellektuellen und Aktivisten W. E. B. Du Bois. Sein Text aus dem Jahr 1952, der, wie ich bald herausfand, in einer jüdischkommunistischen Zeitschrift veröffentlicht worden war, erzählt von Du Bois' Besuch der Ruinen des Warschauer Ghettos im Jahr 1949 und beschreibt, wie der Anblick absoluter Zerstörung sein Denken über race veränderte. Du Bois erkannte sowohl die präzedenzlose Radikalität des Holocaust als auch seine Verbindungen zu der ganz anderen Form von Rassismus, die er als Schwarzer Amerikaner erlebt hatte. Du Bois' Fähigkeit, Unterschiede und Ähnlichkeiten zugleich wahrzunehmen, war die konzeptionelle Inspiration für meinen Ansatz der multidirektionalen Erinnerung, auch wenn ich diesen Begriff zu der Zeit noch nicht geprägt hatte. Außer der Auseinandersetzung mit Du Bois war ein Schlüsselmoment der Entstehung von Multidirelctionaler Erinnerung meine Entdeckung des überdeterminierten

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Kontextes des algerischen Unabhängigkeitskrieges und insbesondere, wie er sich bei den französischen Intellektuellen in den späten 1950er- und frühen 1960er-Jahren umgesetzt hat. Diese Entdeckung war wirklich zufällig. Ich hör te einen Vortrag des afrikanischen Filmwissenschaftiers Manthia Diawara, in dem er seinen Film Rouch in Reverse vorstellte - einen »anti-ethnografischen« Film über den Ethnografen und Filmemacher Jean Rouch. In seinem Vortrag beschrieb Diawara eine Stelle in Rouch in Reverse und eine andere Szene im Cinema-Verite-Film Chronique d'un ete (Chronik eines Sommers) von Edgar Morin und Jean Rouch aus dem Jahr 1961, in der eine Begegnung zwischen einem Holocaust-Überlebenden und einigen afrikanischen Studenten in Paris gezeigt wird. Ich rannte sofort in die Bibliothek und besorgte mir eine Kopie des Films. Ich schaute mir ihn am nächsten Tag mit einigen Freunden an, und er beeindruckte mich enorm. Es gab nicht nur die sehr unangenehme und verstörende Szene, die Diawara beschrieben hatte, es folgte auch ein Zeugnis der Überlebenden Marceline Loridan, die erzählte, dass sie mit ihrem Vater nach Auschwitz deportiert wurde und allein nach Frankreich zurückkehrte. Rouch und Morin filmten Marceline, wie sie durch die Straßen der Stadt lief, vorbei an der Place de la Concorde und in den alten Markt Les Halles, der so gefilmt wurde, dass er wie die Bahnhöfe aussah, die Marceline in ihrer kurzen Zeugenaussage beschreibt. Chronique d'un ete enthält eine kurze Diskussion über die Dekolonialisierung, auch über die Ermordung Lumumbas im Kongo, und es ist der einzige französische Film dieser Zeit, der sich ausdrücklich, wenn auch indirekt, auf den Algerienkrieg bezieht. Als ich mich mit dem Kontext des Algerienkrieges auseinandersetzte, wurde mir klar, dass verschiedene Aktivistinnen und Aktivisten sowie Intellektuelle damals einige Aspekte des Krieges als Widerhall dessen verstanden, was unter der NaziBesatzung geschehen war: Folter, Lager und die Notwendigkeit, traumatische Gewalt zu bezeugen. Mit anderen Worten: Genau zu dem Zeitpunkt, als die Erinnerung an den Holocaust im öffentlichen Diskurs - vor allem durch den Eichmann-Prozess in Jerusalem - mehr Aufmerksamkeit bekam, führte die Dekolonialisierung in Frankreich zu einer neuen, vergleichenden und sehr politischen Form von Erinnerung. Kurz darauf wurde mir klar, dass das Buch Les belles lettres von Charlotte Delbo einer nichtjüdischen Auschwitz-Überlebenden, über die ich in Traumatic Realism geschrieben hatte -, das aus einer Sammlung offener Briefe aus dem Jahr 1961 besteht, in Opposition zum Algerienkrieg geschrieben wurde. An diesem Punkt wurde mir klar, dass ich etwas entdeckt hatte, was sich weitreichend darauf auswirkt, wie wir über die Erinnerung an den Holocaust und Erinnerung im Allgemeinen denken. Sie haben eben den Historikerstreit erwähnt. Gerade in Deutschland ist die Mitte der 1980er- fahre geführte Debatte über die Frage, ob und inwiefern der Nationalsozialismus und der Stalinismus bzw. Auschwitz und der Gulag zusammenhängen, eine wesentliche Referenz hinsichtlich des Singularitätsparadigmas. Immerhin hat Dan Diner im Kontext des Historikerstreits den Begriff des Zivilisationsbruchs geprägt, deI' die Einzigartigkeit des Holocaust unterstreichen und somit die Relativienmgsbe-

INTERVIEW MIT MICHAEL ROTHBERG

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mülnmgen von konservativen Historikern wie E1'11st Nolte (dabei ging es auch um die Relativienmg deutscher Schuld) aushebein sollte. Der seit Mitte/Ende der 1990er-Jahre schwelende Streit über das Verhältnis zwischen Nationalsozialismus und Kolonialismus, der erst kürzlich im Rahmen der Auseinandersetzung über Achille Mbembe und die gegen ihn erhobenen Antisemitismusvorwül!e wieder aufflammte, ist immer wieder als eine Art Historikerstreit 2.0 interpretiert worden. Was halten Sie von dieser Analogie? Inwiefern ist die Angst, die Spezifika des Holocaust könnten sich in einer allgemeinen und komparativen Geschichte globaler lvlassengewalt auflösen, gerade im Land der Täter berechtigt? Wie verhält sich Ihr Modell der multidirektionalen Erinnerung zu ethisch problematischen oder gar illegitimen Bezugnahmen auf den Holocaust, wie wir sie momentan im Rahmen der Proteste gegen die Corona-lvlaßnahmen erleben? Erinnert sei an das berühmt gewordene Plakat, auf dem der deutsche Virologe Christian Drosten mit fosef Mengele, dem berüchtigten Arzt aus Auschwitz, verglichen wird?

Diese Fragen des Vergleichs und der Analogie stehen im Mittelpunkt meines Denkens, seitdem ich mit der Arbeit an Multidirektionale Erinnerung begonnen habe. Um sie anzugehen, müssen wir die politische Dynamik öffentlicher Erinnerung verstehen und eine nuancierte Ethik des Vergleichs entwickeln. Und natürlich braucht man ein solides empirisches Wissen über die verschiedenen Geschichten. Ich beginne das Buch mit einem - wie ich es nenne - »negativen« Beispiel für multi direktion ale Erinnerung: der Inszenierung einer Opferkonkurrenz zwischen »Schwarzer« und »jüdischer« Geschichte. Damit mache ich klar, dass der Begriff der multidirektionalen Erinnerung keine einfache Lösung für die Probleme des Vergleichs bietet. Vielmehr geht es mir mit diesem Beispiel um ein Verständnis der Dynamik von Erinnerung: darum, dass diese Dynamik eben nicht durch die Logik des Nullsummenspiels bestimmt ist. Öffentliche Erinnerung arbeitet vielmehr ertragreich und ist nicht einer Logik der Knappheit unterworfen. Mit anderen Worten: Der Konflikt um Erinnerung produziert mehr Erinnerungen, nicht weniger. Diesem Axiom entsprechend existieren Erinnerungen nie im Singular. Vergleich, Analogie, Aneignung und Nachhall sind unvermeidliche Bestandteile aller Artikulationen von Erinnerung - ganz sicher der öffentlichen Erinnerung, aber ich vermute, das gilt auch für persönlichere, intimere Erinnerungen. In Multidirektionale Erinnerung konzentriere ich mich größtenteils auf »positivere« Beispiele der Multidirektionalität. Das mache ich, weil das Verständnis der vergleichenden Erinnerungen zu der Zeit, als ich mit dem Schreiben begann, nahezu ausschließlich von dem dominiert wurde, was ich »kompetitive Erinnerung« nenne, also der Annahme, dass die Erinnerung an den Holocaust die Erinnerung und Artikulierung anderer Geschichten verhindert; oder umgekehrt, dass die Erinnerung an Sklaverei oder Kolonialismus die Erinnerung an den Holocaust auf irgendeine Weise aus der öffentlichen Sphäre auslöschen würde. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass dies der falsche Weg ist, um Erinnerungsdynamiken zu verstehen. Ich würde auf solche Diskussionen verweisen, auf die Sie in Ihrer Frage anspielen - zum Beispiel über

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die Beziehung zwischen dem Holocaust und dem Kolonialismus -, um zu belegen, dass die kollektive Aufmerksamkeit durch Kontroversen auf vielfältigere Erinnerungen gelenkt wird. Neben einer Theorie der Dynamik des Gedenkens wollte ich mit dem Buch aber auch eine Gegengeschichte der Holocausterinnerung sichtbar machen: eine Geschichte, die bis in die unmittelbare Nachkriegszeit zurückreicht und in der immer wieder unterschiedliche Erinnerungen an Gewalt im Interesse einer gruppenübergreifenden Solidarität zusammengeführt werden. Wie ich oben ausgeführt habe, war und ist es eines meiner Anliegen - inspiriert von Gilroy, Du Bois, Paley und anderen -, Beispiele für solidarische Bezüge zwischen Holocaustüberlebenden und deren Nachkommen und den Nachkommen derjenigen, die in Amerika versklavt oder von europäischen Mächten kolonisiert wurden, zu finden. Was ich an einem solch multidirektionalen Zugang schätze, ist die Möglichkeit, Erfahrungen zusammenzudenken, die sich deutlich voneinander unterscheiden und die dennoch Berührungspunkte haben - und dadurch gegenseitiges Verständnis erwecken können. Und doch gibt es, das deutet Ihre Frage an, Schwierigkeiten, die mit solch multidirektionalen Zugängen einhergehen. Nachdem ich das Buch beendet hatte, wurde mir klar, dass ich einige dieser möglicherweise problematischen ethischen Fragen über vergleichende Erinnerungen noch nicht angemessen behandelt hatte. In Multidirektionale Erinnerung differenziere ich zwischen Vergleichen, die die Unterschiede zwischen den verschiedenen Geschichten nivellieren, was ich für problematisch halte, und solchen, die die Unterschiede anerkennen und bewahren, was ich im Allgemeinen für ethisch vertretbarer halte. Diese Unterscheidung ist ein wichtiger erster Schritt, aber für sich nicht ausreichend. Für ein komplexeres Verständnis der ethischen Fragen solcher Vergleiche habe ich mir den Fall vorgenommen, den ich für den schwierigsten halte: den Vergleich zwischen dem Völkermord der Nazis und der israelischen Besatzung und Enteignung von Palästinenserinnen und Palästinensern. Indem ich diesen Fall behandle - speziell die häufige Beschwörung des Warschauer Ghettos in Bezug auf Gaza und die Besatzung allgemein -, gestalte ich eine neue »Landkarte« der multidirektionalen Erinnerung. In dem Aufsatz From Gaza to Warsaw: Mapping Multidirectional Memory (2011) - der auch in meinem neuen Buch The Implicated Subject (2019) enthalten ist - argumentiere ich, dass solche Erinnerungen auf zwei Achsen produktiv abgebildet werden können: einer Ve7gleichsachse, die sich von Gemeinsamkeiten bis zu Unterschieden erstreckt, und einer Achse des politischen Affekts, die sich von der Konkurrenz bis zu Solidarität erstreckt. Damit bleiben uns vier Quadranten, in denen wir verschiedene Formen der multidirektionalen Erinnerung lokalisieren können: eine für Konkurrenz basierend auf Unterschieden sowie auf Gleichsetzung; eine für Solidarität basierend auf Gemeinsamkeiten sowie auf Unterschieden. Obwohl diese Bestandsaufnahme in erster Linie als Analyseinstrument gedacht ist, hilft sie uns, Einblicke in wichtige ethische und politische Unterschiede zu gewinnen. Sie hat mir zum Beispiel geholfen zu verstehen, dass das, was ich als radikal demokratische Erinnerungspolitik schätze, auf »differenzierter Solidarität« beruhen muss - ein Ansatz, den ich verfolgen muss, wenn ich z. B. als weißer Jude meine

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Solidarität mit der Black-Lives-Matter-Bewegung ausdrücken möchte, ohne zu beanspruchen, irgendeine gleichwertige persönliche Viktimisierungsgeschichte zu teilen. Solidarität erfordert keine Identifikationen, die die realen materiellen Unterschiede der Standorte und Erfahrungen auslöschen. Diese Karte ist zwar recht schematisch, aber ich denke, dass sie uns hilft, ein,ige der in Rede stehenden Kontroversen zu verstehen. Zum Beispiel steht im Zentrum meines Textes From Gaza to Warsaw ein Fotoessay, der ganz ähnlich funktioniert wie das erwähnte Corona-Plakat. Nach der israelischen Bombardierung des Gazastreifens im Dezember 2008 und Januar 2009 zirkulierte im Internet ein Fotoessay, der bekannte Bilder des Holocaust zeigt und sie Fotografien gegenüberstellt, die die israelische Besatzung zeigen. Ich war zwar empört über die Zerstörung und den Verlust von Menschenleben im Gaza-Streifen, aber es gab zwei Dinge, die mich an diesem Fotoessay, der sich als Werk eines norwegischen Diplomaten entpuppte, störten. Erstens der visuelle Stil, der ähnlich wie das Corona-Plakat Geschichten andeutungsweise gleichsetzt, also offensichtlich verzerrt. Beispielsweise wird ein Bild aus dem »Auschwitz-Album«, das jüdische Deportierte auf der Rampe in Auschwitz zeigt, einem Foto von einem Kontrollpunkt in den besetzten Gebieten gegenübergestellt. Obwohl beide Bilder Ungerechtigkeiten zeigen, können diese Erfahrungen natürlich nicht gleichgesetzt werden. Daher wäre der Fotoessay, wie auch die Drosten -MengeleZusammenstellung in der »Gleichungs«-Hälfte der Karte angesiedelt. Aber zweitens, und das ist noch wichtiger, soll bei dem Fotoessay, wie auch bei dem Corona-Plakat gerade nicht ein Gefühl der Solidarität geweckt werden, sondern beide spielen die Opfer gegeneinander aus und veranschaulichen somit eher einen Konkurrenzkampf - daher sind diese beiden Beispiele für mich auf der Karte im Quadranten der Konkurrenz, basierend auf Gleichsetzung, angesiedelt. Zumindest im Fall Gaza-Warschau sind andere Ergebnisse ähnlicher Gegenüberstellungen vorstellbar. In meinem Text bespreche ich zum Beispiel eine Videoarbeit des britisch-jüdischen Künstlers Alan Schechner, der zwei Bilder verwendet, die auch im Fotoessay zu finden sind: das des »Jungen im Warschauer Ghetto« und das eines palästinensischen Jungen, der vom israelischen Militär verhaftet wird. Man könnte die Arbeit Schechners leicht als Gleichsetzung der beiden Erfahrungen sehen. Aber, so argumentiere ich in meinem Text, diese Arbeit hat eine differenziertere Sichtweise, denn die Gegenüberstellung erfolgt mit dem Ziel der Solidarität: Schechner bearbeitet die Bilder so, dass der Junge aus dem Warschauer Ghetto das Bild des palästinensischen Jungen in den Händen hält, und der palästinensische Junge das Bild des Jungen aus dem Warschauer Ghetto. Ihre Leben, so vermittelt diese Montage, sind miteinander verwoben. Auch viele Schriften des palästinensischen Intellektuellen Edward Said sind meiner Meinung nach Vorschläge einer differenzierten Solidarität zwischen Juden und Palästinensern: einer Solidarität, die die Traumata beider Gruppen anerkennt, ohne die Unterschiedlichkeiten der Erfahrung, Verantwortung oder Macht zu negieren. Hingegen ist der Corona-Holocaust-Vergleich auf empirischer Basis so abwegig, dass ich mir keinen Gebrauch davon vorstellen kann, der nicht paranoid,

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konspirativ und antisemitisch wäre. In der Schlussfolgerung, die ich in From Gaza to Warsmv gezogen habe, formuliere ich es so: »Eine differenzierte empirische Geschichte« ist ebenso notwendig wie die »moralische Solidarität mit den Opfern verschiedener Ungerechtigkeiten«, also »eine Ethik des Vergleichs, die die asymmetrischen Ansprüche dieser Opfer koordiniert«. Der Ansatz, den ich hier skizziert habe, gilt auch für die Mbembe-Debatte, die, wie Sie gesagt haben, zu einer Art Historilcerstreit 2.0 geworden ist. Zunächst einmal ist fest zuhalten, dass Deutschland und die Deutschen natürlich eine besondere Verantwortung haben, die moralischen Anforderungen des Holocaust anzuerkennen. Die Dynamik einer multidirektionalen Erinnerung ist in Deutschland natürlich eine andere als an den meisten anderen Orten. Mein Argument in Bezug auf historische Verantwortung beruht auf einer ähnlichen Einsicht wie meine Theorie der multidirektionalen Erinnerung: Die Anerkennung der Verantwortung bedeutet nicht, dass es unmöglich ist, auch andere Formen der Verantwortung anzuerkennen; und umgekehrt bedeutet die Anerkennung multipler Formen der Verantwortung nicht, dass die Ansprüche in einem bestimmten Fall weniger gültig sind oder dass alle Formen von Verantwortung gleich sind. In diesem Sinne ist es richtig, die aktuelle Mbembe-Debatte als eine Art Wiederholung des Historilcerstreites zu betrachten: Einige Themen sind die gleichen. Aber die Kontroverse erfordert auch einen neuen - und ich glaube: multidirektionaleren Rahmen. Das heißt, ich würde mich in der Diskussion um Nolte und die anderen Konservativen, die am Historilcerstreit beteiligt waren, nach wie vor auf Habermas' Seite stellen: Es ging nicht nur um die Gleichsetzung von Nationalsozialismus und Stalinismus oder Auschwitz und Gulag, sondern auch um den mit dieser Gleichsetzung verbundenen politischen Affekt. Da wurde sicherlich versucht, sich die OpferSprache derjenigen anzueignen, die den Holocaust erlitten hatten, aber auch - und das erscheint mir entscheidender -, sich der Verantwortung für den Genozid zu entziehen oder sie zu relativieren. Heute hingegen lenkt die Forderung nach Verantwortungsübernahme für den deutschen Kolonialismus in keiner Weise von der Verantwortung für den Holocaust ab - ich kenne niemanden, der das behauptet. Die gegenwärtigen Kämpfe von Schwarzen Deutschen und anderen um Anerkennung des deutschen Kolonialismus bauen zwar auf dem Erbe des Holocaust auf, aber sie versuchen überhaupt nicht, die Verantwortung für diesen zu beseitigen. Deutschland trägt - wie die USA, wie Frankreich und Großbritannien und die meisten anderen mächtigen und wohlhabenden Nationen - eine beträchtliche Verantwortung für viele gegenwärtige Gewaltgeschichten und Herrschaftsstrukturen. Tatsächlich hat die multidirektionale Dynamik zahlreiche antirassistische Proteste der letzten Zeit angetrieben: von den George-Floyd-Protesten bis hin zu den Protesten gegen Kolonialismus und Sklaverei in Europa. Ein anderer Unterschied zwischen der Mbembe-Debatte und dem Historilcerstreit ist die zentrale Rolle Israels. Mbembe wurde - meiner Meinung nach zu Unrecht zweier Todsünden im heutigen Deutschland beschuldigt: Außer Holocaustrelativie-

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rung wurde ihm auch die »Dämonisierung« Israels vorgeworfen. Wenn man sich jedoch Mbembes Werk genauer ansieht, kann man feststellen, dass ~as Thema Israel keineswegs sein zentrales Anliegen ist. Zudem stechen die wenigen Außerungen, die er über Israel macht - auch wenn sie kritisch und zum Teil sogar übertrieben sind nicht aus dem Mainstream der akademischen Debatten in den meisten Ländern lier Welt heraus. Ich bin kein Experte für Mbembes umfangreiche Schriften, habe aber den Eindruck, dass sein Denken weit davon entfernt ist, Israel als Sonderfall herauszugreifen, sondern dass es im Großen und Ganzen kritisch gegenüber verschiedenen Formen der Herrschaft und seine Vision universalisierend und humanistisch ist. Mit anderen Worten: Die Vorwürfe gegen Mbembe sagen mehr aus über den provinziellen und ideologisch überdeterminierten Israel-Palästina-Diskurs in Deutschland als über Mbembe. Die Instrumentalisierung von Antisemitismusvorwürfen gegen Kritiker der israelischen Politik trägt nicht dazu bei, die deutsche Verantwortung für den Holocaust aufrechtzuerhalten, aber sie lenkt sehr wohl ab von der Verantwortung, die Deutsche für den Kolonialismus im Allgemeinen und die fortgesetzte Beherrschung der Palästinenser im Besonderen haben könnten. Dass diese Antisemitismus- und Holocaustrelativierungsvorwürfe auf einige jüdische Intellektuelle und Aktivisten sowie Wissenschaftlerinnen wie Aleida Assmann abzielen, zeigt mir deutlich, dass bei der deutschen Auseinandersetzung mit diesen Themen etwas falsch gelaufen ist. Ich möchte nun auf die Frage des Holocaust als Zivilisatiol1sbruch zurückkommen. Schon immer war ich ein Bewunderer von Dan Diners Essay über die Judenräte und die Gegenrationalität. Diner argumentiert, wenn ich ihn richtig verstehe, dass der erkenntnistheoretische Blickwinkel des Judenrates uns hilft zu verstehen, dass die nationalsozialistische Politik für ihre Opfer buchstäblich undenkbar war, weil sie die Grenzen der konventionellen Rationalität so radikal überschritten hat. Aus dieser Perspektive halte ich es für sinnvoll, vom Holocaust als Zivilisationsbruch zu sprechen. Aber ich denke, es ist wichtig, einen Schritt weiter zu gehen und diese Frage aus postkolonialer Sicht zu betrachten. Wie verschiedene anti- und postkoloniale Denker seit dem Kolonialismus-Dislcurs von Aime Cesaire (1950) - und vielleicht sogar schon vorher - vorgeschlagen haben, kann der Holocaust auch als choc en retour oder »Bumerang-Effekt« verstanden werden, d. h. als die Rückkehr von Gewaltformen nach Europa, die es bereits bei der Kolonialisierung Afrikas, Asiens und Amerikas gab. Während Cesaire, so zeige ich es in Multidirelctionale Erinnerung, zur Gleichsetzung von kolonialer Gewalt und Holocaust tendiert, glaube ich nicht, dass dies der einzige Weg ist, den Bumerang-Effekt zu verstehen. Durch die Arbeiten einiger Historiker, die sich wie Jürgen Zimmerer mit den Vorläufern des Holocaust im Kolonialismus beschäftigen, können wir diese Linien und Genealogien ohne Gleichsetzung oder direkte Kausalität zwischen verschiedenen Gewaltformen oder gar Genoziden nachverfolgen. Neben dem Cesaire-Kapitel in meinem Buch ist auch der Teil über Hannah Arendt für die Diskussion relevant. Meines Erachtens fällt Arendt in ihrer Darstellung Afrikas einer Art Eurozentrismus zum Opfer, selbst wenn sie entscheidende Zusammenhänge zwischen Kolonialismus

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und nationalsozialistischem Völkermord herstellt. Letztlich ist nach meiner Einscllätzung jedes Verständnis von »Zivilisation«, das Sklaverei und Kolonialisierung nicht als Brüche thematisiert, völlig unzureichend, um die europäische Moderne zu verstehen. Auch hier ist Gilroys Arbeit The Black Atlantic, neben vielen anderen ähnlichen kritischen Schriften, entscheidend. So, wie ich über Erinnerung, aber auch über historische Verantwortung denke, glaube ich, dass wir uns der Idee widersetzen müssen, dass nur eine Form des Zivilisationsbruchs möglich ist. Im Gegenteil, unsere Welt besteht aus zahlreichen, zum Teil andauernden Brüchen, die gegenwärtig die Zukunft des menschlichen und nicht-menschlichen Lebens auf unserem Planeten bedrohen. Um uns diesen Problemen zu stellen, müssen wir meiner Meinung nach eine multidirektionale Perspektive entwickeln, die die zahlreichen Implikationen offenbart, in denen wir gefangen sind. Der Rückzug auf sakralisierte Diskurse der Einzigartigkeit wird uns wenig helfen, den Gefahren für unser aller Welt zu begegnen. In Relation zur Trias »Rasse«, Klasse und Geschlecht bezieht sich Multidirektionale Erinnerung stark alif die Kategorie »Rasse«. Die Sklaverei war - anders als der Holocaust - alif sehr grundsätzliche Weise auch an den Faktor Klasse gekoppelt. Wie prägt nach Ihrer Meinung Klasse die Erinnerung und das Gedenken? Wie könnte eine Reflexion über Klassenunterschiede in das Konzept der multidirektionalen Erinnerung eingehen? Als in Berlin Lebende fallen uns konkret die deportierten und ermordeten Juden und Jüdinnen aus dem Stadtteil Neukölln ein, an die nur sehr wenige Stolpersteine erinnern. Sie waren überwiegend Proletarier, haben kaum Texte hinterlassen und nur sehr selten entkommen können. Wie könnten ihre Geschichten Teil einer multidirektionalen Erinnerung werden? Um zurückzukommen alif die Trias: Könnte und sollte eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der Frauenveljolgungen, mit Femiziden und patriarchaler Unterdrückung Teil einer multidirektionalen Erinnerung sein? Welche Auswirkungen hätte das alif das historische Archiv? Multidil·ektionale Erinnerung hat, so möchte ich es heute sagen, zwei Hauptanliegen. Erstens versuche ich, die Geschichte der Holocaust-Erinnerung als eine fortlaufende dialogische Interaktion mit Geschichten und Erinnerungen an Kolonialismus, Sklaverei, Rassismus und Dekolonialisierung neu zu erzählen. Zweitens schlage ich einen neuen Weg, kollektives Gedächtnis ganz allgemein zu konzeptualisieren, vor, indem ich grundlegende Annahmen des Feldes überdenke - insbesondere die verbreitete Annahme einer linearen Beziehung zwischen Erinnerung und Identität und die Nullsummenlogik der Knappheit. Meine Entscheidung, das zweite Argument am Beispiel des ersten zu entwickeln, ist nicht willkürlich, da die Erinnerung an die Shoah seit einigen Jahrzehnten eine zentrale Rolle bei der Globalisierung von Erinnerungsdiskursen spielt. Aber ich glaube auch, dass mein Argument des multidirektionalen Charakters des Gedächtnisses in anderen Kontexten funktionieren kann, die weit vom Holocaust entfernt sind. In der Tat hat es im letzten Jahrzehnt viele Arbeiten gegeben, die sich für genau solche Projekte auf ein multidirektionales Rahmenwerk stützen.

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Ich glaube immer noch, dass mehr erinnert wird oder wiederherstellbar ist, als wir uns üblicherweise vorstellen. Zwei aktuelle Beispiele sind das Wiederaufleben der Erinnerung an Sklaverei, Lynchjustiz und Rassentrennung in den USA durch die Black-Lives-Matter-Bewegung und andere aktivistische Projekte wie die EqualJustice-Initiative. Dazu zählt auch die Erinnerung an den deutschen Kolonialismus dank verschiedener Initiativen Schwarzer Deutscher und anderer. Ihre Frage veranlasst mich aber auch, auf eine Grundvoraussetzung der Studien des kulturellen Gedächtnisses zurückzukommen, die im Buch und in meinem Denken wahrscheinlich mehr Aufmerksamkeit verdient: die Vorherrschaft des Vergessens. In den Worten Aleida Assmanns: »Vergessen ist die Normalität des persönlichen und kulturellen Lebens« und »Erinnern ist die Ausnahme« (Kanon und Archiv, S. 98). Wie Assmann anschaulich illustriert, haben sowohl Erinnerung als auch Vergessen aktive und passive Formen. Die passive Form der Erinnerung ist das Archiv - ein Speicher der Referenzerinnerung, die zur Quelle der arbeitenden Erinnerung werden kann, wenn es aktiviert wird und in Umlauf kommt. Aber natürlich schaffen es viele Geschichten nicht einmal ins Archiv - oder zumindest nicht in die offiziellen Archive einer Gesellschaft. Hier kommen wir zu Ihren konkreten Beispielen. Das Leben von Arbeiterinnen und Arbeitern sowie von Frauen, die nicht zur Elite gehören, hat oft unter passiven und auch aktiven Formen des Vergessens gelitten, d. h., sie wurden »in vergessenen Depots verstreut« bzw. einer »materiellen Zerstörung« unterworfen, um Assmanns Begriffe aufzugreifen. Angesichts der Vorherrschaft des Vergessens und der Zerstörung versuchen Wissenschaftlerinnen, Aktivisten und diejenigen, die beides zugleich sind, neue Quellen zu entdecken, aber auch neue Methoden einzuführen: Denken wir zum Beispiel an den Aufstieg von Oral-History-Projekten, die bisher ignorierte Erfahrungen nichtelitärer sozialer Akteure freisetzen wollen - nicht zuletzt die von Frauen und Arbeiterinnen und Arbeitern. Mit anderen Worten: Eines der grundlegenden Mittel, um »neue« Erinnerungen zu schaffen, besteht darin, das Archiv neu zu konzipieren und neue Archive aufzubauen. Hier unterscheidet sich der Holocaust meiner Meinung nach nicht grundlegend von den anderen erwähnten Beispielen: Es war eine unglaubliche Arbeit, Spuren der Erfahrungen jüdischer Nazi-Opfer zu entdecken und zu bewahren, von denen die große Mehrheit »gewöhnliche« Menschen mit wenig Zugang zu den Kommunikationsmitteln waren. Und selbst wenn sich die europäisch-jüdische Kultur in der Tat durch einen hohen Bildungsgrad ausgezeichnet hat, haben die Umstände des Genozids dazu beigetragen, den Opfern diesen Zugang zu entziehen. Dass wir so viel über den Holocaust wissen, liegt nicht nur an den Aufzeichnungen der Nazis, sondern ist auch den unglaublichen Anstrengungen z. B. der Gefangenen des Sonderkommandos zu verdanken, die ihre Erfahrungen auf Papierfetzen festgehalten oder - in seltenen Fällen - das Lager fotografiert haben. Und es ist Emanuel Ringelblum und den Mitarbeitern des Oneg-Schabbat-Projekts im Warschauer Ghetto zu verdanken, dass sie eine ungeheuer reiche Archivquelle für Erinnerung und Geschichte geschaffen haben und einen Teil davon trotz der Zerstörung des

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Ghettos retten konnten. Nach dem Krieg waren es Menschen wie David Boder oder Jahrzehnte später die Mitglieder des Fortunoff-Videoarchivs von Yale, die die Zeugenaussagen von Überlebenden aufgezeichnet und neue Quellen für die Geschichte und Erinnerung erarbeitet haben. Diese Art von »heroischen« Bemühungen bleiben selten. Die meisten Menschen, die extreme Formen der Unterdrückung erleben - sei es aufgrund von race, Klasse, Geschlecht oder aus anderen Gründen -, sind nicht an der Archivierung ihres Lebens beteiligt: Sie sind zu sehr mit grundlegenden Fragen des Überlebens beschäftigt. Die meisten Opfer eines Genozids sterben, bevor sie die Chance haben, ihre Geschichte zu erzählen. Die meisten Lebenswege landen nicht einmal in informellen oder experimentellen Archiven und können deshalb später nicht wiederentdeckt werden. Selbst viele der Opfer, die uns durch Gedenkprojekte wie die Stolpersteine bekannt sind, bleiben jenseits bloßer Daten von Geburt, Deportation und Tod anonym. Erinnerungen an Gewalt und Trauma bergen per Definition Lücken und Fehlstellen, die nicht wieder gefüllt werden können. Manchmal ist das Beste, was wir tun können, uns dar an zu erinnern, dass unsere kulturellen Erinnerungen von Lücken durchzogen sind. Die konstitutive Beziehung zum Verlust, die jede Erinnerung und Darstellung bedingt, ist Teil dessen, was ich in meinem ersten Buch als »traumatischen Realismus« bezeichne. Die Erwähnung des Berliner Viertels Neukölln ruft mir eine weitere Reihe von multidirektionalen Erinnerungsakten ins Gedächtnis, die mich in den Jahren seit der Fertigstellung von Multidirektionale Erinnerung interessiert haben. Zusammen mit Yasemin Yildiz, einer Wissenschaftlerin für zeitgenössische deutsche Literatur und Migration, habe ich über das geschrieben, was wir migrantisches Archiv der Holocaust-Erinnerung nennen. Bei diesem Projekt geht es um die Art und Weise, wie Migrantinnen und Postmigranten in Deutschland mit der nationalen Holocaust-Erinnerung umgehen und an ihr teilhaben. Inspiriert wurde unsere Arbeit von den Neuköllner Stadtteilmüttern, einer Gruppe von Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen, die meist aus der Arbeiterklasse stammen und die an einem Projekt der Aktion Sühn ezeichenl Friedens dienste über Nationalsozialismus und Holocaust teilnahmen. Obwohl ihnen immer wieder gesagt wurde, dass der Holocaust »nicht ihre Geschichte« als Migrantinnen sei, bemühten sich diese Frauen aktiv, ihr Wissen über diese Zeit zu vertiefen und an ihre Familien und Gemeinden weiterzugeben, unter anderem durch öffentliche Treffen und die Erstellung eines Dokumentarfilms. Vielen der Frauen - Libanesinnen, Kurdinnen, Türkinnen, Sri Lankanerinnen - war die Erfahrung traumatischer politischer Gewalt selbst nicht fremd, sodass ihre Bemühungen grundsätzlich auch multidirektional waren. Dieses inspirierende Projekt veranlasste Yasemin Yildiz und mich, eine Reihe weiterer Beispiele für die Auseinandersetzung von Migrantinnen und Migranten mit der Erinnerung an den Holocaust und den Nationalsozialismus zusammenzustellen, die von bildender Kunst über Musik bis hin zu Literatur und Performances reichen. Eines meiner Lieblingsbeispiele aus diesem neuen »migrantischen Archiv«

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ist die großformatige Installation »Das Leben, das Universum und der ganze Rest« der in Frankfurt lebenden Künstlerinnen Anny und Sibel Öztürk, die für die Jubiläumsausstellung Heimatkunde zum zehnjährigen Bestehen des Jüdischen Museums Berlin 2011 entstanden ist. Auf einer riesigen Wand des Museums schufen die beiden Schwestern eine Art visuelle Zeitleiste, die von 1968 bis ins 21. Jahrhundert reic~1te und autobiografische Aufnahmen mit Bildern von welthistorischen, politischen und popkulturellen Artefakten und Ereignissen zusammenbrachte. In dieser Montage erhalten wir Einblick in das Leben einer ganz gewöhnlichen »Gastarbeiter«-Familie, die zwischen der Türkei und Deutschland hin- und herreist (und auch andere Reisen unternimmt), zusammen mit ikonischen Bildern der letzten Jahrzehnte, darunter auch einige Bilder zur Nazi-Vergangenheit: das berühmte Foto von Willy Brandt, der vor dem Ehrenmal für den Aufstand im Warschauer Ghetto kniet, und ein seltsames Bild von Hitler, das sich als Gemälde einer Wachsfigur aus Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett in London entpuppt. Ohne hier zu sehr ins Detail zu gehen - mehr darüber wird in unserem Buch Memory Citizenship zu lesen sein -, würde ich sagen, dass das Kunstwerk von Anny und Sibel Öztürk und das Projekt der Stadtteilmütter einige unerwartete, multidirektionale Erfahrungen illustriert - Erfahrungen, die von race, Klasse, Geschlecht und Migration geprägt sind und die die bekannten Formen der Holocaust-Erinnerung verändern können. In einer Fußnote der Einleitung schreiben Sie: »Die Frage wirtschaftlicher Umverteihmg sprengt den Rahmen dieses Bandes (was in keiner Weise als Urteil über ihre Bedeutung verstanden werden sollte, die ich für zentral halte). Wo es um wirtschaftliche Umverteilung geht, mag durchaus eine Nullsummenlogik im Spiel sein, doch mit Fragen von Kultur und Politik verhält es sich anders. Zur Koordinierung der Ansprüche dieser unterschiedlichen Bereiche bedmf es weiterer Anstrengungen.« Uns würde interessieren, wie diese Anstrengungen ungefähr aussehen könnten. Was könnte Umverteilung im Bereich der Erinnerungskultur in etwa bedeuten?

Das ist eine wichtige und schwierige Frage, die nicht losgelöst von der vorherigen Frage behandelt werden kann. Obwohl ich mich in meiner Arbeit als Literatur- und Kulturkritiker in erster Linie auf diskursive Bereiche konzentriere, bin ich auch Marxist genug, um zu wissen, dass Fragen der Umverteilung letztlich materiell angegangen werden müssen. Multidirektionale Erinnerung bietet verschiedene Beispiele dafür, wie Erinnerungsdiskurse von marginalisierten Aktivisten und radikalen Intellektuellen multidirektional mobilisiert werden können, um in drängende politische Konflikte wie den algerischen Unabhängigkeitskrieg oder immer wiederkehrende strukturelle Probleme wie das der »Rassentrennung« - ich denke hier an Du Bois - einzugreifen. Aber natürlich ist der Zugang zur öffentlichen Sphäre der Erinnerung mit Ressourcenfragen verbunden, und eine wirklich gerechte »Umverteilung im Bereich der Erinnerungskultur«, um Ihre Formulierung zu verwenden, kann erst dann stattfinden, wenn alle Ressourcen gerechter verteilt werden. Es gibt keinen magischen Weg,

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eine solche Umverteilung zu erreichen, aber wenn es dazu kommt, dann nur dank der Arbeit sozialer Bewegungen und radikaler Intellektueller und Künstlerinnen. Sie wird also nur durch Kampf zustande kommen - und dieser Kampf wird sich sowohl im materiellen als auch symbolischen Bereich abspielen. Kämpfe um die Erinnerung sind, wie andere Kämpfe um Anerkennung und Identität, sehr wichtig. Aber allzu oft haben sie keinen Einfluss auf die Umverteilung, weil sie nicht mit den Kämpfen um materielle Güter und politische Repräsentation verbunden sind. Wahrscheinlich ist aber auch das Gegenteil der Fall. Umverteilung ohne Berücksichtigung der kulturellen Identität und der Staatsbürgerschaft würde ungleiche Anerkennung und Repräsentation fortbestehen lassen. Vielleicht sollten wir sagen, dass das Verhältnis zwischen Erinnerung und Umverteilung grundsätzlich ambivalent ist. Unter bestimmten Umständen können Erinnerungsansprüche bei Forderungen nach materieller Umverteilung eine Rolle spielen. Ich denke hier daran, wie ein Wiederaufleben der Erinnerung an die Sklaverei mit Reparationsforderungen in den USA, der Karibik und anderswo einherging. Die multidirektionale Erinnerung ist in diesem Fall relevant, weil die Erinnerung an die deutschen Reparationszahlungen für den Holocaust eine legitimierende Rolle bei den heutigen materiellen Entschädigungsforderungen der Nachkommen versklavter Menschen spielt. Erinnerungsansprüche können aber auch Forderungen nach anderen Formen der Umverteilung verdrängen - oder zumindest von diesen getrennt bleiben. Die südafrikanische Wahrheits- und Versöhnungskommission TRC (Truth and Reconciliation Commission) könnte ein gutes Beispiel für diese Gefahr sein. Ihr Fokus war auf »grobe Menschenrechtsverletzungen« gerichtet und sollte den Opfern einen Platz einzuräumen, um Zeugnis abzulegen, es fehlte aber ein ebenso wichtiger Fokus auf die massenhaften Enteignungen, die den Kern des Apartheidsystems bildeten. Eine Umverteilung ist im »neuen« Südafrika weitgehend ausgeblieben, was dazu geführt hat, dass trotz der zum Teil fortschrittlichen Erinnerungskultur, die sich um die TRC entwickelt hat - manche Aspekte können als multidirektional betrachtet werden -, die materiellen Ungleichheiten ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der weißen Herrschaft auf einem schockierend hohen Niveau verharren. Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass die Erinnerung an den Holocaust und die Erinnerung an andere Menschenrechtsverletzungen die damit einhergehenden moralischen Ansprüche völlig verfehlt haben, aber es stimmt, dass die Erinnerungskultur uns nicht vor dem Wiederaufleben d~r extremen Rechten und dem Fortbestand von strukturellem Rassismus und Ungleichheit bewahrt hat. Ich glaube nicht, dass wir die Erinnerung an traumatische Geschichten aufgeben sollten, was auch immer das bedeuten würde, denn Vergessen und Verdrängen sind keine gangbaren Alternativen. Dennoch müssen wir eindeutig noch mehr darüber nachdenken, wie das Gedenken strukturelle Ungerechtigkeiten ins Bewusstsein rufen und in den Dienst der materiellen Umverteilung gestellt werden kann.

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Sie haben die Black-Lives-Matter-Bewegul1g sowie die Neuköllner Stadtteilmütter erwähnt. Dies führt uns zu den letzten Fragen: Wenn Sie Ihr vor über zehn Jahren erschienenes Buch auf die gegenwärtigen erinnerungspolitischen Kämpfe oder a llge11l ein auf die zunehmende gesellschaftliche Spaltung zwische1l lW1110genisierend-reaktionäreil Kräften einerseits und pluralistisch-emanzipatorischel1 Kräften andererseits beziehen, wie würden Sie das Modell der 111ultidirektionalen Eri/11Jenmg re-konzipieren?

Die Arbeit an Multidirektionale Erinnerung hat lange gedauert, ebenso wie die an meinem dritten Buch Ihe Implicated Subject, aber natürlich gibt es viel, was ich ausgelassen habe oder jetzt anders schreiben würde. Das meiste davon habe ich bereits erwähnt. Erstens würde ich wahrscheinlich deutlicher daraufhinweisen, dass ich den Begriff der multidirektionalen Erinnerung nicht als einfache »Lösung« eines Erinnerungskonflikts anbiete. Es gibt viele verstörende Ausdrucksformen von Erinnerung, die eine multidirektionale Form annehmen. Besonders beeindruckt hat mich in den letzten vier Jahren der multidirektionale Charakter des rechtsextremen Diskurses, über den ich auch geschrieben habe, allein und gemeinsam mit meinem Kollegen Neil Levi. Weiße Rassisten in den USA und anderswo berufen sich explizit auf eine Reihe von historischen Erinnerungen - ganz offensichtlich auf die des Nationalsozialismus mit all seinen Symbolen und Codes, aber auch auf die Geschichte des Kolonialismus, einschließlich des Genozids an den Native Americans. Die Theorie der multidirektionalen Erinnerung hilft uns, die Dynamik von Erinnerung zu verstehen - die Art und Weise, in der Akteure aus dem gesamten politischen Spektrum, ob gewollt oder ungewollt, viele historischen Erinnerungen mobilisieren. Zweitens muss, wie ich in meiner Arbeit über die Gaza-Warschau-Analogie beschrieben habe, eine solide Theorie der Multidirektionalität in der Lage sein, mehrere Erinnerungen durch Mapping entlang der Affekt- und Vergleichs achsen zu unterscheiden. Ich glaube, dass ich bei diesem Problem gute Fortschritte gemacht habe, aber da bleibt noch das dritte Problem: das der Macht, und damit verbunden die Notwendigkeit einer »politischen Ökonomie der Erinnerung«. Ich finde diesen Punkt deshalb schwierig, weil wir meiner Meinung nach verstehen müssen, wie hegemoniale Erinnerungen im Interesse von Staat und Kapital produziert und verbreitet werden, aber wir zugleich die »relative Autonomie« der Erinnerung als ein Feld anerkennen müssen, um Althussers Begriff zu übernehmen, den ich immer noch nützlich finde. Ich behaupte, dass das Feld der Erinnerung durch Multidirektionalität definiert ist und dass dieses Feld auch nicht-dominierenden Erinnerungen einen gewissen Handlungsspielraum bietet - auch wenn einige der Erinnerungen, die artikuliert werden, verstörend sind, wie die der Rechtsextremen. Die Machtfrage muss intensiver behandelt werden, und ebenso die Frage des Vergessens, die ich oben angesprochen habe. Kann das Modell der multidirektionalen Erinnerung gewissermaßen eins zu eins auf Deutschlal1d übertragen werden, wo die Eril1nerul1g al1 den Holocaust zum Beispiel kaum mit dem Begriff der Deckerinl1erung il1 Zusammenhang gebracht werden kann?

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Deutschland bietet sicherlich einen ganz besonderen Anlass, über Multidirektionalität nachzudenken. Ich verstehe gut, warum sich in Deutschland eine Erinnerungskultur entwickelt hat, die stark an der Singularität des Holocaust und an der besonderen Verantwortung der Deutschen festhält. Dennoch glaube ich, dass eine stärker multidirektionale Sensibilität auch im deutschen Kontext aus mehreren Gründen wertvoll sein kann. Erstens könnte es helfen, die Entstehung der Holocaust-Erinnerung in Deutschland zu überdenken und in Analogie zu dem zu verstehen, was ich im Buch im französischen Kontext zeige. Wir könnten zu den ersten Jahrzehnten vor der Konsolidierung einer offiziellen Erinnerung zurückkehren und fragen, wie sich verschiedene Vektoren der Erinnerung überkreuzt und gegenseitig beeinflusst haben: Erinnerungen zum Beispiel an Flucht und Vertreibung, an Viktimisierung, an politische Verfolgung, an frühere Kriege und koloniale Eroberungen, an die Ost-West-Teilung. Ich glaube nicht, dass wir die Kultur der Holocaust-Erinnerung, die schließlich entstand, verstehen können, ohne die multidirektionale Dynamik zu begreifen, in der sie entstanden ist. Zweitens kann ein multidirektionaler Zugang neue Wege eröffnen, diese Vielzahl von Erinnerungen zu erkennen und gleichzeitig zwischen den verschiedenen Ansprüchen, die sie erheben, zu unterscheiden. Der Sinn meiner Vorstellung von Multidirektionalität besteht nicht darin, die Besonderheiten verschiedener Geschichten - und schon gar nicht die des nationalsozialistischen Genozids - auszulöschen, sondern darauf hinzuweisen, dass wir als Individuen und Träger kultureller Erinnerungen in der Lage sind, uns an mehr als eine Geschichte gleichzeitig zu erinnern und zwischen den verschiedenen Erinnerungen unterscheiden können, sei es aus ethischer, politischer oder einfach historischer Perspektive. Es geht nicht darum, die deutsche Erinnerung und Verantwortung für den Holocaust auszulöschen, sondern sie mit der Erinnerung an andere einschneidende Episoden der nationalen und transnationalen Geschichte zu ergänzen - nicht zuletzt die des deutschen Kolonialismus. Drittens denke ich, dass ein Verständnis der Multidirektionalität von Erinnerung hilfreich sein kann, in Deutschland eine Pluralität legitimer Erinnerungsthemen anzuerkennen, was ein notwendiger Schritt für die Erweiterung der demokratischen Staatsbürgerschaft ist. Eine der wichtigsten Prämissen meines Projekts mit Yasemin Yildiz zur Erinnerung von Migranten an den Holocaust ist, dass Minderheiten, Migrantinnen und Postmigranten in Deutschland in eindähmende Doppelbindung gebracht werden: Ihnen wird gesagt, dass sie den Holocaust erinnern müssen, um Deutsche zu sein, während ihre Zugehörigkeit zu Deutschland und ihr Anspruch an die Erinnerung in Deutschland immer wieder infrage gestellt werden. Ein multidirektionaler Ansatz, wie wir ihn in unserem Projekt entwickeln, erkennt sowohl an, dass rassifizierte Subjekte in Deutschland viel dazu beitragen können, eine oft übermäßig ritualisierte und erstarrte Erinnerungskultur zu erneuern, als auch, dass solche Subjekte neue und manchmal unerwartete Erinnerungen in die öffentliche Sphäre einbringen. Einige dieser Erinnerungen führen zu Kontroversen und Konflikten,

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wie zum Beispiel die Erinnerungen an den Völkermord an den Armeniern oder die Nakba, aber der Punkt ist, dass diese Erinnerungen nun auch Teil der multidirektionalen Erinnerungslandschaft in Deutschland sind. Sie müssen als unvermeidbare Bestandteile des Sprechens über die Erinnerung an den Holocaust (an)erkannt und in die Erinnerungskultur integriert werden. Um eine wirkliche »Integration« der Erinnerungskulturen zu erreichen, wird es sicherlich eine gewisse Lockerung der Verengungen geben müssen, die mit Holocaustvergleichen verbunden sind. Aber vergleichen muss nicht zu einer Relativierung oder zum Verzicht historischer Verantwortung führen. Das Interview wurde im September und Oktober 2020 per E-Mail geführt.

Yasemin'e-aujourd'hui et demail1

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Einleitung: Die Theorie multidirektionaler Erinnerung in einem transnationalen Zeitalter

Jenseits der Erinnerungskonkurrenz In einem typisch provokanten Aufsatz über das Verhältnis von Rassismus und Antisemitismus in den heutigen USA setzt sich der Literaturkritiker Walter Benn Michaels mit den scheinbar unvereinbaren Hinterlassenschaften der Sklaverei und des nationalsozialistischen Genozids auseinander: "Warum gibt es ein mit Bundesmitteln gefördertes US Holocaust Museum in der Washingtoner National Mall? [... ] Das Problem einer angemessenen Antwort auf diese Frage hat unter Afro-Amerikanern eine gewisse Verärgerung hervorgerufen, die der berühmt-berüchtigte schwarze Rassist Khalid Muhammad auf denkwürdige Weise zum Ausdruck brachte, als er am 3. April 1994 - im Anschluss an einen Besuch des US Holocaust Memorial Museum - seinem Publikum an der Howard University erklärte: ,Der schwarze Holocaust war hundertmal schlimmer als der sogenannte Juden-Holocaust. Ihr sagt, ihr hättet sechs Millionen verloren. Wir bezweifeln das, aber [... ] wir haben 600 Millionen verloren.< Schil1dlel's Liste sei ,in Wirklichkeit eine Schwindlerlistebarbarischvormodern< ist oder schlichtweg noch ihrer >Modernisierung< harrt. Mit anderep Worten: Die euro zentrische Sicht reflektiert das Problem der Krise der Moderne nur in Bezug auf die europäischen und nordamerikanischen (und heute sogar die japanischen) Momente, doch sie minimiert die Rolle der Peripherie« (S. 17 f.). Gemessen an Dussels Maßstäben bewegt sich Arendt an den Rändern euro zentrischer Ansätze. Weil sie die Ereignisse in Afrika in den Mittelpunkt der Entstehung moderner Politik stellt, vermeidet sie die Gefahr, die periphere Welt in ihrer Darstellung »unberührt« zu lassen. Wie in Conrads Herz der Finsternis, einem Text, dem in Elemente und Ursprünge zentrale Bedeutung zukommt, wird die von Europäern und Europäerinnen im Kolonialismus ausgeübte Gewalt entblößt und aufs Schärfste verurteilt. Doch Arendt gleicht Conrad auch darin, dass sie die koloniale Begegnung nur aus einer Perspektive deutet. Auch wenn ihr Text anders gelesen werden muss als der von Conrad, bezieht sie sich stark auf das von ihm produzierte und zirkulierte Afrikabild. Trotz der Aufmerksamkeit, die Arendt im zweiten Teil von Elemente und Ursprünge auf den Imperialismus lenkt, erweckt sie auch das kolonialistische kulturelle Gedächtnis, das Conrads Roman eingeschrieben ist, zu neuem Leben und zeichnet Afrikaner und Afrikanerinnen als »passiv«. 8 Ihre Kritik der Moderne bleibt Europa-immanent, denn sie kann zwar die imperiale Expansion nachvollziehen, vermag deren Opfer aber nicht als Subjekte darzustellen. Besonders widersprüchlich an dieser Unfähigkeit, den Anderen zu erkennen, ist, dass Arendts Buch zu einem Zeitpunkt entstand, als die antikoloniale Agitation auf dem Höhepunkt war. Während Arendt beispiellose Einsichten in die Einzigartigkeit des Totalitarismus und des nationalsozialistischen Genozids vermittelte, trugen antikoloniale Bewegungen in aller Welt und einzelne Intellektuelle wie Cesaire und Du Bois dazu bei, die Möglichkeit der Dekolonisierung in den Vordergrund der Weltgeschichte zu rücken - und zwar auf eine Weise, die auch die jüngste nationalsozialistische Vergangenheit Europas berücksichtigte. Arendts versäumte Auseinandersetzung mit der Dekolonisierung ist der Grund für die Blindheit und die Gedanken von Elemente und Ursprünge. Tatsächlich ist Arendts Unfähigkeit, die Subjekte an der europäischen Peripherie als Träger von Geschichte, Erinnerung und Kultur zu begreifen, nicht nur zutiefst mit ihrer Fähigkeit verbunden, die Anderen zu erkennen, mit denen Europa sich innerhalb seiner selbst konfrontiert sieht, sondern sie bietet sogar die Voraussetzungen dafür. Der imaginierte kulturlose Wilde - der imaginierte

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Die Vorstellung eines kulturellen Gedächtnisses entnehme ich Tan und Aleida Assmann, die damit die in den kanonischen Texten einer Kultur gespeicherten Erinnerungen meinen. Siehe etwa Tan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1999.

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2.

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Barbar -liefert den metaphorischen Hintergrund für zwei zentrale »Charaktere« von Arendts Analyse: den nackten, der Kultur beraubten Menschen, und den staatenlosen Lagerhäftling, der des Rechtes beraubt ist, über Rechte zu verfügen.

Verständnis und Konstellation In Elemente und Ursprünge nimmt Arendt sich vor, eines der Schlüsselphänomene des 20. Jahrhunderts »zu verstehen«, indem sie zu den Ursprüngen dieses Phänomens im 19. Jahrhundert zurückkehrt. 9 Sie arbeitete von Mitte bis Ende der 1940erJahre an ihrem Buch, und es entstanden in dieser Zeit mehrere Versionen; die Endfassung zerfällt in drei in sich geschlossene Teile: »Antisemitismus«, »Imperialismus« und »Totalitäre Bewegung und totale Herrschaft«.!O Arendts Methodologie und die Gliederung ihres Buchs weisen einige rätselhafte Eigenschaften auf. Da ist zunächst einmal die Tatsache, dass das Phänomen, das von dem Buch als Ganzem erklärt werden soll, zugleich Gegenstand eines Buchteils ist. Das wäre weniger überraschend, wenn es zwischen den Abschnitten eine klare narrative Entwicklung hin zum Höhepunkt Totalitarismus gäbe. Tatsächlich bestehen zwischen den Einzelteilen jedoch keine ausdrücklichen Verbindungen; das Buch zeichnet sich eher durch Brüche als durch Kontinuität aus. Hinzu kommt, dass Arendts Vorstellung von Totalitarismus von jenen vertrauteren Darstellungen abweicht, die diesen als geschlossenes, totalisierendes Kontrollsystem verstehen. Margaret Canovan, eine der besten Kommentatorinnen von Elemente und Ursprünge, hat die Besonderhei9

In jüngerer Zeit haben zahlreiche Forscher, darunter Isabel Hull, Dirk Moses, Dan Stone, Enzo Traverso und Jürgen Zimmerer, sich von Elemente und Ursprünge inspirieren lassen, um dem Zusammenhang von Kolonialismus und Genozid mit begrifflicher Schärfe und mehr empirischem Detail nachzugehen - eine Entwicklung, der ich mich am Schluss des nächsten Kapitels noch einmal zuwende. Meine Arendt-Interpretation stützt sich zwar auf die Erkenntnisse dieser Historiker und Historikerinnen, meidet aber die empirische Frage nach dem Verhältnis des Kolonialismus zum Holocaust, um sich vor allem den Stärken und Defiziten von Arendts Werk im Hinblick auf die Konzeptualisierung von Multidirektionalität und Vergleich zu widmen. Diese Auseinandersetzung mit Arendts Werk setzt voraus, ihren recht eigenwilligen Gebrauch von Kategorien wie »Verstehen« und dem »Menschlichen« zu untersuchen. Einen Eindruck von der Verfasstheit jenes sich rapide wandelnden Feldes, auf welchem dem Zusammenhang von Kolonialismus und Genozid nachgegangen wird, bietet dieses interessante Forum führender Historiker und Kritiker: The German Colonial Imagination, in: German History 26 (2008) 2, S. 251-272; siehe außerdem A. Dirk Moses (Hrsg.), Empire, Colony, Genocide: Conquest, Occupation, and Subaltern Resistance in World History, New York 2008, sowie die am Ende des nächsten Kapitels angeführte Literatur. 10 Hannah Arendt, The Origins of Totalitarianism, New York 1973 (zuerst 1951), dt. Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, München 1995 (zuerst 1955). Im Folgenden wird vorzugsweise aus der deutschen Ausgabe (Elemente und Ursprünge) zitiert; wird aus der englischen Ausgabe (Origins) zitiert, dann fehlt der entsprechende Passus in der deutschen Ausgabe oder ist dort von Arendt so überarbeitet worden, dass wesentliche Inhalte des englischen Textes verloren gehen (Anm. d. Übers).

VERSTÄNDNIS UND ITotalitarismus< bei Arendt eine chaotische, nicht-utilitaristische, manisch dynamische Zerstörungsbewegung, die sämtliche Eigenschaften der menschlichen Natur und der menschlichen Welt angreift, die Politik ermöglichen.«ll Dieses Verständnis des Totalitarismus hat zwei Korrelate, die es für den vorliegenden Band besonders relevant machen. Erstens begreift es den nationalsozialistischen Genozid als den extremen, aber exemplarischen Fall eines umfassenderen Phänomens, nämlich des Totalitarismus: Es handle sich um eine »reine« Form des radikal zerstörerischen Angriffs auf das Menschliche. Zweitens führt dieses Verständnis Arendt auf scheinbar paradoxe Weise dahin, den Kern ihrer Argumentation nicht im ersten Buchteil über den Antisemitismus, sondern im zweiten über den Imperialismus zu formulieren. Arendt zufolge erklärt das Aufkommen des Antisemitismus im Europa des späten 19. Jahrhunderts zwar, warum Juden und Jüdinnen zu Opfern des nationalsozialistischen Totalitarismus wurden, doch nur die Geschichte des Imperialismus könne die globalen und nicht-utilitaristischen Aspekte der völkermörderischen Zerstörungsdynamik erklären (vgl. Arendt, Elemente und Ursprünge, S. 24). Eingedenk der beiden Korrelate der Totalitarismustheorie Arendts bietet dieses Kapitel keine vollständige Interpretation der Elemente und Ursprünge (eine Aufgabe, die den Rahmen dieses Buches sprengen würde), sondern vielmehr eine fokussierte Deutung des Verhältnisses von Holocaust und Imperialismus, unter besonderer Betonung der Art und Weise, in der der Begriff eines Angriffs auf das Menschliche Arendts Analyse zugleich fundiert und aus dem Gleichgewicht bringtP 11 Margaret Canovan, Arendt's Theory ofTotalitarianism: A Reassessment, in: Villa (Hrsg.), The Cambridge Companion to Hannah Arendt, S. 25-43, hier S. 26. 12 Arendt verwendet Begriffe wie »der Holocaust« oder selbst »der nationalsozialistische Genozid« nicht; dies wäre zu der Zeit, da sie schrieb, anachronistisch gewesen. Hinzu kommt, dass sich ihr Begriff dessen, was wir heute als Holocaust bezeichnen, notwendig von dem unterscheidet, der aus einem zusätzlichen halben Jahrhundert Forschung hervorgegangen ist. Dennoch war Arendt eine der Ersten, die die Besonderheit des nationalsozialistischen Genozids erkannt haben; ihr Gebrauch des Totalitarismusbegriffs reicht zwar selbst über den Genozid noch weit hinaus, doch bleibt es gerechtfertigt, auf jene Elemente ihrer Darstellung zu fokussieren, die zeitgenössischen Verständnissen des Holocaust entsprechen (das heißt insbesondere auf ihre Ausführungen zu den nationalsozialistischen Konzentrationsund Vernichtungslagern). Wie ebenfalls deutlich werden wird, unterscheidet sich Arendts Imperialismusverständnis von den heutigen, aus den Postcolonial Studies hervorgegangenen Interpretationen. Begrifflich und historisch ist ihr Werk in einem mittleren Bereich angesiedelt, der zwischen der älteren Vorstellung von Imperialismus als »Rivalität der verschiedenen imperialen und metropolitanen Nationalstaaten« und dem jüngeren Verständnis als >>Verhältnis von Metropole und Kolonie« liegt. Ich entnehme diese Unterscheidung Fredric Jameson, Modernism and Imperialism, in: Terry Eagleton/Fredric Jameson/Edward Said, Nationalism, Colonialism, and Literature, Minneapolis 1990, S. 43-66, hier S. 47. Eine nützliche kritische Auseinandersetzung mit Arendts Darstellung des Kolonialismus bietet Pascal Grosse, From Colonialism to National Socialism to Postcolonialism: Hannah Arendt's Origins ofTotalitarianis111, in: Postcolonial Studies 9 (2006) 1, S. 35-52.

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Indem Arendt eine disjunktive Konstellation entwirft, die Antisemitismus, Imperialismus und Totalitarismus verbindet, stellt sie sich in Elemente und Ursprünge eine paradoxe Aufgabe: Sie ringt mit dem präzedenzlosen Charakter des nationalsozialistischen Genozids an den europäischen Juden und Jüdinnen und versucht dabei zum einen, die vorangegangenen Elemente zu ermitteln, aus denen sich die Möglichkeit dieses Genozids erklären lässt; zum anderen will sie parallel Phänomene bestimmen, die sozusagen derselben Gattung angehörenP Die Paradoxie, das Unbegreifliche zu begreifen, ist in der Diskussion um den Holocaust zu einem gängigen Topos geworden, doch das sollte nicht den Blick auf die spezifische Weise verstellen, in der sich Arendt der Frage nähert. Auch sollte es nicht die relevante Tatsache verschleiern, dass es oft die Unterscheidung zwischen Verstehen und Nicht-Verstehen ist, mittels derer der Holocaust zu anderen Geschichten kollektiver Gewalt in Beziehung gesetzt, meistens jedoch von diesen abgegrenzt wird. Arendts Begriff des Verstehens soll die paradoxe Aufgabe auf den Punkt bringen, das Novum der totalitären Katastrophe zu bestimmen und diese gleichzeitig in einem irgendwie gearteten historischen Rahmen zu verorten: »Verstehen heißt nicht, das Unerhörte zu leugnen, aus Präzedenzfällen das Beispiellose abzuleiten oder Phänomene durch solche Analogien und Allgemeingültigkeiten zu erklären, dass die Auswirkungen der Realität und der Schock der Erfahrung nicht mehr spürbar sind. Es bedeutet vielmehr, die Last, die unser Jahrhundert uns auferlegt hat, zu untersuchen und bewusst zu tragen - ohne ihre Existenz zu leugnen oder sich ihrem Gewicht kleinmütig zu unterwerfen. Verstehen bedeutet kurz gesagt die unvorhergesehene, aufmerksame Konfrontation mit der Realität und den Widerstand gegen sie - worum auch immer es sich bei ihr handeln mag« (Origins, S. viii). Arendt setzt hier einen hohen Maßstab für komparative historische Ansätze. Sie beschränkt den Gebrauch einiger der offenkundigsten begrifflichen Werkzeuge der Komparatistik (Analogie, Verallgemeinerung, aus Präzedenzfällen gezogene Schlüsse), bekräftigt aber zugleich die Notwendigkeit, sich die »Last« der Geschichte und ihr Weiterwirken über das ursprüngliche Geschehen hinaus bewusst zu machen. Sie ruft dazu auf, sich der Wirkung und dem Schock der Geschichte zu stellen und gleichzeitig ihrer Wucht zu widerstehen, um die Geschichte, wie sie anderswo schreibt, »zu zerstören« (zit. nach Bernstein, S. 53). Eingedenk dieser quer zueinander verlaufenden Ansprüche bietet Arendts Versuch, den Totalitarismus in seinem Verhältnis zu Imperialismus und Antisemitismus zu »verstehen«, eine Gelegenheit, den

13 Wenn ich die Form, die Arendts historische Darstellung des Totalitarismus annimmt, als »disjunktive Konstellation« beschreibe, dann sollen damit Walter Benjamins »Geschichtsphilosophische Thesen« angespielt werden - ein Text, den Arendt und ihr Ehemann Heinrich Blücher aus Frankreich schmuggelten und mit anderen Exilanten und Exilantinnen in Lissabon diskutierten, während sie auf die Ausreise in die USA warteten. Siehe die Darstellung dieser Zeit in Young-Bruehl, Hannah Arendt: Leben, Werk und Zeit, S. 236. Arendts intellektuelles Verhältnis zu Benjamin erörtern Richard Bernstein, Seyla Benhabib und andere. Ich komme weiter unten auf Benjamins Resonanz von Arendts Werk zurück.

VERSTÄNDNIS UND IElementenUnanständigkeit< zu sagen, gewinnen im Austausch für ihre Unpopularität einen unbezahlbaren Vorteil: Geschichte ist für sie nicht länger ein versiegeltes Buch und Politilckein Privileg der Nicht-Juden mehr. Sie wissen, dass unmittelbar nach der Ächtung des jüdischen Volkes die meisten europäischen Nationen für vogelfrei erklärt wurden. Die von einem Land ins andere vertriebenen Flüchtlinge repräsentieren heute die Avantgarde ihrer Völker - vorausgesetzt, daß sie ihre Identität behalten. Zum ersten Mal gibt es keine separate jüdische Geschichte mehr, sondern die jüdische Geschichte ist verknüpft mit der Geschichte aller anderen Nationen. Die Gemeinschaft der europäischen Völker zerbrach, als - und weil- sie den Ausschluss und die Verfolgung seines schwächsten Glieds duldete.« (Wir Flüchtlinge, S. 51 f.) Indem sie ihr Denken in der »Avantgarde« der Geschichte ansiedelt, ist Arendt in der Lage, aus scheinbar marginalen Erfahrungen weitreichende Schlussfolgerungen zu ziehen. In diesem Fall begreift sie die Erfahrung radikaler Marginalisierung - die »Ächtung« einer Gruppe von Menschen - und die nachfolgende Schaffung neuer Kategorien von Flüchtlingen als Vorspiel jener umfassenderen europäischen Krise, die der Krieg war. Es geht nicht darum, das Wesen der Moderne aufzudecken oder die sich um Arendt herum abspielende Geschichte für unvermeidbar zu erklären. Vielmehr soll das bestimmt werden, was an der zeitgenössischen Krise neu ist, um dann 17 Hannah Arendt, Wir Flüchtlinge, in: dies., Wir Juden. Schriften 1932-1966, hrsg. v. Marie Luise Knott und Ursula Ludz, München 2019, S. 37-52.

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mittels einer Methode, die sowohl aufsprengend im Sinne Benjamins als auch genealogisch im Sinne Nietzsches ist, jene Elemente zu begreifen, die die Möglichkeitsbedingungen der Krise darstellen. Arendt nimmt in Wir Flüchtlinge bereits einen der Abschnitte von Elemente und Ursprünge vorweg, der sich für heutige Denker als der anregendste erwiesen hat: ihre Überlegungen zum »Ende der Menschenrechte«. Bezogen auf das Gebot zu »vergessen«, mit dem Aufnahmeländer Flüchtlinge adressieren, bemerkt Arendt: »Um gründlicher zu vergessen, vermeiden wir alle Anspielungen auf Konzentrations- und Internierungsläger, die wir fast überall in Europa kennengelernt haben [... ]. Offensichtlich will niemand wissen, dass die Zeitgeschichte einen neuen Menschentyp hervorgebracht hat - Menschen, die von ihren Feinden in Konzentrationsläger und von ihren Freunden in Internierungsläger gesteckt werden« (Wir Flüchtlinge, S. 39). Arendts Schriften zum Lagerwesen werden zwar gewöhnlich nicht als Werke des Gedenkens betrachtet, doch sie begreift das hier umrissene, in Elemente und Ursprünge weiterentwickelte Vorhaben als Teil eines Anamnese-Projekts, durch das die Gegenwartsgeschichte dem sofortigen Vergessen entrissen werden soll. Die Erinnerung an die Lager bedeutet, das Neue des dort geschaffenen Menschentyps anzuerkennen. Diesen neuen Menschentyp sollte der von Arendt beeinflusste italienische Philosoph Giorgio Agamben später als »Homo sacer« und >>nacktes Leben« bezeichnen. 18 Das heilige oder nackte Leben ist radikal aus der Polis ausgeschlossen worden, gehört ihr aber zugleich noch hinreichend an, um ermordet werden zu können: »Leben, das nicht geopfert werden kann und dennoch getötet werden darf« (Agamben, Homo sacer, S. 92). Diese Inklusion des Exkludierten kennzeichnet das Reich dessen, was Agamben, darin Foucault folgend, als Biopolitik bezeichnet: eine Politik, die auf das Leben selbst abzielt und die Agamben zufolge die Gesamtheit der zeitgenössischen Politik zu bestimmen beginnt. 19 Wie für Agamben stellen die nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager für Arendt das Paradigma der Biopolitik dar. Dabei begreifen sowohl Agamben als auch Arendt, wenn auch auf unterschiedliche Weise, die biopolitische Bedrohung als weit über jenen besonderen Ort hinausreichend. 20 18 Zu Homo sacer und nacktem Leben siehe Giorgio Agamben, Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben, Frankfurt a. M. 2012. Arendts Schriften zu den Themen Flüchtlinge und Staatenlosigkeit diskutiert Agamben auch in: Mittel ohne Zweck. Noten zur Politik, Berlin 2001. 19 Foucaults Begriff der Biopolitik ließe sich als zumindest teilweise von Arendt abgeleitet verstehen, insbesondere von ihrer Darstellung dessen, was sie (in Vita activa oder vom tätigen Leben) als den Triumph des Sozialen über das Politische beschreibt. Doch erwähnt Foucault, in für ihn typischer Manier, Arendts Einfluss an keiner Stelle. Eine relevante Formulierung seines Begriffs der Biopolitik bietet der Schlussteil von Foucault, Sexualität und Wahrheit l. Zu Arendts Begriff des Sozialen siehe Hannah Arendt, Vita activa oder vom tätigen Leben, München 2020, sowie Hannah Pitkin, The Attack of the Blob: Hannah Arendt's Concept of the Social, Chicago 1998. 20 Zu Agambens Ansichten über die Zentralität der nationalsozialistischen Lager und des Genozids für die moderne Politik siehe, neben Homo sacer, auch: Was von Auschwitz bleibt. Das Archiv und der Zeuge, Frankfurt a. M. 2003.

"EIN NEUER MENSCHENTYP"

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Nach Arendts 1943 vorgelegter Formulierung des Problems der Biopolitik besteht die größte Gefahr für den in den Lagern geschaffenen »neuen Menschentyp« darin, dass er sämtlicher Kennzeichen von Kultur und Zivilisation beraubt worden ist, was ihn nackt und radikal verwundbar macht: Wenn wir »damit anfingen, [... ] uns dem Schicksal bloßen Menschseins [auszusetzen]«, dann wären »wir [... ] von keine)TI spezifischen Gesetz und keiner politischen Konvention geschützt, nichts weiter als menschliche Wesen. Eine gefährlichere Haltung kann ich mir kaum vorstellen; denn tatsächlich leben wir in einer Welt, in welcher es bloße menschliche Wesen schon seit geraumer Zeit nicht mehr gibt« (Wir Flüchtlinge, S. 50). Menschen als solche hören aufgrund der dichten »künstlichen« Netzwerke sozialer, kultureller und politischer Institutionen, die sie unter fast allen Umständen umgeben, auf zu existieren. Der Verlust eines solchen Kontextes ist deswegen so gefährlich, weil, wie Arendt später in Eleme/1te und Ursprünge argumentieren sollte, Menschen nur durch konstruierte gemeinsame Kategorien - insbesondere durch die Staatsbürger schaft in einem souveränen Staat - das grundlegende »Recht, Rechte zu haben«, erlangen können. Ohne solche Kategorien »hat die Welt keinerlei Ehrfurcht empfunden« vor der »abstrakten Nacktheit des Menschseins« (Elemente und Ursprünge, S. 462,466). In dem mit »Der Niedergang des Nationalstaates und das Ende der Menschenrechte« überschriebenen Abschnitt von Elemente und Ursprünge weist Arendt darauf hin, dass im Gefolge des Ersten Weltkriegs das Phänomen der Staatenlosigkeit, das bis dahin als peripher gegolten hatte - als »Ausnahmesituation«, »gemessen an den Maßstäben der scheinbar stabilen Umgebung«, »bestimmten von der Norm abweichenden Gebieten eigentümlich« (Elemente und Ursprünge, S. 423; Origins, S. 276) -, endgültigen Charakter annahm und auf eine allgemeine Krise des Nationalstaats hinwies. Die Figur des abstrakten, nackten Menschen ist nicht einfach die zufällige Auswirkung einer kontingenten Krise, sondern in ihr zeigen sich Aporien der Struktur neuzeitlicher politischer Organisation. Elemente und Ursprünge bekräftigt und entwickelt also die Einsichten aus Wir Flüchtlinge und erlaubt uns damit, noch einmal zu beobachten, wie Arendt das Marginale zum Zentralen - und die jüdische »Avantgarde« zur »Gemeinschaft der europäischen Völker« - in Beziehung setzt, indem sie beide als Bestandteile eines strukturierten historischen Prozesses behandelt. So wirft der frühe Aufsatz Wir Flüchtlinge mehrere Fragen auf, die ausschlaggebend für das umfassendere Projekt Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft sind. Er legt die methodologische Notwendigkeit nahe, eine transnationale Sichtweise einzunehmen, um einerseits zu zeigen, dass viele durch und durch moderne Phänomene die Überschreitung nationaler Grenzen beinhalten, und um andererseits die Aufmerksamkeit auf das Ausmaß der Probleme zu lenken, die sich aus der Krise des Nationalstaats ergeben. Eine Neuausrichtung des methodologischen Rahmens, die die Zentralität vermeintlich »marginaler« transnationaler Phänomene sichtbar macht, lässt auch die Bedeutung der Kategorien des »Menschlichen« und des Biopolitischen für unser Verständnis von extremer Gewalt und Genozid verstehen. Wie Agambens Arbeiten bezeugen, sind die bestimmenden Probleme und Figuren der Moderne, etwa das

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nackte Leben, die Souveränität, der Ausnahmezustand und der Homo sacer, an den Rändern der Polis zu finden. Und doch hinterlässt Arendts früher Aufsatz auch eine nagende Sorge: Zu welcher Zeit und an welchem Ort genau haben »bloße menschliche Wesen« existiert? Diese Frage wird später auch Elemente und Ursprünge tangieren und die Verstrickung des Textes in ein koloniales Geschichtsbild aufzeigen.

Jenseits des menschlichen Begriffsvermögens: Eurozentrismus und der Diskurs des Nutzens

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Wie in ihrem weitsichtigen, 1950 veröffentlichten Aufsatz »Sozialwissenschaftliche Methoden und die Erforschung der Konzentrationslager« deutlich wird, sind Arendts Vorstellungen des Menschlichen und des Verstehens - oder der Vernichtung des Menschlichen und des menschlichen Verstehens - ausschlaggebend für ihre Konzeption der Verbindungen zwischen dem totalitären Genozid und seinen VorläufernY Da sich das System der Konzentrationslager, in dem Arendt das bestimmende und präzedenzlose Moment des Totalitarismus sieht, durch seinen »nichtutilitaristische[n] Charakter«, das Fehlen eines »Nützlichkeitskriteriums« auszeichne, könne es nicht zurückgeführt werden auf den »erklärten Zweck«, der sich in anderen Formen des Terrors zu erkennen gebe. Arendt schreibt: »Der Weg zur totalen Beherrschung durchläuft viele Zwischenstationen, die vergleichsweise normal und noch verstehbar sind. Einen Angriffskrieg wird man wohl kaum als beispiellos bezeichnen; auch das Niedermetzeln feindlicher Zivilbevölkerungen oder gar eines vermeintlich feindlich gesonnenen Volkes ist, wenn man die blutigen Zeugnisse der Geschichte betrachtet, nichts Außergewöhnliches; überall in Amerika, Australien und Afrika wurden im Zuge der Kolonisierung und dem Vormarsch der Siedler Eingeborene ausgerottet; Sklaverei ist eine der ältesten Einrichtungen der Menschheit, und Staatssklaven, die zur Ausführung öffentlicher Arbeit eingesetzt wurden, stellen einen der Hauptpfeiler des Römischen Imperiums dar. Sogar das [... ] Streben nach Weltherrschaft ist kein Monopol totalitärer Regime, man kann diesen Wunsch immer noch aus einer maßlos übertriebenen Gier nach Macht erklären.« (Sozialwissenschaftliehe Methoden,

Arendts Vorstellung von Verstehen steht in einer komplexen Beziehung zu jener Kategorie des Menschlichen, der in ihrer Auseinandersetzung mit dem Totalitarismus zentrale Bedeutung zukommt. Sie grenzt ihre Variante des Verstehens gegen die gängige Bedeutung des Begriffs ab, die sie in einer Buchrezension aus dem Jahr 1946 als »menschliches Begriffsvermögen« bezeichnet: »Die abartige Schlechtigkeit jener, die eine solche Gleichheit [wie in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern] errichtet haben, übersteigt das menschliche Begrijfsvermögen.«21 Unter »menschlichem Begriffsvermögen« scheint Arendt die Eingliederung von Ereignissen in jenen erkennbar utilitaristischen Verständnis rahmen zu meinen, der »die eigentliche Grundlage« sei, »auf der Geschichte hervorgebracht wird« (Das Bild der Hölle, S. 317). Menschliches Begriffsvermögen ist deswegen unzureichend, weil der Totalitarismus gerade »die Transformation der menschlichen Natur selbst« beinhaltet; einen Wandel, der unter keinen utilitaristischen Zweck subsumiert werden kann und somit über jede vertraute Vorstellung des Menschlichen hinausgeht (Elemente und Ursprünge, S. 701). Canovan fasst Arendts Argument zusammen, weshalb die Kategorie des Menschlichen angesichts des totalitären Terrors unzulänglich werde: »Der totalitäre Angriff auf die menschliche Natur ist ein Versuch, etwas zu schaffen, das näher an der Natur ist, als Menschen es sein sollten. Dabei werden jene spezifisch menschlichen Eigenschaften ausgelöscht, die Menschen von Tieren unterscheiden, nämlich ihre Individualität und ihre Fähigkeit zu eigenständigem Handeln und Denken« (Canovan, Hannah Arendt, S. 25). Arendt begreift zwar die Vernichtung der Individualität als etwas, das sich durch totalitäre Gesellschaften hindurchzieht, sieht jedoch in den Lagern und im dort vollzogenen Genozid eine extreme Zuspitzung des totalitären Angriffs. Trotz des extremen Charakters dieses Angriffs sind Arendts Begriffe des Verstehens, des Menschlichen und des Totalitarismus auch für ihr Bild nicht-totalitärer Geschichten prägend, sofern es um die Grenzen des Menschlichen geht - und tatsächlich prägen nicht-totalitäre Geschichten (insbesondere die Geschichte des Imperialismus) auch ihren Totalitarismusbegriff.

Im Gegensatz zu solchen Erscheinungen lägen »das Schicksal der europäischen Judenheit« und »die Errichtung von Tötungsfabriken [... ] jenseits antisemitischer Gedankengänge und jenseits der politischen, sozialen und ökonomischen Motive, wie sie die Propaganda antisemitischer Bewegungen prägen« (Sozialwissenschaftliche Methoden, S. 332). Der Versuch, das Neue einer historischen Erfahrung zu begreifen, erfordert unsentimentale Unterscheidungen, wie Arendt sie einführt. Des Weiteren kann die Einsicht, dass extreme und präzedenzlose Formen von Gewalt aus dem Normalen und Alltäglichen hervorgehen können, nicht nur erkenntnistheoretisch produktiv sein; sie geht auch mit dem entscheidenden Folgesatz einher, dass der Totalitarismus die historische Epoche seines Ausbruchs überdauern und in eine Art Schlummerzustand übergehen kann, seiner Wiederbelebung harrend. Wenn man anerkannt, dass einige Formen des Terrors aus der Geschichte vertraut sind, so muss das im Übrigen keine Relativierung dieses Terrors bedeuten. Am Ende ihres Aufsatzes schreibt Arendt: »Man muss [... ] begreifen, dass Hitler kein Dschingis Khan

Hannah Arendt, Das Bild der Hölle, in; dies., Wir Juden. Schriften 1932-1966, hier S. 316, Hervorhebung im Original.

22 Hannah Arendt, Sozialwissenschaftliche Methoden und die Erforschung der Konzentrationslager, in: dies., Wir Juden. Schriften 1932-1966, S. 326-345.

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und nicht schlimmer als irgendein anderer großer Verbrecher war, sondern absolut anders« (Sozialwissenschaftliche Methoden, S. 345). Indem Arendt darauf besteht dass historische Differenz nicht unbedingt eine moralische Unterscheidung beinhal~ ten muss, vermeidet sie das Abgleiten von einem Diskurs des Vergleichs in einen der Konkurrenz - was dann besonders wichtig ist, wenn die Diskussion von der Bewertung der Täter zur Anerkennung des Leidens der Opfer übergeht. Dennoch wirft die zitierte Passage auch Probleme auf, die unser Nachdenken über Viktimisierung betreffen und uns zur Frage des menschlichen Begriffsvermögens zurückführen. Was bedeutet es beispielsweise, die »Ausrottung von Eingeborenen« in die Kategorie des »vergleichsweise Normalen und noch Verstehbaren« zu verweisen? Einerseits ist klar, worauf Arendt hinauswill: Sie möchte, zu Recht oder zu Unrecht, die Vorstellung vermitteln, dass es sich bei der Kolonisierung um ein erklärbares, auf einem Kosten-Nutzen-Kalkül beruhendes Unterfangen handelt, das Massaker und sogar Genozide zur Folge hat. Das ist nicht als Rechtfertigung der Kolonisierung und ihrer Folgeerscheinungen gedacht, sondern als fakten orientierte Aussage darüber, was das Streben nach Wohlstand und Macht beinhaltet. Andererseits gleitet die Feststellung, dass das Fehlens eines Kosten-Nutzen-Kalküls eines der Elemente darstellt, die den Holocaust von anderen Genoziden und »Vernichtungen« unterscheiden, leicht in weniger objektive Urteile ab, die einigen Formen des Mordens »Rationalität« zuzugestehen scheinen. 23 Die Einschätzung des Kolonialismus als utilitaristisch verschließt auch die Augen vor einigen wesentlichen Befunden der Elemente und Ursprünge. Die Art und Weise, in der Arendt in diesen frühen Aufsätzen die Besonderheit des nationalsozialistischen Genozids bestimmt, ist zu einem gängigen Bestandteil zeitgenössischer Diskurse über die Einzigartigkeit des Holocaust geworden. Beispielsweise nennt Yehuda Bauer, einer der bedeutendsten Historiker der Shoah, die »unpragmatisch[e] und irrational[e]« Ideologie des nationalsozialistischen Antisemitismus als einen Faktor, der zu einer »präzedenzlosen Form des Völkermords« 24 geführt habe. Bauers Formulierung scheint eine bedeutende Eigenschaft des Holocaust auf den Punkt zu bringen - niemals würde man diesen als »rational« bezeichnen wollen -, und doch fragt man sich, wer darüber entscheidet, was als pragmatisch und rational gilt. Diese begriffliche Unschärfe wird dann besonders wichtig, wenn die Frage des Vergleichs ins Spiel kommt. Die Ermordung der Juden und Jüdinnen wird als irrational angesehen, doch die Ermordung anderer Gruppen beschreibt Bauer durchweg als »pragmatisch«. Er betont zwar (zweifellos aufrichtig), dass solche Unterscheidungen keine »Hierarchie des Leids« suggerieren sollen (S. 74), doch es ist

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schwierig, die Zuschreibung von Pragmatismus und Rationalität nicht als wertend zu verstehen. Das Problem ist, dass der Nutzen als Kriterium die Frage nach der Perspektive aufwirft. Aus welcher und aus wessen Perspektive ist etwas nützlich im Sinne eines Kosten-Nutzen-Kalküls? Bauer schreibt beispielsweise: »Dem Völkermord an d~n Armeniern, der möglicherweise die nächstliegende Parallele zur Shoah darstellt, lagen politische und chauvinistische Motive zugrunde, das heißt, er hatte eine sachliche Basis. [... ] Die Armenier, ein >fremdes< Volk, besetzten einen Teil Anatoliens, des Kernlands der Türkei. Deswegen sollten sie beseitigt werden« (S. 69). Zwar gibt es offenkundige geografische, kulturelle und politische Unterschiede zwischen den europäischen Juden und den Armeniern im Osmanischen Reich, doch es fällt schwer nachzuvollziehen, weshalb die Eliminierung einer »fremden« Gruppe irrationaler als die einer anderen sein soll, oder weshalb die Motive für den Holocaust nicht als »politisch und chauvinistisch« beschrieben werden können. Die Definition eines Vernichtungs akts als pragmatisch, und damit als rational, wird immer ideologisch sein. Akzeptiert man die Behauptung, bestimmte Massaker seien pragmatisch, dann akzeptiert man oft auch die Begrifflichkeit und Weltsicht der Täter - wie Bauer es tut, wenn er sich zum Sprachrohr der türkischen Täter macht (»Deswegen sollten sie beseitigt werden«). Bauer und andere sind bereit, diese Definition auf alle Genozide außer den Holocaust anzuwenden. Der Rückgriff auf Pragmatismus und Kosten-Nutzen-Kalküle als Maßstäbe historischer Unterscheidung setzt in diesem Fall europäische Bewertungsrahmen voraus: Der Holocaust ist einzigartig, wenn man von modernen europäischen Rationalitätskriterien ausgeht. Nimmt man eine andere Perspektive ein, etwa die der Opfer, dann ist es kaum relevant, ob der Holocaust auf einem Kosten-Nutzen-Kalkül beruhte oder nicht. Die Zuschreibung von Motiven wirkt sich auf die Ergebnisse genozidaler Vorgänge nicht aus. 25 Schlimmer noch: Der Pragmatismus diskurs bestätigt und reproduziert orientalistische und kolonialistische Ideologien. So schreibt die Forscherin Jodi Byrd, die dem nordamerikanischen Stamm der Chickasaw angehört, in ihrer Antwort auf ähnliche Bemerkungen von Deborah Lipstadt, in der diese den Holocaust von Genoziden an indigenen Völkern abgrenzt: »Was bei einer solchen Konkurrenz um den >wahren< Genozid mit den amerikanischen Ureinwohnern geschieht, ist, dass sie wieder einmal zu den >logischen>verachtung aller Wertungen, die dem Erarbeiteten und Geleisteten entspringen und gegen welche die natürlich-physische, von Geburt vorbestimmte Gegebenheit als einzig Absolutes gesetzt wird«, haben die Buren ihre Bereitschaft bewiesen, »Produktivität und Profit der Phantomwelt weißer Götter« zu opfern, »die über schwarze Schatten herrschen«. Insofern unterscheiden sie sich von den Briten in Südafrika, die sich durch ihre »einfache utilitaristische Denkweise« auszeichnen

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(Origins, S. 197). Tatsächlich blieben in dieser Hinsicht »die Buren die unbestrittenen Herren des Landes [... ]. Wo immer rationale Berechnung von Arbeits- und Produktionskosten in Konflikt geriet mit rassischen Erwägungen, wurde die erstere den letzteren geopfert« (Elemente und Ursprünge, S. 333). Canovan fasst das von Arendt in diesem Abschnitt der Elemente und Ursprünge formulierte Argument folgendermaßen zusammen: »Südafrika hat gezeigt, dass es möglich ist, die moderne Gesellschaft nach durchaus unökonomischen, >rassischen< Prinzipien zu organisieren. [... ] Der Imperialismus beginnt zwar nach Arendts Darstellung mit der Unterwerfung der Politik durch die bürgerliche Ökonomie, doch er gipfelt in der Aufgabe ökonomischer Imperative zugunsten der schieren Gewalt von Männern, die eine neue Form von Gemeinschaft, eine auserwählte >Rasse< entdeckt haben« (Canovan, Hannah Arendt, S. 38 0. Diese Dialektik von Nutzen und Nicht-Nutzen, die sich in der Begegnung Europas mit seinen Anderen entfaltet hat, verleiht dem Begriff des Nutzens in Arendts Arbeiten einen anderen Charakter, als er in den Arbeiten vieler späterer Forscher zum Vorschein kommt. Bei Bauer ist der Nicht-Nutzen des Holocaust eines der wichtigsten Indizien für dessen Singularität sowie einer der Faktoren, der die Ermordung der Juden und Jüdinnen von Massakern an überwiegend nicht-europäischen Gruppen absetzt: »Es wäre überflüssig, die Motive für die Vernichtung der Kariben durch die Spanier oder für den Völkermord an den mexikanischen und peruanisehen Indios zu analysieren - hier war eindeutig die Suche nach Gold und natürlichen Reichtümern das zentrale Motiv, die Bekehrung zum Christentum dagegen lediglich der ideologische >Überbaw« (Bauer, Die dunkle Seite der Geschichte, S. 71). Bauers Beschwörung einer Logik der Selbstverständlichkeit (stets ein sicheres Zeichen, dass Ideologie am Werk ist) liegt fernab der Einsichten Arendts, für die bereits die Möglichkeit eines »nicht-utilitaristischen« Genozids aus europäischen Praktiken im außereuropäischen Raum erwächst. In Übereinstimmung mit Arendts in Elemente und Ursprünge unternommenem Versuch, nicht etwa eine deterministische Kausalität zu entwerfen, sondern die Kristallisierung jener Elemente aufzuzeigen, die zum Totalitarismus geführt haben, wird die Verbindung zwischen Nationalsozialismus und Imperialismus als »indirekt« bezeichnet. Doch die ausschlaggebende Idee, »daß die Profitrechnung kein ehernes Gesetz der Wirtschaft ausmacht, sondern ohne katastrophale ökonomische Folgen außer acht gelassen [werden kann]«, war eine wichtige Lektion, die »Südafrika [... ] den Mob [lehrte]« (Elemente und Ursprünge, S. 335). Indem sie die Entwicklung einer nicht-utilitaristischen Vernichtungsdynamik auf die Expansion Europas über seine Grenzen hinaus zurückführt, schafft Arendt die Möglichkeit einer nicht-eurozentrischen Holocaustforschung, die europäische Kategorien des Nutzens und der Menschlichkeit nicht als gegeben voraussetzt. Ihr Beispiel legt vielmehr die Notwendigkeit nahe, solche Kategorien der doppelten historischen Prüfung des Imperialismus und des Genozids zu unterziehen. Diese Einsicht ist auch auf ihre eigenen Texte anzuwenden.

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Bevor ich Arendts Kategorien an den von ihr selbst gesetzten Maßstäben messe, möchte ich noch einmal zusammenfassen, was wir bisher über Arendts Begriffe des Verstehens und des Menschlichen im Kontext von Imperialismus und Genozid erfahren haben. Arendts Aufgabe besteht darin, eine politische Bewegung zu erklären, die sich dem menschlichen Begriffsvermögen dadurch entzieht, dass sie fortlaufend Vernichtung produziert. Was sie als menschliches Begriffsvermögen bezeichnet, entspricht Ereignissen und Handlungen, deren Motive sich unter Rückgriff auf utilitaristische oder auf einem Kosten-Nutzen-Kalkül beruhende Überlegungen erklären lassen. Historische Ereignisse und politische Projekte wie der Holocaust, die keiner utilitaristischen Logik gehorchen, entziehen sich somit diesem Begriffsvermögen. Solche Ereignisse sind Arendt zufolge nicht mystischer oder heiliger Natur. Erscheinungen, die sich dem menschlichen Begriffsvermögen versagen, verlangen vielmehr nach jener Form paradoxen Verstehens, die Arendt als die Realität konfrontierend und zugleich sich ihr widersetzend beschreibt. Solch paradoxes Verstehen beinhaltet also das Zersetzen von Erscheinungen und die Neuzusammensetzung der Fragmente in Form von Konstellationen. Die fragmentarische Historiografie von Konstellationen ahmt nicht das lineare und kausale Denken jener utilitaristischen Logik nach, die menschlich begreifbaren Handlungen zugrunde liegt. Fragmentarische Historiografie versucht vielmehr, die Brüche mit der Normalität und innerhalb dieser zu begreifen, die extrem gewaltsame Handlungen auszeichnen. Arendt gebraucht diese Unterscheidung zwischen dem, was menschlichem Begriffsvermögen zugänglich ist, und dem, was sich ihm entzieht, um den Holocaust als Kern des Totalitarismus von allen früheren Formen extremer Gewalt und Unterdrückung abzugrenzen. Gleichzeitig verortet sie diesen nicht-utilitaristischen Genozid allerdings in einer Konstellation, zu der auch die Entwicklung einer hierarchischen »Rassengesellschaft« in Südafrika gehört. Der Imperialismus ist eine Vorbedingung des Holocaust, auch wenn Arendt grundsätzlich zwischen den beiden unterscheidet. Extreme Ereignisse entziehen sich zwar dem menschlichen (das heißt: dem gewöhnlichen) Begriffsvermögen, es geht bei ihnen aber dennoch (oder vielleicht gerade deswegen) darum, die Grenzen des Menschlichen zu bestimmen. Extreme Ereignisse sind für Arendt solche, die uns mit dem Menschlichen in Reinform konfrontieren, mit »bloßen menschlichen Wesen«. Die Konturen des Menschlichen zu umreißen wird somit zu einem Schlüssel für das Verständnis des Totalitarismus und des Holocaust. Nach Arendts Auffassung haben »bloße menschliche Wesen« keinen Anteil an einer gemeinsamen, universellen Menschlichkeit, sondern sie stellen einen Extremfall der Isolation und Verwundbarkeit dar. Das bloße menschliche Wesen ist in der Zone jenseits des menschlichen Begriffsvermögens verortet. Der KZ-Häftlinginsbesondere jene fast tote, zombie gleiche Gestalt, die in den Lagern als Muselmann bekannt war - und der staatenlose Flüchtling sind die Manifestationen eines neuen Menschentyps; sie sind das nackte Leben, das getötet, aber nicht geopfert werden kann. Das Schicksal der »abstrakten, nackten« Menschheit zu begreifen erfordert eine Form des Verstehens, die sich der Brüche innerhalb des Menschlichen bewusst

DIE Iscramble Jor AJrica< und die neue Ära des Imperialismus die westliche Menschheit nicht neuen und schockierenden Erfahrungen ausgesetzt hätten. [... ] >Rasse< war der Notbehelf zur Erldärung jener Menschen, die kein europäischer oder zivilisierter Mensch verstehen konnte und deren Menschlichkeit die Einwanderer so erschreckte und erniedrigte, dass sie nicht mehr zur selben menschlichen Spezies gehören wollten. >Rasse< war die Antwort der Buren auf die überwältigende Ungeheuerlichkeit Afrikas - ein ganzer Kontinent, der von Wilden bevölkert und überbevölkert war - eine Erklärung für den Wahnsinn, der sie erfasste und erleuchtete wie >ein Blitz aus heiterem Himmel: Alle die Hunde ausrotten! [Exterminate all the brutes]natürlichen< Existenz von ,Wilden< und der von Menschen geschaffenen Welt der Zivilisation in Beziehung gesetzt.« Wie Canovan außerdem bemerkt, werden auch Juden und Jüdinnen auf analoge Weise als »wurzellos« and »weltlos« beschrieben (Canovan, Hannah Arendt, S. 39, 44). Obwohl sie gelegentlich Anführungszeichen verwendet, um sich von Arendts Begrifflichkeit abzugrenzen, hinterfragt Canovan die primitivistische Logik solcher Assoziationen im Allgemeinen nicht.

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lichen. In der kolonialen Situation wird das menschliche (das heißt: europäische) Potenzial durch das Spektakel der Wildheit auf verstörende Weise infrage gestellt, letztlich aber bestätigt, wohingegen hier das Unheimliche (das von Zwillingen verursachte Unbehagen) nicht in der erhabenen Rekonstitution des individualisierten modernen Subjekts mündet. Arendt verbindet die Tötung der Individualität des Häftlings mit der Eliminierung der Menschlichkeit der Mörder: mit der »absolut kalten, absolut berechneten und systematischen Zerstörung der menschlichen Körper zum Zwecke der Zerstörung der menschlichen Würde [... ]. Die Lager [... ] wurden zu Exerzierplätzen, auf denen vollkommen normale Menschen zu vollgültigen Mitgliedern der SS erzogen wurden« (Elemente und Ursprünge, S. 695). Dieser Passus antizipiert nicht nur spätere Einsichten in die »ganz normalen Männer«, die sich am nationalsozialistischen Genozid beteiligt haben (siehe insbesondere Elemente und Ursprünge, S. 695-696, Fn.), sondern stellt auch die Weichen für eines von Arendts originellsten und erschreckendsten Argumenten zum Thema Totalitarismus: »Menschen, sofern sie mehr sind als reaktions begabte Erfüllungen von Funktionen, deren unterste und daher zentralste die rein tierischen Reaktionen bilden, sind für totalitäre Regime schlechterdings überflüssig. Worum es ihnen geht, ist nicht, ein despotisches Regime über Menschen zu errichten, sondern ein System, durch das Menschen überflüssig gemacht werden« (Elemente und Ursprünge, S. 698). Totalitärer Funktionalismus - oder »Folgerichtigkeit«, wie Arendt sagt - führt zum Versuch, eine überflüssiger Menschlichkeit bare Welt zu schaffen, die vollkommen dem »ideologischen Suprasinn« der Bewegung entspricht: »In der nur ideologischen Verachtung der Tatsächlichkeit einer gegebenen Welt, gegen die der gesunde Menschenverstand sich noch immer zu behaupten wußte, lag noch der menschliche Stolz, die gegebene Tatsächlichkeit meistern, für menschliche Zwecke einrichten und ändern zu können. Mit diesem Stolz gerade, der in der abendländischen Tradition zumindest mit zu der Würde des Menschen gehörte, ist es in der totalitären Welt vorbei; gerade diesen Stolz zerstört die zwangsläufige Stimmigkeit und Unentrinnbarkeit eines Suprasinns, der von menschlichem Trachten und Handeln ganz unabhängig bleibt« (Elemente und Ursprünge, S. 700). Für Arendt zeigt der Mikrokosmos der Lager das Narrativ des Eintritts des Menschen in die Menschlichkeit als zerbrechlichen Triumph über die Natur und das Tierische, der unter bestimmten (etwa totalitären) Umständen rückgängig gemacht werden kann. Diese Formulierung belegt die Aporie oder den unentscheidbaren, toten Punkt von Arendts Denken. Sie schwankt zwischen zwei Verständnissen des Menschlichen: einem, in dem das Tierische den Kern des Menschen ausmacht, und einem, in dem das Menschliche nur durch das Unnatürliche (das Nicht-Tierische) konstituiert werden konnte. Diese zwei Versionen des Menschlichen entsprechen jeweils den »Lektionen« der Abschnitte »Imperialismus« und »Totalitarismus« von Elemente und Ursprünge: In Afrika entdecken die Europäer »das menschliche Tier«, wohingegen sie in den Lagern des 20. Jahrhunderts entdecken, wie man den vertierten Menschen produziert. Wenn, wie Canovan behauptet, Arendts politische Vision aus der Erfah-

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rung des Totalitarismus heraus und als schroffer Gegensatz zu diesem entstanden ist, dann tangiert diese Aporie das Zentrum ihres Denkens. Der genuin menschliche Bereich, in dem Politik praktiziert werden kann, ist von zwei Seiten den Mächten der »Natur« ausgesetzt. Die Politik wird ebenso von der >>natürlichen« Natur der nichteuropäischen Welt bedroht wie von der Schaffung eines zweiten Naturzustands durch die Krisen der modernen europäischen Welt. Diese Sichtweise ignoriert die konstituierende Rolle des Nicht-Europäischen bei der Schaffung des neuzeitlichen Europa und die Gelegenheiten für eine Neukonstituierung des Menschlichen, die aus diesem Raum erwachsen könnten. Zu eben dem Zeitpunkt, da die antikolonialen Kämpfe die Möglichkeit einer »dritten Natur« eröffnen, die die Welt neu gestalten könnte, jenseits des Kolonialismus und ohne das Phantasma einer Rückkehr zu vermeintlichen Vorzeit-Bedingungen, übersetzt Arendt die Eroberung der kolonialen Welt in die von dieser Welt ausgehende Bedrohung der Konstitution des Menschlichen als solcher. 37 Das Verhältnis von Imperialismus und Totalitarismus ist in Elemente und Ursprünge noch enger, als Arendt anerkennt. Wie die obigen Arendt-Zitate verdeutlichen, nimmt die koloniale Differenz - das heißt die Unterscheidung zwischen dem natürlich und dem unnatürlich Menschlichen - die äußersten Grenzen der totalitären Barbarei der Lager vorweg: die »Tötung der Individualität« und die Weigerung, Mitmenschen und andere Nationen als »Miterrichter einer gemeinsamen Welt« (»cobuilders of a common world«: Origins, S. 458) anzuerkennen. Arendts Schilderung der Konzentrationslager beruht auf einer Unterscheidung, die sie der kolonialen Begegnung entnimmt. Doch sie ist nicht in der Lage, gänzlich anzuerkennen, dass jene Begegnung diese Unterscheidung überhaupt erst herstellt. Anstatt den traumatischen Charakter der physischen und epistemischen Gewalt des Kolonialismus als das zu begreifen, woraus der Gegensatz von natürlicher und unnatürlicher Menschlichkeit hervorgeht, scheint Arendt der Ansicht zu sein, dass die Afrikaner und Afrikanerinnen tatsächlich vom Projekt der Errichtung einer gemeinsamen Welt ausgeschlossen sind (vielleicht nicht ihrem Wesen nach, aber dennoch historisch und in absehbarer Zukunft). Die Logik ihres Arguments besagt, dass die Nationalsozialisten ihre Opfer (und selbst ihre eigenen Anhänger) zu jenen entindividualisierten Menschen machen, die die Afrikaner bereits sind. Diese Asymmetrie verleiht Arendts Darstellung eine verstörende Note, trotz der Überzeugungskraft und Originalität der Verbindung, die sie zwischen der von den Lagern und der vom Imperialismus verursachten Vernichtung herstellt. Arendt verwandelt die vermeintliche Abwesenheit bestimmter

37 Edward Said entwickelt in Culture and Imperialism, New York 1994, den Begriff einer »dritten Natur« als Ziel »antiimperialistischer Fantasie«. Said schreibt, in Anspielung auf die marxistische Vorstellung einer »zweiten Natur«, das heißt der kapitalistischen Produktion »einer bestimmten Art von Natur und Raum«: »In der antiimperialistischen Fantasie ist unser Heimatraum in den Peripherien von Außenstehenden usurpiert und für ihre Zwecke genutzt worden. Es ist daher notwendig, eine dritte Natur zu suchen, zu kartografieren, zu erfinden oder zu entdecken, die nicht ursprünglich und prähistorisch ist, [... ] sondern aus den Entbehrungen der Gegenwart hervorgeht« (S. 225 f.).

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Lebensformen (europäischer Kultur) in die Abwesenheit aller Kultur, und das, um zu bestimmen, was unter totalitären Bedingungen verloren geht (die Individualisierung der KZ-Häftlinge und der SS).38 Es ist natürlich an sich bereits enttäuschend, dass Arendt im Imperialismus nicht etwas erkennt, das aus Afrikanern und Afrikanerinnen auf eben die Weise nacktes Leben macht, in der dies der Nationalsozialismus mit den Juden und Jüdinnen getan hat. Womöglich reicht das Problem aber sogar noch weiter und tangiert Arendts Kategorie des Verstehens. Die Aufspaltung des Menschlichen in der kolonialen Begegnung ist von wesentlicher Bedeutung für Arendts Erldärung des Rassismus sowie der biopolitischen Welt der Lager, einer Welt, in der eine Zäsur innerhalb des Kontinuums des Lebens von der »Herrenrasse« zu einer Kategorie »lebensunwerten Lebens« geschaffen wird (oder, unter weniger extremen Umständen, zwischen dem mit Rechten ausgestatteten Bürger und dem aller Rechte beraubten Flüchtling). Die schwierige Frage, der es sich zu stellen gilt, lautet: Inwiefern beruht Arendts Kategorisierung des Holocaust (sowie anderer Aspekte des Totalitarismus), der sich menschlichem Begriffsvermögen entzieht, auf der Annahme, dass es einen Bereich des Menschlichen gibt, der jenseits menschlicher Kultur liegt? Um die Reduktion und Spaltung des Menschlichen zu erklären, zu der es im Totalitarismus kommt, muss Arendt eine solche Spaltung als Vorgang setzen, der sich bereits in der kolonialen Begegnung zeigt. Ihr Versuch zu erklären, wie diese Begegnung die besondere Bedeutung von »Rasse« und die Wucht des Rassismus produziert, beruht schlussendlich auf der Annahme, die »rassische« Differenz gehe der kolonialen Begegnung voraus. So trifft sie selbst innerhalb des Menschlichen jene Unterscheidung, die sie als eine von der kolonialen Begegnung und den Lagern produzierte vorzufinden glaubt. Wenn wir aber Arendts Genealogie des Nicht-Nützlichen in der Herausbildung der kolonialen »Rassen«-Gesellschaft ernst nehmen, dann wird die Ursache des NichtBegreifens näher bei uns selbst verortet, mit verstörenden Folgen. Es ist nicht die Konfrontation mit dem nackten Leben, die das Scheitern des Verstehens produziert, sondern es sind die Normen der europäischen Kultur sowie die in dieser Kultur wirkende Vorstellung des modernen Subjekts, aus denen die Paradoxien des Menschlichen hervorgehen. Am provokantesten an dieser Darstellung ist vielleicht die Möglichkeit, dass der von den Europäern in Afrika erfahrene »Schock« gerade auf den Universalismus und Humanismus aufldärerischen Denkens zurückzuführen sein könnte: eines Denkens also, das die Kolonisatoren eine Begegnung nicht mit dem Fremden, sondern mit dem Gleichen erwarten lässt. Gerade aus der Erwartung homogener Universalität heraus nimmt die Differenz traumatischen Charakter an. 39 Die Kategorie der »Rasse« 38 Ich beziehe mich hier auf LaCapras nützliche Unterscheidung zwischen Abwesenheit und Verlust. Siehe Dominick LaCapra, Trauma, Absence, Loss, in: ders., Writing History, Writing Trauma, Baltimore 2001. Die Unterscheidung spielt auch in meiner Analyse von Schwarz-Bart und Phillips (Kapitel 5) eine wichtige Rolle. 39 David Lloyds Ausführungen zum kolonialen Trauma setzen ebenfalls »Rasse«, Universalität und kulturelle Differenz zueinander in Beziehung, und das auf eine Weise, die Arendts Fall

NACIl1atürlich« und damit verständlich, wohingegen andere eine genealogische Erklärung erfordern. Trotz Arendts Bemühungen, ihren Begriff der »Ursprünge« von einem am Fortschrittsbegriff orientierten Narrativ abzugrenzen, dient Afrika ihrer Genealogie des Totalitarismus unhinterfragt als Entstehungsort. Der Passus zeigt die furchtbare Nähe der Kategorie »menschliches Begriffsvermögen« zu dem, was sich menschlichem Begriffsvermögen entzieht. Darüber hinaus wird erkennbar, dass Arendt hinter ihren eigenen Begriff von Verstehen als das, was sich alltagsverständlicher Begreifbarkeit entzieht, zurückfällt. Nur indem bestimmte Gruppen, etwa 42 Auch hier ist der entsprechende Passus aus der englischen Ausgabe neu übersetzt worden, da die deutsche Fassung vielfach von der englischen abweicht. In der von Arendt selbst besorgten deutschen Übersetzung heißt es: ),viel wesentlicher [... ] war vorerst, daß das )Treibhaus des Imperialismus' seinen Einfluß überall da fühlbar machte, wo auf Grund der weitgespannten Expansionspolitik südafrikanische Verhältnisse maßgebend werden konnten. Dies galt vor allem für die Kolonialbesitzungen in Asien, wo imperialistische Verwaltungsbeamte und die weiße, geschäftemachende Oberschicht es sehr schnell außerordentlich vorteilhaft fanden, Asiaten ebenfalls wie Neger zu behandeln. Dem kam entgegen, daß Inder und Chinesen nach Südafrika in Massen importiert wurden, wann immer die einheimische billige Arbeitszufuhr zeitweilig ins Stocken geriet, und daß sie in der südafrikanischen Rassegesellschaft sofort den einheimischen Schwarzen gleichgestellt wurden. Entscheidend in dieser Assimilierung asiatischer Völker an afrikanische Standards war, daß nun wirklich nur noch nach Hautfarbe gerechnet wurde und daß der europäische Rassenhochmut gegen Asiaten noch nicht einmal den ursprünglichen Schrecken vor wilden, unverständlichen Stämmen als mildernden Umstand für sich geltend machen konnte. Gerade weil hier jegliche Erfahrungsbasis fehlte, begann das eigentliche Verbrechen der imperialistischen Rassekonzeption in der Behandlung der asiatischen, nicht der afrikanischen Völker; Chinesen und Inder waren von den europäischen Völkern immer als fremde Völker, aber nicht als Rassen empfunden worden. [... ] Der Rassebegriff [war] hier in Asien, wo er sich in einem historisch bestimmbaren Augenblick an die Stelle ganz anders gearteter und begriffener Beziehungen drängte, eine viel gefährlichere und politisch von vornherein viel belastetere Waffe als in Afrika« (Elemente und Ursprünge, S. 333 f.) (Anm. d. Übers.).

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2.

AN DEN GRENZEN DES EUROZENTRISMUS

Afrikaner und Afrikanerinnen, von der Anerkennung als menschlich ausgeschlossen werden, kommt das Verstehen den Ursprüngen der Unmenschlichkeit auf die Spur: Vermeintliche afrikanische Barbarei ist der notwendige Beginn jener Bumerang-Bewegung, die von einem Rassismus, der die »gleichsam natürliche Folge« der europäischen Anwesenheit in Afrika ist, über einen unnatürlichen und »menschlich [nicht] nachvollziehbaren« Rassismus in Asien bis hin zum »eigentlichen Verbrechen« des Genozids in Europa führt. Der Bumerang-Effekt ist in Arendts Text ein doppelter. In der bildhaften Verbindung von Kolonialismus und Genozid sind sowohl Sympathie als auch Distanzierung am Werk. Koloniale Gewalt lässt den Totalitarismus vorausahnen, während der Totalitarismus gleichzeitig einen Schatten auf das koloniale Archiv zurückwirft. Der Affekt fließt in mehrere Richtungen, von Afrika nach Europa und von Europa nach Afrika, mit Zwischenstopps in Asien, während Kolonialismus, Krieg und Völkermord sich gegenseitig erhellen. Die Beziehung zwischen diesen Knotenpunkten ist jedoch nicht symmetrisch: Das Afrikanische ist dem staatenlosen Europäer chronologisch und begrifflich vorgeschaltet, aber diese Priorität liegt näher an dem, was Johannes Fabian als >,verleugnung der Gleichzeitigkeit« bezeichnet, als an der Anerkennung der Gerechtigkeitsansprüche der Kolonisierten. Arendts Text wirft somit eine grundlegende Frage der vergleichenden Geschichte und der multidirektionalen Erinnerung auf: Besteht die Gefahr, dass der Versuch, über Europa hinauszugehen und einen globalen Rahmen für die europäische Geschichte zu schaffen, die europäische Verantwortung verdrängt? William Pietz gelangt zu einem strengen Urteil: »Es war Arendts herausragende Leistung, eine Reihe historisch fundierter politischer Begriffe zu entwickeln, die in der Lage sind, den Ursprung des >Totalitarismus< im Allgemeinen und des modernen europäischen Antisemitismus im Besonderen - und damit implizit auch die Verantwortung für den nationalsozialistischen Holocaust außerhalb Europas, im wilden >Tribalismus< des >dunklen Kontinents< zu verorten« (Pietz, The »Post-Colonialism«, S. 69). Ich halte Pietz' Kritik an Arendt für zu einseitig, weil sie die produktiven Aspekte von Arendts Verknüpfung von Imperialismus und Nationalsozialismus ignoriert, die einen umfassenderen, europäischen und globalen Erklärungsrahmen für das bieten, was sonst oft auf eine Darstellung des deutschen »Sonderwegs« reduziert wird. Aber ich stimme Pietz zu, dass Arendts Text durch seine Annahmen über die Natur des Menschen, Afrikas und der kolonialen Begegnung kontaminiert wird. So gelangen wir zu der Frage, wie wir den Begriff des Bumerang-Effekts derart gebrauchen können, dass eine Gewaltgeschichte nicht um den Preis des Verschwindens einer anderen sichtbar gemacht wird. Die Geschichte des Wortes »Bumerang« legt nahe, dass einige der Spannungen, die das Verständnis von genozidaler Gewalt umgeben, diesem Wort bereits tief eingeschrieben sind. Dem Oxford English Dictionary (OED) zufolge entsteht das englische Wort boomerangim späten 18. oder frühen 19. Jahrhundert als »Übernahme oder Abwandlung der in der Sprache der Indigenen von New South Wales gängigen Bezeichnung einer australischen Wurfwaffe: eines

NACKTES LEBEN UND BUMERANG-EFFEKT

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gebogenen Stücks festen Holzes von zwei bis drei Fuß Länge, mit einer scharfen Kante an der konvexen Seite. Diese Waffe ist so beschaffen, dass sie in ihrem Flug komplexe Kurven beschreibt. Sie kann geworfen werden, um einen Gegenstand in einer anderen als der Wurfrichtung zu treffen, oder derart, dass sie zum Ausgangspunkt zurückzukehrt oder über diesen hinausschießt.« Eine der ersten Erwähnungen des Wortes findet sich laut OED »in einem kurzen Vokabelbuch der toten Sprache von George's River, Botany Bay, gedruckt von Ridley«.43 Das englische Wort boomerang geht also nicht nur auf eine koloniale Begegnung zurück, sondern es indiziert auch eine genozidale Geschichte, in der Sprachen, Kulturen und Menschen an der Schwelle zur Vernichtung stehen oder zumindest als dort stehend verstanden werden. Das Aufgreifen des Bumerangs als Metapher für historische Übertragungen kodiert die Gefahren komparativer Fantasie: Worte werden übersetzt, und die übertragene Gewalt wird zugleich weitergeführt und zurückgelassen. In der kreisförmigen Flugbahn des Bumerangs drohen bestimmte Geschichten in Vergessenheit zu geraten. Wenn wir diese Geschichten jedoch auf der Flugbahn des Bumerangs verorten können, sichern wir uns damit die Mittel, um auf das Verschwiegene zurückzukommen und es wieder einzugliedern in ein multidirektionales Archiv der kollektiven Erinnerung. Dieselbe riskante Vorstellung einer Wiederkehr spielt auch in den Schriften Aime Cesaires eine vielseitige Rolle.

43 Dem Oxford EI1g1ish Dictiol1ary zu folge wird das Wort »Bumerang« ab 1845 im bildlichen Sinn verwendet: »Dein verbaler Bumerang gibt dir einen Schlag auf die Nase.« Ein zweites Beispiel stammt aus dem Jahr 1870: »Der Bumerang des Arguments, den man in eine Richtung wirft, die der intendierten entgegengesetzt ist.« Die Bewegung von körperlicher Gewalt hin zu verbaler Aggression passt zu unseren Ausführungen über Diskurse von Genozid und Imperialismus.

3. nUn choc en retour«: Aime Cesaires Diskurse über Kolonialismus und Genozid

Von Riposte zu Un choc en retour

Abbildung 2: Boris Taslitzky, Riposte (1951) © VGBild

Im Sommer 1949, zwei Jahre nach Beginn des französischen Kolonialkriegs in Vietnam, rief die kommunistisch geführte, französische Hafen- und Dockarbeiter vertretende Gewerkschaft CGT ihre Mitglieder dazu auf, jegliche Arbeit für Schiffe mit indochinesischen Zielhäfen zu verweigern. Der Aufruf war Teil der Bemühungen der Kommunistischen Partei Frankreichs (PCF), pazifistische Einstellungen aufzugreifen und in konkrete Aktionen umzusetzen. Er wurde zunächst, im Juni, von Dockarbeitern in Algerien beherzigt, dann von Arbeitern in Marseille und Dunkerque. 1 Zusätzlich zu Demonstrationen, Streiks und anderen Formen direkter Aktion bedienten sich die Kommunisten in ihrem Kampf gegen den Krieg auch kultureller Mittel. Ein Dokument, das Zeugnis von den politischen Konflikten der Zeit ablegt, ist eine Arbeit von Andre Fougerons Künstlerkollegen und Genossen Boris Taslitzky: das Gemälde Riposte (1951). Taslitzkys Gemälde zeigt eine gewaltsame Begegnung von französischen Polizisten und Dockarbeitern während eines Streiks gegen den Krieg in Indochina und erinnert an zwei bekannte französische Gemälde des 19. Jahrhunderts, die ebenfalls ihr jeweiliges Zeit geschehen auf dramatische Weise porträtieren (siehe Abb. 2). Die Masse der Arbeiter, Polizisten und Polizeihunde sind vor dem als Hintergrund dienenden Bug eines schwarzen Schiffs versammelt, und zwar in einer Pyramidenform, die an Gericaults Floß der Medusa (1819) erinnert, wobei Wellblech und Kopfsteinpflaster dem Floß entsprechen. Wie Riposte nimmt auch Gericaults Gemälde auf den Kolonialismus Bezug. Die Medusa war eine französische Fregatte, die vor der Küste Afrikas auf Grund lief, mit dem französischen Gouverneur von Senegal an Bord, der das Land von den Briten übernehmen sollte. Mehr als einhundert Menschen starben bei dieser Havarie, darunter sowohl französische als auch afrikanische Besatzungsmitglieder. An der Spitze der vom Floß inspirierten Körperpyramide hat Taslitzky eine weitere Anspielung auf ein klassisches französisches Gemälde vorgenommen.

Eine Darstellung der Hafenarbeiterstreiks findet sich in: Alain Ruscio, Les communistes fran~ais et la guerre d'Indochine, 1944-1954, Paris 1985, S. 240-265. Zur öffentlichen Meinung Frankreichs über den Krieg siehe auch Alain Ruscio, La decolonisation tragique: Une histoire de la decolonisation fran~aise, 1945-1962, Paris 1987, S. 52-60. In jüngerer Zeit hat Ruscio eine umfassende kommentierte Dokumentensammlung veröffentlicht, die einen Spiegel der langjährigen, aber oft ambivalenten Auseinandersetzung der Kommunistischen Partei Frankreichs mit der Kolonialfrage bietet. Siehe Alain Ruscio (Hrsg.), La question coloniale dans »I'Humanite«, 1904-2004, Paris 2005.

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3. "UN CHOC EN RETOUR«: AlME CESAIRES DISKURSE

Die Trikolore oder Republikfahne, die von den muskulösen Dockarbeitern als Waffe gegen die Polizei zweckentfremdet wird, erinnert an Die Freiheit führt das Volle (1830) von Delacroix (wobei Delacroix' weibliche Figur hier männlich ist), denn die Fahne wird bei Taslitzky und bei Delacroix im gleichen Winkel gehalten. (Wie Riposte und Gericaults Gemälde zeigt auch Delacroix' Bild im Vordergrund eine Gruppe übereinander liegender Personen.) Riposte überarbeitet also Gericaults Darstellung einer kolonialen Katastrophe und Delacroix' Darstellung der Juli-Revolution, um die antikolonialen und Arbeiterbewegungen in die longue dun~e der französischen Politikgeschichte einzuordnen. Doch in Taslitzkys Gemälde geschieht noch mehr, als auf den ersten Blick erkennbar ist. Die heroische riposte oder Replik der Arbeiter erhält durch eine Anspielung auf den Kampf gegen den Faschismus noch eine weitere, provokante Bedeutung. In der unteren Bildmitte wird ein Polizist von einem kräftigen blonden Arbeiter in den Würgegriff genommen. Der französische Polizist hat einen Schnurrbart, der sein Gesicht zu dem Hitlers macht. Der Vorwurf an politische Gegner, sie seien »Nazis«, ist zwar in den Jahrzehnten seit Taslitzkys Gemälde zu einem banalen Topos geworden, doch muss eine solche Anspielung in einem Land, dessen Besatzung durch Hitlers Streitkräfte nur wenige Jahre zurücklag, besondere Wucht entfaltet haben. Tatsächlich beschlagnahmte der Staat das Gemälde kurz nach seiner Ausstellung im Jahr 1951. Haben wir erst einmal bemerkt, wie Taslitzky die Gegenwart in Bezug auf die jüngste faschistische Vergangenheit rekodiert, dann sehen wir auch, wie sich andere Details verwandeln; zum Beispiel erinnert ein einfaches gestreiftes Matrosenhemd an die Kleidung nationalsozialistischer Häftlinge. Diese subtilen, aber wirkungsvollen Details signalisieren eine Lesart der im Bild dargestellten riposte sowohl als Rückkehr als auch als Form des Widerstands. Über den Hitler-Bezug kehrt der Faschismus als kolonialistischer Teilnehmer am Kampf um die Dekolonisierung nach Frankreich zurück. Wie sollen wir diese frappierende bildliche Anspielung auf den Nationalsozialismus deuten? Taslitzkys Biografie lässt seine Motivwahl weniger überraschend erscheinen. Als Sohn russisch-jüdischer Exilanten beteiligte er sich am Widerstand gegen die nationalsozialistische Besatzung und wurde später nach Buchenwald deportiert, wo er eine berühmte Serie von Zeichnungen des Lagers anfertigte - auf Papier, das er von der SS gestohlen hatte. In der Zwischenzeit wurde seine Mutter in Auschwitz ermordet, nachdem man sie in der berüchtigten Velodrome-d'Hiver-Razzia verhaftet hatte (ein Ereignis, an das auch in den letzten Phasen des Algerienkrieges erinnert wurde, was in Teil IV eine wichtige Rolle spielen wird).2 Zwar kann man nicht behaupten, dass Riposte sich auf die Besonderheiten des Holocaust einlässt, doch die Verweise

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Siehe zu diesen und anderen relevanten biografischen Fakten den Nachruf in Le M01lde vom 13. Dezember 2005. Kurz nachdem er Riposte gemalt hatte, wurde Taslitzkyvon der Kommunistischen Partei nach Algerien entsandt, um die dortige Lage zu dokumentieren. Der Kolonialismus blieb für ihn sein ganzes Leben lang ein zentrales Werksthema.

VON RIPOSTE ZU UN CHOC EN RETOUR

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auf den Nationalsozialismus sind vielleicht auch keine bloße Universalisierung oder Instrumentalisierung des Bösen. Sicherlich verfügt das Bild im französischen Kontext über eine komplexe Resonanz. Es suggeriert, dass der Erinnerung an die jüngste faschistische Vergangenheit eine doppelte Rolle zukommt: Der bildliche Bezug auf Hitler und die Lager verbindet nicht nur den Kolonialismus mit dem Nationalsozialismus, sondern definiert auch die Dekolonisierung als eine Verlängerung und Fo~·t­ setzung des französischen Bürgerkriegs, das heißt der Geschichte der Kollaboration und des Widerstands. Riposte bringt damit eine Zeitlichkeit zum Ausdruck, die an Freuds Schriften zum Gedächtnis erinnert: Sie holt die Vergangenheit in die Gegenwart, während sie zugleich die Gegenwart als Fortsetzung einer bestimmten Version der Vergangenheit liest. Dennoch bleibt die Bedeutung dieser Zeitlichkeit sowie der bildlichen Analogie von Kolonialismus und Faschismus ambivalent. Im selben Jahr gemalt, in dem Arendt die Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft veröffentlichte, bietet Taslitzkys Riposte auch eine bildliche Variation des von Arendt beschriebenen Bumerang-Effekts: In Arendts historisch-theoretischer Untersuchung kehren die in den Kolonien produzierten rassistischen Hierarchien als genozidaler Antisemitismus nach Europa zurück; in Taslitzkys Gemälde kehrt die Figur Hitlers im Kampf um Kolonialismus und Dekolonisierung zurück. Die gegenläufigen Vektoren historischen Einflusses in diesen zeitgleich geschaffenen Werken verweisen auf das Potenzial für ein multidirektionales Denken während dieses von Dekolonisierung geprägten Zeitpunkts nach dem Holocaust. Doch unsere Betrachtung von Arendts Schriften hat mögliche Fallstricke des Versuchs aufgezeigt, jenen »Bumerang«, der den Imperialismus mit dem nationalsozialistischen Genozid verbindet, begrifflich zu fassen. Was ich Arendts »Erwartung einer homogenen Universalität« genannt habe, lässt ihren Text an den Rändern des Eurozentrismus stehen bleiben, unfähig, sich »über das menschliche Begriffsvermögen hinaus« zu bewegen und die multidirektionale Konstellation von Kolonialismus und Totalitarismus herzustellen, die sie begrifflich anstrebt. Aufmerksamkeit für die Flugbahn des Bumerangs lässt vermuten, dass sich in Taslitzkys Gemälde auch die Grenzen der europäischen Vorstellungskraft zeigen. Der Arbeiterstreik war fraglos eine antikoloniale Aktion der PCF, doch Taslitzky stellt den Kampf als innereuropäische Angelegenheit dar. Im Kampf zwischen Dockarbeitern und Polizei übersetzt er den Kolonialismus bildlich in Klassenkampf und eine Frage der nationalen Geschichte (wie die Anspielungen auf Gericault und Delacroix bestätigen). Die Bewegung der antikolonialen riposte bleibt an die Entwicklung der französischen Geschichte gebunden und fest in den Händen der französischen Arbeiter. Ein Jahr bevor Taslitzky Riposte malte und Arendt die Elemente und Ursprünge veröffentlichte, erschien ein Werk, das das Interesse beider an Bumerang-Effekten teilt, aber aus einer explizit anti-eurozentrischen Position heraus verfasst wurde. Erstmals 1950 erschienen, bietet Aime Cesaü'es antikolonialer Traktat Discours sur le colonialis111e (Über den Kolonialismus) eine der frühesten Auseinandersetzungen mit dem nationalsozialistischen Genozid und setzt diesen zum Kampf um

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3. »UN CHOC EN RETOUR«: AlME CESAIRES DISIneuem Humanismusnur< um einen extremeren und gründlicheren Fall jener periodischen Angriffe und Pogrome, unter denen Juden schon immer gelitten haben, wird wahrscheinlich niemals beigelegt werden.«ll Das Rätsel, das sich bereits auf der ersten Seite des Romans ankündigt, wird durch dessen Ende noch verstärkt. Nachdem wir rund achthundert Jahre durch die Zeit gereist sind und die Martyrien verschiedener jüdischer Individuen und Gemeinschaften erlebt haben, gelangen wir zu den Gaskammern des Holocaust, und sogar in sie hinein. Ernie Levy, in Schwarz-Barts Neuformulierung der jüdischen Legende der »Letzte der Gerechten«, erklärt sich bereit, in den Tod geschickt zu werden, damit er mit seiner Geliebten Golda sein kann: Zuerst betritt er das Transitlager Drancy, dann schließt er sich einem Konvoi nach Auschwitz an und schließlich bittet er darum, denen folgen zu dürfen, die in die Gaskammern geschickt werden. In dem Raum der Gaskammer, der selten dargestellt wird, vermischt Schwarz-Bart in einem viel kommentierten Finale das jüdische Totengebet, das Kaddisch der Trauernden, mit den Namen bekannter nationalsozialistischer Konzentrations- und Vernichtungslager: »Und gelobt. Auschwitz, Sei. Maidanek. Der Ewige. Treblinka. Und gelobt« (Der Letzte der Gerechten, S. 431). So stört der Beginn des Romans die Chronologie jüdischer Geschichte, während das Ende die Frage nach der Kontinuität jüdischer Kultur aufwirft: Es lässt sich nicht sicher sagen, ob in diesen vorletzten Zeilen »das Grauen des Konzentrationslagers in spirituelle Transzendenz gehüllt« wird oder aber im Gegenteil jenes Grauen dafür sorgt, dass »der von Terror geplagte Nachhall unaufhebbaren Leids die Lobpreisung Gottes übertönt«Y Es hat zwar den Anschein, als habe der Roman gerade auf ein Bild unaufhebbaren Leidens zugesteuert, doch die allerletzten Zeilen, gleich nach dem unterbrochenen Gebet, deuten eine Art des Beharrens an, wenn auch nicht gerade der Transzendenz. Der namenlose Ich-Erzähler des ersten Absatzes meldet sich mit einer zweideutigen Ein-

11 Lawrence Langer, The Holocaust and the Literary Imagination, New Haven 1975, S. 252. Auch Rosenfeld erwähnt dieses Problem: ders., Double Dying, S. 68 f. 12 Ebenda, S. 263.

5. ANACHRONISTISCHE ÄSTHETIK

schätzung zurück. Der Erzähler berichtet von seinem Bewusstsein, dass Ernie Levy irgendwo fortlebt: »Als ich gestern, am Boden festgewachsen, mitten auf der Straße vor Verzweiflung erbebte, fiel von oben ein Tropfen Mitleid auf mein Gesicht herab; aber da war kein Hauch in der Luft, keine Wolke am Himmel ... da war nur eine Gegenwart« (Der Letzte der Gerechten, S. 431). Indem er angesichts der Vernichtung eine Gegenwart evoziert und einem Gebet Todesstätten an die Seite stellt, verweigert sich Schwarz-Barts erster Roman der Auflösung jener Dilemmata von Chronologie und Tradition, die ein Jahrtausend jüdischer Geschichte mit sich bringt. Die Mehrdeutigkeit des Romanbeginns, in dem ein starker Drang zur historischen Kontinuität mit gespenstischer Diskontinuität koexistiert, bleibt erhalten. Weil dieses Problem der Kontinuität in Der Letzte der Gerechten so eindeutig im Herzen jüdischer Geschichte und Kultur verortet wird, überrascht es, dass SchwarzBart in einem Interview, das er zur Zeit des Erscheinens 1967 der amerikanischen zionistischen Zeitschrift Un plat de pore gegeben hat, diese doppelte Form der Zeitlichkeit außerhalb eines streng jüdischen Kontextes verortet. Auf die Bemerkung des Interviewers Michel Salomon, Schwarz-Bart »verwirre« womöglich seine Leser, indem er auf seinen Holocaust-Roman eine Reihe von Werken folgen lasse, »die sich mit der Lage der Schwarzen befassen«, antwortet Schwarz-Bart: »Es gibt hier keine Trennung zwischen einer früheren und einer späteren Inspiration, denn die Idee und der grundlegende Entschluss, dieses Buch [Un plat de porcl zu schreiben, gehen lange vor die Fertigstellung von Der Letzte der Gerechten zurück: Den Entschluss fasste ich 1955, und Der Letzte der Gerechten schrieb ich 1959 zu Ende.«l3 Folgt man Francine Kaufmanns Rekonstruktion der Entstehung von Der Letzte der Gerechten, dann war 1955 auch ein besonders wichtiger Zeitpunkt während der Niederschrift jenes Romans. Im Jahr 1955 beendete Schwarz-Bart eine erste Fassung, die im Frankreich des Zweiten Weltkriegs spielte. Der Autor war mit dieser Fassung allerdings nicht zufrieden, wie Kaufmann berichtet: »Den Figuren fehlt jegliche Dichte, weil sie frei flottieren, von ihren Wurzeln abgeschnitten. Ohne den offenbarenden Nachhall der Vergangenheit bleibt die Gegenwart undurchsichtig« (Pour relire, S. 19). In späteren Fassungen beginnt Schwarz-Bart, den zeitlichen Horizont des Romans bedeutend auszuweiten. Die zweite Fassung, von der Ende 1956 ein Auszug veröffentlicht wurde, geht bis ins frühe 19. Jahrhundert, und die endgültige, 1958 und 1959 abgeschlossene, noch einige Jahrhunderte weiter zurück (ebenda, S. 19-21). Worin besteht - abgesehen vom Jahr 1955 - die Verbindung zwischen der Konzeption eines Romanzyklus, der sich mit der Geschichte der afrikanischen Diaspora befasst, und der Neukonzipierung von Der Letzte der Gerechten? Weitere Bemerkungen Schwarz-Barts deuten an, dass seine Fähigkeit, Der Letzte der Gerechten die fehlende historische Dichte zu verleihen, auf eine überraschende Quelle zurückgeht. Zumindest im Rückblick verschleiert Schwarz-Bart die »Ursprünge« seiner beiden 13 Michel Salomon, Jewishness and Negritude: An Interviewwith Andre Schwarz-Bart, in: Midstream (März 1967), S. 3-12, hier S. 3.

DIE ERINNERUNG AN DIE SI(LAVEREI UND DER LETZTE DER GERECHTEN

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Romane: Der spätere Roman über »die Lage der Schwarzen« stellt keinen Bruch mit der jüdischen Geschichte des früheren Romans dar, bietet aber zugleich auch keine einfache Fortschreibung oder Entwicklung dieser Geschichte. Vielmehr scheinen sich die bei den Werke wechselseitig beeinflusst und gemeinsam Gestalt angenommen zu haben, wenn auch auf nicht-synchrone Weise (sie sind im Abstand von acht Jahre!! erschienen). Wie bei so vielen der Beispiele, die "ich in diesem Buch untersuche, geht diese textuelle Begegnung mit einer biografischen einher, und die Querschläger zwischen Text, Leben und unterschiedlichen Geschichten deuten die Anwesenheit multidirektionaler Erinnerung an. Schwarz-Bart schreibt die wechselseitige Beeinflussung seiner Romane über schwarze und jüdische Geschichte einem besonderen Verhältnis zur Vergangenheit zu, auf das er bei Westindern und Westinderinnen gestoßen sei, die in den 1950er-Jahren in Paris lebten: »Man kann leicht verstehen, was für mich der bewegendste Aspekt dieser Welt war, der ich unter den Menschen in Paris, im Quartier Latin begegnen durfte - das Element der Sklaverei in ihrem Hintergrund. Sie sprachen über dieses Element ihrer Geschichte, sie erlebten es, könnte man sagen, auf die gleiche Weise, wie wir Juden mehr als zwanzig Jahre später immer noch den Holocaust neu durchleben und das sicher auch noch lange tun werden. Auf gewisse Weise spiegelt ihre Tragödie die Geschichte unserer eigenen wider. Wir Juden durchleben etwas, das noch immer der Gegenwart angehört; aber jetzt sah ich zum ersten Mal Menschen, die in einer anderen Epoche lebten, von der sie sich noch nicht befreit hatten, einer historischen Epoche, die für sie in der Gegenwart existierte und die ich zum ersten Mal mit der jüdischen Erfahrung vergleichen konnte.« (Salomon, Jewishness and Negritude, S. 4) In dieser Textpassage liegen die Gründe für den Vergleich jüdischer und schwarzer Geschichte - und, auf einer persönlicheren Ebene, die Mittel, mit denen SchwarzBart sich aus jener »Einsamkeit des jüdischen Schicksals« befreien konnte, in der er sich zuvor »eingeschlossen« gefühlt hatte - in dem gemeinsamen Gefühl, historische Tragödien »neu zu durchleben« (Salomon, Jewishness and Negritude, S. 4). So, wie die Begegnung 1967 nacherzählt wird, erscheint sie mit einer karibischen Zeitlichkeit nicht nur als Vorgriff auf Schwarz-Barts Romane über die afrikanische Diaspora, sondern auch als Rückblick auf die zeitliche Form von Der Letzte der Gerechten, denn in der zitierten Aussage sind es weniger die Juden als vielmehr die Nachfolger der Sklaven, die anachronistisch zu leben scheinen, wie im Licht erloschener Sterne.!4 14 Interessanterweise beschreibt Schwarz-Barts Ehefrau im selben Interview, wie sie die Juden in ihrer Jugend selbst als anachronistisches Volk begriff: »Als ich auf den Westindischen Inseln lebte, wusste ich nicht, was ein Jude ist. Ich dachte, die Juden seien ein biblisches Volk aus einer sehr fernen Vergangenheit. Ich hatte keine Ahnung, dass es auch heute noch Juden gibt.« Sobald sie jedoch Juden in Paris begegnete, entdeckte sie »sofort viele Gemeinsamkeiten« (ebenda, S. 5).

5. ANACHRONISTISCHE ÄSTHETIK

Das Paradox einer »historischen Epoche, die [... ] in der Gegenwart existierte«, bietet eine gute Beschreibung von Schwarz-Barts Gebrauch jüdischer Legenden und Chroniken als Mittel, genozidales Trauma zu erschließen. Vor seiner Begegnung mit einer anderen Diaspora hatte Schwarz-Bart den Eindruck, »lll1Sere jüngere Tragödie« habe »uns [Juden] isoliert, nicht nur von der übrigen Menschheit, sondern auch von Vergangenheit und Zukunft« (ebenda). Die Kombination aus Distanz und Anwesenheit, die er in der schwarzen Geschichte erkennt, scheint jedoch einen Raum zu öffnen für die anachronistische Ästhetik von Der Letzte der Gerechte11. Diese ermöglicht es, den Holocaust - ein Ereignis, »das noch immer der Gegenwart angehört« - zu anderen Geschichten in Beziehung zu setzen. Folgt man Schwarz-Barts Bemerkungen, aber auch den textuellen Belegen seines Werks, dann scheint die Erinnerung an die Sklaverei die jüdische Erinnerung (und die jüdische Zukunft) entsperrt und ein ästhetisches Projekt multidirektionaler Erinnerung ermöglicht zu haben. Die Multidirektionalität von Der Letzte der Gerechte11 mag sogar, wie SchwarzBarts Bemerkungen im Interview nahelegen, bereits in der Legende liegen, die den Roman inspiriert hat, obgleich es nicht eindeutig ist, dass Schwarz-Bart dies bewusst war. In einem kurz nach Erscheinen von Schwarz-Barts Buch verfassten Essay geht Gershorn Sholem, der bekannte Historiker jüdischer Mystik, den verwickelten Ursprüngen der Legende der 36 Gerechten nach. Sholem gelingt es nicht, die verschiedenen Komponenten der Legende definitiv auf eine einzige Quelle zurückzuführen, was darauf hindeutet, dass Schwarz-Barts Roman unmittelbar aus dem Terrain multidirektionaler Erinnerung hervorgegangen ist. Sholem zufolge könnte die bedeutendste Quelle der Legende sogar ein Beispiel jüdisch-islamischen Synkretismus darstellen: »Wir können vorläufig nicht bestimmen, ob diese Vorstellung zuerst aus jüdischer Tradition stammte, die schon, als sie in islamische Kreise eindrang, eine neue Wendung genommen hatte, oder ob sie im Islam entstanden ist und dann in dieser neuen Metamorphose zu einer noch unbestimmten Zeit ins Judentum zurückgewandert ist«.15 Sholem trägt seine Archäologie der Legende zwar vorsichtig und zögernd vor, er veranschaulicht aber dennoch, wie schwierig es ist, kulturelle Traditionen gegen die Verschaltungen multidirektionaler Erinnerung abzuschirmen.

Ruinen schreiben: Die Mulattin Solitude In Der Letzte der Gerechten bleiben die Berührungspunkte schwarzer und jüdischer Geschichte virtuell und werden in erster Linie über genetische Kritik, paratextuelle Materialien wie Schwarz-Barts Interview mit Michel Salomon und die intertextuellen Quellen der Legende der Gerechten wahrnehmbar. In Die Mulatti11 Solitude werden diese Berührungspunkte hingegen explizit gemacht, und zwar in der abschließenden Gegenüberstellung von Polen und Guadeloupe. Schwarz-Bart bedient sich in seinem 15 Scholem, Die 36 verborgenen Gerechten, S. 222.

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RUINEN SCHREIBEN: DIE MULATTIN SOLITUDE

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dritten Roman von Anfang an des anachronistischen Stils seines Erstlings und vermischt historische Chronik und mythische Elemente. Der Romanbeginn kombiniert einen märchenhaften Rahmen mit säkular-christlicher europäischer Chronologie und Geografie. Dabei findet sich im Geschichtsdiskurs des Romans nichts, was einen auf die abschließende Gegenüberstellung vorbereiten könnte: »Es war einmal, auf einem seltsamen Planeten, eine kleine Negerin, die hieß Bayangumay. Sie war gegen 1750 auf der Erde erschienen, in einer ruhigen, unübersichtlichen Deltalandschaft, in einer Gegend, wo sich die klaren Wasser eines Stromes mit den grünen Wassern eines Ozeans und den schwarzen Wassern eines toten Flußarmes vermischten - und wo die Seele, wie es heißt, noch unsterblich war. Aber die Bewohner jenes Ortes hatten keinen Olymp, kein Walhalla und kein himmlisches Jerusalem; sie mochten sich nicht in den Wolken verlieren, hingen viel zu sehr an ihren Kühen, ihren salzigen Wiesen und vor allem an ihren Reisfeldern, die im gesamten afrikanischen Westen bekannt und geschätzt waren.« (Die Mulattin Solitude, S. 9) Die Perspektive dieser Textpassage ist dialogisch; die Passage richtet sich an ein europäisches Publikum, für das Bayangumay sowohl auf »einem seltsamen Planeten« als auch in »Westafrika« lebt, nimmt aber zugleich auf Lokalwissen (z. B. über Reis und andere Aspekte des Alltagslebens) Bezug. Zwar mag hier, wie Bella Brodzki argumentiert, die Ankunft europäischer Sklavenhändler bereits antizipiert sein, doch lässt der sanftere Ton dieses Romanbeginns, verglichen mit dem Anfang von Der Letzte der Gerechte11 (wo eine jüdische Gemeinschaft bereits auf der ersten Seite Kiddush Hashem oder rituellen Selbstmord begeht), zunächst an ein anderes Verhältnis zur Geschichte denken. Anders als die Juden und Jüdinnen Europas sind die Einwohner und Einwohnerinnen dieser besonderen Flussmündung noch nicht in die Gewalt der europäischen Geschichte eingegliedert worden. 16 Wir befinden uns fernab jener Conrad'schen Tradition europäischer Afrika-Darstellungen, die auf so folgenreiche und schädliche Weise in Arendts Schriften über den Imperialismus Eingang gefunden hat. Zwar wird angedeutet, dass ein Gefälle besteht zwischen europäischen Annahmen und afrikanischen Anliegen, doch der märchenhafte Ton und die idyllische Landschaft suggerieren eher eine friedliche Koexistenz kultureller Temporalitäten - vergleichbar den Gewässern im Delta, die sich »vermischen« - als einen Kampf der Kulturen. Hinzu kommt, dass diese fiktiven Dorfeinwohner und -einwohnerinnen, im Gegensatz zu den Angehörigen der afrikanischen Diaspora, denen Schwarz-Bart in den 1950er-Jahren 16 Siehe Brodzkis Erörterung dieser Passage (Nomadism, S. 228); Brodzki betont stärker als ich den Aspekt der Disjunktion und erkennt ein Gefühl banger Vorahnung im Hinweis auf »die westliche Zeitachse« und auf jenes Wasser, über das bald die Sklavenjäger anreisen werden. Siehe zu Schwarz-Barts Verhältnis zur Kiddusch-Haschem-Tradition Stanley Brodwin, History and Martyrological Tragedy: The Jewish Experience in Sholem Asch and Andre SchwarzBart, in: Twentieth Century Literature 40 (1990) 1, S. 72-91.

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begegnet ist, nicht »in einer anderen Zeit« leben. Aus ihrer bewusst idealisierten Perspektive ist kein Anachronismus möglich, da es noch keine historischen Epochen zu geben scheint, die verbunden oder einander entgegengestellt werden könnten. Aus der impliziten Perspektive der nicht-autochthonen Leserin erinnert die Kombination der »Ordinalfunktion« der Datierung (»gegen 1750«) mit der mythischen Zeit des Außerhistorischen (»Es war einmal«) an den Anfang des früheren RomansP Am Schluss von Die Mulattin Solitude ist diese Vermischung von Zeiten und Kulturen jedenfalls der Beschwörung von Gespenstern gewichen, und der Kontakt von Europäern und Nicht-Europäerinnen ist zu einer Frage von Katastrophe und Vertreibung geworden. Die Nachfahren der idealisierten afrikanischen Landschaft haben sich nun zu diasporischen Subjekten entwickelt: Sie bestellen noch immer das Land, allerdings unter stark veränderten Bedingungen. Gefangen, deportiert und auf der Mittelpassage vergewaltigt, gebiert Bayangumay eine Tochter, »die Mulattin Solitude«, eine legendäre Figur in der Geschichte Guadeloupes. Solitude wird später aufgrund ihrer Beteiligung an einem Sklavenaufstand hingerichtet, am Tag, nachdem sie wiederum ein Kind gebiert, dessen Schicksal es sein wird, als Eigentum eines anderen Menschen zu leben. Im knappen Epilog des Romans bricht der Erzähler mit der bisherigen historischen Rahmung und stellt sich vor, dass ein Tourist eines Tages die Plantage besuchen wird, auf der Solitude und andere Rebellen gegen ihre Versklavung gekämpft haben - ein Schauplatz, den der Anführer der Rebellion in einem Akt der Verzweiflung mit Dynamit gesprengt hat: »Wenn der Fremde darauf besteht, gestatten sie [die Wächter der Bananenplantagen] ihm, die Reste des ehemaligen Anwesens Danglemont zu besichtigen. Der Wächter winkt mit der Hand, und wie durch Zauberkraft taucht aus dem Schatten ein zerlumpter Feldneger auf, der den Liebhaber alter Steine aus großen unsicheren Augen anblickt. Sie gehen zusammen los [... ]. Sie gehen und kommen auf ihrer eigenen Spur zurück, sie gehen, und plötzlich ist da ein kniehoher Mauerrest, eine Erdaufschüttung, aus der Trümmersplitter ragen, scharfkantige Knochenstücke. [... ] Der Fremde nimmt leichten Aschegeruch wahr und macht aufs Geratewohl ein paar Schritte, zieht immer größer werdende Kreise um den ehemaligen Wohnsitz. Hier und da, unter großen welken Blättern, ruhen noch heute Steinbrocken, die durch die Explosionen weggeschleudert, in der Zwischenzeit ausgegraben, verschüttet und wieder freigelegt wurden von der unschuldigen Hacke derer, die das Land bebauen; an einen davon stößt er mit dem Fuß. Wenn er eine Erinnerung beschwören will, füllt er den Raum mit seiner Phantasie; und wenn ihm das Schicksal gewogen ist, erstehen alle möglichen Menschengestalten um ihn her, wie, so erzählt man, unter den Blicken anderer Reisender die Schattenbilder, die zwischen den erniedrigten Ruinen des Warschauer Ghettos umherirren.« (S.139 f.) 17 Zu den verschiedenen Arten, auf die Kalenderdaten im Diskurs wirken können, siehe Aravamudan, Return, S. 334 f. Aravamudan bezieht sich auf das Werk von James Chandler.

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In diesen letzten Sätzen des Romans bedient sich Schwarz-Bart mehrerer Formen des Anachronismus und Anatopismus (der räumlichen Fehlplatzierung). Wie in den ersten Absätzen des Romans vermischen sich Mythisches und Alltägliches. Anstelle des märchenhaften »Es war einmal ... « kommen aber neue, schauerlichere Temporalitäten zum Vorschein. Wie die Knochenfragmente ist auch die Zeit im Wortsinn zersplittert. Die Romanhandlung bewegt sich kontinuierlich von Afrika nach Guadeloupe und von der Mitte des 18. zum Anfang des 19. Jahrhunderts, doch der Epilog springt in die Gegenwart der Niederschrift des Romans und in einen hypothetischen, mehrschichtigen europäisch-karibischen Raum. Sowohl der mutmaßlich europäische Reisende als auch der westindische Führer erscheinen als sowohl räumlich als auch zeitlich verschoben - Ersterer aufgrund seiner verblüffenden Liebe zu »alten Steinen«, Letzterer aufgrund seines magischen Auftritts und seiner zerlumpten Erscheinung. Als Ruine ist auch der Schauplatz der Plantage von der Gegenwart abgetrennt: halb begraben unter fast zwei Jahrhunderten »llllschuldiger« Tätigkeiten, aber noch immer Zeugnis ablegend von einer traumatischen Vergangenheit. In der letzten Zeile wird auf die Ruinen des Warschauer Ghettos Bezug genommen, was vielfache Assoziationen auslöst. 18 Wie Brodzki gesagt hat, beinhaltet diese Bezugnahme aufgrund der bekannten Geschichte des Warschauer Aufstands eine »doppelte Erbschaft« aus »Vernichtung« und »heroischem Widerstand«19 - was ebenso auf Du Bois' Artikel über Warschau zutrifft. Der doppelte Eindruck von Terror und Widerstand beschreibt den Tenor von Schwarz-Barts Roman gut, auch wenn diese letzte Textpassage mit ihrer Betonung der Demütigung und der Gespenster weniger affirmativ wirkt als Brodzki suggeriert. Warum aber evoziert Schwarz-Bart diese doppelte Erbschaft durch eine anachronistische und anatopische Analogie? Anders gefragt: Was fügt die Tatsache des Anachronismus der Geschichte von Sklaverei und Widerstand, die der Roman bereits erzählt hat, hinzu? Du Bois setzt das Warschauer Ghetto in Beziehung zur color line (in den Vereinigten Staaten und weltweit), um eine Aussage über das Verhältnis von "Rasse« und Raum sowie von Widerstand und Terror zu treffen, doch Schwarz-Barts Anachronismen stellen die Grundlagen der Historisierung infrage. Schwarz-Bart macht sich offenkundig des dritten von Vico unterschiedenen Irrtums schuldig: Er stellt eine Verbindung her zwischen zwei Epochen und Orten - der Karibik des frühen 19. und dem Zentraleuropa der Mitte des 20. Jahrhunderts -, die gewöhnlich nicht zusammen betrachtet werden. Dieser »Irrtum« kann jedoch als Versuch verstanden werden, aufzuzeigen, wie die erste von Vico genannte Form des Anachronismus unser Verständnis der karibischen Geschichte verzerrt hat. Nathan Rapoports Ehrenmal wurde nur wenige Jahre nach 18 Obwohl die Ruinen des Warschauer Ghettos heute fast vollständig überbaut sind und nur das Denkmal übrig geblieben ist, das ich im vorigen Kapitel über Du Bois besprochen habe, könnte die Beschreibung des Besuchs der Plantage leicht die eines zeitgenössischen Besuchs an einem der Standorte nationalsozialistischer Vernichtungslager sein, wo oft noch Asche und Knochensplitter vorhanden sind. 19 Brodzki, Nomadism, S. 225.

5. ANACHRONI5TISCHE ÄSTHETII(

der Befreiung Polens von der nationalsozialistischen Herrschaft errichtet, doch des Sklavenaufstands, von dem Schwarz-Barts Roman erzählt, ist, wie Brodzki bemerkt, »niemals gedacht worden«.20 Das heißt: Der Hinweis auf das bekannte Ereignis des Warschauer Aufstands trägt dazu bei, etwas über die irrige Darstellung der Karibik als eines »ereignislosen« Ortes jenseits des vorherrschenden weltgeschichtlichen Narrativs auszusagen. Schwarz-Bart deckt archäologisch Ereignisse auf, die auf anachronistische Weise durch Schichten des Vergessens verborgen worden sind. Schwarz-Barts Vorgehen könnte sogar noch radikaler eben die Begriffe hinterfragen, mittels derer seine Analogie als anachronistisch bezeichnet werden kann; sie könnte also andeuten, dass die beiden zueinander in Beziehung gesetzten Epochen tatsächlich zusammengehören, im Rahmen eines neuen historischen Narrativs, das von den Gespenstern derer ausgeht, die zum Schweigen gebracht worden sind. Nicht nur wird die Erinnerung an den Holocaust zu einem »vergessenen« Kapitel der Weltgeschichte ins Verhältnis gesetzt, sondern das Fragment der karibischen Vergangenheit bewirkt darüber hinaus auch eine überraschende Rekontextualisierung des nationalsozialistischen Genozids. Indem er die beiden Geschichten einander Seite an Seite stellt, bewirkt der Roman keine Normalisierung oder Relativierung des Holocaust, sondern zeichnet diesen vielmehr als Bestandteil zweier paralleler Reihen singulärer Ereignisse. Das gleichzeitige Aufrufen von Ruinen und der in ihr spukenden Gespenster zeugt von einer Zeitlichkeit, die sich nicht ohne Weiteres von historistischen Lesarten zurückgewinnen lässt.

Das Formproblem: Zwischen Abwesenheit und Verlust Ein wenig bekannter und unübersetzt gebliebener Kommentar, in dem SchwarzBart sein literarisch-historisches Projekt beschreibt, skizziert die Möglichkeiten und 21 Grenzen eines solchen neuen, auf parallelen Geschichten beruhenden Narrativs. Pourquoi j'ai ecrit La MuLltresse Solitude (Warum ich Die Mulattin Solitude geschrieben habe), ein Text, der 1967 zeitgleich mit Schwarz-Barts früherem, gemeinsam mit seiner Frau Simone verfassten Roman Un plat de pore aux banalJes verts (Eill 20 In den Jahrzehnten seit der Veröffentlichung von Schwarz-Barts Roman hat die Memorialisierung der Sklaverei im Allgemeinen und der in Die Mulattin Solitude beschriebenen Revolte im Besonderen in der Karibik an Bedeutung gewonnen. Für eine Betrachtung dieser Entwicklung mit Schwerpunkt auf Guadeloupe und Martinique siehe Catherine A. Reinhardt, Claims to Memory: Beyond Slavery and Emancipation in the French Caribbean, New York 2006. Reinhardts Bemerkungen zu Solitude und der Errichtung einer Statue zu ihren Ehren im Jahr 1999 finden sich aufS. 149-153. 21 Andre Schwarz-Bart, Pourquoi j'ai ecrit La Muldtresse Solitude, in: Le Figaro litteraire, 26. Januar 1967, S. 1, 8 f. Der Hinweis auf Solitude im Titel dieses Artikels meint nicht den Roman von 1972, sondern die gesamte Reihe, die sowohl den Roman von 1967 und den späteren Text sowie weitere Texte enthalten sollte. Siehe auch Scharfmans aufschlussreiche Diskussion dieses Artikels (den sie als Interview bezeichnet).

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Schweinefleischgericht mit grünen Bananen) erschienen ist, erläutert gequält den Versuch, eine Geschichte »im globalen Maßstab« (»Ia dimension plam!taire«) zu schreiben (Pourquoi j'ai ecrit, S. 8). Der Text ist vergleichsweise kurz und enthält einen der eindringlichsten Versuche, die Geschichten des Kolonialismus, des Holocaust und ihrer Folgen zu artikulieren, das heißt sie, wie Ronnie Scharfmann sagt, sowohl zu erzählen als auch zueinander in Beziehung zu setzen. 22 Hier möchte ich mich auf zwei Aspekte dieses Textes konzentrieren, die für meine allgemeine These von Bedeutung sind: Schwarz-Barts Beschreibung seiner Identifikation mit den Westindern und Westinderinnen und das von ihm entworfene Programm einer literarischen Verbin-

dung scheinbar disparater Geschichten. Nachdem er seine langjährige Bewunderung für die Westinder und Westinderinnen erwähnt hat, von denen er sagt, dass sie über jene sehr erstrebenswerten Eigenschaften verfügen, »die mir selbst fehlen«, bestimmt Schwarz-Bart das Wort »Sklaverei« als die ultimative Quelle seiner brüderlichen Gefühle. Indem Schwarz-Bart die Bedeutung dieses Wortes umreißt, das auch im oben erwähnten, etwa zeitgleich geführten Interview eine Rolle spielt, skizziert er ein komplexes Verständnis des Verhältnisses von Schwarzen und Juden: »Sicherlich hat mich dieses Wort als jüdischer Mann betroffen, als Mitglied einer Gemeinschaft, die gerade den Preis des menschlichen Lebens erfahren hatte. Und doch, so seltsam es Ihnen auch erscheinen mag, berührte mich das Wort vor allem als jüdisches Kind, als weit entfernter Nachfahre eines Volkes, das in der Sklaverei geboren wurde und vor dreitausend Jahren aus ihr hervorging. Ich erinnere mich, dass mir 1941, in der ersten Nacht des Pessachfestes, die Ehre zuteil wurde, die rituelle Frage an das Familienoberhaupt zu stellen: >Ma nishtana halaila haze nicol ha lelot?< Was bedeutet: >Wie unterscheidet sich diese Nacht von allen anderen Nächten?< Und ich erinnere mich an die Antwort, die mir mein Vater auf Hebräisch gab: >Mein Kind, in einer Nacht wie dieser kamen unsere Vorfahren aus Ägypten, wo sie als Sklaven gehalten wurden.< Und ich glaube, dass es dieses jüdische Kind ist, dessen Väter unter dem Pharao versklavt waren, bevor ihnen dasselbe unter Hitler widerfuhr, das von einer endgültigen, brüderlichen Liebe zu den Westindern ergriffen wurde.« (Pourquoi j'ai ecrit, S. 8) Mit dem Versuch, das Verhältnis seiner Romane über die jüdischen und afrikanischen Diasporas zu erläutern, evoziert Schwarz-Bart die Bedeutung des nationalsozialistischen Genozids und verschiebt diese Bedeutung zugleich. Durch die Figur des erinnerten Sederabends kehrt diese Textpassage zu dem Jahr zurück, in dem die nationalsozialistische Politik in ihre genozidale Phase überging (obgleich die Opfer das damals nicht wissen konnten); allerdings geschieht dies, um eine viel ältere - in der Tat mythische - Geschichte aufzurufen. Die Textpassage treibt die Verflechtung 22 Siehe Scharfman, Exiled from the Shoah, S. 255.

5. ANACHRONISTISCHE ÄSTHETIK

von Identitäten und Geschichten, die wir bereits anhand von Der Letzte der Gerechten und Die Mulattin Solitude untersucht haben, noch weiter. Sie impliziert, dass Schwarz-Barts Identifikation mit den Westindern - die es ihm ermöglichte, der Isolation zu entkommen, die er durch den nationalsozialistischen Genozid erfuhr selbst auf einer imaginären (nicht: unwirklichen) Eigenschaft jüdischer Identität beruht: der am Sederabend angesiedelten Begründung dieser Identität auf dem, was Michael Walzer »stellvertretende Erfahrung« (vicarious experience) genannt hat - die anachronistische Identifikation mit unbekannten und niemals anders als imaginär erfahrbaren Vorfahren. 23 Die anachronistische Verbindung von »Sklaven unter dem Pharao« und »Sklaven unter HitleI'« autorisiert die ebenso anachronistische Verbindung von ehemaligen schwarzen und ehemaligen jüdischen Sklaven in der Gegenwart. Paradoxerweise ist es gerade der unhistorische Charakter der Macht der Fantasie, den »Bruch« (dechirement, Pourquoi j'ai ecrit, S. 8) innerhalb einer jeden Kultur zu überbrücken - handle es sich um Sklaverei oder Genozid -, der zu einer Ressource für multidirektionales Erzählen und Verbinden wird. Trotz der »endgültigen, brüderlichen Liebe« zu den Westindern und Westinderinnen, zu der sich Schwarz-Bart bekennt, lassen sich die von ihm beschriebenen identifikatorischen Verbindungen nicht ohne Weiteres in Literatur übersetzen; das Formproblem bleibt zentral. Die Schwierigkeit, eine angemessene literarische Form zu finden, um der Verbundenheit von Schwarzen und Juden Ausdruck zu verleihen, geht aus den Feinheiten des von Schwarz-Bart in POUl'quoi j'ai ecrit La Muldtresse Solitude formulierten Programms hervor, aber auch daraus, dass er letztlich unfähig oder unwillens ist, dieses Programm umzusetzen. Verglichen mit Du Bois' Text, der das Formproblem dadurch löst, dass er die Theorie des doppelten Bewusstseins so umarbeitet, dass sie den komparativen Aspekten des Lebens von Minderheiten gerecht wird, ist die von Schwarz-Barts Text suggerierte Form weniger symmetrisch und binär. Schwarz-Bart beschreibt sein Projekt scherzhaft als »Akkordeon«, da dessen geplanter Umfang sich fortlaufend vergrößere und verringere. Infrage stand dabei nicht nur die endgültige Form des Solitude-Zyklus, sondern auch die jener Abschnitte des Zyklus, die der jüdischen Geschichte gewidmet sein sollten. Zwar war Der Letzte der Gerechten acht Jahre zuvor veröffentlicht worden, doch die Fertigstellung eines weiteren, bereits in Arbeit befindlichen Romans, in dem die Welt der Konzentrationslager auf unmittelbare Weise behandelt werden sollte, blieb »mehr als unwahrscheinlich«. Und doch, so fährt Schwarz-Bart fort:

23 Walzer bedient sich der Vorstellung »stellvertretender Erfahrung« in seinen Ausführungen darüber, wie die Exodus-Geschichte über die Jahrhunderte hinweg als machtvolles Narrativ für revolutionäre politische Bewegungen fungiert hat. Bereits in der »Darstellung des Bundes im Deuteronomium« finde man den Imperativ, den »Augenblick der Befreiung« aus Ägypten als Grundlage jüdischer Identität »in [der] Phantasie nachzuvollziehen«. Siehe Michael Walzer, Exodus und Revolution, Frankfurt a. M. 1995, S. 90 f., 94. Dieses Buch hat zu einem polemischen Austausch über Zionismus und Palästinenser zwischen Walzer und Edward Said geführt, der eine Kritik des Buches aus »kanaanitischer« Perspektive verfasst hat.

DAS FORMPROBLEM: ZWISCHEN ABWESENHEIT UND VERLUST

»Das ideale Ensemble hätte die Form eines Triptychons. Die erste Tafel würde aus Der Letzte der Gerechten bestehen. Die mittlere Tafel würde aus dem Solitude-

Zyklus bestehen, von dem jeder Band als eigene Einheit, als originelles und eigenständiges Werk konzipiert ist - in dem Sinn, dass man das Ensemble mit einer Halskette aus sieben Steinen vergleichen kann, von denen jeder eine andere Form, Farbe und einen anderen Glanz hat. [... ] Das dritte Element des Triptychons schließlich, ein Pendant zu Der Letzte der Gerechte11, wäre natürlich der Roman zu den Konzentrationslagern, von dem ich mir nicht sicher bin, ob es sinnvoll ist, bereits davon zu sprechen.« (Pourquoi j'ai ecrit, S. 8) Faszinierend an dem von Schwarz-Bart skizzierten Programm ist nicht nur die Tatsache, dass er es niemals umgesetzt hat (nach Die lvlulattin Solitude sollte er keinen weiteren Roman veröffentlichen), sondern auch der Überschuss an Bildern, durch die er es evoziert. Jedes dieser Bilder - Akkordeon, Triptychon, Halskette - stellt einen Versuch dar, dem literarisch-historischen Problem eine Form zu verleihen. Gerade aus dem umgekehrten Verhältnis des Überschusses an Bildern zur Spärlichkeit der Ergebnisse folgt eine ganz besondere »Lösung«. Anstatt Schwarz-Barts unverwirklichtes Programm als gescheitert zu begreifen, können wir in ihm die Defizite bestehender Rahmen und Möglichkeitsbedingungen für das Erzählen solcher Geschichten erkennen. Der Rückgriff auf Anachronismus, Fantasie und Bildsprache deutet an, dass die Geschichte schwarz-jüdischer Verbundenheit für Schwarz-Bart keine ist, die sich in einem realistischen, historistischen Modus schreiben lässt - selbst dann nicht, wenn dabei das doppelte Bewusstsein von Minderheiten berücksichtigt wird. Schwarz-Bart ist es allerdings auch nicht gelungen, eine gangbare Alternative zu entwickeln. Was die Geschichten der afrikanischen Diaspora in der Karibik und der jüdischen Diaspora in Europa gemeinsam haben, ist keine »positive« Erfahrung, sondern eher die Negativität des Bruchs und das Bedürfnis nach einer Arbeit der Fantasie, die den Abgrund überbrückt: Wie der Epilog von Die Mulattin Solitude verdeutlicht, markieren die Gespenster, die auf der Plantage und im Ghetto spuken, einen nicht behebbaren Verlust, der nur durch die Fantasie der Nachgeborenen »[ge] füllt« (emplira) werden kann (S. 140). Damit die Fantasie aber angemessen auf die Herausforderungen des Verlusts reagieren kann, muss sie in der Lage sein, zwischen dem zu unterscheiden, was verloren gegangen ist, und dem, was überhaupt nie vorhanden war, weil hier die Abwesenheit konstitutiv ist. Die Unterscheidung zwischen Verlust und Abwesenheit, die LaCapra auf hilfreiche Weise in Beziehung zu der zwischen historischem und strukturellem Trauma gesetzt hat, hilft dabei zu klären, an welchem Punkt Schwarz-Barts Projekt Schiffbruch erleidet. Historisches Trauma »hängt mit spezifischen Ereignissen zusammen, die tatsächlich mit Verlusten einhergehen«, wohingegen strukturelles Trauma »mit transhistorischer Abwesenheit (ursprünglicher Abwesenheit bzw. Abwesenheit des Ursprungs) zusammenhängt (und sogar korreliert) und in jeder Gesellschaft sowie in jedem Leben auf andere Weise in Erscheinung tritt«. Zu den Beispielen

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5. ANACHRONISTISCHE ÄSTHETIK

historischen Traumas zählen Sklaverei, der Holocaust und Krieg. Beispiele strukturellen Traumas sind oft eher spekulativer Natur; zu ihnen zählen »Trennung von der Mutter bzw. vom Anderen, der Übergang von der Natur zur Kultur, [... ] der Eintritt in die Sprache«.24 Wie LaCapra anmerkt, überrascht es nicht, dass es in bestimmten Kontexten, insbesondere post-traumatischen, zu Überschneidungen zwischen diesen beiden Formen von Trauma kommt; die Unterscheidung zwischen Abwesenheit und Verlust zu verwischen kann allerdings schädliche intellektuelle und politische Folgen nach sich ziehen. Werden historische Verluste als strukturelle Abwesenheit gedeutet, kann das zu Melancholie führen und dazu, dass man an der Möglichkeit zweifelt, über die Vergangenheit hinauszuwachsen oder sich den Problemen der Gegenwart zu stellen. Wird umgekehrt strukturelles Trauma auf ein historisches Ereignis reduziert, dann nährt das Allmachtfantasien und führt zu gefährlichen Versuchen, totalisierende politische Lösungen anzustreben. Trotz seiner offenkundigen Sympathie für die Opfer der Geschichte scheint Schwarz-Bart historische Verluste in einen enthistorisierten Bereich zu überführen. Der tote Punkt, an den er in seinem Schaffen gerät, könnte auf das zurückzuführen sein, was Sidra EZl·ahi seine Festlegung auf ein statisches Geschichtsbild nennt, das sich durch die »ewige Wiederkehr menschlichen Leidens« auszeichnet - auf ein Geschichtsbild also, das historische Verluste zu transhistorischer Abwesenheit umdeutet. Trotz der zahlreichen Ebenen von Zeitlichkeit, die Schwarz-Bart in seinen Büchern untersucht, scheinen seine Protagonisten - sowohl die jüdischen als auch die schwarzen - »von Geburt an zum Märtyrertum bestimmt zu sein, durch einen unerbittlichen historischen Prozess, der festlegt, das einige Lämmer und andere Schlächter zu sein haben«.25 Schwarz-Bart findet zwar stets neue Bilder, um das Verhältnis von schwarzer und jüdischer Geschichte zu beschreiben, kehrt aber immer zum selben grundlegenden Gewaltszenario zurück. In LaCapras Begriffiichkeit ausgedrückt: Er bleibt im Bann des Traumas und agiert die Viktimisierung aus, anstatt sie aufzuarbeiten. Indem er das Schwarzen und Juden gemeinsame Verhältnis zur Negativität des Bruchs von einem kontingenten historischen Verhältnis zu einer transzendenten, überhistorischen Notwendigkeit umdeutet und damit überhöht, verwischt Schwarz-Bart die Unterscheidung zwischen Verlust und Abwesenheit. Sein Geschichtsbild bleibt auf ein binäres Verständnis von Opfern und Tätern angewiesen und legt den Schluss nahe, dass es einer komplexeren Darstellung der Viktimisierung bedarf, um dem Bann der Unvermeidbarkeit zu entkommen. Ironischerweise bricht Schwarz-Barts CEuvre durch seinen vergleichenden Ansatz zwar mit der sakralisierten Singularität des Holocaust, tut dies aber durch den Einsatz eben jener mythischen Elemente, derer sich der Singularitätsdiskurs bedient, um das historische Ereignis als »begründendes Trauma«26 zu kanonisieren.

24 LaCapra, Writing History, S. 76 f., 80 f. 25 Ezrahi, By Words Alone, S. l36 f. 26 LaCapra, Writing History, S. 81.

DAS FORM PROBLEM: ZWISCHEN ABWESENHEIT UND VERLUST

LaCapras Unterscheidungen zwischen Abwesenheit und Verlust sowie zwischen historischem und strukturellem Trauma erlauben es uns zu fragen, was es bedeutet, über Ruinen zu schreiben. Das Problem an Schwarz-Barts Werk ist nicht die Fixierung auf Ruinen als solche; schließlich sind die Geschichten der afrikanischen und jüdischen Diasporen tatsächlich von Vernichtung und Viktimisierung durchzogen. Es ist sowohl eine logische als auch eine soziale Tatsache, dass Angehörige dieser Diasporen sich oft durch das Prisma extremer Gewalt wahrnehmen - eine Form wechselseitiger Anerkennung, die sowohl zu Phasen der Solidarität als auch zu Situationen des Antagonismus geführt hat, wie sie nur unter denen möglich sind, die sich als »fast gleich« wahrnehmenY Das Problem liegt vielmehr in der Auffassung von Ruinen, die in Schwarz-Barts Werk zum Ausdruck kommt. Anstatt Ruinen als Zeichen von Geschichte und Wandel zu begreifen, schreibt Schwarz-Bart sie als Demütigung und Abwesenheit fest - als die Abwesenheit von Macht, angezeigt durch eine gescheiterte und verzweifelte Revolte. 28 Es gibt also zwei Formen von Anachronismus in Schwarz-Barts Arbeiten. Die erste ist eine rehistorisierende Kraft, die sklerotisierte Unterscheidungen von Epoche und Identität aufsprengt, um neue Sichtweisen auf Geschichte als dynamisches Kraftfeld sich überschneidender Geschichten zu ermöglichen. Die zweite ist eine enthistorisierende Kraft, die diesen sich überschneidenden Geschichten jedes Verhältnis zur Macht nimmt, und damit auch jede Möglichkeit der Veränderung. Bleibt Schwarz-Barts Werk im Kanon der Holocaust-Literatur auch auf vielerlei Weise eine Anomalie, so ist das Schwanken zwischen Re- und Enthistorisierung sowie zwischen strukturellem und historischem Trauma, auf das wir darin stoßen, dennoch nicht ohne Implikationen für andere Versuche, über Ruinen und multidirektionale Erinnerungen zu schreiben.

27 Paul Berman hat sich in einer Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Schwarzen und Juden der Vorstellung des »fast Gleichen« bedient, die er vom französischen Philosophen Vladimir Jankelevitch übernommen hat (und die von Freud inspiriert ist). Berman beschreibt die Intensität des Verhältnisses von Schwarzen und Juden als ein Ergebnis der Nähe beider Gruppen zueinander und der geringen Unterschiede zwischen ihnen. Siehe Paul Berman, Introduction: The Other and the Almost the Same, in: ders. (Hrsg.), Blacks and Jews: Alliances and Arguments, New York 1994, S. 1-28. 28 Es ist interessant, Schwarz-Barts Ruinen mit denen zu vergleichen, die Walter Benjamin in seinem Buch über das Trauerspiel verhandelt. Für Benjamin sind »Allegorien [... ] im Reiche der Gedanken was Ruinen im Reiche der Dinge«; in der »Allegorie [liegt] die facies hippocratica der Geschichte als erstarrte Urlandschaft dem Betrachter vor Augen. Die Geschichte in allem was sie Unzeitiges, Leidvolles, Verfehltes von Beginn an hat, prägt sich in einem Antlitz [... ] aus. [... ] [E]s spricht nicht nur die Natur des Menschendaseins schlechthin, sondern die biographische Geschichtlichkeit eines einzelnen in dieser seiner naturverfallensten Figur bedeutungsvoll als Rätselfrage sich aus.« Allegorie und Ruine sind in Benjamins Verständnis zwar historisch, doch auch mit jener Art von Melancholie verbunden, für die SchwarzBart eintritt. Walter Benjamin, Ursprung des deutschen Trauerspiels, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. I.l, S. 203-430, hier S. 354, 343, zitiert in: Fredric Jameson, Marxism and Form: Twentieth-Century Dialectical Theories ofLiterature, Princeton 1972, S. 71, 73.

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kennt< ihn besser als seine Sklaven. Darin liegt Stärke« (S. 172). Abgesehen von der geschickt eingeschleusten Hegel-Anspielung legt Rudi in seinem letzten Brief eine komplexe, aber letztlich kontraproduktive Logik der Identifikation an den 42 Cheyette, Venetian Spaces, S. 60.

VERPASSTE BEGEGNUNGEN: HIGHER GROUND

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Tag; seine Identifikation mit jüdischen Opfern hat eine präfigurative Identifikation mit Sklaven und Sklavinnen zur Prämisse, durch die seine Identität überhaupt erst begründet wird. Solche Identifikationen können sich zwar, wie Schwarz-Barts Werke zeigen, als Quellen des Selbstseins erweisen, die Überleben und Widerstand ermöglichen, doch sie können auch in polarisierte und statische Diskurse münden, wenn jegliche Distanz zwischen Vergangenheit und Gegenwart aufgehoben wird. Diskurse dieser Art wiederholen Trauma-Narrative mit solchem Nachdruck, dass diese Narrative zu strukturellen Eigenschaften der Gegenwart werden, und nicht etwa zu historischen Erbschaften, die sich aufarbeiten ließen. Wenn also Rudis »wiederholte Bezugnahmen auf den Nationalsozialismus [... ] seine Entmenschlichung verstärken, indem sie an die Schrecken des Holocaust erinnern, die die letzte Geschichte [des dreiteiligen Romans] durchziehen«, wie Ledent geschrieben hat,43 dann gilt das in einem anderen als dem beabsichtigten Sinn. Phillips will darauf hinaus, dass ein Teil des Schreckens gerade in den »wiederholte[n] Bezugnahmen« besteht - nicht, weil Rudi der jüdischen Geschichte Gewalt antut, indem er sich nicht scheut, sie auf seine eigene Lage zu beziehen, sondern weil er sich selbst Gewalt antut, indem er sich in eine Rhetorik absoluter Viktimisierung verstrickt, die letztlich jegliche Handlungsfähigkeit beseitigt. Auch die geflohene Jüdin, durch deren Augen wir die Geschichte von Higher Ground (Hochland), dem dritten Teil des Romans erleben, bleibt eine Gefangene der Vergangenheit, allerdings aus ganz anderen Gründen. Im Gegensatz zu Rudi, der durch seine Überidentifikation sowohl mit der afroamerikanischen als auch mit der jüdischeuropäischen Geschichte zu seiner eigenen Gefangenschaft beiträgt, sieht sich »Irene« von der Spaltung überwältigt, die ihr Leben kennzeichnet. Diese Spaltung wohnt bereits ihrem Namen inne, oder auch dem, was sie als das »Irene-Irina-Irene-IrinaIrene-Irina-Irene-Problem« bezeichnet (S. 183). Aus Polen auf einem Kindertransport nach England verbracht, wird aus der jungen Irina schnell Irene, »denn die Leute in England waren zu faul, um ihre Münder oder ihre Zungen zu ungewohnten Stellungen zu verbiegen« (S. 183). Phillips unterstreicht den sich daraus ergebenden Bruch, indem er seine Protagonistin in Rückblenden als Irina, aber immer dann, wenn es um die Zeit seit ihrer Flucht nach England geht, als Irene bezeichnet. Von ihrer Familie, die von den Nationalsozialisten ermordet wurde, getrennt, und einzig um den Preis eines teilweisen Identitätsverlusts in die englische Gesellschaft assimilierbar, findet sich Irene in einer unglücklichen Ehe wieder, in der sie sich gefangen fühlt. Sie erleidet schließlich einen Zusammenbruch und kommt für zehn Jahre in eine psychiatrische Klinik. In der Gegenwart des Romans lebt sie in einer Pension und arbeitet in einer Bibliothek, fällt aber in den Wahnsinn zurück und soll erneut in die psychiatrische Klinik eingewiesen werden. Ihre anhaltende Fremdheit scheint sie Louis nahezubringen, einem neu zugereisten westindischen Einwanderer, der unter der ihm fremden englischen Umgebung leidet. Die Logik der Erzählung scheint sich auf Kontakt und Bindung über schwarze und jüdische Differenzen hinweg zuzubewegen - eine Erwartung, die 43 Ledent, Caryl Phillips, S. 65.

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5. ANACHRONISTISCHE ÄSTHETIK

dadurch noch verstärkt wird, dass Irenes Lage mittels einer kolonialen Begrifflichkeit beschrieben wird, wie Ledent gezeigt hat (S. 68).44 Doch der Roman wendet sich erneut von dieser Möglichkeit der Erlösung ab: Schwarze und jüdische Geschichte überschneiden sich tatsächlich nicht, sondern nähern sich einander an, um sich dann wieder asymptotisch voneinander zu entfernen. Louis fühlt sich zwar zu Irene hingezogen, hat aber bereits beschlossen, in die Karibik zurückzukehren: »Sie berührte ihn, doch er wusste, dass er sich stählen und in die klare, schweißlose, frische, kalte, weiße, verschneite Nacht hinaustreten musste. [... ] In der Morgendämmerung würde er dann in die Männerherberge zurückkehren, seine Tasche abholen und abreisen. Es schien wahrscheinlich, dass diese Frau eine strenge Loyalität an den Tag legen, aber auch von ihm eine ebensolche Loyalität verlangen würde. Er würde ihre Treue niemals erwidern können. Jetzt nicht. Tut mir leid« (S. 216). Louis lehnt Irenes Kontakt- und Solidaritätsangebot ab - oder vertagt seine Annahme zumindest auf unbestimmte Zeit - und lässt eine »ohne nährende Liebe für immer verlorene« Irene zurück, die auf die Krankenschwester wartet, von der sie wieder in die Gefangenschaft, das heißt in die Klinik zurückgebracht werden wird (S. 218). Higher Groulld ist in seiner Erkundung von Formen der Gefangenschaft, Vertriebenheit und rassifizierten Gewalt zwar thematisch aus einem Guss, verweigert jedoch jegliche rettende Auflösung des Geschehens oder umstandslose Analogisierung unterschiedlicher Geschichten und Identitäten. Noch während der Roman seine Leser dazu anregt, nach Verbindungen zwischen den drei Geschichten zu suchen, grenzt er diese zugleich voneinander ab, wie in der verpassten Begegnung von !rene und Louis besonders deutlich wird. In der letzten Geschichte sind Differenzen des Geschlechts, des gesellschaftlichen Status (als Flüchtling oder Migrant), der Ethnizität und der Nationalität letztlich wirkmächtiger als die Gemeinsamkeiten, aufgrund derer sich die beiden Figuren zueinander hingezogen fühlen. Es zeigt sich, dass Viktimisierung nicht die beste Grundlage für Solidarität ist, da Viktimisierungsprozesse verschiedene, auch widersprüchliche Formen annehmen können und jene Grundlagen des Selbstseins erodieren, ohne die es keine Beziehungsfähigkeit geben kann (wie Rudis Abstieg in die Fantasie und !renes in den Wahnsinn veranschaulichen). Hinzu kommt, was der Fall des Erzählers von Heartland zeigt: dass der Opferstatus keinerlei Schutz vor Mitschuld bietet und auch nicht verhindert, andere Subjektpositionen einzunehmen, etwa die des Kollaborateurs. Wird die Viktimisierung in Schwarz-Barts Romanen eine geradezu metaphysische Kategorie, die Menschen über Jahrhunderte und Kontinente zu einen vermag, so erweist sich die Position der Opfer in Higher Ground als instabil und wechselhaft, und damit als 45 ungeeignet für die Schaffung wohlfeiler Verbindungen.

44 Ebenda, S. 68. 45 Das Werk von William Gardner Smith, das ich in Kapitel 8 erörtere, erkundet ebenfalls die Frage der Mitschuld und den schwierigen Aufbau von Solidarität zwischen Schwarzen, Juden und, in William Gardner Smith' Fall, Arabern.

1

INTERTEXTUALlTÄT UND STRATIFIZIERTE MINORISIERUNG

'99

Intertextualität und stratifizierte Minorisierung:

The Nature of Blood Als Phillips einige Jahre später viele der in Higher Ground behandelten Fragen wieder aufgreift, erinnert die Art, wie er die Verflechtung unterschiedlicher TraumatWaterboarding< [le supplice de la baignoire]« (S. 56). Das Hauptaugenmerk des Buches liegt jedoch - wie der oben zitierte Abschnitt deutlich macht - eher auf den Bedingungen der Sichtbarkeit, unter denen der Staat seine schmutzige Arbeit verrichtet. Wie Delbo hier andeutet, war dies auch eine Eigenschaft 16

Weitere Hinweise der Berufung auf die Nürnberger Prozesse sowie eine Übersetzung der Passage aus Le Meur, auf die ich mich hier beziehe, bietet Sorum, Intellectuals, S. 153 f.

BRIEFE GEGEN DIE REPUBLIK

249

ihrer Repressionserfahrung unter den Nationalsozialisten. Beispielsweise schreibt sie im Gedicht »Auschwitz« im ersten Band ihrer Memoiren: »Diese Stadt durch die wir kamen / war eine seltsame Stadt. / [... ] Kein Einwohner dieser Stadt / hatte ein Gesicht / und um das nicht einzugestehen / wandten sich bei unsrem Durchzug alle ab« (Trilogie. Auschwitz und danach, S. 127). Die Struktur dieser Sichtbarkeitsb,edingungen - die Nähe des univers concentrationnaire zum Alltag, die Weigerung der Öffentlichkeit, durch den Stacheldrahtzaun hindurchzublicken - trägt nicht weniger als das sich jenseits des Zauns abspielende Grauen zu jenem Sprung der Erinnerung von den französischen Lagern nach Auschwitz bei, der historischen Distanz zum Trotz. Der Erinnerung wird oft und insbesondere von Historikern angelastet, sie homogenisiere, instrumentalisiere und mystifiziere. Diese Zitate von Le Meur, Jeanson und Delbo belegen - wie andere Stellen in Les belles lettres, in denen der Nationalsozialismus und der französische Kolonialstaat zueinander in Beziehung gesetzt werden - das Vorhandensein einer differenzierten kollektiven Erinnerung, die fähig ist, Ähnlichkeit und Differenz gleichermaßen wahrzunehmen und das Gedenken in den Dienst der politischen Verantwortung zu stellen, ohne historische Besonderheiten zu relativieren oder zu leugnen. Kristin Ross hat gezeigt, wie das französische Koloni al system die Folter während der letzten Kriegsjahre zu »modernisieren« versucht hat, indem es sie in eine Form »sauberer« Massenproduktion verwandelte, die an Fabrikarbeit und an den Alltag in der Metropole erinnert, von den metropolitanen Subjekten jedoch unbemerkt blieb: »Die Folter im Algerienkrieg sollte >keine Spuren hinterlassen< - das heißt, sie sollte die Zeit still stellen oder als ahistorisches strukturelles System funktionieren.«l7 Entgegen der staatlichen Absicht wurden die Spuren jedoch sehr wohl bemerkt, selbst unter Bedingungen massiver Zensur und Repression. Wie war das möglich? Die Erinnerungsarbeit von Les belles lettres lässt vermuten, dass die Aufmerksamkeit für den Nachhall der Vergangenheit in der Gegenwart diese Vergangenheit vor ihrer frühzeitigen Abschreibung und die Gegenwart vor dem sofortigen Vergessen bewahren kann. Delbo fördert die »tiefen Spuren« der Vergangenheit zutage, wie sie etwa vom Generalsekretär der Polizei Paul Teitgen erkannt wurden; Teitgen fühlte sich von den Lagern in Algerien an die »Grausamkeiten und die Folter« erinnert, »die ich vor vierzehn Jahren selbst in den Gestapo-Kellern von Nancy erlitten habe« (Stora, La gangrene et l'oubli S. 80 f.). Ist, wie Nietzsehe einmal bemerkt hat, Schmerz das mächtigste Hilfsmittel der Mnemonik, so ist es ebenfalls wahr, dass Erinnern eine nicht-fetischistische Form von Arbeit ist, die sich dem Schmerz zuwendet, dessen Ansprüche anerkennt und dann die sozialen und politischen Bedingungen, die ihn weiterhin erzeugen, zu verändern sucht. Der Widerstand gegen die französische Kriegführung in Algerien war bestrebt, die Grausamkeiten der Gegenwart durch die Auseinandersetzung mit denen der Vergangenheit, und durch deren Aufarbeitung, zu transformieren. 17 Ross, Fast Cars, S. 122.

7- DIE GEGENÖFFENTLICHE ZEUGIN

Von der Ethik der Zeugenschaft zur gegenöffentlichen Zeugin Delbos Text dokumentiert Infragestellungen staatlicher Hegemonieansprüche gegenüber Sinnsteuerung und tut das mitunter durch das Zusammentragen von Erinnerungsspuren, die historische Grenzen überschreiten. Der Inhalt des Textes verdeutlicht jedoch nicht unbedingt die Form, die Delbos Akt des Zusammentragens annimmt. Les beiles lettres versammelt Dokumente, die überwiegend bekannten Quellen entnommen sind, und verrät keine Staatsgeheimnisse. Das unterscheidet Delbos Buch von heimlich publizierten Zeitschriften wie Tbnoignages et Documents, die ehemals zensierte Berichte veröffentlichten - wenn staatliche Zensur auch eines der offenkundigsten Themen von Les beiles lettres ist. Anders als die klandestinen Zeitschriften trägt Delbos Text keine neuen Informationen zum antikolonialen Kampf bei, sondern reproduziert vielmehr Briefe, die bereits an die Öffentlichkeit gelangt sind. Warum re artikuliert Delbo Erinnerungen an Genozid und Kolonialismus gerade in dieser Form? Anstatt die Zensur zu durchbrechen, indem sie den Staat unmittelbar und auf seinem eigenen Terrain herausfordert, legt Delbo mit Les beiles lettres eine Reflexion über die Gattungen des Dissenses vor, die letztlich das Terrain der Debatte verschieben soll. Durch seine literaturhistorische Rahmung und seine häufigen Verweise auf Schriftstellerinnen, Schauspieler, Akademikerinnen und andere Intellektuelle propagiert der Text implizit seine eigene Form als Antwort auf die alltäglichen Erfordernisse. Worum handelt es sich bei dieser Form? Weit davon entfernt, ihr Buch zu »belletristisch« und damit apolitisch zu gestalten, veranschaulicht der mit Zitaten arbeitende, intertextuelle Charakter von Delbos Arbeit - die Angewiesenheit auf zuvor bereits veröffentlichte Dokumente anderer Autoren und Autorinnen, die ja den Kern des Inhalts stellen - gerade die Orientierung an einem Publikum, einer Öffentlichkeit. Wie Michael Warner überzeugend argumentiert hat, ist eine Öffentlichkeit ein »sozialer Raum, der durch die reflexive Zirkulation von Diskursen geschaffen wird«.18 Für Warner ist demnach »eine Öffentlichkeit als ein dauerhafter Begegnungsraum für Diskurse zu verstehen«; sie »existiert nur aufgrund der Adressierung« und »des Grads der Aufmerksamkeit, wie imaginär auch immer sie sein mag«, den die Adressaten eines Textes gewährleisten (S. 62, 61). Der Schlüsselbegrifflautet in diesem Zusammenhang »Zirkulation«, was zwei bedeutende Implikationen hat. Erstens unterscheidet Warner Zirkulation von Konversation: Die Zirkulation von Texten beinhaltet, dass die Bedeutung eines Textes oder diskursiven Ereignisses über das »dyadische Verhältnis von Sprecher und Zuhörer oder Autor und Leser« hinausgeht, das den privaten Diskurs kennzeichnet, und ein Publikum aus Zuschauerinnen, Fremden und passiven Gesprächspartnern erreicht. So ist der Raum der Öffentlichkeit beschaffen: »eine multigenerische Lebenswelt, die nicht nur entlang einer Beziehungsachse von Äußerung und Reaktion organisiert 18 Michael Warner, Publics and Counterpublics, in: Public Culture 14 (2002) 1, S. 49-90. Siehe auch Michael Warner, Publics and Counterpublics, New York 2002.

VON DER ETHIK DER ZEUGENSCHAFT ZUR GEGENÖFFENTLICHEN ZEUGIN

251

ist, sondern potenziell auch entlang einer unendlichen Zahl von Achsen der Zitierung und Charakterisierung« (S. 63). Zusätzlich zu diesem multidimensionalen Adressierungsraum beinhaltet Zirkulation auch eine neue Form von Zeitlichkeit: Die Zeitlichkeit der Zirkulation ist »punktuell« und geht einher mit »unterschiedlichen Momenten und Rhythmen, von denen ausgehend zeitliche Distanz gemessen werden kann« (S. 66). Die von Delbo zitierten, in Tageszeitungen und wöchentlich erscheinenden Zeitschriften veröffentlichten Briefe sind perfekte Beispiele jener punktuellen und multigenerischen Diskurszirkulation, die Warner als für die Öffentlichkeit konstitutiv beschreibt. 19 Indem sie diese Briefe neuerlich zirkulieren lässt, setzt Delbo die Arbeit der Schaffung von Öffentlichkeiten fort und legt zugleich reflexiv ein Bewusstsein dessen an den Tag, was bei öffentlicher Aufmerksamkeit auf dem Spiel steht. Der Brief in Reinform ist zwar keine öffentliche Gattung - er beinhaltet gen au jenes dyadische Verhältnis von Autorin und Leser, das ihn privat macht -, doch ein in einer Zeitung oder Zeitschrift veröffentlichter Brief setzt bereits eine duale, öffentliche Adressierung voraus. Mit wenigen Ausnahmen verstehen die Autoren und Autorinnen der von Delbo zusammengetragenen Briefe ihre Texte als »offene Briefe«, also als zugleich an einen bestimmten Adressaten (»Monsieur le president«, »eher f.-f. 5.-5.« [»Lieber J.-J. S.-S.«; gemeint ist Jean-Jacques Servan-Schreiber, der Herausgeber der Wochenzeitung L'Express]) und an eine besorgte Öffentlichkeit gerichtet. Selbst die ursprünglich an ein intimeres Publikum adressierten Briefe etwa die beiden, die den Band beschließen - haben durch ihre neuerliche Zirkulation in Zeitschriften bereits öffentlichen Charakter angenommen. Indem sie diese Briefe zusammenträgt und zum zweiten Mal veröffentlicht, strebt De1bo reflexiv danach, eine neue Öffentlichkeit zu schaffen, die entlang der Achsen einer Vielzahl von Algeriendiskursen verortet ist. Dadurch, dass sie die Aufmerksamkeit auf den »punktuellen Rhythmus der Zirkulation« lenkt, rettet De1bo die Briefe vor der Isolation und dem Vergessen, die der Meinungsseite der Zeitung anhaften und die ansonsten das Schicksal dieser Briefe gewesen wären, um sie stattdessen in eine »Sphäre der Aktivität« zu überführen: »Öffentlichkeiten haben ein kontinuierliches Leben: Man veröffentlicht nicht ein für alle Mal. [... ] Es ist die Art und Weise, wie die Texte zirkulieren und Grundlage weiterer Darstellungen werden, die uns davon überzeugt, dass Öffentlichkeiten die Eigenschaften Aktivität und Dauer aufweisen« (Warner, Publics and Counterpublics, S. 68). Indem sie die ansonsten toten Buchstaben des journalistischen Archivs wieder zum Leben erweckt, trägt De1bo zur Herausbildung einer damals noch in Entstehung begriffenen Gattung bei, die eng ans Handeln gekoppelt ist: der des Zeugnisses. 19 Ich würde diese punktuelle Zeitlichkeit, die elementar ist für Erinnerungspolitik, von einer an Dauer orientierten Zeitlichkeit unterscheiden; Letztere ist bestimmend für eine Ethik der Erinnerung, die auf dem beruht, was Badiou Treue nennt und lan Baucom vielleicht als Akkumulation bezeichnen würde. Einer an Dauer orientierten Ethik der Erinnerung kommt in Kapitel 9 zentrale Bedeutung zu. Siehe Badiou, Ethik; lan Baucom, Specters of the Atlantic: Finance Capital, Slavery, and the Philosophy of History, Durham 2005.

7. DIE GEGENÖFFENTLICHE ZEUGIN

Achtet man auf die besondere Form, die öffentliche Zeugenschaft in Delbos Werk annimmt, kann das Anlass zur Überprüfung zeitgenössischer Theorien der Zeugenschaft geben. Innerhalb akademischer Diskurse ist die Gattung des Zeugnisses in den letzten Jahren ein beliebter Gegenstand von Debatte und Theoriebildung gewesen, insbesondere im Bereich der Holocaustforschung. Der von Shoshana Felman und Dori Laub herausgegebene Band Testimony: Crises oi Witl1essing in Literature, Psychoal1alysis, al1d History hat zu einer Anhebung des theoretischen Niveaus beigetragen, indem er den performativen Aspekt von Zeugenschaft betont. Für Felman und Laub beinhaltet Zeugenschaft nicht einfach einen legalistischen Zeugen, der vorab existierenden Wahrheiten über ein Ereignis zur Geltung verhelfen soll. Literaturtheoretisch und psychoanalytisch interpretiert, wird Zeugenschaft vielmehr ein herausragendes Beispiel dafür, »wie Kunst das, was wir über unser gelebtes historisches Verhältnis zu den Ereignissen unserer Zeit noch nicht wissen, einschreibt (künstlerisch bezeugt)« (S. xx). Zeugenschaft ermöglicht und erzeugt also ein neues Verständnis dessen, was unbewusst und unartilmlierbar geblieben ist, oder zumindest einen neuen Zugang dazu. Felman und Laub konzentrieren sich insbesondere auf die Verbindungen zwischen Zeugenschaft und Trauma. Ihre von Elie Wiesel übernommene These, »dass unsere Zeit als Zeitalter der Zeugenschaft definiert werden kann« (S. 5), stützt sich stark auf die Erfahrungen aus dem nationalsozialistischen Genozid, verschließt sich aber anderen Krisen nicht. Für Felman und Laub besteht der Kern der HolocaustErfahrung, und im weiteren Sinne des Traumas im Allgemeinen, im »Kollaps der Zeugenschaft

Algerienkriegs und in der Nacht des 17. Oktober verantwortlich gewesen, angeklagt wurde er jedoch wegen anderer Verbrechen: Als Präfekt der Vichy-Regierung war er auch fiir die Deportation von Juden und Jiidinnen ver-

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Marguerite Duras in der ghettos (Die beiden Ghettos) geborene und aufgewachsene Duras

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Erfahrungen voneinander unterscheiden jenseits der wichder Art von Viktimisierung, die die Juden und Jiidinnen unter Differenzen in tigen den Nationalsozialisten und die Algerier und Algerierinnen unter den Franzosen erlitten haben. Duras’ Fragen an die Algerier stehen stets in der Gegenwarts-, die an die Warschauer Überlebende in der Vergangenheitsform. So fragt sie die Algerier »Haben Sie eine einfache, unkomplizierte Vorstellung von Gliick?«, die Warschauer Überlebende hingegen: »Hatten Sie noch eine einfache, unkomplizierte Vorstellung von Gliick?« Diese zeitliche Asymmetrie, exemplarisch für die niemals strikt parallele Uberschneidung von Holocaustgedenken und aktueller Dekolonisierung Zeiten, die die beiden

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zwar eine Gleichwertigkeit der Algeriern und Juden zu behaupten, doch hebt diese Struktur auch Unterschiede hervor. Die Herausgeber schreiben, Duras’ Fragen seien »identisch«, doch das ist nicht ganz richtig. Natürlich variieren die Fragen geringfügig, Duras bezieht sich u. a. auf historische Besonderheiten beispielsweise, wenn sie die Algerier nach »Les Grandes-Carriéres, La Seine?« fragt und auf das Polizeikommissariat anspielt, in dem zahlreiche Algerier gefoltert wurden, sowie auf den Fluss, in den viele Leichen geworfen wurden. Subtiler ist der Wechsel der Zeitform zwischen den

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Beispielen, ergänzt

eine ausdrückliche

Vergleichs. An die Algerier gerichtet, formuFragen liert Duras: »Glauben Sie, dass Ihre Lage der irgendeines anderen gleicht?« M. fragt sie: »Haben Sie geglaubt, dass Ihre Lage der irgendeines anderen gleicht?« (Les deux ghettos, £) Hier wirkt der Wechsel der Zeitform ein wenig holprig, und es bleibt Auseinandersetzung

mit

des

S.9

9. November 1961, Titelseite; darauf Marguerite Duras’ 19

ghettos

Sammlung des Autors

https://pdfify.app/trial

Jean-Francois Revel, 1961,5.

26 £.

Rezension

von

Chronique

d’un été, in: France-Observateur, 26. Oktober

7

a Hl] |

A

;

»ERINNERTSIE DAS NICHT

GESCHICHTE DREIER GHETTOS

8. EINE

280

|

281

AN ETWAS?«

|

|

|

on

ihrer Zeit unklar, ob Duras die Überlebende nach der Ansicht fragt, die sie während

a

im Ghetto

il

geriert

|

1

»Doch

|

es

eine

heutige,

im Rückblick entstandene. Die Zeitform sug-

gibt,

mich

fragen würde, ob

beantwortet wird die

méglich. glaube, dass

es

nach wie

die diese Gestalt annehmen können. Die

in

auf die

Bezug

möglich ist: Ich glaube, »objektive: Bedingun-

gi

algerische

Geschichte ist grau-

Form angenommen. Ich

Algerier übertreibt,

|

dann sind diese Über-

|

für mit der

begeistern,

(ebenda,

S.

wareiner

| |

|

|

Umkehrung der

zugleich komplexe Antwort des Algeriers X.: »Also ich denke an die Hindus vor der nationalen Unabhangigkeit, noch vor Gandhi. Einige Genossen sagen, wir seien wie die Juden unter der deutschen Besatzung. Sie sagen: »Das erinnert an Eichmanns Schlag [le coup de

i)

|

al |

wie eine

Antwort ist wie ein Widerhall und

Eichmann]. Es fehlen

nur

|

Bereits

bindungen ,

AW

X. macht

zwar

indirekt, denn

e

Analogie

er

schreibt die

Algeriern

von

Analogiebehauptung

und

Juden geltend, doch

anderen

zu.

M. verneint

nur

Bs

He

Wai

nik eines Sommers und dem vieler der

|

aber hinzu,

Ve

m

gewidmet.”

aus

Bourdet selbst

ran

eine

Untersuchung

dem

des Massakers

vorausgegangenen Wochen hatten sich vieler

ae Sie nicht (»Das kénnen ignorer plus dem dem linken jüdischen Reporter verwundeten algerischen Mannes); »Les silen.

A

ne

pouvez

¢a

Bourdetauf

Algerienkrieg hatte

2, November

1961).

einige der hervorstechenden Verig

zwischen Antifaschismus und Antikolonialismus aufmerksam 6. Dezember 1951, in dem

vom

einige Jahre später

|

er

HL

gl

Gerichtsprozesse und die eindeutig belegte Folterpraxis der französischen Polizei in Algerien protestierte, hatte Bourdet gefragt: »Y a-t-il une Gestapo algérienne?« (»Gibt es eine algerische Gestapo?«) Etwas mehr als drei Jahre später, in einer Ausgabe mit der Uberschrift »LA VERITE sur les tortures en Algérie ...« a

i

in Charlotte Delbos

|

U

P:

*

Ihr Hinweis, dass sogar

(»DIE WAHRHEIT aber die Folter

|

1

|

politisch zynisch

gen

lal

sind, wie bei M., bezeugen sie

zeitliche Unterschiede und °

a

|

ee

(so

| le BT

La

Pall | La

|

ME

DIEM

statiert und

die

Herausgeber)

Verwerfungen.

oder einer

eine

historische Sensibilität für

Die zeitliche Struktur .

:

potenziellen Wiederkehr (so

einer

M. und

N

eine

!

ethische Intervention ;

°

mit

Konsequenzen für ng



eine

ere

lau

Politik hinaus.

pl

eit

unter g Keinesfalls lassen sich diese komplexen und ambivalenten Formulierungen

il

diedie

Zeitschr

...«), hatte

Berichterstattung iiber den keineswegs das einzige Organ,

zurückgekehrt.”

| | |

|

|

und

Beri 21

einem

stärker

in

die von

Bourdet deutet

daraufhin,

Mainstream orendarten

diesem Abschnitt

17. Oktober entstammen

kon-

Besatzung und die brutale

.

am

Algerien

In diesen frühen

von mir

als

FORMAL

angeführten Beispiele

France-Observateur, doch

war

zeitgenössische Ereignisse wiederholt zur jüngeren, nationalsozialistischen Vergangenheit in Beziehung gesetzt wurden. Eine ausführliche Vérité-Liberté. außerdem in Les erichterstattung ahnliche Analogien finden sich auch in Vérité-Liberté, Temps modernes und anderen linken Organen. Claude Bourdet, a-t-il une Gestapo algérienne?, in: France-Observateur, 6. Dezember 6f. S. 6-8; Votre Gestapo in: France-Observateur, 13. Januar 1955, dies

|

Bourdet in »Votre Gestapo ip

die Wiederkehr der Folter in

;

in

Die meisten der

fiir die

1

https://pdfify.app/trial

erscheint heint

e

N 1 La HL

Algerien 8

seiner früheren Rhetorik

Zeitschrift are. Nouvel observateur. Xu

»Wiederkehr«

Bedin-

zukünftige

|

X.) vergangener

Gräuel deutet auf politisches Versagen bei der Bekämpfung der »objektiven« die Wahrnehmung der Ungleichzeitigkeit läuft auf gungen« des Ghettos hin, doch

in

Algerien«)



7



war zu

in

Beispielen geht es vor allem um die Erinnerung an Repression der Résistance nichts in diesen Artikeln

auf

und Zweifel und können hisParallelen sind die Grundlage 8 fiir Differenzierungen 8 torische Unterschiede verdeutlichen. Selbst wenn diese Zweifel und Differenzierun-

yl

m

d’Algerie« (»Ihre Gestapo

eine interkultureller Erinnerung: Die Struktur des Artikels scheint zwar die doch hinauszulaufen, Gleichsetzung vergangener und gegenwartiger Ereignisse

Beispiel

a

ba

Tage.

zeigt

N

a

We

unserer

ig

pP!

il |

HE |

Maß

In

willkiirliche Festnahmen,

Bre gegen

nicht-öffentliche

wer6 oder 8 gerade ein prizedenzloses Ereignis die Vorlage 8 fiir weitere Verwiistungen Holocaust, des zudem die erodiert Singularität den kann, verdichtet die Ambivalenzen historischer Vergleiche am Les deux ghettos

aa

Bi

veröffentlichtem Buch

gemacht,

1960er-Jahren aktiviert werden sollten.

1950er- und frithen

spiten

Artikel

2

...«

.

|

Ne

einem

Zynismus

Auschwitz-Uberlebenden

vor

die in den

hinge-

jegliche Parallele zwischen dem Holocaust und irgendeiner anderen Geschichte, genen jeg gegeben fiir eine Wiederholung g des Holocaust ges dass die Bedingungen fügt g gung: in Chround Jean-Pierre gleicht dem von Marceline seien. Ihr politischer

i=

Berichte und hatte erst kürz-

Ratsherren und der Résistance hervorgegangenen ‘gegang

von linger ignorieren«, 26. Oktober 1961, mit Elie Kagan aufgenommenen Foto eines ces de M. Papon« (»Das Schweigen des Herrn Papon«,

(ebenda, S. 9).

das Krematorium und die Gaskammer«

eine historische

sympathisierende

die öffentlich

FLN«, 19. Oktober 1961); »Vous

| |

|.

|

wenigen linken,

von

Abgeordneten gewesen, hatten. Schlagzeilen der

|

10).

France-Observateur bereits seit Jahren eine Quelle

gefordert Gemeinplätze der antikolonialen Bewegung bedient (etwa Wahrheit kontra Schweigen und Vergessen), was die Zeitschrift auch mit dem entstehenden Holocaustgedenken verband: »La vérité sur les manifestations F.L.N« (»Die Wahrheit iiber die Demonstrationen des

|

|

und nichts kann mich noch überraschen«

algerischen

war

Revolution

lich viele Seiten den Demonstrationen des 17. Oktober

|

|

Diese

i

nistischen Neuen Linken,

|

a

HT

|

in der Seine ertrankt worden sind. Das ist fiir mich nichts

Menge Algerier

mich nichts

i |

die

glaube, wenn

|

1

|

Uberraschendes. Ich fasse das praktisch als normale Tatsache auf. Politisch kann

eine

A

sari

vor

diesenVerlust

| |

re

|

Frage

den Polizeien aller Lander 8 gemeinsam, denen der Verlust ihrer Kolotreibungen B gerade erfahren. Ich habe gestern erfahren, dass nien droht oder die

al

|

das Ghetto noch

Ich

französische Polizei

|

Hi

7

| |

damalige Ansicht geht, doch

envoll, doch sie hat nicht jene besondere

|

|

wenn man

ist immer noch

gen

i

|

|

es um

ihre

|

1 |

i

dass

um

|

i

i

zwar,

oder

der bloße Akt des

bezogen: »Nein«, antwortet die Uberlebende: auf die Gegenwart 8 g

|

al i

hegte,

Vorstellung von Universalismus subsumieren. Vielmehr hebt bereits Vergleichens Ungleichmäßigkeiten und Differenzen hervor, denn Vergleichen ist keine schlichte Behauptung von Gleichheit oder Ahnlichkeit. Nicht Universalisierung ist hier am Werk, sondern multidirektionale Logik. Um Duras’ Essay in seinem historischen Kontext zu begreifen, müssen wir auch den Erscheinungsort berücksichtigen. Herausgegeben von dem antikolonialen Autor und städtischen Abgeordneten Claude Bourdet, einem Sprecher der nicht-kommuabstrakte

eine

Y

in dem

+

on

d’Algérie,

S.

1951,

|

.

id I i.

||

a aT

|

| .

a

| Hy

Hf) |

|| he

{1

aus

Al

zu

fragen,

dem die Polizei

ob

es

denn nicht

künftige Weltgeschichte das S. 6

Algerien

in

Abgeordnete gebe,

Dritte Reich nicht mit dem mit

f.).

belegt).

|

|

u. a.

Les belles lettres

|

Rassismuserfahrungen reich in den letzten Phasen des Krieges immer wichtiger, speziell bei den Ereignissen, die zum 17. Oktober führten, sowie am 17. Oktober selbst. Dieser neue Schwerpunkt

Genozids

gesetzten

|

| Le a

a

zwar

|

die in Chronik

Sommers

eines

in der

vateur

|

vom

.

Verständnis dessen,

belegt

Krieg und

was im

bei der

Dekolonisierung

auch schon Chronik eines Sommers die

neue

zu.

algerisch-franzésischen Schriftsteller Henri Kréa in France-ObserOktober, Le racisme est collectif, la solidarité individuelle (Der Ras-

26,

kollektiv, die Solidarität individuell), verbindet jüngere Ereignisse mit der

ein-

Vergangenheit.”

lung der

Wie Duras’ Artikel scheint auch

Text, der auf Interviews mit Renault-Arbeitern beruht, die die Einstel-

Kreas kurzer

gegeniiber Algeriern und Algeriwenig vom Format des gerade angelaufenen

autochthonen franzésischen Arbeiterklasse :

.

sollten, zumindest ein

erinnen ermitteln

Films Chronik eines Sommers inspiriert worden

.

-

.

sein; Chronik wird in derselben

zu

|

Ausgabe nur einige Seiten spater besprochen. Den Artikel begleitet ein Foto,

Metropole iiberschneidet sich mit den Mobilisie-

rier im Palais des

rienz«

(»Erinnert

an

dem Tausende der

wurden. Die Bildunterschrift lautet: »Cela

Sie das nicht

cher Hinweis auf die

berüchtigte rafle

einem der Orte,

Sports zeigt,

festgehalten

Verhafteten

|

an

was

neuen

stand. Sicherlich

Jahrzehnte zuriickliegenden

zwei

Du

in Frank-

der Folter als Auslöser dessen erlebten,

Spiel

sismus ist

die nationalsozialistische Besatzung, sagte aber nicht unbeSpezifisches über die Opfer der Nationalsozialisten aus (obgleich

Erinnerungen

.

.

Ein Artikel des

wurden, bevor

antijüdischen

Razzien während der

Alge-

vous

rappelle

ein deutli-

Besatzung und speziell die Juden und

1942, bei der Tausende »fremde«

du Vel’ d’Hiv’

sie nach Auschwitz

man

ne

das

17. Oktober

am

etwas?) Bild und Bildunterschrift sind

an

vom Juli Jüdinnen von der französischen Polizei verhaftet und

Primo

Levi »die Erinnerung an das Verbrechen« genannt hat: eine schmerzhafte Erinnerung Raums an ein vergangenes Trauma). Die zunehmende Rassifizierung des öffentlichen

A

deportierte,

im Radrennstadion

festgehalten

Mittels des bildlichen Ausdrucks

nagenden und nicht artikulierten Erinnerung werden Holocaust und die Repression der Algerier und Algerierinnen in Beziehung gesetzt durch ein Bild, dass die multidirektionale Uberschneidung zweier zwischen etwas erneut auftauchendem und kollektivem Vergessen gefangener Ereignisse ausdrückt. einer

Wi

22, i

dieser Zeit, wie

|

il

NMi

|

a)

|

|

I

| a

\

|

|

||

Spezifik in

The Invention

of Decolonization

dieser

Schluss$s

vis dass eszwischen

i

wertvollen Arbeiten

|

Ht

|

der Bezugnahmen

»Rasse«

und

The

|

hat. Meine These lautet, dass die

nicht

die genaue,

in

in

The

France, Ithaca 2006.

https://pdfify.app/trial

.

Race

.

.

ene

nimmer

ree

"

:

noch

Milch

N

überall, auch

er

ist

den Film Exodus sehen.«*4oe Indem

er

Otto

.

ihn .

zu



bei

°

denen, die wei-

1960 erschienene 1

9

Premingers

Die

Wan-

of

|

23 |

|

|

|

| |

a

se:

nicht schwerfallen,

°

|

|

Ch

verschiedener Rassi

ihren

finden;

wird Ihnen

nen, wenn sie

Form

vollständig verständlich werden lässt.

erhält:

.

)

i

es

diesen

komparative

Mi auch Kréas Artikel das Verhältnis

.

Krie-

des

se

zu

ov

:

Darstellungen legt den

stetem Mobilisierung von Solidaritäten über rassifizierte Identitäten hinweg bleibt del begriffen und nimmt erst in dynamischen, multidirektionalen Bewegungen Gestalt an. Invention of Decolonization: Algerian War and the Remaking Shepard,

Siehe Todd

|

ie undder Schlussphase Algerienkrieg des Krie

vorgegeben

Rassismus

zu

erweitert

Einstellung

teri

|

geleistete historische Kontextualisierung

auf

|

vermehrt auf »Rasse« und Rassismus

beiden historischen

helfen

Text

algerischen Kollegen zu reflektieren, bemerkt einer der Interviewten: »Viele französische Arbeiter begreifen immer noch nicht, dass sich zwischen Frankreich und Algerien eine Tragödie abspielt. Die Anführer sind dafür verantwortlich; sie schweigen. Und wenn sie doch sprechen oder etwas schreiben, dann sagen sie in der Regel nichts. Und niemand hört zu. Was den Rassismus angeht, nach deren

|

|

uns

.

fizierungsgeschichten um neue Aspekte und warnt vor allzu wohlfeilem ParallelisieArbeiter ren. Aufgefordert, das Projekt einer Befragung autochthoner französischer

verste-

formulierte These kann

möglicherweise

Bezug genommen wurde. Die Gesamtschau der Zeit dem nahe, ges sowohl Kontinuititen als auch Brüche

A

HA

N

hen, weshalb gegen Ende des Krieges

aul |

WiWie Duras’ _

vom

(Paris 1961,

diskutierte,

|

DL |

|

et

französischen Staat gegen die Algerier eingesetzten Praktiken herzustellen S. 197). Dennoch scheint sich das Herstellen solcher Parallelen um den 17, Oktober herum zugespitzt 2u haben; auch scheint sich damals ein stärkeres Bewusstsein der der Judenverfolgung herausgebildet zu haben. Todd Shepards weiter unten

Zeit und den

von

i

el a | He | i

racisme

net

et al 1 |

le

1950er-Jahren

suchte«

Ha)

-

Partei Frankpour la paix (MRAP), eine der Kommunistischen die bereits in den mit zahlreichen nahestehende reichs jüdischen Mitgliedern, Organisation »eine direkte Parallele von französischen Staatspraktiken der Vichyfrühen vement contre

er:

HeMe

auf Analogien

zwischen der antijiMobilisierungen, die sich anti-algerischen Viktimisierung stiitzten, waren keineswegs eine Neuerung House und MacMaster belegen. Sie verweisen insbesondere auf das Mou-

Antirassistische Rhetorik und dischen und der

N

[

Bewegung

dingt irgendetwas viele dieser Opfer die Wiederkehr

A

|

an

zwar an

aber auch wesentlich von ihnen hinsichtlich rungen gegen Folter, unterscheidet sich des Zusammenhangs mit dem nationalsozialistischen Genozid. Die Folter weckte

|0

i

aus

Techniken, doch wurden »Rasse« und die

der antikolonialen

ibe

|

Beitrage

mit einem

dem

nisse diese Aufmerksamkeit

Antirassismus.??

France-Observateur erinnern

Bois’ Aufsatz über das Warschauer Ghetto und

|

|

die Oberfläche brachte: die Rhetorik des

Duras’ Artikel und andere

H

4

mehran

lenkte die Aufmerksamkeit auf die

Aufmerksamkeit für Fragen der »Rasse«, gerade die Diskussion, die zu Marcelines präzedenzloser Aussage führt. Ende 1961 nahm aufgrund der damaligen Verhält-

|

Rhetorik, die die Besonderheit des nationalsozialistischen

späten Phasen des Krieges (wie

| | Ai | i |

|

|

eine

auf

|

torik, die mit Gefühlen französischer Nationalschande und des Patriotismus arbeitet, nun neu

Worten: Ein

ren

sam

derselben

Diese durch und durch antifaschistische Rhe-

.

Krieges

Rassismus und führte

ihre

Hinzu kam

|

:

dann

an

hervorgegangenen System verwechselt und beiden

findet sich auch in den

14 N

der Resistance

um

Verachtung begegnets (Y a-t-il,

|

;

erledigte,

die »sich wünschen, dass die

|

1

der Résistance folterte, mit dem, Arbeit

schmutzige

|

|

|

Angehörige

Opfer von häufig zur Analogisierung von Algeriern und Juden. Mit andeneues Bewusstsein von der Spezifik des Holocaust entstand gemein-

Frankreich während des .

in

dass die Besonderheit der nationalsozialistischen Repression der Juden und Jiidinnen die Gestapo im Fokus gestanden hätte. Beispielsweise vergleicht er den Ort, an dem

||

|

283

»ERINNERT SIE DAS NICHT AN ETWAS?«

8. EINE GESCHICHTE DREIER GHETTOS

282

Henri Kréa, Le 26. Oktober

24

Kréa, Le

racisme

est

collectif, Ia solidarité individuelle,

f. 1961,S. collectif, S.

racisme est

14

15.

in:

France-Observateur,

|| |

a

f

|

Verfilmung

|

|

riern und

Mae

|

|

|

|

| 11

der

1

ie

eine solche Reaktion

Bürger

und

konstatieren, und bereitet dadurch den Boden fiir

der Zukunft. an

und will

sie so

sie

zwar

Auseinandersetzung Der implizite Hinweis

auf ein entstehendes Bewusstsein

auf die von

der

antijüdische Spezifik

durch den

Vergleich

U

der französischen Kollaboration. Anstatt diese

7

zu

|

Wer HE

|

nur

| | | ih je HL il

A a

|

weiteres

Beispiel

| |

ere

a H|

|

unbedingt

politischen Projekts. Weit Bedeutungstrager zu sein, tritt der

universellen moralischen und

Holocaust in seiner Besonderheit als Teil

|

schiedlicher Geschichten

extremer

eines

multidirektionalen Netzwerks unter-

Gewalt, Folter und rassistischer Politik hervor.

Arabische und jiidische Geschichte im Frankreich des weise

| |

Politik und nicht

für die

etwa

|

|

zusammenzubringen

Algerienkriegs méglicherVorstellungen

wird nicht durch zeitlose oder abstrakte

-

| |

zeigt

| |

auf

Unfähigkeit Frankreichs vorschlagen, den

produktiv zu interpretieren: als einen Schritt im Kontext längeren Aufarbeitungsprozesses. Die französische Komplizenschaft wird zwar

im

angepasst,

jekte völlig

politischen Unbewussten des Textes registriert, doch dies dient als Platzhalter

um neue

französisch

Formen der zu

machen

Integration

zu

erfinden und seine Kolonialsub-

(Invention of Decolonization, S. 50). Doch selbst

fiir eine

|

revidierte Universalismusformeln, die im Namen der

aber Ausdruck einer

|

bestimmte Differenzen anerkennen konnten

kiinftige explizite Aufarbeitung. Als Geschichtsschreibung unzureichend, Frühphase des öffentlichen Bewusstseins vom Holocaust und des der Verantwortung Vichy-Regimes, lässt diese selektive Erinnerung vermuten, dass Zeitgenossen die wichtigste Verbindung zwischen den Ereignissen in der beiden zugrunde liegenden rassistischen Ideologie sahen. Die Wahrnehmung, dass es eine rassistische Logik im dekolonisierenden Frankreich gibt, registriert nicht nur einen erst in

letzter Zeit

eingehender

unter-

mégliche ethische Auseinandersetzung mit der Frage Komplizenschaft aus. haufigen »Mahnungen« des Holocaust von France-Observateur und anderen

einer früheren französischen Die

||

I|

des Holocaust (wie

sucht haben, sie lést auch eine |

aber nicht

davon entfernt, ein frei schwebender, universeller

Geschichte aufzuarbeiten, möchte ich eher

Prozess, den Historiker und Historikerinnen

| ort |

Auslassung als ein

deuten, seine eigene

|

|a

i

Razzia in Paris

mit der

liegt der Augenmerk immer auf der nationalsozialistischen

|

samen,

sie

der französischen Öffentlichkeit mit

eke

I|

der Geschichte des Kolonialismus und der

tragen

geben. Gleichzeitig Dekolonisierung betrofzu

aufdieses entstehende Verständnis des Holocaust als Teil eines gemein-

| |

|

Regierungspolitik

gegen die

Dekolonisierung erkannt wird). Dass die Nationalsozialisten bei der Razzia französische Komplizen hatten, wird aber offenbar nicht erkannt. Diese Leerstelle ist gar nicht ungewöhnlich, in zahlreichen Erwähnungen und Andeutungen der Razzia des Vel’ d’Hiv’, die ich fiir das Jahr 1961 gefunden habe, sie

A

von

einige

der Besonderheit des Holocaust

fene Menschen

den Nachhall der Ver-

dieser lobenswerten politischen Absicht verbirgt Frage, beziehungsweise macht retrospektiv erkennbar: die

jüngeren Geschichte.

verweist

|

beziehen sich

von

heit

der

i

dazu bei, einen Eindruck

sich eine andere

nach der Leerstelle in der

a

|

Maßstab, der

andere Geschichten

eines

Gegenwart erkennen,

wesentliche ethische

|a i |y

einem universellen moralischen

Verweis auf das Vel’ d’Hiv’

in der

1

|

sie

zu

|

|

um

demnach nicht einfach

sich auf andere Geschichten anwenden lasst, sondern

die

Juden und Jiidinnen,

Frankreichs aufzuwecken, damit

Bürgerinnen

caust wird

| die Razzien gegen

mobilisieren. Hinter

1)

von

Vorstellung von dessen Spezifik, die sich Kampf um Algerien ergibt. Der Holo-

der Konfrontation mit dem andauernden

diasporischer Solidarität bedingt. Ebenso, wie sich Du Bois und den kommunistischen Herausgebern von Jewish Life Analogien anboten, um auf die spezifische Geschichte des Kalten Kriegs zu reagieren, belegen auch die mit den Ereignissen des auch wenn die17. Oktober zutage tretenden Analogien einen besonderen Kontext kann. In The Invention nie bestimmen (Die of Decolonization deren Form ser ganz akribisch dokumentierten der einer Darstellung der Entkolonisierung), Erfindung Frankreich wahrend der Schlussphase des juristischen und politischen Diskurse in Todd Shepard, dass der Kolonialismus nicht nur die Paradoxien Algerienkriegs, des franzésischen Ideologiekonsenses eines republikanischen Universalismus verschirfte; bereits die Vorstellung einer Dekolonisierung gab Anlass, die französische Identität entlang immer stärker rassifizierter Grundlagen neu zu bestimmen. Bemiiht, sich aus einer ausweglosen Situation zu befreien, nahm Frankreich Abstand von einem grundlegenden republikanischen ideologischen Dogma, wonach »rassische« und ethnische Differenzen bedeutungslos seien. In den ersten Jahren des Krieges hatte der franzésische Staat seine universalistische Ideologie radikaler Gleich-

gangenheit

| i

7

in

France-Observateur »erinnert«

|

|15 \

die Situation

zu

aus

verlaufende Geschichten, und assoziiert mit der

Algerier und Algerierinnen

Holocaust als vielmehr eine aufkommende

Hintergrund von Holocaust und Israel anspricht, entlarvt der algeri-

dem

Algevon Juden und Jiidinnen im 20. Jahrhundert Algerierinnen. Das ist ein anschauliches Beispiel dafiir, dass die Logik der Erinnerungsarbeit nicht die eines Nullsummenspiels ist. Bereits die Aufdeckung von Ungerechtigkeiten bei der Anerkennung unterschiedlicher Geschichten tragt zu einer Neuausrichtung des öffentlichen Diskurses bei: Die starke emotionale Reaktion auf Exodus wird zum Anlass, das Fehlen einer vergleichbaren Reaktion auf die Notlage zugleich

|

|

erfolgte Gründung es gebe parallel

vor

des Staates

| |

|

| |

Leon Uris Roman über die

sche Arbeiter den Irrtum,

A

||

von

Antisemitismus

|

| A

8

285

»ERINNERT SIE DAS NICHT AN ETWAS?«

|

|

|

Hl

Mm

7 |

1%

8

284

|

he

8. EINE GESCHICHTE DREIER GHETTOS

antikolonialen

Organen

wie der

gegen den Kolonialismus

Untergrundzeitschrift

belegen weniger

eine

Vérité-Liberté in ihrem

Universalisierung

der

Kampf

Bedeutung

ay

Hi AN

|

https://pdfify.app/trial

des

-

| | |

|

|

Gleichheit

einer

Franzosen

|

von

affirmative action oder positiven Diskriminierung, von den »promotion exceptionnelle« (»auSergewohnliche Férderung«) genannt entsprachen nicht den Forderungen der algerischen Unabhängigkeitsbewegung. Anstatt sich dem Paradox zu stellen, dass ein Staat zugleich kolonialistisch und universalistisch sein kann, stiitzte sich Frankreich, wie Shepard argumentiert, auf eine dem »gesunden Menschenverstand« entnommene Vorstellung rassifizierter Identität: »Die Franzosen erkannten, dass sich die Algerier als Gruppe so sehr von anderen französischen Bürgern unterschieden, dass sie in der Französischen Republik nicht auch Varianten

|

Herstellung

dazu zählen, besonders überraschend,

-,

untergebracht Doch bis

zu

der FLN immer gesagt hatte. [...] Algerienkriegs lehnten die franzésischen Fiihrer

werden konnten. Dies

den letzten

Jahren

des

war

es, was

a |

|

|

{1}

i|

VON

|

diese

|

THE

STONE

287

FACE

|

|

nialismus hinter sich lassenden Frankreich. Vielmehr

|

multidirektionale Antwort, die nach einem ethischen und

Akzeptanz

zu

(ebenda, S. 2 £). Diese der der Dekolonisierung« geprägte Perspekveränderte, laut Shepard von »Erfindung die unangenehme Tatsache zu beschönigen, dass ein Regime, das tive und Politik vorschriften oder Traditionen stützten, als schwach erwiesen«

|

|

Kl i| 4

tätsvorstellungen

NL

gie und die

Das

Frankreichs

Spannungsverhiltnis, reale »rassische«

Shepard zufolge

in dem

republikanische

die

Ideolo-

|

Gesicht, 1963). Hier verwandeln sich Duras’ zwei Ghettos

if | Hs,

sische Bedeutung des Oktobers 1961 Ereignisse, auf die Shepard nicht direkt zu sprechen kommt, die sich aber in jener entscheidenden Übergangszeit ereigneten, -

ok

Einstellungen der Franzosen allmählich Shepard beschriebenen ideologischen und politischen Verschierassifizierte Minderheiten kurz- und langfristig verheerend

in der sich die französische Politik und die

i id ia

veränderten. Die

vi

bungen

IM

aus,

von

wirkten sich

doch schuf die

auf

Verschiebungen

diesen

von

bewirkte

ideologische

|

Kréa die denen

ML

zeitgenössische

von

_

|

man

noch nicht

gebührend Rechnung getragen

Erinnerung

A

|

I IM

Die Artikel

|

Jektuellen halten die

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GH

|

tät herstellen. Anstatt aber die

|

behaupten |

1 We |

|

aa

-

der damals

was eine

ob sie

es

mit

den

|

die

|

Identität

Rassismus

Fragen

7

zu

tun

hat, oder

wenn

Krea

Belege

sich damit ebenso

wenig zum Spiegelbild des

für .

ungleiche .

affektive

traditionellen

25

|

den ersten Roman handelt, der die das

um

Ereignisse des

fiktionale Werk,

einzige

17. Okto-

das unmittelbar

nach

Stone

Face erzählt

afroamerikanischer Romanautor und Journalist, der seit 1951 in Paris von

Simeon Brown, einem

Staaten verlassen

hat,

um

Journalisten und Hobbymaler, der die

dem dort herrschenden endemischen Rassis-

aber auch den

sogleich von

der Last des amerikanischen Rassismus befreit. Er fin-

mit

den

Begegnungen nicht nur mit

Europäerinnen.

jungen

Bald

Intellektueller,

beginnt

son-

Simeon eine

Frau, die zunächst als polnische Exilantin

William Gardner Smith, The Stone Face, New York 1963. Siehe zu Smith’ Roman: Gilroy, Race; Ross, May 768 and Its Tyler Stovall, Preface to The Stone Face, in:

Afterlives; 8 Against Studies (2004) 3, S. 305-327; Stovall, The Fire This Contemporary French and Francophone 98 (2000), Yale and the War,

one BackAmericanExpatriThe tes .

Reaktionen

im

182-200.

Smith schrieb

vor

Deutschland der frühen

Algerian

Stone Face

Nachkriegszeit,

einen

New York 1948. Siehe

Gilroys Bemerkungen

der sich

zu

French Studies

in:

Roman über afroamerikanische Soldaten

auf

»Rasse«, Nation und Gender befasst: William Gardner

sie

|

https://pdfify.app/trial

um

Romanze mit Maria, einer schönen

|

EN

von man-

Soziologen Paul Gilroy, der Literaturkritikerin Kristin Ross Tyler Stovall die ihm gebührende Aufmerksamkeit erfahren.”

dern auch mit weißen Amerikanern und

iil

LE

Komplizenschaft,

Werk

Solidarität und die Verstri-

einer Vielzahl afroamerikanischer Künstlerinnen, Musiker und

republikanischen Univer-

anata

sich

fühlt sich Simeon

:

Geschichte anfiihrt, dann machen

außergewöhnliches

ist, letztlich wendet sich The Stone Face

det sich rasch mit dem Leben im Ausland zurecht,

je

.

es

das Verhältnis

zu

oder polnisch-jüdischen Gesprächspartnern und ;

Wenngleich

um

-

ich multidirele

von

Vordergrund, ein

Neben-

gewaltsamen Reaktionen, die dieser Rassismus in ihm auslöst, zu entkommen. Simeon hat als Jugendlicher bei einem rassistischen Angriffs ein Auge verloren; die Augenklappe, die er seitdem trägt, belegt die anhaltende rassistische und die stets von Individuen ausgeht, die Gewalt, die er als Erwachsener erleidet ein gefühlloses, unmenschliches, »steinernes« Gesicht haben. In Paris angekommen,

—,

die jüdische und die algerisch-muslimische

|

Formen

ein

Vereinigten

eben jenen antirassistischen Universalismusreproduzieren würde, die Aufmerksamkeit auf Krise durchlief lenkendieseArbeiten ändert, nachdem, Duras die Zeitform ihrer

auf

He

analoger

es

lebt, die Geschichte

antikolonialen Intel-

was

komplexeres

implizit thematisiert in

die nationalen Gedächtnisse Frankreichs undAlgeriens. In The

Verschiebungen der französischen fiir das,

stören.

in ein nur

-

Ereignissen publiziert wurde, bleibt The Stone Face in den meisten Debatten über Erinnerung an das Massaker unerwähnt; diese Diskussionen konzentrieren sich

Smith,

|

Musterbeispiel

Genderfrage

auf

|

algerisch-muslimischen

-partnerinnen

Pit

simple

Erfahrungsasymmetrien. Wenn .

it |

fest und sind ein

zu

ber 1961 thematisiert, und auch

|

schiedlichen, auch unterschiedlich unterdrückten Gruppen anamnestisch Solidari-

N

|

Shepard

die

in Smith’ Roman in den

chen wesentlichen Erkenntnisse über

Doch obwohl

hatte.

publizistisch aktiven

dokumentierten

tritt

Großzügigkeit

und dem Historiker

tionale Erinnerung genannt habe: Sie antworten auf die spatkoloniale Herstellung rassifizierter Identitäten durch den französischen Staat, indem sie zwischen unter-

|

| | i |

von

Ideologie

Politik und

i ae | HA

I | |i i |

Duras und anderen 1961

von

politischen Raum jenseits

Forscherinnen wie dem

|

Inkohärenz

drei Ghettos: The Stone Face

zu

facettenreiche,

kollektiver Erinnerungen ab und riskiert, diese Einsichten zu »vergessen«. Viele Jahre ignoriert, hat The Stone Face jüngst von bedeutenden Forschern und

iL Von zwei

Zugleich



und Politik

multidirektionaler

mus,

|14i

eine

ckung

Ereignissen verbinden konnten,

Krise mit vergangenen

in

Duras’ kurzem Artikel

auch einen Raum, in dem Intellektuelle und Aktivistinnen wie Duras, Bourdet und

A

wir

einander dreier Ghettos.

Diskriminierung standen (»rassische« Diskriminierung

meint hier, die Bedeutung »rassischer«/ethnischer Differenz ebenso wie offenen Rassismus anzuerkennen), hat direkte Folgen für unser Nachdenken über die zeitgenös-

sie

William Gardner Smith’ Roman The Stone Face (Das steinerne

darität, finden

|

aus.

geben

|

sich Gleichheit und Universalität verschrieben hatte, fremde Länder annektieren und Politik und Identibeherrschen konnte. Dieser Wandel wirkte sich nachhaltig

aufdie

zu

des vorherrschenden Gegensatzes zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen sucht. Eine ähnliche Differenzierungsarbeit, ebenfalls vor dem Hintergrund der Soli-

|

half

CE

Vertreterinnen der neuen, rassifizierten Besonderheit des den Kolo-

funktionieren, der die traumatische Einsicht verdeckte, dass Ideologie als solche im Kern paradox war: »Rasse und Ethnizi-

6).

der Differenz

auf

14

salismus wie

|

S.

(ebenda,

ab«

Die

republikanische tät erschienen als aussagekräftige Marker, um zu erklären, wer als französisch gelten Gesetzeskonnte, und das zu einem Zeitpunkt, an dem sich Definitionen, die sich die

Hi | |a

a

DREI GHETTOS:

begann

Behauptung energisch

‚wie eine Art Fetisch

|

4 |

|

ZU

|

|

|

Am

-

ZWEI

GESCHICHTE DREIER GHETTOS |

|

|

8. EINE

|

We

|

286

1

Fragen von Conquerors,

faszinierende Weise mit

Smith, The

diesem Roman

in

Last of the

Against Race.

Mal |

|

©

|

|

|

beschrieben wird. Durch

|

:

|

|

Er wird

Unbehagen

|

ser

i

und Teilnehmer der Demonstration er

im

Zuge

17. Oktober. Simeon wird

vom

der Demonstration einen Polizisten

angreift,

der Haft entlassen, nachdem die Polizei ermittelt hat, dass

um

sich

an

Wohnblock

gebe

es

er

gesamten Vereinigten einen

neuen

von

insbesondere der

algerischen

UM

sprüche

ihrer

Arbeiterschaft in der

Metropole.

Der

vor

dem

und machte die Wider-

Ausgewanderten ungewöhnlichen Situation als »privilegierte« people of color eine Krise

aus

in Paris

Hee iH | ar

aufgrund

der

Kolonialreich

a

Spannungen, folgten. Wright und andere sahen sich

|

Lage, sich

zum

und ging seinen deutschen

Hil

a

Erkenntnis der

ai

daran erinnerte, dass sich solche Konflikte auch

Hintergrund des nationalsozialistischen Genozids und der zuriickliegenden nationalsozialistischen Besatzung abspielten.

vor

ee: |

er

dem

noch nicht lange

26 27

HE i

Stovall, Fire, S. 186, Siehe Stovall, Fire, für eine Zit.

n.

algerischenUnabhängigkeitskriegs ;

Darstellung der Wirkung des

aufafroamerikanischeAuswandereruofndAuswanderinnen. Weiteres dazu bei: Stovall, Paris New York 1996; Michel Fabre, From Harlem

the

Noir: African Americans in Paris: Black American Writers

le | | 4

City

in

Light,

to

https://pdfify.app/trial

Zeuge

anti-algerischer Brutalität, wobei Schlagstock über einer Frau,

schwang

|

zugunsten der Frau und ihrem Kind einge-

|

schritten ist,

|

einem

er

seinen

findet sich Simeonmit Tausenden anderen verhafteten Demonstranten in

Ein Algerier spricht ihn Lautsprecher angesagt wird, dass »die Algerier in dem Stadion bleiben würden, bis man in französischen Gefängnissen, Krankenhäusern oder Lagern für sie Platz gefunden hitte; des Weiteren, dass man die Agitatoren unter ihnen in ihre Ursprungs-douars zuriickschicken werde: in die algerischen Konzentrationslager, in denen sie geboren wurden«(S. 205).?® Auf dem Boden des Stadions sich der Roman zubewegt hat: liegend, gelangt Simeon zu der Einsicht,

als

| |

|

|

»riesigen Sportstadion« wieder (dem Palais des Sports).

»frére« (Bruder)

an,

während über

auf die

|

Auge hatte

und bevor

einschlum-

»Der Schmerz in

seinem

|

merte, dachte

noch: Das Gesicht des französischen Bullen, die Gesichter

|

Chris, Mike, dem Seemann, das Gesicht des Nazi-Folterers

er

etwas

nachgelassen,

Dachau, das Gesicht des hysterischen Mobs leranten

Kapholländers

und des

die schwarzen Gesichter

|

Wo auch

immer

in

von

| |

war sein

Durch die

|

| |

28

Mir

er

von

in Buchenwald und

Little Rock, das Gesicht des into-

portugiesischen

Schlächters in

Lumumbas Mördern

sich dieses Gesicht wiederfand,

immer dieses Gesicht fiirchtete oder unter ihm

|

|

in

die ein Kind hielt« (S. 203), Nachdem

France, 1840-1980, Urbana 1991.

A A| A

spielten

Die histori-

des Rassismus vorweg. Am Abend des

zahlreicher Szenen

|

|

i I1 a Hl | ee

überlebt hatten,

vingt-et-un« (S. 202).

eine besonders hervorsticht: »Ein Polizist

-

es war

es war

zu

sein

das

Angola, und ja, gleiche Gesicht,

Feind; und

leiden hatte oder

es

wer

auch

bekimpfte,

Bruder.« (S. 205 f)

Verkniipfung von Gewaltepisoden aus multiplen persönlichen und histori-

schen Kontexten erinnert diese

SE

Konzentrationslager

offenkundigen Nahtlosigkeit

17. Oktober wird Simeon

äußern, weil sie ihre französischen

algerische Revolution sprach.”” Noch erstaunlicher, dass Smith weisprach die »Rassen«-Frage an, die Afroamerikaner und Algerier ebenso

verband wie auch trennte, indem

gar die

Besatzung oder

schen Assoziationen in Simeons fokussiertem Bewusstsein nehmen seine wachsende

mend iiber die ter ging: Er

17. Okto-

den

den alten Cafés Karten, Domino oder quatre-cents

|

ihrer antikolonialen Uber-

Krieg zu Gastgeber nicht beleidigen wollten; einige, darunter James Baldwin, verließen Paris noch während des Krieges. Smith war einer der wenigen, der explizit und zustim-

zeugungen nicht

Hit LI A

in der

trotz

vom

jenem Abend, wobei die Einzel-

an

Tag legen: »Derweil schlief der Großteil der Stadt sorglosen Weg. [...] Ältere Leute, von denen viele den Albtraum der an

|

Community Stovall zufolge zumindest teilweise die auf den Kollaps von Frankreichs nordafrikanischem

erkennbar; letztlich zerbrach die

der Demonstrationen

Repression

zeitgenössischer Berichte entsprechen. Smith erzählt die Hintergrund einer allgemeinen Gleichgültigkeit, wie sie sowohl

Offentlichkeit

die Pariser

gesellschaftli-

franzésisch-alge-

Héhepunkt

Simeons amerikanische Auswandererfreunde, die schwarzen wie die weißen, als auch

Algerier

Staaten

sich auf den

und beschreibt detailliert die

Ereignisse

Staaten zurückzu-

in

»mehr Freiheit als in den

IE

|

zu

heiten denen vieler anderer

dann aber

kein

die Vereinigten dem afroamerikanischen Kampf für Bürgerrechte

rische Konflikt löste bei den

|

|

alge-

chen Kontext gewonnene Freiheit ihren Preis: Die Privilegien der Ausgewanderten standen im Widerspruch zur Lage der französischen Kolonialbevölkerungen und

a et Ha

|

ber

Simeons, der sich der Leere

‘Amerika«.26 Doch hatte, argumentiert Stovall, die durch

|

Mittelpunkt

zu beteiligen. aussagekräftige Darstellung des Lebens afroamerikanischer Auswanderer in Paris vorgelegt. Die afroamerikanische Commudessen Einstellung gegenüber nity von Paris hatte Richard Wright zum Mittelpunkt, Ausdruck kommt, in einem PariFrankreich in seiner kolportierten Behauptung zum

|

pe

revidieren. Im

bewegt

‘The Stone Face

und die

Eindruck

Smith hat mit The Stone Face eine

a)

|

zu

die

Zeuge

aus

kehren,

fo | Lo

beginnt

ersten

er seinen

in Paris und des schlimmen Schicksals seiner

ist. Am Ende des Romans beschließt Simeon,

lap

Kolonialgeschichte

Beziehung zu Maria, die ihren Traum verfolgt, ein Hollywood-Star zu Seite seiner algerischen Freunde und Freundinnen: schlägt sich auf

Zerfall seiner

rasch

|

die

|

werden, und

Lumumbas Tod

Komplizenschaften, oder:

Simeon Kon-

rischen Freunde und Freundinnen bewusst wird. Schließlich durchlebt Simeon den

verhaftet, weil

2

7

um

rassismusfreien Paradies

privilegierten Lage

seiner neuen,

inp

|

einem

ihn herum. So

des zweiten Romanteils steht das wachsende

|

Wi a

|

Frankreich als

von

|

i

zufälliger Begegnungen knüpft

289

KOMPLIZENSCHAFTEN, LUMUMBAS TOD

Dank seiner Freundschaften mit

gewaltsame Dekolonisierung

|| | 11]

a

Reihe

ODER:

GESCHICHTE DREIER GHETTOS

algerischen Community. zu Angehörigen Algeriern und Algerierinnen erfahrt er mehr iiber

|

|

|

eine

der

takt

ae

|

8. EINE

288

it

a

7

|

Passage

durchaus

an

das

von

Paul

Gilroy konstatierte

Orten, Bericht bekannt, davon erzählt, dass denenAlgerier Smith” verkündet wurden, wurde zutreffend. Mehrere Lager friedlicheDemonstranten inihren HundertGegner Darstellung Gegnerinnen Regierungspolitik d'origine verschickt Lager, ist kein anderer

der

an

den

an

doch ansonsten ist

inhaftiert waren, offen die französischen Pläne

in

douars sächlich als



Konzentrationslager

die

bezeichneten.

und

der

tat-

al!

||

|

|

8. EINE GESCHICHTE DREIER GHETTOS

290

iBl

ODER:

KOMPLIZENSCHAFTEN, LUMUMBAS TOD

|

291

|

»verallgemeinernde Argument«,?

|

| Ad|

veröffentlichten Rezension

|

|

|

|

|

eine 8 gewisse Distanz: Komplizenschaft P

1 |||

andere) und hin

Gesichtern, die als Typen gekennzeichnet werden (der Nazi-Folterer, der intolerante Kapholländer und so weiter). Eine weitere Verschiebung verund Abstraktion: die

Verallgemeinerung

a

ie

geschieht, wenn

Gesichter

von

in

=

zen«

kongolesischen

Mörder des

Evozierung der

Hier stellensich jedoch Fragen. Was

schwarze Gesichter jenem abstrakten »Gesicht«

dem Simeon seinen Feind erkennt?

|

eine

a A(| a

Signalisiert

zugerechnet werden,

Einbeziehung

die

bekommt

|

an

eben jjenem Punkt eine innere Gabelung, 8

feindlichen »Gesicht« eine

ML

kein rassistisches ist,

ist

was

nisierte Schwarze in ihm

|

endgültige Bedeutung zu

an

|

|

|

| |

der »schwar-

wusste

|

|

worden ist, oder ob das Gesicht des Rassismus nunmehr

i|

»gleichbleibenden

sischen« Kennzeichen entbehrt

pP!

Hy

|a aa

Vorstellungen

von

jeglicher

besonderen

»ras-

Briiderlichkeit werden dadurch

wa i4

sierter

|

hat, und wie

er nun

mit dem

|

aus

(Ha

Alternativ

zu

gespalten.

Interpretationen,

die auf Transzendenz oder Abstraktion abheben,

vorschlagen:

möchte ich eine dritte Lesart dieses Passus

i

die

|

Einbeziehung

|

I

m Ma

Lumumbas

Entdeckung

der

Ereignisse

Kongo nimmt (»ja,

Mördern«), zeigt, dass die Realität >

Wende, die

von

es,

|

|

der Kom-

31

CM|

29

|

30

Gilroy, Against Race, S. 324. The Unvarying Visage of Hatred,

in:

New

York Times

vom

S.

32

| | | |

|

|

A

|

LA

https://pdfify.app/trial

weißer Mann

und als

er

zu

sein% Simeon

sich umdrehte, sah

er

vier

von

Subjekte«, das die zurückgewiesen hat, sugdie Worte ihm galten« auch,

einem jener »schlechten

Erkenntnis, »dass

von

Da Lumumbas Mord auf

seine

folgte, könnte

Putsch

Absetzung

sein

Tod

auch

von zu

der

Regierung

durch einen

vom

CIA unter-

einer Reflexion über amerikanische Mitschuld

eine

»rassische« Mitschuld. geben, doch Smith legt den Schwerpunkt stattdessen auf der Dekolonisierung, auf den in Chronik im Kongo sind auch Teil des Kontexts des Films wurde vor dem Putsch gedreht. eines Sommers wird; ein des Begriffs »Kolonie« zur Bezeichnung der Expatriate-Gemeinschaft keine Idiosynkrasie, nimmt aber im Kontext des Krieges zwischen Frankreich und Algerien Kolonie, außerhalb mehr Bedeutung an. Ein Beispiel für die Verwendung des des Kontexts des Krieges, findet sich in: James Baldwin, A Question of Identity: Collected Essays, New York 1998, S. 91-100. Die Unruhen

|

nach-

17. November 1963, BR27.

an, ein

des französischen Staates

Anlass

|

Hi

sich

galten,

Komplizenschaft mit einer Differenzen überschreitenden sein kann, womöglich sogar die Möglichkeitsbedingung einer

Anerkennung

stützten

über die verschiedenen Gestalten des Gesichts

Hy

(wie hier)

solchen Solidarität ist.

von

Begriff

Ansprache

Solidarität verbunden

ti

wichtigste

es

dass die Worte ihm

Simeons scheinbar intuitive

dass die

durch

haft didie Komplizenschaft

beides sicher

sind Lumumbas Mörder sowohl

Staatsapparat ausgeht, sondern

geriert

er

die schwarzen Gesichter .

we

Simeons während seines Paris-Aufenthalts ist. Der

plizenschaft ermöglicht

ik

im

N

Die

irgendwie,

universalisierende

erneut

chend, da letztlich selbst

nicht iden-

Verbindung,

NutznieGer sein. Da die Anrufung 8 in diesem Fall nicht dessen komplizenhafte P

vom

Beispiel der Ermordung

herausstreicht, sind Kategorien der Zugehörigkeit, die auf rassistischer Viktimisierung oder deren Überwindung beruhen, gleichermaßen unzureiLumumbas

XSe || ||

betont

Algerier durchweg

wenngleich

ist

ethische



|

roblematisiert. Die Freund/Feind-(oder Bruder/Feind-)Unterscheidung, 8 die Simeon

trastierung

eine

Privileg, »Ehrenmitglieder« des weißen Paris ein Projekt, das gegen zu sein, in Frankreichs spatkoloniales Projekt verwickelt Dritte gerichtet ist. Komplizenschaft beinhaltet, anders als Schuld, zumindest eine minimale Distanz zum Zentrum der Ereignisse; dem Roman zufolge sind Afroamerikaner in Paris keine Tater im spitkolonialen Krieg, sie konnen aber durch-

erfasst, hält der Kraft dieser Erkenntnis nicht stand: Wie der Roman durch seine Konselbstzufriedener afroamerikanischer Auswanderer und vor Ort viktimi-

|} a

i

-

es

Gesichts des Hasses« transzendiert

Rassismus in

des

bedeutet

sein, doch sie

rikaner durch das ihnen unvertraute

erkennen? Ob dieser Abschnitt darauf hinweist, dass

was

Komplizenschaft

zu

verweist auf

Algerier an einem Tisch im Caf& Odeon sitzen« (S. 55 £.). Wie diese klassische Szene 8 Althusser’scher Anrufung avant la lettre veranschaulichen soll, werden Afroame-

versucht, dem |

dann? Wenn aber doch,

Personen)

Schuld unterscheidet,

starkem Akzent ruft: »He! Wie fühlt

dann, kolo-

es

juristischer

aber auch auf

-

zuzuschreiben. Wenn das Gesicht

qo

Richtung

man

sein.

subsumieren. Von

schuldig Passage Komplizen: Sie sind zweifellos des Mordes schuldig, doch ihre Position in der Aufzählung feindlicher Gesichter hebt insbesondere ihre Komplizenschaft mit den rassistischen und kolonialen Regimes hervor, mit denen sich Simeon beschäftigt hat.3! Damit erinnern sie an die Komplizenschaft, die Simeon bei den Angehérigen der »Kolonie« (so eine im Roman in diesem Zusammenhang haufig gebrauchte Bezeichnung) afroamerikanischer Auswanderer und Auswanderinnen bemerkt hat oder die zu bemerken er von seinen algerischen Freunden und Freundinnen angehalten worden ist.2? Zu einem friihen Zeitpunkt in der Romanhandlung spaziert Simeon am linken Seine-Ufer und hért, wie jemand »in einem Englisch mit

antikolonialen Anführers und Premierministers

dem

schuldig

von

zu

zu

gewisse Verbindung,

bedeutet, verantwortlich (verbunden mit

oder

Ereignissen, Vorgängen

eine

als auch

|

»Rasse« und Kolonialismus, oder werden diese Mérder in

Transzendierung von

zu

zusammenfallen kann. In dieser

Bewegung

|

Het

die sich

deuten ließe)? So oder die Reihe rassistischer Täter aufgenommen (wie sich das »ja« ) 8 Passus auszeichnet, die diesen in Richtung Universalismus, so, die starke

fe

8

tisch mit

kolonialer Gewalt, doch

zu

Lumumbas Mérdern«.

i,

|

das Simeon

Verschiebung statt, fort von Gesichtern, denen Bedeutung zukommt (der Polizist, Chris, Mike und

charakterisierende

»schwarzen

i

»Gesichts« auf,

rassistischer oder

stärkt diesen Prozess der

| 1

genau ist das

findet in der Mitte des Abschnitts eine

|

| 7

Beispiele des

Urheber

ersten erinnern an

im Roman

|

was

bestimmten

heimsucht. Die

1

auf

|

Doch

rassistischer Täter

Subjektpositionen sprechen verweist

in diesem Passus und dem Roman meinernde (oder universalisierende) Argument 8

gleichbleibende

Hasses).°°

transzendieren oder alle diese Gestal-

zu

ten unter identischen

Unvarying Visage of

Komplizenschaft

Gesicht des

Der zitierte Abschnitt zählt verschiedene

/ 1

zudenken, ohne »Rasse« und Rassismus

in der New York Times

einer

The Stone Face ausdrückt: The

von

insgesamt? |

der Titel

es

verallge-

Hatred (Das

|

wie

so

angespielt

Smith’ Verwendung

anderes

Großteil

ist

Begriffs

7

fia!)

|

RR

i

|

|

|

|

|

N

/ i

292 So verstanden,

|

||

|

vt

|

Verantwortung oppositioneller Intellektueller

|

kanischer Intellektueller und ihres Verhiltnisses

1|

als solchem

sich

{7

|

Aly

eine

liegt«.?

Doch handelt

aussuchen kénne,

es

es

geht

triumphierende

ist. Laut Sanders’

um

um

Optionen,

von

denen

Als

man

abstrakten Universalismus, da dieser

al

i |

2

mit

lich

a

partikularisierende

stimme Sanders

Hh

I|

Der Roman zeichnet sich

al

||| |

HS

als

zwar

fungiertdiese

klafft; zumindest in Smith’ Roman

produktiver

Raum multidirektionaler

durch einen starken Drang

aus

zu

Erinnerung.

einem abstrakten Uni-



in denen sich verschiedene Besonderheiten und

ih i

multidirektional

modifizieren. In den hier |

4

KM

lla

iA

Fragen

ME

He

in die Komplizenschaft Widersprüche, Jüdischseins zusammenhängen.

der Roman bekennt, und der Einsicht

|

i

a

I 4| |

Allgemeinheiten

besprochenen Episoden führt die Anerkennung der Komplizenschaft beispielsweise zu einer Bedeutungsverschiebung sowohl der Besonderheit von »Schwarzsein« als auch der allgemeineren Kategorien »Rasse« und Gerechtigkeit. Zugleich erzeugt die Spannung zwischen dem Universalismus, zu dem sich

|

Wile

|

|

Anspriiche gegeneinanderstellt. Ich Eindrücken besonderer und allgemeiner

-,

oo

i

unweiger-

gekennzeichnet durch die Erkenntnis, dass alle Tater »das gleiseine Hervorhebung der Komplizenschaft widersteht jedoch che Gesicht« haben dieser Abstraktion und fiihrt stattdessen zu nicht-universalistischen Analogien, versalismus

|

dass zwischen den

Komplizenschaft häufig Lücke oder Aporie allerdings

IM



und universalisierende

zwar zu,

des Geschlechts und des

Simeon versucht zwar, mit der

nimmt,

zu

brechen, doch kann

er

Komplizenschaft,

dies

nur

die

er um

die mit

sich herum wahr-

durch konkrete Akte der Solidarität errei-

Gerechtigkeit einrichtet. In der Episode, in vom Tod erfihrt, es beispielsweise: »Jeder und hatte Mann in Paris sich schwarze persönlich betroffen empört gefühlt vom Sturz Und sie hatten sich des kongolesischen Premierministers. von seiner anschließenden

chen, nicht indem

er

sich in

einem

der Simeon

abstrakten Reich der

Lumumbas

heißt

pt)

|| | |

verallgemeinerter

Zeitung, die Lumumbas

Beratern

waren

alle Personen auf den Fotos schwarz.

plötzlich

überrascht hoch. Er

starrte das

an.

(S.

171

f.)

Kompli-

|

jedoch zwischen der Verbindung,

Komplizenschaft und Solidarität sind Allgemeinen gefangen: Es sind Formen

dem Besonderen und dem die auf

Unterscheidung

beruhen. Ohne eine zumindest minimale

|

Differenz (zwischen Afrikanern und der Diaspora, Afrikanern und Kolonialisten oder Afrikanern und Neokolonialisten) könnte weder »Solidarität« noch »Kompli-

|

zenschaft« das Gefithl bezeichnen, das Lumumbas Tod hervorruft.

| | |

| |

Diese minimale Distanz wird

Anlass für Akte multidirektionaler Erinne-

zum

rung. Tatsächlich deutet der Roman an, dass multidirektionale Erinnerung ein

ErgebAnerkennung allgemeiner Komplizenschaft sowie der Notwendigkeit sein könnte, spezifischer Komplizenschaft zu widerstehen. Unmittelbar nach Lumumbas Tod Anfang 1961 beginnt Simeon, rings um ihn herum Mitschuld zu erkennen: nis der

| |

»EinZerfallsetzteein.[...] DasGiftdrangweiterindieMenschenein.EineseinerAus-

|

drucksformen

war ein

Ausbruch

|

vielfachten sich,

|

nahme einer

|

die Folter Bescheid. Jeder

von

Chauvinismus: ultrarechte

mit antisemitischen Tendenzen und einer

giiltigkeit

der

Am bedriickendsten

[...]

Bevölkerung angesichts

|

denen Hunderttausende

|

Das

war es

wichtig,

war

auch die

Algerier

hatten,

mit

um

fiir Simeon die scheinbare Gleich-

wusste über die

den

dreckigen

Algerien mit AusKonzentrationslager und -

Slums, den bidonvilles,

Frankreich leben mussten. Aber

in

handeln oder gar

der Ausdruck,

unternommen

| |

zu

wusste von

war

der Geschehnisse in

Minderheit. Jeder

mutigen

zu

protestieren.

Haltung der meisten

Verfolgung der Juden Franzosen.«

(S.

173

nur

in

wenigen

»Wir sind die kleinen Leute«

dem die Deutschen erklärt hatten,

der

Organisationen

weif-suprematistischen Ideologie ver-

ein

Ende

warum

zu

setzen.

sie nichts

Das

war

£.)

| Dieser Passus zeichnet nicht

nur

Paris im Vorfeld des Massakers neue

soziologisch lehrreiches Bild von (registriert werden u. a. der Aufder Metropole). Er analogisiert auch For-

ein historisch und

vom

Oktober 1961

Polizeimethoden in

der Komplizenschaft, wobei der nationalsozialistische Genozid erneut, wie schon

men

ne}

IHae

der

zenschaft mit dem Wunsch nach Solidarität.

stieg der OAS und

1

HM

aus

Bei den Hinweisen auf Lumumbas Tod konkurriert die Erkenntnis der

einem

zumindest für den Intellektuellen, der sich

wie das bei Simeon zweifellos der Fall ist

eine Lücke

-

I

Gerechtigkeit beschäftigt,

-

warnt vor

belgischen

das Foto betrachtete, fuhr Simeon

Diese Gesichter! Diese schwarzen Gesichter!«

die

Jeder konkrete »Fall erzeugt seine eigenen Öffnungen sierung« (Complicities, S. 6). Die Erkenntnis der Komplizenschaft

er

Bild verwundert

|

a

Doch dieses Gefühl

Feinde zeigen:

»Außer ein paar

und Grenzen der Universali-

a

gefühlt« (S. 171).

tritt

zur

sich dabei nicht

laut Sanders

ebenso betroffen

293

Solidaritat verblasst sofort angesichts der Fotografien

iiber die

eigentliche »Aporie der Verstets in einem Spannungsda die eines besonderen Spezifik Anliegens antwortung«, verhältnis zu den allgemeinen Prinzipien der Gerechtigkeit steht: »Wann immer die Gerechtigkeit, wie es stets der Fall ist, im Namen eines spezifischen Anliegens beschworen wird, wird das Risiko bestehen, eine Ungerechtigkeit zu begehen. [...]

i

||

i

Komplizenschaft ein Schliisselbegriff das Nachdenken

Darstellung südafriKomplizenschaft Apartheid die bestimmte auf: eine »im in zwei Formen an Ereignisse gebunden engeren Sinn«, ist, als auch eine im »allgemeinen Sinn«: »eine Komplizenschaft, die im Mensch-Sein

1

|

fiir

|

|} |

| 7

Verhaftung

The Stone Face das Argument des Kritikers Mark San-

bestätigt

ders, dem zufolge

i

|

ODER:

KOMPLIZENSCHAFTEN, LUMUMBAS TOD

8. EINE GESCHICHTE DREIER GHETTOS

33

MarkSanders, zu

Mitschuld

Complicities:

im

Kontext

‘Naomi Mandel, Against Charlottesville 2006.

Intellectual Rassismus und

and

Durham Apartheid, der

2002, S. 8. Weiteres

provokantenUntersuchung: Holocaust Holocaust, Unspeakable: Complicity, andSlaveryinAmerica,

von

the

The

in

the

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a

https://pdfify.app/trial

in

der Passage über das

»gleichbleibende

Gesicht des Hasses«, eine

spielt. sich gegentiber über Algeri pielt. SiSimeons Fähigkeit, Fahigkeit, sich Algeriern zu verhalten, rührt her von seiner multidirektionalen

und d

prominente

Rolle

Alverieri lidarisch Algerierinnen solidarisc Anerkennung der allgemeinen

7

|

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|

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|

1

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|

mes

|

|

diese

Anerkennung

sehen

zu

zu

können und

es

zugleich

Simeon, andere Fälle

von

Komplizenschaft

seinen Sinn für Solidarität oder zu

$. 178

iH

|

ner

kritisch

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die Überschriften der drei Teile

Etappen

und dann

von

|

|

VE

i

von

zur

Simeons Entwicklung

Solidarität

~

von

i

i

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on

The Fugitive (Der

Fiichtling),

wählen,

Seite des

Gegensatzes

von

ausgerichtete Herangeabstrakter Universalität

privilegieren.

zu

was

unterschiedliche Bewertungen des Schlusses zeigen. Ross

beispielsweise begreift den Roman als Beschreibung eines »politischen Erwachens, einer neuen politischen Subjektivität, die durch kulturelle Kontamination Gestalt annimmt« (May’68, S. 45). Gilroy hingegen ist der Auffassung, der Roman wende sich von seiner fundamental diasporischen Ethik und seinem kosmopolitischen Bewusstsein ab, sobald Simeon beschließt, »nach Hause« zurückzukehren. Gilroy politischen Subjektivitat der Roman also das Potenzial der von Ross beschriebenen den vor und von einer Forderungen jener engen ist gezeichnet »Kapitulation preis Version kultureller Verwandtschaft, die Smith’ universalisierendes

ZN a

a

ziert aber Kampf politischen Strategie aufzeigt«

gegen den Rassismus die Grenzen des Exils als einer (Fire, S. 197). Die Unterschiedlichkeit dieser Kritiken

die

Widerspritche,

die Smith’ Roman festhalt, aber nicht auflést. Der Roman

bleibt im unlösbaren Problem der

| || ri

trans-

haben schiene

auch, dass der

belegt

He

Argument

(Against Race, S. 323 £). Stovalls Lesart ist zwischen diesen beiden Positionen angesiedelt. Ihm zufolge bietet »Simeons Reaktion auf das PaponMassaker [...] eine internationale, diasporische Perspektive auf den Rassismus, impli2u

Méglicherweise mit Blick auf die dem Universalismuskonzept immanenten Spangerade im franzésisch-kolonialen beziehungsweise -postkolonialen Konnungen betrachtet Stovall die Bedeutung text mit seinem krisenhaften Republikanismus und von Smith’ Roman und der in ihm dargestellten Ereignisse aus einer globalen nicht etwa universellen Perspektive. Wie Stovall in einem kurzen, The Stone Face einleitenden Aufsatz niitzlicherweise bemerkt, erlaubt uns die transnationale Perspektive von Smith’ Roman, die Geografie der Kolonialgeschichte neu zu durchdenken: -sDer Algerienkrieg ist, wie die Kolonialgeschichte im Allgemeinen, nicht einfach cin bipolares Verhaltnis von Metropole und Kolonie, sondern Teil einer Globalge~

~

|

zum

aus

sind keine einfachen,

zendiert

|i H

Verantwortung gefangen, zwischen der engeren

|

|

|

schichte, die Menschen außerhalb der formellen Grenzen des Imperiums beeinflusst

|

|

hat und

von

[...] [DIer Algerienkrieg war Grenzen Frankreichs und Alge-

ihnen wiederum beeinflusst worden ist.

|

ein

|

riens hinausreichten: ein

|

nis des

|

Geschichten interpretiert haben.«® Wie Stovall an anderer Stelle schreibt, bereitete der Krieg auch »den Boden fiir ein neues, komplexeres Verstindnis von »Rasse: und

| |

|

globales Ereignis,

Auswirkungen

Ereignis,

über die

entsprechend

das Individuen

und im Licht ihrer

imperialen Frankreich

ihrem Verständ-

eigenen nationalen und lokalen

globalem Phanomen«, zumindest unter einigen Exilanten f). Der globale Bezugsrahmen ermöglicht ein multipolares

rassischem« Konflikt als

m

wie Smith

(Fire, S. 189

Verständnis

von

Geschichte und der Zirkulation

ginjgen Problemen, die offenkundiger

einhergehen,

versellen |

|

dessen

mit der

Doch selbst bei seinem

von

und

Erinnerung

entgeht

damit

des

ideologischen Begrifflichkeit Ubergang vom

Universellen

zum

Uni-

Glo-

balen last Stovall einige Besonderheiten ununtersucht; die Frage nach den Grenzen der Interpretation drängt sich neuerlich auf.

|

|||

54

HE

a,

(I tl

zu

eine auf Multidirektionalität

anstatt eine

»Dreckiger Jude«: Gender und Judentum

der

zufolge gibt

|

A

versuchen, die unvermeidbare Aporie der Verantwortung zu was es bedeutet, mit dieser Aporie zu leben. In mei-

zu

herauszufinden,

und konkreter Partikularität

The Stone Face ein verdichtetes Narrativ

-,

A Bl | ft

es

Begrifflichkeit gesprochen:

hensweise

»Komplizenschaft mit

ist

erweitern.

Viktimisierung zur Komplizenschaft The White Man (Der weife doch der Drang Mann) und The Brother (Der Bruder) Universalismus kann Lehren diesem die Reste des Partikularen nicht tilgen. komplizierten Szenario Die der

Be

f), Sinnvoller

beseitigen,

nennt;

Komplizenschaft, Solidarität und VerantworAnerkennung, in narrativer Hinsicht, tung bleibt als endgültiges Ergebnis Simeons Entschluss, in die Vereinigten Staaten zuriickzugehen, um fiir eine besondere Sache zu kämpfen: die Bilrgerrechte von Afroamerikanern und Afroamerikanerinnen (eine Riickkehr, die Smith selbst nicht unternommen hat).** So bieten

1

35

|

Sanders, ©

*

Complickten,

S. 12

a

c.

Nac zog Smith auf Einladung Kwame Nkrumahs nach Ghana, dem Putsch 1966, durch den Nkrumah abgesetzt wurde, ging Smith jedoch zurück nach

Später Paris,

in den

wo er

1960er-Jahren

1974 starb.

a

ill

anzuer-

minimieren«.™ Als Afroamerikaner, der in Frankreich

erlaubt

von

Stone Face wirft ein Licht auf diese

streben, »Han-

psychischer Kolonisierung«

allgemeinen Bedeutung

Trotz dieses erweiterten Sinns für

a

|

verallgemeinerne,

zu

dem Menschsein als solchem«

zwar

7

zugleich

-

|

|

-

Tendenz, »Verantwortung-in-Komplizenschaft und danach

sieht sich Simeon erstmals gezwungen, anzuerkennen das, was Sanders »die Intimität

aa

|

bejahen

zu

zu

295

Komplizenschaft. Meine Interpretation von The Aporie und bestätigt letztlich die (von Fanon und der südafrikanischen Black-Consciousness-Bewegung abgeleitete) Einsicht Sanders’, dass Komplizenschaft im allgemeinen Sinn unbewusste Komplizenschaft beinhaltet und mit dem kognitiven Problem der Verkörperung zusammenhängt (Complicities, und der

dieser

|

N

»DRECKIGER JUDE«: GENDER UND JUDENTUM

ungewohnten Privilegien konfrontiert ist, seine eigene Komplizenschaft mit Rassismus

mal

Hl li

GHETTOS

unmittelbar mit kolonialer Gewalt und

a

a 1

der

aus

deln-in-Komplizenschaft

| is ||

| |

entgegenzutreten und

kennen,

|

|

294

|

Verbreitung des Gifts der Komplizenschaft über soziale Gruppen und historische Epochen hinweg. Wie Sanders bemerkt, ergibt sich die Fähigkeit, rassistischen Regi-

|

Ht

1

8. EINE GESCHICHTE DREIER

|

[|

dessen

erste

|

chere

|

|

https://pdfify.app/trial

309, Stovalls

|

| |

Stovall, Preface, 8.

Auszugs aus dem

|

Le

36.

kurzen

|

französische

Erörterung

nischen Lebens

enthält knappe Einleitung Preface dem das Massaker 17. Oktober

Roman

zum

eine

(in

vom

Übersetzung. In

The Fire This Time hat

einer

des Romans imKontext umfassenderen

in

Paris während des

Algerienkriegs vorgelegt.

Stovall

Nachdruck

eines

dargestellt wird) eine etwas

des

und

ausführli-

Darstellung afroamerika-

q

a

|

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i

|

i

11

|

|

| |

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11

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5

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Ha

7

|

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i

HN

|

geschieht

beinigen

Maria,

so

zu

erfahren wir, ist als Kind

von

polnische Jüdin

wird,

einem nationalsozialistischen Offizier

sexu-

Stereotypen

tiber

in

vor

Rückblickend ließen sich

einem

Holocaust-Uberlebende, die sich seither

|

unerforscht lieBen. Wie es sich mit Marias Unangepasstheit an zeitgeVorstellungen von Holocaust-Uberlebenden auch verhalten mag: Die sich iiberschneidenden Darstellungen Marias, Marcelines und M.s (der Frau aus Duras’

| |

kolonisierten Männern und

|

nahe, dass Gender bei der Aushand-

|

Nor, Hi a |

||| | Hii LA

N a | a |

Loa

fh

Artikel)

-

Frauen, die sämtlich in ihrem Verhältnis

schwarzen Männern inszeniert werden

lung

des

und der

Verhältnisses

der

erster Anblick

Simeons

legen

zu

Holocaustgedenken implizit eine wichtige Rolle

zwischen dem entstehenden öffentlichen

Ubergangsphase

gespielt hat.

-

Dekolonisierung

von

zumindest

Maria betont alles

KZ-Universum verweist oder sie als rassifiziertes seiner Ankunft in Paris sitzt Simeon mit

Babe,

an

ihrem

Subjekt

Körper,

was

nicht auf das

|

| |

| |

|

| a

eu :

||| ii

u

angedeutet,

als Babe sie für den bezauberten

die, eine Polin. Ist

um zum

Erfahrung verbirgt:

»Sie

war

mehr als ein Kind, dachte Simeon. Sie

Schlaf stöhnte

ein Prisma wechselhafter Launen. Im

sie

sehr oft und

sprach

(S. 68). Schließlich enthüllt

Pol-

Maria

Vergangenheit, allerdings zu einem unerwarteten Zeitgefragt hat, mit wie vielen Männern sie geschlafen habe. Sie nennt zunächst zwei, fügt dann aber hinzu: »Vor dir und dem anderen Mann waren da der Krieg und das Arbeitslager, in dem ich wahrend der Besatzung mit meiDer deutsche Offizier, der nen Eltern war, und dort gab es einen deutschen Offizier Lagerkommandant, mochte mich. Ich tat, was er wollte, um mich und meine Eltern am Leben zu erhalten« (S. 76). In ihrer ursprünglichen Darstellung der Lager identifiziert sich Maria zu keinem Zeitpunkt als jüdisch; selbst als der LagerkommanSimeon ihre traumatische -

nachdem Simeon sie

...

dant sich gegen sie wendet, nachdem erhalten hat,

klagt

er

Was könnt ihr Polen

der Selektion im

(S. 77).

schlechte Nachrichten

von

der Heimatfront

glaubt, ihr wüsstet, was Leid ist! verweist allerdings die Beschreibung

im Roman

heißt, des »Anstellens«) und der Gas-

Lager (oder,

wie

in die Marias Eltern

es

»Ihr

geschickt werden,

Erst im Kontext antisemitischer

|

er

Beschreibung nur: schon wissen!« Zugleich

in der

AuBerungen

enthüllt der Roman ausdriicklich, dass Maria

jüdische

Identität

algerische

Freunde

deutlich aufihre

durch Simeons

jtidisch

ist. Eines

Tages

sitzt Simeon

in einem Caf& und diskutiert mit Lou, einem sympathisierenden weißen Auswanderer, über Rassismus in den Vereinigten Staaten, während mehrere Algerier

(erneut)

Dass Stovall sich iiber die mit den

angereist,

Art eine finstere

|

vorbeigeht: 37

Polen

bald, dass sich hinter Marias scheinbar strahlender und verspielter

Mitglied

einem besser etablierten

aus

Simeon erkennt

kammern,

jiidischer Aspekte des Romans ausschweigt,

ist

Geschichte und dem Holocaust

zusammenhangen-

merkwürdig, als er in seinem lesenswerten Verbinund den Algerienkrieg durchaus

insofern

auf die

Essay iiber afroamerikanische Auswanderer dungen zwischen dem Massaker vom 17. Oktober und dem nationalsozialistischen Genozid eingeht, etwa wenn er die historische Figur Papon und Didier Daeninckx’ Roman Bei ErinneS. 196 f. rung Mord, um den es im nächsten Kapitel gehen wird, behandelt. Siehe Stovall, Fire,

|

38 |

Ha

aa | Hh

Weise

Wahrnehmung Marias Vergangenheit in keiner

kennzeichnet. Kurz nach

Im

Hl

betont ihre Schönheit und Gesundheit.” Auch wird

ihre

|

der afroamerikanischen »Kolonie«, in einem Cafe, als eine auffallend schöne Frau

Spielzeug amüsiert.« (S. 11)

sierte

punkt

ihre

Figur

glühten

zwar

nisch. Manchmal schrie sie und wachte dann auf«

nössische

Energie,

bewusst und übertrieb dessen

neuen

christlichen

i

|

Körpers

das sich mit einem

war

Grund,

gut aussehenden Frau,

zu gehen und die nächste Brigitte Bardot zu werden« (S. 11). Smith gibt zwar im ersten Drittel des Romans keinerlei Informationen über Marias Vergangenheit, doch

gefestigt haben (und das nicht nur wegen ihres betont Namens!). Möglicherweise ist das Unbehagen, dass ihre Unvereinbarkeit

etablierten Kategorien des öffentlichen Gedächtnisses hervorruft, der Algerienkrieg und afroamerikanischer

dieser

Film

|

a

an

einer Aura schwelender

ihr Gesicht und ihre nackten Beine

sich ihres schönen

Simeon identifiziert: »Maria heißt

Literatur befassten Forscher und Forscherinnen ihre Anwesenheit übersehen oder

Hi

umgeben,

war von

das »elektrische Feld« und sogar Simeons Zigarette als versetze Bilder für die Welt der Lager deuten, doch unsere erste, von Simeon fokus-

weshalb die meisten mit dem Holocaust, dem

u

war

Bewegungen wie ein Kind,

At

il

Art elektrischem Feld

Gesundheit. Sie

das strahlende

war

sein musste; sie

schwarzen

die über die Straße ging und auf sie

im kollektiven Bewusstsein

mit den

A

Anfang zwanzig

einer

Frankreich,

erweisen

Gang aufgeschreckt,

kam. Was ihn aufriittelte,

die

kurzgeschnittenem

jungen Frau mit dunkler Sonnenbrille,

Haar und einem frechen

durch die Figur Marias, jener Liebhaberin Simeons, die zunächst

wiederholt als Polin beschrieben wird, sich aber als

Chronik eines Sommers den

4

an seiner Zigarette und wurde durch den Anblick einer großen, lang-

Kolonialismusvorstellungen der Postcolonial Studies sowie der afroamerikanischen Literatur übergeht Stovall (wie Ross, aber anders als Gilroy) eine weitere Art und Weise, wie The Stone Face verfestigte Unterscheidungen in Bewegung bringt: die Auseinandersetzung mit der jiidischen Geschichte.” Durch seine ‘Thematisierung sowohl des Holocaust als auch des Antisemitismus hebt Smith die begriffliche Symmetrie auf, die The Stone Face strukturiert: Frankreich/Algerien,

algerische

297

»Simeon zog

tradierter

Vernichtungslager verloren. Der Roman thematisiert ausdrücklich die diversen Unterscheidungen und Solidaritäten, die mit »Rasse« und Ethnizität einhergehen; bedenkt man jedoch die in der Literaturkritik wenig beachtete Darstellung Marias, dann zeigt sich, dass Gender und Sexualität die Erinnerungsarbeit des Romans nicht weniger vermitteln als »Rasse« und Ethnizitat. Die jugendliche Maria entspricht noch weniger als die Marceline aus

|

i

Infragestellung

des Romans und dessen

ell missbraucht worden und hat ihre Familie

Hi

|

Erörterung

»DRECKIGER JUDE«: GENDER UND JUDENTUM

GHETTOS

»Rasse«- und

Das

i

5

In seiner kurzen

Frankreich/Amerika, das afroamerikanische Amerika/das

I

F

8. EINE GESCHICHTE DREIER

296

| |

i|

https://pdfify.app/trial

Zigarettenasche und -rauch sind beispielsweise im Werk Art Spiegelmans eine andauernde Erinnerung an den Holocaust, und das elektrische Feld erinnert an die elektrischen Stacheldrahtzäune, die die nationalsozialistischen Lager umgaben.

7

a | 7

i i

| |

|

|

zuhören. Als Marie mit einem schönen, aber teuren Armband

|

zurückkehrt, sorgt sie sich, der Verkäufer könne sie betrogen

|

tion führt

beiliufig

|

|

‘Ich bin ||

[...] [E]r machte

Einkaufstour

Spekula-

Bemerkung:

299

so

ganz

unschuldigen Eindruck,

als

er

121

die viele Leser und Leserinnen wahrschein-

Ca

Algerier,

(S. 123).

U

In der

La

Smith

I

1a

Jahrhunderte

ie he

Gilroy

in einem der

wenigen

Kommentare

|

|

dieser

Epi-

Polin in der

|

ersten

Lagerhaft bekannt werden und sie auf Ben Youssefs ahnungslomit einer Formulierung, die an Fanons sen antisemitischen Einspruch reagiert berühmte Erörterung der Erfahrung erinnert, ein »dreckiger Neger« genannt zu werIdentität analyden —,? muss die ursprünglich fehlende Information Einzelheiten ihrer



siert werden. Der Roman

letztlich die

ihrer jüdischen

des nationalsozialistischen Genozids entstanden ist; Ben Youssefs den Holocaust als Teil der

Fauxpas

aus

|

Person«, versucht, Spandie

bedingt erfolgreich. und Allgemeinem eine

nur

aller

Gruppen,

Lous

Bemerkung suggeriert,

unvermeidbare Vertrautheit

dass

es

gibt (es

dass sie eine besondere Geschichte

zu

Lösung an, er betont Asymmetrien vernünftige Erklärungen können Hos-

abstrakt. Der Roman selbst bietet keine

so

einfache

unterschiedlichen Geschichten resultierenden schmerzlichen

Youssefmit

trotz der

Entschuldigung eines

»Noch näher«: Gender und Gedächtnis

|

| |

Der Roman in

|

zeigt die Spannungen und Bruchlinien des Universalismus, nicht

nur

Bezug auf jüdische Identität, sondern besonders hinsichtlich Gender.‘ Während

das

Judentum explizit, wenngleich ambivalent,

im Roman

präsent ist, entpuppt sich

Gender als dessen nicht ganz anerkanntes Unbewusstes. Geschlechterdifferenz hat bei vielen Schlüsselmomenten der Romanhandlung, bei denen es um die Solidarität

macht 40

Siehe Frantz Fanon, Schwarze Haut, weiße Masken, Wien 2015, S. 93.

Eine nützliche

ilki) i

|

Sammlung

von

Aufsätzen

Marianne Hirsch und Valerie Smith

(2002)

a

https://pdfify.app/trial

»Rasse«

|

längeren Geschichte des Antisemitismus bewusst, der auf

AA

Kategorie

er

Komplizenschaften. Lous besänftigen, und Maria beendet das Kapitel Schweigen. peinlich beriihrten Ben

von

39

die die

stört

und unerwarteten

zeichnet fiktional nach, wie ein differenziertes Verständnis

Hi

N | Wil

jedoch

lösen, indem

allgemeine Eigenschaft

ist eine

sein nicht

Hälfte des Romans erscheint Maria nicht als Jüdin. Sobald

Spannungen,

haben!), doch der Versuch, Unterschiede zu analogisieren, bleibt zu symmetrisch und

in Nordafrika.

Hee La aa

zu

zu

zwischen Besonderem

Die

Darstellung Marias in dem Roman könnten zu den Auslassungen und Missverständnissen beigetragen haben, mit denen die Rezensenten und Rezensentinnen diese Darstellung wahrnahmen. Aufgrund ihres eindeutig nichtjtidischen Namens und ihrer durchgehenden Bezeichnung als

|

a |

Race, S.

und

als

doch sein Versuch ist

Ein paar bemerkenswerte Merkmale der

La Wil et AM

wie

wur-

erklärt, »jede unterdrückte Gruppe« werde »auf besondere Weise unterdrückt« und habe »eine besondere Geschichte« (S. 124),

Handlung ver321). »jegliche Auflösung« (Against ortet Hosseins Vorurteil innerhalb der Widersprüche des antikolonialen Kampfes in Algerien, eines Kampfes, in dem die Juden und Jüdinnen überwiegend Neutralität beanspruchten oder zu den Franzosen und Französinnen hielten, trotz ihrer langen

ii

| |

»verweigert«,

sode bemerkt, auch

zwar

nungen vermittelnd

Angehörigen der multinationalen Caf&-Gesellschaft den Antisemitismus. Die Verurteilung dieser Form von Rassismus durch den Autor ist zwar deutlich, doch

1

i

Veränderungen

und Nordafrika, Lou, »die einzige anwesende rein« weiße

Diskussion,

die

|

-

unterschiedlichen historischen und kulturellen Kontexten betreffen. Der Konflikt

Logik der

die nach diesem unverblümten Vorurteil entbrennt, debattieren und historisieren

|

Polen und Polinnen ebenfalls ermordet

Millionen

jüdisch, und nichtjüdischer

Opferkonkurrenz inszeniert (Juden und Jiidinnen werden mehr oder weniger unterdriickt als Algerier und Algerierinnen; Juden und Jiidinnen werden mehr oder weniger gehasst als Kolonialisten), doch die zugrunde liegende Logik und letztliche Wirkung seiner Darstellung im Roman zeichnen eine offene Kartografie sich iiberschneidender Rassifizierungsregime. die ausgesprochen universalistische Die multidirektionale Episode interne des Romans und enthüllt dessen Botschaft Spannungen. Auch diese Komplider kation ergibt sich daraus, wie Smith die Frage Komplizenschaft betont. Die Episode, in der Marias jüdische Identität endgültig offenbar wird, inszeniert dialogisch die Komplizenschaft der Algerier und Algerierinnen mit einem Antisemitismus, der in der Metropole lebendig bleibt, und die Komplizenschaft von Juden und Jüdinnen mit der Unterdrückung und Ausbeutung von Arabern und Araberinnen in Palastina

von

zosen! Ich hasse sie noch mehr als die Kolonialisten!«

|

=

wenngleich

wird

Ben Youssefs Worten, sondern radikalisiert sie sogar noch: Er erklärt, »mit plötzlicher Leidenschaft«, dass er Juden noch mehr hasse »als die Fran-

al

IM (MI

nicht schlicht als »Polen« definiert wurden

in

f)

distanziert sich Simeons militantester Freund

Hossein nicht

an

i

einen

prononcierter Erklärung,

lich ebenso überrascht wie die

i

Menschen zielte, die als

den. Wie in Chronik eines Sommers entsteht dieses differenzierte Verständnis inmit-

Jude verkauft.

ein

dreckige Jiiding sagte sie.« (S.

Trotz Marias

|

|

einer

haben. Diese

und unwissentlich den Knaller brachte: »Klar, sagte er, wahrscheinlich

|

Ht

antisemitischen

von

dreckiger explodierten unter ihren Augen. Maria riss den Kopf hoch, als habe man sie geschlagen. [...] Simeon war erschiittert. Solche Worte, von einem der Algerier? Eine ganze mentale und psychologische Struktur, die er seit dem Tag seines ersten Gesprächs mit Hossein aufgebaut hatte, brach abrupt zusammen. Maria war blass vor Wut; jegliche Leichtfertigkeit war verschwunden.

i

ll

.

unbefangenen

Die Worte

|

;

einer ersten

hat dir das

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N

zu

»Ben Youssef lachelte.

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5

GENDER UND GEDACHTNIS

ten multidirektionaler

i} 1]

By

N

NAHER«:

»NOCH

i

Las

|

F

8, EINE GESCHICHTE DREIER GHETTOS

298

|

|

i

|

i}

1:

Gender

and

Cultural Memory.

Gender und kulturellem Gedächtnis bietet das |

zu

herausgegebene

Sonderheft der Zeitschrift

Signs

28

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| | |

Frau und ein Kind

|

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F

N

8

fen sich |

zu

festigen,

zu

|]

Figur, hier

|

close«

7

In diesen

wird heterosexuelle Intimität

Passagen

wie

es

möglicherweise

(»noch näher«) angezeigt wird;

von

der umständlichen

sie lässt

an

die

den

Formulierung

zu

|

a

die mit der

je

»Sie

einer

»Ruhm, Wohlstand, ihr Name

»more

Simeons Einsatz

Li

ordnet ihre Geschichte unter denen anderer unterdrückter

i

denen der Afroamerikaner und

|

UM |a

‘| A

iy |

ai

|

|

Leidensgeschichte

ist

bedingt

den Deutschen

gelitten, Djamila

vergewaltigt worden.“!

a

Gruppen (insbesondere

|

|| | il |

41

|

LE .

|

| 1 CE N |

Smith hat den Namen der

späten

Djamila

vergleichbar:

mit Marias

und Latifa sind

nicht willkürlich

1960er-Jahre

Körper von

ging,

an

nur

die dort lebte, liebte und hasste.«

den der Roman zwischen den

von

gefoltert

gewählt.

Zwei der

betrafen Frauen

mit

ihre Eltern

die über die

(S. 184) Frauen und Maria

Gegensatzpaare

implizit

wie Aktivitat/Pas-

Authentizität/Maskerade denken. Marias Version des Ver-

entpolitisieren.

den Holocaust

angesichts

eines Traumas kontexu-

Die Grauel der nationalsozialistischen

wenn es aus

nie

zu

einer

Gleichsetzung kommt),

politischenderHandelns, er sich frei

der Gegenwart

Lager werden

mit

ana-

aber der Roman entfernt

existiert

nur

in der

Vergan-

gilt, wohingegen die rassistische und kolonialistische Gewalt gegenwärtiges Handeln verlangen. Die diskursive Auslöschung Marias ist ein Aspekt der Auflösung der Romanhandlung, dem die Kritik bislang keine Aufmerksamkeit geschenkt hat. Am Ende genheit oder als quälende Erinnerung,

und

Zeugen-

das vorige Kapitel sowie Ranjana milaBoujhered und Djamila Boupacha. Zu Boupacha sieheRecht und transnationalem Femi-

von

es

zu

machen

Gerechtigkeit werden. Siehe Ranjana Khanna, The Experience of Evidence: Language, the Law, and the Mockery Justice, in: Anne-Emmanuelle Berger (Hrsg.), Algeria in Others’ Languages, Ithaca 2002, S. 107-138, hier S. 129. Siehe auch das Buch, in das Khanna diesen Essay aufgenommen hat: Khanna, Algeria Cuts, Suche nach

Khannas faszinierende

Auseinandersetzung mit Sprache, nismus im Fall Boupacha, in dem sich Simone de Beauvoir und die Juristin Giséle Halimi des in diesem Buch verfolgten Anliegens ist Khanna aufmerksam im engagierten. für die Art und Weise, in der »Gespenster des Zweiten Weltkriegs« im Fall Algeriens Teil der

|

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of

Ganz Sinne

I

a |

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zu

logisiert (auch

berüchtigtsten Folterfälle diesem Vornamen: Dja-

eee

geben,

der Gewalt des amerikanischen Rassismus und des französischen Kolonialismus

Maria hat unter

den Franzosen

namens

einem Konzentrations-

diese Person

algerischen

traditionelle vergeschlechtlichte

öffentlich/privat,

in

Augen abwandte, als

keine Maria, die ihre

furchtbaren Tod gingen. Es würde

Gegensatz,

Genozids

unmittelbar nachdem sie und

Ihr Auftreten im Roman erlaubt es Smith, lebensnahe

1950er- und frühen

dessen

alisiert, jedoch mit dem Effekt, die Roman-Darstellung des nationalsozialistischen

a

m || I| | [| Hl

geben,

gessens wird zwar vom Desinteresse selbstzufriedener Franzosen und Französinnen abgegrenzt, die in Cafes sitzen, während Algerier und Algerierinnen auf der Straße

|

|

einen

sivität,

Trennungsbriefe ausgetauscht haben -, im Text durch zwei algerische Frauen wird, die Simeon in Ben Youssefs Wohnung kennenlernt (S. 190 f.). Djamilas

und Latifas

es

einem Monster

aufmacht, lasst

Entwicklung länderübergreifen-

wichtigsten war, jene Legende auf der würde die Vergangenheit am

Maria mehr

Der

Simeon ersetzt

Metamorphose,

massakriert werden, und als Überlebenstechnik

der Solidaritat passt, wird besonders deutlich, als sie

ja, doch

jene Person,

Es würde kein kleines Mädchen

Leinwand

ein.

Dass Maria schlecht in die im Roman erzählte

|

i

Algerier)

eine

-

auslöschen, Erinnerungen vernichten.

in

kompatibel, äquivalent ist« (S. 318). Dennoch verbleibt Maria als ein verstörendes Emblem vergeschlechtlichter und rassifizierter Differenz, und der Roman

|

wäre

lager geschändet wurde,

aber nicht

Hl

jemand Schauspielen

Leinwand.

in Leuchtbuchstaben

anderes werden würde:

dass sie damit

[aus den USA] veranlasst hat,

seine Flucht

Unterdriickungstradition, die

tragen« (S. 193).

an

Während

algerischen Frauen auf ihre Unterdrückung reagieren, indem sie den Schleier und gesellschaftliche Gender-Konventionen ablegen, strebt Maria (bildlich gesprochen) danach, einen Schleier anzulegen, indem sie Schauspielerin wird und solche Konventionen begrüßt:

aus Beziehung ist aufgrund der Spannungen, Algerier und Algerierinnen ergeben, eindeutig zum Scheitern verurteilt, und Maria verschwindet nach und nach aus der Handlung, wahrend sie ihrem entschieden unpolitischen Traum nachgeht, ein Filmstar zu werden. Obwohl sie den Bezug zu den zentralen Fragen des Romans verliert, enthält der Text weiter eine gewisse Sympathie für sie. Gilroy schreibt: »Simeon akzeptiert ihre Leidensgeschichte als eine,

|

nie wieder den Schleier

die

überwinden. Simeons

die sich

mit Maria,

andere Funktion

als sich das Leiden der

aller muslimischen Frauen. Sie hatten sich aktiv

Sie

einem

für die

|| Yo

zu

ausgereicht hatten, Djamila und Latifa scheint noch eine

emanzipiertesten denheitKrieg »zu würden beteiligt.

Schwierigkeit des Versuchs den-

und Marias

i] a

|

(S. 126).

Doch

-

ist Simeon natiir-

Formulierungen:

sich ähnliche

ken, überdeterminierte »Rasse«- und Genderdifferenzen

|

|

Episode, wiederholen

setzen.

-

(S. 78). Später, nach der

allem doch verstehen«

zu

klandestin

Algerierinnen aus einem Kontext des Kampfes ihres Widerstandes aufseiten des FLN ergeben hat. Wie Simeon beobachtet, zählen die beiden trotz ihrer Beschei-

die interethnische Solidarität ausdrückt. Und doch herrscht andererseits auch

Unbehagen,

a

trotz

Algerienkriegs

sein Buch in Frankreich

zuzukommen. Der Roman kontrastiert sie insofern

Leidensgeschichte bekannt

Lagern erzählt,

sie in der letzten Phase des

wie

und die sicherlich mehr als



auf den Index

doch Simeon fiihlte sich Maria sehr nah und wusste, dass sie sich

ihm nahe fühlte«

7

war

erste Mal von den

wiederzugeben,

zirkulierten

Verhältnis

still. Er hielt sie fest und fühlte sich ihr noch näher als

hässlichen antisemitischen

al

i

als zentrale Bestandteile ihrer

301

NÄHER«: GENDER UND GEDÄCHTNIS

aussagen

eine

Gender und »Rasse« hau-

von

Marias. Einerseits scheint sich Simeons

Figur

Vielleicht konnten sie sich

zuvor.

Na

1

die

um

lich berührt: »Simeon

al

8

Maria da

um

schützen. Die Ambivalenzen

zu

werden. Nachdem sie ihm das

A

|

geradezu

sprachen nicht,

|

geht,

hervorragende Bedeutung. So ist beispielsweise die Handlung, bei der sich Simeons ungewohnlich briiderliches Verhiltnis zu den Algeriern und Algerierinnen konkretisiert, in einen traditionell codierten Versuch eingebettet, am 17. Oktober eine

|

und

Konflikte zwischen Minderheiten

über »Rassen«-Grenzen

|

|

|

hinweg

|

|

»NOCH

8. EINE GESCHICHTE DREIER GHETTOS

300

|

.

|

7

a! .

i. N |

|

beschließt Simeon, in die Vereinigten Staaten zurückzukehren; diese Entscheidung geht mit seiner Erkenntnis einher, dass »die Algerier Amerikas dort drüben waren

molt.

|| |

und einen

chen verbrannten

|

|!

m

||

| i GM | Hy]

| ||| IM

:

|

BB

a |

The

|

Abwendung

|

Dass Maria

auch

|

Al

Hi

|

|

ht

|

We ll

fi

von

Gilroys

~

Gender,

These über

Ergänzend

würde ich

Maria und dem

von

ihr

zuvor

das

argumentieren,

dass auch die

symbolisierten Erbe wichtig ist. nicht nur die Marginalisierung Verhiltnis von algerischer und zwischen authentischem

vergeschlechtlichten Gegensatz

Handeln und einem nicht authentischen Verhältnis

zur

Vergangen-

-

wichtig,

einen

LI |

Marias Wunsch, das Trauma der

Konzentrationslager

zu

verges-

Wunsch, der sich durch ihre weiblich codierte Sehnsucht auszeichnet,

Bühnenfigur

zu

verschwinden

-,

vom

Wunsch des Textes

zu

algeri-

»Emanzipation« beteiligt haben, werden vergeschlechtlichte Gegensatze

durch einen

Gegensatz ergänzt: den zwischen unpolitischer Vergangenheit einerseits, politischer Gegenwart und Zukunft andererseits. Eine solche Polarisierung wieder-

weiteren

holt sich bei vielen fortschrittlichen Kritikern und Kritikerinnen der Gegenwart, die |

eine

Entpolitisierung

der

gedenkens anprangern.‘?

|

Erinnerung

im

Allgemeinen und speziell des Holocaustausschlaggebende politische Rolle ver-

Hier wird aber die

nebelt, die Erinnerung im gesamten Roman

ty)

das

im Roman

gespielt

hat

dokumentierte antikoloniale Milieu ganz

(von ihrer Bedeutung für

zu

schweigen):

Riickblenden

|

|| | (NE i

42

nationalsozialistischen Genozid Siehebeispielsweise dieBemerkungenvonAlainBadiouzum GeZizek in: Totalitarismus: fünf Interventionen in: ders.,

Ethik,

303

Beobachtungen über den Rassismus im Rassismuserfahrungen als junger Erwachsener Gegenwart in den Vereinigten Staaten ermöglicht, und es ist das historische Gedächtnis, das es Simeon erlaubt, die französischen Reaktionen auf den Algerienkrieg am Vorabend haben die

Kontextualisierung

von

Simeons

anhand seiner

Paris der

auf die nationalsozialistische Besatzung

des 17. Oktober mit früheren Reaktionen

vergleichen. wenn

ihre

zu

wichtig, die Erinnerung aufrechtzuerhalten, und was geht verBedeutung vergessen wird? In einer Auseinandersetzung mit den

Warum aber ist

loren,

es

sehr unterschiedlichen und konfliktreichen Hinterlassenschaften des Kommunismus im

Europa

des 20.

Jahrhunderts hat Fredric Jameson

einen

anregenden Ausgangs-

für eine Antwort auf diese Frage vorgeschlagen: »Die Erinnerung an diese immense historische Erfahrung duldet keine Umfahrungen, auch wenn es kein beru-

punkt

higendes Verfahren geben kann, diese Erfahrung »aufzuarbeiten«. [...] Es gibt kein richtiges Verfahren, sich der Vergangenheit zu stellen Vergessen ist nicht heilsamer als durch ein bleibendes Trauma gebannt zu sein, Aber Geschichte besteht nicht aus wechselnden Moden, die man nach Wunsch aufgreifen oder ablegen kann.«“? Ganz ahnlich die Geschichten, um die es in The Stone Face und allgemein im Frankreich der 1960er-Jahre geht: Selbst inmitten eines »heißen« Dekolonisierungskriegs kann die jüngere und doch vergleichsweise ferne Geschichte des nationalsozialistischen Genozids nicht einfach umgangen werden. Das offensichtliche Unbehagen des Romans Maria gegenüber führt dazu, dass sie ein wenig zu schnell aus der Erzählung verschwindet. Zwar gibt es, wie Jameson treffend bemerkt, kein richtiges Verfahren, und es sollte von einem Roman nicht verlangt sich der Vergangenheit zu stellen ~

-

ein

werden,

solches

zu

finden

-,

doch The Stone Face kann als

Allegorie dafür dienen,

Vergangenheit abzustreifen, unweigerlich politische Aufgaben méglich macht. Im Rückblick klüger geworden, können wir erkennen, dass der Roman durch die Umgehung der von der Figur Marias aufgeworfenen Fragenauf ein weiteres uneingestandenes Problem der Komplizenschaft verweist, obwohl er solche Probleme ansonsten mit viel Einblick untersucht. Die journalistischen und fiktionalen Texte zum 17. Oktober analogisieren zwar oft Algerien und Auschwitz, doch fehlt tiberdeutlich die Auseinandersetzung mit der Mitschuld Frankreichs am nationalsozialistischen Genozid. So, wie sie damals formuliert wurde, hatte die Analogie die Form eines kolonialen Vergleichs: Die Nationalsozialisten haben sich zu den Franzosen und den Juden und Jüdinnen so verhalten, wie die Franzosen sich heute zu den Algeriern und Algerierinnen verhalten. Diese Analogie verschleiert, dass sich tatsächlich auch unerledigt lässt

einige

von

ders., Slavoj eines Begriffs. Aus dem Englischen von

sowie

oder Missbrauch

zum

Oliver Hérl,

Hamburg

https://pdfify.app/trial

2012.

und die Wiederkehr des Unverarbeiteten

Franzosen

zu

wie die Franzosen

kundig,

EM

| Hie

»NOCH

dass der Versuch, die

unterscheiden, Maria zu vergessen. Dadurch, dass Maria narrativ durch die schen Frauen ersetzt wird, die sich mit dem Ablegen des Schleiers »aktiv« an ihrer

TE

|

von

vereinfachten,

in der Maskerade ihrer

md

|

Ergänzung

dem Roman verschwindet, markiert

aus

gepragt

haben

begünstigt.

sen

N

einen

Es ist

a

|

Paris ebenfalls

Hier zeichnet sich eine

des Romans

gegenwärtigen

i Ho

a

die

|

heit

i

Ausdruck

afroamerikanischer Geschichte vermittelt hat; wichtiger ist, dass ihr Verschwinden

ie

||

in

des nationalsozialistischen Genozids, der |

a=

A

Amerikas« aufgefasst

welt, die ihn ansonsten belebt.

al

|

irgendeiner Guerilla in irgendwel-

Gilroy zufolge zeigt Simeons Abwendung von Frankreich und der Abwendung des Romans von der kosmopolitischen Vorstellungs-

Stone Face ab.

Algerienkrise i

Hi

Bergen.

Judentum, Holocaust?

x

:

als der

gegen das steinerne Gesicht« (S.

die Simeons Aufenthalt

Begriffen,

von

pe »

war

franzésisch-algerischen Krieg. Anwendung amerikanischen Vokabulars auf Was geschieht jedoch im Zuge dieser Riickiibersetzung mit der dritten Kategorie

4

||

der härter Sie

den

| a

8

Kampf führten,

210). Dass kampften ist einer im werden, Afroamerikaner als die »Algerier Passus hat einem früheren Simeon Roman nachgezeichneten politischen Umkehr. In das mit Harlem er gerade die Goutte d’Or besucht, ein algerisches Viertel in Paris, vergleicht (S. 88). Er sagt zu Babe: »Sieht mir so aus, als seien die Algerier die Nigger Frankreichs« (S. 105). Simeon hat also zunachst die gesellschaftlichen Bedingungen und die Geschichte Frankreichs in eine amerikanische Begrifflichkeit übertragen, und nun wird seine politische Reife durch eine Rückübersetzung angezeigt, also die

i

||

8. EINE GESCHICHTE DREIER GHETTOS

302

i

5

NÄHER«: GENDER UND GEDÄCHTNIS |

111

43

den

zu

doch damals

(französischen und ausländischen) Juden verhalten haben

den Untertanen des Kolonialreichs. Heute scheint das offenwar es

das nicht. Nicht

A

nur war

die Rolle

Fredric Jameson, Foreword: Monument to Radical Instants, in: Bd. 1, Durham 2005, S. vii-xlix, hier viii.

ofResistance,

S.

Papons

im Zweiten

Peter Weiss, The Aesthetics

ma Pee

U

;

*

| 1

i

304

|i || |

8. EINE

GESCHICHTE

MULTIDIREKTIONALE ERINNERUNG UND DIE UNIVERSALISIERUNG

DREIER GHETTOS

|

| || |

|

A

A

sollte. Ich

EM |

daran, wie ‘The

tiple Vergangenheiten

tA

algerische

|

Verantwortung

Frankreichs

|

von

anzusprechen,

;

behandelt,

unvollständigen, mul-

Entwicklung

eines

Erinnerung,

-

fällt der Roman zurück

in

|

nisieren und von

IL

von

gleichzeitig politisches

Unterdriickung

2u

rung

Handeln mit maskulinistischer

sen

|

HA

von

Analogisierung

Hk i

merksamkeit fiir

multiple

IM NEN nh

|

|

HE

perfekte Veranschaulichung

auf der

weit

asymmetrische Kons

.

.

ernste Konsequenzen

||

SONSEq

ei

veep

Universalismus zur Multidirektionalitat

i

\

Globalisierung



an

ao

auszeichnet,

Erinnerung wirken und für die Tendenz des Holocaustgedenkens stehen, und den Charakter einer unijenseits ihres ursprünglichen Kontextes zu zirkulieren versellen moralischen »Währung« anzunehmen. Doch indem sie zwei oder sogar drei .

|

8

der

Ghettos zusammenführen, erzeugen Duras, Krea und Smith tellationen, die cher multidirektional als universalistisch sind. Beim

LE

WE

|

formulieren, das

nationale und transnationale Geschichten

könnte The Stone Face auch wie eine der

geht

es

nicht

nur um

:

a

ee

irgendwann

We

sei

Übergang

44

vom

sowohl für die Ethik als auch für die Politik der Erinnerung. argumentiert, dass dsten hhaby haben am üb arg

a|I i a aa

zentrieren



nn

1961 herum

-

1 also zu

nicht mehr als schreckliche, in

begrenzten Implikationen gesehen

auf Zeitpunkt,

dem dem Zeil

kt,

auf

den den

wir wir uns

hier kon-

Kriegszeiten begangene Gräueltat uns

)

mit

logy, 45

i

|

| [1

101).

Im vabstrakten

ver-

Charakter

von

Gut und

| |

https://pdfify.app/trial

Die ter

ders, The Meanings of

Auseinandersetzung

Multidirectional

New York 2008,

Bemerkungen

Social

Lifer A Cultural Socio.

zum

mit Alexanders Werk bietet mein Kommentar:

Memory

by

Memory

Frage als bei

in the Global

of

and the Universalization Martin

Jay

u.

a.,

the Holocaust,

Remembering the

in:

Holocaust:

§. 123-134. Werk

von

auf; dies., Erinnerung im (zuerst 2001; engl. Ubers.: Holocaust einem Aufsatz, der ihre These auf

Levy und Sznaider beruhen

Zeitalter: Der Holocaust, Frankfurt

Englisch skielere: 47

|

Rothberg,

Debate,

Meine and

|

in:

C. Alexander with Commentaries

globalen

|

On the Social Construction of Moral Universals: The »Holocaust«

Trauma Drama,

Eine ausfiihrlichere

‘A

|

to

New York 2003, S. 27-84.

Jeffrey

46

ile

LI

Jeffrey y Alexander,

Michael

|

worden, sondern habe vielmehr den Status eines

|

Siehe

from War Grime

Begrifflichkeiten, er hat

Ko

um

uni-

.

Soziologen und Soziologinnen tiberzeugendsten der Globalisierung des Holocaust und seiner es einen Zusammenhang zwischen die Universalisierung gibt. Der bekannte Kultursoziologe Jeffrey Alexander vertritt und Jiidinnen ‘These, der nationalsozialistische Genozid an den europiischen Juden

al

(MemoryUnbound,

S. 88,

jederzeit widerfahren,

x

»in

‚fortschrittliche

dass

|

absolut

und alle sind

|

.

»

Hl ei

mit einer

symbolisierts, erkennen Levy und Sznaider »einen moralischen Priifstein in einer Zeit der Ungewissheite, was »zur extraterritorialen Qualitat kosmopolitischen Gedenkens« ebenso beitrage wie zur Herstellung »transnationaler Solidarität« (ebenda, S. 102, 93). Alexander und Levy/Sznaider bemühen sich zwar, den Status des Holocaustgedenkens seit den friihen 1960er-Jahren nachzuzeichnen, doch haben ihre Darstellungen einen stark normativen Einschlag: Sie begreifen die Globalisierung und Universalisierung des nationalsozialistischen Genozids als eine Entwicklung, die Solidarität und Menschenrechte befördere.‘7

unterschiedlicher historischer Erfahrungen rassistischer und kolo-

|

||

He

zu

Er kann allen

Bésex, der den Holocaust

|

nialer Gewalt beruht. Von einem im Exil lebenden Autor verfasst, den seine Auf

|

in Europa,

1

Begriffen betrachtet:

antwortlich«

|

Duras und Kréa scheint auch Smith’ Roman

zunächst ein universalistisches antirassistisches Narrativ

Ht

sei

und dieses Geden-

2

versellen

i

yall

von

5

dt

politische Journalismus

Vereinigten Staaten

»ethnische und nationale Grenzen« und werde, zumindest

Holoc des des Holocaust und die Universalisierung lisi

Wie der

Israel und den

Partikularitat und Universalismus

ken habe in der

Multidirektionale Erinnerung

| HT

gewe-

allerdings mit einem stärkeren Fokus aufein und Sznaider die These, die Entwicklung des Levy

einhergegangen, Epoche seit dem Kalten Krieg als Vehikel der Forderungen nach Menschenrechten und Entschädigung globale Tragweite erhalten. In einem Zeitalter der Globalisierung »transzendiere« ein abstrakter und dekontextualisierter Holocaust

Uberwindung

|

N

der wichtigste Bezugspunkt fiir kollektive Erinnerung

Kurzem noch

Holocaustgedenkens in Deutschland,

|

;

von

sei, hinaus erweitert. Wie Alexander,

Dialektik

assoztieren.

|

al

vor

internationales Archiy, vertreten

|

|

|

zeigt."4

den nationalsozialistischen Genozid über den nationalstaatlichen Rahmen,

an

der bis

eine verge-

Erinnerung, die den politischen Wert seiner Erinnerungsarbeit beeinträchtigt: Er riskiert, die Erinnerung an die Vergangenheit zu femi-

|

|

europäische Jüdinnen,

das Afroamerikaner,

sich

beleuch-

was er moralische Universalität nennt, also als Belege dafür, dass der Musterbeispiel für Grausamkeit ist, das unser Verständnis der Gegenwart voranbringen und ethisches und politisches Handeln fördern kann.“ Ein ebenso ehrgeiziger Versuch, einen Rahmen zu schaffen, in dem über die moralische Universalität des Holocaust nachgedacht werden kann, findet sich in Daniel Levys und Natan Sznaiders Schriften über »kosmopolitisches« Holocaustgedenken.“ Levy und Sznaider zufolge haben die Kräfte der Globalisierung die Erinne-

|

wohl aber, dass wir

trotz seiner aktiven

es

zu

mir hier betonten

Holocaust ein

einzigartigen und eindrucksvollen Bemühungen, -

auch immer

wo

das historisch Böse

eigne,

So wiirde Alexander die

dessen ansehen,

Vergangenheitsbewältigung aus der Bahn

Muslime und Muslima verbindet

schlechtlichte Vorstellung

1

:

ten,

sich wie kein anderes

Reaktionen auf den 17, Oktober aller Wahrscheinlichkeit nach als frühe Instanzen

Smith’ Roman gewesen

erkennen können, die den stets

Prozess der

zusammenzufiihren

Modells multidirektionaler

A |

notwendigen

werfen können. Trotz seiner

|

a

1

im

Maria und den nationalsozialistischen Genozid

einige Vermeidungsmechanismen aber ebenso stets

die

es

Schweigen

Stone Face

|

|

I

N

nicht, dass

behaupte

wäre, dieses historische

|

verleugnete

1970er-Jahren aufgebrochen werden

mentarfilm Das Haus nebenan in den frühen

I |

die französische Gesellschaft -

|

|

Ereignisses erhalten, das

Allgemeinen die was erst dank der geballten WirKollaboration und die Rolle des Vichy-Regimes kung von Robert Paxtons Geschichtsbuch Vichy France und Marcel Ophuls’ Doku-

Weltkrieg unbekannt;

305

Age, Philadelphia

a.

M. 2007

2006), sowie

des. Menory Unboard.

nach dem

»progressiven«

Levy/Sznaider,

Charakter der

denn Alexander

Darstellung

spricht erst

dann

ist

von

bei Alexander

einer

komplizierUniversalisierung des

7

ma)

|||

i

DieReaktion

|

auch

{1

i

Levy/Sznaider

Globalen

|

war

sich mit

die Alexander wie

zu

|

|

|

caust

Universellem

nutzen.

als

Ich

des Transnationalen, des

rückgängig

zu

machen. Im

des Holocaust preisen, oder auch kri-

die die

vertreten,

AspektderMultidirektionalitat

der

Holo-

verstanden werden sollte,

Erinnerung

Levy/Sznaider Einsichten in die globalen Dynamiken und moralischen Ansprüche kollektiven Holocaustgedenkens, multidirektionaler Erinnerung doch weicht die Perspektive, die ich hier

|

entwickelt habe,

|

im Zeichen Zwar heben die drei Kritiker Universa-

der dieser Autoren ab.“®

von

lität, Globalisierung und Kosmopolitismus hervor, doch sie erzählen die Geschichte

|

Holocaustgedenkens ausschließlich in Hinblick auf vermeintlich autonome Veränderungen in der Bedeutung des Holocaust. Damit verdecken sie die aktive Rolle, die andere Geschichten und Erinnerungen bei solchen Veränderungen gespielt des

i |

|a Z|

HT || |

Ihre denkens haben.

il

| 1 al |

»universalistischen« Argumente sind entschieden lokal und zuweilen Indem sie über die dialogischen Interaktionen des Holocaustge-

provinziell.

sogar

mit

den Erbschaften des Kolonialismus, der

zierung und der

vonMoralität,

zu

Wee g

|

eb: ebnen

füfür

neue

sich aber

zwar zu

keinem

transnationale

der Rassifi-

die Geschichte des Holo-

sie

Vorstellung heterogeneres

erzeugen letztlich auch eine

sie

abstrakt universell bleibt. Ein

\d

Vergleich Vera Vergleichen und Veralleiner allzu einfachen Universalisie-

.

rung verweigert, mag

Ve

von von

zugleich globalen Moralkodex führen, könnte aber den sokeite- und Solidaritätskonzepte, die GerechtigkeitsN

ne

nicht den leicht Wie in der Zeit

DIE UNIVERSALISIERUNG

UND

307

manipulierbaren abstrakten Code »Gut und Böse« reproduzieren. seit dem 11. September 2001 besonders deutlich geworden ist, bietet

|

i mm

Holocaust, ist. |

Hat

i |i iL

48

ME |

hay

a

i|

;

Ha

politischer

ich in

dargelegt rt von

Memory

habe, Menschenrechten insofern

aufgegeben worden and the Universaliza-

das

als das traumatische Narrativ

befördert, als die

auch tra

Levy

und Sznaider

Bemerkungen zu Europa als »Etinnerungsgemeinschafte. AssLevy und Sznaider: »Der Holocaust ist nicht zu einer einzigen universellen und gemeinsamen Erinnerung geworden, aber er ist zum Paradigma oder zur Vorlage geworden, durch die andere Völkermorde und historische Traumata sehr wahrgenommen und dargestellt werden. Der Holocaust hat damit andere traumatische Erinnerungen rund um den Globus nicht ersetzt, sondern eine Sprache für deren Artikulation geschaffen.« Ich stimme dieser Einschätzung zwar zu, glaube aber, dass Assmann die andere Siehe auch Aleida Assmanns

schreibt in Antwort auf

Seite. la ee nerung

an

des Holocaustalseinesolberetdas Ausmaß, demdie Entstehungstattgefunden in

Dialogs mit anderen Geschichten Kolonialismus und Sklaverei ist erstaunlich abwesend in den

hat.

eines

europäischen Gedächtnis,

A Community Europe: S. 11-25,hierS, 14.

die Assmann

of

Memory?,

in

diesem

Vortrag

Die

Überlegungen

Erin-

zum

anstellt. Siehe Aleida Assmann,

in: German Historical Institute Bulletin 40

| |

i

LT

N

https://pdfify.app/trial

(2007),

Gewalt. Eine Moralität »jenseits

Umständen die Risiken abstrakter

von

Gut und Böse« könnte unter diesen

singularer moralischer bereichsiibergreifenden Echos der Geschichte kann zur Entwicklung einer Vision beitragen, die die Ausweglosigkeit der Verantwortung zur Kenntnis nimmt: die schwierige Aufgabe, Mittaterschaft zu vermeiden, sich aber zugleich an die generelle Komplizenschaft des Vorlagen

Texte

und

Kategorisierungen

sehen. Ein multidirektionales Bewusstsein der

Mensch-Seins aus

zu

erinnern.

der Zeit des Massakers

17. Oktober 1961

vom

tragen

zu unserem

Ver-

Wirkungsweise von kollektiver Erinnerung und Komplizenschaft in kulturell komplexen Kontexten bei. Sie können helfen nachzuvollziehen, dass die Entstehung des Holocaustgedenkens in Frankreich Teil eines mehrteiligen Vorgangs war, bei dem ein Gespür für die Besonderheit jüdischen Leidens unter den Nationalsozialisten erst später um eine moralisch komplexere Wahrnehmung des Kontextes ständnis der

erweitert

wurde, in dem sich der Holocaust in Frankreich ereignet hat. Am

Journalismus der Epoche und

kolonialen

an

anti-

Smith’ Roman können wir außerdem

ablesen, wie diese Geschichte des Holocaustgedenkens in die Geschichte der Deko-

lonisierung eingebettet ist, die Frankreich in jenen Jahren erschütterte, Als sich Algerienkrieg auf sein Ende zubewegte, kamen zur Wiederkehr von Praktiken Folter noch allzu zu

einem

Diese aufkommende

zu

jijüdischen

Leidens i

Erinnerung diente wiederum

ein Vokabular für verletzte Ve Aktivistinnen

Identifizierungsprozesse

rassistische

vertraute

zunehmenden Verständnis

i

als

i

im

hinzu; beides trug

Zweiten Weltkrieg i

politische

Ressource:

über: Was,

von

wenn

Opposition gegen

den

blutigen

spätkolonialen

Erinnerungen leitet zu einer weiteren Ereignisse des 17. Oktober, die Zeit-

Pariser

deutlich so deutli

an

eri

d’Hiv’-Razzia die Vel’ d’Hiv’-Razzia erinnerten, auch Vel’

ie

so

die Saat für ein verspätetes Bewusstseins französischer Mitschuld sen des Weltkriegs säten? Auf der historiografischen Ebene

Zweiten

spekulativ

an

den

muss

Ereignis-

diese These

bleiben. Doch können wir riickblickend erkennen, dass der 17. Oktober

hte wea Didier

ein Anlass für solche Reflexionen der Komplizenschaft werden sollte.

orisch

das Massaker

von 1961 aus 8 größerem hi: Daeninckx’ aeninckx’ Kriminalroman Meurtres pour

Storischen

Kri

vena herausragende Bedeutung Enthitllungen

tiber

Papons

Relevanz des Themas

war

aufgrund

Komplizenschaft

i

der

Karriere noch in

i

etwa

und Michael Han17. Oktober die in

ft Komplizenschaft weiterentwickelt. Deren

behandelte Problematik der i

Di ies

(dt. Bei Erinnerung Mord), Leila

Jugendroman La Seine était rouge (dt. Die Seine war rot) Spielfilm Caché, wird durch die retrospektive Sicht auf den F

In . Te

Abstand Abstand bi betrachten,

mémoire

Sebbars

Stone

bot

N

ape

:

um eine

Geschichten und die

g enossen und Zeitgenossinnen genoss

The

Sie

bei.

mobilisieren,

Spekulation

ekes

der wie

Menschenrechte, auf das antikoloniale Aktivisten und

zurückgreifen konnten,

Diese Verschränkung

Narrativ

häufig

i

|)

Call

nationalistisch-progressives

Alexanders Darstellungbleibt, wie »Multidirectional of the Holocaust« dargelegt habe, insofern fortschrittlich, fortschrittlich,

mann

A

|||

bestimmtes

Alexander

|

I

ein

ton ofthe zufolg Holocaust

|

|;

wenn

tion

|

i:

genau dieser Code den falschen Rahmen für ein Nachdenken über die Erbschaften

Staat

|

I

1

und

zu

gemeinerungen akzeptiert,

1

i

die

Dekolonisierung,

vereinfachen

erstandnis moralischen Handelns, das die Bedeutung g

al

m ii]

Sklaverei

hinweggehen,

caustgedenkens nichtnsingulär ur unzulässig,

|

Bl]

1

8

Zusammenfassung

etwas

zu

Holocaustgedenken

Zwar finden sich sowohl bei Alexander als auch bei

ti)

|

ihren Schriften tiber das

tisieren,

|i | | | | Hd

|

|

eine Gelegenheit, Oktoberbeschäftigen, Begriffe

des 17.

Universalisierung Gegensatzhabe jenen, ich die These dass die transnationale Zirkulation des

ii

m

in

und des Komparativen zu

|

;

Ereignisse

habe mich bemüht, die allzu wohlfeile

||

|

|

MULTIDIREKTIONALE ERINNERUNG

|

|

|

auf die

jener Reihe ineinander verschränkter .

/

F

GESCHICHTE DREIER GHETTOS

|

7

|

8. EINE

306

i

seit den

i

i

frühen 1980er-Jahren

erfolgten

offenkundiger geworden. Erkennt man

die

diesen Werken, dann wird auch deutlich,

i

SS

|

|

7

|

|

308

|

11

3

|| | ||

GESCHICHTE DREIER GHETTOS

|

i

dass

|

|

ren

|

|

|

||

Dekolonisierung

um

auf

jener

Gedenkpolitik darstellt,

entsteht. Achtet

man

Ethik des Geden-

die

in

bestimmt wird.

|

|

.

Bewegungen

um

1961

nach

1961

geringen im

Geschichts- und Diskurs-

ein Comeback

erlebt,

was zu

einem nicht

Teil auf die »Wiederkehr« des 17. Oktober im öffentlichen Diskurs zurück-

die seit der

Jahr

autonome

finden, sollten aufgrund der Institutio-

des Holocaust und des Kolonialismus bald unsichtbar werden. Doch in

jüngeren Jahren haben solche Solidaritäten

Aufdeckung

von

Maurice

Papons Vergangenheit

als Kollaborateur

1981 und seit dem 1997/98 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen

ihn geführten Prozess zu verzeichnen gewesen ist. Das jüngere Interesse am Oktober-Massaker ist Teil eines zunehmend umfassenderen Interesses an der Epoche des

Algerienkriegs der Vichy-Zeit

=

| of

I4

ia

erte

|

| | Ll

men

a

||

erneu-

Verdichtung

in flüchtigen öffentlichen ForKonfigurationen und Wertigkeiten

zwar

ist der »heiße«

det, wonach »Lehrpline die positive Rolle der franzésischen Anwesenheit im Ausland, insbesondere in Nordafrika, anerkennen« sollen (Gesetz vom 23. Februar 2005).

verlangte zwar ein Jahr später die Aufhebung des Gesetzes, denn Franzosen spaltet, muss er umgeschrieben werden«, doch bereits Möglichkeit eines solchen Gesetzes hat verschiedene Gegendiskurse angestoßen.

Präsident Chirac

|

il|

»wenn

die

|

He

auf soziale Unruhenvon Jugendlichen migrantischen und Minderheitengrupden Rändern ausgehenpen in den Vororten größerer Städte. Die im Herbst 2005

Hl

ij IM Le i)

der Text die

Chiracs Rückzieher reagierte auf Proteste von Intellektuellen gegen die im Gesetz erkennbare Beschönigung des Kolonialismus und, unmittelbarer und genauso wich-

Al

tig, |

aus

von

7

den Proteste stießen international auf Aufmerksamkeit; viele Beobachter wunderten sich über die Tiefe der Krise Frankreichs und seine

Unfähigkeit,

sich den Erbschaften

des Kolonialismus und der

|

il

den Riots und der

Dekolonisierung zu stellen. In der Zwischenzeit, zwischen faktischen Aufhebung des Gesetzes, verfasste eine Gruppe pro-

minenter Historiker und

Hi

)A

iae|

historischer

von

sche Parlamentarier und Parlamentarierinnen ein umstrittenes Gesetz verabschie-

Way

i|

Besatzung

beunruhigender

Faszination

hinzukam. Dieses

weiterhin im Mittelpunkt vieler zeitgenössischer algerische Revolutionskrieg qualitatiy anderen Kampfen um Pädagogik, Erinnerung und Geschichtsschreibung gewichen. Ein Ereignis im Feld von Recht und Politik fand besondere Resonanz: Anfang 2005 haben franzési-

|

|

zurbereits längeren

Überschneidungen seit den frühen 1960er-Jahren verändert.

Konflikte, doch

i

|| Wy

was

kursieren. Doch haben sich die besonderen

Der Kolonialismus steht

|id ae

m |

anderswo,

und der nationalsozialistischen

Interesse ist in einer Zeit besonders

solcher

a

Hh

in Frankreich und

entstanden, während der multiple Vergangenheiten

}

Il

N

+

Solidaritäten, die sich als

geht,

|

+

bereiche in Texten und

|

|

multigenerationeller Erinnerung

Die multidirektionalen

i

N

N

.

nalisierung

Hl | N

.

-

ia | ri

N

Die Ethik

sowohl auf die ethischen

{1 yt)

| i)

9. Versteckte Kinder:

unmittelba-

die politischen Aspekte der Erinnerung, schafft das ein Bewusstsein für »Gegenwarte eines jeden Kontextes so, wie er durch multidirektionale Stréme der Geschichte und Schichten ungleichmäßig aufgearbeiteter historischer Zeiten

| |

|

Fragen intergenerationeller Übertragung sensible

die

||

|

|

Kämpfen

als auch

i

|

eine für

kens eine notwendige Ergänzung

|

i

;

8. EINE

Historikerinnen, darunter

Pierre

Vidal-Naquet

und Pierre

Nora, der Initiator des Projekts Lieux de mémoire, die Petition Liberté pour l’histoire

Hl

(Freiheit für die Geschichte). Besorgt über staatliche Eingriffe

LE

A

https://pdfify.app/trial

in den

Zuständigkeits-

7

gael| _ i

|

|

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ly| |

aa

professioneller Historiker und Historikerinnen, aber auch über die häufiger werdenden Forderungen zivilgesellschaftlicher Gruppen, die Geschichtsschreibung zu revidieren, um den sich wandelnden gesellschaftspolitischen Umständen gerecht bereich

|

Ads ||

i

|

es

|

|

zu

werden, erklarten die Unterzeichner und Unterzeichnerinnen: »Die Geschichte ist

keine

|

Religion. [...]

Sklave der Petition

|

Hd

||

Die Geschichte ist keine Moral.

Gegenwart. [...]

verallgemeinert

Erinnerung

|

|a erin

;

9. VERSTECKTE KINDER

310

|

zurDarstellung

|

Regimes unwiirdig

|

lichkeit

BE

Gesetzes

13.

vom

Kampf

um

die Geschichte des Kolonialismus und die

|

zu

sinde: des

Gayssot-Gesetzes

i [1

vertreten

|

I ir

Hat

| =

|| |

I i) | Li

die Position, dass zwischen

einigen

anderen Gesetzen

Gayssot-Gesetz

differenziert werden sollte.

zur

-

Buches, das |

|

| rl

| i

geschrieben, die sich ergeben, wenn Historiker und Historikerinnen als Sachverständige vor Gericht auftreten eine Situation, von der er glaubt, dass seine Kollegen und Kolleginnen aufgrund der sehr unterschiedlichen Verfahren und -

Wahrheitskriterien

|

||

|

|

aes

l

|

|

|

|

sogar unhaltbares Verhältnis

vom

Februar 2006

legt

zu

ihrem

Pierre Nora rhetorisch

Die Petition erschien zunächst

in:

Liberation,

13. Dezember 2005,

https://www.liberation.fr/

A Gesetzen finden sich in

Juni 2006), S. 3

Rousso viele

Hl

4

geht

dieser

31

Erinnerung im öffentlichen Diskurs Frankreichs: »Wir sind von einer bescheidenen Erinnerung, die nur verlangte, eingelassen und anerkannt zu werden, übergegangen zu

einer, die bereit ist, sich mit allen

Mitteln durchzusetzen. Ichhabe es

an

anderer Stelle

‘Tyrannei der Erinnerung: beschworen; ware notwendig, heute von ihrem Terrorismus zu sprechen, geht weit, dass wir weniger für das Leid sensibel sind, das

eine

die

Es

Erinnerung ausdrückt,

so

als für die

Gewalt,

mit der sie sich Gehör verschaffen will«

Hervorhebung M.R.). verteidigt die »Grundprinzipien« der Geschichtseine schreibung gegen aggressive und »pathologische« Erinnerung und befiirch(S. 9;

Nora

tet, die

sei »von einer Neuschreibung der Geschichte Opfer bedroht« (S. 9). Problematisch an Erinnerung ist für Nora, wie fiir die anderen Liberté-pour-I’histoire-Historiker, dass sie die »nicht manichiische Geschichte« moralisiere und soziale Spaltungen begünstige:

zeitgendssische Gesellschaft

Sicht der

aus

»Das wirkliche Problem ist

weniger die Konkurrenz oder Solidarität der Opfer als

vielmehr die konflikthafte

Inkompatibilität von Erinnerungen. Angesichts dieses schwierigen Problems sehe ich keine andere mögliche Antwort als die einer Autoritat der Versshnung (une autorité de conciliation). Diese kann zwei Gestalten annehmen, natürlich ohne Zwang, allerdings setzen beide voraus, dass sich Historiker und Politiker zusammenreißen«. Die politische Rede ernsthaften und

ist

unverzichtbar, vorausgesetzt, dass

Versöhnung

durch Geschichte dauert

wird, denn die besten

mutig und frei

länger.

gesellschaftlichem

positioniert, alles

und auch,

sie

Sie ist

von

Demagogie

was sie

-

und für alle



Druck und intellektueller sagen,

zu

[...]

ist.

aber, die letztlich benötigt

es

Erinnerung spaltet, allein die Geschichte kannEinheit stiften.

toriker sind zwischen

Nora und

|

seine

die

was

His-

Expertise

Vergangenheit

am

zulässt,

nicht gestattet.« (S. 9)

derSonderausgabe

Colonies: Un débat francais

von:

in

seiner

sehr relevanten Reihe

Henry

von

Interviews mit

Rousso, The

Le Monde 2

Justice in ContemporaryFrance,Phi ladelphia BuokiPrachons sla France est malade de mémoires,

2002. Siehe

(Mail

Petit nuanciert auf

Philippe History, Memory and Conan/Elenry Rousso,

sa

(EN

IM A

https://pdfify.app/trial

Kolleginnen

äußern

.

das Interview mit ihm zeigt auch, dass das, Spiel steht,

über das akademische Fach

;

von

was

wichtige Bedenken hinVergangenheit macht, doch

zwar

der

in den aktuellen Debatten auf dem

hinausgeht

und das Verhältnis

von

Identität,

Gedächtnis und Staat betrifft, Vor dem Hintergrund der jüngeren sozialen Unruhen yon Jugendlichen aus migrantischen und Minderheiten-Communities kniipft Nora eine

Assoziationskette, die Erinnerung

mit vermeintlicher

Pathologie,

Irrationalität

Opfer

der Geschichte verbindet. Seine Aussagen räumen implizit auch eine Krise staatlicher Anerkennungs- und Versöhnungsmechanismen ein; und

le Schwäche des Stutes und die Entzweng der Unterdrückten empfiehl gebieterische Heilkräfte Historikern und Historikerinnen. Nora richtet den

Nora

von

seine

Haunting Past: auch Eric

und

gz DE

3.

Themen ein. Siehe

Kollegen

sichtlich des Gebrauchs, den die Öffentlichkeit

und Gewalt der

I]

/a

schwieriges,

ein

In einem Interview fiir Le Monde

m|

fl

in

nach.“ Nora greift Roussos Anliegen auf und beklagt die aktuelle Bedeutung der

|

|

nur

Fach geraten können.?

1

1961

mit Eric Conan verfasst hat. Rousso hat auch leidenschaftlich über

er

Probleme

WE

LA

(insbe-

Holocaust-Leugnung) Doch die Libert&-pour-T’histoire-Historiker drücken eine immer stärker ausgeprägte Ungeduld gegenüber der in Frankreich so genannten devoir de memoire (»die Pflicht, sich zu erinnern«) aus und äußern den Eindruck, die Vergangenheit sei Gegenstand politischer und moralistischer Manipulation geworden. So hat beispielsweise Henry Rousso, Autor des Standardwerks über die Erinnerung an Vichy, ein von ihm so empfundenes mittlerweile unverhältnismäßig judäozentrisches Verständnis der Vichy-Jahre verurteilt, als eine »Vergangenheit, die nicht vergeht« so der Titel des sondere dem

I|

8

über Verbrechen gegen die Menschunter Strafe stellt, des

dem Gesetz des 23. Februar 2005 und zumindest

ll

23. Februar

vom

Juli 1990, das die Leugnung des Holocaust

Andere Historiker und Historikerinnen

|

des Gesetzes

traumatischen Geschichten, die »eines demokratischen

||

N

|

nur

rinnen

| |

| HH

des Gesetzes.«! Die

vom 29. Januar 2001, das den Genozid an den Armeniern und Armenieanerkennt, und des Taubira-Gesetzes vom 21. Mai 2001, das Sklaverei und Sklavenhandel zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit erklärt.?

Hi

N

Die Geschichte ist nicht der

[...]

Gegenstand

des Kolonialismus im Unterricht, sondern dariiber hinaus einer

Reihe weiterer Gesetze

i

den

ihn; sie fordert die Aufhebung nicht

an

2005

|}

Die Geschichte ist kein

DIE ETHIK MULTIGENERATIONELLER ERINNERUNG NACH

Kritik

17. Oktober 1961, doch vieles

die ihm

Unbehagen

ren von unten

rinnen und

zwar

an

nicht

an

die Adresse der

ihr scheint der Art

bereitet. Durch

Bewegungen

von

der

Erinnerung an Erinnerung zu entsprechen,

»Opfer«

und ihrer Nachfah-

beférdert und angeregt durch die Vorstellungskraft von Romanautohat sich die Erinnerung an den Oktober 1961 binnen

Filmregisseuren,

7

PT

||

.

|

i

|

9.

312

DIE ETHIK MULTIGENERATIONELLER ERINNERUNG NACH

VERSTECKTE KINDER

1961

333

a

| |

|

Bruch

|

Aufgabe des Staates sein kann, Geschichte zu schreiben, und dass Geschichte kein Gegenstand der Rechtsprechung sein sollte. Ich breche allerdings mit der Stoßrichtung und den von Nora im Interview mit Le Monde vorgetragenen Ideen zur Frage der Erinnerung. Im Gegensatz 2u



den französischen Historikern und Historikerinnen argumentiere ich, dass die For-

traumatischen

|

| || 14

pour-I’histoire-Position:

|

|

|

|

N

definiert,

|

Il 8

Öffentlichkeit aggressiv Geltung verschafft. Das Argument, das ich hier entwickle, stützt einen der Aspekte der Liberte-

fünfundzwanzig Jahren

es

KA

/

|

i

|

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an

dem »Leid

[...], das

in der

greift

er

der

erinnern.

Die drei

Texte,

mit denen ich mich in diesem

dierungvon Erinnerungen ebenso

Hae

ten. Da sie der

Konflikte eine

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will«,

-

könnte. Nicht

|

Frage

der

wie

Tradierung

Bühnebieten, fordern

Eltern erlebt haben

schaften der

IM

|

ZA

IB | 8 | |

|

den Charakter der anhand

uns

von

weitergegebenen Geschichintergenerationeller

Didier Daeninckx’ KriminalromanBei Erin-

|

|

-

ein

Verhältnis, das sich durch die hier untersuchten Texte zieht

mit

der Idee einer

Postmemory beruht

auf intimen

Vermittlung anlehnt,

dert- bzw. vorn

Ve

Charakter aller

Postmemory sind just

-

der Punkt,

an

-

erinnert, diese

Eigen-

dem das multidirektionale Zusam-

Erinnerungen nur scheinbar separater Geschichten nationaler oder ethnischer Gruppen stattfindet. Die drei in diesem Kapitel untersuchten Texte rufen mitunter subdarunter der algerische Unabhangigkeitskrieg, der Zweite Weltalgerische Bürgerkrieg der 1990er-Jahre, der »Krieg gegen den Terrorismus« und die Not papierloser Migrantinnen in Europa keinen diedoch sie lassen sich In ihrem und Kontexte reduzieren. kontextual oft ser komplexen enigmatischen Verhältnis liegt auch ihr Versprechen, ein Nachdenken über eine Ethik multidirektionalen Gedenkens in einem Postmemory-Zeitalter zu ermöglichen. Noras Behauptung, aktuelle Versuche, die Geschichte aus der Opferperspektive til viele Kontexte auf

|

krieg, |

-

der

dabei einen bestimmten Moment der

Jahrtausendwende markierend,

und in dem

man

die

Gegenwart

in

in

dem

man

auf

Bezug

|

|

| |

umzuschreiben, würden auf eine Art Gedenkterrorismus hinauslaufen, und erkenntnistheoretisch bedenklich. Aber

rhetorisch

Herausforderung

zu

igno-

im

Jahrhun5

Marianne Hirsch, The Generation of

hier S. 106.

|

https://pdfify.app/trial

anstatt Noras

Folgendenauf drei Werke, die seine Sorge zu bestätida sie bewusst als verstörend, gewaltsam und sogar terrorischeinen, gen Erinnerung sierend darstellen. Die vielfältigen Strategien, durch die diese Texte die »gespenstische

unruhige Vergangenheit

Kl

ist

|

eher zurückblickt als nach

eine

auf

-,

|

rieren, konzentriere ich mich

und der

|

späte Charakter der Postmemory an den Erinnerungen an deren Konstruktion von

dass der vermittelte und

späten

von

»Postmemory teilt den Schichtaufbau dieser anderen »post-Begriffe, und ihren Verspätungscharakter, indem sie sich an die Praxis (oder Praxen) des Zitierens

Hh

sein

liegen zahlreiche |

|

|| N | Hl

Erinnerung

Die meisten

Narrativen

aufdie

Wer | |

Multidirektionalität der

disparater historischer Vorstellungswelten ansetzt. Erérterungen von Vergangenheitsbewiltigung neigen zu der Annahme einer Homologie kollektiver Erinnerung und nationaler oder ethnischer Identität: Es Darstellungen und Kritiken der Art und Weise vor, wie Deutsche oder ihre Franzosen Geschichte aufgearbeitet haben. In diesem Buch habe ich betont, dass Vergangenheitsbewiltigung stets in komparativen Kontexten und durch Zirkulation

Kapitel befasse, behandeln die Tra-

unpersénlichen Geschichte noch mit der einer einzigartigen persönlichen Erinnerung endgültig beizukommen ist. familiären Erfahrungen, hat aber im Zeitalter der Massenmedien, zwar die sich obsessiv mit unbewaltigten Gewaltgeschichten befassen, wichtige Auswirkollektive Erinnerung. Hirsch vergleicht ihren neu geprägten Begriff kungen mit anderen »post«-Begriffen wie »postkolonial«, »postsäkular« und »postmodern«: und dem weder

|

von

Netzwerken räumlich und zeitlich differenzierter »Momente«

ihres

Erinnerung zu der von Marianne Hirsch so genannten »Postmemory« zu reflektieren. Hirschs Begriff soll das spezifische Verhältnis von Kindern zu den traumatischen Ereignissen erfassen, die deren

ea

nur,

vermittelten und

Dadurch wird die

-

—,

eine bestimmte Version

Postmemory

Caché (2005) auf, das Verhaltnis von multidirektionaler

|

| || i 7 | i| i |

Begriff

andere

-,

(1984), Leila Sebbars Jugendroman La Seine était rouge: Paris, octobre 1961 (Die Seine war rot: Paris, Oktober 1961, 1999) und Michael Hanekes Thriller

II

auf generationenübergreifender Ebene.«*

wie an Holocaustforschung entwickelt, bietet sich Hirschs sie selbst sagt ihn auf Bereiche zu übertragen. Die in diesem Kapitel untersuchten Texte veranschaulichen, dass sich die Struktur von Postmemory in postkolonialen Kontexten wie der Situation nach dem Algerienkrieg besonders deutlich manifestiert, und sie ermutigen uns, noch einen Schritt weiter zu gehen. Was Hirsch nicht sagt obgleich ihre Darstellung die Möglichkeit nicht ausschließt ist, dass

nerung Mord

||

oder

mentreffen

|

il

Belastungsstörung)

Im Kontext der

einen

1960er-Jahren

Postmemory keine Bewegung, Methode

und

Erinnerung

Weitergabe und Vermittlung der Erinnerung genauso wichtig wie die

in

Ausdruck. Und doch ist

Weitergabe von traumatischem Wissen und traumatischen Erfahrungen. Sie ist, eine Folge der traumatischen Erinnerung, allerdings (und anders als bei der post-

Inhalts.

a | Lil

/ |uli || ia | IL HE

zu

von

der »Gewalt, mit der sie sich Gehör verschaffen

die Zeit zwischen den 1940er- und den

Frage

A

a

Aufmerksamkeit

zivilgesellschaftliche Gruppen

die

zum

neue

Idee; ich sehe sie vielmehr als eine Struktur der inter- und transgenerationalen

wichtigen Aspekt der jüngeren akademischen und künstlerischen Herangehensweisen an den 17. Oktober und die Shoah auf: die Betonung der Mittel und Modi der Übertragung von Erinnerung. Je häufiger eine Nachkriegsgeneration die andere ablöst, desto geringer wird die Zahl derer, die sich noch persönlich

|

|

unsere

Ausdruck kommt«,

lenkt,

| | ia

Erinnerung und Gegenerinnerung,

Wenn Nora

| zum

ili

der

Paradigmen zu initiieren. Wie die anderen »post«-Begriffe Postmemory ein unruhiges Oszillieren zwischen Kontinuität und

anstatt

kommt auch

nicht

Instrumentalisierung ergeben.

men

|

a

N

dass

öffentlich zirkulierende Texte kreieren, wesentlich sind für den Widerstand gegen jene Homogenisierung und Moralisierung der Erinnerung, die sich aus staatlicher

i

N

Vorstellung,

die

|N Wid) ll

|

,

in der französischen

Postmemory,

in: Poetics

Today

29

(2008), S. 103-128,

a

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|\

|

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:

1]

Aufdeckung verborgener Geschichten,

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Oktober 1961

yo Le

Texte nicht i

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a al | Wal Ht |

|

eee

Fy

ins

Unterweisung Erinnerung in ethische Subjekte verwandeln,

in

einer Ethik

gesellschaftliche Einheit im Sinne Noras fördern, sondern die Achtsamkeit auf

Bese

die

a

von Sebbars Roman,

matische Geschichten endlich

“bol »Hard-boiled«

Stein

im

im in

Zweiten

angemessenes

.

Boi

Bei

-

Roman Bei

Verurteilung

Begräbnis

Maurice

erhielten,

Evi

Erinnerung Mord

Erinnerung Mord

von

Papons

1984 wird

vom

a

fie häufig

Oktober 3961

wegen seiner

antijüdischen

als

|

i

Aktivitäten

i

r

ver!

ist Bei

Mit

tr:

den

verbindet

Algeri

des

Erinnerung Mord,

in

der hier

eingeführten Begrifflichkeit,

ent-

ein

nur

zwei

über folgenden Jahrzehnten beschäftigthaben, auch zwei Gattungen, die genutzt in und dem Ereignissen

Geschichten zusammen, er

en

bezeichnet.

schieden multidirektionaler Text. Darüber hinaus führt der Roman nicht

|

Mei 1

ICE veifsst prindunklen gt trenmati sche und umstriteneGeschichten Vergangenheiten Vichys und ies

eine populäre Form.

enkriegs

ein

Öffentlichen Bewusstsein des Massskers

Kurz nach der i

bedeuten

ich

Erinnerung:

Didier Daeninckx’

Stimme. mit dem 17. Oktober im litera-

mit

Filmen

multidirektionalen Echos lenken, die das Terrain der Politik konstituieren. Inspiriert mit der Frage, was es schlieBe würde, wenn trau-

die .

weite Teile dieses Buches

N

N

uns

.

she

wiederholt

sich fiktional

den

des Oktober 1961

national-

Bei

wurden,

tur, die auf die

sozialistischen Genozid auseinanderzusetzen. Daeninckx kombiniert Geheimnis,

Erinnerung Mord. Der viel diskutierte Roman hat eine erstaunliche ErzählstrukNotwendigkeit zu verweisen scheint, die Spezifik multidirektionaler unter den Bedingungen der Postmemory zu durchdenken also unter Erinnerung den Bedingungen der Auseinandersetzung spiiterer Generationen mit den traumatischen Vergangenheiten ihrer Eltern. Bei Erinnerung Mord hat eine Generation nach den Ereignissen zu einer erneuten Auseinandersetzung mit dem 17. Oktober beigetragen und den Boden fiir Hanekes und Sebbars Werke bereitet, da der Roman zum Nachdenken darüber auffordert, was es bedeutet, wenn Geschichten verborgen bleiben, und was es bedeutet, sie ans Licht zu bringen. Hanekes Film schließt sich Bei Erinnerung Mord an, da auch er Fragen der Erinnerung vor allem anhand von

eson tere

Famili hichten, insbesondere Vater-Sohn-Beziel ins! ‘amiliengeschichten, bars

Jugendroman

Vater-Sohn-Beziehungen,

La Seine était rouge: Paris, octobre 1961

nerationeller

sich auf

ver-

in

}

S.

Bthik,

91,

a

N

Wi il A | ty|

https://pdfify.app/trial

in

des

Ereignisses bezeugen)

Veröffentlichung |

von

die Gründe für diese

in

den beiden

Jahrzehnten zwischen dem Massaker und

Daeninckx’ Krimi wenig Aufmerksamkeit zuteilwurde, liegen Hand.“ Wie könnte man ein Ereignis, das

Gattungswahl auf der

|

7

Didier Daeninckx, /

2003. |

8

ZurFortdauer ner,

Badiou, Ethik, $, 91, 64.

Offenbarung in der Handlung eines Polizeithrillers mit intergeGeschichtstradierung. Elemente dieser beiden Gattungen finden sich

Hanekes Film und Sebbars Roman. Da dem 17. Oktober beispielsweise Smith’ und Werken 1961 (trotz Roman den algerischer Schriftsteller, die Spuren der

|

6

mit

und

später

kundet, let. Leila Leila Seberkun Sel

beschaftigt

um

Aufdeckung

-

ye He

5

die

in allen drei hier untersuchten Texten die verbor-

Auseinandersetzung

von

.

Sti

Text leitete die

sich La Seine zentral

der Rolle

Trotz dieser Unterschiede soll die in allen drei Fallen aufscheinende Ethik nicht

-,

rischen Mainstream Frankeichs ein: Didier Daeninckx’ 1984 veréffentlichter Thriller

|

ET

mit einer

einziger

in

multidirektionaler

.

Ein

Erbschaft einer gewaltsamen

setzt

sowie

zu

_

iner

antizipierend,

Erinne-

von

nero,

terrorismus soll vielmehr das Publikum durch dessen

genen Leerstellen sind. Insofern aber ethische Treue die Neugestaltung individueller und kollektiver Geschichte aufgrund dieser Gewalt nach sich zieht, sprechen die

a

ed

bei der Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit mit ethischer Varianten der Erinnerung auseinander. Während Daeninckx und Sebbars Romane unterschiedliche ethische Subjekte der Erinnerung (und der Film keine Postmemory) hervorbringen, hat Hanekes positive Gestalt des Subjekts der Treue bieten. Die Caché Werk gesetzte Inszenierung des Erinnerungs-

;

zusammenhängen,

die die

Herstellung

i

>

il

|

nichtvorausgesetzt

:

Fragen der

Situation rekonstruieren

~

-

Film Formen,

SE

Traumata und

Wahrheit konstruieren

a |

N

schwierigen intergenerationellen Tradierung

Weise mit der

rungen und erkundet wie Hanekes Vergangenheit annehmen kann. Caché

gesellschaftlicher Spaltungen konstituiert die ethische Dimension multidirektionaler Erinnerung. Sie implizieren die Notwendigkeit einer Open-end-Treue, die an Alain Badious Ethik der Wahrheiten erinnert. Badiou zufolge bedeutet Ethik, auf eine bestimmte Art auf ein Ereignis zu das den bis dahin oder die »Liicke« verborgenen Widerspruch reagieren, (trouée) in einer Situation sichtbar werden lässt; ethische Treue bedeute eine »fortgesetzte Erkundung der Situation« im Lichte des Ereignisses, um ein neues Subjekt zu »induzieren« das eine neue und die gesellschaftliche kann Badious Hinweis, das ethische Subjekt gehe aus der Untersuchung der Lücken der Gegenwart erst hervor und kann der Untersuchung werden erweist sich einer multidirektionalen Ethik der Erinnerung als besonders dienlich. Daeninckx, Haneke und Sebbar lege alle nahe, dass Erinnerungsarbeit von der Gegenwart ausgeht: Ein Individuum untersucht aufgrund der Widersprüche seiner Situation die Vergangenheit, wodurch es ein Subjekt Badiou’scher Treue und ein Agent der Erinnerung wird, Wie in The Stone Face ergibt sich diese Bewegung vom Individuum zum Subjekt und Handelnden aus einer Anrufung, doch scheint die Anrufung hier weder vom Staat noch von einer Gegenkraft (wie den Algeriern und Algerierinnen in Smith’ Roman) auszugehen; sie scheint Resultat der Geschichte selbst, des häufig übersehenen oder vergessenen Archivs der Gegenwart. Es ist leicht dass verdrängte persönliche und politische Ereignisse, die mit dem zu erkennen,

\|

|

N

gleichbare

Vergangenheit« in den Vordergrund stellen, erzeugen allerdings keine Spaltung, sondern wollen vielmehr bestehende unverarbeitete Spaltungen sichtbar machen. Ihre >

i

315

|

|

i

|

»HARD-BOILED« ERINNERUNG: BEI ERINNERUNG MORD

9. VERSTECKTE KINDER

314

|

| 1

can

pour Paris1984, dt.: Bei Erinnerung Mord, als Thema algerischerSchriftsteller siche Seth GraebEn

Meurtres mémoire,

des 17. Oktober

Remembering

172-197.

Heilbronn

Werk

17 October 1961 and the Novels of Rachid

36 (2005)4,S.

Literatures

im

nn

Boudjedra,

in: Research

in

Afri-

1

a

i:

7

316

7

|

eine Generation

|

stellen als durch eine

i

|

Elternteils und eines Kindes miteinander verbindet? Doch die

|

|

ganz

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|

Im

dem öffentlichen Bewusstsein sich

um

Intrigen

getilgt wurde,

Erscheinungsjahr

||

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| ||

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|

Dinge liegen nicht

12

|

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der

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Jan

ankiindigt. Außer ersten Kapitel von

auf. Doch

gibt

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hüllender

|

an

am zu

Passagen

zum

17.

zwar

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Zusammenfassung

von

der

Thirauds Sohn Bernard: Zwei Monate nach dem Tod

seines

Bernard 1982 während eines Besuchs in Toulouse ebenfalls

|

Vaters

kaltblütig

geboren,

wird

ermordet. Sein

au

|

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im

weder der Mord

Zu diesem

von

Mittelpunkt Cadins an

Bernard noch der

an

Besatzung und Roger und Licht

Holocaust

Beteiligung

Vichy-Regimes

des

gelangen, Figur veriibt

die während des Holocaust

erinnernden

zwischen der historischen

gebracht zu haben) am

ans

der

Bernard sind ermordet worden,

Wirkung

um von

worden sind, die nach wie

des Romans (den

und seinen erzählerischen Mitteln

17. Oktober

(die die französische

aufdecken) entsteht durch die hard-boiled-Krimigattung,

verbindet. In der Zeit zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem

Höhepunkt der Dekolonisierung zu Beginn der 1960er-Jahre hat sich die Gegenüberstellung der (wie auch immer jungen) Holocaust-Vergangenheit und des anhaltenden Konflikts in der kolonisierten asymmetrisch und anachronistisch niedergeschlagen was Texte wie The Negro and the Warsaw Ghetto, Chronik eines Sommers, Les belles lettres und The Stone Face belegen. Anachronismen spielen in

Welt haufigzeitlich

-

den Texten der letzten Jahrzehnte des 20. und der weiter eine |

ersten

Dekade des 21.

geworden (wie unabgeschlossen

In dem Maf, in dem sich die beiden

deren

Ausbleibens

-

in den letzten |

in den

Mittelpunkt.

Erinnerung gerecht Jahrzehnten

zu

Aufarbeitung auch

sein

zeitlich voneinander

Ereignisgruppen beziehungsweise ihres

entfernen, rücken Fragen intergenerationeller Tradierung kollektiven

Jahrhunderts

wichtige Rolle; allerdings sind Holocaust und Dekolonisierung in diesen

Texten »Geschichte«

mag).

Rufeines Enthül-

Ereignisse des 17. Oktober vorgelegt hat (einschließlich des fiktionalen Todes von Roger Thiraud), springt die Handlung zwanzig Jahre in die Zukunft und erzählt in einem kurzen, halben Kapitel die Geschichte der letzten Tage

|

onen

Oktober, die bei Erscheinen des Romans

sel, die in dem Roman eine Rolle spielen. Gleich nachdem Daeninckx eine kurze

gewisser Machismo).

die auf solche Umwege spezialisiert ist. Diese Spannung wirkt sich wesentlich auf das Nachdenken über multidirektionale Erinnerung aus, da sie mehrere Generati-

die Aufnahme mehrerer ent-

(was dem Roman zu Recht den

Spannung

Licht

Mitschuld

Latein-

lungsbuchs eingetragen hat), doch letztlich ist das Massaker nur zufällig oder bedingt mit der Romanhandlung verbunden. Tatsächlich gibt es außer der Ermordung Rogers mindestens zwei weitere Rät-

hochrangigen, an Papon im Polizeiapparat arbeitet.

Die ans

einem Pariser

mit Einzelheiten

-

nationalsozialistischen Genozid.

verhindern, dass Verbrechen

vor

des

eines

und damit des Romans

einer

Handlungsstrang, Thrillers Mittelpunkt

Roger Thiraud,

-

Zeit der nationalsozialistischen

der Demonstration erzählen die

den letzten Stunden im Leben des

kaum bekannt gewesen sein dürften

HT

i vi

Zerschlagung

Thibaud wahrend der Demonstration erleichtert

A

|

der brutalen

ein

Roger ist, sondern die Verbindung zwischen beiden. Diese aufzudecken erfordert eine Rückblende von 1982 in das Jahr 1961 und schließlich in die 1940er-Jahre, die

der

einen zweiten

Gymnasium, der während der Demonstration vor seiner Wohnung vorsitzlich niedergeschossen wird, nur einige Schritte von dem Ort entfernt, an dem die Algerier und Algerierinnen massakriert werden. Die Frage, weshalb man diese scheinbar belanglose Figur kaltbliitig ermordet hat, ist ein zentraler Aspekt der im Roman entwickelten Intrige. Daeninckx’ Narrativ behandelt die Ereignisse des 17. Oktober nicht als verborgene und verdringte Vergangenheit, sondern als Anlass, einem anderen Rätsel nachzuspüren. Die Ermordung von Roger

ee | 4

lDa; Hl

von

und Geschichtslehrers

a

1

Ermittlungen



mit dem der Demonstration verwoben ist und das Rätsel im

|

| lm

'

in Sportstadien am Romanhandlung wieder

(schwarzer Humor, Ironie,

Zeitpunkt wird rasch deutlich, dass das eigentliche Rätsel

oder verhaftet und in die provisorischen Stadtrand verschleppt worden. Keine der Figuren taucht in

Lager

ml |ML

|

tivromanen aufweist

—-

Bonne-Nouvelle Metrostation ermordet

| | A Hal

auf, die

~

|

317

die ersten zweieinhalb

1984 mit dem Grand Prix de la Littérature Policiére und

auf den

| |]

ERINNERUNG MORD

Tod markiert einen

~

|||

i

BEI

wichtigen Wechsel in der Erzählform des Romans. Während sich Kapitel eines externen Erzählers bedienen und zwischen einer Reihe figurengebundener Verkörperungen wechseln (von denen die meisten bald sterben), wird der Rest des Buchs (mit Ausnahme eines kurzen Kapitels) von Inspektor Cadin erzählt, dem der Mordfall des jungen Thiraud zugewiesen wird und dessen Erzählstil Eigenschaften der als hard-boiled bekannten Gattung von Detek-

besser dar-

dreht und die Schicksale eines

einfach.

die

{1

Ta

|

aus

Erzählung, die

»HARD-BOILED« ERINNERUNG:

ausgezeichnet, weist Bei Erinnerung Mord nicht man angesichts der geradezu mustergültigen Rolle gerade Handlung des Romans bei der Heranführung eines breiten Publikums an die Ereignisse des Oktober 1961 erwarten würde. Mit seiner gesellschaftlichen Wirkung hat der Roman des Massakers an Algerizwar zur Offenlegung einer »verborgenen« Geschichte Straßen der Pariser Innenstadt ern und Algerierinnen beigetragen, doch in narrativer Hinsicht funktioniert der Roman anders. Das Rätsel, dessen Lösung man erwartet, ist tatsächlich Ausgangspunkt der Handlung. Bei Erinnerung Mord beginnt in der bidonville von Nanterre und folgt den Aktivitäten mehrerer Algerier und Algerierinnen, die sich auf die beispiellosen Demonstrationen in der Pariser Innenstadt vorbereiten und an diesen teilnehmen. Bis zum Ende des zweiten Kapitels sind alle Figuren, die diese Ereignisse verkörpern, entweder verstorben vor der

|

|

.

so

lang

KINDER

dem Prix Paul Vaillant-Couturier

|

N

VERSTECKTE

|

a

i:

5

9.

-

Um dieser Transformation der individuellen und

werden, hat sich speziell die Holocaustforschung

mit den Geschichten der zweiten und dritten Generation

befasst und ästhetische Formen und

analytische Kategorien

Begriff »Postmemory«

für diese

neuen

Erinne-

rungsphänomene um diese überwiegend Post-1970er-Jahre-Entwicklungen konzeptionell zu erfassen. Die eigenartige strukturelle Beziehung von Bei Erinnerung Mord zu »verborgenen« Vergangenheiten bestätigt die engen Verbindungen zwischen Postmemory und multidirektionaler Erinnerung, Letztlich beruht das Rätsel im Mittelpunkt des entwickelt. Hirschs

Romans weder auf den

Ereignissen

des 17. Oktobers 1961

war

besonders nützlich,

(wie sehr

sie dem breiten

|

|

fai)

a L

:

a

318

1

verborgen

sein

zu

scheinen) noch auf denen des Holocaust (wie

»gegenwärtig« sie demselben Publikum Bei Erinnerung Mord das Rätsel, das

|

1

»HARD-BOILED« ERINNERUNG: BEI ERINNERUNG MORD

g. VERSTECKTE KINDER

Publikum auch

|

|

14

7

|||

geworden sein mögen).

auch



der Roman inszeniert,

|

und Bernard Thibaud stehen fiir das fehlende

an

verschiedener

Roger

zu

den

Daeninckx

fiktionalen

Verbindungsstiick

| |||

a

:

u

|| | | r

|

also seine bis dahin unbekannte Rolle bei der

|i|

während der nationalsozialistischen aber

vielfältigen Aspekte

| {

|Mi)

|

ll

|

4

|

mM

Absicht

|

wurden

|

1 MT

zu

sie

war

; ail

zwar

die

In der erzählerischen

LT ii | LT |

hergestellt, jedoch Genozid zur Sprache

am

nationalsozialistischen

eines

politischen

partiellen

Texten noch nicht thematisiert

AuRenseiters schreibend, warf William

Frage

Welt

der Mitschuld auf,

von

Daeninckx

ist

die französische Mitschuld das ulti-

der Intrige (abgesehen

mative Verbrechen und das kausale Element

|

||

Zeit des Oktober-Massakers

jedoch nicht die der spezifisch französischen Mitschuld. Zwei Jahrzehnte später hingegen können die unmittelbar nach den Ereignissen des Algerienkriegs und des Zweiten Weltkriegs hergestellten Verbindungen Grundlage einer »Ermittlung« werden, die die nicht gestellten Fragen nach Mitschuld zum Gegenstand hat.

| |

| a

zur

nationalsozialistischen Genozid

in historischen oder

Standpunkt

Gardner Smith

A ZN

|

|

|

Algeriern

und Algerierinnen

sämtliche

Figuren

in den ersten beiden

Franzosen und

recherchiert,

zu

den

wenigen

sind tatsächlich

muss aus

demsel-

wissen auf einen

»In Anbetracht der

zur

Depor-

schrieb (und

Gemiitsbewegung auf diese barbarische

Kindernicht von

Mafihren

jüdische Kinder,

in den Tod

geschickt

zu

haben, als

von

den Deut-

Als Generalsekretär der Präfektur Gironde während der

-

Schliisselroman hinter den Morden

den beiden Thirauds steckt

an

wird fiir ihre

-

Überstellung Mitwirkung an der Deportation jüdischer der jüdischen Familien in das Sammellager Drancy gewissenhaft organisiert. Weder aus politischer Überzeugung, noch aus Antisemitismus, sondern einfach nur, weil er den Vorschriften gehorchte und die Befehle des vorgesetzten Apparats ausfihrte [...] Die Region, die [ihm] unterstand, steht an erster Stelle sämtlicher Verwaltungsbezirke Frankreichs bei den Deportationen jüdischer Kinder« (S. 205). Indem er Veillut als exemplarischen Fall des banalen, todbringenden Biirokraten zeichnet, wie ihn Kinder verurteilt: »Er hat die

Hannah Arendts Bericht iiber Eichmann beriihmt eine fiktionalisierte Version der

am

gemacht

weitesten verbreiteten

hat, bietet Daeninckx

Darstellung Papons

als

eines

House und MacMaster diese in

Zeit

rechtsextremen Elementen in der Polizei

|

unideologischen Täters (wenngleich infrage gestellt haben und Papon mit

jüngerer

| |

Verbindung bringen; Unabhingigvon der historischen Exaktheit dieses verschleierten Papon-Portrats,

und der Armee in

seine Funktion ist

multidirektionale Cadin einem

Kind

von

siehe Paris 1961, S.

eindeutig: Es bereitet den Boden fiir die Verbindung unterschiedlicher Epochen

Bernards Freundin

Deportationsfall

war, antwortet

Verbindung,

Claudine gefragt wird,

beschäftigt hat, der sich

Cadin:

Die reicht

seines Sohnes Bernard

Parallele in der

aus.« —

»Roger

vom

zu

im

einer Zeit

und Geschichten. Als

abspielte,



-

er

mit

|

|

|

noch ein

das

ist

und

später

Komplizenschaft

die

hat eine

die der Roman zwischen dem 17. Oktober

bedingten Verbindung,

Weltkrieg

da

Drancy geboren zufällige Verbindung Rogers

mit Frauen und

Kindern) und der Deportation

Kinder herstellt. Veilluts fiktionale Karriere verläuft

Zweiten

Roger Thiraud

Thiraud wurde in

(S. 211). Die

hergestellte

Roman

weshalb sich

mit der Geschichte französischer

(einer »Familien«-Demonstration

jüdischer

33-60).

über die Zeit des

Algerienkriegs

-

wie die

von

Papon

|

| -

und weit darüber hinaus,

viel in den Archiven des Zweiten Welt-

der Deportation insbesondere zur Geschichte Staates.

Jüdinnen und der Mitwirkung des französischen

Bi | Hil

von

Romankapiteln

Französinnen). Bernard Thiraud

ben Grund sterben wie sein Vater: Er hat

kriegs

|

il

bringen;

worden. Vom

N

el

Verbindungen

zum

ohne die Mitschuld Frankreichs

I|

a Wa

Papons glän-

-

dere der Frankreichs. In französischen Diskursen

|

von

es zu

Jahr 1942, »die

Besatzung folgte Maurice Papon Lavals Befehlen und beteiligte sich an der Deportation von 1600 Juden, darunter 130 Kinder unter 13 Jahren, in das Internierungslager Drancy, der Durchgangsstation nach Auschwitz. Andre Veillut die Figur, die in Daeninckx’

erkennbaren,

des Romans iiber wiederzugeben, verweisen darauf, dass die die Anklage einer einzelnen wenngleich zentralen Figur hinausgeht: Wie jede Detektivarbeit funktioniert Cadins fiktionale Mordermittlung nach dem Prinzip Ursache und Wirkung, wenn sie sich von einer Spur zur nächsten bewegt und so einen breiten Ausschnitt des französischen Lebens in der Nachkriegszeit sichtbar macht. Indem er verwandte Phänomene verschiedener Epochen zur Pointe seines Narrativs macht, provoziert Daeninckx eine Auseinandersetzung mit den umfassenderen Problemen französischer Komplizenschaft. Jenseits der Erinnerung an die Ereignisse des nationalsozialistischen Genozids und des Algerienkriegs, selbst jenseits der verschiedenen Verbindungen, die in der kollektiven Erinnerung mittlerweile zwischen beiden bestehen, geht es um die Frage der Verantwortung, insbesonzender Karriere

|

La

|

die

-

Ii |

8

um

verlangt.”

schen

des französischen Kolo-

Mittel, derer sich Daeninckx bedient,

|

ll

3

Spätphase

dem

aus

werden und ihnen somit

und insbesondere

Juden und Jüdinnen

|

Wa

|

der

in

von

seine öffentlich

nialismus und insbesonderé seine Rolle beim Oktober-Massaker. Die fiktionalen

i)

N

a

Besatzung

Aktivitäten

sowie

(|

H

:

weitgehend ignorierten

Deportation

Empfehlung

Bernard

von

folgen können« (S. 61). In einer Sprache des getrennt Anstands formuliert, sorgte Lavals tatsächlich »barbarischer« Befehl dafür, dass die Vichy-Regierung einmal dafür berüchtigt sein würde, mehr Juden und Jüdinnen,

Ermittlungen das, was tatsächlich gerade die Aufmerkerlangt hatte: Papons doppelte Schuld,

die

zitiert):

Eltern

samkeit der französischen Öffentlichkeit

1

|

7

verkörpern

Hinsicht

Toulouse konsultierten Dokumente ohne

nahme hin, habe ich bei der deutschen Armee erwirkt, da die

zwischen unterschiedlichen Verbrechen und Geschichten. In »realer« historischer i)

von

beim Durchblattern der

ausersehenen Familien nicht auseinanderzureifen«. Laval

tation

|

HT

Anfang seiner Ermittlungen

am

Schlüsseltext stößt: Pierre Lavals



und der Fortbestand der unbe-

Verbindung Epochen waltigten Vergangenheit in der Gegenwart. Cadins Ermittlungen Morden

aufzulösen

dass Cadin

in den Archiven

Die Pointe von

um es

|

ist vielmehr die

es,

319

von

Juden und

Entsprechend wichtig

ist

9

Siehe ton,

zur Deportation jüdischer

Vichy France and

Kinder York

the Jews, New

das

Standardwerk: Michael R. Marrus/Robert O. Pax-

1981, S. 263-269.

|

|

i

EA

|

LA

https://pdfify.app/trial

3

a

|

a i | i

_

320

9. VERSTECKTE

KINDER

der Familie als

ideologi-

CACHE UND DIE ETHIK DES ERINNERUNGSTERRORISMUS

321

i

_

i

doch Daeninckx betont eher

il |

sche

|

Die

|

i

||

||

Ve

;

8

|

| i 4

|

der Fall

|

||

|

bung

i

a

Auseinandersetzung mit unaufgearbeiteten Vergangenheiten sein kann,

|| WE i

N

ae Il

wenn

gegenüber

den

von



ihm

-

die den männlichen Detektiv nicht

die Freundin des

nur

Opfers Bernard Thiraud

-

den Fall lösen,

gewinnen lässt,

professioneller Polizeiinspektor auf die Grenzen hard-boiled-Erinnerung. Die Konventionen der hard-boiled-Gattung erlauben es Daeninckx zwar, einen »schrägen« Blick auf die Ereignisse der Geschichte zu werfen dadurch metonymische Verbindungen der Komplizenschaft im Algerien- und im Zweiten Weltkrieg sowie zwischen beiden aufdeckend -, doch sie dienen auch dazu, die Mitschuld durch eine traditionell heterosexuelle Auflösung einzugrenzen der

-

und diesen Makel

aus

der Welt des normativen Paars auszuschließen.!!

und zweitens,

Cache und die Ethik des

avant Ia

lettre,

von

Noras Dike

Erinnerungsterrorismus

Michael Hanekes Caché (Verdeckt) Bei

der Spannungen im

postkolonialen

Erinnerung

in dem

Frankreich ließe

keine

Ichdenke

hier

an

das wichtige Buch: Michael AndréBernstein, Foregone Conclusions: 1994. Bernstein unterscheidet Narrative, in denen

nutzt

Mord. Wie Daeninckx

einige

legt

Elemente der Erzahlstruktur

Haneke einen

spannenden

rätselhafte Vorfälle und Historisches zusammentreffen, doch

Außenposition.

Fasziniert

2ukiinfti-

Ereignisse des

ges Wissen auf frithere Ereignisse riickprojiziert wird, um sie als Teil einer »notwendigen« Entwicklung erscheinen zu lassen (»backshadowings), von solchen, in denen die Zufalligkeit wird zum

|

Daeninckx’ Verhiltnis

Against

der

(»sideshadowing«). ersten Narrativtyp

Mir

betont die

geht

es

Geschichte nicht als vorherbestimmt

hier darum,

die

dass sollen Gattung die

dargestellt

LL

des Kriminalromans stark

tendieren kann schließlich ja Verbindungen aufgedeckt notwendigerweise zu einem Verbrechen geführt haben —, dass aber Daeninckx’ der hard-boiled-Gattung es ihm erlaubt, nicht riickwarts, sondern seitwarts zu bli-

werden, die

mt

Gebrauch

nt

kontingente Assoziationen überblicken und innerhalb Schichtung mehrerer Nebenhandlungen vornehmen kann. cken, sodass

er

von

Fragen

der

von

Thriller

gibt

es

Überwachung und Ermittlung

vor,

hier zieht

Vorder- und

Hintergrund umzukehren: Nun sind es die »verborgene« Geschichte und nicht als das

auf den

von Zizek inspirierte Anspielung »schragen Blick« hat mein Kollege Robert A. Rushing vorgeschlagen. Ich danke ihm für seine Überlegungen zum Verhältnis der hardboiled-Gattung zu der Art von historischem Umweg, von dem Daeninckx Gebrauch macht. Siehe Rushings anregenden und erhellenden psychoanalytischen Ansatz zur Analyse von

Die

Popular Culture, Cambridge

a

|

https://pdfify.app/trial

von

Oktober 1961, die als

2007, Siehe auch

|

A ||

17.

Detektivromanen: ders., Resisting Arrest: Detective Fiction and Popular Culture, New York Slavoj Zizek, Looking Awry: An Introduction to Jacques Lacan through

seines Narrativs eine

|| | N

-

verweist Cadins externe Position als

nicht immer, eine multidirektionale

Wiederlegung,

und gegenüber Notwendigkeit

Hl

|

Angesichts

Apocalyptic History, Berkeley

| |Heh U 0

steht außerhalb des Netzwerks indivi-

untersuchen

es zu

der Film die Position des Ermittlers in das Verbrechen hinein. Haneke scheint auch 10

i

N| i.

8

Erzählstrategien

sind,

erfordern.

sich tiberschneidender Geschichten erfordern wird.

rung stumm bleibt.

Blt)

mati

sondern auch die Frau

des »Gedachtnisterrorismus«: Bei Erinnerung Mord deutet an, dass die Gewalt sich fortsetzen und spätere Generationen heimsuchen wird, so lange die Erinne-

8 Wal

|

Subjekt der Erinnerung (Inspektor Cadin)

Gendercodierung des Romans,

tum

a

a

Auseinandersetzung oft,

Der Roman liefert auch eine Art

|

Ausgrabungen

Werken vergangen

Postmemory die narrative Struktur für eine erforderliche ethische

|

Hh

neue

und

die Erbschaften des 17. Oktober verstrickt sind. Zusammen mit der konventionellen

dieser bei-

bereit: erstens, dass

Ausgrabung

und

gilt. Cadins Äußerlichkeit aufgedeckten Geschichten des Algerienkriegs und des Holocaust unterscheidet ihn deutlich von den Hauptfiguren von Caché und La Seine était rouge, die, wenn auch manchmal nur marginal, selbst in

in den 1960er- und 1980er-Jahren Schichtung getrennten und sich doch überschneidenden Reihen von (»realen« und »fiktionalen«) Gewalttaten hält zwei Lektionen für die Bedeutung der Postmemory

|! 1 || | i ae

Jahrtausendwende erschienenen

produzieren

oder zumindest Distanz

im Roman: Der Text befasst sich mit historischen Gewalttaten der 1940er- und

dass eine solche

um

dueller und kollektiver Schicksale, das

den zeitlich

|

m |a | AM CU Nwl

sein

vielleicht, weil Daeninckx sie in den ironischen Ton und schwarzen Humor

Sohn), findet

und

m

Traumata

sehen ist. Doch sollten die 20 Jahre, die zwischen Bei Erin-

zu

die



schnell sentimental werden, doch das ist hier nicht

statt. Die

Cache

Daeninckx’ Roman bedient sich einiger Konventionen von Postmemory-Arbeiten etwa indem er eine öffentliche Geschichte als Vater-Sohn-Drama gestaltet -, doch

1960er-Jahre, doch die fiktionale Gewalt, von der er erzählt (die Ermordung von Vater

A ll

neue

chen in der französischen Gesellschaft wiederkehren. Daher die zeitliche Verschie-

17H

i1 |1

-

zwar

an

nerung Mord und

hard-boiled-Gattung einbettet. Dass Kinder in Bei Erinnerung Mord im Vordergrund stehen, unterstreicht die generationelle und intergenerationelle Tradierung. Während Bernard die von seinem Vater begonnenen Recherchen zu Ende führen will, versucht der Roman, zwei Verbrechenskomplexe aufzuarbeiten, die lange ignoriert wurden; Komplizenschaft und Schweigen haben aber dafiir gesorgt, dass die Verbre-

i]a

N

Kanon

rouge wie auch

der

Vai

1 i

deren Ten-

im selben erzählerischen Rahmen unterzubrin-

vilctimisierte Kinder kénnen

{UM |

-

zeitgenössische Fragen singulires, kausales Narrativ zu zwingen.!° Der Fokus auf das Kontingente miindet nicht in einer Entpolitisierung genozidaler und kolonialer Gewalt, sondern in einer immer stringenteren ethischen Forderung: Aufgrund des Zufalls der Geburt erben nationale (und andere) Subjekte den Imperativ, die multiplen Formen der Gewalt zu untersuchen, die man in ihrem Namen begangen hat. Geschichten über

|

|

hard-boiled-Krimigattung

gen, ohne sie in ein

11)

|

Konventionen der

viele andere

|

| |

ergebnisoffenen

Daeninckx’

-

|

|

;

prophetisch bezeichnen. Sicherlich hat Erzählung über den 17. Oktober als Teil eines von verborgenen Geschichten und uneingestandener Mitschuld gepragten Generationendramas den im Entstehen begriffenen von Darstellungen des Massakers gepriigt, wie an La Seine était sich diese kritische Sichtweise durchaus als

denz, im Zuge der »Aufklirung« eines Verbrechens ein kontingentes oder metonymisches Assoziationsfeld aufzudecken erlauben es Daeninckx, Algerien, Vichy und

|

|

Zufalligkeiten der Geburt und

Uberzeugungen.

1992.

322

a

N

18

Setting seinen

nicht

|

Die

über historische Mitschuld auftauchen. Das

von

den frühen

hard-boiled-Roman verfasste, noch ein

1980er-Jahren, als Daeninckx Geheimnis; 2005 jedoch war es zu

französischen Zeitgeschichte geworden-

was

bedeutet, dass der Staat oder die breite Öffentlichkeit daraus gelernt hätten, doppelte Umkehr, die Cache von Bei Erinnerung Mord absetzt die Umkehr des -

Verhältnisses

|

N

von

Vorder- und

Kontext, der sich selbst

| il

Hintergrund, und zwar in grundlegend gewandelt hat lässt

einem

-,

Film ebenso wie Daeninckx’ Roman mehr (vielleicht auch zunächst scheinen mag.

|

A} |

Cache ist

|

a

den

um

das

gesellschaftlichen

Cannes im Mai 2005

mit drei Preisen

| hiqi

schaffen will«,

7| |

|

La ul

ausgezeichnet,

er

es

nur wenige

von

Georges

|

|

m |

|

|

Cl|

|

|

lange verdrängten Ereignisse des

einem im Zweiten

von

geprägt

Verdrängten

Weltkrieg

in

an

17. Oktober 1961. Weil

legt dieser französische Film, Deutschland geborenen Österreicher,

Mittelpunkt

von

einer

muss,

Cache stehen die

die

von

kul-

Auswirkungen

auf ein

langen ruhigen Einstellung >

dass wir

die Fassade eines

erste

damit das

einer

12

|

a

Geschichtsphilosophie

von

Reihe von ganzen

Uber-

an,

spreche, spiele ich auf Ian Baucoms Plidoals Gegenstand der Akkumulation und nicht

die Zeit

Progression auffasst. Baucom bezieht sich auf das Werk von Schriftstellern und Schriftstellerinnen der Karibik und des schwarzen Atlantik, die sich mit dem anhaltenden Spuk der Sklaverei befassen, doch seine lassen sich auch Weise

|

auf wertvolle

auf die post-Holocaust postkolonialen Multidirektionale Erinnerung anwenden besonders geeignet, FragenderZeitlichkeit, der ofVerantwortung GerechCach& nachzugehen. Siehe tigkeit Baucom, Atlantic: Formulierungen

und

a

und sind

|

U

in

Capital,

and the

Kontexte

von

und der

um

Ian

Philosophy ofHistory,

Specters

the

Slavery,

Durham 2006.

| |

|

https://pdfify.app/trial

Finance

den Blick der

Figur Georges

würde ich

zu

beginnen,

handelt. Diese

doch

wir

Bewegung

figurengebundenen Fokalisierung ver-

einer

zu

Ermittlerposition,

die Caché

lichkeit

gegenüber den historischen Entwicklungen, Spannung zwischen externer und

Bei

von

Erinnerung Mord

lich

aufdie

um

die

geht.

im Roman

es

Die

figurengebundenerFokalisierung, auch zwischen besteht während des gesamten Films und wirkt sich deut-

Fokalisierung, geleistete Erinnerungsarbeit aus.

Narration und

Die

wie

Wirkung dieses den

Film eröffnenden

Tricks ist oft bemerkt worden: Er erzwingt eine Identifikation sowohl mit dem Beobachter oder der Beobachterin als auch mit Georges, und er stellt den Status jeder weiteren

Filmeinstellung infrage,

die sich

zumindest momentan, als

nun,

aufnahme deuten lässt.'5 Darüber hinaus etabliert diese

Handlung vorantreibende Rätsel: die Frage, rents

geschickt

hat und

warum.

wer

Die letztlich

nach dem Urheber oder der Urheberin der

die Videos

ungelöste

Überwachungs-

Anfangsszene das zentrale, die aufgezeichnet und den Lau-

und scheinbar unlösbare

Frage

Videos legt den Schluss nahe, dass ein dunk-

unsichtbarer Bereich fortbestehen wird, doch die Spannung zwischen Fokalisie-

ler und

rung und Narration verweist auch darauf, dass Modi der Sichtbarkeit im Film genauso wichtig sein werden. Aus der Eröffnungssequenz gehen zwei Modi von Sichtbarkeit hervor:

zum einen

Kamera mit ihrer

videos,

13

und der Betrachterin der

der

»verborgenen«

Uberwachungs-

anderen der sichtbare Bereich jener gefilmten und auf Videokassetten aufBilder, die mehrdeutige, die Untersuchung vorantreibende »Spuren« bergen

In fast allen Filmen Hanekes

Georg 14

die unsichtbare und nicht-menschliche Position der

Anrufung des Betrachters

zum

gespielten

bürgerlichen

Namen

der

Hie

| | al |

»Akkumulation«

es

so

der erzählerischen Ebene des Films: Der

unterscheidet; in Daeninckx’ Roman steht das »Ich« des Erzählers für dessen Äußer-

15 von einer

yer für eine

al

|

Indem ich

Verschiebung

einem scheinbar externen Erzähler

und Anna,

in

Überwachung

den

eine

gibt es Figuren namens deutschsprachigen Filmen); in

Georges und

spielt

Rolle, .

in

Anne

vielen Filmen

Libby Saxton, Secrets and Revelations: Off-Screen Space in Michael Studies

EA

|

an

|

|

| iHH

sind. Im

Stadthauses.'? erfahren wir,

i

i

(Daniel

bezeichnet

I

iSe |

Laurent

bürgerliches Subjekt, das seine Mitschuld an der spatkolonialen Gewalt bis zum Ende des Films leugnet. Caché dramatisiert zudem die Struktur von Gewalt, verborgenem Wissen und Trauma, die Aimé Césaire als choc en retour hat. Wie Cesaire interessiert sich Haneke für die Erkundung der zunehmenden Wirkung spatkolonialer Brutalitat. Die Anfangsszene von Cache hat schnell Berühmtheit erlangt: Während des Vor-

Bald

|

8 N

tureller Differenz der Rückkehr des

spanns sehen wir in

a

| | il

Erinnerung

die Produktivität der Gewalt der Erinnerung begrüßt,

gedreht il

a

i

teilweise ein Film über die Unzeit der

zitieren. Mit der Geschichte

einer

sinnbildlicht die internalisierte

nahe, dass eine Ethik des Gedenkens Situationen gerecht werden

a

faye

zu

den jüngeren Reflexionen der

m

|

Nora

zu

bedeutenden

von

als

Auteuil), einem biirgerlichen Pariser Medienintellektuellen, der von Erinnerungen seine Kindheit in den frühen 1960er-Jahren terrorisiert wird, beteiligt sich Caché

|

|

um

ergänzen,

die Nahaufnahme eines Fernsehbildschirms ist und nicht

Fassade.'* Diese perspektivische Neuausrichtung führt,

weniger) verbirgt,

beziehungsweise über die zerrüttende »Gewalt, mitder sich die Erinnerung Gehör ver-

||

Eingangsszene eigentlich

eine Totale der

um

unmittelbar nach den sozialen Unruhen in den Vorstädten. Obwohl Caché zweier

die

sich

|

an,

bedeutet das Betrachten eines Videos und nicht der Aufnahme eines Hauses auch, dass

erkennen bald, dass

Verdrängte des Kolonialismus herum strukturiert und wurde bei

Filmfestspiclen in

wachungsvideos gesehen haben, die Georges und Anne Laurent zugeschickt worden sind.3 Wie Libby Saxton in ihrer gelungenen Interpretation des Filmanfangs bemerkt,

vermuten, dass Hanekes

fellos ein zeitgemäßer Film ist, ist

|

|HH

323

dem Blick eines äußeren Erzähler

| VE i

ila

ETHIK DES ERINNERUNGSTERRORISMUS

DIE

mit

Vorlage des-umstrittenen Gesetzes, das die Betonung der »positiven Aspekte« des Kolonialismus im Unterricht forderte; der Film lief im Herbst in Paris

N

|

CACHEUND

Film scheint zunächst

Monate nach der

|

7

Erzählung

einem offen diskutierten Thema der

li

a

einer anderen

Papon verantwortete Massaker war zwar in

!!

8

KINDER

1

oo 7 i

N

g. VERSTECKTE

aay

|

N

1

|

any

French Cinema 7

(2001)

(beziehungsweise auch die Motivik

Ca 0008

Haneke’s Caché

(2005),

in

in:

1, §. 5-17, hier. 8.

aufeine

Ich betone die Tatsache, dass der Film Identifikation mit Georges, nicht mit Georges und Anne hinwirkt, weil Anne, anders als das Publikum und Georges, die Videoaufnahmen zu

Beginn

des Film bereits

gesehen

hat. Die

Unterscheidung zwischen Georges’ und Annes von Bedeutung. Die Überwachungsthematik

Blicken ist für den weiteren Verlauf des Films ist

auch für die

Kolonialgeschichte relevant,

die den

Hintergrund

von

Cache liefert. Wie Ale-

xis de

Tocquevilles 1847 verdffentlichter Rapport sur l’Algerie belegt, wurde der französische Kolonialismus in Algerien bereits Mitte des 19. Jahrhunderts von dem Wunsch angetrieben, das algerische Volk Ansichten

Algeria in

sowie

[...]

France:

»unter

Uberwachung

das Geheimnis seiner

zu

stellen«,

um »seine

Techniken, Ideen und

Regierung zu erfassen«. Zit. Transpolitics, Race, and Nation, Bloomington 2004, S.

n.

Paul

46 f.

Silverstein,

x

erred| |||

|

|||!

||

CACHE UND .

324

9.

VERSTECKTE KINDER

DIE ETHIK DES ERINNERUNGSTERRORISMUS

325

i. ia

8

oder

4

»verbergen«.

7

4

beiden Modi

|

einsehbar und doch Am

|

|

als

|

sind

|

i!

4

die Fassade des Pariser von

Georges’

|

|

a

a

He)

erlittene kollektive Gewalt

Mm

Stadthauses,

Publikum und

Films Häuslichkeit

in die Familie Laurent von

außen

Ereignisse

wichtig

zu

stellen. Doch

er

doch im Kontext einer weiteren

16

N

NE

so

Majids Eltern i verdrängen. Majids Verbannung g y

zu

Allegorie

an

die

von

Bi

übernehmen, wirken

zu

für die umfassendere aus

der Zeit des

gk

ange-

Weigerung Algerienkriegs so

dieser

an

dem Film ist auch

aussagekräftige Szene in Rekontextualisierung, Sie

der Mitte des Films veranschaulicht die Methode

lenkt die Aufmerksamkeit aufdievielfältigen verbor-

renddie bedrohlichen Videos und diesie begleitenden brutalen, kindlichen Zeichnungen zunehmend beunruhigen und die Ehe von Georges und Anne (Juliette Binoche) zu scheitern droht, verschwindet ihr jugendlicher Sohn. Die besorgten Eltern gehen davon .

sie

aus,

dass dies

etwas mit

den

Überwachungsvideos zu tun hat, und streiten, wie

Majids Selbstmord an

den

(1989),

bedeutsam.

mehrfach

Bürgerkrieg,

von

dem

das Publikum nicht Symbol

bedeutenden Anzahl

Die Form des Schnitts und der nur an einen

der das dramatischste

auch als

Einer

des

an

Majids

ähnlichen Fleck

(auf Plakaten verwendete)

zweideutigen

er sich selbst

Dass

in den 1990er-

Algerien

in

dieser hinterlassene Opfer

wurde die Kehle

Wand

Der siebente

Hanekes

Blutfleck

Kontinent

Bild des Films lieferte, sie dienen

Verhältnisses Frankreichs

zu

Algerien

-

ein

Verhältnis,

das sich, wie Etienne Balibar bemerkt hat, in der Schwebe befindet zwischen »einer Nation«

|

ij

|

|A CM | |

| |

N

und »zwei Nationen«. Mit anderen Worten: Der Schnitt, den sich Majid zufügt, 8 ist ein Bild für die Wunde, die Algerien und Frankreich zugleich voneinander und jeweils von sich selbst

abgrenzt, heitliche

dabei aber auch beide in dem vereinend, was Paul Silverstein vielleicht als uneinEntität bezeichnen würde. Siehe Etienne Balibar, Algeria, France:

»transpolitische«

One Nation

Propinquity,

or

Two?,

in:

reagieren sollen. Derweil laufen .

.

.

Hintergrund auf einem Fernseher in einem Bilder des Irakkriegs flackern über den BildN

N

Sa

im

Bücherregal die Abendnachrichten: schirm, gefolgt von einem Bericht über die Prozesse wegen der Folter in Abu Ghuraib; ein Bild des sadistischen Charles Graner füllt mehrere Sekunden lang das Bild und weicht dann einem Bericht über israelische Gewalt in den besetzten Gebieten (siehe Abb. 7). Mittels seiner mise-en-scéne betont Haneke den

Aspekt

Rahmung

der

und

Joan Copjec/Michael Sorkin (Hrsg.), Giving Ground: The Politics of Silverstein, Algeria in France. 8

New York 1999, S. 162-172; außerdem

|

A

WE On |

https://pdfify.app/trial

verkörpert

die Verkettung g der Medien die Spezifik, die Uberschneidungen und die Interferenz P B unterschiedlicher Geschichten ebenso wie das schwierige ig Verhältnis von öffentlichem und P privatem Raum sowie

17

Max Silverman hat eine

von

Alltag 8 und

extremer

Gewalt.'®

des Bildes und des Blicks in Caché vorge-

überzeugende Analyse

anregenden Interpretation zufolge zeigt der Film, wie eine vom Bild gebannte Gesellschaft des bürgerlichen, orientalistischen Spektakels zumindest potenziell von einem legt.

komparativen Vorstellungswelt. Die komparative zur eigentlichen Herausforderung fiir das

100 000 Menschen das Leben,

erinnern

a

il i

zu

durchgeschnitten.

a

DE

so vieles

Wie

bis

We | il a [|

5

In

und

Seiner

Blick und Bild werden kann. Siehe Max Silverman, The Empire ent-orientalisierten aufgeldst Looks Screen 48 S. 245-249.

des 17. Oktober wird

nach den abgesagten Wahlen des Jahres 1992, zerrissen wurde. Im Laufe des Jahrzehnts kostete die Gewalt zwischen Islamisten und paramilitärischen Regierungseinheiten

|

al

Erinnerung.

und dessen Blick

genen Geschichten in Cache und verbindet sie sehr deutlich mit vermissten Kindern jenem besonderen Modus, den ich unsichtbare Sichtbarkeit genannt habe. Wah-

steht

Jahren,

| L i]|

5

Georges

kamera: In diesem Szenario, dessen sich Haneke auch anderswo bedient,

der Fokus des Films auf den 17. Oktober auch ist,

die Kehle durchschneidet, erinnert

N i] i

A A

Ethik multidirektionaler

Überwachung in Ermittlung.”

auf und übersetzt

Back,

|

|

möglichen

des Filmnarrativs, das in der filmischen

erinnern und auch

zu

des 17. Oktober als

Rekontextualisierung

|

I Hi

einer

insbesondere die wechselseitige Bs 8 Durchdringung gung unterschiedlicher Bezugsrahmen. Ein Fernseher, umgeben von Büchern und Videokassetten, gerahmt von einer Film-

der französischen Gesellschaft, sich den Verbrechen

||

©

Schuld und Verantwortung g zugleich dazu dient, zug]

von

sichts der

N

Al

Quelle

8gerade erst Zuflucht 8gefunNeid und Grausamkeit ist das ungesühnte

und Georges’ fehlende Bereitschaft, die Verantwortung 8 8

N

i

zur

Cache löst diese Ethik die Identifikation des Publikums mit

Eine

wo er

|

|

|

für alle

Uberwachungsaufnahmen

N

Verbannung infolge von Mittelpunkt

Bilanz

a

was

von

individuelle Verbrechen im

im |

das,

Mutter und die innen und

dem Haus der Familie Laurent verbannt wurde,

den hatte. Diese

a

um

aus

|

4

.

Wohnungen zu sehen:

.

Hail

| Ls | |

oder Koexistenz dieser

Ty

|

| a

i

Synthese

|

14 |

=

die

um

|

|

‘|

allem

Majid (Maurice Bénichou), dem algerischen Mann, der als Junge nach dem Verschwinden seiner Eltern im Zuge der Ereignisse vom 17. Oktober 1961 zeitweilig mit Georges’ Familie auf dem ländlichen Anwesen gelebt hat. Georges erkennt bald, dass die Überwachungsvideos etwas mit Majid zu tun haben, und tatsächlich führen sie ihn schließlich zu der schäbigen Wohnung, in der Majid als gebrochener Mann lebt. Und hier spielt der szenische Héhepunkt des Films: der undeutlich motivierte Selbstmord von Majid unter den Augen von Georges.'$ Wir wissen nichts iiber das Leben, das Majid in der Zwischenzeit geführt hat, doch wir erfahren, dass er vor vierzig Jahren als soeben zur Waise gewordener aufBetreiben des jungen Georges

|

Anl

vor

Unheimliches erscheinen lässt. In den meisten

gefilmte Wohnung

A

N

in Cache

wohnt, das ländliche Anwesen

il | i) | Hil

es

geht: um unsichtbare Sichtbarkeit oder, anders gesagt, verborgen ist. wichtigsten ist vielleicht, dass die Eingangssequenz des

etwas

i

ie

.

Tatsächlich ließe sich, unter Verweis auf den rätselhaften Schluss des

Films, auch sagen, dass

18

(2007) 2,

in:

In Der Siebente Kontinent (1989) setzt Haneke das Radio auf

das Fernsehen nissen

in

um eine

-

zu

private Geschichte

Beziehung setzen.

Bücherregal

im

Zuhause der

zu

Er verwendet auch

einen

Erstes die

Regalwände

geht

es

Zerstörung lich eines

um

nur, wenn

zu

Cache

Ereig-

ähnlichen Aufbau

aus

in

Fernseher und

Vorbereitung auf

Hausesbeginnt, zerstört erals

(allerdings nicht den Fernseher selbst). »Ich systematisch vorgehen«, sagt er seiner Frau. Die systematische

den Fernseher herum

wir

in

öffentlichen

Weise ein wie

Hauptfiguren Georg und Anna. Als Georg Zerstörung des

den kollektiven Selbstmord der Familie mit der

glaube

ähnliche

kontextualisieren und

erstreckt sich auf die Gesamtheit des weltlichen Besitzes der Familie, einschließvoll exotischer Fische, deren Ableben Haneke

großen Aquariums

in

schockierenden Szene unerbittlich filmt, und allen Geldes, das die Toilette

In

wird. einem

auf der

enthaltenen

DVD

Interview

bemerkt Haneke, diese

einer

besonders

heruntergespült

Szenen hätten dem

Publikum bei der Premiere den Atem verschlagen. In Benny’s y' Video (1992) verwendet Haneke 6 erneut einen Fernseher, um die öffentliche Geschichte in einen intimen Kontext einzuführen: Diesmal nutzt

überdie

er

Nachrichten

die

in

Balkankriege und über Skinheads, Asylsuchende gebraucht außerdem im Schlafzimmer der Hauptfigur Benny denselben »rahmenden« Aufbau, bei dem der Fernseher (der im Film eine Schlüsselrolle spielt) in Deutschland

angreifen.

Er

einem Bücherregal 8 steht und

von

Büchern und Videokassetten umgeben ist. 8

>

|

| 11

X

al

.

326

g. VERSTECKTE KINDER

|

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7

|

Abbildung 7: Georges und Anne i

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Sammlung

By

ae

streiten sich über ihren verschollenen Sohn, während im Fern-

|

.

Zuhauses,

Georges

[1

weist

wird,

a

Blick

J

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a

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|

.

in

das Publikum auf

dieser Szene,

Privatbereich des .

im

.

bürgerlichen

Eine

Original]

Krieg, Folter und Kolonialismus hin, auch

wenn

Doppelperspektive, die durch und Anne bestärkt von Georges

spaltet

des Zuschauerblicks und des Blicks die kombinierte Perspektive der Eröffnungssequenz; als auch

dort

wird

ja

der

Georges’ Überwachung »Betrachtung« des Videos identifiziert. In dieser späteren Szene erkennt das Publikum die Verbindungen zwischen bestimmten individuellen und kollektiven Geschichten und kann beobachten, wie die Figuren diese Verbindungen ignorieren. Der Film deutet somit dasselbe an wie Cesaire ein halbes Jahrhundert zuvor: dass die Möglichkeitsbedingung bestimmter Geschichten imperialer Gewalt aus dem strukturellen Nicht-Sehen biirgerlicher metropolitaner Subjekte resultiert. Cache suggeriert mittels der mise-en-scéne, dass postkoloniale Beschiftigungsversuche mit einer unbewiltigten Kolonialgeschichte an zeitgendssische Bestdtigungen imperialer Herrschaft und an heterogene Auswirkungen der Vergangenheit gekoppelt sind. Der Film impliziert auch, dass diese Geschichte unbewiltigt bleiben wird, solange sie »ungesehen«, also des Publikums sowohl mit

mit

dessen einfacher

Erinnerung und Verantwortung bleibt. Die Szene lässt uns auch verstehen, wie Erinnerungen von Opfern der Geschichte »terroristisch« wirken können, so, wie sie Nora sieht: Die Bekräftigung einer Erinnerung kann gewaltsam außerhalb der Kreisläufe

und

Geschichte drehen

.

;

widerspre-

um

angesprochen

werden, der

muss:

Sozialer

Vergangenheit

und

Neuinterpretation

Frage

von

Caché anhand des

Papon-Prozesses

bleibt jedoch: Warum wird dieses ethische Problem mittels der

thematisiert? Gattung

text, der Kinder

zu

er

die

Kindern und den

Bedeutung von

Trägern

ethischer

häufig

Verborgenen

Gebrauch

gemacht

betont. Cache bedient sich

Vergleiche macht,

Mord verwendet werden und

Erinnerung

worden

ist:

Weil die

und

um

das Massaker des

Ereignisse

anscheinend

heraufbeschworen wurden, haben sich Autorinnen,

Konflikts oder

eines

gesellschaftlichen Kon-

denen während der letzten Jahrzehnte in Diskussionen

von

Figur

und Erzählstruktur verbinden die Form

aus

Filmregisseure,

Ermittlung,

des inter-

transgenerationeller Tradierung zugewandt.”

Nicht

Ereignissen in der Doppelform von Ermittlung Tradierung angenähert; wichtig sind auch die Narrative transgenerationeller

literarische Texte haben sich den

der sozialen

Migranten und Migrantinnen der zweiten und dritten Auseinandersetzungen wie der Papon-Prozess. Hinter den Narrationsweisen steht eine gewisse Sorge um die außerliterarischen und

Bewegungen

von

Generation und jutistische literarischen

Tradierung der Erinnerung

auf

und

familiärer kollektiver Ebene, und

sie

machen dar-

auf aufmerksam, dass die Geschichtswissenschaft diese verborgenen Verbrechen nicht

unweigerlich Fragen nach dem Wesen von Vergleichen auf, da die verschiedenen Ermittlungsgeschichten beim Aufdecken von Leerstellen in der Regel mehr als nur eine individuelle oder kollektive Geschichte offenlegen. ErmittSie werfen

aufgedeckt hat.

lungs-

intergenerationelle

und

auf Werke

von

Papon-Prozess

Narrative bleiben

Aufladung

multigenerationeller Spuren,

trotz

auf

komparativer Bezüge

éffentliche

Spektakel

wie

den

Verfolgung mehrdeutiger, Spektakeln gemeinsam singuläres Subjekt der Erinnerung und der

des Films beruht auf seiner die

er

mit diesen Texten und

hat, und seiner rigorosen Weigerung, ein zu

Cache

eher lakonisch und indirekt.

Die ethische

Ethik

in

Daeninckx oder Sebbar, aber auch

erstellen,

von

se oder sogar traumatisierend erscheinen, :

fehlt. Durch

Blicks in dieser Szene zeigt Haneke Nora

der beiden Erzählformen, die auch in Bei

N

und Anne diese Hinweise nicht bemerken, Die

die Differenz

7

| |

Über den Kolonialismus

im

.

nur

Die Zentralität des Fernsehers

ul!

|

zu

Angstbereitschaft [deutsch

Erinnerung

um

Ausführungen

in den

durch einen Diskurs

nur

generationellen

=

7

wie

Anwältinnen und andere soziale Akteure oft Narrativen der

iF

.

327

Versteckte Kinder:

dem

|

5

ANHAND DES PAPON-PROZESSES

das Offentliche und das Private verwebt.

17. Oktober

des Autors

also,

doppelten

des Films damit, dass

|

li

des

vermissten Kindes

sehen iiber den Abu-Ghuraib-Folterskandal berichtet wird. Michael Haneke, Caché (2005)

Hh

wenn

-

Ethik sich

warum

Gegenwart,

Eine

m

.

chend,

GE

4 Va

Mas

:

Inszenierung

Konflikt kann

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a

die

wird

der Gesellschaft die

angemerkt,

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ihr überrascht

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racial

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CACHE

||

|

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:

EINE NEUINTERPRETATION VON

die ;

wenn

Mehrheitsgesellschaft .

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einfach

19

Siehe

©

von

zur

den Film setzt:

über nuancierten Aufsatz Ermittlungsthematik Ranjana Khannas der Rue Der

zu

Edgar Allan

Ranjana Khanna,

Poes

Kurzgeschichte

From Rue

Morgue

to

Rue des Iris,

in:

in Screen

Cache,

in

in

dem

sie

Morgue Beziehung

Doppelmord

48

(2007) 2,

S. 237-244.

7

ma |

SR

| ©

328

9.

VERSTECKTE KINDER

Ein Exkurs

möglich, die besondere Bedeutung des intergenerationellen Tradierung in Hanekes Film 2u untersuchen und eine neue Lesart des ratselhaften, aber tiberaus wichtigen Schlusses zu formulieren. Die endgültige Aufnahme des Oktober-Massakers in die öffentliche Erinnedes 1997/98 gegen Maurice rung geschah im Rahmen einer anderen Geschichte in dem es seine Rolle bei der Deportation von Juden Prozesses, geführten um Papon und Jiidinnen in nationalsozialistische Lager wihrend des Zweiten Weltkriegs ging. Die Aufarbeitung einer genozidalen Vergangenheit war es, die zum »Prozess inner-

|

il

macht

Papon-Prozess

zum

es

Kindes und der

i

|



|

Hi

La

|

|

|. |

i|

|

halb des Prozesses«

|

i

|

al

bis 1981 eine

|

| 14 Nm i

Satireblatt

|

| _

|

2 4 |

|

Ai i Vi onl |

N

|

war,

durch das

Le Canard enchainé den dann noch

Papons »verborgene Vergangenheit [le passé caché] [...]

-

beides Orte,

an

denen

zu

Sichtbarkeit, der Oktober

Im

|

Richtungen

Mittelpunkt

des

(Vichy

weisen schienen 1961

vom

Sichtbaren ins

Prozessgeschehens

17.

zum

kam

auf Jacques

Aussage

Erinnerung.

Er

jenseits

was

einer

in]

Film,

Geschichte.

der

vom

gesamten Oktober

der Metro-Station Charonne

und -demonstrantinnen

[wo von

1961

neun

endetmit [den Ereignissen

handelt,

kommunistische

wir endlich begreifen,

ist, dass jeder

seiner ersten

ein

sengrab

lange Aussage

im

Araber [bicot] ist,

beschlagnahmt,

an

zum

algerischen Opfer,

die

die

die Toten

von

Charonne bin ich

von

ein

Seine

mit Zeitschriften ans

Licht kommt.

hierhergekom-

Hunde in

Thiais

einem

i

|

hierhergekommen.« (Le

Bd. 1, S. 236)

| Na Ah i

em

Algerierinnen

Aussage.

Geschichten

in der Kolonie wie auch in

Einaudi lenkte die Aufmerksamkeit

wichtigen Figuren:

Paul

Rücktritt während der Schlacht

und Edmond von

is

Verschlungenheit

Michelet,

Zeugnissen über

ein

Teitgen,

von

der

Algier in

u. a.

auf die Rolle

KZ-Überlebende,

Rai

er

seine

den verschiedenen

Aussage

der sich für die

Algerienkrieg engagierte.??

Folter im

nach

Ein-

ARE : ii|i |

des

gesellschaftlichen Vergessens »beerdigt« gewesen waren.”

Veröffentlichung

Polizeiprafekt ve

.

ein

Nach-

23

Anders als die nicht orte

Ereignisse

anheimgefallen.

der

Im

des 17.

Oktober sind die

Gegenteil:

französischen Linken entwickelt. Das

Geschichten

ist zwar

komplex

-

von

Charonne dem kollektiven Vergessens

Charonne hat sich

zu einem

Verhältnis

Charonne wird oft als

der

eine

21 22

Siehe Erhel/Aucher/de la Baume

(Hrsg.),

Le Proc&s de Maurice

Papon,

Bd. 1,5. 9.

in

Zu zu

Teitgen

Michelet ebenda, S. 229.

la

(Hrsg.)

Le

Maurice Papon,

|

https://pdfify.app/trial

1,

wichtigsten an

Gedenk-

diese beiden

Deckerinnerung dargestellt,

Zugang zum 17. Oktober versperre doch Einaudis Geste zeigt, wie die bekannteren evozieren. Ereignisse von Charonne als Hebel wirken können, um die andere Geschichte zu die den

und des Gedenkens

Wood, Vectors of Memory: Legacies of Trauma Postwar Europe, London 1999. Siehe Nancysiehe Erhel/Aucher/de Baume Procés de Bd. S. 235,

der

Erinnerungen

Art

-,

Eine außerordentlich detailreiche und faszinierende Geschichte der

20

|

Opfern

dessen berühm-

Einaudi wies auch darauf

Amtsantritt als .

seinem

von

von

|

ed

a ii Lali Hl | |

und dass

fiir beide

Delbos Les belles lettres vorkommt,

Dachau-Überlebender,

Handlungen

Frankreich, des Kerns

|

WM

i Hi

die multidirektionale

hin, dass Papons

i Hl

Filmbeispiel

kollektive Erinnerung bei jeder Darstellung des Oktobers 1961 notwendigerweise mehrere Geschichten umfasst, von denen einige lange Zeit im »Gemeinschaftsgrab«

ter

|

Einaudis

der beiden Geschichten: der des

audis

i

Procés,

nationalsozialistischen Terrors und der Mitschuld Papons, des eigentlichen Gegenstands des Prozesses, und der von Papons Beteiligung an der Repression von Algeriern und

i | || |

Mas-

begraben hat. Auch

17. Oktober und der Metrostation Charonne widmet, sind ein Hinweis, dass die

bezeugte

7

| ali

gesamte, auf Verlangen des Gerichts ohne Notizen vorgetragene Aussage

Er

Jude [un

Der Film wurde bei

zusammen

man wie

Friedhof

an

jeder

Vorschein. Ich bin

fiir unbekannte Muslime auf dem

Gedenken

wurden].

dass jeder

die Wahrheit

Papon wollte nicht, dass

kam diese Wahrheit aber doch

im Gedenken

men

in Paris

Vorführung

und Biichern. Monsieur

Schließlich

dreckiger

Antikriegsdemons-

der Pariser Polizei ermordet

i

|

sich

Tagesordnung

von

verborgenen

»Dieser

auf-

des Historikers Jean-Luc Einaudi iiber die Ereignisse vor, wihrend und im Umfeld des Massakers. Einaudi verfasste La bataille de Paris und andere bedeutende Werke.

i

bezog

Schuld und Unschuld im Papon-Prozess auf der stand: die Herstellung einer gerechten kollektiven Erinnerung durch die Bergung

klar,

Verborgene).?!

Oktober stand die

227). Neben diesen

Film und multidirektionale

Verborgenen

dem

Bd. 1, S.

Panijels klandestinen Film Octobre a Paris, den Pierre Vidal-Naquet und andere Mitglieder des Comité Maurice Audin in Auftrag gegeben hatten, und stellte

Mit anderen Worten:

aus

in die nationalsozialis-

Orte, die die beiden Kriege verbinden, verknüpfte Ein-

Ende seiner

am

youpin)

Oktober-Massaker).

Wissen

an.

audi

Vergangenheit (der Mitschuld des Vichy-Regimes) Episode, die einmal bekannt, dann aber »verborgen«

Rolle beim Pariser

1958 ordnete er, wie

August

Hinweisen auf Personen und

die öffentliche Diskussion einer

(Papons

»Ende

Vernichtungslager festgehalten hatte« (Le Procés,

tischen

schließt mit diesen Worten: »Werden

war

waren:

Juden vor ihrer Deportation

man

Teils einer mittlerweile bekannten

in die

|

wo er

Japy

Papon-Prozess wurde ein Punkt, an dem sich zwei »Vektoren der Erinnerung« zwei Vektoren, die bis dahin in trafen, wie Nancy Wood vielleicht sagen würde

|

|

329

d’Hiv’, das noch existierte, sowie in der Salle

sie interniert hat? Im Vel’

tranten

unterschiedliche

He 4! AM i WW uh

:

Wochenzeitung

Kommuniqué sagt,

in einem

Sie,

-

Hel

|

der

er

Der

i)

a

ii

DES PAPON-PROZESSES

Razzien gegen nordafrikanische Arbeiter

gedeckt wurde«.”° Ironischerweise erméglichte diese Enthiillung eines »verborgenen«

gewesen

||

i

|

Enthüllung

jüngeren Vergangenheit

hall der damals

sechzehn Jahre dauernden Vorgang, ihn vor Gericht zu bringen, anstieß. Die Herausgeber und Herausgeberin des Prozessprotokolls beschreiben, dass es das Pariser

i

Al

führte, durch den Papons Verantwortung für das Massaker vom

Oktober 1961 Gegenstand der Verhandlungen und öffentlich wurde, Papons Rolle bei der Deportation von rund 1700 Juden und Jiidinnen aus Bordeaux blieb im Dunkeln,

|

;

ANHAND

CACHE

|

|

|

EINE NEUINTERPRETATION VON

Dewerpe, Charonne,

an

sie,

einschließlich der

Verbindungen

zum

d’un

Ereignisse von 17.

d’Etat, Paris

massacre Anthropologie historique Die Tatsache, dass Dewerpe der Sohn eines der Opfer des Charonne-Massakers Buch ein Werk der Postmemory, ist für dieses Kapitel nicht ohne Belang.

somit

février 1962:

Charonne

Oktober, bietet: Alain ist

2006

und sein

ARE

|

ao

N

|

a i

330

9.

VERSTECKTE KINDER

EINE NEUINTERPRETATION VON

CACHE ANHAND

DES PAPON-PROZESSES

331

|

eB

Einaudis

Aussage

dramatisch, dass sie erhebliches neues Interesse an der Geschichte des 17. Oktober geweckt hat. Bei Cache es weniger als im Prozess um eine explizite Erérterung des Oktober 1961, sondern Vielmehr darum, Diskurse über versteckte Kinder anzustoßen, das heißt über die von ihren Eltern aufgegebenen jüdischen Kinder, die sie oft der Obhut christlicher Familien oder Schulen anvertrauten, um sie vor der Deportation zu schützen. offiziell noch

|

a et

i

war so

verleugneten

geht

Wie

ie

Historikerin Annette Wieviorka argumentiert hat, veränderte der Konturen des Holocaustgedenkens:

i

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Papon-Prozess

die

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Papon-Prozess |

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nicht mehr in der

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Unbehagen

i

kennengelernt,

Prozess markiert:

|

bestimmte

wir

und die

die

2u

Vergangenheit

Generation im

zu

den

Zeugen

Wort

und

kamen,

Papon-Prozess.?®

In

zu

Zeuginnen

der

ersten

Delegie-

Generation, die

im

vorherigen Kapiteln

habe ich die Bedeutung Holocaust-Zeugenschaft rekon-

textualisiert, indem ich die zeitgleich vorgelegten Zeugnisse in Rouch und Morins

Chronik eines Sommers und Delbos Les belles lettres neben den Eichmann-Prozess

Hi

gestellt Textezum beschriebene Transformation

habe, Caché undandere 17. Oktober helfen 2u

iWam || | He il| iiil| Ht a i|} |

24 25

||

|

Wieviorka,

The

die von Wieviorka

diese Transformation

of

the witness, Ithaca. 2006, §. 145 »Generation 1.5« eine von Suleiman ihrem faszinierenden Buch Crises of Memory and the Second World War entwickelte Kategorie, die jene beschreiben soll, die während der

ist

era

in Kinder waren.Diese zweite Generation, Ereignisse diederPostmemory bezeichnet, Ereignissen aberdurch geboren, Erzählungen persönlichen Bezug Papon-Prozess Generationengruppen ausgesagt. Vertreter und

ist

merkt an:

sicherlich ein Extremfall. Andere Kinder, die

und Affekten

für versteckte

versteckte

von

wie

Kinder],

die

man

einen

die familiäre Tradie-

zu

ihnen. Im

Vertreterinnen beider

|

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aufgenom-

Frankreich, den Vereinigten

in

Kind«]

Widerhall

Sorgen

um

Auer

Fogiels gab

etwa

die

Kind

geblieben,

von

zu

weitere

L’enfant

Generation.«

(S.

148

caché

Vereinigun-

ist und diese Verei-

zurückgegangen

ihre Zukunft machen, florieren die

Vereinigungen

von

f.)

ergreifende Zeugenaussagen ehemals versteckter Kinder,

Georges Gheldman,

JackyAlisvaks, seinen Eltern

es

Roman

finden. Während die Zahl der

zu

Holocaust-Überlebenden drastisch sich

ergreifendem

Berthe Burko-Falemans

Angehörigen der zweiten

von

dem ein Prozessbeobachter sagte,

von

er sei »ein

Mutter

dass in der Erinnerung an die Trennung seiner lebt«, und der bemerkte: »Es ist sehr schwierig, wenn man als kleiner Junge von

fortgerissen

und gezwungen wird, ein

neues

Leben

beginnen,

zu

ohne

wissen wie.«??

Verbindung

Die

zwischen Caché, dem

Papon-Prozess

Diskursen von

und den

und über versteckte Kinder trägt dazu bei, die vorletzte Szene des Films verständlich zu machen, aber auch die Abspannszene Stufen der Schule, Der über den Prozess erlaubt

Gheldman,Alisvaks Majid —

26

Marianne Hirsch als hat

ihren Eltern

von

eine freundlichere

mit seinen

auf den

es zu

erkennen, wie Caché die Zeugenaussagen

und anderen einst

versteckten

verschwundenen Eltern,

Siehe

Fogiels Zeugenaussage

in:

Erhel/Aucher/de la Baume

838-841. Gheldman Conan, Le proces Zeugenaussagefindet

Papon, 27

.

Fogiel,

N de Maurice Le Proces

Bd. 1, S.

Zu

siehe Eric

Alisvaks’ rice

(Hrsg.),

Umweg

von

ee deren

Kindern in

seiner schle

Susan

wurde nach den

rung von haben

i

uns,

rekontextualisieren, weil sie

von

|

| U ul | aa

Annette

kurz

werden. Aber

nigungen

das

denen der »anderthalbten« und zweiten

des Eichmann-Prozesses für eine Geschichte der

Fogiel

auch in Büchern

[»Das

uns

unbedingt

Staaten, Israel, Polen und anderswo gegründet hat. Esther Fogiels Zeugnis scheint

machenden Schock, den

Wieviorka genannte

Eindruckhinterließen,

die ihre Kindheit im Krieg durchlebt hatten, sondern die

heraus.

[Vereinigungen

über die nichts

Noras und Roussos haben

dass die Zeugennicht

versteckt

mar-

gen

Beispiele

frappierendsten,

in Umgebung Fogiels Leid, selbst ihr Suizidversuch, finden in unterschiedlichem Maße Widerhall in der Erfahrung der Menschen, die als Kind werden mussten, um der Verfolgung zu entgehen, und die heute beginnen, sich zu aufern, insbesondere in den Rundbriefen der >associations d’enfants cachés« men zu

Kinder, die wahrend desKrie-

Ereignisse besteht,

am

waren,

Selbstmordversuch.?® Wieviorka

einen

Delegierung

eine traumatische

erste von

Caché ist

getrennt wurden, hatten das Glück,

Gattungen

von

Eichmann-Prozess

| ll

a

Esther

Augen geführt,

| IM

aan

an

an

von

den stärksten

»versteckten Kindern«

»Esther

dass diese Vermengung juristischer, öffentlicher bei vielen Historikern und Historikerinnen aushat. Für Cache besonders relevant ist der Generationenwechsel, den der vor

gelöst

ui

Erinnerung

Erinnerung

Einaudi haben

von

und akademischer

| || |

.

Beispiel

A

i ||

Generation, die der

neue

intergenerationelle Erinnerungs-

(enfants caches). Von diesen sticht besonders die Aussage von Fogiel Fogiel wurde von der Familie, der ihre Eltern sie vor der Deportation anvertraut hatten, vergewaltigt und brutal misshandelt; Mitte der 1960er-Jahre, zwei Jahrzehnte, nachdem sie diese Tortur überlebt hatte, beging Fogiel von

Ereignisse in ihrem jungen Leben ausgelöst haben.«?*

rung bereits

|

1| U i Il le iF| i i -

Am

i

ih

die Historiker

gesagt werden kann, sondern in dem nicht wieder gut

|

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Zeugenschaft an

eine

ges aufwuchsen und fiir die die

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ii

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der

| |

an

Analyse

Papon-Prozess

die von Erwachsenen

Zeugenschaft. Die Rolle delegiert, die zu Zeugen der

~

|

a)

wurde zunächst

aussagen, die im

der

-

|

iq

doppelte Delegierung

nach dem Prozess veröffentlichten Werken gesagt. Aber der Papon-Prozess kiert auch und das ist es, was mich hier wirklich interessiert die

|

a

Zeugen

markiert eine

In Hinblick auf die

Anklage, der Verteidigung oder des Klägers wurden. Alles, was es über dieses Rollengewirr zu sagen gibt, wurde während des Prozesses und in den unmittelbar

||

Pelee

|

des

|

|

1

Eichmann-Prozess markiert das Aufkommen der Figur des Zeugen, Der

in den umfassenderen Diskurs iiber Trauma und

tradierung einordnen.

Papon, Bd.

.

sich

1, S. 796.

in:

Papon:

‘ournal d’audi Un journal d’audience, Paris 1998, S. 95.

Erhel/Aucher/de la Baume

(Hrsg.),

Le

© 1998, $88. Procés

CL |

9. VERSTECKTE KINDER

332

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N

Pflegefamilie und seinem verzégerten, Jahrzehnte nach dem Trauma begangeaufgreift und umwandelt. Eingedenk des Diskurses versteckter Kinder,

Suizid

nen

ausgelöst hat, können

den der

Papon-Prozess mit Traumsequenz zuwenden, in der

geht.

Sie lässt sich

des Zweiten

nun

vermittelnde

es um

Majids Trennung

von

der Laurent-Familie

und anderen

zeitgenössischen

Formen

die

Bett. Die nächste

er,



hat, früher als

sonst

suggestiv, als cachets

Szene

ist bildlich als

von

der Arbeit zurück, nimmt

Georges’ Traum

von

zwei

auf sein

seiner Kindheit

gekenn-

und

zeichnet, obgleich ihre Plastizität und ihr gegenüber früheren Szenen gesteigerter

nahelegen, dass es Perspektive gefilmt, die

Realismus einer

sich auch zuvor

mit

um

Erinnerung jungen Georges

eine

dem

ist, sehen wir den Innenhof des Hauses, in dem =

MM ey

Szene

beobachten,

durch

Papons

dem Paar

|

haus

4

zu

Polizei

Majid

von

bringen.

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Selbst nachdem

ihn wieder

ihn

in

He

als

7

Episode

Erinnerungsfetzen

aus

len des Films

| |

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i

| Lt

am

Ende des Films

der Kindheit

von

und Träumen

heimgesucht

wird.

Zeugenaussagen

Lager

aus

dem

Jahr |

deportierte.

im Osten

der alte Kombi

|

Junge versucht,

ein Waisen- oder Kranken-

eingefangen hat,

wehrt

er

1961

zu

angesiedelt

Georges

ist, lässt sich die Szene auch leicht

Majid deuten, was sie von anderen unterscheidet, von denen Georges in früheren TeiZugleich bleibt die Szene durch ihre traumartige und

Papon-Prozess,

ermöglichen

von

etwa an

Die »historische« es,

die der

Einfirbung

Übertragung

vom

man

die

in die

der Szene, das Haus und

die Bilder ebenso gut auf die

beziehen. Durch die

jüdischen Kinder,

ihren Eltern getrennt wurden, die

Prozess

Vichy-Zeit zum

wie auf das

Film erhalten die

Geschichten versteckter Kinder weitere öffentliche Resonanz, während die marginaleren Ereignisse des 17. Oktober eine gesellschaftlich sanktionierte Ausdrucksform

|

weiter zu szene

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8: Versteckte Kinder. Pierrot und

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Majids

Sohn links

unten

auf der

;

Schultreppe.

Michael Haneke, Caché (2005)

des

Sammlung

Autors

Hintergrunds /

Traumsequenz lädt dam ein gehen. In derfolgendenAbspannszene, spiegelbildlich Qualitit der

die sich

verhält, fokussiert die Kamera die Stufen erkennbar

Gebäudes, einesSohn

gemacht wurde, an dem Georges’ Schultag geht zu Ende, Gruppen von Teenagern

einen zur

das als

das

Pierrot unterrichtet wird.

unterschiedlichen ethnischen

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in

teriösen

und

Abspann

auf die hinaus aut snaus

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Strate. Die Straße.

die

halb der Schule, scheint verstörenderweise anzudeuten, dass sich auch

Kamera

auBerhalb des vom

davon wirkt

sie wie eine

Film

bleibt

vorbei ist und das Bild schwarz

»objektiven« Einstellungen sind im Film von Anfang an Gebrauch der Überwachungskamera verbunden, Die letzte

ruhenden

dargebotenen

Rahmens for

mit dem mysSzene, außer-

die Überwachung

tsetzenwird.”

bewusst unterdeterminierte Szene, die das

„Abgesehen

Publikumrätseln gezeigt

lässt, welchen Sinn sie wohl haben könnte. In einigen Kinos, in denen Cache wurde, hatte ein Grofteil des Publikums den Saal vor Ende der Szene bereits verlassen

(zumindest in den drei Städten

selbst für

geduldigere

in

den USA,

wo

Film gesehen habe). Doch

ich den

Zuschauer und Zuschauerinnen bleibt die Szene undurchsich-

Weitwinkelobjektiv und die ruhende Kamera für fehlende verbirgt sich tatsächlich Fokussierung sorgen, in der Einstellungauf ein wichtiger Hinweis auf die Deutung des Films: die der Leinwand beobtig,

ihre Pointe unklar. Und doch: So sehr das

erste

Begegnung

von

Schritt

VorspannGymna-

das Sonnenlicht

.

treten

vollkommen statisch, bis der

achtbare

Die nfl assozicrendes

i

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6

Majids Vergangenheit,

in

finden.

7

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8

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Berea

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sich und

wird,

durch die franzésische Polizei

I

Eltern

Unbestimmtheit fiir weitere Assoziationen offen. Zweifellos erinnert sie, als Szene, in der ein Kind von einem sicheren Ort in eine staatliche Institution verbracht an

i

seiner

(sogar übertrieben) unfä-

bleibt. Da sie

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man

um

YN,

333

nicht fort will.

er

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8

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|

DES PAPON-PROZESSES

klar, dass wir die

der Laurent-Familie getrennt wird. Der

Sequenz gibt mehrere Hinweise auf das Trauma anzuerkennen Georges in der Gegenwart vollkommen

das

uns

Ermordung

Diese

i

i

nach der mutmaßlichen

entfliehen, das gekommen ist,

zu

schreit, dass

i

der

in

identifiziert worden

seine Kindheit verbracht

hat. Ein altmodischer Kombi fährt auf den Hof, und bald wird

N

|

handeln könnte. Aus

Georges

i

Schlaf-

legt sich

(Tabletten) beschreibt

-

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|

i

Sequenz interpretieren. Der Kontext der Szene: Georges kehrt nach Begegnung mit Majids Sohn, der ihn mit dem Selbstmord seines

Vaters konfrontiert

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i

Staatsgewalt

von

CACHE

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einer verstörenden

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auch der abschließenden

wir uns

als eine zwischen der Gewalt des Oktober 1961, der Gewalt

Weltkriegs

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EINE NEUINTERPRETATION VON

28

Eine ähnliche,

"sen als

Ende im

Funny

der

wenn

Pierrot und

Majids Sohn (siehe

auch explizitere Wirkung wird

Wesentlichen

den

Anfang

in

reinszeniert,

heben hieße

eine

neue,

allerdings, die in

8). Vielen Zuschauern

Funny Games erzielt,

allerdings

erbauliche

Games lässt sich Cache als auf relativ

Stufen Schule tritt

Abb.

neuen

Weise endend

multikulturelle Generation

der Schlussszene ebenfalls

mit

auf

den

Plan.

einem

Film, des-

Opfern.

Anders

verstehen: Aufden

Nur dies hervorzu-

spürbare Bedrohung

zu

ignorieren.

(|

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el)

||

9. VERSTECKTE KINDER

334

IRRITIERENDE ETHIK UND MULTIDIREKTIONALE VERANTWORTUNG

335

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|

und Zuschauerinnen scheint dieses Detail

4

Mal sehen, doch beim zweiten Mal

sind.”

A

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:

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die in

3

ist schwer

|

i

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(|

gespielt. Majids gefühlt hat,

namenlos bleibender Sohn sein,

von

keine

ter

Kinder« ist nicht

wichtigster

mögliche Komplizenschaft

der beiden Jungen

an,

Postmemory-Genera-

sagen, ob sich die beiden

zu

zuvor

bereits

historischen

Rahmungen leben,

die ihre Eltern



jedoch

die Art und Weise ihres Auftretens oder sind

1| ||

Sichtbarkeitsmodus ist

| 1

al

gen im |

des Films und ein

weiteres

zugleich

sichtbar

Anzeichen dafür, dass sich

beteiligt und

ihn

zugleich

Abspann,

leicht übersehen. Neben der offenen

Frage,

wer

undurchsichtige Charakter der leicht Jungen die Bedeutung des Films. Weil eine

zu

|

(Haneke hat sich sogar geweigert, den Dialog

zu

veréffentlichen,

den

er

fiir diese

geschrieben zu haben behauptet), fungiert der Schluss in erster Linie als Anreiz für ethische Fragen. Inwiefern kann ein Kind ein verantwortlicher Akteur sein? In welchem Verhältnis stehen Kinder zu den Handlungen und Leidensgeschichten ihrer Eltern? Welche Implikationen hat der Vorschlag, umfassende gesellschaftliche Dramen, Gewalt und Vergeltung durch die Handlungen von Kindern und das familiäre Erbe solcher Handlungen sinnbildlich darzustellen? Szene

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Die

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|

Geschichten, auf die sich der Film

im Unterschied

|

1961 nicht ausdrücklich bezieht. Die erste Geschichte betrifft den

|

verweist auf die

|

ein

typisches Mitglied:

zuvor

als Aktivistin

der Deportation

»Als

Mutter dreier

betätigt.

Zweimal hat

[enfant caché] aus dem Victor-Hugo-Gymnasium unter ihre Fittiche genommen. Ziviler Ungehorsam? [Ihren Kindern hat sie erklart:] ‘Man sollte aber nicht jedes Gesetz. Man kann in die Lage kommen, ungerechte das Gesetze missachten.«*° Die Aufforderung, ungerechte Gesetze zu missachten, einer der wichtigsten Imperative des Post-Holocaust-Bewusstseins, verweist darauf, wie sich eine Ethik des Vergleichs von sich beidseitig bedingender Vergangenheit und Gegenwart in ein politisches Netzwerk mit praktischem Programm übersetzen lässt.

Vergangenheit,

die zweite betrifft aktuelle

Kämpfe

Gesetz achten,

zu

mit mindes-

zum

Oktober

Papon-Prozess

fragt

und

und

nach der

.

Verantwortung

Irritierende Ethik und multidirektionale

explizit politische Agenda, die mit der des Réseau éducation sans frontieres vergleichbar wäre. Der ethische Gehalt des Films beruht auf der Ermittlungsarbeit, die er dem Publikum abverlangt. Seine exzessive Forderung von Erinneverspricht keine einfachen Antworten rung und Gerechtigkeit ist bedrohlich, denn Cache hat keine

auf Fragen an, zu

sie

individueller und kollektiver

die Leinwand nach Hinweisen

verlassen,

um

zu

Verantwortung.

durchsuchen und

nach relevanten Kontexten Ausschau

einer offenen ästhetischen Form mit historischer

Der Film hält

gleichzeitig zu

uns

halten. Diese

Suggestivität

vielmehr

den Bildrahmen

Verbindung

konstituiert Hanekes

Vorstellung von Treue, deren Reichweite sich nicht Im Voraus bestimmen lässt. im Gegensatz zu Nora, der behauptet, Historiker seien »am besten positioniert, alles [...] zu sagen, wozu die Vergangenheit berechtigt«, verethische Praxis und führt

wendet Haneke die

zu

einer

Erinnerung als Hebel,

um

nach Autorität und

Verantwortung zu

|

fragen. 29

|

von

etwa

ME |

in

Cache enthaltenen Interview

Zuschauer und

Zuschauerinnen wichtig, dass

der Schlussszene übersieht. Es

deutigkeit integraler rawinkel und die Platzierung Sichtungen

~

von

bestätigt

Haneke meinen Eindruck,

von

die Anwesenheit Pierrot und

ist

Bestandteil des Films ist, ein

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DVD auf derHälfte der

In einem

dassin die Majids Sohn

|

| | ||| Hy| EU

undurchsichtige Sichtbarkeit versteckter Kinder verbindet Cache

tens zwei weiteren

beschreibt

Kinder hat sich Valerie Tranchand noch nie

gegriindete

Kinder vor

sans

Zusammen-

für die Überwa-

verantwortlich ist, erschließt der

übersehenden Begegnung der beiden abschließende Interpretation der Begegnung stringent und bewusst verhindert wird

|

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i

Majids Sohn Augen verborgen. Dieser

kulturellen Diskurs der »versteckten Kinder«

chungsvideos

i

Hi

aller

verschiebt, Die in Cache evozierten Geschichten sind tatsächlich keine unsichtbaren, aber sie werden, wie die Fernsehnachrichten im Hintergrund oder die beiden Jun-

a Hil | IM |

vor

grundlegende Metapher am

Ein 2006 in Le Monde verdffentlichter Artikel beschreibt das Réseau éducation

sie ein »verstecktes Kind:

und unsichtbar: Sie sind

der Film

Papon-

Oktober 1961 und

französischen Phänomen auf: der Organisierung von Eltern und Kindern gegen die Deportation von Kindern aus Familien papierloser Migranten und Migrantinnen.

bewahrt werden sollen. Le Monde



i ta || |

an

Kontext

Söhne noch in den

unvermeidlich unterschiedlich

in

politischen Krise verbindet. Die Rhetorik »versteckden Holocaust gebunden geblieben, wenngleich der Genozid ist. Sie taucht zusätzlich bei einem anderen zeitgenössischen

Die offensichtliche

es

»Entfiihrung« Majids

Ereignissen des

frontiéres (Netzwerk Bildung ohne Grenzen). Dieser 2004 schluss hat sich direkten Aktionen verschrieben, durch die

begegnet sind.

Überwachung deutet daraufhin, dass die beiden

Fortsetzung

und die

einer aktuellen ethischen und

ihr

auf den Oktober 1961 Vertreter der zweiten oder

der

eine

Abspannszene

der vorletzten Szene sind Glieder einer multidirektionalen Kette, die die im

besonders verdäch-

ist

sind, aber Charakter und Kontext dieser Komplizenschaft bleiben vage, und

Am hervorstechendsten ist

a

Zukunft. Die versteckten Kinder der

denen sich die Laurent-

besteht aber nachdrücklich auf seiner Unschuld. Seine

mit Pierrot deutet eine

Bezug

gerade abgespielt hat,

Nicht-Auftretens in dieser Szene. Pierrot und

N

N

zu

identifizieren

terrorisiert haben.

a

N

Überwachungsvideos verantwortlich zu

U Ta

| |

tig, für die

tion

den Film das erste

wenn sie

der Geschichte, die sich

eindeutige

Begegnung

| ||

in

Rolle

Familie bedroht

I

entgehen,

Prozess erzählte Geschichte des Holocaust mit den

Die beiden Söhne haben

|

|

zu

zeigt sich, dass die Kinder leicht

Ergebnis

diese Art

von

Statisten und Statistinnen.

und frustriert selbst dann noch das Bedürfnis nach Gewissheit.

Waisenkind, und versteckte Kinder kommen

zuhauf vor.

visueller Mehr-

Entscheidungen über KameDer Film verlangt mehrfache

von

Die Geschichte ist in Caché ein

30

Laetitia Van Eeckhout, Mobilisation

citoyenne

contre

Juni

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LM

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les

expulsions d’enfants,

in:

Le Monde,

2006, www.lemonde.fr/societe/article/2006/06/17/mobilisation-citoyenne-contre-lesexpulsions-d-enfants_784782_3224,html (28. 12. 2020]. 17.

|

A

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N

|

336

i

g.

VERSTECKTE KINDER

4 Die Viktimisierung von Kindern zieht sich

|

auf

gespenstisch durch Cachéund verweist

verborgene

Geschichten des Films, doch befasst sich Cache, wie Hanekes CEuvre insgesamt, auch mit der Möglichkeit, dass Kinder Täter sein können.?! In Hanekes

J

Werk

|

i

gibt es

keinerlei

chen sollte nicht als

|

brechen

|

aufgefasst

Sentimentalitat, und

Minimierung

werden. Wenn

oder

Fokus auf Georges’ Kindheitsverbre-

sein

Relativierung

Georges’ Beitrag

|

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IT

Hi)

|

|

|

|

|

|

|

|

|

den Grenzen moralischer tieren. Genau so,

|

a

wie

Verantwortung

Vertreibung Majids aus seiist es eine komplexe, mehrteilige

das Publikum in die

und ethischer

|

||

Handlungsfähigkeit zu

Lage von Detektiven versetzt wird,

der nach Spuren absuchen, werden wir in ethische eingeladen, darüber nachzudenken, was einen

Fragestellerinnen

irri-

die Bil-

verwandelt und

verantwortungsvollen moralischen

ER

Akteur ausmacht.

|

|

Diese

A

identifizieren und

zu

Beschuldigung beteiligen, Grenzziehung Verantwortung und moralischen Dilemmata erleichtern würde, regt Cache eine signifikante, aber keineswegs unbegrenzte Ausweitung ethischer Verantwortung an. Der Film hilft uns beispielsweise zu erkennen, dass, unabhängig davon, wie wir Georges’ Rolle bewerten, Majid in Wirklichkeit von Georges’ Eltern aus der Familie

Ib

uns so an

einer

die die

zu

zwischen

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entfernt wurde. Sie sind, wie ambivalent ihre

Nachwirkungen Mutter |

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dass

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wiederholt

von

Majid geträumt hat.

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von

gegenüber Majid

zu

verurteilen;

traurigen Szenario, weigert

higkeit als Erwachsener, die

‘|

anzuerkennen

|

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nem

i | || | aii |

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! i i Hl

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-

sich aber

Georges für sein herz-

sie verweist indirekt auf

zugleich,

ihre

eigene Rolle

i]

|

Majids Leben

es

also

tiefen

um

Bei sei-

Vorstellungskraft

sein Gedächtnis und seine ethische

ebenso sehr wie

31

Zu den weiteren Filmen

von

Haneke, die sich

mit der

Viktimisierung von

Kindern befassen,

gehören Der siebente Kontinent und Wolfszeit. Zu den Filmen, die Fragen nach Kindern und Jugendlichen als Täter (und oft auch als Opfer) aufwerfen, zählen insbesondere Benny’s Video und Funny Games. In Benny's Video begeht der Teenager Benny einen willkiirlichen, unmotian

andere

um

einen Ausdruck

Lüge, die er als Junge aufgetischt hat (Georges gebraucht dafür dem Schulslang: cafter [»Petze«]). Als sich Georges und Majid

die

aus

Jahrzehnte später, nach dem Auftauchen der

begegnen, fragt Majid

wieder

Überwachungsvideos,

rhetorisch: »Was tut

man

nicht alles,

zum

um

ersten

nichts

Mal

zu ver-

Frage betrifft Gegenwart und Vergangenheit: Georges’ Weigerung, sich Vergangenheit zu stellen, schützt die Intaktheit seines Selbstbilds als ethisches Subjekt, so wie die Lüge des Kindes die ethnische Unantastbarkeit der Kernfamilie lieren?« Seine der

bewahrt hat.

der

auf

auf den

erwachVerantwortung Georges’ Eltern und Ausweitungen drehen sich um inter- und transgenerationelle Verbindungen. Das senen Georges heißt, der Film erkundet die mit einer Komplizenschaft mehrerer Generationen einBeide

~

~

hergehenden Verbindungen

ergeben

-

also genau

jene,

ebenso wie die, die sich die die Mehrheit der

aus

indirekter

Verantwortung Bürgerinnen in allen

und

Bürger

ber 1961 ethisch irritierend als die einer Rivalität zwischen Kindern inszeniert, führt

grundlegenden Anklagen: Zum einen werden Subjekte angeklagt, die unter Umständen juristisch gar nicht belangt werden können (weil sie »minderjährig« oder als Beobachter keine aktive Rolle gespielt haben), zum anderen werden Vorstellungen von Verjährung hinterfragt (wenn die Frage um transgenerationelle Verantwortung erweitert wird). Solche Anklagen wahren eine wesentliche Distanz gegenüber Rechtssystemen und juristischen Anklagen; sie implizieren ethische Vorschriften und Forzwei

zu

men von

auf

einemanderenTeenager.

AnschlieBendrasiertersichden Schädel, wodurch

(wie Figuren bemerken) zugleich wie ein KZ-Haftling und ein Neonazi-Skinhead aussieht. Das ist eine der sehr wenigen Bezugnahmenauf den Nationalsozialismus in Hanekes Werk, und sie betont die mehrdeutigen Erbschaften des Faschismus, wie sie sich auf spätere Generationen auswirken.

A qe

https://pdfify.app/trial

Treue, die über das

Gesetz hinausgehen und den Zustand oder die Situation,

die sie verweisen, noch radikaler

birgt

Außerdem

infrage stellen.

der Fokus auf die

Verantwortung

und

Viktimisierung Vergangenheit

Kindern eine Lektion über die Ethik der Zeitlichkeit: Ohne das

Gegenwart

verbindende Band



hier

er

das Publikum

weist

er

durch

zu

-,

kann

von

und

repräsentiert durch das Verhältnis zwischen

keine Verantwortung, dung geben, in der sich Gerechtigkeit denken ließe. Der Film

Kindern und Erwachsenen

es

keine kausale Verbin-

geht sogar weiter. Indem

mit einer Serie

von

Ratseln konfrontierten Detektiven

Fragen darauf Überwachungsvideos

hin, dass die Reichweite der

tional ist: Wer ist für die

Verantwortung

macht,

multidirek-

verantwortlich? Welche

Bedeutung Begegnung der beiden Söhne im Abspann? Wo verlaufen die Grenzen der Verantwortung? Wie verhalten sich die Kinder im Film zu den im Prozess thematisierhat die

versteckten Kindern oder

zu

den

jungen Sans papiers, die eventuell

aufPierrots

Diese Aufmerksamkeitauf »Grauzonene antwortungundMitschuldund verlangen Antworten Konzepte allerldesinSelbstund earen ansae verkomplizieren dualistische ethische Schule

|

He

|

ten

er

Hi | | 4

des

jungen

Auswirkungen seines Verhaltens auf ganz gleich, wie man seine Verantwortung als Kind beurteilt.

Versagen geht

viertenMord

7

ent

dem

Die Mutter scheint

anzuerkennen oder sich mit ihr auseinanderzusetzen. Der Film deutet auch an, dass das wahre Verbrechen nicht das Verhalten Georges ist, sondern seine Unfa-

i

U

er

sein Wissen

|I

eb

verantwort-

Verantwortung: Ruhig und bettligerig, weigert sich Georges’ (Annie Girardot), sich der Vergangenheit zuzuwenden, als Georges erwähnt,

|

a

|i

auch sein mag,

dieser

loses kindliches Verhalten hi

i

Haltung

liche Akteure, Die Szene, in der Georges seine Mutter besucht, veranschaulicht die

13

i

337

Geschichten nationaler Schande betreffen. Dass der Film die Geschichte des Okto-

Befragung fiihrt zu weiteren Bewertungsebenen. Anstatt es uns zu erlauben,

Schuld schnell und abschließend mit einem klar definierten moralischen Akteur

|

7

der französische Kolonialver-

zur

Allegorie kolonialer Gewalt ist, Allegorie. Auf einer ersten Ebene dient Hanekes Erzihlung der Geschichte mittels Georges’ Kindheitshandlung dazu, das Publikum durch die verstérende Frage nach

|

3

7

Elternhaus eine

nem

!

IRRITIERENDE ETHIK UND MULTIDIREKTIONALE VERANTWORTUNG

|

MM



|

gehen?

Fragen Ienken

die

von

Ver-

jenseits

litätsmodelle. Sie

des

Anderen, Indem Haneke die zentralen Ratsel des Films unterdeterminiert er

32

die Überdeterminiertheit historischer

Caché kénnte

auf

lässt,legt

Verantwortung offen.?? Georges

ist

nicht

produktive Weise anhand von Clifton Spargos Begriff der »Erinnerung an Ungerechtigkeit« interpretiert werden. Spargo schreibt: »Die Art und Weise, in der wir über

7

nie

|

fal \

9. VERSTECKTE KINDER

338

LA PLACE DE LA CONCORDE

339

IM

|

ie

i

|

gegenüber

Treue

a

dem

Unfähigkeit,

seine

|

dieser multidirektionalen

Subjekt

das ethische

a

Ereignis, Ereignis

das

das

seine

auch

nur

Verantwortung;

seine

Unfähigkeit zur

Kindheit und noch viel mehr zerrissen hat als Bruch

oder den 17. Oktober

begreifen \

zu

-

überhaupt als Ereignis anzuerkennen -, steckt vielmehr ex negativo den Raum eines potenziellen, noch unverwirklichten ethischen Subjekts ab.

|

Erinnerung Mord und Cache, an der Aufdeckung »verborgener« Geschichten, evoziert auch Appell des Romans an die Figur 8 gl der Antigone ethischen Imperativ, die Toten zu Grabe zu tragen und die Möglichkeit zu trau-

wie Bei

doch der abschließende den ern

wiederherzustellen. Sebbars Roman ist den

Audin und einer Reihe

Hl

von

Opfern

Personen

des Massakers

gewidmet,

von

1961, dem Comité Maurice

die sich als Akteure und Akteurinnen

multidirektionaler Erinnerung begreifen lassen darunter Daeninckx, Jean-Luc Einaudi, Elie Kagan, Jacques Panijel und Paulette Péju. Der Roman widmet sich bewusst ~

UL,

|

La Place de la Concorde:

|

a

;

Die Rückkehr

Stätten der

an

Erinnerung ;

al) a

Sophokles

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A .

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|

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tatsächliche

1

1 1

|

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zu

sehen (insbesondere

in halb- oder

Konflikte evozieren das Trauma

mit Georges und

seiner

vielmehr ist die Position Haneke bietet nicht jene

Außenposition,

mit

die Daeninckx für das ethische

Haneke bezieht sich auf

historischer Verantwortung

aufeinen anderen Text zu

von

möglich sein

Sophokles, um

Ödipus,

die

wird;

anderem bietet die Erinnerung schen Kausalzusammenhängen

ist,weil

|

egal tert

|

das

einer

33.

|

Hae

i | i | | et N| U |

|

In

an

eine

Ungerechtigkeit, eine

Antwort

an

prignanten Aufsatz

den

erweiErinnerunginnerhalb

seine Position

tiber Caché verweist Paul

Gilroy

auf

die

Grenzen

nicht-

Subjekt.

klugen

komplementären Argumentation

potenzielle

an

junge Erwachsene richtet,

er

| |

|

|

aufdie

ventscharfte, den

wenn seine selbstreflexive Form Gegenstand eines Besichtigung folgenTischgesprichs wird, und nicht etwa die politische Frage der Kolonialschuld. Ich stimme

Gilroy

und Cousins

ethische Gehalt des Films würden

I ZU A HE

1

ti!

https://pdfify.app/trial

zwar

darin zu, dass

politisches Projekt

zu

der

Film nicht

inszenieren

(was,

so

weit

geht,

wie ich noch

ein

positives,

darlegen

| |

alternatives

werde, La Seine

était rouge durchaus tut), doch ich bin etwas wohlwollender, was die von Haneke skizzierte Vision einer künftigen Ethik angeht. Siehe Paul Gilroy, Shooting Crabs in a Barrel, in: Screen

(2007) 2, S. 233-235; Mark Cousins, After the End: Word of Mouth and Caché, in: Screen (2007) 2, S. 223-226. Meine Interpretation von Sebbars Roman deckt sich mit zwei ausgezeichneten Aufsätzen von 48 48

34

Anne

Donadey

insofern

von

und Dawn Fulton. Meine

|

Herangehensweise unterscheidet sich allerdings

der dieser beiden Kritikerinnen, als ich La Seine

in

erster

Linie

in

den mul-

tidirektionalen Traditionen verorte, die im Fokus dieses Buches stehen, und dadurch, dass

der Vision des Films, das heißt auf dessen Unfähigkeit, über die Krise des weißen, bürgerlichen Subjekts hinauszugehen, hin zu einem vollständig imaginierten, alternativen, hat Mark Cousins die und In einer weißen "These vertreten, das Beklemmende und der

nicht

keineswegs ein einfaches oder vereinfachendes Werk. Sebbar verwendet eine komplexe Erzählstruktur und unterteilt ihren relativ kurzen, 125 Seiten langen Roman in 37 kurze Kapitel mit zahlreichen Erzählern und Erzählerinnen und Fokalisierungsformen. Die Handlung wird vor allem von den Perspektiven dreier junger Figuren getragen: Amel, ein sechzehnjahriges Beur-Madchen, das in Nanterre aufwächst, und zwei Freunde in den Zwanzigern: Louis, ein französischer Filmemacher, und Omer, ein algerischer Journalist im Exil. Das Buch zeichnet Amels Versuche

Ungerechtigkeit

Ordnung. Unter systemiBürger, dem die Sache

kann. Die

Kausalitätsprinzip bis zu dem Punkt, an dem das Subjekt akzeptiert.« Spargo, Vigilant Memory, S. 261. kurzen und

identifizieren, kennzeichnen ihn als Text, der sich

doch ist

die in ihren historischen,

als kausal verantwortlich wahrnehmen

wenn

und auch Sebbars Roman erkundet solche

der

ethisches und

Kausalitätskette

einem

zu

Entstehung eines minoritiren Subjekts Paris, octobre 1961 beteiligt sich zwar,

dargestellt wird,

Eltern-Kind-Beziehungen,

Beziehungen im Namen eines ethischen Gedenkprojekts. Doch anders als Cache, wo Erinnerung und ethische Subjektivität nur ex negativo und andeutungsweise skizziert werden, und anders als Bei Erinnerung Mord, wo es zur Wiedereinsetzung eines klassisch männlichen Subjekts (des hard-boiled-Detektivs) kommt, kündigt La Seine die Geburt eines neuen Subjekts der Erinnerung an, auch wenn es auf einer Figur klassischer Provenienz aufbaut und an einem historisch aufgeladenem Ort entsteht.?4 Der Adressierungsmodus des Romans, seine offenkundig pädagogische Ausrichtung und seine Aufforderung, sich mit seiner jugendlichen Protagonistin Orte

dagegen bezieht sich Leila Sebbar

sich nicht

er

der

gar zerriittete

weitere Konfrontation

Geschichte nachdenken, und die Aufmerksamkeit, die wir der historischen widmen [...], schaffen einen Raum der Kritik innerhalb der gegenwärtigen

i

Subjekt

anzudeuten, dass eine

um

Subjekts nicht ohne

skizzieren. Sebbars La Seine était rouge:

r

eet

Mutter,

unbewussten Zuständen). Auch wird die elterli-

Rekonstruktion des weißen französischen

| HI | LO

il

Gewaltandrohungen (und die

Psychoanalyse erfolgreich neu verhandelt; des Vaters hier die einer unauflésbaren Legitimationskrise.

Fahndung postuliert.

|

a

sucht. Andere Bestand-

che Autoritat nicht wie in der normativen

i

/ ll |

a|

intergenerationellen

er

jedoch ohne die Auflösung, die sich bei Sophokles und Freud findet.Georges’ Blindheit liegt nicht daran, dass er das Ausmaf seiner Verbrechen der Held der griechischen Tragödie »sieht«; sie resultiert vielmehr aus der anhaltenden Verweigerung,

i

:

sowie die

Ein

dann

LT | | A | lil A He | |i a

i1vi I

Gewalt)

Tragödie:

aber auch mit Pierrot und dessen Mutter Anne, die Georges der Untreue verdächtigt, uneingestandene Wünsche andeuten. Spielt der Film mit einem ödipalen Szenario,

ay

MN

er

dem der

der Kastration, während die Szenen der Anspannung

ue |

U ie NM

folgt

von

untersuchen; schließlich stellt sich her-

teile der freudschen Version sind im Film verstreut: Die

oad

Hoe |

zu

selbst der Verbrecher sein könnte, nach dem

aus,

1

|

dass

ein Verbrechen

aufgefordert,

Mann wird

; | Il| i 7

und Freud verstehen, sein narrativer Aufbau

Cache lenkt La Seine était rouge die Aufmerksamkeit auf angespannte,

in der Version

Odipus-Mythos

Caché lasst sich als Heraufbeschworung des

Fragen der individuellen und kollektiven Erinnerung. Wie Bei Erinnerung Mord und

in La Seine était rouge

ich auf

Assoziationsgeflechte

aufmerksam mache, die

die Fotografien Elie Kagans, den Bezüge griechische Trauerspiel entstehen. Siehe Anne Donadey, Recasting Postcolonialism: Women Writing Between Worlds, Portsmouth 2001, S. 28-33; Dawn Fulton, Elsewhere in Paris: Creolised Geographies in Leila Sebbar’s La Seine était rouge, in: Culture, Theory & Critique 48 (2007) 1, S. 25-38.

Schauplatz

um

Place de la Concorde und die intertextuellen

auf das

|

|

7

|

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i

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der einen Dokumentarfilm über die

Lan

|

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|

17. Oktober direkt

|

|

und Großmutter Louis’ Film,

i

|

Eltern erfährt

ml

|| I

begleiten,

U

i

m

i

it

i |

ia i | Hl

Al

die beiden

Spuren

der

»Transkriptionen«

am -

weiterer

17. Oktober und den

und

so zum

um sie

ersten

auf ihren

Ereignisse ausfindig

der Szenen

Augenzeugen

Folgetagen

aus

und

berichten.

Mal die Geschichte ihrer

Streifzügen

durch Paris

zu

machen wollen. Amel und

auf, die in dem Film erwähnt werden und an denen

Demonstration

Vorfallen kam, und sammeln weitere

Zeugnisse

es

von

während der Parisern und

begegnen.**

|| |a

LA PLACE DE LA CONCORDE

341

vermuten

lässt. Wie Daeninckx, Haneke



zur

an

den

Papon-Prozess

Memorialisierung

Raum zurück. Von der

Widmung zu Beginn bis zum überraschenden Schluss betont von Akteuren und Schauplätzen der Erinnerung. Tatsächlich lässt sich der Roman trotz seines jugendlichen Zielpublikums mit Gewinn als eine Lektion für Theoretiker der Erinnerung wie Nora und Rousso verstehen, die neuerdings vor der sozialen Sprengkraft ihres Analysegegenstands zuriickzuschrecken. Sebbars Roman macht Beispiele für lieux de mémoire (Orte der Erinnerung), wie sie Nora bezeichnet hat, aufmerksam und ruft dabei den Zweiten Weltkrieg und Formen des Holocaustgedenkens in Erinnerung. Für Nora markiert die Zunahme von Orte der Erinnerung in der Moderne den Niedergang einer gelebten, kollektiven Erinnerung, die natürlich und kontinuierlich von einer Generation an die nächste weitergereicht wird. In dem berühmten Aufsatz, der den ersten Band von Les lieux de mémoire einleitet, schreibt Nora: »Es gibt Orte [lieux] der Erinnerung, weil es keine Umgebungen [milieux] der Erinnerung gibt.«”” Auf gewisse Weise bestäLa Seine die Interaktion

auf einige

tigt

La Seine Noras These

rationen

1997/98

geschrieben,

kehrt der Roman

und Präsenz bestimmter Monumente

im

Pariser

|

36

CE ee |

Hi]

a

i | ai

Leila Sebbar, La Seine était rouge: Paris, octobre 1961, Paris 1999, 6. 16. Sebbars Interesse an den mit dem Oktober 1961 assoziierten Erinnerungsorten

wesentlich mit Hanekes scheinbarer Meidung solcher Orte. Paris Ansichten der (flichtige

ges’ Haus

im

Rue des Iris

13. Arrondissement exakt

keit seines Protagonisten er

sich

2u

-

ein

bedeutungsvoller

verorten), doch der

derihn

mein

spielt

kontrastiert

erkennbar

in

-

Gleichgültig-

auf

Augenmerk

diesen

zu

Aspekt des

indem danke Manuel Rota fir die Ich richten.

machen.

Films

zu

https://pdfify.app/trial

er

Noras Narrativ

eines

Verfalls ab und verweist auf

Formen des Gedenkens bei der Interaktion

von

Orten und Akteuren

Deutlicher noch als Bei Erinnerung Mord veranschaulicht La Seine die Struktur, die Hirsch Postmemory nennt eine Ästhetik, die Hirsch mit den Kin-

von

Holocaust-Überlebenden in

Verbindung bringt

und zunächst in Reaktion

Maus, Art Spiegelmans Comic über seinen Vater, einen Auschwitz-Überlebenden, entworfen hat. Wie Maus befasst sich Sebbars fiktionales Werk mit den Bemühungen auf

der zweiten Generation, die Geschichten einer

Zeugen

und

Zeuginnen

zu

wenig

mitteilsamen Generation

rekonstruieren, Die Art und Weise,

in

der das

von

geschieht,

lenkt die Aufmerksamkeit auf den künstlichen Charakter dieser Rekonstruktion: durch

Betonung

des medialen

zweiten Generation und die

(und vermittelten) Charakters der Geschichten der

Weigerung,

anhand der vermischten

Chronologie

der

Erinnerung ein bruchlos verlaufendes Narrativ zu rekonstruieren. Wie Protagonisten und Protagonistinnen vieler Holocaust-Geschichten der zweiten

individuellen die

Generation bemerken Amel und Louis

Lebensgeschichten und denen Ergebnissen, überbrücken wollen. und

"Trotz solcher

Eines der

eine

tiefe Kluft zwischen ihren

ihrer Eltern, die sie, mit

Erfahrungen

zwangsliufig gemischten

Ähnlichkeiten zwischen La Seine und zahlreichen Texten der Holo-

caust-Postmemory verweist

auf wesentliche Unterschiede

Sebbar

wichtigsten in Erinnerungsorten, Motive

von

nerinnerung, da

erlauben es, Georscheint die

Name

Film

zwar

neue

La Seine sind Sie führen oft

zu

solchen Texten.

Amels, Louis’ und Omers wiederholte zu

einer

umgangssprachlichen Gege-

OmerdieoffizielleErinnerung staatlicher Denkmäler mit der Erin-

Erinnerung den Zweiten Weltkrieg

an nerung an den Algerienkrieg kombiniert. Die und den nationalsozialistischen Genozid waren im Diskurs und

Frankreichs bis Ende der

gegenüber umgebenden Geschichte zu reproduzieren,

weigert, Orte historischer Gewalt sichtbar

Anregung,

Cach&

denn der Roman betont die Kluft zwischen den Gene-



doch letztlich lehnt

Erinnerung.

der

Besuche 35.

-,

mögliche

dern

Erinnerungen. Der Roman ist nicht nur eine ebenso fragmentierte wie detailreiche Darstellung des 17. Oktober, er beschwért auch zahlreiche weitere Geschichten herauf, einschlieBlich des gréReren Kontexts des algerischen Unabhingigkeitskriegs, des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust, des französischen Kriegs in Indochina, des napoleonischen Einmarsches in Agypten, des Mai 1968 und vielleicht am nachdriicklichsten des algerischen Biirgerkriegs der 1990er-Jahre. Die pidagogische Stoßrichtung der Erzählung übertrifft diese multidirektionalen Anrufungen sogar; letztlich geht es um die Strukturen der kollektiven Erinnerung als solcher. Unmitwiederholt

Ur | i |

|

indirekter, »intermedialer« Stil bereits

telbar im Anschluss

)

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gesehen

aus

-

i ea

a

Mutter

und viele andere, die auf das Massaker reagiert haben, richtet Sebbar ihre Aufmerksamkeit eindeutig auf ein umfassenderes Aufeinandertreffen von Geschichten und

|

|

intergenerationelle Tradierung von

Omer suchen Orte

sein

iaail

vi

dreht. Anstatt die Geschichte des

vielfaltige Gruppe

rekrutiert Amel Omer,

zu

hat),



|

} La

unterstützt

Komplizierter wird alles dadurch, dass es dem Roman keineswegs nur darum wie geht, die singulare Vergangenheit des Polizeimassakers zu rekonstruieren

| ml | iE | IM Va

i)

wo

—,

hat

Pariserinnen, denen sie unterwegs

|

|

8

iiber ihre Erlebnisse

Nachdem sie Louis’ Film

|

Krieges materiell

Tochter darzustellen, nutzt der Roman indirekte Mittel. Etwas

denen Noria und eine

in

Augenzeuginnen

ER

i

zu

zur

Ereignisse

erzihlen oder deren

mehr als zwei Drittel des Romans bestehen

ae

iL

ihrer zuriickhaltenden Mutter und ihrer Groftmutter etwas iiber die Ver-

von

heißt einer Französin, die den FLN während des

|

a

i

-

nach,

[au

i

5

g. VERSTECKTE KINDER

gangenheit zu erfahren. Beide Frauen waren an den Ereignissen des 17. Oktober beteiligt, lehnen jedoch Amels Bitte um Unterrichtung wiederholt mit der Entschuldigung ab, sie würden ihr am »festgesetzten Tag jour dit]« alles erzählen.’ Amels Mutter Noria weist also den Wissensdurst ihrer Tochter konsequent zuriick, spricht aber offen mit Louis, dem Sohn einer porteuse de valise (einer »Koffertragerin«, das

A

N

340

i}

37

et

Pierre Nora, Entre Mémoire Histoire: La

de mémoire, I: La

im

öffentlichen Raum

1990er-Jahre weitverbreitet, doch die Gegenerinnerungen

République, Paris

des

problématique liewx,

1984, S.

xvii.

in:

ders.

(Hrsg),

Les liewx

7

aa

i |

:

RK

|

aa

iG

:

342

|

i

Algeriern

von ANT

»weiße |

den

I

|

und

Algerierinnen und

(wie die Leerstellen

stream

aot

Marmorplatte«

Aufruf gefolgt

|

||

|

|

Diese

sani Bala aa

il

i)

verortet.2®

Beispiel

und der Trauer.*

ekphrastischen, bildlich beschreibenden und einen anspielungsFotografie evoziert Sebbar die Concorde als »Schnittstelle« in einem mobilen Netzwerk kollektiver Erinnerungen.“° In einer der Zeugenaussagen aus Louis’ Film, die direkt nach Amels und Omers Ausflug zur Concorde eingefügt wird, benutzt Amels Mutter ein berühmtes Bild: »Wir trafen zufällig Flora [Louis’ Mutter], sie sagte uns, die Concorde sei gefährlich. Die Polizei schlage Algerier. Die Bullen hätten Maschinengewehre. Ihr Freund, der Fotograf, zeigte ihr Fotos der Concorde-Metro-Station, ein paar Wochen später habe ich sie auch gesehen. Am Bahngleis stehen Männer, Algerier, zusammengepfercht [parques], mit den Händen auf dem Kopf, es ist eine Razzia [une rafle], sie werden sie in die Durch einen

reichen Gebrauch der

Gefangenenlagerbringen,

wie meinen Vater in den Palais des

Verbindungen

an.

Sports« (S.

f.).

79

Das

von

Noria beschriebene

|/

aH i)

aufdie

|

3

x

anos

|

38

der allgemeinen metonymischen Technik, Daeninckx Werk sehe, scheint Sebbars Interesse

Abgesehen von

Hl oy | a Ry

Erinnerung g Mord Bezug 8

i He

Roman

am

die öffentlichen Räumen und ihrer zu

Umgebung eingeschrieben

nehmen:

zum

an

den

in

La Seine als auch

Erinnerungsschichten,

sind, auf zwei Passagen

in

Bei

einen auf die Beschreibung 8 einer Mauer in Tou-

louse, die mit Graffiti bedeckt ist, die kontrare politische Haltungen zum Ausdruck bringen, und zum anderen auf den letzten Absatz des Romans, in dem Cadin und Claudine beobachder ten, wie Arbeiter, die an der Metro-Haltestelle Bonne-Nouvelle (dem Schauplatz einiger Schichten alter Plakate entfernen und dabei ein Plaam 17. Oktober 1961 verübten Massaker)

| |

HE

|

| Hl |

1

| MT

|

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|

kat

aus

der Zeit der nationalsozialistischen

betonen

zwar

Besatzung freilegen (S.

die Konkurrenz und das Blockieren

wirkt darauf hin,

Peale a

de

I’étoile

ur denen verBleichbanspielt die place

einsetzt.

demsichAlgerier und Algerierinnen

hybrides, nicht-fiktionales

von

159,

Erinnerungen,

die unterschiedlichen Botschaften lesbar

zu

machen

216).

Diese

Beispiele

doch der Roman selbst -

wie

das auch Sebbars

La

l’étoile

de

in

der Nacht des 17. Oktober

Werk Dora Bruder ist insofern

A a

Sebbars Roman, als .

Geschichten

Eine

*

unternommenen

Sebbars Darstel ung

|

Patrick Modi auf subversive

ein

von

entstand die Concorde

undenkbar, dass von

ein

ihm die Geschichte einer unter den

auf

Bedingungen

|

|

der

Ort der »Konkordanz« sich überschneiden-

interessante Weise mit der kulturell-politischen Bedeuin Paris: A Traversal from

Agulhon

Ost nach West«), einem

Ort: »Die Place de la Concorde

bewegten). Modioffenkundiger

weiterer

|

Ermittlung erzählt wird.

Ortes selbst. Wie Maurice

berichtet,

Zentrum

in

der Place de la Concorde als

korrespondiert

Durchquerung

im

Essay

postrevolutionaren

fiir das

19.

East

West

to

Jahrhundert

als »neutralisierter«

spiegelte somit ein gewisses Bild Frankreichs wider,

Platz, der ggewissermaßen

Paris sein sollte. Daraus

ergab

in

(»Paris:

Liewx-de-Mémoire-Projekt

der Mitte Frankrei ichs

lag,

und

es war

nicht auch das icht

a

a

sich die Idee, dass Paris eine Stadt der Hälften,

Ost und West, sei, definiert inBezug auf die Concorde. [...] Die antagonistischen Leidenschafdie einst mit diesem zentralen

Platz verbunden

ten,

begraben« (S. 535). Sebbar könnte, wie Rouch

waren,

und Morin

wurden

vor

nun in

rativ

Maurice

insofern, als die den Platz

Agulhon,

zu einem

Ort

of

historischen Nar-

the French Past, Bd. III:

Symbols,

| |

macht. Siehe

|

Realms of

|

möglicher Übereinstimmung in: Pierre Nora (Hrsg.),

Paris: A Traversal from East to West,

The Construction

der Vergangenheit

ihr, als Wiederbeleberin einiger

dieserauch antagonistischen Leidenschaften angesehen werden. Siefolgt diesem Memory:

Text tut.

von

Postmemory

40

er

die ich sowohl

in

place

«ori

an

Vorläufer

]

oe

»Hier wurden

a

|

Ort,

tung des

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La

I

Pa

des

he ole de

Zusammenhang zwischen dem gelben Stern (I"étoile jaune), den Juden und der Besatzung zu tragen gezwungen waren, und einem Ort in Paris, der Jüdinnen während Place de I’Etoile (dem Standort des Arc de Triomphe sowie, nebenbei bemerkt, ein weiterer

dem chaotischen, aber scheinbar

«

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+

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aus

n

Weise mit dem

7

chule

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ablegt,

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Dee

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i ||

39

©

unschuldigen öffentlichen Platz einen Ort voller Erinnerungen an Deportation und Erniedrigung. Nur ein Jahr nachdem Marceline von Rouch und Morin gefilmt wurde, sollte die Concorde ein Schauplatz zeitgendssischer Polizeigewalt werden. Wie Omer Fassade Hotels Crillon schreibt: Algerier am 17. Oktober 1961

a

|

ins

eines dritten

ASSO2I

Verkehrs auf der Place de la Concorde

|

HE

Erinnerung

bringt die moderne jüdische Allgemeinen Spiel, indem sie Fotografie (eine der Schlüsselressourcen der Ästhetik von Postmemory) und ein Denkmal beschwért. Multiple, manchmal zufällige Assoziationen machen aus der Place de la Concorde eine beispielhafte Schnittstelle multidirektionaler Erinnerung und schaffen letztlich einen »Platz« für die Konstruktion von Gegendiskursen der Erinnerung hinzu. Sie

Aspekte

Geschichte und den Kolonialismus im

zwischen Postmemory und multidirektionaler ErinIn Chronik eines Sommers macht das Zeugnis, das Marceline inmitten des

:

1

|

Bei

des Gedächtnisses konstituiert eine multidirek-

:

|

4i| ll |

im

Gewaltge-

unterschiedlicher

öffentlichen Gedächtnis weitere

im



I sea

...

zeigt, diesmal auf der Place de la Concorde. Die lings des konkreten und symbolischen Raums der Concorde konstruierten Assoziationen deunerung

Ka

diesem Ort

an

dieses Denkmals wird kurz

Schauplatz

dem »Ort« der Concorde



A

Denkmal-détournements

||

en

Bezirks, die

Mittel: Omers Botschaften verdecken nie

metonymischer

metonymische Ausweitung

ten interessante

ig

...

tionale Rhetorik, die sich durch La Seine hindurchzieht, wie das

||

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LE

Amels Sicht auf die Inschrift. Mit

Unvollständigkeit

andere Gedenkorte, sondern sind neben ihnen

a

i

und intertextuelle

Erinnerungskonkurrenz, sondernfolgt vielmehr

Mord durch den Einsatz

(4

metonymische

gesprühte Botschaft, diesmal auf dem Quai Saint-Michel, Algerier am 17. Oktober 1961 für die Unabhängigkeit Algeriens« ergänzt: La Seine die Erinnerung an den algerischen Unabhingigkeitskrieg (S. 107). Indem mit dem offiziellen französischen Kriegsgedenken kontrastiert, beteiligt sich der der

Papon brutal zusammengeschlagen« (S. 81). Sebbar

wur-

»Hier fielen

an

der Polizei des Präfekten

markiert das Pariser Wahrzeichen als

Studenten inhaftiert, die General de

die Soldaten der französischen Streitkräfte des

sind« (S. 101). Die

von

343

fügt

darauf durch eine weitere

Roman nicht

i

i

gestorben

Gefecht

an

LA PLACE DE LA CONCORDE

schichten und

den Ersten zählten, die sich gegen den Besatzer

Inneren und die Einwohner des fünften und

ill

I

|

zu

|

|| | i

||

und

Amel lesen wir: »Dem Gedenken

i [|

ll

die

Gymnasiasten und

|

| 1)

|

Noras monumentalem

teilweise Omers Kérper versperrt Ps P

Michel-Brunnen

|

A

Projekt bezeugen). erklärt: »In diesem Gefängnis

Neben die

Gefängnis sprüht Besatden franzésischen die sich gegen algerische Widerstandskimpfer guillotiniert, der offiziellen 28 Die Voreingenommenheit Erinnerung verf). zer auflehnten« (S. Am Saintliterarisch. anderen Denkmals arbeitet Sebbar auch am Schauplatz eines

hI

Ig=

ihren Nachfahren blieben außerhalb des Main-

Sante-Gefängnis,

waren

KINDER

Omer in roten Lettern: »1954-1962 wurden in diesem

auflehnten«,

|)

am

in

11. November 1940

am

Gaulles

|

VERSTECKTE

9.

New York 1998, S. 523-552.

|

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Notizbuch, das sich

einem

|

nach dem Massaker

b= aan

direktionale

|

einen

1

befindet, hat Kagan einige Jahre

Besitz seiner Familie

lyrischen Text verfasst, der die Brutalität Papons auf multi-

CE

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Ba ae

»Ratonnades

Tag

Rue de

5

Parise

ä

nennen.

Lille, behelmte Manner.

Araber

Meine

zu

Angst,

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mich überrascht.

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:

Verbindung bringt ganz zu schweigen die antijiidischen Razzien der Fotografien, der von Erinnerung Aktivierung Sebbar einen entwickelt postmemorialen wie denken lassen zwanzig Jahre zuvor mit

oo

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|

reak-

untersuchten Texte, dem

A

:

Erinnerung

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|

auch multidirektionalen Ansatz. In La Seine ist die Place de la Concorde

Am

| al

a U

der Artikulation

Reflexion i

vant

von

Trägerin weiterer Bedeutungen,

die für die

Postmemory und multidirektionaler Erinnerung rele-

sind. Als Amel und Omer den Platz erreichen, versucht sie, ihm

eine

Führung

»Ich bin kein Tourist und der Obelisk interessiert mich einen Dreck. Ihr habt

|

ten

eal

geplündert, Bonaparte

der iiber dreitausend

a

der Obelisk

|

Hl |

zu

der Erste, und ihr seid stolz darauf« (S.

Kagans

Foto des jungen Mannes, der

einem von

der Polizei

an

der Metro-

blutig gepriigelten algerischen Demonstranten 2u Hilfe kommt Kagan/La contemporaine. Bibliotheque, Archives, Muse des mondes contemporains

© Elie

Napoleons Agypten-Feldzug. Damit wird metonymischen Zeichen, das an die »glorreiche« Kolonial-

Jahre alte Obelisk

einem

Ägyp-

77). Omer erinnert

44

Metro-Stationen als

Erinnerungsorten

episodischer »Schnappschüsse«niedergeschl agen tiberschriebene »Octobre 2001, Solférino:

|

:||

an

hat sich auch

in

ihrer

dies., Métro: Instantanés,

| HM |

Sebbars Interesse

45 46

Hat, the Ebenda, S.

Generation

of

LAlgériene

Postmemory,

vergangenheit

Eintrag

nimmt

Sammlung

Paris 2007. Der

auf den 17. Oktober

S107

111.

a

X

https://pdfify.app/trial

später

von

das eine Vergangenheit, in die Omer sogar obwohl der Obelisk tatsachlich erst vier Jahrzehnte

Frankreichs erinnert

Beur-Madchen Amel

integriert

an

i

|

10: Elie

Haltestelle Solferino

ist

A|

|

Abbildung

der Obelisk und da drüben anzubieten: »Das ist die Concorde, sagt Amel, und dort ist La Defense.« Doch Omer widersetzt sich Amels neutraler Darstellung der Stadt:

|

i

eo

mit resonanten indivi-

und des asthetischen

die anderen in diesem

zu

Yan a 8 A 2

:

Hirsch skizzierten Modell und verwebt die Problematik nationaler und kultureller mit einem intimen, familiären Narrativ. Indem sie Kagan nennt und ihn

Km

N

asso-

These, dass die Fotografie ein

intergenerationelle Übertragung

die

|

seiner Person und der des

zirkuliert.*

auf bekannte

Bezüge

stellbar bleiben.«‘5 Unter

7

|

metonymische Assoziierung

und die

ne

in Berichten über den 17. Okto-

ihre leichte Aneignung von ikonischer und symbolischer Macht machen sie zu einem die unvoreinzigartig machtvollen Medium für die Übertragung von Ereignissen,

|

7

Vespa wird

Studenten mit Verkehrskreiseln und Metro-Stationen stehen emblematisch für den multidirektionalen Erinnerungsverkehr, der unter und zwischen den Schichten des

prominentesten

|

|

Kagans

haufig erwihnt)

ber

Mobilität (seine

Mehmet Ali, dem

-,



Vizekönig

von

Ägypten,

an

wurde. Trotz dieses Anachronismus unterstreicht Omers

Frankreich verschenkt

Bemerkung

die Bedeu-

tung des Agypten-Feldzugs und die weiteren Implikationen und langfristigen Folgen der

imperialistischen

Griindungsmoment

Kultur. Laut Edward Said

des orientalistischen

war

nische Expedition schuf] dem Orientalismus durch escription

de

l’Egypte, gleichsam

ein

der Einmarsch in

Agypten

der

Macht/Wissen-Regimes: »[D]ie napoleodas

groBe Gemeinschaftswerk,

szenisches Ambiente, da fortan

Agypten

7

wel

A

me

BA

| ||

ET

9. VERSTECKTE KINDER

348

LA PLACE DE LA CONCORDE

349

EN

| SA

und

|

Erprobung

Blickrichtetsichauf dieses

selbst

N

Erbes leben müssen. Sebbar inszeniert eine Konfrontation mit orientalistischem Wis-

|

sen an

einem Ort sich diberschneidender Geschichten

|

|

|

kurzen

metonymische,

die das Erbe der

Postmemory

dem Aufdecken der Erbschaften der

Ii

Vergangenheit

Metonymie

deutet an,

eine multidirektionale

sie zur

Napoleons Agypten-

mit Louis. Louis.

nicht

und

In

diesem

Amel gern »erzihHeldin seines Films machen, doch Omer erklärt,

haben, und macht daraus die

macht

tungsriten

|

zwischen

| |

von

Charakter berühmten undnichtmit In di

deuten die beiden jungen Manner

an, wie sie

Handlung

revidiert den Roman, den

aktualisierte

einer bekannten

aus

Amel eine

Antigone,

tische |

|| |

suggeriert

Toten

die den

des

Erinnerung die

17.

der Roman eine unbemerkte

de

des Obelisken,

zufällige Verbindung Der gyp-

derGeschichte Antigones.

Agypten, der Place la Concorde und

Ursprungsort

OktoberGerechtigkeit

ihnen angemessenen Bestat-

am

Eingang

zum

Tempel

Ramses II., heißt

von

heute Luxor, früher aber Theben. Und Theben ist natürlich noch eine andere, eine

griechische 47 48

Stadt: der Schauplatz der Sagen

Edward Said,Orientalismus, Frankfurt

a.

M.

von

Odipus

und

Antigone. Sebbar greift

2009,S. 56.

als auch der

Ort

ein

Alexandrien hat, doch die

er

Agypten

im Alter

Vater jiidische Bekannte der

zu

(berufliche? genealogische?) Verbindung Familie Agypten

wird nicht erklärt.

Erinnerung

Ortsname

I lassen

als

Verschiebung

sich zwar von



die Arbeit sowohl der Geschichte

um

erkennbar

zu

machen. Ein Obelisk

-

und

Kontinent derentransporti Bedeutungeines

einem

dadurch radikal ihre

Kontinent

zum anderen

transportieren,

stationären Ortes Bedeutung ändernd, doch die erfährt eine Verschiebung, da sich an ihm verschiedene Geschichten übereinanderlegen. Allerdings offenbart sich keine dieser Verschiebungen von selbst daher die Notwendigkeit einer Gedenkakteurin und einer metonymischen Rhetorik. Wenn sie Paris letztlich das Mittelmeer durchquert (bezeichnenderweise nicht in -

und

rien!),

RichtungAlgefungiert Amel-Antigone als Akteurin auf der Ebene der Geschichte und als Ver-

kérperung

der

Bedeutung

für Sebbars besondere

variiert Omer

einer der beiden

der zweite nicht? Indem

nur

Sebbar die

lich

es

sie

unsrer

versagt?«"?

der

Postmemory

In

er

beide

Antigone

Fragen,

|

|

deren

zentral sind. Warum

Brüder unbestattet lässt,

ordnungsgemäß beigesetzt

die klassische

Frage der Gerechtigkeit.

nicht den einen

Pädagogik

die Geschichte Antigones, indem

Sophokles

doch bei

Rhetorik des Textes. Dennoch bleiben

metonymischen

etwa

|

worden ist und

Handlung abwandelt, verkompliziert ist das Dilemma deutlich: »Hat Kreon

beiden Brüder / des Grabs

gewürdigt und dem andern schmäh-

Als erklarter Staatsfeind darf Polyneikes nicht bestattet werden; als

vermeintlicher Wahrer des Status quo erhält Eteokles ein Heldenbegräbnis. Antigone sich der Autorität des Staates und handelt entsprechend der höheren Moral

widersetzt die

Gerechtigkeit. In La Seine bleiben jedoch beide Brüder unbestattet; doppelt schwer gekennzeichnet. Mittels der Weigerung,

Familie und

von

Aufgabe

ist dadurch als

zwischen hen den den Tot Toten

zu

terscheide erweitert tert Sebbar multidirektionale Eri unterscheiden, Sebbar diedie multidirektionale Erinne-

rung, die eine Reihe von Geschichten und Orten umfasst, die nicht durch eine historistische Logik verbunden sind, um das Bedürfnis nach einer Ethik der Erinnerung, die

»jenseits von

Gut und Böse«

agiert (einer Ethik,

die sich tatsächlich nicht sehr

von

Antigones unterscheidet). Reihe historischer .

:

.

|

|

|

Der Hinweis auf die beiden Brüder beinhaltet zudem eine noch

Bezugspunkte.

spezifischere

Den gesamten Roman hindurch wird die Aufmerkgelenkt, die der französische Staat am 17. Oktober .

|

.

|

samkeit nicht allein auf die Gewalt

gegen Algerier und Algerierinnen ausgeiibt hat, und auch nicht nur auf die longue durée des europaischen Kolonialismus und Antisemitismus, sondern zusätzlich auf eine Geschichte interner

Gewalt, die den Kampf um die Unabhängigkeit Algeriens gekennzeichnet hat und in den 1990er-Jahren als tödliche Wahrheit über den unabhängigen algerischen Staat zum Vorschein gekommen ist.°° Wie Omer im Zuge einer Diskussion um jenes abrahamitische Erbe des Opfers, das er sowohl im Unabhängigkeitskrieg als auch im Bürgerkrieg der 1990er-Jahre sieht, gegenüber Amel bekräftigt: »Die

49 ;

Der genaue Grund fiir Louis’ Obsession bleibt unklar. Wir wissen, dass besucht hat (S. 49) und dass sein von zehn Jahren mit seinem Vater in

||

abhält. Hier

in der

4

.

.

widerfahren lassen will, indem sie

|

2|

gereist

angereist

werde ihr ein Theaterstück schreiben. Dessen

Handlung

vy Wat | i i EN ll a Hh

mit

doch mit 01 Omer doch

N

i| |

a MH

lassen. In dem Roman ist Louis

Fassung gerade gelesen griechischen Tragödie: »Es ist die Geschichte eines Mädchens, das nachts auf einem Hügel für seine Brüder ein Grab aushebt, sie versucht es verzweifelt, der Boden ist hart, Soldaten bewachen die Korpusse der hingerichteten Zwillingsbriider. Die Armee hat die Leichen auf dem Platz [place] des Dorfes zur Schau gestellt« (S. 125). Omers

a

Hh

zu

nun

Schlusskapitel

wir

|a

MN

Amel Amel iist

-

auf diese kontingente Assoziationskette zurück,

wo

len« würden. Louis möchte

i

er

i

N

freizulegen,

die historischen Schichten

Vergangenheit ruhen

xandrien d

|

:

wurden. Sebbar verwendet hier eine

assoziative

Feldzug besessen; gefangen zwischen der orientalistischen Verlockung des Ostens und Louis zusammen mit seiner eigenen Skepsis gegeniiber dem Kolonialismus, méchte Amel den Feldzug in einem Film nacherzihlen.® Am Ende treffen sich Louis, Amel Stadt Aleund Omer zufällig in der für ihren kosmopolitischen

Hel a | I | qi i lA | ||

7

der jetzt der Obelisk steht, mehr als tausend Men-

die

a

a

aus

pragen die Revolution,

|

A all i di IP / i

|

Massaker

|

A

1

Kolonialismus,

der

und postmemoriale Handlungsfähigkeit hervorgehen kann, die aber auch lernen muss,

i

i

um

an

Eine letzte mit der Concorde verbundene, anachronistische dass

Vi

a

nur

Besatzung und Papons polizeiliches

eben der Stelle,

hingerichtet

Rhetorik,

i i

HT

an

bestimmen.

i

|)

i

Zuge

schen

mil

7

derer

im

A

nicht



Concorde, sondern auch die revolutionäre Inbrunst der Französischen

i

|

desWi

es

Metropole reimportiert worden war und als Orientierungspunkt fungierte, für Subjekte wie Amel, die mit den anhaltenden Auswirkungen des kolonialen

die nationalsozialistische

|

dieses

auf

hd Theater Wissens, nachdem Theater des

|

|

a A

sich

galten.«47

in

|

|

Laboratorium

i

{|

nt

die

für die

Übungsfeld,

des westlichen Wissens über den Orient

postkolonialer Blick richtet postkolonialer

Omers mers

|

die anderen islamischen Länder als eine Art

Schauplatz

und

|

|

|

später

50

Geste, die Kehle durchzuschneiden, ist in

uns.

|

|

Verstehst du?« Amel lehnt Omers

Sophokles, Antigone, Ditzingen2013, S. (Prolog, S. 21 f). und der FLN ausgehende Gewalt finden sich auf S. 38, 42, 92, HinBeispiele für aufden algerischen Biirgerkrieg der 1990er-Jahre, dem die Figur Omer geflohen aufS. und Omer und AmelsDiskussion tiber das Opfer Abrahams vereintbeide 7

interne

weise

vor

22

von

von

Gewalt

52.

ist,

Formen

(S. 61-63)

LM

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A

A

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Mal!

Fil

g.

350

:

VERSTECKTE

KINDER

a

doch die verstérenden Tatsachen der

unmöglich

|

a a

viele Tote, und die Toten sind tatsächlich

|

nerungen, also

| | ml | |

zu

eng miteinander

Sebbars Roman

wie

Schauplatz

der Transformation

von

um

Antigone deutet, insbesondere durch an,

ihre

Umdeutung

in der

Figur Schlussepisode des Die

geprägt.

dass die zu überwindende Gewalt innerhalb der Gemeinschaften stattfin-

aufzugreifen).

ea i

| yy ilal I

einem

jungen,

Notwendigkeit interner diese Aufgabe zuzuweisen,

Das Beharren auf der

Rechenschaft und darauf, Amel die Verantwortung für weiblichen und minorisierten

Subjekt

La

unterscheidet Seine von Bei Erinnerung Mord,

wo

der

Postmemory-Generation,

das männliche

Subjekt

von

Erin-

Mitschuld auferlich bleibt, auch

nerung und Ermittlung der von ihm aufgedeckten es aufmerksam fiir die sich nacheinander abblatternden Lagen der Geschichte

i

i|

wenn

bleibt, die

i

[N |i | i || |

umgeben.

es

1

hl /

Die

i| ii |

Wendung

Frage auf,

die

mein für die

I

|

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iy ae

nungsgemäß 17. Oktober

auf der letzten Seite

Theoretisierung

-

es

zu

von

Sebbars Roman wirft

/

zweite

eine

allge-

fiir alle hier untersuchten Texte und sogar ganz der multidirektionalen

im Drama des

bestatten,

wo

dass

Doch —

er

die

sie zu

richten sucht, ist fiir die

[Kreon], wie’s die Ordnung ° will,

geborgen

Polyneikes’ Leiche, der

es sei

in

der Erde,

drunten bei den Toten Ehr

er

den

im Grabe

|

genießt.

|

klaglich fiel,

so

Bürgern ausgerufen,

heißt

es



solle keiner

bejammern, nein, man lass ihn unbestattet, unbeweint, den Beutevögeln als leckern Vorrat, wenn sie ihn erspihn, zum Fressgenuss.«*! bergen

und

es

Sophokles

Antigone und deren Interpretation durch fiir die zeitgenéssischen Erinnerungskriege. —

Gedenken

an

die Toten nicht

nur

um

Erinnerung

den Versuch

hat. Wie sollen wir

geht,

die Toten ord-

-

um

-

birgt

eine

les und Sebbar wenn er

klarstellen,

ist

es

doppelte

terroristisch wirken kann, sondern

der Staat, der die

Lektion

|

Dynamik

|

WieSophok-

unter

gewissen

muss.

des Terrors

|

produziert,

|

sich weigert, alle Toten anzuerkennen. Wenn der Staat das Gesetz der Trauer

instrumentalisiert,

müssen

Forderungen

nach

Gerechtigkeit

Akteuren und Akteurinnen der Erinnerung und der

|

»gesetzlosen« Postmemory ausgehen. Doch von

(und Sebbar bestätigt es), dass der Zweck des Gedengerecht zu sein und sich »nach Recht und Brauch« zu verhalten. der Treue zum katastrophalen Ereignis sollte, das legt auch Badious nahe, in der Transformation der Situation bestehen, die die Katastrophe verursacht hat, Geht es wie so oft um mehrfache Katastrophen, dann wird die Aufgabe schwieriger, aber nicht weniger dringlich. Indem sie auf die multidirektionalen

Antigone

insistiert auch darauf

|

kens ist, in der Trauer

DasErgebnis

Ethik





Erbschaften verweisen, die sich rund das Massaker des Oktober iiberkreuzen häufen,streben Daeninckx, Haneke und Sebbar nicht nach der endlosen AufdeAuseinandersetzung cl] ung stetsweiterer Ebenen Geschichte, sondern nach den von

17.

| |

einer

grundlegenden Situationen, die Gewalt erzeugen. Wenn sie den unbequemen Uberschneidungen und Komplizenschaften nachgehen, die die Geschichten von Genozid und Kolonialismus kennzeichnen, lassen sie die Möglichkeit offen, neue Orte der Verständigung aufzubauen.

|

mit

|

|

|

doch in einem Großteil des Diskurses über den

einschließlich aller hier untersuchten Texte

Sebbar

Erstens insistiert das Drama, dass das

Umständen tatsächlich eine terrorisierende Position einnehmen

und

Erinnerung

Antigone

Implikationen

hat

um

/

/

zu

verstehen, dass

WIM

I | ai

i |

Toten bestatten:

die Enden der multidirektionalen

| lei | al

unbegrabenen

.

Die

| |||

|

so

einen

es

und Paul Silversteins

Al

man,

nach Recht und Brauch

der multi-

Frankreich, Algerien oder der geeinte/getrennte »transpolitische« Raum, den beide gemeinsam repräsentieren (um die Begrifflichkeiten Etienne Balibars sei

Ungerechtigkeit,

die Verhältnisse innerhalb einer Familie, doch ist

historisch assoziationsreichen Differenzen

-

Kapitels

der

besonders relevant und im Hinblick auf diese Themen ebenso

herausfordernd:

multipler Gewaltgeschichdoppeltem Sinn

diese Familie auch

det

|

a| HE HA i |

"Themen dieses

friedliche Zukunft. »Relational« sollte hier in

geht

Romans,

:

| ial |

Antigones Schilderung

es

gesell-

der hier ebenso wie in Caché

verstanden werden: Es

der

A hi | i

;

Odipus-Mythos,

zu

Antigone rekonfigurierend, geht und entwirft die Figur eines ethischen Subjekts

einem

zu

potenziell

ten in eine

Vi

|

(S. 63). dass

direktionalen Erinnerung. Bei Sebbar wird der Platz mittels der Handlungsfähigkeit eines gerechten und relationalen Gedenkens zum Ort einer »Konkordanz« der Erin-

|

i

an,

»Eteokles, sagt

Schritt weiter als Caché

|| | |

|

deuten

Gedachtnisorte wie die Place de la Concorde aufsuchend und Denkmäler des

||

|

Gegengewalt spuken gestellte »Zwillingsbriider«

historische Erkenntnis bedrohe und sogar eine »terroristische« Gefahr für den schaftlichen Zusammenhalt sei?

aufgerufen wird).

LI

:

gibt

zu

kulturellen Gedächtnisses

A i] |

Schau

verwandt (ein weiterer Nachhall des

|

ia

zur

durch den Roman

könnte, die Rollen der Gerechten und der Ungerechten eindeutig

sein

verteilen: Es

|

|

Dorfplatz

Omers auf dem

ne

|

und erwidert: »Wir sind nicht alle Halsabschneider, ich verstehe nichte,

Logik zwar ab

||

|

A

|

|

a



351

DIE UNBEGRABENEN TOTEN BESTATTEN

das Aufdecken einer

verborgenen Vergangenheit geht? Oder, um die Begrifflichkeit aufzugreifen, mit der wir begonnen haben: Wie verhält sich Sophokles’ Beharren auf ordentlicher Bestattung

zu

der

von

Pierre Nora und anderen Historikern und Historikerinnen vorge-

tragenen Behauptung, der

Erinnerungsdiskurs

sei dermaßen

ausgeufert,

ail

a ||

dass

er

die

51

Sophokles, Antigone, Ditzingen 2013,

S. 7 f.

|

https://pdfify.app/trial

|

7

Tl |

i

|

|

ie

| A

|

|

Multidirektionale

i

der

Ich habe in Multidirektionale Erinnerung versucht, zwei zentralen Aufgaben gerecht zu werden. Zum einen sollten wichtige Aspekte der intellektuellen, kulturellen und

|

[m

el

|

den Nachweis, dass die

europäischen Juden

WA

i

Von zentraler

AU

das auf der

i,

um |

anderen sollten die theoretischen

ist mein

Konzept

die ich

durch

an

den

Dekolonisierung

Konsequenzen dieser

aufzuzeigen

der multidirektionalen

knappe

und

zu

emp-

Erinnerung

gewesen, Gedenkakte beruht

Anerkennung der produktiven Interaktion disparater Abgrenzung zu einem Verständnis von Erinnerung

als Konkurrenz

öffentliche Ressourcen entwickelt habe. Das Konkurrenzmodell macht

Vorstellung einer Knappheit des biirgerschaftlichen Raums was ich in meinen einführenden Bemerkungen 2u Walter Benn Michaels kurz als Immobilienmarktbeschrieben habe zur Grundlage seiner von öffentlicher Erinnerung. So wird die Washingtoner Mall zum Schauplatz eines Nullsummen-Konflikts um die Relation der Präsenz der Erinnerung an die Sklaverei, beziehungsweise den Holocaust, und das in einem hochgradig nationalisierten Kontext. Die polemische die

i i | WL Hi] a | m I, |

~

Modell

|

fi i | il al |

| HT | | U |

Auffassung

-

Stoßrichtung meiner Argumentation war zentrierten,

|

(ol | | | I iH

ten eines

innerung

|

| ||

offeneren Verständnisses der

zuriickzuweisen, das ein

den Reduktionismus des

ausgerichteten

Möglichkeiten

»erneutes

von

auf die

Nation

Ansatzes zuguns-

Erinnerung und Gegenerhegemo-

Aufsuchen« und Umschreiben

könnte.

Erinnerungen

nicht auf eine Konkurrenz

um

allerdings nicht, dass Immobilien und allem, was sie in Hinblick auf symbolische, politische und wirtschaftliche Macht beinhalten, keinerlei Bedeutung zukommt. Der Besitz von Immobilien kann tatsächlich zu den Dingen zählen, um die es beim Wettbewerb der Erinnerungen geht, wie viele der hartnäckigsten politischen Kämpfe rund um den Globus bezeugen. Dieses Projekt hat bereits weite Wege beschritten, doch es gibt natürlich viele wichtige Bereiche, Immobilien reduzieren lässt, bedeutet

Hie

A

zum

es,

Immobilienmarkt

Dass sich der Wettbewerb der



|

an

der Analogie

nialer Erinnerungsstätten ermöglichen

| ||| | | | i / i Hl || i

|

Prozessen der

und das ich in

te

0

ständigen

Bedeutung fiir die Méglichkeiten,

fehlen versucht habe,

/ |4| ||

zwar

Zukunft verbunden.

1

1

und

aufdie

|

| | Ll

MT

dargestellt werden,

begriffenen Verwobenheit für unser Nachdenken über öffentliche Erinnerung und Gruppenidentitit dargelegt werden. Um diese beiden Ziele zu erreichen, ist das Buch sowohl retrospektiv als auch zukunftsbezogen, und es hat einen revisionaren Blick Vergangenheit mit einem optimistischen Sinn fiir die Méglichkeiten der

|

|

zum

stets mit

neu

nationalsozialistischen Genozids

neu

1 || i]

i

und Jüdinnen

verwoben gewesen ist;

| {1

Nachkriegszeit Aufarbeitung des

Geschichte der

politischen

We

|

Besatzungen

AI

A

1

in einem Zeitalter

wi

:

5

Erinnerung

|

|

| |

Epilog:

11}

1

|

| |

AN i

https://pdfify.app/trial

|||

X ER

MULTIDIREKTIONALE

EPILOG

354

|

ERINNERUNG

355

1

Bl l

|

die ich nicht habe

|

|

ten nach dem

at}

att

|

|

profitieren,

der Solidarität wie denen

die Multidirektionale Erinnerung sichtbar

|

den lässt. Das neuerliche Nachdenken über die

|

| |

wurde, mag nicht

ll

a

anzusprechen

a

|

X|

1

(|

| ia

li | A

nach dem,

he

einer

Wie

Fragen

nent, insbeson-

amerikanischer Ureinwohner und Ureinwohnerinan

diesen

Indigenen ernstgenommen werden,

mit der

Jodi Byrd diber Auseinandersetzungen

jene

Genozide

des 20.

Vergangenheit

in

weil

heutigen

den

Jahrhunderts, die auBerhalb des ame-

stattgefunden haben, anerkannt werden, bleiben jene, die der Expansion Amerikas intrinsisch gewesen sind Entfernung und »Einhegung« [reservation] der amerikanischen —

eine wesentliche Verwerfung

vor

im Herzen amerikanischer

Identititen.«? Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass Amerikanerinnen somit veinfacher« zu

stellen,

es

fiir Amerikaner und

(oder relativ einfach) gewesen ist, sich anderswo

als sich mit der anhaltenden zu

Enteignung

konfrontieren

-

der

ame-

gerade

weil

|

|

i |i

ER DE

| |

Justice in

Reframing

1

Siehe Fraser,

2

34 (2008), Inquiry inquiry Abnormale

»

a

Globalizing World; dies., Abnormal Justice,

Folgen

der

Risiken und

verdinglichend«,

Konfrontation mit

Ganz

scherinnen

von

beitragen,

zu

stellen

unvergleichbaren Gerechtigkeit bleiben. Die in

Auseinandersetzungen

Analogisierungen

-

anzuerken-

dass Holocaustforscher und -for-

zu

Landes durch Israel hat im Zusam-

einigen

der

offenkundigsten

des nationalsozialistischen Genozids

In diesem Kontext nimmt die Evokation des Holocaust

rituellen Austausches

USA und

Themamit einem anderen, anhaltenden Konflikt

Besetzung palistinensischen

menhang politischer oft gehissigsten

die

(S. 313).

dass diese

ist, das Gewicht

anerkennen, wie sich ihr

iiberschneidet. Die

Notwendigkeit,

Wissenschaffl erinnen indigener Forderungen

wichtig ausschlaggebender Bedeutung,

die

die Unschuld und

zugleich

traumatischenGeschichtenverlangt nichtsGeringeres. den fiir Wissenschaftler und

anderen Siedlerkolonien auch

dabei

und die anhaltende

im Rahmen der

so, wie es

nen, ist es

Vergleichen,

von

wie konkurrenzbasierte Ansätze

aufzudecken und sich ihnen

Gelegenheiten insgesamt

auf ameri-

noch zirkulieren, wägt zwi-

Unvermeidbarkeit

Gleichsetzungen werden,

Manifest-Destiny-Doktrin

Bezug

Bedrohungen

der

in

Regel

~

und

geführt.

die Form

eines

Beleidigungen an. typischen vergleichsweise geringfügigen derartigen Austausch kam es im Februar 2008 zwischen israelischen und palastinensischen Sprechern. Nachdem ein israelischer Verteidigungsbeamter die Palästinenser gewarnt hatte, sie würden Gegenstand einer von

und

und

-

-

Holocausts) »Shoah« ausgehenden Raketenangriffe (eines Desasters oder

streifen

werden, sofern sie nicht die

auf Israel einstellten, antwortete

die Palästinenser hätten

Sprecher, in

Zu einem

es

mit

»neuen

Nazis«

zu

vom ein

Gaza-

Hamas-

tun.” Hier erkennen

|

wir

typische, spiralförmige Logik der Produktion von Erinnevon »Feinden«, dieselbe Sprache von Leid und Vergeltung zu

verdichteter Form die

rung und die Tendenz

Gerechtigkeit

meint Situationen,

in

denen »die Disputanten [...], auch

©

wenn sie

berechtigt ist, Forderungen

an wen

pl

überprüft werden wie solche Forderungen 8

nachzukommen, sofern

S.

Bezug worauf

sollten; und darüber,

gerechtfertigt sind« Life Deadly, 318.

sie

Byrd, »Living My Native

und in

richten; darüber,

verpflichtet

wer

(Fraser, Abnormal Justice, 7

S.

| |

gebrauchen. Die ineinander verschrinkten

diesem _

Buch erkundet wurden,

Archive von Genozid und Kolonialismus, die

in

israelisch-palästinensischen Kontext häufig rappierend deutlich hervor. Man nehme etwa die merkwiirdige Geschichte des israelischen Historikers Benny Morris. In Biichern wie The Birth the Palestinian Refugee N

treten im

.

of

N

.

S. 393-422. 4

Weiteres

8

an

|

Reuters, Israeli

bei: Lilian

Settler Society: Frontier Violence and Stolen

(Hrsg.),

in

Australian

History,

New York 2004; Moses

© Genocide.

5

|

in:

Indigenous Children

398),

|

Freedberg, Verhältnis von Genozid Indigenen to Compare: Americanizing the 24 (2000) 3, Dare Holocaust, American IndianQuarterly S. 353-380; Dirk Moses Genocide and Holocaust und

zum

A.

wo

ist, ihnen

Official Warns

Palestinians of

»Shoah«,

(Hrsg.), Empire, Colony,

in: New York Times, 29. Februar

|

2008 |

|

a | HE Na

zu

in

ergeben, wenn divergente Erinnerungen

»gegeneinander ausspielen,

Kontrolle der Unterdriicker

über wesentliche Fragen streiten, grundlegende Meinungsverschiedenheiten darüberausagieund zu ren, wer

3.

Critical ae

in:

Vergleiche

Überlebende letztlich

.

|

pe

Gefahr,

dass

Ein multidirektionaler Ansatz kann dazu

nach

schwierigen Fragen

Gerechtigkeit« (abnormal justice)

rikanischen Ureinwohner und Ureinwohnerinnen

AM ii He

Forderungen Anerkennung

-

Sel | | HC i ME | | Bai SE

Bia

einem Uberdenken der

zu

Folgen den nationalstaatlichen Rahmen sprengen und nach des anhaltenden kolonialistischen Status der USA verlangen?

Ureinwohner nach wie

|

N

kann

und

die Sklaverei und die

| ie LT

|

Forderungen des Genozids

verübten Genoziden

‘egal i

.

es

bei

rikanischen Kontinents

| [| HE | 7 Hi i Dam

doch

Gerechtigkeit gleichermaßen denen es um die Umverteilung

wirtschaftlichen und territorialen

Lit | (|

|

Folgen

USA schreibt: »Während

| i1

IB

die

solche

|

IM | m iW

wenn

und die

nen

i (| i

|

-,

Fraser »abnormale

was

dere dann,

a I

diejenigen nicht,

wer-

der

Fiir einen in den USA arbeitenden Forscher stellen sich diese

at \ i an | i |

Aspekte

die

sich Forderungen ab, konvergieren (S. 328). Sie betont zugleich die

Repräsentation beitragen. Wie Nancy Frasers Arbeiten zur »RahAnerkennung nach Anerkennung mung« (framing) von Gerechtigkeit nahelegen, sind Fragen und zu klären geht es Repräsentation von ausschlaggebender Bedeutung, wenn darum oder zu hinterfragen, welche Form die Gerechtigkeit annehmen wird, wer als Subjekt der Gerechtigkeit zählen darf und wie oder unter welcher Gerichtsbarkeit Recht gesprochen werden soll.

aM

N

geht

alle

Ureinwohner

und Ureinwohnerinnen immer

schen den harschen

und

| 1

|

Lage sein,

insbesondere

materieller Ressourcen

il

5



in der

kanische

Erinnerung, das hier vorgeschlagen

|

|

die

terung der »konkurrierenden Diskurse« über den Genozid, die

möglichen Lösungen könnten sehr wohl von Visionen

Dilemmata wie diese, doch die

ri

um

In den

nennen:

Spiel sind. Und doch bietet die Erinnerung, wie Byrd anerkennt, eine kritische Ressource, ungleiche Verteilung der Aufmerksamkeit anzugehen. Byrds nuancierte Erör-

Multidirektionalität der



infrage stellen. Um die beiden Kämpfen von Indigenen aus aller Welt wie auch im israelischpalastinensischen Konflikt konvergieren Konflikte um die Erinnerung mit Auseinandersetzungen um Territorien. Es gibt keine einfachen Antworten auf politische zu

|

|

»Immobilien« einer der Faktoren sind, die dabei im

verlangen offenkundigsten Beispiele

multidirektionalen Ansatz, den ich hier entwickelt habe,

oder diesen vielleicht auch

|

|

kénnen und in denen sich iberschneidende Erbschaf-

ansprechen

|

U

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https://pdfify.app/trial

|

mali I

356

Sl

|

\3

|

Entstehung des palistinensischen Flitchtlingsproblems«) hat Morris sich anderen heutigen kritischen Historikern und Historikerinnen angeschlossen und den Unschuldsmythos revidiert, der mit Erzählungen über die Gründung des israelischen Staates einherging. Doch obwohl Morris als einer der prominentesten »post-zionistischen« Forscher bekannt war, hat er in den letzten Jahren dramatisch und provokante Verteidigungen Israels von dieser Zuschreibung Abstand genommen

|

A yin

Bl | | 1!

|

arbeitet 1948

A | mi

i

zufolge

2004 auf Anhieb

Kriegsverbrechen

zu

und

Morris

Menschenrechtsverletzungen,

dem Vorläufer der Israel Defense Forces,

übergegangen, jene »Transferpolitik«

ersten

zu

Premierminister David Ben-Gurion

berüchtigt gewordenen

die

begangen wurden,

ein

Zeitung

|

I|il| N

|

»Ben-Gurion hatte recht. kein

A

I

ohne

der Geschichte Umstände, die eine

der

|

ten

Antwort: »Wenn in der Zukunft

breiten

extremer

aus

Mythen

Angriff durch

wire, dann waren

Opfern, Tätern und Beobachtern. Der Hintergrund, vor dem diese Wechsel stattfinden, ist allerdings der einer in sich stimmigen Weltsicht: jener des Kolonialismus. Tatsächlich hallen

in

Morris’ Diskurs die Zeitlichkeit und die

Tropen nach,

die Cesaire

1950 als für koloniale Diskurse zentral identifiziert hat. Morris verortet die israelische

Gesellschaft und »den Westen« ausdrücklich in einer herrschaft und identifiziert sich insbesondere

mit

Niedergang begriffenen Kolonialgeschichte:

im

langen Geschichte der Kolonial-

den Momenten und Gestalten einer

»dem Römischen Reich des vierten,

innen heraus stürzten«; den

von

gibt

ves

ein

an

den amerikanischen sei gegen-

er

[Araber

aus

den Gebieten oder

sollten, und das

Israel]

aus

in Kombination

mas-

mit gefährdet einem

Israels Anrainerstaaten, sodass das Überleben Israels

Vertreibungen

sicherlich eine

Möglichkeit.«/

|

|

|

Hy i

6

Ari Shavit, Survival of the Fittest: An Interview with

-

wichtiger er

als universelle

Moralbegriffe« (Shavit,

sich und das Schicksal seines Landes

ortet,

ermöglicht

Morris die

an

Interview with

Benny Morris).

solchen historischen

2004. Eine kurze

Erörterung

der

Bedeutung Henry

sischen israelischen Politik bietet

York Review ofBooks, 26. Februar 2004. 7

Benny Morris, Right of Reply / I Do zweite Siehe auch Benny Morris,

Der

Benny

Not

in:

im

Support Die Welt,

Holocaust,

.

|

Expulsion,

in:

de/print-welt/article706570/Der_zweite_Holocaust.html lischsprachige Fassung

Morris,

der

9, Januar

zeitgenösvon Morris’ Interview Kontext Siegman, Israel: The Threat from Within, in: New

(28.

dieses Artikels selbst veröffentlicht:

in:

Helaretz,

23.

Wendepunkten

12.

http://groups.yahoo.com/group/

Ht

https://pdfify.app/trial

|

ver-

Aufrechterhaltung seiner mehrdeutigen Position als (im einerseits und Apologet »ethnischer Säube-

der Selbstmordattentäter. Doch der Tässt sich nicht allein

|

|

jener

phantasmatische Überschuss

aus

nenden Überschusses

|

sie darauf

wie sich öffentliche

besteht, dass

Erinnerungen wechselseitig aufgehört haben, den Nahen Verzweiflung auslösen angesichts der Reduktion jene, die

wie

und

nicht

Beschimpfungen, doch

auch der Kessel, müssen. So ist

aus

neue

einer Politik der

von

die

uns

der

verzeich-

Politik

auf

|

Erinnerungskriege

aufzuwiihlen, konnen krude

zwar

Stereotypen

unbehagliche Nähe von Erinnerungen zueinander

Visionen

ist

Trennung

Solidarität

das Wort redet, die

wechselseitige

Verschrin-

Geschichten und die Komplizenschaften verrät, die koloniale und genozi-

unweigerlicherzeugen.” daleGewaltBevélkerungen feindete«

Holocaust« bietet

2001, in:

12

wenn

auch

Eingeständnis, dass »ver-

ungleiche

Geschichte teilen,

8

diese

»zweiten

Lessons of the Holocaust Versus Territories for Peace, 1967-

Israel Studies (2003) in

unaussprechbare

2007]. Eine Darstellung der Politik des Diskurses des

Arye Naor,

Eine ausfiihrlichere,

Das

gemeinsame,

eine

eejh/message/63915 [1.

8

von

zu

wir ernstnehmen müssen,

durchkreuzen. Osten

wir

der undGerechtigkeit hervorgehen ausschlaggebenderBedeutung, dass Morris’ Spracheselbst dann,

dem

es von

|

der Tatsache

nähern, weil

|

seines Diskurses

zeitgenössischer Gewalt erklären. Die Kategorie der multidirektionalen Erinnerung erlaubt es, das zugleich politischen und psychischen Natur des in solchen Diskursen

2004.

Morris hat die eng-

|

rung« und politischer Gewalt andererseits. Sicher, Morris spricht aus einem Kontext heraus, der von Gewalt durchzogen ist der Gewalt der Besatzung ebenso wie

Januar

6. Januar 2007, http://www.welt. 2020].

Dass

guten Sinn) revisionistischer Historiker

wenn er

Ha’aretz,

|

Kreuzrittern, die der »Schwachpunkt Euro-

pas« gewesen seien; und dem Pied-noir Albert Camus in seiner Haltung zur Algerienfrage »Er hat seine Mutter über die Moral gestellt. Mein Volk zu bewahren ist

kung

| ||

|

Irakkriegs, präsentiert Morris Vergangenheit und Gegenwart, primitivisti-

Gewalt der

paranoid-apokalyptischen Fantasien. Darüber hinaus durchläuft Perspektivwechsel und changiert zwischen den Positionen von

und

i

i

||

bauen«, denn

Paläsdie wildes dort

müsse für

man

sive Gewalt gegen den Staat Israel verüben

i ME | Wee| i

Käfig

man

wärtig kein Befürworter der Ausweisung von Palistinensern und Palistinenserinnen aus Israel oder den besetzten Gebieten. Dennoch spekuliert er in seiner wohliiberleg-

| iE | | Al i | i Hi

Politik, sagt Morris,

Ureinwohnern und Ureinwohnerinnen seien »Ausrutscher« gewesen;

|| | HT

zeitgenössische

stellt, seine Bemerkungen über den »Käfig« und den Genozid

|

itill



einsperren muss« (Shavit, Interview with Benny Morris). Angesichts Empörung, die diese Bemerkungen ausgelöst haben, hat Morris später klarge-

Tier, das

|||

|

gibt in

Es

tinenser und Palistinenserinnen »einen

I Hi | | A Tei

i Hii

[...]

der Indianer

Nachdenkend über die

|

||

der Zeit nach dem 11. Sep-

-

ro. a| | Vi

mA

entstanden.

wäre hier

-

a jt

|

der Palästinenser

Entwurzelung

Ohne die

Säuberung rechtfertigen. Ich weiß, dass dieser Begriff im Diskurs des 21, Jahrhunderts völlig negativ besetzt ist, aber wenn es um die Wahl zwischen die Vernichtung Ihres Volkes ethnischer Säuberung und Völkermord geht ziehe ich ethnische Säuberung vor. [...] Selbst die große amerikanische Demokranicht geschaffen werden können.«° die Vernichtung tie hätte

'

| 4||

We

[...]

ethnische

A

l

jüdischer Staat

aus

fünften und sechsten Jahrhunderts«, als »sie die Barbaren hereinlieRen und diese das

|

Mh

UT

Morris:

Interviews und Schriften

sein Diskurs rasche

Reich

m

|

behauptete

provokanten

Potpourri

schen

ist

rechtfertigen, die ihm zuriickgeht. In einem

Interview mit der israelischen

|

IM

|

Hagana,

auf Israels

Ha‘aretz

3

j

der

von

weiterhin

In seinen

357

tember 2001 und der zweiten Intifada, der Zeit des

|

1

7

zwar

der Palästinenser und Palästinenserinnen veröffentlicht,

aber außerdem dazu

|

|

Verurteilungen

und

||

|

MULTIDIREKTIONALE ERINNERUNG

Problem (»Die

|

|

EPILOG

1,

$. 130-152.

Richtung

Spite of Partition: Jews, Arabs,

zielende Argumentation bietet Gil Z.

and the Limits of

Separatist Imagination,

Hochberg,

Princeton 2007.

In

|

1

|

nti

| |

|

EPILOG

358

|

Py utopische zugrunde liegt.

|

|

i

ist das

8

a

oa |

Ideologie

konkurrenzbasierter

Dank

Viktimisierung

zwei weitere Schlussfolgerungen aus der Art von Erinnerungskonflikt, israelisch-palistinensische Disput emblematisch steht. Erstens: Wir kén-

Ich ziche

all | i i

Moment, dass der

fiir die der nen

die strukturelle Multidirektionalität der

wenn es

|

einen Cordon sanitaire

|

4

iH

ist nicht

zu

ziehen

méglich. Erinnerungen

Politische Konflikte

zu

(wie

das manchmal der Fall

zu

sein

scheint):

zu

es,

die

Verflechtung von Erinnerungen im einzige Weg nach vorn ist der der

verstehen. Der

|

hl A

|

HU

ha

a

4a

Alo

;

i,|

|

HL 7

te

|

rekonstruieren. Es verbindet die

Archiven transnationaler Kulturriume

zu

Pierre

Vidal-Naquet.

Andere sind schon

vor

Arendt, Charlotte Delbo, Marguerite Duras,

i

sich viel

von

ihnen lernen lässt

-

wie auch

Didier Daeninckx, Michael Haneke, Auch dieses

if

Buch

ist

Jahrzehnten

| i |] | |

was aus

von uns

gegangen: Hannah iiberzeugt, dass

W.E.B. Du Bois. Ich bin

von

anderen, die noch durchaus aktiv sind:

Caryl Phillips

YaseminYıldız gewidmet. Ohne

ihre Liebe,

Intelligenz, Unter-

wüsste ich ganz wörtlich

nicht,

mir werden sollte.

Michael Rothberg

fiir

die

Originalausgabe

Ha

EM CT i |ul i

ie

lel

Fiir die deutsche

lichkeit, mit

MI

|

i

5

Michael

Ubersetzung

vom

Rothberg

fiir die Geduld und Freund-

und im Interview beantwortet hat. Nicole

Metropol Verlag

haben sich weit über das im Ver-

das Nachwort

gegeben. Für die großzügige finanzielle Unterstützung danken wir der Society Samuel Goetz Chair in Holocaust Studies at UCLA und noch einmal Michael Rothberg, der sie dort organisiert hat der Rosa-Luxemburg-Stiftung, dem 1939

i|

-

-,

A | | Hl ; ul i |

wir

lagswesen Ubliche hinaus engagiert und Sina Arnold hat wichtige Anregungen fiir

i] | |

i

Fragen

danken zur

Warmbold und Fritz Veitl

il)

7

der

Ausgabe

er

Goethe-Institut, dem

Stiftung

IM

||

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https://pdfify.app/trial

Zentrum für

Antisemitismusforschung

|

|

und Leila Sebbar.

stützung und ausgeprägten lektorischen Fähigkeiten

Al

|

|

verstorben: Aimé Césaire, André Mandouze, Jean Rouch, André Schwarz-Bart und

a

el el

tens drei

erstmals in einem Buch

-

il Li

N

Holocaustforschung Beziehungen zwischen mindes-

Erinnerung verbindet

Gruppenidentität

Verstrickung von Erinnerungen.

|

und Postcolonial Studies. Das Buch versucht, die

Betrachtung des schwarzen Atlantiks mit der französisch-algerischer Begegnungen und interpretiert beide im Verhältnis zur Geschichte der jiidischen Diaspora. Die Erkenntnisressourcen, die diese ungewöhnlichen Verbindungen mit sich bringen, sollen zu einem genaueren Verständnis von kollektiver Erinnerung und deren Beziehung zur beitragen. Zum einen wird die Logik vorherrschender Darstellungen und Identität infrage gestellt eine Logik, die ich als von Konkurrenz von Erinnerung und Nullsammenspielen bestimmt sehe. Zum anderen wird eine Gegentradition freigelegt, in der sich das Holocaustgedenken mit dem Erbe von Kolonialismus, Sklaverei und anhaltenden Dekolonisierungsprozessen iiberschneidet. Diese von mir vorgestellte Gegentradition existiert bis heute, sie geht zurück auf Generationen von Aktivistinnen, Aktivisten und Intellektuellen, die heute die Bühne des politischen Geschehens verlassen, und von deren Beispiel dieses Buch inspiriert wurde. Manche sind heutigen Akademikern und Akademikerinnen wohlbekannt, andere hätten größere Bekanntheit verdient. Einige sind während der Niederschrift von Multidirektionale Erinnerung

Es

sind mobil, Geschichten ineinander verschrankt.

verstehen erfordert

Kraftfeld des öffentlichen Raums

a | mt

Erinnerung nicht eindämmen. Selbst

wiinschenswert ware, zwischen unterschiedlichen Geschichten eine Mauer,

|

| 4

Multidirektionale

der TU Berlin und der

Zeitlehren.

Felix Axster

+

Jana Kénig

|

mi

all

“|

A

\

| ||

| |

|

|

| |

a

HH

|

a

L

Multidirektionale

|

Erinnerung

in Deutschland

|

|

|)

al

König

Jana

+

Nachwort:

|

|

|

| |

N

Felix Axster

|

(post-)koloniale Implikationen

Zivilisationsbruch-These:

i

ii

a

7.

i

|

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ii

|

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Mitte der

|

mit

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|

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1

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Il

1

|

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|

al

|| Al |

1) am

A

bungen neurechter-rassistischer, venienz

i

hundert schon

|

"Thesen Thilo Sarrazins in seinem 2010 erschienenen Buch Deutschland

|

ab, die

aus

lang

-

zu

von

denken wire etwa

noch

im

angeweht

jungen

Jahr-

21.

die rassistisch-sozialdarwinistischen

an

schafft sich Zusammenspiel von Integra-

|

Breitenwirkung entfalteten; tionsparadigma und Leitkulturbegriff, das

|

sondere konservative Politiker die viel beschworene Heimat

|

Migranten „überflutet“ und also bedroht wähnen.? Zudem zeugt die Virulenz rechten

|

Terrors

enorme

von

oder

immer

der mérderischen Dimension dieser

Angesichts

an

das

dann wirksam wird, von

insbe-

wenn

Migrantinnen

und

Zumutungen.

der anti-rassistischen und anti-kolonialen Interventionen der letzten

allerdings

müsste Diederichsens

Diagnose wahrscheinlich

modifiziert

Dank des EngagementszahlreicherAktivisten, Wissenschaftlerinnen, u. a.

zeichnet sich seit der

Beobachter als ,koloniale

Jahrtausendwende das ab,

Konjunktur* bezeichnen:}

was

Das koloniale Erbe

Kiinst-

manche

(und

somit

|

|

auch die Geschichte des kolonialen

Rassismus) hat, nachdem

jahrzehntelang mehr

es

|

|

|

1 2

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|

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Hl | eye lt ii i N i Ve ME |

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Sarrazin, Deutschland

schafft

sich ab. Wie

ische

}

niale und antirassistische Intervention

|

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|

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|

u

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aufsSpiel

Land

setzen,

Mün-

Repliken seien hier exemplarisch erwähnt Sebastian Friedrich (Hrsg.), Rassismus in der Leistungsgesellschaft. Analysen und kritische Perspektiven zu den rassistischen Normalisierungsprozessen der ,,Sarrazindebatte", Miinster 2011; Hilal Sezgin (Hrsg.), Manifest der Vielen. Deutschland erfindet sich neu, Berlin 2011. Robert Gerwarth/Stephan Malinowski, Der Holocaust als „kolonialer Genozid“? Europä-

| 1 |

i | KL

3

. wir unser

Diedrich Diederichsen, Politische Korrekturen, Köln 1996, 102.

Vgl.Thilo

chen 2010. Von den zahlreichen kritischen

|

HN | ree it

U

einem dekolonisierenden Gedanken

i

KO

DL

deutschen „Orientalismen und Afrikanismen, die

wurden‘! Die Liste entsprechender Zumutungen ist auch

nur

die auch

aber auch multikulturalistisch-exotisierender Pro-

von

Entfernung

der

Formulierung,

ist: Mit Blick auf kulturalisierende Zuschrei-

|

|

|NWil > I| |

KM

Diederichsen

ler, Kuratorinnen

TA

|

sprach

auch

zwei Dekaden

| | Il HN /

eine unnachahmliche

nie

werden.

|

er

Jahre später noch haften geblieben

|

if

NT

sich der Kulturwissenschaftler Diedrich Diederichsen

25

|

ye

setzte

deutscher Debatten über vermeintlich Fremde und Fremdes

auseinander. Dabei verwendete

AU

a

1990er-Jahre

Zumutungen

|

|

qh

den

Kolonialgewalt

Gesellschaft 33

Opitz/Dagmar

(2007), Schultz

Geschichte, Berlin

und nationalsozialistischer

Vernichtungskrieg,

in:

Geschichte und

S. 439-466, hier S. 439. An dieser Stelle sei auf eine frühe

(Hrsg),

1986.

in

Deutschland

verwiesen:

postkoloOguntoye/May den Spuren ihrer

Katharina

Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen

auf

;

8

|

|

ont

|

|2 \j

ie ;

oder weniger dem Vergessen anheimgefallen war, in letzter Zeit viel Aufmerksamkeit erfahren. In diesem Sinne lasst sich konstatieren, dass zwar die Zumutungen nicht

|

weniger geworden

|

um

der

i

|

1

AN

mus

das das

pe

spater gedreht

Monate

haben: Rassismus-

zu

trotz

der

genügend

vom

abzugrenzen.”

Islamismus

Sicher

gibt

Positionen

es

adressierten akademischen und aktivistischen Milieus, die den Islamis-

der ihm immanenten faschistischen und

Elemente im Interesse

misogynen stößt ignorieren oder verklären. universalistische Prinzip der Emanzipa-

Hier

-

mitunter

von

Rechten

okkupierte

-

angesichts

der

Sorge,

Legitimationsdenken

zusammen,

einem antimuslimischen Rassismus in die Hande

gilt

es

unbedingt

zu

kritisieren, doch wird

man

zu

spie-

den Ein-

hereingebrochene Entriistung bedingt mit der Frage nach dem Verhiltnis zum Islamismus zu tun hat, es sich also eher (oder zumindest auch) um einen Backlash gegen die Erfolge post- und dekolonidruck nicht los, dass die aber den Anti-Rassismus

I

|||

et Hi lm il |

Lyon einige

nur

aler Interventionen handelt.6

,koloniale Konjunktur“ wirkte sich auch auf die Auseinandersetzung

Die

Nationalsozialismus und Holocaust flammte

zu

Beginn

der

aus.

2000er-Jahre

In der Geschichtswissenschaft

ein bisweilen

heftig geführter

zum

mit

Beispiel

Streit über das

|

Verhältnis zwischen Kolonialismus und Nationalsozialismus bzw. kolonialen und nationalsozialistischen |

rung’

Gewaltpraktiken auf.” Die Rede

des Nationalsozialismus“ sowie

von einer

| |

Hi

363

NACHWORT: MULTIDIREKTIONALE ERINNERUNG IN DEUTSCHLAND

||

Wt i |

|

4

Vgl.

Fatma

war von

einer

,,,Kolonialisie-

,,postkoloniale[n] Perspektive aufdie

Eure

Heimat ist Aydemir/Hengameh Yaghoobifarah (Hrsg.),

unser Albtraum, Ber-

lin 2019. 5

i ||

|,

| ne

6

| A

Alan Posener, Die Tat

von

Paris

ist

auch

ein

Fanal für uns,

in:

Siehe Ulrike

Freitag,

Auch

die

che

eigene

Gesellschaft kritisch

befragen,

in:

Der

Tagesspiegel,

Als Überblick über die Debatte siehe Gerwarth/Malinowski, Der Holocaust als

Genozid"?

„kolonialer

Perspektive nicht Gefahr,

a

https://pdfify.app/trial

also sagen, dass auch die NS-

die Besonderheiten des nationalso-

zusammenhangenden ,,Erlésungsantisemitismus* Vernichtungspolitik einzuebnen?? Steht also das mit der Chiffre Auschwitz assoziierte Singularitätsparadigma zur Disposition? Bekanntermafen hat es in Deutschland lange gedauert, bis dieses Paradigma zumindest weitgehend anerkannt wurde. Die ersten Jahrzehnte nach 1945 waren vor allem von Verdrängung und Schweigen geprägt. Und wenn man heute konstatieren und der mit diesem

zialistischen

zu

einer

aus

Auschwitz resultierenden

Verantwortung

Republik gehört, symbolisiert im Denkmal für die ermordeten Juden Europas inmitten der Hauptstadt, so wird man hinzufiigen müssen, dass dieses Bekenntnis erst in einem zähen und langwierigen Kampf um Erinnerung durchgesetzt wurde, der maßgeblich von Überlebenden und ihren Verzum

Selbstverständnis der Berliner

bänden getragen wurde. Es würde zu weit führen, die zahlreichen Stationen und Etappen dieses Kampfes auch nur ansatzweise aufzuführen, Wichtig scheint uns

aber der Verweis auf den „Historikerstreit“

1986 bzw. auf die im

von

Zuge

dieses

Singularider der nach kolonialen sowie Implikationen tatsparadigmas möglichen Frage Als die konservative 1982 Zur an Holocaustforschung. Kohl-Regierung Erinnerung: die dazu die eine beitragen sollte, aus, rief ein positiv konnotiertes deutsches Nationalgefühl zu begründen und zu verbreiten. Auch geschichtspolitisch sollte sich diese Wende niederschlagen, und zwar als ein im Streits etablierte Zivilisationsbruch-These

Macht kam, sie

zu

sein, zumal hinsichtlich des

„geistig-moralische Wende“

Nationalismus und Antikommunismus gestarteter Versuch der Relatiwar hier die These des konservativen Histori-

Zeichen

von

vierung

des Holocaust. Entscheidend

kers Ernst Nolte, der

zufolge

Auschwitz

eine

Reaktion auf die Massenverbrechen

in

Sowjetunion gewesen und der Holocaust nur vor dem Hintergrund einer gewissermaßen vorgelagerten „‚asiatischen‘ Tat“ zu verstehen seien.!° Historisierung des der

Nationalsozialismus hieß hier, die zwischen 1933 und 1945 als

aus

dem bolschewistischen Terror

derts ableitbar -

Terror

zu

-

dem

interpretieren bzw. als

eigentlichen

einen

begangenen

Verbrechen

Verbrechen des 20.

Versuch, die angeblich

|

|

|

Jahrhun-

von

diesem

ausgehende Gefahr abzuwehren.

| 8

Birthe Kundrus, Kontinuitaten, Parallelen,

rung“ rer,

Rezeptionen. Uberlegungen

Nationalsozialismus, in:WerkstattGeschichte(2006) 43,

des

9

10

S. 45-62;

,,Kolonialisie-

|

Zimme-

|

Jiirgen

zur

Begriff Ideologie

Zum

(2009),

des

Juni

1986,

|

529-548,

siehe Saul Friedländer, Erlösungsantisemitismus. ErlösungsantisemitismusDen Holocaust beschreiben. Auf dem

„Endlösung“, in: ders., integrierten Geschichte, Göttingen 2007, S. 28-53. Ernst Nolte, Vergangenheit, die nicht vergehen will,

Zur

zur

Globalisierung der deutschen GewaltNationalsozialismus postkolonial. Plidoyer hier S. 541. Zeitschrift fiir Geschichtswissenschaft 57 S.

geschichte, in:

6.

a

man

Holocaustforschung einer Dekolonisierung bediirfen? Was genau wiirde eine solDiagnose implizieren? Woran ließen sich entsprechende Leerstellen festmachen?

Und läuft die skizzierte

www.tagesspiegel.de/wissen/rolle-der-nahostwissenschaft-auch-die-eigene-gesell

schaft-kritisch-befragen/26626580.html [10. 1.2021]. 7

und

Die Welt, 19.10.2020,

www.wel t.de/debatte/kommentare/article218161858/Mord-an-Samuel-Paty-Dieses-Fanalgilt-auch-uns.html(10. 1.2021). 16.11.2020,

N

a I HH | | I i

Vgl.

Massenverbrechen des Dritten Reiches*.® Kénnte

kann, dass das Bekenntnis

einem Sturm entwickeln.

len, entstanden ist. Dies

| |i|

a

zu

tion aller Menschen mit einem kulturalistischen

Hh

ll

und

den kolonialen

eines abstrakten Anti-Rassismus verharmlosen,

i i| i| | a | | HH} {

Frage nach

innerhalb

|i|

NO

ausgelöst

setzt, sich nicht

N li EN N Hl |

durch weiße Polizisten

von

i]

H |

|

Sommer 2020, die

|

| ||| al |

George Floyd

im

kritik und post- oder dekoloniale Theorie sehen sich verstärkt dem Vorwurf ausge-

al

IE |

des Afroamerikaners

Terrors wie in Wien oder

mt |

in Deutschland zugenommen.

Allerdings scheint sich der Wind nach der neuerlichen Konjunktur islamistischen

|i

1

Ermordung

Wind

al | (| N

-

Implikationen von Erinnerungspolitik -kultur auf die Tagesordnung setzten, entstand kurzzeitig fast der Eindruck, als könne sich dieser

| Al

al

bleiben

zu

hat der dekoloniale Wind

~

die

a

N

Diederichsen bemiihten Bild

Heimat-

|

Wy

|

von

Beispiel von

| il

A

im

gleichzeitig

zum

wurden und die unter anderem durch das Stiirzen kolonial-rassistischer Denkmiler

Il

A

Mief im Rahmen

Und wahrend der weltweiten Black Lives Matter-Proteste

|

i

sind und der koloniale

Debatten durchaus kultiviert wird.“ Doch

|

|

JANA KONIG

+

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FELIX AXSTER

362

Weg

der

in: Frankfurter

zu einer

Allgemeine Zeitung,

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364

AM

FELIX AXSTER

JANA KONIG

+

NACHWORT: MULTIDIREKTIONALE ERINNERUNG IN DEUTSCHLAND

365

A | |

Singularitatsparadigma korrespondiert, war der vielleicht pragte einflussreichste und nachhaltigste Einwand gegen derartige Relativierungen von deutscher Schuld und Verantwortung."! Diner geht von der Pramisse aus, dass es im Zuge der Aufklärung zwar keineswegs zu einem Ende von Krieg und Gewalt gekomund die mit dem

HN

qs

|

HII | |

die durchaus einen rationalen Kern hätten. Demnach

um

einen bestimmten Zweck

|

i

In diesem Sinne

ii

A al | ||

allgemein

A

zu

|

|

|

|

|

beschreibt und alen

11

gelte,

erfüllen,

war

der

zu

Versuch, das historische Geschehen des

die Nazis

im

Holocaust zunichte machten.

wiederum stellt sich die

Vgl.

der

Perspektive

kutiert. Siehe 20.

Frage,

ob und

Angesichts

der „koloni-

fassbar

zu

in:

-

z.

Annäherung an

B. Heidemarie Uhl

oder

Einordnung von

von

Auschwitz

ein

Versuch der

immer

Bundeskanzlerin Merkel bei der

i

Theodor-Herzl-Preises

am

PM

12

sische Sicherheitskräfte

Jahrhunderts, Innsbruck

gen

in

Algerien zu Schätzungen gehen

die

Menge.

von

In den nächsten

Tagen

der Kolonialmacht brutal

kam

es an

vielen Orten

niedergeschlagen

wurden.

von Tausenden, teilweise sogar von Zehntausenden Toten aus. Das Massaker von Setif markiert laut Diner einen Wendepunkt. Der Ausbruch

algerischen Unabhängigkeitskriegs am 1. November 1954 lasse sich gewissermaFernwirkung der Ereignisse rund um den 8. Mai 1945 verstehen: „Was 1954 anhob, war im Grunde nur aufgeschoben worden.“!? So gesehen markiere der 8. Mai 1945 nicht nur das Ende des Zweiten Weltkriegs, sondern auch den Beginn des

ßen als eine

der Dekolonisation. Diner resümiert: „So schieben sich für den Kolonisierten Bilder der nach 1945

an

ihm veriibten Grausamkeiten

vor

die Zeitzeichen der

Befreiung

in

Europa.“ Siehe Oliver Marchart,

u. a.

Singularität,

Wirkung

14

Diner, Gegenläufige Gedächtnisse,

15

Ebenda.

Der

il

ci

|

A

https://pdfify.app/trial

aus

einer

Lallaoui hat kürzlich

Das

Juni

2003.

1945 in

Es ist

Algerien

wichtig,

daran

algerischen in eine

Der ,,Zivilisationsbruch Auschwitz"

S.

der Erinnerung,

Globalisierung

in:

zwi-

Uhl,

markierten

zu

daten

waren,

S. 67.

Familie

stammende

Schriftsteller und Filmregisseur Mehdi Richtung argumentiert: „Die Massaker im Mai und tatsächlich einen Bruch in den Beziehungen zu Frankreich.

ähnliche

erinnern,

[Front de Libération Nationale

-

dass der Großteil derjenigen, die neun Jahre später die FLN algerische Befreiungsbewegung] griindeten, ehemalige Sol-

die Frankreich befreit hatten. Sie

waren aus

dem

Krieg

in

Europa nach Algerien

zurückgekehrt und mussten dort mit ansehen, wie ihre Familien massakriert wurden. [...] Die Erfahrungen von Mai und Juni 1945 waren somit tatsächlich der Ausgangspunkt für den Beginn des Algerienkrieges im November 1954, der fast acht Jahre dauern und zur Unab-

des Holocaust, Göttin-

S. 14 und 31.

Umkampfte Gegenwart.

Partikularität, Universalität und

Zivilisationsbruch und Gedächtniskultur, 35-65,

hängigkeit und

zivilisiert

Unruhen, die

in

28. Oktober 2019 in München, www.bundeskanzlerin.de/bkin-de/

Gedächtnisse.

Dan

Zivilisation,

Immerhin haben sich die Kolonisieren-

derals

aktuelles/rede-von-bundeskanzlerin-merkel-zur-verleihung-des-theodor-herzl-preises-am-

|

Begriffder

Zivilisationsbringer imaginiert, war die Vorstellung, dass die Bewohnerinnen werden müssten, geltenden kolonisierten Gebiete zentraler Bestandteil der Ideologie des Kolonialismus. Ließe sich also sagen, dass der Zivilisationsbruch-These eine eurozentrische Perspektive eingeschrieben ist? Vor einigen Jahren hat Diner die post- oder dekoloniale Herausforderung für die Holocaust-Forschung und die Zivilisationsbruch-These selbst diskutiert. Dabei thematisierte er auch die Frage nach den eurozentrischen Implikationen seiner eigenen Denkbewegungen. Ein wichtiger Bezugspunkt fiir seine Uberlegungen ist der 8. Mai 1945, dem eine „doppelte Bedeutung“ innewohne: Wie an vielen anderen Orten kamen auch im nordalgerischen S&tif, seinerzeit Teil des französischen Kolonialreichs, Tausende Menschen zusammen, um die Befreiung vom Faschismus zu feiern. Nachdem die Feiernden der Aufforderung nicht Folge geleistet hatten, die grün-weiße Fahne der algerischen Nationalbewegung zu entfernen, schossen franzö-

Verleihung des Theodor-Herzl-Preises im

fo. 1.2021]. 28-okktober-2019-in-muenchen-1686238 Über Geltung Gegenläufige Diner, 2007,

Charakter

Weltvertrauen

und Dimension des Holocaust

und Bewohner wild

Oktober 2019, in der sie mehrmals vom ,,Zivilisationsbruch der Shoah‘ sprach, zeugt von dem des enormen Einfluss der Dinerschen Intervention. Vgl. Angela Merkel, Rede zur Verleihung

|

um

unschuldig.'>

im

den als

wiederdis-

(Hrsg.), Zivilisationsbruch und Gedächtniskultur. 21.

machen, keineswegs

und

inwiefern Sklaverei und kolo-

Aporie und Apologie. Über Grenzen der Historisierbarkeit der Babylon Beiträge zur jüdischen Gegenwart (1987) 2, S. 23-33.

Jahrhundert in der Erinnerung des beginnenden

Auch die Rede

aA i Wei |

Ni

der

fungiert,

der bei Diner als Kontrastfolie

Dan Diner, Zwischen

erkenntnistheoretischen

cea ay | Il Hl

|| | i i

aus

die

Innerhalb der Geschichtswissenschaft wird die Zivilisationsbruch-These als

i

I Hf i i | |i | | N | | HL

was

Konjunktur“

Massenvernichtung,

i

|

Ressourcen

-

der

schen

HE

A| i | | i| |

|

enorme

eine Mission

Krieges

Gewaltpraktiken einen Bruch in der Weltwahrnehmung Opfer des Kolonialismus dargestellt haben. Zudem ist der

niale

13

i

.

als ob es

gerade Opfer zu Opfer verließen sich in ihrer Weltwahrnehauf das, was Diner als zivilisatorische Rationalitat mung und ihrem Weltvertrauen

| I} I|

so

einzuräumen sei. Vor diesem

erschließen. Denn

|| IM|

|

inmitten des

Energie aufgewandt,

Die Zivilisationsbruch-These

HN Sl Hy

zwar

Holocaust sowie seine kulturelle Dimension nicht zuletzt

| il i il| ul

|

und

|

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an

-

Diner von

|| |

A

Überlebensinstinkte eine bedeut-

sowie

Hintergrund vor dem eigenen Überleben einem ,Zerbrechen ontologischer Sicherheit“ bzw. von der ,Durchspricht brechung aller bisher als gewiss erachteten ethischen und instrumentellen Schranken von Handeln“ sowie von dem „geradezu gegenrationale[n] Verhalten der Nazis“.!?

|!

I

ermorden. Dabei wurden

der Priorität

|

al | | H i i im

Antizipierbarkeit

stellen.

Verhalten, wobei

Rolle

und ein hohes Ma

i

um

-erwägungen

von

Zudem

sei insofern total gewesen, als die Nationalsozialisten sich das Ziel gesetzt in hätten, jedem Winkel ihres Einflussbereichs Juden und Jüdinnen aufzustöbern und

vt i

die

zu

nichtung

aM

:

(Bereicherung, Aneignung u.a.).

Ausbeutung

X ,

ae

erfüllen

Anwendung,

ihre

spielen. Diner zufolge hat der Holocaust mit all diesen Vorannahmen und Gewissheiten gebrochen. Juden und Jüdinnen seien aufgrund von Zugehörigkeit und Abstammung, gewissermaßen grundlos, vernichtet worden, auch ihre Arbeitskraft habe sie nicht vor dem Tod bewahrt. Die Verbzw. die Möglichkeit ihrer same

i

i

N

geht

es

Nützlichkeitsfaktoren und

IB ae

zu

erfolgt

Selbsterhaltungs-Wunsch derer, die Gewalt ausiiben, in Rechnung

sei der

a

Voraussetzungen beruh-

und Gewalt seitdem aber auf bestimmten

Krieg

ten, |

;

N

sei,

men

4

Zivilisationsbruch-These, die insbesondere der Historiker Dan Diner ab 1987

Die

für unsunerträglich“. Interview istSétif, (2020) 381, 41-44,

führen sollte.“ „Das

mit Mehdi Lallaoui über

Frankreichs Kolonialmassaker Diner, Gegenlaufige Gedichtnisse, in

16

in:

S. 78.

iz3w

S.

hier S. 43.

„N

|

‘|

FELIX AXSTER +JANA KONIG

366

,

NACHWORT: MULTIDIREKTIONALE ERINNERUNG IN DEUTSCHLAND

367 |

i Ausgehend von dem Massaker von Sétif setzt sich Diner grundsätzlich mit den Bedingungen und Charakteristika kolonialer Gewaltformen auseinander. Dabei macht er eine spezifische Dynamik aus: Auch wenn das Ziel der Kolonialmacht zunächst Eroberung, Versklavung und Befriedung gewesen sei, habe sie letztlich zu einer ,unterschiedslose[n] Art der Gewaltausiibung* tendiert.'” Dies habe vor allem mit der Bedeutung des kolonialen Rassismus bzw. der die kolonialen Verhältnisse strukturierenden Ordnungskategorie ,,Rasse“ zu tun, die ,keine Differenzierung jen-

1

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seits der bloßen Herkunft“

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|

Erkenntnis auseinander. Diner

Il Il

17.

Gleichwohl markiere der

Konflikt und

brechen noch etwas

grundloser Tod.?! und das ist die eigentliche

zu

Pointe

Diners Aus-

Während

es

stebei

Ebenda,

S. 75. Siehe auch

dass das durch den Kolonialismus

|

MilitéThoralf Klein/Frank Schumacher (Hrsg.), Kolonialkriege. Gewalt-

Imperialismus, Hamburg 2006; Michael Mann, Das Kolonialismus, in: Mihran Dabag/Horst Gründer/Uwe-K. Ketelsen

dispositiv des modernen (Hrsg.), Kolonialismus. Kolonialdiskurs

|

|

|

LTM

verur-

S.

Gegenliufige Gedachtnisse,

18

Diner,

19

Ebenda,

20

Ebenda, Ebenda, S. 81. Ebenda, S. 64 f. und

21 22

75.

und

Genozid, München 2004,

S.11.

67.

,zunehmend vernehm-

von

|

Narrativ zu entsprechen suchen“.?? Weiter heißt es: „Das Bild vom Holozieht eine universale Moral nach sich, in der die unterschiedlichen, verschiedenen historischen Zeitstufen angesiedelten Vergangenheiten sich wie in einer Art

auf

caust

egalisierender Gleichzeitigkeit begegnen.“*" von

Leid“, die den Von

„Maßgaben

Bedeutung

Die

ist nun, dass Diner davon

imprägnierte[s] Erfahrungsist die Rede

angeleitete

einem

von

Folge

sei eine

der historischen Urteilskraft“

ausgeht,

tung des Holocaust als Zivilisationsbruch liege

ein

und Weltverständnis“

der

,,Anthropologisierung

entgegenstehe.?*

Wahrnehmung

und Deu-

,,westliche[s], gar eurozentrisch

zugrunde.’

An anderer Stelle

,westlich impragnierten Anspruch auf erkenntnistheoretisch

historische und —

begriffliche

vor

Trennschärfe im

allem aber

mit

Vergleich

von

Massenver-

Auschwitz“? Was heißt das aber im

fragt: „Wird mit der westlichen Diskurshoheit außereuropäischen, außerwestlichen Kulturen und Traditionen nicht eine Deutung des Holocaust

auferlegt, die ihren Erfahrungen und Intuitionen, unter Umständen gar ihrer Weltdeutung fremd ist? Will dies umgekehrt bedeuten, die dem Zivilisationsbruch zugeschriebene Geltung reduziere sich auf den Traditionszusammenhang der westlichen Aufklärung und ihrer Moderne? Erweist sich Auschwitz als ein singulärer Zivilisationsbruch

nur

dann,

wenn

onalitätsvorstellungen, Semantiken und

jenes

Geschehen

vor

dem

eines westlichen historischen

Hintergrund westlicher RatiErwartungshorizonts, seiner

Begriffsbildungen abgebildet wird?“8 um rhetorische Fragen. Diners Überlegungen

Es handelt sich

zur

zung

von

|

Gegenläufigkeit

des kolonialen und des Holocaust-Gedächtnisses laufen letztlich auf die

Entgegenset-

|

„westlicher“ und „arabisch-muslimischer“ Welt hinaus. Während Erstere

durch ein

ßen als

„weitgehend säkularisiertes Weltbild“ gekennzeichnet sei, das gewissermaVoraussetzung für die Befähigung zur Erkenntnis des Holocaust als Zivili-

sationsbruch

firmiert,

sei bei Letzterer das

„Phänomen einer verzögerten Säkulari-

sierung, eines Zeitstaus des Sakralen“ bzw. eine ,,unzureichende

{...] Lebenswelten“

zu

Profanierung

der

|

beobachten, auf die die „unter Muslimen vorherrschende

Wahrnehmungsbarriere des Holocaust“ zurückzuführen sei.?” Weiter heißt es: „Ein sakral durchdrungenes Bewusstsein wird sich dem Holocaust als Zivilisationsbruch

/

|

23

Ebenda,S. 38.

24

Ebenda. Daniel

S. 118-135.

S. 81.

spricht

er

gegebenem

Umkehrschluss? Diner

Der

-

Entschädigung“. Dabei falle auf, dass die Ansprüchen korrespondierenden „Erzählungen dem vom Holocaust vor-

Gegnerschaft.

erzwingen.

den Versuch der Erkenntnis des Holocaust bzw. der

registriert,

mit diesen

fordere

auf Entschuldigung und

brechen untereinander

von

Diskussion,

zur

Ansprüchen

Anerkennung“

[...] steht der

rische Gewalt im Zeichen des

I

|

HI

-

zu

die Deut-

Bedeutung dieses historischen Ereignisses geht, setzt sich die Gegenläufigkeits-These mit der Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Erkenntnis dieser

ed el sev

i|

was

Dimension und

|

BA

N

ein im Kern

der Zivilisationsbruch-These

iil

I i Ht. aa | lien iH | MA

Vernichtung jenseits von Krieg,

Gewalt einen Willen

hen in beiden Fällen erkenntnistheoretische

i ‘ell| i|

|

Europa aufgeführt hatten*.”°

Zivilisationsbruch-Thesebegrei fen. Fragen

|

|

der

während Epo-

gekommen,

-

li LAG HM

ihnen

von

baren

Somit

führungen drohe immer weniger zur Kenntnis genommen zu werden. Vor diesem Hintergrund erscheinen der 8. Mai 1945 bzw. die an diesem Tag sich gleichzeitig vollziehende Befreiung vom Faschismus und die Manifestation von Kolonialgewalt noch einmal in einem anderen Licht: Diner spricht von einer „unheimlichen Begegnung“ sowie von einer „gegenläufige[n] Konstellation“: „Die kalendarische Chiffre der Befreiung im Westen fällt mit einem herausragenden Datum der kolonialen Unterdriickung zusammen.“” In diesem Sinne fungiert der 8. Mai 1945 als Indikator für das, was Diner als Gegenléufige Geddchtnisse bezeichnet. In gewisser Weise lässt sich die Diagnose vermeintlich gegenläufiger Gedächtnisse als eine Fortschreibung der Zumindest

| |} I

in

Genau diese Differenz aber

11 al | | Wl

|

Dekolonisierung im Zweiten Weltkrieg

angenommen.'*

tat-

genozidaler Kolonialgewalt

veriibten Massaker ,,dem nahe

Holocaust als eine bloße

1 ay | i

ss

Frage

Charakter“

Holocaust eine Differenz: ,,Bei aller Absolutheit der kolonialen Gewalt

JM

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nach dem Verhiltnis zwischen

schen

I he

potenziell „genozidalen

stelle sich aber die

che der

i

|

sächlich oder zumindest

und Holocaust. Zwar seien die Kolonialmächte durchdie

il |

zulasse.'® Demnach hätten koloniale Gewaltformen

sachte Leid „endlich

a.

Allgemein

| zur

Universalisierung

Levy/Natan Sznaider, Erinnerung

des Holocaust im

in

der

globalen Zeitalter:

Erinnerungskultur

siehe

Der Holocaust, Frankfurt

M. 2001.

25

Diner,

26 27

Ebenda, S. 37. Ebenda, S. 39.

28.

Ebenda.

29

Ebenda, S.

Gegenliufige Gedichtnisse, S,

38. |

|

104.

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368

FELIX AXSTER

verweigern

lungen sierung“

|

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an

die

Aufklarungstradition gebundenen

Rationalitätserwartungen.“

Die

„Tendenz

zur

jedenfalls, die mit der Anerkennung außereuropäischer

und



-

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Gegenläufigkeit vs.

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I

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von

ihm bemühte

von

eminenter

Bedeutung

ist. Zudem

und das

reiben“, für durchaus bedenkenswert.?? Wir

Gedächtnis des Holocaust, „Westen“

vs.

einen quasi

ontologischen

Opfer kolonialer Verbrechen

|

Status haben,

elgentiimlich

was

vs.

„arabisch-muslimische Welt“

dazu führt, dass das Verhältnis der

einerseits und nationalsozialistischer Verbrechen ande-

rerseits zueinander kulturalisiert

wird.>? Zudem haftet der Dinerschen Analyse ein

Zug an. Reibung keineswegs als konzipiert bzw. als Prozess, der verschiedene Möglichkeiten bereitBeispiel die Méglichkeit eines wechselseitigen Aufeinander-Einwirkens. Im fatalistischer

Die

der Gedüchtnisse ist

offener Prozess halt,

zum

Gegenteil, in

fast schon teleologischer

Weise

läuft

die Geschichte bei Diner

und Verlust hinaus. Gewiss, die faschistische Konterrevolution zu

LM |

| a MN i

nehmende Gefahr, auch in

war

und

aufVerfall

isteine

ernst

arabisch-muslimischen Ländern Milieus, arabisch-muslimischeWelt reduzieren? und

Aber

lässt sich das koloniale Gedächtnis auf die Und lässt sich die

Aufklärung

derart westlich

imprägnieren?

Wäre ihre Genese nicht

Il

i | il | | li i |

30.

| |

verflechtungsgeschichtlichen Ansatzes zu rekonstruieren, kurz Beispiel die von Sklaven ausgehende Revolution und

auf Haiti

einbezogen

werden müsste? Was ist mit

Beteiligung der „Dritten und Vierten Welt" am Kampf gegen den Faschismus??5 Spielte nicht auch hier die Vision von Freiheit und Gleichheit eine zentrale Rolle? Bestand die nachhaltige Wirkung des Massakers von gerade darin, dass diese Vision inmitten des Freudentaumels zerplatzte oder zerstört wurde? Müssen das koloniale Gedächtnis und das Gedächtnis des Holocaust notgedrungen gegenlaufig sein? Besteht nicht auch die Möglichkeit, dass sich diese Gedächtnisse während oder nach der „Reibung“ miteinander verbinden? Und liefe eine solche Verbindung automatisch historische Urteilskraft preiszugeben und die des der

|

Sétif nicht

| |

Spezifik

Auch diese

saa || i | I | i)

i i Wat N

i Wi

Fragen

sind rhetorischer Natur. Wenn die

von

Diner

aufgeworfene

Frage nach den eurozentrischen Implikationen der Zivilisationsbruch-These ernst gemeint ist, miisste es doch eigentlich darum gehen, Auswege zu suchen und aufzuzeigen. Aber Gegenliiufige Gedächtnisse lässt einen auch deshalb ratlos zurück, weil eine

Arterinnerungskulturelles

Zu sein

Dilemma

postuliert wird,

das

irgendwie unauflöslich

scheint.

Unsere

Fragen

sind aber nicht

nur

sche Funktion. Denn sie leiten über

zu

rhetorisch, Michael

sie

dramaturgipublizierter und viel

haben auch eine

Rothbergs

2009

diskutierter Studie Multidirectional Memory, die nun in deutscher Ubersetzung vorliegt. Das Buch handelt genau von der Möglichkeit der Verbindung zwischen kolo|

nialem und Holocaust-Gedichtnis. Und

berg

als „koloniale Wende in der

eine Art

Gegenposition

es

steht emblematisch fiir das,

Holocaust-Forschung“

was

Roth-

bezeichnet. Somit stellt

|

es

Gegenläufige Autoren im Grunde von der gleichen historischen Konstellation ausgehen, sich auf die mehr oder weniger gleichen historischen Geschehnisse beziehen und ähnliche Quellen nutzen. Dennoch kommen sie zu anders gelagerten Schlussfolgerungen, was auch damit zusammenhängt, dass sie von konträren Voraussetzungen ausgehen, Zum Beispiel steht der pessimistische Grundton von Diner im Gegensatz zum Optimismus bei Rothberg. Und während Ersterer den Schwerpunkt auf die Logik von Opfer- oder Erinnerungskonkurrenz legt, geht es bei Letzterem um den Versuch, diese

i

Gedächtnisse dar. Interessant ist, dass beide

zu

|

| |

|

| |

überwinden. Vielleicht ließe sich sagen, dass das Zivilisationsbruch-Postulat

zu

korrespondierenden Singularitäts- und Gegenläufigkeitsthesen größtmögliche gedankliche Herausforderung für Multidirektionale Erinnerung darstellen dasselbe gilt in umgekehrter Richtung. Jedenfalls halten wir eine Gegenüberstellung der beiden Ansätze insofern für produktiv, als sie sich wechselseitig zu

33

Auch

-

Omar Kamil bemiiht in

seitens

seiner

Auseinandersetzung

arabischer Intellektueller das Bild

gegenlaufiger

mit der

Rezeption

des Holocaust

Gedachtnisse. Im

Gegensatz zu ein historisch-politisches ontologisierendem Ansatz allerdings stiitzt sich Kamil Argument, das die Gegenliufigkeit (baw. die Ignoranz arabischer Intellektueller gegenüber Diners

dem Holocaust)

Vgl.

auf

aufDer Opferkonkurrenzen und den arabisch-israelischen Konflikt zurückführt.

Omar Kamil, 2012.

1967,

|

die

07

|

Ha

a

Bbenda, S. 105.

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369

und die mit diesem

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das



7 HE | Al | i A ei

historischen

Bild, dass sich das koloniale Gedächtnis

wir

und ist,

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il

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mit dem

halten

Gedächtnis

|I

7

Umgang

war

keineswegs mögliche Spannungen negieren, die sich im Zuge dieser Reibung ergeben. Und doch lässt einen Gegenläufige Gedächtnisse einigermaßen ratlos zurück. Dies hat vor allem damit zu tun, dass die Gegensatzpaare koloniales

|

fl ||

zum

nach der Französischen Revolution mit

wollen auch |

1A i

unseren

Erbe, das auch ein familiares Erbe

Gedächtnis des Holocaust „aneinander

| Al |

viel Platz eingeraumt, weil die Auseinandersetzung respektive die Zivilisationsbruch-These fiir unsere poli-

tische Sozialisation im Land der Tater, fiir

(| i,

| :

global-

wobei dann auch

so

mit dem Nationalsozialismus

"al 1

im Sinne eines

daraufhinaus,

Multidirektionalität

Wir haben Dan Diner hier

Mi A |

NACHWORT: MULTIDIREKTIONALE ERINNERUNG IN DEUTSCHLAND

Holocaust einzuebnen?

a

;

Holocaust

im

arabischen Gedächtnis. Eine

Diskursgeschichte

Göttingen

1945-

|

34

35.

z.

Siehe B.

| || |

Lionel Robert James, Die Haiti,

Cyril Unabhingigkeitsrevolution

Siche im

on

:

Plurali-

darauf hinauslaufe,

|

a

DS

Vorstel-

Erinnerungswelten einhergeht, wird das ist Diners durchaus pessimistische Schlussfolgerung die „Maßgaben historischer Urteilskraft“ aushöhlen.?! Entsprechend drohe ein Verfall von Unterscheidungsfähigkeit und -bereitschaft, der die Spezifik des Holocaust als Zivilisationsbruch einzuebnen.

|

|

8

der

JANA KONIG

Geschichtsbildern und historischen Narrativen

von

Erfahrungs-

SE

|

i

Widerlegung

Vernunft- und

„kolonialen Konjunktur“, mit der Forderung nach

|

|

als

~

von

+

in

schwarzen

Kéln 1984.

Jakobiner. Toussaint Ouverture unddie

Rheinisches JournalistInnenbiiro (Hrsg.), „Unsere Opfer

Zweiten

Weltkrieg, Berlin/Hamburg

zählen nicht.“ Die Dritte Welt

2005.

| |

/

https://pdfify.app/trial

ee ,

FELIX AXSTER

370

+

JANA KONIG

NACHWORT: MULTIDIREKTIONALE ERINNERUNG IN DEUTSCHLAND

371

|

iil) befragen vermögen. Gleichzeitig scheinen die von Diner formulierten Prämissen und Thesen in eine erinnerungspolitische Sackgasse zu führen. Rothbergs Ansatz hinge-

i

|

|

gen hat das Potenzial, aus diesem Dilemma herauszuführen. Nicht zuletzt deshalb haben wir uns entschieden, die Ubersetzung von Multidirektionale Erinnerung auf

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Rothberg

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ll | cil i |

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während

diesem

er

-

Zusammenhang,

zu

dass Dan Diner in

sich mit der Situation in den

|

| |

Gegen-

jüdischen Ghettos

befasst,

|

die

|

vom „Herz der Finsternis“ spricht, also jene Metapher verwendet, die durch gleichnamige Kolonialnovelle des Schriftstellers Joseph Conrad von 1899 zu einer Art Ikone kolonialer Wissensordnungen und Vorstellungswelten geworden ist.>6

ent-

||

i| | |i | Al

|

auf den Holocaust und den Kolonialis-

von

bezogenen erinnerungspolitischen Konjunkturen

und

disziplinären

Grenzen

Erinnerns haben somit einen inkludierenden

Effekt, da sie mehrere Geschichten in

sich

Erinnerung weniger identitär zu denEigentum von bestimmten Gruppen

vereinen

zu

vermögen.

Dies setzt

voraus,

verstehen. Es ließe

len

7

Gruppen,

zuletzt

aus

‘ch sich

ffragen,

wer

bef befugt

an

sein

soll «ade denieni sollte, gerade denjenigen

-

Anspruch

der

Aufmerksamkeit

von

Überwindung

Multidirektionale

von

Erinnerung

Opferkon-

scheint

die traumatisierende Gewalt erfahren haben und ihre Identitat nicht

iB

der Erinnerung

an

diese Gewalt

beziehen, eben diesen Zusammenhan; 8

Kens anzumerken,

dass

er

-

itidvecktionales Eri multidirektionales Erinnern

wie

vor

bei bei Rothb Rothberg

allem das Interview in diesem Band

di

-

Si

jesem

bindet sich sich mitmit Sinne verbindet

dass die

gleichzeitige Erinnerung

d dem „identitätsskeptischen” identitatsskeptischen” Ansatz Ansatz diedie Hoffaun Hol B> an

unterschiedliche historische Geschehnisse Ver-

| Hh

es

kaum verwunderlich, dass das Buch seit

dem Holocaust resultierenden Schuld und

aus

Verantwortung

tischen Selbstverständnis der Berliner

Kämpfe Gruppen

—,

von

so

ist heute

und Parteien

dem Versuch der

Wiederherstellung 36

einige einigen

37

Geschichten

z.

vom

Relativierung

der nationalsozialistischen Verbrechen zwecks

in:

gekennzeichnet ist.

Joseph Conrad,

Hérensagen, Frankfurt a. 1959, S. M.

König, „The

whole

World

Das Herz der

Zudem zeugen

Finsternis,

in:

|

|

-

|

|

ders.,

|

41-135,

owns the Holocaust“: Geschichtspolitik Beispiel der Erinnerung an den Holocaust unter Naika Foroutan/Juliane Karakayali/Riem Spielhaus (Hrsg.), Postmigran8

postmigrantischen

Geflüchteten,

erinnerungspoli-

-

vermeintlich deutscher Größe

Siehe B. Sina Arnold/Jana in der

zum

Republik gehört ein Erfolg jahrzehntelanger hinzuzufügen, dass diese Republik mit dem Aufstieg rechter wie der AfD eine neuerliche völkische Konjunktur erlebt, die

Diner, Gegenläufige Gedächtnisse, S. 27;

tische

Geschichte, Erinnerung und Identität abzusprechen.

So ist

Migration und Erinnerungskultur und um die Frage nach der Verfasstheit der Erinnerungskultur in der postmigrantischen Gesellschaft geht.” Wenn Anerkennung der

.

sozia-

zwischen guten und schlechten Formen der Multidirektionalität unterscheidet, wobei Solidarität und Gerechtigkeit als Unterscheidungskriterien fungieren. In

I

quasi unbegrenzter kurrenz, solidarische Bezugnahmen

Jahren auch im Rahmen der erinnerungspolitischen Debatten in Deutschland rezipiert wird, nicht zuletzt in jenen Kontexten, in denen es um das Verhältnis zwischen

belegt

BE

Ansätze, die Vorstellung

Ressource, der

Rothberg betätigt sich nicht nur als Archivar. Die Arbeit im und am Archiv läuft darauf hinaus, einen Vorschlag zu unterbreiten, der das Verständnis von Erinnerung an sich betrifft: Rothberg wendet sich gegen die weitverbreitete Vorstellung, dass Aufmerksamkeit eine knappe Ressource sei und Erinnerung entsprechend die Form eines Nullsummenspiels annehme. Er bestreitet, dass Erinnerungen an jeweils spezifische Ereignisse aufgrund der Aufmerksamkeitsökonomie notwendigerweise in einem Konkurrenzverhiltnis zueinander stehen. Im Gegenteil, Multidirektionalitat bezeichnet eine produktive Dynamik, die gewissermaßen auf ein Mehr an Erinnerung hinauslauft, da durch die wechselseitigen Bezugnahmen verschiedene historische Geschehnisse gleichzeitig in den Fokus riicken. Multidirektionale Formen des

auf normativen Prämissen beruht,

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Gesellschaft

Versprechen bereitzuhalten.

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postmigrantische

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Multidirektionalitat in Deutschland

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Das Archiv der multidirektionalen

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und setzt diese

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etc.). Und sie können dazu beitragen, historische Geschehnisse wechselseitig

beleuchten. Bemerkenswert

dition, das die gewohnten Einteilungen

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Geschichten, sondern auch



steht das beeindruckende Panorama einer über Jahrzehnte andauernden Denktramus

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jeweils eigenen Kapiteln in Beziehung zueinander.

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Nationalsozialismus und Holocaust andererseits. In

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Michael Haneke, die 1999 bzw. 2005

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Leila Sebbar und einem Film

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mit Hannah Arendts und

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beginnt

Überlegungen aus den 1950er-Jahren und endet (vorläufig)

mal mehr, mal weniger explizit, mal mehr, mal weniger systematisch Bezüge herstellen zwischen der Geschichte von Sklaverei und Kolonialismus einerseits und von

Uh

N

in

eben nicht

hergestellten oder aus ihnen geronnenen Subjektivitäten stiftet. Die multidirektionalen Beziige jedenfalls ob intendiert oder nicht kénnen unterschiedliche Formen annehmen (Vergleiche, Analogien, Aneignungen, Verweise, Zitate

Multidirektionale Erinnerung? Eines von Rothbergs Zieein Archiv multidirektionaler Perspektiven zu erstellen, das essayistische es

erschienen sind. Das Gemeinsame dieser Texte und Filme besteht darin, dass

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Roman

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bringen. geht

worum

und literarische Texte sowie Filme versammelt. Es

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bindungen

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Perspektiven,

Gesellschaft

Ordnungssysteme,

Lydia Lierke/Massimo Perinelli, Intro,

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Repräsentationen, Kritik, Bonn y

in: dies.

und

(Hrsg.),

8. 2018, 173-190; Mauerfall

Erinnern stören. Der

|

S.

aus

migrantischer jüdischer Perspektive, Berlin 2020, S. 11-30. Rothberg selbst hat sich mit dem Verhältnis zwischen Holocaust-Erinnerung und Migration in Deutschland befasst, siehe

|

Michael

Rothberg, Multidirectional Memory in Migratory Settings: The Case of Post-Holoin: Chiara Di Cesari/Ann Rigney (Hrsg.), Transnational Memory. Circulation, Articulation, Scales, Berlin/Boston 2014, 123-145; Michael Rothberg/Yasemin Yildiz, of Holocaust Remembrance in Memory Citizenship: Contemporary Gercaust

many,

Germany,

MigrantArchives Parallax, 17:4, London S. 2011,

S.

32-48. |

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Langzeitstudien

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dem sich Erin-

den Holocaust ausdriicken (etwa die Ima-

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Rolle

eine

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von

innerhalb der deutschen

wobei nicht zuletzt der sekundäre Antisemitismus

zu Vergangenheit schlagen viel iiber den Holocaust sprechen wiirden).* Wichtig scheint uns auch zu sein, sich die Debatte über das Unbehagen an der Erinnerung so der Titel eines Sammelban-

dass

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Nationalsozialismus und Holocaust?

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ein Orientierungspunkt

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S. 180.

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sinngemäß behauptet hat, dass und dass

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für eine entkolonialisierte und antirassistische Welt, Mai 2020,

in einem Interview

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Auschwitz,

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vielstimmigen Erinnerungen

8 ‚oethe.de/prj/lat/de/dis/21864662.html pP [10. 1.2021] whole the

Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor,

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gesellschaftliche Rechtfertigung. [...] Seit 1945 fiel es vermutlich selten leichter, derart unbefangen und zugleich aggressiv den von den Vorfahren begangenen Holocaust zur

2013.

Ca

;

Opferidentifikation und Erlösungshoffnung: Beobachtungen im erinnerungspolitischen Rampenlicht, in: dies./Christian Schneider, Gefühlte Opfer. Illusionen der Vergangenheitsbewiiltigung, Stuttgart 2010, S. 19-103, hier S. 23.

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bisweilen zu einer

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Tel einer Integrationsanforderung“ und

wird

Neue Radikalitat lkalitä alte alte Reasentiments, Ressentiments,

Jureit/Christian Schneider/Margrit Frölich (Hrsg.),

München ünchen 2013.

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Brahl er (Hrsg.), Autoritire Dynamiken, 211-248.

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ei en! wisom: nd indie deutsche(Erinne anes 1G mei nschaft“ ward 2 DasHolocaust:Gedenken ung

2012:siehe sieh nerung Wandlungsprozesse im Gedenken an den Holocaust, Frankfurt a. M. 2012; auch Aleida Assmann, Das neue Unbehagen an der Erinnerungskultur. Eine 1 Intervention,

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den Holocaust

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Zustimmungswerte zu primir- und sekundirantisemitischen Aussagen siehe Johannes Kiess/Oliver Decker/Ayline Heller/Elmar Brähler, Antisemitismus als antimodernes Ressentiment. Struktur und Verbreitung eines Weltbildes, in: Oliver ee

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erinnerungskultureller und -politischer Praxen gegen die völkische Bewegung zu verteidigen. Andererseits kommt es darauf Kritik allzu an, ausgehend von dem skizzierten Unbehagen an selbstgefälligen For8 Bl men

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als Stichworte genannt. Was bedeutet das fiir die Erinnerung

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der Bundesrepublik vollzogen, den die Rede Binwanderangs- oder der post von migrantischen Gesellschaft markiert. Gewiss ist auch dieses neue Selbstverstiindnis umkimpft, denkt man an aktuelle Gegenbewegungen: vélkische Heimat-Diskurse,

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Deutschlands

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deutschen Staaten, den

sich in den letzten 20 Jahren

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war die staatsoffizielle Annahme des Auschwitz-Erbes der Preis fiir die Ver-

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„unangenehme Gefühl“ resultiere, „in einer erinnerungspolitischen Sackgasse gelandet sein“.“9 Die Rede vom Unbehagen bezog sich zudem auf das symbolische Kapital, das mit der Erinnerungsku! Erinneruneskultur in der Berli. inzwischen als ,Erin„Eri ner Republik akkumuliert werden konnte, sodass Deutschland inzwischen als nerungsweltmeister* gehandelt wird und sich durchaus gerne als solcher inszeniert,

lichen Erinnerns“ erstarrt sei,

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NACHWORT: MULTIDIREKTIONALE ERINNERUNG IN DEUTSCHLAND

JANA KÖNIG

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FELIX AXSTER

374

JANA KÖNIG

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NACHWORT: MULTIDIREKTIONALE ERINNERUNG IN DEUTSCHLAND

375

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Verantwortung

Republik zeugt ja gerade Erinnerungskultur und -politil

der Berliner

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prozessualen Aushandlungscharakter der Forderung nach Anerkennung der Erinnerung an

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ebenso wie die

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Holocaust-Relativierung

1980er-Jahre und der staatsoffiziellen Anerkennung

Auschwitz resultierenden

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Gewaltformen und Herrschaftsverhältnisse. Dennoch scheint das Prozessuale wichtig 6

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Doch wie genau wäre dieser Spezifik Rechnung zu tragen? Wie verhält sich der Ansatz der multidirektionalen Erinnerung zum Singularitätsparadigma? In letzter Zeit ist vermehrt die Rede

davon

8;

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Diversifizierung

geeignet

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Aus dieser Perspektive wäre

die Theorie der Praxis

scheint

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an.

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sein,

Erinnerungskultur

anzugleichen.

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sei. Dieser Lesart zufolge ge gi gibt es so etwas wie das Linke AntirassisSingularitätsparadigma. gegen tinnen und Antirassisten wiirden die Relativierung Ss des Holocaust betreiben, indem sie ihn zu

ausgehend

von

8 der SpeziP

Bedeutung.

45

Ebenda, 8.

Auch Michael

schreibt nale

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kolonialen Gewaltformen

Rothberg wird

46

Micha Brumlik bemerkte

Konzept

sei,

Erinnerung

in

diesem

Zusammenhang: „Michael Rothberg gelingt

von

zu

Perspektive

einer

werden soll,

ist es

nämlich,

Erinnerungen eine universalistische Perspektive im 8 P anamnetischen Solidarität

Opfern von Gewaltherrschaft zukommenden lassen. [...] Gerade wenn ‚multiperspektivisches

zukommen

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[...] der unseligen, allemal politisch ins-

Erinnern‘

zur

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mit

dieser

das ist die Pramisse,

ausgeht

-

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der Klavers

von

sei nicht das Resultat

einandersetzungen, sondern leite sich

im

Anschluss

an

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Diners

erinnerungspolitischer Aus|

der Tat selbst“ ab.!? Rothberg 8 wiederum

,aus

behandelt die Singularitätsfrage auf der Ebene der Debatte und Zuschreibung. 8. Er versucht nachzuvollziehen, wie das Singularitätsparadigma entstanden ist, welche 8 paradigi

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|

erinnerungspolitischen Dynamiken und Konjunkturen eine Rolle spielten, inwiefern ESP! pP) eine Hierarchisierung 8 von Leiderfahrungen impliziert ist. Und er pladiert dafiir, his8

P'

ys

torische Verstrickungen ins Zentrum der Analyse 8

laritatsanspriiche

zuriickzustellen.

Klävers wirft die durchaus

(oder die Konzentration

auf

zu

rücken,

Singularitätsparadigmas

war,

dem Versuch der Relativierung 8 implizierte, P

47

die Aussicht auf eine

der nicht

ein wichtiger Baustein für 8‘

nur

dazu

beitrug,

die erin-

Antisemitismus und den Holocaust als

von

zu

lenken, sondern auch

deutscher Schuld

|

entgegenzuwirken, Begs

Überwindung von Singularitätsansprüchen tatsächlich

an.

Allerdings sollten in diesem Zusammenhang 8 drei Punkte berücksichtigt 8! werden. die ersten beiden Punkte hat Michael Rothberg in einem Beitrag zur gegenwärtigen

Bs

Vgl.z. B.

|

voraussetze, Singu8

berechtigte Frage auf, ob sich Multidirektionalitat Verstrickungen) und Singularität notwendig

wesentliche Bestandteile nationalsozialistischer Herrschaft

Auf

|

P'

was

historische

müssen.°° Wenn die Zivilisationsbruchthese

die Genese des

Thierry Chervel, Je

nach

Schmerz, in: Perlentaucher -dasKulturmagazin, 24.5.2020,

|

| | | |

www>perlentaucher.de/essay/die-debatte-um-achille-mbembe-postcolonial-studies-und-der-

fruchtbaren

holocaust.html

solidarischen, kritischen Geschichtsschreibung und Gesellschaftsanalyse 48

49

Ebenda,

nales-erinnern-der-beitrag-michael-rothbergs/

50

Vgl. ebenda,

-

(10. 1.2021].

Steffen Klävers, Decolonizing 8 Auschwitz? Komparativ-postkoloniale Ansätze P Pi caustforschung, Berlin/Boston 2019, S. 175.

unerlässlich, Ähnlichkeiten wie Unterschiede P präzise zu benennen.“ Micha Brumlik, Für ein „multidirektionales“ Erinnern der Beitrag Michael Rothbergs, in: Texte zur Kunst, 30.9.2020, www.textezurkunst.de/articles/micha-brumlik-fur-ein-multidirektio-

(10.1.2021].

einzuordnen und entsprechend

Steffen Klävers, dass

Zivilisationsbruchthese

so mutet

einer multidirectional memory

neu

„Kampagne“ in Verbindung gebracht. So es Rothbergs Anliegen in Multidirektio„dem Holocaust den Status als ‚singulär‘ abzuerkennen“.“* Dieser

Beispiel

zum

Status wiederum

174.

Sinne einer allen

(I)

von

historisieren versuchten.“

Aufmerksamkeit auf den nerungspolitische Bs

P'

| |

postkoloniale Kampagne

auch Differenzierung 8 (statt Gleichsetzung).“° Gerade dieser Aspekt ist auch und vor 8 allem angesichts der von Dan Diner artikulierten Sorge 8 vor dem Verlust historischer

8‘ Urteilskraft und der damit zusammenhängenden Gefahr einer Einebnung

vernehmen. Dabei wird

zu

zwar die Vorzeichen 8geändert hätten, die 8 grundlegende Bl

ausschließen

trumentalisierbaren Konkurrenz

il I

einem zweiten Historikerstreit

dass sich

oder zumindest Sinne einer ethischen Prämisse als Orientierung 8 zu dienen, wobei nicht nur Empathie und Solidarität (statt Konkurrenz) als Maßstab gelten, sondern

mit seinem

|

von

Problematik aber die 8 gleiche

Art Rahmen fiir

-politik abzugeben

ausgegangen, BCHANS

ambivalent

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Erinnerung der Versuch,

Rothbergs Vorschlag

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als Forderung, sondern auch als das,

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nahmen zwischen Holocaust und Kolonialismus

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wenn man

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motivierten

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Möglichkeit bereithält, erinnerungspolitisch

Ausschlüssen

Jahrzehnte sich hinziehende Tradition wechselseitiger Bezug8 erinnerungspolitischer SP‘

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|

als ein Ansatz

Zeit g geschieht, versteht. Er g geht bei seinem Vorschlag, anders über Erinnerun; 8 nachzudenken, keineswegs von einem Nullpunkt aus, sondern schließt an eine über

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mag mag

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Michael Rothberg ‘g

Man interpretiert Rothberg 8 sicherlich nicht falsch,

|

|

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begründeten

von

2:

Singularität und (Post-)Kolonialismus

eine

entgegenzuwirken. postnationalsozialistische postmigrantische und wird somit nicht umhin kommen, ihre Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur zu diversifizieren: In einer Migrationsgesellschaft verändern sich nicht nur die gegenwärtigen Verhältnisse, sondern auch die historischen Bezüge. Damit „stellt sich die Frage nach einer vermeintlichen ,Nationalgeschichte' neu‘.

Hl |

|

P'

Multidirektionalität in Deutschland

Gesellschaft ist eben auch eine

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der Hinweis auf

pP) Täterinnen.

verstanden werden, der die

|

kolonialrassistische

uns

sein, 8 gerade auch in Abgrenzung 8 8 zur identitätspolitischen Inanspruchnahme des Holocaust-Gedenkens durch die Nachkommen der Tater und

und |

-

zu

Multidirektionales Erinnern im Sinne

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zwischen dem Versuch der

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in

der Holo-

162.

S. 175.

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376

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FELIX AXSTER

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Historikerstreit-Analogie

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nannten Historikerstreit 2.0

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eine

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denjenigen,

|

eben nicht

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darauf reagiert

ein

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der

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|

ungerecht empfunden Griindungsverbrechen der USA

auch

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zu

noch kein Museum für afro-

verstehen ist durchaus

werden konnte und nach der

-

wichtig,

weil

wird, dass der Sklaverei als einem

Eroberung

Unterwerfung des LanErinnerungskultur zugemessen

NACHWORT: MULTIDIREKTIONALE ERINNERUNG IN DEUTSCHLAND

377

und

-

auf

Vgl.

Abkehr

Singularititsparadigma gerade

vom

fiir die Geschichte des Kolonialismus

Beispiel

werden. Die

wurde und wird

Kaiserreichs relativiert. Kolonialismus, Englander

usw.

so

heißt

es

dann,

sei

Jahren

tatsächlich

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an

1986

der Hinweis

ff.

über

ausschließlich

erlaubt, dass

zwanzig (deutsche)

um

(männliche)

in einer zentralen Publikation

listischen 53

Andreas

Judenvernichtung, Miinchen

zum

Autoren versammelt sind und dass

Histories

sich

um

die

Vgl. Piper Verlag (Hrsg. »HisEinzigartigkeit nationalsozia-

der

Belgier und Engländer, an

uns an

die Holocaust-Schuld

ihrer

zu

Vergangenheit

erinnern. Vor die-

Hintergrund besteht durchaus die Möglichkeit, dass die von Rothberg artikulierte Skepsis gegeniiber Singularitatsanspriichen, die mit einer gesteigerten AufmerksamEntlasfür einhergeht, in Deutschland tungsnarrativs verstanden wird. Multidirektionale Erinnerung zielt jedoch keineswegs

keit koloniale Gewaltverbrechen auf Entlastung, welcher Art auch

imSinne eines

immer sie sein mag.

Während die Erinnerung an den Holocaust erklärtermaßen in der Staatsräson der Bundesrepublik verankert ist, gilt das für die Erinnerung an den „Vernichtungskrieg im Osten“ bisher nicht. Denn im Kalten Krieg wie auch danach war und ist es

Leerstelle, ermordeter Kommunisten, Slawen und Slawinnen

eine

im Fall einer Schuldanerkenntnis drohten

sche

Regime.™!

Der

nichtungskrieges

zu

Entschädigungszahlen

gedenken,

an

|

und

kommunisti-

endlich entstehende Erinnerungsort fiir die Opfer des ,,VerOsten“ in Berlin wird, „multidirektional“ gesehen, keinesfalls

nun

im

stellen,

wenn endlich der Millionen nicht„entlastende“ Fragen der Opferkonkurrenz jüdischer polnischer, russischer, ukrainischer oder belarussischer und anderer osteu-

ropäischer Opfer und der Millionen gefangenen gedacht wird. Und eine

durch Hunger ermordeter sowjetischer Kriegserst in den letzten Jahren diskutierte Spezifik

|

des deutschen Kontextes könnte mit diesem Erinnerungsort „multidirektional“ ins Blickfeld auch der postkolonialen Perspektive treten: die Frage, ob und inwiefern der

Vernichtungskrieg im Osten mit kolonialen Gewaltpraktiken Verbindung gebracht werden kann. Hier rückt auch die bereits im 19. Jahrhundert virulente „Lebensraum“-Politik, die stets mit Annexionsplänen und -praktiken vor allem in Polen zusammenhing, in den Fokus der Aufmerksamkeit.® Sie lassen sich durchaus als Kolonisierungsprojekte verstehen, auch wenn sie in Europa stattfanden.

in: Sebastian Conrad/Shalini Randeria in den Geschichts- und

(Hrsg.), Jenseits

in

54

ten im

Gegensatz

zu

TE 55

polnischen Jüdinnen und Juden und Zwangsarbeiter erhielLeidensgenossen im Westen erst Jahrzehnte nach Kriegsende

Die überlebenden russischen und

Vgl.

ihren

des Eurozentrismus.

a.

Kulturwissenschaften, Frankfurt

Postkoloniale

M. 2003, S. 373-393.

|

AOder Tatra

2019.

Hannes Heer/Christian Streit,

Vernichtungskrieg

im

Osten



Judenmord, Kriegsgefan-

gene und Hungerpolitik, Hamburg 2020;HitoSteyerl/Mark Terkessidis, Die Wahrnehmungsschwelle,

in: DieZeit, Nr. 2/2021,7. Januar 202],

www.zeit.de/2021/02/rassismus-deutschland-

rechtsextremismus-kolonialismus-antisemitismus

Erinnerung

zählt? Koloniale

Vergangenheit

Ther, Deutsche Geschichte als imperiale das Kaiserreich als kontinentales

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Eckert/Alber

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allem als ein Raunen und weni-

sem

Griechenlands, Berlin

Autoren handelt.

torikerstreit“, Die Dokumentation der Kontroverse

|

| |wy

von

nicht rühren, sollten sie aufhören,

Esgibt

yom-historikerstreit-zur-causa-mbembe/ (10. 1.2021]. kerstreit

die anderen, die Franzosen, Holländer,

gebracht.° eine

Rothberg, Vergleiche vergleichen: Vom Historikerstreit zur Causa Mbembe, in: Gegenwart, 23.9.2020, geschichtedergegenwart.ch/vergleiche-vergleichensei

vor

|

gewesen. Wir nicht, die anderen

vor

An dieser Stelle

dieses Arguments, die sich auch und

ger als ausformuliertes Argument äußert, wobei die Relativierung der Verantwortung für den Kolonialismus zugleich die Form der Holocaust-Relativierung annimmt: Da

doch

diese treffende Formel haben Andreas Eckert und Albert Wirz diese Hal-

Michael

Steigerung

nationalsozialistische

Rothbergs

beinahe zwanzig tung und dieses Selbstverständnis

52

|

1

anders als heute

missinterpretiert

| | IM

schrieb,

zum

|

|



-

Verantwortung

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uns“

Geschichte der

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über

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diente, die Deutschen

in Deutschland durchaus missverständlich sein oder

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Nolte und anderen

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des ein geringerer Stellenwert in der amerikanischen

51

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Holocaust-Museum, aber

Sache der anderen, der Franzosen, der

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i

zweitens auf eine Aus-

auf

als

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Pro-

Verantwortung

hätten und daher nicht allein Täter der

schaft des Deutschen

MN LI i

von

können, dass

hierzulande immer wieder mit dem Hinweis auf die Kürze der formalen Kolonialherr-

Ili)

1

nicht, zielt

Denn während der

haben, aber

Nationalsozialismus und

Verweis auf den Bolschewismus dazu

Nichtsdestotrotz könnte

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und

man

wird als dem Holocaust.

i

|

Singularitätsansprüchen

sinnvoll findet oder

amerikanische Geschichte und Kultur. Dies

a,

i

zu

kaum den Vorwurf machen

um

unter-

beteiligt sind.” Entsprechend wird

entlasten, weil die Kommunisten die Verbrechen

ren

IM

La

sprechen,

-

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Verhältnis

aus

-

begangen, „wir“ lediggroßen Massenmorde des 20. Jahrhunderts seien, geht es heute eher um die Forderung, Verstrickungen anzuerkennen, im Sinne von: „das übrigens habt ihr/haben wir auch noch gemacht“. Drittens wir kommen noch einmal den Sprechort zurück wäre der Kontext der USA zu berücksichtigen. Als Rothberg Multidirektionale Erinnerung gab es in der National Mall in der Hauptstadt Washington zwar schon seit 16 Jahzu

lich

Hi)

Z

Weltregionen

aus

Verantwortung.

von

sich beim soge-

1980er-Jahre

Historiker, Aktivistinnen oder Journalisten

Entlastung von (deutscher) Schuld das postkoloniale Framing von

man es nun

es

|

Bill

|

oder

Erstens handelt

Gegenteil,

Holocaust, ob 30

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der

Deutschland

von

gramm sei. Im

|

an

hingewiesen.*'

anders als beim Historikerstreit der

-

skeptisches

die ein

Relativierung

die

|

-

globale Debatte,

selbst

schiedlichen Kontinenten und

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|

JANA KÖNIG

l

:

i

+

aus

dem Geiste des Kolonialismus. Die

Beherrschungspolitik

in

(post-)kolonialer Perspek-

tive, in: Sozial.Geschichte (2004) 1, S. 10-43.

a

a il

|

https://pdfify.app/trial

|

378

\

|

FELIX AXSTER

+

JANA KONIG

NACHWORT: MULTIDIREKTIONALE ERINNERUNG IN DEUTSCHLAND

379

| j

uns wichtig: Auch wenn sich die Entstehung von MultiErinnerung möglicherweise mit (der Empfindung) einer Schieflage innerhalb der US-amerikanischen Erinnerungskultur in Verbindung bringen lässt, geht es Rothberg eben gerade nicht darum, die Aufmerksamkeit für den Holocaust zu schmälern, um Platz zu schaffen für die Erinnerung an Sklaverei und Kolonialismus. Vielmehr ist es die Logik von Schmälern und Platz wegnehmen, die er als Nullsummenspiel und Erinnerungskonkurrenz kritisiert. Die Episode um das United States Museum in Washington, mit der er einleitet, ist hierfür ein gutes Beispiel, Anfang der 1990er-Jahre besuchte Khalid Muhammad, der der Nation of Islam angehörte, dieses Museum. Kurz darauf hielt er einen Vortrag, in dem er nicht nur den Holocaust leugnete, sondern auch von einem „schwarzen Holocaust“ sprach und darüber hinaus die Existenz des Holocaust Memorial Museums als Form der Leugnung des ,,schwarzen Holocaust“ kritisierte. Rothberg nun biirstet Muhammads Aussage gegen den Strich. Dabei geht es ihm weniger um die Frage, ob

Ein weiterer Hinweis ist

|

direktionale

|

|

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die Rede es

|. Al | iI

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von

einem

ihm darauf

kenntlich

zu

an,

sein Buch

„schwarzen Holocaust“ sinnvoll sei oder nicht. Vielmehr kommt diese Rede als eine Form der multidirektionalen

machen,

was er

Bezugnahme

auf den Umstand zurückführt, dass die Holocaust-Erin-

nerung hier wie eine Art Katalysator fungiere, der es Muhammad ermögliche, das Verbrechen der Sklaverei zu thematisieren. Möglicherweise ist diese Einstiegsepisode

ungliicklich gewahlt, und ein Blick in das diesem Buch vorangestellte Interview legt nahe, dass Rothberg heute von einer schlechten Form der multidirektionalen Erinnerung sprechen würde, Nichtsdestotrotz wird deutlich, dass der Ansatz der multidirektionalen Erinnerung gerade in Abgrenzung zu Muhammads Nullsummenspiel-Logik („eure Erinnerung löscht unsere Geschichte aus“) entwickelt wird. Die Holocaust-Erinnerung steht also anderen Erinnerungen nicht im Weg. Vielmehr hat sie nicht zuletzt aufgrund ihrer globalen Verbreitung das Potenzial, anderen Erinnerungen Aufmerksamkeit naler

Hl

lm a

7

Holocaust Memorial

zu

5

verschaffen, und

zwar

vermittels

(guter)

Multidirektionale Erinnerung. Wie bereits erwähnt: Dieses Paradigma und ist ein wichtiger Bestandteil des erinnerungspolitischen Kampfes gegen die

Aspekt war

von

im Land der Täter und Täterinnen

Abwehr

von

grassierenden

Tendenzen

zur

Verdrängung

und

Schuld und Verantwortung, die mit dem sekundären Antisemitismus

korrespondieren.

Zudem lässt sich Dan Diners Charakterisierung der

Spezifik des

Erachtens nicht umge-

Vernichtung) (die grundlose Rothbergs Herangehensweise rührt aus der Annahme, dass (der Anspruch auf) Singularität bisweilen mit einer Hierarchisierung von Leid und Erfahrungen einhergehe. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass Yehuda Bauer vor einigen Jahund zwar als ren den Begriff der Präzedenzlosigkeit in die Debatte eingeführt hat, Alternative zum Singularitätsbegriff.”” Möglicherweise zeugt die Suche nach einem und totale

Holocaust

unseres

hen.

neuen

Begriff

von

dem Wunsch, einen

Auseinandersetzung

um

das

Ausweg

der bisweilen

aus

Singularititsparadigma

zu

festgefahrenen

finden.

postkoloniale und die postmigrantische Herausforderung ernst nimmt und sich auf eine (Neu-)Verhandlung der Erinnerungskultur einlässt, stellt diese Verhandlung hineinbegibt. Auf die Frage, welcher Haltung man sich jeden Fall gilt es, an den Besonderheiten der postnazistischen deutschen Gesellschaft Wenn

man

sich

die

mit

in

und Geschichte festzuhalten. Eine Diskussion, in der die

Akzeptanz oder

Nicht-

Akzeptanz des Singularitätsanspruchs als eine Art Voraussetzung oder Bedingung fungiert, von der der weitere Verlauf der Verhandlung abhängt, scheint uns wenig vielversprechend zu sein, Multidirektionale Erinnerung plädiert dafür, sich derarDas tigen Aushandlungsprozessen in empathisch-solidarischer Weise anzunähern. einen guten Ausgangspunkt. halten wir

|

|

|

für

multidirektio-

Bezugnahmen. |

Um abschließend noch einmal auf das Thema

Rothbergs Behandlung

56

des

Singularität zurückzukommen: Singularitätsparadigma ist vermutlich der strittigste

Wir haben die

Muhammad-Episode auch deshalb noch einmal erwähnt, weil sie in der (diffamierenden und tendenziösen) Rezeption

rin

z.

B.

behauptet, Rothberg wiirde

von

die Rede

Rothbergs

von

einem

Buch

eine

Rolle

Stefan Lau-

spielt.

,schwarzen Holocaust“

gutheifen.

er eT ae pu von Stefen Klävers,allerdings entstefienderWeise: Wenn Leugnung dieses Ereignisses ebenfalls cin Fall Holocaustleugnung Die Avslessung

|

|

Felix Axster ist

schung

für AntisemitismusforForschungsinstitut Gesellschaft-

wissenschaftlicherMitarbeiter amZentrum Berlin

der Technischen Universität

sowie am

von

nicht

bei

unbedeutend,denndrei entscheidendeWörter werden gibt

Muhammad’. Klavers

von

Rothberg wieder,

hier also nicht

sondern die

von

legt.

anders

als

Laurin

~

die Position

Muhammad. Laurin wiederum bastelt sich

als Holocaust-Relativierer zurecht, indem Mund

~

wiedergegeben: wie suggeriert

nicht

er

ihm quasi die Worte

Stefan Laurin,

von

-

Rothberg

Antisemitismus in der

heitspolitiken.

Sie ist

zur

Geschichte der Linken

Mitglied des AutorInnenkollektivs

in

Deutschland und

GeschichtsLoukanikos.

Migrationsgesellschaft sowie zu

und

Vergangen-

$. 158.

) i alA

https://pdfify.app/trial

Vgl.

57.

Vgl.

Seite der

Yehuda Bauer, Die dunkle

tationen

Geschichte. Die Shoah

undRe-Interpretationen, Frankfurt M. a.

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| | |

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des 23. auch Klävers, Decolonizing Auschwitz?,

Jana König lebt in Berlin und arbeitet zu

|

| |

licher Zusammenhalt.

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Adelson, Leslie A.

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Admiral Robert 102

Berg, Nicolas

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Adorno, Theodor W. 144f., 157, 255

Berlant, Lauren 54, 259, 260

|

Agamben, Giorgio

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|

Althusser, Louis 21,

|

Améry, Jean 43,

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Bernstein, Richard J. 64, 68 Bewes,

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56, 59,

122£, 131, 133-136, 138-140, 143f,,

179, 211-213,

146f,, 150, 159, Arnold, James 106, 130

|

Arrighi,

|

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|

Assmann, Jan 65

| |

Assouline, Pierre

306,

346

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Boujhered, Djamila Boupacha, Djamila

300

248, 260, 300

Brackman, Harold 146 103

Brodzki, Bella 169, 179, 181 f. Brooks, Philip 274

Brown, Laura 121,259

45

Badiou, Alain 48f, 251, 302,

314,

351

Browning, Christopher

Bal, Mieke 35

Bruller, Jean

Baldwin, James 288, 291 Balibar, Etienne 324, 350

Buelens, Gert

Barnouw, Dagmar 64 Barthes, Roland 232

Bush 55

7

244 121

Burko-Falcman, Berthe

331

Byrd, Jodi

77, 354f.

Baucom, Ian 251, 322

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|

18

|

Hal

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Bachtin, Michail

Boder, David

Breton, André

Auteuil, Daniel 322

;

|

Blücher, Heinrich 68

Brandt, Willy 19 244

SI

|

232

Bloch, Ernst 45

Bourdet, Claude 269, 281, 286

Giovanni 192

Assmann, Aleida 15, 17, 65,

188, 194

Blanchot, Maurice

15,31, 50f, 108, 111-118,

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Timothy

Bidault, Georges 232 Binoche, Juliette 325

61-94, 99-102, 104-106,

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Bernstein, Michael Andre 320

291

Arendt, Hannah

Hi

Berman, Paul 187

Bernasconi, Robert 81, 158

Aravamudan, Srinivas 180

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Berman, Russell 157

Agulhon, Maurice 343 Alexander, Jeffrey 31, 304-306 Alisvaks, Jacky 331 Alleg, Henri 231, 244

|

Hi

62, 72f, 81, 91f,

118, 134, 158f.

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Bennett, Jill 37, 253, 254

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Bauer, Yehuda 33, 76-79

Caillois, Roger

Ben-Gurion, David 212, 236, 356

Cain, William E. 149

132

Benhabib, Seyla 64, 68, 70, 81

Camus, Albert 234, 357

Benichou, Maurice 324

Canovan, Margaret 64, 66, 74, 79,

Benjamin,

Walter 63, 68, 70, 72, 83,

92, 103, 111f., 139, 163, 167, 187

81,87f. Caruth, Cathy 39, 119-124, 127, 205

|

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PERSONENREGISTER

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Castronovo, Russ 147

Derrida, Jacques 54

|

Cayrol, Jean

Desai, Anita 54

|

Cesaire, Aime 15, 50f., 56, 61f., 65,

225

f., f.,

Dimock, Wai Chee 45

|

Diner, Dan 10, 15, 76

Hochberg,

Fulton,

Hochhuth, Rolf

Chirac, Jacques 309 Chruschtschow, Nikita 130, 149

Dreyfus,

Fuss, Diana 191

Churchill, Ward 33

Dschingis

Cixous, Helene 54

Du Bois, W.E.B. 9, 12,

Donadey, Anne

|

|

263

A

283,

Conrad, Joseph 56, 62, 65, 82-87,

|

19,31f., 49, SIE,

f.,

282, 285

Duras, Marguerite 53, 227, 269, 277-

Confino, Alon 28 92, 104f., 113-116, 136f.,

286f.,

296, 304

Cooper,

|

Frederick 139

7

Craps,

Stef 121, 188

pl Daeninckx, Didier 53, 273, 296, 307,

| |

312, 314-316, 318-323, 327, 338-

HI

(|

|

|il ) MI

|

A

| | |SI

i

Huxley,

Gilroy,

Huyssen,

Paul 9, 12, 16, 31, 164, 287,

54

Andreas 27,37

336

Ivens, Joris 219, 233 von

120

Golsan, Richard 34

Jameson, Fredric 35, 67, 113, 303

Edelman, Lee 54

Graner, Charles 325

Jankelevitch, Vladimir

Edwards, Brent Hayes 31 Eichmann, Adolf 10, 49, 52, 208, 212-

Greene, Graham 245

Jaspers,

Griaule, Marcel

Jeanson, Francis 218, 231, 244, 247-

216, 228 f,, 233, 237-239, 248, 258,

Grosse, Pascal

220

67

187

Karl 63

249, 254f,, 259

280, 319, 330

Katz, Steven 33

Hamou, Bousetta 257

Kaufmann, Francine 173,

de Gaulle, Charles 257, 342

Fabian, Johannes 45, 94

Hancock, Ian 33

Kettane, Nacer 273

de

Faguet,

Haneke, Michael 43, 53-55, 270, 307,

Khanna, Ranjana 300f,

188

Gennaro, Mara

106

Man, Paul

Emile 107

Fanon, Frantz 50f,, 102, 118f,, 121, 123128, 133£,

7

Tocqueville, Alexis Debray, Régis 219

il

Nancy

Aldous 255

Halimi, Giséle

Ashley

de

eT

Huston,

Ezrahi, Sidra 174, 186

de

an

Husserl, Edmund 70

Gheldman, Georges 331 Gilman, Sander 126

Kagan,

de Lescure, Pierre 244 |

Gerlach, Christian 136

Eaton, Mick 224

de Beauvoir, Simone 300

|

319

Hull, Isabel 66, 135f, 138f.

Habermas, Jürgen 14 Halbwachs, Maurice 41

Dawson, |

f., 270, 272f.,

Evans, Martin 232

Danner, Mark 261

|

275£., 282,

Géricault, Théodore 97-99

Goethe, Johann Wolfgang

Einaudi, Jean-Luc 274, 328-330, 339

340, 342, 351

Tl

Gandhi, Mahatma 280

Girardot, Annie

Dussel, Enrique 64f.

179

Cousins, Mark 338f.

212

Horne, Alistair 55

289, 294, 296, 298, 300, 302, 338f.

(EB :

Dawn 339

Gil Z. 357

House, Jim 263, 267

Khan 75

236, 269, 277,

Cole, Joshua 275f.

254

Drosten, Christian 11, 13

211, 181, 184, 189f., 193, 200, 207

224

Cohen, William

Alfred 233.

65, 101, 136-138, 140, 143-167, 170,

54

Clifford, James

A

125, 188, 196

339

190, 232, 237, 295,

298

312, 314f,,

300

321-328, 333-340, 351

Hansen, Miriam 37

Feldman, Ron H. 64

Hardt, Michael 165

Felman, Shoshana 240, 252-254, 258

Harootunian, Harry

Delacroix, Eugéne 98f. Delanoé, Bertrand 275

Fitzpatrick, Matthew P. Flaherty, Robert 216

Hartman,

Delbo, Charlotte 10, 52, 60, 223f,

323

231 237-262, 272, f,,

328, 330

Depestre, René

109

276, 280,

;

19, 71, 75, 98f., 107£., 110-112,134, 183f,

Hitler, Adolf

Dossa, Shiraz 77, 81

Cliff, Michelle

i

109f,, 112, 119-122, 127, 187,

299, 312f.,

317, 330, 341, 346

191, 338 Fritzsche, Peter 28

Cheyette, Bryan

a

Hirsch, Marianne 54,

Freud, Sigmund 37-39, 42f., 99,

322, 326, 357

Cheah, Pheng 124

J

Fraser, Nancy 46-48, 354

Dilorio, Sam 217f., 220

;

Martin 63, 70

Diawara, Manthia 10

149f., 159, 164, 169, 211, 224, 230, 180

Heidegger,

Hess, Remi 241 f. Hirsch, Joshua 214, 228

Alain 329

95, 97-114, 116-140, 143

Chandler, James

André 58-62, 97, 101,

Frank, Anne 54

Dewerpe,

|

=

Fougeron,

401

128, 146, 150, 211

|

146

PERSONENREGISTER

Elie 281, 339, 344-347

Kaplan,

King,

Alice 7

Korsch, Karl 128f.

Koshy, 45

Susan 202

Kréa, Henri 269, 283, 286, 304 Lacan, Jacques 206

Florenne, Yves 107f.

Hausner, Gideon 228

LaCapra,

Floyd, George Fogiel, Esther

Hayling, Alan 274 Hegel, Georg Wilhelm

14 331

Foucault, Michel 36, 72, 158f.

|

Hl

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83, 86, 196

327

Richard H. 81-83

Geoffrey 226 Haughton, Hugh 39

135

176

Dominick 28, 83, 90, 105,

109-112, 122, 171, 185-187, Friedrich 30,

Lagrou,

Pieter 246f.

f.

Lalieu, Olivier 246

205,

234

a

PERSONENREGISTER

402

PERSONENREGISTER

403

:

Lallaoui, Mehdi 273

|

Langer,

| |

|

nl

242

32 f., 145, 227

Laub, Dori 240,

252-254

Missac, Pierre 111

Péju,

Paulette 272, 339

Salomon, Michel 176, 178 Sanders, Mark 292, 294f.

Petit,

Philippe

Santner, Eric 206

Monnoyer, Jean-Maurice

188, 195, 197f.

21, 37

10,

52, 60, 214, 216-220,

222f., 226 f., 229-232, 236, 239,

Levine, Michel 274

31, 270, 305£.

Ruth 120-122

Edward T. 34, 37

310

Philipson, Phillips, Caryl 51£,

Robert 170

90,

138, 140, 167,

:2

Lloyd, David

Pietz, William 81,94

Scharfman, Ronnie 169, Schechner, Alan 13

Morrison, Toni 9, 205

Poe, Edgar Allan

Schwarz-Bart, André

Moses, A. Dirk 35f., 66, 112, 129, 134,

Pontalis, Jean-Bertrand 109 Pontecorvo, Gillo 55, 232

Moyn, Samuel 212

Power, Samantha 35

Mufti, Aamir 49

Preminger, Otto

Muhammad, Khalid 25-27, 29-34,

Proskauer, Joseph 152

Loridan, Marceline 10, 217-230, 233,

=

235, 279 f., 283, 296, 342

Lumumba, Patrice 10, 221,

|

Luxemburg,

289-293

Rosa 128f.

|

MacMaster, Neil 263,

i

272., 275£., 282,

|

|

il

|

|

53 ., 307, 312,

Sebbar, Leila

36, 46f.

|

Sedgwick,

Eve 191

Tom 228

Ramses II. 348 146

Rapoport,

Nathan 51, 155, 160-164,

181

Segev, Sereny, Gita 7 Sergent, Jean-Pierre 218f,,

Nietzsche, Friedrich 72

Resnais, Alain 216, 221, 225, 227, 277

Nkrumah, Kwame 294

Ricks, Thomas

Nolte, Ernst 10, 14

Ricoeur, Paul 232

Shakespeare 192, 193, 201 Shandler, Jeffrey 214, 228f. Shepard, Todd 282, 285£,

Ringelblum,

Shih, Shu-mei 45

Nora, Pierre 276, 309-313, 315, 320, 322, 326f., 330, 335, 341 f,, 350

224, 280

Servan-Schreiber, Jean-Jacques 251 55

Emanuel 17

Riva, Emmanuelle 227

Sholem, Gershom 178

Robert, Georges siehe Admiral Robert

Silverman, Max

Margalit,

Novak, Amy 121, 122, 127 Novick, Peter 151, 212, 228

Robbins, Joyce 28 Rosenfeld, Alvin 174f.

Silverstein,

Roskies, David 161-163

Smith, William Gardner 53, 167, 198,

Avishai 41

244

Mehmet Ali 347

Orr, Linda 7

Roth, Philip 8

|

Melas, Natalia 45, 85

Ozick, Cynthia 204

Rothman, William

|

Memmi, Albert 54

Öztürk, Anny 19 Oxtiirk, Sibel 19

Rouch, Jean 10, 52, 60, 214,

Mengele, Josef

11, 13

Mesher, D. 172

Mesnard, Philippe

28

Ross, Kristin 60, 235, 239, 242 f., 249,

Marcel 304

287, 294, 296

Paley, Grace 9, 12 Panijel, Jacques 273f.,

307, 314f., 318 218

329, 339

216-232,

It

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Henry

Spargo, Spiegelman, Art 7, 297, Stalin, Josef

341

33, 149

Stannard, David 33-35, 37

Césaire, Suzanne

Rousso,

338, 349-351

R. Clifton 39, 337f.

342£. Roussi

269f., 287-289, 291 f., 294-300, 304, Sophokles

236, 239, 241, 259, 277, 279, 330,

232

325

Paul 324

Smith, Valerie 299

|

|UI

f., 327,

314

Norton, Anne 81

Merleau-Ponty, Maurice

i

Napoleon 346-348 Negri, Antonio 165 Newton, Adam Zachary Ngal, Georges 103

Ophuls,

i

182

338-344, 346, 348-351

McCormick Blaine, Anita 143

ME

205-208, 211, 224, 228

Sebald, W. G. 54

Olick, Jeffrey K. 28

|

49, 51, 90, 137,

140, 167, 169-179, 181-190, 192f., 195-199, 202,

283

Mbembe, Achille 11, 14f.

|

182

Mandouze, André 232

Maurel, Micheline

|

|

319

Marie, Michel 226, 298

AN

N

267f., 270,

273

Schwarz-Bart, Simone 169,

Quint, David 120f,, 127

90

Sartre, Jean-Paul 106, 125, 231, 248

Sbouai, T.

327

,

Saxton, Libby 323

169-172, 188-194, 196£., 199, 201-

|

Lionnet, Frangoise 45 Lipstadt, Deborah 34, 77

Said, Edward 13, 89, 184, 347

208, 211

138

Lévi-Strauss, Claude 103

Linenthal,

Edgar

Morris, Benny 56, 355-357

282

Leys,

Morin,

111

241, 259, 277, 279, 330, 342f.

David 154

Levy, Daniel

146

Modiano, Patrick 343

319

Meur, Jean 247-249

Levi, Primo 7,9, 134, 204, 224, 237,

=

321

Paxton, Robert 304

Levi, Neil

:

Rushing, Robert A.

Miller, Nancy K. 8

Levering,

1

Ruscio, Alain 97

Miller Budick,

Lefebvre, Henri 45, 217, 241

a

281, 294, 296, 303, 307, 309, 315, 317-319, 322, 327-332, 334f., 340, 343 f., 348 274-276,

109

:

a

Maurice 34, 53, 263, 267, 271,

Laplanche, Jean

Ledent, Bénédicte

|

Emily

Papon,

Lanzmann, Claude 7,

Le

|

33£.,

37, 39, 47, 119, 353

Michelet, Edmond 328

Laval, Pierre

.

Michaels, Walter Benn 25-27, 29-31,

Lawrence L. 175, 226, 238,

102

234, 310, 330, 341

Steiner, Jean-Francois 212

Stoler,

Ann Laura 139

|

P|

i

j

|

PERSONENREGISTER

404

|

a

Stone, Dan 36,

a CA

Stora,

Benjamin

Stovall, Tyler

| |

an) A

A

66,81f. 231, 234, 273

287f., 294-296

Sturken, Marita 27

Suk, Jeannie 102 Suleiman, Susan 28,

Sundquist,

|

Lucien 233 Pierre 231-233, 244, 255,

309, 329

Voegelin, Von

|

Eric 69,70

Eschen, Penny M. 150

2

330

|

i

Eric 146

f.

7

Vidal-Naquet, Vidal-Naquet,

|

Sznaider, Natan 31, 270, 305

Wagner,

Richard 157

Walkowitz, Rebecca

188, 206

Walzer, Michael 184

Taslitzky, Boris 96-101,

108, 128,

146, 150, 211

4 4

| |

Terdiman, Richard 28

Whitehead,

Thatcher, Nicole 241

Wiesel, Elie 32, 33, 169, 204, 224, 228,

Torquato 119f., 122, Teitgen, Paul 230, 249, 328

|

Télélyan, Khachig

Wood, Nancy 328

193

| |

AW

il

252

|

18,

Traverso, Enzo 66, 129

Yildiz, Yasemin

Trezise, Thomas 246

Young, James E. 36, 161, 163

Ungar,

N

335

|

|

Anne 188

Wieviorka, Annette 212, 228, 234, 330f.

Tranchand, Valérie

il

37

216

Wolf, Christa 7

1

I

Wertow, Dsiga

Todorov, Tzvetan 145, 220

Wi

N

Weissman, Gary

Thorez, Maurice 100f, 130f, 164 Tillion, Germaine 220

a ie

127

|

j

A il

258, 261

Tasso,

1] :

Warner, Michael 240, 247, 250-254,

22 i

32, 81,

133f. Young, Robert Young-Bruehl, Elizabeth 63f, 68,

Steven 215

1

\

81

Uri, Leon 284

Zierler, Wendy 170, 188, Van

Styvendale, Nancy

194 i

121

Vico, Giambattista 170, 181

Zimmerer, Jiirgen 15, 66,

Zizek, Slavoj152, 302,

135-139

!

321

i

|

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