»Modelle« der Selbstanzeige im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht und ihre strafrechtlichen Vorbilder [1 ed.] 9783428554829, 9783428154821

Mit § 22 Absatz 4 Außenwirtschaftsgesetz hat der Gesetzgeber im Jahr 2013 für bestimmte Ordnungswidrigkeiten des Außenwi

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»Modelle« der Selbstanzeige im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht und ihre strafrechtlichen Vorbilder [1 ed.]
 9783428554829, 9783428154821

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Schriften zum Strafrecht Band 325

„Modelle“ der Selbstanzeige im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht und ihre strafrechtlichen Vorbilder

Von

Viviana E. Thompson

Duncker & Humblot · Berlin

VIVIANA E. THOMPSON

„Modelle“ der Selbstanzeige im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht und ihre strafrechtlichen Vorbilder

Schriften zum Strafrecht Band 325

„Modelle“ der Selbstanzeige im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht und ihre strafrechtlichen Vorbilder

Von

Viviana E. Thompson

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg hat diese Arbeit im Jahre 2017 als Dissertation angenommen.

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Alle Rechte vorbehalten

© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-15482-1 (Print) ISBN 978-3-428-55482-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-85482-0 (Print & E-Book)

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Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2017 / 2018 von der Juristischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Dissertation angenommen und berücksichtigt den Stand der Literatur und Rechtsprechung bis Juli 2017. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Frank Peter Schuster, Mag. iur. (Bristol), an dessen Lehrstuhl für Internationales Strafrecht in Würzburg ich während des überwiegenden Teils meiner Promotionszeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig war und der mich überhaupt erst zu einer Promotion ermutigt hat. Er stand mir während des gesamten Promotionsvorhabens als wohlwollender konstruktiver Berater zur Seite. Ich danke außerdem ganz besonders Herrn Prof. Dr. Frank Zieschang für die zügige Erstellung seines Zweitgutachtens. Mein besonderer Dank gilt ebenfalls Frau Daniela Patsias, die mich mit gewissenhaftem Einsatz durch das Korrekturlesen der Arbeit unterstützt und zur Fertigstellung der Dissertation entscheidend motiviert hat. Schließlich möchte ich meinen Eltern, Viola Thompson und Patrick A. Thompson, danken, die den Grundstein für den Weg meiner juristischen Ausbildung gelegt haben und mich in allen Lebenslagen begleiten. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Frankfurt, im März 2018

Viviana E. Thompson

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Klarstellende Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zum Verhältnis von Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht . . . . . . . . III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Teil

Vorbilder aus dem Strafrecht – Ein Überblick über die Rechtsinstitute der tätigen Reue im weiteren Sinn 

A. Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ratio legis des Rücktritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen des Rücktritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kein Fehlschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anforderungen an die Rücktrittshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Frank’sche Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Normative Lehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) „Psychologisierender Ansatz“ der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zum Ausschluss der Freiwilligkeit durch Tatentdeckung  . . . . . . . e) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsnatur und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Abschließende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 27 28 30 31 31 33 34 34 35 36 37 37 38

B. Die gesetzgeberische Ausgestaltung der Tätigen Reue im Strafgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die einzelnen Regelungen zur Tätigen Reue im Strafgesetzbuch . . . . . . . II. Ratio legis der tätigen Reue im engeren Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wesentliche Voraussetzungen einer tätigen Reue im engeren Sinn . . . . . IV. Rechtsnatur und Rechtsfolgen der tätigen Reue im engeren Sinn . . . . . . V. Abschließende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Selbstanzeigen im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die steuerstrafrechtliche Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ratio legis der Selbstanzeige im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatbestand des § 371 AO und des § 398a AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis aa) Steuerstraftat im Sinne von § 370 Abs. 1 AO . . . . . . . . . . . . . bb) Vorsätzliche Begehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirksamkeitsvoraussetzungen der Selbstanzeige nach § 371 AO . aa) Berichtigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anzeigeerstatter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Adressat der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Frist und Form der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Inhalt der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Kein Erfordernis der Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nachentrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausschlussgründe der Selbstanzeige nach § 371 AO . . . . . . . . . . . aa) Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erscheinen eines Amtsträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Entdeckung einer der Steuerstraftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Überschreiten der € 25.000-Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Vorliegen eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitere Voraussetzung nach 398a AO bei Überschreiten der € 25.000-Grenze und bei Vorliegen eines besonders schweren Falls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen des § 371 AO und des § 398a AO  . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abschließende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Selbstanzeige bei der Geldwäsche und der Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ratio legis der Selbstanzeige nach § 261 Abs. 9 S. 1 StGB . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der Selbstanzeige nach § 261 Abs. 9 S. 1 StGB . . . . 3. Rechtsfolgen einer Selbstanzeige nach § 261 Abs. 9 S. 1 StGB . . . . . 4. Abschließende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Selbstanzeige im Beitragsstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ratio legis der Selbstanzeige nach § 266a Abs. 6 StGB . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der Selbstanzeige nach § 266a Abs. 6 StGB . . . . . . . 3. Rechtsfolgen einer Selbstanzeige nach § 266a Abs. 6 StGB . . . . . . . . 4. Abschließende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Selbstanzeige im Parteienstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51 54 54 55 55 55 56 57 59 59 61 61 62 62 63 66 67 67 69 71 72 72 73 77 77 77 78 79 82 84 84

D. Weitere Regelungen zur Berücksichtigung tätiger Reue . . . . . . . . . . . . . . . I. Kronzeugenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Strafmilderung oder Absehen von Strafe nach § 31 BtMG . . . . . . . . . 2. Hilfe zur Aufklärung / Verhinderung von schweren Straftaten nach § 46b StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 153e StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Andere Strafzumessungsvorschriften zum Nachtatverhaltens des Täters .

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Inhaltsverzeichnis11 1. § 46 Abs. 2 S. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 46a StGB und der Gedanke der Schadenswiedergutmachung . . . . . . III. Regelungen tätiger Reue außerhalb des Strafgesetzbuches . . . . . . . . . . . . 1. § 22b Abs. 2 StVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Absehen von einer Verbandssanktion nach § 5 des Entwurfs eines Verbandsstrafgesetzbuches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

E. Conclusio: System und übergreifende Elemente der Rechtsfiguren der tätigen Reue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zu Sinn und Zweck der Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die tatbestandlichen Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtliche Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Teil

Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht 

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A. Die Selbstanzeige im Steuerordnungswidrigkeitenrecht . . . . . . . . . . . . . . . I. Ratio legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Tatbestand des § 378 Abs. 3 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ordnungswidrigkeiten im Sinne von § 378 Abs. 1 AO i. V. m. § 370 Abs. 1 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Leichtfertige Begehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirksamkeitsvoraussetzungen der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Berichtigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geringerer Berichtigungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Teilselbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erstattung der Selbstanzeige durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Selbstanzeige während der Betriebsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . b) Nachentrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausschlussgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Abschließende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Die Bonusregelungen des Kartellordnungswidrigkeitenrechts . . . . . . . . . . 119 I. Ratio legis der Kronzeugenprogramme und Rechtsnatur der Bonusregelung im Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Ratio legis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Rechtsnatur und Regelungscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 II. Die „Tatbestände“ der Bonusregelung des Bundeskartellamts . . . . . . . . . 128 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. Anwendungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

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Inhaltsverzeichnis a) Bonusregelung nach Randnummer 3 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 aa) Bonusantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 bb) Erfüllung von Kooperationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 cc) Kein Ausschlussgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 b) Bonusregelung nach Randnummer 4 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 aa) Unterschiedlicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 bb) Unterschiedliche Qualität der vorzulegenden Beweismittel  . 143 cc) Zusätzlicher Ausschlussgrund für die Gewährung des Buß­ gelderlasses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 c) Bonusregelung nach Randnummer 5 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 III. Die Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 1. Die Rechtsfolgen der jeweiligen Bonusregelungen im Einzelnen . . . . 147 2. Hinweis auf sonstige Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 IV. Abschließende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ratio legis des § 22 Abs. 4 AWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbestandliche Voraussetzungen des § 22 Abs. 4 AWG . . . . . . . . . . . . . . 1. Verstoß im Sinne des § 19 Abs. 2 bis 5 AWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zum System der neustrukturierten Straf- und Bußgeldvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 19 Abs. 2 bis 5 AWG im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fahrlässige Begehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzungsschwierigkeiten zum Eventualvorsatz . . . . . . . . . . . . . b) Mögliche Gegenkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anzeige bei der zuständigen Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anzeigeerstatter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständige Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Form und zeitliche Dimension der Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Inhalt der Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Angemessene Maßnahmen zur Verhinderung eines Verstoßes aus gleichem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Angemessenheit“ der Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum der Behörden . . . . bb) Einzelfallbezogene Bestimmung der Angemessenheit . . . . . . . cc) Umsetzungsstandard für die Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . dd) Anforderungen bei bereits „angemessener Compliance“ . . . . . b) Zeitpunkt der Umsetzung der Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Möglichkeit des Verzichts auf die Voraussetzung des Treffens angemessener Maßnahmen für zuwiderhandelnde Mitarbeiter? . . . d) Verhinderung eines Verstoßes „aus gleichem Grund“ . . . . . . . . . . .

152 154 156 156 157 159 161 161 163 165 165 166 167 168 170 171 171 171 173 174 174 176 178



Inhaltsverzeichnis13 5. Aufdeckung des Verstoßes im Wege der Eigenkontrolle . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufdeckung im Wege der Eigenkontrolle auch bei Aufdeckung durch Unternehmensexterne? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausschluss durch jegliche behördliche Aufdeckung? . . . . . . . . . . . 6. Kein Ausschluss nach § 22 Abs. 4 S. 2 AWG – Freiwilligkeit als weitere Tatbestandsvoraussetzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Freiwilligkeit als eigenständiges Merkmal neben der Voraussetzung der „Aufdeckung im Wege der Eigenkontrolle“ . . . . . . . . . . . b) Freiwilligkeit als Tatbestandsvoraussetzung oder Ausschlussgrund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grundsätzliche Bedeutung der Freiwilligkeit in § 22 Abs. 4 S. 2 AWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Annahme von Unfreiwilligkeit bei Aufnahme von Ermittlungen durch die zuständige Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zuständige Behörde  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Maßgeblichkeit der Kenntnis des Betroffenen von der Aufnahme der Ermittlungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsfolgen des § 22 Abs. 4 AWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Einordnung der Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Persönliche Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sachliche Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zur rückwirkenden Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. § 22 Abs. 4 S. 3 AWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Abschließende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Conclusio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 3. Teil

Die unterschiedlichen Modelle der Selbstanzeigevorschriften und Überlegungen zu weiteren Regelungen im Ordnungswidrigkeitenrecht 

A. Analyse und vergleichende Gegenüberstellung der betrachteten Selbstanzeigen im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vergleich der Ratio legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vergleich der tatbestandlichen Voraussetzungen für Sanktionsfreiheit . . . 1. Zugrundeliegender Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Element der subjektiven Tatseite“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Element der behebbaren Rechtsgutsbeeinträchtigung“ . . . . . . . . . . . . 4. „Kausales Umkehrelement“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. „Selbstbezichtigungselement“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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212 212 214 214 215 215 216 218

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Inhaltsverzeichnis 6. „Freiwilligkeitselement“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 7. „Element der Eigenaufdeckung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 8. Das neue „Element zukünftig wirkender Verhinderungsmaßnahmen“ . 222 9. Gegenüberstellung der Ausschlussgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 III. Rechtsnatur und Rechtsfolgen im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 IV. Conclusio: Unterschiedliche „Modelle“ in gemeinsamem System . . . . . . 225 1. Das „Fiskal-Modell“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Das „verwaltungsinterne Bonus-Modell“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3. Das „Compliance-Modell“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

B. Überlegungen zur Schaffung weiterer Selbstanzeigeregelungen . . . . . . . . 227 I. Potenzielle Zieldelikte als Bezugspunkte der Übertragbarkeit . . . . . . . . . 228 II. Mögliche Ansätze in einer Diskussion zur Schaffung weiterer Selbst­ anzeigevorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 1. Übertragbare Ratio legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 2. Erst-Recht-Schluss aus dem Verhältnis von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 3. Verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Ausweitung von Selbstanzeigeregelungen unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung? . 232 4. Vorzugswürdigkeit einer gesetzlichen Regelung vor einer Berücksichtigung von Selbstanzeigen nach § 47 OWiG? . . . . . . . . . . . . . . . . 234 5. Rechtspolitische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

Einleitung Am 1. September 2013 trat das novellierte Außenwirtschaftsgesetz (AWG) in Kraft. Neben der Vereinfachung und übersichtlicheren Gestaltung des in den letzten Jahren durch zahlreiche Verweisungen und obsolet gewordene Regelungen verkomplizierten Außenwirtschaftsrechts und der Aufhebung deutscher Sondervorschriften, die deutsche Exporteure gegenüber ihren europäischen Konkurrenten benachteiligten1, stand in inhaltlicher Hinsicht die Neustrukturierung der Straf- und Bußgeldvorschriften im Zentrum der Änderungen2. Dabei zog insbesondere eine neu eingefügte Regelung, welche die Möglichkeit einer „Selbstanzeige“ vorsieht, die Aufmerksamkeit vieler in der Praxis tätiger Rechtsberater auf sich: § 22 Abs. 4 AWG. Nach dieser Vorschrift unterbleibt die Verfolgung bestimmter fahrlässig begangener Ordnungswidrigkeiten nach Außenwirtschaftsrecht, wenn diese durch Eigenkontrolle aufgedeckt, der zuständigen Behörde freiwillig angezeigt und Maßnahmen zur künftigen Verhinderung gleicher Verstöße getroffen werden. Es drängt sich die Frage auf, warum sich der Gesetzgeber, insbesondere vor dem Hintergrund der immer wieder laut werdenden Forderung nach einer Zurückdrängung der oft als Ausnahmeregelung wahrgenommenen und kritisierten Selbstanzeige im Steuerstrafrecht3, im Bereich des Außenwirtschaftsrechts für bestimmte Ordnungswidrigkeiten gerade für die Einführung der Möglichkeit einer „Selbstanzeige“ entschieden hat. Im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts finden sich nämlich neben der relativ neuen Regelung des § 22 Abs. 4 AWG nur wenige weitere Vorschriften zu selbstanzeigenden Verhaltensweisen. Als verlängerter Arm der steuerstrafrechtlichen Selbstanzeige nach § 371 AO sieht zum einen der ihr grundsätzlich nachgebildete, jedoch täterfreundlichere § 378 Abs. 3 AO im Steuerordnungswidrigkeitenrecht auch für leichtfertige Steuerverkürzungen die Möglichkeit einer Selbstanzeige vor. Die Thematik von Selbstanzeigen spielt – allerdings unter einer anderen Bezeichnung – ansonsten nur noch im Kartellrecht eine Rolle. Dort haben die sogenannten Bonusregelungen Ein1  BT-Drs. 17 / 11127, S. 1, 19; BT-Drs. 17 / 12101, S. 1; zur Benachteiligung deutscher Exporteure bzw. Abschaffung benachteiligender deutscher Sondervorschriften vgl. Oehmichen, NZWiSt 2013, 339 (340) beziehungsweise Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2115 f.). 2  BT-Drs. 17 / 11127, S. 1, 19; Prieß / Arend, AW-Prax 2013, 71 (71). 3  Hierzu später unter 1. Teil, C. I.

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gang in die Verwaltungspraxis der Kartellämter gefunden, wenn auch nicht in gesetzlicher Form4. Nach diesen auch als „Kronzeugenregelungen“ bezeichneten Vorschriften können an einem Kartell beteiligte Teilnehmer des Wirtschaftsverkehrs bei der Anzeige eines Kartells die Befreiung von einem Bußgeld oder zumindest eine Reduktion desselben erlangen. Außerhalb dieser drei Regelungen können bei der Bestimmung und Festlegung an sich einschlägiger Sanktionen im Ordnungswidrigkeitenrecht „Selbstbezichtigungen“ allenfalls über § 47 OWiG Berücksichtigung finden. Die genannten Regelungen betreffen zwar „nur“ Ordnungswidrigkeiten. Diese können indes über § 30 Abs. 1 und 4 OWiG vor allem für Unternehmen beträchtliche Geldbußen und hohe Rechtsberatungskosten zur Folge haben. Die von der Bonusregelung betroffenen Kartellordnungswidrigkeiten können gemäß § 81 Abs. 4 GWB mit einer Geldbuße von bis zu € 1.000.000 geahndet werden, wobei gegen ein Unternehmen oder eine Unternehmensvereinigung auch eine höhere Geldbuße verhängt werden kann; bei den von § 22 Abs. 4 AWG umfassten Ordnungswidrigkeiten sind gemäß § 19 Abs. 6 AWG i. V. m. § 17 Abs. 2 OWiG je nach begangenem Verstoß Bußgelder in Höhe von bis zu €  250.000 beziehungsweise €  15.000 möglich; und für die erwähnten Steuerverkürzungen kommen gemäß § 378 Abs. 2 AO immerhin Bußgelder von bis zu €  50.000 in Betracht. Durch eine nach § 30 Abs. 3 i. V. m. § 17 Abs. 4 OWiG beziehungsweise § 81 Abs. 5 GWB i. V. m. § 17 Abs. 4 OWiG zusätzlich mögliche Abschöpfung des aus der Tat erlangten wirtschaftlichen Vorteils können die finanziellen Folgen noch ein weitaus größeres Ausmaß erreichen. Bußgeldbefreiende Selbstanzeigemöglichkeiten auch für den Bereich der Wirtschaftsordnungswidrigkeiten sind somit für die Bemessung einer an sich einschlägigen Geldbuße gerade aus Unternehmenssicht von großer Relevanz. Sie erweitern die Handlungs- und Verteidigungsmöglichkeiten für Unternehmen und Einzelpersonen bei fehlerhaftem Verhalten. Hierher rührt daher wohl auch ein Vorschlag des Bundesverbandes der Unternehmensjuristen vom April 2014 eine allgemeine Selbstanzeige für Ordnungswidrigkeiten juristischer Personen und Personenvereinigungen einzuführen5. Wie in diesem erörtert, ist der Weg einer „Selbstdenunzierung“ gegen Sanktionsminderung wegen begangener Rechtsverstöße durch Unternehmen darüber hinaus insbesondere in den anglo-amerikanischen 4  Dazu

später unter 2. Teil, B. I. 2. für eine Änderung der §§ 30, 130 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) vom April 2014 (Gesetzsgebungsvorschlag des BUJ zu §§ 30, 130 OWiG), abrufbar unter: http: /  / www.buj.net / resources / Server / BUJ-Stellungnah men / BUJ_Gesetzgebungsvorschlag_OWiG.pdf (zuletzt abgerufen am 18.06.2017), dazu unter 3. Teil, B. II. 5. 5  Gesetzgebungsvorschlag



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Staaten und auf internationaler Ebene bereits seit längerer Zeit selbstverständlich6. Ob aufgrund der bestehenden Regelungen zu Selbstanzeigen im (Wirtschafts-)Ordnungswidrigkeitenrecht auch im deutschen Recht bereits eine Grundlage für solch ein Verständnis und eine allgemeine Selbstanzeigevorschrift dergestalt besteht, dass sich die Regelungen zusammenführen und in ein etwaig bestehendes System einbetten lassen, könnte auch mithilfe der Betrachtung ihrer Vorbildnormen tätiger Reue aus dem Strafrecht zu beantworten sein. So existiert neben der allgemein recht bekannten, aber auch sehr umstrittenen Selbstanzeige des Steuerrechts nach § 371 AO zumindest im Bereich des Strafrechts eine ganze Reihe von Normen zur Berücksichtigung täter­ lichen Nachtatverhaltens, das den eingeleiteten Rechtsbruch umzukehren sucht und hierdurch Anlass zu einer Verringerung der an sich verwirkten Sanktion geben soll. Hierzu gehören etwa der strafbefreiende Rücktritt vom Versuch, zahlreiche als Tätige Reue bezeichnete Einzelvorschriften, wie etwa §§ 83a, 129 Abs. 6, 142 Abs. 4, 149 Abs. 2  und Abs. 3, 264a Abs. 3, 265b Abs. 2 und 306e StGB, sogenannte Kronzeugenregelungen wie § 31 BtMG oder § 46b StGB oder prozessual geprägte Vorschriften wie § 153e StPO oder § 46 Abs. 2 S. 2 StGB, die allesamt das Konzept tätiger Reue7 beinhalten. Es bietet sich an, diese bereits länger existierenden, in der Rechtspraxis hinsichtlich ihrer Anwendung teils bekannten Vorschriften zur Beantwortung von Fragen in Bezug auf die Selbstanzeigen des Ordnungswidrigkeitenrechts heranzuziehen.

I. Klarstellende Begriffsbestimmungen Der Begriff der Selbstanzeige wird zumeist und fast ausschließlich mit der steuerstrafrechtlichen Selbstanzeige des § 371 AO assoziiert. Allerdings existieren zum einen im Straf- und Nebenstrafrecht noch weitere Vorschriften, die als Selbstanzeige bezeichnet werden oder die nach hiesigem Verständnis typischen Merkmale einer Selbstanzeigeregelung aufweisen. Außerdem ist der Begriff der Selbstanzeige, wie er im Steuerrecht verwendet wird, schon an sich umstritten und wird teilweise als den materiellen Gehalt der Vorschrift nur unvollständig umfassend und missverständlich kritisiert8. Denn § 371 AO verlange in der Regel zusätzlich eine fristgerechte Nachzahlung 6  Vgl. S. 5 des Gesetzgebungsvorschlags des BUJ zu §§ 30, 130 OWiG; beispielhaft hierzu auch § 167 des österreichischen StGB. 7  Zur genaueren Beschreibung des verwendeten Begriffs siehe sogleich unter I. 8  Schauf, in: Kohlmann, § 371 AO Rn. 2; Kohler, in: MK, § 371 AO Rn. 6.

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hinterzogener Steuern und erfordere andererseits nicht, dass sich der Täter ausdrücklich einer strafbaren Handlung bezichtige9. Zu Recht wird aber angeführt, dass vorgeschlagene Begriffsalternativen wie „tätige Reue“, „Selbstbezichtigung“, „Wiedergutmachung“, „strafbefreiende Wiedergutmachung“ oder „Selbstberichtigung“ weniger überzeugen und den Inhalt der Norm nicht zu charakterisieren vermögen10. Der Annahme, dass der Begriff „Selbst­ anzeige“ dem Wesen einer solchen Vorschrift im Kern am besten und zudem dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht, da sprachlich einfach und ein­ gängig,11 ist zuzustimmen. Die Fragestellung wird zudem zutreffend durch den Einwand entschärft, dass sich wohl grundsätzlich eine differenzierte Gesetzesnorm kaum mit ein paar Worten „in all ihren Schattierungen“ erfassen lässt12. Der Begriff soll deshalb hier für alle Regelungen Verwendung finden, die typischerweise dadurch charakterisiert sind, dass der Täter sein Fehlverhalten, das eine vorausgegangene Straftat oder Ordnungswidrigkeit enthält, selbst bei einer staatlichen Stelle zur Anzeige bringt beziehungsweise dies selbst veranlasst. Die Selbstanzeige lässt sich unter den allgemeineren Begriff der tätigen Reue fassen. Auch für diese Begrifflichkeit existiert keine Legaldefinition13 und es herrscht kein einheitliches Begriffsverständnis. Nach der hiesigen Betrachtung wird der Begriff tätige Reue als Oberbegriff für alle gesetzlichen und sonstigen Regelungen verwendet, die sich, gleich für welches Deliktsstadium, mit dem Nachtatverhalten eines Täters beschäftigen, der die ursprünglich anvisierte und gegebenenfalls bereits in Angriff genommene Rechtsgutsverletzung abwenden, wiedergutmachen oder zu ihrer Aufklärung beitragen möchte. Unter Nachtatverhalten soll nicht bloß Verhalten nach vollendeter Tat gefasst sein, so dass auch der Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB in die Sammlung aller Regelungen zur tätigen Reue eingeordnet werden kann14. Es wird daher in der vorliegenden Ausarbeitung auch von tätiger Reue im weiteren Sinn gesprochen15. Davon abgegrenzt wird hier der Begriff der tätigen 9  Schauf, in: Kohlmann, § 371 AO Rn. 2; Kohler, in: MK, § 371 AO Rn. 69; Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 371 AO Rn. 14. 10  Kohler, in: MK, § 371 AO Rn. 69; Schauf, in: Kohlmann, § 371 AO Rn. 2. 11  BT-Drs. V / 1812, 24, wonach die Einführung der Überschrift in § 410 AO a. F. „einen einheitlichen Sprachgebrauch gewährleisten“ sollte; Kohler, in: MK, § 371 AO Rn. 69; Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 371 AO Rn. 14. 12  Kohler, in: MK, § 371 AO Rn. 69. 13  Jahn / Ebner, in: FS-Heintschel-Heinegg, S. 223. 14  Anders Köhler, Strafrecht AT, S. 468, nach dem sich der Ausdruck des Rücktritts vom Versuch auf Verhaltensweisen vor formeller Deliktsvollendung beschränkt, wohingegen schadensbegrenzende oder wiedergutmachende Tätigkeit nach vollendetem Delikt Nachtatverhalten genannt werden soll. 15  Ähnlich Jahn / Ebner, in: FS-Heintschel-Heinegg, S. 22, die „unter dem Terminus tätige Reue im weiteren Sinne grundsätzlich jede Art von im Sinne des Strafzu-



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Reue im engeren Sinn beziehungsweise in der einen Eigennamen tragenden Schreibweise der „Tätigen Reue“. Hierunter soll die Gruppe der Vorschriften verstanden werden, die entweder ausdrücklich im Gesetz als solche bezeichnet sind oder dem Muster dieser speziellen Art von Vorschriften folgen und ausschließlich Nachtatverhalten nach formeller Deliktsvollendung erfassen16. Überschneidungen der Zuordnungsmöglichkeiten als Kronzeugenregelung oder Strafzumessungsvorschrift sind hiermit nicht ausgeschlossen. Für beide tätige Reue-Begriffe gilt, dass „tätig“ beziehungsweise das betroffene „Nachtatverhalten“ nicht zwingend als aktives Tun verstanden werden muss, sondern auch kausal-passives Verhalten umfassen kann, wie an einigen Vorschriften der Tätigen Reue oder dem Rücktritt vom Versuch deutlich wird, die – bei unbeendetem Tatverhalten – nur ein bloßes Aufhören verlangen17. Insgesamt sind damit sowohl die strafrechtlichen Vorschriften zu Rücktritt vom Versuch, zu Selbstanzeigen, Kronzeugenregelungen jeglicher Art, als auch die besonderen Vorschriften zur tätigen Reue im engeren Sinn unter das Dach der tätigen Reue im weiteren Sinn zu fassen. Die tätige Reue im engeren Sinn beschreibt die „leges specialis“18 der tätigen Reue im weiteren Sinn19. In Bezug auf die zentrale Betrachtung der Selbstanzeigen nach § 378 Abs. 3 AO, nach den Bonusregelungen des Bundeskartellamts und nach § 22 Abs. 4 AWG wird außerdem auf den Begriff des Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrechts abgestellt. Dies, um zu verdeutlichen, dass die erwähnten Regelungen, die im Ordnungswidrigkeitenrecht ausdrücklich als „Selbstanzeigemöglichkeiten“ zur Verfügung stehen, vor allem praktisch schwerpunktmäßig einen Bezug zum Wirtschaftsverkehr haben und sich, wie beschrieben, vor allem auch für Unternehmen als relevant erweisen. Ähnlich den Versuchen einer Einordnung von und Abgrenzung zwischen Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht, wonach eine Bestimmung entweder etwa aus kriminologischer Sicht nach den Auswirkungen des Delikts, zum Beispiel auf den Wirtschaftsverkehr, oder aus strafrechtsdogmatischer Sicht nach dem Schutz überindivimessungsrechts honorierungswürdigen Nachtatverhalten(s)“ verstehen, wobei, anders als vorliegend, davon ausgegangen wird, dass sich die Vorschriften zur tätigen Reue nicht unter einem gemeinsamen Grundgedanken zusammenfassen lassen können und auch der Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB nicht als tätige Reue zu begreifen ist. 16  Hierzu unter 1. Teil, B. I. mit einer ausführlichen Auflistung dieser Vorschriften. 17  Ähnlich Blöcker, Die Tätige Reue, S. 83; anders wohl Köhler, Strafrecht AT, S. 468. 18  Jahn / Ebner, in: FS-Heintschel-Heinegg, S. 222. 19  Auch Blöcker, Die Tätige Reue, S. 79 f., verwendet die Begriffe der tätigen Reue im weiteren und im engeren Sinne, allerdings ist sein verwendeter Begriff der tätigen Reue im weiteren Sinne deckungsgleich mit dem hiesigen Verständnis tätiger Reue im engeren Sinn.

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dueller Rechtsgüter, oder nach der Frage des Schutzes von Instrumenten des Wirtschaftsverkehrs vorgenommen wird20, ist dies als Versuch einer präziseren Differenzierung gedacht. Wenngleich die genannten Regelungen auch die einzigen des Ordnungswidrigkeitenrechts zu Selbstanzeigen insgesamt darstellen, so ist hier aus dem genannten Grund die Entscheidung gefallen, diesen Bezug durch die Wahl des Begriffs „Wirtschafts-“ordnungswidrigkeitenrecht herzustellen.

II. Zum Verhältnis von Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht Grundvoraussetzung dafür, Erkenntnisse aus dem Bereich der tätigen Reue im Strafrecht für die Betrachtung von Selbstanzeigen im soeben beschriebenen Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht verwerten zu können, ist die Annahme, dass beide Rechtsbereiche zueinander in einem Verhältnis stehen, das solch eine Übertragung von Grundgedanken der strafrechtlichen Vorbildnormen überhaupt zulässt. Denn es herrscht keine vollkommene Einigkeit darüber, inwiefern sich Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ähnlich und somit vergleichbar sind. Von einem wesensmäßigen Unterschied gehen Befürworter der von Goldschmidt begründeten Theorie vom Verwaltungsstrafrecht aus21, die sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchgesetzt hatte, nachdem bereits zuvor das Bedürfnis aufgekommen war „Polizeiübertretungen“ anders zu behandeln als Straftaten22. Hiernach stellen Ordnungswidrigkeiten sogenanntes Verwaltungsunrecht dar, welches sich aus einem Verstoß nicht gegen Normen ergibt, die Individualsphären betreffen, sondern aus solchen, die zur Verfolgung des allgemeinen Wohls erlassen worden sind23. Derartige Verwaltungswidrigkeiten24 erschöpfen sich nach dieser Ansicht in bloßem Ungehorsam gegenüber der Verwaltungsbehörde und somit in einem Verstoß gegen Verwaltungsnormen, lösen jedoch keinen Bruch von Rechtsnormen aus und führen nicht zu einer Rechtsgutsverletzung im beschriebenen Sinn25. Diese qualitative Abgrenzung von Straftat und Ordnungswidrigkeit, an die Schmidt 20  Tiedemann,

Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 59 ff. Das Verwaltungsstrafrecht. 22  Zur Entwicklung und zum Verweis auf Feuerbachs Ansatz, Klesczewski, Ordnungswidrigkeitenrecht, Rn. 7 ff.; zur Entwicklung ebenfalls Mitsch, in: KK-OWiG, Einleitung Rn. 50 ff.; Lemke, OWiG, Einleitung Rn. 3. 23  Mitsch, in: KK-OWiG, Einleitung Rn. 55 ff.; Mattes, ZStW 82 [1970], 25 (26). 24  Goldschmidt, Das Verwaltungsstrafrecht, S. 548. 25  Mitsch, in: KK-OWiG, Einleitung Rn. 58; Goldschmidt, Das Verwaltungsstrafrecht, S. 544 f. 21  Goldschmidt,



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anknüpfte26, bot die Grundlage für die erstmalig durch das Wirtschaftsstrafgesetz von 1949 zunächst nur für den Bereich des Wirtschaftsstrafrechts vorgenommene und in der Folgezeit durch das Ordnungswidrigkeitengesetz 1952 auf das gesamte Strafrecht ausgeweitete materielle Trennung von Ordnungsunrecht und Kriminalunrecht27. Zwar wurde diese Gesetzesentwicklung theoretisch mit der wesensmäßigen, auch als „aliud-Theorie“ bezeichneten Verschiedenheit von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten begründet28. Allerdings war sie weniger von rechtsdogmatischen, sondern vielmehr durch praktische Erwägungen getragen, wie etwa der wegen einer Zunahme von Wirtschaftsdelikten notwendig gewordenen Verfahrensvereinfachung und der damit einhergehenden Entlastung der Justiz29. Es sollte der Gefahr eines Übermaßes staatlichen Strafens und der Entwertung der Kriminalstrafe als ulitma ratio entgegengewirkt werden30. Kritik lässt sich aber vor allem deshalb an dieser rein qualitativen Unterscheidung üben, weil es auch unter den Ordnungswidrigkeiten abstrakte Gefährdungsdelikte gibt und es heute kaum zu bestreiten ist, dass auch die in Ordnungswidrigkeiten verankerten Ge- und Verbote unmittelbar dem Schutz von Rechtsgütern dienen, so dass auch mit ihnen ein Unwerturteil zum Ausdruck kommt31. Wie nachvollziehbar eingewendet wird, ist es in einer pluralisitschen Gesellschaft wohl nicht möglich innerhalb der Verhaltensnormen des staatlichen Deliktsrechts ethisch fundierte und wertneutrale eindeutig voneinander abzugrenzen32. Anhand einiger gesetzlicher Beispiele zeigt sich, dass die gesetzgeberische Einschätzung der Gesellschaftsschädlichkeit bestimmter Gesetzesverstöße unter dem Blickwinkel einer qualitativen Betrachtung nicht immer konsequent erscheint33. So lässt sich etwa durchaus anneh26  Schmidt, Das neue westdeutsche Wirtschaftsstrafrecht; Mitsch, in: KK-OWiG, Einleitung Rn. 72 ff. 27  BVerfGE 27, 18 (31); Lemke, OWiG, Einleitung Rn. 8; Rutkowski / Göhler / Buddendiek / Lenzen, Nebenstrafrecht, Einführung, Rn. 16 f.; Roxin, AT I, § 2 Rn. 61. 28  Gürtler, in: Göhler, OWiG, Vor § 1 Rn. 4; Rutkowski / Göhler / Buddendiek / Lenzen, Nebenstrafrecht, Einführung, Rn. 19. 29  Rutkowski / Göhler / Buddendiek / Lenzen, Nebenstrafrecht, Einführung, Rn. 15. 30  BVerfGE 27, 18 (30); Rutkowski / Göhler / Buddendiek / Lenzen, Nebenstrafrecht, Einführung Rn. 15; Mitsch, in: KK-OWiG, Einleitung Rn. 83; eingehend hierzu Schmidt, Lehrkommentar StPO, Rn. 325; Lemke, OWiG, Einleitung Rn. 3. 31  Gürtler, in: Göhler, OWiG, Vor § 1 Rn. 4 f.; Hirsch, ZStW 107 [1995], 285 (290); Weber, ZStW 92 [1980], 313 (315); Mitsch, in: KK-OWiG, Einleitung Rn. 114; auch Roxin, AT I, § 2 Rn. 60 und 62, hält es nicht für möglich mithilfe des Rechtsgüterschutzkonzepts Straftaten und Ordnungswidrigkeiten voneinander abzugrenzen; beispielhaft für § 378 AO Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 378 AO Rn. 7. 32  Hirsch, ZStW 107 [1995], 285 (290). 33  Lemke, OWiG, Einleitung Rn. 17, der hieraus aber folgert, dass es sich nicht um Unterschiede in nur quantitativer Hinsicht handeln kann, sondern eher um qua-

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men, dass der Unrechtsgehalt von schweren Kartellverstößen nach § 81 GWB i. V. m. Art. 101 AEUV, die als Ordnungswidrigkeit geregelt sind, weit größer ist als derjenige manch einer Straftat; oder bei gleichzeitiger Betrachtung von § 378 AO und des als Vergehen geregelten leichtfertigen Subven­ tionsbetrugs nach § 264 Abs. 4 StGB lässt sich anzweifeln, ob zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten tatsächlich solch ein Unterschied besteht, der eine qualitative Unterteilung von Kriminalunrecht und Ordnungsunrecht rechtfertigt34. Oftmals wird gesetzgeberisch auch nur nach der Schuldform zwischen Straftat und Ordungswidrigkeit unterschieden, wie §§ 371, 378 AO zeigen35. Nach den Vertretern einer quantitativen Unterscheidung werden daher diejenigen durch eine positive Entscheidung des Gesetzgebers als Ordnungswidrigkeiten eingestuften Rechtsverletzungen betrachtet, bei denen wegen der geringen Bedeutung des Rechtsguts oder ihrer lediglich abstrakten Gefährlichkeit eine Strafe als Sühne für das begangene Unrecht nicht notwendig und gerechtfertigt ist36. Einen abgewogenen Mittelweg zum Verhältnis von Straftat und Ordnungswidrigkeit, der als „gemischt qualitativ-quantitative Theorie“37 bezeichnet wird, beschreitet indes das Bundesverfassungsgericht. Nach dessen Rechtsprechung liegt der Unterscheidung von Straftat und Ordnungswidrigkeit eine differenzierende Bewertung des Unrechtsgehalts einzelner Verhaltensweisen zugrunde38. Strafnormen und die jeweils daraus folgenden Kriminalstrafen enthalten hiernach ein mit staatlicher Autorität versehenes sozialethisches Unwerturteil39 über Verhaltensweisen des Täters und einen Vorwurf der Auflehnung gegen die Rechtsordnung40. Demgegenüber bestünden die durch Ordnungswidrigkeiten geahndeten Gesetzesübertretungen aus Fällen mit geringerem Unrechtsgehalt, die nach allgemeiner gesellschaftlicher Anschauung als nicht kriminell strafwürdig gelten und durch eine Geldbuße lediglich mit einer nachdrücklichen Pflichtenmahnung versehen seien, jedoch keine ins Gewicht fallende Beeinträchtigung des Ansehens und des Leumunlitative aufgrund gesetzgeberischer Entscheidung; Weber, ZStW 92 [1980], 313 (317). 34  Weber, ZStW 92 [1980], 313 (317); Weigend, in: LK, Einleitung Rn. 19; Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 378 AO Rn. 7.  35  Weber, ZStW 92 [1980], 313 (316). 36  So zusammenfassend Rutkowski / Göhler / Buddendiek / Lenzen, Nebenstrafrecht, Einführung Rn. 19. 37  Vgl. Klesczewski, Ordnungswidrigkeitenrecht, Rn. 32; Mitsch, in: KK-OWiG, Einleitung Rn. 88; Gürtler, in: Göhler, OWiG, Vor § 1 Rn. 6. 38  BVerfGE 27, 18 (29). 39  Kritisch zur inhaltlichen Bedeutung dieses Begriffs Mitsch, in: KK-OWiG, Einleitung Rn. 100 ff. 40  BVerfGE 27, 18 (29 und 33).



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des des Betroffenen zur Folge hätten41. Ihnen fehle der Ernst der staatlichen Strafe42. Nur diese Kriminalstrafe sei echte Strafe43. Es gebe einen Kernbereich des Strafrechts, dem alle bedeutsamen Unrechtstatbestände angehörten44  – man könnte sagen bestimmte delicta mala per se  –, wobei mit hinreichender Bestimmtheit anhand der grundgesetz­ lichen Wertordnung zu bestimmen sei, was zweifellos in diesen Kernbereich gehöre und welche minder gewichtigen, überkommenen strafrechtlichen Tatbestände aus diesem Kernbereich herausfielen45. Schwieriger sei es dann eine exakte Grenzlinie zum Bereich der Ordnungswidrigkeiten zu ziehen, zumal in diesem Grenzbereich die in der Rechtsgemeinschaft herrschenden Anschauungen über die Bewertung des Unrechtsgehalts einzelner Verhaltensweisen in besonderem Maße dem Wechsel unterworfen seien46. Diese Grenzlinie verbindlich festzulegen sei Sache des Gesetzgebers47. Neben diesen im Wesentlichen drei Hauptansätzen werden noch weitere Versuche zur Definition des Verhältnisses von Straftat und Ordnungswidrigkeit unternommen. Es wird zum Beispiel danach gefragt, ob mit der staat­ lichen Sanktion vorrangig ein individueller Unrechts- und Schuldausgleich oder vorrangig die Abschöpfung und Zurückführung unrechtmäßig erlangter wirtschaftlicher Gewinne erreicht werden soll48, oder danach, ob ein Angriff auf fremde Rechtsgüter oder eine Beeinträchtigung der institutionellen Gefahrenvorsorge vorliegt49. Der Ansatz des Bundesverfassungsgerichts scheint aber grundsätzlich vorzugswürdig. Unabhängig von der Qualität einer Handlung und des Rechtsverstoßes ist jede Übertretung des Gesetzes zunächst einmal als solche zu betrachten, eine Gesetzesverletzung ist eine Gesetzesverletzung. Wie diese vor allem durch den Gesetzgeber eingestuft wird, hängt, wie zutreffend angenommen, von der geltenden, maßgeblich im Grundgesetz wiedergegebenen Wertordnung und den jeweils aktuellen gesellschaftlichen Anschauungen ab, so dass sich eine Einordnung von schwerwiegenden Gesetzesverstößen und solchen, die diese Wertordnung nicht oder weniger beeinträchtigen, wohl vornehmen lässt. Jegliche Zuordnung über diese Differenzierung hinaus ist aber dem Wandel gesellschaftlicher Normgeltung sowie rechtspolitschen Er41  BVerfGE

8, 197 (207); BVerfGE 27, 18 (28 und 33). 9, 167 (171); BVerfGE 27, 18 (33); BVerfGE 22, 49 (79). 43  BVerfGE 22, 49 (79); Mattes, ZStW 82 [1970], 25 (29). 44  BVerfGE 27, 18 (28); BVerfGE 22, 49 (81). 45  BVerfGE 27, 18 (29). 46  BVerfGE 27, 18 (29 f.). 47  BVerfGE 27, 18 (30). 48  Lemke, OWiG, Einleitung Rn. 15. 49  Klesczewski, Ordnungswidrigkeitenrecht, Rn. 36 ff. 42  BVerfGE

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wägungen zugänglich und nicht in Stein gemeißelt. Nur weil es aktuell außerhalb der herrschenden Rechtssicht liegen mag, eine heute als Vergehen geregelte Gesetzesverletzung als Ordnungswidrigkeit zu erfassen, bedeutet dies nicht, dass sich diese Wertung in fernerer Zukunft nicht umkehren kann. Es ist zumindest theoretisch selbst denkbar, dass sich Teile der grundsätz­ lichen Wertordnung ändern könnten. Eine rein qualitative Betrachtung des Verhältnisses von Strafnorm und Ordnungswidrigkeit würde eine Absolutheit mit sich bringen, die in dieser Form kaum vertretbar ist und, wie dargestellt, vor allem praktisch anhand der geltenden gesetzlichen Regelungen nicht immer nachvollziehbar, sondern eher zufällig oder als historisch bedingt erscheinen muss50. Die durch den Gesetzgeber vorgenommene Einstufung ist also immer ein Spiegelbild der aktuell geltenden Auffassung zu einem bestimmten Fehlverhalten. Deshalb kann auch nicht von den jeweils unterschiedlichen Rechtsfolgen für Straftaten und Ordnungswidrigkeiten auf einen grundsätzlich qualitativen Unterschied geschlossen werden. Zwar ist es die Intention des Gesetzgebers mit einer Strafe ein anderes (Wert-)Urteil zum Ausdruck zu bringen als mit einer Geldbuße. Eine Kriminalstrafe ist mit dem ethischen Makel eines Schuldvorwurfs versehen51. Sie hat außerdem einen Eintrag in das Bundeszentralregister zur Folge, so dass der Täter als „vor­ bestraft“ gilt52. Hingegen ist die Geldbuße nicht durch die Funktion eines ­Sühneausgleichs geprägt53. Zumindest diesbezüglich stehen Straftat und Ordnungswidrigkeit wohl in einem aliud-Verhältnis54. Dieser Umstand kann aber keine Vorgabe für die Einordnung der normwidrigen Verhaltensweise an sich sein. Würde man von der Folge auf den Inhalt der Wertung schließen, würde man einer Auseinandersetzung mit der Frage des Unterschieds beider Qualifizierungen von Gesetzesverletzungen aus dem Weg gehen. Strafe und (Geld-)Buße sind eben die Folge der Einordnung und nicht deren Grundlage55. Auch der Gesetzgeber kann sich hinsichtlich einer Einordnung irren und daher ein Verhalten „umquantifizieren“56, wie zum Beispiel die Entkriminalisierung von Straßenverkehrsverstößen im Jahr 196857 gezeigt hat. Diese Möglichkeit der Umwandlung unterstützt deutlich eine quantitative 50  Hirsch,

ZStW 107 [1995], 285 (290). 22, 49 (79). 52  BVerfGE 22, 49 (79); Gürtler, in: Göhler, OWiG, Vor § 1 Rn. 9. 53  Rutkowski / Göhler / Buddendiek / Lenzen, Nebenstrafrecht, Einführung Rn. 17. 54  Lemke, OWiG, Einleitung Rn. 18; Gürtler, in: Göhler, OWiG, Vor § 1 Rn. 6. 55  In diesem Sinne auch schon Mitsch, in: KK-OWiG, Einleitung Rn. 111. 56  Das Bundesverfassungsgericht stellt fest, dass der Gesetzgeber minder gewichtige strafrechtliche Tatbestände in Ordnungswidrigkeiten umwandeln kann, BVerfGE 22, 49 (7881); zu derartigen Umwandlungen durch den Gesetzgeber auch Rutkowski / Göhler / Buddendiek / Lenzen, Nebenstrafrecht, Einführung Rn. 18. 57  Weber, ZStW 92 [1980], 313 (316); Lemke, OWiG, Einleitung Rn. 10. 51  BVerfGE



Einleitung25

Betrachtungsweise. Das historische Entstehen des Ordnungswidrigkeitenrechts aus dem Strafrecht und die daraus folgenden Ähnlichkeiten des Deliktsaufbaus sprechen ebenfalls dafür, dass sich beide „Arten von Gesetzesübertretungen“ eben nicht grundsätzlich wesensfremd sind, sondern vielmehr zueinander in einem fließenden Bezug stehen. Aus den genannten Gründen eignen sich die strafrechtlichen Normen der tätigen Reue im weiteren Sinn daher als Vorlage für das Verständnis der Selbstanzeigeregelungen des Ordnungswidrigkeitenrechts und können den Ausgangspunkt der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Betrachtungen bilden.

III. Gang der Untersuchung Als Grundlage für die Darstellung und spätere Analyse der Selbstanzeigeregelungen des Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrechts soll daher im ersten Teil dieser Arbeit zunächst ein Gesamtüberblick über die teilweise bekannten Rechtsinstitute tätiger Reue als Bezugsnormen gegeben werden (1.  Teil, A. bis D.). Diese werden dabei jeweils nach Ratio, Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen erfasst. Dies zum einen, um für die nachfolgende Betrachtung eine bessere Übersichtlichkeit und Vergleichbarkeit mit den Normen zu Selbstanzeigen im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht gewährleisten zu können. Zum anderen auch, um herausarbeiten zu können, ob und inwieweit sich der gesetzgeberischen Gestaltung der strafrechtlichen Regelungen zur tätigen Reue ein gemeinsames System entnehmen lässt, in das auch die Selbstanzeigen im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht eingefügt werden können. Falls möglich, sollen zwecks späterer Verwertbarkeit die gemeinsamen und einheitlichen Grundlagen der Normen als wesentliche Komponenten in einer Conclusio am Schluss des ersten Teils zusammengeführt werden (1. Teil, E.). Der zweite Teil dient sodann der eingehenden Auseinandersetzung mit den im Mittelpunkt der Ausarbeitung stehenden Regelungen zu Selbstanzeigen im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht nach § 378 Abs. 3 AO (2. Teil, A.), der Bonusregelung des Bundeskartellamts (2. Teil, B.) und nach § 22 Abs. 4 AWG (2. Teil, C.). Dabei folgt ihre Behandlung der im ersten Teil gewählten Darstellungsweise. Die Regelungen sollen in ihren Besonderheiten erfasst werden, so vor allem die Selbstanzeigevorschrift des Außenwirtschaftsrechts, die aufgrund ihrer auf den ersten Blick doch überraschenden Einführung, ihrer Aktualität und der mit ihr aufgeworfenen Fragestellungen überhaupt erst den Anlass zu dieser Ausarbeitung geliefert hat und daher hinsichtlich ihrer Einzelprobleme einer ausführlicheren Betrachtung bedarf. Der dritte Teil der Arbeit hat zweierlei zum Ziel. Die existierenden Regelungen zu Selbstanzeigen im Steuer-, Kartell- und Außenwirtschaftsrecht

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Einleitung

sollen zuerst einer Analyse und vergleichenden Gegenüberstellung zugeführt werden, wobei auf die Strukturen zurückgegriffen werden soll, die bei den strafrechtlichen Vorbildern im ersten Teil  vorgefunden werden (3.  Teil, A.). Dies soll es erlauben als Ergebnis eine Aussage darüber zu treffen, ob und inwiefern sie derartige Gemeinsamkeiten hinsichtlich ihrer Zweckerwägungen, Merkmale und Rechtsfolgen aufweisen, dass sie die Grundlage für weitere Regelungen von Selbstanzeigen oder eine einheitliche Selbstanzeige im Ordnungswidrigkeitenrecht liefern könnten. Aufgrund des gewonnenen Ergebnisses des Vergleichs sollen als Zweites (3.  Teil, B.) mögliche Argumente in einer Diskussion um weitere Selbstanzeigeregelungen für Ordnungswidrigkeiten erörtert werden; dies alles in der Hoffnung, einen wissenschaftlich und praktisch relevanten Beitrag in der Debatte um Selbstanzeigevorschriften zu leisten.

1. Teil

Vorbilder aus dem Strafrecht – Ein Überblick über die Rechtsinstitute der tätigen Reue im weiteren Sinn Das Strafrecht kennt eine Vielzahl von Rechtsinstituten, welche dem Täter im Falle seiner „tätigen Reue“ Sanktionsfreiheit oder zumindest eine Milderung der an sich einschlägigen Strafe in Aussicht stellen. Während der Rücktritt vom Versuch die einzige Vorschrift ist, die im Zeitpunkt vor Vollendung eines Delikts greift, sind alle anderen Rechtsinstitute deshalb so bemerkenswert, weil sie den Täter in der Deliktsphase nach Vollendung oder sogar Beendigung der Straftat privilegieren, nachdem also das angegriffene Rechtsgut bereits gefährdet oder gar verletzt ist. Die Regelungen unterscheiden sich entsprechend ihrer jeweiligen Zielrichtungen und Voraussetzungen auch in ihren Rechtsfolgen. Trotzdem ist hinsichtlich der an den Täter gestellten Anforderungen ein gemeinsames System erkennbar, welches neben relevanten Einzelmerkmalen der Vorschriften für die Betrachtung der Selbstanzeigen im Ordnungswidrigkeitenrecht nutzbar gemacht werden kann. Um dies zu veranschaulichen, sollen die Regelungen im Überblick1 dargestellt werden.

A. Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB Das Institut des Rücktritts vom Versuch (im Folgenden: Rücktritt)2 ist das durch die juristische Ausbildung wohl bekannteste und in der deutschen Strafrechtspraxis3 wohl am häufigsten angewendete Instrument der tätigen 1  Anders für die Selbstanzeige nach § 371 AO, da deren Voraussetzungen zu großen Teilen mit denen der hier besonders relevanten steuerordnungswidrigkeitenrechtlichen Selbstanzeige identisch sind, vgl. dazu später 2. Teil, A. 2  Die folgende Darstellung soll sich nur auf die Rücktrittsregelung für den Alleintäter beziehen. § 24 Abs. 2 StGB ist – abgesehen von den für den Rücktritt bei Beteiligung mehrerer geltenden Besonderheiten  – bezüglich der grundlegenden und für diese Arbeit allein maßgeblichen Wertungen und Voraussetzungen des Rücktritts identisch. Im Einzelnen und Besonderen zu § 24 Abs. 2 StGB vgl. etwa HoffmannHolland, in: MK, § 24 StGB Rn. 154 ff., statt vieler anderer. 3  Müller, Die geschichtliche Entwicklung des Rücktritts, S. 15.

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

Reue und blickt auf eine lange Geschichte zurück4. Da der gesetzlich unter Strafe gestellte Versuch einer Straftat eine Vorverlagerung der Strafbarkeit in einen Bereich bedeutet, in dem das Verhalten des Täters noch „folgen-los“ war5, soll die Rücktrittsmöglichkeit sozusagen spiegelbildlich6 im Vorfeld des Eintritts der Deliktsverwirklichung wirken, wenn der Täter zu einem Zeitpunkt „Reue übt“, zu dem das jeweils geschützte Rechtsgut zwar schon gefährdet sein kann, jedoch noch nicht im Sinne der Vollendung der begonnenen Tat verletzt wurde.

I. Ratio legis des Rücktritts Die genaue Begründung für den Strafausschluss wegen Rücktritts ist aber bis heute umstritten7; über viele Jahrzehnte wurde ein Spektrum8 von sich teilweise auch entgegenstehenden Ansätzen zu seiner Erklärung entwickelt. Mittlerweile herrscht jedoch in großen Teilen Einigkeit darüber, dass nicht ein Begründungsansatz in seiner Reinform allein eine Antwort auf die Frage nach dem Beweggrund der Norm zu liefern vermag, sondern sich ihr Sinngehalt aus mehreren Erwägungen, in welcher Gewichtung auch immer9, ergeben muss10. Zu diesen gehören als wohl prominenteste die folgenden Ansätze: Einem kriminalpolitischen, auf Feuerbach11 zurückgehenden und häufig als „Theorie der goldenen Brücke“12 bezeichneten Ansatz liegt die Erwägung 4  Müller,

Die geschichtliche Entwicklung des Rücktritts, S. 18. StGB, § 24 Rn. 1, der auch darauf hinweist, dass es im sog. Fall des qualifizierten Versuchs durchaus schon zu Folgen gekommen sein kann. 6  Müller, Die geschichtliche Entwicklung des Rücktritts, S. 17; ähnlich auch Jescheck, ZStW 99 [1987], 111 (120), der den Rücktritt als das „Gegenstück des Versuchs“ beschreibt. 7  Vgl. Kindhäuser, LPK-StGB, § 24 Rn. 2; Kühl, in: Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 2. 8  Joecks, StGB, § 24 Rn. 8. 9  Welche Ansätze als vorherrschend anzusehen sind, kann trotz der Tendenz in der Rechtsprechung, auf die Strafzwecklehre und zusätzlich auf den Opferschutzgedanken abzustellen (vgl. dazu etwa BGH St 39, 221 (232); BGH NStZ 1989, 317), nach hiesiger Einschätzung nicht verallgemeinernd beantwortet werden, sondern muss der Beurteilung des jeweiligen konkreten Einzelfalls überlassen sein. 10  Vgl. etwa Zaczyk, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, StGB, § 24 Rn. 3 f.; Eser / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 2b; Lilie / Albrecht, in: LK, § 24 Rn. 42 ff. 11  Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs, Zweiter Theil, Zweite Ab­ theilung, Zweites Kap., S. 102 ff. 12  v. Liszt, Das Deutsche Reichsstrafrecht, S. 143, der den Begriff der „goldenen Brücke“ verwendet; hierzu auch Lilie / Albrecht, in: LK, § 24 Rn. 7 oder HoffmannHolland, in: MK, § 24 StGB Rn. 20, jeweils mit weiteren Nachweisen. 5  Joecks,



A. Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB29

zugrunde, dass die Rücktrittsregelung dem schon aktiv gewordenen Täter durch die Aussicht noch straffrei werden zu können einen Anreiz zur Umkehr geben soll, indem sie ihm eine „goldene Brücke“ zum Rückzug zurück in die Legalität baut und dadurch eine Rechtsgutsverletzung verhindert13. Ohne eine solche Möglichkeit zur Erlangung von Straffreiheit werde der Täter sonst gewissermaßen dazu veranlasst, das Verbrechen doch noch zu vollenden, da er „nichts großes mehr durch Reue zu gewinnen und durch die Vollendung der That nichts bedeutendes mehr zu verlieren“ habe14, die Strafe also ohnehin verwirkt sei. Eine mit dieser „Theorie“ eng verbundene, auch von einigen Senaten des Bundesgerichtshofs herangezogene Erwägung ist die des Opferschutzes15. Danach müsse dem Täter schon im Interesse des Opfers die Rücktrittsmöglichkeit offengehalten werden, um den Schutz des durch den Beginn der Tat­ausführung gefährdeten Rechtsgutes nicht dadurch herabzumindern, dass man dem Täter schon vor Erfolgseintritt jede Chance zum Rückzug in die Straffreiheit versperre16. Ein weiterer Ansatz („Gnaden-, Verdienstlichkeits- oder Prämientheorie“ genannt) sieht in § 24 StGB eine gesetzliche Anerkennung der inneren Umkehr des Täters im Sinne einer „honorierfähigen Umkehrleistung“17. Der Täter verdiene Gnade, weil er das Gewicht des Schuldvorwurfs, der ihn treffe, bis zu einem gewissen Grad durch ein Gegengewicht verdienstlichen Handelns aufwiege18 und durch seinen Rücktritt bei der Rechtsgemeinschaft den rechtserschütternden Eindruck seiner Tat teilweise wieder aufhebe, weil er die Hoffnung begründe, dass man sich zukünftig keiner Übeltat mehr von ihm zu versehen habe19. Des Weiteren wird vom Zweck des Einsatzes von Strafe her argumentiert, dass bei einem freiwilligen Rücktritt eine Bestrafung des Täters zur Errei13  RGSt 17, 243 (244); RGSt 39, 37 (39); RGSt 63, 158 (159); RGSt 72, 349 (350); RGSt 73, 52 (60); ähnlich auch Puppe, NStZ 1984, 488 (490); vgl. Kindhäuser, LPK-StGB, § 24 Rn. 3; vgl. Eser / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 2. 14  Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs, Zweiter Theil, Zweite Ab­ theilung, Zweites Kap., S. 103; kritisch zu dieser Betrachtung Zaczyk, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 24 Rn. 2. 15  BGHSt 39, 221 (232); BGH NStZ 1989, 317; BGH NStZ 1986, 264 (265). 16  BGHSt 39, 221 (232); Weinhold, Rettungsverhalten und Rettungsvorsatz, S. 41; Kühl, AT, § 16 Rn. 7; ähnlich Puppe, NStZ 1984, 488 (490), die hier den Ansatz mit der kriminalpolitischen Theorie verbindet. 17  BGH MDR 1988, 244; BGH NStZ 1986, 264; Schröder, MDR 1956, 321 (322); Jescheck / Weigend, § 51 I 3; Schröder, JuS 1962, 81 (81). 18  Bockelmann, NJW 1955, 1417 (1420); Jescheck / Weigend, § 51  I  3; Wessels /  Beulke / Satzger, Rn. 887. 19  Jescheck / Weigend, § 51 I 3; Bockelmann, NJW 1955, 1417 (1420).

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

chung der dem Strafrecht obliegenden Aufgaben nicht notwendig sei20; oder im Sinne eines als „Schulderfüllungstheorie“ bezeichneten Ansatzes damit, dass sich die Strafdrohung erledige, wenn der Täter seine Rechtsschuld im Sinne einer Pflicht zur Beendigung und Wiedergutmachung des Unrechtsverhaltens, das die Drohung ausgelöst hat, durch eine ihm zurechenbare Leistung erfülle21; oder im Sinne der so bezeichneten „Einheitstheorien“, nach denen die Verhaltensweisen des Versuchs und des Rücktritts beide als negative und positive Bilanz im Rahmen einer Ganzheitsbetrachtung als Bewertungsgrundlage gelten sollen22; oder mit einer „Theorie zurechenbarer Gefährdungsumkehr“23. Die Grundgedanken vieler Ansichten scheinen im Kern aber sehr ähnlich zu sein: So läuft die Mehrheit der „Theorien“ entweder auf eine wie auch immer im Detail beschriebene „Umkehrkonstruktion“ hinaus, die das schon einmal betätigte Unrecht in Bezug zu einer darauf folgenden Handlung setzt, durch die der Täter sein bisheriges Vorgehen beziehungsweise zumindest die damit in Gang gesetzten Folgen ungeschehen machen will; oder die Ansätze zielen auf außerhalb der Bewertung der Handlung des Versuchstäters liegende, kriminalpolitische Erwägungen ab. Gerade dann darf aber im Sinne der überwiegend erkannten Erforderlichkeit einer pluralistischen Begründung gefragt werden, warum es überhaupt notwendig sein sollte, nur einen einheitlichen, alles erklärenden „monokausalen“24 Lösungsansatz zugrunde zu legen, der den Erwartungen an eine alle Aspekte des Rücktrittsinstituts umfassende, schlüssige Erklärung ohnehin nicht gerecht werden kann, und ob es deshalb nicht sogar zwingend logisch und zutreffender ist, auf mehrere Begründungen abzustellen.

II. Voraussetzungen des Rücktritts In tatbestandlicher Hinsicht setzt die Anwendung des § 24 Abs. 1 StGB voraus, dass der Täter freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert oder sich  – im Fall der Nichtvollendung ohne 20  Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 4; ausführlich Roxin, AT II, § 30 Rn. 4 ff., mit differenzierter Darstellung und Begründung einer „modifizierten Strafzwecktheorie“; Bergmann, ZStW 100 [1988], 329 (334 f.), der aber nur auf die positive Generalprävention abstellt. 21  Herzberg, FS-Lackner, 325 (349); Herzberg, NStZ 1989 (I), 49 (50); Herzberg, NJW 1991, 1633 (1634); Hoffmann-Holland, in: MK, § 24 StGB Rn. 15 f. 22  Lang-Hinrichsen, in: FS-Engisch, 353 (371 f.); Streng ZStW 101 [1989], 273 (323 f.); Zaczyk, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 24 Rn. 5. 23  Jäger, Der Rücktritt vom Versuch als zurechenbare Gefährdungsumkehr, insbes. S. 62 ff.; Amelung, ZStW 120 [2008], 205 (220 und 244). 24  Lilie / Albrecht, in: LK, § 24 Rn. 42.



A. Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB31

eigenes Zutun  – freiwillig und ernsthaft bemüht die Vollendung zu verhindern. 1. Kein Fehlschlag Von Teilen der Literatur als Rechtsfigur in seiner eigenständigen Bedeutung zwar abgelehnt25, ist das Nichtvorliegen eines fehlgeschlagenen Versuchs mangels Rücktrittstauglichkeit jedoch nach herrschender Ansicht Vo­ raussetzung für die Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschrift26. Ein Versuch ist dann fehlgeschlagen, wenn die Tatbestandsverwirklichung nicht mehr möglich ist, weil der Täter den tatbestandlichen Deliktserfolg mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr herbeiführen27, oder der mit der Tatbestandserfüllung anvisierte Zweck nicht mehr erreicht werden kann28. Maßgeblich für die Beurteilung dieser Frage im konkreten Einzelfall ist allein die subjektive Vorstellung des Täters29. Vor dem Hintergrund des Rücktritts als Rechtsinstitut der tätigen Reue geht es bei dieser Voraussetzung darum, dem Täter die privilegierende Wirkung nur dann zu Teil werden zu lassen, wenn er sich noch zwischen Recht und Unrecht entscheiden kann, weil ihm die Verzichtsmöglichkeit noch offen steht. Hat der Täter den von ihm einmal angestrebten Erfolg aus seiner Sicht nicht erreicht  – ist der Nichteintritt des tatbestandlichen Erfolgs eventuell sogar nur dem Zufall geschuldet  –30, steht der Täter des fehlgeschlagenen Versuchs hinsichtlich des verwirklichten kriminellen Handlungsunrechts dem Vollendungstäter gleich. 2. Anforderungen an die Rücktrittshandlung Für die Bestimmung der für die Erlangung von Straffreiheit notwendigen Anforderungen an die Rücktrittsleistung31 wird – zumindest für einen Rück25  Gössel, GA 2012, 65 ff. (71); Maurach / Gössel / Zipf, AT / 2, § 41 Rn. 58 ff.; Schroeder, NStZ 2009, 9; Scheinfeld JuS 2002, 250 (251); Wörner, NStZ 2010, 66 (71); Heintschel-Heinegg, ZStW 109 [1997], 29 (36). 26  BGHSt 34, 53 (56); BGHSt 39, 221 (228); BGHSt 39, 244 (246); Roxin, AT II, § 30 Rn. 77 f.; Kühl, AT, § 16 Rn. 9 f.; Wessels / Beulke / Satzger, Rn. 889; Eser / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 7 ff.; Hofmann-Holland, in: MK, § 24 StGB Rn. 52 ff. 27  BGHSt 34, 53 (56); BGHSt 39, 221 (228); BGHSt 41, 368 (369); BGH NStZ 2010, 690 ff.; Wessels / Beulke / Satzger, Rn. 890; Fischer, StGB, § 24 Rn. 7. 28  Eser / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 11. 29  Kindhäuser, LPK-StGB, § 24 Rn. 12; Kühl, AT, § 16 Rn. 11. 30  Ähnlich auch Eser / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 7. 31  Beckemper, in: Heintschel-Heinegg, § 24 Rn. 9; Kühl, in: Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 3; Jescheck / Weigend, § 51 II 1.

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

tritt nach § 24 Abs. 1 S. 1 StGB  – grundsätzlich32 zunächst zwischen unbe­ endetem und beendetem Versuch unterschieden. Diese Differenzierung ist zwar nicht ausdrücklich im Gesetzeswortlaut zu finden, muss aber zwingend aus den gesetzlichen Merkmalen des „Aufgebens“ und des „Verhinderns“ folgen33. Ein Versuch gilt dann als beendet, wenn der Täter nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung alles getan zu haben glaubt, was zur Verwirk­ lichung des tatbestandlichen Erfolges erforderlich ist und er den Eintritt des Taterfolgs daher für möglich hält34. Von einem unbeendeten Versuch wird hingegen ausgegangen, wenn es nach der Perspektive des Täters noch weiterer Handlungen zur Deliktsverwirklichung bedarf, weil er meint, noch nicht alles Erforderliche zur Herbeiführung des Taterfolgs getan zu haben35. Auch bei dieser Betrachtung ist ausschließlich auf die Tätervorstellung vom Ablauf des Geschehens abzustellen36, die hierdurch eine hohe praktische Bedeutung erlangt37. Ist der Tatversuch des Täters danach unbeendet, hat dieser gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB die weitere Ausführung der Tat aufzugeben. Hierfür wird verlangt, dass der Täter keine weitere auf die Tatvollendung gerichtete Tätigkeit mehr entfaltet und er vom Weiterhandeln aufgrund eines entsprechenden „Gegenentschlusses“ Abstand nimmt, indem er etwa die noch erforderlichen Ausführungshandlungen unterlässt oder das Opfer entkommen lässt38. Zumindest nach Ansicht der Rechtsprechung muss der Täter dabei die Realisierung seines Tatplans vollständig und endgültig aufgeben, um sich die Gewährung von Straffreiheit verdient zu haben39. 32  Zur Frage der Relevanz der Differenzierung zwischen unbeendetem und be­ endetem Versuch beim Unterlassungsdelikt vgl. etwa BGH NStZ 1997, 485; Eser /  Bosch, in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 27 ff.; Stein, GA 2010, 129, 135 ff.; Kühl, in: Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 22a. 33  Kühl, in: Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 3; vgl. hierzu auch Roxin, AT II, § 30 Rn. 153 f. 34  BGHSt 14, 75 (79); BGHSt 31, 170 (175); BGHSt 33, 295 (297); BGHSt 39, 221 (227); BGH NStZ-RR 2006, 6; Wessels / Beulke / Satzger, Rn. 893; Kindhäuser, LPK-StGB, § 24 Rn. 15; Kühl, in: Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 3. 35  Kindhäuser, LPK-StGB, § 24 Rn. 14; Wessels / Beulke / Satzger, Rn. 893; die Rechtsprechung ist inhaltlich gleichartig, hinsichtlich der Formulierung aber etwas anders, vgl. BGHSt 39, 221 (227 f.); BGH NStZ-RR 2006, 101 (102); BGH NStZ-RR 2012, 105 (105 f.). 36  BGHSt 4, 180 (181); BGHSt 31, 170, 171; BGHSt 35, 90 (91 f.); es wird auf den sogenannten Rücktrittshorizont abgestellt; vgl. auch Kühl, in: Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 3. 37  Wessels / Beulke / Satzger, Rn. 893. 38  Eser / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 37; Jescheck / Weigend, § 51  II  1; Wessels / Beulke / Satzger, Rn. 903; Kindhäuser, LPK-StGB, § 24 Rn. 29.



A. Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB33

Ist hingegen von einem beendeten Versuch auszugehen, kann der Täter nicht mehr nur durch „bloßes Nichtstun“40 straffrei werden, sondern muss die Tatvollendung verhindern, § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB, oder – sollte sich sein eigener Verhinderungsbeitrag nicht ursächlich41 in der Abwendung des Erfolgseintritts niedergeschlagen haben  – sich ernsthaft bemüht haben die Vollendung zu verhindern, § 24 Abs. 1 S. 2 StGB. Da der Eintritt des Erfolgs im Fall des beendeten Versuchs nur noch von dem selbstständigen Wirken der vom Täter in Gang gesetzten Kausalfaktoren oder aber vom Handeln Dritter abhängt, muss verlangt werden, dass der Täter für den Rücktritt eigene Gegenaktivitäten zugunsten seines Opfers zur Abwendung des Erfolges unternimmt42. Dabei muss der Täter derart eine auf Verhinderung der Tat­ vollendung gerichtete Tätigkeit entfalten, dass diese im Sinne eines entsprechend gefassten Tatentschlusses gerade auf die Erfolgsabwendung abzielt43. Ob vom Täter ein optimales Verhalten zur Verhinderung des Taterfolgs zu verlangen ist44, oder es als ausreichend anzusehen ist, wenn er eine neue Kausalkette, auch mit eventuell unzureichenden, aber im Ergebnis zumindest mitursächlichen, erfolgreichen Maßnahmen, in Gang setzt45, ist umstritten. 3. Freiwilligkeit In jedem Fall ist Voraussetzung für einen wirksamen Rücktritt, dass sich der Täter freiwillig gegen die Deliktsverwirklichung entscheidet. In § 46 Nr. 2 StGB  a. F.46 war die Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschrift noch eng mit der Frage verknüpft, ob die Tat zum Rücktrittszeitpunkt schon entdeckt 39  RGSt 72, 349 (350 f.); BGHSt 7, 296 (297); BGHSt 33, 142 (144 ff.); BGH 35, 184 (187); BGHSt 39, 244 (247 f.); BGH NStZ 2009, 501 (502); BGH NStZ 2010, 384 (384); Jescheck / Weigend, § 51 III 1; zu der Frage, wie die Tataufgabe zu bewerten ist, wenn der Täter zwar die konkrete Ausführungshandlung, jedoch nicht den Willen zur Erreichung des tatbestandlichen Erfolges aufgegeben hat, vgl. etwa Roxin, AT II, § 30 Rn. 158 ff.; Wessels / Beulke / Satzger, Rn. 903; Fischer, StGB, § 24 Rn. 26a; Eser / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 40. 40  Fischer, StGB, § 24 Rn. 26 verwendet etwa die Formulierung „bloße Untätigkeit“. 41  Joecks, StGB, § 24 Rn. 37. 42  Jescheck / Weigend, § 51 II 1; Kühl, AT, § 16 Rn. 64. 43  BGHSt 31, 46 (49); Jescheck / Weigend, § 51  IV  1; anders etwa Kühl, AT, § 16 Rn. 65, der einfachen „Verhinderungsvorsatz“ ausreichen lässt. 44  BGHSt 31, 46 (49); Herzberg, NStZ 1989 (II), 862 (867); Herzberg, NJW 1991, 1633 (1637). 45  BGH NJW 1989, 2068; BGHSt 33, 295 (301); BGH NStZ 2004, 614 (615); BGH NJW 1985, 813 (814). 46  Die Vorgängervorschrift des § 24 StGB, § 46 StGB a. F., die bis zum 01.01.1975 Gültigkeit hatte, lautete: „Der Versuch als solcher bleibt straflos, wenn der Thäter

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

war47. Mit dem 2. StrRG48 ist der Gesetzgeber von dieser Betrachtungsweise abgerückt. Über das Verständnis des Begriffes der Freiwilligkeit herrscht aber auch seitdem keine vollständige Einigkeit. a) Frank’sche Formel Neben einer Vielzahl anderer Definitionsversuche wurde die Unterscheidung zwischen Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit mit der sogenannten „Frank’schen Formel“49 umschrieben. Freiwillig handele der Täter, wenn er sich sage „ich will nicht zum Ziele kommen, selbst wenn ich es könnte“, unfreiwillig, wenn er sich sage „ich kann nicht zum Ziele kommen, selbst wenn ich es wollte“50. Da dies jedoch eine deckungsgleiche Vermischung mit dem Begriffsverständnis des fehlgeschlagenen Versuchs bedeuten würde51, wird diese Betrachtung zu Recht als heute ungebräuchlich52 abgelehnt. b) Normative Lehren Nach wie vor hat aber die Beschreibung der Freiwilligkeit anhand normativer Kriterien eine breitere Anhängerschaft. Diese will in einem Akt der Wertung53 die Ratio des § 24 StGB, die sie im Sinne der Strafzwecktheorien versteht54, als Anknüpfungspunkt für die Auslegung des Freiwilligkeitsbegriffs heranziehen55. Der Täter müsse den Konflikt zwischen Normbeachtung und Normverletzung im Sinne einer Rückkehr zu rechtstreuem Verhalten 1.  die Ausführung der beabsichtigten Handlung aufgegeben hat, ohne daß er an dieser Ausführung durch Umstände gehindert worden ist, welche von seinem Willen unabhängig waren, oder 2.  zu einer Zeit, zu welcher die Handlung noch nicht entdeckt war, den Eintritt des zur Vollendung des Verbrechens oder Vergehens gehörigen Erfolges durch eigene Thätigkeit abgewendet hat.“ 47  Siehe etwa RGSt 38, 402 (403 f.); hierzu außerdem Lilie / Albrecht, in: LKStGB, § 24 Entstehungsgeschichte; Jescheck / Weigend, § 51 IV 3; eingehender hierzu Müller, Die geschichtliche Entwicklung des Rücktritts, S. 77 f. 48  Zweites Gesetz zur Reform des Strafrechts, BGBl. I 1969, 717 (720). 49  Diese Bezeichnung findet sich unter anderen etwa bei Joecks, StGB, § 24 Rn. 25 und Kindhäuser, in: LPK-StGB, § 24 Rn. 38. 50  Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, § 46 Anm. IV. 51  Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 19; Roxin, FS-Heinitz, 251 (253 f.). 52  Kindhäuser, in: LPK-StGB, § 24 Rn. 38. 53  Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 25; Roxin, FS-Heinitz, 251 (255); Borchert /  Hellmann, Jura 1982, 658 (663). 54  Hierzu bereits kurz soeben unter 1. Teil, A. I. 55  Roxin, AT II, § 30 Rn. 380 f.; Beckemper, in: Heintschel-Heinegg, § 24 Rn. 33; Frister, AT, 24. Kap. Rn. 29; Bottke, JA 1981, 62 (63).



A. Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB35

derart normkonform lösen, dass seine Bestrafung weder aus spezial- noch aus generalpräventiven Gründen erforderlich sei, weil er sich durch seinen Rücktritt als ungefährlich erwiesen habe56. Vor diesem Hintergrund habe sich der Täter nur dann durch freiwilliges Handeln Straffreiheit verdient, wenn der Rücktritt bei Abwägung von Risiko und Chance nicht nach seiner „Verbrechervernunft“ geboten sei57. Unfreiwillig soll der Rücktritt hiernach dann sein, wenn ein Weiterhandeln für den Täter unvernünftig58 wäre. c) „Psychologisierender Ansatz“ der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur Nach Ansicht der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur ist die vorgenannte Betrachtungsweise jedoch unter anderem nicht mit dem Gesetzeswortlaut und Art. 103 Abs. 2  GG vereinbar59. Die Bestimmung der Freiwilligkeit oder Unfreiwilligkeit des Abstandnehmens des Täters von der Tat soll sich deshalb danach richten, ob dem Rücktritt aus Sicht des Täters60 zwingende Hinderungsgründe entgegenstanden oder dieser aus einem autonomen Motiv erfolgte61. Der Impuls zum Rücktritt darf dabei auch von Dritten oder dem Opfer selbst herrühren62. Denn gefragt wird, ob der Täter noch „Herr seine Entschlüsse“ war oder sein Handeln von einer unüberwindbaren äußeren oder inneren Zwangslage geleitet war63. Da die Freiwilligkeit hiernach rein „psychologisch“ und nicht ethisch zu bestimmen ist64, ist es gerade nicht 56  Beckemper, JA 2003, 203 (207); Rudolphi, in: SK-StGB § 24 Rn. 25; Beckemper, in: Heintschel-Heinegg, § 24 Rn. 33; in diesem Sinne und ausführlich auch Bottke, JR 1980, 441 (442 ff.). 57  Roxin, AT II, § 30 Rn. 383; Roxin, ZStW 77 [1965], 60 (91 (97 ff.)); Roxin, FS-Heinitz, 251 (255); Beckemper, JA 2003, 203 (207); Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 25; Beckemper, in: Heintschel-Heinegg, § 24 Rn. 33; Knapp, JuS 1976, 801 (802 f.); Borchert / Hellmann, Jura 1982, 658 (663). 58  Roxin, FS-Heinitz, 251 (255 ff.); Borchert / Hellmann, Jura 1982, 658 (663). 59  BGHSt 35, 184 (186 f.); Lackner, NStZ 1988, 404 (405); Kühl, in: Lackner /  Kühl, StGB, § 24 Rn. 18; zur an der Ansicht der Rechtsprechung geübten Kritik vgl. etwa Hoffmann-Holland, in: MK, § 24 StGB Rn. 115 f.; Maurach / Gössel / Zipf, AT / 2, § 41 Rn. 184 ff. 60  Auch für die Betrachtung der Freiwilligkeit soll immer die subjektive Sicht des Täters maßgeblich sein, etwa Zaczyk, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 24 Rn. 72. 61  BGHSt 7, 296 (299); Wessels / Beulke / Satzger, Rn. 915. 62  BGHSt 7, 296 (299); BGH NStZ-RR 2009, 366 (367); BGH StV 1982, 259 (259 f.); Wessels / Beulke / Satzger, Rn. 915. 63  BGHSt 7, 296 (299); BGHSt 21, 216 (216 f.); BGHSt 35, 184 (186); BGH NStZ 1994, 428. 64  Jescheck / Weigend, § 51 III 2.

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

erforderlich, dass der Täter sich dabei von einem hochwertigen oder sittlich billigenswerten Motiv leiten lässt65. Unfreiwilliges Verhalten wird dann angenommen, wenn der Rücktritt durch heteronome Gründe veranlasst wird, solch zwingende Hinderungsgründe also, die vom Willen des Täters unabhängig sind, unüberwindliche Hemmungen in ihm auslösen oder die Sachlage so zu seinen Ungunsten verändern, dass er die damit verbundenen Risiken oder Nachteile nicht mehr für tragbar hält oder sie nicht in Kauf nehmen will66. d) Zum Ausschluss der Freiwilligkeit durch Tatentdeckung Trotz der Abkehr vom Umstand der Entdeckung als für das Nichtvorliegen von Freiwilligkeit maßgebliches Kriterium67 hat es nach allen Ansätzen nicht vollständig seine Relevanz bei der Bestimmung der Freiwilligkeit verloren. So soll dann bei einer Entdeckung der Tat von Unfreiwilligkeit ausgegangen werden, wenn sich der Täter, dem es auf die Heimlichkeit seines Vorgehens ankam, gerade durch eine befürchtete bevorstehende oder bereits eingetretene Entdeckung an der weiteren Tatausführung gehindert sieht68. Eine Tat gilt dabei dann als entdeckt, wenn der Täter weiß oder glaubt69, dass ein Unbeteiligter, der so viel weiß, dass er den Taterfolg verhindern oder aufgrund seiner Wahrnehmung ein Strafverfahren in Gang setzen könnte, seine Tat in ihrer kriminellen Eigenschaft wahrgenommen hat70. Alle Einzelheiten in tatsächlicher oder rechtlicher Beziehung muss der Unbeteiligte dabei aus Tätersicht nicht erkannt haben71.

65  RGSt 63, 158 (159); BGHSt 7, 296 (299); BGHSt 35, 184, 186; BGH NStZ 2005, 150 (151); so auch schon Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, § 46 Anm. IV. 66  Wessels / Beulke / Satzger, Rn. 916; so auch Eser / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 45; hierzu etwa BGHSt 9, 48 (53); BGHSt 20, 279 (280); BGHSt 35, 184 (186); BGH, NStZ 1992, 536; BGH NStZ 1993, 76 (77); BGH NStZ-RR 2003, 199; OLG Düsseldorf, NJW 1999, 2911. 67  Hierzu soeben unter 1. Teil, A. II. 3. 68  BGHSt 9, 48 (52 f.); BGH NStZ 2011, 454 (455); Eser / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 50. 69  Dass die subjektive Sicht des Täters auch hierfür entscheidend sein muss, hat bereits Schröder für die alte Regelung des § 46 Nr. 2 StGB überzeugend begründet, vgl. JuS 1962, 81 (84). 70  RGSt 71, 242 (243); RG LZ 31, 107; BGHSt 24, 48 (49); BGH NStZ 1993, 279; Eser / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 51 f.; Jescheck / Weigend, § 51 IV 3; auch das Opfer kann als Unbeteiligter in diesem Sinne gelten, vgl. BGHSt 9, 48 (52 f.); BGHSt 24, 48 (49 f.). 71  RGSt 71, 242 (243); RG LZ 31, 107.



A. Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB37

Gerade in Fällen, in denen der Täter bei einer Entdeckung trotz der Gefahr der Strafverfolgung aktiv Hilfe leistet und damit diese Gefahr auf sich nimmt72, oder die Tat trotz des befürchteten Hinzukommens eines Dritten oder der Ankündigung, die Polizei zu verständigen, noch aus Tätersicht vollendet werden kann73, wird daher von Freiwilligkeit auszugehen sein. Der Schluss, dass der Täter, welcher sich entdeckt meint, auch unfreiwillig handelt, ist also keinesfalls zwingend und bleibt immer eine Frage des Einzelfalls74. e) Schlussfolgerung Mögen die angeführten Herangehensweisen an den Begriff der Freiwilligkeit zwar unterschiedliche Anknüpfungspunkte in den Mittelpunkt ihrer jeweiligen Definition stellen und sich in der Beschreibung ihrer Einzelheiten auf den ersten Blick gegenüberstehen, so wird sich das zu findende Ergebnis im praktischen Anwendungsfall wohl selten unterscheiden. Reue, Scham, Angst und Mitleid75 sind zum Beispiel sowohl nach einer normativen, als auch nach einer psychologisierenden Betrachtung als Motive freiwilligen Handelns einzuordnen. Wie Joecks zutreffend erörtert, sind die genannten Beweggründe des Täters autonome Motive und schaffen in der Regel keine Zwangslage, ihnen zu folgen entspreche aber auch genauso wenig der Verbrechervernunft76.

III. Rechtsnatur und Rechtsfolgen Nach dem Gesetzeswortlaut „wird“ der Täter bei einem Rücktritt „nicht bestraft“, erlangt also Straffreiheit. Was dies für die Einordnung der Rechtsnatur des Rücktritts zu bedeuten hat, ist umstritten. Die jeweilige Interpretation der Ratio legis des Rücktritts schlägt sich hier in einer entsprechenden Auffassung nieder. Teilweise wird daher von einem (persönlichen) Schuldaufhebungs- oder Schuldausschließungsgrund77 ausgegangen oder der Rück72  Zaczyk,

in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 24 Rn. 70. AT § 16 Rn. 58. 74  Jescheck / Weigend, § 51 IV 3; Kühl, AT, § 16 Rn. 58; BGH StV 1992, 62 (63), BGH StV 1992, 224 (225); Knapp, JuS 1976, 801 (802). 75  BGHSt 7, 296 (298 f.); BGHSt 9, 48 (53); BGHSt 21, 319 (321); BGH NStZ 2004, 324 (325); BGH NStZ 2008, 215. 76  Joecks, StGB, § 24 Rn. 26; entsprechend auch Rudolphi, in: SK-StGB, § 24 Rn. 25. 77  Streng ZStW 101 [1989], 273 (324 f.); Zaczyk, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 24 Rn. 5 f.; Roxin, FS-Heinitz, 251 (273 ff.); Ulsenheimer, Grundfragen des Rücktritts, S. 90 ff. (Rücktritt als „Entschuldigungsgrund“). 73  Kühl,

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

tritt wird gar als negatives Tatbestandsmerkmal des Versuchs gesehen78. Nach überzeugender und ganz herrschender Ansicht handelt es sich bei § 24 StGB jedoch um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund79. Strafaufhebung deshalb, weil eine durch eine tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft begangene Handlung80 einmal verwirkte Strafe aufgrund des Verhaltens des Täters im Nachhinein wieder aufgehoben wird. Persönlich, da der Rücktritt nur für den Beteiligten wirkt, der in seiner Person die Voraussetzungen erfüllt81. Zudem wird die Strafbarkeit eines in Tateinheit mit dem Versuch verwirklichten Vollendungsdelikts durch den Rücktritt nicht berührt82. Ein Teilrücktritt, das heißt, das Abstandnehmen von der Verwirklichung eines Qualifikationstatbestandes bei Verwirklichung des Grundtatbestandes83, soll aber möglich sein84.

IV. Abschließende Betrachtung Mit nachvollziehbarer Erläuterung ist eingewendet worden, dass eine Bezeichnung des Rücktritts als „tätige Reue“85 irreführend sei86. Wie aus dem Verständnis der Freiwilligkeit folgend, erfordere ein Rücktritt vom Versuch zum einen kein ethisches Motiv, wie etwa Reue87. Zum anderen lässt sich einwenden, dass sich gerade beim Rücktritt vom unbeendeten Versuch das Verhalten des Täters in der Regel nicht in einem „tätigen“ Vorgehen manifestiert88. Wenn man jedoch von einem „Tätigkeitsbegriff“ ausgeht, der im 78  Scheurl, Rücktritt vom Versuch und Tatbeteiligung mehrerer, S. 28; Frister, AT, 24.  Kap. Rn. 7 („Tatbestandsaufhebungsgrund“); in diese Richtung auch Lang-Hinrichsen, in: FS-Engisch, 353 (373 f.); zu den früher vertretenen „Rechtstheorien“ vgl. auch Maurach / Gössel / Zipf, AT / 2 § 41 Rn. 14 ff. 79  BGH StV 1982, 1; Lilie / Albrecht, in: LK, § 24 Rn. 50; Jescheck / Weigend, § 51 VI 1; Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, § 23 Rn. 7; Fischer, StGB, § 24 Rn. 44. 80  Kühl, AT, § 16 Rn. 8; Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, § 23 Rn. 7. 81  Kühl, in: Lackner / Kühl, StGB, § 24 Rn. 24. 82  BGH NJW 1996, 2044 (2044); Fischer, StGB, § 24 Rn. 45; Joecks, StGB, § 24 Rn. 58 f. 83  Kindhäuser, LPK-StGB, § 24 Rn. 34. 84  Hierzu etwa BGHSt 51, 276 (279); Streng, JZ 1984, 652 (655); Zaczyk, NStZ 1984, 216 (217); Jescheck / Weigend, § 51 III 1, der als Beispiel den Teilrücktritt von der Tötung des Opfers beim geplanten Raubmord anführt. 85  So zumindest aber wohl für die Variante der aktiven Verhinderung des tatbestandsmäßigen Verletzungserfolgs Köhler, Strafrecht AT, S. 468; Kühl, in: Lackner /  Kühl, StGB, § 24 Rn. 19; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 11 Rn. 90, zumindest für den Rücktritt vom beendeten Versuch; zumindest in diese Richtung geht wohl auch BGHSt 35, 224 (226). 86  Lilie / Albrecht, in: LK, § 24 Rn. 45; Jescheck / Weigend, § 51 IV 1. 87  Lilie / Albrecht, in: LK, § 24 Rn. 45; Jescheck / Weigend, § 51 IV 1.



B. Die gesetzgeberische Ausgestaltung der Tätigen Reue im StGB39

Sinne einer Gleichwertigkeit von Tun und Unterlassen auch unterlassendes Verhalten einschließt, und man „Reue“ nicht als subjektives inneres Bedauern des sein Unrecht einsehenden Täters, sondern im Zusammenhang mit dem Erfordernis des Tätigwerdens nach außen hin im Sinne eines rein objektiven Vorgehens verstanden haben will, ist der ein „tätiges“ Verhalten des Täters einschließende „Reuebegriff“ jedoch passend, denn auch durch ein „Aufhören“ beziehungsweise „Nichtstun“ kann der Täter eine Kausalkette in Gang setzen; inständige Reue im Sinne des allgemeinen Wortverständnisses ist wohl bei keinem der Institute der tätigen Reue eine Voraussetzung für die Besserstellung des Täters, wäre also als Erfordernis sonst immer unpassend.

B. Die gesetzgeberische Ausgestaltung der Tätigen Reue im Strafgesetzbuch § 24 StGB ist zwar nach dem Gesetz für vollendete Taten nicht anwendbar, jedoch wird für einen Teil  der Straftatbestände im Strafgesetzbuch ausnahmsweise ein anderer „Rücktrittsweg“ offengehalten89: Derjenige einer tätigen Reue im engeren Sinn beziehungsweise der Tätigen Reue90. Im Strafgesetzbuch findet sich der Begriff der Tätigen Reue an mehreren Stellen ausdrücklich. Hier steht er für die in Betracht kommende Möglichkeit des Täters durch unmittelbares Nachtatverhalten den einmal in Gang gesetzten Kausalverlauf einer vollendeten Straftat durch (aktives) Eingreifen aufzuhalten, eine bestimmte Rechtsgutsverletzung zu verhindern und hierdurch die Höhe seiner zunächst verwirkten Strafe zu beeinflussen. Auf den ersten Blick mag der gesetzgeberische Einsatz dieses Rechtsinstituts zufällig91 oder gar willkürlich92 erscheinen. Zumindest zeigt sich aber bei näherer Betrachtung, dass den betreffenden Vorschriften sehr ähnliche Erwägungen zugrunde liegen und sie bis auf wenige Ausnahmen eine recht einheitliche Gestaltung aufweisen. Aufgrund der relativ großen Anzahl der Regelungen zur Tätigen Reue können diese hier nur exemplarisch und in ihren wesentlichen Eigenschaften einer Erörterung zugeführt werden. Ihre ausführliche Behandlung wäre für den eigentlichen Fokus dieser Arbeit – die Selbstanzeigen im Wirtschaftsord88  Ein solches wurde aber etwa im Strafrecht der NS-Zeit verlangt, vgl. Müller, Die geschichtliche Entwicklung des Rücktritts, S. 99. 89  Beispielhaft Eser / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 116. 90  Vgl. zu den Begrifflichkeiten Einleitung A. 91  So Eser / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 116. 92  Aus den Erörterungen Kracks, NStZ 2001, 505 (506 ff.), geht hervor, dass er die Unterscheidung von Delikten mit und ohne Regelung zur Tätigen Reue  – zumindest für den Bereich des Wirtschaftsstrafrechts – für willkürlich hält.

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

nungswidrigkeitenrecht  – nicht zweckdienlich und würde aus diesem Grund ihren Rahmen sprengen. Daher sollen zunächst alle Regelungen der Vollständigkeit halber nur aufgezählt werden, bevor auf die wesentlichen Grundüberlegungen und gleichartigen Voraussetzungen dieses Rechtsinstituts, seine in Betracht kommenden Rechtsfolgen und mögliche Kritik an seiner Konzeption eingegangen wird.

I. Die einzelnen Regelungen zur Tätigen Reue im Strafgesetzbuch Im Strafgesetzbuch finden sich die folgenden Vorschriften, die als Tätige Reue zu qualifizieren sind: – Aus dem Bereich Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates: § 83a (Tätige Reue bei Hochverrat), § 84 Abs. 5 (Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei), § 85 Abs. 3 i. V. m. § 84 Abs. 5 (Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot), § 87 Abs. 3 (Agententätigkeit zu Sabotagezwecken) und § 89a Abs. 7 (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat). – Aus dem Bereich Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit: § 98 Abs. 2 (Landesverräterische Agententätigkeit) und § 99 Abs. 3 i. V. m. § 98 Abs. 2 (Geheimdienstliche Agententätigkeit). – Aus dem Bereich der Straftaten gegen die öffentliche Ordnung: § 129 Abs. 6 (Bildung krimineller Vereinigungen), § 129a Abs. 7 i. V. m. § 129 Abs. 6 (Bildung terroristischer Vereinigungen), § 129b Abs. 1 S. 1 i. V. m. §§ 129 Abs. 6, 129a Abs. 7 i. V. m. § 129 Abs. 6 (Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland), § 139 Abs. 4 (Straflosigkeit der Nichtanzeige geplanter Straftaten) und § 142 Abs. 4 (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort). – Aus dem Bereich Geld- und Wertzeichenfälschung: § 149 Abs. 2  und  3 (Vorbereitung der Fälschung von Geld und Wertzeichen), § 152a Abs. 5 i. V. m. § 149 Abs. 2  und  3 (Fälschung von Zahlungskarten, Schecks und Wechseln) und § 152b Abs. 5 i. V. m. § 149 Abs. 2  und  3 (Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion und Vordrucken für Euroschecks). – Aus dem Bereich falsche uneidliche Aussage und Meineid: § 158 Abs. 1 (Berichtigung einer falschen Angabe) und § 161 Abs. 2 S. 1 (Fahrlässiger Falscheid; fahrlässig falsche Versicherung an Eides Statt). – Aus dem Bereich Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs: § 202c Abs. 2 i. V. m. § 149 Abs. 2 und 3 (Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten).



B. Die gesetzgeberische Ausgestaltung der Tätigen Reue im StGB41

– Aus dem Bereich der Straftaten gegen die persönliche Freiheit: § 239a Abs. 4 (Erpresserischer Menschenraub) und § 239b Abs. 2 i. V. m. § 239a Abs. 4 (Geiselnahme). – Aus dem Bereich Betrug und Untreue: § 264 Abs. 5 (Subventionsbetrug), § 264a Abs. 3 (Kapitalanlagebetrug) und § 265b Abs. 2 (Kreditbetrug). – Aus dem Bereich Urkundenfälschung: § 275 Abs. 3 i. V. m. § 149 Abs. 2 und 3 (Vorbereitung der Fälschung von amtlichen Ausweisen). – Aus dem Bereich der Straftaten gegen den Wettbewerb: § 298 Abs. 3 (Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen). – Aus dem Bereich Sachbeschädigung: § 303a Abs. 3 i. V. m. § 202c Abs. 2 i. V. m. § 149 Abs. 2  und  3 (Datenveränderung) und § 303b Abs. 5 i. V. m. § 202c Abs. 2 i. V. m. § 149 Abs. 2 und 3 (Computersabotage). – Aus dem Bereich der gemeingefährlichen Straftaten: § 306e (Tätige Reue bei der Brandstiftung), § 314a (Tätige Reue bei Strahlungs-, Explosions-, Überschwemmungs- und Vergiftungsdelikten93) und § 320 (Tätige Reue bei bestimmten Verkehrsstraftaten, Beschädigung wichtiger Anlagen und Baugefährdung). – Aus dem Bereich der Straftaten gegen die Umwelt: § 330b (Tätige Reue bei bestimmten Umweltstraftaten). Der dargestellte Überblick zeigt, dass die Tätige Reue kein seltenes Sonderphänomen ist, sondern in vielen unterschiedlichen strafrechtlich relevanten Lebensbereichen zur Anwendung kommen kann.

II. Ratio legis der tätigen Reue im engeren Sinn Die jeweiligen Gründe und die jeweils vorzubringende Rechtfertigung für das Bestehen der dargestellten Regelungen zur Tätigen Reue beruhen allesamt auf der gleichen Grundüberlegung. Bei den Vorschriften, für die die Möglichkeit einer Tätigen Reue ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist, handelt es sich um Delikte, bei denen nicht erst eine Rechtsgutsverletzung, sondern schon die Gefährdung eines Rechtsguts bestraft wird  – also abstrakte und konkrete Gefährdungsdelikte94. Als Vollendungsdelikte konstruierte Straftaten, bei denen es ihrer Struktur nach 93  Heine / Bosch,

in: Schönke / Schröder, § 314a Rn. 1. Strafrecht AT, Rn. 709; Kindhäuser, LPK-StGB, § 24 Rn. 6; zur Thematik der Gefährdungsdelikte Zieschang, Die Gefährdungsdelikte, S. 15 ff., der für eine Ergänzung der Unterteilung in abstrakte und konkrete Gefährdungsdelikte um die Strukturen der „konkreten Gefährlichkeitsdelikte“ und der „potentiellen Gefährdungsdelikte“ plädiert. 94  Heinrich,

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

materiell an sich „nur“ um sachliche Versuchsfälle oder Vorbereitungshandlungen geht95, sind in den Bereich der (formellen) Deliktsvollendung aufgenommen und als Vorbereitungs-, Unternehmens- oder Organisationsdelikte zu selbstständigen Tatbeständen ausgestaltet96. Für die hierdurch bedingte Vorverlagerung der Strafbarkeit auf einen sehr frühen Vollendungszeitpunkt97, die damit auch die Nichtanwendbarkeit des § 24 StGB zur Folge hat98, sollen die Vorschriften der Tätigen Reue als eine Art „erweiterte Rücktrittsmöglichkeit“ ein Gegengewicht und einen Ausgleich schaffen99. Denn auch zu diesem Zeitpunkt können die gleichen Erwägungen für eine Privilegierung des Täters herangezogen werden wie beim Rücktritt vom Versuch100. Auch bei den betroffenen Vorfeldtatbeständen101 soll im Interesse eines präventiven Rechtsgüterschutzes ein Anreiz für den Täter zur Abwendung von Gefahren und ernsthaften Schäden geschaffen werden102. Hierbei spielen, ebenso wie beim Rücktritt vom Versuch, Opferschutzgesichtspunkte und Erwägungen zur Honorierung einer auf dem Wiedergutmachungsgedanken fußenden Umkehrleistung des Täters eine Rolle, die es kriminalpolitisch geboten erscheinen lassen, dem Täter mit der Ermöglichung eines rechtstechnisch als Tätige Reue bezeichneten103 strafbefreienden oder -mildernden Rücktritts eine „goldene Brücke“ zu bauen104. Oder aus anderer Perspektive formuliert: Es soll dem Täter nicht zum Nachteil gereichen, dass der Gesetzgeber sich „formaljuristisch“ entschieden hat bestimmte Vorbereitungs- und Versuchsdelikte nicht als solche, sondern als Vollendungsdelikte zu erfassen. Zudem spielen Erwägungen zur Effizienzsteigerung von Ermittlungen, insbe95  Freund, Strafrecht AT, § 9 Rn. 4; Kröpil, JR 2014, 382 (384); beispielhaft Sternberg-Lieben, in: Schönke / Schröder, § 98 Rn. 19. 96  Kröpil, JR 2014, 382 (384); beispielhaft Sternberg-Lieben, in: Schönke / Schröder, etwa § 149 Rn. 13. 97  Kröpil, JR 2014, 382 (384); Wessels / Beulke / Satzger, Rn. 922; Krey / Esser, AT, Rn. 1336; mit inhaltlich ausführlicherer Erörterung Oǧlakcɪoǧlu / Kulhanek, JR 2014, 462 (463 f.); Krack, NStZ 2001, 505 (505); Fischer, StGB, etwa § 87 Rn. 11 oder § 89a Rn. 47 oder § 298 Rn. 21; beispielhaft Heine / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 314a Rn. 1 und § 306e Rn. 1. 98  Krey / Esser, AT, Rn. 1336. 99  Lenckner / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 158 Rn. 1 („erweiterte Rücktrittsmöglichkeit“); ähnlich auch Oǧlakcɪoǧlu / Kulhanek, JR 2014, 462 (463), die die Vorschriften der Tätigen Reue als „Rücktrittssurrogate für Vorfelddelikte“ bezeichnen und insoweit von einer „Kompensation“ für die Strafbarkeitsvorverlagerung sprechen. 100  Krey / Esser, AT, Rn. 1336. 101  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 709. 102  Beispielhaft Fischer, StGB § 330b Rn. 2; beispielhaft Heine / Bosch, in: Schön­ke / Schröder, § 314a Rn. 1. 103  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 709. 104  Sternberg-Lieben, in: Schönke / Schröder, § 142 Rn. 88 und § 149 Rn. 13.



B. Die gesetzgeberische Ausgestaltung der Tätigen Reue im StGB43

sondere im Bereich organisierter und terroristischer Kriminalität, eine Rolle, da der Täter bei den Vorschriften zur Tätigen Reue nicht nur für das Abstandnehmen von eigenen Taten privilegiert wird, sondern auch für die Verhinderung oder Aufdeckung von Taten anderer105.

III. Wesentliche Voraussetzungen einer tätigen Reue im engeren Sinn Entsprechend der soeben beschriebenen Übertragung des Rechtsgedankens des Rücktritts auf die Situation einer Tätigen Reue, nach der die betreffenden Normen auf ähnlichen Prinzipien wie § 24 StGB aufgebaut sind106, weisen auch die Einzelvorschriften oft strukturelle Parallelen und gleiche Voraussetzungen107 im Hinblick auf ihre Regelungstechnik auf. Es finden sich sehr häufig Handlungen einer Tätigen Reue beschrieben, die ganz ähnlich wie bei den Rücktrittshandlungen des § 24 StGB nach einer Einteilung in unbeendeten und beendeten Versuch danach bestimmt sind, ob schon alles zur Deliktsverwirklichung Notwendige getan wurde oder nicht, und der Gefährdungs- beziehungsweise Schädigungserfolg kausal durch den Täter oder ohne seinen Beitrag verhindert wurde. So ist immer eine materielle Vollendungsverhinderung entweder durch Aufgeben der weiteren Tatausführung, aktive Erfolgsabwendungsmaßnahmen oder ein ernsthaftes Bemühen des Täters bei anderweitiger Abwendung der Gefahr erforderlich108. Bis auf wenige Ausnahmen109 ist außerdem durchgehend freiwilliges Handeln vom Täter verlangt. Auch in den Regelungen zur Tätigen Reue, die diese Struktur nicht aufweisen, wie etwa §§ 98 Abs. 2, 142 Abs. 4, 264 Abs. 5, 264a Abs. 3, 265b Abs. 2 StGB, finden sich aber mindestens eine entsprechend des Delikts geartete Verhinderung der Vollendung und die Freiwilligkeit des Verhaltens als Voraussetzung. 105  Eser / Bosch,

in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 116. in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 116. 107  So auch Oǧlakcɪoǧlu / Kulhanek, JR 2014, 462 (464). 108  Exemplarisch seien etwa angeführt: §§ 83a, 149 Abs. 2 und 3, 314a StGB. 109  Bei diesen handelt es sich um §§ 139 Abs. 4, 158 Abs. 1, 161 Abs. 2 S. 1 und 239a Abs. 4 StGB. Mit den zur Ratio der Tätigen Reue angestellten Überlegungen kann der Grund für diese Ausnahmen in dem bei diesen Delikten wohl vorhandenen, besonderen Bedürfnis gesehen werden, einen Anreiz zum Schutz der hier betroffenen Rechtsgüter zu schaffen und diesen nicht von der zusätzlichen Hürde der Freiwilligkeit abhängig zu machen. Möglicherweise lässt sich das Fehlen des Freiwilligkeits­ erfordernisses jedoch auch mit einer unterschiedlichen Rechtsentwicklung dieser Normen erklären, so wie dies Eser / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 117 / 118 für die Tätige Reue bei der Brandstiftung tun, welche in ihrer alten Fassung ebenfalls noch kein freiwilliges Handeln des Täters verlangte. 106  Eser / Bosch,

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

Damit lassen sich als wesentliche Komponenten einer Tätigen Reue grundsätzlich ein Element der Vollendungs- beziehungsweise Erfolgsverhinderung, ein in einem „Umkehrverhalten“ des Täters bestehendes Element der täterlichen Eigeninitiative, sowie ein Freiwilligkeitselement ausmachen110. Das Verhinderungselement umfasst dabei einen negativen Erfolg im Sinne einer durch den Täter oder sonst wie herbeigeführten Schadens- beziehungsweise Gefahreintrittsverhinderung. Für die Gewährung einer Privilegierung wegen Tätiger Reue darf es nicht zu einem Erfolgseintritt gekommen sein, weder durch den Täter selbst, noch in einer durch andere bedingten Weise, die an den ursprünglichen Verursachungsbeitrag des Täters anknüpft. Durch das Element der Eigeninitiative kommt zum Ausdruck, dass ein „Umkehrverhalten“ des Täters durch eine Änderung seines strafrechtlich relevanten Handelns nach außen hin sichtbar werden muss, indem der Täter selbst (kausale) Gegenmaßnahmen ergreift oder sich ersthaft um diese bemüht. Das Element der Freiwilligkeit schafft sodann einen zusätzlichen Grund für seine Privilegierung, wobei das Begriffsverständnis hier identisch mit demjenigen der Freiwilligkeit beim Rücktritt vom Versuch sein muss111. Auch hier kommt es im Sinne eines effektiven Rechtsgüterschutzes daher nicht auf ein „reuiges“, moralisch hochstehendes Verhalten des Täters an, durch das dieser eine bestimmte Einsicht seines Vorverhaltens an den Tag legt112.

IV. Rechtsnatur und Rechtsfolgen der tätigen Reue im engeren Sinn Hinsichtlich der Ausgestaltung der Rechtsnatur der Vorschriften zur Tätigen Reue hat der Gesetzgeber einen anderen Weg gewählt als beim Rücktritt. Dem Gericht steht hier zu seiner Entscheidung meist ein „Repertoire“113 von Rechtsfolgen zur Verfügung. In seltenen Fällen sieht das Gesetz eine obligatorische Strafmilderung gemäß § 49 Abs. 1 StGB vor114. In ungleich größerer Anzahl beschreiben die Vorschriften zur Tätigen Reue jedoch einen fakultativen Strafmilderungs110  Blöcker, Die Tätige Reue, S. 82 ff., geht in seiner Ausarbeitung von vier kon­ stitutiven Voraussetzungen aus (Freiwilligkeit der Reuehandlung, aktives Tätigwerden des Reuigen, Eintritt des Erfolgs, Nichteintritt eines erheblichen Schadens). 111  Zur Übertragung der Freiwilligkeitsanforderungen des § 24 StGB auf die Regelungen zur Tätigen Reue vgl. Geppert, Jura 1998, 597 (605), für § 306e StGB; Wolters, JR 1998, 271 (275); kritisch zum Verständnis des Freiwilligkeitsbegriffs im Zusammenhang mit den Vorschriften zur tätigen Reue im engeren Sinn Blöcker, Die Tätige Reue, S.105 ff. 112  Oǧlakcɪoǧlu / Kulhanek, JR 2014, 462 (464). 113  Eser / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 117 / 118. 114  So in § 142 Abs. 4, § 239a Abs. 4 und § 239b Abs. 2 i. V. m. 239a Abs. 4 StGB.



B. Die gesetzgeberische Ausgestaltung der Tätigen Reue im StGB45

grund nach § 49 Abs. 2 StGB oder eröffnen fakultativ die Möglichkeit des Absehens von Strafe115. Straffreiheit durch eine obligatorische Strafaufhebung ist beinahe ebenso häufig vorgesehen116. Der Gesetzgeber schreibt damit zu großen Teilen keine zwingende Rechtsfolge vor, sondern überlässt dem Gericht die Ermessensentscheidung über das Maß der vorzunehmenden Strafmilderung oder eine im Ergebnis eintretende Straflosigkeit. Da der Ausübung Tätiger Reue durch den Täter unterschiedliche Motive und Erwägungen zugrunde liegen können, welche seine Umkehr als mehr oder weniger „verdienstlich“ erscheinen lassen können117, mag dies zwar in der Tat den unterschiedlichen Unrechtsabstufungen118 im konkreten Einzelfall gerecht werden. Denn es ist durchaus ein Unterschied, ob der Täter aus tiefer Reue handelt oder seine tätigen Reuehandlungen von Überredung oder gar Drohung bestimmt sind119. Ein Regelungssystem, aus dem sich erschließen ließe, bei welcher Art von Delikt, Begehungsweise oder Vornahme von Tätiger Reue welche Rechtsfolge eintritt, ist andererseits aber – bis auf die gesetzgeberische Wahl der obligatorischen Strafaufhebung bei den meisten fahrlässig begangenen Delikten120 – nicht erkennbar121. Deshalb scheint der Vorschlag einer „Einebnung“ der Rechtsfolgen de lege ferenda122 nachvollziehbar, wenn auch nach hiesiger Auffassung ein gesetzgeberisches Überdenken zur Systematisierung der Rechtsfolgen ausreichend und im Sinne der soeben angestellten Erwägung sachgerechter wäre.

V. Abschließende Betrachtung Wie aufgezeigt, lassen sich den Vorschriften zur Tätigen Reue im Strafgesetzbuch damit überwiegend gleichartige Anforderungen und Strukturen entnehmen, die verdeutlichen, dass die Regelung dieses Rechtsinstituts keineswegs dem gesetzgeberischen Zufall überlassen123 wurde. 115  So etwa in § 83a, § 84 Abs. 5  Hs.  1, § 89a Abs. 7, § 98 Abs. 2 S. 1, § 129 Abs. 6 Hs. 1, § 158 Abs. 1, § 306e Abs. 1 StGB. 116  So etwa in § 84 Abs. 5  Hs.  2, § 98 Abs. 2 S. 2, § 129 Abs. 6  Hs.  2, § 149 Abs. 2, § 264 Abs. 5, § 264a Abs. 3, § 265b Abs. 2 StGB. 117  Eser / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 117 / 118. 118  Eser / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 117 / 118, der von „Wertstufen“ spricht. 119  Eser / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 117 / 118. 120  Vgl. §§ 306e Abs. 2, 314a Abs. 3 Nr. 1, 320 Abs. 3 Nr. 1 StGB. 121  Hierauf zielen auch die Erörterungen von Eser / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 117 / 118 ab. 122  Jescheck / Weigend, § 81 III 2. 123  So aber Kröpil, JR 2014, 382 (384); gegen diese Kritik Bottke, Strafrechtswissenschaftliche Methodik und Systematik, S. 341 f. und 690 f.

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

Dennoch ist zuzugeben, dass es durchaus weitere Straftatbestände gibt, für die sich die Normierung Tätiger Reue ebenfalls erwägen ließe, die jedoch bisher durch den Gesetzgeber keine ähnliche Regelung erfahren haben, so etwa im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts § 299 StGB oder § 82 GmbHG124. Auch jenseits dieses Rechtsbereichs wurde daher mit unterschiedlicher Begründung für eine Vielzahl von Straftatbeständen immer wieder eine analoge Anwendung von Vorschriften zur Tätigen Reue diskutiert125. Diese eventuell fehlende Nachbesserung in den genannten Bereichen sollte aber keinen Anlass dafür geben das Konzept der Tätigen Reue an sich und seinen Einsatz grundsätzlich in Frage zu stellen, sondern aus gesetzgeberischer Sicht dazu anhalten das „buntscheckige Bild“126 der Gesamtheit der Vorschriften zur Tätigen Reue zu überprüfen.

C. Selbstanzeigen im Strafrecht I. Die steuerstrafrechtliche Selbstanzeige Ob im Zusammenhang mit dem Ankauf von „Steuerdaten-CDs“ mit den Namen deutscher Bankkunden aus Liechtenstein und der Schweiz durch deutsche Behörden127, dem Steuerabkommen zwischen den Europäischen Mitgliedstaaten und der Schweiz über den automatischen Austausch von Bankdaten ab 2018128 oder dem aktuellsten bekannten Fall eines Prozesses 124  Krack, NStZ 2001, 505 (506 ff.); hierzu auch Nell / Schlüter, NJW 2008, 1996 (1998), für die Regelung von Selbstanzeigen für Korruptionsstraftaten nach §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 und §§ 299, 300 StGB. 125  Jescheck / Weigend, § 51 V 2; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 11 Rn. 99 ff.; Schröder, in: FS-Kern, 457 (462 f.); bejahend etwa BGHSt 6, 85 (87) für die Anwendung der Rücktrittsregelung des § 49a Abs. 3, 4 StGB a. F. auf § 234a Abs. 3 StGB; verneinend BGHSt 14, 213 (217) hinsichtlich einer entsprechenden Anwendung des Grundgedankens der Tätigen Reue auf § 323c StGB; verneinend ebenfalls BGHSt 15, 198 (199 f.) für § 122 Abs. 2 StGB a. F.; Kröpil, JR 2014, 382 (384); dagegen auch Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 710, der zutreffend darauf verweist, dass das Problem dem Gesetzgeber bekannt sei, dieser aber keine Regelung getroffen habe, so dass nicht von einer „unbewussten Regelungslücke“ gesprochen werden könne; in diesem Sinne auch Krey / Esser, AT, Rn. 1336, der die Vorschriften zur tätigen Reue im engeren Sinne als abschließende Regelungen des Besonderen Teils des StGB begreift. 126  Eser / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 24 Rn. 117 / 118. 127  Kudlich / Oǧlakcɪoǧlu, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 148; Mückenberger / Iannone, NJW 2012, 3481, die sich in diesem Zusammenhang mit dem Sperrgrund der Tatentdeckung nach § 371 Abs. 2 AO beschäftigen. 128  Vgl. etwa http: /  / www.spiegel.de / wirtschaft / soziales / steuerabkommen-daten austausch-zwischen-schweiz-und-eu-a-1035774.html (zuletzt abgerufen am 18.06. 2017).



C. Selbstanzeigen im Strafrecht47

wegen Steuerhinterziehung gegen den ehemaligen Präsidenten und Vor­ sitzenden des Aufsichtsrats des FC Bayern München Ulrich Hoeneß: Die Selbstanzeige des Steuerrechts nach § 371 AO ist, auch über die Grenzen juristischer Fachkreise hinaus, als politisch und gesellschaftlich hochbrisantes Thema ständig in aller Munde129. So wurde die steuerstrafrechtliche Selbstanzeige immer wieder als nicht rechtfertigungsfähige oder besonders zu rechtfertigende Ausnahmeprivilegierung des Steuersünders interpretiert130 und wiederholt hinsichtlich ihrer Effektivität und auch aus verfassungsrechtlicher Sicht zumindest in Frage gestellt131. Auch bedingt durch diese Diskussionen wurden im Laufe der letzten Jahrzehnte vielfach gesetzgeberische Anpassungen, Verschärfungen und Reformen der Vorschrift vorgenommen, so insbesondere durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz vom 28.  April 2011132 und zuletzt durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 22.  Dezember 2014 (im Folgenden: Änderungsgesetz 2014)133. Ebenso hat sich das immer wieder veränderte Verständnis der Norm in der Rechtsprechung niedergeschlagen, wie etwa im sogenannten Selbstanzeigebeschluss vom 20. Mai 2010, in dem der 1.  Strafsenat des Bundesgerichtshofs die Voraussetzungen für eine vollständige Rückkehr zur Steuerehrlichkeit neu umriss134. Es liegt auf der Hand, dass die umstrittene Norm des § 371 AO als „Mutter aller Selbstanzeigen“ für die hiesige Ausarbeitung von besonderer Bedeutung ist. Von dieser ausgeklammert sein soll indes die Behandlung des Verfolgungshindernisses135 der sogenannten Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO. Durch 129  Vgl. etwa http: /  / www.spiegel.de / wirtschaft / soziales / selbstanzeigen-und-steuer recht-boom-aus-angst-vor-neuen-regeln-a-1010921.html (zuletzt abgerufen am 18.06. 2017). 130  Vgl. hierzu statt vieler die zahlreichen kritischen Nachweise bei Kohler, in: MK, § 371 AO Rn. 17, der selbst dieser Kritik jedoch entgegentritt; vgl. hierzu auch Patzschke, Die Selbstanzeige als Strafaufhebungsgrund des allgemeinen Strafrechts, der aufgrund der von ihm angenommenen Bevorzugung des Steuerstraftäters sogar für eine Ausweitung der Selbstanzeige auf bestimmte Bereiche des allgemeinen Strafrechts plädiert, vgl. insbesondere S. 199 ff., 223 f., 230 ff., 237; Müller, DB 1981, 1480 (1481). 131  Kemper, ZRP 2008, 105; hierzu und für eine Verfassungsmäßigkeit Zöbeley, DStZ 1984, 198; Kohler, in: MK, § 371 AO Rn. 25 ff.; vgl. hierzu auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 11.07.1997 – 2 BvR 997 / 92, in dem das Gericht über die Annahme einer Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung von Art. 3 Abs. 1  GG zu entscheiden hatte. 132  Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und Steuerhinterziehung vom 28.04.2011, BGBl. I 2011, 676; BT-Drs. 17 / 4182; BT-Drs. 17 / 5067. 133  BGBl. I 2014, 2415; vgl. hierzu Schuster, JZ 2015, 27 ff. 134  BGH, Beschluss vom 20.05.2010, 1 StR 577 / 09; BGHSt 55, 180. 135  Jäger, in: Klein AO, § 371 Rn. 241; Rolletschke, in: Graf / Jäger / Wittig, § 371 AO Rn. 168.

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

die Erfüllung der Nacherklärungsverpflichtung gemäß § 153 AO kann auch ein Dritter hiernach wegen der Verkürzung von Steuerbeiträgen strafrechtlich nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden, solange ihm noch nicht die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben wurde. Da er zur Erlangung seiner Straffreiheit  – abgesehen von einer eventuellen Nachentrichtungshandlung nach § 371 Abs. 4 S. 2 i. V. m. Abs. 3 AO  – aber keinen eigenen Beitrag zu leisten hat und für den Eintritt der Wirkung des § 371 Abs. 4 AO auch keine Berichtigung stattzufinden hat136, steht die Fremdanzeige nur äußerlich in einem Zusammenhang mit der steuerrecht­ lichen Selbstanzeige137 und passt nicht zur hiesigen Betrachtung von Vorschriften tätiger Reue im Sinne eines nachtatlichen Umkehrverhaltens. Teil der Darstellung soll indes auch der durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz in die Abgabenordnung eingeführte und mit dem Änderungsgesetz 2014 verschärfte138 § 398a AO sein. Diese ebenfalls nicht unumstrittene139 Vorschrift bietet dem Anzeigenden in bestimmten Fällen einer unwirksamen Selbstanzeige unter zusätzlichen Voraussetzungen einen Alternativweg zur Durchführung eines Steuerstrafverfahrens an. 1. Ratio legis der Selbstanzeige im Steuerrecht Schon die Frage, welche Erwägungen dem steuerstrafrechtlichen Selbstanzeigeinstitut zugrunde liegen, steht in der Diskussion. Denn es gibt eine Vielzahl von Gründen, die für das Bestehen der Regelung immer wieder vorgebracht werden. Im Mittelpunkt stehen dabei die steuerpolitische Erwägung der Erschließung von dem Fiskus bisher verheimlichten Steuerquellen140, die kriminalpolitische Erwägung, dem Täter mit dem Inaussichtstellen einer Honorierung in Form von Straffreiheit einen Anreiz zur Mitteilung dem Staat sonst verborgener Sachverhalte zu geben und dem Täter dadurch eine „goldene Brücke“ zurück in die Steuerehrlichkeit zu bauen141, sowie strafrechtliche Erwägungen, die auf dem Gedanken der Schadenswiedergutma136  Beckemper,

in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 371 AO Rn. 209 und 220 ff. in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 371 AO Rn. 209. 138  Jäger, in: Klein AO, § 398a Rn. 1 f.; Quedenfeld, in: Flore / Tsambikakis, § 398a AO Rn. 4a. 139  Joecks spricht sogar von einem gesetzestechnischen Missgriff, Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 398a AO Rn. 2; ebenso Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 398a AO Rn. 3, der außerdem die gesamte Neuregelung im Bereich der Selbstanzeige für brüchig und unzulänglich hält. 140  BGH, Beschluss vom 16.06.2006  – 5 StR 118 / 05; BGH NJW 2005, 2723 (2725). 141  Muhler, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, 5. Auflage, § 44 Rn. 119; BT-Drs. 17 / 5067 S. 11. 137  Beckemper,



C. Selbstanzeigen im Strafrecht49

chung beruhen oder eine Einordnung in die bestehende Rücktrittssystematik zulassen wollen142. Überwiegend wird mittlerweile eine Kombination dieser angeführten Erwägungen als Grundlage der Ratio des § 371 AO angesehen143. Die Mehrheit der Stimmen in Literatur und Rechtsprechung wollte seit jeher aber überwiegend das Fiskalinteresse als Rechtfertigung für die Selbstanzeigeregelung des Steuerstrafrechts erblicken144. Dem hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs indes eine Absage erteilt und in seinem Beschluss vom 20. Mai 2010 ausdrücklich betont, dass die im Verzicht auf den staatlichen Strafanspruch liegende Privilegierung des Steuerstraftäters gegenüber anderen Straftätern einer „doppelten Rechtfertigung“ bedürfe, und diese zum einen auf die Absicht, verborgene Steuerquellen zu erschließen, und zum anderen auf die Erwägung, dem Steuerhinterzieher einen Anreiz zur Rückkehr zur Steuerehrlichkeit zu geben, gestützt145. Allein fiskalische Interessen zur Aufdeckung bisher verheimlichter Steuerquellen seien nicht geeignet die beschriebene Privilegierung des Steuerstraftäters zu rechtfertigen; es müsse die dann auch zu honorierende vollständige Rückkehr zur Steuerehrlichkeit hinzukommen146. Mögen diese Erwägungen auch zutreffend und nach hiesiger Ansicht zu begrüßen sein, vor allem, da sie im Zuge der kritischen Wahrnehmung der steuerrechtlichen Selbstanzeige durch die Allgemeinheit dem Rechtfertigungsbedürfnis für das privilegierende Rechtsinstitut mehr entsprechen: Die historische Betrachtung147 der Norm spricht nun einmal eine andere Sprache. Die Selbstanzeigeregelung im Steuerstrafrecht wurde nach Ansicht der meisten Autoren allein vor dem Hintergrund des fiskalischen Interesses der Erschließung sonst verborgener Steuerquellen eingeführt, deren Aufdeckung die Finanzbehörden hilflos gegenüberstanden148. Die moralisch erwünschte Rückkehr zur Steuerehrlichkeit kann nur eine Rechtfertigung im Nachhinein 142  Kohler,

in: MK, § 371 AO Rn. 24. Kratzsch, Die Schwierigkeiten im Umgang mit der Selbstanzeige,

143  Anschaulich

283 (290 ff.). 144  RGSt 57, 313 (315); RGSt 70, 350 (351); BGHSt 12, 100 (101); BGHSt 26, 37 (40); BGHSt 35, 36 (37); BGH wistra 2004, 309 (310); BayOLG wistra 1985, 117 (117); Bilsdorfer, wistra 1984, 93 (93); Kohler, in: MK, § 371 AO Rn. 22; Schauf, in: Kohlmann, § 371 AO Rn. 30 ff. 145  BGHSt 155, 180 (181). 146  BGHSt 155, 180 (182). 147  Zur historischen Entwicklung der steuerrechtlichen Selbstanzeige vgl. Kohler, in: MK, § 371 AO Rn. 3 ff.; Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 371 AO Rn. 1 ff. 148  Vgl. Westpfahl, Die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht, S. 22, 27 und 95; Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 371 AO Rn. 3; Wessing / Biesgen, in: Flore /  Tsambikakis, § 371 AO Rn. 13; hierzu auch Müller, DB 1981, 1480 (1481); ähnlich BayObLG, wistra 195, 117 (117).

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

und eine Konsequenz der Anzeige der eigenen Straftaten darstellen. Sie mag innerer Beweggrund des Täters sein, nicht aber des Staates. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs spricht denn auch von einer „Rechtfertigung“ und nicht von einer „Erwägung“ zur Norm, dem eigentlichen „Sinn und Zweck“ für das Bestehen der Vorschrift. Bei allen Selbstanzeigevorschriften geht es immer um den Schutz eines bestimmten Rechtsguts; dieses ist bei der Steuerhinterziehung eben das öffentliche Interesse am vollständigen und rechtzeitigen Aufkommen der einzelnen Steuer149. Es fragt sich, warum dies nicht als Grund für das Bestehen der Regelung des § 371 AO ausreichen soll. Steuern sind im modernen Staatswesen das bedeutendste Mittel zur Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben150. Die Verwirklichung des staatlichen Steueranspruchs stellt also ein berechtigtes Interesse des Staates dar, das dieser im Sinne der Allgemeinheit wahrnimmt, da die hinterzogenen Beträge – auch im Fall ihrer nachträglichen „Eintreibung“  – gerade dieser zugutekommt. Warum soll dieses Interesse nicht genauso schutzwürdig sein, wie andere Rechtsgüter, die der Staat im Sinne der Allgemeinheit verteidigt? Wenn ein Täter, der Brandstiftung begeht oder sich an der Förderung terroristischer Vereinigungen beteiligt und damit an sich viel höher stehende Rechtsgüter als wirtschaftliche Interessen gefährdet, nämlich Leib und Leben, durch das Ergreifen von Gegenmaßnahmen Straffreiheit oder -milderung erlangen kann, warum soll die Strafbefreiung desjenigen Täters, der pflichtwidrig Geld nicht an den Staat entrichtet hat, einer vergleichsweise besonderen Rechtfertigung bedürfen? Dieses Verlangen mag auch dem in den Medien recht einseitig verbreiteten Bild des Steuerhinterziehers als eine in der Regel „steinreiche“ Person des öffentlichen Lebens geschuldet sein, die ihr Geld „tonnenweise“ am Staat vorbeischleust, um dieses in „Steueroasen“ zu verbringen, und die daher aufgrund ihres sozialschädlichen Verhaltens die Befreiung von einer Sanktion nicht verdient haben soll. Wie sogleich zu zeigen sein wird, ist die Erlangung von Straffreiheit tatsächlich aber mittlerweile an die Erfüllung strenger Voraussetzungen geknüpft und die Erstattung einer Selbstanzeige mit einer Reihe von Wirksamkeitsrisiken verbunden151. 2. Tatbestand des § 371 AO und des § 398a AO Gemäß § 371 Abs. 1 S. 1 AO wird nicht wegen der Steuerstraftaten des § 370 AO bestraft, wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die 149  Vgl. RGSt 72, 184 (186); BGHSt 36, 100 (102); BGHSt 40, 109 (111); Bay­ ObLG NStZ 1981, 147. 150  Kudlich / Oǧlakcɪoǧlu, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 151. 151  So schon Schuster, JZ 2015, 27 (30).



C. Selbstanzeigen im Strafrecht51

unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Dabei müssen die Angaben zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart erfolgen, nach der neuen Fassung des § 371 Abs. 1 S. 2 AO aber mindestens zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre. Dem Eintritt der Rechtsfolge stehen dabei die Ausschlussgründe nach § 371 Abs. 2 AO entgegen. a) Anwendungsbereich aa) Steuerstraftat im Sinne von § 370 Abs. 1 AO § 371 AO gilt nur für die Steuerhinterziehung, findet aber aufgrund jeweiliger Verweisungen auch entsprechende Anwendung für weitere Abgabenhinterziehungen, wie etwa die Verkürzung von Abgaben zu Marktordnungszwecken gemäß § 12 Abs. 1 MOG, oder die Monopolhinterziehung gemäß § 128 Abs. 1 BranntwMonG152. Die Norm bestimmt drei unterschiedliche Verhaltensweisen zur Steuerhinterziehung, die allesamt im Einzelfall durch besondere Steuergesetze auszufüllen sind und damit den zumindest überwiegend angenommenen Blankettcharakter der Norm153 verdeutlichen. Gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO wird wegen Steuerhinterziehung bestraft, wer gegenüber den Finanz- oder anderen Behörden über steuerlich erheb­ liche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht. Steuerlich erhebliche Tatsachen sind solche, die für Entstehung, Höhe, Fälligkeit der Steuer oder das Erlöschen des Steueranspruchs von Einfluss sind154. Unrichtig sind diese, wenn sie so, wie der Erklärende sie verstanden haben will, mit der Wahrheit nicht übereinstimmen, so dass ein Widerspruch zwischen Erklärung und Wirklichkeit besteht155. Von einer Unvollständigkeit der Angaben 152  Jäger, in: Klein AO, § 371 Rn. 24; Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 51, jeweils mit weiteren Verweisungsnormen. 153  BGHSt 20, 177 (180); BGHSt 34, 272 (282); BGHSt 30, 122 (123); BVerfG, NJW 2011, 3778 (3779); BGHSt 47, 138 (140 f.); BGHSt 23, 319 (322); a. A. etwa Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 198; ders., Wirtschaftsstrafrecht BT, Rn. 111; oder Kudlich / Oǧlakcɪoǧlu, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 162, die die Merkmale als normative Tatbestandsmerkmale verstanden haben wollen; ähnlich Walter, in: FSTiedemann, 969 (989 f.), der die Steuerverkürzung als „rechtsinstitutionelles Merkmal“ sieht. 154  Hellmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 370 AO Rn. 76; Hadamitzky /  Senge, in: Erbs / Kohlhaas, § 370 AO Rn. 18; Reiß wistra 1987, 161 (162); Ransiek, in: Kohlmann, § 370 AO Rn. 231. 155  Hadamitzky / Senge, in: Erbs / Kohlhaas, § 370 AO Rn. 16; Ransiek, in: Kohlmann, § 370 AO Rn. 246.

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

ist hingegen auszugehen, wenn diese sich den Anschein der Vollständigkeit geben, aber in wesentlichen Punkten lückenhaft sind156 – da hierin auch zugleich ein pflichtwidriges Unterlassen der Aufklärung über steuerlich erhebliche Tatsachen zu erblicken sein kann, kann eine Abgrenzung notwendig sein157. Als praktischer Hauptanwendungsfall für diese Verhaltensart der Steuerhinterziehung ist wohl die Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen oder falscher Steueranmeldungen, zum Beispiel Umsatzsteuervoranmeldungen zu betrachten158. Zu den Adressaten der Tathandlung der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO sollen neben den in § 6 AO benannten „anderen Behörden“ und den ausdrücklich aufgezählten Finanzbehörden auch die Finanzgerichte zählen159. Mit § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO erfasst der Tatbestand der Steuerhinterziehung demnach ein aktives Tun160 des „Steuersünders“. Mit § 370 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO sind hingegen unterlassende Verhaltensweisen161 unter Strafe gestellt. Bei der Tatvariante der Nummer  2 wird die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen, bei Nummer  3 unterlässt der Täter pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern162. Die Pflicht zur Offenbarung steuerlich erheblicher Sachverhalte ergibt sich dabei gemäß § 149 Abs. 1 S. 1 AO regelmäßig aus den Einzelsteuergesetzen und den auf ihrer Grundlage erlassenen Durchführungsverordnungen, wie etwa § 25  EStG i. V. m. § 56 EStDV, § 41a EStG, § 14a GewStG i. V. m. § 25 GewStDV oder § 18 UStG i. V. m. §§ 46 ff. UStDV163.

156  Hadamitzky / Senge,

in: Erbs / Kohlhaas, § 370 AO, Rn. 16. Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 170, dort auch zur Lösung der Überschneidungsproblematik; zur Abgrenzung auch Flore, in: Flore / Tsambikakis, § 370 AO Rn. 143. 158  Kudlich / Oǧlakcɪoǧlu, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 171. 159  OLG München, NStZ-RR 2013, 15 (16); Jäger, in: Klein AO, § 370 Rn. 40a; etwas näher hierzu auch Hadamitzky / Senge, in: Erbs / Kohlhaas, § 370 AO Rn. 19 f. 160  Flore, in: Flore / Tsambikakis, § 370 AO Rn. 31. 161  Flore, in: Flore / Tsambikakis, § 370 AO Rn. 147 beziehungsweise Rn. 213, der in Rn. 148 auch erläutert, dass die Einordnung des § 371 Abs. 1 Nr. 2 AO als echtes oder unechtes Unterlassungsdelikt umstritten ist. 162  Kudlich / Oǧlakcɪoǧlu, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 161, weisen darauf hin, dass die Unterlassensvariante des § 370 Abs.1 Nr. 3 AO in der Praxis keine Rolle mehr spielt, da das Steuerstempelsystem mit Ausnahme im Fall der Tabaksteuer (§ 12 Abs. 1 S. 1 und 3 TabStG) kaum noch Verwendung finde. 163  Pflaum, in: Wabnitz / Janovsky, 20. Kapitel Rn. 55. 157  Kudlich / Oǧlakcɪoǧlu,



C. Selbstanzeigen im Strafrecht53

Als Taterfolg beschreibt das Gesetz eine Steuerverkürzung und das Erlangen eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils164. Die Definition des Begriffs der Steuerverkürzung wird viel diskutiert. Im Kern wird aber dann eine Verkürzung von Steuern angenommen, wenn die Steuer-Ist-Einnahme hinter der Steuer-Soll-Einnahme zurückbleibt, der Steuergläubiger also weniger einnimmt, als er zu beanspruchen hat165, weil etwa die Steuer nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt wird. In § 370 Abs. 4 AO findet sich eine derartige beispielhafte Konkretisierung des Begriffs166. Bei Fälligkeitssteuern wird von einer Verkürzung ausgegangen, sobald die Steuer bei Fälligkeit nicht gezahlt wurde167. Von der Erlangung eines ungerechtfertigten Steuervorteils soll bei begünstigenden Verfügungen des Finanzamtes auszugehen sein, die außerhalb der Steuererklärung und Steuerfestsetzung liegen, sich aber aus dem Steuerrecht ergeben, unter anderem also bei Zahlungsaufschüben, bei der Aussetzung der Vollziehung, bei Steuererlassen, der Bewilligung von Buchführungserleichterungen, der Stundung der Steuer oder der Verlängerung der Abgabefrist168. Ungerechtfertigt ist der Vorteil, wenn der begünstigende Sachverhalt tatsächlich nicht vorliegt169. Als Täter der Steuerhinterziehung kommen zunächst der Steuerpflichtige selbst und die in § 34 AO aufgeführten Personen, die steuerliche Pflichten zu erfüllen haben, in Betracht, wie etwa der gesetzliche Vertreter einer natür­ lichen oder juristischen Person oder der Geschäftsführer einer nicht rechtsfähigen Personenvereinigung170. Darüber hinaus kann den Tatbestand einer Steuerhinterziehung aber auch erfüllen, wer vom Steuerpflichtigen zur Wahrnehmung von dessen steuerlichen Angelegenheiten bevollmächtigt wurde oder derartige Angelegenheiten ohne einen Auftrag erledigt171. Für die Tat­ variante des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ist die Steuerhinterziehung ein Delikt, das jedermann begehen kann172. Als Täter kommt jede Person in Betracht, 164  Zu den möglichen Abgrenzungsschwierigkeiten und der Frage, ob beide Tat­ erfolge in allen steuerrechtlichen Verfahrensabschnitten denkbar sind, Schmitz / Wulf, in: MK, § 370 AO Rn. 73 ff. 165  Hellmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 370 AO Rn. 138; Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 370 AO Rn. 34. 166  Pflaum, in: Wabnitz / Janovsky, 20.  Kapitel Rn. 30, der auch anmerkt, dass § 370 Abs. 4 AO keine Legaldefinition darstellt. 167  RGSt 58, 186 (188); RGSt 60, 182 (185); BGH NJW 1953, 1841 (1842); Franzen, DStR 1965, 187 (191 f.). 168  Kudlich / Oǧlakcɪoǧlu, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 167. 169  Kudlich / Oǧlakcɪoǧlu, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 167. 170  Hadamitzky / Senge, in: Erbs / Kohlhaas, § 370 AO Rn. 5. 171  Hadamitzky / Senge, in: Erbs / Kohlhaas, § 370 AO Rn. 5. 172  BGHSt 23, 319 (322); BGH NJW 1976, 525 (525); BGH wistra 2007, 388 (389).

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

die über unrichtige oder unvollständige Angaben auf den Steueranspruch des Fiskus einwirkt, also nicht nur der Steuerpflichtige, sondern jeder, sofern er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht173. Anders ist dies bei den beiden Unterlassungsvarianten des § 370 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO, bei denen Täter nur sein kann, wer zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatumstände besonders verpflichtet ist174. Auch Amtsträger kommen als taugliche Täter in Betracht, wie sich aus § 370 Abs. 3 Nr. 2 AO ergibt175. bb) Vorsätzliche Begehung Einziges subjektives Merkmal der Steuerhinterziehung176 ist der Vorsatz. Hierfür reicht das Vorliegen von Eventualvorsatz aus, dass der Täter also den Eintritt einer Steuerverkürzung und der übrigen Tatbestandsmerkmale konkret für möglich hält und den Erfolgseintritt billigend in Kauf nimmt177. Gerade im Rahmen der Feststellung dieser Art des Vorsatzes kann relevant sein, ob der Täter ausreichende Kenntnis von den steuerrechtlichen Gegebenheiten hatte178. Wie auch bei etwaigen Irrtümern, zieht man hierbei als Maßstab zunächst nicht juristisches Wissen, sondern eine „Parallelwertung in der Laiensphäre“ heran179. Zu einer Verschiebung der Verantwortlichkeit kann es kommen, wenn der Steuerpflichtige bei der Abgabe seiner Erklärungen den Rechtsrat eines Steuerberaters eingeholt hat180. Lässt sich ein vorsätzliches Verhalten nicht feststellen, kommt noch § 378 AO in Betracht181. b) Wirksamkeitsvoraussetzungen der Selbstanzeige nach § 371 AO Für den Eintritt der Wirkungen der Selbstanzeige bedarf es der Erfüllung von zwei Voraussetzungen: der Berichtigung beziehungsweise Ergänzung oder Nachholung der unzureichenden Angaben gegenüber der Finanzbehörde, sowie gegebenenfalls der Nachentrichtung der verkürzten Steuern.

173  Flore,

in: Flore / Tsambikakis, § 370 AO Rn. 33. 58, 218 (227); BGH wistra 1987, 147 (147). 175  Hadamitzky / Senge, in: Erbs / Kohlhaas, § 370 AO Rn. 9. 176  Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 370 AO Rn. 507. 177  Schmitz / Wulf, in: MK AO, § 370 Rn. 356. 178  Schmitz / Wulf, in: MK AO, § 370 Rn. 357. 179  Flore, in: Flore / Tsambikakis, § 370 AO Rn. 634 und 658 f.; Joecks, in: Joecks /  Jäger / Randt, § 370 AO Rn. 501, 503. 180  Hierzu differenzierend Schmitz / Wulf, in: MK AO, § 370 Rn. 358 ff. 181  2. Teil, A. 174  BGHSt



C. Selbstanzeigen im Strafrecht55

aa) Berichtigungserklärung (1) Anzeigeerstatter Jeder, der den Steuerschaden verursacht hat, das heißt, jeder unmittelbare oder mittelbare Allein-, Neben- oder Mittäter, jeder Anstifter oder Gehilfe der Steuerhinterziehung, kann Anzeigeerstatter sein182. Der „Steuersünder“ muss die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Angaben aber nicht höchstpersönlich vornehmen183. Bei entsprechend vorliegendem Auftrag und zuvor erteilter Bevollmächtigung184 kommt auch ein Dritter, wie etwa ein Steuerberater oder Rechtsanwalt als Anzeigeerstatter in Betracht185, dies ausnahmsweise sogar im Wege der sogenannten verdeckten Selbstanzeige186. (2) Adressat der Selbstanzeige Die Berichtigungserklärung ist „gegenüber der Finanzbehörde“ abzugeben, worunter jedenfalls die sachlich und örtlich für die betroffene Steuer zuständige Finanzbehörde (§§ 386 Abs. 1, 387 Abs. 1, 388 Abs. 1 AO) zu verstehen ist187. Wegen der Legaldefinition des § 6 Abs. 2 AO sind darüber hinaus nach wohl überwiegender Auffassung aber auch alle anderen in dieser Vorschrift aufgeführten Finanzbehörden umfasst, auch wenn diese weder sachlich noch örtlich zuständig für die im konkreten Fall verkürzte Steuer sind188 – sie sind jedenfalls gemäß §§ 111 ff. AO zur Weiterleitung der Erklärung im Wege der Amtshilfe verpflichtet189. Allerdings wird diskutiert, ob die Erstattung bei einer anderen als der sachlich und örtlich zuständigen Behörde dann auch als Zeitpunkt für eine Annahme des Zugangs der Selbstanzeige ausreichend ist190, 182  Klos,

NJW 1996, 2336 (2337); Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 551. in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 29. 184  BGHSt 3, 373 (374); BGH NStZ 1985, 12 (126); Rolletschke, in: Graf / Jäger /  Wittig, § 371 AO Rn. 14 ff.; Jäger, in: Klein AO, § 371 Rn. 100; zur Person des Anzeigeerstatters und der Zurechnung der Anzeigeerstattung ausführlicher Beckemper, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 371 AO Rn. 32 ff. 185  Klos, NJW 1996, 2336 (2338). 186  BGH wistra 2004, 309 (310); Jäger, in: Klein AO, § 371 Rn. 100; Wessing /  Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 31. 187  So schon RGSt 61, 115 (119 f.); Schauf, in: Kohlmann, § 371 AO Rn. 272 ff. 188  Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 38; Kohler, in: MK, § 371 AO Rn. 124 ff.; Jäger, in: Klein AO, § 371 Rn. 60; Schauf, in: Kohlmann, § 371 AO Rn. 270 ff. 189  Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 38; Beckemper, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 371 AO Rn. 52. 190  Vgl. hierzu den kurzen Überblick bei Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 554 f.; für die Annahme eines Zugangs auch bei diesen Finanzbehörden wird vor allem mit 183  Wessing / Biesgen,

56

1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

da dieser für die Frage des Vorliegens eines Sperrgrundes von Relevanz sein kann191. Die Berichtigungserklärung kann auch gegenüber Betriebsprüfern oder Fahndungsbeamten im Außendienst abgegeben werden, da sie gegenüber jedem Bediensteten möglich sein muss, gegenüber dem auch die ursprüng­ liche Steuererklärung hätte abgegeben werden können192. Auch Staatsanwaltschaft, Polizei oder Gericht sollen als Adressaten der Selbstanzeige in Betracht kommen, wobei hier dann der Anzeigeerstatter trotz des Umstands der Amtshilfe das Risiko der rechtzeitigen Weiterleitung an die Finanzbehörde trägt193. (3) Frist und Form der Selbstanzeige Eine gesetzliche Frist ist bei der Anzeige nicht zu beachten. Dennoch ist der Zeitpunkt der Erstattung einer Selbstanzeige für das Eingreifen der Ausschlussgründe nach § 371 Abs. 2 AO entscheidend, so dass zwar keine gesetzliche, aber eine Art „faktische Frist“ den Anzeigeerstatter zu schnellem Handeln zwingt194. Hinsichtlich der Form, in der die Erklärung abgegeben wird, stehen dem Anzeigenden alle denkbaren Möglichkeiten zur Verfügung. Er kann die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Angaben schriftlich, elektronisch, oder mündlich, telefonisch oder zur Niederschrift bei der zuständigen Finanzbehörde vornehmen, eine bestimmte Form ist also nicht vorgeschrieben195. Außerdem muss sie nicht ausdrücklich als Selbstanzeige bezeichnet werden196. Ausreichend ist sogar zum Beispiel das Einreichen einer wahrdem Sinn und Zweck des § 371 AO argumentiert, wonach dem Steuerpflichtigen zwecks Erschließung verborgener Steuerquellen ein psychischer Anreiz zur Abgabe einer Selbstanzeige gegeben werden soll, um ihn nicht aufgrund mangelnder Kenntnis der Behördenstrukturen von der Anzeige abzuhalten, so etwa Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 38; Rolletschke, in: Graf / Jäger / Wittig, § 371 AO Rn. 18; ähnlich Beckemper, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 371 AO Rn. 52 f. 191  Jäger, in: Klein AO, § 371 Rn. 95; zu den Sperrgründen sogleich unter 1. Teil, C. I. 2. c). 192  Mattern, DStZ  1950, 134 (138); Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 371 AO Rn. 122; Beckemper, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 371 AO Rn. 58. 193  Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 39; Beckemper, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 371 AO Rn. 53; Rolletschke, in: Graf / Jäger / Wittig, § 371 Rn. 22; Pump / Krüger, DStR 2013, 1972 (1973); zumindest für die Staatsanwaltschaft hat der Bundesgerichtshof dies aber bisher ausdrücklich offengelassen, vgl. BGH wistra 2003, 385 (388). 194  Hierzu sogleich unter 1. Teil, C. I. 2. c). 195  Melchior, in: Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Selbstanzeige Rn. 3; Kohler, in: MK, § 371 AO Rn. 42. 196  Muhler, in: Müller-Gugenberger, § 44 Rn. 124.



C. Selbstanzeigen im Strafrecht57

heitsgemäßen Umsatzsteuerjahreserklärung nach unzutreffenden Umsatz­ steuervoranmeldungen oder die Abgabe einer richtigen Einkommenssteuerjahreserklärung ohne auf einen früheren unrichtigen Antrag auf Herabsetzung der Einkommenssteuervorauszahlung Bezug zu nehmen197. Es soll allein auf den materiellen Inhalt der Erklärung ankommen198. (4) Inhalt der Selbstanzeige Dieser muss den Anforderungen genügen, die an den Täter bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner steuerlichen Erklärungs- und Auskunftspflichten gestellt werden, das heißt, gegenüber dem Finanzamt muss eine derart klare und vollständige Darstellung des Sachverhalts erfolgen, dass es ohne komplizierte und langwierige eigene Nachforschungen und unabhängig von einer weiteren Mithilfe des Steuerpflichtigen in der Lage ist mit den vorhandenen Informationen die Steuer zu errechnen und festzusetzen199. Dazu gehören regelmäßig konkrete Zahlenangaben200. Kleinere Fehler bei einer zum ­Beispiel aufgrund fehlender Unterlagen oder Aufzeichnungen notwendigen Schätzung, die Abweichungen von ungefähr 5 % darstellen, sollen für die Wirksamkeit der Selbstanzeige grundsätzlich nicht schädlich sein201. Die Berichtigungsleistung unterliegt aber in inhaltlicher Hinsicht seit dem Schwarz­geldbekämpfungsgesetz einem sogenannten Vollständigkeitsgebot202. Für eine Wirksamkeit der Selbstanzeige muss sich die Erklärung auf sämt­ liche nicht verjährte Steuerstraftaten einer Steuerart beziehen und  – seit der aktuellsten Gesetzesänderung  – mindestens den Besteuerungszeitraum der letzten zehn Jahre umfassen203. In Anbetracht des Umfangs und der notwendigen Details der einzugebenden Erklärungen kann dieses Erfordernis für den Anzeigeerstatter aufgrund des eventuell im Nachhinein schwer nachvollziehbaren Besteuerungszeitraums im Einzelfall eine kaum überwindbare Hürde darstellen. Wenn es ihm aber nicht möglich ist in der genannten Weise eine „steuerartspezifische steuerstrafrechtliche Lebensbeichte“204 abzulegen, können ihm die Privilegierungen des § 371 AO schon nicht mehr zuteilwer197  Muhler,

in: Müller-Gugenberger, § 44 Rn. 124. in: Müller-Gugenberger, § 44 Rn. 124. 199  BGHSt 12, 100 (101); BGH, DStR 1966, 150 (151); Harder, in: Wabnitz / Janovsky, 11. Kapitel Rn. 115; Melchior, in: Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Selbstanzeige Rn. 4; Muhler, in: Müller-Gugenberger, § 44 Rn. 125; Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 43. 200  Muhler, in: Müller-Gugenberger, § 44 Rn. 125. 201  Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 59 ff. 202  Grötsch / Seipl, NStZ 2015, 498, mit kritischer Betrachtung. 203  Kohler, in: MK, § 371 AO Rn. 51 und 60 ff. 204  Schauf, in: Kohlmann, § 371 AO Rn. 125. 198  Muhler,

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

den, auch wenn er umfangreiche Angaben gemacht und sich den Finanzbehörden damit offenbart hat. Im Gegensatz zu einer Teilselbstanzeige205 ist es wohl zwar theoretisch noch möglich eine Selbstanzeige in Stufen abzugeben, das heißt, zunächst gegenüber der Finanzbehörde dem Grunde nach Angaben zu machen und anzukündigen, die Mitteilung der noch fehlenden Besteuerungsgrundlagen nachzuholen („erste Stufe“), und deren Konkretisierung sodann zu einem späteren, in der Regel mit der Strafverfolgungsbehörde vereinbarten Zeitpunkt vorzunehmen („zweite Stufe“)206. Ein derartiges Vorgehen wird der Täter einer Steuerhinterziehung insbesondere dann erwägen, wenn er eine unmittelbar bevorstehende Tatentdeckung befürchtet, die bis dahin vermeintlich zur Verfügung stehende Zeit aber nicht ausreicht, um alle Angaben nach den Anforderungen des § 371 Abs. 1 AO genau zusammenzutragen207. Dies birgt allerdings wiederum ein großes Risiko des Eintritts eines Ausschlussgrundes, insbesondere nach § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b oder Nr. 2 AO, im Zeitraum zwischen der ersten und der zweiten, die Erklärung konkretisierenden Stufe208 und somit die Gefahr der Unwirksamkeit der Selbstanzeige. Denn die „erste Berichtigungserklärung“ enthält noch nicht alle notwendigen Angaben zur Herbeiführung der strafbefreienden Wirkung und stellt lediglich die Ankündigung der späteren Selbstanzeige dar209, so dass ein solches Vorgehen meist untauglich sein wird  – so wie im Fall Ulrich Hoeneß  – und deshalb zu vermeiden ist210. Denkbar und ausreichend zur Erfüllung der Anforderungen einer wirksamen Berichtigungserklärung ist es jedoch die Besteuerungsgrundlagen in hinreichend konkretisierter Form abzugeben und die Höhe der zu begleichenden Steuer zu schätzen211. Dann handelt es sich im eigentlichen Sinn aber nicht mehr um eine Stufenselbst­ anzeige.

205  Deren Unzulässigkeit hat der 1.  Strafsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluss vom 20.05.2010 ausdrücklich betont, vgl. BGHSt 55, 180 (183); jedoch besteht die Möglichkeit der Teilselbstanzeige seit der Gesetzesänderung zum 01.01.2015 gemäß § 371 Abs. 2a AO wieder für Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen, hierzu Beckemper, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 371 AO Rn. 68. 206  Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 574 f.; Jäger, in: Klein AO, § 371 Rn. 54. 207  Rolletschke, in: Graf / Jäger / Wittig, § 371 Rn. 47. 208  Jäger, in: Klein AO, § 371 Rn. 54; Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 70 f. 209  Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 70; BGHSt 180 (190). 210  Schuster, JZ 2015, 27 (28); Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 70. 211  Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 71.



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(5) Kein Erfordernis der Freiwilligkeit Das Gesetz verlangt kein freiwilliges Verhalten des Steuerhinterziehers; dessen Motive für die „Offenbarung“ sind ohne Bedeutung für die Wirksamkeit der Selbstanzeige212. Im Sinne der Zwecksetzung der steuerlichen Selbstanzeigevorschrift wird hinsichtlich der positiven Wirksamkeitsvoraussetzungen damit nur auf objektive Kriterien abgestellt213. Die in § 371 Abs. 2 AO geregelten abschließenden214 Ausschließungsgründe der steuerstrafrechtlichen Selbstanzeige werden als ausreichende Beschränkung angesehen215. bb) Nachentrichtung Wenn bereits Steuerverkürzungen eingetreten oder Steuervorteile erlangt sind, setzt die Wirksamkeit einer Selbstanzeige § 371 Abs. 3 AO zufolge voraus, dass der an der Steuerhinterziehung Beteiligte die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nachentrichtet. Seit Inkrafttreten der neuen Gesetzesfassung am 1.  Januar  2015 wird auch die Zahlung der Hinterziehungszinsen nach § 235 AO und der auf diese gemäß § 235 Abs. 4 AO angerechneten Zinsen (§ 233a AO) vorausgesetzt216. Dies ist damit nun ebenfalls Wirksamkeits­ voraussetzung217, das heißt, nachdem mit der Berichtigungserklärung eine „Anwartschaft auf Straffreiheit“218 erlangt wurde, ist der staatliche Strafanspruch durch die fristgerechte Nachentrichtung der Steuern und genannten Zinsen auflösend bedingt219. Vermag der Nachzahlungsverpflichtete die fälligen Beträge aus wirtschaftlichen Gründen nicht zu leisten, geht dies zu sei-

212  BGH NJW 1974, 2293 (2293) („Straffreiheit nicht als Belohnung für bessere Einsichten und eigene Aufklärungsarbeit des Steuersünders“); Schauf, in: Kohlmann, § 371 AO Rn. 148; Samson, wistra 1988, 130 (133); Jäger, in: Klein AO, § 371 Rn. 4; Muhler, in: Müller-Gugenberger, § 44 Rn. 123; Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 371 AO Rn. 14. 213  Hierzu mit eingehender Erklärung Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 12. 214  Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 371 AO Rn. 18; Schauf, in: Kohlmann, § 371 AO Rn. 415. 215  Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 12; näher zur Bedeutung der Freiwilligkeit Schauf, in: Kohlmann, § 371 AO Rn. 419. 216  Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 144; kritisch zu dieser Einbeziehung etwa Müller, FR 2015, 19 (24). 217  Schuster, JZ 2015, 27 (29). 218  LG Koblenz, wistra 1986, 79 (79); OLG Karlsuhe, wistra 2007, 159 (160), das auch von einem „Schwebezustand“ spricht; Ransiek, in: Kohlmann, § 371 AO Rn. 80. 219  BGHSt 7, 336 (341); Rolletschke, in: Graf / Jäger / Wittig, § 371 Rn. 129.

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

nen Lasten220. Eine wegen Zahlungsunfähigkeit fehlgeschlagene Selbstanzeige kann sich jedoch zumindest strafmildernd auswirken221. Die Nachzahlungspflicht trifft nur denjenigen Täter oder Teilnehmer, zu dessen Gunsten die betroffenen Steuern auch hinterzogen wurden. Ob dies der Fall ist, soll auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise danach bestimmt werden, wem aus der Tat ein unmittelbarer wirtschaftlicher Vorteil zugeflossen ist222; denn gerade derjenige soll den Steuerschaden wiedergutmachen223. Neben dem Steuerschuldner selbst können daher als Nachentrichtungsverpflichtete auch andere Tatbeteiligte in Betracht kommen, etwa wenn fremde Steuern einer Personen- oder Kapitalgesellschaft hinterzogen wurden224. Die Nachentrichtung ist aber keine höchstpersönliche Pflicht und muss daher nicht zwangsläufig durch den Nutznießer des wirtschaftlichen Vorteils selbst vorgenommen werden, sondern ist auch durch einen Dritten zulässig (§ 48 AO)225. Die von der in der Regel sachlich zuständigen Bußgeld- und Strafsachenstelle zu bestimmende226 Nachzahlungsfrist ist eine strafrechtliche227. Es besteht ein Rechtsanspruch auf die Fristsetzung, auch wenn der Steuerschuldner bekanntermaßen zahlungsunfähig ist, denn es muss ihm die Gelegenheit eingeräumt werden, sich die Mittel doch noch irgendwie zu beschaffen228. Die Entscheidung über die Länge und somit die Angemessenheit der zu gewährenden Frist ist aber eine Ermessensentscheidung229. Bei der für die Bestimmung der angemessenen Frist im konkreten Einzelfall vorzunehmenden Gesamtwürdigung sind insbesondere sowohl die persönlichen finanziellen Verhältnisse des Steuerschuldners und die vorausgegangene Phase, während 220  Rolletschke,

StRR 2014, 331 (335). NJW 1996, 2336 (2338). 222  BGHSt 29, 37 (41); OLG Stuttgart, wistra 1984, 239, ein steuerlicher Vorteil soll nicht notwendig sein. 223  Klos, NJW 1996, 2336 (2338). 224  Ausführlicher zu den einzelnen Konstellationen und der Problematik der Nachentrichtungspflicht für fremde Steuerschulden etwa Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 148 ff.; Jäger, in: Klein AO, § 371 Rn. 212. 225  Muhler, in: Müller-Gugenberger, § 44 Rn. 136; Beckemper, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 371 AO Rn. 121. 226  Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 626; ders., in: Graf / Jäger / Wittig, § 371 Rn. 140 ff., auch zur sonstigen, vom Verfahrensstadium abhängigen Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft und der Gerichte. 227  Jäger, in: Klein AO, § 371 Rn. 225. 228  Jäger, in: Klein AO, § 371 Rn. 227; Rolletschke, in: Graf / Jäger / Wittig, § 371 Rn. 138, der auch erläutert, dass eine Fristsetzung jedoch entbehrlich ist, wenn die hinterzogenen Steuern schon vor Fristsetzung entrichtet werden. 229  Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 628. 221  Klos,



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der er bereits um die Entrichtungsfrist wusste, zu berücksichtigen, als auch der Umstand, dass die Frist nicht zu einer längeren Verzögerung der Strafverfolgung führen soll230. In der Praxis erfolgt daher eine sehr einzelfallabhängige Festlegung, die meistens bei höchstens sechs Monaten und wenigstens bei einem Monat, aber auch darunter liegt231. Eine unangemessen kurz bestimmte Frist entfaltet gar keine Rechtswirkungen und wird nicht geltungserhaltend in eine angemessene Frist umgedeutet232. Ob dem Steuerpflichtigen aber ein Rechtsbehelf gegen eine zu kurze Nachzahlungsfrist zur Verfügung steht, ist umstritten233. c) Ausschlussgründe der Selbstanzeige nach § 371 AO § 371 Abs. 2 AO regelt eine Reihe von abschließend aufgezählten234 Ausschlussgründen, die die Wirkungen der Selbstanzeige sperren können. Da § 371 AO nach dem 1.  Strafsenat des Bundesgerichtshofs als Ausnahmevorschrift insgesamt restriktiv auszulegen ist, bedürfen die Sperrgründe im Gegensatz zu den positiven Wirksamkeitsvoraussetzungen der Selbstanzeige eher einer weiten Auslegung235. aa) Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung Beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, steht es dem Eintritt der Wirkungen der Selbstanzeige entgegen, wenn dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten im Sinne des § 370 Abs. 1 AO oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO bekannt gegeben worden ist, § 370 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO.

230  Beckemper, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 371 AO Rn. 107 ff.; Muhler, in: Müller-Gugenberger, § 44 Rn. 137. 231  Beckemper, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 371 AO Rn. 110; Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 628, mit Beispielen. 232  BFH, NJW 1982, 1720; LG Koblenz, wistra 1986, 79 (81); Rolletschke, in: Graf / Jäger / Wittig, § 371 Rn. 143; Rolletschke, StRR 2014, 331 (334). 233  Vgl. hierzu Schauf, in: Kohlmann, § 371 AO Rn. 391 ff.; Beckemper, in: Hübsch­mann / Hepp / Spitaler, § 371 AO Rn. 113 ff.; Jäger, in: Klein AO, § 371 Rn. 229; Rolletschke, in: Graf / Jäger / Wittig, § 371 Rn. 148 ff. 234  Beckemper, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 371 AO Rn. 125. 235  BGHSt 55, 180 (184); aufgrund der neuen Gesetzesfassung in diesem Sinne Beckemper, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 371 AO Rn. 125; anders noch die früher wohl überwiegend vertretene Ansicht, vgl. BGHSt 35, 36 (37); OLG Hamburg, NJW 1970, 1385 (1386 f.); BayObLGwistra 1985, 117 (118); OLGCelle, wistra 2000, 277 (278); sowie Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 85.

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

Zweck dieses zunächst mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz eingeführten Ausschlussgrundes, der die Sperrwirkung zeitlich relativ weit nach vorn verlagert236, war es, Hinterziehungsstrategien und ein Taktieren und Abwägen des Entdeckungsrisikos durch die Täter zu vermeiden237. In dem Zeitraum zwischen Ankündigung und Beginn der Außenprüfung ist eine Selbstanzeige damit nicht mehr möglich238. Mit der Neufassung des Gesetzes zum 1.  Januar  2015 kam es durch die Änderung des Wortlauts, der sich nunmehr auf alle Beteiligten nach §§ 25, 26 und 27 StGB bezieht und zusätzlich den „Begünstigten“ einschließt239, in personeller Hinsicht zu einer Erweiterung, während hinsichtlich der Reichweite des Sperrgrundes eine Beschränkung vom sogenannten Berichtigungsverbund auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung erfolgte240. bb) Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens Wurde dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben, ist eine Selbstanzeige diesbezüglich gemäß § 370 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO nicht mehr möglich. Im „Gleichklang“ mit der soeben genannten personellen Ausschlusswirkung des § 370 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO, sind auch bei diesem Sperrgrund seit der gesetzlichen Neufassung Anstifter und Gehilfen erfasst241. cc) Erscheinen eines Amtsträgers Im Zuge einer „redaktionellen Änderung“ des § 371 Abs. 2 AO durch die Gesetzesreform 2014242 wurden die bis dahin bereits existierenden Sperrgründe des Erscheinens eines Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit separat als Aus236  Beckemper,

in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 371 AO Rn. 126. S. 11; Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO

237  BT-Drs.  17 / 5067,

Rn. 87. 238  Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 87. 239  Die zuvor geltende Fassung des § 371 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AO bezog sich nur auf den „Täter“ und lautete: „… a) dem Täter oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist oder …“. 240  Hunsmann, NJW 2015, 113 (114); Müller, FR 2015, 19 (21). 241  Hunsmann, NJW 2015, 113 (115); eine ausführlichere Erörterung dieses Ausschlussgrundes erfolgt im Rahmen der Darstellungen zu § 378 Abs. 3 AO unter 2. Teil, A. II. 3. 242  BT-Drucks. 18 / 3018, S. 11 f.



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schlussgründe in § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. c und lit. d AO geregelt243. Neu hinzu kam der Sperrgrund des Erscheinens eines Amtsträgers zu einer Nachschau aus steuerrechtlichen Vorschriften gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. e AO, wie der Umsatzsteuer- oder Lohnsteuernachschau244. § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. c AO ist nun  – wie § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO  – auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung beschränkt245. Zudem muss hierfür, sowie bei dem Erscheinen zu einer steuerlichen Nachschau, unbedingt ein Amtsträger der ­Finanzbehörde erscheinen246. Die mit der Einführung der Sperrgründe des ­Erscheinens eines Amtsträgers ursprünglich verfolgte Intention des Gesetz­ gebers war es, den Ausschluss von Selbstanzeigen zeitlich vorzuverlegen247. dd) Entdeckung einer der Steuerstraftaten Nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO liegt ein Ausschlussgrund auch vor, wenn eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil  bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste. Hierin liegen sowohl objektive als auch subjektive Voraussetzungen, die erst bei ihrem kumulativen Vorliegen die Sperrwirkung auslösen248. In der Praxis hat dieser Sperrgrund vor allem im Zusammenhang mit dem Ankauf von Steuerdaten-CDs aktuelle Relevanz erlangt249. Der Begriff der Tatentdeckung soll im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs derart zu verstehen sein, dass Unbekanntes, Verborgenes aufgefunden wird250. Die Rechtsprechung nimmt das Vorliegen einer Tatentdeckung an, wenn bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist251. Hierbei soll eine „doppelte, zweistu243  Wessing / Biesgen,

in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 106. gesetzlichen Aufnahme dieses Ausschlussgrundes kam es, da umstritten war, ob es sich bei steuerlichen Nachschauen um steuerliche Prüfungen handelte, Jesse, FR 2015, 673 (681), der hier auch die diskutierte Problematik der Reichweite des Sperrgrundes beschreibt. 245  BT-Drs. 18 / 3018, S. 11; Hunsmann, NJW 2015, 113 (115). 246  Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 108 und 132g, der zu einer steuerlichen Nachschau erscheinende Finanzbeamte muss sich sogar ausweisen. 247  BT-Drs. 17 / 4182, S. 5. 248  Kudlich / Oǧlakcɪoǧlu, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 186a; Rolletschke, ZWH 2015, 213 (214); Burkhard, PStR 2015, 179 (180). 249  Vgl. hierzu Mückenberger / Iannone, NJW 2012, 3481; Hunsmann, NJW 2011, 1482 (insbesondere 1485 f.). 250  BGHSt 55, 180 (186). 251  BGH NStZ 1983, 415; BGH NStZ 1985, 126; BGH, wistra 2000, 219 (225); BGH, wistra 1988, 308 (308). 244  Zur

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

fige Prognose“ angestellt werden, bei der zunächst die Verdachtslage vorläufig zu bewerten und sodann auf dieser Grundlage eine Wahrscheinlichkeitsprognose dahingehend anzustellen ist, ob der fragliche Sachverhalt die Aburteilung als Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit rechtfertigen würde252. Eine Gleichsetzung mit den üblichen strafprozessualen Verdachtsgraden kann für den Tatentdeckungsbegriff aber dieser Rechtsprechung zufolge nicht vorgenommen werden, da er nach ihr einerseits mehr verlangt als einen bloßen Anfangsverdacht, ein hinreichender Tatverdacht im Sinne des § 170 Abs. 1 StPO jedoch gerade nicht erforderlich sein soll253. In der Regel sei Tatentdeckung schon dann anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung der zur Steuerquelle oder zum Auffinden der Steuerquelle bekannten weiteren Umstände nach allgemeiner kriminalistischer Erfahrung eine Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit nahe liege254. Die reine Kenntniserlangung von einer Steuerquelle ist hierfür nicht ausreichend255, so dass der durch die bloße Sicherstellung von Unterlagen erlangte Besitz der Finanzbehörde an belastendem Material, aus dem sich zu späterem Zeitpunkt ein Tatnachweis erst noch ergeben wird, noch nicht zur Tatentdeckung führt256. Anders ist dies jedoch, wenn ein Abgleich des Materials mit den Steuererklärungen des Steuerpflichtigen stattgefunden hat257. Auch vor einer derartigen Auswertung können Aussagen von dem Steuerpflichtigen nahestehenden Zeugen schon zur Annahme einer Entdeckung führen, oder das Vorliegen signifikanter Indizien, wie die Art und Weise der Verschleierung von Steuerquellen258. Dass der Täter der Steuerhinterziehung bereits namentlich bekannt ist, ist nicht notwendig, da das Gesetz sich nur auf die Entdeckung der Steuerstraftat bezieht und nicht auf diejenige des Steuerstraftäters259. Ebenso wenig muss zu den tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen schon eine für eine verläss­ liche Beurteilung des Schuldumfangs ausreichende Kenntnis vorliegen260 oder aufgrund der vorhandenen Tatsachen schon ein Schluss auf vorsätzli252  BGHSt

55, 180 (186 f.). 55, 180 (186 f.); anders und diesbezüglich kritisch Beckemper, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 371 AO Rn. 179. 254  BGHSt 55, 180 (188). 255  BGHSt 55, 180 (188). 256  Jäger, in: Klein AO, § 371 Rn. 159; Muhler, in: Müller-Gugenberger, § 44 Rn. 159; Mückenberger / Iannone, NJW 2012, 3481 (3482). 257  BGHSt 55, 180 (188); zu einer ähnlichen Konstellation Jesse, FR 2015, 673 (681 f.). 258  BGHSt 55, 180 (188). 259  BGHSt 55, 180 (187); BGHSt 49, 136 (142); BGH wistra 2004, 309 (310); Jäger, in: Klein AO, § 371 Rn. 161; mit abgeschwächterer Betrachtungsweise Beckemper, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 371 AO Rn. 180; a. A. Schauf, in: Kohlmann, § 371 AO Rn. 652 f. 260  BGHSt 55, 180 (187). 253  BGHSt



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ches Verhalten möglich sein261. Das Ergebnis der Bewertung ist jedenfalls immer eine Frage des konkreten Einzelfalls262. Ob von einer Entdeckung auszugehen ist, hängt auch davon ab, welche Person Wissen über den steuerstrafrechtlichen Sachverhalt erlangt. Tatentdecker können zunächst die Mitarbeiter der zuständigen Finanzbehörde, aber auch Staatsanwälte, Polizeibeamte, Richter oder Amtsträger anderer unzuständiger Behörden, wie etwa Ministerium, Oberfinanzdirektion, Zoll oder Sozialversicherungsbehörde, sein, da diese gemäß § 116 AO gesetzlich im Wege der Amtshilfe zur Weiterleitung der Informationen verpflichtet sind263. Aber auch Privatpersonen mögen als taugliche Tatentdecker gelten, wenn damit zu rechnen ist, dass sie ihre Kenntnisse an die zuständigen Behörden weiterreichen264. Personen aus dem Vertrauenskreis des Täters, die also persönlich „im Lager des Steuerpflichtigen“ stehen, so insbesondere Angehörige, andere Tatbeteiligte oder Mitgesellschafter und Bevollmächtigte des Steuerpflichtigen, die gerade tätig werden, um Selbstanzeige zu erstatten, also Steuerberater oder Rechtsanwälte, scheiden daher aus265. Vom Vorliegen des subjektiven Kriteriums der positiven Kenntnis der Tat­ entdeckung ist auszugehen, wenn der Täter aus den ihm bekannten Tatsachen den Schluss zieht, dass eine Behörde oder ein anzeigebereiter Dritter von seiner Tat so viel erfahren hat, dass eine vorläufige Tatbewertung seine Verurteilung wahrscheinlich werden lässt266. Um Beweisschwierigkeiten mit dieser Voraussetzung entgegenzuwirken, die sich gerade auch aus dem zugunsten des Täters geltenden Grundsatz in dubio pro reo ergeben, lässt das Gesetz das „Kennenmüssen“ der Tatentdeckung ausreichen267. Hierfür soll bei Zugrundelegung der individuellen Erkenntnis- und Urteilsfähigkeit268 darauf abzustellen sein, dass der Täter aus dem ihm bekannten Sachverhalt 261  BGHSt 55, 180 (188 f.); a. A. Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 128. 262  BGHSt 55, 180 (188). 263  Muhler, in: Müller-Gugenberger, § 44 Rn. 163; Jäger, in: Klein AO, § 371 Rn. 167, dort auch zu Weiterleitung und internationaler Rechtshilfe durch ausländische Behörden. 264  BGH, NStZ 1988, 413 (414); BGH wistra 1988, 308 (309); Schauf, in: Kohlmann, § 371 AO Rn. 661; Kohler, in: MK, § 371 AO Rn. 274; Rolletschke, in: Graf /  Jäger / Wittig, § 371 Rn. 111. 265  BGH NStZ 1988, 413 (414); Beckemper, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 371 AO Rn. 185; Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 132; Jäger, in: Klein AO, § 371 Rn. 168. 266  Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 371 AO Rn. 322; Kohler, in: MK, § 371 AO Rn. 277; Schauf, in: Kohlmann, § 371 AO Rn. 724. 267  Rolletschke, in: Graf / Jäger / Wittig, § 371 Rn. 116; Klos, NJW 1996, 2336 (2340); Schauf, in: Kohlmann, § 371 AO Rn. 729. 268  Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 371 AO Rn. 324.

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

den Schluss hätte ziehen müssen, dass die Tat entdeckt ist269. Obwohl hiermit eine unwiderlegbare Beweisregel zulasten des Täters besteht, liegt die Beweislast nicht bei ihm, sondern es muss ihm die Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich ihm die Tatentdeckung aufdrängen musste, nachgewiesen werden270. In seinem „Selbstanzeigebeschluss“ hat der 1.  Strafsenat des Bundesgerichtshofs ausgeführt, dass „angesichts der verbesserten Ermittlungsmöglichkeiten im Hinblick auf Steuerstraftaten und auch der stärkeren Kooperation bei der internationalen Zusammenarbeit“ „keine hohen Anforderungen an die Annahme des ‚Kennenmüssens‘ der Tatentdeckung mehr“ zu stellen seien und bestimmend für den Ausschlussgrund nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO die objektive Komponente sei271. Von anderer Seite wurde sogar ein vollständiger Verzicht auf die subjektive Komponente vorgeschlagen272. Der Gesetzgeber hat sich jedoch auch in der Neufassung des § 371 AO aus dem Jahr 2015 für die Beibehaltung dieser subjektiven Voraussetzung entschieden273. ee) Überschreiten der €  25.000-Grenze Nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO kommt eine Selbstanzeige auch dann nicht in Betracht, wenn die verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte Steuervorteil je Tat den Betrag von € 25.000 übersteigt. Mit der Einführung dieses Ausschließungsgrundes, für den zuvor die Grenze des Betrags mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz bei €  50.000 festgelegt worden war274, sollten nach dem Willen des Gesetzgebers besonders schwerwiegende Fälle der Steuerhinterziehung aus dem Anwendungsbereich der Selbstanzeige ausgeschlossen werden275. Für diese steht bei entsprechender Zuschlagszahlung dann nur noch die Möglichkeit eines Verfolgungshindernisses nach § 398a AO bereit276.

269  Jäger,

in: Klein AO, § 371 Rn. 177. in: Graf / Jäger / Wittig, § 371 Rn. 117. 271  BGHSt 55, 180 (189). 272  Vgl. Burkhard, PStR 2015, 179 (179), der auf einen derartigen Vorschlag des Bundesrates hinweist; hierzu auch Adick, HRRS 2011, 197 (200), der es begrüßt, dass auf das subjektive Element nicht verzichtet wurde. 273  Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 133. 274  Müller, FR 2015, 19 (23); Buse, DB 2015, 89 (91 f.). 275  Müller, FR 2015, 19 (23). 276  Schuster, JZ 2015, 27 (29); Hunsmann, NJW 2015, 113 (117 f.); kritisch Beneke, BB 2015, 407 (409 f.); sehr kritisch Wulf, wistra 2015, 166 (172 ff.); Adick, HRRS 2011, 197 (201 f.); dazu sogleich unter 1. Teil, C. I. 2. d). 270  Rolletschke,



C. Selbstanzeigen im Strafrecht67

ff) Vorliegen eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung Seit der Neuregelung des § 371 AO im Jahr 2015 ist die Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AO auch dann ausgeschlossen, wenn ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 bis 5 AO (Steuerhinterziehung unter Missbrauch von Befugnissen oder Stellung als Amtsträger oder Ausnutzen eines solchen Missbrauchs, unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege oder durch Handeln als Mitglied einer Bande) vorliegt. Auch hier kann dem Täter aber noch der Weg über § 398a AO offen stehen. d) Weitere Voraussetzung nach 398a AO bei Überschreiten der € 25.000-Grenze und bei Vorliegen eines besonders schweren Falls Wie soeben erwähnt, kann für den Täter einer Steuerhinterziehung, der wegen der Überschreitung der €  25.000-Grenze oder des Vorliegens eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung eine steuerstrafrechtliche Selbstanzeige nicht wirksam erstatten kann, ein Absehen von Verfolgung nach § 398a AO in Betracht kommen. Durch die Vorschrift soll auch dem durch § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und 4 AO verstärkt inkriminierten Täter die Anreizwirkung einer Selbstanzeige geboten werden277, um dem Fiskus bislang verborgene Steuerquellen zugänglich zu machen278. Außerdem sollte wohl auch vermieden werden, dass Hinterziehungsstrategien, die den Weg der Selbstanzeige nach § 371 AO einbeziehen, wirtschaftlich attraktiv erscheinen279. Von der Verfolgung wird abgesehen, wenn dem Eintritt von Straffreiheit nach § 371 AO ein Ausschlussgrund nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 oder Nr. 4 AO entgegensteht und der an der Tat Beteiligte innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die entsprechenden Zinsen nach §§ 235, 233a AO und einen gesetzlich bestimmten, von der Höhe des Hinterziehungsbetrags abhängigen, zwischen 10 % und 20 % der hinterzogenen Steuer liegenden Geldbetrag zugunsten der Staatskasse zahlt. Zunächst müssen also alle Wirksamkeitsvoraussetzungen einer strafbefreienden Selbstanzeige dem Grunde nach vorliegen280 und § 371 AO darf nur deshalb ausscheiden, weil der Grenzbetrag von € 25.000 überschritten wurde 277  BT-Drs. 17 / 5067

(neu), S. 22; Kohler, in: MK, § 398a AO Rn. 2. in: Klein AO, § 398a Rn. 1; mit kritischem Unterton hierzu Quedenfeld, in: Flore / Tsambikakis, § 398a AO Rn. 1a. 279  Jäger, in: Klein AO, § 398a Rn. 1. 280  Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 398a AO Rn. 9. 278  Jäger,

68

1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

oder ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung gegeben ist281. Entspricht die Selbstanzeige nicht den Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 AO oder greifen Ausschlussgründe nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AO, kommt § 398a AO nicht in Betracht282. In Konsequenz dessen hat der Tatbeteiligte für alle unverjährten Steuerstraftaten derselben Steuerart, mindestens aber für alle Steuerstraftaten dieser Steuerart innerhalb der letzten zehn Jahre und nicht bloß für die von den Ausschlussgründen aus § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und 4 AO erfassten Steuerstraftaten vollständige und richtige Selbstanzeigen abzugeben283. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und Nr. 4 AO können auch gleichzeitig eingreifen284. Das Erfordernis der Zahlung der hinterzogenen Steuern sowie der Hinterziehungszinsen und der darauf anzurechnenden Zinsen nach §§ 235,  233a AO (§ 398a Abs. 1 Nr. 1 AO) stellt keine gegenüber der Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO zusätzliche Voraussetzung dar, da dies auch für Letztere seit der Gesetzesreform durch das Änderungsgesetz 2014 bei bereits eingetretenen Steuerverkürzungen oder erlangten Steuervorteilen echte Wirksamkeitsvoraussetzung285 ist. Für die Zahlung des als Zuschlag bezeichneten Geldbetrags zugunsten der Staatskasse sieht das Gesetz in § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO eine Staffelung286 nach dem relevanten Hinterziehungsbetrag vor, über dessen Ermittlung indes Uneinigkeit herrscht287. Seit der Änderung des Gesetzeswortlauts in „der an der Tat Beteiligte“ durch das Änderungsgesetz 2014 sieht auch der Gesetzestext ausdrücklich vor, dass jeder Tatbeteiligte von der Wirkung des § 398a AO profitieren kann288. Es muss aber auch jeder gesondert den fälligen Zuschlag entrichten289. Bezüglich der im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren durch die zuständige Finanzbehörde vorzunehmenden Fristsetzung und ihrer Angemessenheit wird auf die allgemeinen, zu § 371 Abs. 3 AO entwickelten Grundsätze verwiesen290. 281  Jäger,

Rn. 9.

in: Klein AO, § 398a Rn. 10; Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 398a AO

282  Kohler,

in: MK, § 398a AO Rn. 5; Jäger, in: Klein AO, § 398a Rn. 10. in: Klein AO, § 398a Rn. 10. 284  Kohler, in: MK, § 398a AO Rn. 5. 285  Vgl. hierzu bereits unter 1. Teil, C. I. 2. b) bb). 286  Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 398a AO Rn. 1. 287  Vgl. näher hierzu Jäger, in: Klein AO, § 398a Rn. 5 und  27 ff.; Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 398a AO Rn. 10 ff. 288  Kohler, in: MK, § 398a AO Rn. 25; Jäger, in: Klein AO, § 398a Rn. 60 ff. 289  Kohler, in: MK, § 398a AO Rn. 26; Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 398a AO Rn. 18 ff. 290  Kohler, in: MK, § 398a AO Rn. 15 f. 283  Jäger,



C. Selbstanzeigen im Strafrecht69

Die Einordnung des Zuschlags als solcher scheint nicht geklärt. Wohl überwiegend wird aber sowohl dem Strafcharakter als auch einer Qualifizierung als steuerliche Nebenleistung entgegengetreten291 und von einer besonderen nicht strafrechtlichen Sanktion eigener Art vergleichbar mit der Auflage nach § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StPO292 ausgegangen. Dies scheint konsequent, da § 398a AO ohnehin der Einstellung mit Auflagen nach § 153a StPO nachempfunden wurde293. Für den Strafcharakter fehle das Zwangselement294. Denn der Tatbeteiligte kann frei entscheiden, ob er die Zahlung leistet, die Bedingungen des § 398a AO erfüllt und somit die Nichtverfolgbarkeit der Tat herbeiführt, oder aber sich lieber durch die Nichtentrichtung des Zuschlags dem weiteren Strafverfahren aussetzt295. Es handele sich nicht um eine Rechtspflicht296. 3. Rechtsfolgen des § 371 AO und des § 398a AO „Wer“ eine wirksame Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO erstattet, „wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 AO bestraft“. Der Anzeige­ erstatter erlangt also bei Vorliegen der Wirksamkeitsvoraussetzungen und bei Fehlen eines Ausschlussgrundes Straffreiheit. Da sie den wegen der bereits vollständig begangenen Tat entstandenen Strafanspruch erst nachträglich beseitigt297, stellt die Selbstanzeige strafrechtsdogmatisch einen persönlichen Strafaufhebungsgrund dar298. Sie wirkt nur zugunsten desjenigen, der in seiner Person die Anforderungen für die genannte Strafbefreiung erfüllt299. Andere Tatbeteiligte, wie Mittäter, Anstifter oder Gehilfen, profitieren nicht von ihren Wirkungen300, es sei denn, sie haben auch für sich selbst eine Selbstanzeige vorgenommen. Der Anzeigeerstatter erlangt nur wegen der angezeigten Steuerstraftaten Straffreiheit, so dass eine etwaige Verfolgung und Bestrafung 291  Kohler,

in: MK, § 398a AO Rn. 4. in: Flore / Tsambikakis, § 398a AO Rn. 15. 293  BT-Drs. 17 / 5067 (neu), S. 20. 294  Quedenfeld, in: Flore / Tsambikakis, § 398a AO Rn. 12. 295  Jäger, in: Klein AO, § 398a Rn. 3; Quedenfeld, in: Flore / Tsambikakis, § 398a AO Rn. 12. 296  Jäger, in: Klein AO, § 398a Rn. 3. 297  Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 371 AO Rn. 39; Kohler, in: MK, § 371 AO Rn. 1. 298  BGH wistra 2009, 189 (190 f.); BGH wistra 2009, 278 (278); BGH wistra 2004, 309 (310); Rolletschke, in: Graf / Jäger / Wittig, § 371 Rn. 1; Jäger, in: Klein AO, § 371 Rn. 1 und 7. 299  Kohler, in: MK, § 371 AO Rn. 12; Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 546a. 300  Muhler, in: Müller-Gugenberger, § 44 Rn. 122, der auch auf die Gefahr einer unter den Beteiligten nicht abgestimmten Selbstanzeige hinweist. 292  Quedenfeld,

70

1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

wegen anderer (Steuer-)Straftaten unberührt bleibt; ein Verwendungsverbot nach § 393 Abs. 2 AO hinsichtlich anderer im Rahmen der Selbstanzeige offenbarter Taten soll nicht bestehen301. Dies soll nach wohl überwiegender Ansicht auch für die Ahndung mitverwirklichter Ordnungswidrigkeiten gelten302. Für die von § 398a Abs. 1 AO erfassten Fälle ist eine andere Rechtsfolge vorgesehen, es „wird von der Verfolgung einer Steuerstraftat abgesehen“. Hier ist deshalb nicht von einem persönlichen Strafaufhebungsgrund, sondern von einem in jeder Verfahrenslage von Amts wegen zu berücksichtigenden strafprozessualen Verfahrenshindernis auszugehen303. Es hat zwingend eine Einstellung zu erfolgen  – im Ermittlungsverfahren durch eine Einstellungsverfügung, nach Rechtshängigkeit außerhalb der Hauptverhandlung durch gerichtlichen Beschluss und in der Hauptverhandlung durch Einstellungsurteil  –, ein Ermessensspielraum bei der Entscheidung ist nicht gegeben304. Die Rechtsfolge ist entsprechend der Wirkung der Selbstanzeige von vornherein nur auf Steuerstraftaten beschränkt, so dass die Verfolgung wegen anderer Delikte unberührt bleibt305. Besonders seit der Regelung der Wiederaufnahmemöglichkeit des Verfahrens bei Nichtzahlung des Zuschlags in § 398a Abs. 3 AO steht fest, dass ein (beschränkter) Strafklageverbrauch nicht eintritt306. Wird der in § 398a Abs. 1 AO vorgesehene Zuschlag nicht 301  BGHSt 12, 100; Kohler, in: MK, § 371 AO Rn. 310; Beckemper erörtert, dass andere dann in Betracht kommende Regelungen zur tätigen Reue ebenfalls zur Anwendung kommen, so nach wohl mittlerweile ganz herrschender Ansicht auch bezüglich des Verhältnisses zwischen § 371 AO und § 24 StGB, Beckemper, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 371 AO Rn. 238 bzw. Rn. 234 ff.; a. A. Rolletschke, ZWH 2013, 186; zu weiteren Rechtsfolgen der Selbstanzeige vgl. Pump, DStR 2013, 1972 (1974). 302  Kohler, in: MK, § 371 AO Rn. 312; Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 371 AO Rn. 381, der darauf hinweist, dass häufig aber eine Einstellung nach § 47 OWiG erfolgen sollte. 303  Jäger, in: Klein, AO § 398a Rn. 50 f.; Kohler, in: MK, § 398a AO Rn. 3. 304  Kohler, in: MK, § 398a AO Rn. 7 und 17. 305  Jäger, in: Klein, AO § 398a Rn. 54; Quedenfeld, in: Flore / Tsambikakis, § 398a AO Rn. 45 f.; Kohler, in: MK, § 398a AO Rn. 18. 306  Kohler, in: MK, § 398a AO Rn. 19 f., der zu bedenken gibt, dass der Hinterzieher höherer Beträge ansonsten gegenüber einem sich strafbefreiend Anzeigenden privilegiert würde und entgegen § 371 Abs. 1 AO durch eine mit § 398a AO einhergehende Rechtskraft eine Teilberichtigung sowie die rechtliche Fixierung eines im Verhältnis zu der an sich zu entrichtenden Zahlung reduzierten Zuschlags denkbar wäre; Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 398a AO Rn. 23, wonach vor einer ausdrücklichen Regelung in § 398a Abs. 3 AO diese Annahme bereits aus dem Fehlen einer § 153a Abs. 1 S. 5 StPO entsprechenden Regelung abgeleitet wurde; a. A. Merkt, in: Graf, OWiG, § 398a AO Rn. 1, nach dessen Ansicht die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden kann.



C. Selbstanzeigen im Strafrecht71

gezahlt oder kann er nicht geleistet werden, wirkt sich dies indes nicht auf die Wirksamkeit der Selbstanzeige für die übrigen von ihr offenbarten Taten aus307. Für den Fall, dass die Rechtsfolge nicht eintritt, findet nach § 398a Abs. 4 AO eine Erstattung des bereits gezahlten Zuschlags nicht statt308. Im Vergleich zu § 371 Abs. 1 AO tritt damit für den Täter der von § 398a AO erfassten Steuerstraftaten formal keine Straffreiheit ein. Die praktischen Auswirkungen sind jedoch für den Anzeigeerstatter identisch, da sie auf ein „faktisches Straffreiwerden“ hinauslaufen. An sich erzielt der Gesetzgeber damit für die materiell-rechtliche Lösung nach § 371 AO einerseits und die prozessuale Lösung309 nach § 398a AO andererseits das gleiche Ergebnis. 4. Abschließende Betrachtung Es ist wohl nicht ganz verkehrt in Anbetracht der durch die steuerstrafrechtliche Selbstanzeige zu erlangenden obligatorischen Straffreiheit von einer gewissen Sonderstellung des sich selbst anzeigenden Steuerstraftäters gegenüber manch anderen Straftätern auszugehen310. Eine Einordnung der §§ 371, 398a AO als „Fremdkörper“ im deutschen Strafrechtssystem311 geht aber zu weit312. Wie bereits der bisherigen Darstellung zu entnehmen ist, gibt es eine größere Anzahl ähnlicher Rechtsfiguren im Strafrecht zum Verhalten des Täters nach beendeter Tat, die allesamt eine deutsche Strafrechtssystematik mitbegründen, in die sich auch die Selbstanzeige einzufügen vermag313. Aufgrund der beschriebenen hohen Anforderungen an die Erstattung einer Selbstanzeige, gerade auch seit der aktuellsten Gesetzesreform, und der damit verbundenen Wirksamkeitsrisiken dürfte den kritischen Gegnern dieses Rechtsinstituts zudem etwas der Wind aus den Segeln genommen sein.

307  Jäger,

in: Klein, AO § 398a Rn. 52 und 54. in: MK, § 398a AO Rn. 22. 309  Quedenfeld, in: Flore / Tsambikakis, § 398a AO Rn. 7; Jäger, in: Klein, AO § 398a Rn. 1. 310  Kemper, ZRP 2008, 105 (106), spricht von einer „weitgehenden Sonderstellung“; Wessing / Biesgen, in: Flore / Tsambikakis, § 371 AO Rn. 11, meinen sogar, die Strafbefreiung durch Selbstanzeige sei „in dieser Form für das deutsche Strafrecht weitgehend einmalig“. 311  Westpfahl, Die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht, 1987, S. 14 und 93. 312  Kemper, ZRP 2008, 105 (106); Kröpil, JR 2014, 382 (385). 313  So auch Kohler, in: MK, § 371 AO Rn. 18 ff. 308  Kohler,

72

1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

II. Die Selbstanzeige bei der Geldwäsche und der Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte In § 261 Abs. 9 S. 1 StGB eröffnet das Gesetz eine weitere Möglichkeit eines „Rücktritts vom vollendeten Delikt“314. Hierbei handelt es sich ebenfalls um ein Rechtsinstitut der tätigen Reue im engeren Sinn315. Die Norm weist allerdings die Besonderheit auf, dass der Täter zu seiner Privilegierung zum Mittel der Selbstanzeige greifen muss. Aus diesem Grund und weil die Regelung teilweise den Vorschriften des Steuerstrafrechts gemäß § 371 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 AO nachgebildet ist316, wird sie vorliegend unter der Kategorie der strafrechtlichen Selbstanzeigen behandelt. Die bis zum 1. September  2009 in § 261 Abs. 10 StGB normierte sogenannte „kleine Kronzeugenregelung“, nach der das Gericht nach seinem Ermessen die Strafe mildern oder von ihr absehen konnte, wenn der Täter durch seine freiwillige Wissensoffenbarung wesentlich zur Tataufdeckung beigetragen hat317, ist weg­ gefallen, nunmehr aber in § 46b StGB318 wiederzufinden319. In praktischer Hinsicht hat die Selbstanzeige des § 261 StGB vor allem für die Pflicht zur Meldung von Verdachtsfällen nach § 11 GwG Bedeutung320. 1. Ratio legis der Selbstanzeige nach § 261 Abs. 9 S. 1 StGB Mit der Einführung der Privilegierung des sich selbst anzeigenden Täters sollte nach dem Ziel des Gesetzgebers zu einer wirksameren Bekämpfung der Organisierten Kriminalität beitragen werden321. Der Staat befindet sich 314  Heinrich,

in: Arzt / Weber / Heinrich / Hilgendorf, § 29 Rn. 53. in: SK-StGB, § 261 Rn. 31. 316  Neuheuser, in: MK, § 261 StGB Rn. 104; Schmidt / Krause, in: LK, § 261 Rn. 48. 317  § 261 Abs. 10 StGB a. F. lautete: „Das Gericht kann in den Fällen der Absätze 1 bis 5 die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter durch die freiwillige Offenbarung seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus oder eine in Absatz 1 genannte rechtswidrige Tat eines anderen aufgedeckt werden konnte.“ 318  Hierzu später unter 1. Teil, D. I. 2. 319  Stree / Hecker, in: Schönke / Schröder, § 261 Rn. 35; Schmidt / Krause, in: LK, § 261 Rn. 49; Heinrich, in: Arzt / Weber / Heinrich / Hilgendorf, § 29 Rn. 53; Neuheuser, in: MK, § 261 StGB Rn. 101, der auch darauf hinweist, dass die Voraussetzungen des § 46b StGB und des § 261 Abs. 9 S. 1 StGB gleichzeitig vorliegen können, wobei § 261 Abs. 9 S. 1 StGB als günstigere Regel dann Vorrang habe. 320  Nestler, in: Herzog GwG, § 261 StGB Rn. 141. 321  BT-Drs.  12 / 989, S. 28; BT-Drs.  12 / 3533, S. 15; Schmidt / Krause, in: LK, § 261 Rn. 47. 315  Hoyer,



C. Selbstanzeigen im Strafrecht73

im Kriminalitätsbereich der Geldwäsche aufgrund erheblicher Ermittlungs­ defizite in einer Art „Notstandssituation“322. Die vielschichtigen Varianten möglicher Geldwäsche, die oft durch sozialadäquates Verhalten getarnt sind323, erschweren es den Strafverfolgungsbehörden die Strukturen krimineller Organisationen sichtbar zu machen324. Durch die Informationsgewinnung aus dem inneren Organisationskreis können die sonst schwer ermittelbare „Papierspur“ nachvollzogen, Transaktionen zurückverfolgt und den kriminellen Verbindungen durch die Sicherstellung der betroffenen Gegenstände ihre finanziellen Grundlagen entzogen werden325. Die Norm soll für den Täter einer Straftat nach § 261 Abs. 1, 2 und 5 StGB daher einen Anreiz schaffen, strafbare Geldwäschevorgänge anzuzeigen, um an der Aufklärung dieser und der Vortaten mitzuwirken und die Sicherstellung der inkriminierten Gegenstände zu ermöglichen326. Ob mit der Einführung der Selbstanzeigevorschrift tatsächlich eine erhöhte Aufklärung der besagten Straftaten gelungen ist, ist nicht bekannt327. 2. Voraussetzungen der Selbstanzeige nach § 261 Abs. 9 S. 1 StGB Der Beteiligte einer Straftat nach § 261 StGB wird wegen Geldwäsche beziehungsweise Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte nicht bestraft, wenn er (1.) die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlasst, wenn nicht die Tat in diesem Zeitpunkt ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und er dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, und (2.) in den Fällen des § 261 Abs. 1 oder 2 StGB unter den zuvor genannten Voraussetzungen die Sicherstellung des Gegenstandes bewirkt, auf den sich die Straftat bezieht. Die Geldwäschetat muss mit der Anzeige in ihrem gesamten Umfang mitgeteilt werden, das heißt, Inhalt der Anzeige muss die vollständige Mitteilung aller dem Täter oder Teilnehmer bekannten wesentlichen tatsächlichen Um322  Fabel,

Geldwäsche und Tätige Reue, S. 67. Geldwäsche und Tätige Reue, S. 67; hierzu in kritischer Auseinandersetzung etwa Barton, StV 1993, 156 (156 ff.). 324  Fabel, Geldwäsche und Tätige Reue, S. 66. 325  Neuheuser, in: MK, § 261 StGB Rn. 101; Fabel, Geldwäsche und Tätige Reue, S. 67. 326  BT-Drs. 12 / 989, S. 28; BT-Drs. 12 / 3533, S. 15; Fabel, Geldwäsche und Tätige Reue, S. 66; Nestler, in: Herzog GwG, § 261 StGB Rn. 141; Stree / Hecker, in: Schönke / Schröder, § 261 Rn. 33; Ruhmannseder, in: Heintschel-Heinegg, § 261 Rn. 65. 327  Fischer, StGB, § 261 Rn. 50. 323  Fabel,

74

1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

stände sein, auf die sich die Selbstanzeige beziehen soll328. Da die strafbefreiende Wirkung dann aber auch nur für die begangene Geldwäsche eintritt, müssen die mit dieser konkurrierenden Straftaten nicht zur Anzeige gebracht werden, deren Verschweigen ist unschädlich329. Für die Wirksamkeit der Selbstanzeige ist es auch nicht erforderlich, dass diese durch den Beteiligten persönlich erfolgt330. Vielmehr kann dies durch Dritte, etwa den Geldwäschebeauftragten, einen Abteilungsleiter, den Verteidiger oder auch einen anderen Geldwäschebeteiligten, einen Vortatbeteiligten oder einen Unbeteiligten geschehen, wenn diese durch den Beteiligten dazu veranlasst wurden331. Ein Veranlassen einer Strafanzeige setzt hier eine gezielte Bewegung zur Anzeigeerstattung im Sinne von (Mit-)Ursächlichkeit voraus332, und dass es nicht bei einem innerdienstlichen Vorgang geblieben ist, sondern darüber hinaus nach außen hin der zuständigen Behörde im Sinne des § 152 Abs. 1 StPO gegenüber durch eine veranlasste Person wirklich eine Anzeige erstattet wurde333. So soll beispielsweise im Bankenbereich die Meldung eines potenziellen Geldwäschevorgangs durch einen Bankangestellten an den Geldwäschebeauftragten, der trotz des Bemühens des beteiligten Mitarbeiters keine Anzeige erstattet, da er irrtümlich nicht vom Vorliegen eines Verdachtsfalls ausgeht oder sich aus anderen Gründen gegen eine Anzeige entscheidet, nach dem Wortlaut des § 261 Abs. 9 StGB nicht ausreichen, so dass dem Mitarbeiter die Vergünstigung der Norm nicht zu Teil  werden kann334. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Dritte gegen den Willen des an der Geldwäsche Beteiligten handelt, so etwa bei Anzeigeerstattung durch den Strafverteidiger gegen den Willen seines Mandanten335. Ob sich der Verteidiger oder andere Geheimnisträger hierbei, gerade wenn er gleichzeitig Beteiligter der 328  Altenhain, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 261 Rn. 151; Sommer, in: AK-StGB, § 261 Rn. 76. 329  Hoyer, in: SK-StGB, § 261 Rn. 33; Nestler, in: Herzog GwG, § 261 StGB Rn. 143; Altenhain, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 261 Rn. 151; Stree / Hecker, in: Schönke / Schröder, § 261 Rn. 34. 330  Rixe, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 14 Rn. 57. 331  Dietmeier, in: Matt / Renzikowski, § 261 Rn. 34; Altenhain, in: Kindhäuser /  Neumann / Paeffgen, § 261 Rn. 151 f.; Stree / Hecker, in: Schönke / Schröder, § 261 Rn. 34; Sommer, in: AK-StGB, § 261 Rn. 76. 332  Ruhmannseder, in: Heintschel-Heinegg, § 261 Rn. 67; Dietmeier, in: Matt / Renzikowski, § 261 Rn. 34. 333  Neuheuser, in: MK, § 261 StGB Rn. 105; anders Schmidt / Krause, in: LK, § 261 Rn. 48. 334  Altenhain, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 261 Rn. 152; Ruhmannseder, in: Heintschel-Heinegg, § 261 Rn. 67; kritisch Nestler, in: Herzog GwG, § 261 StGB Rn. 143 f. und Fülbier, ZIP 1994, 699 (700); zum Verhältnis zur Anzeigepflicht nach dem Geldwäschegesetz und für das Fehlen eines Vorsatzelements argumentierend Walther, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, § 42 Rn. 513 und 514. 335  Jahn, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, § 261 Rn. 70.



C. Selbstanzeigen im Strafrecht75

Geldwäsche ist, gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbar machen kann, ist eine viel diskutierte Fragestellung336. Bestimmte Anforderungen an die Form sind gesetzlich nicht gestellt. Als Adressaten von Selbstanzeigen nach § 261 Abs. 9 S. 1 StGB sind grundsätzlich unabhängig von ihrer sachlichen und örtlichen Zuständigkeit im Einzelfall gemäß § 158 Abs. 1  StPO die Bundes- und Landespolizeien, die Staatsanwaltschaften und die Amtsgerichte sowie die Steuer- und Zollfahndungsbehörden und (gemäß § 11 Abs. 1 GwG) die Zentralstelle für Verdachtsanzeigen beim Bundeskriminalamt337 zuständig. Freiwilliges Handeln des Beteiligten einer Straftat nach § 261 Abs. 1, 2, 5 StGB liegt vor, wenn seine Beweggründe für die Selbstanzeige autonomer Natur und nicht durch eine äußere Zwangslage bedingt sind338. Es gilt grundsätzlich der gleiche Freiwilligkeitsbegriff wie im Rahmen des § 24 StGB339. Das Bestehen einer Pflicht zur Anzeige eines Geldwäscheverdachts nach dem GwG steht der Annahme von Freiwilligkeit gemäß § 11 Abs. 5  GwG dabei ausdrücklich nicht entgegen340. Ein Ausschlussgrund für das Eintreten der Wirkungen der Selbstanzeige liegt jedoch in der Entdeckung der Tat vor Anzeige bei gleichzeitiger Kenntnis beziehungsweise bei einem Kennenmüssen des Anzeigenden von diesem Umstand, weil er etwa von polizeilichen Ermittlungen in der Sache erfährt341. Diese Einschränkung der Selbstanzeige ist nach dem Vorbild der steuerstrafrechtlichen Selbstanzeige gestaltet, weshalb entsprechend dem Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO von einer Entdeckung der Tat dann auszugehen ist, wenn bei vorläufiger Tatbewertung durch die Strafverfolgungsorgane auf Grundlage der vorhandenen Informationen, das heißt, auch ohne eine Anzeige des Betroffenen, mit Wahrscheinlichkeit von einer Verurteilung auszugehen ist342. Es schadet deshalb nicht, wenn der Anzeigende nur irrtümlich 336  Sommer, in: AK-StGB, § 261 Rn. 78; Jahn, in: Satzger / Schmitt / Widmaier, § 261 Rn. 70; Rixe, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 14 Rn. 61; Neuheuser, in: MK, § 261 StGB Rn. 110. 337  Jahn, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, § 261 Rn. 70; Dietmeier, in: Matt / Renzikowski, § 261 Rn. 34; Stree / Hecker, in: Schönke / Schröder, § 261 Rn. 34. 338  Sommer, in: AK-StGB, § 261 Rn. 74; Jahn, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, § 261 Rn. 71. 339  Rixe, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 14 Rn. 58; Schmidt / Krause, in: LK, § 261 Rn. 48. 340  Neuheuser, in: MK, § 261 StGB Rn. 105; Rixe, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 14 Rn. 58. 341  Stree / Hecker, in: Schönke / Schröder, § 261 Rn. 34. 342  BGHSt 55, 180 (186 ff.); BGH NStZ 1983, 415; Altenhain, in: Kindhäuser /  Neumann / Paeffgen, § 261 Rn. 154.

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

von einer Entdeckung ausgeht343. Diese kann auch durch eine ausländische Behörde oder gar eine Privatperson gegeben sein, wenn mit der baldigen Weiterleitung an die zuständige Behörde zu rechnen ist344. Die Kenntnis des Beteiligten einer Geldwäsche von der Tatentdeckung ist dann zu bejahen, wenn er aus den ihm nachweislich bekannten Tatsachen den Schluss gezogen hat, dass einer der genannten tauglichen „Entdecker“ so viel von der Tat erfahren hat, wie zur Kenntnis von der Tat des Täters erforderlich ist345. Zweck der Einschränkung ist es, der missbräuchlichen Ausnutzung der mit der Anzeige verbundenen Strafbefreiung entgegenzuwirken346. Im Fall der vorsätzlichen Tatbegehung ist gemäß § 261 Abs. 9 S. 1 Nr. 2 StGB zusätzliche Voraussetzung der Selbstanzeige das Bewirken der Sicherstellung der bemakelten Gegenstände und ihrer etwaigen Surrogate347 im Sinne von § 111b ff. StPO348. Es erfolgt hinsichtlich der Wirksamkeitsvoraussetzungen der Selbstanzeige demnach eine Differenzierung zwischen vorsätzlich begangenen Taten einerseits sowie leichtfertiger und versuchter Geldwäsche andererseits349. Hierdurch sollte bei der leichtfertigen Geldwäsche aus Sicht des Gesetzgebers dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich in manchen Fällen der Verdacht der Geldwäsche im Laufe einer längeren Geschäftsbeziehung erst allmählich herausstellt und die bereits leichtfertig gewaschenen Gegenstände infolge von Transaktionen nicht mehr sichergestellt werden können350. Bei Versuchstaten kann ein sicherzustellender Gegenstand von vornherein sogar fehlen351. Das Bewirken setzt sowohl den Erfolg als auch die Mitursächlichkeit der Angaben des sich selbst Anzeigenden für diesen Erfolg der Sicherstellung voraus352. Auch wenn die Strafverfolgungsbehörden Letztere trotz vorhandener Möglichkeit, gleich aus welchem Grund, unterlassen, soll die Selbstanzeige nach dem Wortlaut der Norm ausgeschlossen sein353. 343  Fabel,

Geldwäsche und Tätige Reue, S. 142. in: Heintschel-Heinegg, § 261 Rn. 68. 345  Rixe, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 14 Rn. 60. 346  BT-Drs.  12 / 989, S. 28; Altenhain, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 261 Rn. 154. 347  Altenhain, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 261 Rn. 155; Jahn, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, § 261 Rn. 68a. 348  Fischer, StGB, § 261 Rn. 51. 349  Jahn, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, § 261 Rn. 68a. 350  BT-Drs.  12 / 989, S. 28; BT-Drs.  12 / 3533, S. 15; Hoyer, in: SK-StGB, § 261 Rn. 32; Stree / Hecker, in: Schönke / Schröder, § 261 Rn. 34; Neuheuser, in: MK, § 261 StGB Rn. 107. 351  Hoyer, in: SK-StGB, § 261 Rn. 32. 352  Sommer, in: AK-StGB, § 261 Rn. 77; Altenhain, in: Kindhäuser / Neumann /  Paef­fgen, § 261 Rn. 155. 344  Ruhmannseder,



C. Selbstanzeigen im Strafrecht77

3. Rechtsfolgen einer Selbstanzeige nach § 261 Abs. 9 S. 1 StGB Bei § 261 Abs. 9 S. 1 StGB handelt es sich um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund, der unabhängig von der Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch nach § 24 StGB besteht354. Selbst bei tateinheitlicher oder auch -mehrheitlicher Begehung anderer Straftaten, tritt nach dem Wortlaut der Vorschrift entsprechend der Anzeige Straffreiheit nur für die angezeigte Geldwäschetat ein355. Teilweise wird jedoch für eine entsprechende Anwendung des § 261 Abs. 9 S. 1 StGB bei Vorliegen einer steuerstrafrechtlichen Selbstanzeige nach § 371 AO plädiert, durch die der steuerhinterziehende Täter hinsichtlich des aus der Vortat herrührenden Gegenstandes gleichzeitig auch von der Strafbarkeit wegen Geldwäsche befreit werden soll356. 4. Abschließende Betrachtung Die Vorschrift zur Selbstanzeige von Geldwäschestraftaten reiht sich in die vorhandenen Regelungen zu Tätiger Reue und Selbstanzeige ein. Sie weist hinsichtlich ihrer Elemente eine strukturelle Ähnlichkeit mit der Tätigen Reue auf und enthält aufgrund ihrer Gestaltung nach dem Vorbild der steuerstrafrechtlichen Selbstanzeige des § 371 AO gleichzeitig weitere, besondere Anforderungen für die Privilegierung des Täters.

III. Die Selbstanzeige im Beitragsstrafrecht Ebensolch eine Stellung nimmt § 266a Abs. 6 StGB ein. Die Norm privilegiert den in Liquiditätsschwierigkeiten befindlichen Arbeitgeber sowie diesem nach § 266a Abs. 5 StGB gleichgestellte Personen nach vollendeter Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen beziehungsweise Veruntreu353  Altenhain, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 261 Rn. 155; zu Recht kritisch hierzu Sommer, in: AK-StGB, § 261 Rn. 77; Nestler, in: Herzog GwG, § 261 StGB Rn. 146; Jahn, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, § 261 Rn. 68a, der aber für diesen Fall auf eine Anwendung des § 46b StGB verweist. 354  Schmidt / Krause, in: LK, § 261 Rn. 48; Jahn, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, § 261 Rn. 68; Dietmeier, in: Matt / Renzikowski, § 261 Rn. 34. 355  Neuheuser, in: MK, § 261 StGB Rn. 107; Sommer, in: AK-StGB, § 261 Rn. 73; Altenhain, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 261 Rn. 149. 356  Bülte, ZStW 122 [2010], 550 ff.; Stree / Hecker, in: Schönke / Schröder, § 261 Rn. 34; Modlinger, PStR 2011, 316 (316), plädiert für das Zugestehen einer rechtfertigenden Pflichtenkollision an den Täter; für eine selbstständige Behandlung der steuer­strafrechtlichen Selbstanzeige und derjenigen nach § 261 Abs. 9 S. 1 StGB jedoch Neuheuser, in: MK, § 261 StGB Rn. 104.

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

ung anderer einzubehaltender Teile des Arbeitsentgelts des Arbeitnehmers im Sinne Tätiger Reue357. Sie ist aber teilweise auch entsprechend der strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO ausgestaltet358. Gemäß § 266a Abs. 6 StGB kann das Gericht in den Fällen des § 266a Abs. 1 und 2 StGB von einer Bestrafung absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat. Entrichtet der Täter unter diesen Voraussetzungen dann innerhalb einer von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist die Beiträge, wird er insoweit nicht bestraft. Auch auf Absatz  3 des § 266a StGB soll diese Regelung entsprechend angewendet werden. 1. Ratio legis der Selbstanzeige nach § 266a Abs. 6 StGB Der Ratio des § 266a Abs. 6 StGB liegt einerseits der Aspekt der Unrechtsund Schuldminderung des Beitragspflichtigen zugrunde359. Insbesondere in einer wirtschaftlichen Krise von kleinen und mittleren Unternehmen mag sich dieser zuweilen in einer Zwangslage wiederfinden, in der er mangels ausreichender finanzieller Mittel für all seine Verbindlichkeiten einer Insolvenz gegenübersteht und daher eine Entscheidung zwischen der Auszahlung der Nettolöhne an seine Mitarbeiter ohne Entrichtung der betreffenden Sozialbeitrage mit der Gefahr einer Strafbarkeit einerseits und der Entrichtung der um die Sozialbeiträge gekürzten Nettolöhne mit der Gefahr des Verlusts von Mitarbeitern und Arbeitsplätzen andererseits treffen muss360. Einem solchen Arbeitgeber, der sich in einem voraussichtlich behebbaren wirtschaft­ lichen Engpass befindet, soll die Vorschrift des § 266a Abs. 6 StGB eine „goldene Brücke“ in die Legalität zurück bauen und damit seiner Ausnahmesituation Rechnung tragen, ohne die strafrechtliche Sicherung des Beitragsaufkommens zu gefährden361. 357  Tag, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 266a Rn. 124, bezeichnet § 266a Abs. 6 StGB als „präventiv(e) tätige Reue“; siehe aber auch Krack, NStZ 2001, 505 (509), der zu Recht differenzierend anmerkt, dass Grund der Regelung des § 266a Abs. 6 StGB nicht die Vorverlagerung der Vollendungsstrafbarkeit ist und sich die Norm daher insofern von anderen Regelungen Tätiger Reue unterscheidet. 358  Heinrich, in: Arzt / Weber / Heinrich / Hilgendorf, § 23 Rn. 31 und 33; Wiedner, in: Graf / Jäger / Wittig, § 266a StGB Rn. 109. 359  Fritz, Die Selbstanzeige im Beitragsstrafrecht, S. 148; Heinrich, in: Arzt / Weber / Heinrich / Hilgendorf, § 23 Rn. 33; Winkelbauer, wistra 1988, 16 (17). 360  BT-Drs.  10 / 318, S. 26, 30; Wiedner, in: Graf / Jäger / Wittig, § 266a StGB Rn. 98. 361  BT-Drs. 10 / 318, S. 26, 30.



C. Selbstanzeigen im Strafrecht79

Dieser letztgenannte Aspekt bildet eine weitere Erwägung der Norm. Durch die Gewährung von Straffreiheit für die Nachentrichtung der ursprünglich vorenthaltenen Beiträge soll für den säumigen Beitragsschuldner andererseits ein Anreiz geschaffen werden seine Schuld innerhalb einer angemessenen Frist doch noch zu begleichen und dadurch – wie bei § 371 AO – im Sinne einer Effektivitätssteigerung der Arbeit der Einzugsstelle dem fiskalischen Interesse, nachträglich doch noch an die vorenthaltenen Beiträge zu gelangen, Rechnung getragen werden362. Die Nachzahlung der Beiträge führt dann zu einer „restitutiven Wiedergutmachung“ des Schadens, durch die das Strafbedürfnis entfällt und der Täter die Straffreiheit „verdient“363. 2. Voraussetzungen der Selbstanzeige nach § 266a Abs. 6 StGB Aus inhaltlicher Sicht hat der Abführungspflichtige in seiner Mitteilung an die Einzugsstelle gemäß § 266a Abs. 6 S. 1 StGB die Vorenthaltung der Beiträge und deren Höhe beziehungsweise die für die Bestimmung der Höhe notwendigen Grundlagen vollständig zu offenbaren364. Die Selbstanzeige soll es dabei der Einzugsstelle ermöglichen, den tatsächlichen Sachverhalt ohne eigene Nachforschungen aufzudecken und ihr mögliches weiteres Vorgehen auf eine zutreffende Grundlage zu stellen365. Zu den vorenthaltenen Beiträgen zählen diejenigen Arbeitnehmerbeiträge, die bei Fälligkeit an die Einzugsstelle abzuführen waren, und diejenigen, die spätestens zu diesem Zeitpunkt abzuführen sind366. Bereits früher fällig gewordene, hinterzogene Beiträge sollen nicht hierzu zählen367. Außerdem muss in der Mitteilung die Unmöglichkeit der fristgerechten Zahlung dargelegt werden. Dieses Erfordernis wird zu Recht als etwas missverständliche Formulierung betrachtet: Bei einer unverschuldeten Unmöglichkeit der Erfüllung einer Handlungspflicht im Zeitpunkt der Tat wird 362  BT-Drs.  10 / 318, S. 26; Fritz, Die Selbstanzeige im Beitragsstrafrecht, S. 149; Winkelbauer, wistra 1988, 16 (17). 363  Fritz, Die Selbstanzeige im Beitragsstrafrecht, S. 149; BT-Drs.  10 / 318, S. 26, 31. 364  Wiedner, in: Graf / Jäger / Wittig, § 266a StGB Rn. 100 f.; Fischer, StGB, § 266a Rn. 32. 365  BT-Drs.  10 / 318, S. 26, 30; Tag, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 266a Rn. 127. 366  BT-Drs. 10 / 318, S. 31; Möhrenschläger, in: LK, § 266a Rn. 99. 367  Winkelbauer, wistra 1988, 16 (17); Radtke, in: MK, § 266a StGB Rn. 82; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266a Rn. 24; Fritz, Die Selbstanzeige im Beitragsstrafrecht, S. 94.

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

schon der Tatbestand des Unterlassungsdelikts ausgeschlossen368. Der Anwendungsbereich der Norm wird daher auf die Fälle begrenzt, in denen nach den Grundsätzen der actio / omissio libera in causa / omittendo auf eine vorverlagerte Strafbarkeit wegen einer auf dem vorwerfbaren Vorverschulden des Arbeitsgebers beruhenden Zahlungsunfähigkeit abzustellen ist369. Wegen eines ansonsten aber zu schmalen Anwendungsbereichs370 gehören zu den von § 266a Abs. 6 S. 1 Nr. 1 StGB erfassten Fällen allerdings auch die Situa­ tionen, in denen dem Beitragspflichtigen die rechtzeitige Zahlung zwar nicht völlig unmöglich, jedoch insbesondere im Hinblick auf die begründete Aussicht auf Weiterführung seines Betriebes aus einem anderen triftigen Grund erheblich erschwert und daher (wirtschaftlich) unzumutbar ist, weil er etwa noch vorhandene liquide Mittel erstrangig zur Erfüllung anderer Verbindlichkeiten zur Erhaltung von Arbeitsplätzen oder den Bestand des Unternehmens eingesetzt hat371. Ebenso hat der Arbeitgeber sein ernsthaftes Bemühen um fristgerechte Zahlung darzulegen. Ein solches setzt voraus, dass er  – nicht nur zum Schein – alle aus seiner Sicht tatsächlich bestehenden und zumutbaren Möglichkeiten genutzt haben muss, um an die erforderlichen finanziellen Mittel zu gelangen372. Sinnlose Maßnahmen werden hierbei aber nicht verlangt373. Um einer missbräuchlichen Ausnutzung der Regelung zu begegnen, wird gefordert, dass der Sachverhalt wahrheitsgemäß mitgeteilt wird, die Umstände der genannten Unmöglichkeit und des ernsthaften Bemühens also nicht nur dargelegt werden, sondern auch objektiv-real gegeben sind, wobei die subjektive Tätervorstellung Berücksichtigung finden soll374.

368  BGH NStZ 1997, 125 (126); Winkelbauer, wistra 1988, 16 (17); Tag, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 266a Rn. 129; Beukelmann; in: Dölling / Duttge / König / Rössner, § 266a StGB Rn. 36; sehr kritisch Fischer, StGB, § 266a Rn. 30. 369  Möhrenschläger, in: LK, § 266a Rn. 98; Winkelbauer, wistra 1988, 16 (17); Tag, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 266a Rn. 129; Fischer, StGB, § 266a Rn. 31; Renzikowski hält jedoch auch diese „Ausnahmelösung“ für unvereinbar mit § 266a Abs. 6 StGB, vgl. Renzikowski, in: FS-Weber, 333 (343 ff.). 370  Wiedner, in: Graf / Jäger / Wittig, § 266a StGB Rn. 103. 371  Winkelbauer, wistra 1988, 16 (18); Möhrenschläger, in: LK, § 266a Rn. 98; Wiedner, in: Graf / Jäger / Wittig, § 266a StGB Rn. 103; Bente, in: Achenbach / Ransiek, 3. Aufl., 12. Teil, 2. Kap., Rn. 52; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266a Rn. 23. 372  Perron, in: Schönke / Schröder, § 266a Rn. 23; Radtke, in: MK, § 266a StGB Rn. 81; Tag, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 266a Rn. 131. 373  Perron, in: Schönke / Schröder, § 266a Rn. 23. 374  BT-Drs.  10 / 318, S. 31; Hoyer, in: SK-StGB, § 266a Rn. 93; Radtke, in: MK, § 266a StGB Rn. 81; Bente, in: Achenbach / Ransiek, 3. Aufl., 12.  Teil, 2.  Kap., Rn. 52; Winkelbauer, wistra 1988, 16 (17).



C. Selbstanzeigen im Strafrecht

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Hervorzuheben ist im Hinblick auf die materiellen Voraussetzungen noch, dass die Selbstanzeigevorschrift kein freiwilliges Verhalten des säumigen Arbeitgebers verlangt, da die Privilegierung des Täters nicht an etwaige autonome Motive, sondern allein an die verminderte Vorwerfbarkeit seines strafbaren Verhaltens anknüpft375. In formeller Hinsicht verlangt die Regelung zum einen, dass die Mitteilung im Zeitpunkt der Fälligkeit erfolgt, beziehungsweise unverzüglich, das heißt, „ohne schuldhaftes Zögern“ im Sinne der Legaldefinition des § 121 Abs. 1 S. 1 BGB376. Hierdurch sollen je nach den Umständen des Einzelfalles noch verhältnismäßig kurze Überschreitungen der Zahlungsfrist hingenommen werden können377. Zudem verlangt das Gesetz für die „Offenbarung“ Schriftlichkeit; die Aufnahme zu Protokoll der Einzugsstelle im Sinne von § 126 Abs. 1  BGB wird als ausreichend angesehen378. Die Materialien begründen das Schriftlichkeitserfordernis knapp mit dem Zweck der Beweis­ erleichterung379. Außerdem wird auf einen Übereilungsschutz vor der Selbstbezichtigung verwiesen380. Das Schriftformerfordernis wird aber teilweise sehr kritisch betrachtet. Es sei als sachfremdes Erfordernis nicht mit dem materiell-rechtlichen Aspekt der Unrechts- und Schuldminderung vereinbar, weil es auf diesen keine Auswirkungen habe und den rücktrittswilligen Beitragsstraftäter belaste381. Prozessuale Interessen dürften nicht die Grundlage einer materiell-rechtlichen Regelung sein382. Mag diese Kritik auch berechtigt sein, so verlangt der Wortlaut des Gesetzes nun einmal eindeutig die Einhaltung der Schriftform383. Der persönliche Anwendungsbereich ist im Fall des § 266a Abs. 6 S. 1 StGB nach seinem Wortlaut auf Arbeitgeber und diesen nach § 266a Abs. 5 375  Krack, NStZ 2001, 505 (509); Tag, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 266a Rn. 124; zu den der Norm zugrundeliegenden Erwägungen bereits soeben unter 1. Teil, C. III. 1. 376  BT-Drs.  10 / 318, S. 31; näher hierzu Tag, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 266a Rn. 128. 377  BT-Drs. 10 / 318, S. 31. 378  Hoyer, in: SK-StGB, § 266a Rn. 98; Wiedner, in: Graf / Jäger / Wittig, § 266a StGB Rn. 106. 379  BT-Drs. 10 / 318, S. 31. 380  Tag, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 266a Rn. 132. 381  Fritz, Die Selbstanzeige im Beitragsstrafrecht, S. 149; sehr kritisch auch Fischer, StGB, § 266a Rn. 32; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266a Rn. 24. 382  Winkelbauer, wistra 1988, 16 (18); Perron, in: Schönke / Schröder, § 266a Rn. 24. 383  Fritz, Die Selbstanzeige im Beitragsstrafrecht, S. 127 ff.; Radtke, in: MK, § 266a StGB Rn. 82; Winkelbauer, wistra 1988, 16 (18), merkt an, dass bei fehlender Einhaltung des Schriftformerfordernisses dem Täter dann nur mit Hilfe der Strafzumessung oder einer prozessualen Lösung geholfen werden kann.

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

und § 14 StGB gleichgestellte Personen begrenzt, die die Selbstanzeigemitteilung zumindest veranlasst haben müssen, sei es auch durch einen Bevollmächtigten oder gar einen Bediensteten der Einzugsstelle; § 266a Abs. 6 S. 2 StGB ist auf den „Täter“ beschränkt384. Nach wohl einhelliger Ansicht ist der Adressatenkreis der Norm aber auch analog auf Teilnehmer zu erweitern385. Auch diesen soll die Möglichkeit der Erlangung von Straffreiheit offen stehen, wenn sie die relevante Mitteilung veranlassen beziehungsweise selbst Beiträge nachträglich entrichten386. Dass die Selbstanzeige des Beitragsstrafrechts wegen § 266a Abs. 6 S. 3 StGB sowohl für § 266a Abs. 1 StGB, also das Vorenthalten von Sozialver­ sicherungsbeiträgen, als auch für § 266a Abs. 2 StGB und das Veruntreuen von Arbeitsentgelt nach § 266a Abs. 3 StGB gilt, wird häufig kritisiert387. 3. Rechtsfolgen einer Selbstanzeige nach § 266a Abs. 6 StGB Die „Tatfolgen-Ausnahmeregelung“388 des § 266a Abs. 6 StGB beinhaltet zwei unterschiedliche, in einem Stufenverhältnis zueinander stehende389 Rechts­folgen: Ein fakultatives Absehen von Strafe und einen obligatorischen persönlichen Strafaufhebungsgrund390. Das Gericht trifft nach pflichtgemäßem Ermessen eine Entscheidung darüber, ob eine Strafe verhängt wird, indem es sich unter anderem an der Schwere der Bedrängnis des Täters und der den Arbeitsplätzen des Betriebes

384  Möhrenschläger,

in: LK, § 266a Rn. 96. sowie zu dem Problem einer Anwendbarkeit auf Vertreter und Teil­ nehmer bei § 266a Abs. 6 S. 2 StGB Fritz, Die Selbstanzeige im Beitragsstrafrecht, S. 139 ff.; Winkelbauer, wistra 1988, 16 (18); Radtke, in: MK, § 266a StGB Rn. 91 und Perron, in: Schönke / Schröder, § 266a Rn. 27 jeweils mit der Erläuterung gegebenenfalls problematischer Konstellationen. 386  Tag, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 266a Rn. 138; Möhrenschläger, in: LK, § 266a Rn. 96, 104; näher hierzu vor allem Winkelbauer, wistra 1988, 16 (18 und 19). 387  Vgl. hierzu Laitenberger, NJW 2004, 2703 (2706); Joecks, wistra 2004, 441 (443); Pelz, in: Wabnitz / Janovsky, 9.  Kapitel A. Rn. 293; Fischer, StGB, § 266a Rn. 30a; Wiedner, in: Graf / Jäger / Wittig, § 266a StGB Rn. 113; Beukelmann, in: Dölling / Duttge / König / Rössner, § 266a Rn. 39. 388  Fritz, Die Selbstanzeige im Beitragsstrafrecht, S. 148; Tag, in: Kindhäuser /  Neumann / Paeffgen, § 266a Rn. 123; Bente, in: Achenbach / Ransiek, 3. Aufl., 12. Teil, 2. Kap., Rn. 51, bezeichnet die Regelung gar als „Rücktrittsklausel“. 389  Fritz, Die Selbstanzeige im Beitragsstrafrecht, S. 148. 390  Wiedner, in: Graf / Jäger / Wittig, § 266a StGB Rn. 98 und 109; Matt, in: Matt /  Renzikowski, § 266a Rn. 75. 385  Hierzu,



C. Selbstanzeigen im Strafrecht

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drohenden Gefahr orientiert391. Dies bedeutet bei positivem Ausgang jedoch keinen Freispruch392. Werden die zunächst nicht abgeführten Beiträge dann doch noch innerhalb einer von der Einzugsstelle im Wege der Stundung393 bestimmten angemessenen Frist entrichtet, erlangt der Täter zwingend Straffreiheit. Bis zum Ablauf der behördlichen Frist ist der staatliche Strafanspruch damit als auflösend bedingt zu betrachten394. Die Angemessenheit der Frist bestimmt sich danach, welcher Zeitraum zur Geldmittelbeschaffung unter Berücksichtigung der gesamten Einkommensverhältnisse und Zahlungsverpflichtungen des Täters einerseits und dem grundsätzlich vorrangigen Interesse der Einzugsstelle an der Erlangung der Beiträge und einem Unterbleiben der Gefährdung der Beitragszahlungen andererseits für den Arbeitgeber möglich und zumutbar ist395. Da es sich um eine Frist strafrechtlicher Art handelt396, unterliegt ihre Bestimmung vollständig der tatrichterlichen Überprüfung397. War die Frist zu lang bemessen, darf der Anzeigeerstatter sie dennoch voll ausnutzen, war sie unangemessen kurz gesetzt, ist ein Überschreiten der gesetzten Frist unschädlich und es kommt auf eine Nachentrichtung in sachlich angemessener Zeit an398. Auch fristgerechte Zahlungen anderer Tatbeteiligter oder unbeteiligter Dritter kommen dem Beitragsschuldner zugute399. § 266a Abs. 6 S. 2 StGB findet auch dann Anwendung, wenn der Beitragsschuldner nach der Erfüllung der Voraussetzungen des § 266a Abs. 6 S. 1 StGB zahlt, ohne eine Fristsetzung durch die Einzugsstelle abzuwarten400. Kritisch wird dies für den Fall beurteilt, dass eine Zahlung ohne eine vorherige Mitteilung im Sinne von § 266a Abs. 6 S. 1 StGB bei Vorliegen der materiellen Erfordernisse (Zwangslage,

391  Heger, in: Lackner / Kühl, StGB, § 266a Rn. 18; Wiedner, in: Graf / Jäger / Wittig, § 266a StGB Rn. 108. 392  Tag, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 266a Rn. 126. 393  BT-Drs. 10 / 318, S. 31. 394  Fischer, StGB, § 266a Rn. 33; Radtke, in: MK, § 266a StGB Rn. 84. 395  BT-Drs. 10 / 318, S. 31. 396  Winkelbauer, wistra 1988, 16 (19); Fritz, Die Selbstanzeige im Beitragsstrafrecht, S. 104 f. 397  Radtke, in: MK, § 266a StGB Rn. 87; Heger, in: Lackner / Kühl, § 266a Rn. 19; Wiedner, in: Graf / Jäger / Wittig, § 266a StGB Rn. 110. 398  Wiedner, in: Graf / Jäger / Wittig, § 266a StGB Rn. 111; Radtke, in: MK, § 266a StGB Rn. 88; Möhrenschläger, in: LK, § 266a Rn. 106; nach Hoyer, in: SK-StGB, § 266a Rn. 102, bedarf es einer neuen Fristsetzung durch die Einzugsstelle. 399  Perron, in: Schönke / Schröder, § 266a Rn. 26; Winkelbauer, wistra 1988, 16 (19), der sich auch mit der Problematik der Fristsetzung gegenüber anderen Tatbeteiligten auseinandersetzt. 400  Matt, in: Matt / Renzikowski, § 266a Rn. 77; Wiedner, in: Graf / Jäger / Wittig, § 266a StGB Rn. 112.

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

ernsthaftes Bemühen um Zahlung) erfolgt, wobei dem dann jedenfalls im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen sein soll401. Teilnachzahlungen sind zunächst auf die geschuldeten Arbeitnehmerbeiträge anzurechnen und können nach dem Wortlaut der Vorschrift („insoweit“) auch nur zu einer partiellen Straffreiheit führen402. Tritt eine der Rechtsfolgen des § 266a Abs. 6 StGB ein, leben zuvor im Wege der Gesetzeskonkurrenzen zurückgetretene Straftatbestände nicht wieder auf403. 4. Abschließende Betrachtung Es wird deutlich, dass § 266a Abs. 6 StGB Gemeinsamkeiten mit § 371 AO hat, so zum Beispiel das fehlende Erfordernis der Freiwilligkeit der Anzeige, andererseits jedoch auch einige Abweichungen aufweist, wie etwa die Möglichkeit von Teilnachentrichtungen, die zur teilweisen Straffreiheit führen. In seiner praktischen Anwendung erlangt § 266a Abs. 6 StGB kaum Bedeutung, da die Einzugsstelle im Fall einer Selbstanzeige durch den säumigen Beitragsschuldner regelmäßig keine Strafanzeige erstattet und eine anderweitige Kenntniserlangung der Strafverfolgungsbehörden auf eine Ver­ fahrenseinstellung nach §§ 153, 153a, 154, 154a StPO hinauslaufen wird404. Dennoch ist der Vollständigkeit halber eine Darstellung im Rahmen der strafrechtlichen Selbstanzeigevorschriften erfolgt, zumal die Regelung, wie dargestellt, gerade in ihren Einzelheiten teils nicht unumstritten ist.

IV. Die Selbstanzeige im Parteienstrafrecht Eine im Allgemeinen weniger bekannte, ebenfalls zum Teil der steuerstrafrechtlichen Vorschrift zur strafbefreienden Selbstanzeige ähnliche Regelung405 401  Radtke, in: MK, § 266a StGB Rn. 85; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266a Rn. 26; Tag, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 266a Rn. 137; Fischer, StGB, § 266a Rn. 33; Hoyer, in: SK-StGB, § 266a Rn. 9. 402  BGH NStZ 1990, 587 (587); Tag, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 266a Rn. 135 f.; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266a Rn. 10a und 26; Winkelbauer, wistra 1988, 16 (18). 403  Wiedner, in: Graf / Jäger / Wittig, § 266a StGB Rn. 98. 404  Marburger / Wolber, S. 87 f.; Fritz, Die Selbstanzeige im Beitragsstrafrecht, S. 150; Tag, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, § 266a Rn. 125; kritisch Fischer, StGB, § 266a Rn. 30. 405  Zum Vergleich der beiden Selbstanzeigevorschriften Wegner, HRRS 2014, 52 (54 f.); sowie Wegner, DVBl. 2013, 422 (425).



C. Selbstanzeigen im Strafrecht

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hält das Parteienrecht bereit. Gemäß § 31d Abs. 1 S. 2 PartG wird wegen unrichtiger Angaben über Einnahmen und Vermögen einer Partei im Rechenschaftsbericht und anderer im Zusammenhang mit der Verbuchung und Weiterleitung von Spenden stehenden Straftaten (§ 31d Abs. 1 S. 1  PartG) nicht bestraft, wer unter den Voraussetzungen des § 23b Abs. 2 PartG eine Selbst­ anzeige nach § 23b Abs. 1 PartG für die Partei abgibt oder hieran mitwirkt406. Bei der Vorschrift steht in erster Linie das vom Gedanken der Transparenz der Parteienfinanzierung getragene Ziel umfassender Aufklärung im Fokus der Ratio der Vorschrift407. § 31d Abs. 1 S. 2  PartG bietet eine Möglichkeit der Nachkorrektur, die einen letzten Anreiz zur Erfüllung der Offenlegungspflicht etwaiger Verstöße geben soll408. Daneben kommt dem strafrechtlichen Aspekt eines geminderten Präventions- und Vergeltungsbedürfnisses Bedeutung zu409. Die Straftat muss beim Bundestagspräsidenten schriftlich zur Anzeige gebracht werden, wobei eine umfassende Offenlegung des Sachverhalts zu erfolgen hat410. Da § 31d Abs. 1  PartG nur absichtliche Verstöße unter Strafe stellt, ist die Unverzüglichkeit der Anzeige keine Voraussetzung für ihre Wirksamkeit411. In negativer Hinsicht wird die Wirksamkeit der Selbst­ anzeige durch ein Bekanntwerden der unrichtigen Angaben vor Anzeige­ erstattung ausgeschlossen, das heißt, die unrichtigen Angaben dürfen weder

406  § 23b Abs. 1 PartG lautet: „Erlangt eine Partei Kenntnis von Unrichtigkeiten in ihrem bereits frist- und formgerecht beim Präsidenten des Deutschen Bundestages eingereichten Rechenschaftsbericht, hat sie diese unverzüglich dem Präsidenten des Deutschen Bundestages schriftlich anzuzeigen.“ § 23b Abs. 2 PartG lautet: „Bei einer von der Partei angezeigten Unrichtigkeit unterliegt die Partei nicht den Rechtsfolgen des § 31b oder des § 31c, wenn im Zeitpunkt des Eingangs der Anzeige konkrete Anhaltspunkte für diese unrichtigen Angaben öffentlich nicht bekannt waren oder weder dem Präsidenten des Deutschen Bundestages vorgelegen haben noch in einem amtlichen Verfahren entdeckt waren und die Partei den Sachverhalt umfassend offen legt und korrigiert. Die zu Unrecht erlangten Finanzvorteile sind innerhalb einer vom Präsidenten des Deutschen Bundestages gesetzten Frist an diesen abzuführen.“ Zum Verhältnis zur „verwaltungsrechtlichen Selbstanzeige“ vgl. Saliger, in: Ipsen, PartG, § 31d Rn. 70. 407  BT-Drs. 14 / 8778, S. 16; Lampe, in: Erbs / Kohlhaas, § 31d PartG Rn. 20; Lenski, PartG, § 31d Rn. 24. 408  Lampe, in: Erbs / Kohlhaas, § 31d PartG Rn. 20; Saliger, in: Ipsen, PartG, § 31d Rn. 69. 409  Eingehend Saliger, in: Ipsen, PartG, § 31d Rn. 69. 410  Lenski, PartG, § 31d Rn. 26; Lampe, in: Erbs / Kohlhaas, § 31d  PartG Rn. 26; zu den inhaltlichen Mindestanforderungen siehe Saliger, in: Ipsen, PartG, § 31d Rn. 80. 411  Saliger, in: Ipsen, PartG, § 31d Rn. 76.

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

schon öffentlich bekannt sein, noch dem Präsidenten des Bundestages vorliegen, noch in einem amtlichen Verfahren entdeckt sein412. Als persönlicher Strafaufhebungsgrund413 sieht § 31d Abs. 1 S. 2 PartG bei Vorliegen einer wirksamen Selbstanzeige Straffreiheit vor414.

D. Weitere Regelungen zur Berücksichtigung tätiger Reue I. Kronzeugenregelungen Neben denjenigen Kronzeugenregelungen, die schon von der Betrachtung der Regelungen zur Tätigen Reue im Strafgesetzbuch mitumfasst sind415, existieren noch wenige weitere Vorschriften im Bereich des Strafrechts, nach denen dem Täter dafür, dass er sich den Strafverfolgungsbehörden als Informant zur Verfügung stellt, eine „Prämie“ in Form eines Strafnachlasses gewährt wird416. Diese Regelungen betreffen den Zeitraum nach Beendigung der Tat und werden im Rahmen der Strafzumessung relevant. 1. Strafmilderung oder Absehen von Strafe nach § 31 BtMG Ein außerhalb des Strafgesetzbuches geregelter Fall Tätiger Reue findet sich im Betäubungsmittelrecht mit § 31 BtMG. Die Norm verfolgt vor allem das Ziel den Strafverfolgungsbehörden mittels der Aufklärungs- und Präventionshilfe durch Beteiligte an Rauschgiftdelikten informativen Zugang zu dem Bereich des illegalen Rauschgifthandels zu verschaffen, um Straftaten in diesem Umfeld besser verfolgen und verhindern zu können, gerade auch vor dem Hintergrund internationaler Verstrickungen von Rauschgifthandelsorganisationen417. 412  Lenski, PartG, § 31d Rn. 26; Lampe, in: Erbs / Kohlhaas, § 31d  PartG Rn. 23; Ipsen, NJW 2002, 1909 (1914), meint, dass hierin das Merkmal der Freiwilligkeit zum Ausdruck kommt; ähnlich Saliger, in: Ipsen, PartG, § 31d Rn. 72. 413  Morlok, PartG, § 31d Rn. 8; Lenski, PartG, § 31d Rn. 21; Lampe, in: Erbs /  Kohlhaas, § 31d PartG Rn. 20. 414  Als problematisch wird das Eintreten der Rechtsfolge insbesondere für den Fall diskutiert, dass ein untergeordnetes Parteimitglied Verstöße an die höhere Parteiebene meldet, eine Anzeige jedoch unterbleibt, vgl. hierzu Saliger, in: Ipsen, PartG, § 31d Rn. 81, 83. 415  Dies sind etwa §§ 87 Abs. 3, 98 Abs. 2, 129 Abs. 6 StGB, vgl. 1. Teil, B. I. 416  Jescheck / Weigend, § 83  V  2, hier auch mit einer sehr kritischen Betrachtung von Kronzeugenregelungen hinsichtlich ihrer strafmildernden Wirkungen; kritisch etwa auch Eisenberg, StPO, Rn. 942 f. 417  BGH NJW 2002, 908 (909); Patzak, in: Körner / Patzak / Volkmer, BtMG, § 31 Rn. 1 ff.



D. Weitere Regelungen zur Berücksichtigung tätiger Reue

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Voraussetzungen für die hiernach vorgesehene Milderung der an sich zu verhängenden Strafe oder das Absehen von Strafe sind die Offenbarung eigenen, über den eigenen Tatbeitrag hinausgehenden418 Wissens des Täters, die Freiwilligkeit der Offenbarung, sowie ein Aufklärungserfolg, der darin besteht, dass eine bestimmte Rauschgiftstraftat, die mit der Tat des Täters in Zusammenhang steht, aufgedeckt (§ 31 S. 1 Nr. 1  BtMG) oder verhindert werden konnte (§ 31 S. 1 Nr. 2 BtMG). Ob letztendlich die verwirkte Strafe gemildert oder von ihr abgesehen wird, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts419. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung sind alle Umstände des Einzelfalls und damit Art und Umfang der offenbarten Tatsachen, deren Bedeutung für die Tataufklärung beziehungsweise Tatverhinderung, der Zeitpunkt der Mitteilung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden und die Schwere der aufgeklärten Tat einerseits und die Schwere der Straftat des Täters sowie seine Schuld andererseits gegeneinander abzuwägen420. Keinen Eingang in diese Abwägung dürfen die Schuldeinsicht, die Reue oder Motivation des aufklärenden Täters finden421. Die Norm war hinsichtlich ihrer Anforderungen „Vorbild“ für § 46b StGB422. 2. Hilfe zur Aufklärung / Verhinderung von schweren Straftaten nach § 46b StGB Dessen Voraussetzungen gleichen daher im Wesentlichen § 31 BtMG. Neben dem Vorliegen einer dem Täter vorwerfbaren Anlasstat, die mit einer erhöhten Mindestfreiheitsstrafe oder lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, und einer aufzuklärenden Straftat im Sinne von § 100a Abs. 2 StPO, verlangt auch § 46b Abs. 1 Nr. 1  und  2 StGB für eine strafmildernde Aufklärungsoder Präventionshilfe die Offenbarung eigenen Wissens, die im Fall der Präventionshilfe rechtzeitig gegenüber einer Dienststelle erfolgen muss, die Freiwilligkeit ebendieser Mitteilung, seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2013 einen sogenannten Konnexitätszusammenhang zwischen der Tat des Aufklärungs- oder Präventionsgehilfen und der betreffenden Katalogtat423 418  BGH

NStZ 1984, 319. BtMG, § 31 Rn. 168. 420  Weber, BtMG, § 31 Rn. 169 ff. 421  Weber, BtMG, § 31 Rn. 175 f. 422  Vgl. BT-Drs. 16 / 6268, S. 12; § 31 BtMG wurde bereits 1982 eingeführt, § 46b StGB erst durch das 43. Gesetz zur Änderung des StGB vom 29.07.2009, vgl. BGBl. I 2009, 2288. 423  Fischer, StGB, § 46b Rn. 1 und 9b; Kinzig, in: Schönke / Schröder, § 46b Rn. 7a f. 419  Weber,

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1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

sowie einen Aufdeckungs- beziehungsweise Vereitelungserfolg. Auch der Ausschlussgrund des § 46b Abs. 3 StGB deckt sich mit dem des § 31 BtMG. Die Art und Weise der für die Bemessung der Strafe im konkreten Einzelfall vorzunehmenden Gesamtwürdigung entspricht derjenigen bei § 31 BtMG424. In § 46b Abs. 2 StGB finden sich hierfür sogar genauere gesetz­ liche, nicht abschließende425 Vorgaben. § 46b StGB stellt grundsätzlich einen vertypten fakultativen Strafmilderungsgrund dar426, wobei das Gericht in besonderen Fällen nach § 46b Abs. 1 S. 4 StGB von Strafe absehen kann. Mit der Einführung der Kronzeugenregelung des § 46b StGB sollte potenziell kooperationsbereiten Tätern vor allem im Bereich der organisierten Kriminalität, des Terrorismus und der schweren Wirtschaftskriminalität ein Anreiz geboten werden zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten beizutragen, die ansonsten aufgrund der abgeschotteten, konspirativen Strukturen nur schwer aufklärbar und zu verhindern sind427. Dass auch nach der Einführung des § 46b StGB an der Sonderregelung des § 31 BtMG festgehalten wurde, beruht auf der hohen Bedeutung dieser Norm in der Praxis428. 3. § 153e StPO Aufgrund der Erwägung der Verhinderung besonders gefährlicher Straftaten erlaubt § 153e  StPO dem Generalbundesanwalt mit Zustimmung des Oberlandesgerichts – beziehungsweise nach Erhebung der Anklage in umgekehrter Konstellation – beim Vorliegen tätiger Reue von der Verfolgung wegen bestimmter Staatsschutzdelikte abzusehen beziehungsweise das Verfahren einzustellen429. Dies setzt ein aktives Handeln nach Tatvollendung auf Seiten des Täters voraus, das entweder in einem Beitrag zur Gefahrabwendung, welchen der Täter leistet, bevor ihm die Entdeckung der Tat bekannt geworden ist (§ 153e Abs. 1 S. 1  StPO), oder in einer Offenbarung mit der 424  Maier, 425  Maier,

in: MK, § 46b StGB Rn. 118. in: MK, § 46b StGB Rn. 118; Kinzig, in: Schönke / Schröder, § 46b

Rn. 16. 426  Fischer, StGB, § 46b Rn. 33; Kindhäuser, LPK-StGB, § 46b Rn. 1. 427  BT-Drs. 16 / 6268, S. 1 f.; kritisch zu § 46b StGB Sahan / Berndt, BB 2010, 647 (648 f.). 428  BT-Drs.  16 / 6268, S. 16; Fischer, StGB, § 46b Rn. 2; zur Abgrenzung der beiden Vorschriften und zum Verhältnis des § 46b StGB zu anderen Kronzeugenregelungen und Regelungen tätiger Reue vgl. etwa Patzak, in: Körner / Patzak / Volkmer, BtMG, § 31 Rn. 13; Kindhäuser, LPK-StGB, § 46b Rn. 7. 429  Diemer, in: KK-StPO, § 153e Rn. 1; Beukelmann, in: Graf, StPO, § 153e Rn. 1.



D. Weitere Regelungen zur Berücksichtigung tätiger Reue

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Tat zusammenhängenden Wissens gegenüber einer Dienststelle besteht430. Die Einstellung des Verfahrens kann sich auch auf andere leichtere Straftaten erstrecken, die tateinheitlich mit dem zunächst verfolgten Staatsschutzdelikt begangen wurden, und sich auch nur auf Teilakte des verwirklichten Staatsschutzdelikts beziehen431. Die Regelung beschreibt eine rein prozessuale Vergünstigung432.

II. Andere Strafzumessungsvorschriften zum Nachtatverhaltens des Täters 1. § 46 Abs. 2 S. 2 StGB Die soeben bereits angesprochene Aufklärungshilfe kann auch im Rahmen einer vorzunehmenden Strafzumessung außerhalb von bereichsspezifischen Regelungen eine Rolle spielen. Bei den für und gegen den Täter abzuwägenden Umständen ist gemäß § 46 Abs. 2 S. 2 StGB namentlich das Verhalten des Täters nach der Tat bei der Bemessung der Strafe durch das Gericht zu berücksichtigen, soweit sich daraus Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters zur Tat oder auf deren Unrechtsgehalt ziehen lassen433. Wird also Aufklärungshilfe unterhalb der Schwelle des § 46b StGB beziehungsweise des § 31  BtMG geleistet, ist diesem Nachtatverhalten in strafmildernder Weise nach § 46 Abs. 2 S. 2 StGB Rechnung zu tragen434. Eine Selbstanzeige im „allgemeinen Strafrecht“ ist demnach  – anders als etwa bei § 371 AO  – immer eine rein verfahrensrechtliche Regelung ohne materiell-rechtliche Wirkung435. 2. § 46a StGB und der Gedanke der Schadenswiedergutmachung Das in zahlreichen Normen des Strafrechts zur tätigen Reue anklingende und umschriebene Täterverhalten, auch aus Opferschutzgesichtspunkten einen durch die eigene Tat drohenden oder eingetretenen Schaden wieder abzuwenden und auch dadurch einen den Rechtsfrieden fördernden Ausgleich mit dem Opfer und dadurch wiederum eine „Versöhnung mit der Rechtsgemeinschaft“ zu erlangen, findet auch seinen Niederschlag in der besonderen 430  Meyer-Goßner / Schmitt,

Rn. 2.

431  Meyer-Goßner / Schmitt,

§ 153e Rn. 5; Beukelmann, in: Graf, StPO, § 153e

§ 153e Rn. 7. StPO, § 153e Rn. 1. 433  BGH NJW 1971, 1758; BGH NStZ 1985, 545. 434  Fischer, StGB, § 46 Rn. 65. 435  Kröpil, JR 2014, 382 (384). 432  Pfeiffer,

90

1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

Strafzumessungsregel des § 46a StGB436. Dieser stellt einen fakultativen vertypten Strafmilderungsgrund dar437. Das Gericht kann danach die Strafe mildern oder in bestimmten Fällen einer geringen verwirkten Strafe438 ganz von Strafe absehen, wenn der Täter im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs seine Tat wiedergutmacht, dies erstrebt oder das Opfer anderweitig entschädigt. § 46a StGB soll einen Anreiz für friedensstiftende Ausgleichsbemühungen des Täters schaffen439. Die Belange des Opfers gelten dann als für eine Strafmilderung ausreichend berücksichtigt, wenn der Täter in einem „kommunikativen Prozess“ mit dem Verletzten eine persönliche Leistung erbracht hat, das bedeutet, dem Opfer durch sein persönliches Einstehen für die Folgen der Tat, durch immaterielle Leistungen oder auch durch materielle Schadensersatzleistungen Genugtuung verschafft440.

III. Regelungen tätiger Reue außerhalb des Strafgesetzbuches 1. § 22b Abs. 2 StVG Auch außerhalb des Strafgesetzbuches findet sich mit § 22b Abs. 2  StVG i. V. m. § 149 Abs. 2 und 3 StGB ein persönlicher Strafaufhebungsgrund für den Täter einer Straftat nach § 22b Abs. 1 Nr. 3  StVG441. Nach dieser Sonderregelung erlangt der Täter Straffreiheit, der freiwillig die Ausführung der 436  § 46a StGB wurde mit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28.10.1994 in das Strafgesetzbuch eingeführt, BGBl. I 1994, 3186. Mit der Norm fanden Erfahrungen aus dem Jugendstrafrecht Eingang in das Erwachsenenstrafrecht, BT-Drs. 12 / 6853, S. 21. 437  Bußmann, in: Matt / Renzikowski, § 46a Rn. 2; Kindhäuser, LPK-StGB, § 46a Rn. 1. 438  Die verwirkte Strafe darf nicht höher sein als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen. Hintergrund dessen sind generalpräventive Erwägungen, BT-Drs. 12 / 6853, S. 22. 439  BT-Drs. 12 / 6853, S. 21; BGHSt 48, 134 (137 f.). 440  BGHSt 48, 134 (137 ff.). 441  § 22b Abs. 1 und 2 StVG Missbrauch von Wegstreckenzählern und Geschwindigkeitsbegrenzern lauten: (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1.  die Messung eines Wegstreckenzählers, mit dem ein Kraftfahrzeug ausgerüstet ist, dadurch verfälscht, dass er durch Einwirkung auf das Gerät oder den Messvorgang das Ergebnis der Messung beeinflusst, 2. die bestimmungsgemäße Funktion eines Geschwindigkeitsbegrenzers, mit dem ein Kraftfahrzeug ausgerüstet ist, durch Einwirkung auf diese Einrichtung aufhebt oder beeinträchtigt oder 3. eine Straftat nach Nummer 1 oder 2 vorbereitet, indem er Computerprogramme, deren Zweck die Begehung einer solchen Tat ist, herstellt, sich oder einem anderen verschafft, feilhält oder einem anderen überlässt.



D. Weitere Regelungen zur Berücksichtigung tätiger Reue91

vorbereiteten Tat aufgibt und eine von ihm verursachte Gefahr, dass andere die Tat weiter vorbereiten oder sie ausführen, abwendet oder die Vollendung der Tat verhindert und die Fälschungsmittel, soweit sie noch vorhanden und zur Fälschung brauchbar sind, vernichtet, unbrauchbar macht, ihr Vorhandensein einer Behörde anzeigt oder sie dort abliefert. Wenn die Gefahr, dass andere die Tat weiter vorbereiten oder sie ausführen, ohne Zutun des Täters abgewendet oder die Vollendung der Tat verhindert wird, so genügt an Stelle der Voraussetzungen des § 22b Abs. 2 Nr. 1  StVG das freiwillige und ernsthafte Bemühen des Täters, dieses Ziel zu erreichen. Da § 22b Abs. 1 Nr. 3 StVG schon das Vorbereiten einer Straftat nach § 22b Abs. 1 Nr. 1  und 2 StVG unter Strafe stellt und sich das Verhalten des Täters damit in der Deliktsphase vor der materiellen Begehung der Tat abspielt, müssen dieselben Erwägungen gelten wie bei den anderen Vorschriften zur Tätigen Reue442. 2. Absehen von einer Verbandssanktion nach § 5 des Entwurfs eines Verbandsstrafgesetzbuches Im September 2013 hat das Land Nordrhein-Westfalen der Öffentlichkeit den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden vorgestellt443. Seitdem ist eine weitgehende Grundsatzdiskussion um die Zulässigkeit und Notwendigkeit eines solchen Gesetzes wiederentbrannt. Nach dem Entwurf sieht das Gericht von einer Verbandssanktion ab, wenn der Verband ausreichende organisatorische oder personelle Maßnahmen getroffen hat, um vergleichbare Verbandsstraftaten zukünftig zu vermeiden und entweder kein bedeutender Schaden entstanden beziehungsweise dieser überwiegend wieder gut gemacht ist (§ 5 Abs. 1) oder der Verband durch freiwilliges Offenbaren wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Verbandsstraftat aufgedeckt werden konnte und den Ermittlungsbehörden Beweismittel zur Verfügung gestellt hat, die zum Tatnachweis geeignet sind (§ 5 Abs. 2). Ein Ausschlussgrund, durch den die privilegierende Rechtsfolge entfällt, soll nach § 5 Abs. 4 dann vorliegen, wenn die zum Tatnachweis geeigneten Beweismittel erst nach Erlass des Eröffnungsbeschlusses gemäß § 207  StPO offenbart werden.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 gilt § 149 Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches entsprechend. 442  Vgl. 1. Teil, B. II. 443  Der Entwurf ist auf den Internetseiten des Deutschen Instituts für Compliance abrufbar unter: http: /  / www.strafrecht.de / media / files / docs / Gesetzentwurf.pdf (zuletzt abgerufen am 18.06.2017).

92

1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

Mit der Vorschrift sollen aus präventiven Erwägungen die Überprüfung und Verbesserung von Compliance-Vorkehrungen gefördert und honoriert, ein Anreiz zur Offenlegung unternehmensinterner, ansonsten durch die Ermittlungsorgane nur schwer zu erlangender Erkenntnisse gegeben und im Interesse des Opferschutzes dem Gedanken der Wiedergutmachung Rechnung getragen werden444.

E. Conclusio: System und übergreifende Elemente der Rechtsfiguren der tätigen Reue Nach den vorangegangenen Ausführungen liegt die Vermutung nahe, dass die über die Strafvorschriften verteilten Regelungen zur tätigen Reue im Wesentlichen von gleichen Anforderungen geprägt sind. Dem nachzugehen und die gewonnenen Erkenntnisse zusammenzuführen ist Gegenstand des folgenden Abschnitts.

I. Zu Sinn und Zweck der Vorschriften Alle Rechtsinstitute der tätigen Reue sind von den gleichen Rechtsgedanken getragen. Diese finden sich fast allesamt in den wesentlichen „Denkansätzen“ zur Ratio legis des Rücktritts vom Versuch, der wohl historisch als erste gewachsenen Rechtsfigur tätiger Reue, wieder445, die somit für das Verständnis der Erwägungen zur tätigen Reue eine gute Grundlage darstellen. Die Schaffung einer Anreizwirkung für den Täter zur Rückkehr zur Legalität, die häufig mit dem Bau einer „goldenen Brücke“ beschrieben wird, taucht immer wieder als einer der Hauptgründe für das Bestehen einer Norm zur tätigen Reue auf. Der Täter soll Schäden und Gefahren noch abwehren, vor allem von seinem (potenziellen) Opfer, zu dessen Verletzung er nicht durch eine mangelnde Aussicht auf Abmilderung seiner Bestrafung veranlasst werden soll. Aus kriminalpolitischem Blickwinkel besteht bei einigen Delikten zudem ein Ungleichgewicht zwischen den dem Staat für seine Ermittlungs- und Verfolgungstätigkeit zur Verfügung stehenden Mitteln einerseits und heimlichen, organisierten Kriminalitätsstrukturen andererseits. Die Erlangung von Informationen über verborgene Sachverhalte mithilfe einer Vorschrift tätiger Reue stellt aus staatlicher Sicht häufig die einzige Möglichkeit dar, die Strukturen Organisierter oder Terroristischer Kriminalität aufzubrechen, Wissen über ein Netz des Betäubungsmittelhandels oder verbotene 444  Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden, S. 54 ff. 445  Vgl. 1. Teil, A. I.



E. Conclusio93

Parteienfinanzierungen zu erhalten oder Beiträge im Bereich des Steuer- oder Beitragsstrafrechts doch noch einzutreiben. Ist der Täter zu einer Umkehrleistung bereit, soll sein Verhalten honoriert werden. Durch den Ausgleich der eigenen Schuld wird oft von einer Art Versöhnung mit der Rechtsgemeinschaft ausgegangen, die eine Sanktionierung aus spezial- oder generalpräventiven Gründen hinfällig oder zumindest reduktionswürdig erscheinen lässt. Hieran knüpft auch der Aspekt der Wiedergutmachung an.

II. Die tatbestandlichen Elemente Die Bezugsstraftaten der Vorschriften tätiger Reue sind zumeist durch vorsätzliche Begehungsweisen gekennzeichnet, seltener existieren Regelungen tätiger Reue im Strafrecht auch für Fahrlässigkeitsdelikte („Element der subjektiven Tatseite“). Unabhängig hiervon lassen sich für die Vorschriften tätiger Reue in tatbestandlicher Hinsicht  – wie bereits im Rahmen der Darstellung der Voraussetzungen tätiger Reue im engeren Sinn angeklungen446 – einige essentielle Komponenten identifizieren, die zwar nicht alle Regelungen zur tätigen Reue durchgängig aufweisen, ihnen jedoch als übergreifende Elemente immer wieder zu entnehmen sind. Blöcker nimmt in diesem Zusammenhang für die Regelungen des Rücktritts und der tätigen Reue im engeren Sinn eine Einteilung nach vier konstitutiven Voraussetzungen vor: Freiwilligkeit der Reuehandlung, aktives Tätigwerden des Reuigen, Eintritt des „Erfolgs“ der Reuehandlung und Nichteintritt eines erheblichen Schadens447. Im Wesentlichen spielen aber nach der hiesigen, ähnlichen Betrachtung für die Rechtsinstitute der tätigen Reue im weiteren Sinn die folgenden vier Faktoren wiederholt eine Rolle: 1. Zunächst ist allen Vorschriften tätiger Reue grundsätzlich ein Element der nicht endgültigen Verwirklichung des Erfolgs in dem Sinn gemein, dass sich die einmal in Gang gesetzte Gefährdung oder der einmal bewirkte Schaden nicht manifestiert hat und damit nicht von einer Endgültigkeit einer dem Recht zuwiderlaufenden Situation ausgegangen werden muss. Der Rechtsbruch an sich, mag er bereits einen Schaden bewirkt haben oder bloß in einer (abstrakten) Gefährdung bestehen, ist nicht ir­ reparabel („Element der behebbaren Rechtsgutsbeeinträchtigung“). 2. Hierauf aufbauend, muss der Täter bezüglich seines konkreten Rechtsverstoßes Maßnahmen ergreifen, die den bewirkten Schaden oder die Gefahr abwenden, wiedergutmachen oder zumindest zum Teil ausgleichen, indem er vom bisherigen Vorhaben passiv Abstand nimmt, aktive 446  Vgl.

1. Teil, B. 3. Die Tätige Reue, S. 82 ff., vgl. auch 1. Teil, B. III., Fn. 167.

447  Blöcker,

94

1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

Erfolgsabwendungshandlungen vornimmt oder sich wenigstens ernsthaft um Erfolgsabkehr bemüht. Er muss auf dem einmal eingeschlagenen Weg zum Rechtsbruch „umkehren“. Hierbei richten sich die Anforderungen an die erforderliche Umkehrleistung konsequenterweise nach dem jeweils schon in Gang gesetzten Geschehen, so etwa beim Rücktritt oder einigen Normen zur tätigen Reue im engeren Sinn danach, ob die Tathandlung unbeendet oder beendet ist. Zu derartigen Umkehrleistungen zählen zum Beispiel die nachträgliche Entrichtung von Beiträgen im Zusammenhang mit dem Veruntreuen von Arbeitsentgelt oder der Steuerhinterziehung, das Bewirken der Sicherstellung von durch Geldwäsche inkriminierten Gegenständen oder die umfassende Aufklärung eines Sachverhalts sowie Wissenoffenbarung über geplante Straftaten, die zur Abwendung derselben führen, wie etwa in Fällen der §§ 31 BtMG und 46b StGB, die zwar nicht erfordern, dass der Täter seine eigene Tat rückgängig macht, jedoch aufgrund eines bestehenden Konnexitätserfordernisses ebenfalls eine gewisse Umkehr des Täters beschreiben. In der Regel ist Bedingung des Rechtsinstituts der tätigen Reue, dass das Umkehrverhalten kausal auf die Erfolgsabwendung wirkt; falls nicht, muss sich der Täter trotzdem ernsthaft darum bemüht haben und der anvisierte Erfolg muss auf andere Weise ausgeblieben sein („kausales Umkehrelement“). 3. Vor allem bei den Selbstanzeigeregelungen ist Voraussetzung für eine Privilegierung des Täters, dass dieser sich durch die konkrete Anzeige seines Fehlverhaltens selbst an die Strafverfolgungsbehörden „ausliefert“, wozu meistens vollständige Angaben zur Tat beziehungsweise zum der Tat zugrundeliegenden Sachverhalt, auf den sich die positiven Wirkungen der Selbstanzeige beziehen sollen, erforderlich sind („Selbstbezichtigungselement“). Verlangt wird dies insbesondere bei den Selbstanzeigen des Steuerstrafrechts und der Geldwäsche, dem unerlaubten Entfernen vom Unfallort, der Tätigen Reue bei der Bildung terroristischer oder krimineller Vereinigungen, der Berichtigung einer falschen Angabe beim Meineid oder der Anzeige nach § 31  BtMG. Diese Komponente geht häufig mit der des kausalen Umkehrelements einher. 4. Bei dem Großteil der Vorschriften zur tätigen Reue  – so etwa beim Rücktritt, § 261 Abs. 9 S. 1 StGB, im Betäubungsmittelrecht und den meisten Regelungen zur tätigen Reue im engeren Sinn – wird ein freiwilliges Vorgehen des Täters verlangt („Freiwilligkeitselement“). Dabei bezieht sich die Freiwilligkeit entweder auf die Umkehrhandlung an sich, das heißt, auf die konkrete Entscheidung zur Abstandnahme von der Tat und das Nichteintretenlassen des anvisierten Erfolgs, oder in anderen Fällen auf die beschriebene Selbstbezichtigung, also die Meldung des eigenen Fehlverhaltens im Sinne einer Selbstanzeige. Das Merkmal der



E. Conclusio95

Tatentdeckung ist von der Komponente der Freiwilligkeit grundsätzlich entkoppelt und getrennt zu betrachten, schließt diese daher nicht automatisch aus. Es findet sich bei Regelungen tätiger Reue als zusätzliche Komponente des Tatbestandes wieder oder ist ausdrücklich als Ausschlussgrund vorgesehen, wie beispielsweise bei § 371 AO. In vereinzelten Fällen kann die Entdeckung Auswirkungen auf die Annahme freiwilligen Verhaltens haben.

III. Rechtliche Wirkungen Bezüglich der Rechtsfolgen der tätigen Reue gilt Folgendes: Die Vorschriften stellen zu einem größeren Teil  obligatorische persönliche Strafaufhebungsgründe dar. Diese sind neben dem Rücktritt vom Versuch und der steuerstrafrechtlichen Selbstanzeige nach § 371 AO einige Regelungen der tätigen Reue im engeren Sinn wie §§ 84 Abs. 5 Hs.  2, 98 Abs. 2 S. 2, 129 Abs. 6 Hs.  2, 149 Abs. 2 StGB, §§ 261 Abs. 9 S. 1  und 266a Abs. 6 S. 2 StGB, § 31d Abs. 1 S. 2 PartG und § 22b Abs. 2 StVG i. V. m. § 149 Abs. 2, 3 StGB. Die privilegierenden Wirkungen des Rechtsinstituts treten in der Regel nur für die Straftat ein, auf die sich die tätige Reuehandlung bezieht, und lässt die Strafbarkeit nach anderen Straftatbeständen unberührt448. Sehr häufig ist als Rechtsfolge auch der Weg einer fakultativen Strafmilderung eröffnet, wie bei § 266a Abs. 6 S. 1 StGB, und alternativ die Möglichkeit des Absehens von Strafe vorgesehen, so für § 31 BtMG, §§ 46b, 46a StGB und wiederum einige Regelungen zur Tätigen Reue wie §§ 83a, 84 Abs. 5 Hs. 1, 89a Abs. 7 oder 98 Abs. 2 S. 1, 129 Abs. 6 Hs. 1 oder 158 Abs. 1 StGB. Prozessual hat beim Vorliegen eines persönlichen Strafaufhebungsgrundes im Urteil ein Freispruch zu erfolgen, in den davorliegenden Verfahrensabschnitten eine Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO beziehungsweise durch gerichtlichen Beschluss nach § 204 Abs. 1 StPO. Hingegen kann das Vorliegen eines Strafmilderungsgrundes als Strafzumessungsregel auf die Frage einer Verurteilung an sich beziehungsweise der Verfolgung der Tat im Ermittlungsverfahren zunächst keine Auswirkung haben. Das Gericht berücksichtigt die Milderung der Strafe in seinem in der Sache ergehenden Urteil. Das Ermittlungsverfahren hat im Sinne des geltenden Legalitätsgrundsatzes nach § 152 Abs. 2 StPO zu erfolgen, wonach die Staatsanwaltschaft grundsätzlich verpflichtet ist wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten449. Ein Absehen von Strafe wiederum  – wenn denn das Gericht sein Ermessen 448  Siehe beispielhaft 1. Teil, A. III. für den Rücktritt vom Versuch, 1. Teil, C. I. 3. für die steuerstrafrechtliche Selbstanzeige und 1. Teil, C.  II.  3. für die Selbstanzeige bei der Geldwäsche. 449  Zum Legalitätsprinzip Peters, in: MK-StPO, § 152 Rn. 20 und 26 ff.

96

1. Teil: Vorbilder aus dem Strafrecht

dahingehend ausübt – zieht ein Urteil mit Schuldspruch, aber ohne Straffestsetzung nach sich (§ 260 Abs. 4 StPO)450, während diese dem Gericht gesetzlich eingeräumte Entscheidungsmöglichkeit für die Verfolgung der Straftat in den vorherigen Verfahrensabschnitten aufgrund des geltenden Legalitätsprinzips ohne Bedeutung ist, es sei denn Staatsanwaltschaft oder Gericht sehen nach § 153b StPO451 von der Verfolgung ab. Die Unterschiede in den Rechtsfolgen verdeutlichen sich damit auch in den jeweiligen prozessualen Folgen. So mag sich der Täter bei einem Absehen von Strafe faktisch wie bei einem Freispruch von Strafe befreit fühlen, er ist nicht vorbestraft. Es wird jedoch ein Schuldvorwurf erhoben. Auch gegenüber der Anwendung einer Strafzumessungsregel ist ein klarer Freispruch auf der Grundlage des Bestehens eines Strafaufhebungsgrundes für den Täter selbstredend vorzugswürdig. Die prozessualen Regelungen nach § 398a AO und § 153e StPO stechen etwas hervor. § 398a AO stellt das einzige Verfahrenshindernis unter den strafrechtlichen Regelungen tätiger Reue dar und muss eine zwingende Einstellung, gleich in welchem Verfahrensstadium, zur Folge haben, im Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO, im Zwischenverfahren gemäß § 206a StPO und im gerichtlichen Hauptverfahren im Wege eines Einstellungsurteils nach § 260 Abs. 3 StPO. Die Rechtsfolge des § 153e StPO ist das fakultative Absehen von der Verfolgung, welches ebenfalls zur Einstellung führen muss. Die verbindlichen prozessualen Folgen des Verfahrenshindernisses sind damit denen der für den Täter vorteilhaftesten Regelungsart des persönlichen Strafaufhebungsgrundes noch am ähnlichsten. Die unterschiedliche Behandlung des Nachtatverhaltens durch die strafrechtlichen Vorschriften tätiger Reue und die Entscheidung für die eine oder andere Art der Rechtsfolgen mag nicht immer ohne Weiteres nachzuvollziehen sein. Trotz formell und rechtsdogmatisch unterschiedlicher Behandlung des Täters kann sich unabhängig davon, ob es sich um eine materiell-recht­ liche oder prozessuale Rechtsfolgenvorschrift handeln mag, die gleiche oder eine völlig unterschiedliche Wirkung für den Täter ergeben. Wie bereits im Rahmen der Erörterung der Rechtsfolgen nach §§ 371 und 398a AO angedeutet452, ist es daher wohl insgesamt eher eine rechtspolitische Entscheidung, welche Art der Rechtsfolge und welche damit zusammenhängende prozessuale und faktische Folge der Gesetzgeber für die Täter bestimmter Straftaten im Falle tätiger Reue favorisiert.

450  Beispielhaft für ein Absehen von Strafe nach § 31 BtMG Patzak, in: Körner /  Patzak / Volkmer, BtMG, § 31 Rn. 93. 451  Zu § 153b StPO statt vieler Peters, in: MK-StPO, § 153b Rn. 2 ff. 452  Siehe unter 1. Teil, C. I. 3.



E. Conclusio97

IV. Ergebnis Wenn auch nicht sofort auf den ersten Blick erkennbar, so zeigt sich, dass die über die Strafvorschriften verteilten Regelungen zur tätigen Reue einige identische oder zumindest sehr ähnliche Merkmale und Voraussetzungen aufweisen. Ihre unterschiedlichen Ausgestaltungen im Einzelnen erschließen sich zumeist aus der jeweils zugrundeliegenden Strafnorm und der gesetz­ geberischen Intention ihrer Einführung, stehen aber der Annahme eines gemeinsamen Systems453 nicht entgegen. Die vorstehenden Erkenntnisse sowie die Identifizierung der wesentlichen Elemente der Rechtsfiguren zur tätigen Reue werden an späterer Stelle wieder aufgegriffen und zur Analyse der dann betrachteten Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht wiederverwendet werden.

453  Bei alledem wird selbstverständlich nicht der Anspruch erhoben ein „perfekt aufgebautes Begriffs- oder Aussagegerüst“ zu gestalten. Zur Annahme des Bestehens eines Systems sehr passend Bottke, Strafrechtswissenschaftliche Methodik und Systematik, S. 689: „Wer von einem System verlangt, es müsse ein perfekt aufgebautes Begriffs- oder Aussagegerüst sein, wird auch nach dieser Arbeit nichts davon wissen wollen, der Rücktritt und das Nachtatverhalten bildeten ein ‚System‘. (…) Das Nobelwort ‚System‘ verdient aber nicht nur ein Gebäude ewig-wahrer Urteile, in das niemand einzutreten wagt, aus Angst, er könne in ihm nur stören. ‚System‘ kann  – zumal mit dem Zusatz ‚offen‘  – auch ein Gefüge ‚vorläufiger‘ Aussagen genannt werden, die zu Widerspruch und Kritik, Rede und Gegenrede, kurzum: zum Dialog einladen, weil sie ihren prinzipiellen revidierbaren Charakter nicht verschweigen, sondern als ‚wissenschaftliches‘ Kriterium verstehen“.

2. Teil

Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten liegt gemäß § 47 Abs. 1 S. 1 OWiG im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde. Hiermit kommt der im Ordnungswidrigkeitenrecht geltende Opportunitätsgrundsatz zum Ausdruck, nach dem  – anders als im Strafrecht1  – die jeweils zuständige Behörde bei Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit ein Bußgeldverfahren nicht einleiten und durchführen muss2. Bei der Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens darf sich die Verfolgungsbehörde zu ihrer Entscheidungsfindung jedoch nur auf sachliche Gründe stützen3. Solch ein sachlicher Grund ist etwa neben der Bedeutung und der Auswirkung der Tat, ihrer Vorwerfbarkeit und ihrer Folgen für den Betroffenen, das Verhalten des Täters nach der Tat4, welches auch eine Anzeige des eigenen ordnungswidrigen Verhaltens bei der Behörde umfasst. Eine etwaige Selbstanzeige wird die Verfolgungsbehörde daher in der Regel sanktionsmildernd berücksichtigen. In welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen dies jedoch im konkreten Einzelfall geschieht, ist nicht im Gesetz bestimmt, so dass sich die sanktionsrechtlichen Konsequenzen für eine sich selbst anzeigende natürliche oder juristische Person nicht mit Sicherheit vorhersehen lassen. In wenigen Vorschriften im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts wurde die spezielle Thematik von Selbstanzeigen jedoch ausdrücklich aufgenommen. Neben der relativ neuen, in dieser Ausarbeitung im Zentrum der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Selbstanzeigen im Ordnungswidrigkeitenrecht stehenden Norm des § 22 Abs. 4 AWG existieren auch im Steuerrecht und im Kartellrecht Regelungen, die Aussagen zum Umgang mit der­ artigen „nachträglichen Umkehrbemühungen“ bei bestimmten begangenen Ordnungswidrigkeiten treffen.

1  Vgl.

soeben unter 1. Teil, E. III. in: Graf, OWiG, § 47 Rn. 1. 3  Bücherl, in: Graf, OWiG, § 47 Rn. 8; Seitz, in: Göhler, OWiG, § 47 Rn. 7. 4  Seitz, in: Göhler, OWiG, § 47 Rn. 10. 2  Bücherl,



A. Die Selbstanzeige im Steuerordnungswidrigkeitenrecht99

Deren Erörterung, entsprechend der Darstellung der Vorschriften zur tätigen Reue im Strafrecht, soll nun der folgende Teil dieser Arbeit gewidmet sein.

A. Die Selbstanzeige im Steuerordnungswidrigkeitenrecht Nicht nur für das Steuerstrafrecht gibt es ein „milderndes Regulativ“5, das im Falle einer nachträglichen Offenlegung und Begleichung der Steuerschuld Sanktionsfreiheit gewährt, sondern auch für den Bereich der gemäß § 378 Abs. 1 AO als Ordnungswidrigkeiten qualifizierten leichtfertigen Steuer­verkürzungen: § 378 Abs. 3 AO. Erstmals wurde 1951 mit § 411 AO  a. F. nach dem Vorbild der steuerstrafrechtlichen Selbstanzeige eine besondere Selbstanzeigevorschrift für Fahrlässigkeitstäter eingeführt, die mit der Abgabenordnung in der Fassung vom 16.  März  1976 dann in § 378 Abs. 3 AO mündete6. Hinsichtlich der Behandlung im steuerrechtlichen Schrifttum steht die Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO eindeutig „im Schatten“ des § 371 AO7 und besitzt wohl auch die geringere praktische Bedeutung8. Dennoch erlangt die Vorschrift häufig insbesondere dann Relevanz, wenn der Nachweis der vorsätzlichen Steuerhinterziehung nicht gelingen kann9, die übrigen Wirksamkeitsvoraussetzungen einer steuerrechtlichen Selbstanzeige aber vorliegen. Nach § 378 Abs. 3 S. 1 AO wird eine Geldbuße wegen leichtfertiger Steuer­verkürzung nicht festgesetzt, soweit der Täter gegenüber der Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, bevor ihm oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Der Täter muss die aus der Tat zu seinen Gunsten verkürzten Steuern innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist entrichten, um Bußgeldfreiheit zu erlangen, falls Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt sind, § 378 Abs. 3 S. 2 AO. Nach § 378 Abs. 3 S. 3 AO gilt § 371 Abs. 4 AO entsprechend.

5  Buschmann,

BlStSozArbR 1960, 228 (228). DB 1981, 1480 (1480); Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 378 Rn. 101; Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 124. 7  Buschmann, BlStSozArbR 1960, 228 (228). 8  Hierzu schon sehr früh Kopacek, BB 1962, 875 (876); ders., DStR 1965, 105 (105); Dörn, wistra 1994, 10 (11). 9  Joecks, in; Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 8. 6  Müller,

100 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

§ 378 Abs. 3 AO fungiert gleichsam „als Gegenstück“ zur strafbefreienden Selbstanzeige bei vorsätzlicher Steuerhinterziehung10. Die für die Letztere geltenden Anforderungen an Form und Inhalt der Selbstanzeige und die sonstigen Wirksamkeitsvoraussetzungen sind deshalb auch im Grundsatz auf die bußgeldbefreiende Selbstanzeige übertragbar11, so auch grundsätzlich das seit dem Selbstanzeigebeschluss gebildete neue Rechtsverständnis12. Es liegt auf der Hand, dass sich somit die für § 371 AO als Teil der Vorschriften zur tätigen Reue identifizierten Elemente bei der Betrachtung der Selbstanzeige im Steuerordnungswidrigkeitenrecht wiederfinden. Allerdings existieren zwischen den Normen auch wesentliche Unterschiede13, die sich vor allem aus der divergierenden Tatsituation ergeben: Der Täter einer Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 1 AO verstößt „nur“ infolge einer Verletzung besonderer Sorgfaltspflichten gegen das Steuerrecht und ist gerade nicht, wie bei § 371 AO, bewusst steuerunehrlich14. Deshalb sieht § 378 Abs. 3 AO unter anderem nur einen einzigen Ausschlussgrund für die Selbstanzeige vor15 und bezieht sich in subjektiver Hinsicht nur auf leichtfertige Verstöße eines begrenzten Täterkreises. Gerade aufgrund dieser teils kapitalen Unterschiede stellt § 378 Abs. 3 AO eine für den Steuerpflichtigen im Verhältnis zu § 371 AO großzügigere und weiter gestaltete Selbstanzeigeregelung dar16, was sich auch in dem Umstand bestätigt, dass mit den normverschärfenden Änderungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz und der Gesetzesreform aus dem Jahr 2014 bei § 378 Abs. 3 AO – anders als bei § 371 AO – lediglich sprachliche Änderungen und Anpassungen erfolgten, die den Inhalt der Regelung unangetastet ließen17. In Anknüpfung an die bereits vorgenommene, etwas ausführlichere Erörterung zu § 371 AO18 ist die folgende Darstellung zu § 378 Abs. 3 AO vor allem auf die angedeuteten relevanten Unterschiede fokussiert und begrenzt. 10  Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 48a; ähnlich Bülte, in: Hübsch­ mann / Hepp / Spitaler, § 378 Rn. 102, „ordnungswidrigkeitenrechtliche Parallelvorschrift zur strafrechtlichen Selbstanzeige nach § 371“. 11  Weyand, in: Schwarz, AO, § 378 Rn. 18; Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 129; Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 378 Rn. 102. 12  Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 48a. 13  Wenzel, StBW 2012, 509 (510). 14  Kopacek, DStR 1965 (I), 105 (105). 15  Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 378 Rn. 102; Dörn, Stgb 1998, 461 (461); Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 48b. 16  Kopacek, BB 1962, 875 (876); ders., DStR 1965, 105 (105); Roth, ZAP Fach 20, 531 (532). 17  Joecks, in; Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 5 und 68; Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 124; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 48b; Wenzel, StBW 2012, 509 (510). 18  Vgl. 1. Teil, C. I.



A. Die Selbstanzeige im Steuerordnungswidrigkeitenrecht101

I. Ratio legis Entsprechend zu § 371 AO19 sind als Ratio des § 378 Abs. 3 AO in der Literatur mehrere Erwägungen zu finden. Zum einen sollen dem Fiskus bislang verheimlichte Steuerquellen erschlossen werden20; das Versprechen der Bußgeldfreiheit solle den Täter dazu veranlassen, dem Fiskus nachträglich die richtige Festsetzung der hinterzogenen Steuern zu ermöglichen und die verkürzten Steuern nachzuzahlen21. Zudem solle dem Täter der Weg zur Rückkehr in die „Steuerehrlichkeit“  – mag die Wahl dieser Begrifflichkeit für den leichtfertig und somit wie erörtert nicht bewusst steuerunehrlich handelnden Täter hier auch nicht treffend sein – und somit in die Legalität eröffnet werden22. Sein Wille zur Schadenswiedergutmachung solle außerdem honoriert werden23. Diese Ansätze entsprechen der Einordnung durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in seinem Selbstanzeigebeschluss. Auch wenn zu dieser multikausalen Begründung der Selbstanzeigevorschrift das Gleiche gelten muss, wie schon zur Ratio des § 371 AO ausgeführt, und daher nach hiesigem Verständnis die Rückkehr des Täters in die Steuerehrlichkeit und dessen Honorierung eher als Reflex oder „Nebenzweck“ eingeordnet werden sollte24, ist zuzugeben, dass aufgrund der zu Anfang erwähnten, zur vorsätzlichen Steuerhinterziehung unterschiedlichen subjektiven Tatsituation bei § 378 Abs. 3 AO mehr Raum für eine zusätz­ liche, neben dem fiskalischen Interesse stehende Rechtfertigungsgrundlage gesehen werden kann, als bei § 371 AO. Kopacek beschreibt dies derart, dass „wegen der besonderen Schwierigkeiten des Steuerrechts und der Vielzahl der Steuerpflichtigen“ die Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO im Gegensatz zu der nach § 371 AO, die überwiegend im Interesse des Steueraufkommens liege, eine „echte ethische Rechtfertigung“ finde25.

II. Der Tatbestand des § 378 Abs. 3 AO Der Erstatter einer Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO kann von den Rechtsfolgen der Norm profitieren, wenn es sich bei der angezeigten Tat um eine leichtfertige Steuerverkürzung handelt, mit einer den gesetzlichen An19  Vgl.

1. Teil, C. I. 1. in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 127; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 49; Müller, DB 1981, 1480 (1481). 21  Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 127. 22  Lohmeyer, GA 1965, 271 (280); Kopacek, DStR 1965 (I), 105 (106). 23  Joecks, in; Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 68. 24  Vgl. unter 1. Teil, C. I. 1. 25  Kopacek, DStR 1965 (I), 105 (106). 20  Schauf,

102 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

forderungen genügenden Berichtigungserklärung sowie der Nachentrichtung der verkürzten Steuern die positiven Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllt sind und kein Ausschlussgrund vorliegt. 1. Anwendungsbereich Ausgangspunkt der steuerordnungswidrigkeitenrechtlichen Selbstanzeige ist das „Fahrlässigkeits-Pendant zu § 370 AO“26, § 378 Abs. 1 AO, der aufgrund seines Verweises auf die Steuerhinterziehung im Verhältnis zu dieser als Auffangtatbestand fungiert und, wie bereits angedeutet, in einem Stufenverhältnis steht27. Konsequenterweise bezieht sich die folgende Darstellung ausschließlich auf die inhaltlichen Unterschiede. Eine Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO kommt aber auch zum Beispiel für leichtfertige Steuerverkürzungen von Abgaben zu Marktordnungszwecken, §§ 12 Abs. 1 S. 1, 35 MOG, von Abwasserabgaben, § 14 AbwAG, oder von Zulagen und Prämien, §§ 8 Abs. 2 WoPG, in Betracht28. Für die Gefährdungstatbestände der §§ 379 bis 383 AO sowie für §§ 160 bis 163  StBerG und § 130 OWiG wird dies in Bezug auf eine denkbare analoge Anwendung hingegen verneint29. Für eine Selbstanzeige bestehe hier kein zwingendes Bedürfnis, da der Steuerpflichtige seine Erklärungspflichten gegenüber der Finanzbehörde noch nicht versäumt habe und er, sobald er sich der Zuwiderhandlung bewusst geworden sei, die steuergefährdende Wirkung seines pflichtwidrigen Verhaltens in anderer Weise als durch eine Berichtigungs­ erklärung wieder aus der Welt schaffen könne30.

26  Roth,

ZAP Fach 20, 531 (531). wistra 1988, 196 (197); Müller, AO-StB 2003, 210 (210); Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 8; Melchior, in: Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Steuerverkürzung, leichtfertige, Rn. 1. 28  Vgl. Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 50, der auch die An­ wendung auf leichtfertige Verkürzungen von Monopoleinnahmen nach § 128 Abs. 2 BranntwMonG bejaht; hierzu auch Müller, DB 1981, 1480 (1480); a. A. zutreffend insoweit etwa Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 69, zustimmend etwa Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 128; Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 378 Rn. 104. 29  Weyand, in: Schwarz, AO, § 378 Rn. 20; Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 128; Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 378 Rn. 104; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 52. 30  Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 69; Rolletschke, in: Rolletsch­ke / Kemper, § 378 Rn. 52; vgl. hierzu mit ausführlicherer Begründung auch schon Kopacek, DStR 1965 (IV), 201 (201 f.). 27  BGH



A. Die Selbstanzeige im Steuerordnungswidrigkeitenrecht103

a) Ordnungswidrigkeiten im Sinne von § 378 Abs. 1 AO i. V. m. § 370 Abs. 1 AO Aufgrund des angesprochenen Normverweises gelten für die Tathandlung und den Taterfolg der leichtfertigen Steuerverkürzung die Ausführungen zu § 370 Abs. 1 AO31; der objektive Tatbestand stimmt insoweit überein32. Da es für die leichtfertige Steuerverkürzung als Fahrlässigkeitstat kein Versuchsdelikt gibt, ist der Taterfolg, die Verkürzung der Steuern oder die Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile, bei § 378 Abs. 1 AO allerdings echte Ahndungsvoraussetzung33. Neben dem Umstand, dass im Ordnungswidrigkeitenrecht und somit auch für § 378 AO der sogenannte Einheitstäterbegriff des § 14 OWiG gilt, wonach nicht zwischen Tätern und Teilnehmern differenziert wird34, besteht ein erster Unterschied zur Steuerhinterziehung in dem zumindest gegenüber § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO etwas begrenzteren Täterkreis35. Tauglicher Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung können nach dem Wortlaut des § 378 Abs. 1 AO nur der Steuerpflichtige selbst oder eine Person sein, die bei der Tat in Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen handelt. Wer unter den Begriff des Steuerpflichtigen fällt, ist der Legaldefinition des § 33 Abs. 1 AO zu entnehmen, die allerdings nicht abschließend ist36. Danach fallen unter diesen Begriff etwa der Steuerschuldner, der Steuerhaftende, der mit seinem Vermögen für die Schuld eines anderen haftet, der Steuereinbehaltungs- und -abführungsverpflichtete nach § 380 AO und der gesetzliche Vertreter, Vermögensverwalter oder Verfügungsberechtigte im Sinne von §§ 34, 35 AO37. Eine negative Abgrenzung erfolgt durch die ebenfalls nicht abschließende Aufzählung in § 33 Abs. 2 AO38. Bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen handelt jeder, dessen Tun oder pflichtwidriges Unterlassen mit den steuerrechtlichen Pflichten eines Steuer-

31  Siehe

1. Teil, C. I. 2. a) aa). in: Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 6; Rolletschke, ZSteu 2006, 184 (184); ders., in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 3. 33  Roth, ZAP Fach 20, 531 (537); Jäger, in: Klein, AO, § 378 Rn. 17. 34  Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 6. 35  Jäger, in: Klein, AO, § 378 Rn. 6; zum Täterkreis bei § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO vgl. 1. Teil, C. I. 2. a) aa). 36  Heerspink, in: Flore / Tsambikakis, § 378 AO Rn. 21 f.; Roth, ZAP Fach 20, 531 (533). 37  Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 293; Heerspink, in: Flore / Tsambikakis, § 378 AO Rn. 22. 38  Heerspink, in: Flore / Tsambikakis, § 378 AO Rn. 22; Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 294; ders., in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 8. 32  Joecks,

104 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

pflichtigen in tatsächlichem39 Zusammenhang steht40, das heißt, jede Person, die dem Steuerpflichtigen bei der Erledigung seiner steuerlichen Angelegenheiten Hilfe leistet, ohne selbst Steuerpflichtiger zu sein41. Der Begriff ist weit auszulegen42 und umfasst in der Praxis vor allem die Angehörigen der steuerberatenden Berufe, also Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer43. Insbesondere entscheidend für eine etwaige Erfassung eingesetzter Hilfspersonen ist, ob eine gewisse Selbstständigkeit bei der Ausführung der steuerlichen Belange vorliegt und sich deren Wahrnehmung als vertragliche Hauptpflicht der Tätigkeit darstellt44. Ebensowenig wie unter den Begriff des Steuerpflichtigen zählen damit Finanzbeamte zu dem genannten Personenkreis, da sie in der Regel Amtspflichten wahrnehmen45. Die leichtfertige Steuerverkürzung ist anders als das Jedermannsdelikt des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, bei dem grundsätzlich jede Person, die tatsächlich in der Lage ist auf den staatlichen Steueranspruch einzuwirken, Täter sein kann46, ein Sonderdelikt im Sinne von § 9 OWiG47. Da es sich bei § 378 Abs. 1 AO um ein Fahrlässigkeitsdelikt handelt, muss über die Kausalität zwischen Tathandlung und Taterfolg hinaus noch ein sogenannter Rechtswidrigkeitszusammenhang bestehen48. Die eingetretene Steuerverkürzung muss gerade der Missachtung der steuerlichen Sorgfaltspflichten entspringen, sich gerade als Realisierung der in ihr angelegten Gefahr darstellen49. Es greift hier der sogenannte Einwand rechtmäßigen Alter39  Deshalb kommt es nicht auf das Bestehen eines wirksamen Rechtsverhältnisses an, Roth, ZAP Fach 20, 531 (534). 40  Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 15; Roth, ZAP Fach 20, 531 (534). 41  Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 16. 42  Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 295. 43  Heerspink, in: Flore / Tsambikakis, § 378 AO Rn. 33; auch bei Tätigwerden eines Angehörigen dieser Berufsgruppe für eine Gesellschaft, erfolgt die Steuerberatungsleistung nicht durch diese Gesellschaft, sondern die natürliche Person, die allein tauglicher Täter der leichtfertigen Steuerverkürzung sein kann, Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 9. 44  Jäger, in: Klein, AO, § 378 Rn. 11; Melchior, in: Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Steuerverkürzung, leichtfertige, Rn. 3; Heerspink, in: Flore / Tsambikakis, § 378 AO Rn. 32. 45  Heerspink, in: Flore / Tsambikakis, § 378 AO Rn. 25; Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 9; anders für die Steuerhinterziehung, vgl. 1. Teil, C. I. 2. a) aa). 46  Flore, in: Flore / Tsambikakis, § 370 AO Rn. 33; Hadamitzky / Senge, in: Erbs /  Kohlhaas, § 370 AO, Rn. 7. 47  Heerspink, in: Flore / Tsambikakis, § 378 AO Rn. 16; Jäger, in: Klein, AO, § 378 Rn. 6; Müller, AO-StB 2003, 210 (210), spricht irritierenderweise von einem „Jedermann-Delikt ohne Beteiligungsmöglichkeit“. 48  Roth, ZAP Fach 20, 531 (538). 49  Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 21; Roth, ZAP Fach 20, 531 (538).



A. Die Selbstanzeige im Steuerordnungswidrigkeitenrecht105

nativverhaltens50, nach dem der Rechtswidrigkeitszusammenhang entfällt, wenn die leichtfertige Pflichtverletzung zwar die Steuerverkürzung verursacht hat, diese aber auch bei sorgfältigem Verhalten eingetreten wäre51. Die Erfolgszurechnung scheidet nach dem Grundsatz in dubio pro reo bereits aus, wenn auch nur offen bleibt, ob es auch bei sorgfaltsgemäßem Verhalten zu einer Steuerverkürzung gekommen wäre52. Es muss also etwa bei Einschaltung Dritter feststehen, dass der Steuerpflichtige durch die gebotene Auskunft des Finanzamts oder die sachkundige Mitwirkung eines Steuerberaters auf die korrekte Rechtslage hingewiesen worden wäre53. b) Leichtfertige Begehung § 378 Abs. 1 AO unterscheidet sich von der vorsätzlichen Steuerhinterziehung nach § 370 AO maßgeblich durch das subjektive Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit54, deren praktische Abgrenzung zum Eventualvorsatz jedoch große Schwierigkeiten bereiten kann55. Für die Frage der Wirksamkeit einer Selbstanzeige, gerade während der Betriebsprüfung56, kann es indes ganz entscheidend sein, ob es dem Steuerpflichtigen gelingt, sich vom Vorwurf der vorsätzlichen Begehung zu exkulpieren und zum Vorwurf der Leichtfertigkeit zu gelangen57. Gemeinhin wird unter Leichtfertigkeit eine gesteigerte Form, ein erhöhter Grad von Fahrlässigkeit verstanden58. Bewusste Fahrlässigkeit soll dabei für die Annahme leichtfertigen Verhaltens nicht erforderlich, jedoch auch nicht 50  Wessels / Beulke / Satzger, 51  Joecks,

Rn. 294 und 953. in: Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 49; Jäger, in: Klein, AO, § 378

Rn. 25. 52  Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 21; Joecks, in: Joecks / Jäger /  Randt, § 378 Rn. 51; Jäger, in: Klein, AO, § 378 Rn. 25. 53  Joecks, SAM 2012, 26 (28); ähnlich Jäger, in: Klein, AO, § 378 Rn. 25. 54  Es existiert jedoch ein Ausnahmefall zur leichtfertigen Begehungsweise: Gemäß § 50e Abs. 2 S. 3  EStG kann § 378 Abs. 1 AO auch bei vorsätzlichem Handeln zur Anwendung kommen, wenn im Zusammenhang mit einer geringfügigen Beschäftigung in einem Privathaushalt ein Arbeitgeber gegen seine steuerlichen Pflichten verstößt, vgl. Joecks, in; Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 5 oder Heerspink, in: Flore /  Tsambikakis, § 378 AO Rn. 2. 55  Roth, ZAP Fach 20, 531 (542); Kopacek, DStR 1965 (I), 105 (105); zur hiesigen Abgrenzung vgl. Joecks, SAM 2012, 26 (27 ff.). 56  Hierzu sogleich unter 2. Teil, A. II. 2. a) dd). 57  Dörn, Stgb 1998, 461 (461); Wenzel, StBW 2012, 509 (512 und 513). 58  BGH, wistra 1988, 196 (198); Roth, ZAP Fach 20, 531 (538); Rolletschke, ZSteu 2006, 184 (186); Weyand, in: Schwarz, AO, § 378 Rn. 10; Joecks, in; Joecks /  Jäger / Randt, § 378 Rn. 34.

106 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

ohne Weiteres ausreichend sein59. So kann zum Beispiel im Falle grober Schlamperei, Gleichgültigkeit oder Nachlässigkeit auch unbewusste Fahrlässigkeit den Vorwurf der Leichtfertigkeit begründen60. Die Fahrlässigkeitsgrade stehen also nicht etwa in einem Stufenverhältnis mit der Leichtfertigkeit; diese stellt keine dritte Fahrlässigkeitsebene dar61. Sowohl Fälle bewusster als auch unbewusster Fahrlässigkeit können unter den Begriff der Leichtfertigkeit fallen62. Häufig wird zur Erklärung des Begriffs darauf verwiesen, dass er in etwa der groben Fahrlässigkeit des Bürgerlichen Rechts entspreche63. Da aber die grobe Fahrlässigkeit ein objektiver Begriff sei, die Leichtfertigkeit hingegen von einem subjektiven Moment geprägt sei, weil sie auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abstelle64, soll diese Einordnung mit der Prämisse gelten, dass von Leichtfertigkeit erst dann auszugehen ist, wenn der Steuerpflichtige die bei Abgabe seiner Erklärung erforderliche und ihm nach seinen Verhältnissen und Fähigkeiten auch zumutbare Sorgfalt in außergewöhnlich großem Maße missachtet65. Neben einer Vielzahl von Definitionsversuchen66 hat sich daher in der steuerrechtlichen Rechtsprechung das Verständnis durchgesetzt, dass leichtfertig handelt, „wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Einzelfalles und seinen persön­ lichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, obwohl sich ihm aufdrängen musste, dass dadurch eine Steuerverkürzung eintreten wird“67. Ein hoher Steuerverkürzungsbetrag an sich soll hierbei zwar noch nicht den Vorwurf der Leichtfertigkeit rechtfertigen, jedoch wird angenommen, dass zwischen dem Grad der Fahrlässigkeit und dem Ausmaß der Steuerver59  Joecks,

in: Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 38. in: Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 38. 61  Rolletschke, ZSteu 2006, 184 (186); ders., in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 23. 62  Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 23; hierzu auch Wenzel, StBW 2012, 509 (513), der konsequenterweise in diesem Sinne die Begriffe „bewusste Leichtfertigkeit“ und „unbewusste Leichtfertigkeit“ verwendet. 63  Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 23; Rolletschke, ZSteu 2006, 184 (186). 64  Melchior, in: Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Steuerverkürzung, leichtfertige, Rn. 2; Merkt, in: Graf, OWiG, § 378 AO Rn. 1. 65  Melchior, in: Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Steuerverkürzung, leichtfertige, Rn. 2. 66  Weyand, in: Schwarz, AO, § 378 Rn. 10; Joecks, in; Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 35. 67  BFH wistra 2014, 453 (454); BGH wistra 2015, 191 (194); BGH wistra 2011, 465 (466). 60  Joecks,



A. Die Selbstanzeige im Steuerordnungswidrigkeitenrecht107

kürzung eine „gewisse Wechselbeziehung“ besteht68. Denn je mehr die Höhe des erklärten Einkommens von den wirklich zu versteuernden Einkünften abweiche, desto eher müsse vom Steuerpflichtigen erwartet werden, dass ihm die Diskrepanz und damit der Fehler in der Erklärung auffalle69. Es komme nicht auf die Einsichtsfähigkeit eines Durchschnittsbürgers an, sondern eben auf die des betreffenden Täters70. Anhaltspunkte könnten sich aus einem Vergleich des konkreten Verhaltens eines bestimmten Täters mit dem Verhalten, das unter gleichen Umständen andere Steuerpflichtige mit etwa gleicher Vorbildung, Ausbildung, betriebswirtschaftlicher und steuerrecht­ licher Berufserfahrung an den Tag legen, ergeben71. Als weitere Indizien könnten bereits zuvor erteilte Hinweise und Beanstandungen durch das Finanzamt, Belehrungen zur Rechtslage durch steuerliche Berater oder eine kurze Dauer der Besprechung mit einem Steuerberater in Betracht gezogen werden72. Den Steuerpflichtigen treffen im Hinblick auf die anzuwendende Sorgfalt gewisse Erkundigungspflichten73. Er muss sich über diejenigen steuerlichen Pflichten unterrichten, die ihn im Rahmen seines Lebenskreises treffen74. In besonderem Maße gilt dies in Bezug auf derartige steuerliche Pflichten, die der Ausübung eines Gewerbes oder einer freiberuflichen Tätigkeit entspringen75. Der Steuerpflichtige kann sich durch eigenes Studium der relevanten steuerrechtlichen Bestimmungen kundig machen76. Bei rechtlichen Zweifeln muss er auf den Rat einer entsprechend qualifizierten Auskunftsperson – also einen Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer, Rechtsanwalt oder Notar77  – zurückgreifen78. Wer sich ohne Erkundigung und ohne ausreichende eigene Überlegung einfach die Auffas68  Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 26; ders., ZSteu 2006, 184 (186); Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 39. 69  Jäger, in: Klein, AO, § 378 Rn. 22; Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 39 ff.; Weyand, in: Schwarz, AO, § 378 Rn. 10. 70  Jäger, in: Klein, AO, § 378 Rn. 20. 71  Joecks, in; Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 42; Müller, AO-StB 2003, 210 (212); Weyand, in: Schwarz, AO, § 378 Rn. 10. 72  Roth, ZAP Fach 20, 531 (539); Joecks, in; Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 42. 73  Rolletschke, ZSteu 2006, 184 (186). 74  BGH wistra 2015, 191 (194); BGH NZWiSt 2012, 71 (72). 75  BGH wistra 2015, 191 (194); BGH NZWiSt 2012, 71 (72); Müller, AO-StB 2003, 210 (212). 76  Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 321a. 77  Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 27c. 78  BFH DStRE 2009, 877 (878); OLG Celle wistra 1998, 196 (197); Merkt, in: Graf, OWiG, § 378 AO Rn. 2; Weyand, in: Schwarz, AO, § 378 Rn. 10; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 27.

108 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

sung zu eigen macht, die ihm am günstigsten erscheint, handelt leichtfertig79. Bedient er sich der Hilfe Dritter, trifft ihn zumindest die Pflicht die betraute Person sorgfältig auszuwählen und die ordnungsgemäße Vornahme ihrer Aufgabe zu überwachen80. Aber auch die Konsultation eines steuerlichen Beraters soll die steuerpflichtige Person nicht ohne Weiteres jeglicher Verantwortung entheben81. An einen Kaufmann sind, jedenfalls bei Rechtsgeschäften, die zu seiner kaufmännischen Tätigkeit gehören, höhere Anforderungen an die Erkundigungspflichten zu stellen als bei anderen Steuerpflichtigen82. Schon die Tatsache, dass der Kaufmann sich das erforderliche Wissen nicht verschafft, kann leichtfertiges Handeln begründen83. Auch der steuerliche Berater, von dem mindestens die Kenntnis der Steuergesetze, der Steuerrichtlinien und die Verfolgung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erwartet werden, hat wegen der besonderen Ausbildung und Erfahrung in der Regel eine wesentlich höhere Sorgfalt anzuwenden als der Steuerpflichtige selbst84. Ob der jeweils zu beurteilende Sachverhalt unter die oben genannte Umschreibung des Begriffs der Leichtfertigkeit subsumiert werden kann, ist im Ergebnis immer Tatfrage, mit der sich im Zweifelsfall der Richter unter Vornahme einer Gesamtwertung des Verhaltens des Täters und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beschäftigen hat85. Für eine Einordnung unter den Gesichtpunkt der tätigen Reue ist in dem § 378 Abs. 3 AO zugrundeliegenden Rechtsverstoß aber jedenfalls ein Element der behebbaren Rechtsgutsbeeinträchtigung begründet86. Die Verkürzung der Steuern oder die Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile stellen als zumeist monetäre Vorteile keine endgültigen Rechtspositionen dar, die einen unumkehrbaren Rechtsbruch manifestieren würden. Der auf staatlicher Seite eingetretene Schaden kann durch die Erfüllung der folgenden Wirksamkeitsvoraussetzungen behoben werden. 79  Weyand,

in: Schwarz, AO, § 378 Rn. 10. in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 29 f.; ders., ZSteu 2006, 184

80  Rolletschke,

(186). 81  Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 330; ders., ZSteu 2006, 184 (186). 82  BGH wistra 2015, 191 (194); hierzu auch Kretzschmar, DStZ 1983, 58 (59 f.). 83  BayObLG BB 1971, 1544; Rolletschke, ZSteu 2006, 184 (186). 84  Roth, ZAP Fach 20, 531 (541); Melchior, in: Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Steuerverkürzung, leichtfertige, Rn. 2; Jäger, in: Klein, AO, § 378  Rn. 10; zu den Sorgfaltspflichten und zur Verantwortlichkeit des steuerlichen Beraters ausführlicher etwa Weyand, in: Schwarz, AO, § 378 Rn. 11 ff. und Rolletschke, in: Rolletsch­ke / Kemper, § 378 Rn. 32 ff. 85  BGH, wistra 1988, 196 (198); BFH DStR 2013, 2694 (2697); Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 24; Weyand, in: Schwarz, AO, § 378 Rn. 10; Jäger, in: Klein, AO, § 378 Rn. 24; Roth, ZAP Fach 20, 531 (539); Müller, AO-StB 2003, 210 (212). 86  Vgl. 1. Teil, E. II.



A. Die Selbstanzeige im Steuerordnungswidrigkeitenrecht109

2. Wirksamkeitsvoraussetzungen der Selbstanzeige Die positiven Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 378 Abs. 3 AO entsprechen denen der strafrechtlichen Selbstanzeige im Steuerrecht. Insbesondere lassen sich die Anforderungen an Anzeigeerstatter, Adressat, Form, Frist und Inhalt der Berichtigungserklärung grundsätzlich auf die bußgeldbefreiende Selbstanzeige übertragen87. Hiermit ist die Selbstanzeige im Steuerordnungwidrigkeitenrecht ebenso wie § 371 AO von einem Element der Selbstbezichtigung geprägt und weist kein ausdrückliches Element der Freiwilligkeit88 unter seinen Wirksamkeitsvoraussetzungen auf. Die Unterschiede in den beiden gesetzlichen Regelungen führen jedoch auch hier zu Abweichungen und Besonderheiten gegenüber § 371 AO. a) Berichtigungserklärung aa) Geringerer Berichtigungsumfang Die Wirksamkeit der Selbstanzeige ist bei § 378 Abs. 3 AO nicht davon abhängig, dass der Täter zu allen unverjährten Steuerordnungswidrigkeiten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre in vollem Umfang die fehlerhaften Angaben korrigiert89. bb) Teilselbstanzeige Das noch vor wenigen Jahren verfolgte und sich im Selbstanzeigebeschluss des Bundesgerichtshofs manifestierende negative Verständnis zu Teilselbstanzeigen90 kann nach der am 1. Januar 2015 in Kraft getretenen Gesetzesreform für § 378 Abs. 3 AO wohl keine Geltung mehr beanspruchen. Anders als für § 371 AO hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 22.  Dezember  2014 den Wortlaut des § 378 Abs. 3 AO, nach dem eine Geldbuße nach wie vor nicht festgesetzt wird, „soweit“ der Steuerpflichtige eine Berichtigungserklärung vornimmt, diesbezüglich unangetastet gelassen91. 87  Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 378 Rn. 108; Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 129; zu den benannten Anforderungen vgl. 1. Teil, C. I. 2. b) aa). 88  Vgl. zu beiden Elementen 1. Teil, E. II. 89  Merkt, in: Graf, OWiG, § 378 AO Rn. 4; vgl. insofern den seit dem 01.01.2015 neuen Wortlaut des § 371 Abs. 1 und 2 AO. 90  Vgl. etwa Wenzel, StBW 2012, 509 (510); Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 48a. 91  Heerspink, in: Flore / Tsambikakis, § 378 AO Rn. 114; Bülte, in: Hübschmann /  Hepp / Spitaler, § 378 Rn. 110; Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 128.

110 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

Es muss daher im Rahmen einer bußgeldbefreienden Selbstanzeige gerade nicht vollständig „reiner Tisch“ gemacht werden, um Profiteur der Rechtswirkungen der Vorschrift zu sein; auch bei unbewusster Unvollständigkeit des Umfangs der Berichtigung, Erklärung oder Nachholung kann eine Selbstanzeige wirksam sein, da einem zur Selbstanzeige entschlossenen Täter, der unvorsätzlich oder sogar unbewusst Steuerordnungswidrigkeiten begeht, nicht notwendig das volle Ausmaß seines Pflichtenverstoßes bekannt geworden sein muss92. cc) Erstattung der Selbstanzeige durch Dritte Aufgrund einer Entscheidung des Reichsgerichts93 wurde abweichend von der Situation bei vorsätzlicher Steuerhinterziehung vertreten, dass eine Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO für den Steuerpflichtigen durch einen Dritten ohne vorherigen Auftrag oder Bevollmächtigung erstattet werden darf94. Da aber nicht zu erkennen ist, woraus genau diese unterschiedliche Behandlung resultieren soll95, wird verlangt, dass der Täter sich die Berichtigungserklärung zumindest durch eine Genehmigung zu eigen macht, bevor ihm oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben wurde96. Dies entspricht auch eher der Betrachtung der bisher hier beleuchteten Selbstanzeigevorschriften des Strafrechts, wie §§ 261 Abs. 9 und 266a Abs. 6 StGB, bei denen der Täter eine Anzeige durch Dritte zumindest veranlasst haben muss97. dd) Selbstanzeige während der Betriebsprüfung Einen besonderen Schwerpunkt in der Literatur um den erforderlichen Inhalt der Berichtigungserklärung bildet der schon seit Jahrzehnten geführte und immer noch aktuelle98 Streit um die Selbstanzeige wegen leichtfertiger Steuerverkürzung während der Betriebsprüfung. Da § 378 Abs. 3 AO nur den Ausschlussgrund der Einleitung eines Strafoder Bußgeldverfahrens vorsieht, kann eine Selbstanzeige auch noch wirksam nach Prüfungsbeginn und auch dann, wenn die Ordnungswidrigkeiten 92  Jäger,

in: Klein, AO, § 378 Rn. 40. 64, 76. 94  Siehe hierzu Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 142 f. 95  So Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 53. 96  Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 378 Rn. 109; Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 73; Jäger, in: Klein, AO, § 378 Rn. 45. 97  Vgl. 1. Teil, C. II. 2 und III. 2. 98  Heerspink, in: Flore / Tsambikakis, § 378 AO Rn. 117. 93  RGSt



A. Die Selbstanzeige im Steuerordnungswidrigkeitenrecht111

im Rahmen der Betriebsprüfung entdeckt werden, erstattet werden99. Streit herrscht jedoch darüber, welches Verhalten des Steuerpflichtigen in dem Fall, in dem der steuerlich relevante Sachverhalt durch den Betriebsprüfer schon vollständig aufgeklärt wurde, notwendig ist, um noch von dem Vorliegen einer ausreichenden Berichtigungserklärung und somit von einer wirksamen Selbstanzeige ausgehen zu können. In solch einer Situation kann der Betroffene selbst an sich keine Umstände mehr gegenüber der Finanzbehörde richtigstellen. Einigkeit besteht wohl darüber, dass er das Ergebnis der Außenprüfung grundsätzlich nicht bloß ohne irgendeine aktive Handlung seinerseits tolerieren darf100. Ansonsten stehen aber diverse Lösungsansätze nebeneinander, die sich zumindest im Wesentlichen in zwei gegensätzliche Betrachtungsweisen aufteilen lassen. Einer Ansicht zufolge bedarf es eines eigenen, von der Ermittlungstätigkeit der Finanzbehörde unabhängigen Beitrags zur Richtigstellung der bisher unrichtigen Angaben101. Es müsse „neues Material“ geliefert werden, mit dessen Hilfe „neue“ Steuerquellen erschlossen werden könnten102. Die Zielsetzung der Offenbarung von bisher verborgenen Steuerquellen sei nämlich schon erreicht, wenn die Fehler des Steuerpflichtigen bereits durch einen Prüfer bekannt geworden seien103. Schon nach dem Wortlaut könne nicht mehr „berichtigt“ werden, wenn bloß anerkannt werde, was der Prüfer schon seinerseits im konkreten Fall korrigiert habe104. Die schlichte Anerkennung des Prüfungsergebnisses, zu dem der Prüfer aufgrund der Vorlage von Unterlagen gelangt, reiche daher nicht aus105. Letzteres gehöre gemäß § 200 Abs. 1 99  Heerspink,

in: Flore / Tsambikakis, § 378 AO Rn. 117. in: Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 72; Rolletschke, in: Rolletschke /  Kemper, § 378 Rn. 55b. 101  BGHSt 3, 373 (375); BGH DB 1954, 1015; OLG Oldenburg wistra 1998, 71, wobei (in der älteren Rechtsprechung) teilweise sogar noch eine eigene Tätigkeit im Sinne eines wesentlichen Beitrags zur Aufklärung verlangt wurde. 102  Müller, DB 1981, 1480 (1482), mit Verweis auf die von Mattern begründete „Materialbeschaffungstheorie“. 103  Wrenger, DB 1987, 2325 (2328); Müller, DB 1981, 1480 (1485, 1487). 104  Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 378 Rn. 117, 119 und 121; Weyand, in: Schwarz, AO, § 378 Rn. 18. 105  BGHSt 3, 373 (375); BGH DB 1954, 1015; Kopacek, BB 1962, 875 (877), verweist auf die Möglichkeit, dass ein Prüfer, der aufgrund des bisherigen Verhaltens des Steuerpflichtigen keinen Anlass sieht eine strafrechtliche Ermittlung einzuleiten, seine Prüfung unterbrechen könne, um dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, die entdeckten Fehler zu beseitigen. Dies würde aber nach hiesiger Ansicht das Problem nicht lösen und dazu führen, dass die Bejahung oder Verneinung eines ausreichenden Berichtigungsbeitrags vom Gutdünken und der persönlichen Einschätzung des einzelnen Prüfers abhinge. 100  Joecks,

112 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

AO nämlich schon zu den gesetzlichen Mitwirkungspflichten106. Ein anderes Verständnis widerspreche der teleologischen Auslegung der Vorschrift auch deshalb, weil der Steuerpflichtige, der neben einer Anerkennung untätig bleibe, ohne eigenen Beitrag keine honorierfähige Umkehrleistung erbringe und es sich nicht verdient habe „die Wohltat des § 378 Abs. 3“ zu erlangen107. Überdies könne allein aus der Existenz des Instituts der Selbstanzeige kein „Anspruch“ auf eine solche abgeleitet werden108. Die gegenteilige Ansicht sieht ein Anerkenntnis des Betriebsprüfungsergebnisses in dem Sinne, dass der Anzeigeerstatter dieses zum Gegenstand der eigenen Berichtigung macht, als ausreichend für eine Berichtigungserklärung an. Vertreter dieses Ansatzes geben zu bedenken, dass sich in der Praxis die Entdeckung einer Steuerverkürzung in der Regel schrittweise vollziehe und der Betroffene dem Betriebsprüfer aus diesem Grund mit berichtigenden Angaben entgegenkommen könne109. So sei es ihm möglich sich den Anspruch auf Bußgeldfreiheit durch mündliche Auskünfte und Hinweise oder die Vorlage bestimmter Belege zu „verdienen“110. Durch sein Zutun entstehe außerdem der weitere positive Effekt, dass das Verwaltungsverfahren abgekürzt werde111. Die verschiedenen Ansätze zur Frage der Berichtigungserklärung während der Betriebsprüfung würden praktisch ohnehin nur in dem äußerst seltenen Fall zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, in dem ein Finanzbeamter bei der Prüfung die Tat sogleich mit einem Blick in allen Einzelheiten feststelle112. Gerade auch in diesem Fall bestehe für den Betroffenen gar keine Möglichkeit mehr einen zusätzlichen Aufklärungsbeitrag zu leisten113. Die vorhergehende Materiallieferung durch Vorlage sämtlicher relevanter Unterlagen in der Außenprüfung reiche daher für die erforderliche Berichtigungshandlung aus114. Anderenfalls würde der Steuerpflichtige, der alle Unterlagen hingebe und dessen Tat deshalb gleich entdeckt würde, ge106  Rolletschke,

(686).

in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 55a; Lohmeyer, Inf 1982, 684

107  Rackwitz, wistra 1997, 135 (136); Buschmann, BlStSozArbR 1960, 228 (229); Weyand, in: Schwarz, AO, § 378 Rn. 18. 108  Rackwitz, wistra 1997, 135 (136). 109  Joecks, in; Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 72; Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 136. 110  Joecks, in; Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 72. 111  Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 136. 112  Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 136; Dörn, wistra 1994, 10 (12). 113  OLG Karlsruhe wistra 1996, 117 (118); OLG Hamm DB 1961, 968; so auch Jestädt, DStR 1994, 1605 (1606); ders., BB 1998, 1394 (1395); Dörn, Stbg 1998, 461 (462); ders., wistra 1994, 10 (12). 114  Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 136, unter Verweise auf OLG Karlsruhe wistra 1996, 117 (118).



A. Die Selbstanzeige im Steuerordnungswidrigkeitenrecht113

genüber demjenigen ungerechtfertigt schlechter gestellt, der etwa vorhandene Unterlagen noch nicht vollständig zur Verfügung gestellt, also weniger zur Aufklärung beigetragen habe, und die Aufdeckung daher verzögere115. Dieser könne sich hierdurch die Möglichkeit erhalten vom Prüfer nicht erkannte Tatsachen später noch mitzuteilen116. Ein Hauptargument sehen die Vertreter dieses Ansatzes außerdem in dem Umstand, dass § 378 Abs. 3 AO den Sperrgrund der Tatentdeckung gerade nicht kenne, bei einer Entdeckung einer leichtfertigen Steuerverkürzung durch den Betriebsprüfer daher Spielraum für eine Berichtigung bleiben müsse117. Würde man die „Originalität“ der Angaben118 des Steuerpflichtigen bei der Berichtigungserklärung als Voraussetzung für deren Wirksamkeit verlangen, würde der Ausschlussgrund der Tatentdeckung indirekt contra legem für die Selbstanzeige bei der leichtfertigen Steuerverkürzung eingeführt119. Dies widerspräche indes dem eindeutigen Wortlaut der Norm und würde eine nach Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG unzulässige Analogie zulasten des Täters darstellen120. Wie Spriegel zudem feststellt, wäre die Sperrwirkung der Tatentdeckung nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO überflüssig, wenn die von der erstgenannten Ansicht herangezogene Auslegung des Wortes „berichtigen“ richtig wäre; denn wenn bei entdeckter Tat eine Berichtigung im Sinne der §§ 371 Abs. 1, 378 Abs. 3 AO ohnehin nicht mehr möglich wäre, müsste das Gesetz keine zeitliche Begrenzung für eine wirksame Berichtigung vorsehen121. Lässt man ein Anerkenntnis des Betriebsprüfungsergebnisses genügen, ist wiederum umstritten, ob dieses stillschweigend erfolgen kann oder es einer förmlichen Erklärung gegenüber der Finanzbehörde bedarf122. Unabhängig davon, welcher der Auffassungen man hier nun folgen mag, zeigt die Diskussion, dass auch hier Unsicherheit darüber herrscht, ob an die 115  OLG Karlsruhe wistra 1996, 117 (118); bestätigend Jestädt, BB 1998, 1394 (1395); Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 136. 116  OLG Karlsruhe wistra 1996, 117 (118). 117  Joecks, in; Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 72. 118  Joecks, in; Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 72. 119  BayObLGSt 1978, 55 (57 f.); Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 136; Dörn, Stbg 1998, 461 (462); ders., wistra 1994, 10 (12); a. A. wiederum Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 378 Rn. 121, da es sich nicht um ein Problem des Sperrgrundes, sondern der Tauglichkeit der Selbstanzeigehandlung als Berichtigung handele. 120  Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 136. 121  Spriegel, BB 1986, 2310 (2311). 122  Vgl. hierzu etwa Spriegel, BB 1986, 2310 (2312); Lohmeyer, Inf 1982, 684 (685 und 687); Jestädt, DStR 1994, 1605 (1606); ders., BB 1998, 1394 (1395); Kopacek, BB 1962, 875 (877); Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 135, sieht darin eine „unnötige Förmelei“; ebenso Dörn, wistra 1997, 291 (292); ders., wistra 1994, 10 (12); ähnlich kritisch Müller, DB 1981, 1480 (1485 f.).

114 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

„kleine Selbstanzeige“123 die gleichen Anforderungen gestellt werden können wie an eine Berichtigungserklärung nach § 371 AO124. b) Nachentrichtung Für den Fall, dass bereits eine Verkürzung der Steuern eingetreten ist oder der Steuerpflichtige einen Steuervorteil erlangt hat, muss der Täter gemäß § 378 Abs. 3 S. 2 AO den Betrag, wie auch bei § 371 AO, innerhalb einer gesetzten angemessenen Frist zurückentrichten125. Auch § 378 Abs. 3 AO ist also wie sein strafrechtliches Vorbild von einem kausalen Umkehrelement126 in Bezug auf den Täter geprägt, das jedoch nicht bloß in der Entrichtung von Nachzahlungen besteht, sondern sich aus beiden positiven Wirksamkeitsvoraussetzungen, der Nachentrichtung des verkürzten Betrags und der Berichtigungserklärung, zusammensetzt. Allerdings gehört hier zur Umkehrleistung nicht die Zahlung von Hinterziehungszinsen oder eines Zuschlags auf die Steuer nach § 398a AO127. Im Gegensatz zu § 371 Abs. 3 AO hat der Gesetzgeber dieses Erfordernis, indem er den Verweis auf diese Vorschrift gestrichen und § 378 Abs. 3 S. 2 AO neu gefasst hat, nicht für die bußgeldbefreiende Selbstanzeige durch die letzte Gesetzesreform aufgestellt128. Da § 378 Abs. 3 AO auch nicht auf dem Vollständigkeitsgebot basiert, ist davon auszugehen, dass nach gesetzgeberischem Willen weiterhin Teilnachzahlungen mit der Wirkung einer teilweisen Bußgeldbefreiung möglich sind129. Erfolgt die Nachentrichtung nicht beziehungsweise nicht fristgemäß, verwirkt der Anzeigeerstatter seine Anwartschaft auf Bußgeldaufhebung130. 3. Ausschlussgrund Die bußgeldbefreiende Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO kennt  – im Gegensatz zu den zahlreichen, für § 371 AO geltenden negativen Wirksam123  So eine von Jestädt gewählte Bezeichnung, vgl. DStR 1994, 1605; ders., BB 1998, 1394. 124  Verneinend OLG Karlsruhe wistra 1996, 117 (117); OLG Celle, NJW 1964, 989 (989); ebenso Lohmeyer, GA 1965, 271 (275); bejahend etwa Müller, DB 1981, 1480 (1484). 125  Es gilt hier das zur Nachentrichtung bei § 371 AO Gesagte, vgl. 1. Teil, C. I. 2. b) bb). 126  Vgl. hierzu 1. Teil, E. II. 127  Heerspink, in: Flore / Tsambikakis, § 378 AO Rn. 113 und 115. 128  Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 145. 129  Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 125 und 145.1; so auch Bülte, in: Hübsch­mann / Hepp / Spitaler, § 378 Rn. 112. 130  Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 57.



A. Die Selbstanzeige im Steuerordnungswidrigkeitenrecht115

keitsvoraussetzungen  – nur einen einzigen Ausschlussgrund, nämlich die Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat gegenüber dem steuerpflichtigen Täter oder seinem Vertreter. Hieran hat sich auch mit der Gesetzesreform durch das Änderungsgesetz 2014 nach ursprünglich bereits mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz geplanten ­Anpassungen an § 371 AO nichts geändert131. Anders als bei der steuerstrafrechtlichen Selbstanzeige kann der Steuerschuldner deshalb auch noch dann eine Berichtigungserklärung abgeben, wenn eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde, ein Amtsträger der Finanzbehörde zu Prüfungsoder Ermittlungszwecken erschienen ist, die Tat bei Kenntnis des Steuerpflichtigen bereits von behördlicher Seite entdeckt ist, oder eine Steuerverkürzung von über €  25.000 vorliegt132. Damit stellen sich die negativen Wirksamkeitsvoraussetzungen als gegenüber § 371 Abs. 2 AO erheblich milder dar133. Dies wird damit begründet, dass der Täter entsprechend der fahrlässigen Begehungsweise von seinem pflichtwidrigen Verhalten nichts wisse134. Einem fahrlässig handelnden Täter werde die leichtfertige Steuerverkürzung stets erst nach der Tat gewahr und zwar meist dann, wenn er sich nach dem Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde an der Prüfung seiner Verhältnisse in den relevanten Zeiträumen beteilige135. Wenn für eine Selbstanzeige einer leichtfertigen Steuerverkürzung dieselben Sperrgründe gelten würden, wie für eine solche bei einer Vorsatztat, hätte der Täter des § 378 Abs. 1 AO trotz geringerer Schuld regelmäßig keine Chance oder zumindest eine wesentlich geringere Chance als der Vorsatztäter, wirksam Selbstanzeige zu erstatten136. So wird es vor dem Hintergrund der zuvor schon erwähnten besonderen „ethischen Rechtfertigung“137 gar als „Selbstverständlichkeit“ bezeichnet, dass „dem fahrlässigen  – seiner inneren Einstellung nach nicht steuerunehrlichen  – Täter im rechtlich vertretbaren Umfang ausreichende Gelegenheit gelassen wird (…) den ungewollt bewirkten Schaden wieder­

131  Heerspink,

in: Flore / Tsambikakis, § 378 AO Rn. 116. in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 125; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 48b; Weyand, in: Schwarz, AO, § 378 Rn. 19. 133  Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 125. 134  Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 126; Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 378 Rn. 114. 135  Müller, DB 1981, 1480 (1482), jedoch kritisch hinsichtlich der im Vergleich zu § 371 AO begrenzten Ausschlussgründe; Joecks, in; Joecks / Jäger / Randt, § 378 Rn. 70. 136  Müller, DB 1981, 1480 (1482); Spriegel, BB 1986, 2310 (2310); Kopacek, DStR 1965 (I), 105 (106); Heerspink, in: Flore / Tsambikakis, § 378 AO Rn. 116. 137  Vgl. soeben unter 2. Teil, A. I. 132  Schauf,

116 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

gutzumachen“138. Der Befürchtung des Missbrauchs der Weite der Regelung wird ein Verweis auf § 153 AO entgegengesetzt139. Von einer Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens ist nach der Legaldefinition des § 397 Abs. 1 AO140 auszugehen, sobald die Finanzbehörde, die Polizei, die Staatsanwaltschaft, eine ihrer Ermittlungspersonen oder der Strafrichter eine tatsächliche141, konkrete Maßnahme trifft, die objektiv erkennbar darauf abzielt, gegen jemanden wegen einer Steuerstraftat strafrechtlich vorzugehen142. Derartige, in äußere Erscheinung tretende Maßnahmen sind zum Beispiel die Vorladung des Steuerpflichtigen zur Vernehmung, die Durchführung einer Durchsuchung oder Beschlagnahme oder die für den Betroffenen erkennbare Vornahme strafrechtlicher Ermittlungen durch den Betriebsprüfer143. Es muss aber kein förmlicher Akt vorliegen; eine beliebige Handlung im Sinne einer aufgrund eines Anfangsverdachts vorgenommenen ersten Ermittlungsmaßnahme reicht aus144. Weder ein bloßer Vermerk über die Einleitung, noch bloße Büroverfügungen, Kontrollmitteilungen oder eine interne Aktenanforderung reichen hierzu aus145. Die Bekanntgabe gegenüber dem Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter erfordert eine amtliche Mitteilung dergestalt, dass gegen den Betroffenen strafrechtliche Ermittlungen geführt werden beziehungsweise ein Bußgeldverfahren anhängig ist, wobei sich dieser Umstand unmissverständlich aus der Mitteilung ergeben muss146. Eine bestimmte Form für die Bekanntgabe ist gesetzlich nicht vorgeschrieben147. Mit Blick auf den Umfang der Sperrwirkung besteht ein weiterer Unterschied zu § 371 AO, der sich aus dem unterschiedlichen Wortlaut der zwei Vorschriften148 ergibt. Da § 378 AO sich auf die Einleitung eines Straf- beziehungsweise Bußgeldverfahrens wegen „der Tat“ bezieht, ist die Norm auch nur auf diejenigen Taten begrenzt, bezüglich derer die Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung stattgefunden hat149. Eine zeitliche Ausweitung der 138  Kopacek,

DStR 1965 (I), 105 (106). in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 378 Rn. 103; Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 126; Jäger, in: Klein, AO, § 378 Rn. 44. 140  Gemäß § 410 Abs. 1 Nr. 6 AO gilt die Vorschrift entsprechend für die Einleitung eines Bußgeldverfahrens, Heerspink, in: Flore / Tsambikakis, § 378 AO Rn. 96. 141  Insbesondere zu diesem Aspekt Jäger, in; Joecks / Jäger / Randt, § 379 Rn. 11. 142  Heerspink, in: Flore / Tsambikakis, § 378 AO Rn. 96. 143  Lohmeyer, GA 1965, 271 (277). 144  Muhler, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, § 44 Rn. 144. 145  Heerspink, in: Flore / Tsambikakis, § 378 AO Rn. 96. 146  Heerspink, in: Flore / Tsambikakis, § 378 AO Rn. 97 und 99. 147  Heerspink, in: Flore / Tsambikakis, § 378 AO Rn. 98. 148  Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 146. 149  Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 146. 139  Bülte,



A. Die Selbstanzeige im Steuerordnungswidrigkeitenrecht117

Sperr­wirkung auf die übrigen Taten der betroffenen Steuerart findet – anders als für § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO, der sich auf „Steuerstraftaten“ bezieht, – nicht statt150. Dies ist konform mit den geringeren Anforderungen an den Berichtigungsumfang151.

III. Rechtsfolgen Die Rechtswirkungen des § 378 Abs. 3 AO sind in persönlicher und sachlicher Hinsicht ebenfalls beschränkt. Die Vorschrift sieht zwingend152 vor, dass im Falle des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen der Selbstanzeige eine Geldbuße nicht festgesetzt wird. In Entsprechung zu § 371 AO, wie auch den meisten anderen Selbstanzeigevorschriften des Strafrechts153, handelt es sich hierbei um einen persönlichen Bußgeldaufhebungsgrund154. Seine Wirkungen kommen nur demjenigen Täter zugute, der die Selbstanzeige erstattet und damit die „erforderliche persönliche Leistung er­ bringt“155. Da § 378 Abs. 3 AO auf §§ 379 bis 383 AO, §§ 160 bis 163 StBerG oder etwa § 130 OWiG keine Anwendung findet156, soll auch die Ahndbarkeit dieser Ordnungswidrigkeitentatbestände durch die Selbstanzeige nicht ausgeschlossen sein157. Hat der Täter mit dem Verletzungsdelikt des § 378 Abs. 1 AO zugleich ein Gefährdungsdelikt der §§ 379 bis 382 AO oder ein anderes Delikt im Vorbereitungsstadium des § 378 Abs. 1 AO verwirklicht und erstattet wirksam Selbstanzeige, so lebt nach herrschender Ansicht der an sich subsidiäre Gefährdungstatbestand wieder auf158. Eine Sanktionierung des Verhaltens aufgrund des Gefährdungstatbestandes bleibt 150  Schauf,

in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 146. soeben unter 2. Teil, A. II. 2. a) aa). 152  Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 378 AO, Rn. 68. 153  Vgl. 1. Teil, C. II. 3., III. 3., IV., E. III. 154  Rolletschke, ZSteu 2006 (Selbstanzeige), 270 (275); ders., in: Rolletschke /  Kemper, § 378 Rn. 48; Merkt, in: Graf, OWiG, § 378 AO vor Rn. 1, bezeichnet § 378 Abs. 3 AO als „Bußgeldbefreiungsgrund“; a. A. Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 148, der ein Verfahrenshindernis annimmt; ähnlich hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Folgen, obwohl einen „verfahrensrechtlichen Hinderungsgrund“ ablehnend, Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 378 Rn. 106. 155  Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 148; Lohmeyer, GA 1965, 271 (272). 156  Zum Anwendungsbereich 2. Teil, A. II. 1. 157  BGHSt 12, 100; Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 379 AO, Rn. 130; im Einzelnen hierzu unter ausführlicher Begründung Brenner, StW 1981, 147 (148 ff.); a. A. etwa Müller, DB 1981, 1480 (1481). 158  KG wistra 1994, 36 (36 f.); auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht beanstandet, BVerfG, wistra 1997, 297 (298); BayObLG NJW 1981, 1055; Rolletschke, ZSteu 2006 (Selbstanzeige), 270 (275); Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 378 Rn. 105; a. A. für §§ 379, 381 und 382 AO Schauf, in: Kohlmann, § 378 AO Rn. 165 151  Hierzu

118 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

also möglich159. In diesen Fällen soll dann aber von § 47 OWiG Gebrauch zu machen sein, wobei es hierzu in der Praxis keine einheitliche gericht­ liche Handhabung zu geben scheint160. Aufgrund der einzig bei der hiesi­ gen  Selbstanzeigeregelung bestehenden Möglichkeit der Teilselbstanzeige161 kann – ähnlich wie bei § 266a StGB162  – auch eine teilweise Straffreiheit erlangt werden.

IV. Abschließende Betrachtung Die Selbstanzeige im Steuerordnungswidrigkeitenrecht ist in ihrer Struktur parallel zu § 371 AO ausgestaltet, so dass auch bei dieser einige der für Vorschriften zur tätigen Reue im Strafrecht herausgearbeiteten wesentlichen Elemente wiederzufinden sind. Dass der Gesetzgeber aber die in den letzten Jahren umgesetzten Reformen der steuerstrafrechtlichen Selbstanzeige nicht auch für § 378 Abs. 3 AO vorgenommen hat, obwohl auch hier Anpassungen an ein geändertes Rechtsverständnis erwogen worden waren163, zeigt, dass Täter einer Ordnungswidrigkeit im Steuerrecht rechtlich anders behandelt werden sollen als Steuerstraftäter. Dies ist eine logische Folge der beschriebenen unterschiedlichen – wenn auch im Einzellfall eventuell nahe beieinander liegenden, schwer abzugrenzenden – „Unrechts- beziehungsweise Schuld­ situation“ bei vorsätzlicher Steuerhinterziehung und leichtfertiger Steuerverkürzung. Dieses unterschiedliche Rechtsverständnis der beiden Selbstanzeigen wird auch darin deutlich, dass § 378 Abs. 3 AO im Grunde genommen keinen Sinn ergeben würde, hätte sich der Normzweck hier rein am fiskalischen Interesse zu orientieren. Wie erörtert, wird häufig nicht der ja fahrlässig, also ohne Kenntnis von seinem Verstoß handelnde Betroffene die verborgene Steuerquelle offenbaren, sondern die Finanzbehörde selbst durch einen ihrer Beamten. Das Ziel der Erschließung einer noch unbekannten Steuerquelle kann zwar auch dann noch erreicht werden, aber eben nicht mehr und Matthes, in: Kohlmann, § 379 AO Rn. 186 ff., der zumindest für eine Einstellung nach § 47 OWiG plädiert. 159  Weyand, in: Schwarz, AO, § 378 Rn. 20. 160  Weyand, in: Schwarz, AO, § 378 Rn. 20; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 378 Rn. 52; hierzu auch das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 29.07.1981 betreffend keine Ausdehnung der bußgeldbefreienden Selbstanzeige auf den Tatbestand der Steuergefährdung (BMF – IV A 8 – S 0711 – 3 / 81). 161  Soeben unter 2. Teil, A. II. 2. a) bb). Soweit hier ersichtlich, sieht keine andere Vorschrift zur Selbstanzeige eine Teilselbstanzeige vor. Dies mag bei § 378 Abs. 3 AO wohl der Tatbestandskomponente der Leichtfertigkeit geschuldet sein. 162  Vgl. hierzu 1. Teil, C. III. 3. und 4, wobei hier die teilweise Straffreiheit nicht auf einer teilweise erstatteten Selbstanzeige, sondern auf Teilnachentrichtungen beruht. 163  BT-Drs. 18 / 3018, S. 14.



B. Die Bonusregelungen des Kartellordnungswidrigkeitenrechts119

„ursächlich“ durch die Selbstanzeige. Im Bewusstsein dessen wird der im Verhältnis zur Steuerstraftat mildere, auch aus der gesetzgeberischen Einordnung als Ordnungswidrigkeit resultierende Maßstab zur Bewertung des Täterverhaltens bei der Selbstanzeige offenbar. Vielleicht liegt es aber teilweise auch an der geringeren Bekanntheit des § 378 Abs. 3 AO und damit an der geringeren öffentlichen Aufmerksamkeit und Kritik, die die Selbstanzeige bei leichtfertiger Steuerverkürzung erhalten hat, dass sich die Unterschiede nach der Gesetzesreform im Jahr 2014 gesetzlich noch mehr verfestigen konnten. Denn Einwände gegen die weite Ausgestaltung der Vorschrift gab es immer wieder164.

B. Die Bonusregelungen des Kartellordnungswidrigkeitenrechts Für den Bereich des Kartellordnungswidrigkeitenrechts hat das Bundeskartellamt mit der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen vom 7.  März 2006165 (Bekanntmachung Nr. 9 / 2006) relativ detaillierte Richtlinien für die Berücksichtigung der Offenlegung eines Kartells im Rahmen der Bußgeldfestsetzung erlassen166. Diese sogenannte Bonusregelung bietet einem Teilnehmer des Wirtschaftsverkehrs grundsätzlich die Möglichkeit gegen Anzeige der eigenen Beteiligung an einem rechtwidrigen Kartell und die Mitarbeit an dessen Aufdeckung beziehungsweise Verfolgung in den „Genuss“ des vollständigen oder teilweisen Erlasses der an sich zu verhängenden Geldbuße zu kommen. Gerade im Zusammenspiel mit der verschärften Bußgeldpraxis der Kartellbehörden167 wird die Bedeutung der Bonusregelung als überaus wichtiges In­ 164  Vgl.

etwa Dörn, wistra 1997, 291 (292). Nr. 9 / 2006 über den Erlass und die Reduktion von Geld­ bußen in Kartellsachen  – Bonusregelung  – vom 7.  März 2006, abrufbar unter: http: /  / www.bundeskartellamt.de / DE / Kartellverbot / Bonusregelung / bonusregelung_ node.html (zuletzt abgerufen am 18.06.2017). 166  Entsprechende Vorschriften wurden auch auf Länderebene geschaffen, siehe etwa die Bonusregelungen der Bundesländer Bayern, abrufbar unter: http: /  / www. bayerische-landeskartellbehoerde.de / informationen / , Hessen, abrufbar unter: https: /  /  wirtschaft.hessen.de / wirtschaft / landeskartellbehoerde / anzeigen-von-kartellverstoes sen / bonusregelung, oder Rheinland-Pfalz, abrufbar unter: https: /  / mwkel.rlp.de / de /  ministerium / zugeordnete-institutionen / landeskartellbehoerde / ; die Landeskartellbehörde Baden-Württemberg wendet zum Beispiel für ihren Zuständigkeitsbereich die Bonusregelung des Bundeskartellamts inhaltsgleich an, siehe https: /  / wm.baden-wuert temberg.de / de / wirtschaft / aufsicht-und-recht / landeskartellbehoerde / aufgaben-undtaetigkeitsschwerpunkte /  (alle zuletzt abgerufen am 18.06.2017). 167  Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 73; Böge, Bonus- und Kronzeugenregelungen in Deutschland und in der EU, 149 (162). 165  Bekanntmachung

120 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

strumentarium bei der Aufklärung von Kartellverstößen häufig betont168. Die Zahl der aufgedeckten Kartelle hat sich seit dem Jahr 2000 gegenüber den 1990er Jahren mithilfe der Bonusregelung etwa verdreifacht169. Eine erste Bekanntmachung des Bundeskartellamts über Bonusregelungen hatte es nämlich schon in diesem Jahr gegeben170. Nach dem Zeitpunkt der hier gegenständlichen Bekanntmachung aus dem Jahr 2006, die die Defizite ihrer Vorgängerregelung ausgleichen und weiterentwickeln sollte, stiegen die Zahlen der gestellten Bonusanträge noch einmal beträchtlich an171. Wohl auch aufgrund dieser positiven Auswirkungen für die kartellrechtliche Verfolgungspraxis172 hielten die Bestimmungen der immer wieder aufgekommenen Kritik an ihrer Recht- und Verfassungsmäßigkeit173 stand. Inspiriert worden waren die deutschen Kartellbehörden allerdings von den erfolgreichen Erfahrungen der Europäischen Kommission und der Antitrust Division des US-amerikanischen Department of Justice mit der Ermittlung und Ahndung kartellrechtlicher Verstöße174. In den Vereinigten Staaten von 168  Pressemitteilung des Bundeskartellamtes vom 15.03.2006, abrufbar unter: http: /  / www.bundeskartellamt.de / SharedDocs / Meldung / DE / Pressemitteilungen /  2006 / 15_03_2006_Bonusregelung.html (zuletzt abgerufen am 18.06.2017); Böge, Bonus- und Kronzeugenregelungen in Deutschland und in der EU, 149 (154); Gercke, in: FS-Schiller, 161 (161); Busch / Sellin, BB 2012, 1167 (1167); Vormizeele, wistra 2006, 292 (292); Reichert / Walther, GPR 2015, 120 (120), bezeichnen die Kronzeugenregelungen etwa als „das Kernstück der öffentlich-rechtlichen Kartellbekämpfung“. 169  Busch / Sellin, BB 2012, 1167 (1167); Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 540. 170  Bekanntmachung Nr. 68 / 2000 über Richtlinien des Bundeskartellamtes für die Festsetzung von Geldbußen vom 17.  April  2000 (Bekanntmachung Nr. 68 / 2000), abgedruckt bei Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Auflage 2001, Textanhang, S. 2825 ff. 171  Über 40 Anträge wurden jährlich im Durchschnitt zwischen 2007 und 2012 gestellt, vgl. Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81  Rn. 540, unter Verweis auf den Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamts 2011 / 2012, S. 28; auch nach dem Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamts 2013 / 2014, S. 23, bewegt sich die Zahl der Bonusanträge weiter auf hohem Niveau. 172  Hierzu Ohle / Albrecht, WRP 2006, 866 (869); Dreher, ZWeR 2009, 397 (398), vergleicht die Aktivitäten der europäischen und deutschen Kartellbehörden bei der Bebußung sogar mit dem Motto der olympischen Spiele „citius, altius, fortius“. 173  Hierzu Thiem, Die Bonusregelung des Bundeskartellamtes, insbes. S. 75 ff und 81 ff.; Hetzel, Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 240 ff.; Wiesner, Der Kronzeuge im Kartellrecht, S. 118 ff. und 129 ff.; Steinberg, WuW 2006, 719 (720 ff.); hierzu auch Wiesner, WuW 2005, 606 (608). 174  Vgl. Stockmann, Sanktionen als Instrument zur Durchsetzung des Kartellrechts, S. 93 (96 f.); Wiesner, WuW 2005, 606 (606 f.); Böge, Bonus- und Kronzeugenregelungen in Deutschland und in der EU, 149 (155); so auch ausdrücklich erwähnt im Einleitungstext zur Bekanntmachung Nr. 68 / 2000, abgedruckt bei Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Auflage 2001, Textanhang, S. 2825 ff.



B. Die Bonusregelungen des Kartellordnungswidrigkeitenrechts121

Amerika war das weltweit erste kartellrechtliche als „Leniency-Programm“ bezeichnete sogenannte Kronzeugenprogramm für Kartellverstöße bereits 1978 eingeführt und 1993 durch eine überarbeitete Fassung ersetzt worden175. Dieses war wiederum Vorbild und Orientierungshilfe für die Schaffung entsprechender Regelungen auf europäischer Ebene176. Die Europäische Kommission ließ zunächst 1996177, dann 2002178 und schließlich im Jahr 2006 mit der „Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen“179 an die praktischen Gegebenheiten des europäischen Kartellrechts immer wieder neu angepasste Kronzeugenprogramme verkünden. Neben Deutschland erließen daraufhin auch zahlreiche andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union Vorschriften zum Umgang mit Kronzeugen im Kartellrecht180. Den aus diesen vielen unterschiedlichen nationalstaatlichen Regelungen resultierenden Schwierigkeiten im Sinne einer Harmonisierung zu begegnen, hat sich eine Arbeitsgruppe des Netzwerks der Europäischen Wettbewerbsbehörden (European Competition Network) zur Aufgabe gemacht181. 175  Ausführlich zur Entwicklung der US-amerikanischen Kronzeugenprogramme Schneider, Kronzeugenregelung im EG-Kartellrecht, S. 240 ff.; knapper etwa bei Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 40 f. In den Vereinigten Staaten wurde zunächst ein Kronzeugenprogramm für Unternehmen geschaffen, die „Corporate Leniency Policy“ vom 10.08.1993, abrufbar unter http: /  / www.usdoj.gov / atr / public / guidelines / 0091.pdf (zuletzt abgerufen am 18.06. 2017), später dann auch ein solches für Individuen, „Leniency Policy for Individuals“ vom 10.08.1994, abrufbar unter http: /  / www.usdoj.gov / atr / public / guidelines / lenind. htm (zuletzt abgerufen am 18.06.2017). 176  Schneider, Kronzeugenregelung im EG-Kartellrecht, S. 23. 177  Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (96 / C  207 / 04), Abl. Nr. C  207 vom 18.07.1996 (im Folgenden: Kommissionsmitteilung (96 / C 207 / 04)). 178  Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (2002 / C 45 / 03), Abl. Nr. C045 vom 19.02.2002. 179  Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (2006 / C  298 / 11), Abl. Nr. C  298 / 17 vom 08.12.2006 (im Folgenden: Kommissionsmitteilung (2006 / C 298 / 11)). 180  Vgl. hierzu eine durch die EU-Kommission erstellte Übersicht über Staaten, die eine sogenannte Leniency-Regelung haben, unter http: /  / ec.europa.eu / competi tion / antitrust / legislation / authorities_with_leniency_programme.pdf (zuletzt abgerufen am 18.06.2017). 181  Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81  Rn. 536 f.; Engelsing, ZWeR 2006, 179 (182 f.); Schroeder, in: FS-Bechtold, 437 (449); vgl. hierzu auch die Gemeinsame Erklärung des Rates und der Kommission zur Arbeitsweise des Netzes der Wettbewerbsbehörden, die Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden (2004 / C 101 / 03), ABlEG Nr. C  101 vom 27.04.2004, S. 43, sowie das ECN Model Leniency Programme, sämtliche abrufbar unter http: /  / www.bundeskartellamt.de / DE / Internationa les / Europa / europa_node.html#doc3712222bodyText3.

122 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

Gegenstand der hiesigen Erörterungen sollen indes nur die deutschen Bonusregelungen des Bundeskartellamts, also die aktuelle deutsche Rechtspraxis sein, auch wenn dies nicht ausschließt, hinsichtlich der den Vorschriften zugrundeliegenden Erwägungen und ihrer Auslegung stellenweise auf die anerkannten europäischen Vorgänger zurückzugreifen182. Mag es sich der Sache nach auch um eine Art Kronzeugenregelung ­handeln183, so wurde für die deutschen Vorschriften bewusst der neutralere ­Begriff der „Bonusregelung“ gewählt, um zu verdeutlichen, dass es bei der Regelung um die Honorierung der Selbstanzeige geht und nicht vordergründig um die Gewährung eines Sanktionsnachlasses für die Belastung anderer184. Da Kern der bereits beschriebenen Information der Kartellbehörden durch einen Kartellbeteiligten somit also immer auch die Anzeige des eigenen rechtswidrigen Verhaltens ist, können die Bestimmungen aus der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 hier unter der Thematik der Selbstanzeigen im Ordnungswidrigkeitenrecht behandelt werden.

I. Ratio legis der Kronzeugenprogramme und Rechtsnatur der Bonusregelung im Kartellrecht 1. Ratio legis Absprachen im Bereich sogenannter Hardcore-Kartelle, die maßgeblicher Gegenstand der begünstigenden Bonusregelung sind185, werden als schwerwiegende Wettbewerbsbeschränkungen und in hohem Maße sozialschädliche Verhaltensweisen eingeordnet, die existenzbedrohend auf einen unverfälschten Wettbewerb und die Wirtschaft wirken186. Sie führen letztlich aufgrund 182  Die Frage, wie sich ein beim Bundeskartellamt gestellter Bonusantrag auf ein Verfahren vor der Kommission auswirkt, wird unter 2. Teil, B. III. 2. kurz angesprochen. 183  So etwa Wiesner, WuW 2005, 606 (607); Achenbach, NJW 2001, 2232 (2233); Vollmer, in: Bornkamm / Montag / Säcker, GWB, § 81 Rn. 152; Raum, in: Langen /  Bunte, § 81 Rn. 197. 184  Böge, Bonusregelungen in Deutschland und der EU, S. 149 (153), Fn. 12. Aus diesen Erörterungen geht auch hervor, dass die Benennung als „Selbstanzeigeregelung“ wegen der zwangsläufigen Mitbelastung anderer Kartellteilnehmer ausschied. Ähnlich auch Stockmann, Sanktionen als Instrument zur Durchsetzung des Kartellrechts, S. 93 (97). 185  Dazu sogleich näher unter 2. Teil, B. II. 1. Anwendungsbereich. 186  Bekanntmachung Nr. 68 / 2000, Einleitungstext, abgedruckt bei Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Auflage 2001, Textanhang, S. 2825 ff.; Böge, Bonus- und Kronzeugenregelungen in Deutschland und in der EU, 149 (150); der Begriff des Kartells ist auch näher erläutert in der Kommissionsmitteilung (2006 / C 298 / 11), Einleitung (1); Schneider, Kronzeugenregelung im EG-Kartellrecht, S. 22.



B. Die Bonusregelungen des Kartellordnungswidrigkeitenrechts123

der künstlichen Wettbewerbsbeeinträchtigung über einen mangelnden Anlass der Kartellbeteiligten für Innovationen im Bereich der Produktentwicklung und Produktionsverfahren zu höheren Preisen, einer geringeren Auswahl für den Verbraucher und wirken sich durch eine langfristige Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit negativ auf die Beschäftigung aus187. Die benannten illegalen Vereinbarungen sind aber meistens von einem strikt geheimen und äußerst konspirativen Vorgehen geprägt, so dass der Erfolg ihrer Aufklärung und Sanktionierung ohne Hinweise und Mitwirkung von daran beteiligten Unternehmen oder Einzelpersonen äußerst schwierig oder gar unmöglich ist188. Betroffene, insbesondere die Mitbewerber des jeweiligen Marktes, merken in der Regel nicht, dass sie Opfer einer Absprache sind189. Konsequenterweise haben die Wettbewerbshüter große Schwierigkeiten Kartelle mit den ihnen zur Verfügung stehenden konventionellen Ermittlungsmethoden aufzudecken und sich die erforderlichen Beweismittel zu verschaffen190. Bei solch einem oft mit dem Schlagwort des „Ermittlungsnotstands“191 beschriebenen staatlichen Informationsdefizit192, das auch für andere Regelungen tätiger Reue wie etwa § 261 Abs. 9 StGB193 oder § 371 AO194 als Beweggrund angeführt wird, liegt es besonders im Interesse der Verbraucher und Bürger Unternehmen, die mit der Kartellbehörde zusammenarbeiten und es ihr so ermöglichen, die verbotenen Verhaltensweisen zu ermitteln, Rechtsvorteile zu gewähren195. Das Bundeskartellamt erörtert hierzu ausdrücklich, dass das Interesse an der Zerschlagung eines Kartells größer sein könne als das Bedürfnis an der Sanktionierung eines einzelnen Kartellmitglieds196. Denn, so der damalige Präsident des Bundeskartellamts Böge, aus der Sicht der Kartellverfolgung entgehe zwar ein einzelner Täter seiner „gerechten 187  Kommissionsmitteilung (2006 / C  298 / 11), Einleitung (2); diese Dynamik beschreibt auch Wiesner, WuW 2005, 606 (608). 188  Bekanntmachung Nr. 68 / 2000, Einleitungstext, abgedruckt bei Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Auflage 2001, Textanhang, S. 2825 ff.; Kommissionsmitteilung (2006 / C 298 / 11), Einleitung (3); Ohle / Albrecht, WRP 2006, 866 (866). 189  Wiesner, WuW 2005, 606 (608). 190  Ohle / Albrecht, WRP 2006, 866 (866). 191  Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, S. 101; vgl auch Jeßberger, Kooperation und Strafzumessung, S. 101 f. 192  Schneider, Kronzeugenregelung im EG-Kartellrecht, S. 20. 193  Vgl. 1. Teil, C. II. 1. 194  Vgl. 1. Teil, C. I. 1. 195  Kommissionsmitteilung (2006 / C 298 / 11), Einleitung (3). 196  Bekanntmachung Nr. 68 / 2000, Einleitungstext, abgedruckt bei Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Auflage 2001, Textanhang, S. 2825 ff.; Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 511.

124 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

Strafe“197. Dieser Nachteil werde aber dadurch mehr als aufgewogen, dass das gesamtwirtschaftlich schädliche Kartell zerschlagen werde und wenigstens die anderen Kartellmitglieder ihre verdiente Geldbuße erhielten198. Dem Kartellgeschädigten und der gesamten Volkswirtschaft sei damit erheblich mehr gedient, als wenn der Staat auf seinem theoretischen Anspruch auf Bebußung sämtlicher Kartellanten beharre199. Aufgrund des entscheidenden Beitrags zum Nachweis eines Kartells stellt die Mithilfe des Unternehmens beziehungsweise der Einzelperson nach Ansicht der Europäischen Kommission sogar einen Wert an sich dar, der eine Sanktionsminderung zu rechtfertigen vermag200. Grundlage der Bonusregelung sind also zunächst reine Zweckmäßigkeitserwägungen. Diese haben in ihrer praktischen Umsetzung zudem den aus Sicht der Wettbewerbsbehörde günstigen Nebeneffekt, dass aufgrund des durch einen kooperationswilligen Kartellanten „zugespielten Wissens“ und seiner Unterstützung während des gesamten Verfahrens deutlich weniger Ressourcen eingesetzt werden müssen und traditionelle Verteidigungsstrategien der Arbeit des Kartellamts nicht entgegenstehen201. Die den Kartellmitgliedern drohende Gefahr hoher Geldbußen wirkt jedoch zwangsläufig abschreckend gegen eine Zusammenarbeit mit der Kartellbehörde202. Auch vor Schaffung der Bonusregelungen fand die Kooperation von Unternehmen und Individualpersonen mit den Kartellämtern bei der Aufklärung von Kartellverstößen zwar bereits Berücksichtigung im Rahmen der Bußgeldbemessung203, allerdings ohne eine gewisse Vorhersehbarkeit im Hinblick auf die daraus entspringenden Sanktionsfolgen für den sich selbst anzeigenden Kartellbeteiligten. Damit Letzterer diese berechtigte Furcht vor empfindlichen Geldbußen abbaut und sich aufgrund seiner Hemmungen vor einer Kooperation mit der Wettbewerbsbehörde204 nicht in einen „Mantel des 197  Böge, Bonus- und Kronzeugenregelungen in Deutschland und in der EU, 149 (157); zu diesem Verhältnis auch Wiesner, WuW 2005, 606 (614). 198  Böge, Bonus- und Kronzeugenregelungen in Deutschland und in der EU, 149 (157). 199  Böge, Bonus- und Kronzeugenregelungen in Deutschland und in der EU, 149 (157). 200  Kommissionsmitteilung (2006 / C 298 / 11), Einleitung (4). 201  Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 25 f.; so auch kurz Schneider, Kronzeugenregelung im EG-Kartellrecht, S. 20 f.; den Aspekt der Arbeitserleichterung erwähnt etwa auch Soltész, WuW 2005, 616 (616). 202  Bekanntmachung Nr. 68 / 2000, Einleitungstext, abgedruckt bei Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Auflage 2001, Textanhang, S. 2825 ff. 203  Lutz, BB 2000, 677 (679); Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 75; Böge, Bonus- und Kronzeugenregelungen in Deutschland und in der EU, 149 (155); Stockmann, Sanktionen als Instrument zur Durchsetzung des Kartellrechts, S. 93 (102).



B. Die Bonusregelungen des Kartellordnungswidrigkeitenrechts125

Schweigens“ hüllt205, war es daher das erklärte Ziel, vor allem mit der reformierten Bonusregelung aus dem Jahr 2006, mehr Transparenz und Rechts­ sicherheit für ausstiegswillige Unternehmen und Einzelpersonen zu schaffen206, indem anhand der in der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 genau niedergelegten Kriterien der zu erwartende Vorteil bei der Bemessung der Geldbuße berechenbarer gemacht wurde207. Durch die Gewährung eines gewissen Automatismus208 sollte es gelingen einen finanziellen Anreiz zur Selbstanzeige und zum Ausstieg aus einem bestehenden Kartell zu bieten und damit die Effektivität der Bonusregelung zu steigern209. Mit diesem Gedanken der Schaffung einer Anreizwirkung hat die Bonusregelung eine weitere Haupt­ erwägung mit den übrigen Vorschriften tätiger Reue gemein210. Allerdings sieht die Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 auch vor, dass überhaupt nur dem Kartellbeteiligten, der sich als erster an das Bundeskartellamt wendet, völlige Bußgeldfreiheit eingeräumt werden kann211. An einem Kartell Beteiligte stehen hierdurch unter enormem Zeitdruck, wenn sie einen Bonus­ antrag stellen möchten, und müssen immer damit rechnen von einem anderen Mitglied des Kartells schon „denunziert“ worden zu sein212. Da die Basis rechtswidriger Absprachen im Kartellbereich aber das gegenseitige Vertrauen und der von Solidarität geprägte Zusammenhalt der Kartellanten ist213, folgt aus dieser Unsicherheit ein „Klima des Misstrauens“214, in welchem das 204  Böge,

(158).

Bonus- und Kronzeugenregelungen in Deutschland und in der EU, 149

205  Puffer-Mariette,

S. 34.

Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht,

206  Bekanntmachung Nr. 68 / 2000, Einleitungstext, abgedruckt bei Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Auflage 2001, Textanhang, S. 2825 ff.; Engelsing, ZWeR 2006, 179 (184). 207  Bekanntmachung Nr. 68 / 2000, Erläuterungen, abgedruckt bei Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Auflage 2001, Textanhang, S. 2827; Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 34. 208  Böge, Bonus- und Kronzeugenregelungen in Deutschland und in der EU, 149 (155). 209  Soltész, WuW 2005, 616 (616); Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 510. 210  Vgl. 1. Teil, E. I., oder auch exemplarisch zu den einzelnen Vorschriften 1. Teil, A. I., B. II., C. I. 1. Oder C. II. 1. 211  Vgl. Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 3 und 4, dazu eingehend zugleich unter 2. Teil, B. II. 2. a) aa). 212  Soltész, WuW 2005, 616 (616); Säcker, WuW 2009, 3. 213  Böge, Bonus- und Kronzeugenregelungen in Deutschland und in der EU, 149 (158); Soltész, WuW 2005, 616 (616). 214  Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 26; Schneider, Kronzeugenregelung im EG-Kartellrecht, S. 21; Wiesner, WuW 2005, 606 (607).

126 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

Kartell destabilisiert und seine Abschirmung somit für die Beteiligten unkalkulierbar ist215. Das Kartell ist leichter von innen aufzubrechen216, da die Bonusregelung es hier für den Kartellteilnehmer zur wirtschaftlich sinnvollsten Strategie macht, das Kartell selbst anzuzeigen, um derart einer Sanktionierung zu entgehen217. Denn es ist in der Regel weniger die Reue, die den Kartellbeteiligten zum Ausstieg antreibt, sondern vielmehr die wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse zwischen dem Verbleib in dem Kartell und der weiteren Teilnahme an demselben218. Während die Bonusregelung also für den einzelnen Kartellbeteiligten eine Begünstigung begründet, stellt sie für das Kartell als Ganzes eine deutliche Verschärfung dar219. Zusammenfassend verfolgt die Bonusregelung damit dreierlei: Sie soll erstens Ermittlungsdefizite bei der Verfolgung schwerwiegender Kartellverstöße ausgleichen, zweitens durch transparente, berechenbare Regelungen einen Anreiz zur Zusammenarbeit mit dem Bundeskartellamt geben und drittens der Bildung von Kartellen von vornherein durch die Schaffung eines Klimas der Unsicherheit220 und durch deren Destabilisierung präventiv221 entgegenwirken. 2. Rechtsnatur und Regelungscharakter Auch für die praktische Anwendung der Bonusregelung sind ihre Rechtsnatur und ihr Regelungscharakter von Bedeutung. Die im Rahmen der Verfolgung von Kartellordnungswidrigkeiten vorzunehmende Berücksichtigung von Selbstanzeigen steht gemäß § 47 OWiG im pflichtgemäßen Ermessen des Bundeskartellamts222. Im Gesetzgebungsverfahren zur 6.  Novelle des 215  Böge, Bonus- und Kronzeugenregelungen in Deutschland und in der EU, 149 (158 und 162); Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 510; Stockmann, Sanktionen als Instrument zur Durchsetzung des Kartellrechts, S. 93 (98). 216  Böge, Die Rolle der mitgliedstaatlichen Kartellbehörden bei der Anwendung des EU-Kartellrechts, 149 (159); Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 13; Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 510; Ohle / Albrecht, WRP 2006, 866 (867). 217  Wiesner, WuW 2005, 606 (607). 218  Vormizeele, wistra 2006, 292 (293). 219  Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 26. 220  Schneider, Kronzeugenregelung im EG-Kartellrecht, S. 21. 221  Böge, Bonus- und Kronzeugenregelungen in Deutschland und in der EU, 149 (158). 222  Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 72; zur Abgrenzung der grundsätzlich in Betracht kommenden normativen An-



B. Die Bonusregelungen des Kartellordnungswidrigkeitenrechts127

Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) wurde erwogen die Berücksichtigung von Selbstanzeigen von Kartellverstößen auf eine gesetz­ liche Grundlage zu stellen223. Mit der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 ist es jedoch bei einer untergesetzlichen Regelung in Form einer Verwaltungsvorschrift geblieben, die das Ermessen des Bundeskartellamts konkretisiert224. Als solche haben ihre Bestimmungen zwar keine rechtliche Außenwirkung, sondern wirken lediglich innerbehördlich225. Mit dem Erlass der Bonusregelung wurde jedoch eine Verwaltungspraxis festgeschrieben, die das Bundeskartellamt bei seiner Ermessensausübung bindet226. Denn aus dem Gleichheitsgebot des Art. 3 GG ist das Bundeskartellamt verpflichtet, bei Ausübung seines Ermessens nicht ohne einen sachlichen Grund von seiner bisheri­ gen Verwaltungspraxis abzuweichen (Prinzip der Selbstbindung der Verwal­ tung)227. Für die Rechtsfolgenseite stellen sich die Bonusregelungen daher als für das Bundeskartellamt zwingend zu beachtende Normen dar. Auf eine gerichtliche Entscheidung über einen Bußgeldbescheid hat indes eine Anwendung oder Nichtbeachtung der Bonusregelung durch das Bundeskartellamt zunächst keine Auswirkung228. Zwar kann die Entscheidung des Bundeskartellamts über einen Bonusantrag als Teil der Bußgeldentscheidung gerichtlich nach den allgemeinen Regeln im Einspruchsverfahren nach §§ 67 ff. OWiG angefochten werden229. Das Gericht ist aber nicht unmittelbar an die Verwaltungsrichtlinie gebunden, sondern hat eine eigene Entscheidung (§§ 71, 72 OWiG) über den Erlass der Geldbuße auf Grundlage der in § 17 Abs. 3 OWiG niedergelegten Zumessungserwägungen zu trefknüpfungspunkte des § 47 OWiG und § 17 OWiG vgl. Wiesner, WuW 2005, 606 (609 f.); sehr ausführlich Wiesner, Der Kronzeuge im Kartellrecht, S. 77 ff. 223  BT-Drs. 13 / 9720, S. 45. 224  BT-Drs.  15 / 3640, S. 67; BR-Drs.  441 / 04, S. 119; Ohle / Albrecht, WRP 2006, 866 (867); Vormizeele, wistra 2006, 292 (293); Cramer / Pananis, in: Loewenheim /  Meesen / Riesenkampff, 10. Teil, § 81 Rn. 113; Raum, in: Langen / Bunte, § 81 Rn. 196. 225  Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 83; Raum, in: Langen / Bunte, § 81 Rn. 196. 226  Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 516; Dannecker / Müller, in: Wabnitz / Janovsky, 18.  Kapitel C. Rn. 157; Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 83; die Landesbehörden werden indes nicht durch die Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 gebunden, da diese für sie keine Wirkung entfaltet, vgl. Bechtold, in: Bechtold / Bosch, GWB § 81 Rn. 54; Cramer / Pananis, in: Loewenheim / Meesen / Riesenkampff, 10.  Teil, § 81 Rn. 113; Klusmann, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 57 Rn. 111; Vollmer, in: Bornkamm / Montag /  Säcker, § 81 GWB Rn. 151. 227  Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 83; Vollmer, in: Bornkamm / Montag / Säcker, § 81 GWB Rn. 151. 228  Bechtold, in: Bechtold / Bosch, GWB § 81 Rn. 52. 229  Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 516.

128 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

fen230. Das Verfahren nach Einspruch kontrolliert die Ahndbarkeit selbst, aber weder den Bußgeldbescheid noch dessen Zustandekommen231. Das bedeutet, dass anders als im Verwaltungsprozess, in dessen Rahmen eine gerichtliche Überprüfung der behördlichen Entscheidung selbst erfolgt, das zuständige Amtsgericht vor der Aufgabe steht, erneut die Tat zu bewerten und über die Verhängung einer Geldbuße zu entscheiden232. Bei dieser Entscheidung kann die Bonusregelung als eine Verwaltungsvorschrift für das Gericht selbstverständlich keine unmittelbare Geltung beanspruchen. Allerdings wird das zuständige Gericht in der Praxis im Sinne einer möglichst gleichen Behandlung gleichgelagerter Fälle die Maßstäbe der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 berücksichtigen, gerade auch, seitdem die Befugnis des Bundeskartellamts zur Schaffung einer Bonusregelung mit § 81 Abs. 7 GWB auf einer gesetzlichen Grundlage steht233. Auch für Gerichte muss der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung über Art. 3 Abs. 1 GG Bedeutung haben.

II. Die „Tatbestände“ der Bonusregelung des Bundeskartellamts Gemäß § 81 Abs. 7 GWB kann das Bundeskartellamt allgemeine Verwaltungsgrundsätze über die Ausübung seines Ermessens bei der Bemessung der Geldbuße, insbesondere für die Feststellung der Bußgeldhöhe als auch für die Zusammenarbeit mit ausländischen Wettbewerbsbehörden, festlegen. Diese Regelung, die im Jahr 2005 mit der 7. GWB-Novelle Einzug in das Gesetz gefunden hat234, soll sich nach der Gesetzesbegründung gerade auch auf den Erlass der Bonusregelung durch das Bundeskartellamt beziehen235. Mit ihr sollte der damals vielfach vorgebrachten Kritik am Fehlen einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der ersten, schon seit 2000 bestehenden Bonusregelung des Bundeskartellamtes begegnet werden. Diese Bedenken, die sich im Wesentlichen auf den Vorbehalt des Gesetzes, den Gleichheitssatz und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu stützen 230  Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 84; Raum, in: Langen / Bunte, § 81 Rn. 196; Bechtold, in: Bechtold / Bosch, GWB, § 81 Rn. 52. 231  Ellbogen, in: KK-OWiG, § 67 Rn. 124. 232  Ellbogen, in: KK-OWiG, § 67 Rn. 1 und 4. 233  Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 84; Raum, in: Langen / Bunte, § 81 Rn. 196; hierzu sogleich 2. Teil, B. II. 234  Bechtold, in: Bechtold / Bosch, GWB, § 81 Rn. 52; Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 512 un 576; Klusmann, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 57 Rn. 111; Vollmer, in: Bornkamm / Montag / Säcker, GWB, § 81 Rn. 151. 235  BT-Drs. 15 / 3640, S. 67.



B. Die Bonusregelungen des Kartellordnungswidrigkeitenrechts129

versuchten236, haben sich damit nach wohl ganz überwiegender Auffassung erledigt237. Das Bundeskartellamt hat jedenfalls mit der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 von der Ermächtigung Gebrauch gemacht und mit dieser drei unterschiedliche Fallgruppen für die Behandlung von kooperationsbereiten Kartellmitgliedern geschaffen. Deren genauere Betrachtung ist nun Gegenstand dieses Unterabschnitts. 1. Anwendungsbereich Der persönliche Anwendungsbereich der Bonusregelung erfasst die sogenannten Kartellbeteiligten und erstreckt sich sowohl auf die nach § 30 OWiG haftenden238 Unternehmen und Unternehmensvereinigungen als auch auf natürliche Personen239. Bei Letzteren handelt es sich dann naturgemäß um diejenigen Mitarbeiter des jeweils betroffenen Unternehmens, die im Sinne von § 130 Abs. 1 OWiG als Täter einer Kartellordnungswidrigkeit überhaupt in Betracht kommen240. In sachlicher Hinsicht ist der Anwendungsbereich nach dem Wortlaut der Bonusregelung in deren Randnummer 1 nicht auf bestimmte Kartelle beschränkt, sondern umfasst grundsätzlich alle Kartelle241. Die Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 soll sich aber, wie auch die Kronzeugenmitteilung der Europäischen Kommission242, vor allem auf die bereits erwähnten sogenannten Hardcore-Kartelle beziehen, also auf Absprachen über die Festsetzung von Preisen oder Absatzquoten sowie über die Aufteilung von Märkten und Submissionsabsprachen243. Diese schweren Kartellrechtsverstöße werden 236  Näher hierzu etwa Zagrosek, Kronzeugenregelungen im U.S.-amerikanischen, europäischen und deutschen Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 213 ff.; Lutz, BB 2000, 677 (680 ff.); Wiesner, WuW 2005, 606 (613 ff.); Hetzel, Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 246 ff.; Steinberg, WuW 2006, 719 (721 ff.). 237  So etwa Vollmer, in: Bornkamm / Montag / Säcker, GWB, § 81 Rn. 152; anders etwa Vormizeele, wistra 2006, 292 (297 f.). 238  Raum, in: Langen / Bunte, § 81 Rn. 197; Klooz, Die Akteneinsicht möglicherweise geschädigter Dritter in Akten des Bundeskartellamts, S. 181. 239  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 1. 240  Karl, in: Mes, Prozessformularbuch, II. N. 23. Anm. 7; Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 76. 241  Mit eingehender Auseinandersetzung Panizza, ZWeR 2008, 58 (63 f.); kritisch auch Schroeder, in: FS-Bechtold, 437 (445 f.). 242  Kommissionsmitteilung (2006 / C 298 / 11), Einleitung (1); Albrecht, WRP 2007, 417 (423). 243  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 1; Vollmer, in: Bornkamm / Montag / Säcker, GWB, § 81 Rn. 153; Engelsing, ZWeR 2006, 179 (184); Köhnen, in: Knierim / Rübenstahl / Tsambikakis, 27.  Kapitel Rn. 96, kategorisiert und erörtert die Begriffe der Preis-, Quoten-, Gebiets- und Kundenkartelle näher.

130 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 101 Abs. 1 AEUV244 als vorsätzlich oder fahrlässig begangene Ordnungswidrigkeiten sanktioniert245, für deren Verfolgung gemäß §§ 82, 48 Abs. 1 und 2 GWB grundsätzlich das Bundeskartellamt zuständig ist246. Aus historischer Sicht hat sich der Gesetzgeber wohl aufgrund seines Verständnisses zum Unrechtsgehalt wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen in den 1950er Jahren und des Wunsches nach der Ermöglichung einer quasi-strafrechtlichen Unternehmenshaftung bewusst für die Sanktionierung von Kartellverstößen als Ordnungswidrigkeiten und gegen deren Behandlung als Straftaten entschieden247. Eine Ausnahme bildet hier allerdings der Submissionsbetrug nach § 298 StGB (Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen), der eine Straftat darstellt und daher als solche nicht vom Bundeskartellamt, sondern von der Staatsanwaltschaft verfolgt wird248. Hier kann das Bundeskar244  § 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB lautet: „Ordnungswidrig handelt, wer gegen den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 2008 (Abl. C 115 vom 9.5.2008, S. 47) verstößt, indem er vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen Artikel 101 Absatz 1 eine Vereinbarung trifft, einen Beschluss fasst oder Verhaltensweisen aufeinander abstimmt oder 2. …“ Art. 101 Abs. 1 AEUV lautet: „Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereini­ gungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Vereinbarung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, insbesondere a) die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen; b) die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen; c) die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen; d) die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden; e) die an den Abschluss von Verträgen geknüpfte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen.“ 245  In der Literatur scheint keine vollständige Einigkeit darüber zu bestehen, ob sich die Bonusregelung auch auf Verstöße nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. §§ 19, 20 GWB beziehen soll, vgl. etwa Vormizeele, wistra 2006, 292 (293) und Klusmann, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 57 Rn. 111. 246  Achenbach, NJW 2001, 2232 (2232), noch in Bezug auf die damals geltenden Vorschriften der §§ 81 Abs. 4 Nr. 1, 48 Abs. 1 GWB a. F. 247  Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, Vorbem. § 81 Rn. 1 ff., die als vermutete Gründe für diese gesetzgeberische Entscheidung auf den Wunsch nach der Ermöglichung von Verbandssanktionen und die gesetzgeberische Einschätzung des Verständnisses der Öffentlichkeit zu wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen verweisen; eine kritische Auseinandersetzung findet sich etwa bei Stockmann, Sanktionen als Instrument zur Durchsetzung des Kartellrechts, S. 93 (94 f.). 248  Böge, Bonus- und Kronzeugenregelungen in Deutschland und in der EU, 149 (161); zur Entwicklung Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, Vorbem. § 81 Rn. 4 ff.



B. Die Bonusregelungen des Kartellordnungswidrigkeitenrechts131

tellamt selbstverständlich trotzdem die verwirkte (Unternehmens-)Geldbuße nach der Bonusregelung erlassen249. Auf das strafrechtliche Verfahren gegen den beteiligten Mitarbeiter hat dies jedoch keine Auswirkungen250. Von der Bekanntmachung erfasst sind damit jedenfalls nur die beschriebenen Kartellordnungswidrigkeiten, im Vergleich zur Situation bei § 378 Abs. 3 AO, der nur Steuerverkürzungen in leichtfertiger Form erfasst251, aber immerhin in allen subjektiven Tatbestandsarten. 2. Anwendungsvoraussetzungen Für das Bundeskartellamt besteht die Möglichkeit die Geldbuße nach Randnummer  3 oder Randnummer  4 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 zu erlassen oder sie nach Randnummer  5 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 zu reduzieren. Die drei Wege stehen in einem abgestuften Verhältnis zueinander, so dass zunächst eine ausführlichere Erörterung der Voraussetzungen für einen Erlass nach Randnummer  3 und danach jeweils eine sich darauf beziehende Darstellung der Randnummern 4 und 5 erfolgt. a) Bonusregelung nach Randnummer  3 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 aa) Bonusantrag Erste Voraussetzung für das Eingreifen der Bonusregelung nach Randnummer 3 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 ist das Stellen eines Bonusantrags252. Hierin finden sich das vor allem Selbstanzeigen typische Element der Selbstbezichtigung sowie ein Teil  des für die tätige Reue erforderlichen Umkehr­ elements wieder253. Ein ausdrückliches Freiwilligkeitselement254 sieht die Verwaltungsvorschrift nicht vor. 249  Böge, Bonus- und Kronzeugenregelungen in Deutschland und in der EU, 149 (161); Dannecker / Müller, in: Wabnitz / Janovsky, 18. Kapitel C. Rn. 165; zu den Auswirkungen auf eine Unternehmensgeldbuße bei Vorliegen einer strafbaren Submis­ sionsabsprache eingehender Achenbach, NJW 2001, 2232 (2233 f.). 250  Böge, Bonus- und Kronzeugenregelungen in Deutschland und in der EU, 149 (161); Wegner, wistra 2000, 361 (367); neben anderen kritisiert Vormizeele, wistra 2006, 292 (298), jedoch etwa, dass durch diese getrennte Verfolgung von Kartellordnungswidrigkeiten und Kartellstraftaten die Anreizfunktion der Bonusregelung konterkariert werde. 251  Vgl. 2. Teil, A. II. 1. b). 252  Bei Karl, in: Mes, Prozessformularbuch, II. N. 23., findet sich die Vorlage eines Formulars zur Antragstellung. 253  Vgl. zu beidem 1. Teil, E. II und sogleich unter 2. Teil, B. II 2. a) bb). 254  Vgl. 1. Teil, E. II.

132 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

Den Antrag hat die am Kartell beteiligte natürliche Person selbst beziehungsweise ein von ihr gewählter Vertreter, etwa ein Rechtsanwalt, für diese einzureichen, bei einem Unternehmen, die zu dessen Vertretung berechtigte Person in dessen Namen255, also das nach internen Grundsätzen zuständige Or­gan256. Eine gemeinsame Antragstellung mehrerer Kartellbeteiligter ist unzulässig257. Der Adressat des Bonusantrags ist bei einem sich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beziehenden Kartellrechtsverstoß einzig und allein das Bundeskartellamt258. Hat die illegale Absprache allerdings einen grenzüberschreitenden Bezug und betrifft er die Rechtsordnungen mehrerer (EU-) Staaten, kann im Einzelfall auch ein paralleler Antrag bei mehreren nationalen Kartellbehörden notwendig sein, es sei denn, der Sachverhalt fällt sogar in den Zuständigkeitsbereich der EU-Kommission259. Als Folge dessen befände sich der Antragsteller dann allerdings auch im Anwendungsbereich der Europäischen Kronzeugenmitteilung. Intern stehen für die Bearbeitung eines beim Bundeskartellamt zu stellenden Bonusantrags  – insbesondere für eine vertrauliche, gegebenenfalls anonyme Kontaktaufnahme über einen Rechtsanwalt  – der Leiter beziehungsweise die Leiterin der Sonderkommission Kartellbekämpfung sowie der beziehungsweise die Vorsitzende der zuständigen Beschlussabteilung zur Verfügung260. Der Bonusantrag kann schriftlich, aber auch mündlich gestellt werden261. Die Möglichkeit der mündlichen Antragstellung dient zum einen der schnel255  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 17; Dannecker / Müller, in: Wabnitz / Janovsky, 18. Kapitel C. Rn. 163. 256  Raum, in: Langen / Bunte, § 81 Rn. 197; eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Folgen des Gesellschaftsrechts auf die kartellrechtlichen Kronzeugenregelungen findet sich bei Dreher, ZWeR 2009, 397. 257  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 15. 258  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 3. 259  Engelsing, ZWeR 2006, 179 (182 und 191 f.). In Konsequenz kann hiermit die Unsicherheit verbunden sein, bei welcher Wettbewerbsbehörde der Antragsteller überhaupt seinen Antrag stellen muss, hierzu Hetzel, EuR 2005, 735 (738 ff.). 260  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 2; für die anonyme Kontaktaufnahme, auch unbeteiligter Insider, wurde zuletzt ein Hinweisgebersystem eingeführt, siehe Pressemitteilung des Bundeskartellamts vom 01.06.2012, abrufbar unter: http: /  / www.bun deskartellamt.de / SharedDocs / Meldung / DE / Pressemitteilungen / 2012 / 01_06_2012_ BKMS.html (zuletzt abgerufen am 18.06.2017), hierzu etwa Schnelle / Kollmann, BB 2012, 1559. 261  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 3 und 15; dass im Wortlaut der Rn. 3 die Formulierung „durch schriftliche und mündliche Informationen“ verwendet wird, bedeutet nicht, dass beide Formen der Antragstellung kumulativ gegeben sein müssen, sondern dass beide Möglichkeiten im Sinne eines „sowohl … als auch …“ neben­ einander stehen, was auch Rn. 15 nahe legt.



B. Die Bonusregelungen des Kartellordnungswidrigkeitenrechts133

leren und unbürokratischeren Behandlung des Antrags262, geht aber vor allem auf den Umstand zurück, dass nach manchen ausländischen Zivilprozess­ ordnungen, insbesondere dem US-amerikanischen Discovery-Verfahren, ein Kartellbeteiligter den eigenen, in seinem Besitz befindlichen schriftlichen Kronzeugenantrag für die Sachaufklärung im Rahmen eines Schadensersatzverfahrens herausgeben muss und das Material somit für die von dem Kartell betroffenen potenziellen Schadensersatzkläger zugänglich wäre263. Um dies zu vermeiden, vollzieht sich die mündliche Antragstellung derart, dass die Aussagen eines Rechtsanwalts des antragstellenden Unternehmens über Schilderungen seiner Mandantschaft entweder auf Tonband aufgenommen und später niedergeschrieben oder mithilfe eines Protokollführers als nicht durch den Rechtsanwalt unterschriebenes Protokoll aufgenommen werden264. Den Betroffenen ist es dann nicht gestattet bei Akteneinsicht nach § 147 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG hiervon eine Kopie zu erstellen265. Wegen der Internationalität vieler Kartelle und Antragsteller266 ist es auch möglich den Bonusantrag in englischer Sprache abzufassen267. Da die Dokumente jedoch gegebenenfalls später an ein deutsches Gericht übermittelt werden müssen, ist der Antragsteller verpflichtet auf Verlangen des Bundeskartellamts unverzüglich eine deutsche Übersetzung nachzureichen268. In inhaltlicher Hinsicht muss der Antrag alle dem Antragsteller zugänglichen Informationen und Beweismittel enthalten, die das Bundeskartellamt in die Lage versetzen können, einen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken269. Voraussetzung für den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses ist das Bestehen eines konkreten Anfangsverdachts hinsichtlich der begangenen Zuwiderhandlung, das heißt, gemäß §§ 102  StPO, 46 Abs. 1 OWiG das Vorliegen eines durch tatsächliche Anhaltspunkte oder kriminalistische Erfahrung belegbaren Anfangsverdachts im Hinblick auf die Begehung der in Frage stehenden Kartellordnungswidrigkeit durch bestimmte natürliche oder juristische Personen270. Zu dem notwendigen, vorzulegenden inhaltlichen Material 262  Engelsing,

ZWeR 2006, 179 (190). Die Akteneinsicht möglicherweise geschädigter Dritter in Akten des Bundeskartellamts, S. 181; Engelsing, ZWeR 2006, 179 (191). 264  Engelsing, ZWeR 2006, 179 (191), der auch in Fn. 68 erklärt, dass die schriftliche Fixierung der Aussage beim Bundeskartellamt zunächst nicht schade, da sich das Recht, „Discovery“ zu verlangen, nicht gegen Behörden richte. 265  Vollmer, in: Bornkamm / Montag / Säcker, GWB, § 81 Rn. 154. 266  Engelsing, ZWeR 2006, 179 (191). 267  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 15. 268  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 15; Engelsing, ZWeR 2006, 179 (191). 269  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 3, 8, 14. 270  Panizza, ZWeR 2008, 58 (64); Vormizeele, wistra 2006, 292 (294); Engelsing, ZWeR 2006, 179 (185). 263  Klooz,

134 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

zählen daher insbesondere auch alle für die Berechnung der Geldbuße bedeutsamen Angaben, die dem Antragsteller vorliegen oder die er beschaffen kann271. Es müssen somit für den Gesamtkonzern als auch für eine einzelne etwaig kartellbeteiligte Tochtergesellschaft Angaben über die Berechnung des Mehrerlöses sowie für die Berechnung der 10 %igen Umsatzgrenze in § 81 Abs. 4 S. 2 GWB und  – aufgrund der Bußgeldleitlinie272  – über den Umsatz mit den mit der Zuwiderhandlung zusammenhängenden Produkten oder Dienstleistungen gemacht werden273. Zudem müssen, soweit bekannt, wohl aus verfahrenstechnischen Gründen Angaben darüber gemacht werden, ob das Kartell Auswirkungen in anderen Staaten hatte274. Bezüglich des Inhalts der von dem Kartellbeteiligten zur Verfügung gestellten Informationen wird teilweise kritisch hervorgehoben, dass ihr Beweiswert generellen Bedenken ausgesetzt sei, da sie naturgemäß von der Intention des Kronzeugen sich auch selbst zu begünstigen getragen seien275. Das Bundeskartellamt hat indes betont, dass es die Aussagen von Kartellmitgliedern, die als Folge ihrer Kooperation eine erhebliche Reduktion der drohenden Geldbuße erwarten, und auch die Aussagen anderer Mittäter mit Vorsicht würdigt und sie grundsätzlich durch andere Beweise gestützt werden müssen, bevor sie als Grundlage für den Nachweis des Kartells und die Gewichtung der Tatbeiträge der Kartellmitglieder dienen können276. Insofern wird auch recht überzeugend eingewendet, dass die geäußerten Bedenken aufgrund der Möglichkeit des Kartellamts die Glaubhaftigkeit der Angaben eines Kronzeugen im Rahmen der Ermittlungen zu überprüfen, nur sehr eingeschränkt gerechtfertigt sind277. Eine Frist im juristischen Sinne existiert für das Stellen eines Bonusantrags, wie auch bei anderen Selbstanzeigeregelungen278, nicht. Allerdings ist für einen Bonusantrag nach Randnummer 3 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 entscheidend, dass dieser gestellt wird, bevor das Bundeskartellamt selbst über 271  Bekanntmachung

Nr. 9 / 2006 Rn. 8. für die Bußgeldzumessung in Kartellordnungswidrigkeitenverfahren vom 25.06.2013, abrufbar unter: https: /  / www.bundeskartellamt.de / SharedDocs / Pu blikation / DE / Leitlinien / Bekanntmachung %20- %20Bu %C3 %9Fgeldleitlinien-Juni  %202013.pdf?__blob=publicationFile&v=5 (zuletzt abgerufen am: 18.06.2017). 273  Engelsing, ZWeR 2006, 179 (189); Klusmann, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 57 Rn. 115. 274  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 14. 275  Siehe etwa Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 541. 276  Bekanntmachung Nr. 68 / 2000 Erläuterungen. 277  Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 32, mit Erklärung. 278  Vgl. etwa 1. Teil, C. I. 2. b) aa) (3), 2. Teil, A. II. 2. 272  Leitlinien



B. Die Bonusregelungen des Kartellordnungswidrigkeitenrechts135

ausreichende Beweismittel verfügt, um einen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken279. In dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller seine Informationen und Beweismittel einreicht, dürfen beim Bundeskartellamt noch keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Kartells vorhanden sein280. Da es für den Antragsteller nicht immer mit Sicherheit abzusehen sein wird, ob dieser Zeitpunkt aufgrund eines Vorliegens umfassender Erkenntnisse beim Bundeskartellamt schon überschritten ist und das Bundeskartellamt vielleicht nur aus ermittlungstaktischen Gründen oder wegen einer außergewöhnlichen Arbeitsbelastung davon abgesehen hat, einen Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses zu stellen, kann es für ihn ratsam sein im Wege einer informellen, gegebenenfalls anonymen Erörterung vorab mit der Kartellbehörde zu klären, ob der Bonusantrag nach Randnummer 3 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 unter diesem Blickwinkel überhaupt noch zu verwirklichen ist281. Die Voraussetzung einen Antrag zu stellen, bevor der Behörde ausreichende Informationen zur Erwirkung eines Durchsuchungsbeschlusses vorliegen, mag an den steuerstrafrechtlichen Ausschlussgrund der Tatentdeckung282 erinnern, wenn diese Merkmale auch nicht deckungsgleich sind. Die Bonusregelung regelt das Bestehen eines Anfangsverdachts, der für die Erlangung eines Durchsuchungsbeschlusses notwendig ist. Dieser über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht283 der Begehung einer sanktionsfähigen Gesetzesverletzung stellt hier indes keinen Sperrgrund dar, sondern eine für die Rechtzeitigkeit des Bonusantrags entscheidende negative Voraussetzung. Inhaltlich läuft dies für den Antragsteller jedoch auf eine ähnliche Beschränkung hinaus. Für die zeitliche Dimension des Stellens eines Bonusantrags ist außerdem auch der oft als solcher bezeichnete „Wettlauf der Kartellbeteiligten“284 von Relevanz. Nur, wer als erster Kartellbeteiligter einen Antrag nach Randnummer 3 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 stellt, kann einen vollständigen Bußgelderlass erhalten285. Dieses strenge Prioritätsprinzip286 wird damit gerecht279  Bekanntmachung

Nr. 9 / 2006 Rn. 3. Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 76; zu den inhaltlichen Anforderungen an die zur Erwirkung eines Durchsuchungsbeschlusses vorzulegenden Informationen und Beweismittel soeben bereits unter 2. Teil, B. II. 2. a) aa). 281  Panizza, ZWeR 2008, 58 (65). 282  1. Teil, C. I. 2. c) dd). 283  BGH NStZ 2016, 370 (370). 284  Ohle / Albrecht, WRP 2006, 866 (870); Böge, Bonus- und Kronzeugenregelungen in Deutschland und in der EU, S. 149 (157); Säcker, WuW 2009, 3, spricht sogar spöttisch von einem „Windhund-Rennen“. 285  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 3. 286  Ohle / Albrecht, WRP 2006, 866 (870). 280  Puffer-Mariette,

136 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

fertigt, dass die abschreckende Wirkung des Bußgeldtatbestands nur dann nicht reduziert werde, wenn der Kreis der potenziell bußgeldfrei ausgehenden Kartellbeteiligten eng begrenzt werde287. In der Regel sei es nur der erste aufklärungsbereite Mittäter, der den Kartellbehörden die entscheidenden Informationen zukommen lasse und damit den Ermittlungsnotstand beseitige288. Dieses Erfordernis steht jedoch in einem Spannungsverhältnis zu der an den Kartellanten gestellten Anforderung einen inhaltlich ausreichend detaillierten Bonusantrag zu stellen. Eine Bonusregelung, die verlangt, dass ein Antragsteller sofort sämtliche Beweismittel beibringt, wenn er von weiteren Kartellteilnehmern nicht mehr überholt werden will, führt zu Rechtsunsicherheit289. Mit der Bonusregelung aus dem Jahr 2006 wurde deshalb – wiederum nach US-amerikanischem Vorbild290  – die Möglichkeit eingeführt, einen sogenannten Marker zu setzen, das bedeutet, vor Einreichung eines ausgearbeiteten Bonusantrags seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit gegenüber dem Bundeskartellamt zu erklären291. Unter Angabe weniger entscheidender, rudimentärer Informationen292 sichert sich der Antragsteller hierdurch einen zeitlichen Rang bei der Berücksichtigung mehrerer gestellter Bonusanträge293, ohne zu diesem Zeitpunkt bereits zeitaufwändige Vorbereitungen für einen detaillierten Antrag treffen oder Beweise vorlegen zu müssen294. Das Bundeskartellamt lässt dem Antragsteller unverzüglich eine schriftliche Zugangsbestätigung unter Angabe von Datum und Uhrzeit zukommen295. Der Marker muss Angaben über die Art und die Dauer des Kartellverstoßes, die sachlich und räumlich betroffenen Märkte, die Identität der Beteiligten sowie Informationen darüber enthalten, bei welchen Wettbewerbsbehörden ebenfalls Anträge gestellt wurden oder dies beabsichtigt ist296. In Bezug auf den 287  Böge, Bonus- und Kronzeugenregelungen in Deutschland und in der EU, S. 149 (157). 288  Lutz, BB 2000, 677 (682). 289  Schroeder, WuW 2006, 575, der diesbezüglich auf die „Vitaminkartell“-Fälle verweist. 290  Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 529; Schneider, Kronzeugenregelung im EG-Kartellrecht, S. 243; Gruber, MR-Int 2007, 3 (4). 291  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 11. 292  Engelsing, ZWeR 2006, 179 (190); Albrecht, WRP 2007, 417 (424). 293  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 11; Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 80. 294  Schroeder, in: FS-Bechtold, S. 437 (443); Vormizeele, wistra 2006, 292 (295). 295  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 18; zum weiteren Verfahren der Zusicherung und zum (Weiter-)Führen des Verfahrens durch die Europäischen Kommission vgl. Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 19 und 13. 296  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 11.



B. Die Bonusregelungen des Kartellordnungswidrigkeitenrechts137

zuständigen Adressaten und die einzuhaltende Form entsprechen die Voraussetzungen für das Setzen dieses Markers denen für das Stellen eines ausgearbeiteten Bonusantrags297. Für die finale Ausarbeitung des Markers zu einem Bonusantrag setzt das Bundeskartellamt hier aber eine von dem Entwicklungsstand des bisherigen Verfahrens abhängige298 Frist von höchstens acht Wochen299, um einen Missbrauch und eine zu lange Verfahrensdauer zu ver­ meiden300. Die zunächst gesicherte Position kann verloren gehen, wenn die zur Ausarbeitung des Markers eingeräumte Zeitspanne überschritten wird; dann rücken die weiteren kooperierenden Antragsteller auf301. Das beschriebene „Marker-System“ ermöglicht es als eine Art „vorübergehende Entkopplung des Bußgelderlasses vom Faktor Zeit“302 durch interne Ermittlungen alle für den Antrag notwendigen Beweismittel und Informationen mit der Rechtssicherheit zusammenzutragen, dass kein anderer Kartellant den einmal erhaltenen Rang ohne Weiteres streitig machen kann303. Dass während dieser zeitlichen „Atempause“304 auch zunächst nicht aufgefundenes Material beigebracht werden kann305, trägt zu einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung306 bei, die auch dem Interesse des Kartellamts an ausreichendem Informationsmaterial entspricht307. Denn dieses kann den Nachweis der Zuwiderhandlung in seinem Bescheid dann gerichtsfester ausgestalten308. Durch die Förderung einer frühzeitigen Aufdeckung des Verstoßes mithilfe des Marker-Systems wird das Bundeskartellamt zudem in die Lage versetzt, sofort tätig werden und gegen das wettbewerbsbeschränkende Verhalten vor-

297  Nach Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 11 ist auch der Marker an den Leiter / die Leiterin der Sonderkommission Kartellbekämpfung oder den / die Vorsitzende(n) der zuständigen Beschlussabteilung mündlich oder schriftlich, in deutscher oder in englischer Sprache zu richten. 298  Schneider, Kronzeugenregelung im EG-Kartellrecht, S. 243. 299  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 12. 300  Engelsing, ZWeR 2006, 179 (190). 301  Schneider, Kronzeugenregelung im EG-Kartellrecht, S. 244; Engelsing, ZWeR 2006, 179 (190); Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 529. 302  Hölzel, Kronzeugenregelungen im Europäischen Wettbewerbsrecht, S. 122. 303  Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 110; Hölzel, Kronzeugenregelungen im Europäischen Wettbewerbsrecht, S. 122; Engelsing, ZWeR 2006, 179 (190). 304  Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 110. 305  Schneider, Kronzeugenregelung im EG-Kartellrecht, S. 244. 306  Hölzel, Kronzeugenregelungen im Europäischen Wettbewerbsrecht, S. 122. 307  Vormizeele, wistra 2006, 292 (295). 308  Hölzel, Kronzeugenregelungen im Europäischen Wettbewerbsrecht, S. 122.

138 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

gehen zu können309. Außerdem kann eine gerechtere Behandlung der Kronzeugen erreicht werden, weil dem ersten kooperationswilligen Unternehmen der Rang nicht wegen eines bloßen zeitintensiven Zusammentragens gegenüber einem Kartellbeteiligten verloren geht, der sich erst später entscheidet mit dem Bundeskartellamt zusammenzuarbeiten und einfach nur bei der ­Beweisermittlung schneller ist310. Mit dem Instrument des Markers begegnet die Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 auch der Unsicherheit die Vorbereitung eines arbeitsaufwändigen Bonusantrags im Unternehmen geheim halten zu können, um eine Kenntnisnahme der Wettbewerber von dem Verfahren auszuschließen311. Insgesamt kommt die Regelung damit dem Täter vergleichsweise stark entgegen. Bei der strafbefreienden Selbstanzeige des Steuerstrafrechts etwa würde die Vorankündigung einer Anzeigeerstattung mit wenigen elementaren Informationen an die Behörde wegen des Ausschlussgrundes der Tatent­ deckung nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO zur Unwirksamkeit einer Selbst­ anzeige führen312. Wohl auch aus rechtspolitischen Gründen hat sich der Gesetzgeber hier entschieden, Druck auf den Täter auszuüben und die Anreizwirkung nicht herabzusetzen, um ihm keinen Raum für eine taktische Ausgestaltung einer ergänzten Selbstanzeige zu geben313. bb) Erfüllung von Kooperationspflichten Neben der Einreichung eines Bonusantrags hat der Antragsteller als weiteren Teil des relevanten Umkehrelements314 während des gesamten Verfahrens ununterbrochen und uneingeschränkt mit dem Bundeskartellamt zusammenzuarbeiten315. Zu diesem Erfordernis zählen vier in Abschnitt D der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 näher beschriebene Kooperationspflichten: Die unverzügliche Beendigung der Teilnahme an dem Kartell auf Aufforderung des Bundeskartellamts316, die Übermittlung aller zugänglichen Informationen und Beweismittel, auch noch nach Antragstellung317, die vertrauliche Be309  Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 110. 310  Hölzel, Kronzeugenregelungen im Europäischen Wettbewerbsrecht, S. 122. 311  Engelsing, ZWeR 2006, 179 (190). 312  Hierzu Schuster, JZ 2015, 27 (28). 313  Hierzu Schuster, JZ 2015, 27 (28 f.). 314  Dazu soeben unter 2.  Teil, B.  II.  2.  a)  aa), zum Umkehrelement vgl. 1.  Teil, E. II. 315  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 3 und 6. 316  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 7. 317  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 8.



B. Die Bonusregelungen des Kartellordnungswidrigkeitenrechts139

handlung der Zusammenarbeit mit dem Bundeskartellamt bis zur Entbindung von dieser Pflicht durch die Kartellbehörde318 sowie die Einbindung aller an dem Kartell beteiligten Beschäftigten in die Kooperation mit dem Bundeskartellamt319. Durch die erstgenannte Kooperationspflicht der unverzüglichen Teilnahmebeendigung nach Ermessen des Bundeskartellamts ist diesem die Möglichkeit eingeräumt, den Kartellbeteiligten auch nach dessen Antragstellung noch an dem aufzudeckenden Kartell passiv teilnehmen zu lassen, um einerseits vor allem zu verhindern, dass die anderen Kartellanten durch das plötzliche Ausscheiden eines Kartellmitglieds alarmiert werden und den Verdacht der Vornahme von Ermittlungen durch das Bundeskartellamt schöpfen320, und um den Kronzeugen andererseits als „Informanten“ nutzen zu können, der dem Bundeskartellamt weitere wichtige Informationen über die anderen Kartellteilnehmer liefert321. Der mit dem Bundeskartellamt zusammenarbeitende Kartellant kann aber nicht gezwungen werden, sich weiterhin an der Kartellordnungswidrigkeit zu beteiligen322. Die weitere Übermittlung von Informationen auch nach Einreichung des Bonusantrags soll gewährleisten, dass es nicht bei der Vorlage von Material bleibt, das lediglich für den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses ausreicht, sondern dem Bundeskartellamt für seine Arbeit alle Mittel zur Verfügung stehen, auf die auch der Kartellbeteiligte zugreifen kann323. Von der vertraulichen Behandlung der Zusammenarbeit mit dem Kartellamt wird der Kronzeuge im Regelfall nach Beendigung der Durchsuchung entbunden324, da meistens ab diesem Zeitpunkt die Einleitung der Kartellbußgeldverfahren bekannt ist325. Zweck dieses Erfordernisses ist es, ermittlungstaktische Nachteile, die durch eine Information der Öffentlichkeit beziehungsweise der übrigen Kartellbeteiligten entstehen, zu verhindern, da sonst belastendes Material beiseite geschafft und der Erfolg der geplanten Durchsuchung gefährdet werden könnte326.

318  Bekanntmachung

Nr. 9 / 2006 Rn. 9. Nr. 9 / 2006 Rn. 10. 320  Engelsing, ZWeR 2006, 179 (189); Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 527. 321  Ohle / Albrecht, WRP 2006, 866 (871, Fn. 45). 322  Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 527. 323  Engelsing, ZWeR 2006, 179 (186). 324  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 9. 325  Engelsing, ZWeR 2006, 179 (190). 326  Ohle / Albrecht, WRP 2006, 866 (871, Fn. 46); Engelsing, ZWeR 2006, 179 (190). 319  Bekanntmachung

140 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

Ein Unternehmen muss alle an der Kartellabsprache beteiligten Beschäftigten, einschließlich der ehemaligen Beschäftigten, benennen und darauf hinwirken, dass alle Beschäftigten, von denen Informationen und Beweismittel erlangt werden können, während des Verfahrens ununterbrochen und uneingeschränkt mit dem Bundeskartellamt zusammenarbeiten327. Insbesondere bei aktuell noch in dem betroffenen Unternehmen beschäftigten Mitarbeitern existieren diesbezüglich wohl praktisch einige Einflussmöglichkeiten, wobei das Unternehmen jedoch seine Mitarbeiter nicht zur Zusammenarbeit zwingen kann328. In der Bonusregelung des Bundeskartellamts wird noch einmal ausdrücklich betont, dass ein Antragsteller, der diese Kooperationspflichten nicht erfüllt, seinen Rang verliert329. Gerade auch hierfür bleibt zu bedenken, dass die Bekanntmachung Nr. 9 / 2006, wie aus ihrem Wortlaut „insbesondere“ erkennbar wird, trotz der konkreten Beschreibung von Kooperationspflichten keine abschließende Auflistung aller vom Kronzeugen geforderten Verhaltensweisen enthält330. Sie wird aber diesbezüglich zu Recht als weitestgehend verlässliche Richtlinie betrachtet, da sie die an Unternehmen und natürliche Personen gestellten Anforderungen transparenter und vorhersehbarer macht331. Differenziert werden müssen die geforderten Kooperationspflichten von der Ausübung der eigenen Verteidigungsrechte, welche etwa darin bestehen, zu dem vom Bundeskartellamt ermittelten Sachverhalt kritisch Stellung zu nehmen, entlastende Tatsachen vorzutragen und das Recht zur Rechtsmitteleinlegung wahrzunehmen332. Dies sollte der Einordnung des Verhaltens des Antragstellers als ununterbrochene, uneingeschränkte Zusammenarbeit nicht entgegenstehen333. cc) Kein Ausschlussgrund Der Antragsteller, der durch die Bonusregelung in Randnummer 3 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 privilegiert werden will, darf nicht alleiniger Anführer des Kartells gewesen sein oder andere zur Teilnahme an dem Kartell gezwungen haben334. 327  Bekanntmachung

Nr. 9 / 2006 Rn. 10. ZWeR 2006, 179 (189). 329  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 16. 330  Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 526; Engelsing, ZWeR 2006, 179 (189). 331  Vormizeele, wistra 2006, 292 (294); Engelsing, ZWeR 2006, 179 (188 f.). 332  Vormizeele, wistra 2006, 292 (294); Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 526. 333  Vormizeele, wistra 2006, 292 (294). 328  Engelsing,



B. Die Bonusregelungen des Kartellordnungswidrigkeitenrechts141

Zum Verständnis des Begriffs der Zwangsausübung wird auf die für die Nötigung nach § 240 StGB bekannten Definitionen zurückgegriffen, wonach Zwang die Veranlassung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gegen den Willen des Opfers, vorliegend also der Teilnahme an dem Kartell, unter Verwendung von Zwangsmitteln, das heißt Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel, ist335. Als alleiniger Anführer wird derjenige Kartellbeteiligte betrachtet, der im Vergleich zu den anderen Kartellmitgliedern eine führende Rolle bei der Initiierung des Kartells, dessen Organisation, etwa durch Treffen und Abstimmungen unter den Kartellanten, und dessen Durchsetzung mithilfe von Vergeltungs-, Zwangs- oder Sanktionsmaßnahmen spielt336. Dies sind oft die Unternehmen, die eine überragende Marktstellung einnehmen337. Anders als noch mit der alten Bonusregelung aus dem Jahr 2000, die insofern strenger war, da sie auf das Einnehmen einer „entscheidenden Rolle“ abstellte338, können nach der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 damit auch zwei oder drei Rädelsführer nebeneinander von der Regelung profitieren339. Andererseits ließe sich aber auch erwägen den Kreis derer, die durch die Bonusregelung noch Immunität erlangen können, noch weiter zu ziehen. Denn gerade der Kartellant, der als Initiator im Mittelpunkt der Kartelldurchführung steht, ist häufig am besten in der Lage, dem Bundeskartellamt die entscheidenden Informationen und Beweismittel zu liefern340. Zudem wird der Begriff des alleinigen Anführers auch als konturlos und schwer abgrenzbar wahrgenommen341. Aber zu Recht wird gefragt, ob „man den Hauptnutznießern eines Kartells einen vollständigen Bußgelderlass gewähren [soll], während ein Mitläufer mit hohen Geldbußen belegt wird“342 und ob man hierdurch sogar „einen Anreiz schaffen [würde], dass ein Unternehmen andere Wettbewerber zu einer Absprache ‚verführt‘, um sie dann unter Inanspruchnahme einer Bonusregelung für sich selbst wirtschaftlich zu

334  Bekanntmachung

Nr. 9 / 2006 Rn. 3 Nr. 3. ZWeR 2006, 179 (186 f.); Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 78. 336  Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 522; Engelsing, ZWeR 2006, 179 (187). 337  Engelsing, ZWeR 2006, 179 (187). 338  Ohle / Albrecht, WRP 2006, 866 (871, Rn. 49). 339  Schroeder, WuW 2006, 575; Ohle / Albrecht, WRP 2006, 866 (871, Rn. 49). 340  Diese der Europäischen Kronzeugenmitteilung von 2002 zugrundeliegende Überlegung beschreibt Vormizeele, wistra 2006, 292 (294 f.). 341  Schroeder, WuW 2006, 575. 342  Böge, Bonus- und Kronzeugenregelungen in Deutschland und in der EU, S. 149 (160). 335  Engelsing,

142 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

schädigen“343. Diese „schwierige Abwägungsfrage“344 hat das Bundeskartellamt unter Heranziehung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit345 mit den folgenden Erwägungen entschieden: Da auch bei der Bemessung einer Geldbuße der in der Schwere des Tatbeitrags verwirklichte besondere Unrechtsgehalt des Verhaltens Berücksichtigung finden muss, soll nicht der Antragsteller, der sich besonders sozialschädlich verhalten hat und möglicherweise noch der größte Nutznießer des Kartells ist, von völliger Bußgeldfreiheit profitieren346. Außerdem solle die mit dem kartellrechtlichen Bußgeldregime verbundene abschreckende Wirkung nicht gemindert werden347. Die Ausschlussgründe der Bonusregelung haben nichts mit den sonst bei Selbstanzeigen vorzufindenden Sperrtatbeständen, insbesondere denen nach § 371 Abs. 2 und § 378 Abs. 3 AO348, gemein. b) Bonusregelung nach Randnummer  4 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Die Voraussetzungen für einen Erlass der Geldbuße nach Randnummer  4 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 entsprechen in Struktur und Inhalt zu einem großen Teil  denjenigen nach Randnummer  3. Die folgende Darstellung der Bonusregelung nach Randnummer 4 beschränkt sich deshalb auf die Erörterung ihrer Unterschiede. aa) Unterschiedlicher Zeitpunkt Im Gegensatz zur Bonusregelung nach Randnummer  3 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 greift Randnummer 4 erst nach dem Zeitpunkt, zu dem das Bundeskartellamt schon in der Lage ist, einen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken, und vor dem Zeitpunkt, zu dem es über ausreichende Beweismittel verfügt, um die Tat nachzuweisen. Auch in einer solchen Situation kann nämlich noch ein großes Interesse daran bestehen, einen Kartellbeteiligten mit dem Inaussichtstellen von Bußgeldfreiheit zu einer Selbstanzeige zu be343  Böge, Bonus- und Kronzeugenregelungen in Deutschland und in der EU, S. 149 (160). 344  Böge, Bonus- und Kronzeugenregelungen in Deutschland und in der EU, S. 149 (160). 345  Vollmer, in: Bornkamm / Montag / Säcker, GWB, § 81 Rn. 153; Ohle / Albrecht, WRP 2006, 866 (871). 346  Engelsing, ZWeR 2006, 179 (187); Vormizeele, wistra 2006, 292 (295); Ohle / Albrecht, WRP 2006, 866 (871). 347  Vormizeele, wistra 2006, 292 (295). 348  Vgl. 1. Teil, C. I. 2. c), 2. Teil, A. II. 3.



B. Die Bonusregelungen des Kartellordnungswidrigkeitenrechts143

wegen, durch die die Kartellbehörde weitere, eventuell noch nicht durch die Durchsuchung aufgefundene Beweismittel und Informationen erhält349. Der gegebenenfalls fortbestehende Ermittlungsnotstand rechtfertigt es dann regelmäßig, dem ersten Antragsteller, der dieses Material zum Nachweis des Kartells beibringt, zu begünstigen350. bb) Unterschiedliche Qualität der vorzulegenden Beweismittel Zudem muss der Antragsteller das Bundeskartellamt durch seine Angaben in die Lage versetzen, die Tat nachzuweisen351. Ein solcher Nachweis ist möglich, wenn sich anhand einer Gesamtbetrachtung aller für- und widerstreitenden Umstände ein solches Maß an Gewissheit erhalten lässt, dass keine vernünftigen Zweifel mehr an dem Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der entsprechenden Ordnungswidrigkeit bestehen352, ähnlich wie bei den steuerrechtlichen Selbstanzeigen, bei denen derart umfassende Informationen geliefert werden müssen, dass die Behörde den Sachverhalt ohne eigene Ermittlungen erfassen kann353. Die Anforderungen an die Vorlage von Informationen und Beweismittel nach Randnummer  4 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 sind damit qualitativ um einiges höher als bei einer Antragstellung vor Kenntnis des Bundeskartellamts von dem Kartell nach Randnummer 3 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006354. Diese berechtigte Abstufung folgt aus dem Umstand, dass dem Bundeskartellamt bei einem Bonusantrag nach Randnummer 3 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 ein Kartell angezeigt wird, von dem es noch keine Kenntnis hat, während ihm bei einem Bonusantrag nach Randnummer  4 eben schon die erforderlichen Informationen für die Veranlassung einer Durchsuchung vorliegen355. Eine die zeitliche Komponente der Antragstellung betreffende, jedoch mit dem Tatnachweis zusammenhängende Frage ist, ob auch dann noch von einem Tatnachweis durch den Kartellbeteiligten auszugehen ist, wenn das Bundeskartellamt von diesem unmittelbar nach Beginn einer Durchsuchung Informationen und Beweismittel zum Tatnachweis erhält356. Für den Fall, 349  Engelsing,

ZWeR 2006, 179 (186). ZWeR 2006, 179 (186). 351  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 4 Nr. 2 und Rn. 14. 352  Panizza, ZWeR 2008, 58 (65) unter Verweis auf BGH NStZ 1988, 236; ebenso Bohnert / Krenberger / Krumm, § 71 Rn. 60. 353  1. Teil, C. I. 2. b) aa) (4), 2. Teil, A. II. 2. 354  Engelsing, ZWeR 2006, 179 (185 f.); Vormizeele, wistra 2006, 292 (294); Panizza, ZWeR 2008, 58 (64). 355  Panizza, ZWeR 2008, 58 (64); Engelsing, ZWeR 2006, 179 (186). 356  Panizza, ZWeR 2008, 58 (66). 350  Engelsing,

144 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

dass das Bundeskartellamt parallel mehrere Unternehmen durchsucht, könnte der Tatnachweis dann nämlich bereits durch das bei den anderen Kartellanten aufgefundene und beschlagnahmte Material ermöglicht sein357. Von einem Tatnachweis durch den antragstellenden Kartellanten wird deshalb nur ausgegangen, wenn es sich bei den von ihm vorgelegten Angaben nicht um solche Informationen und Beweismittel handelt, an die das Bundeskartellamt ohnehin zwangsläufig im Rahmen der weiteren Ermittlungen gelangt wäre, der Antragsteller also einen „zusätzlichen Nachweisbeitrag“ geleistet hat358. Das heißt, dass nur dann, wenn das Bundeskartellamt noch nicht selbst in der Lage ist oder automatisch in die Lage gekommen wäre, den Kartellverstoß nachzuweisen, der Tatnachweis noch zu einem Zeitpunkt gelingen kann, zu dem ein Durchsuchungsbeschluss erwirkt, eine Durchsuchung bereits begonnen oder diese gar abgeschlossen wurde359. cc) Zusätzlicher Ausschlussgrund für die Gewährung des Bußgelderlasses Neben den auch für die Bonusregelung nach Randnummer 3 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 geltenden Ausschlussgründen der alleinigen Anführerschaft und der Zwangsausübung auf andere Kartellteilnehmer steht einer Behandlung des antragstellenden Kartellbeteiligten nach Randnummer  4 auch die Gewährung eines Erlasses nach Randnummer 3 der Bonusregelung gegenüber einem anderen Kartellbeteiligten entgegen360. Sobald ein Kartellbeteiligter das Bundeskartellamt in die Lage versetzt, einen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken, gibt es für die anderen Kartellteilnehmer keine Möglichkeit mehr, vollständig von einer Geldbuße befreit zu werden361. An dieser subsidiär-alternativen362 Ausgestaltung der Bonusregelungen nach Randnummern 3 und 4 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 wird teilweise kritisiert, dass es dann zu einer Situation kommen könne, in der das erste kooperierende Unternehmen, das lediglich schneller gewesen sei, vollständige Bußgeldfreiheit für die Vorlage von Informationen und Beweismitteln zur Begründung eines Anfangsverdachts und somit zur Vornahme einer Durchsuchung erhalte, die im Ergebnis erfolgslos bleibt, während demjenigen Kartellbeteiligten, der das weiterreichende und für den Tatnachweis er357  Panizza,

ZWeR 2008, 58 (66). ZWeR 2008, 58 (66). 359  Engelsing, ZWeR 2006, 179 (186). 360  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 4 Nr. 5. 361  Nickel, wistra 2014, 7 (9). 362  Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 521 sprechen von „subsidiär“; Vormizeele, wistra 2006, 292 (294) von „Alternativität“ der Tatbestände. 358  Panizza,



B. Die Bonusregelungen des Kartellordnungswidrigkeitenrechts145

forderliche Beweismaterial einreiche, kein vollständiger Bußgelderlass gewährt werde363. Dieser kann dann nur noch die Reduzierung von 50 % erhalten. Da die Kartellbehörde gerade in solch einem Szenario dringend ein weiteres kooperierendes Unternehmen benötige, um die Tat vollumfänglich aufzudecken, sei es zweckmäßig das Exklusivitätsverhältnis durch ein „gleichberechtigtes Nebeneinander der beiden Tatbestandsalternativen bei Geltung des Prioritätsprinzips“ einzuschränken364. Mag dieser Einwand auch nachvollziehbar sein, so steht er dennoch den in der Ratio legis beschriebenen Erwägungen der Bonusregelung, insbesondere der Provokation eines „Wettlaufs der Kartellanten“ entgegen. Zu Recht wird angeführt, dass die strikte Durchsetzung des Prioritätsprinzips ein wichtiges Element zur Destabilisierung von Kartellaktivitäten sei365. Zudem lässt sich einwenden, dass der Kartellteilnehmer, der als erster mit seinen Angaben das Erwirken eines Durchsuchungsbeschlusses ermöglicht, auch nach diesem Zeitpunkt noch dem Bundeskartellamt zur Verfügung stehen und weiterhin Informationen und Beweismittel liefern muss, insgesamt in der Regel also nicht weniger leisten wird, als derjenige, der den Tatnachweis erbringt366. c) Bonusregelung nach Randnummer  5 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Zugunsten eines Kartellbeteiligten, der die Voraussetzungen nach Randnummern 3 und 4 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 nicht erfüllt, kann das Bundeskartellamt die Geldbuße zumindest reduzieren, wenn er neben einer ununterbrochenen, uneingeschränkten Zusammenarbeit mit dem Kartellamt durch die Vorlage seiner mündlichen oder schriftlichen Informationen und Beweismittel wesentlich dazu beiträgt, die Tat nachzuweisen367. Diesen niedrigsten der Privilegierungsgrade der Bonusregelung368 können damit sogar noch die für das Kartell Hauptverantwortlichen erlangen, das heißt sowohl der Anführer des Kartells als auch derjenige Kartellant, der andere zur Teilnahme an dem Kartell gezwungen hat369.

363  Vormizeele,

wistra 2006, 292 (294); Panizza, ZWeR 2008, 58 (68). ZWeR 2008, 58 (68 f.); Vormizeele, wistra 2006, 292 (294). 365  Engelsing, ZWeR 2006, 179 (186). 366  Anders wohl Panizza, ZWeR 2008, 58 (65). 367  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 5 und 14. 368  Stockmann, Sanktionen als Instrument zur Durchsetzung des Kartellrechts, S. 93 (100). 369  Dannecker / Müller, in: Wabnitz / Janovsky, 18.  Kapitel C. Rn. 162; Dannecker /  Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 524; Ohle / Albrecht, WRP 2006, 866 (871). 364  Panizza,

146 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

Der Regelung liegt grundsätzlich die Überlegung zugrunde, dass, auch wenn das Bundeskartellamt durch den ersten Kronzeugen schon wichtige Beweismittel erlangt hat, weitere Antragsteller noch Erhebliches zur Aufklärung des Kartellverstoßes beitragen können370. Aufgrund der immer herrschenden Ressourcenknappheit der Kartellbehörde bedeutet dies für sie eine große Arbeitserleichterung während des Kartellverfahrens371. Zu erörtern bleibt allein die Frage, was unter einem wesentlichen Beitrag zum Tatnachweis zu verstehen ist. Hierfür wird zumeist auf die in den parallelen Regelungen der Europäischen Kronzeugenmitteilungen verwendeten Begriffe des Beweismittels von „entscheidender Bedeutung“372 und des „erheblichen Mehrwerts“373 zurückgegriffen, es bestünden keine inhaltlichen Unterschiede374. Ein Beweismittel ist danach „entscheidend“, falls es geeignet ist, das Bestehen eines Kartells nachzuweisen und die Sanktionierung hinreichend konkretisierter Teilnehmer zu ermöglichen375. Der Begriff des „Mehrwerts“ bezieht sich auf das Ausmaß, in dem die vorgelegten Beweismittel aufgrund ihrer Eigenschaft und ihrer Ausführlichkeit der Kartellbehörde dazu verhelfen, das mutmaßliche Kartell nachzuweisen376. Dabei wird grundsätzlich schriftlichen Beweisen aus der Zeit des nachzuweisenden Sachverhalts (etwa Protokollen der Kartellrunde) ein größerer Wert beigemessen als solchen, die zeitlich später einzuordnen sind (zum Beispiel nachträgliche Darstellungen des Sachverhalts)377. Ebenso werden die den Kartellverstoß unmittelbar betreffenden Beweismittel (zum Beispiel Übersichten zu Absatzquoten oder Preislisten) höher eingestuft als nur mittelbare (wie etwa Spesenquittungen für Kartellzusammenkünfte)378. Von Bedeutung ist auch, ob die Beweise zwingend sind oder noch einer weiteren Untermauerung bedürfen, wie etwa Erklärungen des Anzeigenden379.

370  Schroeder,

in: FS-Bechtold, 437 (444 f.). in: FS-Bechtold, 437 (444 f.). 372  Kommissionsmitteilung (96 / C 207 / 04), B. b); Ohle / Albrecht, WRP 2006, 866 (871, Fn. 50). 373  Kommissionsmitteilung (2006 / C 298 / 11), Rn. 24 f. 374  Engelsing, ZWeR 2006, 179 (187); Puffer-Mariette, Die Effektivität von Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 79; Panizza, ZWeR 2008, 58 (67). 375  Panizza, ZWeR 2008, 58 (67); Kommissionsmitteilung (96 / C 207 / 04), B. b). 376  Kommissionsmitteilung (2006 / C 298 / 11), Rn. 25. 377  Kommissionsmitteilung (2006 / C  298 / 11), Rn. 25; Albrecht, WRP 2007, 417 (420); Panizza, ZWeR 2008, 58 (67). 378  Kommissionsmitteilung (2006 / C  298 / 11), Rn. 25; Albrecht, WRP 2007, 417 (420); Panizza, ZWeR 2008, 58 (67). 379  Kommissionsmitteilung (2006 / C  298 / 11), Rn. 25; Ohle / Albrecht, WRP 2006, 866 (871, Fn. 50). 371  Schroeder,



B. Die Bonusregelungen des Kartellordnungswidrigkeitenrechts147

Eine genauere Definition ist hier nicht zu finden, denn die Wettbewerbsbehörde muss auf Grund der ihr vorliegenden Unterlagen und Dokumente für jeden Einzelfall gesondert entscheiden, ob die zusätzlichen Angaben des Antragstellers tatsächlich einen wesentlichen Beitrag zum Nachweis der Tat darstellen380. Jedenfalls ist aber nicht erforderlich, dass sie das Bundeskartellamt überhaupt erst in die Lage versetzen, einen Tatnachweis zu führen381; die Anforderungen an die Qualität des vorgelegten Materials liegen mindestens eine Schwelle darunter. Der Begriff stellt höhere Anforderungen als ein Bonusantrag nach Randnummer  3 der Bonusregelung382, so dass zu Recht verlangt wurde, im Interesse einer wirksamen Kartellbekämpfung keinen zu hohen Maßstab anzulegen383.

III. Die Rechtsfolgen Sind damit die für die hiesige Betrachtung wichtigen inhaltlichen Voraussetzungen der jeweiligen Selbstanzeigemöglichkeiten nach der Bonusregelung des Bundeskartellamts erörtert, ist nun die Rechtsfolgenseite der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 zu beleuchten. 1. Die Rechtsfolgen der jeweiligen Bonusregelungen im Einzelnen Das Bundeskartellamt übt sein Ermessen nach den Randnummern 3, 4 und 5 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 jeweils unterschiedlich aus. Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Randnummer  3 „wird […] die Geldbuße erlassen“, der Bußgelderlass tritt also automatisch ein384. Sehr nachvollziehbar wird hierzu eingewendet, dass ein solcher garantierter Bußgelderlass eher einer gebundenen als einer Ermessensentscheidung entspreche, die einem reinen Vollzug von Gesetzesrecht und nicht einer administrativen Wertung individueller Einzelfallzustände gleiche385. Man könne gar von einem „antizipierten Ermessensnichtgebrauch“ sprechen386. Dem wird man wohl entgegenhalten können, dass es dem Bundeskartellamt zusteht, das ihm eingeräumte Ermessen derart auszuüben, dass es sich im Voraus selbst 380  Engelsing,

ZWeR 2006, 179 (188). ZWeR 2008, 58 (67). 382  Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 520. 383  Dieckmann, in: Wiedemann, Kartellrecht, 1999, § 46 Rn. 19. 384  Vollmer, in: Bornkamm / Montag / Säcker, § 81 GWB Rn. 153; Vormizeele, wistra 2006, 292 (293); Dannecker / Müller, in: Wabnitz / Janovsky, 18. Kapitel C. Rn. 160. 385  Vormizeele, wistra 2006, 292 (298). 386  Vormizeele, wistra 2006, 292 (298). 381  Panizza,

148 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

eine bindende Regelung zur Ausübung des eigenen Ermessens gibt. Auch der Umstand der vergleichsweise erheblichen Erhöhung der Rechtssicherheit für Kronzeugen, der zu einer Effektivierung der Bonusregelung beiträgt387, kann hier angeführt werden. Nach der Bonusregelung in Randnummer  4 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 „wird […] die Geldbuße“ nur „in der Regel“ erlassen. Der Bußgelderlass steht damit hier im sogenannten intendierten Verwaltungsermessen, bei dem der Normgeber die Ermessenrichtung vorgibt und die angegebene Rechtsfolge den „Normalfall“ darstellt388. Wodurch jedoch atypische Ausnahmefälle begründet werden können, ist nicht bestimmt389. Für das Kooperationsverhalten eines Kartellbeteiligten nach Randnummer  5 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 „kann“ das Bundeskartellamt eine Bußgeldreduktion von bis zu 50 %390 gewähren, wobei sich der konkrete Umfang der Reduktion insbesondere nach dem Nutzen der Aufklärungsbeiträge und der Reihenfolge der Anträge richtet. Damit sind für die Bußgeldbemessung die Schnelligkeit bei der Antragstellung sowie die Qualität und Nützlichkeit der zur Verfügung gestellten Angaben maßgeblich391. Konkrete Vorgaben für eine Staffelung der prozentualen Reduzierung finden sich in der Bonusregelung nicht392. Dem Bundeskartellamt steht daher bei der Bewertung ein weiter Ermessensspielraum zu393. Mit Blick auf die persönliche Reichweite der privilegierenden Rechtsfolgen gilt  – anders als bei der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO394  – ein von einer vertretungsberechtigten Person für ein Unternehmen gestellter Bonusantrag grundsätzlich auch als Antrag für die Unternehmensbeschäftigten und die an dem Kartell beteiligten natürlichen Personen395. Aufklärungsbeiträge von natürlichen Personen werden nur dann zugunsten des Unternehmens berücksichtigt, wenn es sich bei der ko387  Vormizeele,

185).

388  Panizza,

wistra 2006, 292 (293); Engelsing, ZWeR 2006, 179 (183 f. und

ZWeR 2008, 58 (65); Engelsing, ZWeR 2006, 179 (186). ZWeR 2008, 58 (65). 390  Nach Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 525 sollte es im Einzelfall aber auch möglich sein eine größere Ermäßigung zu gewähren. 391  Vormizeele, wistra 2006, 292 (295). 392  Ohle / Albrecht, WRP 2006, 866 (871). 393  Dannecker / Müller, in: Wabnitz / Janovsky, 18. Kapitel C. Rn. 162; Vormizeele, wistra 2006, 292 (295) wendet ein, dass dies wiederum dem Ziel widerspreche, die Bonusregelung möglichst vorhersehbar hinsichtlich der Voraussetzungen und ihrer Rechtsfolgen zu gestalten. 394  Vgl. 2. Teil, A. III. 395  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 17. 389  Panizza,



B. Die Bonusregelungen des Kartellordnungswidrigkeitenrechts149

operierenden Person um eine vertretungsberechtigte Person handelt und der Aufklärungsbeitrag auch im Namen des Unternehmens geleistet wurde396. Eine endgültige Entscheidung über Erlass oder Reduktion der Geldbuße wird frühestens nach Durchsicht und Prüfung aller bei der Durchsuchung erlangten Informationen und Beweismittel getroffen397. Im Falle des Erlasses der Geldbuße ergeht dann kein Bußgeldbescheid, sondern es erfolgt eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 47 Abs. 1 OWiG398. Nach der „Soll-Vorschrift“399 in Randnummer  23 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 wird in der Regel weder ein erlangter wirtschaftlicher Vorteil (§ 34 GWB) abgeschöpft noch ein Verfall (§ 29a GWB) angeordnet beziehungsweise bei einer Reduktion der Geldbuße anteilsmäßig400 eine Vorteilsabschöpfung oder Verfallsanordnung nicht vorgenommen. 2. Hinweis auf sonstige Auswirkungen Aus der Einreichung eines Antrags auf Erlass oder Reduktion einer Geldbuße nach der Bonusregelung können weitere Fragestellungen resultieren. Da diese für den Schwerpunkt der hiesigen Ausarbeitung nicht von Bedeutung sind, soll lediglich aus Gründen der Vollständigkeit kurz auf sie hingewiesen werden. In Randnummer  24 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 wird festgestellt, dass die Bonusregelung die zivilrechtlichen Folgen wegen einer Kartellbeteiligung unberührt lässt und auch ein Verfahren gegen eine natürliche Person wegen einer Straftat nach § 298 StGB gemäß § 41 OWiG an die Strafverfolgungsbehörde abzugeben ist401. Eine aktuell nach wie vor besonders vieldiskutierte Problematik ist diejenige der Akteneinsicht privater Dritter in Bonus- und Kronzeugenanträge402. 396  Karl, in: Mes, Prozessformularbuch, II. N. 23. Anm. 7; Dannecker / Müller, in: Wabnitz / Janovsky, 18. Kapitel C. Rn. 163; hierzu bereits kurz unter 2. Teil, B. II. 2. a) aa). 397  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 20; zur Erteilung einer Zusicherung durch das Bundeskartellamt vgl. Rn. 19 der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006. 398  Vollmer, in: Bornkamm / Montag / Säcker, § 81 GWB Rn. 154; Klusmann, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 57 Rn. 117. 399  Engelsing, ZWeR 2006, 179 (195). 400  Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 515. 401  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 24. 402  Vgl. etwa Dück / Eufinger / Schultes, EuZW 2012, 418; Steger, BB 2014, 963; Dworschak / Maritzen, WuW 2013, 829; Bien, ZWH 2016, 133 (138 f.); Klooz, Die Akteneinsicht möglicherweise geschädigter Dritter in Akten des Bundeskartellamts, S. 179 ff.; Häfele, Private Rechtsdurchsetzung im Kartellrecht und die Kronzeugenre-

150 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

Im Fall eines gerichtlichen Schadensersatzprozesses gegen die Kartellbeteiligten hat insbesondere das klagende Opfer der Kartellabsprache ein großes Interesse daran zum Zweck der Beweisführung Zugang zu den Bonusunterlagen zu erhalten oder zumindest eine Verwertung durch das Gericht zu erwirken403. Dem stehen auf der anderen Seite das Interesse der Kartellanten und der Sinn und Zweck der Bonusregelung entgegen. Ihre Zielsetzung wäre erheblich gefährdet, da selbstanzeigewillige Kartellbeteiligte wegen der Befürchtung, dass ihre Angaben später doch noch gegen sie verwendet werden können, eher von einem Antrag absehen würden404. Außerdem wären sie bei einer Verwendung ihrer Bonusanträge in Zivilrechtsstreitigkeiten schlechter gestellt als Kartellmitglieder, die nicht mit dem Bundeskartellamt kooperieren405. In der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 heißt es hierzu, das Bundeskartellamt werde derartige Anträge auf Akteneinsicht grundsätzlich ablehnen406. Zwar konnte der benannte Konflikt für die Praxis bisher nicht eindeutig aufgelöst werden407. Die Tendenz, Kronzeugenunterlagen von einer Offenlegung gegenüber privaten Schadensersatzklägern auszunehmen, wird aber durch Art. 6 Abs. 6 der Richtlinie 2014 / 104 / EU eindeutig verfestigt. Zudem stellt sich sowohl für die Antragstellung selbst als auch für die Anwendung der Bonusregelung die Frage, wie sich bei einem grenzüberschreitenden Bezug des konkreten Kartells die Erlangung von Bußgeldfreiheit oder einer -reduktion nach der deutschen Bonusregelung auf einen Erlass beziehungsweise eine Ermäßigung nach den vielen unterschiedlichen, bestehenden nationalstaatlichen Kronzeugenprogrammen und der Kronzeugenmitteilung der Europäischen Kommission auswirkt408. Entgegen einer Auffassung, die vom Fehlen der Voraussetzungen „Anzeige vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens“ und „Erster Anzeigerstatter“ für die Nichtfestsetzung einer Geldbuße nach der Bonusregelung ausgeht, nimmt eine andere Ansicht zutreffend an, dass sich die Selbstanzeige bei einer Kartellbehörde auch in einem Verfahren der jeweils anderen Kartellbehörde niederschlagen gelung, S. 202 ff.; Gercke, in: FS-Schiller, 161, vielfach mit Erörterungen der hierzu ergangenen Judikatur. Zum mit der Thematik verbundenen Problem der Beschlagnahme von Unterlagen aus unternehmensinternen Ermittlungen im Kartellbußgeldverfahren vgl. Schuster, NZKart 2013, 191. 403  Panizza, ZWeR 2008, 58 (77); Gercke, in: FS-Schiller, 161 (168 ff.). 404  Engelsing, ZWeR 2006, 179 (194); Panizza, ZWeR 2008, 58 (77 f.); Gercke, in: FS-Schiller, 161 (170). 405  Panizza, ZWeR 2008, 58 (61); Engelsing, ZWeR 2006, 179 (194). 406  Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 22. 407  Hierzu Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 531 ff. 408  Hierzu etwa Dannecker / Müller, in: Wabnitz / Janovsky, 18. Kapitel C. Rn. 166; Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 536 f.; ausführlich bereits Hetzel, EuR 2005, 735.



B. Die Bonusregelungen des Kartellordnungswidrigkeitenrechts151

muss409. Das kartellrechtswidrige Verhalten werde auch dann eingestellt und der Betroffene habe letztlich maßgeblich zur Aufdeckung des Kartellverstoßes beigetragen410.

IV. Abschließende Betrachtung Auch wenn die Bonusregelung des Bundeskartellamts teils als „moderner Ablasshandel“411 wahrgenommen und mit ihr „aus rechtsstaatlicher Sicht“ „ein gewisses Unwohlsein“ verbunden wird, weil einem Mittäter eines Kartells, der andere „verpetzt“, ein Bußgeld ganz oder teilweise erlassen wird412, stellt sie neben den vielen Regelungen zur tätigen Reue bloß einen weiteren speziellen Typus privilegierenden Nachtatverhaltens dar413. Die Besonderheit ihrer Ausgestaltung in Form einer Verwaltungsvorschrift veranlasst zwar zu kritischen Forderungen nach einer gesetzlichen Regelung414. Immer wieder wird auch bemängelt, dass die Bonusregelung des Bundeskartellamts mangels eines sogenannten „Amnesty plus“- beziehungsweise „Penalty plus“-Programms noch nicht weitreichend genug sei415. Die mit der Bonusregelung verfolgten Ziele sind jedoch erreicht worden. Durch die Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 sind die Konsequenzen einer Selbstanzeige von Kartellordnungswidrigkeiten zumindest berechenbarer als ohne eine solche Regelung. Mit dem sogenannten Settlement-Verfahren416 und dem relativ neuen Hinweisgebersystem des Bundeskartellamts417 wurden der Bonusregelung zudem weitere Instrumente zur Kartellbekämpfung zur Seite gestellt. 409  Dannecker / Müller,

in: Wabnitz / Janovsky, 18. Kapitel Rn. 166. in: Wabnitz / Janovsky, 18. Kapitel Rn. 166. 411  Dreher, ZWeR 2009, 397 (398); auch Soltesz, WuW 2005, 616 (617), hält sie für rechtspolitisch unangemessen. 412  Engelsing, ZWeR 2006, 179 (181). 413  Panizza, ZWeR 2008, 58 (60). 414  Dannecker / Biermann, in: Immernga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 519 und 539; Vormizeele, wistra 2006, 292 (298). 415  Ohle / Albrecht, WRP 2006, 866 (873 f.); zur Penalty plus-Regel siehe Häfele, Private Rechtsdurchsetzung im Kartellrecht und die Kronzeugenregelung, S. 121 f.; anders Engelsing, ZWeR 2006, 179 (188), der meint, dass ein Extrabonus zu einer zu weitgehenden Reduktion der Geldbuße führen würde. 416  Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 81 Rn. 543 ff. 417  Siehe hierzu die Meldung des Bundeskartellamts vom 01.06.2012, abrufbar unter: http: /  / www.bundeskartellamt.de / SharedDocs / Meldung / DE / Pressemitteilungen /  2012 / 01_06_2012_BKMS.html, sowie dessen weitere Informationen unter http: /  /  www.bundeskartellamt.de / DE / Kartellverbot / Anonyme_Hinweise / anonymehinweise _artikel.html (beides zuletzt abgerufen am 18.06.2017). 410  Dannecker / Müller,

152 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

Es kann mit Spannung beobachtet werden, welche Entwicklungen das deutsche Bonusprogramm, gerade vor dem Hintergrund europäischer Einflüsse, noch nehmen wird.

C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht Die Einführung einer „bußgeldbefreienden Selbstanzeige“ für bestimmte fahrlässige Verstöße gegen das Außenwirtschaftsrecht wird als eine der wichtigsten Neuerungen wahrgenommen, die am 1.  September  2013 mit dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) in Kraft getreten sind418. Bis dahin war die Möglichkeit einer „Selbstanzeige“ im deutschen Außenwirtschaftsrecht nicht ausdrücklich vorgesehen419. Gleichwohl hatten deutsche Exportunternehmen auch in der Vergangenheit schon selbst entdeckte Verstöße in der Hoffnung angezeigt, dass die Verfolgungsbehörden dieses Verhalten bei der Festlegung einer Sanktion im Rahmen ihres Ermessens mildernd berücksichtigen420. Eine Garantie für eine automatisch eintretende „Straf- beziehungsweise Bußgeldfreiheit“ bot dies freilich nicht, was sich nun mit § 22 Abs. 4 AWG geändert hat421. Unter dessen Voraussetzungen bleiben bestimmte Verstöße sanktionslos422. Der Wortlaut der Vorschrift lautet: „Die Verfolgung als Ordnungswidrigkeit unterbleibt in den Fällen der fahrlässigen Begehung eines Verstoßes im Sinne des § 19 Absatz 2 bis 5, wenn der Verstoß im Wege der Eigenkontrolle aufgedeckt und der zuständigen Behörde angezeigt wurde sowie angemessene Maßnahmen zur Verhinderung eines Verstoßes aus gleichem Grund getroffen werden. Eine Anzeige nach Satz 1 gilt als freiwillig, wenn die zuständige Behörde hinsichtlich des Verstoßes noch keine Ermittlungen aufgenommen hat. Im Übrigen bleibt § 47 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten unberührt.“

Die Norm war allerdings nicht Teil  des ursprünglichen Gesetzesentwurfs der damaligen Bundesregierung, sondern wurde sozusagen erst „in letzter Minute“ auf die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie hin kurz vor Verabschiedung des Entwurfs im Bundestag in die Gesetzesvorlage eingefügt423. Wohl auch dieser Umstand einer übereilten Einfüh418  Krause / Prieß,

NStZ 2013, 688 (688). AW-Prax 2013, 176 (176); Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (173); Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 176. 420  Haellmigk / Vulin, AW-Prax 2013, 176 (176); Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 176; hierzu auch Hohmann, JUVE Handbuch 2011 / 2012, 202. 421  Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 176. 422  Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 176. 423  BT-Drs.  17 / 11127, S. 3; Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (1); Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (688); Helck / Petry, ZfZ 2015, 151 (151). Der Änderungsantrag 419  Haellmigk / Vulin,



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht153

rung trug schon vor Inkrafttreten der Vorschrift dazu bei, dass im Hinblick auf ihren Umfang, ihren Anwendungsbereich und ihre Einzelmerkmale einige für die Anwendung in der Praxis relevante Unklarheiten aufgeworfen wurden424. So stellt sich die Frage, was unter „angemessenen Maßnahmen“ zur Verhinderung des Verstoßes „aus gleichem Grund“ zu verstehen ist. Kann auch bei einer Entdeckung des Verstoßes durch Unternehmensexterne eine Entdeckung durch Eigenkontrolle gegeben sein? Außerdem ergibt sich die Schwierigkeit, wie eine bewusst fahrlässige Begehung von einem mit Eventualvorsatz begangenen Verstoß nach § 19 Abs. 2 bis 5 AWG abgegrenzt werden kann. Sehr fraglich ist überdies, welche Bedeutung dem Merkmal der Freiwilligkeit im Rahmen von § 22 Abs. 4 AWG zukommt. Und schließlich bedürfen auch Rechtsnatur und Rechtsfolgen der Vorschrift einer Klärung: Handelt es sich dogmatisch gesehen tatsächlich um eine bußgeldbefreiende „Selbstanzeige“, die als eine Parallelvorschrift zur Selbstanzeige nach § 371 AO in deren Lichte auszulegen ist? Oder hat die Norm eher Ähnlichkeiten zum strafbefreienden Rücktritt des § 24 StGB oder wohlmöglich zu den Formen der tätigen Reue im engeren Sinn oder ist sie gar ein Verfahrenshindernis? Aufgrund dieser offenen Fragen muss sich noch zeigen, ob der Begriff der „Selbstanzeige“ hier überhaupt ein passender ist. Trotz dieser  – teils vermeintlichen  – Unwägbarkeiten wurde die Einführung der Vorschrift grundsätzlich begrüßt und überwiegend positiv bewertet425, dies auch wegen der mit ihr verbundenen Entlastung der Verwaltung von arbeitsaufwändigen Außenwirtschaftsprüfungen426. Mit einem Erlass an alle Bundesfinanzdirektionen und das Zollkriminalamt, der auch den Spitzenverbänden der Wirtschaft zur Verfügung gestellt wurde, hat sich zudem das Bundesministerium der Finanzen im Februar 2014 zu einigen der problematischen Merkmale der Vorschrift klarstellend geäußert427. Zwar handelt es sich bei dem Erlass lediglich um eine Verwaltungsvorschrift ohne Gesetzescharakter, dennoch führt eine solche durch eine entsprechende Verwaltungspraxis zu einer Selbstbindung der Verwaltung428. Zudem handelt es sich bei wurde den Fraktionen so kurzfristig – am Abend vor der abschließenden Beratung – zugeleitet, dass wenig Möglichkeit zu einer hinreichenden Überprüfung blieb, so die Fraktion BÜNDNIS90 / DIE GRÜNEN, vgl. BT-Drs. 17 / 12101, S. 10. 424  Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2118); Helck / Petry, ZfZ 2015, 151 (151). 425  So etwa Prieß / Arend, AW-Prax 2013, 71 (71 und 72); Helck / Petry, ZfZ 2015, 151 (156). 426  Prieß / Arend, AW-Prax 2013, 71 (72 f.). 427  Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 12. Februar 2014, GZ.: III B 3 – A 0303 / 11 / 10003 (Erlass des BMF vom 12.02.2014). 428  Niestedt, ExportManager 2 / 2014, 16 (18); zur Selbstbindung der Verwaltung durch eine Verwaltungsvorschrift bereits zur Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 des Bundeskartellamts unter 2. Teil, B. III. 1.

154 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

den Adressaten des Erlasses auch um diejenigen Behörden, die über das Vorliegen der Voraussetzungen einer sanktionsbefreienden „Selbstanzeige“ entscheiden, so dass davon auszugehen ist, dass sich die Behörden nach dem Erlass richten429. Ein Teil  der zunächst vorhandenen und diskutierten Pro­ bleme hat sich damit zunächst erübrigt. Es verbleiben jedoch auch einige streitige Fragen und Unklarheiten, wie im Folgenden zu zeigen sein wird.

I. Ratio legis des § 22 Abs. 4 AWG Anders ist dies aber bezüglich der recht unzweifelhaften Ratio legis der Vorschrift. Die privilegierende Regelung einer „bußgeldbefreienden Selbstanzeige“ hat nach der Gesetzesbegründung deshalb ihre Berechtigung, weil bei der Abwicklung von außenwirtschaftsrechtlich relevanten Vorgängen selbst bei grundsätzlich rechtstreuem Verhalten, und obwohl organisatorische Vorkehrungen zur Vermeidung von Verstößen getroffen werden, im Einzelfall Arbeitsfehler unterlaufen können430. Denn nur solche erfasst, wie noch darzustellen sein wird, § 22 Abs. 4 AWG überhaupt431. Darin schwingt die Erwägung mit, dass Ordnungswidrigkeiten wie die umfassten und Ordnungswidrigkeiten im Allgemeinen als weniger schwere Verfehlungen in nicht so gravierender Weise die Rechtsordnung erschüttern, deshalb eher reparabel sind und keine ungerechtfertigte Kriminalisierung vorantreiben sollen, insbesondere, wenn sie fahrlässig verwirklicht werden432. Daher stellen auch die Bußgeldandrohungen des § 19 AWG und die Möglichkeit, die mangelnde Zuverlässigkeit der Antragsteller bei der Genehmigungserteilung zu berücksichtigen, ausreichende und angemessene Instrumentarien zur Ahndung solcher Verstöße dar433. Als ausdrückliche Zielsetzung beschreibt die Gesetzesbegründung die Steigerung der Motivation von Unternehmen ihre interne Überwachung zu verbessern und ihre Compliance-Systeme fortzuentwickeln, sowie Arbeitsfehler dem Zoll oder dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zu melden434. Die hierdurch bedingte Verbesserung der kooperativen Zusam429  Niestedt,

ExportManager 2 / 2014, 16 (18). S. 25; Wolffgang, DB 2013, M01. 431  Dazu unter 2. Teil, C. II. 1. b). 432  So wohl auch Prieß / Arend, AW-Prax 2013, 71 (72 f.); auf den geringeren Unrechtsgehalt bloßer Arbeitsfehler verweist auch Oehmichen, NZWiSt 2013, 339 (345). 433  BT-Drs. 17 / 11127, S. 25; BR-Drs. 519 / 12, S. 69. 434  BT-Drs. 17 / 12101, S. 11; Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (1 ff.); dies., AWPrax 2013, 173 (173); Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 176; Oehmichen, NZWiSt 2013, 339 (342). 430  BT-Drs. 17 / 11127,



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht155

menarbeit mit den Behörden reduziere langfristig Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz435. In Konsequenz muss dies  – wie grundsätzlich durch verstärkte Compliance-Maßnahmen  – über eine Risikominimierung für das jeweilige Unternehmen zu einer Vermeidung von Bußgeldern und sonstigen „ahndenden“ Instrumenten436 führen, und damit wiederum mittel- und langfristig zu einer Entlastung437. Vor Einführung des § 22 Abs. 4 AWG, so Prieß und Arend, konnten Unternehmen wegen der unsicheren Konsequenzen eher wenig Interesse an einer aktiven Korrektur der betroffenen Verstöße gegen Bestimmungen des AWG haben438. Es geht im Wesentlichen deshalb auch darum, einen Kulturwandel hinsichtlich der Unternehmens-Compliance zu unterstützen, indem unter Mitarbeitern ein Bewusstsein für Eigenkontrolle als etwas Lohnenswertes vorangetrieben wird439. Teilweise wird die mit der Anzeige des Fehlers verbundene Privilegierung zudem als Belohnung beziehungsweise gesetzliche Anerkennung für das Bemühen um eigenverantwortliche Wiederherstellung des legalen Zustandes interpretiert440. Wer sich um die Einhaltung der außenwirtschaftsrechtlichen Vorschriften durch eine entsprechende Organisation bemühe, dessen fahrlässiges Verhalten solle nicht geahndet werden441. Es sei gerechtfertigt, solchen Unternehmen, die den Aufwand eines Compliance-Systems auf sich nähmen oder sich zur Teilnahme an einem Compliance-Programm verpflichteten, im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbeteiligten Vergünstigungen einzuräumen, da die Anforderung zur aktiven Meldung von Arbeitsfehlern im Rahmen des Compliance-Programms sonst zu einer Schlechterstellung dieser gegenüber anderen Unternehmen führen würde442. Dies sind zwar zutreffende Erwägungen. Bei genauerer Betrachtung kann dem soeben genannten Verständnis im Sinne einer Honorierung aber nicht zugestimmt werden443. Vielmehr sind es die staatlichen Sicherheits- und Ordnungsinteressen444 zur Minimierung und Aufklärung von Verstößen, welche den Gesetzgeber letztendlich zur Einführung der Norm veranlasst haben. 435  Prieß / Arend,

AW-Prax 2013, 71 (72). Der Ausfuhrverantwortliche, S. 156, weist etwa auf eine schon bei geringem Bußgeld vorzunehmende Eintragung ins Gewerbezentralregister hin. 437  BT-Drs. 17 / 12101, S. 1. 438  Prieß / Arend, AW-Prax 2013, 71 (72). 439  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (693). 440  Prieß / Arend, AW-Prax 2013, 71 (71 f.); Wolffgang, DB 2013, M01. 441  Wolffgang, DB 2013, M01. 442  Wolffgang, DB 2013, M01. 443  So auch Nestler, in:  Esser / Rübenstahl / Saliger / Tsambikakis, 3.  Kapitel, § 22 AWG Rn. 5. 444  Wolffgang, DB 2013, M01. 436  Pottmeyer,

156 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

Eine „Belohnung“ kann dabei nur Reflex und notwendiger Nebeneffekt sein, nicht aber maßgeblicher Zweck der Regelung. Sie ist lediglich notwendige und gerechtfertigte Konsequenz. Denn die Verbesserung der unternehmens­ internen Compliance soll zu der Erwartung berechtigen, dass das Unternehmen in Zukunft keine gleichartigen Verstöße begeht445. Diese Erwartung ist aber nicht der Beweggrund der Besserstellung hinsichtlich der Ahndung des angezeigten Verstoßes, sondern stellt nur eine weitere Rechtfertigung für die Selbstanzeigeprivilegierung dar. Im Mittelpunkt der Ratio legis steht demnach jedenfalls die Erwägung „Pro Compliance“446.

II. Tatbestandliche Voraussetzungen des § 22 Abs. 4 AWG In tatbestandlicher Hinsicht müssen kumulativ447 die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein, damit die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit unterbleibt: – Es muss sich um einen Verstoß im Sinne des § 19 Abs. 2 bis 5 AWG handeln, – der fahrlässig begangen und – der zuständigen Behörde angezeigt wurde. – Zudem müssen angemessene Maßnahmen zur Verhinderung des Verstoßes aus gleichem Grund ergriffen werden, wobei – die Aufdeckung des Verstoßes im Wege der Eigenkontrolle erfolgen muss und – die Erfordernisse des § 22 Abs. 4 S. 2 AWG zu berücksichtigen sind. Diese Merkmale sollen im Folgenden einschließlich der mit ihnen verbundenen Probleme erörtert werden. 1. Verstoß im Sinne des § 19 Abs. 2 bis 5 AWG Das „Offenlegungsprivileg“448 des § 22 Abs. 4 AWG bezieht sich mit § 19 Abs. 2 bis 5 AWG von vornherein nur auf einen Ausschnitt der für das Außenwirtschaftsrecht sanktionierbaren Verstöße. Letztere finden sich nunmehr in den §§ 17, 18 und 19 AWG. 445  Krause / Prieß,

NStZ 2013, 688 (693). DB 2013, M01. 447  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (1); dies., AW-Prax 2013, 173 (173). 448  Als solches bezeichnet Wolffgang die Möglichkeit der Anzeige eines Verstoßes im Sinne des § 22 Abs. 4 AWG, vgl. DB 2013, M01. 446  Wolffgang,



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht157

a) Zum System der neustrukturierten Straf- und Bußgeldvorschriften Diese Vorschriften sind das Ergebnis einer grundlegenden Neuordnung der Straf- und Bußgeldvorschriften449. Zuvor waren Verfehlungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz in den §§ 33, 34 AWG a. F. geregelt, unterteilt nach ihrer Qualität als Ordnungswidrigkeit oder Straftat450. Auch die novellierte Gesetzesfassung folgt zwar einer getrennten Darstellung nach Straftaten (§§ 17,  18 AWG) und Ordnungswidrigkeiten (§ 19 AWG), allerdings ergibt sich das Stufenverhältnis der Verstöße aus einer Differenzierung in Verbrechen, Vergehen und Ordnungswidrigkeiten451, die stärker als bisher am Grad 449  BT-Drs. 17 / 11127,

S. 25; Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (1). NZWiSt 2013, 339 (340); eine ausführliche, teils tabellarische Darstellung der einzelnen Ordnungswidrigkeiten und Straftatbestände findet sich bei Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 117 bis 154. 451  Aus der beschriebenen hierarchischen Gliederung (Oehmichen, NZWiSt 2013, 339 (340), spricht hier von einer „streng hierarchischen Struktur“) ergeben sich im Vergleich zur früheren Rechtslage damit teilweise Sanktionsschärfungen, die etwa zu einer Aufwertung von Ordnungswidrigkeiten zu Straftaten führen, zum Teil aber auch Milderungen, durch die eine Entkriminalisierung von Verstößen bewirkt wird, Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (173); Oehmichen, NZWiSt 2013, 339 (341). So waren vor der Gesetzesreform des AWG beispielsweise nach § 34 Abs. 1 AWG a. F. nur bestimmte Dual-Use-Güter des kerntechnischen Bereichs und des chemischen und bakteriologischen Waffenbereichs von dem Verbot umfasst, während nunmehr alle Dual-Use-Güter, die für jedwede Form der Unterstützung bei der Herstellung von Kernwaffen oder sonstigen Kernsprengkörpern verwendet werden können, von § 18 Abs. 5 AWG inbegriffen sind, Oehmichen, NZWiSt 2013, 339 (341); Voland, GWR 2013, 264 (265). Außerdem werden auch vorsätzliche Verstöße gegen Genehmigungspflichten für Handels- und Vermittlungsgeschäfte oder die Erbringung technischer Unterstützung als Straftat sanktioniert, Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (173); Oehmichen, NZWiSt 2013, 339 (341); Voland, GWR 2013, 264 (265). Im Rahmen der vorsätzlichen Verstöße gegen Waffenembargos wurde die sich vormals im Vergehensbereich des § 34 Abs. 4 Nr. 1 AWG a. F. befindliche Strafandrohung erheblich auf ein bis zehn Jahre erhöht, Walter, RIW 2013, 205 (208); Oehmichen, NZWiSt 2013, 339 (341); Prieß / Arend, AW-Prax 2013, 71 (71). Für Verstöße gegen Ausfuhrverbote im Zusammenhang mit Embargos, deren Mindeststrafe zuvor nach § 34 Abs. 6 Nr. 3 AWG a. F. zwei Jahre betrug, bedeutet dies hingegen eine Senkung des Mindeststrafmaßes, Oehmichen, NZWiSt 2013, 339 (341). Auch die Ausgestaltung von fahrlässig begangenen Verstößen als Ordnungswidrigkeiten bedeutet eine Milderung im Vergleich zur vorherigen Gesetzeslage, da nach dieser auch fahrlässige Verstöße gegen Verbote und Genehmigungserfordernisse gemäß § 34 Abs. 7 AWG a. F. regelmäßig als Straftaten behandelt wurden, Oehmichen, NZWiSt 2013, 339 (341); BT-Drs. 17 / 11127, S. 19; BR-Drs. 519 / 12, S. 69. Daneben wurden auch weitere Tatbestände ganz aufgehoben, wie etwa § 34 Abs. 2 und Abs. 6 Nr. 1 und 4 AWG a. F. (Grund waren rechtsstaatliche Bedenken gegen das in beiden Vorschriften vorhandene Merkmal der „erheblichen Gefährdung bzw. Störung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland“ hinsichtlich der Einhaltung des Bestimmtheitsgebots nach Art. 103 Abs. 2 GG, vgl. BGH, Beschluss vom 450  Oehmichen,

158 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

der Vorwerfbarkeit orientiert ist452. Es zeigt sich, dass sämtliche fahrlässige Verstöße immer als Ordnungswidrigkeiten zu qualifizieren sind – wenn auch nicht alle Ordnungswidrigkeiten nur fahrlässig begehbar sind –, während alle Straftaten grundsätzlich453 vorsätzlich verwirklicht werden454. § 17 AWG erfasst dabei ausschließlich Verbrechen und betrifft in Verbindung mit § 80 Außenwirtschaftsverordnung (AWV) in inhaltlicher Hinsicht Zuwiderhandlungen gegen nationale, auf wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen der Vereinten Nationen oder der EU beruhende Waffenembargos455 in Form des Verkaufs, der Aus- und Durchfuhr, Beförderung, der Vornahme von Handlungs- und Vermittlungsgeschäften mit sowie der Einfuhr und dem Erwerb von Gütern des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste der AWV. Bei diesen Gütern handelt es sich um bestimmte Waffen, Munition und Rüstungsmaterial456. § 18 AWG normiert hingegen Vergehen, die durch vorsätzliche Verstöße gegen EG- oder EU-Verordnungen auf dem Gebiet der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik457 (§ 18 Abs. 1), gegen nationale Bestimmungen der AWV458 (§ 18 Abs. 2), gegen die die Ein- und Ausfuhr von Rohdiamanten betreffende Kimberly-Verordnung459 (§ 18 Abs. 3), gegen die EU-Folterverordnung460 (§ 18 Abs. 4) oder gegen die EG-Dual-Use-Verordnung461 (§ 18 Abs. 5) begangen werden462. § 19 AWG umfasst schließlich 13.01.2009, Az.: AK 20 / 08, Rn. 13; Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 155; Walter, RIW 2013, 205 (208)) oder der Fördertatbestand des § 34 Abs. 3 AWG a. F., vgl. hierzu BR-Drs. 519 / 12, S. 70; Oehmichen, NZWiSt 2013, 339 (341 f.). 452  BT-Drs.  17 / 12101, S. 5; Prieß / Arend, AW-Prax 2013, 71 (71); Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (689); Oehmichen, NZWiSt 2013, 339 (340); Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2117). 453  Eine Ausnahme bildet der leichtfertige Verstoß nach § 17 Abs. 5 AWG. 454  Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2117); Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (1); Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (689); Prieß / Arend, AW-Prax 2013, 71 (71). 455  Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 168; Walter, RIW 2013, 205 (208). 456  Vgl. Anlage A1 Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung, TEIL I A, Liste für Waffen, Munition und Rüstungsmaterial. 457  Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 171. 458  Diese betreffen die Ausfuhr und Verbringung bestimmter Güter wie Waffen, nicht gelistete Güter für kerntechnische Zwecke oder die Ausrüstung für die Herstellung von Banknoten, die Vornahme bestimmter Handels- oder Vermittlungsgeschäfte und die Erbringung bestimmter technischer Unterstützung, vgl. Pottmeyer. Der Ausfuhrverantwortliche, S. 172. 459  Verordnung (EG) Nr. 2368 / 2002 des Rates vom 20.  Dezember  2002, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1268 / 2008. 460  Verordnung (EG) Nr. 1236 / 2005 des Rates vom 27. Juni 2005, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 1352 / 2011. 461  Verordnung (EG) Nr. 428 / 2009 des Rates vom 5. Mai 2009. 462  Vgl. Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 172.



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht159

alle Bußgeldvorschriften, die aus vorsätzlich und fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeiten bestehen. b) § 19 Abs. 2 bis 5 AWG im Einzelnen Ausschließlich solche sind Bezugspunkt der neuen „Selbstanzeigemöglichkeit“. Von § 22 Abs. 4 AWG nicht erfasst ist indes § 19 Abs. 1 AWG, der sich auf die soeben erläuterten Vergehen nach § 18 Abs. 1 bis 5 AWG bezieht und deren fahrlässige Begehung als Ordnungswidrigkeit deklariert. Mit den Absätzen 2 bis 5 erfasst die Möglichkeit der „bußgeldbefreienden Selbstanzeige“ daher „nur“ typische Verfahrens- und Formfehler bei der Abwicklung von Ausfuhrvorgängen, insbesondere also Verstöße gegen Melde-, Informations-, Vorlage-, Gestellungs-, Aufbewahrungs-, Offenlegungs- oder Unterrichtungspflichten463. Kritisch ließe sich anmerken, dass dem Anwendungsbereich von § 22 Abs. 4 AWG damit nur Fälle unterliegen können, die hinsichtlich der Schwere der zu ahndenden Verstöße im Gefüge der Straf- und Bußgeldvorschriften eine eher untergeordnete Rolle spielen. § 19 Abs. 2 AWG ersetzt § 33 Abs. 5 Nr. 1 AWG  a. F.464 und regelt eine Bußgeldbewehrung für denjenigen, der im Zusammenhang mit der Beantragung einer Genehmigung oder einer Bescheinigung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, dass die Ausfuhr keiner Genehmigung bedarf, oder der Erteilung eines Zertifikates über die Zuverlässigkeit eines Empfängerunternehmens hinsichtlich der innergemeinschaftlichen Verbringung von Verteidigungsgütern465 Angaben tatsächlicher Natur466 nicht richtig oder nicht vollständig macht oder benutzt. Dass die Genehmigung auch tatsächlich erteilt wird, ist nicht erforderlich, vielmehr sind von dieser Bußgeldandrohung vor allem Fälle erfasst, in denen noch keine Genehmigung vorliegt467. 463  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (689); Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (173 f.); Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (2). Weiter gehen Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2118), die auch materielle Verstöße der Ordnungswidrigkeiten nach §§ 81, 82 AWV gegen die sogenannten Erfüllungsverbote länderspezifischer Embargos in den Anwendungsbereich einbeziehen und eine Begrenzung auf die genannten Form- und Verfahrensvorschriften für zu eng halten. Auch Bünnigmann, CCZ 2016, 60 (61 f.), weist auf die Einbeziehung auch materieller Verstöße hin, bezweifelt aber, ob dies bewusst von der gesetzgeberischen Intention mitgetragen wird. 464  BT-Drs. 17 / 11127, S. 29; BR-Drs. 519 / 12, S. 80. 465  Vgl. Art. 9 der Richtlinie 2009 / 43 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.  Mai  2009 zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern (ABl. L 146 / 1 vom 10.6.2009). 466  BT-Drs. 17 / 11127, S. 29; BR-Drs. 519 / 12, S. 80. 467  BT-Drs.  17 / 11127, S. 29; BR-Drs.  519 / 12, S. 80; Oehmichen, NZWiSt 2013, 339 (344).

160 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

Allerdings erweist sich die Einbeziehung von § 19 Abs. 2 AWG in § 22 Abs. 4 AWG als gegenstandslos468. Da der Gesetzgeber die fahrlässige Verwirklichung von § 19 Abs. 2 AWG nicht ausdrücklich im Sinne von § 10 OWiG mit einer Geldbuße bedroht, sondern nur die vorsätzliche Begehung überhaupt eine Ordnungswidrigkeit darstellt, ist die Möglichkeit der Selbstanzeigeprivilegierung hier ausgeschlossen469. Dies stellt der Erlass des Bundesfinanzministeriums vom 12. Februar 2014 klar470. Es wird sich spätestens im Zuge der nächsten Überarbeitung des AWG herausstellen, ob entweder der ausdrückliche Verweis in § 22 Abs. 4 AWG auch auf § 19 Abs. 2 AWG ein gesetzgeberisches Versehen war oder aber seine Nichteinbeziehung in die Möglichkeit zur bußgeldbefreienden Selbstanzeige. § 19 Abs. 3 AWG sanktioniert Zuwiderhandlungen gegen unterschiedlichste nationale Auskunfts-, Melde-, Anzeige- und Erklärungspflichten471 und enthält zu diesem Zweck eine Vielzahl von Verweisen auf andere Vorschriften des AWG und der AWV. So bezieht sich § 19 Abs. 3 Nr. 1 lit. a AWG auf § 81 Abs. 1  AWV, der unter anderem die Vornahme bestimmter Boykotterklärungen untersagt, Genehmigungserfordernisse für die Ausfuhr und Verbringung bestimmter Waren statuiert oder Verwendungsbeschränkungen ausspricht472. § 19 Abs. 3 Nr. 1 lit. b AWG verweist auf § 81 Abs. 2 AWV. Dieser bezieht sich unter anderem auf Aufbewahrungs-, Gestellungs-, Abgabe-, Informations- und Mitteilungspflichten zur Durchführung des AWG und unionsrechtlicher Bestimmungen im Zusammenhang mit Rechtsgeschäften und damit auf sogenannten Verwaltungsungehorsam473. Umfasst von § 19 Abs. 3 Nr. 2 AWG sind außerdem Zuwiderhandlungen gegen vollziehbare Anordnungen im Bereich der Beförderung von Gütern im Seeverkehr, der diesbezüglichen Bereitstellung von Angaben über Ladung und Reiseverlauf, sowie Vorlagepflichten für geschäftliche Unterlagen. § 19 Abs. 3 Nr. 3 bis 5 AWG regelt Zuwiderhandlungen gegen Vorzeige-, Erklärungs- und Gestellungspflichten im Fracht-, Post- und Reiseverkehr. Auch Normverletzungen in Bezug auf unmittelbar geltende EU-Vorschriften sind erfasst. § 19 Abs. 4 AWG verweist auf § 82 AWV, der Verstöße gegen bestimmte Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften oder der Euro468  Erlass

(17).

des BMF vom 12.04.2014, S. 2; Niestedt, ExportManager 2 / 2014, 16

469  Bünnigmann, CCZ 2016, 60 (61); Niestedt, ExportManager 2 / 2014, 16 (17); Erlass des BMF vom 12.04.2014, S. 2. 470  Erlass des BMF vom 12.04.2014, S. 2. 471  Oehmichen, NZWiSt 2013, 339 (344). 472  Nestler, in:  Esser / Rübenstahl / Saliger / Tsambikakis, 3.  Kapitel, § 81  AWV Rn. 3 ff. 473  Nestler, in:  Esser / Rübenstahl / Saliger / Tsambikakis, 3.  Kapitel, § 81  AWV Rn. 9.



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht161

päischen Union474 als Ordnungswidrigkeiten deklariert und für solche die Verhängung eines Bußgeldes in Aussicht stellt. § 19 Abs. 5 AWG beinhaltet schließlich Verstöße gegen Informations-, Anmelde-, Aufzeichnungs- und Unterrichtungspflichten aus Embargovorschriften unmittelbar geltender EU-Rechtsakte475. Hierin werden nach gesetzgeberischer Intention zahlreiche bisher im Einzelnen in der AWV geregelte maßgebliche Verfahrensverstöße gegen EU-Normen in einer Vorschrift zusammengefasst476. 2. Fahrlässige Begehung Die soeben dargestellten, von § 22 Abs. 4 S. 1 AWG erfassten Ordnungswidrigkeiten müssen fahrlässig begangen worden sein. a) Abgrenzungsschwierigkeiten zum Eventualvorsatz Mangels Differenzierung nach der Art der vorliegenden Fahrlässigkeit, ist unabhängig vom Grad jedwede Form der fahrlässigen Begehung erfasst477. Dass die „Selbstanzeigemöglichkeit“ des § 22 Abs. 4 AWG nur auf fahrlässige Verstöße Anwendung findet, ist – ähnlich wie bei § 378 Abs. 3 AO478 – eine Besonderheit gegenüber den anderen, bestehenden Vorschriften für eine Selbstanzeige479, aus der sich Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von bewusster Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz480 und damit praktische Anwendungsprobleme ergeben können481. Da der Übergang zwischen diesen subjektiven Tatbestandselementen von Praktikern als fließend angesehen482 und eine Abgrenzung in der Praxis teils 474  Oehmichen,

NZWiSt 2013, 339 (344). BB 2013, 2115 (2118); Nestler, in: Esser / Rübenstahl / Saliger /  Tsambikakis, § 19 AWG Rn. 12.  476  Nestler, in:  Esser / Rübenstahl / Saliger / Tsambikakis, § 19 AWG Rn. 12;  Nie­ stedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2118). 477  Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 2. 478  Zu den Abgrenzungsschwierigkeiten des subjektiven Tatbestandsmerkmals der Leichtfertigkeit bei § 378 Abs. 1 AO vgl. 2. Teil, A. II. 1. b). 479  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (691). 480  Umfassend zur Problematik der Abgrenzung im Zusammenhang mit Rechtsirrtümern nach §§ 16, 17 StGB Schuster, Das Verhältnis von Strafnormen und Bezugsnormen aus anderen Rechtsgebieten, insbesondere zur Entwicklung eines eigenen Standpunktes S. 115 ff. und S. 203 ff., mit weiteren Nachweisen. 481  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (2); Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 155; Wegner, HRRS 2014, 52 (56). 482  Walter, RIW 2013, 205 (208); Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 155. 475  Niestedt / Trennt,

162 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

für sehr schwierig gehalten wird483, wird vorgebracht, dass die bezüglich des Geschäfts- und Prüfablaufs von Unternehmen vorzunehmende Einordnung für Unternehmen und deren Berater erheblichen Raum für Bewertungsfragen lasse484. Dies könne wiederum zu einer Verunsicherung hinsichtlich des Bestehens der Möglichkeit einer Selbstanzeige führen485. Die Beantwortung dieser Frage habe aber nicht mehr nur für die Höhe eines etwaig zu verhängenden Bußgeldes Bedeutung, sondern nunmehr für die Verhängung eines Bußgeldes überhaupt486. Es wird befürchtet, dass die Entscheidung über eine Kriminalisierung von Unternehmen und ihren Exportmitarbeitern, sowie die Verhängung eines Bußgeldes vom Gutdünken der zuständigen Verwaltungsbehörde beziehungsweise Staatsanwaltschaft und Gericht abhängig seien487. Der Erstatter einer „Selbstanzeige“ nach § 22 Abs. 4 AWG müsse zunächst mit der Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens durch die zuständige Behörde und deshalb mit einer Überprüfung des Vorliegens von Fahrlässigkeit rechnen488. Denn zum einen könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Verwaltungsbehörde ihr Entschließungsermessen dahingehend ausübe, ein Bußgeldverfahren nicht einzuleiten, und zum anderen fehle eine dem Steuerordnungswidrigkeitenverfahren vergleichbare Regelung, nach der ein Ordnungswidrigkeitenverfahren bei Vorliegen einer Selbstanzeige nicht eingeleitet werde489. Insbesondere, wenn einem Unternehmen eine interne Ausfuhrkontrolle fehle, könne sich der verantwortliche Mitarbeiter dieses Unternehmens dem Vorwurf ausgesetzt sehen, mögliche Verstöße gegen das Außenwirtschaftsrecht billigend in Kauf genommen zu haben490.

483  Vgl. Hohmann in der Öffentlichen Anhörung vor dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie zum Gesetzesentwurf des AWG am 10.12.2012, BT-Protokoll Nr. 17 / 87, S. 17 f.; ders. und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag e. V. (DIHK), BT-Drs. 17 / 12101, S. 8 bzw. 7. 484  BT-Drs.  17 / 12101, S. 7 (Auffassung der Deutschen Industrie- und Handelskammer e. V.); Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (693); Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (2). 485  BT-Drs.  17 / 12101, S. 7 (Auffassung der Deutschen Industrie- und Handelskammer e. V.); Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (2); Helck / Petry, ZfZ 2015, 151 (152). 486  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (2); Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (174). 487  Hohmann, ExportManager 7 / 2013, 20 (21); ders. in ExportManager 8 / 2012, 19 (20); Wegner, HRRS 2014, 52 (56). 488  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (691). 489  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (691), die hier auch die Regelung Nr. 11 Abs. 2 S. 2 i. V. m. Nr. 81 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 AStBV (2013) anführen. 490  Walter, RIW 2013, 205 (208); Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 155.



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht163

b) Mögliche Gegenkritik Den angeführten Bedenken lässt sich aber entgegenhalten, dass durch Wissenschaft und Rechtsprechung durchaus Kriterien entwickelt wurden, anhand derer eine Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit zu erfolgen hat491. Diese Grundsätze sind auch für die hiesigen Abgrenzungsschwierigkeiten heranzuziehen. Sie sind, so zu Recht Niestedt und Trennt, für den Juristen „bekanntes Terrain“492. In Bezug auf die mit dem Ergebnis der vorzunehmenden Abgrenzung verbundenen möglichen Unwägbarkeiten lässt sich anführen, dass gerade die Schaffung eines „Klimas der Unsicherheit“ bei den Unternehmen im Sinne der Ratio legis der Vorschrift zu einer Änderung der Compliance-Kultur beitragen kann. Gerade im Falle der Verunsicherung sollte ein Exportunternehmen im Zweifel seine Prozesse so organisieren, dass die außenwirtschaftsrechtliche Compliance auch in Zweifelsfällen sichergestellt ist. Der Umstand, dass auf Unternehmensseite Unsicherheit darüber herrscht, ob ein Vorgang vorsätzlich oder fahrlässig umgesetzt worden sein oder werden könnte, zeigt eventuelle Lücken und Gefahren hinsichtlich der Befolgung von außenwirtschaftsrechtlichen Verhaltensanforderungen im Rahmen der Geschäftsabläufe auf. Es lässt sich daher vertreten, dass es keinen Anlass für die Privilegierung eines Unternehmens im Wege der „Selbstanzeige“ gibt, wenn es Zweifel bezüglich eines vorsätzlichen Vorgehens überhaupt erst aufkommen lässt. Klötzer-Assion führt zu Recht an, dass Mitarbeiter, denen bloße Arbeitsfehler unterlaufen, die Möglichkeit eines Verstoßes gegen die außenwirtschaftsrechtlichen Verhaltensanforderungen in der Regel nicht erkennen  – andernfalls erscheine es dann aber auch nicht unbillig, sie wegen eines bedingt vorsätzlichen Verstoßes zu sanktionieren493. Außerdem kommt es auch bei vorsätzlicher Verwirklichung des § 19 Abs. 3 bis 5 AWG nicht zu einer echten Kriminalisierung, sondern „nur“ zu einer verwaltungsrechtlichen Ahndung. Eine ausführliche, eingehende Sachverhaltsaufklärung möglicher Zuwiderhandlungen und ihres Zustandekommens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, insbesondere die Prüfung auf Tatbestands- oder Verbotsirrtümer, ist aber für das betreffende Unternehmen unbedingt notwendig, um die Erfolgsaussichten einer bußgeldbefreienden „Selbstanzeige“ einschätzen und für die Zukunft seine Prozesse risikoärmer organisieren zu

491  Klötzer-Assion, WiJ 2013, 134 (141); auch Bünnigmann, CCZ 2016, 60 (62), verweist auf allgemein anerkannte Maßstäbe. 492  Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2117). 493  Klötzer-Assion, WiJ 2013, 134 (141).

164 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

können494. Eine belastbare Abschätzung495 der zutreffenden Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit für den kritischen Einzelfall zu treffen, zählt eben sodann zu den „originären Aufgaben“ des anwaltlichen Beraters496. Das Risiko rechtlicher Beurteilungen durch zuständige Behörden und Gerichte trägt, so Bünnigmann, immer der sich „reuig Offenbarende“497. Diesen würde auch eine alternative Gesetzeskonzeption nach dem Vorschlag von Hohmann nach hiesiger Auffassung nicht von den genannten Unsicherheiten bei der Abgrenzung befreien. Vor Ergänzung der Gesetzes­ novelle zum AWG durch § 22 Abs. 4 AWG hatte dieser zwecks Vermeidung von Kriminalisierungstendenzen vorgeschlagen nur die beiden Begehungsformen bedingt vorsätzliches und „grob fahrlässiges“ Handeln gleich zu behandeln, nämlich als Ordnungswidrigkeit498. Übertrüge man dieses Konzept auf die Anwendbarkeit der „Selbstanzeigemöglichkeit“ im Außenwirtschaftsrecht, würde das Abgrenzungsproblem nach hiesiger Auffassung aber nur zu den nächstschwereren Vorsatzformen verschoben werden, so dass Einordnungsschwierigkeiten dann eben bezüglich eines bedingten Vorsatzes im Verhältnis zum direkten Vorsatz bestünden. Schon allein wegen der über viele Jahrzehnte bereits erarbeiteten Grundsätze zur Thematik um „dolus eventualis“ und bewusste Fahrlässigkeit, aber auch wegen der grundsätz­ lichen Wesensunterschiede zwischen vorsätzlichen und fahrlässigen Begehungsweisen, bietet sich eine Abgrenzung in diesem Bereich deshalb eher an. Ein denkbarer Lösungsansatz wäre es allerdings, insgesamt vorsätzliche Ordnungswidrigkeiten in den Anwendungsbereich des § 22 Abs. 4 AWG einzubeziehen, den Weg der „Selbstanzeige“ also für Ordnungswidrigkeiten generell zu eröffnen. Ob sich im Außenwirtschaftsverkehr tätige Unternehmen nach der aktuellen Ausgestaltung der Regelung tatsächlich durch die eventuell bestehenden Unsicherheiten bei der Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit von der Möglichkeit abhalten lassen eine „Selbstanzeige“ nach 494  Krause / Prieß,

(174).

495  Krause / Prieß,

NStZ 2013, 688 (691); Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173

NStZ 2013, 688 (691). WiJ 2013, 134 (141). 497  Bünnigmann, CCZ 2016, 60 (62). 498  Hohmann in der Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zum Gesetzesentwurf des AWG am 10.12.2012, BT-Protokoll Nr. 17 / 87, S. 18 f.; ders., ExportManager 8 / 2012, 19 (20). Mit „grob fahrlässigen“ Verstößen bezieht sich Hohmann wohl auf die bewusste Fahrlässigkeit. Leicht beziehungsweise unbewusst fahrlässige Exportverstöße würden dann nach diesem Vorschlag sanktionslos bleiben. 496  Klötzer-Assion,



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht165

§ 22 Abs. 4 AWG zu erstatten499, ist fraglich. Jedenfalls folgt im Sinne der gesetzgeberischen Wertung „Pro Compliance“500 aus der dargestellten Pro­ blematik die Konsequenz für Exportunternehmen ihre außenwirtschaftsrechtliche Compliance zu stärken. 3. Anzeige bei der zuständigen Behörde Die Anzeige der vorgenannten fahrlässigen Verstöße hat zu ihrer Wirksamkeit bei der zuständigen Behörde zu erfolgen. a) Anzeigeerstatter Dem Gesetzeswortlaut des § 22 Abs. 4 AWG lässt sich zwar nicht entnehmen, wer die Anzeige zu erstatten hat. Aus dem Umstand, dass das von dem Verstoß betroffene Unternehmen beziehungsweise derjenige, der den Verstoß begangen hat, von der privilegierenden Wirkung profitiert, ist jedoch abzuleiten, dass zumindest diese  – für das Unternehmen also die zu seiner Vertretung Berechtigten – die besagte Anzeige eingeben können. Auch darüber hinaus dürfte aber die Wirksamkeit der „Selbstanzeige“ nicht durch ihre Erstattung durch „Dritte“501 entfallen, soweit das Handeln des Anzeigeerstatters noch dem Wirtschaftsbeteiligten zugerechnet werden kann502; es handelt sich ja schließlich um eine „Selbst“anzeige503. Man wird aber ähnlich wie für die steuerrechtlichen Selbstanzeigen504 verlangen müssen, dass eine Bevollmächtigung oder zumindest eine Genehmigung vorliegt505. Welche Konsequenzen arbeitsrechtlicher Natur ein solches Vorgehen durch den im Unternehmen beschäftigten Betroffenen ohne Auftrag oder nachträgliche Bestätigung im Innenverhältnis zum Unternehmen haben würde, ist freilich eine andere Frage. Deren Beantwortung könnte nicht ganz unproblematisch für den Mitarbeiter sein. Zumindest vor dem Hintergrund einer in Betracht zu ziehenden Strafbarkeit nach § 17 UWG wegen des Verrats von Geschäfts- und Betriebs499  Krause / Prieß,

NStZ 2013, 688 (691). unter 2. Teil, A. I. 501  Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (174), wobei diese mit den „beliebigen Dritten“ nicht jedwede dritte Person gemeint haben dürften. 502  Hier wird an den Fall einer Anzeigeerstattung durch einen Mitarbeiter des Unternehmens in leitender Position, etwa durch den Leiter der Exportabteilung oder den Ausfuhrverantwortlichen, gedacht, der nicht zu einem derartigen Vorgehen gegenüber Behörden berechtigt ist. 503  Sollte dieser Begriff denn § 22 Abs. 4 AWG zugrunde gelegt werden können; dazu unter 2. Teil, C. III. 6. 504  Vgl. hierzu 1. Teil, C. I. 2. b) aa) (1) und 2. Teil, A. II. 2. a) cc). 505  So auch Nestler, in: Esser / Rübenstahl / Saliger / Tsambikakis, § 22 AWG Rn. 13. 500  Hierzu

166 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

geheimnissen dürfte aber davon auszugehen sein, dass der Mitarbeiter nicht unbefugt, sondern aufgrund eines berechtigten Interesses506, zumindest aber nicht aus Eigennutz507 handelt, da der Gesetzgeber dies mit dem Zurverfügungstellen der Möglichkeit zur Selbstanzeigeerstattung nach § 22 Abs. 4 AWG gerade auch für natürliche Personen wie die Mitarbeiter des von der Ordnungswidrigkeit betroffenen Unternehmens zum Ausdruck gebracht hat. b) Zuständige Behörde Als für die Entgegennahme und Bearbeitung der Anzeige sachlich zuständige Behörde werden zum einen die für die Erfüllung der verletzten Norm zuständigen Stellen, das heißt, das Hauptzollamt, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle oder die Bundesbank in Betracht gezogen508, zum anderen die für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit zuständige Stelle, also das Hauptzollamt509, dessen Zuständigkeit sich aus § 23 Abs. 3 AWG i. V. m. § 36 Abs. 1 OWiG herleiten lässt. In § 22 Abs. 4 AWG selbst findet sich hierzu keine Präzisierung. Für letztere Sichtweise wurde deshalb die systematische Stellung des § 22 AWG im Rahmen der Verfahrensvorschriften für das Straf- und Bußgeldverfahren vorgebracht, aus dessen § 22 Abs. 3 AWG sich das Hauptzollamt als zuständige Behörde ergebe510. Dafür, auch eine Anzeige bei der für die Erfüllung der verletzten Pflicht zuständigen Stelle ausreichen zu lassen, wurde neben der Gesetzesbegründung der Gesetzeszweck, die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Behörden zu fördern und eine Fehlerkorrektur zu erreichen, herangezogen511. Dem Aufklärungsinteresse des Staates könne 506  Unbefugt ist die Mitteilung, wenn der Mitteilende nach seinen Vertragspflichten gegenüber dem Geschäftsherrn dazu nicht berechtigt ist und er deshalb rechtswidrig handelt, oder wenn sein Handeln sonst nicht gerechtfertigt ist, Diemer, in: Erbs /  Kohlhaas, § 17  UWG Rn. 23. Diemer stellt im Falle der Anzeige von Ordnungswidrigkeiten auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere darauf ab, ob ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht (Rn. 24), wobei im Rahmen der Inte­ ressenabwägung eben auch die schutzwürdigen Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigt werden könnten (Rn. 14 / 15). 507  Der Täter handelt aus Eigennutz, wenn er bei der Tathandlung das Motiv hat, sich selbst einen Vorteil zu verschaffen, der entweder materieller Art ist oder einen zumindest einem Vermögensvorteil vergleichbaren immateriellen Wert hat, Janssen /  Maluga, in: MK, § 17 UWG Rn. 62. 508  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (3), die dies wohl aus § 23 AWG herleiten. 509  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (3). 510  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (3); Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (174). 511  Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (174); Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (174).



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht167

auch auf diese Weise ausreichend Genüge getan werden512. Die für die Erfüllung außenwirtschaftsrechtlicher Pflichten zuständige Behörde sei ohnehin verpflichtet die für die Verfolgung der jeweiligen Zuwiderhandlung zuständige Stelle über Anhaltspunkte für Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu unterrichten513. Übermäßige Bürokratie stelle hier den Erfolg der Regelung in Frage514. Mit dem Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 12.  Februar  2014 erfolgte aber eine Klarstellung dahingehend, dass grundsätzlich nach § 22 Abs. 3 AWG das Hauptzollamt als für die überwiegende Zahl von Exporten sachlich zuständige Verwaltungsbehörde für Selbstanzeigen sachlich zuständig sein soll515. Da § 22 Abs. 4 AWG jedoch nicht auf eine „Verwaltungsbehörde“ abstelle, solle die Anzeige unter Berücksichtigung der Aufgaben- und Befugniszuweisung in § 21 AWG auch beim Zollfahndungsamt erfolgen können516. In örtlicher Hinsicht besitzt das Hauptzollamt beziehungsweise Zollfahndungsamt, in dessen Bezirk sich der Hauptsitz des Unternehmens, der Wohnort des Betroffenen oder der Handlungsort befindet, die Zuständigkeit517. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle und die Bundesbank sind demnach in keinem Fall zuständig, wenngleich sie im Falle des Erhalts einer Selbstanzeige diese an die verwaltungsintern für die weitere Bearbeitung zuständige Stelle weiterleiten werden518. Das Risiko der Nichtweiterleitung beziehungsweise nicht rechtzeitigen Weiterleitung trägt dann selbstverständlich der Anzeigeerstatter519. c) Form und zeitliche Dimension der Anzeige Hinsichtlich der Form der Anzeige bestehen keine gesetzgeberischen Vorgaben520. Dem Wortlaut des § 22 Abs. 4 AWG lässt sich das Erfordernis einer schriftlichen Anzeige nicht entnehmen, so dass diese auch mündlich erfolgen 512  Pelz / Hofschneider,

wistra 2014, 1 (3). wistra 2014, 1 (3). 514  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (3). 515  Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 3; so eindeutig etwa auch schon Nie­ stedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2119) und Krause, ExportManager 5 / 2013, 22 (23). 516  Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 3. 517  Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 3. 518  Niestedt, ExportManager 2 / 2014, 16 (17); Erlass des BMF vom 12.02.2014 S. 3. 519  Niestedt, ExportManager 2 / 2014, 16 (17). 520  Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 3; Nestler, in:  Esser / Rübenstahl / Saliger /  Tsambikakis, § 22 AWG Rn. 6. 513  Pelz / Hofschneider,

168 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

darf521. Vor allem aus Gründen der Beweisbarkeit ist es aber ratsam die Selbstanzeige derart vorzunehmen, dass auch im Nachhinein noch eindeutig festgestellt werden kann, ob, wann und wie eine Selbstanzeige gestellt wurde522. Deshalb rät auch der Erlass des Bundesministeriums der Finanzen eine möglichst schriftliche Einreichung der Selbstanzeige an523. Für den Fall, dass diese dennoch mündlich erfolge, sei sie vollumfänglich aktenkundig zu machen524. Eine Frist, innerhalb der die Anzeige zu erstatten wäre, ist in § 22 Abs. 4 AWG nicht benannt525, so dass auch durch das Verstreichenlassen eines längeren Zeitraums nach Entdeckung der Verstöße eine Selbstanzeige nicht ausgeschlossen wird526. Jedoch unterliegt sie durch eine drohende behörd­ liche Entdeckung beziehungsweise Ermittlungsaufnahme527 einer gewissen zeitlichen Begrenzung. d) Inhalt der Anzeige Hinsichtlich des Inhalts der „Selbstanzeige“ wird angeraten in dem an die Behörde gerichteten Schreiben – sofern die Anzeige mündlich erfolgt, betrifft dies in gleicher Weise die in den Akten aufzunehmende mündliche Eingabe – den offengelegten Verstoß durch Angabe der Art der Zuwiderhandlung, des Handelnden und der konkreten Handlung zu identifizieren528. Dabei können auch mehrere Zuwiderhandlungen unterschiedlicher Art in einer Anzeige zur Kenntnis der Behörde gebracht werden529. Darüber hinaus sollten auch die Gründe, aus denen es zu den Verfehlungen gekommen ist, die Parameter und Kriterien, anhand derer die Zuwiderhandlungen im Rahmen der internen Revision untersucht wurden, sowie zumindest im Überblick die eingeleiteten oder beabsichtigten Korrektur- und Optimierungsmaßnahmen zur internen Selbstkontrolle in einer für die Behörde nachvollziehbaren Weise mitgeteilt werden530. Derart werde das Hauptzollamt nicht nur in die Lage versetzt ei521  Krause,

ExportManager 5 / 2013, 22 (23). BB 2013, 2115 (2119); Krause, ExportManager 5 / 2013, 22

522  Niestedt / Trennt,

(23).

523  Erlass

des BMF vom 12.02.2014, S. 3. des BMF vom 12.02.2014, S. 3. 525  Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2120). 526  Helck / Petry, ZfZ 2015, 151 (153). 527  Dazu sogleich unter 2. Teil, C. II. 5. und 6. d). 528  Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 3. 529  Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 2. 530  Haellmigk / Vulin, AW-Prax 2013, 176 (179); Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 3. 524  Erlass



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht169

nen konkreten Verstoß einzugrenzen und zu bewerten531, sondern könne bei Vorliegen strukturell-systematischer Ermittlungen durch das Unternehmen auch erkennen, dass dieses zur umfassenden Aufdeckung und Mitteilung außenwirtschaftsrechtlicher Verfehlungen bereit sei532. Die Anzeige gegenüber der zuständigen Behörde sei schließlich die „Visitenkarte“ des Unternehmens, insbesondere, falls es noch nicht auf anderem Weg in Kontakt mit ihr gewesen sei533. Die bloße Erklärung Selbstanzeige zu erstatten ohne weitere Angaben zu machen, genügt somit nicht den inhaltlichen Anforderungen534. An sich selbstredend, entspricht es dem Zweck der Vorschrift, dass nicht nur die aufgedeckten Fehler, sondern auch die ursprünglich gebotene Handlung, wie etwa Auskunft, Meldung, Anzeige oder etwa die Erklärung verlangter Angaben, nachgeholt wird, falls dies nicht durch die Offenbarung der betroffenen Verstöße schon geschehen sein sollte  – dass § 22 Abs. 4 AWG dies nicht ausdrücklich verlangt, wird wohl zu Recht als „gesetzgeberisches Redaktionsversehen“ eingeordnet535. Schon das gründliche Erstellen der „Selbstanzeige“ kann damit von nicht zu unterschätzender Bedeutung sein. Allerdings kann die sorgfältige, umfassende Ausarbeitung der Anzeige in einem Spannungsverhältnis zur drohenden Entdeckung und Ermittlungsaufnahme auf staatlicher Seite stehen. Während der Wirtschaftsbeteiligte noch dabei ist die aufgetretene Unregelmäßigkeit anzeigegerecht aufzuarbeiten, können die Behörden ihm zuvorkommen. Diese Schwierigkeit mag zwar nicht so dringlich erscheinen, wie bei den steuerrechtlichen Selbstanzeigen, bei denen es häufig einer detaillierten, sehr weitreichenden Offenlegung und langwierigen Sichtung vieler Dokumente bedarf. Der Anzeigeerstatter steht auch nicht wie bei einem Antrag nach der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 des Bundeskartellamts, bei der die Rangwahrung gegenüber anderen Anzeigewilligen entscheidend für den Erfolg einer Selbstanzeige ist, in einem Konkur531  Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 3. Die bloße Bezeichnung eines Tatzeitraums und der Verweis auf Handlungen gemäß § 19 Abs. 2 bis 5 AWG sollen hiernach nicht ausreichen. 532  Haellmigk / Vulin, AW-Prax 2013, 176 (179). 533  Haellmigk / Vulin, AW-Prax 2013, 176 (179). 534  Nestler, in: Esser / Rübenstahl / Saliger / Tsambikakis, § 22 AWG Rn. 6. 535  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (690), die darauf verweisen, dass die Nachholungshandlung bei § 378 Abs. 3 AO den „Kern der zur Ahndungsfreiheit führenden Anforderungen“ ausmache. Allerdings ist zu bedenken, dass die steuerordnungswidrigkeitenrechtliche Selbstanzeige, wie auch § 371 AO, von der Nachentrichtung von Beiträgen geprägt ist, wobei dieser Umstand bei § 22 Abs. 4 AWG gerade keine Rolle spielt; mit einem Verweis auf und einem Vergleich zu §§ 371 Abs. 1, 378 Abs. 3 AO auch Nestler, in: Esser / Rübenstahl / Saliger / Tsambikakis, § 22 AWG Rn. 6.

170 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

renzverhältnis zu anderen Teilnehmern des Wirtschaftsverkehrs. Dennoch befindet sich auch hier der Anzeigewillige im Hinblick auf den betroffenen Verstoß immerhin in einem „Wettlauf mit den Behörden“. Daher könnte es auch hier einen praktikablen und gangbaren Weg darstellen, dem Wirtschaftsbeteiligten wie nach der Bonusregelung des Kartellrechts das Setzen eines sogenannten Markers zu erlauben, in dem er sofort nach der Aufdeckung des Fehlers gegenüber der Behörde die ihm bekannten Umstände des Verstoßes mitteilt. Die Ermittlungsaufnahme als Ausschlussgrund wäre dann bedingt gesperrt, bis der Anzeigeerstatter seine Eingabe innerhalb einer von der Behörde zu setzenden angemessenen Frist zu einem vollwertigen Antrag ausgearbeitet hat. Dieses Vorgehen würde freilich das Risiko bergen, dass die Behörde im Falle einer nicht fristgemäßen Anzeige überhaupt erst von einem ihr sonst bis dahin gänzlich unbekannten Verstoß erfahren hätte. Schon das Setzen eines solchen „Markers“ müsste dann also wohl überlegt sein. Dieses Risiko würde jedoch ein tatsächlich Compliancewilliges Unternehmen wohl kaum von einer Anzeige abhalten, da der vorgeschlagene Weg als Alternative zur Unwirksamkeit der Selbstanzeige wegen eines in der Eile inhaltlich nicht ausreichend ausgearbeiteten Antrags zumindest eine gewisse Sicherheit bietet. Es kann daher in Kauf genommen werden. 4. Angemessene Maßnahmen zur Verhinderung eines Verstoßes aus gleichem Grund Entscheidet sich der Wirtschaftsbeteiligte zur Einreichung einer „Selbstanzeige“, müssen für deren Anerkennung durch die Behörde nach dem Gesetz angemessene Maßnahmen zur Verhinderung eines Verstoßes aus gleichem Grund getroffen werden. Dieses Erfordernis erscheint als bisher einmalig bei den bisher existierenden Selbstanzeigen und sonstigen Regelungen tätiger Reue. In keiner der bisher erörterten Vorschriften findet sich eine Ausrichtung auf ein Täterverhalten wieder, das über die Umkehr des bereits verursachten Rechtsbruchs hinausgeht. Es kann als „Element zukünftig wirkender Verhinderungsmaßnahmen“ beschrieben werden536. Was indes unter „angemessenen Maßnahmen“ und deren Verhinderung „aus gleichem Grund“ zu verstehen sein soll, bedarf einer genaueren Betrachtung.

536  Hierzu

ausführlicher unter 3. Teil, A. II. 8.



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht171

a) „Angemessenheit“ der Maßnahmen aa) Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum der Behörden § 22 Abs. 4 AWG ist zwar keine Ermessensvorschrift537. Da durch das Gesetz nicht konkretisiert ist, was als „angemessene Maßnahmen“ gelten soll, stehen der Behörde und gegebenenfalls dem Gericht im konkreten Fall jedoch ein Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum bei der Bewertung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs zu538. Mag dies auch nach pflichtgemäßem Ermessen auf Grundlage der Darlegung des sich selbst anzeigenden Wirtschaftsbeteiligten geschehen539, so kann für diesen und deren Berater doch die Unsicherheit bestehen, welches Vorgehen die Behörde im Einzelfall als angemessen ansehen wird und welches nicht540. Eine sichere Prognose wird hier in manchen Fällen kaum möglich sein541. Da der Wortlaut der Vorschrift eine „Verhinderung“ von Verfehlungen verlange, anders als § 130 OWiG, der nur davon spreche, dass Verstöße „erheblich zu erschweren“ seien, wird hier teilweise befürchtet, dass die Behörden hohe Anforderungen an die Angemessenheit zur Verhinderung künftiger Verstöße stellen werden542. bb) Einzelfallbezogene Bestimmung der Angemessenheit Der Erlass des Bundesministeriums der Finanzen gibt indes vor, dass der Begriff einer weiten Auslegung bedarf543. Was genau als angemessen zu betrachten ist, kann selbstverständlich immer nur einzelfallbezogen festgestellt werden. Dennoch gibt es Kriterien, die bei der Bewertung jeder Einzelsituation von Relevanz sein können. Angeführt werden hier vor allem Art und Umfang der jeweiligen Verfehlung, der Aufwand für die Mitarbeiter und die Eingriffsintensität in deren Belange, die Effektivität der Maßnahme und die

537  Hierzu später ausführlicher bei der Betrachtung der Rechtsfolgen unter 2. Teil, C. III. 5. 538  Krause, ExportManager 5 / 2013, 22 (23); Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2119); Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (175); Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (4). 539  Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 3. 540  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (4); Krause, ExportManager 5 / 2013, 22 (23). 541  Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (175). 542  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (3 f.); Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (174 f.). 543  Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 2.

172 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

bestehende Unternehmensstruktur im Einzelfall544. Als Orientierung wird ein Blick auf die Grundsätze des Exportkontrollrechts für eine innerbetriebliche Exportkontrolle, als sogenannte „Internal Compliance Programmes“ bezeichnete Systeme545, vorgeschlagen, denen ein Maßnahmenkatalog und ein Organisationsstandard zumindest für Großunternehmen hinsichtlich ihrer Aufbauund Ablauforganisation zu entnehmen sei546. Außerdem könne ein Rückgriff auf die für die sogenannte „vergaberechtliche Selbstreinigung“547 entwickelten Kriterien hilfreich sein548. Aber unabhängig davon, an welchen Kriterien man sich nun orientieren mag: In jedem Fall ist die Erkennung der Ursache des Verstoßes entscheidend für die Bestimmung der passenden Maßnahmen549, denn bei der Angemessenheit geht es um die objektive Eignung der Maßnahmen die entdeckten Fehler abzustellen550. Sind also etwa unternehmensinterne Verfahrensanweisungen unzureichend, müssen diese überarbeitet oder etwa das IT-System angepasst werden; ist mangelndes Fachwissen der Mitarbeiter die Quelle der aufgetretenen Verstöße, kann dem durch Schulungen entgegengewirkt werden; konnte der Verstoß nur durch Zufall entdeckt werden, muss das betriebsinterne Compliance-System dementsprechend angepasst werden551. Hierbei spielen die Größe des Unternehmens, die Anzahl der Beschäftigten, deren Qualifikation und Dauer der Unternehmenszugehörigkeit, sowie die Art, Destination und Geschäftsvolumina der in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen ebenfalls eine Rolle und müssen daher bei der Bestimmung der Angemessenheit der Maßnahmen mit berücksichtigt werden552. Um derartige Schritte als angemessen identifizieren zu können, bedarf es aber immer zunächst einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich des betroffenen außenwirtschaftlichen Geschäfts, so dass sodann die notwendigen personellen Maßnahmen sowie Veränderungen struktureller und organisatorischer Art gezielt durchgeführt werden können553. 544  Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 3; Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (4); Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (692); Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (175). 545  Vgl. „Internal Compliance Programmes  – ICP, Innerbetriebliche Exportkon­ trolle“, Merkblatt des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, abrufbar unter http: /  / www.bafa.de / SharedDocs / Downloads / DE / Aussenwirtschaft / afk_merkblatt _icp.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt abgerufen am: 18.06.2017); Hohmann, ExportManager 7 / 2013, 20 (22). 546  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (692 f.). 547  Vgl. hierzu Fn. 1292. 548  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (693). 549  Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2119). 550  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (692). 551  Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2119); Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 3. 552  Nestler, in: Esser / Rübenstahl / Saliger / Tsambikakis, § 22 AWG Rn. 11.



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht173

cc) Umsetzungsstandard für die Angemessenheit Ist diese Voraussetzung geschaffen, muss richtigerweise davon ausgegangen werden, dass dann nicht im Sinne eines „Best Practice“ die Ergreifung der bestmöglichen Maßnahmen erwartet wird, sondern „nur“ die Vornahme angemessener Verbesserungen554. Schon dem Wortlaut der Vorschrift ist nicht zu entnehmen, dass jede mögliche außenwirtschaftsrechtliche Verfehlung verhindert werden muss, sondern eben „nur“ Verstöße aus gleichem Grund555. Zudem genügt die punktuelle Ergreifung von Optimierungsmaßnahmen556 dem Sinn und Zweck der Verbesserung der individuellen UnternehmensCompliance. Darüber hinaus wird angemerkt, dass nicht die Umsetzung von Compliance-Maßnahmen auf Kosten einer ökonomischen Unternehmensführung erwartet werden dürfe, da derartige Maßnahmen dann nicht mehr angemessen seien557. Zumindest, soweit hiermit Maßnahmen in einem unternehmensschädigenden Sinne gemeint sind, kann dem zugestimmt werden. Soweit durch die Maßnahmen zur Compliance-Verbesserung aber ein kurzfristiger, eventuell im konkreten Fall auch intensiver, sich wirtschaftlich zunächst negativ niederschlagender Kostenaufwand verursacht wird, der im Sinne eines anzustrebenden Handelns des Unternehmens im Einklang mit Rechtsvorschriften mittelund langfristig aber zu Kosteneinsparungen führt, ist dies hinnehmbar, da sonst die Bedeutung der Angemessenheit nicht, wie durch die Vorschrift intendiert, anhand einer effektiven Fehlerbekämpfung beurteilt würde558. Als ausreichend wird es erachtet, wenn das Unternehmen darstellt, dass die von ihm getroffenen Verbesserungen zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Wiederholungen von Verstößen ausschließen559. Die Maßnahmen dürfen jedoch nicht nur angekündigt, sondern müssen auch tatsächlich ergriffen werden560, dies im Interesse einer positiven Beurteilung der Zuverlässigkeit im Hinblick auf zukünftige außenwirtschaftsrechtliche Genehmi553  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (693); so auch Haellmigk / Vulin, AW-Prax 2013, 176 (178). 554  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (3); Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (174 und 175). 555  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (3). 556  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (3); Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (174). 557  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (693). 558  Ähnliche Ausführungen finden sich bei Haellmigk / Vulin, AW-Prax 2013, 176 (178). 559  Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 2 f.; Krause, ExportManager 5 / 2013, 22 (23). 560  Prieß / Arend, AW-Prax 2013, 71 (72); Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (692).

174 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

gungsanträge auch ernsthaft und konsequent561. Denn durch Verjährung der begangenen Ordnungswidrigkeit kann der Anzeigeerstatter wohl nicht hoffen von diesem Erfordernis zeitnah befreit zu werden. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 1 OWiG i. V. m. § 19 Abs. 6 AWG drei Jahre ab Beendigung der Handlung. Außerdem wird nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG durch die Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens oder deren Anordnung die Verjährungsfrist unterbrochen. Es ist nicht auszuschließen, dass die Behörde ihr Ermessen dahingehend ausübt, ein solches Ermittlungsverfahren zunächst einzuleiten. dd) Anforderungen bei bereits „angemessener Compliance“ Es bleibt noch die Frage, wie in dem  – zwar sicherlich äußerst seltenen, wenn nicht gar theoretischen, aber nicht völlig unwahrscheinlichen – Fall zu verfahren ist, in dem die zur Zeit des Verstoßes implementierten Maßnahmen und Unternehmensprozesse schon optimal sind, um den Ursachen von etwaigen Fehlern entgegenzuwirken, und es keine Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Würde man dem Unternehmen hier nichtsdestotrotz aufbürden, „angemessene Maßnahmen“ zu ergreifen, würde man zum einen etwas Unmög­ liches und gleichzeitig aus wirtschaftlicher und praktischer Sicht Ineffektives, dem Sinn und Zweck des § 22 Abs. 4 AWG nicht Entsprechendes verlangen, und zum anderen das Unternehmen in Darlegungsschwierigkeiten bei der „Selbstanzeige“ bringen. Erwartet werden könnte hier nur eine Darstellung, dass die aufgetretene Verfehlung im Unternehmen aufgrund näher zu beschreibender, schon bestmöglicher Compliance-Vorkehrungen eine unvorhersehbare Ausnahme darstellt, die an sich nicht hätte auftreten können oder gegebenenfalls nur auf einem böswilligen Eigenverschulden eines Mitarbeiters basiert. Einem solchen, im Sinne einer grundsätzlich vorbildlichen Compliance-Umsetzung hinsichtlich des betreffenden Fehleraspekts handelnden Unternehmen aber die Möglichkeit des § 22 Abs. 4 AWG zu verwehren, wäre nicht sachgerecht. b) Zeitpunkt der Umsetzung der Maßnahmen Sind die angemessenen Maßnahmen identifiziert, stellt sich weiter die Frage, bis wann diese zu treffen sind. Muss dies schon zum Zeitpunkt der Anzeige der Fall sein, um die Behörde in die Lage zu versetzen die Angemessenheit der Vorkehrungen beurteilen zu können? Was jedoch, wenn bei Zugrundelegung dieser Annahme die Behörde Ermittlungen gegen das Unter561  Haellmigk / Vulin,

(693).

AW-Prax 2013, 176 (179); Krause / Prieß, NStZ 2013, 688



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht175

nehmen aufnimmt, bevor dieses die Implementierung der Maßnahmen vornehmen beziehungsweise abschließen konnte oder der Sachverhalt durch ­einen sogenannten „Whistleblower“ zur Kenntnis der Behörde gelangt562? Muss der Wirtschaftsbeteiligte nach der Entdeckung eines Defizits tatsächlich mit der Selbstanzeige zuwarten, bis er gegenüber der Behörde hinsichtlich der Ergreifung von gezielten Compliance-Maßnahmen etwas vorzuweisen hat563, und so Gefahr laufen die „Selbstanzeige“ nicht mehr rechtzeitig erstatten zu können? Ausgehend vom Wortlaut des § 22 Abs. 4 AWG liegt ein solches Verständnis nicht nahe. Nach der Formulierung der Vorschrift unterbleibt die Verfolgung als Ordnungswidrigkeit, wenn „angemessene Maßnahmen (…) getroffen werden“, es erfolgt also keine Festlegung auf einen bestimmten Zeitpunkt zur Vornahme564. Vielmehr kann dem entnommen werden, dass auch auf ein Ereignis in der Zukunft abgestellt werden darf565. In diesem Sinne spricht der klarstellende Erlass des Bundesministeriums der Finanzen von „bereits umgesetzten oder angekündigten Maßnahmen“, geht also davon aus, dass die Maßnahmen bei Anzeige entweder bereits ergriffen worden sind oder aber ihre Umsetzung erst kurzfristig beabsichtigt ist566. Die zu ergreifenden angemessenen Maßnahmen müssen damit zum Zeitpunkt der „Selbstanzeige“ noch nicht ergriffen oder gar umgesetzt sein567. Ausreichend soll es sein, wenn gegenüber der Verfolgungsbehörde angekündigt wird, dass und welche geeigneten und hinreichenden Maßnahmen künftig implementiert werden568. Spätestens sollen die Maßnahmen aber vor dem Hintergrund des Zwecks der Vorschrift, die Unternehmens-Compliance zu fördern, bis zu einer etwaigen gerichtlichen letzten Tatsachenverhandlung569 auch tatsächlich umgesetzt sein. Wenn dies aber so ist, muss es konsequenterweise auch möglich sein bei zunächst von der Behörde nicht als angemessen akzeptierten Maßnahmen nachzubessern, so dass die Wirksamkeit der „Selbstanzeige“ erst einmal nicht davon berührt werden dürfte570. Gerade eine solche Vorgehensweise, 562  Wegner,

HRRS 2014, 52 (57). HRRS 2014, 52 (57). 564  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (4); Bünnigmann, CCZ 2016, 60 (62). 565  Krause, ExportManager 5 / 2013, 22 (23). 566  Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 2. 567  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (4); Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (692); Bünnigmann, CCZ 2016, 60 (62). 568  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (4). 569  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (4); Krause, ExportManager 5 / 2013, 22 (23). 570  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (692); Krause, ExportManager 5 / 2013, 22 (23); Helck / Petry, ZfZ 2015, 151 (153); in diesem Sinne auch Bünnigmann, CCZ 2016, 60 (63). 563  Wegner,

176 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

die einer „stufenweise Selbstanzeige“ gleicht571, unterstützt die gesetzgeberische Zielsetzung die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Behörden zu fördern. Eine frühzeitige dialogische Abstimmung zwischen Anzeigendem und Verfolgungsbehörde bezüglich der Verbesserung von Unternehmensabläufen ist gerade auch deshalb unabdingbar572. Zur Umsetzung der sodann in Abstimmung mit der Behörde erarbeiteten, notwendigen Maßnahmen könnte dem Unternehmen  – wie bei der Nachentrichtung von Steuern im Rahmen einer Selbstanzeige nach §§ 371 Abs. 1, 378 Abs. 3 AO oder der Nachzahlung von Beiträgen bei einer Selbstanzeige nach § 266a Abs. 6 StGB  – eine angemessene Frist gesetzt werden, von deren Einhaltung die Wirksamkeit der Selbstanzeige abhängig ist. c) Möglichkeit des Verzichts auf die Voraussetzung des Treffens angemessener Maßnahmen für zuwiderhandelnde Mitarbeiter? Zusätzlich zu den beschriebenen Auslegungsschwierigkeiten erweist sich die Forderung nach dem Ergreifen angemessener Maßnahmen zur Verhinderung von Verstößen aus gleichem Grund aber auch wegen eines anderen Aspekts als kritisch. Der Mitarbeiter eines Unternehmens, der eine Ordnungswidrigkeit nach § 19 Abs. 3 bis 5 AWG begangen hat, aber gemäß § 22 Abs. 4 AWG Bußgeldfreiheit erlangen möchte, hat unter Umständen keine Möglichkeit zu bestimmen, ob und welche Verbesserungs- und Optimierungsmaßnahmen im Unternehmen ergriffen werden, hat es also selbst bei eigener Aufdeckung eines außenwirtschaftsrechtlichen Verstoßes nicht in der Hand, ob die Tatbestandsvoraussetzung des Ergreifens von Verhinderungsmaßnahmen bezüglich weiterer Verfehlungen erfüllt wird oder nicht573. Wie soll er sich dann von einem Bußgeld durch „Selbstanzeige“ befreien können? Zwar kann nach hiesiger Ansicht wegen der eindeutigen gesetzlichen Anforderung und dem Ansinnen der Compliance-Verbesserung hinsichtlich der Selbstanzeige des Mitarbeiters nicht auf die Voraussetzung des Ergreifens angemessener Maßnahmen verzichtet werden; es wäre aber durchaus noch sachgerecht, sie dahingehend auszugelegen und abzumildern, dass der Mitar571  Stufenweise deshalb, weil die Inhalte der Anzeige im Hinblick auf die beabsichtigten Maßnahmen nach und nach geliefert werden, so, wie sie im anzeigenden Unternehmen auch selbst aufgrund eigener Untersuchungen bekannt werden (zur steuerrechtlichen Stufenselbstanzeige vgl. 1. Teil, C. I. 2. b) aa) (4)); die Möglichkeit einer „Voranzeige“ bzw. „gestückelten Selbstanzeige“ im PartG zeigt Wegner auf, HRRS 2014, 52 (54 f.). 572  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (692). 573  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (4); Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (175); mit Bedenken auch Bünnigmann, CCZ 2016, 60 (63).



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht177

beiter gegenüber den verantwortlichen Vorgesetzten beziehungsweise Gremien auf das Abstellen der Fehler und die Vornahme angemessener Maßnahmen hinwirken muss. Dies ist die für ihn einzige, im Rahmen seiner Möglichkeiten liegende „angemessene Maßnahme zur Verhinderung des Verstoßes aus gleichem Grund“, die er treffen kann, mehr kann er schlichtweg nicht tun. Für die genannte Konstellation ließe sich also eine Ausnahmelösung in Betracht ziehen, so dass der Mitarbeiter dann nach § 22 Abs. 4 AWG frei würde. Abhängig von der Einordnung der Rechtsnatur des § 22 Abs. 4 AWG574 hätte dies aber für den Fall der Annahme eines Verfahrenshindernisses  – und bei einer vorausgesetzten, aber durchaus zweifelhaften Zurechenbarkeit der Anzeige des Mitarbeiters für das Unternehmen – die Konsequenz, dass trotz fehlender Umsetzung von Compliance-Maßnahmen zur Verhinderung künftiger Verstöße auch das Unternehmen von einer Bebußung befreit würde. Dies liefe jedoch dem Sinn und Zweck der Vorschrift völlig zuwider. Außerdem ist, wie bereits festgestellt, das Gesetz in Bezug auf das Erfordernis dieser Voraussetzung eindeutig. Entsprechend der Situation des Bankmitarbeiters, der sich im Hinblick auf die Meldung eines Geldwäschevorgangs beim Geldwäschebeauftragten um eine Offenlegung von Gesetzesverstößen bemüht, jedoch trotz dessen bei letztendlich fehlender Vornahme einer Selbstanzeige durch den Informierten nicht von deren Wirkungen profitieren kann575, erscheint es für den gegebenen Fall vertretbar und vorzugswürdig, der Selbstanzeige des Mitarbeiters im Rahmen der Rechtsfolgen über eine Einstellung nach § 47 Abs. 1 S. 1 OWiG Rechnung zu tragen576. Dies wäre die gesetzesnähere Lösung, die einer nicht vorhandenen Compliance-Verbesserung entspricht. Hätte man bei § 22 Abs. 4 AWG von einem persönlichen Bußgeldaufhebungsgrund auszugehen, wäre die angedachte Ausnahmeregelung natürlich vertretbarer, wenngleich ebenfalls nicht vom Wortlaut und der Ratio des Gesetzes gedeckt. Da sich der Mitarbeiter aber dennoch zwischen zwei verschiedenen Verhaltensanforderungen – Compliance-Förderung und Selbstbewahrung vor einer Geldbuße einerseits, Erfüllung der Pflichten als Mitarbeiter durch Unterlassen einer Kooperation mit den Behörden nach Wunsch des Arbeitgebers andererseits  – gefangen sehen kann und es, wie bereits aufgegriffen577, gerade auch aus arbeitsrechtlicher Sicht zumindest problematisch sein könnte, wenn der Mitarbeiter ohne Rücksprache, ohne Gestattung durch seinen Arbeitgeber oder sogar gegen dessen Willen die aufgedeckten Verstöße an574  Hierzu

noch sogleich unter 2. Teil, C. III. unter 1. Teil, C. II. 2. 576  Zu der mit einer solchen Lösung für den Anzeigeerstatter verbundenen Rechts­ unsicherheit vgl. aber 3. Teil, B. II. 4. 577  Vgl. 2. Teil, C. II. 3. a). 575  Hierzu

178 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

zeigt578, wäre noch eine weitere Vorkehrung zur Entschärfung der Problematik in Betracht zu ziehen. Um ein einheitliches Vorgehen von Unternehmen und Mitarbeitern gegenüber der Behörde im Sinne des Unternehmenswillens zu gewährleisten, könnte das Unternehmen gegenüber seinen Mitarbeitern im Innenverhältnis eine Art Deckungszusage für den Fall einer Bebußung wegen fahrlässiger Verstöße nach § 19 Abs. 3 bis 5 AWG im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit aussprechen. Das Unternehmen könnte sich hiervon durch den Abschluss von entsprechenden Versicherungen entlasten. Derart würde ein Mitarbeiter zumindest nicht wegen der Befürchtung der Verhängung eines Bußgeldes zu einer Selbstanzeige bewegt werden. Vor einer eventuell in Betracht kommenden, von der Funktion des Mitarbeiters im Unternehmen abhängigen Eintragung ins Gewerbezentralregister579 nach § 149 Abs. 2 Nr. 3 GewO kann dies den Mitarbeiter freilich nicht bewahren. d) Verhinderung eines Verstoßes „aus gleichem Grund“ Neben dem Begriff der „angemessenen Maßnahmen“ ist auch die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „aus gleichem Grund“ nicht unproblematisch. Dieses kann sich, je nachdem, ob es weit oder eng ausgelegt wird, wiederum auf die Bestimmung der Angemessenheit einer Maßnahme auswirken580. Die Formulierung ließe sich entweder derart verstehen, dass alle Verstöße, gleichgültig welcher Art, die aus dem gleichen Grund, also der gleichen Ursache herrühren, zu vermeiden sind, oder so, dass gleiche Verstöße, die auf die gleiche Weise zustande gekommen sind, also die gleiche Fehlerart betreffen, einer Verhinderung bedürfen. Oder, wie aus einer weiteren Perspektive von Krause gefragt: Ist ein Fehler, etwa im Datenverarbeitungsprogramm, grundsätzlich immer undifferenziert als „gleich“ zu bewerten oder gibt es ganz unterschiedliche Fehlermöglichkeiten581, also „Fehlerunterarten“? In der Literatur findet sich neben anderen eine dahingehende Interpretation der Voraussetzung, dass dem Erfordernis genügt sei, wenn Verstöße gegen dieselbe Bußgeldvorschrift aus derselben, einer gleichartigen oder vergleichbaren Begehungsweise, also identische Verstöße, deren Ursache aufgeklärt werden könnte, verhindert werden582.

578  Pelz / Hofschneider,

AW-Prax 2013, 173 (175). Der Ausfuhrverantwortliche, S. 156. 580  Krause, ExportManager 5 / 2013, 22 (23). 581  Krause, ExportManager 5 / 2013, 22 (23). 582  Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (174); Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (3). 579  Pottmeyer,



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht179

Bei einer Orientierung am Wortlaut des § 22 Abs. 4 AWG ist die Frage, ob es um die Verhinderung „identischer Verstöße“ oder diejenige „identischer Ursachen“ geht, aber im Sinne der Letzteren zu beantworten. Der Wortsinn „aus gleichem Grund“ stellt gerade auf die Umstände ab, aus denen der entdeckte Verstoß herrührt. Entscheidend für diese Auffassung spricht die Ratio legis der Norm, die Einhaltung außenwirtschaftsrechtlicher Vorschriften durch Unternehmen zu fördern. Hiernach kann es nicht um eine konkrete Art eines Verstoßes gehen, sondern um eine Fehlerursachenbehebung an sich, durch die Verfehlungen, die im Unternehmensablauf begründet liegen, beseitigt werden können. Nach hiesigem Verständnis ist der fehlerhafte Ablauf, der zum Verstoß führte, zu beheben, da durch ihn der Verstoß erst zustande kam und auf seiner Grundlage erneut Fehler der gleichen oder eventuell auch einer anderen Art auftreten könnten. Das heißt, nicht die Art des Fehlers, sondern der Grund des Fehlers ist entscheidend für das Tatbestandsmerkmal. Auf diese Weise sind von den Maßnahmen zur Verbesserung der Compliance dann auch sämtliche Verstöße umfasst, die durch den aufgedeckten Fehler verursacht werden könnten. Eine gegenteilige, engere Betrachtungsweise müsste es als hinnehmbar ansehen, wenn nach Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen Verfehlungen anderer Art als die der aufgetretenen aus derselben Ursache resultieren könnten. Dies wäre dem Gedanken einer gesteigerten Compliance aber gerade nicht zuträglich. Denn warum sollte es einem Unternehmen gestattet sein nur die Gefahren für die Art des konkreten Verstoßes zu beseitigen, wenn die Beseitigung der fehlerhaften Ursache an sich, die auch noch andere Verfehlungen hervorrufen könnte, im Zuge der ohnehin vorzunehmenden Optimierung auch in Bezug auf die anderen potenziellen Verfehlungen ohne Weiteres möglich wäre? Dass es sich in der Praxis oftmals um gleiche oder gar identische Verstöße handeln wird, die durch die ergriffenen Maßnahmen verhindert werden, liegt auf der Hand, ist aber eben nicht zwingend. Im Ergebnis wird es deshalb um die Verhinderung gleichgelagerter Verstöße583 gehen müssen. 5. Aufdeckung des Verstoßes im Wege der Eigenkontrolle Der jeweils anzuzeigende außenwirtschaftsrechtliche Verstoß muss im Wege der Eigenkontrolle aufgedeckt werden. Auch für dieses Merkmal findet sich keine gesetzliche Definition584, ebenso nicht in anderen Regelungsbereichen585, so dass es ebenfalls einer Auslegung und begrifflichen Interpretation bedarf. 583  Prieß / Arend,

AW-Prax 2013, 71 (72). NStZ 2013, 688 (690). 585  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (690); Wegner, HRRS 2014, 52 (56). 584  Krause / Prieß,

180 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

a) Grundsätzliche Bedeutung Die „Eigenkontrolle“ steht begrifflich der „Fremdkontrolle“ gegenüber und wird daher in Abgrenzung zur Aufdeckung durch die zuständigen Behörden zunächst als Gegenstück zur behördlichen Kontrolle verstanden586. Erfasst ist damit jedes Vorgehen, bei dem durch unternehmensinterne Quellen und Maßnahmen der Verstoß „ans Licht gebracht“ wird, die Ordnungswidrigkeit also durch den Unternehmensangehörigen, der die Handlung begangen hat, durch eine andere (Kontroll-)Person des Unternehmens, etwa einen Sachbearbeiter, oder durch die interne Revision im Rahmen eines intern veranlassten Audits oder durch anderweitige unternehmensinterne Prüfungen festgestellt wird587. Maßgeblich für die Bejahung der Eigenkontrolle ist also, dass eine „irgendwie geartete Selbstkontrolle“588 gegeben ist, bei der die Initiative zur Kontrolle, man könnte sagen der „Erstimpuls“, vom Anzeigenden ausgeht und somit seiner Sphäre zuzurechnen ist589, unabhängig davon, ob die Aufdeckung im Einzelfall gezielt oder zufällig geschieht590. Ein bereits bestehendes Compliance-System wird jedenfalls nicht vorausgesetzt, da sonst kleinere Unternehmen bei der Anwendung der Vorschrift meistens benachteiligt wären591. Unter dem Begriff der „Aufdeckung“ dürfte nach allgemeinem Sprachgebrauch wohl ein erstmaliges Auffinden, eine erstmalige Wahrnehmung zu verstehen sein. Im Duden finden sich unter anderen Synonyme wie „Bloß­ legung“, „Offenbarung“ und „Enthüllung“, die nahelegen, dass eine Aufdeckung mit einem Inkenntnissetzen eines anderen verbunden ist; es finden sich aber auch Beschreibungen wie „Entschleierung“ oder gar „Entlarvung“, aber auch der Begriff der „Entdeckung“. Dabei ist die Aufdeckung jedoch nicht mit dem juristisch geprägten Fachterminus der Tatentdeckung592 gleichzusetzen, nach dem eine kriminelle Tat als solche wahrgenommen sein muss, so dass es nach vorläufiger Bewertung wahrscheinlich zu einer Verur586  Hohmann,

(690).

Export Manager 7 / 2013, 20 (22); Krause / Prieß, NStZ 2013, 688

587  Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2118); Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwort­ liche, S. 176 f.; Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 2; Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (174); Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (2); Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (690). 588  Krause, ExportManager 5 / 2013, 22 (22). 589  Thoms, FAZ 28.08.2013, 19 (19); Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (690). 590  Thoms, FAZ 28.08.2013, 19 (19); Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (690); auch Nestler zufolge ist es gleichgültig, aus welchem Grund der Fehler aufgedeckt wird, siehe Nestler, in: Esser / Rübenstahl / Saliger / Tsambikakis, § 22 AWG Rn. 8. 591  Helck / Petry, ZfZ 2015, 151 (153); Nestler, in: Esser / Rübenstahl / Saliger / Tsambikakis, § 22 AWG Rn. 8. 592  Hierzu etwa bereits unter 1. Teil, A. II. 3. d) oder C. I. 2. c) dd).



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht

181

teilung kommt. Für den Wortlaut des § 22 Abs. 4 AWG wurde gerade nicht der Begriff der „(Tat-)Entdeckung“ gewählt. Außerdem ist das Merkmal der Aufdeckung mit dem Begriff der „Eigenkontrolle“ verbunden. b) Aufdeckung im Wege der Eigenkontrolle auch bei Aufdeckung durch Unternehmensexterne? Ist die grundsätzliche Bedeutung des Tatbestandsmerkmals damit verständlich, ist doch zu Recht eingewendet worden, dass es dem Merkmal hinsichtlich der Frage, welche Art von „Fremdkontrolle“ noch von § 22 Abs. 4 AWG erfasst sein könnte, an Randschärfe fehlt593. Es wird nämlich diskutiert, ob die außenwirtschaftsrechtliche „Selbstanzeige“ auch bei solchen Fehlern zulässig sein soll, die durch Unternehmensexterne entdeckt wurden594. Als solche werden etwa externe Berater, also Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Zollagenten, aber auch Logistiker, Frachtführer, Spediteure und Transporteure angeführt595. Nach wohl fast einhelliger Ansicht schließt die Kenntnisnahme von Verfehlungen durch solche unternehmensexterne Dritte, die vom Unternehmen mit der Kontrolle desselben beauftragt wurden, Eigenkontrolle nicht aus596. Hiergegen spreche zwar der Wortlaut des § 22 Abs. 4 AWG597. Für eine weite Auslegung werden aber die Gesetzessystematik sowie der Sinn und Zweck der Vorschrift herangezogen. Eine Selbstanzeige sei gemäß § 22 Abs. 4 S. 2 AWG erst dann ausgeschlossen, wenn die Behörde Ermittlungen aufgenommen habe598. Die Fiktion des § 22 Abs. 4 S. 2 AWG grenze also Eigenkontrolle einerseits und die Aufnahme von Ermittlungen andererseits voneinander ab599. Unternehmensbeauftragte Dritte seien aus teleologischer Sicht deshalb einzubeziehen, weil nach dem Zweck der Vorschrift Unternehmen zur Fortentwicklung ihrer Compliance-Systeme zu motivieren seien und die Zusammenarbeit zwischen Behörde und Unternehmen verbessert werden solle600. Nur mit einer solchen Sichtweise könne der im Wirtschaftsverkehr verbreiteten Praxis, die jeweils relevanten Unternehmensbereiche durch ex593  Krause,

ExportManager 5 / 2013, 22 (22). wistra 2014, 1 (2). 595  Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (174); Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (2); Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2119). 596  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (690); Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (174). 597  Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 2; Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (2). 598  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (2). 599  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (2); Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (690). 600  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (2 f.); Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (174); Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2119). 594  Pelz / Hofschneider,

182 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

terne Berater überprüfen zu lassen, Rechnung getragen werden601. Denn gerade durch eine solche Überprüfungsweise können Erkenntnisse über die eigenen Unternehmensabläufe aus objektiver, unternehmensunabhängiger Sicht gewonnen werden, die unter Umständen sogar zu einer effektiveren Fehlerbehebung führen. Auch die vertragliche Beauftragung Dritter außerhalb eines originären Outsourcing müsse daher in den Fällen erfasst sein, in denen den Dritten eigenständige Prüfungs- und Überwachungspflichten bezüglich der vom Unternehmen einzuhaltenden, exportkontrollrechtlichen Vorschriften aufgebürdet werden602. Selbst wenn aber ein nicht vertraglich verpflichteter Dritter Fehler entdeckt, kann dies hiernach noch Eigenkontrolle sein, wenn es sich bei dem Außenstehenden um einen „internen Whistleblower“ handelt oder wenn die Information des Unternehmens über einen Verstoß im Wege eines vom Unternehmen implementierten Hinweisgebersystems erfolgt, über das Dritte Verstöße melden können603, ja gerade sollen. Zutreffend ist angemerkt worden, dass ansonsten eine „Selbstanzeige“ nach § 22 Abs. 4 AWG von dem Umstand abhängig gemacht würde, wie das betroffene Unternehmen seine interne Compliance aufbaut, ob es selbst Vorgänge regelmäßig überprüfe oder andere hiermit beauftrage604. Es liegt auf der Hand, dass in den genannten Fällen, in denen eine Beauftragung vorliegt oder die Aufdeckung anderweitig durch das Unternehmen initiiert ist, letztendlich die Aufklärungsinitiative vom Anzeige erstattenden Wirtschaftsbeteiligten ausgeht. Dies muss der entscheidende Faktor für die Bestimmung des Vorliegens von Eigenkontrolle sein, gerade wenn die beschriebenen Vorgehensweisen zum Zweck der Selbstkontrolle des Unternehmens erfolgen. Eine Ansicht, nach der jegliche Maßnahmen noch dem Bereich der Eigenkontrolle unterfallen sollen, die zu einem Bekanntwerden des Verstoßes beim Unternehmen vor Kenntniserlangung der Behörden führen605, ginge indes zu weit. Bei einer solch weiten Auslegung wäre eine Beziehung zwischen einer Veranlassung der Kontrolle durch das Unternehmen und der jeweiligen Fehleridentifikation nicht mehr herstellbar, der Bogen des unter das Merkmal der Eigenkontrolle Fassbaren überspannt. Insgesamt bleibt aber festzuhalten, dass nur dann das Vorliegen von Eigenkontrolle verneint werden sollte, wenn die Aufdeckung des Verstoßes durch im Verhältnis zum Unternehmen außenstehende Personen erfolgt, die 601  Krause / Prieß,

NStZ 2013, 688 (690). wistra 2014, 1 (2). 603  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (2). 604  Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2119); auch Bünnigmann, CCZ 2016, 60 (62), führt aus, dass es eine allein dem Unternehmen überlassene organisatorische Aufgabe sei, wie es dem Compliance-Gedanken Geltung verschaffe. 605  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (2). 602  Pelz / Hofschneider,



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht

183

entweder keinen Auftrag zur Überprüfung des Unternehmens hatten oder hierzu auch nicht in anderer Weise durch das Unternehmen veranlasst wurden606. c) Ausschluss durch jegliche behördliche Aufdeckung? Im Gegensatz zur Eigenkontrolle können daher allein die behördlichen Erkenntnisse aufgrund von Prüfungen, Untersuchungen, Ermittlungen und sonstigen Hinweisen stehen607. Es besteht jedoch keine vollständige Einigkeit über die Art der behördlichen Maßnahmen und Vorgehensweisen, die hierunter zu fassen sein sollen. Eine Ansicht will aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 4 S. 2 AWG ableiten, dass eine Selbstanzeige selbst bei einer Aufdeckung durch den Zoll oder sonstige mit der Überwachung des Außenwirtschaftsrechts betraute Stellen, etwa im Rahmen einer Außenwirtschaftsprüfung, nicht entfallen soll608. Erst strafrechtliche Ermittlungen würden ihr entgegenstehen609. Der Wortlaut lässt zwar eine solche überaus weite Betrachtungsweise insoweit zu, als hinsichtlich der Aufnahme von Ermittlungen nur auf die „zuständige Behörde“ abgestellt wird, eine Kenntniserlangung durch alle anderen behördlichen Stellen außer den zuständigen Behörden daher nicht umfasst sein könnte. Für die Gegenauffassung, die aus einem Umkehrschluss aus § 22 Abs. 4 S. 2 AWG genau das Gegenteil der zuvor genannten Sichtweise ableitet610, sprechen aber die besseren Argumente. Es ist wohl schwer vertretbar bei der Entdeckung einer Verfehlung durch eine behördliche Stelle, welche Rolle diese bei der Beurteilung außenwirtschaftsrechtlicher Vorgänge auch spielen mag, von Eigenkontrolle zu sprechen, da die Aufdeckung dem Wirtschaftsbeteiligten dann jedenfalls nicht in dem oben genannten Sinne einer „Aufklärungsinitiative“ zuzurechnen ist. Zudem könnte die weite Auffassung hier bezüglich des Merkmals der Eigenkontrolle zu tatsächlichen Abgrenzungsschwierigkeiten führen, die besser dadurch vermieden werden sollten, dass zur Herstellung von Rechtssicherheit jegliche behördliche Kontrolle als „Fremdkontrolle“ aufgefasst wird und somit zum Ausschluss der Selbstanzeigemöglichkeit führt. Darüber hinaus kommt es durch die Annahme der erstgenannten Betrachtungsweise zu einer problematischen Vermischung des Merkmals der

606  Krause / Prieß,

NStZ 2013, 688 (690); Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2119). NStZ 2013, 688 (690). 608  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (3). 609  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (3). Ob von § 22 Abs. 4 S. 2 AWG allein strafrechtliche Ermittlungen umfasst sind, wird unter 2. Teil, C. II. 6. d) bb) erörtert. 610  Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (174). 607  Krause / Prieß,

184 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

„Aufdeckung im Wege der Eigenkontrolle“ mit dem der „Freiwilligkeit“611, auf das sich § 22 Abs. 4 S. 2 AWG ja erst bezieht. Das Kriterium der Aufnahme von Ermittlungen durch die zuständige Behörde dient der Beschreibung des auch subjektiv geprägten Elements der Freiwilligkeit, während sich die „Aufdeckung im Wege der Eigenkontrolle“ nach rein tatsächlichen, objektiven Parametern zu richten hat. Es bleibt mithin festzuhalten, dass die Selbstanzeigemöglichkeit in Fällen der Aufdeckung einer Zuwiderhandlung durch Zollämter oder mit der Überwachung des Außenwirtschaftsrechts betraute Stellen, wie auch sonstige Behörden, ausgeschlossen sein muss. Anders als etwa bei behördlichen Ermittlungen oder Hinweisen612 kann § 22 Abs. 4 AWG aber nach allen Auffassungen bei bloßen Nachfragen einer Behörde, aus denen sich Anhaltspunkte für Verstöße ergeben, noch nicht ausgeschlossen sein, denn hier wird der Verstoß erst auf eine Eigenkontrolle des Wirtschaftsbeteiligten hin festgestellt und noch nicht durch die Behörde aufgedeckt613. Insgesamt sind damit vier Kategorien, in denen es zur Aufdeckung von Verstößen kommen kann, zu unterscheiden: Originäre Eigenkontrolle; eine durch das Unternehmen beauftragte oder sonst wie veranlasste Fremdkon­ trolle als Eigenkontrolle; Fremdkontrolle außerhalb einer vom Unternehmen initiierten Kontrolle; oder behördliche Kontrolle als Fremdkontrolle. Da § 22 Abs. 4 AWG, wie erörtert, nur die Fälle einer durch das Unternehmen initiierten Kontrolle umfasst, kann das Erfordernis als „Element der Eigenauf­ deckung“614 bezeichnet werden. 6. Kein Ausschluss nach § 22 Abs. 4 S. 2 AWG – Freiwilligkeit als weitere Tatbestandsvoraussetzung? Sind damit alle offensichtlichen Tatbestandsmerkmale in § 22 Abs. 4 S. 1 AWG erfasst, stellt sich die Frage, wie § 22 Abs. 4 S. 2 AWG einzuordnen ist. Hiernach „gilt (eine Anzeige nach Satz 1) als freiwillig, wenn die zuständige Behörde hinsichtlich des Verstoßes noch keine Ermittlungen aufgenommen hat“. Schon beim ersten Lesen der Vorschrift fällt auf, dass Satz 2 sich überraschenderweise615 auf ein Merkmal in Satz  1 zu beziehen scheint, 611  Die Frage einer differenzierenden Betrachtung beider Merkmale wird sogleich unter 2. Teil, C. II. 6. a) erörtert. 612  Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2119). 613  Krause, ExportManager 5 / 2013, 22 (22). 614  Hierzu später unter 3. Teil, A. II. 7. 615  So auch Haellmigk / Vulin, AW-Prax 2013, 176 (176); Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (690); ähnlich Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (173), „verun­ glückte(r) Wortlaut“.



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht

185

dessen ausdrückliches Vorhandensein man dort aber vergebens sucht. Die Vorschrift liest sich so, als sei es schon in Satz  1 vorhanden. Während in Satz 2 eine Begriffsbestimmung des Merkmals „Freiwilligkeit“ enthalten ist, setzt Satz  1 eine solche aber zumindest nach seinem Wortlaut nicht voraus. Abgesehen davon, welche Bedeutung die Freiwilligkeit in Satz  2 der Vorschrift haben soll, ist daher zu erörtern, ob die Freiwilligkeit überhaupt ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal und Voraussetzung für die Wirksamkeit der Selbstanzeige ist und ob diese tatsächlich allein aufgrund einer Aufnahme von Ermittlungen durch die zuständige Behörde zu verneinen ist. a) Freiwilligkeit als eigenständiges Merkmal neben der Voraussetzung der „Aufdeckung im Wege der Eigenkontrolle“ Die gesetzliche Formulierung des § 22 Abs. 4 S. 1 AWG mag insoweit durchaus als missglückt616 angesehen werden, als dass das Merkmal der Freiwilligkeit nicht ausdrücklich dort auftaucht617. Ob es sich hier um ein gesetzgeberisches Versehen handelt oder der Begriff der Eigenkontrolle eine solche Freiwilligkeit enthalten soll, lässt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen618. Nach hiesiger Auffassung muss der Freiwilligkeit jedoch eine Eigenständigkeit als Merkmal zugeschrieben werden, wie die nachfolgenden Erwägungen zeigen. Die Freiwilligkeit hätte man ansonsten als Teil des Merkmals „Aufdeckung im Wege der Eigenkontrolle“ zu begreifen. Beide Begriffe betreffen jedoch völlig unterschiedliche, voneinander unabhängige Aspekte. Befasst sich das Merkmal „Aufdeckung im Wege der Eigenkontrolle“ mit der objektiven Frage nach der Initiative zur Identifizierung von außenwirtschaftsrechtlichen Fehlern, ist die Freiwilligkeit hingegen auf die Initiative zur Anzeige des bereits identifizierten Fehlers fokussiert, mithin auf einen subjektiven Parameter. Damit sind die vorliegenden Begriffe sowohl durch unterschiedliche Zeitpunkte619, als auch durch unterschiedliche Handlungen und unterschiedliche Maßstäbe (objektiv / subjektiv) gekennzeichnet. Die Art und Weise der Vornahme der (Eigen-)Kontrolle hat zunächst einmal nichts mit dem subjektiven Verhalten im Zusammenhang mit der Anzeige des Verstoßes zu tun; die Aufdeckung eines Fehlers im Wege der Eigenkontrolle impliziert also nicht 616  Prieß / Arend, AW-Prax 2013, 71 (72); Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2119); von einem „paradox-missratenen“ Wortlaut spricht etwa Nestler, in: Esser / Rübenstahl / Saliger / Tsambikakis, § 22 AWG Rn 10. 617  Soweit man die Freiwilligkeit als Tatbestandsvoraussetzung und nicht lediglich als Ausschlussgrund betrachtet, siehe dazu sogleich unter 2. Teil, C. II. 6. b). 618  So zu Recht feststellend Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (690). 619  Vgl. auch Bünnigmann, CCZ 2016, 60 (63).

186 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

die Freiwilligkeit der Anzeige. Wurde der außenwirtschaftsrechtliche Verstoß nicht im Wege der Eigenkontrolle aufgedeckt, ist selbstverständlich auch eine freiwillige Anzeige im Sinne des § 22 Abs. 4 AWG nicht mehr möglich, dies aber unabhängig von einer Freiwilligkeit des Verhaltens überhaupt nicht mehr. Nur weil eine Aufdeckung nicht im Wege der Eigenkontrolle erfolgte, müssen nicht etwa automatisch auch schon Ermittlungen aufgenommen worden sein620. Würde man die Freiwilligkeit nicht als eigenständiges Merkmal auffassen, wäre Satz 2 des § 22 Abs. 4 AWG demnach nicht zu erklären. Einer getrennten Betrachtung von Freiwilligkeit der Anzeige und Auf­ deckung des Verstoßes spricht im Sinne eines Systemvergleichs auch dem Verständnis der „Tatentdeckung“ im Verhältnis zur Freiwilligkeit bei anderen Normen tätiger Reue zu621, wenn auch – wie erörtert – der Begriff der Aufdeckung nicht mit der Bedeutung der Tatentdeckung kongruent ist. So folgt aus einer Tatentdeckung eines Versuchsdelikts nicht immer unfreiwilliges Handeln beim Rücktritt622; für eine Selbstanzeige nach Steuerrecht zum Beispiel, bildet die Tatentdeckung einen Ausschlussgrund, während die Freiwilligkeit tatbestandlich keine Rolle spielt623; und bei § 261 Abs. 9 S. 1 StGB ist die Freiwilligkeit der Anzeige ein Tatbestandsmerkmal, während die Entdeckung einen Ausschlussgrund darstellt624. Die beiden Merkmale sind demnach nicht zwingend miteinander verknüpft. b) Freiwilligkeit als Tatbestandsvoraussetzung oder Ausschlussgrund? Eine ganz andere Frage ist dann, ob das Merkmal der Freiwilligkeit als Tatbestandsvoraussetzung oder § 22 Abs. 4 S. 2 AWG als Ausschlussgrund zu begreifen ist, das Nichtvorliegen der Aufnahme von Ermittlungen die Freiwilligkeit der „Selbstanzeige“ also in der Regel implizieren soll. Der Wortlaut lässt sich aufgrund seiner terminologischen Ungenauigkeit625 in beide Richtungen interpretieren, liefert hier allein deshalb keine Antwort. Denn diejenigen, die in Satz 2 des § 22 Abs. 4 AWG einen Ausschlussgrund erblicken, meinen, dass aus der verneinenden Formulierung „gilt als (…), wenn nicht“ die Freiwilligkeit nicht als ungeschriebenes Merkmal hineingelesen werden könne626. Satz  1 zähle nämlich alle Voraussetzungen auf, die 620  Letzteres ist aber der wesentliche Fall der Unfreiwilligkeit, dazu sogleich unter 2. Teil, C. II. 6. b). 621  Vgl. 1. Teil, E. II. 622  Vgl. 1. Teil, A. II. 3. d). 623  Vgl. 1. Teil, C. I. 2. b) aa) (5) und c) dd). 624  Vgl. 1. Teil, C. II. 2. 625  Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2119). 626  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (3).



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht

187

für eine Selbstanzeige vorliegen müssten, dafür also, dass die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit unterbleibe; das Kriterium der Freiwilligkeit sei dort aber nicht genannt627. Erst in Satz  2 werde das Wort „freiwillig“ erwähnt, dann allerdings im Zusammenhang mit dem Ausschlussgrund der Aufnahme von Ermittlungen durch die zuständige Behörde628. Auch sonst sei von Freiwilligkeit im AWG keine Rede629. Sofern der Begriff „freiwillig“ in Satz  2 legal definiert werden solle, hätte er im Rahmen des § 22 Abs. 4 S. 1 AWG verwendet werden müssen630. Nach anderer Ansicht kann Satz 2 jedoch als Spezifizierung des in Satz 1 nicht ausdrücklich vorausgesetzten Kriteriums gesehen werden631, dessen Erforderlichkeit quasi wie eine Selbstverständlichkeit behandelt werden kann. Hierfür spricht, dass der Gesetzgeber die Vorschrift gerade nicht als Ausschlussgrund formuliert hat. Hätte er die Freiwilligkeit nicht als Voraussetzung verstanden haben wollen, hätte eine Formulierung in Satz  2 zum Beispiel derart, dass die „Anzeige ausgeschlossen ist, wenn die zuständige Behörde Ermittlungen aufgenommen hat“, ausgereicht. Auf den Begriff „freiwillig“ hätte man dann auch vollständig verzichten können. Daraus, dass eine verneinende Formulierung gewählt wurde, ist nach hiesiger Auffassung nur abzuleiten, dass die Unfreiwilligkeit des Vorgehens in dem beschriebenen Fall der Aufnahme von Ermittlungen impliziert wird und die Nichtaufnahme von Ermittlungen nur einen Spezialfall der Freiwilligkeit darstellt, unfreiwilliges Verhalten sich mithin auch aus anderen Konstellationen ergeben kann. Welche Fälle dies sein könnten, ist zwar aus praktischer Sicht schwer ersichtlich; aufgrund der vorhandenen gesetzlichen Formulierung muss jedoch zu solch einem Verständnis tendiert werden. Die übereilte Einführung der Norm kann insgesamt dafür angeführt werden, dass es sich um ein „Formulierungsversehen“ handelt, das zumindest nicht eindeutig für das Vorliegen eines Ausschlussgrundes spricht. Soweit andere Vorschriften tätiger Reue Freiwilligkeit verlangen, ist diese immer als tatbestandliche Voraussetzung relevant632. Bei der momentanen terminologischen Ungenauigkeit liegt eine Behandlung der Freiwilligkeit als echte Tatbestandsvoraussetzung mit dem  – nicht abschließenden  – Ausschlussgrund der Aufnahme von Ermittlungen am 627  Pelz / Hofschneider,

AW-Prax 2013, 173 (174); dies., wistra 2014, 1 (3). AW-Prax 2013, 173 (174). 629  Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (174). 630  Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2119). 631  Voland, GWR 2013, 264 (267). 632  So etwa beim Rücktritt nach § 24 StGB, bei den Vorschriften zur tätigen Reue im engeren Sinne wie §§ 83a, 84 Abs. 5, 129 Abs. 6, 149 Abs. 2, 3 StGB oder bei der Selbstanzeige nach § 261 Abs. 9 S. 1 StGB. 628  Pelz / Hofschneider,

188 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

nächsten633. Der Gesetzgeber ist jedoch gehalten hier gegebenenfalls durch entsprechende Nachbesserung der Formulierung Klarheit zu schaffen. c) Grundsätzliche Bedeutung der Freiwilligkeit in § 22 Abs. 4 S. 2 AWG Entscheidend für die Wirksamkeit der außenwirtschaftsrechtlichen „Selbstanzeige“ ist vor allem auch das Begriffsverständnis der Freiwilligkeit im Sinne von § 22 Abs. 4 S. 2 AWG. In dem Erlass des Bundesfinanzministe­ riums finden sich hierzu nur Erläuterungen zur „Ermittlungsaufnahme“634, allgemein zum Begriff der Freiwilligkeit wird sich aber nicht geäußert. Es liegt daher nahe für die Bestimmung der Bedeutung des Begriffs andere Vorschriften und Gesetze heranzuziehen, für die sich ein Begriffsverständnis für freiwilliges Handeln bereits etabliert hat. Hierbei wird der Strafrechtler sofort auf das Verständnis von Freiwilligkeit im Sinne des § 24 StGB verweisen, daneben eventuell auch im Sinne von § 13 Abs. 3 und 4 OWiG. Freiwillig handelt der Täter danach, wenn er nicht durch zwingende, heteronome Hinderungsgründe zu einem Verhalten veranlasst wird, sondern dieses seiner autonomen Entscheidung entspringt635. Es wird jedoch eingewendet, dass dieses Verständnis von Freiwilligkeit nicht zu § 22 Abs. 4 S. 2 AWG passe, wenn man Freiwilligkeit als Voraussetzung für die Wirksamkeit der „Selbstanzeige“ verstehen wolle: Kennzeichnendes Merkmal des Rücktritts sei die Aufgabe der weiteren Tatausführung; § 22 Abs. 4 S. 2 AWG sei jedoch passivisch formuliert636. Bei der „Selbstanzeige“ gehe es außerdem gerade nicht um solche Sachverhaltskonstellationen vor der Deliktsvollendung637. Zudem könne jeder Dritte den Verstoß anzeigen, nicht nur der Begehende638. Diesen Einwänden lässt sich jedoch entgegensetzen, dass sich ein Merkmal der aktiven weiteren Tataufgabe zwar nicht expressis verbis in § 22 Abs. 4 S. 2 AWG findet, die Vorschrift jedoch mit dem Erfordernis des Ergreifens angemessener Maßnahmen zur Verhinderung eines Verstoßes aus gleichem Grund sehr wohl aktive Gegenmaßnahmen verlangt, der Profiteur der Selbstanzeige also keineswegs nur „passives Verhalten“ an den Tag legen 633  Nestler, in: Esser / Rübenstahl / Saliger / Tsambikakis, § 22 AWG Rn. 9, geht ebenfalls von einer Tatbestandsvoraussetzung aus, bezieht allerdings wohl in diese auch die Nichtaufnahme von Ermittlungen ein. 634  Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 4. 635  Wessels / Beulke / Satzger, Rn. 915, 916; zum Begriff der Freiwilligkeit bereits ausführlich unter 1. Teil, A. II. 3. 636  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (3). 637  Wegner, HRRS 2014, 52 (56). 638  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (3).



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht

189

muss. Außerdem ist das Merkmal der Tataufgabe nicht mit dem der Freiwilligkeit gleichzusetzen, so dass diese nicht vermengt werden dürfen. Für die Bestimmung des Vorliegens von Freiwilligkeit als solcher dürfte es zudem nicht von Relevanz sein, ob diese vor oder nach der Deliktsvollendung untersucht wird. Der Zeitpunkt eines Handelns im Sinne tätiger Reue wirkt sich vielmehr auf die Rechtsnatur der strafbarkeits- oder ahndungsausschließenden Rechtsfigur aus. Deshalb spricht auch die andersartige Formulierung des § 22 Abs. 4 S. 2 AWG eher dafür, dass die Rechtsnatur hier eine andere ist, als etwa bei § 24 StGB, aber nicht gegen ein ähnliches Verständnis der Freiwilligkeit. Bei § 22 Abs. 4 AWG geht es außerdem ebenfalls nicht um unumkehrbare Fehler. Dass hier auch Dritte eine Anzeige erstatten dürfen, steht einem identischen Freiwilligkeitsverständnis deshalb nicht entgegen, weil eine Zurechnung der Anzeige eben nicht bei jedem x-beliebigen Dritten erfolgt639. Entscheidend ist zudem, dass sich die Freiwilligkeit hier auf die Anzeige bezieht und nicht auf ein „Nicht-Weiterhandeln“ wie beim Rücktritt nach § 24 StGB; sie betrifft damit einen anderen Aspekt des Verhaltens im Rahmen tätiger Reue640. Dass auch dann die Definition der Freiwilligkeit einer Übertragung fähig ist, zeigt das anerkannte Begriffsverständnis zu freiwilligem Anzeigeverhalten bei der Selbstanzeigeregelung nach § 261 Abs. 9 S. 1 StGB oder § 31  BtMG641. Der Gesetzgeber hat in § 22 Abs. 4 AWG nun einmal den Begriff „freiwillig“ erwähnt. d) Annahme von Unfreiwilligkeit bei Aufnahme von Ermittlungen durch die zuständige Behörde Der hier als besonderer, einziger gesetzlich geschriebener Ausschlussgrund für die tatbestandliche Voraussetzung der Freiwilligkeit verstandene Satz  2 des § 22 Abs. 4 AWG stellt auf die Aufnahme von Ermittlungen durch die zuständige Behörde ab.

639  Differenzierter zur Möglichkeit der Anzeigeerstattung durch Dritte bereits unter 2. Teil, C. II. 3. a). 640  Zu diesem unterschiedlichen Bezugspunkt für das Merkmal der Freiwilligkeit bereits unter 1. Teil, E. II. 641  Vgl. 1. Teil, C. II. 2. beziehungsweise D. I. 1.

190 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

aa) Zuständige Behörde Die zuständige Behörde muss derjenigen nach § 22 Abs. 4 S. 1 AWG entsprechen642. Es handelt sich bei ihr damit gemäß § 22 Abs. 3 AWG um das jeweilige Hauptzollamt oder das Zollfahndungsamt643. Im Einzelfall kann die zuständige Behörde auch die Staatsanwaltschaft sein644, wenn diese Ermittlungen gegen das Unternehmen oder einen Unternehmensangehörigen aufgenommen hat. bb) Ermittlungen Von der Aufnahme von Ermittlungen ist dann auszugehen, wenn die Behörde eine Maßnahme trifft, die erkennbar darauf abzielt, gegen jemanden straf- oder bußgeldrechtlich vorzugehen, auch wenn der Beschuldigte noch unbekannt ist645, es sind mithin strafprozessuale Ermittlungen wegen des Verdachts einer Außenwirtschaftsstraftat oder Ordnungswidrigkeit gemeint646. Die Ankündigung oder der Beginn einer Prüfung beim Wirtschaftsbeteiligten, das heißt, reine ausfuhr- oder zollrechtliche Verfahrenshandlungen, zählen nicht hierzu und führen damit, so stellt auch der Erlass des Bundes­ finanzministeriums klar, nicht zu einem Ausschluss der „Selbstanzeige­ möglichkeit“647, mithin allein nicht zur Annahme von Unfreiwilligkeit. Begründet wird dies zum einen mit der systematischen Stellung des § 22 Abs. 4 AWG bei den Vorschriften über das Straf- und Bußgeldverfahren648. Des Weiteren spricht eine teleologische Auslegung für ein solches Verständnis: Nimmt ein Unternehmen eine Ausfuhranmeldung im sogenannten ATLASVerfahren649 vor, befassen sich automatisch die Zollbehörden mit dem Sach642  Vgl.

hierzu 2. Teil, C. II. 3. b). des BMF vom 12.02.2014, S. 4. 644  Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (175). 645  Krause, ExportManager 5 / 2013, 22 (23); Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2119); zum identischen strafprozessualen und steuerrechtlichen Ermittlungsbegriff vgl. bereits unter 2. Teil, A. II. 3. 646  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (4); dies., AW-Prax 2013, 173 (175). 647  Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 4, wobei hiernach die Selbstanzeige solange möglich sein soll, wie der betreffende Sachverhalt vom Prüfer noch nicht geprüft worden ist; Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (4); dies., AW-Prax 2013, 173 (175); anders wohl Haellmigk / Vulin, AW-Prax 2013, 176 (178), die davon ausgehen, dass auch die Feststellung von Verstößen im Rahmen einer Außenwirtschaftsprüfung dazu führt, dass die Anzeige nicht mehr „freiwillig“ erstattet werden kann. 648  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (4); dies., AW-Prax 2013, 173 (175). 649  ATLAS (Automatisiertes Tarif- und Lokales Zollabwicklungssystem) ist ein IT-Verfahren der deutschen Zollverwaltung zur automatischen elektronischen Abwicklung des Zoll- und Warenverkehrs, über das auch das Bundesamt für Wirtschaft 643  Erlass



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht191

verhalt650. Eine Selbstanzeige wäre in diesen Fällen immer ausgeschlossen, wenn eine derartige behördliche Kenntnisnahme eines außenwirtschaftlichen Vorgangs als Ermittlung im Sinne von § 22 Abs. 4 S. 2 AWG gelten würde651. Pelz und Hofschneider leiten zudem ein Argument aus einem Vergleich mit dem Ausschlusstatbestand der steuerstrafrechtlichen Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ab: Während dort die Entdeckung eines Verstoßes für den Ausschluss der Selbstanzeigemöglichkeit wichtig sei, werde bei § 22 Abs. 4 S. 2 AWG nicht auf diese oder eine Kenntnis der Behörde vom Verstoß abgestellt, sondern eben auf die Ermittlungsaufnahme652. Eine behörd­ liche Kenntniserlangung, wie dies im Ausfuhr- und Zollverfahren geschehen kann, bedingt deshalb nicht den Ausschluss der Möglichkeit des § 22 Abs. 4 AWG. Zu beachten ist weiterhin, dass hier von dem Begriff der Ermittlungen nur solche erfasst werden, die sich auf diejenigen außenwirtschaftsrechtlichen Zuwiderhandlungen beziehen, wegen der dann eine „Selbstanzeige“ erfolgen soll. Nicht ausreichend sind Ermittlungen wegen anderer Verstöße653. § 22 Abs. 4 S. 2 AWG spricht von der Aufnahme von Ermittlungen „hinsichtlich des Verstoßes“, so dass maßgeblich sein muss, was unter einem solchen Verstoß zu verstehen ist654. Hier wird zu Recht danach abgegrenzt, ob eine „Tat“ als ein einheitlicher Vorgang zu werten ist655; es muss das bestimmte Verhalten, der bestimmte Sachverhalt gemeint sein, auf dem der fahrlässige Fehler im Sinne von § 19 Abs. 2 bis 5 AWG beruht. Ansonsten wäre es nicht sachgerecht dem Betroffenen die „Selbstanzeigemöglichkeit“ zu verwehren. cc) Maßgeblichkeit der Kenntnis des Betroffenen von der Aufnahme der Ermittlungen? Hat die zuständige Behörde nun Ermittlungen in diesem Sinne aufgenommen, ist nicht unproblematisch, wie mit einer „Selbstanzeige“ eines betrof­ fenen Unternehmens zu verfahren ist, die von diesem in Unkenntnis der ­behördlichen Maßnahmen vorbereitet und erstattet wurde. Es ist durchaus fraglich, ob § 22 Abs. 4 AWG dann in diesem Fall mangels Freiwilligkeit ausgeschlossen sein soll. und Ausfuhrkontrolle Informationen über Wirtschaftsbeteiligte erhält, hierzu Witte, in: ders., Zollkodex, Art. 4 Rn. 2. 650  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (4); dies., AW-Prax 2013, 173 (175). 651  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (4). 652  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (4). 653  Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 4. 654  So Niestedt, ExportManager 2 / 2014, 16 (17). 655  Niestedt, ExportManager 2 / 2014, 16 (17).

192 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

Nach dem Wortlaut der Vorschrift führt die Unkenntnis des Betroffenen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nicht dazu, dass diesem die Selbstanzeigemöglichkeit erhalten bleibt656. Im Erlass des Bundesministe­ riums der Finanzen findet sich ebenfalls keine Auseinandersetzung mit dieser Problematik. Daraus könnte abzuleiten sein, dass es bei dem strikten Wortlaut zu bleiben hat. Eine Außerachtlassung des Aspekts der Kenntnis oder eines Kennenmüssens stünde zumindest im Einklang mit einem Ansinnen nach Rechtsklarheit. Außerdem lässt sich auf den ersten Blick argumentieren, dass, auch wenn man eine „Selbstanzeige“ bei Unkenntnis des Betroffenen von der Ermittlungsaufnahme nicht zulässt, grundsätzlich der Zweck der Compliance-Förderung noch erreicht wird. Das Unternehmen wird gerade in Unkenntnis von Ermittlungen noch eine „Selbstanzeige“ vorbereiten. Bei der Möglichkeit des § 22 Abs. 4 AWG geht es, wie im Rahmen der Darstellung zur Ratio legis betont, gerade nicht vorrangig um eine Belohnung des sich selbst Anzeigenden, sondern um die Verbesserung fehleranfälliger Unternehmensabläufe. Für diese Sichtweise, nach der die Kenntnis des Betroffenen für die Freiwilligkeit nicht entscheidend ist, könnte auch § 18 Abs. 11 Nr. 2 AWG angeführt werden: In dieser Norm hat der Gesetzgeber die Kenntnis als Merkmal mit aufgenommen, so dass ein gesetzgeberisches Bewusstsein für die Bedeutung subjektiver Elemente auch für das Außenwirtschaftsrecht unterstellt werden kann. Diese hätte also bei entsprechendem gesetzgeberischen Willen auch in § 22 Abs. 4 AWG ihren Niederschlag finden können. Eine solche Betrachtungsweise lässt aber den Umstand der übereilten Einführung der Norm völlig außer Betracht und ist vor allem aus ComplianceSicht nicht konstruktiv. Das anzeigende Unternehmen ist weniger geneigt das Risiko einer unwirksamen „Selbstanzeige“ trotz eigener Bemühungen um eine effektive Compliance einzugehen, wenn es sich immer in der Unsicherheit wähnen muss, ob nicht die Behörden während der eigenen internen Untersuchung des Sachverhalts schon Ermittlungen aufgenommen haben657. § 22 Abs. 4 AWG hätte dann tatsächlich wenig praktische Relevanz658. Um den Gesetzeszweck, die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Behörden und betroffenen Unternehmen, nicht zu „konterkarieren“659, wird deshalb 656  So auch Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (690) und Wegner, HRRS 2014, 52 (56); gegen eine Maßgeblichkeit der Kenntnis ebenso Nestler, in: Esser / Rübenstahl / Saliger / Tsambikakis, § 22 AWG Rn. 10. 657  So auch Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (4). 658  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (5), gingen kurz nach Inkrafttreten der Vorschrift sogar vom vollständigen Fehlen einer praktischen Relevanz aus („zukünftig keine praktische Relevanz“); diese Einschätzung ist gerade vor dem Hintergrund der Berücksichtigungsmöglichkeit von Selbstanzeigebemühungen nach § 47 OWiG nachvollziehbar. 659  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (4 f.).



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht193

vorgeschlagen, in einem solchen Fall von der Möglichkeit zur Einstellung gemäß § 22 Abs. 4 S. 3 AWG i. V. m. § 47 OWiG Gebrauch zu machen660. Dies wäre zwar eine gangbare Lösung. Sie steht jedoch nicht gleichwertig neben der wirksamen „Selbstanzeige“. Es ist ein Unterschied, ob das Gesetz, wie mit § 22 Abs. 4 AWG, eine obligatorische Nichtverfolgung vorschreibt, oder aber die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit in das Ermessen einer Behörde stellt. Für dieses Verständnis spricht auch ein Vergleich mit anderen Normen zur Selbstanzeige, bei denen subjektive Komponenten bei der Bewertung einer wirksamen Selbstanzeige einbezogen sind661. Den Selbstanzeigen im Steuerrecht ist das Kriterium der Freiwilligkeit zwar „gänzlich unbekannt“662 und für diese nicht ausdrücklich relevant  – zumindest nicht als geschriebene gesetzliche Voraussetzung. Jedoch spielt hier die Kenntnis des Betroffenen sehr wohl eine Rolle, zum einen bei dem Ausschlussgrund der Tatentdeckung nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO, zum anderen bei dem Erfordernis der Bekanntgabe der Einleitung von Ermittlungen für die Ausschlussgründe nach §§ 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b, 378 Abs. 3 S. 1 AO663. Auch gemäß § 261 Abs. 9 S. 1 StGB ist für den Ausschluss der Privilegierungsmöglichkeit verlangt, dass der Täter von der Tatentdeckung weiß oder davon wissen konnte. Es leuchtet nicht ein, warum § 22 Abs. 4 AWG auch vor dem Hintergrund des nemo tenetur-Prinzips664 für den Ausschlussgrund im Zusammenhang mit Ermittlungen sogar auf einen früheren Zeitpunkt abstellt als bei §§ 371, 378 Abs. 3 AO, nämlich auf die Aufnahme von Ermittlungen und nicht erst auf deren Bekanntgabe, dann gleichzeitig aber anders als andere Selbstanzeigevorschriften nicht die Kenntnis oder das Kennenmüssen als Kriterium heranzieht und somit diesbezüglich höhere Anforderungen an eine „Selbstanzeige“ stellt. Wie im Steuerrecht auch, geht es dem Gesetzgeber bei § 22 Abs. 4 AWG um den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit mit den Behörden, so dass auch hier ein subjektives Element Bedeutung haben muss. Dass ein Dritter Kenntnis vom Fehlverhalten des Wirtschaftsbeteiligten erlangt hat, ändert zunächst nichts an dessen Beweggründen für eine Anzeige, solange er von der Kenntnisnahme nichts wusste oder ihm keine Umstände bekannt werden, aus denen er einen Rückschluss darauf ziehen 660  Pelz / Hofschneider,

1 (5).

AW-Prax 2013, 173 (175); Pelz / Hofschneider, wistra 2014,

661  So auch Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (690 f.); Voland, GWR 2013, 264 (267); auch Helck / Petry, ZfZ 2015, 151 (153) verweisen hierauf; Wegner, HRRS 2014, 52 (56 f.), meint sogar, es zeige sich aufgrund des fehlenden subjektiven Kriteriums, dass § 22 Abs. 4 S. 2 AWG eine „taugliche Regelungssystematik“ fehle. 662  Wegner, HRRS 2014, 52 (56). 663  Vgl. auch Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (691). 664  Voland, GWR 2013, 264 (267).

194 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

könnte665. Der Nachweis einer solchen Kenntnis beziehungsweise eines solchen Kennenmüssens des Betroffenen kann der Behörde durch den Nachweis der Bekanntgabe oder spätestens durch die Durchführung von erkennbaren Ermittlungsmaßnahmen, wie Durchsuchungen, Sicherstellungen oder Beschlagnahmen, gelingen. Im Ergebnis sollte § 22 Abs. 4 S. 2 AWG daher dahingehend verstanden werden, dass trotz Ermittlungsaufnahme bei diesbezüglicher Unkenntnis des Anzeigenden eine „Selbstanzeige“ noch zuzulassen ist. Jedenfalls entspricht die Vorschrift diesbezüglich so, wie sie momentan formuliert ist, nicht der gesetzgeberischen „Compliance-Intention“ und bedarf deshalb einer gesetzgeberischen Nachbesserung.

III. Rechtsfolgen des § 22 Abs. 4 AWG Ebenso wie über die tatbestandlichen Voraussetzugen des § 22 Abs. 4 AWG, herrscht über seine Rechtsfolgen Uneinigkeit. Dass schon die Rechtsnatur der Vorschrift auf den ersten Blick nicht völlig eindeutig zu erkennen ist, wirkt sich auch auf die persönliche und sachliche Reichweite aus und umgekehrt. Es bedarf deswegen einer eingehenden Erörterung der im Rahmen der Rechtsfolgen offenen Fragen. Mithilfe klassischer Auslegungsmethoden soll versucht werden die Antworten zu ermitteln. Aufgrund der eben benannten Wechselwirkung werden sich die Argumentationsstränge dabei zwingend zum Teil überschneiden. 1. Zur Einordnung der Rechtsnatur Das Bundesministerium der Finanzen hat sich in seinem Erlass vom 12. Februar 2014 darauf festgelegt, dass es sich bei § 22 Abs. 4 AWG um ein Ahndungs- beziehungsweise Verfolgungshindernis handelt – dies indes ohne eine Begründung666. Auch in der bisher vorliegenden Literatur ist diese Einschätzung zu finden, die von einem Verfolgungs- beziehungsweise Verfahrenshindernis von Gesetzes wegen ausgeht, durch das die Durchführung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens, gleich unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt, unzulässig und damit ein Entscheidungsspielraum über die Ahndung der Verstöße für die Verfolgungsbehörde nicht vorhanden sein soll667. Demgegenüber wird jedoch auch eine Einordnung als persönlicher oder sachlicher 665  Krause / Prieß,

NStZ 2013, 688 (690). des BMF vom 12.02.2014, S. 4. 667  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (1 und 5); Voland, GWR 2013, 264 (267); Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2119); Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 177. 666  Erlass



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht195

„Strafaufhebungsgrund“668 für möglich gehalten oder es finden sich – durchaus zutreffende – Wortschöpfungen wie die des bereits verwendeten Begriffs des „Offenlegungsprivilegs“669. Ein „Strafausschließungsgrund“ wird richtigerweise deshalb ausgeschlossen, weil ein solcher das Entstehen eines „Ahndungsanspruchs“ von vornherein hindert670, die Voraussetzungen von § 22 Abs. 4 AWG aber nicht bereits zum Zeitpunkt des Verstoßes vorliegen, sondern erst nachfolgend eintreten. Es läuft damit auf eine Entscheidung zwischen Verfahrenshindernis und Straf- beziehungsweise Bußgeldaufhebungsgrund hinaus. Den Materialien der Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zum Gesetzesentwurf zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts vom 10. Dezember 2012 ist zu entnehmen, dass sich die angehörten Vertreter beider Organe der Rechtspflege einig darin waren eine Selbstanzeigevorschrift für das Außenwirtschaftsrecht entsprechend dem Vorbild des Steuerrechts einzuführen671. Hierin könnte ein Hinweis dafür zu erblicken sein, dass das Verständnis der Rechtsnatur des § 22 Abs. 4 AWG an den Selbstanzeigen im Steuerstraf- und -ordnungswidrigkeitenrecht orientiert werden sollte. Andererseits zielten diese Erwägungen eben nur auf eine entsprechende, das heißt, auf eine an die Besonderheiten der Ordnungswidrigkeiten im Außenwirtschaftsrecht angepasste Regelung ab und gerade nicht auf eine identische Übertragung der Erfordernisse. Aus diesem entstehungsgeschichtlichen Aspekt lässt sich daher wohl nicht die Einordnung als Bußgeldaufhebungsgrund herleiten. Der Wortlaut des § 22 Abs. 4 S. 1 AWG spricht davon, dass „die Verfolgung (…) unterbleibt“. Dies legt es nahe von einem Verfolgungshindernis auszugehen672. Ein Vergleich mit den gesetzlichen Formulierungen anderer, eine Aussage über Rechtsfolgen treffenden Vorschriften, insbesondere den Selbstanzeige­ regelungen des Steuerrechts, bringt Bestätigung. Im Falle des persönlichen Strafaufhebungsgrundes des § 371 AO „wird nicht bestraft“, beim persön­ lichen Bußgeldaufhebungsgrund des § 378 Abs. 3 AO heißt es „eine Geld668  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (791), die auch von Ahndungsaufhebungsgrund sprechen. Die Begriffswahl „Strafaufhebungsgrund“ ist für Ordnungswidrigkeiten verfehlt. Es muss „Bußgeldaufhebungsgrund“ heißen. 669  Wolffgang, DB 2013, M01. 670  Oehmichen, NZWiSt 2013, 339 (342). 671  So Pottmeyer, AW-Prax 2013, 1 (1); siehe Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zum Gesetzesentwurf des AWG am 10.12.2012, BT-Protokoll Nr. 17 / 87, S. 17 f. (Rechtsanwalt Hohmann) und S. 20 f. und 31 f. (Antwort des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof OStA Morweiser); hierzu auch Prieß / Arend, AW-Prax 2013, 71 (72). 672  So auch Krause, ExportManager 5 / 2013, 22 (23).

196 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

buße wird nicht festgesetzt“. Demgegenüber „wird“ etwa nach § 398a AO „von der Verfolgung abgesehen“, nach dem Verfahrenshindernis des § 153a Abs. 1 S. 5 StPO „kann nicht mehr (…) verfolgt werden“673 und die Ver­ jährungsregelung des § 31 OWiG, die ein Verfolgungshindernis darstellt674, spricht davon, dass die „Verfolgung (…) ausgeschlossen“ ist. Vergleicht man den Sinn und Zweck der §§ 371, 378 Abs. 3 AO mit § 22 Abs. 4 AWG, so wird deutlich, dass in beiden Rechtsbereichen – wie an sich bei allen Vorschriften zur tätigen Reue  – eine Rückkehr zum rechtskonformen Zustand erstrebt wird. Während es aber bei den Regelungen des Steuerrechts vornehmlich um die Erschließung von unentdeckten Steuerquellen und damit um die Erlangung von Einahmen geht, steht im Außenwirtschaftsrecht allein die Normeinhaltung im Vordergrund. Die Zielsetzungen der Normen können also die Annahme einer gleichen Rechtsnatur nicht verstärken. Auch der Umstand, dass für eine Selbstanzeige gemäß § 22 Abs. 4 AWG ebenso wie für einen Rücktritt nach § 24 StGB Freiwilligkeit vorgesehen ist, lässt selbstverständlich nicht den Rückschluss auf eine Einordnung als persön­ licher Straf- beziehungsweise Bußgeldaufhebungsgrund zu, da dieses Merkmal für die Sanktionsaufhebungsgründe nach §§ 371, 378 Abs. 3 AO keine Voraussetzung ist. Der Sinn und Zweck des § 22 Abs. 4 AWG, im Bereich des Außenhandels tätige Unternehmen und Einzelpersonen zwecks langfristiger Verbesserung ihrer Compliance zur Zusammenarbeit mit den Behörden zu bringen, wird jedenfalls vor allem bei einem im Sinne dieser Wirtschaftsbeteiligten liegenden weiten Verständnis der positiven Rechtsfolgen erreicht. Auch dies spricht daher für die Annahme eines im Verhältnis zu einem Bußgeldaufhebungsgrund weitergehenden Verfolgungshindernisses. Für den Moment erscheint daher eine erste Einordnung der Rechtsnatur des § 22 Abs. 4 AWG als Verfahrenshindernis insgesamt eher naheliegend. Eine endgültige Festlegung kann aber erst nach der folgenden Betrachtung der persönlichen und materiellen Reichweite der Vorschrift sowie der Beantwortung der Frage nach einer rückwirkenden Anwendbarkeit erfolgen. 2. Persönliche Reichweite Über die persönliche Reichweite der Rechtswirkungen von § 22 Abs. 4 AWG trifft dessen Wortlaut keine Aussage. Es wird zumindest nicht verlangt, dass der Profiteur der Selbstanzeige diese auch selbst erstattet oder erstatten

673  Pelz / Hofschneider, 674  Krause,

wistra 2014, 1 (5). ExportManager 5 / 2013, 22 (23 f.).



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht197

lassen muss675. Im Gesetzeswortlaut steht nicht etwa „eine Verfolgung gegen denjenigen, der eine Selbstanzeige erstattet, unterbleibt“ oder „wer Selbstanzeige erstattet, bleibt bußgeldfrei“. Derartige gesetzliche Formulierungen haben jedoch einige persönliche Strafaufhebungsgründe erhalten, so zum Beispiel §§ 261 Abs. 9 S. 1 und 264 Abs. 5 S. 1 StGB, nach denen „nicht bestraft wird, wer …“676. Auch §§ 371, 378 Abs. 3 AO knüpfen an einen bestimmten Täter an, während sich § 22 Abs. 4 AWG allgemein auf die Verfolgung der Tat bezieht677. Das stärkste Argument gegen eine Beschränkung der persönlichen Reichweite ergibt sich jedoch aus der teleologischen Auslegung. Zu Recht wird angeführt, dass in außenwirtschaftsrechtlich relevante Vorgänge stets eine Vielzahl von Personen, wie zum Beispiel Sachbearbeiter, Ausfuhrverantwortliche, Zollbeauftragte bis hin zu Geschäftsführern, involviert sind678. Wäre der Personenkreis derjenigen, denen die Wirkungen des § 22 Abs. 4 AWG zugute kommen, allein auf die Anzeigeerstatter begrenzt und würde im Falle einer Selbstanzeige ein Verfahren gegen andere Mitarbeiter des Unternehmens oder das Unternehmen selbst weiterhin geführt werden können, wäre dies keine Motivation für ein Unternehmen Verstöße von sich aus anzuzeigen und damit dem Zweck der Informationsvermittlung an die Behörden zu dienen679. Die Erwägung „Pro Compliance“ gebietet also bei Vorliegen einer wirksamen Selbstanzeige eine Einbeziehung aller Beteiligten des Verstoßes, inklusive des Unternehmens selbst, und steht einer Trennung zwischen Unternehmen und Einzelpersonen entgegen680. Für eine derartige Anschauung lässt sich auch der Umstand anführen, dass sich von vornherein überhaupt nicht jeder der potenziell an Außenwirtschaftsverstößen beteiligten Mitarbeiter in der Position befindet eine Selbstanzeige gemäß den Anforderungen des § 22 Abs. 4 AWG zu veranlassen, da insbesondere die Initiierung und Vornahme von „Maßnahmen zur Verhinderung eines Verstoßes aus gleichem Grund“ im Zuständigkeitsbereich der Unternehmensführung und nicht der nachgeordneten Beschäftig-

675  So zutreffend Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (691); Helck / Petry, ZfZ 2015, 151 (155). 676  Diesen Wortlautvergleich führen Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (5), an. 677  Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2119). 678  Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2119). 679  Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2119); Helck / Petry, ZfZ 2015, 151 (155); in diese Richtung auch Oehmichen, NZWiSt 2013, 339 (342), die aus der Verneinung einer persönlichen Begrenzung allerdings die Konsequenz eines „sachlichen Strafaufhebungsgrundes“ zieht. 680  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (692).

198 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

ten steht681. Diese Personen dann im Vergleich zu den Beteiligten in Führungspositionen vom Anwendungsbereich der Norm auszuschließen, obwohl sie eventell sogar an der Aufklärung der Verstöße mitwirken, erscheint sinnwidrig und unberechtigt682. Solch ein weites Normverständnis wird mit Blick auf die „spezialpräventiven Elemente eines Bußgeldes“ indes nicht für zwingend erachtet und deshalb für die Anwendung in der Praxis vorgeschlagen aus Vorsicht für jeden Beteiligten separat Selbstanzeige zu erstatten oder sich der erstatteten Anzeige im Wege eines Auftrags und durch Erteilung einer Vollmacht anzuschließen683. Auch wenn ein solches Vorgehen aufgrund der momentan eventuell noch mit § 22 Abs. 4 AWG verbundenen Unklarheiten den praktisch sichereren Weg darstellt: Die Ahndungskomponente der Spezialprävention kann im Zusammenhang mit § 22 Abs. 4 AWG derart verstanden werden, dass sie sich auf das spezielle Unternehmen und dessen organisatorische Abläufe bezieht. Immerhin geht es vordergründig um dessen Compliance. Aus kriminalpolitischer Sicht ergibt sich auch wegen des „bloßen“ Fahrlässigkeitscharakters der Verstöße hier keine unerträgliche Ahndungslücke im Hinblick auf in die Tat verwickelte Mitarbeiter, die nicht in die Aufklärung eingebunden sind684. Die Einbeziehung aller Beteiligten kann vielmehr zutreffend als Möglichkeit begriffen werden den Anreiz für unternehmens­ interne Kontrollen und Aufklärungen zu erhöhen, die dann „weniger als zusätzlich, von oben aufoktroyierte Belastung“, sondern „als gemeinsame Bemühung um Qualitätssicherung“685 und Selbstschutz gesehen werden. Es mag im Vergleich zu anderen Selbstanzeigen zwar „ungewohnt“686 erscheinen; vor allem die Ratio des § 22 Abs. 4 AWG spricht aber für eine „entpersonalisierte“ Betrachtungsweise687, bei der Bußgeldfreiheit selbst für den Täter eintritt, der von der Selbstanzeige gar nichts weiß oder ihr gar intern entgegengetreten ist688. Anderes muss konsequenterweise in dem Fall gelten, in dem ein Mitarbeiter gegen den Willen des Unternehmens eine Anzeige erstattet und die angemessenen Compliance-Maßnahmen trotz seines Bemühens nicht ergriffen werden. Selbst wenn man in Betracht ziehen 681  So Oehmichen, NZWiSt 2013, 339 (342), die dies aber zunächst als Argument für eine personenbezogene Interpretation anführt; zur Fragestellung bereits unter 2. Teil, C. II. 4. c). 682  Oehmichen, NZWiSt 2013, 339 (342). 683  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (691); Helck / Petry, ZfZ 2015, 151 (155). 684  Oehmichen, NZWiSt 2013, 339 (342). 685  Oehmichen, NZWiSt 2013, 339 (342). 686  Wegner, HRRS 2013, 52 (57). 687  Wegner, HRRS 2013, 52 (57). 688  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (3).



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht199

würde dem Mitarbeiter hier eine Ausnahmeprivilegierung zuzugestehen689, dürfte sich diese nicht zugunsten des Unternehmens und aller weiteren Beteiligten auswirken. Zum einen ist bereits die Zurechnung der Anzeigeerstattung fraglich, zum anderen würde eine nicht personengebundene Betrachtung dem Ziel des § 22 Abs. 4 AWG entgegenstehen690. Werden jedoch alle Tatbestandsvoraussetzungen der außenwirtschaftsrechtlichen Selbstanzeige erfüllt, gleich von wem, werden alle Beteiligten von der Bußgeldandrohung befreit691. Dies muss nach hiesiger Ansicht aufgrund obenstehender Erwägungen gerade auch für die Beteiligten gelten, die zum Entdeckungs- und Anzeigezeitpunkt nicht mehr Teil des Unternehmens sind692. Es kann nicht von dem Bestehen oder der Wirksamkeit eines vertraglichen Beschäftigungsverhältnisses abhängen, ob der Betroffene von der gesetzlichen Regelung profitiert oder nicht. Eine derartige Wirkung hat im Übrigen auch die Bonusregelung des Bundeskartellamts693. Die Qualifizierung als persönlicher Bußgeldaufhebungsgrund muss damit zwar ausscheiden; ob es sich allerdings alternativ zu einem Verfahrenshindernis auch um einen sachlichen Bußgeldaufhebungsgrund694 handeln könn­te, steht hierdurch noch nicht fest. 3. Sachliche Reichweite Der Frage der Qualifizierung der außenwirtschaftsrechtlichen Selbstanzeige als sachlicher Bußgeldaufhebungsgrund oder Verfahrenshindernis kann jedoch im Rahmen der Betrachtung der sachlichen Reichweite weiter nachgegangen werden und ist für deren Bestimmung wiederum entscheidend. Fest steht, dass nach § 22 Abs. 4 AWG eine Ahndbarkeit der identifizierten Verstöße nach § 19 Abs. 3 bis 5 AWG entfällt695. Ungeklärt ist aber, ob und inwieweit auch andere Ordnungswidrigkeiten696 und Nebenfolgen von der bußgeldbefreienden Wirkung der Norm umfasst sind697. Dies wird vor allem 689  Hierzu

bereits unter 2. Teil, C. II. 4. c). unter 2. Teil, C. II. 4. c). 691  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (5). 692  Zu diesem Aspekt auch Wegner, HRRS 2013, 52 (57). 693  Vgl. 2. Teil, B III 1. 694  Dieser Vorschlag findet sich bei Oehmichen, NZWiSt 2013, 339 (342). 695  Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 177; Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (691); Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (175). Sich aus anderen Fehlern ergebende Verstöße nach § 19 Abs. 3 bis 5 AWG, die nicht von der Anzeige umfasst wurden, sind selbstverständlich weiterhin verfolg- und ahndbar. 696  Dass Straftaten nicht erfasst werden, bedarf keiner Erörterung. 697  Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (175). 690  Vgl.

200 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

für Aufsichtspflichtverletzungen, die zu Ordnungswidrigkeiten gemäß § 130 Abs. 1 OWiG und dadurch zur Festsetzung einer Unternehmensgeldbuße nach § 30 Abs. 1 OWiG führen, als problematisch betrachtet. Denn insbesondere bei Serienverstößen gegen das Außenwirtschaftsrecht liegt häufig zugleich eine Verletzung von Aufsichts- und Kontrollpflichten in diesem Sinne vor698. Im Erlass des Bundesministeriums der Finanzen findet sich die Ausführung, dass auch im Wiederholungsfalle grundsätzlich die Verfolgung als Ordnungswidrigkeit unterbleibe699. Das Verfolgungshindernis erstrecke sich auch auf § 130 OWiG im Hinblick auf den angezeigten Verstoß, so dass § 30 OWiG ebenfalls nicht anwendbar sei700. Der Gesetzestext selbst ist zumindest nicht völlig eindeutig701. Hiernach „unterbleibt“ die „Verfolgung als Ordnungswidrigkeit“. Ausdrücklich findet also keine Differenzierung der Rechtsfolge nach der Art der Ordnungswidrigkeit statt und es erfolgt keine Beschränkung auf Ordnungswidrigkeiten nach § 19 AWG702. Vielmehr legt die Formulierung nahe, dass der jeweilige Verstoß überhaupt nicht als Ordnungswidrigkeit verfolgt wird, also jedwede Ordnungswidrigkeit, die durch die Handlung des Verstoßes verwirklicht wurde, nicht geahndet wird703. Dieses generelle Unterbleiben einer Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten wegen der betroffenen Handlung spricht einer Einordnung von § 22 Abs. 4 AWG als Verfahrenshindernis zu. Die gesetzgeberische Wortwahl zwingt indes nicht unbedingt zu einem solchen Verständnis. Die Formulierung „als Ordnungswidrigkeit“ könnte auch als Abgrenzung zu Straftaten nach dem AWG zu verstehen sein – was aber eher fernliegend ist  – oder aber ausdrücken, dass eine Verfolgung als Ordnungswidrigkeit nur nach dem AWG zu unterbleiben hat704. Denn grundsätzlich wird die Sanktionierung einer Verletzung von Aufsichts- und Kontrollpflichten nicht durch die fehlende Verfolgbarkeit der Anlasstat ausgeschlossen705. Nach Nestler liegen § 19 Abs. 2 bis 5 AWG mit dem Bezug auf Verstöße gegen außenwirtschaftsrechtliche Vorgaben einerseits und § 130 OWiG mit der Bezugnahme auf eine mangelhafte Organisation oder Überwachung andererseits unterschiedliche Anknüpfungspunkte zugrunde706. Selbst dann 698  Pelz / Hofschneider,

wistra 2014, 1 (5). des BMF vom 12.02.2014, S. 4. 700  Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 4. 701  So auch Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (175). 702  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (5). 703  So auch Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (5). 704  So wohl Wolffgang, DB 2013, M01, demzufolge nur begünstigt werden soll, wer sich redlich um Compliance bemühe. 705  Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (175). 699  Erlass



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht201

wäre aber auch noch eine Betrachtung dahingehend möglich, dass mangels verfolgbarer Anknüpfungstat eine Bebußung nach §§ 130, 30 OWiG entfällt, wenn an der Ordnungswidrigkeit nach § 19 AWG nur Personen nach § 30 Abs. 1 OWiG beteiligt waren und Selbstanzeige erstattet wurde707. Betrachtet man den Wortlaut anderer Selbstanzeigevorschriften und Regelungen zur tätigen Reue, die als Straf- oder Bußgeldaufhebungsgründe eingeordnet werden, fällt auf, dass sich die sanktionsbefreiende Wirkung dieser Rechtsinstitute immer auf eine bestimmte Straftat oder Ordnungswidrigkeit bezieht und nicht auf ein Verhalten insgesamt. Es ist beispielsweise die Rede von „wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht bestraft“ (§ 371 Abs. 1 S. 1 AO), von „der Tat“, wegen der eine Geldbuße nicht festgesetzt wird (§ 378 Abs. 3 S. 1 AO), von dem „Versuch (…) der Tat“ (§ 24 StGB), von einer Tat „nach den Absätzen 1 bis 5“, wegen der nicht bestraft wird (§ 261 Abs. 9 S. 1 StGB), oder von „nach Satz  1 wird nicht bestraft, wer“ (§ 31d Abs. 1 S. 2  PartG), von einem Absehen von Bestrafung „nach diesen Vorschriften“ (§ 129 Abs. 6 Hs. 1 StGB) oder von „den Fällen der §§…“, bei denen das Gericht „von Strafe nach diesen Vorschriften absehen“ kann (§ 306e Abs. 1 StGB). Wäre es die Intention des Gesetzgebers gewesen die Rechtsfolgen des § 22 Abs. 4 AWG nur auf die Ordnungswidrigkeiten nach diesem Gesetz zu beschränken, hätte er sich an den schon vorhandenen Formulierungsvorbildern orientiert. Dass dies nicht geschehen ist, ist wohl trotz der überhasteten Einführung der Norm kein Zufall. Bemüht man als Argument die Ratio des § 22 Abs. 4 AWG, so wird diese auch bezüglich der sachlichen Reichweite der Norm nach Ansicht einiger wiederum zum zentralen Aspekt. Es wird nämlich nachvollziehbar eingewendet, dass es dem gesetzlichen Ziel, einen Anreiz für eine verbesserte innerbetriebliche Eigenkontrolle zur Vermeidung von Arbeitsfehlern und eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Behörden zu schaffen, zuwiderlaufen würde, müsste das betroffene Unternehmen trotz Selbstanzeige damit rechnen, anderweitig dennoch sanktioniert zu werden708. Um § 22 Abs. 4 AWG „nicht vollends zur Mogelpackung verkommen“709 zu lassen, hat in diesem Sinne nicht nur eine Ahndung wegen der Anlasstaten des § 19 AWG zu entfallen, sondern auch die Anwendung von § 130 Abs. 1 OWiG und die daraus folgende mögliche Verhängung einer Unternehmensgeldbuße nach § 30 OWiG

706  Nestler, 707  Mit

in: Esser / Rübenstahl / Saliger / Tsambikakis, § 22 AWG Rn. 14. solch einer „differenzierenden Betrachtung“ Krause / Prieß, NStZ 2013,

688 (691). 708  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (5); Thoms, FAZ 28.08.2013, 19 (19); Helck /  Petry, ZfZ 2015, 151 (156). 709  Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 177.

202 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

gegen die juristische Person oder Personenvereinigung710, nach einer Ansicht selbst dann, wenn die Aufsichtspflichten vorsätzlich verletzt wurden711. Es ist zu bedenken, dass die zur Verhinderung zukünftiger Verstöße ergriffenen Maßnahmen sich dann gerade auch auf die Organisation der fehlerhaften Aufsicht und Kontrolle im Sinne von § 130 OWiG richten, so dass es auch aus dieser präventiven Erwägung heraus gerechtfertigt erscheinen kann, nicht mehr gegen die Aufsichtspflichtverletzung vorzugehen. Zudem wird vorgebracht, der Zweck der Vorschrift werde nicht erreicht, wenn bei einer getrennten Betrachtung von Unternehmen und Einzelperson Letztere bebußt werde, obgleich wirksam von § 22 Abs. 4 AWG Gebrauch gemacht worden sei712. Zumal diejenigen Personen in einem Unternehmen, die über die Einreichung einer Selbstanzeige zu befinden hätten, in der Regel identisch mit denjenigen Leitungspersonen seien, für die eine Aufsichtspflichtverletzung im Zusammenhang mit einem Verstoß nach § 19 AWG in Betracht komme713. Auch bei einem Auseinanderfallen dieser beteiligten Personen ist wohl sehr zweifelhaft, ob der leitende Mitarbeiter des Unternehmens es dem untergeordneten Mitarbeiter gestatten würde Selbstanzeige nach § 22 Abs. 4 AWG für sich einzureichen. Hinsichtlich der Ahndung nach §§ 130, 30 OWiG und anderer Ordnungswidrigkeitentatbestände durch die Verwaltungsbehörden wird deshalb als rechtliche Lösung ein Absehen von der Verfolgung aus Opportunitätsgründen nach § 47 OWiG, teilweise in Verbindung mit § 22 Abs. 4 S. 3 AWG, vorgeschlagen714. Auch wenn dieses teleologisch begründete Argument berechtigt ist und eine andere Behandlung derartig gelagerter Fälle gewissermaßen den juristischen Sinnzusammenhang der Verstöße auseinanderreißen würde: Der Einwand, dass ein potenzieller Erstatter einer Selbstanzeige von der Einreichung einer solchen durch die Möglichkeit abgeschreckt wird, weiterhin nach anderen Straf- oder Bußgeldtatbeständen sanktioniert zu werden, kann bei jeglicher Selbstanzeige angeführt werden. Da die Verfolgung und Bebußung von Ordnungswidrigkeiten ohnehin nach § 47 OWiG im Ermessen der Verwaltung steht und Fehlverhalten im Bereich von Ordnungswidrigkeiten einen geringeren Unwertgehalt ausdrückt715, lässt sich aber immerhin argumentie710  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (5); ebenso, aber unter Verweis auf die Rechtsnatur als Ahndungshindernis Niestedt, ExportManager 2 / 2014, 16 (17); Voland, GWR 2013, 264 (267), der aber auf Gründe der Rechtseinheit und Folgerichtigkeit verweist. 711  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (5). 712  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (691 f.). 713  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (692). 714  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (692); Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (175); Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2119); Voland, GWR 2013, 264 (267). 715  Vgl. Seitz, in: Göhler, OWiG, § 47 Rn. 2.



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht203

ren, dass es wohl bei der Anzeige von Ordnungswidrigkeiten hinnehmbarer als bei Selbstanzeigen von Straftaten ist, den geminderten „Verfehlungsvorwurf“ durch einen Verzicht auf Bebußung nach anderen Vorschriften auszudrücken716. Bleibt noch zu erläutern, wie im Hinblick auf Nebenfolgen, das heißt, die Einziehung von Gegenständen nach § 20 Abs. 1 und 2 AWG, zu verfahren sein soll717. Deren Ausschluss wäre im Sinne der Zwecksetzung der Vorschrift sicher vertretbar718 und für Unternehmen wünschenswert. § 22 Abs. 4 AWG selbst ist ein solches Verständnis nicht zu entnehmen. Die Anwendung von § 20 AWG ist nach seinem Wortlaut nicht von einer Verfolgbarkeit oder Sanktionierung einer Außenwirtschaftstat abhängig, sondern bezieht sich auf die Begehung einer Ordnungswidrigkeit719, die auch im Falle des Vorliegens einer Selbstanzeige zunächst zu bejahen ist. Zieht man als Vergleich § 31 OWiG heran, ergibt sich, dass hier gesetzgeberisch als Folge der Verjährung nicht nur das Unterbleiben der Verfolgung der in Frage stehenden Ordnungswidrigkeit geregelt wurde, sondern auch die Anordnung von Nebenfolgen ausdrücklich ausgeschlossen ist720. Solch eine Regelung hätte der Gesetzgeber also auch für § 22 Abs. 4 AWG treffen können. Dass dies nicht geschehen ist, spricht ebenfalls dafür, dass die Behörden trotz Vorliegens einer Selbstanzeige Nebenfolgen im Rahmen ihres Ermessens anordnen dürfen. Für deren Festlegung wird aber dann die Berücksichtigung eines Vorgehens des Wirtschaftsbeteiligten nach § 22 Abs. 4 AWG verlangt721. Nebenfolgen, die sich auf die Zuverlässigkeit der anzeigeerstattenden Person beziehen, wie die Aussetzung von zollrechtlichen Verfahrenserleichterungen oder des AEO-Status722, dürfen allerdings im Sinne der Zielsetzung der „Selbstanzeige“ nicht aus deren Einreichung resultieren723.

716  Dies wäre entgegen der wohl h. M. auch ein Argument bei § 378 Abs. 3 AO die Verfolgung anderer Ordnungwidrigkeiten wegen der Tat auszuschließen. 717  Hierzu Voland, GWR 2013, 264 (267). 718  Krause, ExportManager 5 / 2013, 22 (24); nach Voland, GWR 2013, 264 (267), würde ein anderes Verständnis mit der Intention des Gesetzgebers konfligieren. 719  Voland, GWR 2013, 264 (267). 720  Krause, ExportManager 5 / 2013, 22 (24). 721  Dies schlagen Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2119) sowie Voland, GWR 2013, 264 (267) vor. 722  AEO (Authorized Economic Operator) ist die Bezeichnung für den Status als sogenannter zugelassener Wirtschaftsbeteiligter (vgl. Art. 5a Zollkodex) und gewährt einer Person aufgrund einer zuvor vorgenommenen Risikoanalyse Erleichterungen bei der Abwicklung von Zollverfahren, Witte, in: ders., Zollkodex, Art. 5 Rn. 1 ff. 723  Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 5; Krause, ExportManager 5 / 2013, 22 (24).

204 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

Tendenziell spricht damit insgesamt auch die Betrachtung des sachlichen Anwendungsbereichs der Rechtsfolgen für die Annahme eines Verfolgungshindernisses; denn bei einem sachlichen Bußgeldaufhebungsgrund wäre nur die Bebußung wegen der konkreten Verstöße nach § 19 AWG ausgeschlossen724. Der Wortlaut des § 22 Abs. 4 AWG stellt sich dabei als ergiebigstes Argument heraus. Wenn man allerdings von einem Verfahrenshindernis ausgeht, kann das Absehen von der Verfolgung auch anderer Ordnungswidrigkeiten nicht, wie teilweise vorgeschlagen, nach § 47 OWiG als Ermessensentscheidung geschehen, sondern konsequenterweise und aus Gründen der Rechtssicherheit nur obligatorisch. Ein opportunes Vorgehen macht bei einer Einordnung als Verfolgungshindernis keinen Sinn und entspricht nicht dem mit § 22 Abs. 4 AWG angestrebten „Kulturwandel“725 hinsichtlich der außenwirtschaftsrechtlichen Unternehmens-Compliance. 4. Zur rückwirkenden Anwendbarkeit Die Frage der rückwirkenden Anwendbarkeit von § 22 Abs. 4 AWG, ob die Vorschrift also auch für Verstöße gelten soll, die vor dem Inkrafttreten des reformierten AWG am 1.  September 2013 begangen wurden, scheint zunächst kein solcher Aspekt der Rechtsfolgen zu sein, der von der Einordnung der Rechtsnatur der außenwirtschaftsrechtlichen Selbstanzeige abhängig ist. Bei genauerer Betrachtung wird man jedoch eines Besseren belehrt. Die Gesetzesbegründung sowie die Empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie geben über die Thematik keinen Aufschluss726. Hingegen will der Erlass des Bundesfinanzministeriums festgestellt wissen, dass die Selbstanzeige im Außenwirtschaftsrecht auch bei vor dem genannten Zeitpunkt begangenen Ordnungswidrigkeiten greift727. Als Begründung wird auf Ausführungen zum Opportunitätsprinzip und das sogenannte Meistbegünstigungsprinzip gemäß § 4 Abs. 3 OWiG verwiesen728, das seinen inhalt724  Für einen solchen Bußgeldaufhebungsgrund wohl aber Nestler, in: Esser / Rübenstahl / Saliger / Tsambikakis, § 22 AWG Rn. 7, die hier sogar die Möglichkeit einer teilweisen Selbstanzeige nach steuerrechtlichem Vorbild annimmt. Dies ist zumindest vor dem Hintergrund der noch bei § 378 Abs. 3 AO gegebenen Zulässigkeit von Teilselbstanzeigen nachvollziehbar (auf die Unzulässigkeit von Teilselbstanzeigen bei § 371 AO wurde bereits unter 1. Teil, C. I. 2. b) aa) (4) hingewiesen). 725  Krause, ExportManager 5 / 2013, 22 (24). 726  Prieß / Arend, AW-Prax 2013, 71 (72). 727  Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 5. 728  Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 5; zu den europäischen Rechtsgrundlagen für das Meistbegünstigungsprinzip vgl. Prieß / Arend, AW-Prax 2013, 71 (72); Krause /  Prieß, NStZ 2013, 688 (689); Blum, in: Blum / Gassner / Seith, § 4 Rn 6.



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht205

lich identischen Ausdruck in § 2 Abs. 3 StGB findet729. Hiernach hat das für den Betroffenen mildeste Gesetz Anwendung zu finden, wenn sich seit Be­ endigung seiner Handlung die Gesetzeslage geändert hat. Bei diesem Milderungsgebot handelt es sich zwar um ein Rechtsprinzip, das in der Verfassung nicht ausdrücklich normiert ist730 und wohl weder Verfassungsrang hat noch in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist731. Gleichwohl ist der „lex mitior“-Grundsatz in Art. 15 Abs. 1 S. 3 IPBR als Menschenrecht garantiert, findet in Art. 49 Abs. 1 S. 3 der Grundrechtecharta der Europäischen Union Berücksichtigung und ist somit international anerkannt732. § 22 Abs. 4 AWG stellt mit Blick hierauf eine im Vergleich zur Gesetzeslage vor dem 1. September 2013 günstigere Regelung für Verstöße nach § 19 Abs. 3 bis 5 AWG dar733. Die Ansicht, dass § 22 Abs. 4 AWG auch auf sämtliche, noch nicht geahndeten Altfälle anzuwenden ist, die dann unter § 19 Abs. 3 bis 5 AWG zu subsumieren wären, wurde bereits vor dem Erlass des Bundesministeriums der Finanzen aus dem Meistbegünstigungsprinzip abgeleitet734. Teilweise wurde § 22 Abs. 4 AWG in diesem Zusammenhang als persönlicher Strafaufhebungsgrund eingeordnet, der einen „klassischen Anwendungsfall“ des Meistbegünstigungsprinzips darstelle735. Als Folge der Anwendung des § 4 Abs. 3 OWiG wurde konsequenterweise der Umgang mit Verstößen gegen sogenannte Zeitgesetze, für die der Meistbegünstigungsgrundsatz nach § 4 Abs. 4 OWiG, § 2 Abs. 4 StGB keine Gültigkeit beansprucht, als Problem identifiziert736. Hiernach ist ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, auch dann auf Handlungen, die während seiner Geltung begangen wurden, anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist, es sei denn aus einer gesetzlichen Bestimmung ergibt sich etwas Anderes. Von dieser Regelung sind für den Bereich des Außenwirtschafts729  Allgemein zum Meistbegünstigungsprinzip nach § 2 Abs. 3 StGB siehe Schmitz, in: MK, § 2 StGB Rn. 22 ff.; Eser / Hecker, in: Schönke / Schröder, § 2 Rn. 14 ff. 730  Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 531. 731  Schuster, Das Verhältnis von Strafnormen und Bezugsnormen aus anderen Rechtsgebieten, S. 218. 732  Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 531, insbesondere S. 424 ff.; Schuster, Das Verhältnis von Strafnormen und Bezugsnormen aus anderen Rechtsgebieten, S. 218 f. 733  Prieß / Arend, AW-Prax 2013, 71 (72); Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (6). 734  Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2119); Prieß / Arend, AW-Prax 2013, 71 (72); Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (689); Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 177. 735  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (689). 736  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (6); Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (689); zur Weitergeltung von Zeitgesetzen siehe Schmitz, in: MK, § 2 StGB Rn. 55 ff.

206 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

rechts insbesondere Embargos737 betroffen, deren Verletzungen dann nach der zum Zeitpunkt der Tat geltenden Rechtslage zu beurteilen wären738 und nicht nach § 22 Abs. 4 AWG behandelt werden könnten. Eine Anwendbarkeit der Selbstanzeige auch für diese Verstöße soll aber einem Vorschlag zufolge deshalb möglich sein, weil der Ausschluss des Meistbegünstigungsprinzips für Zeitgesetze dann nicht greife, wenn die eingetretene „Rechtsänderung ihrerseits auf der Grundlage einer geläuterten Rechtsauffassung“ in Bezug auf „vorangegangene Geschehnisse auch zu einer anderen Bewertung des Zeitgesetzes“ führe739. Mit der Offenlegungsmöglichkeit nach § 22 Abs. 4 AWG ist eine solche Neubewertung der Ahndungsnotwendigkeit auch der genannten Embargos verbunden740, so dass § 4 Abs. 4 OWiG hiernach keine Geltung beanspruchen würde. Zur Lösung des Problems könnte man sich auch mit der Möglichkeit einer Einstellung des Verfahrens aus Opportunitätsgründen mangels öffentlichen Interesses zur Verfolgung der Ordnungswidrigkeit behelfen741. Eine Herleitung der rückwirkenden Anwendbarkeit ist jedoch im Sinne der hiesigen Auffassung durch eine andere Herangehensweise zu erreichen. Das einfachgesetzliche Rückwirkungsgebot742 des § 4 Abs. 3 OWiG bezieht sich nur auf materielle Gesetze, also etwa persönliche Gründe, die die Ahndung der Ordnungswidrigkeit ausschließen oder aufheben, nicht aber auch auf verfahrensrechtliche Vorschriften743. Geht man davon aus, dass es sich bei § 22 Abs. 4 AWG um ein Verfahrenshindernis handelt, kann § 4 OWiG für diese Norm demnach von vornherein überhaupt keine Geltung beanspruchen. Unabhängig davon, ob es sich bei dem betroffenen Altfall um einen Verstoß gegen eine Embargovorschrift handelt oder nicht, ergibt sich die Anwendbarkeit des § 22 Abs. 4 AWG dann indes mit Pelz und Hofschneider zutreffenderweise aus dem Umstand, dass für ein anhängiges Verfahren immer das zum Entscheidungszeitpunkt geltende Verfahrensrecht in seiner aktuellen 737  Vgl. hierzu Schuster, Das Verhältnis von Strafnormen und Bezugsnormen aus anderen Rechtsgebieten, S. 226, 235. 738  Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (175); Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (6). 739  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (689). 740  Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (689 f.). 741  Valerius, in: Graf, OWiG, § 4 Rn. 32. 742  Eser / Hecker, in: Schönke / Schröder, § 2 Rn. 14; Valerius, in: Graf, OWiG, § 4 Rn. 16; Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (6), sprechen hier nicht ganz präzise von einem Rückwirkungs„verbot“. 743  Schmitz, in: MK, § 2 StGB Rn. 14 und § 1 StGB Rn. 19; Valerius, in: Graf, OWiG, § 4 Rn. 18; Eser / Hecker, in: Schönke / Schröder, § 2 Rn. 18; Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (6).



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht207

Fassung heranzuziehen ist, Rechtsänderungen das Verfahren also immer in dem Stand erfassen, in dem es sich gerade befindet744. Daraus ergibt sich Folgendes: Entweder sieht man § 22 Abs. 4 AWG als Strafaufhebungsgrund und damit als materielles Gesetz an, so dass man die rückwirkende Anwendbarkeit über § 4 OWiG herleiten muss. Oder aber man geht bei § 22 Abs. 4 AWG von einem Verfahrenshindernis und damit einer prozessualen Regelung aus, so dass keine Notwendigkeit besteht sich überhaupt auf § 4 OWiG – und damit den Meistbegünstigungsgrundsatz – zu berufen745. Wie in dem Erlass des Bundesfinanzministeriums jedoch gleichzeitig vom Vorliegen eines Verfolgungshindernisses auszugehen und trotzdem auf die Regelung des § 4 Abs. 3 OWiG zurückzugreifen, ist inkonsequent, in sich widersprüchlich und vermischt zwei völlig unterschiedliche Betrachtungsweisen. Der Erlass ist diesbezüglich somit fehlerhaft. Im Ergebnis gehen die angeführten Ansätze alle von einer Geltung des § 22 Abs. 4 AWG auch für in der Vergangenheit liegende Verstöße aus. Die Annahme eines Verfahrenshindernisses führt allerdings zu einer unkomplizierteren Herleitung des Ergebnisses. Zumindest dieser Umstand spricht für diese Einordnung. 5. § 22 Abs. 4 S. 3 AWG § 22 Abs. 4 AWG ist eine das Ermessen der Behörde beschränkende Vorschrift mit direkter bußgeldbefreiender Wirkung746. Sie stellt aber in ihrem Satz 3 klar, dass „(i)m Übrigen (…) § 47 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten unberührt“ bleibt. Mit der Formulierung „im Übrigen“ wird vor allem eine Aussage über den Umgang mit „verunglückten Selbstanzeigen“747 getroffen, das heißt, über die „übrigen“ Fälle, in denen es einer erstatteten Selbstanzeige an einer der gesetzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen fehlt, aus spezial- oder generalpräventiven Zwecken aber dennoch eine Sanktionierung nicht oder nur in geringerem Maße notwendig erscheint748. So kann etwa bei Zweifeln über 744  Pelz / Hofschneider,

wistra 2014, 1 (6). dass die Anwendbarkeit des § 4 OWiG davon abhängig ist, ob § 22 Abs. 4 AWG als Bußgeldaufhebungsgrund oder Verfahrenshindernis verstanden wird, verweisen auch schon Pelz / Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 (175). 746  BT-Drs. 17 / 12101, S. 11; Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (5). 747  Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (5). 748  Vgl. Krause / Prieß, NStZ 2013, 688 (692); Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (5). 745  Darauf,

208 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

die Freiwilligkeit der Anzeige oder bei fehlenden oder nicht ausreichenden Maßnahmen zur Verbesserung der zukünftigen Unternehmens-Compliance von einer Verfolgung abgesehen werden749. Für den Fall, dass sich Verstöße als vorsätzliches Verhalten und dadurch gleichzeitig als Straftat entpuppen, bleibt noch der Weg über eine strafprozessuale Einstellung nach §§ 153, 153a StPO750. § 22 Abs. 4 S. 3 AWG verdeutlicht zudem, dass auch eine „informelle“, von vornherein außerhalb des Anwendungsbereichs von § 22 Abs. 4 AWG liegende Selbstanzeige sinnvoll für ein Unternehmen sein kann751. Dessen transparenter, offensiver, Compliance-orientierter Umgang mit intern identifiziertem Fehlverhalten ist nicht nur ein Ermessensfaktor für die behördliche Entscheidung nach § 47 OWiG, sondern kann auch im Zusammenhang mit bestehenden außenwirtschaftsrechtlichen Genehmigungen und Bewilligungen Berücksichtigung finden752. Die zuständige Behörde kann in den genannten Fallkonstellationen weiterhin unter Opportunitätsgesichtspunkten von einer Verfolgung absehen. § 22 Abs. 4 S. 3 AWG will also bedeuten, dass die ausdrückliche Regelung einer Selbstanzeige und ihrer Rechtsfolgen nicht zur Konsequenz hat, dass eine „fehlgeschlagene“ Selbstanzeige oder sonstiges Kooperationsverhalten keine Berücksichtigung fände. Vor dem Hintergrund, dass § 47 OWiG in allen Ordnungswidrigkeitenverfahren ohnehin Geltung hat, handelt es sich damit bei § 22 Abs. 4 S. 3 AWG um eine bloß klarstellende Regelung. 6. Ergebnis Die erste Einschätzung zur Rechtsnatur hat sich nach den vorstehenden Erörterungen tendenziell bestätigt. Zwar ist die Betrachtung der Argumente nicht in jeder Hinsicht eindeutig und es mögen bei erster oberflächlicher Anschauung auch Bedenken bei einer Einordnung von § 22 Abs. 4 AWG als Verfahrensnorm entstehen. Überwiegend weist die nähere Auseinandersetzung mit den personellen und materiellen Konsequenzen der jeweiligen Einordnungsalternativen jedoch in diese Richtung. Dabei ist das Resultat der Beantwortung der Rechtsfolgenfrage, wie gesehen, nicht nur allgemein, sondern insbesondere auch im praktischen Einzelfall entscheidend.

749  Hierzu

Haellmigk / Vulin, AW-Prax 2013, 176 (178). NStZ 2013, 688 (692); Erlass des BMF vom 12.02.2014, S. 4. 751  Haellmigk / Vulin, AW-Prax 2013, 176 (177); Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2120). 752  Niestedt / Trennt, BB 2013, 2115 (2120); Haellmigk / Vulin, AW-Prax 2013, 176 (177). 750  Krause / Prieß,



C. Die „Selbstanzeige“ im Außenwirtschaftsrecht209

Deutlich ist zudem geworden, dass § 22 Abs. 4 AWG gerade auch bezüglich seiner Rechtsfolgen kein bloßes Abbild der steuerrechtlichen Selbstanzeigen der §§ 371, 378 Abs. 3 AO ist und sich von diesen in maßgeblichen Eigenschaften unterscheidet753. Daher ist die Wahl der Terminologie „Selbstanzeige“ für § 22 Abs. 4 AWG an sich irreführend und verleitet dazu diese Rechtsfolgenregelungen unter einer gemeinsamen Gruppierung von Regelungen zur tätigen Reue zu betrachten. Entweder müsste man einen eigenen Begriff prägen, wie den der von Krause verwendeten „Selbstkontrollanzeige“, oder man könnte in Anlehnung an die bereits geprägte Begrifflichkeit die Besonderheit der außenwirtschaftsrechtlichen „Selbstanzeige“ unter Hinzufügung eines weiteren Attributs betonen und zum Beispiel von einer „verfolgungsverhindernden Selbstanzeige“ sprechen. Dieser Begriff beschreibt zumindest zutreffend die Funktion und die Wirkung von § 22 Abs. 4 AWG.

IV. Abschließende Betrachtung Auch wenn noch weiterhin beobachtet werden muss, welche praktisch relevanten Auswirkungen die „verfolgungsverhindernde Selbstanzeige“ des Außenwirtschaftsrechts tatsächlich haben wird  – aus juristischer Sicht stellt sie eine höchstinteressante Neuerung dar, die Fragen hinsichtlich des Systems von Selbstanzeigeregelungen aufwirft754. Zumindest über die Zielsetzung der Vorschrift selbst, den von typischen „Flüchtigkeitsfehlern“ im unternehmerischen Massengeschäft755 bei Außenwirtschaftsvorgängen betroffenen Unternehmen und Wirtschaftsbeteiligten einen zusätzlichen Motivationsfaktor zur Offenlegung ihrer Fehler gegenüber der zuständigen Behörde an die Hand zu geben und dadurch die außenwirtschaftsrechtliche Unternehmens-Compliance zu fördern, besteht Klarheit. Dies im Hinterkopf zu haben bietet eine nützliche Hilfestellung bei dem Verständnis und der Lösung der in Bezug auf die relativ neue Vorschrift aufkommenden Probleme. Nichtsdestotrotz bleibt eine eindeutige Klärung mancher Fragen, die die betroffenen Unternehmen in der Praxis mit großen Unsicherheiten bei der Anwendung von § 22 Abs. 4 AWG konfrontieren können, bisweilen schwierig oder sie sind ohne Weiteres einer anderen als der hier vertretenen Interpretation und Auffassung zugänglich. So sei hier wiederholend auf die Erfassung nur fahrlässiger Verstöße, die einer Abgrenzung zu vorsätzlichem Verhalten bedürfen können, die Bestimmung der Angemes753  So auch Krause, ExportManager 5 / 2013, 22 (24); wenn auch immerhin hinsichtlich der Rechtsfolgen eine Ähnlichkeit mit dem Verfahrenshindernis nach § 398a AO besteht, vgl. 1. Teil, C. I. 3. 754  Voland, GWR 2013, 264 (267). 755  Bünnigmann, CCZ 2016, 60 (60).

210 2. Teil: Selbstanzeigevorschriften im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht

senheit der vorzunehmenden Fehlerbehebungsmaßnahmen oder die Problematik der fehlenden Kenntnis des Anzeigeerstatters von der behördlichen Ermittlungsaufnahme verwiesen. Mit dem Erlass des Bundesministeriums der Finanzen konnten zwar im Ergebnis einige Unklarheiten beseitigt werden; zu einer vollständigen Aufklärung und Richtigstellung aller mit § 22 Abs. 4 AWG verbundenen Unsicherheiten ist es aber auch hierdurch nicht gekommen. Im Einzelfall bedarf es deshalb immer einer sorgfältigen, intensiven Prüfung der Anwendbarkeit der Selbstkontrollanzeige756. Es bleibt daher zu hoffen, dass dem entweder ein weiterer Erlass oder aber eine  – vorzugswürdige  – gesetzgeberische Korrektur757 folgt. Ansonsten werden die kritischen Einzelfragen etwaigen gerichtlichen Entscheidungen überlassen758. Dies mag zwar den einzelfallgerechteren Weg darstellen, dürfte aber zum jetzigen Zeitpunkt wiederum mit unberechenbaren Folgen für die Wirtschaftsbeteiligten verbunden sein.

D. Conclusio Aus den separaten Darstellungen der Selbstanzeigeregelungen des Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrechts wird bereits erkennbar, dass sich die für die tätige Reue im Strafrecht erarbeiteten wesentlichen Elemente, das Element der behebbaren Rechtsgutsbeeinträchtigung, das kausale Umkehrelement, das Selbstbezichtigungselement und das Freiwilligkeitselement, teilweise auch bei den Selbstanzeigen des Ordnungswidrigkeitenrechts wiederfinden und die strafrechtlichen Normen für die Betrachtung daher als Vorbilder herangezogen werden konnten. Daher ist einerseits zu erahnen, dass die drei Regelungen auch untereinander Parallelen aufweisen. Sie entstammen aber andererseits mit dem Steuerrecht, dem Kartellrecht und dem Außenwirtschaftsrecht drei völlig unterschiedlich geprägten Lebens- und Rechtsbereichen und weisen daher teilweise auch wesentliche Unterschiede und weitere bei den Normen des Strafrechts nicht vorhandene Elemente auf. Sie sind auch in ihrer Anwendung nicht miteinander verknüpft. Ob und inwieweit sie trotzdem einer einheitlichen Betrachtung zugeführt werden können, wird im nächsten Teil dieser Arbeit erörtert. 756  Anschaulich und ausführlicher zur vorzunehmenden praktischen Abwägung Pfeil / Mertgen, Compliance im Außenwirtschaftsrecht, Abschnitt J., Rn. 96 ff.; Pottmeyer, Der Ausfuhrverantwortliche, S. 177; Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (2); eingehender zur praktischen Vorbereitung einer Selbstanzeige Haellmigk / Vulin, AWPrax 2013, 176 (179 f.). 757  So auch Pelz / Hofschneider, wistra 2014, 1 (6); Haellmigk / Vulin, AW-Prax 2013, 176 (176); Krause, ExportManager 5 / 2013, 22 (24). 758  Hierauf verweist auch Voland, GWR 2013, 264 (267).

3. Teil

Die unterschiedlichen Modelle der Selbstanzeigevorschriften und Überlegungen zu weiteren Regelungen im Ordnungswidrigkeitenrecht Nach den bisherigen Erörterungen ist zu erwarten, dass sich für das Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht drei recht unterschiedliche Konzeptionen von Selbstanzeigen abzeichnen. Dennoch liegt es nicht fern sie im Hinblick auf systematische Gemeinsamkeiten und Unterschiede einer vergleichenden Betrachtung zu unterziehen. Denn gerade vor dem Hintergrund der existierenden, schon erörterten Vorschriften zur tätigen Reue im Strafrecht besteht offensichtlicher Anlass zu der Vermutung, dass sich auch die Selbstanzeigen im Steuer-, Kartell- und Außenwirtschaftsrecht in das identifizierte System der Regelungen zur tätigen Reue einfügen lassen. Sollte ihnen tatsächlich ein gemeinsames Muster zu entnehmen sein, muss sich konsequenterweise die Frage stellen, wieso lediglich für die Ordnungswidrigkeitentatbestände dieser drei Rechtsbereiche ausdrücklich festgelegte Selbstanzeigemöglichkeiten bestehen. Aber auch für den Fall, dass kein gemeinsames Gesamtkonzept gefunden werden kann, könnten den existierenden Vorschriften grundsätzlich Ansätze zu entnehmen sein, die auch auf die Behandlung anderer Wirtschaftsordnungswidrigkeiten übertragen werden könnten oder sollten. Oder laufen die bisherigen rechtlichen Gegebenheiten darauf zu, sich wie bei den Bestimmungen zur tätigen Reue im Strafrecht der Kritik aussetzen zu müssen, nur willkürlich für manche Verstöße Selbstanzeigen vorzusehen, während die Täter anderer, ähnlich gelagerter Ordungswidrigkeiten auf eine wohlwollende behördliche Ermessensausübung nur hoffen können? Diese Thematik soll im dritten Teil dieser Ausarbeitung angestoßen werden.

212

3. Teil: Die unterschiedlichen Modelle der Selbstanzeigevorschriften

A. Analyse und vergleichende Gegenüberstellung der betrachteten Selbstanzeigen im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht Um der Antwort auf die Frage nachgehen zu können, ob den dargestellten Selbstanzeigeregelungen des Ordnungswidrigkeitenrechts ein Gesamtkonzept, das einer Übertragung auf andere Ordnungswidrigkeitentatbestände zugänglich ist, oder zumindest Grundlagen für weitere Regelungen von Selbstanzeigen übernommen werden können1, müssen zunächst die gleichen und unterschiedlichen Anforderungen an eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige erfasst und verglichen werden. Dazu werden die im ersten Teil dieser Arbeit für die strafrechtlichen Institute der tätigen Reue herausgearbeiteten Strukturen und Elemente2 als Grundlage der Betrachtung herangezogen; denn wie schon aufgrund der vorhergehenden Darstellungen ersichtlich, finden sich diese auch bei den Selbstanzeigeregelungen des Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrechts wieder und lassen sich für deren Analyse verwerten.

I. Vergleich der Ratio legis Ausgangspunkt der Ratio legis aller drei Selbstanzeigeregelungen ist das Bestehen eines staatlichen Ermittlungsdefizits. Im Steuer- und Kartellrecht steht die Erlangung von verborgenen Informationen durch die Anzeige von Verstößen sogar im Vordergrund der Regelungen. Durch § 378 Abs. 3 AO sollen ansonsten nicht oder schwer zu erschließende Steuerquellen offenbart werden3; mithilfe der kartellrechtlichen Bonusregelung soll den Kartellbehörden Zugang zu den Strukturen konspirativ und heimlich agierender Gruppen verschafft und derart ermöglicht werden für Wirtschaft und Wettbewerb schädliche Kartelle überhaupt erst zu entdecken und zu zerschlagen4. Im Kartellrecht wird dieser Grund zusätzlich durch die Zweckmäßigkeitserwägung gestützt beziehungsweise gerechtfertigt, dass es für Wirtschaft und Kartellgeschädigte besser ist, „einen laufen zu lassen“, dafür alle anderen Kartellanten sanktionieren und das Gesamtkartell aufdecken zu können, als gar keine Informationen zu erhalten. Im Hinblick auf die Selbstkontrollanzeige nach dem AWG kann diese ebenfalls mangelnden Einsichtmöglichkeiten der Behörden in Abläufe der einzelnen Unternehmen entgegenwirken, 1  Siehe

Einleitung. E. 3  2. Teil, A. I. 4  2. Teil, B. I. 1. 2  1. Teil,



A. Analyse und vergleichende Gegenüberstellung der Selbstanzeigen213

obwohl hier ähnlich wie im Steuerrecht regelmäßig stattfindende (Außen-) Prüfungen bereits Gelegenheit zur Fehlerermittlung geben. Außerdem sind die der tätigen Reue nach Steuer- und Außenwirtschaftsrecht zugrundeliegenden Verstöße nicht von Heimlichkeit getragen. Eine weitere Haupterwägung der existierenden Selbstanzeigen im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht liegt in der Schaffung einer Anreizwirkung für die Täter. Diese sollen durch das Inaussichtstellen von Sanktionsfreiheit zur Legalität zurückkehren und zur Zusammenarbeit mit den Behörden bewegt werden. Im Steuerrecht bedeutet dies eine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit5, im Kartellrecht führt die „goldene Brücke“ zum Ausstieg aus dem Kartell6 und im Bereich des Außenwirtschaftsrechts ist eine Verbesserung der unternehmensinternen Compliance7 bezweckt. Die ­Selbstanzeigenormen stellen hierbei im Vergleich zu ansonsten zu treffenden behördlichen Ermessensentscheidungen transparentere Regelungen dar, die mehr Rechts­sicherheit bei der Berechnung und Abwägung der Selbstanzeigefolgen bieten. Letztendlich dient diese Erwägung nach hier vertretener Ansicht zumindest im Steuerund Kartellrecht wiederum der Behebung des zuvor erörterten Ermittlungsnotstandes und somit diesem Teil der Ratio. Bei den Erwägungen der Selbstanzeigevorschriften des Steuer- und Außenwirtschaftsrechts soll außerdem der Gedanke der Honorierung des Umkehrverhaltens und des Willens zur Wiedergutmachung eine Rolle spielen, der nach hiesiger Ansicht aber bloß einen Reflex der vordergründigen Ziele der Normen darstellt8. Auch wenn die Bonusregelung diese gleiche Wirkung für den kooperationsbereiten, das Kartell aufdeckenden Kartellbeteiligten hat, so findet sich dessen Belohnung in keiner der hier herangezogenen Quellen als Grund für die Schaffung der Kronzeugenregelung. Dies mag auch mit der Qualität des Verstoßes zu tun haben. Als weiterer positiver Nebeneffekt aller untersuchten Regelungen, der ebenfalls teils als Umstand der Ratio legis betrachtet wird9, ist außerdem die Minimierung des behördlichen Verwaltungs- und Ermittlungsaufwandes, die zu Kosten- und Ressourceneinsparungen führt, anzubringen. Eine Zielsetzung, die allein die Bonusregelung aufweist, ist die des (general-)präventiven Entgegenwirkens der Bildung von Kartellen durch die Erzeugung von Misstrauen zwischen den Kartellbeteiligten10. Prävention ist 5  2. Teil,

A. I. B. I. 1. 7  2. Teil, C. I. 8  Vgl. 2. Teil, A. I. und C. I. 9  Vgl. 2. Teil, B. I. 1. 10  Vgl. 2. Teil, B. I. 1. 6  2. Teil,

214

3. Teil: Die unterschiedlichen Modelle der Selbstanzeigevorschriften

sonst meistens ein Anliegen der für den Bereich jeweils geschaffenen Strafvorschriften oder Ordnungswidrigkeiten und nicht einer Selbstanzeigeregelung. Einer solchen ließe sich grundsätzlich sogar eher der gegenteilige Effekt entnehmen, da sie den Täter dahingehend entlastet, dass er weiß, auch im Nachhinein immer noch „zurücktreten“ zu können. Andererseits lassen sich den Selbstanzeigen im Steuer- und Außenwirtschaftsrecht in anderer Hinsicht spezialpräventive Aspekte entnehmen, wenn auch nicht von vorn­ herein im Sinne eines Abhaltens von der Begehung der Ordnungswidrigkeit: Vor allem § 22 Abs. 4 AWG hat auch die zukünftige Compliance des Unternehmens im Blick und durch eine Selbstanzeige im Steuerrecht wird der Täter zukünftig, da er nun im Blickfeld der Steuerbehörden steht, zu besonderer Vorsicht angehalten sein. Insgesamt sind damit einige Parallelen in den Zwecksetzungen der Selbstanzeigemöglichkeiten des Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrechts, die nur rechtsbereichsspezifisch ausgestaltet sind, zu entdecken. Die kartellrechtliche Regelung sticht hier allerdings mit einem teilweise anderen Fokus durch weitere Erwägungen etwas hervor.

II. Vergleich der tatbestandlichen Voraussetzungen für Sanktionsfreiheit 1. Zugrundeliegender Verstoß Zwar handelt es sich bei allen Taten, die den hier dargestellten Möglichkeiten tätiger Reue zugrunde liegen, um Ordnungswidrigkeiten, formal betrachtet sind sie also gleicher Natur. Trotzdem sind die Verstöße an sich von sehr verschiedener Art. Während es sich bei den Zuwiderhandlungen, die von § 22 Abs. 4 AWG erfasst sind, um Form- und Verfahrensverstöße bei der Abwicklung außenwirtschaftlicher Vorgänge handelt, die als bloße Arbeitsfehler eingeordnet werden und in jedem Betrieb unterlaufen können, und von § 378 Abs. 3 AO immerhin bereits solche Fehler umfasst sind, die die unsorgfältige Abgabe von Erklärungen gegenüber einer Behörde betreffen, durch die es zur Nichtentrichtung von Steuerbeiträgen kommen kann, führt die Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 sogar bei schwerwiegenden Kartellverstößen, die eine inhaltliche Übereinkunft über einen Gesetzesverstoß zum Gegenstand haben, zu Bußgeldfreiheit. Man könnte sagen, bei der kartellrechtlichen Regelung handelt es sich bereits um ein materiell rechtswidriges Vorgehen, um Verstöße materieller Art und nicht solche gegen „bloße“ Formalien, während die Vorschriften des Steuer- und Außenwirtschaftsrechts zunächst ein formal rechtswidriges Verhalten betreffen, das zumindest zu Anfang erst einmal aus Fehlern „auf dem Papier“ besteht. Die Zuwiderhand-



A. Analyse und vergleichende Gegenüberstellung der Selbstanzeigen215

lungen lassen sich zueinander demnach mit unterschiedlichen Intensitäts­ graden bezeichnen, die von einer „leichten Ordnungswidrigkeit“ nach dem Außenwirtschaftsgesetz über eine „mittelschwere Ordnungswidrigkeit“ im Bereich des Steuerordnungswidrigkeitenrechts bis hin zu einer „schweren Ordnungswidrigkeit“ bei der Bonusregelung des Kartellrechts reichen. 2. „Element der subjektiven Tatseite“ Bekräftigt wird die soeben beschriebene graduelle Steigerung der Verstöße zudem noch durch die unterschiedliche Ausformung der jeweiligen subjektiven Tatseite und ist selbstverständlich auch von vornherein durch diese bedingt. Von der Selbstkontrollanzeige des Außenwirtschaftsrechts können nur Täter fahrlässiger Taten nach § 19 Abs. 3 bis 5 AWG profitieren und für ein Eingreifen des § 378 Abs. 3 AO muss eine leichtfertige Steuerverkürzung gegeben sein. Die subjektive Tatseite ist damit hier als „negativ voluntatives Element“ ausgestaltet, wenn auch, wie angeführt, die Grenze zum Eventualvorsatz praktisch manchmal schwer zu bestimmen sein kann11. Der im Kartellordnungswidrigkeitenrecht angewendeten Bonusregelung können hingegen sowohl fahrlässige, als auch vorsätzliche Verstöße gegen § 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB zugrunde liegen. Die kartellrechtliche Selbstanzeigeregelung hebt sich daher auch bezüglich der subjektiven Tatseite des zur Anzeige gebrachten Verstoßes in der Weite ihres Anwendungsbereichs nach oben ab. An dieser Stelle wird damit wieder der relativ enge Anwendungsbereich des § 22 Abs. 4 AWG deutlich. Denn anders als mit der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 für Kartellrechtsverstöße und der steuerstrafrechtlichen Selbst­ anzeige nach § 371 AO, existiert für vorsätzliche Verstöße im Bereich des Außenwirtschaftsrechts keine gesetzlich oder behördlich geregelte, für den Anzeigeerstatter in ihren Folgen absehbare Möglichkeit tätiger Reue. Dies untermauert die Erkenntnis, dass hinter den Selbstanzeigeregelungen im (Wirtschafts-)Ordnungswidrigkeitenrecht kein von vornherein durchdachtes Konzept steht. Dies schließt es aber selbstverständlich im Grundsatz nicht aus, die vorhandenen gemeinsamen Grundstrukturen zu einem Gesamtkonzept zusammenzuführen. 3. „Element der behebbaren Rechtsgutsbeeinträchtigung“ Untersucht man die Frage, welche der drei Selbstanzeigemöglichkeiten im Sinne tätiger Reue ein „Element der behebbaren Rechtsgutsbeeinträchtigung“ 11  Vgl.

hierzu bereits unter 2. Teil, A. II. 1. b) und C. II. 2.

216

3. Teil: Die unterschiedlichen Modelle der Selbstanzeigevorschriften

aufweist, trifft man wiederum auf einen Unterschied zwischen kartellrecht­ licher Kronzeugenregelung einerseits und den Selbstanzeigen nach §§ 378 Abs. 3 AO, 22 Abs. 4 AWG andererseits. Im Bereich der Steuerverkürzung kann die zuständige Behörde aufgrund der Berichtigungserklärung die hinterzogene Steuer auch noch nachträglich richtig festsetzen, so dass die verkürzten Beträge nachgezahlt und der eingetretene wirtschaftliche Schaden im Nachhinein beseitigt werden können. Dies trifft auch dann zu, wenn der maßgebliche Sachverhalt erst Jahre oder gar Jahrzehnte später aufgedeckt wird. Auch durch die Selbstanzeige des Außenwirtschaftsgesetzes können zunächst eingetretene Fehler isoliert betrachtet durch die Nachlieferung richtiger und die Korrektur falscher oder fehlender Angaben aufgehoben werden, da die Verstöße nach § 19 Abs. 3 bis 5 AWG sich ausschließlich auf Informations- und Dokumentationspflichten beziehen12. Durch die Bonusregelung des Kartellrechts kann der Kartellverstoß insofern behoben werden, als dass das Kartell an sich im Sinne eines rechtswidrigen Zustandes beendet werden kann und nicht weiter aufrechterhalten wird. Insoweit bleibt also kein endgültig rechtswidriger Zustand bestehen. Insofern jedoch, als durch das Tätigwerden der Kartellteilnehmer schon Auswirkungen auf Wettbewerb und Wirtschaft zum Tragen gekommen sind, können diese, da aufgrund der Komplexität wirtschaftlicher Abläufe und Zusammenhänge kaum exakt bemess- oder bezifferbar, wohl kaum rückgängig gemacht werden. Durch Schadensersatzzahlungen, etwa für geschädigte Konkurrenten, kann nur ein begrenzter Ausgleich im Nachhinein stattfinden und keine spiegelbildliche Aufhebung einer Beeinträchtigung. 4. „Kausales Umkehrelement“ Auch für eine tätige Reue beziehungsweise eine Selbstanzeige im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts hat der Täter eine Umkehrleistung vorzunehmen, durch die eine drohende Gefahr abgewendet oder ein eingetretener Schaden rückgängig gemacht wird. Er muss die soeben beschriebene Möglichkeit zur Behebung der Rechtsgutsbeeinträchtigung also auch durch ein eigenes Verhalten nutzen. 12  Anders wohl Bünnigmann, CCZ 2016, 60 (64), die ausführt, dass formell oder materiell nicht ordnungsgemäß ausgeführte Waren nach einer Selbstanzeige nicht mehr rechtmäßig ausgeführt werden können. Dies ist zwar zutreffend. Soweit jedoch von formellen Verstößen ausgegangen wird, ist isoliert betrachtet mit ihnen nicht zwingend ein materieller Verstoß verbunden, so dass im Sinne der hier beleuchteten Eigenschaften der Selbstanzeigevorschriften von einer behebbaren Rechtsgutsbeeinträchtigung ausgegangen werden kann.



A. Analyse und vergleichende Gegenüberstellung der Selbstanzeigen217

Für die Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO geschieht dies zum einen durch die Berichtigungserklärung, die eine nachträgliche Lieferung aller zur zutreffenden Bestimmung des staatlichen Steueranspruchs erforderlichen Informationen enthält und damit eine Sachverhaltsoffenbarung darstellt, die Grundlage für die weitere Umkehrleistung ist. Die Umkehr des Anzeigeerstatters besteht nämlich zum anderen noch in der nachträglichen Entrichtung der Steuern, die erst zum Ausgleich des etwaig eingetretenen wirtschaftlichen Nachteils führt. Das Umkehrelement kann hier demnach aus zwei Umkehrhandlungen bestehen, die beide ursächlich für die Erfolgsaufhebung sind. Hingewiesen sei an dieser Stelle jedoch noch einmal auf die Problematik der Selbstanzeige während der Betriebsprüfung13: Wird hier mit einer Ansicht das Vorliegen eines eigenen inhaltlichen Beitrags zur Information der Finanzbehörden abgelehnt, muss entweder bereits vom Fehlen einer Umkehrleistung ausgegangen werden oder aber die Kausalität der Berichtigung für die Behebung der fehlerhaften Steuerfestsetzung verneint werden. Aufgrund der Zulässigkeit von Teilselbstanzeigen ist bei § 378 Abs. 3 AO aber eine nur teilweise Umkehr möglich. Unter der Prämisse, dass bei der Bonusregelung des Kartellrechts eine Behebung der Rechtsgutsbeeinträchtigung und damit eine Umkehr nur in Bezug auf den rechtswidrigen Zustand des Kartells möglich ist, besteht die Umkehrhandlung hier in der Aufdeckung des Kartells durch die Vorlage aller detaillierten Informationen und Beweismittel, die notwendig sind, um das Kartell mithilfe eines Durchsuchungsbeschlusses ermitteln beziehungsweise – je nach Zeitpunkt des Bonusantrags – den Tatnachweis erbringen zu können. Kann die Kartellbehörde dies schon ohne Zutun des Kartellteilnehmers, so zählt dies nicht als ursächlicher Umkehrbeitrag. Außerdem wird die Umkehr nur bei Erfüllung der Kooperationspflichten während des gesamten Kartellverfahrens als vollständig betrachtet. Anders als bei der Selbstanzeige im Steuerordnungswidrigkeitenrecht, ist aber gerade nicht Voraussetzung, dass die Zahlung eines bestimmten Betrages, wie etwa der Mehrerlös aus der Kartellabsprache, erfolgt. Bei der Selbstanzeige nach Außenwirtschaftsrecht wird die kausale Umkehrleistung durch die Nachholung des gesetzlich verlangten Verhaltens erbracht. Da dieses meistens Auskunfts-, Melde-, Erklärungs-, Unterrichtungsund ähnliche Pflichten zum Inhalt hat, ist dem mit der Berichtigung fehlerhafter und der Nachreichung zutreffender Informationen nach Aufdeckung des Verstoßes in der Regel Genüge getan. Eine Teilumkehr nur bezüglich bestimmter Verstöße ist wie im Steuerordnungswidrigkeitenrecht theoretisch möglich, wenn auch unter dem Aspekt der Bewertung der Zuverlässigkeit des Anzeigeerstatters durch das Zollamt nicht sinnvoll. 13  Vgl.

unter 2. Teil, A. II. 2. a) dd).

218

3. Teil: Die unterschiedlichen Modelle der Selbstanzeigevorschriften

Alle drei Selbstanzeigen des Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrechts weisen somit das den Rechtsinstituten tätiger Reue eigentümliche kausale Umkehrelement auf. 5. „Selbstbezichtigungselement“ Auch wenn die Komponenten des kausalen Umkehrelements und der Selbstbezichtigung praktisch miteinander einhergehen, sind sie doch nicht unbedingt immer deckungsgleich. Nur durch die Anzeige des eigenen Fehlverhaltens ist häufig, wie gesehen, noch nicht die vollständige Umkehrleistung erbracht; eine Umkehr geht oft über eine Selbstbezichtigung hinaus. Diese ist ein besonderer, schon rein begrifflich speziell Selbstanzeigeregelungen anhaftender Aspekt und betrifft nur die Erklärung über die eigenen Taten an sich. Es ist nicht die Selbstbezichtigung hinsichtlich einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit als solcher gemeint14, sondern die Anzeige eines bestimmten Verhaltens oder Sachverhalts. Die hier untersuchten Selbstanzeigeregeln im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht verlangen alle eine derartige „Beichte“ über eigene Gesetzesverstöße und stellen besondere Anforderungen an Adressat, Anzeigeerstatter, Form und Inhalt der Anzeige. Die Bonusregelung des Kartellrechts weist allerdings die Besonderheit auf, dass sie sich nicht in einer bloßen Selbstanzeige des Kartellbeteiligten erschöpft, sondern – wegen der aus einer Absprache mit anderen Kartellanten bestehenden Ordnungswidrigkeit als Bezugspunkt des Bonusantrags  – zwingend immer auch mit der Anzeige anderer Täter und deren Verstöße verbunden ist. Sie beinhaltet eine Art „Doppelanzeige“, die in zwei Richtungen geht, während bei den anderen beiden Selbstanzeigen im Steuer- und Außenwirtschaftsrecht in der Regel die Anzeige des eigenen Fehlverhaltens alleiniger Inhalt der Erklärung gegenüber der Behörde ist15. Die Anforderungen an die hiesigen Selbstbezichtigungen sind im Einzelnen sehr ähnlich. Anzeigeerstatter beziehungsweise Antragsteller der Selbstanzeige, des Bonusantrags oder der Selbstkontrollanzeige hat immer der an der Tat Beteiligte zu sein, der von der Regelung profitieren will, oder ein beauftragter16 Vertreter. Der sachlich und örtlich zuständige Adressat ist 14  Hiergegen wohl zu Recht Kohler, in: MK, § 371 AO Rn. 9; Joecks, in: Joecks / Jäger / Randt, § 371 AO Rn. 14 und 91. 15  Anders stellt sich dies zum Beispiel dar, wenn es mehrere Tatbeteiligte gibt, da sodann durch die Anzeige des eigenen Fehlverhaltens meistens auch das der anderen Beteiligten offenbar wird. 16  So für die Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO zumindest nach einer Ansicht, vgl. 2. Teil, A. II. 2. a) cc).



A. Analyse und vergleichende Gegenüberstellung der Selbstanzeigen219

mit dem Finanzamt, dem Bundeskartellamt und dem Hauptzollamt immer die im jeweiligen Rechtsbereich mit der Verfolgung der Ordungwidrigkeit befasste „Spezialbehörde“. Für die Form der Selbstbezichtigung gibt es meistens keine feste, gesetzliche Vorgabe; Mündlichkeit oder Schriftlichkeit sind zulässig. Eine Frist läuft naturgemäß nicht, jedoch hält bei allen drei Selbstanzeigeregelungen vor allem eine mögliche behördliche Kenntniserlangung zu schnellem Handeln bei der Anzeigeerstattung an. So ist die steuer­ liche Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO durch die Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens ausgeschlossen. Ein Bonusantrag nach der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 ist unwirksam, sollte das Kartellamt schon selbst die erforderlichen Informationen für den Erhalt eines Durchsuchungsbeschlusses oder das Führen des Tatnachweises erlangt haben, wobei der „Wettlauf“ mit den anderen Kartellanten den Antragsteller in zusätzliche zeitliche Bedrängnis bringt. Und der Selbstkontrollanzeige des § 22 Abs. 4 AWG kann die behördliche Entdeckung des Verstoßes entgegenstehen oder die Aufnahme von Ermittlungen, sollte es zu einer Aufdeckung durch Eigenkontrolle gekommen sein. In inhaltlicher Hinsicht verlangen die Selbstanzeigeregelungen für die Anzeige allesamt derart umfassende, vollständige und detaillierte Darstellungen, dass die Behörde den Sachverhalt selbst aufgrund dieser Angaben richtigstellen und weitere Maßnahmen treffen kann. Dem Umstand, dass dieses Erfordernis in einem Spannungsverhältnis zu dem Zeitdruck zur Erstattung einer Anzeige steht, kann zumindest im Kartell- und Außenwirtschaftsrecht dadurch etwas Rechnung getragen werden, dass nach der Bonusregelung ein sogenannter Marker gesetzt werden kann und die Möglichkeit des schrittweisen Nachlieferns von Informationen nach hiesiger Ansicht auch für die Selbstkontrollanzeige gelten muss17. Teilselbstanzeigen sind praktisch wohl nur bei den Selbstanzeigen nach § 378 Abs. 3 AO und § 22 Abs. 4 AWG denkbar. 6. „Freiwilligkeitselement“ Auch das Merkmal der Freiwilligkeit bedarf im Zusammenhang mit den ordnungswidrigkeitenrechtlichen Selbstanzeigen einer Betrachtung. Es spielt hier allerdings nur für die Selbstkontrollanzeige nach § 22 Abs. 4 AWG eine Rolle. Weder nach § 378 Abs. 3 AO, noch nach der Bonusregelung ist freiwilliges Handeln hinsichtlich des Umkehrverhaltens oder der Anzeigehandlung ausdrücklich erforderlich. Es ist egal, ob der Steuerschuldner nur wegen ­eines drohenden Ermittlungsverfahrens eine Berichtigungserklärung abgibt oder ob der Kartellbeteiligte zum Beispiel nur deshalb einen Bonusantrag 17  Vgl.

hierzu bereits unter 2. Teil, C. II. 3. d).

220

3. Teil: Die unterschiedlichen Modelle der Selbstanzeigevorschriften

stellt, weil er weiß, dass auch ein anderer Kartellant einen solchen vorbereitet  – die Motive für das „Rücktrittsverhalten“ sind gleichgültig. Anders im Außenwirtschaftsrecht, wo die Freiwilligkeit ein Tatbestandsmerkmal18 beziehungsweise nach anderer Auffassung ein unfreiwilliges Vorgehen bei Anzeigeerstattung einen Ausschlussgrund des § 22 Abs. 4 AWG darstellt. Dies mag einen Anlass für Kritik bieten. Denn das Gesetz stellt an den Täter eines Verstoßes nach § 19 Abs. 3 bis 5 AWG damit höhere subjektive Anforderungen als bei den steuer- und kartellrechtlichen Selbstanzeigen, obwohl diesen doch das gravierendere Fehlverhalten zugrunde liegt19. Fragt man nach dem Grund, kommt sehr schnell wieder die Vermutung auf, dass hinter dem kein gesetzgeberisch systematisch durchdachtes Konzept, sondern reine rechtspolitische Zweckerwägungen stehen: In den Fällen des Steuerund Kartellrechts sollen aus fiskalischen beziehungsweise ermittlungsdefizitären Gründen aus staatlicher Sicht unbedingt die notwendigen Informationen zur zutreffenden Festsetzung der Steuern beziehungsweise zur Zerschlagung des Kartells erlangt werden. Das weitere Erfordernis der Freiwilligkeit würde dem als zusätzliche Hürde nur entgegenstehen, weil der Anreiz zu einer Selbstanzeige in vielen Situationen für den Täter damit geringer würde und der Staat sich den Zugang zu den genannten Zielen damit erschweren würde. Man könnte aus der genannten Ungleichheit aber auch bloß die Schlussfolgerung ziehen  – und damit die bereits gewonnene Erkenntnis bestärken  –, dass sich § 22 Abs. 4 AWG einfach nicht vollständig in die bisher bestehende Ordnung tätiger Reue einfügen lässt, da sie weder ein identisches Abbild der steuerrechtlichen Selbstanzeigen darstellt, noch inhaltlich vollkommen parallel zu anderen Vorschriften tätiger Reue läuft, die Freiwilligkeit als Element verlangen. Sie prägt eben vielmehr eine neu geformte Unterart einer Selbstanzeige. Allerdings bedeutet diese Einordnung nicht zwingend, dass nur bei § 22 Abs. 4 AWG mit der Selbstanzeigeleistung des Wirtschaftsbeteiligten eine positive Wertung seines Verhaltens und der inneren Einstellung dergestalt verbunden wäre, dass dieser aus autonomen Erwägungen zum Recht zurückkehrt; dies kann sowohl bei § 378 Abs. 3 AO, als auch bei einem kartellrechtlichen Bonusantrag der Fall sein.

18  So

die hier vertretene Ansicht, vgl. 2. Teil, C. II 6. b). man bei § 22 Abs. 4 AWG die Aufnahme von Ermittlungen durch die zuständige Behörde jedoch als einzigen Fall fehlender Freiwilligkeit, würde die angebrachte Kritik natürlich sehr abgeschwächt, da das Merkmal hierdurch seine Qualität als Tatbestandsmerkmal beziehungsweise übergeordneten Ausschlussgrund verlieren würde. 19  Sähe



A. Analyse und vergleichende Gegenüberstellung der Selbstanzeigen221

7. „Element der Eigenaufdeckung“ Nach der verfolgungsverhindernden Selbstanzeige des § 22 Abs. 4 AWG ist Voraussetzung, dass der Verstoß im Wege der Eigenkontrolle aufgedeckt wird. Fehler müssen also aufgrund eigener Initiative des Anzeigeerstatters entdeckt worden sein. Dieses Element20 ist der Selbstanzeigehandlung vorgelagert. Für die Wirksamkeit einer Selbstanzeige bei leichtfertiger Steuerverkürzung ist die „Eigenaufdeckung“ hingegen kein Muss. Auch wenn der Verstoß durch einen Betriebsprüfer des Finanzamts während der Außenprüfung aufgedeckt wird, ist eine Anzeige durch den Täter nach § 378 Abs. 3 AO trotzdem noch möglich21. Denn, wie gesehen, werden die Fehler aufgrund ihrer fahrlässigen Begehungsweise zumeist auch erst im Rahmen einer Betriebsprüfung auffallen. Bei der Bonusregelung besteht ebenfalls kein Erfordernis der Aufdeckung durch Eigenkontrolle und würde hier auch praktisch keinen Sinn machen, da meistens der Kartellverstoß vorsätzlich begangen wird. Dann muss der Kartellbeteiligte aber auch nichts mehr aufdecken, wovon er nicht bereits Kenntnis hätte. Selbst wenn keine vorsätzliche Tat vorliegt, steht eine Aufdeckung der Tat durch behördliche oder sonstige Fremdkontrolle, zum Beispiel bei einer Prüfung des Unternehmens, nicht gleich einem Bonusantrag entgegen, es sei denn, das Kartellamt hat hierdurch schon so hinreichende Informationen und Beweismittel erlangt, dass es einen Durchsuchungsbeschluss erwirken oder den Tatnachweis führen kann22. Das fehlende Element der Eigeninitiative bei steuer- und kartellrechtlicher Selbstanzeige korreliert mit dem Umstand eines nicht vorhandenen Freiwilligkeitserfordernisses; es geht nicht um die Förderung oder Bewertung eines inneren Antriebs des Betroffenen. Somit gibt es mit der Aufdeckung im Wege der Eigenkontrolle ein weiteres gesetzliches Merkmal, das § 22 Abs. 4 AWG als einzige Selbstanzeige­ regelung aufweist und dadurch die Norm wiederum mit einer höheren Anforderung versieht. Dabei ist der Aspekt der Entdeckung eines Verstoßes grundsätzlich nicht neu. So bildet die Tatentdeckung einen Teil eines Ausschlussgrundes für die steuerstrafrechtliche Selbstanzeige, § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO, und die Selbst­ anzeige bei der Geldwäsche, § 261 Abs. 9 Nr. 1 StGB. Der Begriff der Tat­ entdeckung ist allerdings durch eine juristische Definition behaftet und daher 20  Siehe

bereits unter 2. Teil, C. II. 5. a. E. hierzu unter 2. Teil, A. II. 2. a) dd). 22  Vgl. Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 Rn. 3 und 4. 21  Vgl.

222

3. Teil: Die unterschiedlichen Modelle der Selbstanzeigevorschriften

nicht deckungsgleich mit dem der Aufdeckung eines Verstoßes. Trotzdem schließt einerseits der Eintritt der Tatentdeckung eine bislang noch nicht geschehene Aufdeckung durch Eigenkontrolle aus und es kann andererseits auch, nachdem ein Verstoß im Wege der Eigenkontrolle aufgedeckt wurde, noch zur (behördlichen) Tataufdeckung kommen. 8. Das neue „Element zukünftig wirkender Verhinderungsmaßnahmen“ § 22 Abs. 4 AWG sticht im Hinblick auf ein weiteres Merkmal neben den Selbstanzeigeregelungen aus dem Steuer- und Kartellrecht hervor: Soll die Selbstkontrollanzeige wirksam sein, müssen angemessene Maßnahmen zur Verhinderung des Verstoßes aus gleichen Grund23 ergriffen werden. Es ist beachtlich, dass für die Bußgeldfreiheit von einem Gesetzesverstoß, der in der Vergangenheit liegt und durch Umkehrhandlungen an sich bereits behoben wurde, zusätzliche Handlungen verlangt werden, die auf die Zukunft gerichtet sind. Dies ist ein absolutes Novum unter den Anforderungen, die bisher gesetzlich verankerte Selbstanzeigeregelungen stellen24. Andererseits ist das „Element zukünftiger Verhinderungsmaßnahmen“25 nicht nur den besonderen Compliance-Erwägungen der Norm geschuldet, sondern wohl auch dem Umstand, dass die betroffenen Arbeitsfehler im Außenwirtschaftsverkehr oft aus bestimmten Automatismen und standardisierten Unternehmensabläufen resultieren. Es könnte hinsichtlich der in Frage stehenden Verstöße schwerlich von einer „Umkehr“ des Wirtschaftsbeteiligten zum Recht ausgegangen werden, wenn er die Ursachen und Unternehmensmechanismen, auf denen diese Fehler beruhen, weiterhin beibehalten würde. Es ist also fast eine logische Konsequenz, dass der Außenwirtschaftsbeteiligte für die Gewährung von Bußgeldfreiheit im Gegenzug seine Compliance „richtigstellen“ muss. Nichtsdestotrotz hängt diesem Element deshalb ein neues Erfordernis an, weil es dem Anzeigeerstatter die über seine Umkehr hinausgehende Vorsorge 23  Hierzu

unter 2. Teil, C. II. 4. sei aber an dieser Stelle auf die sogenannte, durch das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts vom 17.02.2016 neu eingeführte „vergaberechtliche Selbstreinigung“ nach §§ 125, 126 GWB, durch die Art. 57 Abs. 6 und 7 der Richt­ linie 2014 / 24 / EU umgesetzt wird, hingewiesen. Auch wenn es sich bei dieser nicht um eine Selbstanzeigevorschrift handelt, verlangt § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GWB ebenfalls zukünftig wirkende Verhinderungsmaßnahmen („konkrete technische, organisatorische und personelle Maßnahmen (…), die geeignet sind, weitere Straftaten oder weiteres Fehlverhalten zu vermeiden“). 25  So bereits unter 2. Teil, C. II. 4. benannt. 24  Es



A. Analyse und vergleichende Gegenüberstellung der Selbstanzeigen223

zur Verhütung zukünftiger Verstöße und damit sowohl ein Zuverlässigkeitsversprechen, als auch weitgehende Vorkehrungen, die die interne Unternehmensorganisation betreffen, abverlangt. Derartige Vorkehrungen werden von den Erstattern einer Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO beziehungsweise eines Bonusantrags nach der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 nicht verlangt. Gerade die Kooperationspflichten nach der Bonusregelung, denen der Kartellbeteiligte auch nach seinem Antrag noch nachkommen muss, zielen nur auf die bereits begangene Ordnungswidrigkeit ab. Zwar werden auch vom Bundeskartellamt ComplianceMaßnahmen bei der Bebußung eines Unternehmens berücksichtigt26, sie sind aber keine echte Wirksamkeitsvoraussetzung der Bonusregelung und der angestrebten Sanktionsfreiheit. Auch der Erklärung des Steuerschuldners wird kein Ansinnen dergestalt entnommen, dass dieser künftig keine leichtfertigen Fehler der begangenen Art mehr macht; er steht nach einer Selbstanzeige vielmehr einfach unter genauerer Beobachtung durch das Finanzamt. Mit der Komponente zukünftig wirkender Verhinderungsmaßnahmen stellt die Selbstkontrollanzeige nach dem AWG also im Vergleich zu § 378 Abs. 3 AO und der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 sehr weitgehende, hohe Anforderungen an den Anzeigeerstatter. 9. Gegenüberstellung der Ausschlussgründe Ausschlussgründe können den Wirkungen aller drei Selbstanzeigeregelungen entgegenstehen. Solche bestehen vor allem bei einer Befassung der Behörde mit dem anzuzeigenden Fehlverhalten. Die steuerordnungswidrigkeitenrechtliche Selbst­ anzeige wird durch die Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens ausgeschlossen. Der außenwirtschaftsrechtlichen Selbstanzei­ge kann die nach der hiesigen Ausarbeitung als einzig geschriebener Ausschlussgrund des Merkmals der Freiwilligkeit eingeordnete Aufnahme von Ermittlungen durch die zuständige Behörde entgegenstehen. Durch das Abstellen auf die Bekanntgabe bindet im Steuerordnungswidrigkeitenrecht aber  – im Gegensatz zu § 22 Abs. 4 S. 2 AWG – schon das Gesetz in den Ausschlussgrund der Selbstanzeige ein subjektives Moment insofern ein, als die tätige Reue erst bei Wissen beziehungsweise Wissenmüssen des Täters von der Ermittlungsaufnahme gesperrt ist und nicht bereits durch die rein objektive Beschäftigung der Finanzbehörden mit der Gesetzesverletzung. Hierin divergiert die bisherige Gesetzesfassung des § 22 Abs. 4 S. 2 AWG von § 378 26  Tätigkeitsbericht

des Bundeskartellamts 2011 / 2012, S. 31 f.

224

3. Teil: Die unterschiedlichen Modelle der Selbstanzeigevorschriften

Abs. 3 AO27. Ansonsten steht die Aufnahme von Ermittlungen jedoch der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens gleich. Auch bei der Bonusregelung des Bundeskartellamts spielt der Aspekt behördlicher Ermittlungen eine Rolle, ist jedoch nicht als Ausschlussgrund ausgestaltet, sondern als zeitliche Komponente der Antragstellung28. Die Ausschlussgründe der Bonusanträge des Kartellrechts  – die alleinige Anführerschaft des Antragstellers, dessen Zwangsausübung zur Teilnahme auf andere und gegebenenfalls die bereits vorgenommene Gewährung eines Bußgelderlasses gegenüber einem anderen Kartellbeteiligten  – entspringen der speziellen „Kartellsituation“ und finden deshalb keine Entsprechung in den beiden anderen Selbstanzeigen des Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrechts29.

III. Rechtsnatur und Rechtsfolgen im Vergleich Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Bonusregelung einerseits und den Vorschriften nach § 378 Abs. 3 AO und § 22 Abs. 4 AWG andererseits ist im Hinblick auf den Aspekt der Rechtsnatur auszumachen. Bei den Selbstanzeigeregelungen des Steuer- und Außenwirtschaftsrechts handelt es sich um formelle Gesetze, die Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 ist eine „bloße“ Verwaltungsvorschrift. Dies hat zwar für die behördliche Entscheidung im Fall des Eintritts von vollständiger Sanktionsfreiheit praktisch keine Auswirkungen; aus juristischer Sicht steht die Bonusregelung des Bundeskartellamts mit den anderen beiden Selbstanzeigeregelungen jedoch damit zumindest formal nicht auf der gleichen Ebene. Dies zeigt sich auch an Folgendem: Auf Rechtsfolgenseite bleibt in Anwendung der kartellrechtlichen Bonusregelung Raum für behördliches Ermessen. Nach der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 kommt ein abgestuftes Bebußungssystem30 zum Tragen, nach dem nur nach einer Art des Bonusantrags zwingend die Bebußung entfällt31, es ansonsten aber je nach Gewicht und zeitlichem Rang des Aufklärungsbeitrags auch nur zu einer Reduzierung der Geldbuße kommen kann. Dies resultiert auch aus dem Umstand, dass bei den von der Bonusregelung umfassten Kartellverstößen immer mehrere natür­ 27  Zur Kritik an der Konzeption der Norm, nicht auch ausdrücklich auf die Kenntnis beziehungsweise das Kennenmüssen des Außenwirtschaftsbeteiligten von der Ermittlungsaufnahme abzustellen, vgl. bereits unter 2. Teil, C. II. 6. d) cc). 28  Siehe unter 2. Teil, B. II. 2. a) aa) und b) aa). 29  Hierzu bereits unter 2. Teil, B. II. 2. a) cc). 30  Hierzu unter 2. Teil, B. III 1. 31  Dies gilt für den Bonusantrag nach Randnummer 3 der Bekanntmachung Nr. 9 /  2006, vgl. 2. Teil, B. III 1.



A. Analyse und vergleichende Gegenüberstellung der Selbstanzeigen225

liche oder juristische Personen beteiligt sind. Die Sondersituation des Kartells kann hiermit auch bei den Rechtsfolgen wieder durchgreifen. Die obligatorische Rechtsfolge der Bußgeldfreiheit bei steuerordnungswidrigkeitenund außenwirtschaftsrechtlicher Selbstanzeige ist demgegenüber in jedem Fall vorgegeben. Trotzdem sind die Selbstanzeigeregelungen nach § 378 Abs. 3 AO und § 22 Abs. 4 AWG verschieden zu qualifizieren und deshalb in ihrer jeweiligen persönlichen und sachlichen Reichweite unterschiedlich. Die verfolgungsverhindernde Selbstanzeige nach dem Außenwirtschaftsrecht stellt unter Zugrundelegung der hiesigen Ansicht ein Verfahrenshindernis dar, das seine Wirkungen in persönlicher und sachlicher Hinsicht nicht auf den Anzeigeerstatter selbst oder die Ordnungswidrigkeit nach § 19 Abs. 3 bis 5 AWG beschränkt. Nach der Selbstanzeige des Steuerordnungswidrigkeitenrechts hingegen, die als persönlicher Bußgeldaufhebungsgrund einzuordnen ist, wird nur dem Anzeigeerstatter die Geldbuße erlassen und nur von der Verfolgung des Fehlverhaltens als Ordnungswidrigkeit nach § 378 Abs. 1 AO abgesehen32. Die sachliche Reichweite der Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 begrenzt sich ebenfalls auf die zugrundeliegende Kartellordnungswidrigkeit. In persönlicher Hinsicht kommt ein Bonusantrag des Unternehmens aber wie bei § 22 Abs. 4 AWG auch seinen Mitarbeitern zugute, es sei denn, der Antrag wird von einer natürlichen, nicht vertretungsberechtigten Person nur für sie selbst gestellt. In Bezug auf die Rechtsfolgen werden für die drei Selbstanzeigen des Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrechts damit völlig unterschiedliche Wege beschritten.

IV. Conclusio: Unterschiedliche „Modelle“ in gemeinsamem System Wie gezeigt, sind die Regelungen zu Selbstanzeigen im (Wirtschafts-) Ordnungswidrigkeitenrecht vor sehr verschiedenen Hintergründen entstanden. Dies wird auch aus dem vorstehenden Vergleich immer wieder anhand ihrer Besonderheiten und Differenzen in Ratio, Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen deutlich. Man könnte sagen, sie bilden aufgrund ihrer „Eigenheiten“ unterschiedliche „Modelle“ von Selbstanzeigen.

32  Zum Wiederaufleben anderer Ordnungswidrigkeitentatbestände bei Eingreifen des § 378 Abs. 3 AO siehe 2.  Teil, A.  III. Zu den sonstigen leichtfertigen Taten, die von § 378 Abs. 3 AO erfasst sein können, vgl. 2. Teil, A. II. 1.

226

3. Teil: Die unterschiedlichen Modelle der Selbstanzeigevorschriften

1. Das „Fiskal-Modell“ Orientiert am zu schützenden Rechtsgut zielt die Selbstanzeige des Steuerordnungswidrigkeitenrechts darauf ab, steuerlich erhebliche Sachverhalte richtig zu stellen, um dem Staat Zugang zu ihm zustehenden Steuereinnahmen zu verschaffen. Die Anforderungen an den Anzeigeerstatter sind niedriger als für die Schwestervorschrift des § 371 AO und heben sich gegenüber den anderen Selbstanzeigen des Kartell- und Außenwirtschaftsrechts nicht in wesentlichen Aspekten ab. Als persönlicher Bußgeldaufhebungsgrund ist die Vorschrift in ihren Wirkungen dafür aber auch etwas begrenzter. Sie zeichnet sich außerdem vor allem durch ihren fiskalischen Aspekt und ihren Bezug auf leichtfertiges Fehlverhalten aus. Eine Benennung als „Fiskal-Modell“ kann deshalb als treffend erscheinen. 2. Das „verwaltungsinterne Bonus-Modell“ Einen anderen Schwerpunkt setzt die Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 mit ihren verschiedenen Bonusanträgen. Sie ist geprägt von einem abgestuften, detailliert gestalteten Anreizsystem mit der Aussicht auf einen umfangreichen „Bonus“ im „Wettstreit mehrerer Kartellbeteiligter“. Neben den teils hieraus resultierenden, hinsichtlich ihrer Tatbestandselemente bestehenden Differenzen zu den Selbstanzeigen im Steuer- und Außenwirtschaftsrecht, wie der möglichen Umkehr des Verstoßes oder ihrer Ausschlussgründe, weist sie außerdem die hervorstehende Besonderheit auf als Verwaltungsvorschrift ausgestaltet zu sein. So kann sie als „verwaltungsinternes Bonus-Modell“ bezeichnet werden. 3. Das „Compliance-Modell“ Mit den Elementen der Freiwilligkeit, der Eigenaufdeckung und dem Ergreifen von zukünftig wirkenden Maßnahmen stellt die Selbstanzeigenorm des Außenwirtschaftsrechts über die anderen Regelungen hinausgehende, vergleichsweise hohe Anforderungen für die Gewährung von Bußgeldfreiheit, obwohl ihr die schwächeren Verstöße zugrunde liegen und die subjektivkriminelle Tendenz somit am geringsten ist. Unter dem Blickwinkel der größeren personellen und sachlichen Reichweite von § 22 Abs. 4 AWG mag dies indes gerechtfertigt erscheinen. Außerdem stehen hinter all dem immer das maßgebliche Ziel und die Erwägung der Compliance-Förderung. Dieser Zentralaspekt kann deshalb den Anlass für die simple Beschreibung als „Compliance-Modell“ liefern.



B. Überlegungen zur Schaffung weiterer Selbstanzeigeregelungen227

4. Ergebnis Freilich steht hinter den drei Modellen nicht in der Weise ein gemeinsames Gesamtkonzept, dass sie alle einen einheitlichen regelungstechnischen Ursprung hätten oder ihre Schaffung von der Intention eines Gleichklangs zwischen den Selbstanzeigevorschriften mitbestimmt wäre. Sie sind nach den jeweiligen Bedürfnissen ihres Rechtsbereichs ausgestaltet und deshalb in ihren Einzelheiten teils sehr unterschiedlich. Eine Zusammenführung in einer gesamtkonzeptionalen Vorschrift ist daher kaum möglich. Auch wenn die Regelungen aber nicht unbedingt eine Grundlage für eine allgemeine, einheitliche Selbstanzeigeregelung im Wirtschaftordnungswidrigkeitenrecht schaffen können, so finden sich in ihnen nichtsdestotrotz pa­ rallele Strukturen. Sie sind im Wesentlichen von den gleichen Grundgedanken getragen, von denjenigen, die allen Vorschriften zur tätigen Reue anhaften, und passen damit in die große Gruppe dieser Art von Regelungen. Sie weisen einige gemeinsame Elemente auf und fügen sich dadurch zumindest in das Gesamtsystem tätiger Reue ein. Ein System, das sich in den Voraussetzungen jedes Rechtsinstituts tätiger Reue, egal, ob dem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht entstammend, wiedererkennen lässt. So gelangt man im Ergebnis bei den bisher einzigen drei Regelungen von Selbstanzeigen im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht zu im Detail unterschiedlichen, bezüglich ihrer grundsätzlichen strukturellen Merkmale jedoch immerhin ähnlichen Modellen von Selbstanzeigen im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht mit rechtsbereichsabhängigen Besonderheiten. Diese Modelle können daher trotzdem eine Grundlage für die Überlegung bilden, auch für weitere Ordnungswidrigkeitentatbestände Selbstanzeigen einzuführen.

B. Überlegungen zur Schaffung weiterer Selbstanzeigeregelungen Aufgrund der identifizierten Gemeinsamkeiten der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Selbstanzeigen erscheint die Frage nach einer Übertragungsmöglichkeit auf weitere Tatbestände im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht berechtigt, ja eine etwaige Kritik an ihrer Ausnahmestellung mag gerade auf der Hand liegen – vor allem vor dem Hintergrund der Schaffung der neueren Selbstanzeigevorschrift des Außenwirtschaftsrechts. Dieser Fragestellung soll deshalb hier nachgegangen werden. Dabei erhebt diese Arbeit nicht den Anspruch im Sinne von Vollständigkeit für jedwede Wirtschaftsordnungswidrigkeit im Einzelnen zu bestimmen, ob sie einer Selbstanzeigeregelung zugänglich ist oder gar bedarf, sondern will vielmehr einen bisher nicht in der Literatur vorgefundenen Denkanstoß

228

3. Teil: Die unterschiedlichen Modelle der Selbstanzeigevorschriften

geben und auf der Basis der bis hierhin in der Arbeit gefundenen Ergebnisse eine erste Diskussionsgrundlage dafür liefern, ob es für den Weg der Einführung weiterer Selbstanzeigen oder sogar einer solchen allgemeiner Natur für das Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht gute Argumente gibt.

I. Potenzielle Zieldelikte als Bezugspunkte der Übertragbarkeit Dennoch kommt zunächst die Frage auf, welche Ordnungswidrigkeiten überhaupt noch Gegenstand einer Selbstanzeigeregelung sein könnten. Im Bereich des Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrechts gibt es außer den Rechtsverstößen, die den hier erörterten Selbstanzeigeregelungen zugrunde liegen, selbstverständlich noch viele weitere Ordnungswidrigkeitentatbestände, die Form- und Verfahrensfehler bei Abläufen im Wirtschaftsverkehr oder aber auch materielle Verstöße sanktionieren. Auch für diese könnte die Schaffung einer entsprechenden Selbstanzeigeregelung oder einer allgemeinen Vorschrift sinnvoll sein. So seien hier zumindest exemplarisch einige „Ziel­ delikte“ aufgeführt, die einen potenziellen Anwendungsbereich für eine Übertragung der gefundenen Grundsätze bilden könnten. Zumindest grundsätzlich in Betracht ziehen ließen sich: – Verstöße gegen das Aktienrecht durch die unbefugte Aktienausgabe oder andere Verhaltensweisen im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Ausgabe von Aktien, die zweckwidrige Verwendung von Aktien, oder die Verletzung von Angabe- und Mitteilungspflichten nach § 405 Abs. 1 bis 3 AktG; – Zuwiderhandlungen gegen die zahlreichen Mitteilungs-, Übermittlungs-, Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten des Wertpapierhandelsrechts und dessen Verbote bei Wertpapierhandelsgeschäften nach § 39 Abs. 1 bis 2b WpHG; – Zuwiderhandlungen gegen vollziehbare Anordnungen oder gegen Anzeige-, Veröffentlichungs- und Bereitstellungspflichten nach Börsenrecht gemäß § 50 Abs. 1 bis 2a BörsG; – Ordnungswidrigkeiten nach Handelsrecht bei der Aufstellung und Feststellung von Jahres- und Konzernabschlüssen oder von Zahlungs- und Konzernberichten, und Auskunfts- und Vorlagepflichtverstöße gegenüber der Prüfstelle nach §§ 334 Abs. 1 und 2, 341n Abs. 1 und 2, 341x Abs. 1, 342e Abs. 1 HGB; – Verstöße gegen datenschutzrechtliche Meldungs-, Bestellungs-, Organisations-, Unterrichtungs-, Aufzeichnungs- und Speicherpflichten oder die unbefugte Verwertung, Verarbeitung, Bereithaltung oder Nutzung personenbezogener Daten nach § 43 Abs. 1 und 2 BDSG;



B. Überlegungen zur Schaffung weiterer Selbstanzeigeregelungen229

– Verletzungen von Anzeige-, Informations-, Mittei- lungs-, Auflagebeachtungs-, Genehmigungs-, Melde-, Aufbewahrungs-, Kennzeichnungs-, Vernichtungs-, Duldungs- und Mitwirkungspflichten im Zusammenhang mit dem Verkehr mit Betäubungsmitteln gemäß § 32 Abs. 1 BtMG; – Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit der Verbringung von Abfällen, etwa durch die verbotene Vermischung oder Ausfuhr von Abfällen, den Verstoß gegen Übermittlungs-, Mitführungs-, Unterrichtungs- und Aufbewahrungspflichten in Bezug auf Unterlagen nach §§ 1,  2 AbfVerbr­ BußV; – und die nicht von vornherein auszunehmenden Ordnungswidrigkeiten nach §§ 130, 30 OWiG. Ob für die genannten Beispiele sowie für weitere potenziell für eine Selbstanzeigevorschrift in Betracht kommende Ordnungswidrigkeiten im Ergebnis tatsächlich eine Selbstanzeigeregelung sachgerecht erscheint, muss Gegenstand einer detaillierten Prüfung und Abwägung des Einzelfalls sein. Jedenfalls werden bei der Betrachtung der angeführten Beispiele potenzieller ­Zieldelikte aber bereits verschiedene grundsätzliche Differenzierungsmöglichkeiten zur Anwendung von Selbstanzeigeregelungen auf (Wirtschafts-) Ordnungswidrigkeiten deutlich: Selbstanzeigen ließen sich entweder für fahrlässige und vorsätzliche Ordnungswidrigkeiten, also ganz allgemein, oder bloß für fahrlässiges Fehlverhalten erwägen. Anknüpfungspunkt könnten jedoch auch bloß formelle Verstöße sein, unabhängig davon, ob diese fahrlässig oder vorsätzlich geschehen sind, oder ausschließlich formelle fahrlässige Ordnungswidrigkeitentatbestände. Welcher Weg der überzeugendste ist, könnte anhand der Argumente zu beantworten sein, die für und wider eine Schaffung weiterer Selbstanzeige­ regelungen im Ordnungswidrigkeitenrecht angebracht werden können.

II. Mögliche Ansätze in einer Diskussion zur Schaffung weiterer Selbstanzeigevorschriften 1. Übertragbare Ratio legis Als erstes können die Zweckerwägungen als Ausgangspunkt der bestehenden Selbstanzeigeregelungen argumentativ verwendet werden. Vor allem der Gesichtspunkt der Compliance-Förderung in Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde, der bei § 22 Abs. 4 AWG im Mittelpunkt steht, dürfte einer Übertragung auf einige Konstellationen im Wirtschaftsverkehr, in denen Ordnungswidrigkeiten fahrlässig begangen werden, fähig sein. Das Ziel Unternehmen und deren Mitarbeiter zur Befolgung und Einhaltung

230

3. Teil: Die unterschiedlichen Modelle der Selbstanzeigevorschriften

des geltenden Rechts anzuhalten, ist der universal gültige Anspruch jedweder gesetzlichen Regelung, insbesondere von Ordnungs- und Bußgeldvorschriften, und kann damit im Sinne jeder dieser Verhaltensanweisungen geltend gemacht werden. Ob im Aktienrecht, im Abfallrecht oder etwa im Zusammenhang mit Wertpapierhandelsgeschäften: Auch in diesen Rechtsbereichen ist eine bestehende Compliance-Struktur des Wirtschaftsbeteiligten eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass Unternehmensabläufe im Einklang mit dem Recht und damit in nicht unternehmensschädigender Weise erfolgen. Ebenso würde hier die mit den schon existierenden Selbstanzeigemöglichkeiten angestrebte Anreizwirkung zur Rückkehr in die Legalität geschaffen werden. Der vor allem für die kartell- und die steuerrechtlichen Selbstanzeigen relevante Aspekt des staatlichen Ermittlungsdefizits in dem Sinne, dass der Staat einer im Verborgenen stattfindenden, von Heimlichkeit geprägten Verhaltensweise gegenübersteht, ist nicht ohne Weiteres verallgemeinerungsfähig. Zumindest stellt die Erlangung von Informationen über rechtswidrige Taten im Wege einer Selbstanzeige jedoch aus behördlicher Sicht immer eine Erleichterung im Hinblick auf einen sonst notwendigen Ermittlungsaufwand und die ohnehin knappen staatlichen personellen und finanziellen Ressourcen dar. Soweit es bei anderen Wirtschaftsordnungswidrigkeiten möglich ist die mit ihnen verbundenen Gefahren und Schäden rückgängig zu machen oder aufzuheben, können auch bei diesen die Honorierung der Umkehr beziehungsweise der Wiedergutmachung des Fehlers eine Rolle spielen, auch wenn diese als Erklärungsansätze der Ratio von Selbstanzeigeregelungen hier nicht favorisiert werden33. Damit sind einige der Erwägungen, die den drei bereits existierenden Vorschriften zu Selbstanzeigen im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht zugrunde liegen, grundsätzlich übertragbar und könnten eine Rechtfertigung für weitere Vorschriften dieser Art bilden, wobei die Regelung nach § 22 Abs. 4 AWG wegen ihres allgemeingültigen Fokus der Compliance am ehesten als Vorbild dienen kann. 2. Erst-Recht-Schluss aus dem Verhältnis von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten Das schon eingangs erwähnte Verhältnis von Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht34 mag nicht nur eine Grundlage für eine parallele Betrachtung 33  Vgl. 34  Vgl.

hierzu 1. Teil, C. I. 1. und 2. Teil, C. I. Einleitung, 2.



B. Überlegungen zur Schaffung weiterer Selbstanzeigeregelungen231

von Selbstanzeigeregelungen zu liefern, sondern auch ein Argument für die Beantwortung der Frage nach einer Ausweitung von Selbstanzeigemöglichkeiten im Ordnungswidrigkeitenrecht. Wie beschrieben35, stehen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zumindest grundsätzlich in einem quantitativen Verhältnis. Während die Straftat aber mit einem sozial-ethischen Unwerturteil und einem Schuldvorwurf verbunden ist, sollen mit Ordnungswidrigkeiten nicht strafwürdige Gesetzesverletzungen mit minder schwerem Unrechtsgehalt geahndet werden36. Betrachtet man die hier aufgeführte Vielzahl von Möglichkeiten, die für Täter strafrechtlicher Delikte bestehen durch nachtatliches Umkehrverhalten Sanktionsfreiheit zu erlangen37, muss man unwillkürlich bei einer Gegenüberstellung wie der hiesigen zu dem folgenden Gedanken gelangen: Wenn schon für einige Delikte im Bereich des Kriminalunrechts Selbstanzeigeinstitute zur Verfügung stehen und von Sanktionierung oder Verfolgung abgesehen werden kann, dann sollte diese Möglichkeit erst Recht dem Täter einer Ordnungswidrigkeit, dem nach der geltenden Rechtsordnung als leichter und hinnehmbarer eingestuften Gesetzesverstoß, geboten werden. Sein Verhalten erschüttert nicht in gleichem Maße die Rechtsordnung. Auch wenn zwar nicht für den gesamten Bereich des Strafrechts Selbstanzeigemöglichkeiten existieren, so liegt dies zumindest für Ordnungswidrigkeiten insgesamt nicht völlig fern. Fragt man nach dem Grund, warum sich bisher Selbstanzeigen und tätige Reue im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts nicht ebenso weit verbreitet haben, bestätigt sich sehr schnell die Vermutung, dass dem kein gesetzgeberisch systematisch durchdachtes Konzept zugrunde liegt, sondern rein rechtspolitische Zweckerwägungen im Vordergrund stehen: Für die Delikte, für die gesetzgeberisch eine strafrechtliche Selbstanzeige vorgesehen ist, und in den entsprechenden Fällen des Steuer- und Kartellordnungswidrigkeitenrechts sollen aus fiskalischen beziehungsweise ermittlungsdefizitären Gründen aus staatlicher Sicht unbedingt die notwendigen Informationen zur Verfolgung der Gesetzesverletzungen erlangt werden. Das heißt, aus gesetzgeberischer Sicht sprechen vor allem praktische Gründe der Erforderlichkeit für die „Gestattung“ einer Selbstanzeigemöglichkeit beziehungsweise einen Anreiz zur Aufklärung der Tat über den Weg einer tätigen Reue. Dies sollte aber aus dogmatischer Sicht nicht dazu führen, dass Täter von leichteren Delikten, insbesondere Ordnungswidrigkeiten, bei denen derartige rechtspolitische Erwägungen nicht anschlagen, von vornherein nicht für sol35  Vgl.

Einleitung, 2. Einleitung, 2. 37  Vgl. 1. Teil. 36  Vgl.

232

3. Teil: Die unterschiedlichen Modelle der Selbstanzeigevorschriften

che rechtlichen Instrumentarien in Betracht gezogen werden und gerade besonders konspirativ-kriminelle Handlungsweisen eine „Vorzugsbehandlung“ gegenüber solchen Rechtsverstößen erhalten, die die Rechtsordnung weniger beeinträchtigen. Dies vermag ansonsten den Vorwurf des zufälligen und willkürlichen Einsatzes des Rechtsinstituts der Selbstanzeige zu verstärken. Für die Ordnungswidrigkeit ist insbesondere, wie zutreffend angeführt wird, zu berücksichtigen, dass es bei ihrer Verfolgung nicht darum geht eine Tat zu „sühnen“, so dass es  – anders als bei einer Straftat  – nicht von vornherein unerträglich erscheint, von der Verfolgung bereits abzusehen, wenn diese im Verhältnis zur Bedeutung des Verstoßes zu aufwändig wäre38. Der Einwand des verminderten Unrechtsgehalts von Ordnungswidrigkeiten spricht daher für eine Übertragbarkeit der Grundgedanken der Selbstanzeige auf den gesamten Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts. 3. Verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Ausweitung von Selbstanzeigeregelungen unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung? Ein weiterer Gesichtspunkt, der dafür sprechen könnte auch für weitere Ordnungswidrigkeitentatbestände eine ausdrücklich geregelte Selbstanzeige einzuführen, ist derjenige der Gleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG. Es könnte eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung anzunehmen sein, wenn das Gesetz oder zumindest eine untergesetzliche Norm wie eine Verwaltungsvorschrift den Tätern bestimmter weniger Wirtschaftsordnungswidrigkeiten Bußgeldfreiheit verspricht, den Tätern anderer Ordnungswidrigkeiten diese Privilegierung hingegen nicht beziehungsweise nur unter den Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 S. 1 OWiG zuteil werden lässt. Wenn bei anderen Wirtschaftsordnungswidrigkeiten, die den Grundtatbeständen der hier dargestellten Selbstanzeigeregelungen ähnlich sind, ebenso etwa ein Ermittlungsnotstand herrscht, eine Anreizwirkung zur Offenbarung dem Staat ansonsten eventuell unbekannt bleibender Informationen geschaffen werden soll oder das Ziel der Compliance-Förderung im Fokus steht, erscheint der Einwand berechtigt, wieso Tätern derartiger Bußgeldnormen nicht ebenfalls eine ausdrückliche Selbstanzeigevorschrift zur Verfügung steht. Der allgemeine Gleichheitssatz gilt als verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Be-

38  Seitz,

in: Göhler, OWiG, § 47 Rn. 3.



B. Überlegungen zur Schaffung weiterer Selbstanzeigeregelungen233

handlung rechtfertigen könnten39. Nach Art. 3 Abs. 1 GG muss wesentlich Gleiches gleich, und darf nur wesentlich Ungleiches auch ungleich behandelt werden40. Letzteres ist allerdings auch nur bei Bestehen eines sich „aus der Natur der Sache ergebenden“ sachlichen Grundes für die Differenzierung gerechtfertigt, also nicht im Falle von Willkür41. Hiervon soll aber nicht bereits dann ausgegangen werden, wenn der Gesetzgeber unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste oder vernünftigste gewählt hat, oder es an dogmatisch überzeugenden oder systematisch „richtigen“ Gründen mangelt, sondern erst, wenn sich ein sachgerechter Grund überhaupt nicht finden lässt42. Bei der Bestimmung des sachlichen Grundes steht dem Gesetzgeber mithin ein gewisser Gestaltungsspielraum zu43, so dass nur bei evidenter Unsachlichkeit von einer Verletzung des Gleichheitssatzes auszugehen sein wird44. Für den Fall, dass sich für die hiesige Betrachtung aufgrund einer näheren Analyse potenziell relevanter und vergleichbarer Wirtschaftsordnungswidrigkeiten eine Ungleichbehandlung herausstellen würde, ließe sich hinsichtlich des Bestehens eines sachlichen Grundes argumentieren, dass es dem Gesetzgeber frei steht mit nachvollziehbarer Begründung über die Notwendigkeit einer Selbstanzeigeregelung für den Einzelfall des jeweiligen Ordnungswidrigkeitentatbestandes zu bestimmen. Es ist ihm nicht verwehrt Bußgeldfreiheit für bestimmte Handlungen zu gewähren, einzelne Deliktsgruppen von einer generellen Regelung auszunehmen oder für bestimmte Tatbestände eine Sonderregelung zu treffen45. Ob demnach mangels sachlicher Gründe bei den derzeitigen gesetzlichen Gegebenheiten zu Selbstanzeigen im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht von einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung auszugehen ist, ist eine im Einzelfall zu beantwortende Wertungsfrage und kann hier daher nicht für die Vielzahl aller potenziell relevanten Wirtschaftsordnungswidrigkeiten entschieden, sondern nur allgemein angestoßen werden, sollte aber in eine ausführliche Diskussion einbezogen werden. Dem Täter einer Wirtschaftsordnungswidrigkeit steht zumindest nicht von vornhe-

39  BVerfGE

111, 115 (137); BVerfGE 117, 272 (300 f.). 122, 268 (279); BVerfGE 116, 164 (180). 41  BVerfGE 1, 14 (52); ausführlich zum Verständnis des sachlichen Grundes Kirchof, in: Maunz / Dürig, Art. 3 GG Rn. 383 ff. 42  BVerfGE 55, 72 (90); Kischel, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 3  Rn. 30, mit weiteren Nachweisen. 43  BVerfGE 99, 165 (177 f.); BVerfGE 106, 166 (175 f.); BVerfGE 111, 176 (184); BVerfGE 130, 240 (254). 44  BVerfGE 55, 72 (90); Kischel, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 30. 45  So BVerfG, wistra 1997, 297 (298), zur Straffreiheit aufgrund der steuerstrafrechtlichen Selbstanzeige im Vergleich zur Steuergefährdung nach § 379 AO. 40  BVerfGE

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3. Teil: Die unterschiedlichen Modelle der Selbstanzeigevorschriften

rein ein „Anspruch“ auf eine – zum Teil ja sogar kritisch bewertete – Privilegierung der Art einer Selbstanzeige zu. 4. Vorzugswürdigkeit einer gesetzlichen Regelung vor einer Berücksichtigung von Selbstanzeigen nach § 47 OWiG? Wie bereits angeführt46, können und müssen Selbstanzeigen als relevantes Nachtatverhalten unabhängig von dem Bestehen einer gesetzlichen Selbstanzeigevorschrift bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten wegen § 47 Abs. 1 S. 1 OWiG ohnehin Berücksichtigung finden. § 47 Abs. 1 S. 1 OWiG könnte daher als bereits ausreichende Möglichkeit angesehen werden, dem Umkehrbemühen eines Wirtschaftsbeteiligten Rechnung zu tragen. Der der jeweiligen Behörde zustehende Ermessensspielraum erlaubt ihr das Fällen von gerechten Einzelfallentscheidungen und lässt Raum für eventuelle Verhandlungen zwischen Selbstanzeigeerstatter und Behörde. Außerdem ist eine Behandlung von Selbstanzeigen über § 47 OWiG einem gegebenenfalls sich ändernden Rechtsverständnis einfacher zugänglich als ein Gesetz und steht daher für eine größere Flexibilität. Diese Vorteile stellen jedoch auch gleichzeitig eine Kehrseite der Medaille dar. Der sich selbst Anzeigende kann nie von vornherein genau wissen, inwieweit seine Selbstanzeigebemühungen tatsächlich berücksichtigt werden. Im Falle eines automatischen Eintritts von Bußgeld- beziehungsweise Sanktionsfreiheit durch eine ausdrückliche Gesetzesvorschrift wäre der Anzeige erstattende Wirtschaftsbeteiligte hingegen nicht von einer individuellen Entscheidung eines Behördenmitarbeiters abhängig. Aus derartigen Entscheidungen können sich zudem – zumindest eher als bei einer gesetzlich im Ergebnis vorgegebenen Entscheidung – Ungleichbehandlungen gleicher Fälle durch unterschiedliche oder auch die identischen Behörden ergeben. Eine gesetzlich verankerte, die Vo­raussetzungen und Rechtsfolgen einer Selbstanzeige genau bestimmende Vorschrift bietet dem Anzeigeerstatter eine bessere Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der sich aus seiner Selbstbezichtigung ergebenden Konsequenzen. Somit sprechen vor allem Gründe der Rechtssicherheit grundsätzlich für die Erwägung einer Selbstanzeigeregelung in Gesetzesform. Als Alternative zu einer Gesetzesvorschrift böte sich indes auch die Regelung in Verwaltungsvorschriften wie im Falle der sogenannten Bonusregelung des Kartellrechts an, ohne dass also der Gesetzgeber bemüht werden müsste. Auch in einer Verwaltungsvorschrift kann die zu treffende Behördenentscheidung derart festgelegt werden, dass es sich im Ergebnis um eine gebundene Entscheidung handelt, wie etwa nach Randnummer 3 der Bekannt46  Siehe

2. Teil, einführende Erläuterungen.



B. Überlegungen zur Schaffung weiterer Selbstanzeigeregelungen235

machung Nr. 9 / 200647. Hiedurch kann eine gewisse Rechtssicherheit erzeugt werden. Auch bei einer gesetzlichen Selbstanzeigeregelung kann Rechtsunsicherheit über das Eingreifen der Privilegierung bestehen, wenn die Erfüllung der notwendigen Wirksamkeitsvoraussetzungen im Einzelfall unklar oder umstritten ist. Wie die Bonusregelung des Bundeskartellamts zeigt, haben Verwaltungsvorschriften gleichzeitig den Vorteil, dass sehr detaillierte, für unterschiedliche Einzelfälle durchdachte Regelungen erfolgen können, wie dies mit einer gesetzlichen Bestimmung kaum umsetzbar wäre. Allerdings weist der Weg über Verwaltungsvorschriften unter dem Blickwinkel der Rechtssicherheit für den Anzeigeerstatter zumindest rechtsdogmatisch möglicherweise einen anderen Nachteil auf: Ist eine behördliche Entscheidung trotz Selbstanzeigeverhalten des Täters entgegen des Anwendungsbereichs einer Verwaltungsrichtlinie für die Verhängung einer Geldbuße getroffen worden, ist diese – im Gegensatz zu einer Entscheidung aufgrund eines Gesetzes, das die Voraussetzungen des Eintritts von Bußgeldfreiheit bei Selbstanzeige auch für ein Gericht verbindlich festlegt  – nicht auf die gleiche Art justiziabel48. Das praktische Ergebnis einer gerichtlichen Entscheidung wird aus diesem Grund wohl trotzdem mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht anders sein. Sollte hiernach der Weg einer gesetzlichen Regelung gleichwohl zu favorisieren sein, stellt sich noch die Frage, ob diese in Form von Einzelvorschriften oder einer allgemeinen Selbstanzeigevorschrift für das Ordnungswidrigkeitenrecht erfolgen sollte. Viele, über unterschiedliche Gesetze verstreute, unter Umständen deshalb auch ungleichartige Einzelregelungen zu Selbstanzeigen könnten wie im Strafrecht zu einer Art „Flickenteppich tätiger Reue“ führen, der als Ergebnis „gesetzgeberischer Regelungswut“ eingeordnet zu werden droht. Im Strafrecht haben der Einsatz einer Vielzahl von Einzelregelungen und eine fehlende einheitliche Konzeption, wie bereits erwähnt49, schon häufig zu Kritik geführt. Dem kann jedoch entgegengehalten werden, dass bereichsspezifische Regelungen wie die hier dargestellten Vorschriften aus dem Steuer-, Kartell- und Außenwirtschaftsrecht den Gegebenheiten und Anforderungen des betreffenden juristischen Lebensbereichs besser gerecht werden können. Ratio legis der jeweils zugrundeliegenden ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verhaltensnorm, die Art des Verstoßes oder auch rechtspolitische Erwägungen können es sinnvoll erscheinen lassen, die Wirksamkeit einer Selbstanzeige von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen oder ihr weitere Ausschlussgründe entgegenzusetzen, wie etwa im „Wettlauf der Kartellanten“ das Erfordernis der erste Anzeigende zu sein und 47  Vgl.

2. Teil, B. III. 1. hierzu 2. Teil, B. I. 2. 49  Vgl. 1. Teil, B. zur Tätigen Reue. 48  Siehe

236

3. Teil: Die unterschiedlichen Modelle der Selbstanzeigevorschriften

nicht der alleinige Anführer des Kartells50, die Normierung des Ausschlussgrundes der Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bei § 378 Abs. 3 AO51, oder dem Erfordernis des Ergreifens angemessener Maßnahmen zu Verhinderung künftiger Verstöße nach § 22 Abs. 4 S. 1 AWG52. Eine allgemeine Selbstanzeigeregelung könnte hierauf schwerlich Rücksicht nehmen. Mit der Bildung von Analogien zu den bestehenden Selbstanzeigeregelungen könnte ebenfalls keine Auflösung eines etwaigen Bedürfnisses nach Möglichkeiten, auch in weiteren Bereichen des Ordnungswidrigkeitenrechts Sanktionsfreiheit durch Selbstanzeige zu erlangen, erreicht werden. Selbst bei gegebenenfalls vorliegender vergleichbarer Interessenlage bestünde mangels planwidriger Regelungslücke kein Raum für eine analoge Anwendung von § 378 Abs. 3 AO oder § 22 Abs. 4 AWG. 5. Rechtspolitische Erwägungen In Überlegungen zu der Einführung neuer Normen beziehungsweise – für den Fall, dass aus gesetzgeberischer Sicht die besseren Argumente für eine allgemeine Selbstanzeigeregelung sprächen  – einer allgemeinen Norm werden immer auch rechtspolitsche Erwägungen einfließen müssen. Welches Signal ginge demnach von einer Ausweitung von Selbstanzeigemöglichkeiten im (Wirtschafts-)Ordnungswidrigkeitenrecht aus? Aus Sicht der betroffenen und potenziellen Täter von Ordnungswidrigkeiten zunächst ein Positives. Der Gesetzgeber würde den von staatlicher Seite bestehenden Willen zu engerer Zusammenarbeit mit Wirtschaftsbeteiligten im Sinne eines allgemeinen Ziels der Compliance-Förderung bekräftigen und ein gewisses Entgegenkommen und Wohlwollen gegenüber den sich oft mit einer Flut von einzuhaltenden Regelungen konfrontierten Teilnehmern des Wirtschaftsverkehrs zum Ausdruck bringen. Zudem könnte der Ermittlungsaufwand für Verwaltungsbehörden erheblich gemindert werden, wie dies auch bei der Bonusregelung des Kartellordnungswidrigkeitenrechts der Fall ist. Andererseits könnte eine Ausweitung der Selbstanzeigemöglichkeiten dazu anregen diese als Teil  einer „Verstoß-Taktik“ zu begreifen, die die Hemmschwelle zur Begehung der betroffenen Ordnungswidrigkeiten von vornherein herabsenkt. Im Zweifel könnte die zu vermeidende Ordnungswidrigkeit ruhig begangen werden, da ja in dem Wissen gehandelt werden kann, sich im Nachhinein ohnehin wieder „bußgeldfrei“ stellen zu können. Even­ 50  Vgl.

2. Teil, B. II. 2. a) aa) und bb). 2. Teil, A. II. 3. 52  Vgl. 2. Teil, C. II. 4. 51  Vgl.



B. Überlegungen zur Schaffung weiterer Selbstanzeigeregelungen237

tuell würden Täter dann auch reihenweise Selbstanzeige betreiben oder diese gar prophylaktisch einreichen, um sicher einer Ahndung zu entgehen. Dadurch hätten die Selbstanzeigeregelungen gegebenenfalls den gegenteiligen des gewünschten Effekts. Dem kann aber, wie sich aus den vorhergehenden Darstellungen ergibt, durch die Anknüpfung der Selbstanzeige an einzelne strenge Wirksamkeitsvoraussetzungen oder die Schaffung von Ausschlusstatbeständen entgegengewirkt werden. Vor allem die Tatentdeckung kann hierbei als effektives Ausschlusskriterium eingesetzt werden, denn wie bei Straftaten ist es wohl auch bei Ordnungswidrigkeiten meist nicht die drohende Ahndung, die zu einer Selbstbezichtigung antreiben würde, sondern die Angst vor einer Entdeckung. Einem befürchteten Missbrauch der Selbstanzeigemöglichkeiten ließe sich dadurch begegnen, dass man diese, wie bei § 22 Abs. 4 AWG, auf fahrlässige Ordnungswidrigkeitentatbestände beschränkt53. Dass jedenfalls praktischer Bedarf nach mehr Selbstanzeigemöglichkeiten, zumindest auf Unternehmensseite, besteht, zeigt der Gesetzgebungsvorschlag des Bundesverbandes der Unternehmensjuristen (BUJ) für eine Änderung der §§ 30, 130 OWiG vom April 201454. Dessen Fachgruppe Compliance, die den Vorschlag erarbeitet hat, gibt zu bedenken, dass wesentliche Fragen, wie der „Wert“ einer frühzeitigen Kooperation eines Unternehmens mit den Behörden oder die Bedeutung von Compliance-Maßnahmen zur Verhinderung von Fehlverhalten für die Haftung der Unternehmensleitung, de lege lata nicht geregelt seien und von unterschiedlichen Behörden in Deutschland unterschiedlich gehandhabt würden, was zu Rechtsunsicherheit im Umgang mit entdecktem Fehlverhalten führe55. Erst bei Setzung von Anreizen für Unternehmen, verstärkt in die (präventive) Einführung von Compliance-Maßnahmen oder die Aufklärung von intern entdeckten Gesetzesverstößen zu investieren, werde es aber zu einem entscheidenden Fortschritt bei der Bekämpfung beziehungsweise der Verhinderung von Wirtschaftskriminalität kommen56. Der BUJ regt deshalb an  – neben der Einführung eines gesetzli53  Freilich würde sich hieraus die bereits im 2.  Teil, C.  II.  2  a) aufgezeigte Problematik einer praktischen Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit ergeben. 54  Gesetzgebungsvorschlag für eine Änderung der §§ 30, 130 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) vom April 2014, abrufbar unter: http: /  / www.buj.net / re sources / Server / BUJ-Stellungnahmen / BUJ_Gesetzgebungsvorschlag_OWiG.pdf (zuletzt abgerufen am 18.06.2017). Zum Vorschlag und zur Thematik auch Beulke / Moosmayer, CCZ 2014, 146; Grützner, CCZ 2015, 56. 55  S. 5 des Gesetzgebungsvorschlags des BUJ; Beulke / Moosmayer, CCZ 2014, 146 (147). 56  S. 5 des Gesetzgebungsvorschlags des BUJ, in dem zudem darauf verwiesen wird, dass es in anderen Rechtsordnungen bereits gesetzliche Regelungen über Maßnahmen eines Compliance-Anreizsystems zur Verbesserung der Prävention und Aufklärung von Wirtschaftsstraftaten gibt; Beulke / Moosmayer, CCZ 2014, 146 (147).

238

3. Teil: Die unterschiedlichen Modelle der Selbstanzeigevorschriften

chen Milderungsgrundes57  – für juristische Personen und Personenvereinigungen eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige einzuführen und § 30 OWiG um einen weiteren Absatz  8 zu ergänzen58. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm ähneln sehr denjenigen des § 22 Abs. 4 AWG, da auch hier die Compliance-Förderung im Vordergrund steht. Auch wenn die gesetzliche Verankerung einer allgemeinen Selbstanzeige für Ordnungswidrigkeiten durch Unternehmen oder die Schaffung von diesbezüglichen Einzelregelungen wohl kaum der einzige Anreiz zur Compliance-Förderung in einem Unternehmen sein sollte  – vielmehr sollte das Bestehen der Gesetzesvorschrift schon für sich stehen  –, würde dies den Wirtschaftsbeteiligten immerhin eine sicherere Handlungsmöglichkeit zum Umgang mit eigenem Fehlverhalten eröffnen, ohne es freilich auszuschließen außerhalb des Bereichs einer ausdrücklichen Gesetzesvorschrift Selbstanzeige zu erstatten oder mit Behörden zu verhandeln.

57  Der Vorschlag für eine Neufassung eines § 30 Abs. 7 OWiG n. F., S. 8 des Gesetz-gebungsvorschlags des BUJ, lautet: „Bei der Zumessung der Geldbuße ist mildernd zu berücksichtigen, dass die Zuwiderhandlungen im Sinne des Absatzes  1 begangen wurden, obgleich die betroffene juristische Person oder Personenvereinigung die in § 130 Abs. 1 festgelegte Pflicht erfüllt hat. Gleiches gilt, sofern sie geeignete und angemessene organisatorische oder personelle Maßnahmen ergreift, um vergleichbare Zuwiderhandlungen künftig zu verhindern. Auf Verlangen hat die juristische Person oder Personenvereinigung darzulegen und glaubhaft zu machen, welche Maßnahmen sie zur Erfüllung der Voraussetzungen gem. Satz  1 oder Satz  2 ergriffen hat beziehungsweise ergreift. Sind die Vo­ raussetzungen des Satzes 1 oder 2 gegeben und ist infolge der Zuwiderhandlung kein bedeutender Schaden eingetreten oder wurde dieser zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht, kann von der Festsetzung einer Geldbuße gegen die juristische Person oder Personenvereinigung abgesehen werden. Auch die Anordnung des Verfalls nach den §§ 73 oder 73a des Strafgesetzbuches oder nach § 29a OWiG scheidet dann aus.“ 58  Der Vorschlag für eine Neufassung eines § 30 Abs. 8 OWiG  n. F., vgl. S. 8 und 16 des Gesetzgebungsvorschlags des BUJ, lautet: „Die Festsetzung einer Geldbuße gegen die juristische Person oder Personenvereinigung wegen anderer als der in § 81 GWB genannten Ordnungswidrigkeiten unterbleibt, wenn 1. diese der zuständigen Behörde die Zuwiderhandlung im Sinne des Absatzes  1 umfassend angezeigt und eine rechtliche gebotene Handlung unverzüglich nachgeholt hat, 2. diese geeignete und angemessene Maßnahme zur Verhinderung einer Zuwiderhandlung aus gleichem Grund ergreift, wobei sie die Maßnahmen auf Verlangen darzulegen und glaubhaft zu machen hat, und 3. die zuständige Behörde im Zeitpunkt der Anzeigeerstattung gegenüber der juristischen Person oder Personenvereinigung die Einleitung von Ermittlungen wegen der angezeigten Zuwiderhandlung noch nicht bekannt gegeben hat. Eine wirksame Selbstanzeige gemäß S. 1 schließt die Anordnung des Verfalls nach den §§ 73, 73a StGB, § 29a OWiG aus.“



B. Überlegungen zur Schaffung weiterer Selbstanzeigeregelungen239

III. Ergebnis Der vorgenommene Anstoß zu einer Diskussion zeigt, dass nach hiesiger Ansicht einige gute Argumente für die Übertragung bereits vorhandener Grundsätze zu Selbstanzeigen im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht und die Regelung weiterer Selbstanzeigemöglichkeiten in diesem Bereich sprechen. Zwingend ist diese Bewertung indes nicht. Die Beantwortung der Fragestellung ist letztendlich wohl vor allem auch von einer (rechts-)politischen Entscheidung abhängig. Zumindest bestünde, falls gewollt, mit den bislang wenigen bestehenden Selbstanzeigevorschriften zum jetzigen Zeitpunkt noch die Gelegenheit ein einheitliches System für Selbstanzeigen von Wirtschaftsordnungswidrigkeiten zu schaffen, um anders als im Strafrecht nicht zu einer kritikanfälligen, teils sogar als willkürlich bezeichneten59 „FlickenteppichRegelung“ von Vorschriften tätiger Reue zu gelangen.

59  Vgl.

zur Kritik bereits unter 1. Teil, B.

Schlussbetrachtung Der vorliegenden Ausarbeitung wurde das Spektrum der zur Zeit existierenden Regelungen tätiger Reue im Straf- und Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht zum Gegenstand gemacht, um diese unter dem Blickwinkel von Selbstanzeigevorschriften in einem zusammenhängenden Kontext erfassen zu können. Im Vordergrund stand dabei das Ziel die besonderen Regelungen zu Selbstanzeigen im Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrecht einer genaueren Betrachtung zu unterziehen, um sie danach einer vergleichenden Gegenüberstellung zuführen zu können, die möglicherweise die Grundlage für die Beantwortung von Fragen zu ihrer einheitlichen Übertragbarkeit liefert. Hierbei konnten die folgenden Ergebnisse und Erkenntnisse gewonnen werden: 1. Die gesetzliche Anerkennung tätiger Reue ist kein Sonderphänomen nur weniger Rechtsbereiche oder gar nur einer Gesetzesnorm. Neben der allzu bekannten und vielfach kritisierten Selbstanzeige des Steuerstrafrechts nach § 371 AO1 existiert eine Vielzahl weiterer gesetzlicher Regelungen tätiger Reue in verschiedenen strafrechtlich relevanten Lebensbereichen, durch die der Täter aufgrund eines bestimmten Nachtatverhaltens Straffreiheit oder eine Minderung der verwirkten Sanktion erlangen kann. 2. Die betrachteten Vorschriften begründen ein gemeinsames System tätiger Reue. Aus ihrer näheren Betrachtung wird hinsichtlich der an den Täter gestellten Anforderungen erkennbar, dass sie trotz ihrer Unterschiede, die sich aus dem Regelungsbereich der jeweils zugrundeliegenden Strafnorm und deren gesetzgeberischer Intention ergeben, viele Gemeinsamkeiten aufweisen und ihnen im Wesentlichen viele identische oder zumindest ähnliche Erwägungen und Merkmale zugrunde liegen2. 3. Als solch prägende Merkmale können nach hiesiger Ansicht vier übergreifende Elemente identifiziert werden3: – Das Element der behebbaren Rechtsgutsbeeinträchtigung, welches den Umstand beschreibt, dass durch das Täterverhalten keine endgültige beziehungsweise irreparable Situation eines Rechtsbruchs entstanden ist; 1  Vgl.

1. Teil, C. I. 1. Teil, E. 4. 3  Vgl. 1. Teil, E. II. 2  Vgl.



Schlussbetrachtung241

– das kausale Umkehrelement, nach welchem der Täter entgegen seinem zunächst in Gang gesetzten Rechtsbruch in Abhängigkeit von Verlauf und Art des Delikts passiv oder aktiv „tätig“ werden muss; – das Selbstbezichtigungselement, wonach der Täter  – zumindest bei den Selbstanzeige- und Kronzeugenregelungen  – Informationen zu seiner eigenen Tat (und gegebenenfalls damit verbundenen Taten anderer) gegenüber einer Behörde offenlegen muss; – und das Freiwilligkeitselement, das zumeist die Freiwilligkeit der Umkehrhandlung betrifft, aber auch die Freiwilligkeit einer vorausgesetzten Selbstanzeigehandlung zum Gegenstand haben kann. 4. Im Bereich des Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrechts existieren bislang nur insgesamt drei Regelungen zu Selbstanzeigen  – im Steuerrecht, im Kartellrecht und im Außenwirtschaftsrecht: – Die Selbstanzeige des Steuerordnungswidrigkeitenrechts gemäß § 378 Abs. 3 AO, die nach dem strafrechtlichen Vorbild des § 371 AO gestaltet ist, sich aber im Vergleich, vor allem seit dem Änderungsgesetz 2014, als wesentlich täterfreundlicher darstellt; dies vor allem aufgrund des Umstands, dass der leichtfertig handelnde Täter nicht bewusst rechtsbrüchig wird4. Seiner Selbstanzeige kann daher auch nur ein einziger Ausschlussgrund, die Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens5, entgegengehalten werden. – Die in ihrer praktischen Anwendung sehr erfolgreiche, als Bonusregelung bezeichnete Bekanntmachung Nr. 9 / 2006 des Bundeskartellamts, die als einzige der untersuchten Regelungen tätiger Reue die Besonderheit aufweist als Verwaltungsvorschrift ausgestaltet zu sein und somit in einer untergesetzlichen Norm besteht. Geprägt von der Sondersituation eines „Wettlaufs der Kartellanten“6 und dem Bestreben konspirative, wirtschaftsschädigende Strukturen aufzulösen7, sieht sie ein abgestuftes Regelungs- und Rechtsfolgensystem8 vor, in dem nur eine Konstellation zu vollständiger Bußgeldfreiheit führt. – Die verfolgungsverhindernde Selbstanzeige nach § 22 Abs. 4 AWG, die von der Intention der Compliance-Förderung getragen9 ist und nur für fahrlässige Verstöße gilt, die überwiegend im Bereich formeller 4  Vgl. 5  Vgl. 6  Vgl. 7  Vgl. 8  Vgl. 9  Vgl.

2. Teil, A. 2. Teil, A. II. 3. 2. Teil, B. II. 2. a) aa). 2. Teil, B. I. 1. 2. Teil, B. III. 1. 2. Teil, C. I.

242

Schlussbetrachtung

Fehler bei Außenhandelsvorgängen begangen wurden10. Die Norm verdient besonderes Interesse, weil sie mit einem „Element der Eigen­ aufdeckung“11 und dem „Element zukünftig wirkender Verhinderungs­ maßnahmen“12, das einen neuen Gedanken tätiger Reue enthält, zwei gegenüber anderen Selbstanzeigevorschriften hervorstehende Tatbestandsvoraussetzungen aufweist und hinsichtlich ihrer Gestaltung, unter anderem mit Blick auf ihr Merkmal der Freiwilligkeit13 und ihre Rechtsfolgen14, diskussionswürdig erscheint. 5. Im Ergebnis liegen drei teilweise sehr unterschiedliche Modelle von Selbstanzeigen vor, die mit Bezeichnungen als – „Fiskal-Modell“, – „verwaltungsinternes Bonusmodell“ und – „Compliance-Modell“ beschrieben werden können15. Die für die strafrechtlichen Normen tätiger Reue herausgearbeiteten Erwägungen und Elemente finden sich zwar auch bei den drei Selbstanzeige­ regelungen des Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrechts wieder16, so dass sich Letztere grundsätzlich in das Gesamtsystem tätiger Reue einbetten lassen. Aus einer vergleichenden Gegenüberstellung ergibt sich jedoch, dass sie zumindest im Detail derart rechtsbereichsabhängige Unterschiede und Besonderheiten aufweisen, die es nicht erlauben die drei Regelungen unter einer einheitlichen Selbstanzeigevorschrift zusammenzufassen17. 6. Die dennoch aufgefundenen Gemeinsamkeiten und strukturellen Paral­ lelen bieten aber immerhin eine Grundlage für eine Diskussion über Übertragungsmöglichkeiten auf weitere Ordnungswidrigkeiten und die Ausweitung von Selbstanzeigeregelungen im (Wirtschafts-)Ordnungswidrigkeitenrecht18. Im Rahmen einer solchen Diskussion könnten die folgenden Erwägungen herangezogen werden: Die einer Übertragung zugänglichen jeweiligen Ratio legis der ordnungswidrigkeitenrechtlichen 10  Vgl.

2. Teil, C. II. 1. und 2. C. II. 5., sowie ausführlicher unter 3. Teil, A. III. 7. 12  Vgl. 2. Teil, C. II. 4., sowie ausführlicher unter 3. Teil, A. III. 8. 13  Vgl. 2. Teil, C. II. 6. 14  Vgl. 2. Teil, C. III. 15  Zur Benennung der drei unterschiedlichen Modelle vgl. 3. Teil, A. IX. 16  Hierzu unter 3. Teil, A., insbesondere II. 17  Vgl. 3. Teil, A. IX. 4. 18  Vgl. 3. Teil, A. IX. 4. 11  Vgl. 2. Teil,



Schlussbetrachtung243

Selbstan­zeigevorschriften19, ein Erst-Recht-Schluss aus dem Verhältnis von ­Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht20, Überlegungen zum allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1  GG21, der Gesichtspunkt der Rechts­sicherheit22 und rechtspolitische Erwägungen23. Ihre Erörterung deutet auf eine mögliche Argumentation für die Schaffung weiterer Selbstanzeigeregelungen hin, wobei diese Betrachtung nicht als zwingend erscheint. Insgesamt zeigt die Ausarbeitung, dass die jeweiligen Selbstanzeigevorschriften als wertvolle Rechtsinstitute im Gefüge der Durchsetzung von Verhaltensnormen der Rechtsordnung durchaus ihre Berechtigung haben. Die Beantwortung der Frage nach der Einführung weiterer Selbstanzeigevorschriften läuft letztendlich immer auf eine gesetzgeberische Abwägung hi­ naus zwischen einer aufgrund der Art und der Schwere des Rechtsverstoßes etwaig bestehenden Notwendigkeit und dem Willen eine Tat unabhängig vom Nachtatverhalten des Täters zu ahnden einerseits, und der Vertretbarkeit für das Erreichen von Zielen und Zweckmäßigkeitserwägungen – wie Rückkehr des Täters zur Legalität, Fiskalinteresse, Opferschutz, Honorierung der Umkehr zum Recht, Einsparung behördlicher Ermittlungsressourcen und Aufklärung von Taten – auf den staatlichen Sanktionsanspruch verzichten zu können andererseits. Grundsätzlich muss hier gelten, dass je geringer die Beeinträchtigung der Rechtsordnung beziehungsweise je höher das Interesse an einer Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands durch Umkehr der Tat ist, desto eher bei einem Umkehrverhalten von der Verhängung einer an sich einschlägigen Sanktion abgesehen werden wird. Ob der Gesetzgeber sich in näherer Zukunft entschließen wird für wei­ tere  Bereiche des (Wirtschafts-)Ordnungswidrigkeitenrechts Regelungen zu Selbst­anzeigen zu schaffen, bleibt abzuwarten, ist aber nicht unwahrscheinlich.

19  Vgl. 3. Teil,

B. II. 1. B. II. 2. 21  Vgl. 3. Teil, B. II. 3. 22  Vgl. 3. Teil, B. II. 4. 23  Vgl. 3. Teil, B. II. 5. 20  Vgl. 3. Teil,

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Stichwortverzeichnis Absehen von Strafe  45, 72, 78, 82, 86–88, 90, 95, 96 Absehen von Verfolgung  67, 96, 202, 204, 208 Ahndungsvoraussetzung, echte  103 Akteneinsicht  133, 149, 150 Analoge Anwendung  46, 82, 102, 113, 236 Anfangsverdacht  64, 116, 133, 135, 144 Anreizwirkung  67, 92, 125, 138, 213, 230, 232 Anwendbarkeit, rückwirkende  196, 204, 206, 207 Arbeitsfehler  154, 155, 163, 201, 214, 222 ATLAS-Verfahren  190 Aufdeckung im Wege der Eigenkontrolle  156, 179–181, 184–186, 219, 221, 222 Aufklärungsinitiative  182, 183 Aufsichts- und Kontrollpflichten, Verletzung von  200, 202 Aufsichtspflichtverletzung  200, 202 Beitragsstrafrecht  77, 82, 93 Bekanntgabe –– der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens  61, 115, 116, 219, 223, 236, 241 –– der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens  174, 193 –– einer Prüfungsanordnung  61 Berichtigungserklärung  55, 56, 58, 59, 102, 109–115, 216, 217, 219 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie  152

Betäubungsmittelrecht –– Aufklärungs- und Präventionshilfe  86, 87 Bonusregelung –– alleiniger Anführer des Kartells  140, 141, 144, 145, 224, 236 –– Kooperationspflichten  138, 140, 217, 223 –– Kronzeugenmitteilung der Europäischen Kommission  129, 132, 146, 150 –– Kronzeugenprogramm  121, 122, 150 –– Leniency-Programm  121 –– Marker  136–138, 170, 219 –– Prioritätsprinzip  135, 145 –– Rang  136–138, 140, 169, 224 –– US-amerikanisches Discovery-Verfahren  133 –– Wettlauf der Kartellbeteiligten / Kartellanten  135, 145, 219, 235, 241 Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle  154, 159, 166, 167 Bundesverband der Unternehmensjuristen  16, 237 Bußgeldaufhebungsgrund –– persönlicher  117, 177, 195, 196, 199, 225, 226 –– sachlicher  199, 204 Bußgeldbefreiung, teilweise  114 Compliance –– Compliance-Förderung  177, 192, 226, 229, 232, 236, 238, 241 –– Compliance-Maßnahmen  155, 173, 175, 177, 198, 223, 237 –– Compliance-Programm  155 –– Compliance-System  154, 155, 172, 180, 181

264

Stichwortverzeichnis

–– Compliance-Verbesserung  173, 176, 177 –– Internal-Compliance-Programmes  172 –– Unternehmens-Compliance  155, 156, 173, 175, 204, 208, 209 Deliktsvollendung  19, 42, 188, 189 Durchsuchungsbeschluss  133, 135, 139, 142, 144, 145, 217, 219, 221 Einheitstäterbegriff  113 Einstellung  69, 70, 89, 95, 96, 149, 177, 193, 206, 208 Einziehung von Gegenständen  203 Element –– Element der behebbaren Rechtsgutsbeeinträchtigung  93, 108, 210, 215–217, 240 –– Element der Eigenaufdeckung  184, 221, 226, 242 –– Element der Eigeninitiative  44, 221 –– Element der Freiwilligkeit  44, 109 –– Element der subjektiven Tatseite  93, 215 –– Element zukünftig wirkender Verhinderungsmaßnahmen  170, 222, 242 –– Freiwilligkeitselement  44, 94, 131, 210, 219, 241 –– kausales Umkehrelement  94, 114, 131, 138, 210, 216, 218, 241 –– negativ voluntatives  215 –– Selbstbezichtigungselement  94, 210, 218, 241 –– übergreifendes  92, 93, 240 –– Verhinderungselement  44 Entdeckung, Begriff  36, 63, 75, 180 Erfolgsabwendungsmaßnahmen  43 Ermessen 45, 60, 72, 95, 127, 128, 139, 147, 152, 162, 171, 174, 193, 202, 203, 207, 224 –– Ermessensentscheidung  147, 204, 213 –– Ermessensspielraum  70, 148, 234

–– pflichtgemäßes  82, 87, 98, 126 Ermittlungsdefizit  73, 126, 212, 220, 230, 231 Ermittlungsnotstand  123, 136, 143, 213, 232 Erst-Recht-Schluss  230, 243 Erwägungen, rechtspolitische  231, 235, 236, 243 Eventualvorsatz  54, 105, 153, 161, 163, 164, 215 Fahrlässige Begehung  104–106, 115, 161–164, 215, 229 siehe auch Leichtfertigkeit Fiskalisches Interesse  49, 79, 101, 118, 243 Form  56, 75, 109, 116, 137, 167, 219 Freiwilligkeit  33 ff., 36 ff., 59, 94, 153, 184 ff., 219 ff., 223, 241, 242 Frist  56, 59 ff., 83, 99, 109, 114, 134, 137, 168, 219 Gefährdungsdelikt  21, 41, 117 Geldwäsche  72 ff., 94, 177, 221 Gesamtkonzept  211, 212, 215, 227 Gleichbehandlung, Ungleichbehandlung  232 ff. Gleichgelagerte Verstöße  179 Gleichheitsgebot  127 Gleichheitssatz  128, 232, 233, 243 goldene Brücke  42, 48, 78, 92, 213 siehe auch Rücktritt vom Versuch Hilfe zur Aufklärung von schweren Straftaten  87 Hinderungsgründe  188 Hinterziehungszinsen  59, 68, 114 Hinweisgebersystem  151, 182 Honorierung  42, 48, 101, 122, 155, 213, 230, 243 Kennenmüssen, Kenntnis  64 ff., 75 f., 115, 118, 191 ff., 221 Konnexitätszusammenhang  87



Stichwortverzeichnis265

Kronzeugenregelung  16 f., 19, 72, 86, 88, 122, 213, 216, 241 siehe auch Bonusregelung Legalitätsgrundsatz, Legalitätsprinzip  95, 96 Leichtfertigkeit  100, 101, 105 f., 108, 223, 226, 241 Maßnahmen, angemessene  152, 153, 156, 170 ff., 222, 236 Meistbegünstigungsprinzip  204, 205, 206 Modell  211, 225, 227, 242 –– Compliance-Modell  226, 242 –– Fiskal-Modell  226, 242 –– verwaltungsinternes Bonus-Modell  226, 242 Nachentrichtung  54, 59, 60, 79, 83, 84, 102, 114, 176 Nachtatverhalten  17 ff.,39, 89, 96, 151, 234, 240, 243 Opferschutz  29, 42, 89, 92, 243 Opportunitätsgrundsatz, Opportunitätsprinzip  98, 202, 204, 206, 208 Parteienstrafrecht  84 Prinzip der Selbstbindung der Verwaltung  127, 128, 153 Ratio legis  28, 41, 48, 72, 78, 92, 101, 122, 154, 212, 229 Rechtsnatur  37, 44, 122, 126, 194, 224 Rechtssicherheit  125, 137, 148, 183, 204, 234, 235 Rechtswidrigkeitszusammenhang  104, 105 Reduktion der Geldbuße  16, 119, 134, 148 ff. Reichweite –– persönliche  148, 194, 196 f., 225 f. –– sachliche  194, 199, 201, 225 f. Rücktritt vom Versuch 27 ff. –– Einheitstheorien  30

–– Fehlschlag  31 –– Frank’sche Formel  34 –– Gnaden-, Verdienstlichkeits-, Prä­ mientheorie  29 –– Hinderungsgründe  35, 36 –– Normative Lehren  34, 37 –– Psychologisierender Ansatz  35, 37 –– Rücktrittshandlung  31, 43 –– Schulderfüllungstheorie  30 –– strafbefreiender  17, 42, 77, 153 –– Theorie der goldenen Brücke  28 f. –– Theorie zurechenbarer Gefährdungsumkehr  30 Schadenswiedergutmachung  89, 101 siehe auch Wiedergutmachung Schuldaufhebungsgrund  37 Schuldausschließungsgrund  37 Schwarzgeldbekämpfungsgesetz  47, 48, 62, 66, 100, 115 Selbstanzeige –– allgemeine  16, 17, 227, 228, 235, 236, 238 –– bußgeldbefreiende  16, 100, 109, 110, 114, 152, 154, 159, 160, 212, 238 –– einheitliche  26, 227, 242 –– Selbstanzeigebeschluss  47, 66, 100, 101, 109 –– stufenweise  58, 176 –– Teilselbstanzeige  58, 109, 118, 217, 219 –– verdeckte  55 –– verfolgungsverhindernde  209, 221, 225, 241 –– während der Betriebsprüfung  105, 110 ff., 217 Sperrgrund  56, 62, 63, 75, 113, 135 Sperrwirkung  62, 63, 113, 116 Steuerverkürzung, leichtfertige  15, 99, 101 ff., 110, 113, 115, 118, 119, 131, 215, 221 Strafaufhebungsgrund  38, 69, 70, 77, 82, 86, 90, 95, 96, 195, 205, 207 Strafausschließungsgrund  195

266

Stichwortverzeichnis

Strafmilderung  44 45, 86, 95 Strafmilderungsgrund  44, 88, 90, 95 Strafzumessung  19, 84, 86, 89, 90, 95, 96 Stufenverhältnis  82, 102, 106, 157 Subventionsbetrug  22, 41 System, gemeinsames  25, 27, 92, 97, 225, 227, 239, 240, 242 Tataufdeckung  72, 222 Tatbeteiligte  60, 65, 68, 69, 83 –– Anstifter  55, 62, 69 –– Gehilfe  55, 62, 69 –– Mittäter  69, 134, 136, 151 Tatentdeckung, Begriff  36, 63–65, 180, 186 siehe auch Entdeckung Tätige Reue im engeren Sinn  19, 39, 41, 43, 44, 72, 93 ff., 153 Tätige Reue im weiteren Sinn  18, 19, 25, 27, 93 Umkehr –– Umkehrbemühungen  98 –– Umkehrleistung  29, 42, 93, 94, 112, 114, 216, 217, 218 –– Umkehrverhalten  44, 48, 94, 213, 219, 231, 243 Unternehmensexterne  153, 181 Verbandssanktion, Absehen von einer  91 Verfahrenshindernis  70, 96, 153, 177, 194, 195, 196, 199, 200, 204, 206, 207, 225 Verfolgungshindernis  47, 66, 194, 195, 196, 200, 204, 207 Vergaberechtliche Selbstreinigung  172

Verhältnis von Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht  20 ff., 230 ff. –– aliud-Theorie / -Verhältnis  21, 24 –– gemischt qualitativ-quantitative Theorie  22 –– Kriminalunrecht  21, 22, 231 –– Ordnungsunrecht  21, 22 –– qualitative / quantitative Betrachtung / Unterscheidung  21, 22, 24 Verhinderung des Verstoßes aus gleichem Grund  15, 152, 153, 156, 170 f., 176 ff., 188, 197, 222 Verjährungsfrist  174 Versuch –– beendet, unbeendet  32, 38, 43, 94 –– Rücktritt vom siehe Rücktritt vom Versuch Veruntreuen von Arbeitsentgelt  82, 94 Verwaltungsrichtlinie  127, 235 Verwaltungsvorschrift  127, 128, 131, 151, 153, 224, 226, 232, 234, 235, 241 Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen 77–79, 82 Vorsatz  54, 164 Vorverlagerung der Strafbarkeit  28, 42, 80 Whistleblower  175, 182 Wiedergutmachung  18, 30, 42, 79, 92, 93, 213, 230 siehe auch Schadenswiedergut­ machung Zeitgesetze  205, 206 Zwangslage  35, 37, 75, 78, 83