Mitbestimmung und Demokratieprinzip 9783161523700, 9783161523205

Die historisch gewachsene Arbeitnehmer-Mitbestimmung in Betriebs- und Aufsichtsrat folgt seit jeher dem Leitbild der Dem

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Mitbestimmung und Demokratieprinzip
 9783161523700, 9783161523205

Table of contents :
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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
§ 1 Demokratie in der Wirtschaft
A. Mitbestimmung oder Wirtschaftsdemokratie?
B. Ideengeschichte der deutschen Staatsdemokratie
I. Märzrevolution und »eingeschränkte« Monarchie im Kaiserreich
II. Demokratieprinzip der Weimarer Reichsverfassung
III. Grundgesetz
C. Ideengeschichte der Mitbestimmungsordnung
I. Deutscher Bund
1. Frühphase der Industrialisierung und »Unternehmer-Herrschaft« im Betrieb
2. Arbeiterbewegung
3. Gegenentwurf einer Gewerbeordnung im Volkswirtschaftlichen Ausschuß der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49
4. Industrielle Revolution und freiwillige Arbeiterausschüsse
II. Kaiserreich
1. Sozialschutz durch Eingriffsverwaltung
2. Arbeiterschutzgesetz von 1891
3. Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst von 1916
III. Weimarer Republik
1. Gewerkschaften und Tarifwesen
2. Rätesystem nach Art. 165 WRV
a. Hybride Wirtschaftsverfassung und soziale Grundrechte
b. Sonderverfassung der Wirtschaft
c. Betriebsverfassung: BRG 1920
3. Arbeitsrechtstheorie: Betrieb als Herrschaftsverband
IV. Drittes Reich
1. Führerprinzip und Betriebsgemeinschaft
2. Unternehmen als »konkrete Ordnung« und Gemeinwohlbindung
V. BRD und DDR
1. Frühphase der Bundesrepublik
a. Mitbestimmung in der Montanindustrie
b. Mitbestimmung nach BetrVG 1952
c. Neuformulierung der »Wirtschaftsdemokratie«
2. Demokratischer Zentralismus statt Mitbestimmung in der DDR
D. Ideelle Verbindungen zwischen Staatsdemokratie und Mitbestimmung
§ 2 (In-)Kompatibilität von Demokratieprinzip und Mitbestimmung
A. Fremdbestimmung und Legitimation
I. Demokratie als prozedurale Legitimation von Fremdbestimmung
1. Legitimationsfunktion als normativer Kern des Demokratieprinzips
2. Volksherrschaft nach dem Grundgesetz
a. Vertikale Komponente: Demokratische Herrschaft
[1] Demokratie und Hierarchie
[2] Legitimationssubjekt
[3] Repräsentation und Ableitungszusammenhang durch »Legitimationsketten«
b. Horizontale Komponente: Anerkennung politischer Gleichwertigkeit
[1] Demokratische Gleichheit
[2] Formale statt materialer Gleichheit
II. Unterwerfung als autonome Legitimation von Fremdbestimmung
1. Legitimation von Fremdbestimmung nach dem Selbstbestimmungsprinzip
2. Mehrheitsprinzip im Privatrecht
a. Satzungskontrolle bei mächtigen Verbänden
b. »Aktionärsdemokratie« und ähnliche Phänomene
c. Mehrheitsentscheid als praktisches Erfordernis
3. Arbeitsvertrag als autonome Unterwerfungserklärung
4. »Soziale Demokratie« als Antwort auf ein Legitimationsdefizit?
a. Vertikalität der »gesellschaftlichen Demokratie«
b. Trennung von Staat und Gesellschaft
c. »Demokratisierung« der Gesellschaft als Funktionsbedingung der Staatsdemokratie?
d. Freiheitliche Gesellschaft als Funktionsbedingung der Staatsdemokratie
III. Inkompatible Legitimationsmodelle in Staat und Gesellschaft
B. (Selbst- oder) Mitbestimmung durch Teilhabe
I. Demokratische Teilhabe an der Mehrheitsherrschaft
1. »Kollektive Selbstbestimmung«
a. Mehrheitsprinzip als »Synthese« von Freiheit und Gleichheit
b. Einschränkung im Interesse des Minderheitenschutzes
[1] Rechtsstaatlicher Minderheitenschutz
[2] Demokratischer Minderheitenschutz
c. Einschränkung im Gemeinwohlinteresse und »output-Legitimation«
2. »Partizipativer« Gegenentwurf
a. Demokratische Mitwirkung als Selbstzweck
b. Partizipation statt Herrschaft
c. Abschied von den Legitimationsketten
3. Insbesondere: Funktionale Selbstverwaltung
a. (Funktionale) Selbstverwaltung und personelle demokratische Legitimation
b. Demokratie und partizipative Selbstbestimmung
c. Selbstverwaltung als Einschränkung des Demokratieprinzips
[1] Legitimationskonzepte für die funktionale Selbstverwaltung
[2] Egalität als Grund demokratischer Teilhabe
[3] Ausnahmecharakter der funktionalen Selbstverwaltung
II. Mitbestimmungs-Teilhabe an Entscheidungen des Arbeitgebers
1. Widerspruch von Demokratie und Mitbestimmung
a. Beschäftigtenpartizipation bei der Ausübung von Staatsgewalt
[1] Betriebsverfassung und Personalvertretung als Arbeitsrecht
[2] Legitimationsdefizit und -bedürfnis der Mitbestimmung bei der Ausübung von Hoheitsmacht
[a] Defizitäre demokratische Legitimation der Beschäftigtenvertreter
[b] Mitbestimmung als legitimationsbedürftige Teilhabe an der Staatsgewalt
[c] Mitbestimmungsrestriktion im Interesse demokratischer Legitimation
[3] Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der jeweiligen Teilhaberechte
b. Selbstverwaltung in der Wirtschaftsdemokratie
[1] Wirtschaftsdemokratie und Sonderverfassung der Wirtschaft
[2] »Überbetriebliche Mitbestimmung«
[3] Wirtschaftsdemokratie zwischen Demokratieprinzip und Mitbestimmung
c. Sonderpartizipationsrechte als Einschränkung des Demokratieprinzips
2. Teilhabe durch Vertrag und durch Abstimmung
a. Tarifrechtliches Teilhabe-Modell
[1] Tarifvertrag und Streik als Subsysteme der Mitbestimmung
[2] Tarifrechtliche »Kombination« von Vertrags- und Abstimmungsteilhabe
b. Teilhabe durch institutionalisierte Mitbestimmung
[1] Mitbestimmung als Mikrodemokratie?
[2] Funktionsänderung der Teilhaberechte?
III. Unterschiedliche Funktionen der Teilhaberechte
C. Mikrodemokratie im Betrieb
I. Kontrolle durch Mitbestimmung
1. »Betriebsverband«
2. Polarität
3. Sonderstellung des Arbeitgebers
4. Arbeitsvertragsakzessorietät der Betriebsverfassung
II. Arbeitnehmer-Selbstverwaltung?
1. Exkurs: Selbstverwaltung in Sozialversicherung und Wirtschaft
a. »Betroffenendemokratie« und Hinordnung zum Staat
b. Grenzen der »Satzungsmacht«
2. Belegschaftsverband
a. Zwangskorporativer Charakter der Betriebsverfassung
b. Betriebsbelegschaft als »Betroffenen-Verband«
[1] Partizipation und (ansatzweise) körperschaftliche Organisation
[2] Teilhabe entsprechend der Betroffenheit?
[a] Betroffene Außenseiter
[b] »Ungleich« Betroffene
[c] Beteiligung Nicht-Betroffener
[3] Betroffenenverband und Gesetz
3. Soziale (und funktionale) »Selbstverwaltung« der Belegschaft
a. Mitbestimmungswirkungen zu Lasten der Arbeitnehmer
[1] (Unterstellte) Generalermächtigung zu Eingriffen in Arbeitnehmerrechte
[2] Ausgleichsfunktion als vertragsrechtsakzessorische Schranke der Privatautonomie
[3] Mitbestimmungsnachteile für Arbeitnehmer
b. »Eigener Wirkungskreis« des Belegschaftskollektivs
III. Sonderfall Mitwirkungsrechte
IV. Betriebsverfassung zwischen Vertragsrecht und Selbstverwaltung
D. Mikrodemokratie im Unternehmen
I. »Unternehmensverband« und »Legitimation durch Mitbestimmung«
1. Unternehmensmitbestimmung als Gesellschaftsrecht
2. Verselbständigung des Unternehmens
a. Soziologischer Ausgangspunkt
b. Legitimation der Unternehmensleitung
3. Konsequenzen einer »Legitimation durch Mitbestimmung«
a. Anwendungsbereich der Mitbestimmung
b. »Widmung« des Unternehmensvermögens und Enteignungswirkung
c. Unternehmensverfassung als Demokratisierung des »Unternehmensverbands«
II. Legitimationsfunktion der Unternehmensmitbestimmung?
1. Parität und (kumulativer) »Zwangsschlichtungs- Mechanismus«
2. Legitimation und gesellschaftsrechtliche Hierarchien
3. Betroffenenbeteiligung und (transnationaler) Konzern
4. Nicht-Betroffenen-Beteiligung
a. Beispiele: Leitende Angestellte und Leiharbeitnehmer
b. Insbesondere: Gewerkschaftsteilhabe in der Unternehmensmitbestimmung
III. Unternehmensmitbestimmung statt Demokratisierung
E. Rechtliche Verbindung zwischen Demokratie und Mitbestimmung
§ 3 Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung
A. Verfassungsrechtliche Wertungsgrundlage
I. Verfassungsmäßigkeit der Mitbestimmungsgesetze
II. (Kein) Grundrecht auf Mitbestimmung
1. Menschenwürde und Persönlichkeitsrecht
2. Koalitionsfreiheit und Privatautonomie
3. Berufsfreiheit
4. Ergebnis
III. Sozialstaat statt Demokratie
1. Nur politisch determinierte Mitbestimmung
2. Sozialstaatliche Motivation
3. (Doppelseitige) Eingriffsqualität der Mitbestimmungsgesetze
B. Legitimation und Grenzen der Mitbestimmung
I. Wirtschaftliche Mitbestimmung als Mitwirkung bei Strategieentscheidungen
1. Privatautonomer Legitimationszusammenhang
a. Letztentscheidungsrecht der Eigner
b. »Faktische« Voll-Parität?
c. Voll-Parität in der Montanmitbestimmung
2. Betriebsverfassungsrechtliche Mitwirkung bei Strategieentscheidungen
3. Verfassungsrechtlicher Spielraum für die Repräsentation von Interessen in der unternehmensinternen Willensbildung
II. »Arbeitsrechtliche« Mitbestimmung im Betrieb
1. Privatautonomer Legitimationszusammenhang als Schranke der betrieblichen Mitbestimmung
2. Legitimation heteronomer Mitbestimmungswirkungen, insbesondere von Betriebsvereinbarungen
a. Vertragsrechtsakzessorische Beschränkung der Privatautonomie als legitimationsbedürftige Fremdbestimmung
b. Betriebsautonomie als soziale (und funktionale) Selbstverwaltung?
[1] Delegation von Staatsmacht an »den Betrieb«
[2] Betriebsverfassung als Privatrecht
[3] Private Rechtsetzung statt Delegation
c. Betriebsvereinbarungen als Grundrechtsproblem
[1] Staatliche Schutzpflicht
[2] Zentral: Verhältnismäßigkeitskontrolle, § 75 BetrVG
[3] Mitbestimmung und Arbeitsvertrag
[a] Günstigkeitsprinzip
[b] Keine »Vergesellschaftung« des Arbeitsvertrags
[c] Zentral: §§ 77 Abs. 3, 88 BetrVG
d. »Selbstverwaltungsbereich« der Belegschaft
[1] Betriebsratsinterner Bereich
[2] Mitbestimmungslasten für Arbeitnehmer
3. BetrVG als Legitimation und Grenze der Betriebsvereinbarung
C. Mitbestimmungszwecke
I. Betriebsverfassung
1. Schutzzweck
a. Formelles »Schutz«-Konzept
b. Schutz durch Teilhabe?
2. Teilhabezweck
3. Mittelbare Steuerung durch den Sozialstaat
a. Prozedurales Regelungskonzept
b. »Deliberative Demokratie« im mitbestimmten Betrieb?
c. Exkurs: »Schizophrene« Mitbestimmung im öffentlichen Dienst
4. Primat des Teilhabezwecks
II. Unternehmensmitbestimmung
1. Schutz und Teilhabe
a. Arbeitnehmerschutz, Demokratisierung und Gleichberechtigung von »Kapital und Arbeit«
b. Schutz der Arbeitnehmer-Stakeholder: Ökonomische Ziele der Unternehmensmitbestimmung?
c. Teilhabezweck
[1] Exkurs: (Mit-)Unternehmerische Funktion des Aufsichtsrats und Kontrolle
[2] Teilhabe an der Unternehmensleitung
2. Mittelbare Steuerung durch den Sozialstaat
a. Prozedurales Regelungskonzept
b. Verhandlungszwang statt deliberativer Demokratie
3. Teilhabe als Selbstzweck und als Mittel prozeduraler Steuerung
III. »Unternehmensmitbestimmung im Betrieb«: Mitwirkungsrechte und Wirtschaftsausschuß
IV. Teilhabe und Betroffenenbeteiligung
D. Pseudo-demokratische Fremdkörper im Mitbestimmungsrecht?
I. Wahlen
1. Akzeptanz durch Partizipation
a. Legitimität statt Legitimation
b. Keine »demokratische« Kontrolle der Arbeitnehmervertreter
c. Amtskontinuität statt Diskontinuität
d. Wahlschutz und Wahlanfechtung
2. Mitbestimmung ohne Wahl?
a. Verzichtbarkeit der Wahl unter Legitimationsaspekten
b. Fremdrepräsentation und Arbeitnehmerrechte
c. Ergebnis
3. »Basisdemokratie« in Betrieben und Unternehmen?
a. Sachentscheidungen durch die Betriebsbelegschaft
b. Abberufung von Arbeitnehmervertretern durch Belegschaftsentscheid
c. Belegschaftsbeteiligung statt Basisdemokratie
II. »Betriebs- und Unternehmensbürgerrechte«
1. Zentral: Wahlrecht (zum Betriebsrat)
2. Zuordnungsprinzipien
a. (Keine) Anknüpfung an das staatsrechtliche Wahlrecht
b. »Aktivbürgerschaft« durch arbeitsvertragliche Selbstbindung
c. Betroffenenbeteiligung
d. Polarität der Mitbestimmung
[1] Betriebsverfassung
[a] Gesetzlicher Betrieb(sbegriff)
[b] Betriebsteil, § 4 Abs. 1 BetrVG
[c] Gewillkürter Betrieb, § 3 BetrVG
[d] Ergebnis
[2] Unternehmensmitbestimmung
[a] Arbeitnehmerzuordnung und -zurechnung im Konzern
[b] Betroffenenbeteiligung oder Konzernrechtsakzessorietät?
[c] Sonderfall Leiharbeit
[d] Ergebnis
e. Sonderfall Gewerkschaftsbeteiligung
3. Stimmgewicht
a. Einfache statt formaler Wahlrechtsgleichheit
b. Atypisch Beschäftigte: Beispiel Teilzeitbeschäftigte
[1] Zuordnung und Stimmrechtsgleichheit
[2] »Majorisierung« von Vollzeitbeschäftigten?
[3] Gleiches Stimmrecht für atypisch Beschäftigte
c. Kontingentierung durch Quoten
[1] Quote als Problem der Wahlrechtsgleichheit
[2] Exkurs: Passive Wahlrechtsgleichheit
[3] Stimmrechtsgleichheit
4. Minderheitenschutz
a. Organisationsrechtlicher Minderheitenschutz im Betrieb
b. Materialer Minderheitenschutz durch kollektivfeste Individualrechte
III. Funktionale Beschränkung
1. »Öffentlichrechtliches« Strukturprinzip im Betriebsverfassungsrecht
2. Schutz der Privatautonomie
3. Zweckbindung des Betriebsrats
a. Normzweckbindung der Mitbestimmungsrechte
b. Koppelungsgeschäfte als Rechtsproblem
[1] Prinzipiell erwünschte Erweiterung des Verhandlungsspielraums
[2] Aber: Normzweckbindung als Koppelungsgrenze
[3] Rechtsfolgen
[a] Kein Verbrauch des Mitbestimmungsrechts
[b] Wirksamkeit des »angekoppelten« Geschäfts
[c] Eilfälle als rechtspolitisches Problem
c. Bindung an den Teilhabezweck der Mitbestimmung
[1] »Allgemeinpolitische« Zuständigkeiten
[2] Zuständigkeit für Nicht-Teilhabeberechtigte
[3] Ergebnis
4. (Keine) Parallele im Unternehmensmitbestimmungsrecht
a. Beschränkter Teilhabezweck?
b. Beschränkung zum Schutz der Privatautonomie?
IV. Partizipative Strukturen jenseits des Demokratieprinzips
§ 4 Folgen für das Mitbestimmungssystem
A. Betriebsverfassung
I. Zuordnungsfragen
1. Außerordentliche Betriebsratswahlen
a. Neuwahl nach »Legitimationsentfall«, § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG
b. Neuwahl nach erfolgreicher Wahlanfechtung, § 13 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG
2. Drittbezogener Personaleinsatz durch Werkvertrag (kombiniert mit Leiharbeit)
II. Umstrukturierungsfolgen
1. Fortbestand von Arbeitnehmervertretungen
a. Wegfall mitbestimmter Einheiten
[1] Exkurs: Betriebsstillegung
[2] Identitätszerstörende Reorganisation von Betrieben
[3] Gesamt- und Konzernbetriebsräte
b. Mitbestimmungskonkurrenz bei »Zusammenfassung« mitbestimmter Einheiten
2. Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen
a. Exkurs: Kollektivvertrag oder (doch) Betriebssatzung?
b. Strukturmaßnahmen und Rechtsträgerwechsel
[1] Unternehmensinterne Umstrukturierung
[2] Betriebsübergang und Umwandlung
c. Gesamt- und Konzernbetriebsvereinbarungen
III. Betriebsvereinbarungen
1. Betriebsvereinbarung und Sozialleistungen
a. Einschränkung des Günstigkeitsprinzips durch die Rechtsprechung
b. Mindest- oder Höchstvolumen für betriebliche Sozialleistungen
c. Nachträgliche Individualzusage
2. »Soziale« Lasten?
a. Entgeltopfer
b. Überstunden und Kurzarbeit
c. Altersgrenze
3. Betriebsvereinbarungen zugunsten/zu Lasten »Dritter«
a. Grundsatz: Beschränkung auf den Betrieb
b. Mittelbare Außenseiterwirkung über die Betriebsorganisation
c. Unmittelbare »Außenseiterwirkung« für Betriebsrentner
4. Betriebsvereinbarungen und unternehmerische Entscheidung
a. Keine Betriebsvereinbarung in wirtschaftlichen Angelegenheiten
b. Betriebsvereinbarungen »über Leiharbeit«
B. Unternehmensmitbestimmung
I. Zuordnungsfragen
1. Rechtsformanknüpfung und Schwellenwerte
a. Rechtsformakzessorische Einschränkung der wirtschaftlichen Mitbestimmung im Unternehmensinteresse
b. (Relativer) Mindest-Schwellenwert
c. Wirtschaftsausschuß und Gemeinschaftsbetrieb
2. Unternehmensübergreifende Unternehmensmitbestimmung
a. Gemeinschaftsbetrieb und Gemeinschaftsunternehmen
b. Konzern-Unternehmensmitbestimmung bei Zwischengesellschaften
[1] Unternehmensmitbestimmung im Teilkonzern, § 5 Abs. 3 MitbestG
[a] Zwischengesellschaften und Leitungsstruktur
[b] Montangesellschaft und SE als Konzernspitze
[2] Konzern im Konzern
3. Territorialität
a. Wahlrecht für Arbeitnehmer ausländischer Tochtergesellschaften
b. Zählzurechnung der Arbeitnehmer ausländischer Tochtergesellschaften
II. Mitbestimmung und Governance
1. »Aufsichtsratstauglichkeit« der Arbeitnehmervertreter
a. Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit und Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder
b. »Unabhängigkeit« der Aufsichtsratsmitglieder
[1] Abhängigkeit der Arbeitnehmervertreter?
[2] Unabhängigkeit und Parität
c. Funktionsbezogen differenzierte Anforderungen an Aufsichtsräte
2. Sonderproblem: Doppelmandate in Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung
III. Gesetzliche und gesellschaftsrechtliche Teilhabe
1. Arbeitnehmer als »Mit-Eigner« und faktische Überparität im Aufsichtsrat
2. Exkurs: Zuwahl von Arbeitnehmern in den Aufsichtsrat durch die Eigner
3. Grenzfall: Arbeitnehmerbeteiligungs-Stiftungen
C. Zukunft der Mitbestimmung
I. »Ent-Demokratisierung«
1. Individuelle (Vertrags-)Rechte statt kollektiver Teilhabe?
a. Individualisierungstendenzen im geltenden Recht
b. Rechtspolitische Perspektive – am Beispiel des betriebsverfassungsrechtlichen Beschäftigungsverbots
2. Mitbestimmung in Eilfällen
a. Zentral: Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG
b. Sonderfall Interessenausgleichsverhandlungen
3. »Hauptberufliche« Mitbestimmungsfunktionäre statt gewählter Arbeitnehmerrepräsentanten?
a. Betriebsverfassungsrechtliches Ehrenamt und Rechtswirklichkeit
b. Öffnungsklausel de lege ferenda
c. Professionalisierung als Systemfrage der Mitbestimmung
4. Modifi kation des Wahlverfahrens
II. Flexibilisierung durch Verhandlungslösungen
1. Vereinbarte Mitbestimmung in der SE als rechtspolitischer Paradigmenwechsel
2. Mandatarisch legitimierte Mitbestimmung?
a. »Deutschrechtliche« Mitbestimmungsvereinbarungen praeter legem
b. Europarechtlich vorgezeichnete Mitbestimmungsvereinbarungen – am Beispiel der SE
3. Unternehmensmitbestimmung als Verhandlungsgegenstand
a. Aufsichtsratsgröße
[1] »Verkleinerungssperre« bei originär deutschrechtlicher Mitbestimmung
[2] Einseitige Gestaltungschance bei europarechtlich fundierter Mitbestimmung
[3] Wechselwirkung zwischen Organisationsrecht und Mitbestimmung
b. Wahlrecht
c. Mitbestimmungsniveau
4. Vereinbarte Mitbestimmung als Mitbestimmung der Zukunft
a. Fehlanreize durch die lex lata
b. Vereinbartes Organisationsrecht de lege ferenda
[1] Verhandlungen über gesellschaftsrechtliche Strukturen
[2] Konsultationsrat
c. Grenzen der »Mitbestimmungsautonomie«
§ 5 Ergebnisse
Literaturverzeichnis
Sachverzeichnis

Citation preview

J US PR I VAT UM Beiträge zum Privatrecht Band 172

Sebastian Kolbe

Mitbestimmung und Demokratieprinzip

Mohr Siebeck

Sebastian Kolbe, geboren 1978; 1998–2003 Studium der Rechtswissenschaften in Passau und München; 2003 Erstes Juristisches Staatsexamen; 2005 Zweites Juristisches Staatsexamen; 2009 Promotion; 2012 Habilitation; Privatdozent an der Ludwig-Maximilians-Universität München; Lehrstuhlvertretung in Düsseldorf.

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT. e-ISBN PDF 978-3-16-152370-0 ISBN 978-3-16-152320-5 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2013 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen gesetzt und auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Für Inge Kolbe

Vorwort Diese Arbeit ist von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität zu München im Sommersemester 2012 als Habilitationsschrift angenommen worden. Gesetzesänderungen, Rechtsprechung und Literatur habe ich bis zum 7. 9. 2012 berücksichtigt. Danken möchte ich an dieser Stelle zuallererst meinem akademischen Lehrer, Professor Dr. Volker Rieble. In der Zeit, in der ich an seinem Lehrstuhl arbeiten und lernen durfte, hat er mir Methode und Begeisterung für das wissenschaftliche Arbeiten gleichermaßen vermittelt. Dank schulde ich auch Professor Dr. Abbo Junker, der das Zweitgutachten erstellt hat, sowie Professor Dr. Martin Franzen. Beide haben mich als Mitglieder meines Habilitationsmentorats, aber auch darüber hinaus wesentlich gefördert. Professor Dr. Jens Kersten danke ich für seine Bereitschaft, jenseits seiner Dienstpfl ichten aus öffentlichrechtlicher Perspektive zu meiner Arbeit Stellung zu nehmen. Schließlich danke ich dem Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT, der die Publikation des Buches unterstützt hat, sowie meinen Kollegen am ZAAR, allen voran Frau Lina Dix und Frau Elisabeth von Heckel. München, im Februar 2013

Sebastian Kolbe

Inhaltsübersicht § 1 Demokratie in der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Mitbestimmung oder Wirtschaftsdemokratie? . . . . . . B. Ideengeschichte der deutschen Staatsdemokratie . . . . . I. Märzrevolution und »eingeschränkte« Monarchie im Kaiserreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Demokratieprinzip der Weimarer Reichsverfassung . III. Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ideengeschichte der Mitbestimmungsordnung . . . . . . I. Deutscher Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kaiserreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Drittes Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. BRD und DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ideelle Verbindungen zwischen Staatsdemokratie und Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 3

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4 5 6 6 6 11 14 22 24

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31

§ 2 (In-)Kompatibilität von Demokratieprinzip und Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

A. Fremdbestimmung und Legitimation . . . . . . . . . . . I. Demokratie als prozedurale Legitimation von Fremdbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unterwerfung als autonome Legitimation von Fremdbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Inkompatible Legitimationsmodelle in Staat und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. (Selbst- oder) Mitbestimmung durch Teilhabe . . . . . . I. Demokratische Teilhabe an der Mehrheitsherrschaft II. Mitbestimmungs-Teilhabe an Entscheidungen des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unterschiedliche Funktionen der Teilhaberechte . . . C. Mikrodemokratie im Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . I. Kontrolle durch Mitbestimmung . . . . . . . . . . .

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35

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35

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47

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63 63 64

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86 108 109 110

X

Inhaltsübersicht

II. Arbeitnehmer-Selbstverwaltung? . . . . . . . . . . . . . III. Sonderfall Mitwirkungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . IV. Betriebsverfassung zwischen Vertragsrecht und Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Mikrodemokratie im Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . I. »Unternehmensverband« und »Legitimation durch Mitbestimmung« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Legitimationsfunktion der Unternehmensmitbestimmung? III. Unternehmensmitbestimmung statt Demokratisierung . . E. Rechtliche Verbindung zwischen Demokratie und Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

115 133 134 135 136 151 160 161

§ 3 Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung . . . . . . .

163

A. Verfassungsrechtliche Wertungsgrundlage . . . . . . . . . . . I. Verfassungsmäßigkeit der Mitbestimmungsgesetze . . . . II. (Kein) Grundrecht auf Mitbestimmung . . . . . . . . . . III. Sozialstaat statt Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . B. Legitimation und Grenzen der Mitbestimmung . . . . . . . . I. Wirtschaftliche Mitbestimmung als Mitwirkung bei Strategieentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. »Arbeitsrechtliche« Mitbestimmung im Betrieb . . . . . . C. Mitbestimmungszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unternehmensmitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . III. »Unternehmensmitbestimmung im Betrieb«: Mitwirkungsrechte und Wirtschaftsausschuß . . . . . . . IV. Teilhabe und Betroffenenbeteiligung . . . . . . . . . . . . D. Pseudo-demokratische Fremdkörper im Mitbestimmungsrecht? I. Wahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. »Betriebs- und Unternehmensbürgerrechte« . . . . . . . . III. Funktionale Beschränkung. . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Partizipative Strukturen jenseits des Demokratieprinzips .

163 163 165 170 174

223 226 227 228 242 275 293

§ 4 Folgen für das Mitbestimmungssystem . . . . . . . . . . . . .

295

A. Betriebsverfassung . . . . . . I. Zuordnungsfragen . . . . II. Umstrukturierungsfolgen III. Betriebsvereinbarungen . B. Unternehmensmitbestimmung I. Zuordnungsfragen . . . .

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174 183 205 205 213

296 296 301 317 329 329

XI

Inhaltsübersicht

II. Mitbestimmung und Governance . . . . . . . . III. Gesetzliche und gesellschaftsrechtliche Teilhabe . C. Zukunft der Mitbestimmung. . . . . . . . . . . . . I. »Ent-Demokratisierung« . . . . . . . . . . . . . II. Flexibilisierung durch Verhandlungslösungen . .

. . . . .

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344 353 358 358 374

§ 5 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

391

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

397

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

431

Inhaltsverzeichnis Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXV

§ 1 Demokratie in der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Mitbestimmung oder Wirtschaftsdemokratie? . . . . . . . . .

1

B. Ideengeschichte der deutschen Staatsdemokratie . . . . . . .

3

I. Märzrevolution und »eingeschränkte« Monarchie im Kaiserreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Demokratieprinzip der Weimarer Reichsverfassung . . . . III. Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4 5 6

C. Ideengeschichte der Mitbestimmungsordnung . . . . . . . . .

6

I. Deutscher Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Frühphase der Industrialisierung und »UnternehmerHerrschaft« im Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arbeiterbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gegenentwurf einer Gewerbeordnung im Volkswirtschaftlichen Ausschuß der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49. . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Industrielle Revolution und freiwillige Arbeiterausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kaiserreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sozialschutz durch Eingriffsverwaltung . . . . . . . . 2. Arbeiterschutzgesetz von 1891 . . . . . . . . . . . . 3. Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst von 1916 III. Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gewerkschaften und Tarifwesen . . . . . . . . . . . 2. Rätesystem nach Art. 165 WRV. . . . . . . . . . . . a. Hybride Wirtschaftsverfassung und soziale Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XIV

Inhaltsverzeichnis

b. Sonderverfassung der Wirtschaft . . . . . . . . . c. Betriebsverfassung: BRG 1920 . . . . . . . . . . . 3. Arbeitsrechtstheorie: Betrieb als Herrschaftsverband . IV. Drittes Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Führerprinzip und Betriebsgemeinschaft . . . . . . . 2. Unternehmen als »konkrete Ordnung« und Gemeinwohlbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. BRD und DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Frühphase der Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . a. Mitbestimmung in der Montanindustrie . . . . . . b. Mitbestimmung nach BetrVG 1952 . . . . . . . . c. Neuformulierung der »Wirtschaftsdemokratie« . . 2. Demokratischer Zentralismus statt Mitbestimmung in der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Ideelle Verbindungen zwischen Staatsdemokratie und Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

§ 2 (In-)Kompatibilität von Demokratieprinzip und Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

A. Fremdbestimmung und Legitimation . . . . . . . . . . . . .

35

I. Demokratie als prozedurale Legitimation von Fremdbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Legitimationsfunktion als normativer Kern des Demokratieprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Volksherrschaft nach dem Grundgesetz . . . . . . . . a. Vertikale Komponente: Demokratische Herrschaft [1] Demokratie und Hierarchie . . . . . . . . . . . . [2] Legitimationssubjekt . . . . . . . . . . . . . . .

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[3] Repräsentation und Ableitungszusammenhang durch »Legitimationsketten« . . . . . . . . . . . .

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b. Horizontale Komponente: Anerkennung politischer Gleichwertigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [1] Demokratische Gleichheit. . . . . . . . . . . . . . [2] Formale statt materialer Gleichheit . . . . . . . . . II. Unterwerfung als autonome Legitimation von Fremdbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Legitimation von Fremdbestimmung nach dem Selbstbestimmungsprinzip. . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mehrheitsprinzip im Privatrecht. . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

a. Satzungskontrolle bei mächtigen Verbänden . . . . . b. »Aktionärsdemokratie« und ähnliche Phänomene . . c. Mehrheitsentscheid als praktisches Erfordernis . . . 3. Arbeitsvertrag als autonome Unterwerfungserklärung 4. »Soziale Demokratie« als Antwort auf ein Legitimationsdefi zit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Vertikalität der »gesellschaftlichen Demokratie« . . b. Trennung von Staat und Gesellschaft . . . . . . . . c. »Demokratisierung« der Gesellschaft als Funktionsbedingung der Staatsdemokratie? . . . . . . . . . . d. Freiheitliche Gesellschaft als Funktionsbedingung der Staatsdemokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Inkompatible Legitimationsmodelle in Staat und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. (Selbst- oder) Mitbestimmung durch Teilhabe . . . . . . . . . I. Demokratische Teilhabe an der Mehrheitsherrschaft . . . 1. »Kollektive Selbstbestimmung« . . . . . . . . . . . . . a. Mehrheitsprinzip als »Synthese« von Freiheit und Gleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Einschränkung im Interesse des Minderheitenschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [1] Rechtsstaatlicher Minderheitenschutz . . . . . . . . [2] Demokratischer Minderheitenschutz. . . . . . . . . c. Einschränkung im Gemeinwohlinteresse und »output-Legitimation« . . . . . . . . . . . . . . . . 2. »Partizipativer« Gegenentwurf . . . . . . . . . . . . . a. Demokratische Mitwirkung als Selbstzweck . . . . b. Partizipation statt Herrschaft . . . . . . . . . . . . c. Abschied von den Legitimationsketten. . . . . . . . 3. Insbesondere: Funktionale Selbstverwaltung . . . . . . a. (Funktionale) Selbstverwaltung und personelle demokratische Legitimation . . . . . . . . . . . . . b. Demokratie und partizipative Selbstbestimmung . . c. Selbstverwaltung als Einschränkung des Demokratieprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [1] Legitimationskonzepte für die funktionale Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . [2] Egalität als Grund demokratischer Teilhabe . . . . . [3] Ausnahmecharakter der funktionalen Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XVI

Inhaltsverzeichnis

II. Mitbestimmungs-Teilhabe an Entscheidungen des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Widerspruch von Demokratie und Mitbestimmung . . . a. Beschäftigtenpartizipation bei der Ausübung von Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [1] Betriebsverfassung und Personalvertretung als Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [2] Legitimationsdefi zit und -bedürfnis der Mitbestimmung bei der Ausübung von Hoheitsmacht. . . [a] Defi zitäre demokratische Legitimation der Beschäftigtenvertreter . . . . . . . . . . . . . . [b] Mitbestimmung als legitimationsbedürftige Teilhabe an der Staatsgewalt . . . . . . . . . [c] Mitbestimmungsrestriktion im Interesse demokratischer Legitimation . . . . . . . . . [3] Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der jeweiligen Teilhaberechte . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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. b. Selbstverwaltung in der Wirtschaftsdemokratie . . .

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[1] Wirtschaftsdemokratie und Sonderverfassung der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [2] »Überbetriebliche Mitbestimmung« . . . . . . . . . [3] Wirtschaftsdemokratie zwischen Demokratieprinzip und Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . .

c. Sonderpartizipationsrechte als Einschränkung des Demokratieprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Teilhabe durch Vertrag und durch Abstimmung . . . . a. Tarifrechtliches Teilhabe-Modell. . . . . . . . . . . [1] Tarifvertrag und Streik als Subsysteme der Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . [2] Tarifrechtliche »Kombination« von Vertrags- und Abstimmungsteilhabe . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Mikrodemokratie im Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Kontrolle durch Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . 1. »Betriebsverband«. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Polarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonderstellung des Arbeitgebers. . . . . . . . . . . 4. Arbeitsvertragsakzessorietät der Betriebsverfassung II. Arbeitnehmer-Selbstverwaltung? . . . . . . . . . . .

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b. Teilhabe durch institutionalisierte Mitbestimmung [1] Mitbestimmung als Mikrodemokratie? . . . . . . [2] Funktionsänderung der Teilhaberechte? . . . . . . III. Unterschiedliche Funktionen der Teilhaberechte . . . . .

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XVII

Inhaltsverzeichnis

1. Exkurs: Selbstverwaltung in Sozialversicherung und Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. »Betroffenendemokratie« und Hinordnung zum Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Grenzen der »Satzungsmacht« . . . . . . . . . . 2. Belegschaftsverband . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Zwangskorporativer Charakter der Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . b. Betriebsbelegschaft als »Betroffenen-Verband« . [1] Partizipation und (ansatzweise) körperschaftliche Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . [2] Teilhabe entsprechend der Betroffenheit? . . . . [a] Betroffene Außenseiter . . . . . . . . . . . [b] »Ungleich« Betroffene . . . . . . . . . . . [c] Beteiligung Nicht-Betroffener . . . . . . . . [3] Betroffenenverband und Gesetz . . . . . . . . .

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3. Soziale (und funktionale) »Selbstverwaltung« der Belegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Mitbestimmungswirkungen zu Lasten der Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [1] (Unterstellte) Generalermächtigung zu Eingriffen in Arbeitnehmerrechte . . . . . . . . . . . . . . . [2] Ausgleichsfunktion als vertragsrechtsakzessorische Schranke der Privatautonomie . . . . . . . . . . . [3] Mitbestimmungsnachteile für Arbeitnehmer . . . . .

b. »Eigener Wirkungskreis« des Belegschaftskollektivs III. Sonderfall Mitwirkungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . IV. Betriebsverfassung zwischen Vertragsrecht und Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Mikrodemokratie im Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . I. »Unternehmensverband« und »Legitimation durch Mitbestimmung« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unternehmensmitbestimmung als Gesellschaftsrecht 2. Verselbständigung des Unternehmens . . . . . . . . a. Soziologischer Ausgangspunkt . . . . . . . . . . b. Legitimation der Unternehmensleitung . . . . . 3. Konsequenzen einer »Legitimation durch Mitbestimmung« . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Anwendungsbereich der Mitbestimmung . . . . b. »Widmung« des Unternehmensvermögens und Enteignungswirkung . . . . . . . . . . . . . . .

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XVIII

Inhaltsverzeichnis

c. Unternehmensverfassung als Demokratisierung des »Unternehmensverbands« . . . . . . . . . . . . II. Legitimationsfunktion der Unternehmensmitbestimmung? 1. Parität und (kumulativer) »ZwangsschlichtungsMechanismus« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Legitimation und gesellschaftsrechtliche Hierarchien . . 3. Betroffenenbeteiligung und (transnationaler) Konzern 4. Nicht-Betroffenen-Beteiligung. . . . . . . . . . . . . . a. Beispiele: Leitende Angestellte und Leiharbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Insbesondere: Gewerkschaftsteilhabe in der Unternehmensmitbestimmung . . . . . . . . . . . . III. Unternehmensmitbestimmung statt Demokratisierung . .

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E. Rechtliche Verbindung zwischen Demokratie und Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 3 Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung . . . . . .

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A. Verfassungsrechtliche Wertungsgrundlage . . . . . . . . . . .

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I. Verfassungsmäßigkeit der Mitbestimmungsgesetze . . . . II. (Kein) Grundrecht auf Mitbestimmung . . . . . . . . . . 1. Menschenwürde und Persönlichkeitsrecht. . . . . . . . 2. Koalitionsfreiheit und Privatautonomie . . . . . . . . . 3. Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sozialstaat statt Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nur politisch determinierte Mitbestimmung . . . . . . 2. Sozialstaatliche Motivation . . . . . . . . . . . . . . . 3. (Doppelseitige) Eingriffsqualität der Mitbestimmungsgesetze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Legitimation und Grenzen der Mitbestimmung . . . . . . . .

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I. Wirtschaftliche Mitbestimmung als Mitwirkung bei Strategieentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Privatautonomer Legitimationszusammenhang . . a. Letztentscheidungsrecht der Eigner . . . . . . b. »Faktische« Voll-Parität? . . . . . . . . . . . c. Voll-Parität in der Montanmitbestimmung . .

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XIX

Inhaltsverzeichnis

2. Betriebsverfassungsrechtliche Mitwirkung bei Strategieentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfassungsrechtlicher Spielraum für die Repräsentation von Interessen in der unternehmensinternen Willensbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. »Arbeitsrechtliche« Mitbestimmung im Betrieb . . . . . . 1. Privatautonomer Legitimationszusammenhang als Schranke der betrieblichen Mitbestimmung . . . . . 2. Legitimation heteronomer Mitbestimmungswirkungen, insbesondere von Betriebsvereinbarungen. . . . . . . . a. Vertragsrechtsakzessorische Beschränkung der Privatautonomie als legitimationsbedürftige Fremdbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Betriebsautonomie als soziale (und funktionale) Selbstverwaltung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . [1] Delegation von Staatsmacht an »den Betrieb« . . . . [2] Betriebsverfassung als Privatrecht . . . . . . . . . . [3] Private Rechtsetzung statt Delegation . . . . . . . . c. Betriebsvereinbarungen als Grundrechtsproblem . . [1] Staatliche Schutzpfl icht . . . . . . . . . . . . . . . [2] Zentral: Verhältnismäßigkeitskontrolle, § 75 BetrVG [3] Mitbestimmung und Arbeitsvertrag . . . . . . . . [a] Günstigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . [b] Keine »Vergesellschaftung« des Arbeitsvertrags [c] Zentral: §§ 77 Abs. 3, 88 BetrVG . . . . . . .

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. . . . d. »Selbstverwaltungsbereich« der Belegschaft . . . . . [1] Betriebsratsinterner Bereich . . . . . . . . . . . . . [2] Mitbestimmungslasten für Arbeitnehmer . . . . . . 3. BetrVG als Legitimation und Grenze der Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Mitbestimmungszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutzzweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Formelles »Schutz«-Konzept . . . . . . . . . . b. Schutz durch Teilhabe?. . . . . . . . . . . . . 2. Teilhabezweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mittelbare Steuerung durch den Sozialstaat. . . . a. Prozedurales Regelungskonzept . . . . . . . . b. »Deliberative Demokratie« im mitbestimmten Betrieb? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XX

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c. Exkurs: »Schizophrene« Mitbestimmung im öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Primat des Teilhabezwecks . . . . . . . . . . . . . . . II. Unternehmensmitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutz und Teilhabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Arbeitnehmerschutz, Demokratisierung und Gleichberechtigung von »Kapital und Arbeit« . . . . b. Schutz der Arbeitnehmer-Stakeholder: Ökonomische Ziele der Unternehmensmitbestimmung? . . . . . . c. Teilhabezweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [1] Exkurs: (Mit-)Unternehmerische Funktion des Aufsichtsrats und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . [2] Teilhabe an der Unternehmensleitung . . . . . . . .

2. Mittelbare Steuerung durch den Sozialstaat. . . . . . a. Prozedurales Regelungskonzept . . . . . . . . . . b. Verhandlungszwang statt deliberativer Demokratie 3. Teilhabe als Selbstzweck und als Mittel prozeduraler Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. »Unternehmensmitbestimmung im Betrieb«: Mitwirkungsrechte und Wirtschaftsausschuß . . . . . . IV. Teilhabe und Betroffenenbeteiligung . . . . . . . . . . .

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D. Pseudo-demokratische Fremdkörper im Mitbestimmungsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Wahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Akzeptanz durch Partizipation . . . . . . . . . . . . . a. Legitimität statt Legitimation . . . . . . . . . . . . b. Keine »demokratische« Kontrolle der Arbeitnehmervertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Amtskontinuität statt Diskontinuität . . . . . . . . d. Wahlschutz und Wahlanfechtung . . . . . . . . . . 2. Mitbestimmung ohne Wahl? . . . . . . . . . . . . . . a. Verzichtbarkeit der Wahl unter Legitimationsaspekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Fremdrepräsentation und Arbeitnehmerrechte . . . . c. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. »Basisdemokratie« in Betrieben und Unternehmen? . . a. Sachentscheidungen durch die Betriebsbelegschaft. . b. Abberufung von Arbeitnehmervertretern durch Belegschaftsentscheid . . . . . . . . . . . . . . . . c. Belegschaftsbeteiligung statt Basisdemokratie . . . .

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XXI

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II. »Betriebs- und Unternehmensbürgerrechte« . . . . . 1. Zentral: Wahlrecht (zum Betriebsrat) . . . . . . . 2. Zuordnungsprinzipien. . . . . . . . . . . . . . . a. (Keine) Anknüpfung an das staatsrechtliche Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. »Aktivbürgerschaft« durch arbeitsvertragliche Selbstbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Betroffenenbeteiligung . . . . . . . . . . . . . d. Polarität der Mitbestimmung . . . . . . . . . [1] Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . [a] Gesetzlicher Betrieb(sbegriff) . . . . . . . [b] Betriebsteil, § 4 Abs. 1 BetrVG . . . . . . [c] Gewillkürter Betrieb, § 3 BetrVG . . . . . [d] Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . [2] Unternehmensmitbestimmung . . . . . . . .

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. . . . . . . . . e. Sonderfall Gewerkschaftsbeteiligung . . . . . . . . 3. Stimmgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Einfache statt formaler Wahlrechtsgleichheit . . . . b. Atypisch Beschäftigte: Beispiel Teilzeitbeschäftigte [1] Zuordnung und Stimmrechtsgleichheit . . . . . . . [2] »Majorisierung« von Vollzeitbeschäftigten? . . . . . [3] Gleiches Stimmrecht für atypisch Beschäftigte . . . . c. Kontingentierung durch Quoten . . . . . . . . . . . [1] Quote als Problem der Wahlrechtsgleichheit . . . . . [2] Exkurs: Passive Wahlrechtsgleichheit . . . . . . . . [3] Stimmrechtsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . 4. Minderheitenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Organisationsrechtlicher Minderheitenschutz im Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Materialer Minderheitenschutz durch kollektivfeste Individualrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Funktionale Beschränkung. . . . . . . . . . . . . . . . . 1. »Öffentlichrechtliches« Strukturprinzip im Betriebsverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutz der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zweckbindung des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . a. Normzweckbindung der Mitbestimmungsrechte . . b. Koppelungsgeschäfte als Rechtsproblem . . . . . . .

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[a] Arbeitnehmerzuordnung und -zurechnung im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . [b] Betroffenenbeteiligung oder Konzernrechtsakzessorietät? . . . . . . . . . . . . . . [c] Sonderfall Leiharbeit . . . . . . . . . . . [d] Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XXII

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[1] Prinzipiell erwünschte Erweiterung des Verhandlungsspielraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [2] Aber: Normzweckbindung als Koppelungsgrenze . . . [3] Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [a] Kein Verbrauch des Mitbestimmungsrechts . . . [b] Wirksamkeit des »angekoppelten« Geschäfts . . . [c] Eilfälle als rechtspolitisches Problem . . . . . . .

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c. Bindung an den Teilhabezweck der Mitbestimmung [1] »Allgemeinpolitische« Zuständigkeiten . . . . . . . [2] Zuständigkeit für Nicht-Teilhabeberechtigte . . . . . [3] Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. (Keine) Parallele im Unternehmensmitbestimmungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Beschränkter Teilhabezweck? . . . . . . . . . . . . b. Beschränkung zum Schutz der Privatautonomie? . . IV. Partizipative Strukturen jenseits des Demokratieprinzips .

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§ 4 Folgen für das Mitbestimmungssystem . . . . . . . . . . . .

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A. Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Zuordnungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Außerordentliche Betriebsratswahlen . . . . . . . . a. Neuwahl nach »Legitimationsentfall«, § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . b. Neuwahl nach erfolgreicher Wahlanfechtung, § 13 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG . . . . . . . . . . . . . 2. Drittbezogener Personaleinsatz durch Werkvertrag (kombiniert mit Leiharbeit) . . . . . . . . . . . . . II. Umstrukturierungsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fortbestand von Arbeitnehmervertretungen . . . . a. Wegfall mitbestimmter Einheiten . . . . . . . . [1] Exkurs: Betriebsstillegung . . . . . . . . . . .

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298 301 301 301 301 302 304

. . . . . [2] Identitätszerstörende Reorganisation von Betrieben . [3] Gesamt- und Konzernbetriebsräte . . . . . . . . . . b. Mitbestimmungskonkurrenz bei »Zusammenfassung« mitbestimmter Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . a. Exkurs: Kollektivvertrag oder (doch) Betriebssatzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Strukturmaßnahmen und Rechtsträgerwechsel . . . [1] Unternehmensinterne Umstrukturierung . . . . . . . [2] Betriebsübergang und Umwandlung . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

c. Gesamt- und Konzernbetriebsvereinbarungen . . . . III. Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Betriebsvereinbarung und Sozialleistungen . . . . . . . a. Einschränkung des Günstigkeitsprinzips durch die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Mindest- oder Höchstvolumen für betriebliche Sozialleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Nachträgliche Individualzusage . . . . . . . . . . . 2. »Soziale« Lasten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Entgeltopfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Überstunden und Kurzarbeit. . . . . . . . . . . . . c. Altersgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Betriebsvereinbarungen zugunsten/zu Lasten »Dritter« a. Grundsatz: Beschränkung auf den Betrieb . . . . . . b. Mittelbare Außenseiterwirkung über die Betriebsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Unmittelbare »Außenseiterwirkung« für Betriebsrentner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Betriebsvereinbarungen und unternehmerische Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Keine Betriebsvereinbarung in wirtschaftlichen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Betriebsvereinbarungen »über Leiharbeit« . . . . . .

XXIII 314 317 317 318 319 321 321 322 322 323 324 324 324 325 327 327 328

B. Unternehmensmitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . .

329

I. Zuordnungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsformanknüpfung und Schwellenwerte . . . . . . a. Rechtsformakzessorische Einschränkung der wirtschaftlichen Mitbestimmung im Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. (Relativer) Mindest-Schwellenwert . . . . . . . . . c. Wirtschaftsausschuß und Gemeinschaftsbetrieb. . . 2. Unternehmensübergreifende Unternehmensmitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Gemeinschaftsbetrieb und Gemeinschaftsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Konzern-Unternehmensmitbestimmung bei Zwischengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . .

329 329

[1] Unternehmensmitbestimmung im Teilkonzern, § 5 Abs. 3 MitbestG . . . . . . . . . . . . . . . . [a] Zwischengesellschaften und Leitungsstruktur . .

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XXIV

Inhaltsverzeichnis

[b] Montangesellschaft und SE als Konzernspitze . . [2] Konzern im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . .

3. Territorialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Wahlrecht für Arbeitnehmer ausländischer Tochtergesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . b. Zählzurechnung der Arbeitnehmer ausländischer Tochtergesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mitbestimmung und Governance . . . . . . . . . . . . . 1. »Aufsichtsratstauglichkeit« der Arbeitnehmervertreter a. Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit und Qualifi kation der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . b. »Unabhängigkeit« der Aufsichtsratsmitglieder . . . . [1] Abhängigkeit der Arbeitnehmervertreter? . . . . . . [2] Unabhängigkeit und Parität . . . . . . . . . . . . . c. Funktionsbezogen differenzierte Anforderungen an Aufsichtsräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonderproblem: Doppelmandate in Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung . . . . . . . . . . . III. Gesetzliche und gesellschaftsrechtliche Teilhabe . . . . . . 1. Arbeitnehmer als »Mit-Eigner« und faktische Überparität im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . 2. Exkurs: Zuwahl von Arbeitnehmern in den Aufsichtsrat durch die Eigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzfall: Arbeitnehmerbeteiligungs-Stiftungen . . . . C. Zukunft der Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. »Ent-Demokratisierung« . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Individuelle (Vertrags-)Rechte statt kollektiver Teilhabe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Individualisierungstendenzen im geltenden Recht . b. Rechtspolitische Perspektive – am Beispiel des betriebsverfassungsrechtlichen Beschäftigungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mitbestimmung in Eilfällen . . . . . . . . . . . . . . a. Zentral: Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG b. Sonderfall Interessenausgleichsverhandlungen . . . 3. »Hauptberufl iche« Mitbestimmungsfunktionäre statt gewählter Arbeitnehmerrepräsentanten? . . . . . . . a. Betriebsverfassungsrechtliches Ehrenamt und Rechtswirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Öffnungsklausel de lege ferenda . . . . . . . . . .

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XXV

Inhaltsverzeichnis

c. Professionalisierung als Systemfrage der Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Modifi kation des Wahlverfahrens . . . . . . . . . . II. Flexibilisierung durch Verhandlungslösungen . . . . . . 1. Vereinbarte Mitbestimmung in der SE als rechtspolitischer Paradigmenwechsel . . . . . . . . . 2. Mandatarisch legitimierte Mitbestimmung? . . . . . a. »Deutschrechtliche« Mitbestimmungsvereinbarungen praeter legem . . . . . . . . . . . . . . b. Europarechtlich vorgezeichnete Mitbestimmungsvereinbarungen – am Beispiel der SE . . . . . . . . 3. Unternehmensmitbestimmung als Verhandlungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Aufsichtsratsgröße . . . . . . . . . . . . . . . . .

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[1] »Verkleinerungssperre« bei originär deutschrechtlicher Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . [2] Einseitige Gestaltungschance bei europarechtlich fundierter Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . [3] Wechselwirkung zwischen Organisationsrecht und Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . .

b. Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Mitbestimmungsniveau . . . . . . . . . . . . . 4. Vereinbarte Mitbestimmung als Mitbestimmung der Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Fehlanreize durch die lex lata . . . . . . . . . . b. Vereinbartes Organisationsrecht de lege ferenda.

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[1] Verhandlungen über gesellschaftsrechtliche Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [2] Konsultationsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . .

c. Grenzen der »Mitbestimmungsautonomie« . . . . .

385 386 387

§ 5 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

391

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

397

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

431

Abkürzungen ABl. EG ABl. EU AGB-DDR

ArbR BgbVerf BRD BRG ef FDGB HV integration ORDO Orientierungen SächsVerf TVVO

Verf. DDR WSI ZfgK ZPol

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Amtsblatt der Europäischen Union Arbeitsgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik v. 16. 6. 1977; i. d. F. des Gesetzes v. 22. 6. 1990 (GBl. DDR I 1990, S. 371) Arbeitsrecht aktuell – Informationen für die arbeitsrechtliche Praxis Verfassung des Landes Brandenburg vom 20. 8. 1992 (GVBl. I 2008, S. 298) Bundesrepublik Deutschland Betriebsrätegesetz vom 4. 2. 1920 (RGBl. 1920, S. 147) eigentümlich frei (www.ef-magazin.de) Freier Deutscher Gewerkschaftsbund Verfassung des Landes Hessen v. 1. 12. 1946 (GVBl. I 1946, S. 229) Vierteljahreszeitschrift des Instituts für Europäische Politik in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Europäische Integration Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik Verfassung des Freistaates Sachsen v. 27. 5. 1992 (SächsGVBl. 1992, S. 243) Verordnung über Tarifverträge, Arbeiter- und Angestelltenausschüsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten v. 23. 12. 1918 (RGBl. 1918, S. 1456) Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik v. 6. 4. 1968 i. d. F. des Gesetzes v. 7. 10. 1974 (GBl. DDR I 1974, S. 425) Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut des Deutschen Gewerkschaftsbundes Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für Politikwissenschaft

Im übrigen sei verwiesen auf Kirchner, Hildebert, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. Auflage (2008)

§ 1 Demokratie in der Wirtschaft A. Mitbestimmung oder Wirtschaftsdemokratie? »Mehr Demokratie in der Wirtschaft« – unter dieses Motto stellte die HansBöckler-Stiftung ihre Veranstaltung zum dreißigjährigen Jubiläum des MitbestG 1976 am 30. 8. 2006. Die Festrednerin Angela Merkel sah hier einen »ganz zentralen Aspekt«, der »die gesamte Mitbestimmungsdiskussion auch immer geprägt hat«1 – ein Gedanke, der dem Selbstverständnis deutscher Gewerkschaften 2 wie Betriebsräte3 entspricht: Arbeitnehmervertreter sehen sich gern als Element der Demokratie in der Wirtschaft. Nicht nur die Innen-, sondern auch die Außenwahrnehmung der Arbeitnehmer-Beteiligung in der (rechts-)politischen4 und (rechts-)wissenschaftlichen 5 Diskussion betont die Verbindung zum Demokratieprinzip. »Mehr Demokra-

1 http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Bulletin/2001_2007/2006/08/75-1-bkhans-boeckler.html. 2 Dazu die Stellungnahme der Vertreter der Arbeitnehmer in Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 2, S. 67: »Eine Gesellschaft kann nicht Demokratie zum leitenden Prinzip erklären und darauf verzichten, dieses Prinzip im Wirtschaftsprozess verwirklichen.« Kempen/ Zachert, TVG, Grundlagen Rn. 130 sieht in der »Demokratisierung der Wirtschaft« ein von der Koalitionsfreiheit gedecktes Ziel; deutlicher noch Däubler, TVG, Einleitung Rn. 79: »ein Stück Demokratie in einem zentralen Lebensbereich«. Hierzu auch Zacher, FS Böhm, 707, 710 (und dort insbesondere Fn. 8) sowie 713. 3 Vgl. die Hamburger Erklärung der ver.di Gewerkschaften vom 12. 4. 2000, AiB 2000, 326 f.; weiter Wendeling-Schröder, AiB 2000, 328; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG, Einleitung Rn. 48 f. 4 Hierzu mit umfassenden Nachweisen Demirovic´, Demokratie, passim. Weiter Burghardt u. a., AuR 2000, 205, 207 f.; Wassermann, WSI-Mitteilungen 2000, 697, 698 ff.; T. Raiser, Unternehmensmitbestimmung, S. B 15 ff. Dazu noch die Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, BT-Drucks. 14/5741, S. 33. 5 Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht II/27, S. 1062 f.; weiter v. Hoyningen-Huene, FS Stahlhacke, S. 173, 175: »betriebliche Demokratie«; Fitting, FS Schellenberg, S. 371. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht Müller-Jentsch, Arbeit, S. 173 ff., 187: Mitbestimmung als »demokratische Institution«. Kritisch Rieble, Mitbestimmung, S. 9 ff. Rn. 9 ff. m. w. N.; zurückhaltender GK-BetrVG/Wiese, Einleitung Rn. 81. Aus der Rechtsprechung nur BAG v. 10. 12. 2002, 1 ABR 7/02, NZA 2004, 223 – unter B.II.4.c)bb) der Gründe: »Das Betriebsverfassungsgesetz ist Ausprägung des Demokratieund Sozialstaatsprinzips in einem Teilbereich des Rechts.« [Hervorhebungen von mir.]

2

§ 1 Demokratie in der Wirtschaft

tie wagen« wollte Willy Brandt 6 – durch »Mitbestimmung, Mitverantwortung in den verschiedenen Bereichen unserer Gesellschaft«, auch und gerade im Arbeitsrecht. Indizien für eine Strukturverwandtschaft sind schnell gefunden7 : Die Arbeitnehmervertreter in Betriebs- und Aufsichtsrat werden nach Vorbild des staatsdemokratischen Verfahrens von den Arbeitnehmern gewählt8 , die Gewählten repräsentieren 9 die Wählenden wie auch die Parlaments-Abgeordneten ihre Wähler repräsentieren10 . Diese Repräsentation vermittelt dem einzelnen Arbeitnehmer Teilhaberechte11, wie auch das Demokratieprinzip dem einzelnen Bürger solche Partizipationsrechte zuweist12 . Überdies setzt der Betriebsrat – wenn auch gemeinsam mit dem Arbeitgeber – in der Betriebsvereinbarung zwingendes Recht für den Betrieb: das »Betriebsgesetz« als Parallele zum staatlichen. Bewiesen ist damit nichts. Daß man etwa die Betriebsverfassung auch aus diametraler Perspektive erschließen kann, hat Hermann Reichold nachgewiesen. Seine vertragsrechtsakzessorische Sicht der betrieblichen Mitbestimmung13 erklärt den Betriebsrat privatautonom: als Vertragshelfer des Arbeitnehmers. Dann sind Staat und Betrieb als soziale Gebilde kaum vergleichbar und die Strukturunterschiede zwingen dazu, Parallelen als juristisch nicht verwertbare Erklärungsmuster aufzufassen14 . Es ist das Ziel dieser Arbeit, die anhand so gegensätzlicher Modelle erklärte Mitbestimmung auf ihre Verwandtschaft mit dem Demokratieprinzip hin zu befragen – und gegebenenfalls deren juristische Relevanz aufzudecken. Dabei ist das Erkenntnisinteresse nicht auf die staatsrechtliche Demokratie ausgerichtet, sondern dezidiert auf die arbeitsrechtliche »Mitbestimmungsdemokratie«. Berührungspunkte zwischen Demokratie und Mitbestimmung fi nden sich etwa in der historischen Rückschau: Die ideengeschichtliche Entwicklung von Staatsdemokratie und Arbeitnehmer-Beteiligung sind in Deutschland miteinander verschränkt; § 1 wird dieser tradierten Grundlage der »demokratischen 6

Volltext der Regierungserklärung vom 28. 10. 1968 auf http://www.bwbs.de/UserFiles/File/PDF/Regierungserklaerung691028.pdf. 7 Dazu etwa Plander, Nutzen der Mitbestimmung, S. 117, 118 f. 8 Für den Betriebsrat Dütz/Schulin, ZfA 1975, 103, 109. Weiter Wendeling-Schröder, AiB 2000, 328: »Schaffung von Demokratie im Betrieb durch eine Wahl [. . .]«; weiter Hexel, AiB 2009, 465: Betriebsratswahlen als »größte demokratische Beteiligung der Menschen in den Betrieben«. 9 Zum Betriebsrat als Repräsentationsorgan der Belegschaft nur GK-BetrVG/Franzen, § 1 Rn. 64. 10 Eingehend zum Konzept der Repräsentation Haller, Repräsentation, passim. 11 Zum Teilhabegedanken in der Betriebsverfassung GK-BetrVG/Wiese, Einleitung Rn. 79 ff. 12 Rhinow, ZSR 103 II (1984), 111, 162 ff. 13 Reichold, Betriebsverfassung, S. 486 ff.; näher § 2 C.I.4., S. 114 f. Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 144 ff. überträgt den Reicholdschen Ansatz auf die Unternehmensmitbestimmung. 14 Reichold, Betriebsverfassung, S. 10 f.

B. Ideengeschichte der deutschen Staatsdemokratie

3

Sicht« auf die Mitbestimmung im Folgenden nachgehen. Dabei kann es freilich nicht darum gehen, die bereits umfassend erschlossene Mitbestimmungsgeschichte15 ein weiteres Mal nachzuzeichnen und rechtshistorisch zu würdigen. Im hier untersuchten Zusammenhang interessiert an der Rechtsentwicklung nur, inwiefern der Demokratiegedanke die Arbeitnehmer-Mitbestimmung beeinflußt hat. Ein solcher Einfluß rechtfertigt indes nicht, die Mitbestimmung rechtsdogmatisch als »Spiegelbild der Demokratisierung des Staates«16 zu erklären. Die Untersuchung des staatsverfassungsrechtlichen Demokratieprinzips und sein Vergleich mit der Mitbestimmungsordnung in § 2 wird Strukturprinzipien zeigen, die sich nicht nur von denen der Arbeitnehmer-Beteiligung unterscheiden, sondern den Schluß auf eine Inkompatibilität erlauben: Weder sind Mitbestimmung und Demokratieprinzip auf der Makroebene in Einklang zu bringen, noch lassen sich Unternehmen oder Betrieb bruchlos als »demokratisch strukturierter Mikrokosmos« oder als Element der sozialen Selbstverwaltung begreifen. Inwieweit das demokratische Prinzip gleichwohl noch als normativ relevante Vorgabe für die Mitbestimmungsordnung gesehen werden kann oder muß, klärt eine Analyse zentraler Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung in § 3. Konkret-praktische Konsequenzen der Untersuchung zeigt § 4.

B. Ideengeschichte der deutschen Staatsdemokratie Die Idee einer Mitbestimmungsgesetzgebung ist in Deutschland so alt wie das Fabrikwesen17. Von Beginn an folgte die Mitbestimmungsdiskussion dem Leitbild »demokratischer« Organisation der Arbeit. Demokratie als Sinnbild und Mittel der Befreiung von als illegitim empfundener Herrschaft18 lag »im Trend« – mit Blick auf den staatsverfassungsrechtlichen Bereich, aber eben auch mit Blick auf das Arbeitsleben in den Betrieben, vor allem: den Fabriken. Die Industrialisierung fällt in Deutschland mit dem – freilich langwierigen und von Rückschlägen gezeichneten – Aufstieg der Staatsdemokratie zusammen19.

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Besonders hervorzuheben sind die eingehenden rechtshistorischen Untersuchungen von Hermann Reichold (Betriebsverfassung) und Hans Jürgen Teuteberg (Geschichte), auf die ich mich im Folgenden wesentlich stütze. 16 Schaub/Koch, Arbeitsrechts-Handbuch, § 210 Rn. 3. 17 Teuteberg, Geschichte, S. XIII. 18 Exemplarisch fi ndet sich dieser Gedanke bei Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, S. 7 ff. 19 Hierzu Fitting, FS Schellenberg, S. 371.

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§ 1 Demokratie in der Wirtschaft

I. Märzrevolution und »eingeschränkte« Monarchie im Kaiserreich Während im süddeutschen Raum bereits Landesverfassungen erlassen wurden, verfolgte der Deutsche Bund eine Politik der Restauration und der staatlichen Repression gegen liberale und demokratische Tendenzen 20 . Hiergegen formierte sich im »Vormärz« eine starke Opposition, die neben nationaler Einheit auch politische Mitwirkungsrechte des Volkes anstrebt 21. Mit der zunächst erfolgreichen Märzrevolution von 1848 schienen beide Ziele erreicht: Die Frankfurter Nationalversammlung erarbeitete eine Verfassung für den (klein-)deutschen 22 Bundesstaat, geordnet als parlamentarische Monarchie. Mit der Reichsverfassung von 1849 gelang ein wegweisendes Dokument, die Formulierung der Grundrechte in den §§ 130 ff.23 wurde zum Teil wörtlich in das spätere GG übernommen 24 . Das Konzept der republikanischen Demokratie konnte sich nicht durchsetzen. Immerhin sah die Verfassung substantielle demokratische Beteiligungsrechte über den Reichstag vor, die freilich nie wirksam geworden sind. Statt dessen folgte auf die gescheiterte Märzrevolution eine Phase der Restauration. In der konstitutionellen Monarchie in Preußen und auch in der »eingeschränkten Monarchie« im deutschen Kaiserreich von 187125 dominierte das monarchische Element. Das Kaiserreich war konstitutionelle, nicht aber parlamentarische Monarchie26 ; der gewählte Reichstag 27 spielt als demokratisches Gegengewicht zwar keine unbedeutende, wohl aber eine untergeordnete Rolle28 . Hinter dem charakteristischen »Dualismus zwischen demokratisch legitimierter Legislative und monarchisch legitimierter vollziehender Gewalt«29 der konstitutionellen Monarchie stehen – in Abgrenzung zum absolutistischen Staat – vor allem die Beschränkung 30 und Kontrolle31 der Fürstengewalt durch konkurrierende Gewalten, aber auch durch die rechtsstaatliche Gesetzesbindung32 . 20

Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 263 ff. Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 301 ff. 22 Zur »österreichischen Frage« Stern, Staatsrecht V, S. 258 ff. mit Nachweisen. 23 Zu den Grundrechten der RV 1849 etwa Stern, Staatsrecht V, S. 253 ff. 24 Karpen, JZ 2009, 749, 751, der den Grundrechteteil als »umfassend, modern, nüchtern und ohne Erziehungsabsicht« lobt. 25 Zur Ambivalenz der Reichsverfassung 1871 Stern, Staatsrecht V, S. 400. 26 Hierzu Stern, Staatsrecht V, S. 355 f.; E. R. Huber, HStR I, § 4 Rn. 26 ff. 27 Zu ihm Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 433 ff. 28 Näher Karpen, JZ 2009, 749, 753 f.; Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 448. Zu den späteren Machtverschiebungen zwischen den Verfassungsorganen Stern, Staatsrecht V, S. 372 ff., 374 ff. 29 Isensee, Der Staat 20 (1981), 161, 163. 30 Etwa Stern, Staatsrecht V, S. 357. 31 E. R. Huber, HStR I, § 4 Rn. 29: »Trennung von Ausübung und Kontrolle der Regierungsgewalt«. 32 Vgl. nur Staudinger/Coing/Honsell, BGB, Einleitung zum BGB Rn. 3. 21

B. Ideengeschichte der deutschen Staatsdemokratie

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II. Demokratieprinzip der Weimarer Reichsverfassung Demokratisch verfaßt war Deutschland erstmals in der Weimarer Republik; Art. 1 der Weimarer Reichsverfassung33 statuiert die Fundamentalsätze der Weimarer Demokratie: »Das Deutsche Reich ist eine Republik. Die Staatsgewalt geht vom Volke aus.« Das Demokratieprinzip34 der WRV diskutierten die Verfassungsgeber vor allem 35 mit Blick auf die konkurrierenden Konzepte Parlamentarismus und Rätedemokratie36 ; letztlich befürworteten nicht nur die »Mehrheitssozialisten« das republikanische Modell der WRV, sondern auch die Delegierten der deutschen Arbeiter- und Soldatenräte37. Nicht nur dieses Demokratiemodell, sondern die neue Verfassung in toto war ein Produkt der Improvisation: In den Wirren der Nachkriegszeit fehlten konzeptionelle Vorarbeiten; ein Verfassungsplan mußte erst erarbeitet werden38 . Das praktisch nicht erprobte – und von weiten Teilen der Bevölkerung nicht mitgetragene39 – Demokratieprinzip des Art. 1 WRV wurde durch disparate Verfassungsbestimmungen40 konkretisiert. Dabei zeigte sich kein einheitliches Konzept, sondern eine »gemischte« Demokratie mit der zentralen Parlamentswahl, aber auch Elementen plebiszitärer Demokratie auf Reichsebene und Volkswahlen zu Exekutivorganen41. Maßgebliche Vorarbeiten zur WRV leistete der Leiter des Reichamts des Innern Hugo Preuß 42 ; seine Entwürfe standen noch in der Tradition der Verfassungsdiskussion des Kaiserreichs und zielten im Kern nicht auf Revolution, sondern auf den Kompromiß der alten Ordnung mit dem neuen, demokratischen System43 . Diese Verbindung von neu und alt zeigte die spätere Verfassung etwa mit dem Dualismus von parlamentarischer Regierung und einem direkt gewählten Reichspräsidenten44 , dessen starke Stellung nach

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Vom 11. 8. 1919, RGBl. 1919, S. 1383. Zur Geschichte der »Lehre vom ›demokratischen Prinzip‹« Maier, FS Friedrich, S. 127, 151 ff. 35 Der demokratische Leitgedanke war derart unumstritten, daß dieser Aspekt in den Beratungen nicht vertieft behandelt wurde; Kuhli, Jura 2009, 321, 325. 36 Exemplarisch die Ausführungen der Abgeordneten Henke, Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung (1920), Band 326, S. 489 und Koenen, Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung (1920), Band 328, S. 1778 ff. 37 Dazu Anschütz, WRV, Einleitung S. 12 ff.; Stern, Staatsrecht V, S. 558 f. 38 Mit umfangreichen Nachweisen Gusy, Jura 1995, 226. 39 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 573 ff.: Demokratie ohne Konsens; weitere Nachweise bei Stern, Staatsrecht V, S. 714 ff. 40 Überblick bei Stern, Staatsrecht V, S. 568. 41 Eingehend Gusy, Jura 1995, 226, 227 ff. 42 Kuhli, Jura 2009, 321, 323 m. w. N.; näher zur Person Hugo Preuß Anschütz, WRV, Einleitung S. 15 und dort Fn. 24. 43 Anschütz, WRV, Einleitung S. 16 ff.; Gusy, Jura 1995, 226 m. w. N. in Fn. 4. 44 Gusy, Jura 1995, 226; zu diesem »dualistischen« Regierungssystem noch Stern, Staatsrecht V, S. 747. 34

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§ 1 Demokratie in der Wirtschaft

us-amerikanischem und französischem Vorbild sich später zu dem oft bemühten Bild vom »gewählten Ersatzkaiser«45 verdichtete. Daß die WRV – wie dies nach 1945 kritisiert wurde – das demokratische Element »überbetont« hätte, ist nicht zu verifi zieren46 . Festhalten läßt sich aber, daß die Verfassung – in gewolltem Kontrast zum monarchischen System – ein hohes Maß demokratischer Partizipation zuließ. So gesehen ist die WRV Kontrastverfassung, die einen deutlichen Akzent auf die Beteiligung des Volkes und auf Demokratie als Befreiung von und Gegenentwurf zu autoritärer Herrschaft setzt.

III. Grundgesetz Kontrastverfassung ist auch das Grundgesetz – diesmal in Relation zur NSDiktatur. Sein Demokratieprinzip ist hier (noch) nicht zu untersuchen: Es geht mir zunächst (nur) darum, ideengeschichtliche Verbindungen zwischen Staatsdemokratie und Arbeitnehmer-Mitbestimmung nachzuweisen. Demgegenüber bildet das Grundgesetz den normativen Rahmen des geltenden Rechts, in dem diese Verbindungen auf ihre heutige Relevanz befragt werden sollen. Daher werde ich die Demokratie des Grundgesetzes in § 2 47 behandeln.

C. Ideengeschichte der Mitbestimmungsordnung Im Kontext der gesellschaftlichen und staatsverfassungsrechtlichen Entwicklung in der Zeit der Industrialisierung läßt sich nachvollziehen, daß sich die Beschäftigten als Schicksalsgemeinschaft empfunden und den Einfluß auf die eigene Arbeitswirklichkeit als Ausdruck derselben demokratischen Prinzipien verstanden haben, die auch staatsrechtliche Diskussion beherrschten.

I. Deutscher Bund 1. Frühphase der Industrialisierung und »Unternehmer-Herrschaft« im Betrieb Die Frühphase der deutschen Industrialisierung war geprägt vom ständischfeudalistischen Denken einer andernorts bereits vergangenen Epoche. Im politisch zersplitterten Deutschland des frühen 19. Jahrhunderts standen noch

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Umfangreiche Nachweise bei Stern, Staatsrecht V, S. 593 und dort Fn. 337. Hierzu Gusy, Jura 1995, 226, 233. Weiter Stern, Staatsrecht V, S. 746 m. w. N., der das schrankenlose Verhältniswahlrecht der WRV nicht als »Konstruktionsfehler« gelten läßt. 47 S. 35 ff. 46

C. Ideengeschichte der Mitbestimmungsordnung

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nicht der freie Arbeitsvertrag48 und sozialer Arbeiterschutz 49 im Mittelpunkt der Arbeitsbeziehungen, sondern die »quasi-hoheitliche« Herrschaft des Betriebsinhabers über und seine Fürsorge für die Arbeiter-Untertanen 50 : Gustav Schmoller51 erkannte ein Arbeitsrecht, das aus den Instituten »Sklaverei« und »Leibeigenschaft« hervorgegangen ist. In Preußen schufen erst die Stein-/Hardenbergschen Reformen 52 den rechtlichen Rahmen für freies Unternehmertum und Industrialisierung53 . Mit dem Gewerbesteueredikt 181054 und dem »Gesetz über die polizeilichen Verhältnisse der Gewerbe, in Bezug auf das Edikt vom 2. 11. 1810, wegen der Einführung einer allgemeinen Gewerbesteuer« aus 181155 löste die Gewerbefreiheit das alte Zunftsystem ab56 ; für Handel und Gewerbe galt nunmehr das Recht des freien Arbeitsvertrags57. Damit war zwar das Fundament einer liberalen Wirtschaftsverfassung58 gelegt, zugleich aber entfielen mit den Fürsorgepfl ichten des Adels für die Untertanen und dem Zunftsystem die traditionellen »sozialen« Sicherungsmechanismen des Ständestaates59. Ein soziales Arbeitsrecht mit Blick auf Arbeiterschutz oder gar Arbeitermitbestimmung war zu diesem Zeitpunkt auch theoretisch noch nicht erschlossen. Zwar wurden die mit der industriellen Entwicklung in Europa verbundenen Probleme auch in Deutschland erfaßt60 , indes stellte sich die soziale Frage angesichts der hierzulande erst anlaufenden Industrialisierung mit anderem Akzent: Bis 1848 war das deutsche »Proletariat« nicht Fabrik-, sondern Hand48 Das heißt nicht, daß der schuldrechtliche Gehalt des Arbeitsverhältnisses im vorindustriellen Arbeitsrecht keine Rolle gespielt hätte – vor allem wenn die Arbeitstätigkeit eine Trennung von Arbeits- und Wohnstätte erforderte, wurde der Arbeitsvertrag praktisch; dazu Ogris, RdA 1967, 286, 290 f., 294. 49 Grundzüge des Arbeitsrechts i. S.e. Arbeitnehmerschutzrechts lassen sich freilich schon seit dem Spätmittelalter nachweisen; dazu Mayer-Maly, RdA 1975, 59 ff. 50 Eingehend Reichold, Betriebsverfassung, S. 20 ff. 51 Wesen und Verfassung, S. 372, 374 f. 52 Überblick bei Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 211 ff. 53 Hier läßt sich die Trennung politischer Funktionen von ökonomischen festmachen, die nach Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 219 f. den Übergang von der feudalen zur kapitalistischen Gesellschaft markiert. 54 GS PR 1810/11, S. 79 ff. 55 GS PR 1811, S. 263 ff. 56 Reichold, Betriebsverfassung, S. 15 ff. m. w. N. 57 Richardi, Arbeitsrecht, S. 24. 58 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 203. 59 Schmoller, Wesen und Verfassung, S. 372, 384: »Beseitigung [. . .] alles Schutzes der Schwachen« durch den freien Arbeitsvertrag. 60 So veröffentlichte etwa Robert v. Mohl bereits 1835 seinen Aufsatz »Über die Nachtheile, welche sowohl den Arbeitern selbst, als dem Wohlstande und der Sicherheit der gesamten bürgerlichen Gesellschaft von dem fabrikmäßigen Betriebe der Industrie zugehen, und über die Nothwendigkeit gründlicher Vorbeugungsmittel« im »Archiv der politischen Oekonomie und Polizeiwissenschaft« (Band 2, S. 141 ff.; im Volltext abrufbar über http://edocs.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2007/9016/); dazu Reichold, Betriebsverfassung, S. 30 ff.

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werksproletariat61, die Massenarmut im »Pauperismus« der 1830er und 1840er Jahre traf vor allem Landarbeiter und Handwerker. Dementsprechend wurden weniger die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Fabrikarbeiter62 als gesellschaftliches Kardinalproblem wahrgenommen, sondern die Krise der »traditionellen« Gewerbe63 . Diese konnten sich gegen die neue industrielle Konkurrenz nicht behaupten, ihre Belegschaften fanden indes (noch) keine Arbeit in den Industriebetrieben oder scheuten den gesellschaftlichen Abstieg durch Wechsel in die Fabrikarbeit64 . In den Fabriken regelten vom Unternehmer einseitig gesetzte Fabrikordnungen das Arbeitsleben und -recht. In der Sache ging es hier (noch) nicht um Betriebsverfassung im »modernen« Sinne, sondern vor allem um Disziplinarordnungen mit öffentlich-, insbesondere polizeirechtlichem Einschlag65 , die nicht selten staatlich genehmigt wurden. 2. Arbeiterbewegung Die staatsbezogene oder »verwaltungsrechtliche« Perspektive (»von oben«) auf das Arbeitsverhältnis in den Fabriken, die hier anklingt, ist typisch für das frühindustrielle Deutschland – auch für die Arbeiterbewegung66 . Freilich wurde der Akzent dort anders gesetzt, zentrale Forderungen nach sozialem Fortschritt aber zielen auf staatliche Kontrolle der Unternehmer: Im Jahre 1848 verlangte der Frankfurter »Allgemeine Handwerker und Gewerbekongreß« die Rückkehr zum Zunftsystem und staatliche Wirtschaftskontrolle 67. Weiter gab es Initiativen, das staatliche Arbeitsministerium einer paritätischen Leitung durch Arbeitgeber und Arbeiter zu unterwerfen68 . In erster Linie indes ging es (auch) der Arbeiterbewegung um die »Demokratisierung« des Staates: Republik als Voraussetzung für soziale Reformen, (Staats-)Demokratie als Voraussetzung für politische (!) Mitbestimmung der Arbeiter69. Dahinter mag bereits die Erwartung gestanden haben, die »Arbei61 Mit Nachweisen Reichold, Betriebsverfassung, S. 42; weiter Grebing/Euchner, Geschichte der sozialen Ideen, S. 21 ff. 62 Gemeint ist nicht nur die »Mechanisierung« der Arbeit, sondern auch die strukturelle Lösung der Arbeiter aus dem Haus- und Familienverband; Ogris, RdA 1967, 286, 297. 63 Allerdings wurde der »Komplex des Fabrikarbeiters« im Zusammenhang des »allgemeinen Armenwesen[s]« erfaßt; Teuteberg, Geschichte, S. 4 m. w. N. 64 Zur sozialen Stellung der damaligen Fabrikarbeiter Grebing/Euchner, Geschichte der sozialen Ideen, S. 21. 65 Vgl. Reichold, Betriebsverfassung, S. 23 f. 66 Überblick zu den Anfängen der Gewerkschaftsbewegung bei Gergen, AuR 2006, 307, 308. 67 Dazu Teuteberg, Geschichte, S. 66 ff. 68 Teuteberg, Geschichte, S. 82 ff. 69 Dazu das »Offene Antwortschreiben« Ferdinand Lassalles zur Berufung eines Allgemeinen Deutschen Arbeiterkongresses vom 1. 3. 1863; abgedruckt in: Eduard Bernstein (Hrsg.), Ferdinand Lassalle – Reden und Schriften, Band 2 (1893), S. 409 ff.; im Volltext

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terklasse« als zahlenmäßig stärkste in sich geschlossene Binnengruppe des Staatsvolkes müsse in der parlamentarischen Demokratie notwendig den größten Einfluß auf den Staat erhalten70 . Gleichwohl deckten sich die Forderungen nach politischer Mitbestimmung im Staat mit denen des liberalen Bürgertums. Insgesamt war das Ziel der politischen Befreiung durch »Demokratisierung« ein zentrales Anliegen dieser Zeit – auch wenn für die Märzrevolution noch andere Gesichtspunkte eine wichtige Rolle gespielt haben, etwa der Wunsch nach nationaler Einheit. Aus dieser Perspektive kann es nicht überraschen, daß in der noch wenig selbst- und klassenbewußten Arbeiterschaft der Wunsch nach wirtschaftlicher Befreiung in einem von existentieller Abhängigkeit geprägten Arbeitsumfeld in denselben Denkmustern artikuliert wurde: Nicht der revolutionäre Ansatz des 1848 veröffentlichten kommunistischen Manifests71 dominiert die junge deutsche Arbeiterbewegung, sondern die »Forderung nach einer gerechten und ›demokratischen Organisation der Arbeit‹, [. . .] die dem arbeitenden Menschen ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Gleichberechtigung und Teilhabe [. . .] sicherte.«72 So propagierte etwa Stephan Born, später Leitfigur der »Allgemeinen Arbeiterverbrüderung«, auf dem »Allgemeinen Arbeiterkongreß« im September 1848 in Berlin eine »Art sozialer Parallelpolitik der Arbeiter zu der parlamentarisch-demokratischen Politik des Bürgertums«73 . Statt um soziale Revolution ging es also um die gesellschaftliche Integration der Arbeiter in eine »sociale Demokratie«74 ; die für den staatlichen Bereich als richtig empfundene Struktur sollte auf das Arbeitsleben übertragen werden75. 3. Gegenentwurf einer Gewerbeordnung im Volkswirtschaftlichen Ausschuß der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49 Erkennen läßt sich dieses »staatsanaloge« Bild der Wirtschaftsordnung auch im Minderheitsentwurf einer Gewerbeordnung, den der Volkswirtschaftliche abrufbar auf http://www.digitalis.uni-koeln.de/Lassalle/lassalle_index.html. Weiter Blanke, AuR 1994, 113, 114 f.; Thoma, Demokratie, S. 406, 412 ff. 70 Freilich blieb die Realität der Weimarer Demokratie hinter dieser Vorstellung zurück; skeptisch schon Sinzheimer, Rätesystem, S. 8 f.; resignierend Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, S. 8 f.: »Die geschichtliche Erfahrung lehrte aber seitdem, daß [. . .] die politische Demokratisierung ohne ›Erhebung des Proletariats zur herrschenden Klasse‹ möglich ist«. 71 Auch Karl Marx und Friedrich Engels wollen zunächst die (von der arbeitenden Mehrheit beherrschte) Demokratie – aber nur als Vorstufe zum Sozialismus; dazu Thoma, Demokratie, S. 406, 414: »legale Mehrheitsdiktatur«. 72 Teuteberg, Geschichte, S. 60. 73 Zitiert nach Reichold, Betriebsverfassung, S. 42. 74 Freilich hat Born und hat die »Verbrüderung« auch dezidiert marxistische Positionen vertreten; zu dieser Ambivalenz Borns zwischen Integration und Klassenkampf Grebing/ Euchner, Geschichte der sozialen Ideen, S. 75 ff. 75 Teuteberg, Geschichte, S. 61 ff. sieht im Grundsatz »ideologische Parallelität« bei erheblichen Divergenzen in der Konkretisierung.

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Ausschuß der Frankfurter Nationalversammlung 1849 vorgelegt hat. Dieser letztlich abgelehnte Gesetzesvorschlag brach mit dem vorindustriellen Denken, erfaßte die gegenüber den Handwerkern gesteigerte Schutzbedürftigkeit der Fabrikarbeiter und reagierte mit Sonderregeln für das Arbeitsrecht in den Fabriken76 . Vorgeschrieben werden sollte eine eigenständige Wirtschaftsordnung des Fabrikwesens, mit einem regional gestuften Rätesystem vom paritätisch besetzten Fabrikausschuß mit relevanten Mitwirkungsrechten bis zum Gewerbeparlament für ganz Deutschland77. Vergleichbar dem Staat der konstitutionellen Monarchie sollte die Herrschaftsmacht des Unternehmers im Betrieb durch eine »Verfassung« gebunden werden78 . Solche Gedanken waren weder im Ausschuß selbst noch in dem bürgerlichliberal geprägten »Paulskirchen-Parlament«79 mehrheitsfähig. Die dort beschlossene Reichsverfassung von 1849 setzt nur moderat soziale Akzente, von sozialen Grundrechten neben den liberalen Freiheitsrechten sahen die Verfassungsgeber bewußt ab: Die Grundrechte sollten unmittelbar, ohne einfachgesetzliche Ausformung eingeklagt werden können. Für den Bereich der sozialen Grundrechte schien dies ausgeschlossen80 . 4. Industrielle Revolution und freiwillige Arbeiterausschüsse Die Zeit der politischen Reaktion nach der Märzrevolution von 1848 fiel mit der »industriellen Revolution« in Deutschland zusammen und markierte zugleich eine Phase wirtschaftlicher Liberalisierung. Dem Rückzug des Staates aus dem Wirtschaftsleben korrespondierte ein Rückzug des Staates aus dem Arbeitsleben, das zunehmend durch die Situation im Eisenbahnbau und in der Schwerindustrie geprägt wurde. In der Konsequenz ergab sich ein Machtzuwachs für die Unternehmer des neuen Wirtschaftsbürgertums, Arbeitnehmerschutz wurde vor allem auf freiwilliger Basis realisiert: In einigen Fabriken wurden freiwillige Arbeiter-Ausschüsse gebildet, die sich mitunter aus bestehenden Sozialeinrichtungen entwickelten81 – etwa aus genossenschaftlichen Unterstützungskassen. Pionierarbeit leistete Carl Degenkolb, der maßgeblich an dem Gegenentwurf einer Gewerbeordnung in der Frankfurter Nationalversammlung82 mitgewirkt hatte: Bereits 1850 richtete er – konzeptionell eng angelehnt an den Frankfurter Minderheitsentwurf – gemeinsam mit der Belegschaft seiner Eilenburger Textildruckerei einen Arbeiterausschuß ein, dessen 76

Reichold, Betriebsverfassung, S. 47 ff. Näher Teuteberg, Geschichte, S. 103 ff. m. w. N. 78 Reichold, Betriebsverfassung, S. 51: »strukturell vergleichbare Organismen«. 79 Zu der verbreiteten Kritik an der einseitigen sozialen Zusammensetzung der Frankfurter Nationalversammlung (»Honoratiorenparlament«) etwa Karpen, JZ 2009, 749, 751. 80 Stern, Staatsrecht V, S. 255 m. w. N. 81 Teuteberg, Geschichte, S. 115 ff., 208 ff. 82 Hierzu bereits 3., S. 9 f. 77

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Aufgaben deutlich und konzeptionell über die Verwaltung einer Sozialeinrichtung hinausreichten83 . Bis ins Kaiserreich hinein fand dieses Projekt zahlreiche Nachahmer. Gamillscheg weist darauf hin, daß jene Entwicklungen nicht nur unter dem Aspekt autonom gewährten sozialen Fortschritts gesehen werden dürfen: nicht wenige Arbeitgeber instrumentalisierten freiwillige Arbeiterräte als »Unternehmerpolizei«, um »von innen heraus« Einfluß auf die Belegschaft zu nehmen84 . Dabei ging es vor allem darum, zunehmend stärkere klassenkämpferische Strömungen abzuwehren85. Die Ausschüsse lassen sich aus dieser Perspektive als kalkuliertes Zugeständnis an die Arbeiterschaft begreifen – um weitergehenden Forderungen die Spitze zu nehmen.

II. Kaiserreich 1. Sozialschutz durch Eingriffsverwaltung In der »Gründerzeit« unmittelbar vor und nach der Reichsgründung von 1871 erreichte die Industrialisierung in Deutschland eine neue Hochphase: Große Industriebetriebe prägten das Wirtschafts- und Arbeitsleben, die sozialen Probleme der Fabrikarbeiter rückten in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Die politische Reaktion wurde durch die Politik Otto v. Bismarcks bestimmt. Sie lag – nach einer ersten Phase der Liberalisierung der Wirtschaftsverfassung86 – ab 1878 in wirtschaftlichem Protektionismus 87 und sozialstaatlichem Interventionismus in Gestalt einer vom Staat verordneten Arbeiterschutzgesetzgebung. Diese »Sozialpolitik von oben«, durch den der bürgerlichen Gesellschaft übergeordneten Obrigkeitsstaat88 , regelte die Arbeitsbeziehungen im (Industrie-)Betrieb mit den tradierten Mitteln der Eingriffsverwaltung89. Freiheitlich-privatrechtliche Ansätze im Wirtschafts- und Arbeitsrecht traten zugunsten paternalistischer Steuerung durch öffentliches Recht zurück: In diesem Sinne stand gegen das weitreichende Verbot autonomer Arbeitnehmer-Organisationen durch das Sozialistengesetz vom 21. 10. 187890 die soziale Siche-

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Näher Teuteberg, Geschichte, S. 212 ff. Gamillscheg, AuR 1991, 272. 85 Teuteberg, Geschichte, S. 229. 86 Im Einzelnen Stern, Staatsrecht V, S. 414 f. 87 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 467 ff. 88 Dazu Hartwich, FS Fraenkel, S. 131, 132 ff.; Reichold, Betriebsverfassung, S. 172; Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 478. 89 Reichold, Betriebsverfassung, S. 175 f. 90 Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie; RGBl. 1878, S. 351. Dazu Stern, Staatsrecht V, S. 427 f. m. w. N. 84

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rung eines erheblichen Teils der Bevölkerung 91 durch die gesetzliche Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung 92 . 2. Arbeiterschutzgesetz von 1891 Eine Wende in der Arbeitsrechtsentwicklung löste der Bergarbeiterstreik vom Mai 188993 aus, welcher im »Berliner Protokoll« vom 15. 5. 1889 mündete, der ersten streikbeendenden Kollektivvereinbarung in Deutschland 94 . Politisch machte der Rücktritt Bismarcks im März 1890 den Weg frei für den von Wilhelm II. und dem neuen Reichskanzler v. Caprivi verfolgten »neuen Kurs« in der Sozialpolitik. Noch im September 1890 trat das Sozialistengesetz außer Kraft95 , wenig später wird »Arbeitermitbestimmung« gesetzlich geregelt: Das galt zunächst für den Bergbau, in dem landesrechtliche Novellenregeln schrittweise die staatliche Wirtschaftslenkung beseitigten und in Bergwerken bestimmter Größenordnung Arbeiterausschüsse vorschrieben – zunächst fakultativ, später zwingend 96 . Zentrale Wegmarke war das Gesetz betreffend Abänderung der Gewerbeordnung vom 1. 6. 189197, das sogenannte »Arbeiterschutzgesetz«. In den §§ 134a ff. GewO 1891, die sich mit der obligatorischen »Arbeitsordnung« in Fabriken befaßten, schuf das Reich erstmals eine gesetzliche Grundlage für – fakultative98 – Arbeiterausschüsse (§ 134h GewO 1891). Wo diese Ausschüsse errichtet wurden, genossen sie in beschränktem Umfang gesetzliche Mitwirkungs- und sogar Mitbestimmungsrechte. Zwar konnte der Arbeitgeber die Arbeitsordnung nach wie vor einseitig festlegen und damit die wesentlichen Arbeitsbedingungen selbst bestimmen. Vor Erlaß oder Änderung der Arbeitsordnung hatte er jedoch nach § 134d Abs. 2 GewO 1891 die Stellungnahme 91 Für die preußischen Bergarbeiter war eine öffentlichrechtliche Sozialversicherung bereits 1854 eingeführt worden. Gesetz betreffend die Vereinigung der Berg-, Hütten-, Salinen- und Aufbereitungs-Arbeiter in Knappschaften, für den ganzen Umfang der Monarchie, v. 10. 4. 1854; GS PR 1854, S. 139 ff. 92 Krankenversicherungsgesetz vom 15. 6. 1883, RGBl. 1883, S. 73; Unfallversicherungsgesetz vom 6. 7. 1884, RGBl. 1884, S. 69; Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung vom 22. 11. 1889, RGBl. 1889, S. 97. 93 Hierzu Teuteberg, Geschichte, S. 363 ff. 94 Gamillscheg, AuR 1991, 272. 95 Damit ist freilich nicht gesagt, daß die Zeit staatlicher Repression gegen gewerkschaftliche Betätigung vorbei gewesen wäre; vgl. etwa Gergen, AuR 2006, 307, 309 zu strafrechtlichen Sanktionen gegen Streikende. 96 Vorreiter ist insoweit Art. 91 Abs. 2 des bayerischen Berggesetzes idF. vom 30. 6. 1900, GVBl. S. 775. Weiter § 80f Abs. 1 des preußischen Allgemeinen Berggesetzes i. d. F. des Änderungsgesetzes vom 14. 7. 1905, GS PR 1905, 307. 97 RGBl. 1891, S. 261. 98 Gesetzlichen Zwang hielt man für schädlich mit Blick auf das angestrebte Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmer und Arbeiterausschuß. Indes läßt sich der historische Wille des Gesetzgebers nachweisen, die Ausschüsse jedenfalls in großen Betrieben zum Regelfall in der Praxis zu machen; Teuteberg, Geschichte, S. 384.

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der Arbeitervertretung 99 einzuholen100 und mußte sich an gesetzliche Mindeststandards halten, etwa mit Blick auf Arbeitszeit, Pausen und Art und Weise der Lohnzahlung. Vereinzelt wurden kollektive Arbeitsbedingungen auch kooperativ festgelegt: Der Unternehmer Heinrich Freese verständigte sich mit der in seiner Jalousien- und Holzpflasterfabrik freiwillig errichteten Arbeiter-Vertretung auf die Arbeitsordnung, statt auf seinem Alleinentscheidungsrecht nach GewO 1891 zu bestehen101. Seine Erfahrungen hat er in seinem Buch »Die konstitutionelle Fabrik«102 festgehalten – und damit die Brücke von der staatsverfassungsrechtlichen zur betriebsverfassungsrechtlichen Ebene geschlagen. Sein »Fabrikparlament« trat 1884 zusammen103 . Anders als die Theoretiker der Arbeiterbewegung zielten Freese und seine Vordenker unter den Unternehmern104 freilich nicht auf eine »Demokratisierung« von Betrieben. Der »Fabrikabsolutismus«105 sollte nicht überwunden, sondern konstitutionell beschränkt und verrechtlicht werden – auch im Eigeninteresse an höherer Produktivität und verbesserten Arbeitsbeziehungen106 . Die GewO 1891 stand solchen Kooperationen auf autonomer Basis nicht entgegen. Daß die – ausgehandelte oder vom Arbeitgeber einseitig vorgegebene – Arbeitsordnung indes nach § 134e Abs. 1 GewO 1891 der zuständigen Verwaltungsbehörde zur Kontrolle vorgelegt werden mußte, belegt die nach wie vor wirksame verwaltungs-, oder besser: polizeirechtliche Sicht auf das Arbeitsverhältnis und illustriert, daß die GewO 1891 nicht als Systemwechsel von der paternalistischen Staatsaufsicht zur mitbestimmten Unternehmensautonomie interpretiert werden kann. Andererseits regelte die nach GewO 1891 schriftlich zu erlassende Arbeitsordnung trotz behördlicher Kontrolle nicht öffentlichrechtliche Arbeitsbedingungen, sondern »die allgemeinen Vertragsbedingungen des Unternehmens«107. 99 Soweit kein »ständiger Arbeiterausschuß« bestand, waren nach Abs. 1 die »großjährigen Arbeiter« anzuhören. 100 Teuteberg, Geschichte, S. 378 bewertet diese Anhörungspfl icht als »sozialpolitisches Novum und einen starken Eingriff des Gesetzgebers in die betrieblichen Verhältnisse«. Deutlicher noch S. 387: »umstürzende[r] Einbruch in das patriarchalische Ordnungsdenken der Wirtschaft«. 101 Dazu Teuteberg, Geschichte, S. 260 ff. 102 Freese, Fabrik. 103 Dazu Reichold, Betriebsverfassung, S. 99 f. 104 Zu ihnen Teuteberg, Geschichte, S. 254 ff. 105 Dazu, daß die damaligen Unternehmer vorwiegend einen »Herr-im-Hause-Standpunkt« in Anlehnung an den autonomen Monarchen im Staat formulierten, Neuloh, Betriebsverfassung, S. 11 f. 106 Freese, Fabrik, S. 25 ff., 71 ff.; weiter Teuteberg, Geschichte, S. 274. Neuloh, Betriebsverfassung, S. 75 f. zählt das Freesesche Modell nicht unter die zweiseitig-kooperativen Strukturen der Betriebsverfassung, weil es – trotz freiwilliger Selbstbeschränkung – in wesentlichen Bereichen beim uneingeschränkten Alleinentscheidungsrecht des Unternehmers blieb. 107 Zu dieser »privatrechtlichen Sicht« Reichold, Betriebsverfassung, S. 72 f.

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Insofern läßt sich mit Reichold festhalten, daß das spätere Sozialmodell des BetrVG nicht erst in der Weimarer Republik, sondern schon im Kaiserreich anklingt – in Gestalt der vom Arbeitgeber geleiteten »Fabrik, die durch die Betriebsverfassung eine Konstitution erhält«108 . 3. Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst von 1916 Daß mit dem Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst109 aus dem Kriegsjahr 1916 gerade ein massiver staatlicher Eingriff in das Arbeitsverhältnis zugleich110 einen wesentlichen Entwicklungssprung in der Arbeitnehmer-Mitbestimmung bedeutete, zeigt einmal mehr die für die deutsche Rechtsgeschichte typische Verschränkung von Eingriffsverwaltung und Sozialgesetzgebung: Einschränkungen der Berufs(wahl)freiheit bis hin zum Arbeitszwang sollten durch Mitbestimmungsweiterungen »sozial ausbalanciert« werden111. In »kriegswichtigen« Betrieben mit mindestens 50 Arbeitnehmern wurden Arbeiter- und Angestelltenausschüsse verpfl ichtend vorgeschrieben. Über »Hilfsdienstpfl icht« und Personalversorgung entschieden Räte, in denen je drei Vertreter des Militärs auf je zwei der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite treffen112 . Zugleich wurden die Gewerkschaften gesetzlich anerkannt: § 14 des Gesetzes über den vaterländischen Hilfsdienst sicherte ihnen »Betätigungsfreiheit nach Maßgabe der Gesetze« zu.

III. Weimarer Republik 1. Gewerkschaften und Tarifwesen Nicht nur mit Blick auf die autonome Arbeitnehmer-Mitbestimmung im Tarifvertrag, sondern auch in Bezug auf die institutionalisierte Mitbestimmung von Interesse ist die Entwicklung des Tarifwesens in der Weimarer Republik. Noch in den Wirren der unmittelbaren Nachkriegszeit institutionalisiert sich der soziale Dialog zwischen Wirtschaft und Gewerkschaften vorübergehend in der »Zentralarbeitsgemeinschaft« – freilich ein in beiden Lagern von Beginn an umstrittenes Unterfangen113 . Gleichwohl erreichte die Arbeitsgemeinschaft mit dem konstituierenden »Stinnes-Legien-Abkommen« vom 15. 11. 1918114 nicht nur die gegenseitige Anerkennung der Koalitionen auf autonomer Basis, sondern vereinbarte (Nr. 7 der Vereinbarung) auch die Repräsenta108

Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB, Vorbem zu §§ 611 ff. Rn. 981. Vom 5. 12. 1916, RGBl. 1916, S. 1333. 110 Zu dieser Ambivalenz Däubler/Kittner/Klebe/Wedde/Bachner, Einleitung Rn. 5 m. w. N. 111 Reichold, Betriebsverfassung, S. 188. 112 Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, S. 120. 113 E. Potthoff, Geschichte, S. 1, 9. 114 Veröffentlicht im Reichsanzeiger vom 18. 11. 1918, RABl. 1918 Nr. 12, S. 874. 109

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tion der Betriebsbelegschaften in zwingenden Arbeiterausschüssen, welche gemeinsam mit dem Unternehmer die Durchführung der »Tarifverträge«115 zu überwachen hatten116 . Wenig später wurde in den §§ 7 ff. TVVO 1918 eine gesetzliche Regelung zu den Arbeitnehmervertretungen im Betrieb erlassen. Fehlte ein Tarifvertrag, standen den Ausschüssen Mitwirkungsrechte bei der Festlegung von Löhnen und anderen Arbeitsbedingungen zu, § 13 Abs. 1 Satz 3 TVVO 1918. 2. Rätesystem nach Art. 165 WRV a. Hybride Wirtschaftsverfassung und soziale Grundrechte Die WRV brachte nicht nur erstmals die Staatsdemokratie, sie steht auch für eine Zäsur auf der Ebene der Arbeits- und Wirtschaftsverfassung. Die für das Demokratieprinzip diagnostizierte Unentschiedenheit der Verfassung kannte hier ein Pendant: Ohne eindeutige politische Entscheidung zwischen kapitalistischer und sozialistischer Wirtschaftsordnung117 mischte die WRV Elemente der Wirtschaftsfreiheit mit solchen der Wirtschaftslenkung. Beispiel ist das unklare Nebeneinander des Tarifwesens autonomer Verbände mit freiwilliger Mitgliedschaft und der Zwangsrepräsentation in einem mehrstufigen Rätesystem118 . Das Ergebnis war nicht nur theoretisch schwer zu durchdringen, sondern führte auch zu Problemen in der praktischen Handhabung. Diese Unstimmigkeiten waren im Grundrechtsteil bereits angelegt: Die WRV beschränkte sich nicht auf die »klassischen« liberalen Freiheitsverbürgungen119, gewährte den Bürgern nicht nur Abwehrrechte gegen den Staat, sondern nahm mit weitgehenden Leistungs- und Teilhaberechten120 sozialstaatliche Konzepte121 sowie vor allem mit dem Sozialisierungsartikel 156 dezidiert sozialistische Gedanken122 auf. Soziale Grundrechte drängten den Staat, die freie Entfaltung seiner Bürger nicht nur passiv zu dulden, sondern aktiv zu fördern, insbesondere ihre materiellen Voraussetzungen zu schaffen123 . Zugleich ordnete schon die Eingangsvorschrift des Art. 151 Abs. 1 Satz 1 WRV die »Ordnung des Wirtschaftslebens« – einschließlich der zentralen wirtschaftlichen Garantien der Eigentums-, Vertrags- und Vereinigungsfrei115

Das Abkommen spricht von »Kollektivvereinbarungen«. Richardi, Arbeitsrecht, S. 34. 117 Kuhli, Jura 2009, 321, 328. Kritisch R. Schmidt, HStR IV, § 92 Rn. 4, der von einem »dilatorischen Formelkompromiß« spricht. 118 Hierzu Reichold, Betriebsverfassung, S. 234; Badura, RdA 1976, 275, 279. 119 Isensee, Der Staat 17 (1978), 161, 175 spricht plastisch von einem (partiellen) »Ausbruch« aus der liberalen Verfassungstradition. 120 Sichtbar etwa im Abschnitt zum »Gemeinschaftsleben«, Art. 119 ff. WRV. 121 Kuhli, Jura 2009, 321, 328. 122 Anschütz, WRV, vor Art. 151 S. 697. 123 Dazu mit Nachweisen Reichold, Betriebsverfassung, S. 230. Allgemein zu den Problemen sozialer Grundrechte Rupp, AöR 101 (1976), 161, 176 ff. 116

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heit – sozialpolitischen Programmsätzen unter124 , und stellte sie damit zur Disposition des Parlaments125. Dieser »verfassungsrechtliche Quantensprung« mußte auch theoretisch erst erschlossen werden126 : In den ersten Jahren der Weimarer Republik wurden die Grundrechte als unverbindliche Programmsätze gelesen. Vom Reichsgericht zum »Heiligtum des deutschen Volkes«127 überhöht, zugleich aber vielfach eingeschränkt128 , wurde ihr unmittelbar verbindlicher Rechtsgehalt erst nach Jahren erkannt129. Exemplarisch für den in die Gesellschaft »überschießenden« Impetus der WRV130 steht die Arbeits- und Wirtschaftsverfassung in den Art. 151 ff. Hugo Sinzheimer hat als Berichterstatter in der verfassunggebenden Nationalversammlung wesentliche Verfassungsbestimmungen aus diesem Bereich als sozialpolitische Fernziele qualifi ziert131. Er interpretierte das Recht des Reiches, nach Art. 156 Abs. 1 WRV Produktionsmittel zu sozialisieren, als Programmsatz mit Blick auf eine später herzustellende gemeinwirtschaftliche Ordnung, und las das Recht auf Arbeit nach Art. 163 Abs. 2 WRV als Staatsaufgabe, die soziale Absicherung der Arbeitslosen zu gewährleisten. Eingelöst wurde freilich nur das letztere Versprechen der Verfassung: mit der Arbeitslosenversicherung aus dem Jahre 1927. b. Sonderverfassung der Wirtschaft Die mitbestimmungsrechtlich hervorstechende Besonderheit der WRV ist das territorial gestufte Rätesystem des Art. 165. Den »Rätegedanken« hat die Nationalversammlung intensiv diskutiert132 ; er ist der Weimarer Versuch, die Grundidee der ursprünglich revolutionären Rätebewegung in ein System der parlamentarischen Demokratie zu integrieren. Art. 165 WRV war als Grundlage einer gegenüber der Staatsverfassung eigenständigen Wirtschaftsverfassung gedacht133 . Dabei sind zwei Ebenen auseinander zu halten134 : Die – unter124 Di Fabio, Mitbestimmung, S. 163, 165 begreift Art. 151 Abs. 1 Satz 1 WRV als generellen Vorbehalt für die wirtschaftlichen Grundrechte. 125 Richardi, Arbeitsrecht, S. 101 m. w. N. 126 Hugo Preuß wollte den Grundrechtsteil der Verfassung zunächst aussparen – weil er langwierige Debatten über diese »experimentelle« Materie befürchtete; Nachweise bei Kuhli, Jura 2009, 321, 327. 127 RG v. 28. 4. 1921, VI 368/20, RGZ 102, 161. 128 Nachweise bei Stern, Staatsrecht V, S. 665 und dort Fn. 627. 129 Stern, Staatsrecht V, S. 660 ff. 130 Zu ihm Badura, JuS 1976, 205, 206. 131 Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung (1920), Band 328, S. 1749. 132 Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung (1920), Band 328, S. 1772 ff. 133 Dazu Sinzheimer, Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung (1920), Band 328, S. 1750; derselbe, Rätesystem, S. 9; anders Anschütz, WRV, Art. 165 S. 745, der das Rätesystem als »Teilstück« der Staatsverfassung begreift. 134 Hierzu Nörr, ZfA 1999, 329, 330.

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halb des Reichsarbeiterrats territorial gegliederten – Arbeiterräte sollten als öffentlichrechtliche Repräsentationsorgane der Arbeitnehmer dienen, gedacht als »Arbeiterkammern«135 und Gegenstück zu den einseitigen Interessenvertretungen »des Kapitals«, etwa in Handelskammern136 . Sie sollten vor allem die Durchführung der Tarifverträge überwachen und die Ausübung der einseitigen »Herrschaftsrechte« des Arbeitgebers im Betrieb mitbestimmen137. In den Wirtschaftsräten auf Bezirksebene und im Reichswirtschaftsrat sollten die Repräsentanten der Arbeitnehmer gemeinsam mit solchen der Arbeitgeber und denen »sonst beteiligter Volkskreise«138 Einfluß auf wirtschafts- und sozialpolitische Gesetzesvorhaben sowie auf exekutivische Hoheitsbefugnisse139 erlangen, aber auch140 – nach Ansicht Sinzheimers141 sogar vor allem – eigenständig und im volkswirtschaftlichen Gesamtinteresse den Wirtschaftsprozeß lenken142 . Vor diesem Hintergrund ist der erst später konzeptionell unterfütterte Gedanke einer »Wirtschaftsdemokratie«143 zu sehen. Diese Wirtschaftsdemokratie fußt auf zwei Säulen, dem Sondereinfluß der Wirtschaftsräte auf die hoheitliche Wirtschaftspolitik und einem dezidiert planwirtschaftlichen Einfluß auf einzelne Unternehmen144 . Jedenfalls bis 1933 war die Wirtschaftsdemokratie von den freien Gewerkschaften nicht als Endziel gedacht, sondern als Vorstufe einer sozialistischen Gemeinwirtschaft145. In dieser »wirtschaftlichen Selbstverwaltung« manifestiert sich der konzeptionelle Widerspruch der Weimarer Wirtschaftsverfassung: Die Akteure des Wirtschaftslebens wurden mit den Freiheitsrechten in ihrer tradierten Abwehrhaltung gegenüber dem Staat erfaßt, sollten aber zugleich eine »staatstragende« Rolle in der Nebenverfassung der Wirtschaft übernehmen146 . Die hi135

Sinzheimer, Rätesystem, S. 13. Sinzheimer, Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung (1920), Band 328, S. 1750. 137 Sinzheimer, Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung (1920), Band 336, S. 394 f. 138 Gedacht war vor allem an die Verbraucher; Sinzheimer, Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung (1920), Band 328, S. 1750. 139 Sinzheimer, Rätesystem, S. 18 fordert Ermächtigungsgesetze, die den Organen der Wirtschaftsverfassung den Erlaß von Verordnungen und Verwaltungsakten erlauben. 140 Anschütz, WRV, Art. 165 S. 744: »Mitbestimmungsrecht [der Arbeitnehmerschaft] in der Volkswirtschaft und im Staat«. 141 Rätesystem, S. 13: »Das für uns wichtige ist, daß in ihnen die Arbeiter an der Leitung der Produktion beteiligt werden sollen.« 142 Sinzheimer, Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung (1920), Band 336, S. 395: »organische Verwaltung aller Mittel ohne Rücksicht auf die Rentabilität der einzelnen Betriebe«. 143 Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, passim. 144 Dazu Sinzheimer, Rätesystem, S. 15 sowie S. 10 zu den freiheitsbeschränkenden Tendenzen einer Wirtschaft, die »keine Privatsache, sondern Gemeinschaftssache« sei. Zu der zweiten, auf das einzelne Unternehmen bezogenen »Säule« noch § 2 B.II.1.b.[2], S. 97 f. 145 Näher und m. w. N. Schachtschnabel, Ziel-Mittel-Problematik, S. 175, 177 ff. 146 Mit Blick auf die Gewerkschaften diagnostiziert E. R. Huber, Selbstverwaltung, S. 10 136

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storische Bilanz des Rätesystems fällt uneinheitlich aus: Während die einseitige Interessenrepräsentation der Arbeitnehmer jedenfalls auf der »untersten« Ebene mit dem Betriebsrat nach dem BRG 1920147 eine bis heute systemprägende praktische Bedeutung entfaltet hat, ist die auf den Staat bezogene Komponente der Sonder-Wirtschaftsverfassung rückblickend wirkungslos geblieben. Auf Reichsebene wurde nur ein vorläufiger Reichswirtschaftsrat148 gebildet149, der sich in der Republik nicht als politische Kraft etablieren konnte150 . Leer gelaufen ist also die staatsverfassungsrechtliche Dimension151 des Art. 165 WRV, die verfassungsrechtliche Brücke zwischen Staatsorganisation und Mitbestimmung: Die Räte der »Arbeiter« hätten nach der Vorstellung Hugo Sinzheimers »Organe der wirtschaftlichen Demokratie«152 sein sollen, hätten den »Bürgern« der gesonderten Wirtschaftsverfassung einen gegenüber dem Wahlrecht zum Reichstag privilegierten Einfluß auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik erschließen sollen153 . Realisiert worden ist der Verfassungsauftrag zu »wirtschaftsdemokratischer« Selbstverwaltung154 nur sehr begrenzt: In der Kohle- und der Kaliwirtschaft erfolgte die hoheitliche Lenkung im Kondominium von Staat, Unternehmen und Arbeitnehmern155. Den damaligen Vordenkern der Gewerkschaftsbewegung ging es auf lange Sicht um eine sozialistische Wirtschaftsordnung156 ; als deren Vorreiter sollten die Räte in die Verfügungsgewalt der Unternehmer eingreifen, sollten Privateigentum »teil-sowjetisieren«157. Dazu ist es nur in der DDR gekommen.

eine »zwiespältige verfassungspolitische Stellung«. Näher Hartwich, FS Fraenkel, S. 131, 136 ff. 147 Näher sogleich c., S. 19 ff. 148 Verordnung über den vorläufigen Reichwirtschaftsrat vom 4. 5. 1920, RGBl. 1920, S. 858. 149 Dazu etwa Thiele, DVBl. 1970, 529. Zum preußischen Volkswirtschaftsrat als – deutlich stärker »von oben« strukturiertem – Vorläufer Ramm, ZfA 1988, 157, 163, der immerhin eine Näherung an ein »System sozialer Selbstverwaltung« erkennt. 150 Stern, Staatsrecht V, S. 618. 151 Rieble, Mitbestimmung, S. 9 ff. Rn. 19. 152 Sinzheimer, Rätesystem, S. 10. Ähnlich Gamillscheg, AuR 1991, 272, 273: Räte i. S. d. Art. 165 WRV als Stufen »in einem wirtschaftsdemokratischen Gefüge«. 153 Näher zu den politischen Funktionen des Reichswirtschaftsrates gemäß Art. 165 Abs. 4 WRV Sinzheimer, Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung (1920), Band 328, S. 1751, 1790; weiter Anschütz, WRV, Art. 165 S. 749 f. 154 Zur »sozialen Selbstverwaltung« als Komponente der Wirtschaftsdemokratie Sinzheimer, Idee der wirtschaftlichen Demokratie, S. 221, 224 f. 155 Eingehend Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, S. 35 ff. 156 Dezidiert Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, S. 10, 47 ff.; zu der intendierten Funktion der Räte als »im kapitalistischen Staat heranwachsende Organe einer künftigen sozialistischen Wirtschaft« noch Sinzheimer, Rätesystem, S. 17 sowie S. 36 zur »sozialisierenden Wirkung« der neuen Wirtschaftsverfassung. 157 Nörr, ZfA 1999, 329, 329 f.

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c. Betriebsverfassung: BRG 1920 Als Mitbestimmungsgesetz war die TVVO nur eine Übergangslösung: ihre §§ 7 ff. wurden mit dem Betriebsrätegesetz vom 4. 2. 1920 (§ 104 Abs. 1 BRG 1920) aufgehoben. Das BRG 1920, ein Ausführungsgesetz zu Art. 165 WRV, hat die unterste – indes rückblickend praktisch bedeutendste – Stufe der verfassungsrechtlich vorgezeichneten Räteordnung realisiert, und die praeter legem konstituierten »Betriebsarbeiterräte« gesetzlich anerkannt158 . Ergänzt durch diverse Verordnungen und vor allem das »Gesetz über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat« vom 15. 2. 1922159 nebst Wahlordnung kann das Betriebsrätegesetz als Quantensprung der gesetzlich verfaßten Mitbestimmung in Deutschland begriffen werden. Reichold160 sieht den Paradigmenwechsel darin, daß sich das gesetzliche Arbeitsrecht der Weimarer Republik von der verwaltungsrechtlichen Perspektive des »Arbeitspolizeirechts« löst und die »soziale Selbstbestimmung«161 der Arbeitnehmer über Gewerkschaften und Betriebsräte in den Mittelpunkt stellt. Freilich war diese Selbstbestimmung als dezidiert kollektives Phänomen gedacht, nicht vom einzelnen Arbeitnehmer her, sondern von der Belegschaft als Organisation – mit deutlichen Anleihen bei der Staatsdemokratie162 . In Betrieben – rechtsformunabhängig legaldefiniert nach § 9 Abs. 1 BRG 1920 – mit 20 oder mehr regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern war ein Betriebsrat zu bilden. Den Räten gestand das Gesetz bestimmte, im Bereich der sozialen und personellen Angelegenheiten durchaus weitreichende, Mitbestimmungsrechte zu – etwa mit Blick auf den betriebsverfassungsrechtlich gedachten Kündigungsschutz nach den §§ 78 Nr. 9, 84 ff. BRG 1920: Primär163 der jeweilige Gruppenrat konnte unter bestimmten Voraussetzungen Einspruch gegen die Kündigung erheben. Dabei ging es unmittelbar nicht um in-

158 Vgl. Sinzheimer, Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung (1920), Band 336, S. 394: »Die Betriebsarbeiterräte sind da, keine Gewalt wird sie entfernen können«. 159 RGBl. I 1922, S. 209. 160 Betriebsverfassung, S. 237; ähnlich schon der Abgeordnete Erkelenz, Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung (1920), Band 336, S. 539. 161 Sinzheimer, Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung (1920), Band 336, S. 393. 162 Exemplarisch Flatow, BRG, S. 20: »Sämtliche Organe der Betriebsverfassung sind [. . .] wirtschaftsparlamentarische Organe der ›Betriebe‹.« Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 226: »Wie das Volk ›seinen Willen an dem des Parlaments hat‹, so hat die Arbeitnehmerschaft ihren Willen an dem Willen der Betriebsvertretung«. 163 Nur hilfsweise stand jene Befugnis dem Betriebsrat zu – wenn im Betrieb mangels Angestellter oder mangels Arbeiter keine Gruppenräte zu bilden waren.

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dividuellen Bestandsschutz164 , sondern um den Schutz der Betriebsvertretung vor dem »Entzug der Wählerschaft« durch unkontrollierte Kündigungen165. In sozialen und personellen Angelegenheiten schloß das Mitbestimmungsrecht die Befugnis ein, mit dem Arbeitgeber Betriebsvereinbarungen (§§ 66 Nr. 5, 75 BRG 1920 sprechen von »gemeinsamen Dienstvorschriften«, § 78 Nr. 3 BRG 1920 spricht von der »Arbeitsordnung166 oder sonstige[n] Dienstvorschriften«) mit unmittelbarer und zwingender Wirkung gegenüber allen betriebsangehörigen Arbeitnehmern167 abzuschließen. Diesen betrieblichen Kollektivvereinbarungen gegenüber genoß die tarifl iche Regelung von Entgelten und sonstigen Arbeitsbedingungen Vorrang168 ; fehlte ein entsprechender Tarifvertrag, hatte der Gruppenrat aber sogar bei der Entgeltfestsetzung mitzuwirken, § 78 Nr. 2 BRG 1920. Demgegenüber waren den Betriebsräten durch §§ 66 Nr. 1 und Nr. 2, 74 BRG 1920 zwar Aufgaben aus dem Bereich der wirtschaftlichen Angelegenheiten zugewiesen, die konkreten Befugnisse indes waren sehr zurückhaltend formuliert169. Immerhin fi nden sich in den durch spätere Gesetze170 ausgefüllten §§ 70, 72 BRG 1920 die Anfänge der Unternehmensmitbestimmung; der Betriebsrat durfte zwei – stimmberechtigte171 – Mitglieder in den Aufsichtsrat entsenden. Generell litt das BRG 1920 darunter, daß die verfahrensrechtliche Durchsetzung der neuen und teils neuartigen Rechte nicht hinreichend gesichert war172 : die von Art. 165 WRV her konzipierte und öffentlichrechtlich gedachte173 Betriebsverfassung konnte vor den ordentlichen Gerichten nicht durchgesetzt werden. Rechte und Pfl ichten aus den Betriebsvereinbarungen des BRG 1920 konnten nur inzident durch einzelne Arbeitnehmer eingeklagt werden174 , 164 Reichold, Betriebsverfassung, S. 273 konstatiert eher eine Schranke der individuellen Rechtsverfolgung – hing doch der Kündigungsschutz von der Einlassung der Betriebsvertretung ab. 165 Gamillscheg, AuR 1991, 272, 273. 166 Die Arbeitsordnung blieb also weiterhin der »klassische Kern des Betriebsverbandsrechts«. Ihre zentrale Rolle erklärt sich mit der fehlenden Konkurrenz des Tarifvertrags: die TVVO erlaubte keine Betriebsnormen; Reuter, RdA 1991, 193, 194. 167 Flatow, BRG, § 75 Anm. 2. 168 Anschütz, WRV, Art. 165 S. 746 dazu, daß dieser Tarifvorrang schon aus Art. 165 Abs. 1 Satz 2 WRV abgeleitet wurde. Zum Verhältnis der »Betriebsarbeiterräte« zu den Tarifparteien weiter Sinzheimer, Rätesystem, S. 14 f. 169 Broecker, Wirtschaftliche Mitbestimmung, S. 15: »moralische Postulate«. 170 Gesetz über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat vom 15. 2. 1922, RGBl. I 1922, S. 209; Gesetz über die Betriebsbilanz und die Betriebsgewinnund -verlustrechnung vom 5. 2. 1921, RGBl. 1921, S. 159. 171 Flatow, BRG, § 70 Anm. 4: »die Betriebsratsmitglieder im Aufsichtsrat sind grundsätzlich den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern gleichgestellt«. 172 Eingehend hierzu Reichold, Betriebsverfassung, S. 281 ff. 173 Nur Flatow, BRG, § 75 Anm. 2: »Betriebsvertretung . . . als parlamentsähnliches, gesetzgeberisches Organ des Betriebes«. 174 Flatow, BRG, § 75 Anm. 2.

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ehe das ArbGG 1926 mit dem Beschlußverfahren auch den Betriebsvertretungen ein Forum vor den Arbeitsgerichten eröffnete. Gerade an der Betriebsvereinbarung läßt sich mithin schon für das BRG 1920175 belegen, daß und wie die Betriebsverfassung zwischen privatem und öffentlichem Recht oszilliert: Einerseits läßt sich der Übergang vom Erlaß als öffentlichrechtlicher Regelungstechnik zur Vereinbarung als privatrechtlicher als entscheidende Zäsur in der Entwicklung der Betriebsverfassung vom Arbeitspolizeirecht zum Arbeitsprivatrecht begreifen176 . Andererseits deutet die Normwirkung der Betriebsvereinbarung, die anders als die des Tarifvertrags nicht aus einem privatautonomen Unterwerfungsakt erklärt werden kann177, auf ein dezidiert öffentlichrechtliches Moment178 . 3. Arbeitsrechtstheorie: Betrieb als Herrschaftsverband Die verfassungsrechtlich vorgezeichnete Dualität von autonomer und staatlich verfaßter Arbeitnehmerbeteiligung kannte in der Weimarer Zeit ein Pendant in der vergleichsweise jungen Arbeitsrechtswissenschaft: Während die überwiegende Zahl der Forscher vom freien Arbeitsvertrag als Schuldvertrag i. S. d. BGB her dachte179, wollte vor allem Sinzheimer 180 das Arbeitsrecht vom Dienstvertragsrecht des BGB emanzipieren. Leitmotiv war nicht die Vertragsfreiheit, sondern die (mindestens faktische) Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Eigentümer der Produktionsmittel. In diesem Punkt berühren sich seine Ideen181 mit dem von Otto v. Gierke 182 entwickelten Gedanken, das Arbeitsverhältnis als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis i. S. d. deutschrechtlichen Treudienstvertrags zu interpretieren. In diesem verbandsrechtlichen Zusammenhang wird der Betrieb zum »Herrschaftsverband«183 , in dem der Arbeitgeber einseitig »Satzungsrecht« vorgibt. Die zentrale Aufgabe des Arbeitsrechts konnte für Sinzheimer 184 nur darin liegen, diese Herrschafts175

Für das spätere BetrVG 1952 etwa Reichold, Betriebsverfassung, S. 391. Weiter E. R. Huber, Selbstverwaltung, S. 44: Betriebsräte als »Zwischengebilde« zwischen privatem und öffentlichem Recht. 176 Vgl. Reichold, Betriebsverfassung, S. 270. 177 Dazu § 3 A.II.2., S. 167 f.; eingehend zur Legitimation der Betriebsvereinbarung § 3 B.II.2., S. 184 ff. 178 Daß die Betriebsvereinbarung zu den öffentlichrechtlichen Vereinbarungen rechnen könnte, wird heute nicht mehr vertreten; dazu Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 28 f. 179 Statt vieler Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht I 2 , S. 100 ff., 103 ff. 180 Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 144 ff. Näher zu den Sinzheimerschen Lehren Annuß, ZfA 2004, 283, 294 ff. m. w. N. 181 Die gedanklichen Verbindungen zwischen Sinzheimer und v. Gierke skizziert Richardi, ZfA 1988, 221, 229 ff. 182 Etwa v. Gierke, Privatrecht III, S. 590 ff. Dazu Annuß, ZfA 2004, 283, 292, 297 f. m. w. N. 183 V. Gierke, Aufgabe, S. 30 zum Betrieb als »Herrschaftsverband«. 184 Idee der wirtschaftlichen Demokratie, S. 221, 222 ff.

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macht des Unternehmers und die spiegelbildliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers einzudämmen und letztlich zu überwinden – zugunsten sozialer Selbstbestimmung durch Mitwirkung der Arbeitnehmer. Im hier untersuchten Zusammenhang interessiert die verbandsrechtliche Sicht auf das Arbeitsverhältnis, weil sie den Schluß vom Betrieb als Herrschaftsverband auf eine Konstitutionalisierung185 und Demokratisierung jenes Verbandes durch die Betriebsverfassung nahe legt.

IV. Drittes Reich Unter der nationalsozialistischen Herrschaft wurde der Staatsdemokratiegedanke der WRV dem Führerprinzip preisgegeben. Für Arbeitnehmer-Mitbestimmung war in einem solchen Staat kein Raum, noch weniger für den Gedanken der Demokratie in Betrieb oder Wirtschaft. Von Interesse ist hier aber die erneute Parallele zwischen Staatsverfassung und Betriebsordnung: Das Führerprinzip verdrängt den Demokratiegedanken in beiden Systemen. Diese Neuordnung betrifft weniger das von der NS-Gesetzgebung kaum beachtete Individualarbeitsrecht, das kaum geändert, aber durch die Neuinterpretation des Arbeitsverhältnisses186 als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis187 dennoch umgeprägt wurde. Radikal geändert wurde hingegen das kollektive Arbeitsrecht der Weimarer Zeit – oder besser: es wurde beseitigt188 . Das Tarifrecht war seit dem Gewerkschaftsverbot vom Mai 1933 sowie der späteren Auflösung der Arbeitgeberverbände zugunsten der »Deutschen Arbeitsfront« und staatlich bestellter und gelenkter »Treuhänder der Arbeit«189 de facto abgeschafft190 . 1. Führerprinzip und Betriebsgemeinschaft Das Mitbestimmungsrecht im Betrieb wurde von der Idee des Arbeitgebers als »Führer des Betriebes« überlagert, der seine Arbeitnehmer-»Gefolgschaft« einseitig dominiert. Die den Arbeitnehmern gegenüber unmittelbar geltende Arbeitsordnung setzte der Betriebsführer als »Betriebsordnung« einseitig fest; die Arbeitnehmer waren in einem »Vertrauensrat« repräsentiert, der keinen nennenswerten rechtlichen Einfluß hatte191 und nicht von der Belegschaft ge185 Etwa Ramm, ZfA 1988, 157, 166: »Das deutsche [. . .] Betriebsräterecht war und ist nur als Übertragung der deutschen konstitutionellen Monarchie des 19. Jahrhunderts [. . .] auf den Betrieb zu verstehen.« [Hervorhebungen im Original.] Entsprechende Ansätze fi nden sich schon bei v. Gierke und Schmoller, vgl. Reichold, Betriebsverfassung, S. 109. 186 Knapper Überblick bei Mayer-Maly, RdA 1989, 233, 238. 187 Dazu Reichold, Betriebsverfassung, S. 354. 188 Mayer-Maly, RdA 1989, 233, 235. 189 Gesetz über den Treuhänder der Arbeit vom 19. 5. 1933, RGBl. I 1933, S. 285. 190 Stern, Staatsrecht V, S. 827. 191 Rüthers, AuR 1970, 97, 99.

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wählt wurde192 . Auf die Interessenvertretung der Arbeitnehmer mußte der Arbeitgeber mithin keine Rücksicht mehr nehmen, wohl aber auf umfangreiche Fürsorgepfl ichten193 im Interesse der NS-Ideologie. BRG und TVVO wurden abgelöst, die maßgeblichen Gesetze sind das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG) 194 und das Gesetz zur Ordnung der Arbeit in öffentlichen Verwaltungen und Betrieben (AOGÖ) 195. Im Zentrum des Arbeitsrechts stehen Betrieb und Betriebsgemeinschaft, gedacht als »überindividuelle« Einheit, in der der Interessengegensatz von Arbeitgeber und Arbeitnehmern in einem höheren Interesse sublimiert wird196 . § 1 AOG sagt: »Im Betrieb arbeiten der Unternehmer als Führer des Betriebs, die Angestellten und Arbeiter als Gefolgschaft gemeinsam zur Förderung der Betriebszwecke und zum gemeinen Nutzen von Volk und Staat«. Arbeit wurde weniger als private Tätigkeit begriffen, sondern als öffentliche Aufgabe, als »Dienst am Volk«197 – und zwar derart konsequent, daß disziplinarische Verstöße (auch des Arbeitgebers) in einem sozialen Ehrengerichtsverfahren geahndet wurden198 . Reichold199 hat nachgewiesen, daß diese Strukturen auf theoretische Vorarbeiten der Weimarer Zeit zurückgreifen konnten: Das durch WRV und BRG individualistisch angelegte Betriebsverfassungsrecht wurde mitunter schon damals als »Betriebsrecht« gedacht 200 . 2. Unternehmen als »konkrete Ordnung« und Gemeinwohlbindung In einem tendenziell planwirtschaftlichen System wie dem der NS-Diktatur 201 ist eine gewisse »Unternehmensfeindlichkeit« zu erwarten: Unter dem Primat staatlicher Wirtschaftslenkung ist für autonome Unternehmenspolitik kein Platz, im Mittelpunkt steht der Betrieb als Vollzugsinstrument hoheitlicher Leitungsentscheidungen. Demgegenüber haben die Nationalsozialisten unter Hitler keine dezidiert sozialistische Wirtschaftspolitik betrieben; wohl aber wurden die Arbeitgeber in ein System nach dem Führerprinzip strukturierter Zwangskorporationen eingeordnet 202 . Zudem nahm der Staat mittelbar Ein192 Zu den 1934 und 1935 durchgeführten »Vertrauensratswahlen« Richardi, Arbeitsrecht, S. 40 f. 193 Grundnorm der gegenseitigen Treu- und Fürsorgepfl icht ist § 2 Abs. 2 AOG: »Er [gemeint ist der »Führer des Betriebs« i. S. d. Abs. 1] hat für das Wohl der Gefolgschaft zu sorgen. Diese hat ihm die in der Betriebsgemeinschaft begründete Treue zu halten.« Dazu Wiese, ZfA 1996, 439, 450. 194 Vom 20. 1. 1934, RGBl. I 1934, S. 45. 195 Vom 23. 3. 1934, RGBl. I 1934, S. 220; Druckfehler berichtigt S. 300 und 352. 196 Dazu Rüthers, AuR 1970, 97, 98 m. w. N. 197 Mayer-Maly, RdA 1989, 233, 236. 198 Näher Rüthers, AuR 1970, 97, 100 f. 199 Betriebsverfassung, S. 327 ff. 200 Dazu auch Richardi, Arbeitsrecht, S. 35. 201 Von Planwirtschaft spricht etwa Mayer-Maly, RdA 1989, 233, 236. 202 Dazu Ramm, ZfA 1988, 157, 169.

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fluß auf die Unternehmensführung. Hierfür steht vor allem die gesetzliche Anordnung in § 70 Abs. 1 AktG 1937203 , der Vorstand habe die Gesellschaft zu leiten, »wie das Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern«. Mithin sollten sich auch auf der Unternehmensebene Individualinteressen dem Gemeinwohl unterordnen. Schützenhilfe leistete die Rechtswissenschaft: Erich Fechner 204 entwickelt 1942 die These vom Unternehmen als sozialem Organismus, dem gegenüber die Aktionäre besonderer Treubindung unterworfen sein sollten. Dem Zeitgeist entsprechend begreift er das Unternehmen als »konkrete Ordnung«205 , in die sich das geschriebene Recht einzufügen hat 206 . Das politische Ziel der mittelbaren Steuerung der Unternehmen im Interesse von Volk und Reich läßt sich nur realisieren, wenn der autonome Einfluß der Eigner begrenzt wird – und der Schluß vom »neu und richtig erkannten« Sein auf das Sollen 207 ist willkommenes Mittel zu diesem Zweck.

V. BRD und DDR 1. Frühphase der Bundesrepublik Nach dem zweiten Weltkrieg und dem wirtschaftlichen Zusammenbruch wurde die Sozialisierung wesentlicher Industrien in Politik und Gesellschaft nicht nur erwogen, sondern galt gewerkschaftsnahen Kreisen in der kriegswichtigen Montanindustrie geradezu als sicher208 . Indes hatten sich die Alliierten im Potsdamer Abkommen von 1945 nur auf die Entflechtung der alten Konzerne der Kohle- und Stahlindustrie festgelegt; über eine Vergesellschaftung oder eine Stärkung der Position der Arbeitnehmervertreter in Unternehmens- und Betriebsverfassung war noch nicht entschieden 209. Vor allem die neu und wieder gegründeten Gewerkschaften setzten sich dafür ein, die Wirtschaftsordnung in diese Richtung zu reorganisieren. Dabei ging darum, Mitentscheidungsrechte zu etablieren und auszubauen – immer auch mit Blick auf

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Vom 30. 1. 1937; RGBl. I 1937, S. 107, 120. Treubindungen, S. 62 ff., 67 ff. 205 Fechner, Treubindungen, S. 77. 206 Zum »konkreten Ordnungs- und Gestaltungsdenken« Schmitt, Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens, S. 10 ff. 207 Rüthers, Auslegung, S. 289 ff. m. w. N. entlarvt das »konkrete Ordnungs- und Gestaltungsdenken« als – letztlich schrankenlose – Rechtsfortbildung aus dem »Wesen« der Institute. 208 E. Potthoff, Geschichte, S. 36. Fitting, FS Schellenberg, S. 371, 375 spricht sogar von einem – freilich nicht dauerhaften – allgemeinen Konsens, die »demokratische Staatsform [. . .] durch eine demokratische Ordnung der gesamten Gesellschaft« abzusichern. 209 Nörr, ZfA 1999, 329, 337. 204

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das rechtspolitisch wieder aktuelle Fernziel Wirtschaftsdemokratie210 : »Demokratie in der Wirtschaft verlangt gleichberechtigte Mitwirkung der Gewerkschaften, der Arbeitnehmer und der Betriebsräte in allen Organen der Wirtschaft und im Betrieb.«211 a. Mitbestimmung in der Montanindustrie Jene neue Wirtschaftsordnung ist nie verwirklicht worden, mit Blick auf den Ausbau der Mitbestimmung hingegen gelang in der britischen Besatzungszone ein historischer Erfolg: Für die im Zuge der Entflechtung neu modellierten Aktiengesellschaften der Montanindustrie verständigten sich Gewerkschaften, Unternehmer und Militärregierung bereits 1947 auf ein Mitbestimmungsmodell 212 , welches das spätere Mitbestimmungsgesetz – das heutige MontanMitbestG – vorwegnahm: Parität im Aufsichtsrat einschließlich eines unabhängigen Mitglieds und ein Arbeitsdirektor als vollwertiges Mitglied im dreiköpfigen Vorstand, der nicht gegen den Willen der Arbeitnehmervertreter berufen werden kann. Den Briten ging es um die Kontrolle der »Kriegsindustrie« im Interesse der Friedenssicherung 213 , aus Sicht der Unternehmer war die Regelung vor allem Gegenentwurf zu weitergehenden Eingriffen in Unternehmens- und Konzernstrukturen 214 . Für die Gewerkschaften war die »demokratische Unternehmensverfassung«215 ein Zwischenschritt, mittels dessen zumindest Elemente des wirtschaftsverfassungsrechtlichen Konzepts auf die Ebene des Unternehmens heruntergebrochen werden konnten 216 . Wie die besatzungsrechtlich fundierte Mitbestimmung für das bundesdeutsche Recht – auch jenseits der Montanindustrie – weiterentwickelt werden sollte, war 1950 Thema in den »Hattenheimer Gesprächen« der Spitzenorganisationen der Sozialpartner217. Dabei reichte der DGB seinen später ausgearbeiteten – und von der SPD 1950 erfolglos im Bundestag eingebrachten – Entwurf eines Gesetzes zur »Neuordnung der deutschen Wirtschaft«218 als Diskussionsgrundlage ein. Erreicht werden sollte eine Einheit von betrieblicher und »überbetrieblicher« Mitbestimmung mit deutlich wirtschaftsdemokrati210 Zu dieser zweispurigen Konzeption Nörr, ZfA 1999, 329, 343. Zum damaligen wirtschaftspolitischen Programm der SPD Richardi, Arbeitsrecht, S. 63 f. m. w. N. 211 Mit diesen Worten zitiert Broecker, Wirtschaftliche Mitbestimmung, S. 27 f. im Jahre 1948 die Leitung der Gewerkschaften in der britischen Besatzungszone. 212 MünchArbR/Wißmann, § 278 Rn. 1; zum historischen Hintergrund E. Potthoff, Geschichte, S. 1 ff. 213 Überblick bei E. Potthoff, Geschichte, S. 1, 33 ff. 214 Reichold, Betriebsverfassung, S. 363 m. w. N.: »kühl kalkuliertes unternehmerisches Zugeständnis«. Weiter Fitting, FS Schellenberg, S. 371, 377. 215 Müller-Jentsch, FS Weitbrecht, S. 25, 33. 216 Nörr, ZfA 1999, 329, 330. 217 Kommuniqué abgedruckt in RdA 1950, 63. 218 Abgedruckt RdA 1950, 227 ff.

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schem Einschlag 219. Unter anderem wurde die Idee einer Sonderverfassung der Wirtschaft wiederbelebt 220 , als deren Zentrum ein Bundeswirtschaftsrat gebildet werden sollte. Freilich gelang in Hattenheim ebensowenig eine Einigung wie bei der Fortsetzung der Gespräche in Maria Laach. Die Unternehmer waren zwar den wirtschaftsdemokratischen Vorschlägen zugeneigt, wollten aber den gewerkschaftlichen Einfluß auf Unternehmen und Betriebe begrenzen und substantielle Mitbestimmung an Arbeitgeberentscheidungen nur in sozialen und personellen Angelegenheiten zugestehen 221 : In wirtschaftlichen Fragen sollten die Arbeitnehmervertreter auf Unterrichtung und Beratung beschränkt sein, im drittelparitätischen Aufsichtsrat sollten nur Belegschaftsvertreter sitzen, nicht aber unternehmensexterne Gewerkschaftsvertreter222 . Das (Montan-)MitbestG vom 21. 5. 1951223 konnte sich daher nicht auf autonome Vorarbeiten der Sozialpartner stützen. Eine Einigung gelang erst durch Vermittlung der Bundesregierung Adenauer, die sich unter massivem Druck der Gewerkschaften – bis hin zur offenen Drohung mit politischen Kampfmaßnahmen 224 – mit der Mitbestimmungsfrage auseinanderzusetzen hatte. In der Sache legte man den status quo der Mitbestimmung (nur) in der Montanindustrie gesetzlich fest – nicht zuletzt, um eine grundsätzliche Entscheidung über die Unternehmens- und damit Wirtschaftsverfassung noch aufschieben zu können 225. Mit dem BetrVG 1952226 (und später dem MitbestG 227) hat sich der Gesetzgeber später zu einer Marktwirtschaft bekannt, in der die Letztentscheidung des Unternehmers gelten soll 228 . Für die Gewerkschaften trat damit das Ziel, die Montanmitbestimmung auf die Gesamtwirtschaft auszudehnen, in den Hintergrund. Statt dessen ging es vor allem darum, den status quo in der Montanindustrie zu erhalten, weil durch Konzernierung und Änderung der Unternehmenstätigkeit zunehmend Gesellschaften aus dem Einzugsbereich des Montan-MitbestG herauszuwandern drohten.

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Dazu Nörr, ZfA 1999, 329, 332 ff. m. w. N. Anders E. R. Huber, Selbstverwaltung, S. 48 ff., der den Bundeswirtschaftsausschuß nicht als »Wirtschaftsparlament« sieht, sondern als Organ der wirtschaftlichen Selbstverwaltung. 221 Dazu Lauschke, Hans Böckler 2, S. 360 f. 222 Vgl. die RdA 1950, 148, 267 f. abgedruckten Erklärungen. Eingehend Nörr, ZfA 1999, 329, 331 ff. 223 BGBl. I 1951, S. 347. 224 Dazu Molitor, Mitbestimmung 2011, 11, 14 f.; Lauschke, Hans Böckler 2, S. 376 ff. 225 Rittner, Mitbestimmungsbericht, S. 158, 161. Dazu auch Lauschke, Hans Böckler 2, S. 381. 226 Vom 11. 10. 1952, BGBl. I 1952, S. 681. Mit Blick auf die Unternehmensmitbestimmung abgelöst durch das DrittelbG vom 18. 5. 2004, BGBl. I 12004, S. 974. 227 Vom 4. 5. 1976, BGBl. I 1976, S. 1153. 228 Richardi, Arbeitsrecht, S. 118. 220

C. Ideengeschichte der Mitbestimmungsordnung

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Die Politik fand sich bereit, den Anwendungsbereich der Montanmitbestimmung mit verschiedenen Gesetzen abzusichern 229. b. Mitbestimmung nach BetrVG 1952 Betriebsräte hatten sich bald nach dem Krieg in vielen Betrieben konstituiert. Die rechtstatsächliche Entwicklung vollzog sich zunächst ohne Rechtsgrundlage – sogar contra legem, weil die Militärregierung das AOG noch nicht außer Kraft gesetzt hatte230 . Erst mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 22 vom 10. 4. 1946231 schufen die Alliierten wieder eine gesetzlich verfaßte Mitbestimmungsordnung. Dabei ließ die wenig detaillierte Regelung im KRG Nr. 22 offen, welche Rolle den gesetzlich verfaßten Arbeitnehmervertretungen in der ungewissen künftigen Wirtschaftsordnung zukommen sollte232 : Betriebsräte wurden erlaubt, nicht vorgeschrieben. Ihre Aufgaben erfaßten zwar auch Verhandlungen mit dem Arbeitgeber über den Erlaß von Betriebsordnungen (Art. V Nr. 1 lit. b KRG Nr. 22), denen aber die Normwirkung der »alten« Betriebsvereinbarungen fehlte233 . Vor diesem Hintergrund wurde das KRG Nr. 22 überwiegend als bloße Rahmenregelung begriffen 234 und sukzessive durch Betriebsrätegesetze auf Landesebene aufgefüllt 235. Die Landesgesetzgebung stand zumeist in der Tradition des BRG 1920, weitete die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretung aber teils erheblich aus. Insoweit ist das hessische Betriebsrätegesetz 1948 hervorzuheben, mit dem der Landesgesetzgeber gemäß dem Verfassungsauftrag in Art. 37 Abs. 2 HV damaliger Fassung den »Betriebsvertretungen« das Recht zugewiesen hat, »gleichberechtigt mit den Unternehmern [. . .] in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Fragen des Betriebes mitzubestimmen«236 . Dabei reichte insbesondere die wirtschaftliche Mitbestimmung so weit, daß das Betriebsrätegesetz als Zäsur in der Entwicklung des Wirtschaftsrechts gefeiert wurde237. Den Alliierten ging dieser 229

Hierzu Wißmann, NJW 1982, 423 ff. Dazu Richardi, Arbeitsrecht, S. 61. Allerdings berichtet Fitting, RdA 1948, 89, daß die ersten Betriebsratswahlen der Nachkriegszeit in bestimmten Besatzungszonen von der jeweiligen Besatzungsmacht zugelassen und also legalisiert wurden. 231 Amtsblatt des Kontrollrats v. 30. 4. 1946, S. 133. 232 Broecker, Wirtschaftliche Mitbestimmung, S. 20 f. 233 Die Durchsetzung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat obligatorisch verabredeter Mitbestimmungsrechte erläutert Fitting, RdA 1948, 89, 90. 234 Anders freilich Fitting, RdA 1948, 89 m. w. N. zum Meinungsstand. 235 Überblick bei Richardi, Arbeitsrecht, S. 76 ff. Weiter Nörr, ZfA 1999, 329, 343. 236 Dazu, daß die Bestimmung als Fortentwicklung des Räteartikels 165 der WRV konzipiert war, Engler, RdA 1948, 15 f. Nachweise zur Rezeption anderer Landesbetriebsrätegesetze oder -verordnungen bei Reichold, Betriebsverfassung, S. 364. 237 Überschwenglich Engler, RdA 1948, 15, 17: »neue Epoche in der sozialpolitischen, arbeitsrechtlichen und wirtschaftsgeschichtlichen Entwicklung nicht allein des hessischen, sondern wahrscheinlich des gesamten deutschen Volkes und Europas«. [Hervorhebung im Original.] 230

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§ 1 Demokratie in der Wirtschaft

Schritt in Richtung »Betriebsdemokratie«238 zu weit. Die Besatzungsregierung wollte verhindern, daß die hessische Betriebsverfassung einer gesamtdeutschen Entscheidung über das Wirtschaftssystem und die Mitbestimmung vorgreift, und suspendierte die zentralen Vorschriften über die wirtschaftliche Mitbestimmung 239. Abgelöst wurden solche Landesgesetze durch das BetrVG 1952, in dem der wirtschaftliche Einfluß der Arbeitnehmer deutlich restriktiver geregelt war – insbesondere beschränkte sich die branchenübergreifende Unternehmensmitbestimmung auf Drittelparität im Aufsichtsrat 240 . Demgegenüber wies das BetrVG den Betriebsräten weitreichende und über die Einigungsstelle erzwingbare Mitbestimmungsrechte in sozialen und personellen Angelegenheiten zu. In der wissenschaftlichen Theorie wird diese neue, jedenfalls wiederbelebte »betriebliche Demokratie« nach wie vor mit der Analogie zwischen dem Staat und dem Betrieb als Herrschaftsverband 241 erfaßt: Die in Grundzügen schon im Kaiserreich erarbeitete Deutung des Arbeitsverhältnisses als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis wirkte noch in die junge BRD242 und schuf Sympathien für die »fürsorgliche Bevormundung der Arbeitnehmer«243 . Das mitbestimmungsrechtliche Pendant fi ndet sich etwa bei Wilhelm Herschel244 , der 1948 den Betrieb als »einheitlichen Arbeitsorganismus [. . .], der durch Arbeitgeber und Betriebsrat rechtliches Leben entfaltet« begreifen wollte. In dieser »rechtlich bedeutsamen, übergeordneten Einheit« sollte eine »Betriebssatzung« die Arbeitsbeziehungen normativ regeln. Nicht dem schuldrechtlichen Vertragsprinzip seien Betriebsvereinbarungen zuzuordnen, sondern eher dem Demokratieprinzip. Erkennbar würden Parallelen zum staatsrechtlichen Zweikammersystem 245. Solche Vergleiche zielten auf den prozeduralen Ansatz demokratischer Entscheidungsfi ndung, aber auch auf die Legitimation heteronomer Gestaltung des Arbeitslebens durch Mehrheitsbeschlüsse246 . 238

Engler, RdA 1948, 15, 17, der damit die gleichberechtigte Mitentscheidung in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Fragen meint. [Hervorhebung im Original.] 239 Hierzu Richardi, RdA 2011, 31, 35 m. w. N. 240 Nicht nur deshalb lehnten die Gewerkschaften das neue Gesetz ab. Müller-Jentsch, Arbeit, S. 163 verweist weiter auf die »Einschränkung des gewerkschaftlichen Einflusses und Betriebszugangs« sowie die »Verweigerung eines einheitlichen Betriebsverfassungsgesetzes für Privatwirtschaft wie öffentlichen Dienst«. [Hervorhebung im Original.] 241 Hierzu III.3., S. 21 f. 242 Exemplarisch Nikisch, Arbeitsrecht I, S. 49. Dazu ferner Rüthers, AuR 1970, 97, 108. Solche Gedanken sind heute wieder (noch?) aktuell: Richardi, NZA 2009, 1, 4 diagnostiziert, das Arbeitsrecht nehme »Züge einer Standesordnung« an und sieht einen »Grundwiderspruch zu einer rechtsgeschäftlichen Ordnung«. 243 Dazu Reichold, Betriebsverfassung, S. 359. 244 RdA 1948, 47, 49. 245 Herschel, RdA 1948, 47, 49. 246 Vgl. auch Dietz, BetrVG 4, § 1 Rn. 18: ». . . besteht zwischen der Belegschaft als solcher und dem einzelnen Mitglied offensichtlich ein Über- und Unterordnungsverhältnis«.

C. Ideengeschichte der Mitbestimmungsordnung

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c. Neuformulierung der »Wirtschaftsdemokratie« Das Montan-MitbestG und das spätere BetrVG 1952 haben die Fundamente des heute geltenden Mitbestimmungsrechts gelegt. Den »Kampf um die Mitbestimmung« führten die Gewerkschaften seinerzeit im Zeichen sozialistischer Fernziele, denen die »Wirtschaftsdemokratie« den Boden bereiten sollte247. Mit der Anerkennung einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung der sozialen Marktwirtschaft haben sich auch die von den deutschen Gewerkschaften formulierten Ziele geändert. Die »Wirtschaftsdemokratie« war nicht mehr Vorstufe zum Sozialismus, sondern wurde selbst zum Ziel i. S. einer »gerechten« Wirtschaftsordnung auf den Grundlagen Kapital und Arbeit 248 . Die juristische Konsequenz war eine vor allem am Gesellschaftsrecht ansetzende Debatte um die Mitbestimmung, die spätestens mit dem Bericht der vom 39. Deutschen Juristentag 1951 eingesetzten Studienkommission zur »Reform des Unternehmensrechts« begann 249. Festmachen läßt sich diese Neuausrichtung der Wirtschaftsdemokratie etwa am DGB-Grundsatzprogramm vom 21. und 22. 11. 1963250 , das deutlich von früheren Sozialisierungsforderungen abrückt, oder an der Programmschrift »Mitbestimmung – Eine Forderung unserer Zeit« aus dem Jahre 1966251 : Zwar sei die Mitbestimmung »in der Tat eine demokratische Institution«252 und ziele darauf, daß der Arbeitnehmer »– wie im politischen Bereich – auch im Arbeitsleben sein Schicksal mitbestimmen und mitverantworten«253 kann. Sie wird aber dezidiert aus dem Kontext der Wirtschaftsdemokratie gelöst, gegen deren Anspruch abgegrenzt und auf die »Grundlage einer gleichberechtigten Beteiligung beider Faktoren, d. h. von Arbeit und Kapital« verpfl ichtet 254 . In diesem neuen Koordinatensystem ändert sich auch die Funktion des Demokratieprinzips für die Mitbestimmung: Diese ist nicht mehr »Element einer vertikal gegliederten Wirtschaftsdemokratie«255 , deren »obere«, staatsbezogene Ebene de facto keine Rolle mehr spielt. Das heißt indes nicht, daß der wirtschaftsverfassungsrechtliche Gehalt der Wirtschaftsdemokratie preisgegeben worden wäre. Er soll zwar nicht in einer Sonderverfassung der Wirtschaft realisiert werden, wohl aber soweit als möglich in den Betrieben und vor allem in den Unternehmen 256 . Damit steigt der Stellenwert der Mitbestimmung: Bei 247

Dazu bereits III.2.b., S. 16 ff. Schachtschnabel, Ziel-Mittel-Problematik, S. 175, 188. Ähnlich Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 593. 249 Dazu eingehend Rittner, FS Peltzer, S. 367 ff. 250 Abgedruckt RdA 1964, 19 ff. 251 Haferkampf u. a., Mitbestimmung. 252 Haferkampf u. a., Mitbestimmung, S. 7. 253 Haferkampf u. a., Mitbestimmung, S. 38. 254 Haferkampf u. a., Mitbestimmung, S. 34. 255 Richardi, Arbeitsrecht, S. 111. 256 Nörr, ZfA 1999, 329, 330. 248

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§ 1 Demokratie in der Wirtschaft

Naphtali 257 wurde sie noch als Fremdkörper in der demokratischen Wirtschaftsverfassung abqualifi ziert, später aber mit wirtschaftsdemokratischen Wertungen aufgeladen. Gerade diese Neuausrichtung der Wirtschaftsdemokratie wirft die Frage auf, ob sich (wirtschafts-)demokratische Elemente im Mitbestimmungsrecht verifi zieren lassen. Eine Antwort gebe ich in § 2 258 . 2. Demokratischer Zentralismus statt Mitbestimmung in der DDR Mit Blick auf das Verhältnis von Arbeitnehmer-Mitbestimmung und Demokratie erweist sich der Blick auf das »andere« deutsche Arbeitsrecht der DDR als aufschlußreich: Die offi zielle Sprachregelung apostrophierte die Beteiligung der Werktätigen 259 als von vornherein »demokratische« Mitwirkung 260 . Daran war jedenfalls richtig, daß die beiden Rollen der Werktätigen als Staatsund Wirtschaftsbürger durch die staatliche Wirtschaftslenkung 261 eng miteinander verzahnt waren. Art. 21 Verf. DDR 262 formulierte ein umfassendes »Mitgestaltungsgrundrecht« für Staat und Gesellschaft, ging damit noch über die gesellschaftsbezogenen Partizipationsrechte der WRV, insbesondere den »Räteartikel« 165 WRV, hinaus263 und setzte einen einheitlichen Rechtsgrund für die politische wie für die arbeitsrechtliche Teilhabe. Überdies galt der demokratische Zentralismus – »das Prinzip der planmäßigen und einheitlichen Leitung und Führung«264 – in der DDR nicht nur gemäß Art. 47 Abs. 2 Verf. DDR für den Staatsaufbau, sondern erfaßte auch die Wirtschaft. In einer solchen hoheitlich gesteuerten Planwirtschaft ist Mitbestimmung im Betrieb Mitbestimmung bei der Erfüllung von Staatsaufgaben und schon insofern auf staatliche Entscheidungen bezogen. Wie dezentrale Planung überhaupt kann auch dezentrale Teilhabe in einem zentral gesteuerten System nur ein Störfaktor sein. Insofern ist es nur folgerichtig, daß die DDR lokale Betriebsräte, die in der Nachkriegszeit verbreitet gebildet und von der politischen Führung zunächst noch akzeptiert wurden, zugunsten des FDGB beseitigt hat 265. Betriebliche Sonderwege waren unerwünscht, kollektive Teilhaberechte für die Betriebsgewerkschaftsorganisationen i. S. d. § 22 AGB-DDR reserviert, die von der politisch gelenk-

257

Wirtschaftsdemokratie, S. 153 f. S. 35 ff. 259 Das DDR-Arbeitsrecht kannte nicht »Arbeitnehmer«, sondern »Werktätige«; dazu etwa § 2 AGB-DDR. 260 Etwa Kunz u. a./Leifert, Grundriß, S. 58; Kunz u. a./Thieme, Arbeitsrecht, S. 103. 261 Auch dazu Kunz u. a./Leifert, Grundriß, S. 49: Arbeitsrecht als Instrument der »Leitung und Organisation der sozialistischen Gesellschaft durch den sozialistischen Staat«. 262 Zu fi nden schon in der ersten Fassung der Verf. DDR; GBl. DDR I 1949, S. 4 ff., 7. 263 Ramm, FS Duden, S. 439, 440. 264 Ramm, FS Duden, S. 439, 447. 265 Dazu Däubler, AuR 1990, 149, 151. 258

D. Ideelle Verbindungen zwischen Staatsdemokratie und Mitbestimmung

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ten 266 Einheitsgewerkschaftsorganisation FDGB (vgl. Art. 44 Abs. 1 Verf. DDR) beschickt wurden. Wesentliches Organ jener Organisationen und damit maßgeblicher Träger der betrieblichen Mitbestimmung 267 waren die Betriebsgewerkschaftsleitungen i. S. d. § 24 AGB-DDR, die »Betriebskollektiv verträge«268 abschließen konnten und zentrale soziale und personelle Entscheidungen mittragen mußten 269 – von der Festsetzung von Arbeitsnormen (§ 78 Abs. 1 AGB-DDR) über die Versetzung (§ 88 AGB-DDR spricht von der »ununterbrochene[n] Übertragung einer anderen Arbeit«) bis zur Anordnung von Überstunden (§ 173 Abs. 2 AGB-DDR). Diese Vereinheitlichung der Werktätigeninteressen(vertretung) stellt den Vollzug vorgegebener Pläne in den Mittelpunkt und sperrt sich damit gegen vom Einzelnen her gedachte Sonderteilhaberechte. Insoweit ist eine Parallele zum Nationalsozialismus zu erkennen: Steuert der Staat die Wirtschaft unmittelbar, drängt sein Allgemeinwohlvertretungsanspruch dezentrale Mitbestimmungsformen unweigerlich zurück 270 .

D. Ideelle Verbindungen zwischen Staatsdemokratie und Mitbestimmung Die historische Entwicklung des staatsverfassungsrechtlichen Demokratieprinzips wie der Mitbestimmungsordnung kann und soll hier weder abschließend noch mit primär rechtshistorischem Nutzen aufgearbeitet werden. Es ging allein darum, neben der auffälligen zeitlichen Koinzidenz die mindestens historische und mindestens ideelle Relevanz des Demokratiegedankens für die gesetzliche Arbeitnehmermitbestimmung nachzuweisen. Und auch im Rahmen des themenbezogen gestrafften und damit notwendig einseitigen Überblicks lassen sich gedankliche Verbindungslinien zwischen der staats- und der betriebs- sowie unternehmensverfassungsrechtlichen Ebene erkennen: Einmal zielte die wiederholt populäre Forderung nach Wirtschaftsdemokratie auf einen Sondereinfluß der Akteure des Wirtschaftslebens in der staatlichen Wirtschaftspolitik. Angelehnt an die Rätedemokratie sollten Gesetzgebung und Verwaltung des Staates im wirtschaftlichen Bereich dem Zugriff besonderer Organe der Arbeitgeber und Arbeitnehmer geöffnet werden – zu Lasten des Parlaments. Für ein solches Modell der »Mitbestimmung« bei der Ausübung 266 Zur Abhängigkeit des FDGB von der staatstragenden Einheitspartei SED etwa Ramm, FS Duden, S. 439, 443 f. 267 Näher Ramm, FS Duden, S. 439, 453 ff. 268 Zu diesen Kunz u. a./Leifert, Grundriß, S. 63 ff. 269 § 24 Abs. 3 Satz 1 AGB-DDR erklärte die verschiedentlich vorgeschriebene Zustimmung der Betriebsgewerkschaftsleitung explizit zur Wirksamkeitsvoraussetzung zustimmungspfl ichtiger Entscheidungen. 270 Ähnlich Ramm, FS Duden, S. 439, 464.

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§ 1 Demokratie in der Wirtschaft

von Hoheitsmacht steht exemplarisch der Räteartikel 165 der WRV, dessen Vorgaben freilich nie vollständig umgesetzt wurden. Mit dem Demokratieprinzip trifft sich diese »obere« Ebene der Wirtschaftsdemokratie 271 im Gedanken der Selbstbestimmung der Betroffenen: Spätestens seit Rousseau gehört die Idee einer Identität von Herrschern und Beherrschten, also einer »Selbstbeherrschung der Herrschaftsbetroffenen« zum demokratischen Allgemeingut. Vergleichbar läßt sich das Idealziel einer Wirtschaftsdemokratie mit Isensee 272 i. S. einer »selbstverwaltende[n] Beteiligung aller, die von den Äußerungen wirtschaftlicher Macht betroffen werden« formulieren. Mutatis mutandis lassen sich auch die Staatsdemokratie und die »wirtschaftsdemokratische« oder wenigstens »wirtschaftsdemokratisch aufgeladene«273 Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen auf den gemeinsamen Nenner (sozialer) Selbstregierung bringen. Der zweite wesentliche historische Berührungspunkt von Staatsdemokratie und Mitbestimmung ist die Vorstellung der Konstitutionalisierung des Arbeitslebens im Betrieb nach Vorbild der Staatsverfassung, die sich in dem seinerzeit gängigen Schlagwort von der »konstitutionellen Fabrik« spiegelt. Dabei ging es nicht darum, das Schnittmuster der parlamentarischen Demokratie bruchlos auf Unternehmen oder Betriebe zu übertragen 274 , sondern vor allem um die jedenfalls gefühlte275 Befreiung von autoritärer Herrschaft durch Demokratie. Im Kontext der konstitutionellen Monarchie wird sichtbar, daß hier vor allem der Aspekt der Machtkontrolle angesprochen ist: Betroffenenpartizipation als Mittel der Beschränkung und Kontrolle staatlicher wie wirtschaftlicher Macht 276 . Zu denken ist schließlich an eine weitere gedankliche Verbindung im Gedanken der Gleichberechtigung. Indes ist insoweit Zurückhaltung angezeigt: Demokratie zielt zwar auf politische Gleichberechtigung. Diese egalitäre Gleichheit der Bürger läßt sich aber nicht ohne weiteres in den gesellschaftli271 Zu den beiden Ebenen der vertikal gegliederten Wirtschaftsdemokratie C.III.2.b., S. 16 ff. 272 Der Staat 17 (1978), 161, 171. In dieselbe Richtung geht ein älteres Grundsatzprogramm des DGB, RdA 1964, 19: »Von wirtschaftlichen Entscheidungen werden insbesondere die Arbeitnehmer betroffen. Deshalb müssen sie und ihre Gewerkschaften gleichberechtigt an der Gestaltung der Wirtschaft beteiligt werden.« 273 Soeben C. V.1.c., S. 29 f. 274 Vgl. aber Neuloh, Betriebsverfassung, S. 40, dessen Ansicht nach ein unreflektierter »Analogismus« zum Staat »in den deutschen Betrieb Störungen hineingetragen hat, die keineswegs auf seinem Boden gewachsen sind.« 275 Treffend bezeichnet Lege, JZ 2009, 756 die Freiheit als das Pathos der Demokratie: »so fühlt sie sich an.« 276 I.d.S. identifi ziert Reichold, Betriebsverfassung, S. 10 das »Staat und Betrieb [. . .] gemeinsame Phänomen der Herrschaftsausübung«, welches »die Frage nach gemeinsamen Verrechtlichungs-Strukturen zur ›Bändigung von Macht‹« rechtfertige. [Hervorhebung im Original.]

D. Ideelle Verbindungen zwischen Staatsdemokratie und Mitbestimmung

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chen Kontext der Mitbestimmung übersetzen. Insbesondere ist die Gleichberechtigung von »Kapital und Arbeit« kaum als Ausprägung demokratischer Gleichheit darstellbar. Wer die demokratische Egalität im Wirtschafts- und Arbeitsleben als Parität zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nachzeichnen will 277, meint also weniger konkrete Ableitungen aus dem Demokratieprinzip, sondern versucht, mit der Demokratie verbundene Wertvorstellungen im Mitbestimmungsrecht zu verwirklichen 278 . Zugespitzt geht es hier nicht um das normative Demokratieprinzip, sondern um die Demokratie als »politischen Kampfbegriff«279.

277 Etwa Sinzheimer, Idee der wirtschaftlichen Demokratie, S. 221, 223; v. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 6. Noch einen Schritt weiter geht Thoma, Demokratie, S. 406, 412 ff., und sieht die »sozialrevolutionäre« Komponente als die wichtigste der »modernen Demokratisierung«: Demokratie »als Waffe der Rebellion der ökonomisch Enterbten«. 278 Dazu Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 70. 279 Zur Demokratie als »Kampfbegriff« Isensee, FS Hennis, S. 360, 362.

§ 2 (In-)Kompatibilität von Demokratieprinzip und Mitbestimmung Die historisch-ideellen Verbindungen zwischen Demokratieprinzip und Mitbestimmung werden im Folgenden auf ihren Erklärungswert für das geltende Mitbestimmungsrecht hin befragt. Dazu ist es zunächst erforderlich, die unbestimmten Rechtsbegriffe Demokratie und Mitbestimmung zu präzisieren und den Hintergrund der Partizipationsrechte von Bürgern und Arbeitnehmern aufzudecken. Der »Vergleich« von Demokratie und Mitbestimmung beginnt mit der funktionalen Analyse der beiden Ordnungen für die jeweils betroffenen Bürger bzw. Arbeitgeber und Arbeitnehmer (A.) und einer darauf bezogenen Einordnung der Teilhaberechte im Staat und in der Wirtschaft (B.). Sodann wird der Versuch unternommen, in den Strukturen mitbestimmter Betriebe (C.) und Unternehmen (D.) »mikro-demokratische Elemente« nachzuweisen.

A. Fremdbestimmung und Legitimation I. Demokratie als prozedurale Legitimation von Fremdbestimmung 1. Legitimationsfunktion als normativer Kern des Demokratieprinzips Um den »notorisch« unbestimmten Demokratiebegriff1 für diese Untersuchung operabel zu machen, ist eine abstrakte Defi nition nicht erforderlich. Verbindlichkeit könnte sie ohnehin nicht beanspruchen: Demokratie ist Gegenstand nicht nur juristisch-normativer Forschung. Politikwissenschaft, Philosophie, Ideengeschichte, Verfassungsvergleichung und -geschichte erhellen unterschiedliche Facetten des »schillernden« Demokratiebegriffs – und erlauben, ihn beliebig 2 zu erweitern. In dieser Vieldeutigkeit ist die positive Konnotation der einzige Fixpunkt: Heute bezeichnet sich jedes beliebige Regime selbst als demokratisch 3 , weil die Demokratie zum Inbegriff der guten Staats1

Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 66. Richtig merkt Kelsen, Wesen, S. 149, 153 an, daß der »mißbrauchteste aller politischen Begriffe« mit verschiedensten, auch einander widersprechenden Bedeutungen aufgeladen werden kann. 3 Sartori, Demokratietheorie, S. 12. Die prinzipiell ablehnende Perspektive – Überblick 2

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§ 2 (In-)Kompatibilität von Demokratieprinzip und Mitbestimmung

form, wenn nicht des Guten überhaupt verklärt wird4 , und das Demokratieprinzip zur propagandistischen Allerweltsformel verkümmert 5. Ob die Arbeitnehmer-Mitbestimmung Berührungspunkte mit einer derart sinnentleerten Demokratie aufweist, ist uninteressant. Mithin erübrigt sich auch die Suche nach einer abstrakten Defi nition. Statt dessen ist die Funktion der Demokratie aus rechtlicher Perspektive zu präzisieren; anhand dieser funktionalen Betrachtung kann die Mitbestimmungsordnung auf demokratische Elemente und deren rechtliche Relevanz befragt werden: »Demokratie« ist ein Lösungsansatz – oder besser: eine Lösungsmethode – in Entscheidungssituationen6 . Interessant ist solch ein prozeduraler Ansatz von vornherein nur bei Kollektiventscheidungen, die von einigen mit Wirkung für alle getroffen werden. Die Individualentscheidung braucht keine Methode, sondern erlaubt in jeder Hinsicht die Willkür des Einzelnen, also Freiheit im unmittelbaren Sinne. So gesehen wirkt Demokratie freiheitsbeschränkend, weil jede Entscheidung, die kollektiv getroffen wird, notwendig die Menge der Individualentscheidungen reduziert7. Deshalb hat Lege Recht, wenn er nicht die Freiheit, sondern den Wettbewerb als zentralen Gesichtspunkt des demokratischen Prinzips erkennt8 . In diesem demokratischen Wettbewerb ist die Konkurrenz um die durch Volkswahl zugewiesene Regierungsgewalt9 nur ein – wenngleich wichtiger – Teilaspekt. Im hier vertretenen Sinne als umfassende prozedurale Methode begriffen, setzt Demokratie den Interessengegensatz voraus und bietet ein Regelsystem zur Konfl iktentscheidung, namentlich den Mehrheitsentscheid in der bestimmten Referenzgruppe »Volk«. Am Ende steht immer die Gruppe der Sieger gegen die der Verlierer10 , und weil dieses Ergebnis bei Kollektiventscheidungen ebensowenig vermieden werden kann wie in der Gemeinschaft von Menschen Kollektiventscheidungen vermieden werden können, muß die

bei Maier, FS Friedrich, S. 127 130 f.: »Demokratie als Entartungsform« – ist heute überholt. 4 Vgl. Scharpf, Demokratietheorie, S. 8: »Signalwort für positive Wertungen«; Sartori, Demokratietheorie, S. 12: »zu einem allseits verehrten Wort geworden«. [Hervorhebung im Original.] Kritisch Radnitzky, ef 1998, 72: »ist ›Demokratie‹ zu einer politischen Pseudoreligion geworden«; Dreier, Jura 1997, 249. 5 Wiesendahl, Demokratietheorie, S. 4. 6 Radnitzky, ef 1998, 72 f. 7 Radnitzky, ef 1998, 72 f. 8 Lege, JZ 2009, 756. Zum demokratischen Wettbewerb noch Müller-Franken, DVBl. 2009, 1072 ff. 9 Diesen Aspekt stellt die sogenannte »Eliten- oder Konkurrenztheorie« der Demokratie in den Vordergrund; exemplarisch Schumpeter, Kapitalismus, S. 427 ff.; dazu noch Sartori, Demokratietheorie, S. 160 ff. Auch für die »Wirtschafts-Demokratie« Kahn-Freund, Arbeit und Recht, S. 12. 10 Auch dazu Lege, JZ 2009, 756, 760; weiter Petersen, JöR 58 (2010), 137, 148.

A. Fremdbestimmung und Legitimation

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entscheidende Frage die nach der materiellen Rechtfertigung oder Legitimation der Fremdbestimmung über Nicht-Entscheidungsträger sein11. Denn: Der Interessengegensatz in der Sache wird durch Abstimmungsverfahren nicht aufgelöst; im »demokratischen Willen« zeigt sich keine Synthese aller individuellen Beiträge, sondern (nur) das Ergebnis eines Verfahrens12 . Funktionaler Kern des Demokratieprinzips ist mithin die Legitimation »echter« Kollektiventscheidungen13 . Dabei ist »Legitimation« ähnlich unscharf konturiert wie »Demokratie«14 . Und auch für den Legitimationsbegriff gilt: Eine umfassende Defi nition ist im hier untersuchten Zusammenhang nutzlos. Ausreichend ist es, Legitimation funktional zu defi nieren: als den Grund der Verbindlichkeit rechtlicher Regelungen15. Die entsprechende Befugnis, für andere verbindliches Recht zu setzen, läßt sich im Rechtsstaat nur in zwei Fällen denken: Nach dem Selbstbestimmungsprinzip, wenn und weil sich der Normunterworfene der Fremdbestimmung autonom16 unterworfen hat, oder nach dem Demokratieprinzip, wenn und weil die heteronome Anordnung am Ende eines demokratischen Willensbildungsprozesses steht17 – oder anders: wenn sie durch Mehrheitsentscheid des Volkes als Gruppe politisch Gleichberechtigter ergeht18 . Damit ist die Funktion des Demokratieprinzips freilich noch nicht ausreichend erschlossen. Die prozedurale Methode zielt nicht nur auf normative Legitimation, sondern bewirkt zugleich eine sachliche Rückbindung der Staatsgewalt an den Gesamtwillen des Volkes. Weil die Mehrheit des Volkes entweder selbst entscheidet oder hierzu selbst Repräsentanten bestimmt, ist bis zu einem gewissen Grad sichergestellt, daß es im Staat keine Willensbildung jenseits des Volkes geben kann. Anders ausgedrückt: Weil und soweit die im Volk vorhandenen Einzelinteressen verfahrensmäßig in die Entscheidungen des

11 Dazu Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 511, der die Legitimation richtig in den Mittelpunkt des Demokratieprinzips rückt. Weiter Müller-Franken, DVBl. 2009, 1072. 12 Hierzu Möllers, Demokratie, S. 28. 13 Petersen, JöR 58 (2010), 137, 141: Demokratie als »Mittel zur Rechtfertigung staatlicher Herrschaft«. 14 Dazu etwa Würtenberger, JuS 1986, 344 ff. 15 Schwarze, RdA 2001, 208, 212; ähnlich Isensee, Der Staat 20 (1981), 161: Grund, daß »ein Sein, ein Sollen, ein Wollen rechtliche Anerkennung verdient«. 16 Auch »Autonomie« kennt vielfache Bedeutungsvarianten. Gemeint ist hier und im Folgenden die Selbstbestimmung der Person (zu diesem »Kern« des juristischen Autonomiebegriffs etwa Kirste, JZ 2011, 805, 806), gegebenenfalls die des Personenverbands. 17 Isensee, Der Staat 20 (1981), 161, 162, 168; Schwarze, RdA 2001, 208, 212; MüllerFranken, Befugnis, S. 103. Weiter E. Picker, NZA 2002, 761, 763 m. w. N., der ohne Rekurs auf das Demokratieprinzip vom »Staat« spricht. 18 Zum Mehrheitsentscheid als demokratischer Entscheidungsregel noch B.I.1.a., S. 64 ff.

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§ 2 (In-)Kompatibilität von Demokratieprinzip und Mitbestimmung

Staates einfl ießen19, orientiert sich jede Ausübung der Staatsgewalt inhaltlich am Willen des Volkes20 . 2. Volksherrschaft nach dem Grundgesetz a. Vertikale Komponente: Demokratische Herrschaft [1] Demokratie und Hierarchie Den eben skizzierten Kern des Demokratieprinzips erfaßt schon die schlichte Übersetzung von Demokratie als »Herrschaft des Volkes«21. Ableiten läßt sich dieser Rechtssatz aus der »Staatsfundamentalnorm«22 des Art. 20 GG und dort aus Abs. 1 und Abs. 2. Er ist das wesentliche Strukturprinzip der staatlichen Ordnung und weist unabhängig von seiner verfassungsrechtlichen Konkretisierung eigenständigen normativen Gehalt mit Blick auf Organisation und Legitimation staatlicher Herrschaft auf 23 . Die historische Entwicklung 24 mag ein Verständnis der Demokratie als Instrument der Befreiung von Autorität nahelegen 25. Gleichwohl bedeutet Demokratie keinen Verzicht auf staatliche Hoheitsgewalt. Anders ausgedrückt hat das Demokratieprinzip zwar eine ausgeprägte – und für das politische Selbstbewußtsein des Demokraten zentrale – horizontale Dimension in Gestalt der politischen Gleichberechtigung aller Bürger, aber auch eine vertikale Dimension 26 : Die Herrschaft des Volkes bleibt Herrschaft von Menschen über Menschen 27. Nur rechtfertigt sich diese Herrschaft eben daraus, daß sie auf Entscheidungen des Rechtsverbands »Volk« zurückgeführt wird. Dabei kann es freilich nicht darum gehen, irgendeine der Demokratie »vorgelagerte«, gleichsam naturgesetzliche Staatlichkeit oder Herrschaft nachträglich zu legitimieren 28 . Demokratie heißt 19 Dazu etwa Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 145 f. Weiter Isensee, FS Hennis, S. 360, 369: Die Staatsmacht »öffnet sich über das demokratische Prinzip dem politischen Einfluß der [. . .] gesellschaftlichen Kräfte.« Zu diesem Aspekt demokratischer Partizipation noch Kotzur, Demokratiedebatte, S. 351, 367 ff. 20 I.d.S. Müller-Franken, DVBl. 2009, 1072, 1080: »Demokratische Repräsentation [. . .] zielt auch auf die beständige Aktualisierung und Darstellung des Willens des Volkes.« 21 Auch das BVerfG spricht mit Blick auf die Demokratie durchgehend von »Herrschaft«; etwa BVerfG [Senat] v. 3. 7. 2008, 2 BvC 1/07 und 7/07, BVerfGE 121, 266 = NVwZ 2008, 991 – »Überhangmandate« unter B.II.1. der Gründe. 22 Maunz/Dürig/Herzog/Grzeszick, GG, Art. 20 II Rn. 8. 23 Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 149 f., 176 f. 24 Zu ihr § 1 B., S. 3 ff. 25 Dezidiert in diesem Sinne Ridder, FS Peter Schneider, 355, 356: die »Essenz« des demokratischen Prinzips bestehe ausschließlich »in der Befreiung von jeder nicht aus dem Volk kommenden [. . .] Herrschaftsmacht«. 26 Eingehend Sartori, Demokratietheorie, S. 137 ff. 27 Böckenförde, HStR II, § 24 Rn. 9; zustimmend Horn, Demokratie, § 22 Rn. 9 m.w.N; kritisch Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 222. 28 Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 222. Gegen solche »Mystifi zierung« eines der Verfassung vorausliegenden Staates noch Rupp, HStR II, § 31 Rn. 17.

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nicht, vorgefundene Staatsmacht zu kontrollieren 29 und auf das Volk zu übertragen. Die liberale Forderung nach Machtkontrolle mag in der Frühphase der Demokratiebewegung eine Rolle gespielt haben. Ist aber die Volkssouveränität errungen, kann es aus der Perspektive des Demokratieprinzips nicht mehr um die Begrenzung von Hoheitsgewalt gehen, sondern nur um deren Legitimation 30 . Anders gewendet schafft (erst) die Demokratie die aus ihrer Perspektive einzig legitime Form von Staatlichkeit und Herrschaft 31. [2] Legitimationssubjekt Einheitliches Legitimationssubjekt ist das gesamte, im Staat verfaßte Volk 32 ; weder Außenstehenden noch Teilverbänden als Ausschnitt aus dem unteilbaren Souverän kommt Legitimationskraft zu 33 . Anders gewendet liegt die von Art. 20 GG verlangte, spezifisch demokratische Entscheidungsqualität in der Rückführbarkeit auf den Willen des Volkes als kollektiver Einheit34 . Von einer Einheit läßt sich freilich nur aus normativer Perspektive sprechen, nicht aus empirischer35. Für die Integration zum demokratischen Legitimationssubjekt »Volk« reicht diese abstrakte Verbindung aber aus. Gemeint ist im Grundgesetz zwar das deutsche, durch das Staatsangehörigkeitsrecht konstituierte Volk 36 . Das Konzept des demokratischen Nationalstaats ist aber eine politische Entscheidung des Verfassungsgebers und läßt sich nicht aus dem Demokratieprinzip ableiten 37 : Schon das Wahlrecht für EU-Ausländer auf kommunaler Ebene nach Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG 38 sowie die nach Art. 23 GG legitime Delegation von Staatsmacht an die supranatio29

In diese Richtung aber Demirovic´, Demokratie, S. 12. Horn, Demokratie, § 22 Rn. 47 ff. Hingegen betont Böckenförde, Zukunft politischer Autonomie, S. 103, 109 den Aspekt der Kontrolle (des Mißbrauchs) der Staatsgewalt. 31 Dazu etwa Horn, Demokratie, § 22 Rn. 32. 32 Isensee, FS Mikat, 705; dazu auch Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329, 348 f. Kritisch zur Vorstellung des »Volks« als organisches Ganzes Sartori, Demokratietheorie, S. 32. 33 Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 158 ff. 34 Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329, 389. 35 Maus, KJ 1991, 137 ff. Anders Böckenförde, HStR III, § 34 Rn. 4: Volkswille als »erfaßbare reale Größe«. 36 Dazu die »Ausländerwahlrecht-Entscheidungen« des BVerfG [Senat] v. 31. 10. 1990, 2 BvF 3/89, BVerfGE 83, 60 = NJW 1991, 159 (Hamburg); 2 BvF 2/89 und 6/89, BVerfGE 83, 37 = NJW 1991, 162 (Schleswig-Holstein). Weiter Isensee, KritV 1987, 300 ff.; Papier, KritV 1987, 309 ff. 37 Isensee, FS Mikat, S. 705, 709: »Der rechtliche Staatsverband muß nicht auf nationaler Einheit gründen«. 38 Mit Nachweisen zur Diskussion Hanschmann, ZParl 2009, 74, 77 ff.; weiter Meyer, HStR III, § 46 Rn. 7 ff.; dagegen statt vieler Maunz/Dürig/Grzeszick, GG, Art. 20 II Rn. 84 ff., dessen Ansicht nach nur für den Bürger »unwesentliche« Entscheidungen in den kommunalen Autonomiebereich fallen, weshalb die demokratische Legitimation ausnahmsweise auf die Gemeindebevölkerung bezogen werden könne. 30

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nale Europäische Union 39 indizieren, daß der Demos unabhängig von der Staatsangehörigkeit als maßgeblichem Zuordnungsgrund zum Legitimationssubjekt gedacht werden kann. Zwar ist die Union kein europäischer Bundesstaat mit eigenem Staatsvolk40 . Die demokratische Funktion des europäischen Parlaments kann aber nicht ernsthaft geleugnet werden41, weshalb die Staatsangehörigkeit nicht das einzig demokratietheoretisch erlaubte Kriterium sein kann, nach dem sich die Zuordnung zum Volk richtet. Weiter läßt sich jedenfalls heute nicht mehr belegen, daß nur die Anknüpfung an den Nationalstaat den gebotenen Gleichlauf von demokratischen Mitbestimmungsrechten und Verantwortung für die Folgen der im demokratischen Verfahren getroffenen Entscheidungen sicherstellen könnte42 . Der Nationalstaat kann nicht die aus demokratischer Perspektive maßgebende »Schicksalsgemeinschaft« sein43 , wenn zentrale Zukunftsfragen – von der Regulierung der internationalen Finanzmärkte bis zum Klimawandel – in seinen Grenzen nicht gelöst werden können44 . Das rechtfertigt indes nicht den Gegenschluß, das Demokratieprinzip verlange einen strikten Gleichlauf von Herrschaftslegitimation und Herrschaftsbetroffenheit45. Nicht jeder Mensch, der von Hoheitsgewalt erfaßt wird, muß notwendig die gleichen demokratischen Partizipationsrechte innehaben46 . Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG entscheidet zugunsten der Souveränität des deutschen Volkes und damit gegen das – im Vergleich eher dezentral ausgerichtete47 – Prinzip der »Betroffenheit« als Legitimationsgrund des grundgesetzlichen Demokratieprinzips 48 . Das Demokratieprinzip selbst fordert diese Ent39

Dazu etwa Bryde, StWiss 5 (1994), 305, 321. BVerfG [Senat] v. 30. 6. 2009, 2 BvE 2/08 u. a., BVerfGE 123, 267 = NJW 2009, 2267 – »Lissabon-Vertrag« Rn. 277. Der 2. Senat sieht den Beitritt zu einem europäischen Bundesstaat sogar als vom GG verboten. Zu den denkbaren Konzeptionen einer gesamteuropäischen Staatlichkeit Haack, JZ 2012, 753 ff. 41 BVerfG [Senat] v. 12. 10. 1993, 2 BvR 2134/92 und 2159/92, BVerfGE 89, 155 = NJW 1993, 3047 – »Maastricht« unter C.I.2.b)b1) der Gründe. Dazu noch v. Bogdandy, NJW 2010, 1, 3; Ruffert, DVBl. 2009, 1197, 1199. Schliesky, Souveränität, S. 588 f. spricht von einem zweiten Legitimationsstrang. 42 Hierzu Isensee, KritV 1987, 300, 301. 43 So aber Isensee, FS Mikat, S. 705, 709 ff.; derselbe, KritV 1987, 300, 301. In diese Richtung weiter Horn, Demokratie, § 22 Rn. 28. 44 Richtig Bryde, StWiss 5 (1994), 305, 307 und 314 m. w. N. Mit Blick auf das europäische Recht Scharpf, StWiss 3 (1992), 293, 297 f. Bei ähnlicher Diagnose formuliert Böckenförde, Zukunft der politischen Autonomie, S. 103, 124 ff. demgegenüber das Ziel, die Kompetenzen des Nationalstaates (wieder) zu stärken; kritisch zu einem solchen Ansatz Petersen, JöR 58 (2010), 137, 138 f. 45 Anders etwa Lepsius, Standardsetzung, S. 345, 356. 46 Gräditz/Hillgruber, JZ 2009, 872, 873; anders Demirovic´, Demokratie, S. 10 f. Zum Ausschluß des Wahlrechts von Minderjährigen nach Art. 38 Abs. 2 GG Peschel-Gutzeit, NJW 1997, 2861 ff. 47 Hierzu Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 141. 48 Dezidiert BVerfG [Senat] v. 31. 10. 1990, 2 BvF 2/89 und 6/89, BVerfGE 83, 37 = NJW 40

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scheidung weder, noch hindert es sie. Vielmehr gilt: Das Volk ist der Demokratie »vorgelagert«; es schafft sich »seine« Demokratie49 – und eben deshalb läßt sich aus einer abstrakten Analyse »der Demokratie« nicht ableiten, wer zum souveränen Volk gehören soll 50 . Zusammengefaßt: Den demokratischen Verband konstituiert weder gleichartige individuelle Betroffenheit, noch kommt es insoweit auf eine wie auch immer zu defi nierende kulturelle Identität an 51, die durch die Staatsangehörigkeit ohnehin nur grob abgebildet würde52 . Ausschlaggebend für die Integration zum demokratischen Gemeinwesen ist vielmehr die demokratische Egalität, genauer: die wechselseitige Anerkennung der Bürger als politisch gleichwertig53 , manifest in einer Verfassung, die prinzipiell keine Abstufungen der politischen Rechte kennt 54 . Jene Anerkennung zeigt sich in egalitären Verfahren und wird umgekehrt in solchen Verfahren erneuert und erzeugt 55. Das mag de facto nur gelingen, wenn die Verbandsangehörigen wenigstens im Ansatz ein »Gefühl der Zusammengehörigkeit« verbindet 56 . Entscheidend aber ist nicht diese Grundlage der Demokratie, sondern der letztlich politische Akt der Anerkennung. In der Konsequenz läßt sich aus dem Demokratieprinzip selbst nicht ableiten, wer zum Volk gehört – und wer von der demokratischen Herrschaft betroffen ist, ohne an ihr zu partizipieren. [3] Repräsentation und Ableitungszusammenhang durch »Legitimationsketten« Die originäre, erstmalige Rechtfertigung von Fremdbestimmung erschöpft die Frage der demokratischen Legitimation noch nicht. Daneben ist eine weitere 1991, 162 – »Ausländerwahlrecht (Schleswig-Holstein)« unter C.I.1. der Gründe. Kritisch Bryde, StWiss 5 (1994), 305, 322. Die h. M. folgt dem BVerfG, nur Maunz/Dürig/Grzeszick, GG, Art. 20 II Rn. 163 f. m. w. N. 49 Zugegebenermaßen ist die verfassungsgebende Gewalt des Volkes eine nur theoretische Figur; dazu nur Roellecke, JZ 1992, 929 ff. 50 Richtig Karpen, NJW 1989, 1012, 1014; Schliesky, Souveränität, S. 595. Ähnlich Horn, Demokratie, § 22 Rn. 68 m. w. N. 51 Möllers, Demokratie, S. 48 f. Zur Gegenmeinung m. w. N. Maunz/Dürig/Grzeszick, GG, Art. 20 II Rn. 47 f., der das Grundgesetz selbst als »Ausdruck eines bestehenden Grundkonsenses« sieht. 52 Dazu Bryde, StWiss 5 (1994), 305, 311: »keinerlei Garantie für Homogenität«. 53 Möllers, Demokratie, S. 17; Blanke, Funktionale Selbstverwaltung, S. 32, 40 m. w. N. In dieselbe Richtung Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 330; Scharpf, StWiss 3 (1992), 293, 296: »Ausbildung einer auf staatsbürgerliche Gleichheit [. . .] gestützten kollektiven Identität.« 54 I.d.S. deutet Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 330 die Erweiterung des Wahlrechts auf Besitzlose, Frauen, Ausländer, etc. überzeugend als »Anerkennung gleicher Freiheit«. 55 Dazu Möllers, Demokratie, S. 89; Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 227. 56 Eingehend Böckenförde, Zukunft der politischen Autonomie, S. 103, 109 ff., der diese Verbindung als »relative Homogenität« bezeichnet.

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§ 2 (In-)Kompatibilität von Demokratieprinzip und Mitbestimmung

Dimension angesprochen: die Rechtfertigung jeder Ausübung von Hoheitsmacht, die sich nur mittelbar auf den Mehrheitsentscheid des Volkes zurückführen läßt. Der Grundsatz der Volkssouveränität in Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG zielt nicht auf basisdemokratisch-umfassende Kompetenzzuweisung an das Volk, sondern »nur« auf ein Legitimations- und Verantwortungsprinzip57. Die Souveränität des Volkes ist normativ zu verstehen; nicht als empirisch widerlegbare »Allmacht«, sondern als rechtliche »Letztentscheidungskompetenz« im Konfl iktfall58 , manifest zumindest im Recht der Verfassungsablösung, welches Art. 146 GG deklaratorisch wiedergibt 59. Nach der Verfassungsgebung läßt sich in einem System der Gewaltenteilung immerhin noch von »latenter« Volkssouveränität sprechen60 , »institutionell mediatisiert« in einem System der Repräsentation61. Auch als pouvoir constitué bleibt das Volk alleiniges Legitimationssubjekt und alleiniger Träger der Hoheitsmacht62 . Mindestens in demokratischen Flächenstaaten sind Elemente repräsentativer, oder besser: mittelbarer63 Demokratie unumgänglich64 . Die demokratische Repräsentation65 löst nicht nur das Problem des Verwaltungsaufwands basisdemokratischer Verfahren in größeren Einheiten, sondern bietet vor allem einen Ausweg aus der unvermeidlichen Überforderung der Mehrzahl der Bürger66 angesichts der Menge und Komplexität der in größeren Gemeinwesen erforderlichen Entscheidungen. Die Vorstellung einer Identität von Regierenden und Regierten ist ein philosophisches Ideal der demokratischen Idee, aber keine Leitlinie für die demokratische Praxis67. Die somit zwingende demokratische Repräsentation bei der Ausübung hoheitlicher Herrschaft wirft die Frage nach der Legitimation der Repräsentationsorgane auf68 ; das gilt auch für 57

Hierzu Badura, HStR II, § 25 Rn. 35. Hillgruber, JZ 2002, 1072, 1073 m. w. N. 59 Maunz/Dürig/Scholz, GG, Art. 146 Rn. 9. 60 Dreier, AöR 113 (1988), 450, 460 m. w. N. 61 Haller, Repräsentation, S. 121. 62 Hierzu AK-GG/Stein, Art. 20 Abs. 1–3 III Rn. 24: »Das Volk bleibt also Träger der Staatsgewalt, auch wenn es sich besonderer Organe [. . .] als Hilfe bei ihrer Ausführung bedient.« 63 Dazu Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 166, der darauf hinweist, daß »Repräsentation« kein staatsrechtlicher Terminus ist. 64 Berlit, KritV 1993, 318, 334 f.; weiter Achterberg, NJW 1978, 1993. Dazu, daß die repräsentative Demokratie rechtsvergleichend zu den Leitprinzipien aller europäischen Verfassungssysteme rechnet Sommermann, Demokratiekonzepte, S. 191, 208 ff. Zum Gegenentwurf der identitären Demokratie nach Rousseau etwa Thedieck, JA 1991, 345 f. m. w. N. 65 Einen Überblick mit Nachweisen zu den grundlegenden Gedanken bei John Locke, Edmund Burke und John Stuart Mill liefert etwa Thedieck, JA 1991, 345, 346. 66 Zu dieser Überforderung und der beschränkten Praktikabilität auf möglichst intensive Beteiligung aller Bürger ausgerichteter Demokratiekonzeptionen etwa Scharpf, Demokratietheorie, S. 60 ff., 63 f. Weiter Sartori, Demokratietheorie, S. 73 ff. 67 Vgl. Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), 179, 211; Berlit, KritV 1993, 318, 335. 68 Dreier, Jura 1997, 249, 251. 58

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basisdemokratische Elemente, die in der mittelbaren Demokratie nur, aber doch immerhin eine ergänzende Rolle als zusätzliche repressive Kontrolle der Repräsentanten69 spielen können. Genau besehen sind Volksbegehren und Volksentscheid nicht minder »repräsentativ« geprägt als die parlamentarische Demokratie, entscheidet doch auch hier nur die Partikulargruppe der Aktivbürger für das Gesamtvolk70 . Wie die Demokratie ist die Repräsentation ein schillernder Begriff 71 ; i. S. einer »modernen«, demokratischen Repräsentation meint er nicht die Verkörperung einer präexistenten Einheit, sondern beschreibt einen Prozeß der Herrschaftsausübung, der solche Einheit erst generiert72 . Diese Repräsentation von Interessen ist aus der Perspektive des Demokratieprinzips keine Fehlentwicklung, sondern eine notwendige und systemkonforme Folge, und kann insoweit als Strukturelement der realen Demokratie eingestuft werden73 . Freilich zwingt jede Form demokratischer Repräsentation zu einem Verfahren, das den Rückbezug der Herrschaft auf den Willen des Souveräns sicherstellt, also den Willen des gesamten Volkes. In der repräsentativen Demokratie folgt daraus, daß sich die Herrschaftsmacht der Repräsentanten entlang – wie das BVerfG plastisch formuliert – »ununterbrochener Legitimationsketten«74 auf den Willen des Volkes zurückführen lassen muß75. Angelehnt an die Überlegungen Ernst-Wolfgang Böckenfördes76 werden hier drei Komponenten unterschieden: Demnach ist demokratische Legitimation ein Dreiklang von funktionell-institutioneller, organisatorisch-personeller und sachlich-inhaltlicher Legitimation. Formaler Ausgangspunkt des erforderlichen Zurechnungszusammenhangs sind die Vorgaben des Verfassungsrechts. Das Grundgesetz ordnet die Repräsentation des Volkes in ein System der Gewaltenteilung und defi niert dessen Akteure sowie deren Funktion. Daher übt ein Entscheidungsträger staatliche Macht legitim nur aus, wenn ihm diese Funktion entweder bereits durch das Grundgesetz oder durch formelles Parlamentsgesetz zugewiesen ist. Indes zielt diese institutionelle Legitimation aus der Verfassung selbst nicht auf demokratische Legitimation i. S. d. Grundgesetzes, sondern metakonstitutionell auf Legitimation durch den Verfassungsgeber, für den das Demokratieprinzip der 69

Hierzu Rhinow, ZSR 103 II (1984), 111, 203 ff. Dreier, Jura 1997, 249, 251; Rhinow, ZSR 103 II (1984), 111, 171 ff. Schärfer noch Müller-Franken, DVBl. 2009, 1072, 1074: das Plebiszit ermögliche eine »partielle Herrschaft ehrgeiziger, selbstermächtigter Minderheiten.« 71 Dreier, AöR 113 (1988), 450 ff. 72 Auch hierzu Dreier, AöR 113 (1988), 450, 455 f. 73 Dreier, AöR 113 (1988), 450, 482 f. 74 BVerfG [Senat] v. 24. 5. 1995, 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37 = DVBl. 1995, 1291 = NVwZ 1996, 574 – »Einigungsstelle Schleswig-Holstein« unter C.I.2.c) der Gründe. 75 Näher dazu unter B.I., S. 64 ff. 76 HStR II, § 24 Rn. 14 ff. m. w. N. Weitere Nachweise zur literarischen Aufbereitung der demokratischen Legitimation bei Zacharias, Jura 2001, 446 ff. 70

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Verfassung nicht gelten kann77. Kategorie demokratischer Legitimation ist daher nur die institutionelle Legitimation qua Parlamentsgesetz. Obwohl als Fundament unerläßlich, steht die institutionelle Legitimation nicht auf einer Stufe mit der personellen und der inhaltlichen Legitimation. Das Demokratieprinzip steht nach dem Grundgesetz gerade nicht zur Disposition des Gesetzgebers, weshalb auch das Parlamentsgesetz keinen Dispens vom Gebot demokratischer Legitimation erteilen kann78 . Die personelle Legitimation der Amtsträger setzt nicht zwingend deren Wahl durch das Volk voraus. Ausreichend ist ein System, in dem die Berufung jedes Amtswalters Glied in einer Kette von Ernennungsakten ist, anhand derer sich die Einsetzung gerade des individuellen79 Entscheidungsträgers bis zum Wahlakt zurückverfolgen läßt. Flankiert wird dieses Modell (ver-)mittelbarer personeller Legitimation durch das Erfordernis sachlicher Legitimation: Nicht nur die Person des Entscheidungsträgers, sondern auch und vor allem80 die von ihm getroffene Entscheidung muß auf den Willen des Volkes zurückgeführt werden können. In einem repräsentativen System wird diese Rückkopplung durch die Gesetzesbindung der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt gewährleistet, ihrerseits ergänzt durch die (Sach-)Verantwortung der obersten Exekutivorgane gegenüber dem Parlament und Rechtsaufsicht über nachgeordnete Behörden81. Die beiden prinzipiell gleichrangigen Ansatzpunkte demokratischer Legitimation müssen nicht in jedem Falle gleich stark ausgeprägt sein. Ausreichend ist ein nach dem Baukasten-Prinzip zusammengefügtes Legitimationsganzes, das Gewähr für ein ausreichendes Legitimationsniveau bietet82 . Anders gewendet determiniert das Verfassungsrecht weder einen bestimmten Detailgrad des vom Souverän entwickelten Programms noch eine bestimmte Intensität der Kontrolle seiner Umsetzung. Beide Größen sind in Grenzen variabel83 ; sie verhalten sich zueinander nach dem Prinzip kommunizierender Röhren. Ausgeschlossen ist nur die »Totalsubstitution«; der vollständige Ausfall einer Komponente läßt sich nicht auffangen84 . Daß ein solches System gegeneinander gestufter Einzelteile für Legitimationsfragen nicht paßte, weil diese Fragen wie moralische Urteile nach dem »Alles-oder-Nichts-Prinzip« funktionieren 77

Näher Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 276 ff. Vgl. Schenke, JZ 1991, 581, 584. 79 Nicht ausreichend ist die lediglich abstrakt-generelle Legitimation des Amtswalters i. S. einer »Thronfolgeregelung«; hierzu Böckenförde, HStR II, § 24 Rn. 16. 80 Dreier, Jura 1997, 249, 256. 81 Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 116 m. w. N. 82 M.w.N. BVerfG [Senat] v. 5. 12. 2002, 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98, BVerfGE 107, 59 = NVwZ 2003, 974 – »Lippeverband«. 83 Battis/Kersten, DÖV, 1996, 584, 585. 84 H. M., etwa Emde, Legitimation, S. 329 ff.; Böckenförde, HStR II, § 24 Rn. 23. Dagegen etwa Maunz/Dürig/Grzeszick, GG, Art. 20 II Rn. 130. 78

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müßten85 , läßt sich nicht behaupten. Richtig ist nur, daß die Frage nach der Legitimation von Fremdbestimmung kategorisch alternativ beantwortet werden muß. Damit ist aber nicht präjudiziert, welche Aspekte eine solche Legitimation begründen und wie diese gegeneinander zu gewichten wären. b. Horizontale Komponente: Anerkennung politischer Gleichwertigkeit Ausdruck der notwendigen Anerkennung als gleichwertig ist die Entscheidung für die politische Gleichberechtigung aller Bürger. Dieser »demokratische Grundkonsens«86 , die einvernehmliche Verpfl ichtung auf die »demokratischen Spielregeln«87, begründet den demokratischen Verband und rechnet zu den mehrheitsfesten Elementen des Demokratieprinzips 88 . Als konstitutive Bedingung der Demokratie muß er sich in zentralen Verfassungsnormen demokratischer Staaten niederschlagen, die auf gleichberechtigte Teilhabe aller Volksangehörigen zielen. [1] Demokratische Gleichheit Nötig ist damit eine bestimmte Form der politischen Gleichheit mit Blick auf die Partizipationsmöglichkeiten an der politischen Willensbildung – und zwar eine egalitäre Gleichheit, die innerhalb der Referenzgruppe Volk keine Abstufungen kennt89. Leitidee und Maßstab demokratischer Gleichheit ist die Wahlrechtsgleichheit, im Grundgesetz in Art. 38 Abs. 1 festgeschrieben. Sie schließt zwei Facetten ein: Als »gleich« i. S. d. Art. 38 Abs. 1 GG darf eine Wahl nur gelten, wenn im Grundsatz kein Staatsangehöriger mehr Stimmgewicht hat als ein anderer Angehöriger des souveränen Volkes90 . Gleichheitsbezug weist weiter das Erfordernis »allgemeiner« Wahlen auf91, verlangt in diesem Sinne, daß keine relevante Anzahl von Staatsbürgern vom Wahlrecht ausgeschlossen sein darf92 . Mitzudenken ist dabei stets die passive Wahlrechtsgleichheit, die gleiche Chance der Staatsbürger also, Herrschaftsmacht zu erringen oder zu behaupten.

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Blanke, KJ 1998, 452, 462. Zu diesem »demokratischen Ethos« statt vieler Böckenförde, HStR II, § 24 Rn. 75 ff.; weiter Scharpf, StWiss 3 (1992), 293, 296 f.: »nur eine ›elementare Gemeinsamkeit‹ macht das Überstimmtwerden erträglich«. 87 Bryde, StWiss 5 (1994), 305, 310. 88 Zu diesen Elementen noch B.I.1.b.[2], S. 67 f. 89 Zur demokratischen Gleichheit etwa C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 226 ff.; Böckenförde, HStR II, § 24 Rn. 41 ff. 90 Zum Grundsatz sowie zum Differenzierungsspielraum im Wahlrecht BVerfG [Senat] v. 3. 7. 2008, 2 BvC 1/07 und 7/07, BVerfGE 121, 266 = NVwZ 2008, 991 – »Überhangmandate«. 91 Vgl. Herzog, DVBl. 1970, 713. 92 Eingehend Maunz/Dürig/Klein, GG, Art. 38 Rn. 88 ff. 86

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Damit ist eine schematische Gleichheit vorgezeichnet, die das BVerfG richtig zu streng formaler Wahlrechtsgleichheit verdichtet93 . Diese Gleichheit kennt nur eine einzige Differenzierung, greift aus den »gleichen« Menschen die Angehörigen des (Staats-)Volkes als Träger der Hoheitsgewalt heraus und privilegiert sie allen anderen gegenüber, die jener Gewalt zwar unterworfen sein können, sie aber nicht ausüben dürfen 94 . Erklärbar ist diese Unterscheidung mit dem Ziel der Volkssouveränität, auf das die Demokratie des Grundgesetzes ausgerichtet ist; Bezugspunkt demokratischer Gleichheit kann vor diesem Hintergrund weder die allgemeine Kategorie der Menschengleichheit noch die individuelle Betroffenheit sein, sondern nur die Zugehörigkeit zum Volk als politischer Gemeinschaft95. [2] Formale statt materialer Gleichheit Streng formale Gleichheit wird meist als ungerechte Gleichschaltung empfunden; sie widerspricht der Pluralität der Menschen, lehnt die damit einhergehenden Differenzierungen ab und eignet sich als gedankliches Fundament totalitärer Ansätze96 . Mit gutem Grund ist die zentrale Gleichheitsregel des Grundgesetzes nicht die egalitäre des Art. 38 Abs. 1 GG, sondern der allgemeine, »aristotelische« Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG 97. Im Gegensatz zur demokratischen Gleichheit ist dieser Gleichheitssatz material, fragt also nach allen (sachlichen) Differenzierungsgründen, und proportional. Er erlaubt, oder besser: fordert, die Ungleichbehandlung des Ungleichen in allen Stufungen. Damit bietet der allgemeine Gleichheitssatz die »gerechtere« Gleichheit, sperrt sich dagegen, Unterschiede in der individuellen Betroffenheit zu nivellieren. Trotzdem widerspricht dieses Gleichheitskonzept dem Demokratieprinzip: Auch wenn das Stimmrecht nach Sachgründen differenziert wird, ist die demokratische Grundidee verletzt, daß Fremdbestimmung nur durch den Mehrheitsentscheid des Gesamtvolks legitimiert werden kann. Das Demokratieprinzip fußt also gerade darauf, den individuellen Bürger auf die Zugehörigkeit zum Volk zu reduzieren, und damit inkommensurable Größen wie individuelle Präferenzen und Betroffenheit kommensurabel zu machen. Das kann man als Selbsttäuschung kritisieren 98 , es gewährleistet aber die kollektive Selbstbestimmung der Mehrheit99 und hindert Fremdbestimmung 93 Ständige Rechtsprechung, m. w. N. BVerfG [Senat] v. 3. 7. 2008, 2 BvC 1/07 und 7/07, BVerfGE 121, 266 = NVwZ 2008, 991 – »Überhangmandate« unter B.III.2. der Gründe. 94 Böckenförde, HStR II, § 24 Rn. 46. 95 Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 174 f.; anders Tschentscher, Legitimation, S. 25 f., 119 ff., der die demokratische Legitimation von der Anknüpfung an das Staatsvolk lösen will. 96 Knapper Überblick bei Herzog, DVBl. 1970, 713, 714 ff. 97 Zu ihm statt vieler Dreier/Heun, GG, Art. 3 Rn. 24. 98 Radnitzky, ef 1998, 72, 74. 99 Dazu noch B.I.1.a., S. 64 ff.

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durch »stärker« Betroffene100 . Anders ausgedrückt verwirklicht die Egalität der Mitwirkung das demokratische Distanzgebot gegenüber Partikularinteressen101. Deshalb setzt das demokratische102 (Mehrheits-)Prinzip103 die Gleichheit der Menschen in ihrer Rolle als Bürger zwingend voraus.

II. Unterwerfung als autonome Legitimation von Fremdbestimmung Vor dem Hintergrund der funktionalen Engführung der Demokratie auf die Legitimation von Fremdbestimmung durch wechselseitig anerkannte politische Gleichberechtigung soll der Frage nachgegangen werden, ob die Ordnung der Arbeitsrechtsbeziehungen in Betrieb und Unternehmen vergleichbarer Legitimation bedarf und nach demselben Muster legitimiert werden kann. 1. Legitimation von Fremdbestimmung nach dem Selbstbestimmungsprinzip Jedenfalls ist nicht zu übersehen, daß auch diese Ordnung in erheblichem Maße durch Fremdbestimmung gekennzeichnet ist. Der Arbeitsvertrag zielt gerade auf die Verpfl ichtung zu abhängiger, weisungsgebundener Arbeit104 . Diese Abhängigkeit ist aus der Perspektive des Zivilrechts nicht zu beanstanden: sie ist selbst gewählte Abhängigkeit, die aus vertraglicher Bindung resultiert. Die Zivilrechtsordnung des BGB fußt auf dem Prinzip der Selbstbestimmung und lehnt zwar die erzwungene Bindung ab, respektiert aber die freiwillig eingegangene und anerkennt damit Selbstverantwortung als Kehrseite der Selbstbestimmung105. Fremdbestimmung ist weder a priori unvereinbar mit dem Konzept der Privatautonomie noch könnte sie nur nach dem Demokratieprinzip gerechtfertigt werden: neben der heteronomen Fremdbestimmung durch Demokratie darf und muß der Rechtsstaat auch Fremdbestimmung erlauben, die durch autonomen Unterwerfungsakt legitimiert ist, und also auf das Prinzip der Selbstbestimmung zurückgeführt werden kann106 . Beispiel ist die einseitige Leistungsbestimmung nach § 315 BGB, die zwar die rechtsgestaltende Festsetzung fremder Schuld erlaubt, dafür aber – von gesetzlich angeordneten Leistungsbestimmungsrechten abgesehen – die vorherige Unter100

Möllers, Demokratie, S. 15 f. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329, 336. 102 Nicht das Mehrheitsprinzip selbst, sondern der Demokratiegedanke verlangt nach »Gleichheit der Stimmen«; Gusy, AöR 106 (1981), 329, 336. 103 Dazu Kelsen, Wesen, S. 149, 159; weiter Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329, 336: »für die grundgesetzliche Demokratie konstitutiv« und Isensee, FS Mikat, 705, 708. 104 Statt aller ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 4. 105 Hierzu Hillgruber, Schutz des Menschen, S. 153. Deutlich auch OLG Celle v. 3. 9. 2004, 4 W 123/04, OLGR Celle 2004, 604 = BauR 2004, 1836 (LS). 106 Schwarze, RdA 2001, 208, 212; zustimmend Rieble/Kolbe, EuZA 2008, 453, 469. 101

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werfung des Bestimmungsunterworfenen im Vertrag voraussetzt107. Wird sie frei getroffen, rechtfertigt eine Entscheidung zur Unterwerfung Fremdbestimmung im Privatrecht schon aus sich heraus108 . Dabei geht es um schon im Ansatz verschiedene Kategorien von Legitimation. Autonome Selbstbestimmung und demokratische Mehrheitsherrschaft lassen sich nicht gegeneinander substituieren: Während ein Konsenserfordernis aller Bürger im staatsverfassungsrechtlichen Bereich nicht nur aus praktischen Gründen ausgeschlossen wäre, sondern mit Rücksicht auf das Ziel maximaler kollektiver Freiheit sogar schädlich109, entspricht der Privatautonomie nur der Vertrag als Instrument zur rechtlichen Ordnung von Mehrpersonenverhältnissen110 . Das Mehrheitsprinzip verfaßt den Staat, Privatautonomie die Gesellschaft111. 2. Mehrheitsprinzip im Privatrecht a. Satzungskontrolle bei mächtigen Verbänden Das Konsensprinzip dominiert auch diejenigen Bereiche des Zivilrechts, in denen prima facie sehr wohl eine Mehrheit über die Rechtsstellung der Minderheit verfügen kann112 . Nachvollziehen läßt sich das am BGB-Vereinsrecht: Sein liberaler Steuerungsmechanismus setzt schwerpunktmäßig auf die Mobilität der Mitglieder durch Eintritt und Austritt113 , rechtfertigt also Verbandsgewalt und Abdingbarkeit binnenorganisatorischer Vorschriften kraft (nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BGB mit qualifi zierter Mehrheit beschlossener) Satzung114 zentral aus der Unterwerfung durch Beitritt. Diese Legitimation nach dem Selbstbestimmungsprinzip knüpft an die Zustimmung der Vereinsmitglieder zu dem autonom gewählten Vereinszweck115 an und steht damit diametral zum Demokratieprinzip. Dem demokratischen Staat fehlt im Gegensatz zu den privaten Verbänden ein Generalzweck; das »Ethos« der Demokratie liegt nicht in der Zustimmung der Bürger zu Staat und Politik116 , sondern in der 107 Zur Leistungsbestimmung als Gestaltungsrecht Staudinger/Rieble, BGB, § 315 Rn. 93 ff.; zur Unterwerfungserklärung durch Vertrag dort Rn. 233 ff. 108 Mit Blick auf die private »Macht« als Folge der Vertragsabschlußfreiheit Zöllner, AcP 176, 221, 225 f. 109 Näher B.I.1.a., S. 64 ff. 110 Dazu etwa Flume, BGB AT II, S. 7 f. 111 Zur Trennung von Staat und Gesellschaft noch 4.b., S. 57 ff. 112 Exemplarisch BVerfG [Senat] v. 7. 8. 1962, 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263 = NJW 1962, 1667 – »Feldmühle« zur Mehrheitsumwandlung im Aktienrecht. 113 Teubner, Organisationsdemokratie, S. 26 ff.; MünchKommBGB/Reuter, Vor § 21 Rn. 55. 114 Zur Diskussion über den Rechtscharakter der Vereinssatzung Müller-Franken, Befugnis, S. 65 ff. m. w. N. 115 Allgemein zum privatrechtlichen Verband als Zweckgemeinschaft Lutter, AcP 180 (1980), 85, 89 ff. 116 Dazu noch B.I.1.c., S. 68 ff.

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prinzipiell untrennbaren117 Verbindung von Teilhabe und Folgenverantwortung118 . Das private Verbandsrecht erlaubt durchgehend, diesen Verantwortungszusammenhang aufzulösen. Das kollektive Arbeitsrecht geht noch weiter und gestattet (auch) Arbeitnehmer-Teilhabe ohne Folgenverantwortung119. Freilich leistet der freiheitliche Ansatz des BGB den erforderlichen Schutz des Mitglieds gegen die Mehrheit im Verband nur unzureichend. Vor allem in mächtigen Interessenverbänden mit monopolähnlicher Stellung wie den arbeitsrechtlichen Koalitionen binden spezifische Vorteile, die nur der Verband bieten kann, die Mitglieder intensiver als ihre Gemeinsamkeit im Verbandszweck. In der Konsequenz fällt die Lenkungsfunktion der »Abstimmung mit den Füßen« in erheblichem Umfang aus120 und muß durch zwingende Vorgaben für das Binnenverhältnis und eine hierauf bezogene Satzungskontrolle durch die Gerichte ergänzt werden121. Die Idee der autonomen Unterwerfung durch statusrechtlichen Vertrag über die Mitgliedschaft stellt eine solche Korrektur nicht in Frage: Sachlogisch kann bei mehrseitigen, zukunftsgerichteten Geschäften wie dem Gesellschaftsvertrag und der Satzung nicht jedem Mitglied die gleiche Einflußchance garantiert werden. Die Richtigkeitsgewähr mit Mehrheit beschlossener körperschaftlicher Regelungen kann nur die kurzfristige »exit option« leisten122 , ergänzt durch die Gemeinsamkeit in der Ausrichtung auf den Verbandszweck123 . Unter dieser Prämisse versagt die Legitimationskraft der Unterwerfung durch Beitrittsvertrag erst angesichts einer Verbandsverfassung, die die Außenschranken der Privatautonomie aus §§ 138, 242 BGB überschreitet124 . Mit anderen Worten hat die Satzungskontrolle auf unzulässige Einschränkung von Mitgliederrechten nichts mit innerverbandlicher Demokratie zu tun. Es geht nicht darum, heteronomes Satzungsrecht durch Partizipation an der Willensbildung des Verbandes zu legitimieren125 , sondern um rechtliche Schranken für die durch autonomen Beitritt – einen Unterwerfungsakt also – bereits legitimierte Satzungsgewalt. Hier steht die

117 Der Wechsel der Staatsangehörigkeit und damit mittelbar der »Austritt« aus dem demokratischen Verband Volk ist rechtlich zwar möglich. Für den Einzelnen liegt darin indes eine einschneidende statusrechtliche Zäsur, die bei einem vergleichsweise unproblematischen Vereinswechsel gerade fehlt. Hierzu etwa Isensee, FS Mikat, S. 705, 709 ff. 118 Isensee, KritV 1987, 300, 301. 119 Pointiert Rieble, Selbstverantwortung, S. 337, 350 ff. 120 Teubner, Organisationsdemokratie, S. 60 f. 121 Dazu mit Nachweisen MünchKommBGB/Reuter, Vor § 21 Rn. 72 ff. 122 MünchKommBGB/Reuter, Vor § 21 Rn. 95. 123 Teubner, Organisationsdemokratie, S. 37; zum Vereinszweck als Instrument des Minderheitenschutzes noch Beuthien, BB 1987, 6. 124 Teubner, Organisationsdemokratie, S. 28. 125 In diese Richtung indes Hänlein, RdA 2003, 26, 28: »Binnendemokratie kompensiert [. . .] faktisch defi zitäre private Freiheit«.

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Kontrolle der Verbandsmacht im Vordergrund, die für das Demokratieprinzip keine Bedeutung haben kann126 . b. »Aktionärsdemokratie« und ähnliche Phänomene Auch die gern als »Aktionärsdemokratie« apostrophierte127 Teilhabe der Aktionäre in der Hauptversammlung läßt sich nicht nach dem Schnittmuster der Staatsdemokratie erklären: Das Aktienrecht stuft Stimmrechte prinzipiell nach dem eingesetzten Kapital und dem damit übernommenen Risiko, § 134 Abs. 1 Satz 1 AktG. Das ist schon deshalb folgerichtig, weil die Willensbildung in der AG der Vermögensverwaltung dient128 . Als egalitäres Ideal des Kapitalgesellschaftsrechts taugt allenfalls das in Nr. 2.1.2. DCGK zum Grundsatz erklärte »one share – one vote«. Dann aber geht es gerade nicht um die Anerkennung anderer Verbandsangehöriger als gleichberechtigt, sondern von vornherein um eine intensivierte Teilhabe der »stärker« Betroffenen. Überdies ist die Stimmrechtsgleichheit der Anteile – ganz im Gegensatz zur demokratischen Egalität – kein wesentliches Moment der aktienrechtlichen Teilhabe, »entspricht auch nicht etwa aktienrechtlichem ›Naturrecht‹ im Sinn einer aus Prinzipien der Gerechtigkeit ableitbaren und [. . .] ausnahmslos zur Geltung zu bringenden Regel. Der Grundsatz one share – one vote ist vielmehr nur eine aus Zweckmäßigkeitsgründen etablierte Normalnorm, von der aus vielerlei – ebenfalls gesetzgeberischer Zweckmäßigkeit dienenden – Gründen abzuweichen sein kann.«129 Solche Abweichungen kennt das Aktienrecht etwa in der stimmrechtslosen Vorzugsaktie (§§ 12 Abs. 1 Satz 2, 139 ff. AktG) 130 sowie in dem nach § 134 Abs. 1 Satz 2 AktG bei nichtbörsennotierten Gesellschaften zugelassenen Höchststimmrecht131. Mithin läßt sich in der AG keine »Demokratie des Kapitals« ausmachen, wollte man nicht unreflektiert staatsverfassungsrechtliche Strukturen auf private Verbände spiegeln132 . Die Beteiligung als Aktionär unterscheidet sich von der demokratischen Teilhabe an der 126

Hierzu schon unter I.2.a.[1], S. 38 f. Etwa BVerfG [Kammer] v. 20. 9. 1999, 1 BvR 636/95, NJW 2000, 349. Weiter Schilling, ZHR 128 (1966), 217, 237, der die Hauptversammlung als einziges »Wahlorgan« der AG »einer Einrichtung der politischen Demokratie am nächsten verwandt« sieht; Becker, Verwaltungskontrolle, S. 79 ff., der Parallelen zwischen Staats- und Korporationsverfassung sieht. 128 Mestmäcker, Verwaltung, S. 11. 129 Zöllner/Noack, AG 1991, 117, 118. 130 Hierzu Hüffer, AktG, § 139 Rn. 1 ff. 131 Dazu Hüffer, AktG, § 134 Rn. 4 ff. 132 Eingehend und mit umfangreichen Nachweisen Wiethölter, Interessen und Organisation, S. 49 ff., 77 ff. Mestmäcker, Verwaltung, S. 11, 346; G. Roth, Treuhandmodell, S. 186, 209 f. Bachmann, AG 2001, 635, 640 ff. hält den Wettstreit der »Eliten« i. S. Schumpeters (Kapitalismus, S. 427 ff.) um die Führung von Staat bzw. Unternehmen für eine aussagekräftige Parallele – damit ist aber nur ein Teilaspekt des demokratischen Wettbewerbs angesprochen; vgl. I.1., S. 36 f. 127

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Entscheidung eigener Angelegenheiten von existentieller Bedeutung grundsätzlich133 . Im Vergleich zum Staat funktional eng begrenzt geht es (nur) darum, mit den Mitteln des Privatrechts ein Unternehmen zu betreiben134 . Ziel der Partizipation der Aktionäre ist nicht, Fremdbestimmung zu legitimieren oder auch nur Macht zu kontrollieren. Vielmehr soll eine dem Unternehmenszweck und der Verwaltung gemeinschaftlichen Vermögens dienliche Entscheidungsfi ndung ermöglicht werden135. Nichts anderes gilt für die sonstigen privatrechtlichen Verbände: So wird etwa im Genossenschaftsrecht mitunter ein »Demokratieprinzip« erkannt136 ; dafür spricht immerhin, daß das GenG kein nach eingelegtem Kapital gestuftes Stimmrecht kennt, sondern nur das Kopfstimmrecht des § 43 Abs. 3 Satz 1 GenG. Auch hier sind indes evident gleichheitswidrige Mehrstimmrechte nach Maßgabe von § 43 Abs. 3 Satz 2 und 3 GenG erlaubt – vor allem für Mitglieder, welche den Geschäftsbetrieb der Genossenschaft i. S. d. § 43 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 GenG »besonders fördern«. c. Mehrheitsentscheid als praktisches Erfordernis Teilhaberechte in privaten Verbänden sind nicht nur im Rahmen einer auf die Gesellschaft projizierten Demokratie denkbar, sondern auch als Elemente einer »freiheitlichen Binnenverfassung gesellschaftlicher Organismen«137. Solche gern als »innerverbandliche Demokratie« apostrophierten Organisationsstrukturen sind gegenüber der staatsverfassungsrechtlichen Demokratie aliud: gemeint ist nicht Herrschaft einer Referenzgruppe, sondern (mittelbarer) Einfluß von Verbandsmitgliedern auf die innerverbandliche Willensbildung. Das hat Konsequenzen in zweierlei Richtungen, kompensiert – besser: dämpft – »nach innen« ein faktisches Defi zit an Selbstbestimmung138 und reagiert »nach außen« auf die Institutionalisierung von Verbänden, deren notwendige Kehrseite die »Binnenkonstitutionalisierung« ist139. Anstelle einer näheren Analyse sämtlicher Rechtsformen kann der Verein, die »Grundform der Körperschaften«140 , pars pro toto stehen: Hier gewährleistet das Mehrheitsprinzip als »formales Herrschaftsmittel« nicht Fremdbestimmung, sondern vielmehr die »Anpassungs- und Entwicklungsfähigkeit« der Körperschaft141, deren Satzungsrecht sich die Mitglieder qua Beitritt auto133

Dazu Wilhelm, DB 2001, 520, 521. Mestmäcker, Verwaltung, S. 346; Wiethölter, Interessen und Organisation, S. 138 f. 135 Auch hierzu Wiethölter, Interessen und Organisation, S. 138 f. 136 Dazu Beuthien, NZG 2008, 210, 214, der die Festlegung auf »eine bestimmte Demokratieform« (gemeint ist das Kopfstimmrecht) kritisiert. 137 Hierzu Rupp, AöR 101 (1976), 161, 188 ff. [Hervorhebung im Original.] 138 Hänlein, RdA 2003, 26, 28 m. w. N. 139 Näher Teubner, JZ 1973, 545, 547 f. 140 Etwa MünchKommAktG/Heider, § 1 Rn. 14. 141 Dazu Beuthien, BB 1987, 6. 134

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nom unterworfen haben. Die Inkompatibilität eines solchen Modells zum Demokratieprinzip zeigt sich, wenn die Satzungsentscheidung des Vereins – genauer: der Mehrheit der Vereinsmitglieder – die Grenzen jener Unterwerfung übersteigt: Die wesentliche Änderung des Vereinszwecks bindet § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB an die Zustimmung aller Mitglieder142 . Im ersten Entwurf des BGB sollte das »anti-demokratische«143 Einstimmigkeitsprinzip sogar noch für jede Satzungsänderung gelten144 . Dabei geht es nicht um Minderheitenschutz145 gegen heteronome Anordnungen, sondern vielmehr darum, welche Regelungen des Vereins noch autonom legitimiert werden können. Daß in diesem Zusammenhang mitunter »griffige« Parallelen aus dem Staatsrecht bemüht werden, verwirrt statt zu klären: Das zeigt sich exemplarisch, wenn von »Verfassung« gesprochen wird, wenn die innere Organisation gemeint ist146 , oder von »Demokratie«, obwohl es um den privatautonom legitimierten147 Mehrheitsentscheid als praktische Not-Lösung für den Anpassungsbedarf entwicklungsoffener privater Verbände geht. 3. Arbeitsvertrag als autonome Unterwerfungserklärung Die verfassungsrechtlich geschützte Arbeitsvertragsfreiheit148 bedeutet de facto nicht vollständige Gestaltungsfreiheit. Dabei geht es hier nicht um die rechtlichen Schranken für Arbeitsverträge durch staatliches Recht und Kollektivverträge149, sondern um die faktischen Schranken der Regelbarkeit: Auch in der heutigen Arbeitswelt, die längst nicht mehr von industriellen Fabrikbetrieben dominiert wird und Spielraum für individuelle Gestaltung läßt150 , können die Organisation der Arbeitsabläufe sowie bestimmte soziale Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit im Betrieb151 in größeren Einheiten nicht mit je142 Dazu, daß die »Wesentlichkeit« der Zweckänderung gerade danach zu bestimmen ist, ob der neue »Charakter« der Mitgliedschaft noch von der freiwilligen Beitrittsentscheidung der Mitglieder(-minderheit) gedeckt ist; Beuthien, BB 1987, 6, 7. 143 Zum Mehrheitsprinzip als zwingender demokratischer Entscheidungsregel B.I.1.a., S. 64 ff. 144 Mit Nachweisen zur Gesetzgebungsgeschichte Beuthien, BB 1987, 6 f. 145 Auf diesen Gedanken beschränkt sich indes Beuthien, BB 1987, 6 ff. 146 Zur Willensbildung als Frage der inneren Organisation der AG Wiethölter, Interessen und Organisation, S. 51. 147 Nichts anderes meint die Formulierung in BGH v. 28. 1. 1980, II ZR 124/78, BGHZ 76, 352 = NJW 1980, 1278, der Mehrheitsbeschluß in der GmbH trage »seine Rechtfertigung in sich«, ohne daß es auf einen Sachgrund ankäme. 148 Zu ihr etwa MünchArbR/Richardi, § 12 Rn. 60 f. 149 Zu ihnen etwa Zöllner, NZA Beilage zu Heft 3/2000, 1, 2 ff. 150 Mit Nachweisen zu der fortschreitenden Flexibilisierung des Arbeitslebens etwa Däubler, NZA 1988, 857; Zöllner, ZfA 1988, 265 ff. Weiter die Prognosen bei Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 2, S. 49 ff. 151 Das betrifft vor allem die nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitbestimmten sozialen Angelegenheiten.

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dem Arbeitnehmer separat vertraglich ausgehandelt werden, ohne den Betriebszweck zu gefährden. Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsorganisation weitestgehend durch Einzelvertrag ordnen können, sind die Ausnahme, nicht die Regel152 . Die übrigen müssen sich in eine grundsätzlich hierarchische Ordnung von Betrieb und Unternehmen einfügen, die der Arbeitgeber einseitig vorgibt153 . Diese Sachzwänge bedingen hinsichtlich der Vertragsinhaltsfreiheit eine für das Arbeitsrecht charakteristische Schwäche des (Individual-)Vertragsrechts154 . Eine einheitliche Organisation ist mindestens in größeren arbeitsteiligen Einheiten sachlogisch zwingend155 ; sie wird vom Arbeitgeber festgelegt156 – und kann allenfalls kollektiv vereinbart werden157, nicht aber individuell ausgehandelt. Dazu kommt, daß auch der prima facie individualvertraglich regelbare konkrete Inhalt der Arbeitsleistung mit Rücksicht auf die Dynamik des Dauerschuldverhältnisses Arbeitsverhältnis vorab nur rahmenartig geregelt, und jedenfalls praktisch nicht durch immer neue Verträge ausgefüllt werden kann158 – sondern nur durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers159. Mithin sind Arbeitsvertragsinhalte in erheblichem Umfang der Disposition im Einzelfall entzogen und werden einseitig vom Arbeitgeber durchgesetzt: mit vorformulierten Formulararbeitsverträgen160 und im späteren Arbeitsverhältnis qua Weisung. In der Konsequenz ergibt sich ein ausgeprägtes Element der Fremdbestimmtheit, das der Arbeitnehmer deshalb besonders intensiv erlebt, weil menschliche Arbeit als »Ware« nicht von der Person des Arbeitnehmers abstrahiert werden kann161. Der arbeitende Mensch gibt »nicht etwas, sondern 152 Es sind dies Arbeitnehmer, die nicht nur eine starke Marktposition in die Verhandlungen mitbringen, sondern auch in einem überschaubaren und verhältnismäßig autarken Arbeitsumfeld eingesetzt werden sollen. Denken läßt sich mit Kahn-Freund, Arbeit und Recht, S. 6 etwa an Spitzenwissenschaftler; zu den Strukturen einer »Neuen Arbeit« in der Informationstechnologiebranche Linnenkohl, BB 2001, 42, 44 f. 153 Dazu etwa Wiese, FS Kissel, S. 1269, 1273 f. Weiter Kahn-Freund, Arbeit und Recht, S. 7; Däubler, Grundrecht, S. 5 m. w. N. 154 Dazu etwa Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks. VI/334, S. 61. Weiter Kolbe, ZfA 2011, 95, 97 m. w. N. 155 Zöllner, AcP 176, 221, 234: »Etwas anderes als Einheitlichkeit der Bedingungen kommt nicht ernsthaft in Betracht.« Dazu noch Reuter, RdA 1991, 193, 197; Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks. VI/334, S. 61. 156 Für den Arbeitsablauf und wesentliche »soziale Angelegenheiten« i. S. d. BetrVG kommt ein regelungsloser Zustand nicht in Betracht, soll der Betrieb funktionsfähig bleiben; Gast, BB 1990. 1637, 1642. 157 Gast, BB 1990, 1637, 1639 sieht im Kollektivvertrag gerade die Antwort auf die Unmöglichkeit individualvertraglicher Regelung. 158 Rieble, Arbeitsmarkt, Rn. 95. 159 Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks. VI/334, S. 62. Zum Direktionsrecht statt vieler Staudinger/Rieble, BGB, § 315 Rn. 181 ff. 160 So das Ergebnis der empirischen Erhebung von Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 51 ff. 161 Näher Rieble, Arbeitsmarkt, Rn. 90 ff.

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sich selbst hin«162 . Ökonomisch ausgedrückt investiert er »Humankapital« in »sein Unternehmen«163 und verzichtet zugunsten des Arbeitgebers auf die anderweitige unternehmerische Verwertung seiner Arbeitskraft164 . Mit der These vom »Versagen der Privatautonomie«165 angesichts des wirtschaftlichen Ungleichgewichts zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer166 hat das wenig zu tun. Zwar belegt die verbreitete Praxis der einseitigen Durchsetzung von Vertragsbedingungen das ungleiche Verhandlungsgewicht der Arbeitsvertragspartner167, das seinen Grund – nicht seine Rechtfertigung – in dem Umstand fi ndet, daß sich der Arbeitnehmer typischerweise mit seiner Arbeit den Lebensunterhalt verdient168 und damit anders als der Arbeitgeber auf das (einzelne) Arbeitsverhältnis existentiell angewiesen ist. Dieser Disparität sollen aber weder die Mitbestimmung169 noch das zwingende staatliche Schutzrecht entgegenwirken, das gerade auch bei gleicher Verhandlungsmacht paternalistischen Schutz gegen den eigenverantwortlichen Freiheitsgebrauch bezweckt170 . Vielmehr können Arbeitnehmer ihre Verhandlungsmacht autonom in Gewerkschaften bündeln und dieses kollektive Gewicht in Tarifverhandlungen einsetzen171. Indes bleibt es auch bei voller Verhandlungsparität oder gar einer ausnahmsweise wirtschaftlich stärkeren Position des Arbeitnehmers bei dem Erfordernis einer einheitlichen arbeitsrechtlichen und arbeitsorganisatorischen Struktur in Betrieb und Unternehmen – mindestens sobald ein nicht nur unerheblicher Grad an Arbeitsteilung erreicht ist172 . In solchen Strukturen muß der einzelne Arbeitnehmer als »Rädchen im Getriebe« funktionieren, wenn die Struktur funktionieren soll. Übergespitzt formuliert kann er – insoweit (!) 173 – nur wählen, in welche Organisation er sich 162 Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, S. 133. Dazu noch Wiese, ZfA 1996, 439, 456 ff.; Plander, FS Gnade, S. 79, 84 f. 163 Näher Sadowski, FS Weitbrecht, S. 45, 46. 164 Schwarze, ZfA 2005, 81, 91 f. 165 Hierzu etwa Schwarze, ZfA 2005, 81, 84 ff.; kritisch Zöllner, AcP 176, 221, 229 ff. – jeweils mit umfangreichen Nachweisen. 166 Zu dieser »strukturellen Unterlegenheit« des (einzelnen) Arbeitnehmers BVerfG [Senat] v. 26. 1. 1991, 1 BvR 779/85, BVerfGE 84, 212 = NJW 1991, 2549 – »Aussperrung«; BVerfG [Kammer] v. 23. 11. 2006, 1 BvR 1909/06, NZA 2007, 85; BAG v. 16. 3. 1994, 5 AZR 339/92, BAGE 76, 155 = NZA 1994, 937; BAG v. 25. 4. 2007, 5 AZR 627/06, BAGE 122, 182 = NZA 2007, 853. 167 Rieble, Arbeitsmarkt, Rn. 101. 168 Zu den ökonomischen Konsequenzen Rieble, Arbeitsmarkt, Rn. 91 ff. 169 Wiese, FS Kissel S. 1269, 1273; Veit, Zuständigkeit, S. 105 ff. 170 Schwarze, ZfA 2005, 81, 84 ff. 171 Dazu Wiebauer, Sicherung der Mitbestimmung, Rn. 338 m. w. N. 172 Dazu Zöllner, AcP 176, 221, 237. Demgegenüber betont Weber, Implikationen, S. 51, 61 die kollektive Mitbestimmung im Tarifvertrag. 173 Die vollständige Reduktion des Arbeitsvertrags auf die Festlegung der Arbeitsaufgabe und des Arbeitsorts fi ndet sich (nur) in unfreiheitlichen Systemen; Rieble, RdA 1996, 151, 153.

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einordnen will174 . Daß die Mitbestimmung, vor allem die auf betrieblicher Ebene, diese »Objektstellung« des Arbeitnehmers aufhebt, zumindest aber auf ein erträgliches Maß begrenzt, kann als allgemein anerkannt gelten175. Mit Blick auf die hier untersuchte Frage der Legitimation einer Eingliederung in die fremdbestimmte Organisation muß die entscheidende Frage dahin gehen, ob dabei »nur« die autonome Unterwerfung im Arbeitsvertrag durch Mitbestimmung flankiert oder ergänzt wird – oder ob Mitbestimmung die eigentliche Legitimation für arbeitsrechtliche Fremdbestimmung ist und sein muß. 4. »Soziale Demokratie« als Antwort auf ein Legitimationsdefizit? Letzteres wäre zwingend, wenn schon das Demokratieprinzip der Verfassung eine demokratische Legitimation der Arbeitsbeziehungen verlangte: Bedeutet die ungleiche wirtschaftliche Ausgangslage in der Zivilrechtsgesellschaft eine ungleiche Verteilung faktischer Macht i. S. d. »Chance, das Verhalten anderer wirksam zu lenken«176 , dann »verdeckt« der als privatautonomer Unterwerfungsakt anerkannte177 Arbeitsvertrag die gesellschaftliche Realität der Unterordnung178 . Sieht man hier – mangels faktischer Entscheidungsfreiheit trotz rechtlicher Unabhängigkeit179 – ein heteronomes Moment, ergibt sich ein Legitimationsdefi zit, das nach dem Demokratieprinzip als einzig anzuerkennendem Legitimationsgrund180 heteronomer Anordnungen geschlossen werden müßte. Wer i.d.S. demokratische Wertungen aus dem staatsverfassungsrechtlichen Bereich »in die Gesellschaft exportieren« will181, denkt dabei an die horizontale Komponente der Demokratie: Der politischen Gleichberechtigung als Grundlage der Staatsdemokratie soll die soziale Gleichberechtigung182 als Grundlage einer »gesellschaftlichen oder sozialen Demokratie« entsprechen. 174

Däubler, Grundrecht, S. 6. In dieselbe Richtung Gast, BB 1986, 1513, 1515. Dazu Wiese, ZfA 1996, 439, 474; Gast, BB 1986, 1513, 1519, die beide betonen, daß durch die Mitbestimmung das Vertragsprinzip gewissermaßen auf kollektiver Ebene wiederhergestellt wird; ähnlich Däubler, NZA 1988, 857, 859. Weiter Boettcher u. a., Unternehmensverfassung, S. 110 f.; ähnlich Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 128, der allgemein von »sozialen Errungenschaften« spricht. 176 Kahn-Freund, Arbeit und Recht, S. 3. 177 Zöllner, AcP 176, 221, 236. 178 Kahn-Freund, Arbeit und Recht, S. 4. 179 Kahn-Freund, Arbeit und Recht, S. 14 f. spricht vom »rechtlich freien und sozial unfreien« Willen des Arbeitnehmers. 180 I.1., S. 35 ff. 181 Etwa Stein/Frank, Staatsrecht, S. 388: das Demokratieprinzip gelte »nicht nur für den staatlichen Bereich«; weiter Weis, Wirtschaftsunternehmen, S. 49 ff.; Blanke, Funktionale Selbstverwaltung, S. 32, 41. Dazu noch Kißler/Greifenstein/Schneider, Mitbestimmung, S. 28 ff. Mit Blick auf die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst Wendeling-Schröder, AuR 1987, 381, 386. Dazu, daß dieser Gedanke in der jüngeren Ideengeschichte der Unternehmensmitbestimmung wirksam wurde, Isensee, Der Staat 17 (1978), 161, 166. 182 Dazu Isensee, FS Hennis, S. 360, 376: Staat »als Werkzeug zur Einebnung gesellschaftlicher Unterschiede«; weiter L. Raiser, Rechtsfragen, S. 12. Zu »materialer« Gleich175

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§ 2 (In-)Kompatibilität von Demokratieprinzip und Mitbestimmung

Das Demokratieprinzip wird heruntergebrochen auf das Verbot als illegitim empfundener Fremdbestimmung. Jede Form von »Macht« – nicht nur die hoheitliche – soll an die Legitimation durch die Machtbetroffenen gebunden sein, müsse also »keineswegs nur im politischen Bereiche«183 durch deren Partizipation gerechtfertigt werden184 . a. Vertikalität der »gesellschaftlichen Demokratie« Diese Vorstellung von Demokratie als eines nicht nur auf politische Gleichberechtigung gerichteten Ordnungsprinzips, sondern als einer auf gesellschaftliche Gleichheit zielenden »Lebensform« läßt sich bis zu den ersten Vordenkern moderner Demokratie zurückverfolgen185. Sie ist (auch) vor dem Hintergrund der persönlichen Erfahrungen der frühen Demokratietheoretiker in den Vereinigten Staaten von Amerika zu sehen, die dort eine politische Demokratie erlebt haben. Indes erkannte etwa Alexis de Tocqueville 186 hier keine gesellschaftsbezogene, auf soziale Angleichung zielende Komponente der us-amerikanischen Demokratie, sondern eine soziale Grundlage der politischen Demokratie: Die weitgehende materielle Gleichheit der Amerikaner – schon weil keine auch materiell privilegierte Aristokratie oder vergleichbar geschlossene Oberschicht vorhanden war – habe zur politischen Gleichberechtigung gedrängt. Zudem dürfte der demokratisch verfaßte Staat schon infolge dieser politischen Gleichberechtigung sowie der zivilrechtlichen Rechtsgleichheit ein aus der Perspektive des noch feudalistisch geprägten Europa außergewöhnliches Maß an gesellschaftlicher Gleichheit hervorgebracht haben187. Von den historischen Grundlagen abgesehen gerät der Blick auf die Demokratie nur unter dem Aspekt der Gleichberechtigung zu einseitig: Die demokratische Egalität ist kein Selbstzweck, sondern die Basis für demokratische legitimierte Fremdbestimmung durch Mehrheitsentscheid des Volkes. Auf die Befreiung von Herrschaft läßt sich Demokratie nicht reduzieren188 – ihr eignet immer ein hierarchisches Element. Eine demokratische Gesellschaft wäre kein Machtvakuum, in dem sich jeder Bürger beliebig entfalten könnte. Die Demokratisierung der Gesellschaft führt nicht zur Beseitigung gesellschaftlicher heit im Kontext des Art. 3 Abs. 1 GG Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 181 ff. 183 Kunze, RdA 1972, 257, 267 entwickelt diesen Gedanken aus der Menschenwürde, zielt aber erkennbar auf demokratische Legitimation. 184 Dazu etwa Boettcher u. a., Unternehmensverfassung, S. 71 f. 185 Sartori, Demokratietheorie, S. 17 f. nennt Alexis de Tocqueville und James Bryce. Zur Rezeption des Gedankens in Deutschland Maier, FS Friedrich, S. 127, 155; Stern, Staatsrecht I, S. 630 ff. 186 Demokratie in Amerika, S. 54 ff. 187 Dazu, daß sämtliche egalitären Demokratien zu sozialer Angleichung wenigstens tendieren; Zacher, HStR II, § 28 Rn. 101 m. w. N. 188 In diese Richtung aber Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, S. 14 f. Hierzu bereits I.2.a.[1], S. 38 f.

A. Fremdbestimmung und Legitimation

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Macht, sondern zur Umverteilung von Macht durch rechtliche Fremdbestimmung189. b. Trennung von Staat und Gesellschaft Solche heteronomen Strukturen passen nicht zu dem zivilrechtlichen Prinzip der Gleichordnung der Privatrechtssubjekte190 . Im gesellschaftlichen Raum begegnen sich die Bürger nicht im Über-/Unterordnungsverhältnis, sondern gleichrangig als Freiheitsträger. Die Privatautonomie als Konsequenz und wesentlicher Ausdruck dieser Gleichordnung191 bedeutet für den Einzelnen das Recht, anders entscheiden zu können als die Mehrheit. Das Bekenntnis zur Privatautonomie ist ein Bekenntnis zur Trennung von Staat und Gesellschaft192 . Zu dieser Trennung bekennt sich das Grundgesetz mit der Entscheidung für einen grundrechtlich geschützten individuellen Freiheitsraum193 . Die Grundrechte sind nicht nur Mittel zur Organisation eines demokratischen Gemeinwesens, sondern auch Abwehr- und/oder Leistungsrechte dem Staat gegenüber194 . Sie sind Differenzierungschancen, eröffnen den Weg zu tatsächlicher Ungleichheit195. Anders ausgedrückt wird individuelle Freiheit durch die Grundrechte nicht organisiert196 , sondern gegen Mehrheitsentscheide abgeschirmt197. Hinter den Schranken mehrheitlich verordneter »Gleichschaltung«198 beginnt der staatsfreie Raum des Gegenentwurfs zur Integration in die Gemeinschaft: die pluralistische Gesellschaft, deren wesentliches Rechtsprinzip nicht die Gleichheit der Bürger im umfassenden Staatsverband ist, son189 Dazu Willgerodt, Demokratisierung, S. 9, 11 f. Deutlich gesehen mit Blick auf die Unternehmensmitbestimmung von den Beratern für die Unternehmerseite (Erdmann/ Heintzeler/Kley) in Biedenkopf/u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks. VI/334, S. 166, 176: »Die Einführung gewerkschaftlich kontrollierter Mitbestimmung in den Unternehmen ist keine Frage der Demokratie, sondern der Begründung von gesellschaftlicher Macht.« Für die Unternehmensmitbestimmung noch Isensee, Der Staat 17 (1978), 161, 170. 190 Zu ihm Flume, BGB AT II, S. 20 ff. 191 Prägnant Rittner, Unternehmensverfassung, S. 59, 64. 192 Watrin, Demokratisierung, S. 124, 138. 193 In der Sache ebenso Kreutz, Grenzen, S. 93 ff. 194 Zu den Funktionen der Grundrechte statt aller Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 75 ff. Dazu, daß sich Grundrechte als Abwehrrechte auch gegen den Sozialstaat richten Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 172. 195 Isensee, NJW 1977, 545, 548. 196 So aber Ridder, Soziale Ordnung, etwa S. 78. 197 Dazu etwa Starck, HStR III, § 33 Rn. 8; weiter Rupp, NJW 1972, 1537, 1540 f.: grundrechtlicher Freiheitsschutz als »Kompensation des Mehrheitsprinzips«; derselbe, HStR II, § 31 Rn. 18. Auch Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 218 f., 317 ff., der die Trennung von Staat und Gesellschaft entschieden ablehnt, will diese inhaltliche Begrenzung der Staatsmacht – dann aber geht es nicht mehr um die Sache, sondern nur noch um die richtige Terminologie. 198 Dazu Karpen, JA 1986, 299, 305; Isensee, Der Staat 17 (1978), 161, 168; Schachtschneider, JA 1979, 568, 573.

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dern die individuelle Freiheit199. Nach diesen entgegengesetzten Ordnungsprinzipien lassen sich Staat und Gesellschaft als Subsysteme menschlicher Gemeinschaft trennen, obwohl – oder besser: auch soweit – sie aus denselben Individuen bestehen 200 . Demokratie meint weder die Aufhebung von Herrschaft noch vollständige Identität von Herrschenden und Beherrschten. Die Vorstellung von der Selbstregierung der Betroffenen geht an der Realität vorbei: Sichtbar wird demokratische Fremdbestimmung etwa in zeitlicher Hinsicht, wenn die aktuelle Generation über die Ressourcen ihrer Nachfahren verfügt. Generell gilt, daß die »demokratische Selbstbestimmung« aus Sicht des Einzelnen bloße Mitbestimmung ist, die ohne weiteres in legitimierte Fremdbestimmung umschlagen kann. Diese Fremdbestimmung macht erst der staatsfreie Bereich – die Gesellschaft – für den Überstimmten erträglich 201. Die inhaltlich neutrale kollektive Freiheit qua Majoritätsgrundsatz muß materiellen Schranken unterworfen sein, soll die demokratische Ordnung dem Leitbild der (individuellen) Selbstbestimmung folgen, statt dem der »totalen« Demokratie202 . Anders gewendet könnten demokratische Strukturen in der Gesellschaft zwar soziale Unterschiede nivellieren. Dieser Prozeß ginge aber notwendig zu Lasten individueller Freiheit und ebnete grundrechtlich geschützte Differenzierungen qua organisierter Mehrheitswillensbildung ein 203 . Trennen heißt nicht abschotten: Wechselwirkungen zwischen Staat und Gesellschaft 204 sind nicht nur empirisch nachzuweisen, sondern normativ gewollt. Von der Gesellschaft in den Staat wirken vor allem die demokratischen Mitwirkungsrechte205 , aber auch die Grundrechtsbetätigung, etwa in der Wirtschaft. In umgekehrter Richtung greift vor allem der Sozialstaat massiv

199 Isensee, Dualismus, 317, 320 ff.; Karpen, JA 1986, 299, 302. Weiter Müller-Franken, DVBl. 2009, 1072, 1078; Stern, Staatsrecht I, S. 633 m. w. N. 200 Dazu Kreutz, Grenzen, S. 94 f. Anders Ridder, Soziale Ordnung, S. 36, dessen Ansicht nach die Trennung von Staat und Gesellschaft in der Demokratie »überholt« sei, weil das jeweilige »personelle Substrat« identisch ist. 201 Etwa Scheuner, FS Kägi, S. 301, 312; Rittner, JZ 2003, 641, 643. 202 Böckenförde, Staat und Gesellschaft, S. 209, 226 f.; zustimmend etwa Horn, Demokratie, § 22 Rn. 21. In dieselbe Richtung Zacher, FS Böhm, S. 707, 724; Rupp, NJW 1972, 1537, 1542. Zu den Gefahren der »unbeschränkten« Demokratie Hoppmann, Unwissenheit, S. 30 f.: »System institutionalisierter Korruption«. 203 Stern, Staatsrecht I, S. 632 f. m. w. N.; ähnlich Rupp, HStR II, § 31 Rn. 60. Dazu noch Zacher, HStR II, § 28 Rn. 40 ff.; mit Blick auf die Betriebsverfassung E. Picker, RdA 2001, 259, 270. 204 Hierzu Böckenförde, Staat und Gesellschaft, S. 209, 219 ff.; Kluth, Selbstverwaltung, S. 392 m. w. N.; Ridder, Soziale Ordnung, S. 39. 205 Nur wer die »Trennung« von Staat und Gesellschaft dahin versteht, daß politischer Einfluß von Rechts wegen einer bestimmten Klasse vorbehalten bleibt, kann – und muß – jene Trennung in der Demokratie aufgehoben sehen; dazu Böckenförde, Staat und Gesellschaft, S. 209, 217 ff., der S. 221 insoweit sachlich richtig eine »Blickverengung des Ausgangspunktes« diagnostiziert.

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in gesellschaftliche Abläufe ein 206 . Eng verzahnt sind die beiden Subsysteme des Gemeinwesens weiter in den politischen Parteien. Freilich belegt deren besondere »Binnendemokratisierung« nach Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG 207 nicht die Einheit des Gemeinwesens208 , welches dann nach einem allumfassenden Demokratieprinzip organisiert müßte. Vielmehr zeigt die verfassungssystematische Spezialität des Parteien-Artikels gegenüber dem allgemeinen Vereinigungsrecht des Art. 9 GG 209 den Ausnahmecharakter210 demokratischer Strukturen in der Gesellschaft freier Bürger. Dahinter stehen materiale Gründe: Der Sonderstatus der Parteien, in concreto die besondere Binnenorganisationslast, rechtfertigt ihren Anspruch, die Staatsgewalt wesentlich zu steuern. Es steht zu erwarten, daß andere Verbände mit verfassungsrechtlich vorgezeichneter »demokratischer Binnenstruktur« vergleichbare Legitimität 211 und letztlich Macht beanspruchen würden 212 – und zwar entgegen dem aus der demokratischen Egalität abzuleitenden Distanzgebot 213 auch solche, die auf ein spezielles Partikularinteresse hin organisiert sind. c. »Demokratisierung« der Gesellschaft als Funktionsbedingung der Staatsdemokratie? Ein Verfassungsauftrag, die Gesellschaft oder zumindest die Wirtschaft demokratisch zu ordnen, läßt sich dem staatsverfassungsrechtlichen Demokratieprinzip mithin nicht entnehmen 214 . Das Grundgesetz hat nicht zugunsten 206 Dazu etwa v. Krockow, Staat, S. 432, 457. Zur Sozialstaatsklausel noch Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 158 ff. 207 Zu ihr etwa Dreier/Morlok, GG, Art. 21 Rn. 123 ff. 208 Anders Ridder, Soziale Ordnung, S. 52: »schlagendes Paradigma für den Anspruch des Grundgesetzes als einer sozialstaatlichen ›Gesamtverfassung‹ [. . .]«. [Hervorhebung im Original.] 209 Dazu Epping/Hillgruber/Kluth, GG, Art. 21 Rn. 90 ff., 93. 210 Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 192 betont den Verzicht des Grundgesetzes auf »Stellungnahmen zu konkreter Sozialgestaltung«. Weiter Isensee, Der Staat 20 (1981), 161, 168; Schachtschneider, JA 1979, 568, 574 m. w. N. auch zur Gegenansicht; Teubner, Organisationsdemokratie, S. 180 ff., der nur Interessenverbände einem Demokratiegebot analog Art. 21 GG unterwerfen will, die über »exklusiv institutionalisierte Einflußrechte« gegenüber staatlichen Instanzen verfügen. 211 Exemplarisch Fisahn, KritV 1996, 267, 278 und dort Fn. 41, der aus dem »Gebot verbandsinterner Demokratie [. . .] konsequenterweise [. . .] die demokratische Legitimation der gewählten Organe« ableiten will. 212 Scholz, Deutschland, S. 81 f.; Stern, Staatsrecht I, S. 628. Konsequenzen zeigt Isensee, FS Hennis, S. 360, 362: die Urabstimmung über den Arbeitskampf als »demokratische Institution« zu begreifen, bedeute in der Sache, eine »gewerkschaftliche Herrschaftsposition über Dritte« zu begründen. Auch Zacher, FS Böhm, 707, 726 f. stellt mit Blick auf Gewerkschaften die Verbindung von Binnenstruktur und Geltungsanspruch her. 213 Bereits I.2.b.[2], S. 46 f. Isensee, FS Hennis, S. 360, 371 formuliert dieses Gebot als »scheinbar widersprüchliche Aufgabe des Staates, in Offenheit zur Gesellschaft seine Unabhängigkeit zu wahren«. 214 Badura, RdA 1975, 275, 279; Isensee, Der Staat 17 (1978), 161, 168; Dreier, Jura 1997, 249 m. w. N.

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eines einheitlichen, Staat und Gesellschaft erfassenden Demokratieprinzips entschieden 215 , sondern zugunsten der Trennung von Staat und Gesellschaft sowie der Ordnung beider Systeme nach gegensätzlichen Strukturprinzipien: Die Grundrechte sichern eine freiheitliche Gesellschaft jenseits des demokratischen Mehrheitsprinzips. Daß die Verfassung dem Gesetzgeber Raum für soziale Angleichung und die Abwehr faktischer privater Macht läßt, ihn – nicht zuletzt, weil diese private Macht in einen gleichheitswidrigen politischen Sondereinfluß umgemünzt werden könnte216 – in gewissem Umfang sogar auf dieses Ziel verpfl ichtet, hat damit nichts zu tun 217. Fragen läßt sich mithin nur, ob die Staatsdemokratie zwar nicht die demokratische Ordnung der Gesellschaft fordert, aber als Funktionsbedingung einen in bestimmter Weise strukturierten, namentlich: einen »demokratisierten« gesellschaftlichen Unterbau voraussetzt. Anders ausgedrückt ist zu klären, ob die auf politischer Gleichberechtigung fundierte Staatsdemokratie realisiert werden kann, wenn die Gesellschaft nach konträren Prinzipien geordnet ist, und insbesondere im wichtigen Subsystem Wirtschaft von Macht und existentieller Abhängigkeit geprägt wird 218 . Aus dieser Perspektive schließt das Demokratieprinzip im Staat das Gebot einer jedenfalls rudimentären »Demokratisierung der Gesellschaft«219 ein. Was darunter zu verstehen sein soll, weiß freilich niemand so genau 220 . Wie die Demokratie selbst 221 läßt sich die »Demokratisierung« nur schwer konkretisieren. Ein »modernes« Demokratieverständnis soll Wertungen der Staatsdemokratie in die Gesellschaft exportieren 222 . Dahinter muß nicht mehr stehen als der Wunsch nach Umverteilung gesellschaftlicher Macht, dem durch partizipative Verfahren und den gewollten Bezug zum Selbstbestimmungsund Freiheitsgehalt der Demokratie »demokratische Dignität« verliehen werden soll 223 . Entsprechend der »guten« Staatsform ist dann nur die demokrati215

Klar gesehen von Däubler, Grundrecht, S. 159. Herzog, DVBl. 1970, 713, 714. 217 Richtig zieht Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 190 f. den Gegenschluß, daß wirtschaftliche Macht vom Grundgesetz jedenfalls prinzipiell in Kauf genommen wird. 218 Däubler, Grundrecht, S. 160; Stein/Frank, Staatsrecht, S. 60 f. Im Ansatz auch Rupp, NJW 1972, 1537, 1541; Kotzur, Demokratiedebatte, S. 351, 385. Unentschlossen Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 107 f. 219 Dazu etwa Wiesendahl, Demokratietheorie, S. 110 ff.; kritische Würdigung bei Stern, Staatsrecht I, S. 629 ff. 220 Rieble, Arbeitsmarkt, Rn. 1148: »kann alles bedeuten«. Zur Deutungsvielfalt noch Schelter, RdA 1977, 349, 351. 221 Hierzu I.1., S. 35 f. 222 Vgl. etwa v. Hoyningen-Huene, FS Stahlhacke, S. 173, 175; Biedenkopf, Demokratisierung, S. 286, 291 f. 223 Exemplarisch Kunze, Legitimationsproblem, S. 5, der sich auf »organisatorische Vorstellungen [. . .] über deren Angemessenheit und Praktikabilität ernsthafte Meinungsverschiedenheiten nicht bestehen« beruft. 216

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sche Gesellschaft »gut«; Kritik ist »antidemokratisch« und damit a priori suspekt 224 , die Prämisse nimmt entscheidende Sachwertungen vorweg 225. Nüchtern betrachtet wird die Gesellschaft demokratischer, wenn die Menge der Individualentscheidungen reduziert und die der Kollektiventscheidungen durch Mehrheitsbeschluß erweitert wird. Am Beispiel des Vereins: Einstimmigkeit bei wesentlichen Zweckänderungen (§ 33 Abs. 1 Satz 2 BGB) ist »unoder besser: anti-demokratisch«226 ; der »demokratische Verein« kann auch hier nicht anders als mit Mehrheit entscheiden und allenfalls im Interesse des Minderheitenschutzes qualifi zierte Mehrheitserfordernisse akzeptieren. Eine als »Entgrenzung der Partizipation«227 begriffene Demokratisierung der Gesellschaft beschneidet individuelle Freiheitsräume zugunsten von Mehrheitsentscheiden 228 . Solche partizipativen Strukturen sind gegenüber einem von der individuellen Freiheit her gedachten System nicht der grundsätzlich bessere Weg, Selbstbestimmung zu realisieren 229. Der Verlust an individueller Freiheit wird durch einen Gewinn an »kollektiver Freiheit«, also ein »Mehr« an demokratischen Beteiligungsrechten, nicht aufgewogen, weil diese inkommensurablen Größen nicht gegeneinander saldiert werden können 230 . Wenn Fremdbestimmung auf der Basis privater Macht durch Demokratisierung abgebaut wird, dann gelingt dies nur zugunsten rechtlich verordneter Fremdbestimmung. d. Freiheitliche Gesellschaft als Funktionsbedingung der Staatsdemokratie Auf einen Nenner gebracht verstaatlicht gesellschaftliche Demokratie individuelle Freiheitsräume231, indem Individualentscheidungen durch den Mehrheitsentscheid aller Bürger ersetzt werden, oder vergesellschaftet private Freiheit, indem diese Entscheidungen einer gesellschaftlichen Partikulargruppe überantwortet werden. Beides widerspricht der Konzeption der Grundrechte im Grundgesetz und läßt sich aus dem Demokratieprinzip nicht ableiten. Daß die Gesellschaft und ihre Subsysteme nicht nur rein private Ordnungen sind, sondern in weitem Umfang öffentliche232 , rechtfertigt nicht den Schluß, diese Ordnungen müßten auch mit öffentlichrechtlichen Mitteln und nach öffent224 Dazu Radnitzky, ef 1998, 72; Rieble, Mitbestimmung, S. 9 ff. Rn. 1: »ideologische Kritikimmunität«. 225 Eindringlich Scheuch, Demokratisierungsprozess, 75 ff. Weiter Rhinow, ZSR 103 II (1984), 111, 146. 226 Zum Mehrheitsprinzip im Privatrecht bereits 2., S. 48 ff. 227 Kißler/Greifenstein/Schneider, Mitbestimmung, S. 33. 228 Vgl. Starck, HStR III, § 33 Rn. 20. 229 In diese Richtung indes E. Schmidt, JZ 1980, 153, 159. 230 Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), 179, 223. Dazu noch Rupp, HStR II, § 31 Rn. 24. 231 Ähnlich Zacher, HStR II, § 28 Rn. 108. 232 Für die Wirtschaft klar gesehen schon von Sinzheimer, Idee der wirtschaftlichen Demokratie, S. 221, 222.

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lichrechtlichen Prinzipien strukturiert werden 233 . Der Staatsdemokratie entspricht vielmehr ein gesellschaftlicher Unterbau, der die Entfaltung der politischen Gleichberechtigung erlaubt, also einen möglichst ungehinderten Wettstreit der Meinungen und die ungehinderte politische Betätigung gewährleistet 234 . Zur Demokratie »paßt« eine pluralistische Gesellschaft der Freiheit unter Ausschluß rechtlicher und soweit als möglich auch faktischer Fremdbestimmung, in der sich die Menschen nicht als politisch gleichwertige Staatsbürger in Mehr- und Minderheiten begegnen, sondern als gleichberechtigte Individuen in Konsens und Dissens – anders gesagt: als »Marktbürger«235. Die Nivellierung gesellschaftlicher Macht durch den Staat geht vor diesem Hintergrund nicht nur auf Kosten der grundrechtlichen, sondern auch auf Kosten der demokratischen Freiheit 236 . »Demokratisierung der Gesellschaft« läßt sich damit nur vereinbaren, wenn die konkretisierungsbedürftige Leerformel nicht auf Gleichschaltung qua Mehrheitsentscheid, sondern allein auf den Abbau von Fremdbestimmung gemünzt wird 237. Allenfalls in diesem eingeschränkten Sinne läßt sich Mitbestimmung als »Gebot sozialer Demokratie«238 begreifen: Partizipation nicht als Mittel, private Macht durch den egalitären Gruppenentscheid zu ersetzen, sondern um faktische Macht zu neutralisieren – insoweit funktional vergleichbar dem Wettbewerb oder der privaten Gegenmacht der Arbeitnehmer in den Gewerkschaften 239. Daß privater Fremdbestimmung infolge sozialer Ungleichheit mit Demokratisierung begegnet werden müßte, ist dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes ebensowenig zu entnehmen wie dem Sozialstaatsgebot 240 . Die Staatsdemokratie ist keine Reaktion auf eine gewissermaßen natur-

233 Böckenförde, Staat und Gesellschaft, S. 209, 229 ff. Weiter Rupp, NJW 1972, 1537, 1542; Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 187. 234 Müller-Franken, DVBl. 2009, 1072, 1073. Richtig macht BVerfG [Senat] v. 15. 1. 1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 = NJW 1958, 257 – »Lüth« zu B.II.2. der Gründe den besonderen Stellenwert der Meinungsfreiheit für die »freiheitlich-demokratische Staatsordnung« daran fest, daß erst das Recht auf freie Meinungsäußerung »die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen« erlaubt, der als »Lebenselement« der Demokratie eingestuft wird. [Hervorhebungen jeweils von mir.] 235 Vgl. Gast, BB 1990, 1637, 1638: Markt als »Tatbestand herrschaftsfreien Austauschs«. [Hervorhebung im Original.] 236 Starck, HStR III, § 33 Rn. 25: damit würde »jeder Pluralismus politischen Denkens zusammen mit der Freiheit abgeschafft«. 237 Böckenförde, Staat und Gesellschaft, S. 209, 227. In diese Richtung auch Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks. VI/334, S. 65 f. 238 Formulierung von Ernst Schellenberg, zitiert nach Fitting, FS Schellenberg, S. 371, 389. 239 Zu Wettbewerb und Koalitionsfreiheit als Instrumenten der Machtkontrolle Stern, Staatsrecht I, S. 632; Rieble, Mitbestimmung, S. 9 ff. Rn. 15. 240 Hendler, HStR VI, § 143 Rn. 53; weiter Maunz/Dürig/Herzog/Grzeszick, GG, Art. 20 VIII Rn. 18 m. w. N.

B. (Selbst- oder) Mitbestimmung durch Teilhabe

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gesetzliche Staatsmacht, deren Herrschaft begrenzt werden müßte, sondern konstituiert eben diese Herrschaft 241.

III. Inkompatible Legitimationsmodelle in Staat und Gesellschaft Als Ergebnis der funktionalen Analyse ist festzuhalten: Hinter der wechselseitigen Anerkennung politischer Gleichwertigkeit als dem Grund der Demokratie steht das Ziel, Fremdbestimmung durch Kollektiventscheidungen zu rechtfertigen und also zu ermöglichen. Nur in der totalen, nicht aber in der wertegebundenen Demokratie erstreckt sich dieser Anspruch zugleich auf die Gesellschaft. Die in den Grundrechten festgelegte Wertordnung des Grundgesetzes sperrt sich gegen i.d.S. verstandene Demokratisierung. Ob auch der Arbeitnehmer-Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen eine der Staatsdemokratie vergleichbare Legitimationsfunktion zuzusprechen ist, ist noch nicht abschließend beantwortet. Die Legitimationsfrage stellt sich im Staat anders als in der Gesellschaft: ist in dieser an die Möglichkeit autonomer Legitimation durch selbstbestimmte Unterwerfung zu denken, kann es für jenen von vornherein nur um die Rechtfertigung heteronomer Kollektiventscheidungen gehen. Aus der Verfassungsentscheidung für die Demokratie als Rechtfertigungsgrund läßt sich kein »Demokratisierungsauftrag« für gesellschaftliche Subsysteme wie die Wirtschaft ableiten. Allenfalls im Rahmen der grundrechtlichen Bindungen könnte der Staat gesellschaftliche Zusammenhänge nach dem Mehrheitsprinzip ordnen – muß dies aber keinesfalls schon deshalb, um der politischen Gleichberechtigung der Bürger eine Form »sozialer Gleichberechtigung« zur Seite zu stellen. Insbesondere entspricht der politischen Demokratie nicht ein möglichst »demokratischer« gesellschaftlicher Unterbau, sondern ein möglichst selbstbestimmter.

B. (Selbst- oder) Mitbestimmung durch Teilhabe Die Legitimationsfunktion des Demokratieprinzips ruht nicht allein auf der wechselseitigen Anerkennung politischer Gleichwertigkeit, sondern auch auf der prozeduralen Beteiligung der Bürger an den sie selbst betreffenden Entscheidungen 242 . Insoweit ist zu fragen, ob Teilhaberechte der Arbeitnehmer in einer als Betroffenenbeteiligung verstandenen Mitbestimmung 243 denselben, will heißen: einen demokratischen Grund haben.

241 242 243

Weber, Implikationen, S. 51, 67. Bereits I.2.a.[1], S. 38 f. Bereits A.I.1., S. 35 ff. Latzel, Gleichheit, Rn. 36 ff.

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§ 2 (In-)Kompatibilität von Demokratieprinzip und Mitbestimmung

I. Demokratische Teilhabe an der Mehrheitsherrschaft 1. »Kollektive Selbstbestimmung« a. Mehrheitsprinzip als »Synthese« von Freiheit und Gleichheit Das Demokratieprinzip zielt weder auf Abschaffung noch auf Abschwächung von Herrschaft, sondern auf deren Organisation 244 . Die Herrschaft des Volkes ist in der Praxis die Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit 245. Auch wenn man das Majoritätsprinzip als »relativ größte Annäherung an die Idee der Freiheit«246 sehen will, bedeutet Demokratie noch eine heteronome Ordnung der menschlichen Gemeinschaft 247 : die demokratische Freiheit – in den Worten des BVerfG 248 die »Idee der freien Selbstbestimmung aller Bürger« – wirkt kollektiv. Es geht nicht um individuelle Selbstbestimmung 249, sondern um die »Selbstbestimmung der zur demokratischen Allgemeinheit integrierten deutschen Staatsbürger«250 . Raum für individuelle Selbstbestimmung läßt die Demokratie nur im »staatsfreien« Schutzbereich mehrheitsfester Freiheitsrechte251. Per se aber zielt das Demokratieprinzip »nur« auf Mitbestimmung iS. einer Partizipation der Bürger an den politischen Entscheidungen 252 , die in rechtlich festgelegten Formen und Verfahren »kanalisiert« wird 253 . Diese »Mitbestimmung darf nicht mit Selbstbestimmung verwechselt werden«254 . Zwischen Selbstbestimmung und Mitbestimmung gibt es keine »falsche Frontstellung«, die sich aufbrechen ließe, indem beide Begriffe auf die Negation von Herrschaft heruntergebrochen werden 255. Mit- und Selbstbestimmung stehen nicht im »Spannungsverhältnis«, sondern sind schlicht unvereinbar. Richtig ist nur, daß in der Demokratie nicht der Teilhabegedanke im Vordergrund 244

Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 162; Stern, Staatsrecht I, § 18 S. 604. Maunz/Dürig/Grzeszick, GG, 20 II Rn. 12; weiter Gusy, AöR 106 (1981), 329, 330 ff., der 342 f. zu Recht betont, daß angesichts instabiler Mehrheitsverhältnisse und inhomogener Mehrheiten nicht dieser Gegensatz das praktizierte Mehrheitsprinzip prägt, sondern der politische Ausgleich. 246 Kelsen, Wesen, S. 149, 159; weiter Hillgruber, AöR 127 (2002), 460, 462. Skeptisch Fach, ARSP 61 (1975), 201, 218, der es generell für unsinnig hält, »im Zusammenhang politischer (oder anderer) Abstimmungsverfahren [. . .] arithmetische ›Grenzprozesse‹ qualitativ interpretieren zu wollen«; Scheuner, FS Kägi, S. 301, 312. 247 Dazu Müller-Franken, DVBl. 2009, 1072: die größte Annäherung an Freiheit und Gleichheit biete das Mehrheitsprinzip nur aus der Sicht der Mehrheit. 248 BVerfG [Senat] v. 2. 3. 1977, 2 BvE 1/76, BVerfGE 44, 125 = NJW 1977, 751 – »Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung« unter C.I.5. der Gründe. 249 Deutlich Rhinow, ZSR 103 II (1984), 111, 161 f.; weiter Kelsen, Wesen, S. 149, 160 f. 250 Isensee, KritV 1987, 300, 305; ähnlich derselbe, Der Staat 20 (1981), 161, 164. 251 Vgl. Schulz-Schaeffer, NJW 2007, 643, 647: »Selbstbestimmung kann sich [. . .] nur in Einzelpersonen äußern.« 252 Auch hierzu Rhinow, ZSR 103 II (1984), 111, 161 ff. 253 Stern, Staatsrecht I, § 18 S. 605. 254 Radnitzky, ef 1998, 72, 73. 255 So aber Kißler/Greifenstein/Schneider, Mitbestimmung, S. 36 ff. 245

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steht, sondern der Gedanke der – kollektiven – Selbstbestimmung: Die Bürger partizipieren nicht (nur) an Entscheidungen, die sie selbst betreffen, sondern an Entscheidungen, die ihnen selbst obliegen. Demokratische Teilhaberechte zielen auf Mitwirkung an »eigenen« Entscheidungen. Der Majoritätsgrundsatz ist im Demokratieprinzip angelegt, er ist die angemessene256 Entscheidungsregel im demokratischen System. Zu Recht zählt das BVerfG den Mehrheitsentscheid zu den »fundamentalen Prinzipien der Demokratie«257. Als Entscheidungsregel 258 ist das Mehrheitsprinzip inhaltlich neutral 259. Schon gegen die zurückhaltende Annahme, der Wille der Mehrheit (des souveränen Volkes) biete die »relativ größte Chance« auf ein sachlich richtiges Ergebnis, bestehen Bedenken 260 : Der Bezug zur materialen Ordnung ist mittelbar; die politische Entscheidung als Ergebnis des demokratischen Prozesses gehört nicht mehr zum »Begriff« der Demokratie261. Demokratie bietet per se keine Gewähr für die inhaltliche »Richtigkeit« der ausgeübten Herrschaft 262 . Allenfalls läßt sich daher sagen, daß Formen, Verfahren und Zuständigkeiten immer auch den Inhalt von Entscheidungen beeinflussen 263 ; nur in diesem eingeschränkten Sinne bürgt das Demokratieprinzip für eine (wenig) »bestimmte materiale Ordnung«264 . Weiter aber reicht die inhaltliche Garantie keinesfalls: In der »vox populi« spricht nicht die Stimme Gottes265 , sondern nur die einer Mehrheit von Menschen, deren kollektives Urteil nicht a priori Richtigkeit beanspruchen kann 266 . Andererseits greift es zu kurz, in der Herrschaft der Mehrheit nicht mehr zu sehen als den notdürftigen, wenngleich praktisch unabdingbaren Ersatz für den Konsens des Gesamtvolkes267. Werden die politischen Entscheidungen mit 256

Böckenförde, HStR II, § 24 Rn. 52. BVerfG [Senat] v. 6. 10. 1970, 2 BvR 225/70, BVerfGE 29, 154 = DÖV 1970, 781 – sub B.3. der Gründe; weiter Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 77 ff. 258 Rhinow, ZSR 103 II (1984), 111, 249 ff. 259 Dezidiert Hillgruber, AöR 127 (2002), 460, 467; weiter Gusy, AöR 106 (1981), 329, 337 ff. Nach Fach, ARSP 61 (1975), 201, 220 ist es diese »strukturelle Indifferenz« [Hervorhebung im Original.], die die Mehrheitsregel zum demokratischen Abstimmungsmodus qualifi ziert. 260 Etwa Gusy, AöR 106 (1981), 329, 338 ff.; Scheuner, FS Kägi, S. 301, 311 f. 261 Möllers, Demokratie, S. 10. 262 Isensee, HStR III 2 , § 57 Rn. 90 ff. 263 Schmidt-Aßmann, AöR 116, 329, 333; gegen jede inhaltliche Komponente Hillgruber, AöR 127, 460, 467. 264 Stern, Staatsrecht I, S. 552. 265 Dazu Rhinow, ZSR 103 II (1984), 111, 182. 266 Dazu etwa Dreier, AöR 113 (1988), 450, 476 ff., der diesen Gedanken im Werk Immanuel Kants nachvollzieht; Lege, JZ 2009, 756, 758. Kritisch zur Prämisse inhaltlicher Richtigkeit von Mehrheitsentscheidungen bei Jean-Jaques Rousseau etwa Schulz-Schaeffer, NJW 2007, 643, 645 mit umfangreichen Nachweisen. 267 In diesem Sinne aber Schachtschneider, JA 1979, 568, 571; AK-GG/Stein, Art. 20 Abs. 1–3 III Rn. 59. Wie hier Möllers, Demokratie, S. 13. 257

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Mehrheit getroffen und können nach einer Änderung der Mehrheitsverhältnisse revidiert werden, konstituiert dieses Verfahren ein System, in dem die größtmögliche Zahl von Menschen ihr Schicksal bei voller Gestaltungsfreiheit 268 selbst bestimmt und Fremdbestimmung auf das minimal erforderliche Maß reduziert ist 269. Damit ist zugleich belegt, daß der politische Wettbewerb und auch seine Verlierer wesentliche Elemente des demokratischen Prinzips sind 270 . Jede Schranke des Mehrheitsprinzips läuft dem demokratischen Grundgedanken maximaler kollektiver Freiheit zuwider und muß vor dem Demokratieprinzip gerechtfertigt werden 271. b. Einschränkung im Interesse des Minderheitenschutzes Gleichwohl wird der Minderheitenschutz heute dem »demokratischen Grundkonsens« zugeschlagen 272 . Dabei sind zwei unterschiedliche Ansätze auseinanderzuhalten: [1] Rechtsstaatlicher Minderheitenschutz Von zentraler Bedeutung jedenfalls in der modernen Demokratie ist materieller Schutz durch individuelle Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe, mithin Grund- oder Menschenrechte, die dem Zugriff der Mehrheit entzogen sind 273 . Dabei geht es freilich nicht um Facetten des Demokratie-, sondern um solche des Rechtsstaatsprinzips 274 : Das Verfassungsstrukturprinzip275 »Rechtsstaat« sperrt sich gegen die »totale Demokratie«, die sich auch in einem unfreiheitlichen System denken läßt 276 , und steht insofern gegen das demokratische Ideal maximaler kollektiver Freiheit 277. Im Gegensatz zur ganzheitlichen kann sich 268

Maunz/Dürig/Grzeszick, GG, Art. 20 II Rn. 42 mit umfangreichen Nachweisen. Vor diesem Hintergrund läßt sich die aktive, gestalterische Freiheit mit Lege, JZ 2009, 756 als die Qualität der Demokratie bezeichnen. 269 Dazu die Nachweise Fn. 246. 270 Bereits A.I.1., S. 36; Lege, JZ 2009, 756, 760 plädiert deshalb für ein Mehrheitswahlsystem. 271 Deshalb ist mit Maunz/Dürig/Grzeszick, GG, Art. 20 II Rn. 43 jede Abweichung vom einfachen Mehrheitsentscheid besonders zu rechtfertigen. 272 Hierzu etwa v.d. Groeben/Schwarze/Beutler, EUV/EGV, Art. 6 EU Rn. 30: Minderheitenschutz als Element eines »unverzichtbaren Kernbereich[s]« der Demokratie »in allen Mitgliedstaaten unbeschadet der Differenzierungen im einzelnen«. 273 Uneingeschränkt trifft das in Deutschland nur auf die Menschenwürde zu – für die sonstigen Grundrechte aber immerhin in ihrem Wesensgehalt, Art. 19 Abs. 2 GG; dazu Hillgruber, AöR 127 (2002), 460, 472. Zu den Grundrechten als »Minderheitenrechte[n]« etwa Rupp, AöR 101 (1976), 161, 167. 274 Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 246; weiter Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 75 und dort Fn. 136. Anders etwa Kotzur, Demokratiedebatte, S. 351, 383 f. mit dem Hinweis auf EMRK und GRCh. 275 Zu Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip als »Verfassungsstrukturprinzipien« etwa Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329, 333. 276 Deutlich etwa Karpen, JA 1986, 299, 305 mit Blick auf die direkte Demokratie. 277 Deutlich Hillgruber, AöR 127 (2002), 460, 468; weiter Abromeit, PVS 36 (1995), 49,

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die freiheitliche, mit dem Rechtsstaatsprinzip verschränkte Demokratie auch auf die Autonomie des Individuums stützten 278 . Damit ist eine wesentliche Voraussetzung geschaffen, die heteronome Wirkung von Mehrheitsentscheidungen auch für Minderheiten erträglich zu machen 279. Vor allem diese Verbindung von Demokratie und Rechtsstaat umschreibt die Formel der »freiheitlich demokratischen Grundordnung«280 . Im Koordinatensystem dieser Ordnung ist die Menschenwürde oberster Leitwert 281 ; das wirkt zurück auf den Demokratiegedanken: Aus der Verpfl ichtung auf die Würde des Menschen folgt, daß dieser nicht (nur) dem Staat unterworfener »Untertan« sein darf, sondern an der Ausübung der Herrschaft beteiligt werden muß282 – Demokratie und Volkssouveränität. Zu weit geht es indes, Demokratie mit Häberle 283 als »organisatorische Konsequenz« der – unter den Bürgern je wechselseitig geachteten – Menschenwürde zu begreifen. Die unantastbare Würde des Menschen verlangt nicht maximale Freiheit für so viele Menschen als möglich, sondern Schranken des Mehrheitszugriffs im Individualinteresse. Weder Demokratieprinzip noch Menschenwürde allein erzeugen den auch durch die (aktuelle) Minderheit akzeptierten Grundkonsens, auf den Mehrheitsherrschaft gründen muß – sondern erst die Kombination des Organisationsprinzips Demokratie mit materialen Werten 284 . In der Sache geht es dabei nicht um Minderheiten-, sondern um Individualschutz. [2] Demokratischer Minderheitenschutz Demgegenüber ist der originär demokratische Minderheitenschutz nicht material auf konkrete Rechte ausgerichtet, sondern sichert eine Minorität formal gegen Majorisierung, etwa durch qualifi zierte Mehrheitserfordernisse für bestimmte Gegenstände. Solche Vetorechte für Sperrminoritäten kennt das Grundgesetz etwa in Art. 79 Abs. 2 GG für verfassungsändernde Gesetze. Aus der Perspektive des Demokratieprinzips zwingend sind sie indes nur insoweit, als die »demokratischen Spielregeln« gegen Mehrheitsentscheide gesichert 61; Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 148 f. Dezidiert gegen jeden Widerspruch von Demokratie und Rechtsstaat etwa Pieroth, JuS 2010, 473, 474 m. w. N. 278 Isensee, NJW 1977, 545, 546. 279 Schon A.II.4.b., S. 57 ff. 280 Hierzu eingehend Stern, Staatsrecht I, § 16, der S. 562 ff. die übrigen Bestandteile der freiheitlich demokratischen Grundordnung herausarbeitet. 281 BVerfG [Senat] v. 17. 8. 1956, 1 BvB 2/51, BVerfGE 5, 85 = NJW 1956, 1393 – »KPDVerbot« im Zweiten Abschnitt, Teil A zu V.3. der Gründe. Hillgruber, AöR 127 (2002), 460, 469 ff. 282 Hierzu Schachtschneider, JA 1979, 568, 571 f. Weiter Isensee, FS Mikat, 705, 737: »Letztbegründung des demokratischen Prinzips in der Menschenwürde«. 283 Häberle, KritV 1995, 298, 303 [Hervorhebung im Original.]; zustimmend Rinken, KritV 1996, 282, 295; Blanke, KJ 1998, 452, 457; Groß, KJ 2011, 303, 307 ff.; Kotzur, Demokratiedebatte, S. 351, 383 f. 284 Isensee, NJW 1977, 545, 548.

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werden: i.d.S. mehrheitsfest sein müssen namentlich der Mehrheitsgrundsatz, die prinzipielle Revisibilität mit Mehrheit getroffener Entscheidungen sowie ein Mindestbestand an Oppositionsrechten 285. Letztere lassen sich aus dem Demokratieprinzip freilich nur vage konkretisieren, dahin daß die Minderheit die Chance haben muß, sich als Gruppe zusammenzufi nden und zu arbeiten 286 . Projiziert auf die repräsentative Demokratie geht es insoweit vor allem um die (parlamentarischen) Rechte der Fraktionen und deren Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen Fraktionen 287. Auch dürfen die Minderheiten nicht faktisch von der politischen Willensbildung ausgeschlossen werden, indem zentrale Entscheidungen in nur von der Mehrheit beschickte Ausschüsse verlagert werden; das BVerfG verdichtet diesen Aspekt des organisationsrechtlichen Minderheitenschutzes zum »Grundsatz der Spiegelbildlichkeit der Zusammensetzung von Parlament und Ausschüssen«288 . Gleichfalls formal, vom demokratischen Minderheitenschutz aber zu unterscheiden ist der Schutz bestimmter Interessen kraft Organisationsrechts, die sich anders nicht oder nicht ausreichend zur Geltung bringen könnten. Beispiel einer solchen Struktur ist die institutionalisierte Teilhabe der Länder an der Bundesgesetzgebung über den Bundesrat. Hier geht es nicht um eine schon um der Demokratie willen erforderliche Sicherung der demokratischen Egalität, sondern um deren Einschränkung zugunsten anderer Interessen – am Beispiel des Bundesrats: zugunsten der Länderinteressen oder abstrakt des Bundesstaatsprinzips. c. Einschränkung im Gemeinwohlinteresse und »output-Legitimation« Weil die Demokratie die aus ihrer Perspektive einzig legitime Form von Staatlichkeit und damit Hoheitsgewalt schafft 289, kann sie mit Blick auf diese Staatsgewalt prinzipiell weder »demokratiefreie Räume« noch alternative Legitimationsmuster gelten lassen. Daß das BVerfG demokratische Legitimation für »alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter« einfordert 290 , daneben aber »unwichtige«, etwa technische oder vorbereitende, Tätigkeiten vom 285

Näher dazu Rhinow, ZSR 103 II (1984), 111, 250 f.; Stern, Staatsrecht I, S. 1037 ff. Zu den Sonderrechten der parlamentarischen Opposition BVerfG [Senat] v. 14. 1. 1986, 2 BvE 14/83 und 4/84, BVerfGE 70, 366 = NJW 1986, 907 – »Haushaltskontrolle der Geheimdienste« unter C.II.2. der Gründe: »Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition«. Vgl. aber die abweichenden Sondervoten. 287 Die Gleichbehandlung der Fraktionen ist Konsequenz der wegen Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gebotenen Gleichberechtigung der Abgeordneten; Maunz/Dürig/Klein, GG, Art. 38 Rn. 253. 288 Dazu etwa BVerfG [Senat] v. 16. 7. 1991, 2 BvE 1/91, BVerfGE 84, 304 = NJW 1991, 2474 – »Abgeordneter ohne Fraktionsstatus, PDS« C.I.3. und IV. der Gründe. 289 A.I.2.a.[1], S. 38 f. 290 Etwa BVerfG [Senat] v. 31. 10. 1990, 2 BvF 3/89, BVerfGE 83, 60 = NJW 1991, 159 – »Ausländerwahlrecht (Hamburg)«. 286

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Legitimationsgebot suspendiert hat 291, ist aus dieser Perspektive eine nicht nachvollziehbare Restriktion 292 . Dieser Exklusivitätsanspruch der Demokratie rechtfertigt sich auch daraus, daß es kein klar defi niertes inhaltliches Ziel gibt, an dem staatliches Handeln gemessen werden könnte. Das Gemeinwohl als Leitbild der vom Grundgesetz vorgegebenen Republik 293 meint zwar nicht die Volkssouveränität, sondern die materiale Verpfl ichtung des Staates auf das allgemeine Beste294 . Damit ist aber kein feststehendes Ziel angesprochen, sondern ein wenig konturiertes Optimierungsgebot 295. Nur in dieser Beschränkung verträgt sich der republikanische296 Gedanke der Regierung für das Volk mit dem demokratischen der Regierung durch das Volk: Die kollektive Selbstbestimmung qua Demokratie wird in Frage gestellt, wenn die durch das Volk legitimierten Entscheidungen am Maßstab eines kraft höherer Vernunft erkannten Gemeinwohls gemessen und für »falsch« befunden werden können 297 – ein Maßstab, der dem demokratischen Legitimationszusammenhang entzogen ist 298 . Diese Be- und Abwertung demokratischer Entscheidungen verbietet sich schon deshalb, weil das Gemeinwohl unabhängig vom demokratischen Willen der Allgemeinheit nicht (verläßlich) bestimmt werden kann 299. Auf wessen Vernunfterkenntnis sollte es insoweit auch ankommen? Richtig ist es vielmehr, die grundgesetzliche Entscheidung für die Demokratie als Verzicht auf solche vorgegebenen Wahrheiten zu interpretieren 300 . Das Recht, das Gemeinwohl zu defi nieren und zu konkretisieren ist zentraler Bestandteil staatlicher Gewalt und mithin auf demokratische Legitimation angewiesen 301. Existiert aber kein hinreichend konkretes Gemeinwohl jenseits demokratischer Willensbildung302 , ist damit auch gesagt, daß sich demokratische Legiti291

BVerfG [Senat] v. 15. 2. 1978, 2 BvR 134/76 und 268/76, BVerfGE 47, 253 = NJW 1978, 1967 – »Bezirksvertretung«. Ehlers, FS Stein, S. 125, 137 mutmaßt, das Gericht könnte diese Ansicht aufgegeben haben. 292 Ähnlich Maunz/Dürig/Grzeszick, GG, Art. 20 II Rn. 92 m. w. N. 293 Dazu eingehend Gröschner, HStR II, § 23 passim. 294 Zur Interpretation der berühmten Cicero-Formel »res publica res populi« Gröschner, HStR II, § 23 Rn. 19. Weiter Isensee, FS Hennis, S. 360, 366. 295 Gröschner, HStR II, § 23 Rn. 40. 296 Dezidiert anders Schliesky, Souveränität, der etwa S. 599 die Ansicht äußert, daß »Demokratie gerade auch Herrschaft für das Volk ist«. [Hervorhebung im Original.] 297 Dazu, daß es keinen naturgesetzlichen Gleichlauf zwischen Demokratie und Gemeinwohl gibt, etwa Schumpeter, Kapitalismus, S. 406. Dezidiert anders Schliesky, Souveränität, etwa S. 605: Herrschaft für das Volk als (ein) wesentlicher Inhalt des Demokratieprinzips. 298 Böckenförde, HStR III, § 34 Rn. 31 ff. 299 Auch hierzu Schumpeter, Kapitalismus, S. 399: »Erstens es gibt kein solches Ding wie ein eindeutig bestimmtes Gemeinwohl [. . .]«. Eingehend C. Engel, Rechtstheorie 32 (2000), 23 ff. 300 Müller-Franken, DVBl. 2009, 1072. 301 Vgl. Willgerodt, Demokratisierung, S. 9, 16; Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 92 m. w. N. 302 Anders etwa Müller-Franken, DVBl. 2009, 1072, 1079; Horn, Demokratie, § 22

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mation nicht aus der »Rationalität« von Entscheidungen 303 ableiten läßt. Den »Output« i. S. einer »Bewährung« von Institutionen und Verfahren 304 und damit letztlich Anschlußfähigkeit infolge »Sachgerechtigkeit« als entscheidendes Legitimationskriterium zu werten 305 , heißt zugespitzt, die Mittel durch den Zweck zu heiligen 306 . Konsequent umgesetzt tauscht eine Theorie der demokratischen output-Legitimation die normative Frage, was legitim ist, gegen die soziologische Frage aus, was legitim »erscheint«307. Wie die i.d.S. legitimierende Zustimmung gemessen werden kann, ist äußerst fraglich 308 – schon weil »politische Zielsetzungen und Kompromisse [. . .] kaum am Maßstab der Rationalität« überprüft werden können 309. Wenn überhaupt kann es hier um eine Wertung »ex post« gehen; als rechtlicher Maßstab ist ein solches Kriterium ungeeignet 310 , selbst wenn die Frage nach der maßgebenden Referenzperiode beantwortet werden könnte. Seriöse »output-Theorien« verzichten daher nicht auf den demokratischen »input« i. S. egalitärer Teilhabe, sondern wollen den formalen Ableitungszusammenhang zum gesamten Volk nur ergänzen311. Inwiefern und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen diese Verschränkung Gewähr für eine verfassungsrechtlich ausreichende demokratische Legitimation bietet, kann und muß hier nicht näher untersucht werden. Festzuhalten ist lediglich, daß der Gesetzgeber auch bei wesentlichen Staatsaufgaben angesichts sachlicher Gründe berechtigt sein kann, den demokratischen Zurechnungszusammenhang gezielt zu unterbrechen, um sicherzustellen, daß bestimmte Aufgaben »sachgerecht« erledigt werden 312 . Dabei sind Berührungspunkte mit dem Rn. 40, die aber naturgemäß auch keine handhabbare Defi nition dieses vordemokratischen Gemeinwohlbegriffs bieten können. 303 Dazu Fisahn, KritV 1996, 267, 279. 304 Diese Output-Legitimation (»Bewährung«) sehen Peters, Verfassung Europas, S. 580 ff., 639 ff.; Schliesky, Souveränität, S. 604 ff. als Kriterium demokratischer Legitimation. 305 So aber Hoffmann-Riem, DÖV 1997, 433, 438 m. w. N.: »Sicherung von Akzeptanz durch die Nutzung der inhaltlichen Sach- und Betroffenennähe als Garant der Richtigkeit von Entscheidungen«. 306 Sehr klar mit Blick auf die Normsetzung der Sozialpartner Schwarze, RdA 2001, 208, 214, der treffend von einem »nicht einlösbaren Versprechen der umfassend-konkreten Erkennbarkeit oder Bestimmbarkeit materieller Gerechtigkeit« spricht. 307 Vgl. Würtenberger, JuS 1986, 344. Zur Unterscheidung der normativen Frage nach Legitimation und der sozialwissenschaftlichen Frage nach Akzeptanz Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329, 331. 308 Petersen, JöR 58 (2010), 137, 142 f. Dazu noch A. Schäfer, integration 2006, 187, 199. 309 Würtenberger, JuS 1986, 344, 348. Mit Schliesky, Souveränität, S. 622 das Rechtsstaatsprinzip als Maßstab anzulegen, löst diese Probleme nicht. 310 Classen, Demokratische Legitimation, S. 28 f. 311 Petersen, JöR 58 (2010), 137, 164 f. Als Beispiel taugt Schliesky, Souveränität, S. 604. 312 Zu weitgehend aber Häde, EuZW 2011, 662, 664, der die Rücknahme staatlicher Kontrolle gerade als »Ausübung« demokratischer Verantwortung sieht.

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rechtsstaatlichen Minderheitenschutz denkbar, wenn etwa die Verwaltung von Universitäten in besonderem Maße von den Wissenschaftlern mitgestaltet werden muß. Deutlicher wird die Einschränkung des Demokratieprinzips im Gemeinwohlinteresse bei dezidiert staatsfern angelegten Institutionen wie der Bundesbank und dem Bundesrechnungshof313 ; zu denken ist aber auch an die Rundfunkräte oder die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Indes verlangt das Demokratieprinzip in beiden Fällen zumindest, daß die staatsferne Struktur qua Parlamentsgesetz konstituiert wird 314 . Der entscheidende Unterschied liegt darin, daß der Gesetzgeber über grundrechtsgetriebene Einschränkungen des Demokratieprinzips nicht frei disponieren kann, wohingegen Einschränkungen im Gemeinwohlinteresse grundsätzlich durch Gesetz beseitigt werden können315. 2. »Partizipativer« Gegenentwurf a. Demokratische Mitwirkung als Selbstzweck Der skizzierten Teilhabefunktion des Demokratieprinzips entspricht eine »hierarchische« Demokratiekonzeption, wie sie der Zweite Senat des BVerfG 316 in Anlehnung insbesondere an die Vorarbeiten Böckenfördes317 entwickelt hat. Jenes Modell hat Zustimmung erfahren, aber auch scharfe Kritik 318 . In aller Deutlichkeit wendet sich etwa Helmut Ridder gegen die Vorstellung eines souveränen Volks-Kollektivs; er sieht durch die hierarchische Ordnung staatlicher Macht die Metabasis der Demokratie verfehlt: »Das Volk ist ›nur‹ insofern ›souverän‹, als es von der Souveränität anderer Subjekte frei ist; es ist kein symmetrisches Gegenstück zum souveränen Monarchen.«319 Letztlich in dieselbe Richtung gehen Denkansätze, die den »monistischen« Volksbegriff des BVerfG durch eine pluralistische Sichtweise ersetzen wollen 320 . Dabei muß nicht jedes Moment der Hierarchie geleugnet werden; stets aber geht es darum, die Individualität der Bürger in das demokratische Prinzip selbst einzube-

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Zur »output-Legitimation« der Bundesbank A. Schäfer, integration 2006, 187, 197. Mit Blick auf private Rechtsetzung F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 508. 315 Zur Diskussion über eine verfassungsrechtliche Garantie der Unabhängigkeit der Bundesbank etwa Maunz/Dürig/Herdegen, GG, Art. 88 Rn. 63 m. w. N. 316 Dazu mit Nachweisen unter A.I.2.a., S. 38 ff. 317 Nachzuvollziehen etwa bei Böckenförde, HStR II, § 24. 318 Exemplarisch Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 216 ff., der gegen die »Mystifi kation des Staates« polemisiert. Mit umfangreichen Nachweisen zum Stand der Debatte Hanebeck, DÖV 2004, 901 ff. 319 Ridder, FS Peter Schneider, S. 355, 364. Ähnlich Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 328: Volkswahl als neues »Gottesgnadentum«. 320 Etwa Rinken, KritV 1996, 282, 295 ff.; Blanke, KJ 1988, 452 ff.; Bryde, StWiss 5 (1994), 305, 312 ff.; Peters, Verfassung Europas, S. 657 ff. Weitere Nachweise bei Kotzur, Demokratiedebatte, S. 351, 363 ff., 378 ff. 314

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ziehen. I.d.S. wird etwa Peter Häberle 321 zu verstehen sein: »Demokratie ist Herrschaft der Bürger, nicht des Volkes im Rousseauschen Sinne.« Zu Unrecht fi xiere demgegenüber das BVerfG die »Einheit« der Bürger im Volk 322 als Verfassungsdogma und beraube den demokratischen Prozeß damit dringend benötigter Offenheit 323 . Angesprochen ist damit einmal die rechtsmethodische Frage, ob das BVerfG die unbestimmten Rechtsbegriffe des Grundgesetzes mit seinen konkreten Folgerungen überstrapaziert 324 . Der Schwerpunkt der Kritik liegt indes in ihrer demokratietheoretischen Dimension: Aus dieser Perspektive ist zunächst eine ausgeprägte Skepsis gegenüber der demokratischen Repräsentation des Volkes als abstrakter Einheit zu diagnostizieren. Dabei treffen sich zwei Gedanken: Ein vor allem im angloamerikanischen Raum verbreitetes325 »empirisches« Demokratieverständnis, das den Demos von vornherein als Vielheit der Bürger begreift, und die Idee der »partizipativen« Demokratie, welche die Repräsentation des Volkes im Interesse der Selbstbestimmung des Einzelnen zugunsten intensiverer demokratischer Mitwirkung der Bürger zurückzudrängen sucht 326 . Vor allem der zweite Aspekt verträgt sich nicht mit dem »monistisch« auf das Volk als Ganzes ausgerichteten Demokratiekonzept. Begreift man die möglichst intensive Partizipation einer möglichst großen Anzahl von Bürgern als demokratischen Selbstzweck327, zielt das Demokratieprinzip vor allem auf einen »Aufbau der Staatsmacht [. . .] von unten nach oben«328 durch politische Generalmobilmachung. b. Partizipation statt Herrschaft Solche partizipativen, strikt auf den input »von unten« fokussierten Demokratiekonzepte sollen das Demokratieprinzip vom Ordnungsprinzip der Herrschaftsausübung zu einem Mittel der Befreiung von Herrschaft durch Selbstregierung aller Betroffenen 329 mutieren lassen. In größeren Einheiten stoßen 321

JZ 1975, 297, 302. Rinken, KritV 1996, 282, 298 f. 323 Vgl. Blanke, KJ 1998, 452, 455 mit umfangreichen weiteren Nachweisen in Fn. 18. Zur verfassungsrechtlichen Notwendigkeit eines »offenen« Demokratiebegriffs AK-GG/ Stein, Art. 20 Abs. 1–3 III Rn. 10. 324 Dazu Honsell, ZIP 2009, 1689 ff. 325 Sartori, Demokratietheorie, S. 60 ff.; weiter Wiesendahl, Demokratietheorie, S. 35 f., der eine zentrale Besonderheit der »konservativ-angloamerikanischen Schule des demokratischen Denkens« darin sieht, daß das Parlament stärker als Instrument der Machtkontrolle denn als Instrument der Machtentfaltung gesehen wird. Rechtsvergleichender Überblick zum Demokratieprinzip bei Sommermann, Demokratiekonzepte, S. 191, 203 ff. 326 Wiesendahl, Demokratietheorie, S. 103 ff. m. w. N. 327 Zu diesen input-orientierten Demokratiekonzepten etwa Wiesendahl, Demokratietheorie, S. 103 ff. 328 Stern, Staatsrecht I, § 18 S. 593. Für ein solches Demokratieverständnis steht etwa AK-GG/Stein, Art. 20 Abs. 1–3 III Rn. 7. 329 Zur Demokratie als Mittel der – möglichst weitgehenden – Beseitigung von Herr322

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entsprechende Versuche freilich schnell an die faktischen Grenzen der Überforderung der Bürger330 und entwickeln sich in Richtung demokratischer Repräsentation. Es ist kein Zufall, daß partizipative Demokratiekonzepte gern von der Mikroebene her gedacht werden 331. Überschaubare Systeme lassen sich jedenfalls in der Theorie noch basisdemokratisch durch ständige Mitwirkung aller steuern – gerade Unternehmen und Betrieb sind häufig der Anknüpfungspunkt solcher Modelle332 . Zumindest in der Theorie existieren indes auch anspruchsvollere Modelle, die über basisdemokratische Kleinstrukturen hinausweisen 333 und generell die hierarchische, auf das Gesamtvolk als normative Einheit bezogene Demokratie durch ein »offeneres« Konzept ersetzen wollen. Dabei interessieren hier weder die verfassungspolitische Frage nach der Einführung plebiszitärer Verfahren auf Bundesebene334 noch das im »Lissabon-Urteil« des BVerfG 335 zum »individuellen Recht auf demokratische Selbstbestimmung«336 weiterentwikkelte Wahlrecht. Vielmehr geht es um die im Kern demokratietheoretische Frage, ob der Demokratiebegriff für einen (stärkeren) demokratischen Gehalt auch dezentraler und damit partikularer Bürgerbeteiligung337 geöffnet werden soll. Demokratie wäre dann ein Prozeß, der Staatsgewalt nicht an den Willen des Gesamtvolks rückkoppelt, sondern an diverse »Willensbildungsprozesse in der Gesellschaft«338 . Die Frage der Legitimation staatlicher Gewalt tritt in den Hintergrund 339, weil und soweit die Demokratie als Selbststeuerung der Gesellschaft funktioniert und die Trennung von Staat und Gesellschaft aufhebt 340 . Diese Fusion von Staat und Gesellschaft entspricht dem Gedanken schaft aus demokratietheoretischer Sicht Scharpf, Demokratietheorie, S. 25 f.; Wiesendahl, Demokratietheorie, S. 98 ff. m. w. N. Böckenförde, HStR III, § 34 Rn. 2 spricht vom »Selbstregierungstheorem«. 330 Eingehend Sartori, Demokratietheorie, S. 73 ff.; Schumpeter, Kapitalismus, S. 412 ff. Weiter Scharpf, Demokratietheorie, S. 60 ff.; Teubner, Organisationsdemokratie, S. 102 f. m. w. N. 331 Sartori, Demokratietheorie, S. 125: Mitwirkung als »Wesen der Mikrodemokratien«. 332 Scharpf, Demokratietheorie, S. 66 ff., 72 f.; zur »Industriedemokratie« noch Sartori, Demokratietheorie, S. 18 f. 333 Nachweise etwa bei Teubner, Organisationsdemokratie, S. 100; Überblick zum Stand der Diskussion m. w. N. bei Maunz/Dürig/Grzeszick, GG, Art. 20 II Rn. 152 ff. – mit Blick auf die demokratische Legitimation der Verwaltung. 334 Einen Überblick hierzu bietet Kühling, JuS 2009, 777 ff. 335 [Senat] V. 30. 6. 2009, 2 BvE 2/08 u. a., BVerfGE 123, 267 = NJW 2009, 2267 – »Lissabon-Vertrag« Rn. 210. 336 Gräditz/Hillgruber, JZ 2009, 872 f. 337 Vgl. Fisahn, KritV 1996, 267, 273 sieht »offenbar eine gesellschaftliche Notwendigkeit [. . .], bestimmte normative Fragen dezentral zu entscheiden.« 338 Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 328. 339 Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 328. 340 Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 318 f., 328. Dazu auch Maus, KJ 1991, 137, 148 ff., der eine »Selbstgesetzgebung des Volkes« vorschwebt und die den Staat »in den Händen« des Volkes sieht.

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herrschaftsfreier Selbstregierung der Betroffenen 341, der als Alternative342 zur hierarchischen »Volksdemokratie«343 in Stellung gebracht wird. Stützen lassen sich solche Überlegungen nicht zuletzt auf die Rechtsprechung des BVerfG: Das Verfassungsgericht hat das Modell der hierarchischen Demokratie judiziert 344 , hat aber zugleich – und in jüngerer Zeit (wieder) 345 deutlicher – Momenten eine »demokratische Bedeutung« zuerkannt, die nicht auf das Gesamtvolk rückbezogen werden können. Das betrifft zunächst die Grundrechte der Meinungs-346 und der Versammlungsfreiheit 347, Letztere verstanden als »kollektive Meinungsfreiheit«. Daneben und deutlicher im Sinne einer demokratischen Dignität auch dezentraler Einheiten wertet das BVerfG die funktionale Selbstverwaltung als weithin mit dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip vereinbar348 . Daß das Gericht hier Autonomieräume erlaubt, die ohne Rückbindung an das Staatsvolk ausgefüllt werden können, wird mit Rücksicht auf die eindeutig »hierarchische« Demokratiekonzeption älterer Judikate als Wendepunkt 349 im Demokratieverständnis des Verfassungsgerichts interpretiert: als »Schwenk in Richtung auf ein ›pluralistisches‹ Demokratiekonzept, in dessen Zentrum nicht mehr das (Staats-)Volk steht und in dem der Charakter als Formprinzip einer zunehmenden Materialisierung des ›entwicklungsoffen‹ verstandenen Demokratiegrundsatzes zu weichen hat«350 .

341 In Ansätzen läßt sich diese Idee bis zu Jean-Jaques Rousseau zurückverfolgen; plastisch Rupp, NJW 1972, 1537: »die alte Rousseausche Melodie«. [Hervorhebung im Original.] 342 Vgl. Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 141, der das Betroffenheitsprinzip als alternative Antwort auf die Frage nach dem Legitimationsgrund demokratischer Entscheidungen in Betracht zieht. 343 Formulierung bei Bryde, StWiss 5 (1994), 305. 344 Etwa BVerfG [Senat] v. 31. 10. 1990, 2 BvF 2/89 und 6/89, BVerfGE 83, 37 = NJW 1991, 162 – »Ausländerwahlrecht (Schleswig-Holstein)«; v. 24. 5. 1995, 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37 = NVwZ 1996, 574 – »Einigungsstelle Schleswig-Holstein«. 345 Überblick über die Entwicklung der Demokratiekonzeption in den Entscheidungen des BVerfG bei Hanebeck, DÖV 2004, 901, 904 ff.; dazu noch Bull, FS Bermbach, S. 241, 243 ff. 346 BVerfG [Senat] v. 15. 1. 1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 = NJW 1958, 257 – »Lüth« zu B.II.2. der Gründe: Meinungsfreiheit sei für »eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung [. . .] schlechthin konstituierend«. [Hervorhebung von mir.] 347 Dazu nur BVerfG [Senat] v. 14. 5. 1985, 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81, BVerfGE 69, 315 = NJW 1985, 2395 – »Brokdorf II«: Versammlungsfreiheit gehöre »zu den unentbehrlichen und grundlegenden Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens«. [Hervorhebung von mir.] 348 Vor allem BVerfG [Senat] v. 5. 12. 2002, 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98, BVerfGE 107, 59 = NVwZ 2003, 974 – »Lippeverband«; bestätigt BVerfG [Senat] v. 13. 7. 2004, 1 BvR 1298/94 u. a., BVerfGE 111, 191 = NJW 2005, 45 – »Notarkassensatzung«. 349 Hanebeck, DÖV 2004, 901, 908: »grundsätzliche Wende«; zurückhaltender Petersen, JöR 58 (2010), 137, 152. 350 Jestaedt, JuS 2004, 649, 653.

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c. Abschied von den Legitimationsketten Konkrete Rechtsfolgen zeitigte eine solche Neuorientierung vor allem mit Blick auf das charakteristische Merkmal des »Böckenförde-Modells«: die nicht vollständig ersetzbare personelle Legitimation durch »Legitimationsketten«. Dieser Aspekt rechtfertigt, von einem »Konzept der hierarchischen Demokratie«351 zu sprechen. Wer im Sinne Brandts »mehr Demokratie wagen« und also die Willensbildung »von unten nach oben« nicht auf Parlamentswahlen und Volksabstimmungen beschränken will, muß den Gedanken der Legitimationskette zurückweisen 352 , weil diese jenseits der Parlamentswahl nur Bestellung und Weisungsbindung, abstrakt gesprochen nur die Willensbildung »von oben nach unten« kennt 353 . Den Konfl ikt illustriert das gern bemühte Beispiel des Schülersprechers354 : Personell demokratisch legitimiert ist nur der vom Schuldirektor ernannte Sprecher, obwohl die Legitimation des von den Schülern gewählten Sprechers als »demokratischer« empfunden wird. Das läßt sich zu der These zuspitzen, durch die hierarchische Demokratie werde der Staat jenseits des Wahlakts nachgerade gegen den Willen des Volkes abgeschottet 355. Weiter läßt sich mit guten Gründen anzweifeln, ob die Denkfigur der Legitimationskette der Realität gerecht wird: Auch bei hierarchischem Verwaltungsaufbau wirkt es zumindest gekünstelt, daß die Sachentscheidung eines jeden Beamten auf das gewählte Parlament zurückgeführt wird 356 . Überdies ist die »Ent-Hierarchisierung« der Verwaltung in Richtung unterschiedlicher Formen der »Selbststeuerung betroffener Kreise« vielfach längst Realität und wird politisch gefördert 357.

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Etwa Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 228. Drastisch Bryde, StWiss 5 (1994), 305, 324: »Legitimationskettenfetischismus«. Dazu noch Zacharias, Jura 2001, 446, 448. 353 Petersen, JöR 58 (2010), 137, 156 ff. sieht zudem einen Wertungswiderspruch, weil durch das freie Mandat gerade die Parlamentswahl mit Blick auf die sonst eingeforderte Weisungsbindung eine Sonderstellung einnimmt. 354 Bryde, StWiss 5 (1994), 305, 306; Blanke, KJ 1998, 452, 469. 355 Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 233: »wird [. . .] der Staat vor gesellschaftlichen Einflüssen [. . .] ›geschützt‹.« 356 Dazu Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 232; derselbe, KritV 1996, 267, 270 ff.; Peters, Verfassung Europas, S. 646 f.; ähnlich Dederer, NVwZ 2000, 403 ff.; insoweit auch Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 118. Zurückhaltender Muckel, NZS 2002, 118, 120. 357 Dazu etwa Bull, FS Bermbach, S. 241, 249 ff.; Hoffmann-Riem, DÖV 1997, 433, 435 ff. 352

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§ 2 (In-)Kompatibilität von Demokratieprinzip und Mitbestimmung

3. Insbesondere: Funktionale Selbstverwaltung a. (Funktionale) Selbstverwaltung und personelle demokratische Legitimation Greifen lassen sich die Konsequenzen des Ketten-Modells an der Frage nach der demokratischen Legitimation von Selbstverwaltungseinheiten, insbesondere mit Blick auf die funktionale Selbstverwaltung: Dem umfassenden Anspruch der hierarchischen Demokratie läuft jede Autonomie358 bestimmter gesellschaftlicher Gruppen oder Organisationen zuwider359 ; ein »Volk im Volk« kann es nach einem i.d.S. verstandenen Demokratieprinzip nicht geben. Das Grundgesetz kennt aber sehr wohl autonome Freiräume auch dezentraler Einheiten. Das gilt zunächst für die verfassungsrechtlich anerkannte Eigenstaatlichkeit der Bundesländer, die ihrer Staatsqualität wegen einen eigenen Anknüpfungspunkt demokratischer Organisation und Legitimation bilden. Anders ausgedrückt: Die Landesvölker sind nicht (nur) Ausschnitte des Bundesvolkes, sondern demokratisch »eigenständige« Völker360 . Interessanter ist Art. 28 Abs. 2 GG, der das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen ausdrücklich festschreibt – obschon Gemeinden und Kreise mangels Eigenstaatlichkeit kein demokratisch-souveränes Volk konstituieren können. Die Frage der Vereinbarkeit von absolutem Herrschaftsanspruch kraft Demokratieprinzips und Autonomie361 von Partikulargruppen stellt sich mit Blick auf Kommunen aber nicht mit ganzer Schärfe. Das GG konzipiert die Gemeinden als Teil der demokratisch verfaßten Staatsgewalt 362 , nicht als vom Staat verschiedene und ihm (wie Grundrechtsträger) entgegengesetzte gesellschaftliche Verbände363 . Im GG sind die Kommunen ohne Rücksicht auf ihre Selbstverwaltungsrechte »integrale Teile der (mittelbaren) Staatsverwaltung der Länder«364 . In ihrem Autonomiebereich hingegen sind sie »staatsanalog«, sind insoweit allzuständige Gebietskörperschaften und damit dem Staat 358

Zur Autonomie als dem zentralen Instrument der Selbstverwaltung Hendler, HStR VI, § 143 Rn. 37 ff. 359 Hierzu Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 304 f.; weiter Tschentscher, Legitimation, S. 8: Selbstverwaltung als »gegenläufiges Verfassungsprinzip [. . .], das die sektorielle Durchbrechung des streng verstandenen Demokratieprinzips rechtfertigt.« 360 Maunz/Dürig/Grzeszick, GG, Art. 20 II Rn. 83 m. w. N. 361 Zum Zusammenhang von Selbstverwaltung und Autonomie mit weiteren Nachweisen Kluth, Selbstverwaltung, S. 25 f. 362 BVerfG [Senat] v. 4. 11. 1986, 1 BvF 1/84, BVerfGE 73, 118 = JZ 1987, 293 – »4. Rundfunkurteil« unter C.V.2.a) der Gründe; BVerfG [Senat] v. 31. 10. 1990, 2 BvF 2/89 und 6/89, BVerfGE 83, 37 = NJW 1991, 162 – »Ausländerwahlrecht (Schleswig-Holstein)« unter C.III.2.b) der Gründe. Weiter Dreier, GG, Art. 20 Rn. 85: »kein ›Ausnahmetatbestand‹ gegenüber der Demokratie«. 363 Eine solche »grundrechts-analoge« Konzeption verfolgte die Paulskirchenverfassung von 1849, vgl. § 184 der Reichsverfassung: »Jede Gemeinde hat als Grundrechte [. . .]«; Nachweise bei Dreier, GG, Art. 28 Rn. 12. 364 Isensee, KritV 1987, 300, 306.

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gleichgeartet 365. Es ist dieser staatsähnlich umfassende Charakter kommunaler Herrschaft, der die Entscheidung des Grundgesetzes gegen die nur körperschaftliche und für die demokratische Legitimation auch in den Kommunen erklärt 366 . Zudem fällt der Sondereinfluß der Gemeindebürger allenfalls minimal aus: Das Bundesgebiet ist weitestgehend in Kommunen gegliedert, so daß das Wahlrecht zum jeweils »eigenen« Gemeinderat zumindest mittelbar egalitären Charakter aufweist. Mithin lassen sich beide Facetten der Kommune auch auf der Basis eines hierarchischen Demokratiemodells erklären. Das gilt freilich nur für die territorial abgegrenzte Gruppe der Gemeindebürger, die die hierarchische Demokratie als »Teilvolk« – oder besser: als selbstähnlichen »Volksteil«367 – begreifen und integrieren kann. Zum Problem wird die Autonomie sachlich-funktional abgegrenzter Partikulargruppen. Hier läßt sich der Widerspruch 368 zwischen dem in der Selbstverwaltung intendierten 369 Sondereinfluß der mit zusätzlichen Teilhaberechten ausgestatteten »Betroffenen« und dem egalitären Gleichheitsgedanken des Demokratieprinzips nicht in der Allgemeinheit eines Teilvolkes auflösen 370 . Das heißt freilich nicht, daß die historisch gewachsenen und recht heterogenen Formen funktionaler Selbstverwaltung371 unter dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes verworfen werden müßten. Funktionale Selbstverwaltung ist in der Verfassung nicht nur angesprochen (Art. 87 Abs. 2, Abs. 3 GG), sondern auch anerkannt. Die allgemeine Auffassung leitet das aus Art. 86, 87 Abs. 2, 3, 90 Abs. 2 sowie 130 Abs. 3 GG ab372 . Den skizzierten Konfl ikt sieht das BVerfG in seiner

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Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 212 f. BVerfG [Senat] v. 31. 10. 1990, 2 BvF 2/89 und 6/89, BVerfGE 83, 37 = NJW 1991, 162 – »Ausländerwahlrecht (Schleswig-Holstein)« unter C.III. der Gründe; Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329, 380. Zur durch Bundes- oder Landesparlament vermittelten Legitimation der Gemeinde im übertragenen Wirkungskreis weiter Maunz/Dürig/Grzeszick, GG, Art. 20 II Rn. 172. 367 Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 211. 368 Zu ihm etwa Muckel, NZS 2002, 118, 123. Allgemein zur Selbstverwaltung als Betroffenenverwaltung Hendler, HStR VI, § 143 Rn. 14 ff. 369 BVerfG [Senat] v. 9. 5. 1972, 1 BvR 518/62 und 308/64, BVerfGE 33, 125 = NJW 1972, 1504 – »Facharztbeschluß« unter C.II.2. der Gründe sieht den »guten Sinn« jeder Verleihung von Satzungsautonomie gerade darin, daß die Betroffenen ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich regeln können; Unruh, VerwArch 92 (2001), 531, 537 m. w. N. 370 Näher Böckenförde, HStR II, § 24 Rn. 33; Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 500 ff. m. w. N. Ebenso Dreier, GG, Art. 20 Rn. 132; Di Fabio, FS Badura, S. 77, 89 ff.; Mann, HStR VI, § 146 Rn. 29. Hierzu noch Petersen, JöR 58 (2010), 137, 154 und dort Fn. 102; Maunz/Dürig/Grzeszick, GG, Art. 20 II Rn. 88 m. w. N. auch zur Gegenmeinung, die etwa Ehlers, FS Stein, S. 125, 132 f.; Oebbecke, VerwArch 81 (1990), 349, 358 vertreten. 371 Eingehend zur Phänomenologie der funktionalen Selbstverwaltung Kluth, Selbstverwaltung, S. 12 ff. 372 BVerfG v. 5. 12. 2002, 2 BvL 5/98 und 6/98, BVerfGE 107, 59 = JZ 2003, 1057 m. Anm. Unruh – »Lippeverband« unter C.I.2.a) der Gründe; weiter Maunz/Dürig/Grzeszick, GG, Art. 20 II Rn. 181. 366

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»Lippeverbands-Entscheidung«373 nicht, geht vielmehr davon aus, daß die funktionale Selbstverwaltung dem (grundsätzlich nach wie vor »hierarchisch« gedachten) Demokratieprinzip nicht widerspricht, sondern dieses Prinzip ergänzt und verstärkt: Die organisierte Beteiligung der sachnahen Betroffenen an den sie berührenden Entscheidungen verwirkliche gemeinsam mit dem Demokratieprinzip den verbindenden Gedanken des sich selbst bestimmenden Menschen in einer freiheitlichen Ordnung 374 . b. Demokratie und partizipative Selbstbestimmung Daran ist richtig, daß die Demokratie wie die Selbstverwaltung Bezüge zur Selbstbestimmungsidee aufweist. Sie »erscheint als Ausfluß des Prinzips der Selbstbestimmung und Selbstregierung für die einzelnen und das Volk«375. Das Problem der »selbstbestimmungsorientierten« Demokratie läßt sich zu der Frage zuspitzen, ob legitimierte Staatsmacht zugunsten der Selbststeuerung der Gesellschaft aufgegeben werden könnte oder sogar sollte. Hierzu ist Folgendes zu erinnern: Kollektiventscheidungen sind in der menschlichen Gemeinschaft unumgänglich – und mit ihnen die Frage der Legitimation. Auch in einer nach dem Prinzip der allzuständigen »Dorfversammlung« organisierten Gesellschaft wirkt der demokratische Wettbewerb in Gestalt von Mehrheitsentscheidungen. Dezentralisierung von Entscheidungen hindert diesen Effekt nicht. Vielmehr bedingt die notwendige Außenseiterwirkung dezentral getroffener Entscheidungen die charakteristische Gefahr plebiszitärer Verfahren, daß eine »lautstarke Minderheit« die »schweigende Mehrheit« dominiert 376 . Legitimationszusammenhänge an diffuse Willensbildungsprozesse in der Gesellschaft rückzukoppeln, bringt nicht etwa den Willen der Bürger zur Geltung, sondern öffnet die Hoheitsgewalt dem Zugriff beliebiger para-konstitutioneller Gruppen377. Am Faktum ausgeübter Herrschaft ändert das nichts378 . Sie ist unvermeidbar, solange mit Mehrheit echte Kollektiventscheidungen getroffen werden sollen und getroffen werden. Daß solche Kollektiventscheidungen, abstrakt ausgedrückt: Herrschaft, angesichts der wechselseitigen Anerkennung der anderen Verbandsangehörigen 373

BVerfG v. 5. 12. 2002, 2 BvL 5/98 und 6/98, BVerfGE 107, 59 = JZ 2003, 1057 m. Anm. Unruh – »Lippeverband«; bestätigt BVerfG [Senat] v. 13. 7. 2004, 1 BvR 1298/94 u. a., BVerfGE 111, 191 = NJW 2005, 45 – »Notarkassensatzung«. Kritisch Jestaedt, JuS 2004, 649, 652. 374 Insoweit ähnlich schon BVerfG [Senat] v. 9. 5. 1972, 1 BvR 518/62 und 308/64, BVerfGE 33, 125 = NJW 1972, 1504 – »Facharztbeschluß«. 375 Böckenförde, HStR II, § 24 Rn. 35. 376 Müller-Franken, DVBl. 2009, 1072, 1074: »Plebiszitäre Verfahren ermöglichen [. . .] eine partielle Herrschaft ehrgeiziger, selbstermächtigter Minderheiten.« Weiter P. Krause, HStR III, § 35 Rn. 48. 377 Böckenförde, Staat und Gesellschaft, S. 209, 228 ff. 378 Richtig gesehen bei Groß, Grundlinien, S. 93, 95.

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als politisch gleichberechtigt ausgeschlossen sein müßten 379, läßt sich nicht behaupten. Das Demokratieprinzip zielt gerade darauf, Kollektiventscheidungen und damit Herrschaft zu ermöglichen 380 . Ausgeschlossen sind allein bestimmte Formen der Herrschaftsausübung – namentlich solche, die einen privilegierten politischen Einfluß voraussetzen. Möglich bleibt ausschließlich die Herrschaft der Mehrheit, die aber auch vor dem Hintergrund der demokratischen Egalität legitim ist. Theoretisch denken ließe sich noch eine »Vernunftherrschaft« des besseren Arguments – aber welche Instanz sollte unter der Bedingung politischer Gleichberechtigung Sachargumente gewichten, wenn nicht die Mehrheit? Festzuhalten bleibt, daß die Demokratie Herrschaft nicht verbietet, sondern gerade legitimieren soll. Dahinter steht die Einsicht in die Unausweichlichkeit von Herrschaft, die durch eine Fusion von Staat und Gesellschaft nicht beseitigt wird. Also: Auch in partizipativ ausgerichteten Demokratiekonzepten bleibt das hierarchische Element des Demokratieprinzips erhalten. Die Idee der Demokratie als Beseitigung jeder Herrschaft durch die Fusion von Herrschenden und Beherrschten 381 ist ein Irrglaube. Daß die demokratische Herrschaft historisch als Befreiung von illegitimer Herrschaft empfunden wurde, und die reale Demokratie auch individuell als freie Selbstbestimmung empfunden werden kann 382 , ändert hieran nichts. Das Demokratieprinzip zielt weder auf die Beseitigung von Macht noch auf eine möglichst gleichmäßige Machtverteilung383 . Ziel jeder demokratischen Organisation ist vielmehr die einheitliche Herrschaft des gesamten Volkes384 . Mithin negieren »pluralistische« Demokratiekonzepte den Absolutheitsanspruch des gesamten Volkes als Legitimationssubjekt oder schränken diesen Anspruch zumindest ein, obwohl die Vertikalität der Demokratie erhalten bleibt. Im Gegenzug nötigen solche Selbstregierungsmodelle dazu, die jeweils betroffenen Partikulargruppen als weitere Legitimationssubjekte zuzulassen und das formale Demokratieprinzip auf seine angebliche »ratio« zu verdichten: auf die Selbstbestimmung 385 , die nach einer Korrelation von Betroffenheit und Teilhabe verlange386 . Daß Selbstbestimmung den Kern des Demokratieprinzips ausmachte, läßt sich indes nicht verifi zieren: Individuelle Selbstbestimmung läßt sich nicht 379 380 381 382 383

Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 330. Bereits A.I.2.a.[1], S. 38 f. Exemplarisch Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, S. 14 f.; Blanke, KJ 1998, 452, 457. Dazu Lege, JZ 2009, 756; Rupp, NJW 1972, 1537, 1539. So aber Stein/Frank, Staatsrecht, S. 60; AK-GG/Stein, Art. 20 Abs. 1–3 III Rn. 18 f.,

27 ff. 384

Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 161 f. Dazu BVerfG [Senat] v. 5. 12. 2002, 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98, BVerfGE 107, 59 = NVwZ 2003, 974 – »Lippeverband« sub C.I.3.a) der Gründe. Weiter Zacharias, Jura 2001, 446, 450; Emde, Legitimation, S. 384 ff. 386 Dezidiert Emde, Legitimation, S. 386 ff., 388. 385

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bruchlos in den demokratischen Wettbewerb integrieren, der notwendig auch Verlierer kennen muß387. Vor allem aber steht die politische Selbstbestimmung dezentraler – und aus der Perspektive des Gesamtvolks gesehen partikularer – Einheiten in Widerspruch zur demokratischen Egalität. Gleichartige Betroffenheit mag eine Gruppe konstituieren, nicht aber einen demokratischen Verband 388 . Dazu fehlt das entscheidende389 horizontale Moment der Egalität, die wechselseitige Anerkennung der Verbandsmitglieder als politisch gleichwertig390 . Anders ausgedrückt defi niert sich Betroffenheit nur durch den Zugriff von außen. Betroffen ist, wer solchem Zugriff unterliegt und daher mit Isensee 391 als der »Untertan« des politisch korrekten Sprachgebrauchs bezeichnet werden kann. Auch verfehlt die partizipative Demokratie ihr Ideal des Gleichlaufs von Betroffenheit und Teilhabe strukturell: Die »Betroffenen« entscheiden nie nur über ihre »eigenen« Angelegenheiten, sondern mittelbar immer auch über die von Außenseitern 392 . Abgesehen von der Tatsache, daß auch bei jeder dezentralen »echten« Kollektiventscheidung die Minderheit von der Mehrheit dominiert wird, gilt das zunächst in zeitlicher Hinsicht 393 . Im Längsschnitt ist die Zugehörigkeit zur Referenzgruppe der »Betroffenen« willkürlich 394 . Die Entscheidungsträger sind Treuhänder der nächsten Generation von Betroffenen 395. Weiter ergibt sich wenigstens regelmäßig eine »räumliche« Außenseiterwirkung demokratischer Entscheidungen 396 ; erinnert sei nur an Fragen des Umweltschutzes. Neben diesen prinzipiellen Fragen stellt sich drängender noch praktische: Wie soll das Maß der Betroffenheit bestimmt werden, wo soll die Schwelle liegen, jenseits derer die Selbstbestimmung der Bürger durch besondere Teilhaberechte verwirklicht werden müßte? Je abstrakter der dabei angelegte »Betroffenheitsmaßstab« ausfällt, desto deutlicher wird der legitimatorische Ansatz verfehlt: Wer selbst nicht (hinreichend) konkret betroffen ist, bestimmt nicht über sich, sondern entscheidet über das Schicksal der konkret Betroffenen 397. Die sind freilich schwer zu ermitteln 398 : Ist das Schulsystem eine Angelegenheit der (aktuellen) Schüler, Eltern und Lehrer? »Betrifft« die Wirtschaft die Produzenten stärker als die Konsumenten? Und wie soll der Kreis der Be387

Zu diesem Wettbewerb bereits A.I.1., S. 36. Isensee, KritV 1987, 300, 305. 389 Dazu A.I.2.a.[2], S. 39 ff. 390 Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 220. 391 FS Mikat, S. 705, 726. 392 Möllers, Demokratie, S. 67. 393 Zu den »natürlichen Grenzen« der »Reflexivität« demokratischer Entscheidungen Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 331 f. 394 Zeidler, DVBl. 1973, 719, 721. 395 Zu dem temporalen Aspekt demokratischer Teilhabe Isensee, FS Mikat, S. 705, 710. 396 Dazu etwa Petersen, JöR 58 (2010), 137, 147 f. 397 Hierzu Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 509. 398 Die folgenden Beispielen sind z. T. bei Zeidler, DVBl. 1973, 719, 727 entlehnt. 388

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troffenen bei umfangreichen städtebaulichen Maßnahmen wie der Umgestaltung eines Stadtviertels bestimmt werden? Letztlich kann in einer Demokratie nur der parlamentarische Gesetzgeber über die Betroffenheit entscheiden 399 ; das Kriterium der Betroffenheit ist aus sich selbst heraus nicht handhabbar – anders als das der Egalität. Die demokratische Gleichheit indes läßt sich nicht sinnvoll für ein dezentral ausgerichtetes System unmittelbarer Teilhabe operationalisieren400 , sind doch nach Betroffenheit gestufte Teilhaberechte gerade gewollt401. Anders gesagt ist Betroffenheit proportional, zwingt also entweder dazu, die formale demokratische Gleichheit zugunsten gestufter Mitwirkungsrechte – gewissermaßen die »moderne Variante« des Mehrklassenwahlrechts – preiszugeben402 , oder steht in Konfl ikt mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG 403 , wenn der »intensiver« Betroffene nicht auch stärkere Beteiligungsrechte haben soll404 . Auf den Punkt gebracht: Im Demokratieprinzip klingt zwar der Gedanke der Betroffenenbeteiligung mit405 , es läßt sich auf diesen Aspekt aber nicht verengen. Funktionaler Kern der Demokratie ist nicht die Selbstbestimmung, sondern die Legitimation von Fremdbestimmung406 . Betroffenenbeteiligung beseitigt die vertikale Komponente der Demokratie nicht. Auch in partizipativen Systemen stellt sich die Frage nach der Legitimation heteronomer Anordnungen. Die ständige Angleichung der Gruppe der Entscheidungsträger an die der Entscheidungsbetroffenen i. S. eines Optimierungsgebotes 407 minimiert

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Lege, JZ 2009, 756, 761. Ähnlich Ehlers, FS Stein, S. 125, 136. 401 Zeidler, DVBl. 1973, 719, 727. 402 Dazu Papier, KritV 1987, 309, 312; Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 217. Weiter Kluth, Selbstverwaltung, S. 461 f. m. w. N., der in gruppenplural verfaßten Einrichtungen der funktionalen Selbstverwaltung eine Gruppenwahl nicht nur für unbedenklich, sondern sogar für unverzichtbar hält: weil es gerade um Partizipation der Betroffenen gehe, könne es nicht auf die formale Gleichheit der Bürger ankommen. 403 Isensee, KritV 1987, 300, 305; derselbe, FS Mikat, 705, 733 f.; hierzu auch Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 218. 404 So zwingt etwa Art. 5 Abs. 3 GG, den Wissenschaftlern als Trägern der Wissenschaftsfreiheit in der Organisation des Wissenschaftsbetriebs besondere Partizipationsrechte zuzuweisen; dazu etwa BVerfG [Senat] v. 26. 10. 2004, 1 BvR 911/00, 927/00 und 928/00, BVerfGE 111, 333 = NVwZ 2005, 315 – »Brandenburgisches Hochschulgesetz«; v. 20. 7. 2010, 1 BvR 748/06, NVwZ 2011, 224 = JZ 2011, 308 m. Anm. Gräditz – »Hamburgisches Hochschulgesetz«. Zu demselben Problem im Kontext der Selbstbestimmung in der Sozialversicherung Braun u. a., Sozialversicherungswahlen, S. 127. 405 Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329, 349: »Betroffenenbeteiligung gehört den ideellen Schichten der Strukturentscheidung für die Demokratie an.« [Hervorhebung im Original.] 406 Dazu A.I.1., S. 35 ff. 407 Fisahn, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 331 f.; dezidiert versteht Bryde, Demokratieprinzip, S. 59, 63 ff. das Demokratieprinzip i. S. eines Optimierungsgebotes. Mit Recht dagegen Peters, Verfassung Europas, S. 660 f. 400

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das Problem, löst es aber nicht. Demokratie ist nicht i.d.S. Ziel408 , sondern Voraussetzung der Ausübung von (legitimierter) Staatsgewalt. c. Selbstverwaltung als Einschränkung des Demokratieprinzips [1] Legitimationskonzepte für die funktionale Selbstverwaltung Gerade die funktionale Selbstverwaltung belegt den Widerspruch zwischen demokratischer Gleichheit und Selbstbestimmung der Betroffenen. Die Willensbildung autonomer Einheiten ist nicht an den Willen des gesamten Volkes rückgekoppelt, sondern nur an den ihrer Mitglieder. Orientiert man sich an der Legitimationskette, fehlt die personelle demokratische Legitimation der Entscheidungsträger in Körperschaften der funktionalen Selbstverwaltung409. Aus dieser Perspektive wird funktionale Selbstverwaltung zum rechtfertigungsbedürftigen Ausnahmefall410 vom Verbot der Totalsubstitution der personellen demokratischen Legitimation durch intensivierte inhaltliche411. Das notwendige Legitimationsniveau sichert das Parlamentsgesetz, das die Staatsaufgabe an eine Selbstverwaltungseinheit delegiert. In der Konsequenz dieser einseitig inhaltlichen Legitimation liegt die Forderung nach möglichst detaillierter gesetzlicher Programmierung412 , die freilich den Selbstverwaltungsgedanken konterkariert413 , sowie vor allem nach einer strengen Begrenzung selbstverwaltungsfähiger Aufgaben414 . In der Sache ähnlich liegen Versuche, aus dem die funktionale Selbstverwaltung begründenden Gesetz eine »kollektive« personelle Legitimation der für teilweise autonom erklärten Betroffenen zu entnehmen, weil dieses Gesetz jedenfalls den Kreis der Betroffenen festlegt415. Auch hier soll das konstituierende Parlamentsgesetz die Legitimationslast allein übernehmen. Freilich erlaubt die Annahme einer Sonderform der personellen Legitimation eine »selbstverwaltungsfreundlichere« Sichtweise: die funktionale Selbstverwaltung ist hier

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Vgl. Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 173. Hierzu nur Kluth, Selbstverwaltung, S. 374. 410 Eingehend und m. w. N. Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 543 ff. 411 Zu diesem Verbot bereits A.I.2.a.[3], S. 44. 412 Zum Gemeinsamen Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen V. Neumann, NZS 2010, 593, 600. Skeptisch gegenüber der Steuerungsleistung des Parlamentsgesetzes Pöcker, Der Staat 41 (2002), 616 ff. 413 Müller-Franken, Befugnis, S. 193 m. w. N. 414 Vgl. den Vorlagebeschluß BVerwG v. 17. 12. 1997, 6 C 1/97, NVwZ 1999, 870, auf den die »Lippeverbands-Entscheidung« des BVerfG (Fn. 373) folgte; weiter Di Fabio, FS Badura, S. 77, 92. Mit etwas anderem Akzent Hendler, HStR VI, § 143 Rn. 60: Selbstverwaltung »lediglich als eine Ergänzung [. . .] des zentralen politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses«. Kritisch Blanke, Funktionale Selbstverwaltung, S. 32, 55. 415 Vor allem Kluth, Selbstverwaltung, S. 376 ff.; zustimmend Unruh, VerwArch 92 (2001), 531, 551 ff. In diese Richtung auch Dederer, NVwZ 2000, 403, 404 f.; Bryde, StWiss 5 (1994), 305, 315. 409

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keine Ausnahme, sondern Element der Demokratie416 . Solche Erklärungsversuche, die in der Sache auf eine ausnahmsweise Totalsubstitution der Legitimationskette durch Parlamentsgesetz zielen, lassen sich nicht mit dem Argument beiseite schieben, das Demokratieprinzip stehe nicht zur Disposition des Parlaments 417. Welche Spielräume die Demokratie dem Gesetzgeber läßt, ein ausreichendes Legitimationsniveau der Verwaltung zu gewährleisten, ist eben die zu beantwortende Frage. Diese Spielräume sind erheblich, betont man mit dem BVerfG418 die Selbstbestimmungskomponente der Demokratie und ersetzt die zerrissene Legitimationskette durch Partizipation der Mitglieder der Selbstverwaltungseinheit419. Legitimiert werden soll die Autonomie der Betroffenen dann nicht vom Parlamentsgesetz her, sondern »von unten«: durch deren eigene Partizipation. Weiter reicht die Parallele zum gleichfalls partizipationszentrierten Gedanken von der Selbstverwaltungseinheit als »Teilvolk« indes nicht420 . Die »autonome« oder »mitgliedschaftliche« Legitimation ergibt sich nicht aus der Rückkopplung an den Willen des gesamten Volkes, sondern aus der Teilhabe der sachnahen und sachkundigen Betroffenen421. Gleichwohl wird diese alternative Form der Legitimation überwiegend als gerade demokratische Legitimation gesehen422 . [2] Egalität als Grund demokratischer Teilhabe Wer mit der hier vertretenen Ansicht die wechselseitige Anerkennung politischer Gleichberechtigung als Grund und Legitimationsquelle der Demokratie ernst nimmt, muß anders entscheiden: Demokratische Teilhaberechte folgen nicht aus der Betroffenheit von (vordemokratischer?) Herrschaft, sondern eben aus der politischen Gleichheit. Jede Stufung gerade demokratischer Partizipationschancen verbietet sich423 , die demokratische Egalität ist das Zen416

Zu der ideellen Bedeutung solch »demokratischer Dignität« nur Bryde, StWiss 5 (1994), 305, 320. 417 So aber Schenke, JZ 1991, 581, 584. 418 BVerfG [Senat] v. 5. 12. 2002, 2 BvL 5/98 und 6/98, BVerfGE 107, 59 = JZ 2003, 1057 m. Anm. Unruh – »Lippeverband«. 419 Emde, Legitimation, S. 382 ff.; Muckel, NZS 2002, 118, 124 f. – jeweils m. w. N. 420 Indes weist Unruh, VerwArch 92 (2001), 531, 550 m. w. N. darauf hin, daß der Gedanke »autonom-mitgliedschaftlicher« Legitimation denselben Bedenken unterliegt wie die Idee funktional abgegrenzter Teilvölker. 421 Dazu Maunz/Dürig/Grzeszick, GG, Art. 20 II Rn. 175. 422 Etwa Isensee, Der Staat 20 (1981), 161, 169; V. Neumann, NZS 2010, 593, 595; Kotzur, Demokratiedebatte, S. 351, 381; Emde, Legitimation, S. 389. Anders Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329, 376 ff. 423 Hierzu etwa BVerfG [Senat] v. 16. 12. 1975, 2 BvL 7/74, BVerfGE 41, 1 = NJW 1976, 889 – »Richterwahl« unter C.I.3.a) der Gründe: das Gericht sieht die »Wurzel [der Formalisierung der Wahlrechtsgleichheit] im Postulat der politischen Gleichheit aller Staatsbürger« – wenn auch nur »historisch betrachtet«.

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trum des Demokratieprinzips 424 . Diese Schwerpunktsetzung wirkt angesichts der heute verbreiteten Forderung nach flexibleren Legitimationsmustern425 zwar »unmodern«426 , läßt sich aber nach wie vor in der Rechtsprechung des BVerfG nachweisen: So hat der Zweite Senat im »Lissabon-Urteil«427 die egalitäre Parlamentswahl sowie die kollektive Selbstbestimmung nicht der transnational Betroffenen, sondern gerade des Volkes als »elementare[n] Bestandteil« des Demokratieprinzips ausgemacht. Hierarchie ist für den damit zwingenden Ableitungszusammenhang unverzichtbar; die »von oben nach unten« strukturierte Verantwortungskette schafft ein Maß an Verantwortungsfähigkeit428 , das Partizipation in dezentralen Einheiten nicht herstellen kann429. Diese Verantwortungsfähigkeit ist entscheidend; sie muß sich nicht in einer strengen Determination konkreter Verwaltungsentscheidungen »von oben« niederschlagen. Ausreichend (aber auch notwendig) ist die potentielle Steuerung durch entsprechende Zugriffsmöglichkeiten430 . Das Demokratieprinzip kennt kein strenges Gebot partizipativer Willensbildung »von unten nach oben«; die besondere Qualität demokratischer Entscheidungen liegt vielmehr in der Rückführbarkeit auf den allgemeinen Willen des gesamten Volkes 431. »Intensivere oder weniger mittelbare Mitwirkung Betroffener [. . .] bedeutet nicht notwendig mehr Demokratie.«432 [3] Ausnahmecharakter der funktionalen Selbstverwaltung Andererseits verbietet dieses Prinzip nicht jede Differenzierung. Wie beim Wahlrecht verträgt die demokratische Gleichheit auch mit Rücksicht auf die Frage des Legitimationssubjekts Einschränkungen. Ausnahmslose Egalität bedeutete in der Tat, den Einfluß der Bürger auf den Staat unvertretbar einzuengen433 . Neben der Wahl wäre für Bürgerbeteiligung kein Raum mehr. Diese Partizipation ist notwendig, und der Gesetzgeber muß ihre Reichweite in der Tat mit gewisser Flexibilität nach dem Modell der Betroffenenbeteiligung ordnen können434 . Nur darf dieser flexible Sondereinfluß nicht zum demokrati424

Ebenso etwa Rittner, JZ 2003, 641, 643. Hierzu 2.c., S. 75. Exemplarisch Lepsius, Standardsetzung, S. 345, 358 ff. 426 Vielleicht auch deshalb, weil seinerzeit Carl Schmitt, Verfassungslehre, S. 226 ff. die demokratische Gleichheit in den Mittelpunkt seines Demokratiekonzepts gerückt hatte. 427 BVerfG [Senat] v. 30. 6. 2009, 2 BvE 2/08 u. a., BVerfGE 123, 267 = NJW 2009, 2267. 428 Zeidler, DVBl. 1973, 719, 720. Dazu noch Isensee, Der Staat 20 (1981), 161, 163; Klein, PersV 1990, 49, 53; Ehlers, FS Stein, S. 125, 134. 429 Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), 179, 215. 430 Richtig Ehlers, FS Stein, S. 125, 135; dazu noch Ossenbühl, Grenzen, S. 45. 431 Dazu Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329, 378, 389; F. Neumann, State, S. 192. 432 Oebbecke, VerwArch 81 (1990), 349, 354. 433 Insoweit völlig zutreffend Bryde, Demokratieprinzip, S. 59, 69 f., der den »hohen Preis« uneingeschränkter politischer Gleichberechtigung betont. 434 Dazu etwa AK-GG/Stein, Art. 20 Abs. 1–3 III Rn. 48. 425

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schen Grundprinzip erhoben werden, wenn nicht die Egalität und damit die wechselseitige Anerkennung politischer Gleichberechtigung als Grund der Demokratie preisgegeben werden sollen435. Nichtegalitäre Betroffenenbeteiligung ist keine demokratische Teilhabe, sondern schränkt das Demokratieprinzip ein – meist im Interesse des unter Rechtsstaatsgesichtspunkten gebotenen (Grund-)Rechtsschutzes 436 . Rechtfertigen läßt sich eine solche Einschränkung aber auch im Gemeinwohlinteresse, also mit grundrechtsfremden Sachgründen. Daß gerade die funktionale Selbstverwaltung in diesem Zusammenhang zu sehen ist, belegt die »LippeverbandsEntscheidung« des BVerfG: Der Zweite Senat wertet die Mitbestimmungsteilhabe »nicht-betroffener« Arbeitnehmer in einem Selbstverwaltungsorgan als unschädlich für die demokratische Legitimation dieses Organs, begründet dies aber in erster Linie nicht etwa mit der bestätigenden Wahl der vorgeschlagenen Arbeitnehmervertreter durch die Organmitglieder437. Entscheidend sei aus der Perspektive des Demokratieprinzips, daß eine »Beteiligung Nichtbetroffener [. . .] durch eine angestrebte Steigerung der Wirksamkeit der öffentlichen Aufgabenwahrnehmung gerechtfertigt sein« könne 438 . Anders ausgedrückt: Das – vom Senat auf den Selbstbestimmungsgedanken heruntergebrochene – Demokratieprinzip verträgt Einschränkungen, die freilich aus Sachgründen zu rechtfertigen sind. Diesem Ausnahmebereich ist meiner Auffassung nach aber nicht nur die Arbeitnehmermitbestimmung in Selbstverwaltungskörperschaften zuzuordnen, sondern die funktionale Selbstverwaltung an sich: Weil demokratische Legitimation eine hierarchisch abgeleitete Rückbindung an den Willen des gesamten Volkes meint, darf auch die in Organisationen funktionaler Selbstverwaltung ausgeübte Staatsgewalt nicht aus dem Verantwortungszusammenhang zum Gesamtvolk als Legitimationssubjekt gelöst werden439. Legitimiert werden Träger funktionaler Selbstverwaltung daher durch das konstituierende Parlamentsgesetz und nicht – auch nicht ergänzend – durch die Partizipati435 Di Fabio, FS Badura, S. 77, 90 f.; Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 498 f. Dezidiert anders etwa Bryde, Demokratieprinzip, S. 59, 66. 436 Blümel, FS Forsthoff, S. 9, 23. Dezidiert anders Groß, Grundlinien, S. 93, 99, für den sogar die öffentliche Anhörung im Planfeststellungsverfahren (primär) Element demokratischer Mitbestimmung ist. 437 Demgegenüber sehen Unruh, VerwArch 92 (2001), 531, 554; Oebbecke, VerwArch 81 (1990), 349, 367 ff. in der »Zuwahl« der Arbeitnehmervertreter durch Genossenschaftsorgane den entscheidenden Grund der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Mitbestimmungsteilhabe. 438 BVerfG [Senat] v. 5. 12. 2002, 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98, BVerfGE 107, 59 = NVwZ 2003, 974 – »Lippeverband« unter C.I.4.c) der Gründe. Dazu etwa Braun u. a., Sozialversicherungswahlen, S. 130 ff., 132: »Die Effektivität wird [. . .] zu einem Kriterium für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der näheren Ausgestaltung der Binnenorganisation eines Trägers funktionaler Selbstverwaltung erhoben.« 439 Bull/Mehde, JZ 2000, 650, 656; Lütgens, ZRP 2009, 82, 83.

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on der »Betroffenen«. Daraus folgt zwingend ein Verbot an den Gesetzgeber, (funktional abgegrenzten) Selbstverwaltungseinheiten grundrechtsnahe Regelungsbereiche zur völlig freien Verfügung zu überlassen440 .

II. Mitbestimmungs-Teilhabe an Entscheidungen des Arbeitgebers Mitbestimmung umreißt Müller-Jentsch441 als »Einflußnahme auf Entscheidungen von Ego durch die Mitwirkung von Alter bei Festlegungen, die für beide nicht trivial sind«. Sie ist das Gegenteil von Alleinbestimmung442 und schon damit in gewisser Weise das »Gegenteil« von Demokratie: Mitbestimmung zielt nicht auf einen übergeordneten Gesamtwillen, sondern auf den Einfluß im Prozeß »fremder« Willensbildung. Prozedurale Konsequenz ist die Ordnung nicht nach dem egalitären Partizipationsmodell der Staatsdemokratie, sondern nach dem polaren Teilhabemodell des Interessenausgleichs im Vertrag. 1. Widerspruch von Demokratie und Mitbestimmung a. Beschäftigtenpartizipation bei der Ausübung von Staatsgewalt Dieser Widerspruch zwischen dem egalitären Anspruch der Demokratie und dem partikularen der Betroffenenbeteiligung ist im arbeitsrechtlichen Kontext vor allem im Bereich der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst erschlossen. Das demokratische Prinzip setzt den Mitbestimmungsrechten des Personalrats Grenzen, die § 104 Satz 3 BPersVG wiedergibt. Daß diese Vorschrift nach der Föderalismusreform für die Landesgesetzgeber nicht mehr verbindlich ist, spielt keine Rolle: Hinter der Restriktion des § 104 Satz 3 BPersVG stehen verfassungsrechtliche Gründe, namentlich das vom BVerfG konkretisierte Demokratieprinzip 443 – welches über das Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG auch die Länder bindet. Hier reicht es aus, die umfangreiche Diskussion soweit nachzuzeichnen, daß der Konfl ikt zwischen Demokratie und Mitbestimmung sichtbar wird. [1] Betriebsverfassung und Personalvertretung als Arbeitsrecht Die Trennung der Arbeitnehmer-Mitbestimmung in Betriebsverfassung und Personalvertretung (§ 130 BetrVG) ist ein vergleichsweise neues Phänomen. Erst nach dem Ende des zweiten Weltkriegs wurde in Deutschland das einheit440 Deutlich BVerfG [Senat] v. 13. 7. 2004, 1 BvR 1298/94 u. a., BVerfGE 111, 191 = NJW 2005, 45 – »Notarkassensatzung«. 441 FS Weitbrecht, S. 25. [Hervorhebung im Original.] 442 V. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 17. Anders Kunze, Legitimationsproblem, S. 7, der nur ein Vetorecht als Mitbestimmung gelten lassen will. 443 Dazu Richardi/Dörner/Weber/Kersten, BPersVG, § 104 Rn. 11.

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liche Mitbestimmungsrecht für privat und öffentlich Beschäftigte aufgegeben444 . Mit dieser Zweiheit korrespondiert, daß die Personalvertretung dem öffentlichen und die Betriebsverfassung dem privaten Recht zugeordnet wird445. Das Arbeitsrecht als gemeinsame »Mutterdisziplin« gerät aus dem Blick446 , obschon der soziale Gegensatz von Arbeitgeber und Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst nicht aufgehoben ist447. Im Gegenteil geht die soziale Sonderstellung der Staatsdiener zunehmend verloren448 , die Beschäftigung im öffentlichen Dienst nähert sich (auch in der Eigenwahrnehmung der Beschäftigten) der Privatwirtschaft an. Dementsprechend hat der Personalrat (jedenfalls auch) die »typisch arbeitsrechtlichen« Probleme zu bewältigen, denen sich der Betriebsrat im privaten Unternehmen stellen muß 449. Ohnehin gelten für die privatrechtlich organisierte Verwaltung BetrVG und Mitbestimmungsgesetze450 . Andererseits erreicht die personelle Mitbestimmung451 in der öffentlichrechtlich organisierten Verwaltung nach den Personalvertretungsgesetzen nicht Intensität und Umfang der betrieblichen Mitbestimmung in der Privatwirtschaft. Dem Gesetzgeber des BPersVG 1955 erschien diese Ungleichbehandlung folgerichtig; er meinte, im öffentlichen Dienst auf eine »vollwertige« Arbeitnehmerbeteiligung (i. S. einer »Wirtschaftsdemokratie«) verzichten zu können, weil im »öffentlich-rechtlichen Bereich . . . diese Forderung durch die Einführung der parlamentarischen Demokratie bereits verwirklicht« sei452 . Wie die demokratische Teilhabe im Staat als Hoheitsträger auf konkrete Arbeitskonfl ikte zwischen den Beschäftigten und dem Staat als Arbeitgeber herunter gebrochen werden soll, bleibt freilich dunkel.

444

Reichold, Betriebsverfassung, S. 382 ff. Das BVerfG ordnet die beiden Materien unterschiedlichen Gesetzgebungskompetenzen zu: Demnach fällt die private Betriebsverfassung unter Art. 74 Nr. 12 GG, wohingegen die Personalvertretung zum Recht des öffentlichen Dienstes (für die öffentlichen Bediensteten des Bundes Art. 73 Nr. 8 GG, für die der Länder Art. 70 Abs. 1 GG) gehört; BVerfG [Senat] v. 3. 10. 1957, 2 BvL 7/56, BVerfGE 7, 120 = RdA 1958, 120 – »Personalvertretung« noch mit Blick auf Art. 75 Nr. 1 GG a. F.; zweifelnd Richardi/Dörner/Weber, BPersVG, Einleitung BPersVG Rn. 15. 446 Reichold, Betriebsverfassung, S. 382 ff.; Wendeling-Schröder, AuR 1987, 381, 383 ff. Dazu noch Burghardt u. a., AuR 2005, 205, 208, die sich dezidiert für die Rückkehr zum Einheitsmodell aussprechen. 447 Ritter, JZ 1972, 107, 108. 448 Deutlich schon Zeidler, DVBl. 1973, 719, 723 f. 449 Wendeling-Schröder, AuR 1987, 381, 384. 450 Ehlers, Jura 1997, 180, 181; weiter derselbe, JZ 1987, 218, 225 f. 451 Zur Terminologie Ehlers, Jura 1997, 180. 452 BT-Drucks. I/3552, S. 15. 445

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[2] Legitimationsdefizit und -bedürfnis der Mitbestimmung bei der Ausübung von Hoheitsmacht [a] Defizitäre demokratische Legitimation der Beschäftigtenvertreter. Der Staat ist als Arbeitgeber insofern einzigartig, als sein Geschäft die Ausübung von Hoheitsmacht ist. Daß diese Staatsgewalt stets auf den Souverän »Volk« rückführbar sein muß, ist das Prinzip der demokratischen Legitimation i. S. d. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG. Legt man hier strenge Maßstäbe an, verbietet sich jeglicher Einfluß der – von den Beschäftigten und nicht vom gesamten Volk – gewählten Beschäftigtenvertreter auf die Tätigkeit des Staats als Hoheitsträger. Sie können von vornherein nur die wahlberechtigte Beschäftigtengruppe repräsentieren, sollen deren Interessen befördern und sind auch nur durch diese Partikulargruppe »legitimiert«453 . Von einer »ununterbrochenen Kette« von Ernennungsakten, die letztlich auf das Parlament zurückreicht454 , kann keine Rede sein. Daß »gewichtige Sachargumente oft gerade von den unmittelbar Betroffenen eingebracht« würden und die gewählten Beschäftigtenvertreter daher im Sinne einer material verstandenen demokratischen Legitimation beteiligt werden müßten455 , spielt insoweit keine Rolle. Partizipation der Beschäftigten als solche und nicht als Bürger456 verfehlt den Kern des Demokratieprinzips, das nicht material auf Sachgerechtigkeit zielt, sondern formal auf den Rückbezug staatlichen Handelns auf das Volk als Souverän. »Gewichtige Sachargumente« leisten hierbei nichts 457, könnten allenfalls die Einschränkung des demokratischen Legitimationserfordernisses rechtfertigen458 . Aus demselben Grund läßt sich die Mitbestimmung der Beschäftigten nicht mit dem Argument demokratisch legitimieren, der Wille des Volkes könnte auf dem »Umweg« über Personalrat und verbindlich entscheidende Einigungsstelle effektiv und sogar »besser« durchgesetzt werden, als durch hierarchische Strukturen459, denen parteipolitisch oder durch faktische Überforderung bedingte Vollzugsdefi zite unterstellt werden. Die mithin einzig mögliche Legitimation durch die »Kette« wiederum steht dem Mitbestimmungsziel entgegen. Ernannte »Beschäftigtenvertreter« wären hoheitlich bestellte und auf das Gemeinwohl verpfl ichtete Amtswalter, auf deren Sachverstand der Staat zugreifen möchte460 . Diese Gemeinwohlbindung ist 453 Dazu NRWVerfGH v. 15. 9. 1986, 17/85, NVwZ 1987, 211 – unter II.3. der Gründe; Ossenbühl, Grenzen, S. 40. 454 Zur personell demokratischen Legitimation A.I.2.a.[3], S. 44. 455 Wendeling-Schröder, AuR 1987, 381, 383. 456 Zu dieser Unterscheidung Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), 179, 234. 457 Dezidiert Möllers, Demokratie, S. 43: »Gute Gründe schaffen keine demokratische Legitimation.« 458 Bereits I.1.c., S. 68 ff. 459 So aber Plander, PersR 1987, 13, 17 f.; ähnlich Stein, AuR 1973, 225, 226 f. 460 Ehlers, Jura 1997, 180, 183.

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unvereinbar mit einer »Repräsentation« gerade der Beschäftigten461. Von einer Interessenvertretung der Beschäftigten könnte man angesichts umfassender Weisungsrechte des Dienstherrn nicht mehr sprechen. Wie Betriebsräte dürfen auch Personalräte keinen Weisungen unterworfen sein462 . Diese fachliche Unabhängigkeit schließt wiederum die Sachverantwortung der Dienstvorgesetzten aus – und damit einen zentralen Baustein der sachlich demokratischen Legitimation463 . In diesem Zusammenhang ist das vom BVerfG 464 1959 bemühte Prinzip der Verantwortlichkeit der Regierung zu sehen: Material angesprochen ist eine Komponente der demokratischen Legitimation, keine demgegenüber eigenständige Verfassungsforderung465. [b] Mitbestimmung als legitimationsbedürftige Teilhabe an der Staatsgewalt. Angesichts dieses Befunds kann die entscheidende Frage nur dahin gehen, in welchem Maße eine demokratische Legitimation der Beschäftigtenvertreter verlangt werden muß. Anders gewendet kommt es darauf an, ob sich die Mitbestimmung in Personal- und Verwaltungsrat mit der Ausübung von Staatsgewalt gleichsetzen läßt. Zweifel bestehen, weil die Beschäftigtenvertreter – auch nach der Trennung des Mitbestimmungsrechts für private Unternehmen und öffentliche Verwaltungen – nicht (unmittelbar) hoheitliche, sondern vielmehr arbeitsrechtliche Funktionen wahrnehmen466 . Das kann freilich nicht für den Bereich der direktiven Mitbestimmung gelten467, die den Beschäftigten gerade erlaubt, Leitungsentscheidungen mitzugestalten. Aber auch die Beschäftigtenpartizipation an »internen« Organisations-Entscheidungen des mitbestimmten Arbeitgebers zeitigt Wechselwirkungen mit dessen Außentätigkeit. Plastisches Beispiel ist die Mitbestimmung bei den personellen Einzelmaßnahmen Einstellung und Versetzung: Hier berührt jede Mit-Entscheidungskompetenz des Personalrats nicht nur mittelbar die Amtstätigkeit468 , sondern zudem unmittelbar die per461 Zum Personalrat als »Repräsentant der Gesamtheit der Beschäftigten« Richardi/Dörner/Weber, BPersVG, Einleitung Rn. 74. 462 Zur Unabhängigkeit der Personalräte Richardi/Dörner/Weber/Treber, BPersVG, § 46 Rn. 6. 463 Ossenbühl, Grenzen, S. 42 ff. 464 [Senat] V. 27. 4. 1959, 2 BvF 2/58, BVerfGE 9, 268 = NJW 1959, 1171 – »Bremer Personalvertretung«. 465 Dazu Kisker, PersV 1985, 137, 138. 466 Wendeling-Schröder, AuR 1987, 381, 383 ff.; v. Roetteken, NVwZ 1996, 552, 553. 467 Beispiel ist die Beschäftigtenpartizipation im Verwaltungsrat der Sparkasse nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ThürSpkG. Als einziges Bundesland hat Bayern keine Unternehmensmitbestimmung in öffentlichrechtlichen Sparkassen eingeführt – verfassungsrechtlich ist das nicht zu beanstanden; BayVerfGH v. 14. 2. 2011, V f. 2-VII-10, ZIP 2011, 664. 468 Richtig betont Schelter, RdA 1977, 349, 351, daß Personalentscheidungen »materiell ein unübersehbarer Einfluß auf den Inhalt außengerichteter Verwaltungstätigkeit zukommt.« Anders etwa Stein, AuR 1973, 225, 227 ff.

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sonelle Legitimation des Amtswalters – und damit das demokratische Legitimationserfordernis. Die Unterscheidung zwischen Beamten und öffentlichen Angestellten spielt dabei keine Rolle, wenn und weil auch Letztere Staatsaufgaben wahrnehmen469. Mithin läßt sich die Hoheitstätigkeit des Staates und mit ihr das Verfassungsgebot demokratischer Legitimation nicht von den arbeitsrechtlichen Beziehungen des Staates zu seinen Beschäftigten trennen. Ein weitgehend außenwirkungsfreier Kreis »eigener« Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten läßt sich nicht defi nieren; die Legitimationsfrage stellt sich selbst dann, wenn sich staatliche Maßnahmen auf den Binnenbereich der Verwaltung beziehen470 . Daher steht die Beschäftigtenpartizipation unausweichlich in Konfl ikt mit dem Demokratieprinzip. Der Staat tritt seinen Beamten und Angestellten stets (auch) als Hoheitsträger gegenüber, nicht als quasi-privater Nur-Arbeitgeber471. [c] Mitbestimmungsrestriktion im Interesse demokratischer Legitimation. Damit ist auch gesagt, daß die Verfassung über das Demokratieprinzip zwingende Vorgaben für die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst aufstellt. Das BVerfG hat jene Schranken in der Entscheidung »Einigungsstelle SchleswigHolstein«472 in doppelter Hinsicht konkretisiert: Mitbestimmung der Beschäftigten erlaube das Grundgesetz nur, wenn sie sich auf innerdienstliche Maßnahmen bezieht und auch dann nur soweit sie die »spezifischen, in dem Beschäftigungsverhältnis angelegten Interessen« der öffentlich Beschäftigten rechtfertigen (Schutzzweckgrenze). Überdies muß bei staatlich-hoheitlichen Entscheidungen von einiger Bedeutung das Letztentscheidungsrecht eines personell demokratisch legitimierten Amtsträgers gesichert sein (Verantwortungsgrenze). Mit Blick auf die »Bedeutung« staatlichen Handelns unterscheidet das Verfassungsgericht drei Konstellationen: Betrifft die jeweilige Angelegenheit die Interessen der Beschäftigten in deren Beschäftigungsverhältnis zumindest ausreichend, um mit Rücksicht auf die Schutzzweckgrenze Spielraum für Mitbestimmung zu eröffnen, hängt die verfassungsrechtlich zulässige Mitbestimmungsintensität innerhalb jenes Spielraums davon ab, ob zugleich die Wahrnehmung der Amtsaufgaben – typischerweise nicht oder zumindest nur unerheblich, – typischerweise nicht nur unerheblich oder – schwerpunktmäßig betroffen ist.

469 470 471 472

Dazu Schelter, RdA 1977, 349, 355 f.; Vogel, MDR 1959, 894, 896 f. Battis/Kersten, DÖV 1996, 584, 585. Anders Kempen, AuR 1987, 9, 12 ff.; in dieselbe Richtung Ritter, JZ 1972, 107, 111. BVerfG [Senat] v. 24. 5. 1995, 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37 = NVwZ 1996, 574.

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Während die Verfassung in dem ersten Bereich Mitbestimmung auch durch die verbindlich entscheidende Einigungsstelle erlaube und ein Evokationsrecht übergeordneter Dienststellen als Korrektiv im Einzelfall ausreiche, um das erforderliche Maß demokratischer Legitimation zu gewährleisten, fordert das BVerfG für den dritten Bereich eine auf Mitwirkung beschränkte Mitbestimmung. Entscheidungen der Einigungsstelle dürften nur Empfehlungen sein. Dazwischen müsse entweder das Letztentscheidungsrecht eines dem Parlament verantwortlichen Entscheidungsträgers gewährleistet oder nach dem »Prinzip der doppelten Mehrheit«473 entschieden werden. Eine verbindlich entscheidende Einigungsstelle müßte also mehrheitlich mit personell demokratisch legitimierten Amtsträgern besetzt sein, die zudem die Einigungsstellen-Entscheidung mehrheitlich befürworten. Im Ergebnis ist »echte« Mitbestimmung jenseits der ersten Ebene faktisch ausgeschlossen, die beiden strengeren Legitimationsniveaus erlauben keine Entscheidung gegen den Willen der Dienststelle – den Beschäftigten bleibt letztlich nur eine besondere Form der Mitwirkung474 über Unterrichtungsund Beratungsrechte. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß den Beschäftigtenvertretern auch in den sensibelsten Bereichen erheblicher Einfluß eingeräumt wird: Ein gewisser Einigungsdruck geht schon von dem Umstand aus, daß ein Beteiligungsverfahren gesetzlich angeordnet ist. Mit Blick auf das Demokratieprinzip ist ein Letztentscheidungsrecht zwar zwingend. Daß dieses Recht aber in jedem Einzelfall tatsächlich ohne Rücksicht auf die Personalvertretung ausgeübt werden sollte, ist praktisch kaum denkbar475 und liefe der erkennbaren Intention gesetzlich vorgeschriebener Mitwirkung entgegen. Außerdem bewirkt das Letztentscheidungsrecht nur einen graduellen Unterschied: Auch wenn die Einigungsstelle nicht verbindlich entscheidet, »vergesellschaftet« zwingende Beschäftigtenbeteiligung im Vorfeld hoheitlicher Maßnahmen die Staatstätigkeit teilweise476 und begründet nicht-egalitären Sondereinfluß auf hoheitliches Handeln, der bei öffentlich Bediensteten noch durch den gleichsam unmittelbaren Zugriff auf die Staatsmacht kraft eigener Amtstätigkeit ergänzt wird477. Auch bei bloßer Mitwirkung des Personalrats ist dieser Einfluß nicht nur argumentativ. Die Kooperation der Beschäftigtenvertreter muß gegebenenfalls an anderer Stelle »belohnt« werden478 . Zudem können Verwaltungsentscheidungen erheblich verzögert und (im Extremfall) faktisch verhindert werden479. Kritisch zu sehen ist ferner die ausdifferenzierte 473

Zu ihm Böckenförde, HStR II, § 24 Rn. 19 und dort Fn. 28. Battis/Kersten, DÖV 1996, 584, 590. 475 Schenke, JZ 1991, 581, 589. 476 Auch dazu Schenke, JZ 1991, 581, 583. 477 Hierzu Zeidler, DVBl. 1973, 719, 724; Schelter, RdA 1977, 349, 352. 478 Schenke, JZ 1991, 581, 590 f. betont die Gefahr des Koppelungsgeschäfts bei allen Initiativrechten – einschließlich derer ohne Zugang zur Einigungsstelle. 479 Schenke, PersV 1992, 289, 301. 474

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Übersetzung des Drei-Ebenen-Modells in Detailregelungen: Das BVerfG hat die drei Niveaus anhand einzelner Mitbestimmungstatbestände exemplifiziert480 und dem (Landes-)Gesetzgeber detaillierte Vorgaben ins Stammbuch geschrieben. Angesichts des hochabstrakten Maßstabs »Demokratieprinzip« ist dies eine bedenkliche Einschränkung des politischen Gestaltungsspielraums 481, die in Einzelheiten nicht mit dem Begründungsansatz hinter dem dreistufigen Modell harmoniert482 . Richtig ist aber der grundlegende Ansatz, die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst einzuschränken, um die demokratische Legitimation staatlichen Handelns zu sichern. Der Gedanke läßt sich dahin zuspitzen, daß jene Mitbestimmung in Art. 20 Abs. 2 GG »nicht ihren Grund, sondern ihre Grenze« hat483 . Auch ein selbstbestimmungszentriertes Demokratiemodell vermag die Mitbestimmung der Personalräte nicht zu rechtfertigen. Die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten lassen sich nicht als »eigene« Angelegenheiten der betroffenen öffentlich Bediensteten defi nieren, weil diese Arbeitsbedingungen eng mit der Amtstätigkeit verschränkt sind und ergo mittelbar Außenwirkung zeitigen, die auf demokratische Legitimation durch das Gesamtvolk angewiesen ist. Mithin läßt sich auch aus einem für den Gedanken der Selbstbestimmung geöffneten Demokratieprinzip484 kein Partizipationsrecht der Beschäftigten im öffentlichen Dienst ableiten, sondern allenfalls intensivierte Bürgerbeteiligung an Verwaltungsentscheidungen485. [3] Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der jeweiligen Teilhaberechte Beschäftigtenpartizipation im öffentlichen Dienst bedeutet besondere Teilhaberechte für eine funktional abgegrenzte Partikulargruppe von Bürgern und damit eine Einschränkung oder Durchbrechung der demokratischen Egalität486 . Diese Form der Mitbestimmung bei der Ausübung von Staatsgewalt läuft dem Demokratieprinzip zuwider, weil dessen Grundgedanke der politischen Gleichberechtigung negiert wird. Daß hinter der öffentlichrechtlichen Beschäftigtenmitbestimmung gewichtige materiale Gründe stehen487 und die 480 Überblick über die Zuordnung bei Richardi/Dörner/Weber, BPersVG, Einleitung Rn. 47 ff. 481 Battis/Kersten, DÖV 1996, 584 ff. Ähnlich Dreier, GG, Art. 28 Rn. 69, dessen Ansicht nach das BVerfG das Homogenitätsgebot mit allzu detaillierten Deduktionen aus dem Demokratieprinzip überstrapaziert. 482 Dazu Richardi/Dörner/Weber/Kaiser, BPersVG, § 75 Rn. 412, 486 und 535. 483 Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S. 329, 351. 484 Bereits I.2., S. 71 ff sowie I.3., S. 76 ff. 485 Schelter, RdA 1977, 349, 353. 486 Klein, PersV 1990, 49, 54. 487 Für eine grundrechtliche Wertungsgrundlage Sterzel, Grundrechtsidee und Demokratieprinzip, S. 156 ff., der S. 172 vergleichbar der hier vertretenen Ansicht eine »Kollision« zweier Verfassungsprinzipien sieht: »Demokratiegebot versus Gebot der Grundrechtseffektuierung in der Konsequenz der objektivrechtlichen Seite der Grundrechte«; Richardi/Dör-

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Rationalität von Verwaltungsentscheidungen durch die Mitbestimmung unter Umständen sogar gesteigert werden kann, betrifft allenfalls die Rechtfertigungsebene. Mitbestimmung muß als »nicht nur demokratisches Phänomen«488 eingeordnet werden; die Teilhaberechte der Beschäftigten haben mit demokratischer Teilhabe nichts zu tun. Die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst führt mithin nicht zur Demokratisierung von Verwaltung oder Gesellschaft, sondern wirkt als Grenze der Demokratie. Eine solche Beschränkung läßt sich auch mit Rücksicht auf die Wertungsgrundlagen der Mitbestimmung nicht als »Ausdruck von demokratischer Verfassung«489 begreifen, kann sie doch denknotwendig nur den Sinn haben, »undemokratische« Entscheidungen zu rechtfertigen490 . Umgekehrt rechtfertigt gerade diese Verschiedenheit der Wertungsgrundlagen Mitbestimmungsforderungen im öffentlichen Dienst: Sind die Arbeitsbedingungen der öffentlich Beschäftigten keine »selbstverwaltungstauglichen« eigenen Angelegenheiten, müßte eine demokratisch fundierte Mitbestimmung gegenüber dem »volldemokratisierten« Arbeitgeber Staat in der »Identität von Arbeitgebern und Arbeitnehmern« aufgehen491. Hinter der Mitbestimmung steht folglich nicht die Gleichberechtigung aller Bürger im Volk, sondern nur die Sonderstellung der Beamten und öffentlichen Arbeitnehmer, die vom Bürgerstatus nicht konsumiert wird. Ähnlich wie Arbeitnehmer einer Gewerkschaft im Verhältnis zu dieser Koalition auch dann »nur Arbeitnehmer« sein können, wenn sie zugleich Mitglied ihres Arbeitgebers sind492 , sind Beschäftigte des öffentlichen Dienstes im Verhältnis zum Staat zunächst Beamte oder Arbeitnehmer, lassen sich also nicht auf die Bürgerrolle reduzieren. Die Teilhabe an der Willensbildung des Arbeitgebers qua Mitbestimmung ist in beiden Fällen nur zu rechtfertigen, weil diese Partizipation nicht strukturgleich mit den anderen Teilhaberechten der Arbeitnehmer respektive Beschäftigten ist. Anders ausgedrückt sind die demokratischen Teilhaberechte kein Grund, Mitbestimmungsrechte zu beschneiden. Daß die Mitbestimmung in Gewerkschaften und im Staat eingeschränkt ist, erklärt sich in der Gewerkschaft aus dem Tendenzschutz 493 und im Staat eben aus dem Demokratieprinzip. Also: Die Verschränkung von Demokratie und Beschäftigtenpartizipation im öffentlichen Dienst belegt, daß nicht sämtliche Partizipationsanliegen aus dem Demokratieprinzip als gemeinsamer Grundlage erklärt werden können. ner/Weber/Kersten, BPersVG, § 104 Rn. 21 hebt auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten ab. Dazu näher unter § 3 A.II.1., S. 165 ff. 488 Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), 179, 190 m. w. N. 489 Dazu Wendeling-Schröder, AuR 1987, 381, 387. [Hervorhebung im Original.] 490 Dezidiert Möllers, Demokratie, S. 72. 491 Tendenziell Adomeit, ZRP 1987, 75, 77. 492 Lessner-Sturm, Gewerkschaften als Arbeitgeber, Rn. 889 f. mit Blick auf das Koalitionsrecht. 493 Eingehend Lessner-Sturm, Gewerkschaften als Arbeitgeber, Rn. 121 ff.

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Der Unterschied in der Wertungsgrundlage zeigt sich daran, daß beide Partizipationsformen sich gewissermaßen gegenseitig begrenzen: Das Demokratieprinzip verbietet den nicht demokratisch legitimierten Zugriff auf staatliche Macht, rechtfertigt aber andererseits keine Mitbestimmungsreduktion mit dem Hinweis auf politische Teilhaberechte. b. Selbstverwaltung in der Wirtschaftsdemokratie [1] Wirtschaftsdemokratie und Sonderverfassung der Wirtschaft Derselbe Konfl ikt von Demokratie und Mitbestimmung staatlichen Handelns wird mit Blick auf die »obere« Ebene der vertikal gegliederten Wirtschaftsdemokratie sichtbar, dem Konzept einer »Sonderverfassung der Wirtschaft«494 . Hier geht es ersichtlich um einen Sondereinfluß der »besonders betroffenen« Unternehmer und Arbeitnehmer auf die staatliche Wirtschaftspolitik, als dessen deutlichste Ausprägung der (vorläufige) Reichswirtschaftsrat sowie der (rechtspolitisches Planspiel gebliebene) Bundeswirtschaftsrat anzusehen sind. Das historische Scheitern des Rätemodells ist aus ordnungspolitischer Sicht zu begrüßen: Werden hoheitliche und private Kompetenz derart verschränkt, ist ein interner Interessenkonfl ikt strukturell angelegt, die Verantwortung für die später in Recht umgesetzten Ergebnisse des Trialogs von Staat und paritätisch repräsentierter Wirtschaft wird verschleiert495. Zudem wird gesellschaftlichen Partikulargruppen (eingeschränkter) Zugriff auf die Staatsmacht erlaubt – ein letztlich antidemokratisches496 Element korporatistischer »Verbände-Demokratie«497. (Berufs-)Ständeparlamente lassen sich nicht in das Demokratieprinzip einordnen. Sie sind aber andererseits nicht a limine verfassungswidrig: Nah an einer solchen »Ständekammer«498 war etwa der – 1998 abgeschaffte499 – bayerische Senat. Als zweite Kammer eines parlamentarischen Systems war der Senat insofern besonders, als er nach den Art. 34 ff. BV a. F. vorwiegend als beratendes Organ konzipiert war500 – freilich mit eigenem Gesetzesinitiativrecht. Seine Mitglieder wurden nicht vom gesamten Landesvolk gewählt, sondern von den »zuständigen Körperschaften des öffentlichen oder privaten Rechts nach demokratischen Grundsätzen«, Art. 36 Abs. 1 Hs. 1 494

Schon § 1 C.III.2.b., S. 16 ff. Vgl. hierzu Rieble, RdA 1999, 169, 173 ff. 496 Vgl. Scholz, Deutschland, S. 83; zurückhaltender F. Neumann, State, S. 191. Unkritisch Stern, Staatsrecht V, S. 618: an sich innovative Idee. 497 Stern, Staatsrecht V, S. 618. 498 Freilich wird die Einordnung als berufsständische Kammer der Besetzung des Senats nicht gerecht, dazu Badura, BayVBl. Beilage zu Heft 24/1997, I, II. 499 Gesetz zur Abschaffung des Bayerischen Senats v. 20. 2. 1998, GVBl 1998, S. 42. Dazu BayVerfGH v. 17. 9. 1999, V f. 12-VIII-98 u. a., VerfGHE BY 52, 104 = NVwZ-RR 2000, 65. 500 Noch weitergehend Badura, BayVBl. Beilage zu Heft 24/1997, I, II: kein Organ der gesetzgebenden Gewalt. 495

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BV a. F. Diese gesellschaftliche, teilweise ständische Repräsentation konnte der bayerische Verfassungsgeber schon deshalb unproblematisch installieren, weil er an das Demokratieprinzip seiner »Neu-Verfassung« naturgemäß nicht gebunden war. Indes fand die allgemeine Meinung auch angesichts Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG nichts gegen den Senat einzuwenden 501. Rechtfertigen ließ sich der bedenkliche Sondereinfluß (unter anderem) bestimmter Berufszweige freilich nur mit Blick auf die eingeschränkten Kompetenzen der Ständekammer502 . Die demokratische Legitimation staatlicher Entscheidungen ist erst dann gefährdet, wenn partikularer Einfluß eine bestimmte Schwelle überschreitet. Dabei sind freilich nicht nur echte Mitentscheidungsrechte zu berücksichtigen, sondern auch der faktische Einfluß durch Verzögerung von Entscheidungen und Koppelungsgeschäfte503 . Ob das Demokratieprinzip ein nicht egalitäres sondern etwa ständisches Element im Gesetzgebungsverfahren erlaubt, richtet sich nach dem Maß des Einigungsdrucks. Rechtlich vorgesehene oder faktisch erzwingbare Mitentscheidung einer Ständevertretung verletzt die demokratische Legitimation, Beratung und nur argumentativer Einfluß sind unschädlich. Mithin ist eine Parlamentskammer, die nicht wenigstens mittelbar durch egalitäre Wahlen legitimiert ist, auf bloße Mitwirkung beschränkt 504 . Anders ausgedrückt fordert das Demokratieprinzip ein klares Übergewicht der vom Volk gewählten Kammer505. Also: Ein Bundeswirtschaftsrat ließe sich in die Demokratie des Grundgesetzes durchaus integrieren. Die entsprechende Verfassungsänderung untersagt Art. 79 Abs. 3 GG nicht, weil eine ständische Vertretung im Gesetzgebungsverfahren installiert werden kann, ohne die demokratische Legitimation der Parlamentsgesetze zu beschädigen. Entscheidend kommt es auf die Befugnisse der Wirtschaftskammer an: sie dürfen nicht die Qualität auch nur faktischer Mitentscheidungsrechte erreichen 506 . Als Ergebnis steht nicht die Integration eines ständischen Elementes in die Demokratie, sondern die Verschränkung hoheitlicher und privater Repräsentation, die auf je verschiedene Legitimationsansätze zurückzuführen ist. Das galt für die Konzertierte Aktion nicht anders als für das »zentrale« Bündnis für Arbeit der Regierung Ger-

501 Statt vieler AK-GG/Bothe, Art. 28 Abs. 1 I Rn. 10: das Homogenitätsgebot verlange nur eine vom Volk gewählte Kammer mit »materiell bedeutsamen Gesetzgebungs- und Kontrollfunktionen«. 502 Herdegen, HStR IV2 , § 97 Rn. 18. 503 Vgl. zur Beschäftigtenmitbestimmung a.[2][c], S. 91. 504 Tendenziell anders Maunz/Dürig/Scholz, GG, Art. 28 Rn. 37. 505 Dreier, GG, Art. 28 Rn. 67. 506 Großzügiger Maunz/Dürig/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 20, der nach entsprechender Verfassungsergänzung Mitentscheidungsrechte des Bundeswirtschafts- oder -sozialrats akzeptieren will.

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hard Schröder507. Demokratisch legitimiert ist in solchen Trialogen nur der Staat, hinter dem das vom Volk gewählte Parlament stehen muß. Die gesellschaftlichen Verbände repräsentieren ihre Mitglieder und können sich allein auf deren autonome Legitimation berufen. Sie verfehlen ihren Verbandszweck um so deutlicher, je intensiver sie zum Staat hingeordnet werden 508 , und nicht mehr ein gruppenegoistisches Interesse verfolgen (können), sondern auf das Gemeinwohl ausgerichtet werden 509. Dem ursprünglichen wirtschaftsdemokratischen Impetus wird bloß argumentativer Einfluß im Trialog mit Arbeitgebern und Staat freilich nicht gerecht: Entworfen wurde das Konzept der Demokratisierung der Wirtschaft als Strategie, nach der die »unmittelbare Beteiligung der als Produzenten organisierten Arbeiter, d. h. der Gewerkschaften, an allen Organen der Wirtschaftspolitik sich ständig ausdehnt.«510 Zentraler Gedanke war weniger der Einfluß auf einzelne Betriebe und Unternehmen, sondern der Zugriff auf die staatliche Wirtschaftspolitik, die verstärkt auf Intervention in die Privatwirtschaft und konkrete Wirtschaftslenkung ausgerichtet werden sollte511. Mit dem auf politische Gleichberechtigung fokussierten Demokratieprinzip steht diese »Produzentendemokratie« selbst dann in Widerspruch, wenn die Konsumenten integriert werden 512 . Die Verbraucher als Gruppe in die Räteverfassung einzubinden 513 , erreicht nicht Egalität, sondern »optimiert« allenfalls die Betroffenenbeteiligung. Entscheidungsteilhabe nur und gerade der Betroffenen hat zwar Bezüge zum Demokratieprinzip, widerspricht aber zugleich der demokratischen Gleichheit. Jede Form rechtlich fi xierter »Mitbestimmung« der Wirtschaftspolitik durch die Verbände des Wirtschaftslebens setzt ein gemeinsames Forum voraus, dessen Tätigkeit vom Erfordernis demokrati-

507 Dazu Rieble, RdA 1999, 169 ff. Zur konzertierten Aktion noch Thiele, DVBl. 1970, 529 ff. 508 Eben deshalb dürfen öffentlichrechtliche Arbeitnehmerkammern mit Zwangsmitgliedschaft angesichts Art. 9 Abs. 3 GG nicht als »Ersatzgewerkschaft« installiert werden; vgl. BVerfG [Senat] v. 18. 12. 1974, 1 BvR 430/65, 1 BvR 259/66, BVerfGE 38, 281 = NJW 1975, 1265 – »Arbeitnehmerkammer«. Zur Unvereinbarkeit eines branchen- oder auch nur unternehmensübergreifenden Rätesystems mit der Koalitionsfreiheit noch Rieble, ZIP 2001, 133, 139. 509 Zu einer solchen »Verstaatlichung der Verbände« etwa Watrin, Demokratisierung, S. 124, 139 f. mit Blick auf die konzertierte Aktion; weiter Biedenkopf, BB 1968, 1005, 1008 ff.; Rieble, RdA 1999, 169, 170 ff. 510 Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, S. 117 ff., 126. 511 Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, S. 35: »Unterwerfung der organisierten Wirtschaftsmächte unter die Macht des demokratischen Staates«. 512 Anders Böhm, ORDO 4 (1951), 21, 27 ff., 97 f., der die wirtschaftliche Mitbestimmung eben deshalb nicht als »demokratische Einrichtung« gelten lassen will, weil die Produzenten nicht an den Willen der Konsumenten gebunden werden. 513 Den Versuch unternimmt Michael Albert (Parecon, insbesondere S. 198 ff.) in seinem Modell einer post-kapitalistischen Wirtschaftsverfassung.

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scher Legitimation befreit ist 514 . Korporative Elemente wie etwa eine institutionalisierte Integration gesellschaftlicher Organisationen in staatliche Entscheidungen und die Delegation staatlicher Funktionen auf autonome Einheiten 515 begründen keine »korporative Demokratie«, sondern verfehlen den demokratischen Kerngedanken der wechselseitigen Anerkennung als politisch gleichwertig. Also: Die »staatsbezogene« Wirtschaftsdemokratie ist keine Demokratie. Sie zielt auf rechtlichen Einfluß der Verbände auf die Staatswillensbildung, auf die korporative Mitbestimmung der Wirtschaftspolitik in einer Sonderverfassung der Wirtschaft. Das führt – unabhängig von den so verfolgten und umgesetzten Zielen – nicht zu einer »Demokratisierung« dieser Wirtschaftspolitik, sondern ist ein Angriff auf deren demokratische Steuerung. Die Integration der Verbände in die Wirtschaftspolitik ist zwar nicht nur in der funktionalen Selbstverwaltung möglich, sondern auch in den demokratischen Makro-Strukturen. Entgegen moderner wirtschaftsdemokratischer Forderungen 516 sind die integrierten Korporationen indes zwingend auf eine beratende Rolle diesseits rechtlicher oder faktischer (Mit-)Entscheidungsbefugnisse zu beschränken. [2] »Überbetriebliche Mitbestimmung« Echte Lenkungsbefugnisse sind gerade die Prämisse der zweiten, »niederen« Stufe der Wirtschaftsdemokratie: »Demokratisiert« sollten auch die einzelnen Unternehmen werden. Gedacht war an planwirtschaftliche Steuerung im »überbetrieblichen«517 Gesamtinteresse. Damit ist Mitbestimmung i. S. einer Teilhabe an der Willensbildung des Unternehmers nicht zu vereinbaren, kann doch Teilhabe an privaten Unternehmer-Entscheidungen nur wirksam werden, wenn der mitbestimmte Unternehmer auch eigenständig entscheidet 518 ! Der wirtschaftsdemokratische Ansatz zielt deshalb auch nicht darauf, unabhängige Unternehmensleitung im privaten Eigeninteresse dezentral zu beeinflussen, sondern de facto zu unterbinden, konkret: in einen gesamtwirtschaftlichen Plan einzuordnen 519. Eine solche Plansteuerung der Wirtschaft 514

Watrin, Demokratisierung, S. 124, 142. Hierzu Teubner, JZ 1973, 545, 546 ff. 516 Stellvertretend Demirovic´, WSI-Mitteilungen 2008, 387, 392, der »gesellschaftspolitische Mitspracherechte« für die Gewerkschaften einfordert – freilich nicht etwa nur im Bereich der Wirtschaftspolitik, sondern »über großtechnologische Entwicklungen, über relevante Konsummuster, über gesellschaftspolitisch relevante Investitionen, über Bildung und Qualifi kation«. Aufgeschlossen gegenüber einer Mitbestimmung auf der Makro-Ebene auch Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG, Einleitung Rn. 49. 517 Der Terminus ist irreführend. In der Sache ist eine volkswirtschaftliche Globalsteuerung oberhalb der Unternehmensebene gemeint. Dazu schon v. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 21 und dort Fn. 1. 518 Hierzu Schilling, ZHR 128 (1966), 217, 231 f.; Böhm, ORDO 4 (1951), 21, 185 ff. 519 Deutlich Böhm, ORDO 4 (1951), 21, 46. 515

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unter maßgebendem Einfluß der Gewerkschaften hat es in (West-)Deutschland zu keinem Zeitpunkt gegeben – auch nicht unter dem Regime der Räteverfassung nach Art. 165 WRV. Der »demokratische Zentralismus« der DDR 520 kommt der Wirtschaftsdemokratie insoweit näher, setzt freilich den Akzent der Planwirtschaft allein auf die staatliche Wirtschaftslenkung und verfehlt damit das Selbstverwaltungsmoment der Wirtschaftsdemokratie521 als »Betroffenenbeteiligung«522 . Freilich wollten auch die Väter der Wirtschaftsdemokratie dezentrale Mitbestimmung durch Betriebsräte und Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat nach BRG 1920 nicht in ihr Konzept integrieren 523 : Weil auf betrieblicher und Unternehmensebene Leitungsentscheidungen nicht getroffen, sondern vollzogen werden sollten 524 , mußten MitEntscheidungsbefugnisse für Betriebsräte und deren Vertreter im Aufsichtsrat von vornherein als Störfaktor begriffen werden. [3] Wirtschaftsdemokratie zwischen Demokratieprinzip und Mitbestimmung Beide »Stufen« der Wirtschaftsdemokratie haben mit Demokratie zu tun: Die Sonderverfassung der Wirtschaft mit intensivierten Teilhaberechten (nur) der Produzenten widerspricht zwar der demokratischen Egalität, läßt sich aber durchaus in ein partizipatives, auf Selbstbestimmung ausgerichtetes Demokratieverständnis integrieren, wie es das BVerfG für die funktionale Selbstverwaltung entwickelt hat 525. Ob sich das Legitimationskettenmodell und das dahinterstehende Egalitätsprinzip auch für Angelegenheiten von zentraler Gemeinwohlrelevanz derart einschränken lassen, ist freilich mehr als zweifelhaft. Erinnert sei an die Vorbehaltsbereiche, die das BVerfG in seiner »Lissabon-Entscheidung«526 festgelegt hat, um die Regelung zentraler Lebensbereiche an die nationale Volkswahl rückzukoppeln. Aus demokratischer Perspektive steht die andere Seite der Wirtschaftsdemokratie unter nachgerade gegensätzlichen Vorzeichen: Nicht um die demokratische Selbstbestimmung in dezentralen Einheiten geht es hier, sondern um die Öffnung partikularer, nämlich privater, Unternehmen und Betriebe für den Zugriff des Staates. Hier

520

Zu ihm bereits § 1 C.V.2., S. 30 f. Zur Wirtschaftsdemokratie als »Erscheinungsweise der Selbstverwaltung« Badura, RdA 1976, 275, 279. 522 Dazu Ramm, FS Duden, S. 439, 460 f., 464 f.; Lohmann, Arbeitsrecht der DDR, S. 25. 523 Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, S. 143 f. 524 Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, S. 151 ff. 525 Hierzu I.2.b., S. 74. 526 BVerfG [Senat] v. 30. 6. 2009, 2 BvE 2/08 u. a., BVerfGE 123, 267 = NJW 2009, 2267 – »Lissabon-Vertrag« Rn. 249 ff. 521

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läßt sich ein »echter« Demokratisierungsgedanke erkennen: Im Ergebnis freiheitsfeindlich wird individuelle Freiheit zugunsten kollektiver beseitigt 527. Die Mitbestimmung heutiger Prägung steht beiden Grundlinien der Wirtschaftsdemokratie gleichermaßen fern: Sie zielt auf Teilhabe an der Willensbildung privater Arbeitgeber, eine staatsorientierte Komponente fehlt. Andererseits geht es nicht um »überbetriebliche« Wirtschaftslenkung, die im einzelnen Betrieb oder Unternehmen nurmehr durchgesetzt werden müßte, sondern gerade um dezentrale Teilhabe an der Unternehmensleitung und der Gestaltung der betrieblichen Arbeitsbedingungen. Anders ausgedrückt: Wenn Wirtschaftsdemokratie für die Teilhabe der Produzenten, insbesondere der Arbeitnehmer, an der Konzeption einer staatlich gelenkten Planwirtschaft steht, dann ist die Mitbestimmung ein aliud. Sie steht für Teilhabe der Arbeitnehmer an der Führung privater Unternehmen und Betriebe. c. Sonderpartizipationsrechte als Einschränkung des Demokratieprinzips Mitbestimmungsteilhabe von Beschäftigten und Arbeitnehmern bei der Ausübung von Hoheitsmacht ist keine Demokratie, sondern muß vor dem Demokratieprinzip gerechtfertigt werden. Die jeweiligen Teilhaberechte sind nicht gegeneinander austauschbar. Sie haben weder denselben Grund, knüpfen einmal an den Bürgerstatus und einmal an die arbeitsrechtliche »Betroffenheit« an, noch dieselbe Richtung: Während demokratische Teilhabe auf die originäre Defi nition des Staatswillens zielt, geht es bei der Mitbestimmungsteilhabe darum, einen bereits »mitbestimmungsoffen« gebildeten Willen des Staates zu beeinflussen. Anders gewendet erfüllen die Teilhaberechte in Demokratie und Mitbestimmung eine grundlegend andere Funktion. 2. Teilhabe durch Vertrag und durch Abstimmung Mit Blick auf die Teilhaberechte der Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft dürfen nicht nur die betriebliche und die Unternehmensmitbestimmung als einheitliches Mitbestimmungssystem gesehen werden 528 .

527

Zur Demokratisierung bereits unter A.II.4., S. 55 ff. Dazu, daß jedenfalls diese beiden Formen der institutionellen Mitbestimmung als Einheit zu sehen sind, Rieble, Mitbestimmung, S. 9 ff. Rn. 41; weiter Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 95 ff.; Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 2, S. 27. Anders Thüsing, Europäische Perspektiven, S. 95 ff. Rn. 21; auch Jacobs, ZIP Beilage zu Heft 48/2009, 18 sieht zwei »funktionell unterschiedliche Beteiligungsmodelle, die nicht miteinander verquickt werden sollten.« 528

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a. Tarifrechtliches Teilhabe-Modell [1] Tarifvertrag und Streik als Subsysteme der Mitbestimmung Auch Tarifvertrag529 und Streik 530 lassen sich als Ausprägung derselben Mitbestimmungsidee verstehen. Die Mitbestimmungsformen sind ideell verwandt 531 und können – über die gesetzliche Ermächtigung zu »Mitbestimmungsnormen« im Tarifvertrag, beispielsweise nach dem Modell des § 3 BetrVG532 – aufeinander bezogen werden. Vor allem aber sind sie auch als prinzipiell getrennte Systeme großenteils funktional gleichwertig und damit austauschbar533 ; sie bilden insoweit ein bewegliches System: So regeln unterschiedliche Rechtsordnungen verschieden, auf welchem Weg Arbeitnehmer dieselben Ziele verfolgen und dieselben Interessen geltend machen können 534 , ohne daß der materiale Einfluß auf die Entscheidung deshalb signifi kant anders zu bewerten wäre. Den deutschrechtlichen Dreiklang von betrieblicher Mitbestimmung, Unternehmensmitbestimmung und Tarifautonomie hat Rüthers535 als ein »System kommunizierender Röhren« beschrieben. Diese Bild erfaßt zwar die funktionale Austauschbarkeit, muß aber noch um den wachsenden Bereich der Mitbestimmungskumulation ergänzt werden: die »Ebenen« der Mitbestimmung »kommunizieren« nicht nach einem strengen Röhrenmodell, sondern überschneiden sich in erheblichem Maße. So erlaubt etwa § 3 BetrVG den Tarifparteien, den »Betrieb« i. S. d. BetrVG und damit die betriebsratsfähige Einheit qua Tarifvertrag zu defi nieren. Betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen kann der Tarifvertrag nach § 3 Abs. 2 TVG mit Außenseiterwirkung regeln 536 , und damit Mitbestimmungsrechte beschneiden, § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG. Umgekehrt können jedenfalls nach Ansicht des BAG Mitbestimmungsrechte im Tarifvertrag neu begründet oder verstärkt werden 537, und der Tarifvertrag kann den Außenseiterzugriff über Indienstnah-

529 Säcker, AG 2008, 17, 18: Unternehmensmitbestimmung, Tarif- und Betriebsautonomie als die »drei Säulen« der Mitbestimmung der Arbeitnehmer; weitere Nachweise bei Däubler, Grundrecht, S. 8. 530 Däubler, Grundrecht, S. 27 ff. 531 Zur Betätigung der Koalitionsfreiheit als Form der Mitbestimmung etwa Ridder, Soziale Ordnung, S. 104 f. 532 Wie weit die »tarifvertragliche Mitbestimmung« ausgebaut werden kann, skizziert Hopt, ZfA 1982, 207, 214 ff. am Beispiel Schwedens. 533 Däubler, Grundrecht, S. 13 f. 534 Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 2, S. 30; eingehend Heuschmid, Mitentscheidung, S. 109 ff. mit Blick auf die Mitentscheidung der Arbeitnehmer bei unternehmenspolitischen Entscheidungen. 535 NZA 2007, 426, 428. 536 Dazu etwa Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 417. 537 Mit umfangreichen Nachweisen zum Stand der Diskussion Richardi, BetrVG, Einleitung Rn. 144 ff.; weiter Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 451 ff.

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meregelungen mit Hilfe des Betriebsrats realisieren 538 . Insoweit stößt die Kumulation weniger an rechtliche, sondern eher an praktische Grenzen: Nichtinstitutionalisierte Tarifverhandlungen in größeren Intervallen, wie sie für die deutsche Tarifpraxis typisch sind, erzwingen sachlogisch einen gewissen Abstraktionsgrad der Tarifeinigung 539. Die Tarifmacht deckt richtiger Ansicht nach zwar auch Einzelfallnormen 540 , die Gewerkschaften können aber rein praktisch nicht jedes Unternehmen mit einzelfallbezogenen Haustarifverträgen versorgen 541. Zudem stößt die streikweise Durchsetzung immer neuer Einzelfallregelungen, die zumindest auch eher banale Alltagsfragen betreffen müßten, an die faktischen Grenzen der Mobilisierungskraft 542 . Auch die Unternehmensmitbestimmung kennt eine Schnittmenge zum Tarifrecht, die das BAG mit seiner Rechtsprechung zum – gern irreführend als Tarifsozialplan bezeichneten – Abfi ndungstarifvertrag543 ausgebaut und der Mitbestimmung durch Tarifvertrag und Streik den Zugriff auf unternehmerische Entscheidungen eröffnet hat 544 . Daß Unternehmerentscheidungen im Tarifvertrag jedenfalls nicht normativ geregelt werden können 545 , verliert an Bedeutung, seit das BAG in der »Unterstützungsstreik-Entscheidung«546 die Tarifakzessorietät als zentrale Schranke des Streikrechts547 gelockert hat 548 . Rückenwind kommt aus Luxemburg: Der EuGH unterstellt Standort- und damit echte Unternehmerentscheidungen dem europäischen Grundrecht auf »kollektive Maßnahmen«549, das später in Art. 28 GRCh positiviert wurde. Diese Entwicklung ist keineswegs auf die Standortwahl beschränkt. So belegt etwa die Praxis der tarifl ichen Regulierung der Leiharbeit beim Entleiher, daß auch das Gütermarktverhalten von Unternehmen de facto durch Tarifverträge 538

Eingehend Schwarze, Betriebsrat, S. 29 ff. Vgl. Däubler, Grundrecht, S. 66 ff. 540 Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 5 f. m. w. N. 541 Rieble, Tarifanpassung, S. 129, 135. 542 Däubler, Grundrecht, S. 28, 68. 543 BAG v. 24. 4. 2007, 1 AZR 252/06, BAGE 122, 134 = NZA 2007, 987 – »Heidelberger Druck«. 544 Säcker, AG 2008, 17, 18 sieht im Zusammenspiel der Mitbestimmungsformen nunmehr eine faktische »Überparität« der Arbeitnehmerseite. 545 Die h. M. erlaubt nur eine schuldrechtliche Tarifregelung, etwa Kaiser, FS Buchner, S. 385, 387; Däubler/Hensche/Heuschmid, TVG, § 1 Rn. 952 jeweils m. w. N. Strenger Franzen, ZfA 2005, 315, 329; MünchArbR/Rieble/Klumpp, § 169 Rn. 92, die eine Regelung nur im nicht-tarifl ichen Schuldvertrag für zulässig erachten. 546 BAG v. 19. 6. 2007, 1 AZR 396/06, BAGE 123, 134 = NZA 2007, 1055; kritisch Rieble, BB 2008, 1506 ff. 547 Ihretwegen spricht Däubler, Grundrecht, S. 28 f. dem Streik in Deutschland eine dem Tarifwesen gegenüber eigenständige Bedeutung als Beteiligungsmittel ab. 548 Junker, JZ 2008, 102, 104. 549 EuGH v. 11. 12. 2007, C-438/05, Slg. 2007, I-10779 = NZA 2008, 123 – »Viking« Rn. 60; v. 18. 12. 2007, C-341/05, Slg. 2007, I-11767 = NZA 2008, 159 – »Laval« Rn. 251. Dazu Junker, SAE 2008, 209, 215 f.; eingehend Sagan, Kollektivmaßnahmen, S. 45 ff. 539

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bestimmt werden kann und wird 550 . Zudem ist jedenfalls die Streikdrohung im Mitbestimmungsinteresse kein Novum 551, obzwar die Unternehmensmitbestimmung als Frage der inneren Organisation des Arbeitgebers nicht der Tarifmacht unterfällt 552 . Überschneidung und Kumulation der betrieblichen und der Unternehmensmitbestimmung gehören ohnehin zum tradierten Bestand des deutschen kollektiven Arbeitsrechts553 . Gerade die typische personelle Verflechtung zwischen Betriebs- und Aufsichtsräten 554 bietet den Arbeitnehmervertretern die Chance, auf betrieblicher Ebene gescheiterte Anliegen im Aufsichtsrat doch noch durchzusetzen 555. Informationsfluß und Teilhaberechte werden verdoppelt, Redundanz wird in Kauf genommen 556 . Umgekehrt läßt sich auch über die betriebliche Mitbestimmung auf unternehmerische und unternehmenspolitische Entscheidungen zugreifen. Vollzogen werden könnte der »Schritt von der Mitbestimmung über das ›Wie‹ zum ›Was‹ der Produktion, von der Mitbestimmung im Produktionsprozeß zur Mitbestimmung über die Produktionsinhalte«557 vor allem über Koppelungsgeschäfte, mit denen der Betriebsrat auch rechtlich nicht erzwingbare Betriebsvereinbarungen i. S. d. § 88 BetrVG durchsetzen kann 558 . Zudem hat die Rechtsprechung wiederholt erlaubt, daß der Betriebsrat unternehmerische Entscheidungen mittelbar determiniert, etwa qua Mitbestimmung bei der Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG die Ladenöffnungszeiten begrenzt 559 oder nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG den Übergang zum Prämienlohn erzwingt, selbst wenn damit zugleich die Produktion erhöht wird 560 . Mit dem erzwingbaren Sozialplan des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist eine mittelbare Rückwirkung auf die unternehmerische Entschei550

Zu den kartellrechtlichen Bedenken gegen diese Tarifpraxis Rieble/Wiebauer, Kollektivarbeitsrechtliche Regulierung, S. 65 ff. Rn. 38 ff.; eingehend Rieble, Unternehmerischer Marktmachteinsatz, S. 103 ff. Rn. 13 ff., 40 ff. 551 Zum Fall Mannesmann 1980/1981 Klosterkemper, FS Wißmann, S. 456, 468 f. Zu erinnern ist weiter an die politischen Arbeitskampf-Drohungen vor Erlaß des Montan-MitbestG 1951; dazu etwa Lauschke, Hans Böckler 2, S. 362 ff. 552 MünchArbR/Rieble/Klumpp, § 168 Rn. 28. 553 Freilich wirken betriebliche und Unternehmensmitbestimmung nicht schlechthin kumulativ zusammen; die jeweiligen Einflußchancen sind mit Richardi, AöR 104 (1979), 546, 559 ff. nur – aber doch immerhin – »begrenzt kommensurabel«. 554 Zu ihr etwa Löwisch, Mitbestimmung, S. 19, 27 ff. 555 Rieble, Mitbestimmung, S. 9 ff. Rn. 43. Dazu auch die Stellungnahme der Vertreter der Unternehmen (Gentz/Hundt/Thumann) in Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 2, S. 55, 59. 556 Rieble, Mitbestimmung, S. 9 ff. Rn. 43. 557 Steinkühler, Die Mitbestimmung 1988, 521. 558 Beispiele bei Löwisch, Mitbestimmung, S. 19, 22 f.; Konzen, FS Zöllner, S. 799, 800 ff. 559 BAG v. 31. 8. 1982, 1 ABR 27/80, BAGE 40, 107 = NJW 1983, 953; nicht beanstandet von BVerfG [Senat] v. 18. 12. 1985, 1 BvR 143/83, NJW 1986, 1601 = DB 1986, 486. 560 LAG Niedersachsen v. 30. 11. 1995, 1 TaBV 56/95, LAGE § 87 BetrVG 1972 Initiativrecht Nr. 4 m. kritischer Anm. Rüthers/Ruoff = NZA-RR 1996, 374.

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dung sogar im Gesetz angelegt 561 ; die »wirtschaftliche Vertretbarkeit« i. S. v. § 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG läßt sich zu der Frage zuspitzen, wie lange der Sozialplan die wirtschaftlichen Vorteile der Betriebsänderung aufzehren darf562 . [2] Tarifrechtliche »Kombination« von Vertrags- und Abstimmungsteilhabe In diesem einheitlichen System kumulierender Mitbestimmungsstränge zielt die Mitbestimmung durch Tarifvertrag auf kollektiv-privatautonome Selbstbestimmung im Vertrag563 . Frei gebildete Gegenmacht im Kollektiv soll Vertragsparität ermöglichen 564 . Wie jede vertragsförmig getroffene Entscheidung ist der Tarifvertrag damit zwar keine Individualentscheidung, steht dieser aber mit Rücksicht auf das »Veto« aller Vertragspartner sachlich näher als der Kollektiventscheidung durch Mehrheitsbeschluß565. Im Flächentarif bündeln die Tarifparteien auf beiden Seiten die individuellen Privatautonomien der Mitglieder566 . Dieses mitgliedschaftsbezogene Mandat der Tarifparteien ist gerade kein allgemeinpolitisches, die Tarifautonomie gerade kein Baustein echter »Wirtschaftsdemokratie«567. In demselben Kontext ist der Streik zu sehen: Im Arbeitskampf geht es um Willensbeugung durch wirtschaftlichen Druck, oder anders: um den faktischen Einfluß auf fremde Vertragsentscheidungen, die dadurch indes nicht zur Kollektiventscheidung umqualifi ziert werden. Allenfalls ließen sich Groß-Streiks aus der Perspektive des – für die Demokratie zentralen – öffentlichen Meinungskampfes begreifen: Koalitions- und Demonstrationsfreiheit als Element der Kommunikationsfreiheit insgesamt und damit als »Mittel sozialer Veränderung«568 . Greifbar ist dieser Zusammenhang bei den in Deutschland rechtswidrigen 569 politischen Streiks. Der Streik wird dann zwar nicht zum demokratischen Teilhaberecht, soll aber gerade einen Einfluß auf die Bildung des Gemein- oder Staatswillens entfalten. Mit einer »Demokratisierung von Wirtschaft und Gesellschaft« und einer Abkehr von der »Beschränkung des Demokratieprinzips 561 Explizit i. S. einer funktionalen Austauschbarkeit mit der Unternehmensmitbestimmung Wiedemann, JZ 1970, 593, 601. 562 Nach BAG v. 6. 5. 2003, 1 ABR 11/02, NZA 2004, 108 = ZIP 2003, 2266 – »Rheuma-Klinik« kann diese »Amortisationsverzögerung« länger als ein Jahr dauern. 563 BAG v. 11. 3. 1998, 7 AZR 700/96, BAGE 88, 162 = NZA 1998, 716; v. 30. 8. 2000, 4 AZR 563/99, BAGE 95, 277 = NZA 2001, 613. Nachweise zum Schrifttum bei Löwisch/ Rieble, TVG, § 3 Rn. 2. 564 Zu diesem Kartellcharakter der Tarifverbände Rieble, Arbeitsmarkt, Rn. 1108 ff.; zustimmend MünchArbR/Richardi, § 3 Rn. 37. 565 Vgl. Radnitzky, ef 1998, 72, 73. 566 Statt vieler E. Picker, Tarifautonomie, S. 39 ff. 567 Badura, RdA 1976, 275, 280 f. 568 Näher Fischer-Lescano, KJ 2008, 166, 176. 569 Statt vieler Maunz/Dürig/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 375; anders Däubler, ZfA 1973, 201, 221 ff.

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auf den politisch-staatlichen Bereich«570 hat das per se nichts zu tun, geht es doch gerade darum, staatliche Entscheidungen zu »vergesellschaften«. »Demokratisieren« könnte allenfalls die streikweise erzwungene hoheitliche Maßnahme – wenn sie den freiheitlich-gesellschaftlichen Bereich beschränkt und nach dem Mehrheitsprinzip ordnet, kurz: verstaatlicht. Für den hier untersuchten Bereich der Mitbestimmung von Arbeitsbedingungen ist der Zusammenhang des politischen Streiks mit der Staatsdemokratie nicht von Interesse. Statt dessen ist festzuhalten, daß sich die Mitbestimmung durch Tarifvertrag und Streik im polaren (Vertrags-)Verhältnis realisiert. Dieser Einordnung steht nicht entgegen, daß die Rechtsetzung in Tarifnormen durch den autonomen Verbandsbeitritt nicht hinreichend legitimiert wird und daher noch eine zweite Stütze benötigt 571 : innerverbandliche Partizipationsrechte des tarifunterworfenen Mitglieds. Konkret bedeutet das nach verbreiteter Ansicht, daß die Tariffähigkeit (nur) von Gewerkschaften eine »demokratische«, besser: partizipative572 , Binnenorganisation der Arbeitnehmerkoalition voraussetzt 573 . Daß solche Binnenstrukturen mit Blick auf andere Funktionen einer Gewerkschaft unabhängig von der Normsetzungsbefugnis eingefordert werden 574 , kann hier außer acht bleiben. Jedenfalls für die Legitimation der Normsetzung durch Tarifvertrag ist die Teilhabe der Mitglieder an der verbandsinternen Willensbildung zentral 575. Insoweit flankiert und ergänzt diese Teilhabe die autonome Unterwerfung qua Beitritt, welche die besondere Außen- und Zwangswirkung des Tarifvertrags nicht rechtfertigen könnte576 . Im Tarifvertrag entfaltet sich dem Gewerkschaftsmitglied gegenüber nicht nur die Verbandsmacht. Vielmehr bewirkt der Normenvertrag mit dem sozialen Gegenspieler Fremdbestimmung im für den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise existentiellen Bereich des arbeitsvertraglichen Synallagmas, gegen die sich das Mitglied ex post nur noch eingeschränkt verteidigen kann: § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB verbietet die AGB-Kontrolle von Tarifverträgen, und die herrschende Ansicht 577 beschränkt den Grundrechtsschutz gegen Inhaltsnormen des Tarifvertrags auf das Untermaßverbot. Das für die 570

Fischer-Lescano, KJ 2008, 166, 176. Zu diesem dualen Legitimationsmodus etwa Rieble/Kolbe, EuZA 2008, 453, 469. 572 Für das Koalitionsrecht verbietet sich jede Anleihe beim Demokratieprinzip schon deshalb, weil ein egalitäres Stimmrecht in Arbeitgeberverbänden (one company, one vote) als greifbar gleichheitswidrig ausscheiden muß; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 102; MünchArbR/Rieble/Klumpp, § 164 Rn. 5 ff. 573 Dazu Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 91 ff. m. w. N. 574 Eingehend und mit umfangreichen Nachweisen Schüren, Legitimation, S. 231 ff. 575 Auch hierzu Schüren, Legitimation, S. 237 ff. 576 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 91; Schüren, Legitimation, S. 238 f. Gesellschaftsdemokratisch Bachmann, Private Ordnung, S. 130, dessen Ansicht nach – gewissermaßen umgekehrt – der Mehrheitsentscheid die fehlende Unterwerfung kompensiert. 577 Mit umfassenden Nachweisen ErfK/Dieterich, Einleitung GG Rn. 46 ff.; dagegen Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 582 ff. 571

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zivilrechtliche Unterwerfung typische Korrektiv, die Ausübungskontrolle nach dem Modell des § 315 Abs. 3 BGB578 , scheitert angesichts der Vertragsbindung im verbandsübergreifenden Außenverhältnis. Deshalb erlaubt erst die Teilhabe an der Bildung des verbandseigenen Tarifwillens, die spätere Normsetzung im Tarifvertrag als nach dem Selbstbestimmungsprinzip legitimierten Akt der Privatautonomie zu begreifen. Sonderfall sind insoweit Verbandsmitglieder, die während der Laufzeit eines Tarifvertrags beitreten. Sie werden zwar kraft mitgliedschaftlicher Tarifbindung vom Tarifvertrag erfaßt, können aber vor dem Beitritt absehen, welche Rechtsfolgen sich hieraus für sie ergeben. Hier legitimiert schon die Unterwerfung durch Beitritt die Tarifgeltung autonom. Daß Tarifautonomie nur kollektive Privatautonomie sein kann, ist inzwischen weitgehend anerkannt 579. Sie ist damit vertragsförmige Mitbestimmung, die ihren polaren Charakter nicht dadurch einbüßt, daß gewerkschaftsintern partizipative Strukturen greifen müssen. Jene Strukturen determinieren nicht die Form der Mitbestimmung, sondern flankieren nur die selbstbestimmte Unterwerfung durch Koalitionsbeitritt. Deshalb sind die Gewerkschaftsmitglieder zwar vor Beginn eines Arbeitskampfes per Urabstimmung zu beteiligen 580 , müssen aber einen erkämpften Tarifvertrag nicht etwa ex post ratifi zieren 581. Daß diese zwingende Partizipation nicht heteronome, sondern autonome Legitimation begründen soll, erklärt auch, weshalb die Urabstimmung nicht für Außenseiter im Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrags geöffnet werden (muß und) kann 582 . Überdies wird vor diesem Hintergrund deutlich, daß die Urabstimmung im Außenverhältnis zum Tarifgegner keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung des Streiks sein kann 583 , sondern nur eine Voraussetzung der Folgepfl icht im gewerkschaftsinternen Mitgliedschaftsverhältnis584 . Die notwendige Partizipation wird dann rechtzeitig nachgeholt: durch freie Entscheidung über die Streikteilnahme als »Abstimmung mit den Füßen«. 578

Zur Ermessenskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB Staudinger/Rieble, BGB, § 315 Rn. 323 ff. 579 Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 2 m. w. N. 580 Richtigerweise auch ohne eine entsprechende Satzungsbestimmung; Rieble, FS Canaris 1, S. 1439, 1447. Allgemein zur innerverbandlichen Legitimation von Kampfmaßnahmen durch Urabstimmung Vorderwülbecke, BB 1987, 750, 755 ff.; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 104 m. w. N. 581 So aber Hettlage, ZRP 2003, 366, 372. 582 Unzutreffend daher Hettlage, ZRP 2003, 366, 370, der das Streikrecht durch eine solche Öffnung »demokratisieren« will. 583 H. M. Etwa Otto, Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht, § 7 Rn. 29 ff.; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 1011; weiter Schüren, Legitimation, S. 276 ff., der die Arbeitgeber nicht zu »Wächtern der Gewerkschaftsdemokratie« machen will. Anders etwa Löwisch, Tarifverhandlungsrecht, S. 35 ff. Rn. 7 ff.; Reuter, FS Wiese, S. 427, 438. 584 Für den Fall, daß eine Urabstimmung satzungswidrig nicht durchgeführt wird Otto, Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht, § 7 Rn. 35 m. w. N.; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 1288.

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b. Teilhabe durch institutionalisierte Mitbestimmung [1] Mitbestimmung als Mikrodemokratie? Die institutionalisierte Mitbestimmung durch Arbeitnehmervertreter in Betriebs- und Aufsichtsrat zielt auf Teilhabe an Gestaltungsentscheidungen, die im Individualvertrag nicht oder nicht sinnvoll ausgehandelt werden können 585. Auf diese notwendig überindividuell festgelegten Regelungsbereiche des Arbeitsverhältnisses sollen die Arbeitnehmer durch (wenigstens mittelbar) gewählte Repräsentanten in verschiedenen Gremien Einfluß erhalten 586 . Die damit vorgezeichnete Abstimmungsteilhabe der Arbeitnehmer legt den Schluß nahe, daß diese Form der Mitbestimmung im Gegensatz zum Tarifsystem nicht auf den Ausgleich polarer Verhandlungspositionen zielt, sondern auf Teilhabe an der Bildung eines »gemeinsamen« Willens des Betriebs bzw. Unternehmens. Vor allem mit Blick auf die Unternehmensmitbestimmung, also die Organbeteiligung »in« der Arbeitgeber-Gesellschaft, läßt sich prima facie durchaus behaupten, daß unilaterale Entscheidungen des Arbeitgebers kraft Gesetzes zu bilateralen – in der Montan-Mitbestimmung trilateralen – Entscheidungen mitbestimmter Gremien umgestaltet 587 werden. Aus dieser Perspektive könnte die Mitbestimmungsteilhabe der Arbeitnehmer als demokratische Teilhabe an Kollektiventscheidungen erklärt werden 588 ; Betrieb und Unternehmen würden zu mikrodemokratisch geordneten Wirtschaftseinheiten. Vorbehaltlich der näheren Untersuchung dieser These für Betriebe (C.) und Unternehmen (D.) sind schon mit Blick auf die bisherigen Ergebnisse Zweifel anzumelden: So wäre nicht zu erklären, daß den Arbeitnehmern mit der im Verhältnis zur Mitbestimmung durch Tarifvertrag und Streik funktionsäquivalenten institutionalisierten Mitbestimmung Teilhaberechte von grundlegend anderer Qualität zugewiesen werden sollten. Die Mitbestimmungsformen wären nicht gegeneinander austauschbar; »Übergriffe« des Tarifvertrags in die Mitbestimmungsordnung durch betriebsverfassungsrechtliche Normen wären nicht zu rechtfertigen. Überdies wäre es ein Widerspruch in sich, daß Arbeitnehmer gegen einen (auch) von ihnen demokratisch beherrschten Verband mit einer so einschneidenden Maßnahme wie dem Arbeitskampf vorgehen dürfen. Die Tarifautonomie deshalb zugunsten der Mitbestimmung einzuschränken, stößt freilich auf verfassungsrechtliche Bedenken 589. 585

Bereits A.II.3., S. 52 ff. Biedenkopf, Demokratisierung, S. 286 f. 587 Müller-Jentsch, Arbeit, S. 174 sieht hierin die Wirkungsweise der »industriellen Demokratie«. 588 In diesem Sinne »demokratische« Deutung bei Müller-Jentsch, FS Weitbrecht, S. 25, 40 ff. 589 Dazu nur BVerfG [Senat] v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290 = RdA 1979, 380 – »Mitbestimmungsurteil« zu C.IV. der Gründe: Das Gericht will auch und ge586

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[2] Funktionsänderung der Teilhaberechte? In der mitbestimmungsrechtlichen Mikrodemokratie richten sich Teilhaberechte der Arbeitnehmer nicht mehr auf den Interessenausgleich mit dem Arbeitgeber, sondern auf eine Gesamtwillensbildung – also darauf, das »Betriebs- oder Unternehmenswohl« in partizipativen Verfahren zu defi nieren. Die Teilhabe ändert ihre Funktion; der Unterschied der Teilhabefunktion in Demokratie und Mitbestimmung, der anhand der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst zu belegen war590 , wird eingeebnet. Das ist schon deshalb wenig plausibel, weil es in der Wirtschaft trotz des Mitbestimmungsrechts nicht erforderlich ist, das gemeine Wohl des jeweiligen »Verbands« verfahrensförmig zu ermitteln. Während es aus der Perspektive der Staatsdemokratie kein außerdemokratisches Gemeinwohl gibt und geben kann 591, kennt das kollektive Arbeitsrecht sehr wohl ein Betriebs- oder Unternehmenswohl jenseits mitbestimmungsrechtlicher Verfahren: Ist im Betrieb kein Betriebsrat gebildet oder ist das Unternehmen (z. B. kraft Rechtsform) nicht mitbestimmt, legt der Arbeitgeber/Unternehmer einseitig fest, was der Organisation nutzt. Diese Befugnis ist ein Kernelement der Unternehmerfreiheit und wird im mitbestimmten Betrieb zwar eingeschränkt 592 , aber nicht beseitigt. Der Betriebsrat ist auf seine gesetzlichen Zuständigkeiten beschränkt, der Arbeitgeber wird nur partiell in seiner Kompetenz eingeschränkt, das »Betriebswohl« zu defi nieren. Anders sehen läßt sich das allenfalls im mitbestimmten Unternehmen: I.d.S. befürwortet die herrschende Ansicht eine »interessenpluralistische« Konzeption des Unternehmensinteresses. Was dem Unternehmen nutzt, dürfe nicht nur mit Rücksicht auf die Eigner bestimmt werden, sondern sei durch die Abwägung der Interessen der Shareholder mit denen der Stakeholder zu ermitteln 593 . Indes zeigt auch insoweit der Vergleich mit dem mitbestimmungsfreien Unternehmen, daß die Teilhabe der Arbeitnehmer nicht erforderlich sein kann, um das »pluralistische« Unternehmensinteresse überhaupt formulieren zu können. Es ist nicht zu erklären, daß die maßgebende Abwägung jenseits bestimmter Arbeitnehmerzahlen nur noch in partizipativen Verfahren getroffen werden könnte. Gerade die Schwellenwerte des Unternehmensmitbestimmungsrechts rechtfertigen den Schluß, daß die Teilhaberechte der Belegschaft nicht das Unternehmensinteresse defi nieren, sondern im Interesse der Arbeitrade die Auswirkungen der paritätischen Unternehmensmitbestimmung auf die Tarifautonomie überprüft wissen. 590 Dazu unter 1.a., S. 86 ff. 591 Bereits I.1.c., S. 69. 592 Zur Mitbestimmung als Einschränkung der Berufs- bzw. Unternehmerfreiheit ErfK/ Dieterich/I. Schmidt, Art. 12 GG Rn. 41 f. 593 Nachweise zum Meinungsstand etwa bei Mülbert, ZGR 1997, 129, 142 ff.; Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 21 ff., die beide eine interessenmonistische Ausrichtung an den Interessen der Eigner favorisieren. Eingehend Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, passim.

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nehmer modifi zieren sollen: Arbeitnehmervertreter werden gewählt, um Arbeitnehmerinteressen zu vertreten 594 . Das Unternehmensmitbestimmungsrecht ordnet kein anderes, partizipativ ermitteltes Unternehmensinteresse an, sondern einen Interessenkonfl ikt im Aufsichtsrat 595. Mithin fi ndet Mitbestimmung primär nicht im Unternehmensinteresse statt, sondern im Belegschaftsinteresse596 . Daß Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat »auf das Unternehmensinteresse verpfl ichtet« sind 597, meint also nicht das Ziel der Teilhabe, sondern beschreibt die Grenzen einseitiger Interessenvertretung, die in entsprechender Weise auch für die Eigner gelten 598 .

III. Unterschiedliche Funktionen der Teilhaberechte Als Ergebnis ist festzuhalten, daß die Teilhaberechte in der Staatsdemokratie und in der Mitbestimmung völlig unterschiedlichen Zwecken dienen: Die demokratischen Bürgerrechte zielen auf die Gesamtwillensbildung des Volkes als Verband. Dabei geht es nicht darum, dem Einzelnen Einfluß auf einen gewissermaßen präexistenten Staat zu eröffnen, der auch ohne Bürgerbeteiligung agieren könnte. Demokratische und damit egalitäre Teilhabe ist funktional notwendig, weil das gemeinsame Beste als zentrales Staatsziel – unter der Bedingung politischer Gleichheit – anders nicht defi niert werden kann. Anders gewendet setzt Demokratie die Willensbildung »von unten nach oben« zwar voraus, die spezifische Qualität demokratischer Entscheidungen macht aber nicht diese Partizipation der Bürger aus, sondern vielmehr die Rückbindung an den Willen des gesamten Volkes. Sonderpartizipationsrechte für besonders Betroffene sind damit nicht von Verfassungs wegen ausgeschlossen, sind aber stets eine Einschränkung der demokratischen Egalität und daher vor dem Demokratieprinzip zu rechtfertigen.

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Lutter, FS Canaris 2, S. 245, 254; Scholderer, NZG 2012, 168, 173. Dazu Seifert, Unternehmensinteresse, S. 258, 259; weitere Mitbestimmungskritik mit Governance-Hintergrund bei Säcker, FS Richardi, S. 711 ff. Hopt, ZfA 1982, 207, 228 ergänzt den besonderen Interessenkonfl ikt des Arbeitsdirektors in der Montanmitbestimmung, der seiner Zuständigkeit für das Personalwesen wegen »natürlicher Gegenspieler des Betriebsrats« wird. 596 Rieble, Führungsrolle des Betriebsrats, S. 9 ff. Rn. 71. 597 BVerfG [Senat] v. 7. 11. 1972, 1 BvR 338/68, BVerfGE 34, 103 = WM 1973, 162 – zu B.I.2. der Gründe; Velten, Gewerkschaftsvertreter, S. 79 m. w. N. 598 Hierzu Martens, ZGR 1979, 493, 516: Aufsichtsratsmandat als »freies Mandat, das lediglich institutionell an die Interessen des jeweiligen Wahlkörpers, nicht aber kraft Verhaltenspfl icht gebunden ist«. Selbst bei der Ein-Mann-GmbH bleiben »Kernbereiche des Eigeninteresses einer GmbH [. . .], die sich auf die Vermögensbindungen und die Existenz der Gesellschaft beziehen, aber auch bei Normen, die mittelbar dem Gläubigerschutz dienen können«; Spindler, ZIP 2011, 689, 690. 595

C. Mikrodemokratie im Betrieb

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Die Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen setzt demgegenüber einen »externen« Entscheidungsträger voraus. Sie ist insofern nicht strukturgleich mit der demokratischen Teilhabe599 und läßt sich nicht als Element der Demokratie in der Wirtschaft erklären600 : Eben deshalb kann die Partizipation als Bediensteter im öffentlichen Dienst nicht in der Partizipation als Bürger aufgehen. Funktional ist die Mitbestimmungsteilhabe nach BetrVG und den Mitbestimmungsgesetzen gleichwertig (und prinzipiell austauschbar) mit einem System der Mitbestimmung im Vertrag – genauer: der Mitbestimmung durch Tarifvertrag und Streik. Anders als im Staat können Ziele für Betriebe und Unternehmen auch mitbestimmungsfrei durch den Arbeitgeber festgelegt werden, der hierzu grundrechtlich legitimiert ist, und sich im Verhältnis zu den Arbeitnehmern auf deren Unterwerfungserklärung im Arbeitsvertrag stützen kann. Teilhaberechte haben in diesem Kontext nicht die spezifisch demokratische Funktion, Entscheidungen an den Willen einer Referenzgruppe rückzukoppeln, sondern sind »Selbstzweck«: sie sollen einen besonderen Einfluß auf bereits legitimierte Entscheidungen eröffnen.

C. Mikrodemokratie im Betrieb Die »Demokratisierung« der Betriebe ist längst im allgemeinen Sprachgebrauch angekommen601. Folgerungen sind freilich rar: So sieht Richardi den Sinn und Zweck der Mitbestimmung nicht primär im Schutz des einzelnen Arbeitnehmers, sondern in der »Verwirklichung des Demokratieprinzips«. Funktional soll es in der betrieblichen Mitbestimmung aber gleichwohl nicht um eine heteronome Ordnung der Arbeitsrechtsbeziehungen im Betrieb gehen, sondern »vor allem darum, die Macht des Arbeitgebers [im Original verkürzt: ArbGeb.] zur Betriebsgestaltung einzuschränken«602 . Das Demokratieprinzip zielt aber nicht auf Machtbeschränkung und Machtkontrolle, sondern auf Machtzuweisung an die nach Mehrheit entscheidende Referenzgruppe603 .

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Kotthoff, Betriebsräte, S. 29. Böhm, ORDO 4 (1951), 21, 25; weiter Demirovic´, Demokratie, S. 143, der richtig betont, daß demokratische Egalität zwingend eine Schwächung kollektiver (Partikular-) Interessenrepräsentation bedeuten muß. 601 Dazu nur die Nachweise § 1 Fn. 8. 602 MünchArbR/Richardi, § 3 Rn. 48. [Hervorhebung im Original.] 603 Bereits A.I.2.a.[1], S. 38 f. 600

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§ 2 (In-)Kompatibilität von Demokratieprinzip und Mitbestimmung

I. Kontrolle durch Mitbestimmung 1. »Betriebsverband« Zweifelhaft ist schon, ob die Betriebsgemeinschaft als eine solche Referenzgruppe begriffen werden kann – und damit die Vorbedingung einer jeden demokratischen Ordnung erfüllt. Dabei ist im Ausgangspunkt unstreitig, daß die einzelnen Rechtsverhältnisse der betriebsangehörigen Arbeitnehmer zum Arbeitgeber nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern untereinander eine kollektive Ordnung bilden, die sich etwa anhand der Interdependenz allgemeiner Arbeitsbedingungen belegen läßt604 . Diese »Form realer Vergesellschaftung«605 der Mitarbeiter im Betrieb rechtfertigt es nach Reuter606 , den Betrieb als »Arbeitsverband« und das Arbeitsverhältnis weniger vertrags- als vielmehr verbandsrechtlich zu interpretieren. Das läßt sich i. S. eines Betriebsverbands zuspitzen, in den sowohl der Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmer eingeordnet sind607. Sie bilden dort mikrodemokratisch einen gemeinsamen Willen, der sich in der Betriebsvereinbarung als dem »Betriebsgesetz« niederschlägt608 . Hinter solchen Modellen wird der alte – schon in der Weimarer Zeit und später im nationalsozialistischen Arbeitsrecht aktuelle – »Herrschaftsverband« im Betrieb nach Otto v. Gierke 609 sichtbar, der durch das Betriebsverfassungsrecht »konstitutionalisiert« wird610 . 2. Polarität Mit dem geltenden Betriebsverfassungsrecht sind solche Konzeptionen freilich unvereinbar. Das BetrVG konstituiert jedenfalls keinen Betriebsverband, der auch den Arbeitgeber einschließen würde611 : Hinter der betrieblichen Mitbe604

Dazu Kolbe, ZfA 2011, 95, 96 f. m. w. N. Däubler, AuR 1982, 6, 8. 606 RdA 1991, 193, 196 f. Dagegen Reichold, Betriebsverfassung, S. 486; MünchArbR/ Richardi, § 3 Rn. 26 f., die auf den Arbeitsvertrag als zentrales Instrument der Ordnung des Arbeitslebens verweisen. 607 Für einen Verband »Betriebsgemeinschaft« etwa Galperin, RdA 1959, 321, 324 ff.; für einen »Betriebsverband« Nebel, Normen des Betriebsverbandes, S. 54 ff.; dagegen etwa Travlos-Tzanetatos, Regelungsbefugnis, S. 52 ff. Weitere Nachweise bei Müller-Franken, Befugnis, S. 94 und dort Fn. 230; Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 23. 608 Kunze, FS Schilling, S. 340 ff., der den Betriebsrat als Organ eines Belegschaftsverbands, zugleich aber auch als Organ des übergeordneten Betriebsverbands sieht. Diese Meinung hat Kunze – etwa ZHR 147 (1983), 16, 21 f. – später aufgegeben und den Betriebsverband als Rechtsfigur wieder verworfen. 609 Zu seinen Überlegungen § 1 C.III.3., S. 21 f. 610 Vgl. Böhm, Mitbestimmung, S. 206, 212: das BetrVG ziele auf eine genossenschaftsähnliche Struktur des Betriebs; in dieselbe Richtung L. Raiser, Rechtsfragen, S. 12. Dazu noch Veit, Zuständigkeit, S. 140 ff. m. w. N., die die Rezeption der Gedanken v. Gierkes auch in der Literatur zum BetrVG nachzeichnet. 611 Zur Belegschaft als – möglicherweise demokratisch strukturiertem – ArbeitnehmerBinnenverband sogleich II.2., S. 119 ff. 605

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stimmung steht nicht die wechselseitige Anerkennung »wirtschaftlicher Gleichwertigkeit aller Betriebsbürger«, sondern ein polarer Interessengegensatz zum Arbeitgeber als »natürlichem Opponenten«612 . Dieser Gegensatz soll vertragsförmig ausgeglichen werden, und nicht etwa nach § 2 Abs. 1 BetrVG (und nationalsozialistischem Vorbild) im übergeordneten Betriebswohl aufgelöst613 . Das »Wohl [. . .] des Betriebs« meint also nicht, daß eine Art »BetriebsGemeinwohl« in mikrodemokratischen Verfahren ermittelt werden müßte. Vielmehr zeigt schon der Kontrast zu dem »Wohl der Arbeitnehmer« im Wortlaut des § 2 Abs. 1 BetrVG, daß das Betriebswohl die Interessen des Arbeitgebers bezeichnet, die der Betriebsrat zu berücksichtigen hat 614 . Die gesetzlich festgelegten Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats begründen keine allgemeine Ordnung des Betriebs nach dem Mehrheitsprinzip, sondern setzen punktuell der einseitigen Rechtsmacht des Arbeitgebers Grenzen. Sie stehen insoweit funktional der Tarifautonomie näher615 als dem Demokratieprinzip. Die Betriebsvereinbarungen und Regelungsabreden, mittels derer Mitbestimmungsrechte ausgefüllt werden616 , sind »kontraktuelle Instrumente«617. Sie sind nach Zöllner »so wenig Satzungen wie der Tarifvertrag, sondern Verträge«618 . Normwirkung und Normqualität von Betriebsvereinbarungen619

612 Zur »bipolar« ausgerichteten Betriebsverfassung Zöllner, FS 25 Jahre BAG, S. 745, 754; Kreutz, Grenzen, S. 25 f.; Veit, Zuständigkeit, S. 145. Weiter Neuloh, Betriebsverfassung, S. 118, der die Mitbestimmung als »wesensgemäß zweiseitig« einstuft; Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 94, der von einer »dualistischen Organisationsstruktur« spricht. 613 Zöllner, FS 25 Jahre BAG, S. 745, 756 ff.; Lobinger, RdA 2011, 76, 79; Veit, Zuständigkeit, S. 146; Müller-Franken, Befugnis, S. 98 ff.; Richardi, BetrVG, Einleitung Rn. 106 f. m. w. N. 614 Dazu, daß Arbeitgeber und Betriebsrat nach § 2 Abs. 1 BetrVG die Interessen des jeweiligen Gegenübers berücksichtigen müssen, Rieble, Führungsrolle des Betriebsrats, S. 9 ff. Rn. 24; ErfK/Koch, § 2 BetrVG Rn. 2. 615 Hierzu Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 104: die betriebliche Mitbestimmung entfalte wie die Tarifautonomie punktuell wirkende Gegenmacht. 616 Zur Betriebsvereinbarung als wichtigster »Form der Ausübung der Mitbestimmungsrechte« Däubler/Kittner/Klebe/Wedde/Berg, BetrVG, § 77 Rn. 3. [Hervorhebung im Original.] Zur Regelungsabrede etwa ErfK/Kania, § 77 BetrVG Rn. 127 ff. 617 Zöllner, FS 25 Jahre BAG, S. 745, 757; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 222 f. Dazu noch Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks. VI/334, S. 79. 618 Zöllner, FS 25 Jahre BAG, S. 745, 757. Weiter Rieble, Arbeitsmarkt, Rn. 1419; Lobinger, RdA 2011, 76, 79; Bayreuther, Tarifautonomie, S. 514 ff.; Travlos-Tzanetatos, Regelungsbefugnis, S. 52 ff. In der Sache auch Reichold, Betriebsverfassung, S. 545 f.: material sei die Betriebsvereinbarung »Quasi-Vertrag«. Anders etwa Kamanabrou, RdA 2006, 186, 188, die von »legislative[n] Befugnisse[n]« des Betriebsrats spricht. 619 Für die Normqualität von Betriebsvereinbarungen etwa F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 213 f.; Müller-Franken, Befugnis, S. 106 ff.; Veit, Zuständigkeit, S. 134; Waltermann, RdA 2007, 257, 262: Betriebsvereinbarung als Gesetz im materiellen Sinn. Dagegen P. Hanau, RdA 1989, 207 ff. In diese Richtung auch Reichold, Betriebsverfassung, S. 545 f., der die Betriebsvereinbarung »nur formal« als innerbetriebliche Rechtsetzung einordnen

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§ 2 (In-)Kompatibilität von Demokratieprinzip und Mitbestimmung

stehen dem nicht entgegen; es steht dem Staat frei, vertragsförmig gebildete private Regeln als Normen anzuerkennen620 . Daß im Rahmen der erzwingbaren Mitbestimmung kein gemeinsamer Wille der Betriebsgemeinschaft in »Betriebsgesetze« gegossenen wird, belegt das Zwangsschlichtungsverfahren vor der Einigungsstelle i. S. d. § 76 BetrVG 621 : In letzter Konsequenz enthebt das Schlichtungsverfahren die Betriebsparteien davon, einen gemeinsamen, übergeordneten Willen bilden zu müssen622 . Weil die Einigungsstelle sämtliche ihr vorgelegten Streitfragen in der Sache abschließend und vollständig entscheiden muß623 , eröffnet das Gesetz (insbesondere dem Arbeitgeber) die Möglichkeit, mitbestimmte Angelegenheiten jenseits mehrheitsfähiger Kompromisse zu regeln – und setzt damit das demokratische Mehrheitsprinzip außer Kraft. Anders gewendet hat der Gesetzgeber selbst mit Blick auf »echte« Mitbestimmungsrechte die Funktionsfähigkeit des Betriebs als vertikal gegliederter Arbeitsorganisation höher gewertet als die Idee der »Betriebsdemokratie«, nach der die Betriebsleitung »vom Willen der Belegschaft abhängig« sein müßte624 . Das ist eine Entscheidung gegen den »wirtschaftsdemokratischen« Mikrokosmos Betrieb: Mit Blick auf die Ebene einzelner Betriebe und Unternehmen liegt der Kern der wirtschaftsdemokratischen Position gerade darin, daß sich »Sachzwänge« (konkret: Funktionsfähigkeit von Betrieb und Unternehmen als Voraussetzung der Wettbewerbsfähigkeit) nicht gegen das partizipativ ermittelte »Betriebs-Gemeinwohl« durchsetzen dürfen625. 3. Sonderstellung des Arbeitgebers Diese polare Ausrichtung läßt sich auch nicht in einer betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsdemokratie nach dem Modell des staatsrechtlichen Zwei-

will, material aber als »Quasi-Vertrag«, mit einem der Funktion von AGB vergleichbaren Rationalisierungszweck. 620 Dazu F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 140 f. 621 Zum Zwangsschlichtungscharakter des Einigungsstellenverfahrens BVerfG [Kammer] v. 18. 10. 1986, 1 BvR 1426/83, NJW 1988, 1135 – zu II.2. der Gründe; weiter Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 76 BetrVG Rn. 1. 622 Müller-Franken, Befugnis, S. 97 f. leitet schon aus der bipolaren Struktur der Betriebsverfassung ab, daß das Gesetz die Unfähigkeit der Betriebspartner voraussetzt, einen Gesamtwillen zu bilden. 623 BAG v. 30. 1. 1990, 1 ABR 2/89, BAGE 64, 117 = NZA 1990, 571 – unter B.II.2.c) der Gründe sieht i.d.S. eine Pfl icht der Einigungsstelle, »den Verfahrensgegenstand auszuschöpfen«; zustimmend Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 76 Rn. 40; Däubler/Kittner/Klebe/ Wedde/Berg, BetrVG, § 76 Rn. 146. Anders GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn. 97, dessen (dort nicht näher begründeter) Ansicht nach die Einigungsstelle auch von einer Sachregelung absehen kann. 624 Dazu Neuloh, Betriebsverfassung, S. 39. 625 Demirovic´, Demokratie, S. 28 f.

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kammersystems626 auflösen. Richtig ist nur, daß ein »Betriebsverband« nicht zwingend auf einer einheitlichen egalitären Wahl aufbauen müßte, bei der selbstverständlich auch das aktive wie passive Wahlrecht des Arbeitgebers zu gewährleisten wäre627. Vielmehr könnten Arbeitgeber und Betriebsrat als zwei getrennte Organe eines solchen Verbandes erkannt werden628 . Der Arbeitgeber ist dann freilich nicht gewähltes, sondern »geborenes« Mitglied und Organ des als Verband gedachten Betriebs. Mehr noch: Nicht die Betriebsratswahl als Ausdruck wechselseitiger Anerkennung der Arbeitnehmer als gleichberechtigt defi niert die Verbandsgrenzen, sondern die einseitige Organisationsentscheidung des Arbeitgebers, der Betriebe gründet und auflöst. Zwar ist es an den Arbeitnehmern, die Betriebsratswahl einzuleiten. Der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff hingegen orientiert sich an den einseitig vorgegebenen Leitungsstrukturen in sozialen und personellen Angelegenheiten629. Selbst im mitbestimmten Betrieb kann der Arbeitgeber »die Betriebsgrenzen verschieben«, ohne daß der Betriebsrat mitzuentscheiden hätte. Eine mitbestimmungsfreie Betriebsänderung mag unter den Voraussetzungen des § 111 Satz 1 BetrVG interessenausgleichspfl ichtig werden, erzwingbare Mitbestimmung aber kennt das Gesetz nur für Folgeregelungen630 , vor allem den Sozialplan. Daß der einseitige Zugriff des Arbeitgebers auf den Betrieb über den Aufsichtsrat beeinflußt und nach § 3 Abs. 1 BetrVG im (erstreikbaren631) Tarifvertrag mitbestimmt werden kann, konstituiert ebensowenig einen Personenverband »Betrieb«. Jenseits dieser Grundsatzfragen darf der Arbeitgeber »betriebliche« Angelegenheiten allein entscheiden, soweit das BetrVG kein Mitbestimmungsrecht anordnet oder den Betriebsrat auf bloße Mitwirkung beschränkt. In der Zusammenschau ergibt sich ein Primat des Arbeitgebers gegenüber dem gewählten Betriebsrat. Mit den Anforderungen des Demokratieprinzips an Zweikammer-Systeme632 ist diese Machtverteilung schlechthin unvereinbar; sie 626

Herschel, RdA 1948, 47, 49. Konsequent i.d.S. Demirovic´, Demokratie, S. 24, der »zwischen Lohnabhängigen, Managern und Unternehmern keine substantiellen Unterschiede« machen und anhand dieser Gleichheit das »Gemeinwesen« bestimmen will, »an dessen Entscheidungen sie als Wirtschaftsbürger mit gleicher Stimme beteiligt sind«. 628 Vgl. Richardi, BetrVG, Einleitung Rn. 107. 629 BAG v. 14. 5. 1997, 7 ABR 26/96, BAGE 85, 370 = NZA 1997, 1245 – unter B.I.2. der Gründe; GK-BetrVG/Franzen, § 1 Rn. 28 f. 630 Zur Mitbestimmung bei Betriebsänderungen GK-BetrVG/Oetker, § 111 Rn. 172 ff. Die Beteiligung nach §§ 111 ff. BetrVG läßt sonstige Mitbestimmungsrechte unberührt. Häufig bedingt die Umsetzung der Betriebsänderung etwa personelle Einzelmaßnahmen, die dann separat mitbestimmt werden; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 111 Rn. 1. 631 BAG v. 29. 7. 2009, 7 ABR 27/08, BAGE 131, 277 = NZA 2009, 1424 – Rn. 38 ff.; anders GK-BetrVG/Franzen, § 3 Rn. 32 m. w. N. 632 Zu ihnen B.II.1.b.[1], S. 94 f. 627

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entspricht weit mehr dem Modell der konstitutionellen Monarchie als dem der Demokratie633 . Vor diesem Hintergrund sind auch die Überwachungsaufgaben des Betriebsrats zu sehen, etwa § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Mit Egalität – verstanden als gleicher Einflußchance auf »echte« Kollektiventscheidungen – hat die betriebliche Mitbestimmung gegenüber dem Arbeitgeber mithin nichts zu tun634 . Sie arbeitet nach dem Gegengewichtsprinzip635 , zielt nicht auf mikrodemokratische Ordnung des Betriebsverbands, sondern auf Beschränkung und Kontrolle des Arbeitgebers636 . 4. Arbeitsvertragsakzessorietät der Betriebsverfassung Diese Beschränkung der Arbeitgeber-Macht ist Ausgangspunkt der vor allem von Reichold 637 ausformulierten Lehre einer Vertragsrechtsakzessorietät der Betriebsverfassung: Demnach entfaltet der Betriebsrat gegenüber der Belegschaft keinerlei Macht, sondern wirkt als Element einer »Organisation der Freiheit auf Gegenseitigkeit«638 , mit der der Staat einen prozeduralen Rahmen setzt, innerhalb dessen sich die im Betrieb aufeinander treffenden Grundrechte des Arbeitgebers wie der Arbeitnehmer aus Art. 12 GG optimal entfalten sollen. Dabei soll es nicht (primär) um Arbeitnehmerschutz gehen639, sondern darum, die Schwäche des Individualvertragsrechts angesichts der »Sachgesetzlichkeiten«640 größerer arbeitsteiliger Organisationen auszugleichen. Wenn und weil bestimmte Arbeitsbedingungen nur kollektiv ausgehandelt werden können, soll über die betriebliche Mitbestimmung Vertraglichkeit wiederhergestellt werden641 : durch den Betriebsrat als »Vertragshelfer für betriebliche kollektive Angelegenheiten«642 . Die Mitbestimmung erschließt den Betriebspartnern keinen neuen Regelungsbereich jenseits arbeitsvertraglich begründeter Befugnisse643 , sondern schränkt lediglich die vertragsrechtliche Rechtsstel633 Richtig Reichold, NZA 1999, 561, 562 m. w. N.; ähnlich Kreutz, Grenzen, S. 25; Lobinger, Vermögensbetreuungspfl icht, S. 99 ff. Rn. 23. Dazu auch Ramm, ZfA 1988, 157, 166. 634 Karpen, JA 1986, 299, 308 f. 635 H. Hanau, Individualautonomie, S. 103 m. w. N.; Veit, Zuständigkeit, S. 103 f. spricht von Gegenmachtbildung »in abgeschwächter Form«. Anders Rieble, Mitbestimmung, S. 9 ff. Rn. 15: »Mitbestimmung darf [. . .] gerade keine Gegenmacht erzeugen.« [Hervorhebung im Original.] 636 Sehr deutlich Kreutz, Grenzen, S. 25; weiter Reichold, NZA 1999, 561, 562 ff.; v. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 28. Zurückhaltender Wiese, FS Kissel, S. 1269, 1279 f. 637 Betriebsverfassung, insbesondere S. 486 ff. 638 Reichold, Betriebsverfassung, S. 433 ff. 639 Vgl. Reichold, Betriebsverfassung, S. 533 f. 640 Hierzu unter A.II.3., S. 52 ff. 641 I.d.S. Wiese, ZfA 1996, 439, 474; Gast, BB 1986, 1513, 1519. 642 Reichold, Betriebsverfassung, S. 486; ebenso Rieble, Arbeitsmarkt, Rn. 1419. 643 Reichold, Betriebsverfassung, etwa S. 546; Rieble, Arbeitsmarkt, Rn. 1423. Weiter Lobinger, RdA 2011, 76, 85 f.; Wiebauer, Sicherung der Mitbestimmung, Rn. 31; im Ergeb-

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lung des Arbeitgebers ein. Mitbestimmungswirkungen zu Lasten der Arbeitnehmer setzten demgegenüber einen individualrechtlichen Unterwerfungsakt voraus, den die »demokratische« Legitimation qua Betriebsratswahl nicht ersetzen könne644 . Vor diesem Hintergrund vergleicht Rieble 645 die Mitbestimmung des Betriebsrats funktional mit der Ermessenskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB. Seiner Meinung nach ist die betriebliche Arbeitnehmervertretung »intern in die Willensbildung nur des Arbeitgebers eingeschaltet und beschränkt dessen Privatautonomie kraft staatlichen Auftrags«646 . Vertragsrechtsakzessorietät meint mithin, daß die Mitbestimmung nach BetrVG die arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflichten des Arbeitgebers aktualisiert647, und beschreibt die Ausrichtung der Mitbestimmung auf die Einschränkung und Kontrolle der Arbeitgeber-Macht.

II. Arbeitnehmer-Selbstverwaltung? Konstituiert die Mitbestimmung mithin keinen demokratischen Betriebsverband von Arbeitgeber und Arbeitnehmern, ist damit noch nicht ausgeschlossen, daß das BetrVG immerhin die Betriebsbelegschaft untereinander zu einem solchen Verband zusammenschließt. Ein Arbeitnehmer-Binnenverband entspräche der wirtschaftsdemokratischen648 Vorstellung der sozialen Selbstverwaltung, in der die Betroffenen ihre eigenen Angelegenheiten (binnen-)demokratisch regeln, und dabei den angesichts der besonderen Betroffenheit gebotenen Schutz durch Partizipation in die eigenen Hände nehmen: I.d.S. wird institutionalisierter (Betroffenen-)Schutz durch Teilhabe als Leitgedanke der Selbstverwaltung649 wie der betrieblichen Mitbestimmung650 gesehen und

nis auch Veit, Zuständigkeit, S. 300 ff. m. w. N. Dezidiert dagegen BAG v. 12. 12. 2006, 1 AZR 96/06, BAGE 120, 308 = NZA 2007, 453 – Rn. 14; GK-BetrVG/Wiese, vor § 87 Rn. 3 ff. 644 Reichold, Betriebsverfassung, S. 539. 645 Arbeitsmarkt, Rn. 1422 f. 646 Rieble, Arbeitsmarkt, Rn. 1422. [Hervorhebung im Original.] Ähnlich bereits Weitnauer, FS Duden, S. 705, 708 f. Nach Hänlein, RdA 2003, 26, 30 wird damit »das Handeln des Betriebsrats [. . .] lediglich als Bremsen des vom Arbeitnehmer grundsätzlich konsentierten Arbeitgeberverhaltens« begriffen. 647 Reichold, Betriebsverfassung, S. 511 ff.; Rieble, Führungsrolle des Betriebsrats, S. 9 ff. Rn. 24. 648 Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, S. 143: Mitbestimmung im Betrieb als »Keimzelle [. . .] der Wirtschaftsdemokratie«. 649 Hendler, HStR VI, § 143 Rn. 15. 650 BAG (GS) v. 3. 12. 1991, GS 2/90, BAGE 69, 134 = NZA 1992, 749 – unter C.II.1.a) der Gründe. Weiter Wiese, FS Kissel, S. 1269, 1282; Wiebauer, Sicherung der Mitbestimmung, Rn. 352 m. w. N.

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gilt das moderne deutsche Arbeitsrecht als vom Grundsatz der sozialen Selbstverwaltung geprägt651. 1. Exkurs: Selbstverwaltung in Sozialversicherung und Wirtschaft Mit Blick auf Wirtschaft und Arbeit kennt das deutsche Recht jedenfalls 652 die historisch gewachsene Selbstverwaltung in der Sozialversicherung653 sowie die Selbstverwaltung der Wirtschaft in den Industrie- und Handelskammern und den berufsständischen Kammern654 . a. »Betroffenendemokratie« und Hinordnung zum Staat Diese »klassischen« Systeme funktionaler Selbstverwaltung arbeiten nach dem Prinzip der Betroffenenbeteiligung und geraten damit zwangsläufig in Konfl ikt mit dem Demokratieprinzip: pars pro toto steht hier die Debatte über die demokratische Legitimation der Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses i. S. v. § 92 SGB V, in deren Zentrum die (unterbrochene) Legitimationskette steht655. Vor allem die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung belegt überdies die konzeptionellen Schwächen des Betroffenenbeteiligungs-Ansatzes: Sieht man von der gesetzlichen Unfallversicherung ab, mit der die Arbeitgeber-Haftung für im Rahmen der Arbeitstätigkeit erlittene Schäden durch ein Versicherungsmodell ersetzt wird656 , sind die Arbeitgeber nicht Aufgabenbetroffene der Sozialversicherung. Ihre Partizipation rechtfertigt sich vor allem aus der Zahlungslast. Die Beitragszahlung allein zwingt aber keineswegs dazu, dem fi nanziell Belasteten Partizipationsrechte in der Sozialversicherung zuzuweisen657. Vereinfacht: Selbstverwaltet wird nur sein Geld, nicht aber »seine« Angelegenheit. Konsequent i.d.S. wäre also die Teilhabe nur der Aufgabenbetroffenen, auch unabhängig von der Beitragspfl icht. Kehrseite dieser Logik ist der 651

Von MünchArbR/Richardi, § 3 Rn. 40 gemünzt vor allem auf die Tarifautonomie, aber auch auf die Mitbestimmung. 652 Ramm, FS Duden, S. 439, 450 ordnet prinzipiell auch die Ausgestaltung der Arbeitsgerichtsbarkeit als soziale Selbstverwaltung ein. Das ist schon mit Blick auf die judikative Funktion der Arbeitsgerichte fragwürdig, vor allem aber paßt die Berufung der ehrenamtlichen Richter nach § 20 Abs. 1 ArbGG durch Verwaltungsakt (zur rechtlichen Qualifi kation der Berufung Germelmann/Matthes/Müller-Glöge/Prütting/Schlewing, ArbGG, § 20 Rn. 6) nicht zum Gedanken der Selbstverwaltung durch Betroffene: Selbst wenn man die zuständige Behörde an die Abfolge der Kandidaten auf den eingereichten Vorschlagslisten gebunden sieht, bleibt ihr noch ein beträchtlicher Entscheidungsspielraum; auch dazu Germelmann/Matthes/Müller-Glöge/Prütting/Schlewing, ArbGG, § 20 Rn. 26 ff. 653 Dazu Hase, HStR VI, § 145. 654 Zur berufsständischen Selbstverwaltung Mann, HStR VI, § 146. 655 Knapper Überblick bei Hase, HStR VI, § 145 Rn. 34 f.; eingehend V. Neumann, NZS 2010, 593 ff. 656 Braun u. a., Sozialversicherungswahlen, S. 149; ErfK/Rolfs, § 104 SGB VII Rn. 1 f. 657 Deutlich Braun u. a., Sozialversicherungswahlen, S. 150 f.

C. Mikrodemokratie im Betrieb

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steigende Einfluß der Leistungsempfänger zu Lasten der Beitragszahler, der erhebliche Effi zienzverluste bei der Mittelverwendung erwarten läßt. Anders ausgedrückt dürften die Kosten steigen, wenn und weil der Einfluß derer zunimmt, die von höheren Leistungen profitieren, ohne an der Finanzierung beteiligt zu sein658 . Zudem leidet die demokratische Fundierung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung unter der verbreiteten Praxis der Friedenswahl i. S. v. § 46 Abs. 2 SGB IV, die zwar weder demokratische noch »autonome« Legitimation vermitteln kann659, von Gesetzgeber und Rechtsprechung660 aber aus Praktikabilitäts- und konkret aus Kostengründen gebilligt wird. Die Selbstverwaltung in der Wirtschaft muß sich mit Blick auf ihre demokratische Legitimation vergleichbaren Fragen stellen; insbesondere der Zusammenschluß öffentlichrechtlicher Kammern zu privatrechtlichen Dachverbänden weckt hier Zweifel661. Das Kammersystem illustriert aber noch einen weiteren Charakterzug der Selbstverwaltung: den durchaus widersprüchlichen Zweiklang von staatsdistanziertem Grundrechtsschutz 662 und gleichzeitiger Hinordnung gesellschaftlicher Akteure zum Staat663 . Die Pfl ichtmitgliedschaft in den Kammern ist ein Eingriff in die Grundrechte der Mitglieder664 , dessen Rechtfertigung vor allem mit Blick auf die Funktion der Kammern als Interessenvertretungen fraglich ist. Da die grundrechtlich geschützten Interessen der verkammerten Berufe von privatrechtlichen Verbänden freiwillig beigetretener Mitglieder ebenso wirksam gebündelt und artikuliert werden könn-

658 Stellungnahme der BDA zu den Empfehlungen des Gutachtens »Geschichte und Modernisierung der Sozialversicherungswahlen« [= Braun u. a., Sozialversicherungswahlen] (Mai 2008), S. 2; online abrufbar über http://www.arbeitgeber.de/www/arbeitgeber.nsf/ res /Stn_GutachtenSozialversicherungswahlen.pdf/$file /Stn_GutachtenSozialversicherungswahlen.pdf. 659 Wimmer, NJW 2004, 3369 ff.; Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 546; Emde, Legitimation, S. 422 ff. 660 BSG v. 15. 11. 1973, 3 RK 57/72, BSGE 36, 242 = SozR Nr. 1 zu § 7 SVwG. Anders VGH Baden-Württemberg v. 2. 12. 1997, 9 S 785/95, ESVGH 48, 118 = NVwZ-RR 1998, 366 – sub C.I.2.a) der Gründe. 661 Überblick mit Nachweisen bei Mann, HStR VI, § 146 Rn. 29 ff., 41 ff. 662 Nach Karpen, NJW 1989, 1012, 1015 dient die wirtschaftliche Selbstverwaltung gerade der »staatsdistanzierten Grundrechtssicherung«. 663 Di Fabio, FS Badura, S. 77, 90 spricht treffend davon, daß das Gesetz »Wirtschaftssubjekte [. . .] auf das gemeine Wohl verpfl ichtet und sie zwangsweise in Selbstverwaltungseinheiten zusammenfasst – damit staatlich inkorporiert«. 664 Auch dazu Mann, HStR VI, § 146 Rn. 32 ff.; dort auch zur im Einzelnen strittigen Frage der (nicht) betroffenen Grundrechte. Anders Kluth, Verw 35 (2002), 349, 354, dessen Ansicht nach diese »grundrechtsfi xierte Betrachtungsweise« verdeckt, daß mit der pfl ichtmitgliedschaftlichen Zuordnung in erster Linie demokratische Teilhaberechte zugewiesen werden; zurückhaltender Oebbecke, VerwArch 81 (1990), 349, 354, der die »Vorteile« der Selbstverwaltung bei der »Beurteilung der Eingriffsschwere einer Zwangsmitgliedschaft« in Rechnung stellen will.

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ten665 , ist die »verstaatlichte« Interessenvertretung in besonderem Maße rechtfertigungsbedürftig666 . Die öffentlichrechtliche Organisation der Kammern als Interessenvertretungen erklärt sich indes aus der intendierten Gemeinwohlbindung, auf die der zwangsweise Zusammenschluß zielt667 : Aufgabe der Kammern ist »keine reine Interessenvertretung«; sie haben »das Gesamtinteresse der Wirtschaft« zu befördern und dabei das »höchstmögliche Maß an Objektivität walten zu lassen«668 . b. Grenzen der »Satzungsmacht« Diese Hinordnung zum Staat und die materiale Delegation staatlicher Kompetenz an Selbstverwaltungseinheiten haben unmittelbar Konsequenzen für die Rechtsetzung durch Betroffene. Es gelten zunächst die Schranken staatlicher Rechtsmacht durch Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes669, die qua Rechtsaufsicht zu kontrollieren sind – auch wenn die Entscheidung für die Selbstverwaltung einen Selbstbestimmungs-Freiraum und damit Lücken in der formalgesetzlichen Programmierung impliziert. Dabei begrenzt zwar nicht der auf Normsetzungsbefugnisse der Exekutive zugeschnittene Art. 80 Abs. 1 GG den Umfang zulässiger Delegation an autonome Einheiten. Wohl aber hindert das Demokratieprinzip Parlamente, sich ihrer Gesetzgebungskompetenz beliebig zu entäußern670 . Das bedeutet nicht nur einen »Wesentlichkeitsvorbehalt« bei Delegation an Selbstverwaltungseinheiten, sondern sogar ein Delegationsverbot in Angelegenheiten, deren Regelung massiv in die Grundrechte von Nichtmitgliedern der autonomen Organisation eingreift671. Auch gegenüber den eigenen Mitgliedern deckt die Satzungsmacht intensivere Grundrechtseingriffe nur, wenn das Delegationsgesetz hierfür eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage vorsieht672 . In jedem Fall hat der Gesetzgeber eine hinrei665

Ähnlich Mann, HStR VI, § 146 Rn. 35. Hierzu Kluth, Selbstverwaltung, S. 322 ff. 667 Kluth, Verw 35 (2002), 349, 366 f. m. w. N. 668 BVerwG v. 23. 6. 2010, 8 C 20/09, BVerwGE 137, 171 = NVwZ-RR 2010, 882 – Rn. 32. 669 Zum umfassenden Gesetzesvorbehalt für »die von sozialen Selbstverwaltungsträgern wahrgenommenen Aufgabenbereiche« Hase, HStR VI, § 145 Rn. 7 m. w. N. 670 BVerfG [Senat] v. 9. 5. 1972, 1 BvR 518/62 und 308/64, BVerfGE 33, 125 = NJW 1972, 1504 – »Facharztbeschluß« unter C.II.3. der Gründe. 671 Auch hierzu BVerfG [Senat] v. 9. 5. 1972, 1 BvR 518/62 und 308/64, BVerfGE 33, 125 = NJW 1972, 1504 – »Facharztbeschluß«. Weiter Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 554 f.: »Entscheidungen von unmittelbarer Außenseiter-Relevanz sind [. . .] nicht selbstverwaltungstauglich und nicht selbstverwaltungsfähig«. 672 BVerfG [Senat] v. 28. 11. 1973, 1 BvR 13/67, BVerfGE 36, 212; weiter BVerfG [Senat] v. 8. 4. 1998, 1 BvR 1773/96, BVerfGE 98, 49 = NJW 1998, 2269 – »Sozietätsverbot«. Zurückhaltender BVerfG [Senat] v. 14. 12. 1999, 1 BvR 1327/98, BVerfGE 101, 312 = NJW 2000, 347 – »Versäumnisurteil« sub B.II.1. der Gründe: der Gesetzgeber müsse sich aber in der Ermächtigungsnorm »erkennbar selbst« zu einer bestimmten Gestaltung des Rechts entschieden haben; in dieselbe Richtung Mann, HStR VI, § 146 Rn. 20. 666

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chend »binnendemokratische« Organisation der Selbstverwaltungseinheiten sicherzustellen. Je stärker eine »angemessene Interessenberücksichtigung« organisationsrechtlich gesichert ist, desto grobmaschiger darf die gesetzliche Programmierung ausfallen673 . 2. Belegschaftsverband a. Zwangskorporativer Charakter der Betriebsverfassung Die Betriebsbelegschaft ist kein frei gebildeter Verband: Arbeitsverträge mit dem Betriebsinhaber zielen nicht auf einen »Beitritt« zur Belegschaft inklusive Unterwerfung unter die Mitbestimmungs-Verbandsmacht674 . Eine »exit option« fehlt, weil der »Austritt« aus der Belegschaft den Arbeitsplatz und damit regelmäßig die Existenzgrundlage kostet675. Die damit fehlende mitgliedschaftlich-autonome Legitimation des Betriebsrats rechtfertigt, die Betriebsverfassung als Zwangsordnung einzustufen676 . Indes belegt der Blick auf die soziale Selbstverwaltung in der Sozialversicherung und den Kammern, daß der zwangskorporative Charakter der Betriebsverfassung nicht gegen ein Element der »Betroffenendemokratie« in der Mitbestimmung nach dem BetrVG spricht, sondern eher dafür. Daß die ursprüngliche Entscheidung über das »Ob« der Mitbestimmung der Belegschaft zugewiesen ist, kann vernachlässigt werden677. Zwar kennt das moderne Betriebsverfassungsrecht keine Pfl icht (mehr678 ), ab einer bestimmten Betriebsgröße einen Betriebsrat zu errichten. Von einem zwangsweisen Zusammenschluß läßt sich aber schon deshalb (noch) sprechen, weil das BetrVG auf jedes qualifi zierte Mandat zugunsten der Mitbestimmung verzichtet, insbesondere keine Legitimation durch Mindestwahlbeteiligung einfordert679. Sieht man dies im Kontext des »Wahleinlei673 BVerfG [Senat] v. 13. 7. 2004, 1 BvR 1298/94 u. a., BVerfGE 111, 191 = NJW 2005, 45 – »Notarkassensatzung« unter C.II.2.c) der Gründe. 674 Reichold, Betriebsverfassung, S. 540 f.; eingehend Bayreuther, Tarifautonomie, S. 514 ff. Weitere Nachweise bei Linsenmaier, RdA 2008, 1, 5 und dort Fn. 54. 675 Jeweils m. w. N. Rieble, Arbeitsmarkt, Rn. 1411 ff.; Bachmann, Private Ordnung, S. 131. 676 Statt vieler Rieble, Arbeitsmarkt, Rn. 1411 ff.; Veit, Zuständigkeit, S. 169 ff.; weiter Däubler, NZA 1988, 857, 860: »ein Stück Zwangsrepräsentation«. Anders etwa Reichold, Betriebsverfassung, S. 511, der die Betriebsvereinbarung mit der Verbands- oder Gesellschaftssatzung vergleicht; dagegen wiederum Müller-Franken, Befugnis, S. 47 f. 677 Anders Sodan, JZ 1998, 421, 428 f.: die Betriebsverfassung ziele nicht auf eine Zwangsvereinigung, sondern sei lediglich ein Angebot des Gesetzgebers. In diese Richtung auch GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn. 107; Reichold, Betriebsverfassung, S. 452 f. 678 Demgegenüber war § 1 BRG 1920 noch verpfl ichtend formuliert; die Pfl icht des Arbeitgebers, in den Sonderfällen des § 23 Abs. 2 und Abs. 3 BRG 1920 einen Wahlvorstand zu bestellen, war nach § 99 Abs. 2 BRG 1920 strafbewehrt. 679 Etwa Däubler, NZA 1988, 857, 860. Legitimation durch »Mindestwahlbeteiligung« fordert Rieble, ZIP 2001, 133, 136, der alternativ eine »Urabstimmung« in Betracht zieht. In dieselbe Richtung Franzen, NZA 2008, 250, 254 f., dessen Ansicht nach die Quoren des

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tungsrechts« der Gesamt- und Konzernbetriebsräte, wird deutlich, daß das Gesetz die Bildung von Betriebsräten gerade nicht den Mehrheiten im konkreten Betrieb überlassen will, sondern eine möglichst flächendeckende Versorgung mit Arbeitnehmervertretungen anstrebt680 . Mit dem BAG ist festzuhalten: »auch nach dem neuen Betriebsverfassungsgesetz [gemeint ist das BetrVG 1972] solle möglichst kein Betrieb ohne Betriebsrat sein, wenn er die geforderte Größe erreicht.«681 Die BetrVG-Reform 2001 hat dieses Ziel noch unterstrichen; daß die Realität – insbesondere in Kleinbetrieben bis zu 20 Arbeitnehmern – weit dahinter zurückbleibt682 , ändert nichts. Ein echter »Zwang zur Betriebsverfassung« besteht auf Unternehmensebene: Der Gesamtbetriebsrat muß errichtet werden, sobald in einem Unternehmen mehrere Betriebsräte bestehen, § 47 Abs. 1 BetrVG. Auf die Meinung dieser mehreren Betriebsräte kommt es nicht an; auf die der Belegschaft ebensowenig. Nur auf Konzernebene haben Arbeitnehmer(vertreter) darüber zu befi nden, ob überhaupt Mitbestimmung stattfi nden soll: Der Konzernbetriebsrat wird nach § 54 Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch Beschlüsse der Gesamtbetriebsräte der Konzernunternehmen errichtet. Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 BetrVG müssen die zustimmenden Gesamtbetriebsräte dabei mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer im Konzern repräsentieren. Insgesamt ergibt sich ein wenig konsistentes Bild, angesichts dessen sich jedenfalls die These verbietet, das Gesetz nähme die Entscheidung der Belegschaft über das »Ob« der Mitbestimmung ernst. Gerade dann, wenn die betriebliche Mitbestimmung »näher am Arbeitnehmer« ist, überwiegt ihr zwangskorporativer Charakter. b. Betriebsbelegschaft als »Betroffenen-Verband« [1] Partizipation und (ansatzweise) körperschaftliche Organisation Freilich wird die Belegschaft überwiegend als nur tatsächliche oder soziologische Gemeinschaft gesehen683 . Immerhin werden die Mitbestimmungsrechte § 14 Abs. 4 BetrVG zumindest dann zu niedrig ausfallen, wenn sich »eine deutliche Mehrheit der Belegschaft [. . .] gegen die Wahl eines Betriebsrats ausgesprochen hat«; Franz, ZAF 2005, 268, 280. 680 Hierzu Rose, KJ 2001, 157, 162. Weiter E. Picker, RdA 2001, 259, 266, der überdies (S. 260) nachweist, daß der Gesetzgeber bei der BetrVG-Novelle 2001 die »Zukunftsfähigkeit des Betriebsrats [. . .] als Bedingung für die Bewältigung der neuen ökonomischen Realitäten betrachtet.« 681 BAG v. 24. 2. 1976, 1 ABR 62/75, DB 1976, 1579 – unter III.1. der Gründe. [Hervorhebung von mir.] Ähnlich zum BetrVG 2001 BAG v. 27. 7. 2011, 7 ABR 61/10, NZA 2012, 345 – Rn. 33. 682 Zahlen bei Junker, Arbeitsrecht, S. B 86 ff. (sowie S. B 23 ff. zur Verteilung der Arbeitnehmer auf Betriebe unterschiedlicher Größe). 683 F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 212; Richardi, BetrVG, Einleitung Rn. 88 ff., 96 f.; ähnlich Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock/Nicolai/Rose, BetrVG, Einleitung Rn. 110: faktische Interessengemeinschaft. Anders etwa Kunze, FS Duden, S. 201, 209 und dort Fn. 90.

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teils (den Arbeitnehmern) der Belegschaft als Verband zugeordnet 684 , der hierzu wenigstens partiell rechtsfähig sein muß. Es ist nicht erforderlich, den Streit über die Trägerschaft der Mitbestimmungsrechte hier noch einmal aufzugreifen. Aus der Perspektive der Selbstverwaltung kommt es ohnehin weniger auf die Organisationsform an685 , als vielmehr auf die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung durch Betroffenenpartizipation. Insofern läßt sich durchaus annehmen, daß die betriebliche Mitbestimmung der Selbstverwaltung nahe steht: die Betriebsbelegschaft als institutionell verselbständigte – eben »verfaßte« – Organisationseinheit, in der bestimmte Angelegenheiten von den davon besonders berührten Personen, den Betroffenen, eigenverantwortlich »verwaltet« werden686 . Das partizipative Moment eignet der Teilhabe der Arbeitnehmer auf der Ebene des Betriebs zweifellos 687. Zudem kommen die partizipative Gesamtwillensbildung688 durch Betriebsratswahl und die Rechenschaftspfl icht des Betriebsrats nach § 43 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 689 mitgliedschaftlichen Mitverwaltungsrechten jedenfalls nahe, so daß sich zumindest Ansätze einer körperschaftlichen Organisation der Belegschaft erkennen lassen690 . [2] Teilhabe entsprechend der Betroffenheit? Ob das BetrVG Belegschaften nach dem Prinzip »betroffenendemokratischer Egalität« abgrenzt, also bei gleicher Betroffenheit gleiche Teilhaberechte anordnet691, ist äußerst fraglich.

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Weitnauer, FS Duden, S. 705 ff. geht von einem stark modifi zierten Fall der Gemeinschaft i. S. v. §§ 741 ff. BGB aus; für differenzierende Rechtszuweisung Lobinger, RdA 2011, 76 ff. Umfassende Nachweise zum Meinungsstand bei Wiebauer, Sicherung der Mitbestimmung, Rn. 21. Anders etwa Heinze, ZfA 1988, 53, 63: »die Gesamtheit der Arbeitnehmer eines Betriebes [sei] nicht ›Rechtsträger‹, sondern Interessenträger der betriebsrätlichen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte«; Kreutz, Grenzen, S. 27. 685 Dazu Hendler, HStR VI, § 143 Rn. 27. 686 Vgl. die Defi nition der Selbstverwaltung bei Hendler, HStR VI, § 143 Rn. 19, der freilich nur die öffentlichrechtliche Selbstverwaltung meint, und Rn. 23 ff. einer Übernahme des Selbstverwaltungsbegriffs in das Privatrecht entgegentritt. 687 Dütz, DB 2001, 1306, 1307 spricht insoweit irreführend davon, daß »die kollektive Teilhabe der Arbeitnehmer in der gesetzlichen Betriebsverfassung verfahrensmäßig demokratisch verfasst ist.« [Hervorhebung im Original.] 688 Nach Müller-Franken, Befugnis, S. 86 kann der Wille des Betriebsrats nicht als Gesamtwille der Belegschaft angesehen werden, weil es nach der Wahl »an jeder Abhängigkeit« des Betriebsrats von der Belegschaft fehle. 689 Zu ihnen etwa ErfK/Koch, § 43 BetrVG Rn. 7. 690 Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht II/27, S. 1089 f. Anders Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 143: weder die Belegschaft eines Betriebs noch die eines Unternehmens wiesen körperschaftliche Strukturen auf. 691 Zu dieser »egalitären« Zuweisung von Partizipationsrechten an gleich Betroffene Hendler, HStR VI, § 143 Rn. 31 f.

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[a] Betroffene Außenseiter. Nach dem BAG 692 setzt die Betriebszugehörigkeit i. S. d. §§ 7 ff. BetrVG neben einer tatsächlichen Eingliederung in die betriebliche Arbeitsorganisation auch das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsinhaber voraus. Anderweit arbeitsvertraglich gebundene Mitarbeiter fallen damit nicht nur prinzipiell aus der Zuständigkeit des Betriebsrats, sondern kommen auch nicht in den Genuß des Wahlrechts – mit Ausnahme des (nur) aktiven Wahlrechts der Leiharbeitnehmer i. S. v. § 7 Satz 2 BetrVG 693 . Solche »Ausländer der Betriebsverfassung« werden von der Mitbestimmung vielfach nicht anders betroffen als die »Betriebsbürger« der Stammbelegschaft: Für die (betriebsverfassungsrechtliche) Einstellung694 von Leiharbeitnehmern ordnet § 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG ausdrücklich ein Mitbestimmungsrecht des Entleiherbetriebsrats nach § 99 BetrVG an, ohne daß die Betroffenen die Voraussetzungen des aktiven Wahlrechts nach § 7 Satz 2 BetrVG erfüllen müßten695. Hier kann die Dritt-Betroffenheit des Vertragsfremden bis zur faktischen Abwehr der Einstellung durch betriebsverfassungsrechtliches Beschäftigungsverbot696 gehen. Für alle Vertragsfremden unausweichlich wirkt etwa die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, soweit die betriebliche Arbeitsorganisation geregelt wird697 : Mit dem Schichtbeginn (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) oder einem Rauchverbot (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) muß sich jeder auseinandersetzen, der im Betrieb arbeitet – ohne Rücksicht auf die rechtliche Grundlage der Tätigkeit698 . Selbst Nicht-Arbeitnehmer wie die »Ein-Euro-

692 Trotz (teils heftiger) Kritik in der Literatur aufrecht erhalten in BAG v. 17. 2. 2010, 7 ABR 51/08, BAGE 133, 202 = NZA 2010, 832 – Rn. 16; akzeptiert von BAG v. 18. 10. 2011, 1 AZR 335/10, NZA 2012, 221 – Rn. 16 f., obzwar der Erste Senat entliehene Arbeitnehmer auf den Schwellenwert des § 111 Satz 1 BetrVG anrechnet. 693 M.w.N. zum Stand der Debatte über das passive Wahlrecht der aktiv wahlberechtigten Leiharbeitnehmer etwa Richardi/Thüsing, BetrVG, § 8 Rn. 6; Fitting/Engels/Schmidt/ Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 8 Rn. 26 ff. 694 Ob die »Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung« i. S. v. § 14 Abs. 3 AÜG Einstellung i. S. d. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist, spielt heute keine Rolle mehr – weil § 14 Abs. 3 AÜG die Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG ausdrücklich anordnet; hierzu etwa GK-BetrVG/Raab, § 99 Rn. 30. 695 Vgl. BAG v. 1. 2. 2011, 1 ABR 79/09, NZA 2011, 703 – Rn. 14 ff.: Nach § 93 BetrVG muß der Arbeitgeber auf Verlagen des Betriebsrats auch solche Arbeitsplätze innerbetrieblich ausschreiben, die er dauerhaft mit Leiharbeitnehmern besetzen will. 696 Speziell in Zusammenhang mit der Einstellung von Leiharbeitnehmern Schüren/Hamann, AÜG, § 14 Rn. 213 m. w. N. 697 Vgl. Reichold, NZA 1999, 561, 569, der »in der ›Betriebsbeziehung‹ (§ 87 I Nrn. 6–9, 12, 99 BetrVG) auch anderen als den arbeitsvertraglich gebundenen Beschäftigten« den Schutz der Betriebsverfassung zugute kommen lassen will. 698 Vgl. LAG Hessen v. 1. 9. 2011, 5 TaBV 44/11, AuR 2012, 225 (LS) [Nichtzulassungsbeschwerde anhängig unter 1 ABN 8/12] – B.II.2.b)aa) der Gründe zur Mitbestimmung des Entleiher-Betriebsrats bei der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

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Jobber« i. S. d. § 16d SGB II sind hier in gleicher Weise betroffen699. Das heißt indes nicht, daß die »gleiche Betroffenheit« in jeder mitbestimmten Angelegenheit unterstellt werden könnte. Am Beispiel des Leiharbeitnehmers: Über die Auszahlung seines Arbeitsentgelts (§ 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG) ist im Verleiherbetrieb mitzubestimmen700 , nur ausnahmsweise (auch) beim Entleiher701. Insgesamt richtet sich die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Ver- und Entleiherbetriebsrat für Leiharbeitnehmer danach, welcher Arbeitgeber die mitbestimmungspfl ichtige Entscheidung getroffen hat702 . Weil Leiharbeitnehmer häufig nur für kurze Zeit im Entleiherbetrieb beschäftigt werden, gibt es gegen dort eröffnete Teilhaberechte Vorbehalte – mit Blick auf die Mit- und Selbstbestimmung der Stammkräfte703 . Ähnliches gilt mit Blick auf Arbeitnehmer, die nicht wenigstens 18 Jahre alt sind: Das BetrVG verwehrt ihnen die Teilhaberechte der Betriebsverfassung und verweist sie in die Jugend- und Auszubildendenvertretung, §§ 7 Satz 1, 60 Abs. 1 BetrVG. Dabei zeigt schon das zentrale »Mitbestimmungsrecht« dieses Gremiums nach § 66 Abs. 1 BetrVG, daß die Jugendlichen sehr wohl von mitbestimmten Entscheidungen »betroffen« werden können. Das Gesetz ordnet gerade an, daß sie Betriebsratsbeschlüsse aussetzen können, wenn die Beschlüsse (nach Auffassung der Jugend- und Auszubildendenvertretung) wichtige Interessen der jugendlichen Arbeitnehmer oder Auszubildenden erheblich beeinträchtigen. Für Auszubildende zwischen 18 und 25 gelten freilich andere Regeln. Sie werden nicht ausgeschlossen, sondern bekommen ein doppeltes Mitbestimmungsrecht, wählen zum Betriebsrat (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) und zur Jugend- und Auszubildendenvertretung (§ 60 Abs. 1 BetrVG). Auch schwerbehinderte Arbeitnehmer wählen neben dem Betriebsrat eine zusätzliche Schwerbehindertenvertretung mit eigenen Mitbestimmungsrechten, § 94 SGB IX. [b] »Ungleich« Betroffene. Umgekehrt ordnet das BetrVG die Teilhabe bestimmter Gruppen ausdrücklich an, obschon diese jedenfalls deutlich »anders« von der Entscheidung in mitbestimmten Angelegenheiten betroffen sind 699 Zur betriebsverfassungsrechtlichen Situation dieser besonderen Beschäftigtengruppe Engels, NZA 2007, 8 ff. 700 GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn. 441; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG, § 87 Rn. 9. Näher zur Kompetenzverteilung zwischen Ver- und Entleiherbetriebsrat Hamann, NZA 2003, 526, 530 ff. 701 Schüren/Hamann, AÜG, § 14 Rn. 269. 702 BAG 19. 6. 2001, 1 ABR 43/00, BAGE 98, 60 = NZA 2001, 1263 – Leitsatz 1. 703 Für Wendeling-Schröder, NZA 2001, 357, 358 ist es »konzeptionell [. . .] zweifelhaft, ob Personen, die als Externe und nur verhältnismäßig kurze Zeit im Betrieb sind, einen Betriebsrat für 4 Jahre demokratisch legitimieren sollten«. Freilich wird seit der Abschaffung der zeitlichen Höchstgrenze für die Arbeitnehmerüberlassung vor allem die gegenteilige Forderung erhoben, Leiharbeitnehmer stärker in die Entleiher-Betriebsverfassung zu integrieren; etwa Brors/Schüren, BB 2004, 2745, 2750 f.

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– wenn überhaupt: § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG faßt Außendienstler und Telearbeiter unter den betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff, Satz 2 derselben Vorschrift fi ngiert die Arbeitnehmerstellung der in Heimarbeit Beschäftigten, Satz 3 verfährt entsprechend mit Beamten und weiteren öffentlich Bediensteten. Gerade mit Blick auf die öffentlich Beschäftigten, die daneben noch in die personalvertretungsrechtlichen Strukturen ihrer Dienststelle eingebunden bleiben, fällt vor dem Hintergrund der Forderung nach »gleicher Teilhabe bei gleicher Betroffenheit« die Ungleichbehandlung gegenüber den Leiharbeitnehmern ins Auge704 . Insbesondere sollen Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes bei langfristiger Personalgestellung in private Unternehmen im Einsatzbetrieb zum Betriebsrat gewählt werden können705. Für gleich hält die Betriebsverfassung Arbeitnehmer, die in unterschiedlichem Umfang beschäftigt werden. Während § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG die Teilzeiter nur mit nach Arbeitszeit gestuften Bruchteilen zählt, rechnet das BetrVG nach Köpfen706 . Das führt dazu, daß eine vergleichsweise kleine Stammbelegschaft von Vollzeitkräften mitbestimmungsrechtlich von einer zahlenmäßig überlegenen Gruppe von Teilzeitbeschäftigten majorisiert werden kann, ohne daß es auf die Bedeutung der jeweiligen Gruppen für den Betrieb ankäme707. Auch unabhängig von der Arbeitszeit ist die Gleichheitsfrage für geringfügig Beschäftigte i. S. d. § 8 SGB IV aufgeworfen708 . Auf der Unternehmens- und Konzernebene setzt sich die Zählung nach Köpfen insoweit fort, als §§ 47 Abs. 7, 55 Abs. 3 BetrVG das Stimmgewicht nicht nach Betrieben, sondern nach der Zahl der repräsentierten Arbeitnehmer ordnen. In diesen Zusammenhang gehört weiter die Delegation von Betriebsratsaufgaben auf Arbeitsgruppen i. S. d. § 28a BetrVG, die in der Praxis freilich nicht vorkommt709 : Das gesetzgeberische Ziel entspricht zwar noch dem »basisde-

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Thüsing, BB 2009, 2036; ErfK/Koch, § 5 BetrVG Rn. 3a. Düwell, AuR 2011, 288 ff. hat eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung ausgemacht; ähnlich Rieble, NZA 2012, 485, 486: »augenscheinlich gleichheitswidrig«. Zurückhaltender BAG v. 15. 12. 2011, 7 ABR 65/10, NZA 2012, 519 – Rn. 30: Der Siebte Senat denkt obiter über eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung nach, weil Arbeitnehmerüberlassung »anders als die Personalüberlassung im öffentlichen Dienst jedenfalls strukturell vorübergehend angelegt« sei. 705 Dazu BAG v. 15. 12. 2011, 7 ABR 65/10, NZA 2012, 519 – Rn. 23. 706 Allgemeine Meinung; etwa Junker/Dietrich, NZA 2003, 1057, 1061; Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 115. 707 Vgl. BAG v. 29. 1. 1992, 7 ABR 27/91, BAGE 69, 286 = NZA 1992, 894. Dazu eingehend § 3 D.II.3.b., S. 264 ff. 708 Dazu P. Hanau, FS G. Müller, S. 169, 176, der die mitbestimmungsrechtliche Gleichbehandlung der »Mini-Jobber« als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG einstuft. Anders wiederum die h. M. zum Betriebsverfassungsrecht, etwa Lindemann/Simon, NZA 2002, 365, 366; Richardi/Thüsing, BetrVG, § 7 Rn. 33. 709 Richardi/Thüsing, BetrVG, § 28a Rn. 3: »Die Norm ist dead letter law.« [Hervorhebung im Original.]

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mokratischen« Ansatz des Denkens in Betroffenheit 710 . Unverständlich ist aus dieser Perspektive indes, daß die Delegation vom Betriebsrat als der Vertretung (auch) der doch offenbar nicht ausreichend Betroffenen befürwortet werden muß – und zwar mit Blick auf das von materiellen Voraussetzungen befreite Widerrufsrecht des § 28a Abs. 1 Satz 4 BetrVG durchgängig 711. [c] Beteiligung Nicht-Betroffener. Die »Betriebsverfassung« im Unternehmen oder Konzern läuft in der Sache auf die Zuweisung von Teilhaberechten an Nicht-Betroffene hinaus; die BetrVG-Reform 2001712 hat diesen Effekt noch verstärkt. Nach § 16 Abs. 3 BetrVG können Gesamt- oder Konzernbetriebsrat nunmehr in den betriebsratsfähigen aber betriebsratslosen Betrieben des Unternehmens oder Konzerns einen Wahlvorstand bestellen, und damit der Mitbestimmungsfreiheit ein Ende setzen. Diese Abwehr einer »Erosion« der betrieblichen Mitbestimmung durch »mitbestimmungsfeindliche Strukturmaßnahmen«713 schränkt zugleich das Recht jeder Belegschaft ein, keinen Betriebsrat zu haben. Das »Mentorenprinzip« wirkt insoweit als freiheitsbegrenzender Paternalismus714 . Ähnliches gilt für die Zuständigkeit von Gesamt- und Konzernbetriebsrat für betriebsratslose Betriebe (§§ 50 Abs. 1 Satz 1, 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG – jeweils letzter Teilsatz). Den deutlichen Bruch mit dem Gedanken der »Legitimation von unten« durch die sachlich betroffenen Arbeitnehmer hält die h. M. zwar für »noch hinnehmbar, weil die Arbeitnehmer betriebsratsloser Betriebe die Möglichkeit haben, ihrerseits [gewissermaßen präventiv] einen Betriebsrat zu wählen und dadurch im Gesamtbetriebsrat und im Konzernbetriebsrat vertreten zu sein«715. Das ändert aber nichts daran, daß in diesen Fällen Regelungs-Betroffenheit und Partizipation bei der Regelsetzung ebenso auseinander fallen wie bei tarifvertraglicher Regelung der Stimmgewichtung in Gesamt- oder Konzernbetriebsrat (§§ 47 Abs. 9, 55 Abs. 4 BetrVG) 716 . In der Sache ist dies eine Absage an »das Prinzip, daß jede 710

Anders Wendeling-Schröder, NZA 2001, 357, 359: die Arbeitsgruppe sei »als solche nicht demokratisch legitimiert«. 711 Dazu kritisch Rieble, ZIP 2001, 133, 142. 712 Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVerf-Reformgesetz) v. 23. 7. 2001; BGBl. I 2001, S. 1852 ff. 713 Rose, KJ 2001, 157, 158 ff. Dazu noch Burghardt u. a., AuR 2000, 205, 207 f.; Wassermann, WSI-Mitteilungen 2000, 697, 700 f. 714 Deutlich Rieble, ZIP 2001, 133, 135: »weder Gesamt- noch Konzernbetriebsrat [seien] von der Belegschaft eines betriebsratslosen Betriebes in irgendeiner Form legitimiert«; ähnlich Wiese, NZA 2006, 1, 9. Weitere Nachweise zur Ablehnung des Mentorenprinzips in der Literatur bei Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 316. Vor der BetrVGReform 2001 hat BAG v. 16. 8. 1983, 1 AZR 544/81, BAGE 44, 86 = NJW 1984, 2966 die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für betriebsratslose Betriebe klar verneint – und sich dabei auf die fehlende »demokratische Legitimation« des Gesamtbetriebsrats gestützt. 715 Linsenmaier, RdA 2008, 1, 7 m. w. N. 716 Hierzu Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 316, der die Vorschrift für unzulässig hält und dieses Verdikt auch auf die entsprechende Regelungskompetenz der Tarif-

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betriebliche Einheit eine eigene Vertretung bekommen soll«717, anders gewendet ein Bruch mit dem Prinzip der Betroffenenbeteiligung. [3] Betroffenenverband und Gesetz Abstrakt ist hier die (betroffenen-)demokratietheoretische Frage aufgeworfen, welcher Grad der Betroffenheit welche Teilhaberechte rechtfertigt. Soll die Mitbestimmung eine Angelegenheit nur der »regulären Stammarbeitnehmer« sein, oder sind auch atypisch Beschäftigte oder leitende Angestellte ausreichend »betroffen«, um einbezogen zu werden718 – oder sogar: um angesichts des Selbstbestimmungsziels der Betroffenendemokratie einbezogen werden zu müssen? Das Beispiel der Betriebsverfassung bestätigt, daß Betroffenheit als Kriterium zu unbestimmt ist, um die Zuweisung von Teilhaberechten zu erklären. Nur der Gesetzgeber kann den Kreis der Betroffenen festlegen – und zwar dezisionistisch »von oben«719. Mit einer solchen externen Wertungsentscheidung über die »Betroffenheit« als Zuordnungskriterium zum autonomen Verband verträgt sich der Gedanke einer nach Betroffenheit und damit nach sachlichen Gesichtspunkten gestuften demokratischen Teilhabe nicht. In der Konsequenz gilt für die Mitbestimmung im Betrieb wie für die funktionale Selbstverwaltung, daß die Autonomie funktional abgegrenzter gesellschaftlicher Gruppen selbst dann nicht aus dem Demokratieprinzip abgeleitet werden kann, wenn man die Selbstbestimmung als »ratio« der Demokratie an die Stelle der Egalität setzt 720 . Also: Das BetrVG verfaßt zwar nicht den Betrieb, wohl aber die Betriebsbelegschaft als »Betroffenen-Verband«721, den Richardi722 als »kollektive Ordnung [der Arbeitnehmer im Verhältnis zueinander], auf deren rechtlicher Relevanz die Betriebsverfassung beruht« beschreibt. Nur wenn man den Blick auf die Belegschaft verengt und den Arbeitgeber ausschließt, läßt sich davon sprechen, daß ein – letztlich fi ktiver723 – übergeordneter Kollektiv-Wille gebildet wird724 . Grund hierfür ist die einfachgesetzliche Anordnung, nicht das Demokratieprinzip. Als gesetzlich installierter Zusammenschluß steht die Beparteien nach §§ 72 Abs. 8, 73a Abs. 4 i. V. m. 72 Abs. 8 BetrVG für die Gesamt- und Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung erstreckt. 717 Rose, KJ 2001, 157, 161. [Hervorhebung von mir.] 718 Vgl. Demirovic´, Demokratie, S. 24, der freilich eine Antwort schuldig bleibt. 719 Vgl. Hendler, HStR VI, § 143 Rn. 32. 720 Eingehend zur funktionalen Selbstverwaltung B.I.3., S. 76 ff. 721 Ausdrücklich für einen Verband »Belegschaft« Leinemann, DB 1985, 1394, 1395; derselbe, DB 1990, 732, 735. 722 ZfA 2008, 31, 34. 723 Das ist weniger ein spezifisches Problem der Repräsentation, sondern richtigerweise ein allgemeines Problem echter Kollektiventscheidungen – und daher typisch für das Demokratieprinzip; dazu A.I.2.a.[2], S. 39. 724 Dazu Wiebauer, Sicherung der Mitbestimmung, Rn. 342 f.; weiter Däubler/Kittner/ Klebe/Wedde, BetrVG, Einleitung Rn. 107, demzufolge der Arbeitnehmer mit der Zuord-

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legschaft nicht den privaten Verbänden nahe, sondern den öffentlichrechtlichen (funktional abgegrenzten) Selbstverwaltungskörperschaften. 3. Soziale (und funktionale) »Selbstverwaltung« der Belegschaft Anders als bei der funktionalen Selbstverwaltung nach öffentlichem Recht ist jedoch nicht ohne weiteres zu erkennen, welche »eigenen Angelegenheiten« dem Belegschaftsverband zugewiesen sind. Der Betriebsrat allein kann ohne den Arbeitgeber oder die Einigungsstelle keine normativen Regelungen setzen725. Aus vertragsrechtsakzessorischer Perspektive bleibt der Belegschaft daneben kein »eigener Wirkungskreis«, weil die Mitbestimmung im Betrieb keine Wirkungen für die Arbeitnehmer entfaltet, die nicht schon in den arbeitsvertraglichen Befugnissen des Arbeitgebers angelegt sind. Die Normwirkung des § 77 Abs. 4 BetrVG bedeutete dann keine heteronome Vertikalität für die Belegschaft, sondern wäre nur das rechtstechnische Mittel, auf ohnehin eröffnete Arbeitgeberrechte zuzugreifen726 . Konsequent weitergedacht ist für die vertragsrechtsakzessorische Mitbestimmung im Verhältnis von Betriebsrat und Belegschaft kein Legitimationsproblem zu erkennen727. a. Mitbestimmungswirkungen zu Lasten der Arbeitnehmer [1] (Unterstellte) Generalermächtigung zu Eingriffen in Arbeitnehmerrechte Indes: Die Prämisse ist falsch. Betriebliche Mitbestimmung kann durchaus eine eigenständige Lastwirkung jenseits der vertraglichen Befugnisse des Arbeitgebers entwickeln728 . Außer acht bleiben muß insoweit die nach wie vor herrschende Auffassung, die schon in § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG eine generelle Belastungsermächtigung der Betriebsparteien sieht und diese mit einer – vor allem aus § 88 BetrVG und einem Gegenschluß zu § 77 Abs. 3 BetrVG abgeleiteten – umfassenden Regelungszuständigkeit kombiniert 729. Der Normenbenung zur Belegschaft »Beteiligter einer [. . .] überindividuellen Einheit [wird], die mehr ist als die Summe aller Beteiligten«. 725 Müller-Franken, Befugnis, S. 81 ff. 726 Zu einer privatrechtlichen Deutung als Dritt-Leistungsbestimmung i. S. d. § 317 BGB Veit, Zuständigkeit, S. 181. 727 Rieble, Arbeitsmarkt, Rn. 1423. Einschränkend Lobinger, RdA 2011, 76, 86, dessen Ansicht nach nicht nur das »Ob« der Belastung Legitimationsfragen aufwirft, sondern auch das »Wer« – wenngleich die Zuweisung der Mit-Bestimmungsmacht an den Betriebsrat nur eine »beinahe schon« vernachlässigbare Eingriffswirkung entfalte. 728 Dazu etwa Loritz, ZfA 1991, 1, 15; Hänlein, RdA 2003, 26, 30; Lohse, Grenzen, S. 49. 729 Grundlegend BAG (GS) v. 7. 11. 1989, GS 3/85, BAGE 63, 211 = NZA 1990, 816 – unter C.I.2. der Gründe; bestätigt etwa BAG v. 12. 12. 2006, 1 AZR 96/06, BAGE 120, 308 = NZA 2007, 453 – Rn. 14; BAG v. 12. 4. 2011, 1 AZR 412/09, NZA 2011, 989 – Rn. 19. Ebenso Linsenmaier, RdA 2008, 1, 4 ff.; GK-BetrVG/Kreutz, § 77 Rn. 83 ff., 228, 319; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 77 Rn. 45 f. Dazu noch GK-BetrVG/Wiese, vor § 87 Rn. 3 ff., § 87 Rn. 95 ff., der Rn. 95 meint, den Betriebspartnern

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stand zwingt nicht zu diesem Schluß730 , eine explizite Eingriffsermächtigung fehlt gerade. Nichts anderes gilt mit Blick auf die Interpretation einzelner Mitbestimmungstatbestände des § 87 Abs. 1 BetrVG als Eingriffsnormen: § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ordnet Mitbestimmung an, wenn die betriebsübliche Arbeitszeit vorübergehend verändert werden soll. Daß Kurzarbeit oder Überstunden qua Betriebsvereinbarung angeordnet werden dürften, obschon der Arbeitgeber dazu individualrechtlich nicht berechtigt ist 731, ist damit nicht gesagt. Vergleichbar läßt sich der »kollektive Günstigkeitsvergleich«, den der Große Senat des BAG 732 für die umstrukturierende Betriebsvereinbarung über Sozialleistungen entwickelt – oder besser: erfunden – hat, zwar prinzipiell als Umverteilungsvorbehalt aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG deuten733 , und zielt die großzügige Rechtsprechung zur »Betriebsvereinbarungsoffenheit« von Gesamtzusagen der Sache nach zwar auf rechtsfortbildende Einschränkung des Günstigkeitsschutzes und damit auf eine Ermächtigung auch zu verschlechternden Betriebsvereinbarungen734 . All dies setzt jedoch voraus, daß man die Auslegungs-Entscheidung zugunsten einer Eingriffskompetenz der Betriebsparteien mitträgt735. Auch der Vergleich mit der – eine entsprechende Vereinbarung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 SprAuG vorausgesetzt – umfassenden Regelungsbefugnis von Arbeitgeber und Sprecherausschuß nach § 28 SprAuG erlaubt keinen eindeutigen Rückschluß auf die Befugnisse der Betriebsparteien nach dem BetrVG 736 .

sei in § 87 BetrVG »ein bestimmter Zuständigkeitsbereich zur eigenverantwortlichen und gleichberechtigten Regelung zugewiesen«. [Hervorhebungen im Original.] Einschränkend Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 77 Rn. 16 ff.; Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 66 ff. 730 Dazu etwa Waltermann, RdA 2007, 257, 260 ff.; C. Picker, Betriebsvereinbarung, S. 103, 115 ff.; eingehend Veit, Zuständigkeit, S. 207 ff. 731 Zur Anordnung von Überstunden in einer Betriebsvereinbarung BAG v. 3. 6. 2003, 1 AZR 349/02, BAGE 106, 204 = NZA 2003, 1155 – unter II.3. der Gründe. Dagegen Waltermann, RdA 2007, 257, 266. Allgemein zu § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG als Ermächtigungsgrundlage Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 335; ErfK/Kania, § 87 BetrVG Rn. 31; ablehnend Rieble, Arbeitsmarkt, Rn. 1437; kritisch auch Lobinger, RdA 2011, 76, 78 f. 732 V. 16. 9. 1986, GS 1/82, BAGE 53, 42 = NZA 1987, 168 – unter C.II.4. der Gründe. 733 Blomeyer, NZA 1985, 641, 645 ff., der nahe legt, daß mit Blick auf § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG Entsprechendes gelten muß; Kolbe, ZfA 2011, 95, 111; Dornbusch/Fischermeier/ Löwisch/Rieble, § 77 BetrVG Rn. 33; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 77 Rn. 62. Dazu auch Annuß, NZA 2001, 756 ff. Ablehnend C. Picker, Betriebsvereinbarung, S. 103, 124; MüllerFranken, Befugnis, S. 322 ff.; Veit, Zuständigkeit, S. 374 ff., die dem Änderungsbedarf durch individualvertragliche Änderungsrechte des Arbeitgebers Rechnung tragen wollen. 734 Fastrich, RdA 1994, 129 ff. m. w. N.; Kolbe, ZfA 2011, 95, 112 f. 735 Mit Blick auf § 87 Abs. 1 BetrVG Müller-Franken, Befugnis, S. 223 ff. 736 Veit, Zuständigkeit, S. 286 f. will gar den Gegenschluß ziehen, weil das BetrVG gerade nicht entsprechend geändert wurde. Anders die h. M., die eine umfassende Eingriffsbefugnis der Betriebspartner durch § 28 SprAuG mittelbar bestätigt sieht; etwa BAG (GS) v. 7. 11. 1989, GS 3/85, BAGE 63, 211 = NZA 1990, 816 – C.I.2.c) der Gründe; Linsenmaier, RdA 2008, 1, 5.

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[2] Ausgleichsfunktion als vertragsrechtsakzessorische Schranke der Privatautonomie Abzuschichten ist weiter die Ausgleichsfunktion der Mitbestimmung 737. Unstreitig verdrängt eine Betriebsvereinbarung Individualvereinbarungen, die zwar für den einzelnen Arbeitnehmer vorteilhaft sind, aber – vermittelt über die arbeitsorganisatorische Verbundenheit der Arbeitnehmer im Betrieb738 – zu Lasten anderer Mitarbeiter gehen739. Musterbeispiel ist das Rauchverbot im Betrieb. Hier kann es keinen Günstigkeitsschutz geben740 : Gerade weil das BetrVG diese Interdependenz der Arbeitsbedingungen der Betriebsbelegschaft durch das »Nebeneinander der Arbeitsverhältnisse«741 im Betrieb ordnen soll, ist es durchaus systemkonform, daß das Günstigkeitsprinzip nicht normiert wurde742 . Indes meint die Ausgleichsfunktion keine Eingriffsbefugnis der Betriebspartner in Arbeitnehmerrechte, sondern markiert Grenzen der individualrechtlichen Vereinbarungsmacht. Die Arbeitsvertragsfreiheit erlaubt dem einzelnen Arbeitnehmer nicht, sich unbegrenzt Sondervorteile zu sichern, mit denen durch die betriebliche Arbeitsorganisation vermittelte Lastwirkungen für Kollegen einhergehen743 . Die Ausgleichsfunktion der betrieblichen Mitbestimmung spiegelt insofern die Gegengewichtsfunktion im Verhältnis zum Arbeitgeber – und ist wie diese vertragsrechtsakzessorisch zu verstehen: Sie aktualisiert und konkretisiert die vertraglichen Rücksichtnahmepfl ichten des einzelnen Mitarbeiters gegenüber den Kollegen und beschränkt insoweit die Privatautonomie der Arbeitnehmer. Evident ist dieser Effekt bei der »organisationsbezogenen« Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 bis 9 und 12 BetrVG 744 ; er greift aber auch bei der Mitbestim737

Zu ihr Wiese, ZfA 2000, 117, 122 ff. Dazu, daß das BetrVG an diese Verbindung anknüpft, Rieble, RdA 1996, 151, 152. 739 Rieble, Arbeitsmarkt, Rn. 1426 ff.; Müller-Franken, Befugnis, S. 333 ff.; Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 150 m. w. N. 740 Ausnahmsweise will Wiese, ZfA 2000, 117, 136 f. eine individuelle Raucherlaubnis als günstiger gelten lassen, wenn weder andere Arbeitnehmer noch Dritte beeinträchtigt werden. 741 Wiebauer, Sicherung der Mitbestimmung, Rn. 339 sowie Rn. 25 ff. Richtig stellt Wiese, NZA 2006, 1, 2 heraus, »dass betriebliche Arbeitsverhältnisse nicht isoliert nebeneinander bestehen, so dass nicht allein oder auch nur vorrangig Individualinteressen gegenüber dem Arbeitgeber wahrzunehmen sind.« 742 Wiebauer, Sicherung der Mitbestimmung, Rn. 38; zurückhaltender Annuß, NZA 2001, 756, 761 ff. Demgegenüber gilt nach BAG (GS) v. 16. 9. 1986, GS 1/82, BAGE 53, 42 = NZA 1987, 168 – unter C.II.3. der Gründe in der Betriebsverfassung ein ungeschriebenes Günstigkeitsprinzip. Näher dazu § 3 B.II.2.c.[3][a], S. 195 ff. 743 Dazu Rieble, Arbeitsmarkt, Rn. 1426 ff.; in diese Richtung auch Riesenhuber, JZ 1999, 711, 713 ff., der die arbeitsvertraglichen Schutzpfl ichten der Arbeitnehmer untereinander herausarbeitet. Deshalb greift Bayreuther, Tarifautonomie, S. 521 (ähnlich Franzen, NZA-Beilage 3/2006, 107, 108) zu kurz, wenn er dem Gedanken der Vertragsrechtsakzessorietät mit dem Hinweis auf die Ausgleichsfunktion der Mitbestimmung widerspricht. 744 Reichold, Betriebsverfassung, S. 524 ff. 738

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mung in der Leistungsbeziehung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 bis 5, 10, 11 BetrVG, wenn man diese Mitbestimmungstatbestände vertragsakzessorisch auf ihre über die betriebliche Arbeitsorganisation vermittelten Begleiterscheinungen beschränkt745. [3] Mitbestimmungsnachteile für Arbeitnehmer Das Gesetz ordnet aber auch »echte« mitbestimmungsrechtliche Nachteile für Arbeitnehmer an746 und erlaubt insoweit, Arbeitnehmer in mitbestimmten Betrieben qua Mitbestimmung schlechter zu stellen. Beispiel ist der Interessenausgleich mit Namensliste (§ 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG, § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO), der den Betriebsparteien den Eingriff in die bestandsschutzrechtliche Position der Arbeitnehmer erlaubt747. Hier sind Ansätze einer Re-Kollektivierung des Kündigungsschutzes zu erkennen748 , deren deutlichste Ausprägung in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 abschließender Teilsatz KSchG die h. M. freilich ignoriert749. In diesen Kontext ist auch die Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG einzuordnen, mit der der Betriebsrat eine Neueinstellung verhindern, die Arbeitsplätze der privilegierten Betriebsbürger sichern und unter Umständen einen Kündigungsgrund für den Arbeitsvertrag des Außenseiters setzen kann750 . Daß in beiden Fällen keine Betriebsvereinbarung nötig (oder auch nur erlaubt) ist, tut nichts zur Sache. Entscheidend ist, daß der Interessenausgleich mit Namensliste nicht über die Einigungsstelle erzwungen werden kann, und daß der Betriebsrat mit der Zustimmungsverweigerung einseitig ein betriebsverfassungsrechtliches Beschäftigungsverbot751 »erlassen«752 und im Mitbestimmungssicherungsverfahren nach § 101 745

Reichold, Betriebsverfassung, S. 514 ff. Mißverständlich Franzen, NZA-Beilage 3/2006, 107, 110: nicht eine »vom BetrVG offensichtlich gebilligte belastende Wirkung der betrieblichen Beteiligungsrechte« steht in Rede. Das BetrVG ordnet solche Lastwirkung – partiell – ausdrücklich an. 747 Dazu Hänlein, RdA 2003, 26, 30; Lobinger, Vermögensbetreuungspfl icht, S. 99 ff. Rn. 10 begreift diese Absenkung des Bestandsschutzes als »Verfügung über eine Rechtsposition«. Allgemein zum Interessenausgleich mit Namensliste ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 360 ff. für § 1 Abs. 5 KSchG und Uhlenbruck/Berscheid, InsO, § 125 Rn. 1 ff., 6 ff. für § 125 InsO. 748 Zum kollektivrechtlichen Kündigungsschutz nach BRG 1920 § 1 C.III.2.c., S. 19 f. 749 Kritisch Rieble/Kolbe, SAE 2008, 241, 242 m. w. N. 750 Hierzu Däubler/Kittner/Klebe/Wedde/Bachner, BetrVG, § 99 Rn. 250, § 100 Rn. 41; ErfK/Kania, § 99 BetrVG Rn. 45; Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, § 99 Rn. 81. Insoweit greift es zu kurz, die Mitbestimmung nach § 99 (und § 102) BetrVG mit Reichold, NZA 1999, 561, 564 auf die »Regelung des internen Arbeitsmarktes« zu reduzieren. 751 Ist die Zustimmung des Betriebsrats zu einer Einstellung weder erteilt noch fi ngiert, besteht ein betriebsverfassungsrechtliches Beschäftigungsverbot; allgemeine Meinung, nur Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 99 Rn. 131; Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 99 BetrVG Rn. 6. 752 Auch wenn man den Betriebsrat mit Richardi/Thüsing, BetrVG, § 99 Rn. 183 – dagegen etwa Wiebauer, Sicherung der Mitbestimmung, Rn. 343 – für verpfl ichtet hält, die Zustimmung zu verweigern, wenn er einen Grund i. S. d. § 99 Abs. 2 BetrVG gegeben sieht, 746

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BetrVG durchsetzen kann. Die mitbestimmungswidrige Versetzung hält das BAG für individualrechtlich unwirksam nach § 134 BGB i. V. m. § 99 BetrVG, sofern der neue Arbeitsbereich kraft Direktionsrechts zugewiesen wurde753 ; mindestens muß auch hier ein betriebsverfassungsrechtliches Beschäftigungsverbot gelten754 . Die bestandsschutzrelevante Namensliste und die Mitbestimmung bei Einstellung und Versetzung lassen sich nicht der Ausgleichsfunktion zuordnen, sondern sind gegebenenfalls mitbestimmungsrechtliche Sondernachteile für Arbeitnehmer in Betrieben mit Betriebsrat755. Es geht nicht darum, die Grenzen der Privatautonomie im Verteilungskampf um knappe Arbeitsplätze zu aktualisieren, weil das Arbeitsvertragsrecht diesen Wettbewerb gerade erlaubt: Insoweit gibt es keine Drittbelastungsverbote, die prinzipiell unabhängig davon greifen müßten, ob sich im Betrieb eine Arbeitnehmervertretung konstituiert hat. Im Betrieb ohne Betriebsrat ist der Arbeitgeber auch dann nicht – etwa nach § 242 BGB – gehindert, neue Kräfte einzustellen, wenn in der Folge die Kündigung bereits Beschäftigter droht und diese Fernwirkung nicht sachlich gerechtfertigt werden kann (vgl. § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG) 756 . Und auch in mitbestimmten Betrieben dürfen sich einzelne Arbeitnehmer im Individualvertrag Bestandsschutz-Vorteile sichern: etwa durch arbeitsvertragliche Unkündbarkeit757 oder Vereinbarungen über die Anrechnung von (nach KSchG nicht anrechenbaren) Beschäftigungszeiten auf die Betriebszugehörigkeit758 . Der Betriebsrat hat hiergegen keine Handhabe. Auch wenn die Arbeitlassen die Verweigerungsgründe dem Betriebsrat teils erhebliche Beurteilungsspielräume. Überdies unterliegt die Entscheidung, die Zustimmung nicht zu verweigern, keiner gerichtlichen Kontrolle. 753 BAG v. 26. 1. 1988, 1 AZR 531/86, BAGE 57, 242 = NZA 1988, 476 – unter II.4. der Gründe; v. 5. 4. 2001, 2 AZR 580/99, BAGE 97, 276 = NZA 2001, 893 – unter II.2.c.cc)(2) der Gründe; zustimmend Däubler/Kittner/Klebe/Wedde/Bachner, BetrVG, § 99 Rn. 252; ablehnend Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 99 Rn. 134; Richardi/Thüsing, BetrVG, § 99 Rn. 298. Demgegenüber soll eine der Versetzung zugrundeliegende Änderungskündigung individualrechtlich wirksam bleiben; BAG v. 30. 9. 1993, 2 AZR 283/93, BAGE 74, 291 = NZA 1994, 615 – unter B.I.3. der Gründe; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 99 Rn. 135. 754 Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 99 BetrVG Rn. 30; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 99 Rn. 134. 755 Mit Blick auf § 99 BetrVG sieht auch Müller-Franken, Befugnis, S. 248 eine Lastwirkung für die Arbeitnehmer. 756 Außerhalb des KSchG ist selbst die Austauschkündigung zur Kostensenkung zulässig; Otto, FS Wiese, S. 353, 367; zustimmend Urban, Kündigungsschutz außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes, S. 182. Ein präventiver Schutz kommt dann erst recht nicht in Betracht. 757 Daß der einzelvertragliche Ausschluß der ordentlichen Kündigung in der Sozialauswahl beachtlich ist, ist zwar nicht unumstritten, aber überwiegend anerkannt: etwa Künzel/ Fink, NZA 2011, 1385, 1387 f.; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 313; Stahlhacke/Preis/Vossen/Kiel, Kündigung, Rn. 708. Die Gegenmeinung vertreten Lerch/Weinbrenner, NZA 2011, 1388, 1391; Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Kaiser, § 1 KSchG Rn. 187. 758 Zu – nach h. M. rechtlich zulässigen – Abreden über die Dauer der Betriebszugehörig-

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nehmervertreter den arbeitsvertraglichen Sonderkündigungsschutz als Verstoß gegen § 1 Abs. 3 KSchG werten wollten, könnten sie solchermaßen geschützte Arbeitnehmer nicht mit der Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG »abwehren«, weil in der Einstellung als solcher jedenfalls kein Gesetzesverstoß liegt und § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG den Betriebsrat nicht zur allgemeinen Arbeitsvertragskontrolle berechtigt 759. Überdies kennt das Arbeitsrecht – wenngleich selten – betriebsvereinbarungsdispositive Arbeitnehmer-Schutzrechte: Läßt man § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG als Sonderfall beiseite, weil der Wortlaut zumindest nicht dazu zwingt, die Betriebsvereinbarung mit der herrschenden Auffassung760 als »Rechtsvorschrift« einzustufen, erlauben etwa § 21a Abs. 1, Abs. 2 JArbschG und § 12 Satz 1 Eingangs-Teilsatz ArbZG, »im Anschluß« an entsprechende Tarifregelungen Arbeitsbedingungen761 in erheblichem Umfang durch Betriebsvereinbarung zu regeln – auch zu Lasten des Arbeitnehmers. b. »Eigener Wirkungskreis« des Belegschaftskollektivs Entgegen der vertragsrechtsakzessorischen Grundannahme steckt das BetrVG also doch einen »eigenen Wirkungskreis« der Belegschaft ab. Es kennt Rechtsfolgen, die der Arbeitgeber nur mit Hilfe eines Betriebsrats erreichen kann. Daß es hierbei um besondere Mitbestimmungsbefugnisse geht, um eine Art »Selbstorganisationsmacht« der Arbeitnehmer, zeigt sich auch an der besonderen Verantwortung der Mitbestimmungsträger in diesem Bereich, die etwa Lobinger 762 mit Blick auf eine mögliche Untreuestrafbarkeit der Betriebsratsmitglieder nach § 266 Abs. 1 StGB herausgearbeitet hat: Anders als für Betriebsvereinbarungen in den sozialen Angelegenheiten des § 87 Abs. 1 BetrVG muß der Betriebsrat mit Blick auf die Namensliste i. S. d. § 1 Abs. 5 KSchG, § 125 InsO eine gesteigerte Verantwortung für seine Mitbestimmungstätigkeit schultern, weil die Mitbestimmung Rechtspositionen der Arbeitnehmer unterlaufen kann763 . keit im Prozeßvergleich BAG v. 2. 6. 2005, 2 AZR 480/04, BAGE 115, 92 = NZA 2006, 207 – unter B.I.4.b)aa) der Gründe. 759 Nur Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 99 BetrVG Rn. 43. 760 BAG v. 27. 5. 1986, 1 ABR 48/84, BAGE 52, 88 = NZA 1986, 643 – unter B.II.3.b) aa)(1) der Gründe; weiter ErfK/Wank, § 4 BDSG Rn. 2; GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn. 493 ff. – jeweils m. w. N. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BDSG-E (BR-Drucks. 535/10, S. 2) soll das Datenschutzniveau ausdrücklich durch Betriebsvereinbarung geändert werden können – jedoch gemäß § 32l Abs. 5 BDSG-E nur zugunsten der Arbeitnehmer. In der Sache soll die geltende Rechtslage nicht verändert, sondern nur klargestellt werden; dazu Freckmann/Störing/ Müller, BB 2011, 2549, 2550 ff. 761 Grundlegend zur Unterscheidung zwischen materiellen und formellen Arbeitsbedingungen (»Dienstvorschriften«) A. Hueck, NZfA 1923, Spalte 87, 91 ff. Aktueller Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 35 ff. 762 Vermögensbetreuungspfl icht, S. 99 ff. 763 Hierzu Lobinger, Vermögensbetreuungspfl icht, S. 99 ff. Rn. 31, der den Betriebsrat insoweit als »Medium des Individualschutzes« (Rn. 19) sieht.

C. Mikrodemokratie im Betrieb

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Greifbar ist die Regelung eigener Angelegenheiten durch Betroffene ferner, wenn der Betriebsrat nach § 36 BetrVG die eigene Geschäftsordnung 764 oder nach § 37 Abs. 6 BetrVG über die Teilnahme einzelner Gremiumsmitglieder an Schulungsmaßnahmen beschließt oder nach § 38 Abs. 2 Satz 1 BetrVG freizustellende Betriebsratsmitglieder bestimmt. Solche »Selbstverwaltungsrechte«765 des Betriebsrats müssen sich nicht auf Interna beschränken, sondern können mittelbar Außenwirkung der Belegschaft gegenüber entfalten: etwa wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Verwaltung einer betrieblichen Sozialeinrichtung i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zur eigenen Verantwortung überläßt 766 . Weil es hierbei um Rechte des Betriebsrats geht, läßt sich zwar fragen, ob sich hier nicht die Belegschaft selbst verwaltet, sondern vielmehr der Betriebsrat 767. Die Konzentration auf den Betriebsrat ist aber Konsequenz der bloß rudimentären, nur im Ansatz körperschaftlichen Organisation der Belegschaft; sie spricht nicht entscheidend gegen ein Element der Arbeitnehmer-Selbstverwaltung, weil es insoweit zentral auf die partizipative Struktur des Betroffenenverbands Belegschaft ankommt.

III. Sonderfall Mitwirkungsrechte Die vielfach gesetzlich angeordnete Mitwirkung der Arbeitnehmervertretung im Planungsstadium fügt sich nicht in den skizzierten Dualismus von Vertragsrechtsakzessorietät und »Selbstverwaltung« der Belegschaft: Beschränkt das BetrVG den Betriebsrat auf Unterrichtung und Anhörung ohne ein Vetorecht zu begründen, geht es weder darum, Befugnisse des Arbeitgebers zu beschränken768 , noch sollen Mitwirkungsrechte wie §§ 90 oder 92 BetrVG Überwachungsaufgaben des Betriebsrats realisieren. Ebensowenig läßt sich von einer Regelung eigener Angelegenheiten der Belegschaft sprechen. Unterrichtung, Anhörung und Beratung zielen auf den (argumentativen) Einfluß der Arbeitnehmer im Vorfeld konkreter Entscheidungen. Entsprechende Mitwirkungsrechte sind strukturell der Unternehmensmitbestimmung – 764 Dazu, daß die Geschäftsordnung des Betriebsrats sowie die des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats (potentiell) heteronome Rechtsnormen sind, F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 230. 765 Bezeichnung von Haug, Direktion, S. 36. Auch E. Picker, RdA 2001, 259, 269 spricht vom »Betriebsrat und seine[r] betriebliche[n] Selbstverwaltung.« [Hervorhebung im Original.] 766 Dazu BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, 1 = NZA 1987, 100 – unter II.2.c)cc) der Gründe; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 77 Rn. 3. 767 Veit, Zuständigkeit, S. 126 mit Blick auf Verträge des Betriebsrats mit Sachverständigen oder Beisitzern der Einigungsstelle: »Hier ist der Betriebsrat nicht als Repräsentant, Organ oder Vertreter tätig, der für die Belegschaft Beteiligungsrechte ausübt.« 768 Franzen, NZA-Beilage 3/2006, 107, der deshalb einen dem Schutzzweck gegenüber eigenständigen Teilhabezweck der betrieblichen Mitbestimmung sieht.

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insbesondere der Drittelbeteiligung – vergleichbar769. Für die Beteiligung des Wirtschaftsausschusses nach den §§ 106 ff. BetrVG liegt die Parallele zur Unternehmensmitbestimmung auf der Hand: Gegenständlich ist die Organbeteiligung im Aufsichtsrat ohnehin ein Unterfall der Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten770 ; für die Arbeitnehmerbeteiligung im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers gilt dasselbe771. Die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats nach dem BetrVG betreffen zwar andere Bereiche, ähneln der Unternehmensmitbestimmung aber gleichwohl nicht nur im Mitbestimmungsmodus der »Teilhabe durch Argumente«, sondern auch funktional. Es geht um die Beteiligung der Arbeitnehmer an strategischen Leitungsentscheidungen, wenigstens teilweise auch an solchen, die der Sache nach kaum auf den Betrieb beschränkt werden können. Das gilt etwa für die Beratung über Fragen der Beschäftigungssicherung und -förderung nach § 92a BetrVG 772 , aber auch die betriebliche Personalplanung (§ 92 BetrVG) ist kein autarkes System, sondern kann nur im Kontext der strategischen Ausrichtung des Unternehmens gestaltet werden773 .

IV. Betriebsverfassung zwischen Vertragsrecht und Selbstverwaltung Die Mitbestimmung im Betrieb läßt sich nicht monolithisch erklären. Sie ist keine Mikrodemokratie im Betrieb, kann aber auch nicht (vollständig) vom Arbeitsvertrag her konstruiert werden. Statt dessen sind zwei Aspekte auseinander zu halten: Im Verhältnis zum Arbeitgeber ist die Mitbestimmung vertragsrechtsakzessorisch, konkretisiert und aktualisiert seine arbeitsvertraglichen Schutz- und Rücksichtnahmepfl ichten. Vergleichbar wirkt die Mitbestimmung aber auch gegenüber den Arbeitnehmern: Die Ausgleichsfunktion der betrieblichen Mitbestimmung aktualisiert die Außenschranken ihrer Privatautonomie mit Rücksicht auf die Kollegen, denen bestimmte arbeitsvertragliche Regelungen reflexhaft Lastwirkungen über die Betriebsorganisation vermitteln. Gleichzeitig kennt die Mitbestimmung nach dem BetrVG aber auch ein Element der sozialen »Selbstverwaltung«, erlaubt insbesondere verschiedene Regelungen zu Lasten der Arbeitnehmer, die der Arbeitgeber ohne einen Betriebsrat nicht hätte erreichen können. Hier löst sich das Gesetz entschieden 769

Dazu noch § 3 C.III., S. 223 ff. L. Raiser, Rechtsfragen, S. 18; Rieble, Mitbestimmung, S. 9 ff. Rn. 43. 771 Rieble/Kolbe, KTS 2009, 281, 305. 772 Nach GK-BetrVG/Raab, vor § 92 Rn. 2 sollen die §§ 92 Abs. 3, 92a BetrVG »dem Betriebsrat offenbar Einfluss auf wichtige Bereiche der Unternehmensführung verschaffen.« [Hervorhebung von mir.] 773 Richardi/Thüsing, BetrVG, § 92 Rn. 4: »Personalplanung ist ein Teil der Unternehmensplanung [. . .]. Sie ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, abgeleitete Planung.« [Hervorhebungen im Original.] 770

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vom historisch zentralen Arbeitnehmerschutz-Gedanken, und erhebt die Mitbestimmung zum eigenständigen Rechtswert 774 . Insoweit trifft es zu, daß »die Betriebsverfassung eben doch gewisse öffentlich-rechtliche Züge aufweist«775 , und vor diesem Hintergrund erklärt sich die Aussage des BAG, der Gesetzgeber habe den Betriebspartnern mit dem BetrVG »die Aufgabe überlassen, einen bestimmten Bereich [. . .] im Wege der Selbstverwaltung autonom zu regeln.«776 Freilich läßt sich allenfalls von einer »Selbstverwaltung« der Belegschaft sprechen. Das Gesetz verfaßt nicht den Betrieb als Zwangsverband, sondern nur das Belegschaftskollektiv. Mitbestimmte Betriebe mutieren nicht zur quasi-öffentlichrechtlichen Selbstverwaltungseinheit, sobald sich ein Betriebsrat konstituiert. Im Verhältnis zum Arbeitgeber geht es nicht um Gesamtwillensbildung, sondern um einen prinzipiell vertragsförmigen Interessenausgleich. Aber auch soweit die Belegschaft ihre eigenen Angelegenheiten »verwaltet«, verbieten sich weitreichende Parallelwertungen zu den öffentlichrechtlichen Selbstverwaltungseinheiten: Der für diese Organisationen kennzeichnende Dualismus zwischen Hinordnung zum Staat und Freiheit vom Staat im grundrechtlichen Interesse fehlt im Betrieb. Der Betriebsrat ist kein Wirtschaftsparlament 777, sondern Interessenvertretung der zwangsverbundenen Arbeitnehmer-Betroffenen.

D. Mikrodemokratie im Unternehmen Daß die – vor allem: paritätische – Unternehmensmitbestimmung demokratische Vertikalität aufweisen könnte, liegt prima facie nahe: Wie gezeigt, läßt sich die vertikale Dimension des Demokratieprinzips auf die Frage nach der Legitimation von Herrschaft zuspitzen. Dem entspricht die verbreitete Einschätzung, durch die Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat solle die Unternehmensleitung auch durch die Arbeitnehmer »legitimiert« werden778 . Zu beweisen wäre freilich, daß damit das demokratische Legitimationserfordernis angesprochen ist.

774 Dazu Müller-Franken, Befugnis, S. 43. Weiter GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn. 113, der die »Unterordnung abweichender Individualinteressen einzelner Arbeitnehmer unter die vom Betriebsrat wahrgenommenen kollektiven Interessen« als den »Preis der Mitbestimmung« sieht. 775 Veit, Zuständigkeit, S. 184. 776 BAG v. 12. 12. 2006, 1 AZR 96/06, BAGE 120, 308 = NZA 2007, 453 – Rn. 17; insoweit zustimmend Waltermann, RdA 2007, 257, 262 m. w. N. In diese Richtung schon E. R. Huber, Selbstverwaltung, S. 12, 41 ff. 777 Reichold, Betriebsverfassung, S. 399: »historisches Fallbeispiel für die Unzulässigkeit rechtsdogmatischer Deduktionen aus metajuristischen Vorverständnissen«. 778 Exemplarisch MünchArbR/Richardi, § 3 Rn. 48.

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I. »Unternehmensverband« und »Legitimation durch Mitbestimmung« 1. Unternehmensmitbestimmung als Gesellschaftsrecht Unternehmensmitbestimmung heißt in Deutschland Organbeteiligung – und zwar im Aufsichtsrat einer Gesellschaft, für die das Gesetz ein solches Gremium wenigstens fakultativ vorsieht 779. Das Unternehmensmitbestimmungsrecht knüpft indes nicht arbeitsrechtliche Konsequenzen an gesellschaftsrechtliche Vorgaben, sondern regelt Sonder-Organisationsrecht für bestimmte Gesellschaften und rechnet damit zum Gesellschaftsrecht780 . Eben diese Qualifi kation bedingt den Druck auf die deutsche Mitbestimmung, seit das europäische Recht die deutsche Sitztheorie zugunsten der Gründungstheorie verdrängt 781 und damit eine Öffnung gegenüber Gesellschaften ausländischen Rechts erzwungen hat. In solchen Gesellschaften ist die rechtsformfi xierte deutsche Unternehmensmitbestimmung als Bestandteil deutschen Gesellschaftsrechts nicht anwendbar782 . Großunternehmen können in Deutschland mitbestimmungsfrei tätig werden, wenn sie von einer nach Gründungsstaatsrecht nicht mitbestimmten Gesellschaft getragen werden783 . Wie das Unternehmensmitbestimmungsrecht ist das gesamte deutsche Unternehmensrecht Gesellschaftsrecht. Das Gesetz kennt das Unternehmen zwar auch als »Erwerbsgeschäft« (etwa in den §§ 22 ff. HGB) und bezieht sich damit auf das Unternehmen als Rechtsobjekt, als Gesamtheit von Vermögensgegenständen784 . Wird aber das »Unternehmen« im Wortlaut angesprochen, ist keine eigenständige rechtlich verfaßte Einheit gemeint, sondern (etwa in § 449 Abs. 3 BGB oder § 1 GWB) die unternehmenstragende Person oder Gesellschaft785. Auch das Unternehmensmitbestimmungsrecht richtet sich nicht an 779

Zu diesem »Aufsichtsratsdogma« Latzel, Gleichheit, Rn. 8. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 584: Mitbestimmung als »Grundwert des deutschen Gesellschaftsrechts« [Hervorhebung von mir.]; Martens, JuS 1983, 329, 338; Merkt, ZIP 2011, 1237, 1239. Zum Kollisionsrecht Junker, ZfA 2005, 1, 5 f. 781 Etwa EuGH v. 9. 3. 1999, C-212/97, Slg. 1999, I-1459 = NJW 1999, 2027 – »Centros« Rn. 20; v. 5. 11. 2002, C-208/00, Slg. 2002, I-9919 = ZIP 2002, 2037 – »Überseering« Rn. 59 ff.; v. 30. 9. 2003, C-167/01, Slg. 2003, I-10155 = ZIP 2003, 1885 – »Inspire Art« Rn. 103 ff.; v. 12. 9. 2006, C-196/04, Slg. 2006, I-7995 = ZIP 2006, 1817 – »Cadbury Schweppes« Rn. 75; dazu m. w. N. Junker, ZfA 2005, 1, 3 ff. Als international zwingende Vorgabe will die h. M. das deutsche Unternehmensmitbestimmungsrecht nicht einstufen; etwa Sandrock, AG 2004, 57 ff.; Merkt, ZIP 2011, 1237, 1239; anders Heuschmid, Mitentscheidung, S. 213 ff. 782 H. M., etwa MünchKommAktG/Gach, § 1 MitbestG Rn. 14; mit umfangreichen Nachweisen zum Meinungsstand ErfK/Oetker, Einführung DrittelbG Rn. 4 sowie § 1 MitbestG Rn. 5. 783 Zur Anzahl der in Deutschland tätigen, »potentiell mitbestimmten« Unternehmen ausländischen Rechts Sick/Pütz, WSI-Mitteilungen 2011, S. 34; dieselben, AG-Report 2011, R195 f. 784 Dazu Rittner, Juristische Person, S. 282 m. w. N. 785 Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 157; eingehend Flume, BGB AT I/2, S. 48 ff. – jeweils m. w. N. 780

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das Unternehmen als rechtliches Zurechnungssubjekt, defi niert also anders als die Konzernmitbestimmung der §§ 54 ff. BetrVG keinen »arbeitsrechtlichen Sonder-Rechtsträger«786 . Anstelle einer Arbeitnehmer-Repräsentation in einer von der unternehmenstragenden Gesellschaft verschiedenen Einheit »Unternehmen« verlangen die Mitbestimmungsgesetze Arbeitnehmervertreter im Kontrollorgan eben dieser Gesellschaft. Ihr als Arbeitgeberin sind die Arbeitnehmer rechtlich jeweils durch Arbeitsvertrag verbunden, nicht aber mitgliedschaftlich787. Daß den Arbeitnehmern parallel zu der charakteristischen Rechtsstellung des Mitglieds Vermögensrechte – vor allem Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung – sowie Mitverwaltungsrechte im Rahmen der Mitbestimmung zustehen788 , ändert hieran nichts. Mitgliedschaften im Verband müßten sich in ihren Rechten und Pfl ichten wenigstens tendenziell gleichen789, die Rechtsstellung der Arbeitnehmer indes ist von der gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaft grundverschieden: Die Mitverwaltungsbefugnisse der Arbeitnehmer unterscheiden sich substantiell von denen der Mitglieder; sie sind nicht auf den gemeinsamen Verbandszweck ausgerichtet, sondern zielen gegen den Arbeitgeber und bilden damit einen Gegenpol zur »Summe« der Verwaltungsrechte der »gewöhnlichen Mitglieder«. Auch muß der Arbeitnehmer nicht »an seiner Stelle dem Unternehmenswohl dienen«, sondern schuldet Arbeit nach Weisung und muß sein Vertragsinteresse nicht dem Unternehmenswohl unterordnen790 . Deshalb ist die »Unternehmensmitgliedschaft« der Arbeitnehmer auch de lege ferenda791 allenfalls im Rahmen einer umfassenden Neuordnung des gewollten »Verbands« denkbar792 . Überdies geht die hier aufgeworfene Frage dahin, ob die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer mit einem demokratisch verfaßten Unternehmensverband aus Arbeitgeber und Belegschaft erklärt werden können. Dann kann nicht umgekehrt der Verband mit den gesetzlichen Mitbestimmungsrechten nachgewiesen werden.

786 Zum Konzern als »arbeitsrechtlicher Besonderheit« Rieble/Kolbe, KTS 2009, 281, 296 f.; Richardi/Annuß, BetrVG, § 58 Rn. 33 ff. m. w. N. auch zu abweichenden Ansichten. 787 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 152 ff.; Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 56 ff.; MünchArbR/Richardi, § 3 Rn. 22 f. Für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat BVerfG [Senat] v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290 = RdA 1979, 380 – »Mitbestimmungsurteil« sub C.III.2.b)aa) der Gründe. 788 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 153. 789 Rittner, Juristische Person, S. 291 und dort Fn. 41. 790 Zöllner, FS 25 Jahre BAG, S. 745, 760 f.; zustimmend Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 55. 791 Diese rechtspolitische Frage wirft Kunze, FS Duden, S. 201, 204 auf. 792 Die – umwälzenden – Konsequenzen, die aus einer solchen Neuordnung für das Arbeitsrecht zu ziehen wären, skizziert Löwisch, Mitbestimmung und Arbeitsverhältnis, S. 131, 138 ff.

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2. Verselbständigung des Unternehmens Soll die Unternehmensmitbestimmung »demokratisch erklärt« werden, müßten – läßt man die Beteiligung Unternehmensexterner auf »Gewerkschaftssitzen« zunächst außer acht – zumindest Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Unternehmen einen gemeinsamen Verband bilden793 . Andernfalls fehlte die Referenzgruppe als metademokratische Vorbedingung. Irrelevant ist insoweit, ob Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers nicht nur im Betrieb eine kollektive Ordnung untereinander bilden794 , sondern auch im Unternehmen795. Mit Blick auf die demokratisch gedachte Mitbestimmung dem Arbeitgeber gegenüber können solche Arbeitnehmer-Kollektive keine Rolle spielen796 . Entscheidend kommt es auf einen übergeordneten Verband an797, der mit der unternehmenstragenden Gesellschaft rechtlich nicht gleichgesetzt werden darf 798 . Wirtschaftliche Mitbestimmung hat ihren Platz dann nur in einer »Unternehmensverfassung«799 und betrifft das Gesellschaftsrecht als bloßes Binnenrecht der Eigner nicht mehr. a. Soziologischer Ausgangspunkt Ein Ansatzpunkt für eine solche Verselbständigung des Unternehmens gegenüber dem Unternehmensträger liegt dann auf der Hand, wenn das Unternehmen von einer juristischen Person getragen wird. Mit dem Prinzip der Fremdorganschaft800 und der charakteristischen Verteilung der Handlungsbefugnisse auf verschiedene Organe – besonders ausgeprägt im Zusammenspiel von Hauptversammlung, Aufsichtsrat und Vorstand in der AG 801 – ist die juristische Person von vornherein darauf angelegt, die Gesellschafter institutionell von der Geschäftsleitung zu trennen802 . In der Folge entwickelt sie eine gewis-

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Dazu vor allem v. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 78 ff. Mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz Richardi, ZfA 2008, 31, 34. 795 Zöllner, FS 25 Jahre BAG, S. 745, 752 ff.; derselbe, AG 2003, 2, 5. Von einem Teilverband im übergreifenden Unternehmensverband spricht T. Raiser, BB 1977, 1461, 1462. 796 In dieselbe Richtung Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 59. 797 I.d.S. sieht Isensee, Der Staat 17 (1978), 161, 173 die Unternehmensmitbestimmung als »gesetzliche[n] Zusammenschluß der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zu einem Entscheidungsverband«. 798 Dezidiert gegen die Identifi kation von Unternehmen und unternehmenstragender Gesellschaft v. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 76 f.; Boettcher u. a., Unternehmensverfassung, S. 76; Kunze, Legitimationsproblem, S. 13. 799 Hierzu etwa v. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 90 ff.; Boettcher u. a., Unternehmensverfassung, S. 114 ff. 800 Zu diesem Prinzip etwa MünchKommGmbHG/Fleischer, Einleitung Rn. 25 ff. 801 Dazu etwa Kunze, FS Duden, S. 201, 204. 802 Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 38 spricht von der Trennung von »Eigentümerstellung« und »Leitungsmacht«; Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 70 f. sieht »Eigentum« und »Verfügungsgewalt« getrennt. 794

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se Eigenständigkeit gegenüber ihren Eignern, ein »Eigenleben«803 . Vor allem die Publikums-AG tendiert i.d.S. zu einer »Übertreibung ihrer Selbständigkeit und damit zur Übermacht der Organpersonen«804 . Diese »Versachlichung« der Geschäftstätigkeit ist bei von Einzelpersonen oder Personengesellschaften getragenen Unternehmen zwar gesellschaftsrechtlich ausgeschlossen; sie kennt dort aber immerhin ein faktisches, deutlich schwächeres Pendant, wenn die Eigner ihr Erwerbsgeschäft nicht oder nicht mehr allein leiten und insoweit auf angestellte »Manager« zurückgreifen805. Dieser Befund läßt sich in Richtung eines auch rechtlich anzuerkennenden Unternehmensverbands – den das auf den Unternehmensträger fi xierte (Gesellschafts-)Recht freilich »leugnet«806 – zuspitzen, wenn man in der »sozialen Wirklichkeit« erkennen will, daß sich das Moment der Objektivierung des Unternehmens längst zu einer eigenständigen Einheit verdichtet hat. Ein solcher Unternehmensverband läßt sich soziologisch807 bzw. empirisch808 begründen, indem das funktionale Zusammenspiel der im Unternehmen zusammentreffenden Menschen in den Vordergrund gerückt wird: Begreift man das Unternehmen als »sozialen Verband« losgelöst von seinen rechtlichen Strukturen, geht die gesellschaftsrechtlich vorgezeichnete Identifi kation des Unternehmens mit den Eignern809 an dieser Realität vorbei. Die Wertschöpfung im Unternehmen setzt nicht allein den Einsatz von Sachmitteln voraus, sondern vielfältige Interaktion mit Menschen, insbesondere den Arbeitnehmern. Diese Interaktion anstelle der rechtlichen Gemeinschaft der Eigner als eigentlichen Kern des Unternehmens zu installieren, ist gerade der entscheidende Gedanke hinter der »soziologischen Analyse« des Unternehmens. Die Prämisse wird belegt durch die – nicht nur, aber vor allem – bei der juristischen Person810 803 Zu diesem »anstaltlichen Element« Rittner, Juristische Person, S. 211 ff.; Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 193 ff. Von »autopoietischer Autonomie« der juristischen Person auch gegenüber der »inneren Umwelt von Mitgliedern und anderen Organisationsbeteiligten« spricht Teubner, KritV 1987, 61, 74 f. Wiedemann, BB 1978, 5 diagnostiziert eine »Entfremdung« der Gesellschaft von ihren Mitgliedern. 804 Rittner, Juristische Person, S. 239. 805 Deren Funktion betonen Boettcher u. a., Unternehmensverfassung, S. 91 f. Weiter T. Raiser, Unternehmen, S. 120, der die Objektivierung auch des einzelkaufmännisch »organisierten« Unternehmens anhand der Prokura belegen will. 806 Kunze, FS Duden, S. 201, 208. 807 Kunze, Legitimationsproblem, S. 14; derselbe, FS Schilling, S. 333, 346, jeweils m. w. N.; H. P. Westermann, FS H. Westermann, S. 563, 565 f. Die Organisationssoziologie bemüht T. Raiser, Unternehmen, S. 93 ff. Boettcher u. a., Unternehmensverfassung, S. 19 sehen den »Unternehmensverband« explizit im Gegensatz zum Unternehmen im juristischen Sinn. Ähnlich schon Fechner, Treubindungen, S. 62 ff., 66 ff.: »Unternehmen als sozialer Organismus«. 808 Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 106: »rein empirisch-deskriptiv«. 809 Hierzu 1., S. 136 f. 810 Für die Verfechter des Unternehmensverbands ist die juristische Person deshalb unproblematisches »Leitbild« des eigenständigen Unternehmens – die Personalunternehmen

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strukturell angelegte Unabhängigkeit der Unternehmensleitung von den Eignern. Weiter sei das von der Interaktion verschiedener Menschen im sozialen Verband her begriffene Unternehmen nicht nur auf den Produktionsfaktor »Kapital«, sondern in gleicher Weise auf den Produktionsfaktor »Arbeit« angewiesen811, sowie vor allem auf die Unternehmensleitung. Diese drei »insiderGruppen«812 konstituieren ein »dreipoliges« Unternehmensmodell813 , in das nach umstrittener Ansicht noch die »Allgemeinheit« integriert werden soll814 . Aus dem faktisch notwendigen und tatsächlich nachvollziehbaren Zusammenwirken wird auf Zugehörigkeit zum Unternehmen geschlossen815. »Mitglieder« sind dabei stets (und vor allem) auch die Arbeitnehmer816 . Es geht also um einen argumentativen Zweiklang: Zunächst wird die Tendenz des Unternehmens zur »Versachlichung« betont und zum empirisch erkennbaren Unternehmensverband ausgebaut. Sodann wird die Struktur dieses neuen »Gebildes« vor allem mit Blick auf dessen faktische Abhängigkeit von den Beiträgen unterschiedlicher Gruppen als interessenpluralistisch817 eingestuft. Gemeint ist vor allem, daß das Unternehmensinteresse nicht allein durch die Interessen der Eigner bestimmt werde, sondern vom jeweils zur Entscheidung berufenen Organ einzelfallbezogen im Wege einer Abwägung aller auf das Unternehmen gerichteten Gruppeninteressen818 zu ermitteln sei819. Die mitgliedschaftliche Zuordnung zum Unternehmensverband820 wird nach denselben »Interessen« (lies: funktionalen Abhängigkeiten821) geordnet. Außer acht bleibt dabei, daß schon die Heterogenität der solchermaßen im Unternehsind demgegenüber Problemfälle, deren Verselbständigung besonders begründet werden muß; vgl. nur Kunze, FS Gleitze, S. 385, 390 ff. 811 V. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 78 f.; Kunze, FS Duden, S. 201, 208. Boettcher u. a., Unternehmensverfassung, S. 126 sprechen von »gleicher Unentbehrlichkeit«. 812 Kunze, FS Schilling, S. 333, 346. 813 V. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 30 ff. 814 Dafür v. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 87 f.; Boettcher u. a., Unternehmensverfassung, S. 123 ff.; dagegen T. Raiser, Unternehmen, S. 158, der die Allgemeinheit als Fremdkörper in seiner soziologisch erschlossenen Unternehmensorganisation sieht. 815 Kunze, FS Duden, S. 201, 208. Kritisch gegenüber dieser Argumentation Weber, Implikationen, S. 51, 59 f. 816 Exemplarisch T. Raiser, Unternehmen, S. 154 ff. 817 Statt vieler Boettcher u. a., Unternehmensverfassung, S. 86 ff. Zum Stand der Diskussion, ob Unternehmen interessenmonistisch auf Rentabilität fi xiert oder interessenpluralistisch ausgerichtet sind, Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 21 ff. 818 Diese Interessen systematisieren Boettcher u. a., Unternehmensverfassung, S. 20 ff.; kritisch dazu Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 72 ff. 819 Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 115 ff.; mit anderem Akzent Flume, BGB AT I/2, S. 56 ff., der mit Blick auf die Interessenpluralität nicht das Abwägungsgebot in den Vordergrund stellt, sondern die Kompetenzverteilung – also die Frage, wer das Unternehmensinteresse in concreto defi niert. 820 Mit Nachweisen Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 104 f. 821 Bei T. Raiser, Unternehmen, S. 154 ff. sind die Arbeitnehmer »organisatorisch« ebenso Mitglieder im Unternehmen wie die Kapitalbeteiligten.

D. Mikrodemokratie im Unternehmen

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men zusammengeschweißten Gruppen sowie die teils gegenläufige Ausrichtung ihrer Interessen Zweifel wecken, ob im soziologischen Sinne von einem Verband gesprochen werden kann – geschweige im juristischen822 . b. Legitimation der Unternehmensleitung Ein eigenständiges »Unternehmensrecht« auf Grundlage des Unternehmensverbands läßt sich instrumentalisieren, um Mitbestimmungsforderungen zu rechtfertigen823 : Insbesondere können Eingriffe in die Unternehmensleitung im Mitbestimmungsinteresse auf dieser Grundlage als Regelung der Unternehmensorganisation erklärt werden. Daß material in Eigentum und Personenrecht eingegriffen824 wird und der Unternehmer in seinem Recht auf wirtschaftliche Selbstbestimmung betroffen ist825 , wäre bei mit dem Unternehmen identifi zierten Einzelunternehmern und unternehmenstragenden Personengesellschaften evident826 – läßt sich aber im Kontext des Unternehmensrechts verdunkeln. Der Zusammenhang zur Mitbestimmung ist indes noch nicht hergestellt, indem der Unternehmensverband als eigenständiger, regelungsbedürftiger Gegenstand erschlossen wird. Zwar legt das tripolare Gebilde Unternehmen den Gedanken nahe, auch die Unternehmensleitung müßte wenigstens im weitesten Sinne auf allen drei »Polen« ruhen827. Per se aber läßt sich aus dem empirischen Befund keine bestimmte Ordnung des Unternehmens ableiten828 . Diese Lücke schließt der »demokratieverdächtige« Gedanke der Legitimation des Unternehmens, präziser: der Unternehmensleitung829. Weil das Unternehmen als eigenständiger und vom Management gesteuerter »Sozialverband« 822

Rittner, Juristische Person, S. 291, 299; Flume, BGB AT I/2, S. 47. In dieselbe Richtung Zöllner, AG 2003, 2, 9. 823 Zöllner, AG 2003, 2, 3: »Propagandabegriff für die Mitbestimmung«; weiter Flume, ZGR 1978, 678, 679 f. V. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 30, sieht die »Unternehmensverfassung« schlicht als andere Bezeichnung für die Mitbestimmung auf der Unternehmensebene. 824 Flume, ZGR 1978, 678, 687 und 692; in der Sache ähnlich Kunze, RdA 1972, 257, 266; H. P. Westermann, FS H. Westermann, S. 563, 573. 825 Böhm, Mitbestimmung, S. 206, 220. 826 Nach Flume, BGB AT I/2, S. 62 würde das Personenunternehmen als Rechtsfigur aufgegeben, nähme man dem Einzelkaufmann bzw. den Gesellschaftern der Personengesellschaft die Entscheidungshoheit über ihr Unternehmen. 827 Nach Wiedemann, BB 1978, 5 legt schon die »Anstaltsverfassung« – also die skizzierte Eigenständigkeit – des Unternehmens eine Arbeitnehmerbeteiligung nahe. T. Raiser, Unternehmen, S. 152 bewertet die Ansprüche sämtlicher Unternehmensmitglieder auf »Führung« als gleichermaßen legitim. 828 Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 110 f.; ähnlich bereits Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks VI/334, S. 56; Martens, JuS 1983, 329, 330. 829 Etwa v. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 28, 44; Kunze, RdA 1972, 257, 260. BVerfG [Senat] v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290 = RdA 1979, 380 – »Mitbestimmungsurteil« spricht C.III.1.b)cc) der Gründe davon, die »ökonomische Legitimation der Unternehmensleitung [sei] durch eine soziale zu ergänzen«.

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jedenfalls von Kapital und Arbeit gleichermaßen abhängig sei, müßten die Exekutivorgane ihre »Legitimation« nicht nur von den Eignern, sondern auch von den Arbeitnehmern beziehen830 . In dieser Forderung nach Legitimation verdichten sich verschiedene Gedanken zu einem rechtspolitischen831 Argument: Die Legitimation von Fremdbestimmung durch Rückkopplung an den Mehrheitswillen einer Referenzgruppe ist der Kern des Demokratieprinzips 832 , und läßt sich vor allem unter dem Aspekt der Demokratie als »Selbstregierung der Betroffenen« in gesellschaftliche Subsysteme exportieren833 . Verlangt wird solche Legitimation durch Rückbindung an den Willen der »Betroffenen« zunächst mit Blick auf das Moment der Fremdbestimmung, das im Arbeitsleben diagnostiziert werden kann834 , und sich im Vollzug auf Unternehmensebene getroffener Entscheidungen im einzelnen Arbeitsverhältnis aktualisiert835. Insoweit streite ein – vor allem aus der Menschenwürde i. S. v. Art. 1 Abs. 1 GG abzuleitendes – Selbstbestimmungspostulat für wenigstens kollektive Selbstbestimmung durch Mitbestimmung836 . Hier kommt zusammen, was nicht zusammen gehört: Die demokratische Legitimation soll heteronome Mehrheitsentscheidungen rechtfertigen, sie zielt also – entgegen Kunze 837 – nicht auf Machtkontrolle. Es geht nicht darum, daß das gewählte Parlament und mittelbar das Volk die »herrschende« Exekutive überwachen, wobei diese Herrschaft a priori vorausgesetzt und nicht näher untersucht, geschweige denn gerechtfertigt wird838 . Vielmehr begründet erst die egalitäre Teilhabe »Herrschaftsmacht« i. S. d. Demokratieprinzips. Soll nicht eine heteronome Fremdbestimmungsordnung errichtet, sondern faktische Macht beseitigt oder wenigstens abgebaut werden, leistet die Demokratie nichts als jene 830 V. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 34 ff.; Kunze, FS Duden, S. 201, 209. Dazu noch Weis, Wirtschaftsunternehmen, S. 198 ff., der den Legitimationsbedarf auch aus den gesellschaftlichen Folgewirkungen unternehmerischer Tätigkeit ableitet. 831 Bis heute gilt mit Rittner, Unternehmensverfassung, S. 59, 69, daß die »Unternehmensverfassung« als Verfassung der im Unternehmen interagierenden Menschen kein dogmatisches Problem der lex lata ist, sondern allenfalls rechtspolitische Forderung sein kann. 832 Hierzu A.I.1., S. 35 ff. 833 Dazu A.II.4., S. 55 ff. 834 Bereits A.II.3., S. 52 ff. 835 Dazu etwa Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, S. 59 f. 836 Mit der Menschenwürde argumentieren etwa Kunze, RdA 1972, 257, 267; Däubler, Grundrecht, S. 129 ff.; Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks. VI/334, S. 56, 65. Mit etwas anderem Akzent Boettcher u. a., Unternehmensverfassung, S. 71 f., 89 ff., die eine »gesellschaftspolitische Grundnorm« postulieren. 837 Legitimationsproblem, S. 7 ff. 838 Kunze, Legitimationsproblem, S. 8 f.; ehrlicher v. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 28. Dazu noch Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 82: »der Trick [. . .] ist die Idee, die demokratische Egalität bezwecke vor allem, daß kein Bürger über einen anderen [. . .] herrscht [. . .]. Auch diese Sicht enthält [. . .] Wertentscheidungen, welche durch die Entscheidung für die politische Demokratie nicht präjudiziert sind.«

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Macht umzuverteilen. Die Legitimationsfrage stellt sich nicht, wenn rechtlich legitime, private Macht durch Gegenmachtbildung beschränkt werden soll. Der Rekurs auf den demokratischen Rückkopplungsgedanken geht fehl839. Daß die Rückbindung nicht mit der Übernahme staatsverfassungsrechtlicher Strukturen in die Unternehmen begründet werden soll, sondern mit der Menschenwürde, ändert nichts. In den unscharfen Menschenwürdebegriff840 läßt sich das generelle Erfordernis einer Legitimation »von unten« nur hineinlesen, wenn man die Prämisse akzeptiert, soziale Probleme müßten grundsätzlich durch Mitbestimmung gelöst werden841. In der Sache zielt jener Gedanke der Legitimation durch die Betroffenen auf eine »Demokratisierung« der Gesellschaft. Die Argumentation aus der Menschenwürde verdeckt den Zugriff auf das Demokratieprinzip. Methodenehrlicher ist es, das Erfordernis »legitimierender« Teilhabe im Unternehmen842 nicht »arbeitsrechtlich« als Gegengewicht zum Direktionsund Dispositionsrecht des Arbeitgebers zu begründen, sondern »unternehmensrechtlich«843 als Element einer im Kern staatsanalogen Verfassung des Sozialverbands Unternehmen844 . Daß der Unternehmer grundrechtlich geschützte Freiheiten, etwa aus Art. 12845 und Art. 14 GG, wahrnimmt und hierfür über den Vertrag hinaus auch dann keiner weitergehenden Legitimation bedarf, wenn die Interessen Dritter betroffen sind, mag einer privatautonomen Ordnung ausreichen. Es spielt aber keine Rolle mehr, wenn die Zugehörigkeit zum Unternehmensverband gerade als rechtlich relevante Sozialbeziehung jenseits des Arbeitsvertrags begriffen wird, die nicht durch Vertag, sondern mitgliedschaftlich zu ordnen wäre. Anders ausgedrückt stellt sich die Frage nach der Legitimität »des Unternehmens« nur (dann indes nachdrück-

839 Zurückhaltender spricht Rittner, Juristische Person, S. 302 von einer »höchst fragwürdigen Analogie zu staatstheoretischen Problemen«. Anders darf man Rinken, KritV 1996, 282, 295 verstehen, der das »demokratische Prinzip als die verfassungsrechtliche Umsetzung des Postulats der Selbstbestimmung« sehen und der Mitbestimmung am Arbeitsplatz »(zumindest auch) einen demokratischen Grund« zusprechen will. 840 Zur Rechtfertigung von Mitbestimmungsforderungen aus der Menschenwürde eingehend unter § 3 A.II.1., S. 165 ff. 841 Wiedemann, JZ 1970, 593, 600. 842 Zur Unternehmensmitbestimmung als »legitimierender Mitbestimmung« Kunze, Legitimationsproblem, S. 20; derselbe, ZHR 14 (1980), 100, 128. 843 Zu dieser Unterscheidung Ballerstedt, ZGR 1977, 133, 138 f. Ähnlich Böhm, Mitbestimmung, S. 206 ff. 844 I.d.S. v. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 48, der die Forderung nach wirtschaftlicher Mitbestimmung auf Unternehmensebene gerade nicht auf »wirkliche oder angebliche Mißstände« stützt, sondern gerade auf die Struktur des Unternehmens. 845 Zum verfassungsrechtlichen Schutz der »Unternehmerfreiheit« aus Art. 12 GG etwa BVerfG [Senat] v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290 = RdA 1979, 380 – »Mitbestimmung« C.III.3.a)aa) der Gründe. Mit Nachweisen zur grundrechtsdogmatischen Erfassung der Unternehmerfreiheit Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Abs. 1 Rn. 126.

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lich), wenn das Unternehmen aus der privatautonomen Ordnung gelöst846 und der neuen »Kooperationsordnung«847 unterstellt wird. Indes vollzieht das geltende Gesellschafts- und damit Unternehmensrecht jenen Schritt gerade nicht; »unternehmensrechtlich« läßt sich ein Legitimationsbedürfnis mithin nur als »gesellschaftspolitische« – mit Blick auf die gewollten organisationsrechtlichen Konsequenzen eher: rechtspolitische – Forderung formulieren848 . Sie stützt sich eben auf das Demokratisierungspostulat einer Legitimation »von unten nach oben« durch die Rückbindung der Unternehmerentscheidungen an den Willen der »Betroffenen« im »Herrschaftsverband«849. 3. Konsequenzen einer »Legitimation durch Mitbestimmung« Begreift man die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Unternehmen i.d.S. als unabdingbare Legitimationsquelle des Unternehmens, drängen die vorgeblich außerrechtlichen Grundlagen des Befunds zu weitreichenden organisationsrechtlichen Konsequenzen. Eine – zwar nur »gesellschaftspolitisch«, aber eben doch irgendwie – unzureichend legitimierte und damit illegitime Unternehmensführung kann die Rechtsordnung schwerlich dulden. Wenigstens de lege ferenda, soweit möglich aber auch schon de lege lata wäre dem Legitimationsbedürfnis der neuen Ordnung im Unternehmensverband Rechnung zu tragen850 . a. Anwendungsbereich der Mitbestimmung Angesprochen ist zunächst die Frage, welche »Unternehmen« mitbestimmt sein sollen. Ist die Mitbestimmung nicht Zweckmäßigkeitsentscheidung des Gesetzgebers, sondern läßt sich sachlich zwingend aus der Menschenwürde oder einem allumfassenden Demokratieprinzip ableiten, muß die Anwendung des Mitbestimmungsrechts freilich nicht weiter erklärt werden. Statt dessen nötigt jene Mitbestimmungskonzeption dazu, mitbestimmungsfreie Unternehmen als Ausnahmen besonders zu rechtfertigen851. Die deutsche Unternehmensmitbestimmung wird diesem Legitimationsgebot nicht gerecht. Mit der Rechtsformanknüpfung in § 1 Abs. 2 Montan-MitbestG, §§ 1 Abs. 1, 4 MitbestG und § 1 Abs. 1 DrittelbG folgt sie dem Gesellschaftsrecht, das einen Aufsichtsrat mindestens fakultativ erlauben muß, sowie dem Haftungsrecht, 846

Dazu Rittner, Juristische Person, S. 295 f. Begriff von Kunze, FS Gleitze, S. 385, 387; derselbe, RdA 1972, 257, 264. 848 Boettcher u. a., Unternehmensverfassung, S. 13; weiter Kunze, RdA 1972, 257, 260. 849 Dazu Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 73 ff. m. w. N. 850 Charakteristisch insoweit T. Raiser, Unternehmen, S. 166 ff., der zwischen »moderner« Auslegung und rechtspolitischer Forderung schwankt. 851 Nach Weiss, Mitbestimmung, S. 9, 15 darf es »unter demokratietheoretischem Aspekt nicht auf die gesellschaftsrechtliche Organisation ankommen, vielmehr muss sicher gestellt sein, dass das Gesellschaftsrecht keine Fluchtmöglichkeiten in mitbestimmungsfreie Zonen bietet.« 847

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und schließt die persönliche Haftung der Gesellschafter für mitbestimmte Geschäftsentscheidungen aus852 . Ausnahme ist insoweit die KGaA (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 2 DrittelbG); indes nimmt hier das Gesellschaftsrecht die Befugnisse des Aufsichtsrats zurück, so daß die persönliche Haftung des Komplementärs nach § 278 Abs. 1 AktG wiederum nicht Folge der Mitbestimmung sein kann853 . Beide Einschränkungen sind aus der Perspektive der »legitimierenden« Unternehmensmitbestimmung unerträglich: sie knüpfen an einseitige Organisationsentscheidungen des Unternehmers an und beheben das Legitimationsdefi zit nicht. Anders ausgedrückt kann die Mitbestimmung als Legitimationsquelle aus sich selbst heraus keine Ausnahmen erklären. Während das Gesellschaftsrecht aber ohnehin dem Unternehmensrecht weichen soll854 , wird die Unvereinbarkeit von Mitbestimmung und persönlicher Haftung für »Unternehmensschulden« auch von den Befürwortern der Unternehmensverfassung nicht ernsthaft in Frage gestellt855. Dann aber sind mitbestimmungsfreie Unternehmen ebenso denkbar wie gezielte Strategien zur Mitbestimmungsvermeidung. Die naheliegende Antwort eines gesetzlichen Zwangs, Unternehmen nur in mitbestimmter Rechtsform zu betreiben, begegnet durchgreifenden Bedenken. Das gilt selbst dann, wenn die Unternehmensträger durch rechtsformunabhängige Mitbestimmungsgesetze nur mittelbar zur haftungsbeschränkten Rechtsform gezwungen werden856 : Jener Zwang läßt von der Typenwahlautonomie als einem Element der Privatautonomie im Gesellschaftsrecht857 wenig übrig. Einzelpersonen und Personengesellschaften werden als Unternehmensträger beseitigt, wenn für Unternehmensschulden keine persönliche Haftung in Betracht kommen soll. Kleinere und mittlere Unternehmen werden damit einer oft wesentlichen Kreditsicherheit beraubt. Als Rechtsfigur ausgedient hat auch die – praktisch wenig bedeutende 858 – unternehmenstragende Stiftung; ihr Anstaltscharakter, also die auf Dauer angelegte »Versachlichung« des Stifterwillens, überstünde einen Formwechsel ebensowenig859 wie Mitbestimmung durch Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Die nötigenfalls zwangsweise Umwandlung der Altgesellschaften wirft die Frage nach verfassungsrechtlich gebotenem Bestandsschutz auf860 . Mit Rücksicht auf diese Fol852 853 854 855 856

Hierzu Latzel, Gleichheit, Rn. 15 ff. m. w. N. Auch dazu Latzel, Gleichheit, Rn. 20 f. Etwa Kunze, RdA 1972, 257, 268. Statt aller v. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 42 f. Zum mittelbaren Rechtsformzwang H. P. Westermann, FS H. Westermann, S. 563,

576 f. 857

Mit Blick auf die juristischen Personen Rittner, Juristische Person, S. 248 f. Relevant ist in Deutschland nahezu nur (noch) die Beteiligungsträgerstiftung; zu den Hintergründen M. Engel, Stiftung, S. 123 ff. 859 Kunze, FS Duden, S. 201, 216 m. w. N. 860 Auch dazu Kunze, FS Duden, S. 201, 216. 858

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geprobleme des Rechtsformzwangs hat vor allem Kunze eine Alternative vorgeschlagen: Statt die Rechtsformwahlfreiheit einzuschränken, soll – bei umfassender Mitbestimmung – die persönliche Haftung der Eigner in mitbestimmten Gesellschaften eingeschränkt werden. Rechtstechnisch wird die Haftung beschränkt auf ein als »Sondervermögen« von dem Privatvermögen der Eigner getrenntes Unternehmensvermögen861. Der freiheitsfeindliche Charakter eines solchen Eingriffs in privatautonome Strukturentscheidungen wird im Zusammenhang der Mitbestimmungsvermeidung nicht vollends sichtbar. Vor allem läßt sich der umfassende Anspruch der »legitimierenden« Mitbestimmung nicht einlösen: Die persönliche Haftung der Eigner wird jedenfalls in kleinen und mittleren Unternehmen häufig als Kreditsicherheit862 benötigt. Daher drängt der Verzicht auf jene Haftung im Mitbestimmungsinteresse zur kompensierenden Rücknahme der Mitbestimmung für kleinere Unternehmen. Eine solche Unternehmensgrößenanknüpfung, wie sie im geltenden Recht in den § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, § 1 Abs. 2 Montan-MitbestG und § 1 Abs. 1 DrittelbG zu fi nden ist, ist aus Sicht der »legitimierenden« Mitbestimmung indes ihrerseits nicht zu rechtfertigen863 . Das Legitimationsdefi zit fällt nicht deshalb geringer aus, weil der Unternehmensträger Kredit nur vor dem Hintergrund seiner persönlichen Haftung bekommt. Dasselbe gilt mutatis mutandis für das Argument, nur große Unternehmen könnten »die Last« der Unternehmensmitbestimmung stemmen864 . Daß die postulierte »gesellschaftspolitische Grundnorm« der Legitimation durch die Betroffenen auf »Gebilde« von »gesellschaftspolitischer Relevanz« beschränkt werden soll865 , die sich etwa aus einer Zusammenschau von Beschäftigtenzahlen, Jahresumsatz und Bilanzsumme ergeben soll866 , ändert schon deshalb nichts, weil sich dieses qualitative Kriterium nicht in quantitative übersetzen läßt, ohne den Anwendungsbereich der Mitbestimmung willkürlich festzulegen. Eine qualitative Defi nition gesellschaftspolitischer Relevanz fehlt; damit fehlt auch der gleichheitsrechtlich erforderliche Sachgrund für die Differenzierung867. Keinesfalls kann er in dem auch unterhalb der Schwellenwerte gewährleisteten Schutz der Arbeitnehmer durch schwächere Mitbestimmung – also Drittelbeteiligung oder Mitbestimmung nach 861 Vor allem Kunze, FS Gleitze, S. 385, 388 ff.; derselbe, FS Duden, S. 201, 217 f. Zustimmend Boettcher u. a., Unternehmensverfassung, S. 141, die sich S. 75 ebenfalls gegen einen Rechtsformzwang aussprechen. Auch Rittner, Unternehmensverfassung, S. 59, 73 sieht das Unternehmen als »Quasi-Sondervermögen«. 862 Plastisch v. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 45: »Lebensnerv«. 863 Dazu v. Nell-Breuning, Mitbestimmung; S. 44 ff., der »seine« Unternehmensverfassung aber aus praktischen Erwägungen auf Großunternehmen beschränken will. 864 Dazu mit Nachweisen Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 69. 865 Boettcher u. a., Unternehmensverfassung, S. 72. 866 Boettcher u. a., Unternehmensverfassung, S. 80 ff. 867 Rittner, Unternehmensverfassung, 59, 103 f.

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BetrVG – liegen868 . Schließlich setzt die »Unternehmensverfassung« gerade nicht beim Arbeitnehmerschutz an869, sondern bei dem formellen Erfordernis der Legitimation unternehmerischer Tätigkeit. Anders ausgedrückt ist die Mitbestimmungsfreiheit kleinerer Unternehmen aus Sicht der »Unternehmensverfassung« gleichheitswidriger Systembruch870 . Zu rechtfertigen ist dies nur als Zugeständnis an praktische Notwendigkeiten, das freilich die Prämisse der »legitimierenden« Mitbestimmung in Frage stellt. b. »Widmung« des Unternehmensvermögens und Enteignungswirkung Ebensowenig wie die Mitbestimmungsvermeidung durch autonome Strukturentscheidung verträgt die »Unternehmensverfassung« die faktische Abhängigkeit des Unternehmens von den Eignern. Soll die »gleiche Abhängigkeit« des Unternehmens von »Kapital« und »Arbeit« gerade die Gleichberechtigung der beiden Produktionsfaktoren belegen871, ist es letztlich ungereimt, daß sich historisch eine faktische Machtposition der Kapitaleigner872 entwickelt hat. Das läßt sich dahin zuspitzen, daß die »legitimierende« Mitbestimmung durch gesetzlichen Zwang eben jene Gleichberechtigung herstellen will, aus der sie erklärt und gerechtfertigt wird. Die »Unternehmensverfassung« widerlegt ihre eigene Prämisse, indem sie die faktische Überlegenheit der Eigner des Unternehmens zu beseitigen sucht. Mittel zu diesem Zweck ist die Freiheitsbeschränkung: Frei soll der Kapitalgeber nur bei seiner Investitionsentscheidung bleiben. Entscheidet er sich aber freiwillig für eine solche Investition, deuten die Befürworter der »Unternehmensverfassung« diese privatautonome Entscheidung in eine »Widmung« um873 , mit der der Eigentümer sein Eigentum »aus der bisherigen Privat- in die 868 So aber Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 128. Ähnlich schon Boettcher u. a., Unternehmensverfassung, S. 79 f. 869 Wohl aber erlaubt die vom einzelnen Arbeitnehmer her gedachte betriebliche Mitbestimmung, Mitbestimmungsfreiheit unterhalb von Schwellenwerten i.d.S. funktional zu rechtfertigen. Exemplarisch BAG v. 29. 9. 2004, 1 ABR 39/03, BAGE 112, 100 = NZA 2005, 420: in Betrieben mit weniger als 21 Arbeitnehmern führe die »räumlich bedingte enge persönliche Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern« zur »Unzumutbarkeit von Belastungen durch organisatorische Strukturen«, womit die Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG gemeint ist. Ob sich die »enge persönliche Zusammenarbeit« in Kleinbetrieben rechtstatsächlich belegen läßt, ist freilich eine andere Frage. Zur begrenzten Rationalität arbeitsrechtlicher Schwellenwerte Junker/Dietrich, NZA 2003, 1057 ff. 870 Exemplarisch T. Raiser, Unternehmen, S. 150: die uneingeschränkte Verfügungsgewalt des Einzelkaufmanns sei »auf die Dauer unerträglich«, weil sie »die Bedürfnisse des Unternehmens überhaupt nicht« berücksichtige. Dazu noch Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 112. 871 Nachweise Fn. 811. 872 Zu ihr etwa v. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 31 f.; Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks. VI/334, S. 173. 873 Boettcher u. a., Unternehmensverfassung, S. 169; Kunze, RdA 1972, 257, 265 m. w. N.

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öffentliche Sphäre überführt«874 . Die Bedeutung dieser Sphärenverschiebung zeigt sich bei der Deinvestitionsentscheidung. Sie steht den Kapitalgebern gerade nicht mehr frei. Zwar bliebe ihr Anteil am Unternehmen fungibel875 , über die »Entwidmung« – und damit die Auflösung des Unternehmens – dürfen sie aber nicht mehr autonom entscheiden876 . Damit erreicht das »eigenständige« Unternehmen ein dem geltenden Recht unbekanntes Maß an Unabhängigkeit, das mit der gesellschaftsrechtlichen Bindung investierten Vermögens877 nicht vergleichbar ist. Zwar entscheidet der Gesellschafter über die Deinvestition der eingesetzten Mittel nicht allein, sondern nur im Verbund mit seinen Mitgesellschaftern, so daß sich das gesamthänderisch oder mitgliedschaftlich gebundene Eigentum wenigstens teilweise zum »Gesellschaftseigentum« verobjektiviert878 . Diese Entscheidung bleibt aber im geltenden Recht aus gutem Grund mitbestimmungsfrei – auch bei der juristischen Person: Die Auflösungskompetenz der Hauptversammlung der AG i. S. v. §§ 119 Abs. 1 Nr. 8, 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG sowie die der Gesellschafterversammlung der GmbH nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG steht zwar jeweils unter qualifi ziertem Mehrheitsvorbehalt879, darf aber von Rechts wegen weder delegiert, noch in der Satzung an die Zustimmung anderer Stellen gebunden werden880 . Verboten ist damit insbesondere ein Zustimmungsvorbehalt für den mitbestimmten Aufsichtsrat 881. Ebensowenig läßt sich das Auflösungsrecht der Gesellschafter abbedingen; für die AG folgt dies schon aus der Satzungsstrenge i. S. d. § 23 Abs. 5 AktG 882 , für die GmbH aus der allgemein anerkannten Zuordnung des § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG zum zwingenden 874

Ballerstedt, JZ 1951, 486, 490. Jedenfalls in der Theorie. Es entspricht aber der Logik der Unternehmensverfassung, daß das Unternehmen zumindest dann gegen Anteilsveräußerungen größeren Umfangs »geschützt« werden müßte, wenn erhebliche Wertverluste drohen. 876 Boettcher u. a., Unternehmensverfassung, S. 169. 877 Zu ihr etwa BVerfG [Senat] v. 7. 8. 1962, 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263 = NJW 1962, 1667 – »Feldmühle« C.II.2.a) der Gründe: »Das in der Aktie verkörperte gesellschaftsrechtliche Eigentum ist in seinem Bestand gegen Beschlüsse der Mehrheit nicht unbedingt gesichert.« 878 Dazu T. Raiser, Unternehmen, S. 146 ff. 879 Vorbehaltlich abweichender Regelung in Gesellschaftsvertrag oder Satzung ist Dreiviertelmehrheit erforderlich – in der GmbH bezogen auf die abgegebenen Stimmen (Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG, § 60 Rn. 17), in der AG bezogen auf das vertretene Grundkapital, wobei zusätzlich die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen erreicht werden muß (Hüffer, AktG, § 262 Rn. 11). 880 Schon RG v. 30. 3. 1942, II 96/41, RGZ 169, 65 – unter II.2.a) der Gründe. Zustimmend MünchKommAktG/Hüffer, § 262 Rn. 12 für die AG; Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG, § 60 Rn. 17 m. w. N. für die GmbH. 881 Mit Blick auf die AG explizit MünchKommAktG/Hüffer, § 262 Rn. 12. Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 142 sieht die Kompetenz der Hauptversammlung in grundlegenden Angelegenheiten als Ausdruck des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes der Eigner vor der Mitbestimmung. 882 Spindler/Stilz/Bachmann, § 262 Rn. 25. 875

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Recht883 . Die solchermaßen geschützte Auflösungsautonomie ist besondere Ausprägung der Satzungsautonomie, die wiederum zu den »funktional wesentlichen Voraussetzungen der juristischen Person des Privatrechts«884 zählt. Zusammenfassend bedeutet die gesellschaftsrechtliche Bindung des investierten Eigentums zwar einen Vorbehalt des Mehrheitsentscheids der Gesellschafter über Deinvestition durch Gesellschaftsauflösung. Jene Bindung darf aber nicht isoliert gesehen werden; mit ihr korrespondiert das Verbot, die Deinvestitionsentscheidung auszuschließen oder an die Zustimmung von Nicht-Gesellschaftern zu binden. Anders ausgedrückt: In gewissem Maße »objektiviert« die Bindung investierten Eigentums die Gesellschaft und mittelbar das von ihr getragene Unternehmen. Diese »Lebensversicherung« des Unternehmens wirkt aber nur gegen den einzelnen Mitgesellschafter. Gegen alle Gesellschafter im Verbund richtet sich die Bindung gerade nicht885. Andernfalls würde die freiwillige Investition zur »privatautonom veranlaßten« QuasiEnteignung886 umdefi niert, die verfassungsdogmatisch freilich als Inhalts- und Schranken-Bestimmung i. S. d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG einzuordnen wäre887. Das einmal im Unternehmen eingesetzte Vermögen würde mit öffentlichrechtlicher Gewalt dort gehalten; Rechtsgrund der Bindung der Mittel im Unternehmen wäre nicht mehr die privatautonome Investitionsentscheidung, sondern die gesetzliche Einschränkung der Deinvestitionsbefugnis. Letztlich würden diese Mittel den Eigentümern entzogen und anderweitig zugewiesen, sei es an das Unternehmen als juristische Person888 oder an ein verselbständigtes Sondervermögen889. Nebeneffekt ist, daß die Eigner von diesem Moment an keine wesentliche Funktion mehr im »Unternehmensverband« erfüllen (können): sie werden überflüssig. Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Maßnahme ist damit noch nichts gesagt. Indes ist es bezeichnend, daß der Bestandsschutz der Alt-Gesellschafter in der Diskussion um die Unternehmensverfassung nicht vorkommt. Ihnen gegenüber kann das Argument nicht gelten, Kapitalgeber müßten eben wissen, worauf sie sich einlassen890 .

883

Mit Nachweisen Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG, § 60 Rn. 22. Rittner, Juristische Person, S. 249 f. 885 Andere Vorstellungen entwickelte Fechner, Treubindungen, S. 68, dessen Treupfl ichten das Unternehmen »gegebenenfalls also auch ›vor dem Unternehmer selbst‹« schützen sollten. 886 Dazu, daß die Einführung unternehmerischer Mitbestimmung qua Gesetz nicht als Enteignung i. S. d. Art. 14 Abs. 3 GG eingestuft werden kann, weil sie keinem bestimmten Verwaltungszweck dient, Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 218 f. 887 Vgl. insoweit Zöllner/H. Hanau, AG 1997, 206, 211 f.; Maunz/Dürig/Papier, GG, Art. 14 Rn. 496. 888 T. Raiser, Unternehmen, S. 166 ff. 889 Nach Kunze, FS Duden, S. 201, 217 f. wird das Sondervermögen dem Unternehmen als nichtrechtsfähigem Verein zugeordnet. 890 Boettcher u. a., Unternehmensverfassung, S. 169 f. 884

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Abschließend bleibt festzuhalten, daß die Deinvestitionsentscheidung der Gesellschafter in Personengesellschaften stärkeren Schutz genießt als in den behandelten Kapitalgesellschaften. § 723 Abs. 3 BGB – seiner anerkanntermaßen grundlegenden Bedeutung im Recht der Personengesellschaft wegen auch für Personenhandelsgesellschaften und stille Gesellschaften anwendbar891 – entzieht das Kündigungsrecht auch des einzelnen Gesellschafters der privaten Disposition. c. Unternehmensverfassung als Demokratisierung des »Unternehmensverbands« Die Analyse der Unternehmensverfassung zeigt, daß sich Wirtschaftsunternehmen näherungsweise mikrodemokratisch ordnen lassen. Das interessenpluralistische, durch »Kapital und Arbeit« gleichermaßen legitimierte Unternehmen weist viele Züge einer »Demokratisierung« auf: Die freiheitlich-privatrechtliche Struktur der unternehmerisch tätigen Gesellschaft wird durch ein öffentlichrechtliches Element überlagert und letztlich aus dem autonomen Kontext gelöst892 . In der Konsequenz entfaltet sich ein im wesentlichen selbstreferentielles System, das keine »demokratiefreien Räume« duldet und ein Selbsterhaltungsinteresse893 entwickelt. Dabei wird Macht nicht beschränkt, sondern umverteilt, indem das Unternehmen nach dem Mehrheitsprinzip geordnet wird. Entscheidender Hebelpunkt ist der »Unternehmensverband«. Nur wenn das Unternehmen aus dem Zugriff der Eigner – und damit de facto aus der privatautonomen Ordnung der Wirtschaft – gelöst wird, läßt sich ein neues, anders »legitimiertes« Regime installieren. Es ist kein Zufall, daß sich der Gedanke des eigenständigen Unternehmens als Fundamentalsatz der Unternehmensverfassung mit dem »Unternehmensverband« der nationalsozialistischen Rechtsgeschichte894 trifft: In beiden Modellen geht es um eine staatsanaloge Strukturierung des Unternehmens; ob die neue Ordnung dem Führer- oder dem Demokratieprinzip folgen soll, spielt für den rechtstechnischen Ausgangspunkt keine Rolle.

891

MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer, § 723 Rn. 62 m. w. N. Rittner, Mitbestimmungsbericht, S. 158, 161; derselbe, Unternehmensverfassung, S. 59, 91: schon Mitbestimmung als »teilweise Hinwendung zur Fremdbestimmung bedeutet strukturell einen Schritt von der Körperschaft zur Stiftung bzw. Anstalt.« Weiter H. P. Westermann, FS H. Westermann, S. 563, 572 f. Böhm, Mitbestimmung, S. 206, 225 vergleicht die Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit mit einer »parlamentsähnliche[n] Kontrollbefugnis im Rahmen einer konstitutionellen Verfassung«. [Hervorhebung im Original.] 893 Vgl. Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 478: »Unternehmen, [. . .] das nur ›für sich‹ existiert [. . .] Selbstinteresse der Organisation an einer Organisation«. 894 Zu ihm bereits § 1 C.IV.2., S. 23 f.; weiter Flume, BGB AT I/2, S. 42 ff. 892

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II. Legitimationsfunktion der Unternehmensmitbestimmung? Auch wenn der rechtspolitische Impetus der Unternehmensverfassung inzwischen weitgehend895 verlorengegangen ist, lassen sich die zentralen Gedanken der legitimierenden Mitbestimmung im Unternehmensverband auch heute noch im Recht und in der rechtswissenschaftlichen Diskussion nachweisen: So meint Manfred Weiss896 , das Gesellschaftsrecht dürfe deshalb keine Flucht in die Mitbestimmungsfreiheit erlauben, weil in deutschen Unternehmen »möglichst demokratische Verhältnisse« zu herrschen hätten. Daß der mitbestimmte Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG das – nach bestrittener Ansicht satzungsfeste897 – Recht und sogar die Pfl icht hat, selbst einen Katalog von Zustimmungsvorbehalten zu defi nieren, läßt sich als Annäherung an das »Modell der privaten Aktienanstalt« begreifen898 . Das heißt freilich nicht, daß der deutsche Gesetzgeber entschieden hätte, die »Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital« in einem übergeordneten Unternehmensverband zusammenzufassen, der seine Legitimation aus paritätischer Partizipation bezieht. 1. Parität und (kumulativer) »Zwangsschlichtungs-Mechanismus« Das Organbeteiligungsmodell der Unternehmensmitbestimmung zielt nicht auf »demokratische« Mehrheitsbildung, sondern auf Willensbildung durch Interessenausgleich – trotz der Unterschiede zwischen den Beteiligungsformen vergleichbar dem vertragsförmigen Modell des Tarifrechts und der Betriebsverfassung: Die paritätische Besetzung der Aufsichtsgremien nach § 7 Abs. 1 MitbestG und § 4 Abs. 1 Satz 2 Montan-MitbestG zeichnet den Gedanken der »Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit« als Konsequenz typisierter Gleichwertigkeit899 beider Faktoren für das Unternehmen 900 organisationsrechtlich nach und läßt den polaren Charakter der Unternehmensmitbestimmung erkennen 901. Daß darin eine vertragsförmige Mitbestimmungsstruktur 895

Zur »demokratiepolitischen Erneuerung« der Mitbestimmung wird aber durchaus noch aufgerufen; exemplarisch Demirovic´, WSI-Mitteilungen 2008, 387, 391. Überdies ist die Legitimation durch Mitbestimmung wenigstens als gängige Floskel im arbeitsrechtlichen Sprachgebrauch angekommen; etwa MünchArbR/Wißmann, § 287 Rn. 7. 896 Mitbestimmung, S. 9, 15. 897 Nachweise zum Meinungsstand bei MünchKommAktG/Habersack, § 111 Rn. 103. 898 Wiedemann, BB 1978, 5, 8. Freilich hat die Mitbestimmung in der Praxis dazu geführt, daß Aktiengesellschaften auf Zustimmungsvorbehalte verzichtet haben; Fonk, ZGR 2006, 841, 843 m. w. N.; Bernhardt, BB 2007, 381, 382. 899 Nimmt man den Ansatz ernst, wäre zwischen kapital- und arbeitsintensiven Unternehmen zu differenzieren; dazu nur Flume, ZGR 1978, 678, 684 f. 900 Aus der gleichen Unentbehrlichkeit der Faktoren Kapital und Arbeit leiten Boettcher u. a., Unternehmensverfassung, S. 126 den Anspruch auf paritätische Beteiligung der Arbeitnehmer ab. 901 Anders Thüsing, ZIP 2004, 381, 387, der das »dualistische Modell« der Betriebsverfassung mit dem »Einheitsmodell« der Unternehmensmitbestimmung kontrastiert; Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 140 f.

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sichtbar wird, belegt die Corporate-Governance-Forschung 902 , die das im Mitbestimmungsrecht erkannte Vertragsprinzip stärken will, indem getrennte Vorberatungen der »Aufsichtsratsbänke«903 gestattet werden (vgl. Nr. 3.6 Abs. 1 DCGK 904 ), an die sich bipolare Interessenausgleichsverhandlungen anschließen. Mithin darf (drittel-)paritätische Teilhabe an Arbeitgeber-Entscheidungen nicht ohne weiteres mit Unternehmensdemokratie gleichgesetzt werden 905. Daß bestimmte Gruppen Einfluß auf Entscheidungen nehmen können, ist gegenüber der politischen Gleichberechtigung aller Bürger im Demokratieprinzip ein aliud906 . Radikale Egalität und die Besetzung des zu wählenden Gremiums nach »Bänken« schließen einander aus. Deshalb wird die Polarität der Mitbestimmungsordnung weder durch die »Vertragsparität« bei der erzwingbaren Mitbestimmung nach BetrVG noch durch die »optimal paritätische« Besetzung des Aufsichtsrats nach Montan-MitbestG aufgehoben. Das demokratietheoretische Problem ist dabei weniger das System der Gruppenwahl mit der Folge einer Aufsichtsratsbesetzung nach »Bänken«. So ist für den Bereich der funktionalen Selbstverwaltung anerkannt, daß die egalitäre Wahl in gruppenplural verfaßten Einrichtungen einer Gruppenwahl weichen muß, wenn die effektive Mitwirkung der einzelnen Gruppen und ihre Repräsentation in den Vertretungsorganen gesichert werden soll 907 : Beispiel ist die Hochschulwahl908 . § 44 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV belegt, daß das bis zur Parität der einbezogenen Gruppen gehen kann. Dahinter steht die Intention, bestimmte Interessen in einen demokratisch-egalitären Willensbildungsprozeß zu integrieren; Folge ist stets eine Einschränkung der demokratischen Egalität. 902 Mit Nachweisen Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 140 ff.; weiter Cromme, ZfgK 2002, 502, 504. 903 Mit Blick auf die gebotene Gleichbehandlung aller Aufsichtsratsmitglieder ohne Rücksicht auf den Grund ihrer Bestellung wird der Gedanke einer Aufspaltung des Aufsichtsrats in »Bänke« heute überwiegend abgelehnt. Gegen ein mitbestimmungsrechtliches »Bänkeprinzip« statt vieler BGH v. 25. 2. 1982, II ZR 123/81, BGHZ 83, 106 = NJW 1982, 1525 – sub III.1.b) der Gründe; MünchKommAktG/Habersack, Vor § 95 Rn. 14. Wenn hier und im Folgenden von »Bänken« (im Aufsichtsrat) die Rede ist, dient dies als vereinfachende Umschreibung der Bestellung durch unterschiedliche Stakeholder-Gruppen und soll die mitbestimmungsrechtliche Perspektive unterstreichen, impliziert aber keine gesellschaftsrechtlich relevanten »Unterschiede« zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern. 904 Bis zur jüngsten Änderung des DCGK mit Wirkung zum 15. 5. 2012 wurde die getrennte Vorbesprechung sogar angeregt. 905 So aber Broecker, Wirtschaftliche Mitbestimmung, S. 38. 906 Karpen, JA 1986, 299, 308 f.; Scheuner, FS Kägi, S. 301, 316. Isensee, Der Staat 1978, 161, 168 sieht »weniger an Übereinstimmung mit dem demokratischen als mit dem ständestaatlichen Konzept«. 907 Kluth, Selbstverwaltung, S. 461 f. m. w. N.; zustimmend Unruh, VerwArch 92 (2001), 531, 555 und dort Fn. 117. Ähnlich Oebbecke, VerwArch 81 (1990), 349, 365 f. 908 Zur Gruppenwahl (beispielsweise) in bayerischen Hochschulen vgl. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 1. Teilsatz BayHSchG.

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Bedeutet die Gruppenwahl nach Eigner- und Arbeitnehmervertreter zunächst nur eine Einschränkung der vorerst unterstellten »Unternehmensdemokratie«, schließt ihre Kombination mit Zwangsschlichtungsmechanismen eine demokratische Willensbildung aus. Zwar läßt sich prinzipiell auch die Entscheidungsfähigkeit mikrodemokratisch geordneter Verbände für den Fall garantieren, daß kein mehrheitsfähiger Kompromiß gelingt. Beispiel ist die Rechtsanwaltskammer909, in der nach § 88 Abs. 3 Satz 4 Hs. 1 BRAO die Stimme des Kammervorsitzenden bei Stimmgleichheit den Ausschlag gibt. Zum demokratietheoretischen Problem wird aber die Kumulation einer organisationsrechtlichen Sicherung der Funktionsfähigkeit mit einer gruppenparitätischen Besetzung des betreffenden Gremiums, bei der das Patt mit Blick auf die antagonistische Ausrichtung der Gruppen nachgerade absehbar ist. In letzter Konsequenz enthebt das Gesetz die Gruppenrepräsentanten dann davon, aus ihren als gegenläufig antizipierten Interessen einen gemeinsamen Willen zu bilden, und suspendiert das demokratische Mehrheitsprinzip. In solchen Fällen läßt sich »innerverbandliche Demokratie« allenfalls gewährleisten, wenn Anträge nach Vorbild des § 64 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 SGB IV bei (wiederholter) Stimmengleichheit als abgelehnt gelten. Die Unternehmensmitbestimmung funktioniert anders: Das Zweitstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden nach § 29 Abs. 2 Satz 1 MitbestG und das Stimmrecht des »Neutralen« i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 2 lit. c Montan-MitbestG sollen die Entscheidungsfähigkeit des Gremiums und mittelbar die Funktionsfähigkeit des Unternehmens sichern 910 . Das Gesetz antizipiert das qua paritätischer Besetzung vorgezeichnete Patt911 und gewährleistet, daß eine Entscheidung erzwungen werden kann. Daß die Unternehmensmitbestimmung kein besonderes Schlichtungsverfahren kennt, sondern nur das gesetzlich vorgeschriebene »Zünglein an der Waage«, ist insoweit nicht relevant. Weiter kann es für die Frage nach einer demokratischen Unternehmensverfassung keine Rolle spielen, daß der Stichentscheid in der Mitbestimmungs-Praxis die klare Ausnahme ist912 . Maßgebend ist allein, daß in strittigen Fragen nicht das partizipative Element den Ausschlag gibt, sondern der hoheitlich vorgegebene Entscheidungsmechanismus. Daß Kampfabstimmungen selten sind, belegt keinen Wechsel der Legitimationsgrundlage unternehmerischer Entscheidungen, sondern allenfalls einen erheblichen Kooperations-Druck sowie die verbreitete Praxis, strittige Fragen nicht im Aufsichtsratsplenum und dort wo909

Zur Rechtsanwaltskammer als Selbstverwaltungskörperschaft Maunz/Dürig/Scholz, Art. 12 Rn. 271. 910 Zur Funktion des »Elften« in der Montanmitbestimmung Martens, JuS 1983, 329, 332; Hopt, ZfA 1982, 207, 220. 911 Dazu Wiedemann, BB 1978, 5, 10. 912 Zur Montan-Mitbestimmung schon Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks. VI/334, S. 40; auch mit Blick auf das MitbestG Rittner, FS Peltzer, S. 367, 382.

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möglich qua Abstimmung zu klären, sondern in Vorgespräche »auszulagern«913 . Rechtlich spielt beides keine Rolle; vielmehr bleibt es dabei, daß das Unternehmensmitbestimmungsrecht den Interessenantagonismus der »gleichwertigen Faktoren Arbeit und Kapital« nicht in einer übergeordneten Willenseinheit sublimiert, sondern die paritätsbedingte Unbeweglichkeit durch einen – funktional dem betriebsverfassungsrechtlichen Zwangsschlichtungsverfahren vor der Einigungsstelle vergleichbaren – Lösungsmechanismus bei Stimmgleichheit überwindet. 2. Legitimation und gesellschaftsrechtliche Hierarchien Fehlt damit schon der Verband als übergeordnete Einheit, auf deren Handeln sich eine »legitimierende« Mitbestimmung beziehen müßte, lassen sich im Mitbestimmungsrecht weitere Brüche mit dem Gedanken einer Legitimation der Unternehmensleitung durch Arbeitnehmer-Partizipation nachweisen: Die Unternehmensmitbestimmung setzt (nur) im Aufsichtsrat an, der in der Arbeitgeber-Gesellschaft nicht isoliert steht, sondern seinerseits Bindungen an externe Vorgaben unterliegt. Damit sind gesellschaftsrechtlich die Kompetenzen der Hauptversammlung 914 bzw. in der GmbH der Gesellschafterversammlung 915 angesprochen sowie konzernrechtlich die Leitungsmacht der Konzernspitze916 . Hauptversammlung und Gesellschafterversammlung sind von vornherein mitbestimmungsfrei. Ob herrschende Unternehmen im Konzern ihrerseits mitbestimmt sind, hängt von ihrer Rechtsform – herrschendes »Unternehmen« i. S. d. Konzernrechts können etwa auch Einzelpersonen 917 oder öffentlichrechtliche Rechtsträger918 sein – sowie den Umständen der Unternehmenstätigkeit ab, insbesondere von der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer. Soll die Mitbestimmung den entscheidenden Legitimationsgrund unternehmerischer Entscheidungen abgeben, dürfte mitbestimmungsfreien Gremien und Konzernleitungen kein rechtlicher Einfluß auf solche Entscheidungen zukommen 919. Das geltende Recht belegt das Gegenteil: Die Hauptversammlung entscheidet über grundlegende Angelegenheiten nicht nur der unternehmenstragenden Gesellschaft, sondern auch des Unternehmens. Insbesondere befi ndet die Eignerversammlung mit der Deinvestitionsentscheidung i. S. d. § 119 Abs. 1 913

Fischer, NZA 2007, 484, 487. Zu ihnen etwa Spindler/Stilz/Hoffmann, § 119 Rn. 4 ff. 915 Hierzu etwa Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 46 Rn. 1 ff. 916 Zu ihr etwa MünchKommAktG/Altmeppen, § 308 Rn. 1 ff., 9 ff. 917 M.w.N. BAG v. 8. 3. 1994, 9 AZR 197/92, BAGE 76, 79 = NZA 1994, 931. 918 Für den Bund als herrschendes »Unternehmen« BGH v. 13. 10. 1977, II ZR 123/76, BGHZ 69, 334 = NJW 1978, 104 – »VEBA/Gelsenberg«; weiter MünchKommAktG/Bayer, § 15 Rn. 38 m. w. N. 919 Mit Blick vor allem auf die Weisungsrechte der Gesellschafterversammlung in der GmbH Reuter, Mitbestimmung, S. 22 f. 914

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Nr. 8 AktG über die Einstellung der Unternehmenstätigkeit. Auch die Hauptversammlungskompetenz für andere Strukturmaßnahmen 920 kann sich massiv auf die Unternehmensleitung auswirken. Vor allem aber befi ndet die Hauptversammlung ausnahmsweise über die Geschäftsführung, wenn der Vorstand dies nach § 119 Abs. 2 AktG verlangt. Gerade für Maßnahmen von überragender Bedeutung für die wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft hat der BGH eine Pfl icht des Vorstands zur Vorlage an die Hauptversammlung bejaht, der damit – freilich nur im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis – »ungeschriebene« Zuständigkeiten in wesentlichen Angelegenheiten der Geschäftsführung zuwachsen 921. Der mitbestimmte Aufsichtsrat ist in diesen Fällen auf bloß argumentativen Einfluß beschränkt. Wenn über § 119 Abs. 2 AktG Zustimmungsvorbehalte i. S. d. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG umgangen werden, muß die Hauptversammlung zwar mit der qualifi zierten Mehrheit des § 111 Abs. 4 Satz 4 AktG beschließen 922 , kann damit aber die Geschäftsführungsmaßnahme mitbestimmungsfrei an sich ziehen. Daß dem Vorstand in der Praxis kaum daran gelegen sein dürfte, einen Konfl ikt mit dem Aufsichtsrat in die Öffentlichkeit der Hauptversammlung zu tragen 923 , entwertet diese Option zwar faktisch, nicht aber rechtlich. Noch stärker ist die Stellung der GmbH-Gesellschafterversammlung, die dem Geschäftsführer gegenüber nach § 37 Abs. 1 GmbHG weisungsbefugt ist924 – am mitbestimmten Aufsichtsrat vorbei 925. Mit Blick auf den Konzern belegt schon § 5 Abs. 3 MitbestG, daß die eigentliche Konzernspitze nicht qua Mitbestimmung legitimiert werden soll und muß926 . In der Zusammenschau skizzieren diese Hierarchien nicht etwa eine rechtfertigungsbedürftige Ausnahme vom Grundmodell der Legitimation durch Mitbestimmung, sondern belegen, daß der Gesetzgeber die autonome Legitimation von Unternehmerentscheidungen qua Gesellschaftsrecht als ausreichend bewertet. 3. Betroffenenbeteiligung und (transnationaler) Konzern Die Konzernmitbestimmung betrifft überdies den Unternehmensverband als metademokratische Grundvoraussetzung: An der Notlösung des § 5 Abs. 3 920

Überblick bei Hüffer, AktG, § 119 Rn. 6 f. BGH v. 25. 2. 1982, II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 = NJW 1982, 1703 – »Holzmüller«. Zur Fortentwicklung der »Holzmüller-Rechtsprechung« und zum Meinungsstand in der Literatur etwa Hüffer, AktG, § 119 Rn. 16 ff. 922 In den »Holzmüller«-Fällen soll nach Hüffer, AktG, § 119 Rn. 14 schon die einfache Mehrheit reichen. 923 Fonk, ZGR 2006, 841, 872 f. 924 Hierzu Bork/Schäfer/Jacoby, GmbHG, § 37 Rn. 10 ff. 925 H. M. Umfangreiche Nachweise bei Velten, Gewerkschaftsvertreter, S. 188 f. 926 Bork/Schäfer/Rieble, GmbHG, § 52 Rn. 81 konstatiert, daß die mitbestimmungsfreie Konzernspitze der Tochter konzernleitende Maßnahmen übermitteln kann, »ohne daß der dort womöglich bestehende Aufsichtsrat wesentliche Einwirkungsmöglichkeiten hätte.« 921

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MitbestG wird sichtbar, daß das Mitbestimmungsrecht nicht etwa die Unternehmensleitung »legitimierend« vergemeinschaftet, sondern entgegen dem Gedanken der Betroffenendemokratie Teile der Belegschaft von der Mitbestimmungs-Partizipation ausschließt. Das gilt in rein nationalen Sachverhalten, wenn das herrschende Unternehmen in nicht mitbestimmungsfähiger Rechtsform geführt ist und selbst Arbeitnehmer beschäftigt. Deutlicher wird die Diskrepanz zwischen Betroffenheit und Teilhabe(rechten) im transnationalen Konzern: Die Belegschaften ausländischer Tochterunternehmen deutscher Mütter zählen weder für die Schwellenwertberechnung mit, noch sind sie zum Aufsichtsrat der herrschenden Gesellschaft wahlberechtigt927. Die ausländische Mutter deutscher Tochterunternehmen wird von vornherein nicht mitbestimmt. Das Territorialitätsprinzip928 verhindert also, daß die Betroffenen vollständig in einer übergeordneten Einheit zusammengefaßt werden, deren Handeln (auch) durch die Teilhabe der Arbeitnehmer an der Bildung eines gemeinsamen Willens legitimiert werden könnte929. Daß zumindest die Belegschaften europäischer Töchter in Deutschland von Unionsrechts wegen zur Mitbestimmungsteilhabe berechtigt sein könnten 930 , ändert nichts daran, daß Betroffenheit und Partizipationsrechte strukturell auseinander fallen (können). Selbst wenn die deutschen Mitbestimmungsgesetze zur »Welt-Mitbestimmung« geöffnet würden, bliebe es bei undemokratischen Sonderteilhaberechten: Deutsche Arbeitnehmer büßten ohne die Konzernmitbestimmung de facto Teilhaberechte ein, weil die rechtliche Abhängigkeit ihrer Arbeitgeberin von der Konzernleitung dazu führt, daß die Unternehmensmitbestimmung in den Tochtergesellschaften leerläuft. Ihre Mitbestimmungsrechte werden durch die Organbeteiligung bei der Konzernspitze gesichert. Ausländische Kollegen sind nicht zwingend in derselben Lage: Können sie unternehmerische Strategieentscheidungen nicht (nur) durch Organbeteiligung beeinflussen, sondern – funktional gleichwertig 931 – durch Tarifvertrag und vor allem Arbeitskampf, müssen sie (und damit die Tochtergesellschaften) Vorgaben der Konzernleitung nicht als unveränderliches Datum hinnehmen, sondern können mit den Druckmitteln des nationalen Kampfrechts noch Einfluß nehmen. Ihre Mitbestimmungsrechte müssen insoweit nicht gesichert werden und werden durch Organbeteiligung an der Konzernspitze verstärkt. Also: Sollen deutsche Unternehmen i. S. einer weltumspannenden Unternehmensdemokratie vergemeinschaftet werden, stehen im Inland beschäftigte Ar-

927

Hierzu Latzel, Gleichheit, Rn. 330 ff. Zu ihm mit Nachweisen Teichmann, ZIP Beilage zu Heft 48/2009, 10, 12. 929 Hierzu Mülbert, ZGR 1997, 129, 152; Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 104. 930 Eingehend Latzel, Gleichheit, Rn. 83 ff., 330 ff. 931 Bereits B.II.2.a.[1], S. 100 ff. 928

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beitnehmer932 schlechter, als im Ausland arbeitende Kollegen, die ihren Mitbestimmungseinfluß auf Unternehmerentscheidungen konfrontativ geltend machen dürfen. Das wäre ein Verstoß gegen den »demokratischen« Gedanken einer Egalität der Betroffenen, denen bei gleicher Betroffenheit nur gleiche Teilhaberechte zukommen sollen. 4. Nicht-Betroffenen-Beteiligung Sowenig die »wirtschaftsdemokratische Legitimation« qua Mitbestimmung mitbestimmungsfreie Unternehmen erklären kann, sowenig kann sie erklären, daß Teilhaberechte an Nicht-Betroffene zugewiesen werden. a. Beispiele: Leitende Angestellte und Leiharbeitnehmer Angesprochen ist damit zunächst die Platzreservierung im Aufsichtsrat für einen leitenden Angestellten nach § 15 Abs. 1 Satz 2 MitbestG. Aus der Perspektive der (funktionalen) Selbstverwaltung im Unternehmen könnte die funktionsakzessorische Repräsentationsgarantie zunächst als Besonderheit »gruppenplural« verfaßter Organisationen 933 eingestuft werden. Indes belegt der Vergleich mit den anderen Mitbestimmungsgesetzen, daß der Faktor »Disposition« nicht als besonderes, ausnahmslos institutionell zu integrierendes Interesse gesehen werden kann: Die Betriebsverfassung ordnet die Leitenden nach § 5 Abs. 3 BetrVG »dem Arbeitgeber« zu, schließt sie gezielt von der Mitbestimmungs-Teilhabe aus und verweist sie damit auf den das SprAuG als Sonderregelung. Ähnlich restriktiv entscheidet § 3 Abs. 1 DrittelbG, der auf § 5 Abs. 1 BetrVG verweist. Wie in der Betriebsverfassung wählen und zählen Leitende auch für die Drittelbeteiligung nicht, können aber – wenn nach § 4 Abs. 2 Satz 2 DrittelbG mehr als zwei Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sitzen und damit praktisch selten – als »Nicht-Arbeitnehmer« auf die Arbeitnehmerbank gewählt werden 934 . Auch § 5 Abs. 5 Satz 1 MontMitbestErgG i. V. m. § 5 Abs. 1 BetrVG sowie nach herrschender Ansicht das insoweit unklare Montan-MitbestG 935 rechnen die leitenden Angestellten nicht zu den Arbeitnehmern. Daß diese Ungleichheiten lediglich eine aus den historischen Begebenheiten zu erklärende Verwirrung sein sollten 936 , ist nicht zu belegen. 932 Das mag unionsrechtlich erlaubte »Inländerdiskriminierung« (zu ihr am Beispiel der nach Art. 45 AEUV [ex-Art. 39 EG] garantierten Arbeitnehmer-Freizügigkeit v.d. Groeben/ Schwarze/Wölker/Grill, EUV/EGV, Art. 39 Rn. 10 f.) sein – schadet aber gleichwohl mit Blick auf ein »unternehmensdemokratisches« Gebot gleicher Teilhaberechte. 933 Dazu bereits 1., S. 152 f. 934 Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 4 DrittelbG Rn. 13; Wlotzke/ Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 3 DrittelbG Rn. 3. 935 Dazu m. w. N. Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 1 Montan-MitbestG Rn. 16. 936 Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 3 DrittelbG Rn. 3.

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§ 2 (In-)Kompatibilität von Demokratieprinzip und Mitbestimmung

Plausibel ist aus meiner Sicht eher, daß die ausnahmsweise Integration der Leitenden nur im MitbestG darauf zielt, diese als eigenständige Interessengruppe institutionell einzubinden, damit das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer (teilweise) auf heterogene Interessen auszurichten – und mittelbar eine Blockbildung unter den Mitbestimmungsträgern zu erschweren 937. Jedenfalls kann weder Egalität noch Betroffenheit erklären, daß unter den Mitbestimmungsgesetzen allein das MitbestG die Leitenden als Arbeitnehmer sieht. Vielmehr zielt dieser Sonderweg auf die organisationsrechtliche Fixierung eines bestimmten Interesses, anders gewendet: auf eine Einschränkung der »Unternehmensdemokratie«. Gleichfalls versagt der mikrodemokratische Erklärungsansatz mit Blick auf die Rolle der Leiharbeitnehmer in der Unternehmensmitbestimmung. Bei den Aufsichtsratswahlen im Entleiherunternehmen kommt ihnen zwar gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 AÜG nicht das passive Wahlrecht zu 938 , wohl aber nach §§ 10 Abs. 2 Satz 2, 18 Satz 2 MitbestG bzw. § 5 Abs. 2 Satz 2 DrittelbG das aktive, sofern die Voraussetzungen des § 7 Satz 2 BetrVG erfüllt sind 939. Ob sie zumindest dann auf die Schwellenwerte des Unternehmensmitbestimmungsrechts anzurechnen sind, wenn sie im Entleiherunternehmen Daueraufgaben wahrnehmen, ist weder für die »echte« Leiharbeit noch für die Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit abschließend geklärt940 . Indes sind selbst eingeschränkte Teilhaberechte für Leiharbeitnehmer auf Unternehmensebene einer »undemokratischen« Fremdbestimmung der Stammbelegschaften verdächtig. Die Unternehmensmitbestimmung betrifft anders als die Mitbestimmung nach BetrVG nicht den tatsächlichen Arbeitsalltag, sondern die »große Unternehmenspolitik«. Von solchen Strategie-Entscheidungen sind (zumindest) dauerhaft überlassene Arbeitnehmer sicherlich betroffen. Diese Betroffenheit vermittelt aber nicht das konkrete Arbeitsum937 Rieble, Mitbestimmung, S. 9 ff. Rn. 62. Dazu noch die Einschätzung des BVerfG im »Mitbestimmungsurteil«; BVerfG [Senat] v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290 = RdA 1979, 380 – unter C.I.1.c)aa) der Gründe. Freilich haben sich die Leitenden in der Praxis nach Streeck u. a., Mitbestimmung, S. 96 f. nicht mit den Eignern solidarisiert, sondern sind auch faktisch »in die Arbeitnehmerbank integriert«. 938 Dazu Schüren/Hamann, AÜG, § 14 Rn. 64 ff. 939 Sonderfall ist die Unternehmensmitbestimmung nach Montan-MitbestG, weil § 6 Abs. 1 Satz 2 Montan-MitbestG das aktive Wahlrecht zum Aufsichtsrat nur für Betriebsräte vorsieht. Diese haben die Leiharbeitnehmer zwar gegebenenfalls mitgewählt, konnten indes nicht zum Entleiherbetriebsrat gewählt werden. Ein aktives Wahlrecht des Leiharbeitnehmers zum mitbestimmten Entleiheraufsichtsrat ist mithin ausgeschlossen; Schüren/Hamann, AÜG, § 14 Rn. 65. 940 Dafür etwa Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 1 MitbestG Rn. 35j; dagegen etwa Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestG, § 3 MitbestG Rn. 32 – jeweils mit Blick auf das MitbestG. Die Zähl-Zurechnung kann in DrittelbG und Montan-MitbestG nichts anders gehandhabt werden. Für die Anrechnung von Leiharbeitnehmern auf den Schwellenwert des § 111 Satz 1 BetrVG BAG v. 18. 10. 2011, 1 AZR 335/10, NZA 2012, 221 – Rn. 14 ff. Dazu § 3 D.II.2.d.[2][c], S. 260 f.

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feld, sondern die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit von Ver- und Entleiher. Dieser Effekt kann nicht nur im Fall der Arbeitnehmerüberlassung eintreten, sondern auch bei – letztlich allen – anderen Formen der Kooperation verschiedener Unternehmen 941. Das gilt etwa für Fremd-Arbeitnehmer im Gemeinschaftsbetrieb942 , die von den unternehmerischen Entscheidungen anderer Trägerunternehmen betroffen werden, ebenso wie für Beschäftigte eines Zulieferbetriebs, der ausschließlich für einen bestimmten Abnehmer produziert. Das aber heißt: Will man die Teilhabe auf Unternehmensebene nicht völlig entgrenzen, muß man in der Konsequenz anerkennen, daß die Leiharbeitnehmer Teilhaberechte als Nicht-Betroffene zugewiesen bekommen. b. Insbesondere: Gewerkschaftsteilhabe in der Unternehmensmitbestimmung Entsprechendes gilt für die Gewerkschaftssitze i. S. d. § 7 Abs. 2 MitbestG, § 6 Abs. 3 Montan-MitbestG. Das faktische Entsenderecht der Gewerkschaften 943 bindet Unternehmensexterne in die Willensbildung des Arbeitgebers ein und verläßt damit den »selbstbestimmungsdemokratischen« Grundgedanken der Legitimation durch Betroffenenbeteiligung 944 . Freilich geht es bei der Beteiligung der Gewerkschaftsvertreter nicht um Legitimation: In erster Linie945 sollen die Externen dem erwarteten »Betriebs- oder Unternehmensegoismus« der unternehmensangehörigen Arbeitnehmervertreter entgegenwirken 946 , und der »gesamtwirtschaftlichen Einbindung des Unternehmens« Rechnung tragen 947. Hier ist das planwirtschaftliche Moment der Wirtschaftsdemokratie zu erkennen, der Versuch, private Unternehmen i. S. eines maßgeblich von den Gewerkschaften defi nierten Gemeinwohls zu steuern 948 . Deutlich belegt das § 6 Abs. 2 Satz 2 Montan-MitbestG: Die gewerkschaftlichen Spitzenorganisationen dürfen mit dem Einspruch gegen einen Wahlvorschlag nicht nur darauf hinwirken, daß die Vorgeschlagenen das Unternehmenswohl befördern, son941

Dazu etwa Hohenstatt/Schramm, NZA 2010, 846, 849. Deshalb befürwortet Däubler, FS Zeuner, S. 19, 31 mit Blick auf die Schwellenwerte des Unternehmensmitbestimmungsrechts die allseitige Mehrfachzurechnung der im Gemeinschaftsbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Dazu noch § 4 B.I.2.a., S. 335 f. 943 Vgl. Velten, Gewerkschaftsvertreter, S. 56 m. w. N. 944 Dazu etwa Mülbert, ZGR 1997, 129, 152; Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 80 f. 945 Ausführlich auch zu den weiteren Rechtfertigungsansätzen Velten, Gewerkschaftsvertreter, S. 48 ff. 946 Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks. VI/334, S. 73. Ebenso BVerfG [Senat] v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290 = RdA 1979, 380 – »Mitbestimmungsurteil« unter C.III.2.b)cc) der Gründe. 947 Ballerstedt, ZGR 1977, 133, 140. 948 Zurückhaltend Velten, Gewerkschaftsvertreter, S. 48 ff., der aber immerhin in Betracht zieht, daß der Zweck der Gewerkschaftsbeteiligung letztlich in der »Einbringung von Interessen besteht, die über das Unternehmensinteresse hinausgehen.« 942

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§ 2 (In-)Kompatibilität von Demokratieprinzip und Mitbestimmung

dern auch Kandidaten (vorläufig) verhindern, die kein ausreichendes Engagement im Interesse der gesamten Volkswirtschaft erwarten lassen 949. Mit mikrodemokratischer Selbstregierung der Betroffenen hat das nichts zu tun. Dabei kann vernachlässigt werden, daß die Gewerkschaftsvertreter zwar von den Gewerkschaften vorgeschlagen werden, aber nach § 16 MitbestG (bei unmittelbarer Wahl i. V. m. § 18 Satz 3 MitbestG), § 6 Abs. 5 Montan-MitbestG durch Unternehmensangehörige gewählt werden müssen. Angesichts der weitgehenden Bindung an die »externen« Wahlvorschläge – immerhin sichert § 16 Abs. 2 Satz 3 MitbestG in jedem Falle eine »echte« Wahlmöglichkeit – ist die zwischengeschaltete Wahl keine ausreichende Quelle demokratischer Legitimation. Wie für die Mitbestimmung in öffentlichrechtlichen Körperschaften der funktionalen Selbstverwaltung 950 muß für die Gewerkschaftsteilhabe im Aufsichtsrat gelten: Solange die Bedeutung der Wahl durch Sitzplatzreservierung und Bindung an Wahlvorschläge wesentlich eingeschränkt ist, kann die Beteiligung der externen Gewerkschaftsvertreter nicht formal über die Zuwahl legitimiert werden, sondern muß als Nichtbetroffenenbeteiligung aus materialen Gründen gerechtfertigt werden.

III. Unternehmensmitbestimmung statt Demokratisierung Der Unternehmensmitbestimmung geht es nicht darum, Großunternehmen demokratisierend zu vergesellschaften 951. Es gibt keine unternehmensinterne Mikrodemokratie, in der die Unternehmensleitung von allen »Angehörigen des Unternehmensverbands« gemeinschaftlich legitimiert würde. Das dahinter erkennbare, »demokratieverdächtige« Ideal einer Selbstbestimmung der besonders betroffenen Verbandsangehörigen verfehlt das deutsche Unternehmensmitbestimmungsrecht strukturell, – weil Unternehmensmitbestimmung zwar im Ansatz Betroffenenbeteiligung ist, im Detail aber eklatante Differenzen zwischen »Betroffenheit« und Teilhaberechten sichtbar werden, – vor allem aber weil die Organbeteiligung in letzter Konsequenz nicht den »politischen« Kompromiß verlangt, sondern das Unternehmen mit einem gesetzlichen Zwangslösungsmechanismus auch dann funktionsfähig hält, wenn eine pluralistische Gesamtwillensbildung scheitert. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers für die Mitbestimmung im Aufsichtsrat der Arbeitgeber-Gesellschaft als Entscheidung gegen einen partizipativ geordneten Rechtsverband »Unterneh949

Dazu Kötter, Montan-MitbestG, § 6 Anm. 18. Dazu unter B.I.3.c.[3], S. 84 ff. 951 I.d.S. Neuloh, Betriebsverfassung, S. 109: »Mitbestimmung ist [. . .] weder die einzige noch die radikalste Form großbetrieblicher Sozialordnung.« 950

E. Rechtliche Verbindung zwischen Demokratie und Mitbestimmung

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men«952 zu begreifen, dem Arbeitnehmer wie Kapitaleigner ein- und untergeordnet würden. Die Partizipation der Arbeitnehmer bezieht sich nicht auf eine gemeinschaftlich verfaßte Einheit953 , sondern richtet sich in einem polaren System gegen die Arbeitgeberin. Damit ist auch gesagt, daß sich die Unternehmensmitbestimmung mit Blick auf die zentrale Legitimationsfrage diametral zur Demokratie verhält: Eine »ergänzende soziale Legitimation« der Unternehmensleitung durch Unternehmensmitbestimmung 954 ist weder normativ erforderlich 955 noch vom Gesetz gewollt. Leitungsmacht soll nicht originär gerechtfertigt und also begründet werden, sondern lediglich beeinflußt und kontrolliert. Anders als die Betriebsverfassung hat die Unternehmensmitbestimmung nichts mit »sozialer Selbstverwaltung« zu tun 956 : die Frage nach der Rechtfertigung eines vertragsrechtlich nicht erklärbaren Regelungsraumes stellt sich nicht. Daß Unternehmen, genauer: die unternehmenstragenden Gesellschaften, dem Staat gegenüber »autonom« sind, besagt nichts gegenteiliges957. Die Autonomie »der Unternehmen« meint die Zuordnung unternehmerischer Tätigkeit zum grundrechtlich geschützten Freiheitsbereich des Unternehmers, nicht aber die Verwaltung eigener Angelegenheiten durch eine besondere Betroffenengruppe. Das zwingende Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer greift in diesen privatautonomen Legitimationszusammenhang ein, löst das private Unternehmen aber nicht aus dem grundrechtlichen Freiheitsbereich heraus, um es einer nach dem Mehrheitsprinzip geordneten »Sozialautonomie« zu unterstellen 958 .

E. Rechtliche Verbindung zwischen Demokratie und Mitbestimmung Vor dem Hintergrund des historisch-ideellen Impetus einer »demokratischen« Organisation der Arbeit ernüchtert das Ergebnis der vergleichenden Analyse 952 Richardi, AöR 104 (1979), 546, 576. In diese Richtung selbst Kunze, ZHR 147 (1983), 16, 23. 953 Hierzu Zöllner, FS 25 Jahre BAG, S. 745, 758 ff. 954 BVerfG [Senat] v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290 = RdA 1979, 380 – »Mitbestimmungsurteil« unter C.III.1.b)cc) der Gründe. 955 Sehr klar schon Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks. VI/334, S. 68. 956 So auch Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 143; anders Badura, RdA 1976, 275: nach Einführung des MitbestG 1976 sei soziale Selbstverwaltung das »neue politische Richtmaß«; E. R. Huber, Selbstverwaltung, S. 46. 957 So aber Kunze, Legitimationsproblem, S. 19: Unternehmen seien »weisungsfrei« und deshalb »soziologisch den Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts im Grundsatz gleichzusetzen.« 958 Zu den verfassungsrechtlichen Fragen eines solchen Paradigmenwechsels Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 108 f.

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§ 2 (In-)Kompatibilität von Demokratieprinzip und Mitbestimmung

von Demokratie und Mitbestimmung: Mit der Demokratie in der Wirtschaft ist es nicht weit her. Die Selbstbestimmung der Betroffenen ordnet das deutsche Mitbestimmungsrecht nur in sehr begrenztem Rahmen an. Das BetrVG verfaßt die Betriebsbelegschaft als Zwangsverband von Betroffenen, weist diesem Kollektiv aber keine echten Regelungsbefugnisse im eigenen Wirkungskreis zu, sondern beschränkt die Angelegenheiten der Belegschaft auf funktional begrenzte Vetorechte und Regelungschancen im Zusammenwirken mit dem Arbeitgeber. Die wenigen »Selbstverwaltungsrechte« des Betriebsrats fallen demgegenüber nicht ins Gewicht. Immerhin: Legt man ein »modernes« Demokratieverständnis zugrunde, das den Gedanken der Selbstbestimmung durch Mitbestimmung gegenüber der demokratischen Egalität betont959, ist die Ausgangsthese insoweit falsifi ziert. Die betriebliche Mitbestimmung kennt Elemente einer »Selbstverwaltung« der Belegschaft. Freilich ist die öffentlichrechtliche Selbstverwaltung richtigerweise keine Ausprägung des Demokratieprinzips, sondern eine ausnahmsweise zulässige Unterbrechung des demokratischen Legitimationszusammenhangs. Zentral vor allem für die betriebliche Mitbestimmung nach dem BetrVG ist der Gedanke der Machtkontrolle, moderner: der Beschränkung der Rechtsmacht des Arbeitgebers. Die in weiten Teilen vertragsrechtsakzessorische Betriebsverfassung aktualisiert die vertragsrechtlichen Rücksichtnahmepfl ichten des Arbeitgebers durch einen prinzipiell vertragsförmigen Interessenabgleich mit der vom Betriebsrat repräsentierten Belegschaft. Aus normativer Perspektive fehlt diesem System jeder Bezug zur Demokratie. Im Staat soll der Mehrheitsentscheid Macht rechtfertigen, nicht bändigen. Allenfalls im historischen Vergleich mit autoritären Staatsformen läßt sich das Demokratieprinzip als Kontrollmechanismus verstehen. Keinesfalls läßt sich die demokratische Gleichheit in gesellschaftliche Gleichberechtigung durch Mitbestimmung übersetzen. Aber auch eine »Demokratisierung« von Betrieben und Unternehmen auf der Basis einer Gleichberechtigung von »Kapital und Arbeit« ist im Mitbestimmungsrecht nicht angelegt. Die Mitbestimmungsgesetze schaffen keinen Verband aus Arbeitgeber und Arbeitnehmern, der von beiden Faktoren »legitimiert« werden müßte. Statt dessen stellen Betriebsverfassung wie Unternehmensmitbestimmung die Funktionsfähigkeit der mitbestimmten Wirtschaftseinheiten sicher, und beseitigen damit in letzter Instanz die Notwendigkeit, einen übergeordneten Gesamtwillen zu bilden.

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Etwa Scharpf, Demokratietheorie, S. 68; v. Hoyningen-Huene, FS Stahlhacke, S. 173, 175; derselbe, FS Birk, S. 215, 234 ff.; Raab, Negatorischer Rechtsschutz, S. 33 ff.

§ 3 Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung Angesichts dieses Befunds müssen die Strukturen des Mitbestimmungsrechts notwendig jenseits des Demokratieprinzips gesucht werden. Dieser Aufgabe sind die folgenden Ausführungen gewidmet: Nach den verfassungsrechtlichen Grundlagen (A.) und Grenzen (B.) der Mitbestimmung werden die Zwecke der verschiedenen Mitbestimmungsgesetze untersucht (C.). Abschließend können die vermeintlich demokratischen Elemente der Mitbestimmung eingeordnet werden (D.).

A. Verfassungsrechtliche Wertungsgrundlage I. Verfassungsmäßigkeit der Mitbestimmungsgesetze Aus Sicht der Unternehmenseigner läßt sich die Arbeitnehmer-Mitbestimmung als staatlicher Eingriff in diverse Freiheitsrechte beschreiben1 : als Sozialbindung und damit Einschränkung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GG) 2 , als Ausübungsregelung der unternehmerischen Freiheit, geschützt durch das Berufsgrundrecht i. S. v. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG 3 oder von Art. 2 Abs. 1 GG 4 und jedenfalls die Unternehmensmitbestimmung auch als Eingriff in die Vereinigungsfreiheit des Art. 9 GG, weil der Staat Nichteignern einen Platz in den Organen der privatautonom gebildeten Eignergesellschaft reserviert 5. Aus der gegenläufigen Perspektive erfüllt die Mitbestimmung verfassungsrechtliche Vorgaben oder schafft hierfür zumindest wesentliche Voraussetzungen. Sie hilft den abhängig Beschäftigten, ihr eigenes Berufsgrundrecht zu verwirklichen, ermöglicht oder befördert menschenwürdige Arbeit und steht damit im Dienste des Sozialstaatsprinzips oder eines umfassend ver1 Überblick bei Isensee, Der Staat 17 (1978), 161, 175. Zum Zusammenspiel der betreffenden Grundrechte i. S. e. lückenlosen Grundrechtsschutzes der Eigner Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 197 ff. 2 Skeptisch Reichold, Betriebsverfassung, S. 489 ff.: das Eigentum am Unternehmen sei nur »äußerste Grenze« der Mitbestimmung, der materiale Wertungsgrund liege in Art. 12 GG. 3 Dazu Papier, RdA 1989, 137, 142. 4 Zum Schutz »mittelbar« unternehmerischer Tätigkeit von Anteilseignern nach Art. 2 Abs. 1 GG Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 200 ff. 5 Badura, RdA 1976, 275, 279.

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§ 3 Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung

standenen Demokratieprinzips. Eine klare Haltung des Grundgesetzes zur Mitbestimmungsfrage ist nicht zu erkennen; einige Landesverfassungen hingegen beziehen Position und formulieren die Mitbestimmung als Verfassungsauftrag6 : so ordnet etwa Art. 26 SächsVerf ein Mitbestimmungsrecht für Beschäftigte in Betrieben, Dienststellen und Einrichtungen des Landes an7. In dieser Gemengelage ist die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Mitbestimmung zwar noch rechtstheoretisch umstritten, rechtspraktisch aber geklärt: Die betriebliche Mitbestimmung ist mit dem Grundgesetz ebenso vereinbar8 wie die Drittelparität im Aufsichtsrat9. Auch die quasi-paritätische Unternehmensmitbestimmung ist zulässig, wenngleich nur »gerade noch«10 . Zwar wird in Eigentums- und abgeleitete Mitgliedschaftsrechte der Anteilseigner eingegriffen, indes mindert der geringere »personale Bezug« des (Anteils-)Eigentums an Kapitalgesellschaften die Rechtfertigungslast. Weil Anteilseigner eher als Anleger und weniger als Unternehmer gesehen werden, müssen sie gesetzlich angeordnete Teilhaberechte der Arbeitnehmer hinnehmen, solange ihnen ein »leichtes Übergewicht« bleibt11. Hier gilt: Karlsruhe locuta, causa fi nita12 . Damit ergeben sich zwar offensichtliche Bedenken gegen die Montan-Mitbestimmung13 . Die Unternehmen in der Praxis haben sich mit dieser »aussterbenden«14 Sondermitbestimmung aber arrangiert. Sie ersuchen nicht um Rechtsschutz, sondern verlegen sich – schon mit Rücksicht auf die geschwundene Bedeutung der Montanindustrie – zunehmend auf Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich des DrittelbG und des MitbestG fallen15. Vor diesem Hintergrund soll die Verfassungsfrage hier nicht erneut aufgeworfen werden; ausreichend ist es, die Grundlinien der Diskussion nachzuzeichnen.

6

Dazu im Kontext des Personalvertretungsrechts Rinken, ZfPR 2011, 61, 64 ff. Zur verfassungsrechtlichen Einordnung diese »Mitbestimmungsrechts« etwa SächsVerfGH v. 22. 2. 2001, Vf. 51-II-99, PersV 2001, 198 = PersR 2001, 367 – unter C.I. der Gründe; weiter Kersten, ZBR 2002, 28 ff. Zu Art. 50 BgbVerf Verfassungsgericht des Landes Brandenburg v. 15. 10. 2009, VfGBbg 9/08, PersR 2010, 155. 8 Mit umfangreichen Nachweisen Richardi, BetrVG, Einleitung Rn. 50 ff. 9 Mit einem Erst-Recht-Schluß zur – historisch weit heftiger umstrittenen – paritätischen Mitbestimmung Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, Einleitung DrittelbG Rn. 7. 10 BVerfG [Senat] v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290 = RdA 1979, 380 – »Mitbestimmung«. 11 Di Fabio, Mitbestimmung, S. 163, 166. 12 Insofern übereinstimmend bei tendenziell gegensätzlicher Position Weiss, Mitbestimmung, S. 9, 13; Rieble, Mitbestimmung, S. 9 ff. Rn. 4. 13 Etwa Rieble, Tarifautonomie, S. 41, 48; zur Montan-Mitbestimmung als Gleichheitsverstoß Latzel, Gleichheit, Rn. 427 ff. 14 Kißler/Greifenstein/Schneider, Mitbestimmung, S. 191 sprechen vom »Auslaufmodell Montan-Mitbestimmung«, das nach Ansicht der Autoren freilich auch als »fast schon ausgestorbener Dinosaurier« ein »Zukunftsmodell« ist. 15 Zu dieser Entwicklung etwa Latzel, Gleichheit, Rn. 429 f. 7

A. Verfassungsrechtliche Wertungsgrundlage

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II. (Kein) Grundrecht auf Mitbestimmung Das BVerfG hat zwar einen Verfassungsverstoß durch die Unternehmensmitbestimmungsgesetze verneint, konnte aber andererseits keinen »verbindlichen Verfassungsauftrag zur Einführung einer Unternehmensmitbestimmung wie derjenigen des Mitbestimmungsgesetzes« erkennen16 . Anders gesagt läßt das Grundgesetz dem Gesetzgeber mit Blick auf wirtschaftliche Mitbestimmung im Unternehmen Entscheidungsfreiheit17. Mitbestimmung ist erlaubt, nicht geboten. Ein Grundrecht auf (Unternehmens-)Mitbestimmung gibt es nicht18 . 1. Menschenwürde und Persönlichkeitsrecht Dezidiert wollte vor allem Däubler 19 aus der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG ein »Grundrecht auf Mitbestimmung« ableiten 20 : Auch ohne einen ausdrücklichen Vorbehalt nach Modell des Art. 151 WRV erlaube das GG, wirtschaftliche Grundrechte und Freiheiten von Verfassungsrang zugunsten der Menschenwürde einzuschränken 21. Die eigentliche Frage hat freilich dahin zu gehen, ob jene Einschränkung von Art. 1 Abs. 1 GG gefordert ist. Dabei ist die Prämisse, daß die Menschenwürde als das »oberste Konstitutionsprinzip des Grundgesetzes«22 auch im Arbeitsleben der entscheidende Leitwert sein muß23 , unbestritten richtig 24 und steht nicht zur Diskussion 25. Nur ist damit nichts gesagt: wie die Demokratie läßt sich die Menschenwürde nur vom krassen Negativbeispiel her oder positiv nur auf höchster Abstraktionsebene konkretisieren. Aus einem derart vagen Leitbild läßt sich die konkrete Vorgabe allseitiger und gleicher Mitgestaltungsrechte in Staat wie Gesellschaft

16 BVerfG [Senat] v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290 = RdA 1979, 380 – »Mitbestimmung« unter C.III.1.b)bb) der Gründe. 17 Dazu etwa Kempen, AuR 1986, 129, 135; L. Raiser, Rechtsfragen, S. 11 ff.; Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 265. 18 MünchArbR/v. Hoyningen-Huene, § 210 Rn. 2 f.; eingehend zur betrieblichen Mitbestimmung Veit, Zuständigkeit, S. 191 ff. 19 Däubler, Grundrecht, S. 129 ff. 20 Zustimmend etwa Kempen, AuR 1986, 129, 132 f.; Sterzel, FS Stein, S. 215, 220 ff.; zurückhaltender Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 178; nach MüllerFranken, Befugnis, S. 279 fi ndet die betriebliche Mitbestimmung ihre »Legitimation – zumindest auch – im Gebot der Achtung der Menschenwürde«. Für die Personalvertretung erkennt Rinken, ZfPR 2011, 61, 66 ein »Grundrecht auf Mitbestimmung«, dessen Grundlagen freilich das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten und das Sozialstaatsprinzip seien. 21 Di Fabio, Mitbestimmung, S. 163, 165. 22 BVerfG [Senat] v. 19. 10. 1982, 1 BvL 34/80 und 55/80, BVerfGE 61, 126 = ZIP 1982, 1479 – »Erzwingungshaft« unter B.II.1. der Gründe. 23 Däubler, Grundrecht, S. 149 ff. 24 Nachweise aus der Mitbestimmungsdiskussion bei Flume, DB 1967, 294. 25 Flume, DB 1967, 294, 295.

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§ 3 Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung

nicht ableiten 26 . Das Verbot, den Menschen auf ein Objekt zu reduzieren 27, erlaubt keinen Rückschluß auf konkrete Partizipationsrechte des Einzelnen in gesellschaftlichen Subsystemen wie der Wirtschaft, denen der Gesetzgeber Geltung zu verschaffen hätte28 . Es versteht sich eben nicht von selbst, daß menschenwürdiges Arbeiten Mitbestimmungsrechte in der Qualität echter (Mit-)Leitungsbefugnisse voraussetzt: Daß abhängige Arbeit unter fremder Weisung der Würde des Menschen widerspräche, läßt sich gerade nicht behaupten 29. Im Gegenteil ist der Menschenwürdegehalt abhängiger (!) Arbeit seit langem erkannt 30 ; er würde durch eine strikte Ableitung der Mitbestimmung aus der Menschenwürde geleugnet. Ein Mitbestimmungsgrundrecht enthält die Menschenwürde nur, wenn man sie mit entsprechenden politischen Inhalten auflädt 31. Reichold32 bestreitet ein Staat und Gesellschaft erfassendes Grundrecht auf Mitbestimmung, weil der Gesetzgeber im Rahmen eines weiten Ermessensspielraums zu entscheiden habe, wie er seinem Schutzauftrag für die Menschenwürde nachkommen will. Das ist nicht deutlich genug: Ein hinreichend konkreter »Menschenwürde-Auftrag«, Arbeitnehmerpartizipation einzuführen, fehlt 33 ! Zu Ende gedacht könnte die »partizipationsbetonte« Auslegung der Menschenwürde nicht auf den Bereich der Wirtschaft beschränkt bleiben, müßte vielmehr in allen Fällen Mitbestimmung erzwingen, in denen Menschen sich fremder Leitungs- und Organisationsgewalt unterwerfen. Das ist vielfach aber schon der Sache nach ausgeschlossen und wird auch nicht ernsthaft eingefordert 34 . In diesem Zusammenhang ist zudem an die »planmäßigen Lücken« allein in der Unternehmensmitbestimmung zu erinnern35. Hier ein verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftiges Untermaß an Mitbestimmung zu sehen, ist abseitig. Statt dessen ist mit Wiedemann36 anzuerkennen, daß Un-

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Anders Däubler, Grundrecht, S. 158. Die bekannte, bei Kant entlehnte Objektformel Dürigs fi ndet sich etwa bei Maunz/ Dürig/Herdegen, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 36. 28 Deutlich Di Fabio, Mitbestimmung, S. 163, 173; weiter Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 128; Papier, RdA 1989, 137, 139; Lohse, Grenzen, S. 50. 29 L. Raiser, Rechtsfragen, S. 13. 30 Dazu nur Häberle, JZ 1984, 345, 350 f. m. w. N. auch zur Rechtsprechung des BVerfG. 31 Nachdrücklich Ehmann, RdA 1976, 175, 182 ff. 32 Betriebsverfassung, S. 487. 33 Klar gesehen von Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 128, der das Menschenwürdegebot richtig als »zu weit und zu unspezifisch« ansieht, »als daß es die Mitbestimmungsforderung überzeugend begründen könnte«. 34 Flume, ZGR 1978, 678, 691. Dazu auch Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 100 m. w. N.: »letztlich uferlose Grundlage für Eingriffe in Freiheitsrechte anderer«. 35 Dazu Rittner, Mitbestimmungsbericht, S. 158, 169, der insoweit auf die hohen Schwellenwerte des Unternehmensmitbestimmungsrechts verweist; näher dazu bereits unter § 2 D.II., S. 151 ff. 36 BB 1978, 5, 8. 27

A. Verfassungsrechtliche Wertungsgrundlage

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ternehmensmitbestimmung keine Konsequenz der Menschenwürde der Arbeitnehmer sein kann. Vor allem im Kontext der Personalvertretung im öffentlichen Dienst ist der Gedanke populär, Mitbestimmungsrechte fänden ihren Grund im allgemeinen Persönlichkeitsrecht i. S. d. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG 37 (sowie im Sozialstaatsprinzip) 38 . Das BVerfG hat die Frage nach dem Wertungskern der Personalvertretung in der zentralen Entscheidung zur »Einigungsstelle Schleswig-Holstein« freilich offen gelassen und sich insoweit auf die »Belange der Beschäftigten« zurückgezogen 39. Diese Indifferenz ist begründet: Das ungeschriebene Persönlichkeitsgrundrecht ist verfassungsdogmatisch zwar Art. 2 Abs. 1 GG zuzuordnen, steht der Menschenwürde aber in besonderer Weise nahe40 . Damit stehen die gegen die Menschenwürdeableitung der Mitbestimmung angeführten Argumente auch gegen eine Zuordnung zum Persönlichkeitsschutz. Auch hier fehlt ein hinreichend konkreter Verfassungsauftrag und zwänge der umfassende Ansatz des Persönlichkeitsrechts konsequenterweise zu Mitbestimmungswucherungen weit über den Bereich der Wirtschaft hinaus. 2. Koalitionsfreiheit und Privatautonomie Schlicht falsch ist es ferner, Mitbestimmungsrechte mit Ehmann und Lambrich41 aus der Koalitionsfreiheit oder aus der Privatautonomie zu erklären. Dieser untaugliche Versuch steht und fällt mit der Prämisse, (auch) aktuelle und künftige Betriebsvereinbarungen könnten auf den autonomen Willen der Arbeitnehmer zurückgeführt werden – sei es über den Arbeitsvertrag, der dann auf eine freiwillige Eingliederung in die betriebliche Ordnung gerichtet sein müßte42 , sei es durch die Wahl43 . Indes ist der Arbeitsvertrag auf die Begründung des Arbeitsverhältnisses gerichtet; eine positive Entscheidung für die Betriebsvereinbarung in ein sol37 Zum verfassungsrechtlichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts statt aller Epping/Hillgruber/Lang, GG, Art. 2 Rn. 31 ff. 38 SächsVerfGH v. 22. 2. 2001, Vf. 51-II-99, PersV 2001, 198 = PersR 2001, 367 – C.I.1.1 der Gründe; Schelter, RdA 1977, 349, 354; Rinken, ZfPR 2011, 61, 66; Richardi/Dörner/ Weber/Kersten, BPersVG, § 104 Rn. 21. Ähnlich für eine Gesamtschau von Betriebsverfassung und Personalvertretung GmS-OGB v. 12. 3. 1987, G,S-OGB 6/86, NJW 1987, 2571. Zu Recht ablehnend Ossenbühl, Grenzen, S. 26 ff. 39 BVerfG v. 24. 5. 1995, 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37 = NVwZ 1996, 574 – »Einigungsstelle Schleswig-Holstein« unter C.I.3.b) der Gründe. 40 Mit Nachweisen Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Abs. 1 Rn. 128. 41 NZA 1996, 346, 350 ff. 42 Ehmann/Lambrich, NZA 1996, 346, 351. 43 In diese Richtung Bieder, Verhältnismäßigkeitsprinzip, S. 322, dessen Ansicht nach die Wahlen den Arbeitnehmern einen gewissen Einfluß auch auf Kollektivverträge vermitteln.

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§ 3 Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung

ches Rechtsgeschäft hineinzulesen, ist reine Fiktion44 . Das zeigt sich auch, wenn ein Betriebsrat nach Eingliederung des Arbeitnehmers erstmals gewählt wird. Das Wahlrecht des Einzelnen kann dann schon deshalb keine »autonome Legitimation« der Betriebsverfassung leisten, weil selbst Minderheiten die Betriebsratswahl erzwingen können45. 3. Berufsfreiheit Überzeugender sind Bestrebungen, die Mitbestimmung in den Kontext des Art. 12 GG zu stellen: Dabei wird typischerweise keine stringente Ableitung aus Arbeitnehmergrundrechten versucht. Vielmehr soll die Gemengelage »kollidierender« Berufsgrundrechte in Unternehmen, vor allem aber in Betrieben, eine Regelungspfl icht des Staates auslösen46 . Statt einer Schutzpfl icht47 unterliege der Staat einer abstrakten Ausgestaltungspfl icht48 , die freilich nicht konkret Mitbestimmung einfordert, wohl aber einen organisations- oder verfahrensrechtlichen Ausgleich der erwarteten Grundrechtskollisionen. Es geht also gewissermaßen um Grundrechtskonkordanz durch Verfahren als Pendant zum Grundrechtsschutz durch Verfahren49. Aus dieser Perspektive kann die Mitbestimmung schon deshalb nicht aus Art. 12 GG abgeleitet werden, weil der Ermessensspielraum des Staates in der Schutz- und/oder Ausgestaltungspfl ichtdimension erheblich weiter reicht als in der Eingriffsdimension 50 . Die Berufsfreiheit wird aber zur entscheidenden Wertungsgrundlage vor allem der Betriebsverfassung51.

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Gegen eine privatautonome Deutung der Betriebsverfassung bereits § 2 C.II.2.a., S. 119 f. 45 Generell gegen eine privatautonome Legitimation durch Betriebsratswahl Lobinger, RdA 2011, 76, 84. Zur Einleitung der Betriebsratswahl gegen den mehrheitlichen Willen der Belegschaft § 2 C.II.2.a., S. 119 f. 46 Kempen, AuR 1986, 129, 131; Heinze, NZA 1997, 1, 6; Lohse, Grenzen, S. 53. Das meint letztlich auch die Reicholdsche »Organisation von Freiheit auf Gegenseitigkeit«; deutlich insoweit Reichold, Betriebsverfassung, S. 434. Dagegen etwa Loritz, ZfA 1991, 1, 16 f., der (vor allem: zusätzliche) Mitbestimmungsrechte primär als Eingriff in Arbeitgeberrechte erfassen will. 47 Allgemein zur grundrechtlichen Schutzpfl ichtendogmatik Canaris, Grundrechte, S. 37 ff.; Dreier, GG, Vorb. zu Art. 1 GG Rn. 101 ff. 48 Mit Blick auf die betriebliche Mitbestimmung Kempen, AuR 1986, 129, 135. 49 Vgl. BVerfG [Vorprüfungsausschuß] v. 18. 12. 1985, 1 BvR 143/83, NJW 1986, 1601 – unter II.1. der Gründe. Zum Grundrechtsschutz durch Verfahren Dreier, GG, Vorb. zu Art. 1 GG Rn. 105 f.; weiter BVerfG [Senat] v. 20. 12. 1979, 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30 = NJW 1980, 759 – »Mühlheim-Kärlich« mit Blick auf atomrechtliche Genehmigungsverfahren. 50 Zu diesem Spielraum etwa ErfK/Dieterich, Einleitung GG Rn. 42 ff. Weiter Maunz/ Dürig/Scholz, GG, Art. 12 Rn. 6 mit Blick auf die Koalitionsfreiheit; allgemein Dreier, GG, Vorb. zu Art. 1 GG Rn. 103. 51 Kempen, AuR 1986, 129, 134; Reichold, Betriebsverfassung, S. 489.

A. Verfassungsrechtliche Wertungsgrundlage

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Hinter diesen Überlegungen läßt sich ein gedankliches Modell erkennen, in dem der Betriebsrat Individualgrundrechte der Arbeitnehmer gewissermaßen »gebündelt« wahrnimmt. Gegen eine solche »Verlagerung der Ausübungszuständigkeit« ist in der Literatur Widerspruch laut geworden 52 – zu Recht: Der Rechtsschutz des Einzelnen als das zentrale Element des Rechtsstaatsgebots kann nicht in kollektive Teilhaberechte »überführt« werden 53 , weil individueller Grundrechtsschutz immer auch anders als durch Partizipation »von unten« gewährleistet werden kann 54 . Die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmerund Beschäftigtenvertretungen sind gegenüber den Grundrechten der Belegschaft ein aliud, schon weil jene Rechte auch grundrechtsrelevante Lastwirkungen für den Einzelnen entwickeln können. Anders ausgedrückt: Die institutionalisierte Vertretung der Belegschaftsinteressen mag dem Grundrechtsschutz einzelner Arbeitnehmer in concreto zugute kommen – zwingend ist dieser Zusammenhang aber keineswegs55. Daher ist es zumindest ungenau, Mitbestimmung als Instrument der Sicherung von Arbeitnehmergrundrechten »durch Verfahren« einzustufen 56 . Arbeitnehmerbeteiligung kann Arbeitnehmerschutz qua Verfahren realisieren 57, läßt sich auf diesen Zweck aber nicht verengen: Entgegen Plander läßt sich die »Abstimmung kollidierender Grundrechte« nicht als Element des Grundrechtsschutzes zu begreifen 58 . Individuelle Lasten bewirken auch angesichts »kollektiver Günstigkeit« einen Rechtseingriff, nicht (nur) Rechtsschutz59. 4. Ergebnis Damit bleibt festzuhalten: Das BVerfG liegt richtig. Das Grundgesetz kennt kein »Grundrecht auf Mitbestimmung«60 . Kollektive Verfahrensrechte lassen 52

Etwa Klein, PersV 1990, 49, 53 f.; Lohse, Grenzen, S. 48 f. Für die Personalvertretung Schenke, JZ 1991, 581, 582; Ossenbühl, Grenzen, S. 30 f. Allgemein Rupp, AöR 101 (1976), 161, 180. Anders SächsVerfGH v. 22. 2. 2001, Vf. 51-II99, PersV 2001, 198 = PersR 2001, 367 – zu C.I.1.2.3 der Gründe: ein Verlust an Selbstbestimmung soll durch kollektive Interessenvertretung kompensiert werden; zustimmend Kersten, ZBR 2002, 28, 33 f. 54 Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329, 375. 55 Klein, PersV 1990, 49, 53 f. 56 So aber Reichold, Betriebsverfassung, S. 434; Plander, FS Gnade, S. 79, 90 f.; Däubler/ Kittner/Klebe/Wedde/Trümner, BetrVG, § 1 Rn. 5. 57 Am Beispiel des Mitbeurteilungsrechts des Betriebsrats bei der Eingruppierung Rieble, Anm. zu BAG 3. 5. 1994, 1 ABR 58/93, EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 [II.4.]. 58 Plander, FS Gnade, S. 79, 90. [Hervorhebung im Original.] 59 Nachvollziehen läßt sich das am Beispiel des kollektiven Günstigkeitsvergleichs, den der Große Senat des BAG ([GS] v. 16. 9. 1986, GS 1/82, BAGE 53, 42 = NZA 1987, 168 – unter C.II.4. der Gründe) 1986 erfunden hat. Nachweise zur – teils heftigen – Kritik der Literatur an diesem kollektiven Günstigkeitsvergleich bei GK-BetrVG/Kreutz, § 77 Rn. 258. 60 Ausgeklammert wird hier die Frage, ob das europäische Recht ein solches Grundrecht kennt – genauer: ob der EuGH ein solches Grundrecht »entdecken« könnte. Heuschmid, 53

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§ 3 Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung

sich aus individuellen Freiheitsrechten nicht ableiten; die beiden Größen sind inkommensurabel. Deshalb läßt sich selbst für die »grundrechtsnähere«61 Betriebsverfassung nicht behaupten, in der Mitbestimmung bräche sich »die ›emanzipatorische Kraft‹ der Menschenwürde auch am Arbeitsplatz«62 Bahn. Richtig ist nur, daß die Mitbestimmungsgesetze insofern »grundrechtsnah« sind, als sie mit Betrieb und Unternehmen Bereiche ordnen, in denen Grundrechte aufeinander treffen. In solchen gesellschaftlichen Systemen sind »alle Organisations- und Verfahrensprobleme [. . .] zugleich Grundrechtsprobleme«63 , so daß die Mitbestimmung zwingend auch den Ausgleich verschiedener Grundrechtspositionen steuert. Mitbestimmung ist aus grundrechtlicher Perspektive also kein »Wert an sich« und nicht eigenständig schützenswert64 , befördert aber grundrechtlich fundierte Ziele65.

III. Sozialstaat statt Demokratie 1. Nur politisch determinierte Mitbestimmung Vor diesem Hintergrund ist daran zu erinnern, daß Demokratie und Rechtsstaat – konkret: Grundrechtsschutz – wenigstens teilweise inkompatibel und gegenläufig sind66 . Nur wenn die Demokratie mit grundrechtlichen Wertungen »aufgeladen« wird67, könnten Mitbestimmungsforderungen zugleich mit dem Demokratieprinzip und mit Grundrechten der Arbeitnehmer begründet werden68 . Damit freilich wird nicht nur die Trennung von Staat und Gesellschaft mißachtet69, weil die grundlegende Funktion der Grundrechte als Schutz gegen mehrheitlich beschlossene Kollektiventscheidungen negiert

Mitentscheidung, S. 109 ff. bejaht dies – aus meiner Sicht spricht mehr dagegen; dazu die Besprechung Kolbe, EuZA 2010, 145 ff. 61 Dazu v. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 37: »Die Wahrung der Menschenwürde hat ihren Platz wesentlich im Betriebsleben; im Unternehmen geht es vor allem um die Wahrung von Interessen.« 62 Rose, KJ 2001, 157, 162; ähnlich Reichold, Betriebsverfassung, S. 222: »Verwirklichung elementarer Menschenrechte im Betrieb«. Zurückhaltender MünchArbR/v. Hoyningen-Huene, § 210 Rn. 2: zumindest »außerdem« beruhe die Mitbestimmung auf Art. 1 und 2 GG; einschränkend Rn. 3. 63 Rupp, AöR 101 (1976), 161, 164. 64 Anders Häberle, JZ 1984, 345, 352: Teilhabe/Mitbestimmung im Betrieb als Element eines »Grundrechts der Arbeit«. 65 Ähnlich Reuter, Mitbestimmung, S. 10 ff. 66 Schon § 2 B.I.1.b.[1], S. 66 f. 67 Beispielhaft Nagel/Bauers, Mitbestimmung in öffentlich-rechtlichen Unternehmen, S. 38 ff. 68 Konsequent erteilt SächsVerfGH v. 22. 2. 2001, Vf. 51-II-99, PersV 2001, 198 = PersR 2001, 367 – unter C.I.1.1 der Gründe dem Gedanken der »Mitbestimmungsdemokratie« auf der Basis einer grundrechtlich fundierten Mitbestimmung eine klare Absage. 69 Di Fabio, Mitbestimmung, S. 163, 173.

A. Verfassungsrechtliche Wertungsgrundlage

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wird70 , sondern zugleich die demokratische Egalität zugunsten der Betroffenendemokratie preisgegeben71. Beides verträgt sich in meinen Augen nicht mit der Verfassung: Umgekehrt wird der vom BVerfG 72 betonten »wirtschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes« nur eine Verfassungsinterpretation gerecht, die die Entscheidung über die Wirtschaftsverfassung und damit über die Reichweite der Mitbestimmung weder aus dem Demokratieprinzip noch aus den Grundrechten ableitet, sondern der Politik zuweist 73 . Begreift man die Entscheidung über die Mitbestimmung als i.d.S. politisch, wird sichtbar, daß auch der »tiefere« Wertungsgrund – oder besser: der (Verfassungs-)Rechtstitel, auf den jede »staatliche Ingerenz« in den »grundrechtlich geschützten, prinzipiell staatsfreien Raum« gestützt sein muß74 – der Mitbestimmungsgesetze weder Grundrechte der Arbeitnehmer noch das Demokratieprinzip sind. 2. Sozialstaatliche Motivation Vielmehr steht hinter den Mitbestimmungsgesetzen sowohl mit Blick auf die betriebliche wie auf die Unternehmensebene ausschließlich das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG 75. Freilich verlangt das Grundgesetz auch insoweit nicht soziale Selbstbestimmung der Arbeitnehmer, sondern abstrakt den Sozialstaat76 ; deshalb lassen sich auch aus dem Sozialstaatsprinzip keine konkreten Mitbestimmungsrechte ableiten77, sondern nur ein genereller Handlungsauftrag an den Gesetzgeber, für den Arbeitnehmerschutz Sorge zu tra70

Hierzu § 2 A.II.4.b., S. 57. Daß Sonderpartizipationsrechte für besonders Betroffene mit der demokratischen Egalität unvereinbar sind, ist unter § 2 B.I.3., S. 76 ff. eingehend erörtert. 72 BVerfG [Senat] v. 20. 7. 1954, 1 BvR 459/52 u. a., BVerfGE 4, 7 – »Investitionshilfe« zu D.5. der Gründe; bestätigt BVerfG [Senat] v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290 = RdA 1979, 380 – »Mitbestimmung« C.II.1. der Gründe. Einschränkend Maunz/ Dürig/Herzog/Grzeszick, GG, Art. 20 VIII Rn. 60; Schmitt Glaeser, Staat, S. 231 f., die eine marktwirtschaftliche Ordnung zumindest prinzipiell für verfassungsrechtlich vorgezeichnet halten. Überblick über die Debatte bei R. Schmidt, HStR IV, § 92 Rn. 16 ff. 73 Richtig Ridder, Soziale Ordnung, S. 109. 74 F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 506. 75 Indifferent BAG v. 10. 12. 2002, 1 ABR 7/02, NZA 2004, 223 – zu B.II.4.c)bb) der Gründe: »Das Betriebsverfassungsgesetz ist Ausprägung des Demokratie- und Sozialstaatsprinzips in einem Teilbereich des Rechts.« [Hervorhebung von mir.] Ähnlich BAG v. 1. 2. 2011, 1 ABR 79/09, NZA 2011, 703 – Rn. 24. Keinen Regelungsauftrag enthält die bloße Kompetenzvorschrift in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG – auch (zur Regelungskompetenz für die Unternehmensmitbestimmung Maunz/Dürig, GG, Art. 74 Rn. 162) nicht mit Blick auf die ausdrücklich angesprochene Betriebsverfassung; Müller-Franken, Befugnis, S. 40 und dort Fn. 98. 76 Badura, RdA 1975, 275, 281 f. 77 Dazu Loritz, ZfA 1991, 1, 15, der das Sozialstaatsprinzip als Leitlinie für konkrete Fragen des Mitbestimmungsrechts für »durchweg ungeeignet« hält. Nach Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 185 läßt sich die »Sozialstaatsklausel [. . .] nicht als Grundlage für eine gesellschaftsautonome [. . .] ›Solidaritätsverfassung‹ verwenden«. [Hervorhebung im Original.] 71

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gen78 . Anders als das Demokratieprinzip79 kennt das Sozialstaatsprinzip also eine »missionarische Komponente«, einen Verfassungsauftrag, gesellschaftlichen »Fehlentwicklungen« nach politischem Ermessen gegenzusteuern80 . Vor diesem Hintergrund kann man die Mitbestimmungsfrage mit Teubner 81 dahin formulieren, »ob und inwieweit eine politische Integration des autonomen Teilsystems Wirtschaft verfassungsrechtlich möglich ist« – als Frage nach den »Chancen einer politischen Steuerung der Gesellschaft durch Organisationsrecht«. Mitbestimmung ist nicht die Anerkennung und »Demokratisierung« einer vorgefundenen, autonomen oder wenigstens »autonomietauglichen« Einheit, sondern wird sozialstaatlich verordnet. 3. (Doppelseitige) Eingriffsqualität der Mitbestimmungsgesetze I.d.S. vom Sozialstaat her gedacht, kann Mitbestimmung nichts anderes sein als ein hoheitlicher Eingriff in die private (Arbeits-)Rechtssphäre, der (Kollektiv-)Verhandlungen bis hin zur (Kollektiv-)Vertraglichkeit erzwingt 82 . Diese Eingriffsqualität, die letztlich in gleicher Weise gegen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wirkt, zeigt sich etwa, wenn die Einigungsstelle – und damit u. U. der Vorsitzende, § 76 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 BetrVG – auf Antrag nur einer Betriebspartei verbindlich entscheidet. Daß die Entscheidung der Einigungsstelle auch dann nicht zum Akt staatlicher Gewalt wird, wenn der Vorsitzende vom Arbeitsgericht bestellt wird83 , spielt insoweit keine Rolle. Auch privatrechtliche Zwangs(schlichtungs)befugnisse wie die der Einigungsstelle können ihrer heteronomen Wirkung wegen nur vom Staat her legitimiert werden. Jenseits der Zwangsschlichtung von Regelungsstreitigkeiten entfaltet sich die Eingriffswirkung der Mitbestimmung in der Neuordnung privatrechtlich vorgezeichneter Entscheidungskompetenzen. Dabei sind stets beide Seiten betroffen. Freilich erweitert die Mitbestimmung zumeist den Rechtskreis der Arbeitnehmer, seltener auch den des Arbeitgebers, so daß der zweiseitige Eingriff nicht recht sichtbar wird. Indes ist dieser Effekt geradezu typisch für sozialstaatliche Ingerenzen in das Privatrecht: Wird soziale »Macht« zum Ausgleich gesellschaftlicher Ungleichheit umverteilt, verschwimmt die Eingriffs-

78 Dazu Di Fabio, Mitbestimmung, S. 163, 173; Lohse, Grenzen, S. 49 f. Für die Personalvertretung Ossenbühl, Grenzen, S. 34 ff. 79 Zur »Demokratisierung« unter § 2 A.II.4., S. 55 ff. 80 Dazu nur Isensee, Der Staat 20 (1981), 161, 170: »Garantenstellung [. . .] für die Herstellung innergesellschaftlicher Gerechtigkeit«. 81 AuR 1978, 296 zur Unternehmensmitbestimmung. [Hervorhebungen im Original.] In diese Richtung läßt sich auch Kempen, L. A. Weiss, S. 261, 269 interpretieren. 82 Zur »Wiederherstellung« von Vertraglichkeit durch die betriebliche Mitbestimmung bereits § 2 A.II.3., S. 52 ff. Weiter Müller-Jentsch, Arbeit, S. 168: »Zwang zur Vermittlung pluraler, oft gegensätzlicher Interessen«. 83 Müller-Franken, Befugnis, S. 154 f.

A. Verfassungsrechtliche Wertungsgrundlage

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qualität dieser Maßnahme aus der Perspektive des Begünstigten mit Blick auf den paternalistischen Schutzzweck. Dabei wirkt das Sozialstaatsprinzip aus Sicht des Bürgers nicht nur insofern ambivalent, als er sich auf beiden Seiten des Umverteilungsvorgangs wiederfi nden kann84 . Vielmehr bedeutet staatliche Sozialgestaltung prinzipiell eine Einschränkung individueller Freiheit 85. Beleg ist etwa das Verbraucherschutzrecht, dessen einseitige Begünstigung der Verbraucher nicht darüber hinwegtäuschen kann, daß die Geschützten zugleich teilweise »entmündigt« werden86 . Solche Nebenwirkungen sozialstaatlicher Rechtswohltaten sind auch für die Schutzbefohlenen freiheitsbeschränkender Eingriff. Mitbestimmung in der Wirtschaft ist also kein Menschen-, oder (demokratisches) Bürgerrecht87, sondern eine »Ausprägung des Sozialstaatsprinzips«88 . Damit liegen zwei erste verfassungsrechtliche Folgerungen nahe: Zunächst sind Überlagerungen des autonomen Mitbestimmungssystems im Tarifwesen durch die institutionalisierte Mitbestimmung als Eingriff in die Koalitionsfreiheit respektive die daraus abgeleitete Tarifautonomie 89 zu sehen. Sie müssen – können aber prinzipiell auch – also mit dem Sozialstaatsprinzip gerechtfertigt90 werden. Umgekehrt gibt es keinen grundgesetzlich geschützten Regelungsbereich der »Betriebsautonomie«; das BAG hat sich also völlig zu Recht geweigert, den »Tarifsozialplan« an einem Vorrang der §§ 111 ff. BetrVG scheitern zu lassen 91.

84

Hierzu etwa Zacher, HStR II, § 28 Rn. 123. Neuner, Privatrecht, S. 228. Dazu noch BVerfG [Senat] 7. 2. 1990, 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242 = NZA 1990, 389 – »Handelsvertreter« unter C.I.3. der Gründe. Mit Blick auf das kollektive Arbeitsrecht Löwisch, ZfA 1996, 293, 296; zum Betriebsrat Rieble/ Wiebauer, ZfA 2010, 63, 106. 86 Mit Blick auf Verbraucherwiderrufsrechte erkennt etwa Bülow, ZIP 1998, 945, 947 ein »Element der Entmündigung«. Dazu noch Krämer, ZIP 1997, 93, 97. 87 So aber Müller-Jentsch, Arbeit, S. 195, 209. 88 Rüthers, Individualbereich, S. 7, 22 f. Für »überzeugte Wirtschaftsdemokraten« ist das freilich unzureichend; so sprechen Kißler/Greifenstein/Schneider, Mitbestimmung, S. 35 von einer »folgenschwere[n] ›Sozialstaatsillusion‹.« 89 Zum verfassungsrechtlichen Schutz der Tarifautonomie jeweils m. w. N. Dreier/Bauer, GG, Art. 9 Rn. 83; MünchArbR/Löwisch/Rieble, § 157 Rn. 33. 90 Zwar darf das Sozialstaatsprinzip nicht als verfassungsunmittelbare Grundrechtsschranke instrumentalisiert werden; BVerfG [Senat] v. 13. 1. 1982, 1 BvR 848/77 u. a., BVerfGE 59, 231 = NJW 1982, 1447 – C.II.2.a)bb) der Gründe. Das spielt hier aber keine Rolle, weil es in den Mitbestimmungsgesetzen einfachrechtlich konkretisiert wurde. 91 BAG v. 24. 4. 2007, 1 AZR 252/06, BAGE 122, 134 = NZA 2007, 987 – »Heidelberger Druck« Rn. 22. 85

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§ 3 Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung

B. Legitimation und Grenzen der Mitbestimmung Die wesentlichen materialen Schranken, die das Grundgesetz für die Sozialgestaltung im Privatrecht normiert, sind Verhältnismäßigkeitsgebot, Willkürverbot und Wesensgehaltsgarantie92 , weil und soweit sozialstaatlich motivierte Maßnahmen grundrechtliche Freiheit einschränken. Außerdem gilt für die staatliche Ingerenz, für die »ursprüngliche« Umverteilung sozialer Macht kraft hoheitlicher Gewalt, der Gesetzesvorbehalt93 . Aus diesen Vorgaben sind die verfassungsrechtlichen Grenzen der Mitbestimmung zu entwickeln, die im Folgenden nachgezeichnet werden.

I. Wirtschaftliche Mitbestimmung als Mitwirkung bei Strategieentscheidungen 1. Privatautonomer Legitimationszusammenhang a. Letztentscheidungsrecht der Eigner Als abschließend geklärt darf inzwischen die Verfassungsmäßigkeit der Unternehmensmitbestimmung gelten. Zwar hat das BVerfG im Mitbestimmungsurteil eine langfristige Folgen-Kontrolle für das MitbestG 1976 angemahnt94 . Mit Blick auf den parteiübergreifenden politischen Rückhalt der Unternehmensmitbestimmung dürfte der 2006 abgelieferte Bericht der Kommission zur Modernisierung der deutschen Unternehmensmitbestimmung 95 den Schlußpunkt jener Überprüfung gesetzt haben. Daß jedenfalls die wissenschaftlichen Mitglieder der Kommission keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat formuliert haben, konnte schon angesichts der personellen Besetzung niemanden überraschen 96 . Mithin kann und muß unterstellt werden, daß die Unternehmensmitbestimmung nach dem MitbestG die Funktionsfähigkeit mitbestimmter Unternehmen (oder gar die der deutschen Volkswirtschaft) nicht entscheidend beeinträchtigt. Weiter ist davon auszugehen, daß das MitbestG keine Funktionsdefi zite der – im Rahmen der Koalitionsfreiheit von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten – Tarifautonomie bedingt; auch insoweit hat sich der Überwachungsauftrag aus Karlsruhe97 erledigt. Verfassungswidrige Gewerkschaftskonkurrenz sind nicht die Arbeit-

92

Allgemein zu den hier aufgeworfenen Fragen Neuner, Privatrecht, S. 229 ff. Mit Blick auf die private Rechtsetzung F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 508. 94 BVerfG [Senat] v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290 = RdA 1979, 380 – »Mitbestimmungsurteil« sub C.I.2. der Gründe. 95 Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 2. 96 Rüthers, NZA 2007, 426 ff.; Loritz, ZfA 2009, 477, 485. 97 BVerfG [Senat] v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290 = RdA 1979, 380 – »Mitbestimmungsurteil« unter C.IV.2.d)bb) der Gründe. 93

B. Legitimation und Grenzen der Mitbestimmung

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nehmervertreter im Aufsichtsrat, sondern erst überbetriebliche ArbeitnehmerKammern mit tarif- oder arbeitskampfrechtlichen Befugnissen 98 . Damit ist zugleich gesagt, daß unternehmerische Mitbestimmung bei Strategieentscheidungen nicht gegen Rechte der Arbeitnehmer verstoßen kann: verletzt sein kann insoweit allenfalls die Koalitions(betätigungs)freiheit im Tarifwesen. Den verfassungsrechtlichen Spielraum für die Unternehmensmitbestimmung bestimmt damit nach wie vor die 1979 im Mitbestimmungsurteil getroffene Abwägung zwischen dem Mitbestimmungsinteresse der Belegschaft und den Grundrechten der Arbeitgeber: »Der Gesetzgeber hält sich jedenfalls dann innerhalb der Grenzen zulässiger Inhalts- und Schrankenbestimmung, wenn die Mitbestimmung der Arbeitnehmer nicht dazu führt, daß über das im Unternehmen investierte Kapital gegen den Willen aller Anteilseigner entschieden werden kann, wenn diese nicht aufgrund der Mitbestimmung die Kontrolle über die Führungsauswahl im Unternehmen verlieren und wenn ihnen das Letztentscheidungsrecht belassen wird.«99 Daß das BVerfG die Letztentscheidungsmacht der Eigner betont, ist in der Sache eine klare Absage an die – vom Gericht gleichwohl behauptete100 – »soziale Legitimation durch Mitbestimmung« nach dem MitbestG. Das Unternehmen wird durch die quasi-paritätische Mitbestimmung eben nicht aus dem privatautonomen Legitimationszusammenhang gelöst101 und in eine wie auch immer geartete »Unternehmensdemokratie« überführt. Vielmehr bleibt die mitbestimmungsfreie Willensentscheidung der Kapitalgeber letzter Zurechnungsgrund unternehmerischen Handelns. »Jedenfalls« dieses Modell hält sich im Rahmen der Vorgaben nicht nur des Art. 14 Abs. 1 GG, sondern auch der insoweit inhaltsgleichen Anforderungen, die Art. 12 Abs. 1 GG mit Blick auf die »Unternehmerfreiheit« der mitbestimmten Gesellschaften stellt102 . Freilich hat das BVerfG bewußt und gerade nicht gesagt, daß das Letztentscheidungsrecht der ausschlaggebende Grund dafür war, die zur Entscheidung gestellten Vorschriften des MitbestG als »gerade noch«103 verfassungsgemäß passieren zu lassen. Ob das Grundgesetz echte Parität erlaubt, ist offen104 . 98 BVerfG [Senat] v. 18. 12. 1974, 1 BvR 430/65 und 259/66, BVerfGE 38, 281 = NJW 1975, 1265 – unter C.II.3.c) der Gründe. Eingehend G. Müller, DB 1980, 91 ff.; weiter Rieble, ZIP 2001, 133, 139. 99 BVerfG [Senat] v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290 = RdA 1979, 380 – »Mitbestimmungsurteil« zu C.III.1.b)bb) der Gründe. 100 BVerfG [Senat] v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290 = RdA 1979, 380 – »Mitbestimmungsurteil« C.III.3.a)bb) der Gründe. 101 Zum Letztentscheidungsrecht als Legitimationsfrage etwa Abromeit, PVS 36 (1995), 49, 50. 102 BVerfG [Senat] v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290 = RdA 1979, 380 – »Mitbestimmungsurteil« unter C.III.3. der Gründe. 103 Rittner, FS Peltzer, S. 367, 380. 104 Säcker, RdA 1979, 380 f.; Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, Vorbem Rn. 47; Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, Einl Mit-

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§ 3 Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung

Dieser politischen Rücksichtnahme zum Trotz ist es richtig, die verfassungsrechtliche Bewertung wirtschaftlicher Mitbestimmung an der Letztentscheidungsfrage auszurichten: Das legitimierende »Veto« der Anteilseigner markiert die Grenze zwischen privatem Unternehmertum auf der Grundlage sozial gebundenen Anteilseigentums und einer »Vergesellschaftung durch Mitbestimmung«105 , die ihrer Rechtfertigung vor den Grundrechten (vor allem) der Eigner harrt. Wird diesen im Aufsichtsrat nicht mindestens ein »leichtes Übergewicht« belassen, müßte die Privatnützigkeit als Kern auch des »gesellschaftsrechtlich vermittelten« Anteilseigentums entweder anders sichergestellt oder aber zugunsten vergesellschaftender Sozialisierung preisgegeben werden – mit allen Konsequenzen, insbesondere einer Entschädigungspfl icht des Staates gemäß Art. 15 Satz 1 GG106 . Ob die gemeinwirtschaftliche Lösung mit dem Grundgesetz vereinbar wäre, ist ungeklärt. Eine nähere Untersuchung lohnt nicht, schon weil politische Initiativen in diese Richtung aktuell kaum denkbar scheinen, jedenfalls in weiter Ferne liegen. Der europarechtlich befeuerte Wettbewerb der Gesellschaftsrechte läßt eher die gegenläufige Entwicklung der Mitbestimmungsgesetzgebung erwarten: zunehmend wird Mitbestimmung in Verhandlungen zur Disposition gestellt107. Im hier untersuchten Zusammenhang interessiert nur die Feststellung, daß sich jedes Mitbestimmungsgesetz zur Letztentscheidungsfrage verhalten muß, weil umfassende Parität in wirtschaftlichen Angelegenheiten nicht »quantitativ« stärkere Mitbestimmung bedeutet, sondern eine qualitativ anders gelagerte Form nur noch quasi-privaten Wirtschaftens. Also: Echte Parität bei unternehmerischen Strategieentscheidungen ist nicht mehr Mitbestimmung, sondern muß als gesetzlich verordnete Sozialisierung an anderen verfassungsrechtlichen Maßstäben gemessen werden. Das gilt etwa für einen in mehr als zwei »Bänke« zersplitterten Aufsichtsrat108 , in dem keine »Fraktion« mehr allein entscheiden könnte. Private Wirtschaftsunternehmen dürfen allenfalls dann durch solche »Mitbestimmungs-Modelle« zu nur noch »sich selbst« verpfl ichteten Beschäftigungseinrichtungen109 vergesellschaftet werden, wenn die Eigentumsrechte der Eigner auf anderem Wege bestG Rn. 29. Auch Martens, JuS 1983, 329, 338 hält Vollparität für möglich – solange die Privatnützigkeit des Anteilseigentums anderweitig gesichert ist. Anders Merkt, ZIP 2011, 1237, 1244. 105 Maunz/Dürig/Durner, GG, Art. 15 Rn. 57 hebt insoweit auf die »Sozialentwährung« ab – und meint gerade die hier skizzierte Grenze. 106 Dazu, daß die Vergesellschaftung nach Art. 15 GG auch dann ausnahmslos entschädigungspfl ichtig ist, wenn privates Eigentum nicht formal in Gemeineigentum, sondern in »andere Formen« der Gemeinwirtschaft überführt wird; Maunz/Dürig/Durner, GG, Art. 15 Rn. 92 ff. m. w. N. auch zur Gegenmeinung. 107 Vgl. etwa den rechtspolitischen Vorstoß des Arbeitskreises »Unternehmerische Mitbestimmung« Bachmann u. a., ZIP 2009, 885 ff. 108 Zu entsprechenden Vorschlägen Beerhorst, KJ 2008, 148, 158 f. 109 Beispielhaft skizziert bei Beerhorst, KJ 2008, 148, 160.

B. Legitimation und Grenzen der Mitbestimmung

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sichergestellt werden. Demokratische Entscheidungs- und Legitimationsstrukturen in die Gesellschaft zu übernehmen, ist kein Gebot sozialer Demokratie, sondern Grundrechtseingriff110 . b. »Faktische« Voll-Parität? Mit Recht hat das BVerfG faktischen Wechselwirkungen – vor allem mit der Mitbestimmung nach BetrVG – keine Relevanz hinsichtlich der Letztentscheidungskompetenz beigemessen111. Zwar war es angesichts der erkennbaren Überlagerung und Kumulation der unterschiedlichen Mitbestimmungsformen112 zu formal, diese Frage nur unter dem Gesichtspunkt einer unmittelbaren Kompetenzüberschneidung von Betriebsrat und Aufsichtsrat zu beurteilen113 . Indes belegt der Blick auf die Personalvertretung114 , daß ein legitimationsgefährdendes Mitbestimmungsniveau nicht die Verfassungswidrigkeit der Mitbestimmung insgesamt bedingt. Die Legitimationsfrage läßt sich immer auch durch Reduktion einzelner Mitbestimmungsbefugnisse lösen. Nichts anderes kann für die Unternehmensmitbestimmung gelten: Die Quasi-Parität im Aufsichtsrat wird nicht zur von Verfassungs wegen verbotenen Vollparität, weil die betriebliche Mitbestimmung oder die Mitbestimmung durch Tarifvertrag und Streik den Arbeitnehmervertretern zusätzliche Machtmittel an die Hand geben. Statt dessen ist das Gesamtniveau der Mitbestimmung punktuell auf das zulässige Maß zurückzufahren. Geboten sein kann i.d.S. etwa das Ruhen der Mitbestimmungsteilhabe im Aufsichtsrat, wenn dieser das Kampfverhalten des Unternehmens behandelt115. Schon eine generelle Inkompatibilität der Funktionen in Aufsichtsrat und Gewerkschaft hingegen ginge zu weit. Indem der Gesetzgeber darauf verzichtet, jene Personalunion zu unterbinden, erschließt er den Sachverstand »hochrangiger« Gewerkschaftsfunktionäre für die Mitbestimmung und erlaubt auch im Unternehmensinteresse, diesen Personenkreis in eine unternehmerische Mit-Verantwortung einzubinden116 . In diesen Zusammenhang gehört ferner der Aus110

Eingehend § 2 A.II.4., S. 55 ff. BVerfG [Senat] v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290 = RdA 1979, 380 – »Mitbestimmungsurteil« zu C.I.1.b) sowie C.I.1.c)bb) der Gründe. 112 Hierzu § 2 B.II.2.a.[1], S. 100 ff. 113 BVerfG [Senat] v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290 = RdA 1979, 380 – »Mitbestimmungsurteil« unter C.I.1.b) der Gründe. 114 Zu ihr § 2 B.II.1.a., S. 86 ff. 115 Für einen Ausschluß der Arbeitnehmervertreter in diesem Fall Rieble, Tarifautonomie, S. 41, 56; MünchKommAktG/Gach, § 25 MitbestG Rn. 18 m. w. N. Zurückhaltender Gaumann/Schafft, DB 2000, 1514, 1516: Ausschluß nur, wenn konkrete Anhaltspunkte den Verdacht nahe legen, daß das Aufsichtsratsmitglied die in seiner Stellung gewonnenen Kenntnisse dazu mißbraucht, der Gewerkschaft im Arbeitskampf Vorteile zu verschaffen. Gegen jede Einschränkung der Mitbestimmung Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 115 ff. m. w. N. 116 Auch dazu Rieble, Tarifautonomie, S. 41, 55 f. 111

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§ 3 Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung

schluß paritätsrelevanter Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Arbeitskampf117. Vergleichbar kann eine Einschränkung der Mitbestimmung im Betrieb geboten sein, wenn mittelbar unternehmerische Entscheidungen beeinflußt werden. Beispiele sind der Tendenzschutz118 , aber auch das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, das kein Instrument zur Abwehr des technischen Fortschritts sein soll, und daher insoweit restriktiv zu fassen ist, als der Betriebsrat arbeitsorganisatorisch notwendige technische Anlagen auch dann nicht verhindern kann, wenn diese unvermeidbar Verhalten und/oder Leistung der Arbeitnehmer überwachen119. Auch hier schösse die schematische Radikallösung über das Ziel hinaus: Verhindert der Betriebsrat etwa über § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, daß die gesetzlichen Ladenöffnungszeiten ausgereizt120 oder die Dritten vertraglich zugesicherten Öffnungszeiten eingehalten121 werden, ist das kein Eingriff in unternehmerische Freiheitsrechte, sondern defi niert das »Arbeitskraft-Angebot« für die vom Unternehmer nach wie vor frei gewählten Ziele122 . Einen »überhöhten« Sozialplan, dessen Dotierung die Betriebsänderung wirtschaftlich in Frage stellt, kann der Arbeitgeber schon dadurch verhindern, daß er auf die nach § 112 Abs. 5 BetrVG auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit für das Unternehmen verpfl ichtete Einigungsstelle ausweicht. Demgegenüber wäre erzwingbare Mitbestimmung in den – der Sache nach allgemeinpolitischen – Kompetenzen des Betriebsrats etwa mit Blick auf Umweltschutz oder Beschäftigungsförderung von Verfassungs wegen verboten123 , weil jene Angelegenheiten mit beinahe allen wesent117 Etwa BAG v. 14. 2. 1978, 1 AZR 76/76, BAGE 30, 50 = NJW 1979, 326 – zu 7. der Gründe; v. 22. 12. 1980, 1 ABR 76/79, BAGE 34, 355 = NJW 1981, 942 – unter C.II. der Gründe. Weiter Reuter, AuR 1973, 1, 4 ff.; Richardi, BetrVG, § 74 Rn. 32 f.; GK-BetrVG/ Raab, § 99 Rn. 15 ff. 118 Otto, ZfA 2011, 673, 679 beschreibt den betriebsverfassungsrechtlichen Tendenzschutz als eine »Relativierung« von Mitbestimmungsrechten zu Mitwirkungsrechten. 119 GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn. 496 m. w. N. Daß und inwieweit eine extensiv verstandene Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG die unternehmerische Freiheit gefährdet, skizzieren Erdmann/Mager, DB 1987, 46, 48. 120 Dazu BAG v. 31. 8. 1982, 1 ABR 27/80, BAGE 40, 107 = NJW 1983, 953; nicht beanstandet von BVerfG [Senat] v. 18. 12. 1985, 1 BvR 143/83, NJW 1986, 1601 = DB 1986, 486. 121 Dazu Otto, ZfA 2011, 673, 683 f., der die (dritt-)vertragsgefährdende Ausübung von Mitbestimmungsrechten im Anschluß an ErfK/Kania, § 87 BetrVG Rn. 12 für rechtsmißbräuchlich hält – freilich nur im nicht näher defi nierten »Einzelfall«. 122 Rieble, Führungsrolle des Betriebsrats, S. 9 ff. Rn. 12, der die betriebliche Mitbestimmung daher »zuerst dem Markt« zurechnet. Zu dieser »Externalisierung« der betrieblichen Mitbestimmung aus der Governance-Perspektive noch Windbichler, FS Schwark, S. 805, 812. 123 Dazu auch Löwisch, Mitbestimmung, S. 19, 24, dessen Ansicht nach die Frage nach dem Sinn der Aufsichtsratsbeteiligung aufgeworfen wäre, sollten aus § 92a BetrVG Betriebsvereinbarungen folgen dürfen. Nach Wendeling-Schröder, AuR 2011, 424, 427 können solche Betriebsvereinbarungen geschlossen werden – nach § 88 BetrVG auf freiwilliger Basis.

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lichen unternehmerischen Grundentscheidungen wechselwirken124 . Da das BetrVG insoweit bloße Mitwirkung vorsieht, gebietet nicht der Eingriff in die unternehmerische Gestaltungsfreiheit eine Restriktion der Mitwirkungsrechte auf betriebliche Fragen, sondern vielmehr der durch Beteiligungsrechte mit überbetrieblicher Stoßrichtung induzierte Interessenkonflikt für die Arbeitnehmervertreter125. c. Voll-Parität in der Montanmitbestimmung Es liegt auf der Hand, daß die Montanmitbestimmung angesichts der skizzierten verfassungsrechtlichen Ausgangslage massiven Bedenken126 begegnet. Die Sondermitbestimmung wird meist mit dem allgemeinen Hinweis auf die »besonderen Umstände« der Montanindustrie gerechtfertigt127. Wenn es solche Umstände je gegeben hat, sind sie heute entfallen128 . Das Montan-MitbestG und seine Ergänzungen müssen sich daher der Gleichheitsfrage stellen129, aber auch dem Verfassungsproblem einer »Vergesellschaftung durch Mitbestimmung«130 , weil in der Montan-Mitbestimmung ein (auch nur) »leichtes Übergewicht« der Eigner fehlt. Unbedenklich ist insoweit noch die Sonderstellung des Arbeitsdirektors in der Montanindustrie nach § 13 Montan-MitbestG. Als »gleichberechtigtes« Mitglied des Vertretungsorgans sind seine Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse nach dem gesetzlichen Regelfall in §§ 77 Abs. 1 Satz 1, 78 Abs. 2 Satz 1 AktG, § 35 Abs. 2 Satz 1 1. Teilsatz GmbHG an die Zustimmung der übrigen Mitglieder gebunden. Soll er abweichend von den Grundsätzen der Gesamtgeschäftsführung und -vertretung das Recht erhalten, allein für die Gesellschaft zu handeln, bedarf dies einer entsprechenden Satzungsbestimmung, muß also auf eine mitbestimmungsfreie Entscheidung der Eigner zurückgehen, §§ 77 Abs. 1 Satz 2, 78 Abs. 3 Satz 1 AktG sowie § 35 Abs. 2 Satz 1 2. Teilsatz GmbHG. Das Problem ist die Aufsichtsratsbesetzung: Zwar wählt das »Wahlorgan« i. S. d. Montan-MitbestG – also die Hauptversammlung der AG oder (i. d. R.) die Gesellschafterversammlung der GmbH131 – den »Elften« nach § 8 Abs. 3 Satz 7 Montan-MitbestG letztlich frei, wenn das Verfahren des § 8 Abs. 3 124

Dazu E. Picker, RdA 2001, 259, 268 ff., der schon gegen die im BetrVG vorgesehenen Mitwirkungsrechte verfassungsrechtliche Bedenken formuliert. 125 Eingehend unter D.III.3.c., S. 286 ff. 126 Skizziert bei ErfK/Oetker, Einleitung Montan-MitbestG Rn. 4 f. m. w. N. Für eine Abschaffung de lege ferenda plädiert T. Raiser, Unternehmensmitbestimmung, S. B 79 ff. 127 Etwa Merkt, ZIP 2011, 1237, 1244. 128 Eingehend Latzel, Gleichheit, Rn. 469 ff. 129 Latzel, Gleichheit, Rn. 436 ff. erkennt in der Montanmitbestimmung einen verfassungswidrigen Gleichheitsverstoß. 130 Bereits a., S. 174 ff. 131 Zur Personalkompetenz für die Besetzung des GmbH-Aufsichtsrats Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rn. 10.

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Montan-MitbestG vollständig und erfolglos durchlaufen wurde132 . Jedenfalls in diesem Fall schließen die Beschränkungen des passiven Wahlrechts nach § 4 Abs. 2 Montan-MitbestG nicht aus, den Gewählten als privatautonom legitimierten Vertreter der Eigner einzustufen. Jedoch können die gesetzlichen Voraussetzungen einer freien Wahl des »Neutralen« durch die Eignerversammlung kaum erfüllt werden133 : § 8 Abs. 3 Satz 1 bis Satz 6 Montan-MitbestG verlangt, daß zwei Vermittlungsversuche fehlschlagen. Dabei kann jeweils das zuständige OLG um Rechtsschutz ersucht werden; stellt es fest134 , daß kein wichtiger Grund für eine Ablehnung der Wahl gegeben war, kann es nach § 8 Abs. 3 Satz 6 Montan-MitbestG die Wahl eines »Kompromißkandidaten« erzwingen. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachzuvollziehen, daß das BVerfG keinen wesentlichen Unterschied in der Legitimationsfrage zwischen der Mitbestimmung nach dem Montan-MitbestG (sowie den Ergänzungsgesetzen) einerseits und dem MitbestG andererseits ausgemacht hat, sondern nur einen »erhöhten Kompromißzwang« durch die grundsätzlich vollparitätische Besetzung des Aufsichtsrats135. Ausschlaggebend kann nur sein, daß eine rechtliche Garantie dafür fehlt, daß die Eigner ihre Entscheidung letztlich durchsetzen können. Daraus folgt zwingend, daß die vollparitätische Stimmrechtsverteilung im Aufsichtsrat »als Mitbestimmung« gegen das Grundgesetz verstößt. Sie kann weder gerettet werden, indem das »neutrale« Mitglied mit Rücksicht auf § 8 Abs. 3 Satz 7 Montan-MitbestG doch als Eignervertreter gewertet wird136 , noch ist eine anderweitige Sicherung der privatautonomen Legitimation des freien Montan-Unternehmertums gesetzlich angeordnet oder auch nur ersichtlich. Verfassungsrechtlich denkbar ist die Montanmitbestimmung allenfalls als Sozialisierung, als Überführung privater Unternehmen in die Gemeinwirtschaft. Eine nähere Untersuchung lohnt an dieser Stelle nicht. Das BVerfG blendet die Montan-Mitbestimmung als Verfassungsproblem aus. Die Praxis hat sich mit der »aussterbenden« Sondermitbestimmung arrangiert.

132 Deshalb sieht Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 602 »streng genommen nur eine quasi-paritätische Mitbestimmung.« 133 ErfK/Oetker, Einleitung Montan-MitbestG Rn. 5 bezeichnet das Letztentscheidungsrecht des Wahlorgans als »eher theoretisches denn praktikables Instrument zur Sicherung eines Letztentscheidungsrechts [der Eigner in Fragen der Unternehmensstrategie]«. 134 Die ungewöhnlich Formulierung des § 8 Abs. 3 Satz 6 Montan-MitbestG, das Gericht könne »die Ablehnung der Wahl für unberechtigt erklär[en]«, meint keine Rechtsgestaltung, sondern eine Feststellung. Das Gesetz knüpft an diese Feststellung eine »uneingeschränkte Bestellungspfl icht«; Kötter, Montan-MitbestG, § 8 Anm. 25. 135 BVerfG [Senat] v. 2. 3. 1999, 1 BvL 2/91, BVerfGE 99, 367 = NZA 1999, 435 – »Mannesmann« sub C.I.1.b) der Gründe. 136 In diese Richtung aber Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 602, der »nur eine quasiparitätische Mitbestimmung« sieht.

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2. Betriebsverfassungsrechtliche Mitwirkung bei Strategieentscheidungen Umgekehrt ist die betriebsverfassungsrechtliche Mitwirkung bei Planungsund Strategieentscheidungen unbedenklich. Sowohl in der »betrieblichen Unternehmensmitbestimmung« im Wirtschaftsausschuß als auch bei der Planungsteilhabe des Betriebsrats ordnet das BetrVG zwar Unterrichtung, Anhörung und Beratung an, kennt aber keine Mitentscheidungsrechte. Anders ausgedrückt bleibt die betriebsverfassungsrechtliche Teilhabe an strategischen Arbeitgeberentscheidungen auf argumentativen Einfluß beschränkt. Weil auch das verfassungsrechtlich erlaubte Maximum an Arbeitnehmerteilhabe in strategischen Fragen nicht das Letztentscheidungsrecht der Kapitalgeber beseitigen darf, sind die Drittelbeteiligung und letztlich auch die »knapp unterparitätische« Mitentscheidung funktional ein Unterfall dieser »Mitbestimmung durch Argumente«. Sachlich rechnen zwar nur die Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten und die Unternehmensmitbestimmung zu derselben Kategorie, gemeinsamer Nenner aller Mitwirkungsrechte ist indes die »argumentative Teilhabe« an strategischen Leitungsentscheidungen137. 3. Verfassungsrechtlicher Spielraum für die Repräsentation von Interessen in der unternehmensinternen Willensbildung Die Mitbestimmung bei strategischen Entscheidungen im Unternehmen darf die privatautonome Legitimation unternehmerischer Tätigkeit durch die Eigner nicht beseitigen. Diesseits jener Grenze läßt das Verfassungsrecht dem Gesetzgeber größtmöglichen Freiraum138 : Das gilt schon mit Blick auf die Frage, welche Interessen organisationsrechtlich in den Willensbildungsprozeß des Unternehmens eingebunden werden sollen. Weil die Mitbestimmung gerade der Arbeitnehmer durch das Grundgesetz nicht vorgeschrieben ist, kann der Gesetzgeber den Aufsichtsrat auch mit Repräsentanten anderer gesellschaftlicher Gruppen139 besetzen. Geschehen ist das – in abgeschwächter Form – etwa in § 6 Abs. 2a InvG, der ein »unabhängiges« Aufsichtsratsmitglied verlangt, welches die Interessen der Kapitalanleger repräsentieren soll140 . Zu beachten ist insoweit nur das Willkürverbot: das repräsentierte Interesse muß hinreichenden Bezug zu der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens aufweisen. Insoweit ist das Arbeitnehmerinteresse zwar stets angesprochen141 ; regelmäßig wird sich aber auch eine Teilhabe von Verbrauchern oder Umwelt137

Bereits § 2 C.III., S. 133 f. In diese Richtung auch Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 151, der die Freiheit des Gesetzgebers bei »der Ausgestaltung des Teilhabeweges« herausstreicht. 139 Dazu Beerhorst, KJ 2008, 148, 159 f., der an Umwelt- oder Tierschutzverbände denkt. 140 Nowak, Unabhängigkeit, S. 105; weiter Bork/Schäfer/Rieble, GmbHG, § 52 Rn. 9 f. 141 Damit ist freilich noch nicht gesagt, wem die Repräsentation des Arbeitnehmerinteresses zugewiesen werden müßte; dazu noch D.I.2., S. 236 ff. 138

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schutzorganisationen begründen lassen, die praktisch etwa über Entsenderechte für Nichtregierungsorganisationen realisiert werden könnte. Selbst in den nach MitbestG quasi-paritätisch besetzten Aufsichtsräten müßten deren Sitze nicht der Arbeitnehmerbank »entzogen« werden: Nach dem Vorbild des § 6 Abs. 2a InvG oder des § 100 Abs. 5 AktG lassen sich Aufgaben an einen gesetzlich keiner »Seite« zugeordneten Aufsichtsrat verteilen, den dann auch die Eigner stellen können. Ausgeschlossen ist – vorbehaltlich einer entschädigungspfl ichtigen Sozialisierung – nur, den Aufsichtsrat voll- oder gar überparitätisch mit Personen zu besetzen, deren Berufung nicht mehr entscheidend von der Wahl der Eigner abhängt. Das wäre etwa dann der Fall, wenn diese Wahl nach Vorbild des § 6 Montan-MitbestG an externe Wahlvorschläge gebunden wird oder wenn die Wahlentscheidung der Eigner zwar nötig, für sich allein aber nicht ausreichend wäre. Die äußerste Grenze markiert die europarechtlich vorgezeichnete Mitbestimmung in der SE: Wird der Aufsichtsrat der dualistisch verfaßten SE zu gleichen Teilen mit Eigner- und Arbeitnehmervertretern besetzt142 , erzwingt der in Deutschland unmittelbar anwendbare Art. 42 Satz 2 SE-VO143 , daß der Aufsichtsratsvorsitzende aus den Eignervertretern gewählt werden muß und Art. 50 Abs. 2 SE-VO garantiert dem gewählten Vorsitzenden ein satzungsfestes Recht zum Stichentscheid bei Stimmengleichheit. Anders als § 27 Abs. 2 MitbestG kennt die SE-VO aber keinen Stichentscheid bei der Wahl des Vorsitzenden. Die Arbeitnehmerseite hat insoweit ein echtes Vetorecht, das vor allem praktisch wird, wenn sich der Aufsichtsrat erstmals konstituiert144 . Aus der Perspektive des Grundgesetzes ist diese Regelung »gerade noch« akzeptabel, weil der Vorsitzende seine Organstellung im Ergebnis zwingend der freien Wahl der Eigner verdankt. Grundgesetzwidrig wäre demgegenüber der ältere (und politisch verworfene) Vorschlag für das SE-Mitbestimmungsstatut gewesen145 , nach dem das dritte Drittel der Aufsichtsratsmitglieder von den – in gleicher Zahl vertretenen – Eigner- und Arbeitnehmervertretern (mit Zweidrittelmehrheit) zugewählt hätte werden müssen. Zulässig ist ferner nicht nur eine Teilhabe im Aufsichtsrat, sondern ebenso eine an der Geschäftsleitung. Das Montan-MitbestG kennt mit dem Arbeitsdirektor längst einen Mitbestimmungsträger in der Geschäftsleitung und auch für die monistische SE erlaubt das deutsche Recht eine Mitbestimmung im geschäftsführenden »board of directors«. Denkbar sind ferner andere Formen

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Zum verhandelbaren Mitbestimmungsniveau in der SE noch unter § 4 C.II., S. 374 ff. Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) v. 8. 10. 2001 (ABl. EG 2001 L 294, S. 1 ff.), geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 885/2004 v. 26. 4. 2004 (ABl. EG 2004 L 168, S. 1 ff.). 144 MünchKommAktG/Reichert/Brandes, Art. 42 SE-VO Rn. 3 ff. 145 Zu diesem Hopt, ZfA 1982, 207, 209. 143

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prozeduraler Steuerung146 der Willensbildung im Unternehmen, etwa der rechtspolitisch diskutierte Konsultationsrat147 oder erhöhte Transparenzanforderungen. Ob die »Unternehmensmitbestimmung« außerhalb des Aufsichtsrats realisiert wird, macht mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Spielraum des Gesetzgebers keinen Unterschied. Auch auf betrieblicher Ebene können andere Wege beschritten werden: Daß die Frauenförderung (§ 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG) oder Umweltschutzfragen (§ 80 Abs. 1 Nr. 9 BetrVG) dem Betriebsrat zugewiesen werden müßten, ist kein Verfassungsgebot! Gegen die praktisch zweckmäßige Anbindung beim Betriebsrat als eingeführter und erprobter Institution der Mitbestimmung steht der latente Interessenkonfl ikt für Arbeitnehmerrepräsentanten, denen gesamtgesellschaftliche Aufgaben übertragen werden148 .

II. »Arbeitsrechtliche« Mitbestimmung im Betrieb 1. Privatautonomer Legitimationszusammenhang als Schranke der betrieblichen Mitbestimmung Als verfassungsrechtliche Grenze ist die privatautonome Legitimation berufl icher Tätigkeit auch für die betriebliche Mitbestimmung verbindlich. Das heißt nicht, daß gegen das System einer vollparitätischen, teils erzwingbaren Mitbestimmung im Betrieb generell Bedenken zu erheben wären. Notwendiges Korrektiv angesichts der in weiten Bereichen gesetzlich beseitigten Letztentscheidungsgewalt des Arbeitgebers ist vielmehr die funktionelle Beschränkung der Mitbestimmung nach BetrVG149. Anstatt die Allzuständigkeit der Arbeitnehmervertreter nach Vorbild der Unternehmensmitbestimmung anzuordnen, schreibt das BetrVG Aufgaben und Befugnisse des Betriebsrats detailliert und abschließend150 vor. Mit dem BAG151 ist diese enumerative Zuweisung von Mitbestimmungsaufgaben und -befugnissen als eine »gesetzliche Lösung des Wertungswiderspruches zwischen Mitbestimmung und Freiheit der unternehmerischen Entscheidung« zu begreifen, die »nicht, auch nicht in gravierenden Fällen, korrigiert werden [kann], weil der [. . .] Wertungswiderspruch anders 146

Zu ihnen etwa Binder, ZGR 2007, 745, 771. Nur Säcker, FS Richardi, S. 711, 732; gegen ein separates Mitbestimmungsorgan etwa Kunze, FS Duden, S. 201, 211. Weitere Nachweise bei Nowak, Unabhängigkeit, S. 160 und dort Fn. 732. 148 Zu ihm unter D.III.3.c., S. 286 ff. 149 Dazu eingehend unter D.III., S. 275 ff. 150 Anders gewendet kann der Betriebsrat »nur im Rahmen seiner Zuständigkeit und nur in der gesetzlich vorgesehenen Weise tätig werden«; Nikisch, Arbeitsrecht III, S. 276. Dazu Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 18 ff.; Richardi, BetrVG, Einleitung, Rn. 138. 151 V. 31. 8. 1982, 1 ABR 27/80, BAGE 40, 107 = RdA 1983, 189 – zu B.III.2.a) der Gründe. 147

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hätte gelöst werden können oder müssen.« Dabei hat der Gesetzgeber unternehmerische Entscheidungen zwar nicht ausnahmslos mitbestimmungsfrei gestellt152 . Er hat aber sehr wohl dafür Sorge getragen, daß dem Betriebsrat mit Blick auf die »großen Leitlinien« der wirtschaftlichen Tätigkeit allenfalls argumentativer Einfluß zukommt – anders gewendet: daß Unternehmertum privatautonom legitimiert und also zentral von der Entscheidung des Unternehmers getragen wird, mag er seinen Willen auch nicht in allen Detailfragen durchsetzen können. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wird zwar das BetrVG in seiner aktuellen Form gerecht, ein Übergang von der Mitbestimmung beim »Wie« der Produktion zur Mitbestimmung beim »Was« der Produktion153 indes wäre greifbar verfassungswidrig. Anders als bei der Mitwirkung an Planungsentscheidungen gilt das Verfassungsgebot einer Legitimation berufl icher Tätigkeit aus dem Selbstbestimmungsprinzip mit Blick auf die »arbeitsvertragsnähere« Mitbestimmung nach BetrVG auch in »umgekehrter« Richtung: Autonom legitimiert bleiben muß nicht nur die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmers respektive die der Kapitalgeber, sondern ebenso die des Arbeitnehmers, dessen Berufsfreiheit Art. 12 GG dieselbe Würde beimißt wie der des Selbständigen154 . Mithin darf auch der Arbeitsvertrag nicht qua Mitbestimmung »vergesellschaftet« werden. Die Berufstätigkeit des Arbeitnehmers muß primär nach dessen (Vertrags-)Entscheidung geordnet sein, nicht nach den Vorgaben einer kollektiven Ordnung155. 2. Legitimation heteronomer Mitbestimmungswirkungen, insbesondere von Betriebsvereinbarungen a. Vertragsrechtsakzessorische Beschränkung der Privatautonomie als legitimationsbedürftige Fremdbestimmung Das arbeitsvertragsakzessorische Element der Betriebsverfassung ist insoweit unverdächtig: Hier geht es – gegenüber dem Arbeitgeber, aber auch gegenüber den Arbeitnehmern – letztlich darum, bereits bestehende vertragliche Pfl ichten zu aktualisieren und inhaltlich zu konkretisieren. Die staatliche Ingerenz beschränkt sich auf die Neuordnung der Konkretisierungszuständigkeit156 , die 152

Vgl. BVerfG [Senat] v. 18. 12. 1985, 1 BvR 143/83, NJW 1986, 1601 = DB 1986, 486. Steinkühler, Die Mitbestimmung 1988, 521. 154 BVerfG [Senat] v. 11. 6. 1958, 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377 = NJW 1958, 1035 – »Apothekenurteil« zu B.IV.1. der Gründe: »die Arbeit als ›Beruf‹ hat für alle gleichen Wert und gleiche Würde«. 155 Dazu etwa Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 23 ff. Anders Reuter, RdA 1991, 193 ff. Dagegen wiederum MünchArbR/Richardi, § 3 Rn. 26 f. 156 Hierzu Lobinger, RdA 2011, 76, 86: »Das ›Ob‹ und das ›Worüber‹ der Fremdbestimmung bedürfen [. . .] keiner eigenständigen Legitimation mehr. [. . .] Klärungsbedürftig bleibt [. . .] das ›Wer‹.« 153

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Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam zugewiesen wird. Aus Arbeitnehmerperspektive liegt darin nur eine vernachlässigbare Belastung157. In der Sache betrifft die betriebsverfassungsrechtliche Kompetenzverlagerung Verteilungsfragen, in denen nicht alle Einzelinteressen befriedigt werden können158 , und in denen der Einzelne seine Präferenzen mit Rücksicht auf arbeitsvertragliche Nebenpfl ichten auch nicht auf Kosten anderer durchsetzen darf. Für den Arbeitgeber gilt mutatis mutandis nichts anderes: Auch im nicht mitbestimmten Betrieb schränken Nebenpfl ichten aus dem Arbeitsvertrag seine Gestaltungsmöglichkeiten ein, ziehen insbesondere dem Direktionsrecht Grenzen159. Gleichwohl ist der – partielle, da funktional beschränkte – Übergang von der individualrechtlich zur kollektivrechtlich fundierten Entscheidung ein heteronomes Element. Rechtstechnisch realisiert wird er vor allem durch private Rechtsetzung in Betriebsvereinbarungen. Weil deren Normwirkung nach § 77 Abs. 4 BetrVG nicht nach dem Vorbild des Tarifvertrags »von unten« her erklärt werden kann160 , muß sie rechtslogisch zwingend auf dem Demokratieprinzip als einzig denkbarer alternativer Legitimationsquelle beruhen161. Die Mitbestimmung im Betrieb ist aus der Perspektive des Grundgesetzes nicht nur ein Grundrechts-, sondern prima facie auch ein Legitimationsproblem. Das gilt in gleicher Weise für von der Einigungsstelle festgesetzte Betriebsvereinbarungen wie für Betriebsvereinbarungen, welche die Betriebspartner ausgehandelt haben. Hätte die Betriebsvereinbarung erzwungen werden können, bedeutet die Zustimmung des Arbeitgebers keine privatautonome Legitimation, weil schon das zwangsweise Erfordernis kollektiver Verhandlungen den autonomen Legitimationszusammenhang zerstört162 . Nur die freiwillige Be157

Auch dazu Lobinger, RdA 2011, 76, 86. Mit dem treffenden Vergleich zum Insolvenzplan Bachmann, Private Ordnung, S. 220. 159 So soll die Beteiligung des Betriebsrats bei Verteilungsentscheidungen die innerbetriebliche Verteilungsgerechtigkeit sichern. Fehlt eine Arbeitnehmervertretung, hat der Arbeitgeber indes nicht freie Hand, sondern muß nach billigem Ermessen selbst für eine gerechte Verteilung sorgen; dazu Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Klebeck/Kolbe, § 106 GewO Rn. 45. Zu mittelbaren Wirkungen der betrieblichen Mitbestimmung auf unternehmerische Strategieentscheidungen bereits I.1.b., S. 177 ff. 160 Bereits A.II.2., S. 167 f. Schlicht falsch wäre es, diese Rechtswirkungen mit einem originären Freiheitsraum des Betriebs oder des Betriebsrats (in diese Richtung denkt freilich Herschel, ZfA 1984, 65 f.) erklären zu wollen. Eine eigenständige Rechtsetzungsmacht gesellschaftlicher Kollektive kann und darf es im modernen souveränen Staat nicht geben; dazu nur F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 158 f. 161 Waltermann, Rechtsetzung, S. 134, 153. Weiter E. Picker, NZA 2002, 761, 769, der die Betriebspartner als »belehnte« Organe einstuft; E. R. Huber, Selbstverwaltung, S. 44; Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234, die die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien »letztlich nur als abgeleitet vom Staat begreifen« wollen. Dagegen Reichold, Betriebsverfassung, S. 537 ff., 542 ff., der die Betriebsvereinbarung vom Arbeitsvertrag her (und damit privatautonom) legitimiert sieht. 162 Dazu etwa Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 28 ff. Die Gegenmeinung 158

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triebsvereinbarung ist teilweise privatautonom legitimiert: durch die nun in der Tat »freie« Zustimmung des Arbeitgebers163 . Das macht die Betriebsvereinbarung i. S. d. § 88 BetrVG freilich nicht zum Instrument der Privatautonomie. Aus der Perspektive der Arbeitnehmer betrifft § 88 BetrVG nicht nur die vertragsrechtsakzessorische Komponente der Betriebsverfassung, sondern auch den »Selbstverwaltungs-Bereich«164 , der über die Konkretisierung von Vertragspfl ichten hinausweist und damit das heteronome Moment der Betriebsverfassung in besonderem Maße erkennen läßt. Daß die (betriebliche) Mitbestimmung heute dem Privatrecht zugeordnet wird165 , ändert zunächst nichts: Nicht nur öffentliches Recht bedarf der demokratischen Legitimation, sondern auch privatrechtliche Zwangswirkungen, die nicht auf eine selbstbestimmte Unterwerfung zurückgeführt werden können. Insoweit macht es keinen Unterschied, ob der Staat privaten Rechtshandlungen Fremdbestimmungswirkung zuerkennt oder Privaten sonst (auch nur faktischen) Einfluß auf den Einsatz der Hoheitsgewalt erlaubt. Beispielhaft verdeutlichen läßt sich das an der »Demokratisierung« der Wirtschaftspolitik und der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst166 . Alle Mischformen von gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung167 müssen auf ihre demokratische Legitimation hin befragt werden. Das gilt z. B. für technische Standards der ISO, die in Deutschland teilweise rechtsverbindlich sind, obschon die Bundesrepublik in der ISO nur durch den privaten Verein DIN vertreten wird168 , oder für Mustersatzungen, die die privatrechtlichen Dachverbände öffentlichrechtlicher Kammern erarbeiten169. b. Betriebsautonomie als soziale (und funktionale) Selbstverwaltung? [1] Delegation von Staatsmacht an »den Betrieb« Vor diesem Hintergrund wird die Betriebsverfassung allgemein vom Staat her gedacht, genauer: wird die Legitimation heteronomer Mitbestimmungswir-

– etwa Linsenmaier, RdA 2008, 1, 5 – blendet den Zwangscharakter betriebsverfassungsrechtlicher Kollektivverhandlungen aus. 163 Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234. 164 Zu ihm § 2 C.II.3.b., S. 132 f. 165 Nur Richardi, BetrVG, Einleitung Rn. 130 m. w. N. Eingehend Reichold, Betriebsverfassung, S. 433 ff. Anders noch die h. M. zum BRG 1920, etwa Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, S. 16. 166 § 2 B.II.1., S. 86 ff. 167 Allgemein hierzu Trute, DVBl. 1996, 950 ff. Weiter Kluth, Verw 35 (2002), 349, 364: demokratische Legitimation ist rechtsformneutral. 168 Hierzu Petersen, JöR 58 (2010), 137, 138 f. Für die Standardsetzung durch das DIN e.V. vgl. Trute, DVBl. 1996, 950, 952 f. 169 Dazu Kluth, Verw 35 (2002), 349, 364, der mit Blick auf die faktischen Fernwirkungen der Satzungen eine »direkte demokratische Legitimation durch die Mitglieder [gemeint sind Mitglieder der Kammern] zumindest als verfassungsrechtlich wünschenswert« ansieht.

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kungen im Betrieb im staatlichen Recht gesehen170 . Die überwiegende Meinung erkennt hinter der betrieblichen Mitbestimmung eine – wenngleich besondere – Delegation staatlicher Macht171. Folgen hat das vor allem mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Kontrollmaßstab für die private Rechtsetzung im Rahmen dieser »Betriebsautonomie«, welcher an der Rechtsprechung des BVerfG zur funktionalen Selbstverwaltung auszurichten sein soll: konkret müsse die Regelungsmacht der Betriebspartner vergleichbar gesetzlich vorstrukturiert und damit begrenzt werden wie die Satzungsmacht der öffentlichrechtlichen Selbstverwaltungskörperschaften172 . Umstritten ist freilich, ob § 77 Abs. 4 BetrVG (i. V. m. dem Gegenschluß zu § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG und § 88 BetrVG) als »Generalermächtigungsklausel« i.d.S. ausreichende inhaltliche Vorgaben setzt173 . Waltermann174 begründet diese Beschränkung der Normsetzung in Betriebsvereinbarungen mit dem Vorbehalt des Gesetzes und damit aus dem Rechtsstaatsprinzip175. Inhaltsgleiche Voraussetzungen lassen sich indes auch aus dem Demokratieprinzip entwickeln: unter dem Aspekt der inhaltlichen demokratischen Legitimation durch gesetzliche Programmierung176 . Gemessen an den Schranken, die das BVerfG der Satzungsautonomie öffentlichrechtlicher Selbstverwaltungskörperschaften gezogen hat, läßt die Betriebsautonomie dem »selbstverwalteten« Betrieb viel Freiraum. Dabei kommt es noch nicht einmal entscheidend auf die intensiv diskutierte Frage nach dem 170 Dezidiert etwa Waltermann, Rechtsetzung, S. 203, der freilich (S. 205 f.) eine »ergänzende« Legitimation durch die Betriebsratswahl sieht. 171 Etwa Bayreuther, Tarifautonomie, S. 518 f.: »Delegation im weiteren Sinne«; Canaris, AuR 1966, 129 f., 136; E. Picker, NZA 2002, 761, 769. Anders etwa Waltermann, Rechtsetzung, S. 125 ff.: der Staat übertrage nicht Autonomie auf die Betriebspartner, sondern erkenne deren »Autonomie« an. Wieder anders F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 159 ff.; Müller-Franken, Befugnis, S. 147 ff., 157 ff., deren Ansicht nach der Staat nicht Rechtsetzungsmacht delegiert, sondern privat gebildete Regeln als Rechtsnormen anerkennt. Zum Meinungsstand noch GK-BetrVG/Kreutz, § 77 Rn. 220 ff. m. w. N. 172 BAG v. 12. 12. 2006, 1 AZR 96/06, BAGE 120, 308 = NZA 2007, 453 – Rn. 20 ff. Ebenso Linsenmaier, RdA 2008, 1, 6; Waltermann, RdA 2007, 257, 262 ff.; Veit, Zuständigkeit, S. 200; Benrath, Öffnungsklauseln, S. 80 ff., 82 ff. Ähnlich Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234, die auf den Rechtsgedanken des Art. 80 Abs. 1 GG abheben wollen. Dagegen etwa Franzen, NZA-Beilage 3/2006, 107, 108; Lobinger, RdA 2011, 76, 85; weiter Canaris, JuS 1989, 161, 167, der Rechtseingriffe durch Betriebsvereinbarungen jedenfalls nicht am Gesetzesvorbehalt messen will. 173 Bejahend etwa BAG v. 12. 12. 2006, 1 AZR 96/06, BAGE 120, 308 = NZA 2007, 453 – Rn. 20 ff.; ebenso Linsenmaier, RdA 2008, 1, 6 ff.; verneinend etwa Waltermann, Rechtsetzung, S. 151 ff.; derselbe, RdA 2007, 257, 262 f.; Veit, Zuständigkeit, S. 208 ff.; Benrath, Öffnungsklauseln, S. 86 ff.; Müller-Franken, Befugnis, S. 171 ff., 220 ff. 174 RdA 2007, 257, 261 ff. 175 Zum Vorbehalt des Gesetzes als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips Epping/Hillgruber/Huster/Rux, GG, Art. 20 Rn. 159 ff. 176 Daß Rechtsstaat und Demokratie mit Blick auf Ermächtigungsnormen weithin inhaltsgleiche Anforderungen stellen, belegt Unruh, VerwArch 92 (2001), 531, 539 f. Ähnlich Waltermann, Rechtsetzung, S. 149; Müller-Franken, Befugnis, S. 177 ff.

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verfassungsrechtlich gebotenen Konkretisierungsgrad der gesetzlichen Programmierung (arbeitnehmer-)belastender Betriebsvereinbarungen an177. Für die funktionale Selbstverwaltung verlangt das BVerfG insoweit, daß die Satzungsmacht im Gesetz »ausreichend« konkretisiert wird, wobei die erforderliche Detailtiefe im Einzelfall primär anhand der qua Satzung regelbaren Materie und insbesondere deren Grundrechtsrelevanz zu bestimmen ist178 , aber auch mit den organisationsrechtlichen Bedingungen für eine »angemessene Interessenberücksichtigung« korreliert179. Verläßt eine Regelung indes den Bereich der »eigenen Angelegenheiten«, muß die entsprechende Gestaltung bereits im Gesetz vorgezeichnet sein180 – insbesondere im Falle der Außenseiterwirkung gegenüber Nichtmitgliedern. Vereinfacht akzeptiert das BVerfG, daß das Gesetz Selbstverwaltungseinheiten im Bereich ihrer »eigenen Angelegenheiten« generalklauselartig Satzungsmacht einräumt, und fordert nur für intensiv grundrechtsbeschränkendes Satzungsrecht eine konkrete Ermächtigungsgrundlage. Jenseits dieses Bereichs aber gelten erhöhte Anforderungen, vergleichbar denen an eine dynamische Verweisung des Gesetzes auf nichtstaatliche Regelungen181 : Hier darf sich der Gesetzgeber nicht darauf beschränken, die regelbaren Materien auszuweisen; vielmehr muß der Inhalt der später getroffenen Regelung bereits »im wesentlichen« feststehen. Der Grund für die Restriktion des Legitimationserfordernisses im eigenen Wirkungskreis der Selbstverwaltungskörperschaften liegt darin, daß der »Abstand zwischen Normgeber und Normadressat« verringert ist182 . Anders ausgedrückt geht das BVerfG davon aus, daß die besonders Betroffenen ihre eigenen Angelegenheiten sachkundig beurteilen können und daher sachgerechte Regelungen produzieren. Welche Befugnisse öffentlichrechtlichen Selbstverwaltungskörperschaften auch immer eingeräumt werden, sie dürfen nur unter der (Rechts-)Aufsicht »personell demokratisch legitimierter Amtswalter« ausgeübt werden183 . Au177

Dazu die Nachweise Fn. 173. BVerfG [Senat] v. 5. 12. 2002, 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98, BVerfGE 107, 59 = NVwZ 2003, 974 – »Lippeverband« unter C.I.3.c) der Gründe; v. 13. 7. 2004, 1 BvR 1298/94 u. a., BVerfGE 111, 191 = NJW 2005, 45 – »Notarkassensatzung« unter C.II.2.b) der Gründe. 179 BVerfG [Senat] v. 13. 7. 2004, 1 BvR 1298/94 u. a., BVerfGE 111, 191 = NJW 2005, 45 – »Notarkassensatzung« unter C.II.2.c) der Gründe. 180 BVerfG [Senat] v. 9. 5. 1972, 1 BvR 518/62 und 308/64, BVerfGE 33, 125 = NJW 1972, 1504 – »Facharztbeschluß« unter C.II.3. der Gründe; v. 14. 12. 1999, 1 BvR 1327/98, BVerfGE 101, 312 = NJW 2000, 347 – »Versäumnisurteil« unter C.II.1. der Gründe. 181 BVerfG [Senat] v. 14. 6. 1983, 2 BvR 488/80, BVerfGE 64, 208 = NJW 1984, 1225 – »Deputatkohle« unter B.II.1. der Gründe. 182 [Senat] v. 9. 5. 1972, 1 BvR 518/62 und 308/64, BVerfGE 33, 125 = NJW 1972, 1504 – »Facharztbeschluß« sub C.II.2. der Gründe. 183 BVerfG [Senat] v. 5. 12. 2002, 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98, BVerfGE 107, 59 = NVwZ 2003, 974 – »Lippeverband« unter C.I.3.c) der Gründe; zurückhaltender Hendler, HStR VI, § 143 Rn. 19: Selbstverwaltungseinheiten dürften »höchstens« unter Rechtsaufsicht stehen. 178

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ßerdem hat das BVerfG Anforderungen an die Organisationsstruktur autonomer Selbstverwaltungseinheiten formuliert: in Betracht kommt nur eine mikrodemokratische Binnenverfassung184 . [2] Betriebsverfassung als Privatrecht Diese beiden organisatorischen Vorgaben verfehlt das BetrVG. Es kennt zunächst keine hoheitliche Rechtsaufsicht; sie kommt auch nicht ernstlich in Frage: Den Betriebsrat soll nicht der Staat überwachen, das ist Sache der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft(en) 185. Diese werden aber nicht zwangsweise herangezogen und vom Staat mit Kontrollkompetenzen beliehen, sondern müssen das mit dem BetrVG erklärte »Angebot« des Staates annehmen – durch autonome (Satzungs-)Entscheidung, betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben wahrzunehmen186 . Eine hoheitliche Kontrolle der Betriebsverfassung paßt demgegenüber nicht in privatwirtschaftliche Systeme, sondern wäre ein Rückfall in das obrigkeitsstaatliche Arbeitspolizeirecht. Daß eine solche Staatsaufsicht über die betriebliche Mitbestimmung »fehlt«, ist also nicht etwa ein verfassungsrechtlich bedenklicher Mangel, sondern belegt die Zuordnung der Betriebsverfassung zum Privatrecht187. In diesem Kontext ist Aufsicht kein Gebot demokratischer Legitimation, sondern muß vor den Grundrechten der Beaufsichtigten gerechtfertigt werden188 . Weiter ist im Betrieb keine mikrodemokratische Binnenstruktur zu erkennen: Daß der Betriebsrat »demokratisch« gewählt wird, spielt insoweit keine Rolle, denn er allein setzt keine normativ wirkenden Regeln. Der Arbeitgeber ist alles andere als »von den Betroffenen« gewählt. Hebt man wenigstens für den Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung auf den Vorsitzenden der Einigungsstelle als den im Konfl iktfall maßgeblichen Entscheidungsträger ab, »erbt« dieser entweder das Legitimationsdefi zit des Arbeitgebers, weil er von diesem mit-gewählt wird, oder er wird nach § 98 ArbGG vom Arbeitsgericht ernannt, und ist auch dann nicht von den »Betroffenen« legitimiert. Schon auf dieser Grundlage läßt sich festhalten, daß die Maßstäbe, anhand derer das BVerfG die Kompetenzen funktionaler Selbstverwaltungseinheiten kontrolliert, für den Betrieb nicht passen können. Der für die Selbstverwaltung typische, widersprüchliche Zweiklang von staatsdistanziertem Grund184 BVerfG [Senat] v. 13. 7. 2004, 1 BvR 1298/94 u. a., BVerfGE 111, 191 = NJW 2005, 45 – »Notarkassensatzung« unter C.II.2.c) der Gründe. 185 Zu den betriebsverfassungsrechtlichen Rechten, die der Gewerkschaft – nicht von Verfassungs wegen, sondern im »Funktionsinteresse der Betriebsverfassung« vom (einfachen) Gesetz – zugewiesen sind Rieble, RdA 2008, 35, 36. 186 Auch dazu Rieble, RdA 2008, 35, 38. 187 Bachmann, Private Ordnung, S. 132. In diese Richtung auch Müller-Franken, Befugnis, S. 156. 188 Zu den Hintergründen »staatsinterne[r] Körperschaftsaufsicht« und »staatsexterne[r] Wirtschaftsaufsicht« Isensee, Der Staat 20 (1981), 161, 170.

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rechtsschutz und Hinordnung zum Staat wirft dort die Frage auf, inwieweit durch eine Lockerung des Gebotes demokratischer Legitimation Freiheit vom Staat eingeräumt werden darf. Das ist das für die Personalvertretung, die sachnotwendig Mitbestimmung bei der Ausübung von Staatsmacht bedeutet, maßgebliche Problem – in der Betriebsverfassung aber kehren sich die Vorzeichen um189 : In Betriebsvereinbarungen setzen die Betriebspartner keine staatlichen Normen des öffentlichen Rechts190 , sie »verwalten« sich nicht im eigentlichen Sinne191. Die »Einordnung in die Gesamtinteressen« ist für die öffentlichrechtlichen Selbstverwaltungseinheiten notwendige Grenze der vom Staat zugestandenen Freiheit192 , für die private Betriebsverfassung indes rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in gegen den Staat (grundrechtlich) geschützte Freiheiten193 . Hier liegt der fundamentale Rechtsunterschied zwischen privaten Betrieben und öffentlichrechtlichen Selbstverwaltungskörperschaften: »Hinter« dem Wasserverband oder der staatlichen Hochschule194 stehen, blendet man das »Mitbestimmungsinteresse« (im Wasserverband das Gemeinwohlinteresse an »sachnahen« Regelungen durch die besonders sachkundigen Betroffenen, in der Hochschule das Grundrechtsinteresse der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Wissenschaftler, Forscher und Lehrer) aus, öffentlich(rechtlich)e Einrichtungen, die eben nicht frei tätig werden könnten, sondern durch personell demokratisch legitimierte Amtswalter ihre gesetzlichen Aufträge zu erfüllen hätten195. Demgegenüber ist der (vom Mitbestimmungsinteresse der Arbeitnehmer abstrahierte) Betrieb ein grundrechtlich geschützter Freiheitsbereich, den der Staat deshalb gerade nicht umfassend gesetzlich strukturieren könnte196 . Mithin fehlt jede Regelungsmacht, die der Staat an die Betriebsparteien weiterrei189 Für die Tarifnormsetzung (auch) für Außenseiter durch Betriebsnormen i. S. d. § 3 Abs. 2 TVG gilt Entsprechendes. Deshalb hat Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 217 ff. Recht, wenn er die Reichweite der Tarifmacht nicht im Rückgriff auf die zur funktionalen Selbstverwaltung entwickelten Kriterien bestimmen will, weil die Tarifparteien nicht »in das staatliche System [integriert]« (S. 218) sind. 190 BVerfG [Senat] v. 23. 4. 1986, 2 BvR 487/80, BVerfGE 73, 261 = NJW 1987, 827 – »Sozialplan« unter B.I. der Gründe: Betriebsvereinbarungen erhalten »nicht etwa dadurch, daß der Gesetzgeber ihnen normative Wirkung zuerkannt hat [. . .], den Charakter von Akten öffentlicher Gewalt.« 191 E. R. Huber, Selbstverwaltung, S. 9 f. 192 Schon Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, S. 52. 193 Zur Betriebsverfassung Lobinger, RdA 2011, 76, 84 f.: »Auflösung des allgemeinen Spannungsverhältnisses zwischen dem Freiheits- und Demokratieprinzip«. 194 Dazu, daß nur die Wissenschaftsfreiheit eine hierarchische Verwaltung der Universität durch den Staat verhindert, Maunz/Dürig/Scholz, GG, Art. 5 III Rn. 143 f., der aber gleichwohl meint, in Ausnahmefällen könne »ein Staatskommissar (verwaltungsmäßiger Staatsbeauftragter) im Wege der Staatsaufsicht auf Zeit bestellt werden«. 195 Mit Blick auf die Handwerkskammern VGH Baden-Württemberg v. 2. 12. 1997, 9 S 785/95, NVwZ-RR 1998, 366 – C.I.1. der Gründe. 196 Ähnlich Waltermann, Rechtsetzung, S. 126 f.; Benrath, Öffnungsklauseln, S. 77 f.

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chen könnte und für deren demokratische Bindung er Sorge tragen müßte: Das »Bild von der Delegation [von Staatsmacht an die Betriebsparteien stimmt] insofern nicht, als es nicht vorstellbar ist, dass der Staat selbst in den Betrieben regelnd aktiv wird – mit einem Reichskommissar für das Arbeitsbedingungs-wesen.«197 Deshalb ist auch keine »Flucht ins Privatrecht« zu befürchten, sollten die betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse anderen und weniger strengen Regeln unterworfen sein als die der funktionalen Selbstverwaltungsträger. Es gibt keine staatliche Ausgangs-Kompetenz, deren Fesseln eine solche Flucht abstreifen könnte198 . Damit bestätigt sich, daß die Verfassungsvorgaben der funktionalen Selbstverwaltung nicht entsprechend auf den »selbstverwalteten« Betrieb angewandt werden können: Die Normsetzungskompetenzen der Selbstverwaltungsträger sind im Interesse der demokratischen Legitimation staatlicher Gewalt zu begrenzen199. Gibt der Staat keine Befugnisse preis, stellt sich die Legitimationsfrage anders200 . Vor diesem Hintergrund überzeugt der Kreutzsche Gedanke, die Betriebsvereinbarung als »privatheteronomes Rechtsgeschäft« mit den Zwangsbefugnissen privater Amtsträger (Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker, etc.) zu vergleichen 201, die sich wie die Mitbestimmung nach dem BetrVG nicht privatautonom erklären und auf das Selbstbestimmungsprinzip zurückführen lassen. [3] Private Rechtsetzung statt Delegation Also: Die »sog. Betriebsautonomie«202 , genauer: die private Rechtsetzung in Betriebsvereinbarungen, hat mit dem für die Selbstverwaltung typischen Instrument der Autonomie i. S. einer Selbstgesetzgebung nichts zu tun 203 . Die Betriebsvereinbarung ist (Kollektiv-)Vertrag, nicht Betriebsgesetz 204 . Der Betrieb ist kein Verband, dessen eigene Angelegenheiten mikrodemokratisch geregelt werden könnten. Als solcher Verband läßt sich allenfalls die Belegschaft begreifen; ihre »Autonomie« beschränkt sich aber auf die Ausübung der Mitbestimmungsrechte. Die Normwirkung des § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG setzt eine Einigung mit dem Arbeitgeber voraus, welche allenfalls von der Einigungsstelle ersetzt werden kann. »Autonomie« begründet die Mitbestimmung 197

Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234. Das übersieht Bachmann, Private Ordnung, S. 62. 199 Hierzu bereits unter § 2 C.II.1.b., S. 118 f. 200 Gerade für die betriebliche Mitbestimmung GK-BetrVG/Kreutz, § 77 Rn. 228. 201 Kreutz, Grenzen, S. 99 ff. In der Sache ähnlich Bachmann, Private Ordnung, S. 214 ff., der die private Fremdbestimmung aus der »Ordnungsfunktion« der Betriebsvereinbarung ableitet, verstanden als (partieller) Vorrang des Kollektivinteresses vor dem Individualinteresse. 202 Lobinger, RdA 2011, 76, 84. 203 Zum Verhältnis von Autonomie und Selbstverwaltung Hendler, HStR VI, § 143 Rn. 37 ff.; weiter Bachmann, Private Ordnung, S. 182 f. 204 Dazu § 2 C.I.2., S. 110 ff. 198

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im Betrieb mit Blick auf den zwangskorporativen Charakter der Betriebsverfassung aber auch nicht in dem Sinne, daß sie vergleichbar der Tarifautonomie als kollektive Privatautonomie auf das Selbstbestimmungsprinzip zurückgeführt werden könnte. Das Legitimationsproblem der betrieblichen Mitbestimmung liegt nicht darin, daß eine privatautonome Legitimation »nicht vollständig gelingt«205 – sondern allenfalls in einem Defi zit an (inhaltlich) demokratischer Legitimation der privat-heteronomen Mitbestimmungswirkungen. Es gibt keinen natürlichen Freiheitsraum der Betriebsparteien, den der Staat anerkennen könnte206 . Mithin geht es in der Betriebsverfassung »nur« um private Rechtsetzung, also um die »distanzierte« Anerkennung privater Rechtsakte als Rechtsnormen durch den Staat 207. Gerade weil eine staatliche Kompetenz zur (erschöpfenden) öffentlichrechtlichen Ordnung des entsprechenden Sachbereichs fehlt, kann und muß jedenfalls der konkrete Inhalt solcher privater Rechtsregeln nicht demokratisch legitimiert werden 208 , sondern muß auf einem anderen »Rechtstitel« fußen. Typischerweise sind hier Grundrechte angesprochen, die in ihrer objektivrechtlichen Bedeutung Befugnisse des Staates begründen, Freiheit durch private Rechtsetzung zu realisieren 209. In ähnlicher Weise wirkt aber auch das Sozialstaatsprinzip kompetenzbegründend: ihm läßt sich ein strukturell vergleichbarer objektivrechtlicher Auftrag entnehmen, die Gesellschaft nach bestimmten Vorgaben zu ordnen 210 . In der Konsequenz darf und muß auch die aus sozialstaatlichen Gründen erlaubte Betriebsvereinbarung inhaltlich nicht durch Parlamentsgesetz programmiert werden. Die Anforderungen sind weniger streng als die an Satzungsrecht der funktionalen Selbstverwaltungskörperschaften. Zwar geht den Selbstverwaltungsorganen eine personell-demokratische Legitimation i. S. d. Kettenmodells ebenso ab wie Betriebsräten und Arbeitgebern, und kann dieses Defi zit in beiden Fällen nicht durch kleinteilige inhaltliche Programmierung im Gesetz kompensiert werden, ohne die gewollten »sachnahen« und selbstverantworteten Regelungen auszuschließen 211. Das ist aber nur in der öffentlichrechtlichen Selbstverwaltung eine »Notlösung«, eine vor dem Demokratieprinzip rechtfertigungsbedürftige Ausnahme im Gemeinwohlinteres205

So aber Hänlein, RdA 2003, 26, (28 ff.,) 31. Deutlich E. Picker, NZA 2002, 2002, 761, 762 ff. 207 Näher F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 212 ff.; Müller-Franken, Befugnis, S. 102 ff. 208 Hierzu F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 508. 209 Auch dazu F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 511 f. 210 Bereits A.III.2., S. 171 f. Entgegen Müller-Franken, Befugnis, S. 42 und dort Fn. 112 kommt es also nicht darauf an, ob sich der Betriebsrat auf Grundrechte berufen kann. 211 Für die öffentlichrechtliche Selbstverwaltung Müller-Franken, Befugnis, S. 193 f., der freilich S. 195 ff. auf das erheblich geringere Legitimationsniveau der Betriebsräte verweist und insbesondere die fehlende demokratische Legitimation meint. 206

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se212 – in der Betriebsverfassung ist es eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit. Gemeinsam ist beiden Fällen zwar der Konfl ikt zwischen der Rechtsetzungsmacht gesellschaftlicher Partikulargruppen und den Freiheitsinteressen der einzelnen Rechtsunterworfenen 213 . Der notwendige Freiheitsschutz muß aber im privatrechtlichen und im öffentlichrechtlichen Bereich nicht zwingend mit denselben Mitteln realisiert werden. c. Betriebsvereinbarungen als Grundrechtsproblem Mithin messen das BAG und die h. M.214 die Rechtsetzung in der Betriebsvereinbarung an ungeeigneten Maßstäben. Im Ergebnis ist das unschädlich, weil das BAG davon ausgeht, daß jedenfalls »die Gesamtheit« der verschiedenen, im BetrVG normierten »Vorgaben und Beschränkungen« auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Delegation von Hoheitsmacht an Körperschaften der öffentlichrechtlichen funktionalen Selbstverwaltung genügt 215. [1] Staatliche Schutzpflicht Bei der Anerkennung privater Rechtsakte als Rechtsnorm durch staatlichen Geltungsbefehl ist nicht Kompetenzbeschreibung und -beschränkung im Gesetz geboten. Wenn und weil der Staat eine entsprechende Gestaltung selbst nicht vornehmen und damit verantworten könnte, muß er den möglichen Inhalt belastender Regelungen nicht vorstrukturieren 216 . Statt dessen ist er an die Grundrechte der Normunterworfenen in der Schutzpfl ichtendimension gebunden; ihre verhältnismäßige Zuordnung zu den hinter dem Anerkennungsbefehl stehenden Verfassungswerten hat er durch »begleitende Kautelen« zu dem abstrakten gesetzlichen Geltungsbefehl sicherzustellen. Konkret hat der Staat den potentiell betroffenen Grundrechten bei der Ausgestaltung des Betriebsverfassungsrechts Rechnung zu tragen 217. Vor diesem Hintergrund wird sichtbar, daß § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG als allgemeine Ermächtigungsgrundlage auch für belastende Betriebsvereinbarungen ausreicht. Solche arbeitnehmer-belastenden Betriebsvereinbarungen sind aus verfassungsrechtlicher Perspektive kein Kompetenz-, sondern ein Schrankenproblem. Die entscheidende Frage ist nicht die nach der Legitimation privater Rechtsetzung im 212

Näher § 2 B.I.3.c.[3], S. 84 ff. Bachmann, Private Ordnung, S. 61. Zu dem »Spannungsverhältnis« von Selbstverwaltung und Selbstbestimmung noch Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 508. 214 Nachweise Fn. 172. 215 BAG v. 12. 12. 2006, 1 AZR 96/06, BAGE 120, 308 = NZA 2007, 453 – Rn. 20; zustimmend Linsenmaier, RdA 2008, 1, 6. 216 Dazu F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 507 ff. In der Konsequenz gilt der Gesetzesvorbehalt nur für den Geltungsbefehl an sich, nicht aber für den Inhalt der als Rechtsnormen anerkannten Regelungen. 217 Allgemein zur Rechtsetzung durch Private F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 522 ff. 213

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Rahmen des Betriebsverfassungsrechts, sondern muß dahin gehen, in welchem Umfang grundrechtliche Freiheiten zugunsten sozialstaatlicher »Gerechtigkeitserwägungen« zurückgedrängt werden dürfen. [2] Zentral: Verhältnismäßigkeitskontrolle, § 75 BetrVG Zentral ist insoweit § 75 BetrVG, der – entsprechend dem Auftrag der Arbeitnehmergrundrechte als Schutzpfl ichten 218 – nicht der »Betriebsautonomie« Schranken zieht, sondern vielmehr der »Anerkennungsfähigkeit« kollektiver Vereinbarungen. Vor diesem Hintergrund kann die »Billigkeitskontrolle« nach § 75 Abs. 1 BetrVG keine Ermessenskontrolle ähnlich der nach § 315 Abs. 3 BGB 219 sein, sondern nur Rechtskontrolle220 i. S.e. Verhältnismäßigkeitskontrolle221. Jede Überprüfung der Zweckmäßigkeit von Betriebsvereinbarungen wäre ein kompetenzwidriger staatlicher Übergriff in private Freiheit. Erlaubt (und auch geboten) ist nur die Verhältnismäßigkeitsprüfung, der sich auch staatliche Gesetze stellen müssen 222 . Unabhängig davon, ob man die Reduktion der Kontrolldichte bei Tarifverträgen für richtig hält 223 , läßt sich der großzügige Maßstab des Untermaßverbots jedenfalls nicht in die Betriebsverfassung importieren. Betriebsvereinbarungen fehlt die mitgliedschaftliche Legitimation qua Verbandsbeitritt; damit fehlt – wie bei den tarifvertraglichen Betriebsnormen i. S. d. §§ 1 Abs. 1 Var. 4, 3 Abs. 2 Var. 1 TVG 224 – auch der einzig denkbare Grund, die gerichtliche Kontrolle grobmaschiger zu gestalten. Abstrakt gesehen muß die entscheidende Frage stets dahin gehen, ob eine Betriebsvereinbarung, welche die Interessen einzelner Arbeitnehmer beeinträchtigt, als Kollektivmaßnahme durch ein überwiegendes kollektives In218 Treffend formuliert Wiese, NZA 2006, 1, 4, daß durch § 75 Abs. 1 BetrVG »grundrechtliche Wertvorstellungen in das einfache Gesetzesrecht transformiert« werden. 219 Zur Kontrolldichte bei der Leistungsbestimmung Staudinger/Rieble, BGB, § 315 Rn. 324 ff. 220 Richtig BAG v. 26. 7. 1988, 1 AZR 156/87, NZA 1989. 25 = DB 1988, 2464 – sub III.1. der Gründe. Weiter Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 75 BetrVG Rn. 6. 221 Richtig Löwisch, ZfA 1996, 293, 301 f., der gerade aus § 75 BetrVG folgert, »daß die Betriebspartner bei Eingriffen in die Rechte der einzelnen Arbeitnehmer an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden sind«. 222 BAG v. 12. 12. 2006, 1 AZR 96/06, BAGE 120, 308 = NZA 2007, 453 – Rn. 22 ff.; weiter Linsenmaier, RdA 2008, 1, 8 f. 223 Die h. M. sieht das Untermaßverbot als richtigen Maßstab, weil die Unterwerfung durch freiwilligen Verbandsbeitritt dem Tarifvertrag – verglichen mit dem staatlichen Gesetz – weitergehende Eingriffe in Freiheitsrechte erlaube; etwa ErfK/Dieterich, Einleitung GG Rn. 46 ff. m. w. N.; zustimmend BAG v. 8. 12. 2010, 7 ABR 98/09, NZA 2011, 751 – Rn. 47; im Ansatz auch Däubler/Schiek, TVG, Einleitung, Rn. 204 ff. Anders etwa Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 582 ff. m. w. N., deren Ansicht nach die Normunterworfenen gegen Tarifnormen denselben Schutz genießen müssen wie gegen staatliche Gesetze; ähnlich Wiedemann, TVG, Einleitung Rn. 197 ff. 224 Dazu BAG v. 8. 12. 2010, 7 ABR 98/09, NZA 2011, 751 – Rn. 47 m. Anm. Kolbe, SAE 2011, 256, 260 f. Weiter Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 588.

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teresse zu rechtfertigen ist 225. Diese Interessenabwägung bestimmt sich nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 226 : Ein (legitimes) Kollektivinteresse darf also nur auf Kosten Einzelner durchgesetzt werden, soweit die konkrete Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen ist. [3] Mitbestimmung und Arbeitsvertrag [a] Günstigkeitsprinzip. Demgegenüber kennt das BetrVG kein »betriebsverfassungsrechtliches Günstigkeitsprinzip« als eigenständige Schranke für Betriebsvereinbarungen nach dem Vorbild des § 4 Abs. 3 Var. 2 TVG. Daraus den Schluß zu ziehen, daß Betriebsvereinbarungen dem Arbeitsvertrag ausnahmslos vorgehen 227, wäre freilich übereilt: Schon die Entstehungsgeschichte des § 77 Abs. 4 BetrVG spricht eher dafür, daß der Gesetzgeber im Verhältnis von Arbeitsvertrag und Betriebsvereinbarung den Anwendungsvorrang der günstigeren Regelung unterstellt und eine ausdrückliche Regelung für überflüssig erachtet hat 228 . Vor allem aber frappierte das Ungleichgewicht gegenüber dem Tarifrecht: In der Betriebsvereinbarung ließen sich Arbeitsbedingungen unabdingbar regeln, die im nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG normativ geltenden Tarifvertrag nur als Mindestarbeitsbedingungen formuliert werden könnten. Das paßt weder zu der verfassungsrechtlich »höheren« Stellung des Tarifvertrags als eines Instruments grundrechtlich geschützter Koalitionsbetätigung noch zu der »höherwertigen«, mitgliedschaftlich-autonomen Legitimation der Tarifparteien 229. Andererseits ist der Günstigkeitsschutz des Arbeitsvertrags gegenüber der Betriebsvereinbarung nicht in demselben Maße funktional 230 zwingend wie gegenüber dem Tarifvertrag: Anders als die Gegenmachtbildung in Arbeitnehmerkoalitionen zielt die betriebliche Mitbestimmung nicht darauf, das Verhandlungsungleichgewicht der Arbeitsvertragsparteien auszugleichen; sie soll nicht die Schwäche des Arbeitnehmers als Vertragspartner kompensieren, sondern die Schwäche des Individualvertragsrechts bei der Ordnung arbeitsteiliger Organisationen 231. Primär geht es nicht um angemessene Mindestarbeits-

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Rüthers, Individualbereich, S. 25 f.; weiter Bachmann, Private Ordnung, S. 214 ff., der den Legitimationsgrund der Betriebsvereinbarung von vornherein im Vorrang des Gruppeninteresses vor dem Individualinteresse sieht. 226 Allgemein zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur Maunz/Dürig/Grzeszick, GG, Art. 20 VII Rn. 107 ff. 227 Leinemann, DB 1985, 1394, 1395; derselbe, DB 1990, 732, 735 f. Anders die ganz h. M., nur Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 141 ff. 228 Mit Nachweisen Belling, DB 1982, 2513, 2516. 229 Dazu nur Däubler, AuR 1984, 1, 10 f. 230 Zu der Frage, inwieweit das Günstigkeitsprinzip verfassungsrechtlich geboten ist, Löwisch/Rieble, TVG, Grundlagen Rn. 154 f.; ErfK/Dieterich, Art. 9 GG Rn. 63 m. w. N. 231 Bereits § 2 A.II.3., S. 52 ff.

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bedingungen 232 , sondern um nur kollektiv verhandelbare Verteilungsentscheidungen. Kollidiert eine solche Entscheidung mit einzelvertraglichen Regelungen, können diese nicht a priori Vorrang vor jener beanspruchen; die Abwägung von Individual- und Kollektivinteresse233 muß möglich bleiben. Im Tarifrecht sind solche Fälle die Ausnahme: Bei den Individualnormen und damit im zentralen Regelungsbereich des Tarifvertrags geht es nicht um Fragen der Verteilungsgerechtigkeit, sondern um solche der auf den Einzelvertrag fokussierten Austauschgerechtigkeit. Abweichungen vom Tarifniveau sind nicht nur unproblematisch, sondern durch die Normgeltung nur gegenüber den i. S. d. § 3 Abs. 1 TVG mitgliedschaftlich tarifgebundenen Arbeitnehmern gerade Programm. Eine Regelung, die von vornherein die Unterscheidung nach der Gewerkschaftsmitgliedschaft verträgt, kann sich gegen weitere Differenzierungen nach günstigeren Arbeitsvertragsbestimmungen nicht sperren. Dem betriebsverfassungsrechtlichen Normalfall näher stehen die Betriebsnormen i. S. v. § 1 Abs. 1 Var. 4 TVG, die der Betriebsvereinbarung insofern vergleichbar sind, als sie unterschiedslos für alle Arbeitnehmer eines Betriebs gelten. Auf solche außenseiterwirksamen Tarifnormen wendet die herrschende Ansicht das Günstigkeitsprinzip zwar an – aber nur, soweit diese Tarifbestimmungen material (nur) einen Mindeststandard setzen und eben deshalb Abweichungen vertragen 234 . Damit sind zwei Arten von Betriebsnormen zu unterscheiden: solche, die ein abweichungs- und damit günstigkeitsfestes Ordnungsmodell regeln, und solche, die Mindestarbeitsbedingungen festlegen, die sinnvoll nur unabhängig von der Gewerkschaftszugehörigkeit gelten können 235. Diese Unterscheidung muß schon deshalb auch für Betriebsvereinbarungen getroffen werden, weil die Betriebsnormen im Tarifvertrag hinsichtlich der regelbaren Gegenstände parallel zur nach BetrVG erzwingbaren Mitbestimmung laufen 236 und damit in wesentlichen Bereichen eben die Konfl ikte aufgreifen, die auch in Betriebsvereinbarungen geordnet werden können. Mithin hängt der Günstigkeitsschutz von Individualvereinbarungen gegenüber der (vorgehenden oder nachfolgenden) Betriebsvereinbarung vom Zweck der Kollektivregelung ab. Er verträgt entweder Abweichungen im Einzelfall oder 232 Dazu, daß der Tarifvertrag gerade Mindestarbeitsbedingungen festsetzen soll, etwa Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 474 ff. 233 In dieselbe Richtung Leinemann, DB 1990, 732, 736; weiter Franzen, NZA-Beilage 3/2006, 107, 113, der für jedes Mitbestimmungsrecht (i. S. d. § 87 Abs. 1 BetrVG) prüfen will, inwieweit die Schutz- oder die Ausgleichsfunktion der Mitbestimmung angesprochen ist. Ohnehin wird das betriebsverfassungsrechtliche Günstigkeitsprinzip de facto vielfach eingeschränkt; hierzu Kolbe, ZfA 2011, 95, 111 ff. 234 Wiedemann/Wank, TVG, § 4 Rn. 415; Däubler/Deinert, TVG, § 4 Rn. 604; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 507 ff. 235 Zu dieser zweiten Gruppe etwa Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 531 mit Beispielen dort Fn. 111. 236 Eingehend Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 449 ff.

B. Legitimation und Grenzen der Mitbestimmung

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wird vereitelt, wenn einzelne Arbeitnehmer »ausbrechen«237. Günstigkeitsfest sind damit nicht etwa nur Betriebsvereinbarungen im Bereich der Ausgleichsfunktion. Selbst wenn man Abweichungsverbote vom Kollektivvertrag nur bei drittschützenden Normen erlauben will 238 , muß auch der Drittschutz gegenüber Kunden oder der Allgemeinheit einbezogen werden 239. Konkret können einzelne Arbeitnehmer etwa als »lästig« empfundene Kollektivnormen zum betrieblichen Umweltschutz nicht auf einzelvertraglicher Basis abstreifen. Vor diesem Hintergrund kann für die Betriebsverfassung nichts daraus folgen, daß § 28 Abs. 2 Satz 2 SprAuG das Günstigkeitsprinzip ausdrücklich anordnet 240 . Das SprAuG liegt insoweit nicht etwa parallel zum BetrVG, sondern reagiert darauf, daß Arbeitsbedingungen der leitenden Angestellten allenfalls ausnahmsweise durch Tarifverträge geregelt werden 241. Die Mitbestimmung durch den Sprecherausschuß hat – im Gegensatz zu der durch den Betriebsrat – nicht die wechselseitige Verbundenheit der Arbeitnehmer im Belegschaftskollektiv im Blick, sondern ist auf Fragen beschränkt, die auch im Arbeitsvertrag geregelt werden könnten 242 . Damit steht § 28 SprAuG funktional der Mitbestimmung im Tarifvertrag nahe243 , ordnet – insoweit vergleichbar § 19 HAG 244 – eine Art »korporatistischen Notstand« an. Das SprAuG verweist die Regelung selbst des arbeitsvertraglichen Synallagmas245 an eine nicht mandatarisch, sondern gesetzlich legitimierte Kollektivvertretung der Leitenden sowie den Arbeitgeber. Diese verfassungsrechtlich bedenkliche Ausnahmeregelung in dem grundsätzlich um den freien Austauschvertrag aufgebauten deutschen Arbeitsrecht 246 erzwingt das Günstigkeitsprinzip als freiheitsschützendes Korrektiv geradezu.

237 Mit Blick auf Betriebsnormen im Tarifvertrag Däubler/Deinert, TVG, § 4 Rn. 604; zu zurückhaltend demgegenüber Wiedemann/Wank, TVG, § 4 Rn. 415, der nur auf die betriebseinheitliche Geltung abstellt. 238 Für Betriebsnormen im Tarifvertrag Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 510. 239 Demgegenüber läßt Belling, DB 1982, 2513, 2516 nur die »Rechtspositionen anderer Arbeitnehmer« als Grenze des Günstigkeitsschutzes gelten. 240 Anders freilich Franzen, NZA-Beilage 3/2006, 107, 113. 241 Hromadka/Sieg, SprAuG, § 28 Rn. 17 leiten aus dem weitestgehend fehlenden Tarifschutz ab, daß Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Sprecherausschuß nicht analog § 77 Abs. 3 BetrVG am Tarifvorbehalt scheitern können. 242 Hromadka/Sieg, SprAuG, § 28 Rn. 9; ErfK/Oetker, § 28 SprAuG Rn. 3 f. 243 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 88 Rn. 1. 244 Zu den bindenden Festsetzungen des Heimarbeitsausschusses BVerfG [Senat] v. 27. 2. 1973, 2 BvL 27/69, BVerfGE 34, 307 = NJW 1973, 1320 – B.II.4. der Gründe. 245 Dazu, daß die Vereinbarungen des Sprecherausschusses unter anderem die Gehaltshöhe kollektivrechtlich ordnen können, ErfK/Oetker, § 28 SprAuG Rn. 3; eingehend derselbe, BB 1990, 2181 ff. 246 Zu dieser vertragszentrierten Konzeption E. Picker, RdA 2001, 259, 270 und dort Fn. 91.

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[b] Keine »Vergesellschaftung« des Arbeitsvertrags. Freilich darf das Verhältnis von betrieblicher Mitbestimmung nach BetrVG und Arbeitsvertrag nicht in die Beliebigkeit einer Einzelfallabwägung zwischen Individual- und Kollektivinteressen verabschiedet werden. Auch bei einer Regelung multilateraler Verteilungskonfl ikte muß gewährleistet bleiben, daß der Arbeitsvertrag als Rechtsgrundlage der Berufstätigkeit des Arbeitnehmers privatautonom legitimiert ist und nicht durch korporative Regelungen ersetzt wird 247. So mag der Betriebsrat gemeinsam mit dem Arbeitgeber entscheiden, wie die zur Verfügung gestellten Mittel für Sozialleistungen zugewiesen werden, es gibt aber kein »betriebliches Arbeitskontingent«, das heteronom durch Betriebsvereinbarung an die einzelnen Arbeitnehmer verteilt werden könnte. Generell ist die Mitbestimmung dann problematisch, wenn Betriebsvereinbarungen das synallagmatische Austauschverhältnis des Arbeitsvertrags bestimmen – von der Höhe des Entgelts bis zum Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung. Die Mitbestimmung durch Tarifvertrag muß eben deshalb mandatarisch – durch freiwilligen Beitritt zur tarifschließenden Koalition (und für den Einzelarbeitgeber zudem durch individuelle Zustimmung zum Tarifvertrag) – und also privatautonom legitimiert sein, weil sie in erster Linie auf das arbeitsvertragliche Synallagma bezogen ist 248 . Das erlaubt aber nicht den apodiktischen Umkehrschluß, daß die nicht »von unten« legitimierte Betriebsverfassung auf essentialia des Arbeitsvertrags keinen Zugriff haben dürfte249. Mitbestimmung mit Blick auf das arbeitsvertragliche Synallagma oder noch weitergehend auf »materielle« Arbeitsbedingungen 250 auszuschließen, ist mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren. Sogar die erzwingbare Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten erstreckt sich auf materielle Arbeitsbedingungen – etwa bei § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG 251. Zudem müssen Sozialleistungen, die das arbeits- und/oder tarifvertraglich vorgezeichnete Äquivalenzverhältnis verschieben, auch auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung zugesagt werden können: Es wäre ein Wertungswiderspruch, könnten Arbeitgeber und Betriebsrat ihrer Belegschaft zwar durch Betriebsvereinbarung kostenfreie Verpflegung über eine Kantine als betriebliche Sozialeinrichtung i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zuwenden 252 , nicht aber eine Sondervergütung, die die Verpflegungskosten abdecken soll. 247

Bereits 1., S. 184. E. Picker, RdA 2001, 259, 270 und dort Fn. 91. 249 So aber Franzen, NZA-Beilage 3/2006, 107, 110 f. 250 Hieran orientiert beschränkt eine (ältere) Ansicht den Vorrang der Betriebsvereinbarung vor Individualabreden auf »formelle« Arbeitsbedingungen; etwa Canaris, AuR 1966, 129, 131, der sich insoweit auf die »Ordnungsfunktion« der Betriebsvereinbarung beruft. 251 Müller-Franken, Befugnis, S. 238 f. 252 Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Kantinenpreise festgesetzt werden, ist keine Frage der Dotierung, sondern unterliegt der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG; GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn. 711 m. w. N. 248

B. Legitimation und Grenzen der Mitbestimmung

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[c] Zentral: §§ 77 Abs. 3, 88 BetrVG. Aus dieser Perspektive sichert § 77 Abs. 3 BetrVG einen »vergesellschaftungsfesten« Kern der Arbeitsverhältnisse253 gegen Betriebsräte, die als »beitragsfreie Ersatzgewerkschaften«254 im Betrieb auftreten und mit dem Arbeitgeber auch konkrete Entgelte aushandeln wollen. Aber auch jenseits des Tarifvorbehalts – etwa im Rahmen von Öffnungsklauseln 255 oder für die tariffreien Arbeitsverhältnisse von außertarifl ichen Arbeitnehmern – können nicht sämtliche materiellen Arbeitsbedingungen durch Betriebsvereinbarungen geregelt werden: § 88 BetrVG erlaubt die freiwillige Betriebsvereinbarung in sozialen Angelegenheiten. Das BetrVG gestattet zwar verschiedentlich Betriebsvereinbarungen außerhalb dieses Bereichs (z. B. in §§ 3 Abs. 2, 95 Abs. 1 Satz 1256 BetrVG), läßt die Betriebsvereinbarung als Regelungsinstrument dann aber ausdrücklich zu, und belegt gerade damit, daß die Generalklausel des § 88 BetrVG nur für soziale Angelegenheiten gelten soll 257. Die rechtlich gebotene Unterscheidung von sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten angesichts »fl ießend[er]« Grenzen zu ignorieren 258 oder den qua freiwilliger Betriebsvereinbarung gestaltbaren Regelungsbereich primär an einem Umkehrschluß zu § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG statt richtig an § 88 BetrVG festzumachen 259, verbietet sich nicht nur, weil der seiner systematischen Stellung nach auf soziale Angelegenheiten beschränkte § 88 BetrVG 260 damit jedes Regelungsgehaltes beraubt würde. Die Betriebsvereinbarung derart »auszuweiten« gefährdet auch die privatautonome Legitimation des Arbeitsvertrags als Grundlage der Berufstätig253 Aus dieser Perspektive setzt § 77 Abs. 3 BetrVG also eine Vorgabe des Grundgesetzes um. Demgegenüber konzentriert sich die juristische Diskussion auf die Frage, ob § 77 Abs. 3 BetrVG durch Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich geboten ist; dafür etwa Dieterich, RdA 2002, 1, 12 ff.; Hess/Schlochauer/Glock/Worzalla/Nicolai, BetrVG, § 77 Rn. 98 ff., 101; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde/Berg, BetrVG, § 77 Rn. 127; einschränkend Friese, Kollektive Koalitionsfreiheit, S. 397 ff.; Richardi, Betriebsverfassung, S. 16 ff.; Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 77 Rn. 69; dagegen GK-BetrVG/Kreutz, § 77 Rn. 80 m. w. N. 254 Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 77 BetrVG Rn. 25. 255 Die Öffnungsklausel delegiert keine Regelungskompetenzen der Tarifparteien an Betriebsräte, sondern eröffnet diesen nur die Möglichkeit, ihre gesetzlichen Kompetenzen mit Blick auf die angesprochenen Materien auszuüben. Eingehend hierzu Rieble, ZfA 2004, 405 ff. 256 Der Betriebsvereinbarungs-Charakter der (schriftlich fi xierten) Auswahlrichtlinien i. S. d. § 95 Abs. 1 BetrVG ist umstritten; dafür ErfK/Kania, § 95 BetrVG Rn. 5: »regelmäßig«; dagegen Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 95 BetrVG Rn. 3. 257 Strittig; zum Meinungsstand etwa GK-BetrVG/Wiese, § 88 Rn. 10 mit umfassenden Nachweisen. 258 BAG (GS) v. 7. 11. 1989, GS 3/85, BAGE 63, 211 = NZA 1990, 816 – zu C.I.2.a) der Gründe. 259 Etwa GK-BetrVG/Kreutz, § 77 Rn. 85 mit umfangreichen Nachweisen; offenbar auch BAG v. 12. 12. 2006, 1 AZR 96/06, BAGE 120, 308 = NZA 2007, 453 – Rn. 14. 260 Zur systematischen Auslegung von § 88 BetrVG Rieble, NZA 2003, 1243, 1245; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 88 BetrVG Rn. 1; GK-BetrVG/Wiese, § 88 Rn. 10.

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keit der Arbeitnehmer. Der Individualvertrag würde umfassend für die Gestaltung durch heteronom-korporative Regelungen geöffnet. Zulässig ist diese Gestaltung indes nur in Angelegenheiten mit Kollektivbezug 261, die die wechselseitige Verbundenheit der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen: mithin in gemeinschaftsbezogenen, eben »sozialen« Angelegenheiten. In der Sache soll die Betriebsvereinbarung vor allem die zwingende Regelung von Verteilungsfragen ermöglichen, in denen Gleichbehandlung 262 im Kollektiv vor individuellem Vertragserfolg geht 263 . Daran wird zweierlei sichtbar: Erstens muß das Günstigkeitsprinzip gegenüber solchen Verteilungsentscheidungen zurückstehen. Weiter sind Individualregelungen ohne Gemeinschafts- und insbesondere Gleichbehandlungsbezug wegen § 88 BetrVG der Betriebsvereinbarung entzogen. Zu diesen Fragen rechnen nicht pauschal sämtliche essentialia des Arbeitsvertrags und nicht pauschal das arbeitsvertragliche Austauschverhältnis, grundsätzlich 264 aber die Festsetzung des originär geschuldeten Arbeitsentgelts. Insoweit verbietet die Vertragsfreiheit (bestätigt und geschützt durch das Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG) eine schematische Gleichbehandlung 265 nach dem Prinzip »gleicher Lohn für gleiche Arbeit«. Das (Kern-)Arbeitsentgelt leistet der Arbeitgeber (rechtlich) nicht aus einem verteilungsbedürftigen Gesamtvolumen 266 , sondern er darf gerade qua Arbeitskampf gezwungen werden, weitere Mittel zur Verfügung zu stellen. Fehlt es i.d.S. an dem betriebsverfassungsrechtlich zentralen Gleichheitsbezug, können auch durch Tarifvertrag oder (freiwillige) Betriebsvereinbarung erweiterte Mitbestimmungsrechte nicht durch Betriebsvereinbarung ausgefüllt werden. So können zwar nach überwiegender Ansicht sowohl die Tarifparteien als auch die Betriebspartner den Katalog des § 87 Abs. 1 BetrVG um zusätzliche Angelegenheiten ergänzen 267. Sie sind dabei aber auf soziale Angelegenheiten beschränkt 268 , dürfen insbesondere keine Regelungsbefugnisse zu 261

Zur Beschränkung der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG auf »kollektive Tatbestände« GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn. 15 ff.; dagegen etwa Waltermann, Rechtsetzung, S. 237 ff. 262 Treffend Richardi, ZfA 2008, 31, 35 f.: Gleichbehandlung als »Magna Charta der Betriebsverfassung«. 263 Ähnlich Wiese, ZfA 2000, 117, 126: Einschränkung der individuellen Vertragsfreiheit »bei kollektiven Tatbeständen«. 264 Ausnahmen sieht das BAG bei »allgemeinen« Entgelterhöhungen, mit denen der Arbeitgeber schematisch und generalisierend einer Gruppe von Arbeitnehmern in der Sache eine freiwillige Leistung zuwendet. Etwa BAG v. 9. 11. 1972, 5 AZR 224/72, BB 1973, 245 = DB 1973, 432 – zu 3. der Gründe; v. 4. 2. 1976, 5 AZR 83/75, BAGE 28, 14 = BB 1976, 744 – zu 2.b) der Gründe. Vgl. aktuell BAG v. 21. 9. 2011, 5 AZR 520/10, NZA 2012, 31 – Rn. 18. 265 Nur MünchArbR/Richardi, § 9 Rn. 47. 266 Caspers, FS Löwisch, S. 45, 52; dazu noch Wiedemann/Thüsing, TVG, § 1 Rn. 749a. 267 Mit umfassenden Nachweisen zum Meinungsstand GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn. 7 ff. 268 Dezidiert GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn. 13.

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Lasten des einzelnen Arbeitnehmers begründen 269. Nur die Engführung der Betriebsvereinbarung auf Angelegenheiten mit Gemeinschaftsbezug entspricht dem Teilhabezweck der Betriebsverfassung, die eben nicht das Ungleichgewicht der Arbeitsvertragsparteien kompensiert. Sollte der Betriebsrat (auch) Lohnpolitik im Betrieb machen, wäre es angesichts des durch das TVG belegten Schutzbedürfnisses der Arbeitnehmer nachgerade sinnwidrig, daß das BetrVG die Verhandlungsposition des Betriebsrats und damit die der Arbeitnehmer im Bereich des arbeitsvertraglichen Austauschverhältnisses so schwach anlegt: Entgelt(höhe) und (regelmäßige) Arbeitszeit fallen nicht unter die erzwingbare Mitbestimmung 270 . Mit Rücksicht auf das Kampfverbot in § 74 Abs. 2 BetrVG bliebe dem Betriebsrat allenfalls der Koppelungsdruck als Verhandlungsmasse. Auch deshalb verbietet es sich, die Betriebsvereinbarung als »betriebsbezogenen Tarifvertrag« mit Außenseiterwirkung zu instrumentalisieren. Das gilt – entgegen dem BAG 271 – auch mit Blick auf tariffreie Arbeitsverhältnisse. Hier erlaubt das BetrVG nur die Regelungsabrede, auf die freilich in den Arbeitsverträgen Bezug genommen werden kann 272 . Will der Gesetzgeber eine i.d.S. »tarifersetzende« Mitbestimmung, müßte er sie – etwa nach dem Vorbild des SprAuG 273 – ausdrücklich anordnen und vor dem Grundgesetz rechtfertigen. Ersteres ist politisch nicht zu erwarten, Letzteres schon mit Blick auf Art. 9 Abs. 3 GG aussichtslos274 . d. »Selbstverwaltungsbereich« der Belegschaft Für die »Arbeitnehmer-Selbstverwaltung« in der Betriebsverfassung 275 ist der zunächst auf den Betriebsrat bezogene Regelungsbereich von Mitbestimmungswirkungen zu scheiden, die unmittelbar die individuelle Rechtsposition der Arbeitnehmer ändern. [1] Betriebsratsinterner Bereich Soweit es um die »Selbstverwaltung des Betriebsrats« geht, etwa um die Regelung der Geschäftsordnung durch Mehrheitsbeschluß nach §§ 26 ff., 36 BetrVG, reicht das BetrVG als Rechts- und Legitimationsgrundlage unproblema269 Richardi, BetrVG, Einleitung Rn. 140: »Die Betriebsvereinbarung bleibt in das Konzept des Gesetzes eingefügt.« [Hervorhebung im Original.] 270 Zur Höhe des Entgelts GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn. 808 ff. m. w. N.; zur Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit MünchArbR/Matthes, § 245 Rn. 1, § 244 Rn. 1 ff. 271 Vgl. BAG v. 20. 2. 2001, 1 AZR 322/00, NZA 2001, 1204 = DB 2001, 2253: »Tarifvertragsähnliche« Betriebsvereinbarung (u. a.) über die Entgelte für Gewerkschaftsbeschäftigte. 272 Zur arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf Regelungsabreden Rieble/Schul, RdA 2006, 339, 341. 273 Hierzu soeben [a], S. 197. 274 Hierzu die Nachweise § 2 Fn. 508. 275 Zu dem Element einer Selbstverwaltung der Arbeitnehmer im Rahmen der Betriebsverfassung § 2 C.II.3., S. 127 ff.

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tisch aus. Zu den Rechten der Arbeitnehmer verhält sich die Mitbestimmung insoweit neutral; gleiches gilt mit Blick auf die Rechte des Arbeitgebers. Belegen läßt sich das am Beispiel der Betriebskantine als betrieblicher Sozialeinrichtung i. S. v. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, die der Betriebsrat allein verwaltet: Den Arbeitgeber belastet insoweit nicht die Mitbestimmung fi nanziell, sondern die eigene – mitbestimmungsfreie 276 – Entscheidung, eine Kantine einzurichten und mit Mitteln auszustatten. Demgegenüber sind die Kosten der Verwaltung der Einrichtung durch den Betriebsrat (etwa nach § 40 Abs. 2 BetrVG vom Arbeitgeber zu stellende notwendige Sachmittel) vernachlässigbar. Aus der Sicht einzelner Arbeitnehmer mögen die Benutzungsgrundsätze der Einrichtung mehr oder weniger vorteilhaft sein. Solange ihnen kein individualrechtlicher Anspruch auf eine bestimmte Nutzung eingeräumt worden ist, ergibt sich durch die entsprechende (Verwaltungs-)Entscheidung des Betriebsrats ihnen gegenüber aber kein Legitimationsproblem. [2] Mitbestimmungslasten für Arbeitnehmer Daneben eröffnet die betriebliche Mitbestimmung Regelungsmöglichkeiten jenseits des arbeitsvertraglich Festgelegten. Weil der Arbeitgeber – sieht man vom Koppelungsdruck ab – nicht gezwungen werden kann, diese zusätzlichen Optionen gemeinsam mit dem Betriebsrat wahrzunehmen, ergibt sich hieraus aus seiner Sicht weder ein Legitimationsproblem noch können entsprechende Vereinbarungen seine Rechte beeinträchtigen 277. Auf die Arbeitnehmer-Seite läßt sich diese Wertung nicht spiegeln: Daß Regelungen im »Selbstverwaltungsbereich« der (nicht ersetzbaren) Zustimmung des Betriebsrats bedürfen, bedeutet keine hinreichende Rechtfertigung für mögliche Lastwirkungen. Die Mitbestimmungsteilhabe bietet keine eigenständige, »demokratische« Legitimationsgrundlage für heteronome Lastwirkungen, weil demokratische Legitimation – auch und gerade in Selbstverwaltungseinheiten – nicht aus partizipativer Willensbildung »von unten nach oben« folgt, sondern aus der Rückkopplung einer Entscheidung an den Willen des gesamten Volkes278 . Ebensowenig kompensieren die Teilhaberechte, daß die Arbeitnehmer zwangsweise in ein System eingeordnet sind, das nicht nur bestehende Vertragspfl ichten aktualisiert, sondern auch heteronome Lasten erzeugen kann. Wer das anders sehen will, darf auch die Pfl ichtmitgliedschaft in berufsständischen Kammern (als solche) nicht als Grundrechtseingriff werten, weil mit der Zwangsmitgliedschaft lediglich (Teilhabe-)Rechte zugewiesen würden 279. 276

Statt aller Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 87 BetrVG Rn. 48. Nur insoweit gilt also mit Linsenmaier, RdA 2008, 1, 5: »Volenti non fit iniuria.« [Hervorhebung im Original.] 278 Eingehend § 2 B.I.3.c., S. 82 ff. 279 So für die funktionale Selbstverwaltung Kluth, Verw 35 (2002), 349, 354; eingehend derselbe, Selbstverwaltung, S. 298 ff. Mit Recht anders das BVerfG in ständiger Rechtspre277

B. Legitimation und Grenzen der Mitbestimmung

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In der Konsequenz gilt mit Blick auf die betriebliche Mitbestimmung als »Selbstverwaltung der Belegschaft« wie für deren vertragsrechtsakzessorische Komponente, daß privatheteronome Wirkungen der Mitbestimmung durch den Staat legitimiert werden müssen und durch das BetrVG (ausreichend) legitimiert sind. Zwar läßt sich anstelle der Kollektiventscheidung durch (Arbeitgeber und) Betriebsrat vielfach eine gesetzliche Vollregelung denken: Hinter dem Interessenausgleich mit Namensliste i. S. v. § 1 Abs. 5 KSchG, § 125 InsO stehen ohnehin Kündigungsschutz und Sozialauswahl i. S. d. § 1 Abs. 3 KSchG, und auch die Zustimmungsverweigerungsgründe des § 99 Abs. 2 BetrVG könnten als Einstellungsverbote gefaßt werden. Läßt das Gesetz jedoch Regelungsspielräume, weil die »Betroffenen« dezentral sachnahe und mutmaßlich sachgerechte Entscheidungen erarbeiten sollen, können und müssen die Inhalte dieser Entscheidungen mit Rücksicht auf die privatrechtliche Qualität der Betriebsverfassung nicht demokratisch strukturiert und legitimiert werden 280 . Soweit das BetrVG die Befugnisse des Betriebsrats im »eigenen Wirkungskreis« der Belegschaft nicht ohnehin näher beschreibt und zugleich begrenzt (etwa in § 99 Abs. 2 BetrVG), bedarf es (etwa für freiwillige Betriebsvereinbarungen in sozialen Angelegenheiten) keiner konkreten Ermächtigung für arbeitnehmerbelastende Mitbestimmungswirkungen 281. Vielmehr kommt es auch insoweit auf die Innenschranken der Betriebsvereinbarung an, in erster Linie auf die Verhältnismäßigkeitskontrolle nach § 75 BetrVG. Schreibt das Gesetz eine (potentiell) arbeitnehmerschädliche Mitbestimmungskompetenz ausdrücklich vor, bleibt – etwa bei der mit einem Interessenausgleich verbundenen Namensliste – indes nurmehr Raum für eine Mißbrauchskontrolle282 . Umgekehrt erübrigen besondere Beschränkungen der Mitbestimmungskompetenz jede Verhältnismäßigkeitsabwägung. Am Beispiel einer Jubiläumsgeldkasse als betrieblicher Sozialeinrichtung: Bleibt die Kostenlast im Rahmen der Verhältnismäßigkeit, könnte qua (freiwilliger283 ) Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG auch eine arbeitnehmerfi nanzierte betriebliche Sozialeinrichtung eingerichtet werden. Eine solche Kollektivregelung scheitert nicht etwa mangels gesetzlicher Belastungsermächtigung, sondern am Umlageverbot des § 41 chung, etwa BVerfG [Kammer] v. 7. 12. 2001, 1 BvR 1806/98, NVwZ 2002, 335 = DB 2002, 527 – »IHK-Zwangsmitgliedschaft« sub B.II.2. der Gründe m. w. N.; ebenso Maunz/ Dürig/Di Fabio, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 22. 280 Mithin gilt das b.[3], S. 191 ff. Gesagte. 281 Entgegen Richardi, ZfA 1992, 307, 320 ff. läßt sich also auch nicht sagen, daß nur die erzwingbaren Mitbestimmungsrechte eine Regelungskompetenz des Betriebsrats zu Lasten der Arbeitnehmer einschließen. 282 Einen Anwendungsfall für diese reduzierte Kontrolle skizziert Lobinger, Vermögensbetreuungspfl icht, S. 99 ff. Rn. 31: Namensliste nur für nicht bzw. »falsch« organisierte Arbeitnehmer. 283 Der Normzweck des erzwingbaren Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG (zu ihm etwa GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn. 676) ist nicht angesprochen, weil es nicht um die gerechte Verteilung vom Arbeitgeber gewährter Leistungen geht.

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§ 3 Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung

BetrVG, das eine aus Beiträgen der Arbeitnehmer gespeiste Betriebsratskasse selbst dann untersagt 284 , wenn die Mittel freiwillig eingezahlt werden 285. Die aus normativ eingeforderten Pfl ichtbeiträgen fi nanzierte Sozialkasse muß dann ebenfalls unzulässig sein. 3. BetrVG als Legitimation und Grenze der Betriebsvereinbarung Zusammengefaßt legitimiert das BetrVG als staatliches Gesetz private Rechtsetzung in Betriebsvereinbarungen – und zieht ihr zugleich Grenzen. Weil es in der Betriebsverfassung im Gegensatz zur funktionalen Selbstverwaltung des öffentlichen Rechts nicht um eine Delegation hoheitlicher Rechtsetzungsmacht geht, sind Umfang und Schranken der Betriebsvereinbarung keine Frage der inhaltlich-demokratischen Legitimation, sondern vielmehr Grundrechtsproblem. Der Gesetzgeber muß seiner Schutzpflicht für die Grundrechte der Normunterworfenen im Betrieb nachkommen, indem er den gesetzlichen Anerkennungsbefehl in § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG, der die Betriebsvereinbarung zur Rechtsnorm macht, mit begleitenden Schutzvorschriften kombiniert. Zentrales Korrektiv ist insoweit die Verhältnismäßigkeitskontrolle nach § 75 BetrVG, aber auch die §§ 77 Abs. 3, 88 BetrVG gehören in diesen Zusammenhang: Daß die Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG in Arbeitnehmerrechte eingreifen darf, heißt nicht, daß jedwede Regelung in einer Betriebsvereinbarung getroffen werden dürfte. Nur den Privatbereich der Arbeitnehmer von normativen Mitbestimmungsregelungen auszunehmen 286 , reicht nicht aus. Erst die Beschränkung der Betriebsvereinbarung auf kollektive Verteilungsfragen, auf soziale Angelegenheiten mit Gemeinschafts- und Gleichbehandlungsbezug, sichert die Berufs- und Vertragsfreiheit der Arbeitnehmer gegen die verfassungswidrige Vergesellschaftung ihrer Arbeitsverträge. Auch das »Selbstverwaltungs-Element« der Betriebsverfassung ist über das staatliche Gesetz ausreichend legitimiert. Es fußt gleichfalls auf dem Sozialstaatsprinzip. Weder verlangt das Gebot der demokratischen Legitimation staatlicher Entscheidungen eine detaillierte Programmierung betriebsverfassungsrechtlicher Entscheidungen im Gesetz, noch müßten arbeitnehmerschädliche Wirkungen der betrieblichen Mitbestimmung »ergänzend« durch deren Partizipation gerechtfertigt werden. Das spricht nicht gegen die partielle »Selbstverwaltungsnähe« der Betriebsverfassung, sondern entspricht der 284 Richardi/Thüsing, BetrVG, § 41 Rn. 8: selbst wenn aus der Kasse nur sozialadäquate Geschenke an Kollegen fi nanziert werden sollen (z. B. zum Dienstjubiläum); Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 41 Rn. 9 m. w. N. Zurückhaltender BAG v. 22. 4. 1960, 1 ABR 14/59, AP Nr. 1 zu § 2 ArbGG 1953 Betriebsverfassungsstreit = BB 1960, 862. 285 Richardi/Thüsing, BetrVG, § 41 Rn. 2 dazu, daß es nicht darauf ankommt, ob die verbotene Umlage freiwillig gezahlt wird. 286 Vgl. Linsenmaier, RdA 2008, 1, 6 f. m. w. N.

C. Mitbestimmungszwecke

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»Ausnahme-These«, nach der die öffentlichrechtliche funktionale Selbstverwaltung ihre Legitimation als »demokratischer Ausnahmefall« gleichfalls allein aus dem Parlamentsgesetz bezieht 287.

C. Mitbestimmungszwecke Vor dem Hintergrund der ermittelten verfassungsrechtlichen Wertungsgrundlagen und Schranken der Mitbestimmung sollen im Folgenden deren Zwecke ermittelt und bewertet werden.

I. Betriebsverfassung Dem Betriebsverfassungsrecht geht es nach herrschender Auffassung zunächst um den Schutz der Arbeitnehmer 288 . Daneben ist ein eigenständiger Teilhabezweck jedenfalls überwiegend anerkannt 289, zudem wird die Ausgleichsfunktion der betrieblichen Mitbestimmung den Mitbestimmungszwecken zugeschlagen 290 . Überwiegend abgelehnt wird (wenigstens heute) ein eigenständiger Ordnungszweck der Betriebsverfassung, gerichtet auf Vereinheitlichung und Rationalisierung der Arbeitsbedingungen im Betrieb291. 1. Schutzzweck a. Formelles »Schutz«-Konzept Der Schutzzweck der betrieblichen Mitbestimmung deckt sich mit der funktionalen Ausrichtung der Betriebsverfassung auf die Beschränkung und Kontrolle der »Arbeitgeber-Macht«. Diese Kontrolle – und damit der Arbeitnehmerschutz – werden durch verfahrensmäßige Beteiligung des Betriebsrats realisiert. Dabei ist der »Schutz durch Verfahren« nicht von den Rechten der Arbeitnehmer her konzipiert, insbesondere nicht »grundrechtlich fundiert«292 , sondern verhindert (nur) willkürliche Entscheidungen des Arbeitgebers, vor allem im Rahmen der Direktionsrechtsausübung 293 . Anders gewendet be287

Hierzu § 2 B.I.3.c., S. 82 ff. Statt vieler MünchArbR/Richardi, § 3 Rn. 38; Wiebauer, Sicherung der Mitbestimmung, Rn. 337 ff. – jeweils m. w. N. Die Gegenmeinung vertritt etwa Gast, BB 1986, 1513, 1518: die Selbsthilfe-Chancen der Teilhabe auf betrieblicher Ebene schlössen einen Schutzzweck aus. 289 Dazu etwa Franzen, NZA-Beilage 3/2006, 107; weitere Nachweise bei GK-BetrVG/ Wiese, Einleitung Rn. 79. 290 H. Hanau, Individualautonomie, S. 110. 291 Hierzu mit umfangreichen Nachweisen Wiebauer, Sicherung der Mitbestimmung, Rn. 353 ff. 292 A.II., S. 165 ff. 293 Dazu etwa Franzen, NZA-Beilage 3/2006, 107; Wiebauer, Sicherung der Mitbestim288

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§ 3 Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung

zweckt die Betriebsverfassung keinen inhaltlichen Schutz gegen bestimmte Entscheidungen, sondern verhindert nur eine bestimmte Methode der Entscheidungsfi ndung 294 . Auch in Fällen der erzwingbaren Mitbestimmung kann das Ergebnis des Mitbestimmungsverfahrens darin liegen, daß der Vorschlag des Arbeitgebers uneingeschränkt vom Betriebsrat unterstützt wird. Eine materielle Beschränkung des Weisungsrechts kennt zwar das Individualarbeitsrecht 295 , nicht aber das Mitbestimmungsrecht 296 . Daß der Betriebsrat richtiger Ansicht nach an den Normzweck der jeweils eröffneten Mitbestimmungsrechte gebunden ist 297, besagt nichts Gegenteiliges: Jene Bindung zielt nicht darauf, eine Mitbestimmungsentscheidung inhaltlich zu programmieren, sondern meint (nur) das Verbot an den Betriebsrat, sein »Mitbestimmungs-Ermessen« an sachfremden Erwägungen auszurichten. Echte inhaltliche Programmierung verbietet sich schon deshalb, weil die Mitbestimmung des Betriebsrats in erster Linie Regelungsfragen betrifft, die mangels entsprechender rechtlicher Vorgaben nicht falsch oder richtig, sondern nur mehr oder weniger zweckmäßig entschieden und nur anhand anderer – notwendig subjektiver – Einschätzungen kontrolliert werden können 298 . Eben deshalb ist die (noch am ehesten) passende staatsrechtliche Metapher für die Betriebsverfassung die der konstitutionellen Monarchie299, die ebenfalls auf Kontrolle und Beschränkung der zuvor absoluten Willkürherrschaft des Monarchen zielt. Der »Schutzzweck« des BetrVG läßt sich vor diesem Hintergrund präziser als »Kontrollzweck« erfassen. Er steht im Vordergrund, wenn das Mitbestimmungsverfahren ausnahmsweise Rechtsfragen betrifft; Beispiel ist das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats bei der Ein- und Umgruppierung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG300 . Als Leitbild der Betriebsverfassung taugt der Arbeitnehmerschutz freilich nicht, jedenfalls heute nicht mehr: Angesichts der – teilweise sogar explizit – erlaubten Mitbestimmungslasten für Arbeitnehmer mung, Rn. 356; Haug, Direktion, S. 40 f. Reichold, Betriebsverfassung, S. 476 spricht von einer »Einschränkung der Macht des Arbeitgebers zur Betriebsgestaltung«. 294 Entgegen v. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 23 geht es material also nicht etwa um eine Art »Arbeitsschutz«, sondern ganz zentral um Mitbestimmung(steilhabe). 295 Diese Beschränkung regelt § 106 GewO, der freilich auch insoweit nur die ohnehin bestehende Rechtslage wiedergibt; dazu etwa Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Klebeck/ Kolbe, Arbeitsrecht, § 106 GewO Rn. 3 m. w. N. 296 Dazu, daß das BetrVG keine inhaltlichen Maßstäbe setzt, sondern »nur« prozedurale, etwa Wiebauer, Sicherung der Mitbestimmung, Rn. 341 m. w. N. Reichold, Betriebsverfassung, S. 434 sieht hier eine Stärke des Regelungsansatzes, mit dem der Staat »die Selbstbestimmung und Selbstverantwortung seiner Bürger stärken« wolle. 297 Eingehend unter D.III., S. 275 ff. 298 Zur Unterscheidung von Rechts- und Regelungsfragen MünchArbR/Joost, § 232 Rn. 82 ff. 299 Bereits § 2 C.I.3., S. 113 f. 300 Zur Kontrollfunktion des Betriebsrats in diesen Fällen GK-BetrVG/Raab, § 99 Rn. 41 (mit Blick auf die Eingruppierung).

C. Mitbestimmungszwecke

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kann der Schutzzweck nicht zur allein maßgeblichen oder auch nur zentralen Größe erhoben werden. b. Schutz durch Teilhabe? Vielmehr ist der Schutzzweck notwendig um den Teilhabezweck der betrieblichen Mitbestimmung zu ergänzen: Franzen301 formuliert diesen Teilhabezweck mit Blick auf diejenigen Beteiligungsrechte, welche über die verfahrensrechtliche Einfassung des Arbeitgeber-Direktionsrechts hinausweisen. Überwiegend wird dem Teilhabezweck indes die Eigenständigkeit gegenüber dem Schutzzweck abgesprochen: Die h. M. sieht in der Teilhabe »lediglich das Mittel des Arbeitnehmerschutzes«302 . Durch die Teilhabe werde »zugleich der Schutz verwirklicht«303 . Dieser »Schutz durch Teilhabe«304 materialisiert die nur formale Ausrichtung des Schutzzwecks indes nicht: Es geht auch in diesem Kontext nur darum, die Alleinentscheidung des Arbeitgebers zu verhindern, nicht aber um ein bestimmtes Ergebnis des Mitbestimmungsverfahrens. Machtausübung wird nicht verhindert, sondern »bürokratisiert«305. I.d.S. darf sich der Arbeitnehmer auch durch stark belastende Betriebsvereinbarungen bestens »geschützt« fühlen 306 . Daß sich der Arbeitnehmer durch die Teilhabe »vom schutzbedürftigen Objekt zum mitwirkenden Subjekt bei der Gestaltung arbeitsrechtlicher Beziehungen« entwickelt 307, kann aus der Perspektive des Einzelnen nicht (nur) Interessenschutz sein, sondern (auch) »soziale Vormundschaft«308 . 2. Teilhabezweck Aus dieser Perspektive lassen sich sogar Zweifel formulieren, ob überhaupt von einem Arbeitnehmerschutz-Zweck der Betriebsverfassung auszugehen ist: Die betriebliche Mitbestimmung ist einerseits ein Verfahren, in dem bereits bestehende Vertragspfl ichten aktualisiert und konkretisiert werden. Weil und soweit 309 die Pfl ichtenlage im dynamischen Nebeneinander von Menschen in 301

NZA-Beilage 3/2006, 107. Mit umfangreichen Nachweisen Wiebauer, Sicherung der Mitbestimmung, Rn. 352. 303 Wiese, FS Kissel, S. 1269, 1282. 304 BAG (GS) v. 3. 12. 1991, GS 2/90, BAGE 69, 134 = NZA 1992, 749 – C.II.1.a. der Gründe. 305 Scheuch, Demokratisierungsprozess, S. 92. 306 Vgl. Wiese, FS Kissel, S. 1269, 1282, der hieraus »einen Vorrang des Teilhabegedankens gegenüber dem Schutzgedanken« ableiten will. 307 Wiese, ZfA 1996, 439, 474. 308 Rieble, Mitbestimmung, S. 9 ff. Rn. 10. 309 Freilich kommen dem Betriebsrat auch – beschränkte – Überwachungsaufgaben mit Blick auf bestehende und bereits ausdefi nierte Arbeitnehmerrechte zu; dazu Rieble, Führungsrolle, S. 9 ff. Rn. 70. Angesprochen sind dabei etwa § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und das Mitbeurteilungsrecht bei der Ein- oder Umgruppierung nach § 99 BetrVG. 302

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der arbeitsteiligen Organisation nicht ausdefi niert ist 310 , sondern der Konkretisierung bedarf, geht es dabei nicht um den Schutz bestehender Rechte, die der Arbeitnehmer individualrechtlich bereits durchsetzen könnte, sondern um den Einfluß auf Regelungs- und also Zweckmäßigkeitsentscheidungen 311. Im typischen Fall der mitbestimmten Regelungsfragen wird die Rechtsposition der Arbeitnehmer nicht geschützt, sondern erweitert. Schon daher muß der Teilhabezweck der Betriebsverfassung ein gegenüber dem »Schutzzweck« eigenständiges Regelungsziel sein; erst recht gilt dies mit Blick auf die »Selbstverwaltungs-Komponente«312 der Betriebsverfassung. Ein auf materiellen Arbeitnehmerschutz gerichtetes Mitbestimmungskonzept könnte funktional gleichwertig auch über zwingendes Schutzrecht realisiert werden. Beleg ist wiederum die Mitbestimmung bei der Ein- und Umgruppierung, die richtiger Ansicht nach nicht zu Lasten individualrechtlicher Entgeltansprüche wirkt 313 . Diesem weitreichenden Verzicht auf ein inhaltliches Gesetzesprogramm entspricht die ergebnisoffene Ausrichtung auf Verfahrensteilhabe. I.d.S. formuliert Gast 314 richtig: »Schutz und Teilhabe sind konträre Erscheinungen.« Das deckt sich mit den Ergebnissen der ideengeschichtlichen 315 Untersuchung der Mitbestimmungsordnung: Der Schritt zur gesetzlich zwingenden Betriebsverfassung wurde in Deutschland weniger durch konkrete Mißstände motiviert, als durch die politische Forderung, der Arbeitgeber dürfe nicht länger alleiniger »Herr im Hause« sein 316 . Mehr als das planwirtschaftliche Element der Wirtschaftsdemokratie317 bietet die gewerkschaftliche Programmatik an inhaltlichen Leitvorstellungen für die Mitbestimmung nicht. Daher läßt sich mit Kotthoff sagen, das Mitbestimmungsrecht sei für die Arbeitnehmervereinigungen »ein Selbstzweck. Die Durchsetzung der formalen Konfl iktaustragungsregeln ist der Endpunkt der Gewerkschaftsforderung.«318 Das BetrVG ist also kein »grundrechtsgetriebenes« Schutzgesetz, sondern politisch, genauer: sozialstaatlich, motivierter Eingriff in die private Betriebsordnung319. Es ist ein »Versuch, außerhalb der allgemeinverbindlichen Eigentumsordnung Pro310 Aus dieser Perspektive ist der Arbeitsvertrag ebenso »unvollkommen« wie der – vergleichbar zukunftsoffene – Gesellschaftsvertrag. Zum Gesellschaftsvertrag als unvollkommenem Vertrag Lutter, AcP 180 (1980), 84, 91 ff.; zum Arbeitsvertrag als unvollkommenem Vertrag etwa Blanke/Rose, AiB 2000, 491, 494 f. 311 Zu diesem formellen »Schutzkonzept« etwa Wiese, ZfA 2000, 117, 119 f. 312 Zu ihr § 2 C.II.3.b., S. 132 f. 313 Nur ErfK/Kania, § 99 BetrVG Rn. 47. 314 BB 1986, 1513, 1518. 315 § 1 C., S. 6 ff. 316 Vgl. Reichold, Betriebsverfassung, S. 434: »dem Arbeitgeber wurde ›sein‹ herrschaftliches Privatrecht entwunden.« 317 Zu ihm vor allem § 2 B.II.1.b.[2], S. 97 f. 318 Kotthoff, Betriebsräte, S. 15. 319 Für die Personalvertretung Ossenbühl, Grenzen, S. 29 f. Eingehend bereits A., S. 163 ff.

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duktivkräfte teilweise in die Hand der abhängig Beschäftigten und ihrer Interessenvertretung zu bringen mit dem Ziel des sozialen Ausgleichs«320 . Realisiert werden soll dieses Ziel, indem die Konkretisierung der in den Arbeitsverträgen notwendig nicht ausdefi nierten Abstimmung vertraglicher Schutz- und Rücksichtnahmepflichten einem partizipativen Verfahren zugewiesen wird, in welchem jedenfalls die Belegschaft einen mehrheitsgetragenen Gesamtwillen bildet. Je weiter dieses Teilhabemodell jenseits der vertraglich bereits vorgezeichneten Regelungskonfl ikte ausgedehnt wird, desto deutlicher wird die korporatistische Tendenz der Mitbestimmung 321. 3. Mittelbare Steuerung durch den Sozialstaat a. Prozedurales Regelungskonzept Obwohl materielle Schutzziele fehlen, steht hinter der Mitbestimmung – genauer: hinter den Mitbestimmungsgesetzen – durchaus eine »sozialplanerische Absicht. Betriebliche Interessenvertretung und Konfliktregelung werden aus der Perspektive einer durch Mitbestimmung als Instrument angestrebten überbetrieblichen Ordnungsvorstellung gesehen.«322 Nur wird das sozialstaatliche Ziel weder direkt angesteuert noch mittelbar über Anreize, sondern prozedural: durch die nur formale Regelung des Entscheidungsverfahrens. Der Staat sorgt durch zwingendes Organisationsrecht dafür, daß bestimmte »Konfl ikte [. . .] ›intern‹ abgebildet und verarbeitet« werden. Externe Anpassung wird zwangsweise in internes Aushandeln übersetzt 323 . Die Prozeduralisierung soll dabei einen Ausgleich unter verschiedenen Gruppen ermöglichen, deren Interessen durch die Entscheidungen berührt werden, soll aber mittelbar auch »bessere« Entscheidungs-Ergebnisse produzieren 324 . Dieser prozedurale Steuerungsansatz läßt sich in zahlreichen modernen Gesetzen nachweisen, ohne daß seine Überlegenheit anhand belastbarer empirischer Ergebnisse nachgewiesen wäre325. Im BetrVG liegt er vor allem der »argumentativen Mitwirkung« in strategischen Fragen zugrunde. Die Fernwirkung vertragsrechtsakzessorischer Mitbestimmungsrechte auf unternehmerische Entscheidungen ist eher Rechtsreflex 326 .

320

Di Fabio, Mitbestimmung, S. 163, 165. Hierzu etwa E. Picker, RdA 2001, 259, 275 ff. 322 Kotthoff, Betriebsräte, S. 13. In dieselbe Richtung Reichold, Betriebsverfassung, S. 513: »die Beteiligung des Betriebsrat soll auf die ›Sozialgerechtigkeit‹ der betrieblichen Arbeitsbedingungen hinwirken.« 323 Von Teubner, AuR 1978, 296, 299 für die Unternehmensmitbestimmung formuliert. Derselbe Effekt fi ndet sich aber auch in der Betriebsverfassung. 324 Allgemein hierzu Binder, ZGR 2007, 745, 763 ff. 325 Binder, ZGR 2007, 745, 784. 326 Bereits B.I.1.b., S. 177 ff. 321

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§ 3 Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung

b. »Deliberative Demokratie« im mitbestimmten Betrieb? Die Regelungsmethode, fi nale Rechtsregeln durch rechtlich formulierte Bedingungen für Entscheidungsprozesse zu ersetzen, weist ideelle Berührungspunkte mit der von Jürgen Habermas entwickelten Diskurstheorie auf327. Deliberative Entscheidungsfi ndung läßt sich nach der hier vertretenen Ansicht zwar schon im BRG 1920 nachweisen, wurde als theoretisches Modell jedoch erst später ausformuliert 328 . Im Kern geht es eben darum, qualitative Anforderungen an einen offenen Diskurs an die Stelle inhaltlicher Vorgaben zu setzen. Diese Theorie interessiert hier weniger mit Blick auf Habermas Bedeutung in der Mitbestimmungsdiskussion 329, sondern mit Blick auf seine Rezeption in der Demokratietheorie330 . Soll der ständige Diskurs der »deliberativen Demokratie« nicht (nur) die Partizipation der Bürger intensivieren, sondern (auch und vor allem) die Rationalität politischer Entscheidungen steigern 331 und diese Entscheidungen dadurch legitimieren, wird in der Sache der demokratische »output« höher gewichtet. Die damit verbundenen Probleme sind bereits erörtert 332 . Zentraler Kritikpunkt ist in meinen Augen, daß der Legitimationszusammenhang zum gesamten Volk nicht nur punktuell relativiert wird, sondern generell in Frage gestellt 333 . Damit ist freilich nicht gesagt, daß hinter der betriebsverfassungsrechtlichen Prozeduralisierung ein anderer Gedanke stehen müßte als der der deliberativen Betriebs-Demokratie. Indes: Deliberative Demokratie zielt nicht auf eine »Herrschaft der Vernunft«, deren Diktat im Diskurs nur noch zu ermitteln wäre, sondern begreift Partizipation und Partizipationschancen im offenen Diskurs als Quelle demokratischer Legitimation. Diese Legitimationsfunktion fehlt der Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen; ihre Vertikalwirkung wird nicht durch mikrodemokratische Rückbindung legitimiert, 327

Vgl. nur Binder, ZGR 2007, 745, 764. Etwa Habermas, Faktizität, S. 349 ff. 329 Binder, ZGR 2007, 745, 763 ff. bringt Habermas und Unternehmensmitbestimmung im Gedanken der Prozeduralisierung zusammen. Weiter Demirovic´, Demokratie, S. 125: »Über das Betriebs- und Unternehmenswohl müßte in egalitären und offenen Diskussionen in deliberativen Arenen entschieden werden können.« 330 Hierzu etwa Frisch, ZPol 2007, 711, 717 ff.; umfangreiche Nachweise bei Petersen, JöR 58 (2010), 137, 165 ff. 331 Nach Habermas, Konstellation, S. 166 begründet der deliberative Prozeß »die Erwartung auf rational akzeptable Ergebnisse«; ähnlich derselbe, Faktizität, S. 499. Nachweise zu den beiden »Richtungen« der deliberativen Demokratietheorie bei Petersen, JöR 58 (2010), 137, 166. Dazu noch Binder, ZGR 2007, 745, 764: die »mittelbare Ergebnisoptimierung durch Verbesserung des Prozesses der Entscheidungsfi ndung« bedeute einen »Legitimitätsgewinn«. [Hervorhebung im Original.] 332 § 2 B.I.1.c., S. 68 ff. 333 Exemplarisch Habermas, Konstellation, S. 166; Petersen, JöR 58 (2010), 137, 171: »Das hier vorgeschlagene Modell [. . .] verlangt nicht, dass alle Entscheidungen auf das Parlament rückführbar sind, sondern erfordert vielmehr eine Bewertung eines jeden politischen Entscheidungsprozesses.« 328

C. Mitbestimmungszwecke

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sondern »von oben«, vom Sozialstaat her. Der qualitative Unterschied zwischen prozeduraler Regulierung und deliberativer Demokratie ist der Unterschied zwischen einem extern vorgegebenen Fernziel und autonomer Zweckwahl334 . Es ist der Unterschied zwischen sozialer Selbstverwaltung und sozialstaatlicher Steuerung durch Organisationsrecht. I.d.S. ist der qua Mitbestimmung bezweckte »soziale Ausgleich« sozialstaatlich angeordnetes Fernziel. Die Arbeitnehmerbeteiligung soll nicht die Rationalität der Entscheidungen in einem als vollständig selbstbestimmt gedachten System »Betrieb« steigern, sondern kennt eine inhaltliche Ausrichtung gegen den Arbeitgeber335. Sie ist kein Element staatlich anerkannter »Betriebsautonomie«336 , sondern Mittel zum Zweck einer hoheitlichen Umverteilung gesellschaftlichen Einflusses. So gesehen bedeutet die Mitbestimmung doch eine, wenngleich schwache, Hinordnung privater Belegschaften zum Staat 337. Gerade mit Blick auf diese Zweckbindung der Arbeitnehmerteilhabe verbietet es sich, die betriebliche Mitbestimmung (wenigstens auch) als eine Art »Vorschule« der Demokratie zu begreifen, in der die Arbeitnehmer – die dann als Angehörige einer grundsätzlich demokratieuntauglichen Unterschicht gedacht werden müßten – »demokratische Verhaltensweisen« einüben dürfen 338 . Es ist gerade nicht so, daß die Staatsdemokratie nach einer möglichst demokratischen Gesellschaft verlangt. Zu ihr paßt freiheitlicher Pluralismus339. Daß der Betrieb nicht zum Instrument der Volkserziehung »umgewidmet« werden darf, liegt damit eigentlich auf der Hand. Freilich hat sich jener Gedanke bislang als unausrottbar erwiesen: die BetrVG-Reform 2001 greift ihn mit material allgemeinpolitischen, kaum auf den Betrieb begrenzbaren Kompetenzen des Betriebsrats bei der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wieder auf340 . c. Exkurs: »Schizophrene« Mitbestimmung im öffentlichen Dienst Spiegelt man diese Überlegungen auf die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst, ergibt sich ein prima facie perplexes Bild: Daß der Sozialstaat private Unternehmen durch Organisationsrecht mittelbar steuern will, ist mit Blick auf deren privatautonome Unabhängigkeit plausibel. Mitbestimmung im öf334 Zu dem Zusammenhang zwischen Demokratie und freier Zweckwahl Biedenkopf, Demokratisierung, S. 286, 290. 335 Zur polaren Ausrichtung der betrieblichen Mitbestimmung § 2 C.I.2., S. 110 ff. 336 Hierzu B.II.2.b.[3], S. 191 ff. 337 Kotthoff, Betriebsräte, S. 13 spricht von einer »Orientierung auf den Staat«, mit der »verantwortliches Verhalten gegenüber dem Gegner und gegenüber dem ›Gemeinwohl‹« bewirkt werden solle. 338 Scharpf, Demokratietheorie, S. 72 f.; ähnlich Plander, Nutzen der Mitbestimmung, S. 117, 119 ff. In diese Richtung auch Kempen, L. A. Weiss, S. 261, 263 f.: Unternehmensmitbestimmung als »unabdingbare Voraussetzung« für die Neugründung der politischen Demokratie und »stabilisierender Faktor für die politische Demokratie«. 339 § 2 A.II.4.d., S. 61 ff. 340 Dazu E. Picker, RdA 2001, 259, 273 f.

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fentlichen Dienst aber bedeutet aus dieser Perspektive eine – gleichsam schizophrene – Form der mittelbaren Steuerung des Staates selbst durch staatliches Recht. Eben darum aber geht es: Die hierarchischen Strukturen, die im Privatrecht als Sachnotwendigkeit begriffen werden341, und durch Teilhabe der Arbeitnehmer »bekämpft« werden sollen, sind in der Staatsverwaltung durch das Gebot der demokratischen Legitimation von Verfassungs wegen vorgeschrieben. Auch insofern steht also der Teilhabezweck der Mitbestimmung ganz im Vordergrund: Die Beschäftigtenpartizipation soll nicht Mißstände in der Sache beseitigen, sondern die als unzureichend empfundenen Entscheidungsfi ndungsstrukturen »von oben nach unten«. 4. Primat des Teilhabezwecks Die Teilhabe der Arbeitnehmer muß als maßgeblicher Zweck der Betriebsverfassung gesehen werden: Sie ist der Hebel, über den das rein formale Schutzkonzept der betrieblichen Mitbestimmung realisiert wird. Das gilt sowohl was den Schutz gegen den Arbeitgeber angeht, als auch mit Blick auf den »Schutz« gegen drittbelastendes (Vertrags-)Verhalten der Kollegen, mithin die Ausgleichsfunktion der Mitbestimmung im Betrieb342 . Zugleich ist das Teilhabemodell Anknüpfungspunkt für die Kollektivierung vertraglich nicht vorgezeichneter Entscheidungen im »Selbstverwaltungsbereich« der Belegschaft. Auch verwirklicht sie das staatliche Fernziel der Mitbestimmung, Entscheidungen durch prozedurale Regelung der Entscheidungsfi ndung »sozial zu optimieren«. Insoweit zeigt sich, daß sowohl der Schutzzweck als auch der bisweilen als eigenständig erkannte Ordnungszweck der Betriebsverfassung 343 mehr Effekt denn Ziel der partizipativen Mitbestimmungsstruktur sind.

341 Ein jedenfalls mit Blick auf die Organisation arbeitsteiliger Wirtschaftsorganisationen durchaus zutreffender Befund; eingehend § 2 A.II.3., S. 52 ff. 342 Dazu Wiese, ZfA 2000, 117, 122: »die Ausgleichsfunktion ist [. . .] ein wesentliches Element der Teilhabefunktion«. 343 Gegen einen solchen Ordnungszweck Wiebauer, Sicherung der Mitbestimmung, Rn. 353 ff. m. w. N. auch zur Gegenansicht.

C. Mitbestimmungszwecke

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II. Unternehmensmitbestimmung 1. Schutz und Teilhabe a. Arbeitnehmerschutz, Demokratisierung und Gleichberechtigung von »Kapital und Arbeit« Anders als für die Mitbestimmung im Betrieb lassen sich für die Unternehmensmitbestimmung keine allgemein anerkannten Zwecke angeben344 . Zweifelhaft ist schon, ob die Mitbestimmung auch auf Unternehmensebene einen konkreten Arbeitnehmerschutzzweck verfolgt 345 : Unternehmensmitbestimmung im Aufsichtsrat eröffnet den Arbeitnehmern Einfluß auf die »große Unternehmenspolitik«. Die Folgewirkungen solcher Strategieentscheidungen auf die individualvertragliche Ebene sind zwar unbestreitbar, lassen sich aber kaum konkret nachvollziehen 346 . Das Gesetz umschifft dieses Problem durch die Allzuständigkeit der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat 347 : § 25 Abs. 1 Satz 1 MitbestG sowie § 4 Abs. 3 Satz 1 Montan-MitbestG ordnen Aufsichtsratsmitgliedern beider »Bänke« dieselbe Rechtsstellung zu, verlangen also Gleichbehandlung aller Aufsichtsratsmitglieder348 ; im DrittelbG gilt trotz fehlender Gesetzesregelung nichts anderes349. Dieser Verzicht auf konkrete Beteiligungsrechte paßt nicht zu einem konkreten Schutzanliegen: zu erwarten wäre eine funktionale Beschränkung der Mitbestimmung auf den Schutzzweck 350 . Auch die Weisungskompetenz der GmbH-Gesellschafter »am Aufsichtsrat vorbei«351 belegt, daß Unternehmensmitbestimmung nicht sachbezogen auf Sachfragen zielt, sondern »institutionell« auf alle Entscheidungen des Aufsichtsrats352 . Vor diesem Hintergrund kann die »ratio« der Unternehmensmitbestimmung nicht allein darin liegen, daß die Arbeitnehmer mitentscheiden sollten, 344 Überblick über die Vielzahl postulierter Ziele bei Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, Einl MitbestG Rn. 1 ff.; eingehend Martens, JuS 1983, 329, 330 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 592 ff. 345 Nach Lutter, AcP 180 (1980), 84, 153 ist »das MitbestG [. . .] kein ArbeitnehmerSchutzgesetz«. Für »Schutz durch Teilhabe« Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 133 ff. Reuter, Mitbestimmung, S. 12 meint, hinter dem Mitbestimmungsrecht müßten auch auf Unternehmensebene konkrete (Arbeitnehmer-)Schutzziele stehen. Für einen konkreten Teilhabezweck Rieble, NJW 2006, 2214, 2215. 346 Löwisch, Mitbestimmung im Arbeitsverhältnis, S. 131, 134 f. 347 Zu ihr kritisch Rieble, Mitbestimmung, S. 9 ff. Rn. 44 ff. 348 Zum MitbestG Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 76; zum Montan-MitbestG ErfK/Oetker, § 4 Montan-MitbestG Rn. 4. 349 Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 1 DrittelbG Rn. 39. 350 Hierzu Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 135 f., der die »Grenze des Schutzzwecks als Grenze der Teilhabefunktion« in Stellung bringt und in der Sache u. a. auf eine mitbestimmungsfreie Vorstandsbestellung hinaus will. 351 Zu ihr § 2 D.II.2., S. 155. 352 Dazu Wiedemann, BB 1978, 5, 7.

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§ 3 Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung

weil auch sie das Risiko unternehmerischer Fehlentscheidungen (mit) zu tragen hätten, vor allem wenn und weil die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Arbeitgeberin einen Abbau von Arbeitsplätzen erfordert353 . Die Aufsichtsratsmitbestimmung läßt sich auch als Grundentscheidung für eine bestimmte Wirtschaftsordnung sehen, hinter der nicht primär die Interessen der Arbeitnehmer stehen, sondern die der Allgemeinheit 354 . Wenn also den Arbeitnehmern »das ganz allgemeine Recht auf Berücksichtigung ihrer Interessen«355 eingeräumt wird, könnte es bei der Unternehmensmitbestimmung durchaus um die »Demokratisierung der Unternehmen« gehen, oder um die »Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit« im sozialen Verband Unternehmen356 . Mit Reuter läßt sich diese Frage dahin zuspitzen, ob die Mitbestimmung im Unternehmen stets einem konkreten Schutzziel dienen muß357, oder ein Wert »an sich« ist, also Selbstzweck. b. Schutz der Arbeitnehmer-Stakeholder: Ökonomische Ziele der Unternehmensmitbestimmung? Insofern läßt sich zunächst die Frage nach einem ökonomisch fundierten Fernziel der Arbeitnehmerbeteiligung im Unternehmen abschichten. In der unklaren Gemengelage diskutierter Mitbestimmungszwecke fi nden sich zwei unterschiedliche Ansätze, die eine wirtschaftliche Erklärung der Unternehmensmitbestimmung versuchen: Im hier untersuchten Zusammenhang bedeutungslos sind freilich Überlegungen, nach denen die Systeme institutionalisierter Mitbestimmung als »produktive Ressourcen«358 der deutschen Wirtschaft erhalten und ausgebaut werden müssen. In der Sache geht es vor allem um positive Effi zienz-Effekte einer – als vergleichsweise kooperativ gewerteten – Unternehmenskultur in Deutschland, die auch und wesentlich auf die Mitbestimmung zurückgeführt wird 359. Freilich sind diese Effekte ökonometrisch bis353

So aber Schenke, JZ 1991, 581, 586 f. Dazu Canaris, DB-Beilage 14/81, 1, 6; Badura, RdA 1976, 275. Rieble, NJW 2006, 2214 spricht von einem »Versuch, die Vorstufe einer ›neuen Wirtschaftsordnung‹ einzuführen.« 355 Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 118. Dazu noch BVerfG [Senat] v. 2. 3. 1999, 1 BvL 2/91, BVerfGE 99, 367 = NZA 1999, 435 – »Mannesmann« sub C.I.2.b)bb)(2) der Gründe: Montan-Mitbestimmung als »Instrument des sozial verträglichen Interessenausgleichs«. 356 Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, Einl MitbestG Rn. 2 f.; weiter Canaris, DB-Beilage 14/81, 1, 2, der darauf hinweist, daß sich der Gedanke einer gleichberechtigten Entscheidungsteilhabe von Anteilseignern und Arbeitnehmern zwar in der Regierungsbegründung zum MitbestG 1976 fi ndet, nicht aber im Gesetz selbst. 357 Von Reuter, Mitbestimmung, S. 12 klar bejaht. 358 Streeck u. a., Mitbestimmung, S. 35, eingehend zu den wirtschaftlichen Vorteilen der Mitbestimmung S. 61 ff.; Schuhmann, FS Däubler, S. 399, 404 f.; weiter Müller-Jentsch, Arbeit, S. 179. Hymnisch Reichwald, WSI-Mitteilungen 2010, 62: »Innovationstreiber Mitbestimmung«. 359 Etwa Streeck u. a., Mitbestimmung, S. 34. 354

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lang nicht (belastbar) nachgewiesen 360 – im Gegensatz zu den Kosten der Mitbestimmung: Unabhängig von der strittigen Frage nach negativen Wirkungen der Mitbestimmung für die Wirtschaftlichkeit von (Betrieben und) Unternehmen 361 kosten mitbestimmungsrechtliche Wahlen ebenso Geld wie etwa die Freistellung von Mitbestimmungsträgern 362 . Kostenträchtig sind zudem Strukturmaßnahmen zur (legalen!) Mitbestimmungsvermeidung, die optimale Unternehmensstrukturen verhindern und konkrete Planungs- und Rechtskosten verursachen 363 . Ob Mitbestimmung per Saldo wirtschaftlich nützt oder schadet, ist jedoch nicht entscheidend. Eingriffe in die Betriebs- oder Unternehmensleitung mit dem Ziel planwirtschaftlicher Zwangsbeglückung verbieten sich mit Rücksicht auf die grundrechtlich geschützte Unternehmerfreiheit von vornherein 364 . Anders ausgedrückt: Eine Mitbestimmung, der es vor allem um die Effi zienzsteigerung in Unternehmen geht, dürfte der Gesetzgeber vielleicht anregen, nicht aber anordnen. Die äußerste Grenze, diesseits derer der intervenierende Staat »besser wissen« darf als der Unternehmer, wie private Unternehmen geführt zu werden haben, markiert § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG, der den steuerwirksamen Abzug von Betriebsausgaben verbietet, »soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind«. Das meint aber keine umfassende hoheitliche Zweckmäßigkeitskontrolle aller Betriebsausgaben (und mittelbar der Unternehmensleitung), sondern muß restriktiv auf Aufwendungen beschränkt werden, bei denen das »Privatvergnügen« des Steuerpfl ichtigen im Vordergrund stand 365. Deutlich relevanter ist die Auffassung, hinter der Mitbestimmungsteilhabe stünde die Absicht, die »Investitionen« der Arbeitnehmer in »ihr« Unternehmen abzusichern. Die Arbeitnehmer werden dann in ihrer Rolle als Stakeholder angesprochen, als Investoren und Kreditgeber, deren Teilhabeinteressen sich anders als die unternehmerischer Geschäftspartner ohne gesetzliche Hilfe nicht ausreichend Gehör verschaffen können. Als Einlage der Belegschaft sieht 360 Insoweit übereinstimmend Franz, ZAF 2005, 268, 274 ff.; T. Raiser, Unternehmensmitbestimmung, S. B 49 f.; Fleischer, AcP 204 (2004), 513, 537 f. Weiter die Zusammenfassung empirischer Studien bei Thannisch, AuR 2006, 81 ff. 361 Für die Unternehmensmitbestimmung sieht etwa Hörisch, Unternehmensmitbestimmung, S. 111 ff. solche Auswirkungen; dagegen Sadowski/Junkes/Lindenthal, ZGR 2001, 110, 126 ff.; Sadowski, FS Weitbrecht, S. 45, 47: der ökonometrische Beweis, daß Mitbestimmung die Rendite eines Betriebs/Unternehmens schmälert, sei nicht erbracht. 362 Praxisbeispiele bei Schneevoigt, ZfA 2005, 233, 241; allgemein Franz, ZAF 2005, 268, 272 – auch dazu, daß Unternehmen diese Kosten wirtschaftlich auf Kunden und Arbeitnehmer überwälzen. 363 Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 128. 364 Rieble, Mitbestimmung, S. 9 ff. Rn. 29. Ähnlich Haferkamp u. a., Mitbestimmung, S. 27. 365 BFH v. 20. 8. 1986, I R 80/83, BStBl. II 1986, 904 = DStZ 1987, 205 – unter II.5. der Gründe; v. 16. 2. 1990, II R 21/86, BFHE 160, 166 = BStBl. II 1990, 575 – unter II.2.b)aa) der Gründe.

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Kübler 366 die Versorgungsansprüche im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung, mittels derer die Arbeitgeber »einen Teil des Arbeitsentgeltes« einbehalten und »als langfristig gebundenes Fremdkapital [. . .] nutzen« könnten. Indes läßt sich bereits bezweifeln, daß dieser Betrag, der zudem je nach Unternehmen extrem unterschiedliches Gewicht haben dürfte, einen Umfang erreicht hat, der eine wenigstens drittelparitätische Aufsichtsratsbeteiligung rechtfertigt 367. Selbst wenn: Geht es i.d.S. »nur um Geld«, ist die Sonderbehandlung der Arbeitnehmer-Investoren nicht zu rechtfertigen. Die Besonderheit des Beitrags der Beschäftigten zu der Unternehmenstätigkeit liegt darin, daß Arbeitnehmer vor allem in langfristigen Arbeitsverhältnissen »spezifisches Humankapital« in das Unternehmen ihres Arbeitgebers einbringen, also Qualifi kations- und Verzichtsentscheidungen, deren Wert sich bei anderen Arbeitgebern nicht realisieren läßt 368 . Nur mit Blick auf diese immateriellen Werte könnte die Mitbestimmung als »Anlegerschutz« erklärt werden. Hier wird letztlich die untrennbare Verknüpfung von Arbeitsleistung und Person aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht formuliert und (näherungsweise) quantifiziert. Aus meiner Sicht kann sich daraus schon deshalb kein Argument mit eigenständigem Gewicht ergeben, weil die grundrechtlichen Implikationen dieser »Investition« – mithin der Bezug zu Menschenwürde und Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer – ungleich höher zu gewichten sind als die ökonomischen. Daß die Mitbestimmung nach hier vertretener Ansicht gleichwohl nicht grundrechtlich hergeleitet werden kann, ist bereits gesagt 369. c. Teilhabezweck [1] Exkurs: (Mit-)Unternehmerische Funktion des Aufsichtsrats und Kontrolle Daß die Unternehmensmitbestimmungsgesetze den Arbeitnehmern Teilhaberechte zuweisen, ist für sich genommen banal und beantwortet die Frage nach dem tieferen Grund dieser Rechte nicht. Aufschlußreich ist es insoweit, näher zu beleuchten, auf welche Unternehmensfunktionen die Teilhaberechte wirken: Mitbestimmt ist ausschließlich der Aufsichtsrat; je nach betroffener Gesellschaftsform muß dieses Gremium gegebenenfalls erst gebildet werden. Der Aufsichtsrat ist in der Aktiengesellschaft zunächst Kontrollorgan, § 111 AktG370 . Anders als das im anglo-amerikanischen Rechtsraum übliche »boardModell« setzt das deutsche dualistische System auf eine Trennung des ge-

366

AG 1994, 141, 142 f. Zöllner, AG 2003, 2, 10 f. 368 Dazu Sadowski/Junkes/Lindenthal, ZGR 2001, 110, 116 f.; Sadowski, FS Weitbrecht, S. 45, 46. 369 A.II., S. 165 ff. 370 Zum Aufsichtsrat als »Überwachungsorgan« etwa Hüffer, AktG, § 111 Rn. 2 ff. 367

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schäftsführenden Organs (Vorstand der AG bzw. Geschäftsführer und Gesellschafterversammlung der GmbH) vom überwachenden (Aufsichtsrat) 371. Andererseits schließt die Personalkompetenz mit Blick auf die Mitglieder des Vertretungsorgans als zentrale Aufgabe des Aufsichtsrats372 die Befugnis ein, die unternehmerische Strategie zu steuern – wenn auch nur mittelbar. Intensiviert wird dieses Moment »unternehmerischer« Aufsichtsratstätigkeit durch die nicht nur rückwärts-, sondern auch zukunftsgerichtete Perspektive der Geschäftsführungs-Kontrolle sowie vor allem die obligatorischen Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG 373 , die nach § 52 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich, nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG und § 3 Abs. 2 Montan-MitbestG zwingend auch in der GmbH vorgesehen sein müssen 374 . Vor diesem Hintergrund erklärt sich, daß Aufsichtsratstätigkeit in der Wissenschaft 375 und auch in der Selbsteinschätzung der Aufsichtsräte376 verbreitet als mit-unternehmerische Tätigkeit gesehen wird. [2] Teilhabe an der Unternehmensleitung Festzuhalten bleibt, daß die Unternehmensmitbestimmung keineswegs nur eine reine Kontrollfunktion in der gesellschaftsrechtlichen Ordnung betrifft, sondern darüber hinaus Unternehmerfunktionen mit weitreichender Bedeutung unmittelbar erfaßt. Insofern ist eine Parallele zur Betriebsverfassung zu erkennen: Auch auf Unternehmensebene werden Alleinentscheidungsrechte der Arbeitgeberin relativiert, werden kollektive Verhandlungen hoheitlich erzwungen. Diese wenigstens partielle Übereinstimmung in der Funktion belegt, daß Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung als Ausprägungen desselben Mitbestimmungsgedankens gesehen werden müssen. Einen »arbeitsrechtlichen«, auf inhaltlich konkretisierten Arbeitnehmerschutz bezo-

371

Für die AG MünchKommAktG/Habersack, Vor § 95 Rn. 1. MünchKommAktG/Habersack, Vor § 95 Rn. 2. In der GmbH liegt diese Kompetenz zwingend nur bei einem (quasi-)paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat; dazu Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rn. 59. 373 BGH v. 21. 4. 1997, II ZR 174/95, BGHZ 135, 244 = NJW 1997, 1926 – unter II.2.b) cc) meint, der Aufsichtsrat würde (wenigstens teilweise) »die unternehmerische Tätigkeit des Vorstands im Sinne einer präventiven Kontrolle begleitend« mitgestalten. Zur Bedeutung des Zustimmungsvorbehalts noch Loritz, ZfA 2009, 477, 493 ff. m. w. N. 374 Zwingend wirkt § 112 AktG nur für den obligatorischen Aufsichtsrat; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rn. 59. 375 Rieble, Führungsrolle des Betriebsrats, S. 9 ff. Rn. 6 m. w. N. Auf den Punkt bringt dies Fritz Rittner in seinem Diskussionsbeitrag auf dem 66. DJT 2006 (abgedruckt in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages [Hrsg.], Verhandlungen des Sechsundsechzigsten Deutschen Juristentages [2006], S. M 86): »Und der Aufsichtsrat ist vor allem auch zuständig für die Konzeption der Unternehmenspolitik.« 376 Dazu etwa Probst/Theisen, DB 2010, 1573, 1574 f. 372

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genen Schutzzweck kennt die Mitbestimmung weder im Betrieb377 noch im Unternehmen 378 . Nachweisen läßt sich demgegenüber der nur formale »Schutzzweck«, der auch für die Betriebsverfassung zu diagnostizieren war: Die Teilhabe der Arbeitnehmer »schützt« diese vor der Alleinentscheidung der Arbeitgeberin. Freilich fällt dieser Effekt auf Unternehmensebene schwächer aus. Eine vollwertige Willkür-Kontrolle fehlt wenigstens in MitbestG und DrittelbG, weil sich im Konfl iktfall die Eigner durchsetzen (können). Aber auch der »elfte Mann« i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 2 lit. c) Montan-MitbestG entspricht funktional nur insoweit der betriebsverfassungsrechtlichen Einigungsstelle, als er die Handlungsfähigkeit des Unternehmens sichert 379. Dasselbe Maß an Willkürschutz kann er schon deshalb nicht leisten, weil die Montan-Mitbestimmung keine gerichtliche Ermessenskontrolle von Aufsichtsratsentscheidungen entsprechend § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG kennt. Anders gewendet ist der Kontrollzweck des Betriebsverfassungsrechts in den Mitbestimmungsgesetzen nur angedeutet 380 . Dadurch wird der Teilhabezweck der Unternehmensmitbestimmung381 aber nicht beeinträchtigt. Wie (weitestgehend auch) im BetrVG geht es in den Mitbestimmungsgesetzen nicht darum, bestehende Rechtspositionen der Arbeitnehmer zu sichern. Der Teilhabezweck der Mitbestimmung meint eine Erweiterung des Rechtskreises auf kollektiver Ebene. Daß er primär nicht auf die Kontrollfunktion des Aufsichtsrats zielt, sondern auf dessen mit-unternehmerische Funktion und damit auf Teilhabe an der Unternehmensleitung, hat die Rechtspraxis vielfach belegt: In der Frühphase der paritätischen Mitbestimmung nach MitbestG 1976 wurde nicht deshalb in publikumswirksamen Gerichtsverfahren intensiv über das Verhältnis von gesellschaftsrechtlicher Organisationsautonomie und Mitbestimmungsrecht gestritten 382 , weil 377

Soeben I.1., S. 205 ff. Anders freilich Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks. VI/334, S. 114 Rn. 43: Ziel der Unternehmensmitbestimmung seien nicht »Kapitalkontrolle oder [. . .] Machtkontrolle«, sondern Teilhabe der Arbeitnehmer und ihr sozialer und rechtlicher Schutz. 379 Zur funktionalen Einordnung des unabhängigen Aufsichtsratsmitglieds als »Lösungsmechanismus« im Streitfall § 2.D.II.1., S. 153. 380 Ähnlich Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 584: der »Schutz des einzelnen Arbeitnehmers vor willkürlichen oder unsachgemäßen Weisungen« stehe »nicht [. . .] im Vordergrund«. Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks. VI/334, S. 55 hatten in ihrer rechtstatsächlichen Untersuchung keinen Bedarf für eine Kontrolle »wirtschaftlicher Machtpositionen« qua Unternehmensmitbestimmung festgestellt – und S. 114 deshalb vorgeschlagen, den Anwendungsbereich des späteren MitbestG nur von der Zahl der im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer abhängig zu machen. 381 Zu ihm etwa Rieble, NJW 2006, 2214, 2215, der richtig die Parallele zum Betriebsverfassungsrecht zieht. 382 BGH v. 25. 2. 1982, II ZR 123/81, BGHZ 83, 106 = NJW 1982, 1525: Satzungsregelungen zur Geschäftsordnung des Aufsichtsrats und zur Besetzung von Ausschüssen; v. 25. 2. 1982, II ZR 102/81, BGHZ 83, 144 = NJW 1982, 1528: Regelungen zu Besetzung 378

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die effektive Kontrolle des Vorstandshandelns gesichert werden sollte, sondern weil die innere Ordnung des paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrats die Machtverteilung im Gremium abbildet. Deutlicher noch wird die Ausrichtung der Aufsichtsratsmitbestimmung auf die Unternehmensleitung an dem seit 1976 verbreiteten und durch den nachträglich eingefügten § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG383 vom Gesetzgeber »korrigierten« Verzicht auf Zustimmungsvorbehalte in den autonom formulierten Satzungen und Geschäftsordnungen384 , sowie daran, daß sich das Weisungsrecht der GmbH-Gesellschafter gegenüber der Geschäftsführung in mitbestimmten Gesellschaften zu einer »berühmte[n] Streitfrage«385 entwickeln konnte. 2. Mittelbare Steuerung durch den Sozialstaat a. Prozedurales Regelungskonzept Mit dem Teilhabezweck korrespondiert auch auf Unternehmensebene ein prozeduraler Regelungsansatz: »Die unternehmerische Mitbestimmung nach Montanmitbestimmungsgesetz, Mitbestimmungsgesetz und Drittelbeteiligungsgesetz will die Interessen der Arbeitnehmer als ›Betroffener‹ der Unternehmenstätigkeit in die unternehmensinternen Kontrollmechanismen einbinden.«386 Hinter den Teilhaberechten steht kein konkretes materielles Ziel, sondern nur die unbestimmte »sozialplanerische Absicht«, die auch hinter der Betriebsverfassung zu erkennen ist 387. Reuter formuliert diese Absicht dahin, daß dem Gesetzgeber für Unternehmen bestimmter Größe marktkonformes Verhalten nicht ausreicht, weshalb er qua Mitbestimmung sozial verantwortliches Verhalten einfordere388 . Seiner Ansicht nach schwindet das »soziale Gewissen« der Unternehmensleitung in dem Maße, in dem »Personen als letzte Bezugspunkte der Verantwortlichkeit hinter Organisationen verschwinden«389. Die Unternehmensmitbestimmung interpretiert er dementsprechend als Ein-

und Verfahren von Aufsichtsratsausschüssen; v. 25. 2. 1982, II ZR 145/80, BGHZ 83, 151 = NJW 1982, 1530: Satzungsregelung zur Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats. Dazu auch Canaris, DB-Beilage 14/81, 1 ,6 ff. 383 Eingefügt mit dem Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) v. 19. 7. 2002, BGBl. I 2002, S. 2681 ff. 384 Zu ihr Fonk, ZGR 2006, 841, 843; Bernhardt, BB 2007, 381, 382. Zurückhaltender Hopt, ZfA 1982, 207, 225: eine solche Entwicklung sei »nicht, zumindest nicht allgemeiner, feststellbar«. 385 Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 487. 386 Binder, ZGR 2007, 745, 755. 387 Dazu I.3.b., S. 210 f. 388 MünchKommBGB/Reuter, Vor § 21 Rn. 79. 389 Reuter, Mitbestimmung, S. 18.

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griff des Staates, mit dem die verlorene personalisierte Verantwortung dem Unternehmen in anderer Form wieder implantiert wird 390 . In diesem Sinne rechnet Reuter die Mitbestimmung zu den Normativbestimmungen, die besondere Anforderungen an juristische Personen stellen 391. Über diese Zuordnung mag man streiten, weil das Normativsystem für juristische Personen den Zweck hat, die privatautonome Ordnung der Gesellschaften zu erhalten. Demgegenüber ist die Mitbestimmung meines Erachtens gerade als Eingriff in die Privatautonomie zu begreifen 392 . Zweifelhaft ist ferner, ob und gegebenenfalls aus welchem Grund Mitbestimmung in Großunternehmen und persönlich erfahrene soziale Mißbilligung vergleichbar sind. Gleichwohl trifft die Unternehmensmitbestimmung »als soziales Gewissen« einen richtigen Punkt: Unternehmensmitbestimmung erschöpft sich funktional nicht darin, unternehmensinterne Interessenkonfl ikte zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmern in ein institutionalisiertes Forum zu verweisen. Es geht auch um die sozialpolitischen Ziele des Staates, die durch die prozedurale Regelung mittelbar realisiert werden sollen393 . Die Unternehmenspolitik soll »sozialer« werden, sie soll »ein gesamtwirtschaftlich abgestimmtes und gesellschaftsverträgliches, d. h. nicht ausschließlich marktorientiertes Unternehmensverhalten gewährleisten«394 . Was darunter konkret zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber nicht defi niert. Wie sollte ein solches Leitbild auch aussehen 395 ? In dieser für die prozedurale Steuerung typischen Ausgangssituation des Nichtwissens396 , oder anders: des Fehlens klar defi nierter und defi nierbarer Ziele, ist die Regelung des Entscheidungsverfahrens keine Notlösung397. Eine »soziale Ausrichtung der Unternehmenspolitik« läßt sich nicht durch

390 In diese Richtung auch Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 103: »institutionalisierte soziale Aufgeschlossenheit«. 391 Reuter, Mitbestimmung, S. 15. Allgemein zu diesen Normativbestimmungen Rittner, Juristische Person, S. 91 ff. 392 Hierzu Rittner, Unternehmensverfassung, S. 59, 85 ff., 91. 393 Binder, ZGR 2007, 745, 775 begreift die Unternehmensmitbestimmung als »eine aus politischen – und damit aus verbandsrechtlicher Sicht externen – Gründen etablierte Konstruktion, die sozialethische und sozialpolitische Zielvorgaben realisieren soll.« Griffiger Martens, JuS 1983, 329, 331: »Durch eine veränderte Personalpolitik soll eine neue Sachpolitik erreicht werden.« Vgl. auch BVerfG [Senat] v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290 = RdA 1979, 380 – »Mitbestimmungsurteil« C.III.1.b)cc) der Gründe. 394 Streeck u. a., Mitbestimmung, S. 34. 395 Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 91 ff. hält richtig fest, daß »sozialverträgliche« Unternehmenspolitik schlechterdings nicht defi niert werden kann. 396 Zu ihr Binder, ZGR 2007, 745, 765. 397 Für die Arbeitnehmerbeteiligung in der funktionalen Selbstverwaltung Oebbecke, VerwArch 81 (1990), 349, 367, dessen Ansicht nach »die institutionelle Gestaltung [. . .] inhaltlichen Vorgaben für die Arbeit des Selbstverwaltungsträgers jedenfalls dann überlegen ist, wenn diese nur sehr abstrakt formuliert werden könnten.«

C. Mitbestimmungszwecke

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Sachnormen anordnen 398 , und auch Handlungsanreize lassen sich nicht sinnvoll (will sagen: gezielt) einsetzen. Friedrich August v. Hayek399 hat nachgewiesen, daß jede inhaltliche Zentralsteuerung wirtschaftlicher Zusammenhänge auf eine Anmaßung von Wissen hinausläuft. Ansatzpunkt für eine Regelung bleibt damit nurmehr die »Methode der Entscheidungsfindung«400 . Zwar wird der prozedurale Ansatz nicht zwingend optimale Entscheidungsinhalte produzieren. Es ist aber plausibel, daß der organisationsrechtliche Eingriff andere Entscheidungsinhalte befördert – mit einer »sozialen«, konkret: arbeitnehmerfreundlichen, Tendenz. Die zentrale Frage der Unternehmensmitbestimmung ist mithin – in den Worten Teubners – die nach den »Chancen einer politischen Steuerung der Gesellschaft durch Organisationsrecht«401. Es geht nicht darum, Unternehmen aus staatlicher Steuerung (und damit letztlich dem demokratischen Legitimationszusammenhang) zu entlassen und im Gegenzug an die Legitimation durch ihr jeweiliges »Arbeitnehmervolk« zu binden402 . Allenfalls läßt sich mit Thomas Raiser403 sagen, daß der Aufsichtsrat als gesellschaftsrechtliches Institut – will sagen: unabhängig von der Mitbestimmungsfrage – die externe Staatsaufsicht zugunsten »gesellschaftsinterner« Kontrolle abgelöst hat. Die Unternehmensmitbestimmung hingegen weist in die Gegenrichtung: sie ist (wenigstens auch) hoheitlicher Steuerungszugriff auf private Wirtschaftssubjekte. b. Verhandlungszwang statt deliberativer Demokratie Analog zur Betriebsverfassung steht auch hinter der Mitbestimmung auf Unternehmensebene nicht der Gedanke deliberativer Demokratie. Es geht eben nicht darum, ein übergreifendes Unternehmensinteresse zu ermitteln, sondern um den institutionalisierten Ausgleich des von den Eignern determinierten Unternehmens(träger)interesses mit den Interessen der Arbeitnehmer404 . Die in Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung einheitliche Mitbestimmungsidee meint keine »demokratisierende« Lösung aus dem privatautonomen Legitimationszusammenhang, sondern (nur) Teilhabe der Arbeitnehmer in staatlich angeordneten Kollektivverhandlungen. Unternehmenszweck 398 Entgegen Wiedemann, JZ 1970, 593, 599 f., wären solche Sachnormen also keine funktional gleichwertige Alternative zur institutionellen Unternehmensmitbestimmung. 399 FS Popper, S. 332 ff. 400 Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 97 f. [Hervorhebung im Original.] 401 Teubner, AuR 1978, 296. [Hervorhebung im Original.] 402 In diese Richtung aber Kempen, L. A. Weiss, S. 261, 271. 403 Unternehmensmitbestimmung, B 12. 404 Vgl. Binder, ZGR 2007, 745, 758, der für die Unternehmensmitbestimmung den »Aspekt des prozeduralen Ausgleichs von Konfl ikten unterschiedlicher Interessengruppen« betont.

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§ 3 Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung

und Unternehmensinteresse werden nicht inhaltlich neu ausgerichtet, sondern für die Mitbestimmung »geöffnet«. Nur in diesem eingeschränkten Sinne läßt sich das Unternehmensinteresse prozedural verstehen405 : als das Ergebnis nicht eines Gesamtwillensbildungsverfahrens, sondern eines prinzipiell vertragsförmigen Interessenausgleichsverfahrens. Weder bedeutet Mitbestimmung, daß private Unternehmen ein von den Eignern unabhängiges »Eigeninteresse« entwickeln, noch können die Mitbestimmungsträger an ein von den Eignern defi niertes Unternehmensinteresse gebunden werden406 . Statt dessen tritt neben die gesellschaftsrechtlichen Treubindungen der Eigentümer die weitere Pfl icht, das Unternehmensinteresse nicht autark zu formulieren, sondern in ergebnisoffenen Mitbestimmungsverhandlungen. Nehmen die Aufsichtsratsmitglieder die von Nr. 3.6 Abs. 1 DCGK aufgezeigte Möglichkeit wahr und bereiten Sitzungen getrennt nach Bänken vor, gilt im Ergebnis nichts anderes als mit Blick auf die wirtschaftliche Mitbestimmung des Betriebsrats in Interessenausgleichsverhandlungen407 : Die Position der Eigner/des Arbeitgebers wird frei vorformuliert, dann aber mitbestimmungsoffen zur Diskussion gestellt. Die Mitbestimmung wird damit nicht etwa entwertet, sondern auf den systemkonformen Gleichlauf der Arbeitnehmerteilhabe in wirtschaftlichen Angelegenheiten auf Betriebs- und Unternehmensebene408 ausgerichtet. Unternehmensmitbestimmung ist mithin zwar keine partielle Vergesellschaftung des Unternehmens, wohl aber ist sie ein Versuch des Staates, die Unternehmenspolitik durch bestimmte Organisationsregelungen und Verfahren in Richtung auf ein »soziales« Ziel hin zu beeinflussen, das als gesamtgesellschaftlich »wertvoll« eingestuft wird409. Konkrete Ergebnisse zeitigt diese mittelbare Steuerung, wenn unternehmensstrategische Maßnahmen mit Lastwirkung für die Belegschaft in mitbestimmten Unternehmen deshalb ausfallen oder wenigstens zurückhaltender angelegt werden, weil der Vorstand bei einem »harten Kurs« um seine Wiederwahl fürchten müßte410 und sich durch entsprechende Zugeständnisse die Stimmen der Arbeitnehmervertreter sichern will411. Weiter ist in mitbestimmten Aufsichtsräten jedenfalls eine Tendenz zu erkennen, Personal- und Sozialfragen in den Vordergrund zu rücken412 . Als 405 Dezidiert Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 216 ff.; Reuter, AcP 179 (1979), 509, 519; zurückhaltender MünchKommAktG/Habersack, Vor § 95 Rn. 13: »primär prozedurales Verständnis vom Unternehmensinteresse«. [Hervorhebung im Original.] In diese Richtung auch Mülbert, ZGR 1997, 129, 169. 406 Spindler, ZIP 2011, 689, 690 m. w. N. 407 Dazu etwa Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG, § 111 Rn. 140. 408 Zur wechselseitigen funktionalen Austauschbarkeit der Mitbestimmung auf Betriebsund Unternehmensebene sogleich III., S. 223 ff. 409 Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 480 ff. In diese Richtung auch Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks. VI/334, S. 68 f.; Haferkamp u. a., Mitbestimmung, etwa S. 36. 410 Dazu Schneevoigt, ZfA 2005, 233, 240; weiter Loritz, ZfA 2010, 367, 394. 411 Loritz, ZfA 2009, 477, 482 ff., 489. 412 Ulmer, ZHR 166 (2002), 271, 276; Sandrock, AG 2004, 57, 60 f.

C. Mitbestimmungszwecke

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Fehlsteuerung läßt sich das nicht einstufen. Zwar ist kaum zu bestreiten, daß Unternehmen, die eine im Arbeitnehmerinteresse zurückhaltende Unternehmenspolitik verfolgen, nicht mehr uneingeschränkt »marktmäßig funktionieren«413 . Zudem ist es mindestens plausibel, daß mitbestimmte Unternehmen damit »als Marktobjekt« weniger attraktiv werden414 . Indes impliziert die gesetzliche Entscheidung für die institutionalisierte Mitbestimmung gerade, daß die Unternehmensleitung nicht mehr ausschließlich an der Logik des Marktes ausgerichtet werden soll. 3. Teilhabe als Selbstzweck und als Mittel prozeduraler Steuerung In der Zusammenschau wird sichtbar, daß der Zweck der Unternehmensmitbestimmung in der Tat nur in der Teilhabe der Arbeitnehmer an unternehmerischen Entscheidungen gesehen werden kann. Nur geht es nicht um einen i. S. Riebles »konkreten« Teilhabezweck415 : Die Arbeitnehmer werden nicht an der Unternehmensleitung beteiligt, weil – und soweit – sie von Strategieentscheidungen in besonderer Weise »betroffen« wären. Die Teilhabe zielt auch auf die mittelbare, nur prozedurale Steuerung des Unternehmens durch den Staat, hinter der nicht die Interessen der Arbeitnehmer-Betroffenen stehen, sondern die der Allgemeinheit. Nur vor diesem Hintergrund ist der funktional unbeschränkte Eingriff in die Willensbildung unternehmenstragender Gesellschaften richtig einzuordnen, dessen Grenzen nicht die Funktion der Mitbestimmungsträger absteckt, sondern die gegen den Staat gerichtete Abwehrfunktion des Grundrechtsschutzes für freies Unternehmertum416 . Wie in der Betriebsverfassung sind der – auf Unternehmensebene schwächer ausgeprägte – formale Schutz der Arbeitnehmer und der prozedurale Interessenausgleich das Ergebnis der Mitbestimmungsteilhabe 417, nicht aber ihr Zweck.

III. »Unternehmensmitbestimmung im Betrieb«: Mitwirkungsrechte und Wirtschaftsausschuß Daß die Unternehmensmitbestimmung sachlich der wirtschaftlichen Mitbestimmung zuzuordnen ist, ist bereits gesagt418 . Die funktionale Gleichartigkeit 413

Loritz, ZfA 2009, 477, 487. Sandrock, AG 2004, 57, 60 f. 415 Rieble, NJW 2006, 2214, 2215. 416 Dazu B.I.1., S. 174 ff. 417 Zur »Ausgleichsfunktion« der Unternehmensmitbestimmung vgl. Schwerdtfeger, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S. 91, dessen Ansicht nach eine »sozialverpfl ichtete« Unternehmenspolitik versuchen müßte, Interessenkonfl ikte zwischen den Belegschaftsmitgliedern auszugleichen. Das deckt sich mit der hier vertretenen Ansicht: horizontaler Interessenausgleich als Folge einer – qua Teilhabe – »sozialverpfl ichteten« Unternehmenspolitik. 418 § 2 C.III., S. 160 f. 414

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§ 3 Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung

zeigt sich schon daran, daß die Beratungspfl icht des »Unternehmers«419 gegenüber dem Wirtschaftsausschuß nach § 106 BetrVG in weitem Umfang den aktienrechtlichen Berichtspfl ichten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat nachgebildet ist420 . Historisch ist der Wirtschaftsausschuß ein Vorläufer der paritätischen Mitbestimmung im Aufsichtsrat; er war nach § 68 Abs. 1 bis Abs. 3 BetrVG 1952 als paritätisches »Beratungsgremium«421 von Arbeitgeber und Betriebsrat konzipiert422 . Vor dem Hintergrund dieses historischen Zusammenhangs ist heute die Frage nach einer eigenständigen Funktion des Wirtschaftsausschusses neben einem nach MitbestG zusammengesetzten Aufsichtsrat aufgeworfen423 . Indes wird eine ausschließlich unternehmensmitbestimmungsrechtliche Perspektive der hybriden Stellung des Wirtschaftsausschusses im Mitbestimmungssystem nicht gerecht: § 107 Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG ordnen den Wirtschaftsausschuß formal dem Betriebsrat unter. Der (Gesamt-)Betriebsrat bestellt die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses und kann diese nach § 107 Abs. 2 Satz 3 BetrVG »jederzeit abberufen«. Vor allem aber kann er die Unterrichtungs- und Beratungsrechte des Wirtschaftsausschusses an sich ziehen und einem seiner Ausschüsse zuweisen, § 107 Abs. 3 Satz 1, Satz 6 BetrVG. Dieses Hierarchieverhältnis rechtfertigt es, den Wirtschaftsausschuß als »Hilfsorgan« des (Gesamt-)Betriebsrats 424 ein- und als solches der Betriebsverfassung zuzuordnen425. Der Ausschuß ist mithin an der »Schnittstelle« von Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung angesiedelt. Das wäre dann dysfunktional, wenn Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung auf völlig unterschiedlichen Strukturprinzipien fußen und gegensätzliche Zwecke verfolgen würden: I.d.S. ordnet etwa Kempen 426 419 Dazu, daß die §§ 106 ff. BetrVG weitgehend nicht den »Arbeitgeber« ansprechen, sondern den »Unternehmer«, GK-BetrVG/Oetker, vor § 106 Rn. 10 f., der den sachlichen Unterschied als »marginal« ansieht. Hierzu auch Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 156. 420 Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 156 ff. m. w. N. In der mitbestimmten GmbH sind die Informationsrechte des Aufsichtsrats schwächer ausgelegt, orientieren sich aber nach Gegenstand und Umfang am Aktienrecht; näher dazu v. Hoyningen-Huene/Powietzka, BB 2001, 529 ff. m. w. N. 421 Dietz, BetrVG 4, Vorbem § 67 Rn. 2. 422 Hierzu etwa Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 95 ff. m. w. N. 423 Raiser/Veil, MitbestG/DrittelbG, Einl. Rn. 57 m. w. N. empfehlen, de lege ferenda bei bestehender Aufsichtsratsmitbestimmung auf den Wirtschaftsausschuß zu verzichten. Zöllner, RdA 1969, 65, 68 meint, der mitbestimmte Aufsichtsrat und der Wirtschaftsausschuß könnten rechtlich »selbstverständlich« nebeneinander stehen – sieht aber keinen Zusatznutzen in dieser Doppelung und warnt vor unnötiger Verzögerung unternehmerischer Entscheidungen. 424 BAG v. 9. 5. 1995, 1 ABR 61/94, BAGE 80, 116 = NZA 1996, 55 – zu B.II.2.a) der Gründe; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 106 Rn. 1. 425 Latzel, Gleichheit, Rn. 7 und dort Fn. 21. Anders etwa Kunze, FS G. Müller, S. 285, 290. 426 AuR 1987, 9, 11 f.

C. Mitbestimmungszwecke

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(nur) das BetrVG dem Arbeitsrecht zu und sieht seine Funktion vor allem im Ausgleich der widerstreitenden Berufsgrundrechte von Arbeitgeber und Arbeitnehmern. Demgegenüber rechne die Unternehmensmitbestimmung zum Unternehmensrecht und betreffe vor allem den Eingriff in das Eigentumsrecht des Unternehmensträgers. Aus dieser Perspektive spricht alles dafür, die beiden Materien klar voneinander zu scheiden. Schon die Zusammenfassung unter dem Oberbegriff »Mitbestimmung« bedingt, daß »die unterschiedliche Struktur beider Materien [. . .] verwischt«427. Kritischer noch als jene zunächst terminologische Zusammenfassung der ungleichen Systeme ist dann freilich die organisatorische Verbindung in einem Organ wie dem Wirtschaftsausschuß, das beide Mitbestimmungsebenen berührt und beiden zugeordnet werden kann. Zumindest in eingeschränktem Maße ergäben sich dieselben Bedenken, die gegen tripartistische Strukturen in der Wirtschaftspolitik sprechen428 : Amtsträger, die funktional auf einen bestimmten Amtszweck verpfl ichtet sind, erhalten Zugriff auf die Wahrnehmung »sachfremder« Aufgaben. Damit verwischen nicht nur Begriffe, sondern Verantwortlichkeiten; ein Interessenkonfl ikt ist programmiert. Indes besteht zwischen betrieblicher und Unternehmensmitbestimmung funktional kein Widerspruch. Die Mitbestimmung zielt nicht auf jeweils unterschiedliche Grundrechtsfragen, sondern einheitlich auf Teilhabe der Arbeitnehmer an Entscheidungen des Arbeitgeber/Unternehmers. Insofern fehlen inhaltliche Unterschiede, die den Gesetzgeber auf den einen oder den anderen Teilhabemodus festlegen könnten429. Dementsprechend ist nicht nur die wirtschaftliche Mitbestimmung in Wirtschaftsausschuß und Aufsichtsrat funktional austauschbar; auch dem (Gesamt-)Betriebsrat können entsprechende Teilhaberechte zugewiesen werden, ohne daß diese Rechte damit entwertet würden. In einzelnen Bereichen ordnet das Gesetz einen solchen »Austausch« des Mitbestimmungsträgers explizit an: So gilt im Verhältnis von (Gesamt-)Betriebsrat und Wirtschaftsausschuß nicht nur die formale Mitbestimmungshierarchie des § 107 BetrVG. Vielmehr hat das Risikobegrenzungsgesetz 430 dem Wirtschaftsausschuß mit § 106 Abs. 3 Nr. 9a BetrVG ausdrücklich Unterrichtungs- und Beratungsrechte bei Unternehmensübernahmen mit Kontrollerwerb zugesprochen431, die in wirtschaftsausschusslosen Unterneh-

427

Kempen, AuR 1987, 9, 12. Bereits § 2 B.II.1.b.[1], S. 95 f. 429 Ähnlich Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 113 f. 430 Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken v. 12. 8. 2008; BGBl. I 2008, S. 1666. 431 Dieses auf den (potentiellen) neuen Eigner bezogene Teilhaberecht ist dogmatisch fragwürdig; Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 106 BetrVG Rn. 10: »als ob sich das Unternehmen [. . .] seinen Eigner selbst aussucht«. Indes haben BAG und h. M. bereits vor Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen 428

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men der Betriebsrat wahrnimmt, § 109a BetrVG 432 . Der Betriebsrat springt aber gegebenenfalls nicht nur als »Ersatz-Wirtschaftsausschuß« ein, sondern in der insolvenzrechtlichen »Rumpf-Unternehmensmitbestimmung« auch als »Ersatz-Aufsichtsrat«. Der Aufsichtsrat als Gesellschaftsorgan überdauert zwar die Insolvenzeröffnung, seine Kontrollbefugnisse beziehen sich indes nur noch auf den insolvenzfreien Bereich und seine mit-unternehmerischen Kompetenzen werden vom Verwalter (allein) wahrgenommen, § 80 Abs. 1 InsO433 . Damit wird auch die Unternehmensmitbestimmung im Aufsichtsrat ausgeschaltet, zielt sie doch gerade auf Teilhabe der Arbeitnehmer an den im Aufsichtsrat mit-unternehmerisch getroffenen Leitungsentscheidungen434 . Ansatzweise kompensiert die InsO diesen Kollateralschaden an der Mitbestimmung durch insolvenzspezifische Teilhaberechte in wirtschaftlichen Fragen (etwa §§ 156 Abs. 2 Satz 1, 218 Abs. 3 InsO), die aber kontraintuitiv nicht dem Wirtschaftsausschuß zugewiesen sind, sondern dem Betriebsrat (sowie dem Sprecherausschuß der leitenden Angestellten). Der Betriebsrat wird so zum Träger der gesamtvollstreckungsrechtlichen Rest-Unternehmensmitbestimmung435. Diese anhand gesetzlicher Sonderregelungen nachweisbare wechselseitige Austauschbarkeit der Mitbestimmungswege belegt die These einer einheitlichen funktionalen Ausrichtung auf den Teilhabezweck der Mitbestimmung. Damit ist zwar nicht gesagt, daß dieselbe Mitbestimmungsaufgabe zweckmäßigerweise auf verschiedene Mitbestimmungsträger verteilt werden müßte. Festzuhalten ist aber, daß solche mehrgliedrigen organisationsrechtlichen Strukturen eingerichtet werden können, ohne daß damit teleologische Unterschiede zwischen betrieblicher und Unternehmensmitbestimmung eingeebnet und unterschiedliche Funktionen beeinträchtigt würden.

IV. Teilhabe und Betroffenenbeteiligung In der Zusammenschau erweist sich der Teilhabezweck als zentrales Anliegen der Mitbestimmung; als Effekt ergibt sich ein Formalschutz durch Teilhabe. Insoweit verhält sich das Mitbestimmungsrecht diametral zum Demokratieprinzip, dem es nicht um Teilhabe als Selbstzweck geht, sondern um Teilhabe als Mittel zur Legitimation heteronomer Entscheidungen. Die Fremdbestimmungswirkungen der Mitbestimmung rechtfertigt dementsprechend auch nicht etwa die Arbeitnehmer-Beteiligung, sondern allein das staatliche Gesetz. des Unternehmens als »sonstige« wirtschaftliche Angelegenheiten i. S. v. § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG eingestuft; etwa GK-BetrVG/Oetker, § 106 Rn. 89 mit umfangreichen Nachweisen. 432 Kritisch Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 109a BetrVG Rn. 1. 433 Eingehend Rieble/Kolbe, KTS 2009, 281, 282 ff. 434 Soeben II.1.c., S. 216 ff. 435 Auch dazu Rieble/Kolbe, KTS 2009, 281, 305.

D. Pseudo-demokratische Fremdkörper im Mitbestimmungsrecht?

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Dabei ordnen die Mitbestimmungsgesetze aus zwei unterschiedlichen Gründen Teilhaberechte an: Nahziel ist die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Konkretisierung der arbeitsvertraglichen Nebenpfl ichten in der arbeitsteiligen Organisation Betrieb, aber auch an (unternehmerischen) Strategieentscheidungen. Dahinter steht als sozialstaatliches Fernziel der mittelbare, (nur) prozedurale Zugriff des Staates auf die Privatwirtschaft, der die intendierte »soziale« Unternehmenspolitik selbst nicht konkretisieren will und kann. Wiederum im Gegensatz zur Demokratie hat dieser selbstreferentielle Teilhabezweck einen starken Bezug zum Gedanken der Betroffenenbeteiligung. Betroffenheit vermittelt nicht die innere, horizontale Verbindung einer Referenzgruppe zum demokratischen Verband, defi niert aber eine – wenngleich nur sehr unbestimmt umrissene – Gruppe, die demselben externen Zugriff ausgesetzt ist436 . In diesem Kontext meint Mitbestimmung die Teilhabe der Arbeitnehmer an dem »Zugriff« des Arbeitgebers. Gleichwohl ist »kollektive Selbstbestimmung« durch Betroffenenbeteiligung nicht der Legitimationsgrund der Mitbestimmung; Mitbestimmung ist keine Betroffenendemokratie in Betrieben und Unternehmen. Daher können die Interessen der Belegschaft legitim auch von Repräsentanten wahrgenommen werden, denen eine organisationsrechtliche Rückbindung an die Belegschaft fehlt; Beispiel ist die Gewerkschaftsbeteiligung in der Unternehmensmitbestimmung. Je weiter diese Form der »Fremdrepräsentation« ausgebaut wird, desto paternalistischer gerät die Mitbestimmung: Zwar fl ießen die Interessen der Arbeitnehmer unverändert in den Entscheidungsprozeß ein, dieser prozedurale Einfluß geht aber nicht mehr in demselben Maße auf ihre Teilhabe zurück. Anders gewendet bedeutet jede Abweichung vom Grundsatz der Mitbestimmung als Betroffenenbeteiligung eine Einschränkung des Teilhabezwecks.

D. Pseudo-demokratische Fremdkörper im Mitbestimmungsrecht? Die deutsche Arbeitnehmer-Mitbestimmung ist keine Mikrodemokratie in Betrieben und Unternehmen. Gleichwohl kannte und kennt das Mitbestimmungsrecht zahlreiche Anleihen bei der Staatsdemokratie; die Wahl der Arbeitnehmervertreter nach demokratischen Grundsätzen ist (nur) das herausstechende Beispiel. Löst man sich mit der hier vertretenen Auffassung vom Gedanken einer – jedenfalls irgendwie – demokratischen Mitbestimmung, sind solche Strukturen nicht mehr selbsterklärend, sondern zu hinterfragen.

436

Dazu § 2 B.I.3.b., S. 80.

228

§ 3 Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung

I. Wahlen 1. Akzeptanz durch Partizipation a. Legitimität statt Legitimation Nicht die Teilhabe der Arbeitnehmer legitimiert Fremdbestimmung in Arbeitsbeziehungen, sondern die Selbstbindung durch Arbeitsvertrag und die Mitbestimmungsgesetze. Der Großteil der heteronomen Mitbestimmungswirkungen könnte durch die Wahlen nach dem deutschen Mitbestimmungsrecht auch nicht (mikro-)demokratisch legitimiert werden: Das gilt für die Mitbestimmungswirkungen zu Lasten des Arbeitgebers nicht anders als für die aus Arbeitnehmersicht heteronome Normwirkung von Betriebsvereinbarungen, die entweder auch vom Arbeitgeber konsentiert oder von der Einigungsstelle angeordnet werden muß. Daß den mitbestimmungsrechtlichen Wahlen verbreitet eine der staatsrechtlichen Wahl vergleichbare Legitimationsfunktion zugesprochen wird437, ist gleichwohl nachvollziehbar. Die Mitbestimmungsgesetze suggerieren eine solche Funktion, indem bestimmte Strukturen der Staatsdemokratie kopiert werden. Beispielsweise rekurriert das Wahlrecht sowohl auf Betriebs- (§ 14 BetrVG) wie auf Unternehmensebene (vor allem § 5 DrittelbG, aber auch die mittelbaren Wahlen nach MitbestG und Montan-MitbestG sind jedenfalls geheim438 und »gleich«) inhaltlich auf die staatsverfassungsrechtlichen Wahlgrundsätze in Art. 38 Abs. 1 GG, §§ 12 ff. BWG 439. Solche Anleihen beim Demokratieprinzip zielen auf denselben Effekt, den nichtstaatliche Organisationen mitunter durch autonome Regelungen zu erreichen suchen: Beispielsweise hat Oliver Lepsius für private Standardisierungsorganisationen nachgewiesen, daß diese privaten Regelsetzer »sich Instrumente und Vorgaben aus der hoheitlichen Rechtsetzung [leihen], um einen Glauben an die Legitimität der produzierten Ergebnisse zu erzeugen, der wiederum zur Selbstbindung führt.«440 In der Sache geht es – vergleichbar dem Konzept output-orientierter 437 Leuze, ZTR 2009, 6, 7: Betriebsrat als »durch das demokratische Prinzip« legitimierter Repräsentant der Belegschaft; Kißler/Greifenstein/Schneider, Mitbestimmung, S. 26. Weiter Linsenmaier RdA 2008, 1, 5: »begründen die nach demokratischen Grundsätzen durchgeführten Wahlen eine nicht gering zu achtende Legitimation«; MünchArbR/v. Hoyningen-Huene, § 210 Rn. 4 spricht von »Legitimation durch Verfahren«. Aus der Rechtsprechung nur BAG v. 16. 8. 1983, 1 AZR 544/81, BAGE 44, 86 = NJW 1984, 2966. Anders Kreutz, FS Kraft, S. 323, 328, der den Betriebsrat nicht durch Wahl, sondern »primär« durch das BetrVG legitimiert sieht; ähnlich Waltermann, Rechtsetzung, S. 193 ff.: »ergänzende« Legitimation durch die Wahl. 438 Das MitbestG verlangt vor der geheimen Abstimmung über die Abberufung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat nach § 23 MitbestG freilich einen Antrag, den die erforderliche Mehrheit der Arbeitnehmer namentlich unterzeichnen muß; dazu Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 23 Rn. 2, der ein Demokratieproblem sieht. 439 Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 147. 440 Zu den Standardisierungsorganisationen Lepsius, Standardsetzung, S. 345, 366.

D. Pseudo-demokratische Fremdkörper im Mitbestimmungsrecht?

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»demokratischer« Legitimation441 – darum, die normative Frage nach der Legitimation einer Maßnahme (wenigstens teilweise) gegen die soziologische Frage nach deren Akzeptanz auszutauschen. Hinter den mitbestimmungsrechtlichen Wahlvorschriften steht dieselbe Intention: die Arbeitnehmerteilhabe soll vor allem die Akzeptanz mitbestimmter Entscheidungen sichern442 . Entgegen Loritz443 ist es auch keineswegs »lebensfremd«, zu erwarten, daß die Arbeitnehmer nachteilige Entscheidungen besser akzeptieren, wenn und weil diese vom durch die Arbeitnehmer gewählten Betriebsrat mit-getragen werden. Welchen Stellenwert die Haltung des Betriebsrats zu auch harten Sanierungsmaßnahmen im Betrieb für die Belegschaft haben kann, belegen die Erfahrungen mit den »betrieblichen Bündnissen für Arbeit«444 . Eindrucksvolles Anschauungsmaterial bietet der Sachverhalt der Burda-Entscheidung des BAG 445 : beinahe alle Arbeitnehmer des Betriebs hatten sich bereit erklärt, eine vom Betriebsrat abgeschlossene Sanierungs-Regelungsabrede arbeitsvertraglich umzusetzen. In solchen Fällen ist zwar die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust greifbar; indes ist damit nicht ausgeschlossen, daß auch die Unterstützung der Maßnahmen durch die gewählten Arbeitnehmervertreter eine wichtige psychologische Rolle für die Entscheidung der einzelnen Arbeitnehmer spielt. Im Gegenteil ist es plausibel, die Position des Betriebsrats als wesentlichen Faktor einzustufen. Sollen die mitbestimmungsrechtlichen Wahlen mithin nicht Entscheidungen legitimieren, sondern die Akzeptanz dieser Entscheidungen sichern oder zumindest erhöhen, dann hat wie für die Demokratie446 auch für das Mitbestimmungsrecht zu gelten, daß diese Akzeptanz (und mittelbar auch wieder die Wahl) gerade kein »Legitimationsbaustein« sein kann. Gleichwohl begreift Hänlein die »Akzeptanz als Folge des Erfolges« der Betriebsverfassung als »Legitimitätsquelle«447. Methodisch ist das doppelt fragwürdig: aus normativer Sicht, weil der Schluß von Akzeptanz auf Legitimation dem unzulässigen448 Schluß vom Sein auf das Sollen zumindest nahe kommt, und aus sozio441

Hierzu unter § 2 B.I.1.c., S. 68 ff. Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 151; ähnlich sieht E. Picker, RdA 2001, 259, 264 die betriebliche Mitbestimmung als »Grundbedingung sozialer Anerkennung und damit sozialen Friedens durch Teilhabe«. 443 ZfA 1991, 1, 7. 444 Ubber, AuA 2009, 280, 281. 445 Vgl. BAG v. 20. 4. 1999, 1 ABR 72/98, BAGE 91, 210 = NZA 1999, 887. 446 Zur demokratischen »output-Legitimation« bereits § 2 B.I.1.c., S. 68 ff. 447 Hänlein, RdA 2003, 26, 32; zurückhaltender Linsenmaier, RdA 2008, 1, 13, der diesen Gedanken ausdrücklich »jenseits aller Wissenschaftlichkeit« artikuliert. Dazu noch BVerfG [Senat] v. 24. 5. 1995, 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37 = NVwZ 1996, 574 – »Einigungsstelle Schleswig-Holstein« unter C.I.3.a) der Gründe. 448 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 924 dazu, daß der Schluß vom Sein auf das Sollen eine Rechtsfortbildung praeter legem kaschiert. Allgemein zum Verhältnis von Sein und Sollen etwa Schmitt Glaeser, Staat, S. 31 f. 442

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logisch-empirischer Sicht, weil der Verdacht nahe liegt, daß viele Arbeitgeber-/Unternehmensvertreter ihre kritische Haltung der Mitbestimmung gegenüber nicht oder nur zurückhaltend äußern, um den »sozialen Frieden« in Betrieb und Unternehmen nicht zu gefährden449. Hinter der »Legitimation durch Akzeptanz« steht letztlich der Gedanke, daß die Beteiligung der »sachnahen Betroffenen« die »bessere«, (sach-)gerechtere Regelung hervorbringt. Das ist freilich kein kontrollfähiger Maßstab und kann schon allein deshalb keine Legitimationsquelle sein. Zudem ist die Prämisse zweifelhaft, »interessenpluralistische« Entscheidungsteilhabe müßte materielle Richtigkeit garantieren oder wenigstens fördern. Daß Arbeitnehmer(vertreter) die besseren Unternehmer oder wenigstens 450 Betriebsleiter sind, ist empirisch nicht belegt451. Das Scheitern der gemeinwirtschaftlich orientierten Gewerkschaftsunternehmen452 spricht eher dagegen. Fehlt aber ein überlegener Sachverstand, den Mitbestimmung aktivieren könnte, kann die behauptete Qualitätssteigerung allenfalls durch die partizipativen Entscheidungsverfahren erreicht werden. Das klingt zunächst plausibel, wird aber durch die Demokratietheorie widerlegt: Mit inhaltlicher Richtigkeit hat partizipative Entscheidungsfi ndung nichts zu tun453 . b. Keine »demokratische« Kontrolle der Arbeitnehmervertreter In das hierarchische Demokratiemodell der Legitimationsketten paßt die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vor allem deshalb nicht, weil den gewählten Belegschaftsvertretern die personelle Legitimation fehlt – anders gewendet: die öffentlichrechtliche Verantwortlichkeit gegenüber einer höheren Instanz 454 , die wiederum (wenigstens mittelbar) durch das Volk legitimiert ist. Entgegen Giesen 455 läßt sich dieses »Erfordernis der institutionellen Integration [. . .] in das staatliche Gefüge« auch nicht dadurch ersetzen, daß die Mitbestimmungsträger »durch sämtliche betroffenen Arbeitnehmer gewählt und damit demokratisch legitimiert sind«, so daß »der Normgeber selbst innerhalb eines demokratischen Willensbildungsprozesses, der alle Normunterworfenen um449 Mit Blick auf die Unternehmensmitbestimmung Rüthers NZA 2007, 426, 426: »bei negativen Stellungnahmen [sei] damals wie heute mit erheblichen Konfl ikten verschiedenster Art zu rechnen«; weiter Loritz, ZfA 2009, 477, 482 ff. In diese Richtung auch Gentz, Mitbestimmung, S. 33, 39. 450 Als zu Recht überwunden darf heute indes die Ansicht gelten, die Arbeitnehmer könnten nur in arbeitstechnischen Angelegenheiten einen Beitrag leisten; anders noch Broecker, Wirtschaftliche Mitbestimmung, S. 34 ff., der dem Betriebsrat die Kompetenz in wirtschaftlichen Fragen abspricht. 451 Die Qualität der Arbeit der Arbeitnehmervertreter in deutschen Aufsichtsräten sieht Loritz, ZfA 2009, 477 ff. sehr kritisch. 452 Dazu etwa Lessner-Sturm, Gewerkschaften als Arbeitgeber, Rn. 38 f. 453 § 2 B.I.1.a., S. 64 ff. 454 Böhm, ORDO 4 (1951), 21, 158. 455 Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 218 mit Blick (nur) auf die Betriebsverfassung.

D. Pseudo-demokratische Fremdkörper im Mitbestimmungsrecht?

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faßt, konstituiert wurde und weiterhin einer demokratischen Kontrolle unterliegt.« Nicht nur fehlt der mitbestimmungsrechtlichen Wahl jede Legitimationsfunktion, sie kann auch keine »demokratische Kontrolle« im Giesenschen Sinne leisten. Das gilt selbst dann, wenn man der staatsverfassungsrechtlichen Demokratie die Funktion unterlegen wollte, die Exekutive (und also die Staatsmacht) zu kontrollieren456 . Diese Kontrolle der Regierung kann und soll nicht die punktuelle Wahl leisten; das können nur dauerhafte Prozesse. Staatsrechtlich sind hier die Kontrolle der Regierung durch das Parlament457 sowie im Rahmen der öffentlichen politischen Auseinandersetzung angesprochen458 . Betriebs- und Aufsichtsräte lassen sich schon deshalb nicht als die (aus »mikrodemokratischer« Perspektive kontrollbedürftige) Verwaltung einer allein auf die Mitbestimmung bezogenen »Binnendemokratie« begreifen459, weil in Betrieb und Unternehmen beide Kontrollmechanismen ausfallen: Zum »Parlamentsersatz« taugte in einem solchen Konstrukt bestenfalls die Betriebsversammlung i. S. d. §§ 42 ff. BetrVG. Die aber tritt regulär nur vierteljährlich zusammen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 BetrVG), hat keine ernstzunehmenden Kontroll- und nur rudimentäre Informationsrechte und kann kein rechtserhebliches Mißtrauensvotum gegen den Betriebsrat anbringen460 . Insoweit außer Betracht bleiben muß der (zudem praxisferne) Ausnahmefall eines Auflösungsantrags durch ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BetrVG. Die Auflösung des Betriebsrats ist schon kein Recht des Belegschaftskollektivs oder gar der Betriebsversammlung, sondern nur des Arbeitsgerichts. Vor allem aber liegt der Sachgrund einer eventuellen Auflösungsentscheidung in einer gerichtlich überprüften Pfl ichtverletzung des Betriebsrats und eben nicht im »demokratischen« Mehrheitswillen der Arbeitnehmerschaft461. Die Betriebsversammlung schafft aber auch keine »kontrollfähige« Betriebs-Öffentlichkeit, in der die Arbeit des Betriebsrats hinterfragt und diskutiert würde462 . Es braucht nach § 43 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, allein um einen bestimmten Gegenstand auf die Tagesordnung zu setzen.

456 Freilich zielt das Demokratieprinzip gerade nicht auf Machtkontrolle, sondern soll Macht rechtfertigen und also begründen; bereits § 2 A.I.2.a.[1], S. 38 f. 457 Stern, Staatsrecht II, S. 44 ff., 51 ff.; Dreier, GG, Art. 38 Rn. 41 ff. 458 Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 82 ff. 459 Dazu Müller-Franken, Befugnis, S. 197 ff. m. w. N. 460 Müller-Franken, Befugnis, S. 199; weiter Belling, Haftung, S. 56. 461 Vgl. Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Maschmann, § 23 BetrVG Rn. 1: keine Auflösung des Betriebsrats durch Mehrheitsentscheid der Belegschaft. 462 Richtig erkennt Rüthers, Individualbereich, S. 7, 29 im Betrieb weder eine »demokratische Überwachungsinstanz [. . .] noch eine Einflußmöglichkeit der öffentlichen Meinung«; weiter Belling, Haftung, S. 55 f.

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§ 3 Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung

Vor allem aber bedarf es keiner demokratischen Kontrolle des Betriebsrats durch die Belegschaft, um die fehlende staatliche Kontrolle auszugleichen: Daß der Betriebsrat nicht nur »Exekutive« ist, sondern zugleich Teil der »Legislative«, ist kein Defi zit an demokratischer Kontrolle durch Gewaltenteilung, sondern »im privaten Bereich unbedenklich, weil einer Gefahr der Ausweitung dieser Macht zu Lasten anderer Beteiligter durch gesetzliche, vom privaten Rechtsetzer selbst nicht zu beseitigende, staatliche Regeln vorgebeugt ist«463 . Die gemeinsame Rechtsetzungsmacht von Arbeitgeber und Betriebsrat muß nicht – entsprechend der Satzungsmacht öffentlichrechtlicher Selbstverwaltungskörperschaften – (auch) durch Partizipation der Normunterworfenen gebändigt werden, weil der Gesetzgeber deren Rechtsposition schon im Kontext der gesetzlichen Anerkennung privater Rechtsakte als Rechtsnormen sichern muß 464 . c. Amtskontinuität statt Diskontinuität In der Konsequenz ist der Betriebsrat des BetrVG hinsichtlich der Legitimationsfrage unabhängig von den periodischen Wahlen. Er ist als funktionsbezogene Interessenvertretung konzipiert, die ohne Rücksicht auf die personelle Zusammensetzung des Gremiums gedacht werden kann. Damit entfällt auch der entscheidende Grund, der den verfassungsrechtlichen Grundsatz der (nicht nur personellen, sondern) sachlichen Diskontinuität465 bei Ende der Bundestagswahlperiode rechtfertigt: Im Staatsrecht folgt aus der »demokratisch unabdingbaren Limitierung der Mandatserteilung«, daß dem neuen Parlament weitgehend ein »Neubeginn in der Sache« möglich sein muß 466 . Demgegenüber zielt das BetrVG richtigerweise nicht auf einen materialen Neubeginn nach der Betriebsratswahl, sondern auf möglichst weitgehende Amtskontinuität. Sichtbar wird das an den organisationsrechtlichen Vorgaben der §§ 13, 16 und 21 BetrVG 467, die einen »nahtlosen« Amtswechsel anstreben. Deshalb gibt es für einen neuen Betriebsrat auch keine »Schonfrist« zur Einarbeitung468 , betriebsverfassungsrechtliche Fristen – etwa nach §§ 99 Abs. 3 Satz 1, 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG – werden nicht unterbrochen oder gehemmt, sondern laufen weiter469. Anders gewendet: Solange es nicht zu einer betriebsrats463

F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 225. Näher B.II.2.c.[1], S. 193 f. Anders Linsenmaier, RdA 2008, 1, 7. 465 Zu ihm nur Maunz/Dürig/Klein, GG, Art. 39 Rn. 48 ff., 53 ff. 466 Maunz/Dürig/Klein, GG, Art. 39 Rn. 61 m. w. N. 467 Kreutz, FS Kraft, S. 323, 334 f., der den Betriebsrat gleichwohl nicht als »Dauereinrichtung mit wechselnder Mitgliedschaft« einstufen will. 468 BAG v. 23. 8. 1984, 6 AZR 520/82, BAGE 46, 282 = NZA 1985, 566: Kündigung nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses, aber vor konstituierender Sitzung des Betriebsrats. Abzulehnen ist die Entscheidung freilich insoweit, als das BAG ein Beteiligungsrecht nach § 102 BetrVG verneint; dazu GK-BetrVG/Kreutz, § 21 Rn. 19 m. w. N. 469 Zu § 99 BetrVG etwa Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 99 464

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losen Phase und damit zu einer zeitlichen Zäsur kommt, bleibt der Betriebsrat i. S. d. BetrVG »derselbe«470 , auch wenn sich seine personelle Zusammensetzung ändert. d. Wahlschutz und Wahlanfechtung An dieser Bewertung der Wahlfunktionen ändert auch der besondere Stellenwert nichts, den das Mitbestimmungsrecht den Wahlen einräumt, indem es den umfassenden Wahlschutz nach § 20 BetrVG mit dem Straftatbestand des § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG flankiert. Zwar hat der BGH in seiner »Siemens/ AUB-Entscheidung« gerade deshalb ein (jedenfalls partiell) strafbewehrtes Neutralitätsgebot für den Arbeitgeber postuliert, weil »die Betriebsratswahl der Legitimation der betrieblichen Arbeitnehmerrepräsentanten dient«471. Diese rudimentäre Begründung geht indes am maßgebenden Gesichtspunkt vorbei: In der Tat kann die ungleiche Verteilung von Wahlkampfchancen die Legitimation gewählter Repräsentanten beeinträchtigen, wenn und weil eine offene politische Auseinandersetzung und damit eine freie Willensbildung der Wahlberechtigten nicht oder nur sehr eingeschränkt stattfi nden. Diese Überlegung steht hinter dem verfassungsrechtlichen Gebot der Neutralität der (z. B. Bundes-)Regierung im Wahlkampf472 , die mit öffentlichen (Macht-)Mitteln überlegenen Einfluß auf die politische Diskussion ausüben kann, etwa durch amtliche Öffentlichkeitsarbeit, der die Bürger regelmäßig besonderes Vertrauen entgegenbringen. Die Gefahrenlage mit Blick auf die Betriebsratswahl ist eine andere: Hier ist den Gewerkschaften nach überwiegender Ansicht sogar Wahlpropaganda durch (verbandsrechtliche) Machtmittel erlaubt. Konkret sollen sie ihre Mitglieder unter Androhung des Ausschlusses dazu anhalten dürfen, keine »gewerkschaftsfremden« Listen zu unterstützen473 . In jedem Falle dürfen im Betrieb vertretene Gewerkschaften Wahlwerbung für die von ihnen unterstützte

Rn. 272: selbst wenn der Betriebsrat die verspätete Zustimmungsverweigerung nicht verschuldet, greift die Zustimmungsfi ktion – einzig höhere Gewalt rechtfertigt eine Ausnahme; weiter Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 99 BetrVG Rn. 62. Vor diesem Hintergrund zu großzügig Däubler/Kittner/Klebe/Wedde/Bachner, BetrVG, § 99 Rn. 175, der höhere Gewalt mit »ohne [. . .] Verschulden« gleichsetzt. 470 Unklar Kreutz, FS Kraft, S. 323, 334 f., der letztlich aber doch den Gedanken der Amtskontinuität betont. 471 BGH v. 13. 9. 2010, 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288 = ZIP 2010, 2239 – »Siemens/ AUB« Rn. 54 [Hervorhebung von mir.]; im Anschluß an Richardi/Thüsing, BetrVG, § 20 Rn. 18. Kritisch Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, §§ 119–121 BetrVG Rn. 2 f. Weitere Nachweise zum Meinungsstand bei Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 119 Rn. 21. 472 Zu diesem Gebot BVerfG [Senat] v. 2. 3. 1977, 2 BvE 1/76, BVerfGE 44, 125 = DVBl. 1977, 419 – »Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung« sub C.IV. der Gründe; weiter Epping/Hillgruber/Butzer, GG, Art. 38 Rn. 61. 473 Nachweise bei Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 119 Rn. 20.

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Liste fi nanzieren474 . Bei einem Neutralitätsgebot nur und gerade an den Arbeitgeber geht es also nicht darum, die Legitimation der Arbeitnehmerrepräsentanten zu sichern, indem der Willensbildungsprozeß im Vorfeld der Wahl dadurch offen und pluralistisch gehalten wird, daß überlegene Fremdeinflüsse abgewehrt werden. Vielmehr kann das Gebot nur darauf zielen, die Abhängigkeit der Gewählten vom Arbeitgeber als dem mitbestimmungsrechtlichen Gegenpol zum Betriebsrat zu verhindern475. Daraus folgt zweierlei: Erstens ist diese (auch nur potentielle) Abhängigkeit aus der Perspektive des Mitbestimmungsrechts auch dann anstößig, wenn die Unterstützung durch den Arbeitgeber transparent ist476 . Der Teilhabezweck der betrieblichen Mitbestimmung wird nicht erst dadurch gefährdet, daß der Arbeitgeber eine »gelbe« Liste heimlich (fi nanziell) unterstützt. Das Problem ist die abstrakte Gefahr, daß die Kandidaten einer solchen Liste die von ihnen repräsentierten Arbeitnehmerinteressen zugunsten derer des Arbeitgebers zurückzustellen. Zweitens läßt sich ein absolutes Neutralitätsgebot nicht begründen. Nicht jeder Arbeitgeber-Einfluß begründet auch nur die abstrakte Gefahr einer Abhängigkeit der unterstützten Kandidaten. Daß sich die Grenze kaum bestimmten läßt, rechtfertigt einen erheblichen »Sicherheitsabstand«, nicht aber ein ausnahmsloses Einmischungsverbot. Zumindest (betriebs-)öffentlich Stellung beziehen muß der Arbeitgeber dürfen477. Daß schließlich die Wahlanfechtung i. S. d. § 19 BetrVG nur ex nunc wirkt478 , nötigt ebensowenig zu Parallelen zum Staatsrecht479, sondern belegt das rechtsstaatliche Gebot, normative Ordnungen mit Rücksicht auf die Dispositionen der Normunterworfenen grundsätzlich nicht rückwirkend zu beseitigen. Aus eben denselben Erwägungen heraus können auch Tarifverträge (prinzipiell) nicht mit Rückwirkung angefochten werden480 . Das BAG bemüht »die Grundsätze, die für politische Wahlen gelten« auch als Beleg für seinen Rechtssatz, daß Arbeitgeber den Abbruch von Betriebsratswahlen nur bei absehbarer Nichtigkeit durchsetzen können – wohingegen eine absehbare Anfechtbarkeit der Wahl nicht präventiv geltend gemacht werden darf481. Angesprochen ist dabei vor allem der vom BVerfG im Demokratieprinzip radizierte 474

Nur Rieble/Wiebauer, ZfA 2010, 63, 123; Richardi/Thüsing, BetrVG, § 20 Rn. 5. In diese Richtung Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 20 Rn. 24; ErfK/Koch, § 20 BetrVG Rn. 7, deren Ansicht nach sich der Arbeitgeber als »Gegenspieler« des (künftigen) Betriebsrats jeder Einflußnahme auf dessen Zusammensetzung zu enthalten habe. 476 Unklar BGH v. 13. 9. 2010, 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288 = ZIP 2010, 2239 – »Siemens/AUB« Rn. 55. 477 Rieble/Wiebauer, ZfA 2010, 63, 123 ff., 125. 478 Etwa Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 19 Rn. 21; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 19 Rn. 49 f. 479 So aber Däubler, NZA 1988, 857, 863. 480 Hierzu statt aller Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1340. 481 BAG v. 27. 7. 2011, 7 ABR 61/10, NZA 2012, 345 – Rn. 35. 475

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Grundsatz, gewählten Volksvertretungen soweit als möglich Bestandsschutz gegen wahlprüfungsrechtliche Eingriffe zu gewähren482 . Staatsverfassungsrechtlich läßt sich diese Zuordnung des Wahlbestandsschutzes zum Demokratiegebot zumindest anzweifeln483 , weil die Demokratie auch und vor allem umgekehrt danach verlangt, daß der Wählerwille im Parlament korrekt abgebildet ist. Betriebsverfassungsrechtlich ist ohnehin ein anderer Gesichtspunkt entscheidend: der Zwangscharakter der betrieblichen Mitbestimmung. Das BetrVG zielt auf eine möglichst flächendeckende Versorgung betriebsratsfähiger Betriebe mit Betriebsräten und erlaubt – sobald sich erstmals ein Betriebsrat konstituiert hat – betriebsratslose Zeiten nur bei nichtiger Betriebsrats(neu)wahl484 . 2. Mitbestimmung ohne Wahl? a. Verzichtbarkeit der Wahl unter Legitimationsaspekten Also: Die Wahlen im Mitbestimmungsrecht sind mit Blick auf die Frage der Legitimation vollständig verzichtbar485. Nach »demokratischen Grundsätzen« läßt sich überall wählen, ohne daß daraus die entscheidende normative Konsequenz zu ziehen und auf eine demokratische Legitimation der Gewählten zu schließen wäre. Staatliche Strukturprinzipien haben nicht schon deshalb zu gelten, weil freie und gleiche Wahlen durchgeführt werden486 . Wahl und Interessenrepräsentation sind in der Mitbestimmung keine Konsequenz der Mikrodemokratie in Betrieben und Unternehmen, sondern beruhen »auf einer positiv-rechtlichen Entscheidung [. . .], die aus Praktikabilitätsgründen getroffen wurde, um eine einheitliche Interessenvertretung aller Arbeitnehmer des Betriebs dem Arbeitgeber gegenüber und damit das Funktionieren der Betriebsverfassung überhaupt sicherzustellen«487. Daß den mitbestimmungsrechtlichen Wahlen keine Legitimationsfunktion zukommt, heißt nicht, daß die Wahlen keine wichtige Funktion erfüllten. Sie eröffnen die reale Chance, daß mitbestimmte Entscheidungen von den Arbeitnehmern besser akzeptiert werden. Mitbestimmung zielt also auf die Sicherung des »sozialen Friedens«. Ob sie dem damit formulierten Anspruch gerecht wird488 , ist im hier unter482 BVerfG [Senat] v. 8. 2. 2001, 2 BvF 1/00, BVerfGE 103, 111 = NJW 2001, 1048 – »Wahlprüfung Hessen« zu C.I.2.a) der Gründe. 483 Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 48 Rn. 11. 484 Zu Recht betont von BAG v. 27. 7. 2011, 7 ABR 61/10, NZA 2012, 345 – Rn. 33. 485 In diese Richtung auch Rieble, NJW 2006, 2214, 2216: »Auf einen mitbestimmten Aufsichtsrat kann man verzichten, auf ein gewähltes Staatsorgan aber nicht.« 486 Richtig Heinze, ZfA 1988, 53, 58; zustimmend Lohse, Grenzen, S. 54. 487 Müller-Franken, Befugnis, S. 170 im Anschluß an GK-BetrVG/Kraft 7, § 1 Rn. 10. Anders aber nunmehr GK-BetrVG/Franzen, § 1 Rn. 64, der die »gewisse Ähnlichkeit« mit der staatsrechtlichen Repräsentation in den Vordergrund rückt. 488 I.d.S. MünchArbR/v. Hoyningen-Huene, § 210 Rn. 4; für die Unternehmensmitbe-

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suchten Zusammenhang nicht ausschlaggebend, und entzieht sich ohnehin einem letztverbindlichen Nachweis. Die (Un-)Friedlichkeit eines so komplexen Systems wie der Arbeitsbeziehungen kann nicht monokausal erklärt werden. Der entscheidende funktionale Unterschied zwischen der mitbestimmungsrechtlichen Wahl und der politischen Wahl als dem Anknüpfungspunkt einer Legitimationskette liegt darin, daß das Gebot der Legitimation von Fremdbestimmung ein wesentlicher Bestandteil jeder auf Menschenwürde und individuelle Selbstentfaltung ausgerichteten Rechtsordnung ist, und damit unter dem Grundgesetz nicht zur Disposition steht. »Sozialer Friede« ist hingegen kein Wert von Verfassungsrang – darf also durchaus beschädigt werden, um legitime Interessen zu befördern: Plastisches Beispiel ist Art. 9 Abs. 3 GG, der die Koalitionsfreiheit und das dienende Arbeitskampfrecht der Tarifverbände garantiert, und der damit nach Ansicht des BAG selbst so exzessgeneigte und potentiell unfriedliche Kampfmaßnahmen wie eine aktive Produktionsstörung durch Flashmob-Aktionen erlaubt489. Anders ausgedrückt ist der Gesetzgeber weder angesichts der verfassungsrechtlichen Wertungsgrundlage der Mitbestimmung als solcher noch angesichts der Effekte der mitbestimmungsrechtlichen Wahlen gehindert, diese Wahlen zu entwerten oder gar abzuschaffen. Schon das geltende Recht kennt solche Tendenzen: Die Wahl der Gewerkschaftsvertreter in den Aufsichtsrat nach § 16 MitbestG taugt angesichts der Bindung an die Wahlvorschläge nicht als Legitimationsträger; von dem nach § 16 Abs. 2 Satz 2 MitbestG zulässigen einzigen Wahlvorschlag ist es nur ein kleiner Schritt zur Friedenswahl. In der funktionalen Selbstverwaltung steht die Friedenswahl zwar zu Recht in der Kritik490 , für die Mitbestimmung wäre sie indes ebenso unproblematisch wie andere gesetzlich angeordnete Bestellungsverfahren jenseits der Belegschaftswahl, etwa Kooptationsmodelle, Entsenderechte der Gewerkschaften491 oder ein Ältestenrat im Betrieb. Theoretisch ist es denkbar, Nicht-Arbeitnehmer mit der Repräsentation von Arbeitnehmerinteressen zu betrauen. Es gibt aus legitimationstheoretischer Sicht keinen Grund, die Interessenrepräsentation im Mitbestimmungsrecht nur den »besonders betroffenen« Arbeitnehmern zuzuweisen. In Ansätzen kennt schon das geltende Recht solche Fremdrepräsentation:

stimmung auch Rüthers, NZA 2007, 426, 429. Skeptisch gegenüber einer »Friedensrendite« der Mitbestimmung Rieble, Folgenabschätzung, S. 53 ff. Rn. 52. 489 BAG v. 22. 9. 2009, 1 AZR 972/08, BAGE 132, 140 = NZA 2009, 1347 – »Flashmob« Rn. 31 ff. Zu Kritik und weiterführenden Fragen die Beiträge in Rieble, Volker/ Junker, Abbo/ Giesen, Richard (Hrsg.), Neues Arbeitskampfrecht? (2010). 490 § 2 C.II.1.a., S. 117. 491 Velten, Gewerkschaftsvertreter, S. 56 m. w. N. sieht schon de lege lata ein »faktisches Entsenderecht« in MitbestG und Montan-MitbestG.

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– Das BetrVG verpfl ichtet den Betriebsrat (auch) auf allgemeinpolitische Aufgaben wie den Umweltschutz, obwohl es insoweit an der besonderen Betroffenheit gerade der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer fehlt. – Das MitbestG reserviert den leitenden Angestellten einen Sitz im Aufsichtsrat und ordnet sie in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG den Arbeitnehmern zu, begründet also das aktive wie passive Wahlrecht aus der Arbeitnehmerstellung, obschon das BetrVG die Leitenden gerade deshalb ausgrenzt, weil sie gegenüber der Belegschaft die Interessen des Arbeitgebers vertreten492 . b. Fremdrepräsentation und Arbeitnehmerrechte Je stärker das Gesetz dieses Moment der Fremdrepräsentation ausprägt, desto intensiver wird der auch gegen die Arbeitnehmer wirksame Eingriffscharakter der Mitbestimmung493 . Sichtbar wird das an theoretischen Extremfällen, in denen die Wahlen abgeschafft und Arbeitnehmervertreter in Betriebs- und Aufsichtsrat von »Externen« bestellt würden, sei es nach Vorbild des § 9 Abs. 2 a. E. AOG hoheitlich oder durch Gewerkschaften. Mindestens derart radikale Lösungen werfen die Frage nach den verfassungsrechtlichen Grenzen eines solchen Eingriffs durch den Sozialstaat auf, der private Belegschaften mit dezidiert paternalistischer Interessenfürsorge zwangsbeglücken will. Zwar schränken die Grundrechte der repräsentierten Arbeitnehmer in ihrer Schutzpfl ichtendimension material die Kollektivmacht ein, weil der Gesetzgeber ihnen durch Begleitregelungen Rechnung tragen muß, wenn er privatheteronome Mitbestimmungswirkungen erlaubt494 . Das kann indes nicht heißen, daß jedenfalls die so beschränkte Kollektivgewalt beliebig zugewiesen werden dürfte. Insoweit sind Willkürverbot und Verhältnismäßigkeitsgebot als Schranken staatlicher Sozialgestaltung495 angesprochen: Willkürlich ist dabei eine Fremdrepräsentation ohne jeden Bezug zu den repräsentierten Arbeitnehmerinteressen. Konkret könnte der Gesetzgeber Umweltschutzinteressen zwar auch im Betrieb extern (etwa durch Umweltschutzorganisationen) bestellten Repräsentanten zuweisen. Die Repräsentation von Arbeitnehmerinteressen exklusiv solchen »Outsidern« zu übertragen, wäre demgegenüber unzulässig. Den Gedanken der Betroffenenbeteiligung derart radikal auszublenden, ist mit Blick auf den Teilhabezweck der Arbeitnehmermitbestimmung sachlich nicht zu rechtfertigen.

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BAG v. 16. 7. 1985, 1 AZR 206/81, BAGE 49, 199 = NZA 1985, 713 – III.3.c) der Gründe. 493 Zu ihm bereits A.III.3., S. 172 f. 494 Hierzu mit Blick auf die Normwirkung von Betriebsvereinbarungen B.II.2.c.[1], S. 193 f. 495 Allgemein zu den Schranken hoheitlicher Sozialgestaltung im Privatrecht Neuner, Privatrecht, S. 229 ff.

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Überdies rückt eine derart paternalistische Mitbestimmung nah an staatlich verordnete Sozialvormundschaft, die sich mit Blick auf ihren zwangskorporativen Charakter auch der Verhältnismäßigkeitsfrage stellen muß. Das gilt zumindest im Grundsatz auch dann, wenn Arbeitnehmerinteressen durch Arbeitnehmervertreter wahrgenommen werden, denen eine verfahrensmäßige Rückkopplung an die Belegschaft fehlt. Vor diesem Hintergrund wäre der ausschließlich von einer Gewerkschaft berufene Betriebsrat als mittelbare Zwangsorganisation unverhältnismäßiger Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit. Der staatlich ernannte Betriebsrat wäre unverhältnismäßige Last für die Privatautonomie der Arbeitnehmer: Weil der Betrieb als privater Freiheitsbereich nicht abschließend hoheitlich geordnet werden darf496 , dürfen die betrieblichen Regelungsspielräume auch nicht exklusiv von personell demokratisch legitimierten Amtswaltern ausgefüllt werden. Diese verfassungsrechtlichen Grenzen für radikalen Mitbestimmungspaternalismus konstituieren aber keine »Mitbestimmungsdemokratie auf Umwegen«, schon weil es gerade nicht um Legitimationsgesichtspunkte geht. Paternalistische Elemente in der Mitbestimmung bleiben möglich. Wenn die funktionale Selbstverwaltung öffentlichen Rechts Nichtbetroffenenbeteiligung im Interesse der aufgabenbezogenen Leistungsfähigkeit des Systems erlaubt497, muß dies erst recht für die Mitbestimmung gelten, für die sich die Frage nach einer Legitimation durch Partizipation nicht stellt. I.d.S. wäre ein Besetzungsmodell denkbar, das – grob nach dem Vorbild der Rundfunkräte konzipiert498 – die Pluralität der Arbeitnehmerschaft abbilden soll, und dazu Entsenderechte für Gewerkschaften und Arbeitnehmerkammer mit einer Betroffenen-Repräsentation durch qua Friedenswahl bestellte Belegschaftsvertreter kombiniert. Daß die Interessen der Arbeitnehmer in einem solchen System besser aufgehoben sein sollten, ist zwar alles andere als zwingend. Das bedeutet aber nicht etwa ein verfassungsrechtliches Verbot, sondern betrifft »nur« die Frage, wie weit der Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers mit Blick auf die Leistungsfähigkeit eines bestimmten Mitbestimmungsmodells auch im Gemeinwohlinteresse reicht. Mithin untersagen weder die Privatautonomie als Verfassungswert noch ein auf der Privatautonomie gründendes Privatrecht absolut, daß fremde Interessen ohne verfahrensmäßige Rückbindung an den Interessenträger wahrgenommen werden. Das belegt gerade das kollektive Arbeitsrecht: Über Betriebsnormen können die Tarifparteien betriebliche Regelungsfragen auch gegenüber Nichtmitgliedern bindend entscheiden. Mit betriebsverfassungs496

Hierzu unter B.II.2.b.[2], S. 189 ff. BVerfG [Senat] v. 5. 12. 2002, 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98, BVerfGE 107, 59 = NVwZ 2003, 974 – »Lippeverband« unter C.I.4.c) der Gründe. 498 In den Rundfunkräten soll eine möglichst heterogene Besetzung für gemeinwohlverträgliche Entscheidungen sorgen; dazu BVerfG [Senat] v. 5. 2. 1991, 1 BvF 1/85 und 1/88, BVerfGE 83, 238 = NJW 1991, 899 – »6. Rundfunkurteil« zu B.V.1. der Gründe. 497

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rechtlichen Normen können sie nach § 3 BetrVG den Betrieb und damit das »Wahlvolk« der Betriebsverfassung defi nieren, oder die Zwangsschlichtung der Betriebsparteien vor der Einigungsstelle nach § 76 Abs. 8 BetrVG durch ein Verfahren vor einer tarifl ichen Schlichtungsstelle ersetzen, die gerade nicht von den Betriebs-, sondern nur von Tarifparteien besetzt wird499. Ohnehin zeigt das Einigungsstellenverfahren anschaulich, daß privatheteronome Entscheidungsbefugnisse nicht zwingend einer formalen Rückbindung an die Entscheidungsbetroffenen bedürfen. Im Streitfall wird der Vorsitzende nicht von den Betriebspartnern ausgewählt, sondern im Verfahren nach § 98 ArbGG vom Gericht bestellt. Kommt es in der Einigungsstelle dann zu einer erneuten Beschlußfassung, weil im ersten Anlauf keine Mehrheitsentscheidung erzielt werden konnte, entscheidet de facto allein der Vorsitzende, § 76 Abs. 3 Satz 3 Hs. 2 BetrVG. Auch jenseits des Arbeitsrechts kommt zwangsweise Interessenwahrnehmung ohne verfahrensförmigen Einfluß des Schutzbefohlenen vor: Beispielsweise ist der – nach § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO gerichtlich bestellte – Insolvenzverwalter durch das Abwahlrecht der Gläubiger i. S. d. § 57 InsO zwar an die Zustimmung der Gläubiger gebunden, denen § 56a InsO neuerdings sogar Beteiligungsrechte bei der erstmaligen Verwalterauswahl zugesteht. Indes steht der Verwalter nicht nur für die Interessen der Gläubiger, sondern ebenso für die des Schuldners500 , von dessen Zustimmung die Person des Verwalters nach der InsO gerade nicht abhängt 501. c. Ergebnis Im Ergebnis ist ein Mitbestimmungsrecht jenseits der Wahl durchaus denkbar. Ob ein solches Modell für die Teilhabe der Arbeitnehmer rechts- oder ordnungspolitisch zweckmäßig ist, ist damit freilich nicht gesagt. Hier geht es nur darum, die Konsequenz aus der bereits erarbeiteten Prämisse zu ziehen, daß die Belegschaftswahl als Legitimationsquelle der Mitbestimmung nicht erforderlich ist – und richtigerweise auch nicht in Betracht kommt. Diese Konsequenz kann nur sein: die Repräsentation von Arbeitnehmerinteressen in Betrieb oder Unternehmen setzt die Wahl der Mitbestimmungsträger durch die Belegschaft nicht voraus. Eine Mitbestimmung ohne Wahl ist – solange sie auf einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage beruht – keine illegitime Fremdbestimmung, sondern beschädigt »nur« den Teilhabezweck der Mitbestimmung.

499 Näher zur Besetzung der tarifl ichen Schlichtungsstelle nach § 76 Abs. 8 BetrVG Rieble, RdA 1993, 140, 149. 500 Etwa Kolbe, Deliktische Forderungen, S. 100 f. m. w. N. 501 Die Eigenverwaltung nach den §§ 270 ff. InsO kann als Sonderfall außer Betracht bleiben.

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3. »Basisdemokratie« in Betrieben und Unternehmen? Müssen Mitbestimmungswirkungen mithin nicht durch die Wahlentscheidung der Arbeitnehmer legitimiert werden, ist die Frage aufgeworfen, weshalb das Mitbestimmungsrecht individuelle Teilhabe vereinzelt nicht nur als Wahl kennt, sondern auch als Abstimmung zu Sachfragen. a. Sachentscheidungen durch die Betriebsbelegschaft Angesprochen ist dabei in erster Linie die Betriebsverfassung, die die Belegschaft schon über das »Ob« der Mitbestimmung entscheiden läßt 502 . Freilich: Eine ernstzunehmende Mehrheitsentscheidung treffen nur die leitenden Angestellten, § 7 Abs. 2 SprAuG. Die Arbeitnehmer im Betrieb können sich nicht mehr gegen einen Betriebsrat entscheiden, sobald die Betriebsversammlung i. S. d. § 17 Abs. 2 Satz 1 BetrVG einberufen wird. Dazu reicht die Einladung einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft oder die von nur drei wahlberechtigten Arbeitnehmern aus, § 17 Abs. 3 BetrVG. Selbst diese Minimalanforderungen entfallen, wenn zwar im Betrieb kein Betriebsrat besteht, aber im Unternehmen ein Gesamtbetriebsrat oder im Konzern ein Konzernbetriebsrat: als »Mentoren« sind diese nach § 17 Abs. 1 BetrVG verpfl ichtet, mindestens aber berechtigt 503 , unabhängig vom Willen der Betriebsbelegschaft einen Wahlvorstand zu bestellen. Die Zuständigkeit der Betroffenen ist nur (noch) subsidiär504 . In der Zusammenschau belegt gerade das Wahleinleitungsverfahren einen dezidiert paternalistischen Einschlag der betrieblichen Mitbestimmung. Von einem freien, auch nur »erstmalig« legitimierenden Votum der Arbeitnehmer läßt sich nicht sprechen. Auch sonst kennt das BetrVG eine direkte Mitsprache der Belegschaft nur in organisatorischen 505 Fragen: Ein Art mitbestimmungsrechtliches Vetorecht der Belegschaft regelt § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Arbeitnehmer eines Betriebsteils, welcher nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG als Betrieb gilt, können vor der »eigenen« Betriebsratswahl mehrheitlich (formlos) zu beschließen, an der Wahl im Hauptbetrieb teilzunehmen. In der Sache ist das ein Verzicht auf die gesonderte, arbeitnehmernähere Repräsentation im Betriebsteil selbst. Insoweit vergleichbar erlaubt § 3 Abs. 3 BetrVG den Arbeitnehmern eines Unternehmens, mit Mehrheit die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats zu beschließen. Beide Fälle betreffen primär die Zuordnung von Arbeit-

502

Betont von Reichold, Betriebsverfassung, S. 451 ff.; Sodan, JZ 1998, 421, 428 f. Für eine Bestellungspfl icht GK-BetrVG/Kreutz, § 17 Rn. 11 m. w. N. zum Streitstand; für ein bloßes Recht Richardi/Thüsing, BetrVG, § 17 Rn. 3. 504 Richardi/Thüsing, BetrVG, § 17 Rn. 1. 505 Vgl. aber Birk, FS Wiese, S. 43 ff. zu dem kurzlebigen rechtspolitischen Experiment einer Abstimmung der Belegschaft über Richtlinien für die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 4 Satz 2 KSchG a. F. 503

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nehmern zu einer mitbestimmten Einheit, allenfalls mittelbar kann die Entscheidung über das »Ob« der Mitbestimmung gesteuert werden. b. Abberufung von Arbeitnehmervertretern durch Belegschaftsentscheid Das Unternehmensmitbestimmungsrecht kennt zwar keine Sachentscheidungen durch die Unternehmensbelegschaft, wohl aber Urabstimmungen über formale Fragen der Aufsichtsratsbeteiligung. Das betrifft zunächst das komplizierte Wahlverfahren des MitbestG: In Unternehmen, die in der Regel mehr als 8000 Arbeitnehmer beschäftigen, kann die Belegschaft durch Mehrheitsbeschluß (mindestens der Hälfte der Wahlberechtigten, § 9 Abs. 3 Satz 3 MitbestG) entscheiden, statt in mittelbarer Delegiertenwahl in unmittelbarer Wahl darüber abzustimmen, wer ihre Interessen im Aufsichtsrat einbringen soll. In der Sache geht es dabei um eine eher technische Entscheidung über das Wahlverfahrensrecht, die für die hier untersuchte Frage nach eventuellen »basisdemokratischen« Elementen der Mitbestimmung vernachlässigt werden kann. Interessanter ist in diesem Zusammenhang, daß die wahlberechtigten Arbeitnehmer ein von ihnen gewähltes Mitglied im quasi-paritätisch oder drittelparitätisch zusammengesetzten Aufsichtsrat mit Dreiviertelmehrheit abberufen können, § 23 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 MitbestG, § 12 Abs. 1, Abs. 2 DrittelbG (je i. V. m. § 103 Abs. 4 AktG). Hat eine Delegiertenwahl nach MitbestG stattgefunden, steht das Abberufungsrecht auch den Delegierten zu, § 23 Abs. 2 MitbestG. § 11 Abs. 2 Montan-MitbestG bindet die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer konsequent an einen Vorschlag der wahlberechtigten Betriebsräte. Im Vergleich zum Betriebsverfassungsrecht, das die »Abberufung« von Betriebsratsmitgliedern nach § 23 Abs. 1 BetrVG nur als Sanktion für Pfl ichtverstöße zuläßt, eröffnet die Unternehmensmitbestimmung den Arbeitnehmern größeren Einfluß. Neben ihrer (qualifi zierten) Mehrheitsentscheidung ist kein rechtfertigender Sachgrund erforderlich 506 ; das Mandat der Arbeitnehmervertreter ist in gewisser Weise faktisch gebunden 507. Indes: Die Abberufung wird nicht praktisch 508 . Jedenfalls im MitbestG ist dies angesichts der hohen Anforderungen – Dreiviertelmehrheit für den Antrag auf Abstimmung und für die Abstimmung – auch nicht anders zu erwarten. Überdies könnte allenfalls das imperative Mandat die hier untersuchte direktdemokratische Legitimation 506

ErfK/Oetker, § 23 MitbestG Rn. 1. Vgl. Ulmer/Habersack/Henssler, § 12 DrittelbG Rn. 1: Die Möglichkeit der Abberufung stelle sicher, daß die »Legitimation des AR-Mitglieds [. . .] an den Fortbestand des Wählervertrauens geknüpft« bleibe. [Abkürzung und Hervorhebung im Original.] 508 Für das MitbestG Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 23 MitbestG Rn. 1; MünchKommAktG/Gach, § 23 MitbestG Rn. 2. Für das DrittelbG MünchArbR/ Wißmann, § 285 Rn. 27. 507

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von Kollektiventscheidungen leisten. Das durch die (theoretische) Möglichkeit der Abberufung – wenn überhaupt – nur faktisch gebundene Mandat verstärkt lediglich das Wahlrecht, dem die Legitimationsfunktion gerade abgeht. c. Belegschaftsbeteiligung statt Basisdemokratie Zusammengefaßt: Soweit die Mitbestimmungsgesetze der Belegschaft Teilhabe über den Wahlakt hinaus erlauben, geht es nicht um direkte Demokratie in den Betrieben und Unternehmen. Die heteronome Wirkung von Kollektiventscheidungen ruht in keinem Fall auf der Rückbindung an eine Belegschaftsabstimmung. Statt dessen können die Arbeitnehmer organisatorische Rahmenbedingungen der gesetzlich legitimierten Mitbestimmung direkt beeinflussen. Im Betriebsverfassungsrecht steht dabei die Zuordnung zu einer bestimmten betriebsratsfähigen Einheit im Vordergrund, im Unternehmensmitbestimmungsrecht geht es um die – praktisch irrelevante – Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer.

II. »Betriebs- und Unternehmensbürgerrechte« 1. Zentral: Wahlrecht (zum Betriebsrat) Das Mitbestimmungsrecht entlehnt die Wahl als Form der Arbeitnehmer-Teilhabe dem Staatsrecht. Dementsprechend bedient sich das Wahlrecht vielfach an verfassungsrechtlichen Vorgaben. Das betrifft nicht nur Wahlrechtsgrundsätze, nach denen auch mitbestimmungsrechtliche Wahlen etwa geheim oder unmittelbar sein müssen 509, sondern auch das aktive und passive Wahlrecht – anders ausgedrückt: die »wirtschaftsbürgerlichen Rechte«510 auf Teilhabe. Trotz gewisser Abweichungen kann das Betriebsverfassungsrecht insoweit pars pro toto stehen. Das Unternehmensmitbestimmungsrecht greift den Arbeitnehmerbegriff des § 5 BetrVG zumindest im Grundsatz auf und nimmt weitgehend auch die übrigen Voraussetzungen für das aktive und passive Wahlrecht im Betrieb in Bezug. Das gilt nach § 10 Abs. 2, Abs. 3 MitbestG für die dort geregelte Delegiertenwahl und bei unmittelbarer Wahl gemäß § 18 Satz 1, Satz 2 MitbestG immer noch für das aktive Wahlrecht; nur für das passive Wahlrecht zum Aufsichtsrat verlängert § 7 Abs. 3 MitbestG die »Einarbeitungszeit« im Vergleich zu § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auf ein Jahr. Eine entsprechende Klausel fi ndet sich in § 4 Abs. 3 DrittelbG, das aktive Wahlrecht in der Drittelbeteiligung regelt § 5 Abs. 2 DrittelbG wiederum entsprechend § 7 BetrVG. Die Montanmitbestimmung mit ihrer mittelbaren Wahl der Aufsichtsratsmitglieder pro forma durch Haupt- oder Gesellschafterversammlung und de facto durch die Betriebsräte bzw. die vorschlagsberechtigten Ge509 510

Dazu bereits I.1.a., S. 228. Formulierung bei Demirovic´, Demokratie, S. 24.

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werkschaftsverbände kann als historisch überholter Sonderfall außer acht bleiben. Die Gewerkschaftsbeteiligung nach MitbestG und DrittelbG wird gesondert behandelt 511. 2. Zuordnungsprinzipien a. (Keine) Anknüpfung an das staatsrechtliche Wahlrecht Für das somit exemplarische Wahlrecht zum Betriebsrat knüpfte noch § 7 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1952 die Wählbarkeit an das (aktive) 512 Wahlrecht »zum deutschen Bundestag«; das aktive Wahlrecht hing gemäß § 6 BetrVG 1952 vom »Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte« ab. Das heutige Betriebsverfassungsrecht kennt Ähnliches nur noch für das passive Wahlrecht: Nicht zum Betriebsrat gewählt werden können nach § 8 Abs. 1 Satz 3 BetrVG Arbeitnehmer, die ihr passives Wahlrecht in öffentlichen Wahlen infolge einer strafgerichtlichen Entscheidung (§ 45 StGB) verloren haben. Das Personalvertretungsrecht schließt Beschäftigte von der Wahl aus, die ihr aktives oder passives Wahlrecht durch gerichtliche Entscheidung verloren haben, vgl. für die Personalvertretungen im Bundesdienst §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 Satz 2 BPersVG. Im Längsschnitt ist eine Entwicklung zu erkennen, in deren Verlauf das betriebsverfassungsrechtliche Wahlrecht zunehmend von staatsrechtlichen Vorgaben emanzipiert wurde. Teilweise ist das eine Reaktion auf andere Gesetzesänderungen, etwa weil die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte als Nebenstrafe abgeschafft wurde513 , teilweise aber auch eine grundsätzliche Wertentscheidung. Für Arbeitnehmer aus Mitgliedstaaten der (damaligen) EWG war die Voraussetzung des Wahlrechts zum Bundestag bereits europarechtlich überholt 514 . Angesichts dessen erschien es dem Gesetzgeber 1972 »innerlich nicht gerechtfertigt«, Arbeitnehmer aus Drittstaaten vom Wahlrecht auszuschließen 515. Dieser Hinweis auf das innere System des Betriebsverfassungsrechts überzeugt. Mitbestimmungsfunktional ist es richtig, das Wahlrecht zum Betriebsrat von dem Wahlrecht zum Bundestag zu entkoppeln: Der Teilhabezweck der Mitbestimmung zielt auf Betroffenenbeteiligung516 , also auf Inklusion aller Arbeitnehmer, denen gegenüber sich mitbestimmte Entscheidungen auswir511

2.e., S. 262 f. Dietz, BetrVG 4, § 7 Rn. 12. 513 Art. 1 des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafrechts, BGBl. I 1969, S. 645. 514 Durch die Verordnung 1612/68 des Rates der EWG über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft vom 15. 10. 1968. 515 Begründung des Regierungsentwurfs zum BetrVG 1972 BT-Drucks. VI/1786, S. 37. Betroffen waren insbesondere türkische »Gastarbeiter«; dazu Sertkol, Integration, S. 54 sowie S. 239 f., 259 ff. dazu, daß die Betriebsratswahl von türkischstämmigen Arbeitnehmern mitunter als »Politikersatz« begriffen wird. 516 Soeben C.IV., S. 226 f. 512

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ken 517. Aus der Perspektive des Demokratieprinzips – und damit für das Wahlrecht zum Bundestag – ist es systemkonform, daß Teilhaberecht und Betroffenheit auseinander fallen. Angesichts dieses grundlegend anderen Ansatzes taugt das staatsrechtliche Wahlrecht nicht als Blaupause für die Betriebsverfassung. Der Gesetzgeber des BetrVG 1952 hat zwar keine Inkompatibilität gesehen, hat das Junktim der beiden Wahlrechte aber durchaus als Problem erkannt: Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1952 konnten sich der Arbeitgeber und die Mehrheit der Arbeitnehmer darauf verständigen, das passive Wahlrecht zum Betriebsrat unabhängig vom aktiven Wahlrecht zum Bundestag zu gewähren 518 . Vor diesem Hintergrund wirkt es überkommen, daß das Wahlrecht zum Betriebsrat erst mit Volljährigkeit i. S. d. § 2 BGB eröffnet ist. Das gilt um so mehr, als die Teilhabe nicht die zivilrechtliche Geschäftsfähigkeit voraussetzt, sondern lediglich analog § 13 BWahlG ausgeschlossen sein soll, wenn für den Arbeitnehmer (nicht nur einstweilig) ein Betreuer zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten bestellt ist 519. Minderjährige Arbeitnehmer wählen nicht den Betriebsrat, sondern »nur« die Jugend- und Auszubildendenvertretung, §§ 61 Abs. 1 i. V. m. 60 Abs. 1 BetrVG. Genauer besehen ist das aber kein »betriebsdemokratisches Relikt«, sondern im Gegenteil ein Fortschritt gegenüber dem dysfunktionalen Status-Denken: Daß Arbeitnehmer »schon« mit Vollendung des 18. Lebensjahres den Betriebsrat wählen dürfen, erklärt die Gesetzesbegründung des BetrVG 1972520 nicht mit dem Hinweis auf das zuvor geänderte Wahlrecht zum Bundestag, sondern argumentiert betriebsverfassungsfunktional. Maßgebend sei, daß »in diesem Alter die Arbeitnehmer voll in das Arbeitsleben integriert sind«. In der Sache soll das Wahlrecht zum Betriebsrat also auf hinreichende Einsichtsfähigkeit des Arbeitnehmers bedingt sein, konkret auf sein Verständnis der Arbeitsorganisation »Betrieb«. Mittelbar werden damit die Funktionsfähigkeit der betrieblichen Mitbestimmung und die wirksame Teilhabe der Arbeitnehmer abgesichert. Diskriminierungsrechtlich ist das ebenso unverdächtig wie die gesetzliche Typisierung der individuellen Einsichtsfähigkeit anhand des Lebensalters. Die abstrakte Grenze ist schon deshalb unvermeidbar, weil sich eine individuelle Prüfung nicht mit dem Rechtssicherheitsbedürfnis des Wahlrechts verträgt.

517

Vgl. für die Personalvertretung SächsVerfGH v. 22. 2. 2001, Vf. 51-II-99, PersV 2001, 198 = PersR 2001, 367 – C.I.1.2.3 der Gründe: das Repräsentationsprinzip der Mitbestimmung erfordere eine Auslegung des verfassungsrechtlichen Beschäftigtenbegriffs, nach der möglichst alle »eingegliederten Personen« Teilhaberechte erhalten. 518 Dietz, BetrVG 4, § 7 Rn. 20. 519 Statt vieler Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 7 Rn. 4. 520 BT-Drucks. VI/2729, S. 20.

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b. »Aktivbürgerschaft« durch arbeitsvertragliche Selbstbindung Ein systemkonformes Wahlrecht im Betrieb darf nicht an den Status als Staatsbürger anknüpfen, sondern muß funktional begründet werden: mit Rücksicht auf den Zweck der betrieblichen Mitbestimmung. Einen solchen Ansatz verfolgt etwa Reichold, dessen Ansicht nach die »Betriebsbürger«-Rechte zunächst voraussetzen, daß die teilhabeberechtigten Arbeitnehmer von den »Wirkungen der Eingliederung als Inbegriff der konkreten betrieblichen Arbeitsbedingungen (Arbeitsordnung, Arbeitszeit, . . .)« getroffen werden 521. Darüber hinaus sei für das Wahlrecht aber noch die Betriebszugehörigkeit erforderlich, die nicht allein qua Eingliederung begründet werde, sondern nur durch deren Kombination mit einer »Aktivbürgerschaft [. . .] kraft Vertragsrechts«522 – genauer: durch die autonome Unterwerfung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers im Arbeitsvertrag. Diese zweigliedrige Konzeption der Betriebszugehörigkeit paßt zu dem heute anerkannten Betriebsbegriff523 , weil nur angesichts einer arbeitsvertraglichen Verbindung davon gesprochen werden kann, ein Arbeitgeber verfolgte in einer organisatorischen Einheit gemeinsam »mit seinen Arbeitnehmern [. . .] bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt«524 . Für die Relevanz des Arbeitsvertrags auch mit Blick auf das »Betriebsbürgerrecht« spricht ferner, daß das BetrVG Nicht-Arbeitnehmer mit dem Mittel der gesetzlichen Fiktion in die Betriebsverfassung einbezieht, etwa in § 5 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Heimarbeiter525 und in § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, die in privaten Betrieben tätig sind 526 . Vergleichbar belegt § 7 Satz 2 BetrVG, daß die tatsächliche Eingliederung in den Betrieb zumindest keine »vollwertige« Betriebszugehörigkeit i. S. d. §§ 7 Satz 1, 8 Abs. 1 BetrVG auslöst. Andernfalls hätte es der Sonderregelung zum aktiven Wahlrecht der Leiharbeitnehmer neben § 7 Satz 1 BetrVG nicht bedurft 527. Anders als der Leiharbeitnehmer darf der Fremdfi rmenmitarbeiter auch bei langfristiger Tätigkeit im Betrieb nicht wählen 528 , obwohl dieser ebenso in den Betrieb eingegliedert werden kann wie jener, wenn und weil »der Betriebsinhaber gegenüber dem Fremdpersonal einen Teil der Arbeitge521

Reichold, Betriebsverfassung, S. 483. Reichold, NZA 1999, 561, 569, 567 ff. 523 GK-BetrVG/Kreutz/Raab, § 7 Rn. 19. 524 Zu dem in ständiger Rechtsprechung vertretenen Betriebsbegriff des BAG etwa BAG v. 22. 6. 2005, 7 ABR 57/04, NZA 2005, 1248 – B.II.1. der Gründe m. w. N. [Hervorhebung von mir.] Aus der Literatur nur ErfK/Koch, § 1 BetrVG Rn. 8. Gerade insoweit noch anders die von Erwin Jacobi (Arbeitsrecht, S. 286) entwickelte Formel, auf deren Grundlage der heutige Betriebsbegriffs erarbeitet wurde. 525 Dazu Reichold, NZA 1999, 561, 568. 526 Hierzu GK-BetrVG/Kreutz/Raab, § 7 Rn. 19. 527 BAG v. 17. 2. 2010, 7 ABR 51/08, BAGE 133, 202 = NZA 2010, 832 – Rn. 16. 528 Allgemeine Meinung; umfassende Nachweise bei GK-BetrVG/Kreutz/Raab, § 7 Rn. 59. 522

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berfunktionen« ausübt und »die für ein Arbeitsverhältnis typischen Weisungen über den Arbeitseinsatz« trifft 529. Infolge der weitreichenden Delegation des Direktionsrechts mutiert der Fremdfi rmeneinsatz freilich in aller Regel zur (womöglich illegalen) Arbeitnehmerüberlassung530 . Als hybrides Tertium ist der eingegliederte Fremdfi rmenmitarbeiter mithin zwar nur ein theoretischer531, rechtlich aber keineswegs ausgeschlossener Fall. Zugleich widerlegt 532 § 7 Satz 2 BetrVG den Zusammenhang von vertraglich begründeter »Aktivbürgerschaft« und (aktivem) Wahlrecht. Leiharbeitnehmer wählen (im Entleiherbetrieb), sind arbeitsvertraglich aber nur an den Verleiher gebunden und damit im Entleiherbetrieb nicht wählbar533 . Die in § 8 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BetrVG grundsätzlich verlangte Betriebsangehörigkeit (für wenigstens sechs Monate) setzt nach allgemeiner Ansicht ein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber voraus534 . Deutlicher noch fällt die Divergenz bei den leitenden Angestellten aus, die § 5 Abs. 3 BetrVG trotz Arbeitnehmereigenschaft aus der Betriebsverfassung ausblendet. Umgekehrt rechnen mittelbare Arbeitnehmer nach allgemeiner Ansicht zur Betriebsbelegschaft (nur) des Haupt-Arbeitgebers535 , obzwar sie vertraglich nicht an diesen gebunden sind, sondern an den seinerseits als Arbeitnehmer beschäftigten Mittelsmann. c. Betroffenenbeteiligung Am Beispiel der Leiharbeitnehmer wird sichtbar, daß sich die Zuweisung der »Betriebs- und Unternehmensbürgerrechte«536 nicht auf die faktische Betroffenheit zurückführen läßt: § 8 BetrVG kennt keine dem § 7 Satz 2 BetrVG vergleichbare »Leiharbeitnehmerklausel«. Angesichts der eindeutigen Rege529

BAG v. 18. 10. 1994, 1 ABR 9/94, BAGE 78, 142 = NZA 1995, 281 – unter B.I.1. der Gründe. Weiter BAG v. 11. 9. 2001, 1 ABR 14/01, EzA § 99 BetrVG 1972 Einstellung Nr. 10 – B.I. der Gründe; v. 13. 12. 2005, 1 ABR 51/04, NZA 2006, 1369 – Rn. 12 ff. 530 Franzen, Betriebsratsrechte, S. 85, 96 f. 531 Dazu Henssler, NZA 1994, 294, 303; Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 99 BetrVG Rn. 8. Anders Karthaus/Klebe, NZA 2012, 417, 420 f., die eine Einstellung bereits dann bejahen wollen, wenn der Betriebsinhaber entscheidet, wie die Tätigkeit der Fremdfi rmenmitarbeiter in die Betriebsorganisation integriert werden soll. 532 Reichold, NZA 1999, 561, 568 f. konnte vor Inkrafttreten des BetrVG 2001 seine Auffassung gerade durch das (noch) ausgeschlossene Wahlrecht der Leiharbeitnehmer im Beschäftigungsbetrieb bestätigt sehen. 533 Ständige Rechtsprechung, etwa BAG v. 17. 2. 2010, 7 ABR 51/08, BAGE 133, 202 = NZA 2010, 832 – Rn. 14 ff.; nicht angegriffen von BAG v. 18. 10. 2011, 1 AZR 335/10, NZA 2012, 221 – Rn. 16 f.; zustimmend ErfK/Koch, § 8 BetrVG Rn. 2; GK-BetrVG/Kreutz, § 8 Rn. 16. Anders etwa Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 8 Rn. 26. 534 Eingehend und mit umfassenden Nachweisen zur Betriebszugehörigkeit GK-BetrVG/ Kreutz/Raab, § 7 Rn. 16 ff. 535 GK-BetrVG/Kreutz/Raab, § 7 Rn. 58; Richardi/Thüsing, BetrVG, § 7 Rn. 12 – je m. w. N. 536 Zu den Problemen der unternehmensmitbestimmungsrechtlichen Zuordnung der Leiharbeitnehmer bereits unter § 2 D.II.4.a., S. 157 ff.

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lung in § 14 Abs. 2 Satz 1 AÜG ist das nicht als Gesetzeslücke zu sehen 537, sondern als planmäßige Zuordnungsentscheidung. Die Zuordnung des Leiharbeitnehmers zum Verleiherbetrieb schützt – mit Rücksicht auf die (potentiell) kurzfristig und ohne Bestandsschutz im Entleiherbetrieb mögliche »Rückgabe« überlassener Arbeitskräfte – die Kontinuität des (Entleiher-)Betriebsrats als Organ und die Unabhängigkeit der Gremiumsmitglieder538 , indem die insofern als besonders gefährdet eingestuften entliehenen Arbeitskräfte vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen werden. Auch § 16d Abs. 7 Satz 2 SGB II widerspricht dem Gedanken der Mitbestimmung als Betroffenenbeteiligung, indem er »Ein-Euro-Jobber« zu Nicht-Arbeitnehmern erklärt und damit ein Wahlrecht zum Betriebsrat ausschließt, obzwar die »erwerbsfähigen Leistungsberechtigten« wie Arbeitnehmer arbeiten 539. Letztlich kann man die Betriebszugehörigkeit nicht mit Kohte auf die bloß faktische »Teilnahme an einem dynamischen und sozialen Beziehungssystem, die über punktuelle und singuläre Einzelleistungen hinausgeht«540 reduzieren. Eine solche »organisationssoziologische« Perspektive müßte etwa erklären, weshalb zwar geringfügig Beschäftigte auch dann als Arbeitnehmer wahlberechtigt sein sollen, wenn sie ihre Tätigkeit im Betrieb nur kurzfristig ausüben, während freie Mitarbeiter selbst dann nicht zum Betriebsbürger werden, wenn sie Daueraufgaben im Betrieb übernehmen. d. Polarität der Mitbestimmung Das Mitbestimmungsrecht ordnet die Betriebsbelegschaften nicht konsistent nach einem einheitlichen Kriterium, sondern kombiniert zwei unterschiedliche und in Teilen gegenläufige Gesichtspunkte als Voraussetzungen der Betriebszugehörigkeit: die faktische Betroffenheit qua Eingliederung und die »Statusfrage« nach dem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber541. Das ist eine Einschränkung des Betroffenenbeteiligungs-Ansatzes (und damit des Teilhabezwecks) der Mitbestimmung, effektuiert aber andererseits die Arbeitnehmerteilhabe: Funktional ermöglicht die Kombinationslösung für die Betriebszugehörigkeit die »horizontale« Abgrenzung (potentieller) Mitbestimmungszuständigkeiten und sichert eine wirksame Teilhabe, weil die Arbeitnehmervertretungen bei dem »richtigen« Opponenten gebildet werden können 542 .

537

Thüsing, AÜG, § 14 Rn. 48. BAG v. 17. 2. 2010, 7 ABR 51/08, BAGE 133, 202 = NZA 2010, 832 – Rn. 28. 539 Dazu Engels, NZA 2007, 8 ff. 540 Kohte, Anm. zu BAG v. 29. 1. 1992, 7 ABR 27/91, AP Nr. 1 zu § 7 BetrVG 1972. Kritisch Reichold, NZA 1999, 561, 568: »rechtsdogmatische[s] Nirwana«. 541 Etwa Richardi/Thüsing, BetrVG, § 7 Rn. 5, der mit Blick auf § 7 Satz 2 BetrVG aber auch die Eingliederung (für mindestens drei Monate) allein als (zweiten) Gesichtspunkt sieht, der die Betriebszugehörigkeit vermitteln kann. 542 Dazu Rieble/Klebeck, FS Richardi, S. 693, 694. 538

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[1] Betriebsverfassung [a] Gesetzlicher Betrieb(sbegriff). Diese horizontale Abgrenzung leistet im Betriebsverfassungsrecht vor allem der Betrieb(sbegriff), den das BAG zwar durch eine Kombination von »organisationsbezogenen und belegschaftsbezogenen Momenten«543 defi niert, in erster Linie indes an den vom Arbeitgeber vorgegebenen Leitungsstrukturen ausrichtet 544 . Wo die Leitungsentscheidungen in den aus Sicht der betrieblichen Mitbestimmung zentralen sozialen und personellen Angelegenheiten getroffen werden, soll auch die Arbeitnehmervertretung errichtet werden 545. Dabei geht es nicht nur um eine typisierte Abgrenzung verschiedener Betroffenengruppen, sondern auch und vor allem um die (horizontale) Zuständigkeitsabgrenzung zwischen mehreren Arbeitnehmervertretungen. Die Zuständigkeitsordnung des BetrVG folgt dem Prinzip der Überschneidungsfreiheit – vertikal mit Blick auf die Kompetenzen von Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat 546 , aber auch horizontal mit Blick auf die Mitbestimmungskonkurrenz verschiedener Betriebsräte. Zusammengefaßt heißt das, daß »Arbeitnehmer [. . .] nicht gleichzeitig in derselben mitbestimmungspfl ichtigen Angelegenheit [. . .] durch verschiedene Betriebsräte vertreten werden« dürfen 547. I.d.S. hat das BAG im Fall des Fremdfi rmeneinsatzes, bei dem Arbeitskräfte nicht entliehen, sondern als Erfüllungsgehilfen eines Auftragnehmers im fremden Betrieb tätig werden548 , die Zuständigkeit des Betriebsrats im Betrieb des Auftraggebers verneint. Mitbestimmen können solche Arbeitnehmer nur im »Heimatbetrieb« – auch soweit es um die Arbeitsbedingungen während des Einsatzes im Kundenbetrieb (im Fall des BAG konkret ein nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspfl ichtiges Zugangskontrollsystem) geht 549. Den Fremdfi rmenmitarbeiter »trifft« nicht die Betriebsorganisation 543 Mit Blick auf den selbständigen Betriebsteil i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG BAG v. 24. 2. 1976, 1 ABR 62/75, DB 1976, 1579 – unter III.4. der Gründe. Instruktiv GK-BetrVG/Franzen, § 1 Rn. 36, der die beiden gegenläufigen Aspekte der »arbeitnehmernahe[n] Repräsentation« und der »Entscheidungsträgernähe« identifi ziert. [Im Original jeweils hervorgehoben.] 544 Etwa BAG v. 14. 5. 1997, 7 ABR 26/96, BAGE 85, 370 = NZA 1997, 1245 – unter B.I.2. der Gründe. Zustimmend ErfK/Koch, § 1 BetrVG Rn. 10: »Entscheidend für den Betrieb [. . .] ist der einheitliche [Im Original verkürzt zu einheitl.] Leitungsapparat«; Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 27 f. 545 Dazu Rieble/Klebeck, FS Richardi, S. 693, 694. Zum Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen BAG v. 11. 2. 2004, 7 ABR 27/03, BAGE 109, 332 = NZA 2004, 618. 546 Zur Überschneidungsfreiheit als Grundprinzip der betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung Schul, Verlagerung, S. 50 ff. 547 Gaul/Mückl, NZA 2011, 657, 661 m. w. N. 548 GK-BetrVG/Kreutz/Raab, § 7 Rn. 59. 549 BAG v. 27. 1. 2004, 1 ABR 7/03, BAGE 109, 235 = NZA 2004, 556 – B.II.1. der Gründe. Zustimmend Franzen, Betriebsratsrechte, S. 85, 90 ff., 93 ff., der auf die fehlende Legitimation und das fehlende Verhandlungsmandat des Betriebsrats im Einsatzbetrieb abhebt.

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im Einsatzbetrieb, sondern die Weisung seines Arbeitgebers, im Einsatzbetrieb unter dort geltenden Bedingungen zu arbeiten 550 . Weder kann der Auftragnehmer diese Bedingungen mit seinem Betriebsrat qua Betriebsvereinbarung mit Wirkung auch für den Kundenbetrieb regeln 551, noch könnte der Betriebsrat dieses Einsatzbetriebs eine im Betrieb des Auftragnehmers geltende Betriebsvereinbarung für den Einsatz im Fremdbetrieb (durch eigene Betriebsvereinbarung mit dem Kunden) »modifi zieren«552 : Beides wäre wenigstens aus der Perspektive des jeweils nicht beteiligten Arbeitgebers ein – unzulässiger553 – Vertrag zu Lasten Dritter. Die Normwirkung der Betriebsvereinbarung spielt insoweit keine Rolle, weil die Betriebsvereinbarung eben kein Betriebsgesetz ist, sondern (Kollektiv-)Vertrag 554 , der gegen einen Arbeitgeber nur wirken kann, wenn dieser zustimmt oder seine Zustimmung durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt wird. Anders entscheiden ließe sich nur in einer de lege ferenda entgrenzten Mitbestimmung, in der die »betroffenen« Arbeitnehmer auch im Einsatzbetrieb Teilhaberechte erhalten 555. Hiergegen stehen zunächst dieselben Bedenken, die auch gegen die vollständige Integration der Leiharbeitnehmer in den Entleiherbetrieb sprechen 556 : Eine funktionsfähige Mitbestimmung im Betrieb setzt Kontinuität im Betriebsratsamt voraus und verlangt damit eine (typisierbar) dauerhafte Integration der Teilhabeberechtigten in den Betrieb. Aus dieser Perspektive reagiert das aktive Wahlrecht der Leiharbeitnehmer darauf, daß diese seit dem Wegfall der Höchstüberlassungsdauer des § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG a. F.557 im Entleiherbetrieb auch Daueraufgaben wahrnehmen 558 . Daß die Dauerüberlassung dessel550

Treffend formuliert Franzen, Betriebsratsrechte, S. 85, 99, ein Dienstleister oder Werkunternehmer mache »sich mit seiner eigenen Anweisung an seine Arbeitnehmer, die Vorgaben des Einsatzbetriebs zu beachten, diese zu eigen« – und müsse sie dementsprechend gegenüber seinen Arbeitnehmern verantworten. 551 Otto, ZfA 2011, 673, 683. 552 So aber Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG, § 87 Rn. 12. Wie hier Otto, ZfA 2011, 673, 683. 553 Allgemein zum Verbot des Vertrags zu Lasten Dritter MünchKommBGB/Gottwald, § 328 Rn. 250 ff. 554 Dazu § 2 C.I.2., S. 110 ff. Deshalb untersagt das BAG völlig zu Recht die Betriebsvereinbarung zu Lasten Dritter; BAG 11. 1. 2011, 1 AZR 375/09, DB 2011, 1171 = BB 2011, 1533 – Rn. 14 mit der mißverständlichen Formulierung, die Betriebsparteien könnten »Rechte und Pfl ichten nur im Verhältnis zueinander, nicht jedoch normative Ansprüche gegenüber und zu Lasten Dritter begründen.« 555 Auch hierzu Otto, ZfA 2011, 673, 683: »bedürfte es [. . .] erst einer Ergänzung des § 5 Abs. 1 BetrVG«. 556 Soeben c., S. 246 f. 557 Ersatzlos beseitigt mit dem Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 23. 12. 2002; BGBl. I 2002, S. 4607 ff. 558 Nach Wank, RdA 2010, 193, 203 ein eher seltener Fall, weil die meisten Leiharbeitsverhältnisse zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher nicht länger als drei Monate dauerten. Andererseits sind nach Düwell/Dahl, NZA-RR 2011, 1, 2 seit der Hartz-Reform »viele

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ben Leiharbeitnehmers eine i. S. d. Art. 5 Abs. 5 der Leiharbeitsrichtlinie559 »missbräuchliche« Gestaltung sein könnte, die die Mitgliedstaaten ebenso verhindern müßten wie »aufeinander folgende Überlassungen, mit denen die Bestimmungen der Richtlinie umgangen werden sollen«, steht dem nicht entgegen, weil es an einer ernstzunehmenden Umsetzung im deutschen Recht fehlt. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG n. F. 560 meint zwar, die Überlassung erfolge »vorübergehend«, sagt aber nicht, was andernfalls gelten soll. Ob die Dauerüberlassung mit dieser obskuren Regelung gesetzlich verboten werden sollte, ist dementsprechend unklar561. Demgegenüber sicherte ein aktives Wahlrecht für die typischerweise nur punktuell und nur kurzfristig betroffenen Fremdfi rmenarbeitnehmer von vornherein keine wirksame Teilhabe, schüfe aber zugleich die Grundlage für letztlich zufällige, massive Fluktuationen des »Betriebsvolks«. Vor allem aber müßte das individualrechtliche Weisungsrecht des Auftragnehmer-Arbeitgebers zugunsten der mitbestimmten Regelung im Einsatzbetrieb partiell beseitigt werden. Fremdfi rmeneinsatz und Leiharbeit unterscheiden sich (nur) mit Blick darauf, wem das arbeitsrechtliche (!) Weisungsrecht zusteht 562 . Bei der Leiharbeit überträgt der Verleiher sein Direktionsrecht auf den Entleiher563 . Dann aber ist es nur konsequent, daß direktionsrechtsbezogene Mitbestimmungsrechte nicht dem Verleiherbetriebsrat zustehen, sondern allein der Arbeitnehmervertretung im Entleiherbetrieb564 . Die Zuständigkeit des Entleiherbetriebsrats kompensiert, daß die Teilhabe beim Verleiher ins Leere ginge565. Sie ist unschädlich, weil mit Blick auf den Wechsel in der Direktionsbefugnis keine Mitbestimmungskonkurrenzen drohen, und schon mit Blick auf den betriebsverfassungsrechtlich gebundenen Ausgleich der Arbeitnehmerinteressen untereinander notwendig. Also: Das BetrVG vermeidet Friktionen durch Mitbestimmungskonkurrenzen und schränkt die Teilhabe durch Betroffenenbeteiligung im Interesse der Funktionsfähigkeit betrieblicher Mitbestimmung ein, ohne eine ArbeitnehArbeitgeber dazu übergegangen, auch Dauerarbeitsplätze mit Leiharbeitnehmern zu [besetzen]«. 559 Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. 11. 2008 über Leiharbeit; ABl. EU 2008, L 327, S. 9 ff. 560 Eingefügt zum 1. 12. 2011 durch das Erste Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes – Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung; BGBl. I 2011, S. 642 ff. 561 I.d.S. Hamann, RdA 2011, 321, 324 m. w. N. Anders Rieble/Vielmeier, EuZA 2011, 474, 486 ff., die von einem bloßen Programmsatz ausgehen. 562 Noch § 4 A.I.2., S. 298 ff. 563 Zur rechtsdogmatischen Erfassung dieser Delegation etwa Thüsing, AÜG, Einf. Rn. 35. Differenzierend Schüren, AÜG, Einleitung Rn. 164 ff., der nur für die »echte« Leiharbeit davon ausgeht, der Verleiher ermächtige den Entleiher, das Direktionsrecht auszuüben – andernfalls komme dem Entleiher ein eigenes Weisungsrecht zu. 564 Rieble/Wiebauer, Kollektivarbeitsrechtliche Regulierung, S. 65 ff. Rn. 54. 565 Franzen, Betriebsratsrechte, S. 85, 88.

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mergruppe vollständig ihrer Teilhaberechte zu berauben. Zugleich wird eine stabile und damit wirksame Teilhabe gesichert, weil Partizipationsrechte ausschließlich gegenüber einem bestimmten Arbeitgeber als Gegenpol der Arbeitnehmervertretung eröffnet werden. Unmittelbare Drittwirkung der betrieblichen Mitbestimmung gegenüber anderen Arbeitgebern ist systemwidrig 566 . [b] Betriebsteil, § 4 Abs. 1 BetrVG. Belegt der Betriebsbegriff des BetrVG mithin die zentrale Zuordnungsentscheidung mit Blick auf die »Betriebsbürgerrechte«, so ist die Frage aufgeworfen, weshalb das Gesetz diese Grundentscheidung zur Disposition stellt: Angesprochen ist damit zunächst § 4 Abs. 1 BetrVG, dessen Sonderregelung für (bestimmte) Betriebsteile die Organisationshoheit des Arbeitgebers im Interesse einer arbeitnehmernahen Mitbestimmungsstruktur beschränkt 567. Indes setzt § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG gerade an den – bis zu einem gewissen Grad, der freilich nicht das für den Betriebsbegriff erforderliche Maß erreichen darf – verselbständigten Leitungsstrukturen im Betriebsteil an 568 , und auch § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erlaubt bei »räumlich weit[er]« Entfernung vom Hauptbetrieb keine vollständig von der Leitung entkoppelte Arbeitnehmervertretung, sondern setzt ein Minimum an Arbeitgeberfunktionen voraus. Diese Minimalanforderung meint, daß jede Einheit mit eigenem Betriebsrat einen Gegenpart für die Arbeitnehmervertretung braucht. Es muß also eine Person in dieser Einheit mit Leitungsmacht das Weisungsrecht des Arbeitgebers ausüben 569. Selbst wenn der Betriebsteil die Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfüllt, kann seine Belegschaft laut § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG mit Mehrheit beschließen, sich an der Betriebsratswahl im Hauptbetrieb zu beteiligen, kann also per Urabstimmung auf eine arbeitnehmernähere Repräsentation »verzichten«. Ob der Belegschaftsentscheid auch den gesetzlichen Betriebsbegriff bestimmt, insbesondere die Fiktion des § 4 Abs. 1 Satz 1 1. Teilsatz BetrVG beseitigt, ist nicht abschließend geklärt 570 . Richtigerweise entscheidet sich eine Belegschaft, die gegen einen eigenen Betriebsrat im Betriebsteil votiert, zugleich für einen einheitlichen Betrieb. Hinter der mitbestimmungsrechtlichen Zuordnung von Arbeitnehmern steht die Intention, eine wirksame Teilhabe in der »richtigen« Organisationseinheit zu gewährleisten. Das BetrVG überläßt es nun den Arbeitnehmern des Betriebsteils, ob sie ihre Interessen im HauptBetriebsrat i.d.S. effektiv repräsentiert sehen und deshalb auch nur vom 566

Dazu etwa Kolbe, DB 2009, 1874, 1877 f. Rieble/Klebeck, FS Richardi, S. 693. 568 Etwa BAG v. 7. 5. 2008, 7 ABR 15/07, NZA 2009, 328 – Rn. 19. 569 Auch dazu Rieble/Klebeck, FS Richardi, S. 693, 696. 570 Dafür die h. M., etwa Ulrich, NZA 2004, 1308 ff. Dagegen LAG München v. 26. 1. 2011, 11 TaBV 77/10, NZA-RR 2011, 299 – B.III.2. der Gründe; zustimmend Seebacher, AuR 2011, 335 ff.; ablehnend Bayreuther, NZA 2011, 727 ff. 567

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§ 3 Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung

Haupt-Betriebsrat vertreten werden wollen. Das kann aber nicht heißen, daß dieser Betriebsrat im Hauptbetrieb – gleichsam »schizophren« – auch als »eigenständiger« Betriebsrat für den Betriebsteil agieren sollte571. Die Abstimmung i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG diente dann nicht dazu, die Teilhabe der Arbeitnehmer zu effektuieren, indem die kollektive Interessenvertretung bei dem mutmaßlich durchsetzungsstärkeren Haupt-Betriebsrat gebündelt wird. Sie könnte allenfalls noch den (fragwürdigen) Sinn haben, den Arbeitnehmern des Betriebsteils die Mitbestimmungsarbeit oder dem Arbeitgeber die Kosten einer zweiten Wahl zu ersparen. [c] Gewillkürter Betrieb, § 3 BetrVG. Nach § 3 Abs. 1 BetrVG können die Tarifparteien durch Tarifvertrag über den gesetzlichen Betrieb disponieren, wenn dies einer »sachgerechten« (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2) oder »wirksamen und zweckmäßigen« (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) Interessenrepräsentation der Arbeitnehmer dient. Hält man mit der überwiegenden Auffassung Zweifel an einer verfassungsrechtlich ausreichenden Bestimmtheit der Regelung für unbegründet 572 , geht das BetrVG mithin davon aus, daß die Interessenvertretung der Belegschaft u. U. verbessert, also »wirksamer« oder »zweckmäßiger« gestaltet werden kann. Das betrifft freilich »nur« den Betrieb als unterste Ebene der betriebsverfassungsrechtlichen Repräsentation, § 3 Abs. 5 BetrVG573 . Daneben sind die organisationsrechtlichen Vorschriften des BetrVG nicht tarifdispositiv, so daß der Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 BetrVG beispielweise das Wahlrecht nicht abweichend von den §§ 7 f. BetrVG regeln kann 574 . Steuern läßt sich aber, in welchem Belegschaftsverband die nach § 7 BetrVG Wahlberechtigten repräsentiert werden, und damit eben die Zuordnung zum Betrieb. Indes heißt das nicht, daß die Tarifparteien bei dieser Zuordnungsentscheidung freie Hand hätten; sie sind an die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 BetrVG

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Bayreuther, NZA 2011, 727, 729 f. Etwa Annuß, NZA 2002, 290, 291 f.; Thüsing, ZIP 2003, 693, 694 f.; Kania/Klemm, RdA 2006, 22, 23; kritisch Giesen, BB 2002, 1480, 1484 ff. 573 Demgegenüber halten es Gaul/Mückl, NZA 2011, 657, 663 für zulässig, nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG etwa einen unternehmensübergreifenden Gesamtbetriebsrat oder einen Konzernbetriebsrat im Gleichordnungskonzern zu errichten. 574 Strittig, wie hier GK-BetrVG/Franzen, § 3 Rn. 3, 53 m. w. N.; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 64. Anders Gaul/Mückl, NZA 2011, 657, 663 f.; ErfK/Koch, § 3 BetrVG Rn. 6: nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG könnten auch die Zusammensetzung des Betriebsrats und das Wahlverfahren geregelt werden. Daß BAG v. 5. 10. 2000, 1 ABR 14/00, NZA 2001, 1325 – B.II.1.b)bb)(2) der Gründe für § 3 BetrVG a. F. ebenso entschieden hatte, spielt heute keine Rolle mehr, weil mit der BetrVG-Reform 2001 die eindeutige Rechtsfolge des § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG angeordnet wurde. 572

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gebunden575. Damit bindet sie auch 576 das betriebsverfassungsrechtliche Prinzip, bei der Einrichtung von Arbeitnehmervertretungen und damit der Zuordnung von Teilhaberechten vor allem dem Gedanken der »Entscheidungsträgernähe« Rechnung zu tragen. Weder der Tarifvertrag noch die Betriebsvereinbarung (§ 3 Abs. 2 BetrVG) oder die Belegschaftsabstimmung (§ 3 Abs. 3 BetrVG) als subsidiäre577 Regelungsinstrumente dürfen auf die interne Organisation des Arbeitgebers zugreifen: Eine Reorganisation des Arbeitgebers qua Tarifvertrag überschritte die Tarifmacht 578 , weshalb der Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 BetrVG die Zuständigkeiten beteiligter Unternehmen nicht regeln darf579. Die Betriebsvereinbarung nach § 3 Abs. 2 BetrVG ist dem eindeutigen Wortlaut nach darauf beschränkt, den Betrieb als Repräsentationsbereich festzulegen. Eine freiwillige Betriebsvereinbarung i. S. d. § 88 BetrVG kann den Arbeitgeber nicht strukturieren, weil diese Struktur keine soziale Angelegenheit ist. Die Belegschaft wiederum kann nach § 3 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nur die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats beschließen; dem Wortlaut nach gilt dann nicht einmal die Fiktion des § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG. Deshalb müssen sich die gewillkürten Strukturen an den vom Arbeitgeber mitbestimmungsfrei vorgegebenen Leitungsstrukturen orientieren. Richtigerweise ist der zentrale Anwendungsbereich des § 3 BetrVG sogar in Fällen zu sehen, in denen die gesetzliche Betriebsstruktur zu einer unzureichend auf die Leitungsstruktur abgestimmten Arbeitnehmerrepräsentation führt. Das belegt in erster Linie § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, der explizit an besondere Leitungsstrukturen auf Arbeitgeberseite anknüpft. Aber auch § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG stellt zumindest »insbesondere« auf vom Arbeitgeber vorgegebene Entscheidungsstrukturen ab580 . 575 Däubler/Kittner/Klebe/Wedde/Trümner, BetrVG, § 3 Rn. 118; ErfK/Koch, § 3 BetrVG Rn. 1 sehen freilich erhebliche Beurteilungsspielräume für die Tarifparteien. Strenger Kania/Klemm, RdA 2006, 22, 23: andere Vertretungsstrukturen kämen nur in Betracht, wenn sich die gesetzlichen Strukturen als unzureichend erwiesen hätten. 576 Vgl. etwa Gaul/Mückl, NZA 2011, 657, 660 mit Blick auf § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. 577 Durch Betriebsvereinbarung können »andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen« i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG nicht eingerichtet werden; außerdem sperrt nicht nur der im Betrieb geltende Betriebsstrukturtarifvertrag die Regelung durch Betriebsvereinbarung, sondern nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers jeder andere (im Betrieb) normativ geltende Tarifvertrag (dazu GK-BetrVG/Franzen, § 3 Rn. 38) – mag auch der Zweck dieser gegenüber § 77 Abs. 3 BetrVG deutlich erweiterten Sperrwirkung unerfi ndlich bleiben. Die Belegschaft kann nur den unternehmenseinheitlichen Betriebsrat i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a BetrVG beschließen. 578 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 173, 390; gerade zum Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 BetrVG Rieble, Vereinbarte Betriebsstruktur, S. 25, 47. 579 Anders Wißmann, NZA 2001, 409, 414; ähnlich Rolf, Unternehmensübergreifende Betriebsratsstruktur, S. 106. 580 In der Gesetzesbegründung sind als denkbare Anwendungsfälle des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG vor allem Konstellationen angesprochen, in denen die Tarifparteien auf besondere Leitungsstrukturen reagieren sollen: die Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes

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Läßt man die wenig bedeutsamen 581 zusätzlichen Arbeitnehmervertretungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 BetrVG außer acht, die keine Mitbestimmungsrechte haben, erlauben § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3582 BetrVG zwar auch, die Betriebsgrenzen mit Blick auf Schwellenwerte des Betriebsverfassungsrechts zu gestalten. Vollständig von der Leitungsstruktur in Betrieb oder Unternehmen entkoppelte Arbeitnehmervertretungsstrukturen sind indes weder »sachdienlich« noch »zweckmäßig«, wenn und weil Arbeitnehmer mit weithin gleichlaufenden Interessen betriebsverfassungsrechtlich auseinanderdividiert werden 583 oder stark inhomogene Interessengruppen innerhalb der Arbeitnehmerschaft zusammengefaßt werden. [d] Ergebnis. Die §§ 3 f. BetrVG stellen das betriebsverfassungsrechtliche Zuordnungsprinzip der polaren Gegenüberstellung von Arbeitnehmervertretung und (vom Arbeitgeber vorgegebener) Leitungsinstanz nicht in Frage: Sie erlauben zwar partiell, von diesem gesetzlichen Leitbild abzuweichen, zielen aber primär darauf, die Zuordnungsentscheidung des »Betriebsbegriffs« zu effektuieren. Die »Betriebsbürgerschaft« ist daher nicht primär von den Teilhabeberechtigten her zu bestimmen, sondern knüpft an die vom Arbeitgeber vorgegebenen Leitungsstrukturen an. Betriebsverfassung meint keine »arbeitgeberunabhängig konzipierte Arbeitsverfassung«584 , »sondern ein Wechselspiel von Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers und den diesen folgenden Teilhabeversuchen des Betriebsrats.«585 Dahinter steht das Regelungsziel, (potentiell) mitbestimmte arbeitstechnische Einheiten mitbestimmungsrechtlich zu trennen, so daß in jedem Organisationsbereich mit hinreichend eigenständiger Leitung eine Arbeitnehmervertretung gebildet und die Zuständigkeit dieser Vertretungen überschneidungsfrei voneinander geschieden werden kann. Insoweit wäre strenge Betroffenenbeteiligung dysfunktional, weil die Teilhabe entgrenzt wird und – beispielsweise beim Fremdfi rmeneinsatz – laufend neue Mitbestimmungskonkurrenzen zwischen verschiedenen Betriebsräten entstehen. Die für eine praktisch wirksame Teilhabe notwendige stabile Basis läßt sich nur legen, indem an einer (wenigstens regelmäßig) dauerhaften rechtlichen Bindung angesetzt wird: dem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber. Dabei kommt als arbeitsrechtliche Dauerbeziehung nicht nur der Arbeitsvertrag mit dem Betriebsinhaber in Betracht. Das BetrVG unterscheidet (potentiell) mitbestimmte Organisationszur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, BT-Drucks. 14/5741, S. 34 nennt u. a. »Arbeitnehmervertretungsstrukturen entlang der Produktionskette«, »fraktale Fabrik[en]« sowie den »shop in shop«. 581 Rieble, Vereinbarte Betriebsstruktur, S. 25, 40: spricht von »›Schwatzbuden‹«. 582 Dazu etwa Däubler/Kittner/Klebe/Wedde/Trümner, BetrVG, § 3 Rn. 117. 583 Hierzu etwa Rieble/Klebeck, FS Richardi, S. 693, 694 f. 584 Richardi, FS Wiedemann, S. 493, 501. 585 Rieble/Klebeck, FS Richardi, S. 693, 709.

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einheiten nicht nach den Vertragsbeziehungen, sondern nach der Leitungsmacht, vor allem in sozialen und personellen Angelegenheiten. Damit wäre unvereinbar, daß der Arbeitgeber (i. S. d. Betriebsverfassungsrechts) die betriebliche Mitbestimmung, genauer: die Zuordnung von Arbeitskräften zur Betriebsbelegschaft, durch die Gestaltung nicht der Leitungs-, sondern der Vertragsstrukturen steuern könnte. Belegt wird dies vor allem durch die Schwellenwerte des BetrVG. Diese sind funktional zu begreifen 586 , weil sie sich – bei aller Unschärfe im Detail 587 – daran orientieren, daß konkrete Mitbestimmungsrechte oder die Teilhabe überhaupt unterhalb bestimmter Arbeitnehmerzahlen nicht erforderlich sind 588 und also die (noch) hinreichend »persönlichen« Arbeitsbeziehungen mit unnötiger Bürokratie belasten würden. Dieser funktionalen Sicht widerspricht es, die Betriebszugehörigkeit streng formal am Arbeitsvertrag festzumachen; hierin liegt das zentrale Sachargument, mit dem das BAG die Mitbestimmung nach § 99 BetrVG in Gemeinschaftsbetrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmern rechtfertigt, auch wenn die Arbeitnehmerzahlen in den Trägerunternehmen – und damit die seit der BetrVG-Reform 2001 nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG maßgebenden Werte – unter dem Schwellenwert liegen 589. Deshalb ist es in Fällen drittbezogenen Personaleinsatzes richtig, den (sachimmanent fehlenden) Arbeitsvertrag zum Betriebsinhaber nicht als conditio sine qua non der Betriebszugehörigkeit zu betrachten, sondern diese – soweit nicht ohnehin gesetzliche Sonderregeln wie § 7 Satz 2 BetrVG greifen – bei »gespaltener Arbeitgeberstellung«590 auf der Basis einer gesonderten Wertungsentscheidung zu beurteilen 591. Entscheidend muß es darauf ankommen, ob der im Betrieb beschäftigte Mitarbeiter mit Blick auf seine Vertragsbindung vorrangig einer anderen, wenigstens potentiell mitbestimmten Organisationseinheit unter eigenständiger Leitung zugeordnet werden muß. Regelmäßig wird man das bejahen können, etwa für Fremdfi rmenmitarbeiter im Außeneinsatz. Anders ist für mittelbare Arbeitnehmer zu entscheiden: Ihr Arbeitgeber ist selbst Arbeitnehmer des Haupt-Arbeitgebers und richtet daher keine kraft eigener Leitungsmacht strukturierte Organisation ein. Er muß nicht nur seine Tätigkeit im Rahmen einer fremden Arbeitsorganisation erbringen, sondern auch sein Personal in diese vorgegebene Einheit einbringen. Damit scheidet eine Mitbestimmungskonkurrenz von vornherein aus; zugleich 586

Rieble/Klumpp, JZ 2004, 817, 821. Zur begrenzten Rationalität arbeitsrechtlicher Schwellenwerte Junker/Dietrich, NZA 2003, 1057 ff. 588 Für den Schwellenwert des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG BAG v. 29. 9. 2004, 1 ABR 39/03, BAGE 112, 100 = NZA 2005, 420 – unter B.III.2. der Gründe. 589 BAG v. 29. 9. 2004, 1 ABR 39/03, BAGE 112, 100 = NZA 2005, 420 – B.III.2.c) der Gründe. 590 Dazu allgemein Konzen, ZfA 1982, 259 ff. 591 GK-BetrVG/Kreutz/Raab, § 7 Rn. 38. 587

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ist der mittelbare Arbeitnehmer »über« seinen Arbeitgeber arbeitsrechtlich vergleichbar fest im Betrieb des Haupt-Arbeitgebers verankert wie dessen Vertragsarbeitnehmer. [2] Unternehmensmitbestimmung Daß das Mitbestimmungsrecht Teilhaberechte in erster Linie mit Blick auf die Konfrontation der Arbeitnehmervertretungen mit dem »richtigen« Opponenten zuweist, läßt sich auch für die Unternehmensmitbestimmung belegen. [a] Arbeitnehmerzuordnung und -zurechnung im Konzern. Sichtbar wird dieses Konzept an der Konzernzurechnung nach § 5 MitbestG, die für die »zugerechneten« Arbeitnehmer immer auch Rechtszuweisung ist: sie erhalten ein – gegebenenfalls zusätzliches592 – Wahlrecht zum Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens. Diese Doppelzuordnung schützt den Teilhabezweck der Mitbestimmung, der im abhängigen Unternehmen angesichts der (Konzern-)Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens leerzulaufen droht. § 5 MitbestG belegt also den zentralen Gedanken der Konzernmitbestimmung, mitbestimmungssichernd Zugriff auf die Leitungsmacht über den Arbeitgeber zu erlauben 593 . Diese Konzernzurechnung setzt nicht an der »Betroffenheit« der Arbeitnehmer durch unternehmerische Strategieentscheidungen der Mutter an, sondern an der qua Konzernleitungsmacht 594 konzern- bzw. gesellschaftsrechtlich vermittelten Abhängigkeit der Tochter; der Verweis auf § 18 Abs. 1 AktG in § 5 Abs. 1 MitbestG verdeutlicht das. Noch weiter geht § 2 DrittelbG, der eine Zurechnung nur im Vertragskonzern oder bei Eingliederung i. S. d. §§ 319 ff. AktG anordnet und damit den faktischen Konzern 595 aus der Drittelbeteiligung ausklammert. [b] Betroffenenbeteiligung oder Konzernrechtsakzessorietät? Jede ergänzende Zurechnung aufgrund faktischer Betroffenheit von unternehmerischen Entscheidungen muß an dieser Wertentscheidung gemessen werden. Als allgemeines Rechtsprinzip läßt sich die Zuordnung zur Unternehmensbelegschaft unter Betroffenheitsgesichtspunkten nicht etablieren, solange § 2 DrittelbG 592 BAG v. 30. 10. 1986, 6 ABR 19/85, BAGE 53, 287 = SAE 1988, 178 m. Anm. v. Hoyningen-Huene – obiter zu B.II.2.c) der Gründe; weiter Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 5 MitbestG Rn. 54 m. w. N.; Raiser/Veil, MitbestG/DrittelbG, § 5 MitbestG Rn. 27. 593 Mit Blick auf die Konzernbetriebsverfassung Kolbe, DB 2009, 1874, 1877; Kort, NZA 2009, 464 f. m. w. N. 594 Hohenstatt/Schramm, NZA 2010, 846, 848 sprechen von »gesellschaftsrechtlich vermittelt[er]« Leitungsmacht. Allgemein zur Konzernleitungsmacht Spindler/Stilz/Singhof, AktG, § 323 Rn. 2 ff. 595 Zur Unterscheidung von Vertrags- und faktischem Konzern etwa Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 18 AktG Rn. 3 ff.; MünchKommAktG/Bayer, § 18 Rn. 6, 8 ff.

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faktische Herrschaft durch Mehrheitsbeteiligung für unbeachtlich erklärt. Gleichwohl meint das BAG, die erforderliche Abhängigkeit der beherrschten Unternehmen könne auch durch tatsächliche Umstände begründet werden 596 . Für die Konzernbetriebsverfassung hat der Siebte Senat jüngst ausdrücklich offen gelassen, ob auch »andere als gesellschaftsrechtlich vermittelte Abhängigkeiten das Vorliegen eines Konzern iSv. § 54 Abs. 1 BetrVG begründen können«597. Gedacht ist dabei an die wirtschaftliche Abhängigkeit von Unternehmen durch »externe Austauschbeziehungen (wie etwa durch Liefer-, Lizenz- oder Kreditverträge)«, die »einem Partner einen durch die Marktlage bedingten Einfluss auf das geschäftliche Verhalten der Gesellschaft sichern«598 . Daran ist jedenfalls soviel richtig, als daß die Arbeitnehmer-Zuordnung des Mitbestimmungsrechts nicht konsequent am (Aktien-)Konzernrecht ausgerichtet werden kann, weil die beiden Materien mit Blick auf verbundene Unternehmen unterschiedliche Regelungszwecke verfolgen 599 : Dem Konzernrecht des AktG geht es um die »Konzerngefahr«, daß ein kraft Gesellschaftsrechts »herrschendes« Unternehmen seine Machtstellung zum Nachteil der abhängigen Gesellschaft ausnutzt, indem es deren wirtschaftliche Tätigkeit nicht im Interesse der Tochter steuert, sondern im eigenen unternehmerischen Interesse600 . Die wirtschaftliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer ist demgegenüber Instrument nicht des »Schutzes« abhängiger Belegschaften, sondern der Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen601. Entsprechend geht es bei der Konzernzurechnung nicht darum, Nachteile von den Arbeitnehmern untergeordneter Unternehmen abzuwenden, sondern darum, auch diesen Arbeitnehmern eine wirksame Leitungsteilhabe zu ermöglichen. Belegen läßt sich der wertungsmäßige Unterschied zum Konzernrecht an der – gleichheitsrechtlich 596 BAG v. 30. 10. 1986, 6 ABR 19/85, BAGE 53, 287 = ZIP 1987, 1407 – B.II.2. b) der Gründe. I.d.S. vertritt eine starke Auffassung im Schrifttum, daß die Verweise auf das AktG in den Mitbestimmungsgesetzen keine strenge Gesellschaftsrechtsakzessorietät für den Konzernbegriff des Mitbestimmungsrechts begründen; zur Unternehmensmitbestimmung MünchArbR/Wißmann, § 279 Rn. 11; skeptisch Raiser/Veil, MitbestG/DrittelbG, § 5 MitbestG Rn. 10; anders Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 5 MitbestG Rn. 11 ff., die zwar »in Randbereichen« Abweichungen vom aktienrechtlichen Konzernbegriff zulassen, aber nur die gesellschaftsrechtlich vermittelte Abhängigkeit ausreichen lassen. Zur Konzernbetriebsverfassung Däubler/Kittner/Klebe/Wedde/Trittin, BetrVG, Vor § 54 Rn. 31, 99 ff.; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 54 Rn. 14; anders GK-BetrVG/Kraft/Franzen, § 54 Rn. 19; Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Maschmann, § 54 Rn. 2, denen zufolge nur die gesellschaftsrechtlich vermittelte Leitungsmacht ausreicht. 597 BAG v. 9. 2. 2011, 7 ABR 11/10, NZA 2011, 866 – Rn. 27 ff. (27). 598 BAG v. 9. 2. 2011, 7 ABR 11/10, NZA 2011, 866 – Rn. 27. [Hervorhebung im Original.] 599 Richtig Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 5 MitbestG Rn. 11. 600 Zu ihr allgemein Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 15 AktG Rn. 6 ff.; Spindler/ Stilz/Schall, AktG, Vorbemerkung zu den §§ 15 ff. Rn. 27. 601 Eingehend C.II., S. 213 ff.

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bedenklich auf die paritätische Aufsichtsratsbeteiligung beschränkten602 – Sonderzurechnung von Arbeitnehmern der (potentiell mitbestimmten) Kapitalgesellschaft & Co. KG an die Komplementärin nach § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG. Auch wenn die Komplementärstellung per se noch nicht zur Konzernierung von KG und Komplementärin führt603 , greift § 4 Abs. 1 MitbestG gerade einen Fall gesellschaftsrechtlich vermittelter Leitungsmacht auf, also eine der Zurechnung entlang der Konzernleitungsmacht strukturell vergleichbare Konstellation604 . Nicht um die Betroffenheit der Arbeitnehmer der KG geht es, sondern um die einheitliche Willensbildung in der Unternehmenseinheit von KG und Komplementärin605. Richtig einordnen läßt sich die Sondervorschrift des § 4 MitbestG nur in der Zusammenschau mit dem Konzernrecht: Die Abhängigkeit der KG von ihrer Komplementärin könnte man ohne weiteres mit konzernrechtlichen Kategorien erfassen. Indes fehlt es bei der Kapitalgesellschaft & Co. KG regelmäßig an der Konzerngefahr, weil beide Unternehmen wirtschaftlich eine Einheit bilden606 . Der Schutzzweck des Konzernrechts ist dann nicht angesprochen; gleichwohl ordnet das Gesetz die Mitbestimmungsteilhabe ausdrücklich an, wenn die (Anteils- oder Stimmen-) Mehrheit der Kommanditisten auch die Mehrheit der Anteile oder Stimmen an der Komplementär-Kapitalgesellschaft hält, so daß eine einheitliche Willensbildung in KG und GmbH stattfi ndet. Wie die Konzernunternehmensmitbestimmung insgesamt bewirkt auch § 4 MitbestG einen gewissen »Umgehungsschutz«, verhindert Mitbestimmungsvermeidung durch gesellschaftsrechtliche Gestaltungen. Gleichwohl ist § 4 MitbestG keine »Sanktion« für unbotmäßige Unternehmen, die die Organbeteiligung gezielt aushebeln wollen. Die Sonderzurechnung greift auch bei einem anerkennenswerten Gestaltungsinteresse jenseits des Mitbestimmungsrechts. Ihr geht es um wirksame Teilhabe an der rechtlich faßbaren Leitungsmacht über die Arbeitgeberin. Diesen Zweck der Konzern-Mitbestimmung zeichnet der Siebte BAG-Senat überzeugend nach, wenn er meint, das »Erfordernis einer wirksamen Mitbestimmung [könne] dafür sprechen, ein Unternehmen, das aufgrund anderer als gesellschaftsrechtlicher Mittel in der Lage ist, die Willensbildung eines fremden Unternehmens umfassend und dauerhaft zu bestimmen, als herrschendes Unternehmen [. . .] anzusehen«. Ausreichen lassen die Richter aber allenfalls eine der gesellschaftsrechtlich vermittelten »zumindest gleichwertig[e]« Abhängigkeit, eine »rechtlich verstetigte Möglichkeit [. . .], grundsätz602

Latzel, Gleichheit, Rn. 404 ff. sieht einen Verstoß gegen Art. 3 GG. Dazu kommen muß, daß die GmbH einen eigenen Geschäftsbetrieb unterhält; näher dazu MünchKommHGB/Mülbert, Konzernrecht der Personengesellschaften Rn. 52 ff. 604 Auch dazu Latzel, Gleichheit, Rn. 413. 605 Erst diese »Unternehmenseinheit« rechtfertigt die Sonderzurechnung von Arbeitnehmern; nur Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 4 MitbestG Rn. 12; ErfK/ Oetker, § 4 MitbestG Rn. 2. 606 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 15 AktG Rn. 23 m. w. N. 603

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lich alle unternehmensrelevanten Entscheidungen des abhängigen Unternehmens zu steuern.«607 Damit formuliert der Senat hohe Anforderungen an eine nur tatsächlich vermittelte Abhängigkeit, die kaum praktisch werden dürften608 . Richtig ist das schon deshalb, weil ein Wertungsgleichgewicht zu § 2 DrittelbG gewahrt bleiben muß: Wenn das Gesetz die Mehrheitsbeteiligung nicht ausreichen läßt, kann nicht andererseits jede faktische Abhängigkeit die Konzernzurechnung nach § 5 MitbestG (oder § 54 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) auslösen. In der Konsequenz heißt das: Führen unternehmensübergreifende Kooperationen dazu, daß ein Unternehmen wirtschaftlich von seinem Partnerunternehmen abhängig wird, dann werden die Arbeitnehmer des »abhängigen« Unternehmens mittelbar von den strategischen Entscheidungen des vertragsfremden Unternehmens betroffen. Das Unternehmensmitbestimmungsrecht gewährt diesen Drittbetroffenen aber keine zusätzlichen Teilhaberechte bei der dominanten Gesellschaft. Die Belegschaft des Zuliefererbetriebs wählt und zählt bei dessen Kunden nicht mit, selbst wenn ihr Arbeitgeber auf einen einzigen Abnehmer festgelegt und von diesem abhängig ist. Anders entscheiden ließe sich nur, wenn die Arbeitgeber-Gesellschaft ihre rechtliche Unabhängigkeit verliert. Bejahen läßt sich das (wenn überhaupt) nur in Extremfällen, in denen eine Gesellschaft unternehmerische Entscheidungen der Vertragspartnerin nicht nur tatsächlich beeinflussen, sondern rechtlich steuern kann. [c] Sonderfall Leiharbeit. Daneben aber stellt das MitbestG die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen mitbestimmungsfrei – mit der singulären und besonders angeordneten Ausnahme des aktiven Wahlrechts für Leiharbeitnehmer. Diese Teilhaberechte der Leiharbeitnehmer können – anders als in der Betriebsverfassung – nicht als Korrektur der Zuordnung nach Vertragsbeziehungen im Interesse einer Teilhabe der Betroffenen gedeutet werden. Eine besondere Betroffenheit gerade der Leiharbeitnehmer durch die unternehmerischen Entscheidungen des Entleihers ist nicht zu erkennen: Die »schon im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung eingeschränkte Interessenbetroffenheit der Leiharbeitnehmer verliert sich auf der Ebene der unternehmerischen Mitbestimmung völlig.«609 Daß überlassene Arbeitnehmer wie Stammkräfte eingesetzt werden können (und teilweise auch so eingesetzt werden), läßt sich systemkonform nur auf betrieblicher Ebene mit dem aktiven Wahl-

607

BAG v. 9. 2. 2011, 7 ABR 11/10, NZA 2011, 866 – Rn. 30 f. Oetker, EWiR 2011, 549, 550 spricht von einem eher theoretischen Problem. 609 OLG Düsseldorf v. 12. 5. 2004, 19 W 2/04 AktE, OLGR Düsseldorf 2004, 407 = GmbHR 2004, 1081. 608

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recht aufgreifen; auf Unternehmensebene ist das aktive Wahlrecht der Leiharbeitnehmer Nicht-Betroffenen-Beteiligung610 . Zugeordnet sind Leiharbeitnehmer nur dem Verleiher-Unternehmen. Zwar will das BAG (wahlberechtigte) entliehene Arbeitnehmer nunmehr auf den Schwellenwert des § 111 Satz 1 BetrVG anrechnen611, der sachlich ebenso zur wirtschaftlichen Mitbestimmung rechnet wie die Organbeteiligung612 . Der Erste Senat leitet diese Sonderzurechnung aber ausdrücklich aus dem speziellen Zweck des Schwellenwerts ab, und erklärt die Leiharbeitnehmer ausdrücklich nicht zu »Betriebsangehörigen« i. S. d. § 9 BetrVG 613 . Schon deshalb läßt sich der Entscheidung keine Tendenz für die Zuordnung von Leiharbeitnehmern im Unternehmensmitbestimmungsrecht entnehmen. Vor allem aber bestehen gegen das Judikat durchgreifende Bedenken: Der Erste Senat arbeitet überzeugend den Zweck des Schwellenwerts in § 111 Satz 1 BetrVG heraus, nur wirtschaftlich leistungsfähige Unternehmen mit dem Sozialplan zu belasten, und betont zu Recht, daß es mit Blick auf diese anhand der Arbeitnehmerzahl typisierte614 Leistungsfähigkeit nicht darauf ankommen kann, auf welcher Vertragsbasis Arbeitskräfte im Unternehmen eingesetzt werden. Indes sind Betriebsänderungen nach den §§ 111 Satz 1, 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht generell in leistungsfähigen Unternehmen sozialplanpfl ichtig, sondern nur in solchen, denen mindestens 21 (in der Regel beschäftigte) wahlberechtigte Arbeitnehmer zugeordnet sind. Dabei kann das Wahlrecht der Leiharbeitnehmer die Zuordnungsfrage nicht präjudizieren. Es liegt gerade in der Konsequenz des § 7 Satz 2 BetrVG, daß es in einem Betrieb (und damit auch in einem Unternehmen) mehr Wahlberechtigte geben kann als (betriebs- bzw. unternehmensangehörige) Arbeitnehmer. Anders gewendet: Wenn die allgemeinen Zuordnungsprinzipien mit Blick auf den besonderen Zweck des Schwellenwerts für die Mitbestimmung bei Betriebsänderungen nicht mehr gelten sollen, dann ist nicht ansatzweise einzusehen, weshalb Drittfi rmenmitarbeiter, leitende Angestellte und jugendliche Arbeitnehmer nicht mitgezählt werden dürfen615. Umgekehrt wäre eine nur anteilige Zählzurechnung der Teilzeitbeschäftigten geradezu zwingend. Das führt ad absurdum. Das Gesetz stellt gerade nicht direkt auf die wirtschaftliche Belastbarkeit des Unternehmens ab, sondern typisiert diese Voraussetzung anhand der Zahl der wahlberechtigten und mitbestimmungsrechtlich dem Unternehmen zugeordneten 610

Bereits § 2 D.II.4.a., S. 158 f. BAG v. 18. 10. 2011, 1 AZR 335/10, NZA 2012, 221 – Rn. 14 ff. 612 Noch § 4 B.I.1.b., S. 333. 613 BAG v. 18. 10. 2011, 1 AZR 335/10, NZA 2012, 221 – Rn. 18 f. 614 Auch dazu § 4 B.I.1.b., S. 331. 615 In dieselbe Richtung Rieble, NZA 2012, 485, 486, der S. 486 f. darauf hinweist, daß die Zählzurechnung von Leiharbeitnehmern die Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie betrifft und daher aus unionsrechtlichen Gründen nicht (richterrechtlich) vom BAG geregelt werden darf. 611

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Arbeitnehmer. Dann aber muß es dabei bleiben, daß Leiharbeitnehmer zwar wählen, aber nicht zählen616 . [d] Ergebnis. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß das Unternehmensmitbestimmungsrecht die rechtliche Unabhängigkeit von Unternehmen respektiert und also jeden Rechtsträger auf Arbeitgeberseite als mitbestimmungsfähige Zuordnungs-Einheit begreift. Anders als in der Betriebsverfassung ist eine Zuordnung der Arbeitnehmer nur an die Vertragsarbeitgeberin geboten: Während es für die Betriebszugehörigkeit schon deshalb nicht allein auf den Arbeitsvertrag ankommen kann, weil ein Rechtsträger mehrere Betriebe unterhalten kann, kann die Unternehmenszugehörigkeit allein anhand der Arbeitsvertragsbeziehung bestimmt werden. Daß diese vertragsbezogene Sichtweise dem Gesetz zugrunde liegt, läßt sich anhand der Bestimmungen über die Konzernzurechnung belegen. Unternehmensmitbestimmung ist keine nach tatsächlichen Kriterien geordnete Betroffenenbeteiligung, sondern beschränkt die (Mehrfach-)Zuordnung an vertragsfremde Unternehmen auf die Fälle der rechtlich abhängigen Arbeitgeber-Gesellschaft. Die gesetzliche Entscheidung gegen ein Betroffenenbeteiligungsmodell ist keine Einladung zum Mißbrauch617. MitbestG und DrittelbG lassen dem Arbeitgeber Raum, seine wirtschaftlichen Aktivitäten durch die Kooperation mit anderen Unternehmen auszuweiten, ohne daß deren Beschäftigte auf die Schwellenwerte des Unternehmensmitbestimmungsrechts angerechnet würden. Das ist keine anstößige Umgehung der Mitbestimmung, sondern harmoniert gerade mit der funktionalen Ausrichtung der Schwellenwerte des Unternehmensmitbestimmungsrechts: Anders als bei den Schwellenwerten des BetrVG steht bei den Einstiegs-Schwellenwerten in MitbestG, DrittelbG und Montan-MitbestG der Schutz potentiell mitbestimmter Unternehmen im Vordergrund. Kleineren Unternehmen sollen die wirtschaftlichen Lasten durch die Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat618 erspart bleiben, aber auch mittelbare Eingriffe in die »(betrieblichen) Arbeitsanweisung[en]«, weil arbeitsvertragliche Weisungs- und unternehmerische Planungskompetenz in kleineren Unternehmen »oft personell vereinigt« sind619. Solche Unternehmen mit der Aufsichtsratsmitbestimmung zu »belasten«, wenn und weil sie sich zu unternehmensübergreifender Zusammenarbeit mit Großunternehmen, etwa im

616

Mit ähnlicher Argumentation Tschöpe, NJW 2012, 2161 ff. So aber LG Hamburg v. 21. 10. 2008, 417 O 171/07, ZIP 2008, 2364; Bonanni, Betrieb mehrerer Unternehmen, S. 289. 618 Nur Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks. VI/334, S. 114. Anschaulich v. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 45 f., dessen Ansicht nach »eine solche für Goliath passende Rüstung für den kleinen David zu schwer wäre«. 619 Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks. VI/334, S. 60. 617

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gemeinsamen Betrieb620 , entschließen, wäre nachgerade systemwidrig und verfassungsrechtlich mehr als zweifelhaft. e. Sonderfall Gewerkschaftsbeteiligung Die Beteiligung der Gewerkschaften in der Unternehmensmitbestimmung ist ein Bruch mit dem Gedanken der Mitbestimmung durch Betroffenenbeteiligung621. Sie bedeutet eine Einschränkung des Teilhabezwecks und eine paternalistische Korrektur der Arbeitnehmer-Interessenvertretung622 . Insbesondere sollen die Gewerkschaftsvertreter »überbetriebliche« – genauer: unternehmens- oder sogar branchenübergreifende, mithin volkswirtschaftliche – Erwägungen in die Willensbildung der Unternehmen(sträger) einfließen lassen und dem erwarteten »Egoismus« der unternehmensangehörigen Arbeitnehmer entgegen wirken623 . Aus demokratischer Perspektive ist das fragwürdig: Volkswirtschaftliche Steuerung ist ein öffentliches Anliegen von eminenter Gemeinwohlrelevanz, das nur auf der Makroebene behandelt werden kann. Repräsentant der Allgemeinheit und Garant des Gemeinwohls kann insoweit nur der Staat sein624 . Starker gesellschaftlicher Einfluß privater Verbände belegt nicht etwa deren demokratische Legitimation, sondern gefährdet den demokratischen Staat. Ein Selbstverständnis als »integrierender Bestandteil der Demokratie«625 behebt dieses Legitimationsdefi zit ebensowenig wie Transparenz und innergewerkschaftliche »Demokratie«626 . Blendet man dies großzügig aus, bleibt noch das Problem der Nichtbetroffenenbeteiligung. Auf der Mikroebene der Betroffenendemokratie müßte man eine Art »demokratisches Erstgeburtsrecht« der Gewerkschaften anerkennen, in der »Arbeitnehmer-Gesellschaft« für die Arbeitnehmerschaft schlechthin zu sprechen627. Ein solcher Anspruch ist angesichts des sinkenden Organisationsgrades in den DGB-Gewerkschaften628 und des zunehmenden Gewerkschaftswettbewerbs629 schwerlich zu begründen. 620 Anschaulich schildern Hohenstatt/Schramm, NZA 2010, 846 ff., zu welch »grotesken Ergebnissen« die allseitige Mehrfachzurechnung von Arbeitnehmern hier führen kann. Eingehend zum Gemeinschaftsbetrieb in der Unternehmensmitbestimmung noch § 4 B.I.2.a., S. 335 f. 621 Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 136. Eingehend § 2 D.II.4.b., S. 159 f. 622 Isensee, Der Staat 17 (1978), 161, 176 sieht die Abspaltung von Unternehmerfunktionen auf die Gewerkschaft kritisch als »Fremdbestimmung«. 623 Etwa Boettcher/u. a., Unternehmensverfassung, S. 121 f.; Haferkamp u. a., Mitbestimmung, S. 24. 624 Böhm, ORDO 4 (1951), 21, 181 f. 625 Haferkamp u. a., Mitbestimmung, S. 11. 626 Vgl. Isensee Der Staat 17 (1978), 161, 179. 627 Zu Recht kritisch Zacher, FS Böhm, 707, 713 ff. 628 Dazu Greiner, Rechtsfragen, S. 12 ff.; pointiert Rüthers, NZA 2007, 426, 427. Aktuelle Zahlen bei Schnabel, NZA-Beilage 3/2011, 56 ff. 629 Überblick bei Greiner, Rechtsfragen, S. 1 ff.

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Indes: Mitbestimmung ist gerade keine Betroffenendemokratie. Paternalistische Interessenrepräsentation durch Nicht-Betroffene widerspricht zwar dem Teilhabezweck, ist aber von Rechts wegen nicht ausgeschlossen630 . Entscheidend ist hier wie im Rahmen der funktionalen Selbstverwaltung öffentlichen Rechts, daß der Gesetzgeber Nicht-Betroffene in ein grundsätzlich nach der Idee der Betroffenenbeteiligung geordnetes System einbinden kann, wenn hierdurch nach seiner vertretbaren Prognose die aufgabenbezogene Leistungsfähigkeit dieses Systems gesteigert wird631. In diesem Zusammenhang ist die Gewerkschaftsbeteiligung in der Aufsichtsratsmitbestimmung zu sehen: Dabei geht es nicht nur um die Korrektur »egoistischer« Interessenrepräsentation der unternehmensangehörigen Arbeitnehmer unter gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten. Das könnten auch »unabhängige« Aufsichtsratsmitglieder leisten632 , etwa Delegierte aus einer öffentlichrechtlichen Arbeitnehmerkammer633 . Gewerkschaftsrepräsentanten sind für die Unternehmensbelegschaft nicht nur »Bremse«, sondern auch »Ressource«. Sie können »ihr Verhandlungsgewicht gegenüber den Anteilseignern und der Unternehmensleitung in die Waagschale werfen und so Verhandlungsschwächen der unternehmensinternen Arbeitnehmervertreter kompensieren.«634 Weiter liegt die unternehmerische Mit-Verantwortung gerade hochrangiger Gewerkschaftsfunktionäre auch im Unternehmensinteresse635 , weil ihr Sachverstand erschlossen wird und ihre Bindung an das Unternehmen zumindest faktisch mit ihrer tarifpolitischen Aufgabe wechselwirkt636 . 3. Stimmgewicht a. Einfache statt formaler Wahlrechtsgleichheit Mehr noch als für die öffentlichrechtliche funktionale Selbstverwaltung637 gilt für das Mitbestimmungsrecht, daß das (aus Akzeptanzgründen installierte 638 ) Wahlrecht Abweichungen in Bezug auf die Wahlrechtsgleichheit verträgt: Das 630

Hierzu C.IV., S. 226 f. Dazu I.2.b., S. 237 ff. Zur funktionalen Selbstverwaltung BVerfG [Senat] v. 5. 12. 2002, 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98, BVerfGE 107, 59 = NVwZ 2003, 974 – »Lippeverband« unter C.I.4.c) der Gründe. 632 Velten, Gewerkschaftsvertreter, S. 48 f. sieht eine solche Einbindung unabhängiger Mitglieder als »milderes Mittel« gegenüber der Gewerkschaftsbeteiligung. 633 Die Arbeitnehmerkammer ist verfassungsrechtlich zulässig, solange sie nicht den Gewerkschaften in deren primärem Aufgabenbereich – dem Tarifwesen – Konkurrenz macht; hierzu die Nachweise § 2 Fn. 508. 634 T. Raiser, Unternehmensmitbestimmung, S. B 99. 635 Rieble, Tarifautonomie, S. 41, 55 f. 636 Dazu etwa Streeck u. a., Mitbestimmung, S. 97. 637 Dazu nur VG Baden-Württemberg v. 8. 5. 2001, 14 S 1238/00, ESVGH 51, 254 = GewArch 2001, 422 – (C) der Gründe. 638 Soeben I.1.a., S. 228 ff. 631

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BAG hat die Minderheitengeschlechterquote des § 15 Abs. 2 BetrVG trotz ihrer schädlichen Wirkungen auf die Gleichheit der Wahl gebilligt und verfassungsrechtlich vor allem mit dem Förderungsauftrag des Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt639. Die hiergegen erhobene Kritik640 liegt neben der Sache: Unzutreffend ist schon die Prämisse, die Wahlen in der Betriebsverfassung seien dem staatsverfassungsrechtlichen Wahlgleichheitsgebot zu unterwerfen641. Das ist ein unzulässiger Schluß von der – gesetzlich prinzipiell angeordneten – gleichen Wahl auf die Geltung staatsrechtlicher Strukturprinzipien. Die formale Wahlgleichheit des Art. 38 GG ist Konsequenz der wechselseitigen Anerkennung politischer Gleichheit642 . Geht es nicht um die Legitimation von Kollektiventscheidungen durch eben diese Anerkennung, muß nur die »einfache Wahlrechtsgleichheit« i. S. proportionaler Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gewahrt bleiben643 . Anders gewendet sind dem Gesetzgeber in weitem Umfang Differenzierungen des Wahlrechts erlaubt, solange diese nicht willkürlich erfolgen, sondern an den konkreten Hintergrund der Wahl anknüpfen644 . b. Atypisch Beschäftigte: Beispiel Teilzeitbeschäftigte Die Frage der Wahlrechtsgleichheit ist mithin nicht vor dem Hintergrund des – auf Betrieb und Unternehmen heruntergebrochenen – Art. 38 GG zu sehen, sondern als Gleichheitsfrage i. S. d. Art. 3 GG. Daher geht es nicht (nur) darum, in welchem Umfang von einer streng schematischen Gleichheit nach dem Prinzip des »one man – one vote« abgewichen werden darf. Zu fragen ist auch, ob eine Stufung des Stimmgewichts angesichts der tatsächlichen »Ungleichheit« – anders gewendet: angesichts der faktisch ungleichen Betroffenheit – der Wahlberechtigten geboten ist. In der Sache geht es insbesondere um die Teilhaberechte der atypisch Beschäftigten645. 639

BAG v. 16. 3. 2005, 7 ABR 40/04, BAGE 114, 119 = NZA 2005, 1252. Stellvertretend Kamanabrou, RdA 2006, 186, 188 ff.; Richardi/Thüsing, BetrVG, § 15 Rn. 4 m. w. N. 641 So aber BAG v. 16. 3. 2005, 7 ABR 40/04, BAGE 114, 119 = NZA 2005, 1252 – zu B.III.3.a) der Gründe; insoweit zustimmend Kamanabrou, RdA 2006, 186, 188. Für die Personalratswahl BVerfG [Senat] v. 23. 3. 1982, 2 BL 1/81, BVerfGE 60, 162 = NVwZ 1982, 673 – »Personalvertretungswahl« unter B.II. der Gründe; [Senat] v. 16. 10. 1984, 2 BvL 20/82 und 21/82, BVerfGE 67, 369 = NVwZ 1985, 179 – B.I. der Gründe. 642 Näher § 2 A.I.2.b., S. 45 ff. 643 BVerfG [Senat] v. 16. 12. 1975, 2 BvL 7/74, BVerfGE 41, 1 = NJW 1976, 889 – »Richterwahl«. Für die Wahl der Handwerkskammervollversammlung VGH Baden-Württemberg v. 8. 5. 2011, 14 S 1238/00, ESVGH 51, 254 = GewArch 2001, 422. 644 Etwa BVerfG [Senat] v. 9. 4. 1975, 1 BvL 6/74, BVerfGE 39, 247 – unter C.I. der Gründe. Gerade für die Betriebsratswahl Wank, RdA 1985, 1, 10. 645 Selbst Demirovic´, Demokratie, S. 24, der in der Wirtschaftsdemokratie »zwischen Lohnabhängigen, Managern und Unternehmern keine substantiellen Unterschiede« machen will, hält die Frage nach den »wirtschaftsbürgerlichen Rechte[n]« der atypisch Beschäftigten für regelungsbedürftig. 640

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[1] Zuordnung und Stimmrechtsgleichheit In diesem Zusammenhang ist die rechtspolitische Forderung nach einer Reduktion des Stimmgewichts von Teilzeit-Beschäftigten646 zu sehen. Sowohl das BAG als auch die arbeitsrechtliche Literatur bejahen ihr volles Stimmrecht unabhängig von der wöchentlichen Arbeitszeit647. Auch auf die Schwellenwerte des Mitbestimmungsrechts werden sie als »ganze« Arbeitnehmer angerechnet648 . Die zugrundeliegende Zuordnungsentscheidung überzeugt: Die Teilzeiter sind bei ihrem Vertragsarbeitgeber wahlberechtigt. Zudem sind sie (im hier interessierenden Regelfall) auch in dessen Betrieb eingegliedert. Weil es bei der Betriebszugehörigkeit vor allem darum geht, Teilhabe bei dem »richtigen« Arbeitgeber-Opponenten zu erlauben649, kommt es auf den zeitlichen Umfang der Eingliederung nicht an. Für strenge Gleichbehandlung mit den Vollzeitbeschäftigten spricht weiter, daß die Mitbestimmungsgesetze keine ausdrückliche Regelung für die »Berechnung« von Teilzeitern vorhalten, die vergleichbar § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG oder § 622 Abs. 5 Satz 2 BGB die Zählung nach Bruchteilen anordnet650 . Indes darf man bei dieser systematischen Erwägung nicht stehen bleiben. Teleologisch kann die Berechnung der Arbeitnehmer nach Bruchteilen geboten sein, selbst wenn eine explizite Bestimmung hierüber fehlt. Beispiel ist das InvZulG 2009651, das hoheitliche Subventionen von der Zahl der durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer abhängig macht. Daß der Arbeitgeber diese Voraussetzung soll beeinflussen dürfen, indem er Arbeitsplätze »teilt«, ist nicht zu rechtfertigen. Für das Mitbestimmungsrecht ist damit nichts gesagt: Die Zusammenfassung mehrerer Teilzeitstellen zu einer Vollzeitstelle ist als Annäherung an das »Normalarbeitsverhältnis« kein Mißbrauch, auch wenn zugleich die Arbeitnehmerzahl mit Blick auf Schwellenwerte gesteuert werden soll. Der Arbeitgeber versucht nicht, von der betrieblichen Leitungsmacht erfaßte Arbeitnehmer durch Gestaltung von Vertragsbeziehungen auszugrenzen, sondern entläßt Arbeitskräfte aus seiner Arbeitsorganisation. Eher ist die Frage zu stellen, ob Unternehmen mit hoher Teilzeitquote mit übermäßiger Mitbestimmung »belastet« werden; für die rechtfertigende Annahme, 646

Etwa Franz, ZAF 2005, 268, 280; Rieble, Reformbedarf, S. 127, 135. Für die Betriebsverfassung BAG v. 29. 1. 1992, 7 ABR 27/91, BAGE 69, 286 = NZA 1992, 894 – B.III.1.a)aa) der Gründe; Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Maschmann, § 7 BetrVG Rn. 4. 648 Am Beispiel der Betriebsgröße i. S. d. § 9 BetrVG BAG v. 7. 5. 2008, 7 ABR 17/07, NZA 2008, 1142 = AP Nr. 12 zu § 9 BetrVG 1972 – Rn. 20; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 9 Rn. 17. 649 Soeben 2.d.[1], S. 248 ff. 650 LAG Baden-Württemberg v. 16. 6. 1987, 8 (14) TaBV 21/86, LAGE § 111 BetrVG 1972 Nr. 6 – unter B.III.4.b) der Gründe für die Frage, ob eine Personalabbau-Maßnahme als wesentliche Einschränkung des Betriebs i. S. v. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG zu werten ist. 651 Hierzu Sächsisches FG v. 6. 4. 2011, 2 K 1780/10, juris – juris-Rn. 14 f. 647

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daß mehrere Teilzeiter die Arbeitnehmervertreter vor allem im Betriebsrat stärker beanspruchen als ein Vollzeiter, fehlt der arbeitswissenschaftliche Nachweis652 . Indes läßt sich das Bedürfnis der Arbeitnehmer nach Teilhabe an der Gestaltung der fremdbestimmten Ordnung im Betrieb nicht quantifi zieren: die faktische Bindung an die Leitungsentscheidungen des Arbeitgebers geht »alle an«653 und wirkt unabhängig von der zeitlichen Dauer als Fremdbestimmung. [2] »Majorisierung« von Vollzeitbeschäftigten? Die zentrale Frage muß dahin gehen, ob die Gleichberechtigung von auch in geringem Umfang in Teilzeit Beschäftigten die Vollzeitkräfte gleichheitswidrig benachteiligt654 . Als Problem wird diese Divergenz in der Entscheidung des BAG vom 29. 1. 1992655 sichtbar: Dort ließen sich in einem einheitlichen Betrieb zwei klar abgegrenzte Gruppen von Arbeitnehmern unterscheiden. »Gegen« 620 in Vollzeit mit der Herstellung von Zeitungen befaßte Kräfte standen ca. 1200 (als Arbeitnehmer potentiell wahlberechtigte) teilzeitbeschäftigte Zusteller im Außendienst. Unter der Bedingung gleichen Wahlrechts entscheiden dann also schwerpunktmäßig die Teilzeiter, wie der Betriebsrat zusammengesetzt wird: eine »Majorisierung der Vollzeitbeschäftigten«, die in den Augen Wanks »gegen den Grundsatz der Wahlgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 GG [verstößt].«656 Der Siebte Senat entschied gleichwohl im Sinne »formelle[r] Wahlgerechtigkeit«657. Das ist rechtssicher658 , wirkt aber vor allem »demokratisch-egalitär«659 – und ist gerade deshalb angreifbar: Als demokratische Entscheidungsregel »funktioniert« das Mehrheitsprinzip nur, solange ein Wechsel von Mehrheit und Minderheit realistisch ist660 . Strukturelle Mehrheiten, vorgegeben durch einen »Hauptkonfl ikt«, disqualifi zieren den Mehrheitsentscheid als Herrschaftsinstrument661. Demokratische Egalität erlaubt hier keine Lösung über eine Differenzierung im Stimmrecht. Im Anwendungsbereich der einfachen Wahlrechtsgleichheit indes darf der Gesetzgeber vom Grundsatz der Stimmrechtsgleichheit abweichen, etwa um in sich homogene Interessen(blöcke) nach bestimmten Vorgaben abzubilden. Beispiele liefert die

652

Dazu Rieble/Klumpp, JZ 2004, 817, 821 m. w. N. I.d.S. auch Rieble/Klumpp, JZ 2004, 817, 821. 654 I.d.S. P. Hanau, FS G. Müller, S. 169, 174 ff. 655 7 ABR 27/91, BAGE 69, 286 = NZA 1992, 894. 656 Wank, RdA 1985, 1, 12. 657 BAG v. 29. 1. 1992, 7 ABR 27/91, BAGE 69, 286 = NZA 1992, 894 – B.III.2. der Gründe. Zustimmend Reichold, NZA 1999, 561, 567. 658 Kreutz, Anm. zu BAG v. 29. 1. 1992, 7 ABR 27/91, SAE 1994, 75, 77. 659 Kohte, BB 1992, 137, 140. 660 Bereits § 2 B.I.1.b.[2], S. 67 f. 661 Rhinow, ZSR 103 II (1984), 111, 250. 653

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funktionale Selbstverwaltung des öffentlichen Rechts mit der paritätischen Selbstverwaltung in der Sozialversicherung oder der Gruppenuniversität 662 . Für die Betriebsverfassung fehlt eine vergleichbare Regelung; sie wäre auch kaum denkbar. An der Entscheidung des BAG zum Wahlrecht der Zeitungszusteller läßt sich nachvollziehen, daß sich belegschaftsinterne Interessenkonfl ikte in den vielfältigen Betriebsstrukturen der Praxis mit einer »statischen« gesetzlichen Regelung kaum hinreichend nachvollziehen lassen. Sieht man genauer hin, trennte die Belegschaft im Fall des Siebten Senats nicht der Gegensatz von Voll- und Teilzeitern. Der eigentliche Interessengegensatz bestand zwischen im Stammbetrieb beschäftigten Arbeitnehmern und Zustellern im Außendienst. Teilzeitbeschäftigte unter Ersteren wären in gleicher Weise »majorisiert« worden. Eine Untergliederung des Betriebsrats mit Blick auf die unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche im Betrieb taugt aber nicht als generelles Leitbild; das BetrVG lehnt sie ab: Die Sonderrepräsentation von Arbeitern und Angestellten wurde im Zuge der BetrVG-Reform 2001 gerade beseitigt 663 . Dieselbe Wertung läßt § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG erkennen, der räumlich abgetrennte Betriebsteile dem Hauptbetrieb zuschlägt, solange sie nicht »weit [. . .] entfernt« sind – und selbst dann kann die Teil-Belegschaft für eine gemeinsame Repräsentation votieren, § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Dahinter steht der richtige Gedanke, daß über mitbestimmungsrechtliche Sonderrepräsentation nur mit Rücksicht auf die konkreten Gegebenheiten entschieden werden soll. [3] Gleiches Stimmrecht für atypisch Beschäftigte Das BetrVG verzichtet aus gutem Grund darauf, in Teilzeit, in Leiharbeit oder befristet Beschäftigte aus der Betriebsbelegschaft auszugliedern oder ihr Stimmrecht zu beschneiden: Weder läßt sich der Mitbestimmungsanspruch auf Teilhabe gegenüber dem leitungsberechtigten Arbeitgeber quantitativ ausdrücken664 , noch können atypisch Beschäftigte in jedem Fall als homogene Interessengruppe erfaßt werden, die gegen die Interessen der typisch beschäftigten Arbeitnehmer steht. Insoweit ist es richtig, daß die Repräsentationsstrukturen nur im Einzelfall modifi ziert werden können: nach den §§ 3 und 4 BetrVG 665. Daneben hat es sein Bewenden damit, daß das Betriebsverfassungsrecht »die verschiedenen Strömungen in der Belegschaft nicht rechtlich reguliert, sondern im politischen Kräftespiel austariert«666 . Aus der teleologischen Perspektive des Teilhabezwecks ist das die vorzugswürdige, systemkon662 Zur Gruppenuniversität Maunz/Dürig/Scholz, GG, Art. 5 III Rn. 151 ff. mit umfangreichen Nachweisen. 663 Dazu Dütz, DB 2001, 1306 ff. 664 Wendeling-Schröder, NZA 2001, 357, 358 hegt hingegen Zweifel, ob Leiharbeitnehmer, »die als Externe und nur verhältnismäßig kurze Zeit im Betrieb sind, einen Betriebsrat für 4 Jahre demokratisch legitimieren sollten«. 665 Vgl. Kohte, BB 1992, 137, 140 ff. 666 Kohte, BB 1992, 137, 139.

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forme Lösung. Durch die Teilhaberechte sollen nicht individuelle Interessen Einzelner oder bestimmter Gruppen in die betrieblichen Entscheidungsabläufe eingebracht werden, sondern die der Belegschaft als Kollektiv667. c. Kontingentierung durch Quoten [1] Quote als Problem der Wahlrechtsgleichheit In diesen Zusammenhang sind auch die Minderheitengeschlechter-Quoten des Mitbestimmungsrechts einzuordnen. Sie dienen nicht primär dem Minderheitenschutz, sondern sollen ein bestimmtes Interesse organisationsrechtlich abbilden668 . Eingeführt wurden die Quoten nicht, weil Frauen – die geschlechtsneutral formulierte Quote war de facto auf Frauen gemünzt (und ist es weitgehend immer noch) – in den Betrieben und Unternehmen nachweisbar majorisiert und »unterdrückt« worden wären, sondern weil sie unter den Arbeitnehmervertretern auffällig unterrepräsentiert waren669. Als Problem der Wahlrechtsgleichheit läßt sich nur die »harte«, zwingende Quote begreifen, zu fi nden in § 15 Abs. 2 BetrVG und verschiedenen Landespersonalvertretungsgesetzen670 ; die – wenig wirksamen671 – »soll«-Quoten etwa der § 4 Abs. 4 DrittelbG, § 4 Abs. 2 SprAuG sind kein Eingriff in das Stimmrecht. Die verpfl ichtende Quote hingegen kann Wahlergebnisse verfälschen: Im »Lissabon«Urteil hat das BVerfG mit Blick auf die Wahlen zum Europäischen Parlament unterstrichen, daß die »Gleichheitsgewähr« für Zählwert und Erfolgschance bei »jeder nicht nur unerheblichen Kontingentierung der Sitze verfehlt wird«. Eine zahlenmäßige Minderheit kann sich gegen den Willen der Mehrheit durchsetzen, wenn diese Mehrheit im gewählten Gremium nicht abgebildet ist672 . Ob die Sitze im Interesse des Länderproporzes reserviert sind oder für ein mutmaßlich benachteiligtes Minderheitengeschlecht, spielt insoweit keine Rolle. Daß Geschlechterquoten nicht das Wahlrecht betreffen, sondern vielmehr als bloße organisationsrechtliche Vorfrage gesehen werden müßten673 , 667

Rieble/Klumpp, JZ 2004, 817, 821. BAG v. 16. 3. 2005, 7 ABR 40/04, BAGE 114, 119 = NZA 2005, 1252 – B.III.3.a)cc) (2) der Gründe: »der Betriebsrat [hat] die Möglichkeit, auf die Berücksichtigung der spezifi schen Interessen von Frauen im Betrieb hinzuwirken«. 669 Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, BT-Drucks. 14/5741, S. 25. BAG v. 16. 3. 2005, 7 ABR 40/04, BAGE 114, 119 = NZA 2005, 1252 – B.III.3.a)cc)(2) der Gründe. Nachweise zu empirischen Studien über die Geschlechterverteilung in Betriebsräten bei GK-BetrVG/Kreutz, § 15 BetrVG Rn. 16. 670 Überblick über die Personalvertretungsgesetze bei Löwisch, NZA 2011, 2011, 1075. 671 Zu der »soll«-Quote nach § 15 Abs. 2 BetrVG 1972 Löwisch, NZA 2011, 1075. Immerhin ist empirisch belegt, daß der Löwenanteil der Aufsichtsrätinnen in Deutschland von den Arbeitnehmern gestellt wird; Frost/Linnainmaa, AG 2007, 601, 602. 672 BVerfG [Senat] v. 30. 6. 2009, 2 BvE 2/08 u. a., BVerfGE 123, 267 = NJW 2009, 2267 – »Lissabon-Vertrag« Rn. 281. 673 In diese Richtung aber Lange, NJW 1988, 1174, 1178. 668

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läßt sich vor diesem Hintergrund nicht behaupten. Die vom BVerfG befürchtete »Minderheitsherrschaft« droht jedoch nur, wenn infolge der Kontingentierung ein Teil der Wähler überproportional und ein anderer Teil unterproportional repräsentiert ist, so daß sich Unterschiede im Stimmgewicht ergeben. Vor diesem Hintergrund scheinen die Geschlechter-Quoten des Mitbestimmungsrechts prima facie unbedenklich. Sie setzen nicht an dem zahlenmäßig schwächeren Geschlecht als Wählergruppe an, sondern bevorzugen Kandidaten aus dem Minderheitengeschlecht. [2] Exkurs: Passive Wahlrechtsgleichheit Insofern sind sie zunächst ein Problem (nur) der passiven Wahlrechtsgleichheit. Muß ein bestimmtes Kontingent an Sitzen an das Minderheitengeschlecht gehen, geht dies notwendig zu Lasten der passiven Wahlrechtsgleichheit von Angehörigen des Mehrheitsgeschlechts und damit in der Regel der von Männern. Rechtlich ist jene Ungleichbehandlung vergleichsweise unproblematisch. Legt man mit der hier vertretenen Ansicht nur die einfache Wahlrechtsgleichheit als Maßstab an674 , ist die Gleichheitsfrage von vornherein (nur) mit Blick auf Art. 3 GG zu entscheiden. Vor diesem normativen Hintergrund muß das Wahlrecht den ausdrücklichen Förderauftrag des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG 675 aufgreifen dürfen. Das BAG sieht dabei sogar die strengere, formale Wahlrechtsgleichheit gewahrt676 . Das ist insofern plausibel, als es auch den von Art. 21 GG vollständig »demokratisierten« politischen Parteien erlaubt sein soll, ihre (Frauenförder-)Programme durch organisationsrechtliche Kontingentierung in Parteigremien zu akzentuieren677. Dann aber muß der Gesetzgeber seinen gesetzlichen Förderauftrag (§ 80 Abs. 1 Nr. 2a und Nr. 2b BetrVG) an die Betriebsräte mit entsprechenden Mitteln organisationsrechtlich nachzeichnen dürfen. Zwar ist weder gesagt, daß die Interessen des Minderheitengeschlechts von Geschlechtsgenossen »besser« repräsentiert würden, noch daß andere Fördermaßnahmen insoweit nicht wirksamer wären. Orientiert man die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung im passiven Wahlrecht nicht an diesen materialen Gesichtspunkten, sondern mit dem BAG 678 formal an der »unzureichenden« Repräsentation von Frauen in Betriebsräten, läßt sich die Verhältnis-

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Soeben a., S. 263 f. Zu diesem auf die Gesellschaftsordnung gerichteten Regelungsauftrag etwa Maunz/ Dürig/Scholz, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 61; ErfK/I. Schmidt, Art. 3 GG Rn. 81: »rechts- und gesellschaftspolitischer Sprengsatz«. 676 BAG v. 16. 3. 2005, 7 ABR 40/04, BAGE 114, 119 = NZA 2005, 1252 – zu B.III.3.a) cc) der Gründe. 677 H. M.; zum Meinungsstand etwa Maunz/Dürig/Klein, GG, Art. 21 Rn. 347 m. w. N. 678 V. 16. 3. 2005, 7 ABR 40/04, BAGE 114, 119 = NZA 2005, 1252 – B.III.3.a)cc)(2) der Gründe. 675

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mäßigkeitsfrage679 mit Blick auf die zentralen Anforderungen der Geeignetheit und der Erforderlichkeit unproblematisch bejahen. Jedenfalls für die relative Quote unterliegt dann auch die Angemessenheit i. e. S. keinen durchgreifenden Zweifeln. [3] Stimmrechtsgleichheit Das eigentliche Problem des § 15 Abs. 2 BetrVG liegt in seiner Konkretisierung durch die §§ 5, 15 Abs. 5 WO: § 5 WO regelt, wie viele Betriebsrats-Sitze für das Minderheitengeschlecht reserviert bleiben. § 15 Abs. 5 WO realisiert die zwingende Wirkung der Quote, indem er das Wahlergebnis korrigiert, sollten die Wahlberechtigten nicht die nach § 5 WO ermittelte Zahl an Kandidaten des im Betrieb zahlenmäßig schwächer vertretenen Geschlechts gewählt haben. Dazu wird nach § 15 Abs. 5 Nr. 1 WO der letzte nach dem d’Hondtschen Höchstzahlverfahren680 mit einem Sitz bedachte Kandidat des Mehrheitsgeschlechts681 durch den nächsten des Minderheitengeschlechts auf derselben Vorschlagsliste i. S. d. § 6 WO ersetzt. Hat die Liste indes keinen geeigneten »Nachrücker« zu bieten, kommt es nach § 15 Abs. 5 Nr. 2 Satz 1 WO zum »Listensprung«. Zum Zug kommt nicht die Liste mit der letzten mit einem Sitz bedachten Höchstzahl, sondern die nächste Liste mit einer nicht berücksichtigten Höchstzahl, die einen Kandidaten mit dem »richtigen« Geschlecht vorweisen kann. Hier wird also nicht nur die Verteilung der Kandidaten auf die Listenplätze korrigiert, sondern der Wählerwille682 , selbst wenn damit die im Wahlgang getroffene Richtungsentscheidung in Frage gestellt wird. Mittelbar wirkt die Regelung auf die Gestaltung der Vorschlagslisten, weil taktisch zusammengestellte Listen ihre »unsicheren« Plätze mit Angehörigen des Minderheitengeschlechts »puffern«683 , und mithin den bis dato (mutmaßlich) Benachteiligten verstärkt Listenplätze zuweisen684 . Das BAG hält den Listensprung für den relativ mildesten Eingriff in das Wahlrecht, weil einerseits zwingende Vorgaben für die Aufstellung von (gülti679 Zur Rechtfertigung der gesetzlichen Frauenförderung durch geschlechtsspezifische Ungleichbehandlung nach dem Verhältnismäßigkeitsmaßstab ErfK/I. Schmidt, Art. 3 GG Rn. 88. Allgemein zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 289 ff. 680 Hierzu GK-BetrVG/Kreutz, § 14 Rn. 36 ff., § 15 WO Rn. 1 ff. 681 Der Austausch nach § 15 Abs. 5 Nr. 1 WO trifft also nicht zwingend die Liste mit der letzten bedachten Höchstzahl; entscheidend ist, welche Liste den letzten Sitz für einen Kandidaten aus dem Mehrheitsgeschlecht zugewiesen bekommt. Dazu BAG v. 16. 3. 2005, 7 ABR 40/04, BAGE 114, 119 = NZA 2005, 1252 – unter B.III.3.a)cc)(3)(a) der Gründe; GK-BetrVG/Kreutz, § 15 WO Rn. 8. 682 Löwisch, NZA 2011, 1075, 1076: »Übergehen des Wählerwillens beim Listensprung«. 683 GK-BetrVG/Kreutz, § 15 WO Rn. 10. 684 BAG v. 16. 3. 2005, 7 ABR 40/04, BAGE 114, 119 = NZA 2005, 1252 – zu B.III.3.a) cc)(3)(b) der Gründe.

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gen) Listen das passive Wahlrecht und mittelbar die »Auswahl« der Wahlberechtigten noch intensiver beeinträchtigen könnten, und andererseits ein auf die jeweilige Liste begrenzter Austausch die Wirksamkeit der Quote in Frage stellte685. Letzteres erlaubt § 15 Abs. 5 Nr. 5 WO nur, wenn sämtliche Listen zusammen nicht hinreichend viele Kandidaten aus dem Minderheitengeschlecht stellen, um das nach § 5 WO errechnete Sitzkontingent zu bedienen. Im Ergebnis ist dem BAG beizupfl ichten. Selbst wenn man für das Wahlrecht zum Betriebsrat von streng formaler Gleichheit ausgeht, kann in der Betriebsverfassung nicht verboten sein, was bei der Wahl zu Parteigremien erlaubt sein soll686 , kann sich doch bei der Personenwahl zum Parteivorstand durch die Quote ein dem Listensprung vergleichbarer Effekt ergeben. Legt man mit der hier vertretenen Auffassung großzügigere Maßstäbe an, kann der Gesetzgeber ohnehin mit weitem Einschätzungsspielraum entscheiden, welche Interessen er organisationsrechtlich abbilden will. Rechtspolitisch ist die de-facto-Frauenquote freilich wenig überzeugend: Wenn die Kontingentierung für Arbeiter und Angestellte nicht zuletzt687 deshalb abgeschafft wurde, weil für beide Gruppen dieselben Arbeitsbedingungen gelten688 , ist es ungereimt, Männer und Frauen zu mitbestimmungsrechtlichen »Parteien« zusammenzufassen, obzwar für beide Gruppen schon mit Blick auf den Diskriminierungsschutz (grundsätzlich) keine unterschiedlichen Arbeitsbedingungen gelten dürfen. Überdies gilt wie für die atypisch Beschäftigten, daß die beiden Geschlechter in der Rechtswirklichkeit nicht generell als homogene Interessenblöcke auftreten; »sachgerecht« und »zweckmäßig« mit Blick auf die Interessenrepräsentation der Arbeitnehmer könnten auch hier nur flexible Lösungen im Einzelfall sein. 4. Minderheitenschutz a. Organisationsrechtlicher Minderheitenschutz im Betrieb Aus der Perspektive des Demokratieprinzips ist jeder Minderheitenschutz systemwidrig, weil die Handlungsfreiheit der Mehrheit beschränkt wird. Folgerichtig dominiert auf staatsverfassungsrechtlicher Ebene der rechtsstaatliche Minderheitenschutz, der in der Sache auf mehrheitsfeste Rechte für Einzelne 685 BAG v. 16. 3. 2005, 7 ABR 40/04, BAGE 114, 119 = NZA 2005, 1252 – sub B.III.3.a) cc)(3) der Gründe. 686 Soeben [2], S. 269. 687 Freilich rückten die Mitbestimmungsgesetze vor allem deshalb vom Gruppenprinzip ab, weil die Wahlverfahren vereinfacht werden sollten; Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, BT-Drucks. 14/5741, S. 26. 688 Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, BT-Drucks. 14/5741, S. 27: »Die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten im Arbeits- und Sozialrecht hat das bestehende Gruppenprinzip in der modernen Arbeitswelt [. . .] zu einem Anachronismus gemacht.« Dazu noch Dütz, DB 2001, 1306.

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zielt689. Originär demokratischen Minderheitenschutz kennt die Demokratie nur insoweit, als die »demokratischen Spielregeln« dem Zugriff der Mehrheit entzogen sein müssen, vor allem das Mehrheitsprinzip selbst. Demgegenüber wird der Minderheitenschutz im Mitbestimmungsrecht vor allem mit Blick auf eine organisationsrechtliche Sonderstellung von (bestimmten) Minderheiten diskutiert: Angesprochen ist dabei in erster Linie die betriebliche Mitbestimmung, die allein vollparitätische Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer kennt und echte Mitbestimmungslasten erlaubt. Mit Blick auf das BetrVG legt schon die Minderheiten-Geschlechterquote den Gedanken an einen organisationsrechtlich gedachten Minderheitenschutz nahe; das mit der BetrVG-Reform 2001 abgeschaffte Gruppenprinzip sieht Dütz690 vor allem unter dem Aspekt des »damit institutionell verbundene[n] Minderheitenschutz[es]«. Freilich (zielten und) zielen diese Kontingentierungen nicht auf den Schutz einer Minderheit als Minderheit, sondern sollen ein spezielles Interesse im Betriebsrat abbilden691. Überhaupt legt das BetrVG die Position der Minderheit im Betriebsrat strukturell schwach an: In Kleinbetrieben mit i. d. R. bis zu fünfzig Arbeitnehmern wird der Betriebsrat nach den §§ 14a, 14 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 BetrVG nach Maßgabe des »minderheitenschädlichen Mehrheitswahlprinzip[s]« gewählt692 . Selbst wenn eine Verhältniswahl stattfi ndet, ist nach § 9 BetrVG stets eine ungerade Anzahl von Gremiumsmitgliedern zu bestimmen. Das sichert die Entscheidungs- und Funktionsfähigkeit des Betriebsrats, begünstigt aber die Majorisierung der Arbeitnehmervertretung durch eine dominante Liste693 , weil die (Betriebsrats-)Abstimmung mit Mehrheit von § 33 Abs. 1 Satz 1 BetrVG geschäftsordnungsfest694 zum Regelfall erklärt wird. Zentrales Machtinstrument ist schon die Wahl des Vorsitzenden, der die Betriebsratsarbeit in erheblichem Maße steuern kann695 , sofern nicht die – ihrerseits mit Mehrheit zu beschließende, § 36 BetrVG – Geschäftsordnung anderes bestimmt. Taktisch nutzen läßt sich weiter der für mindestens neunköpfige (§ 27 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) Betriebsräte obligatorische Betriebsausschuß696 , der zwar nach § 27 Abs. 1 Satz 3 BetrVG grundsätzlich im Wege der Verhältniswahl zusammengestellt wird, dabei aber regelmäßig eine im Vergleich zum Gesamtgremi689

Dazu § 2 B.I.1.b.[1], S. 66 f. DB 2001, 1306. Zustimmend Löwisch, BB 2002, 1366. 691 Zur de-facto-Frauenquote des § 15 Abs. 2 BetrVG schon 3.c.[1], S. 268 f. 692 Dütz, DB 2001, 1306, 1307. 693 Mit Blick auf die Wahl von Vorsitzendem und Stellvertreter Ulrich, AiB 2011, 154: »Konfl ikte in der zukünftigen Arbeit sind vorprogrammiert«. 694 ErfK/Koch, § 33 BetrVG Rn. 3; Hess/Schlochauer/Glock/Worzalla/Nicolai/Rose, BetrVG, § 33 Rn. 3; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 33 Rn. 7; Richardi/Thüsing, BetrVG, § 33 Rn. 16. 695 Im Einzelnen Ulrich, AiB 2011, 154, 155 f. 696 Dütz, DB 2001, 1306, 1309 sieht § 27 BetrVG als »Behinderung« von Minderheiten. 690

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um deutlicher ausgeprägte Stellung der Betriebsratsmehrheit aufweist, weil Vorsitzender und Stellvertreter gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Eingangssatz BetrVG »geborene« Mitglieder sind697. Dem Betriebsausschuß kann die Mehrheit im Betriebsrat dann zwar gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 BetrVG nicht den Abschluß von Betriebsvereinbarungen zuweisen, wohl aber die Ausübung von Mitbestimmungsrechten, solange dem Gesamtorgan noch die Zuständigkeit »in einem Kernbereich der Mitbestimmungsordnung« bleibt698 . Letztlich gilt für die sonstigen Ausschüsse i. S. d. § 28 BetrVG nichts anderes: Weil § 28 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht auf § 27 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verweist, fehlt hier zwar die zwingende Mitgliedschaft des Vorsitzenden und seines Stellvertreters. Eine zum Plenum »spiegelbildliche« Besetzung von Ausschüssen schreibt das BetrVG aber nicht vor699, auch dann nicht, wenn Aufgaben an den jeweiligen Ausschuß delegiert werden. Schlechter noch steht die Minderheit mit Blick auf die Besetzung des Gesamtbetriebsrats (die sich wegen § 55 Abs. 2 Satz 1 BetrVG im Konzernbetriebsrat fortsetzt). Hier greift nach § 47 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht einmal der relative Schutz qua Verhältniswahl. Die »Entsendung« auf Basis einer betriebsratsinternen Verhältniswahl wäre zwar zulässig700 , wird vom Gesetz aber nicht verlangt 701. Auch die »Fraktionsarbeit« von Minderheitsgruppierungen im Betriebsrat begünstigt das BetrVG nicht. Insbesondere hat die Minderheit »als Gruppe« keine eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition, kann also als solche nicht die Verletzung minderheitenschützender Vorschriften gerichtlich geltend machen702 , und kann keine Sachmittel für ihre »Oppositionstätigkeit« 697

Näher Ulrich, AiB 2011, 154, 157. Richardi/Thüsing, BetrVG, § 27 Rn. 60 m. w. N. [Hervorhebung im Original.] Weiter Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG, § 27 Rn. 37; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/ Linsenmaier, BetrVG, § 27 Rn. 74 ff.; Hess/Schlochauer/Glock/Worzalla/Nicolai/Rose, BetrVG, § 27 Rn. 55. 699 Nach BAG v. 16. 11. 2005, 7 ABR 11/05, NZA 2006, 445 – Rn. 26 darf die Betriebsratsmehrheit Minderheitslisten sogar von der Teilhabe im Ausschuß ausschließen, indem die Größe des Gremiums so festgesetzt wird, daß die Minderheit auch bei Verhältniswahl keinen eigenen Vertreter durchsetzen kann. In der Sache heißt das, daß ein wesentliches Element des »demokratischen« Minderheitenschutzes im Betrieb gerade nicht greift. 700 BAG v. 21. 7. 2004, 7 ABR 58/03, BAGE 111, 269 = NZA 2005, 170 – B.II.2. der Gründe meint, der Gesetzgeber habe »die Entsendung [. . .] im Regelfall nicht durch eine Wahl entschieden haben« wollen. [Hervorhebung von mir.] Deutlicher Richardi/Annuß, BetrVG, § 47 Rn. 29; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 47 Rn. 12. Dagegen GK-BetrVG/Kreutz, § 47 Rn. 38. 701 BAG v. 21. 7. 2004, 7 ABR 58/03, BAGE 111, 269 = NZA 2005, 170 – B.II. der Gründe; zustimmend Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Maschmann, § 47 BetrVG Rn. 5; ErfK/ Koch, § 47 BetrVG Rn. 6; Richardi/Annuß, BetrVG, § 47 Rn. 29; Däubler/Kittner/Klebe/ Wedde/Trittin, BetrVG, § 47 Rn. 88. Für den Abberufungsbeschluß als contrarius actus BAG v. 16. 3. 2005, 7 ABR 33/04, AP Nr. 14 zu § 47 BetrVG 1972 – B.II.3. der Gründe. Anders Löwisch, BB 2002, 1366, 1367 ff.; relativierend nunmehr Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 47 Rn. 12. 702 Ulrich, AiB 2011, 154, 155. 698

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verlangen703 . Die minderheitsangehörigen Betriebsratsmitglieder selbst können zwar ihre betriebsverfassungsrechtlichen (Amtsträger-)Rechte gerichtlich durchsetzen704 , haben jedoch gleichfalls keinen Anspruch auf gesonderte Arbeitsmittel »für die Oppositionsbank« im Betriebsrat 705. Immerhin über die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern ist nach § 38 Abs. 2 Satz 1 BetrVG grundsätzlich durch Verhältniswahl zu entscheiden. Wirkt sich dabei eine abweichende Freistellungs-Regelung in Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung nach § 38 Abs. 1 Satz 5 BetrVG zum Nachteil der Gremiumsminderheit aus, genießt diese hiergegen wiederum keinen besonderen Schutz706 . Insgesamt ist festzuhalten, daß das BetrVG Minderheitsgruppierungen unter den Arbeitnehmern zwar punktuell schützt 707, weithin aber rechtlos stellt. Das läßt sich mit dem BAG 708 dahin zuspitzen, daß der Minderheitenschutz kein allgemeines betriebsverfassungsrechtliches Prinzip ist. Überraschen darf dieser Befund nicht, kennt das BetrVG doch auch sonst ein dezidiert paternalistisches Moment: Es wäre nachgerade ein Widerspruch, wenn ein Gesetz, das mit Blick auf das »Ob« der Mitbestimmung nicht einmal die ablehnende Haltung der Mehrheit gelten läßt709, beim »Wie« der Mitbestimmung den Minderheitenschutz organisationsrechtlich optimiert. So gesehen stellt das BetrVG die kollektive Vertretung der Belegschaft über eine auch für einzelne Arbeitnehmergruppen wirksame Teilhabe. Funktionswidrig ist das nicht, weil die Mitbestimmungsteilhabe keine strenge Betroffenenbeteiligung präjudiziert. Anders als die »Betriebsdemokratie« kann die »von oben« legitimierte Mitbestimmung im Betrieb die Rückbindung von Kollektiventscheidungen an den Willen der Wahlberechtigten lockern und sogar suspendieren. b. Materialer Minderheitenschutz durch kollektivfeste Individualrechte Richtig besehen liegt der Schwerpunkt des Minderheitenschutzes im Mitbestimmungsrecht also noch deutlicher auf dem Schutz materialer Individual703

LAG Berlin-Brandenburg v. 19. 7. 2011, 7 TaBV 764/11, Kurzwiedergabe BB 2011, 1908 – juris-Rn. 30 ff. 704 Zur Anfechtung betriebsratsinterner »Wahlen« (Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Gesamtbetriebsrat i. S. v. § 47 Abs. 2 Satz 1 BetrVG) durch einzelne Gremiumsmitglieder BAG v. 21. 7. 2004, 7 ABR 58/03, BAGE 111, 269 = NZA 2005, 170 – B.I.3. der Gründe. 705 LAG Berlin-Brandenburg v. 19. 7. 2011, 7 TaBV 764/11, Kurzwiedergabe BB 2011, 1908 – juris-Rn. 38 ff. 706 BAG v. 11. 6. 1997, 7 ABR 5/96, NZA 1997, 1301 – unter B.II. der Gründe zieht allenfalls eine Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung wegen Rechtsmißbrauchs in Betracht. 707 Dazu etwa die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung, BT-Drucks. 11/2503. 708 V. 11. 6. 1997, 7 ABR 5/96, NZA 1997, 1301 – unter B.II.2. der Gründe; v. 21. 7. 2004, 7 ABR 58/03, BAGE 111, 269 = NZA 2005, 170 – unter B.II.4. der Gründe. 709 Dazu bereits § 2 C.II.2.a., S. 119 f.

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rechte als in der »freiheitlich demokratischen Grundordnung« des Grundgesetzes: Angesprochen ist damit die Frage nach der Reichweite der Kollektivmacht bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, also vor allem nach dem Verhältnis von Betriebsvereinbarung und Arbeitsvertrag. Hierzu ist bereits das Nötige gesagt 710 .

III. Funktionale Beschränkung 1. »Öffentlichrechtliches« Strukturprinzip im Betriebsverfassungsrecht Eine auffällige Parallele (zumindest) der Betriebsverfassung mit den Strukturen des öffentlichen Rechts ist die Beschränkung des Betriebsrats auf seine Amtsaufgaben und -befugnisse711, mithin auf einen gesetzlich bestimmten Aufgaben- und Wirkungskreis, der die Handlungsfähigkeit der Arbeitnehmervertretung im Sinne der ultra-vires-Doktrin begrenzt 712 . Das ist zwar keine Ausnahmeerscheinung im Privatrecht, weil auch andere private Ämter wie das des Insolvenzverwalters713 und das des Testamentsvollstreckers714 nur funktional beschränkte Amtsbefugnisse verleihen715. Indes wird die Grenze der Amtsbefugnisse des Betriebsrats deshalb in besonderem Maße sichtbar, weil der Betriebsrat als solcher nicht umfassend rechtsfähig ist. Seine funktionale Teil-Rechtsfähigkeit ist auf seine betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben beschränkt716 . Anders ausgedrückt: Verglichen mit anderen privaten Amtsträgern ist der Betriebsrat insofern besonders und ähnelt eher den juristischen Personen des öffentlichen Rechts717, als die Grenzen seiner Amtsbefugnisse auch die Grenzen seiner Rechtsfähigkeit markieren. Jenseits dieser Grenzen kommt mithin keine Zurechnung rechtlicher Wirkungen an den Betriebsrat als umfassend rechtsfähiges Privatrechtssubjekt in Betracht, sondern – allenfalls – an die Betriebsratsmitglieder als natürliche Personen.

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Eingehend B.II.2.c.[3], S. 195 ff. Richardi, RdA 1972, 8, 10. 712 Richardi, BetrVG, Einleitung Rn. 114; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG, Einleitung Rn. 141 m. w. N. Näher zur Anwendung der ultra-vires-Lehre auf den Betriebsrat Scherer, Vereinbarte Mitbestimmung, S. 65 ff. 713 Zur Rechtsstellung des Insolvenzverwalters nach der herrschenden Amtstheorie Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 79 mit umfassenden Nachweisen. 714 Zur Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers Staudinger/Reimann, BGB, Vorbemerkungen zu §§ 2197–2228 Rn. 14. 715 I.d.S. sieht etwa BGH v. 20. 7. 2010, IX ZR 37/09, BGHZ 186, 242 = NZI 2010, 731 – Rn. 26 bei einem Zugriff des Insolvenzverwalters auf insolvenzfreies Schuldnervermögen die ultra-vires-Grenze erreicht. 716 Überblick mit Nachweisen bei GK-BetrVG/Franzen, § 1 Rn. 71 ff. Eingehend Veit, Zuständigkeit, S. 101 ff. Zur entsprechenden Teil-Vermögensfähigkeit BAG v. 29. 9. 2004, 1 ABR 30/03, BAGE 112, 96 = NZA 2005, 123 – B.I.1. der Gründe. 717 Staudinger/Weick, BGB, Einleitung zu §§ 21 ff. Rn. 25. 711

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In der Konsequenz sind die Rechts- und die Verfahrensfähigkeit des Betriebsrats weitgehend auf das Binnenverhältnis zum Arbeitgeber beschränkt. Verträge mit Dritten kann der Betriebsrat wirksam nur schließen, soweit dies zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist. Er kann im eigenen Namen einen Rechtsanwalt für ein arbeitsrechtliches Beschlußverfahren mandatieren oder nach § 80 Abs. 3 BetrVG einen Sachverständigen beauftragen718 , nicht aber mit dem designierten Betriebserwerber noch vor Betriebsübergang Beschäftigungsgarantien aushandeln719 oder seine Kompetenzen durch im BetrVG nicht vorgesehene Vereinbarungen erweitern720 . Insoweit muß auch der Vertrag zugunsten Dritter (z. B. Leitender Angestellter oder Betriebsrentner) ausscheiden, schon weil andernfalls § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unterlaufen und die Tarifautonomie durch den Betriebsrat als »beitragsfreie Ersatzgewerkschaft«721 im Betrieb gefährdet werden könnte722 . Drittleistungsbestimmer i. S. d. § 317 BGB können zwar einzelne Betriebsratsmitglieder sein (freilich nicht kraft Amtes, sondern nur als »Privatpersonen«), nicht aber der Betriebsrat als solcher 723 . Verfahrensrechtlich ist die Beteiligung des Betriebsrats nur im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 1 erster Teilsatz ArbGG möglich: als »Stelle« i. S. d. § 10 Satz 1 ArbGG 724 . Daneben versagen ihm die Verfahrensordnungen mit Blick auf die nur teilweise Rechtsfähigkeit (vollständig725) die Verfahrensfähigkeit726 , vgl. z. B. § 50 ZPO. 718 Statt vieler (mit unterschiedlichen Auffassungen nur hinsichtlich der Haftung für Leistungspfl ichten aus dem – wirksamen – Vertrag) GK-BetrVG/Franzen, § 1 Rn. 73; Fitting/ Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 202 f. 719 Dazu Gutzeit, ZIP 2009, 354 ff. 720 Hierzu etwa Loritz, ZfA 1991, 1, 31 f.: der Betriebsrat kann sich durch Vereinbarung mit dem Arbeitgeber nicht die Zuständigkeit für eine Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaft sichern. 721 Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 77 BetrVG Rn. 25. 722 BAG v. 9. 12. 1997, 1 AZR 319/97, BAGE 87, 234 = NZA 1998, 661 – II.2. der Gründe. Zustimmend GK-BetrVG/Kreutz, § 77 Rn. 175; Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 73 – je m. w. N. auch zur Gegenmeinung. 723 Staudinger/Rieble, BGB, § 317 Rn. 43; anders noch BAG v. 24. 9. 1959, 2 AZR 28/57, BAGE 8, 112 = AP Nr. 11 zu § 611 BGB Akkordlohn m. Anm. Nikisch – II.4. der Gründe: der Zweite Senat behandelt eine »Mischform« von Partei- und Drittleistungsbestimmung durch Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam analog § 317 BGB. 724 Germelmann/Matthes/Müller-Glöge/Prütting/Schlewing, ArbGG, § 10 Rn. 22 ff., 26. 725 Freilich wird die Verfahrensfähigkeit des Betriebsrats mitunter auch in anderen Verfahren bejaht, wenn und weil ein hinreichender Bezug zu den betriebsverfassungsrechtlichen Befugnissen besteht; i.d.S. erlaubt etwa BSG v. 5. 6. 1991, 7 RAr 26/89, BSGE 69, 25 = NZA 1991, 982 – A.2. der Gründe m. w. N. dem Betriebsrat, Ansprüche der Arbeitnehmer auf Kurzarbeitergeld als Prozeßstandschafter geltend zu machen. Bedenken äußert Gutzeit, ZIP 2009, 354, 356, der eine »jedenfalls aus arbeitsrechtlicher Sicht [. . .] kaum zu rechtfertigende Überhöhung« sieht. 726 Für das aktienrechtliche Nichtigkeits-Feststellungsverfahren OLG Naumburg v. 6. 2. 1997, 7 U 236/96, DB 1997, 466 = NZA-RR 1997, 177; weiter Kolbe, DB 2009, 1874, 1877.

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2. Schutz der Privatautonomie Hinter der funktionalen Begrenzung der Mitbestimmungsrechte steht der verfassungsrechtlich gebotene Respekt vor der Unternehmerfreiheit und vor der privatautonomen Legitimation unternehmerischer Tätigkeit. Zugleich wird der Arbeitnehmer geschützt: vor einer umfassenden (potentiell) heteronomen Ordnung seines Arbeitsvertrags qua Mitbestimmung. Daß nicht nur die Amtsaufgabe des Betriebsrats, sondern auch seine Rechtsfähigkeit funktional beschränkt ist, hat andere Gründe: Vor Betriebsratstätigkeit jenseits der Amtsaufgaben muß der Arbeitgeber insoweit nicht geschützt werden, als solche Aktivitäten auch nicht durch Amtsbefugnisse umgesetzt werden könnten727 und § 40 BetrVG den Arbeitgeber nur mit den (notwendigen) Kosten der Amtstätigkeit belastet728 . Zwar ist nicht zu bestreiten, daß ein umfassend autonomer Betriebsrat über das im BetrVG intendierte Maß hinaus (mittelbar) Einfluß auf die Betriebs- und Unternehmensleitung nehmen könnte, indem er etwa – arbeitsvertraglich begründete Zuständigkeiten – z. B. als »Dritter« i. S. d. § 317 Abs. 1 BGB – wahrnimmt und so einen inhaltlichen Einfluß auf die individuelle Vertragsgestaltung gewinnt 729, den ihm das BetrVG nicht zugesteht730 , – (als Stellvertreter des Arbeitgebers oder sonst) Verträge mit Dritten jenseits seines betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsbereichs abschließt 731, – gestützt auf einen nach § 45 Satz 1 InsO kapitalisierbaren Freistellungsanspruch aus § 40 Abs. 1 BetrVG die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Arbeitgebers beantragt732 , oder Anders Scherer, Vereinbarte Mitbestimmung, S. 103 ff., die auch die Parteifähigkeit nach § 50 ZPO bejaht. 727 Richtig daher Scherer, Vereinbarte Mitbestimmung, S. 104 f.: problematisch wird eine erweiterte Verfahrensfähigkeit des Betriebsrats dann, wenn er »individuelle Ansprüche der Arbeitnehmer gerichtlich (oder außergerichtlich) geltend [. . .] machen« könnte – kraft Amtes oder als Prozeßstandschafter in einem vom Arbeitgeber fi nanzierten Beschlußverfahren. 728 Nur Richardi/Thüsing, BetrVG, § 40 Rn. 5. 729 Dazu etwa Rieble, Anm. zu BAG v. 23. 4. 2009, 6 AZR 263/08, AP Nr. 160 zu § 102 BetrVG 1972. 730 Vor allem zielt die Mitbestimmung bei der Einstellung nach § 99 BetrVG nicht auf eine Vertragsinhaltskontrolle; Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 99 BetrVG Rn. 43. 731 Beispielsweise hat der Betriebsrat im Fall »Iveco Magirus« maßgeblich über die Wahl des Versorgungsträgers für die betriebliche Altersversorgung entschieden. Ein Vermittler hat dem – inzwischen verurteilten – Betriebsratsvorsitzenden Andreas Märkl ein Bestechungsgeld von rund 400.000 A gezahlt; dazu Hans-Uli Mayer, »Ohne Not die Hand aufgehalten«, online abrufbar über http://www.swp.de/ulm/lokales/ulm_neu_ulm/OhneNot-die-Hand-aufgehalten;art4329,577064. Zu Verträgen zwischen Betriebsrat und Betriebserwerber Gutzeit, ZIP 2009, 354 ff. 732 Freistellungsansprüche können zur Insolvenztabelle angemeldet werden (vgl. zum Befreiungsanspruch des Bürgen nach § 775 BGB Uhlenbruck, InsO, § 14 Rn. 4) und also

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– eine Kantine als betriebliche Sozialeinrichtung nicht nur selbst verwaltet, sondern selbst betreibt 733 , dadurch unternehmerisch tätig wird und eigenes Vermögen bildet. Die Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrats ist aber keine funktional zu begreifende Beschränkung solch mittelbarer Machtpotentiale, sondern muß aus dem zwangskorporativen Charakter der Betriebsverfassung734 erklärt werden. Der zentrale Unterschied zwischen der (näherungsweise körperschaftlich organisierten) Betriebsbelegschaft und den als juristischen Personen umfassend rechtsfähigen privaten Körperschaften liegt darin, daß sich deren Mitglieder freiwillig zu einem selbstbestimmten Zweck zusammengeschlossen haben735. Freilich ist die »allgemeine«, nicht an diesen Zweck gebundene Rechtsfähigkeit der juristischen Personen des deutschen Privatrechts736 keine zwingende Folge dieses autonomen Zusammenschlusses, sondern eine gesetzliche Festlegung, die »vorwiegend auf Gesichtspunkten der Praktikabilität und des Verkehrsschutzes beruht«; »eine Beschränkung der Rechtsfähigkeit auf den Sachbereich der konkreten juristischen Person (Ultra-vires-Prinzip [. . .])« wäre mit dem zivilrechtlichen Konzept der Rechtsfähigkeit ebenso vereinbar wie mit dem der juristischen Person737. Aus dieser Perspektive müßte die Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrats also kein dem (quasi-)öffentlichrechtlichen Zwangscharakter geschuldeter Fremdkörper in der privaten Betriebsverfassung sein, sondern könnte privatrechtsfunktional verstanden werden: Der Zweck autonomer Zusammenschlüsse wird von den Mitgliedern selbst bestimmt, entzieht sich damit einer generalisierbaren Defi nition und ist wandelbar. Der Zweck des Betriebsrats als Repräsentationsorgan der Belegschaft ist gesetzlich festgelegt, vergleichsweise klar defi niert und statisch. Legt man Praktikabilität und Verkehrsschutz als Maßstab an, ist es zwar geboten, die Rechtsfähigkeit von dem eher »unsicheren«, selbstbestimmten Zweck der frei gebildeten Zusammenschlüsse zu abstrahieren. Mit Blick auf den Betriebsrat hingegen erlaubte der »sichere«, gesetzlich defi nierte Zweck, die Rechtsfähigkeit auf den »Sachbereich« der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben zu begrenzen, ohne daß der Rechtsverkehr Schaden nimmt. Grundlage eines Gläubigerantrags i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO sein. Gleichwohl hält die h.M. den Betriebsrat für nicht antragsberechtigt, weil »nicht der Betriebsrat an Stelle des Unternehmens entscheiden sollte, ob dieses der Reorganisation bedarf«; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 13 Rn. 13; zustimmend Uhlenbruck, InsO, § 14 Rn. 12. 733 BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, 1 = NZA 1987, 100 sieht eine solche unternehmerische Tätigkeit des Betriebsrats als unzulässig an. 734 Zu diesem bereits § 2 C.II.2.a., S. 119 f. 735 Rittner, Juristische Person, S. 245 ff., der das »Spezifische« der (körperschaftlichen) juristischen Personen des Privatrechts in der »prinzipiell privatautonomen Gestaltung« durch die Mitglieder sieht. 736 Statt aller MünchKommBGB/Reuter, Vor § 21 Rn. 14. 737 Rittner, Juristische Person, S. 268.

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Entgegen Rittner 738 ist damit jedoch nicht gesagt, daß der Weg des Betriebsrats »vielleicht einmal dahin gehen« könnte, von der Rechtsordnung als umfassend rechtsfähige juristische Person des Privatrechts anerkannt zu werden. Der autonome Zusammenschluß ist zwar nicht der Grund einer Anerkennung als privatrechtliche Körperschaft, wohl aber notwendige Voraussetzung. Insoweit ist der auch gegen die Arbeitnehmer wirkende Eingriffscharakter der Mitbestimmung739 zu berücksichtigen. Der zwangsweise Zusammenschluß zum Belegschaftskollektiv mag ihnen per Saldo nutzen, er bedarf aber der Rechtfertigung vor den Grundrechten der Belegschaftsangehörigen. Das gelingt mit Blick auf die fremdnützigen Beteiligungsrechte des Betriebsrats, nicht aber mit Blick auf dessen autonome Sozialgestaltung. Anders ausgedrückt schützt die funktional beschränkte Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrats nicht den Arbeitsvertrag als privatautonom legitimierte Rechtsgrundlage der Berufstätigkeit der Arbeitnehmer, sondern deren Recht, nur insoweit zu einem privatrechtlichen Zwangsverband zusammengeschlossen zu werden, als der Zweck dieses Verbands den Eingriff in ihre Entscheidungsfreiheit rechtfertigt. 3. Zweckbindung des Betriebsrats a. Normzweckbindung der Mitbestimmungsrechte Konsequenzen hat die funktionale Beschränkung des Betriebsrats auf seine Amtsaufgaben zunächst für die Ausübung von Mitbestimmungsrechten. Da die Arbeitnehmervertretung kein »allgemeines«, der thematisch nicht eingeschränkten Organbeteiligung im Aufsichtsrat vergleichbares Beteiligungsrecht hat, sondern nur punktuelle, gesetzlich detailliert vorgegebene Mitbestimmungsrechte, kann sie über den Zweck der jeweiligen Einzelbefugnisse nicht disponieren. Verdichtet das Gesetz den grundlegenden Teilhabezweck (auch) der betrieblichen Mitbestimmung zu konkreten Mitbestimmungsrechten, dürfen deren konkrete Ziele nicht unter Rückgriff auf den grundlegenden Mitbestimmungszweck oder die Generalklausel des § 2 Abs. 1 BetrVG 740 überspielt werden, sondern binden den Betriebsrat741. Daß die §§ 99 Abs. 2, 102 Abs. 3 BetrVG den Betriebsrat an ausdrücklich und abschließend742 benannte Gründe für die Verweigerung der Zustimmung 738

Juristische Person, S. 270. Zu ihm A.III.3., S. 172 f. 740 Richardi, BetrVG, § 2 Rn. 21. 741 Dazu Konzen, FS Zöllner, S. 799, 819; Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 20 ff. Umfassende Nachweise bei GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn. 361. 742 Das BAG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß eine Zustimmungsverweigerung i. S. d. § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG oder ein Widerspruch i. S. d. § 102 Abs. 3 BetrVG unwirksam sind, wenn sie (offensichtlich) auf keinen der in § 99 Abs. 2 BetrVG bzw. § 102 Abs. 3 BetrVG aufgezählten Gründe Bezug nehmen; umfassende Nachweise bei GK-BetrVG/Raab, § 99 Rn. 122 respektive § 102 Rn. 111. 739

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zu personellen Einzelmaßnahmen bzw. den Widerspruch gegen eine Kündigung binden, hat damit nichts zu tun. Zwar darf der Betriebsrat seine Kooperation in anderen Fällen – vor allem bei der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG – verweigern, ohne hierfür gesetzlich benannte Gründe angeben zu müssen. Nur taugt diese banale Erkenntnis nicht als Argument gegen die Normzweckbindung743 . Diese »allgemeine« Grenze der Mitbestimmung greift unabhängig davon, ob der Gesetzgeber einzelne Verweigerungsgründe benannt hat oder nicht. Nachvollziehen läßt sich das an der Zustimmungsverweigerung zur Einstellung nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2 BetrVG: Konkurrieren zwei befristet im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer um einen offenen Dauerarbeitsplatz, kann der Betriebsrat keinen von beiden qua Zustimmungsverweigerung vor dem (fi ngierten) Nachteil bewahren, die Aussicht auf den unbefristeten Arbeitsplatz zu verlieren. Entgegen dem klaren Wortlaut scheitert die Mitbestimmung am Normzweck, weil es nicht mehr um das Interesse des atypisch beschäftigten Arbeitnehmers an einem »Normalarbeitsverhältnis« geht, sondern nur noch um die – mitbestimmungsfreie – Auswahlentscheidung des Arbeitgebers. Oetker 744 befürwortet eine teleologische Reduktion des Zustimmungsverweigerungsrechts; das ist richtig und meint in der Sache, das eine »nach ihrem insoweit eindeutigen Wortsinn zu weit gefaßte Regel auf den ihr nach dem Regelungszweck oder dem Sinnzusammenhang des Gesetzes zukommenden Anwendungsbereich zurückgeführt wird«745 – anders ausgedrückt eine Beschränkung des (hier: Beteiligungs-)Rechts auf den Normzweck746 . Wenn aber auch die Zustimmungsverweigerungsgründe des § 99 Abs. 2 BetrVG einer Normzweckbindung unterliegen 747, können sie rechtslogisch zwingend kein Fall einer sondergesetzlich angeordneten Normzweckbindung sein. Daß fremdnützige Amtsbefugnisse auf den Zweck der Befugnisnormen beschränkt sind, muß nicht besonders angeordnet werden. Ob der Gesetzgeber die Kompetenz von vornherein nur in bestimmten Fällen eröffnet hat, oder eine solche Konkretisierung nicht leisten konnte oder wollte748 , spielt insoweit keine Rolle. Richtig ist (noch darüber hinaus), daß jede »Gesetzesan743 In diese Richtung aber Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG, § 87 Rn. 16; Fitting/ Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 87 Rn. 27. Wie hier Rieble/Klumpp/ Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 78. 744 NZA 2003, 937, 939. 745 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 210 f. 746 Normzweckbindung mit der denkbaren Folge eines Rechtsmißbrauchs und teleologische Reduktion sind – beschränkt auf den Einzelfall – wechselseitig austauschbar; dazu Konzen, FS Zöllner, S. 799, 818; Staudinger/Looschelders/Olzen, BGB, § 242 Rn. 346 f. 747 Anders Konzen, FS Zöllner, S. 799, 818. 748 Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 78 halten einen Katalog von Zustimmungsverweigerungsgründen angesichts der Reichweite der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG für »mindestens unpraktisch – wenn nicht überhaupt unmöglich.« Ähnlich bereits Konzen, FS Zöllner, S. 799, 819.

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wendung [. . .] auf den Normzweck ausgerichtet [ist], [. . .] also auch durch diesen begrenzt [wird].«749 Daß Amts-Befugnisse (!) von öffentlichen wie privaten Amtsträgern nicht nach freiem Belieben ausgeübt werden dürfen, ist ohnehin selbstverständlich, und muß gerade für den Betriebsrat gelten, dem die privatautonome Freiheit zu »freiem« Belieben abgeht. Solche Amtskompetenzen sind an den Zweck der konkreten Befugnisnorm gebunden und nicht (nur) an den Generalzweck des Amtes. Deshalb darf beispielsweise der Insolvenzverwalter sein Widerspruchsrecht im Prüfungstermin (§§ 176 Satz 2, 178 InsO) nicht ausschließlich dazu einsetzen, den Schuldner davor zu bewahren, daß die Qualifi kation einer Forderung als solche aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung i. S. d. § 302 InsO zur Insolvenztabelle festgestellt wird750 , obschon das Insolvenzrecht nach § 1 Satz 2 InsO auch der Entschuldung des (redlichen) Schuldners dient. Daß die Bindungsintensität für den Betriebsrat nach anderen Kriterien bestimmt werden sollte, ist nicht zu rechtfertigen. b. Koppelungsgeschäfte als Rechtsproblem Vor diesem Hintergrund erschließt sich das rechtliche Problem der Koppelungsgeschäfte, also der im BetrVG weitgehend751 ungeregelten Verknüpfung von (regelmäßig) mitbestimmten und nicht mitbestimmten Angelegenheiten derart, daß der Betriebsrat »eine gewünschte, günstige Vereinbarung als ›Gegenleistung‹ für die Einigung in einer die Belegschaft belastenden Angelegenheit«752 erhält. [1] Prinzipiell erwünschte Erweiterung des Verhandlungsspielraums Aus der Perspektive der Verhandlungstheorie ist das eine begrüßenswerte Erweiterung des Verhandlungsgegenstandes, die »wertschöpfende« Verhandlungen zum Vorteil beider Seiten (neu-deutsch: die Suche nach »win-win-Situationen«) erleichtert und gegebenenfalls erst ermöglicht 753 . Solche Flexibilität ist im Betriebsverfassungsrecht grundsätzlich erwünscht. Der Betriebsrat soll gerade nicht darauf beschränkt sein, Vorschläge des Arbeitgebers anzunehmen oder abzulehnen, sondern ist im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber i. S. v. § 2 Abs. 1 BetrVG gehalten, andernfalls unvertretbare Maßnahmen durch kompensierende Bedingungen möglich zu 749

Konzen, FS Zöllner, S. 799, 814. Eingehend und mit Nachweisen Kolbe, Deliktische Forderungen, S. 99 ff. 751 Als – singuläre – Ausnahme läßt sich die gesetzlich vorgezeichnete Verbindung von Interessenausgleich und Namensliste einstufen, § 125 InsO, § 1 Abs. 5 KSchG. Schon den Sozialplan konzipiert das BetrVG nicht als Annex des Interessenausgleichs, sondern als eigenen Verhandlungsgegenstand. 752 Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 76. 753 Dazu Rehberg, Verhandlungen über die Arbeitnehmerbeteiligung, S. 45 ff. Rn. 6; Fischer, FS Bauer, S. 315, 320 ff. 750

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machen754 . Die Zwangsschlichtung vor der Einigungsstelle hat nicht zuletzt den Sinn, neue Lösungen zu erschließen, die Arbeitgeber und Betriebsrat noch nicht bedacht hatten; freilich ist die Zuständigkeit der Einigungsstelle auf die Reichweite des konkreten Mitbestimmungsrechts beschränkt 755. Eine gesetzliche Koppelungsschranke nach dem Vorbild des § 56 VwVfG kennt das BetrVG nicht, weshalb etwa die beiderseits freiwilligen Koppelungsgeschäfte über (ausschließlich) nicht mitbestimmte Fragen allgemein als unbedenklich eingestuft werden756 . Das gilt grundsätzlich auch für Koppelungen auf Initiative des Arbeitgebers: Zwar kann das Maßregelungsverbot des § 612a BGB greifen, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat zu einem bestimmten Mitbestimmungsverhalten bewegen will, indem er den Arbeitnehmern (vor allem fi nanzielle) Vorteile verspricht. Das ist aber kein Automatismus und meint vor allem Fälle, in denen dem Betriebsrat rechtswidriges Verhalten angesonnen wird757. [2] Aber: Normzweckbindung als Koppelungsgrenze Praktisch werden Koppelungsgeschäfte zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vor allem im Bereich des § 87 Abs. 1 BetrVG. Weil der Arbeitgeber hier nach der herrschenden Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung 758 auf die Einigung mit dem Betriebsrat selbst in Eilfällen759 angewiesen ist und das Gesetz nicht vorschreibt, daß der Betriebsrat seine Kooperation nur aus bestimmten Gründen verweigern darf, trifft hoher Koppelungsdruck auf – prima facie – erheblichen Verhandlungsspielraum. Diesen Freiraum beschneidet die funktionale Bindung des Betriebsrats indes erheblich, genauer: seine Bindung an den Normzweck desjenigen Mitbestimmungsrechts760 , welches den Koppelungsdruck erzeugt. Daß jener Schutzzweck überschritten ist, wenn das Mitbestimmungsrecht zu einem Druckmittel umgewidmet wird, welches schutzzweckfremde Forderungen durchsetzen soll, ist eine rechtslogische Selbstverständlichkeit. Mithin darf der Betriebsrat von vornherein nur dann koppeln, wenn die dabei intendierte Vergünstigung für die Arbeitnehmer einen Bezug zum Schutzzweck des »verkauften« Mitbestimmungsrechts aufweist761. Setzt man 754 Hierzu etwa Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 78. Weiter Rüthers, Individualbereich, S. 7, 39, der richtig darauf verweist, daß »angekoppelte« Maßnahmen bei der Frage nach der Verhältnismäßigkeit einer Betriebsvereinbarung (§ 75 Abs. 1 BetrVG) berücksichtigt werden müssen. 755 BAG v. 30. 1. 1990, 1 ABR 2/89, BAGE 64, 117 = NZA 1990, 571 – B.II.2.c) der Gründe. 756 Nur Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 90: hier stehe nicht zu erwarten, »daß sich einer der Vertragspartner auf einen ›faulen Kompromiß‹ einläßt.« 757 BAG v. 18. 9. 2007, 3 AZR 639/06, BAGE 124, 71 = NZA 2008, 56 – Rn. 29. 758 Eingehend und kritisch Wiebauer, Sicherung der Mitbestimmung, Rn. 5 ff. mit umfassenden Nachweisen. 759 Statt aller Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 87 BetrVG Rn. 9. 760 Zu dieser Normzweckbindung soeben a., S. 279 ff. 761 Mit umfassenden Nachweisen zum Meinungsstand GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn. 361.

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diesen Schutzzweck als unstreitig voraus, kommt es darauf an, wie eng der Zusammenhang von Vergünstigung und Normzweck ausfallen muß: Muß die Vergünstigung selbst vom Schutzzweck umfaßt sein762 oder reicht ein – womöglich mittelbarer – »Sachzusammenhang«763 ? Konkret geht es unter anderem darum, ob der Betriebsrat seine Zustimmung zu Überstunden (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) nur von einem entsprechenden Freizeitausgleich abhängig machen darf 764 , oder auch von einem (gegebenenfalls zusätzlichen) Mehrarbeitszuschlag765. Aufschlußreich ist der Vergleich mit dem öffentlichrechtlichen Koppelungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG: Hier spricht viel dafür, den erforderlichen »sachlichen Zusammenhang« weit auszulegen und gegebenenfalls die Förderung fi nanzieller Interessen der öffentlichen Hand ausreichen zu lassen766 . Beim öffentlichrechtlichen Austauschvertrag i. S. d. § 56 VwVfG geht es darum, einen »Ausverkauf von Hoheitsrechten« zu Lasten der Allgemeinheit abzuwenden767. Darf und muß der Hoheitsträger deren Interessen ohnehin mit weitem Ermessensspielraum – zu denken ist beispielsweise an das gemeindliche Planungsermessen im Fall des städtebaulichen Vertrags nach § 11 BauGB – konkretisieren, besteht insoweit kaum Gefahr768 . Demgegenüber ist solche Großzügigkeit im BetrVG nicht angezeigt: Bei dem »Ausverkauf von Mitbestimmungsrechten« geht es um den Verstoß gegen einen vergleichsweise eng gefaßten und klar bestimmten Normzweck und um unmittelbare Lasten für die Arbeitnehmer, deren immaterielle Interessen gegeneinander aufgerechnet oder sogar kommerzialisiert würden769. Wer das erlauben will, hebelt mit der funktionalen Bindung der Amtsbefugnisse des Betriebsrats ein zentrales Strukturprinzip der betrieblichen Mitbestimmung aus, unterläuft die gesetzliche Trennung zwischen erzwingbaren und freiwilligen Betriebsvereinbarungen und verstärkt die paternalistische Tendenz der Betriebsverfassung in Richtung sozialer Vormundschaft. Die »Selbstverwaltung der Belegschaft« würde erweitert – zu Lasten der vertragsrechtsakzessorischen Komponente des Betriebsverfassungsrechts und damit in Widerspruch zu dem gesetzlich vorge762

Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 82. Konzen, FS Zöllner, S. 799, 821. 764 I.d.S. Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 84; GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn. 361. 765 Konzen, FS Zöllner, S. 799, 822. 766 Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 56 Rn. 49a ff. Vgl. noch BVerwG v. 17. 7. 2001, 4 B 24/01, NVwZ 2002, 473 – II.3.1 der Gründe: »Ob eine von den Vertragsparteien vereinbarte ›Spende‹ an die Gemeinde [. . .] das Koppelungsverbot [. . .] verletzt, [. . .] hängt insbesondere vom Zweck der Geldleistung und dem vertraglichen Zusammenhang ab, in dem sie steht.« 767 Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 56 Rn. 3. [Im Original hervorgehoben.] 768 Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 56 Rn. 49a. 769 Mit Recht gegen solche Tauschgeschäfte Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 78 m. w. N. 763

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zeichneten Dualismus. Richtig ist es, einen engen Zusammenhang zwischen dem Normzweck des eröffneten Mitbestimmungsrechts und der »angekoppelten« Vereinbarung zu verlangen. Die Vereinbarung muß selbst vom Schutzzweck jenes Rechts umfaßt sein. Regelmäßig scheidet daher ein »Spiel auf Zeit« aus, bei dem der Betriebsrat das Mitbestimmungsverfahren gezielt verzögert, um eine eilige Maßnahme »durch Zeitablauf« zu erledigen770 . Weiter können gesundheitliche Belastungen nicht gegen fi nanzielle Zusatzleistungen aufgerechnet werden771. [3] Rechtsfolgen [a] Kein Verbrauch des Mitbestimmungsrechts. Rechtsfolge einer normzweckwidrigen Koppelung muß zunächst die Unwirksamkeit der (auf die »angekoppelte« Vergünstigung) bedingten Ausübung des Mitbestimmungsrechts sein772 , welches den Koppelungsdruck erzeugt. Dieses Recht setzt der Betriebsrat normzweckwidrig ein, überschreitet damit seine funktionale Bindung und handelt ultra vires. Jede mitbestimmungsausfüllende Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede773 ist ipso iure unwirksam, weil es an einer wirksamen Beteiligung des Betriebsrats fehlt. Daß das Mitbestimmungsverfahren »formal durchgeführt« wurde und die gestellte Bedingung bereits eingetreten ist, spielt insoweit keine Rolle774. Auch geht das Mitbestimmungsrecht nicht unter, weil der Betriebsrat seine Kompetenz mißbraucht hat. Das Betriebsverfassungsrecht kennt besondere Verfahren, nach denen der Arbeitgeber Maßnahmen gegen den Willen des Betriebsrats durchsetzen kann: für die Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG das Zustimmungsersetzungsverfahren des § 99 Abs. 4 BetrVG und für die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 BetrVG das Einigungsstellenverfahren nach § 87 Abs. 2 BetrVG. Für Interessenausgleichsverhandlungen gibt es eine im Ansatz vergleichbare775 Regelung in den §§ 121 f. InsO, die freilich nur im Insolvenzverfahren greift. Diese Spezialregelungen können nicht im Rückgriff auf zivilrechtliche Grundsätze zum Rechtsmißbrauch unterlaufen werden. Ein Alleinentscheidungsrecht des Arbeitgebers scheidet

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Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 69. Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 79. 772 Konzen, FS Zöllner, S. 799, 824. 773 Auch die erzwingbaren Mitbestimmungsrechte des § 87 Abs. 1 BetrVG können durch bloße Regelungsabrede umgesetzt werden; Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 87 BetrVG Rn. 8. 774 Anders Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 95. 775 Zwar kann die Betriebsänderung auch ohne einen Interessenausgleich durchgeführt werden, der Arbeitgeber riskiert aber zumindest Nachteilsausgleichsansprüche nach § 113 BetrVG. Je nachdem, in welchem LAG-Bezirk der Betrieb liegt, droht überdies ein Unterlassungsantrag des Betriebsrats. 771

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aus776 – unabhängig davon, ob die vom Betriebsrat gestellte Bedingung bereits eingetreten ist. [b] Wirksamkeit des »angekoppelten« Geschäfts. Demgegenüber ist das »angekoppelte« Geschäft, regelmäßig eine freiwillige Betriebsvereinbarung, von der normzweckwidrigen Umwidmung des Mitbestimmungsrechts nicht unmittelbar betroffen. Seine Wirksamkeit muß nach den allgemeinen Regeln beurteilt werden777, also vor allem anhand von §§ 77 Abs. 3, 88 BetrVG. In den Ausnahmefällen, in denen der Koppelungsdruck das Niveau einer Drohung i. S. d. § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB erreicht, kann der Arbeitgeber anfechten778 . Interessanter ist die Frage, ob er sich dem Koppelungsgeschäft unterhalb dieser Schwelle entziehen kann: durch die Einrede des Rechtsmißbrauchs, weil der Betriebsrat die »angekoppelte« Vergünstigung für die Arbeitnehmer nur durch früheres Fehlverhalten – auch im Verhältnis zum Arbeitgeber – erreichen konnte779. Der »Ausverkauf von Mitbestimmungsrechten« betrifft indes nur das Verhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern. Gegenüber dem Arbeitgeber muß die entscheidende Frage an § 88 BetrVG festgemacht werden. Sie geht dahin, ob noch von einer »freiwilligen« Betriebsvereinbarung die Rede sein kann, wenn der Arbeitgeber dem Vorschlag des Betriebsrats deshalb zustimmt, weil er mit Blick auf »externen« Zeit- und Kostendruck auf die Regelung einer anderen, eben der mitbestimmten Angelegenheit angewiesen ist780 . Indes muß hier – ebenso wie mit Blick auf die Ausübung des zunächst normzweckwidrig »mißbrauchten« Mitbestimmungsrechts781 – gelten, daß allgemein-zivilrechtliche Überlegungen zum Rechtsmißbrauch nicht die betriebsverfassungsrechtlichen Sonderregeln (insbesondere) zur Zwangsschlichtung unterlaufen dürfen. Das BetrVG kennt kein Sonderrecht für Eilfälle, erlaubt dem Arbeitgeber auch unter Zeitdruck nicht, (vorläufig) allein zu entscheiden – mit der singulären Ausnahme des § 100 BetrVG. Das Einigungsstellenverfahren des § 87 Abs. 2 BetrVG gilt dem Gesetzgeber auch in Eilfällen als taugliches und mit Blick auf die Grundrechte des Arbeitgeber-Unternehmers ausreichendes Instrument, Mitbestimmungskonfl ikte aufzulösen782 . Den 776 Sieweke, NZA 2012, 426, 431; Konzen, FS Zöllner, S. 799, 825; Rieble/Klumpp/ Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 97 ff. Anders Henssler/Willemsen/Kalb/Clemenz, § 87 BetrVG Rn. 36. 777 Konzen, FS Zöllner, S. 799, 824. 778 Zur Anfechtbarkeit von Betriebsvereinbarungen nach den §§ 119 ff. BGB – freilich mit Wirkung grundsätzlich nur ex nunc – etwa Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 77 Rn. 84 m. w. N. Demgegenüber wollen Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 114 in solchen Fällen ausnahmsweise eine Anfechtung mit Wirkung ex tunc erlauben. 779 Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 115. 780 Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 87 ff., die diese Frage verneinen. 781 Soeben [a], S. 284 f. 782 Fischer, FS Bauer, S. 315, 323: »Der Gesetzgeber hat den [. . .] Zeitfaktor bewusst einkalkuliert«.

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Zeitaufwand für ein solches Verfahren bei entsprechend eiligem Entscheidungsbedarf des Arbeitgebers als unzulässiges Druckmittel einzustufen hieße, diese Wertung zu negieren. Das liefe auf ein Sonderrecht für Eilfälle praeter legem hinaus, das den Gedanken der »paritätischen Mitbestimmung« nach § 87 BetrVG aushebelt783 . [c] Eilfälle als rechtspolitisches Problem. Rechtspolitisch ist das doppelt fragwürdig: Die Zwangslage für den Arbeitgeber kann sich faktisch sehr wohl ergeben, und vor allem in unvorhersehbaren Eilfällen kann der Arbeitgeber weder auf Regelungsvorsorge durch Rahmenbetriebsvereinbarungen noch auf das Einigungsstellenverfahren verwiesen werden, das einem »Spiel auf Zeit« gerade Raum bietet784 . Normzweckwidriges Koppeln wird damit zum (betriebsverfassungsrechtlich785) risikolosen Geschäft: Das »mißbrauchte« Mitbestimmungsrecht ist nicht erschöpft, und der Betriebsrat kann die »angekoppelte« Regelung unter Umständen als »Bonus« verbuchen. Dieser faktische Zwang für den Arbeitgeber ist mit Blick auf dessen verfassungsrechtlich geschützte Unternehmerfreiheit mindestens bedenklich, weil der Bereich vollparitätischer Mitbestimmung durch die Verknüpfung mitbestimmter und nicht mitbestimmter Angelegenheiten ausgeweitet wird. Methodisch vertretbar läßt sich ein Sonderrecht für Eilfälle aber auch im Wege verfassungskonformer Auslegung nicht entwickeln. c. Bindung an den Teilhabezweck der Mitbestimmung Sind die konkreten Mitbestimmungsrechte an ihren jeweiligen Normzweck gebunden, ist damit nicht gesagt, daß der Betriebsrat nicht auf den generellen Teilhabezweck der Mitbestimmung verpfl ichtet wäre. Diese Bindung wird unter anderem dann relevant, wenn unterschiedliche Amtsaufgaben miteinander unvereinbare Forderungen an den Betriebsrat richten. [1] »Allgemeinpolitische« Zuständigkeiten § 74 Abs. 2 Satz 3 Hs. 1 BetrVG verbietet dem Betriebsrat ausdrücklich jede parteipolitische Betätigung im Betrieb; ebensowenig wie der Arbeitgeber darf die Arbeitnehmervertretung betriebsverfassungsrechtliche Möglichkeiten nutzen, um sich gegenüber der Belegschaft für eine bestimmte politische Richtung einzusetzen786 . Schon die stille Unmutsbezeugung über einzelne Politiker qua

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Dazu Konzen, FS Zöllner, S. 799, 826. Nur Bauer, NZA 1992, 433 ff. 785 Vgl. aber etwa Rieble/Klebeck, NZA 2006, 758, 761, die eine strafbare Nötigung in Betracht ziehen – zumindest dann, wenn der Arbeitgeber durch die Verzögerung in eine wirtschaftliche Notlage gerät. 786 Rieble/Wiebauer, ZfA 2010, 63, 110 f. 784

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Plakette ist verboten787, weil das absolute Betätigungsverbot den Betriebsfrieden gegen jegliche Störung durch kontroverse politische Diskussionen absichern will788 . Daß der Betrieb schon mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 GG keine »politikfreie Zone« sein kann, anerkennt § 74 Abs. 2 Satz 3 Hs. 2 BetrVG. Zulässig ist aber nur die Behandlung der im Gesetz aufgezählten Politikfelder789 im Rahmen der sonstigen Betriebsratsarbeit, sofern Sachfragen »den Betrieb oder seine Arbeitnehmer unmittelbar betreffen«. Keinesfalls sollen der Arbeitnehmervertretung in diesem Zusammenhang zusätzliche Aufgaben zugewiesen werden790 . Der Betriebsrat hat kein allgemeinpolitisches Mandat 791 – kann nach dem BAG jedoch nicht auf Unterlassung allgemeinpolitischer Äußerungen in Anspruch genommen werden792 . Diese Engführung der »politischen Seite« der Betriebsratsarbeit auf innerbetriebliche Fragen steht in Widerspruch zu den (der Sache nach) allgemeinpolitischen Zuständigkeiten, die den Betriebsräten seit der BetrVG-Reform 2001 zugewiesen wurden793 , etwa bei der »Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit« oder der »Förderung der Beschäftigung« (§§ 80 Abs. 1 Nr. 7, 92a Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Problematisch sind diese Aufgaben nicht deshalb, weil der Betriebsrat durch die Belegschaftswahl ausschließlich für die Angelegenheiten seiner Wähler legitimiert wäre794 . Die Betriebsratswahl erfüllt gerade keine Legitimationsfunktion, die Legitimation der Betriebsratsarbeit folgt aus dem BetrVG. Dem Gesetzgeber steht es weithin frei, auch »arbeitnehmerfremde« Interessen organisationsrechtlich abzubilden oder deren Repräsentation den Arbeitnehmervertretern im Betriebsrat zuzuweisen795. Entgegen Rieble 796 droht hier keine »Demokratisierung der Wirtschaft«, die den Ruf nach staatlicher Aufsicht rechtfertigen würde. Solange keine hoheitlichen Entscheidungskompetenzen weitergereicht werden, geht es in der Mitbestimmung »nur« um die mittelbare Steuerung der Gesellschaft durch Organisationsrecht. Entscheidend ist die Grundrechtsrelevanz der Betriebsratstätigkeit; weist der 787

Zu einer »Anti-Strauß-Plakette« BAG v. 9. 12. 1982, 2 AZR 620/80, BAGE 41, 150 = NJW 1984, 1142 – unter II.3. der Gründe. 788 Rieble/Wiebauer, ZfA 2010, 63, 111. 789 Zur Abgrenzung von partei- und allgemeinpolitischen Stellungnahmen Rieble/Wiebauer, ZfA 2010, 63, 112 f. m. w. N. 790 GK-BetrVG/Kreutz, § 74 Rn. 121. 791 Rieble/Wiebauer, ZfA 2010, 63, 113. Dazu noch GK-BetrVG/Kreutz, § 74 Rn. 121. 792 BAG v. 17. 3. 2010, 7 ABR 95/08, BAGE 133, 342 = NZA 2010, 1133 – Rn. 24 ff. gibt die zuvor judizierte Gegenmeinung ausdrücklich auf. 793 Dazu E. Picker, RdA 2001, 259, 271 ff. 794 So aber Rieble, ZIP 2001, 133, 140 ff.; mit Blick auf den Leber-Rüthers-Kompromiß bereits zum BetrVG 1972 Loritz, ZfA 1991, 1, 26. Anders Rose, KJ 2001, 157, 168 f., dessen Ansicht nach der Betriebsrat hier weniger berechtigt, als vielmehr vom Staat in die Pfl icht genommen wird. Weitere Nachweise bei GK-BetrVG/Raab, § 92a Rn. 7. 795 Näher B.I.3., S. 181 ff. 796 ZIP 2001, 133, 142: »der Betriebsrat mutierte zu einem Reichswirtschaftsrat im Kleinen.«

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§ 3 Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung

Staat der Arbeitnehmervertretung im Betrieb Aufgaben zu, muß er sicherstellen, daß die Grundrechte der Betroffenen (Arbeitgeber und) Arbeitnehmer hierdurch nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden. Insoweit reicht bereits aus, daß den allgemeinpolitischen Betriebsratsaufgaben keine Entscheidungsbefugnisse zugeordnet sind, und daß (jedenfalls de jure) ausgeschlossen ist, daß andere Mit-Entscheidungsrechte normzweckwidrig für solche Zwecke »umgewidmet« werden. Praktisch wird das etwa für die Mitbestimmung bei der Einstellung nach § 99 BetrVG: Diskriminiert der Arbeitgeber mit seiner Einstellungspolitik Frauen, liegt hierin kein Verstoß gegen das AGG, auf den gestützt der Betriebsrat nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG die Zustimmung verweigern könnte797. § 99 Abs. 2 Nr. 6 BetrVG ist kein Instrument, mit dem sich Rassismus bekämpfen ließe, sondern dient dem Schutz der Betriebsbelegschaft vor Rassisten798 . Das eigentliche Problem der allgemeinpolitischen Zuständigkeiten liegt darin, daß die mit ihnen wahrzunehmenden Interessen notwendig überbetriebliche Interessen sind und daher nahezu zwangsläufig in Konfl ikt mit den qua Teilhabe und über den Betriebsrat einzubringenden Arbeitnehmerinteressen geraten, »wenn etwa Umweltschutzauflagen Arbeitsplätze bedrohen oder wenn Beschäftigungsförderung Geld kostet, das dann für eine betriebliche Sozialeinrichtung nicht mehr zur Verfügung steht«799. Solche Aufgaben zwingen Betriebsratsmitgliedern einen Interessenkonfl ikt auf, weil sie dem Zweck der Teilhabe im Arbeitnehmerinteresse zuwider laufen800 . Hier kann es kein rechtliches Vorrangverhältnis geben, wohl aber dürften sich Betriebsräte in der Praxis in erster Linie ihren Wählern verpfl ichtet fühlen. Dagegen ist nichts zu erinnern. Im Gegenteil läßt sich der – rechtlich keinesfalls nachrangige – Teilhabezweck effektiv nur gegen eine Indienstnahme für gesamtgesellschaftliche Anliegen sichern, indem tendenziell »überbetriebliche« Betriebsratsaufgaben an den Betrieb als »betriebsratseigenen Wirkungskreis« und mittelbar an die Interessen der Belegschaft gebunden werden. Daß der Betriebsrat dem Arbeitgeber nach § 92a BetrVG Vorschläge zur Beschäftigungsförderung im Allgemeinen unterbreitet, ist nicht nur weitgehend zweckfrei, sondern für die Belegschaft unter Umständen kontraproduktiv. Richtiger Ansicht nach müssen seine Initiativen deshalb einen engen Betriebsbezug aufweisen801.

797 Strittig; wie hier etwa Richardi/Thüsing, BetrVG, § 99 Rn. 191; Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 99 BetrVG Rn. 45; GK-BetrVG/Raab, § 99 Rn. 137 f. m. w. N. auch zur Gegenmeinung, die etwa ErfK/Kania, § 99 BetrVG Rn. 24 vertritt. 798 Vgl. etwa Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 99 Rn. 256. 799 Rieble, ZIP 2001, 133, 142. 800 E. Picker, RdA 2001, 259, 271 ff.; zurückhaltender Wiese, NZA 2006, 1, 9, der erwägt, die allgemeinpolitischen Kompetenzen abzuschaffen, weil »zweifelhaft« sei, ob sich diese mit den Zwecken der Mitbestimmung vertragen. 801 I.d.S. interpretiert GK-BetrVG/Raab, § 92a Rn. 13 Beschäftigungssicherung als prä-

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[2] Zuständigkeit für Nicht-Teilhabeberechtigte Ähnliche Fragen ergeben sich mit Blick auf die Zuständigkeit des Betriebsrats für Arbeitnehmer, denen das BetrVG Teilhaberechte (im Einsatzbetrieb) versagt. Beschäftigt der Arbeitgeber etwa Ein-Euro-Jobber i. S. d. § 16d SGB II, sind die Arbeitsbedingungen dieser Nicht-Arbeitnehmer teilweise mitbestimmt802 – schon allein insoweit, als betriebseinheitlich geltende Regelungen in bestimmten sozialen Angelegenheiten jeden im Betrieb Beschäftigten betreffen. Überdies erfaßt der allgemeine Schutzauftrag an Arbeitgeber und Betriebsrat aus § 75 Abs. 1 BetrVG »alle im Betrieb tätigen Personen«. Gemeint sind nach herrschender Ansicht auch sämtliche belegschaftsfremden Arbeitskräfte mit Ausnahme der Leitenden803 . Den Betriebsrat drängt diese Schutzpfl icht in einen »schwierigen Spagat«804 , weil er einerseits die Ein-Euro-Jobber vor Diskriminierung, zugleich aber die Betriebsbelegschaft vor solchen Betriebsfremden schützen soll, deren Einsatz wenigstens potentiell Stammarbeitsplätze bedroht. Insoweit kann nur gelten, daß der Mitbestimmungsauftrag der Belegschaftsvertreter nicht zugunsten Betriebsfremder hintangestellt werden darf. Mehr als Diskriminierungsschutz zugunsten der Betriebsfremden wird vom Betriebsrat nicht verlangt. Damit ist insbesondere nicht ausgeschlossen, daß sich der Betriebsrat im Rahmen der Mitwirkung bei der Personalplanung nach § 92 BetrVG oder mit Vorschlägen nach § 92a BetrVG dafür einsetzt, Stammarbeitsplätze zu schaffen und atypische Beschäftigung abzubauen. Dementsprechend kann man dem Betriebsrat zwar nach § 75 Abs. 1 BetrVG das Recht zusprechen, sich auch für Mitarbeiter anderer Betriebe einzusetzen805 , obzwar diese nur von ihrem Heimat-Betriebsrat repräsentiert werden806 . Solche Befugnisse fi nden aber ihre immanente Grenze in den Interessen der Betriebsbelegschaft. Zulässig ist insbesondere, daß der Betriebsrat beim Arbeitgeber für ein Insourcing wirbt807. [3] Ergebnis Im Ergebnis ist der Betriebsrat bei seiner Mitbestimmungsarbeit doppelt gebunden: Zuerst und zuvorderst an den konkreten Normzweck der jeweils erventive Beschäftigungssicherung für die Arbeitnehmer im Betrieb. Ähnlich restriktiv ErfK/ Kania, § 92a BetrVG Rn. 1. 802 Näher Engels, NZA 2007, 8 ff. 803 H. M., etwa Richardi, BetrVG, § 75 Rn. 7 m. w. N. Dagegen GK-BetrVG/Kreutz, § 74 Rn. 13. 804 Engels, AuR 2009, 65, 77. In diese Richtung auch Düwell/Dahl, NZA-RR 2011, 1, 2. 805 Anschauungsmaterial liefert die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE »Achtung der Menschenwürde in Arbeitsverhältnissen«, BT-Drucks. 17/2815. 806 II.2.d.[1][a], S. 248 ff. 807 Wendeling-Schröder, AuR 2011, 424, 427 f.

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öffneten Mitbestimmungsrechte, zugleich aber auch an den generellen Teilhabezweck der Mitbestimmung. Diese zweite, allgemeinere Bindung wird bei der Ausübung konkreter Mitbestimmungsrechte kaum sichtbar, weil deren individueller Normzweck durchgängig auf belegschaftsnützige Teilhabe ausgerichtet ist. Ausnahmen sind aber denkbar und werden durchaus praktisch: Mit Recht hat das BAG eine Betriebsvereinbarung für unwirksam gehalten, die ausschließlich eine Haftungserleichterung zugunsten des Arbeitgebers regelte, weil hier »von dem sein Wesen bestimmenden Charakter des Betriebsrats als einer Institution zur Wahrung der Arbeitnehmerbelange schlechterdings nichts übrig [bleibe], [und] der Betriebsrat [. . .] seine ihm von seiner Funktion her gegebene Handlungsfähigkeit« überschreite 808 . Aus der hier untersuchten Perspektive vergleichbar hat das Gericht die Unwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung angenommen, die den Arbeitnehmern eine Vertragsstrafe aufbürdet, ohne zugleich strengere individualrechtliche Vertragsstrafenabreden zu sperren, weil »der Zweck einer Betriebsvereinbarung zur Regelung von Arbeitsbedingungen in sein Gegenteil verkehrt« werde809. Das skizziert nicht nur den Normzweck des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, sondern gilt allgemein. Auch freiwillige Betriebsvereinbarungen sollen Arbeitsbedingungen regeln, nicht aber dem Arbeitgeber einen Minimalstandard garantieren810 . Abstrakt geht es in beiden Fällen um die Verpfl ichtung des Betriebsrats auf den Teilhabezweck der betrieblichen Mitbestimmung. 4. (Keine) Parallele im Unternehmensmitbestimmungsrecht Die Unternehmensmitbestimmung kennt prima facie kein Pendant zu der funktionalen Beschränkung des Betriebsrats. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sind den Eignervertretern umfassend gleichgestellt 811, vgl. etwa § 4 Abs. 3 Satz 1 Montan-MitbestG. Damit sind sie zwar als Aufsichtsräte funktional gebunden, weil das Gesellschaftsrecht dem Aufsichtsrat als Organ und seinen Mitgliedern nur auf die Interessen der Gesellschaft ausgerichtete »Pfl ichtrechte« zuweist812 , nicht aber als Mitbestimmungsträger. Die »Mitbestimmung durch Argumente« kann sich auf alle im Aufsichtsrat behandelten Angelegenheiten beziehen.

808

BAG v. 5. 3. 1959, 2 AZR 268/56, BAGE 7, 280 = NJW 1959, 1555 – II.2. der Grün-

de. 809

BAG v. 6. 8. 1991, 1 AZR 3/90, NZA 1992, 177 – zu II.3. der Gründe. Auch dazu BAG v. 6. 8. 1991, 1 AZR 3/90, NZA 1992, 177 – zu II.3. der Gründe. 811 Zum MitbestG etwa BGH v. 25. 2. 1982, II ZR 123/81, BGHZ 83, 106 = NJW 1982, 1525 – III.1.b) der Gründe. Allgemein MünchKommAktG/Habersack, Vor § 95 Rn. 14. 812 MünchKommAktG/Habersack, Vor § 95 Rn. 16. 810

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a. Beschränkter Teilhabezweck? Mit Blick auf den Mitbestimmungszweck der Teilhabe durch Betroffenenbeteiligung läßt sich hier eine »überschießende Tendenz« erkennen: Betroffen werden die Arbeitnehmer nicht – gewissermaßen naturgesetzlich – von allen unternehmerischen Strategieentscheidungen, sondern nur von solchen, die mittelbar auf die einzelnen Arbeitsverhältnisse durchschlagen813 . Freilich fällt es angesichts vielfacher Interdependenzen schwer, unternehmerische Entscheidungen anhand solcher Fernwirkungen zu kategorisieren814 . Rechtfertigt beispielsweise das Interesse der Arbeitnehmer, gegebenenfalls einen »harten Sanierer« im Vorstand verhindern zu können, ihre Teilhabe bei der Vorstandsbestellung815 ? Andererseits verlangt jedenfalls816 § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG für die Beteiligung des Wirtschaftsausschusses, daß die Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens durch »Vorgänge und Vorhaben [. . .] wesentlich« berührt sein müssen. Hier also ist nicht nur die Prüfung der Fernwirkungen gesetzlich vorgeschrieben, sondern auch deren Gewichtung. Angesichts der strukturellen Verwandtschaft der Mitbestimmung in Wirtschaftsausschuß und Aufsichtsrat817 läßt sich dieses Erfordernis als funktionale Einschränkung der Teilhabe (auch) in wirtschaftlichen Fragen deuten. Auch im Aufsichtsrat selbst sind mitbestimmungsfreie Räume erlaubt: Im Rahmen der »Organisationsautonomie« des Aufsichtsrats entscheidet das Gremium nach § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG – in der mitbestimmten GmbH anwendbar nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Hs. 2 DrittelbG – selbst, ob bestimmte Aufgaben von Ausschüssen vorbereitet oder erledigt werden sollen. Die Satzung kann Ausschüsse weder vorschreiben noch verbieten und darf auch keine verbindlichen Regeln zu Größe und Besetzung vorgeben818 . Das Gesetz kennt zwar vereinzelte Pfl ichtausschüsse, etwa den Vermittlungsausschuß des § 27 Abs. 3 MitbestG, läßt dem Aufsichtsrat aber daneben Freiraum. Diese Freiheit 813 Zur Rechtfertigung der Unternehmensmitbestimmung aus eben diesen Fernwirkungen etwa Löwisch, Mitbestimmung und Arbeitsverhältnis, S. 131, 134 f. Ebenso Rieble, Mitbestimmung, S. 9 ff. Rn. 30; zustimmend Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 134. 814 Löwisch, Mitbestimmung und Arbeitsverhältnis, S. 131, 135. 815 Brocker, Unternehmensmitbestimmung, S. 135 verneint, weil »ein konkreter Bezug zu den Arbeitsverhältnissen [. . .] ausscheidet«; demgegenüber sieht Rieble, Mitbestimmung, S. 9 ff. Rn. 55 »durchaus ein Arbeitnehmerinteresse«, lehnt die Teilhabe aber mit Blick auf die (tarif- und betriebsverfassungsrechtliche) Gegnerunabhängigkeit ab. 816 Ob das Gesetz für § 106 Abs. 3 Nr. 1–9 BetrVG davon ausgeht, die Interessen der unternehmensangehörigen Arbeitnehmer seien stets »wesentlich« berührt, ist umstritten; i.d.S. GK-BetrVG/Oetker, § 106 Rn. 50 f. m. w. N.; für ein zusätzliches Wesentlichkeitserfordernis analog Nr. 10 Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 106 BetrVG Rn. 4. 817 Bereits C.III., S. 223 ff. 818 Zur Organisationsautonomie des Aufsichtsrats mit Blick auf Ausschüsse MünchKommAktG/Habersack, § 107 Rn. 92 ff.

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kann auch der mitbestimmte Aufsichtsrat so handhaben, daß das Mitbestimmungsniveau in einzelnen Ausschüssen sinkt819 ; nach umstrittener Ansicht sind sogar »arbeitnehmerfreie« Ausschüsse zulässig820 . Voraussetzung ist freilich, daß Arbeitnehmervertreter nicht als solche diskriminiert werden821. Ausschüsse dürfen nicht genutzt werden, um gezielt die Mitbestimmung zu unterlaufen. Eine mitbestimmungsschädliche Zusammensetzung muß durch Sachgründe gerechtfertigt sein. Unabhängig davon, welche Gründe hier ausreichen, setzt die nicht-spiegelbildliche Besetzung von Plenum und Ausschüssen zwingend voraus, daß der Teilhabezweck der Unternehmensmitbestimmung für bestimmte Angelegenheiten Einschränkungen verträgt. Anders gewendet ist die Aufsichtsratsbeteiligung wenn nicht funktional beschränkt, so doch zumindest funktional beschränkbar: »Die Vorstellung, dass alles, was in einem Ausschuss des Aufsichtsrats geschieht, in irgendeiner Weise auch die Beschäftigten berührt, ist zu unspezifisch, um darauf einen unabdingbaren Anspruch auf Mitbestimmung stützen zu können.«822 Eine echte Beschränkung der Teilhabe im Aufsichtsrat regelt § 32 MitbestG, der für bestimmte wirtschaftliche Entscheidungen gegenüber einer gleichfalls nach MitbestG mitbestimmten Untergesellschaft den Aufsichtsrat zum Geschäftsführungsorgan macht823 und ein Alleinentscheidungsrecht der Eignervertreter anordnet, Abs. 1 Satz 2. Dahinter steht das Regelungsziel, Mitbestimmungskumulation zu verhindern und den Bereich unternehmerischer Grundlagengeschäfte mitbestimmungsfrei zu halten, statt ihn über den Einfluß der mitbestimmten Obergesellschaft als Anteilseignerin mittelbar der Mitbestimmung zu unterwerfen824 . b. Beschränkung zum Schutz der Privatautonomie? Dieser Befund läßt sich dahin zuspitzen, daß eine funktionale Einschränkung der Organbeteiligung im Aufsichtsrat zwar möglich, nicht aber rechtlich geboten ist. Insbesondere scheidet eine Parallelwertung zum Betriebsverfassungsrecht weitgehend aus. Die funktionale Beschränkung des Betriebsrats auf seine Amtsaufgaben ist nicht Konsequenz eines beschränkten Teilhabezwecks, 819 Dazu BGH v. 17. 5. 1993, II ZR 89/92, BGHZ 122, 342 = NJW 1993, 2307 – II.5. der Gründe m. w. N. auch zu abweichenden Ansichten: die personelle Zusammensetzung der Ausschüsse muß nicht die des Plenums spiegeln, wenn die Abweichung aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Zustimmend etwa Hüffer, AktG, § 107 Rn. 21 m. w. N. 820 I.d.S. etwa MünchKommAktG/Habersack, § 107 Rn. 127 f. mit Nachweisen zum Meinungsstand. 821 Statt vieler ErfK/Oetker, § 107 AktG Rn. 10 m. w. N. 822 R. Krause, WM 2003, 762, 771. In dieselbe Richtung MünchKommAktG/Habersack, § 107 Rn. 129; Hüffer, AktG, § 107 Rn. 21, die Ausschüsse ohne Arbeitnehmerrepräsentanten in »mitbestimmungsfernen« Angelegenheiten erlauben wollen. 823 Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 32 MitbestG Rn. 1. 824 Auch dazu Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 32 MitbestG Rn. 2 ff.

D. Pseudo-demokratische Fremdkörper im Mitbestimmungsrecht?

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sondern im Interesse des Grundrechtsschutzes geboten. Sie sichert die Privatautonomie, konkret die privatautonome Legitimation der Berufstätigkeit von Unternehmern und Arbeitnehmern. Diese Frage stellt sich für die Unternehmensmitbestimmung nur partiell, weil die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat grundsätzlich keine mitbestimmungsrechtlich begründete Vetomacht innehaben. Erst wenn das Mitbestimmungsniveau die Grenze der Voll-Parität erreicht, ist der Gesetzgeber gehalten, einzugreifen: das ist der richtige Gedanke hinter § 32 Abs. 1 MitbestG. Zumindest de jure müssen die Arbeitnehmer also nicht davor geschützt werden, daß die Mitbestimmungsträger im Aufsichtsrat Belegschaftsinteressen vernachlässigen – weil den Aufsichtsratsmitgliedern »Selbstverwaltungs-Kompetenzen« fehlen, und weil »unbotmäßige« Arbeitnehmervertreter (theoretisch) abberufen werden können825. Nicht zu rechtfertigen ist de lege lata hingegen, die Arbeitnehmerteilhabe funktional auf einen (inwiefern auch immer) eingeschränkten Teilhabezweck zurückzufahren. Es ist eben nicht so, daß die Aufsichtsratsteilhabe mit faktischer Betroffenheit durch die Fernwirkungen unternehmerischer Strategieentscheidungen gerechtfertigt werden müßte, und jenseits solcher Wirkungen als illegitime Fremdbestimmung eingestuft werden müßte. Die Teilhabe der Arbeitnehmer an der Unternehmensleitung ist Zweck der Mitbestimmung, zugleich aber auch Mittel der prozeduralen Steuerung privater Unternehmen durch Organisationsrecht826 . Sie erklärt sich nicht nur aus der »Betroffenheit« der Unternehmensbelegschaften, sondern auch aus den Interessen der Allgemeinheit.

IV. Partizipative Strukturen jenseits des Demokratieprinzips Partizipative Strukturen, Repräsentation von Arbeitnehmerinteressen und Zweckbindungen für Mitbestimmungsträger machen noch keine Mikrodemokratie. Insbesondere die Wahlen im Mitbestimmungsrecht haben weder mit der Legitimation von Kollektiventscheidungen noch mit Egalität, verstanden als wechselseitige Anerkennung »politischer« Gleichheit, zu tun – und mithin nichts mit dem Demokratieprinzip. Wenn Betriebe und Unternehmen qua Mitbestimmung eine gesetzliche Binnenverfassung erhalten, werden sie damit zwar partizipativ geordnet, aber nicht notwendig »demokratisiert«. Die vermeintlich »demokratischen« Elemente im Mitbestimmungsrecht sind reine Zweckschöpfungen, die nicht aus dem Demokratieprinzip abgeleitet werden können und müssen. Nachvollziehen läßt sich dies insbesondere mit Blick auf die Wahlen: Sie sind insgesamt verzichtbar und taugen nicht als »Legitimationsquelle«. Die Betriebsverfassung erlaubt die »Minderheitsherr825 826

Hierzu I.3.b., S. 241 f. Dazu C.II.2., S. 219 ff.

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schaft« durch »Listensprung«, das MitbestG kennt ein »faktisches Entsenderecht« für Gewerkschaften827 und die – gemessen an Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG – undemokratische828 , weil mittelbare Delegiertenwahl. Auch wenn die Mitbestimmungswahlen nach staatsverfassungsrechtlichen Grundsätzen durchgeführt werden, realisiert sich in ihnen nicht die demokratische Souveränität der Belegschaft, sondern »nur« die sozialstaatlich angeordnete Teilhabe der Arbeitnehmer.

827 828

Velten, Gewerkschaftsvertreter, S. 56. Hierzu Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 9 MitbestG Rn. 4.

§ 4 Folgen für das Mitbestimmungssystem Befreit man die Mitbestimmung von dem nach meiner Auffassung systemfremden Demokratiegedanken, ist das prima facie ein radikaler Paradigmenwechsel. Konkrete Rechtsfolgen zu benennen, fällt dennoch schwer. So häufig die Mitbestimmung als Element der Demokratie in Betrieben und Unternehmen gesehen wird, so rar (und nicht selten zweifelhaft) sind Konsequenzen, die aus dieser Qualifi kation gezogen werden. Beispielhaft für solche fragwürdigen Ableitungen kann hier die Ansicht des BAG stehen, eine (noch nicht rechtskräftige) Entscheidung des Arbeitsgerichts nach §§ 17 Abs. 4 i. V. m. 16 Abs. 2 BetrVG hindere die Belegschaft deshalb nicht, selbst einen Wahlvorstand zu bestellen, weil es »gegen die die Wahlvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes beherrschenden Grundprinzipien der demokratischen Wahl« verstieße, wenn ein »staatliche[r] Eingriff« Vorrang vor den »der Belegschaft im Betriebsverfassungsgesetz zugewiesenen Rechte[n]« beanspruchen dürfte1. Abgesehen von der banalen Feststellung, daß ein Defi zit an demokratischer Legitimation schon deshalb nicht zu erkennen ist, weil auch die Rechtsprechung demokratisch legitimiert ist, läßt sich die im Gesetz angelegte Subsidiarität der Bestellung durch das Arbeitsgericht auch dann begründen, wenn man auf die Prämisse eines Vorrangs der »Betriebsdemokratie« verzichtet 2 . Genauer besehen erschließt – nicht nur, aber vor allem – die Legitimation der Mitbestimmung jene Rechtsfragen, die inzidenter auf den DemokratieGedanken verweisen. Im Folgenden werden ausgewählte Probleme jenseits der »Mitbestimmungsdemokratie« diskutiert und nach Betriebsverfassung (A.) und Unternehmensmitbestimmung (B.) systematisiert – ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Abschließend steht ein Überblick über die rechtspolitische Entwicklung des Mitbestimmungsrechts (C.).

1 Noch zum BetrVG 1972 BAG v. 19. 3. 1974, 1 ABR 87/73, BB 1974, 1120 = DB 1974, 1775 – II.4. der Gründe; ebenso bereits Dütz/Schulin, ZfA 1975, 103, 108 f. 2 Nur GK-BetrVG/Kreutz, § 17 Rn. 42, § 16 Rn. 13 m. w. N.

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§ 4 Folgen für das Mitbestimmungssystem

A. Betriebsverfassung I. Zuordnungsfragen 1. Außerordentliche Betriebsratswahlen Als Legitimationsfrage wird die Zuordnung von Arbeitnehmern zu einer nach BetrVG mitbestimmungsfähigen Einheit vor allem dann diskutiert, wenn nachträgliche Ereignisse Zweifel an der unterstellten Legitimation des Betriebsrats durch die Wahl wecken. Veranschaulichen läßt sich das an außerordentlichen Betriebsratswahlen nach den § 13 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 BetrVG. a. Neuwahl nach »Legitimationsentfall«, § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist insofern besonders, als das Gesetz nur dann den »Legitimationsentfall mit außerordentlichen Wahlen kompensiert«3 , wenn die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer binnen 24 Monaten nach der Wahl um die Hälfte (und mindestens um 50 Arbeitnehmer) gestiegen oder gesunken ist. Dabei zwingt der Normzweck dazu, die außerordentliche Betriebsratswahl auf der Basis der aktuellen, gegenüber dem Wahltermin veränderten Belegschaftsstruktur durchzuführen. Dennoch kann es genauer besehen nicht um die – unzureichende – Legitimation des amtierenden Betriebsrats gehen: Neu gewählt werden muß nämlich nicht etwa, wenn und weil sich der Kreis der Wahlberechtigten wesentlich geändert hat. Statt dessen kommt es allein auf die Veränderung der Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer an4 . Auch nicht Wahlberechtigte zählen mit, etwa Minderjährige5. Mit anderen Worten: Praktisch kaum denkbar, aber – und darauf muß es für die Normzweckanalyse letztlich ankommen – rechtlich möglich ist der Fall, daß der Betriebsrat nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG neu gewählt werden muß, ohne daß aktiv oder passiv Wahlberechtigte hinzugekommen oder ausgeschieden wären. Bleibt aber das Legitimationssubjekt bei beiden Wahlen unverändert, kann sich aus der Perspektive der »Betriebsdemokratie« keine Legitimationsfrage stellen. Umgekehrt reagiert jedenfalls § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nicht auf – auch wesentliche – Fluktuationen der Wahlberechtigten, solange die Belegschaftsstärke sich nicht oder nicht in ausreichendem Maße verändert6 . Mithin kann § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nicht die Legitimation des Betriebsrats sichern, sondern muß einen anderen Zweck ver3 Rieble/Kolbe, KTS 2009, 281, 300; in diese Richtung auch ErfK/Koch, § 13 BetrVG Rn. 3. 4 Allgemeine Meinung, etwa Richardi/Thüsing, BetrVG, § 13 Rn. 21. GK-BetrVG/ Kreutz, § 13 Rn. 43 meint, es »wäre [. . .] wohl konsequenter gewesen, in Nr. 1 auf die Veränderung der regelmäßig beschäftigten wahlberechtigten Arbeitnehmer abzustellen«. [Hervorhebung von mir.] 5 ErfK/Koch, § 13 Rn. 3. 6 GK-BetrVG/Kreutz, § 13 Rn. 40.

A. Betriebsverfassung

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folgen7. Angepaßt wird der Betriebsrat nicht an die Zahl (und damit einen möglicherweise veränderten Willen) seiner Wähler, sondern an die Zahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer – und damit an die potentielle Arbeitslast für die Mitbestimmungsträger. Mit der Neuwahl will das Gesetz verhindern, daß ein (zu) kleiner Betriebsrat seinen Aufgaben nicht (vollständig) nachkommen kann, bzw. daß ein (zu) großer Betriebsrat dem Arbeitgeber Kosten verursacht, obschon auch ein kleineres Gremium mit womöglich weniger freigestellten Mitgliedern die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte nach dem BetrVG ausreichend wahrnehmen kann. Eben deshalb stellt auch § 9 Satz 1 BetrVG ganz überwiegend nicht auf die Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer ab, sondern auf die der regelmäßig beschäftigten8 . Auf den beiden niedersten Größen-Stufen ist das zwar anders, indes kann diese Abweichung vernachlässigt werden: In solchen Klein-Betrieben ist keine große Diskrepanz beider Werte zu erwarten; sollte sie sich aber doch ergeben, verhindert die dritte Stufe übermäßige Arbeitslasten für die Gewählten. b. Neuwahl nach erfolgreicher Wahlanfechtung, § 13 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG Ist der Betriebsrat außerhalb der regulären Termine i. S. d. § 13 Abs. 1 BetrVG zu wählen, weil eine Wahl erfolgreich angefochten wurde, ist die Neuwahl nach bestrittener Ansicht ebenfalls auf Grundlage der geänderten Belegschaftsstrukturen durchzuführen 9. Die Gegenmeinung sieht keine Neu-, sondern eine »Wiederholungswahl«10 , die nach dem Rechtsgedanken des § 44 Abs. 2 BWG möglichst an den tatsächlichen Grundlagen der wiederholten Wahl orientiert werden muß. Belegen soll das eine entsprechende Entscheidung des BVerwG zu § 27 Abs. 2 BPersVG11, der freilich anders als § 13 Abs. 2 BetrVG die erfolgreiche Wahlanfechtung nicht als Grund für außerordentliche (Neu-)Wahlen nennt. In der Tat spricht der unterschiedliche Wortlaut der gegenständlich dekkungsgleichen Vorschriften § 13 Abs. 2 BetrVG und § 27 Abs. 2 BPersVG dafür, die erfolgreiche Wahlanfechtung jedenfalls im BetrVG als Grund für eine echte Neu-Wahl einzustufen12 , bei der dann auch Wahlrecht, Wählbarkeit und Größe des zu wählenden Betriebsrats neu zu ermitteln sind. Kein Argument ist in diesem Zusammenhang aber, daß der neu- oder wiedergewählte Betriebsrat besser legitimiert wäre, wählten ihn auch die zwischenzeitlich neu 7 Vgl. auch BAG v. 7. 12. 1988, 7 ABR 10/88, BAGE 60, 276 = NZA 1989, 731: die Vorschrift sichere die Kontinuität des einmal gültig gewählten Betriebsrats gegenüber nachträglichen Veränderungen der Belegschaft. 8 Nur Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Maschmann, § 9 BetrVG Rn. 2 m. w. N. 9 Etwa GK-BetrVG/Kreutz, § 13 Rn. 127 m. w. N. 10 Etwa Richardi/Thüsing, BetrVG, § 19 Rn. 71. 11 BVerwG v. 15. 2. 1994, 6 P 9/92, NVwZ-RR 1994, 453 = PersR 1994, 167 – II. der Gründe. 12 Konsequent GK-BetrVG/Kreutz, § 13 Rn. 127.

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hinzugekommenen Arbeitnehmer mit. Entgegen Löwisch gibt es kein »Gebot bestmöglicher Legitimation« des Betriebsrats durch die Belegschaft13 . Verweigert man mit der hier vertretenen Auffassung jener Ansicht die Gefolgschaft, die demokratische Legitimation als »Optimierungsgebot« verstanden wissen will14 , kennt das Demokratieprinzip kein Gebot »bestmöglicher« Legitimation, sondern verlangt »nur« eine ausreichende demokratische Legitimation heteronomer Wirkungen. Aber selbst wenn die Demokratie darauf zielte, Legitimation zu optimieren, ließe sich ein solches Gebot nicht auf die mitbestimmungsrechtlichen Wahlen übertragen, denen jede Legitimationsfunktion abgeht. 2. Drittbezogener Personaleinsatz durch Werkvertrag (kombiniert mit Leiharbeit) Aktuell in der – nicht nur, aber auch betriebsverfassungsrechtlichen15 – Diskussion steht der Fremdfi rmeneinsatz auf Werk- oder Dienstvertragsbasis: Weil es für die Abgrenzung zur Leiharbeit nur darauf ankommt, wer das (arbeitsrechtliche16 ) Weisungsrecht ausübt17, lassen sich diese Varianten drittbezogenen Personaleinsatzes in der Praxis kaum unterscheiden18 und können Anbieter von Dienstleistungen unproblematisch zwischen beiden Gestaltungen wechseln, sofern sie die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG erforderliche Erlaubnis haben19. Nach Einschätzung des DGB ist Letzteres in der Praxis nicht immer der Fall, wenn Direktionsrechte de facto vom Einsatzunternehmen ausgeübt werden 20 . Das drängt sich nachgerade auf, wenn dem angeblichen Werkunternehmer oder Dienstleister entweder die erforderliche Organisation oder das fachliche »Know-How« fehlen, um »sein« Weisungsrecht tatsächlich auszuüben 21. Rechtlich fi ndet dann eine (dem Verleiher nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 AÜG bußgeldbewehrt) verbotene Arbeitnehmerüberlassung statt, selbst wenn

13

Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 19 Rn. 19. Dazu § 2 B.I.3.b., S. 78 ff. 15 Insbesondere Franzen, Betriebsratsrechte, S. 85 ff.; Karthaus/Klebe, NZA 2012, 417 ff. 16 Abzugrenzen ist das – deutlich schwächer ausgelegte – Weisungsrecht des Werkbestellers; zu ihm Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, § 633 Rn. 46 ff. Zur Abgrenzung WendelingSchröder, AuR 2011, 424, 426. 17 BAG v. 18. 1. 2012, 7 AZR 723/10, BB 2012, 1407 (LS) – Rn. 26 ff.; weiter Oberthür, Industriedienstleistung und Zeitarbeit, S. 43, 44 ff. 18 Karthaus/Klebe, NZA 2012, 417, 420. Zu den Rechten des Betriebsrats, der sich mit einem drittbezogenen Personaleinsatz in der »breiten Grauzone« konfrontiert sieht, Dauner-Lieb, NZA 1992, 817, 823. 19 Näher Rieble, DB 2011, 356 f. 20 DGB-Thesen für die Abteilung Arbeits- und Sozialrecht des 68. Deutschen Juristentages 2010, AuR 2010, 317, 318 f. 21 Vgl. Oberthür, Industriedienstleistung und Zeitarbeit, S. 43, 48. 14

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die beteiligten Unternehmen nominell von einem Werkvertrag ausgehen 22 . Der (Leih-)Arbeitsvertrag ist nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam; § 10 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AÜG fi ngiert ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher, mit dem die (vollständige) mitbestimmungsrechtliche Zuordnung zum Entleiherbetrieb verbunden ist 23 . Betriebsverfassungsrechtlich interessanter ist der »echte« Werkvertrag. Die Praxis nutzt – oder, je nach Lesart: mißbraucht – ihn mitunter als »Ausweichstrategie«, die ihren Grund »im Interesse an Kostenersparnis [hat], weil bei den Dienstleistern oft die Entgelte der Beschäftigten geringer sind und weder eine Interessenvertretung noch Tarifbindung besteht.«24 Mit Blick auf die betriebliche Mitbestimmung ist das Problem der Repräsentation solcher Arbeitnehmer angesprochen, deren Interessen nicht vom Betriebsrat im Einsatzbetrieb wahrgenommen werden, sondern nur vom ihrem Heimat-Betriebsrat 25. Soweit ein solcher in der Praxis nicht errichtet sein sollte, ist das kein Mißstand des Betriebsverfassungsrechts, sondern systemkonform – und ändert die gesetzliche Zuordnung der Arbeitnehmer nicht. Ob es rechtspolitisch wünschenswert wäre, Fremdfi rmenmitarbeiter in die Betriebsverfassung des Einsatzbetriebs zu integrieren oder besondere Mitbestimmungsrechte des dort gebildeten Betriebsrats »beim Einsatz von Werkvertragsunternehmen« zu schaffen 26 , ist eine andere Frage. Die betriebliche Mitbestimmung durch die Inklusion aller Vertragsfremden zu entgrenzen erzeugt eben die Mitbestimmungskonkurrenzen, die das geltende BetrVG zu verhindern sucht. Das wäre keine unbedeutende Korrektur, die Extremfälle abfedert, sondern ein Paradigmenwechsel mit weitreichenden Konsequenzen. Den Einsatz von Fremdfi rmenmitarbeitern mitbestimmen kann der Betriebsrat des Einsatzbetriebs schon heute27 : Arbeitsbedingungen, die nur betriebseinheitlich geregelt werden können, treffen alle Arbeitnehmer, ohne daß es auf die Rechtsgrundlage ihrer Tätigkeit ankäme. Werden vertragsfremde Arbeitnehmer (ausnahmsweise28 ) i. S. d. § 99 BetrVG eingestellt, muß der Betriebsrat des Einsatzbetriebs zustimmen. Daß anders als für Leiharbeitnehmer im Einsatzbetrieb die weisungsrechtsbezogenen Mitbestimmungsrechte nicht greifen, ist keine Diskri22

Schüren/Stracke, AÜG, § 16 Rn. 29. Schüren, AÜG, § 10 Rn. 81; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde/Trümner, BetrVG, § 5 Rn. 93. 24 Wendeling-Schröder, AuR 2011, 424. Ähnlich Karthaus/Klebe, NZA 2012, 417, 418. 25 Eingehend § 3 D.II.2.d.[1][a], S. 248 ff. 26 Beides fordert der DGB in seinen Thesen für die Abteilung Arbeits- und Sozialrecht des 68. Deutschen Juristentages 2010, AuR 2010, 317, 319. 27 Eingehend Karthaus/Klebe, NZA 2012, 417, 419 ff. 28 Hierzu unter § 3 D.II.2.b., S. 245 f. Anders Karthaus/Klebe, NZA 2012, 417, 420 f., die ohne Rücksicht auf eine arbeitsrechtliche Weisungsbindung von einer »Einstellung« i. S. v. § 99 BetrVG ausgehen, wenn der Betriebsinhaber über die Einordnung einer Tätigkeit in die Betriebsorganisation entscheidet. Gegen jede Ausdehnung der Mitbestimmung nach § 99 BetrVG auf den Fremdfi rmeneinsatz Dauner-Lieb, NZA 1992, 817, 823 f. 23

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minierung, sondern schützt das Weisungsrecht des Arbeitgebers und die Mitbestimmungsrechte des (potentiellen) Betriebsrats im Heimatbetrieb29. Teilhaberechte der »externen« Arbeitnehmer oder Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei ihrem Einsatz zu intensivieren, verschärfte den mit Blick auf belegschaftsfremde Arbeitnehmer ohnehin erkennbaren Interessenkonfl ikt für Betriebsratsmitglieder im Einsatzbetrieb30 . Mit anderen Worten: Für den Fremdfi rmeneinsatz gibt es im BetrVG keinen rechtspolitischen Handlungsbedarf. Das »Problem« ist nicht die fehlende Integration in die Betriebsverfassung des Einsatzbetriebs, sondern rührt daher, daß im Heimatbetrieb kein Betriebsrat gewählt wurde. Wer hier einen Mißstand sieht 31, dem es (gegebenenfalls durch Gesetzesänderung) zu begegnen gilt, muß den Zwangscharakter der betrieblichen Mitbestimmung ausbauen und die Betriebsratswahl zur Pfl icht machen! Das gilt letztlich auch für die Kombination von Leiharbeit mit einem Einsatz der entliehenen Arbeitnehmer in Fremdbetrieben auf Werkvertragsbasis32 . Auch hier ist die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung dieser »über Eck« eingesetzten Arbeitskräfte klar: sie sind aus Sicht des Einsatzbetrieb(rat)s Fremdarbeitnehmer, die ihrem Heimatbetrieb zugeordnet sind. Die Besonderheit liegt nun darin, daß dieser »Heimatbetrieb« in Verleiherbetrieb und Entleiherbetrieb »zerfällt«, wobei die entliehenen Arbeitnehmer (nur) dem Verleiherbetrieb angehören. Damit wird es faktisch unwahrscheinlicher, daß in Betrieben des Werkvertragsunternehmers ein Betriebsrat gebildet wird, zumal entliehene Arbeitnehmer in diese Vertretung nicht gewählt werden könnten. Strukturell ändert sich die mitbestimmungsrechtliche Bewertung des Fremdfi rmeneinsatzes indes nicht, wenn der Dienstleister oder Werkunternehmer Leiharbeitnehmer einsetzt. Rechtspolitisch mag man fordern, diese Arbeitnehmer durch Teilhaberechte im Einsatzbetrieb besonders zu »schützen«. Das aber wäre weder mit dem System der Mitbestimmung als Teilhabeordnung noch mit dem Gedanken der Betriebsdemokratie zu vereinbaren: Paternalistischer Schutz durch den »starken« Betriebsrat im Einsatzbetrieb mag aus der Sicht der Arbeitnehmer des Werkunternehmers wünschenswert sein, hat aber nichts mit einer Mitbestimmung der eigenen Arbeitsbedingungen im Verhältnis zum Arbeitgeber oder einer Selbstregelung eigener Angelegenheiten der Belegschaft zu tun. Deshalb schließt das geltende Recht Fremdfi rmenmitarbeiter konsequent von der betriebsverfassungsrechtlichen Teilhabe im Einsatzbetrieb aus; das muß erst 29

Bereits § 3 D.II.2.d.[1][a], S. 248 ff. Zu diesem Interessenkonfl ikt § 3 D.III.3.c.[2], S. 289. 31 Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG, § 87 Rn. 10, der die »Schutzlücke« bei arbeitnehmer- und betriebsratslosen »Werkunternehmern« (die in der Sache regelmäßige Verleiher sein werden) ausfüllen will, indem er den Betriebsrat des Einsatzbetriebs für umfassend zuständig erklärt. Unklar bleibt dabei, daß es in der Sache um eine zwangsweise Betriebsverfassung für die Belegschaft des »betriebsratslosen« Betriebs geht. 32 Skizziert von Rieble, Neue Wettbewerbsbedingungen, S. 15, 29. 30

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recht gelten, wenn der Werkunternehmer diese Arbeitnehmer entliehen hat. »Umgangen« werden soll ohnehin weniger die Mitbestimmung, als vielmehr die Intention des § 9 Nr. 2 AÜG, equal pay zum (hohen) Entgeltniveau im Einsatzbetrieb zu garantieren 33 . Ob die Lohnuntergrenze i. S. v. § 3a AÜG34 als insoweit abschließende Antwort des Gesetzes zu verstehen ist, ist hier nicht zu entscheiden.

II. Umstrukturierungsfolgen Bei den Umstrukturierungsfolgen für die betriebliche Mitbestimmung geht es in der Sache ebenfalls um ein Zuordnungsproblem – jedenfalls soweit die zentrale Frage nach Fortbestand oder Wegfall von Arbeitnehmervertretungen im Betrieb angesprochen ist. Das BetrVG regelt die Zuordnung von Arbeitnehmern zu betriebsratsfähigen Einheiten weder »statusrechtlich« noch nach Betroffenheit, sondern mit dem Ziel, die »richtigen« Verhandlungspartner einander gegenüber zu stellen 35. Anders ausgedrückt entscheidet das Gesetz Zuordnungsfragen nicht nur aus der Arbeitnehmerperspektive, sondern »arbeitgeberabhängig«. In der Konsequenz hängt die mitbestimmungsrechtliche Zuordnung von Arbeitnehmern wesentlich von den vom Arbeitgeber vorgegebenen Strukturen ab, und kann sich mit diesen ändern. 1. Fortbestand von Arbeitnehmervertretungen Deshalb ist bei jeder Umstrukturierung von Betrieben, Unternehmen und Konzernen die Frage nach dem Fortbestand der zugehörigen (Einzel-, Gesamtoder Konzern-)Betriebsräte aufgeworfen. Dabei kommt es nur auf die Änderung tatsächlicher Strukturen an, nicht aber darauf, ob ein anderer Rechtsträger an die Stelle des betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitgebers tritt. Allein die Unternehmensmitbestimmung ist auf den Rechtsträger bezogen. a. Wegfall mitbestimmter Einheiten [1] Exkurs: Betriebsstillegung Insoweit lassen sich zunächst Fälle abschichten, in denen der Arbeitgeber seinen Leitungsapparat in sozialen und personellen Angelegenheiten neu ordnet. Hier reagiert die Betriebsverfassung auf die veränderten Vorgaben des Arbeitgebers. Die »Entscheidungsträgernähe« des Betriebsrats ist das wesentliche Element des Betriebsbegriffs und belegt, daß die Zuordnungsentscheidungen 33 Rieble, Neue Wettbewerbsbedingungen, S. 15, 29, der über »Druchgriffsmomente« nachdenken will, wenn Strohmann-Gesellschaften ohne eigene »Kernmannschaft« als Werkunternehmer »zwischen[ge]schaltet« werden. 34 Zu ihr Hamann, RdA 2011, 321, 329 ff. 35 Eingehend unter § 3 D.II.2., S. 243 ff.

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des Betriebsverfassungsrechts vor allem darauf zielen, eine wirksame Teilhabe der Arbeitnehmer gegenüber dem »richtigen« Arbeitgeber zu ermöglichen 36 . Als mitbestimmte Einheiten entfallen können Betriebe im Zuge solcher Reorganisation in zwei Fällen: entweder wird der Betrieb mit einer anderen organisatorischen Einheit zusammengefaßt, so daß sich – hier separat behandelte37 – Mitbestimmungskonkurrenzen ergeben, oder er wird stillgelegt 38 . Im Falle der Stillegung bleibt der Betriebsrat im Amt, nimmt aber nur noch das Restmandat nach § 21b BetrVG wahr – funktional besonders beschränkt auf Abwicklungsaufgaben 39, die vor allem mit Blick auf die Durchführung eines Sozialplans anfallen können. [2] Identitätszerstörende Reorganisation von Betrieben Im hier untersuchten Zusammenhang interessanter sind Konstellationen, in denen die Betriebsorganisation derart umgewälzt wird, daß die »Identität« des Betriebs als organisatorischer Einheit entfällt. Dafür reicht es nicht aus, daß der Arbeitgeber den arbeitstechnischen Zweck ändert40 , noch genügt es, daß der Betrieb räumlich verlegt oder die Betriebstätigkeit sonst vorübergehend unterbrochen wird41. Mit Blick auf den Generalzweck des BetrVG soll es nach Richardi 42 vielmehr darauf ankommen, ob die Belegschaft »ausgewechselt wird oder im Wesentlichen als Einheit erhalten bleibt.« Zumindest wenn Betriebe über eine »nicht unerhebliche« Distanz verlegt werden, orientiert sich auch die allgemeine Auffassung daran, ob die Belegschaft »tatsächlich aufgelöst [wird] und der Aufbau einer im wesentlichen neuen Betriebsgemeinschaft erfolgt«43 . Diese auf die »Belegschaft als Einheit« fokussierte Sichtweise ist schon deshalb problematisch, weil sie nicht im Wertungsgleichgewicht zu dem Neuwahlerfordernis nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG steht: Kann der Betriebsrat weiter amtieren, obschon die wahlberechtigten Arbeitnehmer (bei gleichbleibender Belegschaftsstärke) ausgetauscht werden, kann die personelle Zusammensetzung der Belegschaft nicht das identitätsstiftende Merkmal des

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Dazu § 3 D.II.2.d.[1], S. 248 ff. Sogleich b., S. 305 ff. 38 Zur Betriebsstillegung i. S. d. Betriebsverfassungsrechts GK-BetrVG/Oetker, § 111 Rn. 60 f. 39 Zu dieser – weiteren – funktionalen Beschränkung in Fällen des § 21b BetrVG etwa Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 21b Rn. 16 ff.; ErfK/Koch, § 21b BetrVG Rn. 3. 40 BAG v. 23. 9. 1982, 6 ABR 42/81, BAGE 40, 163 = ZIP 1983, 724 – III.2. der Gründe m. w. N. Zustimmend GK-BetrVG/Franzen, § 1 Rn. 57 m. w. N. 41 H. M., etwa GK-BetrVG/Franzen, § 1 Rn. 57; Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 87. 42 BetrVG, § 1 Rn. 87. 43 BAG v. 12. 2. 1987, 2 AZR 247/86, NZA 1988, 170 – II.1.a) der Gründe. Zustimmend etwa ErfK/Koch, § 1 BetrVG Rn. 12; Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Maschmann, § 1 BetrVG Rn. 10. 37

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Betriebs sein44 . Allenfalls läßt sich sagen, daß der Gesetzgeber bei Veränderungen der Belegschaftsstärke jenseits der in § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG genannten Grenzen »von einer ›automatischen‹ Identitätsänderung aus[geht]«45. Vor allem aber zielt der Gedanke der Belegschaft als Einheit mit betriebsverfassungsrechtlicher Identität auf die »Legitimationsbasis« des Betriebsrats. Darauf kann es nur in der »Betriebsdemokratie« ankommen. Für die Betriebsverfassung muß die entscheidende Frage nicht dahin gehen, ob sich der Betriebsrat noch auf die Wahlentscheidung »seiner« Belegschaft stützen kann, sondern dahin, ob die mitbestimmte Einheit »Betrieb« noch existiert46 . Welche Kriterien insoweit maßgebend sind, wenn die Leitungsstrukturen in sozialen und personellen Angelegenheiten47 erhalten bleiben, ist ungeklärt48 . Will man diese Betriebsidentität nicht mit der von Stöckel 49 vorgeschlagenen wertenden Gesamtbetrachtung in die Einzelfall-Beliebigkeit verabschieden, ist an den Betriebsänderungs-Tatbeständen des § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG anzusetzen. Jede grundlegende Änderung der Betriebsorganisation wirft die Identitäts-Frage auf, ebenso die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und/oder Fertigungsverfahren. Für die grundlegende Änderung des Betriebszwecks und die nicht nur unerhebliche50 räumliche Verlegung gilt das nur, wenn in der Folge auch die Organisation wesentlich angepaßt werden muß – weil (erst) dann zur Stillegung mit anschließender Eröffnung eines neuen Betriebs abzugrenzen ist 51 : Wenn und weil »Spielautomaten [. . .] im Verhältnis zum Spiel an Spieltischen etwas völlig Neues und Andersartiges« sind 52 , ist die Automatenspielhalle auch betriebsverfassungsrechtlich nicht mehr das alte Spieltisch-Casino. Mag die Belegschaft auch weiterarbeiten, ihre Arbeitssituation verändert sich schon mit Blick auf den Kundenkontakt von Grund auf53 . Demgegenüber bleibt der Wanderzirkus unabhängig von der charakteristischen Ortsveränderung derselbe (i. S. d. BetrVG), auch wenn ganz überwie-

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Ähnlich Fischer, RdA 2005, 39, 43. Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234. 46 Ähnlich Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234. 47 Nach Stöckel, Amt, S. 139 ist dieser Leitungsapparat das »wichtigste Kennzeichen der betrieblichen Identität«. 48 Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234. 49 Amt, S. 51 ff., 132 ff. Ähnlich Fischer, RdA 2005, 39, 42. 50 Zur Erheblichkeitsschwelle im Rahmen des § 111 Satz 3 Nr. 2 BetrVG etwa GK-BetrVG/Oetker, § 111 Rn. 118 ff. 51 Dazu im Kontext der Betriebsverlegung GK-BetrVG/Oetker, § 111 Rn. 122 f. Weitergehend mit Blick auf die Zweckänderung Fischer, RdA 2005, 39, 43: »wenn ein Betrieb geändert wird, wird er im Regelfall auch seine Identität ändern.« 52 BAG v. 17. 12. 1985, 1 ABR 78/83, BAGE 50, 307 = NZA 1986, 804 – II.1.b) der Gründe bejaht eine grundlegende Änderung des Betriebszwecks. 53 BAG v. 17. 12. 1985, 1 ABR 78/83, BAGE 50, 307 = NZA 1986, 804 – II.1.b) der Gründe. 45

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gend neue Artisten auftreten 54 . Er verliert seine betriebsverfassungsrechtliche Identität jedoch, wenn eine reine Artistikshow zugunsten einer ganz überwiegend von Tierauftritten geprägten Darbietung aufgegeben wird. Das gilt selbst dann, wenn die Mitarbeiter bleiben und zum Dompteur umschulen. Bei der räumlichen Verlegung prinzipiell ortsgebundener Betriebe ist nicht anhand der Belegschaftsstruktur zur Stillegung abzugrenzen, sondern mit Blick darauf, ob der Arbeitgeber die Betriebstätigkeit nur unterbricht oder für eine nicht nur unerhebliche Zeit mit Stillegungsabsicht einstellt. Betriebsverfassungsrechtlich kann die identitätszerstörende Reorganisation nicht anders behandelt werden als die Betriebsstillegung 55. Aus Sicht des BetrVG ist in beiden Fällen (nur) die Frage nach den Folgen des Untergangs der mitbestimmten Einheit Betrieb zu beantworten. Daß gegebenenfalls ein »neuer« Betrieb unmittelbar anschließend seine Tätigkeit aufnimmt, spielt insoweit keine Rolle, sondern ist eine Frage nur der Betriebsverfassung in dieser neuen Einheit. In der Folge ist der gewählte Betriebsrat für diese neue Einheit nicht zuständig. Er verliert sein reguläres Mandat, bleibt aber im Restmandat nach § 21b BetrVG vorerst weiter im Amt. [3] Gesamt- und Konzernbetriebsräte Auch auf den höheren Ebenen der betrieblichen Mitbestimmung hängt der Fortbestand von Arbeitnehmervertretungen nicht von Legitimationserwägungen ab. Der Gesamtbetriebsrat bleibt – nach § 48 Abs. 1 BetrVG zwingend – im Amt, solange das Unternehmen fortbesteht 56 und in dem Unternehmen mehrere Betriebsräte bestehen 57. Weil die Betriebsbelegschaften den einmal errichteten Betriebsrat nicht mehr abschaffen können, endet der Gesamtbetriebsrat im lebenden Unternehmen nur, wenn so viele betriebsratsfähige Betriebe des Unternehmens untergehen, daß höchstens einer mit konstituiertem Betriebsrat übrigbleibt 58 . Das Gesetz hebt also auf die – unter Umständen eher »technische«, da vom Arbeitgeber steuerbare – Frage ab, ob der zweite Betriebsrat bestehenbleibt, ignoriert aber gegebenenfalls den unter Legitimati54 Neu gewählt werden müßte ein Betriebsrat freilich, sollten die Voraussetzungen der § 13 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 BetrVG erfüllt sein. 55 Vgl. Fischer, RdA 2005, 39, 40, der bei Identitätsverlust durch Eingliederung eines Betriebs mit Betriebsrat ein Restmandat nach § 21b BetrVG bejaht. 56 Zur Bindung des Gesamtbetriebsrats an das Unternehmen Trappehl/Nussbaum, BB 2011, 2869, 2870; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 47 Rn. 8 ff. Anders insoweit Salamon, RdA 2008, 24 ff., der den Gesamtbetriebsrat an die Betriebe des Unternehmens gebunden sieht. 57 BAG v. 5. 6. 2002,7 ABR 17/01, BAGE 101, 273 = NZA 2003, 336 – B.I.1. der Gründe: das Amt des Gesamtbetriebsrats endet, wenn die Errichtungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt sind. 58 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 47 Rn. 7, der sich unter Rechtssicherheitsgesichtspunkten dagegen ausspricht, die (auch kurzfristige) Aussicht auf einen zweiten Betriebsrat ausreichen zu lassen.

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onsgesichtspunkten ungleich schwerwiegenderen Wegfall eines Großteils der Unternehmensbelegschaft. Selbst auf der Konzernebene kommt es auf den »Fortbestand der Legitimation« nicht an. Zwar erhebt das BetrVG einen (durch die Gesamtbetriebsräte »vermittelten«) Mehrheitsbeschluß der Konzernbelegschaften zur Errichtungsvoraussetzung des Konzernbetriebsrats. Die bestätigende Wiederholung dieses Beschlusses ist jedoch selbst dann nicht vorgesehen, wenn arbeitnehmerreiche Tochtergesellschaften entkonzerniert werden. Deshalb bleibt der Konzernbetriebsrat im Amt, solange der Konzern fortbesteht – ohne Rücksicht darauf, ob durch die verbleibenden Gesamtbetriebsräte oder nach § 54 Abs. 2 BetrVG ersatzweise funktionell zuständigen Betriebsräte noch mehr als die Hälfte der verbleibenden Konzernbelegschaft repräsentiert wird 59. b. Mitbestimmungskonkurrenz bei »Zusammenfassung« mitbestimmter Einheiten Keine nur »betriebsinterne« Strukturänderung betreffen die Fälle des Übergangsmandats nach § 21a BetrVG. In der Sache geht es hier stets um die Zuständigkeit eines Betriebsrats für einen Betrieb, in dem er nicht gewählt wurde. Aus »betriebsdemokratischer« Perspektive ist das eine Repräsentation ohne Legitimation60 im Vorgriff auf einen noch zu wählenden neuen Betriebsrat, die von vornherein zeitlich begrenzt werden muß61. Dieses vermeintliche Defi zit wird bei der Betriebsspaltung noch akzeptiert, weil der Betriebsrat vor der Maßnahme für die beiden neuen Einheiten »legitimiert« war62 . Werden Betriebe hingegen i. S. v. § 21a Abs. 2 BetrVG »zusammengefasst«63 , entscheidet § 21a Abs. 2 Satz 1 BetrVG nach dem Prinzip der größten Zahl, das dann nach Rieble 64 »einen Wahlakt ersetzt« und also die Legitimationsfrage beantworten soll. Das ist für die in § 21a Abs. 2 Satz 1 BetrVG geregelten Strukturmaßnahmen ausdrücklich angeordnet. Interessanter sind daher die Folgerungen für nicht normierte Fälle: § 21a Abs. 2 Satz 1 BetrVG rechnet damit, daß zwei Betriebsräte um die Repräsentation der Arbeitnehmer in nur noch einer mitbe59

Im Ergebnis ebenso Rieble/Kolbe, KTS 2009, 281, 300 m. w. N. auch zur Gegenmeinung. 60 Rieble/Gutzeit, ZIP 2004, 693, 696 f. begreifen die Legitimationsfrage als zentrales Problem des Übergangsmandats. 61 Zu diesem »aus dem Demokratieprinzip abgeleiteten Ansatz« Fischer, RdA 2005, 39, 41. 62 Nach BAG v. 18. 9. 2002, 1 ABR 54/01, BAGE 102, 356 = NZA 2003, 670 – B.III.2.a) dd) der Gründe behalten in einem solchen Falle Betriebsvereinbarungen »ihre demokratische Legitimation«. 63 Zur mißverständlichen Terminologie des Gesetzes Rieble, NZA Sonderbeilage zu Heft 16/2003, 62 f., der von einer »Betriebsverschmelzung« sprechen will. 64 NZA 2002, 233, 237.

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stimmten Einheit »konkurrieren«. Das Prinzip der größten Zahl wird aber auch dann ins Feld geführt, wenn diese Konkurrenzsituation fehlt, weil nicht alle zusammengefaßten Betriebe Betriebsräte hatten. So soll ein Übergangsmandat ausscheiden, wenn die – nach der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer – größere der zusammengefaßten Einheiten keinen Betriebsrat hatte 65 ; andernfalls würde der Mehrheit ein von ihr nicht legitimierter Betriebsrat aufoktroyiert. Indes ist die Legitimation der Arbeitnehmervertreter mit der hier vertretenen Ansicht schon deshalb unproblematisch, weil sie nicht durch die Wahl vermittelt wird, sondern durch die gesetzliche Anordnung, nach welcher der Betriebsrat die Interessen aller Arbeitnehmer des Betriebs zu vertreten hat. Daß gegebenenfalls dem überwiegenden Teil der Belegschaft ein Betriebsrat aufgenötigt wird, ist kein Systembruch. Generell räumt das BetrVG der Mehrheitsentscheidung gegen die betriebliche Mitbestimmung keinen hohen Stellenwert ein, sondern zielt auf eine möglichst flächendeckende Versorgung mit Arbeitnehmervertretungen in betriebsratsfähigen Einheiten66 . Dieses zwangskorporative Element spricht entscheidend dafür, Übergangsmandate in neuen Betrieben schon dann zu eröffnen, wenn nur in einer der zusammengefaßten Einheiten ein Betriebsrat errichtet war. Das Prinzip der größten Zahl ist keine Legitimationsfrage, sondern sichert (im Zusammenspiel mit der zeitnah eingeforderten Neuwahl) eine möglichst weitreichende Akzeptanz des von vornherein paternalistisch angelegten Übergangsmandats. Es »schützt« daher nicht vor Übergangsmandaten, sondern entscheidet nur darüber, welcher Betriebsrat zum Zuge kommt. Gesetzlich mandatiert ist stets der Betriebsrat der nach der Arbeitnehmerzahl größten zusammengefaßten Einheit mit Betriebsrat67. Das Übergangsmandat ist auch nicht in personeller Hinsicht auf die Wähler des Übergangs-Betriebsrats zu beschränken, sondern gilt für den gesamten neuen Betrieb68 . Entfallen soll das Übergangsmandat auch, wenn ein Betrieb (oder ein zunächst ausgegliederter Betriebsteil) in einen bereits bestehenden, betriebsratslosen Betrieb so eingegliedert wird, daß der aufnehmende Betrieb seine Identität behält69. Auf den ersten Blick liegt hier eine Parallele zu der eben erörterten »Verschmelzung« verschiedener Betrieb(steil)e zu einem neuen Betrieb nahe. Genauer besehen liegt der Fall der Eingliederung jedoch strukturell anders: überdauert (nur) ein präexistenter Betrieb die Strukturmaßnahme, konkurrieren nicht zwei oder mehrere »eigentlich« unzuständige Betriebsräte um 65 Rieble, NZA Sonderbeilage zu Heft 16/2003, 62, 65; dagegen Richardi/Thüsing, BetrVG, § 21a Rn. 11. 66 Näher § 2 C.II.2.a., S. 119 f. 67 P. Hanau, NJW 2001, 2513, 2515; ErfK/Koch, § 21a BetrVG Rn. 4. 68 Rieble, NZA Sonderbeilage zu Heft 16/2003, 62, 65; Richardi/Thüsing, BetrVG, § 21a Rn. 11; anders O. Kittner, NZA 2012, 541, 545 f.; ErfK/Koch, § 21a BetrVG Rn. 8. 69 Jeweils m. w. N. GK-BetrVG/Kreutz, § 21a Rn. 63; Richardi/Thüsing, BetrVG, § 21a Rn. 10. Zur »Eingliederung« i.d.S. Fischer, RdA 2005, 39 ff.

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das Übergangsmandat. Vielmehr drohte durch ein solches Sondermandat Mitbestimmungskonkurrenz zu der Arbeitnehmervertretung der nach wie vor intakten und potentiell mitbestimmten Einheit. Eben deshalb schließt § 21a Abs. 1 Satz 1 BetrVG a. E. ein spaltungsbedingtes Übergangsmandat aus, wenn der aufnehmende Betrieb bereits einen Betriebsrat (im Regelmandat) hat. Dahinter steht nicht der Grundsatz, das Übergangsmandat müsse dem »besser legitimierten« Regelmandat weichen70 , sondern der Respekt vor der Zuordnungsentscheidung des Betriebsverfassungsrechts, die (potentiell) mitbestimmte Einheiten voneinander scheidet. Diese Wertung fällt nicht anders aus, wenn die nach Umstrukturierung fortbestehende Einheit keinen Betriebsrat hat. Auch dann kommt es weder auf die Legitimation von Fremdbestimmung durch das Übergangsmandat an, noch auf die Zahl der (potentiell) repräsentierten Arbeitnehmer, sondern einzig auf die betriebsverfassungsrechtliche Integrität des aufnehmenden Betriebs. Der Gegenschluß aus § 21a Abs. 1 Satz 1 BetrVG a. E. ist mithin nicht zulässig; der dort angesprochene Kompetenzkonfl ikt ist nicht der, der bei Eingliederungen in einen betriebsratslosen Betrieb auftritt 71. Nicht nur § 21a Abs. 2 BetrVG ist angesprochen: Trittin will nach einer Fusion von Konzernen nicht einfach den Konzernbetriebsrat der »untergegangenen« Unternehmensgruppe entfallen lassen, sondern plädiert für den Fortbestand (lediglich) des Konzernbetriebsrats, der die meisten wahlberechtigten Arbeitnehmer repräsentiert72 . Dies entspreche »eher dem demokratischen Repräsentationsprinzip«73 . Es geht also wieder um die »betriebs-, oder hier: konzerndemokratische« Legitimation der Arbeitnehmervertretungen. Das ist auch hier schon deshalb verfehlt, weil die Betriebsverfassung ihre Legitimation nicht »von unten« von den Arbeitnehmern bezieht, sondern »von oben« aus dem Gesetz. Dort aber »fehlt« eine Parallelvorschrift zu § 21a Abs. 2 Satz 1 BetrVG für die Konzernbetriebsverfassung, nach der ein zuständigkeitserweiterndes Sondermandat nach der Zahl der repräsentierten Arbeitnehmer vergeben werden könnte: entfallen Konzern- (oder Gesamt)betriebsräte, gehen den Arbeitnehmern keine Teilhaberechte verloren, sondern sie bestimmen auf den anderen Ebenen der Betriebsverfassung mit 74 . Für die Konzernfusion heißt das: Ist dem nach der Fusion herrschenden Unternehmen des Konzerns bereits ein Konzernbetriebsrat als konzernbetriebsverfassungsrechtlicher Widerpart gegenübergeordnet, bleibt diese Arbeitnehmervertretung bestehen. Andern70 Dazu Rieble, NZA Sonderbeilage zu Heft 16/2003, 62, 63, dessen Ansicht nach »das Prinzip ›Regelmandat vor Übergangsmandat‹ [. . .] kein immergültiges Prinzip [. . .] sein kann«. 71 Das übergeht Fischer, RdA 2005, 39, 40. 72 Däubler/Kittner/Klebe/Wedde/Trittin, BetrVG, § 54 Rn. 130 ff. 73 Däubler/Kittner/Klebe/Wedde/Trittin, BetrVG, § 54 Rn. 133. [Hervorhebung im Original.] 74 Rieble/Kolbe, KTS 2009, 281, 299 m. w. N.

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falls – etwa wenn keine Mutter die Fusion »überlebt« – ist nach § 54 Abs. 1 BetrVG zu entscheiden, ob ein neuer Konzernbetriebsrat errichtet werden soll. Die Frage nach der betriebsverfassungsrechtlichen Identität von Konzernen erübrigt sich: sowenig es eine auf das Unternehmen als Rechtsträger bezogene Arbeitsorganisation gibt 75 ist eine konzernbezogene denkbar. 2. Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen Umstrukturierungen sind Existenzfrage nicht nur für die Arbeitnehmervertretung an sich, sondern auch für bislang geltende Kollektivvereinbarungen. a. Exkurs: Kollektivvertrag oder (doch) Betriebssatzung? Insofern ist schon der rechtliche Ausgangspunkt unklar. Das BAG und die ganz herrschende Auffassung im Schrifttum gehen davon aus, daß sich die einmal vertragsförmlich geschlossene Betriebsvereinbarung von den Vertragsparteien löst, insbesondere unabhängig vom Fortbestand des Betriebsrats weitergilt. Selbst in endgültig betriebsratslos gewordenen Betrieben sollen die Betriebsvereinbarungen normativ weitergelten; kündigen könne der Arbeitgeber notfalls gegenüber allen Arbeitnehmern76 . Unter der Prämisse einer als (Kollektiv-)Vertrag begriffenen Betriebsvereinbarung ist das nicht zu erklären. Nach der zivilrechtlichen Rechtsgeschäftslehre müssen Schuldverhältnisse untergehen, wenn Schuldner oder Gläubiger ersatzlos wegfallen. Lediglich ausnahmsweise kann der Fortbestand im Gläubigerschutzinteresse fi ngiert werden77. Daß nicht abschließend geklärt ist, ob Betriebsvereinbarungen überhaupt schuldrechtliche Abreden zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat enthalten können78 , spielt hier keine Rolle. Unbestreitbar knüpft § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG die Normwirkung gerade an eine vertragsförmige Einigung von Arbeitgeber und Betriebsrat. Soll die einmal wirksam geschlossene Betriebsvereinbarung ohne Rücksicht auf diesen Vertrag und gewissermaßen »selbstherrlich« weitergelten, kann sie ihrem Rechtscharakter nach kein kollektivarbeitsrechtlicher Normenvertrag sein, sondern muß zum »Recht des Betriebs«79 mutieren. Anders ausgedrückt kann nur die »Sat75

Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 237. BAG v. 18. 9. 2002, 1 ABR 54/01, BAGE 102, 356 = NZA 2003, 670 – B.III.2.b)cc) (2) der Gründe; zustimmend GK-BetrVG/Kreutz, § 77 Rn. 383; Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 209; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 77 Rn. 175. 77 Dazu MünchKommBGB/Wenzel, Vor § 362 Rn. 5; Staudinger/Olzen, BGB, Einleitung zu §§ 362 ff. Rn. 14 ff. 78 Dafür Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 59 f.; dagegen GK-BetrVG/Kreutz, § 77 Rn. 187 mit umfassenden Nachweisen. 79 Thüsing, DB 2004, 2474, 2477; weiter Kreutz, FS Kraft, S. 323, 337, der von einer »gesetzesgleichen, selbstherrlichen Geltungswirkung« spricht. In der Sache ähnlich Bachner, NZA 1997, 79, 80 f., der die »Aufrechterhaltung der Gestaltungswirkung einer Betriebsvereinbarung [. . .] als Äquivalent« dafür sieht, »daß der Arbeitgeber [. . .] durch Be76

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zungstheorie« der Betriebsvereinbarung80 dogmatisch erklären, daß Betriebsvereinbarungen als einmal gesetztes Recht weiterleben, obschon der Kollektivvertrag zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat untergeht81. Indes: Die Satzungstheorie ist widerlegt. Weder ist der Betrieb Verband, als dessen »Organe« Arbeitgeber und Betriebsrat Recht setzten, noch läßt sich die Betriebsvereinbarung als Satzung des Belegschaftsverbands begreifen82 . In der Konsequenz bleibt auch die einmal »gesetzte« Betriebsvereinbarung Kollektivvertrag und ist damit an das Schicksal der vertraglichen Einigung der Betriebsparteien gebunden. Fällt ein Vertragspartner ersatzlos weg, endet der Vertrag. Damit entfällt das in § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG aufgegriffene besondere Rechtsgeschäft als Gegenstand des staatlichen Anerkennungsbefehls und die Betriebsvereinbarung endet. Für dieses Ergebnis spricht auch, daß Arbeitgeber und Betriebsrat für das von ihnen – wenn auch nur mittelbar über den gesetzlichen Anerkennungsbefehl – gesetzte Recht eine gemeinsame Regelungsverantwortung schultern müssen. Diese Verantwortung zeigt sich etwa darin, daß die Betriebsvereinbarung nicht dynamisch auf fremde Regelwerke verweisen darf83 . Können die Parteien der Betriebsvereinbarung ihre Regelungsverantwortung nicht (mehr) tragen, etwa weil der Betriebsrat wegfällt, enden die von ihnen abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen84 . Das gilt nicht für die »nahtlose« Amtsübergabe nach einer Betriebsratswahl, weil hier nach dem Grundsatz der Amtskontinuität85 »derselbe« Betriebsrat in neuer personeller Zusammensetzung weiteramtiert – greift aber entgegen dem BAG beispielsweise dann, wenn Betriebe nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b BetrVG »zusammengefaßt« werden86 . Fällt der Betriebsrat weg, kommt auch im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung keine Nachwirkung in Betracht87 : Anders als § 4 Abs. 5 TVG zielt § 77 Abs. 6 BetrVG nicht auf den Bestandsschutz einmal kollektivvertraglich geregelter Arbeitsbedingungen, sondern soll ausschließlich die Übergangsphastimmung des einheitlichen Leitungsapparats [. . .] den Betriebsbegriff unternehmensintern festlegt«. 80 Dezidiert i. S. d. Betriebsvereinbarung als »Satzung« des als Verband gedachten Betriebs etwa Herschel, RdA 1948, 47 ff.; Nebel, Normen des Betriebsverbandes, S. 162 ff. 81 Richtig Kunze, RdA 1976, 31, 32; in diese Richtung auch Rieble, NZA Sonderbeilage zu Heft 16/2003, 62, 68 f. 82 Dazu unter § 2 C.I., S. 110 ff. 83 BAG v. 23. 6. 1992, 1 ABR 9/92, BAGE 70, 356 = NZA 1993, 229 – B.II.1. der Gründe; GK-BetrVG/Kreutz, § 77 Rn. 48. Anders Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 35, dessen Ansicht nach die Vertragsparteien auch bei der Blankettverweisung noch Herr ihrer Regelung bleiben. 84 Dazu Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 77 BetrVG Rn. 20; mit Blick auf Konzernbetriebsvereinbarungen Rieble/Kolbe, KTS 2009, 281, 302 f. Ähnlich Jacobs, FS Konzen, S. 345, 353 f. 85 Zu diesem Grundsatz § 3 D.I.1.c., S. 232 f. 86 BAG v. 7. 6. 2011, 1 ABR 110/09, NZA 2012, 110 – Rn. 14 f. 87 Leitmeier, Nachwirkung, S. 65; GK-BetrVG/Kreutz, § 77 Rn. 399.

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se bis zu einer Neuregelung durch spätere Betriebsvereinbarung (respektive durch späteren Spruch der Einigungsstelle) überbrücken88 . Weil aber ein neuer Betriebsrat bei Beendigung der Betriebsvereinbarungen mit Wegfall des Betriebsrats noch nicht installiert sein kann, muß auch die Nachwirkung scheitern. Ob mit einem neuen Betriebsrat zu rechnen ist, spielt keine Rolle. Solche Aussichten sind zu »vage«, um betriebsverfassungsrechtliche Rechtsfolgen auszulösen89. Sollte sich die Prognose als falsch erweisen, ließe sich der dann gebotene Betriebsvereinbarungsentfall dogmatisch nicht mehr erklären. Die Praxis begegnet dem Rechtsrisiko des Betriebsvereinbarungsentfalls mit Anerkennungsvereinbarungen, in denen die vor der Umstrukturierung geltenden Betriebsvereinbarungen für neu entstandene Betriebe durch statische Verweisung »bestätigt« werden. Entsprechende Garantien vor der Strukturmaßnahme sind zwar rechtlich unverbindlich, aber gleichwohl üblich – als »emotionale Beruhigung«90 . b. Strukturmaßnahmen und Rechtsträgerwechsel Weil die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen nach dem Betriebsübergang in § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB besonders geregelt ist, muß im Ansatz unterschieden werden zwischen »unternehmensinternen« Strukturmaßnahmen sowie solchen, in deren Folge ein anderer Rechtsträger den Betrieb übernimmt. [1] Unternehmensinterne Umstrukturierung Bei unternehmensinternen Umstrukturierungen ist dabei im Grundsatz von einem »Gleichlauf von Betriebsrat und Betriebsvereinbarung« auszugehen: Solange der Betrieb (identisch) erhalten bleibt, kann der Betriebsrat weiter im Regelmandat amtieren und gelten Betriebsvereinbarungen normativ fort. Nur insoweit ist zugleich die »Betriebsidentität« i. S. des Fortbestands des Betriebs als mitbestimmter Einheit conditio sine qua non für die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen 91. Weil der weggefallene Betriebsrat die Regelungsverantwortung für die Betriebsvereinbarung nicht mehr tragen kann und als Vertragspartner wegfällt, müssen »alte« Betriebsvereinbarungen nachwirkungs-

88 GK-BetrVG/Kreutz, § 77 Rn. 401 m. w. N. Eingehend zu den unterschiedlichen Zwekken der Nachwirkungsanordnungen nach § 4 Abs. 5 TVG und § 77 Abs. 6 BetrVG Leitmeier, Nachwirkung, S. 64 ff. 89 Vgl. Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 47 Rn. 7, dessen Ansicht nach der Gesamtbetriebsrat auch dann nicht weiter amtieren kann, wenn damit zu rechnen ist, daß das Unternehmen in Kürze wieder mindestens zwei Betriebsräte bekommt. Deshalb ist es entgegen Kreutz, FS Kraft, S. 323, 336 f. auch nicht »wertungsmäßig« zwingend, daß Betriebsvereinbarungen weitergelten müßten, wenn der Betriebsrat nur kurzfristig wegfällt. 90 Rieble, NZA Sonderbeilage zu Heft 16/2003, 62, 72. 91 Anders BAG v. 27. 7. 1994, 7 ABR 37/93, NZA 1995, 222 – II. der Gründe: Betriebsidentität als »entscheidende Grundlage für die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen«.

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los92 enden 93 . Eine Analogie zu § 613a BGB 94 ist für unternehmensinterne Strukturmaßnahmen methodisch ausgeschlossen, weil die Fortgeltungsfrage im Gesetzgebungsverfahren zur BetrVG-Reform 2001 thematisiert wurde, ohne daß eine entsprechende Regelung normiert worden wäre95. Überdies belegt der besondere »Schutz« der Betriebsvereinbarung nach § 613a BGB kein allgemeines Prinzip der Betriebsverfassung, sondern ist – gerade mit Blick auf die Frage der kollektivrechtlichen Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen 96 – europarechtlich angeordnete Ausnahme nur für den Fall des Arbeitgeberwechsels. Die normative Geltung von Betriebsvereinbarungen nach Strukturmaßnahmen steht mithin unter der Voraussetzung, daß der Betriebsrat als Vertragspartner erhalten bleibt. Grundsätzlich muß damit auch der »identische« Betrieb bestehenbleiben. Indes spricht vieles dafür, mit dem BAG das Übergangsmandat nach § 21a Abs. 1 BetrVG für einen abgespaltenen und verselbständigten Betriebsteil um die normative Fortgeltung »mitgebrachter« Betriebsvereinbarungen zu ergänzen 97. Das strapaziert zwar den engen, auf die betriebsverfassungsrechtliche Übergangsphase beschränkten Zweck des § 21a BetrVG. Daß die Betriebsvereinbarung aber nicht doppelt weitergelten dürfe, weil denknotwendig nicht beide Produkte der Betriebsspaltung mit dem früheren Betrieb identisch sein können 98 , ist kein Argument. Die Betriebsvereinbarung ist gerade kein an den Betrieb gebundenes Betriebsrecht. Jedenfalls in zwei anderen Fällen gelten Betriebsvereinbarungen unabhängig von der Betriebsidentität weiter: Fällt der Betrieb als Anknüpfungspunkt der betrieblichen Mitbestimmung weg, gelten Gesamt- und Konzernbetriebsvereinbarungen für die nach Umstrukturierung übrigen Betriebe gleichwohl normativ, sofern der (fortbestehende!) Gesamt- oder Konzernbetriebsrat diese Kollektivverträge im Rahmen seiner originären Zuständigkeit (§§ 50 Abs. 1 Satz 1, 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) abgeschlossen hat99. Hier zeigt das Gesetz mit dem Mentorenprinzip, daß die Betriebsvereinbarung auf den »oberen« Ebenen der betrieblichen Mitbestimmung nicht »von unten« – vermittelt durch die Teilhabe (fortbestehender) Betriebsräte – legitimiert werden muß100 . 92

Thüsing, DB 2004, 2474, 2478 m. w. N. auch zur Gegenmeinung. Thüsing, DB 2004, 2474, 2476 f.; Kreßel, DB 1989, 1623, 1625. Weitere Nachweise zum Meinungsstand bei Bachner, NZA 1997, 79 f. 94 Sie befürworten P. Hanau, RdA 1989, 207, 211; Düwell, NZA 1996, 393, 399. 95 Dazu Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 235; Thüsing, DB 2004, 2474, 2478. 96 Hierzu sogleich [2], S. 312 ff. 97 BAG v. 18. 9. 2002, 1 ABR 54/01, BAGE 102, 356 = NZA 2003, 670 – B.III.2.a)dd) der Gründe; ebenso Kreutz, FS 50 Jahre BAG, S. 993, 1008 ff. 98 Dazu Preis/Richter, ZIP 2004, 925, 928 ff. m. w. N.; Thüsing, DB 2004, 2474, 2477. 99 GK-BetrVG/Kreutz, § 50 Rn. 81. 100 Anders freilich die h. M., nach der ein Gesamtbetriebsrat durch die Betriebsräte und mittelbar durch die Arbeitnehmer der Betriebe »legitimiert« wird; exemplarisch Salamon, RdA 2008, 24, 26. 93

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Normwirkung äußern Gesamt- und Konzernbetriebsvereinbarungen selbst in betriebsratslosen Betrieben101. Außerdem überdauern den Betrieb Betriebsvereinbarungen, denen das Gesetz von vornherein Geltung (auch) nach dem Ende des Betriebs zuweist. Angesprochen sind damit Betriebsvereinbarungen, auf die sich das Restmandat i. S. v. § 21b BetrVG bezieht – insbesondere der Sozialplan. Hier belegt die Sonderregelung des § 112 BetrVG den Willen des Gesetzgebers, kollektivvertragliche Ansprüche gerade auch nach Betriebsstillegung zuzulassen102 . Zu weit geht es indes, insoweit darauf abzustellen, ob die Betriebsvereinbarung selbst auf eine Geltung jenseits der zeitlichen Betriebsgrenzen ausgelegt ist – etwa Vereinbarungen über Versorgungsleistungen der betrieblichen Altersvorsorge103 . Die Betriebsvereinbarung kann nicht selbstreferentiell die eigenen Geltungsvoraussetzungen abbedingen104 . Deshalb enden Betriebsvereinbarungen über Versorgungsansprüche ausgeschiedener Arbeitnehmer mit Betrieb und Betriebsrat, unabhängig davon, ob diese Vereinbarungen nach dem Willen der Betriebspartner »den Betrieb überleben« sollen. Wie im Fall der Kündigung einer solchen Betriebsvereinbarung muß der Arbeitgeber freilich erworbene und geschützte Besitzstände der (ausgeschiedenen) Arbeitnehmer wahren105. [2] Betriebsübergang und Umwandlung Übernimmt ein anderer Rechtsträger den Betrieb, gelten Betriebsvereinbarungen auch unter dem neuen Betriebsinhaber: § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ordnet das ausdrücklich an; für Unternehmens-Umwandlungen durch Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung verweist § 324 UmwG auf die Regeln über den Betriebsübergang106 . Freilich meint § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nach überkommener Auffassung keine kollektiv-normative Fortgeltung, sondern ordnet eine Transformation betriebsverfassungsrechtlicher Normen in individualrechtliche Arbeitsbedingungen an107. In der Konsequenz ist die Fra101

Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 237. Anders für Konzernbetriebsvereinbarungen LAG Düsseldorf v. 3. 11. 2011, 5 TaBV 50/11, Kurzwiedergabe ArbR 2012, 23 – I.2.2.2 der Gründe: keine Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats für »betriebsratsunfähige« Betriebe. [Rechtsbeschwerde anhängig unter 7 ABR 93/11.] 102 Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234; Thüsing, DB 2004, 2474, 2477. 103 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 77 Rn. 161 bejahen auch hier die Fortgeltung. 104 Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234. 105 Für die Kündigung von Betriebsvereinbarungen über Versorgungsansprüche etwa Schnitker/Sittard, NZA 2011, 331, 333. 106 Der eigentliche Grund der Fortgeltung ist in diesen Fällen jedoch die Gesamtrechtsnachfolge, die nach allgemeiner Ansicht auch die Parteistellung in Betriebsvereinbarungen betrifft; Kreutz, FS Kraft, S. 323, 332 f. 107 Wohl noch h. M., etwa MünchArbR/Wank, § 102 Rn. 162. Dagegen etwa Sagan, RdA 2011, 163 ff. mit umfassenden Nachweisen; ErfK/Preis, § 613a BGB Rn. 112. Für Tarifverträge geht das BAG inzwischen von einer kollektivrechtlichen Weitergeltung aus, weitgehend vergleichbar der Nachbindung i. S. v. § 3 Abs. 3 TVG; BAG v. 22. 4. 2009, 4 AZR

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ge aufgeworfen, ob Betriebsvereinbarungen zumindest dann (vorrangig) kollektiv-normativ weitergelten, wenn der Betrieb trotz des Inhaberwechsels »identisch« bleibt108 . Dieses Bestandsschutzkonzept muß schon deshalb scheitern, weil die Betriebsvereinbarung als kollektivarbeitsrechtlicher Normenvertrag durchgängig von der Regelungsverantwortung beider Vertragsparteien getragen sein muß109. Daran fehlt es nicht nur, wenn der Betriebsrat wegfällt, sondern auch, wenn der Rechtsträger auf Arbeitgeberseite wechselt. Insofern muß schon ausreichen, daß der Betriebsveräußerer als Mit-Normgeber sein Kündigungsrecht nicht mehr ausüben kann. Daß der Arbeitgeber i. S. d. Betriebsverfassungsrechts als Vertragspartei der Betriebsvereinbarung »austauschbar« sein soll, müßte aus vertragsrechtlicher Perspektive im Gesetz besonders angeordnet sein110 . Für die Gesamtrechtsnachfolge nach dem Arbeitgeber ist eine entsprechende Wertung in § 126 Abs. 1 Nr. 9 UmwG zu erkennen. Der Gesetzgeber hat Betriebe und Betriebsteile »real als Spaltungsgegenstände« ausgewiesen; dann muß »auch die Parteistellung in der Betriebsvereinbarung als Rechtsposition gewertet werden, die kraft Gesamtrechtsnachfolge [. . .] übergeht.«111 Auf § 324 UmwG i. V. m. § 613a BGB kommt es insoweit nicht an. Demgegenüber hängt die normative Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen bei der Singularsukzession durch Betriebsübergang entscheidend davon an, ob § 613a BGB nicht nur die Übernahme der Arbeitsverträge anordnet, sondern auch die der vom Veräußerer abgeschlossenen (und noch geltenden) Kollektivverträge. Die Frage wird überwiegend verneint112 . Insbesondere ist anerkannt, daß der Betriebserwerber nicht in die Stellung des Veräußerers als Vertragspartei des Haustarifvertrags einrückt113 . Jedoch ist der Haustarifvertrag insofern besonders114 , als eine staatlich angeordnete Vertragsübernahme hier nicht nur an der Privatautonomie des Zwangsbeglückten gemessen werden muß, sondern immer auch an dessen negativer Koalitionsfreiheit, entge100/08, BAGE 130, 237 = NZA 2010, 41 – Rn. 61 ff.; v. 26. 8. 2009, 5 AZR 969/08, BAGE 132, 36 = NZA 2010, 173 – Rn. 20. 108 BAG und herrschende Ansicht in der Literatur bejahen dies: Etwa BAG v. 27. 7. 1994, 7 ABR 37/93, NZA 1995, 222 – B.II. der Gründe; v. 18. 9. 2002, 1 ABR 54/01, BAGE 102, 356 = NZA 2003, 670 – B.III.2.a)bb) der Gründe. Aus dem Schrifttum etwa Hanau/Vossen, FS Hilger/Stumpf, S. 271, 273 ff.; Kreutz, FS 50 Jahre BAG, S. 993 ff.; Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 77 Rn. 168. 109 Soeben a., S. 308 ff. 110 Dazu Rieble, NZA Sonderbeilage zu Heft 16/2003, 62, 68. 111 Kreutz, FS Kraft, S. 323, 332 f. 112 Rieble, FS Wiese, S. 453, 466; Wank, NZA 1987, 505, 507 f. 113 BAG v. 20. 6. 2001, 4 AZR 295/00, NZA 2002, 517 – I.1.c)cc) der Gründe; bestätigt BAG v. 29. 8. 2001, 4 AZR 332/00, BAGE 99, 10 = NZA 2002, 513 – I.2.c)bb) der Gründe; zustimmend MünchKommBGB/Müller-Glöge, § 613a Rn. 130 m. w. N. 114 Nach Einschätzung von Thüsing, DB 2004, 2474, 2477 hat die »Wertung beim Haustarifvertrag [. . .] nur wenig Aussagegehalt für die Betriebsvereinbarung«.

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gen der herrschenden Auffassung – die nur das Fernbleibe- und Austrittsrecht von Art. 9 Abs. 3 GG geschützt sieht115 – extensiv verstanden i. S.e. Rechts auf »Freiheit vom Tarifvertrag«116 . Der Schutzumfang der negativen Koalitionsfreiheit ist hier nicht zu bestimmen. Festzuhalten bleibt nur, daß die Frage nach einer in § 613a BGB angeordneten Betriebsvereinbarungsübernahme mit dem Verweis auf den Haustarif noch nicht abschließend beantwortet ist117. Der Wortlaut des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB und die dahinter stehende Regelungsabsicht des Gesetzgebers lassen sich jedenfalls dahin verstehen, daß eine gesetzliche Kollektivvertragsübernahme gewollt ist118 . Aus dieser Perspektive wäre die »entscheidende Rechtsfolgenanordnung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB [. . .] nicht die Überführung kollektiven Rechts in den Arbeitsvertrag, sondern der Übergang kollektiver Rechte und Pfl ichten im Sinne einer kollektivrechtlichen Sukzession des Erwerbers in die Rechtsstellung des Veräußerers.«119 Ob das in der Sache richtig ist, mag hier dahinstehen. Wichtig ist nur, daß diese »Sukzession« mit Blick auf den Arbeitgeberwechsel unabdingbare Voraussetzung für die kollektivrechtliche Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen nach Betriebsübergang ist. Auch wenn der Betrieb identisch bleibt, läßt sich die Weitergeltung trotz Wegfall eines Vertragspartners betriebsverfassungsrechtlich nicht begründen. Insbesondere verbieten sich auch hier alle Anleihen bei der »Satzungstheorie«. Die Fortgeltung kann ausschließlich Folge einer auch kollektivrechtlichen Sukzession des Erwerbers in die betriebsverfassungsrechtliche Vertragspartnerstellung des Veräußerers nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB sein120 . c. Gesamt- und Konzernbetriebsvereinbarungen Bei der unternehmens- oder konzerninternen Umstrukturierung gelten Gesamt- respektive Konzernbetriebsvereinbarungen – von der Delegation abge-

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Nur ErfK/Dieterich, Art. 9 GG Rn. 36 m. w. N. I.d.S. etwa EuGH v. 9. 3. 2006, C-499/04, Slg. 2006, I-2397 = NZA 2006, 376 – »Werhof« Rn. 34 ff.; BGH v. 18. 1. 2000, KVR 23/98, NZA 2000, 327 – »Tariftreueerklärung II« zu B.I.2.c)cc) der Gründe. Weiter BAG v. 4. 6. 2008, 4 AZR 419/07, BAGE 127, 27 = NZA 2008, 1366 – »Blitzwechsel« Rn. 59: der Vierte Senat stützt die OT-Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband auf die negative Koalitionsfreiheit; dagegen Hensche, NZA 2009, 815, 819. 117 Anders Rieble, NZA Sonderbeilage zu Heft 16/2003, 62, 68. Ähnlich derselbe, FS Wiese, S. 453, 466: »Systembruch zum vergleichbaren Haustarifvertrag«. 118 Eingehend Sagan, RdA 2011, 163, 167 ff., der ein »Sukzessionsmodell« sieht; zustimmend ErfK/Preis, § 613a BGB Rn. 112 ff. 119 Sagan, RdA 2011, 163, 167. [Hervorhebung im Original.] 120 Unentschlossen Sagan, RdA 2011, 163, 172, der aber richtig die Spezialität des als gesetzliche Kollektivvertragsübernahme verstandenen § 613a BGB gegenüber den allgemeinen Regeln des Betriebsverfassungsrechts betont. 116

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sehen121 – weiter, solange die Arbeitnehmervertretung auf der jeweiligen Ebene erhalten bleibt. Auf die Identität einzelner Betriebe kommt es nicht an122 . Entfallen im Unternehmen die Errichtungsvoraussetzungen des Gesamtbetriebsrats, gelten die Gesamtbetriebsvereinbarungen nach überwiegender Ansicht als (Einzel-)Betriebsvereinbarungen weiter123 . Daß Gesamtbetriebsvereinbarungen i.d.S. »herabsinken« und sich vom Kollektivvertrag und der Regelungsverantwortung auch des Gesamtbetriebsrats lösen, ist nur auf der Grundlage der Satzungstheorie zu erklären – nicht anders als die Fortgeltung von Einzelbetriebsvereinbarungen nach dem Ende des Betriebsrats. Die ganz überwiegend befürwortete Weitergeltung ist in beiden Fällen aus denselben Gründen abzulehnen124 . Problematisch ist der Betriebsübergang: Weil der Gesamtbetriebsrat als Gremium an das Unternehmen gebunden ist125 , bleibt er nach einem Betriebsübergang entweder beim Veräußerer zurück oder fällt weg, weil die Errichtungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt sind. Zwar hat das BAG offen gelassen, ob ein Erwerber, der alle Betriebe eines Unternehmens (identisch) übernimmt und (vorher) keine eigenen Betriebe unterhalten hatte, sich auch den Veräußerer-Gesamtbetriebsrat einkauft126 . Das kann aber schon deshalb nicht richtig sein, weil der Gesamtbetriebsrat für die mitbestimmte Einheit »Unternehmen« gebildet wird, und also nach der konkurrenzhindernden Zuordnungsentscheidung des BetrVG nicht in andere Unternehmen interferieren darf127. Eine unternehmensbezogene tatsächliche Arbeitsorganisation gibt es nicht128 , dem Einzelbetrieb korrespondiert kein tatsächlicher »Gesamtbetrieb« oder »Betriebsverbund«129, mit dem zusammen Gesamtbetriebsräte »übergehen« könnten130 . In der Konsequenz bedeutet das, daß Gesamtbetriebsvereinbarungen den Betriebsübergang kaum einmal unbeschadet über121 Die im Rahmen des § 50 Abs. 2 BetrVG abgeschlossene Betriebsvereinbarung ist rechtlich Einzelbetriebsvereinbarung. Ebenso ist die im Rahmen einer delegierten Zuständigkeit i. S. d. § 58 Abs. 2 BetrVG abgeschlossene Betriebsvereinbarung material Gesamtoder Einzelbetriebsvereinbarung; Richardi/Annuß, BetrVG, § 50 Rn. 69 und § 58 Rn. 45. 122 Soeben b.[1], S. 310 ff. 123 Etwa GK-BetrVG/Kreutz, § 50 Rn. 80; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde/Trittin, BetrVG, § 50 Rn. 214 f.; anders Richardi/Annuß, BetrVG, § 50 Rn. 71, der (nur im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung) von Nachwirkung ausgeht. 124 Hierzu b.[1], S. 310 ff. 125 Dazu 1.a.[3], S. 304 f. 126 BAG v. 5. 6. 2002, 7 ABR 17/01, BAGE 101, 273 – B.II.2. der Gründe; v. 18. 9. 2002, 1 ABR 54/01, BAGE 102, 356 = NZA 2003, 670 – B.III.2.b)cc)(1) der Gründe. Ebenso Salamon, RdA 2008, 24 ff., 28. 127 Eingehend zu dieser Zuordnungsentscheidung § 3 D.II.2.d.[1], S. 248 ff. 128 Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 237. 129 BAG v. 18. 9. 2002, 1 ABR 54/01, BAGE 102, 356 = NZA 2003, 670 – sub B.III.2.b) bb) der Gründe. 130 Thüsing, DB 2004, 2474, 2479; Richardi/Annuß, BetrVG, § 47 Rn. 27 m. w. N.; grundsätzlich auch Trappehl/Nussbaum, BB 2011, 2869 ff., die aber die vom BAG offen

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stehen können. Schon rein faktisch können Gesamtbetriebsvereinbarungen im Erwerberunternehmen oft nicht mehr gelten, weil nicht alle Betriebe des Veräußererunternehmens übernommen wurden, aber der Regelungsinhalt der dort (nach § 50 Abs. 1 BetrVG notwendig) unternehmenseinheitlich geltenden Kollektivnormen »die Zugehörigkeit zum bisherigen Unternehmen zwingend voraussetzt und [die Gesamtbetriebsvereinbarung daher] nach dem Betriebsübergang gegenstandslos ist«131. Das betrifft nicht nur Ausnahmefälle – und leuchtet etwa für Gesamtbetriebsvereinbarungen über Sozialeinrichtungen des abgebenden Unternehmens unmittelbar ein132 . Rechtlich kommt eine normative Fortgeltung überhaupt nur in Betracht, wenn man als Prämisse akzeptiert, daß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB eine gesetzliche Kollektivvertragsübernahme nicht nur auf Arbeitgeberseite anordnet, sondern zugleich den Vertragspartnerwechsel auf Seiten der Arbeitnehmervertreter133 . Partei der Gesamtbetriebsvereinbarung kann freilich kein vorab bestimmtes Gremium werden, weil nicht gesagt ist, daß ein Betrieb(steil) nach dem Betriebsübergang weiterhin einen Betriebsrat hat und beim Erwerber nicht zwingend ein Gesamtbetriebsrat zu errichten sein muß. Einspringen müßte also die Arbeitnehmervertretung, die beim Erwerber für den Regelungsgegenstand des Kollektivvertrags zuständig ist134 . Notfalls soll der neue Arbeitgeber Gesamtbetriebsvereinbarungen gegenüber allen Arbeitnehmern der übernommenen Belegschaft kündigen können. Auch hier gilt: Begreift man § 613a BGB nicht als beiderseitige Vertragsübernahme kraft Gesetzes, gibt es keinen betriebsverfassungsrechtlichen Grundsatz, der die Normwirkung der Gesamtbetriebsvereinbarung von ihren Normgebern abstrahiert135. Das Bestandsschutzinteresse der Arbeitnehmer trägt die Fortgeltung selbst dann nicht, wenn ein Erwerber mehrere Betriebe des abgebenden Unternehmens identisch weiterführt, der zuvor keine Arbeitnehmer beschäftigt hatte. Daß das BAG anders entscheidet136 , läßt sich nicht mit der Erwägung rechtfertigen, Gesamtbetriebsvereinbarungen gälten nicht im Unternehmen, sondern in den Betrieben des Unternehmens. Aus dieser gehaltene Konstellation als Ausnahme gelten lassen wollen. Demgegenüber hält Salamon, RdA 2008, 24, 28 den »Übergang« eines Gesamtbetriebsrats grundsätzlich für möglich. 131 BAG v. 18. 9. 2002, 1 ABR 54/01, BAGE 102, 356 = NZA 2003, 670 – B.III.2.b)cc) (2) der Gründe. 132 Dazu Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 236 f.; Rieble, NZA Sonderbeilage zu Heft 16/2003, 62, 69 f. 133 Jacobs, FS Konzen, S. 345, 355 sieht keine Rechtsgrundlage für einen Parteiwechsel auf Seiten des Gesamtbetriebsrats – und lehnt die Weitergeltung der vom Gesamtbetriebsrat »abgelösten« Gesamtbetriebsvereinbarung ab. 134 I.d.S. Sagan, RdA 2011, 163, 172. 135 Richtig Jacobs, FS Konzen, S. 345, 353 ff. 136 BAG v. 18. 9. 2002, 1 ABR 54/01, BAGE 102, 356 = NZA 2003, 670 – B.III.2.b)cc) (3) der Gründe. Zustimmend GK-BetrVG/Kreutz, § 50 Rn. 83; im Grundsatz ablehnend Jacobs, FS Konzen, S. 345 ff.

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Analyse der Wirkung folgt nichts, wollte man nicht den Schluß ziehen, daß Gesamtbetriebsvereinbarungen nach dem Wegfall des Gesamtbetriebsrats »in den Betrieben des Unternehmens« weitergelten, also auf die Betriebsebene »herabsinken« und sich zur Betriebsvereinbarung »konkretisieren«137. Das aber ist eben die Vorstellung eines vom Kollektivvertrag befreiten Betriebsrechts, die nur auf der Grundlage der »Satzungstheorie« erklärt werden könnte und eben deshalb zurückgewiesen werden muß. Für Konzernbetriebsvereinbarungen gilt mutatis mutandis nichts anderes: Für entkonzernierte Tochterunternehmen gelten sie nicht mehr, können aber im fortbestehenden Konzern weitergelten, solange dort noch ein Konzernbetriebsrat amtiert138 .

III. Betriebsvereinbarungen 1. Betriebsvereinbarung und Sozialleistungen Im Bereich der sozialen Angelegenheiten erlaubt das BetrVG den Betriebspartnern umfassend, (freiwillige) Betriebsvereinbarungen zu schließen und damit die heteronome Normwirkung des § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG auszulösen. Auch soweit es um materielle Arbeitsbedingungen geht, kann die Betriebsvereinbarung damit Rechte für die Arbeitnehmer schaffen, etwa Ansprüche auf »freiwillige« Leistungen139 begründen140 , oder ihre Rechte beschneiden, etwa individualvertragliche Ansprüche aus einer Gesamtzusage141 »ablösen«. Ob im Verhältnis von Individualvertrag und Betriebsvereinbarung das Günstigkeitsprinzip gilt oder der kollektive Normenvertrag vorgeht, hängt vom Regelungszweck der konkreten Kollektivnorm ab142 : Insoweit ist auch für Betriebsvereinbarungen über Entgelte maßgebend, ob die Betriebsvereinbarung nur Mindestarbeitsbedingungen festsetzt oder ihrem Zweck nach ausschließt, daß einzelne Arbeitnehmer »ausbrechen« und damit die kollektiv getroffene Verteilungsentscheidung unterlaufen.

137 So konsequent BAG v. 18. 9. 2002, 1 ABR 54/01, BAGE 102, 356 = NZA 2003, 670 – unter B.III.2.b)cc)(2) der Gründe. 138 Näher Rieble/Kolbe, KTS 2009, 281, 302 f. 139 Gemeint sind Sondervergütungen jenseits des arbeits- und tarifvertraglich Geschuldeten, die der Arbeitgeber gleichwohl nur mit Blick auf das Arbeitsverhältnis erbringt – als Entgelt und (zusätzliche) Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers; Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB, § 611 Rn. 860. 140 Nur Däubler/Kittner/Klebe/Wedde/Berg, BetrVG, § 88 Rn. 11 m. w. N. 141 Zur Gesamtzusage als »Bündel von Individualverträgen« etwa Kolbe, ZfA 2011, 95, 96 ff. 142 Bereits unter § 3 B.II.2.c.[3][a], S. 195 ff.

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a. Einschränkung des Günstigkeitsprinzips durch die Rechtsprechung Das BAG geht zwar im Grundsatz davon aus, daß im Verhältnis von Arbeitsvertrag und Betriebsvereinbarung das Günstigkeitsprinzip gilt, erlaubt aber unter bestimmten Voraussetzungen, individualvertragliche Ansprüche auf Sozialleistungen143 qua Betriebsvereinbarung abzulösen, selbst wenn damit Ansprüche der Arbeitnehmer verschlechtert werden. Der Günstigkeitsschutz soll dann nicht greifen, wenn die Individualabrede ohnehin »betriebsvereinbarungsoffen« formuliert wurde, der Arbeitgeber sich den Widerruf seiner Zusage vorbehalten hatte oder deren Geschäftsgrundlage entfallen ist144 . Meines Erachtens belegt insbesondere die Großzügigkeit, mit der die Rechtsprechung im Rahmen einer Gesamtzusage abgeschlossene Individualverträge als (konkludent) »betriebsvereinbarungsoffen« eingestuft hat, den Willen vieler Arbeitsrichter zur rechtsfortbildenden Einschränkung des Günstigkeitsprinzips, der freilich nicht offen gelegt wird145. Insofern material vergleichbar ist die Modifi kation des Günstigkeitsprinzips durch den »kollektiven Günstigkeitsvergleich« des Großen Senats146 : Wenn das BAG im Bereich der Sozialleistungen die ablösende Wirkung der »umstrukturierenden« Betriebsvereinbarung gegenüber allgemeinen Arbeitsbedingungen bejaht147, durch die zwar nicht die Belegschaft als Kollektiv, wohl aber einzelne Arbeitnehmer schlechter gestellt werden, zielt das in der Sache auf einen Umverteilungsvorbehalt aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Das Mitbestimmungsrecht wird als Ermächtigungsgrundlage für die Verschlechterung von Individualansprüchen gesehen. In der Zusammenschau wird der Versuch sichtbar, den Günstigkeitsschutz für Individualvereinbarungen zurückzudrängen, soweit diese eine kollektive Dimension aufweisen, also auf einer Verteilungsentscheidung mit Gleichbehandlungsbezug beruhen, in der individueller Erfolg eines Arbeitnehmers notwendig zu Lasten der Kollegen wirkt. In Betracht kommt das etwa für die Leistungen auf Grund einer Gesamtzusage, die »untereinander ein Bezugssystem [bilden]«148 , und die deshalb die vertragsrechtsakzessorische Komponen143 Allgemein zu betrieblichen Sozialleistungen und ihrer Zuordnung zum Arbeitsentgelt GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn. 828 ff. 144 Jeweils m. w. N. BAG v. 15. 2. 2011, 3 AZR 35/09, NZA-RR 2011, 541 = BB 2011, 3068 – Rn. 45 ff.; v. 16. 11. 2011, 10 AZR 60/11, DB 2012, 237 – Rn. 15 f. 145 Kolbe, ZfA 2011, 95, 112 f. m. w. N. 146 BAG (GS) v. 16. 9. 1986, GS 1/82, BAGE 53, 42 = NZA 1987, 168 – C.II.4. der Gründe. 147 Jeweils obiter BAG v. 24. 3. 1992, 1 AZR 267/91, juris – zu II.3.a) der Gründe; v. 28. 3. 2000, 1 AZR 366/99, BAGE 94, 179 = NZA 2001, 49 – zu II.2.a) der Gründe. Skeptisch BAG v. 21. 9. 1989, 1 AZR 454/88, BAGE 62, 360 = NZA 1990, 351 – zu III.2. der Gründe. Offen gelassen BAG v. 15. 2. 2011, 3 AZR 35/09, NZA-RR 2011, 541 = BB 2011, 3068 – Rn. 45; v. 16. 11. 2011, 10 AZR 60/11, DB 2012, 237 – Rn. 16. Dagegen etwa ErfK/ Kania, § 77 BetrVG Rn. 78. 148 Mit Blick auf die Gesamtzusage BAG (GS) v. 16. 9. 1986, GS 1/82, BAGE 53, 42 = NZA 1987, 168 – C.II.1.b) der Gründe.

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te der betrieblichen Mitbestimmung ansprechen149. Nicht mit Blick auf Dotierung und Zweckbestimmung, wohl aber hinsichtlich der Verteilungsfrage ist die rechtsgeschäftliche Zusage des Arbeitgebers (teil-)mitbestimmt150 . Weil mit einer solchen Zusatzleistung die im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze geändert werden, muß zudem der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zustimmen, ehe der Arbeitgeber seiner Belegschaft eine »freiwillige« Zulage verspricht. Insoweit soll es um die Teilhabe der Belegschaft an der Entscheidung über den zweckmäßigen Einsatz der als begrenzt begriffenen Mittel gehen151. b. Mindest- oder Höchstvolumen für betriebliche Sozialleistungen Diese Prämisse ist entscheidend. Sieht man ein feststehendes Gesamtvolumen für Sozialleistungen, muß jedes arbeitsvertragliche »Mehr« für einen Arbeitnehmer von seinen Kollegen quersubventioniert werden. Dann – und nur dann – geht es um eine interdependente Verteilungsentscheidung, die keine nach oben offenen Mindestbedingungen festsetzt, sondern eine abschließende Zuweisung trifft, die nur kollektiv modifi ziert werden kann. In solchen sozialen Angelegenheiten kann nicht das Günstigkeitsprinzip gelten; die Betriebsvereinbarung hat Vorrang. Indes gilt das »eigentliche« (Kern-)Arbeitsentgelt gerade nicht als fi xer »Topf«, der nur noch verteilt werden könnte152 . Immerhin darf der Arbeitgeber qua Arbeitskampf gezwungen werden, die vorgesehenen Mittel aufzustocken. Deshalb kann etwa eine durch Betriebsvereinbarung installierte betriebliche Vergütungsordnung von vornherein nicht günstigkeitsfest sein. Anders zu entscheiden setzte voraus, daß mehr Geld oder ein im System nicht vorgesehener Aufstieg nicht möglich wären. Die zentrale Frage muß also dahin gehen, ob diese Wertung für alle Formen des Arbeitsentgelts greifen muß, oder ob bestimmte Zusatzleistungen systemisch isoliert als einheitliche und vor allem geschlossene Verteilungsmasse angesehen werden können und müssen. Daß das BAG in tariffreien Betrieben offenbar nur noch (aus der Perspektive der betrieblichen Mitbestimmung) »freiwillige« Leistungen sieht153 , präjudiziert diese Frage nicht, weil diese – ohnehin fragwürdige – Gesamtschau die rechtlichen Eigenheiten einzelner Vergütungsbestandteile nicht einebnen kann154 . Eine solche Besonderheit ist die kollektive Dimension bestimmter Entgeltleistungen, namentlich solcher, die auf allgemeinen Arbeitsbedingungen oder 149

Kolbe, ZfA 2011, 95, 96 f. MünchArbR/Matthes, § 251 Rn. 15 ff. 151 GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn. 838, 864 mit umfassenden Nachweisen. 152 Dazu unter § 3 B.II.2.c.[3][c], S. 199 ff. 153 BAG v. 26. 8. 2008, 1 AZR 354/07, BAGE 127, 297 = NZA 2008, 1426 – Rn. 21 f.; kritisch Reichold, BB 2009, 1470 ff. 154 Deutlich Reichold, BB 2009, 1470, 1472. 150

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Betriebsvereinbarungen beruhen. Individuellen Leistungen fehlt dieser kollektive Bezug, weil ihnen der Gleichbehandlungs- und Verteilungsgerechtigkeitsaspekt abgeht. Tarifl iche Leistungen defi nieren kein geschlossenes System und lassen sich in ein solches auch nicht einpassen, soweit sie nur als Inhaltsnorm geregelt werden (können) und damit immer die Außenseiterfrage offen lassen155. Demgegenüber sind schematisch gewährte, »betriebliche« Vergütungen von vornherein in ein interdependentes »Bezugssystem« eingepaßt156 . In meinen Augen rechtfertigt diese Gestaltungsentscheidung (des Arbeitgebers), solche Vergütungsbestandteile rechtsfortbildend für die Änderung durch Betriebsvereinbarung zu öffnen. Zwar läßt sich der für allgemeine Arbeitsbedingungen unabweisbare Anpassungsbedarf der Praxis weitestgehend auch befriedigen, indem den Zusagen bei großzügiger Auslegung Öffnungsklauseln zugunsten späterer Betriebsvereinbarungen oder Widerrufsvorbehalte entnommen werden. Indes belegt diese Flucht in die Auslegung meiner Meinung nach nur eine unangebrachte Scheu vor der methodisch ehrlicheren Rechtsfortbildung157. Wenn es richtig ist, daß der Betriebsrat bei Einführung schematisch gewährter übertarifl icher Zulagen deshalb mitzubestimmen hat, weil sich die Arbeitnehmerteilhabe auch auf die Entscheidung beziehen soll, wie begrenzte Mittel zweckmäßig eingesetzt werden sollen, kann einer späteren Änderung nicht das Günstigkeitsprinzip entgegen stehen: dann nämlich geht es nur bezogen auf die einzelne Leistung um eine Verschlechterung zu Lasten der Arbeitnehmer, in Wahrheit aber immer »nur« um eine Umverteilung. Eine gegenstandsbezogene gesetzliche Ermächtigung ist für diese Umverteilung nicht erforderlich, insoweit reicht § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG aus. I.d.S. läßt sich § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zwar als Umverteilungsvorbehalt deuten; das heißt aber nicht, daß die Rechtsmacht der Betriebspartner auf die – bezogen auf die einzelne Leistung – »kollektiv« günstige Umverteilung beschränkt wäre. Entsprechend dem auf die Verteilungsfrage beschränkten Zweck des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG158 können Betriebsrat und Arbeitgeber indes nur diese Umverteilung über die Einigungsstelle durchsetzen159.

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Nach Wiedemann/Thüsing, TVG, § 1 Rn. 749a können Sondervergütungen – anders als das »eigentliche« Entgelt – im Tarifvertrag als Betriebsnorm geregelt werden, gelten also auch tarifrechtlich als geschlossene Verteilungsmasse. 156 BAG (GS) v. 16. 9. 1986, GS 1/82, BAGE 53, 42 = NZA 1987, 168 – C.II.4.b) der Gründe. 157 Für die Gesamtzusage schon Kolbe, ZfA 2011, 95, 118 f. 158 Statt vieler Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 87 BetrVG Rn. 65. 159 In der Tat wäre mit Müller-Franken, Befugnis, S. 288 ff. ein Gleichheitsproblem zu sehen, könnte zwar der Arbeitgeber nicht qua Mitbestimmung zu zusätzlichen Leistungen gezwungen werden (eine mit Blick auf den Koppelungsdruck freilich zweifelhafte These), wohl aber die Arbeitnehmer zu »Opfern« bei individualvertraglich zugesagten Sonderleistungen.

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Daß Arbeitsbedingungen in dem für die Belegschaft zentralen Bereich sozialer Angelegenheiten qua Betriebsvereinbarung verschlechtert werden können, stellt die Arbeitnehmer nicht schutzlos. Übermäßige Lasten verhindert die Verhältnismäßigkeitskontrolle i. S. d. § 75 BetrVG: Der Anspruch auf eine Sondervergütung mag für die Zukunft abgelöst oder beseitigt werden können; bereits erdiente Entgeltansprüche werden aber betriebsvereinbarungsfest160 . Auf den ersten Blick mag es widersprüchlich wirken, daß diese günstigkeitsfeste Ordnung durch Betriebsvereinbarung nach §§ 87 Abs. 1 Eingangssatz, 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ohne weiteres durch eine Tarifbestimmung über dieselbe Leistung ersetzt werden kann, die dann wiederum nach § 4 Abs. 3 TVG arbeitsvertraglich nachgebessert werden darf. Das ist aber nur die Konsequenz daraus, daß das Gesetz die Betriebsvereinbarung als geschlossenes System auch dann verbietet, wenn eine entsprechende Tarifnorm als Inhaltsnorm nur ein schon mit Blick auf Außenseiter notwendig offenes System installiert. c. Nachträgliche Individualzusage Im Gegensatz zur Ablösung individualvertraglicher allgemeiner Arbeitsbedingungen durch Betriebsvereinbarung ist die nachträgliche individualvertragliche Leistungszusage unproblematisch. Auch hier geht es nicht um Günstigkeit: Sagt der Arbeitgeber zu, qua Betriebsvereinbarung festgelegte freiwillige Leistungen aufzustocken, wird die Verteilung nach dem Kollektivvertrag nicht in Frage gestellt. In der Sache geht es um eine neue Verteilungsentscheidung, nicht aber darum, bereits gefällte Verteilungsentscheidungen zu revidieren. Das gilt auch, wenn Betriebsvereinbarung und spätere Individualregelung denselben Anreiz-, oder Belohnungszweck verfolgen, wenn es also beispielsweise jeweils um eine Funktionszulage geht. Die Betriebsvereinbarung entfaltet insoweit keine § 77 Abs. 3 BetrVG vergleichbare Sperrwirkung. Freilich ist die schematisch gewährte »neue« Zulage mit Blick auf die Verteilungsfrage nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ihrerseits teilmitbestimmt161. 2. »Soziale« Lasten? Können individualvertraglich begründete Ansprüche mithin durch Betriebsvereinbarung beschnitten werden, muß es prinzipiell auch möglich sein, qua Betriebsvereinbarung andere Lasten für die Arbeitnehmer durchzusetzen. Auch dabei sind die »Innenschranken der Betriebsvereinbarung« zu beachten, konkret das Verhältnismäßigkeitsgebot. Daneben kommt es in diesem Zusammenhang aber stets auch darauf an, ob die Betriebsvereinbarung als Rege160 Richtig begründet mit den Binnenschranken der Regelungskompetenz der Betriebspartner von BAG v. 12. 4. 2011, 1 AZR 412/09, NZA 2011, 989 – Rn. 18 ff.; v. 7. 6. 2011, 1 AZR 807/09, NZA 2011, 1234 – Rn. 34 ff. 161 Ähnlich Wiese, ZfA 2000, 117, 147.

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lungsinstrument zur Verfügung steht, mit dem einzelvertragliche Abreden beiseite geschoben werden können. Das läßt sich hier zwar nicht in allen Einzelheiten nachzeichnen, soll aber zumindest anhand dreier Beispiele veranschaulicht werden. a. Entgeltopfer Nicht nur aufgrund einer Betriebsvereinbarung geschuldete Sondervergütungen sind dem Zugriff der Betriebspartner entzogen, sobald sie einmal erarbeitet sind, sondern erst recht erdiente Ansprüche auf das arbeitsvertragliche Entgelt. Deshalb können Betriebsrat und Arbeitgeber den Arbeitnehmern durch Betriebsvereinbarung auch keine »Zeitlastschrift« auf dem Arbeitszeitkonto auferlegen162 : Auf solchen Konten sparen die Arbeitnehmer bereits erdiente, vertragliche Entgeltansprüche an163 . Diese Ansprüche kann die Betriebsvereinbarung weder nachträglich beseitigen, noch im Vorgriff verhindern, indem ein negatives Zeitsaldo erzeugt wird. Entsprechende Betriebsvereinbarungen verstoßen gegen § 75 BetrVG und sind damit unwirksam. b. Überstunden und Kurzarbeit Daß Betriebsvereinbarungen gegenüber einzelvertraglichen Abreden ohne Rücksicht auf einen Günstigkeitsvergleich Vorrang genießen können, begründet nicht die Befugnis der Betriebspartner, mit ihrem Normenvertrag Überstunden oder Kurzarbeit anzuordnen. Die »allgemeine« Belastungsermächtigung an die Betriebspartner aus § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG reicht dazu nicht aus, weil der erforderliche Eingriff in den Arbeitsvertrag keine soziale Angelegenheit ist, und mithin auch nicht qua Betriebsvereinbarung angeordnet werden kann. Der für soziale Angelegenheiten kennzeichnende Gemeinschaftsund Verteilungsbezug, und damit der entscheidende Grund für den Vorrang der Betriebsvereinbarung164 , fehlt hinsichtlich der Dauer der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit gerade. Verteilungsfrage i.d.S. ist nur, welche Arbeitnehmer wann welche Arbeitszeitdeputate ableisten, nicht aber das »Ob« einer Abweichung vom arbeitsvertraglichen Leistungsprogramm. Insoweit belegt schon der individuelle Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit-Dauer nach § 8 TzBfG, daß der Arbeitgeber kein Kontingent an »betrieblicher Arbeitszeit« zur Verfügung stellt, das nur noch verteilt werden müßte. Damit ergibt sich bei 162 Kolbe, Anm. zu BAG v. 15. 4. 2008, 1 AZR 86/07, AP Nr. 96 zu § 77 BetrVG 1972. Freilich geht es auch hier um die Verhältnismäßigkeit als »Innenschranke« der Betriebsvereinbarung; insoweit konzentriert sich meine Anmerkung (zu IV.2.) zu Unrecht auf die Kompetenzfrage. 163 BAG v. 13. 2. 2002, 5 AZR 470/00, BAGE 100, 256 = NZA 2002, 683 – I.2.b)bb) der Gründe. 164 In der Sache auch Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 87 BetrVG Rn. 24. Dazu, daß nur und gerade der soziale Bezug von Verteilungsentscheidungen den Eingriff in die Arbeitsverträge rechtfertigt § 3 B.II.2.c.[3][c], S. 199 ff.

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§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG eine Form der Teil-Mitbestimmung, die anerkanntermaßen auch bei § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auftritt165 : Die Dauer der Arbeitszeit ist der Mitbestimmung als unveränderliches Datum vorgegeben. Erst wenn sich diese Prämisse ändert, stellt sich auch wieder eine mitbestimmte Verteilungsfrage166 . Entgegen dem BAG167 läßt sich § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG auch keine besondere Kompetenzzuweisung an die Betriebspartner entnehmen. Dagegen spricht entscheidend schon die systematische Stellung der Vorschrift im Abschnitt über soziale Angelegenheiten, zu denen die Frage der Dauer der individuellen Arbeitszeit nicht gehört. Wie hoch die Zeitschuld des Arbeitnehmers ausfällt, muß sich aus dessen autonomer Entscheidung ergeben. c. Altersgrenze Ähnlich ist die in einer Betriebsvereinbarung geregelte Altersgrenze zu beurteilen. Auch hier geht es nicht etwa um eine interdependente Verteilungsentscheidung hinsichtlich des »betrieblichen Arbeits-Kontingents«, nicht um die Ordnung einer vorgegebenen Konkurrenzsituation, sondern vielmehr um die Frage, inwieweit überhaupt Konkurrenz zugelassen wird168 . Damit ist die Altersgrenze, mit Erreichen derer das Arbeitsverhältnis ohne weiteren Beendigungstatbestand enden soll, nicht soziale Angelegenheit i. S. d. BetrVG169, und kann eben deshalb nicht in einer Betriebsvereinbarung angeordnet werden. Dafür spricht auch, daß entsprechende tarifl iche Altersgrenzen nach allgemeiner Ansicht nicht etwa als Betriebsnorm i. S. d. §§ 1 Abs. 1 Var. 4, 3 Abs. 2 Var. 1 TVG zu qualifi zieren sind, sondern als Beendigungsnorm (§ 1 Abs. 1 Var. 3 TVG) 170 . Dahinter steht die richtige Überlegung, daß solche Altersgrenzen der Sache nach nicht für alle Arbeitnehmer des Betriebs einheitlich geregelt werden müssen, weil die Arbeitsbedingungen der organisierten Arbeitnehmer und der Außenseiter insoweit nicht in einer über die betriebliche Arbeitsorganisation vermittelten Wechselbezüglichkeit stehen. Angesprochen ist nicht das betriebliche Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Belegschaftskollektiv171, sondern das jeweils individuelle Vertragsverhältnis. 165 Zu § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nur Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 87 BetrVG Rn. 65. 166 Hierzu Waltermann, Rechtsetzung, S. 177 ff. 167 BAG v. 3. 6. 2003, 1 AZR 349/02, BAGE 106, 204 = NZA 2003, 1155 – II.3. der Gründe; v. 16. 12. 2008, 9 AZR 164/08, BAGE 129, 46 =NZA 2009, 689 – A.III.1.a)bb) der Gründe m. w. N. 168 In diese Richtung auch Reichold, Betriebsverfassung, S. 520, der insoweit »nicht betriebliche Gleichbehandlung [. . .], sondern betriebliche Freiheitsbeeinträchtigung« als entscheidendes »Gerechtigkeitsproblem« ausgemacht hat. [Hervorhebung im Original.] 169 Anders im obiter dictum BAG (GS) v. 7. 11. 1989, GS 3/85, BAGE 63, 211 = NZA 1990, 816 – C.I.1. der Gründe; zu Recht kritisch Veit, Zuständigkeit, S. 284 f. 170 ErfK/Franzen, § 1 TVG Rn. 56 m. w. N. 171 Mit Nachweisen zum betrieblichen Rechtsverhältnis als Regelungsgegenstand tarifvertraglicher Betriebsnormen Kolbe, SAE 2011, 256, 260.

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Nur am Rande zu bemerken ist deshalb, daß sich die Altersgrenze für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses am Maßstab der Verhältnismäßigkeit jedenfalls nicht mit der abseitigen172 Erwägung rechtfertigen ließe, alternden Arbeitnehmern müsse die Schmach der personenbedingten Kündigung wegen nachlassender Leistungsfähigkeit erspart werden173 . Anzuerkennen ist allenfalls der Versuch, das Arbeitsverhältnis mit der Altersgrenze (besser) kalkulierbar zu machen und damit zugleich einen Anreiz für die Einstellung erfaßter Arbeitnehmer zu setzen174 . 3. Betriebsvereinbarungen zugunsten/zu Lasten »Dritter« a. Grundsatz: Beschränkung auf den Betrieb Die unmittelbare und zwingende Wirkung des § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG ist das prägende Kennzeichen der Betriebsvereinbarung. Als kollektivarbeitsrechtlicher Normenvertrag ist sie von vornherein auf Drittwirkung angelegt – zugunsten und zu Lasten der betriebsangehörigen Arbeitnehmer. Damit ist aber nicht gesagt, ob noch andere »Dritte« dem in der Betriebsvereinbarung mittelbar gesetzten Recht unterworfen sein können. Das BAG hat diese Frage – mit Blick auf einen Sozialplan, der nach § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG als Betriebsvereinbarung wirkt – vor Kurzem mit der unglücklichen Formulierung verneint, die Betriebsparteien könnten in der Betriebsvereinbarung »Rechte und Pfl ichten nur im Verhältnis zueinander, nicht jedoch normative Ansprüche gegenüber und zu Lasten Dritter begründen.«175 Gemeint war, daß die Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber keinen anderen Arbeitgeber zu Leistungen an dessen Arbeitnehmer verpflichten kann. Das ist in der Sache richtig: Die über den Anerkennungsbefehl des § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG vermittelte Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner soll Verteilungsfragen im »Nebeneinander« der Arbeitsverhältnisse der demselben Arbeitgeber polar zugeordneten Arbeitnehmer regeln. Zugespitzt läßt sich sagen, daß die Betriebsvereinbarung damit gegenständlich auf den Betrieb und personell auf die Betriebsangehörigen beschränkt ist. b. Mittelbare Außenseiterwirkung über die Betriebsorganisation Damit ist freilich nicht gesagt, daß Betriebsvereinbarungen andere »Dritte« nichts angehen würden. Greift eine Betriebsvereinbarung auf die Organisationshoheit des Arbeitgebers über die Betriebsgestaltung zu, dann wirkt sie 172

M.w.N. Kolbe, BB 2010, 501. BAG v. 25. 3. 1971, 2 AZR 185/70, BAGE 23, 257 = NJW 1971, 1629 – III.2.d) der Gründe. Die Bundesregierung scheint nach wie vor von dem Gedanken überzeugt zu sein; vgl. EuGH v. 12. 10. 2010, C-45/09, NZA 2010, 1167 – »Rosenbladt« Rn. 43. 174 Dazu BAG v. 21. 9. 2011, 7 AZR 134/10, Kurzwiedergabe AuR 2012, 41 = BB 2012, 115 (LS) – Rn. 22; weiter Kolbe, SAE 2011, 256, 259 m.N. 175 BAG 11. 1. 2011, 1 AZR 375/09, DB 2011, 1171 = BB 2011, 1533 – Rn. 14. 173

A. Betriebsverfassung

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(auch) Dritten gegenüber wie eine entsprechende Alleinentscheidung des Betriebsinhabers. Das betrifft etwa ein qua Betriebsvereinbarung angeordnetes Rauchverbot im Betrieb, das auch Besucher bei einer Werksbesichtigung einhalten müssen176 . Relevanter ist die Außenseiterwirkung von Betriebsvereinbarungen für im Betrieb eingesetzte Fremdfi rmenmitarbeiter. Anders als bei Leiharbeitnehmern kann der Betriebsrat im Einsatzbetrieb bei ihnen nicht auf das Weisungsrecht des Arbeitgebers zugreifen. Sie müssen aber den Einsatzbetrieb »nehmen wie er ist«, auch soweit die betriebliche Arbeitsorganisation durch Betriebsvereinbarung gestaltet ist. Konkret kann das etwa heißen, daß Drittfi rmenarbeitnehmer im Einsatzbetrieb nicht rauchen dürfen oder sich einer Zugangskontrolle aussetzen müssen – sofern sie ihren Arbeitseinsatz nicht eben deshalb verweigern (dürfen). Ähnlich den tarifvertraglichen Betriebsnormen ist diese über die Betriebsorganisation vermittelte Reflexwirkung betrieblicher Mitbestimmung kein Legitimationsproblem177. Daß die Befugnis des Arbeitgebers, die Betriebsorganisation zu gestalten, teilweise der Mitbestimmung im Tarifvertrag und in der Betriebsvereinbarung unterliegt, gibt betroffenen Außenseitern kein Abwehrrecht. Sie müssen den kollektivvertraglich mitgestalteten Betrieb ebenso »hinnehmen« wie sie einseitige Vorgaben des Betriebsinhabers nicht zurückweisen könnten. c. Unmittelbare »Außenseiterwirkung« für Betriebsrentner Praktisch wird die Frage der personellen Reichweite der betriebsverfassungsrechtlichen Regelungsmacht weiter mit Blick auf Betriebsvereinbarungen, mit denen die Versorgungsansprüche bereits ausgeschiedener Ruheständler gestaltet, insbesondere verschlechtert werden sollen. Das BAG hält solche Betriebsvereinbarungen bislang für unwirksam, weil der Betriebsrat für ehemalige Arbeitnehmer nicht (mehr) legitimiert sei178 . Die Praxis behilft sich mit betriebsvereinbarungsoffenen Leistungszusagen, die dynamisch auf die qua Betriebsvereinbarung geregelte betriebliche Ruhegeldordnung verweisen179. In der Literatur hat sich demgegenüber weitgehend die Ansicht durchgesetzt, die Betriebspartner dürften auch auf ausgeschiedene Mitarbeiter zugreifen, insbesondere weil die Legitimation des Betriebsrats nicht aus der Teilhabe 176

Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 74. Für die Betriebsnormen im Tarifvertrag h. M.; etwa Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 450 ff.; Rieble, Arbeitsmarkt, Rn. 1509 ff. 178 Grundlegend BAG (GS) v. 16. 3. 1956, GS 1/55, BAGE 3, 1 = SAE 1956, 156 m. Anm. Molitor – I.3. der Gründe; BAG v. 13. 5. 1997, 1 AZR 75/97, NZA 1998, 160 – I.3. der Gründe. Ausdrücklich offen gelassen aber nunmehr BAG v. 12. 10. 2004, 3 AZR 557/03, BAGE 112, 155 = NZA 2005, 580 – I.1. der Gründe; v. 12. 12. 2006, 3 AZR 476/05, BAGE 120, 330 = NZA-RR 2007, 653 – Rn. 30. 179 GK-BetrVG/Kreutz, § 77 Rn. 178 – mit Nachweisen auch dazu, daß die Rechtsprechung diese »Lösung« akzeptiert. 177

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der Betroffenen, sondern aus der gesetzlichen Anordnung des BetrVG folgt180 . Dieser Prämisse ist beizupfl ichten: Betriebliche Mitbestimmung ist keine Betroffenendemokratie im Betrieb; ein Gleichlauf von Betroffenheit und Teilhabe ist nicht geboten. Die entscheidende Frage muß dahin gehen, ob die Betriebsvereinbarung auch gegenüber den bereits Ausgeschiedenen einen »betrieblichen« Verteilungskonfl ikt ordnet. Personelle und sachliche Reichweite der Betriebsvereinbarung lassen sich nicht trennen181, weil jeweils der »Betrieb« die maßgebliche Grenze markiert. Denkt man i.d.S. vom Regelungsgegenstand her, statt von den Regelungsadressaten, wird ein Verteilungskonflikt zwischen den (noch) aktiven und den bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmern um begrenzte Mittel sichtbar. Diesen Konfl ikt kann die Betriebsvereinbarung ordnen. Der Unterschied zur »Verteilung des betrieblichen Arbeitskontingents« durch Altersgrenze und Kurzarbeit liegt darin, daß die Versorgungsansprüche durch die mitbestimmungsfreie Dotierungsentscheidung des Arbeitgebers untereinander ein interdependentes Bezugssystem bilden – und zwar nicht nur mit Blick auf Ansprüche und Anwartschaften der aktiven Arbeitnehmer, sondern auch mit Blick auf Ansprüche der Betriebsrentner. Material bleiben Versorgungsansprüche damit (betriebliche) Arbeitsbedingungen, unabhängig davon, ob das Arbeitsvertragsverhältnis noch besteht182 . Betriebsvereinbarungen, die diese Ansprüche regeln, greifen nicht über die »zeitlichen Grenzen« des Betriebs hinaus. Daher bedarf es – anders als mit Blick auf Sozialpläne etwa bei Betriebsstillegung183 – auch keiner besonderen gesetzlichen Zulassungsnorm, die eine entsprechende »Drittwirkung« der Betriebsvereinbarungen anordnet184 . Den Besitzstandsschutz der Pensionäre gewährleistet die Verhältnismäßigkeitskontrolle, die das BAG zu einem DreiStufen-System ausdifferenziert hat185 ; erdiente Anwartschaften sind dabei prinzipiell betriebsvereinbarungsfest. Weil angesichts dieses Schutzniveaus kein weitergehendes Bestandsschutzinteresse der Pensionäre ersichtlich ist, kann und muß die dogmatisch nicht erklärbare Idee des BAG186 aufgegeben

180 Dezidiert GK-BetrVG/Kreutz, § 77 Rn. 180 ff. mit umfassenden Nachweisen. Im Ergebnis ebenso Waltermann, Rechtsetzung, S. 193 ff.; Reichold, Betriebsverfassung, S. 522 f. und dort Fn. 611; Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 77. 181 Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 77; ähnlich Kreutz, FS Kraft, S. 323, 329, der den persönlichen Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung »aufgaben- bzw. gegenstandsbezogen« bestimmen will. 182 Zu diesem unlösbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis Kreutz, FS Kraft, S. 323, 329; Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 77. 183 Bereits II.2.b.[1], S. 312. 184 Anders Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 235. 185 Mit Nachweisen zu dieser »Drei-Stufen-Theorie« etwa Schnitker/Sittard, NZA 2011, 331, 334 f. 186 Etwa BAG v. 25. 10. 1988, 3 AZR 483/86, BAGE 60, 78 = NZA 1989, 522 – I.1. der Gründe; zustimmend Reichold, Betriebsverfassung, S. 522 f. und dort Fn. 611.

A. Betriebsverfassung

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werden187, Versorgungsansprüche aus einer Betriebsvereinbarung wandelten sich mit Ausscheiden des Arbeitnehmers in individualrechtliche um. 4. Betriebsvereinbarungen und unternehmerische Entscheidung a. Keine Betriebsvereinbarung in wirtschaftlichen Angelegenheiten Anders als in sozialen Angelegenheiten erlaubt das BetrVG die Betriebsvereinbarung in wirtschaftlichen Fragen nicht – wenn man § 88 BetrVG mit der hier vertretenen Auffassung als zentrale thematische Schranke der Betriebsvereinbarung begreift188 . Möglich ist nur der Sozialplan, dem § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG die Wirkung einer Betriebsvereinbarung zuschreibt. Damit ist auch gesagt, daß Unternehmerentscheidungen nicht in Betriebsvereinbarungen determiniert werden können. Standort- oder Investitionszusagen können mithin nicht in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung abgegeben werden. Entsprechende Abreden sind nicht etwa (bloße) Regelungsabrede, sondern unwirksam, weil der Betriebsrat seinen funktionalen Zuständigkeitsbereich überschreitet: er handelt ultra vires189. Geschlossene Verträge sind dann zwingend unwirksam, weil es an einer (rechtswirksamen) Beteiligung des Betriebsrats fehlt. Ein anderes Ergebnis ist schon systematisch nicht vertretbar: Strategische Unternehmerentscheidungen sind keine Arbeitsbedingungen, dürfen also schon mit Blick auf § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden. Unternehmerentscheidungen können zwar durchaus Gegenstand einer Vereinbarung von Betriebsrat und Arbeitgeber sein; möglich ist aber allein der Interessenausgleich nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, der nur »über« Betriebsänderungen geschlossen werden kann, und dessen Bindungswirkung § 113 BetrVG auf den Nachteilsausgleich beschränkt. Auch mit Blick auf den drohenden Koppelungsdruck zur kollektivvertraglichen Einigung in wirtschaftlichen Angelegenheiten verbieten sich Betriebsvereinbarungen auf diesem Gebiet. Übt der Betriebsrat normzweckwidrigen Druck mit einem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht aus, überschreitet er zwar insoweit die funktionalen Grenzen seiner Amtsbefugnisse. Die Wirksamkeit einer mit rechtswidrigen Mitteln erreichten Einigung über andere Fragen wird davon aber nicht berührt190 . Das ist schon dann verfassungsrechtlich bedenklich, wenn der Betriebsrat den Arbeitgeber zu einer freiwilligen Betriebsvereinbarung auf dem Gebiet der sozialen Angelegenheiten veranlaßt. Für wirtschaftliche Angelegenheiten kann es keine über »Umwege« erzwingbare Mitbestim187

Schnitker/Sittard, NZA 2011, 331, 332; GK-BetrVG/Kreutz, § 77 Rn. 180 m. w. N. Eingehend § 3 B.II.2.c.[3][c], S. 199 ff. 189 Näher zur funktionalen Beschränkung der Amtsbefugnisse des Betriebsrats unter § 3 D.III., S. 275 ff. 190 Näher § 3 D.III.3.b.[3][b], S. 285 f. 188

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§ 4 Folgen für das Mitbestimmungssystem

mung geben. Das BetrVG beeinträchtigte damit die privatautonome Legitimation der Berufstätigkeit des Arbeitgeber-Unternehmers. Wie diese Vergesellschaftung vor dessen Grundrechten gerechtfertigt werden könnte, ist nicht zu erkennen. b. Betriebsvereinbarungen »über Leiharbeit« In diesen engen Grenzen müssen sich auch Betriebsvereinbarungen »über Leiharbeit« halten. Zwar liegen derartige Kollektivverträge »im Trend«191, weil sich die DGB-Gewerkschaften angesichts des niedrigen Organisationsgrades in der Leiharbeit und der Konkurrenz durch die – inzwischen für tarifunfähig erklärte192 – CGZP mit einem Tarifniveau unterhalb von equal-pay zufrieden geben mußten193 , und daher (unter anderem194 ) auf die Betriebsräte in den vergleichsweise stark organisierten Entleiherbetrieben zurückgegriffen haben195. Indes sind die Spielräume für die Betriebspartner weit geringer, als manche Einschätzungen im Schrifttum196 und öffentlich verfügbare Mustervereinbarungen197 glauben machen wollen: Leiharbeits-Quoten sind (jedenfalls aus der Perspektive des Entleihers) schon keine Arbeitsbedingungen198 , erst recht geht es nicht um soziale Angelegenheiten. Damit scheidet die Betriebsvereinbarung von vornherein aus199. Auch durch Tarifvertrag lassen sich entsprechende Mitbestimmungsrechte nicht schaffen 200 . Die Entscheidung darüber, wie der Personalbedarf des Betriebs gedeckt werden soll, ist personelle Angelegenheit, die der Betriebsrat nur argumentativ beeinflussen darf, §§ 92, 92a BetrVG. Vollständig entzogen ist dem Betriebsrat das Verhalten des Arbeitgebers auf dem Dienstleistungsmarkt; hier geht es um Unternehmerentscheidungen und also wirtschaftliche Fragen. Daher kann der Arbeitgeber nicht qua Betriebsvereinbarung 201 darauf verpfl ichtet werden, in den Verhandlungen mit dem Verleiher equal-pay durchzusetzen.

191 Praxisbeispiele benennen Rieble/Wiebauer, Kollektivarbeitsrechtliche Regulierung, S. 65 ff. Rn. 17 und dort Fn. 39. 192 BAG v. 14. 12. 2010, 1 ABR 19/10, NZA 2011, 289. 193 Dazu etwa Schüren, RdA 2006, 303, 306 f. 194 Zur tarifvertraglichen Regelung der Leiharbeit beim Entleiher etwa R. Krause, AuR 2012, 55 ff.; Giesen, ZfA 2012, 143, 145 ff. 195 Hierzu Rieble/Wiebauer, Kollektivarbeitsrechtliche Regulierung, S. 65 ff. Rn. 9 ff. 196 Düwell/Dahl, NZA-RR 2011, 1, 7 f.; Wendeling-Schröder, AuR 2011, 424, 427. 197 Nachweise bei Rieble/Wiebauer, Kollektivarbeitsrechtliche Regulierung, S. 65 ff. Rn. 78 f. »Eckpunkte« für Betriebsvereinbarungen bei Schirge, AiB 2010, 657, 660. 198 Giesen, ZfA 2012, 143, 149 f. 199 Richtig Rieble/Wiebauer, Kollektivarbeitsrechtliche Regulierung, S. 65 ff. Rn. 81. 200 Näher Giesen, ZfA 2012, 143, 166 ff. 201 Rieble/Wiebauer, Kollektivarbeitsrechtliche Regulierung, S. 65 ff. Rn. 82 weisen zu Recht darauf hin, daß insoweit eine kollektivvertragliche Regelung immerhin im – eingeschränkt verbindlichen – Interessenausgleich in Betracht kommt.

B. Unternehmensmitbestimmung

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Normativ regeln läßt sich eine Beschränkung des Leiharbeitnehmer-Einsatzes im Betrieb damit nur ansatzweise, nämlich über Auswahlrichtlinien i. S. d. § 95 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, die der Betriebsrat freilich nur in Großbetrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern über die Einigungsstelle durchsetzen kann. Eine harte Quote oder Zeitbegrenzung ist auf dieser Basis undenkbar 202 , weil die vorgreifl iche Frage nach dem Einsatz von Leiharbeitnehmern nicht die personelle Auswahl betrifft. Möglich ist aber beispielsweise, im Betrieb beschäftigten Leiharbeitnehmern nach einer bestimmten Einsatzzeit einen Einstellungsvorrang einzuräumen, wenn wieder Stammarbeitsplätze zu besetzen sind 203 .

B. Unternehmensmitbestimmung I. Zuordnungsfragen 1. Rechtsformanknüpfung und Schwellenwerte a. Rechtsformakzessorische Einschränkung der wirtschaftlichen Mitbestimmung im Unternehmensinteresse Demokratische Legitimation ist rechtsformneutral 204 , Unternehmensmitbestimmung nicht. Dagegen ist nichts zu erinnern: Anders als die demokratische Teilhabe der Bürger an der staatlichen Willensbildung soll und muß die Teilhabe der Arbeitnehmer an wirtschaftlichen Entscheidungen ihres Arbeitgebers keine Kollektiventscheidungen legitimieren. Der Teilhabe-Anspruch der Unternehmensbelegschaft ist von vornherein nicht allumfassend, sondern steht unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit den Rechten und rechtlich geschützten Interessen der Unternehmensträger. Der deutsche Gesetzgeber arbeitet insoweit zweigleisig: Die Mitbestimmungsgesetze verhindern die persönliche Haftung des Unternehmers für mitbestimmte Entscheidungen. Diese Außenhaftung läßt sich nicht gegen das strukturell unvergleichbare (wenn auch gegebenenfalls existentielle) Risiko der Arbeitnehmer aufrechnen, die infolge unternehmerischer Strategieentscheidungen ihren Arbeitsplatz verlieren könnten 205. Vor allem aber beschränkt das deutsche Recht Unternehmens202 Rieble/Wiebauer, Kollektivarbeitsrechtliche Regulierung, S. 65 ff. Rn. 83; Gussen, NZA 2011, 830 ff. Anders freilich Wendeling-Schröder AuR 2011, 424, 427. 203 Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 95 BetrVG Rn. 3, der freilich davon ausgeht, daß Auswahlrichtlinien nur als unverbindliche Regelungsabrede vereinbart werden können. Insoweit anders die h. M., etwa ErfK/Kania, § 95 BetrVG Rn. 5 m. w. N. 204 Kluth, Verw 35 (2002), 349, 364. 205 Zu dieser – ehedem erbittert geführten – Debatte etwa Böhm, ORDO 4 (1951), S. 21, 103 ff. einerseits sowie v. Nell-Breuning, Mitbestimmung, S. 62 ff. andererseits. Zusammenfassend Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks. VI/334, S. 103.

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§ 4 Folgen für das Mitbestimmungssystem

mitbestimmung auf Gesellschaften, in denen die operative Leitung institutionell vom Anteilseigentum getrennt, das Unternehmen also gegenüber den Eignern ansatzweise verselbständigt ist 206 . Typisiert erfaßt wird diese Trennung mit dem »Aufsichtsratsdogma«207. Die verbindenden Gedanken hinter beiden Kriterien sind: – Die wirtschaftliche Zumutbarkeit der wirtschaftlichen Mitbestimmung für das Unternehmen. Wirtschaftliche Mitbestimmung verursacht Kosten und soll Kosten verursachen, weil die unternehmerischen Entscheidungen nicht mehr ausschließlich an ökonomischen Kriterien ausgerichtet, sondern in Richtung einer »sozialeren« Unternehmenspolitik beeinflußt werden sollen. Damit ist die Frage zu beantworten, welche Unternehmen diese Lasten schultern können. – Der Grundsatz der Mitbestimmungsfreiheit personal geprägter Unternehmen, wohingegen »anstaltlich« geprägte und ohnehin »bürokratisierte« Unternehmen eine Organbeteiligung der Arbeitnehmer hinnehmen sollen. In den Worten des BVerfG 208 geht es darum, ob bei der Unternehmenstätigkeit der »personale Bezug« des (Anteils-)Eigentumsrechts am Unternehmen bzw. an der unternehmenstragenden Gesellschaft im Vordergrund steht oder dessen »soziale[r] Bezug«. Wer Unternehmensmitbestimmung als Unternehmensdemokratie begreift, muß die Rechtsformanknüpfung im Grundsatz ablehnen und Mitbestimmungsvermeidung durch Rechtsformwahl als Umgehung einstufen und bekämpfen 209. Richtigerweise darf das Teilhabebedürfnis der Arbeitnehmer nicht derart absolut gesetzt werden. Zwingende Organbeteiligung kann ohne Rücksicht auf die Situation der Eigner nicht angeordnet werden. Die Rechtsformanknüpfung der Mitbestimmungsgesetze ist daher kein rechtspolitisch fragwürdiges Zugeständnis an die Wirtschaft, sondern reagiert darauf, daß wirtschaftliche Mitbestimmung auf Gesellschaften beschränkt ist, in denen Leitung und (Anteils-)Eigentum institutionell auseinander fallen 210 . b. (Relativer) Mindest-Schwellenwert Damit ist auch gesagt, daß es einen Eintritts-Schwellenwert für die Aufsichtsratsteilhabe geben muß. Eben weil Unternehmen nicht nach den Vorgaben des 206

Nur Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks. VI/334, S. 115. Zu diesem Latzel, Gleichheit, Rn. 8. 208 [Senat] v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290 = RdA 1979, 380 – »Mitbestimmungsurteil« sub C.III.1.b)bb) der Gründe. 209 Exemplarisch Weiss, Mitbestimmung, S. 9, 15. Weiter Heuschmid, Mitentscheidung, S. 224, der die Rechtsformanknüpfung aus seinen rechtspolitischen Überlegungen ausnimmt, weil insoweit die Zeit noch nicht »reif« sei für ein »Umdenken«. 210 Ob de lege ferenda rechtsformunabhängige Mitbestimmungsvereinbarungen erlaubt werden sollten, ist eine andere Frage; dazu noch C.II.4.c., S. 387 ff. 207

B. Unternehmensmitbestimmung

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Demokratieprinzips zu strukturieren sind, sondern die Teilhabe ihrer Arbeitnehmer nur hinnehmen müssen, wenn dies mit den Rechten der Eigner vereinbar ist, muß es rechtslogisch zwingend eine Grenze geben, jenseits derer die »noch personalen« Strukturen im Unternehmen 211 durch ein rechtsförmliches Teilhabeverfahren und/oder dessen Folgekosten zu sehr belastet werden. Zudem steigen mit der Unternehmensgröße die »Bürokratisierung und Anonymisierung« der Unternehmensleitung 212 nicht nur im Verhältnis zu den Arbeitnehmern, sondern auch im Verhältnis zu den Eignern: das »anstaltliche Moment« des Unternehmens gewinnt an Bedeutung. Durch welche Werte in welcher Höhe diese »Größe« bestimmt werden sollte, ist damit freilich nicht gesagt. Die deutschen Mitbestimmungsgesetze setzen allein auf die Arbeitnehmerzahl, defi nieren die Lastengrenze für Unternehmen also nicht (auch) über Kennzahlen wie die Bilanzsumme oder den Jahresumsatz; entsprechende rechtspolitische Vorschläge 213 konnten sich bislang nicht durchsetzen und dürften auch in absehbarer Zeit keine Aussicht auf Erfolg haben. Auf die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer abzustellen, ist ein Notbehelf. Bis heute haben weder Rechts- noch Sozialwissenschaftler ein für sämtliche Unternehmen gleichermaßen zwingendes (anderes) Kriterium erarbeitet. Immerhin ist die Notlösung insofern plausibel, als die Arbeitnehmerzahl nicht nur die Belastbarkeit des Unternehmens anhand der Unternehmensgröße abbildet, sondern – zumindest annähernd – auch das nicht quantifi zierbare Teilhabebedürfnis der Belegschaft indiziert. Die konkreten Werte sind mehr oder weniger willkürlich gegriffen; eine absolute Grenze zwischen kleinen und großen Unternehmen läßt sich mit wissenschaftlichem Anspruch nicht festlegen. Schon deshalb können die derzeit geltenden Schwellenwerte in DrittelbG und MitbestG nicht von Verfassungs wegen Änderungsschutz genießen. Zwar fehlt auch insoweit der politische Wille zur Änderung 214 ; der Spielraum des Gesetzgebers wäre aber nicht überschritten, würde Quasi-Parität etwa ab 1001 und Drittel-Parität ab 251 Arbeitnehmern angeordnet 215. Grenzen zieht erst der verfassungsrechtlich zwingende Mindest-Schwellenwert, der jedoch deutlich tiefer angesetzt werden muß: Einen Anhaltspunkt liefert die Entscheidung des BGH vom 17. 2. 2012 216 , die sich mit der – nach 211 Dazu etwa Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks. VI/334. S. 60: in kleinen Unternehmen fielen »die unternehmerische Disposition über die Arbeitskraft und die konkrete Weisung im Rahmen des Direktionsrechts organisatorisch und personell« zusammen. 212 Reuter, Normativsystem, S. 19. 213 Etwa die Stellungnahme der Vertreter der Arbeitnehmer Jürgen Peters, Günther Reppien und Michael Sommer, in: Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 2, S. 67, 75 f. 214 Dazu etwa die Stellungnahme der Bundesregierung zu einer Kleinen Anfrage verschiedener Abgeordneter und der SPD, BT-Drucks. 17/5414, S. 6. 215 Merkt, ZIP 2011, 1237, 1243. 216 II ZB 14/11, juris.

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dem Wortlaut des Gesetzes unternehmensgrößenunabhängigen – Drittelbeteiligung in »Altgesellschaften« nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DrittelbG beschäftigt. Diese mit Blick auf die intertemporale Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich fragwürdige217 Sonderregelung begrenzt der II. Zivilsenat dahin, daß Gesellschaften mit weniger als 5 regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern keinen drittelparitätischen Aufsichtsrat einrichten müssen. Eine »sinnvolle Wahrnehmung der kollektiven Interessen der Arbeitnehmer« erfordere eine »Personenmehrheit, die der Gesetzgeber in § 1 BetrVG auf mindestens fünf Arbeitnehmer bestimmt« habe218 . Daran ist jedenfalls soviel richtig, als daß eine nicht betriebsratsfähige Belegschaft keine Teilhaberechte im Aufsichtsrat haben kann. Historisch ist die Mitbestimmung im Aufsichtsrat als Ergänzung der Mitbestimmung durch den Betriebsrat entwickelt worden, § 70 Satz 1 BRG 1920 ordnete die Entsendung zweier Betriebsratsmitglieder in den Aufsichtsrat an. Vergleichbar standen auch die §§ 76 ff. BetrVG 1952 in systematischem Zusammenhang mit der betrieblichen Mitbestimmung. Diese Vorschriften blieben zu Zeiten des BetrVG 1972 unverändert in Kraft. Das DrittelbG hat sie zwar abgelöst, sollte sie aber im wesentlichen ohne Inhaltsänderung fortschreiben 219. Für die Frage nach einer verfassungsrechtlich zwingenden Mindestgrenze für die Unternehmensmitbestimmung ist die Betriebsratsfähigkeit gleichwohl die falsche Referenzgröße. Hinter der zum BetrVG 1952 überwiegend vertretenen Auffassung stand nicht zuletzt der Gedanke, erst 5 Arbeitnehmer erfüllten die Voraussetzungen eines »hinreichenden demokratisch legitimierten Wahlkörpers«220 . Es geht aber nicht um eine ausreichende Legitimationsbasis für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, sondern um die Gewichtung des Teilhabeinteresses der Arbeitnehmer gegen die Interessen des Unternehmensträgers, für die die wirtschaftliche Belastbarkeit und die Verselbständigung »des Unternehmens« gegenüber seinen Eignern eine zentrale Rolle spielen. Eine konkrete Zahl aus dem Grundgesetz ableiten zu wollen, ist absurd. Die Grenze zu markieren ist Sache des Gesetzgebers. Weil es material um den Schutzbereich des ausgestaltungsbedürftigen, in besonderem Maße durch das einfache Gesetz determinierten 221 Grundrechts aus Art. 14 GG geht, ist das 217 Latzel, Gleichheit, Rn. 309 ff. diagnostiziert eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung; anders OLG Düsseldorf v. 27. 7. 2011, I-26 W 7/10 (AktE), ZIP 2011, 1564 – II.2.b) bb) der Gründe. 218 BGH v. 17. 2. 2012, II ZB 14/11, juris – Rn. 24; im Anschluß an GK-BetrVG/Kraft 7, § 76 BetrVG 1952 Rn. 7. Ebenso die herrschende Auffassung zu § 76 BetrVG 1952, Nachweise zum damaligen Meinungsstand bei GK-BetrVG/Kraft 7, § 76 BetrVG 1952 Rn. 5 ff. 219 Begründung des Regierungsentwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat, BT-Drucks. 15/2542, S. 10. 220 Röder/Gneiting, DB 1993, 1618, 1619. 221 Maunz/Dürig/Papier, GG, Art. 14 Rn. 35 ff. mit umfassenden Nachweisen; Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 977 ff. Eingehend und kritisch Cornils, Ausgestaltung, S. 271 ff.

B. Unternehmensmitbestimmung

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keine unzulässige Konkretisierung der Verfassung durch das einfache Recht. Der deutsche Gesetzgeber hat insoweit mehrere Anhaltspunkte geliefert: Neben der 5-Arbeitnehmer-Grenze für die Betriebsratsfähigkeit kennt das BetrVG besondere Schwellenwerte für die wirtschaftliche Mitbestimmung, zu der der Sache nach auch die Unternehmensmitbestimmung rechnet 222 . Zu denken ist an die – jeweils unternehmensbezogenen – Schwellenwerte von 21 (wahlberechtigten) Arbeitnehmern in § 111 Satz 1 BetrVG für die Mitbestimmung bei Betriebsänderungen und 101 (ständig beschäftigten) Arbeitnehmern in § 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG für den Wirtschaftsausschuß. Daß der Betriebsrat nach §§ 106 Abs. 3 Nr. 9a, 109a BetrVG als Ersatz-Wirtschaftsausschuß und in der Insolvenz gewissermaßen als Ersatz-Aufsichtsrat fungiert 223 , muß außer acht bleiben, weil es hierbei nach der gesetzlichen Konzeption um Sonderfälle geht, die keine allgemeine Regel belegen. Beide Grenzwerte der §§ 111 Satz 1, 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG haben einen Bezug zu den für die Zumutbarkeit wirtschaftlicher Mitbestimmung relevanten Aspekten: Werden die Schwellenwerte überschritten, sind selbst Einzelkaufleute gezwungen, unternehmerische Entscheidungen zunächst »mitbestimmungsoffen« zu treffen 224 . »Mitbestimmung durch Argumente« darf nicht zur »Quasselveranstaltung« verkommen, in der Planspiele debattiert werden, von denen der Arbeitgeber/ Unternehmer selbst (noch) nicht überzeugt ist, setzt aber voraus, daß die Arbeitnehmer einen vom Arbeitgeber/Unternehmer gefaßten Entschluß nicht als unveränderliches Datum hinnehmen müssen. Anders ausgedrückt entwickelt das Unternehmen in gewissem Maße ein Eigenleben – im Falle der §§ 111 ff. BetrVG freilich nur für den thematisch begrenzten Bereich der Betriebsänderungen. Für den Schwellenwert steht hier die wirtschaftliche Zumutbarkeit des erzwingbaren Sozialplans im Vordergrund 225. Berücksichtigt man diese enge Zweckrichtung des Schwellenwerts in § 111 Satz 1 BetrVG, steht die Beratung mit dem Wirtschaftsausschuß der Teilhabe im Aufsichtsrat von ihrem umfassenden Anspruch her deutlich näher. Deshalb spricht meines Erachtens alles dafür, den Mindestschwellenwert für die Unternehmensmitbestimmung dergestalt »relativ« zum BetrVG zu bestimmen, daß in nicht wirtschaftsausschußfähigen Unternehmen keine Organbeteiligung stattfi nden darf. Praktisch wird das nicht nur für rechtspolitische Planspiele, sondern auch für »Alt222 Zur Aufsichtsratsmitbestimmung als Unterfall der wirtschaftlichen Mitbestimmung bereits § 3 C.III., S. 223 ff. 223 Auch dazu unter § 3 C.III., S. 223 ff. 224 Bereits § 3 C.II.2.b., S. 222. 225 BAG v. 18. 10. 2011, 1 AZR 335/10, NZA 2012, 221 – Rn. 18; weiter Löwisch, SAE 2000, 175: »Gesetzeszweck des Schwellenwertes, auf die geringere Belastungsfähigkeit kleiner Unternehmen Rücksicht zu nehmen und Anreize für Neugründungen von Kleinunternehmen auszuüben«. Kritisch Rieble, NZA 2012, 485, 486, dessen Ansicht nach insbesondere die fehlende Konzernzurechnung in § 111 BetrVG belegt, daß dem Schwellenwert »die ›wirtschaftliche Belastbarkeit‹ des Unternehmens weitgehend egalist [sic].«

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§ 4 Folgen für das Mitbestimmungssystem

gesellschaften« i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DrittelbG. Die Vorschrift ist lükkenhaft, weil ein Schwellenwert fehlt. Er ist nicht § 1 BetrVG zu entnehmen, sondern § 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG als der Regelung, die die Zumutbarkeit umfassender argumentativer Teilhabe in wirtschaftlichen Fragen anspricht. c. Wirtschaftsausschuß und Gemeinschaftsbetrieb Mit Blick auf die Schwellenwerte des BetrVG rechnet das BAG Arbeitnehmer, die in einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen beschäftigt werden, auch dann sämtlichen Trägerunternehmen zu, wenn diese Werte ausdrücklich auf das Unternehmen bezogen sind, wie in § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG für die Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen 226 oder in § 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG für den Wirtschaftsausschuß227. Bedenklich ist jedenfalls die Addition für den Schwellenwert des § 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG: Die Mitbestimmung durch Argumente im Wirtschaftsausschuß ist sachlich »Unternehmensmitbestimmung im Betrieb«. Für die entsprechenden Schwellenwerte kann es daher nicht um die (»betriebsverfassungsrechtlich« entscheidende228 ) Frage gehen, inwieweit die konkreten Arbeitsbeziehungen im Betrieb von den »persönlichen« Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Führungskräften geprägt sind. Maßgebend ist die auf das Unternehmen gerichtete Perspektive der Unternehmensmitbestimmung. Entscheidend kommt es mithin auf die Zumutbarkeit wirtschaftlicher Belastungen infolge wirtschaftlicher Mitbestimmung und die »Verselbständigung des Unternehmens« an. Insoweit verspricht nicht die betriebsverfassungsrechtliche Wertung des Gemeinschaftsbetriebs als Einheit Aufschluß, die zentral auf die gemeinschaftliche Leitung der von mehreren Trägerunternehmen gebildeten organisatorischen Einheit abhebt, sondern vielmehr der Respekt des Unternehmensmitbestimmungsrechts vor der rechtlichen Unabhängigkeit verschiedener Unternehmen auch im Rahmen der Konzernzurechnung. Wie für die Konzernzurechnung muß für den Schwellenwert des § 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gelten, daß Arbeitnehmer nur ihrer Vertragsarbeitgeberin zuzuordnen und zuzurechnen sind. Nicht auf den tatsächlich erlebten Alltag der Arbeitnehmer im Betrieb kommt es an, sondern auf die Strukturen in den jeweiligen Trägerunternehmen. Sie werden von der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit im Gemeinschaftsbetrieb nicht berührt.

226

BAG v. 29. 9. 2004, 1 ABR 39/03, BAGE 112, 100 = NZA 2005, 420 – III.2.c) der Gründe. 227 BAG v. 1. 8. 1990, 7 ABR 91/88, BAGE 65, 304 = NZA 1991, 643 – II.2. der Gründe: Der Siebte Senat wendet § 106 Abs. 1 BetrVG »analog« an. Methodische Bedenken hiergegen formulieren Rüthers/Franke, Anm. zu BAG v. 1. 8. 1990, 7 ABR 91/88, EzA § 106 BetrVG 1972 Nr. 16. 228 Hierzu § 3 D.II.2.d.[1][d], S. 255.

B. Unternehmensmitbestimmung

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2. Unternehmensübergreifende Unternehmensmitbestimmung a. Gemeinschaftsbetrieb und Gemeinschaftsunternehmen Daß die Partizipation auf Unternehmensebene nur den Arbeitsvertragspartnern des Unternehmens und seiner Tochterunternehmen eröffnet ist, hat mithin Konsequenzen für die unternehmensmitbestimmungsrechtliche Zuordnung von Arbeitnehmern im gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen: Hier verlieren die beteiligten Trägerunternehmen zwar ihre organisatorische Selbständigkeit auf betrieblicher Ebene, nicht (zwingend) aber auch ihre rechtliche Unabhängigkeit auf Unternehmensebene229. Darin liegt der zentrale Unterschied zwischen Gemeinschaftsbetrieben und Gemeinschaftsunternehmen. Letztere werden zwar nicht von einer einzelnen Gesellschaft, aber von mehreren Muttergesellschaften gemeinsam beherrscht, die sich rechtlich oder wenigstens faktisch verbinden, um eine einheitliche Leitung der gemeinsamen Tochter sicherzustellen 230 . Weil einerseits das Stimmrechtskonsortium der Mütter als Innengesellschaft bürgerlichen Rechts231 selbst keine anderweitigen wirtschaftlichen Interessenbindungen hat und daher kein »Unternehmen« i. S. d. Konzernrechts ist 232 , andererseits aber der Schutzzweck des Konzernrechts und der Teilhabezweck des Mitbestimmungsrechts auf die Mütter zutreffen 233 , ergibt sich dabei konzern- und mitbestimmungsrechtlich eine mehrfache Konzernierung der gemeinsamen Tochter234 . Deren Arbeitnehmer haben bei jeder Muttergesellschaft Teilhaberechte inne und werden bei jeder dieser Gesellschaften voll 235 mitgezählt. Diese Rechtsfolge läßt sich für die unternehmensübergreifende Kooperation im Gemeinschaftsbetrieb nicht übernehmen: Die allseitige Mehrfachzuordnung aller Arbeitnehmer an alle Trägerunternehmen wegen gleicher »Betroffenheit« kommt nicht in Betracht 236 , noch läßt sich eine differenzierte Zuordnung am Umfang der Tätigkeit für die einzelnen Trä229

Bonanni, Betrieb mehrerer Unternehmen, S. 295. Zu dieser »Mehrmütterherrschaft« BGH v. 4. 3. 1974, II ZR 89/72, BGHZ 62, 193 = NJW 1974, 855 – unter B.II. der Gründe; weiter Hüffer, AktG, § 17 Rn. 13 ff. 231 Zur Rechtsnatur des Stimmrechts-Konsortiums etwa MünchKommBGB/Ulmer, Vor § 705 Rn. 68. 232 Zum (herrschenden) Unternehmen i. S. d. §§ 15 ff. AktG statt vieler MünchKommAktG/Bayer, § 15 Rn. 13. 233 Allgemeine Meinung, etwa BAG v. 13. 10. 2004, 7 ABR 56/03, BAGE 112, 166 = NZA 2005, 647 – sub IV.1.e); OLG Hamm v. 2. 11. 2000, 27 U 1/00, NZG 2001, 563 = ZIP 2000, 2302 – zu II.1.a) der Gründe m. w. N.; weiter Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 17 AktG Rn. 32. Einschränkend MünchKommAktG/Bayer, § 17 Rn. 83: ist die Leitungsgesellschaft Außen-GbR, könne sie neben den Müttern (nicht aber anstelle der Mütter!) herrschendes Unternehmen sein. 234 Mit Blick auf die Mitbestimmung BAG v. 30. 10. 1986, 6 ABR 19/85, BAGE 53, 287 = SAE 1988, 178 m. Anm. v. Hoyningen-Huene – B.II.2.a) der Gründe; v. 13. 10. 2004, 7 ABR 56/03, BAGE 112,166 = NZA 2005, 647 – B.IV.1.c) der Gründe. 235 MünchKommAktG/Gach, § 5 MitbestG Rn. 28 m. w. N. 236 So aber Hjort, NZA 2001, 696, 698; Däubler, FS Zeuner, S. S. 19, 31; Thüsing/Forst, 230

336

§ 4 Folgen für das Mitbestimmungssystem

gerunternehmen 237 oder am Weisungsrecht 238 orientieren. Teilhaberechte der Arbeitnehmer bestehen nur entlang der Vertragsbeziehungen und der (vor allem: gesellschafts-)rechtlichen Bindungen der Arbeitgeberin 239 : Arbeitnehmer eines Trägerunternehmens wählen und zählen daher bei ihrer Vertragsarbeitgeberin (und gegebenenfalls deren Konzernmutter/-müttern), weil § 5 MitbestG für die mitbestimmungsrechtliche Zuordnung nicht auf die faktische Fernwirkung unternehmerischer Entscheidungen abhebt, sondern auf die rechtliche (Un-)Abhängigkeit der Arbeitgeberin. b. Konzern-Unternehmensmitbestimmung bei Zwischengesellschaften Weil Unternehmensmitbestimmung keine »Betroffenendemokratie« ist, kommen den Arbeitnehmern nicht Teilhaberechte in sämtlichen Unternehmen zu, von deren wirtschaftlichen Entscheidungen sie faktisch betroffen werden. Konzern-Unternehmensmitbestimmung eröffnet Zugriff auf rechtliche Leitungsmacht über die Vertragsarbeitgeberin, kompensiert aber nicht die faktische Fernwirkung unternehmerischer Entscheidungen auf die Belegschaften (nur) wirtschaftlich abhängiger Unternehmen. Konsequenzen ergeben sich hieraus nicht nur für die Zuordnung von in Gemeinschaftsbetrieben beschäftigten Arbeitnehmern, sondern auch für die Mitbestimmung bei KonzernZwischengesellschaften. [1] Unternehmensmitbestimmung im Teilkonzern, § 5 Abs. 3 MitbestG Gesetzlich angeordnet ist Unternehmensmitbestimmung bei Zwischengesellschaften im mehrstufigen Konzern nur in § 5 Abs. 3 MitbestG. Wird das herrschende Unternehmen an der Konzernspitze nicht in einer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG mitbestimmten Rechtsform betrieben (und ist keine von § 4 MitbestG erfaßte Kapitalgesellschaft & Co. KG), weicht die Organbeteiligung auf das in der Konzernhierarchie höchste potentiell mitbestimmte Unternehmen aus, »über« das die Konzernspitze andere Konzernunternehmen beFS Kreutz, S. 867, 873 ff.; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde/Trümner, BetrVG, § 1 Rn. 229. Weitere Nachweise bei Hohenstatt/Schramm, NZA 2010, 846, 847 und dort Fn. 3. 237 I.d.S. für eine anteilige Zuordnung aber BAG v. 1. 12. 1961, 1 ABR 15/60, BB 1962, 220 = DB 1962, 306 – unter II. der Gründe zu § 77 Abs. 2 BetrVG 1952; für vollständige Zuordnung bei Tätigkeit auch für andere Trägerunternehmen LG Hamburg v. 21. 10. 2008, 417 O 171/07, ZIP 2008, 2364. In diese Richtung auch Wanhöfer, Gemeinschaftsbetrieb, S. 82 ff., der Arbeitnehmer dann mehreren Unternehmen zuordnet, wenn sie ausschließlich und dauerhaft für ein Trägerunternehmen tätig werden, an welches sie nicht vertraglich gebunden sind. 238 Bonanni, Betrieb mehrerer Unternehmen, S. 295; Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 3 MitbestG Rn. 93. 239 Mit Blick auf das Wahlrecht ErfK/Oetker, § 18 MitbestG Rn. 3. Mit Blick auf die Zählzurechnung Hohenstatt/Schramm, NZA 2010, 846, 847 ff.; MünchKommAktG/ Gach, § 2 DrittelbG Rn. 7; zurückhaltender ErfK/Oetker, § 1 MitbestG Rn. 6: Zurechnung »jedenfalls« entlang der Vertragsbeziehungen.

B. Unternehmensmitbestimmung

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herrscht. Diese Zwischengesellschaft fi ngiert § 5 Abs. 3 MitbestG als herrschendes Unternehmen. [a] Zwischengesellschaften und Leitungsstruktur. Der Wortlaut des Gesetzes »über die die Konzernleitung andere Konzernunternehmen beherrscht« verhält sich nicht zu den Voraussetzungen solcher Vermittlung von Leitungsmacht 240 . Verschiedene Oberlandesgerichte haben daher ausreichen lassen, daß die Zwischengesellschaft nur die Mehrheit der Anteile an einer nachgeordneten Gesellschaft hält, ohne in die Leitung dieser »Enkelin« involviert zu sein und rechtlich fundierte Leitungsbefugnisse zu haben 241. Diese großzügige Auslegung beweist nicht nur ein »mitbestimmungsfreundliches Grundverständnis«242 , sondern auch eine Präferenz für den »demokratieverdächtigen«243 Schutz gegen Mitbestimmungsvermeidung durch gesellschaftsrechtliche Gestaltung. In der Tat soll es – neben »Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit«244 – vor allem »zur Einschränkung von Umgehungsmöglichkeiten«245 gerechtfertigt sein, von der oft schwierigen Untersuchung der Leitungsstrukturen im Konzern Abstand zu nehmen. Daran ist jedenfalls soviel richtig, als daß der Konzernmitbestimmung auf Unternehmensebene eine Umgehungsschutz-Funktion zugeschrieben werden kann. Sie kompensiert, daß die wirtschaftliche Mitbestimmung entwertet wird, wenn und weil die Vertragsarbeitgeberin ihre rechtliche Unabhängigkeit einbüßt. Weiter reicht der Schutz der Mitbestimmung indes nicht; Mitbestimmungsvermeidung durch Rechtsformwahl ist ebenso legal wie die Entscheidung eines Unternehmens, nicht über die Schwellenwerte der Unternehmensmitbestimmung hinaus zu wachsen und die Geschäftstätigkeit auf anderem Wege auszuweiten, etwa durch unternehmensübergreifende Kooperation. Anders ausgedrückt ist es gerade systemkonform, daß »das Maß der Mitbestimmung weithin in das Belieben der Konzernspitze gestellt«246 ist. Gesellschaftsrechtliche 240

Dazu Schweisfurth, Konzern im Konzern, S. 195. OLG Stuttgart v. 30. 3. 1995, 8 W 355/93, NJW-RR 1995, 1067 = ZIP 1995, 1004; OLG Düsseldorf v. 30. 10. 2006, 26 W 14/06 AktE, NZA 2007, 707 = NJW-RR 2007, 330 – sub II.1.c)aa) der Gründe; OLG Frankfurt/Main v. 21. 4. 2008, 20 W 8/07, ZIP 2008, 880 = AG 2008, 504 – zu II. der Gründe. Zustimmend MünchKommAktG/Gach, § 5 MitbestG Rn. 38; Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 5 MitbestG Rn. 58; Raiser/Veil, MitbestG/DrittelbG, § 5 MitbestG Rn. 39 ff. 242 OLG Düsseldorf v. 30. 10. 2006, 26 W 14/06 AktE, NZA 2007, 707 = NJW-RR 2007, 330 – II.1.c)aa) der Gründe. 243 Näher dazu unter § 2 D.I.3.a., S. 144 ff. 244 OLG Düsseldorf v. 30. 10. 2006, 26 W 14/06 AktE, NZA 2007, 707 = NJW-RR 2007, 330 – II.1.c)aa) der Gründe. 245 OLG Stuttgart v. 30. 3. 1995, 8 W 355/93, NJW-RR 1995, 1067 = ZIP 1995, 1004; OLG Düsseldorf v. 30. 10. 2006, 26 W 14/06 AktE, NZA 2007, 707 = NJW-RR 2007, 330 – unter II.1.c)aa) der Gründe. 246 OLG Düsseldorf v. 30. 10. 2006, 26 W 14/06 AktE, NZA 2007, 707 = NJW-RR 2007, 330 – II.1.c)aa) der Gründe. 241

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§ 4 Folgen für das Mitbestimmungssystem

Gestaltung kann auch aus der Perspektive des Mitbestimmungsrechts allenfalls in Extremfällen als »Mißbrauch« eingestuft werden. Es geht um einen grundrechtlich verbürgten Freiheitsraum 247. Vor allem aber muß jeder »Umgehungsschutz« ausscheiden, wenn er sein Ziel nicht erreichen kann. Mitbestimmung zielt auf Teilhabe der Arbeitnehmer an den unternehmerischen Leitungsentscheidungen. Trifft die Teilkonzernspitze i. S. d. § 5 Abs. 3 MitbestG keine Leitungsentscheidungen, die für nachgeordnete Konzernunternehmen verbindlich sind, wird dieser Teilhabezweck verfehlt. Wo nichts »bestimmt« wird, kommt Mitbestimmung nicht in Betracht. Deshalb kann es Unternehmensmitbestimmung im Teilkonzern nach § 5 Abs. 3 MitbestG nur dann geben, wenn die Teilkonzernspitze in die Leitung der Untergesellschaften eingebunden ist 248 . Zwar könnte der mitbestimmte Aufsichtsrat bei der Zwischen-Holding auch andernfalls noch »vielfältig[e]« Aufgaben wahrnehmen, und insbesondere über »Informationsrechte [. . .] sowie die Möglichkeit, [. . .] im Vorfeld weitreichender Entscheidungen auf die Willensbildung im Konzern Einfluss zu nehmen« seinem Mitbestimmungsauftrag nachkommen 249. Darauf kommt es aber nicht an, weil die Aufsichtsratsteilhabe Arbeitnehmer eben nicht nach faktischen Einflußmöglichkeiten zuordnet, sondern nach dem Gedanken einer horizontalen Abgrenzung polar geordneter (potentiell) mitbestimmter Einheiten. Zudem ist zu bedenken, daß die Arbeitnehmerzuordnung zur Zwischengesellschaft zwar für die Arbeitnehmer der untergeordneten Konzerngesellschaften – mangels mitzubestimmender Leitungsmacht – weithin folgenlos bleibt, nicht aber für die Arbeitnehmer der Zwischenholding. Aus ihrer Perspektive nimmt der Aufsichtsrat ihrer Arbeitgeberin sehr wohl Entscheidungsrechte wahr, wenngleich eingeschränkt durch die Konzernierung. Die Teilhaberechte der Belegschaft der Zwischengesellschaft werden notwendig entwertet, wenn die infolge der Konzernzurechnung geänderten Stimmrechtsverhältnisse dazu führen, daß sie »ihre« Kandidaten nicht mehr oder nicht mehr in demselben Umfang durchsetzen können. »Mitbestimmungsdemokraten« stört das nicht, weil es der als Betroffenendemokratie gedachten Unternehmensmitbestimmung darum gehen muß, möglichst alle auch nur faktisch »betroffenen« Arbeitnehmer mit korrespondierenden Teilhaberechten auszustatten 250 , und weil die Defi nition der Referenzgruppe als meta-demokratische 247

Kort, NZA 2009, 81, 84. OLG Celle v. 23. 3. 1993, 9 W 130/92, BB 1993, 957 – I.3. der Gründe; Seibt, ZIP 2008, 1301, 1305 ff.; Henssler, ZfA 2005, 289, 308; Kort, NZA 2009, 81, 84 f.; Ulmer/ Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 5 MitbestG Rn. 70; ErfK/Oetker, § 5 MitbestG Rn. 21. 249 OLG Düsseldorf v. 30. 10. 2006, 26 W 14/06 AktE, NZA 2007, 707 = NJW-RR 2007, 330 – II.1.c)aa) der Gründe. 250 I.d.S. etwa Däubler, FS Zeuner, S. 19, 31 – für die Zuordnung von Arbeitnehmern im Gemeinschaftsbetrieb. 248

B. Unternehmensmitbestimmung

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Vorbedingung die »Egalität der Betroffenen« nicht berührt. Sieht man aber die Arbeitnehmer-Teilhabe mit der hier vertretenen Ansicht als Selbstzweck, ist es rechtfertigungsbedürftig, wenn Teilhaberechte durch Zurechnung Vertragsfremder relativiert werden. Rechtfertigungsgrund i.d.S. ist es, daß Belegschaften abhängiger Konzernunternehmen durch die Konzernzurechnung einen Ausgleich für die bei ihrer Arbeitgeberin entwertete Teilhabe erhalten. Scheitert dieses Anliegen, weil die Teilkonzernspitze insoweit nichts zu bestimmen hat, muß auch die Rechtfertigung scheitern. Daß die Arbeitnehmer der Zwischengesellschaft von der Zurechnung profitieren könnten, weil diese Gesellschaft selbst Arbeitnehmer nur unterhalb der Schwellenwerte des Mitbestimmungsrechts beschäftigt, kann keine Rolle spielen. Bei der Mehrfachzurechnung im Konzern geht es um die Teilhabe der Arbeitnehmer in den nachgeordneten Unternehmen – nicht darum, die Mitbestimmung für Arbeitnehmer von Obergesellschaften zu optimieren. [b] Montangesellschaft und SE als Konzernspitze. § 5 Abs. 3 MitbestG ist mithin kein allgemeiner Auffangtatbestand im Interesse des Umgehungsschutzes, sondern erlaubt punktuellen Zugriff auf rechtlich, vor allem: gesellschaftsrechtlich vermittelte Leitungsmacht über die Arbeitgeber-Gesellschaft, die das MitbestG an der Konzernspitze nicht erreicht. Dieser Normzweck kann prinzipiell auch dann angesprochen sein, wenn die Konzernspitze nach deutschem Recht mitbestimmt ist. Relevant ist insoweit die nach MontanMitbestG mitbestimmte Gesellschaft als Konzernspitze, vor allem aber die SE. Seit das Montan-MitbestG in § 1 Abs. 4 eine eigene Konzernzurechnungsvorschrift kennt, spricht sich die Literatur ganz überwiegend dagegen aus, der mitbestimmten Montangesellschaft analog § 5 Abs. 3 MitbestG einen mitbestimmten Teilkonzern nachzuordnen 251. In der Tat ist nicht einzusehen, weshalb die Mitbestimmung auf Ebene der Zwischengesellschaft als Sonderfall greifen soll, wenn die Arbeitnehmer bereits Teilhabe-Zugriff auf die Konzernspitze nehmen können. § 5 Abs. 3 MitbestG würde »umgewidmet«: Statt in Ausnahmefällen Mitbestimmungsrechte zu begründen, bewirkte die Norm vor allem, daß Arbeitnehmer in Konzernen Mitbestimmungsrechte (auf der Ebene der Zwischengesellschaft) einbüßen, an deren Spitze ein nach MitbestG mitbestimmtes Unternehmen steht. Das ist nicht nur teleologisch abseitig, sondern auch gleichheitsrechtlich unhaltbar. Für den praktisch bedeutenderen Fall der SE als Konzernspitze kann nichts anderes gelten. Die SE muß von Unionsrecht wegen einer AG deutschen Rechts

251

Jeweils m. w. N. ErfK/Oetker, § 5 MitbestG Rn. 22; Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 5 MitbestG Rn. 74.

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§ 4 Folgen für das Mitbestimmungssystem

gleich stehen, Art. 10 SE-VO252 . Anders ausgedrückt verbietet sich jede mitbestimmungsrechtliche »Sanktion« analog § 5 Abs. 3 MitbestG dafür, daß die Konzernspitze nicht in der Rechtsform einer AG betrieben wird, sondern in der einer SE 253 . Vor allem aber sind die Arbeitnehmer abhängiger Konzerngesellschaften (Tochtergesellschaften i. S. d. § 2 Abs. 3 SEBG) bei der Wahl zum besonderen Verhandlungsgremium (nach inländischem Recht) eingebunden, § 5 Abs. 1 Satz 1 SEBG. [2] Konzern im Konzern Anders als das Konzern-Gesellschaftsrecht kennt das Mitbestimmungsrecht nach herrschender Ansicht einen »Konzern im Konzern«, also ein rechtlich relevantes Konzernverhältnis beispielsweise zwischen Tochter- und Enkelgesellschaft, das eigenständiger Anknüpfungspunkt für die Konzernmitbestimmung sein soll 254 . In der Folge sollen Arbeitnehmer der Enkelin nicht nur der Muttergesellschaft (etwa nach § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG) zugerechnet werden, sondern zusätzlich auch noch der Tochter, zu deren Aufsichtsrat ihnen ein zusätzliches Wahlrecht zusteht. Voraussetzung ist freilich, daß die Mutter ihre (konzern-)rechtliche Leitungsmacht über die Enkelgesellschaft dauerhaft an die Tochter delegiert hat 255. Dabei werden strenge Maßstäbe angelegt: Seibt 256 will die Mitbestimmungsdoppelung nur zulassen, wenn zwischen Mutter- und Zwischengesellschaft nicht mehr als eine »lose Rechtsbeziehung« verbleibt. Ein derart hohes Maß an Eigenständigkeit stellt die Konzernierung der Zwischengesellschaft in Frage257. Wenn es überhaupt einmal erkannt werden kann 258 , dann »nur in ›pathologischen‹ Fällen [. . .], in denen der Vorstand und 252

Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. 10. 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. EG 2001, L 294, S. 1 ff. 253 C. Schäfer, SE und Gestaltung der Mitbestimmung, S. 13 ff. Rn. 21; weiter Ulmer/ Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 5 MitbestG Rn. 2 m. w. N. 254 Hierzu etwa Konzen, ZIP 1984, 269 ff.; weiter Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 5 MitbestG Rn. 35 ff. m. w. N. auch zur Gegenmeinung im Gesellschaftsrecht. 255 OLG München v. 19. 11. 2008, 31 Wx 99/07, ZIP 2008, 2414 = NZG 2009, 112 – unter II.3.c) der Gründe. Aus dem Schrifttum etwa Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 5 MitbestG Rn. 35 ff.; MünchKommAktG/Gach, § 5 MitbestG Rn. 24 ff. m. w. N. auch zur Gegenansicht. Eingehend Schweisfurth, Konzern im Konzern, S. 174 ff. Großzügiger für die Konzernbetriebsverfassung BAG v. 14. 2. 2007, 7 ABR 26/06, BAGE 121, 212 = NZA 2007, 999 – Rn. 49; v. 16. 5. 2007, 7 ABR 63/06, AP Nr. 3 zu § 96a ArbGG 1979 – Rn. 31: der Zwischengesellschaft müßten »noch wesentliche Leitungsaufgaben zur eigenständigen Ausübung [. . .] verbleiben«, welche die nach BetrVG mitbestimmungspfl ichtigen Bereiche betreffen. 256 ZIP 2008, 1301, 1303. Weiter Redeke, DB 2008, 2408 f. m. w. N. Großzügiger Schweisfurth, Konzern im Konzern, S. 207 ff., die (S. 207) »den Konzern im Konzern [. . .] nicht auf den absoluten Sonderfall [. . .] reduzieren« will. 257 Richardi, FS Zeuner (1994), S. 147, 157 f.; Meik, BB 1991, 2441, 2443 f. 258 Redeke, DB 2008, 2408, 2409: »die ordentlichen Gerichte [haben] den Tatbestand eines Konzerns im Konzern [. . .] bislang noch in keinem der ihnen vorgelegten Fälle bejaht«.

B. Unternehmensmitbestimmung

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der Aufsichtsrat der Obergesellschaft ihre auf die Konzerngesellschaften bezogenen Leitungs- und Kontrollaufgaben vernachlässigen«259. Verglichen mit der Frage nach der Zwischenholding als Teilkonzernspitze 260 geht es mithin um den »spiegelverkehrten« Fall, in dem (nahezu) ausschließlich die Zwischengesellschaft zur Leitung der Enkelin berechtigt ist. In der Praxis begründet der Konzern im Konzern de facto keine zusätzliche Mitbestimmungsebene. Daß Arbeitnehmer nachgeordneter Konzernunternehmen an der Wahl zum Aufsichtsrat ohnehin nach § 1 MitbestG mitbestimmter Zwischengesellschaften teilnehmen, kommt jedoch vor261. Daß die Arbeitnehmer der Enkelinnen damit drei verschiedenen Gesellschaften zugeordnet werden und unter Umständen zu drei verschiedenen Aufsichtsräten wählen dürfen, ist kein »undemokratischer« Sonder-Partizipationsvorteil 262 . Majorisierungsschutz zugunsten der Belegschaft der Zwischengesellschaft wäre mit dem Grundgedanken der Konzernzurechnung unvereinbar263 . Auch sonst gewichtet das Mitbestimmungsrecht den Teilhabeanspruch unterschiedlicher Arbeitnehmergruppen nicht gegeneinander264 . Der Normzweck der Konzernzurechnungsvorschriften trifft mit Blick auf den Konzern im Konzern nur auf die Zwischengesellschaft zu: Wirksame Teilhabe an der rechtlich vermittelten Leitungsmacht »über« die Arbeitgeberin setzt voraus, daß die Adressatin der Teilhaberechte solche Befugnisse ausübt. Unter der Prämisse, daß ein Unterordnungskonzern auch dann noch besteht, wenn die Zwischengesellschaft die Leitung der Enkelinnen nahezu allein übernimmt, ist der Konzern im Konzern daher mitbestimmungsrechtlich anzuerkennen. Rechtsmethodisch kann seine Grundlage nur in § 5 Abs. 3 MitbestG zu fi nden sein, dessen »Ersatz-Funktion« erst recht greifen muß, wenn gesellschaftsrechtliche Leitungsmacht nicht nur über die Zwischengesellschaft vermittelt, sondern wesentlich von der Zwischengesellschaft ausgeübt wird. 3. Territorialität In der Diskussion über die »deutschtümelnde«265 Unternehmensmitbestimmung sind zwei unterschiedliche Aspekte auseinander zu halten: Einmal die Frage nach einer unionsrechtswidrigen Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten 266 , und einmal die Vorstellung, der Aus259

Redeke, DB 2008, 2408, 2409. [Hervorhebung im Original.] Soeben [1][a], S. 337 ff. 261 So das Ergebnis der empirischen Studie von Schweisfurth, die auf einer Basis von 76 Unternehmen erhoben wurde; Schweisfurth, Konzern im Konzern, S. 137. 262 So aber Semler, DB 1977, 805, 810. 263 Ähnlich Schweisfurth, Konzern im Konzern, S. 206. 264 Mit Blick auf die Betriebsverfassung bereits § 3 D.II.3.b.[2], S. 266 f. 265 Rieble/Latzel, EuZA 2011, 145, 152 sprechen von einer »deutschtümelnden Mitbestimmungsunwucht«. 266 Dazu mit umfassenden Nachweisen Latzel, Gleichheit, vor allem Rn. 735 ff. 260

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§ 4 Folgen für das Mitbestimmungssystem

schluß der Ausländer führe zu einem »ernsten demokratischen Legitimationsdefi zit der Mitbestimmung«267. Hier interessiert der zweite Gesichtspunkt: Unternehmensmitbestimmung ist keine Unternehmensdemokratie. Die Teilhabe der Unternehmensbelegschaft legitimiert weder die Fremdbestimmung der Arbeitnehmer in der Unternehmensorganisation, noch die heteronomen Wirkungen der Mitbestimmung. Fallen Betroffenheit und Teilhabe auseinander, ergibt sich kein »Legitimationsdefi zit«. Damit ist auch gesagt, daß der Ausschluß im Ausland beschäftigter Mitarbeiter die gesetzlich fundierte Legitimation der Mitbestimmung nicht beeinträchtigt. a. Wahlrecht für Arbeitnehmer ausländischer Tochtergesellschaften Sehr wohl widersprechen territorial beschränkte Teilhaberechte indes dem Gedanken der Mitbestimmung durch Betroffenenbeteiligung 268 , beschädigen also den Teilhabezweck der Unternehmensmitbestimmung. In diesem eingeschränkten Sinne ließe sich also durchaus mit Teichmann 269 sagen, es gehe bei der »Beteiligung der ausländischen Belegschaft um die innere Legitimation der Arbeitnehmerbeteiligung«. Sehen müßte man diese »innere Legitimation« in der Ausrichtung der Mitbestimmung auf ein System prinzipiell gleich(wertig)er Teilhabechancen aller dem Konzern zugeordneten Arbeitnehmer. Diese Teilhabegerechtigkeit stört jede paternalistische Zuständigkeit der Mitbestimmungsträger für nicht wahlberechtigte Arbeitnehmer. Sie bedingt einen Interessenkonfl ikt, dem auch Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat deutscher Muttergesellschaften transnationaler Konzerne ausgesetzt sind: Sie repräsentieren die Interessen aller Arbeitnehmer, sind aber – mindestens emotional – besonders auf die Interessen nur der in Deutschland Beschäftigten verpfl ichtet. Vor allem wenn Neuinvestitionen oder Standortschließungen im internationalen »Wettbewerb der Standorte« vergeben werden, benachteiligt die deutsche Mitbestimmung ausländische Belegschaften mittelbar 270 . Diese Diskrepanz könnte der deutsche Gesetzgeber ausgleichen, indem er den im Ausland beschäftigten Arbeitnehmern das Wahlrecht zum Aufsichtsrat der deutschen Konzernspitze einräumt und die deutschen Mütter verpfl ichtet, in allen ausländischen Tochtergesellschaften für ein Wahl- oder Entsendeverfahren Sorge zu tragen 271. Eine transnational »ausgewogene« Belegschaftsrepräsentation ließe sich durch Quoten für Arbeitnehmer aus den jeweiligen Staaten sichern 272 . Im Interesse der »inneren Legitimation« der Mitbestim267

Raiser/Veil, MitbestG/DrittelbG, § 1 MitbestG Rn. 20. Zu ihm § 3 C.IV., S. 226 f. 269 ZIP Beilage zu Heft 48/2009, 10, 12. 270 Latzel, Gleichheit, Rn. 344. 271 Mit Blick auf Belegschaften in Mitgliedstaaten der EU Latzel, Gleichheit, Rn. 769, der die Gleichstellung insoweit für unionsrechtlich geboten hält. 272 Latzel, Gleichheit, Rn. 747 favorisiert eine insoweit anteilsgerechte Sitzplatzreservierung. 268

B. Unternehmensmitbestimmung

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mung, also der Teilhabegerechtigkeit, geboten ist diese Gleichstellung jedoch nicht: Für die in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer von Tochtergesellschaften steht aus der Sicht des deutschen Rechts fest, daß sie infolge der Konzernierung ihrer Arbeitgeberin Teilhaberechte einbüßen, sofern die Mitbestimmung nicht auf die Konzernspitze verlagert wird. Die Organbeteiligung läuft angesichts der Konzernleitungsmacht leer; Tarifvertrag und Streik bieten trotz erheblicher Überschneidungen keinen gleichwertigen Ersatz. Für die Ausland arbeitenden Kollegen muß nicht dasselbe gelten, weil diese nach ausländischem Recht befugt sein können, anders als durch Organbeteiligung in den konzernrechtlich gebundenen Gesellschaften (funktional) gleichwertigen Einfluß auf die Unternehmenspolitik ihrer Arbeitgeberin zu nehmen. In Rechtsordnungen, die Arbeitnehmerteilhabe an unternehmerischen Strategieentscheidungen durch Arbeitskampf zulassen, erhielten Arbeitnehmer mit dem Wahlrecht zur deutschen Konzernspitze einen mitbestimmungsrechtlichen Sondervorteil 273 . Das mag wenig nutzen, wenn Investitionen zentral von Deutschland aus gelenkt werden; in Standortentscheidungen hingegen kann der Standortarbeitskampf als Kostenfaktor und Drohkulisse eine Rolle spielen. Meines Erachtens müssen solche Vorteile in Rechnung gestellt werden, wenn es um die innere Systemgerechtigkeit der Unternehmensmitbestimmung in transnationalen Konzernen geht 274 . Teilhabegerechtigkeit kann nicht bedeuten, daß die Partizipationsvorteile der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer überkompensiert und diese Arbeitnehmer im Ergebnis schlechter gestellt werden. Insoweit ist nichts dagegen zu erinnern, daß typisierend alle im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer von der deutschen Mitbestimmung ausgeschlossen werden – unabhängig davon, ob sie andernfalls die skizzierten Sondervorteile genießen würden. Das ausländische Recht ist aus der Perspektive der deutschen Mitbestimmung gerade kein feststehendes Datum, sondern eine Variable, die sich jederzeit ändern kann. Daß es in der SE und damit (auch) auf der Grundlage des SEBG bereits eine »internationale« Mitbestimmung nach deutschem Recht gibt, belegt als europarechtlich vorgezeichnete Ausnahme keine gegenläufige Wertung des deutschen Gesetzgebers. b. Zählzurechnung der Arbeitnehmer ausländischer Tochtergesellschaften Sollen die im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer im Interesse grenzübergreifender Teilhabegerechtigkeit mitwählen dürfen, müßten sie der deutschen 273

Schon unter § 2 D.II.3., S. 155 ff. Ob sie – mit R. Krause, AG 2012, 485, 496 – für die Diskriminierungsfrage berücksichtigt werden dürfen, ist eine andere Frage. Die Entscheidung des EuGH zum Kindergeldanspruch von Wanderarbeitern, die auch in ihrem Heimatstaat vergleichbare Familienleistungen beziehen, spricht eher dagegen; EuGH v. 12. 6. 2012, C-611/10 und C-612/10, AuR 2012, 326 (LS) – Rn. 76 ff. 274

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Mutter nach den allgemeinen Kriterien der Unternehmensmitbestimmung auch zugeordnet werden: entlang der arbeitsvertraglichen Bindung zu ihrer rechtlich abhängigen Arbeitgeberin. Konsequenz könnte nur sein, diese Belegschaften dann auch mitzuzählen, also auf die Schwellenwerte der deutschen Mitbestimmungsgesetze anzurechnen 275. Geht man indes mit der hier vertretenen Ansicht davon aus, daß die deutsche Organbeteiligung im Interesse der Teilhabegerechtigkeit nicht für im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer geöffnet werden muß, dann verbietet sich eine Zählzurechnung ohne komplementäres Wahlrecht. Zwar macht es hinsichtlich der – anhand der Arbeitnehmerzahl typisierten 276 – wirtschaftlichen Belastbarkeit der Muttergesellschaft keinen Unterschied, in welchem Staat ihre rechtlich abhängigen Töchter Arbeitnehmer beschäftigen. Der Schutzzweck der Schwellenwerte in der Unternehmensmitbestimmung, nur hinreichend leistungsstarke Unternehmen mit der wirtschaftlichen Mitbestimmung im Aufsichtsrat zu »belasten«, kann die Entscheidung des Gesetzes aber nicht überspielen, die Leistungsfähigkeit der Unternehmen nur anhand der Zahl der dem Unternehmen mitbestimmungsrechtlich zugeordneten Arbeitnehmer zu typisieren 277.

II. Mitbestimmung und Governance Die Untersuchung des (Teilhabe-)Zwecks der Unternehmensmitbestimmung hat gezeigt, daß durch die Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat bedingte Abweichungen vom Leitbild »marktrationalen« Verhaltens aus der Perspektive des Mitbestimmungsrechts keine Steuerungsfehler sind, sondern gerade der gewollte prozedurale Einfluß auf unternehmerische Entscheidungen. Von diesem inhaltlichen Einfluß auf die Unternehmenspolitik unabhängig ist die Frage, ob die äußerlichen Rahmenbedingungen »guter Unternehmensführung«, die von der Organbeteiligung unweigerlich berührt werden 278 , unter der Unternehmensmitbestimmung leiden.

275 Folgerichtig für die Zählzurechnung der in Unionsstaaten beschäftigten Arbeitnehmer Latzel, Gleichheit, Rn. 748. 276 1.b., S. 331. 277 Insoweit gilt nichts anderes als mit Blick auf die Anrechnung entliehener Arbeitnehmer auf den Schwellenwert des § 111 Satz 1 BetrVG; dazu unter § 3 D.II.2.d.[2][c], S. 260 f. 278 Windbichler, FS Schwark, S. 805.

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1. »Aufsichtsratstauglichkeit« der Arbeitnehmervertreter a. Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit und Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder Auch insoweit wird die Mitbestimmung teilweise kritisch gesehen 279. Ausgangspunkt ist die – insoweit wohl unbestrittene – Einsicht, daß sich die Anforderungen an die Unternehmensleitungen ständig geändert haben und ändern, was Manager und Aufsichtsräte gleichermaßen angeht. Mit dem Wandel der »externen« Anforderungen an Unternehmen, etwa durch Europäisierung und Globalisierung von Markt und Wettbewerb, ergeben sich zwingend auch neue Ansprüche an Aufsichtsratsmitglieder beider Bänke280 . Sieht man von der hier uninteressanten Frage der gesetzlichen Frauenquote ab281, stehen derzeit Forderungen nach Professionalisierung 282 und Qualifi zierung 283 der Aufsichtsräte im Zentrum der Diskussion. Zum Teilhabezweck der Unternehmensmitbestimmung liegen solche Postulate konträr. Das soll freilich nicht heißen, daß Arbeitnehmervertreter in der Breite den Mindestanforderungen an Aufsichtsräte nicht oder nicht mehr entsprächen. Ohne belastbares statistisches Material wäre dies eine bloße Unterstellung 284 ; gerichtsnotorische Einzelfälle – wie der eines Arbeitnehmervertreters, der die eigene Unzulänglichkeit mittelbar eingestanden und gebeten hat, zur Einsichtnahme in den Prüfungsbericht i. S. d. § 321 HGB eine Sachverständige des WSI hinzuziehen zu dürfen 285 – erlauben keinen generalisierenden Rückschluß. Daß eine zunehmende Spezialisierung und Professionalisierung dem Mitbestimmungsanliegen zuwider läuft, hat nichts mit unzureichenden Leistungen der Arbeitnehmervertreter zu tun. Indes ist nicht ernsthaft zu be279 So diagnostiziert etwa Loritz, ZfA 2010, 367, 395 eine »Verschlechterung der Vorstandsbesetzungen« als Folge der Unternehmensmitbestimmung. 280 Vor diesem Hintergrund stellt etwa Ulmer, ZHR 166 (2002), 271, 272 ff., die Frage, »ob die unternehmerische Mitbestimmung deutscher Prägung [. . .] zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch zeitgemäß ist«. 281 Dazu etwa Brandt/Thiele, AG 2011, 580 ff.; Spindler/Brandt, NZG 2011, 401 ff. 282 Für die AG etwa Lutter, DB 2009, 775 ff.; für die GmbH etwa Link/Vogt, BB 2011, 1899 ff. 283 Säcker, AG 2004, 180, 181 f.; Ruter/Rosken, DB 2011, 112, 1124 ff. Dazu noch M. Roth, ZHR 176 (2011), 605, 625 ff. 284 Vgl. Loritz, ZfA 2009, 477, 510 ff., der S. 511 mit der Frage provozieren will, wie viele der Aufsichtsratsvertreter der (Anteilseigner und vor allem der) Arbeitnehmer »im ›Lesen‹ von Jahresabschlüssen wirklich ›sattelfest‹ [seien]« und »die Routine [hätten], dass sie auf Grund gewisser Veränderungen erkennen, was sich hinter den Zahlen verbirgt«. Dagegen meint Wendeling-Schröder, AuR 2011, 396, 397, Arbeitnehmervertreter könnten als Interne besondere und unverzichtbare Kenntnisse einbringen. Daß diese Insiderperspektive als »unverzichtbarer« Vorteil eingestuft werden müßte, ist freilich eine gleichfalls unbewiesene Unterstellung. 285 BGH v. 15. 11. 1982, II ZR 27/82, BGHZ 85, 293 = NJW 1983, 991 – »Hertie«; dazu Lutter/Krieger, DB 1995, 257 ff.

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streiten, daß das Qualifi kationsniveau der unternehmensangehörigen Arbeitnehmerrepräsentanten, die defi nitionsmäßig »Quereinsteiger« sind und sein sollen, strukturell hinter dem von (jedenfalls: solchen) Eignervertretern zurückbleibt 286 , die kraft Ausbildung und berufl ichem Werdegang »Spezialisten« sind und primär nach fachlichen Kriterien ausgewählt wurden. Zwar ist die Leistung vor allem der Gewerkschaften zu würdigen, die mit hohem Aufwand qualifi ziertes Personal auch und gerade für die Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat 287 entwickeln. Punktuelle Weiterbildungen neben einer hauptberufl ichen Arbeitstätigkeit können eine spezifische Ausbildung und spezifische »Unternehmererfahrungen« aber nicht gleichwertig ersetzen. Vor diesem Hintergrund ist unabweisbar, daß der Gedanke einer Mitbestimmungsteilhabe durch die Betroffenen verfehlt wird, wenn sich die Tätigkeit im Aufsichtsrat zum hochspezialisierten »Hauptamt« entwickelt. Werden die Qualifi kationsanforderungen an Aufsichtsräte verschärft, fällt es schwerer, die erforderlichen Kenntnisse neben dem Berufsleben zu erwerben. Dann aber spricht allen Bildungsbemühungen zum Trotz viel dafür, daß statistisch weniger Arbeitnehmer als Mitbestimmungsträger zur Verfügung stehen werden, die sich nicht auf gerade diese Laufbahn festgelegt haben. Im Ergebnis wird befördert, daß sich Repräsentanten und Repräsentierte zu zunehmend getrennten Gruppen entwickeln und also eine gewisse »Entfremdung« eintritt. Betroffenenbeteiligung will das Gegenteil. Eine »Funktionärskaste« mit (mehr oder weniger) ausgeprägtem Selbst-Bewußtsein schadet der Mitbestimmung nicht anders als die Eigengesetzlichkeiten einer »politischen Klasse« zum Problem der Staatsdemokratie werden können 288 . Außerdem regen gesteigerte Qualifi kationsvoraussetzungen für Aufsichtsräte aus Arbeitnehmer-Perspektive weitgehend »reine« Funktionärskarrieren an, in deren Verlauf das nötige Wissen erworben werden kann – vor allem als Betriebsrat und/oder Mitglied des Wirtschaftsausschusses, sei es in Schulungen oder in der praktischen Amtstätigkeit. Dieser Lebensweg bietet mit Blick auf das betriebsverfassungsrechtliche Ehrenamtsprinzip i. S. d. § 37 Abs. 1 Be286 Fischer, NZA 2007, 484, 488 spricht von »intellektuelle[r] Waffenungleichheit«; v. Werder, AG 2004, 166, 170 von »theoretisch plausiblen Qualifi kationsdefi zite[n]«. 287 Beispielhaft sei aus dem Bildungsangebot das »Bildungsprogramm 2012 der IG Metall für Aktive in Betrieb und Gesellschaft« herausgegriffen: http://www.igmetall.de/cps/ rde/xbcr/internet/Bildungsprogramm_Aktive_2012_0178962.pdf. Angeboten werden dort (S. 50 f.) u. a. Seminare zur Bilanzanalyse sowie zu Konzernabschluß und internationaler Rechnungslegung. Programmatisch der bei E. Potthoff, Geschichte, S. 44 zitierte Aufruf Hans Böcklers auf der außerordentlichen Generalversammlung der IG Bergbau am 30. 1. 1951: »Haltet Umschau, sucht Euch die Menschen, die wir nun brauchen [. . .] Und wir werden manchen unserer Funktionäre sehr streng und scharf dazu anhalten müssen, sein Wissen zu mehren«. 288 Kritisch zur Entwicklung der bundesdeutschen Parteiendemokratie v. Arnim, NJW 2009, 2934, 2936 ff.

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trVG indes kaum (legale 289 ) fi nanzielle Anreize, zumal Arbeitnehmervertreter die Tantiemen aus einer späteren Aufsichtsratstätigkeit in aller Regel an die Hans-Böckler-Stiftung abführen 290 . Daß die meisten Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat (beinahe) ehrenamtlich tätig werden (müssen) 291, verträgt sich nicht mit einer Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit. b. »Unabhängigkeit« der Aufsichtsratsmitglieder Deutlicher noch wird der Widerspruch zwischen den Forderungen der Corporate Governance und denen der Mitbestimmung an die Aufsichtsräte mit Blick auf die – gleichfalls zunehmend eingeforderte 292 – »Unabhängigkeit« der Gremiumsmitglieder. Eine allgemeingültige Defi nition dieser Unabhängigkeit fehlt 293 . Richtigerweise kann es nicht nur auf die Abhängigkeit der Aufseher von der Geschäftsführung der beaufsichtigten Gesellschaft ankommen 294 . Aufsichtsratsmitglieder sind auch dann »abhängig«, wenn sie etwa einen Mehrheitsanteil an der Gesellschaft halten 295 oder ein mit der beaufsichtigten Gesellschaft geschäftlich verbundenes Unternehmen wie die Hausbank oder einen wichtigen Zulieferer repräsentieren 296 . [1] Abhängigkeit der Arbeitnehmervertreter? Ob Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat i.d.S. unabhängig sind, ist bislang noch nicht geklärt. Hebt man auf das Verhältnis zu den repräsentierten Arbeitnehmern ab, sollen deren Repräsentanten nicht völlig unabhängig, son289 Dazu, daß Betriebsräte in der Praxis mitunter contra legem »als Co-Manager« vergütet werden, Rieble, BB 2009, 1612, 1613. 290 Nachweise zu den – divergenten – instanzgerichtlichen Entscheidungen zur Wirksamkeit entsprechender Abführungsverpfl ichtungen ErfK/Oetker, § 113 AktG Rn. 5; für rechtswirksame Abführungspfl icht jüngst LAG Hessen v. 4. 11. 2009, 8/7 Sa 2219/08, BB 2010, 900 (LS) [Revision anhängig unter 10 AZR 174/10]. 291 Rieble, NJW 2006, 2214, 2216; Fischer, NZA 2007, 484, 485. 292 Etwa Nr. 5.4.2 des DGCK; eine intensivere Bindung entfalten – jedenfalls für bestimmte Unternehmen – ausländische Rechtsvorschriften, die unabhängige Verwaltungsoder Aufsichtsräte einfordern; am Beispiel des us-amerikanischen Sarbanes-Oxley Act R. Krause, WM 2003, 762 ff. Weiter M. Roth, ZHR 176 (2011), 605 ff.; Ruter/Rosken, DB 2011, 1123, 1125. Nach GK-AktG/Hopt/M. Roth, § 100 Rn. 192 setzt sich die Einsicht durch, daß »mehr Unabhängigkeit [. . .] wichtig, wenn nicht notwendig« ist. 293 M. Roth, ZHR 176 (2011), 605, 628, der zur Lückenfüllung auf Empfehlungen der Europäischen Kommission zurückgreifen will. 294 So aber Lutter, EuZW 2009, 799, 803 f. Dieses enge Verständnis von »Unabhängigkeit« geht im Kern auf die Entwicklung des anglo-amerikanischen Rechts zurück: im monistischen board müssen Geschäftsleitung und Kontrolle zunächst auseinander dividiert werden; dazu etwa Windbichler, FS Schwark, S. 805, 807 f. 295 Habersack, AG 2008, 98, 105 f.; derselbe, Eingriffe in die Unternehmensführung, E 72 ff. Dagegen Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 228 f. 296 Lieder, NZG 2005, 569, 570. Die Einstufung als »unabhängig« verbietet sich schon mit Blick auf den greifbaren Interessenkonfl ikt, dem solche Aufsichtsräte ausgesetzt sind; zu diesem Konfl ikt GK-AktG/Hopt/M. Roth, § 100 Rn. 158.

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dern im Gegenteil auf das Mitbestimmungsinteresse verpfl ichtet sein. Zwar nicht rechtlich, weil Aufsichtsratsmitglieder (im mitbestimmten Aufsichtsrat) nicht weisungsgebunden sind 297, mit Blick auf den »Wahlauftrag«298 und ein regelmäßig zu unterstellendes Wiederwahlinteresse aber faktisch. So gesehen ist bei Arbeitnehmervertretern »fehlende Unabhängigkeit [. . .] Programm«299. Das gilt nicht nur für Unternehmensangehörige, sondern auch für Gewerkschaftsvertreter: Auch ihr »Mitbestimmungsauftrag« ist inkompatibel mit den Interessen, die hinter Forderungen nach unabhängigen Aufsichtsräten stehen 300 . Schwieriger fällt ein Urteil mit Blick auf die Abhängigkeit von der Geschäftsleitung: Unternehmensangehörige Arbeitnehmervertreter stehen per defi nitionem in einem arbeitsrechtlichen Abhängigkeitsverhältnis zur Geschäftsleitung qua Arbeitsvertrag301. Doppelmandate in Betriebs- und Aufsichtsrat sind üblich, und schließen die Unabhängigkeit der sich selbst kontrollierenden Co-Manager aus302 . Die Gewerkschaftsvertreter müssen zwar weder in dem Unternehmen beschäftigt noch Mitglied in der vorschlagenden Gewerkschaft sein 303 , sind aber Repräsentanten einer »mit dem Unternehmen (jedenfalls mittelbar) in Tarifvertragsbeziehungen stehende[n] Arbeitnehmerorganisation, häufig [. . .] Mitglieder des Bundesvorstands der Gewerkschaft. Sie können [. . .] nicht anders behandelt werden als die Vorstandsmitglieder von Banken oder Zulieferern des Unternehmens«304 . Will sagen: Mit Blick auf die Sonderbeziehung zu dem beaufsichtigten Unternehmen sind jene305 wie diese als abhängig einzustufen. Daß das Mitbestimmungsrecht die Mitbestimmungsträger im Aufsichtsrat vor Repressalien wegen ihrer Amtstätigkeit schützt, etwa mit dem expliziten Benachteiligungsverbot in § 26 MitbestG 297 Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 78 m. w. N. Für den fakultativen Aufsichtsrat der GmbH hält BVerwG v. 31. 8. 2011, 8 C 16.10, ZIP 2011, 2054 ein Weisungsrecht kommunaler Organe für zulässig. 298 Arbeitnehmervertreter werden gewählt, um Arbeitnehmerinteressen zu vertreten; dazu Lutter, FS Canaris 2, S. 245, 254; Scholderer, NZG 2012, 168, 173. Weiter Martens, ZGR 1979, 493, 516, der treffend von einer »lediglich institutionell[en]« Bindung an die Interessen des Wahlkörpers spricht; v. Werder, AG 2004, 170 f. 299 MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rn. 55. 300 Am Beispiel der im Anlegerschutzinteresse unabhängig zu besetzenden »audit committees« i. S. d. Sarbanes-Oxley Act R. Krause, WM 2003, 762, 769 f. 301 GK-AktG/Hopt/M. Roth, § 100 Rn. 90, 194 m. w. N.; Windbichler, FS Schwark, S. 805, 815 spricht von »Statusabhängigkeit«. Die Gegenmeinung vertritt Lieder, NZG 2005, 569, 571. 302 Zurückhaltender Scholderer, NZG 2012, 168, 173. Näher zu den Doppelmandaten unter 2., S. 351 ff. 303 Für das MitbestG ErfK/Oetker, § 7 MitbestG Rn. 3; für die Montanmitbestimmung vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 Montan-MitbestG. 304 M. Roth, ZHR 176 (2011), 605, 630. Ähnlich Scholderer, NZG 2012, 168, 173. 305 M. Roth, ZHR 176 (2011), 605, 630 f.; Habersack, Eingriffe in die Unternehmensführung, E 76; GK-AktG/Hopt/M. Roth, § 100 Rn. 90, 194. Anders etwa Schiessl, AG 2002, 593, 601.

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(ebenso § 9 DrittelbG für die Drittelbeteiligung), zwingt nicht dazu, die Arbeitnehmervertreter als unabhängig zu qualifi zieren 306 . Der arbeitsrechtliche Sonderschutz307 beseitigt die existentielle Bedeutung des Arbeitsvertrags für den Arbeitnehmervertreter als Arbeitnehmer308 nicht. Eben deshalb wird über Stimmverbote für Arbeitnehmervertreter nachgedacht, die in der Konsequenz einer Aufsichtsratsentscheidung ihren Arbeitsplatz zu verlieren drohen 309. Für die Abhängigkeit externer Gewerkschaftsvertreter kann persönlicher Schutz gegen die beaufsichtigte Gesellschaft als Arbeitgeber ohnehin keine Rolle spielen. [2] Unabhängigkeit und Parität Können Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat mithin nicht als unabhängig i.d.S. qualifi ziert werden, ist die Frage aufgeworfen, welche Konsequenzen eine zunehmend »unabhängige« Besetzung des Aufsichtsrats als Gremium 310 für die Mitbestimmung hat. Solche Konsequenzen werden sichtbar, wenn das Gesetz zwingend unabhängige Aufsichtsräte einfordert: So müssen etwa kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften i. S. d. § 264d HGB nach dem mit dem BilMoG 311 neu eingefügten § 100 Abs. 5 AktG ein »unabhängiges« Aufsichtsratsmitglied mit besonderen Sachkenntnissen vorweisen können. Vergleichbar fordert § 6 Abs. 2a InvG in Kapitalanlagegesellschaften, die in der Rechtsform einer AG oder GmbH betrieben werden, ein »Mitglied des Aufsichtsrats, das von den Aktionären, den mit ihnen verbundenen Unternehmen und den Geschäftspartnern der Kapitalanlagegesellschaft unabhängig ist.« Zum Problem werden solche Sonderregeln in paritätisch mitbestimmten Gesellschaften. Das verfassungsrechtlich zentrale Letztentscheidungsrecht der Eigner drängt jedenfalls grundsätzlich dazu, das besondere Mitglied aus den Reihen der Arbeitnehmervertreter zu besetzen. Dagegen steht freilich das Unabhängigkeitsgebot, dem weder Arbeitnehmer- noch Gewerkschaftsvertreter entsprechen. In der Konsequenz werden die Eigner den Unabhängigen »stellen« (müssen) – und weil in der Unabhängigkeitsforderung eine Interessendivergenz zwischen dem besonders qualifi zierten Aufseher und »seiner Bank« wenigstens tendenziell angelegt ist, gefährdet »die Unabhängigkeit eines Mitglieds [. . .] das vom Gesetz so sorgfältig austarierte Gewicht der Sozialpartner 306 M. Roth, ZHR 176 (2011), 605, 631, der rechtsvergleichend auf die Wertungen ausländischer Corporate Governance Kodizes verweist. Weiter GK-AktG/Hopt/M. Roth, § 100 Rn. 92. 307 Dazu rechnet nach zutreffender h. M. auch ein – freilich nur relativer – Sonderkündigungsschutz; dazu etwa Ulmer/Habersack/Henssler, § 26 MitbestG Rn. 12. 308 Hierzu bereits unter § 2 A.II.3., S. 52 ff. 309 Dazu M. Roth, ZHR 176 (2011), 605, 639. 310 Nr. 5.4.1 Abs. 1 DCGK verlangt, daß der Aufsichtsrat »insgesamt« seinen Aufgaben gemäß besetzt ist. 311 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts v. 25. 5. 2009; BGBl. I 2009, 1102 ff.

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im Aufsichtsrat«312 . Diese Gefahr zwingt freilich nicht dazu, das Unabhängigkeitserfordernis verfassungskonform zu verwerfen, weil auch der unabhängige Eigner-Aufsichtsrat noch durch die Wahlentscheidung der Eigner legitimiert ist 313 . c. Funktionsbezogen differenzierte Anforderungen an Aufsichtsräte Daß die Arbeit der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat als GovernanceProblem wahrgenommen werden kann und wird, liegt letztlich daran, daß mit Blick auf die unterschiedlichen Funktionen des Aufsichtsrats unterschiedliche Anforderungsprofi le an die Aufsichtsratsbesetzung formuliert werden müssen. Die gesellschaftsrechtlich zentrale Kontrollfunktion verlangt nachdrücklich nach Spezialisten, die dem Vorstand »auf Augenhöhe« begegnen und seine unternehmerische Strategie verstehen und kritisch reflektieren. Insoweit ist der Ruf nach Professionalisierung, besserer Qualifi kation und Unabhängigkeit von Aufsichtsräten berechtigt. Die Unternehmensmitbestimmung zielt aber primär nicht auf diese Kontrollfunktion des Aufsichtsrats, sondern auf seine mit-unternehmerische Funktion 314 . Anders gewendet geht es ihr um den Einfluß auf die Unternehmensleitung. Weil dieser prozedurale Einfluß gerade den Arbeitnehmern eröffnet werden soll, verbieten sich insoweit Maßnahmen, die diesen Teilhabezweck beeinträchtigen. Sedes materiae ist der Widerspruch zwischen der Mitbestimmungsforderung nach Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen und der gesellschaftsrechtlich zentralen Aufsichtsfunktion des Aufsichtsrats315. In diesem Zielkonfl ikt bedeuten die Mitbestimmungsgesetze eine Entscheidung zu Lasten der Kontrollfunktion. Indem die Arbeitnehmervertreter eingebunden werden, wird der Aufsichtsrat als Kontrollorgan entwertet 316 , weil er mehr als »nur« ein Aufsichtsgremium werden muß. Er wird zu einem Forum, in dem zentrale unternehmerische Entscheidungen diskutiert und getroffen werden. Mindestens muß der Aufsichtsrat zugleich »Konsultationsrat« sein.

312 Kropff, FS Karsten Schmidt, S. 1023, 1028; ähnlich P. Hanau, ZIP Beilage zu Heft 48/2009, 6, 8. 313 Daß der der Unabhängige mit den Arbeitnehmern »fraternisiert«, ist nach Bork/Schäfer/Rieble, GmbHG, § 52 Rn. 10 rein »theoretisch«. 314 Bereits § 3 C.II.1.c., S. 216 ff. 315 Ulmer, ZHR 166 (2002), 271, 276. 316 Sandrock, AG 2004, 57, 60 f.; in diese Richtung auch Schiessl, ZHR 167 (2003), 235 ff. Zurückhaltender Seibert, AG 2002, 417, 419, dessen Ansicht nach der Aufsichtsrat »auch mit der deutschen Mitbestimmung« als »effektives und qualifi ziertes Kontrollgremium« revitalisiert und mobilisiert werden kann.

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2. Sonderproblem: Doppelmandate in Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung Daß die Mitbestimmung die Kontrollfunktion des Aufsichtsrats beschädigt, wird auch daran deutlich, daß in der Praxis Aufsichtsrats- und Betriebsratsmandat häufig in Personalunion wahrgenommen werden. Windbichler 317 zufolge zeigt sich in den Aufsichtsräten deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften ein »Standardmuster«, in dem die Arbeitnehmervertreter »ganz überwiegend« zugleich betriebsverfassungsrechtliche Funktionen bekleiden – und zwar »zumeist« herausgehobene als (stellvertretende) Vorsitzende von Konzern-, Gesamt- und/oder Einzelbetriebsräten. Das ist schon deshalb plausibel, weil das Betriebsratsamt aus Sicht der wahlberechtigten Arbeitnehmer besondere Kompetenz erwarten läßt. Es ist ein »Qualitätssiegel«, das für die Wahlentscheidung in der Aufsichtsratswahl von erheblicher Bedeutung sein kann: Das LAG Hessen318 hat 2010 über eine Wahlanfechtung entschieden, die unter anderem darauf gestützt wurde, daß für einen Kandidaten zum Aufsichtsrat keine Berufsbezeichnung angegeben war, sondern nur sein Ehrenamt als Betriebsratsvorsitzender. Aus Sicht der Beschwerdeführer war das ein werbewirksamer Vorteil, weil die Arbeitnehmer die besondere Sachkenntnis eines Funktionsträgers in der Betriebsverfassung unterstellen würden. Konsequenz der personellen Verschränkung ist, daß Betriebsräte, die schon mit Blick auf ihre vollparitätischen Mitbestimmungsrechte nach BetrVG teilweise und mit Blick auf ihre (z. T. faktische) Mitwirkung auch in wirtschaftlichen Fragen zugleich »Co-Manager« sind319, sich »als Aufsichtsräte« gewissermaßen selbst überwachen müssen 320 . Gute Unternehmensführung sieht anders aus321 – selbst wenn man die anderen Interessenkonfl ikte der Arbeitnehmervertreter außer acht läßt, die etwa als Gewerkschaftsfunktionär zugleich Mitbestimmungsträger sind oder als Arbeitsdirektoren die Tätigkeit des Arbeitgeberverbands beeinflussen 322 . Hinzukommt das Problem des Geheimnisschutzes. Die Frage, ob geheime Informationen »in Aufsichtsräten von der Größe deutschrechtlich paritätisch mitbestimmter Gremien de facto« über-

317

FS Schwark, S. 805, 806. V. 5. 8. 2010, 9 TaBV 26/10, AuR 2011, 266 (LS) [Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt unter 7 ABN 6/11]. 319 Dazu etwa Rieble, Führungsrolle des Betriebsrats, S. 9 ff. Rn. 34 ff. m. w. N. Zurückhaltender Windbichler, FS Schwark, S. 805, 810: »Ein ›Management by Betriebsverfassung‹ kann es geben. Vorgeschrieben ist es aber nicht«. 320 Rieble, Mitbestimmung, S. 9 ff. Rn. 43. 321 Hierzu Weiss, Mitbestimmung, S. 9, 16; Löwisch, Mitbestimmung, S. 19, 27 f. Beide sehen Betriebsrats- und Aufsichtsratsmandat als inkompatibel an. Weiter Franz, ZAF 2005, 268, 271, der den Interessenkonfl ikt der Arbeitnehmer durch die »Vermischung von Aufsicht und Mitbestimmung« als zentrales Problem der Mitbestimmungsordnung sieht. 322 Dazu etwa Klosterkemper, FS Wißmann, S. 456, 463 ff. 318

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haupt geheimgehalten werden können323 , ist aus der Perspektive des Mitbestimmungsrechts abschließend beantwortet: mit den nach § 404 AktG und § 85 GmbHG strafbewehrten Verschwiegenheitspfl ichten der § 25 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 MitbestG (für die drittelmitbestimmte GmbH verweist § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 DrittelbG auf § 116 AktG, für die drittelmitbestimmte AG gilt das AktG unmittelbar324 ) i. V. m. §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 3 AktG. Das eigentliche Governance-Problem ist der Informationsfluß in der Person, »der auch ohne Verletzung von Verschwiegenheitspfl icht erfolgt und sich schlicht im Verhalten der Beteiligten auswirkt.«325 Mit den Mitteln des Rechts ist hiergegen nichts auszurichten. Ein Gebot an den Arbeitnehmervertreter, »als Betriebsrat« zu vergessen, was er »als Aufsichtsrat« erfahren hat, ist nicht nur wirkungslos, sondern absurd. Aus der Perspektive der Mitbestimmungsteilhabe indes ist gegen die Doppelmandate nichts zu erinnern. Im Gegenteil: Sitzen Betriebsratsmitglieder auch im Aufsichtsrat, verstärkt diese Doppelung den Teilhabe-Einfluß der Arbeitnehmer. Die Personalunion gewährleistet zunächst maximalen Informations-»Fluß« zwischen Mitbestimmungsträgern in Betrieb und Unternehmen, der anders nicht oder doch nicht in demselben Maße erzielt werden könnte. Wollte man mit Löwisch326 etwa – »zur Kompensation« einer Amtsinkompatibilität – den wechselseitigen Geheimnisschutz lockern, ist Information damit nur erlaubt, nicht aber sichergestellt. Personengleichheit fördert aber auch den inhaltlichen Einfluß auf unternehmerische Entscheidungen: ein »Nachkarten« auf der jeweils anderen Ebene wird nachgerade befördert 327. Freilich verbietet die Normzweckbindung des Betriebsrats Koppelungsgeschäfte über beide Mitbestimmungsebenen. Selbst wenn diese rechtliche Schranke in der Praxis nicht verletzt würde, steht durch die Personalunion eine gegenüber den Arbeitnehmerinteressen zurückhaltende und insofern »sozialere« Unternehmenspolitik zu erwarten, wenn und weil den Mitbestimmungsträgern die Betriebsverfassung als »Sanktionsinstrument« zur Verfügung steht. Insofern kann man zwar mit Rieble 328 (rechtspolitisch) fragen, ob die »Teilhabe durch Verdoppelung sinnvoller wird«. Daß Arbeitnehmerteilhabe durch Verdoppelung effektuiert wird, läßt sich hingegen nicht bestreiten. Die i. S. d. Governance fragwürdige Kontrolle des Betriebsrats als Co-Manager durch Betriebsratsmitglieder in ihrer Funktion als Aufsichtsräte nutzt dem Teilhabezweck der Mitbestimmung demgegenüber nicht, sondern ist ein 323

Loritz, ZfA 2009, 477, 501. Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 1 DrittelbG Rn. 40. 325 Windbichler, FS Schwark, S. 805, 814. 326 Mitbestimmung, S. 19, 29. 327 Rieble, Führungsrolle des Betriebsrats, S. 9 ff. Rn. 33. Ähnlich Windbichler, FS Schwark, S. 805, 817 f. 328 Mitbestimmung, S. 9 ff. Rn. 43. 324

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»Kollateralschaden« der Unternehmensmitbestimmung durch Organbeteiligung im Aufsichtsrat. Der Effekt tritt ein, weil (gerade) im mitbestimmten Aufsichtsrat unterschiedliche Funktionen gebündelt werden. Der Aufsichtsrat ist nicht nur Kontrollorgan, sondern hat auch eine mit-unternehmerische Funktion, auf die die Mitbestimmungsteilhabe primär zielt; er muß zugleich als »Konsultationsrat« fungieren.

III. Gesetzliche und gesellschaftsrechtliche Teilhabe 1. Arbeitnehmer als »Mit-Eigner« und faktische Überparität im Aufsichtsrat Der Unternehmensdemokratie muß es gleichgültig sein, wer die Eigner und die Arbeitnehmer des Unternehmens sind. Auch wenn Arbeitnehmer gesellschaftsrechtlich an ihrer Arbeitgeberin beteiligt sind, müßte die Unternehmensleitung durch ihre Teilhabe legitimiert werden. Geht es aber um gesetzlich angeordnete Teilhabe »als Selbstzweck«, steht deren Sinn in Frage, wenn die Teilhabeberechtigten die unternehmerischen Strategieentscheidungen ohnehin bereits beeinflussen können: als Mit-Eigner. Aus dieser Perspektive geht es um unterschiedliche Teilhabewege, um eine – letztlich politische – Alternative, wie die Arbeitnehmerbeteiligung zweckmäßiger realisiert werden kann 329. Vor allem aber ist die Verfassungsfrage neu aufgeworfen, sobald Arbeitnehmer im quasi-paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat nach MitbestG auch nur einen Aufsichtsrat »als Anteilseigner« durchsetzen können. Hirdina330 hält das (bei der AG) schon bei einer nicht nur unerheblichen Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer sowie »hohem Streubesitz und einer geringen Anteilseignerpräsenz in der Hauptversammlung« für realistisch, wenn die Arbeitnehmer als geschlossener Block auftreten 331. Dann geht das leichte Übergewicht der Eigner zwar nicht rechtlich verloren, schlägt aber faktisch in eine Überparität um 332 , in der der Stichentscheid durch den Vorsitzenden keine Rolle mehr spielt. Werden Arbeitnehmer zu Miteigentümern, ob durch Investivlohn oder privaten Anteilserwerb, eröffnet diese Stellung neben der gesetzlichen Organbeteiligung im Aufsichtsrat gesellschaftsrechtlichen Einfluß auch auf die Entscheidungen der Hauptversammlung der AG oder der Gesellschafterversamm329 Dazu nur Scholz, Deutschland, S. 88, der sich dezidiert dafür ausspricht, anstelle der Unternehmensmitbestimmung die gesellschaftsrechtliche Beteiligung der Arbeitnehmer an ihrer Arbeitgeber-Gesellschaft zu fördern. 330 NZA 2010, 683, 686. Ähnlich Etzel, Doppelvertretung, S. 223, der aber S. 229 darauf verweist, daß es in der Praxis kaum nachzuvollziehen ist, »ob ein Aufsichtsrat als von den Belegschaftsaktionären gewählt gilt.« 331 Wie die Belegschaftsaktionäre ihre Interessen rechtlich zusammenfassen können, erläutert Oetker, Bündelung von Interessen, passim. 332 Rieble, Orientierungen 122 (4/2009), 13, 16; in diese Richtung auch Fischer, FA 2010, 9.

354

§ 4 Folgen für das Mitbestimmungssystem

lung der GmbH 333 . In einem solchen Fall stößt das »Modell [. . .] der paritätischen Besetzung des Aufsichtsrats [. . .] an seine verfassungsrechtlichen Zulässigkeitsgrenzen«334 . Gesetzliche Überparität wäre mit dem Grundgesetz allenfalls dann vereinbar, wenn die Privatnützigkeit des Anteilseigentums der sonstigen Aktionäre anderweitig sichergestellt wäre335. Ein von den Arbeitnehmern »als Gesellschaftern« durchgesetzter Aufsichtsrat zählt indes zur »Eignerbank«336 . Von verfassungswidriger Über-Mitbestimmung läßt sich daher nicht sprechen: Vielmehr mutieren Arbeitnehmer und/oder Gewerkschaften 337 zu »Auch-Unternehmern«, wenn sie Gesellschaftsanteile halten. Deshalb entfällt das Teilhabebedürfnis der Belegschaft selbst dann nicht, wenn die Unternehmensträgerin mehrheitlich oder gar ausschließlich von Beschäftigten des Unternehmens gehalten wird338 . Solange neben den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen noch Arbeitsverhältnisse bestehen 339, bleibt ein solches Belegschaftsunternehmen tariffähig 340 und gegebenenfalls mitbestimmt. Letzteres schon deshalb, weil die nach dem MitbestG zwingende, nach § 4 Abs. 2 Satz 2 DrittelbG fakultative Aufsichtsratsbeteiligung von Gewerkschaftsvertretern und leitenden Angestellten 341 möglich bleiben muß und allenfalls auf gesetzlicher Grundlage entfallen könnte. Auch Gewerkschaftsunternehmen werden mitbestimmt, wenn sie (mitbestimmungsfähige) Erwerbsunternehmen sind, und nicht auf einen unmittelbar koalitionspolitischen Zweck ausgerichtet werden 342 .

333 334 335 336

Rieble, Orientierungen 122 (4/2009), 13. Hirdina, NZA 2010, 683, 686. Näher § 3 B.I.1.a., S. 176. Bedenklich Ihrig/Schlitt, NZG 1999, 333, 335: »formaliter Vertreter der Anteilseig-

ner«. 337

Zur Gewerkschaftsbeteiligung Schöpfe, Gewillkürte Unternehmensmitbestimmung,

S. 79. 338 Anders Etzel, Doppelvertretung, S. 135, der in mehrheitlich von der Belegschaft gehaltenen Unternehmen kein Bedürfnis für »die Anwendung des MitbestG« sieht. 339 Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen Gesellschafter zugleich Arbeitnehmer der Gesellschaft sind, Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Klebeck/Kolbe, § 6 GewO Rn. 40 f. 340 MünchArbR/Rieble/Klumpp, § 164 Rn. 54; Lessner-Sturm, Gewerkschaften als Arbeitgeber, Rn. 946; anders mit Blick auf die fehlende Gegnerunabhängigkeit Schöpfe, Gewillkürte Unternehmensmitbestimmung, S. 75 ff. 341 Dazu, daß im Fall des § 4 Abs. 2 Satz 2 DrittelbG auch Gewerkschaftsvertreter und Leitende gewählt werden können, ErfK/Oetker, § 4 DrittelbG Rn. 10. 342 Zu § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 MitbestG Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 1 MitbestG Rn. 63: keinen Tendenzschutz genießen etwa von Gewerkschaften betriebene Wohnungsbaugesellschaften, Konsumvereine oder Banken. Damit ist freilich nicht gesagt, daß die Gewerkschaft zugleich Arbeitgeberin und im Unternehmen vertretene Gewerkschaft i. S. d. Mitbestimmungsrechts sein kann; ablehnend Lessner-Sturm, Gewerkschaften als Arbeitgeber, Rn. 1118.

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2. Exkurs: Zuwahl von Arbeitnehmern in den Aufsichtsrat durch die Eigner Für einen von den Belegschaftsaktionären durchgesetzten Aufsichtsrat kann mithin nichts anderes gelten als für einen von den (nicht bei der Gesellschaft beschäftigten) Aktionären zum Eignervertreter gewählten Arbeitnehmer der AG: Dieser ist nicht auf die mitbestimmungsrechtlich reservierten Sitze anzurechnen 343 . Seine Wahl ist verfassungsrechtlich unbedenklich 344 , demokratisierende Vergesellschaftung privater Unternehmen ist nicht zu besorgen. Es mag lebensfremd sein, zu unterstellen, ein von der Gesellschaft beschäftigter Arbeitnehmer werde im Aufsichtsrat mit Rücksicht auf seine Wahl durch die Eigner »als Eignervertreter« auftreten 345. Ein (verfassungs-)rechtliches Verbot an die Eigner, einen Arbeitnehmer als ihren Interessenvertreter zu bestimmen, den sie nach ihrer autonomen Präferenz als geeignet ansehen, läßt sich aber ebensowenig rechtfertigen wie die Einschränkung der Unternehmensmitbestimmung in solchen Fällen. Gesichert ist die Letztentscheidungsbefugnis der Eigner durch das – von § 103 Abs. 1 AktG satzungsfest 346 garantierte – Recht, den »Arbeitnehmer auf der Eignerbank« jederzeit und ohne Sachgrund abzuberufen. Damit ist die autonome Zuwahl von Arbeitnehmer(vertreter)n durch die Anteilseigner ein Problem allenfalls des Gesellschaftsrechts: Dieses »schützt« zwar grundsätzlich nicht vor der Wahl Beschäftigter. Der Gesetzgeber hat den Eignern bewußt die Option eröffnet, einen Arbeitnehmer der Gesellschaft zum Eignervertreter im Aufsichtsgremium zu bestimmen 347. Führte die Wahl indes zur Voll- oder gar Überparität im Aufsichtsrat, werden besondere Treu- und Rücksichtnahmepfl ichten zugunsten widersprechender Aktionärsminderheiten diskutiert 348 , bis hin zum Einstimmigkeitserfordernis349. 343 Für den Fall einer Entsendung von Arbeitnehmern in den Aufsichtsrat nach § 101 Abs. 2 AktG MünchKommAktG/Habersack, § 101 Rn. 32. 344 Henssler, ZfA 2000, 241, 261 f.; Seibt, AG 2005, 413, 415; MünchKommAktG/Habersack, § 96 Rn. 31. 345 MünchKommAktG/Hüffer, § 251 Rn. 5. Andererseits weist Rieble, Tarifautonomie, S. 41, 47 zu Recht darauf hin, daß der hybride »Arbeitnehmervertreter auf der Eignerbank« nicht auf die (Wieder-)Wahl durch die Belegschaft angewiesen sein muß und daher sanktionslos »die Arbeitnehmerinteressen ignorieren« könnte. 346 Regelbar sind freilich verschärfte Mehrheitsanforderungen sowie »weitere« Erfordernisse, die aber nur Verfahrensfragen betreffen dürfen, § 103 Abs. 1 Satz 3 AktG. Dazu mit Nachweisen MünchKommAktG/Habersack, § 103 Rn. 15 ff. 347 Dazu Schöpfe, Gewillkürte Unternehmensmitbestimmung, S. 51; weiter Rieble, Tarifautonomie, S. 41, 52 m. w. N. 348 Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 1 MitbestG Rn. 25; anders Henssler, ZfA 2000, 241, 261 f., der erst dann ein gesellschaftsrechtliches Verbot sieht, wenn den Arbeitnehmern überparitätischer Einfluß ohne Rücksicht auf die – besondere und auch von den Eignern geschätzte – Qualifi kation der Arbeitnehmervertreter zugesichert werden soll. Etzel, Doppelvertretung, S. 165 ff. spricht sich gegen eine besondere Treupfl icht aus, will jedoch die zugewählten Arbeitnehmer im Aufsichtsrat auf die den Arbeitnehmern nach dem MitbestG zugewiesenen Sitze anrechnen. 349 Schöpfe, Gewillkürte Unternehmensmitbestimmung, S. 80, 86 ff.: faktische Überpa-

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Die Frage nach der Intensität der gesellschaftsrechtlichen Treupfl ichten in solchen Fällen liegt jenseits des hier verfolgten Erkenntnisinteresses. Festzuhalten ist aber, daß der Schutz der Anteilseigner(minderheit) jedenfalls dann geboten ist, wenn die Zuwahl nicht auf einer autonomen Präferenzentscheidung der Eigner – und sei es der Arbeitnehmer »als Mit-Eigner« – beruht, sondern durch externen Druck der Arbeitnehmer in ihrer Rolle »als Arbeitnehmer« erzwungen wurde. Weil zumindest in solchen Fällen der verfassungsrechtlich gebotene Schutz des Unternehmens(trägers) gegen (entschädigungslose) Vergesellschaftung in Rede steht, verbietet das Tarifrecht Tarifverträge, in denen geregelt wird, wie der Aufsichtsrat des Arbeitgeber-Tarifpartners zusammenzusetzen ist 350 . Die Unternehmensmitbestimmung fällt nicht in die Tarifmacht 351, auch nicht als »Unterfall« der systematisch verwandten und tarifl ichen regelbaren Betriebsverfassung352 . In der Konsequenz können zusätzliche Aufsichtsratsmandate nicht mit Arbeitskampf-Druck erzwungen werden 353 . Ein Arbeitskampf, der auf ein tarifl ich nicht regelbares Ziel gerichtet ist, ist von vornherein rechtswidrig354 . Mitarbeiterbeteiligungen dürfen tarifl ich nicht vorgeschrieben 355 und deshalb nicht im Arbeitskampf durchgesetzt werden. 3. Grenzfall: Arbeitnehmerbeteiligungs-Stiftungen In dem Zusammenhang verdient die Kapitalbeteiligungs-Strategie der IG Metall Aufmerksamkeit: In der Finanz- und Wirtschaftskrise (vor allem) der Jahre 2008 und 2009 hat die Gewerkschaft versucht, als Gegenleistung für Sanierungsbeiträge ihrer Mitglieder durch Entgeltverzicht Mitarbeiterbeteiligungen an den geretteten Unternehmen zu erreichen 356 . Das Besondere an dem soweit noch wenig bemerkenswerten Vorgang: Die Kapitalanteile sollten nicht den Arbeitnehmern selbst übertragen, sondern in Vereinen oder Stiftungen gebündelt werden, die gewissermaßen als Treuhänder-Kollektiv für die als solche rität bedürfe der »Zustimmung aller an der AG beteiligten Aktionäre« (ebenso für GmbH, S. 143). Mit Blick auf Überparität durch Satzungsregelungen auch Martens, ZGR 1979, 493, 518 und dort Fn. 59. 350 Richtig Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 390 ff., die Rn. 393 einer entsprechenden Ausweitung des § 1 Abs. 1 TVG qua Auslegung mit dem Hinweis auf die betroffenen »Grundrechte der Unternehmen« widersprechen. 351 MünchArbR/Rieble/Klumpp, § 168 Rn. 28 m. w. N. Zu Stimmbindungsverträgen und anderen Regelungsoptionen für die Gewerkschaft Schöpfe, Gewillkürte Unternehmensmitbestimmung, S. 220 ff. 352 Rieble, Tarifautonomie, S. 41, 47 f. 353 Etwa Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, § 1 MitbestG Rn. 3: »Mitbestimmungsvereinbarungen [. . .] können nicht erstreikt werden«. 354 Ganz h. M.; Nachweise bei ErfK/Dieterich, Art. 9 GG Rn. 114; mit Blick auf den Streik als das »Muster-Kampfmittel« noch MünchArbR/Otto, § 200 Rn. 1 m. w. N. 355 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 715. 356 Dazu etwa Hirdina, NZA 2010, 683.

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nicht rechtsfähige Belegschaft fungieren sollten 357. Dabei drängt die Kollektivierung die Arbeitnehmer strukturell aus ihrer neuen Stellung als Mit-Eigentümer. Vor allem das Stiftungsmodell erzeugt keine Teilhaberechte, sondern beseitigt sie nachgerade. Die Stiftung ist gegenüber ihren Stiftern verselbständigt. Sie hat keine Mitglieder, denen mitgliedschaftlich begründete Teilhaberechte zukämen 358 . Vor diesem Hintergrund will Rieble will in solchen Fällen nicht mehr von Mitarbeiterbeteiligung sprechen; er sieht ein »kontrollfreies kollektives Herrschaftsinstrument«359. Das ist zwar zugespitzt formuliert, trifft aber das Problem: Daß die Arbeitnehmerbeteiligungen in einer Stiftung zusammengefaßt werden, macht den Arbeitnehmer gerade nicht zum Miteigentümer und damit »Auch-Arbeitgeber«, sondern zum Destinatär ohne jeden (gesetzlich garantierten) Einfluß auf die Beteiligungsverwaltung durch die Stiftung360 . Auch die Gewerkschaft wird nicht Miteigentümerin, sondern bleibt auf ihre Rolle als soziale Gegenspielerin beschränkt. Freilich nimmt diese, gerade nicht in die Anteilseigner-Verantwortung einbezogene, Gewerkschaft als Initiatorin maßgebenden Einfluß auf die Konzeption des Stiftungsmodells und damit zumindest mittelbar Einfluß auch auf die Stiftungstätigkeit. Mit anderen Worten wäre es der IG Metall rechtlich möglich, solche Stiftungsbeteiligungen im koalitionspolitischen Interesse zu instrumentalisieren, obzwar der »regulierende« Interessenkonfl ikt zwischen Organisationsund Eigentümerinteresse nicht wirkt. Negative wirtschaftliche Folgen unternehmerischer Entscheidungen, die der mitbestimmte Aufsichtsrat des Unternehmens im Zusammenspiel der Arbeitnehmervertreter und der mit der Stiftungsbeteiligung durchgesetzten Eignervertreter trifft, spürten weder die Arbeitnehmer noch die IG Metall unmittelbar im eigenen Vermögen. Spiegelverkehrt zum Fall eines fi nanziellen Interesses der Gewerkschaft an einem Unternehmen setzt die Arbeitnehmerbeteiligungsstiftung keinen Anreiz dazu, diesem Unternehmen mit besonders günstigen Arbeitsbedingungen entgegenzukommen, sondern animiert dazu, in dem Unternehmen eine in gesteigertem Maße »soziale« Unternehmenspolitik durchzusetzen, deren Kosten nur mittelbar auf die Arbeitnehmer durchschlagen. Damit erreicht die Stiftungsbeteiligung zwar nicht das faktische Druckpotential eines Arbeitskampfes, sie rückt aber in die Nähe einer »extern« erwirkten Wahlentscheidung. Je nach der Konzeption des Modells und der Rolle der Gewerkschaft kann sie ein Instrument werden, Unternehmensentscheidungen ohne Unternehmerverantwortung im koalitionspolitischen Interesse zu steu357

Rieble, Orientierungen 122 (4/2009), 13, 14. Allgemein zu diesem zentralen Unterschied zwischen Stiftung und Körperschaft sowie Gesellschaft MünchKommBGB/Reuter, Vor § 80 Rn. 51. 359 Rieble, Orientierungen 122 (4/2009), 13, 14 f. 360 Zur Rechtsstellung des Stiftungs-Destinatärs MünchKommBGB/Reuter, § 85 Rn. 29 ff. 358

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§ 4 Folgen für das Mitbestimmungssystem

ern. Die Antwort des Rechts kann nicht in einem Verbot der Beteiligungsstiftung liegen. Die Lösung des Tarifrechts ist nicht übertragbar, weil es eben nicht um einen Angriff auf das Unternehmen »von außen« geht. Statt dessen muß die Treupfl icht der Stiftung als Gesellschafterin um so höhere Anforderungen stellen, je dringlicher sich die Frage nach dem Einfluß der Gewerkschaft auf die Stiftungstätigkeit stellt. Ankommen muß es dabei auf das konkrete Stiftungsmodell: Mit Blick auf die Einschränkung der betriebsverfassungsrechtlichen Kostenpfl icht für Betriebsratsschulungen nach den §§ 40 Abs. 1 i. V. m. 37 Abs. 6 BetrVG zugunsten des Arbeitgebers, der seinen sozialen Gegenspieler nicht fi nanzieren muß, läßt das BAG auch den nur faktischen maßgebenden Einfluß der Gewerkschaft auf den Bildungsträger ausreichen361. Dahinter steht der richtige Gedanke, daß auch ein rechtlich unabhängiger Rechtsträger wie etwa die hier untersuchte Stiftung als von der Gewerkschaft abhängig angesehen werden muß, wenn dieser Koalition für die Mehrheit der Mitglieder in den maßgeblichen Stiftungsorganen Besetzungsrechte zustehen362 . Sind diese Voraussetzungen bei einer Beteiligungsstiftung erfüllt, ist die Gesellschaft vor einer von der Stiftung durchgesetzten Überparität zu schützen. Gesellschaftsrechtlich könnte dieser Schutz realisiert werden, indem die Wahl von Arbeitnehmern auf die Eignerbank von der Zustimmung aller Anteilseigner abhängig gemacht wird 363 .

C. Zukunft der Mitbestimmung I. »Ent-Demokratisierung« Arbeitnehmermitbestimmung hat mit dem Demokratieprinzip weniger zu tun als gemeinhin angenommen. Das ist das wesentliche Ergebnis dieser Untersuchung. Rechtspolitisch ist damit die Frage aufgeworfen, ob das Mitbestimmungsrecht (wenigstens teilweise) von angeblich aus Gründen der Betriebsoder Unternehmensdemokratie gebotenen Elementen befreit werden sollte. Auf der Meta-Ebene gilt es zu berücksichtigen, daß schon jenseits gesetzlicher Reformen eine bloße rechtsdogmatische Neuausrichtung der Mitbestimmung Folgen haben kann: Geht es auch im Bewußtsein der Beteiligten in der Praxis weniger um »Demokratie« i. S. gemeinsamer Kollektiventscheidung in einer einheitlichen Gruppe, sondern um polar ausgerichtete Teilhabe, dann ist tendenziell zu erwarten, daß sich Mitbestimmungsträger stärker als partikulare 361

Etwa BAG v. 17. 6. 1998, 7 ABR 20/97, NZA 1999, 220 – B.3.c) der Gründe. Hierzu Rieble, FS Reuter, S. 805, 816; eingehend Lessner-Sturm, Gewerkschaften als Arbeitgeber, Rn. 788 ff. 363 Grundsätzlich für ein solches Schutzkonzept Schöpfe, Gewillkürte Unternehmensmitbestimmung, S. 80, 86 ff. 362

C. Zukunft der Mitbestimmung

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Interessenvertreter sehen 364 . Darin liegt ein gewisses Risiko für die Arbeitsbeziehungen in Betrieben und Unternehmen, weil die gesetzliche Verpfl ichtung365 der Arbeitnehmervertreter in Betriebs- und Aufsichtsrat (auch) auf das Wohl des Betriebs (§ 2 Abs. 1 BetrVG) bzw. Unternehmens wenn überhaupt nur generalklauselartig formuliert ist, und für konsequente Opposition qua Mitbestimmung viel Raum läßt. Konkrete Vorschläge, die in diese Richtung zielen, stehen längst im Raum. Die »anti-demokratische« Konsequenz wird indes nicht immer offen gelegt, womöglich auch nicht immer gesehen. 1. Individuelle (Vertrags-)Rechte statt kollektiver Teilhabe? a. Individualisierungstendenzen im geltenden Recht Kollektive Teilhabe durch Arbeitnehmervertreter läßt sich wenigstens in bestimmten Bereichen gegen funktional vergleichbare individuelle (Vertrags-) Teilhabe des einzelnen Arbeitnehmers austauschen, ohne daß das Mitbestimmungsniveau verkürzt werden müßte. Eine solche Individualisierung der Mitbestimmung paßt in eine Arbeitswelt, die sich im Zuge einer »Dynamisierung der Organisationsentwicklung« zunehmend vom klassischen Industriebetrieb entfernt, in der »zuvor arbeitsteilig organisierte Tätigkeiten wieder zusammengeführt« werden 366 und in der die »Steuerung des Arbeitsprozesses [. . .] partiell als Selbststeuerung [stattfi ndet]«367. Rechtspolitisch ist es keinesfalls zwingend, solche Prozesse mit einer Anpassung der repräsentativen Mitbestimmung zu begleiten 368 . Im Gegenteil liegt es nahe, den im Arbeitsprozeß »autonomeren« Arbeitnehmer aktiv einzubinden und mit individuellen Teilhaberechten auszustatten 369. In Ansätzen ist das bereits heute geltendes Recht: Der Individualanspruch auf eine (im Wege der Entgeltumwandlung) arbeitnehmerfi nanzierte betriebliche Altersversorgung nach § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG kann die innerbetriebliche Entgeltgerechtigkeit i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG berühren 370 . Der Anspruch ist aber nicht etwa für die Mitbestimmung geöffnet, sondern im Gegenteil betriebsvereinbarungsfest 371, darf insbesondere auch nicht durch die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Durchführung der betrieblichen Al364 Zur Unverträglichkeit von demokratischer Egalität und (Partikular-)Interessenrepräsentation Demirovic´, Demokratie, S. 143. 365 Däubler, Grundrecht, S. 61 f. sieht diese Bindung als zentrales Hindernis einer strikten Arbeitnehmer-Interessenvertretung. 366 Blanke/Rose, AiB 2000, 491. 367 Blanke/Rose, AiB 2000, 491, 492. [Hervorhebung im Original.] 368 Anders freilich Blanke/Rose, AiB 2000, 491 ff. 369 Aus der Sicht der Partizipationsforschung Müller-Jentsch, Arbeit, S. 176. 370 Hanau/Arteaga/Rieble/Veit, Entgeltumwandlung, Rn. 426. 371 Hanau/Arteaga/Rieble/Veit, Entgeltumwandlung, Rn. 422 ff.

360

§ 4 Folgen für das Mitbestimmungssystem

tersversorgung »blockiert« werden 372 . Deutlicher wird der »Übergang« von der kollektiven zur individuellen Mitbestimmung an den §§ 8, 9 TzBfG: Ist im Betrieb ein Vollzeitarbeitsplatz zu besetzen, könnte der Betriebsrat externe Bewerber nach Vorbild des (und womöglich analog) § 99 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2 BetrVG zugunsten mutmaßlich interessierter Teilzeitbeschäftigter abblocken und damit die Vollzeitstelle freihalten. Indes untersagt die überwiegende Auffassung diesen paternalistischen betriebsverfassungsrechtlichen »Schutz«373 , weil der Teilzeiter sich selbst helfen kann. Er muß nach § 9 TzBfG bevorzugt berücksichtigt werden, wenn er seinen Wunsch nach Arbeitszeitverlängerung anzeigt. Erst wenn der Arbeitgeber diese gesetzliche Pfl icht ignoriert, kann der Betriebsrat nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG der Einstellung eines Externen seine Zustimmung verweigern374 . In diesen Zusammenhang gehört auch § 1 Abs. 2 Satz 2 abschließender Teilsatz KSchG, der dem Wortlaut nach eine kollektivrechtliche Beschränkung des Kündigungsrechts regelt, nach allgemeiner Ansicht aber einen individualrechtlichen Bestandsschutz anordnet, der unabhängig von einem Widerspruch des Betriebsrats gelten soll 375. Die Arbeitsgruppe i. S. d. § 28a BetrVG ist zwar kein Fall individueller Mitbestimmung, geht aber in eine ähnliche Richtung: »subsidiäre« Teilhabe in den kleinsten Einheiten statt Zusammenfassung zum Belegschaftsgesamtkollektiv. Die §§ 81 ff. BetrVG sind demgegenüber keine »betriebsverfassungsrechtlichen« Individualrechte des Arbeitnehmers, sondern materiale Vertragsrechte, die im BetrVG konkretisiert und verfahrensmäßig ergänzt wurden 376 . Erst recht hat die Beteiligung sachkundiger Arbeitnehmer als Auskunftspersonen nach § 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nichts mit einer »Mitbestimmung am Arbeitsplatz« zu tun 377. Der hinzugezogene Arbeitnehmer darf das Kollektiv unterstützen – mehr nicht. b. Rechtspolitische Perspektive – am Beispiel des betriebsverfassungsrechtlichen Beschäftigungsverbots Die Individual-Mitbestimmung ist nur begrenzt ausbaufähig. Der zentrale Regelungsgrund der Betriebsverfassung ist die Schwäche des Individualvertragsrechts angesichts des Nebeneinanders der Arbeitsverhältnisse in der arbeitsteiligen Betriebsorganisation 378 . Insbesondere der Ausgleich gegenläufiger Inter372

Auch dazu Hanau/Arteaga/Rieble/Veit, Entgeltumwandlung, Rn. 445. Oetker, NZA 2003, 937, 942; GK-BetrVG/Raab, § 99 Rn. 153; anders Reichold, NZA 2001, 857, 864. 374 Richardi/Thüsing, BetrVG, § 99 Rn. 195a m. w. N. 375 Kritisch Rieble/Kolbe, SAE 2008, 241, 242 m. w. N. 376 Richtig Wiese, RdA 1973, 1, 4 f., der zur Begründung auf die »Treue-(Fürsorge-) Pfl icht des Arbeitgebers« verweist. Im Ergebnis ebenso Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/ Rieble, § 81 BetrVG Rn. 1. 377 Anders Hayen, AiB 2010, 287, 288. 378 Eingehend § 2 A.II.3., S. 52 ff. 373

C. Zukunft der Mitbestimmung

361

essen unterschiedlicher Arbeitnehmer läßt sich über Rechtszuweisungen an Einzelne nicht gewährleisten 379. Eine »Selbstverwaltung der Belegschaft« ist nur im Kollektiv denkbar. Soweit das BetrVG aber diesen notwendigen Kollektivbereich verläßt und Teilhabe durch Belegschaftsvertreter an die Stelle eigener Mit-Gestaltungsentscheidungen des Arbeitnehmers setzt, kann solcher Mitbestimmungspaternalismus entsprechend dem Subsidiaritätsgedanken zurückgebaut werden. Damit wird nicht etwa (nur) der Arbeitnehmer als »mündiger Bürger« der Betriebsverfassung ernst genommen 380 ; vielmehr gerät seine »Mitbestimmung am Arbeitsplatz« in Konfl ikt mit der kollektiven Repräsentation durch den Betriebsrat 381. Wer selbst mitgestalten kann, wird kollektivrechtliche Mitbestimmung als Bevormundung empfi nden – und ihren Abbau kaum als Verlust 382 . I.d.S. die Selbstbestimmung der Arbeitnehmer zu fördern, muß in einer auf die Autonomie des Individuums verpflichteten Gesellschaft ein rechtspolitisches Ziel mit höchster Priorität sein. Freilich belegt schon der Mitbestimmungseinfluß auf Entgelt und Bestandsschutz, daß die Frage nach der kollektiven Dimension einer Angelegenheit mitunter schwer zu beantworten ist. Anschaulich wird das auch am Wunsch des Arbeitnehmers nach der Verteilung der reduzierten Arbeitszeit i. S. d. § 8 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Hier ist fraglich, wann von einem mitbestimmungsrelevanten Kollektivbezug auszugehen ist 383 : – Sicherlich dann, wenn andere Arbeitnehmer infolge der Zeitverteilung die eigenen Arbeitszeiten ändern oder eine Arbeitsverdichtung hinnehmen müßten. – Womöglich aber auch schon, wenn der Betriebsrat den Betriebsfrieden gefährdet sieht, weil ein Arbeitnehmer eine Sonderbehandlung erfahren soll, oder wenn von einer Betriebsvereinbarung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG abgewichen werden soll, die beliebte und unbeliebte Arbeitszeiten im Interesse kollektiver Gerechtigkeit verteilt. Für letzteren Fall hat das BAG freilich eine Einzelfallprüfung angemahnt 384 , weil eine Arbeitszeitverteilung entgegen der Betriebsvereinbarung nicht per se die nachteilige Wechselwirkung zu Lasten der Kollegen beweist.

379

Dazu Wiese, RdA 1973, 1, 9. Auch hierzu Wiese, RdA 1973, 1, 9, der auf entsprechende Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren zum BetrVG 1972 verweist. 381 Hayen, AiB 2010, 287, 288: nach dem Wortsinn »zumindest widersprüchlich und im Rechtssinne antagonistisch«. 382 Dazu Nagel, Mitbestimmung, S. 183, 212. 383 Dazu Hamann, NZA 2010, 785 f. 384 BAG v. 16. 3. 2004, 9 AZR 323/03, BAGE 110, 45 = NZA 2004, 1047 – B.II.5.c) der Gründe. 380

362

§ 4 Folgen für das Mitbestimmungssystem

Sieht man einen kollektiven Bezug, darf der Arbeitgeber den Verteilungswunsch des Arbeitnehmers zwar nicht »wegen« der Betriebsvereinbarung zurückweisen, weil § 8 Abs. 4 Satz 3 TzBfG nur dem Tarifvertrag erlaubt, solche Ablehnungsgründe zu defi nieren 385. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer aber nicht mitbestimmungswidrig beschäftigen 386 – auch dann nicht, wenn er sich hierzu individualrechtlich verpfl ichtet hat oder die Fiktion des § 8 Abs. 5 Satz 3 TzBfG greift 387. Insoweit steht der individuelle Verteilungsanspruch unter dem Vorbehalt der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG und schränkt das Mitbestimmungsrecht diesen Anspruch des Arbeitnehmers ein 388 , vermittelt über ein betriebsverfassungsrechtliches Beschäftigungsverbot, wie es auch bei der Mitbestimmung nach § 99 BetrVG eintreten kann 389. Diese Drittwirkung der Mitbestimmung über Beschäftigungsverbote bietet einen Ansatzpunkt für eine ernsthafte Rückbesinnung auf das Individuum im Betrieb de lege ferenda: Soll der Einzelne auch im Nebeneinander der Arbeitsverhältnisse in der Betriebsorganisation mitgestalten dürfen, muß er zumindest die Möglichkeit erhalten, individualvertraglich vereinbarte Rechte auch gegenüber dem Betriebsrat geltend zu machen. Die Opposition zum Betriebsrat ist notwendige Konsequenz einer Individualisierung mitbestimmungsrelevanter Fragen. De lege lata hängt es nach umstrittener Auffassung aber von der Entscheidung des Arbeitgebers ab, ob er betriebsverfassungsrechtlich gegen die Verweigerungshaltung des Betriebsrats vorgeht 390 , also im Fall des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG die Einigungsstelle anruft 391 oder im Fall des § 99 BetrVG das Zustimmungsersetzungsverfahren (§ 99 Abs. 4 BetrVG) einleitet. Bejaht hat das BAG bislang nur den (prinzipiellen) Anspruch eines schwerbehinderten Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber, ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchzuführen 392 . 385

Hamann, NZA 2010, 785, 787. Richtig stellt BAG v. 16. 12. 2008, 9 AZR 893/07, BAGE 129, 56 = NZA 2009, 565 – Rn. 52 heraus, daß nicht der Änderungsvertrag als Rechtsgeschäft mitbestimmt sein kann, sondern nur die tatsächliche Beschäftigung zu den geänderten Zeiten. 387 Otto, ZfA 2011, 673, 687 f. m. w. N. auch zu abweichenden Ansichten. 388 Hamann, NZA 2010, 785, 789. 389 Dazu unter § 2 C.II.3.a.[3], S. 130 ff. 390 Jeweils für den Fall des § 99 BetrVG Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Rieble, § 99 BetrVG Rn. 68; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde/Bachner, BetrVG, § 99 Rn. 250; ErfK/Kania, § 99 BetrVG Rn. 45. Anders bei individualrechtlicher Bindung des Arbeitgebers Otto, ZfA 2011, 673, 685 ff.; Richardi/Thüsing, BetrVG, § 99 Rn. 279; auch BAG v. 16. 3. 2010, 3 AZR 31/09, BAGE 133, 307 = NZA 2010, 1028 – Rn. 28 hält eine Selbstbindung des Arbeitgebers für »rechtlich denkbar«. Für den Fall des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG noch Hamann, NZA 2010, 785, 790. 391 Auch wenn bereits eine Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeitverteilung gilt, ist das Mitbestimmungsrecht wieder eröffnet, wenn infolge einer Teilzeitabrede i. S. d. § 8 TzBfG (womöglich) eine Neuverteilung erforderlich wird; Hamann, NZA 2010, 785, 787. 392 BAG v. 3. 12. 2002, 9 AZR 481/01, BAGE 104, 45 =NZA 2003, 1215 – II.3. der Gründe. 386

C. Zukunft der Mitbestimmung

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Hinter dieser Zurückhaltung darf die Überlegung vermutet werden, daß der Arbeitgeber nicht im Dienste fremder Interessen in eine (unter Umständen gerichtliche) Auseinandersetzung mit dem Betriebsrat gezwungen werden soll, wenn ihm mehr an einem ungestörten Verhältnis zu »seinem« Betriebsrat liegt als daran, Rechte des Arbeitnehmers oder Bewerbers durchzusetzen393 . Dem Arbeitnehmer ist mit einem entsprechenden Anspruch gegen den Arbeitgeber kaum geholfen; de facto dürfte diese Konstruktion auf einen Schadensersatzanspruch hinauslaufen. Effektiver wäre ein eigenes Recht des Arbeitnehmers, ein Mitbestimmungs- oder Gerichtsverfahren einzuleiten 394 . Beides überschreitet die (hier: verfahrensmäßigen) Grenzen des mitbestimmungsrechtlichen Binnenverhältnisses nur zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber395. Insoweit bestätigt sich, daß die individuelle Mitbestimmung aus Sicht des geltenden Rechts nur als Systembruch zu haben ist, soll sie in Richtung ernstgemeinter Mitentscheidungsbefugnisse einzelner Arbeitnehmer ausgebaut werden. Das ist eine Systementscheidung, die nach politischen Gesichtspunkten getroffen werden muß. Rechtspolitisch nachgerade zwingend ist die kollektive Mitbestimmung einzuschränken, soweit Angelegenheiten ihre kollektive Dimension verlieren. Daß Mitbestimmungsrechte i.d.S. von der Wirklichkeit »überholt« werden, mag untypisch sein, ist aber keineswegs ausgeschlossen. Fragen läßt sich beispielsweise, ob die Auszahlung der Arbeitsentgelte im Zeitalter der kostenfreien Girokonten und des online-banking noch über § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG in die kollektive Ordnung der Arbeitsbeziehungen verwiesen werden muß. Hier reichen individuelle Fälligkeitsvereinbarungen aus396 . Sinnvoll ist die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG nur noch in besonderen Fällen – etwa für die Frage, ob Deputate geholt oder geliefert werden müssen 397, oder mit Blick auf die »Abrechnung« von Arbeitszeitkonten 398 . Sie kann und sollte demzufolge nicht beseitigt, aber eingeschränkt werden. 2. Mitbestimmung in Eilfällen Daß Koppelungsgeschäfte im Betriebsverfassungsrecht als Rechtsproblem wahrgenommen werden können und werden 399, ist vor allem der im Gesetz 393

Otto, ZfA 2011, 673, 695. Für eine solche verfahrensrechtliche Lösung de lege ferenda Otto, ZfA 2011, 673, 695, der bereits nach geltendem Recht eine Beteiligung des Arbeitnehmers im Beschlußverfahren anerkennen will. Richardi/Thüsing, BetrVG, § 99 Rn. 280 ff. will die Antragsbefugnis des Arbeitnehmers im Wege verfassungskonformer Auslegung ergänzen; dagegen Däubler/Kittner/Klebe/Wedde/Bachner, BetrVG, § 99 Rn. 247. 395 Zu diesen verfahrensrechtlichen Grenzen Kolbe, DB 2009, 1874, 1877 f. 396 Rieble, Reformbedarf, S. 127, 136. 397 Dazu GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn. 429. 398 Hierzu Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG, § 87 Rn. 136. 399 Bereits § 3 D.III.3.b., S. 281 ff. 394

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§ 4 Folgen für das Mitbestimmungssystem

nur unzureichend gelösten Behandlung von Eilfällen im Bereich des § 87 Abs. 1 BetrVG, aber auch in Interessenausgleichsverfahren geschuldet. »Externer« Zeitdruck auf den Arbeitgeber erzeugt Koppelungsdruck, der normzweckwidrige Einsatz von Mitbestimmungsrechten im Austausch gegen (betriebsverfassungsrechtlich sonst) nicht erzwingbare Vorteile zugunsten der Belegschaft wird nicht sanktioniert. a. Zentral: Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG Aus rechtspolitischer Perspektive fehlt ein Sonderrecht für Eilfälle im BetrVG, weil der Arbeitgeber zumindest in unverschuldeten und unvorhersehbaren, vereinfacht: in »echten« Eilfällen nicht ernsthaft auf prophylaktische Regelungsvorsorge durch beizeiten ausgehandelte Rahmenbetriebsvereinbarungen verwiesen werden kann – und noch weniger auf ein Einigungsstellenverfahren, welches dem Betriebsrat viel Raum für Verzögerungstaktiken läßt. Der überzeugende Wertungsgesichtspunkt hinter der Alleinstellung der Einigungsstelle de lege lata liegt darin, daß eine für die Alleinentscheidung des Arbeitgebers in Eilfällen geöffnete Mitbestimmung Gefahr läuft, durch eine bis an die Grenze des Mißbrauchs extensiv gehandhabte Ausnahmevorschrift teilweise ausgehöhlt zu werden. Das rechtfertigt in meinen Augen aber nicht, an dem gegenwärtigen Rechtszustand festzuhalten, weil die Blockadeoption des Betriebsrats das kleinere Übel wäre. Um die Eilfälle als Rechtsproblem zu entschärfen, bieten sich prinzipiell zwei Lösungen an: Entweder gibt man dem Arbeitgeber eine rechtliche Möglichkeit an die Hand, die Abwehrhaltung des Betriebsrats kurzfristig zu überwinden. Das kann das bereits erwähnte Alleinentscheidungsrecht sein, aber auch ein Schnellverfahren mit unabhängigem Entscheidungsträger400 . Die Alternative besteht darin, die Betriebsratsbeteiligung vom »end of pipe« in ein früheres Verfahrensstadium zu verlagern. Die Idee dahinter ist, eine Blockade durch den Betriebsrat nicht rechtlich auszuschließen, sondern faktisch abzuwehren, weil eine Arbeitnehmervertretung sich nicht gegen die Umsetzung von Konzepten sperren würde, die sie selbst (mit-)erarbeitet hat401. Das Problem dieser zweiten, mitbestimmungsfreundlichen Lösung liegt darin, daß sie gerade an der gestellten Aufgabe scheitert. Den unvorhergesehenen Eilfall konnte niemand bedenken, er ist per defi nitionem nicht eingeplant. Der Koppelungsdruck in zeitkritischen Fällen bleibt. Zugleich würde der Betriebsrat weit stärker noch als bereits nach geltendem Recht zum Co-Manager aufgebaut. Die intensivierte Mitbestimmung im Pla-

400 Für ein vorläufiges Alleinentscheidungsrecht des Arbeitgebers de lege ferenda Löwisch, DB 1999, 2209, 2212; für ein einstweiliges Verfahren vor den Arbeitsgerichten Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 61. 401 Blanke/Rose, AiB 2000, 491, 492.

C. Zukunft der Mitbestimmung

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nungsstadium müßte ihrerseits als rechtspolitisches Problem aufgegriffen werden402 . Richtig ist nur der Gedanke, soweit als irgend möglich eine Lösung im Wege der Regelungsvorsorge zu suchen. Das setzt naturgemäß eine besonders »frühzeitige« Beteiligung des Betriebsrats voraus, ehe konkreter Anlaß besteht, eine Angelegenheit zu planen und zu regeln. Weil das aber nicht in allen Fällen möglich ist, ist die Alleinentscheidung des Arbeitgebers in echten Eilfällen der meines Erachtens rechtspolitisch richtige Weg403 . Die Voraussetzungen einer entsprechenden Befugnis wären freilich nur generalklauselartig zu bestimmen und damit notwendig unbestimmt404 . Damit ist die Frage aufgeworfen, wie der Mißbrauch der Alleinentscheidung zu verhindern ist. Denkbar sind verschiedene Lösungen: – Untauglich wäre eine nur vorläufige Alleinentscheidungsermächtigung nach dem Vorbild des § 69 Abs. 5 BPersVG 405. Die Vorschrift ist auf personelle Einzelmaßnahmen zugeschnitten und spricht damit Fälle an, in denen die vorläufige Regelung im Anschluß an das nachträgliche Mitbestimmungsverfahren revidiert werden kann. Eine »Vorwegnahme« der endgültigen Entscheidung erlaubt die herrschende Auffassung nur ausnahmsweise, nämlich »wenn die Gefahr einer Schädigung überragender Gemeinschaftsgüter besteht«406 . Der Blick auf den »klassischen« Eilfall im Bereich des § 87 Abs. 1 BetrVG – kurzfristige Anordnung von Überstunden – belegt, daß die betriebsverfassungsrechtlichen Problemfälle gerade so liegen, daß sich die vorläufige Alleinentscheidung kurzfristig und irreversibel »durch Vollzug« erledigte. – Für die Mitbestimmung der Bordvertretung kennt das BetrVG selbst eine besondere Befugnis des Kapitäns, vorläufige Regelungen einseitig anzuordnen, § 115 Abs. 7 Nr. 4 BetrVG 407. Das Mitbestimmungsverfahren muß dann nachlaufen. Soweit die endgültige Regelung von der vorläufigen abweicht, müssen sämtliche (materiellen und immateriellen) Nachteile der Arbeitnehmer ersetzt werden, die auf dieser Divergenz beruhen408 . 402 Zum Problem des »Co-Managements« für die betriebliche Mitbestimmung als Teilhabeordnung sogleich 3., S. 368 ff. 403 Ebenso Löwisch, BB 2005, 2580, 2581; Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 105. 404 Beispielsweise meinen Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 105, daß ohne die strittige Maßnahme objektiv ein Schaden drohen müsse, »der im Vergleich zur Mehrbelastung der Arbeitnehmer unverhältnismäßig ist«. Löwisch, BB 2005, 2580, 2581 will auf dringende Erforderlichkeit aus sachlichen Gründen abstellen. 405 Anders freilich Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 105, die sich gerade an § 69 Abs. 5 BPersVG orientieren wollen. 406 Richardi/Dörner/Weber, BPersVG, § 69 Rn. 112 [Hervorhebung im Original.], 110 ff. 407 An dieser Sondervorschrift orientiert sich Löwisch, BB 2005, 2580, 2581. 408 Mit Nachweisen zu diesem Ausgleichsanspruch GK-BetrVG/Franzen, § 115 Rn. 62.

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§ 4 Folgen für das Mitbestimmungssystem

Dieses Regelungsmodell hat seinerseits Schwächen: Der Nachteilsausgleichsanspruch erzeugt eben den Koppelungsdruck, den die Alleinentscheidungsbefugnis verhindern soll409. Zudem bieten (mögliche) Ausgleichsansprüche der Arbeitnehmervertretung einen Anreiz, in dem nachlaufenden Mitbestimmungsverfahren auch sachlich gebotene Alleinentscheidungen abzulehnen. Über erledigte Regelungsfragen läßt sich im nachhinein nicht mehr sinnvoll verhandeln. – Nachträglich klären läßt sich demgegenüber die Eilbedürftigkeit der Maßnahme: als Rechtsfrage vor dem Arbeitsgericht. Ein geeignetes Verfahren bietet § 23 Abs. 3 BetrVG. Der Mißbrauch der Eilentscheidung, genauer: die auf eine Ausnahmeklausel gestützte, material aber nicht eilbedürftige Alleinentscheidung, könnte de lege ferenda als grober Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Pfl ichten des Arbeitgebers eingeordnet werden. Zwar gilt allgemein lediglich wiederholte Mitbestimmungsignoranz als i. S. d. § 23 Abs. 3 BetrVG grober Verstoß 410 . Dieses Ungleichgewicht ist aber insofern gerechtfertigt, als der Arbeitgeber, der sich auf eine prinzipiell denkbare Alleinentscheidungsbefugnis beruft, faktisch die Verteidigungsmöglichkeiten der Belegschaft einschränkt: Arbeitnehmer riskieren disziplinarische Sanktionen, wenn sie sich einer einseitigen Anordnung verweigern, weil besondere Eile ihres Erachtens nicht geboten und die Weisung des Arbeitgebers (nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung) unwirksam ist. Auch diese Lösung ist nicht über Zweifel erhaben: Die notwendige Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG würde in unbestimmtem Umfang eingeschränkt; dadurch entstünde ein erhebliches Mißbrauchspotential. Daß die Sanktionen des § 23 Abs. 3 BetrVG – wenigstens für Großunternehmen – moderat ausfallen (bis zu 10.000 A Ordnungsgeld für jeden Wiederholungsfall), ist in diesem Zusammenhang nicht relevant. Das Eilentscheidungsrecht des Arbeitgebers ist mißbrauchsanfällig und verlangt daher nach (gegebenenfalls neuen) abschreckenden Sanktionen. Aus der Perspektive des geltenden Rechts ist insoweit kein Handlungsbedarf zu erkennen. Die Mitbestimmungsrechte werden in erster Linie durch die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung gesichert – über die individualrechtliche Ebene. Verschließt man diesen Weg de lege ferenda, um eine Blockadepolitik des Betriebsrats in Eilfällen zu verhindern, muß auch die Sicherung der Mitbestimmung neu gedacht werden. Insofern kann der allgemeine Unterlassungsanspruch des Betriebsrats eine Rolle

409 Mit Blick auf die insoweit vergleichbaren §§ 111 ff. BetrVG Rieble/Klumpp/Gistel, Rechtsmißbrauch, Rn. 73. 410 Däubler/Kittner/Klebe/Wedde/Trittin, BetrVG, § 23 Rn. 229 für mitbestimmungswidrig vereinbarte freiwillige Überstunden.

C. Zukunft der Mitbestimmung

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spielen411, mit Blick auf kurzfristige einseitige Anordnungen des Arbeitgebers sind aber flankierende Sanktionen für den Mißbrauch unerläßlich. Trotz dieser sichtbar schwer zu ordnenden Regelungsfelder muß das Sonderrecht für Eilfälle aus meiner Sicht ein wesentliches rechtspolitisches Anliegen für eine als Teilhabesystem verstandene betriebliche Mitbestimmung sein: Der status quo hebelt den anti-demokratischen Kompromiß der Betriebsverfassung – vollparitätische Mitbestimmung, aber kein »demokratischer« Kompromißzwang, sondern Zwangsschlichtung vor der Einigungsstelle 412 – aus, wenn und weil diese Einigungsstelle aus Zeitgründen nicht angerufen werden kann. Nicht im rechtlichen, aber im faktischen Ergebnis ist eine Regelung eben doch nur über einen »demokratischen« Kompromiß zu schaffen. Weil der gesetzliche Lösungsmechanismus ausfällt, kommt es zur systemwidrigen, partiellen Demokratisierung von Arbeitgeberentscheidungen. Es geht nicht mehr um Teilhabe der Arbeitnehmer, sondern gewissermaßen um den übergeordneten Willen des »Betriebsverbands«. b. Sonderfall Interessenausgleichsverhandlungen Für Interessenausgleichsverhandlungen paßt das skizzierte Modell nicht. Betriebsänderungen erfolgen nicht selten im Rahmen komplexer Strukturmaßnahmen, die ohnehin nicht ad hoc abgewickelt werden können. Vor diesem Hintergrund ist ein auf besondere Eilbedürftigkeit gestütztes Alleinentscheidungsrecht weder erforderlich, noch wäre es vor dem Teilhabezweck der betrieblichen Mitbestimmung zu rechtfertigen. Zwar ergibt sich auch hier Koppelungsdruck, richtiger Ansicht nach413 aber nur mittelbar über die Nachteilsausgleichspfl icht des § 113 BetrVG, die der Arbeitgeber »in Kauf nehmen« könnte. Eine gesetzliche Lösung bot § 113 Abs. 3 BetrVG i. d. F. des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. 9. 1996414 , nach dem die qua Nachteilsausgleich geschützten Verhandlungen grundsätzlich415 auf zwei Monate befristet waren. Die Frist wurde 1999 wieder abgeschafft416 , um den »Befriedungseffekt« des Interessenausgleichsverfahrens wiederherzustellen und einen ausreichenden zeitlichen Rah411

Wiebauer, Sicherung der Mitbestimmung, passim plädiert generell dafür, die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung aufzugeben und den Schutz der Mitbestimmung durch Unterlassungsansprüche des Betriebsrats zu realisieren. 412 Eingehend § 2 C.I.2., S. 112. 413 Zum Streit über einen Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber, mitbestimmungswidrige Betriebsänderungen zu unterlassen, nur Richardi/Annuß, BetrVG, § 111 Rn. 166 ff. mit Nachweisen zu der uneinheitlichen Rechtsprechung der Instanzgerichte. 414 BGBl. I 1996, S. 1476 ff. 415 Wurde binnen dieser Frist die Einigungsstelle angerufen, endete die Frist nach § 113 Abs. 3 Satz 3 BetrVG a. F. frühestens einen Monat später. 416 Art. 9 des Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19. 12. 1998; BGBl. I 1998, 3843 ff.

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§ 4 Folgen für das Mitbestimmungssystem

men auch für komplizierte Verhandlungen zu gewährleisten417. Koppelungsgeschäften könnte der Gesetzgeber in diesem Bereich begegnen, indem er eine vergleichbare Frist (wieder-)einführt418 . Alternative wäre ein Beschlußverfahren nach Vorbild des § 122 InsO419, in dem der Arbeitgeber sich bestätigen lassen kann, einen Interessenausgleich i. S. d. § 113 Abs. 3 BetrVG »versucht zu haben«. Diese zweite Lösung ist die bessere, weil jede starre Frist auch schwierige, aber von beiden Seiten konstruktiv geführte Verhandlungen beendet und damit einen Überbeschleunigungseffekt zeitigt. Sinnvollerweise wäre dem Arbeitsgericht auch das (in § 122 InsO vergessene420 ) Negativattest zu erlauben, daß die geplante Maßnahme keine interessenausgleichspfl ichtige Betriebsänderung ist, sowie eine Zwischenentscheidung über die praktisch bedeutendste Streitfrage, ob der Betriebsrat bereits ausreichend unterrichtet wurde. Zentral ist der Prüfungsmaßstab: Die besondere Dringlichkeit einer Strukturmaßnahme mag sich in vielen Insolvenzverfahren aufdrängen, darf aber außerhalb der Insolvenz nur unter strengen Voraussetzungen angenommen werden. Rechtstechnisch ließe sich die unterschiedliche Ausgangslage im Rahmen der in § 122 Abs. 2 InsO geforderten Abwägung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens gegen die sozialen Belange der Arbeitnehmer berücksichtigen. Der Wortlaut könnte insofern unverändert übernommen werden. Daß die gerichtliche Zustimmung jenseits der Insolvenz damit zu klaren Ausnahmefall wird, ist nicht zu beanstanden, sondern entspricht dem Sonderrechtscharakter jeder Eilfallregelung. 3. »Hauptberufliche« Mitbestimmungsfunktionäre statt gewählter Arbeitnehmerrepräsentanten? Qualifi kation und Professionalisierung von Mitbestimmungsträgern ist nicht nur mit Blick auf die Aufsichtsratsmitbestimmung von Interesse 421, sondern betrifft in zunehmendem Maße auch Betriebsratsmitglieder422 . Die Co-Manager kraft Betriebsverfassungsrechts 423 sind von Gesetzes wegen und werden noch darüber hinaus vielfach in Planungsprozesse und Strategieentscheidungen eingebunden, die ohne (nicht nur arbeits-)rechtliche und betriebswirtschaftliche Kenntnisse aller Beteiligten nicht erfolgreich gestaltet werden kön-

417 Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte; BT-Drucks. 14/45, S. 24. 418 Einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet Löwisch, BB 2005, 2580, 2581. 419 Rieble, Reformbedarf, S. 127, 137. 420 Dazu Zwanziger, InsO, § 122 Rn. 50. 421 Schon B.II.1.a., S. 345 ff. 422 Nach Franzen, Professionalisierung der Betriebsratsarbeit, S. 47 ff. Rn. 2 stellt »die Unternehmenswirklichkeit immer komplexere Anforderungen an die Betriebsratsarbeit«. 423 Bereits B.II.2., S. 351 ff.

C. Zukunft der Mitbestimmung

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nen. »Unternehmerisches Denken« wird so Voraussetzung erfolgreicher Betriebsratsarbeit. a. Betriebsverfassungsrechtliches Ehrenamt und Rechtswirklichkeit Mit den Amtsaufgaben steigen notwendig auch die Anforderungen an Amtsträger. Im Zuge der BetrVG-Reform 2001 wurde eben deshalb die Freistellungsregelung in § 38 BetrVG erweitert, weil die Betriebsräte zusätzliche Beteiligungsrechte erhalten haben, deshalb mehr leisten müssen und mehr Zeit für die Amtstätigkeit benötigen424 . Arbeitnehmer, die diese Herausforderungen meistern, dürfen dafür nicht vergütet werden. Das strenge Ehrenamtsprinzip des § 37 Abs. 1 BetrVG erlaubt keine Vergütung als Betriebsrat; selbst freigestellte Amtsträger müssen nach § 37 Abs. 4 BetrVG vergütet werden, als wären sie weiter ihrer früheren Tätigkeit nachgegangen425. Mit Blick auf leistungsabhängig variable Entgeltbestandteile und beruflichen Aufstieg wird die von §§ 37 Abs. 4, 38 Abs. 3 BetrVG geforderte hypothetische Betrachtung426 anhand der Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer zum Ratespiel427. Der dabei eröffnete Spielraum reicht der Praxis ersichtlich nicht. Offenbar besteht verbreitet das Bedürfnis, Betriebsräte »leistungsgerecht« zu vergüten: nicht »als Arbeitnehmer«, sondern »als Betriebsrat«. Zu dem – im Zuge der Hartz/ Volkert-Affäre gerichtsnotorisch gewordenen – System der Betriebsratsvergütung bei Volkswagen428 dürfte sich in zahlreichen anderen Unternehmen ein Pendant fi nden429. Belastbare Daten fehlen verständlicherweise, anekdotische Evidenz aber fi ndet sich: Nach Aussage der IG Metall430 haben einige deutsche Autohersteller keine Bedenken, ihren Betriebsräten Mehrbelastungen durch die Amtstätigkeit mit pauschalen Zulagen zu vergüten. Erlaubt ist das freilich nicht431. 424

Mit Nachweisen Franzen, Professionalisierung der Betriebsratsarbeit, S. 47 ff. Rn. 6. Eingehend Rieble, NZA 2008, 276 ff.; weiter Franzen, Professionalisierung der Betriebsratsarbeit, S. 47 ff. Rn. 4. 426 Richtigerweise ist auch mit Blick auf erfolgsabhängige Entgeltkomponenten die »objektivierte« Vergleichsbetrachtung des § 37 Abs. 4 BetrVG geboten; tendenziell auch Rieble, NZA 2008, 276. 427 Für Rieble, NZA 2008, 276, 277 ist diese »Simulation [. . .] über längere Zeiträume letztlich unmöglich«; in diese Richtung auch Fischer, NZA 2007, 484, 485. 428 LG Braunschweig v. 25. 1. 2007, 6 KLs 48/06, CCZ 2008, 32 m. Anm. Rieble. 429 Franzen, Professionalisierung der Betriebsratsarbeit, S. 47 ff. Rn. 10: Zuwendungen an Betriebsräte seien »kein seltenes Phänomen«. Beispielsweise soll Andreas Märkl bei Iveco Magirus »in seiner verantwortungsvollen Position als Betriebsratsvorsitzender [. . .] ein gutes Gehalt bezogen« haben; Hans-Uli Mayer, »Ohne Not die Hand aufgehalten«, online abrufbar über http://www.swp.de/ulm/lokales/ulm_neu_ulm/Ohne-Not-die-Hand-aufge halten;art4329,577064. 430 http: //www.igmetall.de /cps /rde /xchg /internet/style.xsl /opelbetriebsrat-entlastet-9321.htm. 431 Rieble, NZA 2008, 276; Bittmann/Mujan, BB 2012, 637, 638. Weiter Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 78 Rn. 22; GK-BetrVG/Kreutz, § 78 425

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§ 4 Folgen für das Mitbestimmungssystem

b. Öffnungsklausel de lege ferenda Geht man i.d.S. davon aus, daß die rechtswidrige Vergütung von Betriebsratsmitgliedern in deutschen Unternehmen keinen Seltenheitswert hat, dann hätte der Anspruch des Gesetzes mit der Wirklichkeit nur noch wenig zu tun. Angesichts dieser Diskrepanz fordert Franzen 432 , de lege ferenda eine Vergütung zu erlauben, die sich an der des Verhandlungspartners orientiert: Der freigestellte Betriebsratsvorsitzende soll fi nanziell auf Augenhöhe mit dem Personalleiter verhandeln (dürfen). Man darf unterstellen, daß ein solches Modell eher dem subjektiven Gerechtigkeitsempfi nden der Beteiligten auf beiden Seiten entspricht als das Ehrenamtsprinzip433 . Das gilt vor allem in großen Unternehmen, in denen Karrieren als »professioneller Betriebsrat« längst Realität sind und durch die großzügigen Freistellungsregelungen des BetrVG begünstigt werden434 . In kleineren Unternehmen könnte das Ehrenamtsprinzip als dispositive Grundregel erhalten bleiben435. Weil erkleckliche Zahlungen an Arbeitnehmervertreter den Verdacht der Betriebsratsbegünstigung wecken, soll strenge Transparenz die Unabhängigkeit der Amtsträger garantieren436 . Mit der Preisgabe des Ehrenamtsprinzips würde in der Betriebsverfassung eine Entwicklung nachvollzogen, die in der Aufsichtsratsmitbestimmung bereits abgeschlossen ist. Für das »Ehrenamt im Aufsichtsrat« nach § 70 Satz 2 Hs. 2 BRG 1920 hatten sich Interessenvertreter der Arbeitnehmer im damaligen Gesetzgebungsverfahren stark gemacht: »um jeden Gewissenskonfl ikt [. . .] von vornherein auszuschließen«437, sollten Arbeitnehmervertreter keine Tantieme bekommen. Heute gilt rechtliche Gleichstellung aller Aufsichtsratsmitglieder; freilich fl ießen die Tantiemen der Arbeitnehmervertreter großenteils an die Hans-Böckler-Stiftung ab. Daß unabhängige Arbeitnehmerrepräsentation nur bei gesetzlich zwingendem Ehrenamt möglich wäre, wird also schon durch das Unternehmensmitbestimmungsrecht widerlegt. Dem »bösen Schein« könnte in der Tat mit Transparenzregeln und Betriebs-Publizität der Vergütungen begegnet werden, flankiert durch ein striktes Neutralitätsgebot an den Arbeitgeber im Vorfeld der Betriebsratswahl.

Rn. 65 – jeweils unter Verweis auf LAG Köln v. 6. 3. 1998, 11 (9) Sa 383/97, Kurzwiedergabe DStR 1998, 1929 = NZA-RR 1999, 247 (LS). 432 Professionalisierung der Betriebsratsarbeit, S. 47 ff. Rn. 24. 433 Fischer, NZA 2007, 484, 485 f. 434 Franzen, Professionalisierung der Betriebsratsarbeit, S. 47 ff. Rn. 11 f. 435 Zustimmend Rieble, NZA 2008, 276, 280, der das »antiquierte Ehrenamtsprinzip [. . .] jedenfalls in großen Unternehmen [. . .] durch eine Öffnungsklausel dispositiv« stellen will. 436 Franzen, Professionalisierung der Betriebsratsarbeit, S. 47 ff. Rn. 17. Zustimmend Rieble, Reformbedarf, S. 127, 130 f., der außerdem härtere strafrechtliche Sanktionen für eine Betriebsratsbestechung fordert. 437 Flatow, BRG, § 70 Anm. 4.

C. Zukunft der Mitbestimmung

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c. Professionalisierung als Systemfrage der Mitbestimmung Aus meiner Sicht darf die Frage der Professionalisierung der Mitbestimmungsarbeit – gleich in welchem Gremium – indes nicht auf die Gefahren für die Unabhängigkeit der Arbeitnehmervertreter verkürzt werden. Wie für die Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat gilt für die betriebliche Mitbestimmung, daß nach Qualität und Quantität steigende Aufgaben sowie zunehmende Verantwortung in strategischen Fragen nicht nur mehr Zeit und/oder eine dieser Verantwortung entsprechende Vergütung (und Haftung) erfordern, sondern auch eine sachgerechte Qualifi kation der Mitbestimmungsträger. Manager müssen (heute) in aller Regel Spezialisten sein. Co-Manager auch. Die damit erforderlichen Spezial-Kenntnisse müssen in einer besonderen Ausbildung erlernt und in der Praxis vertieft werden. Das Vertrauen der Belegschaftsmehrheit kann solche aus der Sache heraus entwickelten Bedingungen nicht ersetzen438 . In der Konsequenz schrumpft das Feld ernstzunehmender Kandidaten für Betriebs- und Aufsichtsrat; je höher die Qualifi kationsanforderungen, desto schwerer der Quereinstieg. Für hochqualifi zierte und als CoManager vergütete Mitbestimmungsträger steigt überdies das fi nanzielle Risiko, nicht wiedergewählt zu werden. Eine Vergütung, die der in der Amtsphase gewährten entspricht, werden sie nach dem Ende der Amtsträgerschaft im Zweifel nur »auf der anderen Seite« fi nden. Den Anreiz, sich eine solche Position bereits in der Hochphase der eigenen »Mitbestimmungskarriere« zu sichern, beseitigen weder Entgelttransparenz noch ein nachlaufender Schutz am »alten« Arbeitsplatz, wie ihn die §§ 37, 38 BetrVG anordnen. Zusammengefaßt würde die skizzierte »Professionalisierung« der Mitbestimmung – verstanden als Ausbau des Co-Managements in Richtung »Quasi-Management«439 mit steigender Verantwortung – also aller Voraussicht nach das Feld der Kandidaten für Mitbestimmungsämter verkleinern und zugleich die Bedeutung des Amtes für den Amtsträger persönlich deutlich aufwerten. Abgewertet würde demgegenüber die Wahl. Überspitzt formuliert müßten Wahlen zunehmend zu Akklamationsveranstaltungen für einen immer kleineren Kreis von Mitbestimmungsfunktionären werden. Auf der Strecke bliebe die Arbeitnehmerteilhabe durch Betroffenenbeteiligung. Statt der »authentischen« Perspektive der Arbeitnehmer440 würde verstärkt die einer spezialisierten Gruppe von Arbeitnehmervertretern in die Entscheidungsprozesse in Betrieb und Unternehmen eingebracht. Der rechtspolitische Hebel, über den diese Entwicklung gesteuert werden kann, ist nicht die Vergütung von Betriebsräten. Entscheidend sind vielmehr 438

Dazu Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks. VI/334, S. 112. Fischer, NZA 2007, 484, 489. 440 Dazu Fischer, NZA 2007, 484, 489, der von einem »Blick von Außen«, einem »Blick ohne die Zwänge der eigentlichen Entscheidungsträger« spricht. 439

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§ 4 Folgen für das Mitbestimmungssystem

Umfang und Reichweite der Befugnisse der Mitbestimmungsträger sowie deren Verantwortung: Je mehr Betriebsräte Co-Manager und Aufsichtsräte MitUnternehmer sein sollen (oder müssen), desto höher fallen die Qualifi kationsanforderungen an die Arbeitnehmervertreter aus. Wer solche Herausforderungen erfolgreich bewältigen kann und mit Erfolg meistert, will entsprechend vergütet werden und eine berufl iche Perspektive sehen, die seinen Fähigkeiten gerecht wird. Das ist kein Zeichen krimineller Energie, sondern ein angesichts der Amtsaufgabe nachvollziehbares Professionalisierungsbedürfnis 441, das vielfach auch Arbeitgeber anerkennen. Vor diesem Hintergrund präjudiziert zwar nicht die (isolierte) Vergütungsfrage, wohl aber die übergreifende Professionalisierungsfrage eine grundlegende Systementscheidung für das Mitbestimmungsrecht. 4. Modifikation des Wahlverfahrens Mithin sind längst Entwicklungen sichtbar, die die Bedeutung der Wahlen im Mitbestimmungsrecht schmälern. Die Grundidee einer Abstimmungsteilhabe der Arbeitnehmer steht aber zu Recht nicht in Frage. Die Wahlen können und sollen zwar keine Rückkopplung von Kollektiventscheidungen an den Willen der wahlberechtigten Arbeitnehmer leisten, erfüllen aber gleichwohl eine unverzichtbare Funktion. Sie schaffen Akzeptanz 442 , indem sie den Arbeitnehmern individuelle Teilhabe ermöglichen. Diesen Effekt zeitigt vor allem die unmittelbare Wahl. Insofern bestehen gegen die mittelbare Wahl in der Montan-Mitbestimmung und die Delegiertenwahl i. S. d. §§ 10 ff. MitbestG nicht nur aus der Perspektive einer Legitimation durch Wahl, sondern auch aus der Sicht einer Teilhabe der Betroffenen Bedenken. Eine Urwahl »steigert die individuelle Teilhabe des Arbeitnehmerwählers«443 , zwischengeschaltete Wahlkörper bewirken das Gegenteil. Das Unternehmensmitbestimmungsrecht nimmt diesen Effekt in Kauf, um eine unreflektierte Wahlentscheidung der Arbeitnehmer zu verhindern444 : Gerade in großen Unternehmen steht nicht zu erwarten, daß die Belegschaft die Kandidaten für die Aufsichtsratssitze und ihr Programm im Einzelnen kennt. Im Gegensatz zur staatsverfassungsrechtlichen Wahl entfällt die Aufklärungsarbeit der Massenmedien und der Wahlkampf in den Betrieben nimmt sich vergleichsweise bescheiden aus. Hinter den mittelbaren Wahlen steht also vor 441

Rieble, Reformbedarf, S. 127, 129. Näher § 3 D.I.1.a., S. 228 ff. 443 Rieble, Mitbestimmung, S. 9 ff. Rn. 63 plädiert dafür, diesen Effekt zu verstärken, indem Kumulieren und Panaschieren der Stimmen zugelassen werden. Müller-Jentsch, Arbeit, S. 209 f. will die »Stellvertreter-Wahl« nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Montan-MitbestG abschaffen und stellt die Delegiertenwahl nach MitbestG zumindest in Frage. 444 Näher zum Folgenden Biedenkopf u. a., Mitbestimmung 1, BT-Drucks. VI/334, S. 113. 442

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allem der paternalistische Gedanke, nicht die Arbeitnehmer selbst, sondern »besser informierte« Wahl-Rechtsfürsorger entscheiden zu lassen. Freilich ist das aktive Wahlrecht der Betriebsräte nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Montan-MitbestG zudem schlicht ein Machtmittel der Gewerkschaften. Wahlentscheidungen aus paternalistischen Motiven zu mitteln, ist in der Unternehmensdemokratie ein Systembruch, der zwar womöglich zu rechtfertigen, aber zumindest prinzipiell zu beseitigen ist. Indes meint Unternehmensmitbestimmung keine Mikrodemokratie im Unternehmen. Die Wahl ist unter Legitimationsaspekten vollständig verzichtbar, paternalistische Arbeitnehmerfürsorge ist teilweise geltendes Recht und kein Fehler im System. Mitbestimmung ohne Wahl mag nicht erstrebenswert sein, wäre aber kein Verfassungsproblem. Nur die egalitäre Staats-Demokratie kann nicht ohne allgemeine und gleiche Wahlen gedacht werden. In der Konsequenz darf das Mitbestimmungsrecht seine Wahlen (auch) nach Kriterien ordnen, die für die Bundestagswahl keine – oder allenfalls eine ganz untergeordnete – Rolle spielen dürfen: etwa nach Kostengesichtspunkten, oder im Interesse einer »ausreichend informierten« Wahlentscheidung. Ganz konkret bietet es sich etwa an, Arbeitnehmervertretern die zunehmend »professionell« arbeiten sollen, eine längere Amtsperiode einzuräumen445 – ihnen also mehr Arbeitszeit zu verschaffen, die effektiv und ohne übermäßige Rücksicht auf eine anstehende Wiederwahl eingesetzt werden kann. Die demokratietheoretische Frage nach der unter Legitimationsgesichtspunkten zulässigen Maximaldauer einer Wahlperiode446 spielt dabei keine Rolle. Die Dauer kann und sollte ausschließlich nach Zweckmäßigkeit bemessen werden. Daß mit einer Verlängerung zugleich Kosten eingespart werden, ist nicht nur ein Nebeneffekt, sondern rechtspolitisches Argument für eine Gesetzesänderung447. Vor diesem Hintergrund läßt sich auch der überholten Montanmitbestimmung ein interessanter rechtspolitischer Ansatz entnehmen: Schiebt man verfassungsrechtliche Zweifel an der näheren Ausgestaltung des Wahlverfahrens beiseite, hat der Grundgedanke einer mittelbaren Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat durch die – jeweils unmittelbar von den Betriebsbelegschaften gewählten – Betriebsräte unbestreitbare Vorteile. Die betriebsratsinterne Wahl verursacht kaum Aufwand. De facto reduzieren sich die Wahlen als Kostenfaktor auf die Betriebsratswahlen, deren zeitlicher Abstand voneinander zudem vergrößert werden könnte. Daß damit Doppelmandate in Betriebs- und Aufsichtsrat (noch) häufiger werden dürften, ist ein Problem nur 445 I.d.S. schlägt Rieble, Reformbedarf, S. 127, 137 vor, die Amtsperiode des Betriebsrats auf 5 Jahre zu verlängern. 446 Maunz/Dürig/Klein, GG, Art. 39 Rn. 23 sehen 6 Jahre als »die äußerste, (vielleicht) noch hinnehmbare Zeitspanne«. 447 Insbesondere die Kosten der Aufsichtsratswahl nach dem MitbestG werden in der Praxis verbreitet als unnötig hoch eingeschätzt; dazu Streeck u. a., Mitbestimmung, S. 101.

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aus der Perspektive der Corporate Governance, nicht aber aus der der Mitbestimmung448 . Alternative wäre eine Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat nach Vorbild des § 70 BRG 1920: Ob im Betriebsrat (nach den Grundsätzen der Verhältniswahl) gewählt oder mit Mehrheit beschlossen wird, ist letztlich nur eine Frage des Minderheitenschutzes, den das deutsche Mitbestimmungsrecht generell schwach anlegt. Mittelbar ließe sich auf diesem Weg auch die Territorialitätsfrage steuern, indem Entsenderechte nicht für originär nationalrechtliche Arbeitnehmervertretungen begründet werden, sondern für den europarechtlich fundierten und von vornherein transnational aufgestellten EBR449. Beide Gestaltungen – mittelbare Wahl der Aufsichtsratsvertreter der Arbeitnehmer sowie deren Entsendung durch den Betriebsrat – sind schon nach geltendem deutschen Recht erlaubt: SEBG, SCEBG und MgVG gestatten entsprechende Mitbestimmungsvereinbarungen über das Wahl- oder Entsendeverfahren450 .

II. Flexibilisierung durch Verhandlungslösungen 1. Vereinbarte Mitbestimmung in der SE als rechtspolitischer Paradigmenwechsel Das rechtspolitische Thema im Kontext der Mitbestimmung schlechthin ist derzeit die Verhandlungslösung. Nach langem Ringen gerade um die Mitbestimmungsfrage bei der SE hat der europäische Gesetzgeber eine innovative Antwort erarbeitet, die (nicht nur) für das deutsche Unternehmensmitbestimmungsrecht einen Paradigmenwechsel bedeutet. Die SE-VO setzt auf eine frei ausgehandelte Mitbestimmung – wenn auch vor dem Hintergrund einer gesetzlichen Auffanglösung nach dem (unglücklich benannten) »Vorher-Nachher-Prinzip«451, die den Arbeitnehmern mit Blick auf die Organbeteiligung den höchsten Mitbestimmungsstatus quo ante als Besitzstand sichert, und damit die Verhandlungsposition des Unternehmens entscheidend schwächt452 . Das Modell hat zahlreiche Unternehmen überzeugt, auch und gerade namhafte deutsche Gesellschaften haben sich für die SE als Rechtsform entschieden453 . Zentrales Motiv ist dabei die Verhandlungsfreiheit hinsichtlich der Mitbestimmung454 . Die »Flucht von der AG in die SE« geht so weit, daß in 448

B.II.2., S. 351 ff. Teichmann, ZIP Beilage zu Heft 48/2009, 10, 15 ff. 450 Näher sogleich II.3.b., S. 381 f. 451 Zu ihm MünchKommAktG/Jacobs, § 1 SEBG Rn. 5. 452 Dazu Fleischer, AcP 204 (2004), 513, 535; Habersack, AG 2006, 345, die beide einen »Konstruktionsfehler« beklagen. 453 Habersack, ZIP Beilage zu Heft 48/2009, 1. 454 Eidenmüller/Engert/Hornuf, AG 2009, 845, 848 f. Nach Brandes, ZIP 2008, 2193 449

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Deutschland der rechtspolitische Vorschlag formuliert wird, die AG für die Verhandlungslösung zu öffnen, um im Vergleich mit der SE Attraktivität zurückzugewinnen455. Dabei geht es vor allem456 um eine Flexibilisierung der Unternehmensmitbestimmung hinsichtlich – des Mitbestimmungsniveaus: Verhandlungsautonomie soll »maßgeschneiderte Lösungen« für das jeweilige Unternehmen erlauben; – des Territorialitätsprinzips: bei einer entsprechenden Mitbestimmungsvereinbarung sollen im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer im Aufsichtsrat der deutschen Konzernspitze repräsentiert sein; – der organisationsrechtlichen Vorschriften der deutschen Mitbestimmungsgesetze, unter denen vor allem die starren Größenvorschriften des § 7 MitbestG in der Diskussion stehen. In der Praxis, aber auch in der theoretischen Analyse steht dabei die vereinbarte Unternehmensmitbestimmung deutlich im Vordergrund. Das SEBG erlaubt aber nicht nur, die Organbeteiligung zu regeln, sondern sieht betriebliche und Unternehmensmitbestimmung richtig als (verhandelbare) Einheit. Rechtspolitisch ist die vereinbarte SE-Betriebsverfassung aus deutscher Sicht von vergleichsweise geringem Interesse: Ein SE-Betriebsrat ersetzt nicht die nationalen Arbeitnehmervertretungen auf betrieblicher Ebene, sondern »nur« den EBR. Seine Befugnisse müssen sich auf Unterrichtung und Anhörung in grenzüberschreitenden Angelegenheiten beschränken; »echte« Mitbestimmungsrechte sind ausgeschlossen457. Zudem haben Vereinbarungen über die Betriebsverfassung eine lange Tradition im deutschen Recht, vgl. § 3 BetrVG, § 1 Abs. 1 Hs. 2 Var. 5 TVG. Vor diesem Hintergrund konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf Vereinbarungen über die Unternehmensmitbestimmung, der SE-Betriebsrat bleibt außer acht. 2. Mandatarisch legitimierte Mitbestimmung? Ehe die »Verhandlungslösung« näher untersucht werden soll, ist zunächst festzuhalten, daß die Öffnung der Unternehmensmitbestimmung für »autonome« Vereinbarungen zwischen Gesellschaften und Belegschaften den heteronomen Charakter der Mitbestimmung nicht aufhebt.

hat vielfach auch der Wunsch nach einer Verkleinerung des Aufsichtsrats eine entscheidende Rolle gespielt. 455 Arbeitskreis »Unternehmerische Mitbestimmung«, ZIP 2009, 885 ff.; dazu Hommelhoff, ZGR 2010, 48 ff. 456 Zu den zentralen Flexibilitätsvorteilen der SE gegenüber der AG Habersack, ZIP Beilage zu Heft 48/2009, 1, 4. 457 MünchKommAktG/Jacobs, § 21 SEBG Rn. 17 m. w. N. auch zur Gegenmeinung.

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a. »Deutschrechtliche« Mitbestimmungsvereinbarungen praeter legem Läßt man die europarechtlich vorgezeichnete Verhandlungsmitbestimmung als Besonderheit zunächst beiseite, sind die deutschen Mitbestimmungsgesetze überwiegend458 zwingendes Recht459. Gleichwohl fi ndet sich in der Praxis eine Vielzahl autonomer Abreden, die unmittelbar oder mittelbar die Unternehmensmitbestimmung regeln sollen460 . Traditionell461 geht es häufig darum, (vor allem: Montan-)Mitbestimmung praeter legem beizubehalten, obschon die gesetzlichen Voraussetzungen entfallen sind. Praktisch werden aber auch andere Spielarten, von Vetorechten für die Arbeitnehmer im drittelparitätischen Aufsichtsrat462 über eine informell verabredete Zuwahl von Arbeitnehmervertretern auf die Eignerbank463 bis hin zu Vergleichen über mitbestimmungsrechtlich relevante Arbeitnehmerzahlen oder Konzernverhältnisse 464 . Solche Vereinbarungen sind häufig schon deshalb rechtswidrig, weil auf Arbeitnehmerseite ein zuständiger Vertragspartner fehlt. Die Abschlußkompetenz könnte zwar prima facie bei der Unternehmensbelegschaft als Verband liegen465. Ihr sind insoweit aber gerade keine Selbstverwaltungsrechte zugewiesen – ganz abgesehen von der Frage, ob ein entsprechendes Recht nicht schon deshalb unzulässig wäre, weil es material auf eine Art »KompetenzKompetenz« hinausliefe466 . In der Praxis »vertreten« in aller Regel Gewerkschaften die Unternehmensbelegschaft, obwohl sie nur für ihre Mitglieder legitimiert sind und auf Außenseiter nur mittelbar über die Organisationshoheit des Arbeitgebers im Betrieb (!) zugreifen dürfen467. Selbst wenn man den Gewerkschaften erlauben wollte, über den schuldrechtlichen Tarif- oder sonstigen Koalitionsvertrag mittelbar auf die Satzungshoheit der Anteilseigner zuzugreifen, verbietet die Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG, den Aufsichtsrat nach einem qua Vertrag gewillkürten Mitbestimmungsstatut zu bilden. Der Konfl iktlösungsmechanismus als zentrale Wertungsentscheidung des Unternehmensmitbestimmungsrechts hindert unüberwindbare Vetorechte der Ar458 Ausnahme ist etwa die Möglichkeit, den Aufsichtsrat qua Satzung oder Gesellschaftsvertrag aufzustocken, § 7 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 MitbestG. 459 MünchKommAktG/Habersack, § 96 Rn. 26. 460 Seibt, AG 2005, 413, 414 schätzt, daß Mitbestimmungsvereinbarungen (im weitesten Sinne) in mehr als 300 deutschen Unternehmen angewandt werden. 461 Beispiele älteren Datums bei E. Potthoff, Geschichte, S. 48 ff. 462 Beispiel bei Seibt, AG 2005, 413 und dort Fn. 4. 463 Hierzu unter B.III.2., S. 355 f. 464 Dazu Seibt, AG 2005, 413, 419; MünchKommAktG/Habersack, § 96 Rn. 28. 465 T. Raiser, BB 1977, 1461, 1463 f., der die Gesamtheit der Arbeitnehmer durch die Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat »vertreten« sieht. In diese Richtung auch Rieble, Tarifautonomie, S. 41, 54, der de lege ferenda für ein besonderes Verhandlungsgremium der Unternehmensbelegschaft plädiert. 466 Dazu noch 4.c., S. 388 f. 467 Zu außenseiterwirksamen betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Tarifnormen bereits unter A.III.3.b., S. 324 f.

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beitnehmervertreter468 . Auch Betriebsräte des betroffenen Unternehmens oder Konzerns sind nicht berufen, die Arbeitnehmer bei Abschluß »autonomer« Mitbestimmungsvereinbarungen zu repräsentieren469, weil das BetrVG keine entsprechende Regelungskompetenz vorsieht. Die dominierende Literaturmeinung sieht gleichwohl nur eine rechtliche Grauzone: Seibt etwa will »auch ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage« eine »konkurrierende Vertragsabschlusskompetenz der im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften und des zuständigen Betriebsrates, hilfsweise auch der Unternehmensbelegschaft, in ihrer Gesamtheit« anerkennen470 . Verblüffend unkritisch ist dabei nicht nur die Idee, irgendein Betriebsrat könnte für eine vom BetrVG nicht erlaubte Regelung zuständiger sein als ein anderer. Hier geht es nicht um eine nähere Analyse einzelner Mitbestimmungsvereinbarungen. Statt dessen ist festzuhalten, daß Modifi kationen der gesetzlichen Mitbestimmung deren heteronomen Charakter nicht beseitigen. Das gilt für Abreden über Zuordnungsfragen ebenso wie für die »Anhebung« des Mitbestimmungsniveaus durch Zuwahl von Arbeitnehmervertretern auf die Eignerbank und für Sondervetorechte der Arbeitnehmer. Singuläre Ausnahme ist der Fall, daß eine Aufsichtsratsbeteiligung in Gesellschaften eingeführt wird, die nach dem Gesetz mitbestimmungsfrei sind. Hier geht es rechtstechnisch nicht um »Mitbestimmung«, sondern um eine autonome Entscheidung der Eigner, »ihr« Aufsichtsgremium teilweise mit von den Arbeitnehmern vorgeschlagenen Personen zu besetzen. b. Europarechtlich vorgezeichnete Mitbestimmungsvereinbarungen – am Beispiel der SE Daß sich die Arbeitnehmer im Verhandlungsverfahren in der SE nicht nur für eine bestimmte Form der Mitbestimmung aussprechen können, sondern auch gegen jede Mitbestimmung, ändert den Rechtscharakter der Mitbestimmung ebensowenig. Der paternalistische Charakter der gesetzlichen Mitbestimmung wird insofern zwar – in Relation etwa zur betrieblichen Mitbestimmung deutschen Rechts – abgeschwächt, aber nicht beseitigt. Zwar läßt sich die Mitbestimmungsvereinbarung prima facie als frei ausgehandelter Kollektivvertrag von Belegschaftsverband und Unternehmensleitung begreifen471. Die Unternehmensbelegschaft ist aber kein autonomer Verband, kein freiwilliger Zusammenschluß von Privatrechtssubjekten, sondern – analog zur Betriebs468

Rieble, Tarifautonomie, S. 41, 49 ff. Seibt, AG 2005, 413, 417 zufolge tun sie das in der Praxis (teilweise) gleichwohl. 470 Seibt, AG 2005, 413, 418. 471 Zum Rechtscharakter der Mitbestimmungsvereinbarung etwa Ulmer/Habersack/ Henssler, Mitbestimmungsrecht, Einleitung SEBG Rn. 153, der von einem »Kollektivvertrag sui generis« ausgeht [Hervorhebung im Original.]; ebenso Forst, Beteiligungsvereinbarung, S. 86; MünchKommAktG/Jacobs, § 21 SEBG Rn. 7 m. w. N. 469

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belegschaft472 – gesetzlich verfaßter Zwangsverband. Anstelle eines frei gefaßten gemeinsamen Entschlusses der Belegschaftsmitglieder, ihren Mitbestimmungsstatus auszuhandeln, steht das gesetzliche Verhandlungsmandat der §§ 4 ff. SEBG 473 . Das besondere Verhandlungsgremium selbst ist gerade nicht verhandelbar, sondern gesetzlich umfassend vorgezeichnet. Dieser hoheitliche Eingriff zerreißt die »Legitimationskette« (diesmal von unten nach oben gedacht) zwischen dem autonomen rechtsgeschäftlichen Willen der Arbeitnehmer und dem Kollektivvertrag als Verhandlungsergebnis474 , zerstört also die Legitimation dieses Vertrags nach dem Selbstbestimmungsprinzip. Hinzu kommt, daß die vereinbarte Mitbestimmungsregelung auch später hinzugekommene Arbeitnehmer erfaßt, ohne daß die Nachzügler noch Einfluß nehmen könnten. Weil nach § 18 Abs. 3 SEBG nur ausnahmsweise – bei Strukturmaßnahmen mit gründungsähnlichem, oder besser: korporativem Charakter, nicht aber bei Unternehmensübernahmen durch Asset- oder Share-Deal und erst recht nicht bei »organischem« Wachstum475 – nachverhandelt werden muß, können Belegschaften Teilhaberechte einbüßen, wenn ihre Arbeitgeberin von einer SE mit »eingefrorenem« Mitbestimmungsniveau übernommen wird. 3. Unternehmensmitbestimmung als Verhandlungsgegenstand a. Aufsichtsratsgröße [1] »Verkleinerungssperre« bei originär deutschrechtlicher Mitbestimmung Die Größe des Aufsichtsrats in der AG stellt § 95 AktG zwischen einem Mindestwert von drei Mitgliedern sowie einem nach Grundkapital der Gesellschaft gestuften Höchstwert satzungsdispositiv. In der GmbH amtiert nach der Verweisung des § 52 Abs. 1 GmbH der dreiköpfige Aufsichtsrat des § 95 Satz 1 AktG, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht anderes bestimmt. Für paritätisch mitbestimmte Gesellschaften haben diese Vorschriften freilich keine Bedeutung. Hier gelten die deutlich höheren Mindestwerte des § 7 MitbestG, die in Satzung oder Gesellschaftsvertrag nur nach oben korrigiert werden dürfen – in der Montan-Mitbestimmung ist die Rechtslage vergleichbar, §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 9 Montan-MitbestG. Obzwar in der Praxis nicht wenige Unternehmen von dieser Option Gebrauch gemacht und ihren Aufsichtsrat gegen472

§ 2 C.II.2.b., S. 119 ff. I.d.S. sieht Forst, Beteiligungsvereinbarung, S. 51 ff., 72 ff. die Verhandlungsmacht mit Blick auf die Mitbestimmungsvereinbarung zu Recht nicht als Vertragsfreiheit, sondern als gesetzlich verliehene »Parteiautonomie«. 474 Jedes gesetzliche Verhandlungsmandat schließt aus, das Verhandlungsergebnis als autonomen Kollektivvertrag einzustufen; hierzu mit Blick auf Tarifverträge Rieble/Kolbe, EuZA 2008, 453, 470. 475 Mit Nachweisen zum Meinungsstand MünchKommAktG/Jacobs, § 18 SEBG Rn. 11 ff. Eingehend C. Schäfer, SE und Gestaltung der Mitbestimmung, S. 13 ff. Rn. 13 ff. 473

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über der gesetzlichen Vorgabe vergrößert haben476 , war und ist die Verkleinerung des Kontrollgremiums – vor allem mit Blick auf die Vorgaben des § 7 MitbestG – eine wesentliche Forderung der Corporate Governance 477. Gescheitert sind entsprechende Vorstöße bislang am Widerstand der Gewerkschaften478 ; sie befürchten, daß sich der Gesetzgeber für kleinere Gremien am Vorbild des § 4 Abs. 2 DrittelbG orientieren und die »demokratische« Teilhabe gerade der Unternehmensangehörigen betonen wird. Diese Sorge ist nach der hier vertretenen Ansicht rechtsdogmatisch unbegründet, weil Unternehmensmitbestimmung keine Unternehmensdemokratie ist. Politisch ist sie berechtigt. [2] Einseitige Gestaltungschance bei europarechtlich fundierter Mitbestimmung Ob die europarechtlich fundierte Mitbestimmung (vor allem in der SE) mit Blick auf die Aufsichtsratsgröße Verhandlungsspielraum läßt, ist nicht abschließend geklärt. Absolute Vorgaben regelt insoweit § 17 Abs. 1 SEAG (§ 23 Abs. 1 SEAG für die in Deutschland vernachlässigbare monistisch verfaßte SE), der sich inhaltlich an § 95 AktG orientiert, und (abgesehen vom dem für paritätische Mitbestimmung unpassenden Dreiteilbarkeitsgebot) auch durch eine entsprechende Mitbestimmungsvereinbarung nicht abbedungen werden kann479. Damit ist freilich nicht gesagt, ob wenigstens in dem von § 17 Abs. 1 SEAG gezogenen Rahmen Verhandlungsautonomie besteht. Frei festlegen dürfen Unternehmensleitung und besonderes Verhandlungsgremium jedenfalls die Zahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, § 21 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SEBG. Umstritten ist indes, ob eine Mitbestimmungsvereinbarung zu Zahl und relativem Anteil der Arbeitnehmervertreter mittelbar die Größe des Aufsichtsrats regeln kann. Die überwiegende Auffassung sieht das anders und geht davon aus, daß SEAG und SEBG nur die Quote, also die Zahl der Arbeitnehmervertreter im Verhältnis zur Gesamtzahl der Gremiumsmitglieder, als mitbestimmungsrelevant zur Verhandlung stellen – diese Gesamtzahl aber nur der Satzungsregelung öffnen480 , die sich in den Grenzen des § 17 Abs. 1 SEAG 476

Seibt, AG 2005, 413, 421. Exemplarisch v. Werder, AG 2004, 166, 170, demzufolge nach MitbestG zusammengesetzte Aufsichtsräte allgemein als zu groß angesehen würden, um (optimal) effi zient zu arbeiten; auch Fleischer, AcP 204 (2004), 513, 542 betont die »dringend erforderliche Verkleinerung des Aufsichtsrats«. Anders etwa P. Hanau, ZIP Beilage zu Heft 48/2009, 6, 8, der mit Blick auf die nach Qualität und Quantität zunehmenden Aufgaben des Aufsichtsrats bezweifelt, daß kleinere Gremien effektiv arbeiten könnten. 478 Raiser/Veil, MitbestG/DrittelbG, § 7 MitbestG Rn. 2. 479 Seibt, AG 2005, 413, 422 f.; MünchKommAktG/Jacobs, § 21 SEBG Rn. 19 m. w. N. Jedenfalls mit Blick auf die Höchstwerte will auch Oetker, ZIP 2006, 1113, 1120 eine entsprechende Beschränkung der Vereinbarungsmacht »erwägen«. 480 Habersack, AG 2006, 345, 351 f.; weiter MünchKommAktG/Jacobs, § 21 SEBG Rn. 19 mit umfassenden Nachweisen zum Meinungsstand; im Ergebnis auch Forst, Beteili477

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hält. Folgerichtig wird der Besitzstandsschutz des § 35 SEBG auf den Arbeitnehmer-Anteil beschränkt. Die absolute Größe des Aufsichtsrats kann das Unternehmen also auch dann (mitbestimmungsrechtlich gedacht: einseitig) qua Satzung gestalten, wenn eine Mitbestimmungsvereinbarung nicht zustande kommt und die Auffanglösung greift481. Bei grenzüberschreitender Verschmelzung erlaubt § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MgVG den Leitungen der beteiligten Gesellschaften sogar, ohne vorangegangene Verhandlungen mit Belegschaftsvertretern zur Auffanglösung zu optieren, wenn i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 2 MgVG mindestens ein Drittel der von der Verschmelzung betroffenen Arbeitnehmer bereits zur Aufsichtsratsteilhabe berechtigt war482 oder das besondere Verhandlungsgremium zustimmt. Diese Auffanglösung ist das europarechtlich fundierte Mitbestimmungsmodell des MgVG, vergleichbar dem des SEBG. Das nach § 4 MgVG prinzipiell vorrangige Mitbestimmungsrecht des Sitzstaats ist bei der Verschmelzung auf eine deutsche Gesellschaft nie anwendbar, weil die deutsche Unternehmensmitbestimmung im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer von der Aufsichtsratsteilhabe ausschließt483 und deshalb stets nach § 5 Nr. 3 MgVG weichen muß 484 . Damit gilt insbesondere § 7 MitbestG nicht mehr; der Aufsichtsrat kann durch Satzungsregelung verkleinert werden, weil nur der Anteil der Arbeitnehmervertreter an den Aufsichtsratsposten durch die Auffanglösung geschützt ist, nicht aber deren absolute Zahl485. [3] Wechselwirkung zwischen Organisationsrecht und Mitbestimmung Der entscheidende, systematische Grund dieser Divergenz des organisationsrechtlichen Gestaltungsspielraums etwa in der AG und der SE liegt letztlich in der vergleichsweise engen Mitbestimmungsdefi nition, die der europäische Gesetzgeber in Art. 2 lit. k) der SE-Richtlinie 486 formuliert und die der deutsche Gesetzgeber in § 2 Abs. 12 SEBG übernommen hat. Demnach ist Mitbestimmung (nur) »die Einflussnahme des Organs zur Vertretung der Arbeitnehmer gungsvereinbarung, S. 262 ff. Anders LG Nürnberg-Fürth [Kammer für Handelssachen] v. 8. 2. 2010, 1 HKO 8471/09, ZIP 2010, 372 = BB 2010, 1113; Oetker, ZIP 2006, 1113, 1115 ff. 481 H. M., etwa Oetker, FS Birk, S. 557, 562 ff.; MünchKommAktG/Reichert/Brandes, Art. 40 SE-VO Rn. 69; MünchKommAktG/Jacobs, § 35 SEBG Rn. 3 f. m. w. N. Anders Meißner, AuR 2012, 61 ff. 482 Brandes, ZIP 2008, 2193, 2197 hält das Quorum für europarechtswidrig und dysfunktional. Bezweckt sei allein der Schutz der Unternehmen vor zusätzlicher Mitbestimmung durch die grenzüberschreitende Verschmelzung; entschieden sich die Leitungen aus eigenem Antrieb für die Auffanglösung, sei dieser Schutz nicht geboten. 483 Hierzu unter B.I.3., S. 341 ff. 484 Brandes, ZIP 2008, 2193, 2195 f. 485 Nagel, NZG 2007, 57, 58. 486 Richtlinie 2001/86/EG zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer v. 8. 10. 2001, ABl. EG 2001 L 294, S. 22 ff.

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und/oder der Arbeitnehmervertreter auf die Angelegenheiten einer Gesellschaft durch – die Wahrnehmung des Rechts, einen Teil der Mitglieder des Aufsichts- oder des Verwaltungsorgans der Gesellschaft zu wählen oder zu bestellen, oder – die Wahrnehmung des Rechts, die Bestellung eines Teils der oder aller Mitglieder des Aufsichts- oder des Verwaltungsorgans der Gesellschaft zu empfehlen und/oder abzulehnen.« Diese »demokratieverdächtig« auf die Personalentscheidung verkürzte Perspektive nötigt in der Tat dazu, die Größe des Aufsichtsrats als mitbestimmungsrelevanten Faktor in der Organbeteiligung auszublenden. Rechtspolitisch zwingend ist das nicht. Gerade die Diskussion um die Verkleinerung der Aufsichtsräte in originär deutschrechtlich mitbestimmten Gesellschaften belegt, daß die absolute Zahl der Gremiumsmitglieder für die Organbeteiligung der Arbeitnehmer von Bedeutung ist. Sie entscheidet zunächst darüber, ob verschiedene Arbeitnehmergruppen jeweils durch »Einen der ihren« repräsentiert sein können – gleichviel, ob es dabei um eine »ausgewogene« Repräsentation verschiedener Konzernbelegschaften geht oder um die international »gerechte« Sitzverteilung an Belegschaften, die in unterschiedlichen Staaten arbeiten. Außerdem setzt die zahlenmäßige Größe des Aufsichtsrats eine wesentliche Bedingung dafür, ob die Arbeitnehmerteilhabe durch Betroffenenbeteiligung realisiert wird oder (zusätzlich) paternalistisch durch »Externe«, vor allem Gewerkschaftsvertreter realisiert werden kann. b. Wahlrecht In der SE ist auch das Wahl- oder Entsendeverfahren für Arbeitnehmervertreter verhandelbar, § 21 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SEBG. Der Mitbestimmungsvereinbarung ist dabei ein erheblicher Regelungsspielraum eröffnet487 : Beispielsweise kann die in der Auffanglösung vorgesehene, »international anteilsgerechte« Sitzverteilung des § 36 Abs. 1 SEBG zugunsten anderer sachlicher Verteilungskriterien aufgegeben werden, etwa im Interesse einer Repräsentation sämtlicher Teilkonzerne. Die Teilhabe der leitenden Angestellten steht ebenso zur Disposition wie die von Gewerkschaftsvertretern. Aktives und passives Wahlrecht können festgelegt werden. Zulässig ist es aber auch, Entsenderechte für bestehende Arbeitnehmervertretungen anzuordnen. Ausgeschlossen sind freilich (aktive) Wahl- oder Entsenderechte sowie exklusive Vorschlagsrechte für Unternehmens- bzw. Konzernfremde488 .

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Dazu MünchKommAktG/Jacobs, § 21 SEBG Rn. 19a. Forst, Beteiligungsvereinbarung, S. 270 ff., der hier ein Element der Betroffenendemokratie ausgemacht hat. 488

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Mit der Vorstellung einer »Mitbestimmungsdemokratie« im Unternehmen ist das unvereinbar: Ein Gremium, welches über Wahlrecht und Repräsentationschancen der Arbeitnehmer prinzipiell489 irreversibel entscheiden kann, ist unter demokratischen Bedingungen nicht vorstellbar und könnte auch durch die Wahl »von unten« nicht legitimiert werden. Im Gegenteil ist eine gewisse Abkehr von der demokratischen Fundierung der Mitbestimmung zu erkennen: Das Errichtungsverfahren für das besondere Verhandlungsgremium belegt, daß die Wahl nach »demokratischen Grundsätzen« nicht nur europäisches Mitbestimmungsgemeingut ist, sondern auch das Leitbild des europäischen Gesetzgebers. Er stellt dieses Leitmotiv für die spätere Besetzung des Aufsichtsgremiums aber gerade zur Disposition. Möglich ist damit nicht nur die Teilhabe durch Betroffenenbeteiligung, sondern auch ein Entsendeverfahren, in dem die Arbeitnehmerteilhabe durch bestehende Vertretungen gemittelt wird490 . Das paßt nicht zur Mikrodemokratie, wohl aber zu einem System professioneller(er) Mitbestimmung, in dem die Wahlentscheidung an Bedeutung verliert491. I.d.S. zeigt auch die »Mitbestimmungsautonomie« bezüglich der Wahl der Arbeitnehmervertreter den Zusammenhang zwischen organisationsrechtlichen Vorgaben und materialer Mitbestimmung. Die Form, in der Mitbestimmung stattfi ndet, prägt immer auch die inhaltliche Ausrichtung. c. Mitbestimmungsniveau Die zentrale materiale Frage, die in der europäisch fundierten Unternehmensmitbestimmung ausgehandelt werden kann, ist das Mitbestimmungsniveau. Gemäß § 21 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SEBG läßt sich der relative Anteil der Arbeitnehmervertreter an den Aufsichtsratsmandaten festlegen. Abgesehen von den Sonderfällen der SE-Gründung durch Umwandlung und des SE-internen Wechsels zwischen monistischem und dualistischem System (§§ 21 Abs. 6, 15 Abs. 5 SEBG) kann dabei das Mitbestimmungsstatut quo ante zurückgefahren werden, sofern das besondere Verhandlungsgremium mit der nach § 15 Abs. 3 SEBG verlangten Mehrheit zustimmt. Umgekehrt kann Mitbestimmung ohne Rücksicht auf Schwellenwerte eingeführt werden. Nach umstrittener Ansicht läßt sich die Mitbestimmungsintensität sogar über die verfassungsrechtlich zentrale Grenze der Quasi-Parität hinaus anheben492 . In der monistisch verfaßten SE entwickelt schon die quasi-paritätische Besetzung 489 Ausnahme ist die Nachverhandlungspfl icht i. S. v. § 18 Abs. 3 SEBG, deren Voraussetzungen freilich kaum einmal vorliegen werden. Eine Regelung zur Laufzeit der Mitbestimmungsvereinbarung ist nach § 21 Abs. 1 Nr. 6 SEBG zwar zwingend, die Vereinbarung kann aber auf unbefristete Zeit abgeschlossen werden – und wirkt nach einer Kündigung (wenigstens befristet) nach; MünchKommAktG/Jacobs, § 21 SEBG Rn. 16a. 490 Dazu etwa Forst, Beteiligungsvereinbarung, S. 268 f. 491 Hierzu bereits I.3., S. 368 ff. 492 Jacobs, FS Karsten Schmidt, S. 795, 801; skeptisch MünchKommAktG/Reichert/ Brandes, Art. 40 SE-VO Rn. 71; dezidiert anders Seibt, AG 2005, 413, 422.

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eine neue Qualität, weil die Teilhabe in das (auch) geschäftsführende Organ verlagert wird493 . Daß nach § 21 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SEBG auch die »Rechte« der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer geregelt werden können, bezieht sich nur auf die persönlichen Organrechte sowie tätigkeitsbezogene Individualrechte, etwa Schulungs- oder Freistellungsansprüche494 . Weil mit Blick auf die Rechte der Organmitglieder als solcher Gleichbehandlung ohne Rücksicht auf die Zuordnung zu einer der beiden »Bänke« geboten ist, fällt der Regelungsspielraum überschaubar aus 495. Gemeint sind etwa das Recht auf Teilnahme an Sitzungen und das Stimmrecht496 , auf keinen Fall kann die Mitbestimmungsvereinbarung besondere »Mitbestimmungsrechte« der Arbeitnehmervertreter vorsehen. Insbesondere scheitern Zustimmungsvorbehalte qua Mitbestimmungsvereinbarung daran, daß die enge europarechtlich vorgegebene Mitbestimmungsdefi nition keine Regelungen gestattet, die schwerpunktmäßig die Kompetenzverteilung zwischen Geschäftsführungs- und Kontrollorgan betreffen497. Auch hier muß also die offensichtliche Wechselwirkung498 gesellschaftsrechtlicher Strukturen mit der Mitbestimmung ausgeblendet werden. 4. Vereinbarte Mitbestimmung als Mitbestimmung der Zukunft Die Verhandlungslösung ist die Zukunft des Mitbestimmungsrechts. Schon heute ist abzusehen, daß die deutschrechtlichen Rechtsformen der AG und der GmbH mitbestimmungsrechtlich »nachgebessert« werden müssen, sollen sie nicht dem »Wettbewerb« der Rechtsordnungen zum Opfer fallen. Die SE und die grenzüberschreitende Verschmelzung haben sich als attraktiv gerade für deutsche Unternehmen erwiesen, weil sie mit Blick auf die Mitbestimmung und ihre »Begleiterscheinungen« Flexibilität bieten. In einer langfristigen Perspektive ist nicht mehr die Frage nach dem »Ob« einer entsprechenden Flexibilisierung der originär deutschrechtlichen Mitbestimmung aufgeworfen. Es geht um das »Wann« und vor allem das »Wie«. Orientiert man sich an der europarechtlich vorgezeichneten Verhandlungslösung in der SE als (auch in der deutschen rechtspolitischen Debatte) zentraler Leitidee einer vereinbarten Mitbestimmung, läßt sich die (bisherige) Grundtendenz verhandlungsoffener Mitbestimmungsmodelle dahin beschrei493 Dazu Kämmerer/Veil, ZIP 2005, 369 ff., die Quasi-Parität im Verwaltungsrat als Verstoß gegen Eigentumsrechte der Anteilseigner werten. 494 MünchKommAktG/Jacobs, § 21 SEBG Rn. 19b. 495 Seibt, AG 2005, 413, 423; Forst, Beteiligungsvereinbarung, S. 277 ff. 496 Habersack, AG 2006, 345, 354. 497 Auch dazu Habersack, AG 2006, 345, 354; mit weiteren Nachweisen MünchKommAktG/Jacobs, § 21 SEBG Rn. 19e; im Ergebnis auch Forst, Beteiligungsvereinbarung, S. 301. 498 MünchKommAktG/Jacobs, § 21 SEBG Rn. 19e: Zustimmungsvorbehalte »stärken [. . .] reflexartig die Rechte der Arbeitnehmervertreter.«

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ben, daß bei material unverändertem Mitbestimmungsniveau Flexibilität in der organisationsrechtlichen Struktur erlaubt wird499. a. Fehlanreize durch die lex lata Genauer besehen erweist sich die Annahme als Trugschluß, Organisationsfragen könnten grundsätzlich mitbestimmungsneutral geregelt werden. Beleg ist etwa die Verkleinerung mitbestimmter Aufsichtsräte bei gleichbleibendem Paritätsniveau, die wesentliche Rahmenbedingungen für die Mitbestimmung gestaltet. Insofern ist es zumindest nachvollziehbar, daß Müller-Jentsch500 die Verhandlungslösung als einen Euphemismus dafür abqualifi ziert, Mitbestimmung zur Disposition zu stellen und einzuschränken. Solange indes die Auffanglösung, die das Verhandlungspotential der Arbeitnehmerseite und den Verhandlungsanreiz der Arbeitgeberseite defi niert, zumindest das Mitbestimmungsniveau quo ante zementiert, ist die vereinbarte Mitbestimmung kein Mittel, Mitbestimmungsrechte auszuhebeln. Richtig ist nur, daß die europarechtlich vorgeprägte Verhandlungsautonomie in erster Linie mitbestimmten Unternehmen die Chance eröffnet, organisationsrechtliche Effekte der Mitbestimmung im Interesse eigener Corporate-Governance-Vorstellungen abzufedern oder zu korrigieren. Zu denken ist dabei nicht nur an die Verkleinerung des Aufsichtsrats. Beispielsweise läßt sich der fi nanzielle Aufwand für Mitbestimmungswahlen durch ein Entsendemodell minimieren. Die Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit kann befördert werden, indem besondere Qualifi kationsanforderungen für die Arbeitnehmervertreter vereinbart werden 501. Freilich ist nicht ansatzweise geklärt, in welchen Grenzen solche Vereinbarungen die grundsätzlich auf gleiche Teilhabechancen aller Arbeitnehmer angelegte Organbeteiligung zum Privileg für »Experten« umdefi nieren können. Auch sonst läßt sich das passive Wahlrecht steuern, etwa im Sinne einer strikten Betroffenenbeteiligung allein der im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer. Für die Belegschaft muß das kein Nachteil sein. Die (freilich eher abstrakte) Möglichkeit, »maßgeschneiderte Modelle« der Mitbestimmung zu vereinbaren, liegt auch im Arbeitnehmerinteresse502 . Konkreter ist die Aussicht, den Einfluß der unternehmensangehörigen Arbeitnehmer zu stärken, indem eine Gewerkschaftsteilhabe ausgeschlossen wird. Die Sitzverteilung kann aus der Perspektive einer Teilbelegschaft zur Machtfrage werden; Anschauungsmate499 In diese Richtung wird man auch Habersack, ZIP Beilage zu Heft 48/2009, 1, 2 verstehen dürfen, dessen Ansicht nach »nicht die Beseitigung von Mitbestimmungsrechten, sondern die Anpassung von Regelungsmustern an die individuellen Bedürfnisse der jeweiligen Gesellschaft infrage« stehen. 500 FS Weitbrecht, S. 25, 26. 501 Zulässig ist es nach Jacobs, FS Karsten Schmidt, S. 795, 807, eine »bestimmte (berufliche) Qualifi kation« einzufordern. 502 Fleischer, AcP 204 (2004), 513, 540.

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rial liefert die Beteiligungsvereinbarung »Porsche – VW«503 . Mithin sind durchaus Regelungsbereiche erkennbar, in denen paßgenaue Lösungen im beiderseitigen Interesse ausgehandelt werden können. Gleichwohl ist die Verhandlungslösung nach SEBG, SCEBG und MgVG rechtspolitisch angreifbar: Die auf nahezu maximalen Besitzstandsschutz ausgelegte Auffanglösung nötigt die Unternehmen dazu, mit den Arbeitnehmern über Mitbestimmungsrechte zu verhandeln, die diesen ohnehin sicher sind. Vor diesem Hintergrund ist schon aus verhandlungstheoretischer Sicht nicht zu erwarten, daß die Verhandlungen über die doch eigentlich zentrale Frage des Mitbestimmungsniveaus innovative Lösungen hervorbringen 504 . Aus der Perspektive der Unternehmen geht es primär nicht um die Verhandlungsautonomie, sondern um die »Nebeneffekte« der europarechtlich erlaubten Mitbestimmungsgestaltung: In der SE und mit der grenzüberschreitenden Verschmelzung kann das Mitbestimmungsniveau »eingefroren« und gegen organisches Wachstum über deutschrechtliche Schwellenwerte hinaus abgesichert werden, außerdem läßt sich der Aufsichtsrat verkleinern – beides wohlgemerkt mitbestimmungsfrei und nicht verhandelbar. Das führt zu dem nachgerade bizarren Ergebnis, daß es für Unternehmen attraktiv sein kann, nach MgVG ohne vorausgehende Verhandlungen zur Auffanglösung zu optieren 505 , also die Rechtsfolge herbeizuführen, die das Gesetz für ein Scheitern (!) der Verhandlungen vorsieht. b. Vereinbartes Organisationsrecht de lege ferenda [1] Verhandlungen über gesellschaftsrechtliche Strukturen Mithin taugt die »Mitbestimmungsautonomie« nach SEBG und MgVG nur im Ansatz als Leitbild einer modernen Mitbestimmung, die den Interessen aller Beteiligten gerecht werden soll. Die nähere Untersuchung hat gezeigt, daß Verhandlungen zur Nebensache degradiert werden können, wenn und weil der organisationsrechtliche Rahmen der Mitbestimmung nicht der Verhandlungsmasse zugeschlagen wird, sondern der einseitigen Gestaltung der Unternehmen überantwortet. Die aktuellen rechtspolitischen Vorstöße in Deutschland fordern deshalb zu Recht, auch Strukturfragen zur Disposition einer Mitbestimmungsvereinbarung zu stellen. Das betrifft zunächst die Größe des Aufsichtsrats, aber auch Ausschnitte der inneren Ordnung des Gremiums, insbesondere Zustimmungsvorbehalte. Flankiert werden soll diese erweiterte Vereinbarungsbefugnis durch Verfahrens- und/oder Zustimmungsrechte für die Anteilseigner als Satzungsgeber oder für die Eignervertreter im Aufsichts-

503 Skizziert im Sachverhalt der Entscheidung des ArbG Stuttgart v. 24. 10. 2007, 12 BVGa 4/07, juris. 504 Nur Fleischer, AcP 204 (2004), 513, 535 f. 505 Brandes, ZIP 2008, 2193, 2194.

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rat 506 . Gerade in der Frage der innergesellschaftlichen Kompetenzverteilung zwischen Geschäftsführung und Aufsichtsrat könnte eine Chance der Verhandlungslösung liegen. In diesem Bereich wäre ein vereinbartes »Mehr« an Mitbestimmung auch vor dem Hintergrund der Quasi-Parität realistisch. [2] Konsultationsrat Stellte der Gesetzgeber i.d.S. gesellschaftsrechtliche Strukturen »zur Disposition«, könnte auf dieser Dispositionsgrundlage auch der »Konsultationsrat« als rechtspolitisches Projekt wiederbelebt werden. Der Gedanke, die Unternehmensmitbestimmung in ein eigenes Gremium neben der gesellschaftsrechtlichen Struktur heutiger Bauart zu verlagern, ist alt, aber schlecht beleumundet. In der gesetzlichen Mitbestimmung hat der Konsultationsrat schon aus politischen Gründen kaum eine Chance, realisiert zu werden. Dabei ist die Idee als solche bestechend: Das eigentliche Governance-Problem der Aufsichtsratsmitbestimmung ist weder die Größe der Aufsichtsgremien noch die Qualifi kation der Arbeitnehmervertreter, sondern die schon aus theoretischer Sicht dysfunktionale Anbindung der Organbeteiligung an den Aufsichtsrat, der zu Lasten seiner gesellschaftsrechtlichen Kontrollfunktion zugleich politische Plattform – eben Konsultationsrat – sein muß507. Ein ernstzunehmender Effi zienzgewinn in der Aufsichtstätigkeit setzt voraus, daß die beiden Funktionen getrennt werden, weil sie einander in Teilen widersprechen. Deshalb ist der Konsultationsrat aus der Governance-Perspektive nachgerade zwingend geboten 508 . Die europarechtlich vorgezeichnete Mitbestimmungsvereinbarung muß hier notwendig scheitern, weil sie die gesellschaftsrechtliche Organisation nicht erfaßt 509. Das rechtspolitische Problem des Konsultationsrats liegt aber nicht im Verhältnis von »Mitbestimmungsautonomie« und gesellschaftsrechtlicher Selbstorganisation, sondern in der Frage, welche Kompetenzen dem zusätzlichen Mitbestimmungsgremium eingeräumt werden sollen: Ökonomisch fundiertes Effi zienzdenken erlaubt hier nur Unterrichtungs- und Beratungsrechte510 ; damit würden Teilhaberechte der Arbeitnehmer in Relation zum sta-

506 Für die Mitbestimmung in originär deutschrechtlichen Kapitalgesellschaften Arbeitskreis »Unternehmerische Mitbestimmung«, ZIP 2009, 885, 887, 893; Hommelhoff, ZGR 2010, 48, 57 ff. Für die Mitbestimmung in der SE Arbeitskreis »Aktien- und Kapitalmarktrecht«, ZIP 2010, 2221, 2226 f. 507 Dazu bereits B.II.1.c., S. 350. 508 Exemplarisch v. Werder, AG 2004, 166, 172. 509 H. M., etwa Forst, Beteiligungsvereinbarung, S. 293 ff.; weiter MünchKommAktG/ Jacobs, § 21 SEBG Rn. 19h m. w. N. Anders Seibt, AG 2005, 413, 424 f. 510 I.d.S. will v. Werder, AG 2004, 166, 172 den Konsultationsrat auf Information, Beratung und Stellungnahme beschränken; in diese Richtung ferner Schiessl, ZHR 167 (2003), 235, 254 f.

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tus quo massiv eingeschränkt 511. Das mag verfassungsrechtlich zulässig sein, wäre aber als Rückschritt hinter das BRG 1920512 eine radikale Neuinterpretation des mitbestimmungsrechtlichen Teilhabezwecks. Es ginge nicht mehr darum, den Aufsichtsrat als Kontrollorgan zu effektuieren, sondern darum, die Unternehmenspolitik (wieder) ausschließlich durch die Eigner determinieren zu lassen. Daß sich politische Mehrheiten für einen solchen Vorschlag fi nden, ist nicht zu erwarten. Interessant ist der Konsultationsrat nur als Ergebnis von Mitbestimmungsverhandlungen zwischen Unternehmen und Belegschaft. Entsprechende Mitbestimmungsvereinbarungen müßten nicht nur das Zusatzgremium einrichten dürfen, sondern es auch mit Rechten ausstatten. Insbesondere wären Zustimmungsvorbehalte für defi nierte Strategieentscheidungen anzuordnen, die dann nicht (nur) der Zustimmung des Aufsichtsrats unterlägen, sondern (auch) der des Konsultationsrats. Ein Letztentscheidungsrecht der Anteilseigner ließe sich entweder in einem quasi-paritätisch besetzten Konsultationsrat sicherstellen, oder aber, indem der Aufsichtsrat berechtigt wird, das Veto des nur mit Arbeitnehmervertretern besetzten Konsultationsrats mit bestimmter Mehrheit bis hin zur Einstimmigkeit zu überspielen. Dieses Modell verkompliziert zwar die Entscheidungsfi ndung durch (mögliche) Doppelvorbehalte. Es leistet aber immerhin die aus der Governance-Perspektive wesentliche Trennung von gesellschaftsrechtlicher Kontrollfunktion im Aufsichtsrat und mitbestimmungsrechtlicher Teilhabe an unternehmerischen Strategieentscheidungen, die im Konsultationsrat verwirklicht werden könnte. Daß SEBG und MgVG eine solche Gestaltung nicht erlauben, darf für die Modernisierung nationalen Rechts keine Rolle spielen. c. Grenzen der »Mitbestimmungsautonomie« Eine der wesentlichen Fragen der vereinbarten Mitbestimmung ist die nach den rechtlichen Grenzen der »Mitbestimmungsautonomie«: Gesetzliche Mitbestimmung darf von Verfassungs wegen nicht ohne Rücksicht auf die Interessen der Anteilseigner angeordnet werden. Damit ergeben sich verschiedene Schranken für Mitbestimmungsgesetze, von der Rechtsformanknüpfung über den zwingenden Einstiegs-Schwellenwert bis hin zur – nach deutschrechtlicher Tradition durch das Letztentscheidungsrecht der Eigner gewährleisteten – Sicherung der Privatnützigkeit des Anteilseigentums. Für die verhandelte Mitbestimmung muß das nicht gelten: Hier geht es prima facie nicht um einen hoheitlichen Eingriff in grundrechtlich geschützte Freiheitsräume, sondern

511 Hierzu Forst, Beteiligungsvereinbarung, S. 294, der die Losung ausgibt: »Mitbestimmung ist Mitentscheidung«; in diese Richtung läßt sich auch Hommelhoff, ZGR 2010, 48, 53 verstehen, der den Konsultationsrat aus seiner Mitbestimmungsautonomie de lege ferenda ausdrücklich ausklammern will. 512 Zur Aufsichtsratsmitbestimmung nach BRG 1920 unter § 1 C.III.2.c., S. 20.

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vielmehr um einen »Schutz [der Anteilseigner] vor sich selbst«513 , der seinerseits vor deren Grundrechten zu rechtfertigen wäre. Freilich: Geht es um eine Einschränkung des mitbestimmungsrechtlichen status quo, müssen die Arbeitnehmer offenbar sehr wohl vor der eigenen Verhandlungs-Courage geschützt werden. Das SEBG arbeitet insoweit mit qualifi zierten Mehrheitserfordernissen, bei der SE-Gründung durch Umwandlung und dem Wechsel zwischen monistischer und dualistischer Struktur sogar mit einem Verschlechterungsverbot. Ein verhandlungsoffenes Mitbestimmungsrecht, das diesem paternalistischen Ansatz folgt, müßte auch den soeben skizzierten Konsultationsrat als vereinbarte Minderung von Mitbestimmungsrechten (im Aufsichtsrat) behandeln – unabhängig davon, welche Zustimmungsvorbehalte zu seinen Gunsten verabredet wurden. Insofern ist der Schutz vor der selbst ausgehandelten Mitbestimmungsvereinbarung weder systemfremd noch wird er angesichts einer qua Auffanglösung komfortablen Verhandlungsposition obsolet. Ob die Unternehmen vergleichbar paternalistisch geschützt werden müssen, ist damit freilich nicht gesagt. Dafür spricht, daß auch sonst gesellschaftsrechtliche Sicherungen gegen »freiwillige« Überparität eingefordert werden, etwa bei der autonomen Zuwahl von Arbeitnehmervertretern auf die Eignerbank. Die vereinbarte Mitbestimmung ist eher noch »gefährlicher«, weil die Übermacht der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat hier nicht jederzeit beseitigt werden kann. Mitbestimmungsvereinbarungen müssen (wenigstens zeitlich begrenzt) nachwirken; andernfalls ließe sich die Mitbestimmung vor wichtigen Entscheidungen durch Kündigung der Mitbestimmungsvereinbarung (vorübergehend) ausschalten 514 . Aus meiner Sicht entscheidend spricht ein anderer Gesichtspunkt dafür, die Verhandlungsautonomie auch mit Blick auf den Ausbau von Mitbestimmungsrechten zu begrenzen: Im Verhältnis zu den Arbeitnehmern begründen Vetooder gar Entscheidungsrechte von Arbeitnehmervertretern, die ein Unternehmen nicht überwinden kann, heteronome Fremdbestimmung. Im Gegensatz zu Entscheidungsrechten des Arbeitgebers lassen sich diese Befugnisse nicht auf die autonome Zustimmung des einzelnen Arbeitnehmers zurückführen. Auch die vereinbarte Mitbestimmung ist nicht mandatarisch legitimiert 515. Anders gewendet erwachsen dem zwangskorporierten Betroffenenverband Belegschaft neue »Selbstverwaltungsbefugnisse« auch zu Lasten seiner Mitglieder, die meiner Ansicht nach nicht durch eine gesetzliche Öffnungsklausel für Mitbestimmungsvereinbarungen abgedeckt werden können: In der Sache wäre das eine – halbseitige, weil von einer Übereinkunft mit dem Unternehmen abhängige – »Kompetenz-Kompetenz« für die beteiligte(n) Belegschaf513 Von Hommelhoff, ZGR 2010, 48, 54 (mit Blick auf die Rechtsformabhängigkeit der Mitbestimmung) für überflüssig erklärt. 514 Zum SEBG MünchKommAktG/Jacobs, § 21 SEBG Rn. 16a. 515 Dazu 2., S. 375 ff.

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t(en). Arbeitnehmervertreter könnten Arbeitnehmervertreter zu heteronomen Kollektiventscheidungen ermächtigen, ohne daß diese Befugnisse durch gesetzliche Schutz-Kautelen im Interesse der Entscheidungsunterworfenen beschränkt würden. Eine solche Quasi-Selbstermächtigung zu rechtlicher Fremdbestimmung darf es in der Demokratie nicht geben – auch hier setzt das Demokratieprinzip der Mitbestimmung Grenzen.

§ 5 Ergebnisse Arbeitnehmermitbestimmung ist keine Wirtschaftsdemokratie. Bei den Teilhaberechten der Betriebs- und Unternehmensbelegschaften geht es nicht darum, der konstitutionellen Fabrik ihr Parlament zu geben, und nicht darum, den Unternehmensverband zu demokratisieren – sondern um Teilhabe als Selbstzweck und um Umverteilung gesellschaftlicher Macht durch den Sozialstaat. Auf den ersten Blick legt freilich gerade die ideengeschichtliche Entwicklung in Deutschland Parallelen zwischen Staatsdemokratie und Mitbestimmung nahe. Die deutsche Rechtsgeschichte zeigt eine auffällige Tendenz, staatsverfassungsrechtliche Leitprinzipien auf die Betriebs- bzw. Unternehmensebene zu spiegeln: I.d.S. entspricht der autoritären Monarchie die »Herrschaft« des Fabrikinhabers über seine Arbeiter-Untertanen, der Weimarer Demokratie die zumindest ansatzweise verwirklichte Wirtschaftsdemokratie, der totalitären NS-Diktatur das Führerprinzip im Betrieb und dem demokratischen Zentralismus der DDR die Zwangsorganisation der Werktätigen im FDGB. Die ideelle Verbindung von Demokratie und Mitbestimmung prägt freilich nicht diese zeitliche Koinzidenz, sondern eine vergleichbare inhaltliche Ausrichtung. Die demokratischen Verfassungen Deutschlands auf Reichs- und später Bundesebene sind Kontrastverfassungen, die sich nicht nur für die Demokratie entschieden haben, sondern auch und gerade gegen die autoritäre Herrschaft des Monarchen bzw. die totalitäre Diktatur. An der Demokratie interessierte also nicht nur die Funktion als staatsrechtliches Formprinzip für die Herrschaft von Menschen über Menschen, sondern auch die emotionale Konnotation: Freiheit als von den Bürgern empfundenes »Pathos« der Demokratie. Dieselbe gefühlte Befreiung von autoritärer Herrschaft ist der Leitgedanke der Mitbestimmungsbewegung, die eben deshalb von Beginn an durch Ideen und Begriffe der staatsverfassungsrechtlichen Debatte beeinflußt wurde. Die entscheidenden ideengeschichtlichen Berührungspunkte sind die Selbstbestimmung der Betroffenen, die Kontrolle hoheitlicher bzw. privater Macht und das Streben nach Gleichberechtigung. Für den normativen Vergleich von Demokratieprinzip und Arbeitnehmermitbestimmung muß der vieldeutige Demokratiebegriff auf seinen funktionalen Kern heruntergebrochen werden: auf die prozedurale Legitimation von

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§ 5 Ergebnisse

Kollektiventscheidungen. Demokratie zielt gerade nicht darauf, »vordemokratische« Staatsgewalt zu bändigen oder gar Herrschaft über Menschen abzuschaffen, sondern soll die (einzig) legitimierte Form der Herrschaft begründen. Diese spezifisch demokratische Legitimation leistet nicht die Selbstbestimmung der Betroffenen, sondern die Rückbindung von Kollektiventscheidungen an den Gesamtwillen der Referenzgruppe »Volk«. Heteronome Kollektiventscheidungen gelten nach dem Demokratieprinzip nicht deshalb, weil alle Bürger autonom zugestimmt hätten oder diese allseitige Zustimmung durch irgendein normatives Konstrukt ersetzt werden könnte, sondern weil sie in der Gemeinschaft von Menschen notwendig sind und unter der Bedingung politischer Gleichberechtigung getroffen werden sollen. Diese wechselseitige Anerkennung politischer Gleichheit – anders gewendet: die demokratische Egalität – ist die Quelle demokratischer Legitimation. Sonderpartizipationsrechte für »besonders Betroffene« sind aus dieser Perspektive rechtfertigungsbedürftige Einschränkungen des Demokratieprinzips. Das gilt nach meiner Auffassung auch für die funktionale Selbstverwaltung öffentlichen Rechts, die freilich verbreitet als Element eines »modernen«, partizipativen Demokratiebegriffs gesehen wird. Sichtbar wird der Widerspruch von Demokratie und »Selbstbestimmung durch Betroffenenteilhabe« vor allem dann, wenn sich der Kreis der eigenen Angelegenheiten der Sonderteilhabeberechtigten nicht hinreichend klar von denen der Allgemeinheit abgrenzen läßt: Mitbestimmung der öffentlich Bediensteten steht notwendig in Konfl ikt mit dem Gebot demokratisch legitimierter Amtsführung, »echte« Mitbestimmung der Wirtschaftspolitik durch Arbeitnehmer und Unternehmer ist mit dem Legitimationserfordernis gleichfalls unvereinbar. Dieser Konfl ikt belegt die unterschiedliche funktionale Ausrichtung demokratischer und mitbestimmungsrechtlicher Teilhabe: In der Demokratie ist die Teilhabe notwendiges Mittel, um Kollektiventscheidungen unter der Bedingung politischer Gleichberechtigung zu treffen. Demgegenüber ist die Mitbestimmungsteilhabe Selbstzweck; sie eröffnet einen gewollten Einfluß auf normativ bereits hinreichend legitimierte Entscheidungen – gleichviel, ob diese Legitimation im staatlichen Bereich auf das Demokratieprinzip oder im gesellschaftlichen Bereich auf autonome Unterwerfung zurückzuführen ist. Diese spezifische Funktion der Mitbestimmungsteilhabe belegt das deutsche Mitbestimmungsrecht sowohl auf betrieblicher als auch auf Unternehmensebene. Betriebe mutieren nicht zur Mikrodemokratie, wenn und weil die Belegschaft einen Betriebsrat wählt. Statt den Betrieb als Verband auf den »demokratischen« Kompromiß zu verpfl ichten, schreibt das BetrVG die Zwangsschlichtung vor der Einigungsstelle vor – stellt also die Funktionsfähigkeit des Betriebs als arbeitstechnischer Einheit über die mikrodemokratische Gesamtwillensbildung durch Mehrheitsentscheid. Per Gesetz zum Verband verfaßt wird lediglich die Betriebsbelegschaft, der ein »selbstverwal-

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tungsähnlicher« Regelungsbereich eigener Angelegenheiten zugewiesen wird: Die Mitbestimmung erlaubt den Betriebspartnern, normative Rechtsfolgen zu setzen, die der Arbeitgeber im mitbestimmungsfreien Betrieb nicht erreichen könnte. Freilich verbieten sich allzu weitreichende Anleihen an der öffentlichrechtlichen Selbstverwaltung. Die Betriebsbelegschaft wird zwar (im Grundsatz) zwangskorporiert und bildet in partizipativen Verfahren einen gemeinsamen Willen, entscheidet dabei aber lediglich über die Ausübung der Mitbestimmungsrechte. Auch in der Unternehmensmitbestimmung entheben gesetzliche Konfl iktlösungsmechanismen von einer Gesamtwillensbildung im »Unternehmensverband«. Die Aufsichtsratsteilhabe der Arbeitnehmer meint keine demokratisierende Vergesellschaftung, mit der das Unternehmen (auch) auf eine Legitimation durch seine Belegschaft verwiesen würde. Statt dessen geht es auch hier um einen prinzipiell polar gegen die Arbeitgeberin ausgerichteten Einfluß auf vertragsrechtlich bereits legitimierte Strategieentscheidungen. Ist Mitbestimmung indes keine Mikrodemokratie in Betrieben und Unternehmen, können die Funktionsprinzipien der Mitbestimmungsordnung nicht dem staatsverfassungsrechtlichen Demokratieprinzip entlehnt werden, sondern müssen anders fundiert werden. Das gilt schon für die verfassungsrechtliche Wertungsgrundlage der Mitbestimmung, die nicht im Demokratieprinzip – und richtiger Ansicht nach auch nicht in den Grundrechten der Arbeitnehmer – zu fi nden ist, sondern nur im Sozialstaatsprinzip. Mitbestimmung ist ein sozialstaatlicher Eingriff in private Arbeitsrechtsbeziehungen, der gegen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen wirkt, und der neben dem gewollten Teilhabe-Einfluß auf Arbeitgeberentscheidungen immer auch auf eine mittelbare, namentlich prozedurale Steuerung der Wirtschaft durch den Sozialstaat zielt. Legitimationsgrund (und zugleich Grenze) der Mitbestimmung sind mithin nur die sozialstaatlich motivierten Mitbestimmungsgesetze. Heteronome Wirkungen der Mitbestimmung können und müssen nicht durch die Partizipation der Arbeitnehmer gerechtfertigt werden, sondern beruhen auf der gesetzlichen Anordnung. Freilich darf der Gesetzgeber solche Wirkungen nicht unbegrenzt eröffnen: Insbesondere mit Blick auf die private Rechtsetzung in Betriebsvereinbarungen muß er den Grundrechten der (potentiell) Normunterworfenen in ihrer Schutzpfl ichtendimension Rechnung tragen. Das heißt aber nicht, daß grundrechtsbelastende Betriebsvereinbarungen gesetzlich vorstrukturiert werden müßten. Inhaltlich-demokratische Legitimation durch gesetzliche Programmierung ist zwar im Bereich der öffentlichrechtlichen Selbstverwaltung erforderlich, nicht aber für die privatrechtliche Betriebsverfassung. Der private Betrieb ist grundrechtlich geschützter Freiheitsraum, dessen Regelungsfragen der Staat nicht vollständig an sich ziehen darf.

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In einer nicht demokratisch, sondern sozialstaatlich fundierten Mitbestimmungsordnung müssen die der Staatsverfassung entlehnten Elemente der Arbeitnehmerteilhabe neu bewertet werden. Das betrifft in erster Linie die Wahlen im Mitbestimmungsrecht: Sie sind kein Mittel, Kollektiventscheidungen an den Willen der wahlberechtigten Arbeitnehmer rückzubinden, und könnten diese Funktion auch nicht erfüllen. Sie sollen nicht Legitimation schaffen, sondern Akzeptanz – anders gewendet soll die Partizipation der Belegschaften den »sozialen Frieden« sichern. Damit ist auch gesagt, daß eine Mitbestimmung ohne Wahl verfassungsrechtlich zulässig wäre. Anders als das Gebot (mikro-)demokratischer Legitimation steht der »soziale Friede« unter dem Grundgesetz prinzipiell zur Disposition des Gesetzgebers. Paternalistische Interessenrepräsentation durch gesetzlich bestellte Arbeitnehmervertreter wäre nicht »schlechter« legitimiert als die heute dominierende Repräsentation durch gewählte. Wie die Legitimationsfrage ist auch die Frage der Zuordnung von Arbeitnehmern zu mitbestimmten Einheiten fundamental zu überdenken. Betroffenenbeteiligung ist zwar Strukturprinzip des Mitbestimmungsrechts, darf aber nicht verabsolutiert werden. Daß Teilhaberechte mit individueller Betroffenheit korrelieren müßten, läßt sich nur für die als Selbstregierung der Betroffenen gedachte Demokratie behaupten. Dieses Konstrukt hat schon im Staatsverfassungsrecht keine Daseinsberechtigung, und erlaubt erst recht keinen Rückschluß auf das Mitbestimmungsrecht. Daß die Mitbestimmungsgesetze den Gleichlauf von Betroffenheit und Teilhabe unterbrechen, ist also kein Fehler im System, sondern Ausdruck einer nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten getroffenen Zuordnungsentscheidung. Es geht nicht darum, demokratische Betriebs- oder Unternehmensbürgerrechte zuzuweisen, sondern um wirksame Teilhabe gegenüber den »richtigen« Arbeitgeberfunktionen. Für die Betriebsverfassung defi niert diese Zuordnungsentscheidung die Betriebszugehörigkeit, die nicht allein die faktische Eingliederung in die Betriebsorganisation voraussetzt, sondern auch eine arbeitsrechtliche Dauerbeziehung zum Betriebsinhaber. Für die Unternehmensmitbestimmung erfolgt die Arbeitnehmerzuordnung ausschließlich entlang der Vertragsbeziehungen; singuläre Ausnahme ist die Konzernzurechnung, wenn und weil die Arbeitgeberin ihre rechtliche Unabhängigkeit verloren hat. Konkret-praktische Folgen zeitigt die prima facie hochabstrakte Frage nach einem demokratischen Grund der Mitbestimmung vor allem, soweit Rechtswirkungen von ihrer »Legitimation« durch die Arbeitnehmer abhängen sollen. Rechtsprechung und Literatur stellen häufig auf solche (vermeintlichen) Legitimationsfragen ab, gelangen dabei aber mitunter zu Ergebnissen, die auch anders – und überzeugender – begründet werden können. In diesen Fällen nötigt der radikale Paradigmenwechsel in der dogmatischen Grundlage

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nicht dazu, konkrete Rechtsfragen anders zu entscheiden, sondern »nur« zu neuen Erklärungsmustern. Das heißt freilich nicht, daß in einer vom Demokratiegedanken befreiten Mitbestimmung »alles beim Alten bleiben« könnte: Im Betriebsverfassungsrecht muß insbesondere der »Wegfall« der angeblichen mikrodemokratischen Legitimation überdacht werden. Weder Arbeitnehmervertretungen noch Betriebsvereinbarungen können und müssen durch mitbestimmungsrechtliche Wahlen »von unten« legitimiert werden. Betriebsräte sind nicht von ihrem »Wahlvolk« abhängig, sondern vom Fortbestand der mitbestimmten Einheit, in der sie dem Arbeitgeber polar zugeordnet sind. Mit Blick auf Betriebsvereinbarungen geht die entscheidende Frage nicht dahin, ob das »Betriebsgesetz« weitergelten darf – sondern dahin, ob der kollektivrechtliche Normenvertrag fortbesteht, auf den der gesetzliche Anerkennungsbefehl des § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG zielt. Im Unternehmensmitbestimmungsrecht sind vor allem Zuordnungsentscheidungen neu zu bewerten. Ausdrücklich oder implizit folgt die Diskussion hier oft dem Leitbild der »Betroffenendemokratie«, in der ein Gleichlauf von Betroffenheit und Teilhaberechten geboten ist. Das Gesetz macht die Zuordnung von Arbeitnehmern im Interesse einer wirksamen Teilhabe gegenüber dem »richtigen« Opponenten aber nicht an faktischer Betroffenheit fest, sondern an der rechtlichen Bindung des Arbeitnehmers an die Arbeitgeberin, sowie an deren rechtlicher Abhängigkeit. Das hat Konsequenzen für die Arbeitnehmerzuordnung und -zurechnung im Konzern: so ist etwa die Mehrfachzurechnung von Arbeitnehmern eines Gemeinschaftsunternehmens an alle Muttergesellschaften geboten, die Mehrfachzurechnung von im Gemeinschaftsbetrieb beschäftigten Arbeitnehmern an alle Trägerunternehmen aber scheidet aus. Die Zukunft gehört nicht der »Mitbestimmungsdemokratie«, sondern einem Mitbestimmungspaternalismus, der die Leitvorstellung einer authentischen Teilhabe der betroffenen Arbeitnehmer zugunsten zusätzlicher Kompetenzen, und damit auch: zusätzlicher Verantwortung der Arbeitnehmervertreter partiell aufgibt. Betriebsräte mutieren absehbar zu Co-Managern, die Anforderungen des (Noch-)Ehrenamtes an die Amtsinhaber steigen. Auf lange Sicht befördern diese Tendenzen eine stärker paternalistische Interessenrepräsentation durch »Mitbestimmungsprofis«, angesichts derer die Wahl an Bedeutung verliert. Im Unternehmensmitbestimmungsrecht entfaltet die europarechtlich vorgezeichnete Verhandlungslösung Sogwirkung für die deutsche Rechtspolitik. Mit Blick auf die bislang auf strengen Besitzstandsschutz ausgerichteten Auffanglösungen steht dabei weniger das Mitbestimmungsniveau im Aufsichtsrat zur Disposition, als vielmehr der organisationsrechtliche Rahmen der Mitbestimmung – und damit nicht zuletzt das Leitbild einer »demokratischen« Betroffenenbeteiligung.

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Sachverzeichnis* Aktionärsdemokratie 50 Arbeiterausschüsse 10 ff Arbeiterbewegung 8 f Arbeiterschutzgesetz 12 Arbeitgeber 112 ff Arbeitnehmer – Angehörige des Belegschaftsverbands 126 f – Angehörige des Unternehmensverbands 137 ff – Mit-Eigner 353 ff – Mittelbare Arbeitnehmer 255 f – Stakeholder 215 f Arbeitnehmerkammern 175 Arbeitsdirektor 179, 182 Arbeitskampf – Element der Mitbestimmung 100 ff – Politischer Streik 103 f – Urabstimmung 105 Arbeitsvertrag – Autonome Unterwerfung 52 ff – Günstigkeitsschutz s. Günstigkeitsprinzip – Zuordnungskriterium in der Betriebsverfassung 245 f – Zuordnungskriterium in der Unternehmensmitbestimmung 261 Aufsichtsrat – Anknüpfungspunkt der Unternehmensmitbestimmung 136, 330 – »Bänke« 152 – Funktionen 216 ff – Größe 378 ff – Interessenrepräsentation 181 ff – Letztentscheidungsrecht der Eigner 174 ff – Organisationsautonomie 291 f * nach Seiten

– SE-Aufsichtsrat 182, 374 ff – Zweitstimmrecht des Vorsitzenden 153 Aufsichtsratsmitglieder – Abberufung von Arbeitnehmervertretern 241 f – Arbeitnehmervertreter im Arbeitskampf 177 – Qualifi kation 345 ff – Unabhängigkeit 347 ff – Verschwiegenheitspfl icht 351 f – Wahl der Arbeitnehmervertreter 381 f Aufsichtsratstantiemen 347, 370 Auswahlrichtlinien 329 Belegschaftsunternehmen 354 Berufsfreiheit 168 f Betrieb – Begriff 245, 248 – Gewillkürte Betriebsstruktur 252 ff – Herrschaftsverband 21 f – Identität 302 ff – Spaltung 305 – Zusammenfassung 305 ff Betriebsautonomie 186 ff Betriebsbelegschaft – Selbstverwaltung s. Selbstverwaltung – Verband 119 ff Betriebsnormen s. Tarifvertrag Betriebsparteien – Regelungskompetenz 199 ff – Regelungsverantwortung 309 Betriebsrat – Amtskontinuität 232 f – Bindung an den Teilhabezweck 286 ff – »Ersatz-Aufsichtsrat« 226 – »Ersatz-Wirtschaftsausschuß« 225 f

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Sachverzeichnis

– Professionalisierung 368 ff – Restmandat 302, 312 – SE-Betriebsrat 375 – Teilrechtsfähigkeit 275 f – Übergangsmandat 305 ff, 311 – Verfahrensfähigkeit 276 Betriebsrätegesetz 19 ff Betriebsratswahlen – Außerordentliche Wahlen 296 ff – Minderheitengeschlechterquote 268 ff – Stimmgewicht 263 ff – Wahlanfechtung 234 f – Wahlperiode 373 – Wahlrecht 242 ff – Wahlrechtsgleichheit 263 f – Wahlschutz 233 f Betriebsteil 251 f Betriebsübergang 312 ff Betriebsverband 110 ff Betriebsvereinbarungen – Altersgrenze 323 – Arbeitszeitdauer 322 f – Freiwillige Betriebsvereinbarungen 199 ff – Kollektivvertrag 110 ff – Legitimation s. Legitimation – Sozialleistungen 317 ff – Unternehmerentscheidungen 327 ff – Verhältnismäßigkeitskontrolle 194 f – Zugunsten/zu Lasten Dritter 324 ff Betriebsverfassung – Arbeitsvertragsakzessorietät 114 f – Prozedurales Regelungskonzept 209 ff – Schutzzweck 205 ff – Teilhabezweck 207 ff – Zwangskorporativer Charakter 119 f Betriebsversammlung 231 Betriebszugehörigkeit 247 ff Betroffenenbeteiligung – Betriebsverfassung 121 ff – Demokratie 72 ff – Unternehmensmitbestimmung 155 ff Betroffenheit 80 f Bundeswirtschaftsrat 94 f

Delegation staatlicher Rechtsetzungsmacht 187 f Demokratie – Deliberative Demokratie 210 f, 221 ff – Demokratischer Wettbewerb 36 f, 66 – Europäische Union 40 – Gesellschaftliche Demokratie 56 ff – Grundgesetz 38 ff – Legitimationsfunktion 35 ff – Volksherrschaft 38 f – Weimarer Republik 5 f Demokratischer Zentralismus 30 f Demokratisierung 59 ff Doppelfunktion – Betriebsrat und Aufsichtsrat 351 ff – Gewerkschaft und Aufsichtsrat 177 Egalität 41, 83 ff Ehrenamtsprinzip 369 f Einigungsstelle 112 Einstellung 130 ff Freiheitlich demokratische Grundordnung 67 Fremdfi rmenmitarbeiter 245 f, 248 ff, 298 ff Fremdorganschaft 138 Gemeinwohl 69 Gesamtbetriebsrat 273, 304 f Gesellschafterversammlung – Mitbestimmungsfreiheit 154 – Weisungsrecht 155 Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst 14 Gewerbefreiheit 7 Gewerkschaften – Binnenorganisation 104 – Mitbestimmung s. Mitbestimmung Gewerkschaftsunternehmen 354 Gleichheit 45 ff Günstigkeitsprinzip 195 ff, 318 ff

Coporate Governance 344 ff

Hauptversammlung 148, 353 – Kompetenzen 154 f – Mitbestimmungsfreiheit 154

Deinvestitionsentscheidung 148 ff

Industrialisierung 6 ff

Sachverzeichnis

Interessenausgleich 327, 367 f Koalitionsfreiheit 167 f, 236, 313 f Kollektiventscheidung 36 Konstitutionelle Fabrik 13 Konstitutionelle Monarchie 4, 114 Konsultationsrat 183, 350, 386 f Koppelungsgeschäfte 281 ff Koppelungsverbot nach VwV fG 283 Legitimation 37 – Arbeitsvertrag 52 ff, 184, 198 ff – Betriebsvereinbarungen 184 ff – Demokratische Legitimation 43 f – Heteronome Mitbestimmungswirkungen 184 ff – Legitimationskette s. Repräsentation – output-Legitimation 68 ff – Selbstbestimmungsprinzip 47 f – Tarifvertrag 104 f – Unternehmensleitung 141 ff, 174 ff, 183 f Leiharbeitnehmer 122 f, 158 f – Betriebszugehörigkeit 245 ff – Unternehmenszugehörigkeit 259 ff – Wahlrecht zum Betriebsrat 249 f Leitende Angestellte 157 Märzrevolution 4 Mehrheitsprinzip 48 ff, 64 ff Menschenwürde 142 f, 165 ff Mentorenprinzip 125, 311 f Minderheitenschutz – Betriebsverfassung 271 ff – Demokratie 67 f – Rechtsstaatsprinzip 66 f Mitbestimmung 86 – Arbeitskampf s. Arbeitskampf – Ausgleichsfunktion 129 f – Betroffenenbeteiligung 227, 237 ff – Eilfälle 285 f, 363 ff – Eingriffsqualität 172 f – Individualisierung 359 ff – Kumulation 100 ff – Öffentlicher Dienst 86 ff, 211 f – Parteien 59 – Paternalismus 238 – Tarifvertrag s. Tarifvertrag

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– Verfassungsrechtliche Grundlage 165 ff – Verhandlungslösung s. Vereinbarte Mitbestimmung – Zwecke 205 ff Mitwirkungsrechte 133 f Montan-Mitbestimmung 25 ff, 179 f Normzweckbindung 279 ff Private Rechtsetzung 191 ff Rätedemokratie 5 Reichswirtschaftsrat 17 f, 94 Repräsentation 41 ff Satzungskontrolle 48 ff Schwellenwerte – Anrechnung von Leiharbeitnehmern 260 f – Betriebsverfassungsrecht 255 – Unternehmensmitbestimmungsrecht 146 f, 261 f, 330 ff Selbstverwaltung – Betriebsbelegschaft 115 ff – Funktionale Selbstverwaltung 76 ff – Sozialversicherung 116 ff Soziale Angelegenheiten 200 Sozialplan 102 f, 178, 260, 312 Sozialstaatsprinzip 170 ff Sprecherausschuß 197 Stiftung 145, 356 ff Streik s. Arbeitskampf Tarifvertrag – Betriebsnormen 196 – Element der Mitbestimmung 100 ff – Haustarifvertrag 313 f – Regelung der Unternehmensmitbestimmung 356 Tarifvorbehalt 199 Teilzeitbeschäftigte 264 ff Territorialitätsprinzip 156, 341 ff ultra-vires-Doktrin 275 f Umstrukturierung – Fortbestand von Arbeitnehmervertretungen 301 ff

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Sachverzeichnis

– Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen 308 ff – Fortgeltung von Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarungen 314 ff Unternehmen – Demokratisierung 141 ff – Verselbständigter Verband 138 ff Unternehmensinteresse 107 f, 140, 222 Unternehmensmitbestimmung – Gemeinschaftsbetrieb 335 f – Gesellschaftsrecht 136 f – Gewerkschaftsbeteiligung 159 f, 262 f – Governance 344 ff – Insolvenz 226 – Konzern(zurechnung) 155 ff, 256 ff – Konzern im Konzern 340 f – Legitimationsfunktion 151 ff – Prozedurales Regelungskonzept 219 ff – Rechtsformanknüpfung 144 ff, 329 f – Teilhabezweck 216 ff – Teilkonzern 336 ff – Unternehmensgrößenanknüpfung s. Schwellenwerte – Voll-Parität 177 ff, 179 f Unternehmensverfassung 138 ff

Vereinbarte Mitbestimmung 374 ff – Aufsichtsratsgröße 378 ff – Mandatarische Legitimation 375 ff – Mitbestimmungsniveau 382 f – Organisationsrecht 384 ff – Wahlrecht 381 f Vertrauensrat 22 f Volk 39 ff Wahlen – Betriebsratswahl s. Betriebsratswahl – Friedenswahl 117, 236 – Gruppenwahl 152 f – Mitbestimmungsrechtliche Wahlen 228 ff, 372 ff – Mittelbare Wahl 372 ff – (Un-)Verzichtbarkeit 235 ff Wahlperiode 373 Weimarer Republik 5 f, 14 ff Werkvertrag 298 ff – Abgrenzung zur Leiharbeit 298 Wirtschaftsausschuß 223 ff, 334 Wirtschaftsdemokratie 17, 29 f, 94 ff Wirtschaftsverfassung – Grundgesetz 171 – Weimarer Republik 15 ff