Interdependenzen zwischen Mitbestimmung und betrieblicher Partnerschaft [1 ed.] 9783428420520, 9783428020522

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Interdependenzen zwischen Mitbestimmung und betrieblicher Partnerschaft [1 ed.]
 9783428420520, 9783428020522

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Betriebswirtschaftliche Schriften Heft 30

Interdependenzen zwischen Mitbestimmung und betrieblicher Partnerschaft Von

Kurt Maier

Duncker & Humblot · Berlin

KURT MAIER

Interdependenzen zwischen Mitbestimmung und betrieblicher Partnerschaft

Betriebswirtschaftliche Heft 30

Schriften

Interdependenzen zwischen Mitbestimmung und betrieblicher Partnerschaft

Von

Dr. Kurt Maier Lehrbeauftragter an der Universität München

D U N C K E R

& H U M B L O T

/

B E R L I N

Alle Rechte vorbehalten © 1969 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1969 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany

Meinen Eltern

Vorwort Die Mitbestimmungsdiskussion ist Symptom der gegenwärtigen Umschichtung unserer sozialen und wirtschaftlichen Ordnung. Die Anfänge dieses Prozesses reichen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Vor dem Ersten Weltkrieg ging es dabei mehr um die syndikalistische Form der Anerkennung des Rechts der Arbeitnehmer, sich zusammenzuschließen. Der Schritt zur klassenkämpferischen Argumentation war in dieser Epoche nicht besonders groß. Seit dem Ende des Ersten und vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg wird die Mitbestimmung als Verwirklichung des demokratischen Prinzips in der Wirtschaft apostrophiert. Anstelle des früher üblichen Herrschaftsprinzips soll sich durch Mitbestimmung eine Art genossenschaftlichen Zusammenarbeitens zwischen Unternehmensleitung und Mitarbeitern vollziehen. Das herrschaftlich-hierarchische Denken soll mit dem Ziel demokratischer Beteiligung des Produktionsfaktors Arbeit an der Lösung betriebspolitischer Probleme eingeschränkt oder abgelöst werden. Damit sollen die Arbeitnehmer befugt werden, ihre Mitarbeit von einem Mit-Bestimmungsrecht abhängig zu machen, das sich in verschiedenen Intensitätsgraden äußern kann. Somit kommt der Mitbestimmung in der Gegenwart eine sozialhumanitäre Aufgabe zu, deren gesellschaftspolitische Zielsetzung darin zu sehen ist, den fremdbestimmten Arbeitnehmer aus seiner Objektsituation herauszuführen und zum mitverantwortenden Subjekt werden zu lassen. Diese Zielsetzungen verfolgen in besonderer Weise auch die sog. Partnerschaftsbetriebe, die in Deutschland als Folge der gemeinsamen Kriegserlebnisse und der Zusammenarbeit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in den ersten Wiederaufbau jähren entstanden. Diese Partnerschaftsbetriebe versuchen durch geistige und materielle Teilhabe der Mitarbeiter, den Persönlichkeitswert des einzelnen am Arbeitsplatz zu stärken, um dadurch zu einer kooperativen Synthese von Kapital und Arbeit zu gelangen. Inwieweit sich bei diesem Bestreben Parallelen zur Mitbestimmung gesetzlicher- und gewerkschaftlicher Prägung ergeben, bzw. welche Zielkonflikte sich zwischen den Partnerschaftskonzeptionen und den Mitbestimmungsanliegen abzeichnen, sollte im Rahmen der Aufgaben-

8

Vorwort

Stellung dieser Arbeit herauskristallisiert werden. Damit wird erstmalig der Versuch unternommen, die partnerschaftlichen Grundsätze und ihre praktische Verwirklichung der gesetzlich realisierten bzw. der gewerkschaftlich geforderten Mitbestimmung gegenüberzustellen. Für diese doppelte Aufgabe wurde nicht nur die einschlägige Literatur verwandt, die zum Teilproblemkreis „Mitbestimmung" mit ungefähr 15 000 deutschsprachigen Quellen unübersehbar geworden ist. Der Verfasser legte darüber hinaus besonderen Wert darauf, neben der Literaturbeschäftigung im Rahmen seiner Aufgaben als wissen* schaftlicher Assistent am Institut für betriebliche Sozialpraxis an der Universität München, vor allem empirische Untersuchungen in Partnerschaftsbetrieben vorzunehmen. Dies erschien notwendig, um unwirkliche Deduktionen und hypothetische Abstraktionen zu vermeiden, die kritische Auseinandersetzungen mit manchen Problemlösungen der Partnerschaftsbetriebe verhindert hätten. Dieser gewählte Weg erschien auch deshalb notwendig, weil die nicht sehr zahlreiche Literatur zum Partnerschaftsproblem vor allem Mitte der fünfziger Jahre erschienen ist und somit nur mehr teilweise authentische Beweiskraft besitzt. An erster Stelle habe ich meinem verehrten akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Guido Fischer, Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre und Vorstand des Instituts für betriebliche Sozialpraxis an der Universität München, zu danken. Er weckte zuerst mein Interesse an Problemen der betrieblichen Partnerschaft und ermöglichte durch viele Aufmunterungen und Ratschläge, neben großzügiger zeitlicher Entlastung, das Entstehen dieser Arbeit. I n dankenswerter Weise förderte Herr Professor Dr. Peter Scherpf durch Anregungen und generöse Freizügigkeit die Gestaltung der Thematik. Dafür sei herzlich gedankt. Besonders dankbar gedenke ich an dieser Stelle Herrn Professor Dr. Eduard Gaugier, dem ich viele anregende Gespräche und manche interessante Hinweise verdanke. Diese haben die Zielrichtung dieser Arbeit nicht unwesentlich beeinflußt. Ferner ist es mir ein Bedürfnis, allen Partnerschaftsbetrieben zu danken, bei denen ich empirische Studien durchführen konnte. Mein Dank gilt dabei in erster Linie Herrn Carl Backhaus, geschäftsführender Gesellschafter der Joh. Friedrich Behrens Metallwarenfabrik. Ohne seine ideelle und materielle Unterstützung hätte die Arbeit in dieser Form nicht veröffentlicht werden können. I n gleicher Weise danke ich Herrn Hans Joachim Rohde, Herrn Karl Utz und Herrn Werner Ahlers für ihr vielfältiges Entgegenkommen während meiner Untersuchungen in der Firma Joh. Friedrich Behrens. Danken möchte ich vor allem auch Herrn Fabrikanten Gert P. Spindler, sowie Herrn Willi Bommermann und Herrn Richard Odendahl von den Paul-Spindler-Werken in Hilden.

Vorwort Ebenso gilt mein verbindlicher Dank Herrn Dr. Hermann Naegele, Inhaber der Firma Aktiengesellschaft Union und Herrn Peter Ortelt, Präsident der Arbeitsgemeinschaft der Union-Werke, für mündliche und schriftliche Auskünfte. Ferner gedenke ich dankbar Herrn Ing. Ludwig Rexroth, geschäftsführender Gesellschafter der Firma G. L. Rexroth, sowie Herrn Eugen Tatarko und Herrn Hermann Funsch für ihre Unterstützung während meines Aufenthalts in der Firma G. L. Rexroth, Lohrer Eisenwerk. Für viele interessante Gespräche und vor allem für die großzügige Überlassung von schriftlichen Quellenmaterialien, ist es mir ein Bedürfnis, Herrn Diplom-Volkswirt Peter Völker, Junior-Chef der Firma Wilhelm Völker, Hoch- Tief- und Ingenieurbau, Borken, zu danken. Mein besonderer Dank gilt für großzügiges Entgegenkommen Herrn Dr. Rudolf von Knüpffer, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Partnerschaft, der mich in vielfältiger Weise durch persönliche Gespräche und bei Beschaffung von Quellenmaterialien unterstützte. Herrn Dipl.-Kfm. Peter Schneider und Herrn Dipl.Kfm. Helmut Reichvilser danke ich für die formale Durchsicht der umfangreichen Fußnoten. Frau Anna Zorn bin ich zu Dank verbunden für die kurzfristige, belastende Niederschrift des Manuskriptes. Der „CarlBackhaus-Stiftung" in Ahrensburg gilt mein Dank für finanzielle Unterstützung bei Drucklegung dieser Arbeit. München, Juni 1968 Kurt Maier

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

7

A. Abgrenzung und Analyse des sozial-rechtlichen Inhalts der Mitbestimmung 17 I. Die plurale

Begriffsverwendung

1. Die Mitbestimmungsinterpretation durch die Arbeitnehmer

19 19

a) Sozialpolitische Auslegung des Begriffs durch die Arbeitnehmer

20

b) Divergenz zwischen Begriffsausdruck und Begriffsinhalt in der Vorstellung der Arbeitnehmer

22

2. Die Sprachregelung durch den Gesetzgeber

26

a) Der Begriffsausdruck als Verfassungsbestandteil

27

b) Das Fehlen einer Legaldefinition im Montanmitbestimmungsgesetz

27

c) Die Begriffsverwirrung im Betriebsverfassungsgesetz

29

IL Analyse und Modifikation

des Begriffs

1. Vorschlag zur Abgrenzung der Intensitätsgrade

31 32

a) Mitsprache

33

b) Mitwirkung

34

c) Mitentscheidung

35

2. Die Zielfunktionen der Mitbestimmung

37

a) Kontrolle wirtschaftlicher Macht

38

b) Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit

40

c) Demokratisierung der Wirtschaft

45

d) Lösung der sozialen Frage

48

Inhaltsverzeichnis

12

B. Die unterschiedlichen Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft 50 I. Struktur und Anwendungsmaxime wart

der Mitbestimmung

in der Gegen50

1. Sporadische Realisierung der „überbetrieblichen" Mitbestimmung

50

2. Struktur der betrieblichen Mitbestimmung

52

a) Das Paritätsprinzip der qualifizierten Mitbestimmung b) Vorschlag zur sektoralen Intensitätsabgrenzung der tätischen Mitbestimmung

53 impari-

58

aa) Mitentscheidung in sozialen Angelegenheiten

59

bb) Mitwirkung im personellen Bereich

62

cc) Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

66

3. Gewerkschaftliche Erweiterungsbestrebungen und partnerschaftliche Kooperationsansätze

71

a) Ausdehnung und Umstrukturierung der qualifizierten Mitbestimmung

71

b) Novellierung der einfachen Mitbestimmung

77

c) Negation partnerschaftlicher Spurenelemente in den Erweiterungsplänen

79

II. Mitbestimmung Partnerschaft

als unabdingbares Strukturelement

der betrieblichen

1. Der Kausalnexus bei partnerschaftsähnlichen Ausland

Konzeptionen im

83

83

a) Co-Partnership-Bestrebungen in England

83

b) Profit Sharing in USA

85

c) Gesetzliche Erfolgsbeteiligungssysteme

87

2. Mitbestimmung als ein Wesensmerkmal der betrieblichen Partnerschaft

88

a) Analyse des vieldeutigen Ausdrucks „Partnerschaft"

88

b) Programmatische Forderungen der betrieblichen Partnerschaftskonzeption

89

aa) Mitbestimmung als Basiselement der Partnerschaft

93

bb) Ausprägung einer zweiseitigen Betriebsverfassung

97

cc) Materielle Beteiligung als konstitutives Merkmal der betrieblichen Partnerschaft 101

Inhaltsverzeichnis 3. Funktionsadäquate Konsolidierung der Mitbestimmung in der partnerschaftlichen Betriebsordnung 109 a) Funktionen der Mitbestimmung im Partnerschaftsbetrieb

110

aa) Individualstruktur partnerschaftlicher Mitbestimmung

112

bb) Anti-Kampfcharakter mung

114

der partnerschaftlichen

Mitbestim-

cc) Gleichwertigkeit — nicht Gleichheit durch partnerschaftliche Mitbestimmung 119 b) Unabdingbare Interdependenzen zwischen Mitbestimmung und Partnerschaft 123

C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes .. 127 I. Vom „Gegeneinander" des Betriebsrätegesetzes des Betriebsverfassungsgesetzes IL Vertrauensvolle sungsgesetzes

Zusammenarbeit

zum „Miteinander"

als Grundmotiv des Betriebsverfas-

127

130

1. Partnerschaftliche Intensität der gesetzlichen Zentralbestimmung 133 a) Der Normenwert „vertrauensvoller Zusammenarbeit" in der Betriebsverfassung 133 b) Der Leitbildcharakter des partnerschaftlichen Pflichtgebots

136

aa) Wirkung des Zusammenarbeitsgebots auf die betriebliche Stilstruktur 136 bb) Kodifizierbarkeit des partnerschaftlichen Leitbilds 2. Reichweite des kooperativen Pflichtgebots

138 140

a) Die gesetzliche Stellung des Betriebsrats als Hemmschuh partnerschaftlicher Infrastrukturverbesserungen i m Betrieb 140 b) Revisionsnotwendigkeit von Stellung und Wahl des Betriebsrats als Folge des partnerschaftlichen Zentralgebots 144 aa) Erweiterung der Bindegliedfunktion des Betriebsrats

144

bb) Stärkung der partnerschaftlichen Individualrechte in der Betriebsversammlung 147 cc) Repersonalisierung der Betriebsratswahl als ein Zentralproblem des partnerschaftlichen Zusammenarbeitsgebots . . 149 3. Ausrichtung und Grenzen des Pflichtgebots zur vertrauensvollen Zusammenarbeit 152 a) Zielung der Kooperation auf das Wohl des Betriebes und seiner Arbeitnehmer 152

14

Inhaltsverzeichnis aa) Unterschiedliche Intensität in der Zielung des Zusammenarbeitsgebots 152 bb) Grenzen der Partnerschaft durch Ausrichtung der Zusammenarbeit am Betriebswohl 156 b) Ausrichtung der Zusammenarbeit am Gemeinwohl

158

c) Einbeziehung der Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen in die Zusammenarbeit 163 aa) Mittelbare und unmittelbare Verpflichtung der Verbände auf das partnerschaftliche Fundamentalziel 163 bb) Berücksichtigung der Koalitionen in der Partnerschaftskonzeption 165

III. Instrumentale Konkretisierung im Betriebsverfassungsgesetz lichkeit

partnerschaftlicher Strukturelemente und in der Betriebsverfassungswirk-

168

1. Die Friedenspflicht als besondere Ausprägung des Zusammenarbeitsgebots und deren Ausstrahlung auf die Ordnungsstruktur des Betriebes 168 a) Innerbetriebliche Friedenspflicht als systemimmanente Konsequenz der „vertrauensvollen Zusammenarbeit" 169 aa) Ausstrahlung des absoluten Verbots innerbetrieblicher Arbeitskämpfe auf die Mitbestimmungausübung 169 bb) Vorrang innerbetrieblicher Einigung als Ausfluß der Kooperativbestrebungen 174 cc) Sonstige Kooperationsansätze im Rahmen des Friedensgebots 176 b) Partnerschaftliche Grenzen des Friedensgebots durch Loyalitätskonflikte im außerbetrieblichen Arbeitskampf 178

2. Der Wirtschaftsausschuß als prädestiniertes Instrument der betrieblichen Partnerschaft 182 a) Partnerschaftliche Spurenelemente in der Konzeption des Wirtschaftsausschusses b) Ausbau des Wirtschaftsausschusses Zentralorgan

zum

gesetzgeberischen partnerschaftlichen

182 190

aa) Der Wirtschaftsausschuß im System der Partnerschaftsbetriebe 190 bb) Vorschläge zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes 194

Inhaltsverzeichnis D. Realisierung der Mitbestimmung im einzelnen Partnerschaftsbetrieb 199 I. Theodor Groz & Söhne & Ernst Beckert Nadelfabrik Gesellschaft, Ebingen I I . Aktiengesellschaft Württemberg

Union,

Nachfolger

Hermann

Commandit

Naegele,

Aalen/

199

203

III. G. L. Rexroth, Lohrer Eisenwerk GmbH, Lohr am Main

211

IV. Wilhelm

216

Völker, Borken Bez. Kassel

V. Paul Spindler-Werke VI. Joh. Friedrich

KG, Hilden

Behrens Metallwarenfabrik,

223 Ahrensburg!Holstein

231

Exkurs

248

Literaturverzeichnis

250

Abkürzungsverzeichnis AGP-Mit.

=

AP

= Arbeitsrechtliche Praxis, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts von Hueck, A., Nipperdey, H.C., Dietz, R.

AGP-Mitteilungen

ArbGeb

= Der Arbeitgeber

AuR

= Arbeit und Recht, Zeitschrift für Arbeitsrechtspraxis

BAG

= Bundesarbeitsgericht

BAGE

=

BB

= Betriebsberater

Bundesarbeitsgerichtsentscheidungen

BetrVerfG.

=

Betriebsverfassungsgesetz

BGB1.

= Bundesgesetzblatt

BGH

= Bundesgerichtshof

BIStSozArbR

= Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht

DB

= Der Betrieb

DV

= Der Volkswirt

FAZ

= Frankfurter Allgemeine Zeitung

GewMonH

= Gewerkschaftliche Monatshefte

HB

= Handelsblatt

HdSW

= Handwörterbuch der Sozialwissenschaften

IK

=

MitbestGespr.

= Das Mitbestimmungsgespräch

Industriekurier

MM

= Münchener Merkur

MuA

= Mensch und Arbeit

NJW

= Neue Juristische Wochenschrift

RdA

= Recht der Arbeit

RGBL

= Reichsgesetzblatt

SZ

= Süddeutsche Zeitung

WdA

= Welt der Arbeit

WWI-Mitteil.

= Mitteilungen des Wirtschaftswissenschaftlichen der Gewerkschaften

ZfB

= Zeitschrift für Betriebswirtschaft

ZfbF

= Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung

Instituts

A. Abgrenzung und Analyse des sozial-rechtlichen Inhalts der Mitbestimmung „Das Tor ist aufgestoßen" 1, rief Hans Böckler 1951 enthusiastisch ins Mikrophon. Die Begeisterung des ersten Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes galt der Verabschiedung des Montanmitbestimmungsgesetzes2 durch den deutschen Bundestag8. Dieses Gesetz, für das in der Welt kein gleichartiges Beispiel existiert, sollte eine soziale Neuordnung einleiten. Es hatte zum Ziel, den in abhängiger Arbeit stehenden Menschen vom Objekt zum Subjekt zu erheben, um eine innere Teilhabe der Arbeitnehmer am Geschehen ihres Unternehmens zu induzieren 4. Fünfzehn Jahre später bezeichnete Böhm die qualifizierte Mitbestimmung des Montanmitbestimmungsgesetzes als einen die Grundlagen der verfassungsmäßigen Ordnung sprengenden Fremdkörper der sozialen Marktwirtschaft, dessen Machtpotential für jedes „nicht gerade angebrannte Linsengericht" 5 zu verkaufen sei. Zwischen diesen extremen Polen — begeisterte Zustimmung einerseits und ablehnende Skepsis andererseits — bewegen sich die Stellungnahmen zu einem sozialpolitischen Experiment, das weit über die Grenzen 6 seines nationalstaatlichen Geltungsbereiches7 Beachtung und 1 Vgl. Hoffmann, H. G., Mitbestimmung am Scheideweg (I), Die Gewerkschaften blasen zum Angriff, I K vom 14.4.1965, S. 9. 2 Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie, vom 21.5.1951, BGBl. I, S. 347. 3 Vgl. Schöne, J., Das Parlamentarische Werden des MitbestimmungsGesetzes, GewMonH 1951, S. 394 f. 4 Vgl. Flume, W., Grundsatzfragen der Mitbestimmung, DB 1952, S. 513, 516. 5 Böhm, F., Es geht um die Menschenwürde, Ein Plädoyer gegen die M i t bestimmung, F A Z vom 22.10.1966, S. 5. « I m angelsächsischen Sprachraum wird die Mitbestimmungsproblematik vor allein unter dem Aspekt der Risikoteilung und der „Verwässerung" von Führungsentscheidungen diskutiert. Vgl. hierzu Blumenthal, W. M., Codetermination in the German Steel Industry, A Report of Experience, Princeton/New Jersey 1956, S. 10 ff.; Spiro, H. J., The Politics of German Codetermination, Harvard University, Cambridge/Mass. 1956; o.V., German Experience with Codetermination. A Panel Discussion with Audience Participation, University of Illinois, Bulletin, Volume 54, Number 11, Sept. 1956. — Hier wird besonders auf den „Kuhhandel" hingewiesen, den der Faktor 2 Maier

18

A. Abgrenzung und Analyse des sozial-rechtlichen Inhalts

auf dem Hintergrund des sich in der letzten Gestaltungsphase befindenden Europäischen Wirtschaftsraumes Bedeutung erlangt hat. Dieser sozialpolitisch bedeutsame Versuch einer gesetzlichen Beteiligung der Arbeitnehmer an der betrieblichen Willensbildung führte zu heftigen Kontroversen zwischen den Exponenten des Faktors Kapital und den Vertretern des Faktors Arbeit. Die Möglichkeit von Kompromissen scheint noch nicht gegeben zu sein, da die Diskrepanz in den Motiven der gewerkschaftlichen Mitbestimmungsforderungen und dem Alleinführungsanspruch der Unternehmer noch zu augenscheinlich ist. Ein Kompromiß würde die Einsicht voraussetzen, daß Kooperation als Element betrieblicher Willensbildung das Bemühen umfaßt, „soziale Konflikte mit den immanenten Mitteln des menschlichen Zusammenlebens zu lösen"8. An dieser Einsicht zu kooperativen Problemlösungen mangelt es vielerorts, sowohl auf Unternehmerseite als auch bei vielen Exponenten der Arbeitnehmer. Man argumentiert mit der Notwendigkeit klarer Frontenbildungen 9 bzw. lehnt die partnerschaftlichen Bestrebungen als „Harmoniephrase" 10 ab, da sie lediglich unternehmerischen Nützlichkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen dienen würden. Indes, solche Möglichkeiten, die „Arbeit" als personalen Faktor an der Entscheidungsplanung und dem Entscheidungsvollzug kooperativ zu beteiligen, gibt es 11 . Eine findet sich in der Konzeption der Partner schaftsunternehmen 12. Eine zweite Möglichkeit schreibt der Gesetzgeber Kapital und der Faktor Arbeit bei der gemeinsamen Führung der Unternehmen angeblich betreiben. — Ferner Bailey, R., Codetermination, in CoPartnership, The Journal of the Industrial Co-Partnership Association, No. 488, April 1957, S. 27 ff., wo i m Gegensatz zu den gescheiterten Nationalisierungsbestrebungen in England in der Mitbestimmung eine Beteiligungsmöglichkeit der Arbeitnehmer an der Unternehmungsleitung als gegeben angesehen wird. ? I n der französischen Literatur erscheint zwingend, daß die Mitbeteiligung der Arbeitnehmer unvereinbar sei mit dem Prinzip der Einheit der Führung. Vgl. hierzu Langer , E., La cogestion en Allemagne, Liège 1957, S. 8 ff.; und besonders Pinot , J., La cogestion ouvrière en Allemagne, Respousables — Echo de l'union soziale d'ingénieurs catholiques, cadres et chefs d'entreprise, 14. Jg., Nr. 8, Paris Dez. 1956, S. 14 ff. s Oetinger , F., Partnerschaft — Die Aufgabe der politischen Erziehung, 3. Aufl., Stuttgart 1956, S. 157. a Mänken, E. W., „Kreativ" in der Feuerwehr, I K vom 1.11.1966, S. 3. 10 Kassler , E., Der Schleier fällt, MitbestGespr. Nr. 5 1963, S. 66. 11 Vgl. v. Nell-Breuning, O., Das Konzil und die gewerkschaftlichen Forderungen, WdA vom 25. 2.1966, S. 8. 12 Vgl. Maier, K., Partnerschaftsbetriebe und Mitbestimmung, Sozialpolitischer Kommentar i m Bayerischen Rundfunk am 8. August 1966, Manuskript, S. 1.

I. Die plurale Begriffsverwendung

19

13

im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes vor. Die Rechtsordnung hat mit diesem Gesetz der Notwendigkeit zur mitbestimmenden Kooperation der Faktoren „Kapital" und „Arbeit" Rechnung getragen. Diese lex generalis der Betriebsverfassung stellt Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich unter das Gebot vertrauensvoller Zusammenarbeit 14 und erhebt die beiderseitige Verständigungsbereitschaft zur „Magna Charta" 16 der Betriebsverfassung. I m folgenden soll versucht werden, Interdependenzen zwischen Mitbestimmung und betrieblicher Partnerschaft zu zeigen. Wesentliche Bedeutung kommt bei dieser Diskussion der Struktur des Begriffs „Mitbestimmung" zu, der sowohl in seiner Zielsetzung als auch in seiner Motivation starken Diskrepanzen in der Argumentation ausgesetzt ist. I. Die plurale Begriffsverwendung 1. Die Mitbestimmungsinterpretation durch die Arbeitnehmer Der Begriff „Mitbestimmung" hat in den Diskussionen der letzten Jahre eine buntschillernde Interpretation und vor allem eine starke Ausweitung erfahren 16 . Mitbestimmung ganz allgemein bedeutet Teilnahme der Arbeitnehmer an der Gestaltung des wirtschaftlichen Lebens. Wieweit diese Teilnahme gehen soll und in welchen Formen sie sich vollzieht, darüber besteht bei den eigentlichen Inhabern dieser Rechte — den Arbeitnehmern — keine Klarheit. Auch in der unübersehbaren Literatur zum Mitbestimmungsanliegen findet sich keine einheitliche Sprachregelung 17. Man beklagt diese Begriffsverwirrung zwar 18 , begnügt sich aber mehr oder weniger re13 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVerfG.) vom 11. Oktober 1952, BGBl. I , S. 681. 14 § 49 Abs. 1 BetrVerfG. schreibt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (als Vertreter der Arbeitnehmer) zum Wohle des Betriebes und seiner Arbeitnehmer vor. Vgl. hierzu NeumannDuesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, Berlin 1960, S. 47. « Neumann-Duesberg, H., Wirtschaftsausschuß und Partnerschaft nach dem Betriebsverfassungsgesetz, A G P - M i t . vom 15.2.1964, S. 2. M Vgl. Weddingen, W., Begriff und Produktivität der Mitbestimmung, in: Voigt, F., Weddingen, W., Zur Theorie und Praxis der Mitbestimmung, Berlin 1962, Bd. I , S. 13. Vgl. v. Oertzen, P., Mitbestimmung — Mittel oder Ziel gesellschaftlicher Neuordnung, MitbestGespr. 9/1963, S. 130. 18 Vgl. u. a.Duvernell, H., Mitbestimmung — Heute und Morgen, in: Potthoff, E., Blume, O., Duvernell, H., Zwischenbilanz der Mitbestimmung, Berlin 1962, S. 319 ff.; Voigt, F., Weddigen fW. t a.a.O., S. 14 ff.; Blume, O., Normen und Wirklichkeit einer Betriebsverfassung, Tübingen 1964, S. 77 f.; Schäfer, F., Mitsprache und Mitbestimmung, Graz 1953, S. 36 f.; o.V., Wort und Begriff „Mitbestimmung" MitbestGespr. Nr. 12 1963, S. 190—191.

2*

20

A. Abgrenzung und Analyse des sozial-rechtlichen Inhalts

signierend mit der Weiterverwendung der teilweise unpräzisen Termini des Gesetzgebers 19. Obwohl — im Gegensatz zur Meinung Dahrendorfs — der Inhalt des Ausdrucks „Mitbestimmung" seit Einführung der gesetzlichen Regelung keineswegs festliegt 20 , was der Streit um die Auslegung einzelner Normen 21 beweist, findet sich kein Versuch einer umfassenden Interpretation des Begriffsinhalts. a) Sozialpolitische

Auslegung des Begriffs

durch die Arbeitnehmer

Die Mitbestimmungsdiskussion ist Symptom der weitreichenden Umschichtung unserer sozialen und wirtschaftlichen Ordnung. Die Anfänge dieser Überlegungen reichen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück 22 . Vor dem Ersten Weltkrieg ging es bei Interpretation des Begriffs mehr um die syndikalistische Form der Anerkennung des Rechts der Arbeitnehmer, sich zu Gewerkschaften zusammenzuschließen. Diese wollten als Vertreter der Arbeitnehmer zur Wahrnehmung der Mitbestimmungsinteressen anerkannt sein 23 . Der Schritt zum Klassenkampfdenken war hier nicht besonders groß. Seit dem Ende des Ersten und vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg wird die Mitbestimmung als Verwirklichung des demokratischen Prinzips in der Wirtschaft apostrophiert. An Stelle des früher üblichen Herrschaftsprinzips soll sich durch Mitbestimmung eine Art genossenschaftlichen Zusammenarbeitens 24 zwischen Unternehmensleitung und Mitarbeitern vollziehen. Das herrschaftlich-hierarchische Denken soll mit dem Ziel demokratischer Beteiligung des Faktors Arbeit an der Lösung betriebspolitischer Probleme eingeschränkt oder abgelöst werden. Die Bestimmung des Mitarbeiters versucht man also durch „MitBestimmung" vom Eigentumsrecht des Realkapitalbesitzers zu lösen, Vgl. Siebert , W., Grundgedanken der Betriebsverfassung, RdA 1958, S. 161—169. so Dahrendorf , R., Das Mitbestimmiungsproblem in der deutschen Sozialforschung, Eine Kritik, München 1965, S. 2. Der Streit um die sog. „Wirksamkeitsvoraussetzung" des § 56 BetrVerfG. ist noch lange nicht ausdiskutiert. Dadurch ist der Inhalt des Begriffs wesentlich beeinflußt, so daß von einem wissenschaftlichen Festliegen nicht gesprochen werden kann. 22 Vgl. Dietz, R., Mitbestimmungsrecht und Gewinnbeteiligung, RdA 1952, S. 41; Teuteberg, H. J., Geschichte der industriellen Mitbestimmung in Deutschland, Tübingen 1961, S. 63 ff. 23 Vgl. Haferkamp, W., Gewerkschaftliche Beurteilung der Mitbestimmung, WWI-Mitteilungen, Nr. 5/6, 1964, S. 102. 24 Vgl. o.V., Was ist Mitbestimmung? Ein Urteil des Bremischen Staatsgerichtshofes, MitbestGespr. Nr. 10 1957, S. 9.

I. Die plurale Begriffsverwendung

21

dessen Eigentum keine Verfügungsgewalt über Menschen verleihen soll 25 . Bedürfe der Sachkapitalbesitzer zur Verfügung über sein Eigentum der Mithilfe anderer Menschen, dann müsse er die Bedingungen dieser Mitwirkung aushandeln. Damit sollen die Arbeitnehmer befugt werden, ihre Mithilfe von einem Bestimmungsrecht abhängig zu machen26, das sich in den verschiedenen Intensitätsgraden von der Mitsprache bis zur gleichberechtigten Mitentscheidung äußern kann. Somit kommt der Mitbestimmung eine sozialhumanitäre Aufgabe zu, deren gesellschaftspolitische Zielsetzung darin zu sehen ist, den fremdbestimmten Arbeitnehmer aus seiner Objektsituation herauszuführen 27 und ihn zum mitverantwortenden Subjekt werden zu lassen, d. h. seinen Persönlichkeitswert am Arbeitsplatz zu stärken 28 , soll Hauptaufgabe dieses Anliegens sein. Erstmals ergeben sich bei der so interpretierten Mitbestimmung Interdependenzen zur betrieblichen Partnerschaftskonzeption, die — wie noch zu zeigen sein wird — als unabdingbares Gestaltungskriterium die Förderung der Subjektstellung jedes einzelnen Partners verlangt 29 . Damit käme der Mitbestimmung und der betrieblichen Partnerschaft eine gemeinsame Aufgabe zu. Allerdings haben Untersuchungen — auf die im folgenden Abschnitt näher einzugehen sein wird — gezeigt, daß durch die derzeit praktizierte indirekte Form der Teilhabe durch das Montangesetz und weitgehend auch durch das Betriebsverfassungsgesetz 80 diese sozialhumanitäre Zielsetzung31 kaum erreicht werden kann. Damit kommt der Mitbestimmung unmittelbar kein Eigenwert im Sinne Naphtalis 82 zu, son2s vgl. v.Nell-Breuning,0. t Eigentum und Verfügungsgewalt in der modernen Gesellschaft, GewMonH 1956, S.473. 2« Vgl. v. Nell-Breuning, O., ohne Titel, MitbestGespr. Nr. 10/1965, S. 176. Vgl. Haferkamp, W., a.a.O., S. 102. — Haferkamp betont diese sozialhumanitäre Zwecksetzung der Mitbestimmung, die durch verbandsrechtliche Mitbeteiligung erreicht werden soll. Er verkennt in diesem Zusammenhang jedoch die sozialindividuellen Zielsetzungen der Partnerschaftskonzeption, die er als falsche, „sozialromantische" Vorstellung abtut. 28 Vgl. Fischer, G., Sinn und Zweck der Mitbestimmung, M u A 1950, S. 145. 2» Aus der Fülle der Literatur vgl. u.a.: Fischer, G., Partnerschaft im Betrieb, Heidelberg 1955, S.39; Hartman, R. S., Die Partnerschaft von K a pital und Arbeit, Köln und Opladen 1958, S. 89 ff.; Herrmann, B., Das Ordnungsprinzip der Partnerschaft, A G P - M i t . vom 1.7.1953, S. 2; v. Knüpffer, R., Partnerschaft contra Proletarität, AGP-Mit. vom 1.11.1953, S. 1; Spindler, G.P., Partnerschaft statt Klassenkampf, Zwei Jahre Mitunternehmertum in der Praxis, Stuttgart und Köln 1954, S. 14; Steidl,P. t Der Mensch in der Partnerschaft, A G P - M i t . vom 1.1.1961, S. 1. so Betriebsverfassungsgesetz vom 11. Oktober 1952, BGBl. I 1952, S. 681. Vgl. Symanowsky, H., und Vilmar, F., Die Welt des Arbeiters. Pfarrer berichten aus der Fabrik, Frankfurt am Main 1963, S. 123. 82 Vgl. Naphtali, F., Wirtschaftsdemokratie. Ihr Wesen, Weg und Ziel. Sammlung „res novae", Bd. 42, Frankfurt am Main 1966, S. 22 ff.

22

A. Abgrenzung und Analyse des sozial-rechtlichen Inhalts

dern sie besitzt lediglich Instrumentalcharakter 33 und dient somit der Minderung des Abhängigkeitsgrades der Arbeitnehmer. Die Ausprägung der gegenwärtig normierten Mitbestimmung gestattet dem einzelnen Arbeitnehmer also nicht, direkt auf die betriebliche Willensbildung Einfluß zu nehmen, obwohl Ziel jeder Mitbestimmung der einzelne Arbeitnehmer sein muß. So kann es nicht verwundern, daß die Arbeitnehmer bei Interpretation des Begriffes das „Absterben der Mitbestimmung nach unten" beklagen und mit dem Ausdruck eine auf die Arbeitnehmervertreter allein delegierte Ausübung verbinden. Das damit verbundene „In der Luft hängen" der Mitbestimmungsorgane wird selbst von den Gewerkschaften zugegeben und bedauert 34 . Diese Auslegung des Begriffs durch die Arbeitnehmer ist um so bedeutsamer, weil damit die Vorstellung des „Nicht-bestimmen-könnens" am Arbeitsplatz mitschwingt. Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, daß von den Rechten und Pflichten, welche die Vertreter der Arbeitnehmer für diese wahrnehmen 35 , am Arbeitsplatz kaum etwas verspürt wird. Infolgedessen gelingt es nicht, den Arbeitnehmer zum mündigen und verantwortungsfreudigen Mitarbeiter werden zu lassen36. I m Gegenteil, das Anliegen der Mitbestimmung wird ihm gleichgültig37. b) Divergenz zwischen Begriff sausdruck und Begriffsinhalt in der Vorstellung der Arbeitnehmer Die Enttäuschung der Arbeitnehmer äußert sich in sehr geringem Wissen über die Mitbestimmung 38 , in Fehlinterpretationen der rechtlichen Möglichkeiten 39 und in Ablehnung des gesamten Mitbestimmungskomplexes an sich. Obwohl neueste Untersuchungen bei der Hälfte aller Arbeitnehmer in der Bundesrepublik im Unterbewußtsein 33 Auch von gewerkschaftlich orientierten Autoren wird dieses Problem der syndikalistischen Mitbestimmung gesehen. Vgl. Sohn, K. H., Mitbestimmung als Aufgabe, GewMonH 1961, S. 259. 34 Vgl. Specht, G., Hautnahe Mitbestimmung, MitbestGespr. Nr. 12/1960, S. 2. 35 Vgl. Schneider, D., Den Konflrmandenunterricht an Unternehmern nachholen?, MitbestGespr. Nr. 12/1960, S. 3. 36 Blume, O., in: Potthoff,E. t Blume, O., Duvernell, H., Zwischenbilanz der Mitbestimmung, a.a.O., S. 222. 37 Vgl. Hoff mann, H. G., Mitbestimmung am Scheideweg. Enttäuschung bei den Arbeitnehmern, I K vom 8. 5.1965, S. 8. 38 Vgl. Neuloh, O., Die Deutsche Betriebsverfassung und ihre Sozialformen bis zur Mitbestimmung, Tübingen 1956, S. 217. 39 Vgl. Seidel, H., Das Verhältnis der Belegschaften zur Mitbestimmung, MitbestGespr. Nr. 7/8 1963, S. 116.

I. Die plurale Begriffsverwendung

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wiederum einen starken Wunsch nach Mitbeteiligung festgestellt haben und damit die schon etwas zurückliegenden empirischen Forschungsergebnisse Blumes 40 und Neulohs bestätigen. Neuloh betont dabei zu Recht, daß Unkenntnisgrade von 83 Prozent aller befragten Arbeitnehmer über Inhalt und Ausprägung des Begriffes Mitbestimmund nicht auf Teilnahme- und Interesselosigkeit zurückgeführt werden können 41 . Die Distanz zum eigentlichen Anliegen der Mitbestimmung hat außerdem dazu geführt, daß viele Arbeitnehmer den Begriff unabhängig von der gesetzlichen Intention sehen und in seiner allgemeinen Bedeutung verwenden, die vom Gesetz nicht eingelöst werden kann. Uberall dort, wo es dem gesetzlichen Sachverhalt entsprechend nicht zu einer unmittelbaren „Mit-Bestimmung" des einzelnen Arbeitnehmers kommt, wollen die Arbeitnehmer den gesetzlichen Begriff nicht gelten lassen42, da sie diese Form der Beteiligung nicht als Mitbestimmung betrachten. So kommt es zur Divergenz zwischen Begriffsausdruck und Begriffsinhalt in der Vorstellung der Arbeitnehmer, die bei Verwendung dieses Wortes viele Faktoren mitschwingen lassen, die der Verbesserung der Beziehungen zwischen den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital dienen, deren verschiedene Motivationen 43 im Gesetz jedoch keinen Niederschlag gefunden haben. Diese „Bewußtseinsspaltung" der Arbeitnehmer bei Interpretation des Mitbestimmungsanliegens findet ihre Begründung in der mangelnden Realisierung der Mitbestimmung im unmittelbaren Aufgabenbereich des einzelnen Arbeitnehmers. Auch Adorno - Dirks kommen zu dem Schluß, daß sich durch Nichterfüllung der gehegten Erwartungen bei den Arbeitnehmern die Vorstellung eingeprägt habe, eine „eigentliche" Mitbestimmung sei überhaupt nicht vorhanden 44 . In den Vorstellungen der Arbeitnehmer ist damit keine abstrakte Umgrenzung des Begriffs „Mitbestimmung" vorhanden, vielmehr drückt dieses Wort in weiter Verwendung durch die Arbeitnehmer eher Hoffnungen und Erwartungen aus 45 . Sie verbinden mit dem Aus40 Vgl. Blume, O., in: Potthoff, E., Blume, O., Duvernell, H., Zwischenbilanz der Mitbestimmung, a.a.O., S. 230 ff. Vgl. Neuloh, O., Der Neue Betriebsstil, Tübingen 1960, S. 166 f. « Vgl. Bahrdt, H. P., in: Popitz, H., Bahrdt, H. P., Jüres, E. A., Kesting, H., Das Gesellschaftsbild des Arbeiters, Tübingen 1957, S. 166. 43 Vgl. die über 600 Seiten starke Untersuchung von Pirker, T., Braun, S., Lutz, B., Hammelrath, F., Arbeiter — Management — Mitbestimmung, Stuttgart und Düsseldorf 1955, S. 331 ff. 44 Vgl. Adorno, T . W . , Dirks, W., Betriebsklima — eine industrie-soziologische Untersuchung aus dem Ruhrgebiet, Frankfurt am Main 1955, S. 223. 45 Dies, S. 216.

A. Abgrenzung und Analyse des sozial-rechtlichen Inhalts

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druck alle Maßnahmen, die der Verbesserung ihrer Stellung durch Veränderung der Betriebsverfassung dienen, also eine Linderung ihrer Fremdbestimmung bedingen 46 , wobei der gesetzliche Inhalt des Begriffs — soweit er überhaupt bekannt ist — lediglich als Teilaspekt subsumiert wird. Das oftmals analysierte mangelhafte Wissen 47 der Belegschaften über den Mitbestimmungsinhalt wird auch in neueren Untersuchungen 48 als Folge der Distanz der Mitbestimmungsausübung von der unmittelbaren Arbeitssphäre des einzelnen Mitarbeiters gesehen, die dazu geführt hat, daß die meisten Arbeitnehmer von ihren Rechten so gut wie nichts wissen40. Durch dieses Nichtinformiertsein, das neueste Untersuchungen des Jahres 1966 wiederum bestätigen50, identifizieren die Arbeitnehmer den Inhalt des Begriffs mit der tatsächlichen Ausübung durch die von ihnen bestimmten Mitbestimmungsträger. Damit kommt es zur Personalisierung des Begriffsinhalts, d. h. die oftmals auf eigene Faust durchgeführte Mitbestimmung durch die Repräsentanten prägt retrograd das Begriffsbild bei den Arbeitnehmern 51 . Die Vorstellungen um den Mitbestimmungsinhalt werden also mit dem Urteil über die Träger der Mitbestimmung verquickt, deren teilweises Versagen Home so drastisch belegt hat 5 2 . Diese Identifizierung 4

6 Vgl. auch Dahrendorf, R., a.a.O., S. 29. 47 Vgl. auch Blumenthal, M., Die Mitbestimmung in der deutschen Stahlindustrie, Bad Homburg—Berlin—Zürich 1960, S. 40 ff. 48 Vgl. die in den Jahren 1962 bis 1965 erstellten empirischen Untersuchungen Voigts, in: Voigt, F., und Weddingen, W., Zur Theorie und Praxis der Mitbestimmung, a.a.O., S. 160; Blume, O., Die Praxis des Betriebsverfassungsgesetzes — Eine Bestandsaufnahme, MitbestGespr. Nr. 11/12 vom November/Dezember 1962, S. 161; ders., Normen und Wirklichkeit einer Betriebsverfassung, a.a.O., S. 19 und S. 37; ders., in: Potthoff, E., Blume, O., Duvernell, H., Zwischenbilanz der Mitbestimmung, Tübingen 1962, S. 229 ff. 4® Vgl. Blume, O., Die Praxis des Betriebsverfassungsgesetzes — Eine Bestandsaufnahme, a.a.O., S. 166. Blume spricht mit Besorgnis davon, daß die Arbeitnehmer von den allgemeinen Mitbestimmungsrechten lediglich die Existenz eines Betriebsrats kennen. so Vgl. Emnid-Untersuchung, Wirksamkeit der erweiterten Mitbestimmung auf die Arbeitnehmerschaft, Bielefeld, April—Mai 1966, Tabellenteil S. 234. Danach haben mehr als drei Viertel der Arbeitnehmer keine fundierten Kenntnisse vom Begriffsinhalt. Die IFAS-Untersuchung, die im Januar bis März 1966 durchgeführt wurde, kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Vgl. I K vom 3. 9.1966, S. 1, o.V. und o. Ü. 51 Blume zeigt, daß an keiner Stelle seiner umfangreichen Untersuchungen seitens der Arbeitnehmer ein Argument gegen die Institution „Mitbestimmung" vorgebracht wurde, die Kritik sich jedoch immer gegen die Personen richtete. Vgl. Potthoff, E., Blume, O., Duvernell, H., Zwischenbilanz der Mitbestimmung, a.a.O., S. 275. 52 Vgl. Home, A., Der beklagte Sieg. Gespräche über die Mitbestimmung, 2. Aufl., Villingen 1964, S.22ff. und S. 183 ff.

I. Die plurale Begriffsverwendung

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geht soweit, daß die Mehrzahl der Arbeitnehmer die Pflichten der Betriebsratsmitglieder mit den Aufgaben der Gewerkschaften gleichsetzen und in der Mitbestimmung — ähnlich den Gewerkschaften — ein Politikum sehen, um damit die sozialen Verhältnisse zu verbessern und politische Gefahren auszuschalten53. Das Bewußtseinsbild der Arbeitnehmer hinkt demnach den Vorstellungen des Gesetzgebers hinterher. Jedoch muß Voigt widersprochen werden, der die Mitbestimmung im Vorstellungsbild des einzelnen Arbeitnehmers nur als polemischen Begriff gelten lassen will, „der zur Durchsetzung und zur wirtschaftspolitischen Aktion Gesellschaft erfordert" 54 . Die Arbeitnehmer sind durchaus bereit, an der Gestaltung der Betriebsverfassung ihres Unternehmens mitzuwirken. Die Untersuchung des Emnid-Instituts hat 1966 gezeigt, daß rund zwei Drittel der Arbeitnehmer sich für alles interessieren, was mit ihrem Unternehmen zu tun hat 6 5 . Mehr als drei Viertel 5 6 wünschen eine laufende Information und Mitberatung. Das Interesse ist demnach groß, und der Wunsch nach Mitbeteiligung, vor allem auf personalem und sozialem Gebiet, ist bei fast der Hälfte aller Mitarbeiter vorhanden 57 . Lohn- und Sozialfragen stehen an erster Stelle der Anliegen, die die Arbeitnehmer durch die Mitbestimmung gelöst haben wollen 58 . Sie interessieren sich primär für alle Probleme, die sie unmittelbar angehen und die sie durch die Mitbestimmung zu lösen hoffen. Dabei interpretieren sie den Mitbestimmungsbegriff mehr gefühlsmäßig als Institution zur Verbesserung ihrer sozialen Errungenschaften und materiellen Lage 59 und kümmern sich nicht um das Aufgabenfeld, das durch die Normen des Gesetzgebers abgesteckt wurde. Diese Begriffsvorstellungen widersprechen nicht nur der gesetzlichen Terminologie, sondern darüber hinaus auch den gewerkschaftlichen w Vgl. Blume, O., Die Praxis des Betriebsverfassungsgesetzes — Eine Bestandsaufnahme, a.a.O., S. 162 und ders., in: Potthoff, E., Blume, O., Duvernell, H., Zwischenbilanz der Mitbestimmung, a.a.O., S. 275 f. 54 Voigt, F., in: Voigt, F., Weddigen, W., a.a.O., S. 160. 5« Vgl. Emnid-Untersuchung, a.a.O., Kommentarteil, S. 75. 5« Vgl. Emnid-Untersuchung, a.a.O., Tabellenteil, S. 235 und Kommentarteil, S. 119. 57 Vgl. Blücher, V. G., Integration und Mitbestimmung. Hauptergebnisse einer Untersuchungsreihe zum Thema „Wirksamkeit der erweiterten M i t bestimmung auf die Arbeitnehmer", Sennestadt 1966, S. 60 ff. 58 Vgl. Emnid-Untersuchung 1966, a.a.O., Kommentarteil, S. 120 und T a bellenteil, S. 244. I n der nichtveröffentlichten IFAS-Untersuchung nannten 1966 rund 60 Prozent aller DGB-Mitglieder Lohn- und Gehaltsfragen als primäre Anliegen der Mitbestimmung, a.a.O., S. 4. 59 Vgl. Blume, O., Normen und Wirklichkeit einer Betriebsverfassung, a.a.O., S. 37.

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A. Abgrenzung und Analyse des sozial-rechtlichen Inhalts

Intentionen und Zielvorstellungen 60. Eine nicht veröffentlichte Untersuchung hat 1966 gezeigt, daß lediglich 61 Prozent der im Deutschen Gewerkschaftsbund organisierten Arbeitnehmer mit dem Begriff die Vorstellung einer Mitbestimmung der Arbeitnehmer verbinden 61 , während ein Drittel der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik überhaupt kein Verhältnis zu dem Begriff hat. Darüber hinaus wünscht, entgegen den gewerkschaftlichen Vorstellungen, die Hälfte aller DGBMitglieder in den Mitbestimmungsinstitutionen nur von den Arbeitnehmern bestimmte, im Unternehmen beschäftigte Vertreter der Arbeitnehmer. Lediglich fünf Prozent aller organisierten Arbeitnehmer verbinden mit dem Begriff die Vorstellung, daß nur von den Gewerkschaften benannte Vertreter die Rechte der Mitarbeiter ausüben sollen. Dabei muß berücksichtigt werden, daß lediglich ca. 30 Prozent aller in abhängiger Arbeit tätigen Erwerbspersonen gewerkschaftlich organisiert sind. Es steht also fest, daß bei einem Großteil der Arbeitnehmer die Mitbestimmung noch nicht die notwendige Resonanz gefunden hat. Ein Mitbestimmungsbewußtsein62 fehlt bisher. Für viele Arbeitnehmer bleibt der sozialpolitische Inhalt der Mitbestimmung mehr eine Randerscheinung. deren Aufgabenfeld sie infolge des nicht unmittelbaren Erlebens am Arbeitsplatz entgegen den gewerkschaftlichen Intentionen und dem gesetzgeberischen Willen wesentlich weiter interpretieren. 2. Die Sprachregelung durch den Gesetzgeber Mehr denn je wird der Terminus „Mitbestimmung" als Schlagwort gebraucht, dessen Inhalt durch den laxen Sprachgebrauch des Gesetzgebers heute in einer weit über den Sinn der Gesetzesnormen hinausgehenden Zielsetzung verwandt wird. Der Gesetzgeber bezeichnet mit dem nämlichen Sprachsymbol verschiedene Begriffsinhalte bzw. kennzeichnet den gleichen Begriff mit verschiedenen Sprachsymbolen. Deshalb soll eine chronologische Entwirrung der Legalbegriffe versucht werden. 00

Dies geht so weit, daß sogar Arbeitsdirektoren und Betriebsratsmitglieder andere Mitbestimmungsbegriffe verwenden, obwohl beide Personenkreise durch ihren Wahlmodus den gewerkschaftlichen Vorstellungen verpflichtet sein müßten. Vgl. Blume, O., in: Potthoff, E., Blume, O., Diivernell, H., Zwischenbilanz der Mitbestimmung, a.a.O., S. 238. 61 Vgl. die nichtveröff entlich te Untersuchung des Instituts für angewandte Sozialwissenschaften (IFAS) im Auftrag des DGB, in: o.V., Eine Kluft zwischen Arbeitnehmern und DGB, I K vom 3. 9.1966, S. 1 und 4. 62 Vgl. Seidel, H., Warum fehlt ein Mitbestimmungsbewußtsein?, MitbestGespr. Nr. 5/7 1964, S. 115 ff.

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I. Die plurale Begriffsverwendung a) Der

Begriff sausdruck

als

Verfassungsbestandteil

I m Gegensatz zur W e i m a r e r Reichsverfassung 63 findet sich an keiner Stelle des Grundgesetzes der Bundesrepublik ein H i n w e i s auf die M i t bestimmung der Arbeitnehmer* 4 . Lediglich A r t . 175 der Bayerischen Verfassung verspricht den A r b e i t n e h m e r n ein „Mitbestimmungsrecht i n den sie berührenden Angelegenheiten" u n d nennt als weitere A u f gabe „die M i t w i r k u n g der Betriebsräte" 6 5 . Es muß bezweifelt werden, ob der Verfassungsgesetzgeber sich über den I n h a l t dieses Begriffspaares überhaupt k l a r war.

b) Das Fehlen einer Legaldefinition im Montanmitbestimmungsgesetz Erschwert w i r d die Interpretation

des Begriffs durch das Fehlen

einer Legaldefinition. Das W o r t „Mitbestimmung" selbst ist aus den Gesetzesüberschriften

nahezu verschwunden. Es

findet

sich lediglich

i n der Uberschreibung einzelner Gesetzesabschnitte. E i n e Ausnahme 63 I n Artikel 165 der Weimarer Verfassung bestimmte der Gesetzgeber, daß Arbeiter und Angestellte dazu berufen sind, „gleichberechtigt in Gemeinschaft mit den Unternehmern an der Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie an der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung der produktiven Kräfte mitzuwirkenVgl. dazu Tarnow, F., Der Reichswirtschaftsrat in der Weimarer Republik, GewMonH 1951, S. 563; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, Bad Homburg 1960, S. 744 f. — Das in Ausführung dieses Artikels entstandene Betriebsrätegesetz vom 4. Februar 1920 sprach in § 66 Ziff. 9 und § 78 Ziff. 2 und Ziff. 9 von mitwirken. I n § 66 Ziff. 9 hatte der Betriebsrat die Aufgabe an der Verwaltung von Pensionekassen und Werkswohnungen mitzuwirken, während in § 78 Ziff. 2 der Arbeiter- oder Angestelltenrat gehalten war, bei der Regelung der Löhne und sonstigen Arbeitsverhältnisse mitzuwirken. Vielfach wurde die Meinung vertreten, daß der Terminus „mitwirken" in diesen beiden Normen auf den Abschluß von Betriebsvereinbarungen gerichtet gewesen war und soviel wie „vereinbaren" bedeutet hatte. Vgl. dazu Mansfeld, W., Betriebsrätegesetz, Kommentar, 3. Aufl., Mannheim—rBerlin—Leipzig 1930, S. 388; Potthoff, H., als Herausgeber, in: Arbeitsrecht, Jahrbuch für das gesamte Dienstrecht der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Stuttgart 1924, Sp. 821; Flatow, G., Betriebsrätegesetz vom 4. Februar 1920, Anm. 2 zu § 78 Nr. 2, 12. Aufl., Berlin 1928, S. 320; ferner R A G vom 11.7.1928, RAGE, Amtliche Sammlung, Bd. 2, S. 110. I n § 78 Ziff. 9 hatte der Gruppenrat die Aufgabe bei Entlassungen von Arbeitnehmern mitzuwirken. Es handelte sich hier um ein Einspruchsrecht bei Kündigungen einzelner Arbeitnehmer mit der Maßgabe, gegebenenfalls die Kündigung rückgängig machen zu können. Vgl. dazu Rohrbeck, W., Schönfeld, E., Golm, R , Betriebsrätegesetz vom 4. Februar 1920, 2. Aufl., Erlangen—Leipzig 1922, S. 134; Mansfeld, W., a.a.O., 5. 396; Flatow, G., a.a.O., S329; Feig - Sitzler, Betriebsrätegesetz, 13. und 14. Aufl., Berlin 1931, S. 243. Vgl. Zeitler, K , Mitbestimmung im deutschen Verfassungsrecht, M i t bestGespr. Nr. 10 1959, S. 5. es Verfassung des Freistaates Bayern, München o. J., S. 68.

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A. Abgrenzung und Analyse des sozial-rechtlichen Inhalts

hiervon macht einzig das Mitbestimmungsgesetz bei Kohle und Stahl aus dem Jahr 195166. Dieses Gesetz geht vom Grundsatz der Parität von Kapital und Arbeit aus und verwendet das Sprachsymbol „Mitbestimmen" deshalb im Sinn einer paritätischen Teilhabe der Arbeitnehmer an der Unternehmensgestaltung 67. Der Begriff beinhaltet hier ein gleichberechtigtes Mitentscheidungsrecht, d. h. eine gleichberechtigte Teilhabe an der Planungs- und Entscheidungsgewalt durch die Arbeitnehmer 68 . Deshalb spricht man hier auch von „paritätischer" oder „qualifizierter" Mitbestimmung. Das Sprachsymbol „Mitbestimmung" ist demnach im Mitbestimmungsgesetz gekennzeichnet durch eine universelle Zuständigkeit der Arbeitnehmer bei allen Entscheidungen und durch gleichberechtigte Mitentscheidung69 in der Unternehmensleitung. Im Gegensatz zu dem eben abgegrenzten Mitbestimmungsbegriff im Mitbestimmungsgesetz, will Meissinger diesen Begriffsausdruck nur dann verwandt wissen, wenn damit ein beschlußverhinderndes oder die Ausführung eines Beschlusses verbietendes Vetorecht gegeben wäre 70 . Damit fordert Meissinger eine Begriffsinterpretation, die weit über eine gleichberechtigte Mitentscheidung hinausgeht, weil in einer derart verstandenen Mitbestimmung ohne Zustimmung der Belegschaftsvertretung nicht rechtswirksam gehandelt werden könnte. Dieser Auffassung ist der Gesetzgeber bei der Begriffsfüllung im Mitbestimmungsgesetz nicht gefolgt. Es erscheint sprachlogisch auch als Paradoxon, dann kein Mitbestimmungsrecht annehmen zu wollen, wenn das Gewicht der Stimmen der zusammenwirkenden Mitglieder gleich stark ist. Ein derartiges Vetorecht ist doch vielmehr in die Begriffskategorie des Alleinbestimmungsrechtes einzureihen 71 . Der Paritätsgedanke des Mitbestimmungsgesetzes verlangt jedoch begriffs«• Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 21.5.1951, BGBl. 1951, S. 347. «7 Vgl. Benner, J., Mitbestimmung im Konzern, MitbestGespr. Nr. 12 1956, S. 2. 68 Vgl. hierzu Kötter, H. W., Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie, Kommentar, Berlin 1952, S. 1; Müller, G., Lehmann, R., Kommentar zum Mitbestimmungsgesetz Bergbau und Eisen, Heidelberg 1952, S. l f f . 6« Vgl. Lenk, E., Die qualifizierte Mitbestimmung der Arbeitnehmer und ihre wirtschaftliche Problematik, Köln 1961, S. 2. 70 Vgl. Meissinger, H., Begriffsklärung zum Mitbestimmungsrecht, RdA 1950, S. 42 f. 71 Vgl. dazu v.Brasch,V., Zur Begriffsklärung im Mitbestimmungsrecht, RdA 1950, S. 300.

I. Die plurale Begriffsverwendung

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notwendig die Einrichtung eines Gremiums gleichberechtigter Mitentscheidungsträger 72, wenn das Mitbestimmungsrecht nicht den Gesetzesrahmen sprengen soll. Somit ist das Sprachsymbol „Mitbestimmen" nach dem Mitbestimmungsgesetz einer gleichberechtigten Mitentscheidung begriffskongruent. c) Die Begriffsverwirrung

im Betriebsverfassungsgesetz

I m Betriebsverfassungsgesetz verwendet der Gesetzgeber ebenfalls den Begriff „Mitbestimmung", nämlich in der Überschreibung des Vierten Teils dieses Gesetzes, obwohl die Rechte, die mit dem Sprachsymbol hier verbunden sind, an keiner Stelle mit dem Umfang der Rechte des Mitbestimmungsgesetzes vergleichbar sind. Dabei stellt der Gesetzgeber in der Uberschrift dieses Teils dem Wort Mitbestimmung den Terminus „Mitwirkung" gegenüber, ohne die Rangstufe dieser beiden Begriffe legaldefinitorisch zu klären 73 . Sprachlogisch schließen sich beide Begriffe nicht aus, da Mitbestimmung durchaus eine Art der Mitwirkung sein kann. Es müßte demnach eine mitbestimmende Mitwirkung geben 74 . Diese terminologisch nicht besonders glücklich gewählte Beteiligungsform ist dann vorhanden, wenn man von Mitwirkung im Sinne eines umfassenden Oberbegriffs spricht, der alle Formen und Intensitätsgrade einer Einflußnahme der Arbeitnehmer beinhalten würde. Mitbestimmung wäre dann die letzte Stufe in der Skala der Mitwirkungsrechte und würde gleichberechtigte Mitentscheidung bedeuten75. 72 Vgl. Hammer, G., Ein Beitrag zur Mitbestimmungsdiskussion, MitbestGespr. Nr. 1 1966, S. 5. 73 Das Personalvertretungsgesetz vom 5. August 1955, das als Pendant zum Betriebsverfassungsgesetz für die Beschäftigten des Bundes geschaffen wurde, regelt im 5. Kapitel die Beteiligung des Personalrats. Der Gesetzgeber spricht in der Überschrift von § 55 nicht mehr von Mitbestimmung, sondern verwendet den unbestimmten Ausdruck Beteiligung als Oberbegriff. Dies wird dadurch verständlich, daß dem Begriffspaar „Mitwirkung und Mitbestimmung" in § 61 Abs. 1 und § 62 Abs. 1 eine ganz bestimmte, eng begrenzte Bedeutung zukommt, die lediglich mit der formalen Begriffsbildung, keineswegs jedoch mit der Begriffsverwendung i m Betriebsverfassungsgesetz übereinstimmt. I m wesentlichen handelt es sich dabei um ein für die öffentliche Verwaltung typisches Beschwerderecht. Vgl. dazu Molitor, E., Personalvertretungsgesetz und Betriebsverfassungsgesetz, RdA 1955, S. 406; Seidel, H., Zehn Jahre Personalvertretungsgesetz. Sozialpolitischer Kommentar im Bayerischen Rundfunk am 9. August 1965, Manuskript, S. 1 und 7; Schmidt, G., Braucht der öffentliche Dienst Mitbestimmung, M i t bestGespr. Nr. 7/9 1965, S. 125; Säbel, A., Das Personalvertretungsgesetz, RdA 1955, S. 330; Dietz, R., Kommentar zum Personalvertretungsgesetz mit Wahlordnung, München und Berlin 1956, S. 506. 74 Vgl. Weddigen, W., Begriff und Produktivität der Mitbestimmung, in: Voigt, F., Weddigen, W., a.a.O., S. 15. 75 Vgl. Hilger, M. L., Mitbestimmungsrecht und Mitbeurteilungsrecht des

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A. Abgrenzung und Analyse des sozial-rechtlichen Inhalts

Häufig findet sich die Gegenüberstellung der Begriffe Mitwirkung und Mitbestimmung. Die Subordination unter einen Obergriff wird damit vermieden. I m Betriebsverfassungsgesetz werden die Termini in der Uberschreibung des Vierten Abschnittes in dieser Form nebeneinandergestellt. Eine legaldefinitorische Abgrenzung findet sich in den folgenden Normen nicht, so daß die Bedeutung der Sprachsymbole aus dem Inhalt der einzelnen Paragraphen gefolgert werden muß. Mitwirkung bedeutet dabei das Recht der Arbeitnehmer oder deren Vertretung, an der Vorbereitung von Entscheidungen, die in den Kompetenzbereich der Unternehmensleitung fallen, mitzuarbeiten. Für die Gültigkeit und Wirksamkeit der Entscheidungen ist dieses Beteiligungsrecht jedoch nicht relevant, da die Mitwirkung die Arbeitgebermaßnahmen nicht zu hemmen vermag 76 . Diese Sprachregelung des Gesetzgebers subsumiert in die Mitwirkung das Recht auf Information. Ferner erscheinen als Kernstück der Mitwirkungsrechte Beratungsrechte, die aus Überwachungs- und Antragsrechten hervorgehen 77. Der Bereich der Mitwirkungsrechte endet im Sprachgebrauch des Betriebsverfassungsgesetzes dort, wo die Arbeitnehmer an der Entscheidungsfindung gleichberechtigt beteiligt sind. Von Mitbestimmung sollte man demnach überall dort sprechen, wo eine gleichberechtigte Mitentscheidung vorliegt, d. h. wo die Wirkung oder die Gültigkeit der unternehmerischen Entscheidung durch die Beteiligung der Arbeitnehmer vollzugshemmend beeinflußt werden kann 78 . I n einer höchstrichterlichen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes findet sich eine nämliche Abgrenzung der Begriffssymbole. Nach diesem legaldefinitorische Züge aufweisenden Urteil 7 9 bedeutet Mitbestimmung die Notwendigkeit eines Übereinkommens zwischen UnterBetriebsrats, BB 1956, S. 10; Müller, G., Tarifvertrag und Mitbestimmung Kleine Schriften zur Sozialpolitik und zum Arbeitsrecht, 2. Folge, Heft 4, München 1953, S. 9; Galperin, H., Die wirtschaftliche Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz, DB 1952, S. 804; besonders v. Brasch, V., a.a.O., S. 300; Müller, G., Lehmann, R., a.a.O., S.26; Hiersemann, W., Die Grenzen des erzwingbaren Mitbestimmungsrechts, BB 1962, S. 183; Deutsches Industrieinstitut (als Verfasser), Mitbestimmung in der Bundesrepublik Deutschland, Tatsachen und Forderungen, Köln 1966, S. 9. 7« Vgl. Wolf, W., Mitbestimmimg, Mitverantwortung und persönliche Haftung, BB 1951, S. 310. 77 Vgl. Siebert, W., Die Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer nach dem Betriebsverfassungsgesetz, BB 1952, S. 834 f. 78 Vgl. Siebert, W., Die Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer nach dem Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 836; Hueck, A., Probleme des Mitbestimmungsrechts, Karlsruhe 1953, S. 7. 7 » BAG-Urteil vom 7.12.1956 — 1 A Z R 327/54, B A G 4, S.55; AP I I 1957, H 15, Bl. 720—723, kommentiert von Dietz, R., Blatt 722.

II. Analyse und Modifikation des Begriffs

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nehmensleitung und Arbeitnehmervertretung, ohne die eine Maßnahme nicht rechtswirksam getroffen werden kann. Das Mitwirkungsrecht dagegen beinhaltet lediglich einen beratenden Einfluß mit dem Ziel einer Verständigung und beläßt die Entscheidung allein der Unternehmungsleitung. Der Gesetzgeber verläßt diese begriffliche Systematik bereits wieder in der Uberschreibung des Paragraphen 72 BetrVerfG. Er spricht hier von einer Mitbestimmung bei Betriebsänderungen, obwohl das entscheidende Merkmal dieser Beteiligungsform, nämlich die Bindung des Unternehmerwillens an die gleichberechtigte Mitentscheidung der Arbeitnehmer, fehlt 80 . Der Gesetzgeber verwendet die Begriffe demnach weder in ihrem Intensitätsgrad noch in ihrem Zuständigkeitsbereich einheitlich. Die Sprachsymbole sind somit an keiner Stelle vergleichbar und müssen in jedem Einzelfall auf ihre Begriffskongruenz überprüft werden. I I . Analyse und Modiiikation des Begriffs Obwohl die Forderung nach Mitbestimmung heute in weiten Kreisen anerkannt wird 1 , entstehen bei Diskussionen über Art und Umfang oftmals weitgehende Meinungsverschiedenheiten, die ihre Ursache in der ungenügenden Klärung des Begriffs haben. In den vorangehenden Abschnitten wurde zu zeigen versucht, daß die Arbeitnehmer in polarer Gegensätzlichkeit zu den Vorstellungen des Gesetzgebers und den Intentionen der Gewerkschaften, den Begriff an der Praxis des Erlebens interpretieren; allgemein gültige Begriffsabgrenzungen lassen sich dabei nicht erkennen. Die Literatur dagegen bietet eine Fülle von Begriffsmerkmalen, deren Heterogenität auch keine einheitliche Diskussionsbasis bietet 2 . Das Handwörterbuch der Sozialwissenschaften sagt im Stichwort „Mitbestimmung": „Unter dem Schlagwort »Mitbestimmung'... versteht man heute meist die Teilnahme der Arbeitnehmer... an Beschlüssen über . . . Maßnahmen, welche Fragen . . . sozialpolitischer oder personal80 Vgl. Hessel, Das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht im neuen Betriebsverfassungsgesetz, BB 1952, S. 923; Hueck, A., Nipperdey, H. C., Lehrbuch des Arbeitsrechts, 6. Aufl., Bd. 2, Kollektives Arbeitsrecht, Berlin und Frankfurt am Main 1957, S. 807. 1 Vgl. dazu die neueren Stellungnahmen der Dokumentation des Deutschen Industrieinstituts: Mitbestimmung in der Diskussion. Gewerkschaften, Parteien, Kirchen und Christlich-Soziale Bewegung zur Frage der M i t bestimmung, Köln 1965, S. 3 ff. 2 Vgl. die verschiedenen „Surrogate" für den Begriff bei Weddigen,W. t Mitbestimmung, HDSW, Bd. 7, S. 367 ff.

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A. Abgrenzung und Analyse des sozial-rechtlichen Inhalts

politischer Art oder Angelegenheiten der Wirtschaftsführung betreffen 8." Diese allgemeine Formulierung kann nicht befriedigen, da keinerlei Intensitätsabstufungen vorgenommen werden. Gutenberg verwendet die Termini Mitwirkung, Mitbestimmung und Mitverantwortung synomym4, Mellerowicz unterscheidet im Rahmen der Beteiligung der Belegschaft ein Informations-, Mitwirkungs-, Mitbestimmungs- und Vetorecht 5. Fischer subsumiert unter den Begriff Mitsprache, Mitwirkung und Mitbestimmung 6 , während Wöhe die Begriffe „Partnerschaft im Betrieb" und „Mitbestimmung" 7 inhaltlich gleichsetzt, obwohl — wie noch zu zeigen sein wird — die Mitbestimmung einen zwar unabdingbaren, jedoch eben nur einen Faktor der betrieblichen Partnerschaftskonzeption darstellt. Durch diese Begriffsvielfalt erscheint es angebracht, eine Abgrenzung der Mitbestimmung in ihren Arten und Intensitätsstufen vorzunehmen. 1. Vorschlag zur Abgrenzung der Intensitätsgrade Die sog. Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb ist als Oberbegriff 8 zu sehen, da „Mitbestimmung im Vollsinn des Wortes besagt, daß die Belegschaft in irgendeinem Umfang bestimmenden, d. h. entscheidenden Einfluß ausübt"9. Damit wird durch die Mitbestimmung in unterschiedlicher Intensität die Unternehmerfunktion eingeengt. Die Entscheidung darüber, was in einem Betrieb zu geschehen hat, wird nicht mehr allein vom Management, sondern von der Betriebsleitung und den Mitarbeitern gemeinsam getroffen. Der graduelle Unterschied der Beeinflussung unternehmerischer Entscheidungen löst die Mitbestimmung in mehrere Formen auf, die sich in der intensitätsmäßigen Beeinflussung einer Entscheidung aus3 Ebd., S. 367. * Vgl. Gutenberg, E., Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1, 8./9. Aufl., Berlin—Göttingen—Heidelberg 1963, S. 392. 5 Mellerowicz, K., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1, 11. Aufl., Berlin 1961, S. 176. 6 Fischer, G., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 9. Aufl,, Heidelberg 1964, S. 233. 7 Wöhe, G., Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 4. Aufl., Berlin—Frankfurt/Main 1962, S.75. 8 Diese weitere Auslegung ist vorwiegend in nicht arbeitsrechtlicher Literatur zu finden. Vgl. dazu Fischer, G., Sinn und Zweck der Mitbestimmung, a.a.O., S. 145; Koenigs, F., Grundsatzfragen der betrieblichen Mitbestimmung, Hamburg 1954, S. 14; Teuteberg, H.J., a.a.O., S. X V I I I ; Weddigen, W., Begriff und Produktivität der Mitbestimmung, in: Voigt, F., Weddigen, W., a.a.O., S. 14. • r. Nell-Breuning, O., Mitbestimmung, Landshut 1950, S. 28.

II. Analyse und Modifikation des Begriffs

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drücken 10. Eine wirkliche „Mit"-Bestimmung im eigentlichen Wortsinn ist nicht möglich, da jeder Entschluß letztlich einer endgültigen Bestimmung bedarf. Der so bunt schillernde Begriff „Mitbestimmung" n hat sich in der Verwendung leider eingebürgert, daß er durch einen klareren Ausdruck nicht mehr ersetzt werden kann 12 . Das Wort „Mitbestimmung" soll deshalb als Oberbegriff verstanden werden, dessen Bedeutungsinhalt alle Formen der bestimmenden Einflußnahme seitens der Arbeitnehmerschaft enthält, die geeignet sind, die Gesamtgestaltungsfunktion der Unternehmensleitung in graduellen Abstufungen zu beeinflussen. Dieser graduelle Unterschied löst die Mitbestimmung in die Grundstufen Mitsprache, Mitwirkung und Mitentscheidung auf, die unter den Oberbegriff subsumiert werden. a) Mitsprache Das Mitspracherecht ist ohne Zweifel die erste Sprosse auf der Leiter der gesamten Mitbestimmung. Es gibt den Mitarbeitern ganz allgemein das Hecht, sich zu Maßnahmen der Unternehmensleitung zu äußern, ohne daß die Betriebsleitung gezwungen wäre, ihre Entscheidungsbefugnis einzuschränken 18. Dieser höchstens beratenden Teilhabe der Arbeitnehmer behält der Sprachgebrauch oft auch die Bezeichnung „Mitwirkung" im engeren Sinn vor 14 , dem zur Vermeidung inhaltlicher Überschneidungen nicht gefolgt werden kann. Die einfachste Erscheinungsform der Mitsprache ist das Informationsrecht. Es verpflichtet die Unternehmungsleitung den Mitarbeitern eingehend Auskunft und Darlegung über geplante oder bereits getroffene Maßnahmen zu geben, um das Mitdenken und Mitverstehen der Produktionsidee zu fördern. Aus dieser Informationspflicht ergibt sich bereits die Notwendigkeit, Maßnahmen zu begründen. Damit ist die Informationspflicht Ausdruck dessen, „daß der Betrieb nicht mehr nur etwas ist, das allein den Unternehmer angeht, sondern auch die Belegschaft unmittelbar berührt" 15 . Welche Bedeutung dieser Infor™ Vgl. Goossens, F., U m das Bestimmungsrecht in der Wirtschaft, M u A 1949, S. 173—174. u Vgl. Fischer, G., Gedanken um Mitspracherrecht, M u A 1949, S. 173—174. 12 Vgl. dazu auch Goossens, F., a.a.O., S. 177—178. is Vgl. Mayer, A., Die soziale Rationalisierung des Industriebetriebes, München—Düsseldorf 1951, S. 137 f. Vgl. Weddigen, W., Mitbestimmung, a.a.O., S. 367 und Weddigen, W., in: Voigt, F., Weddigen, W., a.a.O., S. 15. i« Dietz, R., Mitbestimmungsrecht und Gewinnbeteiligung, a.a.O., S. 43. 3 Maier

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mation im Rahmen der Mitbestimmung zukommt, wird bei den Partnerschaftsbetrieben noch besonders zu zeigen sein, die eine umfassende Unterrichtung der Mitarbeiter zum Prinzip erhoben haben. Weiter geht schon das Recht, Vorschläge unterbreiten zu können, weil damit den Mitarbeitern ein aktives Moment zugebilligt wird. I m Rahmen dieses Vorschlagsrechts haben die Arbeitnehmer, im Gegensatz zur einfachen Information, das Recht, Fragen zu stellen, Erklärungen einzuholen usw., die sie in die Lage versetzen, selbständig Vorschläge zur Verbesserung der Betriebsleitung zu unterbreiten. Auch wenn im Kern die unternehmerische Willensbildung dadurch nicht entscheidend beeinflußt wird, lehnen die Begünstigten diese Art der Beteiligung nicht ab 16 ; sie ist somit ein Bestandteil der Mitbestimmimg. Das Vorschlagsrecht leitet zur eigentlichen Beratung im zweiten Teilbereich der Mitbestimmung über. Dieses Recht bedeutet hier nicht eine obligatorische Vorbereitung zur Beschlußfassung 17, sondern die Möglichkeit, zu Beschlüssen der Unternehmensleitung unmittelbar Stellung nehmen zu können, Kritik zu üben und vielleicht eigene Vorschläge einbringen zu können. Ist diese beratende Beteiligung der Arbeitnehmer nicht mehr völlig in das Ermessen der Unternehmensleitung gestellt, so kommt man zur Mitwirkung als zweiter Hauptform der Mitbestimmung. b) Mitwirkung Diese zweite Stufe der betrieblichen Mitbestimmung greift bereits stärker in die betriebliche Gestaltung ein. Nicht mehr allein die Unternehmensleitung kann Entschlüsse fassen, sondern sie muß sich vorher mit den Mitarbeitern zumindest beratend auseinandergesetzt haben. Die Unternehmensleitung ist zwar in ihren Entscheidungen nicht gebunden, sie hat jedoch die Pflicht, vor Anordnung einer Maßnahme die Meinung der Arbeitnehmer zu hören 18 , d. h. die Auseinandersetzung von Meinung und Gegenmeinung muß stattfinden. Verstößt das Management gegen diese Pflicht, so haben die Arbeitnehmer das Recht, Einspruch zu erheben. Dies hat zur Folge, daß 16 Vgl. dazu u. a. die zusammenfassende Auswertung empirischer Untersuchungen von Seidel, H., Gibt es ein „Mitbestimmungsbewußtsein" der Montanbelegschaften?, GewMonH 1962, S. 544. « Vgl. Mannheim, C., Inhalt, Stufen und Sachgebiete des Mitspracherechts, M u A 1949, S. 175. 18 Vgl. Köstel, A., Zur begrifflichen Systematik einer arbeitnehmerischen Mitgestaltung des Betriebes, ZfB 1951, S. 175—179. Köstel unterscheidet in eine verantwortungsfreie und eine verantwortliche Mitgestaltung. Dieser Terminologie kann nicht gefolgt werden, da jede Mitbestimmungsform Verantwortung zeitigen soll.

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bis zur Wirksamwerdung der Entscheidung die Meinung der Arbeitnehmervertretung gehört werden muß. Desgleichen findet eine Mitwirkung überall dort statt, wo die Arbeitnehmervertreter dafür Sorge zu tragen haben, daß geltende Gesetze, Arbeitsschutzvorschriften, Betriebsordnungen eingehalten werden 19 . Die Unternehmensleitung ist zur Beachtung dieser Vorschriften verpflichtet, die Mitarbeiter haben bei der Überwachung der Durchführung mitzuwirken 20 . Reagiert die Unternehmensleitung auf dieses Kontrollrecht nicht, so kommt den Arbeitnehmern ein Beschwerderecht an die diese Vorschriften überwachende Instanz zu. Der Unternehmensleitung erwächst daraus die Verpflichtung, die beanstandete Maßnahme zu überprüfen oder zu ändern 21 . Für die unter den Begriffen Mitsprache und Mitwirkung subsumierten Tatbestände, durch die die Unternehmungsleitung nicht an die Stellungnahme der Arbeitnehmer gebunden wird, benutzt man auch den Ausdruck Mitwirkung i. e. S. und stellt ihm den Terminus Mitbestimmung i. e. S. gegenüber 22, der im folgenden als Mitentscheidung bezeichnet werden soll. c) Mitentscheidung Die Mitentscheidung, die vielerorts als eigentliche Mitbestimmung bezeichnet wird, schränkt die Unternehmungsleitung in ihrer Entscheidungsfreiheit ein, da die Arbeitnehmer hier als gleichberechtigte Entscheidungsträger Mitverantwortung übernehmen 23 . Dadurch wird die Willensbildung der Unternehmensleitung im Interesse der Arbeitnehmer beeinflußt. Ob eine tatsächliche Mitentscheidung vorliegt, läßt sich daran erkennen, ob die Arbeitnehmer „an der Willensbildung der Unternehmungsleitung beteiligt oder in der Lage sind, eine solche Willensbildung wirksam zu verhindern bzw. eine erfolgte Willensbildung nachträglich wirkungslos zu machen"24. Vgl. Karp, W., Betriebsrat und Mitbestimmungsrecht, Gewerkschaftliche Praxis, Heft 8, 1949, S. 4. 20 Vgl. auch Mannheim, C., a.a.O., S. 175. 21 Vgl. auch Schneider, G. A., Grundlagen der Betriebsgemeinschaft, Diss. Genève 1954, S. 45. 22 Vgl. Weddigen, W., in: Voigt, F., Weddigen, W., a.a.O., S. 16. 23 Mayer, A., a.a.O., S. 138 f. 24 Erdmann, E. G., Das Recht der Arbeitnehmer auf Beteiligung an der Verwaltung der Betriebe der gewerblichen Wirtschaft. Ein internationaler Rechtsvergleich, Köln 1952, S . U .

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A. Abgrenzung und Analyse des sozial-rechtlichen Inhalts

Das Mitentscheidungsrecht bedeutet also ein Übereinkommen bei der Entscheidungsfindung, d. h. durch gemeinsame Beschlußfassung oder durch nachträgliche Genehmigung muß im gegenseitigen Einvernehmen eine Entscheidung über die zur Diskussion stehenden Probleme gefunden werden 26 . Die Stellung der kooperierenden Partner muß also gleichberechtigt sein 26 , was zur Folge hat, daß die Arbeitnehmer die mit der Mitentscheidung unausweichlich verbundene Verantwortung mitübernehmen müssen27. Tautscher bezeichnet dieses Mitentscheidungsrecht als echtes Mitbestimmungsrecht 28, da nur bei einer solchen Gestaltung die Zustimmung der Arbeitnehmer vorhanden sein muß, ohne die eine Maßnahme des Unternehmers nicht erfolgen kann oder darf. Es handelt sich demnach um das Recht, gleichberechtigt mitzuordnen und mitzuentscheiden29. Das Mitentscheidungsrecht ist damit Ausfluß der wertneutralen Betrachtung der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit. Mitentscheidung beinhaltet nicht, daß die Belegschaft „in irgendeinem Umfang" — wie von Nell-Breuning zum Ausdruck bringt — bestimmenden Einfluß ausübt 30 , sondern besagt, daß die Arbeitnehmer gleichberechtigt — was nicht in gleicher Stärke bedeuten muß — an den Unternehmensentschlüssen mitbeteiligt sind. Diese Abhängigkeit der Beschlüsse von der Mitbeteiligung der Arbeitnehmer kann negativ auf einem Einspruchsrecht beruhen. Dieses Vetorecht setzt sie in die Lage, Unternehmerentscheidungen nachträglich anzufechten und außer Kraft zu setzen31. Zum zweiten kann das Mitentscheidungsrecht in einem Zustimmungsrecht zum Ausdruck kommen, in dem eine Teilnahmenotwendigkeit der Arbeitnehmer an gemeinsam vollziehender Beratung und Beschlußfassung verbürgt ist. Bei der Mitentscheidung als stärkstem Mitbestimmungsrecht kann also ein Entschluß ohne Stillhalten oder Zustimmung der Arbeitnehmer nicht gefaßt werden. Die bezeichneten Mitbestimmungsrechte können einmal gesetzlich oder vertraglich begründet sein. Dabei ist wesentlich zu beachten, 28 Vgl. dazu auch o.V., Unterschied zwischen Mitbestimmung und M i t wirkung M u A 1958, S. 59. 26 Vgl. Müller, G., Die beiden Arten des Mitbestimmungsrechts, BB 1953, S. 329. Müller spricht von gleicher Stärke der beiden Partner. Gleichberechtigt muß jedoch nicht gleichstark bedeuten. 27 Vgl. Kostel, A., a.a.O., S. 177. 28 Tautscher, A., Wirtschaftsethik, München 1957, S.222. 29 Vgl. hierzu Müller, G., Tarifvertrag und Mitbestimmung, Kleine Schriften zur Sozialpolitik und zum Arbeitsrecht, Heft 4, München 1953, S. 9. so vgl. V i Nell-Breuning, O., Mitbestimmung, a.a.O., S. 28. Vgl. dazu auch Köstel, A., a.a.O., S.28; Mannheim, Ch., a.a.O., S. 175; Weddigen, W., Begriff und Produktivität der Mitbestimmung, a.a.O., S. 16.

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welche praktischen Folgen das Nichtbeachten dieser Rechte für den Unternehmer zeitigt 82 . Denn ein Recht an der Durchführung, d. h. eine Teilnahme an der unmittelbaren Ausführung der Beschlüsse und damit an der Leitung in der Unternehmung, kann begrifflich nicht ohne weiteres zur Mitbestimmung gerechnet werden. Besonders im partnerschaftlich konzipierten Unternehmen wird zu prüfen sein, welche Rechte in dem Begriff Mitbestimmung subsumiert worden sind bzw. inwieweit diese Beteiligungsmöglichkeiten der Arbeitspartner den gesetzlich konzipierten Rahmen sprengen. Um die Grundmotive der Mitbestimmung im Partnerschaftsbetrieb beurteilen und vergleichen zu können, muß der Versuch einer kurzen Analyse der Mitbestimmungsziele gewagt werden. 2. Die ZielfunktionenM der Mitbestimmung Die Mitbestimmung selbst ist nicht Hauptproblem, sondern lediglich Teilanliegen im Rahmen der Gesamtaufgabe, dem Arbeitnehmer die ihm gebührende Subjektstellung zurückzugeben 84. Die Mitbestimmung kann damit keineswegs als Dogma unserer Gesellschaftsordnung, als konstitutive, unabdingbare Prämisse des demokratischen Rechtsstaates verstanden werden 85 . Der Auffassung, die Mitbestimmung als Grundlage „einer freiheitlichen und sozialen Gesellschaftsordnung" 88 zu sehen, kann daher nicht gefolgt werden, da klassische Demokratien, wie Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Nordamerika, auch ohne betriebliche Mitbestimmung in der inneren „Festigkeit i h r e r . . . demokratischen Ordnung" 87 nicht fragwürdig geworden sind. Mit einer derartigen Aufgabenstellung wäre die Mitbestimmung weitgehend überfordert. Es bleibt deshalb zu prüfen, mit welchen Teilargumenten die Forderung nach betrieblicher Mitbestimmung begründet wird. Die Argumente um die Mitbestimmung sind im wesentlichen zwei Bereichen entnommen, einmal der politischen Sphäre und zum zweiten dem sozialpsychologischen Bereich. 3* Vgl. Weddigen, W., Mitbetimmung, a.a.O., S. 368. 33 Zur theoretischen Abgrenzung des Begriffs vgl. Heinen, E., Die Zielfunktion der Unternehmung, in: Zur Theorie der Unternehmung, Festschrift zum 65. Geburtstag von Erich Gutenberg, Wiesbaden 1962, S. 11 ff. 34 Vgl. Fischer, G., Sinn und Zweck der Mitbestimmung, a.a.O., S. 145. 3» Vgl. Haferkamp, W., Betriebliche Partnerschaft ist kein Ersatz für die Mitbestimmung, W d A vom 24.4.1904, S. 8. 3« Vgl. das Düsseldorfer Grundsatzprogramm des DGB vom 22. November 1963, RdA 1964, S. 19 ff.; Haferkamp, W., Mitbestimmung in den Grundsatzprogrammen der Deutschen Gewerkschaft, Köln 1964, S. 15 ff.; Nemitz, K., Der Entwurf des Grundsatzprogramms, GewMonH 1963, S. 517—519. 37 o.V., MitbestGespr. Nr. 12 1966, S. 214, wo der Bestand der Demokratie ohne betriebliche Mitbestimmung angezweifelt wird.

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Die sozialpsychologischen Motive sind bedingt durch die technische Entwicklung, die eine steigende Entfremdung des Arbeitnehmers von seiner Arbeit und eine immer größer werdende Diskrepanz zwischen Entscheidungsfindung und Entscheidungsvollzug mit sich brachte. Die Arbeitnehmer erkannten die hierarchische Bestimmung nicht mehr als naturgegeben oder gar „gottgewollt" 38 an und wollten mitbeteiligt werden. Dieses Streben fand seinen extremen Pendelausschlag in der Deklaration des Bochumer Katholikentages, der das Mitbestimmungsrecht 1949 als ein „natürliches Recht in gottgewollter Ordnung" 39 bezeichnete40. I n der politischen Sphäre werden die Mitbestimmungsargumente vor allem von den Gewerkschaften ins Spiel gebracht. Man leitet von dieser Seite die Argumente um die Mitbestimmung aus einer vermeintlichen Interdependenz zwischen wirtschaftlicher und politischer Macht ab. Macht über Produktionsmittel und Menschen führt nach Vorstellung der Gewerkschaften zwangsläufig zu politischer Macht. Da wirtschaftliche Macht politisch in der Vergangenheit versagt habe, erscheint es ihnen notwendig, die wirtschaftliche Macht durch Mitbestimmung der Arbeitnehmer an einem weiteren Versagen zu hindern 41 . Durch Mitbestimmung soll also verhindert werden, daß wirtschaftliche Macht in politische Macht verwandelt werden kann. Damit ist die erste und von den Gewerkschaften als bedeutend gekennzeichnete Zielsetzung der betrieblichen Mitbestimmung, die Kontrolle wirtschaftlicher Macht, bereits gezeigt. a) Kontrolle wirtschaftlicher

Macht

Die wirtschaftliche Macht wirkt sich in den Augen der Verfechter dieser Zielfunktion sowohl in Richtung Absatzmarkt als auch auf den Arbeitsmarkt aus 42 . Des weiteren nimmt der wirtschaftliche Machtfaktor Einfluß auf die politische Machtausübung durch finanzielle Unterstützung bestimmter politischer Gruppen oder durch Druck auf 38

Seidel, H., Zur Mitbestimmungsdiskussion, GewMonH 1960, S. 497. » o.V., ohne Titel, MitbestGespr. Nr. 9 1961, S. 2. 40 Anderen Orts wird dieser nur aus den Nachkriegsverhältnissen erklärbare extreme Pendelschlag als „ausgesprochene Entgleisung" bezeichnet. Winschuh, J., Sinn und Unsinn der Wirtschaftsdemokratie, Heidelberg— Ziegelhausen 1952, S . 7 f . 3

41 Vgl. o.V., Der DGB weist einen Weg in eine bessere Zukunft, RdA vom 26. März 1965, S. 1. 42 Vgl. Dahrendorf, R., Industrie- und Betriebssoziologie, Berlin 1956, S. 107. Auch Dahrendorf bejaht diese Interdependenz zwischen wirtschaftlicher und politischer Macht.

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das Parlament, sei es direkt oder indirekt über die Beeinflussung der öffentlichen Meinung 43 . Als gesellschaftliche Macht wirke die wirtschaftliche Macht besonders durch Beeinflussung der Verbrauchergewohnheiten der Bevölkerung 44 . Vor allem durch den Einsatz breitstreuender Werbemittel und durch Manipulation der Preise nachfrageunelastischer Verbrauchsgüter komme die wirtschaftliche Macht zur Wirkung. Nach diesen Vorstellungen beuten die Arbeitgeber die Arbeitnehmer zweimal aus, „einmal als Produktionsfaktor Arbeit und zum anderen als Verbraucher" 45 . Dieser oligarchischen Gesellschaftsverfassung durch Umprägung wirtschaftlicher Macht in politische Macht soll durch Mitbestimmung wirksam begegnet werden. Die Kontrolle wirtschaftlichen Potentials kann in der sozialen Marktwirtschaft sicherlich nicht als „Popanz aus der Gruselkiste der Vergangenheit"46 abgetan werden. Es erhebt sich jedoch die Frage, wer zur Kontrolle dieses Machtfaktors berufen ist. Gegner dieser Zielfunktion wenden ein, daß die betriebliche Mitbestimmung, die den Interessen der Arbeitnehmer in ihrem Betrieb dient, nur schwerlich zur Verhinderung 47 wirtschaftlichen Machtmißbrauchs außerhalb der Betriebe herangezogen werden kann, ohne ihren Charakter zu verlieren. Die Möglichkeit des Machtmißbrauchs würde nicht dadurch ausgeschaltet werden, daß ein Machtfaktor durch eine Kontrollinstanz ersetzt wird 4 8 , die durch anonyme Wahrnehmung der Kontrollrechte zur Potenzierung der Macht an anderer Stelle führen kann 49 . Die Gewerkschaften können aus ihrem Organisationsgrad nicht den Anspruch auf Allein- und Ausschließlichkeitsvertretung der Rechte und Forderungen der Arbeitnehmer erheben 50 , da keine Beitrittspflicht 43 Rehan spricht sogar von einer Kontrolle des Parlaments durch private Machtgruppen. Vgl. Rehan, H., Zum Problem der Kontrolle privater Machtpositionen, GewMonH 1954, S. 269. 44 Vgl. o.V., Die Manager der Konzerne wollen unter sich bleiben, WdA vom 28. Mai 1965, S. 1. « Rehan, H., a.a.O., S. 271. 4« Müller, H., Sozialleistungen bezahlt der Kunde, I K vom 19. 6.1965, S. 4. 47 Vgl. auch Seidel, H., Mitbestimmung auf dem Rückzug, Kommentar im Bayerischen Rundfunk am 9.3.1965, Manuskript, S. 3; o.V., Gewerkschaftliche Beurteilung der Mitbestimmung, WWI-Mitteilungen Nr. 5/6 1964, S. 102. 48 Vgl. o.V., Mitbestimmung, Rheinischer Merkur vom 4. 6.1965, S. 21. 4» Vgl. Gückelhorn, H., Wer kontrolliert die Kontrolleure, Rheinischer Merkur vom 15.10.1965, S. 4. so pfister, B., Besitzen die Gewerkschaften Monopolmacht?, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 170, Stuttgart 1958, S. 140.

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ähnlich dem „closed shop"-System angelsächsischer Prägung besteht51. Das Problem der „Kontrolle der Kontrolleure" 52 wird damit akut, zumal die Kontrolle eine gesamtwirtschaftliche Aufgabe ist, deren Lösung von Institutionen wahrgenommen werden muß, die dem allgemeinen Interesse verpflichtet sind. Auch gewerkschaftlich orientierte Autoren erkennen das Problem einer machtadäquaten Kontrollinstanz. Höpp gibt zu bedenken, daß auch im Falle einer ausschließlichen Leitung der Unternehmung durch den Faktor Arbeit, also bei einer extrem übererfüllten betrieblichen Mitbestimmung, das Problem der Kontrolle wirtschaftlicher Macht relevant bleibt 58 . Der Staat als Kontrollinstanz erscheint Höpp als einziger Ausweg, womit diese Zielsetzung der Mitbestimmung vom Faktor Arbeit enthoben würde. b) Gleichberechtigung

von Kapital und Arbeit

Als zweites Ziel, das man glaubt durch Mitbestimmung verwirklichen zu können, kristallisiert sich immer mehr die Forderung nach Gleichberechtigung von „Kapital" und „Arbeit" heraus. Einmal versteht man diese Forderung als immaterielle Gleichberechtigung, d.h. der Kreis von Menschen, die das Kapital zur Verfügung stellen und bisher allein bestimmt haben, soll erweitert werden durch die Mitteilhabe der Menschen, die die Arbeit zum gemeinsamen Wirtschaftsvollzug beistellen 54 . Zum anderen versteht man darunter eine materiell orientierte Gleichberechtigung 55, die dazu führen soll, daß der mitbestimmende Arbeitnehmer gleichberechtigt am Ertrag des Unternehmens beteiligt ist 56 . Bekanntlich repräsentieren die Gewerkschaften etwa 30 Prozent aller Arbeitnehmer. M a n hält ihnen deshalb entgegen, daß sie nicht legitimiert seien im Namen der gesamten Arbeitnehmer oder gar der Öffentlichkeit aufzutreten. Zum sinkenden Organisationsgrad des DGB vgl. o.V., D G B startet eine Großwerbekampagne, I K vom 1. 9.1966, S. 1, ferner o.V., DGB wächst nur langsam, H B vom 15./16. April 1966, S. 4. «a Vgl. Hoff mann, H. G., Wer kontrolliert die Kontrolleure?, Der Mißbrauch wirtschaftlicher Macht, I K vom 19.6.1965, S. 12; Hensel, in: M i t arbeiten, Mitverantworten, Mitbestimmen, Köln und Opladen 1966, S. 106; o.V., Wirtschaftliche Mitbestimmimg und freiheitliche Gesellschaft, Köln 1965, S. 29. 53 Höpp, G., Mitbestimmungsziele, Mitbestimmungsmöglichkeiten, Mitbestimmungswirklichkeit, GewMonH 1960, S. 436. 54 Vgl. v. Nell-Breuning, O., Mitbestimmung, a.a.O., S. 15. 55 Vgl. Seidel, H., Mitbestimmungsziele, Mitbestimmungsmöglichkeiten, Mitbestimmungswirklichkeit, GewMonH 1960, S. 201. 56 Vgl. Everling, H., Miteigentum und freie Gemeinwirtschaft, GewMonH 1956, S. 729. Dieser Autor geht noch einen Schritt weiter und fordert als Voraussetzung zur Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit den Mitbesitz am Produktionsmitteleigentum.

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Bei der immateriellen Gleichberechtigung sind Arbeit und Kapital als Produktionsfaktoren grundsätzlich wertneutral. Erst durch die Aufteilung in Kapital besitzende Gesellschaftskreise und in Gruppen ohne Kapitalbesitz, werden die beiden Produktionsfaktoren zu Ursachen sozialer Spannungen. Die Arbeitnehmer betrachten die Kapitalbesitzer als „die da oben" und ordnen sich in das „Unten" als „Kollektiv" ein 57 . Diese Dichotomie des Gesellschaftsbildes führt bei den Arbeitnehmern zu Minderwertigkeitskomplexen, zu einem Unterlegenheitsbewußtsein und läßt die Forderung nach Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit als Zielsetzung der betrieblichen Mitbestimmung sinnvoll erscheinen. Erst durch den gemeinsamen Einsatz beider Faktoren können jedoch die Produktionsmittel nutzbar gemacht werden. Ein Subordinationsverhältnis besteht demnach nicht 58 . Es wäre weder naturgemäß noch funktional bedingt. Damit sollte „eine Gleichberechtigung beider Partner im Interesse der gemeinsamen Aufgaben... naturgegeben sein" 59 . Jedoch genoß der Faktor Kapital bis vor kurzem eine unbestrittene Dominanz. Die momentane Mitbestimmungsargumentation führt zu einer Neubewertung der beiden Produktionsfaktoren, weil es weder eine ethische noch eine rationale Rechtfertigung für ein Alleinverfügungsrecht des Kapitals gibt. Die zweite Zielfunktion der betrieblichen Mitbestimmung bedeutet also, daß den Interessen des Faktors Arbeit bei allen betrieblichen Entscheidungen der gleiche Wert wie dem Kapital zuerkannt wird. Es handelt sich damit um einen ethischen Anspruch, der völlig losgelöst vom Sachkapitalbesitz eine Leitungsbeteiligung geltend macht. Der Mensch tritt neben das Kapital und schafft dadurch erst die Voraussetzung für dessen Wirksamkeit 60 . Preiser behauptet, daß es nicht verständlich sei, „wenn zwei Menschen bei einem Unternehmen derart zusammenwirken, daß der eine das Geld gibt, der andere die Arbeit verrichtet" 61 , warum nur der Geldgeber die Entscheidungen treffen soll. 57 Vgl. Jüres, E. A., Popitz, H., Bahrdt, H. P., Kesting, H., Da«s Gesellschaftsbild des Arbeiters, a.a.O., S. 153 und 241, von denen die Mitbestimmung als Teilfaktor der Gesellschaftsstruktur untersucht wird. Vgl. v. Nell-Breuning, O., Mitbestimmung, a.a.O., S. 21 und ders., „Mater et Magistra" und Mitbestimmung, MitbestGespr. Nr. 12 1961, S.4. «9 Gesetzesvorschlag des DGB für das Gebiet der B R D zur Neuordnung der deutschen Wirtschaft vom 14. April 1950. Als Manuskript veröffentlicht, o. O., o. J., S. 30; ähnlich McPherson, W. H., Betrachtungen zur deutschen Arbeitsverfassung, in: Ortlieb, H. D., Schelsky, H., Wege zum sozialen Frieden, Stuttgart—Düsseldorf 1954, S.79ff. 60 Vgl. Fischer, G., Mensch und Arbeit im Betrieb, Stuttgart 1949, S. 19. 61 Preiser, E., Die Zukunft unserer Wirtschaftsordnung, 3. Aufl., Göttingen 1960, S. 59.

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Diesen Alleinbestimmungsanspruch des Arbeitgebers leitet man vor allem aus dem Recht am Eigentum ab und dem damit verbundenen Risiko des Sachkapitalbesitzers, sein Vermögen zu verlieren. Bei der Mitbestimmung wird die Entscheidungsbefugnis völlig losgelöst vom Eigentum gesehen. „Grundlage jeder Mitbestimmung bleibt die Arbeit an sich, als dem Kapital gleichberechtigter Produktionsfaktor" 62 , da Eigentum nur eine Verfügungsgewalt über investierte Sachwerte begründet, keineswegs aber „eine Leitungs- und Weisungsgewalt gegenüber den Arbeitern" 68 . Selbst Papst Pius XII. betrachtete mittelbar den Faktor Kapital noch als dominant, da er in seiner Soziallehre das Recht des einzelnen auf Eigentum als vorrangig betonte und es ablehnte, aus der Natur des Arbeitsvertrages ein Mitbestimmungsrecht abzuleiten 64 . Allerdings wendet man sich sowohl aus gewerkschaftlicher Sicht als auch aus der Perspektive der Sozialwissenschaften sehr fundiert gegen die Vorstellung der Dominanz des Faktors Kapital. Man macht geltend, daß der Eigentümer nur zu denjenigen Verfügungen über sein Eigentum berechtigt ist, die er allein ohne fremde Hilfe ausführen kann 65 . „Bedarf er dazu fremder Hilfe, so verleiht sein Eigentumsrecht ihm keinerlei Rechtsanspruch darauf, daß andere Menschen sich seiner Befehlsgewalt unterwerfen, vielmehr muß er mit ihnen die Bedingungen aushandeln.66" Die Arbeitnehmer sind demnach befugt, 62 Höpp, G., Fünf Thesen zur Unternehmensreform, GewMonH 1959, S. 532; vgl. auch Leminsky, G., Eigentum und Aufstiegsmöglichkeiten — Alternativen zur Mitbestimmungsforderung der Gewerkschaften, MitbestGespr. Nr. 10 1966, S. 167. 63 Böhm, F., Da® wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht der Arbeiter im Betrieb, Ordo Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, Bd. I V , Düsseldorf und München 1951, S. 31. «4 Vgl. Höpp, G., Mitbestimmung und Eigentum in der katholischen Soziallehre, GewMonH 1959, S. 219; Gundlach, G., S. J., Die soziale Frage von heute nach der Lehre der Kirche, Rheinischer Merkur vom 5. Oktober 1951, S. 10. 65 Vgl. zu dieser Behauptung: v. Nell-Breuning, O., Ist Eigentum eine Ordnungsmacht, GewMonH 1958, S. 452—473; ders., Eigentum und Verfügungsgewalt in der modernen Gesellschaft, GewMonH 1956, S. 473—478; v.Loesch, A., Verantwortung und Mitverantwortung in der Wirtschaft, GewMonH 1950, S. 62—67; Christmann, A., Zum Streit um die wirtschaftliche M i t bestimmung, WWI-Mitteilungen, Nr. 4 1964, S. 96—98; Lutz, H., Eigentum, Freiheit und Mitbestimmung, MitbestGespr. Nr. 7 1962, S. 98—99; Molitor, B., Eigentumsordnung als gesellschaftspolitische Aufgabe, GewMonH 1956, S. 234—236; Balke, E., Erweiterte Mitbestimmung ein Irrweg, H B vom 18.10.1965, S. 4; Merkle, H. L., Die Forderungen auf erweiterte Mitbestimmung aus betrieblicher Sicht, in: Mitarbeiten, Mitverantworten, Mitbestimmen, a.a.O., S. 77.

66 v. Nell-Breuning, O., zitiert bei: Riedel, C., Gottes Wort und das personale Eigentum, I K vom 5. 8.1965, S. 4.

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ihre Mitarbeit von der Einräumung eines Mitbestimmungsrechts abhängig zu machen. Gegen diese Ableitung der Mitbestimmung wird wiederum eingewandt, daß hier zwei Faktoren verglichen und auf eine Stufe gestellt werden, die in ihrer Qualität nicht komparabel seien67. Das Kapital habe gegenüber dem Menschen nur dienende Funktion, es sei unwürdig, es mit dem Faktor Arbeit auf eine Stufe zu stellen; im Mittelpunkt jedes wirtschaftlichen Handelns stehe der Mensch. Außerdem bedürfe es eines dritten Faktors, nämlich der unternehmerischen Leistung, um die Elementarfaktoren Arbeit und Kapital erst produktiv werden zu lassen68. Aus diesem Denkansatz heraus ergibt sich zumindest eine Gleichrangigkeit von Kapital und Arbeit, wenn nicht gar eine Vorrangigkeit der Arbeit als personaler Faktor. Mit anderen Worten, die Forderung nach Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit unter Betonung der Arbeit als wichtigster Produktionsfaktor 69 beinhaltet somit eine Überbewertung des Faktors Kapital, zumindest jedoch eine Gleichrangigkeit. Einen ganz anderen Problemkreis spricht das Argument an, daß der im Mittelpunkt des Produktionsgeschehens stehende Mensch seine Anerkennung unmittelbar am Arbeitsplatz finden muß und nicht mit Hilfe von Gremien, auf deren Besetzung er keinen Einfluß nehmen kann 70 . Bei dieser Gegenbehauptung wird die Funktionsproblematik bei Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts angesprochen, die mit 67 Vgl. o.V., Wirtschaftliche Mitbestimmung und freiheitliche Verfassung. Eine Stellungnahme des Arbeitskreises Mitbestimmung bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände zu den gewerkschaftlichen Forderungen, Bergisch-Gladbach 1965, S. 4. es Mahr vertrat ursprünglich die Meinung, daß kein Grund besteht, die drei Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital in ihrer traditionellen Einteilung als produktive Elementarfaktoren zu ändern. Die Unternehmerleistung wird jedoch später auch von Mahr als vierter Produktionsfaktor anerkannt „Die Unternehmerleistung ist wie die Arbeit ein personaler, originärer, vom Menschen . . . untrennbarer Produktionsfaktor." Mahr, W., Einführung in die Allgemeine Volkswirtschaftslehre, Wiesbaden 1966, S. 96. Vgl. die ursprüngliche Gegenmeinung, in: Ders., Volkswirtschaftslehre 2. Aufl., Wien 1959, S. 13. 69 Schon Nicklisch betont die Arbeit als Mittelpunkt der Unternehmung. Vgl. Nicklisch, H., Die Betriebswirtschaft, Stuttgart 1932, S.296f.; ferner: Fischer, G., Mensch und Arbeit im Betrieb, a.a.O., S. 20; Frings, J., Verantwortung und Mitverantwortung in der Wirtschaft. Was sagt die katholische Gesellschaftslehre über Mitwirkung und Mitbestimmung, Köln 1949, S. 60; Beck, M., Wirtschaftsdemokratie, Zürich und St. Gallen 1962, S. 58; Haferkamp, W., Mitbestimmung — eine Forderung unserer Zeit, Deutscher Gewerkschaftsbund 1966, S. 25 f. 70 Vgl. die Stellungnahme der Arbeitgeber bei Merkle, H., a.a.O., S. 78.

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A. Abgrenzung und Analyse des sozial-rechtlichen Inhalts

der prinzipiellen Forderung auf Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit nichts gemein hat und deshalb als Gegenargument nicht stichhaltig ist. Aus dieser Forderung ergibt sich ein koordiniertes Verhältnis der beiden Produktionsfaktoren, in welchem die Arbeit im Verhältnis eines Partners zum Kapital steht. Daraus leitet man als materielle Komponente des Postulats eine Partnerschaft beim Unternehmenserfolg ab 71 . Die Mitbestimmung soll also zur Teilhabe des Faktors Arbeit am materiellen Ergebnis der Unternehmung führen 72 , da selbst bei voller Parität von Kapital und Arbeit bei der Entscheidungsfindung die Position des Faktors Arbeit letzten Endes aus der Interessenhinstimmung als Arbeitnehmer legitimiert wäre und nicht durch die Interessen an der Unternehmung an sich. Daraus ergäbe sich, daß eine Interessenparallelität am Erfolg nicht gegeben sei 73 . Um diese Konsequenz zu vermeiden, fordert man eine Aufteilung der Erträge gemäß den beiderseitigen Produktivbeiträgen 74 , übersieht jedoch, daß sich eine Ertragsverteilung in der Praxis als besonders kompliziert erweist, weil die Zurechnung des Ertrags auf beide Produktionsfaktoren exakt nicht möglich ist 75 . Mit diesen Argumenten zur Parität von Kapital und Arbeit wird der Problemkreis der Rechte des Kapitals und der Arbeit als Rechtfertigungsgrund der Mitbestimmung direkt angesprochen. Diese Zielfunktion wurde deshalb so breit dargestellt, weil das Anliegen — Kapital und Arbeit als gleichrangig und gleichberechtigt anzuerkennen — letztlich in der betrieblichen Partnerschaftskonzeption einmündet, auch wenn von gewerkschaftlicher Seite immer wieder betont wird, daß die Integration des Faktors Arbeit niemals in Form „harmoniegläubiger Partnerschaftsvorstellungen" 78 erfolgen kann. Die FordeVgl. Höpp, G., Fünf Thesen zur Unternehmensreform, a.a.O., S. 532. 72 Vgl. dazu Köpping, W., Noch kann die Mitbestimmung gerettet werden, GewMonH 1960, S.365. 73 Vgl. Höpp, G., Paritätische Unternehmensverfassung, GewMonH i960, S. 205 f. 74 Vgl. dazu Höpp, G., Fünf Thesen zur Unternehmensreform, a.a.O., S. 533 f.; ders., Mitbestimmung und Unternehmenserfolg, GewMonH 1957, S. 166. 7« Vgl. Gaugier, E., Die Zurechnungsproblematik bei der Ertragsbeteiligung, Sonderdruck der Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, N.F., Heft 12, Köln und Opladen 1966, S. 791. 7« Seidel, H., U m die Ausweitung der qualifizierten Mitbestimmung, MitbestGespr. Nr. 7 1966, S. 115; ähnlich Sohn, K. H., Mitbestimmung als Aufgabe, a.a.O., S. 262; Haferkamp, W., Gewerkschaftliche Beurteilung der Mitbestimmung, a.a.O., S. 101. Vgl. auch Rosenberg, L., ohne Titel, MitbestGespr. Nr. 2 1962, S. 18; Kassler, E., Der Schleier fällt, a.a.O., S. 66; Seidel, H.,

II. Analyse und Modifikation des Begriffs

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rung nach Gleichwertigkeit von Kapital und Arbeit ist jedoch als Wesensmerkmal der betrieblichen Partnerschaftskonzeption realisiert, wodurch — wie noch zu zeigen sein wird — die interdependente Verknüpfung von Mitbestimmung und Partnerschaft augenscheinlich wird. c) Demokratisierung

der Wirtschaft

Als dritte Zielfunktion der Mitbestimmung fordert man eine Ergänzung der politischen Demokratie durch die Demokratisierung der Wirtschaft 11, wobei man unter Demokratisierung zunächst den Abbau der bestehenden Machtunterschiede versteht 78 . Damit kommt der Mitbestimmung ein gesellschaftspolitisches Postulat zu, das die Anwendung von Kategorien der Demokratie 79 auf Bereiche der Wirtschaft fordert. I m wesentlichen geht es bei dieser Forderung um den „Abbau des Kapitalismus" 80 durch Einführung eines Ordnungsprinzips in der Wirtschaft, das sich durch eine „immanente Dignität" 81 auszeichnet, um dadurch alle autoritären Ordnungsformen zu verhindern. Damit hätte die Mitbestimmung das Ziel, alle Über- und Unterordnungsverhältnisse in der Wirtschaft zu beseitigen, oder, wie es Brenner ausdrückt, der „Wirtschaftsuntertan" muß zum „Wirtschaftsbürger" werden 82 . Sozialer Konflikt, Mitbestimmung und Partnerschaft, MitbestGespr. Nr. 5 1965, S. 84—86; Agartz, V., Protokoll seines Referats auf dem 3. Ordentlichen Bundeskongreß des DGB am) 4. Oktober 1954, S. 430; besonders Sohn, K. H., Wirtschaftsgestaltung durch Mitbestimmung, in: Geist und Tat, Nr. 2 1960, S. 45. Mitbestimmung kann danach niemals Partnerschaft sein. Brenner, O., Durch Mitbestimmung zur sozialen Demokratie, Protokoll seines Referats auf dem 7. Ordentlichen Kongreß der I G Metall, September 1962 in Essen, S.246. 77 Vgl. Disse, P., Die Entstehung des Mitbestimmungsgesetzes vom 21.5. 1951, unter besonderer Berücksichtigung der Stellungnahmen der Gewerkschaften, Diss. Tübingen 1956, S. 51; Hoff mann, H. G., Wirtschaftsdemokratie bleibt Ziel der Gewerkschaften, I K vom 20. 5.1965, S. 8; Boettcher, E., Sozialpolitik und Sozialreform, Tübingen 1957, S. 37; Deist, H., Wirtschaftsdemokratie, in: Grundfragen moderner Wirtschaftspolitik, Schriftenreihe der Gesellschaft zur Förderung der politischen Wissenschaft, Bd. 1, Frankfurt o. J., S. 212. 7 * Vgl. Vierkandt, A., Kleine Gesellschaftskunde, Stuttgart 1949, S. 45. 7® Vgl. Schmid, C., Demokratie und Mitbestimmung, MitbestGespr.Nr. 11/12 1959, S.4. Ortlieb, H . D . , Der Kampf um Wirtschaftsdemokratie und Mitbestimmung, in: Wirtschaftsdienst, Nr. 12, 1952, S. 741 ff. ei Christmann, A., Leitbilder der Wirtschaftsdemokratie, MitbestGespr. Nr. 5 1959, S.7. 82 vgl. Brenner, O., Die Demokratie darf nicht an den Werkstoren aufhören, MitbestGespr. Nr. 7 1962, S.97.

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A. Abgrenzung und Analyse des sozial-rechtlichen Inhalts

Schon bei Marx finden sich eine Reihe von Hinweisen auf diese Ordnungselemente der gewerkschaftlich postulierten Wirtschaftsdemokratie 83 . Die Mitbestimmung wurde hier noch als Instrument der Sozialisierung gemeinwirtschaftlicher Unternehmen gesehen, während man heute die Zielsetzung der Mitbestimmung — unter dem Aspekt Wirtschaftsdemokratie — in der Ergänzung der politischen Demokratie sieht, deren Funktionsfähigkeit erst durch die Einführung demokratischer Grundsätze in der Wirtschaft gewährleistet sei. Die parlamentarische Demokratie bleibe letztlich Stückwerk, „solange der Arbeiterschaft jegliches Mitbestimmungsrecht vorenthalten" 84 werde. Man fordert damit für den einzelnen Arbeitnehmer eine unmittelbare Teilhabe an allen wichtigen Entscheidungen im Betrieb, um ihn von seiner Objektsituation wegzubringen und zum mündigen Subjekt werden zu lassen. Dagegen wird eingewandt, die Wirtschaftsdemokratie verleihe den Arbeitnehmern ein doppeltes Stimmrecht, durch das sie in die Lage versetzt werden, im wirtschaftlichen Bereich unabhängig vom Staat eine autonome Gesellschaftspolitik zu betreiben. Damit würden die Arbeitnehmer als Vertreter eines partikularen Interesses zum Sachwalter der Allgemeinheit erhoben 85, wodurch sich politische Demokratie und wirtschaftliche Demokratie nicht im Verhältnis einander ergänzender, sondern miteinander rivalisierender Einrichtungen gegenüberstehen würden 86 . Ferner hält man den Demokratisierungsbestrebungen entgegen, daß damit einer Parlamentarisierung der Unternehmenleitungen das Wort geredet werde, die mit der Aufgabenerfüllung dieser Instanzen unvereinbar sei 87 . 83 Vgl. dazu Ortlieb, H. D., Der Kampf um Wirtschaftsdemokratie und Mitbestimmung, in: Wege zum sozialen Frieden, a.a.O., S. 151; vgl. ders., Das Problem der Wirtschaftsdemokratie und seine Wandlung, GewMonH 1950, S. 57. 84 Kunze, O., Christmann, A., Wirtschaftliche Mitbestimmung im Meinungsstreit, Bd. I, Köln 1964, S. 302. 8« Vgl. Landshut, S., Mitbestimmung und Wirtschaftsdemokratie, in: Weg zum sozialen Frieden, a.a.O., S. 41. 8« Vgl. o.V., Demokratie mit doppeltem Stimmrecht, H B vom 26. 4.1967, S. 5, und Böhm, F., Das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht der Arbeiter im Betrieb, a.a.O., S. 100; Mänken, E. W., Reform der Betriebsverfassung, I K vom 11. 8.1966, S. 3. 87 Vgl. Böhm. F., Das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht der Arbeiter im Betrieb, a.a.O., S. 102; Broecker, B., Wirtschaftliche Mitbestimmung der Betriebsräte?, Stuttgart 1948, S. 39; Gaugier, E., Demokratie i m Betrieb. Aufgaben lind Grenzen des Betriebsrates, Heidelberg 1958, S. 3 ff.; v. Beckerath, H., Großindustrie und Gesellschaftsordnimg. Industrielle und politische Dynamik, Tübingen 1954, S. 245; Briefs, G., Zwischen Kapitalismus und Syndikalismus. Die Gewerkschaften am Scheideweg, München 1952, S. 132; Fischer, G., in: Dritte Internationale Studientagung der Stiftimg „Im Gruene", Rüschlikon 1953, Tagungsprotokoll S.7—8.

II. Analyse und Modifikation des Begriffs

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Sicherlich bedeutet die Forderung nach Demokratisierung der Wirtschaft nicht die unveränderte Übertragung der Formen und Einrichtungen der politischen Demokratie auf die Betriebsverfassung, da auch von gewerkschaftlicher Seite neuerdings betont wird, daß die Mitbestimmung die Unternehmensleitung in ihrer Entscheidungsfreiheit nicht hemmen dürfe 88 . Damit kann Mitbestimmung nicht die demokratische Teilhabe des einzelnen Arbeitnehmers an der Entscheidungsfindung bedeuten. Ein Repräsentativsystem bei Ausübung der Mitbestimmung schwächt „zweifellos... die psychologisch günstigen Wirkungen der Mitbestimmung" 89 . Selbst Seidel und Köpping räumen als gewerkschaftlich orientierte Autoren ein, daß die Objektstellung des Arbeitnehmers durch Mitbestimmung prinzipiell nicht beseitigt wird 0 0 . Alle empirischen Untersuchungen bestätigen das geringe Wissen des einzelnen Arbeitnehmers gegenüber der Mitbestimmung, weil ihm durch die Mitbestimmung das Gefühl der Machtüberlagerung nicht genommen wurde. Der Hinweis, daß die Rechte des einzelnen Arbeitnehmers von einem Repräsentativsystem beschnitten werden müssen, da der Repräsentant besser wisse, was diesem zum Wohle gereiche, steht in krassem Widerspruch zur Forderung vom mündigen Arbeitnehmer 91. Repräsentativ-Mitbestimmung kann also den einzelnen Arbeitnehmer nicht zur Selbstverantwortung am Arbeitsplatz anregen, obwohl dies das Ziel jeder Mitbeteiligung bleiben muß. Es ist ihr nicht möglich, das demokratische Ideengut zu realisieren und zu einer echten Wirtschaftsdemokratie zu führen. Deshalb muß eine andere Form gefunden werden, urn die demokratischen Grundsätze der Gleichberechtigung und Anerkennung der Menschenwürde realisieren zu können. Wesentliche Faktoren der demokratischen Leitidee kommen bei freiwilliger Zusammenarbeit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zum Zug. Gerade die Anerkennung des einzelnen Mitarbeiters als Subjekt wird von der Partnerschaftskonzeption in den Vordergrund gestellt. Dies bedeutet nicht, daß Partnerschaftsunternehmen die Einrichtungen der politischen Demokratie kopieren. Das Wesen der Partnerschaft geht weit über dieses Ziel der Mitbestimmung hinaus und 88 Vgl. o.V., Mitbestimmung bleibt aktuell, MitbestGespr. Nr. 4/5 1966, S. 61; Strzelewicz, W., Mitbestimmung und Demokratisierung, MitbestGespr. Nr. 7 1966, S. 143; Beck, M., Wirtschaftsdemokratie, Zürich und St. Gallen 1962, S. 80. 89 Lenk, E., a.a.O., S. 125. 90 Vgl. Seidel, H., U m die Ausweitung der qualifizierten Mitbestimmung, a.a.O., S. 135; und Köpping, W., Noch kann die Mitbestimmung gerettet werden, a.a.O., S. 366. Vgl. Lamberty, H. D., Die Mitbestimmung in der Montanindustrie. Als Beitrag zur Lösung der sozialen Frage, Diss. Köln 1957, S. 174; o.V., Der einzelne soll mitbestimmen, H B vom 27. 4.1966, S. 4.

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A. Abgrenzung und Analyse des sozial-rechtlichen Inhalts

versucht in einer Schicksalsgemeinschaft von Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Individualität des Arbeitnehmers als Subjekt zu würdigen. d) Lösung der sozialen Frage I m Rahmen der vierten Zielfunktion soll Mitbestimmung einen Beitrag zur Lösung der sozialen Frage liefern. Dabei geht es heute bei allen Lösungsversuchen um ein Zweifaches: nämlich um die Verbesserung der materiellen und immateriellen Lebenslage des Arbeitnehmers 92. I m Teilbereich der immateriellen Lebenslageverbesserung soll die Wiederherstellung der menschlichen Würde im Arbeitsprozeß und damit die gesellschaftliche Anerkennung des Arbeitnehmers angestrebt werden 98 . Diese Zielsetzung kam in der Forderung nach Demokratisierung des Wirtschaftsprozesses bereits zum Ausdruck. In der Forderung nach einem Wandel der Objektstellung des Arbeitnehmers in die Subjektsituation des Mitarbeiters überschneiden sich in einem Teil die beiden Mitbestimmungszielsetzungen. Die Verbesserung des materiellen Sozialklimas durch Rationalisierungsmaßnahmen am Arbeitsplatz, durch Einführung freiwilliger Sozialleistungen, durch Altersvorsorge usw. ist ein sehr wesentliches weiteres Ziel der Mitbestimmung. An Stelle der bisher patriarchalisch ausgerichteten Sozialpolitik soll durch Mitbestimmung dem Arbeitnehmer das Gefühl der sozialen Integration gegeben werden. Der Gedanke eines mitbestimmten Eingegliedertseins soll zu einer Erhöhung des sozialen Selbstgefühls und zur Steigerung des Verantwortungsbewußtseins des Arbeitnehmers führen 94 . Durch Mitbestimmung sollen die Arbeitnehmer von der sozialpolitischen Passivität zur Aktivität geführt werden, worin ein wesentlicher Unterschied zu den bisher üblichen Formen der Sozialpolitik gesehen werden kann. Ohne Zweifel hat die Mitbestimmung die Chance auf dem sozialen Sektor wesentliches zu leisten, zumal die gesetzgeberische Intention vor allem diesen Bereich bevorzugt hat. Ihre Aufgabe wird in der Auflösung des historisch bedingten sozialen Konfliktverhältnisses gesehen, d. h. das bisherige dichotomische Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollte im Bestreben der Humanisierung des 92 Vgl. Seidel, H., Mitbestimmungsziele, Mitbestimmungsmöglichkeiten, Mitbestimmungswirklichkeit, a.a.O., S. 194. 93 Vgl. Buchholz, R., Die strapazierte Mitbestimmung. Wege und Irrwege einer neuzeitlichen Betriebsverfassung, Die Zeit vom 5.11.1965, S. 42. 94 Vgl. Sohn, K. H., Mitbestimmung als Aufgabe, a.a.O., S.262; Brackelsberg, R., Wie erlebt der Arbeitnehmer die Mitbestimmung, MitbestGespr. Nr. 1 1956, S. 6.

II. Analyse und Modifikation des Begriffs

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Betriebes zumindest in ein zweiseitiges Anerkennungsverhältnis umgewandelt werden 95 . Dies bedeutet jedoch nicht, daß durch Mitbestimmung eine absolute soziale Sicherung der Arbeitnehmer erreicht werden kann. Die Gefahr des Arbeitsplatzverlustes ist auch durch Mitbestimmung nicht auszuschließen96, jedoch wird darauf verwiesen, daß gerade die sozialen Auswirkungen strukturell bedingter Umstellungsmaßnahmen durch Mitbestimmung gemildert und ohne wirtschaftliche Spannungen vollzogen werden konnten 97 . Damit ergeben sich aus dieser Zielfunktion der Mitbestimmung weitere Parallelen, aber auch Wesensunterschiede zur betrieblichen Partnerschaftskonzeption. Wie noch zu zeigen sein wird, versucht man im Partnerschaftsbetrieb gerade die sozialen Fragen weitgehend selbständig durch die Arbeitnehmer zu lösen, womit Ziele angestrebt werden, die weit über diese Zielfunktion der Mitbestimmung und deren gesetzliche Fixierung hinausgehen. U m diese Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten in der Gesamtkonzeption zeigen zu können, ist zunächst eine Strukturanalyse der derzeit praktizierten Mitbestimmung notwendig.

m Vgl. Neuloh, O., Der neue Betriebsstil, a.a.O., S. 49. o« Vgl. o.V., Schatten über der Mitbestimmung, I K vom 31.1.1967, S. 3; Wickel, H., Warum Mitbestimmung in der chemischen Industrie?, in: Der Betriebsrat, Nr. 2, 1965, S.94; Gefeller, W., Stabile Wirtschaft — Mitbestimmung — Soziale Sicherheit, MitbestGespr. Nr. 10 1966, S. 182. »7 vgl. Sohn, K. H., Unternehmer fürchten die Mitbestimmung, Welt der Arbeit vom 10.9.1965, S. 17; ders., Mitbestimmung als „Dritter Weg", in: Der Arbeitgeber, Nr. 13/14, 1965, S.366; Haferkamp, W., A n der europäischen Nahtstelle zwischen Ost und West ist Mitbestimmung entscheidend, Welt der Arbeit vom 28.1.1966, S. 8. 4 Maier

B. Die unterschiedlichen Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft I. Struktur und Anwendungsmaxime der Mitbestimmung in der Gegenwart Die Diskussion um die Mitbestimmung umfaßt die betriebliche und die sog. überbetriebliche Mitbestimmung, die zur Erreichung der Wirtschaftsdemokratie als sich ergänzende Parameter gefordert werden 1. Der Terminus „überbetriebliche Mitbestimmung" entspricht der unpräzisen Nomenklatur des Gesetzgebers bei der begrifflichen Abgrenzung der betrieblichen Mitbestimmung. Es wäre präziser, von außerbetrieblicher Mitbestimmung zu sprechen, weil eine Einflußnahme auf Behörden und Verwaltungen der Wirtschaft gemeint ist, die außerhalb der betrieblichen Sphäre gebildet werden. 1. Sporadische Realisierung der „überbetrieblichen" Mitbestimmung Man will durch „überbetriebliche" Mitbestimmung ein außerbetriebliches Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmern erreichen und fordert deshalb paritätisch besetzte Bezirkswirtschaftskammern, die auf unterer Ebene das Aufgabengebiet der bisher lediglich durch Arbeitgebervertreter besetzten Industrie- und Handelskammern übernehmen sollen. Daneben sind Handwerks- und Landwirtschaftskammern geplant 2 . Als Mittelstufe soll in jedem Bundesland ein Landeswirtschaftsrat eingerichtet werden und als oberste Stufe ein Bundeswirtschaftsrat, der als Spitzenorganisation der drei Kammern zugleich die Interessen der gesamten Wirtschaft zu ver1 Vgl. Seidel, H., Die Rolle der Mitbestimmung, MitbestGespr. Nr. 9 1962, S. 127; Erdmann, E. G., Wirtschaftsdemokratie und Mitbestimmung, Neuwied—Berlin 1964, S. 28; Schachtschabel, H. G., Die gewerkschaftlichen Forderungen nach Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf überbetrieblicher Ebene und ihre Vereinbarkeit mit anderen Konzeptionen, in: Theorie und Praxis der Mitbestimmung, Bd. 2, Berlin 1964, S. 175; Hirche, K., Die Entwicklung der überbetrieblichen Mitbestimmung, GewMonH 1957, S. 211. 2 Vgl. den Gesetzesvorschlag des Deutschen Gewerkschaftsbundes zur Neuordnung der Wirtschaft vom 14.4.1950, Manuskript o.O., o.J., S. 14—20; ferner Lewecke, A., Wie weit soll das Mitbestimmungsrecht reichen, GewM o n H 1959, S. 539; Spindler, G. P., Guilleaume, E., Mitbestimmung der Betriebe, o.O., o.J., als Denkschrift an die Gesetzgeber, S.Sff.

I. Struktur und Anwendungsmaxime in der Gegenwart

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3

treten hätte . Da diese Institutionen gegenüber der Bundes- und den Länderregierungen lediglich als Organe der sachverständigen Beratung Einfluß auf die Gesetzgebung nehmen sollen4, müßte präzis von außerbetrieblicher Mitwirkung gesprochen werden. I n der Praxis ist es bisher sehr sporadisch zur Realisierung dieser außerbetrieblichen Mitwirkungsvorstellungen gekommen. Bis zur Gegenwart wurde kein Bundeswirtschaftsrat ähnlich dem vorläufigen Reichswirtschaftsrat der Weimarer Republik 6 errichtet. Der Tenor der gewerkschaftlichen Publikationen läßt erkennen, daß nach dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung vom Juli 1964 der Etablierung dieser Beratungskörperschaft nur mehr geringe Chancen eingeräumt werden 6 , zumal eine „Kompetenzeifersucht" des Gesetzgebers augenscheinlich ist 7 . Auch auf mittlerer Ebene kam es nicht zur Errichtung von Landeswirtschaftskammern. Lediglich in Bremen besteht als einzigem Land Westdeutschlands seit 1950 eine heute noch funktionierende Wirtschaftskammer 8, während die vorläufige Hauptwirtschaftskammer von Rheinland-Pfalz de facto seit 1962 ihre gutachterliche Tätigkeit eingestellt hat. Auf der untersten Ebene der sog. überbetrieblichen Mitbestimmung gibt es seit 1953 eine Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer in den Handwerkskammern 9, und in vielen Bundesländern auch in den Landwirtschaftskammern. Auch das Gesetz zur vorläufigen Regelung des 3 Vgl. Bukow, W., Formen und Aufgaben der überbetrieblichen Mitbestimmung, WWI-Mitteilungen 1954, S. 164 ff. 4 Vgl. Cramer, E., Zur Frage gesetzlicher Vertretungskörperschaften für Arbeitnehmer, RdA 1959, S. 463; Napp-Zinn, F. A., Wirtschaftsräte und überbetriebliche Mitbestimmung in Deutschland, in: Zur Theorie und Praxis der Mitbestimmung, Bd. 2, a.a.O., S. 68. 5 Der aus Art. 165 der Weimarer Verfassung abgeleitete vorläufige Reichswirtschaftsrat war jedoch weder paritätisch zusammengesetzt, noch hatte er den regionalen Unterbau des geforderten Bundeswirtschaftsrats. Vgl. hierzu Tarnow, F., a.a.O., S. 564ff.; Potthoff, E., Zusammenbruch und Wideraufbau. Ein Beitrag zur Geschichte der betrieblichen Mitbestimmung an der Ruhr von 1945 bis 1947, GewMonH 1955, S. 130; Seidel, R., Der geschichtliche Weg zum Mitbestimmungsrecht, GewMonH 1951, S. 301. 6 Vgl. Sohn, K. H., Die Mitbestimmung im neuen Grundsatzprogramm des DGB, MitbestGespr. Nr. 1 1964, S.4; o.V., Ein seltsames Todesurteil, M i t bestGespr. Nr. 9 1964, S. 138. 7 Der Reichswirtschaftsrat scheiterte bekanntlich am Dualismus zum Parlament. Diese Erfahrung scheint hier mitzuspielen. Vgl. hierzu Gottmann, W., Der Stand der Diskussion um den Bundeswirtschaftsrat, MitbestGespr. Nr. 4 1957, S. 7—11. s Vgl. hierzu Klink, D., Die paritätisch besetzte Wirtschaftskammer in Bremen, GewMonH 1966, S. 545—550. ® Vgl. Wettig, O., Über die Mitbestimmung im Handwerk, MitbestGespr. Nr. 12 1958, S. 11; ferner o.V., D G B fordert Parität bei den Kammern, I K vom 9.11.1965, S. 1.

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B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

Hechts der Industrie- und Handelskammern sieht keine Beteiligung der Arbeitnehmer vor. Lediglich die Ausschüsse, die für die Berufsausbildung zuständig sind, müssen paritätisch besetzt sein. Dagegen vertreten in Bremen seit 1956 und im Saarland seit 1951 nur mit Arbeitnehmern besetzte Arbeitskammern die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber den Arbeitgebervertretern in den Industrie- und Handelskammern 10 . Als ausschließliche Arbeitnehmervertretungen stehen sie im Gegensatz zu den Arbeitskammern in Österreich 11 in ständigem Interessenkonflikt mit den regionalen Gewerkschaftsorganisationen. Ihr Wirkungsgrad ist deshalb sehr begrenzt. Die sog. überbetriebliche Mitbestimmung ist somit in der Bundesrepublik sehr schwach ausgeprägt. In der allgemeinen Diskussion wird sie übertönt durch die Forderungen nach betrieblicher Mitbestimmung, die in der gesetzgeberischen Praxis einen breiteren Niederschlag gefunden haben. Vor Darstellung der Interdependenzen zur betrieblichen Partnerschaft muß deshalb das gesetzliche Zielsystem 12 der betrieblichen Mitbestimmung analysiert werden. 2. Struktur der betrieblichen Mitbestimmung Es kann nicht Aufgabe dieser Arbeit sein, eine umfassende Darstellung der derzeit geltenden Normen zu bringen. Dies gilt insbesondere für das sog. Mitbestimmungsgesetz. Es gibt gegenwärtig keinen Partnerschaftsbetrieb, der unter den Geltungsbereich dieses Gesetzes fällt. Andererseits enthält die Partnerschaftskonzeption Ansätze, die sich in der Montanmitbestimmung sporadisch wiederfinden, so daß auf eine Skizzierung dieser Gesetzestatbestände nicht verzichtet werden kann. Die entscheidenden Interdependenzen zwischen betrieblicher Mitbestimmung und Partnerschaft finden sich jedoch im Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes. Dementsprechend wird der Schwerpunkt der Darstellungen sich diesem Spannungsfeld der Mitbestimmung zuzuwenden haben. Innerhalb des DGB gibt es Tendenzen zu Arbeitskammern. M a n verspricht sich davon eine Belebung des gewerkschaftlichen Organisationsgrades, der in der Gegenwart stagniert bzw. sogar abnimmt. Die Mitgliederzahl des DGB nahm im Jahr 1966 um ca. 40 000 ab. Vgl. o.V., Arbeitskammern im Gespräch, H B vom 18./19. 8.1967, S. 1. " Vgl. Schranz, E., Gewerkschaften und Arbeitskammern in Österreich, GewMonH 1959, S. 746. 12 Dieser Terminus wird erstmals von Beinen für nicht quantifizierbare Ziele gebraucht. Vgl. Keinen, E., Das Zielsystem der Unternehmung, Wiesbaden 1966, Vorwort.

I. Struktur und Anwendungsmaxime in der Gegenwart a) Das Paritätsprinzip

der qualifizierten

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Mitbestimmung

I m Gegensatz zur speziellen Kasuistik des Betriebsverfassungsgesetzes sieht die qualifizierte Mitbestimmung 13 eine Mitbeteiligung prinzipiell für alle unternehmerischen Entscheidungen vor, weshalb das Montangesetz auch als „Magna Charta des Arbeitnehmerrechts" 14 bezeichnet wurde. Dieser umfassenden Kennzeichnung kann nicht gefolgt werden, da der sachliche Geltungsbereich des Gesetzes erheblich eingeschränkt ist, so daß von einer lex specialis gesprochen werden muß 15 . Das Mitbestimmungsgesetz gilt nur für Kapitalgesellschaften in Form einer Aktiengesellschaft, einer GmbH und einer bergrechtlichen Gewerkschaft, sofern sie mehr als 1000 Arbeitnehmer beschäftigen 16 oder Einheitsgesellschaften sind, Als weitere Grenze bestimmt das Gesetz Unternehmen, deren überwiegender Betriebszweck in der Förderung von Steinkohle, Braunkohle und Eisenerz oder darin besteht, diese Grundstoffe aufzuarbeiten und zu bestimmten Produkten weiterzuverarbeiten. Außerdem gilt das Mitbestimmungsgesetz nur für die oben bezeichnete Eisen und Stahl erzeugende Industrie, sowie für abhängige Gesellschaften, wenn sie die beiden erstgenannten Prämissen erfüllen 17 . Man wollte mit dieser Eingrenzung des sachlichen Geltungsbereichs verhindern, daß durch die relativ schwerfällige Durchführung der qualifizierten Mitbestimmung in kleinen und mittleren Unternehmen der eigentliche Betriebszweck behindert wird 1 8 . Die Normen des Montan-Mitbestimmungsgesetzes sind gekennzeichnet durch den Grundgedanken der Parität von Kapital und Arbeit, wobei Parität „Gleichwertigkeit und nicht Gleichheit" 19 bedeutet. Dieses Grundprinzip erbrachte für die Montan-Aufsichtsräte eine über** Der Inhalt des Montanmitbestimmungsgesetzes vom 21. M a i 1951 wird als qualifizierte oder auch paritätische Mitbestimmung bezeichnet. Vgl. Benner, J., Mitbestimmung im Konzern I, MitbestGespr. Nr. 12 1956, S. 2. n o.V., Der Stand der Mitbestimmungsverhandlungen, in: Der Volkswirt, Nr. 28 1950, S. 4. i® Die Sonderregelung des Gesetzes für die Montanindustrie ergibt sich eindeutig aus den Bundestagsprotokollen. Vgl. Boldt, G., Mitbestimmungsgesetz für Eisen und Kohle, Kommentar, München—Berlin 1952, S. 32. * 6 Bei Festlegung der Unternehmensgröße ging man von der nicht besonders einleuchtenden Begründung aus, daß bei einer 1000 Mann-Belegschaft das Verhältnis zwischen Leitung und Belegschaft „unübersichtlich" zu werden beginne. Vgl. Schöne, J., a.a.O., S.394. u Die genaue Abgrenzung ist durchaus nicht immer einfach. Vgl. Müller, G., Lehmann, R., a.a.O., S. 33—35. 18 Der Umfang dieser Gruppe ergibt sich genau aus dem Gesetz Nr. 27 der Alliierten Hohen Kommission vom 16. M a i 1950, Amtsblatt S. 299. 1 9 Spindler, G. P., Mitunternehmertum, Lüneburg 1952, S. 81.

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B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

aus komplizierte Lösung, die ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Anteilseignern und Arbeitnehmern garantieren soll, gleichzeitig jedoch verhindern muß, daß diese Parität die Tätigkeit des Aufsichtsrates lahmlegt 20 . In Realisierung dieses Prinzips müssen alle dem Mitbestimmungsgesetz unterliegenden Unternehmen einen paritätisch besetzten Aufsichtsrat haben, der mindestens aus 11 Mitgliedern besteht 21 . Die Anteilseignerseite bestimmt dabei vier Vertreter 22 und ein weiteres Mitglied 28 ; in gleicher Weise sind die Arbeitnehmer durch vier Vertreter und einem weiteren Mitglied vertreten. Hinzu kommt der berühmte und berüchtigte unparteiische „elfte Mannder außerhalb des Unternehmens steht und dessen Stimme das Zünglein an der Waage darstellt. Auf diesen elften Mann müssen sich die bereits gewählten zehn Mitglieder einigen und gemeinsam der Hauptversammlung einen Vorschlag unterbreiten. Kann sich das Wahlorgan nach mehreren Alternativvorschlägen zu keiner Entscheidung durchringen, dann wählt die Hauptversammlung, der nur Anteilseignervertreter angehören, von sich aus das 11. Mitglied des Aufsichtsrates. Damit wird das Paritätsprinzip vom Gesetzgeber durchbrochen und den Anteilseignern ein leichtes Übergewicht zugestanden24. Die Abweichungen vom Paritätsgedanken sind in der Mitbestimmungspraxis noch wesentlich eklatanter. Nach Untersuchungen von Blumenthal und Voigt wird in den meisten Fällen der „elfte Mann" von einer der beiden Seiten vorgeschlagen und gewählt. Die Gruppe, 20 Vgl. Böhm, F., Das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht der Arbeiter im Betrieb, a.a.O., S. 123; und Broecker, B., a.a.O., S. 54; Nattermann, D., Die Parität als Organisationsprinzip für die Zusammenarbeit der Sozialpartner, Diss. Köln 1960, S. 8 f. 21 Die Zahl kann bei einem Nennkapital von mehr als 20 Mill. D M auf 15, bei mehr als 50 Mill. D M auf 21 Mitglieder erhöht werden. Vgl. § 9 MitbestG. 22 I m Mitbestimmungsgesetz finden sich keinerlei Hinweise, nach denen die Anteilseignervertreter persönliche Voraussetzungen — ähnlich der weiteren Mitglieder — erfüllen müßten. Vgl. Horstmann, W., Stärke, Zusammensetzung und Bestellung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft im Geltungsbereich des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 21. M a i 1951, Diss. Freiburg/Brsg. 1955, S. 17. 28 Die weiteren Mitglieder unterscheiden sich von den vier anderen dadurch, daß sie zwar das Vertrauen ihrer Gruppe besitzen müssen, jedoch möglichst unabhängig von den Sozialpartnern sein sollen, d.h. sie dürfen nicht Repräsentanten einer Gewerkschaft oder eines Arbeitgeberverbandes sein. Mit dieser Regelung soll eine Frontenbildung vermieden werden, da man von den weiteren Mitgliedern eine ausgleichende Wirkung erwartet. Vgl. Nikisch, A., Arbeitsrecht, Bd. 3, 2. Aufl., Tübingen 1966, S. 629. 24

Vgl. Hueck, A., Probleme des Mitbestimmungsrechts, a.a.O., S. 15 f.

I. Struktur und Anwendungsmaxime in der Gegenwart

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die das „neutrale" elfte Mitglied nicht stellt, kann den Aufsichtsratsvorsitzenden wählen lassen25. Dieser „Kuhhandel" 26 führte de facto 27 zu einer Imparität im Aufsichtsrat. Weiterhin ist für das Montanmitbestimmungsgesetz charakteristisch, daß es den im Betriebsrätegesetz von 1920 herrschenden Grundsatz der Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat fallen läßt 28 . Lediglich zwei Arbeitnehmer werden vom Betriebsrat aus dem Betrieb zur Wahl vorgeschlagen, während die beiden anderen Arbeitnehmer und das weitere Mitglied dem Wahlorgan von den Gewerkschaften bindend vorgeschlagen werden. Auch hier zeigt sich, daß der Gleichberechtigungsgrundsatz nicht konsequent durchgehalten wird, da die Spitzenorganisationen der Gewerkschaften Einspruch gegen die vorgeschlagenen betriebsangehörigen Vertreter erheben können 29 , während den Betriebsräten dieses Vetorecht gegenüber den drei Gewerkschaftsvertretern nicht zusteht 80 . Dadurch können die Gewerkschaften einen bedeutenden Einfluß bei der Besetzung der Arbeitnehmerposten im Aufsichtsrat ausüben, da von den elf Mitgliedern vier mehr oder weniger stark durch die Gewerkschaften bestellt werden. Trotz dieser normativen Inkonsequenzen hat sich das Paritätsprinzip in den Aufsichteräten insofern bewährt, als es nach empirischen Untersuchungen nicht oder kaum zu Kampfabstimmungen gekommen 81 ist. Anscheinend geht ein heilsamer Zwang zur Einigung von dieser Rechtskonstruktion aus, die sich in Einstimmigkeit bei der Beschlußfassung äußert. Als zweite Novität neben dem paritätisch besetzten Aufsichtsrat führte die qualifizierte Mitbestimmung einen Arbeitsdirektor ein, der gleichberechtigt neben die übrigen Mitglieder des geschäftsführenden Vertretungsorgans tritt 8 2 . Er wird mit einfacher Stimmenmehrheit durch den Aufsichtsrat gewählt, darf jedoch nicht gegen die Stimmen der Mehrheit der Arbeitnehmervertreter bestellt oder abberufen m Vgl. Voigt, F., in: Voigt, F., Weddigen, W., a.a.O., S.310. 26 Blumenthal, W. M., a.a.O., S. 36. 2 * Bei Liilieh bezeichnete man den Vorgang „Parität plus ,elfter Mann 4 " als Enteignung der Anteilseigner. Vgl. Lillich, H., Mitbestimmung aus evangelischer Sicht, MitbestGespr. Nr. 4/5 1966, S.70. 28 Vgl. Kötter, H. W., a.a.O., S. X I I I . 29 Vgl. Boldt, G., a.a.O., Anm. 3 zu § 6, S. 79. so vgl. Nikisch, A., Arbeitsrecht, 3. Bd., a.a.O., S. 632. Vgl. Blumenthal, W. M., a.a.O., S. 101; Lenk, E., a.a.O., S.27; Voigt, F., in: Voigt, F., Weddigen, W., a.a.O., S.331; McPherson, W. H., a.a.O., S.79; Blume, O., in: Potthoff, E., Blume, O., Duvernell, H., a.a.O., S. 264. » Vgl. Hueck, A., Gesellschaftsrecht, München—Berlin 1965, S. 132.

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B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

werden. Das kann in den Gesellschaften, in denen die Arbeitnehmervertreter den „elften Mann" stellen, dazu führen, daß die Arbeitnehmervertreter einen überwiegenden Einfluß auf die Auswahl des Vorstandes nehmen können 33 . I n der Praxis begnügte man sich bisher mit der Benennung des Arbeitsdirektors 34 . I m Mitbestimmungsgesetz ist der Aufgabenbereich des Arbeitsdirektors nicht umgrenzt. Seine besondere Aufgabe besteht in der Durchführung aller die Arbeitnehmer betreffenden Angelegenheiten, d. h. das „Verhältnis zwischen den Menschen im Betrieb" ist seiner besonderen Betreuung anempfohlen. Es ist nicht zulässig, wesentliche Aufgaben sozialer Art dem Kompetenzbereich des Arbeitsdirektors vorzuenthalten und durch Satzung dem Geschäftsbereich eines anderen Vorstandsmitglieds zuzuordnen 35. Der Arbeitsdirektor wird deshalb auch als Träger des Mitbestimmungsrechts der Arbeitnehmer angesehen36, obwohl er nicht als Organ 37 der Arbeitnehmerschaft im Vorstand wirkt, sondern als Vertreter der Aktiengesellschaft gleichberechtigt mit den übrigen Vorstandsmitgliedern gemeinsam die Geschäfte zu führen hat. In dieser Eigenschaft übt er demnach Unternehmerfunktionen aus, während er andererseits als Interessenvertreter der Arbeitnehmer zu gelten hat. Die Problematik dieser Zwitterstellung, der sog. Loyalitätskonflikt 38, führte in der Mitbestimmungspraxis schon oft zu Konflikten zwischen Arbeitsdirektoren und Betriebsräten, obwohl beide primär die Interessen der Arbeitnehmer vertreten. Die Institution des Arbeitsdirektors bringt zwar noch keine paritätische Besetzung der Führungsspitze, ersetzt jedoch das Direktorialprinzip durch eine gesetzlich normierte Kollegialverfassung, innerhalb derer lediglich ein Vorsitzender als primus inter pares möglich ist. Man vermutet jedoch als Fernziel der 33 Vgl. Kötter, H. W., a.a.O., S. 146; v. Ruckteschell, J., Der Arbeitsdirektor nach dem Montanmitbestimmungsrecht und das System des Aktienrechts, Diss. Kiel 1956, S. 11. 34 Nach Blume, O., in: Potthoff, E., Blume, O., Duverneli, H., a.a.O., S. 267, wurde die Benennung des kaufmännischen und technischen Vorstandsmitgliedes den Anteilseignern überlassen. 35 Vgl. Müller, G., Lehmann, R., a.a.O., S.207; Kötter, H. W., a.a.O., S. 156; Nikisch, A., Arbeitsrecht, 3. Bd., a.a.O., S. 638. 3 « Vgl. Martin, E., Der Arbeitsdirektor als Träger betrieblicher Personalund Sozialpolitik in den Unternehmen der westdeutschen Montanindustrie, Diss. Mannheim 1956, S. 97. " Vgl. Hueck, A., Gesellschaftsrecht, a.a.O., S. 132; Boldt, G., a.a.O., S. 127; Koch, H., Betrieb Arbeitsdirektor — Mitbestimmung, MitbestGespr. Nr. 5/7 1964, S . l l l .

38 Vgl. dazu die Stellungnahme des aktiven Arbeitsdirektors Boine, B., Gibt es einen Loyalitätskonflikt für den Arbeitsdirektor, MitbestGespr. Nr. 5/7 1964, S. 110.

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gewerkschaftlichen Forderungen 39 den paritätisch besetzten Vorstand, womit die Leitmaxime des Montanmitbestimmungsgesetzes auch auf der obersten Führungsebene verwirklicht wäre. Das Mitbestimmungsgesetz wurde 1956 ergänzt durch die sog. Holding-Novelle 40, welche die paritätische Mitbestimmung in den Konzernobergesellschaften statuierte. Dieses Mitbestimmungsergänzungsgesetz gilt heute lediglich noch für drei typische Konzernobergesellschaften 41. Es erbrachte im Unterschied zum Mitbestimmungsgesetz im wesentlichen eine gewisse Abschwächung des Paritätsprinzips vor allem durch den sog. „Antipotenzierungsparagraphen" 42. Ferner sind die weiteren Mitglieder der Anteilseigner- und Arbeitnehmerseite im paritätisch besetzten Aufsichtsrat der Obergesellschaft nicht mehr vorhanden 43 . Das Verhältnis der außerbetrieblichen Arbeitnehmervertreter hat sich dadurch zugunsten der betriebsgebundenen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat verschoben. Die Bestellung des Arbeitsdirektors kann im Gegensatz zum Mitbestimmungsgesetz auch gegen die Mehrheit der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat erfolgen 44, womit die theoretische Möglichkeit besteht, daß ein Arbeitsdirektor mit den Stimmen der Anteilseignervertreter und des neutralen Mannes gewählt wird, was bei den bereits 39 Vgl. Hoffmann, H. G., Der Arbeitsdirektor — Balanceakt ohne Netz, I K vom 22. 5.1965, S. 15. 40 Vgl. Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 7.8.1956, BGBl. S. 707. Vgl. Bund-Verlag (Verf.), Die Mitbestimmung im Aufsichtsrat, Köln 1966, S. 17. 4* Vgl. § 15 MitbestErG. Diese Vorschrift w i l l eine Beeinflussung der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft, die vom Vorstand der Obergesellschaft beherrscht wird, bei dessen Bestellung die Arbeitnehmer bereits paritätisch durch den Aufsichtsrat beteiligt waren, dadurch verhindern, daß bestimmte wichtige Entscheidungen vom Vorstand der Obergesellschaft lediglich mit Mehrheit der Anteilseignervertreter gefaßt werden können. Vgl. Boldt, G., Mitbestimmungsergänzungsgesetz, Anm. 7 zu § 15, München— Berlin 1957, S. 97. Diese Vorschrift wird von den Gewerkschaften heftig bekämpft. Vgl. Quast, R., Mitbestimmungsfragen des Unternehmensverbundes, MitbestGespr. Nr. 7/8 1957, S. 14; Kunze, O., Von der Reform des Aktienrechts zur Reform des Unternehmensrechts, MitbestGespr. Nr. 11 1960, S. 12; Brenner, O., a.a.O., S. 96; o.V., Regierungsentwurf zur Aktienrechtsreform blockiert die Mitbestimmung, MitbestGespr. Nr. 4 1962, S. 58. 43 Uber die vermuteten Auswirkungen vgl. Kötter, H. W., Mitbestimmungsergänzungsgesetz (Holding-Novelle), Anm. 6 zu §5, Berlin 1958, S. 57; Schmidt, H., Die Stellung der Arbeitnehmer im Betrieb, MitbestGespr. Nr. 2 1959, S. 6; Kunze, O., Rechtsprobleme der Mitbestimmung im Großunternehmen, MitbestGespr. Nr. 7/8 1957, S. 20. 44 Vgl. Benner, J., Mitbestimmung im Konzern, MitbestGespr. Nr. 1 1957, S. 3.

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B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

gezeigten „Kuhhandelswahlprinzipien" Hand zu weisen ist.

durchaus nicht völlig von der

In einem deutschen Partnerschaftsbetrieb war bereits vor Inkrafttreten des Mitbestimmungsgesetzes eine dem Aufgabengebiet des Arbeitsdirektors in etwa entsprechende Institution geschaffen worden. Durch die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes wurde ein Belegschaftsvertreter in der Führungsspitze nicht mehr möglich. Man findet eine derartige Konstruktion heute noch in einem ausländischen Partnerschaftsbetrieb erfolgreich angewendet, weshalb es notwendig erschien, auf den Inhalt des Mitbestimmungsgesetzes überhaupt einzugehen. b) Vorschlag zur sektoralen Intensitätsabgrenzung der imparitätischen Mitbestimmung Dem Montanmitbestimmungsgesetz steht das Betriebsverfassungsgesetz mit seiner schlichten, proportionalen 45 oder einfachen Mitbestimmung gegenüber. I m Gegensatz zur Beteiligung der Arbeitnehmer bei allen unternehmerischen Entscheidungen nach dem Mitbestimmungsgesetz führt das Betriebsverfassungsgesetz eine spezielle Kasuistik ein, d.h. der Zuständigkeitsbereich der Beteiligung ist beschränkt. Das Paritätsprinzip des Montanmitbestimmungsgesetzes wird durch wesentlich schwächere Beteiligungsrechte abgelöst, die im allgemeinen zur Imparität in der Mitbestimmungsausübung führen. I m wesentlichen — vom Wirtschaftsausschuß und der Drittelbeteiligung im Aufsichtsrat abgesehen — findet sich der Ansatzpunkt der Mitbestimmung nicht mehr in der Unternehmungsleitung, sondern der Betrieb als „die arbeitstechnisch organisierte Einheit" 46 ist Ausgangspunkt für die Ordnung der Betriebsverfassung. Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen47, gilt das Betriebsverfassungsgesetz als lex generalis für alle Betriebe 48 , also auch für 45 So Gessler, Die Mitbestimmung in Holdinggesellschaften des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie, BB 1956, S. 626. 4 ® Galperin, H., Siebert, W., Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 4. Aufl., Heidelberg 1963, S. 47; vgl. zum arbeitsrechtlichen Unterschied von „Betrieb" und „Unternehmen": Hessel, P., Die Problematik des wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechts, BB 1950, S. 371; Galperin, H., Die wirtschaftliche Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz, D B 1952, S. 804; Bobrowski, P., Gaul, D., Das Arbeitsrecht im Betrieb. Von der Einstellung bis zur Entlassung, 4. Aufl., Heidelberg 1962, S. 43 und S. 527 f.; Butz, H., Der Begriff „Betrieb" im Arbeits- und im Betriebverfassungsrecht, D B 1952, 5. 250. 47 Das Betriebsverfassungsgesetz gilt nicht für öffentliche Betriebe. Hier bringen das Personalvertretungsgesetz vom 5.8.1955 (BGBl. I , S. 477) für

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den Montanbereich, soweit hier nicht die Vorschriften der qualifizierten Mitbestimmung als Sonderregelungen Platz greifen. Die Durchführung der Mitbestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz ist an das Vorhandensein eines Betriebsrates gebunden, den zu installieren der Gesetzgeber zwar fordert, dessen Einrichtung jedoch der Initiative der Arbeitnehmer bedarf. Da von gewerkschaftlicher Seite das Betriebsverfassungsgesetz als unzulänglich negiert wird 4 9 , und die Arbeitgeber von sich aus nicht gezwungen sind einen Betriebsrat zu bilden, finden in einer nicht unbedeutenden Zahl von Betrieben überhaupt keine Betriebsratswahlen statt 60 , d. h. die Mitbestimmung wird hier völlig ignoriert. Die Größe des Betriebsrates, der als Träger der Mitbestimmungsrechte und Pflichten der Arbeitnehmer bestimmt wird, richtet sich nach der Zahl der im Betrieb ständig Beschäftigten 51. Eine Mitbestimmung steht dem Betriebsrat in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten zu, wobei sich fakultativ starke Intensitätsschwankungen ergeben. aa) Mitentscheidung in sozialen Angelegenheiten I n sozialen Angelegenheiten ist das Mitbestimmungsrecht am stärksten ausgeprägt, wobei vor allem Arbeitsbedingungen, Wohlfahrtseinrichtungen und der Arbeitsschutz in § 56 BetrVerfG. der Mitbestimmung unterworfen sind. In diesem Bereich liegt das Schwergewicht der Mitbestimmung des Betriebsverfassungsgesetzes überhaupt, womit die materielle Beschränkung gegenüber dem Montanmitbestimmungsgesetz augenscheinlich wird. die Bundesbediensteten und die entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen für die Kommunalbediensteten der Länder wesentlich schwächere Beteiligungsrechte als das Betriebsverfassungsgesetz vorsieht. Vgl. Molitor , E., Personalvertretungsgesetz und Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 404 ff. und Hässler, M., Höchstrichterliche Rechtsprechung zu Mitbestimmungs- und Mitwirkungsfragen im Personalvertretungsgesetz, MitbestGespr. Nr. 7/9 1965, S. 142—144. 48 Das BetrVerfG. gilt nicht für Religionsgemeinschaften, Betriebe der See- und Luftschiffahrt und beschränkt für sog. „Tendenzbetriebe". 49 Vgl. Brenner, O., Soziale Sicherheit und gesellschaftlicher Fortschritt, MitbestGespr. Nr. 10 1958, S. 7; ders., Fortschrittliche Betriebsverfassung — Prüfstein der Demokratie, MitbestGespr. Nr. 11/12 1962, S. 157. 59 Vgl. hierzu Wagner, H., — Hardy, R., Erfahrungen mit dem Betriebsverfassungsgesetz, Köln 1960, S. 54; ferner: Jahresbericht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 1952/53, S. 64; Blume , O., Normen und Wirklichkeit, a.a.O., S. 47. 51 Vgl. Gumpert, J., Arbeitsrechtliche Sonderbestimmungen für Saisonund Kampagnebetriebe, BB 1961, S. 654.

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B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

Lediglich in den in § 56 BetrVerfG. umfassend geregelten Angelegenheiten wird das Mitbestimmungsrecht in der Form eines gleichberechtigten Mitentscheidungsrechts ausgeübt52. Ohne Beteiligung des Betriebsrats kann und darf eine Handlung des Unternehmers im sozialen Bereich nicht erfolgen. Damit hat sich nach langem wissenschaftlichen Streit die Meinung durchsetzt, daß die Ausübung des Mitbestimmungsrechts für die Gültigkeit der sozialen Maßnahmen Wirksamkeitsvoraussetzung ist 53 . Somit besitzt der Betriebsrat in allen sozialen Angelegenheiten des § 56 BetrVerfG. ein echtes Vetorecht, das als positives Konsensrecht zugleich ein Initiativrecht beinhaltet. Danach kann der Betriebsrat durch Anrufung der Einigungsstelle die Durchführung seiner Anträge sogar gegen den Willen des Arbeitgebers erzwingen 54 . Diese Zwangsrealisierungsmöglichkeit beschränkt sich nicht nur auf einen Anspruch des Betriebsrats zur Regelung genereller Angelegenheiten der Gesamtbelegschaft oder einer Mitarbeitergruppe durch Abschluß von Betriebsvereinbarungen 55, was ursprünglich als Mitbestimmungsziel des § 56 überwiegend gefordert wurde 56 . Vielmehr hat sich inzwischen die gegenteilige Meinung durchgesetzt, nach der dem Betriebsrat auch bei jeder sozialen Maßnahme im Katalog des § 56, die den einzelnen « Vgl. Siebert, W., Mitbestimmung des Betriebsrates bei betrieblichen Versorgungseinrichtungen, BB 1953, S. 833. m Nach herrschender Lehre wie Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, Kommentar, 4. Aufl., München und Berlin 1967, S. 666—670; Fitting, K., Kraegeloh, Auffahrt, F., Betriebsverfassungsgesetz, Handkommentar, 7. Aufl., Berlin und Frankfurt/Main 1966, S. 443 f.; Meissinger, H., Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, München 1952, §56 Anm. 3; Maus, W., Handbuch des Arbeitsrechts, 2. Aufl., Bd. V I I I , Baden-Baden o.J., §56 Anm. l b ; Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 451; Rewolle, H. D., Die Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß §56 Betriebsverfassungsgesetz, D B 1958, S. 1393; SchulzeReimpell, S., Kündigung von Betriebsvereinbarungen, IBB 1962, S. 142; Hueck, G., Entwicklungslinien i m System der innerbetrieblichen Regelungen, RdA 1962, S. 379. vgl. Nikisch, A., Arbeitsrecht, a.a.O., S. 348; Hiersemann, W., a.a.O., S. 183. 65 Vgl. dazu Boers, H., Das Mitbestimmungsrecht in sozialen Angelegenheiten. Die geschichtliche Entwicklung und Einzelprobleme in der gesetzlichen Regelung des Betriebsverfassungsgesetzes des Bundes vom 11. Oktober 1952, Diss. Marburg 1956, S. 60 ff., besonders S.66. 66 Vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, 3. Aufl., München—Berlin 1960, S.518; in der 4.Aufl. anderer Meinung; Boers, H., a.a.O., S.66; NeumannDuesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 462; Siebert, W., Betriebsvereinbarung und betriebliche Einigung über Einzelfälle, BB 1952, S. 951; Gumpert, J., Rechtliche Form der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, BB 1953, S. 359; Vielhaber, O., Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Regelung von Akkord- und Stücklohnsätzen, BB 1953, S. 358; Nikisch, A., Die Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrates in sozialen Angelegenheiten nach dem Betriebsverfassungsgesetz, BB 1953, S. 176.

I. Struktur und Anwendungsmaxime in der Gegenwart

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Arbeitnehmer betrifft 57 , ein Mitentscheidungsrecht zukommt, was für die Auswirkung der Mitbestimmung im sozialen Bereich, so z. B. bei der Bestimmung von Akkordsätzen, erheblich ist 58 . Das Mitbestimmungsrecht in sozialen Angelegenheiten wird durch gesetzliche oder tarifliche Bestimmungen begrenzt. Der Mitbestimmungsspielraum des Betriebsrats wird des weiteren dadurch eingeengt, daß die Rechtsprechung die Mitentscheidung auf die sog. formellen Arbeitsbedingungen des sozialen Bereichs beschränkt hat 5 9 . Dabei geht man von dem Grundgedanken aus, daß es nicht Sinn des § 56 BetrVerfG. ist, ein erzwingbares Mitentscheidungsrecht im Bereich von Leistung und Gegenleistung zu schaffen, also dort, wo Arbeitspflicht und Entgelt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer festgelegt werden 60 . Weil damit unmittelbar in die wirtschaftlichen Belange des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer eingegriffen würde 61 , was bei der Festlegung der Lohnhöhe sehr deutlich wird, müssen die materiellen Arbeitsbedingungen überbetrieblich geregelt werden. Dadurch hat der Betriebsrat u. a. bei Festlegung der Dauer der Arbeitszeit, die zu den materiellen Arbeitsbedingungen zu zählen ist, kein Mitentscheidungsrecht 62. Bei der Akkordfestsetzung unterliegt lediglich der Zeitfaktor der Mitbestimmung des Betriebsrats, während der Geldfaktor mitbestimmungsfrei bleibt 63 , da lohnpolitische Fragen aus der Mitbestimmung des Betriebsrats herausgehalten werden sollen. Wie komplex dieser Problemkreis zu werden droht, zeigt die Ent57 Vgl. zum Problemkreis der Einzelmaßnahme Duffek, H., Inhalt und Form des Mitbestimmungsrechts gem. §56 BetrVerfG. Diss. München 1959, S. 24f.; ferner Hässler, M., Mitbestimmung des Betriebsrats und arbeitsvertragliche Einheitsregelung, MitbestGespr. Nr. 6 1965, S. 108. Vgl. Fitting, K., Kraegeloh, Auffarth, F., a.a.O., S. 444; Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 652; Erdmann, G., Das Betriebsverfassungsgesetz, 2. Aufl., Neuwied am Rhein 1954, S. 1941; Tödtmann, D., Das M i t bestimmungsrecht der Arbeitnehmer in sozialen Angelegenheiten (§56 Betriebsverfassungsgesetz), 2. Aufl., Köln 1959, S. 33. 69 Vgl. Farthmann, F., Die Beschränkung der Mitbestimmung nach §56 BetrVerfG. auf die sogenannten formellen Arbeitsbedingungen, MitbestGespr. Nr. 1 1967, S. 10—15; Dutti, K., Nochmals: Die Beschränkung der Mitbestimmung nach § 56 BetrVerfG. auf formelle Arbeitsbedingungen, RdA 1967, S. 137. 69 Vgl. Jacobi, E., Grundlehren des Arbeitsrechts, Leipzig 1927, S. 183. Vgl. Stahlhacke, E., Das Bundesarbeitsgericht zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in sozialen Angelegenheiten, D B 1963, S. 67. 62 Vgl. Farthmann, F., Entwicklungstendenzen in der Rechtsprechung des B A G zum Mitbestimmungsrecht in sozialen und personellen Angelegenheiten, MitbestGespr. Nr. 11/12 1962, S. 189; Fauth, W., Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Festlegung der Arbeitszeit, BB 1962, S. 374. 68 Vgl. Gaul, D., Die Arbeitsbewertung und ihre rechtlichen Probleme, Der ArbGeb 1962, S. 406.

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B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

Scheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Festsetzung der Miete für Werkswohnungen, wo ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht abgelehnt wurde, obwohl es in der Begründung heißt, daß die Höhe der Miete für Werkswohnungen keine materielle Arbeitsbedingung im eigentlichen Sinne sei 64 , ein Einfluß auf die Arbeitsbedingungen durch die Einräumung eines günstigen Mietzinses jedoch mittelbar unterstellt werden müsse. Mit diesen Entwicklungstendenzen in der Rechtsprechung und in der wissenschaftlichen Diskussion wird der Mitentscheidungsspielraum des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten stark eingeengt. Er kann jedoch Maßnahmen, die über das gesetzliche oder tarifvertraglich festgelegte Maß hinausgehen, auf dem Weg fakultativer Betriebsvereinbarungen zu regeln versuchen 65. Der Gesetzgeber eröffnet diese Form der Mitbestimmung in § 57 BetrVerfG. I n Partnerschaftsbetrieben macht man unabhängig vom wissenschaftlichen Streit um die Mitentscheidungsrechte in sozialen Angelegenheiten, häufig von dieser Möglichkeit Gebrauch. bb) Mitwirkung im personellen Bereich Die Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten weist gegenüber der Mitentscheidung in sozialen Angelegenheiten nicht nur eine andere Struktur, sondern auch eine wesentlich schwächere Intensität auf. Die Zuständigkeit des Betriebsrats ist nicht wie in sozialen Angelegenheiten eine umfassende. Sie ist als gebundenes Mitbestimmungsrecht 66 ausschließlich auf Einstellungen, Umgruppierungen, Versetzungen und Entlassungen beschränkt. Darüber hinaus bestimmt der Betriebsrat nur mit, wenn im Betrieb in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt werden. Man beabsichtigt damit, dem Arbeitgeber in Kleinbetrieben 67 in seiner Personalpolitik eine größere Bewegungsfreiheit als beim sozialen Mitbestimmungsrecht zu geben, wo eine Mitbestimmungsbeschränkung infolge eines nicht zu bildenden mehrköpfigen Betriebsrats nicht vorhanden ist. 64 Vgl. zu diesem Problemkreis von Altrock, V., Rechtsprobleme der M i t bestimmung bei Kantinen, Werkswohnungen und sonstigen freiwilligen betrieblichen Leistungen, München 1967, S. 58 ff. 66 Vgl. Siebert, W., Erweiterung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag?, BB 1958, S. 421. 66 Vgl. Hilger, M. L., Kollektiv vereinbartes Mitbestimmungsrecht bei der fristlosen Kündigung, BB 1958, S.913. 67 Allerdings fordert man im Interesse der Tarifvertragseinhaltung ein Mitbestimmungsrecht auch für Kleinbetriebe. Vgl. Neumann-Duesberg, H., Rechtsfragen zur Mitwirkung des Betriebsrats bei Einstellungen und Erstgruppierungen, DB 1963, S. 1220.

I. Struktur und Anwendungsmaxime in der Gegenwart

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I m Gegensatz zu den im wesentlichen meist kollektiv ausgeübten sozialen Mitbestimmungsmaßnahmen betreffen die personellen Mitbestimmungsrechte immer den einzelnen Arbeitnehmer 68 . Die persönlichen Verhältnisse des einzelnen Mitarbeiters stehen hier also im Vordergrund aller Vorschriften, die eine Sicherung der personalen Stellung des Arbeitnehmers bezwecken69, was u. a. auch ein Anliegen der betrieblichen Partnerschaftskonzeption ist. Jedoch beschränken sich die personalen Mitbestimmungsrechte im wesentlichen auf die prophylaktische Abwendung möglicher Störungen des Betriebsfriedens, während die Partnerschaftskonzeption diese Einschränkung nicht kennt. I m Unterschied zu den sozialen Angelegenheiten wird im personellen Bereich fast die gesamte Mitbestimmungs-Intensitätsskala angesprochen. Der Betriebsrat hat entgegen der Meinung von Lenk und Schmidt-Ott 70 im wesentlichen jedoch kein Mitentscheidungsrecht, wie im sozialen Bereich 71 . Als stärkste Mitbestimmungsform steht ihm lediglich in einem Fall ein Initiativrecht zu. Er kann die Entlassung oder Versetzung betriebsstörender Arbeitnehmer verlangen und diesen Anspruch auch entgegen dem Willen des Arbeitgebers durchsetzen. Der strukturelle Unterschied zum gleichberechtigten Initiativrecht in sozialen Angelegenheiten ist augenscheinlich. In allen anderen Fällen steht dem Betriebsrat lediglich ein modifiziertes Einspruchsrecht zu. Insofern kann kaum von Mitentscheidungsrechten gesprochen werden. Es handelt sich dabei nicht um ein echtes Vetorecht, das die geplante Arbeitgebermaßnahme an sich verhindern könnte, sondern um ein abgeschwächtes Einspruchsrecht 72, da es lediglich in ganz bestimmten Fällen, wie z.B. beim Verdacht der Diskriminierung eines Arbeitnehmers aus religiösen, politischen und herkunftsmäßigen Gründen wirksam wird. Beim Vorliegen dieser Gründe kann der Betriebsrat nur bei Einstellungen, Umgruppierungen 73 und Versetzungen seine Zustimmung verweigern und das Arbeits68

Vgl. Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S.513; Fitting, K., Kraegeloh, Auffarth, F., a.a.O., S. 842. 69 Vgl. Müller, G., Das Einzelarbeitsverhältnis und die Aufgaben der M i t bestimmung, BB 1957, S. 409. 70 Vgl. Lenk, E., a.a.O., S. 23 und Schmidt-Ott, E., Das Betriebsverfassungsgesetz aus der Sicht eines Unternehmers, Der ArbGeb 1965, S. 361. 71 Vgl. auch Schiessmann, K., Vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in personellen Angelegenheiten, Der ArbGeb 1962, S. 554; Blume, O., Normen und Wirklichkeit einer Betriebsverfassung, a.a.O., S. 117; Neumann-Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 137. 72 Vgl. Siebert, W., Grundgedanken der Betriebsverfassung, a.a.O., S. 166. 73 Zum Inhalt des Begriffs „Umgruppierung" und dessen Folgen für die Mitwirkung des Betriebsrats vgl. Haberkorn, K., Mitbestimmungsrecht des

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B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

gericht zur Entscheidung über die Gültigkeit dieser personellen Maßnahme anrufen. Der Arbeitgeber ist berechtigt bei Nichteinholung der Zustimmung des Betriebsrats oder bei Nichteinigung mit dem Betriebsrat die geplante personelle Maßnahme trotzdem durchzuführen, d. h. die Mitwirkung des Betriebsrats ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung einer Einstellung, Umgruppierung oder Versetzung 74 . Der strukturelle Unterschied zur Mitbestimmung im sozialen Sektor ist eklatant und dürfte darauf zurückzuführen sein, daß das „negative Konsensprinzip" 76 bei personellen Maßnahmen ohne Rücksicht, ob es dem einzelnen Arbeitnehmer im speziellen Fall dient oder schadet, vom Betriebsrat wahrgenommen werden kann. Ein wesentlich schwächeres Mitwirkungsrecht in Form eines Beratungsrechts steht dem Betriebsrat bei Massenentlassungen und Masseneinstellungen zu. Diese Maßnahmen hat der Arbeitgeber infolge der sozialen Tragweite für die Arbeitnehmer 78 möglichst frühzeitig dem Betriebsrat mitzuteilen und mit ihm zu beraten, wie Härten vermieden werden können. Diese Erörterung muß vor der Entscheidung des Arbeitgebers stattfinden. Bei Einzelkündigungen sinkt das Mitwirkungsrecht zu einer Anhörung des Betriebsrats herab, wobei der Arbeitgeber die Argumente des Betriebsrats zur Kenntnis nimmt, sie jedoch bei der Entscheidung nicht berücksichtigen muß 77 . Dies bedingt eine vorherige Benachrichtigung des Betriebsrats, damit er sein Anhörungsrecht geltend machen kann. Ob die Anhörung des Betriebsrats Einfluß auf die Wirksamkeit der Kündigung hat, gehört bis heute zu den umstrittensten Problemkreisen des Betriebsverfassungsgesetzes. Es kristallisiert sich dabei immer mehr die Ansicht heraus, daß die Kündigung betriebsverfassungsrechtlich auch dann wirksam ist, wenn der Betriebsrat nicht Betriebsrates bei Lohneingruppierung Neueingestellter, Der ArbGeb 1961, S. 223; Molitor, K., Das Mitwirkungsrecht des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen, DB 1954, S. 390. Vgl. Neumann-Duesberg, H., Rechtsfolgen der Nichtbeteiligung des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten, DB 1964, S. 514; Nikisch, A., Das Mitbestimmungsrecht in personellen Angelegenheiten nach dem Betriebsverfassungsgesetz, DB 1962, S. 845. 75 Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 749. 76

Vgl. Müller, G., Gedanken zur Mitwirkung des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten, D B 1962, S. 772. 77 Die Bestimmungen des Kündigungsschutzes werden von diesen schwachen Mitwirkungsrechten nicht berührt. Vgl. Müller, G., Gedanken zur M i t wirkung des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten (Teil II), D B 1962, S. 803.

I. Struktur und Anwendungsmaxime in der Gegenwart

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angehört worden ist 78 , was eine weitere „Verdünnung" des Mitwirkungsrechtes bedeutet. I m Gegensatz dazu kommt die höchstrichterliche Rechtsprechung im Ergebnis zu dem Schluß79, daß eine ohne Mitwirkung des Betriebsrates erfolgte Kündigung unter bestimmten Voraussetzungen unwirksam ist 80 . Als letzte und schwächste Ausprägung einer Mitbestimmungsbefugnis bedingt das Einspruchsrecht bei Einstellungen, Umgruppierungen und Versetzungen ein Mitspracherecht in Form von Informationsrechten. Der Betriebsrat ist danach von der geplanten personellen Maßnahme rechtzeitig zu unterrichten, da er sich schlüssig werden muß, ob er sein Vetorecht geltend machen will 8 1 . Selbst bei leitenden Angestellten, die nach § 4 der Mitbestimmung nicht unterliegen, muß dem Betriebsrat Kenntnis von allen Veränderungen gegeben werden. Diese Vorgänge beeinflussen zumeist die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer wesentlich; deshalb ist aus dem Gedanken des sozialen Schutzes in diesen Fällen ein Recht auf Information eingeräumt worden. Das Betriebsverfassungsgesetz gewährt demnach keinen besonders großen Spielraum für eine Mitbestimmung in personellen Fragen. Empirische Untersuchungen haben ergeben, daß dieser Spielraum be-

78 Schnorr v. Carolsfeld, L., Arbeitsrecht, 2. Aufl., Göttingen 1954, S. 361; Nikisch, A., Arbeitsrecht, 3. Bd., a.a.O., S.491; Hueck, A., Die Anhörung des Betriebsrates vor der Kündigung, RdA 1953, S. 128; Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 749; Kunkel, M., Mitbestimmungsrecht und K ü n digungsschutz, D B 1953, S. 355; Hohn, H., Zur Anhörung des Betriebsrates vor Kündigungen, DB 1966, S. 382; Osswald, R., Ist eine Kündigung ohne Anhörung des Betriebsrates wirksam?, Der ArbGeb 1953, S. 389; Bötticher, E., Die Kündigung ohne Anhörung des Betriebsrates, BB 1954, S. 9701; Meisel, P. G., Die Anhörung des Betriebsrates vor Ausspruch einer ordentlichen Kündigung, DB 1963, S. 1765. 79 Das B A G verneint zwar ebenfalls die vorherige Anhörung des Betriebsrats als Wirksamkeitsvoraussetzung, erklärt aber in ständiger Rechtsprechung die Kündigung nach § 1 Abs. 1 KSchG für unwirksam, wenn der Arbeitgeber rechtswidrig, vorsätzlich und schuldhaft die Anhörung des Betriebsrats unterlassen hat. Vgl. Schröder, G., Die Mitwirkung des Betriebsrates bei Kündigungen von Arbeitnehmern nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, DB 1958, S. 543; Molitor, E., Wandlungen der K ü n digung in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, BB 1960, S. 218; ferner Meisel, G. P., Die Mitwirkung des Betriebsrats in personellen A n gelegenheiten, Heidelberg 1967, S. 78. 80 Vgl. Fitting, K , Kraegeloh, Auffarth, F., a.a.O., S. 547 f., lehnen die Mittelmeinung des B A G ab und fordern, daß eine Kündigung ohne vorherige Anhörung des Betriebsrats prinzipiell nichtig ist. Ebenso Sahmer, H., Betriebsverfassungsgesetz, Frankfurt am Main 1965, S. 169; Neumann-Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 549.

81 Vgl. Neumann-Duesberg, H., Rechtsfragen zur Mitwirkung des Betriebsrats bei Einstellungen und Ersteingruppierungen, a.a.O., S. 1221. 5 Maier

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B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

sonders bei Einstellungen und hier vor allem in Großunternehmen 82 im wesentlichen83 vom Betriebsrat genutzt werden kann, wenngleich die Großzügigkeit der Arbeitgeber mehr taktischen Charakter trägt 84 . Sie befürchten eine Einmischung des Betriebsrats in wirtschaftliche Angelegenheiten und wollen ihn deshalb mit anderen Fragen beschäftigt wissen. Man fordert aus diesem Grund von gewerkschaftlicher Seite den Ausbau des personellen Mitwirkungsrechtes zu einem Antragsrecht, das bis zu einer Genehmigungspflicht 85 erweitert werden soll. I n der Zigarettenindustrie ist diese Forderung bei Einstellungen bereits seit einiger Zeit durch Tarifvertrag verwirklicht. cc) Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten Das Mitbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Angelegenheiten bietet schließlich und endlich wiederum ein bunt schillerndes Spektrum intensitätsmäßig stark verschiedener Mitbestimmungsgrade. I m Vergleich zur Mitbestimmung im sozialen und personellen Sektor ist die Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten am schwächsten ausgeprägt. Sie ist in diesem Bereich schwierig zu regeln, da sie von der Ebene des Betriebes in die Ebene des Unternehmens übergreift, d. h. der Gesetzgeber versuchte in der Kodifizierung die Anliegen des Betriebes „als Keimzelle des sozialen Lebens" 86 mit der Notwendigkeit der Entscheidungsfindung in der Unternehmenssphäre in Einklang zu bringen 87 . Dabei überschneiden sich in der Ausübung dieses Mitbestimmungsrechts drei verschiedene Ebenen; denn Träger bzw. Instrumente des wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechtes sind der Betriebsrat, der Wirtschaftsausschuß und der Aufsichtsrat. Das stärkste Mitbestimmungsrecht steht dabei dem Betriebsrat zu, dem bei allen Betriebsänderungen 88, z.B. beim Zusammenschluß mit 82 Vgl. Seidel, H., Erfahrungen mit der Mitbestimmung — Eine Zwischenbilanz, MitbestGespr. Nr. 3, 1962, S. 36. 83 Vgl. Blume, O., Normen und Wirklichkeit, a.a.O., S. 121 f. 84 Vgl. ders., Die Praxis des Betriebsverfassungsgesetzes — Eine Bestandsaufnahme, a.a.O., S. 163. 8 » Vgl. Brenner, O., Fortschrittliche Betriebsverfassung — ein Prüfstein der Demokratie, a.a.O., S. 159. 86 Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 620. 87 Vgl. Hessel, P., Das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht im neuen Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 921. 88 Welche Betriebsänderungen im wesentlichen dem Mitwirkungsrecht unterliegen, zeigt Hoppe, G., Wenn der Betrieb kleiner wird. Das Mitbestimmungsrecht bei Betriebseinschränkungen und Betriebsveränderungen, WdA vom 28. 7.1967, S. 5; ferner Rumpf 1, K., Die Beteiligungsrechte von Betriebsrat und Wirtschaftsausschuß in wirtschaftlichen Angelegenheiten (I), M i t bestGespr. Nr. 2 1966, S. 25 f.

I. Struktur und Anwendungsmaxime in der Gegenwart

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anderen Betrieben, bei Verlegung des Betriebes, bei Einführung grundsätzlich neuer Arbeitsmethoden usw. ein Mitwirkungsrecht zusteht. Dieses Mitwirkungsrecht ist jedoch rein negativ auf den umfassenden Katalog der angeführten Betriebsänderungen beschränkt, die mit wesentlichen Nachteilen 89 für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft verbunden sein müssen. Das Mitwirkungsrecht ist also ausgeschlossen einmal bei Betriebsänderungen, die Vorteile für die Belegschaft bedingen und zum zweiten bei Betriebsänderungen, von denen nur einige wenige Arbeitnehmer betroffen werden, womit es sich im Gegensatz zur Mitbestimmung in Partnerschaftsbetrieben um ein rein kollektiv gezieltes Mitwirkungsrecht handelt. Die negative Beschränkung zeigt sich ferner darin, daß der Betriebsrat sein Mitwirkungsrecht nur geltend machen kann, wenn der Unternehmer Betriebsänderungen plant; ein Initiativrecht steht dem Betriebsrat nicht zu. Er kann also von sich aus nicht die Änderung eines Produktionsverfahrens oder gar die Schließung eines unwirtschaftlichen Betriebsteils verlangen. Wie im personellen Bereich ist die Mitwirkung beschränkt auf Betriebe mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern, d. h., das Mitwirkungsrecht nach § 72 betrifft demnach Tatbestände in der Ebene des Betriebes, obwohl Partner des Betriebsrates bei Ausübung der wirtschaftlichen Mitwirkungsrechte der Unternehmer ist. Diese Inkonsequenz des Gesetzgebers hat in Konzernen und Filialbetrieben erhebliche Bedeutung. I n seinem Wesen zielt das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht auf die Sicherung des Arbeitsplatzes und der sozialen Stellung des Arbeitnehmers ab. Der soziale Schutzinhalt 90 und nicht die Beteiligung bei wirtschaftlichen Entscheidungen ist Gegenstand dieses Mitwirkungsrechts, das in seinem Kern somit ein soziales Mitbestimmungsrecht ist 91 . Die Deduktion einer in Wirklichkeit sozialen Mitbestimmung zeigt sich auch in der Durchführung der Mitwirkung 9 2 und in der sozialen 89 Zum Inhalt „wesentlicher Nachteile" vgl. Kretzschmar, A., Mitbestimmung bei der Verlegung von Betrieben, BB 1954, S. 33 f. 90 Vgl. Siebert, W., Grundgedanken der Betriebsverfassung, a.a.O., S. 168; Müller, G., Die beiden Arten des Mitbestimmungsrechtes, a.a.O., S. 330; ders., Einzelarbeitsverhältnis und die Aufgaben der Mitbestimmung, a.a.O., S. 409. 91 Vgl. Kalb, W., Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Betriebsstillegung, RdA 1965, S. 368. 92 Die Vermittlungsstelle soll bei ihrem Einigungsvorschlag wirtschaftliche und soziale Belange berücksichtigen. Vgl. Rumpff, K., Grenzen für die Tätigkeit der Vermittlungsstelle im Rahmen des §73 BetrVerfG., MitbestGespr. Nr. 12 1966, S. 219.



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B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

Natur der Rechtsfolgen. Der Unternehmer, der eine mitwirkungspflichtige Betriebsänderung plant, muß einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat anstreben, d.h. er ist verpflichtet den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend zu unterrichten 93 , damit sich dieser mit der Angelegenheit befassen kann und somit eine Einigung möglich wird. Kommt es bei den Verhandlungen zu keiner Einigung, so sollen Betriebsrat und Unternehmer durch Einschaltung einer Behörde oder einer eigens zu diesem Zweck geschaffenen Vermittlungsstelle versuchen, doch noch zu einem Interessenausgleich zu gelangen94. Das Anliegen dieses Mitwirkungsrechts ist in seinem Wesen also auf gegenseitige Kooperation zur Vermeidung sozialer Härten ausgerichtet und trägt somit partnerschaftliche Züge. Allerdings muß sich der Unternehmer weder an den Vorschlag der Einigungsstelle halten, noch ist eine materielle Bindung des Unternehmerwillens an die mit dem Betriebsrat erzielte Einigung möglich. Er kann ohne zwingenden Grund jederzeit von dem Übereinkommen abweichen, ohne daß die vorgenommenen Betriebsänderungen dadurch unwirksam werden. Übergeht er überhaupt das Mitwirkungsrecht des Betriebsrats, so ist die vorgesehene Maßnahme trotzdem wirksam 95 , da der Betriebsrat keinen Anspruch auf Rückgängigmachung der getroffenen Betriebsänderungen hat9®. Der Gesetzgeber ging bei Regelung dieses relativ schwachen Mitbestimmungsrechts von dem Gedanken aus, daß die Initiativfreiheit des Unternehmers in wirtschaftlichen Fragen nicht geschmälert werden dürfe. Allerdings zieht das mitbestimmungswidrige Verhalten Sanktionen in der Weise nach sich, daß der Unternehmer, der dadurch zu Kündigungen gezwungen ist, den betroffenen Arbeitnehmern AbEine Informationspflicht ist im Gesetz nicht ausdrücklich festgelegt, sie wird jedoch von der Literatur im wesentlichen gefordert; vgl. Nikisch, A., Arbeitsrecht, Bd. 3, a.a.O., S. 528; Fitting, K., Kraegeloh, Auffarth, F., a.a.O., S. 605; Galperin, H., Siebert,. W., a.a.O., S. 639; Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 906; Neumann-Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 594; Huber, E. R., Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2. Aufl., Bd. 1 und 2, T ü bingen, 1. Bd. 1953, 2. Bd. 1954, Bd. 2, S. 551. 94 Vgl. über die Reihenfolge, Intensität und Konsequenzen der Vermittlungsmöglichkeiten Hilger t M., Mitbestimmungsstreitigkeiten im Falle von Betriebsänderungen, BB 1955; S. 193 f.; Gross, H., Wirtschaftliches Mitbestimmungsrecht und Abfindungsanspruch, AuR 1954, S. 167; Pünnel, L., Das Verfahren vor den Einigungs- und Vermittlungsstellen nach dem Betriebsverfassungsgesetz, AuR 1966, S. 75; Gaul, D., Zur Entscheidungsbefugnis über das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei geplanten Betriebsänderungen, BB 1957, S. 437. Vgl. BAG-Urteil vom 20.1.1961 — 1 A Z R 53/60, RdA 1961, S. 179. 96 Vgl. Geissler, W., Die Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz, MitbestGespr. Nr. 11/12 1962, S. 193.

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findungen zahlen muß. Das Haftungsrisiko des Unternehmers erhöht sich damit allerdings nicht so „gewaltig" — wie Galperin 97 meint —, da der Abfindungshöchstbetrag auf das Zwölffache des letzten Monatsverdienstes begrenzt ist 98 und der Arbeitnehmer die Beweislast für die Kausalität von Mitbestimmungswidrigkeit und Entlassung zu tragen hat. Die gezeigte schwache Ausprägung des wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates bedeutet im wesentlichen lediglich eine Schranke des Unternehmers in seinem Dürfen 99 , nicht jedoch in seinem wirtschaftlichen Können. Dies ist kein Argument, um daraus das Vorhandensein eines Mitentscheidungsrechtes nach der in dieser Arbeit gewählten Terminologie behaupten zu wollen. Die Zahlung von Abfindungen als Folge des Nichtdürfens kann kein allgemeines Kriterium für das behauptete Mitentscheidungsrecht sein, da die Übergehung des Mitwirkungsrechtes dann ohne diese Konsequenz bleibt, wenn keine Entlassungen notwendig werden. Dietz 100, der am stärksten für ein Mitentscheidungsrecht plädiert 101 , spricht allerdings sofort wieder von Mitwirkungsrechten 102, so daß durch diese Inkonsequenz die inhaltliche Unterscheidung zum sozialen Bereich unmittelbar wieder verwässert wird. Es fehlt doch als entscheidendes Kriterium die Bindung des Unternehmerwillens an den Willen des Betriebsrats bzw. an den Spruch der Vermittlungsstelle. Die Maßnahmen des Unternehmers sind in jedem Fall wirksam, also handelt es sich nicht um ein Mitentscheidungs-, sondern um ein Mitwirkungsrecht, begrenzt auf Betriebsänderungen. Als zweite Mitbestimmungsform im wirtschaftlichen Bereich gewährt das Betriebsverfassungsgesetz den Arbeitnehmern eine Drittelbeteiii97

Galperin, H., Die wirtschaftliche Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S.806. w Vgl. Nikisch, A., Arbeitsrecht, Bd. 3, a.a.O., S. 533; Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 913. 99 Vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 892; Hueck, A., Nipperdey, H. C., a.a.O., S. 875, Fußnote 69. 100 Vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 892. 101 Daneben sprechen vom Vorhandensein eines Mitbestimmungsrechts im Sinne eines Mitentscheidungsrechts: Neumann-Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 597 f.; Fitting, K., Kraegeloh, Auffarth, F., a.a.O., S. 597; Maus, W. f a.a.O., S. 1 ff.; Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 620 sprechen von einem Beteiligungsrecht „eigener Art" bzw. Siebert, W., Grundgedanken der Betriebsverfassung, a.a.O., S. 168, von einem „abgeschwächten Mitbestimmungsrecht eigener Art". 102 vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 894, Anm. 6 zu § 72. Besonders deutlich wird die sprachliche Inkonsequenz S. 897 Anm. 12 a.

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B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

gung im Aufsichtsrat aller Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, sofern es sich nicht um Familiengesellschaften handelt, die weniger als 500 Arbeitnehmer beschäftigen 103. Ferner sind alle bergrechtlichen Gewerkschaften, alle Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, alle Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften1 0 4 und alle Gesellschaften mit beschränkter Haftung 1 0 5 mit mehr als 500 Arbeitnehmern diesem Mitbestimmungsrecht unterworfen, das hier eindeutig auf unternehmerischer Ebene Platz greift 106 . Es sind somit alle Personalgesellschaften von diesem Mitbestimmungsrecht ausgeschlossen. Da es zur Zeit keinen Partnerschaftsbetrieb gibt, der den in dieser Weise mitbestimmten Unternehmenstypen entspricht, soll nur am Rande auf diese Beteiligungsrechte eingegangen sein. Als dritte und zugleich schwächste Art wirtschaftlicher Mitbestimmung ist im Betriebsverfassungsgesetz ein Wirtschaftsausschuß vorgesehen, der in allen Unternehmen mit in der Regel mehr als 100 Arbeitnehmern zu bilden ist. Der Wirtschaftsausschuß, der an die gemeinsamen Produktionsausschüsse in den Vereinigten Staaten erinnert 107 , ist an das Vorhandensein eines Betriesrats gebunden 108 , was in der Unternehmenspraxis eine negative Gestaltungsprämisse darstellt, da in vielen Unternehmen kein Betriebsrat vorhanden ist. I m Gegensatz zum wirtschaftlichen Mitbestimmungsrecht bei Betriebsänderungen wird der Wirtschaftsausschuß auf der Ebene der Unternehmung gebildet 109 . Dadurch ist es möglich, daß ein Wirtschaftsausschuß in einem Unternehmen mit mehreren Einzelbetrieben besteht, eine Mitwirkung bei Betriebsänderungen aber nicht stattfinden kann, da kein Betrieb die erforderliche Zahl von 20 Arbeitnehmern erreicht, loa Ausgenommen sind Religionsgemeinschaften und Tendenzunternehmen, sowie Unternehmen der Seeschiffahrt und Luftfahrt. Vgl. dazu Spieker, W., Möglichkeiten und Grenzen der Mitbestimmung im Aufsichtsrat, MitbestGespr. Nr. 4 1962, S.52f. io* Vgl. Bund-Verlag (Hrsg.), Die Mitbestimmung i m Aufsichtsrat, Köln 1966, S. 22 ff. 105 Ausgenommen sind Aufsichtsräte der Montan GmbH. Näheres bei Spieker, W M Der Aufsichtsrat der mitbestimmten Montan-GmbH, Köln 1960, S. 25 ff. 106 vgl. Weitzel, H., Betriebsverfassungsgesetz und Aufsichtsrat, BB 1952, S. 806; Spethmann, D., Schnorr, G., Die Beteiligung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten nach dem BetrVG, RdA 1953, S. 448—456. 107 Vgl. Lever, E. J., Goodell, F., Die Zusammenarbeit im Betrieb, München 1951, S. 22 ff. i° 8 Vgl. Thon, K., Bildung, Zusammensetzung und Auflösung des Wirtschaftsausschusses, AuR 1953, S. 257, 258; Rumpff, K., Die Beteiligungsrechte von Betriebsrat und Wirtschaftsausschuß in wirtschaftlichen Angelegenheiten, MitbestGespr. Nr. 3 1966, S.43. loa Vgl. Schiessmann, K., Schranken der Mitbestimmung, DB 1952, S. 1089.

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was zu erheblichen Auswirkungen für die Mitbestimmungsausübung führen kann. Das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht des Wirtschaftsausschusses ist demnach materiell umfassender als das auf Betriebsänderungen beschränkte Mitwirkungsrecht des Betriebsrats, da es die wirtschaftlichen Vorgänge des Unternehmens zum Inhalt hat. In seiner Wirkungsintensität ist das Mitbestimmungsrecht des Wirtschaftsausschusses jedoch wesentlich schwächer ausgeprägt, da es sich um ein Informationsrecht handelt, das beratende Züge aufweist, womit nach der Terminologie dieser Arbeit lediglich ein beratendes Mitspracherecht vorliegt. Der Wirtschaftsausschuß hat ausschließlich Anspruch auf Unterrichtung über bestimmte, im Gesetz konkret festgelegte wirtschaftliche Angelegenheiten. Er ist nach dem gesetzgeberischen Willen kein Mitbestimmungsorgan im Sinne eines Trägers von Mitwirkungs- oder gar Mitentscheidungsrechten 111, sondern ein Informations- und Beratungsgremium 112 und damit ein Mitspracheorgan, das die Zusammenarbeit zwischen Unternehmer und Betriebsrat fördern soll. Wie noch zu zeigen sein wird, ist diese gesetzliche Funktionsbegrenzung in den Partnerschaftsbetrieben wesentlich durchbrochen. Man kann behaupten, daß ein in seiner Wirkungsintensität enorm verstärkter Wirtschaftsausschuß zum Merkmal der betrieblichen Partnerschaftskonzeption überhaupt gehört. 3. Gewerkschaftliche Erweiterungsbestrebungen und partnersdiaftliche Kooperationsansätze a) Ausdehnung und Umstrukturierung der qualifizierten Mitbestimmung Bereits seit einigen Jahren fordert der DGB eine Ausdehnung der qualifizierten Mitbestimmung, womit nach Kogon ein neuer „Abschnitt in der gesellschaftspolitischen Entwicklung" 113 eingeleitet wurde. Allerdings ist man sich innerhalb der Einzelgewerkschaften no Nach § 72 Abs. 3 hat der Betriebsrat ein Mitwirkungsrecht beim Zusammenschluß von Betrieben, nicht jedoch beim Zusammenschluß von Unternehmen, also z. B. bei Konzernbildungen. m Vgl. Sauerborn, M., Die Wirtschaftsausschüsse nach dem Betriebsverfassungsgesetz, BB 1952, S. 809. uz Vgl. Koenigs, F., a.a.O., S. 113; Neumann-Duesberg, H., Betriebsfassungsrecht, a.a.O., S. 584; Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 582; v. Winterfeld, A.t Der Wirtschaftsausschuß, AuR 1966, S. 163; Geißler, W., Bruch des Informationsmonopols, MitbestGespr. Nr. 6/7 1959, S. 3; Wisiinghausen, J., Der Wirtschaftsausschuß, Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht 1958, S. 170. 113 Kogon, E., Die gesellschaftspolitische Bedeutung der Mitbestimmung, o.O., o.J., S. 3.

B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

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nicht einig, auf welche Unternehmen die qualifizierte Mitbestimmung ausgedehnt werden soll. Erstmals war nach dem „DGB-Entwurf eines Mitbestimmungsgesetzes" von 1960 und den gewerkschaftlichen Verlautbarungen der Jahre 1961/62 geplant 114 , alle großen Kapitalgesellschaften der qualifizierten Mitbestimmung zu unterwerfen. Diese Vorschläge wollten in Zusammenfassung des Mitbestimmungs- und Mitbestimmungsergänzungsgesetzes

die

sog.

„weiteren

Männer"

bei

Holdinggesellschaften wieder einführen 115 . Die Beschränkung auf bestimmte Rechtsformen wurde bereits 1963 im Grundsatzprogramm des DGB fallen gelassen, in dem für eine Ausweitung der qualifizierten Mitbestimmung auf alle Großunternehmen, unabhängig von ihrer Rechtsform, plädiert wurde 1 1 0 . In die Vorstände dieser Großunternehmen sollte dabei mindestens ein Arbeitnehmermitglied berufen werden. Die Vermutung eines paritätisch zusammengesetzten Vorstandes kann aus dieser Formulierung durchaus abgeleitet werden. Höpp und Köpping fordern als gewerkschaftlich orientierte Autoren bereits 1960 eine paritätische Verfassung 117 auf allen Führungsebenen des Unternehmens „Parität der Arbeitnehmervertreter brauchen wir auf allen drei Ebenen der Kapitalgesellschaft, nicht nur im Aufsichtsrat 1 1 8 ." Der paritätische Vorstand muß deshalb als ein Endziel der gewerkschaftlichen Reformpläne gesehen werden, auch wenn diese Konsequenz heute noch nicht in den offiziellen gewerkschaftlichen Forderungskatalog zu passen scheint. Durch das gewerkschaftliche Aktionsprogramm vom 1. Mai 1965 und durch Tagesbeschlüsse mehrerer Einzelgewerkschaften 119 werden diese 114

Vgl. DGB-Entwurf eines Mitbestimmungsgesetzes, Sonderdruck der Gesetzesvorlage von 1960, Hannover 1965, S. 11. ns Vgl. Hoffmann, H. G., Die Errichtung „verdünnter Zonen" in Großunternehmen, I K vom 7.8.1965, S. 10; Rosenberg, L., Die Mitbestimmung in Gegenwart und Zukunft, MitbestGespr. Nr. 11 1961, S. 15; Dirks, W., Eine Ausweitung der Mitbestimmung muß ins Auge gefaßt und vorbereitet werden, MitbestGespr. Nr. 7 1961, S . 8 f . iiß Vgl. o.V., Grundsatzprogramm des Deutschen Gewerkschaftsfoundes, beschlossen auf dem außerordentlichen Bundeskongreß des Deutschen Gewerkschaftsbundes am 21. und 22. November 1962 in Düsseldorf, o.O., o.J., S. 15. 117 Vgl. Höpp, G., Paritätische Unternehmensverfassung, a.a.O., S. 203. ns Köpping, W., Noch kann die Mitbestimmung gerettet werden, a.a.O., S. 365 (Herv. v. Verf.). ii» Vgl. Gefeller, W., Soziale Sicherheit — gesellschaftlicher Aufstieg durch Mitbestimmung, MitbestGespr. Nr. 10 1965, S. 176; o.V., Deutscher Gewerkschaftsbund fordert volles Mitbestimmungsrecht, I K vom 10.9.1966, S. 4; Plumeyer, P., Diskussionsbeitrag auf dem 7. Ordentlichen Gewerkschaftstag der I G Chemie, Papier, Keramik am 10.9.1966, MitbestGespr. Nr. 10 1966, S. 177 f.

I. Struktur und Anwendungsmaxime in der Gegenwart

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Forderungen wiederholt. Man bestätigt hier ausdrücklich, „daß im Prinzip alle Unternehmen, ganz gleich, ob sie juristisch als Familienunternehmen oder als Unternehmen eines Einzelkaufmanns gelten, in die Mitbestimmung einbezogen werden müssen" 120 , sofern sie eine gewisse Größenordnung erreichen. Damit führen die Gewerkschaften eines ihrer Hauptargumente zur Motivierung der Mitbestimmung ad absurdum, nämlich die Trennung der Eigentumsfunktion von der Managementfunktion durch die „Unternehmung an sich". Wenn alle Einzelunternehmen, in denen Eigentümer und Unternehmer identisch sind, in die qualifizierte Mitbestimmung einzubeziehen sind, dann verliert dieses Argument seine Glaubwürdigkeit. Hier verkennt v. Nell-Breuning die Mitbestimmungspläne der Gewerkschaften, wenn er behauptet, die Forderungen nach Mitbestimmung „beschränken sich . . . klugerweise auf die (Groß-)Unternehmen in kapitalistischer Rechtsform" 121 . Privatunternehmen werden — wie gezeigt wurde — prinzipiell nicht aus dem Kreis mitbestimmungsfähiger Unternehmen ausgeschlossen, die zur Mitbestimmungsausübung einen Aufsichtsrat bilden müßten. Diese gesellschaftsrechtliche Problematik umgeht man bisher noch sehr vorsichtig; einzelne Stellungnahmen deuten neuerdings darauf hin 1 2 2 , daß der Problemkreis noch nicht voll ausdiskutiert zu sein scheint. Auch über die Daten für die Qualifikation zum mitbestimmungsunterzogenen Unternehmen liegen keine einheitlichen Äußerungen vor. Man verwendet eine exakt fixierte Kombination von Merkmalen 123 , die erstmals im Antrag der SPD-Fraktion zur Erweiterung der aktienrechtlichen Publizitätsvorschriften auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung 1960 im Bundestag auftauchten 124 . Mit der Übernahme dieser Daten in den „Entwurf eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeiter in Großunternehmen und Großkonzernen" machten sich die Gewerkschaften diese Vorschläge zu eigen. In § 2 fordert der

120 Gefeller, W., Stabile Wirtschaft — Mitbestimmung — Soziale Sicherheit, a.a.O., S. 181, Hervorg. durch den Verf. 121 v. Nell-Breuning, O., Das Konzil und die gewerkschaftlichen Forderungen, WdA vom 25. 2.1966, S. 8. 122 Plötzlich wird vereinzelt wieder betont, daß vorläufig nur Kapitalgesellschaften in den Kreis qualifiziert mitbestimmungsfähiger Unternehmen einbezogen werden sollen. Vgl. o.V., 7. DGB-Bundeskongreß von 1966, M i t bestimmung bleibt aktuell, Entschließung 166, MitbestGespr. Nr. 4/5 1966, S. 62. 123 Vgl. dazu Zimmermann, K , Zur Bestimmung der Unternehmensgröße in der Industrie und im Handel (Teil I), WWI-Mitteilungen Nr. 7/8 1960, S. 157—161. 124 Vgl. Bundestagsdrucksache

Nr. 2278 vom 6.12.1960, Art. II.

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B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

Gesetzesentwurf eine Ausdehnung der qualifizierten Mitbestimmung auf alle Unternehmen 125 mit mindestens 2000 Arbeitnehmern und einer Bilanzsumme von mindestens 50 Mill. D M oder mindestens 2000 Arbeitnehmern und einem Jahresumsatz von mindestens 100 Mill. D M oder einer Bilanzsumme von mindestens 50 Mill. D M und einem Jahresumsatz von mindestens 100 Mill. DM. Die Kombination von Bilanzsumme und Jahresumsatz ist für kapitalintensive Unternehmen gedacht und kann die Zahl der Arbeitnehmer durchaus unter die Grenze von 2000 Arbeitnehmern bis in den Bereich arbeitsintensiver Mittelbetriebe drücken. Bei dieser Größenabgrenzung würde sich der Geltungsbereich der qualifizierten Mitbestimmung, die im Jahre 1951 für ca. 100 Unternehmen eingeführt wurde, 1961 auf 87 Unternehmen abgesunken war 1 2 8 und heute noch für ca. 70 Unternehmen mit knapp einer Million Arbeitnehmern gilt 1 2 7 , auf ein Vielfaches der derzeit mitbestimmten Arbeitnehmer erweitern. Nach Berechnungen der Gewerkschaften würden 457 Kapitalgesellschaften unter die qualifizierte Mitbestimmung fallen 128 , wobei Personengesellschaften entsprechender Größe noch nicht berücksichtigt sind. Neuerdings lassen gewerkschaftliche Verlautbarungen erkennen, daß man die Zahl der unter die Mitbestimmungsforderungen fallenden Unternehmen doch stärker zu begrenzen beabsichtigt. Man nennt als Größenordnung mindestens 3000 Beschäftigte, 75 Millionen Bilanzsumme und mindestens 150 Millionen D M Jahresumsatz. Beim Zutreffen zweier dieser drei Faktoren würden 275 Kapitalgesellschaften von der qualifizierten Mitbestimmung erfaßt werden 129 . In den letzten und wohl endgültigen Vorstellungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes bis Mitte des Jahres 1967 sprechen Haferkamp 180 12

5 Vgl. DGB-Entwurf eines Mitbestimmungsgesetzes, a.a.O., S. 11/12. 6 Vgl. Hoff mann, H. G., Ausweitung der Mitbestimmung steht zur Debatte, I K vom 12.6.1965, S. 10. J 27 Vgl. o.V., Echte Mitbestimmung für 457 Kapitalgesellschaften, WdA vom 15.1.1965, S. 1. 12

128 Vgl. Kunze, O., Wieviel große Kapitalgesellschaften gibt es in der Bundesrepublik?, WWI-Mitteilungen, Nr. 4 1964, S. 86—-88 und ders., 457 große Kapitalgesellschaften, MitbestGespr. Nr. 3 1965, S. 46. i2® Vgl. o.V., Soziale Sicherheit — gesellschaftlicher Aufstieg durch M i t bestimmung, Heferat von Gefeller, W., am 8.10.1965 in Dortmund, MitbestGespr. Nr. 10 1965, S. 176. 130 VglHaferkamp, W., Auch die Eigentümer haben ein Recht auf M i t bestimmung, I K vom 25.1.1966, S. 5; ferner Seidel, H., U m die Ausweitung

I. Struktur und Anwendungsmaxime in der Gegenwart

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und Brenner 131 von Unternehmen mit 2000 Beschäftigten, 75 Mill. D M Bilanzsumme und 150 Mill. Umsatz. Bei Verwirklichung dieser Vorstellungen würden 300—350 Unternehmen in den Geltungsbereich der qualifizierten Mitbestimmung einbezogen werden. Darüber hinaus wird von Arbeitgeberseite ein weiterer gewerkschaftlicher Stufenplan unterstellt 152 , nach dem für alle Unternehmen, unabhängig ihrer Rechtsform, mit mehr als 500 Arbeitnehmern ebenfalls ein paritätisch zusammengesetzter Aufsichtsrat und ein Arbeitsdirektor geplant sei, was jedoch durch gewerkschaftliche Verlautbarungen nicht belegt werden kann 1 3 3 . Unabhängig von diesen Ausdehnungsbestrebungen fordern die Gewerkschaften für sog. „Mammutunternehmen" 134 eine Umgestaltung der derzeitigen Unternehmensverfassung. Im Hinblick auf die volkswirtschaftliche Bedeutung soll in diesen Mammutunternehmen die Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit erstmals auf allen Ebenen organisatorisch institutionalisiert werden. In diesen Größtunternehmen mit 20 000 Beschäftigten, 500 Mill. D M Bilanzsumme und 1 Milliarde jährlichem Umsatz 135 soll — wenn zwei der Mindestmerkmale erfüllt sind — über die qualifizierte Mitbestimmung hinausgehend der Aufsichtsrat zu einem „Unternehmensrat" ausgebaut werden, der mit je acht Vertretern der Anteilseigner, der Arbeitnehmer bzw. der Gewerkschaften und 8 sog. „neutralen" Sachverständigen zu besetzen wäre. Außerdem soll die Hauptversammlung der 40—50 unter diese Prämissen fallenden Mammutunternehmen 136 durch eine Unternehmensversammlung ersetzt werden, in der alle der qualifizierten Mitbestimmung (I), MitbestGespr. Nr. 6 1966, S. 96 und o.V., Mitbestimmung stärkt freiheitlich-demokratische Ordnung, in: DGBNachrichten-Dienst vom 22.1.1966, S. 3. 131 Vgl. o.V., Brenner fordert mehr Mitbestimmung, weniger Steuern, Abbau der Preisbindung, Die Welt vom 22. 6.1967, S. 10. 132 Vgl. Eichler, W., Zusammenfassung des Kolloquiums, in: Mitarbeiten, Mitverantworten, Mitbestimmen, a.a.O., S. 102. 133 von gewerkschaftlicher Seite wird verschiedentlich betont, daß nicht daran gedacht ist, die qualifizierte Mitbestimmung zu irgendeinem Zeitpunkt über den bezeichneten Kreis von Großunternehmen hinaus auszudehnen. Vgl. o.V., Mitbestimmung nur für die Großunternehmen, WdA vom 15.10. 1965, S. 1 und DGB-Nachrichten-Dienst vom 22.1.1966, S. 3. 134 zur Bezeichnung „Mammutbetrieb" vgl. Gutenberg, E., Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 1958, S. 48. iss Vgl. Zimmermann, K., Zur Bestimmung der Unternehmensgröße in der Industrie und im Handel, Teil I I , WWI-Mitteilungen 1960, S. 219. 136 Vgl. zur Zahl der Mammutunternehmen Kunze, O., Von der Reform des Aktienrechts zur Reform des Unternehmensrechts, a.a.O., S. 16 und BundVerlag (Verf.), Rechtsgrundlagen der wirtschaftlichen Mitbestimmung, a.a.O., S. 75.

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B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

im Unternehmen wirksamen Interessen 137 entsprechend ihrer pluralistischen Struktur repräsentiert sind. Man fordert deshalb neben der Aktionärsversammlung eine gleichberechtigte Versammlung der Arbeitnehmer nach dem Drei-BänkeSystem 136. Danach sollen Aktionäre, Arbeitnehmer- bzw. Gewerkschaftsvertreter 139, die durch die Anteilseigner- bzw. Arbeitnehmerversammlung gewählt werden, und Vertreter der Öffentlichkeit im Verhältnis 19 :19 :11 die Bänke 1 4 0 der Unternehmensversammlung bilden, in der über Grundsatzfragen der Unternehmung mit Mehrheitsbeschluß zu entscheiden wäre. Andere Zusammensetzungvorschläge sprechen von 30 Anteilseignern, 30 Arbeitnehmervertretern und 12 Vertretern der Öffentlichkeit 141 . Das Hauptgewicht der Stimmen liegt nach diesen Vorschlägen paritätisch bei den Anteilseignern und den Arbeitnehmern, wodurch der Faktor Arbeit Mitentscheidungsrechte über das Eigentum der Aktionäre erhält. Die traditionelle Funktion des Eigentums als Träger der Leitungs- und Verantwortungsbefugnisse ist damit beseitigt. Das Lohnarbeitsverhältnis der Arbeitnehmer wird durch ein gesellschafterähnliches Verhältnis abgelöst; ein neuer Eigentumsbegriff müßte gefunden werden. Die Mitbestimmungspläne der Gewerkschaften würden demnach zur Umgestaltung des gegenwärtigen Gesellschaftsrechtes führen und somit tiefgreifende Veränderungen in unserer Wirtschaftsverfassung zur Folge haben. Jedoch spekuliert man auf Grund der gegenwärtigen Einstellungen der Parteien 142 damit, daß die Gewerkschaften ihre Pläne zur Erweiterung der qualifizierten Mitbestimmung zunächst zurückstellen werden, um sich auf die Realisierung der Montan-Mitbestimmung in anderen Wirtschaftszweigen zu konzentrieren. 137

Vgl. Kunze, O., Von der wirtschaftlichen Mitbestimmung zur Unternehmensverfassung, in: Gewerkschaft, Wirtschaft, Gesellschaft. Beiträge zu wirtschaftlichen und sozialen Gegenwartsfragen, o. O., o. J., S. 142 f. 138 Vgl. Eichler ,W., a.a.O., S. 102; o.V., Reform der Unternehmens Verfassung, M M vom 9.7.1965, S.7; Balke,S., Idee und Wirklichkeit der „Mitbestimmung", Monatsblätter für Freiheitliche Wirtschaftspolitik, Nr. 1 1966, S. 1. 139 Vgl. Rudolph, F., Die Ordnung des Betriebes in der Sicht der deutschen Gewerkschaften nach 1945, Köln und Opladen 1965, S. 102. 140 Vgl. Kunze, O., Rechtsprobleme der Mitbestimmung in Großunternehmen, a.a.O., S. 22. 141 Vgl. Hoff mann, H. G., Die Errichtung „verdünnter Zonen" in Großunternehmen, a.a.O., S. 10. i « Vgl. o.V., Auf der langen Bank, Volkswirt 1966, S. 1372; o.V., Mitbestimmung aus Brüssel?, Volkswirt 1966, S. 1518; o.V., Modifizierte Mitbestimmung, H B vom 7./8.4.1966, S. 3.

I. Struktur und Anwendungsmaxime in der Gegenwart b) Novellierung

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der einfachen Mitbestimmung

Neben einer Erweiterung und Ausdehnung der qualifizierten Mitbestimmung fordert man — wenn auch nicht in der pragmatischen Intensität wie beim Mitbestimmungsgesetz — die Novellierung der Mitbestimmung des Betriebsverfassungsgesetzes. Obwohl die einfache Mitbestimmung in der Beteiligungspraxis noch längst nicht ausgeschöpft ist 1 4 3 — was die Nichtrealisierung des Betriebsrats und des Wirtschaftsausschusses beweist —, soll insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung und die technische Umstellung der Betriebe in die einfache Mitbestimmung miteinbezogen werden 144 . Diese Forderung findet sich ausdrücklich im umfassenden Gesetzentwurf der Deutschen Angestelltengewerkschaft zur Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes 145, der zwar primär für einen Ausbau des Minderheitenschutzes plädiert 146 , darüber hinaus jedoch die Ausweitung der Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten fordert. Danach soll bei allen Änderungen der Betriebsanlagen und bei Einführung neuer Arbeitsmethoden, die auf einer Veränderung der Marktlage beruhen oder dem technischen Fortschritt entsprechen, eine Mitwirkung des Betriebsrats eingeführt werden 147 , die bisher nach den Vorbehaltsklauseln des § 72 Abs. d und e BetrVerfG. ausgeschlossen war. Darüber hinaus soll nach den Vorstellungen der D A G eine obligatorische und laufende Auskunftserteilung der Betriebe an die Gewerkschaften gesetzlich normiert werden 148 , ein Strafantragsrecht der 143 Vgl. Merkle, H. L., Die Forderungen auf erweiterte Mitbestimmung aus betrieblicher Sicht — Mitwirken, Mitgestalten — Mitbestimmen, in: M i t arbeiten, Mitverantworten, Mitbestimmen, a.a.O., S. 80; vgl. dazu auch Balke, S., Unausgeschöpfte Möglichkeiten. Das Betriebsverfassungsgesetz als Stück echter „Mitbestimmung", Der ArbGeb Nr. 13/14 1965, S. 360. 144 Vgl. o.V., Ab 1970 rotes Licht für Mitbestimmung, I K vom 9.9.1965, S. 4. 145 Vgl. Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (als Verfasser), Novellierungsvorlage zum Betriebsverfassungsgesetz. Vollständige Zusammenstellung der DAG-Forderungen, o. O., August 1964/Januar 1966. 146 Vgl. DAG-Novellierungsvorlage, a.a.O., in der den Minderheiten bei der Betriebsratswahl bei Bestellung des Wirtschaftsausschusses usw. stärkere Rechte eingeräumt werden sollen. Siehe u. a. § 10 Abs. 2 und 3, S. 9; § 13 Abs. 2, S. 10; § 34 Abs. 1, nach dem eine Minderheitenvertretung den Beschluß des Betriebsrats auf Antrag eine Woche aussetzen lassen kann, um einen Kompromiß mit Hilfe der Gewerkschaften zu versuchen. Ferner § 47 Abs. 2 und 3, S. 22 und § 68 Abs. 2, S.27, wonach auf Vorschlag der Vertreter der beiden Arbeitnehmergruppen im Betriebsrat je ein Mitglied der Gruppen in den Wirtschaftsausschuß delegiert werden soll. 147 vgl. o.V., Gegen die „Währungskraftzersetzung", H B vom 26.4.1965, S. 3 und DAG-Novellierungsvorlage, a.a.O., S. 29. 148 Vgl. Neumann, M., Mitbestimmung auf Schleichwegen. Die Reform der Betriebsverfassung kann eine Kettenreaktion auslösen, Rheinischer Merkur vom 19. 8.1966, S. 20.

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B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

Gewerkschaften gegenüber Unternehmen, die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes verletzt haben 149 , und eine gesetzliche Kontrollmöglichkeit der Gewerkschaften über die Betriebsräte ergänzen den Forderungskatalog 160. Auch die Freistellung von Betriebsrats- und Aufsichtsratsmitgliedern für gewerkschaftliche Schulungskurse ist vorgesehen. Alle diese Forderungen zielen auf eine Stärkung der gewerkschaftlichen Einflußnahme im Betrieb ab. Eine Intensivierung der Einflußmöglichkeiten des einzelnen Arbeitnehmers vermißt man in diesem Novellierungskatalog. An anderer Stelle findet sich die Forderung nach Ausbau der Mitwirkungsrechte des Betriebsrats im personellen Bereich. Nach Meinung Brenners soll dem Betriebsrat ein gleichberechtigtes Antragsrecht eingeräumt werden 151 , das sich auf die Einstellung leitender Mitarbeiter erstrecken soll. Das Vetorecht des Betriebsverfassungsgesetzes würde damit zu einem Mitentscheidungsrecht in personellen Angelegenheiten ausgebaut werden, das als personalpolitisches Instrument bei der Auswahl leitender Angestellter sehr wohl wirtschafts- und sozialpolitische Entscheidungen zu beeinflussen in der Lage wäre. Von nicht gewerkschaftlicher Seite kommt der Vorschlag, ein Mitbestimmungsrecht in persönlichen Angelegenheiten des Arbeitnehmers gesetzlich zu kodifizieren, da eine echte Betriebsverfassung als Ziel lediglich die Mitbestimmung des einzelnen Arbeitnehmers anstreben könnte 152 . Das Mitbestimmungsrecht soll sich deshalb primär auf die Gestaltung der Arbeitsweise am Arbeitsplatz mit dem Recht auf umfassende Information innerhalb der Betriebsabteilung beziehen. Darüber hinaus soll dem Arbeitnehmer das Recht auf Einsicht in die eigene Personalakte im Betriebsverfassungsgesetz garantiert werden. Diese Vorschläge zielen in ihrem kooperativen Ansatz sehr stark auf partnerschaftliche Grundkonzeptionen ab, die im Betriebsverfassungsgesetz durchaus enthalten sind. Auf ähnlicher Basis beruhen die neuesten Reformvorschläge, die als Gesetzentwurf im Sommer 1967 im Bundestag eingebracht wurden 1 5 3 Darin soll die Einrichtung eines Wirtschaftsausschusses in allen Be149

Vgl. DAG-Novellierungsvorlage, a.a.O., S. 19, 31 und 32. iso Vgl. Mänken, E. W., Reform der Betriebsverfassung, a.a.O., S. 3. Vgl. Brenner, O., Fortschrittliche Betriebsverfassung — Prüfstein der Demokratie, a.a.O., S. 159. 152 Vgl. o.V., Eine Reform der Betriebsverfassung. Vorschläge für eine Mitbestimmung am Arbeitsplatz, I K vom 22. 3.1966, S. 4. l M Vgl. o.V., CDU-Antrag, Mehr Wirtschaftsausschüsse, Gesetzentwurf zur Betriebsverfassungs-Reform enthält eine Ausdehnung der Mitbestimmung auf kaltem Wege, I K vom 1.7.1967, S. 1.

I. Struktur und Anwendungsmaxime in der Gegenwart

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trieben mit mehr als 100 Arbeitnehmern zur unabdingbaren Pflicht gemacht werden 134 . Weiterhin sollen dem Wirtschaftsausschuß Mitwirkungsrechte bei Betriebsplanungen eingeräumt werden, die in ihrem Einzelgehalt nicht näher belegt sind. I n Zusammenfassung der Einzelforderungen zeigen die Novellierungsvorschläge zum Betriebsverfassungsgesetz einmal die Tendenz, die gewerkschaftlichen Machtbefugnisse auch in diesem Gesetz zu verstärken. Andererseits wird von nicht gewerkschaftlicher Seite das Bestreben spürbar, die institutionellen Ansätze vertrauensvoller Zusammenarbeit im Gesetz stärker zu betonen. c) Negation partnerschaftlicher Spurenelemente in den Erweiterungsplänen Die Erweiterungsbestrebungen haben sowohl bei der einfachen als auch bei der qualifizierten Mitbestimmung erkennen lassen, daß es den Gewerkschaften in erster Linie darauf ankommt, ihre Einflußmöglichkeiten zu verstärken. Besonders die Aktionskonzentration auf die Montanmitbestimmung verstärkt diese Annahme, zumal an keiner Stelle der gewerkschaftlichen Pläne dem einzelnen Arbeitnehmer als eigentlichem Zielbezogenen jeder Mitbestimmung Aufmerksamkeit geschenkt wird. Auch wenn man nicht mit Flume übereinstimmt, der eine Erweiterung der qualifizierten Mitbestimmung als „Relikt marxistischen Gedankengutes" 155 abtut, so muß die gewerkschaftliche Mitbestimmungsprogrammatik doch mit einigen Vorbehalten betrachtet werden. Bislang bemängelten auch gewerkschaftliche Stellungnahmen die Fehlerhaftigkeit und Unausgereiftheit des Montanmitbestimmungsgesetzes166, das bei Voigt als „gesetzestechnisch schlechtes Gesetz" 157 apostrophiert wird. Plötzlich soll dieses mit vielen Zeichen eines typischen Kompromisses 158 ausgestattete Gesetzeswerk als „Muster154 vgl. auch o.V., CGB appelliert an den Bundestag, Vorschläge zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, I K vom 28.10.1965, S. 4. iss Flume, F., Zusammenwirken in Sozial- und Gesellschaftsfragen, M M vom 17.1.1967, S. 5. 15« Das Mitbestimmungsgesetz entspricht keineswegs den gewerkschaftlichen Vorstellungen, die sie bei der Verabschiedung des Gesetzeswerks vertraten. Vgl. Schöne, J., a.a.O., S. 394 ff. und Disse,P., a.a.O., S. 101. 157 Voigt, F, in: Voigt, F, Weddigen,W., a.a.O., S. 387. iss vgl. Voigt, F., in: Voigt, F. t Weddigen,Vf„ a.a.O., S. 387; Boldt,G., a.a.O., S. 51 ff.; Otto, K. A., Wahl und Ausscheiden der Aufsichtsratsmitglieder nach dem Mitbestimmungsgesetz Kohle und Eisen, Diss. Münster 1958, S. 216.

80

B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

lösung" 159 in allen Großunternehmen eine optimale Beteiligung des Faktors Arbeit bringen. Als Primärziel der Ausweitungsbestrebungen wird bei der qualifizierten Mitbestimmung von gewerkschaftlicher Seite immer wieder die Einleitung einer gesellschaftlichen Umgestaltung genannt 160 . Nach Brenner versucht man dieses Anliegen in der ersten Stufe dadurch zu erreichen, daß man danach strebt, die Investitionen „in den Griff" 1 8 1 zu bekommen 182 . Diese Zielsetzung im Rahmen der gewerkschaftlichen Erweiterungspläne beweist, daß es in erster Linie nicht um die personenbezogene Mitbestimmung des Arbeitnehmers geht, sondern um die Unternehmerfunktion, deren Mitübernahme von den Gewerkschaften anscheinend angestrebt wird. Andererseits betont Haferkamp — bis Mitte 1967 Mitglied des Bundesvorstandes des DGB — zu Recht, daß die Mitbestimmung ihre Aufgabe kaum erfüllen kann, „wenn sie lediglich eine an der Herrschaft beteiligte Gruppe durch eine andere ersetzt"

163

Die Arbeitnehmer sehen als Anliegen einer erweiterten Mitbestimmung nicht die Mitentscheidung bei wirtschaftlichen Beschlüssen der Unternehmensleitung, sondern — wie empirische Untersuchungen immer wieder beweisen 164 — eine verstärkte Beteiligung an den unmittelbaren Entscheidungen am Arbeitsplatz steht im Vordergrund der Erwartungen. Deshalb identifizieren sich die Arbeitnehmer weitgehend nicht mit den Mitbestimmungsforderungen 165 ihrer Gewerkschaften 168, da diese keine Ansätze zur persönlichen Integration des 159 Haferkamp, W., Mitbestimmung — eine Forderung unserer Zeit, hrsg. vom Deutschen Gewerkschaftsbund, a.a.O., 1966, S. 22. 160 vgl. o.V., Präambel des Grundsatzprogramms vom November 1963, MitbestGespr. Nr. 6 1963, S.95. 101 Brenner, O., zitiert bei: o.V., Gegen erweiterte Mitbestimmung, I K vom 26.8.1965, S.5. 162 vgl. Christmann, A., Zum Streit um die wirtschaftliche Mitbestimmung, a.a.O., S. 96—99. Christmann spricht von einer Einflußnahme der Gewerkschaften auf die Investitionspolitik, um „Fehlinvestitionen" zu vermeiden, S. 98. 193 Haferkamp, W., Mitbestimmung in den Grundsatzprogrammen der deutschen Gewerkschaften, MitbestGespr. Nr. 5/6 1964, S. 70, Hervorh. v. Verf. 164 Vgl. Seidel, H., Das Verhältnis der Belegschaften zur Mitbestimmung, a.a.O., S. 116. 165 Vgl. Mänken, E. W., Chancen im neuen Bundestag, I K vom 20.7.1965, S. 1; Eichler, W., Zusammenfassung des Kolloquiums, in: Mitarbeiten, M i t verantworten, Mitbestimmen, a.a.O., S. 112. 166 Nach Meinung von nicht im DGB vertretenen Gewerkschaftsrepräsentanten handelt es sich bei der Praxis der qualifizierten Mitbestimmung nicht um die Mitbestimmung der Arbeitnehmer, sondern um eine der „Monopolgewerkschaften". Vgl. o.V., Harte Kritik an der Mitbestimmung, I K vom 23. 3.1965, S. 6.

.

I. Struktur und Anwendungsmaxime in der Gegenwart

81

einzelnen am Arbeitsplatz unmittelbar enthalten. Die Arbeitnehmer wünschen am Arbeitsplatz als mündige Mitarbeiter anerkannt zu werden. Der Arbeitgeber muß diesen Mündigkeitsanspruch 187 annehmen und ihn durch vertrauensvolle Zusammenarbeit im Rahmen der Mitbestimmung realisieren. Die Arbeitnehmer bedürfen also anstatt erweiterter Kontrolle eines verstärkten Vertrauens, wobei die legislative Verankerung der Mitbestimmung nur die gesetzliche Mindestforderung 168 dieser Kooperation darstellen kann. Diese Kooperativfunktion der Mitbestimmung 169 wird in den gewerkschaftlichen Erweiterungsprogrammen an keiner Stelle erwähnt. Man konzentriert die Forderungen auf eine Ausweitung der qualifizierten Mitbestimmung und lehnt die sozialindividuelle Integration des Arbeitnehmers im Betrieb ab, die durch die einfache Mitbestimmung ihren legaldefinitorischen Ausgangspunkt genommen hat. Das Betriebsverfassungsgesetz wird wegen dieser Grundhaltung als „dritter Aufguß des Mitbestimmungsgesetzes" 17° bekämpft, da die Idee der Betriebsgemeinschaft hier „einen traurigen Erfolg" m errungen habe. Obwohl von den Gewerkschaften betont wird, daß es Zweck jeder Betriebsverfassung sei, eine „Kooperation im Betrieb herbeizuführen" 172 , lehnen sie das Betriebsverfassungsgesetz ab 1 7 3 , da die Mitbestimmung dieses Gesetzes zuviel an die partnerschaftliche Zusammenarbeit appelliere 174 . Ohne Realisierung der qualifizierten Mitbestimmung kann es nach gewerkschaftlicher Ansicht keine PartVgl. Cattepoel, D., Noch mehr Mitbestimmung?, H B vom 5./6.7.1963, S. 13. Zur Mindestanforderung vgl. Fischer, G., Die möglichen Ausweitungen der gesetzlichen Mitbestimmung, M u A 1955, S. 166; ders., Gedanken zum Mitspracherecht, M u A 1949, S. 174. 1«® Rosenberg sieht die Mitbestimmung auch als Instrument zur Verwirklichung der Integration der Arbeitnehmer. Er erläutert jedoch nicht, wie diese Integration im Rahmen der Kontrollfunktion der erweiterten M i t bestimmung stattfinden soll. Vgl. Rosenberg, L., W i r fordern Erweiterung der Mitbestimmung, Düsseldorf 1965, S. 10. 170 Gefeller, Vf., Betriebsverfassungsgesetz ist dritter Aufguß des M i t bestimmungsgesetzes, MitbestGespr. Nr. 10 1963, S. 157, (Hervorg. vom Verfasser). 171 Haferkamp, W., Mitbestimmung in den Grundsatzprogrammen der deutschen Gewerkschaften, a.a.O., S. 70, Hervorg. vom Verfasser. 172 Kassler, W., Was wird gefordert, MitbestGespr. Nr. 9 1963, S. 132. 173 vgl. o.V., Stellungnahme der Gewerkschaften zu einem BundesBetriebsverfassungsgesetz, hrsg. von der I G Metall, Frankfurt/Main 1952, S. 1; vgl. ferner Farthmann, F., Gegenwartsprobleme und Zukunftsaspekte der Mitbestimmung, MitbestGespr. Nr. 4/5 1967, S.60. 174 Vgl. Sohn, K. H., Verordnetes Vertrauen, MitbestGespr. Nr. 11/12 1962, S. 175—176; Zimmermann, A., Zehn Jahre Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 50. 6 Maier

82

B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

nerschaft geben 175 . Partnerschaft ist nach diesen Vorstellungen der qualifizierten Mitbestimmung gleichzusetzen, d.h. die Ausdehnungsbestrebungen würden gleichzeitig eine breitere Streuung der Partnerschaftsidee bedingen. Andererseits muß nach Gefeller die Mitbestimmung mehr sein „als die Funktion einer einseitigen Interessenvertretung" 176 . Wie dieses Ziel unter Ausschaltung der partnerschaftlichen Kooperativfunktion realisiert werden soll, wird jedoch nicht deutlich. Gefeller widerlegt sich selbst, wenn er fortfährt, daß „die Mitbestimmung nicht erpartnert" 177 werden kann. Hier wird eindeutig die Zielfunktion der Mitbestimmung verkannt. Die Mitbestimmung und hier besonders die paritätische Mitbestimmung kann dann nicht Selbstzweck und oberstes Ziel aller Ausdehnungspläne sein, wenn es ihr um mehr als nur um eine einseitige Interessenvertretung zum Ersatz bestehender Herrschaftsverhältnisse durch andere Herrschaftsgruppen geht. Die Mitbestimmung kann doch nur dann Medium zur Integration des einzelnen Arbeitnehmers sein, wenn sie nicht Selbstzweck ist. Am ehesten wird dieses Ziel durch partnerschaftliche Kooperation von Kapital und Arbeit erreicht. Auch auf die Gefahr hin, daß dieses Mitbestimmungsziel von gewerkschaftlicher Seite abgetan wird, weil „immer dann, wenn jemand zur Begründung einer bestimmten Auffassung nichts weiter vorzubringen hat als den Gedanken der Partnerschaft ... beinahe eine gewisse Vermutung dafür spricht, daß die betreffende Ansicht falsch ist!" 176 Solange darüber hinaus bei den Forderungen zur Ausdehnung der qualifizierten Mitbestimmung vor dem Gedanken der Partnerschaft gewarnt wird, weil dadurch die „Übernahme unmittelbarer Verantwortung durch die Arbeitnehmer entstehen könne" 179 , ist der Faktor Kapital gehalten, einen neuen Weg zu gehen, der unabhängig vom Montanmitbestimmungsmodell den Mündigkeitsanspruch des einzelnen Arbeitnehmers im Betrieb zu realisieren versucht. 175 Vgl. Gefeller, W., Betriebsverfassungsgesetz ist dritter Aufguß des M i t bestimmungsgesetzes, a.a.O., S. 157.

Gefeller, W., auf dem Gewerkschaftstag der Industriegewerkschaft Chemie, Papier, Keramik am 6. Oktober 1965, in: o.V., Soziale Sicherheit — gesellschaftspolitischer Aufstieg durch Mitbestimmung, MitbestGespr. Nr. 10 1965, S. 176. 177 Oers., a.a.O., S. 176. 178 Farthmann, F., Rechteprobleme zur Einziehung des Gewerkschaftsbeitrages durch den Arbeitgeber, AuR 1963, S. 359, (Hervorg. vom Verfasser). 17» Haferkamp, W., Mitbestimmung in deutschen Gewerkschaften, a.a.O., S. 68.

den Grundsatzprogrammen

der

II. Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement

83

II. Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement der betrieblichen Partnerschaft 1. Der Kausalnexus bei partnerschaftsfihnlichen Konzeptionen im Ausland I m Ausland finden sich mannigfache Versuche der „Partnerschaft von Kapital und Arbeit" 1 , die vorwiegend die materielle Komponente einer Arbeitnehmerteilhabe betonen. Man glaubt damit im wesentlichen einen Anreiz zur Leistungssteigerung zu schaffen bzw. die Arbeitnehmer fester an den Betrieb zu binden und übersieht dabei das mentale Anliegen der Partnerschaft. Mitbestimmungsrechte finden sich in diesen Beteiligungsplänen fast nie oder werden darüber hinaus als Ziel der Partnerschaft ausdrücklich negiert. Auch der angelsächsische Begriffsausdruck „Partnership" ist dem deutschen Sprachsymbol Partnerschaft nicht identisch. „Partnership" beinhaltet in England und USA eine gesetzlich normierte Gesellschaftsform, die in ihrer Rechtsstellung in etwa der offenen Handelsgesellschaft in Deutschland entspricht. Die „Partners" 2 im gesetzlichen Sinn sind danach sowohl am Gewinn und Verlust als auch an der Geschäftsführung beteiligt 3 . Mitbestimmungsansätze ohne Kapitalbeteiligung sind im Partnership-System nicht enthalten.

a) Co-Partnership

Bestrebungen in England

Durch die gesetzliche Inhaltsnormierung gezwungen, faßte man in England partnerschaftsähnliche Bestrebungen in dem Begriff „Copartnership " zusammen. Bereits im Jahre 1884 konstituierte sich die Industrial Co-Partnership Association als Zentralorgan dieser Bestrebungen. Nach den Vorstellungen des Co-Partnership Verbandes besteht das Hauptanliegen dieser Bewegung darin 4 , den Arbeitnehmer am Gewinn, am Kapital und in gewissem Umfang auch an der Kontrolle des Unternehmens teilhaben zu lassen.

1 Vgl. Hartman, R. S., a.a.O., S. 142 ff. 2 Vgl. die unterschiedliche Inhaltsabgrenzung des Ausdrucks bei Wallace, W., Co-Partnership reexamined, London 1955, S. 8.

„Partner"

3 Vgl. Daw, W. J., Erfolgsbeteiligung ist kein Allheilmittel, entnommen „The Director" 1955, zitiert in A G P - M i t . vom 1.11.1955, S.2; Fischer, G., Der Begriff Partnerschaft sollte nicht verwässert werden, M u A 1965, S. 69.

4 Vgl. auch Herrmann, B., Partnerschaftsbestrebungen in Großbritannien, AGP-Mit. vom 1.7.1955, S.2; Wallace, W., Prescription For Partnership. A Study of Industrial Relations, London 1959, S. 10.

6*

84

B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

Daraus ergeben sich drei Stufen der Partnerschaft, die mehr oder weniger stark die materielle Komponente betonen: 1. Profit sharing als Erfolgsbeteiligung. Profit sharing bedeutet im eigentlichen Wortsinn Gewinnbeteiligung, wird in England jedoch als Ertragsbeteiligung praktiziert 5 . 2. Share holding als Erweiterung der Erfolgsbeteiligung. Durch Thesaurierung der Erfolgsanteile im Unternehmen sollen die Arbeitnehmer an der Substanz beteiligt werden. 3. Joint consultion. Durch den Arbeitsrat oder Gemeinschaftsrat, der als Beratungsorgan über Produktionsfragen in der Funktion dem deutschen Wirtschaftsausschuß ähnelt, soll die Zusammenarbeit gefördert werden. Dieser Gemeinschaftsrat gewährt den Arbeitnehmern auf Grund innerbetrieblicher Vereinbarungen lediglich Informations- und Beratungsrechte®. Das Co-Partnership-System enthält nach diesen Definitionsmerkmalen 7 noch Mitbestimmungsansätze, die jedoch über einen Mitspracheanspruch nicht hinausgehen und keinesfalls in Mitwirkungs- oder gar Mitentscheidungsrechte einmünden. I n den gewerkschaftlichen Zielvorstellungen sind in Großbritannien bewußt keine Mitbestimmungsforderungen enthalten8. Man lehnt die Mitbestimmung prinzipiell ab, da man nicht bereit ist, wirtschaftliche Mitverantwortung zu übernehmen. Wesentlich erscheint, daß bei allen Co-Partnership Vereinbarungen die Gewerkschaften konsultiert werden und in freiwilliger Übereinstimmung mit diesen die Verfahren im Betrieb eingeführt werden, was in Deutschland nicht immer der Fall war und in einigen Partnerschaftsbetrieben zu Konfliktsituationen geführt hat. Die Co-Partnership Bestrebungen in England negieren heute im wesentlichen noch den Anspruch des Arbeitnehmers auf geistige Teilhabe, die über die Mitbestimmung zur Integrierung des Arbeitnehmers führt. Wenn auch teilweise Forderungen auf stärkere Berücksichtigung mentaler Faktoren sich zu zeigen scheinen9, so ist der Wesensinhalt s Vgl. Herrmann, B., Erfolgsbeteiligungs- und Partnerschaftsverfahren in England, A G P - M i t . vom 1. 9.1956, S. 3. • Vgl. Clegg, H. A., A New Approach to Industrial Democracy, Oxford 1960, S. 90. 7 Vgl. dazu auch Herrmann, B., Partnerschaft in England, A G P - M i t . vom 30.11.1950, S. 3; Geck, L., Soziale Betriebsführung, Essen 1953, S. 60 f. » Vgl. Spindler, G. P., Partnerschaftskonferenz in Oxford, A G P - M i t . vom 15.8.1967, S. 6. » Vgl. Daw, W. J., Es ist Zeit zur Partnerschaft, AGP-Mit. vom 1.7.1960, S. 2; ders., Erfolgsbeteiligung ist kein Allheilmittel, a.a.O., S. 2; o.V., Partnerschaft in englischen Betrieben, A G P - M i t . vom 15.2.1962, S. 6; Spindler, G. P., 33. Sommer-Konferenz der Industrial Co-Partnership Association, AGP-Mit. vom 15.11.1963, S.7.

II. Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement

85

der Co-Partnership Bestrebungen primär in einer materiellen Beteiligung der Arbeitnehmer zu erblicken. b) Profit

Sharing in USA

I n USA werden die Versuche, den Arbeitnehmer am Betriebsgeschehen teilhaben zu lassen, unter dem Begriff „Profit Sharing" zusammengefaßt. Der Begriffsinhalt ist wesentlich weiter gefaßt als beim nämlichen Sprachsymbol in England. Wenn auch Hartman Profit Sharing als „neue Lebensform der Wirtschaft" 10 in USA apostrophiert, so bedeutet Profit Sharing für die meisten amerikanischen Unternehmen lediglich eine Leistungsanreizmethode 11 zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und damit zur Erhöhung des Gewinns. Nur sehr vereinzelt finden sich in USA Unternehmen, die nicht nur an der Leistungsfunktion des Arbeitnehmers interessiert sind, sondern darüber hinaus die soziale Integration des Arbeitnehmers als Mitinhalt des Profit Sharing-Systems betrachten. So ist beispielsweise das System der Gerstenlager Company bewußt auf die Überwindung des reinen Lohnarbeitsverhältnisses abgestellt. Die Beteiligung am Leistungsergebnis ist zwar auch hier ein sehr bedeutsamer Faktor des Profit Sharing-Systems 12, jedoch werden die von einem Werksausschuß ausgeübten Mitbestimmungsrechte als wesentlicher Bestandteil des Verfahrens betrachtet 15. Eine Teilhabe an der Entscheidungsfindimg bildet im amerikanischen Profit Sharing-System eine Ausnahme. Die Gewerkschaften lehnen noch betonter als in Großbritannien die Übernahme von Mitverantwortung ab und negieren damit die Mitbestimmung durch die Arbeitnehmer. Sie wollen den Arbeitnehmern lediglich einen möglichst hohen materiellen Erfolgsanteil sichern 14, die Entscheidungsfindung bleibt weiterhin Privileg der Unternehmensleitung. i« Hartman, R. S., Grundlagen und Praxis der Ertragsbeteiligung in USA, AGP-Mit. vom 1.11.1951, S.4. 11 Vgl. die Definition zur Gewinnbeteiligung bei Hartman, R. S., Theoretische Grundlagen der Gewinnbeteiligung, M u A 1952, S. 227. 12 Vgl. Hartman, R. S., Die Partnerschaft von Kapital und Arbeit, a.a.O., S. 241 f. ia Ebd., S. 243. — Der Werksausschuß, der in seinem Funktionsbild in etwa den Partnerschaftsausschüssen in deutschen Unternehmen entspricht, ist nicht nur für das technische Funktionieren des Profit Sharing-Verfahrens verantwortlich, sondern auch für Lohnfragen bzw. Arbeitsplatzfragen und alle sonstigen Betriebsgeschehnisse zuständig. Auf Grund dieser Vereinbarung gibt es keine reinen Aufsichtsorgane oder Zeituhren mehr im Betrieb, eine Erscheinung, die auch in deutschen Partnerschaftsbetrieben zu finden ist, so z. B. bei den Paul Spindler-Werken in Hilden. 14 Vgl. Spindler, G. P., Partnerschaft in den Vereinigten Staaten, AGP-Mit. vom 1.9.1955, S. 3; Gross, H., Der Arbeiter als industrieller Partner in USA,

86

B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

Auch seitens der Arbeitgeber wurde das Profit Sharing-System zumeist infolge steuerlicher Vergünstigungen gefördert. Den während der Kriegsjahre verfügten gesetzlichen Lohnstop15 umging man 1942 durch Profit Sharing-Systeme. Die Verfahren der seit 1947 im Council of Profit Sharing Industries organisierten Unternehmen können im wesentlichen in „Cash plans", „Deferred plans" und „Combined plans" eingeteilt werden 16 , die als Barausschüttungspläne, Krankheits- bzw. Pensionsfonds und als kombinierte Pläne lediglich materielle Aspekte berücksichtigen. I m Jahre 1967 gab es ca. 55 000 Profit SharingVerfahren in USA 1 7 , die im wesentlichen rein materielle Teilhaberechte zum Inhalt hatten. I m amerikanischen Profit Sharing-System fehlt den meisten Verfahren der mentale Faktor, der als zweites unabdingbares Formelement die deutschen Partnerschaftskonzeptionen prägt. Dies rührt daher, daß sowohl der Unternehmer als auch der Arbeitnehmer in USA ihr Verhältnis primär als rein ökonomischen Tatbestand sehen und Partnerschaft lediglich als Medium zur Gewinnerhöhung bzw. als Möglichkeit zur Kapitalbildung auffassen. Die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand wird dadurch zwar eindrucksvoll gefördert 18, eine integrierende geistige Teilhabe jedoch nicht erreicht. Die Mitbestimmung im amerikanischen Sinn beruht damit auf rein kapitalistischer Grundlage, d.h. Mitbestimmungsrechte ohne Kapitalbeteiligung sind im amerikanischen Profit Sharing-System im wesentlichen noch systemwidrig. Sonderdruck „Wirtschafts-Informations-Dienst", 2. Aufl., Düsseldorf 1949, S. 20 ff.; Hartman, R. S., Gewinnbeteiligung in der amerikanischen W i r t schaft, RdA 1951, S. 401; Goossens, F., Beteiligungspläne und die Gewerkschaften in den USA, M u A 1954, S. 43. is Vgl. Huppert, W., Erfolgssbeteiligung der Arbeitnehmer, Berlin—München 1953, S. 53; Gross, H., Manager von Morgen. Partnerschaft als Wirtschaftsform der Zukunft, Düsseldorf 1949, S. 113. 16 Vgl. Kartzke, K., Formen der Gewinnbeteiligung in den Vereinigten Staaten. Die Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer, Wiesbaden 1951, S. 84 ff.; Spindler, G. P., Partnerschaft in den Vereinigten Staaten, a.a.O., S. 3; Odgen, „Profit Sharing" in amerikanischen Textilfabriken. Deutscher Wirtschaftsmarkt, Nr. 3 1951, S. 20 ff.; Hartman, R. S„ Gewinnbeteiligung in der amerikanischen Wirtschaft, a.a.O., S. 404; Oberhauser, A., Gewinnbeteiligung in den USA, A G P - M i t . vom 1.10.1965, S. 1 f. " Vgl. Bausch, T., Deferred Profit-Sharing Trust Plans. Unveröffentlichtes Referat im Seminar von Prof. P. Scherpf, November 1967 (erscheint demnächst als Diss.). 18 Die Gesamtsumme, die aus Profit Sharing-Systemen ausbezahlt wurde, schätzte man 1961 auf 750 Millionen Dollar. Die Eastman Kodak Corporation beispielsweise, die seit 1912 ein Profit Sharing-Verfahren praktiziert, schüttete 1963 pro Arbeitnehmer 1130 Dollar aus. Vgl. o.V., Blick über die Grenze, A G P - M i t . vom 1.5.1958, S.7; o.V. und ohne Titel,' A G P Mit. vom 15.11.1961, S. 6.

I I . Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement c) Gesetzliche

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Erfolgsbeteiligungssysteme

Gesetzlich kodifizierte Erfolgsbeteiligungssysteme, die i n E u r o p a 1 9 und i n einigen L ä n d e r n der amerikanischen H e m i s p h ä r e 1 0 gefördert bzw. obligatorisch vorgeschrieben sind 2 1 , zeigen keine Interdependenz zur betrieblichen Partnerschaft. D i e M i t b e s t i m m u n g ist k e i n M o t i v oder gar Strukturelement dieser Ertragsbeteiligungssysteme, die i m wesentlichen aus politischen Gründen eingeführt wurden, i h r sozialpolitisches Z i e l jedoch — soweit bekannt — i n keinem L a n d erreicht haben. Lediglich i n Jugoslawien ist neben einer Ergebnisbeteiligung die Teilhabe der Arbeitnehmer an der Selbstverwaltung der Betriebe durch den sog. Arbeiterrat u n d den Verwaltungsausschuß 2 2 unabdingbar normiert. D a diese Betriebe der sozialistisch-marxistischen Z e n t r a l verwaltungswirtschaft zuzuordnen sind, scheiden sie aus dem diskutierten Problemkreis aus, der sich aus den Grundfaktoren der freien Verkehrswirtschaft ableitet.

19 Eine Erfolgsbeteiligung wird in Dänemark gesetzlich gefördert. I n Frankreich wurde die Förderung mittels Steuerbefreiung 1967 durch ein Gesetz abgelöst, das für alle französischen Unternehmen mit mehr als 100 ständigen Arbeitnehmern eine Gewinnbeteiligung obligatorisch vorschreibt. Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer sind in dem Gesetzeswerk jedoch nicht enthalten. Vgl. Herrmann, B., Dänisches Gesetz zur Erfolgsbeteiligung, AGP-Mit. vom 1.7.1957, S. l f . ; De Moy, G., Partnerschaft in Frankreich. Bemühungen auf Produktivitätssteigerung durch Erfolgsbeteiligung, A G P Mit. vom 1.5.1954, S. 2 und 7; Salowsky, H., Erfolgs- und Eigentumsbeteiligung der Arbeitnehmer in Frankreich. Deutsches Industrieinstitut, Köln 1960, S. 6—16; Saternus, A., Gewinnbeteiligung soll Sozialreform ersetzen, WdA vom 18.8.1967, S. 7; Arnsperger, K , De Gaulle als Sozialrevolutionär, SZ vom 12713.8.1967; Wirte, H., Gewinnbeteiligung in Frankreich, M M vom 26./27. 8.1967, S. 8.

2® Obligatorische Gewinnbeteiligungen gibt es in Columbien, Ecuador, Peru, Chile und Venezuela. I n Argentinien erfahren ähnliche Bestrebungen eine steuerliche und sozialversicherungstechnische Unterstützung. Vgl. Neumayer, Obligatorische Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer in Columbien, Ecuador und Peru, DB 1951, S. 386—388; Karger, A., Erfahrungen mit der gesetzlichen Gewinnbeteiligung in Ecuador, M u A 1957, S. 137; o.V., Auslandsbeispiele einer gesetzlichen Regelung der betrieblichen Partnerschaft, M u A 1954, S. 155; Gaugier, E., Partnerschaftliche Bestrebungen in Argentinien, AGP-Mit. vom 15.11.1960, S. 6. 21

I n den arabischen Ländern finden sich in den sozialistisch orientierten Staaten gesetzliche Erfolgsbeteiligungsverfahren. So in der Vereinigten Arabischen Republik und im Irak. Vgl. Elnomany, A. E , Das Arbeitsrecht in Ägypten, M u A 1965, S. 151; Gaugier, E., Gesetzliche Gewinnbeteiligung im Irak, AGP-Mit. vom 1.10.1964, S. 5. 22 Vgl. Schleicher, H., Das System der betrieblichen Selbstverwaltung in Jugoslawien, Berlin 1961, S. 131 ff., 195 ff. und 215 ff.; Cukoviö, S., Arbeiterselbstverwaltung in jugoslawischen Betrieben, AGP-Mitteilungen vom 1.1. 1964, S. 3—5; ders., Die Betriebsverfassung in Jugoslawien, ZfbF 1964, S. 3541; Haastert, W., Das jugoslawische Betriebssystem, MitbestGespr. Nr. 10 1964, S. 172—174.

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B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

2. Mitbestimmung als ein Wesensmerkmal der betrieblichen Partnerschaft

a) Analyse des vieldeutigen

Ausdrucks „Partnerschaft"

Die Bezeichnung „Partnerschaft" ist heute vielfach in Gefahr, zu einem nichtssagenden Schlagwort zu werden. Man spricht von atlantischer Partnerschaft, von loyaler Partnerschaft zwischen Wissenschaft und Politik, von Partnerschaft zwischen Frankreich und Deutschland, von Partnerschaft zwischen Entwicklungsländern und den Industrienationen, von partnerschaftlichen Verhältnissen in der Familie usw. Auch im wirtschafts- und sozialpolitischen Bereich wird dieser Begriff in zunehmendem Maß verwendet, wenn von Partnerschaft in Verbänden wie z.B. der geforderten Parität in Industrie- und Handelskammern, von sozialer Partnerschaft zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden die Rede ist. Es kann nicht Aufgabe dieser Arbeit sein, ein umfassendes Funktionsbild der betrieblichen Partnerschaftskonzeption zu geben. Das Schwergewicht der Ausführungen liegt auf der Herausarbeitung interdependenter Beziehungen zwischen Mitbestimmung und betrieblicher Partnerschaft. Es ist jedoch erforderlich die Hauptkriterien der Partnerschaftskonzeption kurz zu umreißen, um dabei gleichzeitig zu zeigen, wo der Mitbestimmung besondere Bedeutung zukommt. Der Begriff Partnerschaft ist noch keineswegs eindeutig definiert. Gemeinsam ist dem buntschillernden und vielschichtigen Phänomen des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereichs, daß von mehreren Teilen, die z.B. Menschen verschiedener Interessensphären sein können, ausgegangen wird und diese als pars einer größeren Einheit aufgefaßt werden. Damit sind diese Interessengruppen Teile eines übergeordneten Ganzen 23 . Dem gemeinsamen Ganzen sind die Partner zumindest in dieser Zielvorstellung untergeordnet, d.h. dieses Ziel setzt eine gegenseitige Anerkennung 24 der Partner als grundsätzlich gleichwertige Faktoren voraus, wobei Gleichwertigkeit nicht unbedingt Gleichheit der Rechte bedeutet. Die prinzipielle Gleichwertigkeit des einzelnen Menschen begründet einen Anspruch auf Teilung der Gewalten und damit die Partizipierung des Risikos und des Gewinns. Gleichzeitig ist damit 23 Vgl. Fischer, G., Der Begriff „Partnerschaft" sollte nicht verwässert werden, a.a.O., S. 66. 24 Vgl. Horni, A., Mehr Klarheit über den Begriff „Partnerschaft", M u A 1954, S. 245. 25 Vgl. ders., Partnerschaft mit Fragezeichen, in: Informationen für die Mitglieder des Vereins für Soziale Betriebspraxis e.V., Nr. 35 vom 15.8.1954, S. 2.

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II. Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement

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auch ein Recht auf Teilhabe an der Entscheidungsfindung, d.h. ein Recht auf Mitbestimmung verbunden. Diese allgemeine Analyse der Gestaltungsfaktoren kommt der präzisen Begriffsumschreibung der Partnerschaft im Einzelbetrieb in Teilgebieten bereits sehr nahe. Der plurale Begriff „Partnerschaft" beinhaltet demnach eine besondere Art, die Beziehungen der Menschen im Spannungsfeld verschiedenartiger Meinungen zu regeln, wobei das feudalistische oder patriarchalische Ordnungsprinzip abgelöst ist durch das Prinzip gleichwertiger Persönlichkeitsindividualität. b) Programmatische Forderungen der betrieblichen Partnerschaftskonzeption f,

Die Ansätze der betrieblichen Partnerschaft gehen zurück auf die Änderung der Sozialstruktur, die während des Zweiten Weltkrieges bzw. in der folgenden Aufbauphase einen Umbruch erlebte. Die gemeinsamen Kriegserlebnisse verwischten die dichotomischen Hierarchievorstellungen und ließen erstmals das Gefühl des „Auf einander angewiesenseins" bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern entstehen. Diese erzwungene Solidarität setzte sich fort im wirtschaftlichen Neubeginn der Nachkriegszeit 26, wo Unternehmer und Mitarbeiter im gemeinsamen selbstlosen Einsatz die zerstörten Betriebsstätten wiedererrichteten. Die „Trümmergemeinschaften" 27 der Nachkriegszeit vertieften das Gemeinschaftsgefühl der Kriegserlebnisse, das seinen organisatorischen Ausdruck in der „Errungenschaftsgemeinschaft" 28 der betrieblichen Partnerschaftskonzeption fand, die zunächst als institutionelle Sicherung der erfolgreichen Arbeitsgemeinschaften der Nachkriegszeit gedacht war, sich jedoch zu einer neuen kooperativen Betriebsverfassung weiterentwickelte. Die Partnerschaftskonzeption entstand also nicht aus einer geistigen Grundidee, sondern reale Erscheinungsformen erzwangen retrograd eine Erklärung des soziologisch-geistigen Phänomens. Daraus wird die Uneinheitlichkeit und Verwirrung über die Forderungen des Begriffsinhalts erklärbar.

Aus der Entstehung der Partnerschaft als Schicksalsgemeinschaft des Zweiten Weltkrieges 29 bzw. als Schaffensgemeinschaft der Wieder20 Vgl. v. Knüpff er, R., Das Wollen der A G P — erprobt in einem Jahrzehnt, A G P - M i t . vom 1.10.1960, S. 2 f.; Herrmann, B., Die Idee der betrieblichen Partnerschaft i m Spiegel der Publizität, A G P - M i t . vom 1.10. i960, S. 6 f. 27 Herrmann, B., Das Ordnungsprinzip der Partnerschaft, a.a.O., S. 1. 28 Der Ausdruck wurde von Spindler geprägt. Vgl. Herrmann, B., Partnerschaft hat sich bewährt, AGP-Mit. vom 1. 5.1956, S. 5. 29 Vgl. dazu auch Völker, R., zitiert bei Herrmann, B., Lohngerechtigkeit trotz verschiedener Leistung. Bericht über die Arbeitstagung der A G P in Borken, AGP-Mit. vom 1.2.1955, S. 6.

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B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

aufbauphase, ergibt sich sofort, daß Partnerschaft keine rein materiell ausgerichtete Beteiligung am Ergebnis des Unternehmens sein kann. Es muß Eissler widersprochen werden, der in der Partnerschaft lediglich eine „Beteiligung der Arbeitnehmer am Gewinn, den das Unternehmen durch das Zusammenwirken van Kapital, unternehmerischer Leistung und Arbeitskraft erzielt hat" 80 , sehen will 8 1 . Die rein materiellen Beteiligungsarten können niemals der Partnerschaftskonzeption gleichgesetzt werden, da die mannigfachen Versuche ähnlicher Art bereits im letzten Jahrhundert 32 gezeigt haben, daß die Arbeitnehmer damit nicht aus ihrem geistig-sozialen Abhängigkeitsverhalten herausgeführt werden können. Die Partnerschaft will mehr sein als ein verbessertes Entlohnungssystem. Deshalb kann umgekehrt unter dem Deckmantel 83 der Partnerschaft auch kein reines Erfolgsbeteiligungssystem im Betrieb eingeführt werden, in dem die Arbeitnehmer zu Recht einen raffinierten Trick sehen müßten, um „noch mehr Profit" aus ihnen „herauszuschinden"34. Steigerung der Arbeitsproduktivität und materielle Beteiligung der Mitarbeiter sind nicht identisch mit der Partnerschaftskonzeption. Beide Faktoren sind — wie noch zu zeigen sein wird — wichtige Bestandteile, die als materielle Folge der partnerschaftlichen Grundhaltung dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber gleichzeitig zugute kommen. So wenig die betriebliche Partnerschaft rein materiell zu identifizieren ist, so schädlich ist eine sozial-ethische Glorifizierung dieser Arbeitnehmerteilhabe am Betriebsgeschehen. „Partnerschaft ist auf das Gegenwärtige gerichtet . . . und . . . hat nichts mit der ethisch-verbrämten ,Werksgemeinschaft 1 zu tun 35 ." Partnerschaft ist Ausdruck einer rationalen Anpassung an die veränderten Sozial- und Arbeitsverhältnisse der Gegenwart. Es handelt sich um eine vernunftmäßige, uneingeschränkte und gemeinsame Verantwortung der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber bei so Eißler, G., Mitbestimmung und Partnerschaft, in: Arnold und Eißler, G., Reden bei der festlichen Übergabe des Rektorats, Tübingen 1955, S. 40. 01 Auch der „Große Brockhaus" vertritt mehr oder weniger diese rein materielle Partnerschaftsdeflnition. Vgl. Der Große Brockhaus, 8. Bd., Wiesbaden 1955, S. 767; auch Lenk sieht in der Partnerschaft lediglich eine wirtschaftliche Beteiligung der Arbeitnehmer, vgl. Lenk, E., a.a.O., S. 14 Fn. 41. 32 A m bekanntesten sind die Versuche von Freese in seiner „konstitutionellen Fabrik" (1884) und von Abbé in der „Carl Zeiss-Stiftung". Vgl. Freese,H., Die konstitutionelle Fabrik, 4. Aufl., Jena 1922, S. 80 ff. und Auerbach, F., Ernst Abbé — sein Leben, sein Wirken, seine Persönlichkeit, Leipzig 1918, S. 277 ff. 33 Vgl. Herrmann, B., Z u m 13. Oktober, AGP-Mit. vom 1.10.1953, S. 2. 34 v. Nell-Breuning, O., Partnerschaft, Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 8, Göttingen 1964, S. 222. 33 Herrmann, B., Sind die betrieblichen Sozialleistungen sozial?, A G P - M i t vom 1.1.1957, S.2.

II. Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement

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Erreichung des Betriebsziels 38, wobei allerdings die subordinierte Befehlsentgegennahme durch eine kooperative Mitbestimmung ersetzt wird. Selbstverständlich beruht sie auf der Grundlage der ethischen Anerkennung des Mitarbeiters als Individuum, jedoch ist dieses Ethos nicht geleitet von altruistischen Motiven 37 oder sozial-romantischer Schwarmgeisterei, sondern von Fairness und wohlverstandenem Eigeninteresse. Es muß deshalb Fischer widersprochen werden, der „soziale Liebe . . . in allen Maßnahmen der Betriebsorganisation" 38 als eine Zielfunktion der betrieblichen Partnerschaft verstanden haben will. Aus dem Faktor „soziale Liebe" heraus müßten sich alle Meinungsverschiedenheiten auflösen lassen. Diese Konsequenz wurde in der nüchternen Praxis des Betriebsalltags in keinem Partnerschaftsbetrieb erreicht. Meinungsverschiedenheiten und harte Auseinandersetzungen über gegensätzliche Vorstellungen gehören durchaus zur Tagesordnung und belegen die strukturelle „Normalität" der Partnerschaftskonzeption, die traditionelle Herrschaftsstrukturen im Betrieb nicht ohne Schwierigkeiten überwinden kann 39 . Es kann sich im Partnerschaftsbetrieb jedoch ein Stil 4 0 der Konfliktbereinigung herausbilden 41, der getragen ist von vorurteilsfreier Anerkennung der Persönlichkeit konfligierender Partner. Je sozial-unromantischer der Blick für diese Zusammenhänge ist, desto eher werden sich die Ziele der Partnerschaftskonzeption anstreben lassen. Bei allen Diskussionen in Partnerschaftsbetrieben wurde dem Verfasser sowohl vom Unternehmer wie auch von Mitarbeitern immer wieder versichert, daß Partnerschaft am besten im Klima absoluter Nüchternheit gedeiht und Schritt für Schritt pragmatisch erkämpft werden muß42; für romantische Gefühle bleibt hier kein Platz. PartnerVgl. auch ders., Idee und Wirklichkeit, A G P - M i t . vom 1.10.1958, S. 1. 37 Vgl. v. Nell-Breuning, O., Partnerschaft, a.a.O., S. 217. 38 Fischer, G., Partnerschaft im Betrieb, a.a.O., S. 46. Auch Schmidt spricht davon, daß Partnerschaft nicht „ohne Liebe für den Mitmenschen" entstehen kann. Vgl. Schmidt, D., Partnerschaft i m Betrieb, Praktische Psychologie, Nr. 7/8 1966, S. 180. 3® Zur Anfechtung betrieblicher Machtstrukturen als sozialer Konflikt in der Gegenwart vgl. Dahrendorf, R„ Gesellschaft und Freiheit, München 1961, S. 216; und ders., Industrie- und Betriebssoziologie, a.a.O., S. 99 ff. 40 Oetinger, F., Partnerschaft, a.a.O., S. 108, spricht von „Aktivität der geistigen Selbständigkeit" als Kooperationsziel. Vgl. auch Fürstenberg, F., Grundfragen der Betriebssoziologie, Köln und Opladen 1964, S. 136, 41 Den Stilwandel in der Zusammenarbeit betonen v. Knüpffer, R., Erfahrungsaustausch mit Betriebsleitern, A G P - M i t . vom 15.8.1963, S. 5, und Fischer, R., Betriebstreue und Mitarbeitertreue, A G P - M i t . vom 1.4.1963, S. 1. 42 Vor allem wurde diese Ansicht von Unternehmerseite vertreten, so z. B. von Ludwig Rexroth bei einer Diskussion mit Studenten am 12.1.1965 in Lohr a. M. und Peter Völker am 12.7.1966 in Kassel.

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B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

schaft ist in ihrer Struktur und ihren Auswirkungen „etwas durchaus Nüchternes . . . und Unromantisches, und für ihre Verbreitung ist es vielleicht abträglich gewesen, daß sie hie und da mit einem zu starken sozialen Pathos umgeben wurde" 43 . Neben der sozial-romantischen Variante sind ebenso alle Versuche abzulehnen, die Partnerschaft als eine Form des überkommenen patriarchalischen Führungsstils zu identifizieren. Die ständige Pflege zwischenmenschlicher Kontakte dient primär zur Herausbildung eines individuellen Mitarbeiterverhältnisses, nicht aber der patriarchalischen „Bemutterung" und Versorgung der Mitarbeiter. Partnerschaft ist keineswegs identisch mit sozialer Mildtätigkeit. Die Praxis hat erwiesen, daß auch die großzügigsten 44 freiwilligen Sozialaufwendungen das Mißtrauen der Mitarbeiter gegenüber der Unternehmensleitung nicht beseitigen kann. Teilweise führen diese Zuwendungen zu einer Konfliktbereicherung, da sich die Arbeitnehmer durch den „sozialen Klimbim" in ihrer Mündigkeitsforderung negiert sehen. Beutz irrt, wenn er meint, daß Partnerschaft die Bereitwilligkeit des Unternehmers voraussetzt, „den Mitarbeitern alle Sorgen abzunehmen, soweit dies betrieblich möglich ist" 45 . Dies würde in letzter Konsequenz zur Bejahung des Patriarchalismus nach dem Muster v. Stumm-Halbergs führen, der es als größtes Unglück des Menschen betrachtete, mit der falschen Frau verheiratet zu sein und deshalb die Verantwortung für die Gattinnenwahl seiner Mitarbeiter auf sich nahm und ihnen vorschrieb, wen sie zu heiraten hatten 46 . Eine derartige Verbindung von Betriebsführung mit der Intimsphäre der Mitarbeiter im patriarchalischen Führungsstil, der durch die Mitbestimmungsgesetze und die fortschreitende Entideologisierung der Arbeit „auf längere Sicht nicht mehr lebensfähig" 47 sein kann, müßte 43 Herrmann,

B., Idee und Wirklichkeit, a.a.O., S. 2.

44

Nach 1950 zeigte sich ein ständiges Anwachsen der freiwilligen Sozialleistungen, die als Lohnsatz tarifvertraglich nicht fixiert wurden und so im Konjunkturabschwung ohne Schwierigkeiten abgebaut werden konnten. Vgl. u.a. Gaugier, E., Zusätzliche Sozialleistungen in der betrieblichen Praxis, München 1957, S. 54 ff.; Pleiß, U., Freiwillige soziale Leistungen der industriellen Unternehmung, Berlin 1960, S. 32 ff.; Spiegelhalter, F., Betriebliche Sozialaufwendungen im Spiegel der Kritik, Der ArbGeb 1954, S. 275—276; Lelonek, H., Betriebliche Sozialpolitik oder soziale Betriebspolitik?, Gew MonH 1954, S. 13—21. « Beutz, H., Kommentare zum Manifest der selbständigen Unternehmer, in: Die Aussprache, 3. Jg., Nr. 10 vom Oktober 1953, S. 147 (Herv. v. Verf.). 4 « Vgl. Kellner, W., Der moderne soziale Konflikt. Seine Ursache und seine Uberwindung im Betrieb, Stuttgart 1961, S. 23. 47 Goossens, F., Handbuch der Personalleitung, Bd. I., München 1959, S. 43; vgl. ähnlich: ders., Personalleiter Handbuch, München 1966, S. 43.

II. Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement

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für die Partnerschaftskonzeption „tödlich" sein, da jede Eigeninitiative, jedes Entwickeln von Eigenverantwortung, unterbunden wird. Die Abhängigkeit des einzelnen im patriarchalischen Führungsstil wird in der Partnerschaftskonzeption bewußt ersetzt durch selbständige Mitbestimmung und Mitverantwortung. Auch jede Gewährung von Mitbestimmungsrechten nach freiem, willkürlichem Ermessen des Unternehmers ist Patriarchalismus und kann noch nicht als Partnerschaft deklariert werden. Die Partnerschaftskonzeption vermeidet im Gegensatz zum Patriarchalismus also weitgehend jedes Eindringen in die Individualsphäre des Mitarbeiters. Sie umfaßt begriffsdeflnitorisch nicht alle Lebensbereiche der Partner. Man sollte deshalb vermeiden, von einer „Betriebsfamilie" zu sprechen, da Partnerschaft keine Ehe ist 48 . Der Mitarbeiter verkauft sich nicht selbst an den Betrieb, sondern steht ihm „in Freiheit und Würde als sein Partner" 4 9 gegenüber. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß Partnerschaftsbetriebe keine altruistischen Fürsorgevereine sind. Zur Erfüllung ihrer partnerschaftlichen Aufgaben ist auch für sie die Gewinnerzielung am Markt selbstverständliche Voraussetzung. Die Bindung der Partner muß sich auch hier primär auf die Leistungserstellung im Unternehmen beschränken, da jeder Partnerschaftsbetrieb im Wettbewerb bestehen muß. aa) Mitbestimmung als Basiselement der Partnerschaft Welches sind nun nach dem Versuch einer negativen Abgrenzung der Partnerschaft die Grundzüge dieser betrieblichen Strukturform? Eine einheitliche Meinungsbildung kann auch hier nicht konstatiert werden. Schon die Begriffsinhalte der „Pioniere" der Partnerschaft lassen entweder eine besondere Bezugnahme auf das materielle Anliegen bzw. eine Uberbetonung des mentalen Elements erkennen. Nach Naegele, der in seinem Betriebs- und Sozialstatut der UnionWerke als einer der ersten Unternehmer den Gedanken der Partnerschaft konzipierte, setzt die Partnerschaft „zunächst eine Beteiligung des Arbeitnehmers am wirtschaftlichen Erfolg eines Betriebes voraus" 50 . Daraus sei ein Rechtsanspruch auf regelmäßige Unterrichtung, auf 48 Vgl. Herrmann, B., Betrieblicher Wohnungsbau und Partnerschaft, Berichterstattung von der AGP-Arbeitstagung am 9. April 1954 bei der Duisburger Kupferhütte, A G P - M i t . vom 1. 5.1954, S. 5. 49 v. Nell-Breuning, O., Partnerschaft, a.a.O., S.223. so Naegele, H., U m die Partnerschaftsgesetzgebung, M u A 1953, S. 140 (Hervorgehoben v. Verf.).

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B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

Einsicht in die Bilanz und auf wirtschaftliche Mitbestimmung abzuleiten. Durch diese Anforderungen wird die Partnerschaftskonzeption aus einer rein materiell orientierten Beteiligungsform abgeleitet, während Fischer als akademischer Mentor dieser Idee, Partnerschaft zunächst als soziale Betriebsgemeinschaft, welche „die Anerkennung und Verwirklichung der Grundsätze der Sozialethik" verlangt 51 , versteht. Auch bei Spindler und Kuss, den wohl bekanntesten Vorkämpfern der betrieblichen Partnerschaftskonzeption, wird die sozialethische Idee einer mehr materiell abgeleiteten Begründung untergeordnet. Nach Spindler geht die Partnerschaft vom Ordnungsprinzip der Produktion aus. Die persönliche Mitwirkung des einzelnen an der gemeinschaftlichen Erstellung des Produkts wird als Richtmaß für seine soziale Bewertung eingesetzt52. Kuss sieht das Primäranliegen der Partnerschaft in der gerechten Verteilung des Ertrages auf beide Produktionsfaktoren entsprechend den beiderseitigen wirtschaftlichen Leistungen und Risiken, die sich im sog. „Ergebnislohn" ausdrücken 53. Als neuer Akzent wird von diesen Partnerschaftspraktikern der Gedanke der Mitbestimmung als wesentliches Element der Partnerschaft in den Vordergrund gestellt. Durch uneingeschränkte Mitbestimmung will Kuss das Vertrauen der Arbeitnehmer gewinnen und den Arbeitsfrieden sichern, da „notwendige Folge des Ergebnislohnes die Gewährung der uneingeschränkten Mitbestimmung an die Belegschaft" ist, während „umgekehrt auch die notwendige Folge der Mitbestimmung die Zahlung des Ergebnislohnes ist" 54 . Auch bei Spindler findet man eine ähnliche Betonung der Mitbestimmung, die neben der materiellen Beteiligung als tragendes Element der Partnerschaft wirksam wird. „Die Partnerschaft schließt . . . eine loyale Mitwirkung, Mitbestimmung, Mitverantwortung und Mitbeteiligung ein, die alle Mitarbeiter . . . zu Teilhabern macht, deren Anteil sich nach der Leistung bemißt. Nicht der . . . friedliche oder gütliche Ausgleich ist Kern der Partnerschaftsidee, sondern die Teilhabe 55 ." 51 Fischer, G., Die geistigen Grundlagen der Partnerschaft, M u A 1953, S. 4; vgl. auch dersOrganisatorische Maßnahmen zur Partnerschaft, M u A 1954, S.2. 52 Vgl. Spindler, G. P., Mitunternehmertum, a.a.O., S. 92. 53 Vgl. Kuß, E., Mitbestimmung und gerechter Lohn als Elemente einer Neuordnung der Wirtschaft, Duisburg 1951, S. 9. 54 Ebd., S. 20.

5ß Spindler, G. P., Mitunternehmertum, a.a.O., S. 91.

II. Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement

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Rexroth, als weiterer Partnerschaftsunternehmer, stellt die retrograde Entwicklung der sozial-ethischen Voraussetzungen aus der Beteiligung der Arbeitnehmer in den Vordergrund seiner Definition. Partnerschaft wird bei ihm verstanden als ein neuer Stil der Betriebsführung, durch den das Zusammenwirken von Kapital und Arbeit auf der Basis der Gleichberechtigung gestaltet wird 6 6 . Die Gleichberechtigung soll erreicht werden durch eine unmittelbare Einwirkung des einzelnen Mitarbeiters auf das Betriebsgeschehen. Die Mitbestimmung wird bei Rexroth in den Mittelpunkt der Partnerschaftskonzeption gestellt, ohne die partnerschaftliche Sozialziele nicht verwirklicht werden können. „Den Kern der Partnerschaftsidee stellt das Angebot dar, dem Mitarbeiter weitgehende Mitwirkungsrechte einzuräumen" 57 , um ihn auf diesem Weg aus dem Status des traditionellen Lohnarbeiters herauszuführen. Als Folge der Mitbestimmung ergibt sich dann eine materielle Ertragsbeteiligung und eine innere Beteiligung, die sich in der Befähigung der Mitarbeiter zur Übernahme von Verantwortung und Verbesserung der vertrauensvollen Zusammenarbeit ausdrückt 58. Diese verschiedenen Interpretationen zeigen eine unterschiedliche Akzentuierung der mentalen bzw. materiellen Wesensart der betrieblichen Partnerschaft. Besonders bedeutsam erscheint die Betonung der Mitbestimmung als unabdingbares Kriterium der Partnerschaft, die als Bindeglied zwischen der mehr materiellen Betrachtungsweise und der rein geistigen Durchdringung des Problemanliegens dienen kann. Der Ausdruck „Partner" bezeichnet sehr treffend die geistige und materielle Teilhabe von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, verdeutlicht aber gleichzeitig die bestehende Abhängigkeit beider Produktionsfaktoren voneinander. Man wird dem Problemkreis wohl nur gerecht werden können, ivenn man von einer ganzheitlichen Gesamtbetrachtung ausgeht Die Verzahnung von materiellen und ideellen Gesichtspunkten59 kommt auch in den Definitionen der überregionalen Interessenverbände zum Ausdruck. Der Verein zur Förderung der Partnerschaft in Österreich versteht unter betrieblicher Partnerschaft „die auf die Interessen des Betriebsganzen gerichtete vorbehaltlose Zusammenm Vgl. Rexroth, L., Partnerschaft als betriebliches Ordnungsprinzip, A G P Mit. vom 15.5.1965, S. 1. 57 Ebd., S. 2. 58 I n dieser Zielsetzung umriß L. Rexroth die Partnerschaftskonzeption der G. L. Rexroth GmbH bei einer Diskussion mit Studenten und dem Verfasser am 12.1.1965 in Lohr am Main. 5® Vgl. dazu auch Stroszeck, W., Partnerschaft als betriebswirtschaftliche Realität, ZfB 1951, S. 509.

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B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

arbeit von Kapital und Arbeit bzw. von Unternehmungsleitung und Mitarbeiterschaft, mit dem Ziel, den Betrieb zu einer über dem Klassenkampf stehenden organischen Lebensgemeinschaft werden zu lassen"60. Dabei soll eine Beteiligung der Mitarbeiter am Erfolg des Betriebes als Element der Partnerschaft vertraglich nicht gesichert werden. Diese Inhaltsabgrenzung geht wiederum von einer partnerschaftlichen „Lebensgemeinschaft" aus, die in dieser Arbeit als zu weitgehendes Ziel ausgeschlossen wurde, und betont zu stark die mentale Komponente der Gesamtkonzeption. Die am 13. Oktober 1950 in Deutschland gegründete Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Partnerschaft (AGP) bemüht sich in ihrer offiziellen Definition um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den materiellen und geistigen Grundzügen dieser Strukturform. Nach den Grundsätzen der AGP ist Partnerschaft „jede innerbetrieblich festgelegte Form der Zusammenarbeit zwischen Unternehmensleitung und Mitarbeitern, bei der außer einer ständigen Pflege der zwischenmenschlichen Beziehungen eine Mitwirkung und Mitverantwortung sowie eine materielle Beteiligung der Belegschaft am Betriebsergebnis vertraglich vereinbart ist" 81 . Diese Definition enthält die allgemeinen Mindestnormen, ohne deren Vorhandensein nicht 62 von betrieblicher Partnerschaft gesprochen werden kann. Die Aufschlüsselung der Mindestanforderungen läßt drei wesentliche Bestandteile erkennen, die geistig und materiell orientiert sind 63 : a) Ausprägung einer zweiseitigen Betriebsverfassung durch innerbetriebliche Zusammenarbeit zwischen Unternehmensleitung und Mitarbeitern. b) Vertragliche Beteiligung der Mitarbeiter am Ergebnis des Betriebs. c) Mitwirkung

und Mitverantwortung

durch die Mitarbeiter.

Die beiden erstgenannten Mindestanforderungen müssen im Bahmen dieser Arbeit weitgehend ausgeklammert werden; lediglich zur Wahrung der Gesamtzusammenhänge werden sie kurz angedeutet. 60

S. 1. 61

S.l.

Herrmann,

B., Der Trend zur Partnerschaft, AGP-Mit. vom 1.10.1957,

Zitiert bei Herrmann,

B., Das Ordnungsprinzip der Partnerschaft, a.a.O.,

62 Vgl. Hornö, A., Partnerschaft als gesellschaftliche Reform, AGP-Mit. vom 15. 2.1963, S. 2. 63 Nach dieser offiziellen Begriffsbegrenzung ist Partnerschaft nicht primär „Pflege der menschlichen Beziehungen", wie Günther behauptet. Vgl. Günther, M., Der Einfluß der Partnerschaft und Erfolgsbeteiligung auf die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe, Diss. Marburg/Lahn, hrsg. von der AGP,

II. Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement

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bb) Ausprägung einer zweiseitigen Betriebsverfassung Betriebliche Partnerschaft setzt eine gemeinsame Basis des Zusammenwirkenwollens voraus, d. h. die Ordnungsstruktur im Partnerschaftsbetrieb ist gekennzeichnet durch Ablösung dichotomischer Klassenkampfvorstellungen 64 und Anerkennung der teilweisen Interessenübereinstimmung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der Zwiespalt, der bisher durch die „Frontenbildung" zwischen den Arbeitnehmern und „den da oben" herrschte, soll durch eine von beiden Seiten bejahte Zusammenarbeit in ein mitmenschliches Verhältnis umgewandelt werden 65 . Diese zweiseitige Betriebsverfassung kann nur unter Anerkennung des Mündigkeitsanspruchs der Arbeitnehmer erreicht werden. Die Gleichwertigkeit des Faktors Arbeit im Partnerschaftsbetrieb ist deshalb so bedeutungsvoll, weil alle empirischen Untersuchungen der letzten Jahre bewiesen haben, „daß fast überall geradezu ein Hunger nach Anerkennung festzustellen ist" 66 . Offensichtlich mangelt es an der Bereitschaft, die personale Einheit des einzelnen anzuerkennen, wodurch sich die eigentliche Grundwertvorstellung der Partnerschaftskonzeption auszeichnet. Die primäre Beachtung des Mitarbeiters als gleichwertiges Individuum und nicht als Kostenfaktor im Produktionsprozeß kommt dem elementaren Grundbedürfnis des Arbeitnehmers auf Erweiterung des Geltungs- und Verantwortungsspielraumes entgegen und dient somit der Verdichtung der zwischenmenschlichen Beziehungen im Partnerschaftsbetrieb 67. Diese Linderung der Entfremdungssituation schlägt sich im Partnerschaftsbetrieb nicht nur in einer Lösung der Konfliktsituation zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nieder, sondern auch in der „Überwindung des Klassenkampfes" zwischen der Belegschaft unter sich. Oftmals setzen gerade die leitenden Angestellten Hilden 1965, S. 14. — Ähnlich Schindler, J., Partnerschaft im Betrieb. 3 Jahre Erfahrungen der H. F. Kistner Baugesellschaft, Bremerhaven 1956, S. 9, und Fischer, G., Partnerschaft im Betrieb, a.a.O., S. 24. «4 Vgl. auch Klein, P., Partnerschaft als fortschrittliche Betriebsverfassimg, AGP-Mit. vom 15.11.1965, S. 2. 68 Vgl. Steinjan, W., Soziale Partnerschaft aus evangelischer Sicht, M i t bestGespr. Nr. 10 1960, S. 7; Rieh, A., Christliche Existenz in der industriellen Welt, Zürich 1957, S. 157; Wendland, H . D . , Partnerschaft christlich gesehen, GewMonH 1955, S. 654. es Goossens, F., Handbuch der Personalleitung, a.a.O., S.307; ähnlich Gross, H., Manager von Morgen, a.a.O., S. 58. 67 Vgl. v. Knüpffer, R., Aus der Arbeit der AGP, A G P - M i t . vom 1.1.1965, S. 6; Herrmann, B., Die soziale Sicherheit in der Partnerschaft, AGP—-Mit. vom 1.4.1954, S. 2.

7 Maler

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B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

der mentalen Komponente starken Widerstand entgegen68, da sie um ihre traditionellen Machtbefugnisse 69 und ihre aus der Nähe zum Unternehmer begründete Autorität fürchten 70 . Die Ausprägung einer zweiseitigen Betriebsverfassung verlangt demnach sowohl vom Unternehmer als auch von den Mitarbeitern den Verzicht auf egoistisches Handeln. Die Partnerschaft wird sofort zum mythologischen Trugbild, wenn die Anerkennung der Personenhaftigkeit des Mitarbeiters sich nicht in den Maßnahmen des betrieblichen Alltags realisiert. Er muß wissen, daß seine Persönlichkeit 71 auch in der niedrigsten Hierarchiestufe anerkannt wird, zumal die monotone Fließbandarbeit der arbeitsteiligen Wirtschaft das Gefühl des materiellen und geistigen Verlorenseins noch72 verstärkt hat. Die Partnerschaftskonzeption will damit die aus der produktionstechnischen und wirtschaftlichen Abhängigkeit drohende menschliche Beherrschung des Arbeitnehmers so weit als möglich verhindern. Eine völlige Abwendung dieser Gefahr wird in der derzeitigen Organisationsform der Partnerschaftsbetriebe nicht möglich sein, da sie die volle Gleichberechtigung bei der Entscheidungsfindung bedingen würde. I m Partnerschaftsbetrieb derzeitiger Prägung bleibt die letzte Entscheidungsfindung im wesentlichen dem Unternehmer vorbehalten, da das mentale Anliegen nilcht auf Koordination, sondern lediglich auf Kooperation gerichtet ist. Die hierarchische Rangordnung ist jedoch ausschließlich aus den wirtschaftlichen Notwendigkeiten des Betriebes abgeleitet, d. h. die Weisungsbefugnis ergibt sich aus der Stellung des einzelnen am Arbeitsplatz 73 . Die zweiseitige Betriebsverfassung bedingt damit einen Verzicht auf die willkürliche Ausübung unternehmerischer Macht und ersetzt diese durch eine besondere Fürsorge- und Treuepflicht 74. Vgl. Abel, M., Beitrag zur Diskussion „Der leitende Angestellte im Partnerschaftsbetrieb", A G P - M i t . vom 1.1.1963, S. 5. 6» Vgl. Rüssel, A., Arbeitspsychologie, Bern—Stuttgart 1961, S. 327. 70 Vgl. Walter, W., Der leitende Angestellte im Partnerschaftsbetrieb, AGP-Mit. vom 1.10.1962, S. 1. 71 Die Persönlichkeitsbildung wird als Aufgabe der Partnerschaft immer wieder betont. Vgl. Schoeller, G., Partnerschaft dient der Persönlichkeitsbildung, A G P - M i t . vom 15.2.1961, S. 1 f. und Fischer, G., Partnerschaft, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 3. Bd., Stuttgart 1960, Sp. 4281 f. Vgl. hierzu auch Steinleitner, F., Die Partnerschaft und ihre Probleme, unter besonderer Berücksichtigjung der Lage in den erzeugenden Kleinund Mittelbetrieben, Diss. Wien 1962, S. 55. 73 Vgl. auch Völker, R., Partnerschaft im Baubetrieb. Ertragsbeteiligung und Vermögensbildung, Hilden 1965, S. 31. 74 Vgl. Weiss, A., Partnerschaft hat verschiedene Bedeutung, AGP-Mit. vom 1.1.1954, S.3.

II. Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement

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Spindler leitet daraus die Verpflichtung des Arbeitgebers ab, das Unternehmen weitgehend als Treuhänder im Interesse aller führen zu müssen76. Auch wenn man diese Ansicht nicht völlig teilt, weil damit in letzter Konsequenz die Bestellung und Abberufung des treuhänderischen Unternehmens durch die Mitarbeiter bedingt ist, so wird durch die partnerschaftliche Betriebsordnung die Machtausübung stark gemäßigt, da sie in die Freiheitssphäre des einzelnen nur in Verfolgung des Betriebszwecks eingreifen kann. Dies hat wiederum eine besondere Form der Organisation zur Folge, in der das zweiseitige Anliegen der partnerschaftlichen Stilstruktur berücksichtigt wird 7 6 . Die besondere Partnerschaftsorganisation als Ausdruck der zweiseitigen Betriebsverfassung ist gekennzeichnet durch das Subsidiaritätsprinzip, das die Integration des Arbeitnehmers durch Übertragung weitgehendster Aufgaben- und Verantwortungsbereiche zu verwirklichen sucht. Der Arbeitnehmer erhält dadurch die Chance zur Stärkung und Entfaltung seiner Persönlichkeit 77, womit eine Linderung der Entfremdungssituation erreicht wird. Mit der Schaffung von Selbstverantwortungsbereichen ist eine weitgehende Delegation von Leitungsbefugnissen verbunden. Diese verantwortungsschaffende Dezentralisation ändert die persönliche Verantwortung der Unternehmensführung jedoch nicht in Kollektiv V e r a n t wortung ab, wie Steidl meint 78 , weil damit der Persönlichkeitswert des einzelnen wiederum gemindert würde. Gerade die Eigenverantwortlichkeit des einzelnen wird ja geschützt durch klare Unterstellungsverhältnisse 79 und die Abgrenzung des Verantwortungsspielraumes nach fachlichen und vor allem menschlichen Fähigkeiten des Partners 80 . 75 Vgl. Spindler, G. P., Der Auftrag des Unternehmers, AGP-Mit. vom 1.4.1960, S.2. ™ Vgl. dazu Frey, G., Die besondere Problematik der betriebsorganisatorischen Verwirklichung betrieblicher Partnerschaft, Diss. München 1955, S. 58 ff. 77 Die Dezentralisation wird das adäquate Organisationsprinzip der Partnerschaft sein müssen, da das Subsidiaritätsprinzip diese Organisationsform fordert. Vgl. Kirsch, G., Machtverteilung im Unternehmen. Von der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips im Unternehmen, Köln 1967, S. 118 ff. 78 Vgl. Steidl, P., a.a.O., S. 1. Steidl meint, daß die Unternehmensführung infolge der Verantwortungsdezentralisation die Verfügungsgewalt über Produktionsmittel aus dem persönlichen Verantwortungsbereich verliert. Eine derartige Verantwortungsdelegation konnte jedoch in keinem Partnerschaftsbetrieb festgestellt werden. 79 Vgl. Völker, R., Wilhelm Völker, Borken Bez. Kassel, AGP-Mit. vom 1.4.1954, S.3. so vgl. auch Oetinger, F., a.a.O., S. 104f.; Fischer, G., Partnerschaft, a.a.O., S. 28; ders., Grundlage und Gestaltung der betrieblichen Partnerschaft, 2. Aufl., Hilden 1964, S. 19 ff.; o.V., Die Duisburger Beschlüsse der AGP, AGP-Mit. vom 1.5.1954, S. 1; Kampschulte, F., Aus den Erfahrungen der „AGP", M u A 1951, S. 198.

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B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

Der organisatorische Betriebsablauf wird also i m Partnerschaftsbetrieb soweit möglich mit den Anforderungen an die Person abgestimmt sein. Zusammenfassend kann als Ziel des mentalen Anliegens der Partnerschaft die Schaffung einer zweiseitigen Betriebsverfassung angesehen werden. Diese äußert sich in der Überwindung des dichotomischen Klassenkampfbewußtseins durch ein auf der persönlichen Leistung aufgebautes Ordnungsprinzip, das jeden Mitarbeiter in seiner persönlichen Integrität als selbstverantwortliches Subjekt anerkennt. Die Objektsituation des Arbeitnehmers zu beseitigen, zumindest aber wesentlich zu mildern, ist somit geistiges Leitsymbol der Partnerschaft, die diesesZiel durch konsequente Anwendung des Subsidiaritätsprinzips unter Respektierung der Autorität und Funktion des Unternehmers zu erreichen in der Lage ist, ohne dabei — entgegen der Ansicht von Böhm — die Betriebstechnik des Mittelalters und der Feudalzeit wieder aufrichten zu müssen81. Die Partnerschaftskonzeption setzt demnach die Einsicht des „Aufeinanderangewiesenseins" von Unternehmer und Mitarbeiter als gleichwertige Produktionsfaktoren voraus und führt zur Überwindung der geistigen Autarkie- und Autonomiebestrebungen durch eine mehrstufige, bewußt gestaltete vertrauensvolle Zusammenarbeit. Die Aufgabe eines Teils der traditionellen Ungebundenheit und Freizügigkeit durch beide Seiten 82 läßt eine zweiseitige, kooperative Betriebsverfassung entstehen, die Spindler als „Errungenschaftsgemeinschaft" 83 sehen will und die zur materiellen Beteiligung bzw. zur Teilhabe an der Entscheidungsfindung führen muß. Ferner bedingt die mentale Zielsetzung im Rahmen der angestrebten zweiseitigen Betriebsverfassung nicht nur die Aufgabe autonomer Zielvorstellungen, sondern auch den Verzicht auf die Machtmittel zur Durchsetzung derart egozentrischer Vorstellungen. Der Streik als stärkstes klassenkämpferisches Instrument der Arbeitnehmer kann als systemwidriger Tatbestand der zweiseitigen Betriebsverfassung nie zur Diskussion stehen. Die Aussperrung als Mittel zur Erhaltung der Kampfparität ist ebenfalls als nicht systemkonform abzulehnen, st Vgl. Böhm, F., Die rechtliche Problematik der paritätischen Mitbestimmung, in: Mitbestimmung, Beiträge zur Problematik der paritätischen M i t bestimmung in der Wirtschaft, Stuttgart 1967, S. 154. 82 Spindler leitet daraus langfristig Bindungen ab, die nicht ohne weiteres wieder aufgelöst werden können. Vgl. Spindler, G. P., Grundlagen der betrieblichen Partnerschaft, M u A 1964, S. 109. 83 Spindler, G. P., Neue Unternehmensführung in der industriellen Gesellschaft, Hilden 1958, S. 17; ders., Erfahrungen mit dem Mitunternehmertum, AGP-Mit. vom 15.5.1964, S. 3.

II. Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement

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weil Streik und Aussperrung dem Streben um zweiseitige Kooperation diametral entgegengesetzt sind und sich im geistigen Anliegen der Partnerschaft von selbst verbieten. Der Unternehmer begibt sich durch diese conditio sine qua non des wirtschaftlich stärkeren Machtmittels, da Streik und Aussperrung — von juristischen Maßstäben abgesehen84 — wirtschaftlich nicht gleichwertig sind. Dem Arbeitnehmer fehlt langfristig — trotz gewerkschaftlicher Unterstützung — die Fähigkeit des „Wartenkönnens", da er für das Existenzminimum zu sorgen hat. Im geistigen Anliegen der Partnerschaft verzichtet der Faktor Kapital damit stärker auf Privilegien als der Faktor Arbeit. Die zweiseitige Betriebsverfassung als „Harmoniephrase" 85 ohne realen Hintergrund umreißen zu wollen, entbehrt bei der Streikanfälligkeit dieses Jahrhunderts 88 der sachlichen Rechtfertigung. cc) Materielle Beteiligung als konstitutives Merkmal der betrieblichen Partnerschaft Die betriebliche Partnerschaft rein mental definieren zu wollen, wäre ebenso verfehlt wie die Gleichsetzung dieser Konzeption mit irgendeiner materiellen Beteiligung am Betriebsergebnis. Die Fehlschläge mit sog. Gewinnbeteiligungen im 19. und 20. Jahrhundert 87 haben gezeigt, daß die klassenkämpferischen Gegensätzlichkeiten im Betrieb nicht allein durch materielle Verbesserungen gelöst werden können 88 . 84 Vgl. dazu Bulla, G. A., Das zweiseitige kollektive Wesen des Arbeitskampfes, in: Festschrift für Hans Carl Nipperdey, München—Berlin 1955, S. 1631; BÖtticher, E., Waffengleichheit und Gleichbehandlung der Arbeitnehmer im kollektiven Arbeitsrecht, Karlsruhe 1956, S. 5; Nipperdey, H. C., in: Hueck, A., Nipperdey, H. C., Grundriß des Arbeitsrechts, 3. Aufl., Bd. 1, Berlin—Frankfurt 1965, S. 2731; Nikisch, A., Arbeitsrecht, Bd. I I , 2. Aufl., Tübingen 1959, S. 109; Losacker, L., Waffengleichheit im Arbeitskampf, RdA 1964, S. 99; Tomandl, T., Streik und Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes, Wien 1965, S.40ff. 85 Kassler, E., Der Schleier fällt, a.a.O., S. 66 (Hervorg. vom Verfasser). 86 Allein 1963 brachten Streik und Aussperrung einen Arbeitsausfall von etwa 2,2 Millionen Arbeitstagen. 1964 waren es rund 16 700 Arbeitstage. 1966 fielen durch Streiks 27 086 Arbeitstage aus, obwohl es sich lediglich um Warnstreiks handelte. Vgl. o.V., Verlorene Arbeitstage durch Arbeitskämpfe seit der Jahrhundertwende, WWI-Mitteilungen Nr. 4/5 1963, S. 127; o.V., Streiks im Jahre 1964, RdA 1965, S. 146; o.V. und ohne Titel, AGP-Mit. vom 15. 5.1967, S. 9. 87 Vgl. Frey, G., a.a.O., S. 115; Neumayer, W. W., „Direkt"«Gewinnbeteiligungen durch Leistungslohn und Plankostenrechnung, in: Die Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer, a.a.O., S. 2 4 1 88 Vgl. auch Gaugier, E., Der Weg der Partnerschaft i m Betrieb nach dem Zweiten Weltkrieg, M u A 1958, S. 234; v. Nell-Breuning, O., in: Ertragsbeteiligung der Arbeitnehmer, hrsg. von H. DuverneII, Berlin 1965, S. 20.

1 0 2 B . Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft Das Versagen dieser frühen Beteiligungsverfahren muß darauf zurückgeführt werden, daß sich unausgesprochen die von der Partnerschaft bewußt abgelehnte Absicht dahinter verbarg, die materielle Beteiligung als „Betäubungsdroge" 89 zur Erzielung einer höheren Arbeitsproduktivität zu verwenden. In der Partnerschaftskonzeption dagegen ist die materielle Teilhabe Ausfluß der gleichwertigen Betrachtung der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit, d. h. sie ist sichtbare Auswirkung des der Partnerschaft zugrundeliegenden geistigen Anliegens. Die materielle Beteiligung ist somit unabdingbares Strukturelement der betrieblichen Partnerschaft, weil nur durch die Teilhabe der Arbeitnehmer an allen wesentlichen Vorgängen des Betriebsgeschehens die volle Integration des einzelnen erreicht werden kann. Eine Partnerschaft ohne materielle Teilhabe wird langfristig unglaubwürdig und kann von gewerkschaftlicher Seite zu Recht als „Schutzideologie" zur unternehmerischen Eigenfinanzierung 90 apostrophiert werden. Umgekehrt ist eine materielle Beteiligung nicht immer mit betrieblicher Partnerschaft verbunden 91 . Ohne Erfolgsbeteiligung entsteht demnach keine echte Partnerschaft. Andererseits bedarf die materielle Beteiligung einer Ergänzung durch das mentale Anliegen. „Wenn die geistigen Voraussetzungen einer wirklichen Partnerschaft entfallen, dann nutzt das beste materielle Beteiligungsverfahren nichts92." Erst durch das Zusammenspiel beider Faktoren erfolgt eine Aktivierung des Leistungswillens der Mitarbeiter. Soziologische Betriebsuntersuchungen 93 bestätigen die Erkenntnis, daß von der Höhe des Lohnes die Arbeitsleistung allein nicht entscheidend beeinflußt wird 9 4 . Die in Partnerschaftsbetrieben 89 Vgl. Home, der diesen Ausdruck im Zusammenhang zur partnerschaftlichen Zielsetzung geprägt hat. Hornö, A., Partnerschaft im Betrieb, MitbestGespr. Nr. 3, 1960, S. 4. so Vgl. Schneider, D., Mitbestimmung der „Mitunternehmer"?, MitbestGespr. Nr. 3 1958, S. 3. 91 Vgl. auch Herrmann, B., Der Stand der betrieblichen Partnerschaft, ihre Möglichkeiten und Grenzen. Kleines Schrifttum zur Sozialpolitik und zum Arbeitsrecht, 3. Folge, Heft 1, München 1955, S. 18. 92 Herrmann, B., Protokoll über den internationalen Erfahrungsaustausch über betriebliche Partnerschaft, durchgeführt von der A G P vom 2.—4. Oktober 1956 in Bad Soden, Hilden 1956, S. 36. 93 vgl. Roethlisberger, F. J., Betriebsführung und Arbeitsmoral, Köln und Opladen 1954, S.21ff. 94 McGhee betont die Anerkennung des Menschen am Arbeitsplatz als wichtigster Faktor der Leistungshergabe. Vgl. McGhee, P. A., Der Mensch als Problem fortschrittlicher Betriebsführung, Leistungssteigerung und Betriebsklima, hrsg. von der Volkswirtschaftlichen Gesellschaft, Darmstadt 1954, S. 237 und besonders S.241.

I I . Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement festgestellte Arbeitsproduktivitätssteigerung also Ausfluß der Integrationswirkung beider

bis zu 25 Prozent F a k t o r e n sein.

103 muß

Bei Diskussionen i n Partnerschaftsbetrieben w u r d e i m m e r wieder festgestellt, daß von dieser A k t i v i e r u n g der Leistungsreserven nicht gerne gesprochen w i r d . M a n w i l l der Diskriminierungsargumentation, die die Partnerschaft als verkapptes „Stachanow-System" kennzeichnen möchte, keine neuen Ansatzpunkte liefern. D i e Leistungserhöhung sollte als Z i e l der Partnerschaft durchaus propagiert werden, da an dieser Produktivitätssteigerung 9 5 nicht n u r der Betrieb, sondern über die materielle Beteiligung i n gleicher Weise auch die Mitarbeiter profitieren 9*. Allerdings entsteht hier das Problem der gerechten Zurechnung des Mehrertrages aus dieser Leistungssteigerung auf die beiden Verursachungsfaktoren K a p i t a l und Arbeit, da ein mathematisch exakter Z u s a m m e n h a n g 9 7 zwischen Leistung und Betriebserfolg bis heute noch nicht bewiesen werden konnte* 8 . m Fischer spricht von einer Erhöhung der „Wirtschaftlichkeit" des Betriebes. Vgl. Fischer, G., Betriebliche Partnerschaft und Erfolgsbeteiligung, AGP-Mit. vom 1. 9.1955, S. 2. 9« Auch der Faktor Kapital muß an der Mehrleistung partizipieren, da ohne zur Verfügungstellung von Betriebsanlagen die Mehrleistung nicht erbracht werden kann. Vgl. auch Hector, R., Die Leistungsbeteiligung und ihre Durchführung auf der Grundlage der Plankostenrechnung, Diss. M ü n chen 1956, S. 195 ff.; Kampschulte, F., Leistungsgerechte Ertragsbeteiligung in der Praxis durch Planungsrechnung, ZfB 1951, S. 582; Günther, M., a.a.O., S. 138; Syrbius, G., Die Kostenersparnisbeteiligung der Firma Feinpapierfabrik Felix Schoeller jr. GmbH. Ein Erfolgsbericht, hrsg. von der AGP, 2. Aufl., Hilden 1961, S. 26 f. 97 I m Unterschied zum Kostenzurechnungsproblem, das eine mathematische Schlüsselung der Kosten nach dem Verursachungsprinzip auch nur in Grenzen zuläßt, müssen bei der Erfolgsschlüsselung zusätzlich Faktoren berücksichtigt werden, die nicht im ursächlichen Zusammenhang mit der Erbringung des Leistungsergebnisses stehen, so z.B. Markteinflüsse. Vgl. zu diesem Unterschied der Kostenzurechnungsproblematik u.a.: Heinen, E., Betriebswirtschaftliche Kostenlehre, Wiesbaden 1965, S. 121 ff.; Möller, H., Kalkulation, Absatzpolitik und Preisbildung, Tübingen 1962, S.94ff. besonders S. 97; Gaugier, E., Die Zurechnungsproblematik bei der Ertragsbeteiligung, a.a.O., S. 794. »8 Die sog. „Zurechnungsfrage" gilt bis heute als ungelöst. Vgl. dazu u.a.: Henzler, R., Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer, Idee und Wirklichkeit, in: Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer, Wiesbaden 1951, S. 20; Peter, H., Gewinn und Unternehmereinkommen, in: Die Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer, a.a.O., S. 107; Kolbinger, J., Gewinnbeteiligung und Zurechnungsfrage, ZfB 1961, S. 667; Coester, F., Volkswirtschaftliche Grundfragen der Gewinnbeteiligung, Köln 1952, S. 5—7; Kosiol, E., Leistungsgerechte Entlohnung, Wiesbaden 1962, S. 22; Huppert, W., Erfolgsbeteiligung der Arbeitnehmer, Berlin—München 1953, S. 26; Schmitz, W., Kapitalbeteiligung des Arbeitnehmers am arbeitgebenden Unternehmen, Berlin 1955, S. 11; Hartman, R. S., Partnerschaft von Kapital und Arbeit, a.a.O., S. 189; Gaugier, E., Die Zurechnungsproblematik bei der Ertragsbeteiligung, a.a.O., S. 791; Stahl, A., Die Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer, Diss. Bonn 1954, S. 99.

1 0 4 B . Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft Obwohl die Arbeitnehmer in Partnerschaftsbetrieben die betriebswirtschaftlich komplexen Probleme des Verteilungssystems nicht immer verstehen, entstand wegen der materiellen Teilhabe in allen vom Verfasser besuchten Partnerschaftsbetrieben nie Mißtrauen zwischen den Arbeitern und der Unternehmensleitung. Die Mitarbeiter vertrauen der Redlichkeit des Arbeitgebers und den Spezialausschüssen, die ihre Rechte auf die ihnen zustehenden Erfolgsanteile vertreten. In nicht partnerschaftlich orientierten Betrieben würde man die vielen Arbeitnehmern unverständlichen Verfahren als raffinierten Betrug bezeichnen, während man in der Partnerschaftskonzeption derartig komplizierte Regelungen als selbstverständliches Indiz der zweiseitigen Betriebsverfassung betrachtet. Wird ein Teilbetrag der Ausschüttungsquoten dem einzelnen Mitarbeiter im Betrieb gutgeschrieben, so kann sich daraus eine Kapitalbeteiligung ergeben. Der Mitarbeiter wird dann zum Mitunternehmer mit allen Konsequenzen der Gewinn- und Verlustpartizipation. I n vielen Partnerschaftsbetrieben werden durch die jährlichen Ergebnisbeteiligungsquoten die Kapitalbeteiligungsmöglichkeiten bewußt gefördert, um auch durch Vermögensbildung die Integration des Arbeitnehmers zu beschleunigen. Partnerschaft und Eigentumsbildung befruchten sich hier wechselseitig". So befinden sich im Partnerschaftsbetrieb Wilhelm Völker bereits 32 Prozent 100 des Gesamtkapitals in Händen der Mitarbeiter. I n der Nadelfabrik Theodor Groz und Ernst Beckert besaßen die Mitarbeiter vor dem Berlin-Ultimatum durch freiwillig im Betrieb stehengelassene Erfolgsgutschriften 41 Prozent des Gesamtkapitals. In anderen Partnerschaftsbetrieben finden sich Beteiligungsquoten bis zu 20 Prozent. I m Bauunternehmen Wilhelm Völker wird das Zusammenwirken von mentalen Elementen und materiellen Faktoren unmittelbar in der Höhe der Ergebnisbeteiligung bewußt, zum Ausdruck gebracht. Das zwischenmenschliche Verhalten innerhalb einer Leistungsgemeinschaft wird bei Bemessung des sog. „Leistungslohns" fast ebenso gewertet, wie die manuelle Arbeitsleistung. Die individuelle Persönlichkeitsbewertung dient damit als Grundlage einer materiellen Anteilsbemessung, deren Gestaltung deshalb bedeutsam erscheint, weil dem Mitarbeiter die Erfolgsanteile nicht 99 Zum partnerschaftlichen Inhalt des „312 DM"-Gesetzes vgl. Gaugier, E., Die gesetzliche Förderung der Erfolgsbeteiligung, AGP-Mit. vom 15. 8.1961, S. 1. 100 Diese Quote wurde dem Verfasser beim Besuch der Firma Völker im Juli 1966 mitgeteilt.

II. Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement

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als „patriarchalische Liebesgaben" zugeeignet werden, sondern auf Grund eines vertraglichen Anspruchs gefordert werden können. Damit kommt bei Völker die Verbindung des geistigen und materiellen Anliegens der Partnerschaftskonzeption unmittelbar in der Lohnhöhe des einzelnen Mitarbeiters zum Ausdruck. Dieses materielle Element der Partnerschaftskonzeption bei Völker übertrifft bislang alle gesetzgeberischen Ansätze. Weder im Vermögensbildungsgesetz noch in den Mitbestimmungsgesetzen finden sich Bestimmungen, welche die individuelle Leistung des Mitarbeiters zum Maßstab von Teilhaberechten im Betrieb machen. Nicht nur die individuelle Leistungsbemessung, sondern bereits die Fixierung eines vertraglichen Anspruchs auf Beteiligung am Leistungsergebnis, ist Ausdruck der Persönlichkeitswertung im Partnerschaftsbetrieb. Dieses Element der Partnerschaft sprengt sehr deutlich die engen Fesseln des Bietriebsverfassungsgesetzes und geht wesentlich über das Anliegen des Montanmitbestimmungsgesetzes hinaus. Das Recht auf materielle Teilhabe am betrieblichen Erfolg ist nicht nur als Ausfluß der prinzipiellen Gleichwertigkeit der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital zu sehen, sondern als Entgeltanspruch für die im Partnerschaftsbetrieb besonders ausgeprägte Form der Mitbestimmung begründet. Wie noch zu zeigen sein wird, weitet sich im Partnerschaftsbetrieb über die Mitbestimmung der Tätigkeitsbereich des Mitarbeiters. Die zusätzlich übernommene Verantwortung rechtfertigt auch einen Anspruch auf zusätzliche Teilhabe am materiellen Erfolg. Selbst die extremsten gewerkschaftlichen Forderungen zur Ausweitung der Mitbestimmung schließen keinen derartigen Anspruch auf Erfolgsbeteiligung ein. Lediglich Köpping und Höpp geben sich nicht mit der Übertragung der qualifizierten Mitbestimmung auf andere Wirtschaftszweige zufrieden. Sie fordern darüber hinaus eine Strukturänderung der Mitbestimmung mit dem Ziel, Erfolgs- und Vermögensbeteiligung 101 durch Mitbestimmung zu erreichen 102 . „Die Mitentscheidung der Arbeitnehmer... ist ohne Gleichberechtigung am Erfolg ein Fremdkörper in der Unternehmensverfassung, der zur Beseitigung

101 Vgl. Köpping, W., Noch kann die Mitbestimmung gerettet werden, a.a.O., S.365. 102 Auch Seidel argumentiert vorsichtig in dieser Richtung und befürwortet eine mehr materiell orientierte Gleichberechtigung, die als Folge der paritätischen Mitbestimmung dazu führen müßte, daß auch der Arbeitnehmer gleichberechtigt am Ergebnis des Betriebes beteiligt wird. Vgl. Seidel, H., Mitbestimmungsziele, Mitbestimmungsmöglichkeiten, Mitbestimmungswirklichkeit, a.a.O., S. 194.

1 0 6 B . Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft auffordert 103 ." Beide gewerkschaftlich orientierten Autoren gehen in ihrer Forderung nach paritätischer Erfolgsbeteiligung über das Ziel der Partnerschaftskonzeption hinaus. Sie verstehen „Partnerschaft vor allem hinsichtlich des Hauptzwecks der Unternehmung, des Unternehmenserfolgs" 104, d. h. paritätische Erfolgsbeteiligung und wirtschaftliche Mitentscheidung werden als unabdingbar miteinander verknüpftes Zielsystem angesehen105. Im Gegensatz dazu findet sich heute in keinem Partnerschaftsbetrieb ein Erfolgsbeteiligungssystem, das eine paritätische Aufteilung des Betriebserfolges ohne vorherigen Abzug von Kapitalprämien vorsieht. Darüber hinaus unterscheidet sich die Argumentation von Köpping und Höpp, die noch nicht in den offiziellen gewerkschaftlichen Forderungskatalog hineinzupassen scheint, vom betrieblichen Partnerschaftskonzept durch eine Verkehrung der Zielsetzung. I n der Partnerschaft wird die materielle Teilhabe als Folge einer Lösung der Objektstellung des Mitarbeiters, d. h. als notwendige Konsequenz der Integration des Arbeitnehmers in die zweiseitige Betriebsverfassung angesehen und nicht als unerläßliche Vorbedingung. Erfolgsbeteiligung ist nicht Voraussetzung, sondern Ausfluß der Anerkennung des sich in der Mitbestimmung nach Außen vollziehenden geistigen Mündigkeitsanspruchs des Arbeitnehmers. Diese den Thesen von Höpp und Köpping polar entgegengesetzte Zielprojektion des materiellen Anliegens der Partnerschaft, wird von den Arbeitnehmern durchaus erkannt und läßt sich durch viele Beispiele in Partnerschaftsbetrieben belegen. In den Lohrer Eisenwerken G. L. Rexroth bot der Betriebsrat während einer besonders starken Investitionphase freiwillig die Mithilfe der Belegschaft bei Errichtung eines Sozialgebäudes an, das im Investitionsplan vorläufig zurückgestellt worden war. Die Mitarbeiter stellten aus der Erfolgsbeteiligung D M 35 000 freiwillig zur Verfügung und ermöglichten damit die Erbauung der Betriebskantine zu einem früheren Zeitpunkt 106 . I m nämlichen Partnerschaftsbetrieb erreichte im Jahre 1961 die monatliche Erfolgsbeteiligungsquote 24 Prozent der Bruttolohnsumme, Höpp, G., Paritätische Unternehmensverfassung, a.a.O., S. 207. Vgl. Höpp, G., Mitbestimmung und Unternehmenserfolg, a.a.O., S. 164. 105 Auch auf Unternehmerseite findet man vereinzelt die Ansicht, daß sich die Mitbestimmungsdiskussion auf die Verteilung des Ertrags konzentrieren müßte. Vgl. Mann, A., Betriebliche Sozialleistungen und M i t bestimmung, Frankfurt/Main—Bonn o.J., S. 28. 104

106 Auskunft durch Herrn Ludwig Rexroth am Main.

am 12. Januar 1965 in Lohr

II. Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement

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was für das Unternehmen langfristig einen Substanzverlust bedeutet hätte. Nach Information der Mitarbeiterschaft schlug der Partnerschaftsausschuß von sich aus eine Kürzung des Erfolgsanteils auf maximal 13 Prozent vor. Ein ähnliches Verständnis des materiellen Elements der Partnerschaft wurde bei Rexroth 1963 deutlich, als der Erfolgsanteil von 16 Prozent im Jahr 1962 auf 10 Prozent im Jahr 1963 sank, von den Arbeitnehmern jedoch die gleiche Leistungsintensität erbracht wurde 1 0 7 . In der Vorarlberger Skifabrik Anton Kästle wird die Partnerschaftskonzeption bislang vor allem durch eine umfassende Unterrichtung 108 der Belegschaft über alle Angelegenheiten des Unternehmens praktiziert. Außer einem übertariflichen Lohn ist eine Erfolgsbeteiligung noch nicht realisiert. Trotz dieser relativ bescheidenen materiellen Teilhabemöglichkeiten respektierten die Mitarbeiter den Gedanken einer Leistungsgemeinschaft und erboten sich freiwillig, dem Eigentumsunternehmer in ihrer Freizeit ein Wohnhaus zu errichten 109 . Daß der Arbeitnehmer als integrierter Mitarbeiter den Zweck der Partnerschaft nicht primär in der Erfolgsbeteiligung sieht, bewies sich auch beim Bauunternehmen Wilhelm Völker. Die Belegschaft schlug vor einiger Zeit von sich aus vor, ihre zur Auszahlung fälligen Erfolgsanteile noch weiter im Betrieb zu belassen, um die Anschaffung eines schweren Baugerätes zu ermöglichen 110. Darüber hinaus entschieden sich die Mitarbeiter mit großer Mehrheit auf einen Teil der ihnen rechtlich zustehenden Erfolgsanteile zu verzichten, um einen Großbagger anzuschaffen, der bei einer momentanen Liquiditätsanspannung des Unternehmens nicht gekauft hätte werden können 111 . Noch einen Schritt weiter gingen die Arbeitnehmer der Paul Spindler-Werke in Hilden. Sie fanden sich bereit, in einer Betriebsumstellungsphase für neun Monate auf eine tarifliche Lohn- und Gehaltserhöhung zu verzichten, um dem Unternehmen in einer schwierigen Situation zu helfen 112 . 107 Gespräch des Verfassers mit Herrn Tatarko und dem Betriebsratsvorsitzenden Herrn Funsch am 12. Jan. 1965. los vgl. Hinterberger, Information leitet Partnerschaft ein, AGP-Mit. vom 1. 4.1963, S. 3. loe Auskunft durch Herrn Kommertialrat Kästle im November 1963 in Hohenems an den Verfasser. no Vgl. auch Völker, R., Sechs Jahre Miteigentum, A G P - M i t . vom 1.7.1957, S. 5. i n Diskussionsbeitrag eines Mitarbeiters beim Besuch der Baufirma W i l helm Völker am 12. Juli 1966. ii2 Die Mitarbeiter erklärten sich einverstanden auf eine Lohn- und Gehaltserhöhung für eine gewisse Zeit zu verzichten. Diese sollte für die Textilindustrie tarifvertraglich am 1. 4.1958 in Kraft treten, wurde aber bei Spindler erst am 1.1.1959 wirksam. Vgl. auch Spindler, G. P., Das M i t unternehmertum in der Feuertaufe gereift, A G P - M i t . vom 1. 8.1962, S. 3.

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B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

Die Reihe dieser Beispiele ließe sich beliebig verlängern. Sie zeigen alle gemeinsam, daß das Primäranliegen der Partnerschaft nicht identisch ist mit dem Anspruch auf Teilhabe am materiellen Erfolg oder durch diesen allein erreicht werden kann. Damit soll nicht behauptet werden, daß der Ergebnisbeteiligung als Formelement der Partnerschaft lediglich untergeordnete Bedeutung zukommt. Die Partnerschaft kann zwar ohne Erfolgsbeteiligung eingeführt werden, langfristig wird der Ausschluß des Arbeitnehmers vom materiellen Erfolg das Partnerschaftsanliegen zum Scheitern verurteilen. Eine rein geistig begründete Partnerschaftskonzeption, die Ansprüche im Arbeitnehmer weckt und intensiviert, jedoch zu keiner materiellen Teilhabe führt, erscheint den Arbeitnehmern als „sozial romantischer Betrugder den vollen Mündigkeitsanspruch der Arbeitnehmer negiert. Bei vielen Gesprächen in Partnerschaftsbetrieben kam immer wieder zum Ausdruck, daß der einzelne Arbeitnehmer einen sichtbaren Beweis seiner Persönlichkeitswertung fordert. Er fühlt sich durch die Teilhabe am Erfolg als Mitarbeiter gewürdigt und für voll genommen. Dieser Erkenntnis wurde 1966 im modifizierten Partnerschaftsvertrag der Paul Spindler-Werke Rechnung getragen. Die vertraglichen Bestimmungen sahen von 1951 113 bis 1965 die Bildung einer Sollrücklage vor, in die zur Deckung von Verlusten 114 bis zur Höhe eines durchschnittlichen Monatseinkommens die gesamten Erfolgsanteile der Mitarbeiter einzubringen waren. Infolge der Textilkrise mußten die Sollrücklagen zur Verlustdeckung 116 herangezogen werden. Durch die Pflicht zur Wiederauffüllung konnten jahrelang keine Ausschüttungen auf die Ertragsbeteiligung gewährt werden 116 , was negativ auf das Interesse der Mitarbeiter gegenüber der Partnerschaft wirkte. Seit 1966 werden die verteilbaren Erfolgsanteile der Arbeitnehmer lediglich zur Hälfte der Sollrücklage zugeführt und zur anderen Vgl. Spindler, G. P., Partnerschaft statt Klassenkampf, a.a.O., S.4; ders. y Mitunternehmertum, a.a.O., S. 102. 114 Vgl. Herrmann, B., Verwirklichtes Mitunternehmertum, M u A 1951, S. 225. »5 Das Verlustbeteiligungsverfahren der Paul-Spindler-Werke weist Lücken auf. Beim Ausscheiden eines Arbeitnehmers wird der noch nicht abgetragene Verlust des Sollrücklagenkontos gegen die sonstigen Forderungen des Arbeitnehmers aus dem Mitunternehmervertrag aufgeredinet. I n Frage kommen hier Forderungen aus der Substanzbeteiligung, die aus der jährlichen Gegenüberstellung der vermögenssteuerlichen Einheitswerte sich ergeben. Ein darüber hinaus noch verbleibender Verlustrest wird erlassen. Ein Arbeitnehmer, der den Betrieb verläßt und nach einiger Zeit wieder eintritt, kann damit automatisch den Ausgleich seines Sollrücklagenkontos erreichen. Vgl. o.V., Partnerschaft im Betrieb, BB 1951, S. 138.

II. Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement

109

Hälfte ausbezahlt. Dadurch erhalten die Mitarbeiter wesentlich früher einen sichtbaren Beweis ihrer materiellen Beteiligung. Die Änderung des Erfolgsbeteiligungsverfahrens bei Spindler bestätigt die Unabdingbarkeit einer unmittelbaren, real sich äußernden materiellen Teilhabe für das Gesamtanliegen der Partnerschaft. Das sozial-psychologisch bedeutsame Moment der Erfolgsbeteiligung äußert sich u. a. in einer gewissen „Angeberfunktion", die nicht unterschätzt werden darf. Die Arbeitnehmer kennen häufig den Stand ihrer aus der Erfolgsbeteiligung gespeisten Konten auswendig und „geben damit vor ihren Kollegen an". Dadurch erwächst ein gewisses „Wertgefühl" gegenüber dem Kapital, das zur Stärkung der Persönlichkeit führen kann. Nicht zuletzt wirkt sich die materielle Beteiligung auf das Verständnis und die Art der Ausübung von Mitbestimmungsrechten aus. Durch die Korrespondenz der individuellen Ergebnisbeteiligung mit der eigenen Leistungserbringung erkennt der Mitarbeiter die Bedeutung der Verantwortungsübernahme. Er wird durch diese Wechselbeziehung von seinem strukturell gestuften Mitbestimmungsrecht viel sinnvoller Gebrauch machen, als wenn er materiell nicht am Ergebnis beteiligt wäre. Materielles und Ideelles finden somit durch die Mitbestimmung in der Partnerschaft ihre Verbindung. Ein Formelement ist ohne das Gedankengut des anderen Faktors nicht denkbar. Beide Aspekte greifen vielfältig ineinander und bilden das organische Ganze der Partnerschaftskonzeption. Die Mitbestimmung dient dabei als dritte und zugleich tragende Säule des auf zweiseitiger Betriebsverfassung und materieller Teilhabe ruhenden Gebäudes. 3. Funktionsadäquate Konsolidierung der Mitbestimmung in der partnerschaftlichen Betriebsordnung Es wurde zu zeigen versucht, daß Partnerschaft primär nicht eine Frage der materiellen Beteiligung ist, sondern das Schwergewicht dieser Konzeption auf der sozialen Integration des Arbeitnehmers liegt. Dieses Ziel kann nur durch Mitteilhabe am betrieblichen Geschehen erreicht werden, womit der Mitbestimmung im Partnerschaftsbetrieb eine Leitfunktion zukommt. Dadurch erfahren die Zielfunktionen der Mitbestimmung eine besondere Ausgestaltung, die nur teilweise mit den allgemeinen Zielsetzungen der Mitbestimmung konform gehen. Partnerschaft ist damit jedoch nicht als Ersatz für Mitbestimmung gedacht, um diese „als überflüssig erscheinen zu lassen" 117 . Vielmehr wird durch Partnerschaft die Mitbestimmung im vollen Wortsinn erst erreicht. 117 Seidel, H., Sozialer Konflikt, Partnerschaft und Mitbestimmung, M i t bestGespr. Nr. 5 1965, S. 86.

B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft a) Funktionen der Mitbestimmung im Partnerschaftsbetrieb Die gesetzlichen Normen schreiben sowohl im Montanmitbestimmungsgesetz118 als auch im Betriebsverfassunggesetz fast ausschließlich eine kollektive Form der Mitbestimmung vor. Die Arbeitnehmer als eigentliche Träger dieses Hechtsanspruchs können nur in ihrer Gesamtheit über gewählte Organe ihre Teilhaberechte indirekt ausüben. Der einzelne Arbeitnehmer kann dieses Recht prinzipiell nicht persönlich ausüben, sondern delegiert es durch gesetzlichen Zwang an die Repräsentanten der Arbeitnehmer, die nur zum Teil als Mitglieder des Betriebs diese Funktionen ausüben. Diese Teilhabe durch Repräsentanten, die der Arbeitnehmer nicht einmal dem Namen nach geschweige denn durch persönliche Kontaktnahme kennt, induziert beim Mitarbeiter keine Selbstverantwortung. Er fühlt sich seiner „Objektstellung" nicht enthoben. Die Vorstellung der Fremdbestimmtheit bleibt vorhanden, wenn allein gewerkschaftliche Vertreter wesentliche Teile des Mitbestimmungsrechts ausüben. Die gesetzliche Repräsentativmitbestimmung führt damit nicht zur Milderung der dichotomischen Objektsituation des Arbeitnehmers, die soziale Integration wird nicht erreicht. Das in vielen empirischen Untersuchungen immer wieder festgestellte mehr als sporadische Wissen der Arbeitnehmer über die Mitbestimmung 119 und das auch von gewerkschaftlicher Seite beklagte mangelnde Mitbestimmungsbewußtsein120 der Belegschaften, sind unwiderlegbare Beweise dafür, daß die bisher praktizierte Mitbestimmung die Objektsituation des einzelnen Arbeitnehmers zu lösen nicht in der Lage war. Köpping seziert als gewerkschaftlich orientierter Autor sehr scharf die mangelnde Integrationswirkung der bisherigen Mitbestimmungspraxis, in der eine kleine geschlossene Personengruppe von Gewerkschaftsvorständen und Betriebsräten die Arbeitnehmervertreter auswählt und diese sich nur dieser engbegrenzten Gruppe gegenüber verantwortlich fühlt. „Darin liegt eine Gefahr der Abkapselung, der Sterilität, einer Mitbestimmung als Selbstzweck. Eine "8 I m Montanmitbestimmungsgesetz haben die Mitarbeiter nicht einmal bei der Bestimmung der Arbeitnehmervertreter des Aufsichtsrats ein direktes Mitbestimmungsrecht, da die innerbetrieblichen Mitglieder auf Vorschlag des Betriebsrats, die außerbetrieblichen Arbeitnehmervertreter auf Vorschlag der Gewerkschaften von der Hauptversammlung bestimmt werden. Vgl. Abschnitt B I 2 a. Vgl. Abschnitt A Teil I 1. i2o vgl. V t Oertzen, P., Analyse der Mitbestimmung — ein Diskussionsbeitrag, Hannover 1965, S. 62; Dahrendorf, R., Das Mitbestimmungsproblem in der deutschen Sozialforschung, a.a.O., S. 30 f.; Seidel, H., Das Verhältnis der Belegschaften zur Mitbestimmung, a.a.O., S. 117; ders., Gibt es ein „Mitbestimmungsbewußtsein" der Montanbelegschaften?, a.a.O., S. 543 f.

II. Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement

111

Mitbestimmung, die losgelöst ist von der Einwirkung und Kontrolle der Arbeitnehmerschaft, droht an Blutarmut zu sterben 121 ." Gewerkschaftliche Vertreter beklagen teilweise selbst das Absterben der Mitbestimmung „nach unten" 122 . Die Gewerkschaften sind offiziell jedoch nicht bereit, daraus die Konsequenzen zu ziehen, d. h. die Nichteignung der gesetzlichen Mitbestimmungskonzeption zur Milderung der Objektsteilung des Arbeitnehmers anzuerkennen. I m Forderungskatalog zur Ausweitung der Mitbestimmung finden sich an keiner Stelle Hinweise auf die Notwendigkeit einer Verstärkung der Individualstruktur der Mitbestimmung. In der Partnerschaft steht die Mitbestimmung auf einer ganz anderen Ebene. Durch Weckung und Pflege der Individualität des einzelnen Arbeitnehmers wird eine Stärkung der persönlichen Verantwortlichkeit angestrebt. Die Mitbestimmung dient dabei als Instrument zur Erreichung vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen der Unternehmensleitung und den Mitarbeitern. Die Maßnahmen zur Verwirklichung der Mitbestimmung müssen damit individuell auf die Realisierung der Subjektstellung des Arbeitnehmers abgestimmt sein, d. h. nicht die Mitbestimmung der Arbeitnehmerschaft als Kollektiv, „sondern die Mitbestimmung jedes einzelnen Betriebsangehörigen... an seinem Arbeitsplatz ist das Entscheidende"123 in der Partnerschaft. I m Gegensatz zur gesetzlich realisierten Teilhabe der Mitarbeiter beschränkt sich die Ausübung der partnerschaftlichen Mitbestimmung nicht allein auf die Arbeitnehmervertreter in den Unternehmensorganen. Vielmehr wird sie auf allen Ebenen der Betriebshierarchie, von der obersten Führungsspitze bis zum letzten Arbeitsplatz, als „herabsteigende" Mitbestimmung praktiziert werden müssen, wenn sie das Ziel der Förderung der personalen Faktoren jedes Mitarbeiters erreichen will. Bei der partnerschaftlich praktizierten Mitbestimmung kommt es also primär nicht darauf an, Arbeitnehmervertreter in die Leitungsgremien zu entsenden, sondern vor allem den gesamten Betriebskomplex so überschaubar zu gliedern 124 , daß jedem einzelnen an seinem Arbeitsplatz so viel Entscheidungsbefugnis und Entscheidungsfreiheit eingeräumt werden kann, wie er seinen Fähigkeiten entsprechend zu übernehmen in der Lage ist. Köpping, W., Noch kann die Mitbestimmung gerettet werden, a.a.O., S. 366 (Herv. v. Verf.). 122 Vgl. u. a. Schneider, D., Den Konfirmandenunterricht an Unternehmern nachholen?, a.a.O., S.3; Specht, G., Hautnahe Mitbestimmung, a.a.O., S. 2. 123 v. Nell-Breuning, O., Der Mensch im Betrieb, in: Wirtschaft und Gesellschaft heute, Bd. 1, Freiburg 1956, S. 216. 12 * Vgl. Herrmann, B., Die soziale Sicherheit in der Partnerschaft, a.a.O., S. 2; Wendt, S., Ein Weg zum sozialen Frieden, A G P - M i t . vom 1.12.1957, S. 2.

1 1 2 B . Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft Damit kommt es in der Partnerschaft zu einer auf Grund von Verantwortungs- und Leistungsübernahme individuell abgestuften Mitbestimmung, die als Richtmaß 125 der sozialen Bewertung des Arbeitnehmers gilt 1 2 8 . An die Stelle passiver Opposition tritt bei den Mitarbeitern die Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit, d. h. die „herabsteigende" Mitbestimmung auf allen Stufen der Hierarchie verbessert die Quantität und Qualität der Leistung, was Maier an einer Anzahl von praktischen Beispielen eindeutig beweist 127 . Die selbständige Teilhabe ist somit ein Weg, die Sinnhaftigkeit der Arbeit wieder zu erkennen. aa) Individualstruktur partnerschaftlicher Mitbestimmung Die Partnerschaftsbetriebe versuchen eine Stärkung des Persönlichkeitswertes des Arbeitnehmers durch unmittelbare, innerbetriebliche Mitbestimmung zu erreichen, wobei der Grad der Mitentscheidungsbefugnis vom Leistungs- und Verantwortungsbeitrag des einzelnen abhängig gemacht wird. Unter dieser Voraussetzung bezieht sich die Mitbestimmung auf den einzelnen Menschen im Betrieb, d. h. ex definitione steht im Partnerschaftsbetrieb nicht „die Gewerkschaft als die Vertreterin der Arbeitnehmerschaft . . . am Anfang und am Ende der Mitbestimmung der Arbeitnehmer" 128 , sondern der einzelne Mitarbeiter am Arbeitsplatz. Durch diese Ableitung werden die Einflußmöglichkeiten von außen durchaus eingeengt, da das aus dem Leistungs- und Verantwortungsstatus des einzelnen abgeleitete Mitbestimmungsrecht sich als ein persönliches Recht darstellt, das nicht in gleichem Umfang auf außerbetriebliche Repräsentanten übertragen werden kann. Zwangläufig können außerbetriebliche Personen bei der Mitbestimmungsausübung der Partnerschaftsbetriebe nie das nämliche Gewicht wie innerbetriebliche erlangen 129 . Es soll die Selbständigkeit des einzelnen gefördert werden, was am augenscheinlichsten durch eigenständige Auseinandersetzung mit dem 125 vgl. dazu auch Spindler, G. P., Mitunternehmertum, a.a.O., S. 91; Geck, A., Die Teilhabe der Arbeiter am Betriebsleben, Soziale Welt Nr. 3, Dortmund 1950, S. 21 ff. 126 Freyer sieht den tiefsten Rechtfertigungsgrund der Mitbestimmung im Prinzip der größtmöglichen Arbeitsautonomie. Vgl. Freyer, H., Das soziale Ganze und die Freiheit des Einzelnen unter den Bedingungen des sozialen Zeitalters, Göttingen 1957, S.31. vgl. Maier, N. R. F., Principles of Human Relations, New York 1953, S. 220 ff. 128 Schöne, J., a.a.O., S. 401. 12» Vgl. auch Spindler, G. P., Durch Partnerschaft zur Mitbestimmung, H B vom 22./23. 7.1966, S.3; ders., Mitunternehmertum, a.a.O., S. 102.

II. Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement

113

jeweiligen Problem selbst bzw., wo dies auf Grund der Betriebsstruktur nicht mehr möglich ist, durch selbständige Bestimmung betriebsangehöriger Beauftragter, die besser als Außenstehende 130 die Betriebsprobleme durchschauen 131, geschehen kann. Die Begründung, daß Fachspezialisten die Rechte der Arbeitnehmer wirksamer Vertreter können, da sie genauer erkennen, was den Arbeitnehmern konzipiert wurde, steht in krassem Widerspruch 182 zur Bejahung der Mündigkeit des Arbeitnehmers. I n dieser Frage besteht eine Interessenkollision zwischen den Interessen der Gewerkschaften und dem Interesse des einzelnen Arbeitnehmers. Keineswegs ist im Partnerschaftsbetrieb 138 damit die gewerkschaftliche Präsenz ausgeschlossen134, lediglich das Primat der Bezogenheit der Mitbestimmungsrechte erfährt eine Umpolung auf die ursprüngliche Zielrichtung. Zwischen der von gewerkschaftlicher Seite interpretierten Zielsetzung der gesetzlichen Mitbestimmung und der im Partnerschaftsbetrieb realisierten Mitbestimmung besteht demnach ein enger Handlungszusammenhang. Bei der Mitbestimmung im Rahmen der partnerschaftlichen Betriebsverfassung geht es um die Subjektstellung des einzelnen Mitarbeiters, der vom „befehlsempfangenden Betriebsuntertan" 1 3 5 zum mitverantwortlichen, in das Betriebsgeschehen integrierten Mitarbeiter geführt werden soll. Auch von gewerkschaftlicher Seite wird als Rechtfertigungsgrund der Mitbestimmung eine Neuordnung der Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern mit dem Ziel propagiert, die aus der wirtschaftlichen Dynamik resultierende Fremdbestimmung des Arbeitnehmers zu mildern oder zu beseitigen13®. 139 Vgl. Horni, A., der beklagte Sieg, a.a.O., S. 228 ff., der zu dem Schluß kommt, daß nur Betriebsangehörige die Betriebspolitik durchschauen können. Ähnlich v.Nell-Breuning , O., Mitbestimmung, a.a.O., S. 41: „Das M i t bestimmungsrecht . . . kann vernünftigerweise nur denen zustehen, die i m Betrieb arbeiten" (hervorgehoben vom Verfasser). isi Lamberty, H. D., a.a.O., S. 174; ähnlich Spindler , G. P., Neue Antworten im sozialen Raum, Düsseldorf—Wien 1964, S. 276. 132 Ebd. 133 I m Partnerschaftsbetrieb Wilhelm Völker sind 75 Prozent der gewerblichen Mitarbeiter und 25 Prozent der Angestellten gewerkschaftlich organisiert. Mündliche Auskunft durch den Betriebsratsvorsitzenden an den Verfasser am 12. Juli 1966 in Kassel. 134 Dem Verfasser begegneten als Gesprächspartner sehr häufig langjährige Gewerkschaftsmitglieder, die sich als Betriebsratsvorsitzende oder als Mitglieder des Wirtschaftsausschusses besonders aktiv an der Realisierung der Partnerschaftskonzeption beteiligten. Mehrmals bekannten diese freimütig, daß der Mündigkeitsanspruch der Mitarbeiter durch die in der Partnerschaft praktizierte Form der Mitbestimmung am besten verwirklicht werden kann. 135 vgl. a u c h dazu Schreiber, G., Das Mitbestimmungsrecht des einzelnen im Betrieb, A G P - M i t . vom 15. 2.1966, S. 2. lsa vgl. Teil A Abschnitt I I Ziff. 2 c f.

8 Maier

1 1 4 B . Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft Die formalen Zielsetzungen von Partnerschaft und Mitbestimmung sind in diesem Teilaspekt also identisch. Materiell wird die Persönlichkeitsentfaltung 137 jedoch lediglich durch die personenbezogene Mitbestimmung im Partnerschaftsbetrieb erreicht, in dem die Mitbestimmung auf allen Ebenen der Betriebshierarchie verwirklicht ist und sich nicht kollektiv auf einzelne Organe beschränkt. Die Partnerschaft realisiert damit das gesellschaftspolitische Anliegen der Mitbestimmung, das diese auf Grund ihrer kollektivrechtlichen Struktur zu erreichen nicht in der Lage ist. Die Ausdehnung der praktizierten Mitbestimmung würde keine Verbesserung bringen, sondern eine radikale Verschlechterung der Stellung des einzelnen, da die mittelbare Entscheidungsbeteiligung des Arbeitnehmers überkompensiert wird durch die Unterwerfung unter das Kollektiv als Träger der individuellen Beteiligungsrechte. Anstatt einer Ausweitung der kollektivistischen Mitbestimmung muß deshalb eine stärkere Verankerung der individuellen Rechte der Mitarbeiter im Mitbestimmungs- und Betriebsverfassungsgesetz gefordert werden, die an keiner Stelle des gewerkschaftlichen Katalogs 138 zur Ausweitung der Mitbestimmung Erwähnung finden 139 . Nur in dieser Weise kann die Mitbestimmung das Anliegen einer Subjektintegration erreichen 140 , die ohne Zweifel der Menschenwürde in einem „höheren Grade" 1 4 1 entspricht, als die kollektive Mitbestimmung gesetzlicher Prägung. bb) Anti-Kampfcharakter der partnerschaftlichen Mitbestimmung Neben der Lösung der Objektsituation wird von gewerkschaftlicher Seite als weitere Zielfunktion der Mitbestimmung die Kontrolle wirtschaftlicher Macht herausgestellt. Damit soll durch Mitbestimmung eine Ausbeutung der Arbeitnehmer durch die Kapitalbesitzer verhindert werden. 137 Hirsch ist der Meinung, daß die von gewerkschaftlicher Seite geforderte Mitbestimmung an sich „nichts an der Objektstellung der Arbeitnehmer im Mechanismus einer liberal-marktwirtschaftlichen Ordnung" ändert. Vgl. Hirsch, J., Die öffentlichen Funktionen der Gewerkschaften, Stuttgart 1966, S. 107. 13 ® Vgl. auch Hoffmann, H. G., Statt individueller Mitbestimmung nur noch kollektive Einflußnahme, I K vom 15.5.1965, S. 10. 139 Vgl. auch Gaugier, E., Gestaltungsprobleme der Mitbestimmung, A G P Mit. vom 15.5.1966, S. 2. 140 Zum Zwang der Persönlichkeitsentfaltung vgl. Sprengel, B., Die U m wandlung der Betriebsverfassung durch die sogenannte Partnerschaft, Diss. Freiburg i. Brsg. 1952, S. 227. 141 v. Nell-Breuning, O., Selbstbestimmung — Fremdbestimmung — M i t bestimmung, in: Rahner, K., Semmelroth, O., Theologische Akademie, Bd. 4, Frankfurt am Main 1967, S.44.

II. Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement

115

Diese beiden Zielfunktionen 142 beinhalten eo ipso einen Widerspruch, da die Verbesserung der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern durch Integration des Faktors Arbeit und die Kontrolle des Unternehmers zur Verhinderung wirtschaftlicher Macht zwei diametral entgegengesetzte Mitbestimmungskonzeptionen sind. Wie gezeigt wurde, ist die Integrationsaufgabe der Mitbestimmung mit dem Gedankengut der betrieblichen Partnerschaft identisch, während die Kontrolle wirtschaftlicher Macht auf der These vom legitimen 143 Interessengegensatz zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern 144 basiert. Mitbestimmung als Kontrollinstrument oder als Mittel zur integrierenden Kooperation? Beide Zielfunktionen schließen sich gegenseitig aus, da die Frage, ob im Betrieb vertrauensvoll zusammengearbeitet oder kontrolliert werden soll, einen polaren Denkunterschied beinhaltet. In der Partnerschaftskonzeption löst sich dieser gordische Knoten von selbst, da die Mitbestimmung hier nicht als Regulativ gegen Machtmißbrauch, sondern zur Statuierung einer betrieblichen Ordnung ausgeübt wird, die auf gegenseitiger Anerkennung und vertrauensvoller Zusammenarbeit beruht. Eine Mitbestimmung, die ohne gegenseitiges Vertrauen praktiziert werden sollte, würde jeden Ansatz zur Partnerschaft zerstören. Die Partnerschaft will in ihrer Zielsetzung ausdrücklich das in den traditionellen Denkgewohnheiten des Arbeitnehmers verhaftete Mißtrauen gegenüber dem Arbeitgeber abbauen 145 , da nur durch die Aufhebung des Zwangscharakters der Mitarbeiter dazu gebracht werden kann, anstatt gegen den Unternehmer zu arbeiten, seine Fähigkeiten positiv für den Betrieb einzusetzen146. Die Mitbestimmung im Partnerschaftsbetrieb verpflichtet somit Arbeitnehmer und Arbeitgeber, ihr Verhalten am Grundsatz der Solidarität zu orientieren. Dies erfordert keineswegs einen prinzipiellen Interessenmonismus, sondern lediglich den Ausgleich gegenläufiger Interessenstrukturen unter Verzicht auf Beherrschung eines Produktionsfaktors durch den anderen. 142 vgl. a U c h Krüger, 13. 5.1966, S. 34. 143

W., Kontrolle oder Partnerschaft, Die Zeit vom

Vgl. Wendland, H. D., Partnerschaft in evangelischer Sicht, Evangelisches Soziallexikon, 4. Aufl., Stuttgart 1963, S.959. 144 Von gewerkschaftlicher Seite wird bei den Belegschaften ein „Konfliktbewußtsein" gefordert. Vgl. Seidel, H., Sozialer Konflikt, Partnerschaft und Mitbestimmung, a.a.O., S. 84. * 4 5 Vgl. auch v.Knüpffer, R., Erfahrungen mit der Partnerschaft, A G P Mit. vom 15.8.1959, S. 6. 14« vgl. o.V., Mensch und Betrieb. Bericht über die WWI-Tagung vom 15.—17. 5.1952 in Köln, S. 81.

*

116

B. Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft

Seidel irrt in der Folgerung, daß daraus „dann auch die Belegschaft keine eigene Interessenvertretung und somit auch keine Mitbestimmung" 147 mehr benötigen würde. Das prädestinierte Instrument zur Kooperation nicht parallel verlaufender Interessen ist gerade die Mitbestimmung, die allerdings darauf verzichten muß, in lediglich negativer Tendenz die wirtschaftliche Macht des Unternehmers kontrollieren zu wollen. Als Gegenleistung verzichtet der Unternehmer in der partnerschaftlichen Konzeption — soweit möglich — auf die Ableitung wirtschaftlicher Macht allein aus dem Eigentum an Produktionsmitteln und ergänzt die Leistungsaufgabe durch einen Komplex sozialpolitischer Normen. Die Integration des Arbeitnehmers wird so zu einem betriebswirtschaftlichen Plandatum, das durch kooperative Mitbestimmung zu verwirklichen versucht wird. Die Mitbestimmung hat damit in der Partnerschaft die Aufgabe, die traditionelle Eigentums- und Herrschaftsordnung zu korrigieren, um dem einzelnen Mitarbeiter die Möglichkeit zu geben, seinen Betrieb als gestufte Verantwortungsbereiche zu erleben. Die Mitbestimmung bringt damit eine Erweiterung des Zielsystems im Partnerschaftsbetrieb. Es kommen soziale Zielsetzungen hinzu, die andere Verhaltensweisen der Unternehmensleitung bzw. neue Verantwortlichkeitsstrukturen bei der Mitarbeiterschaft bedingen, durch welche die Mitbestimmung für den einzelnen Arbeitnehmer mehr ist „als ein polemischer Begriff" 148 , gerade noch brauchbar zur Kontrolle unternehmerischer Macht. Das Integrationsanliegen der Partnerschaft schließt eine derartige vom Mißtrauen diktierte Mitbestimmung aus. Sie darf in der partnerschaftlichen Betriebsordnung nicht Kontrollinstrument 140 im Sinne eines klassenkämpferischen „Freund-FeindDenkens" sein, sondern sie muß die Chance bieten, die sogenannte „natürliche Gegnerschaft" 160 in eine „natürliche Gegenseitigkeit" 161 zu verwandeln. Warum nach gewerkschaftlicher Ansicht die Mitbestimmung durch diese neue Einstellung gefährdet sein soll 152 , ist nicht einzusehen. Es w Seidel, H., Sozialer Konflikt, Partnerschaft und Mitbestimmung, a.a.O., S. 85. 148 Voigt, F., Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Unternehmungen, in: Voigt, F., Weddigen, W., a.a.O., S. 160. 149 Vgl. auch Walter, W., Wandelt Euch durch neues Denken, A G P - M i t . vom 12. 2.1965, S. 2. i ß 0 Sohn spricht von einem „legitimen sozialen Gegensatz". Vgl. Sohn, K. H., Mitbestimmung und Partnerschaft, MitbestGespr. Nr. 5/7 1965, S. 78. 151 Neuloh, O., Der neue Betriebsstil, a.a.O., S. 165. 152 Vgl. Seidel, H., Sozialer Konflikt, Partnerschaft und Mitbestimmung, a.a.O., S. 84.

II. Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement

117

wird lediglich der Kampf- und Kontrollcharakter der Mitbestimmung und damit die Möglichkeiten zu klassenkämpferischen Konflikten beseitigt oder zumindest wesentlich verringert und durch weitgehende Selbstbestimmung und Selbstverantwortung ersetzt. Die Selbstverantwortung geht im Partnerschaftsbetrieb soweit, daß sich der Arbeitgeber auf die Koordination der betrieblichen Teilbereiche beschränken kann. Der Unternehmer kann sich voll seinen eigentlichen Aufgaben zuwenden, da die Überwachung der Mitarbeiter im partnerschaftlichen Ordnungsbild ebenso systemwidrig ist, wie die Kontrolle des Unternehmers durch die Mitbestimmung. Aus diesem Vertrauensverhältnis heraus wird eine erhebliche Entflechtung und organisatorische Vereinfachung der partnerschaftlichen Betriebsordnung erreicht. Beispielsweise sind einige Partnerschaftsbetriebe dazu übergegangen, die Stempeluhren abzuschaffen, da sie nicht dem Geist des Vertrauens von „oben nach unten" entsprechen. Diese Maßnahme hat sich bestens bewährt, da sich die Mitarbeiter gegenseitig und vor allem selbst kontrollieren. Auf der gleichen Ebene der selbstverantwortenden Mitbestimmung liegt die Öffnung des Teilelagers im Partnerschaftsbetrieb G. L. Rexroth. Das Teilelager ist jedem Mitarbeiter zugängig, persönliche Kontrollen werden nicht vorgenommen. Der partnerschaftlichen Betriebsordnung liegt somit ein Leitbild zugrunde, das erkennen läßt, wie der gesellschaftspolitisch bedeutsame Kern der Mitbestimmung im Zentralanliegen der Partnerschaft verwirklicht wird. Die Mitbestimmung als programmatischer Mittelpunkt der Partnerschaftskonzeption dient hier nicht als Kampfinstrument zur Institutionalisierung des Mißtrauens, sondern ermöglicht subjekthafte, wechselseitige Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit. Mitbestimmung wird im Partnerschaftsbetrieb nicht als Pendant der Macht gesehen, da das Kapital zur Arbeit im Verhältnis eines Partners, nicht eines Herrschers steht. „Mitbestimmungskonzepte, die nur in negativer Tendenz deklarieren, wie sie die wirtschaftliche Macht des Unternehmers begrenzen will, stellen sozial- und gesellschaftspolitisch betrachtet . . . einen Rückschritt dar 1 5 8 ." Die Kontrolle wirtschaftlicher Macht als Hauptargument der Gewerkschaften zur Ausdehnung und Erweiterung der qualifizierten Mitbestimmung wird durch die betriebliche Partnerschaftskonzeption hinfällig. Partnerschaft steht mit der Idee der Mitbestimmung nicht in Widerspruch. Seidel führt sich selbst ad absurdum, wenn er behauptet, daß Mitbestimmung den sozialen Konflikt nicht lösen kann, der Arbeit153

Gaugier, E., Gestaltungsprobleme der Mitbestimmung, a.a.O., S.2.

1 1 8 B . Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft nehmer andererseits einen von Willkür freien Arbeitsplatz, einen Unternehmenswillen, „an dessen Entstehung er selbst" 1B4 beteiligt ist, anstrebt. „Das kann dem Arbeitnehmer nur die Mitbestimmung bieten und nicht die Partnerschaft" 185 . Man ist versucht in der Gegenrichtung zu argumentieren: Dieses Ziel kann nur die personenbezogene Partnerschaft erreichen und nicht die kollektivistische Mitbestimmung gewerkschaftlicher 166 Prägung. Die Gewerkschaften wollen sich noch nicht zu einer kooperativ ausgeübten Mitbestimmung durchringen, obwohl sie zugeben, daß das partnerschaftliche Gedankengut von nicht wenigen Mitbestimmungsträgern als Betriebsratsmitglieder oder Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat bewußt akzeptiert wird 1 5 7 . Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß im Rahmen des Montanmitbestimmungsgesetzes der sogenannte „elfte Mann" des Aufsichtsrats noch nie durch die Hauptversammlung bestimmt werden mußte 158 . Man löste die Frage bisher immer durch einen kooperativen „Kuhhandel" im Rahmen der Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden. Darüber hinaus kam es fast nie zu Kampfabstimmungen im paritätisch besetzten Aufsichtsrat, da man Verhandlungen bevorzugte. Damit wird das Kontrollargument durch die Realitäten der Mitbestimmungspraxis zumindest stark abgeschwächt Auch die beiden 159 christlichen Kirchen 160 befürworten eine Mitbestimmung, die eindeutig partnerschaftlich orientiert ist. Das klassen154 Seidel, H., Sozialer Konflikt, Partnerschaft und Mitbestimmung, a.a.O., S. 86 (Hervorh. d. Verf.). iss Ebd., (Hervorg. vom Verfasser).

im Hensel weist darauf hin, daß die Beschäftigten auch dann Objekt bleiben, wenn die Unternehmenspläne allein von Gewerkschaftsvertretern ausgearbeitet würden; „sie sind es auf jeden Fall auch in den gewerkschaftseigenen Betrieben". Hensel, P. K., Das Problem der Mitbestimmung aus gesamtwirtschaftlicher Sicht, Ordo-Jahrbuch, Bd. 18, Düsseldorf— M ü n chen 1967, S. 266. 157 Vgl. Seidel, H., Sozialer Konflikt, Partnerschaft und Mitbestimmung, a.a.O., S. 84. iss vgl. Teil B Abschnitt I Ziff. 2 a. 159

Zu dieser Aufgabe der Mitbestimmung in der Sicht der katholischen Soziallehre vgl. u.a. v.Nell-Breuning, O., „Kollektive" Mitbestimmung, in: Wirtschaft und Gesellschaft heute, Bd. I I , Freiburg 1957, S. 127 f.; ders., Möglichkeiten und Grenzen der Entwicklung wirtschaftlicher Mitbestimmung, in: Wirtschaftliche Mitbestimmung in der Gegenwartsdiskussion, Düsseldorf 1966, S. 147; Erndgen, J., Es geht um den Menschen, in: Metall 1950, Nr. 16, S. 1. 160 z u r Zielsetzung der Mitbestimmung in der evangelischen Sozialethik vgl. u. a. Steinjan, W., Soziale Partnerschaft aus evangelischer Sicht, a.a.O., S. 7 f.; Wendland, H. D., Partnerschaft — christlich gesehen, a.a.O., S.656;

II. Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement

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kämpferische Mißtrauen soll durch einen Interessenausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ersetzt werden, wobei die Mitbestimmung ein gegenseitiges Ergänzungsverhältnis schaffen soll, das die Spannungen mildert oder überwindet. Von gewerkschaftlicher Seite machen sich vereinzelt Stimmen bemerkbar 1®1, die den Kampfcharakter der Mitbestimmung vorsichtig ablehnen und einer kooperativen Selbstverantwortung, an der der einzelne Arbeitnehmer wesentlich stärker interessiert ist 1 8 8 , das Wort reden. Ob die Gewerkschaften 188 die Kontrollaufgabe der Mitbestimmung vielleicht doch eines Tages fallenlassen, ist eine Frage des Reifegrades 184, d.h. der Beitschaft aller Beteiligten zur Kooperation. cc) Gleichwertigkeit nicht Gleichheit durch partnerschaftliche Mitbestimmung Als weitere Zielsetzung der Mitbestimmung wird von gewerkschaftlicher Seite die Erreichung der Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit herausgestellt 185. Besonders durch qualifizierte Mitbestimmung soll die Integration des einzelnen innerhalb der Wirtschaft vollzogen werden 188 . Letztlich mündet dieses Anliegen in einer wirtschaftsdemokratischen Konzeption ein. Erst die absolute Gleichberechtigung dieser Art schafft nach gewerkschaftlicher Vorstellung die Voraussetzung 187 für eine echte Partnerschaft, d.h. Partnerschaft zwischen Rieh, A., Christliche Existenz in der industriellen Welt, Zürich 1957, S. 157 ff. Die nämliche Zielsetzung der Mitbestimmung bejaht u.a. Koch, H., Die Bedeutung der Mitbestimmung in Deutschland für die Stellung der Arbeitnehmer in der Wirtschaft, Berlin 1959, S. 129. Vgl. im Ansatz Sohn, K. H., Mitbestimmung und Partnerschaft, a.a.O., S. 79; Spindler, G. P., Durch Partnerschaft zur Mitbestimmung, a.a.O., S.3. Vgl. o.V., Partnerschaft besser als Mitbestimmung, H B vom 10./11.12. 1965, S. 3. im Die Mitbestimmung zur Milderung des klassenkämpferischen M i ß trauens lehnen u. a. von gewerkschaftlicher Seite wörtlich ab: Brenner, O., Fortschrittliche Betriebsverfassung — Prüfstein der Demokratie, a.a.O., S. 158; Hinkel, K., Folgen der Mitbestimmung für Aufgaben und Struktur der Gewerkschaften, in: Wege zum sozialen Frieden, a.a.O., S. 43. 184 Vgl. auch Hax, K., Sind erfolgreiche Betriebsführung und Unternehmungspolitik mit wirtschaftlicher Mitbestimmung vereinbar?, in: Wirtschaftliche Mitbestimmung in der Gegenwartsdiskussion, a.a.O., S. 80. 169 vgl. Teil A Abschnitt I I Ziff. 2 b. 166 vgl. Brenner, O., auf dem 8. Ordentlichen Gewerkschaftskongreß der I G Metall vom 6.—11. September 1965 in Bremen, abgedruckt in: RdA 1965, S. 419; Potthoff, E., Wirtschaftliche Mitbestimmung i m Betrieb, GewMonH 1950, S. 97. vgl. Sohn, K. H., Zwischen Gesetz und Wirklichkeit — Zur Stellung und Funktion des Betriebsrates, MitbestGespr. Nr. 3 1964, S. 47; ders Mitbestimmung als dritter Weg, a.a.O., S. 2; Seidel, H., Sozialer Konflikt, Partnerschaft und Mitbestimmung, a.a.O., S. 84.

1 2 0 B . Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft Arbeitgeber und Mitarbeitern entscheidung akzeptiert.

wird

nur

als gleichberechtigte Mit-

Nichtsdestoweniger betont man gleichzeitig, daß durch diese absolute Gleichberechtigung die Unterordnung unter die hierarchischen Sachnotwendigkeiten des Betriebsablaufs nicht angegriffen werden soll, obwohl eine voll gleichberechtigte Mitentscheidung begriffsnotwendig das Lohnarbeits-Verhältnis sprengt. Einen praktikablen Weg zur Realisierung dieser Mitbestimmungsvorstellungen zeigen die Gewerkschaften jedoch nicht auf. Vor allem müßte der Widerspruch zwischen der betriebsdemokratischen Verwirklichimg einer gleichberechtigten Mitbestimmung unter Beibehaltung des Lohnarbeits-Verhältnisses aufgelöst werden. Die betriebliche Partnerschaftskonzeption geht nicht von einer absoluten Gleichberechtigung, sondern von einer absoluten Gleichwertigkeit der Beteiligten aus. Die Mitbestimmung äußert sich hier nicht in einer parlamentarischen Demokratie der Zahl, sondern, wie es Völker ausdrückt, in einer „Demokratie der Persönlichkeit der ,Stimme mit Gewicht'" 168 . Der Umfang der Entscheidungbeteiligung findet dabei seine jeweilige Grenze in der Verantwortungsübernahme des einzelnen im Betrieb. Partnerschaftsbetriebe bedürfen, wie jeder andere Betrieb auch, einer hierarchischen Rangordnung, die durch keine betriebsparlamentarische Mitbestimmung abgelöst werden kann. Ohne zentrale Führungsautorität kann auch der Partnerschaftsbetrieb seine Zielsetzungen nicht erreichen. Es hat sich erwiesen, daß durch die verstärkte Mitbestimmung der Mitarbeiter die Führungsautorität nicht geschmälert, sondern das Vertrauen in die Unternehmungsleitung geradezu verstärkt wurde. Allerdings wurde den Autoritätsverhältnissen durch besondere Anforderungen an die Qualität der Führungskräfte der Stachel genommen 1 6 9 . I n zwei Partnerschaftsbetrieben sind alle Vorgesetzten vertraglich verpflichtet, ihre Anordnungen zu begründen. Diese Verpflichtung verdrängt den Charakter der „Befehlsausgabe" und stützt die Führungsautorität auf „Überzeugung und Einsicht" 170 . I n dieser Form der partnerschaftlichen Mitbestimmung erweist sich die Führungsqualität der einzelnen Persönlichkeiten in der Betriebshierarchie. Der Führende muß hier die Unbequemlichkeit mitverantVölker, R., Betriebliche Partnerschaft als gestaltendes Element einer neuen Wirtschaftsordnung, Hilden 1957, S. 20. 169 Vgl. Herrmann, B., Wie sich die Zeichen gleichen, A G P - M i t vom 1.2. 1958, S. 2. Gaugier, E., Das Schlagwort von der Betriebsdemokratie, A G P - M i t . vom 1.7.1959, S. 2.

II. Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement

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wortlicher Mitarbeiter ertragen, die ihn kontrollieren, wovon auch der Unternehmer selbst nicht ausgenommen ist. Die Einräumung von verstärkten Mitbestimmungsrechten führt im partnerschaftlich prinzipierten Betrieb nicht zu einem betriebsdemokratischen Führungsstil, sondern zu einer gestuften hierarchischen Ordnungsstruktur, in der im wesentlichen dem Unternehmer die letzte Entscheidung vorbehalten bleibt. Allerdings muß er diese Entscheidung vor seinen Mitarbeitern sachlich rechtfertigen, d. h. die traditionell wertorientierte Autorität 1 7 1 wird in der Partnerschaft von funktionaler Autorität abgelöst, in deren Zentrum die mitbestimmende Mitverantwortung jedes Partners steht. Durch funktionale Autorität im Partnerschaftsbetrieb wird das Informations- und Kontrollrecht allen Partnern eingeräumt und somit als Privileg der Führungshierarchie abgelöst. Betriebsdemokratische Lösungen werden damit jedoch keineswegs postuliert. Die Einheitlichkeit der Unternehmensleitung und die rasche Entscheidungsfähigkeit müssen in der partnerischen Unternehmensgestaltung auch unter Anerkennung der prinzipiellen Gleichwertigkeit der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital gewahrt bleiben. Auch von gewerkschaftlicher Seite wird eingeräumt, daß jeder Betrieb ein „Herrschaftsverband" sein muß, um seine Zielsetzungen erreichen zu können 172 . In der Partnerschaft ist diese Herrschaft 173 als „denknotwendige Bedingung der Betriebsstruktur" 174 , jedoch nicht als Besitzherrschaft im Sinne der wertorientierten Autorität ausgeprägt. Die funktionale Autorität verhindert die klassenkämpferischen Folgen einer machtautoritären Betriebsführung ebenso, wie sie eine Paralysierung des Betriebs durch Realisierung betriebsdemokratischer Mitbestimmungsvorstellungen ausschließt, die sich als Folge der gleichwertigen und damit wertneutralen Einstufung von Kapital und Arbeit ergeben könnte. " i Soziologisch versteht man unter wertorientierter Autorität eine an absolute Wertvorstellungen anknüpfende Autorität, die von den Untergebenen akzeptiert wird ohne Leistungen erbracht zu haben. So dient z. B. das Eigentum oder der Beruf als Faktor einer rein wertorientierten Autorität. Vgl. Hartman, R. S., Authority and Organization in German Management, Princeton 1959, S. 255 ff. 172 Vgl. Blume, O., Die Sozialforschung zum Thema Mitbestimmung, MitbestGespr. Nr. 4/5 1967, S. 67. "s Meissner fordert als natürliche Ordnung jedes Unternehmens, die unabhängig vom jeweiligen wirtschaftlichen Dogma zu gelten habe, eine „Befehlsorganisation". Vgl. Meissner, F., Sozial-Partnerschaft, Mitberatung und Mitbestimmung der Belegschaft, Lindau 1964, S. 94. Diese Terminologie ist abzulehnen, da gerade die „Befehlsausgabe" im Partnerschaftsbetrieb weitgehend gemildert werden soll. Dahrendorf, R., Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft, Stuttgart 1957, S. 217; vgl. auch Mueller, F. H., Soziale Theorie des Betriebes, Berlin 1952, S. 173.

1 2 2 B . Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft Es muß deshalb Fischer 175 und Herrmann 176 widersprochen werden, die in der betrieblichen Partnerschaft eine Übertragung des politischen Prinzips der Demokratie auf den betrieblichen Raum sehen wollen. Lediglich in den Paul Spindler-Werken hatte der einzelne Mitarbeiter bei grundlegenden Betriebsentscheidungen — auf die noch näher einzugehen sein wird — ein nicht übertragbares, individuelles Mitbestimmungsrecht, das durch geheime Abstimmung ausgeübt wurde. Dieses Recht unterscheidet sich jedoch von politisch demokratischen Ordnungsvorstellungen dadurch, daß der Unternehmer nicht unmittelbar, sondern — wie noch zu zeigen sein wird — nur mittelbar an diese Entscheidung gebunden war. Diese modifizierte „Urdemokratie" hat sich auch in den Paul Spindler-Werken als zu schwerfällig erwiesen. Nach dem neuformulierten Partnerschaftsvertrag von 1966 wird das Mitbestimmungsrecht bei bestimmten grundlegenden Betriebsentscheidungen neuerdings von den ordentlichen Mitgliedern des Partnerschaftsausschusses ausgeübt, die ihrerseits vom Betriebsrat benannt werden. Lediglich über die Kündigung des Partnerschaftsvertrages entscheiden die Arbeitnehmer noch unmittelbar selbst. Damit führt die gegenüber den gesetzlichen Vorschriften erweiterte Mitbestimmung in den Paul Spindler-Werken im Ergebnis kaum zu betriebsdemokratischen Lösungen, die in anderen Partnerschaftsbetrieben von Anfang an abgelehnt wurden. Auch die Problemlösung bei Behrens stellt keine Betriebsdemokratie dar. Es sollte in diesem Abschnitt geprüft werden, ob und in welcher Ausprägung die Motive der gesetzlich normierten bzw. gewerkschaftlich geforderten Mitbestimmung mit der in der Partnerschaftskonzeption verwirklichten Mitbestimmungsform übereinstimmen. Als Ergebnis kann festgehalten werden, daß die im gewerkschaftlichen Forderungskatalog postulierten Zielfunktionen der Mitbestimmung im wesentlichen mit den Zielsetzungen der in der betrieblichen Partnerschaft realisierten Mitbestimmung divergieren. Lediglich bei Milderung der Objektsituation des Arbeitnehmers ergibt sich eine Kongruenz der Zielsetzungen, da es auch nach gewerkschaftlichen Mitbestimmungsvorstellungen nicht lediglich darauf ankommt, gleiches Recht zu schaffen, sondern in gleicher Weise das Bewußtsein der erfaßten Einzelpersonen geprägt werden soll. Empirische Untersuchungen haben mehrmals bewiesen, daß es der gesetzlichen Mit175 Vgl. Fischer, G., Partnerschaft, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, a.a.O., Sp. 4281. Vgl. Herrmann, B., Wie sich die Zeichen gleichen, a.a.O., S. 2.

II. Mitbestimmung als unabdingbares Strukturelement

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bestimmung bis jetzt noch nicht gelungen ist, dieses Teilziel zu erreichen. Das gilt besonders für die qualifizierte Mitbestimmung. Die einfache Mitbestimmung verwirklicht in ihrer Grundkonzeption einzelne Elemente des partnerschaftlichen Gedankengutes, die im folgenden Hauptabschnitt C besonders herauskristallisiert werden sollen. b) Unabdingbare Interdependenzen zwischen Mitbestimmung und Partnerschaft In der betrieblichen Partnerschaftskonzeption steht der Faktor Kapital zum Faktor Arbeit im Verhältnis eines Partners, nicht eines Herrschers; die partnerschaftliche Betriebsordnung ist also interessenpluralistisch orientiert. Da sich der Partnerschaftsbetrieb aus beiden als gleichwertig anerkannten Faktoren konstituiert 177 , sind Organe geschaffen, in denen beide Interessen gleicherweise vertreten werden. Die Institutionen unternehmerischer Willensbildung empfangen demnach ihre Legitimation aus der Wahrnehmung der Interessenkreise der Kapitaleigner und der Interessen der Arbeitnehmer. Die Entscheidungen sind somit den Interessen beider Produktionsfaktoren verpflichtet, was auch in der Begriffsinterpretation des Partners — als Teil eines Ganzen — zum Ausdruck kommt. Diese Problemlage ergibt denknotwendigerweise eine Verpflichtung zur gemeinsamen Verantwortung und zur gemeinsamen Entscheidungsfindung. Das partnerschaftliche Ordnungsbild erhält somit seine Legitimation durch die Mitteilhabe der Arbeitnehmer an der Entscheidungsfindung und als notwendige Folge, durch die Mitteilhabe am Erfolg des Betriebes. In umgekehrter Zielfolge ist eine Erfolgsbeteiligung durchaus ohne Mitbestimmung möglich. Eine Mitbestimmung ohne Erfolgsbeteiligung stellt jedoch einen logischen Bruch dar. Folglich wird nicht in der gesetzlich konzipierten Mitteilhabe der Arbeitnehmer das Gedankengut der Mitbestimmung voll realisiert, sondern erst in der auf privatrechtlicher Grundlage beruhenden Partnerschaft erfährt die Mitbestimmung ihre restlose und konsequente Verwirklichung. Erst über die Kombination beider Faktoren kann dem Mitarbeiter ein Zugang zum Verständnis des gesamten wirtschaftlichen Geschehens im Betrieb geschaffen werden. Die betriebliche Partnerschaft steht damit mit der Idee der Mitbestimmung nicht in Widerspruch. Im Gegenteil, die Forderung nach Mitbestimmung müßte konsequenterweise ein Bekenntnis zur Partnerschaft implizieren. 177 vgl. audi v. Nell-Breuning, O., Von der Mitbestimmung zur Unternehmensverfassung, ZfbF 1964, S. 670.

1 2 4 B . Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft Vielfach wurde von gewerkschaftlicher Seite behauptet, die Partnerschaft könne kein Ersatz der Mitbestimmung sein. Die betriebliche Partnerschaft wolle den „sozialen Konflikt wegzaubern und eine Mitbestimmung . . . als überflüssig erscheinen lassen" 178 . Darin kommt wiederum die dargestellte Auffassung der Gewerkschaften zum Durchbruch, die Mitbestimmung könne kein „Versöhnlertum" 170 sein oder gar einer Entschärfung der Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit dienen 180 . Deshalb kann ihrer Meinung nach die Mitbestimmung niemals Partnerschaft sein 181 , d. h. die Mitbestimmung kann nicht „erpartnert" 188 , sondern nur durch den Gesetzgeber verwirklicht werden. Diese Behauptung ist schon deshalb falsch akzentuiert, weil durch die Partnerschaft die Mitbestimmung überhaupt nicht „erpartnert" werden kann, da diese Konzeption zu ihrer Verwirklichung die gemeinsame Willensbildung als unabdingbare Prämisse voraussetzt. Die Mitbestimmung ist ein wesentlicher Faktor der partnerschaftlichen Betriebsordnung, ohne Mitbestimmung ist eine Partnerschaft nicht denkbar. Es wurde bereits gezeigt, daß gerade die Partnerschaftsbetriebe den Anspruch aller abhängig Arbeitenden auf Mitbestimmung und darüber hinaus auf Beteiligung am Ergebnis der Arbeitsleistung als unabdingbar anerkennen. Wenn Haferkamp meint, daß es nicht Sinn der Mitbestimmung sein kann, ein „soziales Pflaster" für die abhängig Arbeitenden zu sein, sondern „jeden Arbeitnehmer unmittelbar in die Verantwortung für das gesamte Wirtschaftsgeschehen" 183 zu bringen, dann deckt sich diese Forderung ohne Streuverluste mit dem Ordnungsgehalt der Partnerschaft, deren Kern das Angebot darstellt, den Mitarbeitern über die Gesetzesnormen hinausgehende Mitbestimmungsrechte einzuräumen. Die Mitbestimmung ist somit als strukturprägendes Merkmal der Partnerschaft nicht zu ersetzen, da sie ein betriebskonformes Medium 17 « Seidel, H., Sozialer Konflikt, Partnerschaft und Mitbestimmung, a.a.O., S. 86. 17» Hinkel, K., Folgen der Mitbestimmung für Aufgaben und Struktur der Gewerkschaften, in: Wege zum sozialen Frieden, a.a.O., S. 43. 180 Vgl. Gefeller, W., Betriebsverfassungsgesetz ist dritter Aufguß des Mitbestimmungsgesetzes, a.a.O., S. 157. 181 Vgl. Sohn, K. H., Mitbestimmung als Aufgabe, a.a.O., S. 262. iss So Gefeller, W, der Vorsitzende der I G Chemie am 6. Oktober 1965 in Dortmund. Vgl. o.V., Soziale Sicherheit — gesellschaftlicher Aufstieg durch Mitbestimmung, a.a.O., S. 176; ders., Stabile Wirtschaft — Mitbestimmung — Soziale Sicherheit, a.a.O., S. 182. 183 Haferkamp, W., im Protokoll aufgeführt bei: Zimmermann, A., Zehn Jahre Hans Böckler-Gesellschaft, GewMonH 1964, S. 301.

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zur Erreichung echter Kooperation darstellt. Partnerschaft ist kein Ersatz für Mitbestimmung, sondern eine Form der Integration des Arbeitnehmers in den Betrieb. Es muß deshalb Beuter widersprochen werden 184 , der eine Partnerschaft ohne Mitbestimmung für möglich hält. Auch die partnerschaftliche Betriebspraxis hat bewiesen, daß die Koppelung von Mitbestimmung und Partnerschaft zur wesensbedingten Notwendigkeit dieses Systems gehört. Bei Nichtbeachtung dieser Prämisse scheitert die Integrationsaufgabe der Partnerschaft. Ein Partnerschaftsbetrieb, der bis zur Gegenwart eine für die Mitarbeiter lukrative Erfolgsbeteiligung praktiziert 186 , scheiterte infolge einmaliger Nichtbeachtung dieser Zusammenhänge. Durch branchenbedingte Schwierigkeiten mußte ein Zweigwerk dieses Unternehmens aufgelöst werden. Aus konkurrenzpolitischen Gründen ordnete die Unternehmensleitung eine plötzliche Veräußerung an, ohne Inkenntnissetzung des Partnerschaftshauptausschusses, in dem entsprechend den Vertragsstatuten alle für das Unternehmen wesentlichen Fragen zu besprechen gewesen wären. Durch diese Verletzung des vertraglich verbrieften Mitbestimmunganspruchs sah sich der Betriebsratsvorsitzende veranlaßt, den Partnerschaftsvertrag dadurch zu kündigen, daß er dem Unternehmer die Verträge, im Vollsinn des Wortes „vor die Füße warf". Die Mitbestimmung wird — wie dieses drastische Beispiel zeigt — auch in der Partnerschaftspraxis als unabdingbarer Kooperationsfaktor angesehen. Trotzdem schließen die Gewerkschaften eine derart verstandene Partnerschaft noch aus. Sie fordern eine Verbandsmitbestimmung als beste Form der Partnerschaft 188 , da ein auf den Einzelbetrieb konzentriertes, die Gewerkschaften ausschließendes Mitbestimmungsrecht den Sinn der Mitbestimmung illusorisch machen würde 1 8 7 . Diese Behauptung wird nur dann verständlich, wenn die Aufgaben der Gewerkschaften nicht als Verpflichtung zum Mitordnen der Verhältnisse, sondern in traditioneller Weise als syndikaler „Kampfauftrag" ver184 vgl. Beuter, H., Rechtsformen der Beteiligung der Arbeitnehmer am wirtschaftlichen Erfolg und der Substanz des Unternehmens, Hilden 1962, S. 116. iss I m Jahre 1966 wurden aus dem Gewinn ein Gesamtbetrag von D M 1,578 Mill. an die Mitarbeiter ausgeschüttet. Dadurch erhielten Mitarbeiter, die ohne Zeitausfall im Jahr 1966 tätig waren, mehr als ein Monatseinkommen ausbezahlt. Vgl. o.V., ohne Titel, AGP-Mit. vom 1.10.1967, S. 7. 186 vgl. u. a. Hoffmann, K. H., Diskussionsbeitrag auf dem 7. Ordentlichen Gewerkschaftstag der I G Chemie-Papier-Keramik, MitbestGespr. Nr. 10 1966, S. 176. 187 Vgl. Klüber, F., Die Mitbestimmung im Urteil des I I . Vatikanischen Konzils, GewMonH 1966, S. 195.

1 2 6 B . Die Zielsysteme von Mitbestimmung und Partnerschaft standen werden. Jedenfalls ist es inkonsequent, Partnerschaft abzulehnen und Mitbestimmung zu fordern, wenn in der partnerschaftlichen Betriebsordnung Mitbestimmungsrechte gewährleistet sind 188 . Umgekehrt wäre es ebenso unsinnig, Partnerschaft zu propagieren und Mitbestimmung zu verweigern, wenn die Mitbestimmung Klassenkämpfe nicht mehr zuläßt. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Betriebliche Partnerschaft und Mitbestimmung sind keine polaren Gegensätze, sondern sie ergänzen sich wechselseitig. Partnerschaft setzt die Anerkennung der Mitbestimmung voraus, während die Mitbestimmung ohne Bejahung partnerschaftlicher Ordnungsvorstellungen ihren Aufgaben langfristig nicht wird gerecht werden können.

iss vgl. auch o.V., Partnerschaft ohne Fragezeichen, in: Informationen für die Mitglieder des Vereins für Soziale Betriebspraxis e.V., Nr. 38 vom 1.10.1954, S. 2.

C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes Das Betriebsverfassungsgesetz von 1952 bringt eine Neugestaltung der Betriebsverfassung. Es geht in seiner formalen und teilweise auch inhaltlichen Ausstattung auf den Gedanken des Betriebsrätegesetzes zurück. Deshalb erscheint eine kurze Betrachtung dieses Gesetzes erforderlich, da es außer der heute gültigen Bezeichnung der Arbeitnehmervertretungen 1 auch einige sprachliche Partnerschaftsansätze enthält. I. Vom „Gegeneinander" des Betriebsrätegesetzes zum „Miteinander" des Betriebsverfassungsgesetzes Grundlage des Betriebsrätegesetzes vom 4. Februar 1920 war Artikel 165 der Weimarer Verfassimg, der eine „Mitwirkung" der Arbeiter und Angestellten bei der Regelung von Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie bei Fragen der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung 2 vorsah. I n Ausführung dieses Artikels, der eine nie voll verwirklichte 3 , auf Räten aufbauende Wirtschaftsverfassung verhieß, wurde das Betriebsrätegesetz geschaffen 4, das im Gegensatz zu den Zielvorstellungen dieses Artikels den Arbeitnehmervertretungen keine politischen Funktionen zugestand. Die Betriebsräte, Arbeiter- oder Angestelltenräte hatten lediglich die auf den einzelnen Betrieb isolierten sozialrechtlichen Interessen der Arbeitnehmerschaft zu vertreten und die Unternehmensleitung bei Durchführung der Betriebsaufgaben zu unterstützen. Diese letzte Aufgabe könnte auf partnerschaftliche Spurenelemente hindeuten, wenn nicht die Arbeitnehmer in ihren Vertretungen5 eine Weiterentwicklung der klassenkämpferischen Arbeiterausschüsse der Vor-Weimarer-Epoche gesehen hätten. 1 Der Begriff „Betriebsrat" geht auf dieses Gesetz zurück. * Vgl. RGBl. I , 1919, S. 1383. 3 Vgl. Tormin, W., Zwischen Rätediktatur und sozialer Demokratie, in: Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Heft 4, Düsseldorf 1954, S. 134 f. 4 Vgl. Stier-Somlo, F., Kommentar zum Betriebsrätegesetz vom 4. Februar 1920, 2. Aufl., Berlin 1921, S . X X I I . 5 Den Gewerkschaften war damals kein unmittelbarer Einfluß auf die Arbeiterausschüsse eingeräumt worden. Sie betrachteten diese trotzdem als „Stützpunkt" der Agitation gegenüber der Betriebsleitung. Vgl. Teuteberg, H. J., a.a.O., S. 493.

128 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes I n § 1 BRG bestimmte der Gesetzgeber, daß der Betriebsrat nicht nur die Arbeitnehmerinteressen gegenüber dem Arbeitgeber wahrzunehmen habe, sondern den Unternehmer auch in Erfüllung des Betriebszweckes zu unterstützen habe. Man glaubte aus dieser Formulierung eine prinzipielle Gegnerstellung des Betriebsrats herauslesen zu müssen, und betonte, daß erst an zweiter Stelle die Unterstützungsfunktion genannt werde 6 . Die Unternehmer sahen den Betriebsrat damals im wesentlichen als „Stoßtrupp der Arbeitnehmerinteressen" 7 gegen den Arbeitgeber, den es auszuschalten galt 8 . Dies gelang um so eher, als der eigentliche Einfluß nicht von den Betriebsräten 9, sondern von den Gruppenräten ausging, die sich primär ihrer Gruppe und nicht dem Gesamtbetrieb verantwortlich fühlten, wodurch der Arbeitgeber den Angestellten- und Arbeiterrat gegeneinander ausspielen konnte. Das Betriebsrätegesetz war demnach noch vom klassenkämpferischen Gegeneinanderdenken bestimmt 10 , wodurch keine kooperative Betriebsverfassung verwirklicht wurde. Eine ausdrückliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit im partnerschaftlichen Sinn findet sich im Gesetz nicht, was nicht ausschließt, daß einzelne partnerschaftliche Spurenelemente in den Bestimmungen enthalten sein können. I m wirtschaftlichen Bereich war die Ausübung des Mitbestimmungsrechts auf eine mehr kontrollierende Funktion beschränkt. Nach § 71 Abs. 2 und § 72 in Verbindung mit dem Betriebsbilanzgesetz vom 5. Februar 1921 hatten die Arbeitnehmervertreter in größeren Betrieben ein Recht auf Einsicht in die Bilanz und auf Erstattung eines vierteljährlichen Geschäftsberichts. Trotzdem war es für den Unternehmer sehr einfach die wirtschaftliche Situation zu verschleiern, da er nicht gezwungen war, die Bilanzunterlagen 11 vorzulegen. Die relativ schwachen Mitbestimmungsansätze im wirtschaftlichen Bereich waren somit überwiegend als eine vom Mißtrauen diktierte Kontrollmethode gestaltet, so daß partnerschaftliches Gedankengut kaum zum Zuge kommen konnte. • Vgl. auch Nikisch, A., Zehn Jahre Betriebsverfassungsgesetz, RdA 1962, S. 362. 7 Schleyer, H. M., Zehn Jahre Betriebsverfassungsgesetz, DB 1962, S. 1306. s Vgl. auch Feig, J., Betriebsräte, Handbuch der Staatswissenschaften, Hrsg. Elster, L., Weber, A., Wieser, F., 4. Aufl., Bd. 2, Jena 1927, S. 629. • Vgl. Neumann-Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 31. *o Vgl. auch Fischer, R., Vertrauensvolle Zusammenarbeit, AGP-Mit. vom 1.1.1964, S. 1; Weber, A., Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 5. Aufl., Tübingen 1930, S.40ff. « Vgl. dazu Preller, L., Sozialpolitik in der Weimarer Republik, Stuttgart 1949, S. 264.

I. Vom „Gegeneinander" des Betriebsrätegesetzes zum „Miteinander" 129 Im personellen Bereich gewährte das Betriebsrätegesetz bei Einstellungen und Entlassungen ein beschränktes Mitwirkungsrecht. Den Arbeitnehmervertretungen kam in diesen Angelegenheiten vor allem die Aufgabe einer Beschwerdeinstanz zu, die partnerschaftliche Spurenelemente hätte zeigen können. Es mußte versucht werden, die Beschwerden in gemeinsamer Verhandlung mit dem Arbeitgeber abzustellen12 . Darüber hinaus hatte der Betriebsrat ein Einwirkungsrecht auf das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, das sich vor allem in § 66 äußerte, wo er die Aufgabe hatte, „die Betriebsleitung durch Rat zu unterstützen, um dadurch für einen möglichst hohen Stand . . . der Betriebsleistung zu sorgen" 13. Es waren also durchaus Ansätze vorhanden, den Betriebsrat auch als Vermittlungs- und Verständigungsorgan zu sehen, wodurch sich partnerschaftliche Spurenelemente hätten andeuten können. Das stärkste Mitbestimmungsrecht sah das Betriebsrätegesetz in sozialen Angelegenheiten vor. Beim Erlaß von Arbeitsordnungen und bei Festsetzung von Dienstvorschriften 14, bei genereller Regelung von Arbeitsbedingungen und beim Abschluß von Betriebsvereinbarungen hatte der Betriebsrat ein weitgehendes Mitwirkungsrecht 15 . Von einem Mitentscheidungsrecht kann jedoch nicht gesprochen werden, da im Nichteinigungsfall eine neutrale Schlichtungsinstanz entschied bzw. der Arbeitgeber allein die Ausführung der gefaßten Beschlüsse übernahm. In das Durchführungsrecht konnte der Betriebsrat demnach nicht eingreifen, wodurch mancher gemeinsame Entschluß bei Ausführung verwässert wurde. Auch das soziale Mitbestimmungsrecht war also im Ansatz teilpartnerschaftlich angelegt, in der gesetzlich normierten Durchführung und in der praktisch realisierten Ausübung jedoch vom Geist des Gegeneinanders geprägt. So beschränkten sich die Arbeitnehmervertretungen im wesentlichen auf die Kontrolle ihrer Rechte, ein Strukturelement, clas — wie im vorausgehenden Abschnitt gezeigt wurde — dem Ordnungsgehalt der Partnerschaft diametral entgegensteht. Zusammenfassend kann unter dem Blickwinkel von Mitbestimmung und Partnerschaft festgehalten werden, daß das Betriebsrätegesetz 12 Vgl. § 66 Ziff. 7 und § 78 Ziff. 4 BRG. Dazu Feig, J., Sitzler, F., a.a.O., S. 195 und S. 240. 13 § 66 Ziff. 1 BRG. Vgl. Flatow, G., Betriebsrätegesetz, a.a.O., S. 245 ff. Ähnlich strukturierte Einwirkungsrechte fanden sich in §66 Ziff. 3, 4, 6, 8, § 68 und § 78 Ziff. 1 und 6 BRG. 14 Vgl. Brigl-Matthiaß, K., Das Betriebsräteproblem, Berlin und Leipzig 1926, S. 162; auch Gester, H., Zur Geschichte des Betriebsverfassungsrechtes, MitbestGespr. Nr. 11/12 1962, S. 200. 1 5 Vgl. z. B. § 66 Abs. 5 und § 78 Abs. 3 BRG. 9 Maler

130 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes zwar auf die Gemeinsamkeit der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmern hinweist, durch seinen Grundansatz jedoch nie in der Lage war, zu einer partnerschaftlichen Ausgestaltung des Unternehmens zu gelangen. Das Betriebsrätegesetz hat trotz der teilweise weitgehenden Schutzund Kontrollrechte nicht vermocht, die klassenkämpferische Herrschaftsstruktur des Betriebes umzubilden und einen Wandel in den Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit herbeizuführen. Die Unternehmensleitung blieb in ihren Dispositionen weitgehend unbeschränkt, eine Zusammenarbeit kam zumeist lediglich unter dem Zwang von Schiedsinstanzen zustande. Man benützte die Arbeitnehmervertretungen als Kampfmittel, so daß das Betriebsrätegesetz zu keiner wesentlichen Milderung der Gegnerschaft zwischen Betriebsleitung und Arbeitnehmerschaft kam. „Die Brücke über die Klassenfronten zu schlagen, konnte dem Betriebsrätegesetz . . . nicht gelingen. Die ausgeprägten Klassengegensätze der Weimarer Zeit ließen dies nicht zu 16 ." Erst das Betriebsverfassungsgesetz versucht zu einem pragmatischen Miteinander der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit zu gelangen. II. Vertrauensvolle Zusammenarbeit als Grundmotiv des Betriebsverfassungsgesetzes I m Gegensatz zum Betriebsrätegesetz von 1920 stellt das Betriebsverfassungsgesetz die Zusammenarbeitspflicht als Grundgedanken an den Anfang aller Mitbestimmungsregelungen. Dies bedeutet nicht, daß die Interessen der Arbeitnehmer nicht mehr vom Betriebsrat vertreten werden sollen. Jedoch erfolgt dieses Eintreten in Unterordnung unter den Leitsatz der Zusammenarbeit und nicht als klassenkämpferische Fehdehaltung. I m westdeutschen Betriebsverfassungsgesetz sind somit die Vorzeichen vertauscht. Es erfolgt im Vergleich zum Betriebsrätegesetz eine Umorientierung der Betriebsverfassung auf das Leitbild der Zusammenarbeit, das als dominierendes Ordnungsprinzip der betrieblichen Partnerschaft herauskristallisiert wurde. Das österreichische „Betriebsrätegesetz" von 1947, das bezeichnenderweise nicht „Betriebsverfassungsgesetz" genannt wird 1 , weist diese Umpolung nicht auf. Man sucht vergeblich nach einer Norm, die ein vertrauensvolles Zusammenarbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und « Preller, L., a.a.O., S. 264. i Vgl. Neumann-Duesberg, H., Probleme des Betriebsverfassungsrechts, RdA 1962, S. 406.

II. Vertrauensvolle Zusammenarbeit als Grundmotiv

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Arbeitnehmer andeuten würde. Der Betriebsrat hat seine verschiedenen Beteiligungsrechte lediglich „zum Wohle der Dienstnehmer im Betrieb" 2 auszuüben. Diese Bestimmung kommt im Grundanliegen dem deutschen Betriebsrätegesetz nahe und bringt eine Manifestierung der Interessengegensätzlichkeiten zum Ausdruck 3. Den Versuch eines legaldefinitorischen Ausgleichs nach dem Vorbild des deutschen Betriebsverfassungsgesetzes hat man nicht unternommen. Die grundsätzliche Neuorientierung des Betriebsverfassungsrechts gegenüber dem Betriebsrätegesetz von 1920 und dem derzeit geltenden österreichischen Betriebsrätegesetz zeigt sich vor allem in Paragraph 49. Unverkennbar tritt darin der Gedanke der betrieblichen Partnerschaft hervor, wenn es in § 49 Abs. 1 heißt: „Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten im Rahmen der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll 4 und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl des Betriebes und seiner Arbeitnehmer unter Berücksichtigung des Gemeinwohls zusammen Wenn sich auch der Begriffsausdruck „Partnerschaft" in dieser Bestimmung und darüber hinaus an keiner anderen Stelle des Gesetzes findet, so hat doch die Rechtsprechung bejaht, daß hinter allen entscheidenden Normen des Betriebsverfassungsgesetzes der Leitgedanke der betrieblichen Partnerschaft sichtbar wird. Der Bundesgerichtshof 8 und das Bundesarbeitsgericht 6 haben das in § 49 Abs. 1 manifestierte partnerschaftliche Gedankengut als Leitlinie des Betriebsverfassungsgesetzes ausdrücklich anerkannt und dabei betont, daß nach dieser Vorschrift der Betriebsrat grundsätzlich nicht mehr die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber wahrzunehmen habe, sondern darauf hinwirken muß, mit dem Arbeitgeber im partnerschaftlichen Sinne vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Damit äußert sich der Partnerschaftsgedanke sehr deutlich in § 49 Betriebsverfassungsgesetz, den man als Generalklausel des Gesetzes bezeichnet hat 7 . 2 Vgl. § 14 Abs. 1 Ziff. 1—13 des österreichischen Betriebsrätegesetzes vom 28.3.1947; dazu Kummer, K., Lehrbuch des österreichischen Arbeitsrechts, Wien o. J., S. 197 ff. 3 I m Nachbarland Österreich versucht man lediglich die im Interessenkampf schwächere Arbeitnehmerseite durch Gewährung verschiedener Beteiligungsrechte zu stärken. Vgl. Floretta, H., Strasser, R., Kommentar zum Betriebsrätegesetz, Wien 1961, S. 2. 4 Hervorhebung vom Verfasser. « Vgl. BGH-Urteil vom 8.12.1954 — 6 StR 231/54, BB 1955, S. 129. « Vgl. BAG-Beschluß vom 2.11.1955 — 1 ABR 30/54, AuR 1957, S. 151 ff. 7 Vgl. Galperin, H., Betriebsverfassungsgesetz und betriebliche Partnerschaft, RdA 1962, S. 366.

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132 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes Somit sind partnerschaftliche Ordnungsvorstellungen zum entscheidenden Konstruktionsprinzip des gesamten Betriebsverfassungsgesetzes erhoben worden. Von gewerkschaftlicher Seite wird allerdings die Meinung vertreten, daß dem Betriebsverfassungsgesetz das zusammenhaltende Gerüst fehlen würde 8 , was jedoch eindeutig verneint werden muß 9 . So sieht beispielsweise Neumann-Duesberg in der partnerschaftlichen Grundtendenz des Paragraphen 49 die „Magna Charta" 10 des Betriebsverfassungsgesetzes, die alle Normen dieses Gesetzes durchdringt. An anderer Stelle wird in gewerkschaftlichen Stellungnahmen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit als rechtspolitisch äußerst bedenklich angesehen und zu den „grundlegenden Konstruktionsfehlern" des Betriebsverfassungsgesetzes gerechnet 11. Darüber hinaus bezeichnet man § 49 als „lyrische Präambel" 12 , deren Hinwirken auf ein gemeinsames Betriebsziel „eine typische Leerformel im Sinne der Logik" 1 3 sei. Die materielle Sentenz dieser Behauptungen wird durch die aufgezeigten Zielfunktionen der gewerkschaftlich interpretierten Mitbestimmung verständlich. Formell wird die Fehlinterpretation schon dadurch deutlich, daß der Gesetzgeber die Generalklausel nicht als einführende Präambel an den Anfang des Gesetzes gestellt hat, sondern als selbständige Gesetzesnorm unmittelbar vor der Regelung der Mitbestimmungsrechte plazierte. Damit durchdringt die Aufgabe der vertrauensvollen Zusammenarbeit alle Normen des IV. und V. Teils des Betriebsverfassungsgesetzes, d. h. die Rechte auf Beteiligung der Arbeitnehmer sind unter der Leitidee des § 49 eindeutig in der im Partnerschaftsbetrieb ausgeprägten Form der Mitbestimmung zu sehen. „Das . . . Mitbestimmungsrecht kann nur mit, aber nicht gegen den Arbeitgeber sich verwirklichen" 14 , womit beide Seiten einer echten Zusammenarbeit 16 den Vorrang vor Feindschaft und Mißtrauen zu * Vgl. Damköhler, H. M., Stärkere Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Betriebsverfassungsgesetzes, Die Mitbestimmung 1961, S. 195. ® Vgl. Maus, W., a.a.O., S. 434; Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O.,

S. 520 ff.; Galperin H., Siebert, W., a.a.O., S.334; Fitting,

K., Kraegeloh,

Auffarth, F., a.a.O., S.3631; Sahmer, H., a.a.O., S. 119. 10 Neumann-Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 126. 11 Vgl. Muzzle, H. W., Betriebsverfassung und Gewerkschaften, GewMonH 1957, S. 43 und 47. 12 Ebd., S. 47, Fn. 13. 13 Blume, O., Normen und Wirklichkeit, a.a.O., S. 141. 14 Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 542 (Herv. v. Verf.); vgl. dazu ferner: ders., Die Betriebsverfassung in der Sozialordnung, Zeitschrift für die gesamten Staatswissenschaften, Bd. 110, 1954, S. 654. 15 Vgl. dazu auch Dietz, R., Mitbestimmung und Gewinnbeteiligung, a.a.O., S. 42.

II. Vertrauensvolle Zusammenarbeit als Grundmotiv geben haben. Daraus folgt notwendig Arbeitgebers und der Arbeitnehmer.

133

eine Mitverantwortung des

Das Betriebsverfassungsgesetz trägt damit eindeutig der Zweiseitigkeitsforderung der betrieblichen Partnerschaftskonzeption Rechnung. Dadurch haben partnerschaftliche Gestaltungprinzipien als betriebsverfassungsrechtlicher Auftrag erstmals eine gesetzliche Kodifizierung erfahren. Es muß deshalb gezeigt werden, welche Intensität diese partnerschaftlichen Elemente in der gesetzlichen Normierung erfahren. 1. Partnerschaftliche Intensität der gesetzlichen Zentralbestimmung I m Gegensatz zu den kontrollorientierten Mitbestimmungszielen der Gewerkschaften hat der Gesetzgeber den Inhalt der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung unter das Postulat der Zusammenarbeit gestellt. Dadurch können bestehende Interessenunterschiede zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern zwar nicht völlig beseitigt werden, sie erfahren jedoch eine wesentliche Milderung. Daraus ergibt sich die Frage, in welcher Intensität der Gesetzgeber den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit sehen will. Es werden zu diesem Problemkreis verschiedene Meinungen vertreten, die im partnerschaftlichen Kooperationsansatz ein vorwiegend sozial-ethisches Fernziel 10 , eine programmatische Richtlinie mit Leitbildcharakter, eine Generalklausel oder aber eine Gesetzesvorschrift mit erzwingbarem Normenwert erblicken 17 . a) Der Normenwert „vertrauensvoller Zusammenarbeit" in der Betriebsverfassung Die formal stärkste Ausprägung würde der partnerschaftliche Grundsatz durch eine gesetzlich unabdingbare Verpflichtung zu vertrauensvoller Zusammenarbeit erfahren. Es ergibt sich die Frage, ob § 49 I für die Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Betriebsrat diese normative Wirkung zeitigen kann. Zweifel über eine derartige Intensität ergeben sich deshalb, weil sich in den Ausschußberichten zu den Entwürfen des Betriebsverfassungsgesetzes Hinweise auf einen Richtliniencharakter des Zusammenarbeitsgrundsatzes finden. Es heißt hier, daß die Zusammenarbeitsvorschriften dort, „wo sie nicht unmittelbar zwingendes Recht schaffen, i« Vgl. Wendland, H. D., Partnerschaft — christlich gesehen, a.a.O., S. 655. 17 Vgl. Bulla, G. A., „Vertrauensvolle Zusammenarbeit" von Arbeitgeber und Betriebsrat als Generalklausel des Betriebsverfassungsrechts, RdA 1965, S. 127.

134 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes Richtlinien für die Gestaltung der Partnerschaft gebeu können" 18 .

in den Betrieben

Sicherlich ist es nicht richtig von der Formulierung des Zusammenarbeitegebots ableiten zu wollen, es handle sich um keine Rechtsnorm, da es sonst hätte heißen müssen, „Arbeitgeber und Betriebsrat haben vertrauensvoll zusammenzuarbeiten" 19 und nicht „arbeiten . . . vertrauensvoll zusammen". Es kommt doch vielmehr auf die ratio legis und die Gesamtstruktur des Gesetzes an 20 , aus der sich die Pflicht zur Zusammenarbeit als entscheidende Aufgabe überhaupt ergibt. Die herrschende Meinung sieht im Zusammenarbeitsgrundsatz keine programmatische Richtlinie, sondern „unmittelbar geltendes Recht" 21 , d. h. eine Vorschrift mit normativem Charakter 22 , eine „objektiv geltende Rechtsnorm" 23. Auch die Rechtsprechung hat den partnerschaftlichen Grundsatz zur vertrauensvollen Zusammenarbeit als unmittelbar geltende Norm anerkannt 24 , woraus Schiessmann den Schluß zieht 25 , daß eine Abweisung und damit auch eine Verletzung des partnerschaftlichen Zusammenarbeitsgebots dem Arbeitgeber das Recht gibt, die Ablösung des Betriebsrats zu verlangen. Die konsequente Durchführung dieses Verlangens würde in der Gegenwart noch zum Zusammenbruch der Arbeitsgerichte führen. Verstößt der Arbeitgeber gegen dieses Gebot, dann hat der Betriebsrat nicht die gleichwertige Möglichkeit auf eine Abstellung zu dringen, es sei denn, das Verhalten des Arbeitgebers ist offensichtlich antigesetzlich ausgerichtet und überschreitet die Grenzen des Strafgesetz18 Vgl. Bericht des Ausschusses für Arbeit, in: Protokolle des Bundestages, Bd. 12, S. 100 ff. zitiert bei Bulla, G. A., „Vertrauensvolle Zusammenarbeit", a.a.O., S. 128. Vgl. Bulla, G. A., „Vertrauensvolle Zusammenarbeit", a.a.O., S. 129. 20 Vgl. Schießmann, K , Keine „Gegenseite" im B V G mehr, M u A 1954, S. 18. Er verweist darauf, i m Hauptanliegen des Gesetzes keine „phrasologischen Gemeinplätze" zu sehen. 21 Matts, W., a.a.O., S. 434 und gleichlautend Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 542.

22 Vgl. Fitting, K., Kraegeloh, Auffarth, F., a.a.O., S. 364; Hueck, A., Nipperdey, H. C., Bd. 2, a.a.O., S. 814; Bulla, G. A., Besprechung von GalperinSiebert, BB 1963, S. 824; Galperin, H., Betriebsverfassungsgesetz und betriebliche Partnerschaft, a.a.O., S. 366; Neumann-Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 438; Schießmann, K., Keine „Gegenseite" im B V G mehr, a.a.O., S. 18.

23 Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 362. 24 Vgl. BAG-Bschl. 22. 5.1959 — A P Nr. I B1.6141; BGH-Urteil 25 Vgl. Schießmann,

vom 2.11.1955 — 1 ABR 30/54, BB 1956, S.77; vom zu § 23 BetrVerfG. mit Anmerkung von Küchenhoff vom 8.12.1954 — 6 StR 231/54, BB 1955, S. 129. K., Sozialpartnerschaft in der Krise, M u A 1962, S. 36.

II. Vertrauensvolle Zusammenarbeit als Grundmotiv

135

buches. Aus diesem unterschiedlichen materiell-rechtlichen Nutzwert der Vorschrift ergeben sich praxisbezogen bereits Zweifel an einer „Normenfunktion von aktueller Rechtswirkung" 26 , die dem Zusammenarbeitsgrundsatz ausdrücklich zugeschrieben wird. Lediglich Meissinger und Erdmann bestreiten den partnerschaftlichen Normenwert von § 49 I. Dem Grundsatz zu vertrauensvoller Zusammenarbeit kommt nach diesen Autoren „vornehmlich programmatische Bedeutung" 27 zu, um das vom Gesetzgeber erstrebte Fernziel der Partnerschaft zu bezeichnen. Dieser Programmsatz 28 enthält nach Meissinger im wesentlichen die Anerkennung der sozialen Selbstverwaltung 29 von Arbeitnehmerangelegenheiten im Betrieb. Beide Meinungen schließen also ein Gebot zu vertrauensvoller Zusammenarbeit nicht aus, beschränken es jedoch auf einen betrieblichen Teilbereich bzw. vermindern die normative Gegenwartswirkung. Ein weiterer Einwand gegen die Funktion des Zusammenarbeitspostulats „als normative Rechtsquelle" ergibt sich aus der Grundkonstruktion des Betriebsverfassungsgesetzes. Es unterscheidet sich vom ehemaligen Betriebsrätegesetz u. a. dadurch, daß es weder einen Errichtungs- noch einen Regelungszwang kennt. Der Unternehmer muß weder zur Einleitung einer Betriebsratswahl initiativ werden, noch kann er für die Einrichtung eines Wirtschaftsausschusses verantwortlich gemacht werden. Daraus folgt, daß die beiden Primärorgane des partnerschaftlichen Postulats, die gesetzesterminologisch ausdrücklich auf das Zusammenarbeitsgebot verpflichtet werden, in einer Vielzahl von Betrieben überhaupt nicht existieren 30 . Das partnerschaftliche Pflichtgebot, das ausdrücklich auf die Zusammenarbeit des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat bzw. mit dem Wirtschaftsausschuß abgestellt ist, kann demnach in einer Vielzahl von Betrieben nicht vollzogen werden. Diese Tatsache läßt erhebliche Zweifel an der Faktizität der Funktionen des ZusammenarbeitspostuBulla, G. A., „Vertrauensvolle Zusammenarbeit", a.a.O., S. 129. 27 Erdmann, G., Das Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., Anm. 3 zu §49, S. 224. 28 Unter einem Programmsatz versteht man eine Forderung an die Gesetzgebung bzw. der Gesetzgebung, die ein Wertprinzip enthält, jedoch unmittelbar noch nicht in der Lage ist, subjektive Rechte und Pflichten für den einzelnen zu schaffen. Vgl. Dietz, R., Die Betriebsverfassimg in der Sozialordnung, a.a.O., S. 652; v.Mangoldt, H., Klein, F., Kommentar zum Bonner Grundgesetz, 2. Aufl., Frankfurt—Berlin 1957/1964, Vorbemerkung A V I 1 und B V I I 1. 29 Vgl. Meissinger, H., Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., Anm. 1 und 6 zu § 49, S. 150 und 153 f. 3® Vgl. dazu Blume, O., Normen und Wirklichkeit, a.a.O., S. 63 ff. und S. 164 ff.

136 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes lats als allgemein geltende Rechtsnorm aufkommen. Der Gesetzgeber müßte diese Inkonsequenz entweder durch Bestätigung eines Richtliniencharakters für das Zusammenarbeitsgebot beseitigen oder aber die Errichtung von Betriebsrat und Wirtschaftsausschuß obligatorisch vorschreiben. b) Der Leitbildcharakter

des partnerschaftlichen

Pflichtgebots

Neben der nach herrschender Meinung vom Zusammenarbeitsgebot ausgehenden Normenwirkung, kann aus der gesetzlichen Stellung des partnerschaftlichen Pflichtgebots auch eine Leitbildfunktion abgeleitet werden, zumal — wie gezeigt wurde — an der Faktizität der Normenfunktion erhebliche Zweifel bestehen. Als allgemeine Bestimmung, dem vierten Teil des Betriebsverfassungsgesetzes vorangestellt, der die Mitbestimmungsrechte regelt, zeigt § 49 I das Fundament, auf dem diese Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer basieren. Vertrauensvolle Zusammenarbeit kann deshalb durchaus als Leitsatz dieser Beteiligungsrechte gesehen werden. aa) Wirkung des Zusammenarbeitsgebots auf die betriebliche Stilstruktur Durch die Ausstrahlung des Zusammenarbeitsgebots wird gewissermaßen die Ordnungsfunktion der Mitbestimmungsrechte zum Ausdruck gebracht, die im Wesenskern mit den Zielvorstellungen der Mitbestimmung im Partnerschaftsbetrieb identisch sind. Es handelt sich unter diesem Gesichtspunkt also nicht um eine in sich erschöpfende materiellrechtliche Norm. Vielmehr wird mit § 49 I die Leitlinie einer neuen Ordnungskonzeption aufgezeigt, welche die Erkenntnis des funktionalen Aufeinanderangewiesenseins und damit die Zusammenarbeit an die Spitze des Prinzips der vom Gesetzgeber gewollten zweiseitigen Betriebsverfassung gestellt hat. Insoweit sind Arbeitgeber und Betriebsrat begriffsnotwendig Partner bei der Schaffung einer neuen betrieblichen Ordnung 31 , deren Anliegen alle materiellen und zum Teil auch formellen 32 Ordnungsvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes durchdringt. Der Leitbildcharakter des gesetzlichen Zusammenarbeitspostulats streut den partnerschaftlichen Ordnungsgehalt also wesentlich weiter, als es einer materiell-rechtlich begrenzten Norm möglich wäre. 31 Vgl. dazu ähnlich Galperin, H., Betriebsverfassungsgesetz und betriebliche Partnerschaft, a.a.O., S. 368. 32 Bulla erhebt diesen etwas zu weitgehenden Anspruch. Vgl. Bulla, G. A., „Vertrauensvolle Zusammenarbeit", a.a.O., S. 128.

II. Vertrauensvolle Zusammenarbeit als Grundmotiv

137

Das gesetzliche Zusammenarbeitsgebot soll als Leitbild den Weg weisen zu einer neuen von dicnotomischen Klassenvorstellungen befreiten Betriebsordnung, die eine soziologische Akzentverlagerung 33 in der Auffassung vom Betrieb als lediglich ökonomisch bestimmten Leistungs tausch Verhältnisses zu einer durch soziale Verpflichtungen geprägten Schaffensgemeinschaft mit sich bringt. In diesem Gebot kommt gleichermaßen stellvertretend für alle rechtlichen Einzelregelungen die Tendenz der „Menschwerdung" 34 des Arbeitnehmers im Betrieb leitbildhaft zum Ausdruck. Die gesetzlich damit festgelegte Stilstruktur der Betriebsverfassung ist die der betrieblichen Partnerschaft. Des weiteren erhebt sich die Frage, ob sich der weite Streubereich der vertrauensvollen Zusammenarbeit im Betriebsalltag überhaupt als Gesetzesnorm erfassen und in Schemata fügen läßt. Die Vielfalt und Vielgestaltigkeit des betrieblichen Ablaufprozesses läßt immer Bereiche entstehen, die sich der „Regelungsfähigkeit" 35 durch inhaltlich begrenzte Vorschriften entziehen. Das Anliegen des Betriebsverfassungsgesetzes verlangt demnach geradezu nach einer elastischen Klausel, die eine innere Einstellung bei Ausübung der Mitbestimmungsrechte leitbildhaft zu prägen versucht. Eine Zusammenarbeit, die sich exakt an den obligatorischen Normen des Betriebsverfassungsgesetzes orientiert, würde dem partnerschaftlichen Gedanken des Paragraphen 49 I kaum gerecht werden. Vertrauen als Einstellung von Menschen zueinander 36 ist nicht in gesetzliche Normen zu pressen oder als aktuelle Rechtswirkung exakt abzugrenzen. Vertrauen läßt sich nicht einfach behaupten oder befehlen. Eine Gesetzesnorm 37, die dies vorschreibt, fordert eine unmögliche Leistung, weil jedes Recht „die Summe derjenigen Regeln ist, die das äußere Zusammenleben regeln" 38 . Vertrauen ist jedoch eine innere Einstellung, „ein physischer Aggregatzustand" 30, den auch die 33 Vgl. zu dieser soziologischen Wandlung des Betriebsbildes: Herschel, W., Entwicklungstendenzen des Arbeitsrechts, RdA 1956, S. 163 f.; Galperin, H., Die betriebliche Ordnung, RdA 1955, S.260. 34 §49 I BetrVerfG. unterstützt dadurch ausdrücklich den Mündigkeitsanspruch des Arbeitnehmers 35 Bulla, G. A., „Vertrauensvolle Zusammenarbeit", a.a.O., S. 128. 36 Vgl. auch Fischer, R., Theorie und Praxis der „vertrauensvollen Zusammenarbeit", M u A 1964, S. 152. 37 Gaugier meint in diesem Zusammenhang, daß sozial verantwortliches Zusammenleben im Betrieb durch „Gesetze allein nicht gestaltet werden kann". Gaugier, E., Demokratie im Betrieb. Aufgaben und Grenzen des Betriebsrates, Mannheim 1963, S. 12. 38 Frey, E., Anmerkung zu „Ausschluß aus dem Betriebsrat", AuR 1957, S. 155 (Herv. v. Verf.).

39 v. Knüpffer, R., Betriebsverfassungsrecht und Betriebsverfassungswirklichkeit, AGP-Mit. vom 1. 7.1967, S. 1.

138 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes exakteste Norm nicht erzwingen kann. Normieren läßt sich nur der äußere Rahmen, das „Handwerkszeug", die „Apparatur" 40 der Betriebsverfassung, nicht jedoch die innere Einstellung ihrer Träger. Es muß also festgehalten werden, daß die Behauptung einer Normenfunktion von unmittelbarer Rechtswirkung im Zusammenarbeitspostulat lediglich von formal-juristischer Bedeutung sein kann. Die Literatur bleibt eine Antwort auf die Frage der praktischen Realisierimg dieser Normenwirkung im Betriebsgeschehen schuldig, zumal eine Verletzung dieses Gebots keine unmittelbaren 41 Rechtsfolgen zeitigt. Die Leitbildfunktion wird der Zusammenarbeitsforderung deshalb wesentlich gerechter, schwächt jedoch nicht ihre faktische Bedeutung, da vertrauensvolle Zusammenarbeit ohnehin nicht erzwungen werden kann. Der primäre partnerschaftliche Wesensgehalt dieses Leitbildes ist in dem Wort „vertrauensvoll" zu sehen, da die betriebliche Partnerschaft auf diesem, eine zweiseitige Betriebsverfassung einschließenden Fundament ruht. Die Behauptung von Frey 4 2 , daß der Sinn und die Ergebnisse des Betriebsverfassungsgesetzes unverändert bleiben würden, wenn auf das Wort „vertrauensvoll" im Zusammenarbeitsgebot verzichtet würde, ist deshalb als völlige Verkennung der partnerschaftlichen Grundanliegen abzulehnen, da diesem Leitgedanken mehr als nur die Funktion einer „platonischen Präambel" 48 zukommt. bb) Kodifizierbarkeit des partnerschaftlichen Leitbilds Ebenso wie Vertrauen gesetzlich nicht erzwungen werden kann, entzieht sich denknotwendig die betriebliche Partnerschaft einer gesetzlichen Normierung überhaupt, da das partnerschaftliche Ordnungsbild durch dieses Grundanliegen fundiert ist. Spindler geht soweit, für die Partnerschaftsbetriebe eine Ausklammerung aus den gesetzlichen Zwangsmaßnahmen zur Realisierung des „organisierten Mitbestimmungsrechtes" 44 zu fordern, damit die unkontrollierte Delegation von Mitbestimmungsrechten im Betrieb 40 Galperin, H., Betriebsverfassungsgesetz und betriebliche Partnerschaft, a.a.O., S. 367. 41 Mittelbar kann eine grobe Verletzung des Zusammenarbeitsgebots eine Behinderung des Betriebsrats darstellen (§53) bzw. einen Verstoß gegen die gesetzlichen Pflichten des Betriebsrats beinhalten (§ 23 BetrVerfG.). 42 Frey, E., Anmerkung zu „Ausschluß aus dem Betriebsrat", a.a.O., S. 155. 43 Ders., Anmerkung zu „Mitbestimmung im Tendenzbetrieb", AuR 1956, S. 126. 44 Spindler, G. P., Mitunternehmertum, a.a.O., S. 103.

II. Vertrauensvolle Zusammenarbeit als Grundmotiv

139

durchbrochen wird. Vertrauensvolle Zusammenarbeit partnerschaftlicher Prägung kann nach seiner Meinung nicht in eine gesetzliche Schablone gepreßt werden, sondern sich nur auf der Basis einer geistigindividuellen Mitarbeiterbeteiligung entwickeln. Deshalb wird die vertrauensvolle Zusammenarbeit im Partnerschaftsbetrieb bewußt in einer Vielgestaltigkeit von Ansätzen zu verwirklichen versucht 45, da der Erfolg der Idee von der freiwilligen Ubereinstimmung aller Beteiligten abhängt. Partnerschaft ist gesetzlich also nicht kodifizierbar, da sich vertrauensvolle Zusammenarbeit in vielfältigen Formen abspielt und nicht befohlen werden kann. Die Partnerschaftsbetriebe betonen u. a. 46 aus diesem Grund immer wieder 47 , daß eine gesetzliche Verwirklichung der betrieblichen Partnerschaftskonzeption sinnwidrig und sogar schädlich sei, weil sie der betriebsindividuell geprägten Eigenart der Zusammenarbeit jedes einzelnen Betriebes widersprechen und den partnerschaftlichen Grundsatz der innerbetrieblich geformten Mitbestimmung verletzen würde. Es können lediglich gewisse Rahmenbestimmungen festgelegt werden, deren Verwirklichung den Partnerschaftsbetrieben überlassen bleiben muß und von deren Erfüllung etwaige steuerliche 48 Förderungsmaßnahmen 40 abhängig gemacht werden können. Damit käme einer derartigen Kodifizierung eindeutig Leitbildcharakter zu. 45 Vgl. auch Fischer, G., Neuzeitliche Betriebsgestaltung durch Ordnung der menschlichen Arbeitsverhältnisse, Wien 1955, S. 39; ders., Zur gesetzlichen Regelung der betrieblichen Partnerschaft, M u A 1954, S. 130. 46 Außerdem hat es der Gesetzgeber bisher versäumt, der Partnerschafts konzeption adäquate Unternehmensformen zu schaffen. Brauchbare juristische Vorschläge wurden gemacht, jedoch nicht zum Gesetz erhoben. Vgl. o.V., Untersuchungen zur Reform des Unternehmensrechts, Teil I I , Die Partnerschaft der Arbeitnehmer, Tübingen 1957, S. 21 ff. 47 Vgl. o.V., Die Duisburger Beschlüsse der AGP, a.a.O., S. 1; ferner auch o.V., Zur Diskussion um einen Gesetzentwurf, A G P - M i t . vom 1.3.1954, S. 5. 48 Man diskutiert vor allem eine steuerliche Förderung der Erfolgsbeteiligung im Rahmen von vertraglich zugesicherten Mitbestimmungsrechten. So sollen beispielsweise Erfolgsbeteiligungsquoten, die mindestens 3 Jahre im Unternehmen festgelegt werden, beim Empfänger von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als unbeschränkt absetzbare Sonderausgaben i m Sinn von § 10 Abs. 1 EStG vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgesetzt werden können. Auch eine Förderung im Sinne der inzwischen abgelaufenen „Siebener-Reihe" des EStG wäre denkbar. So könnten auch für den Unternehmer steuerliche Anreize ähnlich der Bewertungsfreiheiten und Sonderabschreibungen dieser „Siebener-Gruppe" der Nachkriegszeit eingeführt werden. Vgl. zu den Bestimmungen der ehemaligen Siebener-Gruppe Bühler, O., Scherpf, P., Bilanz und Steuer vom Standpunkt des Steuerrechts und der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, 6. Aufl., Berlin—Frankfurt am Main 1957, S.366f. 49 Vgl. dazu auch Guilleaume, E., Der Gesetzgeber als Förderer der Partnerschaft, A G P - M i t . vom 1. 6.1954, S. 1—2.

140 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes

2. Reichweite des kooperativen Pflichtgebots Die Konstruktion des Gesetzgebers ist nicht darauf abgestellt, den einzelnen auf das Betriebsgeschehen Einfluß nehmen zu lassen, sondern dessen Rechte und Pflichten repräsentativen Organen zu übertragen. Die Betonung der Verbandsstruktur wird vor allem in den Rechtsvorschriften zur Wahl des Betriebsrats deutlich und durchzieht als Bestandteil des Zusammenarbeitspostulats alle materiell bedeutsamen Ordnungsvorschriften des Gesetzes. Es heißt in § 49 I ausdrücklich, Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten vertrauensvoll zusammen, eine Ausdehnung dieses Gebots auf das Verhältnis Arbeitgeber—Arbeitnehmer findet sich expressis verbis an keiner Stelle des Gesetzes. Damit wird der Einfluß des einzelnen ausdrücklich als nicht primäre Zielrichtung des Gesetzesanliegens betrachtet. Die Konstruktion des Betriebsverfassungsgesetzes ist also nicht auf Verbesserung der Infrastruktur des Betriebes abgestellt, da der einzelne Arbeitnehmer vom kollektivrechtlichen Zusammenarbeitsgebot nicht unmittelbar erfaßt wird, was an anderer Stelle als „entscheidender Mangel" 60 des Gesetzes bezeichnet wurde. Dadurch nimmt das Betriebsverfassungsgesetz dem einzelnen die Möglichkeiten zur persönlichen Aktivität und überbetont die Stellung des Betriebsrats. a) Die gesetzliche Stellung des Betriebsrats als Hemmschuh partnerschaftlicher Infrastrukturverbesserungen im Betrieb Die rechtliche Stellung des Betriebsrats ist bis heute noch nicht geklärt. Bei diesem Streit geht es im wesentlichen darum, wer Träger und Adressat der vom Betriebsverfassungsgesetz geforderten Rechte und Pflichten ist. I m Rahmen des Themenanliegens können lediglich einige Hauptmeinungen berücksichtigt werden. Huber 61 meint, daß der Betriebsrat die Interessen der Arbeitnehmer in eigener Kompetenz wahrnimmt, d. h. der Betriebsrat übt dabei eigene Beteiligungsrechte aus. Damit wäre der Betriebsrat zur juristischen Person weitergebildet, was jedoch nicht möglich sein kann, da sich alle Ansprüche niemals gegen den Betriebsrat als solchen richten 52 , sondern gegen die einzelnen Betriebsratsmitglieder geltend gemacht werden müssen. 60

v. Knüpff er, R., Betriebsverfassungsrecht und Betriebsverfassungswirklichkeit, a.a.O., S. 1. Huber, E. R., Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. I I , a.a.O., S. 485 f. «2 Vgl. Sorge, S., Die Haftung des Betriebsrats für unerlaubte Handlungen, AuR 1953, S. 273.

II. Vertrauensvolle Zusammenarbeit als Grundmotiv

141

Nipperdey 53 hält den Betriebsrat für den gesetzlichen Vertreter der Belegschaft, der die Rechte der Arbeitnehmer kraft Amtes im eigenen Namen ausübt, was im allgemeinen Sprachgebrauch nicht Aufgabe eines Vertreters ist. Dietz 54 lehnt eine gesetzliche Vertreterfunktion ab und sieht im Betriebsrat ein Organ bzw. einen Repräsentanten der Belegschaft, während Neumann-Duesberg 55 ihn weder als Organ noch als Repräsentanten anerkennen will und ihn als eigenständigen gesetzlichen Verwalter betrachtet. Gester 56 wiederum verneint im Gegensatz zu 57 Fitting-Kraegeloh-Auffarth die Stellung des Betriebsrats als Organ und erkennt ihn als Repräsentanten der Belegschaft an, der deren Rechte wahrnimmt. Das Bundesarbeitsgericht sieht den Betriebsrat einmal als Repräsentant 58 , zum anderen wieder als Organ 69 der Arbeitnehmerschaft, so daß eine herrschende Auffassung über die Stellung des Betriebsrats gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer nirgends ersichtlich ist. Galperin nimmt in dem Streit um den Betriebsrat eine besondere Stellung ein, die sich überraschenderweise die AGP zu eigen gemacht hat 6 0 . Nach Galperin ergeben sich — in Anlehnung an die Grundlehren Jacobis 61 — die Mitbestimmungsrechte aus dem Arbeitsverhältnis und stehen ihrem Ursprung nach „an sich" jedem einzelnen Arbeitnehmer zu 62 . Träger der Beteiligungsrechte soll nach Galperin trotzdem die Arbeitnehmerschaft 63 als betriebsverfassungsrechtlicher Verband sein, während der Betriebsrat als Vertretungsorgan der Arbeitnehmer diese Rechte wahrnimmt. I n dieser Argumentation liegt ein gewisser Widerspruch, den Galperin auch indirekt zugibt, wenn er schließlich erklärt, daß das Mitbestimmungsrecht weder als subjektives Recht des einzelnen Arbeitnehmers noch als kollektives Recht der Arbeitnehmerschaft im üblichen Sinne verstanden werden kann, sondern als Solidarrecht 64 ausgeübt werden soll. Vgl. Hueck, A., Nipperdey,

H. C., Bd. 2, a.a.O., S. 688 f.

m Vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 1. 55 Vgl. Neumann-Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 238. 56 Vgl. Gester, H., Die betriebsverfassungsrechtliche Stellung von Belegschaft und Betriebsrat, Schriftenreihe der Hans Böckler-Gesellschaft, Köln 1960, S. 125; ders., Zur Rechtsnatur des Betriebsrates, RdA 1960, S. 409 ff. 5

? Vgl. Fitting, K., Kraegeloh, Auffarth,

58 5

® 60 Mit. 61

Vgl. Vgl. Vgl. vom Vgl.

F., a.a.O., S. 43 ff.

B A G vom 2.11.1955, 1 ABR 30/54, A P Nr. 1 zu § 23 BetrVerfG. B A G vom 6. 7.1955, 1 A Z R 510/54, A P Nr. 1 zu § 20 BetrVerfG. o.V., AGP-Stellungnahme zur Mitbestimmungsdiskussion, A G P 15.11.1967, S. 2. Jacobi, E., Grundlehren des Arbeitsrechts, a.a.O., S. 295 f.

62 Vgl. Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 338.

63 Dies., S. 73. Dies., S. 74.

142 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes Auch die Begründung einer personenrechtlichen Natur der Beteiligungsrechte durch die Uberschriften zum IV. und V. Teil des Betriebsverfassungsgesetzes kann nicht überzeugen. Zwar spricht der Gesetzgeber in den Uberschreibungen von „Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer" bzw. von der „Beteiligung der Arbeitnehmer im Auf sichtsrat", jedoch kann daraus nicht eine unmittelbare Bezugnahme der Einzelvorschriften auf den Arbeitnehmer an sich abgeleitet werden. Wollte man sich auf Wortklauberei verlegen 65 , so könnte man im Gesetz sehr viele Stellen belegen, an denen der Betriebsrat wiederum zur Wahrnehmung dieser Hechte bestimmt wird. Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, ob der Betriebsrat im Namen der Arbeitnehmer oder kraft seines Amtes handelt. Gemeinsam ist jedoch all diesen so verschiedenartigen Meinungen, daß es sich bei den Rechten des Betriebsrats um ausgesprochene Kollektivrechte handelt, die der Belegschaft als solcher zustehen und nicht als Individualrechte des einzelnen Arbeitnehmers durch den Betriebsrat ausgeübt werden. Der Betriebsrat realisiert diese Rechte im eigenen Namen und in eigener Verantwortung kraft seines Amtes, d. h. er übt sie nicht als auf ihn konzentrierten Willen der einzelnen Arbeitnehmer in deren Namen aus. Dies gilt sowohl für die einzelnen Mitbestimmungsrechte als auch für das Postulat zur vertrauensvollen Zusammenarbeit. Dadurch ergibt sich ein entscheidender Unterschied zur partnerschaftlich konzipierten Mitbestimmung, die — wie zu zeigen versucht wurde — bewußt individualrechtlich aufgefaßt wird. I m Betriebsverfassungsgesetz dagegen kommen kreative Einzelpersönlichkeiten durch die Funktionskonzentration beim Betriebsrat überhaupt nicht zum Zug. Eine Einzelinitiative wird vom Gesetzgeber offenbar nicht gewünscht und vom Betriebsrat in der Praxis oftmals zurückgestoßen, da er sich in seiner rechtlichen Stellung „absolutistisch" gerechtfertigt sieht. Die Stellung des Betriebsrats ist damit dem Partnerschaftsanliegen zumindest nicht förderlich, sie kann sogar die Durchführung dieses Anliegens hemmen. Darüber hinaus wird der Inhalt des Zusammenarbeitsgebots durch die Stellung und Funktion des Betriebsrats mehr oder weniger auf das Verhältnis Arbeitgeber—Betriebsrat beschränkt. Die Zusammenarbeitspflicht ist ein Korrelat der Beteiligungsrechte, die unbestritten als Kollektivrechte dem Betriebsrat zustehen und nicht lediglich gebündelt 68 durch den Betriebsrat wahrgenommen werden. Die Zusam« Vgl. Nikisch, A., Arbeitsrecht, Bd. 3, a.a.O., S. 342. 66 Vgl. Dietz, R., Die Betriebsverfassung in der Sozialordnung, S. 656.

a.a.O.,

II. Vertrauensvolle Zusammenarbeit als Grundmotiv

143

menarbeit ist demnach eine Rechtspflicht der Arbeitnehmerschaft an sich, also eine Kollektivpflicht, die — wie die Beteiligungsrechte — dem Betriebsrat zur Ausübung zusteht. Aus den gesetzlichen Funktionen des Betriebsrats kann nicht gefolgert werden, daß gleichsam jeder Arbeitnehmer die Pflicht hat, vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zum Wohl des Betriebes und zu seinem eigenen Wohl 67 zusammenzuarbeiten 68 , ohne daß eine Verletzung dieses Gebots irgendwelche Rechtsfolgen zeitigen würde, da nach dem Gesetz nicht der einzelne Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gegenübertritt 69 , sondern der Betriebsrat als solcher diese Pflicht zu übernehmen hat. Hier wird ein weiterer Unterschied des gesetzlichen Pflichtgebots zur Zusammenarbeit im Partnerschaftsbetrieb deutlich. Da es im besonderen die individuelle Verantwortlichkeit des einzelnen Arbeitnehmers anspricht, werden Verstöße gegen die partnerschaftliche Stilstruktur folglich auch individuell geahndet. Dies geschieht beispielsweise durch den temporären Entzug der Partnereigenschaft mit allen materiellen Folgen bei der Erfolgsbeteiligung. Damit kann unter dem Aspekt der Verantwortungsübertragung der rechtliche Erstreckungsbereieh des Zusammenarbeitsgebots nicht auf den einzelnen Arbeitnehmer ausgeweitet werden. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß weder direkt aus der gesetzlichen Formulierung noch indirekt über die Stellung des Betriebsrats im Gesetz, das Gebot zu vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat auf den einzelnen Arbeitnehmer unmittelbar übertragen werden kann. Das aus der zur Zeit geltenden Gesetzesfassung abzuleitende kollektivrechtliche Gebot betrifft den einzelnen Arbeiter nicht unmittelbar, wodurch der partnerschaftliche Gehalt von § 49 I BetrVerfG. im Erstreckungsbereich und damit auch in der Intensität geschmälert wird. Alle weitergehenden Interpretationen stellen ein mit dem geltenden Gesetzesinhalt nicht zu vereinbarendes Wunschdenken70 dar und erscheinen als Ziel der Rechtsfortbildung erstrebenswert. I n diesem Zusammenhang fordert man eine Ergänzung des Betriebsverfassungsgesetzes durch Fixierung der Stellung und Rechte des 67

Vgl. auch Nikisch, A., Arbeitsrecht, Bd. 3, a.a.O., S. 17 Fn. 21. 68 Darauf weist besonders hin: Reinhardt, R., Besprechung von Horst Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, Archiv für civilistische Praxis, Bd. 162, Tübingen 1963, S. 172. 69 Rechtsfolgen können sich für den Betriebsrat nur dann ergeben, wenn gesetzliche Pflichten verletzt werden (§ 23 BetrVerfG.). 70 Vgl. auch Schmidt, F., Betriebliche Partnerschaft und Erfolgsbeteiligung in sozialpolitischer und arbeitsrechtlicher Sicht, Diss. Marburg/Lahn 1963, S. 41.

144 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes einzelnen im Betrieb. Ein Gesetz dieses Namens müsse unabdingbar die Grundrechte des einzelnen Mitarbeiters enthalten und nicht nur die Funktionen seiner Organe regeln 71 . In Präzisierung dieser Forderung hat man verschiedentlich einen Katalog von individuellen Grundrechten erarbeitet, die von der Mitbestimmung am Arbeitsplatz bis zur Einsicht in die eigene Personalakte reichen 72. b) Revisionsnotwendigkeit von Stellung und Wahl des Betriebsrats als Folge des partnerschaftlichen Zentralgebots aa) Erweiterung der Bindegliedfunktion des Betriebsrats Auch eine mit diesem Ergebnis nicht übereinstimmende Rechtskonstruktion würde in der Gesetzespraxis zu keinem anderen Schluß gelangen können, da dem Betriebsrat durch die geltenden Normen die Möglichkeit fehlt, die vertrauensvolle Zusammenarbeit auf den einzelnen Mitarbeiter auszudehnen. Dazu hätte der Gesetzgeber Organe schaffen müssen, die einen stärkeren Unterbau in der Mitarbeiterschaft ermöglichen würden. Der einzelne kann durch die gesetzliche Regelung in zusammenarbeitsfördernder Weise überhaupt nicht tätig werden, da es keinen Vertrauensleutekörper gibt, der seine Initiative weiterleiten könnte. Es fehlt dem Betriebsrat demnach ein gesetzlich normierter „ResonanzbodenOhne diese Verbindung zur Mitarbeiterschaft schwebt er in der Luft 7 3 und kann seine Funktionen lediglich ex lege erfüllen. Dies hat oftmals dazu geführt, daß die Arbeitnehmer im Betriebsrat nicht mehr von ihnen gewählte „Kollegen" sehen, sondern diese Institution als dichotomische Nebenhierarchie betrachten. Eine neue Kluft bricht dadurch zwischen Arbeitnehmern und Arbeitnehmern auf 74 , womit das Grundanliegen des Zusammenarbeitsgebots in sein Gegenteil verkehrt und auf eine zweite Ebene gedrängt wird. Nur die Auflockerung dieser „Nebenhierarchie" mittels eines organischen Unterbaus vermag den einzelnen Mitarbeiter in die Generalklausel des Betriebsverfassungsgesetzes miteinzubeziehen.

71 Vgl. Schreiber, G., Das Mitbestimmungsrecht des einzelnen im Betrieb, a.a.O., S. 2; Prinz, P., Das westdeutsche Mitbestimmungsrecht, München 1967, S. 79; o.V., AGP-Stellungnahme zur Mitbestimmungsdiskussion, a.a.O., S.4. 72 Als neueste Stellungnahme zu diesem Problemkreis vgl. Gaugier, E., Bedarf das Betriebsverfassungsgesetz der Ergänzung?, AGP-Tagung am 30. Oktober 1967 in Düsseldorf, Hilden 1968, S. 34 f. 73 Vgl. auch Mausolff, A., Gewerkschaft und Betriebsrat im Urteil der Arbeitnehmer, Darmstadt 1952, S. 130 ff. 74 Vgl. dazu die sehr drastischen Beispiele von Horn6, A., Der beklagte Sieg, a.a.O., S. 183 ff.

II. Vertrauensvolle Zusammenarbeit als Grundmotiv

145

Die Möglichkeiten, die Verbindung zwischen Betriebsrat und Mitarbeiterschaft enger zu gestalten, muß der Gesetzgeber schaffen. Das im Betriebsverfassungsgesetz normierte Vertreterverhältnis 70 von lediglich 25 bzw. maximal 35 Vertretern läßt im günstigsten Fall auf ein Betriebsratsmitglied 290 Arbeitnehmer entfallen. Dadurch ist ohne einen weiteren Unterbau eine Berücksichtigung des einzelnen Mitarbeiters schon rein organisationstechnich überhaupt nicht möglich. Für die Partnerschaftsbetriebe stellt die in Paragraph 49 I zum Ausdruck gebrachte Stilstruktur lediglich einen unabdingbaren Mindestrahmen dar. Für sie ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit, wie Fischer irrtümlich behauptet 76 , nicht in erster Linie eine Aufgabe zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, sondern ein Anliegen, das auf möglichst alle Mitarbeiter auszudehnen ist. Die partnerschaftlichen Maßnahmen überragen deshalb bei weitem die bisher normierten Einrichtungen des Betriebsverfassungsgesetzes. Darüber hinaus erreichen die Partnerschaftsbetriebe durch den zusätzlichen Ausbau repräsentativer Organe eine extensive Auslegung des Zusammenarbeitsgebots über den gesetzlich festgelegten Rahmen hinaus. Der Betriebsrat sieht sich dadurch nicht mehr einer andauernden Interessenkollision ausgesetzt77, da er durch die organische Verbindung zum einzelnen Mitarbeiter seiner „Bindegliedfunktion" im Sinn des Paragraphen 49 I besser gerecht werden kann. Er bildet nicht mehr den „Puffer" für die Interessen von Gewerkschaft, Unternehmer und Mitarbeitern, sondern er versucht primär als Bindeglied zwischen Unternehmer und Mitarbeiterschaft zu wirken. Dies kann soweit gehen, daß der Betriebsrat eine Stützung durch den Unternehmer gegenüber den Führungskräften erfährt, die sich durch konsequente Realisierung des Zusammenarbeitspostulats oftmals in ihrer Autorität beeinträchtigt fühlen. Damit bietet die partnerschaftliche Stilstruktur für den Betriebsrat die optimale Basis, seine Aufgaben nicht gegen die Interessen des Unternehmers, sondern mit ihm 76 erfüllen zu können, was im Anliegen des Paragraphen 49 I ja besonders betont wird. Daraus entwickelt sich ein völlig neues Funktionsbild des Betriebsrats, das die Antinomie ™ Vgl. § 9 BetrVerfG. 76 Vgl. Fischer, R., Vertrauensvolle Zusammenarbeit, a.a.O., S. 2. 77 Vgl. zur „Zwitterstellung" des Betriebsrats: Fürstenberg, F., Der Betriebsrat im Spannungsfeld der industriellen Arbeitsbeziehungen, in: Konflikt und Kooperation im Industriebetrieb, Köln 1960, S. 227 ff.; Schießmann, K., Sozialpartnerschaft in der Krise, a.a.O., S. 36. 78 Vgl. dazu auch Fischer, G., Bedeutung und Formen der Mitbestimmung im Partnerschaftsbetrieb, München 1964, S. 57. 10 Maier

146 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes zwischen dem traditionellen Betriebsratsbild und der Betriebsvertretung unter partnerschaftlichem Postulat sehr deutlich aufzeigt. Früher erwarteten und verlangten die Arbeitnehmer vom Betriebsrat ein konsequentes Eintreten für ihre Belange, auch wenn diese nicht immer voll berechtigt waren. Dagegen wird der unter dem Zusammenarbeitspostulat handelnde Betriebsrat mehr eine Filterstation darstellen, die auf eine objektive Beurteilung des Einzelfalles bedacht sein muß. Dadurch kann sich die Institution des Betriebsrats in Einzelfällen auch zuungunsten der Arbeitnehmer auswirken, wenn das partnerschaftliche Bestreben, den Paragraphen 49 I Wirklichkeit werden zu lassen, konsequent durchgeführt wird. Es bleibt damit festzuhalten, daß das im Paragraphen 49 I manifestierte Zusammenarbeitsgebot, sowohl in seiner rechtlichen Intensität als auch in seinem Erstreckungsbereich dem Anliegen der Partnerschaftskonzeption nicht voll gerecht wird. Während im Betriebsverfassungsgesetz die Verbandsbetrachtung durch die Errichtung repräsentativer Organe zum Ausdruck kommt, erstrebt die partnerschaftliche Betriebsordnung eine Stärkung der Subjektstellung des einzelnen Mitarbeiters an. Der Gesetzgeber ist gehalten, diesen entscheidenden Mangel des Betriebsverfassungsgesetzes zu beseitigen. Dies kann jedoch nicht allein dadurch geschehen, daß in § 49 I oder an anderer Stelle des Gesetzes die vertrauensvolle Zusammenarbeit auf das Verhältnis Arbeitgeber—Betriebsrat—Arbeitnehmer ausgeweitet wird, wie der AGP nahestehende Kreise 79 es fordern 80 . Darüber hinaus muß vom Gesetzgeber die Stellung des Betriebsrats eindeutig geklärt werden. Der vielfältige Augurenstreit erweist sich in dem Moment als irrelevant, in dem der Betriebsrat als Vertreter des einzelnen Arbeitnehmers seine Rechte und Pflichten wahrnimmt. Die Verwirklichung dieser Pflichten und Rechte sollte nicht mehr im Namen des Betriebsrats erfolgen, sondern im Namen der Arbeitnehmer. Eine ausdrückliche Einbeziehung des einzelnen Mitarbeiters in das Pflichtgebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit wird ex definitione damit überflüssig, da der Betriebsrat im Namen der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber zusammenarbeiten würde. Damit würde die direkte Beziehung zum einzelnen Mitarbeiter weit stärker in den Vordergrund des Betriebsverfassungsgesetzes gestellt werden; das partnerschaftliche Blickfeld würde erweitert ohne die Blickrichtung zu ändern. 79 Vgl. v. Knüpffer, R., Betriebsverfassungsrecht und Betriebsverfassungswirklichkeit, a.a.O., S. 2. 80 Die A G P selbst vertritt neuerdings auch diese Auffassung. Vgl. o.V„ AGP-Stellungnahme zur Mitbestimmungsdiskussion, a.a.O., S. 4.

II. Vertrauensvolle Zusammenarbeit als Grundmotiv

147

bb) Stärkung der partnerschaftlichen Individualrechte in der Betriebsversammlung Die Betriebsversammlung, in der die Rechte des einzelnen Arbeitnehmers relativ schwach ausgeprägt sind 81 , muß als meinungsbildendes Organ in ihrer Stellung gegenüber dem Betriebsrat verstärkt werden. Der Betriebsrat ist in seiner derzeit normierten Funktion der Betriebsversammlung weder über- noch untergeordnet 82 . Sie kann dem Betriebsrat nicht das Mißtrauen aussprechen oder ihn abberufen 83. Der Beschluß der Betriebsversammlung, in dem der Wille des einzelnen Arbeitnehmers unmittelbar zum Ausdruck kommt, hat für den Betriebsrat lediglich die Wirkung einer Anregung, da die Betriebsversammlung kein Weisungsrecht gegenüber dem Betriebsrat besitzt. Die Nichtrealisierung eines Beschlusses der Betriebsversammlung zeitigt für den Betriebsrat somit keine unmittelbaren rechtlichen Wirkungen 84 . I n dieser Rechtskonstruktion liegt ein Widerspruch zum partnerschaftlichen Gesamtanliegen des Betriebsverfassungsgesetzes. Die in der Praxis des öfteren beklagte mangelnde Resonanz85 der Betriebsversammlung in der Arbeitnehmerschaft ist verständlich, da jede Meinungsäußerung des einzelnen durch den Ermessensspielraum des Betriebsrats im Endeffekt ohne sichtbare Auswirkung bleibt. Der einzelne Arbeitnehmer wird dadurch sehr drastisch auf seine Objektstellung hingewiesen. Er wird geradezu entmündigt, wenn sich der Betriebsrat bei einzelnen Fragen absichtlich auf seine Verschwiegenheitspflicht zurückzieht und sich somit einer Kontrolle entzieht, was in der Betriebspraxis nicht gerade vereinzelt 88 vorkommt. Will der Gesetzgeber das partnerschaftliche Anliegen des § 49 I voll Wirklichkeit werden lassen, so muß die Stellung des einzelnen in der Betriebsversammlung wesentlich verstärkt werden. Gerade in der Vgl. Wagner, J., Die Betriebsversammlung, insbesondere ihre Zuständigkeit, D B 1954, S. 976—978. 82 Vgl. Nikisch, A., Belegschaft und Betriebsrat, D B 1962, S. 506—508. 83 Vgl. auch Braunert, P., Betriebsversammlung — Rechte und Rechtsprechung, MitbestGespr. Nr. 5/6 1962, S. 78; Seidel, H., Betriebsversammlung — Teilstück der Mitbestimmung?, MitbestGespr. Nr. 5/6 1962, S. 67. 84 Nur beim Vorliegen besonders gravierender Umstände kann die Nichtbeachtung eines Betriebsversammlungsbeschlusses Sanktionen für den Betriebsrat gemäß §23 BetrVerfG. nach sich ziehen. Vgl. dazu Rothe, H., Das Recht der Betriebsversammlung, BIStSozArbR 1960, S. 92; Vogt,A. t Die Betriebsversammlung, Heidelberg 1965, S. 44 ff. 85 vgl. Rump, P., Empirisches Material zur Betriebsversammlung, M i t bestGespr. Nr. 5/6 1962, S. 87; Blume, O., Normen und Wirklichkeit, a.a.O., S. 56 ff. 8« Vgl. Seidel, H., Betriebsversammlung — Teilstück der Mitbestimmung?, a.a.O., S. 68. 1

148 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes Respektierung der auf einer Betriebsversammlung zum Ausdruck kommenden Meinung der Arbeitnehmer muß sich der partnerschaftliche Inhaltsgehalt des Gesetzes zeigen, da Partnerschaft — wie gezeigt wurde — letztlich auf eine Stärkung der Subjektstellung des einzelnen gerichtet ist. Die Betriebsversammlung kann ihr Anliegen als „Podium der Integration" 87 nur dann erfüllen, wenn sie über den Betriebsrat in Korrespondenz zum Arbeitgeber steht. Aus diesem Grund ist zu fordern, daß der Betriebsrat als Meinungsvertreter des von der Betriebsversammlung formulierten Arbeitnehmerwillens mit dem Arbeitgeber zu einem Ausgleich zu gelangen versucht. Vom Gesetzgeber ist deshalb eine stärkere Bindung des Betriebsrats an die Meinungsäußerung der Betriebsversammlung zu fordern. Eine unmittelbare Verpflichtung des Betriebsrats an alle Einzelbeschlüsse kann aus Praktizierungsgründen kaum gefordert werden. Der Betriebsrat könnte jedoch über eine jährliche Entlastung durch die Betriebsversammlung stärker an den Willen der Arbeitnehmer gebunden werden. Die Entlastung kann nicht auf jeder vierteljährlichen Belegschaftsversammlung stattfinden; sie müßte jedoch mindestens einmal im Jahr erfolgen. Darüber hinaus kann die Entlastung und damit auch die Abberufung des Betriebsrats von einer qualifizierten Mehrheit, etwa einer Dreiviertelmehrheit aller anwesenden Arbeitnehmer, abhängig gemacht werden, um Mißbräuche zu verhindern. Eine organische Verbindung zwischen Betriebsrat und Mitarbeiterschaft ist unter der Sachgesetzlichkeit des Zusammenarbeitsgebots unabdingbar notwendig, wenn der Betriebsrat nicht im „luftleeren Raum" operieren will. Sie wäre Ausdruck der partnerschaftlichen Hinwendung des Gesetzes auf den einzelnen Mitarbeiter. Die Partnerschaftsbetriebe haben die Bedeutung der Betriebsversammlung als persönlichkeitsprägendes Instrument weit stärker berücksichtigt 88, als die entsprechenden Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes dies fordern. Die Betriebsversammlung wird in größeren Partnerschaftsbetrieben unterteilt und als Werks- oder sogar Abteilungsversammlung abgehalten, um das intensivere Stellen von Fragen bzw. das Eingehen auf Probleme der Mitarbeiter im Zusammenhang der einzelnen Abteilung besser gewährleisten zu können 80 . 87 Herschel, W., Beratungsgegenstände der Betriebsversammlung, D B 1962, S. 1111. 88 Vgl. dazu Spindler, G. P., Neue Antworten i m Sozialen Raum, a.a.O., S. 345 f.; ders., Interesse am Wirtschaftsausschuß fördern, A G P - M i t . vom 15.2.1964, S. 10; ders., Partnerschaft statt Klassenkampf, a.a.O., S. 47; Beuter, H., Rechtsformen der Beteiligung, a.a.O., S. 6 8 1 ; o.V., G. L. Rexroth GmbH, Lohr am Main, A G P - M i t . vom 15. 8.1960, S. 6. 89 Bei Spindler finden mehrmals im Jahr systematische Befragungen der

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Darüber hinaus überragen die partnerschaftlichen Informations- und Diskussionsmaßnahmen in der Betriebsversammlung die Vorstellungen des Gesetzgebers bei weitem. Bei Spindler wird nicht nur der obligatorische, viertel jährliche Geschäftsbericht gegeben, sondern viele wirtschaftliche und organisatorische Probleme kommen zur Diskussion, die man in einem Nicht-Partnerschaftsbetrieb als Geschäftsgeheimnisse deklarieren würde. Man will damit dem einzelnen Mitarbeiter Gelegenheit geben, direkt Fragen an die Unternehmensleitung richten zu können, um so die persönliche Aktivität zu ermuntern und zu zeigen, daß sich die Unternehmensleitung für die Meinung und Probleme des einzelnen Arbeitnehmers interessiert. cc) Repersonalisierung der Betriebsratswahl als ein Zentralproblem des partnerschaftlichen Zusammenarbeitsgebots Eine weitere Betonung des einzelnen Arbeitnehmers im Rahmen des Zusammenarbeitsgebots muß durch die Änderung des Wahlsystems erfolgen. Der geltende Wahlmodus schreibt eine Gruppenwahl oder eine gemeinsame Wahl zum Betriebsrat vor, sofern sich beide Gruppen 90 , Arbeiter und Angestellte, in getrennter Abstimmung zu einer Gemeinschaftswahl entschließen91. Unabhängig von der Wahlart erfolgt die Abstimmung prinzipiell nach dem Verhältniswahlprinzip, das beim Vorliegen nur eines Wahlvorschlags durch das Mehrheitswahlprinzip ersetzt wird 9 8 . Der Wahlvorschlag wird auf einer Liste unterbreitet, die von einem Zehntel, mindestens jedoch von drei aller wahlberechtigten Arbeitnehmer unterzeichnet sein muß. Es genügt auf jeden Fall, wenn sich an einem Wahlvorschlag 100 Arbeitnehmer beteiligen. In vielen Betrieben gibt es heute gewerkschaftliche Vertrauensleute, die von den gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern so bestimmt werden, daß auf je 50 Gewerkschaftsangehörige 98 ein Vertrauensmann kommt. Diese Vertrauensleute benennen vor allem in Betrieben mit hohem Organisationsgrad in Zusammenarbeit mit dem bisherigen BeArbeitsgruppen statt, um Problemkreise zu ermitteln, die die Mitarbeiter in der Betriebsversammlung zur Sprache bringen wollen, diese aus psychologischen Hemmnissen jedoch nicht aussprechen. »o Vgl. § 13 I I BetrVerfG. Vgl. Hess, H. G., Betriebsratswahlen, 6. Aufl., Heidelberg 1965, S. 20 f.; Müller, E., Probleme der Gruppen- oder Einheitswahlen nach dem Betriebsverfassungsgesetz, DB 1959, S. 490; Schießmann, K., Einzelfragen zur Betriebsratswahl, D B 1959, S. 320—322.

92 Vgl. Dietz, B., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 228; Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 152; Fitting, K., Kraegeloh, Auffarth, F., a.a.O., S. 132. 93 Vgl. Neuloh, O., Der neue Betriebsstil, a.a.O., S 124.

150 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes triebsrat und den Gewerkschaften 94 die Wahlvorschläge auf der Einheitsliste und sorgen für die notwendigen Unterschriften. Sicherlich können daneben auch gesonderte Wahlvorschläge eingereicht werden, was jedoch kaum realisierbar sein dürfte, da es sehr schwierig ist. „gegen den Willen der die Betriebsratswahl vorbereitenden Kräfte 100 Unterschriften zu sammeln" 95 . Da der Wahlberechtigte bei der Verhältniswahl an die Einheitsliste gebunden ist, d. h. die Liste als ganze nur annehmen oder ablehnen, sie jedoch keinesfalls durch Streichung oder Hinzufügung eines Kandidaten verändern kann, kommt es zu einer Professionalisierung des Betriebsrats, da die gewerkschaftlichen Vertrauensleute die Kandidaten nach dem Wunsch des amtierenden Betriebsrats vorschlagen. Das Verhältniswahlrecht und das Vorschlagsmonopol der Vertrauensleute läßt somit dem einzelnen Mitarbeiter keinen Raum zu freier Meinungsäußerung bei Bestimmung des Betriebsrats. Das individuelle Anliegen der Partnerschaft wird hier mit Füßen getreten. Aber auch bei Wahlen nach dem Mehrheitsrecht — wenn lediglich eine Liste vorliegt — wird der einzelne Arbeitnehmer durch die Vorschlagspraktiken des Vertrauensleutekörpers mehr oder weniger manipuliert. I n diesem Fall muß eine Auswahl unter den Bewerbern der Liste stattfinden, so daß die Reihenfolge durch das Abstimmungsergebnis verändert werden kann, da die Liste als solche nicht angenommen oder abgelehnt werden kann. Durch das Vorschlagsmonopol der Vertrauensleute kommen im wesentlichen nur die Kandidaten auf die Liste, die als gewerkschaftlich zuverlässig gelten, auch wenn sie in den einzelnen Teilbetrieben überhaupt nicht bekannt sind. Als Folge dieser Einheitsliste, die für alle Betriebe eines Unternehmens aufgestellt wird, ergibt sich, daß viele Arbeitnehmer Kandidaten wählen, die sie überhaupt nicht kennen 96 . Oftmals wird deshalb lediglich der Reihe nach von oben nach unten auf der Liste angekreuzt, ohne daß der Wähler den Bewerber vorher jemals zu Gesicht bekommen hat 9 7 . Dadurch erfolgt bereits durch die Reihenfolge der Aufstellung eine Beeinflussung der Wahlergebnisse. Durch das beschriebene Vorschlagsverfahren und das Mehrheitswahlrecht ist es also kaum möglich, einen Arbeitnehmer in den Be94 Zur Einreichung von Wahlvorschlägen sind nach außen nur der Arbeitnehmer berechtigt. Jedoch üben die Gewerkschaften Vertrauensleute einen entscheidenden Einfluß aus. Vgl. Dietz, R., verfassungsgesetz, a.a.O., S. 232; Fitting, K., Kraegeloh, Auffarth, S. 134. m Neuloh, O., Der neue Betriebsstil, a.a.O., S. 172. 96 Vgl. auch Fitting, K., Kraegeloh, Auffarth, F., a.a.O., S. 133. 97 Vgl. Neuloh, O., Der neue Betriebsstil, a.a.O., S. 170.

Mitglieder über die BetriebsF., a.a.O.,

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triebsrat zu wählen, den die Arbeitnehmer im Einzelbetrieb persönlich kennen und ihm vertrauen und deshalb für ihn votieren würden. Durch die meist anonyme Listenwahl anstatt personenbezogener Abstimmung, geht in vielen Betrieben jede persönliche Beziehung zwischen dem einzelnen Arbeitnehmer und dem Betriebsrat verloren. Es werden „Listen" anstatt persönlicher Vertreter gewählt. Wenn die vertrauensvolle Zusammenarbeit als partnerschaftliche Zentralbestimmung des Betriebsverfassungsgesetzes den einzelnen Mitarbeiter berücksichtigen soll, dann muß der Gesetzgeber die Entpersönlichung der Wahl zum Betriebsrat verhindern. Dies kann durch betriebsweise Wahl geschehen, bei der die Gruppen- bzw. Einheitsvertreter in der Betriebsversammlung vorgeschlagen und gleichzeitig vorgestellt werden 98 . Dies könnte durch geheime Stimmabgabe geschehen, womit einerseits das Individualrecht des Mitarbeiters verstärkt, andererseits die Beeinflussungsversuche durch außerbetriebliche Kräfte zurückgedrängt werden könnten. Die Betriebsratswahl sollte ein betriebliches Ereignis bleiben, da Fernsteuerungsversuche von außerhalb des Betriebes im Widerspruch zur Mündigkeitsforderung des einzelnen Mitarbeiters stehen. Darüber hinaus verzerren diese Beeinflussungen das Wesen des Betriebsrats als Verbindungsglied zwischen Betriebsleitung und Arbeitnehmerschaft und sind die Wurzeln für einen meist klassenkämpferischen Betriebsrat 99 , der den Forderungen des § 49 I Betriebsverfassungsgesetz bestenfalls nur sehr unvollkommen zu entsprechen in der Lage ist. Empirische Untersuchungen haben des weiteren bewiesen, daß die derzeitige Durchführung der Betriebsratswahlen zu einem Vertrauensschwund zwischen Unternehmensleitung, Betriebsrat und Mitarbeiterschaft geführt hat 1 0 0 , also dem Ordnungsstil des Gesetzes polar entgegengesetzte Wirkungen entstehen. Durch das Zurücktreten der Persönlichkeit des Bewerbers hinter der Liste und die Professionalisierung der Betriebsratsstellen, wodurch viele Betriebsratsmitglieder mehr als ein Jahrzehnt ihr Mandat ausüben 101 , geht den Arbeitnehmern die organische Verbindimg zu ihrem Vertretungsorgan verloren. Es bildet sich häufig eine „neue Klasse" 10*, die vergißt, „daß sie auch mal Arbei» 8 Lediglich bei Galperin-Siebert findet sich ein zaghafter Hinweis, daß gegen die Aufstellung eines Wahlvorschlages in der Betriebsversammlung keine Bedenken geltend gemacht werden können, auch wenn die Maßnahme ungewöhnlich sein sollte. Vgl. Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 154. w Vgl. dazu Gaugier, E., Betriebsra/tswahl i m Partnerschaftsbetrieb, A G P Mit. vom 1.4.1961, S. 2. 100 vgl. Neuloh, O., Der neue Betriebsstil, a.a.O., S. 56, S. 173. 101 Vgl. auch Blume, O., Normen und Wirklichkeit, a.a.O., S. 62. 102 Ahnlich Horrig, A., Der beklagte Sieg, a.a.O., S. 189.

152 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes ter waren" 1 0 3 . Somit kommt es zu einem neuen dichotomischen Aufbau, der dem Anliegen des § 49 Abs. I polar entgegengesetzt ist. Der Gesetzgeber muß deshalb durch eine Beschränkung der Wählbarkeit zum Betriebsrat auf zwei oder maximal drei Amtsperioden versuchen, die Beziehungen zwischen Arbeitnehmerschaft und ihren Vertretern zu „entkanalisierend. h. im Sinne von Paragraph 491 wieder lebendig werden zu lassen. U m dem Erfordernis eines kontinuierlichen Arbeitens unter Auswertung von Erfahrungen Rechnung zu tragen, könnte eine gleitende Wahl eingeführt werden, so daß nach jeder abgelaufenen Wahlperiode jeweils nur die Hälfte der Betriebsratsmitglieder neu gewählt werden müßten. Eine Mischung erfahrener Betriebsratsmitglieder mit neuen Kandidaten, die Impulse aus der Arbeitnehmerschaft mitbringen, kann der partnerschaftlichen Motivationsstruktur des Gesetzes wesentliche Anregungen verleihen. Unter dem Aspekt der in Paragraph 491 festgelegten partnerschaftlichen Stilstruktur kommt der Repersonalisierung des Wahlverfahrens zum Betriebsrat erhebliche Bedeutung zu, weil die Subjektstellung des einzelnen Arbeitnehmers durch die persönliche Einflußnahme auf die Wahldurchführung gestärkt werden kann und so zur Lösung des partnerschaftlichen Zentralproblems ein wesentlicher Beitrag geleistet würde. 3. Ausrichtung und Grenzen des Pflichtgebots zur vertrauensvollen Zusammenarbeit Als Grundelement einer neuen sozialen Ordnung fordert § 49 Betriebsverfassungsgesetz eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Jedoch verlangt der Gesetzgeber dabei keine schrankenlose Kooperation, sondern setzt gewisse Prämissen und Grenzen, die der partnerschaftlichen Stilstruktur einen neuen sozial-ökonomischen Ordnungsgehalt verleihen. a) Zielung der Kooperation auf das Wohl des Betriebes und seiner Arbeitnehmer aa) Unterschiedliche Intensität in der Zielung des Zusammenarbeitsgebots Ziel der vertrauensvollen Zusammenarbeit ist es, die Interessengegensätze durch Ausrichtung der Kooperation auf das Wohl des Betriebes und seiner Arbeitnehmer abzumildern. Die Beachtung dieser loa Neuloh, O., Der neue Betriebsstil, a.a.O., S. 171.

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Richtlinie als übergeordneter Gesichtspunkt bedeutet den Ersatz der prinzipiellen Interessengegensätzlichkeit 104 als Konstruktionsprinzip 105 der betrieblichen Stilstruktur durch eine kooperative Form der Betriebsverfassung, die als Ideengrundlage das bedeutendste Merkmal des partnerschaftlich prinzipierten Betriebes darstellt. Paragraph 491 dient damit der Entschärfung der Interessengegensätze, indem an die Stelle egoistischer Interessenwahrnehmung eine von Anerkennung, Vertrauen und Verständigungswillen gekennzeichnete sachliche Rationalität treten soll 106 . Dies bedeutet in allen Situationen ein beiderseitiges Bemühen, die Interessen des anderen Partners zum Wohl des Betriebsganzen zu berücksichtigen. Jedoch beinhaltet diese Pflichtigkeit nicht, daß der Betriebsrat die Interessen der Arbeitnehmer nicht mehr zu vertreten hat. Sie schließt jedoch aus, daß er diese Interessen lediglich als „Stoßtrupp" 1 0 7 gegen den Arbeitgeber wahrnimmt. Andererseits fordert die Zielung der Zusammenarbeit auf das Betriebsganze eine Bereitschaft des Arbeitgebers, die Betriebsvertretungsorgane an seinen Entschlüssen und Maßnahmen zu beteiligen. Daraus folgt, daß auch der Arbeitgeber seine Ziele nur in Subordination unter das Wohl des Betriebsganzen verfolgen kann 1 0 8 . Die Ausrichtung des Zusammenarbeitsgebots auf das Betriebsganze und den einzelnen Arbeitnehmer beinhaltet demnach die Anerkennung prinzipiell verschiedener Interessenrichtungen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch den Gesetzgeber. Die Kooperation zum Wohl des Betriebes kann deshalb lediglich einen Spannungsausgleich herstellen, d. h. einseitige, egozentrische Interessenwahrnehmungen müssen in Unterordnung unter das Betriebsziel zurückstehen. Eine völlige GleichSchaltung der gegenpoligen Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist auch unter dem geforderten Primat nicht möglich 109, solange die Arbeitnehmer in einem Lohnarbeitsverhältnis stehen und dieses nicht in ein gesellschafterähnliches umgewandelt wird. Hierin unterscheidet sich das Zusammenarbeitsgebot des Betriebsverfassungsgeset104 Vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 123; Bulla, G. A.,

„Vertrauensvolle Zusammenarbeit", a.a.O., S. 123; Fitting, K , Kraegeloh, Auffarth, F., a.a.O., S.363. los vgl. Neumann-Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 174. 108

Vgl. ähnlich Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 362; Hueck, A., Nipper -

dey, H. C., Bd. 2, a.a.O., S. 814. 107 Frey, E., Kommentar zum BAG-Beschluß vom 12.7.1957 — 1 ABR 6/56, AuR 1958, S. 192.

los Vgl. Hueck, A., Nipperdey,

H. C., Bd. 2, a.a.O., S. 814; Galperin, H., Sie-

bert, W., a.a.O., S363; Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 541. 109 vgl. auch Neumann-Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 175.

154 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes zes von der kooperativen Betriebsverfassung der Partnerschaftbetriebe, die — mit Ausnahmen — eine derart skizzierte gesellschafterähnliche Stellung ihrer Mitarbeiter anstreben, durch das noch geltende Gesellschaftsrecht jedoch wesentlich in diesem Bemühen gehindert werden. Der Grundsatz der Zusammenarbeit unter der Leitmaxime des Betriebsganzen induziert nicht nur gegenseitige Rechte, sondern fordert auch konkrete Pflichten von beiden Teilen. Innerhalb des durch das Wohl des Betriebes und seiner Arbeitnehmer geprägten Rahmens bedeutet vertrauensvolle Zusammenarbeit für die Arbeitnehmer eine Verpflichtung zu Offenheit und Ehrlichkeit. So dürfen u. a. Werkdiebstähle vom Betriebsrat nicht vertuscht oder eine verfügte Produktionssteigerung nicht verhindert werden 110 . Andererseits bedingt die Zusammenarbeitsprämisse für den Arbeitgeber die Pflicht zu weitgehender Information, weil darin das Vertrauen gegenüber den Mitarbeitern als erste Vorleistung des Arbeitgebers zum Ausdruck gebracht wird. Die Informationsrechte sind also weit auszulegen111 und entsprechen in dieser Interpretation den Forderungen der Partnerschaftsbetriebe, die eine umfassende Information geradezu als Schlüssel112 zur Partnerschaft betrachten. Die Unterordnung unter das Wohl des Betriebsganzen bedingt demnach sowohl für den Arbeitgeber als auch für die Arbeitnehmer die Bereitschaft, Pflichten zu übernehmen bzw. in Weiterverfolgung dieses Anliegens, auch den Verzicht auf gewisse Rechte. Konsequenterweise ergibt sich daraus auch eine Beschränkung der gesetzlichen Mitbestimmungsrechte 113, wenn die Erhaltung und Sicherung des Betriebs auf dem Spiel steht 114 . Einseitige Dringlichkeitsmaßnahmen des Arbeitgebers, die der Mitbestimmung unterworfen sind, erscheinen unter der Prämisse von § 49 gerechtfertigt, wenngleich solche Maßnahmen nur in Interessenverfolgung des Betriebs und der Arbeitnehmer erfolgen dürfen. ho vgl. Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 363. 111 Vgl. auch Fitting, K., Kraegeloh, Auffarth,

F., a.a.O., S. 363.

112 Vgl. Kaufmann, F. X., Das Informationsproblem in der Unternehmung, Betriebswirtschaftliche Mitteilungen, Bern 1963, S. 23 ff.; Motz, H., Vorstufen einer betrieblichen Partnerschaft, A G P - M i t . vom 15.2.1962, S. 3; Acker-

mann, A., F eurer, W., Ulrich,

H., Innerbetriebliche Information als Füh-

rungsaufgabe, Bern 1959, S. 41 ff.; Fix, W., Ausbau des betrieblichen Informationswesens, A G P - M i t . vom 1.7.1964, S. 3; Friedmann, G., Der Mensch in der mechanisierten Produktion, Köln 1952, S. 348 ff.; F eurer, W., Betriebliche Sozialpolitik, Zürich 1941, S.70ff.; o.V., Der Partner muß informiert sein, AGP-Mit. vom 1.5.1955, S. 1; ähnlich Gaugier, E., Innerbetriebliche I n formation als Führungsaufgäbe, Hilden 1962, S. 10 f. 113 Vgl. auch Galperin, H., Die Grenzen der Mitbestimmimg, a.a.O., S. 258. H* Bulla verneint ausdrücklich diese Konsequenz aus dem Zusammenarbeitsgebot. Vgl. Bulla, G. A., „Vertrauensvolle Zusammenarbeit", a.a.O., S. 124.

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I n gleicher Konsequenz ist aus der Ausrichtung der Zusammenarbeit auf das Wohl des Betriebes und seiner Arbeitnehmer eine Ausweitung der Mitbestimmungsrechte auch in den Fällen zu fordern, in denen das Betriebsverfassungsgesetz solche nicht erwähnt, diese aber sinngemäß aus dem zweiseitigen Anliegen des Zusammenarbeitsgebots abgeleitet werden können. Zumindest zusätzliche Mitsprache- und Mitwirkungsrechte müssen in § 491 subsumierbar sein, wenn innerhalb des durch das Wohl des Betriebes und seiner Arbeitnehmer geschaffenen Rahmens ein derartiges Erfordernis entsteht. Das Wohl des Betriebes und das Wohl der Arbeitnehmer werden als Zielsetzung der Zusammenarbeit gleichzeitig genannt 115 und müssen damit nebeneinander berücksichtigt werden. Soweit die Interessenlagen zuwiderlaufen, wird es einer schwierigen Abwägung bedürfen, die nur unter der Auffassung des prinzipiellen „Miteinanders" zu einer befriedigenden Lösung führen kann. Auch bei sachgerechtester Berücksichtigung aller Faktoren und einer sich dann ergebenden Gleichwertigkeit im Sinne von § 49 I, wird im Endeffekt die Rücksichtnahme auf das Wohl des Betriebes die Problemlage entscheiden müssen, weil damit gleichzeitig das soziale Schicksal der Mitarbeiter bestimmt ist. Die Partnerschaftsbetriebe liefern in nachhaltiger und umfassender Verwirklichung des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit eindrucksvolle Beispiele dafür, wie durch Unterordnung der Interessen beider Betriebspartner unter das als gemeinsames Anliegen zu sehende Wohl des Betriebes die Mitbestimmungsrechte sowohl über die gesetzlichen Vorschriften hinaus erweitert, als auch freiwillig reduziert werden können, wenn die betriebliche Momentsituation dies erfordert. Allerdings können im partnerschaftlich prinzipierten Betrieb damit in verstärktem Maß Schwierigkeiten durch Festlegung der Art und des Umfangs der unter dem Zusammenarbeitspostulat reduzierten Mitbestimmungsrechte entstehen. Das Gebot zu umfassender und rechtzeitiger Information als Gestaltungsprinzip der Partnerschaft findet seine Grenze in der Gefährdung des Betriebsganzen bzw. der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Das Problem der zeitpunktgerechten Information der Mitarbeiterschaft anläßlich bevorstehender Maßnahmen zur Änderung des Produktionsprogramms oder gar der Auflösung einzelner Produktionszweige, ohne gleichzeitig die Konkurrenz aufmerksam zu machen und damit vielleicht das Betriebsganze zu gefährden 116 , stellt ein existeniis Vgl. dazu auch Hueck, A., Nipperdey, H. C., Bd. 2, a.a.O., S. 814; Bulla, G. A., „Vertrauensvolle Zusammenarbeit", a.a.O., S. 124; Fischer, R., Theorie und Praxis der vertrauensvollen Zusammenarbeit, a.a.O., S. 153. ii6 Es wurde bereits das Beispiel eines Partnerschaf ts-betriebes erwähnt, wo bei marktbedingter, plötzlicher Auflösung eines Zweigbetriebes ohne

156 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes tielles Problem der Partnerschaftskonzeption dar. Hier wird eine Grenze der zweiseitig kooperativen Betriebsverfassung durch Rücksichtnahme auf das Betriebsganze sichtbar, da auch Partnerschaftsbetriebe konkurrenzwirtschaftlich handeln müssen. Auch die Mitarbeiter der Partnerschaftsbetriebe müssen sich letztlich zur Priorität des Betriebswohles bekennen. Bei vielen Gelegenheiten ergriffen bisher die Arbeitnehmer selbständig die Initiative, um eine temporär begrenzte Schwierigkeit ihres Betriebes überbrücken zu helfen 117 , was erheblich über die Reichweite des in § 49 Abs. I kodifizierten Kooperativgebotes hinausgeht. bb) Grenzen der Partnerschaft durch Ausrichtung der Zusammenarbeit am Betriebswohl Die nicht interessenmonistische Ausrichtung des Zusammenarbeitgebots hat letztlich in der Förderung des Betriebswohls die Existenzsicherung des Unternehmens und in der Berücksichtigung des Wohls der Arbeitnehmer die Erhaltung und Sicherung der Arbeitsplätze zum Inhalt. I n diese Bemühungen einbezogen ist somit das partnerschaftliche Postulat nach Gleichwertigkeit der Produktionsfaktoren Kapital vorherige Information der Mitarbeiterpartner sich der Betriebsratsvorsitzende genötigt sah, dem Unternehmer die Partnerschaftsverträge ebenso abrupt zu kündigen. Bei G. L. Rexroth, einem anderen Partnerschaftsbetrieb, mußte die Herstellung von Metzgereimaschinen eingestellt werden. Die vertraglich zugesicherten Mitbestimmungsrechte konnten von den Mitarbeitern erst sehr spät ausgeübt werden, ohne den Gesamtbetrieb zu gefährden. So kam es zu Schwierigkeiten zwischen der Geschäftsleitung und den Partnerschaftsorganen, die zwar nicht zur Auflösung des partnerschaftlichen Systems führten, jedoch zu erheblichen Belastungen des Verhältnisses M i t arbeiterschaft-Geschäftsleitung. Quelle: Persönliche Auskünfte der Herren L. Rexroth, E. Tatarko und des Betriebsratsvorsitzenden Herrn Funsch an den Verfasser. 117 Bei der G. L. Rexroth GmbH erreichte im Jahre 1961 der monatliche Erfolgsbeteiligungsanteil 24 Prozent der Lohnsumme. Diese zu hoch angesetzte Quote führte zu einer zu starken Belastung des Unternehmens, was vom Partnerschaftsausschuß erkannt wurde. Nach Beratung mit den M i t arbeitern schlug der Partnerschaftsausschuß in eigener Initiative eine K ü r zung des monatlichen Erfolgsanteils auf maximal 13 Prozent vor. Die M i t arbeiter wollten von sich aus zugunsten des Betriebswohls auf ein sehr wesentliches Beteiligungsrecht verzichten.

Quelle: Diskussion mit den Herren L. Rexroth, E. Tatarko

und H. Funsch

im Februar 1965 bei der G. L. Rexroth GmbH in Lohr am Main. Auch in den Paul Spindler-Werken bevorzugten die Mitarbeiter das Betriebswohl zu Lasten ihres eigenen materiellen Wohls, als 1955 die Gleichstellung von Frauen- und Männerlöhnen tarifvertraglich festgelegt wurde. Dies bedeutete für das Unternehmen eine momentan nicht tragbare Verpflichtung. Nach eingehenden Diskussionen im Wirtschaftsausschuß und im Betriebsrat verzichteten in geheimer Abstimmung 89 Prozent der männ-

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und Arbeit. Ob damit jedoch, wie Nikisch meint 1 1 8 , das Wohl des Betriebes und das seiner Arbeitnehmer als gleichberechtigte Forderung nebeneinander gestellt werden können, muß bezweifelt werden. Mit der Existenzsicherung des Betriebes müßte unter dieser Prämisse gleichzeitig eine Garantie des Arbeitsplatzes in der Forderung des § 49 I BetrVerfG. enthalten sein. Dem Betriebswohl kommt jedoch — wie zu zeigen versucht wurde — ein gewisses Primat zu, das unter Umständen auch Entlassungen zur Folge haben kann. Selbst partnerschaftlich prinzipierten Betrieben ist es trotz umfassender und intensivster Bemühungen nicht möglich, bei Verwirklichung der Zusammenarbeit das Wohl des Betriebs und das seiner Mitarbeiter als gleichberechtigte Zielsetzungen zu realisieren. Die partnerschaftliche Betriebsordnung gestattet es nicht, eine in dieser Interpretation enthaltene absolute Sicherung des Arbeitsplatzes 119 zu garantieren 120 , weil auch im Rahmen der Partnerschaftskonzeption die Erhaltung des Unternehmens im Vordergrund des gemeinsamen Interesses aller Partner stehen muß 1 2 1 . Daraus folgt, daß dem Partnerschaftsunternehmer zugestanden werden muß, im Krisenfall Entlassungen vornehmen zu können. Hier zeigt sich eine Grenze der bisher unter „Partnerschaft" subsumierten Tatbestände deutlich auf. Der Begriff Partner, definiert als Teil eines Ganzen 122 , würde eine systembedingte Gleichberechtigung im Rahmen derGesamtkonzeption bedingen. Entlassungen ohne Zustimmung der Mitarbeiterpartner wären demnach als systemwidriger Tatbestand auszuschließen und abzulehnen. Wirtschaftliche Rezessionsphasen können somit die Partnerschaftskonzeption sprengen, zumindest jedoch deren Grenzen sehr deutlich aufzeigen. Wenn es Spindler als „selbstverständlich" erachtet 123 , daß im Falle von Entlassungen zunächst Arbeitnehmer betroffen werden, die den liehen Mitarbeiter auf 8 Prozent ihres Lohnes, um eine gemeinsame Lohnbasis herstellen zu können, die für das Unternehmen tragbar erschien. Vgl. ferner Schütz, H., Zur Diskussion um das Betriebsverfassungsgesetz, Vortragsmanuskript vom 27.10.1966, S. 10. ns Vgl. Nikisch, A., Arbeitsrecht, Bd. 3, a.a.O., S.230. ii® Vgl. dazu auch Odendahl, R., Partnerschaft schafft kein Wirtschaftsparadies, AGP-Mit. vom 1.1.1967, S. 3. 120 vgl, dazu Völker, R., Partnerschaft und Sicherheit des Arbeitsplatzes, AGP-Mit. vom 1.1.1967, S. 2; Spindler, G.P., Das Mitunternehmertum in der Feuertaufe, a.a.O., S. 3. 121 Vgl. Maier, K , Grenzen der Partnerschaft, AGP-Mit. vom 1.1.1967, S. 7. 122 vgl. Teil B Abschnitt I I , Ziff. 2. 123 Vgl. Spindler, G. P., Information der Mitarbeiter verstärken, AGP-Mit. vom 1.1.1967, S.4.

158 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes Partnerschaftsvertrag noch nicht unterschrieben haben, so verstößt er damit eindeutig gegen den in § 51 BetrVerfG. verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung 124 aller Arbeitnehmer. Eine Kündigung, die lediglich mit Rücksicht auf ein Nichtpartnerschaftsverhältnis erfolgt, entspricht nicht den Grundsätzen von Recht und Billigkeit, die als Prinzip der Gleichbehandlung betriebsverfassungsrechtlich für alle im Betrieb tätigen Personen 126 zu gelten haben. Die Vorschrift selbst enthält sehr wesentliche Kooperativfaktoren, da sie Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam verpflichtet, darüber zu wachen, daß alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Beide müssen bei Erfüllung dieser Pflicht vertrauensvoll zusammenstehen, d.h. sie haben sich gegenseitig auf Mängel und Verstöße hinzuweisen. Darüber hinaus folgt aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung, daß das Verhalten aller zum Betrieb gehörenden Personen von gegenseitiger Rücksichtnahme aufeinander, d.h. auf die Interessen der Arbeitnehmerschaft und des Betriebs getragen ist 1 2 6 . Damit kommt sehr deutlich zum Ausdruck, daß diese Vorschrift eine Verwirklichung der Grundsätze einer sozialen Partnerschaft im eigentlichen Sinn verlangt, also eine Parallele zu § 49 Abs. 3 BetrVerfG. darstellt. Somit enthält § 51 BetrVerfG. selbst partnerschaftliche Grundelemente, ein Verstoß dagegen wegen anderer Partnerschaftsaspekte entbehrt nicht einer gewissen Tragik.

b) Ausrichtung der Zusammenarbeit am Gemeinwohl Die Zusammenarbeit zum Wohl des Betriebs und seiner Arbeitnehmer kann nach der ausdrücklichen Betonung im Gesetz nur unter Berücksichtigung des Gemeinwohls erfolgen. Darin kommt der sozialpolitische Grundsatz zum Ausdruck, daß jeder Betrieb bei Durchführung seiner Aufgaben den Zusammenhang mit der Gesamtwirtschaft im Auge behalten muß 1 2 7 . Das Geschehen im Betrieb geht unter dieser Prämisse nicht mehr allein den Unternehmer und seine Mitarbeiter an, Vgl. dazu die allgemeinen Grundsätze der Gleichbehandlung bei Gal-

perin, H., Der Grundsatz der Gleichbehandlung, RdA 1953, S. 172; Hueck, G., Die Rechtsprechung zur Gleichbehandlung im Arbeitsrecht, DB 1956, S. 352; Frey, E., Allgemeine Regeln bei der Anwendung des Grundsatzes der Gleichibehandlung im Arbeitsrecht, AuR 1960, S. 171.

im Vgl. Hueck, A., Nipperdey, H. C., Bd. 2, a.a.O., S. 819. 12« Vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 568; Nikisch, A.,

Arbeitsrecht, Bd. 3, a.a.O., S. 257; Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 382 f.

127 Vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 542; Nipperdey, bei Hueck, A., Nipperdey, H. C., Bd. 2, a.a.O., S. 815.

H. C.

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sondern fordert eine Berücksichtigung der Belange der größeren Gemeinschaft, einschließlich des Volksganzen. Diese Ausrichtung beinhaltet die Verpflichtung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer alle Kooperativmaßnahmen zu unterlassen, die geeignet sind, das wirtschaftliche und soziale Wohl der Volksgesamtheit 128 zu schädigen129. Das partnerschaftliche Anliegen des Zusammenarbeitsgebots findet somit seine Grenze an den Belangen der Volksgesamtheit, d. h. die Zusammenarbeit muß so praktiziert werden 130, daß sie nicht zum Betriebsegoismus führt Das Zusammenarbeitspostulat ist demnach als Gestaltungsprinzip interessenmonistischer Betriebsinteressen nicht brauchbar, da der Gesetzgeber die Auswirkungen betrieblicher Entscheidungen auf die Allgemeinheit berücksichtigt sehen will. Je nach Marktstellung des Betriebs kommt dieser Ausrichtung unterschiedliche Bedeutung zu 1 3 1 ; auf oligopolistisch oder gar monopolistisch strukturierten Märkten ist die Förderung des Gemeinwohls als bedeutsames Regulativ gegen Machtmißbrauch zu werten. I n der Betriebspraxis kann die Anwendung dieser Vorschrift erhebliche Schwierigkeiten bereiten, da dem Gemeinwohl nicht nur die gemeinsamen Interessen des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer, sondern auch die des Betriebs unterzuordnen sind 132 . Wenn Entscheidungen anstehen, die sowohl das Betriebswohl als auch das Gemeinwohl tangieren, wird es im konkreten Einzelfall einer bedachtsamen Abwägung bedürfen, welchem Interesse der Vorrang gebührt. So kann es durchaus vorkommen, daß die im Zusammenarbeitsgebot implizierte Rücksichtnahme' auf das Gemeinwohl gegenüber rechtlich zulässigen Forderungen 1 3 3 der Arbeitnehmer sich zuungunsten der Arbeitnehmer auswirkt. Einigen sich beispielsweise Arbeitgeber und Betriebsrat über Lohnerhöhungen, die nur über eine entsprechende Preispolitik am Markt finanziert werden können 134 und somit zu einer zusätzlichen Belastung der Allgemeinheit führen, dann ist zu prüfen, ob darin ein Verstoß gegen die Forderung des Zusammenarbeitsgebots vorliegt, das die Nichtigkeit dieser Vereinbarung zu Lasten der Arbeitnehmer erzwingt. 128 Der im Gesetz nicht interpretierte Begriff „Gemeinwohl" wird als „das wirtschaftliche und soziale Wohl der größeren Gemeinschaft (Gemeinde, Land, Volk)" verstanden, „innerhalb deren der Betrieb tätig" ist. Fitting, K.,

Kraegeloh, Auffarth, F., a.a.O., S. 367. 129 vgl. Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 365.

130 vgl. Bulla, W., „Vertrauensvolle Zusammenarbeit", a.a.O., S. 124. Vgl. auch Nikisch, A., Arbeitsrecht, Bd. 3, a.a.O., S. 230. 132 Vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 542. iss vgl. Galperin, H., Grenzen der Mitbestimmung, BB 1951, S. 259. 134 Vgl. auch zu diesem Beispiel Fischer, R., Theorie und Praxis der vertrauensvollen Zusammenarbeit, a.a.O., S. 153.

160 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes Durch die Einbeziehung des Gemeinwohls in die partnerschaftliche Zentralbestimmung des Betriebsverfassungsgesetzes erhält dieses Gesetz eine gesellschaftspolitische Bedeutung, die im Gemeinsinn, also in der sozialpolitischen Einzelverantwortlichkeit aller am Betrieb Beteiligten ihren sichtbaren Ausdruck findet. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsverfassungsgesetzes erhalten über die partnerschaftliche Generalklausel des § 491 somit einen geistig-sozialen Grundcharakter, wobei die Mitberücksichtigung des Gemeinwohls eine „immanente Schranke" 135 darstellt, die verhindert, daß die vertrauensvolle Zusammenarbeit zu hemmungslosem Betriebsegoismus mißbraucht wird. Damit ergeben sich wesentliche Parallelen zur Partnerschaftskonzeption. Auch die betriebliche Partnerschaft will kein Ordnungsprinzip sein, das auf den Betrieb isoliert zur Wirkung gelangt. Partnerschaft will vielmehr als Teilbestandteil einer Gesellschaftsreform zur Uberwindung dichotomischer Klassenvorstellungen beitragen. Sie will den einzelnen als gleichwertiges Individuum in der Allgemeinheit zur Subjektgeltung gelangen lassen. Die mentalen Komponenten der Partnerschaft sind so angelegt, daß durch sie eine wirtschaftliche und sozialpolitische Mitbeteiligung und Mitverantwortung gegenüber der Allgemeinheit sich ergeben soll. Wie gezeigt wurde, verwirklicht die Partnerschaft gesellschaftspolitisch so bedeutsame Grundprinzipien, wie Solidarität und Subsidiarität Die Partnerschaft will damit als ein Stück gesellschaftlicher Reform verstanden werden, die das Allgemeinwohl als Grundelement in ihre Konstruktion miteingebaut hat. Das partnerschaftliche Ordnungsbild tangiert deshalb sowohl die unter Ausrichtung auf die Zentralnorm zu sehenden Mitbestimmungsrechte des Betriebsverfassungsgesetzes als auch die Zielsetzungen der qualifizierten Mitbestimmung des Montanbereiches. Ähnlich wie der Motivkatalog der Montanmitbestimmung fordert sie eine wirtschaftliche und soziale Mitverantwortung, um dadurch zu einer gesellschaftspolitischen Reform zu gelangen. Allerdings unterscheidet sie sich in den Zielwerten „Einzelpersönlichkeit" und „Betriebsverbundenheit" von den Zielvorstellungen der Montanmitbestimmung. Diese Unterscheidung nimmt man vielerorts zum Anlaß, der Partnerschaftskonzeption gesellschaftspolitische Zielsetzungen abzusprechen. Man hält ihr ein hemmungsloses Streben nach Bindung der Mitarbeiter an den Partnerschaftsbetrieb entgegen, wodurch die Arbeitnehmer ihre Willensfreiheit verlieren würden 136 . Durch Erfolgsbeteiligungssysteme, 135 Neumann-Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 84. 136 Vgl. Sohn, K. H., Unternehmensplanung und Mitbestimmung, M i t bestGespr. Nr. 3 1963, S.45; Hoff mann, H. G., Unabhängige Unternehmensführung — Grundlage jeder freien Wirtschaft, I K vom 24. 7.1965, S. 8.

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die nicht zur Barausschüttung führten, werde der Mitarbeiter gezwungen, auch entgegen seiner Meinung der Unternehmensleitung zuzustimmen, um einmal an seine Einlage gelangen zu können. Dadurch würde die Abhängigkeit der Arbeitnehmer gegenüber dem Unternehmer verstärkt und eine derart feste Bindung an den Betrieb erzwungen, daß man von einem „totalen Betrieb" 187 sprechen müßte. Die Gefahr einer Kartellierung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu Lasten der Allgemeinheit sei somit besonders gegeben188, weil Partnerschaft ausdrücklich als eine Form der Zusammenarbeit propagiert werde, die betriebsfremde Personen und Institutionen ausschalten soll. Diese Einwände werden besonders von den Gewerkschaften gemacht, die immer wieder betonen, daß in der Partnerschaft die Abhängigkeiten des Unternehmers von und zu der „Außenwelt" ignoriert werden 139 und dadurch der Beitrag der Allgemeinheit am Zustandekommen des Betriebserfolgs nicht gewürdigt werde. Die ausschließlich „intern" orientierte Lösung der Zusammenarbeit stehe mit den Interessen des Gemeinwohls nicht in Einklang, da die betriebsegoistische Einigung zu Lasten aller anderen Gesellschaftsmitglieder gehe. Die Gewerkschaften plädieren damit für eine besondere „Einbettung" der Betriebe in die Allgemeinheit und unterstützen damit wohl unbewußt ein Hauptanliegen des von ihnen abgelehnten Betriebsverfassungsgesetzes. I m wesentlichen befürchten die Gewerkschaften jedoch, daß durch das partikularistische Vorgehen der Partnerschaftsbetriebe die Herausbildung und Erstarrung eines begrenzten Gruppenegoismus gefördert wird, der eine Art „Arbeiteraristokratie" zur Folge haben könnte 140 . Diese Privilegierung der Arbeitnehmer einzelner Betriebe kann nach ihrer Meinung zu einer Gefährdung der Solidarität der übrigen Arbeitnehmer führen und damit die gewerkschaftliche Macht in Frage stellen 1 4 1 , da der Drang der „saturierten" Arbeitnehmer nach Änderung ihrer Verhältnisse wohl kaum noch vorhanden sei. ist Tilders, T., Mitunternehmertum und gesamtwirtschaftliche Verantwortung, GewMonH 1951, S. 678 f. "8 Vgl. Ortlieb, H. D., Ein Weg zum sozialen Frieden, AGP-Mit. vom 1.12.1957, S.2; Seidel, H, Sozialer Konflikt, a.a.O., S. 86. 139 Vgl, Haferkamp, W., Gewerkschaftliche Beurteilung der Mitbestimmung, a.a.O., S. 101; Zimmermann, A., Zehn Jahre Hans Böckler-Gesellschaft, a.a.O., S. 301. vgl. auch Tuchtfeldt, E., Zur Problematik der Gewinnbeteiligung, GewMonH 1950, S. 262. i4i Höpp, als gewerkschaftlicher Außenseiter bekannt, meint, es wäre ein verderblicher Einwand, dem Ausbau der Arbeitnehmerrechte mit dem A r gument entgegenzutreten, daß damit der Betriebsegoismus gestärkt und der gewerkschaftliche Einfluß geschwächt werde. „Die Gewerkschaften können niemals dadurch Stärke gewinnen, daß sie der Schwäche der Arbeitnehmerschaft Vorschub leisten." Höpp, G., Fünf Thesen zur Unternehmensreform, a.a.O., S. 536. 11 Maler

162 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes Sicherlich stellt die betriebliche Partnerschaftskonzeption nicht lediglich eine von der Allgemeinheit isolierte Erscheinung dar, in der lediglich das „Ergänzungsbedürfnis egoistischen Wirtschaftsstrebens" 142 befriedigt wird. Allerdings beantworteten viele Mitarbeiter in Partnerschaftsbetrieben eine diesbezügliche Frage des Verfassers sehr eindeutig dahingehend, daß für sie die Betriebssolidarität vor der Verbandssolidarität rangiere. Auch die überdurchschnittlich niedrige Fluktuationsquote 145 und der selbst in der Hochkonjunktur jederzeit zu befriedigende Mitarbeiterbedarf 144 , zeugen von der Verbundenheit der Arbeitnehmer mit ihrem Betrieb. Daß über diese Solidarität hinaus die partnerschaftliche Zusammenarbeit entgegen der Ausrichtung von § 491 zu Lasten des Gemeinwohls ausgeübt werde, diesen Beweis müssen die Kritiker noch erbringen. Trotzdem können diese kritischen Einwände nicht damit abgetan werden, daß es sich, wie Spindler meint, lediglich um „theoretische Betrachtungen" handelt, „die meist von gewerkschaftlicher Seite vorgebracht werden" 145 . Es ergibt sich zumindest die Forderung, daß die die Partnerschaft begründende innerbetriebliche Zusammenarbeit volkswirtschaftspolitisch vertretbar 146 sein muß. Auch der Hinweis Spindlers, daß ein gewisser Betriebsegoismus keine schädlichen Wirkungen für die Allgemeinheit habe 147 , da er zu einer Wettbewerbsverschärfung zwischen den einzelnen Betrieben führe, kann nicht voll befriedigen. Es stellt sich nämlich die Frage, welche volkswirtschaftlichen Konsequenzen sich ergeben können, wenn alle Unternehmen oder ein Großteil die Partnerschaftskonzeption verwirklichen würden. Soll die Partnerschaft eine gesellschaftspolitische Funktion erfüllen, dann ergibt sich als Antwort letztlich eine Umgestaltung der marktwirtschaftlichen Ordnung, zumindest jedoch eine Entschärfung des absoluten Wettbewerbsprinzips, da die Wirtschaftsverfassung zwangsläufig dem Ordnungsgehalt der vertrauensvollen Zusammenarbeit angepaßt werden müßte. Diesen volkswirtschaftlichen Konse142 Hain, W., Zeitnahe Partnerschaftsaufgaben, A G P - M i t . vom 1.11.1957, S. 2. 143 z u m Fluktuationsproblem vgl. Gaugier, E., Verminderte Fluktuation, A G P - M i t . vom 15.2.1963, S. 5. 144 i n einem Partnerschaftsbetrieb mit ca. 3000 Mitarbeitern existierte auch in der Hochkonjunkturphase eine Warteliste für sich bewerbende hochqualifizierte Facharbeiter. 14® 14« vom 147 1965,

Spindler, G. P., Neue Antworten i m sozialen Raum, a.a.O., S. 352. Vgl. dazu auch Hornö, A., Die Koexistenz der Sozialpartner, AGP-Mit. 15. 5.1959, S. 5. Vgl. Spindler, G. P., Mitbestimmung ist anders, Die Zeit vom 12.11. S. 37.

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quenzen kann im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht näher nachgegangen werden. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß der Partnerschaft eine betriebsisolierte Betrachtimg nicht gerecht wird. I m mentalen und gesellschaftspolitischen Anliegen ist das Volksganze als ein Grundelement der Partnerschaftskonstruktion berücksichtigt. Betriebsegoistische Tendenzen, die durch das Zusammenarbeitspostulat nicht völlig ausgeschlossen werden können, finden ihre Grenze und Richtschnur in der volkswirtschaftlichen Vertretbarkeit aller Kooperativmaßnahmen. c) Einbeziehung der Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen in die Zusammenarbeit Die durch § 491 gebotene Zusammenarbeit schließt die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen ausdrücklich in das partnerschaftliche Kooperationsgebot mit ein. Der Gesetzgeber will damit nicht nur die Ausschaltung der Koalitionen von der Zusammenarbeit verhindern, sondern er möchte bewußt den Zusammenarbeitsbereich und damit die partnerschaftliche Streuwirkung durch die aktive Mitarbeit der überbetrieblichen Sozialpartner erweitern. aa) Mittelbare und immittelbare Verpflichtung der Verbände auf das partnerschaftliche Fundamentalziel Durch Kontaktnahme und Beratung von Arbeitgeber und Betriebsrat mit ihren Verbänden bzw. durch Hinzuziehung von Verbandsvertretern zu gemeinsamen Gesprächen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, soll das traditionelle „Frontenmißtrauen" abgebaut und durch vertrauensvolles Zusammenwirken ersetzt werden. Damit ist weder dem Arbeitgeber noch dem Betriebsrat die Verpflichtung auferlegt, die Realisierung ihrer Aufgaben an die Zusammenarbeit mit den überbetrieblichen Interessenvertretungen zu binden 148 . Andererseits würden jedoch Betriebsrat und Arbeitgeber ihre Pflichten verletzen 149 , wenn sie bewußt versuchten, die überbetrieblichen Verbände von ihrer innerbetrieblichen Zusammenarbeit auszuschließen. Die Koalitionen haben jedoch kein eigenständiges Recht, sich unmittelbar in das Betriebsgeschehen einzuschalten160. Es kommt ihnen lediglich eine mittelbare 148 Eine solche Bindung wurde bei den Ausschußberatungen zum Gesetz bereits abgelehnt. Vgl. Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 365. 149 vgl. ebd. und Gross, H., Das Hausrecht des Arbeitgebers in der Betriebsverfassung, RdA 1953, S. 92.

150 vgl. Nipperdey, H. C. bei Hueck, A., Nipperdey, S. 815; Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 365. Ii*

H. C., Bd. 2, a.a.O.,

164 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes Hilfestellung 151 zur Überwindung von Meinungsverschiedenheiten zu, in deren Rahmen sie darauf hinzuwirken haben, daß die gesetzesgebotene Zusammenarbeit erfüllt wird. Die eigentliche Gestaltung der Zusammenarbeit verbleibt beim Betriebsrat und Arbeitgeber. Eine unmittelbare Verpflichtung der Koalitionspartner auf die gesetzesgebotene Zusammenarbeit findet sich in einigen Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes, die damit partnerschaftliche Strukturelemente konkret augenscheinlich werden lassen. I n § 29 Abs. 4 und § 31 BetrVerfG. ist das Recht der Arbeitgebervereinigungen und der Gewerkschaften statuiert, in Betriebsratssitzungen durch einen Beauftragten vertreten sein zu können, wenn der Unternehmer bzw. ein Viertel aller Beriebsratsmitglieder dies wünschen 152 . Diese Beauftragten haben beratende Stimme 1 53 , sie können somit aufklärend und ausgleichend zur Uberwindung innerbetrieblicher Meinungsverschiedenheiten tätig werden. I n ähnlicher Zielsetzung ist es nach § 34 Abs. 1 möglich, Gewerkschaftsvertreter zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten einzuschalten, die zwischen den Repräsentanten einzelner Arbeitnehmergruppen entstanden sind. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, daß die überbetrieblichen Interessensverbände durch § 49 Abs. 1 gehalten sind, ihre oftmals noch klassenkämpferische Haltung zugunsten einer Förderung der Zusammenarbeit der Betriebspartner aufzugeben. Der Gesetzgeber gibt den Koalitionen damit auf, sich den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zu eigen zu machen, wodurch Arbeitgeber und Gewerkschaften mittelbar auf die Stilstruktur der betrieblichen Partnerschaft verpflichtet sind. Darin liegt das partnerschaftsfördernde Element dieser Vorschrift, die durch die Verpflichtung der Koalitionspartner auf eine kooperative Betriebsverfassung wesentliche Bedeutung erlangt. Als besonderer Anwendungsfall des Zusammenarbeitsgrundsatzes wurde von der Rechtsprechung 154 das Teilnahmerecht an Betriebsversammlungen gekennzeichnet155. Nach § 45 können Vertreter der Gei5i Vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz,

a.a.O., S. 545; Neumann-

Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 440. 153 vgl. auch Röhsler: Zum Recht des Gewerkschaftsvertreters, den Betrieb zu betreten, AuR 1959, S. 353—359. 153 vgl. zu den Voraussetzungen des Anhörungsrechts Hässler, M., Geschäftsführung des Betriebsrats, Heidelberg 1964, S. 26. 154 Vgl. BAG vom 18. 3.1964, AP Nr. 1 zu § 45 BetrVerfG. 15® Ein weiterer Testfall der gesetzesgebotenen Zusammenarbeit — an anderer Stelle des Gesetzes — kann die Beteiligung des Betriebsrates an der Gestaltung der Werkszeitschrift sein. Nachdem die Werkzeitschrift nicht in den zur Mitenscheidung berechtigenden Katalog des §56 BetrVerfG. subsumierbar erscheint, zeugt es vom Geist vertrauensvoller Zusammen-

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werkschaften und Beauftragte der Arbeitgebervereinigungen beratend zu Betriebsversammlungen hinzugezogen werden. Besonders bedeutsam ist hierbei, daß im Gegensatz zur Teilnahme an den Sitzungen des Betriebsrats der Gewerkschaftsbeauftragte ein selbständiges Anwesenheitsrecht wahrnimmt 166 - Den Gewerkschaften ist damit ein Teilnahmeund Beratungsrecht gesetzlich zugesichert. Unter bestimmten Voraussetzungen157 sind auch die Arbeitgebervereinigungen in die Zusammenarbeit im Rahmen der Betriebsversammlung einbezogen. Weitere Möglichkeiten zur Einschaltung der Koalitionspartner in die innerbetriebliche Kooperation ergeben sich durch die Bildung von Einigungs- und Vermittlungsstellen nach § 50 Abs. 5 und § 72 Abs. 2 BetrVerfG. Schließlich ist indirekt eine Beteiligung der Koalitionen im Sinne des Zusammenarbeitsgebots noch bei Überwachung der Durchführung von Tarifverträgen gegeben, was nach dem Inhalt von § 54 Abs. 1 Buchstabe b unerläßlich zu sein scheint. Die in diesen Vorschriften enthaltenen partnerschaftlichen Strukturelemente beinhalten nicht nur Rechte von aktueller Rechtswirkung, sondern verpflichten die Koalitionen auch auf die in § 49 festgelegte neue Ordnungskonzeption. Dies gilt insbesondere für die Gewerkschaften, deren gegenüber den Arbeitnehmervereinigungen wesentlich stärkere Eingreifrechte in das innerbetriebliche Geschehen, nur unter Berücksichtigung der kooperativen Ordnungskonzeption ausgeübt werden können. bb) Berücksichtigung der Koalitionen in der Partnerschaftskonzeption Das Zusammenarbeitsgebot des Betriebsverfassungsgesetzes schließt — wie gezeigt wurde — eine mittelbare und unmittelbare Berücksichtigung der Koalitionen mit ein. Sowohl der Arbeitgeberverband als auch die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften sind damit in unterarbeit, wenn der Betriebsrat zur redaktionellen Gestaltung trotzdem herangezogen wird, da die Werkzeitschrift zu einem Miteinander wesentlich beitragen kann. Vgl. Neumann-Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 481; Brecht, H., Mitbestimmung bei der Gestaltung der Werkzeitschrift, BB 1953, S. 889—892. 158 Vgl. dazu Georgi, K , Das Recht der Gewerkschaft an der Betriebsversammlung, MitbestGespr. Nr. 5/6 1962, S. 71; Neumann-Duesberg, H., Das gewerkschaftliche Betriebsversammlimgs-Teilnahmerecht, BB 1965, S. 1399 bis 1402. Beauftragte von Arbeitgebervereinigungen haben kein selbständiges Recht auf Teilnahme. Sie können lediglich dann zugezogen werden, wenn der Arbeitgeber persönlich an der Betriebsversammlung teilnimmt; vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 486; Fitting, K., Kraegeloh, Auffarth, F., a.a.O., S. 340.

166 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes schiedlicher Intensität zur Beachtung der partnerschaftlichen Stilstruktur verpflichtet. Die Partnerschaftsbetriebe selbst betonen immer wieder, daß sich die Partnerschaft gegen niemand wende. Darüber hinaus stellen sie ausdrücklich heraus 158 , daß ihre Konzeption 159 nicht von den wirtschaftlich und sozial notwendigen Funktionen der Koalitionen ablenken soll. Die gesamtwirtschaftlichen und strukturpolitischen Aufgaben der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände werden von den Partnerschaftsbetrieben anerkannt und gefördert. Trotzdem stehen die Verbände der Arbeitgeber und viele Unternehmer selbst dem partnerschaftlichen Ordnungssystem ablehnend, zumindest jedoch mißtrauisch gegenüber. Sie befürchten eine Einengung der unternehmerischen Entscheidungsgewalt160 ohne gleichzeitige Risikopartizipation und begnügen sich deshalb nach wie vor damit, den Betrieb als autokratischen Herrschaftsbereich des Unternehmers zu sehen 161 , der mit den sozialpolitischen Anliegen der Gegenwart nichts zu tun hat. Obwohl von gewerkschaftlicher Seite bisher keine offizielle Stellungnahme vorliegt, lassen eine Vielzahl von Einzelbeiträgen erkennen, daß man die betriebliche Partnerschaft gegenwärtig noch weitgehend ablehnt Man befürchtet eine Neuordnung der Wirtschaft unter Zurücksetzung der Verbände durch die angebliche Isolierung der Arbeitnehmer von ihren Gewerkschaften. Wie bereits angedeutet, glauben die Gewerkschaften eine Untergrabung 162 der Solidarität 163 der Arbeitnehmer annehmen zu müssen, die eine allgemeine Lösung der Sozialprobleme verhindere. Die Partnerschaft wird dabei als Ersatzlehre angesprochen, die dazu beitrage eine Art Arbeiteraristokratie zu züchten, um durch diesen Betriebssyndikalismus ein Gegengewicht zur mühsam erkämpften Koalitionsfreiheit zu schaffen 164. iss Die A G P als Zentral- und Vertretungsorgan der Partnerschaft hat eine verbandsfeindliche Zielsetzung ausdrücklich verworfen. Vgl. o.V., Die Duisburger Beschlüsse der AGP, a.a.O., S. 1. 15® Vgl. Herrmann, B., Einige Ergebnisse der Tagung der A G P in Bad Soden, M u A 1956, S.238. 160 Nach Hornb halten sich viele selbständige Unternehmer und darüber hinaus auch Manager-Unternehmer für „so etwas ähnliches wie einen regionalen lieben Gott". Horn€, A., Die Antwort eines Unternehmers, GewM o n H 1965, S.221. 161 Auch Spindler weist auf die Uberschätzung der eigenen Kenntnisse und Positionen der Unternehmer i m Verhältnis zur Gesellschaft hin. Vgl. Spindler, G. P., Neue Antworten im sozialen Raum, a.a.O., S. 71. 162 Die Ergebnisbeteiligung der Partnerschaftsbetriebe wurde in diesem Zusammenhang als „Judaslohn" bezeichnet. Vgl. Tuchtfeldt, E., a.a.O., S. 261. 163 Vgl. Tilders, T., Mitunternehmertum und gesamtwirtschaftliche Verantwortung, GewMonH 1951, S. 679; Herrmann, B., Furcht vor Partnerschaft, AGP-Mit. vom 1.2.1955, S. 1. 164 Vgl. Herrmann, B., Betriebliche Partnerschaft und Gewerkschaften,

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Diese angebliche Antipodenstellung von Gewerkschaften und betrieblicher Partnerschaft löst sich in dem Moment von selbst auf, in dem die Gewerkschaften das Mitbestimmungsanliegen nicht mehr primär als Kontrollproblem betrachten. Auch heute ergänzen sich die Ziele der Gewerkschaften und der Partnerschaftsbetriebe bereits in wesentlichen Ansätzen. Beide wollen den Menschen in den Mittelpunkt des betrieblichen Geschehens rücken, um sein Abhängigkeitsverhältnis zu mildern oder gar zu überwinden. Damit hebt sich unter diesem Aspekt ein möglicher Loyalitätskonflikt des Arbeitnehmers zwischen Gewerkschaftsund Betriebssolidarität von selbst auf. Eine kurzfristige Lösung dieses Problems könnte darin bestehen, die Partnerschaft mit dem Willen der Gewerkschaften einzuführen, d.h. diese bereits bei Einführung im Betrieb um Mitbeteiligung zu bitten. I n einigen Partnerschaftsbetrieben, wie Völker und Rexroth, konnte der Verfasser ausgezeichnete Beziehungen zwischen den Partnern und den Regionalgewerkschaften feststellen. Dies ist vor allem auf die Persönlichkeit der Betriebsratsvorsitzenden zurückzuführen, die als langjährige Gewerkschaftsmitglieder gleichzeitig zu den Aktivisten der Partnerschaftsidee zählen. Durch ständige Fühlungnahme mit den Regionalgewerkschaften, in Form von paritätisch besetzten innerbetrieblichen Ausschüssen mit Mitsprache- und Mitwirkungsbefugnissen, könnten die Partnerschaftsbetriebe versuchen, die Gewerkschaften von der Redlichkeit ihrer Bemühungen zu überzeugen. Durch diese beratende Mitteilhabe der Gewerkschaften am Betriebsgeschehen würde nicht nur das gesetzliche Zusammenarbeitsgebot des § 491 erweitert, sondern gleichzeitig der Versuch unternommen, die betriebliche Partnerschaft weiter auf die Gesamtwirtschaft auszudehnen. Zur Verwirklichung dieses Vorschlags ist von gewerkschaftlicher Seite ein Umdenken 166 zu einer konstruktiven 166 Miteinander-Politik notwendig. Der „Kollektiv-Komplex", die Gesamtwirtschaft beeinflussen zu wollen, müßte zugunsten einer Zusammenarbeit im einzelnen Betrieb abgebaut werden. Der Einzelbetrieb muß die Basis jeder gewerkschaftlichen Aktion bleiben, wenn die Subjektstellung des einzelnen Arbeitnehmers als Zielsetzung der Gewerkschaftspolitik ernst genommen werden soll. Damit ergibt sich allerdings eine automatische AGP-Mit. vom 1.6.1958, S. 1; Tuchtfeldt, E., a.a.O., S. 262; Seidel, H., Sozialer Konflikt, Partnerschaft und Mitbestimmung, a.a.O., S. 84. 1 W Vgl. auch Stolz, O., Die Gewerkschaften in der Sackgasse, ein kritisches Porträt, München 1959, S.8ff. * 6 6 Vgl. dazu die Vorschläge von Fricke, F., Konstruktive Gewerkschaftspolitik, GewMonH 1955, S. 329 ff.

168 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes Umgestaltung 167 der gewerkschaftlichen Mitbestimmungszielsetzungen, wenn das partnerschaftliche Konstruktionsprinzip auf eine überwiegende Zahl von Betrieben übertragen wird. Der Kontroll- und Kampfauftrag muß sich zu einem betriebsindividuell ausgerichteten Vermittlungs- und Regulierungsauftrag wandeln, der bis zur aktiven Beratungs- und Mitwirkungsteilhabe im Betrieb gehen kann. Bejahen die Gewerkschaftsvertreter diese aus § 4 9 1 konsequent abgeleiteten Bestrebungen, dann kann sich die gesetzesgebotene Zusammenarbeit im Betrieb erst voll entfalten. Beharren die Gewerkschaften jedoch auf ihrer traditionellen Einstellung, dann findet ihre subsidiäre Rolle gegenüber der vertrauensvollen Zusammenarbeit dort ihre Grenze, wo das Betriebswohl und der Betriebsfrieden durch ihre Beteiligung gestört werden. Gerade die Partnerschaftsbetriebe beachten diese Grenze der Zusammenarbeit mit den Verbänden sehr genau. Bei Groz-Beckert wurde ein klassenkämpferischer Gewerkschaftsvertreter, der die Arbeitnehmer zur Teilnahme am württembergischen Metallarbeiterstreik des Jahres 1963 aufwiegeln wollte, vom Betriebsratsvorsitzenden mehrmals um sachliche Argumentation gebeten. Als er trotzdem, in agitatorischer Weise fortfahrend, die Arbeiter aufwiegeln wollte, obwohl die sachlichen Voraussetzungen des Streikaufrufs in diesem Partnerschaftsbetrieb nicht gegeben waren, verwies ihn der Betriebsratsvorsitzende wegen Mißbrauchs des Zusammenarbeitsgrundsatzes kurzerhand aus dem Betrieb. Die gesetzesgebotene, vertrauensvolle Zusammenarbeit beinhaltet somit auch Grenzen in der Kooperation bzw. bedingt Pflichten, die am Betriebswohl und am Wohl der Arbeitnehmer ausgerichtet sind. I I I . Instrumentale Konkretisierung partnerschaftlicher Strukturelemente im Betriebsverfassungsgesetz und in der Betriebsverfassungswirklichkeit 1. Die Friedenspflicht als besondere Ausprägung des Zusammenarbeitsgebots und deren Ausstrahlung auf die Ordnungsstruktur des Betriebes Eine besondere Ausprägung erfährt die Pflicht zu vertrauensvoller Zusammenarbeit in § 49 Abs. 2 BetrVerfG. Die gemeinsame Verantwortung von Arbeitgeber und Betriebsrat wird an dieser Stelle des w Vgl. auch Wilken, F., Die Befreiung der Arbeit. Die Überwindung der Arbeitskämpfe durch assoziative Betriebsverfassung, Freiburg i. Brsg. 1965, S. 94 ff. Wilken berichtet (S.96), daß in USA Gewerkschaften gegenüber Unternehmern eine Garantie übernehmen für gute Leistungen ihrer M i t glieder.

III. Instrumentale Konkretisierung partnerschaftlicher Strukturelemente 169 Gesetzes besonders dadurch betont, daß beide alles zu unterlassen haben, was die Arbeit und den Frieden des Betriebes gefährden könnte. Diese absolute Friedenspflicht 1 obliegt sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Betriebsrat. Aus dem Gesetz geht nicht unmittelbar hervor, daß diese Pflicht auch für alle anderen Betriebsangehörigen 2 angenommen werden kann, was eine Erweiterung des gesetzlichen Zusammenarbeitsgrundsatzes in Richtung der partnerschaftlichen Betriebsordnung bedeuten würde. a) Innerbetriebliche Friedenspflicht systemimmanente Konsequenz der „vertrauensvollen

als Zusammenarbeit"

An sich ergibt sich diese absolute Friedenspflicht zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber bereits als logische Konsequenz aus dem Gebot zu vertrauensvoller Zusammenarbeit, dem diese Friedenspflicht folglich immanent innewohnt 3 . Der Gesetzgeber fordert jedoch ausdrücklich nochmals die Wahrung des Arbeitsfriedens, um der Gefahr einer tiefgreifenden Störung der Beziehungen besonders zu begegnen. Er will damit Kampfmaßnahmen als Mittel zur Austragung betrieblicher Meinungsverschiedenheiten unter allen Umständen ausschließen. Darin liegt der entscheidende partnerschaftliche Gehalt dieser Verpflichtung. aa) Ausstrahlung des absoluten Verbots innerbetrieblicher Arbeitskämpfe auf die Mitbestimmungsausübung Die Friedenspflicht umschließt einen positiven Handlungstatbestand und eine negative Unterlassungspflicht. Der negative Inhalt dieser Rechtspflicht fordert, daß Arbeitgeber und Betriebsrat auf betrieblicher Ebene grundsätzlich keinen Arbeitskampf gegeneinander durchführen oder auch nur anstreben. Zu den Kampfmaßnahmen 4 zählen dabei alle 1 Beer definiert den Betriebsfrieden als einen „auf Recht, Sitte und Moral begründeten Zustand der Harmonie und des Ausgleichs . . . aller in einem Betrieb tätigen Menschen". Beer, H., Über den Betriebsfrieden, AuR 1958, S. 236. 2 Beer fordert eine Ausweitung der Pflicht zur Wahrung des Betriebsfriedens auf jeden einzelnen Mitarbeiter. Vgl. Beer, H., a.a.O., S.236. Das BAG-Urteil vom 17.12.1958 — 1 A Z R 349/57, das eine unmittelbare tarifliche Friedenspflicht der Einzelmitglieder verneint, spricht gegen diese begründete Annahme. Vgl. o.V., Schadensersatzpflicht bei wildem Streik, BB 1959, S. 304. 3 Vgl. Bulla, G. A., Betriebsverfassung und Arbeitskampf, RdA 1962, S. 386; ders., Vertrauensvolle Zusammenarbeit, a.a.O., S. 127. 4 Vgl. zum Inhalt der Kampfmaßnahmen Bulla, G. A., Der Begriff der „Kampfmaßnahme" im Arbeitskampfrecht, DB 1959, S. 574.

170 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes Mittel und Maßnahmen, die den anderen Arbeitspartner unter unmittelbaren Druck setzen sollen, um so die Erfüllung einer Forderung oder eines gesetzlichen Gebotes zu erreichen. Der Gesetzgeber will damit sicherstellen, daß die vertrauensvollen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nicht durch § 49-inadäquate Maßnahmen getrübt werden. Desgleichen darf der Arbeitgeber keinen Arbeitskampf planen, um die Arbeitnehmer seinen betrieblichen Interessen gefügig zu machen, also beispielsweise die Arbeitnehmer wegen einer Arbeitszeitverlegung aussperren. Daraus ergibt sich, daß alle Maßnahmen, die durch innerbetrieblichen Druck auf den anderen Teil erzwungen werden sollen, rechtswidrig sind5, da sie dem partnerschaftlichen Anliegen des Zusammenarbeitsgebots nicht adäquat erscheinen. Streik und Aussperrung zur Erreichung eines innerbetrieblichen Zieles sind damit unzulässig, eine Beteiligung daran macht den Betriebsrat und den Arbeitgeber schadensersatzpflichtig 6. Aber auch nicht so vordergründige Maßnahmen wie Streik und Aussperrung fallen unter die Unterlassungspflichten des partnerschaftlichen Friedensgebots. So darf weder der Arbeitgeber noch der Betriebsrat in den Kompetenzbereich des anderen eingreifen, ohne die Friedenspflicht zu verletzen. Beispielsweise ist es nicht gestattet, die Anschläge des anderen Teils vom Schwarzen Brett zu entfernen 7. Beide Teile sind gehalten aufeinander Rücksicht zu nehmen, was sich für den Arbeitgeber konkret aus der Schutzvorschrift des § 53 ergibt, die damit als Ausfluß der Friedenspflicht partnerschaftliche Gestaltungsprinzipien beinhaltet. Vom Betriebsrat erfordert die Rücksichtnahme im Rahmen der Friedenspflicht sogar eine gewisse Beschränkung des Rechts der freien Meinungsäußerung 8. So darf er im Betrieb nicht gegen den Arbeitgeber polemisieren oder arbeitgeberfeindliche 9 Flugblätter verteilen. Selbst bei Ausübung der Zusammenarbeit müssen Betriebsrat und Arbeitgeber den Betriebsfrieden als einen „die Gemeinschaft aller Betriebsangehörigen" 10 umschließenden Auftrag wahrnehmen, womit die partnerschaftliche Intensität dieses Pflichtgebots gesteigert wird. 5

Vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 547; Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 367; Fitting, K., Kraegeloh, Auffarth,F., a.a.O., S. 368. • Vgl. dazu Bulla, G. A., Betriebsverfassung und Arbeitskampf, a.a.O., S. 388 f.; Sorge, S., Die Haftung des Betriebsrats, a.a.O., S.273. 7 Vgl. Neumann-Duesberg, H., Auswirkungen des Betriebsratsamts auf die gegen Betriebsratsmitglieder möglichen Individualrechtsmaßnahmen des Arbeitgebers, RdA 1962, S. 297. « Vgl. Gross, H., Die Friedenspflicht des Betriebsrats, RdA 1953, S. 371.

»Vgl. Hueck, A., Nipperdey,

H. C., a.a.O., S.816, Fn. 12; Nikisch,

Arbeitsrecht, Bd. 3, a.a.O., S. 235. Beer, H., Über den Betriebsfrieden, a.a.O., S. 237 (Herv. v. Verf.).

A.,

III. Instrumentale Konkretisierung partnerschaftlicher Strukturelemente 171 So dürfen z.B. keine Einstellungsrichtlinien vereinbart werden, die einzelne Arbeitnehmer bevorteilen würden und damit eine Beunruhigung der Arbeitnehmerschaft im Gefolge haben könnten. Besonders bedeutsam ist das Arbeitskampfverbot für die Ausübung der Mitbestimmungsrechte des sozialen, personellen und wirtschaftlichen Bereichs. Wie gezeigt wurde, sind die Auslegungsschwierigkeiten — vor allem beim Mitentscheidungsrecht des sozialen Bereichs — noch lange nicht endgültig ausdiskutiert. I m Streitfalle ist es dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat untersagt, die unterschiedlichen Auffassungen durch Arbeitskampfmaßnahmen zu homogenisieren. Keine Partei kann ihre eigene Auffassung dem Gegenpart durch Pressalien aufzuzwingen versuchen, da die betriebliche Friedenspflicht eine derartige Interpretation der Mitbestimmungsrechte untersagt. Der Gesamtbereich der Mitsprache-, Mitwirkungs- und Mitentscheidungsrechte ist dadurch aus dem Sachgebiet ausgeschlossen, auf dessen Gestaltung durch Arbeitskampfmaßnahmen Einfluß 11 ausgeübt werden darf. Der Gesetzgeber geht damit bei den entscheidenden Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes von einer partnerschaftlichen Konzeption aus. Er hat die Mitbestimmungsrechte nicht als „Instrument eines innerbetrieblichen Interessenkampfes" oder als eine „vom Mißtrauen diktierte Kontrollmethode" 12 gestaltet, sondern als Kooperativrechte, die zu gemeinsamer Verantwortung der Betriebspartner führen sollen. Wie gezeigt wurde, hat der Gesetzgeber im sozialen Bereich ein erzwingbares Mitentscheidungsrecht geschaffen. Dem Betriebsrat stehen Initiative und Entscheidung in gleicher Intensität zu, wie dem Arbeitgeber. Keine Seite kann ohne die andere Entscheidungen treffen, beide sind nur gemeinsam in der Lage, die der Mitbestimmung unterliegenden sozialen Angelegenheiten zu regeln. Durch dieses gemeinsame Handeln erscheint das Mitentscheidungsrecht sehr deutlich als Ausdruck des vertrauensvollen Zusammenwirkens von Arbeitgeber und Betriebsrat. I m personellen Bereich wurde die Mitbestimmung vor allem wegen möglicher Rückwirkungen der personellen Maßnahmen auf den Betriebsfrieden geschaffen. Die Nichtanhörung des Betriebsrats bei Kündigungen13 stellt einen schweren Verstoß gegen das in § 49 I kodifizierte Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit dar und rechtfertigt die sich daraus ergebende kündigungsrechtliche Konsequenz. u Vgl. auch Bulla, G. A., Betriebsverfassung und Arbeitskampf, a.a.O., S. 386. 12 Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 546; Nipperdey, H. C., bei Hueck, A., Nipperdey, H. C., Bd. 2, a.a.O., S. 817. 1 3 Vgl. dazu Teil B Abschnitt I Ziff. 2.

172 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes Auch im Bereich der wirtschaftlichen Mitbestimmung zeigen sich partnerschaftliche Strukturelemente, wenngleich die Intensität dieser Beteiligungsrechte lediglich als Mitwirkungsrechte ausgeprägt ist. Der Unternehmer ist vor der Durchführung geplanter Betriebsänderungen, die der Mitwirkung nach § 72 Abs. 1 unterliegen, verpflichtet, einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat zu versuchen. Er muß also mit dem Betriebsrat verhandeln, um seine Zustimmung zu erlangen. Diese Gespräche müssen nach § 49 Abs. 3 mit dem ernsten Willen zum Ausgleich widerstreitender Interessen geführt werden 14 . Ohne diesen Einigungsversuch ist es dem Betriebsrat versagt die Vermittlungsstelle anzurufen. Die Zusammensetzung und Funktionsweise der Vermittlungsstelle selbst läßt wiederum erkennen, daß es dem Gesetzgeber vor allem auf einen Ausgleich ankommt. Dazu kann die Zusammensetzung und das Verfahren der Vermittlungsstelle zwischen dem Betriebsrat und dem Unternehmer völlig frei geregelt werden. Diese müssen sich dabei auf den Vorsitzenden einigen; die Personen der Beisitzer werden nach dem Gesetz paritätisch vom Betriebsrat und vom Arbeitgeber benannt. Beide sollen — was von Dietz als MußVorschrift interpretiert wird 1 5 — nur Betriebsangehörige bestellen. Dieser Forderung kann nicht gefolgt werden, da betriebsfremde Beisitzer durch Verfahren vor anderen Einigungsstellen — vor allem, wenn es sich um hauptamtliche Vertreter der Koalitionen handelt 16 — Erfahrungen und die Bereitschaft mitbringen, auf die Beilegung des Meinungsstreits hinzuwirken. Außerdem handelt es sich hier um einen Präzedenzfall von § 49 Abs. 1, wo ausdrücklich ein Zusammenwirken mit den überbetrieblichen Verbänden im Rahmen der betrieblichen Kooperation gefordert wird. Insoweit trägt die Hinzuziehung außerbetrieblicher Beisitzer in besonderer Weise dem Gebot zu vertrauensvoller Zusammenarbeit Rechnung. Das Tätigwerden der Vermittlungsstelle kann durch eine Seite eingeleitet und auch erzwungen werden 17 . Die andere Seite ist dann gesetzlich genötigt, sich an der Aussprache zu beteiligen, d. h. der Gesetzgeber übt sogar Druck aus, um eine Kooperation im Sinn von § 491 zu erreichen. Es bleibt somit festzuhalten, daß auch im wirtschaftlichen Bereich die Mitbestimmung gesetzlich darauf ausgerichtet ist, zu einer Verständigung zwischen Betriebsrat und Betriebsleitung zu kommen. " Vgl. Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 643. Vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 910. 16 Vgl. auch Pünnel, L., a.a.O., S. 71. 17 Vgl. dazu auch Rumpff, K., Die Beteiligungsrechte von Betriebsrat und Wirtschaftsausschuß in wirtschaftlichen Angelegenheiten, MitbestGespr. Nr. 2 1966, S. 27; Nikisch, A., Arbeitsrecht, Bd. 3, a.a.O., S. 529 ff.; Pünnel, L., a.a.O., 15

III. Instrumentale Konkretisierung partnerschaftlicher Strukturelemente 173 Durch all diese Mitbestimmungsvorschriften wird wiederum klar zum Ausdruck gebracht, daß es dem Gesetzgeber vor allem darauf ankommt, „den Akzent auf das innerbetriebliche Zusammenwirken zu legen, um auf diese Weise Arbeitgeber und Betriebsrat zueinanderzuführen und aneinanderzubinden" 18. Die betriebliche Friedenspflicht unterstützt dieses Bemühen in entscheidender Weise. Sie zwingt Arbeitgeber und Betriebsrat zu einer funktionalen Konsolidierung der Mitbestimmungsrechte im programmatischen Sinn der betrieblichen Partnerschaft. Die Friedenspflicht verlangt vom Betriebsrat und Arbeitgeber nicht nur ein Unterlassen jeder Störung des betrieblichen Arbeitsfriedens, vielmehr müssen beide alles tun, um eine mögliche Störung des Arbeitsfriedens durch Dritte zu verhindern. Der Arbeitgeber muß dabei in erster Linie darauf achten, daß die leitenden Angestellten 19 nicht dem partnerschaftlichen Friedensgebot entgegenarbeiten, eine Aufgabe also, die sich — wie gezeigt wurde — im Partnerschaftsbetrieb in ähnlicher 20 Zielsetzung ergibt. Vom Betriebsrat verlangt die betriebliche Friedenspflicht überall dort ein aktives Eingreifen, wo die Eintracht und soziale Ordnung des Betriebs, insbesondere das Zusammenwirken der Arbeitnehmer untereinander 21 , durch Maßnahmen der Arbeitnehmer störanfällig erscheint. Die Friedenspflicht überträgt dem Betriebsrat die Aufgabe, bei parteipolitischer Betätigung einer Gruppe von Arbeitnehmern einzugreifen 22 , wenn der Arbeitsfriede dadurch in Gefahr gerät. Bei wilden Streiks 23 , bei passivem Widerstand und Langsamarbeit muß sich der Betriebsrat jeder Förderung enthalten und darüber hinaus versuchen alles in seiner Macht stehende zu tun, um den Frieden im Betrieb wiederherzustellen 24 , d.h. er muß sich gemeinsam mit den Arbeitnehmern bemühen, die unorganisierten Arbeitsstreitigkeiten 18 Galperin, H., Betriebsverfassung und betriebliche Partnerschaft, a.a.O., S. 367. i» Ebd., S. 367. *o VgL Walter, W., Der leitende Angestellte im Partnerschaftsbetrieb, a.a.O., S. 2. 21 Bei Kollegendiebstahl, Raufereien am Arbeitsplatz, Beleidigungen u.a.m. gibt die Friedenspflicht dem Betriebsrat eine Aktivaufgabe. Vgl. Beer, H., Über den Betriebsfrieden, a.a.O., S. 236. 22 Vgl. Gross, H., Die Friedenspflicht, a.a.O., S. 372'. 23 Vgl. dazu das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 8.2.1962, A Z 4 Ca, 12a/62; o. V., Schadensersatzpflicht bei wildem Streik mit dem Ziele, die Entlassung leitender Angestellter zu erzwingen, DB 1962, S. 374—375. 24 Vgl. dazu Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 547; Nikisch,A. f Arbeitsrecht, Bd. 3, a.a.O., S. 243; Neumann-Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 440; Bulla, G. A., Betriebsverfassung und Arbeitskampf, a.a.O., S. 387.

174 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes zum Wohl des Betriebes 25 zu überwinden. Als Konkretisierung des Zusammenarbeitsgebots erzwingt die Friedenspflicht damit sehr real ein aktives Handeln zugunsten einer zweiseitigen Betriebsverfassung, wodurch partnerschaftliche Stilfaktoren deutlich zum Ausdruck gelangen. I n diesem Zusammenhang ist auch die Vorschrift des § 66 Abs. 4 zu sehen, wonach der Betriebsrat die Versetzung oder Entlassimg eines Arbeitnehmers verlangen kann, wenn dieser durch sein Verhalten wiederholt den Betriebsfrieden ernsthaft gestört hat. Dieses Initiativrecht des Betriebsrats wurde bereits als sehr bedeutsames Mitbestimmungsrecht im personellen Bereich gekennzeichnet26. Es steht in engem Zusammenhang mit der Vorschrift des § 61 Abs. 3 Buchstabe d, wonach der Betriebsrat bei Einstellung eines Arbeitnehmers ein abgeschwächtes Einspruchsrecht geltend machen kann, wenn der begründete Verdacht besteht, daß der Bewerber eine Gefahr für den Betriebsfrieden darstellt. I n beiden Vorschriften verlangt der Gesetzgeber jedoch, daß der Betriebsfrieden durch unsoziales und gesetzwidriges Verhalten des Arbeitnehmers wiederholt ernsthaft bedroht sein mußte, bevor der Betriebsrat im Interesse des Betriebs und dem Wohl der Gesamtarbeitnehmerschaft eine Entlassung oder Versetzung verlangen kann. Der partnerschaftliche Gehalt dieser Vorschrift ist vor allem in der mittelbaren Verpflichtung des einzelnen Arbeitnehmers auf das Betriebsganze zu sehen. Bei Verletzung dieser Pflichtigkeit kann der Arbeitgeber nicht sofort dem Verlangen des Betriebsrats entsprechen. Er muß in eigener Verantwortlichkeit zunächst den Einzelfall prüfen, und wenn das Ansinnen unbegründet erscheint, sich schützend vor den Arbeitnehmer stellen 87 . Erscheint dagegen das Verlangen des Betriebsrats begründet, dann hat sich der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber über die Entlassung zu beraten, d.h. beide müssen bei Versetzung 28 eine Einigung über den neuen Arbeitsplatz herbeiführen, worin wiederum partnerschaftliche Ansätze zu sehen sind. bb) Vorrang innerbetrieblicher Einigung als Ausfluß der Kooperativbestrebungen Die im vorausgehenden Abschnitt geforderte Kooperation ist nur möglich, wenn beide Betriebspartner ausreichend informiert sind. Der Vgl. Meisel, P. G., Die allgemeinen Aufgaben des Betriebsrates, D B 1962, S. 1694. *« Vgl. Teil B Abschnitt I Ziff. 3. " Müller, G., Schutz der negativen Koalitionsfreiheit, BB 1952, S. 550. Vgl. auch Gross, H., Die Friedenspflicht, a.a.O., S.373; Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S.588.

III. Instrumentale Konkretisierung partnerschaftlicher Strukturelemente 175 Gesetzgeber trägt dieser Prämisse durch die Sollvorschrift 29 des §49 Abs. 3 Rechnung, wonach Betriebsrat und Arbeitgeber mindestens einmal im Monat zur gemeinschaftlichen Besprechung aller den Betrieb und speziell die Arbeitnehmerschaft betreffenden Fragen zusammenkommen sollen. Es entspricht dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit, daß beide Partner gesetzlich gehalten sind, für die Durchführung dieser Besprechungen zu sorgen. Das Gespräch soll zwischen allen Betriebsratsmitgliedern und dem Arbeitgeber stattfinden 80 , da es nicht nur zur Klärung von Sachfragen, sondern auch der Kontaktpflege dienen soll. Damit versucht man durch Aufklärung und Unterrichtung innerbetrieblich Vertrauen zu schaffen. Zur Verstärkung der partnerschaftlichen Wirkung dieser Vorschrift fordert man eine zwingende Institutionalisierung der monatlichen Zusammenkünfte zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern 31 . Diese Besprechungen sollen neben der Sachinformation vor allem der Beilegung von Streitfragen dienen. Der Gesetzgeber fordert deshalb, daß Arbeitgeber und Betriebsrat bei auftretenden Meinungsverschiedenheiten mit dem ernsten Willen zur Einigung miteinander verhandeln. Beide sind damit gehalten, durch positive Vorschläge die gemeinsamen Belange zu fördern und sich zur Lösung von Meinungsverschiedenheiten entgegenzukommen. Diese Kompromißbereitschaft ist nicht nur eine Verpflichtung des Betriebsrats — wie Dietz 32 behauptet — sondern auch des Arbeitgebers als dem Gesetz gleichverpflichteter Verfassungsträger. Das Miteinander ist als gesetzliches Postulat in diesen Anweisungen deutlich spürbar 33. Desgleichen ist vor Anrufung des Arbeitsgerichts z. B. bei Verweigerung der Zustimmung für eine Einstellung nach § 66 Abs. 2, vorher zu versuchen, die Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat innerbetrieblich beizulegen. Jedoch ist der Gesetzgeber in der Betonung dieser Kooperationsform inkonsequent, als er die Einigungsversuche zwar vorschreibt, sie jedoch nicht zur obligatorischen Arbeitsprozeßvoraussetzung erhebt. Arbeitgeber und Betriebsrat sollen also grundsätzlich versuchen, eine Beilegung von strittigen Fragen innerbetrieblich zu erreichen. I n partnerschaftlicher Konsequenz verbietet daher § 49 Abs. 4 die Anrufung Vgl. Fitting,

K., Kraegeloh, Auffarth,

F., a.a.O., S. 369.

so vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 550. 31 Vgl. v. Knüpffer, R., Betriebsverfassungsrecht und Betriebsverfassungswirklichkeit, a.a.O., S.8. 32 Vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 550.

33 Vgl. Fitting,

K , Kraegeloh,

Auffarth,

F., a.a.O., S. 369 f.; Dietz, R., Be-

triebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 551; Bulla, G. P., „Vertrauensvolle Zusammenarbeit", a.a.O., S. 126; Nikisch, A., Arbeitsrecht, Bd. 3, a.a.O., S.233.

176 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes von Schiedsstellen, bevor nicht alle Möglichkeiten 34 , sich unmittelbar zu verständigen, ausgeschöpft wurden. Das Gesetz verlangt also bewußt von beiden Seiten ein aktives, ausgleichendes Handeln, das sich wiederum aus dem übergeordneten Leitsatz des gegenseitigen Vertrauens versteht. Die Einigungsstelle an sich bietet nach §50 BetrVerfG. wiederum Möglichkeiten zum partnerschaftlichen Ausgleich gegenseitiger Mißverständnisse und prinzipieller Meinungsverschiedenheiten, die trotz aller unmittelbaren Versuche innerbetrieblich nicht ausgeglichen werden konnten. Sie besitzt jedoch kein Zwangsmittel zur Durchsetzung getroffener Kompromisse. Die Pflicht, ihren Beschlüssen Folge zu leisten, ergibt sich lediglich aus der gesetzlichen Forderung nach vertrauensvoller Zusammenarbeit. Sie ähnelt in ihrer Funktion 85 damit der betrieblichen Schlichtungsstelle, auf deren partnerschaftliche Ausgleichswirkung bereits hingewiesen wurde. Allerdings kommt der Einigungsstelle in der Betriebspraxis weitaus größere Bedeutung zu, da das Schwergewicht ihres Ausgleichs im umstrittenen Bereich der sozialen Angelegenheiten liegt. In all diesen Postulaten wird deutlich, daß der Gesetzgeber den Betriebsrat und den Arbeitgeber zu einem innerbetrieblichen Gespräch anhalten oder gar zwingen möchte. Diese gegenseitige Beratung und Information ist an anderer Stelle bereits als Schlüssel zur betrieblichen Partnerschaft bezeichnet worden. cc) Sonstige Kooperationsansätze im Rahmen des Friedensgebots Als weiterer Zusammenhang ergibt sich beim Teilnahmerecht des Arbeitgebers an den Sitzungen des Betriebsrats ein zusätzlicher Aspekt, der die Friedenspflicht unter dem partnerschaftlichen Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit inhaltlich bestimmt. Der Arbeitgeber nimmt nach § 29 Abs. 4 aus eigener Zuständigkeit an den Betriebsratssitzungen teil, die auf sein Verlangen anberaumt worden sind oder zu denen er vom Betriebsratsvorsitzenden eingeladen worden ist. Ein Zwang zur Teilnahme begründet dieser Anspruch 36 nicht 37 . Jedoch muß diese Vorschrift unter dem innerbetrieblichen Einigungsgebot des 34

Vgl. zu dieser Forderung auch Leser, H., Arbeitsgericht und Einigungsstelle. Zur Abgrenzung ihrer Zuständigkeiten in betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten, AuR 1955, S. 21. Vgl. dazu Geißler, W., Das Verfahren vor der Einigungsstelle, M i t bestGespr. Nr. 6/7 1959, S. 8. Außer Nikisch, der eine aus § 49 Abs. 1 sich ergebende Teilnahmepflicht ableitet, wird eine Teilnahmepflicht abgelehnt. Vgl. Nikisch, A., Arbeitsrecht, a.a.O., S. 179. 37 Vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 385; Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S.258.

III. Instrumentale Konkretisierung partnerschaftlicher Strukturelemente 177 §49 Abs. 4 gesehen werden. Danach ergibt sich für den Arbeitgeber zumindest bei anstehenden Streitigkeiten eine über die Berechtigung hinausgehende Verpflichtung 38 , an den Sitzungen des Betriebsrats teilzunehmen 89 . Ohne diese Pflichtigkeit des Arbeitgebers würde §49 Abs. 4 seines partnerschaftlichen Gehalts beraubt werden, während andererseits eine Konkretisierung der gesetzesgebotenen Zusammenarbeit erst dann möglich wird, wenn der Betriebsrat verpflichtet ist, dem Arbeitgeber die Teilnahme an Betriebsratssitzungen wunschgemäß zu gewähren. I n enger Verbindung mit dieser partnerschaftlichen Forderung steht die Regelung des § 30 BetrVerfG., die den Betriebsratsvorsitzenden verpflichtet, bei Anberaumung von Betriebsratssitzungen auf die Notwendigkeiten des Betriebs angemessen Rücksicht zu nehmen. Diese Konkretisierung des Gebots zu vertrauensvoller Zusammenarbeit bedingt sowohl eine sachliche Rücksichtnahme auf den betrieblichen Arbeitsablauf als auch eine räumliche und zeitliche Berücksichtigung der betrieblichen Notwendigkeiten. Dies bezieht sich nicht nur auf die zeitliche Abhaltung der Sitzung, die an das Ende der Arbeitszeit zu legen ist, sondern auch darauf, daß lediglich soviele Zusammenkünfte abgehalten werden, wie unabdingbar erforderlich sind und diese auf die notwendige Dauer beschränkt bleiben 40 . Darüber hinaus kann die Rücksichtnahme auf das Betriebswohl die Abhaltung von Sitzungen außerhalb der Arbeitszeit bedingen, wenn ein Betriebsratsmitglied an seinem Arbeitsplatz unentbehrlich ist 41 . Eine nämliche Berücksichtigung betrieblicher Belange findet sich bei Festlegung der zeitlichen Lage der Betriebsversammlung. Auch hier hat der Betriebsrat auf betriebliche Notwendigkeiten Rücksicht zu nehmen und nach § 43 Abs. 2 die ordentlichen Betriebsversammlungen so zu legen, daß schwerwiegende Nachteile, wie z.B. die Stillegung des ganzen Betriebes, vermieden werden. Die Rücksichtnahme auf das Wohl des Betriebsganzen erfordert nach §43 Abs. 2 und §30 sogar, daß die Betriebsversammlungen bzw. die Betriebsratssitzungen außerhalb der Arbeitszeit abgehalten werden müssen, wenn zwingende Er38 Fitting - Kraegeloh - Auffarth

und Sahmer wollen in einem grundsätz-

lichen Fernbleiben des Arbeitgebers eine Störung der Betriebsratstätigkeit sehen, die nach § 78 Abs. 1 Sanktionen für den Arbeitgeber zur Folge haben kann. Vgl. Sahmer, H., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S.81; Fitting, K.,

Kraegeloh,

Auffarth,

F., a.a.O., S. 259.

3» Vgl. auch ähnlich Bulla, a.a.O., S. 126.

G. A., „Vertrauensvolle

Zusammenarbeit",

4o Vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 389; Neumann-Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S.294; Galperin, H., Siebert, W.,

a.a.O., S. 260. « Vgl. Nikisch, A., Arbeitsrecht, Bd. 3, a.a.O., S. 182. 12 Maier

178 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes fordernisse 4* des Betriebs unter dem Gesichtspunkt des partnerschaftlichen Kooperativgebots eine solche Maßnahme zur Sicherung und Aufrechterhaltung des Betriebsfriedens notwendig erscheinen läßt. Die beiden Vorschriften erinnern den Betriebsrat sehr klar daran, daß er nicht dazu berufen ist, einseitig 43 die Belange der Arbeitnehmer zu vertreten, sondern nach dem Willen des Gesetzgebers auch die Interessen des Unternehmers berücksichtigen muß. Damit kommt die Verpflichtung des Betriebsrats auf eine zweiseitige Betriebsverfassung zum Ausdruck, die als ein Fundamentalsatz der Partnerschaft umschrieben wurde. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, daß die allgemeine Friedenspflicht und die sich daraus ergebenden Konkretisierungen, sehr bedeutsame Grundsätze des Betriebsverfassungsrechts darstellen. Diese Pflichtigkeit von Arbeitgeber und Betriebsrat ist demgemäß als ein „entscheidender Bestandteil der in § 49 normierten partnerschaftlichen Verpflichtung zu vertrauensvoller Zusammenarbeit" 44 zu verstehen. b) Partnerschaftliche Grenzen des Friedensgebots durch Loyalitätskonflikte im außerbetrieblichen Arbeitskampf Die betriebliche Friedenspflicht findet ihre Grenze bei Kampfmaßnahmen tariffähiger Parteien. Danach kann der Arbeitgeber Aussperrungen vornehmen 45 , da es sich nicht um eine gegen den Betriebsrat gerichtete Kampfmaßnahme handelt. Der Betriebsrat dagegen darf sich als solcher nicht an einem gewerkschaftlich ausgerufenen Streik beteiligen, da er keine tariffähige Partei darstellt. Es ist ihm auch verwehrt die Arbeitnehmer aufzufordern 46 , sich an einem von den Gewerkschaften proklamierten Arbeitskampf zu enthalten. Der Betriebsrat muß sich also bei einem gewerkschaftlich organisierten Streik absolut neutral verhalten 47 , d.h. er hat sich jeglicher Parteinahme 42 Rein betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte genügen nicht, um eine Anberaumung der Betriebsversammlung außerhalb der Arbeitszeit prinzipiell zu rechtfertigen. Vgl. Braunert, P., Betriebsversammlung, a.a.O., S. 79; Herschel, W., Die zeitliche Lage der Betriebsversammlung, DB 1962, S. 2 3 9 1

« Vgl. Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 260. 44 Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 367. 4« Vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 549; Nikisch,

Arbeitsrecht, Bd. 3, a.a.O., S. 243.

46 Vgl. Fitting,

K , Kraegeloh,

Auffarth,

A.,

F., a.a.O., S. 368.

47 Herrschende Meinung vgl. Nikisch, A., Arbeitsrecht, Bd. 3, a.a.O., S. 244;

Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 549; Galperin, H., Siebert W., a.a.O., S.368; Hueck, A., Nipperdey, H. C., Bd. 2, a.a.O., S.817; Sahmer, H., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 121; Brox, H., Rüthers, B., Arbeitskampfrecht, Stuttgart 1965, S. 99.

III. Instrumentale Konkretisierung partnerschaftlicher Strukturelemente 179 für oder gegen den Streik zu enthalten. Dieses strenge Neutralitätsprinzip gilt für den Betriebsrat in seiner Gesamtheit, nicht jedoch für die einzelnen Betriebsratsmitglieder in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer. Das einzelne Betriebsratsmitglied ist in seiner Eigenschaft als betriebsangehöriger Arbeitnehmer durch die Friedenspflicht nicht daran gehindert, an einem von der Gewerkschaft geführten Arbeitskampf teilzunehmen. Darüber hinaus kann das Betriebsratsmitglied als Einzelperson aktiv in den Arbeitskampf eingreifen oder sich leitend in der Streikführung betätigen 48 , wenn es Gewerkschaftsfunktionär 49 ist. Allerdings darf es dies nur in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer außerhalb des eigenen Betriebes tun 50 , da es alles vermeiden muß, was darauf hindeutet, als beteilige es sich in amtlicher Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrats am Streik. Damit wird der Betriebsrat in eine Doppelstellung gedrängt, die von ihm ein polar entgegengesetztes Denken und Handeln verlangt und ihm eine Taktik aufzwingt, die an seine Schauspielkunst große Anforderungen stellt 51 . Dieselbe Person muß durch diese Vorschrift in einen „normalen" Arbeitnehmer aufgespalten werden 52 , der sich kampfbeteiligen darf, und in einen Angehörigen des Betriebsrats, der dies nicht darf. Empirische Untersuchungen 53 haben ergeben, daß diese „Persönlichkeitsspaltung" sieben von zehn befragten Betriebsratsvorsitzenden ablehnen. Völlig widersinnig wird diese Rechtskonstruktion gegenüber der Arbeitnehmerschaft, die den Betriebsrat kaum in zwei verschiedenen Funktionsbildern sieht Für die Arbeitnehmer übt das Betriebsratsmitglied den Streik lediglich „als Betriebsrat" aus, was einer Förderung des Arbeitskampfes durch den Betriebsrat als Institution gleichkommt, da der Meinung des Betriebsrats als solchem besondere Bedeutung zugemessen wird. Das einzelne Betriebsratsmitglied verstößt somit als Streikbeteiligter auch dann gegen das Arbeitskampfverbot, wenn es bewußt auf die Herausstellung seiner amtlichen Position verzichtet Es verletzt durch seine gesetzesgebotene „Zwitterstellung" das betrieb48 vgl, Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S.548; Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S.368. 49 Vgl. Bulla, G. A., Betriebsverfassung und Arbeitskampf, a.a.O., S.387. 60 Vgl. Hiersemann, W., Die Stellung des Betriebsrates i m Arbeitskampf, BB 1966, S. 253; Gross, H., Friedenspflicht, a.a.O., S.372. «1 Vgl. Blume, O., Normen und Wirklichkeit, a.a.O., S. 158. 62 Auch Frey hält diese Aufspaltung für unhaltbar. Vgl. Frey, E., Aktive Streikteilnahme des Betriebsrates, AuR 1954, S. 22. 63 vgl. Blume, O., Normen und Wirklichkeit, a.a.O., S. 158. 12*

180 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes liehe Friedensgebot und somit einen wesentlichen der betrieblichen Partnerschaft

Fundamentalfaktor

Eine Lösung dieses Konfliktes ist in zweifacher Weise denkbar. Das Betriebsratsmitglied wird einmal aus seiner Doppelfunktion dadurch herausgenommen, daß es sich auch „als Betriebsrat" unbeschränkt am Arbeitskampf beteiligen kann. Damit würde es seiner partnerschaftlichen Aufgabe im Rahmen des Zusammenarbeitsgebots enthoben werden. Als Folge davon müßte entweder eine Umpolung der Zusammenarbeit auf neu zu schaffende Repräsentanten der Arbeitnehmer erfolgen oder eine neue Grundkonstruktion müßte an die Stelle der Zusammenarbeit im Betriebsverfassungsgesetz treten. Unvorstellbar erscheint es, daß sich Betriebsrat und Arbeitgeber einmal unbeschränkt „bekämpfen" und zum anderen wieder vertrauensvoll zusammenarbeiten. Eine dem Grundanliegen des Gesetzes wesentlich angemessenere Lösung ergibt sich durch die konsequente Realisierung der betrieblichen Friedenspfiicht. Die Zwitterstellung des Betriebsrats ist dadurch zu beseitigen, daß sich das einzelne Mitglied nicht am außerbetrieblichen Arbeitskampf beteiligen darf. „Es ist nicht nur eine Frage des Taktes, sondern der rechtlichen Grenze, wieweit das Betriebsratsmitglied sich bei einem Streik der Gewerkschaft betätigen darf oder nicht 54 ." Zumindest müßte dem Betriebsrat eine aktive Teilnahme als Streikleiter versagt werden, da diese Tätigkeit dem Streben um Kooperation diametral entgegengesetzt wirkt und mit der partnerschaftlichen Grundkonzeption des Gesetzes unvereinbar erscheint. Der Betriebsrat ist auch während der Streikdauer dem Zusammenarbeitsgebot verpflichtet. Er muß sich so verhalten, daß nach dem Arbeitskampf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber möglich bleibt. Diese Verpflichtung schließt eine streikleitende Aktivbeteiligung aus. Diese Aufgaben können von den gewerkschaftlichen Vertrauensleuten übernommen werden, die nicht unmittelbar an der kooperativen Kontaktpflege mit dem Arbeitgeber beteiligt sind. Streiks auf Tarifebene sind in der Praxis Prüfsteine, an denen sich die Zweckmäßigkeit und der partnerschaftliche Gehalt der Zentralnorm des Betriebsverfassungsgesetzes wird erweisen müssen. Die Partnerschaftsbetriebe erweitern das betriebsverfassungsrechtliche Friedensgebot zu einer verbandsrechtlichen Friedenspflicht, die jeden einzelnen Arbeitnehmer miteinbezieht. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß Streik und Aussperrung mit der PartnerschaftskonM

Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 548.

III. Instrumentale Konkretisierung partnerschaftlicher Strukturelemente 181 zeption unvereinbar sind 55 und somit als systemwidrige Tatbestände einer zweiseitigen Betriebsverfassung nie zur Diskussion stehen können. In konkreten Arbeitskampfsituationen der letzten Jahre bestätigte sich die Relevanz dieser Forderung bereits mehrfach. Bei Groz-Beckert sprachen sich 1962 im Rahmen einer Urabstimmung der I G Metall lediglich 2 Prozent von 3 000 Mitarbeitern für einen Streik aus 58 . Die Unternehmensleitung beteiligte sich in gleicher Zielrichtung nicht an der Aussperrung und wurde daraufhin vom Arbeitgeberverband ausgeschlossen. Der Partnerschaftsunternehmer Robert Völker ist in konsequenter Realisierung des Friedensgebots nur unter der Bedingung Mitglied des Arbeitgeberverbandes geworden 57, daß er im Falle eines Arbeitskampfes nicht gezwungen ist, die 1 200 Mitarbeiter seines Partnerschaftsbetriebes auszusperren. Eine extreme Erweiterung der betriebsverfassungsrechtlichen Friedenspflicht findet sich in den Union-Werken in Aalen. Sowohl der Unternehmer als auch die Mitarbeiter des Partnerschaftsbetriebs sind aus den überbetrieblichen Verbänden ausgetreten. Beide umgehen damit Loyalitätskonflikte bei tariflichen Arbeitskämpfen und verwirklichen die betriebliche Friedenspflicht absolut58. 55

Vgl. Teil B, Abschnitt I I Ziff. 2 b.

56

Vgl. Föhl, C., Klassenbewußtsein oder Betriebsverbundenheit, zitiert in: o.V., Votum wider den Streik, AGP-Mit. vom 15.8.1962, S. 5 f. «7 Persönliches Gespräch des Verfassers am 12.7.1966 mit dem Betriebs-

ratsvorsitzenden W. Schmidt in der Baufirma Wilhelm Völker

in Kassel.

w I m Partnerschaftsvertrag der Union-Werke wurde neuerdings eine Art Streiksurrogat geschaffen, das dem Arbeitnehmer eine relativ starke Stellung einräumt, ohne daß dabei der Betriebsfrieden gefährdet wird. (Vgl. o.V., Partnerschaftliche Regelung der betrieblichen Lohnpolitik, A G P Mit. vom 15.11.1965, S. 4.) Können sich Arbeitgeber und Vertreter der M i t arbeiter in Lohnfragen nicht einigen, dann erfolgt nach geheimer Abstimmung der Partner die Ausrufung eines sog. „Lohnstreits". Während der Dauer des Lohnstreits wird die Arbeit im Betrieb unverändert fortgesetzt Für jeden Streittag fließen 1/22 des Netto-Monatseinkommens jedes Arbeitnehmers in eine Streikkasse, während der Unternehmer den auf jeden „Streiktag" entfallenden unversteuerten Gewinn und den Amortisationsanteil aller steuermindernden Abschreibungen an die „Streikkasse" zu entrichten hat. Während der „Streikdauer" erhalten die Mitarbeiter und der Unternehmer aus dieser Kasse „Streikunterstützungen", die nach einem festgelegten Schlüssel 75 Prozent des durchschnittlichen Netto-Monatseinkommens erreichen können. Ein Überschuß in der „Streikkasse" nach Beendigung des Lohnstreits fließt weder dem Unternehmer noch den Arbeitnehmern zu, sondern wird zur Finanzierung zusätzlicher sozialer Einrichtungen der Mitarbeiter verwandt. Darüber hinaus ist eine Tarifkommission verpflichtet, wöchentlich zweimal über eine Beilegung des „Streiks" zu verhandeln.

182 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes Diese Beispiele zeigen sehr ausgeprägt, welche Bedeutung der Friedenspflicht im Ordnungssystem der betrieblichen Partnerschaft zukommt. Der Gesetzgeber ist deshalb gehalten, die betriebsverfassungsrechtlichen Realisierungsmöglichkeiten dieses partnerschaftlichen Regulativs durch die aufgezeigten Möglichkeiten zu verstärken. 2. Der Wirtschaftsausschuß als prädestiniertes Instrument der betrieblichen Partnerschaft Das Betriebsverfassungsgesetz fordert in § 67 einen Wirtschaftsausschuß, der in allen Unternehmen mit in der Regel mehr als 100 Arbeitnehmern einzurichten ist. Es besteht für diese Institution jedoch kein gesetzlicher Einrichtungszwang 59 ; darüber hinaus ist die Errichtung vom Vorhandensein eines Betriebsrats abhängig. I n direkter Weiterleitung von § 49 findet sich in dieser Vorschrift die Grundnorm einer kooperativen Betriebsverfassung wiederholt, da der Gesetzgeber den Wirtschaftsausschuß zur Förderung der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Unternehmer gebildet wissen will. a) Partnerschaftliche Spurenelemente in der gesetzgeberischen Konzeption des Wirtschaftsausschusses Der Gesetzgeber bietet mit dem Wirtschaftsausschuß ein eigenes Instrument an, dessen Kooperativaufgabe auf die Weitergabe von wechselseitigen Informationen beschränkt ist 60 . I n der Terminologie dieser Arbeit übt der Wirtschaftsausschuß damit Mitspracherechte aus, deren partnerschaftsfördernder Wert jedoch nicht unterschätzt werden darf, da eine umfassende Information den Schlüssel zur Partnerschaft bildet. Der Wirtschaftsausschuß ist damit ein Mitsprache- und Beratungsorgan 61, das durch gegenseitige Unterrichtung 62 die Zusammenarbeit zwischen Unternehmer und Betriebsrat fördern soll. Der Wirtschaftsausschuß hat gegenüber dem Unternehmer nur Anspruch auf Unterrichtung über im Gesetz konkret festgelegte wirtschaftliche Angelegenheiten. Jedoch bringt diese Informationspflicht — wenn sie ernst genommen wird — eine Aussprache mit sich, die in 59 Vgl. Thon, K., Bildung, Zusammensetzung und Auflösung des W i r t schaftsausschusses, a.a.O., S. 257. 60 Vgl. auch Gaugier, E., Wirtschaftsausschuß in Gesetz und Verwirklichung, A G P - M i t . vom 15. 2.1964, S. 1. 61 Vgl. v. Winterfeld, A., Der Wirtschaftsausschuß, Teil I, AuR 1955, S. 163; Sweerts-Sporck: Der Wirtschaftsausschuß als Beratungsorgan, D V 1954, S. 16. 62 Vgl. auch Sweerts-Sporck: Die Entwicklungsmöglichkeiten des W i r t schaftsausschusses, A G P - M i t . vom 1.1.1955, S. 8.

III. Instrumentale Konkretisierung partnerschaftlicher Strukturelemente 183 gegenseitige Beratungen einmündet und dazu beiträgt, eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen. Der Wirtschaftsausschuß ist somit nicht lediglich passiver Informationsempfänger 63, sondern ein aktiver „Arbeitsausschuß der Betriebspartner" 64 , der die Arbeitnehmer an die Mitverantwortung für das Unternehmen heranführen „und in der gegenseitigen Auswertung der Kenntnisse, Erfahrungen, Bedürfnisse, Schwierigkeiten und Möglichkeiten praktische Arbeit leisten" 65 soll. Trotz dieser Aufgaben bleibt er eine „Hilfseinrichtung" 66 zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, da ihm keine Mitwirkungs- und Mitentscheidungsrechte zustehen und er somit an der Willensbildung nicht unmittelbar beteiligt ist. Die Bindegliedfunktion des Wirtschaftsausschusses wird besonders dadurch deutlich, daß er niemals gegen den Betriebsrat oder den Arbeitgeber auftreten kann 67 . So vertritt bei ungenügender Auskunftserteilung der Betriebsrat diesen Anspruch gegenüber dem Arbeitnehmer, da nach § 70 Abs. 1 nicht der Wirtschaftsausschuß, sondern der Betriebsrat im Streitfall zunächst einzuschalten ist. Auch die Zusammensetzung des Ausschusses spricht für seine Integrationsfunktion. Je zur Hälfte werden die Mitglieder vom Arbeitgeber bzw. vom Betriebsrat bestimmt. Beide sind jedoch nicht daran gebunden nur Vertreter ihrer Interessensebene zu bestimmen. Der Betriebsrat kann durchaus arbeitgeberähnliche Personen, wie z.B. Prokuristen nominieren, während der Arbeitgeber zum gesetzlichen Pflichtmitglied weitere Betriebsratsmitglieder in den Wirtschaftsausschuß delegieren kann 68 . Es soll damit gewährleistet sein, daß der Wirtschaftsausschuß nur von persönlich und fachlich qualifizierten Sachkennern •3 Lediglich Schießmann lehnt eine kooperative Deutung des Wirtschaftsausschusses ab und w i l l seine Funktionen in der Aufklärung und Information über wirtschaftliche Fragen beschränkt wissen. Er fordert sogar die Aufstellung einer genauen Geschäftsordnung, um einen „Debattierklub" zu vermeiden. Vgl. Schießmann, K., Aufgaben des Wirtschaftsausschusses, D B 1953, S. 1058; ders., Eine ausgezeichnete Gelegenheit zum Kontakt und Gespräch, A G P - M i t . vom 15.2.1964, S. 14; ders., Geschäftsführungsfragen des Wirtschaftsausschusses, D B 1958, S. 984 und Lehmann, R., Entwurf einer Geschäftsordnung für den Wirtschaftsausschuß, D B 1952, S. 1028—1029.

Nipperdey,

H. C., bei Hueck, A., Nipperdey,

H. C., Bd. 2, a.a.O., S.867.

« Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 595 (Hervorh. durch d. Verf.). 6

« So Fitting,

K., Kraegeloh, Auffarth,

F., a.a.O., S. 565; Dietz, R., Betriebs-

verfassungsgesetz, a.a.O., S. 583; Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 594 f.

«7 Vgl. Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 595. «s Vgl. v. Winterfeld, A., Der Wirtschaftsausschuß I, a.a.O., S. 164; Thon,

K., Bildung, Zusammensetzung und Auflösung des Wirtschaftsausschusses, a.a.O., S. 2581; Hessel, P., Das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht, a.a.O., S. 922.

184 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes besetzt wird 6 9 . Diese Zusammensetzung ermöglicht es dem Ausschuß, ein Forum sachlicher Begegnung zu sein, eine „unitaristische Institution" 70 , in der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter sachbezogen miteinander beraten. Gegenüber dem nach dem Trennungsprinzip zusammengesetzten Betriebsrat hat der Wirtschaftsausschuß den Vorteil, daß er weniger als Kontrahent dem Arbeitgeber gegenübertritt, sondern als ein von ideologischen Vorurteilen unbelastetes Verständigungsorgan. Der Wirtschaftsausschuß kann damit zum Abbau sachlich nicht berechtigter Interessensgegensätze wesentlich stärker beitragen als der Betriebsrat, zumal er unabhängiger ist von außerbetrieblichen Einwirkungen, die oftmals die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu vergiften drohen. Das Spannungsverhältnis im Betrieb wird damit „entideologisiert" 71, d.h. auf ein sachlich bedingtes Maß zurückgeführt, womit der Wirtschaftsausschuß im Endziel zur Überwindung des Klassenkampfdenkens beiträgt und somit als Instrument der Partnerschaft bezeichnet werden kann. Die Beschränkung der Mitglieder auf maximal acht Vertreter, die alle dem Unternehmen angehören müssen, kann ein Hinweis darauf sein, daß der Gesetzgeber ein arbeitsfähiges Kontaktgremium schaffen wollte, das auf Grund seiner innerbetrieblichen Sachbezogenheit eine vertrauensvolle Zusammenarbeit besonders intensiv gewährleisten soll. Allerdings kann diese Beschränkung auch ein Hemmschuh für die Ausgleichsbestrebungen sein, da betriebsindividuell eine stärkere Repräsentanz von Fachgruppenvertretern durchaus zusammenarbeitsfördernd sein kann, zumal damit eine intensivere Breitenwirkung erreicht wird. Besonders in größeren Betrieben kommt dem zahlenmäßigen Gewicht integrierende Bedeutung zu, da der Wirtschaftsausschuß hier als „Filterstation " der vielfältigen Informationen dient. Er hat im Großbetrieb in besonderer Weise zu entscheiden, welche Informationen an die Arbeitnehmer ohne Risiko für das Unternehmen weitergegeben werden können bzw. in welchem Ausmaß Situationsberichte der Arbeitnehmer, Anregungen und Wünsche, an den Arbeitgeber herangetragen werden sollen. Er dient damit als Mittler des Vertrauens, als Schaltstation des guten Willens und ist insofern prädestiniert, die geistige Strukur des 6» Vgl. dazu ähnlich Goossens, F., Die Wirtschaftsausschüsse aktivieren, M u A 1955, S. 161; Wuppermann, T., Vom Wirtschaftsausschuß zum Partnerschaftsverhältnis, A G P - M i t . vom 1.1.1955, S. 7; Horstkotte, A., Grundgedanken und Praxis des Wirtschaftsausschusses, AGP-Mit. vom 1.1.1955, S. 4. 70 Neumann-Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 585. 71 Vgl. dazu auch Hain, W., Partnerschaftliche Information im Wirtschaftsausschuß, A G P - M i t . vom 1. 5.1955, S. 7; Coester, F., Der Wirtschaftsausschuß im geistigen Spannungsfeld des Betriebes, A G P - M i t . vom 1.5.1955, S . 3 f . ;

Horstkotte,

A., a.a.O., S. 4.

III. Instrumentale Konkretisierung partnerschaftlicher Strukturelemente 185 Betriebes zu prägen. Die Ausstrahlung des Wirtschaftsausschusses als partnerschaftlicher Vertikalträger in der Betriebsstruktur geht in diesem mentalen Anliegen über den betrieblichen Bereich hinaus, da die einzelnen Arbeitnehmer sehr schnell diese Vertrauensbrücke spüren. Der Wirtschaftsausschuß wird damit zu einem Faktor des sozialpolitischen Anliegens der betrieblichen Partnerschaftskonzeption. Es bleibt zu prüfen, ob die gesetzlichen Einzelvorschriften diesem Anliegen voll gerecht werden. U m die Aufgabe gemeinsamer Beratung erfüllen zu können, ist der Wirtschaftsausschuß vom Gesetzgeber mit Informationsrechten ausgestattet worden, die er in den monatlich stattzufindenden Sitzungen geltend machen kann, auf denen der Unternehmer selbst teilnehmen soll. Der Gesetzgeber fordert also einen kontinuierlichen Gedankenaustausch72, dessen Kooperationswirkung jedoch dadurch beschränkt ist, daß Fragen der laufenden Geschäftsführung nicht zur Informationskompetenz des Wirtschaftsausschusses gehören. Auch die beschränkte Generalklausel des § 67 Abs. 3 Buchst, e verpflichtet den Arbeitgeber nicht zur vollen 73 Offenheit 7Af da lediglich die Fragen rückhaltlos beantwortet werden müssen, die die Interessen der Arbeitnehmer 75 wesentlich berühren 76 . Daneben ist der Unternehmer gehalten, zusammen mit dem Wirtschaftsausschuß und dem Betriebsrat, den Mitarbeitern einmal im Vierteljahr Bericht über die allgemeine Lage und die Geschäftspolitik des Unternehmens zu geben. Dem Wirtschaftsausschuß muß darüber hinaus der Jahresabschluß erläutert werden, was nicht unter körperlicher Vorlage der zum Verständnis des Jahresabschlusses notwendigen Unterlagen zu geschehen hat 7 7 , obwohl der Erläuterungsanspruch damit 7« Vgl. Neumann-Duesberg, H., Wirtschaftsausschuß und Partnerschaft nach dem Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 2. 73 Hier soll nicht geprüft werden, ob die Aufzählung der Informationsrechte vom Gesetzgeber erschöpfend oder nur beispielhaft gedacht ist. Dieses Problem ist durch die weite Fassung der Generalklausel des §67 Abs. 3 e ohne größere Bedeutung. Vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 857; Nikisch, A., Arbeitsrecht, Bd. 3, a.a.O., S. 514; Sauerborn, M., a.a.O., S. 809. 74 Die Erweiterungsfähigkeit des wirtschaftlichen Informationsbereichs lehnt besonders ab: Schießmann, K , Probleme der Kompetenzen des Wirtschaftsausschusses, MuA 1956, S. 170. 75 Vgl. Roesch, H., Bildung und Aufgaben des Wirtschaftsausschusses, BlStSozArbR 1953, S. 235; Kretzschmar, A., Bewährt sich der Wirtschaftsausschuß, BB 1954, S. 1076. 7

« Vgl. v. Winterfeld,

77

A., Der Wirtschaftsausschuß II, AuR 1955, S. 194.

Die Pflicht zur Vorlage des Jahresabschlusses wurde bei Beratung des Gesetzes als Antrag im Bundestag ausdrücklich abgelehnt. Vgl. Neumann-

Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 590; Fitting, Auffarth, F., a.a.O., S. 589.

K., Kraegeloh,

186 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes nur unter Schwierigkeiten realisiert werden kann. Gerade an dieser Bestimmung zeigt sich eine sehr deutliche Grenze der Kooperativwirkung. Es muß bezweifelt werden, ob diese Vorschrift noch der dem Wirtschaftsausschuß zugrunde liegenden Integrationsfunktion gerecht wird. Der Zusammenarbeit durch Information und Beratung sind weiterhin dort Grenzen gesetzt, wo wirtschaftliche Geheimnisse gewahrt werden sollen. Durch das Recht des Unternehmers, Informationen dann zu verweigern, wenn Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse 78 gefährdet sind, wird das Mitspracherecht des Wirtschaftsausschusses wesentlich eingeschränkt, da es trotz strenger Anforderungen 79 an diese Prämisse im Endeffekt im Ermessen des Unternehmers steht, zu entscheiden, welche Auskünfte er geben will. Er allein kann nach gesetzlicher Vorstellung entscheiden, ob die Information eine Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens darstellt, da nur er die Antwort kennt. Gegnern der Mitbestimmung erlaubt diese Klausel dem Mitspracherecht des Wirtschaftsausschusses fast willkürlich auszuweichen. Auch die verbindliche Entscheidung der Einigungsstelle, die im Streitfalle nach § 70 Abs. 2 lediglich darüber entscheidet, ob ein informationspflichtiger Tatbestand des § 67 gegeben ist, mildert diese Feststellung nicht, da sie nach allgemeiner Ansicht nicht befugt ist 80 darüber zu entscheiden, ob ein Geschäftsgeheimnis vorliegt oder nicht 81 . Der Unternehmer wäre sonst verpflichtet, die „internsten Angelegenheiten der Unternehmensleitung" 82 ihr gegenüber und damit auch gegenüber einigen Betriebsratsmitgliedern zu offenbaren 83. 78 Zur Abgrenzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vgl. Georgi, K., Rechtsgrundlagen des Wirtschaftsausschusses, MitbestGespr. Nr. 6/7 1959, S. 6. 79 Vgl. Rumpff, K , Beteiligungsrechte von Betriebsrat und Wirtschaftsausschuß I I , a.a.O., S. 44. 80 Weigert sich der Unternehmer Auskunft zu erteilen, weil dadurch Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse gefährdet würden, so kann die Entscheidung also nicht von der Einigungsstelle getroffen werden. Vgl. Röcken, J. W., Die Auskunftspflicht des Unternehmers gegenüber dem Wirtschaftsausschuß nach dem Betriebsverfassungsgesetz vom 11. Oktober 1952, Diss. Münster 1962, S. 144. Vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 885; v.Winterfeld, A., Wirtschaftsausschuß I I , a.a.O., S. 198. 82 Säbel, A., Das Deutsche Betriebsverfassungsgesetz, RdA 1952, S.292. 83 Die Frage der Absteckung des Ermessensrahmens des Unternehmers bei Berufung auf Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse ist sehr umstritten. Teilweise wird die Einigungsstelle trotz mancher Bedenken für zuständig erklärt, so bei Geißler, W., Das Verfahren vor der Einigungsstelle, a.a.O., S. 8; Nikisch, A., Arbeitsrecht, Bd. 3, a.a.O., S. 516; Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 616; Bötticher, E., Die Zuständigkeit der Einigungstelle des §70 Abs. 2 BetrVerfG. in rechtsstaatlicher Sicht, Festschrift für A. Hueck, München—Berlin 1959, S. 164.

III. Instrumentale Konkretisierung partnerschaftlicher Strukturelemente 187 Auch die Anrufung des Arbeitsgerichts zur Entscheidung, ob ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vorliegt, wird aus dem nämlichen Grund als nicht statthaft erachtet 84, da sich der Unternehmer dem Gericht und damit dem beteiligten Betriebsrat mitteilen müßte. Es bleibt lediglich noch die Möglichkeit nach § 78 Abs. 1 Buchstabe d im Wege eines Strafverfahrens prüfen zu lassen, ob die Berufung auf Betriebsund Geschäftsgeheimnisse berechtigt ist. Eine Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Unternehmer wird damit kaum mehr möglich. Verständlicherweise schreckt der Betriebsrat vor dieser letzten Konsequenz zurück, wodurch eine Umgehung der Informationsrechte des Wirtschaftsausschusses kaum vermeidbar erscheint. Die Bestimmung des § 67 Abs. 2 steht durch diese Auslegung im polaren Widerspruch zum partnerschaftlichen Grundanliegen des Wirtschaftsausschusses. Nicht die Integrationsfunktion wird damit betont, sondern eine von Mißtrauen geprägte Antipodenstellung dringt immer stärker in den Vordergrund. Neben der Verweigerung von Auskünften durch Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Unternehmer, hat vor allem die besondere Schweigepflicht der Wirtschaftsausschußmitglieder das Nichtfunktionieren dieser Integrationsstelle in der Praxis bewirkt. Die Geheimhaltungspflicht ist im Wirtschaftsausschuß besonders intensiv und vor allem doppelt ausgeprägt. Einmal besteht für die Wirtschaftsausschußmitglieder die nämliche Schweigepflicht wie für Betriebsratsmitglieder 85, nach der sie über alle vertraulichen Angaben, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ihnen auf Grund ihrer Zugehörigkeit zum Wirtschaftsausschuß bekannt geworden und vom Unternehmer „ausdrücklich als geheimzuhalten bezeichnet worden sind" 86 , Stillschweigen zu bewahren haben. Zum zweiten haben die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses über alle Angelegenheiten besonders zu schweigen, die die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens gefährden können. Diese zweite Geheimhaltungspflicht entsteht bereits aus der Natur des Wirtschaftsausschusses und bedarf deshalb nicht 87 des ausdrücklichen Verschwiegenheitshinweises88 des Unternehmers. 84

Vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 886. ss Vgl. § 55 Abs. 1 i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 2 BetrVerfG. 8« v. Winterfeld, A., Der Wirtschaftsausschuß I I , a.a.O., S. 197. 87 Vgl. Neumann-Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 588; Nikisch, A., Arbeitsrecht, Bd. 3, a.a.O., S. 511; Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 861. 88 Sauerborn, M., Die Wirtschaftsausschüsse, a.a.O., S. 811 und Fitting, K. f Kraegeloh, Auffarth, F., a.a.O., S. 569 Anm. 17 und § 67 verlangen auch im zweiten Fall eine ausdrückliche Bezeichnung der Angelegenheiten, die ver-

traulich behandelt werden sollen.

188 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes Diese doppelte Schweigepflicht wird darüber hinaus sehr streng gehandhabt. Sie gilt gegenüber den Gewerkschaften und den Mitarbeitern, ja sogar gegenüber den Betriebsratsmitgliedern 89, die nicht im Wirtschaftsausschuß vertreten sind 90 . Damit soll die besondere Vertrauensstellung des Wirtschaftsausschusses dokumentiert werden, der gegenüber dem Betriebsrat somit zu einem bevorzugten Gremium erhoben wird. Daraus können Spannungen innerhalb des Betriebsrats entstehen, da sich die nicht informierten Betriebsratsmitglieder gegenüber ihren Kollegen im Wirtschaftsausschuß diskriminiert fühlen. Diese Tendenz wird einmal dadurch verstärkt, daß die Maximalklausel 91 des § 68 Abs. 1 vor allem in größeren Betrieben ein gleichzeitiges Präsentsein von Betriebsratsmitgliedern im Wirtschaftsausschuß verhindert. Zum anderen sind die Wirtschaftsausschußmitglieder beim Bruch der Geheimhaltungspflicht mit verschärften Sanktionen 92 , die bis zur fristlosen Entlassung reichen, bedroht. Durch die besonders verstärkte Schweigepflicht der Wirtschaftsausschußmitglieder beansprucht dieses Gremium ein gewisses Informations- und Meinungsmonopol im Betrieb. Diese Informationsintensität drängt andererseits wiederum zur Aktion, die dem Wirtschaftsausschuß durch den Gesetzgeber verwehrt ist Wie gezeigt wurde, hat er keine Mitwirkungs- oder gar Mitentscheidungsrechte, die allein dem Betriebsrat zustehen, der wiederum durch seine nicht so weitgehenden Informationsrechte nur beschränkt tätig werden kann. In der Konstruktion des Wirtschaftsausschusses liegt also ein gewisser Widerspruch begründet, der sich nicht selten zu einer Rivalität 93 zwischen Betriebsrat und Wirtschaftsausschuß auswächst, was zur Folge hat, daß die gesetzesgebotene Funktion als Ausgleichsorgan zwischen Betriebsrat und Unternehmer sich ins Gegenteil verkehrt. 89

Vgl. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 861; Nikisch, A., Arbeitsrecht, Bd. 3, a.a.O., S. 512; v. Winterfeld, A., Der Wirtschaftsausschuß I I , a.a.O., S. 197, Sp. 2; Hueck, A., Nipperdey, H. C., Arbeitsrecht I I , a.a.O., S. 866, Fn. 22; Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S.601f.; Huber, E. R., W i r t schaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, a.a.O., S. 549. »o Die Geheimhaltungspflicht gegenüber dem Betriebsrat lehnen ab: Neumann-Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 588; Sdhmer, H., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S. 174; Voigt, F., in: Voigt, F., Weddigen, W., a.a.O., S.447; Fitting, K., Kraegeloh, Auffarth, F., a.a.O., S.569f. 91 § 68 Abs. 1 schreibt obligatorisch vor, daß der Wirtschaftsausschuß aus mindestens 4, höchstens jedoch 8 Mitgliedern bestehen kann. 9* Beim Bruch des Schweigegebots bei Wettbewerbsangelegenheiten macht sich das Wirtschaftsausschußmitglied schadensersatzpflichtig, jedoch nicht zusätzlich strafbar, was bei Verletzung der Geheimhaltungspflicht bei ausdrücklich zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen erklärten Tatsachen der Fall ist. Vgl. Wistinghausen, J., Der Wirtschaftsausschuß I I , BIStSozArbR 1958, S. 187. 93 Vgl. auch Funsch, H., Wirtschaftsausschuß im Blickfeld des Betriebsrates, A G P - Mit. vom 15.2.1964, S. 5.

III. Instrumentale Konkretisierung partnerschaftlicher Strukturelemente 189 Von Seiten der Gewerkschaften lehnt man den Wirtschaftsausschuß als schwache Rechtsinstitution überwiegend ab. Er entspricht nicht ihrer ursprünglichen Konzeption, die eine Mitentscheidung im Wirtschaftsausschuß vorsah 94 . Ferner begründen die Gewerkschaften ihr relatives Desinteresse mit der oben gezeigten strengen Geheimhaltungspflicht der Wirtschaftsausschußmitglieder, die eine sinnvolle Zusammenarbeit mit der Belegschaft verhindere. Außerdem würden die Informationen von der Unternehmungsleitung unter dem Schutz der Geheimhaltungsklausel ohnehin nur dürftig gegeben, so daß die Arbeitsbelastung in keinem Verhältnis zum Ergebnis stehe.95. Aus dieser Einstellung und der labilen Haltung vieler Arbeitgeber, die bei enger Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung den Wirtschaftsausschuß für überflüssig halten 96 , werden die empirischen Feststellungen Blumes verständlich, der in einer repräsentativen Betriebsuntersuchung zu dem Ergebnis kommt, daß in 60 Prozent aller Unternehmen kein Wirtschaftsausschuß gebildet wird 91. Nur in einem Bruchteil der eingerichteten Wirtschaftsausschüsse 98 entspricht man der vom Gesetzgeber gewollten Intention. Jedoch zeigen sich seit einiger Zeit auch positive Entwicklungen in Richtung einer Intensivierung des Wirtschaftsausschusses. Vor allem Waren- und Kaufhauskonzerne 99 bemühen sich sehr aktiv, die vertrauensvolle Zusammenarbeit über den Wirtschaftsausschuß zu fördern 100 . Die Aktivität dieser Großbetriebsformen des Handels dürfte in nicht geringem Maße von der einfachen Überschaubarkeit des Handelsbetriebes und der Qualifikation der Mitarbeiter abhängen, die gegenüber dem Industriebetrieb im Durchschnitt wesentlich höher liegt.

»4 Vgl. o.V., Vorschläge des DGB blieben unberücksichtigt. Funktion der Wirtschaftsausschüsse i m Gesetzentwurf zur Neuordnung der deutschen Wirtschaft von 1950, MitbestGespr. Nr. 6/7 1959, S. 23 f. » 5 Vgl. o.V., Wirtschaftsausschüsse in der Metallindustrie, MitbestGespr. Nr. 11 1963, S. 178; Schaefer, W., Der Wirtschaftsausschuß aus der Sicht der Gewerkschaften, A G P - M i t . vom 15. 2.1964, S. 4 f. Vgl. dazu auch Winter, R., Der Wirtschaftsausschuß in der betrieblichen Praxis, M u A 1966, S. 199; Gaugier, E., Der Wirtschaftsausschuß in der betrieblichen Praxis, A G P - M i t . vom 15.2.1964, S. 6. »7 vgl. Blume, O., Normen und Wirklichkeit, a.a.O., S. 164. 98 Vgl. Blume, O., Das Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrecht der A r beitnehmer in der heutigen Betriebspraxis, Kleine Schriften zur Sozialpolitik und zum Arbeitsrecht, 4. Folge, Heft 11, München 1963, S.21f. 99 Vgl. zum institutionellen Unterschied dieser Großbetriebsformen des Handels: Nieschlag, R., Binnenhandel und Binnenhandelspolitik, B e r l i n München 1959, S. 173 f. 100 vgl. u.a.: o.V., Der Wirtschaftsausschuß fördert vertrauensvolle Zusammenarbeit, in: Karstadt-Rundschau in Wort und Bild, 1966 Nr. 4, S. 22 bis 25.

190 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes Gerade beim Wirtschaftsausschuß wird bei einem Großteil aller Unternehmen der Unterschied zu den Partnerschaftsbetrieben besonders deutlich. Diese haben den Wirtschaftsausschuß zum prädestinierten Organ kooperativer Zusammenarbeit ausgebaut und mit weit über das Betriebsverfassungsgesetz hinausgehenden Rechten ausgestattet. b) Ausbau des Wirtschaftsausschusses zum partnerschaftlichen Zentralorgan Der Wirtschaftsausschuß wird in der überwiegenden Zahl der Partnerschaftsbetriebe intensiv aktiviert. Man betrachtet die Kooperationsmöglichkeit in diesem Gremium als entscheidende Grundlage für den Aufbau einer partnerschaftlichen Betriebsordnung und erweitert aus diesem Grund seine Kompetenzen sehr wesentlich über die Begrenzungen des Betriebsverfassungsgesetzes hinaus. aa) Der Wirtschaftsausschuß im System der Partnerschaftsbetriebe Manche Partnerschaftsbetriebe kannten einen modifizierten Wirtschaftsausschuß bereits vor Inkrafttreten des Betriebsverfassungsgesetzes. So wurde der erste Wirtschaftsausschuß in den Paul SpindlerWerken bereits 1951, also eineinhalb Jahre vor Realisierung des gesetzlichen Wirtschaftsausschusses, eingerichtet 101 . Heute sieht man bei Spindler im zum Partnerschaftsausschuß weiterentwickelten Wirtschaftsausschuß das „oberste Organ der Zusammenarbeit" 102 . Auch in anderen Partnerschaftsbetrieben wurde der Wirtschaftsausschuß in den Partnerschaftsausschuß integriert, wobei die Mitgliederzahl gegenüber der gesetzlichen Maximalzahl von acht Mitgliedern wesentlich erweitert wurde. Der Partnerschaftsausschuß der Paul Spindler-Werke besteht beispielsweise aus 16 ordentlichen Mitgliedern und einer zahlenmäßig nicht festgelegten Zahl weiterer Mitglieder 103 . I m Partnerschaftsbetrieb Wilhelm Völker umfaßt der Partnerschaftsausschuß 16 Mitglieder und den Unternehmer, der gleichzeitig Vor101 Vgl. Spindler, G. P., Interesse am Wirtschaftsausschuß fördern, a.a.O., S. 9. 102 Neuformulierung des Partnerschaftsvertrages der Paul-Spindler-Werke, Hilden 1966, S.2; Teilweise veröffentlicht in den A G P - M i t . vom 1.10.1966, S. 3—7.

103 Vgl. Spindler, G. P., Der Wirtschaftsausschuß im Partnerschaftsbetrieb als Instrument der Kooperation, unveröffentlichtes Referat, gehalten auf der AGP-Tagung vom 3.3.1967, S. 4.

III. Instrumentale Konkretisierung partnerschaftlicher Strukturelemente 191 sitzender ist, während bei G. L. Rexroth der Partnerschaftsausschuß von 20 Personen im Jahr 1960 auf 31—40 im Jahr 1966 erweitert wurde 104 . Die Ausdehnung wird durch das breite Fundament begründet, das man dem Wirtschaftsausschuß im Partnerschaftsbetrieb gegeben hat. Man schuf einen organisatorischen Unterbau in der Weise, daß man den Betrieb in überschaubare Gruppen gliederte, die jeweils einen Vertreter in den Partnerschaftsausschuß wählen. In größeren Unternehmen kann es organisatorisch notwendig sein, einen zusätzlichen Partnerschaftshauptausschuß durch die Gruppenvertreter des Partnerschaftsausschusses wählen zu lassen, der als oberstes Vertretungsorgan der einzelnen Partner fungiert. Man versucht mit dieser Konstruktion eine größere Tiefenwirkung der wechselseitigen Informationen zu erreichen bzw. die unmittelbare Beteiligung 105 der einzelnen Mitarbeiter über die Verbindungs- oder Vertrauensleute zu gewährleisten. Der Partnerschaftsausschuß wird auf diese Weise bei Stützel-Sachs 106 und in den Lohrer Eisenwerken G. L. Rexroth 107 von der Arbeitnehmerschaft direkt berufen. Auch bei Spindler praktizierte man dieses Verfahren bis vor kurzem. I m neuen Partnerschaftsvertrag von 1966 wurde ein der gesetzlichen Bestellung ähnliches Verfahren eingeführt 108 , nach dem die ordentlichen Mitglieder paritätisch von der Unternehmensleitung und dem Betriebsrat benannt werden 109 . Gegenüber dem gesetzlich konzipierten Wirtschaftsausschuß zeichnen den Partnerschaftsausschuß in der Regel intensivere Mitbestimmungsrechte aus, die vor allem in wirtschaftlichen Angelegenheiten den 104 Persönliche Auskünfte durch Herrn E. Tatarko an den Verfasser am 27.10.1966 in München. los vgl. auch Kampschulte, F., Offenheit und gesunder Menschenverstand gegen Mißtrauen und Gedankenlosigkeit, A G P - M i t . vom 1.10.1955, S. 2. loa vgl. dazu das gewichtende Wahlverfahren dieses Partnerschaftsbetriebes, wodurch das Stimmrecht nach dem Dienstalter abgestuft wird, bei: Herrmann, B., Stützel-Sachs, A G P - M i t . vom 1.9.1954, S. 5. 107 vgl. Tatarko, E., Drei Entwicklungsstufen des Wirtschaftsausschusses, AGP-Mit. vom 15.2.1964, S. 8. los vgl. o.V., Paul-Spindler-Werke KG, Hilden, Neuformulierung des M i t unternehmervertrages, A G P - M i t . vom 1.10.1966, S. 3. loo Bei Spindler erzwangen Probleme des Mehrschichtbetriebes, Versetzungen und Strukturänderungen innerhalb der Arbeitsgruppen den Wegfall des Systems der Verbindungsleute. Die Aufgaben der Verbindungsleute wurden Führungsorganen, wie Meistern und Vorarbeitern, übertragen, die nach dem alten System vielfach als Verbindungsleute gewählt worden waren. Vgl. dazu Spindler, G. P., Der Wirtschaftsausschuß als Instrument der Kooperation, a.a.O., S. 4.

192 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes Partnerschaftsausschuß zum eigentlichen Mitbestimmungsorgan gemacht haben. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit wird besonders durch intensive Information gefördert und verwirklicht. Es gibt im Wirtschaftsausschuß des Partnerschaftsbetriebes kein Zurückziehen des Unternehmers auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse. Die Informationsbegrenzung des gesetzlichen Wirtschaftsausschusses wurde durch das „Prinzip der gläsernen Tasche" 110 ersetzt, nach dem sich beispielsweise Spindler vertraglich verpflichtet hat, den Partnerschaftsausschuß ohne Einschränkung über alle betrieblichen Angelegenheiten zu informieren. Darüber hinaus ist den Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses rückhaltlose Einsicht in die Bilanz und alle Unterlagen garantiert 111 . Diese sind ihrerseits wiederum verpflichtet, die Informationen im Zusammenwirken mit den betrieblichen Führungskräften an die einzelnen Mitarbeiter weiterzugeben 112 , sofern es sich nicht um betriebliche Angelegenheiten handelt, die der Schweigepflicht der Wirtschaftsausschußmitglieder unterliegen. I n keinem Partnerschaftsbetrieb wurde — soweit der Verfasser in Gesprächen feststellen konnte — das Vertrauen, das man den Wirtschaftsausschußmitgliedern entgegenbringt, bisher mißbraucht 11*. Es ist augenscheinlich, daß diese Informationsintensität wesentlich über die gesetzlichen Verpflichtungen der §§ 67 Abs. 2 und 69 Abs. 3 hinausgeht, bzw., daß der Inhalt dieser Vorschriften dem Anliegen der Partnerschaftsbetriebe nicht mehr gerecht wird. Das Prinzip der umfassenden Information gilt im wesentlichen für alle Partnerschaftsbetriebe. Es ist systemimmanent, da nur eine vollständige Information den Mitarbeiter zu einem vertrauenswürdigen Partner macht. Dem Partnerschaftsausschuß kommt damit eine bedeutungsvolle Beratungsfunktion zu, da sich der Unternehmer in all seinen Entscheidungen mit den Wirtschaftsausschußmitgliedern auseinanderzusetzen haben wird. Dieses Recht verdichtet sich zu einem automatischen Mitwirkungsrecht des Wirtschaftsausschusses in allen Angelegenheiten, da sich der Unternehmer durch die umfassende Information nicht ohne weiteres Vgl. Odendahl, R., Führungskräfte begründen ihre Anordnungen, A G P Mit. vom 15. 2.1963, S. 4. 111 Vgl. o.V. Partnerschaftsvertrag von 1966, a.a.O., S. 3. 118 Vgl. auch Bommermann, W., Erfahrungsbericht der Firma Paul Spindler-Werke K G , Hilden, in: Bedarf das Betriebsverfassungsgesetz der Ergänzung?, Hilden 1966, S. 27. Diese Auskünfte bestätigen: Spindler, G. P., Der Wirtschaftsausschuß als Instrument der Partnerschaft, AGP-Mit. vom 15.2.1964, S. 4; Tatarko, E., Erfahrungsbericht aus der Firma G. L. Rexroth, Lohrer Eisenwerk GmbH, in: Bedarf das Betriebsverfassungsgesetz der Ergänzung?, Hilden 1966, S. 26.

III. Instrumentale Konkretisierung partnerschaftlicher Strukturelemente 193 gegen den Willen der Mitglieder dieses Gremiums wird entscheiden können, wenn er die Gesamtkonzeption der Partnerschaft nicht leichtfertig aufs Spiel setzen will. Formal ergibt sich ein derartiges Mitwirkungsrecht in all den Partnerschaftsbetrieben, die den Wirtschaftsausschuß zu einem Abstimmungsorgan ausgebaut haben. Bei Spindler leitet sich ein solches Recht aus der Neuformulierung des Partnerschaftsvertrages des Jahres 1966 114 ab, nach dem der Partnerschaftsausschuß von einem Aussprachegremium zu einem Abstimmungsorgan in bestimmten wirtschaftlichen Angelegenheiten erhoben wurde. Auch bei G. L. Rexroth findet sich eine ähnliche Interpretation der Mitbestimmungsrechte des Partnerschaftsausschusses 115. Diesem Organ kommt bei Rexroth zwar keine Entscheidungsbefugnis zu, jedoch wiegen die gemeinsam beschlossenen Empfehlungen bei der Betriebsleitung sehr schwer. Eigentliche Mitentscheidungsrechte des Wirtschaftsausschusses — in der Terminologie dieser Arbeit — finden sich in keinem Partnerschaftsbetrieb. Neben dem Partnerschaftsausschuß gibt es in den meisten Partnerschaftsbetrieben im Betriebsverfassungsgesetz nicht vorgesehene Unterausschüsse116, die für Spezialfragen gebildet werden. Es handelt sich — mit Ausnahmen — um reine Beratungsgremien, die durch Vorbereitung von Entschlüssen die partnerschaftliche Kooperation intensivieren sollen. Es bleibt also festzuhalten, daß der Wirtschaftsausschuß im Partnerschaftsbetrieb zum Zentralorgan der zweiseitigen Betriebsverfassung wird. Es kommt zu einer Verlagerung von Mitbestimmungsrechten vom Betriebsrat zum Wirtschaftsausschuß 117, der dadurch die engen Fesseln des Betriebsverfassungsgesetzes sprengt. Der Wirtschaftsausschuß wird im Partnerschaftsbetrieb damit zur Exekutive und verliert seinen betriebsverfassungsrechtlichen „Hilfsorgancharakter". 114

Vgl. o.V., Neuformulierung des Partnerschaftsvertrags, a.a.O., S. 4. Vgl. o.V., G. L. Rexroth GmbH, Lohr am Main, a.a.O., S. 5. lie Gaugier rechnet diese Ausschüsse zu den kennzeichnenden Bestandsfaktoren eines Partnerschaftsausschusses. Vgl. Gaugier, E., Vom Wirtschaftsausschuß zum Partnerschaftsausschuß, in: 10 Jahre Partnerschaft, Sonderdruck der Hauspost der Firma G. L. Rexroth GmbH, 1965, S. 24 ff. 115

117 Diese Verlagerung ist betriebsverfassungsrechtlich nicht ganz unbedenklich, da die Interessen der einzelnen Mitarbeiter an der Realisierung der Partnerschaft stark divergieren. Vgl. dazu die empirischen Untersuchungen von Fischer, W., Schöllhammer, H., Untersuchung über die Stellungnahme von Arbeitnehmern zur Partnerschaft, Hilden 1964, S. 75. Für die nicht an der Partnerschaft interessierten Arbeitnehmer werden gesetzlich kodifizierte Rechte damit von einem Organ wahrgenommen, das für sie nicht repräsentativ ist, da sie dessen Zielsetzung nidit akzeptieren. Auch die Vermeidung von Konflikten zwischen Betriebsrat und Partnerschaftsausschuß durch Personalunion stellt keine Ideallösung dar, da eine sachbezogene Kompetenzabgrenzung damit nicht erreicht wird.

13 Maier

194 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes bb) Vorschläge zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes Der Gesetzgeber hat neben § 49 als zweites partnerschaftliches Postulat den Wirtschaftsausschuß in das Betriebsverfassungsgesetz eingebaut. Er wollte damit ein besonderes Instrument zur Eliminierung des Mißtrauens anbieten, das ihm durch Informations- und Beratungsrechte zur Integration gegenläufiger Interessenrichtungen besonders geeignet erschien. Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Mängel und der Weiterentwicklungen im Partnerschaftsbetrieb muß festgestellt werden, daß die Chancen zu einer konstruktiven Zusammenarbeit im gesetzlich formulierten Wirtschaftsausschuß relativ selten voll genutzt werden. Dies liegt daran, daß kein gesetzlicher Zwang zur Errichtung dieses integrierenden Kontaktgremiums ausgeübt wird. Sicherlich kann eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Umwandlung der Sollvorschrift des § 67 Abs. 1 in eine Mußvorschrift 118 unmittelbar nicht erreicht werden. Jedoch würde damit in weit stärkerem Maße zum Nutzen beider Betriebspartner auf ein zusätzliches Instrument der Kooperation hingewiesen. Unternehmer und Mitarbeiter müßten dadurch zur Forderung der zweiseitigen Betriebsführung konkret Stellung beziehen. Andererseits sollte unter dem Postulat eines prädestinierten Informations« und Beratungsorgans auf die obligatorische Minimal- und Maximalbegrenzung der Mitgliederzahl zugunsten einer den betrieblichen Verhältnissen angepaßten Regelung verzichtet werden. Keineswegs werden mit der Änderung von § 68 Abs. 1 die besonderen Vorteile eines in der Mitgliederzahl begrenzten Vertrauensgremiums übersehen und der Schwerfälligkeit eines vielköpfigen Integrationsorgans das Wort geredet. Den Unternehmen soll lediglich die Möglichkeit zu Wirtschaftsausschüssen mit betriebsindividueller Zusammensetzung geschaffen werden, um die Chance konstruktiver Zusammenarbeit optimal nutzen zu können. Die Chance zur aktiven Kooperation durch den Wirtschaftsausschuß muß gering bleiben, solange es der Unternehmensleitung unter Bezugnahme auf eine Gefährdung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gestattet ist, die Informations- und Beratungsrechte des Wirtschaftsausschusses fast willkürlich zu umgehen. Auch die besonders streng sanktionierte, doppelt ausgeprägte Schweigepflicht der Wirtschaftsausschußmitglieder verliert nur dann nicht ihren Sinn, wenn die Unternehmensleitung gesetzlich gezwungen ist, alle Fragen, die wirtschaftliche Iis Diese Forderung ist vor kurzem in ähnlicher Weise auch von der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Partnerschaft formuliert worden. Vgl. dazu o.V., AGP-Stellungnahme zur Mitbestimmungsdiskussion, a.a.O., S. 3 f.

III. Instrumentale Konkretisierung partnerschaftlidier Strukturelemente 195 Angelegenheiten des Unternehmens zum Inhalt haben, in diesem Gremium umfassend und ohne „Geheimniskrämerei" zu beantworten. Diese rückhaltlose Offenheit muß als unabdingbare Prämisse jeder vom Geist des Vertrauens geprägten Zusammenarbeit gesehen, d.h. als Vertrauensbeweis der Unternehmensleitung gegenüber den Mitarbeitern im Wirtschaftsausschuß gefordert werden. Darin kommt der im sozial-mentalen Mitbestimmungsanliegen und in der Partnerschaftskonzeption so intensiv herausgestellte Grundsatz einer prinzipiellen Gleichwertigkeit von Kapital und Arbeit sehr real zum Ausdruck. Eine beschränkte Unterrichtung der Wirtschaftsausschußmitglieder stellt eine Negation des Mündigkeitsanspruches der Mitarbeiter dar. Infolgedessen ist in § 67 Abs. 2 auf diese „Geheimnisklausel" zugunsten einer umfassenden Unterrichtungspflicht zu verzichten, zumal diese Informationsbeschränkung in ihrer arbeitsrechtlichen Konsequenz mit dem in § 67 Abs. 1 vorangestellten Grundsatz vertrauensvoller Zusammenarbeit nur schwer vereinbar ist. Eine umfassende Information verstärkt jedoch gleichzeitig einen wesentlichen Konstruktionsmangel des Wirtschaftsausschusses. Die bisherige gesetzliche Regelung läßt eine Uberschneidung der Aufgaben des Wirtschaftsausschusses mit den Kompetenzen des Betriebsrats zu. Der Betriebsrat übt die Mitwirkungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten aus und muß in begrenztem Umfang auch in wirtschaftliche Probleme des Unternehmens eingeweiht werden. Andererseits stehen dem Wirtschaftsausschuß weitergehende Informationen zu, als die für den Betriebsrat bestimmten. Trotzdem kann der Wirtschaftsausschuß lediglich beratend aktiv werden, da ihm gesetzlich keine Mitbestimmungswahrnehmungen zuerkannt wurden. „Information drängt" jedoch „zur Aktion" 1 1 9 , so daß sich daraus in der Praxis häufig Rivalitäten zwischen Betriebsrat und Wirtschaftsausschuß 120 ergeben 121 , die bei Geltendmachung von Unterrichtungsansprüchen zur Degradierung des Wirtschaftsausschusses führen. Es ist ersichtlich, daß dieses gesetzesbedingte Spannungsverhältnis dem Inhalt und der Zielsetzung des Wirtschaftsausschusses als „Brücke des Vertrauens" bzw. als „Integrationsgremium" zuwiderläuft. Eine umfassende Information im Wirtschaftsu» Tatarko, E., Erfahrungsbericht aus der Firma G. L. Rexroth, in: Bedarf das Betriebsverfassungsgesetz der Ergänzung?, a.a.O., S. 27. 120 Auch die Personalunion zwischen Betriebsrat und Partnerschaftsausschuß im Partnerschaftbetrieb ist Folge dieses Konstruktionsmangels. 121 Teilweise hintertreibt der Betriebsrat sogar die Bildung eines W i r t schaftsausschusses, um die mögliche Einschränkung seiner eigenen Informationen zu verhindern. Vgl. dazu Walther, E., Dezentralisation des Wirtschaftsausschusses, AGP-Mit. vom 1.10.1967, S. 2; ferner Dräger, W., Der W i r t schaftsausschuß als Instrument der Kooperation, in: Bedarf das Betriebsverfassungsgesetz einer Ergänzung?, a.a.O., S. 8. 13*

196 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes ausschuß wird die Konfliktgefahr zwischen Betriebsrat und Wirtschaftsausschuß noch verstärken. Eine Lösung dieses Problems kann sich dadurch ergeben, daß die zur Aktion drängenden Mitspracherechte des Wirtschaftsausschusses zu Mitwirkungsrechten 122 ausgebaut werden. Diese Lösung hat insofern integrierende Bedeutung, weil damit einerseits die Kooperativwirkung des Wirtschaftsausschusses verstärkt wird, andererseits eine scharfe Kompetenzabgrenzung zum Betriebsrat möglich ist. Aus diesem Grunde sollte der Wirtschaftsausschuß über seinen derzeitigen Funktionsrahmen hinaus zu einem Mitbestimmungsorgan ausgebaut werden, das alle im Betriebsverfassungsgesetz kodifizierten Mitwirkungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten ausübt. Der Betriebsrat könnte dagegen seine Aufgaben auf die Wahrnehmung der Mitentscheidungsrechte in sozialen Angelegenheiten bzw. der Mitwirkungsrechte im personellen Bereich konzentrieren. Diese Arbeitsteilung zwischen Betriebsrat und Wirtschaftsausschuß führt zu einer Intensivierung der Anliegen des Betriebsverfassungsgesetzes, d.h. die Ausübung der imparitätischen Mitbestimmung wird verdichtet. Vor allem aber kann das partnerschaftliche Grundanliegen des Gesetzes wesentlich stärker zur Realisierung gelangen. Den Wirtschaftsausschuß zu einem betriebsverfassungsrechtlichen Mitwirkungsorgan 123 auszubauen, bietet sich vor allem auch durch die personelle Besetzung dieses Gremiums an. Der Gesetzgeber verlangt in § 68 Abs. 1 ausdrücklich, daß alle Mitglieder die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderliche fachliche und persönliche Eignung besitzen müssen. Die Vertreter im Wirtschaftsausschuß müssen also in der Lage sein, die wirtschaftlichen Zusammenhänge des Unternehmens zu verstehen und zu beurteilen, wenn sie mit der Unternehmensleitung in ein wechselseitiges Gespräch eintreten wollen. Der Wirtschaftsausschuß soll damit ein Gremium von qualifizierten Fachleuten darstellen, ein Erfordernis, das nach den empirischen Untersuchungen von Blume, vom Betriebsrat, der bei Ausübung des wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechts nach § 72 mit mindest ebenso komplexen Problemen konfrontiert wird, nicht immer behauptet werden kann 1 2 4 . Vor allem fehlt eine gleichwertige gesetzliche Verpflichtung, wonach Sachkunde und persönliche Eignung unabdingbare Voraussetzungen für die Wahl zum Betriebsratsmitglied sind. 122

I m Sinne der in dieser Arbeit gewählten Sprachsymbole. Den Wirtschaftsausschuß zu einem Mitentscheidungsorgan auszubauen, verbietet sich fraglos aus der Grundkonzeption des Betriebsverfassungsgesetzes. u* Blume, O., Normen und Wirklichkeit, a.a.O., S. 179. 125

III. Instrumentale Konkretisierung partnerschaftlicher Strukturelemente 197 Weiterhin spricht für die Ausgestaltung des Wirtschaftsausschusses zum Mitbestimmungsorgan in wirtschaftlichen Angelegenheiten, daß das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht nach § 72 Abs. 1 „nicht auf betrieblicher, sondern auf unternehmerischer Ebene" 125 ausgeübt wird. Es handelt sich damit um eine „unternehmerische Mitbestimmung" 126 , die bisher vom Betriebsrat realisiert wurde, obwohl sich die Zuständigkeit des Betriebsrates auf den Einzelbetrieb erstreckt. Dem Wirtschaftsausschuß steht somit auch formalrechtlich bereits dieses Recht zu, da er nach herrschender Meinung für das Unternehmen 127 und nicht für den einzelnen Betrieb gebildet wird. Allerdings erfordert eine derartige Neugestaltung die unmittelbare Wahl der Wirtschaftsausschußmitglieder durch die Arbeitnehmer selbst. Nicht mehr der Betriebsrat bzw. der Arbeitgeber könnten die Vertreter bestellen, sondern die einzelnen Arbeitnehmer hätten selbst durch Gruppen- oder Betriebsstättenwahl die Mitglieder des Ausschusses zu bestimmen. Die Wahl wäre aus Vereinfachungsgründen gleichzeitig mit den Betriebsratswahlen abzuhalten und technisch so durchzuführen, daß möglichst alle Führungsschichten berücksichtigt würden. Um die vom Gesetzgeber gewünschte kontinuierliche Kooperation zu verwirklichen 128 , erscheint es zweckmäßig, bei jeder Wahl jeweils nur die Hälfte der Mitglieder neu bestimmen zu lassen. Die gewonnenen Erfahrungen kommen dadurch zur vollen, zusammenarbeitsfördernden Entfaltung. Dem Unternehmer und dem Betriebsrat kann bei der Wahl ein Vetorecht gegen einzelne Kandidaten eingeräumt werden, d.h. beide sind gehalten die Wahl zu bestätigen, womit die Funktion des Wirtschaftsausschusses als echtes Bindeglied zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung bereits bei der Bestellung voll berücksichtigt würde. Uber die Berechtigung eines Widerspruches könnte die Schlichtungsstelle bindend entscheiden. Unter dem Gesichtspunkt der kooperierenden Integrationsaufgabe des Wirtschaftsausschusses ist der Vorteil des vorgeschlagenen Bestellungsverfahrens einmal in der fast völligen Unabhängigkeit der Ausschußmitglieder vom Betriebsrat und Unternehmer zu sehen. Dadurch wird gewährleistet, daß nur wirklich sachkundige Vertreter der Arbeit125 Neumann-Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 598 (Herv. v. Verf.). Ebd. 127 Vgl. u.a. Dietz, R., Betriebsverfassungsgesetz, a.a.O., S.849; Galperin, H., Siebert, W., a.a.O., S. 593; Nikisch, A., Arbeitsrecht, Bd. 3, a.a.O., S. 506; Nipperdey, H. C., bei Hueck, A., Nipperdey, H. C., Bd. 2, a.a.O., S. 863. 188 Die Kontinuität der Zusammenarbeit kommt beispielsweise in §69 Abs. 1 zum Ausdruck.

198 C. Partnerschaft als Struktursystem des Betriebsverfassungsgesetzes nehmer und der Geschäftsleitung in den Ausschuß gelangen. Allerdings müßte die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Buchstabe c für diese Wahl außer Kraft gesetzt werden, damit auch leitende Angestellte in den Ausschuß gewählt werden könnten. Erst damit wäre die unitaristische Ausgleichsund Bindegliedfunkion als tragender Grundgedanke des Gesetzgebers voll verwirklicht. Eine zusätzliche partnerschaftliche Wirkung wird durch das rochierende Wahlverfahren dadurch erzielt, daß relativ viele Mitarbeiter die Ausgleichswirkung des Wirtschaftsausschusses aktiv mitwirkend kennenlernen könnten, womit eine Tiefenwirkung des Wirtschaftsausschusses innerhalb der Arbeitnehmer erreicht wird. Die Betriebsleitung hätte ihrerseits die Gewähr eines fachlich relevanten Gremiums, dessen außerbetriebliche Beeinflussung auf ein Mindestmaß beschränkt ist, was für die Unterrichtungsbereitschaft und Mitbestimmungswilligkeit des Unternehmers von ausschlaggebender Bedeutung sein kann. Die in diesem Gremium ausgeübte Mitbestimmung wird somit ihres „Kampfund Kontrollcharakters" entkleidet. Sie nimmt partnerschaftliche Züge an, was im wirtschaftlichen Bereich von besonderer Bedeutung ist. I n diesem Zusammenhang sind die vor kurzem ergangenen Vorschläge des Deutschen Gewerkschaftsbundes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, soweit sie auf eine Modifizierung des Wirtschaftsausschusses zielen 129 , abzulehnen. Man regt hier an, die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses nur noch durch den Betriebsrat benennen zu lassen. Ein dieserart gebildeter Wirtschaftsausschuß als Unterorgan des Betriebsrats hätte die Ausdehnung des Trennungsprinzips zur Folge, das nach gesetzgeberischer Vorstellung lediglich für die Bestellung des Betriebsrats gelten soll. Bei diesen Vorschlägen wird die besondere Natur des Wirtschaftsausschusses als „unitaristische Institution" 130 verkannt, in der Arbeitnehmer- und Unternehmervertreter gemeinsam integrierend zusammenwirken sollen. Schließlich soll vom Gesetzgeber verlangt werden, den Unternehmer oder seinen Stellvertreter zu verpflichten, an jeder Sitzung des Wirtschaftsausschusses teilzunehmen. Dadurch wird der Ausschuß nicht nur unmittelbar informiert 131 , sondern er erhält eine besonderes Gewicht als Integrationsgremium. 129 Vgl. die i m Dezember 1967 vom DGB veröffentlichten Vorschläge, in: Deutscher Gewerkschaftsbund (als Herausgeber) — verantwortlich: Beermann, H., Vorschläge des D G B zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, Düsseldorf 1967, S. 33. 130 Neumann-Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 585 (Herv. v. Verf.). 131 Vgl. dazu die Praxis der Partnerschaftsbetriebe. Vor allem bei Tatarko, E., Erfahrungsbericht aus der Firma G. L. Rexroth, a.a.O., S. 25.

D. Realisierung der Mitbestimmung im einzelnen Partnerschaftsbetrieb I m folgenden soll das System der Mitbestimmung im Partnerschaftsbetrieb am Beispiel einiger Unternehmen mit partnerschaftlicher Betriebsordnung dargestellt werden. I n vielen der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Partnerschaft angehörenden Betrieben besteht das partnerschaftliche System lediglich in einem mehr oder weniger intensiv ausgebauten Erfolgsbeteiligungsverfahren. Die rein materiellen Verfahren, die lediglich einen Gestaltungsfaktor der Gesamtkonzeption ausmachen, sollen im wesentlichen nicht beschrieben werden. Partnerschaftlich orientierte Betriebe mit Erfolgsbeteiligungsverfahren ohne besonders ausgeprägte Mitbestimmungsmerkmale können damit nicht berücksichtigt werden. Darüber hinaus beschränkt sich die Darstellung auf die bekanntesten Partnerschaftsbetriebe in Deutschland. I. Theodor Groz & Söhne & Ernst Beckert Nadelfabrik Commandit Gesellschaft, Ebingen Der Partnerschaftsbetrieb Groz-Beckert ist als Hersteller von Strickund Wirkmaschinennadeln vor allem durch seine feinmechanische Präzision1 und seine monopolartige Stellung am Weltmarkt bekanntge^ worden. Er beschäftigt zur Zeit ca. 3 000 Mitarbeiter in mehreren Betriebsstätten. Das Partnerschaftsverfahren ist gekennzeichnet durch eine besondere Betonung der Funktionen des Betriebsrats, dem vor allem sozialpolitische Aufgaben übertragen sind, die über den Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes hinausgehen. Allerdings werden die Vorschriften dieses Gesetzes lediglich im sozialen Bereich erweitert, d. h. die Mitbestimmung in personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten erfolgt zumeist in Anlehnung an das Betriebsverfassungsgesetz, an dessen Vorschriften die mentalen Komponenten des Verfahrens im wesentlichen ausgerichtet sind. Die partnerschaftliche Wertung der Mitarbeiter bringt das Unternehmen vor allem durch eine besonders umfassende Erfolgsbeteiligung 1

So wurde dem Verfasser bei einem Besuch im November 1963 berichtet, daß die Schweizer Uhrenindustrie die feinmechanischen Toleranzgrenzen dieses Unternehmens nicht zu erfüllen in der Lage ist

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D. Realisierung der Mitbestimmung

zum Ausdruck, die in der bereits 1948 eingeführten Leistungsprämie 2 ihren Ausgang nahm. Seit dem 1.1.1952 steht im Mittelpunkt der kooperativen Betriebsverfassung eine Vereinbarung über die Teilung des Betriebsertrages, nach der der Ertrag 3 zwischen den Gesellschaftern und den Mitarbeitern im Verhältnis 1 :1 geteilt wird. Dadurch kommt die Anerkennung einer prinzipiellen Gleichrangigkeit des Faktors Arbeit zum Kapital eindeutig zum Ausdruck. Die mitbestimmungsrechtlich interessante Besonderheit dieses Verfahrens liegt darin, daß auf den halben Ertragsanteil der Arbeitnehmer alle freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen, wie Altersversorgung, Krankengeld, Krankenbeihilfe usw. in voller Höhe angerechnet4 werdan. Die Höhe der freiwilligen Sozialleistungen bestimmt damit den Umfang der Gutschriften im Betrieb und beeinflußt die Barauszahlungen, die den Mitarbeitern als Vorauszahlung in Form einer monatlichen Leistungsprämie und durch jährliche Restüberweisungen zugeht. Hier setzt nun das besonders ausgeprägte Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der Weise ein, daß praktisch er allein entscheidet, welche Teile des den Arbeitnehmern zustehenden Betriebsertrages zur Finanzierung freiwilliger Sozialleistungen verwandt werden. Die Entscheidung über den Verwendungszweck des Ertragsanteils der Arbeitnehmer unterliegt formell einer gemeinsamen Sitzung von Unternehmensleitung und Betriebsrat. Dabei steht der Unternehmensleitung die gleiche Stimmenzahl zu, wie alle anwesenden Betriebsratsmitglieder zusammen besitzen5. Es wären also durchaus stimmengleiche Kampfabstimmungen möglich, die der partnerschaftlichen Gesamtkonzeption widersprechen würden 6 . Deshalb behielten sich beide Partner bei Nichteinigung das Recht zur fristlosen Kündigung 7 des Partnerschaftsvertrages vor. 2 Vgl. Föhl, C., Theodor Groz & Söhne & Ernst Beckert KG., Ebingen, Nadelfabrik, A G P - M i t . vom 1.11.1953, S. 3. 3 Unter Betriebsertrag versteht man den steuerpflichtigen Gewinn nach Abzug einer angemessenen Verzinsung des Betriebskapitals unter Berücksichtigung der Steuerbelastungen bei den Gesellschaftern und den Arbeitnehmern. Vgl. dazu auch Sembach, W., Zwölf Jahre betriebliche Partnerschaft, AGP-Mit. vom 15.11.1964, S. 3. 4 Ausgenommen ist die Weihnachtsgratifikation, die als Kostenfaktor vom Betriebsgewinn abgezogen wird, obwohl sie eigentlich aus der Ertragshälfte der Arbeitnehmer bezahlt werden müßte. « Vgl. § 10 des Partnerschaftsvertrages bei Fischer, G., Partnerschaft im Betrieb, a.a.O., S. 147. 6 Herrmann berichtet, daß in einer Betriebsratssitzung des Unternehmens selten ein Beschluß durch Majoritätsabstimmung gefaßt wird, da meistens eine einstimmige Entscheidung zustande kommt. Vgl. Herrmann, B., Betriebsratssitzung — mitangehört und diskutiert, AGP-Arbeitstagung in Ebingen, AGP-Mit. vom 1.10.1954, S. 6. 7 Vgl. § 12 des Vertrages bei Fischer, G., Partnerschaft im Betrieb, a.a.O., S. 147.

I. Theodor Groz & Söhne & Ernst Beckert Nadelfabrik

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Obwohl sich die Geschäftsleitung dieses Mitentscheidungsrecht vertraglich gesichert hat, bestimmt in der Praxis der Betriebsrat allein den Umfang und die Verwendung der freiwilligen Sozialleistungen, da sich die Vertreter der Unternehmensleitung auf Empfehlungen beschränken. Damit übt der Betriebsrat praktisch ein Alleinbestimmungsrecht in sozialen Angelegenheiten aus, das im Katalog der Mitbestimmungsrechte des Betriebsverfassungsgesetzes nicht mehr enthalten ist. Uber den Betriebsrat hat die Mitarbeiterschaft 8 somit ein außerordentlich weitgehendes Mitbestimmungsrecht, da sie selbst in der Lage ist, den Ertragsanteil, der dem einzelnen Mitarbeiter ausgeschüttet oder gutgeschrieben wird, zu erhöhen oder zu senken. Dieses Recht äußert sich vor allem darin, daß sich der Betriebsrat ständig bemüht 9 , die Höhe der Sozialleistungen möglichst zu begrenzen und die Zuweisungen zu den Erfolgskonten bzw. die Barausschüttungen zu erhöhen. Allerdings hat die Unternehmensleitung eine mitbestim mungshemmende Klausel in den Vertrag miteingebaut, da sie die Höhe der Barausschüttungen „mit Rücksicht auf die Liquidität des Unternehmens" 10 selbst festlegt. Dem Betriebsrat wird außerdem ein zusätzliches Mitbestimmungsrecht bei der Verwendung der gutgeschriebenen Erfolgsanteile eingeräumt. Die wertbeständigen und zinspflichtigen Ertragsguthaben 11 werden zur Mitfinanzierung von Investitionen verwandt und sind im allgemeinen für die Barauszahlung gesperrt. Lediglich in besonderen Fällen wie beim Hausbau, Heirat der Tochter und im Krankheitsfall usw. ist eine Ausnahme möglich. Ob ein derartiger Auszahlungsfall vorliegt, entscheidet in Eigenverantwortung der Betriebsrat. Dadurch übt er ein Mitentscheidungsrecht aus, das weit über den materiellen Rahmen des sozialen Mitbestimmungsrechts des Betriebsverfassungsgesetzes hinausgeht. Darüber hinaus bestimmt der Betriebsrat durch diese Regelung mittelbar die Höhe der Investitionen, da er über den im Betrieb gutgeschriebenen Ertragsanteil die Innenfinanzierung indirekt mitbeeinflussen kann. Demnach strahlt das soziale Alleinbestim8 Vgl. auch die mehr sozialpolitischen Stellungnahmen dazu von Klein, P., Partnerschaft als fortschrittliche Betriebsverfassung, AGP-Mit. vom 15.11.1965, S. 1; Naegele , H., Partnerschaft und soziale Stellung der Werktätigen, M u A 1953, S. 6. ® Vgl. Sembach, W., Zwölf Jahre betriebliche Partnerschaft, a.a.O., S. 5. §6 der Vereinbarung über die Teilung des Betriebsertrages. " Die Erfolgsguthaben der Mitarbeiter werden in der gleichen Höhe wie die Einlagen der Gesellschafter verzinst. Darüber hinaus garantiert das Unternehmen durch eine Wertbeständigkeitsklausel den vollen Realwert dieser Einlagen. Vgl. Föhl, C., Theodor Groz & Ernst Beckert KG., a.a.O., S. 4.

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D. Realisierung der Mitbestimmung

mungsrecht eine gewisse Mitbestimmungswirkung auch auf den wirtschaftlichen Sektor aus, dessen Intensität von den sonstigen Finanzierungsmöglichkeiten des Unternehmens abhängt. Auch im personellen Bereich findet sich ein Ansatz eines zusätzlichen Mitbestimmungsrechts. Die Vertreter der Arbeitnehmer legten durch Beschluß fest 12 , diejenigen Mitarbeiter von der Leistungsprämie auszuschließen, die durch Minderleistung den Grundlohn nicht erreichen oder die Betriebsleistung durch ihr zwischenmenschliches Verhalten negativ beeinflussen. Diese Vereinbarung entspricht in ihrer Zielsetzung der Vorschrift des § 66 Abs. 4 BetrVerfG., geht jedoch im materiellen Gehalt über den Inhalt dieser Schutzbestimmung hinaus. Die Besonderheiten der Mitbestimmung bei Groz-Beckert liegen im wesentlichen also in der Selbstverwaltung des betrieblichen Sozialetats. Betriebswirtschaftliche Bedeutung erlangen die Regelungen insofern, als die freiwilligen Sozialleistungen, die der Arbeitnehmer in der Gegenwart zumeist als Selbstverständlichkeit empfindet, ihres patriarchalischen „Almosencharakters" 13 entkleidet werden. Durch die Selbstverwaltung erfüllen die Sozialleistungen wieder gesellschaftsordnende Aufgaben im Betrieb. Der Betriebsrat bittet und fordert nicht mehr namens der Belegschaft, sondern er entscheidet selbst, ob und in welcher Höhe diese Ausgaben gewährt werden können. „Da stellt sich nun heraus, daß in diesen Mitarbeitern . . . recht beachtliche kaufmännische, ja sogar unternehmerische Talente stecken14." Die Selbstverwaltung des Sozialetats fördert also das mitunternehmerische Mitdenken und Mitverantworten der Arbeitnehmer und erreicht damit eine soziale Aufwertung des „Faktors Arbeit" im Sinne der Partnerschaftskonzeption. Die Stellung des Betriebsrats bei Groz-Beckert wird durch das außerordentlich weitgehende soziale Mitbestimmungsrecht über den Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes hinaus angehoben. Die weiteren Mitbestimmungseinrichtungen, wie Fachausschüsse für Lohn- und Ertragsfragen, kommen kaum zur Geltung; ihr mitbestimmender Einfluß ist gering. Auch der Wirtschaftsausschuß steht im Schatten der zentralen Bedeutung des Betriebsrats. Sein betriebsverfassungsrechtlicher Inhalt wird nicht voll ausgeschöpft, da er lediglich als Informationsorgan des Betriebsrats wirkt. Ein besonderes Kooperationsgremium für partnerschaftliche Angelegenheiten hat man aus den nämlichen Gründen bis jetzt nicht für notwendig erachtet, da der Betriebsrat diese zusätzlichen Aufgaben im Rahmen seines Wirkens miterfüllt. 12 Vgl. Hartman, R. S., Die Partnerschaft von Kapital und Arbeit, a.a.O., S. 208. " Schmidt, F., Betriebliche Partnerschaft und Erfolgsbeteiligung, a.a.O., S. 117. » Föhl, C., Theodor Groz & Ernst Beckert KG, a.a.O., S. 5.

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I I . Aktiengesellschaft Union Nachfolger Hermann Naegele, Aalen/Württemberg Das Unternehmen wurde vor über 100 Jahren gegründet. Die frühere Aktiengesellschaft wird seit längerer Zeit als Einzelfirma betrieben. Sie beschäftigt zur Herstellung von Schuhcreme und Schuhpflegemitteln zur Zeit ca. 200 Mitarbeiter 1 . Das Partnerschaftsverhältnis wurde auf Initiative des Unternehmers durch das am 17. Dezember 1950 verkündete Betriebsstatut, ergänzt durch ein Sozialstatut vom 1. Mai 1951 begründet 2. Dieser Vertrag erfuhr in den Jahren 1961 und 1965 einige bedeutsame Veränderungen, die sich auch mitbestimmungsrechtlich auswirkten. Der Partnerschaftsbetrieb nimmt sowohl in seiner rechtlichen Konstruktion als auch durch die Einstellung des Unternehmers gegenüber der Mitbestimmung eine gewisse Sonderstellung im Rahmen der in der AGP vertretenen Betriebe ein. Das gesellschaftspolitische Anliegen des Verfahrens wird besonders dadurch betont, daß die Arbeitnehmer durch Beteiligung an einer stillen Gesellschaft zum Mitunternehmer gemacht werden. Dies geschieht durch privatrechtlichen Vertrag, den der Unternehmer in Verwirklichung des partnerschaftlichen Individualprinzips mit jedem einzelnen Arbeitnehmer abschließt. Es wird jedoch kein Mitarbeiter direkt oder indirekt dazu angehalten oder gar gezwungen Mitunternehmer zu werden, da das Betriebs- und Sozialstatut auf dem Prinzip der persönlichen Freiwilligkeit basiert. Gegenwärtig haben ca. 95 Prozent der Mitarbeiter den Partnerschaftsvertrag unterzeichnet. Nach dem Gesellschaftsvertrag sind dem Arbeitnehmer, der nach außen als stiller Gesellschafter auftritt, so viele Mitbestimmungsrechte eingeräumt, daß er in seiner Stellung einem OHG-Gesellschafter nahekommt. Er ist mit seiner Einlage am Gewinn, aber auch am Verlust beteiligt. Die Haftung beschränkt sich jedoch auf die Einlage, die 10 000 D M nicht übersteigen darf®, während der Unternehmer mit seinem gesamten Vermögen haftet. Die Anteile sind in Nennbeträge von 10.— bis 500.— D M gestückelt und können durch Einzahlung erworben werden bzw. erhöhen sich durch Zins- und Gewinnanteile, sowie durch zusätzliche Gratifikationen des Unternehmers. Diese Anteile werden in gleicher Höhe wie das Unternehmerkapital mit 2 Prozent über dem jeweiligen Diskontsatz verzinst und der Einlage gutgeschrieben. 1 Vgl. Ortelt, P., Präsident der Arbeitsgemeinschaft der Union-Werke, in einem Brief an den Verfasser vom 11.1.1968. 2 Vgl. o.V., Jubiläen bei der Aktiengesellschaft Union Nachf., Hermann Naegele, A G P - M i t . vom 1. 4.1965, S. 9. 3 Vgl. o.V., Aktiengesellschaft Union, Nachfolger Hermann Naegele, Erfahrungsbericht, AGP-Mit. vom 1.12.1953, S. 3.

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D. Realisierung der Mitbestimmung

Darüber hinaus wird die Einlage des „Arbeitnehmer-Partners" durch eine Gewinnbeteiligung solange erhöht, bis die Maximalhöhe von 10 000.— D M erreicht ist. Weitere Gewinn- und Zinsanteile gelangen zur Barauszahlung 4. Dazu wird der Gewinn durch die gewählten Vertreter der Partner aus der Steuerbilanz ermittelt 5 . Zu Lasten des Gewinns geht die Verzinsung der beiderseitigen Kapitaleinlagen, sowie ein angemessener Unternehmerlohn 8. Der verbleibende Restgewinn wird im Verhältnis des Unternehmer- bzw. Mitunternehmerkapitals zum Gesamtkapital verteilt. Die materielle Teilhabe erfolgt also auf der Grundlage einer Kapitalbeteiligung. Die Herauskristallisierung dieser Basis der materiellen Komponente des Partnerschaftssystems erscheint notwendig, weil darin eine Bestätigung der Mitbestimmungskonzeption des Unternehmers zu sehen ist. Naegele ist der Ansicht7, daß sich das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht nur aus dem Miteigentum und aus der Teilnahme am Gewinn und Verlust ableiten läßt 8 . Soweit diese Prämissen nicht vorliegen, sollte nach seiner Meinung auch im Partnerschaftsbetrieb eine Beschränkung der Mitbestimmung auf den sozialen und personellen Bereich erfolgen. Diese Mitbestimmungskonzeption steht im polaren Gegensatz zu den gewerkschaftlichen Mitbestimmungszielsetzungen und führte in den ersten Jahren zu heftiger Polemik gegen das Partnerschaftsstatut der Union-Werke 9. Die „Arbeitnehmer-Partner" sahen sich dadurch genötigt, aus der Gewerkschaft auszutreten 10, während der Unternehmer seinerseits aus dem Arbeitgeberverband ausschied. Der Betriebsrat löste sich von selbst auf, da seine Funktionen von neu gebildeten Organen mitübernommen wurden. Auch ein Wirtschaftsausschuß im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn hat in den Union-Werken nie bestanden. Die betriebsverfassungsrechtliche Schematik wird ersetzt 4 Vgl. das von den Union-Werken zur Verfügung gestellte Betriebs- und Sozialstatut der Union-Werke, S. 1. * Vgl. dazu o. V., Betriebs- und Sozialstatut der Unlon-(Naegele)Werke, Aalen, AGP-Mit. vom 1.11.1951, S. 2. 6 Vgl. auch o.V., Aktiengesellschaft Union, Erfahrungsbericht, a.a.O., S. 3; Weiß, A., Braucht man eigentlich Betriebssparkassen?, M u A 1951, S. 70. 7 Persönliche Auskunft des Unternehmers an den Verfasser am 13.1.1965 in Aalen. 8 Die motivliche Irrelevanz dieser Forderung wurde bei Untersuchung der Mitbestimmungsziele ausführlich dargestellt. Vgl. Teil A Abschnitt I I , Ziff. 2. 9 Vgl. Morwein J., Kritik und Antikritik des „Arbeiter-Unternehmers", M u A 1951, S. 136. ™ I n der Gegenwart sind von 200 Arbeitnehmern ca. 5—6 gewerkschaftlich organisiert. Persönliche Auskunft durch Ortelt, P., Präsident der Arbeitsgemeinschaft der Union-Werke, am 13.1.1965 an den Verfasser.

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durch ein Mitbestimmungssystem, das im Aufbau und in der Durchführung die Mitbestimmungsauffassung des Unternehmers erkennen läßt. Die Mitbestimmungsrechte übt der einzelne Arbeitnehmer durch die von ihm gewählten Vertreter aus. Die Partner sind zu diesem Zweck in einer „Arbeitsgemeinschaft" zusammengeschlossen, die als nicht eingetragener Verein die Rechte der Mitunternehmer über folgende Organe wahrnimmt: a) die Hauptversammlung der Arbeitnehmer-Partner, die an die Stelle der Betriebsversammlung des Betriebsverfassungsgesetzes getreten ist, jedoch über deren Mitbestimmungskompetenzen hinausgeht. Sie umfaßt alle Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft, d. h. alle Mitunternehmerpartner wählen in freier und geheimer Wahl .ihre Mitbestimmungsorgane. Damit sind 5 Prozent der Arbeitnehmer, die den Partnerschaftsvertrag bisher nicht unterzeichnet haben, mitbestimmungsrechtlich nicht vertreten. Neben der Funktion als Wahlgremium übt die Hauptversammlung in besonderen Einzelfällen auch unmittelbare Mitbestimmungsaufgaben 11 aus, da jeder Partner das Recht hat, in der Hauptversammlung persönliche Anträge zur Abstimmung vorzulegen 12 . Damit geht die Hauptversammlung in ihrer Mitbestimmungsintensität bei weitem über die — in einem früheren Abschnitt dargestellten — Rechte der Betriebsversammlung hinaus. Besonders der Inhalt von § 41 und vor allem von § 44 wird wesentlich überschritten. b) der Präsident vertritt die Mitunternehmer in der Unternehmensleitung. Er ist das unmittelbare Kooperativorgan des Unternehmers, der sich aus diesem Grunde bei der Wahl ein Vetorecht für den Fall vorbehalten hat 1 3 , daß er den Kandidaten für untragbar hält. Bisher hat der Unternehmer von diesem Vetorecht noch nie Gebrauch gemacht14. Der Präsident hat Prokura und ist berechtigt, jederzeit Einblick in die Bilanz und Geschäftsunterlagen zu nehmen. Der von ihm 11 So entschieden sich 1953 in geheimer Abstimmung zwei Drittel aller Mitunternehmer für eine Nichterhöhung der Löhne, um das Unternehmen in einer zeitweilen schwierigen Lage zu unterstützen. Persönliche Auskünfte an den Verfasser durch den Unternehmer am 12.1.1965 in Aalen. 12 Vgl. Teil B Abschnitt I I Ziff. 2 b. 13 Vgl. Blume, O., Heidermann, J., Kuhlmeyer, E., Wirtschaftsorganisatorische Wege zum gemeinsamen Eigentum und zur gemeinsamen Verantwortung der Arbeitnehmer, Köln und Opladen 1959, S. 334. * 4 Vgl. Ortelt, P., Brief vom 11.1.1968 an den Verfasser.

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D. Realisierung der Mitbestimmung ernannte Vizepräsident hat in Vertretung des Präsidenten lediglich repräsentative Aufgaben.

c) einem Verwaltungsrat, dessen sieben durch die Mitgliederversammlung bestimmten Mitarbeitern den Präsidenten bei Durchführung seiner Aufgaben berät. Zu diesem Zweck erhält er monatlich einen detaillierten Geschäftsbericht. Bei Streitigkeiten über das Mitbestimmungsrecht in sozialen und personellen Angelegenheiten entscheidet der Verwaltungsrat als Berufungsinstanz verbindlich. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Präsidenten den Ausschlag. Weiterhin wählt der Verwaltungsrat aus den Reihen der Partner in geheimer Wahl d) den Sekretär, der den Präsidenten in kaufmännischen Einzelfragen zu beraten hat 1 6 . Er ist Protokollführer bei allen Verwaltungsratssitzungen und Mitgliederversammlungen und kann Einblick in die Bilanz nehmen. Kraft seines Amtes gehört er automatisch dem Verwaltungsrat an. e) einem Ehrenrat, dessen drei Mitglieder mindestens 20 Jahre dem Betrieb angehören müssen16. Er entscheidet als Berufungsinstanz über Aufnahme und Ausschluß von Mitarbeitern aus der Arbeitsgemeinschaft; er hat außerdem das Recht, in der Hauptversammlung Antrag auf vorzeitige Abberufung des Präsidenten zu stellen, wenn dieser seinen Verpflichtungen aus dem Statut nicht nachkommt. Die Amtszeit sämtlicher Organe wurde von ursprünglich zehn Jahren auf sechs Jahre herabgesetzt. Die Bedeutung dieser Vertretungsorgane wird besonders bei Ausübung der Mitbestimmung im sozialen und personalen Bereich sichtbar. Vor allem dem Verwaltungsrat sind durch das Statut Mitbestimmungsrechte zugesprochen, die sowohl bei Einzelmaßnahmen als auch auf der Ebene des Gesamtbetriebs mit den Betriebsverfassungsrechten in keiner Weise mehr vergleichbar sind. Bei Einzelmaßnahmen des personalen und sozialen Sektors wurde das Mitbestimmungsrecht über den Inhalt des Betriebsverfassungsgesetzes hinaus zu einem Alleinbestimmungsrecht ausgebaut. Besonders im personellen Bereich sprengt diese Regelung bei weitem das als negatives Konsensrecht ausgeprägte Mitwirkungsrecht des Betriebsrats und führt zur Selbstverwaltung der Partner bei personellen und Vgl. dazu auch Naegele, H., Elf Jahre betriebliche Partnerschaft, A G P Mit. vom 1.1.1962, S. 3. i« Vgl. o.V., Betriebs- und Sozialstatut der Union-Werke, a.a.O., S. 1.

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II. Aktiengesellschaft Union

sozialen Angelegenheiten, die in dieser Intensität von keinem anderen Partnerschaftsbetrieb mehr erreicht wird 1 7 . Durch die Selbstverwaltung hat jeder Partner das Recht und die Pflicht 18 , falls er sich durch Entscheidungen der Unternehmensleitung in seinen Rechten aus dem Arbeits- und Gesellschaftsvertrag beeinträchtigt fühlt, den Verwaltungsrat anzurufen. Der Verwaltungsrat ist statuarisch verpflichtet eine Stellungnahme der Unternehmungsleitung einzuholen, bevor er den auch für die Betriebsleitung verbindlichen Spruch fällt. Der Unternehmer hat also bei sozialen und personellen Angelegenheiten kein Vetorecht. Der Unternehmer muß beispielsweise Kündigungen rückgängig machen, wenn der Verwaltungsrat dies verlangt 19 . Diese Konstruktion auf das Betriebsverfassungsgesetz übertragen, hieße in § 61 Abs. 1 zumindest ein unabdingbares Genehmigungsrecht des Betriebsrats bei Einstellungen zu schaffen bzw. das Mitspracherecht bei Kündigungen nach § 66 Abs. 1 zu einem Mitentscheidungsrecht auszubauen. Glaubt sich der Mitunternehmer durch die Entscheidung des Verwaltungsrates immer noch in seinen Rechten geschmälert, so kann er bei freier Anwaltswahl den ordentlichen Rechtsweg beschreiten. Alle Anwalts- und Prozeßkosten werden dabei vom Unternehmen getragen, selbst dann, wenn der Rechtsstreit vom Mitunternehmer verloren wird oder mit einem Vergleich endet 20 . Dieser vollkommene Rechtsschutz wurde als Gegenpol zum gewerkschaftlichen Rechtsschutz eingeführt, da fast alle Mitunternehmer aus der Gewerkschaft ausgetreten sind. Die etwaigen Kosten dafür, bezeichnet Naegele als „Versicherungsprämie für sozialpolitisches Wohlverhalten 21 " der Partner. Vgl. dazu Naegele, H., Elf Jahre betriebliche Partnerschaft, a.a.O., S. 3 und das Betriebs- und Sozialstatut der Union-Werke, a.a.O., S. 1. 18 Für „Nichtpartner" entfällt dieses Recht, obwohl der Verwaltungsrat kulanterweise auch für Arbeitnehmer tätig wird, die den Mitunternehmervertrag noch nicht unterschrieben haben. Jedoch besteht kein Rechtsanspruch für die „Nichtpartner". Quelle: Persönliche Auskunft an den Verfasser durch den Präsidenten am 13.1.1965 in Aalen. 19 Bei Einstellungen ist es zwischen dem Unternehmer und den Mitunternehmern bisher zu keinen nennenswerten Schwierigkeiten gekommen. Bei Kündigungen kam es aus sozialen Gründen in einzelnen Fällen zur Aufhebung der Kündigung, obwohl der Verwaltungsrat die ausgesprochenen Kündigungen als berechtigt anerkannte. Vgl. Naegele, H., Partnerische Selbstverwaltung in personellen und sozialen Angelegenheiten, M u A 1952, S. 203. 2 Vgl. o.V., Aktiengesellschaft Morwein, J., a.a.O., S. 137.

Union, Erfahrungsbericht,

a.a.O.,

S.4;

Naegele, H., gegenüber dem Verfasser am 13.1.1965 in den UnionWerken.

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D. Realisierung der Mitbestimmung

Seit 1950 wurde lediglich dreimal von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gegen die Entscheidung des Verwaltungsrats zu klagen. In zwei Fällen gewann der Verwaltungsrat den Rechtsstreit, in einem Fall ein wegen Industriespionage fristlos entlassener Arbeitnehmer 22 . Die Anrufung außerbetrieblicher Stellen wird als schwerwiegender Verstoß gegen die partnerschaftliche Betriebsordnung betrachtet und durch Verlust des Rechtsschutzes geahndet, wenn vorher nicht alle innerbetrieblichen Ausgleichsmöglichkeiten versucht wurden. I n dieser Verpflichtung zur innerbetrieblichen Einigung findet sich in umfassender Konsequenz das Anliegen von § 49 Abs. 4 Betriebsverfassungsgesetz verwirklicht. Auch auf der Ebene des Gesamtbetriebes räumt das Betriebsstatut den Mitunternehmern vor allem in lohnpolitischen Fragen Mitentscheidungsrechte ein. Damit steht den Partnern auch im sozialen Bereich weitgehend ein Recht auf Selbstverwaltung zu. Dieses Recht geht insofern über die Mitentscheidungsrechte der in § 56 Abs. 1 Buchstabe g und h geregelten sozialen Angelegenheiten hinaus, als diese Mitentscheidung nach herrschender Lehre auf formale Angelegenheiten beschränkt bleibt, da es nicht Aufgabe des Betriebsrats ist, Leistung und Gegenleistung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer mitzubestimmen. Wie gezeigt wurde 23 , herrschen erhebliche Meinungsverschiedenheiten, ob das Mitentscheidungsrecht sich auch auf die materielle Seite der angesprochenen Arbeitsbedingungen und damit auf die Lohnfestsetzung beziehen läßt. Das Betriebsstatut der Union-Werke entscheidet dieses Problem eindeutig in der Weise, daß die Festsetzung der Löhne und Gehälter einer Tarifkommission übertragen wird, die sich aus drei Mitgliedern des Verwaltungsrats und aus drei Mitgliedern der Unternehmensleitung zusammensetzt24. Jedes Mitglied hat dabei eine Stimme, d. h. es erfolgt eine Mitentscheidung der Mitunternehmer bei den jeweils in halbjährigen Abständen zu überprüfenden bzw. neu festzusetzenden Löhnen und Gehältern. Konnte sich die Tarifkommission zu keinem Mehrheitsbeschluß durchringen, so erfolgte bisher die Abstimmung im Verhältnis der Kapitalanteile, d. h. nach mehreren vergeblichen Einigungsversuchen traf der Unternehmer die endgültige Entscheidung25. Diese Regelung widersprach jedoch eindeutig der Mitbestimmungskonzeption des Un22 Information auf Anfrage des Verfassers durch Ortelt, P., in einem Brief vom 11.1.1968. 23 Vgl. Teil B Abschnitt I Ziff 2 b. 2« Vgl. o.V., Partnerschaftliche Regelung der betrieblichen Lohnpolitik, a.a.O., S.3. 25 Vgl. dazu Naegele t H., Elf Jahre betriebliche Partnerschaft, a.a.O., S.3.

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ternehmers, der lediglich die Mitbestimmung des wirtschaftlichen Sektors aus dem Recht am Eigentum ableitete. Durch den angewandten Entscheidungsmodus wurde jedoch auch die Mitbestimmung des sozialen Bereichs der Majorisierung des Kapitals unterworfen. Durch Änderung des Partnerschaftsvertrages beseitigte man 1965 diesen Widerspruch und verstärkte gleichzeitig die Mitbestimmungsrechte der Mitunternehmer. Nicht mehr der Unternehmer entscheidet nach dieser Regelung endgültig, sondern eine durch zwei Mitglieder des Ehrenrats erweiterte Tarifkommission versucht zu einer Abstimmungsmajorität zu gelangen26. Erzielt die erweiterte Tarifkommission wiederum keine Einigung, dann entscheidet eine außerordentliche Hauptversammlung in geheimer Abstimmung über die unterschiedlichen Auffassungen. Dabei wird nicht nach Kapitalanteilen, sondern nach Personen abgestimmt, d.h. es erfolgt eine unmittelbare Mitentscheidung der Partner. Unterliegt der Vorschlag der Unternehmensleitung, so wird als eine Art Streiksurrogat 27 der sog. „Lohnstreit" ausgerufen, der solange andauert, bis man einen Kompromiß gefunden hat. Die Mitbestimmungskonstruktion der Union-Werke bringt den Mitunternehmern danach im personellen und im sozialen Bereich echte Mitentscheidungsrechte, die teilweise sogar zu Alleinbestimmungsrechten tendieren. I m wirtschaftlichen Sektor ist die Mitbestimmung wesentlich schwächer ausgeprägt, worin die bereits dargestellte Auffassung des Unternehmers ihren Ausdruck findet. Nach Intensitätsgraden aufgegliedert zeigen sich folgende Abstufungen: 1. Die Wahrnehmimg eines über das Betriebsverfassungsgesetz hinausgehenden Informationsrechts stellen die monatlichen Geschäftsberichte an den Verwaltungsrat bzw. die vierteljährigen Lageschilderungen für die Mitarbeiter dar. Auch die Regelung, dem Präsidenten die gesamte Geschäftspost täglich zur Verfügung zu stellen 28 , beweist die umfassenden Informationsbemühungen der Unternehmensleitung.

2

® Vgl. im folgenden o.V., Partnerschaftliche Regelung der betrieblichen Lohnpolitik, a.a.O., S. 3. 27 Auf die materiellen Auswirkungen dieser „Streikregelung" wurde bei Darstellung der Antinomie von Streik und Partnerschaft bereits hingewiesen. Vgl. Teil C Abschnitt I I I Ziff. 1 b. » Vgl. Naegele, H., Elf Jahre betriebliche Partnerschaft, a.a.O., S. 4. 14 Maier

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D. Realisierung der Mitbestimmung

2. Ein Mitspracherecht findet sich in folgenden wirtschaftlichen Angelegenheiten, in denen die Unternehmensleitung gezwungen ist, die Arbeitsgemeinschaft anzuhören* 9: „1. Wesentliche Änderung des bestehenden Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen 2. Aufstellung des Fabrikationsprogramms 3. Grundlegende Umstellung der Produktion 4. Einführung neuer Fabrikations- und Arbeitsmethoden 5. Betriebseinschränkungen und

-Stillegungen

6. Verlegung von Betriebsteilen 7. Zusammenschluß mit anderen Betrieben 8. Kalkulation und Preisgestaltung 9. Produktions- und Arbeitsregelung."

3. Darüber hinaus gewährt der Partnerschaftsvertrag der Arbeitsgemeinschaft ein Mitwirkungsrecht, das in Form eines Einspruchsrechts mit aufschiebender Wirkung von vierzehn Tagen in den nachstehend aufgeführten wirtschaftlichen Tatbeständen ausgeübt werden kann: „1. Wesentliche Änderung des bestehenden Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen 2. Grundlegende Änderung der Produktion 3. Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden 4. Wesentliche Veränderimg des Betriebsumfangs bei Betriebsverschmelzung und Verlegung von Betriebsteilen, Betriebsstillegung sowie Betriebseinschränkung."

Diese dem Einspruch unterliegenden Angelegenheiten entsprechen in etwa dem Katalog der in § 72 Abs. 1 aufgeführten mitwirkungspflichtigen Tatbestände bei Betriebsänderungen. Jedoch verzichtet Naegele auf die mitbestimmungshemmenden Klauseln der Buchstaben d und e dieser Vorschrift 30 , die es weitgehend in das Ermessen des Unternehmers stellen, ob er eine mitwirkungspflichtige Betriebsänderung vornimmt oder nicht. Insofern stellt das Einspruchsrecht der Arbeitsgemeinschaft eine materielle Erweiterung der wirtschaftlichen Mitbestimmungstatbestände des Betriebsverfassungsgesetzes dar. 29 Vgl. den 1965 neuformulierten Partnerschaf tsvertrag der Union-Werke, S. 4, vom Präsidenten zur Verfügung gestellt. m § 72 Buchstabe d begrenzt die Mitwirkung auf grundlegende Änderungen des Betriebszwecks oder der betrieblichen Anlagen, soweit diese nicht auf einer Veränderung der Marktlage beruhen. I n Buchstabe e unterliegt die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden nur insoweit der M i t wirkung, als diese Arbeitsmethoden nicht dem technischen Fortschritt dienen. Vgl. § 72 Abs. 1 BetrVerfG.

III. G. L. Rexroth, Lohrer Eisenwerk GmbH

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I n der IntensitätsWirkung erreicht das Einspruchsrecht jedoch nicht 31 den Mitbestimmungsgehalt von § 72 BetrVerfG., da dem Einspruch seitens des Unternehmers nur dann stattgegeben werden muß, wenn die einsprucherhebende Partei den größeren Kapitalanteil 32 vertritt. Da der Mitunternehmerkapitalanteil zur Zeit lediglich 23 Prozent 33 des Gesamtkapitals beträgt, kann der Unternehmer in diesen wirtschaftlichen Angelegenheiten allein entscheiden. Allerdings ist durch volle Einzahlung der Mitunternehmer-Kapitalanteile eine Majorisierung des Unternehmens in den genannten Angelegenheiten möglich. Der Präsident der Arbeitsgemeinschaft bestätigt auf Anfrage diese Vermutung und weist darauf hin, daß bei voller Einzahlung von D M 10 000.— durch jeden Partner der Kapitalanteil des Unternehmers laut Steuerbilanz erheblich übertroffen würde 34 . Da Naegele die Einlagenhöhe bewußt begrenzt, um eine „Überfremdung des Unternehmers" 35 zu verhindern, könnte er diesen Fall letztlich durch die im Partnerschaftsvertrag enthaltene Rücktrittsmöglichkeit verhindern. Theoretisch könnte die Majorisierung auch bei nicht voller Einzahlung dann erfolgen, wenn die Mitunternehmeranzahl im Verhältnis zum betriebsnotwendigen Kapital überproportional zunehmen würde und die neuen Partner Kapitalanteile von außerhalb des Betriebes einlegen würden. Dies könnte bei Umstellung des Produktionsprogramms und der damit verbundenen Umstrukturierung zu einem extrem arbeitsintensiven Betrieb durchaus möglich sein. Es kann festgehalten werden, daß die Mitbestimmungsrechte der Union-Werke in sozialen und personellen Angelegenheiten weit über den Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes hinausgehen. In wirtschaftlichen Angelegenheiten handelt es sich um Mitsprache- und Mitwirkungsrechte, die als Kapitalbeteiligungsrechte begründet sind. Ein Vergleich mit den aus dem „Recht aus Arbeit" begründeten gesetzlichen Mitbestimmungsrechten erscheint deshalb nicht sinnvoll.

31 Wie dargestellt, müssen Entschädigungen bis zum zwölffachen Monatsgehalt an den Arbeitnehmer gezahlt werden, wenn als Folge des nicht berücksichtigten Mitwirkungsrechts nach § 72 Kündigungen notwendig werden. Eine derartige, materielle Konsequenz fehlt beim Einspruchsrecht der Arbeitsgemeinschaft. 32 Vgl. Naegele, H., Partnerische Selbstverwaltung in personellen und sozialen Angelegenheiten, M u A 1952, S. 202. 33 Vgl. Ortelt, P., in einem Brief vom 11.1.1968 an den Verfasser. 84 Ebd. 35 Naegele, H., Der Arbeiterunternehmer — eine betriebswirtschaftliche Realität, M u A 1951, S. 164.

14»

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D. Realisierung der Mitbestimmung I I I . G. L. Rexroth, Lohrer Eisenwerk GmbH, Lohr am Main

Das Unternehmen wurde 1795 als Hammerwerk gegründet. I m Vordergrund der Produktion steht heute die Herstellung von EisengußMaterialien. Besonders die Produktion hochwertiger Spezialgußarten verschafft dem Unternehmen eine Sonderstellung auf diesem Teilmarkt. Daneben gewinnt der Bau von Steuer- und Regelorganen für ölhydraulische Aggregate immer größere Bedeutung. Das Eisenwerk beschäftigt zur Zeit ca. 1 200 Mitarbeiter. Das Partnerschaftsverfahren ist gekennzeichnet durch die Betonung des arbeitsrechtlichen Verhältnisses zwischen Unternehmer und Mitarbeitern. I m Gegensatz zu den Union-Werken werden die Arbeitnehmer bei Rexroth nicht zu Mitunternehmern erhoben, d.h. gesellschaftsrechtliche Ansätze finden sich in keiner Richtlinie des Partnerschaftsverfahrens. Diese Tendenz wird auch im Nichtabschluß von individuellen Partnerschaftsverträgen spürbar. Jeder Betriebsangehörige ist gleichzeitig Partner; seine Einbeziehung wird auf Grund einer Betriebsvereinbarung automatisch vollzogen. Das System beruht also auf gegenseitigem Vertrauen der Unternehmensleitung in die Mitarbeiter und umgekehrt. Ein Rechtsanspruch beider Seiten wird ausdrücklich ausgeschlossen1. Formalrechtlich wurden Richtlinien zur Regelung der betrieblichen Partnerschaft ausgearbeitet, die vom Betriebsratsvorsitzenden und einem Vertreter des Wirtschaftsausschusses unterzeichnet sind. Ein derart kollektives Partnerschaftssystem erscheint nicht ganz unbedenklich. Es fehlt die persönliche Stimulanz, die in anderen Partnerschaftsbetrieben durch den Abschluß individueller Partnerschaftsverträge entstehen soll. Außerdem wurde als besonderes Anliegen der Partnerschaftskonzeption eine Förderung der Subjektnatur jedes Mitarbeiters herausgearbeitet, die vor allem durch individuelle Teilhabe an der Entscheidungsfindung und Verantwortungstragung zur Geltung gelangen soll. Bei Rexroth will man mit der kollektiven Regelung eine Aufspaltung der Arbeitnehmerschaft in Partner und Nichtpartner vermeiden, um dadurch eine besonders intensive Integration zu erreichen. Jedoch bestätigt der Hinweis des Betriebsratsvorsitzenden, daß lediglich 30 Prozent der Gesamtbelegschaft bisher für die kooperative Idee wirklich gewonnen werden konnten 2 , den oben gebrachten Einwand. 1 Vgl. o.V., Richtlinien — Betriebliche Partnerschaft. G. L. Rexroth, Lohrer Eisenwerk GmbH, Ausgabe XI/61, S. 12. 2 Persönliche Auskunft des Betriebsratsvorsitzenden Funsch, H., an den Verfasser am 12.1.1965 beim Besuch der Lohrer Eisenwerke.

III. G. L. Rexroth, Lohrer Eisenwerk GmbH

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Die Lohrer Eisenwerke haben seit 1955 ein Erfolgsbeteiligungsverfahren eingeführt, das in den letzten Jahren ansehnliche Quoten für die Mitarbeiter erbrachte. Das Verfahren ist bewußt als Beteiligung am Mehrertrag 8 installiert, d.h. die Mitarbeiter werden an dem Ertrag beteiligt, der sich durch partnerschaftliches Zusammenarbeiten zusätzlich ergibt. Neben dieser materiellen Beteiligung wird seitens der Betriebsleitung besonderer Wert auf die Pflege des mentalen Anliegens der Partnerschaft gelegt, da nach Ansicht des Unternehmers „eine soziale Befriedung des Verhältnisses von Kapital und Arbeit allein auf der Basis der Lohngerechtigkeit nicht gelingen kann" 4 . Zu diesem Zweck hat man bei Rexroth besondere Organe geschaffen, in denen die Belange der Mitarbeiter wahrgenommen und vertreten werden. An erster Stelle ist die Institution des Partnerschaftsausschusses zu nennen, der als erweiterter Wirtschaftsausschuß gebildet ist. Auf seine Konstruktionsmerkmale wurde bereits eingegangen5. Festzuhalten bleibt, daß er in drei Entwicklungsphasen zum zentralen Organ der Partnerschaft ausgebaut wurde 6 , das von 20 Mitgliedern im Jahre 1960 auf gegenwärtig 31—40 erweitert worden ist. Er fungiert als direktes Vertretungsorgan der Mitarbeiter, die er über direkt gewählte Gruppenvertreter repräsentiert. Eine größere Streuwirkung als der im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehene Wirtschaftsausschuß erreicht der Partnerschaftsausschuß dadurch, daß die Gruppensprecher alle zwei bis drei Jahre gewählt werden. Diese Vertreter sind verpflichtet, die von der Unternehmensleitung gegebenen Informationen an ihre Gruppe weiterzugeben, bzw. in umgekehrter Richtung, den Unternehmer von den Wünschen und Anregungen der Mitarbeiter ihrer Gruppe zu unterrichten. Damit ergibt sich ein gegenüber dem Betriebsverfassungsgesetz verstärktes Mitspracherecht der Arbeitnehmer. I n den monatlichen Sitzungen dieses Organs, an denen der Unternehmer weitgehend teilnimmt oder zumindest einen Vertreter benennt 7 ,wird über wirtschaftliche Probleme beraten. Entscheidungsbefugnisse stehen dem Partnerschaftsausschuß nicht zu, jedoch wiegen seine Empfehlungen in Partnerschaftsfragen sehr schwer. Darüber s Vgl. die technischen Einzelheiten bei: o.V., G. L. Rexroth GmbH, Lohr am Main, a.a.O., S. 3 f. 4 Rexroth, L., Partnerschaft als betriebliches Ordnungsprinzip, a.a.O., S. 2. « Vgl. dazu die Darstellungen in Teil C Abschnitt I I I Ziff. 2 b. « Vgl. Tatarko, E., Drei Entwicklungsstufen des Wirtschaftsausschusses, a.a.O., S. 8. 7 Auskunft an den Verfasser durch den Unternehmer am 12.1.1965 in den Lohrer Eisenwerken.

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D. Realisierung der Mitbestimmung

hinaus überträgt die Unternehmensleitung von Fall zu Fall in partnerschaftlichen Angelegenheiten dem Ausschuß auch Entscheidungsgewalt für bestimmte Einzelfragen 8. Es handelt sich also um Mitspracherechte, die sich von Fall zu Fall zu gewährten Mitwirkungsrechten im eng begrenzten Sektor partnerschaftlicher Detailfragen verdichten können. Diese sachlich beschränkten Mitwirkungsrechte werden in ihrer Mitbestimmungsintensität dadurch wieder geschmälert, daß der Unternehmer nicht vertraglich zur Einhaltung dieses Beschlusses gehalten ist. Ein indirektes Vetorecht ist in wirtschaftlichen Angelegenheiten insofern vorhanden, als der Partnerschaftsausschuß gemeinsam mit der Unternehmensleitung im Rahmen der Ertragsbeteiligung einen gewissen Prozentsatz des sog. „Produktionswertes" 9 für Investitionen und Steuern festgelegt hat, der vom Unternehmer einseitig nicht geändert werden kann 10 , ohne das gesamte Ertragsbeteiligungsverfahren zum Einsturz zu bringen. Der Unternehmer muß beim Partnerschaftsausschuß einen Antrag zur Neufestlegung des Satzes von 19,5 Prozent des Produktionswertes stellen. Dieser Beschluß ist für die Mitarbeiter insofern bedeutsam, weil die Ermittlung ihrer Ertragsanteile von der Höhe dieses Prozentsatzes direkt abhängt. Auch in diesem speziellen Einzelfall handelt es sich um ein begrenztes Mitwirkungsrecht der Mitarbeitervertreter im Partnerschaftsausschuß. Ferner entscheiden die Gruppenvertreter bei groben Verstößen gegen die Grundsätze der partnerschaftlichen Betriebsordnung über den Ausschluß einzelner Mitarbeiter von der Ertragsbeteiligung 11. Der Partnerschaftsausschuß muß diesen Entschluß mit mindestens Zwei-DrittelMehrheit fassen. Hier liegt ein echtes Mitentscheidungsrecht in personellen Angelegenheiten vor, das zu einem Selbstverwaltungsrecht der Mitarbeiter ausgebaut ist. Neben dem Partnerschaftsausschuß wird ein Betriebsrat gewählt, dessen Vorsitzender gleichzeitig dem Partnerschaftsausschuß vorsteht. Durch diese Personalunion und durch klare Abgrenzung der Kompe8

Vgl. o.V., G. L. Rexroth GmbH, Lohr am Main, a.a.O., S. 5. Der Produktionswert ergibt sich durch Bereinigung des monatlichen Umsatzes um die Lagerschwankungen. Nach Abzug aller im Materialverbrauch ausgedrückten Fremdleistungen verbleibt der Arbeitswert. Dieser Arbeitswert wird um den sog. „Unternehmens- und Staatsbedarf" gekürzt, der auch alle Steuern und einen Normalgewinn umfaßt. Dieser Wert bildet die Ausgangsbasis zur Berechnung des sog. Gemeinschaftsertrages, der nach Abzug verschiedener Sicherheits- und Marktreserven paritätisch an die Mitarbeiter und die Kapitaleigner verteilt wird. Vgl. dazu o.V., G. L. Rexroth GmbH, Lohr am Main, a.a.O., S. 3 f. 10 Persönliche Auskünfte an den Verfasser durch Herrn A. Rexroth und Herrn E. Tatarko am 12.1.1965 in Lohr. 11 Vgl. o.V., Richtlinien — Betriebliche Partnerschaft, a.a.O., S. 12. 9

III. G. L. Rexroth, Lohrer Eisenwerk GmbH

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tenzen will man sicherstellen, daß die betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse des Betriebsrats nicht beeinträchtigt werden. Dieser verwaltet selbstverantwortlich die Betriebskantine, die Betriebsküche und das Ferienwerk, was eine über den Inhalt des § 56 Abs. 1 hinausgehende Erweiterung des Betriebsverfassungsgesetzes bedeutet. Das positive Konsensrecht wird hier zu einem Alleinentscheidungsrecht ausgebaut. Der Betriebsrat ist weiterhin bei rein arbeitsrechtlichen Streitfragen zuständig13, die im Partnerschaftsbetrieb sehr selten auftreten sollten. Ferner wurden ihm bei Einstellungen und Entlassungen Mitwirkungsrechte zugebilligt, die in ihrer Intensität über das Vetorecht nach § 61 Abs. 1 bzw. das Anhörungsrecht gemäß § 66 Abs. 1 hinausgehen. Beispielsweise wird eine Einstellung gewerblicher Mitarbeiter ohne vorherige Mitberatung des Betriebsrats nicht vorgenommen 14 Trotz dieser teilweise über das Betriebsverfassungsgesetz hinausgehenden Mitbestimmungsrechte bleibt der Betriebsrat ein Fremdkörper im Partnerschaftssystem der Lohrer Eisenwerke. Durch die kollektive Verwirklichung dieser Partnerschaftskonzeption werden alle Mitarbeiter in den Kompetenzbereich des Partnerschaftsausschusses einbezogen. Es gibt also keine nicht vertretenen Mitarbeiter. Ferner spricht für eine Auflösung des Betriebsrats, daß seine eng begrenzten Zuständigkeiten ohnehin vom Vorsitzenden des Partnerschaftsausschusses in Personalunion wahrgenommen werden. Schließlich finden sich bei Rexroth noch Ansätze einer über §41 BetrVerfG. hinausgehenden Intensivierung der Betriebsversammlung. Um ein unmittelbares Gespräch zwischen Unternehmensleitung und den Mitarbeitern zu ermöglichen, wird die Betriebsversammlung in Teilversammlungen abgehalten. Die Unterteilung erfolgt also nicht wegen produktionstechnischer Eigenarten des Betriebes, was nach § 41 Satz 3 möglich ist, sondern um eine Aussprache zu ermöglichen, „die das Vertrauen unter den Beteiligten fördert" 15 . Es bleibt festzuhalten, daß die Mitbestimmung im partnerschaftlichen System der Lohrer Eiseniverke keine besonders intensive Ausprägung erfahren hat. Der erweiterte Wirtschaftsausschuß fungiert als Zentralorgan der Partnerschaft und übt im Vergleich zum Betriebverfassungsi 2 Vgl. ebd., S. 5. w Vgl. Tatarko, E., Drei Entwicklungsstufen des Wirtschaftsausschusses, a.a.O., S. 8. 14 Persönliche Auskunft des Betriebsratsvorsitzenden Herrn H. Funsch am 12.1.1965 an den Verfasser, i® O. V., G. L. Rexroth GmbH, Lohr am Main, a.a.O., S. 6.

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D. Realisierung der Mitbestimmung

gesetz erweiterte Mitspracherecht aus, die sich in einigen partnerschaftlichen Angelegenheiten zu Mitwirkungsrechten verdichten können. Man kann zu Recht behaupten, daß eine derart ausgestaltete partnerschaftliche Betriebsverfassung „den Ausgangspunkt für die höheren Stufen einer Betriebsintegration und einer assoziativen Betriebsverfassung" 18 bilden kann. IV. Wilhelm Völker, Borken Bez. Kassel Der Aufgabenbereich des seit 1837 bestehenden Bauunternehmens erstreckt sich auf spezielle Gebiete des Hoch-, Tief- und Ingenieurbaues. Das Einzelunternehmen beschäftigt zur Zeit ca. 1 200 Mitarbeiter, die in mehreren Zweigniederlassungen tätig sind. Entsprechend den arbeitstechnischen Besonderheiten der Bauindustrie werden an das Partnerschaftsverfahren hohe Anforderungen gestellt. Besonders die branchenübliche Saisonarbeit und die damit verbundene hohe Fluktuation sind als Begründung der relativ niedrigen Beteiligungsquote anzuführen 1, die sich gegenwärtig auf ca. 40 Prozent aller Beschäftigten beläuft. Darüber hinaus wirken die strengen Aufnahmebedingungen gegen eine schnelle Erhöhung dieses Anteils, da einen Antrag um Aufnahme als Partner grundsätzlich nur der Mitarbeiter stellen kann, der das Mindestalter von 26 Jahren erreicht hat und dem Unternehmen mehr als drei Jahre angehört 2. Völker geht also im Gegensatz zu Rexroth vom Individualprinzip aus, das auch von allen anderen Partnerschaftsbetrieben verwandt wird. Das gesamte Verfahren ist geprägt von der Leitidee dieser Prämissen. Nach der Vorstellung Völkers hat die Partnerschaft eine „entscheidungsfähige und verantwortungsbewußte Einzelpersönlichkeit in ihrem Wirken in und für die Gemeinschaft zur Voraussetzung" 3. Er versucht diese Zielsetzung durch weitgehende Mitbestimmung jedes einzelnen am Arbeitsplatz zu verwirklichen. „Echte Mitgestaltung ist . . . nur denkbar am und aus dem jeweiligen Arbeitsplatz 4." 18

Wilken, F., Die Befreiung der Arbeit, a.a.O., S. 120. Quelle: Persönliches Gespräch des Verfassers mit Herrn Peter Völker am 12.7.1966 in Kassel. 2 Das Unternehmen beschäftigt ca. 15—20 Prozent Gastarbeiter, die vom Verfahren prinzipiell nicht ausgeschlossen sind, durch diese Prämissen jedoch sehr selten Partner werden. 3 O.V., Partnerschaftsvereinbarung der Firma Wilhelm Völker von 20. Dezember 1951, in der Fassung vom 17. Dezember 1964, § 1, S. 2, dem Verfasser vom Unternehmen zur Verfügung gestellt. 4 Völker, R., Wesen und Ziel betrieblicher Partnerschaft, 2. Aufl., Hilden 1966, S. 13. 1

IV. Wilhelm Völker

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Ausgangspunkt des partnerschaftlichen Systems war die Schaffung eines Leistungslohnes , der seit 1942 allen Mitarbeitern individuell gewährt wird. Zu diesem Zweck bilden alle Arbeitnehmer einer Baustelle eine Leistungsgemeinschaft 5. Aus der Gesamtleistung dieser Arbeitsgruppe wird für den einzelnen derjenige Anteil ermittelt, der ihm auf Grund seiner individuellen Leistung zusteht. An diesem „Mehrlohn" sind alle Arbeitnehmer beteiligt, während im Partnerschaftsvertrag vom 20. Dezember 1951 und auch in der mehrmals geringfügig geänderten Fassung von 1964, für die Mitarbeiter-Partner eine zusätzliche Beteiligung am sog. Gemeinschaftsertrag 6 festgelegt ist. Es erscheint notwendig, auf die materiellen Komponenten des Verfahrens kurz einzugehen, weil sowohl die Verteilung des „Mehrlohns" als auch die Ermittlung des auf die Arbeitsleistung der Partner entfallenden Ertragsanteils durch eine Persönlichkeitsbewertung erfolgt, die von den Mitarbeitern selbst vorgenommen wird. Die Einstufung jedes Mitarbeiter-Partners geschieht im Rahmen dieser Selbstbewertung durch Baidung von Bewertungszahlen und Stellungsfaktoren, die dem Umfang und der Selbständigkeit der zu tragenden Verantwortung Rechnung tragen. Dabei wird nicht nur die fachliche Leistung gewürdigt, sondern das mitmenschliche Verhalten innerhalb der Leistungsgemeinschaft wird in einer negativen Punktzahl berücksichtigt. Man will dadurch kein partnerschaftliches „Strebertum" induzieren, sondern eine „negative Zusammenarbeit" durch Erteilung von Minuspunkten sich unmittelbar auf die materielle Beteiligung auswirken lassen. Die Bewertungszahlen werden von einem Ausschuß festgelegt, der sich aus einem Vertreter des Betriebsrats, einem Repräsentanten der betreffenden Berufsgruppe und dem Arbeitsvorgesetzten des Mitarbeiters zusammensetzt7. Dadurch ist die Lohngestaltung weitgehend in die Selbstverwaltung der Mitarbeiter übergegangen. Der Unternehmer fun5

Die Arbeitsgruppe einer Baustelle erhält eine auf der Basis des Tariflohns erstellte Lohnkostenkalkulation für einen bestimmten Bauabschnitt. Gelingt es der Leistungsgemeinschaft die geplante Arbeitszeit zu unterschreiten, so hat sie Anspruch auf die kalkulierte Gesamtlohnsumme. Vgl. die technischen Einzelheiten bei Völker, R., Partnerschaft im Baubetrieb, a.a.O., S. 15 ff. • Die Ermittlung und Aufteilung des Gemeinschaftsertrags auf Kapital und Arbeit erfolgt durch ein komplizietes wissenschaftliches Verfahren, das wohl das exakteste Erfolgsbeteiligungsverfahren aller Partnerschaftsbetriebe darstellt. Vgl. die Methode bei Völker, R., Partnerschaftliche Aufteilung des Gemeinschaftsertrages, AGP-Mit. vom 1.11.1954, S. 3—6. 7 Vgl. o.V., Partnerschaftsvereinbarung, a.a.O., S. 9 und Völker , R., Ein praktisches Beispiel zur Ermittlung und Verteilung des Gemeinschaftsertrages, A G P - M i t . vom 1.10.1954, S. 3.

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D. Realisierung der Mitbestimmung

giert nur noch als Treuhänder 8 . Er achtet lediglich darauf, daß der Einstufungsmaßstab in den verschiedenen Betriebsstätten gleichwertig ist. An der Festlegung der Bewertungszahlen selbst, ist er nicht beteiligt. Meinungsverschiedenheiten über Bewertungszahlen werden prinzipiell innerbetrieblich zwischen der Unternehmensleitung und dem Betriebsrat geregelt. Wird keine Einigung erzielt, so entscheidet ein betrieblicher Schiedsgutachter- und Sachverständigenausschuß verbindlich. In diesem innerbetrieblichen Verständigungszwang ist eine konsequente Verwirklichung des Anliegens von § 49 Abs. 4 BetrVerfG. zu sehen. Um das Bewertungsverfahren zu testen, unternahm man bei Völker ein sehr aufschlußreiches Experiment. Beim Überwechseln von Mitarbeitern in andere Zweigbetriebe ließ man den Partner vom zuständigen Bewertungsausschuß neu einstufen 9. Die unbeeinflußte Neubewertung deckte sich zumeist innerhalb geringer Bandbreiten mit den ursprünglichen Bewertungszahlen. Man sieht bei Völker in diesen Ergebnissen eine Bestätigung des eingeräumten Vertrauens, das sich in gesteigerter Mitverantwortung niederschlägt. Die Selbstverwaltung und Selbstgestaltung der Löhne bei Völker geht weit über den Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Mitentscheidung nach § 56 Abs. 1 hinaus. I n der Intensität nähert sich diese Regelung der bei Naegele praktizierten Alleinbestimmung in sozialen Angelegenheiten. I m materiellen Gehalt sprengt es die betriebsverfassungsrechtliche Beschränkung der Mitbestimmung auf formelle Angelegenheiten bei den in § 56 angesprochenen Arbeitsbedingungen. Ähnlichkeiten zur wirtschaftlichen Mitbestimmung der Union-Werke ergeben sich durch die Förderung der Miteigentumsbildung bei Völker. Während der Mehrlohn aus der Leistungsbeteiligung laufend bar zur Auszahlung gelangt, werden auf besonderen Rücklagenkonten die Anteile aus dem Gemeinschaftsertrag gutgeschrieben. Diese im Betrieb thesaurierten Ertragsanteile der Mitarbeiterpartner sind gegen Währungsschwankungen gesichert, wodurch sich eine Parallele zum Verfahren bei Groz-Beckert ergibt. Auf die Kapitalanteile erhält der Mitarbeiter in gleicher Höhe wie der Unternehmer Zinsen, Risikoprämien und einen Anteil aus dem Gemeinschaftsertrag 10, soweit dieser auf die Leistung des Kapitals entfällt 11 . ® Vgl. dazu auch o.V., Wilhelm Völker, Borken Bez. Kassel, A G P - M i t . vom 1.4.1954, S. 4; Herrmann, B., Lohngerechtigkeit trotz verschiedener Leistung, AGP-Mit. vom 1.2.1955, S. 7. 9 Persönliche Auskunft des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden W. Schmidt an den Verfasser am 12.7.1966 in Kassel. i® Vgl. Völker, R., Sechs Jahre Miteigentum, a.a.O., S. 7. 11 Ein Verlust, der nicht aus dem kalkulierten Unternehmerwagnis des laufenden Jahres gedeckt ist, wird von den Unternehmerpartnern im gleichen

IV. Wilhelm Völker

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Die so gebildeten Mitunternehmeranteile können nur aus den Quoten der Ertragsbeteiligung gebildet werden 12 . Ihre Höhe ist in §81 des Partnerschaftsvertrags 13 auf 40 Prozent des Unternehmereigenkapitals beschränkt. Damit wird ähnlich wie im Verfahren der Union-Werke eine Majorisierung des Unternehmers auf Grund von Miteigentumsanteilen in der Praxis verhindert. Die Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten findet in dieser Klausel vorläufig ihre Grenze. Der Mitunternehmeranteil beträgt gegenwärtig ca. 32 Prozent des Unternehmereigenkapitals. Vom Unternehmer wird allerdings betont, daß diese Beschränkung des Mitunternehmeranteils nur deshalb erfolgt, weil der Gesetzgeber bisher keine dem Partnerschaftsgedanken adäquate Unternehmensform geschaffen hat 14 . Es sei darin kein Akt des Mißtrauens seitens des Unternehmers zu sehen, sondern eine der Strukturieriing des Unternehmens angemessene Maßnahme. Die partnerschaftliche Umschichtung des Unternehmens dauere mehr als eine Generation, so daß diese vorläufige Begrenzungsklausel notwendig sei. Die wohl einmalige Intensität und Akribie der partnerschaftlichen Bemühungen bei Völker läßt keinen Zweifel an der Lauterkeit dieser Feststellung aufkommen. Neben der materiellen Teilhabe erfolgt eine Mitbeteiligung des einzelnen entsprechend seiner übernommenen Verantwortung am Arbeitsplatz. Völker ist dabei der Auffassung, daß eine Mitbestimmung nur denkbar sei am und aus dem Arbeitsplatz heraus , d. h. der Weisungsbefugnis von oben sollte nach seiner Meinung eine Mitgestaltung des Mitarbeiters von unten entgegenkommen, „damit eine wirkliche Gemeinschaftsarbeit entstehen kann" 16 . Um eine derartige Beteiligung des einzelnen an der Entscheidungsfindung entsprechend dem Aufbau des Betriebs durchführen zu können, bildet Völker drei „Schichten " des Betriebes, die bestehen aus der: a) Gruppe der leitenden Angestellten

Gruppe 1

b) Gruppe der mittleren Führungsschicht

Gruppe 2

c) Gruppe der gewerblichen Arbeiter

Gruppe 3

Verhältnis wie bei der Ertragsbeteiligung getragen, soweit dieser durch die Rücklagenkonten gedeckt ist. Eine Nachschußpflicht besteht nicht. Vgl. o.V., Partnerschaftsvereinbarung, a.a.O., S. 13. 12 I m Unterschied zu den Union-Werken , wo zusätzliche Einzahlungen der Mitunternehmer möglich sind. 13 Vgl. o.V., Partnerschaftsvereinbarung der Firma Wilhelm Völker, a.a.O., S. 11. 14 Persönliche Auskünfte des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden W. Schmidt an den Verfasser am 12. 7.1966 in Kassel. iß Völker , R., Wesen und Ziel betrieblicher Partnerschaft, a.a.O., S. 13.

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D. Realisierung der Mitbestimmung

Innerhalb dieser Schichten sollen die einzelnen Arbeitsgruppen zur arbeitstechnischen Mitwirkung angehalten werden, die zur Selbstgestaltung des Arbeitsablaufs führen soll, was sich in gleicher Weise zwischen den sich unmittelbar berührenden Gruppen vollziehen soll. Für die Zusammenarbeit mit der jeweils übernächsten Gruppe kommt nach der Vorstellung Völkers lediglich eine Mitberatung in Frage, da der fachliche Uberblick nicht mehr gewährleistet sei. Jede der drei Gruppen gilt dabei als gleichgewichtig und besitzt die gleiche Stimmenzahl. An der Spitze dieser Pyramide steht der Unternehmer, dem entsprechend seiner Verantwortung die letzte Entscheidung — wie Völker meint — nie abgenommen werden kann und darf 16 . Aus diesem System muß sich automatisch eine Beschränkung der Mitbestimmungsintensität auf Mitsprache- und Mitwirkungsrechte ergeben; eine Mitentscheidung ist nach dieser theoretischen Konzeption nicht möglich. Es ist zu prüfen, ob diese Behauptung in den Rechten der zur Mitbestimmung geschaffenen Organe ihre Bestätigung findet. Zur Verwirklichung der Mitbestimmungskonzeption Völkers wird ein Partnerschaftsausschuß gebildet, der durch Fachausschüsse unterbaut ist. Diese Ausschüsse verbinden vertikal die drei gebildeten Schichten, aus denen die Mitglieder der Ausschüsse berufen werden. Der Partnerschaftsausschuß setzt sich nach diesem Schema aus vier Vertretern der leitenden Angestellten, vier Repräsentanten der mittleren Führungsschicht und vier Vertretern der Gruppe der gewerblichen Mitarbeiter und dem Unternehmer zusammen17, der den Vorsitz innehat. Die Hälfte der Vertreter wird in der Gruppe a) von den leitenden Angestellten, in den Gruppen b) und c) vom Betriebsrat gewählt, während die andere Hälfte vom Unternehmer entsprechend § 68 Abs. 3 BetrVerfG. berufen wird. Bei Anwendung dieses Systems auf die Struktur des Betriebsverfassungsgesetzes ergibt sich eine Erweiterung des erfaßten Personenkreises durch die Einbeziehung der leitenden Angestellten, die nach § 4 Abs. 2 aus dem Schutzbereich des Gesetzes ausgeschlossen sind. In ähnlicher Zusammensetzung wird ein Fachausschuß für personelle und soziale Fragen und ein Baubetriebsausschuß gebildet. Jeder dieser Ausschüsse setzt sich zusammen aus 4 Vertretern der mittleren Führungsschicht, vier Repräsentanten der gewerblichen Mitarbeiter und dem jeweiligen Bauabteilungsleiter als Vorsitzenden 18. Jeweils die 16 Vgl. ders., Zur Gestaltung einer partnerschaftlichen Betriebsverfassung, M u A 1957, S. 84. 17 Vgl. zum folgenden: Völker, R., Partnerschaft im Baubetrieb, a.a.O., S. 34. 18 Vgl. o.V., Partnerschaftsvereinbarung der Firma Wilhelm Völker, a.a.O., S. 19.

IV. Wilhelm Völker

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Hälfte der Mitarbeiter-Repräsentanten wird vom Unternehmer bestimmt bzw. vom Betriebsrat gewählt. Durch diese Bestellung, die den Zusammensetzungsvorschriften des Wirtschaftsausschusses nach § 68 Abs. 2 und 3 genau entspricht, soll der Aufbau der jeweiligen Gruppe berücksichtigt werden. Darüber hinaus sieht die partnerschaftliche Betriebsordnung Völkers einen Verwaltungsausschuß für betriebswirtschaftliche Fragen am Sitz des Unternehmens vor, der aus drei Vertretern der leitenden Angestellten bzw. drei Repräsentanten der mittleren Führungsschicht und dem Unternehmer besteht. Dieser bestimmt jeweils ein Mitglied zu jeder Gruppe, während die restlichen zwei Vertreter von der jeweiligen Gruppe selbst gewählt werden 19 . Die Ausschüsse entscheiden im allgemeinen mit einfacher Stimmenmehrheit , was auf eine Mitentscheidungsmöglichkeit der MitarbeiterPartner hindeuten könnte. Jedoch erfolgt durch die Abgrenzung des Aufgabenbereichs der Ausschüsse eine wesentliche Abschwächung dieses vermuteten Mitbestimmungsrechts. Dem Partnerschaftsausschuß und den Arbeitsausschüssen kommt die Aufgabe zu, alle Fragen der Zusammenarbeit sowie der Verbesserung der betriebstechnischen Arbeitsbedingungen zu behandeln. Darüber hinaus sind sie verpflichtet, auf eine Aktivierung der Zusammenarbeit im Rahmen der partnerschaftlichen Zielsetzung hinzuwirken. Dazu ist eine laufende und intensive Unterrichtung über alle wirtschaftlichen Angelegenheiten Voraussetzung, wobei der Informationsgehalt des § 67 Abs. 2 BetrVerfG. als Mindestanspruch angesehen wird. I m einzelnen entscheidet der Partnerschaftsausschuß mit zwei Drittel Mehrheit aller Stimmen über die Aufnahmeanträge neuer Mitarbeiter bzw. über das Ruhen oder den Verlust der Partnereigenschaft 20 bei Verstößen gegen die partnerschaftliche Betriebsordnung. Er ist ferner Beschlußorgan bei Auszahlung und Übertragung der MitunternehmerRücklagenkonten, die aus den Ertragsbeteiligungsquoten gebildet wurden. Prinzipiell steht ihm die Entscheidung über alle grundsätzlichen Fragen zu, die sich aus der Partnerschaftszusammenarbeit ergeben, soweit keine anderen Ausschüsse dafür zuständig sind. Der Partnerschaftsausschuß ist also das partnerschaftliche Zentralorgan bei Völker . I m Vergleich zur monatlichen Sitzungsfolge des Wirtschaftsausschusses nach § 69 Abs. 1 BetrVerfG., tritt der Partnerschaftsausschuß Vgl. dazu o.V., Partnerschaftsvereinbarung, a.a.O., S. 20; ferner: Völker, R., Wesen und Ziel betrieblicher Partnerschaft, a.a.O., S. 18; ders., Partnerschaft im Baubetrieb, a.a.O., S. 34. 2 ° Vgl. o.V., Partnerschaftsvereinbarung, a.a.O., S. 22.

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D. Realisierung der Mitbestimmung

relativ selten zusammen. Seine Mitglieder treffen sich turnusgemäß lediglich halbjährlich 21 . Die Intensität seiner Mitbestimmungsrechte wird erheblich dadurch eingeschränkt, daß er alle partnerschaftlichen Grundsatzfragen „im Einvernehmen" 22 mit dem Unternehmer zu entscheiden hat. Dieser Passus kann nur die Reduzierung seiner Entscheidungsrechte zu Mitwirkung sr echten bedeuten, da er ohne Einvernehmen, also ohne Zustimmung des Unternehmers, praktisch nicht entscheiden kann. Diese Schlußfolgerung wird dadurch bestätigt, daß sich der Unternehmer in Einzelfragen der Ertragsbeteiligung und der Vermögensbildung sowie bei Problemen, die sich bei Realisierung der Partnerschaftsvereinbarungen ergeben, die letzte Entscheidung ausdrücklich vorbehält. Damit üben die Mitarbeitervertreter im Partnerschaftsausschuß in den bezeichneten Angelegenheiten lediglich Mit wirkungsrechte aus. Auf der nämlichen Mitbestimmungsebene liegen die Kompetenzen des sog. Verwaltungsausschusses, der als Beratungsorgan für betriebswirtschaftliche Fragen, die sich aus dem Rechnungswesen, der Finanzierung und der Gesamtplanung ergeben 23, zuständig ist. Er genehmigt wiederum im Einvernehmen mit dem Unternehmer die Aufteilung des Gemeinschaftsertrages. Ferner übt er die handelsrechtlichen Überwachungsrechte der Mitunternehmer nach § 338 HGB aus, d. h. er nimmt die wirtschaftlichen Kontrollrechte eines Stillen Gesellschafters wahr. Zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten, die sich im Rahmen des partnerschaftlichen Betriebsstatuts ergeben, ist bei Völker eine Schlichtungsstelle vorgesehen 24. In diese werden zwei Mitarbeitervertreter durch die Mitunternehmer des Partnerschaftsausschusses und zwei Vertreter durch den Unternehmer entsandt. Der Vorsitzende, der nicht Betriebsangehöriger sein darf, wird vom Vorstand der AGP ernannt. I m Aufbau ähnelt dieses Schlichtungsgremium der nach §50 Abs. 1 BetrVerfG. zu bildenden Einigungsstelle. Durch den Zustimmungsvorbehalt des Unternehmers wird die Schlichtungsstelle kaum über die Ausgleichsmöglichkeiten der betriebsverfassungsrechtlichen Einigungsstelle hinauskommen, die keinen unmittelbaren Ausgleichs21 Persönliche Auskunft des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden W. Schmidt am 12.7.1966 an den Verfasser. 22 Vgl. o.V., Partnerschaftsvereinbarung, a.a.O., S. 22. 23 Vgl. o.V., Partnerschaftsvereinbarung, a.a.O., § 13 Abs. B Ziffer 3 Buchstabe a, S. 24.

24

Vgl. o.V., Partnerschaftsvereinbarung, a.a.O., S. 27.

V. Paul Spindler-Werke KG

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zwang ausüben kann. Diese Schlichtungsstelle mußte bei Völker bis 1966 noch nie in Anspruch genommen werden 25 . Neben den dargestellten Mitbestimmungsorganen besteht bei Völker ein Gesamtbetriebsrat, der entsprechend der §§ 46—48 BetrVerfG. gebildet wird. Bis 1964 war der betriebsverfassungsrechtliche Wirtschaftsausschuß im Partnerschaftsausschuß integriert 26 . Seit der Neufassung der Partnerschaftsvereinbarung im gleichen Jahr wird ein zusätzlicher Wirtschaftsausschuß errichtet, dessen Kompetenzen sich mit denen des Partnerschaftsausschusses und besonders des Verwaltungsrats überschneiden. Durch Abhaltung gemeinsamer Sitzungen von Gesamtbetriebsrat, Wirtschaftsausschuß und Partnerschaftsausschuß 27 bestärkt sich diese Vermutung, die sich auch darin bestätigt, daß man bemüht ist, Doppelbelastungen zu vermeiden. Diese könnten sich durch die gegenwärtig sehr weitgehende Personalunion von Gesamtbetriebsrat, Partnerschafts- und Wirtschaftsausschuß ergeben. Ein Verzicht auf betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsorgane kann bei Völker nicht zur Diskussion stehen, da die Mehrheit der Mitarbeiter nicht als Partner dem Unternehmen angehört. Die partnerschaftliche Betriebsordnung bei Völker geht somit im sozialen Bereich wesentlich über den Mitbestimmungsgehalt der entsprechenden Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes hinaus. Durch die Selbstgestaltung und Selbstverwaltung der Löhne, wird ein Mitbestimmungsgrad erreicht, der sich einem Alleinbestimmungsrecht nähert. Die Mitbestimmung im personellen und vor allem im wirtschaftlichen Sektor erfährt, abgesehen von verdichteten Informationsund Beratungsrechten, keine wesentliche Steigerung gegenüber den betriebsverfassungsrechtlichen Möglichkeiten. V. Paul Spindler-Werke KG, Hilden Die Paul Spindler-Werke wurden 1832 gegründet. Als dreistufiges Textilunternehmen beschäftigen sie gegenwärtig ca. 1 000 Mitarbeiter, die vor allem Futter- und Oberbekleidungsstoffe aus Reyon bzw. Polyester-Wolle herstellen. Die Mitarbeiterschaft besteht zu ca. 60 Prozent aus Männern und 40 Prozent aus Frauen. Diese Zusammensetzung 25 Persönliche Auskunft an den Verfasser durch den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden W. Schmidt am 12. 7.1966 in Kassel. 2« Vgl. o.V., Ausbau und Ergänzung des Wirtschaftsausschusses, AGP-Mit. vom 15. 2.1964, S. 11. 27 Vgl. Schmidt, W., Gesamtbetriebsrats-, Wirtschaftsausschuß- und Partnerschaftsausschuß-Sitzung in Borken, in: Der Mitarbeiter, Partnerschaftliche Blätter der Firma Wilhelm Völker und Betonwerk Hessen GmbH, Nr. 13 vom Februar 1967, S. 16.

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bringt für die partnerschaftliche Konzeption manche Probleme mit sich, da sich Frauen für die Partnerschaft im allgemeinen weniger interessiert zeigen als Männer. Das Verfahren Spindlers stellt wohl den bekanntesten Versuch dar, ein „Mitunternehmertum" der Arbeitnehmer zu begründen. Noch stärker als bei Naegele und Völker ist der sozialpolitische Aspekt in den Vordergrund gerückt. Spindler betonte von Anfang an die Notwendigkeit eines gemeinschaftlichen Zusammenwirkens von Unternehmer und Mitarbeitern im Betrieb 1 . Die Produktionsmittel seien eine Gemeinschaftsleistung aller daran Mitarbeitenden, „deshalb soll jeder in einer seiner Persönlichkeit und Leistung entsprechenden Weise an der Gestaltung des Betriebsgeschehens, an der Verantwortung hierfür und am Ertrag teilhaben" 2 . I n Verwirklichung dieser Ideen schloß Spindler am 1.1.1951 den ersten Mitunternehmervertrag mit seinen Arbeitnehmern ab. Dieser wurde in der Zwischenzeit zweimal nicht unerheblich geändert. Der zweite Vertrag trat am 1.1.1960 in Kraft, der dritte und derzeit geltende am 1.1.1966. Während nach dem ersten Statut allen Arbeitnehmern nach einjähriger Betriebsangehörigkeit der Vertrag automatisch zur Unterzeichnung zugesandt wurde 3 , müssen diese seit 1960 einen schriftlichen Antrag an die Unternehmensleitung richten. Nach dieser persönlichen Willensäußerung schließt der Unternehmer mit jedem einzelnen Mitarbeiter den Partnerschaftsvertrag ab. Eine Kollektivform — wie bei Rexroth — wurde bewußt vermieden. I n dieser Regelung wird bereits deutlich, welche Bedeutung Spindler dem Individuaisprinzip beimißt, das er in letzter Konsequenz auch bei Ausübung der Mitbestimmung zu verwirklichen suchte. Bis 1966 waren die von den Mitarbeitern gewählten Verbindungsleute und die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses nicht berechtigt, im Namen ihrer Wähler abzustimmen. Betriebstechnische Erwägungen erzwangen im neuen Vertrag ein Repräsentativsystem, auf das noch einzugehen ist. Die Neuformulierung des Mitunternehmervertrages bringt in Anlehnung an die beiden ersten Vereinbarungen eine Gesamtbeteiligung der Mitunternehmer am Gemeinschaftsertrag 4 und am Vermögenszu1

Vgl. Spindler, G. P., Mitunternehmertum, a.a.O., S. 92 ff. O.V., Präambel der Partnerschaftsvertrages vom 1.1.1966, dem Verfasser vom Unternehmen zur Verfügung gestellt. 3 Vgl. Spindler, G. P., Partnerschaft statt Klassenkampf, a.a.O., S. 32. 4 Der Gemeinschaftsertrag ergibt sich aus dem Gewinn der Steuerbilanz, vermindert um die Zinsen für Kapital und Darlehen aller Gesellschafter und die Gehälter der geschäftsführenden Gesellschafter. Vgl. o.V., Partnerschaftsvertrag, a.a.O., S. 5. 2

V. Paul Spindler-Werke KG

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wachs5 des Unternehmens in Höhe von 25 Prozent. Dieser Prozentsatz errechnete sich aus dem durchschnittlichen Verhältnis der Jahreslohnsumme zum betriebsnotwendigen Kapital. Er ist gleichzeitig Maßstab für eine eventuelle Verlustbeteiligung des Mitunternehmers. Dieser nimmt jedoch nur bis zur Höhe der sog. „Sollrücklage" am Verlust teil, die aus den Ertragsanteilen bis zur Höhe eines durchschnittlichen Monatsbruttolohnes gebildet wird und als „haftendes Grundkapital" der Mitunternehmer im Unternehmen festgelegt ist. Die besondere Art der Mitbestimmung als Mitunternehmer findet somit ihr Korrelat in der Mitbeteiligung am Betriebsverlust. Die Sollrücklage wird ebenso wertbeständig behandelt und mit dem gleichen Satz verzinst, wie das Gesellschafterkapital. Wie gezeigt wurde, finden sich nämliche Regelungen bei Groz-Beckert und Völker. Auf diese materiellen Komponenten des Vertrages mußte eingegangen werden, weil die Sollrücklage im Rahmen weiterer wirtschaftlicher Tatbestände einem besonderen Mitbestimmungsrecht unterliegt. Nach dem ersten Vertrag von 1951 stand der erweiterte Wirtschaftsausschuß, der bereits eineinhalb Jahre vor Verabschiedung des Betriebsverfassungsgesetzes eingeführt worden war 6 , im Mittelpunkt der partnerschaftlichen Mitgestaltung. I m zweiten Partnerschaftsvertrag wurden auf Anregung des Betriebsrats die ihm betriebsverfassungsrechtlich zustehenden Aufgabenbereiche von denen des Mitunternehmertums klar geschieden. Besonders im personellen und sozialen Mitbestimmungsbereich blieb diese Trennung auch im dritten Vertrag gewahrt. Diese Fragen gehören allein in das Aufgabengebiet des Betriebsrats, dessen Kompetenzbereich durch eine Betriebsvereinbarung wesentlich erweitert wurde. Der Betriebsrat erhielt in der Arbeitsordnung gegenüber dem Betriebsverfassungsgesetz inhaltlich und intensitätsmäßig erweiterte Mitbestimmungsrechte eingeräumt, die sich besonders in personellen Angelegenheiten auswirken. Bei Versetzungen wurde dem Betriebsrat ein Zustimmungsrecht übertragen, während — wie gezeigt wurde 7 — * Beim Ausscheiden eines Mitunternehmers erhält dieser einen Anteil am Vermögenszuwachs des Unternehmens während seines Beschäftigungsverhältnisses. Als Vermögensmehrung bzw. -minderung gilt der Unterschied zwischen dem steuerlichen Einheitswert des ersten Stichtages nach dem Eintritt und dem letzten Stichtag vor dem Austritt. Sowohl am Vermögenszuwachs als auch am Gemeinschaftsertrag ist der einzelne Mitunternehmer entsprechend dem Verhältnis seines durchschnittlichen Monatsgrundlohnes zur monatlichen Grundlohnsumme aller Mitunternehmer beteiligt. Vgl. o.V., Partnerschaftsvertrag, a.a.O., S. 6. « Vgl. Spindler, G. P., Unternehmensführung und Partnerschaft, Hilden 1957, S. 10.

7 Vgl. Teil B Abschnitt I Ziff. 2 b. 15 Maier

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nach §63 i.V.m. §61 und §62 im Betriebsverfassungsgesetz lediglich ein Einspruchsrecht in eng begrenzten Fällen kodifiziert ist. Kündigungen erfolgen bei Spindler prinzipiell nur in Übereinstimmung 8 mit dem Betriebsrat, d. h. das in § 66 Abs. 1 als Anhörungsrecht festgelegte Mitspracherecht wird zu einem echten Mitwirkungsrecht erweitert. Auch bei Einstellungen, Pensionierungen, Abschluß von Ausbildungsverträgen und bei Verhängung von Bußen in Fällen des Verstoßes gegen die Betriebsordnung, wirkt der Betriebsrat aktiv mit. Die Durchführung dieser erweiterten Mitbestimmungsrechte hat bei Spindler noch in keinem einzigen Fall 9 zur Blockierung personell gerechtfertigter Maßnahmen durch den Betriebsrat geführt. I m sozialen Bereich hat der Betriebsrat bei Vergabe von Werkswohnungen und bei Bewilligung von Leistungen aus der Sozialkasse ein negatives Konsensrecht, das in Form eines Einspruchsrechts ausgeübt wird. Darüber hinaus wird § 56 BetrVerfG. inhaltlich durch Gewährung materieller Vergünstigungen erweitert, die als Verlängerung des Urlaubs, Erhöhung des Urlaubsgeldes und Erweiterung der Kündigungsfristen sogenannten „Stammitgliedern" zugute kommen. Die Zuoder Aberkennung dieser Bezeichnung für Mitarbeiter, die mindestens zehn Jahre dem Betrieb angehören, erfolgt durch eine Kommission, die sich paritätisch aus Vertretern des Betriebsrats und der Unternehmens- bzw. Betriebsleitung zusammensetzt10. Diese Kommission entscheidet mit einfacher Stimmenmehrheit 11 , so daß dem Betriebsrat ein echtes Mitentscheidungsrecht zusteht. Dem Betriebsrat kommt bei Spindler im Gegensatz zu manchen anderen Partnerschaftsbetrieben auch innerhalb der Partnerschaftskonzeption eine bedeutende Stellung zu. Er vertritt betriebsverfassungsrechtlich nicht nur 36 Prozent der Arbeitnehmer, die den Mitunternehmerstatus nicht besitzen12, sondern ist auch in Mitunternehmereinrichtungen aktiv tätig 18 . Dies wird besonders durch die Benen8

Vgl. dazu Bommermann, W., Erfahrungsbericht, a.a.O., S. 31. ® Vgl. Spindler, G. P., Partnerschaft statt Klassenkampf, a.a.O., S. 35 und Bommermann, W., Erfahrungsbericht, a.a.O., S. 30. i® Vgl. Gaugler, E., Partner- und Stamm-Mitarbeiter, A G P - M i t . vom 15.2.1965, S. 3. Entsprechend dieser Betriebsvereinbarung konnten bereits 40 Prozent der Gesamtmitarbeiter zu Stammitgliedern ernannt werden. Vgl. Gaugler, E., Partner- und Stamm-Mitarbeiter, a.a.O., S. 4. u Insgesamt haben gegenwärtig 64 Prozent der Gesamtbelegschaft, bzw. 85 Prozent aller möglichen Mitarbeiter den Partnerschaftsvertrag unterschrieben. Vgl. Odendahl, R., Persönliches Schreiben an den Verfasser vom 5. Februar 1968. Vgl. Spindler, G. P., Das Mitunternehmertum in der Feuertaufe gereift, a.a.O., S.4.

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nung von 8 ordentlichen Mitgliedern und einer zahlenmäßig nicht festgelegten Zahl weiterer Mitglieder in den Partnerschaftsausschuß deutlich. Die vom Betriebsrat benannten ordentlichen Mitglieder gehören zumeist gleichzeitig dem Betriebsrat an, so daß sich eine weitgehende Personalunion zwischen beiden Gremien ergibt. Dadurch sind die Betriebsratsmitglieder nicht nur auf die Ausübung sozialer und personeller Mitbestimmungsrechte beschränkt, da sie im Partnerschaftsausschuß gleichwohl an der Entscheidung wirtschaftlicher Fragen teilhaben 14 . Die Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten ist ein besonderes Anliegen des partnerschaftlichen Gedankengutes bei Spindler. Durch umfassende Information, die Spindler als unerläßliche Vorbedingung jeder Mitbestimmung ansieht, will er die Mitarbeiter zur Willensbildung anregen. Damit soll die Subjektstellung des einzelnen gefördert werden, die seiner Grundkonzeption als gesellschaftspolitisches Ziel das Gepräge gibt. Aus diesem Anliegen verpflichten sich die Unternehmensleitung und jeder Mit Unternehmer beim Abschluß des Partnerschafts Vertrages zu gegenseitiger Offenheit in allen betrieblichen Angelegenheiten. Darüber hinaus hat sich der Unternehmer in § 1 des Mitunternehmervertrags dahingehend festgelegt, daß er den Mitunternehmern mindestens in vierteljährlichen Abständen eine Unterrichtung über seine Pläne und die Lage des Unternehmens verbindlich zugesagt hat 1 6 . Diese erfolgt in Betriebsversammlungen, wo der Unternehmer weitgehende Informationen vermittelt und Anregungen entgegennimmt. Spindler bemüht sich, möglichst oft persönlich auf diesen Versammlungen anwesend zu sein, um sich in unmittelbarem Kontakt mit seinen Mitarbeitern auseinanderzusetzen. An anderer Stelle wurde bereits darauf hingewiesen, daß sich der Unternehmer verpflichtet hat, den Mitgliedern des Partnerschaftsausschusses jede Auskunft ohne Einschränkung zu erteilen und rückhaltlose Einsicht in alle Geschäftsunterlagen zu gewähren, wodurch der Gehalt der Paragraphen 67 Abs. 2 und 69 Abs. 3 wesentlich erweitert 16 wird. Darüber hinaus sind die Partnerschaftsmitglieder, Betriebsleiter und Meister verpflichtet, die Informationen an die Mitarbeiter weiterzugeben. Zu diesem Zweck werden besondere Meisterbesprechungen u Die Betriebsratsvorsitzende, die der Spindlerschen Partnerschaftskonzeption lange Jahre skeptisch gegenüberstand, unterzeichnete erst am 1. Januar 1966 den Mitunternehmervertrag. Seitdem wirkt die Betriebsratsvorsitzende überzeugt und aktiv an der Gestaltung der Partnerschaft mit. 15 Vgl. Spindler, G. P., Erfahrungen mit dem Mitunternehmertum, A G P Mit. vom 15. 5.1964, S. 4. i« Vgl. zum Mitbestimmungsgehalt dieser Vorschriften Abschnitt C Teil I I I , Ziff. 2 a. 15*

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abgehalten, auf Grund derer die Mitarbeiter anschließend informiert werden 17 . Ein umgekehrter Informationsweg eröffnet sich durch die Verpflichtung der Meister zur Befragung aller ihnen unterstellten Mitarbeiter vor jeder Partnerschaftsausschußsitzung. Vorgebrachte Fragen sind in eine sog. „Kladde" aufzunehmen und dem Partnerschaftsausschuß zur Beantwortung vorzulegen. Diese Fragensammlung hat sich bei Spindler als Mittel der zweiseitigen Information bestens bewährt 18 . Man übt durch sie einen pädagogischen Zwang auf die Mitarbeiter aus, um sie zur Ausübung ihrer Mitspracherechte anzuregen. I n letzter Konsequenz sind die Informationsrechte des einzelnen Mitarbeiters im „Prinzip der gläsernen Tasche" verwirklicht 19 . Dazu gehört neben den aufgeführten Unterrichtungsansprüchen vor allem die Verpflichtung aller Vorgesetzten, ihre Anordnungen zu begründen, soweit es sich nicht um Routineangelegenheiten handelt. Jeder weisungsempfangende Mitarbeiter hat ein vertraglich zugesichertes Recht auf eine solche Begründung. Das sozialpolitische Anliegen der Mitunternehmerkonzeption Spindlers wird in diesem Mitspracherecht besonders deutlich. Die dargestellten umfassenden Informationsrechte sind letzten Endes als unabdingbare Voraussetzung jedes höheren Mitbestimmungsgrades zu sehen. Bei Spindler wurde vor allem in wirtschaftlichen Angelegenheiten ein zusätzliches Mitbestimmungsrecht geschaffen. Beabsichtigt die Unternehmensleitung folgende Maßnahmen, so hat sie diese dem Partnerschaftsausschuß vor Durchführung zur Stellungnahme vorzulegen 20 : ,,a) Änderung des Gegenstandes des Unternehmens, insbesondere Aufnahme neuer und Aufgabe bisher gepflegter Fabrikationszweige; b) Veräußerung des Betriebes der Gesellschaft oder von Betriebsteilen an Dritte; c) Errichtung und Aufhebung von Zweigniederlassungen und -betrieben; d) Aufstellung des alljährlichen Investitionsplanes; e) Aufnahme von Krediten, wenn das langfristige Kreditvolumen dadurch u m mehr als D M 1000 000,— ausgeweitet wird; f) grundsätzliche fabrikationstechnische und marktpolitische Entscheidungen, wenn dadurch Entlassungen von Mitarbeitern notwendig werden, oder sie nicht mehr in ihren gelernten Berufen oder zu den alten Lohn- und Arbeitsbedingungen beschäftigt werden können; g) Erhöhung oder Minderung der Sollrücklage." 17

Vgl. o.V., Ausführungsbestimmungen zum unveröffentlichten Mitunternehmervertrag vom 1.1.1966, S. 3. 18 Vgl. Bommermann, W., Erfahrungsbericht, a.a.O., S. 28. 19 Vgl. Odendahl, R., Führungskräfte begründen ihre Anordnung, a.a.O., S. 4. 2

.V., Partnerschaftsvertrag, a.a.O., S . .

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Über diese Fragen stimmen die ordentlichen Mitglieder des Partnerschaftsausschusses ab. Der Unternehmer ist dabei nicht stimmberechtigt. Erhält die Unternehmensleitung nicht die Mehrheit der Stimmen, dann muß sie in einer zweiten Sitzung versuchen, den Partnerschaftsausschuß für sich zu gewinnen. Gelingt dies abermals nicht, kann sie die Maßnahme trotzdem durchführen. Allerdings sind die Mitunternehmer dann berechtigt den Partnerschaftsvertrag zu kündigen, wenn sich bei geheimer Befragung aller Mitunternehmer mindestens drei Viertel für eine Kündigung aussprechen21. Mit dieser Kündigung kann jeder Mitunternehmer verlangen, daß seine Guthaben sichergestellt werden. Damit wird ein gewisser Druck auf den Unternehmer ausgeübt, dessen Intensität von der wirtschaftlichen Bedeutung der Mitunternehmerguthaben für den Betrieb abhängt. Sicherlich verliert der Unternehmer sein „Gesicht", wenn er sich über den Entschluß des Partnerschaftsausschusses hinwegsetzt, was das Zusammenbrechen des Mitunternehmerstatuts zur Folge hätte. Ein prinzipielles Hindernis stellt diese moralische Schranke jedoch nicht dar. Damit sind die Mitbestimmungsrechte in den oben bezeichneten Fällen in die Kategorie der Mitwirkungsrechte einzureihen. Den letzten Schritt zu echten Mitentscheidungsrechten hat Spindler also noch nicht vollzogen, da die gewährten Rechte weit in die ökonomische Verantwortung des Unternehmers hineinreichen. Allerdings sprengen diese Mitwirkungsrechte sowohl materiell als auch in ihrer Intensität den engen Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes und werden lediglich noch von einem der untersuchten Partnerschaftsbetriebe erreicht. § 72 Abs. 1 enthält an keiner Stelle den Katalog der aufgezeigten Mitwirkungsrechte, die nicht auf Betriebsänderungen beschränkt sind, sondern unter anderem Investitions- und Kreditplanungen als mitwirkungsberechtigte Tatbestände miteinbeziehen. Die mitbestimmungshemmenden Klauseln der Buchstaben d und e des § 72 Abs. 1 werden von Spindler in keiner Regelung übernommen. Darüber hinaus wirkt sich das Hinwegsetzen über den Beschluß des Partnerschaftsausschusses materiell auch dann aus, wenn keine Kündigungen notwendig werden. Das wirtschaftliche Mitwirkungsrecht bei Spindler geht also weit über den Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes hinaus. Lediglich die Konzeption der Union-Werke und das Statut von Behrens reichen in etwa noch an den materiellen Inhalt der Regelung bei Spindler heran. Allerdings sind diese Mitbestimmungsintensitäten nicht ver21

Vgl. o.V., Partnerschaftsvertrag, a.a.O., S. 5.

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gleichbar, da Naegele die Mitbestimmung lediglich von einer Kapitalbeteiligung des einzelnen Mitunternehmers abhängig macht, während Spindler dieses Recht materiell unabhängig als „Recht aus Arbeit" gewährt. Spindler verwirklichte neben Behrens noch als einziger Partnerschaftsbetrieb bis 1966 konsequent das Individualprinzip einer partnerschaftlich voll ausgeprägten Mitbestimmung. Die Beschlüsse, die jetzt der Partnerschaftsausschuß als Repräsentativorgan faßt, wurden bis 1966 von der gesamten Mitarbeiterschaft getroffen. Diese Abstimmungen haben mehrfach stattgefunden 22, zuletzt im Jahre 1957, als im Zuge einer durch die Textilkrise erzwungenen Produktionsumstellung 200 Mitarbeiter entlassen werden mußten. Die Beteiligung an diesen Abstimmungen war immer sehr hoch, die Maßnahmen der Unternehmensleitung wurden immer mit großer Mehrheit bestätigt 23 . Trotz dieser positiven Erfahrungen wurde das Einzelstimmrecht im dritten Partnerschaftsvertrag aufgegeben, weil es unvermeidbar erschien, daß unternehmensentscheidende Fragen bei Diskussionen im gesamten Mitunternehmerkreis nicht nach außen drangen 24 . Dies gelangte nicht immer zum Vorteil des Unternehmens, da auch negative Probleme zur Sprache kamen. Damit wurde der partnerschaftsoptimale Mitbestimmungsgehalt des Mitunternehmertums etwas vermindert. Neben dem Betriebsrat und dem Partnerschaftsausschuß wurde als drittes Mitbestimmungsgremium ein Mitunternehmerbeirat gebildet. Dieser besteht aus sechs von den ordentlichen Mitgliedern des Partnerschaftsausschusses gewählten Mitunternehmern und übt als Selbstverwaltungsorgan der Partner 26 folgende Mitentscheidungsrechte aus: a) er entscheidet mit einfacher Mehrheit darüber, mit wem die Unternehmensleitung den Mitunternehmervertrag abschließt, desgleichen wer der Mitunternehmereigenschaft verlustig geht. b) er versucht alle Streitigkeiten, die sich aus dem Partnerschaftsvertrag ergeben, zu schlichten. Erst nach Anrufung des Beirats 22

Vgl. Spindler, G. P., Partnerschaft statt Klassenkampf, a.a.O., S. 48. 3 Die erwähnte Produktionsumstellung i m Jahr 1957 war wohl die schwerste Belastungsprobe für das Mitunternehmertum Spindlers. Obwohl zehn Prozent der Mitarbeiter entlassen werden mußten, stimmten bei 96—100 prozentiger Wahlbeteiligung 64 Prozent für die Entlassungen, 36 Prozent stimmten dagegen, und trotzdem verlangte damals kein Mitarbeiter die Sicherstellung seiner Rücklage. Vgl. dazu o.V., Der Beschluß vom 6. Februar 1957, Die Produktionsumstellung der Paul Spindler-Werke K G , Hilden 1957, S. 22 ff. 24 Vgl. Spindler G. P., Der Wirtschaftsausschuß im Partnerschaftsbetrieb als Instrument der Kooperation, a.a.O., S. 3. 2

25

Vgl. dazu o.V., Partnerschaftsvertrag, a.a.O., S. 3.

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ist der ordentliche Rechtsweg möglich, worin wiederum ein konsequentes Anwenden der Vorschrift des §49 Abs. 4 BetrVerfG. gesehen werden kann. In seinem Aufgabenbereich entspricht der Mitunternehmerbeirat in etwa dem Ehrenrat der Union-Werke, während bei Völker diese Aufgaben im wesentlichen durch den Partnerschaftsausschuß ausgeübt werden. Das Mitunternehmertum der Paul Spindler-Werke hat in allen Bereichen eine Erweiterung der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrechte gebracht. Während im personellen und sozialen Bereich die Mitbestimmung vom Betriebsrat wahrgenommen wird, übt in wirtschaftlichen Angelegenheiten der Partnerschaftsausschuß diese Rechte aus. I m Verlauf zweier Neuformulierungen der Mitunternehmerverträge wurden dem Partnerschaftsausschuß immer stärkere Möglichkeiten zur Einflußnahme eingeräumt. I m wirtschaftlichen Sektor werden die von Spindler realisierten Mitbestimmungsrechte nur noch von einem Partnerschaftsbetrieb erreicht. Mitentscheidungsrechte sind jedoch nicht realisiert. VI. Joh. Friedrich Behrens Metallwarenfabrik, Ahrensburg/Holstein Das 1910 in Hamburg gegründete Unternehmen wurde 1945 vom derzeit persönlich haftenden Gesellschafter Carl Backhaus übernommen. Das Unternehmen beschäftigt zur Zeit ca. 380 Mitarbeiter, die im wesentlichen in der Produktion von Heftklammern, Preßluftnaglern und Maschinen zur Herstellung von Heftklammern tätig sind. Die Erzeugnisse, vor allem Heftklammern, die in etwa 10 000 verschiedenen Typen hergestellt werden können, finden vorzugsweise in der Möbelindustrie, in Kürschner- und Polstereien, im Karosseriebau und in der Verpackungsindustrie Verwendung. Verkaufsgesellschaften wurden in Frankreich, Italien, Österreich, der Schweiz und in den Vereinigten Staaten eingerichtet. Darüber hinaus verfügt das Unternehmen über Produktionszweigbetriebe in Holland, Mexiko, Großbritannien und neuerdings auch in Spanien. Das Unternehmen nimmt heute eine führende Stellung am Weltmarkt ein, da es außer vier Konkurrenten in USA und je einem in Deutschland1 und Italien keine nennenswerten Wettbewerber mehr i Vgl. dazu auch Utz, K., Volkseigener Betrieb in Schleswig-Holstein, Forum 65, Nr. 1, 4. Jg., Kiel 1965, S. 4.

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kennt. Die Heftklammernproduktion wurde 1945 mit einem Klammerautomaten aufgenommen. 1949 verließen bereits 886 Millionen Klammern das Unternehmen, während 1967 mehr als 18 Milliarden Heftklammern in über 50 Staaten der Welt exportiert wurden. Diese Entwicklung innerhalb von 20 Jahren von einem Kleinbetrieb zu einem Unternehmen mit Weltgeltung, wurde geprägt von der Persönlichkeit des Gesellschafters Carl Backhaus. Von Anfang an hatte sich dieser Unternehmer das Ziel gesetzt, die Grundsätze der politischen Demokratie in modifizierter Form als Organisationsprinzip in seinem Betrieb zu verwirklichen. Die Ursache dieser konsequenten Weiterführung der bisher aufgezeigten partnerschaftlichen Gestaltungsprinzipien müssen in den Ereignissen des Dritten Reiches gesehen werden. Backhaus hatte die Verbindung von wirtschaftlicher Macht und politischer Macht in der Weimarer Republik und im Dritten Reich erlebt, wo Macht über Produktionsmittel zwangsläufig zu politischer Macht geführt hatte. Da wirtschaftliche Macht politisch versagt habe, erscheint es Backhaus notwendig, die wirtschaftliche Macht an einem weiteren Versagen zu hindern. Die Demokratisierung der Wirtschaft wird deshalb von Backhaus leidenschaftlich gefordert, weil seines Erachtens ähnliche Katastrophen geistiger Art damit verhindert werden können. „Die kapitalistische Welt kann nicht zur Ruhe kommen, wenn das Problem der gerechten Beteiligung der Arbeitnehmer nicht gelöst wird 2 ." Die Verwirklichung dieses Ideengutes hat zu einer Partnerschaftskonzeption geführt, in der das Primäranliegen der Partnerschaft — nämlich jeden Beteiligten zum gleichberechtigten pars eines Ganzen werden zu lassen — in letzter Konsequenz realisiert ist. Damit wird gleichzeitig das Mitbestimmungsproblem auf eine zweite Ebene verdrängt, da die Partner ihre Beteiligungsrechte — wie noch zu zeigen sein wird — nicht allein aus dem „Recht aus Arbeit" ableiten. Seit dem Kauf des Unternehmens im Jahr 1945 strebt Backhaus danach, seine Mitarbeiter zu Teilhabern des Unternehmens und damit zu Miteigentümern des Betriebs werden zu lassen. Trotz der Notwendigkeit, in den Anfangsjahren die Investitionen durch Selbstfinanzierung durchzuführen, beteiligte der Einzelunternehmer von Anfang an seine Mitarbeiter am Gewinn. Bis 1958 wurde das Unternehmen in der Rechtsform einer Einzelfirma betrieben. Dadurch war es möglich, daß die Mitarbeiter bis Ende 1957 ihre Gewinnanteile zwischen 50 und 100 Prozent dem Unternehmen zur Verfügung stellten. 2 Backhaus, C., Persönliches Gespräch mit dem Verfasser am 21. April 1968 in Ahrensburg.

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Das eigentliche Partnerschaftsverhältnis wurde auf Initiative des damaligen Einzelunternehmers durch den am 1. Januar 1958 in Kraft getretenen Gesellschaftsvertrag formalrechtlich begründet. Danach wurde die bisherige Einzelfirma als Kommanditgesellschaft weitergeführt, in die der Unternehmer die Aktiva und Passiva seiner Einzelfirma einbrachte. Die Mitarbeiter als Darlehensgeber übernahm die neue Gesellschaft als Kommanditisten, indem die Darlehensforderungen in Kapitaleinlagen bei der Kommanditgesellschaft umgewandelt Wurden. Die Rechte der Kommanditisten wurden nach dem Gesellschaftsvertrag wesentlich über die handelsrechtlichen Kompetenzen hinaus erweitert. Mit 27 Kommanditisten3 begann 1958 eine Partnerschaftskonzeption Gestalt anzunehmen, die mit Wissen und Billigung des Vorstandes der regionalen Bezirksgewerkschaft eingeführt wurde und im Rückblick vom Verwaltungsstellenleiter der IG-Metall „als Lösung des sozialen Problems" 4 bezeichnet wird. Dieser Vertrag erfuhr in den Jahren 1960 und 1967 einige bedeutsame Veränderungen, die sich auch mitbestimmungsrechtlich auswirkten. Während der zweite Partnerschaftsvertrag des Jahres 1960 lediglich eine schärfere juristische Fixierung erhielt, wurde im Gesellschaftsvertrag vom 16. September 1967 die Umwandlung der bisherigen Kommanditgesellschaft in eine Offene Handelsgesellschaft bestimmt. Die 118 Kommanditisten erhielten den Status von atypischen Stillen Gesellschaftern, die mit ihrer bisherigen Vermögenseinlage an der OHG beteiligt sind. Diese Umwandlung brachte eine Abschwächung der gesellschaftsrechtlichen Stellung der Mitarbeiter-Partner mit sich. Die gesellschaftsrechtliche Neufassung des Vertrages war jedoch unabdingbar geworden, weil nach gewerbesteuerlichen Vorschriften die Arbeitslöhne der Kommanditisten zum Gewerbeertrag hinzugerechnet werden müssen5, wenn die Gemeinde von sich aus nicht auf diese Steuerbeträge verzichtet. Nach dieser Regelung wäre dem Unternehmen aus dem Partnerschaftsvertrag von 1960 eine untragbare fiskalische „Bestrafung" erwachsen, die mit wachsender Gesellschafterzahl zu nicht rechtfertigbaren Wettbewerbsverzerrungen geführt hätte. Eine optimale Steuer- und gesellschaftsrechtliche Unternehmensform muß für diese Partnerschaftskonzeption noch geschaffen werden. Das bisherige » Vgl. Utz f K., a.a.O., S. 5. * Nack, H., Geschäftsführer der I G - M e t a l l in der Verwaltungsstelle H H Bergedorf, gegenüber dem Verfasser am 21. April 1968 in Ahrensburg. « Nach dem GewStG sind Gehälter und Löhne der Kommanditisten dem Gewinn aus Gewerbebetrieb bei Ermittlung der Gewerbeertragsteuer hinzuzurechnen.

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Steuersystem wirkt gegenüber dem gesellschaftspolitischen der Partnerschaftsbetriebe eher hemmend als fördernd.

Experiment

Durch die Umwandlung in eine Offene Handelsgesellschaft tritt die Partnerschaft nach außen nicht mehr in Erscheinung. Die MitarbeiterPartner nehmen im Innenverhältnis an der Unternehmensleitung teil. Die Mitbestimmungsrechte werden von den im Gesellschaftsvertrag bestimmten Organen wahrgenommen. Die Stillen Gesellschafter haften den Gläubigern der OHG nicht persönlich. Darüber hinaus sind die Mitarbeiter-Partner im Innenverhältnis von jeder Beteiligung am Gesellschaftsvermögen ausgeschlossen. Sie haben lediglich einen Abfindungsanspruch, der sich auf den Buchwert ihrer Einlage beschränkt. Das gesellschaftspolitische Anliegen des Verfahrens wurde durch den Partnerschaftsvertrag von 1958 wesentlich stärker betont, da die Arbeitnehmer-Partner als Mitunternehmer nach außen in Erscheinung traten. Der partnerschaftliche Status wird durch die vertragliche Beteiligung als Stiller Gesellschafter zwar noch gewahrt, jedoch tritt er nach außen nicht mehr hervor. Die Beteiligung als Mitarbeiter-Partner geschieht durch privatrechtlichen Vertrag, den die vier persönlich haftenden Gesellschafter der OHG mit jedem einzelnen Arbeitnehmer abschließen. I n Verwirklichung des partnerschaftlichen Individualprinzips muß jeder Arbeitnehmer, der als Partner aufgenommen werden will, einen Antrag an die Gesellschafterversammlung richten, die darüber mit einfacher Mehrheit beschließt6, wenn der Antragsteller dem Unternehmen mindestens fünf Jahre angehört hat, das 25. Lebensjahr vollendet hat und nicht älter als 60 Jahre ist. Die Partner entscheiden also selbst über die partnerschaftliche Eignung eines Mitarbeiters 7. Diese strengen Aufnahmebedingungen — wie sie in ähnlicher Weise nur noch bei Völker anzutreffen sind — wirken gegen eine schnelle Erhöhung der relativ niedrigen Partnerquote, die sich gegenwärtig auf 35 Prozent aller Beschäftigten beläuft. Dieser Anteil deckt sich rein zufällig mit der von Backhaus 8 geschätzten Quote von 20 bis 30 Prozent wirklich vom partnerschaftlichen Gedankengut überzeugter Mitarbeiter-Partner, die bereits Stille Gesellschafter sind. « Vgl. § 22 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages vom 16. September 1967 (Partnerschaftsvertrag). 7 Man betrachtet es bei den persönlich haftenden Gesellschaftern als ein partnerschaftliches Manko, daß diese Anträge in der Gesellschafterversammlung meist automatisch genehmigt werden, zumal die persönlich haftenden Gesellschafter in ihrer Gesamtheit der Aufnahme eines Partners widersprechen können. Rohde, H. J., gegenüber dem Verfasser am 21.4.1968 in Ahrensburg. s Backhaus, C., im persönlichen Gespräch mit dem Verfasser am 22.4.1968.

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Die betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsorgane werden also de facto noch für zwei Drittel aller Mitarbeiter tätig. Der Betriebsratsvorsitzende, der seit 1963 Gesellschafter ist, sieht eine seiner Hauptaufgaben vor allem in der Pflege und Weiterentwicklung des partnerschaftlichen Gedankenguts. Diese partnerschaftliche „Aktivistentätigkeit" des Betriebsratsvorsitzenden fand sich auch in anderen Partnerschaftsbetrieben, wie beispielsweise bei Rexroth bereits gezeigt werden konnte. Allerdings ist bei Behrens insofern ein Sonderfall gegeben, als der Betriebsratsvorsitzende durch seine Gesellschaftereigenschaft Doppelfunktionen auszuüben hat. Er ist einmal aus dem Gesellschaftsvertrag gehalten partnerschaftlich zu wirken, andererseits muß er betriebsverfassungsrechtlich der Gesamtmitarbeiterschaft verpflichtet sein. Neuerdings wurde der Betriebsratsvorsitzende in den sogenannten Beirat gewählt, so daß er in dieser Funktion auch unternehmerische Aufgaben ausübt. Bisher scheint diese Tripolarität noch zu keinen innerbetrieblichen Schwierigkeiten geführt zu haben. Das Verhältnis zu den Gewerkschaften wird sowohl von den persönlich haftenden Gesellschaftern als auch vom Betriebsratsvorsitzenden 9 als ausgezeichnet betrachtet. Der hohe gewerkschaftliche Organisationsgrad von etwa 60 Prozent aller Mitarbeiter scheint diese Aussagen zu bestätigen. Gleichzeitig wird damit bewiesen, daß die Realisierung partnerschaftlicher Konzeptionen nicht unbedingt zu einem „Betriebssyndikalismus" 10 und damit zu einer Entfremdung der Arbeitnehmer von ihren Gewerkschaften führen muß. Neben dem Betriebsrat finden sich bei Behrens keine weiteren betriebsverfassungsrechtlichen Organe. Ein Wirtschaftsausschuß ist nicht institutionalisiert. Aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben sich verschiedene inhaltliche Parallelen zum Betriebs- und Sozialstatut der Union-Werke in Aalen. Allerdings gehen die materiellen Beteiligungsrechte wesentlich über den Gehalt der Mitbestimmungsrechte bei Naegele hinaus. Sie werden — wie noch zu zeigen sein wird — in einer Konsequenz verwirklicht, die bisher in keinem anderen Partnerschaftsbetrieb erreicht wurde. Nach dem Gesellschaftsvertrag sind alle Mitarbeiter-Partner am Gewinn, aber auch am Verlust beteiligt. Die Haftung beschränkt sich jedoch auf die Kapitaleinlage des Stillen Gesellschafters, deren Soll-

9 Ahlers, W., als Betriebsratsvorsitzender gegenüber dem Verfasser 21. 4.1968 in Ahrensburg.

Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt C I I 3 c.

am

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Höhe 317 Prozent 1 des Normalbruttolohnes des Jahres 1963 beträgt. Im Durchschnitt ergeben sich daraus Einlagehöhen zwischen 20 000 und 30 000 D M 1 2 . Der Gewinnanteil des Mitarbeiter-Partners wird seinem Konto so lange gutgeschrieben, bis die Soll-Einlage aufgefüllt ist. Darüber hinausgehende Anteile werden in gleichen Monatsraten ausbezahlt, sofern die Unternehmensleitung gemeinsam mit den Mitarbeiter-Gesellschaftern keine Erhöhung der Einlagen beschließt13. Die Verteilung des Gewinns erfolgt in der Weise, daß vom jährlichen Reingewinn zunächst für die persönlich haftenden Gesellschafter ein angemessener Unternehmerlohn abgezogen wird 1 4 . Darüber hinaus erhalten die vollhaftenden Gesellschafter auf die von ihnen geleistete Einlage eine Risikoprämie von 5 Prozent, während die Einlagen aller Gesellschafter, also auch die der Mitarbeiter-Partner und der Geschäftsführer mit 2 Prozent über dem Diskontsatz der Bundesbank verzinst werden 15 . Der Restgewinn wird gleichmäßig als Quote verteilt, deren Höhe sich nach dem Jahresgrundlohn und der Kapitalverzinsung aller Gesellschafter errechnet 16, wobei der Jahresgrundlohn die dominierende Bestimmungsgröße des Gewinnanteils der einzelnen Gesellschafter bildet. n Die Einlagenhöhe von 317 Prozent des Bruttolohnes des Jahres 1963 ist auf den damaligen Kapitalbedarf im Jahr 1963 abgestellt. Die Kommanditisten hatten 1963 im Durchschnitt mit diesem Prozentsatz gehaftet, den man als Richtmaß beibehielt. 12 Vgl. Utz, K , a.a.O., S. 5. 1 3 1968 wurde eine Einlagenerhöhung zur Errichtung eines Zweigbetriebes aus dem Gewinn des Jahres 1967 in der Gesellschafterversammlung einstimmig beschlossen.

1 4 Vgl. zur Gewinna.a.O., §46.

und Verlustverteilung den Partnerschaftsvertrag,

i ß Aus dieser Gewinnverteilung wird die primär an den Kapitaleinlagen ausgerichtete Abhängigkeit deutlich. Theoretisch ist durchaus der Fall denkbar, daß der Gewinn nur zur Begleichung der Risikoprämie und der Verzinsung der Einlagen ausreicht, die partnerschaftliche „Anerkennungsprämie", die nach der Kopfzahl der Mitarbeiter errechnet wird, nicht mehr dotiert werden könnte. 16

Der Restgewinn wird nach folgender Formel verteilt: Gewinn • 1000

0 + h +

r

g ist dabei die Summe der Jahresgrundlöhne bzw. der Jahresgehälter aller Gesellschafter; h ist die Summe aller Gewinnanteile, die sich aus der Verzinsung der Kapitalanteile aller Gesellschafter mit 2 Prozent über dem Diskontsatz ergibt; i ist die am Kapitalanteil orientierte Risikoprämie der persönlich haftenden Gesellschafter in Höhe von 5 Prozent. Diese Formel ist gleichzeitig Maßstab für die Verlustbeteiligung der Mitunternehmer.

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Jährliche Gewinnanteile zwischen 10 000 und 20 000 D M sind bei einem Mitarbeiter-Partner in der Stellung eines Meisters gegenwärtig durchaus nichts Außergewöhnliches, so daß die Soll-Einlage damit in einigen Jahren aufgefüllt werden kann. Allerdings wird sich die Gewinnanteilsquote mit zunehmender Gesellschafterzahl vermindern, da eine Proportionalität zwischen Gewinnhöhe und Gesellschafterzahl keineswegs unterstellt werden kann. Diese in letzter Konsequenz realisierte materielle Beteiligung hat dazu geführt, daß das Unternehmenskapital sich gegenwärtig bereits zu 69,8 Prozent in Händen der Mitarbeiter-Partner befindet. Die von Backhaus geschaffene Partnerschaftskonzeption geht damit wesentlich über alle bisher gezeigten Betriebsverfassungen in Partnerschaftsbetrieben hinaus, die jeweils eine kapitalmäßige Limitierung vorsahen, was bei Völker und Naegele besonders deutlich wurde. Die persönlich haftenden Gesellschafter können unter dieser Konstellation kapitalmäßig majorisiert werden, sofern das Kapital und damit die Eigentumsfunktion in traditioneller Weise als Begründung des Bestimmungsrechtes gesehen wird. Der Gesellschaftsvertrag sieht eine quotiale Überstimmungsmöglichkeit jedoch nicht vor, da in der Gesellschafterversammlung nach Köpfen abgestimmt wird. Darüber hinaus sind im Vertrag Institutionen geschaffen, die mitbestimmungsrechtliche Schieds- und Sicherungsfunktionen ausüben, um eine Lahmlegung der Unternehmensleitung zu verhindern. Die Mitbestimmungsrechte der Mitarbeiter-Partner werden durch die im Gesellschaftsvertrag bestimmten Organe der Partnerschaft ausgeübt. Diese Organe sind: 1. die Gesellschafterversammlung 2. der Beirat 3. der Schlichtungsausschuß. Die Gesellschaf terv er Sammlung stellt bei Behrens das Legislativorgan der Partnerschaft dar. Die Mitbestimmungsrechte aller Gesellschafter werden — soweit die Gesellschafterversammlung zuständig ist — direkt ausgeübt, d. h. die individuelle Form der Mitbestimmung, wie sie bei Spindler bis 1966 praktiziert wurde, wird im Kähmen dieses Organs durchgeführt. Das Individualprinzip der Partnerschaftsbetriebe, das den einzelnen Mitarbeiter zum Zentralanliegen der Partnerschaftskonzeption werden läßt, findet sich hier wieder verwirklicht. I n jedem Geschäftsjahr finden zwei ordentliche Gesellschafterversammlungen17 statt, zu denen alle Gesellschafter, die Beiratsmitglieder " Außerordentliche Gesellschafterversammlungen müssen u. a. einberufen

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und der Vorsitzende des Schlichtungsausschusses einzuladen sind. Die Gesellschafterversammlung entscheidet prinzipiell mit einfacher Stimmenmehrheit, soweit der Partnerschaftsvertrag keine qualifizierten Mehrheiten vorschreibt. Die Gesellschafterversammlung ist dann beschlußfähig, wenn zwei Drittel aller Gesellschafter anwesend sind. Durch diesen Abstimmungsmodus wird gewährleistet, daß die Mitbestimmungsrechte des einzelnen Gesellschafters unabhängig von der Höhe seiner geleisteten Kapitaleinlage ausgeübt werden können. Es handelt sich demnach in all den Fällen, in denen die Gesellschafterversammlung als letzte Instanz beschließt, um echte Mitentscheidungsrechte in der Terminologie dieser Arbeit. Soweit der Schlichtungsausschuß als Revisionsinstanz den Beschluß der Gesellschafterversammlung modifizieren kann, übt der einzelne lediglich Mitwirkungsrechte aus, da die Unternehmensleitung nicht an den Beschluß der Gesellschafterversammlung gebunden ist. Die Gesellschafterversammlung beschließt über die Aufnahme von Mitunternehmer-Partnern unter gleichzeitiger Festsetzung der Höhe und des Aufbringungsmodus der Gesellschaftereinlage. Einer Mehrheit von drei Vierteln aller Gesellschafter bedarf es, wenn die Gesellschafterversammlung einen Partner aus wichtigem Grund 18 auszuschließen beabsichtigt. I n beiden Fällen handelt es sich um Mitwirkungsrechte, da über die Zulässigkeit eines Widerspruchs seitens der persönlich haftenden Gesellschafter bei der Aufnahme bzw. beim Einspruch des Auszuschließenden der Schlichtungsausschuß endgültig entscheidet. Die nämliche Mitbestimmungsintensität liegt bei der Aufnahme und dem Ausschluß von persönlich haftenden Gesellschaftern vor, einem Mitbestimmungsrecht des personellen Sektors also, das in keinem anderen Partnerschaftsbetrieb in dieser Intensität festgestellt werden konnte. Persönlich haftende Gesellschafter können — wenn der Aufzunehmende Partner ist — mit drei Viertel Mehrheit der Gesellschafterversammlung aufgenommen, aber auch von der Geschäftsleitung ausgeschlossen werden 19 . Darüber hinaus ist als Sicherungsprämisse bei der Aufnahme die Zustimmung aller persönlich haftenden Gesellschafter und die Zuwerden, wenn ein Fünftel der Gesellschafter, der Beirat oder die Unternehmensleitung dies verlangt. Vgl. Partnerschaftsvertrag, a.a.O., § 35. 18 Nach § 22 des Partnerschaftsvertrags kann ein mehrmaliges, unbegründetes Fernbleiben von der Gesellschafterversammlung einen Ausschluß rechtfertigen. Damit wird ein „sanfter Zwang" zur Wahrnehmung der M i t bestimmungsrechte in der Gesellschafterversammlung ausgeübt.

Vgl. dazu Partnerschaftsvertrag, a.a.O.,

.

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der Mehrheit des Beirats notwendig. Zur Entlassung eines persönlich haftenden Gesellschafters ist ferner die einstimmige Zustimmung des Beirats notwendig. Allerdings handelt es sich lediglich um unmittelbare Mitwirkungsrechte der Gesellschafterversammlung, da bei einem Ausschlußantrag der persönlich haftende Gesellschafter den Schlichtungsausschuß anrufen kann, der endgültig entscheidet.

Stimmung

I n ähnlicher Intensität beschließt die Gesellschafterversammlung bei der Festlegung der Vergütung der Beiratsmitglieder, die auf Vorschlag der Unternehmensleitung mit einfacher Stimmenmehrheit entschieden wird. Weicht die Gesellschafterversammlung von diesem Vorschlag ab oder widerspricht der Beirat, so entscheidet der Schlichtungsausschuß in letzter Instanz. Dagegen liegt ein echtes Mitentscheidungsrecht der Gesellschafterversammlung vor, wenn ein persönlich haftender Gesellschafter beantragt, aus der Unternehmensleitung auszuscheiden, um als MitarbeiterPartner dem Betrieb anzugehören 20. Über diesen Antrag entscheidet die Gesellschafterversammlung alleinverantwortlich. Die nämliche Mitbestimmungsintensität wird von der Gesellschafterversammlung ausgeübt, wenn sie mit drei Viertel-Mehrheit beschließt, das Partnerschaftsverhältnis mit verdienten Mitarbeitern über das 65. Lebensjahr hinaus fortzusetzen. Damit stehen der Gesellschafterversammlung personelle Mitentscheidungsrechte zu, die in keiner Phase von den Mitwirkungsrechten des personellen Bereichs im Betriebsverfassungsgesetz tangiert werden. I m mitbestimmungspflichtigen Sektor wirtschaftlicher Angelegenheiten gehen die im Partnerschaftsvertrag konzipierten Hechte am weitesten über den betriebsverfassungsrechtlichen Rahmen hinaus. Backhaus verwirklicht gerade in diesem Bereich, dessen Mitbestimmungsanliegen zu den meistdiskutiertesten Problemen der Wirtschaftsund Sozialliteratur gehören, seine Vorstellungen einer Partnerschaft von Kapital und Arbeit konsequent. Dabei stehen der Gesellschafterversammlung letztinstanzliche Entscheidungen zu, die in keinem anderen Partnerschaftsbetrieb der Mitentscheidung unterworfen sind. Nach dem Partnerschaftsvertrag muß der Beirat den Investitionsplan der Unternehmensleitung genehmigen. Kommt eine Einigung nicht zustande, so trifft die Gesellschaften er Sammlung die Entscheidung, ob dem Investitionsplan der Unternehmensleitung oder dem Investitionsvorschlag des Beirats zu folgen ist 21 . Ein ähnlich weitgehendes 20 Vgl. Partnerschaftsvertrag, a.a.O., § 13. 21 Vgl. Partnerschaftsvertrag, a.a.O., §10.

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D. Realisierung der Mitbestimmung

Mitentscheidungsrecht, das die Unternehmerfunktion der Geschäftsleitung im Streitfall sehr wesentlich beschränkt, wird der Gesellschafterversammlung übertragen, wenn die geschäftsführenden Gesellschafter die Zustimmung des Beirats bei wichtigen Geschäften nicht zu erreichen vermögen. Die Unternehmensleitung bedarf dieser Zustimmimg des Beirats bei allen wichtigen unternehmenspolitischen Maßnahmen, insbesondere beim: „a) Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken. b) Errichtung von Neubauten und größeren Umbauten. c) Anschaffung von Gegenständen des Anlagevermögens mit einem Einzelwert von über D M 20 000.—, sowie Anschaffung von Gegenständen des Anlagevermögens ohne Rücksicht auf den Einzelwert, wenn sie insgesamt für das Geschäftsjahr einen Wert von D M 200 000.— übersteigen. d) e) f) g) h)

Errichtung und Aufhebung von Zweigniederlassungen. Beteiligung an anderen Unternehmen. Aufnahme eines neuen Produktionszweiges. Bestellung und Abberufung von Prokuristen. Abschluß von Anstellungs- und Arbeitsverträgen mit einer Monatsvergütung von über D M 1500.— brutto. Zusagen von Gewinnbeteiligungen, insbesondere Tantiemen jeder Art, sowie von Pensionen und Renten. i) Gewährung und Aufnahme von Krediten von mehr als D M 100 000.— im Einzelfall. k) Übernahme von Bürgschaften und Garantien an Dritte über D M 50 000.—. 1) Abschluß von Rechtsgeschäften außerhalb des normalen Geschäftsverkehrs. Abschluß von Betriebspachtverträgen, von Interessengemeinschafts- oder Organverträgen, Finanzierungsverträgen u. ä. über den üblichen Geschäftsbetrieb hinausgehende Geschäfte 22 ."

Verweigert der Beirat der Unternehmensleitung seine Zustimmung zu diesen wichtigen Maßnahmen, so kann die Geschäftsleitung die Gesellschafterversammlung anrufen, die endgültig entscheidet Die Gesellschafterversammlung beschließt ferner über den Jahresabschluß23. Können sich die geschäftsführenden Gesellschafter und der Beirat über die Aufstellung nicht einigen, so sind der Gesellschafterversammlung zwei gesonderte Jahresabschlüsse vorzulegen, über die mit einfacher Stimmenmehrheit von der Gesellschafterversammlung entschieden wird. Damit bestimmt im Rahmen der gesetzlichen Bewertungsfreiheiten letztlich der einzelne Partner die Gewinnhöhe und somit auch seinen Erfolgsbeteiligungsanteil. 22

Partnerschaftsvertrag, a.a.O., § 8, Abs. 3. Vgl. Partnerschaftsvertrag, a.a.O., §39, Abs. 2 in Verbindung mit §44, Abs. 2. 22

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Um diese Mitentscheidungsrechte sinnvoll ausüben zu können, sind in der Gesellschafterversammlung Mitspracherechte in Form von unbeschränkten Informationsrechten für den einzelnen Partner geschaffen worden. Die Unternehmensleitung muß alle Anfragen, die sowohl den sozialen als auch den personellen und wirtschaftlichen Bereich betreffen, beantworten, wenn ein Fünftel der erschienenen Gesellschafter dies verlangt. Damit sind die Informationsrechte, die dem Betriebsrat und vor allem dem Wirtschaftsausschuß nach dem Betriebsverfassungsgesetz zustehen und — wie gezeigt wurde — im Betriebsverfassungsrecht zu heftigen wissenschaftlichen Kontroversen geführt haben, dieser Problematik entzogen. Eine umfassende Information wird auch bei Behrens als Schlüssel zur Partnerschaft betrachtet. Damit wird letztlich dem einzelnen Mitarbeiter-Partner ein unmittelbares, direkt auszuübendes Mitentscheidungsrecht in wirtschaftlichen und teilweise auch in personellen Angelegenheiten zuerkannt 24 , das in seiner Intensität in Teilaspekten sogar die gewerkschaftlichen Forderungen zur Ausweitung der Mitbestimmung übertrifft. Der Katalog der aufgezeigten mitbestimmungspflichtigen Geschäfte ähnelt in etwa den einem Einspruchsrecht unterliegenden Angelegenheiten der UnionWerke bzw. den dem Partnerschaftsausschuß zur Stellungnahme vorzulegenden Entscheidungen bei Spindler. Die Intensität und der Erstreckungsbereich dieser Rechte als wirkliche Mitentscheidungsrechte wird jedoch von keinem anderen Partnerschaftsbetrieb erreicht, wo es sich — wie gezeigt wurde — lediglich um mehr oder weniger abgestufte Mitwirkungsrechte handelt. Die Backhaussche Konzeption stellt damit eine mitbestimmungsrechtliche Optimallösung innerhalb der untersuchten Partnerschaftsbetriebe dar. Allerdings wurden diese für den Konfliktfall institutionalisierten Rechte von der Gesellschafterversammlung bisher noch nie in Anspruch genommen25, da Unternehmensleitung und Beirat sich immer im Geist partnerschaftlicher Kooperation auf einen Investitionsplan einigten bzw. so lange miteinander berieten, bis die wichtige unternehmenspolitische Maßnahme im beiderseitigen Einverständnis durchgeführt werden konnte. Der Gesellschafterversammlung steht ferner das Recht zu, eine Erhöhung der Kapitaleinlagen durch Thesaurierung von Gewinnanteilen zu beschließen26, wenn drei Viertel der in der Gesellschafterversamm24

Vgl. Partnerschaftsvertrag, a.a.O., § 8, Ziff. 3, Buchst, g und h.

2

« Rohde, H. J., Persönliche Auskunft an den Verfasser am 21. April 1968 in Ahrensburg. 26

Vgl. Partnerschaftsvertrag, a.a.O., § 49, Abs. 2.

16 Maler

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D. Realisierung der Mitbestimmung

lung anwesenden Gesellschafter dies für betriebsnotwendig erachten. Letzten Endes kann der Partnerschaftsvertrag mit einer qualifizierten Mehrheit von drei Vierteln der erschienenen Partner und unter Zustimmung der geschäftsführenden Gesellschafter und des Beirats geändert werden 27 . Damit können die einzelnen Partner selbst über die Weiterentwicklung und Weiterführung der Partnerschaftskonzeption bestimmen. Dem vormaligen Einzelunternehmer Backhaus und jetzigen persönlich haftenden Gesellschafter wurde dabei ein Vetorecht in der Form eingeräumt, daß der Partnerschaftsvertrag nur mit seiner Zustimmung modifiziert werden kann, solange sein Gesellschafterverhältnis besteht. Durch die dargestellten Rechte der Partner in der Gesellschafterversammlung üben diese direkt und unmittelbar ihre Mitbestimmungsrechte aus. Es handelt sich dabei um Mitwirkungs- und Mitentscheidungsrechte in sozialen, wirtschaftlichen und personellen Bereichen, die weder vom Betriebsverfassungsgesetz vorgeschrieben noch von einem anderen Partnerschaftsbetrieb in ähnlicher Intensität und Erstreckung durchgeführt werden. Neben der Gesellschafterversammlung sind in der Partnerschaftskonzeption keine weiteren Institutionen vorgesehen, durch die Mitbestimmungsrechte im Detail ausgeübt werden könnten. Lediglich über die Gesellschafterversammlung verwirklichen die Partner zweimal im Jahr die Mitbestimmungsrechte unmittelbar. Eine Verifizierung der Mitbestimmung durch Partnerausschüsse könnte das Anliegen des Gesellschaftsvertrags auf eine breitere Basis stellen, auf der kontinuierlich die Bestrebungen der Backhausschen Partnerschaftskonzeption praktiziert werden könnten. Neben die Gesellschafterversammlung tritt als zweites Organ der Partnerschaft der sog. Beirat Sieht man die Gesellschafterversammlung als Legislativorgan, so stellt der Beirat das Exekutivorgan der Partnerschaft dar, da er die Aufgabe hat, die partnerschaftliche Kooperation zu fördern, d. h. „Kapital und Arbeit in enger Verschmelzung zu einem Ganzen zu verbinden und die natürlichen Spannungen zwischen ihnen auf ein Mindestmaß zu verringern" 28 . Zur Erreichung dieses Zieles wurde der Beirat als unitaristisches Organ gebildet, in dem Arbeitnehmerpartner und Unternehmer-Partner gemeinsam zusammengefaßt sind, sich jedoch nicht paritätisch gegenübersitzen. I n seinem Konstruktionsprinzip 29 ähnelt der Beirat deshalb 27

Vgl. Partnerschaftsvertrag, a.a.O., § 53, Abs. 2 und Abs. 3. Partnerschaftsvertrag, a.a.O., § 27 Abs. 1. 29 Vgl. zum Konstruktionsprinzip des Wirtschaftsausschusses Teil C K a pitel I I I Abschnitt 2 a; ferner: Neumann-Duesberg, H., Betriebsverfassungsrecht, a.a.O., S. 585. 28

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mehr dem Wirtschaftsausschuß des Betriebsverfassungsgesetzes. Seine Rechte gehen jedoch wesentlich über die des betriebsverfassungsrechtlichen Informations- und Beratungsorgans hinaus, da es sich beim Beirat um ein Kontroll- und Mitwirkungsorgan handelt. Der Beirat setzt sich aus fünf Mitgliedern zusammen, wovon die Arbeitnehmer-Partner zwei betriebsangehörige Partner und ein weiteres betriebsfremdes Mitglied wählen, während die persönlich haftenden Gesellschafter lediglich zwei Vertreter in den Beirat entsenden, von denen der eine Arbeitnehmer-Partner oder Betriebsfremder sein kann 30 . Das zweite Mitglied muß von außerhalb des Unternehmens kommen und in seiner Stellung und Erfahrung den Anforderungen genügen, die das Unternehmen an einen geschäftsführenden Gesellschafter stellt. Gegenwärtig gehören dem Beirat ein Privatbankier als Vorsitzender an, der bis vor kurzem als Direktor der Bank für Gemeinwirtschaft tätig war, ein Wirtschaftsprüfer und Steuerberater als stellvertretender Vorsitzender, ein Meister, ein Facharbeiter und der Betriebsratsvorsitzende31. I n dieser Zusammensetzung wird deutlich, daß die persönlich haftenden Gesellschafter einen Mitarbeiter-Partner als ihren Vertreter in den Beirat gewählt haben. Der Beirat wird für die Dauer von fünf Jahren bestimmt, wobei jedes Jahr ein Mitglied ausscheidet und ein neues Mitglied gewählt wird 3 2 . Durch dieses rotierende Verfahren soll eine größere Breitenwirkung dieses Gremiums bei den Mitarbeiter-Partnern erreicht werden. Die Aufgaben des Beirats sind im wesentlichen exekutiver Natur. Er hat im Betriebsalltag zu gewährleisten, daß die mit dem Partnerschaftsvertrag verfolgten Zielsetzungen erreicht werden. Dazu ist ihm vor allem aufgegeben, die persönlich haftenden Gesellschafter der Unternehmensleitung zu überwachen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Zu diesem Zweck hat der Beirat in mindestens vierteljährlichen Abständen zusammenzutreten — was wiederum an die betriebsverfassungsrechtlichen Formvorschriften beim Wirtschaftsausschuß erinnert —, um sich von der Unternehmensleitung über den Betriebsablauf und den geplanten wichtigen Maßnahmen informieren zu lassen. Darüber hinaus steht dem Beirat das Recht zu, jederzeit die Vorlage von Betriebsunterlagen aller Art von der Unternehmensleitung zu ver80 vgl. Partnerschaftsvertrag, a.a.O., §28 Abs. 3. Utz, K., Persönliche Auskunft an den Verfasser am 26. Juni 1968 in Ahrensburg. 32 Die Wiederwahl eines ausscheidenden Beiratsmitglieds ist möglich. Vgl. Partnerschaftsvertrag, a.a.O., §29 Abs. 2. 16*

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langen. Dieses umfassende Mitspracherecht geht so weit, Betriebsprüfungen durch Sachverständige vornehmen lassen zu können. Ferner kann der Schlichtungsausschuß auf Antrag des Beirats beim Beweis wichtiger Gründe die Vorlage einer Bilanz, der Bücher und sonstiger Betriebsunterlagen fordern, die zum Verständnis des Betriebsgeschehens notwendig sind 33 . Diese im Gegensatz zum Wirtschaftsausschuß des Betriebsverfassungsgesetzes umfassend paraphierten Informationsrechte des Beirats sind insofern bedeutsam, als jedem Gesellschafter auf Antrag die Möglichkeit eingeräumt werden muß 34 , seine Meinung zu bestimmten vom Beirat zu behandelnden Fragen mündlich vorzutragen. Damit ist ein Mitspracherecht des einzelnen Mitarbeiters vertraglich festgelegt, das vom Beirat ausgeübt wird und sicherlich dazu beiträgt, betriebliche Spannungsmomente auf Grund mangelnder Information — sofern seitens der Mitarbeiter Interesse vorhanden ist — nicht aufkommen zu lassen. Die Hauptaufgabe des Beirats, als unmittelbares Kooperativorgan der Unternehmensleitung zu wirken, wird besonders dadurch deutlich, daß die geschäftsführenden Gesellschafter bei allen wichtigen Geschäften der Zustimmung des Beirats bedürfen. Wie bereits dargestellt wurde 35 , handelt es sich beim Katalog dieser sogenannten wichtigen Geschäfte um Maßnahmen des sozialen, personellen und wirtschaftlichen Bereichs, bei denen dem Beirat dieses Mitwirkungsrecht zusteht, da bei Nichteinigung letztinstanzlich die Gesellschafterversammlung entscheidet, also kein Mitentscheidungsrecht des Beirats vorliegt. Auch bei Aufstellung des Finanz- und Investitionsplans bzw. bei der Bilanzaufstellung steht dem Beirat ein Mitwirkungsrecht zu, da — wie gezeigt wurde — Unternehmensleitung und Beirat sich einigen müssen. I m Streitfall entscheidet jedoch in diesen Angelegenheiten die Gesellschafterversammlung. Allerdings wird dieses Mitwirkungsrecht insofern unterstrichen und betont, als der Beirat aus wichtigen Gründen einem Gesellschafter mit sofortiger Wirkung die Geschäftsführungsund Vertretungsbefugnis entziehen kann 36 . Jedoch kann der betroffene Gesellschafter gegen diese Verfügung den Schlichtungsausschuß anrufen, der endgültig entscheidet. I n näm33

Vgl. Partnerschaftsvertrag, a.a.O., § 27 Abs. 3 i.V.m. § 24 Abs. 3. * Vgl. Partnerschaftsvertrag, a.a.O., § 31 Abs. 2. 35 Vgl. die Darstellungen zur Mitbestimmungsintensität der Gesellschafterversammlung, insbesondere die dort expressis verbis bezeichneten Rechte aus § 8 Abs. 3 des Partnerschaftsvertrags. 38 Vgl. Partnerschaftsvertrag, a.a.O., § 15 Abs. 3. 3

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licher Mitbestimmungsintensität wirkt der Beirat bei Festlegung des Unternehmerlohns für die persönlich haftenden Gesellschafter mit. Zur Fixierung der Höhe dieser Vergütung ist die Ubereinstimmung zwischen allen geschäftsführenden Gesellschaftern und dem Beirat erforderlich 37. I m Streitfall setzt der Schlichtungsausschuß den Unternehmerlohn der persönlich haftenden Gesellschafter fest, wodurch sich beim Beirat wiederum ein Mitiüirkungsrecht — in der Terminologie dieser Arbeit — ergibt. Der Beirat stellt somit nach der Backhausschen Partnerschaftskonzeption das unmittelbare Kooperativorgan der geschäftsführenden Gesellschafter mit den Mitarbeiter-Partnern dar. Beide Partnergruppen sind vertraglich gehalten, sich auf den Beiratssitzungen zu einigen, von denen gegenwärtig sechs im Jahr 3 8 abgehalten werden. Der Beirat übt vor allem bei sogenannten wichtigen Geschäften, die über den üblichen Geschäftsbetrieb des Unternehmens hinausgehen, die Mitwirkungsrechte der Partner aus; Mitentscheidungsrechte werden vom Beirat nicht wahrgenommen. Der Beirat ist der Gesamtheit der Partner verantwortlich. Er gibt in der ersten ordentlichen Gesellschafterversammlung des Jahres Rechenschaft über seine Tätigkeit im vergangenen Geschäftsjahr und läßt sich Entlastung erteilen. Damit wird die „unitaristische" Funktion dieses Gremiums besonders deutlich, da alle Beiratsmitglieder der Gesellschafterversammlung verantwortlich sind. Er stellt somit den Versuch dar, ein aktives Syntheseorgan zwischen „Kapital" und „Arbeit" im Betrieb zu sein, ohne durch betriebsdemokratische Versuche den Betriebsrhythmus zu hemmen. Als drittes Organ der partnerschaftlichen Konzeption ist bei Behrens ein Schlichtungsausschuß vorgesehen. I m Gegensatz zu allen untersuchten Partnerschaftsbetrieben, in denen in irgendeiner Form auch eine innerbetriebliche Schiedsinstanz institutionalisiert wurde, stellt die Konstruktion des Schlichtungsausschusses ein Novum dar. Dieses Schiedsorgan wird im Gegensatz zur Grundtendenz von § 49 Abs. I V Betriebsverfassungsgesetz, bewußt als außerbetriebliches Entscheidungsgremium gebildet. Der Schlichtungsausschuß besteht bei Behrens aus fünf Mitgliedern, und zwar aus einem Vorsitzenden, der durch den Präsidenten des Landgerichts Hamburg aus dem Kreis hamburgischer Richter bestellt wird, wobei dem Beirat das Recht zusteht, im Einvernehmen mit den geschäftsführenden Gesellschaftern Vorschläge zu unterbreiten. Ein 37 vgl. Partnerschaftsvertrag, a.a.O., § 12. 3« Backhaus, C., im persönlichen Gespräch am 26. Juni 1968 in Ahrensburg mit dem Verfasser.

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stellvertretender Vorsitzender wird ebenfalls vom Landgerichtspräsidenten bestellt 39 . Das zweite Schlichtungsausschußmitglied wird von den Mitarbeiter-Partnern gewählt. Es darf weder Gesellschafter noch Betriebsangehöriger sein, während das dritte Mitglied von den persönlich haftenden Gesellschaftern als außerbetrieblicher Vertreter in den Schlichtungsausschuß delegiert wird. Zwei weitere Mitglieder werden vom Beirat bestellt. Diese dürfen als Gesellschafter oder Mitarbeiter weder dem Unternehmen noch dem Beirat angehören. Alle Mitglieder werden für fünf Jahre gewählt; sie dürfen während ihrer Amtszeit dem Beirat nicht angehören. Vorsitzender des Schlichtungsausschusses ist gegenwärtig der Generalstaatsanwalt der Hansestadt Hamburg 40 , der bei seiner Berufung in den Schlichtungsausschuß hamburgischer Richter war. Der Schlichtungsausschuß hat vornehmlich die Aufgabe zu überwachen, daß die mit dem Gesellschaftsvertrag angestrebten Ziele des Ausgleichs von „Kapital und Arbeit" verwirklicht werden. Um diese Zielfunktion erfüllen zu können, steht dem Vorsitzenden das Recht zu, an den Gesellschafterversammlungen und an allen Sitzungen des Beirats teilzunehmen 41 . Unternehmensleitung und Beirat sind darüber hinaus verpflichtet den Vorsitzenden des Schlichtungsausschusses von allen wichtigen unternehmenspolitischen Maßnahmen zu informieren. Dieser hat von sich aus das Recht, Anfragen an die Unternehmensleitung und den Beirat zu richten, sowie alle Betriebsunterlagen einzusehen. Mas Mitspracheund Mitwirkungsrecht dieses betriebsfremden Ausgleichsorgans ist also unbeschränkt und umfassend. I m wesentlichen hat der Schlichtungsausschuß die Aufgaben eines Schiedsgerichts, das für alle Konfliktfälle zwischen den Beteiligten des Partnerschaftsvertrags zuständig ist. Der ordentliche Rechtsweg wird dabei im Gegensatz zur Lösung der Union-Werke bewußt ausgeschaltet42. Der Schlichtungsausschuß fällt seine Entscheidungen nach geheimer Beratung mit einfacher Stimmenmehrheit, er ist also kollegial strukturiert. I n den betriebsverfassungsrechtlichen Bereichen der Mitbestimmung hat der Schlichtungsausschuß die Aufgaben wahrzunehmen, die bei Analyse der Rechte der Gesellschafterversammlung und der Kompetenzen des Beirats im wesentlichen dargestellt wurden. Bedeutsam ist 30

Vgl. Partnerschaftsvertrag, a.a.O., § 42 Abs. 1. 40 Rohde, H. J., Persönliche Auskunft an den Verfasser am 26. Juni 1968. 41 Vgl. Partnerschaftsvertrag, a.a.O., §42 Abs. 3. 42 Vgl. Schiedsvertrag und Verfahrensordnung des Schlichtungsausschusses, § 18 i.V.m. dem Partnerschaftsvertrag, a.a.O., § 55.

VI. Joh. Friedrich Behrens Metallwarenfabrik dabei, daß es sich um echte Mitentscheidungsrechte nellen und wirtschaftlichen Bereichs handelt.

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des sozialen, perso-

Der Schlichtungsausschuß greift damit im Konfliktfall mitbestimmungsrechtlich als außerbetriebliche Mitentscheidungsinstanz in die Rechte der Unternehmensleitung und der Partner ein. Somit liegt hier eine Umkehrung der Mitbestimmungsproblematik in der Weise vor, daß betriebliche Entscheidungen unabhängig vom Faktor Kapital, d. h. unabhängig vom Recht aus Eigentum und losgelöst vom Faktor Arbeit auf eine Instanz übertragen werden, die sich nicht unbedingt mit den Interessen des Unternehmens identifizieren muß. Das Wohl des Betriebs ist gemäß dem Partnerschaftsvertrag bei der Entscheidungsfindung des Schlichtungsausschusses zu berücksichtigen, jedoch können das Betriebswohl und das Gemeinwohl zu konfligierenden Entscheidungsfaktoren werden, die von einem außerbetrieblichen Gremium nicht immer vorrangig betriebsbezogen gesehen werden müssen. Insofern muß diese mitbestimmungsrechtliche Konstruktion eines außerbetrieblichen Entscheidungsorgans seine Bewährungsprobe erst im Konfliktfall bestehen. Bisher mußte der Schlichtungsausschuß noch nie tätig werden 43 , da eine innerbetriebliche Einigung im Stil partnerschaftlicher Kooperation immer erreicht werden konnte. Der Gesellschaftsvertrag der Metallwarenfabrik Joh. Friedrich Behrens stellt in seiner Verwirklichung partnerschaftlicher Grundprinzipien den konsequentesten Versuch dar, zu einem vollen Ausgleich von Kapital und Arbeit gelangen zu können. Die mentale und materielle Beteiligung der Backhausschen Konzeption geht von dem Grundsatz aus, daß alle Beteiligten am Unternehmen als pars eines Ganzen wirklich gleichwertige Partner darstellen. I n Realisierung dieses Grundsatzes werden den Mitarbeiter-Partnern echte Mitentscheidungsrechte eingeräumt, die auch im wirtschaftlichen Bereich relevant sind. Andererseits sind diese Beteiligungsversuche nicht allein aus dem Recht aus „Arbeit" abgeleitet, sondern sie werden durch die weitgehende Erfolgsbeteiligung auch als Kapitalrechte begründet. Insofern stellt dieser Versuch einer Partnerschaft von Kapital und Arbeit den Ansatz einer gelungenen Synthese des kapitalistischen und sozialistischen Systems dar.

48 Backhaus, C., gegenüber dem Verfasser am 26. Juni 1968 in Ahrensburg.

Exkurs Es wurde zu zeigen versucht, daß auch die Partnerschaftsbetriebe interessenpluralistisch ausgerichtet sind. Arbeitgeber und Arbeitnehmer bilden auch als Partner keine völlige Interessenseinheit. Das Mitbestimmungsrecht ist in dieses Verhältnis in der Weise eingebaut, daß man sich bemüht, beide Elemente zu einer konstitutiven Einheit zu verbinden. Die Mitbestimmung soll also dieses ungleiche Verhältnis, in dem der Faktor Kapital nach wie vor überbewertet wird, zu einem weitgehenden Ausgleich gelangen lassen. Jedoch gelingt dies den Partnerschaftsbetrieben nicht völlig, da wirtschaftliche Mitentscheidungsrechte lediglich in einem Partnerschaftsbetrieb als notwendige Konsequenz jeder voll ausgebauten Mitbestimmung verwirklicht sind. In einer Partnerschaft im Vollsinn des Wortes dürfte der Arbeitgeber keine bevorrechtigte Stellung haben. Dies ist jedoch ohne Aufhebung des Lohnarbeitsverhältnisses nicht möglich. Das arbeitsvertragliche Verhältnis gestattet letztlich keine Aufhebung der Objektsituation der Arbeitnehmer, da die unternehmerische Handlungsfreiheit im wirtschaftlichen Bereich nicht entscheidend eingeengt werden kann. Allerdings gelingt den Partnerschaftsbetrieben eine wesentliche Milderung der Objektsituation der Arbeitnehmer, die nicht zuletzt durch die individuell gezielten Mitbestimmungsrechte im personellen und sozialen Bereich erreicht wird. Diese Mitbestimmungsrechte sind im Partnerschaftsbetrieb teilweise zu Selbstverwaltungsrechten ausgebaut, die weit über eine Mitbestimmung hinausgehen und zu einer Art genossenschaftlicher Selbstverwaltung der Arbeitnehmer führen. I m wirtschaftlichen Bereich ist die Entscheidung weitgehend noch vom Eigentum her begründet. Eine Lösung dieses Problems und damit ein Weg zu einer vollen Partnerschaft wird erst durch Überwindung des Lohnarbeitsverhältnisses möglich. Es handelt sich also nicht um eine Partnerschaft mit völlig gleichen Rechten und Pflichten, sondern um das System einer gestuften Ordnung, das vom Unternehmer freiwillig gewährt wird und somit jederzeit wieder aufgehoben werden kann. Die Realisierung des sozialpolitischen Anliegens der Partnerschaft wäre erst dann möglich, wenn die Mituntemehmer in allen Bereichen mitentscheidungsberechtigt sind, d. h. wenn den Mit-Unternehmern kein Unternehmer mehr gegenüberstehen würde. Dieses Ziel kann dadurch

Exkurs

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erreicht werden, daß die Partnerschaftsbetriebe den Arbeitnehmern die Möglichkeit bieten, in eine Kapitalbeteiligung hineinzuwachsen. Losgelöst vom Realkapitalbesitz ist die Lösung des Problems nur in einer genossenschaftlichen Unternehmensstruktur möglich, in der alle Beteiligten ein Gremium zur Führung der Geschäfte bestellen. Damit wäre das Mitbestimmungsproblem gelöst. Die Klassengegensätze wären beseitigt, gleichzeitig jedoch die herrschende Wirtschaftsverfassung gesprengt. Es bietet sich deshalb die erstgenannte Möglichkeit an, die durch Eigentumsbildung zur Integration des Faktors Arbeit führt. I m Gegensatz zur gegenwärtigen Wirtschaftsverfassung, die auf dem Eigentum basiert, führt die Partnerschaftskonzeption auf das Eigentum hin. Die betriebliche Partnerschaft bietet somit eine reale Möglichkeit zur Milderung und Lösung der sozialen Gegenwartsprobleme.

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