Militärstrafgerichtsordnung: Nebst Einführungsgesetz und Gesetz, betreffend die Dienstvergehen der richterlichen Militärjustizbeamten und die unfreiwillige Versetzung derselben in eine andere Stelle oder in den Ruhestand [Reprint 2020 ed.] 9783111529318, 9783111161174

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Militärstrafgerichtsordnung: Nebst Einführungsgesetz und Gesetz, betreffend die Dienstvergehen der richterlichen Militärjustizbeamten und die unfreiwillige Versetzung derselben in eine andere Stelle oder in den Ruhestand [Reprint 2020 ed.]
 9783111529318, 9783111161174

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Ausführliches Verzeichnis der

Guttentag'schen Sammlung

Deutscher Ueichsund Preußischer Gesetze Text-Ausgaben mit Anmerkungen — Taschenformat

welches alle wichtigeren Gesetze in absolut zu­ verlässigen Gesetzestexten und in mustergiltiger eise

erläutert

enthält,

befindet sich

hinter

dem

Ur. 3.

Guttentag'sche Sammlung Deutscher Reichsgesetze. Ur. 3. Text-Ausgaben mit Anmerkungen.

MiMürstrasgerichtsordnung nebst

Ginfützvungsgefeh und

Gesetz, betreffend die Dienstvergehen der richterlichen Militärjustiibeamten und die unfreiwillige Versetzung derselben in eine andere Stelle oder in den Ruhestand.

Text-Ausgabe mit Anmerkungen und Sachregister von

Dr. Paul Herz, Geheimer Admiralitätsrath und Vortragender Rath im Reichs-Marine-Amt.

Zweite, vermehrte und verbesserte Auflage.

Berlin 1900.

I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung. G. m, b. H.

Vorwort zur ersten Ausgabe. Mit der Verkündigung der Militärstrafgerichts­

ordnung für das Deutsche Reich vom 1. Dezember

1898 ist die Militärrechtspflege des Heeres und der Marine in eine neue Phase getreten.

Ein einheitliches Verfahren ist — den Bestimmungen des Art. 4 Nr. 14 und des Art. 61 der Reichsverfassung entsprechend — für die gesammte

deutsche Streitmacht zur Einführung gelangt und durch die Bildung des bayerischen Senats bei dem Reichsmilitärgericht —- Reichsgesetz vom 9. März 1899, R.G.Bl. S. 135 — sowie 'durch die Vor­ schriften

der

§§ 85, 86 M Str.G O. über Ent­

scheidungen des Plenums ist zugleich die lang er­ sehnte Einheitlichkeit der Rechtsprechung gewährleistet. Ueberall auf dem Boden der modernen Rechts­

auffassung stehend, schließt sich die Militärstrafgerichtsordnung in ihren wesentlichen Prinzipien an die Vorschriften der bürgerlichen Strafprozeßord­

nung für das Deutsche Reich an und geht sogar in

manchen Beziehungen — namentlich mit der Ein-

Vorwort.

VI

führung der Berufung gegen kriegsgerichtliche Urtheile und mit der Aufnahme des Nacheides — noch über

diejenigen Errungenschaften hinaus, welche die Ent­

wicklung der bürgerlichen Strafrechtspflege bisher zu erreichen vermochte.

Im übrigen weicht sie von

der Letzteren nur insoweit ab, als dies die Aufrecht­ erhaltung der militärischen Disziplin und die Eigen­

art des militärischen Dienstes gebieterisch erheischt. Bei der engen Anlehnung an die bürgerliche

Strafprozeßordnung, aus welcher eine große Reihe von Bestimmungen theils wörtlich, theils mit ge­ ringen Abweichungen übernommen ist, war es die

Aufgabe des

Verfassers, die Rechtsprechung des

Reichsgerichts, soweit sic sich auf die gemeinsamen

Rechtsnormen bezieht, eingehend zu berücksichtigen' zugleich nlußte im Anschluß an die „Begründung"

des Entwurfs sowie an die Ergebnisse der kommissa­

rischen Berathungen im Reichstage eine Erörterung der militärischen Verhältnisse Aufnahme finden,

welche zum Verständnisse der gesetzlichenBestimmungen und der ihnen entsprechenden militärischen Einrich­

tungen erforderlich war.

Andererseits ergab

sich aus dem Zwecke des

Kommentars, eine bequeme, übersichtliche Ausgabe

für den Praktiker darzubieten, die Nothwendigkeit einer strengen Beschränkung.

Längere Wissenschaft-

VII

Vorwort.

liche Darlegungen muhten vermieden und aus der

Fülle des Materials durfte nur dasjenige ausgewählt und in kurzen Anmerkungen verwendet werden,

was zur Klarstellung der einzelnen

schriften erforderlich erschien.

Gesetzesvor-

Die ursprünglich be-

absichtigte Einarbeitung der Ausführungsbestim­ mungen muhte für die vorliegende Ausgabe unter­

bleiben, weil die Emanation derselben wider Erwarten bisher nicht stattgefunden hat.

Vorwort zur zweiten Ausgabe. Nachdem durch die Allerhöchsten Kabinetsordres

vom

28. Dezember 1899

26. März 1900

in Verbindung mit den Ver-

fügungen des Kriegsministeriums vom 2. Januar 1900 und des Reichskanzlers (R.MA.) vom 26. März 1900 die Ausführungsbestimmungen zur Militär-

strafgerichtsordnung für das Preußische Heer und die Kaiserliche Marine erlassen sind, ist die durch das

Vorwort der ersten Ausgabe in Aussicht gestellte Ergänzung des Kommentars

möglich

geworden.

Die einzelnen Ausführungsbestimmungen für das Heer sind mit besonderem Druck den betreffenden

Paragraphen angefügt.

In gleicher Weise sind die

Ausführungsbestimmungen für die Kaiserliche Marine,

insoweit sie wesentliche Besonderheiten enthalten, in

den Text eingearbeitet, außerdem aber als Ganzes im „Anhang" wiedergegeben.

Vorwort.

IX

Der Anhang enthält neben den erwähnten Aus­ führungsbest. für die Marine: 1. A.C.O. vom 28. Mai 1960 betr. Ausf.-B.

zu §§. 37, 65, 422 M.Str.G.O. 2. Gesetz, betr. die militärische Rechtspflege im Kiautschou-Gebiet vom 25. Juni 1900.

Wichtigste Abkürzungen. A. — Anmerkung. Auss.Best. = Aussührungsbestimmungen. A.C.O. — Allerhöchste Kabinels-Ordre.

A.B.Bl. — Armee-Verordnungsblatt. Begr. — Begründung des Entwurfs einer Militärstraf­ gerichtsordnung: Reichstagsdrucksache Nr. 6 der 9. Legislatur-Periode V. Session 1897/98.

Bürg.GB. — Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896.

cf. = siehe. EG. = Einsührungsgesetz zur Militärstrafgerichtsordnung vom 1. Dezember 1898. Entsch. d. R.G. — Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen; herausgegeben von Mitgliedern des Gerichtshofes und der Reichsanwallschaft.

Entw. = Entwurf einer Militärstrafgerichtsordnung und des Einführungsgesetzes hierzu. Reichstagsdrucksache Nr. 6 der 9. Legislatur-Periode. V. (Session1897/98.

F. — Formularbuch. Fr.B.B. — Friedensbesoldungs-Borschrift für die Marine. G. — Gesetz betreffend die Dienstvergehen der richterlichen Militärjustizbeamten und die unfreiwillige Ver­ setzung derselben in eine andere Stelle oder in den Ruhestand.

G.S. — Preußische Gesetzsammlung.

Abkürzungen.

XI

G. B.G. — Gerichtsversaffungsgesetz vom 27.Januar 1877.

H. = Heer.

J. M.Bl. — Preußisches Justtz-Ministerial-Blatt.

K. B. — Bericht der VIII. Kommission über die Entwürfe 1. einer Militärstrasgerichtsordnung; 2. eines Einsührungsgesetzes zur Militärstrasgerichts­ ordnung; 8. eines Gesetzes, betreffend die Dienstvergehen der richterlichen Militärjustizbeamten rc. Reichstags­ drucksache Nr. 160 der 9. Legislatur-Periode V. Session 1897/98. Loewe — Die Strafprozeßordnung für das Deutsche Reich rc. Mit Kommentar von Dr. E. Loewe. Neunte Auflage, bearbeitet von A. Hellweg. M. = Marine.

M.O. --- Marine-Ordnung. M.Str.G.B. — Militärstrafgesetzbuch vom 20. Juni 1872.

M.Str.G.O. — Militärstrafgerichtsordnung vom 1. De­ zember 1898. M.Str.B.B. — vorschrist.

Preußische

Militärstrafvollstreckungs-

M.B.B1. Marine-Verordnungs-Blatt.

Olsh. — Kommentar zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich von Dr. Olshausen.

R.B.G. = Reichs-Beamten-Gesetz vom 31. März 1873.

R.Centr.Bl. — Centralblatt für das Deutsche Reich. R.C.P.O. — Deutsche Civilprozeßordnung.

R.G. — Reichsgericht.

R.G.Bl. — Reichsgesetzblatt. R.M.A. — Reichs-Marine-A mt.

R.M.G. — Reichsmilitärgesetz vom 2. Mai 1874.

Abkürzungen.

XII

R.Str.G.B. — Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 16. Mai 1871.

R.Str.P.O. — Strafprozeßordnung für das DeutscheReich.

Rspr. — Rechtsprechung des deutschen Reicksgerichts in Strafsachen; herausgegeben von den Mitgliedern der Reichsanwattschaft. W.

Weiffenbach, Systematische Darstellung der M.Str.G.O. von W. Geh. K. R. Weifsenbach. Mittler u. S. 1900.

=

Weigel — Handausgabe der M.Str.G.O. mit Einleitung und Erläuterungen; herausgegeben von Stabs­ auditeur Dr. Weigel

Inhaltsübersicht. MUitürstrafgerichtsordnung. Seite Erster Theil.

Gerichtsverfassung

§§. 1—114 .

Erster Titel. Umfang der Militärstrasgerichtsbarkeit §§. 1—11.............................................................. 1 Zweiter Titel. Ausübung der Militärstrafgerichtsbarkeit §§. 12—110.................................................... 12 Erster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen §§. 12—18...................................................12 Zweiter Abschnitt. Gerichtsherr §§. 19—37 Dritter Abschnitt. Erkennende Gerichte §§. 38—92 ...................................................

17 30

I. Standgerichte §§. 38—48 ...

30

II. Kriegsgerichte §§. 49- 64 ...

84

III. Oberkriegsgerichte §§. 66—70 .

.

43

IV. Reichsmilitärgericht §§.71—92

.

46

Vierter Abschnitt. Oberkriegsgerichtsräthe, Kriegsgerichtsräthe und Gericktsoffiziere §§. 93—102 .............................................

63

Fünfter Abschnitt. Militäranwaltschast beim Reichsmilitärgerichte §§. 103—107 . .

69

Sechster Abschnitt. Militärgerichtsschreiber §§. 108-110............................................. 60

Dxitter Titel. Militärjustizverwaltung §§.111—114

62

XIV

Inhaltsübersicht. Sette

Zweiter Theil. Verfahren §§. 115—471 . .

65

Erster Titel. Allgemeine Bestimmungen §§. 115—150.................................................... 65 Erster Abschnitt. Gerichtssprachetztz. 115—121 Zweiter Abschnitt. Ausschließung u. Ab­ lehnung d. GerichtSpersonen §§. 122—135 Dritter Abschnitt. Entscheidungen, Ver­ fügungen und deren Bekanntmachung tztz. 136-145 ..................................... Vierter Abschnitt. Berechnung der Fristen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Fristversäumniß tztz. 146—150

65

69 78

83

Zweiter Titel. Verfahren in erster Instanz tztz. 161—362.............................................. 87 Erster Abschnitt. Ermittelungsverfahren tztz. 151—170.......................................... 87 Zweiter Abschnitt. Einzelne Untersuchungs­ maßregeln tztz. 171—242 .................. 103 I. Vernehmung des Beschuldigten tztz. 171-173................................ 103 II. Einstweilige Enthebung vom Dienste. Verhaftung und vorläufige Festnahme tztz. 174-184 ... 106 III. Vernehmung von Zeugen tztz. 185-207.................................... 115 IV. Zuziehung von Sachverständigen tztz. 208-221 ........................... 138 V. Einnahme des Augenscheins. Leichenschau, Leichenöffnung tztz. 222—228....................... - - 148

XV Seite

Inhaltsübersicht.

VI. Beschlagnahme u. Durchsuchung §§. 229—242 ....................................

150

Dritter Abschnitt. Abschluß des Ermittelungs­ verfahrens. Erhebung der Anklage §§. 248—260 ................................................

160

Vierter Abschnitt. Vorbereitung der Hculptverhandlung §§. 261—272 ........................

172

Hauptverhandlung

Fünfter Abschnitt. 278—336

180

Sechster Abschnitt. 337—848

Vertheidigung

Siebenter Abschnitt. 349 855

Strafverfügung §§.

224

232

Achter Abschnitt. Verfahren gegen Abwesende §§. 366—362 ................................................

236

Dritter Titel. Ordentliche Rechtsmittel tztz. 368—415 ..................................................................

240

Erster Abschnitt. Allgemeine Besttmmungen §§. 368—372 ................................................

240

Zweiter Abschnitt. 873-377

245

Dritter Abschnitt.

Rechtsbeschwerde

Berufung

378—896

Vierter Abschnitt.Revision §§. 897—415

250 262

Vierter Titel. Bestättgung der im ordentlichen Verfahren ergangenen Urtheile §§. 416—418

273

Fünfter Titel. Bestättgung und Aufhebung der Urtheile der Feldgerichte und der Bordgerichte §§. 419—435............................................................

277

Sechster Titel. Wiederaufnahme eines durch rechts­ kräftiges Urtheil geschlossenen Verfahrens 486—449............................................................

284

Siebenter Titel. Strafvollstreckung §§. 450—464

294

XVI

Inhaltsübersicht.

Seite

Achter Titel. Entschädigung der im Wiederauf­ nahmeverfahren freigesprochenen Personen §§. 466—468......................................................... NeunterTitel. Kosten deSVerfahrens §§.469—471

302 806

Ginflihrungsgesrtz zur Milttärstrafgrrichtsordnung....................................................................311 Gesetz, betr. die Dienstvergehen der richterlichrn Militarjustizbramten und die un­ freiwillige Uerfrtzung derfridrn in eine andere Stelle oder in den Ruhestand vom 1. Dezember 1898 ..............................................

389

Allgemeine Bestimmungen über Dienstvergehen und deren Bestrafung §§. 1—6............................ 841 Verfassung und Zuständigkeit der Disziplinar­ gerichte 88. 7-14................................................... 843

Verfahren bei den Disziplinargerichten §§. 16—29 Vorläufige Dienstenthebung

88 30, 31 .

.

Unfreiwillige Versetzung in eine andere Stelle 88- 82, 83 .........................................................

Unfreiwillige Versetzung in den Ruhestand §§. 34,85

Übergangsbestimmungen 88- 86—38

.

.

852

.

.

857

858 859

Anhang.

AuSführungSbestimmungeu für die Marine. Miiitärstrafgertchtsordnung vom 1. Dezember 1898, Givführungsgesetz zur Milttürstrafgerichtsordmmg undKichlerdtsziplinargesetz von demselben Tage........................................................ 860 GerichtsherrUche Drfugniffe der Kefehlshabrr der Marine................................................................... 897 Gesetz, betreffend dir milttärische Strafrechtspstege im Kiautschou-Gebiete................................. 401

Sachregister................................................................... 402

Uerzeichniß derjenigen Vorschriften deS bürgerlichen Rechts, welche theils wörtlich, theils mit mehr oder minder er­ heblichen Abweichungen in die M.Str.G.O. und das Einführungsgesetz übernommen sind. A.

GerichtSveriassungsgesetz §§. 75. 27 Nr. 2 §. 127 §. 187 §. 141 157 158-160 §. 17t) §. 173 6. 174 §■ 175 §. 176 §. 177 §§. 178-181 §• 185 §• 186 187 188 §• 190 §• 191 §. 192 §. 193 § 195 § 19G §. 197 §. 198

Militärstrafgerichtsordnung §. 63 80 85 §. 92 §. 11 EG. §. 12 E.G. §. 282 283 §. 284 §§. 285. 286 §. 288 §. 289 §. 290 §. 291 §. 115 116 117 §. 118 §. 119 120 §. 121 825 §. 320 §. 321 §. 322

XVIII

Parallelstelleu-Berzeichniß.

Reichsstrafprozetzordnung § 2 §. 22 §• 23 §• 24 §. 25 §§. 26 Abs. 3. 27 §. 28 Abs. 2. §■ 29 §. 30 §. 81 §. 84 §. 35 §. 87 §- 40 §§. 42. 43 44 §. 45 §. 46 8. 47 49 60 §. 61 §. 62 §. 53 §. 64 §. 65 §. 66 §. 67 §. 68 §§. 61—63 §. 64 §. 66 §. 66 §. 67

MMärstrafgerichtsordnurik §. 32 §. 122 §. 123 §. 124 §. 125 §§. 126. 128 §. 129 §. 133 §. 131 §. 132 §. 136 §§. 137. 140 §§. 189. 143 §• 145 §. 146 §. 147 §. 148 §. 149 §. 160 §. 207 §- 186 §. 187 §. 188 §. 189 §. 190 §. 191 §. 199 §. 200 §. 192 §. 197 §. 198 §. 195 §. 201 §. 193

Darallelstellen-VerzeichE

Reichsstrafpiozebordnung §. 68 §. 69 §. 70 §§. 72. 84 §- 73 §. 75 §. 76 §- 77 78 79 §. 80 §. 81 83 85 86 $?. 87 88-90 § 91 92 93 5. 94 §. 95 96 §. 97 §. 99 §?. 102-103 §. 104 105-107. 110 §. 108 109 §. 111 §. 112 §§. 114. 115 §. 116 §. 123

XIX

Mililürstrafgerichtsordnrmg §. 194 § 203 §. 205 208 6. 209 §■ 211 § 212 218 §. 214 5. 215 § 216 §. 217 §. 218 §. 221 §. 222 §§. 224. 225 §§. 226 227 §. 228 Lr. 219 §. 220 §. 229 §. 230 §. 281 §. 232 §. 232 §. 235 §. 236 6. 237 §. 240 § 241 §. 242 §. 176 §. 177 §. 178 §- 179

XX

Parallelstellen-ver-etchnib.

Reichsstrafprozetzordnuug

Mllitärstrafgerichtsordnumg

§. 127 §. 128 §. 130 8. 131 §. 132 §§. 138. 134 §. 136 § 137 8- 140 8. 141 §. 143 8 145 §. 146 §• 147 §. 148 §• 156 §. 157 § 158 Ms. 1 SS. 153 Ms. 2. 188 AIbs. 2 §. 159 8 168 Ms. 2 88. 169. 170 es. 171--174 8 172 8. 186 S 188 8. 191 8. 192 8 208 88. 21r. 276 8 217 88. 218. 219 8- 222 SS- 223. 224 s. 225

Z. 180 §. 181 §. 182 §. 183 §. 184 §. 172 §. 173 §. 337 §. 338 §. 339 §. 343 §. 346 § 340 §. 844 §. 345 §. 151 §. 154 Z. 156 §159 § 161 §. 246 §. 247 §. 248 §. 249 §. 164 §. 168 §. 165 §. 166 §. 253 §. 267 §. 268 §. 269 §. 270 §. 271 §• 273

ParallelstelleL-Berzeichrriß.

ReicchSstrafprozetzordmmg §. 226 § 227 228 §. 229 §. 230 §. 232 §. 233 §. 237 §§. 238—241 §. 242 §. 243 §. 244 §. 245 §. 246 §. 247 §■ 248 §. 249 §. 250 §. 251 §. 252 §. 253 §• 254 §. 255 §. 257 §. 258 Z. 259 §. 260 §. 261 §. 262 §. 263 §. 264 §. 265 §. 266 §. 267 §. 269

XXI

MMärstrafgerichtsord nung §. 274 §. 275 §. 276 §. 278 §. 279 §. 280 §. 281 §. 292 §. 293 §§. 294. 297 §. 298 §. 299 §. 300 §. 301 §. 802 §. 803 §. 804 §, 305 §. 806 §. 307 §. 808 §. 309 §. 310 §. 312 §. 313 §. 314 §. 315 §. 316 323 Z. 817 §. 818 §. 819 §. 826 §. 827 §. 329

XXII

Parallelstellen-Verzeichniß.

Reichsstrasprozetzordnung Militärstrafgerichtsordnung §. 270 §. 330 §. 271 §. 831 §. 332 §. 272 §. 333 §• 273 §. 274 §. 335 §. 336 §. 275 §. 356 §. 816 §§. 327. 328 §• 357 §. 329 358 §. 330 359 §§. 332. 333 360 §. 361 §. 834 L. 362 §. 385 §. 338 Abl. 1 e 365 367 §§. 338 Abs. 2. 348 §§. 389. 341 § 369 §. 842 § 370 §. 371 §. 344 5. 372 §. 845 §. 864 §. 846 §. 348 Abs. 2 §. 374 §. 349 §. 375 §. 350 §. 376 6. 377 §. 351 §. 355 §. 379 §§. 381. 883 §. 357 §. 382 §. 369 §. 385 §. 368 §. 864 §. 388 §. 365 §• 391 §. 366 §. 392 §. 367 §. 893 §. 868 §. 394 §. 369 §. 395 §. 370 §. 389

Parallelstellen-Verzeichniß. ReickhSstrafprozetzordnung §. 372 §. 374 §. 375 §. 376 §• 377 §. 378 §. 381 §. 383 §. 884 §. 887 §. 390 §. 391 §. 392 §. 393 §. 394 §. 397 §. 398 §. 399 §§. 400. 407 §. 401 §• 402 §. 403 §. 404 §. 4C6 §. 408 §. 409 §. 410 §. 411 §. 413 §. 447 §. 449 §. 450 §• 451 §. 482 §. 485 Abs. 2

XXIII

Militärstrafgerichtsordnung §. 896 §. 397 §. 402 §. 399 §. 400 §. 401 §. 398 §. 405 §. 403 §. 407 §. 408 §. 409 §. 410 §. 411 §. 412 §. 414 §. 415 §. 436 §. 443 437 §. 438 §■ 439 §. 440 §. 442 §. 444 §. 446 §• 446 §. 447 §. 448 §. 349 §§. 351. 352 §. 853 §. 854 §. 458 §. 452

XXIV

Parallelstellm-Berrrhuiß.

Reichsstrafprozeßordmwg §. 486 §. 487 §. 488 §. 490 §• 491 §. 492 §. 493 §. 495 §. 501

Mitärstrasgerichtsordmmg §. 454 §. 455 §. 456 4b4 §. 463 §• 461 §. 460 §. 462 §. 470 §. 471

Erster Theil.

Gerichtsverfassung. Erster Titel.

Umfang der MilitSrstrafgcrichtsbarkeit. 1. Der Militärstrasgcrichtsbarkcit sind, soweit nicht die folgenden Paragraphen ein Anderes be­ stimmen, wegen aller strafbaren Handlungen unter­ stellt: 1. die Militärpersoncn des aktiven Heeres und der aktiven Marines 2. die zur Disposition gestellten Offiziere, Sanitäts­ offiziere und Ingenieure des Soldatenstandcs;^ 3. dicStudirenden^ der Kaiser Wilhelms-Akademie für das militärärztliche Bildungsmesen: 4. die Schiffsjungen, solange siecingcschifft fhib;4 5. die in militärischen Anstalten versorgter: invaliden Offiziere und Mannschaften^ 6. die nicht zum Soldatenstande gehörigen Offiziere a la suite und Sanitätsoffiziere ü la suite, wenn und solange sie zu vorübergehender Dienstleisumg zugelassen find;6 Herz, Militürsrrafgerichtrorduung.

1

2

Militärstrasgerichtsordn

I. Theil. Gerichtsverfassung.

7. die verabschiedeten Offiziere, Sanitätsoffiziere und Ingenieure des Soldatenstandes, wenn und solange sic als solche oder als Militär­ beamte im aktiven Heere oder in der aktiven Marine vorübergebend wieder Verwendung findens 8. die in den 155, 157, 158, 166 des Militär­ strafgesetzbuchs bezeichneter! Personen, solange sie den Militärstrafgesetzen unterworfen sindl Begr. S. 62—72. KB. S. 3-32 1 Unter Militärpersonen des aktiven Heeres und der aktiven Marine sind die Personen des Soldatenstandes und die Militärbeamten zu verstehen, welche zum Heere oder zur Marine gehören 4 M.Str.G B. Anl. 1 zum M.Str.G.B §. 38 R.M.G. §§. 26, 80 Gei., betr. Aenderungen der Wehrpflicht vom 1. Februar 1888 R.G Bl. S. 11 und Art. 1, Art. 11 ibid. Verordnung betreuend die Klaffeneintheilung der Militärbeamten des Reichsheeres und der Marine vom 29. Juni 1880. RGBl. S. 169 ss. 2 Marine-Ingenieure und Torpedo Ingenieure. 3 Die Mehrer sind regelmäßig aktive Offiziere oder Offiziere z. D. Ihre Unterstellung unter die M.Str.G.O. ergiebt sich somit aus Nr. 1 und 2 4 cf. §. 32 M.O. und Bestimmungen nir die Aus­ bildung der Schiffsjungen vom 1. Dezember 1896. 5 Zu den „Mannschaften" gehören auch die Unter­ offiziere inkl. der Deckoffiziere. 6 cf. §. 2 Abs. 3 des Einführungsgesetzes zmn M.Str.G.B. Unter Offizieren und Sanitätsoffizieren a la suite sind diejenigen Offiziere a la suite der Armee oder eines Kontingents, sowie diejenigen Sanitätsoffiziere

1. Titel. Umsang der Militürstrasgerichtsbarkcit. §. 2.

3

ä la suite bco Sanitätskorps zu verstehen, welche nicht zum Soldatcnstande gehören. Sie unterscheiden sich da­ durch von den Offizieren ü la suite von Truppenteilen, gleichviel, ob sic in einer etatsmäftigen Stelle stehen oder ohne Kompetenzen nut' längere --Zeit beurlaubt sind. et. Begr. S. 64, 65. 7 Bei Besetzung der Kriegsgerichte und Oberkriegs^ gerichte, bei der Verfügung der Anklageerhebung und der Einstellung des Verfahrens ist der frühere Dienstrang und der ihnen zustehende Diensttitet massgebend, of. Begr. L. 65 Gerichtsherrliche Anständigkeit cf. §. 80. Bez. ihrer ehrengerichtlichen Stellung cf. A.CO. vom 27. 3uni 1890. Armee Ver Bl. S. 157.

2.1 Den bürgerlichen Behörden bleibt die Untersuchimg undErttscheidung wegen Zuwiderhandlungeti^ gegen Finanz- undPolizeigcsctze? Jagd- und Fischereigesetzt, sowie gegen Verordnungen dieses Inhalts überlassen, wenn die Handlung nur mit Geldstrafe* ltnb Einziehung oder mit einer dieser Strafen be­ droht ist. Der Vollzug der an die Stelle der Oklbstrafe tretenden Freiheitsstrafe ist mittelst ErsllchenS der Militärbehörde^ zu bewirken. War die Geld­ strafe wegen Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle durch Strafbescheid der Verwaltungsbehörde fest­ gesetzt, so erfolgt die Umwandlung in eine Freiheits­ strafe durch den zuständigen Gerichtsherrn nach Maß­ gabe des 463. 1 Seitens des Reichstages eingefügte Ausnahme von der in 1 enthaltenen Regel. K.B. S. 7. 1*

1 Militärstrafgerichtsordn.

1. Theil. Gerichlöverfafsung.

2 Alle Zuwiderhandlungen, also auch solche, welche sich als Vergehen charakterinren 3 der Inhalt des Polizeigesetzes zugleich als militärischer Befehl in Dienstsachen erlassen, so stellt sich die Uedertretung als Ungehorsam im Sinne bcr §§. 92 ff. M.Str G B. dar. Derselbe ist — soweit nicht nach §. 3 des Einf.-Ges. zum M Srr.G.B. disziplinäre Ahndung eintritt — in den Formen der M.Str.G.D zur Ad urtheilung zu dringen. Als Ausnahme von der allge­ meinen Regel ist übrigens die Bestimmung des §. 2, ein­ schränkend anszulegen Lo ist z. B. die auf Grund internationaler Vereinbarung erlassene Verordnung vom 9. Mai 1897 zur Verhütung deS Zusammenstoftcs von Schiffen aus See als Polizeigesetz tut Sinne des §. 2 nicht anzusehen. Die Handhabung Seiner Majestät Schist'e trägt immer einen militärischen Charakter, welcher mit der Landespolizei nichts zu thun hat. In gleichem Sinne ist in einem Spezialfalle von maftgedender Stelle der $. 3 der Preu ft. M.Str.G.D vom 3. April 1845, welchem §. 2 der neuen M.Str.G.D entspricht, ausgelegt worden. 4 Die Zuständigkeit der bürgerlichen Behörden wird dadurch nicht ausgeschlossen, daft für den Unverntögenssall eine Freiheitsstrafe angcdroht ist. Die Aenderung der Strafandrohung zieht gegebenen Falls ohne Weiteres die militärgerichtliche Zuständigkeit nach sich. cf. W. S. 7. 5 Es ist dies der zuständige Gerichtsherr. Ausf.-Kest. A. u. M. Für den Vollzug der an die Stelle der Geldstrafe tretenden Freiheitsstrafe ist, wenn es sich um eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen handelt (vergleiche §.16 der Militärstrafgerichtsordnung), der Gerichtsherr der niederen, sonst der der höheren Gerichtsbarkeit zuständig.

3.1 Der bürgerlichen Strafgerichtsbarkeit unter­ liegen Oie Militärpersonen des aktiven Heeres und

1. Titel. Umfang b. Militärftrasgerichtsbarkeit. §§. 3,4.

5

der aktiven Marine, sofern sie nicht dem Offizier­ stand angehören, wegen Amtsverbrechen oder AmtSvergehen,? welche sie bei einstweiliger Verwendung im Civildienstc des Reichs, eines Bundesstaats oder einer Kommune begangen haben. In diesen Fällen greift die Militärstrafgerichts­ barkeit Platz, wenn mit der Handlung chic Zuwider­ handlung gegen die Militärstrafgesetze zusammentrifft. 1 Aom Reichstage beschlossene Ausnahme von der Regel des §. 1. .^l.B. L. 9. 2 cf. Tl). II 'Jlbirtpi. 28 RLtr.G.B. H. u. W. den fallen des §. 3 Absatz 2 Imt der Gerichtsberr, der die Aollsueckung der Freiyeitsslrase anordnet 451; den Zeitpunkt des Ltrasamritts der gmachst vorgesetzten (5ivilbel)örde des Beüraiten ungesäuntt mit »uttieilvn.

4 1 Haben sich bei einer Zuwiderhandlung gegen die allgemeinen Strafgesetze mehrere Personen, von welchen die eine der militärischen, die andere der bürgerlichen Gerichtsbarkeit unterstellt ist, als Thäters Theilnehmer? Begünstiger* oder Hehler^ betheiligt, oder find zwischen solchen einer verschiedenen Ge­ richtsbarkeit unterstellten Personen wechselseitige Be­ leidigungen b oder KvrperverletzungenO vorgekommen, so kann die betheiligte Militärperson dem bürger­ lichen Gerichte zur Untersuchung und Aburtheilung des Falles übergeben werden. 1 fakultative, vom Reichstage beschlossene Aus­ nahme von der Regel des §. 1. K.B. S. 12.

G

Militärstrafgerichtdordn. I. Theil. 61erichtSversassung.

2 Wenn §. 4 von „Thätern" spricht, so können nur solche Fälle gemeint sein, wo der Thatbestand einer straf­ baren Handlung durch die Thätigkeit mehrerer Personen, die sämmtlich mit dem Thälerwillen, aber nicht in be wustt gewolltem Zusammenwirken handeln, verwirklicht wird. Der „Mitthäter" fällt unter den Begriff des Theilnehmcrs. cf. A. 3 zu diesem Paragraph und 66 :st'.Ltr.^.B. putsch, des :)i.Ctf. vom 19. De;eniber 1893. Bd. XXV. 2. 17 :t cf. §§. 47 ff. 9r.2tr.H.B. * cf. §§. 267 ff. P.Ltr.G.B. •'» cf. 186 n. N Ltr.G.B. ö cf. §§. 223 ff. :)i.Ltr (tt B.

5. Der unterstellt:

Militärstrafgerichtsbarkcit

sind

ferner

1. die Personen des lkurfaubtciiftaHt)C51 und die denselben gesetzlich gleichstehendcn Personen3 wegen Zuwiderhandlungen gegen die auf sie Anwendung findenden Vorschriften3 der Militär­ strafgesetze ;

2. die demBeurlaubtenstand angehvrcnden Offiziere, Sanitätsoffiziere und Ingenieure des Soldaten­ standes wegen Zweikampfs mittödtlichen SBoffcn, wegen Herausforderung oder Annahnte einer Herausforderung zu einem solchen Zweikainpf und wegen Kartelltragens;♦

3. die im 1 Nr. 6 bezeichneten Personen, auch wenn sie nicht zur Dienstleistung zugelassen sind, wegen der in der Militärunisoxm begangenen

I. Titel. Umfang d. Militärstrafgerichlsvarkeit. §. 5—7.

7

Zuwiderhandlungen gegen die militärische Unter­ ordnung ;5 4. Ausländer und Deutsche wegen der in den 88- 160, 161 des Militärstrafgesetzbuchs be­ zeichneten strafbaren Handlungen.^ 1 § 15 des Wchrgesetzcs. §. 66 R.M.G. Art. II §. 11 des Gei. betr. Aenderungen der Wehrpflicht vom II. Februar 1888 R G Bl. S. 11. §. 109 Nr. 4 der Wehrordnung. 2 Art. 11 26, 80 des Ges. vom 11. Febr. 1882. cf. §§. 6, 10 Abs. 2, 42 Abs. 2, 64 ff., 81 ff., 101, 113, 126 M Ltr.G.B., §. 60 Nr. 3 R MG 4 cf. §§. 201 n. R.LtrG.B. 5 ltonseauenz von 2 Abs. 3 des (Lins -Ges. zum M Ltr.G.B " cf. §. 80 A. 1.

6. Die Militärpersonen des aktiven Heeres und der aktiven Marine1 sind, soweit nicht die folgenden Paragraphen ein Anderes bestimmen, auch wegen der vor dem Diensteintritte2 begangenen strafbaren Handlungen der Militärstrafgenchtsbarkeit unterstellt. 1 cf. 8 1 Nr. 1. 2 D. h. vor dem Zeitpunkte der Zugehörigkeit aktiven Heer oder der aktiven Marine.

zum

7.1 Die zur Erfüllung ihrer gesetzlichen oder freitvillig übernommenen Dienstpflicht in das Heer oder in die Marine eingestellten Militärpersonen treten wegen einer vor dem Diensteintritte begangenen Zutviderhandlung gegen die allgemeinen Strafgesetze nicht unter die Militärstrafgerichtsbarkeit:

8

Militärstrafgerichtsordn. I Theil.

Gerichtsverfassung.

1. wenn vor dem Diensteintritte wegen der Zu­ widerhandlung ein vcrurtheilendcs oder frei­ sprechendes Urtheil ergangen oder ein Straf­ befehl 2 zugestellt war, 2. wenn die Entlassung aus dem aktiven Dienste erfolgt,' die Entlassung^ findet statt, wenn eine Verurtheilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen oder im Falle der Verurtheilung szu einer Geldstrafe die Vollstreckung eitler cm Stelle derselben tretenden Freiheits­ strafe voll gleicher Dauer zu erwarten ist> War vor denl Diensteintritte die Eröfftlung des Hauptversahrens bereits beschlossen, so must, sofern die Entlassung llicht erfolgt, in der Sache militärgerichtlich ersannt werden. 1 §§• 7—9 enthalten Ausnahmen von der Regel des §. 6. — §. 7 bezicht sich nicht auf die im Heere mib in der Marine angestellten Offiziere, Sanitätsoffiziere, Militär beamten und Fähnriche. cf. W. S. 15. 2 cf. §. 447 R.Str.P O. Ge richtlicher Strafbefehl. 3 cf §. 18 R MG. Die Einstellung solcher Ange­ klagten in das Heer ist untersagt. 4 Der mit der höheren Gerichtsbarkeit betraute Be­ fehlshaber hat die Entlassung dann bei dem kommandirenden General zu beantragen, wenn imdi seiner Ansicht in dem Einzclfallc eine höhere Strafe zu erwarten ist. Wird die Erttlasfung nicht verfügt, hält aber anderseits das Militärgericht eine, die hier angegebenen Strafgrcnzen überschreitende Strafe für angemessen, so ist nach §. 330 Abs. 1 zu verfahren. In der Marine wird die Ent lassung durch den zuständigen Stationschcf verfügt. A.E O. Vom 19. März 1891. M V Bl. S. 42.

1. Titel. Umfang derMilitarstrasgerichtsbarkeit. §§. 8,9.

9

Die Bestimmungen des §. 7 finden auf die bis zur Entscheidung über ihr ferneres Militär-verhältniß zur Disposition der Ersatzbehörden entlassenen und später von Neuem für den aktiven Dienst ansgchobenen Mannschaften wegen der vor der Wieder­ einziehung begangenen Zlnviderhandlungcn gegen die allgemeinen Strafgesetze entsprechende Anwen­ dung. 1 cf. §. 55 N M 6). §. 82 Nr. 5 c der Wehrordnung.

9. Die zürn Dienste einberufenen Personen des Beurlaubtenstandes und die denselben gesetzlich gleichstchenden Personell treten wegen der Zuwiderhattd-

lullgen, die sic vor dem Tage, zu welchem sie einbernfen sind, gegen die allgemeinen Strafgesetze be­ gangen haben, nicht unter die Militärstrafgerichts­ barkeit. Während der Dauer der DienstleisUmg darf jedoch ohne Zustimmung 2 der Militärbehörden die Untersuchungshaft nicht verfügt, auch eine Hauptverhandlung nur abgehalten werden, wenn der An­ geklagte von der Verpflichtung, in derselben zu er­ scheinen, entbunden ist? Wegen einer während der Dienstleistung be­ gangenen strafbaren Handlung körnten die im Ab­ satz 1 bezeichneten Personen den bürgerlichen Ge­ richten übergeben werden, sofern lediglich eine Zuwiderhattdluttg gegen die allgemeinen Strafgesetze in Frage steht. 1 cf. §. 5 A. 1. 2.

10

Militärstrasgerichtsordn. I. Theil. Gerichtsverfassung.

2 Es ist selbstverständlich, dah mit der Ertheilung der Zustimmung zur Verhängung der Untersuchungshaft die Entlassung aus dem aktiven Dienste einzutreten hat. cf. Begr S. 71 und Ausf.Best. 3 Für die Dauer einer hiernach erforderlich werdenden Aussetzung des Verfahrens ruht die Verjährung der Straf Verfolgung. of. Ges. vom 26. Mürz 1893. N.G.Bl. S. 133. Ausf.-Krst. A. U. M. Die in den Fällen des §. 9 Abs. 1 erforderliche Zustimmung der Militärbehörde zur Verhängung der Untersuchungshast bleibt dem zuständigen Gerichtsherrn der höheren Gerichtsbarkeit vorbehalten. Im Falte der Zustimmung ist die Entlassung des zu Verhaftenden aus dem aktiven Dienste herbeizuführen.

10.l Durch die Beendigung2 des die Militärstrafgerichtsbarkeit begründeten Verhältnisses wird hin sichtlich der vorher begangetlen strafbaren Handlungen die Zuställdigkeit der Militärgerichte nicht aufgehoben. Sie hört jedoch auf in Ansehung solcher gegen die allgemeinen Strafgesetze begangenen Zmviderhmldlungen, tvelche mit einem militärischen Ver­ brechen oder Vergehen nicht zusaultnentreffell, es sei beim, daß bereits die Anklage erhoben (vgl. §. 258) oder eine Sirasverfügung des Gerichtsherrn lvgl. 8- 349) zugestellt war. 1 Die Militärstrafgcrichtsbarkeit ist nach Entlassung des Verdächtigen zuständig: a) soweit militärische Verbrechen oder Vergehen zu ahnden sind; b) soweit solche ideell oder real mit bürgerlichen Straft thaten konkurriren;

2. Titel. Umfang d. Militärstrafgertchtsbarkeit. §§. 10,11. 11 o) wenn Anklage erhoben oder eine Strafverfügung zugestellt ist. 2 Während schwebender militärgerichtlicherUntersuchung darf der Beschuldigte selbst dann nicht entlassen werden, wenn seine aktive Dienstzeit beendet ist; nur dann, wenn in Gemässheit des §. 10 Abs. 2 die Militärstrafgerichtsbarkcit aufhört, ist der Angeschuldigtc — bei Abgabe der Untersuchung an die Civilbehörden — nach Beendigtlng der aktiven Dienstzeit zu entlassen. Ist der Angeschuldigtc verhaftet, so empfiehlt es sich, rechtzeitig vor Entlassung aus dein aktiven Dienst die zuständige Eivilbehörde von dem Sachverhalt in Kenntniss zu setzen, damit letztere ihrerseits die erforderlichen Massnahmen behuw Herbeiführung eines civilrichterlichen Haftbefehls 311 treffen vermag. Bon Seiten der Preussischen Armee-Verwaltung ist in einem Spczialialle dahin Stellung genommen, dass — im Gegensatz zu der vorstehenden Auffassung — deut Ange­ schuldigten , welcher seine Dienstzeit beendet hat, die geforderte Entlassung mit dem aktiven Dienst nicht ver­ sagt werden dars.

11 Macht sich eine der int §. 1 Nr. 1 bezeich­ neten Personen innerhalb eines Jahres nach Becndigung des die Militärstrafgerichtsbarkeit begründendeu Verhältnisses wegen' der ihr während der Dienstzeit widerfahrenen Behandlung einer Be­ leidigung,2 Körperverletzung2 oder Herausforderung zurrt Zweikampfe2 gegenüber einem früheren nrilitärischen, kroch im aktiven Dierlste befindlichen Vor­ gesetzten schuldig, so ist wegen dieser strafbaren Handhui0cii und, wenn der Zweikampf staitgefunden hat, auch diescrhalb die Militärstrafgerichtsbarkeit be­ gründet.

12

Militarstrasgerichtsordn. I Theil. Gerichtsverfassung.

Wegen Beleidigung ist die Militärstrafgerichts­ barkeit nur dann begründet, wenn sie im Verkehr3 mit dem früheren Vorgesetzten4 oder mit einer Mili­ tärbehörde begangen worden ist. 1 Es ist hiernach der Nachweis erforderlich, das; ein Kausalnexus zwischen der Strcnthat und der während der Dienstzeit dein Beschuldigten widerfahrenen Behandlung vorliegt. cf. §. 30 bezüglich der gerichtSherrlichcn Zuständigkeit 3 Materiell in aus Grund des NStr.G.B., nicht des M.Str.G.B zu erkennen. 3 Oefsentliche Kritik wilitärischer Vorkommnisse in der Presse, auch die beleidigende Kritik, füllt nicht unter §. 11. Soweit der Thatbestand einer strafbaren Handlung in einer Pres;üns;erung liegt, in sie lediglich Gegenstand der Abunheilung durch das Eivilgcricht, auch rocmi der Ver sasser eines solchen Artikels eine a»is dem Dienn entlassene Ntilitärperson ist. cf. Stenographischer Sitz.Bcr. S. 2116. Weigel §. II A. 4. 4 Der „Vorgesetzte" nun; zu den; Thaler in uumiNel baren dienstlichen Beziehungen gestanden haben, cf. W. S. 19.

Zweiter Titel.

Ausübnng der Militürstrasgerichtsbarkeit. Erster Abschnitts 1 Begr. L. 47—56, 73 fs

K.B. S. 22—29.

Allgemeine Bestimmungen.

12. Die Militärstrafgerichtsbarkeit wird durch die Gerichtsherren und durch die erkennenden Gerichte3 ausgeübt.

2. Ttt. Ausübung der MilitärstrafgerichtSbarkcit. tz. 12.

13

1 Nach §§. 12 ff. steht die Ausübung der Gerichts­ barkeit den Gerichtsherren und den erkennenden Ge­ richten zu. Die Stellung der Gerichtsherren entspricht im Wesent­ lichen den Vorschriften der Pr. M.Str.G.O. Nur das Bestätigungsrecht - §. 416 A. 2 hat in dem neuen Verfahren seine frühere Bedeutung — Pr. M.Str.G.O. §§. 165 ft — verloren. Die Befugniffe der Gerichtoherren stehen in engem Zusammenhang mit seiner Kommandogewalt. Sie sind ein Ausfluß der Vettere« und finden in ihr die Be­ grenzung. Die Thätigkeit der Gcrichtsherren liegt auf dem Ge­ biete der Strafverfolgung, des Ermittelungsverfahrens und der Strafvollstreckung. Die thatsächliche Führung der Untersuchung und die Vertretung der Anklage liegt in den Händen des GerichtSofnzierö — für das standgerichtliche Verfahren - und in den Händen des richterlichen Militärjustizbeautten — für das kriegsgerichtliche Verfahren. Beide dienen als Organe des Gerichtsherrn und müssen seinen Anordnungen Folge leisten. Sie übernehmen durch Mitzeichnung der Verfügungen die Mitverantwortlichkeit für die Gesetzlichkeit. Differenzen entscheidet das Obcrkriegsgericht. 2 Die erkennenden Gerichte find bei der niederen Gerichtsbarkeit in zwei, bei der höheren in drei Instanzen gegliedert. Bei der niederen Gerichtsbarkeit: Erste Instanz: Standgericht; Berufungsinstanz: Kriegsgericht. Bei der höheren Gerichtsbarkeit: Erste Instanz: Kriegsgericht; BenlfungSinstanz: Oberkriegsgericht; Revisionsinstanz: Reichsmilitärgericht. Ausnahme: Feld- und Bordgerichte §§. 419—485.

14

Militärstrafgerichtsordn. I. Theil. GerichtSverfassllng.

13. Gerichtsherren im Sinne dieses Gesetzes sind die Befehlshaber, welchen die niedere oder die höhere Gerichtsbarkeit nach Maßgabe dieses Gesetzes zusteht. Den Gcrichtsherreil der niederen Gerichtsbarkeit stehen Gcrichtsoffiziere zur Seite. Den Gerichtsberren der höheren Gerichtsbarkeit wird die erforderliche Zahl von richterlichen Militär justizbeamten (Kriegsgerichtsräthc, Oberkricgsgcrichtsräthest zugeordnet. 1 cf. §§. 98 -102.

14. Die niedere Gerichtsbarkeit erstreckt sich nur auf Personell, welche nicht Offizierrang haben.' 1 cf. §§. 45 n. und §. 16 A

3

15. Die niedere Gerichtsbarkeit umfaßt: 1. die nur mit Arrest bedrohten' militärischen Ver­ gehen2. die Uebertretungen - 2 Der höheren Gerichtsbarkeit bleiben jedoch die­ jenigen Fälle vorbehaltell, in denen die Derhängilng einer Ehrenstrafc zu erwarten steht. Im Felde ruld an Bord^ findet die Bcstimnlung des Absatzes 2 hinsichtlich der Versetzung in die zlveite Klasse des Soldatenstandes keine Allwendring. 1 cf. §§.89 Abs. 1, 90, 92, 141 Abs. 1, 146 Latz 1, 152 Abs. 2, M.Str.G.B. 2 §. 1 Abs. 3 R.Str.Ä.B. DaS Militär-Str.G.B. kennt keine Uebertretungen. 3 Nur kriminell strafbare Handlungen können ge­ richtlich geahndet werden. Disziplinar- und Ordnungs

L.Til.Ausübg. d. Militärstrasgerichtsbarkeit. §§. 13—16. 15

strafen werden durch Verfügung des Gerichtsherrn fest­ gesetzt. cf. §. 19 Einf.-Ges. zur M.Str.G.O. 4 cf. §ä- 6, 6 des Einf.-Ges. zur M.Str.G.O. Die Bord- und Feldstandgerichtc können nicht auf Degradation, die anderen Standgerichte auch nicht auf Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes erkennen.

16. Der niederen Gerichtsbarkeit bleiben außer­ dem Liberlassen, sofern nach dem Ermessen des Geridbtöbernt1 neben einer etwaigen Einziehung keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen oder Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark, allein oder in Verbindung miteinander, zir erwarten steht: 1. die Vergehet: gegen die 64, 65, 89, 91 Ab­ satz 1, §§. 93, 94, 102, 121 Absatz 1, §§. 137, 151 des Militärstrafgesetzbuchs, im Felde und an Sorb2 alle militärischen Ver­ gehet:, bei denen Arreftstrafe auch ohne Feststellu::g eines minder schweren Falles zttlässtg tft;:L4 2. die in dem Borgen von Geld oder in der An­ nahme von Geschenken ohne Vorwissen des gemeinschaftlichen Vorgesetzten bestehenden Ver­ gehen gegen $ 114 des Militärstrafgesetzbuchs; 3. die Vergehen gegen die §§. 123, 185, 223, 230, 241, 291, 298, 303 des bürgerlichen Strafgesetz­ buchs, int Felde und an Bord außerdem die Ver­ gehen gegen die §§. 113, 242, 246, 292, 293, 296, 299, 304 desselben Strafgesetzbuchs-

16

Militärstrafgerichtsordn. I. Theil. Gerichtsverfassung.

4. die Zuwiderhandlungen gegen die §§. 81, 83, 84, 86 der Seemannsordnung vom 27. Dezember 1872; 5. die Zuwiderhandlungen gegen die Forst- mib Feldpolizeigesetze, sowie gegen die Holz--(Forst-) Diebstahlsgesetze. Die Bestimmungen des §. 15 Absatz 2 und 3 finden Anwendung. 1 Der niederen Gerichtsbarkeit. 2 cf. §§. 5, 6 Einf.Gcs. zur M.Str.G.O. 3 Im Felde und a» Bord kommen hiernach außer den in Nr. 1 Satz 1 erwähnten Straftaten noch Ver­ stöße gegen die §§. 77 Satz 1, 79, 83, 87, 101, 104, 116, 117, 120, 128, 132 Satz 1, 138 Abs. 1, 141 Abs. 1 Satz 2. 142, 144, 146 Satz 2, 147, 148 Satz 1, 162 Abs. 1 M.Str.G.B. in Betracht. 4 Wenn Kriegsgefangene mit Offizierrang beschuldigt find, können auch Vergehen gegen §. 80 M.Str.G.B. standgerichtlich erledigt werden, da Kriegsgefangene in prozcfiualcr Beziehung — soweit nicht der Kaiser eine abändcrnde Bestimmung erläßt — den „Civilpersonell" gleichstchen. cf. Begr. S. 76. §. 67 Abs. 3 dieses Ges §. 3 des Cinf.-Ges. zur M.Str.G.O. §. 168 M.Str.G.B. enthält materielles Strafrecht.

17. Die höhere1 Gerichtsbarkeit erstreckt sich auf alle unter Militärstrafgerichtsbarkeit stehende Pcrsonen und umfaßt ciDc3 strafbaren Handlungen. 1 cf. §§. 49—70, namentlich § 68. 2 Durch die höhere Gerichtsbarkeit wird umfaßt.

die niedere

18. Die erkennenden Gerichte sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.

2. Tit. Ausübg. d. Militärstrafgerichtsbarkeit.tzZ. 17 —19. 17

Die erkennenden Gerichte sind die Standgerichtes die Kriegsgerichtes die Oberkriegsgerichtl? und das Reichsmilitärgericht> Die Standgerichte, die Kriegsgerichte und die Oberkriegsgerichte treten mir auf Berufung des Ge­ richtsherrn und nur für den einzelnen Fall zusammen.^ Ist der Angeklagte ein General, so erfolgt die Berufrmg durch den zuständigen Kontingentsherrn, im Felde durch den Kaiser Hinsichtlich der Admirale, sowie der Generale der Marine erfolgt die Berufrmg stets durch den Kaiser. 1 §§. 38—48. 3 §§. 65—70.

2 §§. 49—64. * §§. 71—92.

5 §. 261.

Zweiter Abschnitt l «erichtSherr.2 1 W L. 76—88. K B S. 29—81. 2 §§• 19—37 enthalten die Borschristen über die Verleihung der Gerichtsbarkeit an die Befehlshaber. Die Auszählung der letzteren in nicht erschöpfend. Eine ge seyliche Uebertragung der (Gerichtsbarkeit konnte nur an diejenigen Uonnnandoinbaber erfolgen, welchen nach der gegenwärtigen Organisation militärische Verbände von größerer Bedeutung und entsprechender Stetigkeit untersteNt und. 3m Uebrigen muhte es dem Verordnungs­ wege vorbehalten bleiben, die Gerichtsbarkeit dem jeweiligen Bedürfnisse entsprechend zu regeln, cf. §. 87.

19. Gerichtsherren der niederen Gerichtsbarkeit sind: 1 im Heere: der Regimentskommandeur, derKommandeur eines sclbständigenBataillons, Her,,, MilitärstralüerichtSordnung. 2

18

Militärstrasgerichtsordn. I. Theil. Gerichtsverfassung,

der Kommandeur eines Landwehrbezirks,* der Kommandant von Berlin, der Kommandant einer kleinen Festung^ 2. in der Marine: der Kommandeur einer Matrosen- oder WerftDiviston, der Kommandeur eines selbständigen Bataillons oder einer selbständigen Abtheilung^ 1 Auch über die Mannschaften deS BcurlaubtenstandeS. cf. §. 6. 3 Die Bestimmung darüber, welche Festung als eine „kleine" und welche als eine „große" — §. 20 Nr. 1 — zu erachten ist, steht der Militärverwaltung zu. ok.A.C.O. vom 81. Dezember 1888. A.D.Bl.1889 S.b. * Die Seebatatllone, Torpedo-Abtheilungen, ArtillerieAbthcilungen. Ausf.-Sest. H. Als eine „große Festung" ist die­ jenige anzusehen, deren Kommandant mindestens das Gehalt eines Brigadekommandeurs bezicht.

2V. Gerichtsherren der höherer: Gerichtsbarkeit sind:

1. im Heere: kommandirende General, Divisionskommandeur, Gouverneur von Berlin, Gouverneur oder Konnnaudant einer großen* Festung,3 sowie der Gouverneur, Kommandant oder sonstige Befehlshaber eines in Kriegszustand (Belagerungszustand) erklärten Ortes oder Distrikts: der der der der

Tit.2. Ausübg. d. MilitärstrafgcrichtSbarkeit. §§. 20 —28. 19

2 in der Marine: der konnnandirende Admiral, der Chef einer heimischen Marinestation.8 1 cf. §. 19 A 2. 2 cf. Ausf.Beft. zu §. 19 8 Marinestation der Nordsee — Wilhelmshaven. der Ostsee — Mel An die Stelle des kommandirenden Admirals sind jetzt die Chefs der selbständigen Kommandobehörden ge­ treten. cf. Ausf.Beft. zu §. 6 des E G.

21. Hinsichtlich der Generale, welche nicht unter dem Befehl eines Divisionskommandeurs oder eines anderen dem konnnandirenden General unterstellten Gerichtsherrn stehen, bestimmt der zuständige Kon­ tingentsherr. * im Felde der Kaiser, diejenigen Be­ fehlshaber, welche die gerichtsherrlichen Befugnisse in erster oder höherer Instanz auszuiiben haben. Hin­ sichtlich der Admirale, sowie der Generale der Marine erfolgt diese Bestimmung in den entsprechcnden Fällen stets durch den Kaiser. 1 cf. §. 4 des Gins. Wei.

22. Hat eine Festung mehrere Kommandanten, so steht die höhere Gerichtsbarkeit dem ersten Kommandanten (Gouverneur), die niedere Gcrichtsbarkeitl dem zweiten Kornmandanten zu 1 Der erste Kommandant kommt für diese Fälle nur als GerichtSherr der Berufungsinstanz in Betracht, cf. Begr. S. 78.

23. Im Verhinderungsfälle gehen die Befugnisse des Gerichtsherrn auf den Stellvertreter im

2*

20

Militärstrasgerichtsordu. I. Theil. Gerichtsverfassung.

Kommando! über. Diese Bestimmung findet in den Fällen des §. 21 keine Anwendung.? 1 Nur der unbeschränkte Stellvertreter im .Uontmanbo — also nicht der Ches des Stabes oder der Adjutant des Bezirkskommandos — ist für die Wahrnehmung der gcrichtsberrlichen Befugnisse zuständig, cf. §. 135. 2 C\n den Fällen des §. 21 beruht die Gerichts­ herrlichkeit auf persönlicher Berleihung.

24. Der böhcre Gcrichtsherr ist befugt, bcii lhm untergebenen Gcrichtsherrn anzllwcisen, eine Nntersuchrlng einznleitetl oder sortzttsehen,' sowie ein Rechts­ mittel einzulegen oder zurisickzunehmen Im Nebrigen darf er in den Gang einer eingeleitcten Nntersllchung nicht eingreifetl. 1 Der habere Gcrichtsherr ist 31t der Anweisung, eine Untersuchung ein zu stell en, nicht befugt, cf. Bcgr S. 78.

25. Der Gcrichtsherr hat die Gerichtsbarkeit über die zu seinem Befehlsbereiche gehörenden Personen. 26. Der Gouverneur utib der Kommandant von Berlin, sowie die Gouverneure und Kommandanten von Festwlgen haben innerhalb der im §. 19 Nr. 1, 20 Nr. 1, 22 bestimmten Grenzet: die Gerichts­ barkeit über alle' ipücr Militärstrafgerichtsbarkeit stehende Personen, welche 1 eine strafbare Handlung gegen die allgemeine Sicherheit, Ruhe und Ordnung des Ortes,? 2. eine Zltmiderhalldlltng gegen eine besondere ht Beziehung auf die Festungswerke und Verthcidigmlgsmittel bestehende Anordnung,

2. Tit. AuSübg. d. MilitSrslrafgcrichtSbarkeit. §§. 24—28. 21 3. eine strafbare Handlung im Gannsondienstc begehen. 1 Die Gerichtsbarkeit der Fesinngskommandanten — Gouverneure — umfaßt nicht nur die ihnen perföitlirf) unterstellten, sondent auch andere, der Militärstrafgerichts barleit unterworfene Personen, sofern solche die tut §. 26 erwähnten Strashandlnngen begehen, cf. auch §. 30. Die Gerichtsbarkeit ist eine ausschließliche. Ausahme: §§. 38 Abs. 1, 34, 36. 3 Nicht jeder Straßenunnlg, jede Wirthshausschlägerci, an welcher Militürperionen theilgenommen baben, unter fällt der Gerichtsbarkeit des Kommandanten. Diese Gerichts­ barkeit tritt vielmehr nur bei denjenigen Ausschreitungen ein, welche sich als Störung des allgemeinen, örtlichen Nechtsfriedens darstellen und geeignet sind, bei den Orts bewohnern überhaupt oder doch bei einem größeren Theile derselben das Gefühl der Nechtsnnncherhcit hcrvorzurusett und die ttnter Umständett eine umfangreichere und gesteigerte Thätigkeit der zur Aufrechterhaltung der öffent­ lichen Ordnung berufenen Organe erfordern. cf.Begr. 3.80.

27. Der Gouverneur, Konlmandant oder sonstige Befehlshaber eines in Kriegszustand (Belagcrungszustand)l erklärten Lrtes oder Distrikts hat die Ge­ richtsbarkeit (§. 20) über alle zur Besatzung gehörettde Militärpersotten. 1 cf. §. 7 der Pr. Ges. vom 4. Juni 1861 Ges. S. 451 ff. über den Belagerungszustand und Art. 68 der Neichöverfasfung.

28. Detachirte Theile eines militärischen Ver­ bandes können für die Dauer der Detachirung der Gerichtsharkeit eines anderen Gerichtsherrn unter­ stellt tverden.l

22

MilitärftrasgerichtSordn. I. Theil. Gerichtsverfassung.

1 Die Unterstellung erfolgt im Verordnungswege, cf. §. 37 dieses Gesetzes und §. 7 des Einf.-Ges. Die sonstigen Bcfehlsbesugnisse bleiben unberührt. Auss.Kest. A. Erfolgt in Friedenszeiten innerhalb eines Armeekorpsbereichs eine Detachirung, welche eine Nebertragung der gerichtsherrlichen Befugnisse wünschenswerth macht, so hat der konnnandirendc General durch das Kriegsminisierium Meine Entscheidung herbcizuführen. Ausf.Dest. W. In der Marine hat der Chef der selbständigen Kommandobehörde (Ausf. Best. zu §. 6 E G.) durch den Reichskanzler (Rcichs-Marine-Amt) die Ent­ scheidung des Kaisers herbeizufnhren.

29. Einem nnlitärifcfjen1 Verbände vorüber­ gehend überwiesene Personen sind für die Dauer der Ucberweisung2 hinsichtlich oer Gerichtsbarkeit taut Gerichtshcrrn dieses Verbandes unterstellt. 1 3 B Kriegs- und Marineakademie; Militär-ReitInstitut; Militür-Turn-Anstalt; Schiebschulen. 2 Wird der Beschuldigte vor Erhebung der Anklage oder der Zustellung der Strafverfügung seinem Truppentheile zurücküberwiesen, so regelt sich die Zuständigkeit nach §. 259. Ausf. Drft. A. «. M. Gehören der Beschuldigte und der militärische Verband, dem er überwiesen ist, ver­ schiedenen selbständigen Kontingenten an, so hat der Gcrichtshcrr vor Verfügung der Anklage oder vor Erlaß einer Strafverfügung bei der Stelle, welche die Ueberweisung verfügt hat, die Entscheidung über Fortdauer­ oder Zurücknahme der Neberweisung (vergleiche §. 259) herbeizusühren. Diese Bestimmung findet auf die Angehörigen der Marine sinngemäße Anwendung.

30. Unter Militärstrafgerichtsbarkeit stehende Personen^ für welche ein Gerichtsherr nicht aus-

2. Tit. Ausübg. d. Militärstrasgerichtsbarkeit. §§.29—31. 23

drücklich bestimmt ist, sind der Gerichtsbarkeit des Divisionskommandeurs unterstellt, in dessen Bezirke sie sich befinden oder die That verübt haben. In Berlin, sowie in Festungen tritt die Zuständigkeit der Gouverneure oder Kommandanten, im Bereiche der heimischen Marillestationen die der Chefs dieser Stationen ein. Unter mehreren zuständigen Gerichtsherren hat derjenige den Vorzug, welcher der: Beschuldigtell verhaftet oder zuerst das Ermittelungsoerfahren an­ geordnet hat.2 1 Diese Bestimmung kommt namentlich in den Fällen der §. 1 Nr. 7; §. 5 Nr. 4; §§. 10, 11 in Betracht. Die in Berlin garnisonirenden Marinepersonen gehören hiernach zu der Zuständigkeit des Gouverneurs von Berlin. 2 Eine anderweitige Vereinbarung seitens der Gerichts­ herren ist nicht ausgeschlossen, cf. Begr. S. 82. Ausf.-Kest. A. n. M. Der „Bezirk des Divisions­ kommandeurs" umfaßt die Aushebungsbezirke der ihm unterstellten Brigaden.

3U Von dem kommandirenden General (Admiral) wird, abgesehen von dem Verfahren im Felde ulld an Bord (88- 419 bis 435), sowie vorbehaltlich der Bestimmung des §. 21, die Gerichtsbarkeit nur in der Rechtsbeschwerde- oder Berufungsinstanz aus­ geübt. Militärische Verbände und einzelne Militär­ personen, lvelche ullmittelbar unter dem Befehle des kommandirelldell Gellerals (Admirals) stehell, silld, soweit dies hierllach erforderlich, hinsichtlich der Strafverfolgung eillem anderen Gerichtsherrn zu ullterstellell.

24

MilitürstrasgerichtSordn. I. Theil. Gerichtsverfassung.

Diese Bestimmungen finden auf die sonstigen Ge­ richtsherren der höheren Gerichtsbarkeit hinsichtlich der zur Zuständigkeit der Standgerichte gehörigen Sachen entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt in den Fällen des §. 30. Die Unterstellung erfolgt in den Fällen des ersten Absatzes durch den kommandircnden General lAdmiral), in den Fällen des zweiten Absatzes, wenn der höhere Gerichtsherr ein Divisionskommmrdeur oder ein Marinestationschef ist, durch diesen, im Uebrigen, soweit nicht dieses Gesetz Bestimmung getroffen hat ($. 22-, durch die Militärjustizver­ waltung. 1 Etwaige Nuzutrnglichkeiten, welche dann entstehen können, wenn ein mit Gerichtsbarkeit erster Instanz ver ievener Befehlshaber unter Beibehaltung feines Kommandos den als Gerichtsherrn der höheren Instanz fungirenden Befehlshaber im Kommando zu vertreten hat. — cf. §. 28 — werden im Berordnungswege zu beseitigen fein. cf. §. 87.

32.1 Stehen Strafsachen dadurch im Zusammetlhange, dah eine Person mehrerer strafbarer Hand­ lungen beschuldigt wird, von denen eine der höheren, eilte andere der niederen Gerichtsbarkeit unterliegt, so sann2 der höhere GerichtSherr and) diese an sich ziehen. Ist wegen einer der strafbaren Handlungell bereits die Anklage erhoben oder eine Strafverfügung zugestellt, so kann die Verbindung nur durch Beschluß des gemeinsamen oberen Gerichts^

2 Tit. Ausübg. d. MilitärstrafgerichtSbarkeit. §§. 32, 33. 25 auf Antrag eines der zuständigen Gerichtsherren erfolgen. In gleicher Weise sann die Verbindung wieder aufgehoben werden.

1 cf. §§. 2ff. R.Ltr.P.O. 2 Der (HcrichtSherr wird feine Entscheidung von der prozessualen Zweckmäßigkeit abhängig machen. Hat der Beschuldigte neben dem schweren Vergehen mehrere, der niederen (Gerichtsbarkeit untersallende Strafhandlungen begangen, w kann der (Äerichtoherr einzelne der letzteren an sich ziehen und die übrigen der standgerichtlichen ©r ledigung überlassen 3 Der Beschluß kanu im Anschluß an eine Lprnchsitzung erfolgen, cf K B. S. 30.

33* Wird eine Person mehrerer strafbarer Handlungen beschuldigt, welche theils zur Zuständig­ keit eines nnt der höheren Gerichtsbarkeit versehenen Gouverneurs oder Kommandanten, theils zur Zustandigkeit eines anderen Genchtsherrn gehören, so steht die Strafverfolgung hinsichtlich sämmtlicher strafbarer Handlungen demjenigen Gerichtsherrn zu, lvelcher für die schwerere Strafthat zuständig ist.' Maßgebend in dieser Beziehung ist die an­ gedrohte Strafart, bei Strafen gleicher Art das höchste zulässige Mab derselben. Bei sich gleich­ stehenden Strafandrohlmgen haben die dem Be­ schuldigten vorgesetzten Gerichtsherren den Vorzug. Die Bestimmungen des 8 32 Absatz 2 und 3 finden Anwendung Gehören Strafsachen der niederen Gerichtsbarkeit

26

Militärstrasgerichtsordn. I. Theil. Gerichtsverfassung,

theils zur Zuständigkeit eines nur mit niederer Ge­ richtsbarkeit versehenen Kommandanten, theils zur Zuständigkeit eines anderen Gerichtsherrn, so steht dem Erstgenannten die Strafverfolgung hinsichtlich sämmtlicher strafbarer Handlungen zu. 1 Anderweitige Vereinbarung ist auch hier, wie im Falle des §. 80 zulässig.

34. Sind bei einer strafbaren Handlung mehrere Personen als Thäter/ Theilnehmer, Begünstiger oder Hehler beschuldigt und stehen die Beschuldigten unter der Gerichtsbarkeit verschiedener Gerichtsherren, so kann der Gerichtsherr, welcher der gemeinschaft­ liche Vorgesetzte ist, die Verbindung der Strafsachen und ihre gemeinsame Verfolgung anordnen Ist ein gemeinschaftlicher höherer Gerichtsherr nicht vorhanden, so haben die betreffenden kommandirenden Generale, und weint einer der Be­ schuldigten der Marine angehört, der kommandirende General und der kommandirende Admiral dar­ über sich zu verständigen, welcher Gerichtsherr die Strafverfolgung zu übernehmen hat. Findet hier­ über eine Einigung nicht statt, so steht, sofern die betheiligten kommandirenden Generale derselben Militärverwaltung angehören, die Entscheidung dem zuständigen Kontingentsherrn, andernfalls dem Kaiser zu. Der Gouverneur von Berlin steht in dieser Beziehung einem kommandirenden General gleich.

2. Tit. AusNbg. b. Militärslrasgerichtsbarkeit. §§. 34—37. 27 Ist gegen eilren Beschuldigten die Anklage bereits erhoben, oder ist ihm eine Strafverfügulrg bereits zugestellt, so sann die Verbindung nur durch Be­ schluß des gemeinsamcll oberen Gerichts auf Antrag eines der zuställdigell Gerichtsherreli erfolgen. In gleicher Weise samt die Verbindung wieder aufgehoben werden. 1 cf. A 2 zu §. 4.

35. Die Bestimmungell des §. 34 finden bei strafbaren Handlungen, welche nad) ihrem gesetz­ lichen Thatbestände das Zusanmlenwirken Mehrerer voraussehen, entsprechende Anwendung.' 1 3- V Ausruhr

3weikmnpf;

Fahnenflucht

int Komplott;

36. Bestehen zwischell mehreren Gerichtsherren Zrveifel darüber, lvelcher der zuständige ist, so ent­ scheidet l der ihnen gemeinsam vorgesetzte Gerichts­ herr lmd in Erlnangelullg eines solchen das gemein-

same obere Gericht. 1 Falls eine Bcreinbarung nicht möglich ist.

37. Im Verordnungswege' kann, soweit besolldere Verhältnisse es erfordern,- die Gerichtsbarkeit der in den 88- 19, 20, 22 bezeichneten Befehlshaber auf bestimmte Truppentheile oder Militärverbände ein­ geschränkt oder ausgedehnt, sowie auch anderen Be­ fehlshabern Gerichtsbarkeit verliehen werden.

28 Militarstrafgerichtsordn. T. Theil. Gerichtsverfassung.

2 cf. §. 7 deS Einf.-Ges. Ausf. Krst. H. 1. Den kommandirenden Generalen werden in gerichtsherrlicher Beziehung gleichgestellt: der Gouvenieur von Berlin, der Ches der 2andgendarmerie, in Kriegszeiten die stellvertretenden (oniimui direnden Generale

2. Den Divisionskommandeuren werden in genchts herrlicher Beziehung in Kriegszeiten gleichgestellt: die stellvertretenden Infanterie - Brigadekom mandeure, der Inspekteur der immobilen Garde Infanterie. 8.

Lind militärische Verbände oder einzelne Militär­ personen seitens der kommandirenden Generale nach §. 31 Absatz 1 der Militärstrafgerichtsordnung hin­ sichtlich der Strafverfolgung einem anderen Gerichts Herrn zu unterstellen, so soll die -Zuweisung, soweit nicht in den folgenden ^kümmern ein Anderes be­ stimmt ist, an die Divisionskommandeure erfolgeu. Das Fuszartillerieregiment von Hinderst» (Pom merscheö) Nr. 2 ist ungetheilt der 4. Division, das Badische Fuszartillerie-Negiment Nr. 14 ungetheilt der 29. Division zuzuweisen. Die Divisiottskommandeure haben ferner die.höhere Gerichtsbarkeit über die Angehörigen der'^andgendannene.

4.

Unbeschadet der Bestimmungen der §§. 26, 26 der Militärstrafgerichtsordnung haben: a) die Gouverneure und ersten Kommandanten grober Festungen die höhere Gerichtsbarkeit über die un gctheilt in der Festung ganrisonirenden Fubartillerie-Regimenter, die Pionier-Bataillone, die Telegraphen-BataiUone und die Train-Bataillone, sowie über die am Orte befindlichen Militär­ behörden, ntilitärischen Institute und Stäbe,

2. Tit. Ausübg. d. Militärstrafgerichtsbarkeit. tz. 37.

29

soweit nicht die letzteren zn dem Befehlsbereich cineS Divisionskommandeurs gehören; b) die Kommandanten kleiner Festungen und die zweiten Stoninmnbantcn grober Festungen die niedere Gerichtsbarkeit über die am Orte befind­ lichen Stäbe, welche nicht anderen Gerichtsherrcn der niederen Gerichtsbarkeit unterstellt sind, sowie über die daselbst befindlichen Militärbehörden und militänschen Institute, deren Vorsteher nicht selbst die niedere Gerichtsbarkeit haben. 5. Die niedere Gerichtsbarkeit wird verliehen: dem Kommandeur der Schlobgardekompagnie, bcii Kommandeuren der Infanterie-, der Feld­ artillerie und der Fußartillerie-Schießschule, den Kommandeuren der Unteromzierschulen. dem Kommandeur des Militärknabenerziehungsittuitnts in Annaburg, dem Kommandeltr der Omzierreitschule, dem Kommandeur der Kavallerieunteroffizierschulc, dem Kommandeur der Oberseucrwerkcrschule, dem Vorsteher der Bersuchsabtheilung der Artillerie Prüfungskommission. dem Direktor der Militnrcisenbahn, dem Kommandeur der ^uftschinerabtheilung, den Gendarmerie-Brigadiers, den Konuuandeuren der Kriegsschulen, dem Kommandeur der Hauptkadetteuansialt. dem Inspekteur der ErsatzeSkadrons. 6. Für die Garnison Berlin tritt folgende Regelung ein. a) die Bestimmung in '.Ur 4 findet aus das Garde­ korps keine Anwendung. Für dieses gilt lediglich die Vorschrift in Nr. 3 Absatz 1; b) die Stäbe und Behörden des III. Armeekorps, die Landwehr-Inspektion Berlin und die Bezirks kouunandos Berlin I—IV unterstehen der Gerichts-

30

Militärstrafgerichtsordn. I. Theil. Gerichtsverfassung,

barkeit der 6 Division und des Generalkommandos III. Armeekorps; c) im Uebrigcn werden die in Berlin garnisonirenden militärischen Verbünde, soweit sie nicht eigene Gerichtsbarkeit haben, sowie die in Berlin befind­ lichen Militärpersoncn und Stäbe, soweit nicht eine andere ^Gerichtsbarkeit begründet ist, der Gerichtsbarkeit des Gouvernements unterstellt, und zwar soll die Gerichtsbarkeit in allen Sachen für die erste Instanz dem Kommandanten, für die Berufungsinstanz dcul Gouverneur zustehen. Für die Marine ist z. Z. eine entsprechende Ordre noch nicht ergangen.

Dritter Abschnitts (Erkennende Gerichte. l Bcgr. S. 83—96.

K B. 31—46.

I. Standgerichte. 38. Die Standgerichte bestehen aus drei Richtern, inib -war aus einem Stabsoffizier" als.Vorsitzenden, einem Hauptmann ”•> lRittmeister, Kapitän lieutenant) als erftenr Beisitzer itnb einem Premierlicutenant (Lierrtenant zur Sce)l als zweitem Beisitzer. 1 Den Premierlieutenants entsprechen jetzt die Ober­ leutnants zur See.

39. Sind Offiziere der vorgeschriebenen Dienst­ grade nicht vorhanden oder sind^die vorhandenen sämmtlich an der Ausübung des Richteramts ver-

2. Tit. Ausübg. d. Militärstrafgerichtöbarkeit. §§. 88—41. 31

hindert, so kann an die Stelle des fehlenden Offiziers ein Offizier des nächstniedercn oder des nächsthöheren Dienstgrades treten.1 1 Sind trotzdem die zur Besetzung deS Gerichts er­ forderlichen Personen nicht verfügbar, so ist nach §. 262 zu verfahren.

40. Als Richter kann nur mitwirken, wer seit mindestens einem Jahre dem Heere oder der Marine angehört.l 1 Ausnahme: §. 44.

41. Der Vorsitzende und die Beisitzer werden vom Gerichtsherrn alljährlich vor dem Beginne des Geschäftsjahrs' für die Dauer desselben als ständige Richter bestellt? Für die gleiche Dauer sind ständige Stellvertreter zu bezeichnen. 1 cf. §. 22 Einf.-Ges. 2 Die Bestellung desselben Richters kann wiederholt werden. Sie erlischt, wenn der betreuende Offizier im Vstitfe des Geschäftsjahres behufs anderweiter dienstlicher Ver­ wendung von feinem Verbände abkommandirt wird oder auö demselben durch Versetzung ?c. ausscheidet. Gleiche Wirkung hat die dauernde Verhinderung an der Aus­ übung deö Richteramts durch Krankheit, Verbüßung einer Freiheitsstrafe ?c. cf. Begr. S. 86. „Ständig" sind die Richter insofern, als sie von dem Gerichtsherrn zu jedem zusammentretenden Standgerichte berufen werden müssen, cf. §. 261. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 1.

42. Die Richter imb deren Stellvertreter werden

32

Militürstrasgerichtsordn. I. Theil. Gcrichtsversassltug.

beim Antritte des Richteramts durch den Gerichts­ herrn beeidigt^ Die Eidesformel lautet: „Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen unb Allwissenden, die Pflichten eines Richters getreu­ lich zu erfüllen. So wahr nur Gott helfe " Dem Schwörenden ist gestattet, den Schlustnwrten der Eidesformel eine seinem Glaubensbekenntnist entsprechende Beträfügungsformel hiuztlzufügen. Ueber die erfolgte Beeidigung ist ein Protokoll aufzunehmen. 1 Die Beeidigung erfolgt für die Dauer des Richter amtes. In der Hauvtverhandlung werden nur die nicht ständigen Richter vereidigt, et. §. 296. F. INiedere Gerichtsbarkeit- Wr. 2.

43. Scheidet im Laufe des Geschäftsjahrs einer der Richter oder Stellvertreter aus, oder ist er an der Ausübung des Richteramts dauernd verhindert, so ist erforderlichen Falles für den Rest des Ge> schäftsjahrsl cin anderer Offizier als Richter zu bestellen In: Falle gleichzeitiger Verhinderung eines Richters und dessen Stellvertreters kann ein Offizier des ent­ sprechenden Dienstgrades für den einzelnen Fall2 als Richter berufen werden. 1 cf. §. 22 Eins. Ges. 2 cf. A. 1 zu §. 42.

2. Ttt.Ausübg. d.Militärstrafgerichtsbarkeit.§Z. 43—47. 33 Die Vereidigung erfolgt in der Hauptverhandlung, cf. §. 296. F. Nr. 3 F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 3.

44. Im Selbe1 unb an Sorb2 erfolgt bic Be­ rufung sämmtlicher Richter für bett einzelnen Fall. Die Bestimmung des 8- 40 finbct keine Anwenbung. An Borb kann im Bedürsnißfall als zweiter Bei­ sitzer ein Mitglieb des Sanitätsoffizierkorps ober Maschineningenieurkorps ober ein Deckoffizier be­ rufen werben. 1 cf. §§. 5, 6 Einf.-Ges. 3 Sie werden in der Hauptverhandlung cf. §. 296.

vereidigt,

45. Die Stanbgerichte sinb zustänbig für btc Strafsachen ber nieberen Gerichtsbarkeit (§§. 15,16). 46. Dor bie Stanbgerichte gebären auch diejenigen Strafsachen, bereit Verhandlung unb Entscheibung ihnen in Folge ber Bestimmungen beS 63 zufällt.

47. DaS Stanbgericht darf neben einer etwa auszufprechenben Einziehung auf keine attbere1 unb keine höhere Strafe als auf Freiheitsstrafe nicht über sechs Wochen unb auf Gelbstrafe nicht über ein» hundertfünfzig Mark, im Felde und an Bord2 neben Einziehung und Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes auf Freiheitsstrafe nicht über drei Herz, MilitärstrafgerichLsordnung. 8

34

Militärstrafgerichtsordn. I. Theil. Gerichtsverfassung.

Monate und Geldstrafe nicht über dreihundert Mark, allein oder in Verbindung mit einander, erkennen. Auch int Falle des Zusammentreffens mehrerer strafbarer Handlungen (§§. 74, 77 des bürgerlichen Strafgesetzbuchs. §. 54 des Militärstrafgesetzbuchs) dürfen die verschiedeneit Freiheitsstrafen zusammen die im Absatz 1 bestimmte Zeitdauer nicht über­ schreitend-^ 1 Namentlich auf keine Ehrenstrafe. Die Versetzung in die II. Klane des Soldatenstandes und die Degradation ist der standgerichtlichen Kompetenz entzogen; cf. Bez. der Feldgerichte ?c. §. 16 A. 4. 2 cf. §§. 6, 6 Einf.-Ges. 3 cf. §. 330. 4 Wird der Angeklagte durch Beförderung der niederen Gerichtsbarkeit entzogen, so ist auch nach Erhebung der Anklage die Sache an den zuständigen höheren Gerichts Herrn abzugebcn. cf. §. 259 Abs. 2.

48. Die Standgerichte, welche im Felde zusammen­ treten, heißen Feldstandgerichte.' Die Standgerichte, welche an Bord zusammen­ treten, heißen Bordstandgcrichtc.2 1 cf. §. 6 Eins. Ges. 2 cf. §. 6 Einf.-Ges. §§. 419 ff.

II. Kriegsgerichte.

49. Die Kriegsgerichte bestehen auS fünf Richtern, und zwar einem Kriegsgerichtsrathei (§. 13 Absatz 3) und vier Offizieren. 1 cf. §§. 93—102.

Vertretung: §. 98.

Titt. 2.

Ausübg.d.Militärftrasgerichtsbarkeit.ßß. 48—60. 35

5(0J Außer dem Kriegsgerichtsrathe find als Richtter 311 berufen: 1. rwenn der Angeklagte ein Gemeiner oder Unterwffizier ist: ein Major, ein Harrptmann (Rittmeister) und zwei Prennerlieutenants: 2. rwenn der Angeklagte ein Subalternoffizier oder eein Harrptmann (Rittmeister) ist: ein Oberstlieutenant, ein Major, ein Hauptmann (Ritttneister) und ein Premierlieutenant: 3. rwenn der Angeklagte ein Major ist: einOberst, zwei Oberstlieutenants oderMajors und ein Hauptmann (Rittmeister): 4. rwenn der Angeklagte ein Oberstlieutenant ist: ein Generalmajor, ein Oberst, ein Oberst­ lieutenant rmd ein Major: 5. rwenn der Angeklagte ein Oberst ist: ein Generalmajor, zwei Obersten und ein Oberstlieutenant: 6. rwenn der Angeklagte ein Generalmajor ist: ein Generallieutenant, zwei Generalmajors und ein Oberst: 7. rwenn der Angeklagte ein Generallieutenant ist: ein General, zwei Generallieutenants und ein Generalmajor: 8. rwenn der Angeklagte ein General oder ein im hyöheren Range stehender Offizier ist: zwei Generale und zwei Generallieutenants. 1 (Es ist zulässig, dah Angehörige des Heeres über 8*

36

Militcirstrafgerichtsordn. I. Theil. Gerichtsverfassung,

solche der Marine als Richter berufen werden; ebenso umgekehrt. cf. §. 262. Wegen Ersatzes mangelnder Richter ct. §§. 60, 39. Auss.-Ktst. H. Kann aus der Zahl der dem Gerichtsherrn zugeordneten Kriegsgerichtsräthe ein Kriegs: gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt werden, so hat der Gerichtsherr einen anderen Gerichtsherrn derselben oder einer nahe gelegenen Garnison um Aushülfe zu ersuchen (vergleiche §. 262).

5L Die Kriegsgerichte werden zusammengesetzt aus: zwei Kriegsgerichtsräthen und drei Offizieren, wenn der Gerichtsherr nach den Umständen des Falles annimmt, dah auf Todesstrafe oder auf Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten zu er­ kennen fei.1 Als Richter sind auster den Kriegsgerichtsräthen zu berufen:3 1 wenn der Angeklagte ein Gemeiner oder Unter­ offizier ist: ein Major, ein Hauptmann (Rittmeister) und ein Premierlieutenant: 2. wenn der Angeklagte ein Subalternoffizier oder ein Hauptmann (Rittmeister) ist: ein Oberstlieutenant, ein Major und ein Hauptmann (Rittmeister): 3. wenn der Angeklagte ein Major ist: ein Oberst, zwei Oberstlieutenants oder Majors:

2. Tit. Ausübg. d. MlUtä^trafgerichtSbarkeit. §§.61,62. 37

4. wenn der Angeklagte ein Oberstlieutenant ist: ein Generalmajor, ein Oberst und ein Oberst­ lieutenant: 5. wenn der Angeklagte ein Oberst ist: ein Generalmajor und zwei Obersten: 6. wenn der Angeklagte ein Generalmajor ist: ein Generallieutenant und zwei General­ majors; 7. weint der Angeklagte ein Generallieutenant ist: ein General und zwei Generallieutenants; 8. wenn der Angeklagte ein General oder ein im höheren Range stehender Offizier ist: zwei Generale und ein Generallieutenant 1 liegen mehrere real konkurrierende Strashandlungen vor, so hat der (Aericbtshcrr zu erwägen, wie hoch die Einsatz ftraie sein wird. Die voraussici)tliche Höhe der Gesammtnrafe ist für die Zusammensetzung des Kriegsgerichts ohne Bedeutung. 2 Wegen Zuweisung fehlender Richter cf. §. 262 :i cf Ausf.-Best. zu §. 50.

52. Ist das Gericht gemäß §. 49 beseht und er­ scheint nach dem Ergebnisse der Hauptverhandlung eine die Dauer von sechs Monaten übersteigende Strafe verwirkt, so kann das Gericht auf Freiheits­ strafe bis zu einem Jahre* erkennen. Erachtet das Gericht eine höhere Strafe für ver­ wirkt, so hat es die Hauptverhandlung abzubrechen und die Berufung eines der Vorschrift des §• 51 entsprechenden Gerichts herbeizuführen.

38

Militärstrasgerichtsordn. I. Theil. Gerichtsverfassung.

1 Für den einzelnen Fall. Die Ge sammt strafe darf die Dauer eines Jahres Überschreiten. cf. A. 1 zu §. öl.

53. In den Fällen der Nr. 1 bis 5 der §§. 50, 51 erfolgt die Berufungl der Offiziere nach einer um» Gerichtsherrn alljährlich vor dem Beginne des Geschäftsjahrs für die Dauer desselben festzustellenden Reihenfolge^ von der nur aus dringenden Gründen abgewichen werden darf. 1 cf. §. 261. 3 Es ist hiernach eine Kommandirrolle von der nur aus dringenden Gründen lverden darf.

anzulegen, abgewichen

54. Hinsichtlich der Bildung der Kriegsgerichte stehen den in den 88- 50, 51 bezeichneten Dienstgraden die entsprechenden Dienstgrade der Marine gleicht Ein Korvettenkapitän steht einem Major oder einem Oberstlieutenant gleicht 1 cf. §. 50 A. 1. 2 Diese Bestimmung wird nicht dadurch berührt, das; neuerdings eine Zwischenstufe zwischen Korvetten Kapitän und Kapitän z. S. — der Fregatten Kapitän — einge­ fügt ist. Immerhin erscheint es aber angemessen, wenn angängig, Fregatten - Kapitäne an Stelle der Oberst­ leutnants zu kommandiren.

55. Ist der Angeklagte ein Sanitätsoffizier oder ein Ingenieur des Soldatenstandesl oder ein Militär­ beamter, so erfolgt die Bildung des Kriegsgerichts

2. Tit. Ausübg. d. MilitärstrasgerichtSbarkeit. §§. 53—66. .39 unter Berücksichtigung des Ranges des Angeklagten nach Maßgabe des §. 50. Es sind jedoch dem Range des Angeklagten entsprechend, in den Fällen des 8- 50 an Stelle der zwei Offiziere des niedrigsten Dienstgrades zwei Sanitätsoffiziere, zwei Ingenieure des Soldatmstandes oder zwei obere Militärbeamte und in den Fällen des §. 51 an Stelle des Offiziers des niedrigsten Dienstgrades ein Sanitätsoffizier, ein Ingenieur des Soldatenstandes oder ein oberer Militärbeamter als Richter zu berufen. 1 cf. §. 1 A. 2. 2 Der Assessor rc. steht im Range dem Hauptmann, der Rath IV. Klasse dem Major, III. Klasse dem Oberst­ lieutenant, II. Klasse dem Obersten, I. Klasse dem GeneralMajor gleich. 3 Wenn angängig, werden Militärbeamte desjenigen Dienstzweigcs, welchem der Angeklagte angehört, zu kommandiren sein. 4 Im Felde und an Bord: cf. §. 69.

56. Sind Personen, welche verschiedenen der im §. 55 bezeichneten Dienststellungen angehören, oder ist eine dieser Personen mit einem der in den 88- 50, 51 bezeichneten Angeklagten gemeinschaftlich abzuurtheilen, so findet bei der Bildung des Kriegs­ gerichts eine Abweichung von beit vorstehenden Be­ stimmungen nur insofern statt, als in bett Fällen des 8- 50 an Stelle des Offiziers des niedrigsten Dienstgrades ein zweiter Kriegsgerichtsrath zu be­ rufen ist.

57. Ist der Angeklagte eine Civilperson,l so er-

40

MiMärstrasgerichtsordn. I. Theil. Gerichtsverfassung,

folgt die Bildung des Kriegsgerichts nach Maßgabe der §§. 50 Nr. 1, 51 Nr. 1. Wird eine Civilperson zugleich mit einer Militär­ person angeklagt, so erfolgt die Bildung des Kriegs­ berichts lediglich mit Rücksicht auf die letztere. Bei kriegsgefangenen Offizieren soll das mili­ tärische Rangverhältniß thunlichst berücksichtigt werden. 1 „Civilperson" ist jeder, welcher nicht im Sinne der Militärstrafgerichtsordnung zu den Militürpersonen gehört. Auch der Kriegsgefangene ist hiernach zu den „CivilPersonen" zu rechnen, cf. §. 16 A. 3. §. 8 des Eins.-Ges

58. Richtet sich die Hauptverhandlung gegelt mehrere Angeklagte verschiedenen Ranges, so ist, unbeschadet der Bestimmung des §. 56, für die Be­ setzung des Kriegsgerichts der Dienstgrad des höchsten unter den Mitangeklagten maßgebend. 59. Im Felde und an Bord sönne« die Sanitäts­ offiziere, die Ingenieure des Soldatenstandesl «nb die oberen Militärbeamten (§§. 55, 56), im Bedürfnißfalle durch Offiziere ersetzt werden. 1 cf. §. 1 A. 2.

60. Auf die aus dem Offizierstandei zu berufenden Richter bei den Kriegsgerichten finden die Bestim­ mungen der 88 39, 40 Anwendung. 1 Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf Beamteund zwar auch dann nicht, wenn letztere den speziellen

2. Tit.Ausübg. d. Militärstrafgerichtsbarkeit. §§. 68—62. 41

Offizierrang haben, tote die Marine-Zahlmeister, sowie die Maschinenbau- und Schiffbaubeamten der Marine.

61. In der Hauptverhandlung hat der rang­ älteste Offizier den Vorsitz? der dienstälteste Kriegßgerichtsrath2 führt die Verhandlungen. 1 Der Vorsitzende übt die Sitzungspolizei aus. cf. §. 289 und §§. 276, 279, 288, 294, 295, 297, 302, 325, 331, 386. 2 cf. §. 292.

62. Die Kriegsgerichte* sind, abgesehen voll den ihnen durch anderlveite Bestimmungen dieses Ge­ setzes zugewiesellen Entscheidungen und Geschäften, zuständig i 1. für die Verhandlung und Entscheidung in erster Instanz in den llicht zur Zuständigkeit der Staub« gerichte gehörigen2 Strafsachen? 2. für die Verhandlung und Elltscheidung über das Rechtsmittel der Berufung* gegen die Urtheile der Standgerichte. 1 Die erforderlichen Zustellungell und die Vollstreckung der (Entscheidung hat der (Nerichtsherr zu veranlaffen cs. §. 138. 2 cf. §§. 15, 16, 45—47. 8 Die Kompetenz der Kriegsgerichte ist nur durch die standgerichtliche (Gerichtsbarkeit, also nach unten, begrenzt. Wild) Hochverrath und Landeöverrath gegen Kaiser und Mich lvird — abweichend von dem in §. 136 des (A.V.G. liegenden Prinzip — in erster Instanz von den Kriegs­ gerichten abgeurtheilt. cf. §§. 158, 252. * cf. §§. 378- 396.

42

Militärstrafgerichtsordn. I. Theil. (Gerichtsverfassung.

63. Im Felde und an Bord' kann der Gerichts­ herr 1 wegm der Vergehen gegen die §§. 113, 114, 117 Absatz 1, §§. 120, 123, 134, 135, 136, 138, 185, 189, 223, 223 a, 230, 241, 242, 246, 257, 258 Nr. 1, §§. 259, 263, 291, 292, 293, 296, 298, 299, 303, 304, 327 Absatz 1, 8- 328 Absatz 1 des bürgerlichen Strafgesetzbuchs, 2. wegen der Vergehen gegelt §. 138 Absatz 1 des Militärstrafgesetzbuchs, 3- wegen der Vergehen gegen die §§. 81, 83, 84, 86 der Seemannsordnung vom 27. Dezember 1872

die Verfolgung dem Gerichtsherrn der niederen Gerichtsbarkeit überweisen, wenn er nach den Umständen des Falles annimmt, datz neben Einziehung oder Versetzung in die zweite Klasse des Soldaten­ standes auf keine andere und keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe von drei Moltaten oder Geldstrafe von sechshundert Mark, allein oder neben Haft oder in Verbindung miteinander, zu erkennen sein werbe.3 4 1 cf. §§. 5, 6 des Einf.-Ges. 2 cf. §§. 76, 27 Nr. 2 G.B.G. 3 Der Gerichtsherr hat bei der erforderlichen Prüfung auch etwaige mildernde Umstände und Strafmilderungs­ gründe zu berücksichtigen. 4 Das Standgericht ist an diesem Ueberweisungsdeschluß nicht gebunden. Hält das Standgericht eine höhere Strafe für angezeigt oder sonst die Voraussetzungen des §. 63 nicht für gegeben, so hat es seine Unzuständig-

2.Tit.Ausübg.d.Militärstrasgerichtsbarkeit.§§.63-66. 43 feit auszusprechen und die Sache an die zuständige Stelle zu verweisen, cf. §§. 47, 330.

64. Die Kriegsgerichte, welche im Felde zusam­ mentreten, heißen Feldkriegsgerichte. Die Kriegsgerichte, welche an Bord zusammentreten, heißen Bordkriegsgerichte.

III. Overkriegsgerichte. 65. Die Oberkriegsgerichte sind, abgesehen von den ihnen durch anderweite Bestinlmungen dieses Gesetzes zugewiesenen Entscheidungen und Geschäften,* zuständig: für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung^ gegen die Ur­ theile der Kriegsgerichte in erster Instanz. Die Oberkriegsgerichte werden bei den Generalkommandos und bei dem Oberkommando der Marine gebildet. Jur Verordnungswege kann auch bei anderen Stelle!: die Bildung von Oberkriegsgerichten zugelassen werden."

1 cf. §§. 32 Abs. 2, 33 Abs. 2, 34 Abs. 3, 86, 36, 97 Abs. 3, 204, 206, 230 Abs. 2, 290 Abs. 5, 461 Abs. 4, 470 Abs. 2, 471 Abs. 3. 2 cf. §§. 378—396. 3 cf. §. 7 des Eiuf.-Ges. 4 cf. Auss.-Best. zu §. 37. 66. Die Oberkriegsgerichte bestehen aus sieben Richtern, und zwar aus zwei Oberkriegsgerichtsräthen12 und fünf Offizieren.

44

Militärstrasgerichtsordn. I. Theil. Gerichtsverfassung.

1 cf. §§. 93—98. 2 Als Mitglieder des Gerichts können die Ober­ kriegsgerichtsräthe nur durch ständig angestellte Richter, in ihren sonstigen Funktionen auch durch andere zum Richteramte befähigte Personen vertreten werden, cf. §§. 70, 98. Assessoren können hiernach zwar als Vertreter der Anklage, nicht aber als erkennende Richter fungiren. Wegen (Ersatzes mangelnder Richter cf. §§. 68, 39.

67. Als Richter sind, außer den Oberkriegsge­ richtsräthen, zu berufen: 1. wenn der Angeklagte ein Gemeiner oder ein Unteroffizier ist: ein Oberstlieutenant, zwei Majors, ein Haupt­ mann (Rittmeister) und ein Premierlieutenant: 2. wenn der Angeklagte ein Subalternosfizier oder ein Hauptmann (Rittmeister) ist: ein Oberst, ein Oberstlieutenant, ein Major und zwei Hauptleute (Rittmeister): 3. wenu der Angeklagte ein Major ist: ein Oberst, zwei Oberstlieutenants unb zwei Majors: 4. wenn der Angeklagte ein Oberstlieutenant ist: ein Generalmajor zwei Obersten und zwei Oberstlieutenants: 5. wenn der Angeklagte ein Oberst ist: ein Generalmajor, drei Obersten und ein Oberstlieutenant: 6. wenn der Angeklagte ein Gereralmajor ist: ein Generallieutenant, drei Generalmajors und ein Oberst:

2. Tit. Austtbg. d. Militärstrasgerichtsbarkeit. tztz. 67,68.

45

7. wenn der Angeklagte ein Geucrallieutenant ist: ein General, drei Generallicutencmts und ein Generalmajor: 8. wenn der Angeklagte ein General oder ein im höheren Range stehender Offizier ist: drei Generale und zwei Generallieutenants. 68. Die zur Bildung des Oberkriegsgcrichts erforderlichen Offiziere werden in den Fällen des §. 67 Nr. 1 bis 5 vom Gcrichtsherrn alljährlich vor dem Beginne des Geschäftsjahrs für die Dauer desselben als ständige Richter bestellt. Für die gleiche Dauer sind ständige Stellvertreter 311 be­ zeichnen. Auf die ails dem Offizierstande 31t berufenden Richter finden die Bestimmungen der §§. 39, 40, 42, 43 Anwendung. Ausf.-Kest. A. Die Oberkriegsgerichte treten der Regel nach am Sitze des Generalkommandos u. s. w. zu­ sammen. In einzelnen Fällen wird es aber aus praktischen Gründen geboten sein, sie an einem anderen Orte zur Hauptverhandlung znsammentreten zu lassen. Für die Fälle der letzteren Art empfiehlt es sich, als ständige Stellvertreter der aus dem Ossizierstande zu berufenden Richter auch Offiziere auswärtiger Garnisonen zu bezeichnen, deren Beeidigttng im Auftrage des tommandirenden Generals dtlrch einen anderen Gericbtsberrn der höheren Gerichtsbarkeit erfolgen kann. Das hierüber aufzuuehmende Protokoll ist dem kommandirenden General einzureichen. Ausf.-Keft. M. In der Marine treten die Ober­ kriegsgerichte der Regel nach am Sitze der selbständigen

46

Militärstrafgerichtsordn. I. Theil. Gerichtsverfassung.

Kommandobchörde zusammen. Weitere Ausf.-Best. zu diesem §. 68 sind für die Marine nicht erlassen. F. Nr. 1, 2, 3. 69. Die Bestimmungen der §§.*54 bis 58, 61 finden auf die Oberkriegsgerichte entsprechende Anwendung.l

1 Bezüglich der Rechte deS Vorsitzenden cf. §. 61 A. 1. 70. In den Oberkriegsgerichten können die Ober­ kriegsgerichtsräthe nur durch ständig angestellte richterliche Beamte vertreten werden?

l cf. §. 66 A 2. IV. ReichsmUitärgericht.l

71. Das Reichsmilitärgericht ist, abgesehenvon den ihm durch anderweite Bestimmungen dieses Gesetzes zugewiesenen Entscheidungen und Geschäften, zu­ ständig.' 2 für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Revision?

1 cf. §. 88 Einf.-Ges. 2 cf. §§. 36, 113, 149, 205, 247, 248, 328 Abs. 2, 885 Abs. 2, 448, 446, 447, 461 Abs. 4, 464 Abs. 4, §. 13 des Einf.-Ges. * cf. §§. 397—415. 72. Der Sitz des Reichsmilitärgerichts ist Berlin. Für den Kriegsfall kann der Kaiser dm Sitz des Reichsmilitärgerichts oder einzelner Senate des­ selben verlegm.

2. Tit. Ausübg. d. Militärstrasgerichtsbarkeit. §§. 69—78 47

73. An der Spitze des Reichsmilitärgerichts steht als Präsident' ein General oder Admiral mit dem Range eines kommandirenden Generals. Dem­ selben steht die Leitung der Geschäfte zu; an der Rechtsprechung nimmt er nicht Theil. 1 Befugnisse: cf. §§. 88—92, 105.

74. Der Präsident wird vom Kaiser ernannt.

75. Der Präsident leistet beim Antritte seines Amtes vor versammeltem Plenum folgenden Eid: „Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, die Pflichten des Präsidenten des Reichsnlilitärgerichts getreulich zu erfüllen So wahr mir Gott helfe." Die Bestimmungen des 8 42 Absatz 3 und 4 finden Anwendung. 76. Für die Fälle der Verhinderung des Präsi­ denten bestimmt der Kaiser einen Stellvertreter. Ein Mitglied des Reichsmilitärgerichts kann nicht Stellvertreter des Präsidenten sein. 77. Bei dem Reichsmilitärgerichte werdmSenate' gebildet. 1 cf. §§. 88 fs.

78. Jeder Senat besteht aus einem Senats­ präsidenten und der erforderlichen Zahl von Räthen und Offizieren. Die Zuziehung von Hülfsrichtern an Stelle der Senatspräsidenten und Räthe ist unzulässig.

48

Militärstrafgerichtsordn. I. Theil. Gerichtsverfassung.

79. Die militärischen Mitglieder des Reichs­ militärgerichts sollen mindestens im Range der Stabsoffiziere stehen. Sie werden vom Kaiser auf Vorschlag der Kontingentsherrenl auf die Dauer von mindestens zwei Jahren bestimmt. 1 Die Stabsoffiziere :c. der Marine bestimmt der Mnifcr nach freiem Ermessen; die militärischen Mitglieder deo bäurischen Senats der König von Bauern, cf. E.G. §. 83 A. 1.

80. Die Senatspräsidenten und die Räthe werden vom Kaiser auf Vorschlag des BundeSraths cntamiL1 Sie müssen in Gemätzheit des Gerichtsverfassungs­ gesetzes vom 27. Januar 1877 zum Richteramte befähigt sein und das fünfunddreitzigste Lebensjahr vollendet haben, l 1 cf. §. 127 G.V.G. und bezüglich Senats E.G. §. 88 A. 1.

des

bäurischen

81. Die Senatspräsidenten rind die Räthe sind Militärbeamte. Auf dieselben finden die Bestimnlungen der §§. 6, 7, 8 Absatz 1 und 2, §§. 9, 130 Absatz 21 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Januar 1877 entsprechende Anwendung. 1 Das Ruhegehalt beginnt mit “/60 des Gehalts (d. h. des pensionöfähigen Diensteinkommens) und steigt — von der Vollendung des 10. Dienstjahrcs als Beamter gerechnet — jährlich um bis zur Vollendung des 50. Dienstjahres. Es kann hiernach das volle penfionsfähige Dienfteinkommen als Pension verdient werden.

2 Tit.Auöübg.d.Militärstrasgerichtöbarkeit: §§.79—84. 49

§. 42 Nr. 6 deS N.B.G. findet hier keine Anwen­ dung; wohl aber §. 8 des Ges. betr. Bewilligung von WohnungSgeldzuschüsscn vom 80. Juni 1878. (N.G.Bl. S- 166) und — bez. deS Servises — §. 42 Nr. 4 des N.D G. Es kommt deshalb bei der Pensionirung der Durchschnittssatz des WohnungSgeldzuschuffes und der mittlere Servis in Betracht. Wittwen- und Waisen­ gelder regeln sich nach dem Gesetze vom 17. Mai 1897 (N.G.Bl. S. 456).

82. Die militärischen Mitglieder des ReichömilitärgerichtS werden beim Antritt ihres Richter­ amts durch den Präsidenten vor versammeltem Plenum beeidigt Die Eidesformel lautet: „Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, die Pflichtet! eines Richters beim Reichsmilitärgerichte getreulich zu erfüllen. So wahr mir Gott helfe." Die Bestimmungen des §. 42 Absatz 3 und 4 finden Anwendung.

83. In den Senaten fuhrt der rangälteste Offizier den Vorsitz; der Senatspräsident leitet die Ver­ handlungen. Die außerhalb der Hauptverhandlung noth­ wendigen Verfügungen werden von dem SenatSpräsidenten* erlassen. 1 Die erforderlichen Zustellungen und Vollstreckungs­ maßregeln werden durch den Präsidenten des Retchsmilitärgertchts veranlaßt, cf. §. 188.

84. Die Senate beschließen und entscheiden in Herz, MUitkirstrafgerichtSordnung

4

50

Militärstrasgerichtsordn. I Theil. Gerichtsverfassung,

der Besetzung von vier militärischen und drei juristischen Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden. Sie beschließen und entscheiden in der Besetzung von vier juristischer: mit) drei militärischen Mit­ gliedern mit Einschluß des Vorsitzender:, wenn das Rechtsmittel der Revision lediglich auf die Verletzung prozessualer Vorschriften, einer Vorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes der allgerncinen bürgerlichen Ge­ setze gestützt wird.

85J Will ein Senat in einer Rechtsfrage von einer früheren Entscheidung eines anderen Senats oder des Plenums abweichen, so ist über die streitige Rechtsfrage eine Entscheidung des Plenums einzuholen. Dasselbe gilt, wenn ein Senat in einer die Aus­ legung der bürgerlichen Strafgesetze betreffenden Rechtsfrage von einer früheren Entscheidung der vereinigten Strafsenate oder des Plenums des Reichsgerichts abweichen will. Die Entscheidung der Rechtsfrage durch das Plenum ist in der zu entscheidenden Sache bindend. Sie erfolgt in allen Fällen ohne vorgängige münd­ liche Verhandlung. Vor der Entscheidung ist die Militäranwaltschaft mit ihren schriftlichen Anträgen zu hören. Soweit die Entscheidung der Sache eine vor­ gängige mündliche Verhandlung erfordert, erfolgt dieselbe durch dm erkennendm Smat auf Grund einer erneuten mündlichen Verhandlung, zu welcher

L.Ttt. Ausübg. d.Militärstrafgerichtsbarkeit. §§.85,86.

51

die Betheiligten unter Mittheilung der ergangenen Entscheidung der Rechtsfrage zu laden sind. 1 cf. §. 137 GD.G. .in der Fassung des Ges. 17. März 1886.

vom

86. Zur Fassung der im §. 85 vorgesehenen Plenarentscheidungen ist die Theilnahme von mindestens zwei Drittbeilen aller Mitglieder, mit Einschluß des Vorsitzenden, erforderlich.

Je nach der Besetzung der Senate mit vier militärischen und drei juristischen Mitgliedern oder vier juristischen mit) drei militärischen Mitgliedern (tz. 84) soll die Zahl der stimmberechtigten mili­ tärischen Mitglieder um eins größer sein als die­ jenige der juristischen Mitglieder, oder umgekehrt. Entspricht das Zahlenverhältniß der anwesenden juristischen und militärischen Mitglieder nicht dem vorstehend angegebenen Stimmenverhältnisse, so haben auf der über dieses hinaus vertretenen Seite die jüngsten Mitglieder kein Stimmrecht.

Unter den juristischen Mitgliedern gilt derjenige Rath, welcher zuletzt ernannt ist, und bei gleichem Dienstalter derjenige, welcher der Geburt nach der jüngere ist, als der jüngste; unter den militärischen Mitgliedern entscheidet der Dienstrang. Den Vorsitz im Plenum führt der rangälteste Offizier; der dem Dienstalter, und bei gleichem Dienstalter der der Geburt nach älteste Senatspräsident leitet die Verhandlungen. 4*

52

Militärstrasgerichtsordn. I. Theil. Gerichtsverfassung.

87. Die Abstimmungen bei dem Reichsmilitär­ gericht erfolgen, vorbehaltlich näherer Regelung durch die Geschäftsordnung, in nachstehender Weise. Ist ein Berichterstatter ernannt, so giebt derselbe seine Stimme zuerst ab. Der Vorsitzende stimmt in allen Fällen zuletzt. In den Senaten stimmt der Senatspräsident unmittelbar vor dem Vorsitzenden3nt Nebrigen giebt abwechselnd ein juristisches und ein militärisches Mitglied seine Stimme ab- Der im Dienstalter oder im Dienstrange Jüngere stimmt vor dem Weiteren.

88. Vor Beginn des Geschäftsjahrs werden auf die Dauer desselben die Geschäfte unter die Senate vertheilt und die Präsidenten, sowie die ständigen Mitglieder der einzelnen Senate und für den Fall ihrer Verhinderung die regelmäßigen Vertreter be­ stimmt. Jedes militärische Mitglied des Reichs­ militärgerichts kann zum Mitgliede mehrerer Senate bestimmt werden. Die getroffene Anordnung kann im Laufe des Geschäftsjahrs nur geändert werden, wenn dies wegen eingetretener Ucberlastung eines Senats oder in Folge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Mitglieder des Gerichts erforderlich wird. 89. Die im §. 88 bezeichneten Anordnungen er­ folgen durch den SPräpbenten1 des Reichsmilitär­ gerichts nach Anhörung der Senatspräsidenten. 1 Ein Präsidium — §§. 68, 188 G.V.G. — ist nicht vorgesehen.

2. Tit. AuSübg. d. Militärstrafgerichtsbarkeit. §§. 87—93. 53

90. Im Falle der Verhinderung wird in einer durch die Geschäftsordnung zu regelnden Weise der Senatspräsident durch einen anderen Senats Präsidenten, nötigenfalls durch den ältesten Rath des Senats, vertreten.

91. Im Falle der Verhinderung des regelmäßigen Vertreters eines Mitglieds wird ein zeit­ weiliger Vertreter durch den Präsidenten des Reichs­ militärgerichts bestimmt.

92. Im Uebrigen wird der Geschäftsgang durch eine Geschäftsordnungl geregelt, welche das Plenum unter dem Vorsitze des Präsidenten des Reichsmilitärgerichts und unter Zuziehung der Mililäranwaltschast auszuarbeiten und der Präsident dem Kaiser zur Bestätigung vorzulegen hat. 1 cf. §. 141 G.V.G. Bekanntmachungen des Reichs­ kanzlers vom 8. April 1880 und 26. Juli 1886 (R Central-Bl. 1880 S. 190, 1886 L. 800.

Vierter Abschnitts 1 Begr. L. 96-99 K.B. S. 46—49.

Oberkriegsgerichtsrathe, SriegsgerichtSrSthe und Gerichtsoffiziere. 93. Die Ernennung der Oberkriegsgerichtsräthel und der Kriegsgerichtsräthe' erfolgt durch den zu­ ständigen Kontingentsherrn, in der Marine durch den Kaiser. i cf. §§. 20, 21, 27 ff. des Einf.-Ges. und Gesetz betreffend die Dienstvergehen der richterlichen Militär-

54

Militärstrafgerichtsordn. I. Theil. Gerichtsverfaffung.

justizbeamten und die unfreiwillige Versetzung derselben in eine andere Stelle oder in den Ruhestand vom 1. Dezember 1898. Die richterlichen Militärjustizbeamten gehören zu den Reichsbcamten. cf §. 1 des R.B.G. Sie sind den Gerichtsherrn zugeordnet, cf. 1. 18. Ihre Ernennung erfolgt auf Lebenszeit. Auch bezüglich der übrigen Verhältnisie — Gehaltsbezug, Unzulässigkeit einer nicht freiwilligen Versetzung, Anitsenthebung, Ver­ setzung in den Ruhestand — stehen sie den Civilrichtern gleich. Ausnahme: 95, 96 Abs. 2. of. §. 94 A. 1—8.

94. Die Oberkriegsgerichtsräthe und die Kriegsgerichtsräthe müssen in Gemäßheit des Gerichtsvcrfassungsgesctzes vom 27. Januar 1877 zum Richteramte befähigt sein. Auf dieselben finden die §§. 6,1 7,2 98 des be zeichneten Gesetzes entsprechende Anwendung. 1 Die Ernennung des Richters erfolgt auf Lebenszeit. 2 Der Richter bezieht in seiner richterlichen Eigenschaft ein festes Gehalt mit Ausschluß von Gebühren. 8 Wegen vermögensrechtlicher Ansprüche des Richters auS seinem Dienstverhältnisie, insbesondere auf Gehalt, Wartegeld oder Ruhegehalt, darf der Rechtsweg nicht ausgeschlosien werden.

95. Sind einem Gerichtsherrn mehrere Kriegs­ gerichtsräthe zugeordnet, so kann durch die oberste Mlitärjustizverwaltungsbehörde einzelnen der Amtssitz außerhalb des Garnisonorts des Gerichts­ herrn angewiesen werdend 1 Die Zurückberusung des Kriegsgerichtsraths wird einer Versetzung gleich zu erachten und nur dann — ohne Zustimmung des Beamten — zulässig sein, wenn

2. Tit.Ausübg. d. MtlitärstrafgerichtSborkeit. §§. 94—97. 55

die Einrichtung des auswärtigen Amtssitzes in Wegfall kommt, cf. Begr. S. 97.

96. Die Oberkriegsgerichtsräthe und die Kriegs­ gerichtsräthe können wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und aus den Gründen und unter derl Formen, welche das Gesetz bestimmt, dauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder in eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. In den Fällen des 8- 95 bedarf es der Zustimmung zur Versetzung nicht. Die richterlichen Militärjustizbeamten der Marine können durch die oberste Marineverwaltnngsbehörde (Reichs-Marine-Amt) den Befehlshaber einer Flotte oder eines Geschwaders zugeordnet werden. Ohne ihre Zustimmung darf in Friedenszeiten dieses Dieustvcrhältniß die Dauer von drei Jahren md)t überschreiten. Bei einer Veränderung in der Organisation des Heeres oder der Marine können unfreiwillige Ver­ setzungen in eine andere militärrichterliche Stelle oder Enthebungen vom Amte unter Belassung des vollen Gehalts durch die Militärjustizverwaltung verfiigt werden. Gleiche Befugniß hi Beziehung auf unfreiwillige Versetzungen steht der Militärjustizverwaltung im Falle einer Mobilmachung mit der Maßgabe zu, daß die getroffenen Verfügungen nur für die Dauer der Mobilmachung gelten.

97. Die O beL kriegsgerichtsräthe und die Kriegs-

56

Mtlitärstrasgerichtsordn. I. Theil. Gerichtsverfassung.

gerichtSräthe haben, soweit sie nicht als Richter bei den erkennenden Gerichten mitwirken, den Weisungell des Gerichtsherrrr Folge zu leisten.

Die int Laufe des Verfahrens ergehenden Ent­ scheidungen und Verfiigllltgen des Gerichtsherrn sind, sotveit das Gesetz nicht ein Anderes bestimmt,* außer von diesem auch von einem richterlichett Militärjustizbcamten zu unterzeichnend Letzterer übenlimmt dadurch die Mitverantwortlichkeit für die Gesetzlichkeit.

Hält der Militärjustizbeantte eine Weisung, Ver­ fügung oder Entscheidung mit detr Gesetzetr oder bett sonst maßgebenden Vorschriften nicht vereinbar, so hat er dagegen Vorstellung zu erheben Bleibt diese erfolglos, so hat er der Weisung des Gerichtsherrn, welcher alsdann allem die Verantwortung trägt, zu entsprechen, den Hergang jedoch aktenkundig zu machen. Die Akten sind unverzüglich von dem Gerichtsherrtl dem Oberkricgsgerichte zur rechtlichen Beurtheilung der Sache vorzulegen. Diese Beur­ theilung ist für die weitere Behandlung der Sache maßgebend. * cf. §§. 174, 175. 3 cf. §. 9 des Einf.-Ges. §§. 349, 360, 468. 3 Die Gerichtöherren werden auch künftighin den Rechts­ kenntnissen ihrer juristischen Berather das gebührende Gewicht beilegen, wie umgekehrt die letzteren bei den das militärische Gebiet berührenden Fragen die sachver­ ständigere Kenntniß lind Erfahrung des Gerichtsherrn bereitwillig anerkennen werden.

2. Titel. Ausübung d. Militärstrasgerichtsbarkeit. §. 97.

57

Soweit die in Rede flehenden Beamten als Richter in den erkennenden Gerichten mitwirken, sind sie, wie diese Gerichte selbst, unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen (§. 18 Abs. 1) und deshalb jeder Ein­ wirkung des Gerichtsherrn entzogen. In ihren sonstigen Amtsgeschästen haben sic dagegen den Anordnungen deS Gerichtsherrn Folge zu leisten. Indessen sollen sie auch hier keineswegs blinde Werkzeuge in der Hand des Gerichtsherrn sein, sie sollen vielmehr den Gerichtsherren als rechtskundige Beamte mit ihrer Gesetzeökenntniß und ihrem juristischen Urtheile zur Seite stehen und dafür Sorge tragen, daß nach Recht und Gesetz verfahren wird. So­ weit daher der Gerichtsherr nicht in den vom Gesetze besonders bestimmten Fällen kraft seiner Kommandogewalt allein entscheidet oder verfügt, sind die im Laufe des Er­ mittel,ingsverfahrens ergehenden Entscheidungen und Ver­ fügungen von dem Gerichtsherrn und einem richterlichen Militarjustizbcamten gemeinschaftlich zu unterzeichnen. Jeder der Beiden ist für die Gesetzlichkeit der Entscheidung oder Beifügung verantwortlich. Deshalb hat der rechtskundige Beamte das Recht uiib die Pflicht der Prüfung und erforderlichen Falles der Geltendmachung der gegen die Zulässigkeit der vom Gerichtöherrn beabsichtigten An­ ordnung oder Verfügung etwa bestehenden Bedenken. Rur dadurch vermag er sich seines Theils der Verant­ wortlichkeit für eine unzulässige Maßnahme zu entziehen. Bei fort bestehender Meinungsverschiedenheit ist zunächst die Auffassung des Gerichtsherrn maßgebend; derselbe übernimmt dann aber auch allein die volle Verantwort­ lichkeit. In solchen Fällen, die meist Meinungsververschicdenheiten vor, grundsätzlicher Bedeutung betreffen, liegt es im dienstlichen Interesse, daß das Oberkriegs­ gericht demnächst Kenntniß von den Akten erhält, um erforderlichen Falles das Geeignete veranlassen zu können, cf. Begr. S. 97 zu §. 91 des Entw.

58

Militärstrasgerichtsordn. I. Theil. Gerichtsverfassung.

98. Die Oberkriegsgerichtsräthe und die Kriegs­ gerichtsräthe können, unbeschadet der Bestimmung des §. 70, im Falle ihrer Verhinderung nur durch zum Richteramte befähigte^ Personen erseht werden. Im Felde und an Bord können sie, soweit die Um­ stände dies erfordern, durch Offiziere erseht werdend 1 cf. §§. 2 ff. G.B.G.

3 Ausnahme: §. 426.

99. Die Gerichtsoffiziere werden von den Gerichts­ herren aus der Zahl der Subalternoffiziere bestellt. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 4 A. B.

100. Zürn Gerichtsoffizier darf nur bestellt werden, rver seit mindesterrs eirrem Jahre dem Heere oder der Marine angehört. Diese Eirrschränkung firrdet im Felde uitb an Bord keine Anwendung 101. Der Gerichtsofsizier ist beim Antritte seirres Amtes durch den Gerichtsherrn zu becidigerr. Die Eidesformel lautet: „Ich schwöre bei Gott dem Allnrächtigen und Allwissender:, die Pflichterr eines Gerichts­ offiziers getreulich zrr erfüllen. So rvahr nrir Gott helfe " Die Bestimmungen des §. 42 Absah 3 und 4 finden Anwendung. F. cf. §. 99.

102. Die Bestimmungen des §. 971 finden auf die Gerichtsoffiziere entsprechende Anwendung. 1 In den Füllen des §. 97 Abs. 2 gehen die Akten auch in standgerichtlichen Sachen an daö Obertriegs-

2.Tit.Auöüb.d.Militürstrasgerichtsbarkeit.§§.98—106. 59 gericht, welches an bte Stelle des von dem Entwürfe genannten Rcichsmilitürgerichts getreten ist. cf. KB. S. 49 zu §. 91 deS Entw.

Fünfter Abschnitt l 1 Begr. S. 99-100.

K.B. S. 49.

Militäranwaltschaft beim Reichsmilitärgerichte.

103. Beim Reichsmilitärgerichte wird eine aus einen! Obermilitäranwalt und einem oder mehreren Militäranwälten bestehendeMilitäranwaltschaftl ein­ gerichtet. 1 Die Militäranwaltschaft wird durch den, im Unter gebcnenverhültnif; zum Präsidenten des Reichsmilitär­ gerichts stehenden Obermilitäranwalt reprüsentirt. Die Militüranwülte sind ihm untergeordnet und handeln ledig­ lich als seine Vertreter. Der Odermilitäranwalt darf deshalb nicht nur allgemeine Anforderungen treffen, sondern auch in die einzelne Sache eingreisen. Die Pensionsverhältnisse regeln sich nach ZI. 42ff. deö R.BG.; Wittwen und Waisengelder nach dem Gesetz vom 17. Mai 1897 (R G Bl. S. 466).

104. Die Militäranwälte stehen unter der Aus­ sicht und Leitung des Obermilitäranwalts und haben seinen Atiordnungen Folge zu leisten.

105. Der Obermilitäranwalt ist dem Präsidenten des Reichsmilitärgerichts unterstellt1 In Fragen, welche die Geltung oder die Aus­ legung einer militärischen Dienstvorschrift oder eines militärdienstlichen Grundsatzes betreffen oder all­ gemeine militärische Interessen berühren, ist der

60

Militärstrafgerichtsordn. I. Theil. Gerichtsverfassung.

Obermilitäranwalt gehalten, die Ansicht des Präsiden­ ten zu vertreten. 1 Diese Unterstellung gehl bezüglich der sachlichen Behandlung der AmtSgeschäste nicht über die im Abs. 2 gezogenen Grenzen hinaus; sie erstreckt fid) insbesondere nicht auf Fragen bctr. Geltung und Auslegung von Gesetzen. Bcgr. 2. 99.

106.1 Der Obermilitäranwalt und die Militär­ anwälte sind nichtrichterliche Militärbeamte. Zu diesen Aemtern können nur zum Richteramte befähigte Beamte ernannt werden (88 80, 94). 1 Bei den Kommissionsberathungen wurde festgestellt, daß weder dem Obcrmilitäranwalt, nod) den Militär anwülten richterliche Funktionen übertragen werden dürfen. K.B. S. 49.

107. Die Ernennung des Obermilitäranwalts und der Militäranwälte erfolgt durch ben Kaiser auf Vorschlag des Bundesraths. Dieselben sönnen durch Kaiserliche Verfügung jederzeit mit Gewährung des gesetzlichen Warte­ geldes einstweilig in ben Ruhestand versetzt werden '2 1 cf. §. 25 R.B.G. 2 Der Militäranwalt deS bayrischen Senats wird vom König von Bayern entmint, cf. E. 33 A. 1.

Sechster Abschnitt.' Begr. S. 100.

MilitLrgerichtSschreiber.

108. Bei dem Reichsmilitärgericht und bei dem

2. Tit. Ausüb. d. Militärstrasgerichtöbark. §§. 106—110.

61

Stabe eines jeden GerichtSherrn der höheren Ge­

richtsbarkeit werden Gerichtsschreiber angestellt, l Die Dienstverhältnisse der Militärgerichtsschreiber werden hinsichtlich deS Reichsmilitärgerichts durch

den Bundesrath, im Uebrigen durch die Militär-

justizverwaltmlg bestimmt.^

1 cf. §§. 163, 224, 273, 331, 382, 886 (Zuziehung des Gerichtöschreibers zu Verhandlungen). 2 cf. §. 81 des Einf.-Gel. (Übergangsbestimmungen). Kusf.-Kest. A. Die Bestimmungen über Anstellung der Militärgerichtsschreiber und Militärgerichtsboten erläftt das 5kriegsministerium. Die Militärgerichtsschreiber und die Militärgerichts­ boten stehen in einem doppelten Unterordnungsverhält­ nisse. Der Gcrichtöherr ist der Militärvorgesetzte-, der Dienstälteste unter den diesem zugeordneten richterlichen Milttärjustizbeamten ist der Derwaltungsvorgesetztc. Ausf.Krst. M. Don Seiten des Reichskanzlers (Reichs-Marine-Amt) sind für den Bereich der Marine entsprechende Bestininlungen erlassen, welche bei der Hof­ buchhandlung Mittler u. Sohn, Berlin, zu beziehen sind.

109. Die Wahrnehmung der Geschäfte deS Ge­ richtsschreibers bei den Gerichtsherren der niederen

Gerichtsbarkeit ist geeigneten Personen des Soldaten­ standes zu übertragen. An Bord können die Geschäfts des Gerichts­ schreibers einer geeigneten Person

der

Besatzung

übertragen werden.

1 Auch in kriegsgerichtlichen Untersuchungen, cf. §. 6 des Eins.G. 110. Wird die Wahrnehmung der Geschäfte deS

Gerichtsschreibcrs Personen übertragen,

die nicht

62

Militärstrasgerichtsordn. 1. Theil. Gerichtsverfassung.

Reichs- oder Staatsbeamte sind, so haben dieselben schriftlich das eidesstattliche Gelöbnisi abzugeben, das; sie die ihnen übertragenen Geschäfte treu und ge­ wissenhaft verrichten und Verschwiegenheit über die­ selben beobachten wollen/1 1 cf. §. 163 Abs. 8.

Dritter Titeln 1 Begr. S. 100—101.

K.B. S. 49—60.

Militarjusthverwaltung. 111. Die Militärjustizverwaltnng wird hinsichtlich des Reichsmilitärgerichts und der Militäranwaltschast vom Präsidenten des Reichsmilitärgerichts, hinsicht­ lich der Marine von dem Reichskanzler (ReichsMarine Amt), im Uebrigen von den 5kriegsministerien oder den ihnen in dieser Beziehung gleich­ stehenden Behörden ausgeübt. 112. Der Militärjustizverwaltung steht die Aufsichtl über die Ausübung der Militärstrafgerichts­ barkeit zu. 1 Die Militüriustizverwaltung ist hiernach im Wescntlichen als Anfsichtsdehörde an die Stelle des früheren General-Auditoriato der preußischen Annee und der Marine getreten. Sie hat die Geschäftsführung der Militärgerichte zu beaufsichtigen, Beschwerden gegen die Geschäftsführung zu prüfen und zu entscheiden, die Amts thatigkeit der Militärjusüzbeamten bezüglich der formellen Handhabung der Geschäfte zu kontroliren, Verschleppungen durch Ertheilung von Mahnungen — §.2 deS Ges., betr. Dienstvergehen der richterlichen Militärjustizbeamten ?c.

3. Titel. Militärjustizverwaltung. §§. 111—118.

63

vom 1. Dezember 1898 — zu ahnden, über Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen MiliLärjustizbeamte zu befinden — §. 16 ibidem — und für eine schnelle, geordnete Rechtspflege Sorge zu tragen. Dagegen steht der Militärjuftizverwaltung keinerlei Einfluß auf die richterliche oder gerichtsherrliche Thätigkeit zu; namentlich ist sie nicht befugt, in die Leitung eines Militärgerichtltchen Verfahrens eiuzugrcifcn. Beschwerden über verweigerte Rechtshülfe werden im Attssichtswcge erledigt, cf. §.11 des Einf.-Ges.

113. Die rechtskräftigen Urtheile der Standge­ richte und der Kriegsgerichte sind nebst den Akten vierteljährlich einer Durchsicht zu unterziehen, um zu prrifen, ob die gesetzlichen Vorschriften über das Ver­ fahren beobachtet und hinsichtlich der Anwendung der Gesetze, sowie der militärdienstlichen Vorschriften und Grundsätze gleichmäßig und richtig verfahren worden ist

Die Durchsicht der standgerichtlichen Urtheile und Akten geschieht bei dem Gerichtsherrn der Berufungs­ instanz durch einen Kriegsgerichtsrath. Eine Zusmurnenstcllung der mahrgenommenen Mängel und Verstoße ist dem kommandirenden General (Admiral) zur Nachprüfung einzureichcn. Diese Nachprüfung, sowie die Durchsicht der kriegsgerichtlichen Urtheile und Akten geschieht bei dem kommandirenden General (Admiral) dllrch einen Oberkriegsgerichtsrath. Die Urtheile der Oberkriegsgerichte sind zu dem im ersten Absatz angegebenen Zwecke halbjährlich

64

Militürstrasgerichtöordn. I. Theil. GenchtSverfasslllig.

an das Reichsmilitärgericht einzureichen. Demselben sind dabei die Ausstellungen mitzutheilen, 51t welchen die standgerichtlichen und kriegsgerichtlichen Sachen im letzten halben Jahre Anlab gegeben haben. Das Ergebniß der vom Reichsmilitärgerichte vorgerwmmenen Prüflingen ist durch den Präsidenten des­ selben der betreffenden Militärjustizvcrwaltnng zur weiteren Veranlassung mitzutheilen. Ausf.-Kest. M. Im Bordverfahren erfolgt die Durchsicht der standgerichtlichcn Erkenntnisse und Akten bei dem vor gesetzten mit höherer Gerichtsbarkeit versehenen Befehls Haber.

114. Die näheren Anordnungen hinsichtlich der Bestimmungen der §§. 24, 113 erfolgen im Perordnungswcge.l 1 Durch Eins. Ges.

die

Militärjustizverwaltung,

cf. §. H

des

1. Titel. Allgemeine Bestimmungen.

§§. 116, 116.

65

Zweiter Theil.

Verfahren. Erster Titel,

Allgemeine Bestimmungen. Erster Abschnitt.' 1 Vegr. L. 103.

K.B. S. 50.

Gerichtssprache. 115. ' Die Gerichtssprache ist die deutsche.' 1 cf. §. 186 (Ä.B.G. 2 Nur in deutscher Sprache verfaßte Schriftsätze — namentlich Rechtsmittelschriften — haben rechtliche Gültigkeit ot. Entsch. dco R.G. in C.L. Bd. XXXI. S. 428.

116. ' Wird unter Betheiligung von Personen ver­ handelt, welche der deutschen Sprache- nicht mächtig sind, so ist ein Dolmetscher zuzuziehen 4 Die Führung eines Nebenprotokolls in der fremden Sprache findet nicht statt, jedoch sollen Aussagen und Erklärungen tu fremder Sprache, wenn imb soweit dies mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Sache erforderlich erscheint, auch in der fremden Sprache in das Protokoll oder in eine Anlage niedergeschrieben werden In den dazu geeigneten Fällen soll dem Protokoll eine durch deit Dolmetscher zu beglaubigende Übersetzung beigefügt werden. Die Zuziehung eines Dolmetschers kann unter.ycL'ö, MiUtäcaraigerichtsvrdnuug. 5

66 Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren, bleiben, wenn die beteiligten Personen sämmtlich der fremden Sprache mächtig sind. 1 ot. §. 187 G.D.G. 2 Es ist nicht erforderlich, einen Dolmetscher herbei­ zuziehen, wenn einzelne Prozeßbethciligte sich des platt deutschen Dialekts bedienen. Dagegen steht es im Er­ messen des Richters zum besseren Verständniß solcher Mundarten Sachverständige oder Sprachkundige gutachtlich zuzuziehen. cf. Entsch. des R.G. vom 11. März 1886. Rspr. VIII. S. 160. 3 Nur bei Verhandlungen muß ein Dolmetscher zugezogen werden, cf. auch §. 116 A. 2. 4 Das Gericht hat pflichtgemäß über die Nothwendig­ keit der Zuziehung eines Dolmetschers zu befinden. Die bloße Erklärung der zu vernehmenden Person, daß sie der deutschen Sprache nicht mächtig sei, ist nicht von aus­ schlaggebender Bedeutung. Ebensowenig die Thatsache, daß die zu vernehmende Person ein Ausländer ist. cf. Entsch. d. R G. vom 10. Januar 1880. Bd. I S. 187. Ein Verzicht auf die — nach Ansicht des Gerichts nothwendige — Zuziehung eines Dolmetschers ist unzulässig. 5 Die Zuziehung eines Dolmetschers ist in dem Protokoll über die Hauptverhandlung zu vernrerken. of. §. 882 zu 2. Ausf.-Kest. H. U. M. 1. Zu Dolmetschern sind in erster Linie Militärpcrsonen zu wählen, die die Sprache des zu Vernehmenden sprechen und, wo möglich, auch schreiben. Kann der Dienst des Dolmetschers dem Militürgerichtsschreiber (§. 120) nicht übertragen werden, so sind dazu aus den Truppenteilen u. s. w. der betreffenden Garnison zuverlässige Militärpersonen auszuwählen. Unteroffiziere und Gemeine erhalten für jeden Termin, bei dem sie Dolmetscherdienste leisten, 25 Pfennig für

1. Titel. Allgemeine Bestimmungen.

§. 117.

67

jede angefangene halbe Stunde der Dauer ihrer Dienst­ leistung. Die Zahlung erfolgt auf Grund der nach dem Formular Nr. 4 für die höhere Gerichtsbarkeit und nach dem Formular Nr. 5 für die niedere Gerichtsbar­ keit aufzustellendcn Nachweisung durch den Truppentheil, von dem der Dolmetscher gestellt worden ist. Die gezahlten Beträge fallen bcnt Ausgabckapital 18 Titel 6 zur Vast. (In der Marine dem Ausgabe -K. 49 Titel 3. Fr.B V. §. 12a.) 2. Müssen in Ermangelung geeigneter Militär-personen Dolmetscher aus dem Civilstande verwendet werden, so sind für die Auswahl die landesrcchtlichen Vorschriften maßgebend. Sie beziehen Gebühren nach der Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige vom 30. Juni 1878 (Reichs - Gesetzblatt Seite 173 ff.) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20 Mai 1898 (Reichs-Gesetzblatt Seite 369, 689 ff.). Die Berechnung erfolgt nach dem Formular Nr. 6 für die höhere Gerichtsbarkeit und nach dem Formular Nr. 6 für die niedere Gerichtsbarkeit. F. Nr. 4, 6. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 5, 6.

117? Zur Verhandlung mit tauben 2obcr stummen3 Personen ist, sofern nicht eine ntiindliche oder schrift­ liche Verständigung erfolgt, eine Person als Dol­ metscher zuzuziehen, mit deren Hülfe die Verständigung in anderer Weise erfolgen kann. 1 cf. §. 188 G.B.G. 2 Die Schuyvorschrift des §.117 ist nur zu Gunsten der tauben Personen, nicht auch der Schwerhörigen ge­ geben. cf. Entsch. des R.G. vom 7. Januar 1887. Bd. XV. S. 172. 3 Eidesleistung: cf. §. 197 Abs. 4, 6.

68 Militärstrasgcrichtsordnung. II. Theil. Verfahren. 118J Personen, welche der deutschen Sprache nicht mächtig sind, leisten Eide3 in der ihnen ge­ läufigen Sprache. 1 cf. §. 190 GVG. 3 Eine Ucbertragung des geleisteten Eideo in die deutsche Sprache ist nicht criorbcrüd), da der Inhalt der Eideosormel in allen Sprachen der gleiche ist. cf. Loewe 51t G.V.G. §. 190 A. 2 187 A. 8a.

119.1 Der Dolmetscher hat einen Eid dahin zu leisten i dah er treu und gewissenhaft übertragen werde. Ist der Dolmetscher für Ucbertragungen der be­ treffenden Art3 im Allgemeinen3 beeidigt, so genügt die Berufung4 auf den geleisteten Eid. 1 cf. §. 191 G.V.G. 2 Der betreffenden Art. Es must also B. der für Uebertragungen ano der englischen Sprache im Allge­ meinen vereidigte Dolmetscher besonders vereidigt werden, wenn er ans der französischen Sprache eine Uebersctzung zn fertigen hat. 3 cf. für Preichen Dolmetscher Ordnung vom 24. April 1886. §. 19. I.M.Bl. S. 98. 4 Der Dolmetscher mich sich ausdrücklich aus den im Allgemeinen geleisteten Eid berufen. cf. Entsch. d. A G. vom 24. Inni 1885 Rspr. Bd. VII. S. 426. Kusf.-Hest. H. u. M. Soweit die Beeidigung des Dolmetschet enoiderlich ist, erfolgt sie vor dem Beginne der Uebertragnng, nnd zwar im Ermittclungovcrfahren durch den Untersuchungsführer, in der .Hauptverhandlung der Standgerichte durch den Vorsitzenden, in derjenigen der Kriegs^ und Oberkriegsgerichte durch den die DerHandlung führenden Militärjustizbeamten — unter Bcob^

1. Titel. Allgemeine Bestimmungen. §§.118—121.

69

achtung der in den §§. 208, 197 für Sachverständige vorgeschriebenen Formen. Ueber die Beeidigung im Ermittelungsversahren ist ein Protokoll aufzunchmen; erfolgt die Beeidigung in der Hauptvcrhandlung, so ist das Protokoll über diese (§. 332) ein bezüglicher Vermerk aufzunebmen. F Nr 6, 7. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 7, 8.

120J Ter Dienst des Dolmetschers kann von beut Militärgcrichtsschreiber^ wahrgenommen werden. Einer besonderen Beeidiglmg bedarf es nicht? 1 cf. §. 192 G P.G. 2 et. §§. 108—110. 3 Jeder bei der Haupiverlwndlnng sungirende Dol metscher »tun ohne Rücksicht auf seine sonstige amtliche Stellung vereidigt werden, wenn er nicht der in der Sache sungirende GcrichtSfclneiber ist. cf. Ent sch. d. R.G. vom 22. Oktober 1880. R'pr. Bd. II. L. 372.

121? Auf den Dolmetscher finden die Bestim­ mungen über Ausschließung und Ablehnung der Sachverständigen entsprechende Anwendung. 1 cf. §. 193 G.B.G 2 cf. 210. 3 Wegen Rechtsbcichwerde cf. §§. 130 Abi. 4, 210, 373.

Zweiter Abschnitt > 2 1 Begr. L. 103—107. K.B. S 50—54. 2 O)erichtspers^)nen a) erkennende Richter. §§. 122 — 129; b) die mit Untersuchungshandlungen beauftragten Militärjustizbeamten und Gerichtöossiziere. §§. 180-131; c) Militärgerichtöschreiber. §§. 132—138; d) Gerichtsherr. §. 135. F. Nr. 8. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) 'Nr. 9.

70 Militärslrafgerichtsordnung. 17. Theil. Verfahren.

Ausschließung und Ablehnung der Gerichts­

personen.

122.1 Von der Ausübung des Nichteramts bei den erkennenden Gerichten ist kraft Gesetzes aus­ geschlossen: 1. wer selbst durch die strafbare Handlung ver­ letzt ist; 2. wer Ehemann? oder Vormund^ der beschuldigten oder Ehemann oder Pormund der verletzten Person ist oder gewesen ist; 3. wer mit dem Beschuldigten oder mit dem Ver­ letzten in gerader Linie verwandt,* verschwägert* oder durch Annahme an Kindesstatt* verbunden, in der Seitenlinie bis zum dritten Grades ver­ wandt oder bis zum zweiten^ Grade verschwägert ist, auch wenn die Ehe, durch welche die Schwäger­ schaft begründet ist, nicht mehr besteht^ 4. wer in der Sache? als Gerichtsherr, als Unter­ suchungsführer im Ermittelungsverfahren, als Vertreter der Anklage oder als Vertheidiger thätig gewesen ist, oder als Vorgesetzter denThatberickst lvergl. 8 153 Absatz 2) eingereicht hat;« 5. wer in der Sache als Zeuge oder Sachver­ ständiger vernommen ist. 1 cf. §§. 22 R.Str.P.O. §§. 400 zu 2, 482 dieses Gesetzes.

2 Durch ein Verlöbnis; wird nicht die Ausschließung, wohl aber die Ablehmmg begründet, cf Voeiue §. 22 A 6

1.

Titel. Allgemeine Bestimmungen. §§. 122—124.

71

8 Unter Vormund mutz hier auch der Gegenvormund des preutzischen Rechts verstanden werden. of. Entsch. d. R.G vom 7. Oktober 1884. Bd.XI. S.223. ♦ Nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, s Einschliesslich. 6 ES macht keinen Unterschied, ob die Verwandtschaft rc. auf ehelicher oder unehelicher Geburt beruht. of. Entsch. d. R.G. vom 8. Juni 1886. Rspr. Bd. VIII. S. 439. 7 Unter der „Sache" sind diejenigen strafbaren Hand­ lungen zu verstehen, welche den Gegenstand der Haupt­ verhandlung bilden. cf. Entsch. des R.G. vom 24. Februar 1888. Rspr. Bd. XV. S. 196. 8 Der Ossizier, welcher nach §. 167 Abs. 2, 3 den NntersuchungShandlungen beizuwohnen hat, ist unter den gesetzlich vom Richteramte ausgeschlossenen Personen nicht aufgeführt.

123.1 Wer bei einer durch ein Rechtsmittel^ an­ gefochtenen Entscheidung als Richter mitgewirkt hat, ist von der Mitwirkung bei der Entscheidung in höherer Instand kraft Gesetzes ausgeschlossen. 1 cf. §. 23 R Str.P.O. 2 Es sind die ordentlichen Rechtsmittel — §§. 363 ff. — gemeint. 3 Bei der Zurückverweisung in die frühere Instanz sind die Richter, welche bei der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt haben, nicht bei der neuerdingö erforderlich werdenden Entscheidung von der Mitwirkung ausge­ schlossen. cf. §§. 395, 412. A. 3. Anders bei Aufhebung des Erkenntnisses im Feld- und Bordverfahren, cf. §. 432.

124.1 Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft

72 Militürstrafgerichtöordnung. H. Theil. Verfahren. Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnib der Befangenheit abgelehnt werden. Wegen Besorgnib der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, welcher geeignet ist, Mibtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Das Ablehnungsrecht steht dem Beschuldigtenint Verfahret: vor dem Reichsntilitärgericht and) der Militäranwaltschaft zu. Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf VerlaitQcit die zur Mittvirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersotten namhaft zu ntad)cn.3 1 cs. §. 24 R.Ltr.P.O 2 Abweichend von den bürgerlichen Strafverfahren steht in I. und II. Instanz dem Vertreter der Anklage kein Ablehnungorecht wegen Befangenheit zu: ebenso hat der Vertheidiger lein derartiges Ablehmmgsrecht. 3 DaS Gericht als solches kann nicht abgclehnt werden, cf. Entsch. des R.G. vom 24. April 1895. Bd. XXVH. S. 175. W. L. 62.

125J Das Ablehnungsgesuch wegen Besorgnib der Befangenheit ist in erster Instanz nur bis zur Verlesung der Verfiigung über die Anklageerhebung? in der Hmtptverhandlung über die Berufung3 uttd die Revision nur bis ztmt Beginne der Bericht­ erstattung zulässig.^ Auberhalb der Hauptverhandlung ist das Ablehnungsgesud) von Mannschaften des aktiven Heeres oder der aktiven Marine zu Protokoll eines Gerichts­ offiziers oder eines richtcrlichett Militärjustizbeamteu

1. Titel.

Allgemeine Bestimmungen. §§. 125, 126. 73

oder des nächsten mit Disziplinarstrafgewalt ver­ sehenen Vorgesetzten zu erklären oder schriftlich ein­ zureichen, von anderen Personell schriftlich oder zu Protokoll des Gerichtsschreibers des Amtsgerichts allzubringen. Beschuldigte, welche sich nicht auf freiem Fuße befilldell, tonnen die Erklärungen überdies zu Pro­ tokoll des mit der Aufsicht über das Gefängniß betrallten Offiziers oder Beamten, ober, sofern sie nicht denl aktiven Heere oder der aktioell Marille angeboren, desjenigen Anltsgerichts geben, in dessen Bezirke das Gefängniß liegt. 1 et §. 26 N.Str.P.T. 2 et. §§. 295, 297 Abi. 2 •’ es. §. 391 4 cf. §. 409. ö Der Beschuldigte, nu'lcticr in einer früheren HauptVerhandlung ein Ablehnungsgesuch nicht vorgebracht hat, wird hierdurch nicht gehindert, in einer späteren auf die­ selbe Strafsache sich beziehenden Hauptverhandlung gegen früher nicht abgelehnte dichter von seinem AblehuungSrechte (Gebrauch zu machen cf. Entsch. des 9i.G. vom 20. Auni 18S9. Bd. XIX S. 335

126.^ Bei jedem Ablchnungsgesuch ist der Ablehliungsgrulld glaubhaft2 ztl machen' der Eid ist als Mittel der Glaubhaflntachung ausgeschlossen Zllr Glaubhaftmachung kaltn auf das Zenglliß des Abgelehnten Bezug genonnnell werden. 1 2 Der Das

cf. §. 26 R.Str P.r7. Das ßJcricljt entscheidet nach freier Ueberzeugung. Nachweis einer hohen Wahrscheinlichkeit genügt. Gericht ist befugt, aber nicht verpflichtet, über die

74 Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren, behaupteten Thatsachen Beweis zu erheben. Stützt sich das Ablehnungsgesuch auf einen gesetzlichen Ausschließungs­ grund, so ist Glaubhaftmachung nicht erforderlich, cf. §. 181 am Schluffe.

127.1 Ist das Ablehnungsgesuch verspätet oder nicht unter Angabe und Glaubhaftmachung des Ab­ lehnungsgrundes eingebracht worden, so hat2 das Gericht mit Einschluß des abgelehnten Richters das Ablehnungsgesuch als unzulässig zu verwerfen. Das Gesuch kann auch verworfen werden, wenn das Gericht einstimmig der Ansicht ist, daß dasselbe offenbar nur in der Absicht, das Verfahren zu ver­ schleppen, eingebracht ist. 1 cf. §. 126 A. 2. 2 Das Gericht muß das Gesuch als unzulässig ver­ werfen und zwar auch dann, wenn der Beschuldigte ohne sein Verschulden zu spät von dem Vorhandensein des Ablehnungsgrundes Kenntniß erhält. Abhülfe ist in diesem Falle nur unter den Voraussetzungen des §. 181 möglich.

128.1 Wird das Gesuch nicht als unzulässig ver­ worfen, so hat der abgelchnte Richter sich über den Ablehnungsgrund dienstlich2 zu äußern. Ueber das Ablehnungsgesuch entscheidet das Gericht, welchem der Abgelehnte angehört. Der abgelehnte Richter darf bei der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nicht mitwirken. Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der Abgelehnte das Ablehnungsgesuch für begründet hält1 cf. §§. 26 Abs. 3, 27 R.Str.P.O. 2 Die Einhaltung eines bestimmten Dienstweges ist nicht vorgeschriebeu. cf. Begr. zu §. 121, S. 104.

1. Titel. Allgemeine Bestimmungen. §§. 127—130.

75

125.1 Die Entscheidung eines Standgerichts, Kriegsgerichts oder Obcrkriegsgerichts, durchweiche ein Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt wird, kann nicht für sich allein, )onbcnt nur mit der Ent­ scheidung in der Hauptsache angefochten werdend 1 cf. §. 28 Abs. 2 N.Str.P.O.

2 cf. §§. 400 zu 3, 395 Abs. 2. Die ungerechtfertigte Verwerfung eines Ablehnungsgesuches stellt sich als Revisionsgrund dar. Eine besonder e zugleich mit der BerufungS- und RevisionSschrift einzureichende Beschwerde stndet nicht statt.

130.1 Die Bestimmungelt der §§. 122, 124, 125 Absatz 2 und 3, §§. 126, 128 Absatz 1 und 3 finden auf die Gerichtsoffiziere und die Kriegsgcrichtsräthe, soweit sie außerhalb der Hanptverhandlungen mit Untersuchungshandlungen beauftragt fhtb, entsprech­ ende Anwendung. Das Ablehnungsgesuch ist an denjenigen Gerichts­ herrn zu richten, welcher den Auftrag ertheilt hat. Ueber das Ablehnungsgesuch entscheidet der Gerichtsherr.2 Wird das Ablehnmtgsgesuch bei Vornahme der Ulttersuchlmgshandlung angebracht, so ist dasselbe zu Protokoll zu nehmerr. Der Gerichtsoffizier oder Kriegsgerichtsrath kann das Ablehnungsgesuch, wem: es nicht unter Angabe und Glaubhaftmachung des Ablehnungsgrundes oder offenbar nur in der Absicht angebracht worden ist, das Verfahren zu verschleppen, als unzulässig zurückweisen. Hiergegen findet binnen

76 Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren,

der Frist von einem Tage die Rechtsbeschwerde3 an den Gerichtsherrn statt. 1 cf. §. 22 R.Str.P.O. 2 Rechtsbeschwerde ist unzulässig, cf. §. 373. 3 cf. §§. 369, 373. F. Nr 8. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 9.

131J Die für die Erledigung eines Ablehnungs­ gesuchs zuständige Stelle (£. 128 Absatz 2, 5. 130 Absatz 3) hat auch dann zu entscheiden, ivcini, ohne daß cht solches Gesuch angebracht ist, ein Richteroder eine der im 8 130 Absatz 1 bezeichneten Per­ sonen von einem Verhältniß Anzeige macht, ivelcheo die Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber entstehen, ob eine Ausschließung kraft Gesetzes begründet fei.2-3 l cf. §. 30 R.Str.P.O. 3 Gesetzliche AuöschlicßungSgründe sind hiernach von amtswegen zu erörtern und festzuüellcn. 3 Der Gerichtsbeschluß, welcher auf Grund der An­ zeige sich dahin ausgesprochen hat, daß sich der Richter der Ausübung deS Richtcramtes in der betreffenden Sache zu enthalten habe, unterliegt nicht der Anfechtung in der Revisionsinstanz. cf. Entsch. v. R.G. vom 21. Mai 1897. Bd. XXX, S. 124.

132.1 Die Bestimmungen der 88 122, 125, 126, 131 finden auf den Militärgerichtsschreiber ent­ sprechende Anwendung. Ueber die Ausschließung oder Ablehnung desselben entscheidet in der Haupt­ verhandlung das Gericht, außerhalb derselben der

1. Titel. Allgemeine Bestimmungen. §§. 181—135.

77

richterliche Militärjusti-beamtc oder der Gerichts­ offizier, weichern der Gerichtsschrciber beigegeben ist. Gegen die Entscheidung, sofern sie nicht in der Hauptverhandlung ergangen ist, findet binnen der Frist von einem Tage die Rechtsbeschwerde an den Gerichtsherrn statt.2 1 cf. §. 31 N.Ltr.P.Q.

2 cf §§. 369, 378.

133.1 In den Fällen der 130, 132 hat der Abgelehnte vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzrurehmen, die schien Auf­ schub gestatten2 1 cf §. 29 R.Ltr.P.O. 3 Werden solche Handlungen vorgenommen, so ist ihre Unanfschicbbarkeit tu einem Aktenvermerk zu be­ gründen.

134. Die ein Ablehnungsgesuch zurückweisende Verfügung ist in allen Füllen mit den Gründen aktenkundig zu machen.' 1 Namentlich auch im ,'velde und an Bord.

13a. Ein Gerichtsherr, bei rvelchem eine der Vor­ aussetzungen des S. 122 Nr. 1, 2, 3, 5 zutrifft, hat die Wahrnehmung der Gcrichtshcrrngeschäfte dem Stellvertreter im Kommando zu übertragen. Das Gleiche gilt, wenn sonstige Umstände vor­ liegen, durch welche der Gerichtsherr- sich in der Sache für befangen hält.' 1 Dem Beschuldigten ist ein Necht auf Ablehnung des Gcrichtsherrn nicht gegeben.

78 Militärstrafgerichtöordnung. II. Theil. Verfahren.

Dritter Abschnitt-i 2 Begr. S. 107—109. K.V. S. 54.

Entscheidungen, Verfügungen und deren Bekannt­ machung. 136.1 Entscheidungen und Verfügungen? welche durch ein Rechtsmittel anfechtbar sind, oder durch die ein Antrag abgelehnt wird, sind mit Gründen zu versehend 1 cf. §. 84 R Ztr.P.O. 2 Alle im Laufe des Verfahrens ergehenden Ent­ scheidungen und Verfügungen sind — auch wenn sie nicht anfechtbar - aktenkundig zu machen, cf. tt.B. zu §. 129 d. Einf.-Gef. S. 54. 8 cf. §. 400 zu 7.

137.1 Entscheidungen und Vcrfiigungen, welche in Abwesenheit2 der davon betroffenen Person ergehen? werden derselben durch Verkündimg bekannt ge­ macht. Bei Mannschaften des aktiven Heeres rmd der aktiven Marine soll diese Art der Bekannt­ machung die Regel bilden. Auf Verlangen ist eine Abschrift der Entscheidung oder Verfügung zu er­ theilen. Die Bekanntmachung der in Abwesenheit des Betheiligten ergehenden Entscheidungen und Verfügungen erfolgt durch Zustellung. Diese Bestimmungen finden auf die lediglich der: inneren Dienst der Gerichte oder der Gerichtsper­ sonen betreffenden Entscheidllngen und Verfügungen keine Anwendung

1. Zitek Allgemeine Bestimmungen. §§. 186—139.

79

1 cf. §. 36 R.Str.P.O. 2 Druckfehler. Muß heißen: Anwesenheit, es. R.G.B1. von 1899, S. 132. 3 Frühere in Abwesenheit des Beschuldigten erlassene Entscheidungen und Verfügungen können dem in einem späteren Termine anwesenden Beschuldigten nicht rechts­ wirksam durch Verkündung bekannt gemacht werden, cf. Koewe zu §. 85 A. 7. Jede Verkündung ist im Protokolle zu vermerken.

138. Die erforderliche Zustellung! oder Vollstreck­ ung von Entscheidungen und Verfügungen wird durch den Gerichtshcrrn, bei dem Reichsmilitärgerichtc durch den Präsidenten desselben veranlasst. 1 cf. §. 137 Abs. 2.

139. » Die Zustellung besteht in der Uebergabe einer beglaubigtm Abschrift des zuzusteüenden Schriftstücks. Die Beglaubigung geschieht bei den Gerichten der niederen Gerichtsbarkeit durch einen Gerichts­ offizier, bei den übrigen Gerichten durch einen richter­ lichen Militärjustizbeamten.2 1 cf. §. 37 N.^tr.P.T. §. 156 R.E.P.O. 2 Nicht durch den Militärgerichtsschreiber. Ausf.Kest. A. U. M. Die Beglaubigung geschieht in folgender Form: „Die Richtigkeit der Abschrift beglaubigt.

leutnant und Gerichtsoffizier — (Kriegsgerichtsrath u. s. w.)"

F. Nr. 8. F ('Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 9.

80 Militarstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren.

140.1 Dem nicht auf freiem Fuße befindlichen Beschuldigten ist das zugestellte2 Schriftstück, wenn er des Lesens unkundig, vorzulesen, wenn er der deutschen Sprache unkundig, zu übersetzen. 1 cf. §. 85 Abs. 3 N.Str.P.O. 2 Neben der Verlesung ist die Zustellung, d. h. die Uebergabe der beglaubigten Abschrift erforderlich. Die Uebergabe wird nicht durch die Verlesung ersetzt.

141. Zustellungen, welche an aktiveMilitärpersoncn' erforderlich werdet: (§. 137), erfolgen dienstlich gegen Enlpfangsbescheinigung des Betheiligten. Aus der Bescheinigung müssen die Person, der zugestellt ist, sowie Ort und Zeit der Zustellung sich ergeben. 2 Zustellungen an aktive Militärperfonen — §. 1 Nr. 1 — erfolgen mir in dieser Art. F. 9kr. 9 F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 10.

142. Zustellungen an Personen, die nicht aktive Militärperfonen sind, erfolgen gegen Empfangs­ bescheinigung (§. 141 Absatz 2) durch hierzu bestellte Militärpersonen oder Beamte oder durch Ersuchen der Staatsanwaltschaft Sofern nicht zur Hauptverhandlung geladen wird oder mit der Zustellung der Lauf einer Frist beginnt, kann die Zustellung auch durch Aufgabe zur Post erfolgen. Diese besteht darin, daß das zu übergebende Schriftstück unter der Adresse der Person, an die zngestellt werden soll, zur Post gegeben wird. Die erfolgte Aufgabe zur Post ist

1. Titel. Allgemeine Bestimmungen. §§. 140—143.

81

zu den Akten zu beurkunden.1 Bleibt dieser Weg erfolglos, so geschieht die Zustellung nach Maßgabe des Absatzes l 3 l Weitere Formvorschriften sind nicht gegeben. Es genügt ein von dem Gericktsosfizier oder Militärjustizbeamten unterzeichneter Aktenvermerk. 3 Die Ltraffolgen gegen den auögebliebenen Zeugen — §. 186 — treten also nicht ein, wenn die Zustellung der Ladung durch die Post stattgesunden. fjat; es mun vielmehr zunächst die Ladung in Gemästheit des §. 142 Abs. 1 wiederholt werden. Ausf.-Kcst. H. u. M. Zustellungen an Personen, die nicht aktive Militärpersonen und, sich aber an dem Orte befinden, wo die Untersuchung geführt wird, er­ folgen in der Regel a) durch Hierzit bestellte Militärpersonen (Ordon­ nanzen), sofern es sich um eine ftandgerichtliche Untersuchung handelt, b) durch Militärgerichtsboten (vgl. Abschnitt IV Zister 8 f der „Dienst und Geschäftsordnung"), sofern es sich um eine Untersuchung der höheren Gerichtsbarkeit handelt, cf. Ausf -Best. zu §. 108. F. Rr 9. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 10.

143.1 Zustellungen an Personen, welche zu einem int Auslande3 befindlichen oder zu einem mobilen militärischen Verband oder zur Besatzung eines in Dienst gestellten Schiffes gehören, können mittelst Ersuchens der vorgesetzten Kommandobehörde er­ folgen. 1 cf. §. 37 R.Str.P.O. §. 184 R.C.P.O. 2 Auch die deutschen Schutzgebiete sind in dieser Hin­ sicht als Ausland zu betrachten, cf. Laband Bd. I. 1 cf. §. 44 NLtr.PO. 2 §. 370 ist analog anwendbar,

cf. §. 149 Abs. 2.

s Der Begriff: „unabwendbarer Zufall" in gesetzlich nicht dennirt. Es entscheidet das Ermessen des Gerichtsin Betracht kommt namentlich amtliches Verschulden, 3. B. verspätete Abholung der Briefe von der Post, cf. Ent ich. deo 'Ji.(S). vom 14. Februar 1888. Bd. XXXI L. 19 und voewe 44, A. 4 und Vor bemerkung 311m hniflnt Abschnitt A. 5.

4 Dies gilt auch für die Fälle stellung. §. 145.

der öffentlichen Zu­

148.1 Das Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muß bhntcii drei Tagen tiach Be­ seitigung des Hindernisses bei derjenigen stelle, bei welcher die Frist wahrzunehmen gewesen wäre, unter Angabe und Glaubhaftmachung2 der Ver­ säumungsgrunde angebracht werden. Mit dem Gesuch ist zugleich die versäumte Handlmlg selbst nachzuholen.' 1 cf. §. 45 N.Ltr.P.^. 2 cf. t-. 126 A. 2. 3 Wird die versäumte .Handlung nicht „3Ugleich" nach: geholt, so ist das Gesuch als nn.gllässig 31t verwerfen. Dao Gesuch kann aber innerhalb der im Abs. 1 er wähnten Frist - falls dieselbe noch nicht abgelaufen ist — unter Nachholung der versäumten Handlung erneuert werden.

149.> Ueber die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entscheidet diejenige Stelle, welcher die

86 Militärstrafgerichtsordnung. TI. Theil. Verfahren. Prüfung und Entscheidung darüber zukommt,2 ob die Frist gewahrt ist3 Die Wiedereinsetzung kann auch in Ermangelung eines förmlichen hierauf gerichteten Gesuchs bewilligt werden. Die eine Wiedereinsetzung aussprechende Ent­ scheidung unterliegt keiner Anfechtung.4 Gegen die das Gesuch verwerfende Entscheidung findet binnen der Frist von drei Dagen nach deren Zustellung die Rechtsbeschwerde * an das Reichs­ militärgericht statt. Im Felde und an Bord ist die Rcchtsbeschwerde ausgeschlossen. 1 cf. §. 46 N.Ltr.P.O. 2 a) Gerichtsherr in §§. 130, 132, cf. 121, 210. b) Höherer GericlUsherr in §§. 217, 238, 247, 269, 38"> Abs. 1, 470, 471. c) Oberkriegsgericht: §§. 290, 470, 471. di Neichsmilitärgcricht: §§. 149, 247, 328 Abs. 2, 385 ;Hbs. 2, 407. 3 Die Entscheidung erfolgt durch einen mit Gründen ,;u versehenden Beschlug.

4 Auch das Gericht ist an den Beschlug gebunden und Mar selbst dauti, wenn sich spater yerausslellt, das; das Gesuch aus Wiedereinsetzung mit Unrecht bewilligt ist. cf. Voewe §. 46 A. 3 5 cf. §. 373.

laO.1 Durch das Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Dtand wird die Vollstreckung einer Entscheidung oder Verfügung nicht gehemmt. Es kann2 jedoch ein Aufschub3 der Vollstreckung ungeordnet rverden.

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 160,161. 87 1 cf. §. 47 R.Str.P O. 2 Don Amtswegen und auf Antrag. 8 Auch die Unterbrechung der Vollstreckung kann an­ geordnet werden.

Zweiter Titeln i Begr. 3. 111—117 K.B. S. 54- 69.

Zerfahren in erster Instaiy. Erster Abschnitt.

Ermitteluttgsversahren. 15L1 Anzeigen strafbarer Handlungen, sowie Anträge auf Strafverfolgung gegelt Personen, welche der Militärstrafgcrichtsbarkeit unterstehen, siltd von Personen des Soldatenstandes des aktiven Heeres mit) der aktiven Marine auf dem Dienstwege, von Militärbeamten bei der vorgesetzten Dienstbehörde des Beschuldigten anzubringcn. Für die Anbringung solcher Anzeigen und An­ träge durch andere als die im Absatz 1 bezeichneten Personen sind die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes maßgebend.^ Es genügt jedoch auch das Anbringen bei der vorgesetzten Dienstbehörde des Beschuldigten. 1 cf. §. 156 üi.St.P.Q. 2 Die Anzeigen können hiernach bei der Staats­ anwaltschaft, den Behörden und Beamten des Polizeiund Sicherheitsdienstes sowie bei den Amtsgerichten mündlich oder schriftlich angebracht werden. Strafanträge — bei Antragsdelikten — müst'en bei einem Gericht oder bei der Staatsanwaltschaft schriftlich

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 160,161. 87 1 cf. §. 47 R.Str.P O. 2 Don Amtswegen und auf Antrag. 8 Auch die Unterbrechung der Vollstreckung kann an­ geordnet werden.

Zweiter Titeln i Begr. 3. 111—117 K.B. S. 54- 69.

Zerfahren in erster Instaiy. Erster Abschnitt.

Ermitteluttgsversahren. 15L1 Anzeigen strafbarer Handlungen, sowie Anträge auf Strafverfolgung gegelt Personen, welche der Militärstrafgcrichtsbarkeit unterstehen, siltd von Personen des Soldatenstandes des aktiven Heeres mit) der aktiven Marine auf dem Dienstwege, von Militärbeamten bei der vorgesetzten Dienstbehörde des Beschuldigten anzubringcn. Für die Anbringung solcher Anzeigen und An­ träge durch andere als die im Absatz 1 bezeichneten Personen sind die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes maßgebend.^ Es genügt jedoch auch das Anbringen bei der vorgesetzten Dienstbehörde des Beschuldigten. 1 cf. §. 156 üi.St.P.Q. 2 Die Anzeigen können hiernach bei der Staats­ anwaltschaft, den Behörden und Beamten des Polizeiund Sicherheitsdienstes sowie bei den Amtsgerichten mündlich oder schriftlich angebracht werden. Strafanträge — bei Antragsdelikten — müst'en bei einem Gericht oder bei der Staatsanwaltschaft schriftlich

88 Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Dnlahren. oder zu Protokoll, bei einer anderen Behörde schriftlich angebracht werden. Jedes Gericht, Amtsgericht, Landgericht, Militär­ gericht 2C. — ist zuständig zur Entgegennahme des Antrages. cf. Entscheidung des R.G. vom 20. Sept. 1887, Rspr. Bd. IX, S. 446. Ausf.-Kest. H. Offiziere und Sanitätsoffiziere haben Anzeigen strafbarer Handlungen, fowie Anträge auf Straf Verfolgung gegen Personen, die der Militärstrasgerichts barleit unterstehen, bei dem Gerichtsherrn oder einem mit Disziplinargewalt versehenen Vorgesetzten des Be schuldigten mündlich oder schriftlich anzubringen. Die Personen des Soldatenstandes vom Feldwebel u. s. w. abwärts haben solche Anzeigen oder Anträge ihrem Kontpagnie- u. s. w. Chef unmittelbar und münd lich vorzutragen. Ein mündlich vorgedrachter Antrag auf Strafver­ folgung ist zu Protokoll zu nehmen.

Kusf.-Krft. M. In der Marine gilt entsprechende Vorschrift. Den Offizieren find die Ingenieure des Soldatenstandes gleichgestellt. An Bord haben die Personen des Soldatenstandes vom Deckoffizier abwärts die Anzeige dem I. Offizier vorzutragen.

152.1 Bei strafbarer: Handlungen, deren Ver­ folgung nrrr auf Antrag eintritt, mutz der Antrag aktenkundig gemacht werden. 1 Jnstruktionelle Vorschrift. Die Gültigkeit des Strast antrages hängt von ihrer Befolgung nicht ab. cf. Begr. zu §. 145 des Entw. S. 112.

153. Anzeigen und Anträge, rvelche bei den Staatsanwaltschaften, den Amtsgerichten und der:

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 152, 168.

8d

Behörden und Beamten des Polizei- und Sicherheits­ dienstes angebracht werden, sind sofort an die vor­ gesetzte Dienstbehörde des Beschuldigten abzugeben.

Der militärische Vorgesetzte' hat über die ihm allgezeigten oder sonst zu seiner Kenntniß gelangten strafbaren Handlungen seiner Untergebenen, soweit die Handlungen gerichtlich zu verfolgen sind, einen genauen, die Verdachtsgründe und Beweismittel umfassenden Thatbericht aufzustellen und denselben an den Gerichtsherrn einzusenden? Die Staatsanwaltschaften, die Amtsgerichte, die Behörden und Beamten des Polizei- und Sicherheits­ dienstes, sowie der militärische Vorgesetzte haben bis zum Einschreiten des Gerichtsberrn alle keinen Auf­ schub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Erscheint die schleunige Vornahme einer richterlichen Unter­ suchungshandlung erforderlich, so ist sie von dem nächsten Kriegsgerichtsratb oder Amtsrichter auf Ersuchen des militärischen Vorgesetzten, der Staats­ anwaltschaft oder der Behörden und Beamten des Polizei- und Sicherheitsdienstes, äußersten Falles ohne solches Ersuchen vorzunehmen: im Nothfalle kann dieselbe auch durch einen Gerichtsoffizier herbei­ geführt werden. Die Verhandlungen sind sofort an den Gerichtsherrn abzugeben?-'

Erachtet der angegangene Gerichtsherr sich für unzuständig, oder ergiebt sich seine Unzuständigkeit

90 Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren, im Laufe des Ermittelungsverfahrens, so hat er die Sache an die zuständige Stelle abzugeben. 1 Die Anzeige geht an den Disziplinarvorgesetzten oder an den zuständigen Gerichtöherrn.

2 Wegen Unterbrechung der Verjährung. of. §. 10 des Eins.-Ges.

3 cf. §. 269. ♦ Geht bei dem mit der niederen Gerichtsbarkeit be­ trauten Kommandanten eines Schisses die Anzeige eines zur kriegsgerichtlichen Zuständigkeit gehörigen Straffalles ein — §.163 — oder gelangt er auf anderen! Wege zur Kenntniß einer kriegsgerichtlich zu verfolgenden strafbaren Handlung — §. 166 — so hat er, falls das zu­ ständige Gericht höherer Ordnung nicht sofort erreichbar ist, durch ein von ihm anzuordnendes Ermittelungs verfahren den Sachverhalt erforschen zu lassen. In einem solchen Falle wird der beauftragte Gerichts osfizier sich vergegenwärtigen muffen, das; die Aburtheilnng erst nach geraumer Zeit stattffndcn kann, daß - in An­ betracht der mit der Seeschifffahrt verbundenen Gefahren — regelmäßig der Verlust der Beweise zu besorgen steht und daß die Zeugen voraussichtlich am Erscheinen in der Hauptverhandlung verhindert sein werden. Es liegt deshalb in seiner Pflicht, — §§. 158, 169, 165 Abs. 2, 195 — alle Beweise sorgfältigst zu erheben und — namentlich durch eidliche Vernehmung der Zeugen und Sach­ verständigen — §§. 195, 208, 165 — den Thatbestand derart genau festzustellen, daß sich derselbe aus den Pro tokollen klar ergiebt. cf. § 805 und Ausf.-Best. zu §. 11 des E.G. Der Kommandant hat dann die entstandenen Akten der Regel nach dem zuständigen Gerichtsherrn der höheren Gerichtsbarkeit zu übersenden, welch' letzterer über die weitere Behandlung der Sache Bestimmung trifft. Befindet sich der zuständige Gerichtsherr der höheren

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §. 154.

91

Gerichtsbarkeit in der Heimath, während ein anderes Gericht höherer Ordnung — Gericht des Kreuzer­ geschwaders oder des Gouvernements Kiautschou — leicht erreichbar ist, so erscheint es angezeigt, den Beschuldigten vorübergehend dem betreffenden militärischen Verbände zu überweisen und dadurch — §.29 — die Zuständigkeit des Gerichtsherrn dieses Verbandes zu begründen, cf. §. 259. Der neue Gerichtsherr hat in einem solchen Falle nach rechtskräftiger Aburtheilung der Strafthat zu verfügen, ob der Verurtheilte die über ihn verhängte Freiheitsüraie an Bord verbüßen oder einem heimischen Festungsgefängnisse überwiesen werden soll. — §. 451 und A.C.O vom 22. Januar 1889 bctr. Vollstreckung der Freiheitsstrafen an Bord. 4. — Es ist hierbei nicht ausgeschlossen, daß der Verltrtheilte behufs Ltrawerbüßung demjenigen Lchiffe zurüäü verwiesen wird, zu denen Besatzung er bei Be­ gehung der Ltrasthat gehörte.

Ausf.-Hcü. g. u. M. Der Thatbericht ist in der »iCflel von dem nächsten Disziplinarvorgcsetzten aufzusteUen und nttmittelbar nii den ihm zunächst vorgesetzten Ge rictusherrn einzureichen. Der bei Einreichung des That­ berichts übergangenen Dienststelle ist Meldung zu erstatten. F. Nr. 10.

F. (Gliedere Gertchtsbarkeit» Nr. 11.

154J Lind Anhaltspunkte dafür vorhanden, das; eine aktive Militärpersoll, eines nicht natürlichen2 Todes gestorben ist, oder wird der Leichnanr einer unbekanntcll Militärpersoit gefnndell, so sind die Polizei- mld Gemeindebehörden zur sofortigen An­ zeige an die nächste Militärbehörde verpflichtet. Die Beerdigung darf nur auf Grund einer

92 Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren, schriftlichen Gmehmigung der Militärbehörde^ oder, im Nothfalle, des Amtsrichters erfolgen. cf. §. 157 R.St.P.O. Unter den Begriff „nirfit natürlicher Tod" fällt „Selbstmord". Das weitere Verfahren regelt sich nach §£. 228ft Ausf.-Kelt. A. U. M. Die schriftliche Genehmigung zur Beerdigung des" Leichnams einer Militürperfon in den Füllen des Absatz 1 dieses Paragraphen wird in der Regel von dem zuständigen richterlichen Militärjuüizbeamten ertheilt (vgl. §§. 223 ft). F. Nr. 11.

i 3 auch 3

155. Bei Todesfällen anderer als der im §. 154 bezeichlteten Personen sind die Civilbehörden zur Anzeige an die Militärbehörde verpflichtet^ weint dringender Verdacht vorliegt, dah der Tod durch eine strafbare Handlung einer unter Militärstraf­ gerichtsbarkeit stehenden Person verursacht wordeu ist, oder wellt: auch nur Allhaltspmlkte dafür vor­ liegen, daß eine solche Person in strafbarer Weise an dem Tode betheiligt sei. In den Fällen der ersteren Art ist die FeststelllUtg des Thatbestandes, insbesondere die richterliche Leichenschau und Leichenöffnung, der Militärbehörde zu überlassen. In den Fällen der letzteren Art haben zunächst die bürgerlichen Behörden sich der Fesffteüung des Thatbestandes zu miterziehen. Der Militärbehörde ist jedoch thunlichst Gelegenheit zu geben, zur Theil­ nahme an der Leichenschau, der Leichetlöffnuug und

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§ 165, 166. 93

der Ortsbesichtigung einen Kriegsgerichtsrath abzu­ ordnen. In entsprechender 'Weise haben die Militärdehvrden zu verfahrn:, wenn mt dem Tode einer aktiven Mlitärperson eine unter der bürgerlichen Strafgerichtsbarkeit stehende Person in strafbarer Weise betheiligt ist oder betheiligt erscheint. 1 Die Vorschriften deS 153 Abs. 3 über die Lor nähme unaufschiebbarer Anordnungen finden auch in dein „TodeSennittelungoverfahren " Anwendung. Ausf.-Kelt. g. u. M. Ist oder erscheint an dem Tode einer aktiven Militärperson eine unter der bürger lichen Ltrafgerichtöbarteit stehende Person in strafbarer Weise betheiligt, io hat die Militärbehörde sofort der zu­ ständigen Ltaatsanwaltschait Anzeige zu machen. F. Nr. 10.

156.1 Sobald der Gerichtsherr durchs eine An­ zeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht' einer militärgerichtlich zu verfolgender: strafbaren Handlung Kenntniß erhält, hat er durch ein von ihm anzuordnendes Ermittelungsverfahren den Sachverhalt erforschen zu lassen. Mit dem Er­ mittelungsverfahren wird vom Gerichtsherrn der niederen Gerichtsbarkeit ein Gerichtsoffizier, von dem Gerichtsherrn der höheren Gerichtsbarkeit ein Kriegs­ gerichtsrath beauftragt. Bei einfach liegenden Sachen genügt die Feststellung durch den Disziplinar­ vorgesetzter:. Der Thatbestand muh festgestellt werden, auch wenn der Beschuldigte ein Geständniß abgelegt hat.

94 Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren.

Giebt der Gerichtsherr einer Anzeige keine Folge, so ist die getroffene Verfügung mit den Gründen aktenkundig zu machen. 1 cf. §§. 170. 250 A 1. 2 cf. tz. 158 R.Str.P.O. 3 Der Gerichtsherr ist nur dann zur Anordnung des Ermittelungsvcrfahrens verpflichtet, wenn nach feiner Ueberzeugung ein solcher „Verdacht" vorliegt. Er braucht nicht auf jede Anzeige einzugehen, cf. aber §§. 24, 97, 247 ff. Ausnahme von dem ^egalitätsprinzip: §. 253 M.Str. (W. §- 4 N.Str.GB. cf. W. S. 35. F. (9tiedere Gerichtsbarkeit) Nr. 11. 157. In den Fällen des S. 3 des Einführllngsgesetzes zum Militärsttafgesetzbuch ist eine gerichtliche Strafverfolgung ausgeschlossen, wenn die Handlung von dem zuständigen Disziplinarvorgesetzten im Disziplinarwege geahndet worden ist.1 In denselben Fällen kann der Gerichtsherr, sofern er nicht zugleich der höhere Disziplinarvorgesetztc ist,2 die gerichtliche Strafverfolgung nicht deshalb ablehncn, weil er abweichend von dem Disziplinär­ vorgesetzten die Disziplinarbestrafung für ausreichend erachtet. 1 Hiernach fuhrt eine dem Gesetze entsprechende Ahndüng durch den Disziplinarvorgcfetzten die endgiltigc Er­ ledigung der Sache herbei. cf. Begr. zu §. 150 des Entw. S. 114 ff. Die §§. 45, 55 der Disziplinarstrafordnung für das Heer vom 31. Oktober 1872, sowie §§. 44, 54 Th. I §S. 25, 26, 33 Th. II der Disziplinarstrafordnung für die Marine vom 4. Juni 1891 bleiben unberührt.

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 157—169.

95

2 Ist der Gerichtsherr zugleich der höhere DiSziplinarvorgesetzte, so ist cs ihm unbenommen, selbst die Diöziplinarstrase festzusctzen.

Aus Abs. 2 geht hervor, dast die Entscheidung des Disziplinarvorgesetzten darüber, ob ein „leichterer Fall" int Sinne des §. 3 des Eins. Ges. zum M.Str.G.B. vor­ liegt, für den Gerichtsherrn und das Gericht bindend ist. cf. §. 329.

158. Bei Einleitung einer Strafverfolgung wegen Hvchverraths oder LandesverrathS oder wegen eines als Verbrechen oder Vergehen sich darstellenden Verraths militärischer Geheimnisse hat der Gerichts­ herr unverzüglich der obersten Mlitärjustizverwaltungsbehördel Bericht zu erstattend Sind diese Handlungen gegen den Kaiser oder das Reich gerichtet, so hat er überdies in jedem Falle den: Reichskanzler sofort Anzeige zu erstatten. 1 cf. §§. 111 ü.

2 Ter Bericht must, sobald die Einleitung des Ermittelungsvenabrens geboten erscheint, erstattet werden. Weiterer Bericht ist — cf. §. 252 — vor Erlast der Aitklagevernigung ersorderlich. Die Berichte sind von deut Gerichtsbcrrtt direkt an die oberste Militärjustiz­ verwaltungsbehörde bczw. an den Reichskanzler zu senden.

Ausf.-Zest. H. U. W. In den Bericht ist zutrefsendcn Falls auszunehmcn, dast die int Abs. 2 vor­ geschriebene Anzeige an den Reichskanzler erstattet ist.

159.1 Der mit der Führung des Ermittelungs­ verfahrens beauftragte Gerichtsoffizier oder Kriegs­ gerichtsrath (Untersuchungsfi'ihrer) hat bei Erforschung

96 Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren. deS Sachverhalts nicht blos die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienender: Umstände zu ermitteln und die Erhebung aller Beweise herbei­ zuführen, deren Verlust zu besorgen steht, oder deren Aufnahme zur Vorbereitimg der Vertheidigung des Beschuldigten erforderlich erscheint. l cf. §§. 158 Abs. 2, 188 Abl. 2 N.Ltr.P.T.

160. Zu dem im §. 159 bezeichneten Zwecke kann der Untersuchungsführer Ermittelungen jeder Art, einschließlich richterlicher UntersuchnngS Handlungen, insbesondere eidliche' Vernehmungen von Zeugen uni) Sachverständigen vornehmen. Zu demselben Zwecke kann von allen öffentlichen Behörden Auskunft verlangt werdend Die Vornahme einzelner Untersuchungshandlungen kann durch Ersuchen eines anderen Gerichtsherrn oder des Amtsrichters des Bezirkes, wo die Handlung vorzunehmen * ist, herbeigeführt werden. Der Er­ suchte hat zu prüfen, ob die beantragte Handlung nach den Umständen des Falles gesetzlich zulässig ist. Die Ersuchungsschreiben find in der Regel von dem Gerichtsherrn und dem Untersuchungsführer zu unterzeichnen.4^ 1 cf. §. 195 Abi. 2.

2 Auch die Vorlegung oder Auslieferung von Akten kann vorbehaltlich der Vorschrift des §. 231 gefordert werden.

3 cf. §. 160 R.Ltr.P.O. 4 In dringenden Fällen kann hiernach — dem Prinzipe

2. Titel.

Verfahren in erster Instanz.

des §. 163 Abs. 8 entsprechend führer allein unterzeichnen.



§§. 160, 161.

97

der Untersuchungs-

5 Es ist gesetzlich nicht ausgeschlossen, daß auch in kriegsgerichtlichen Untersuchungen das Ersuchen um Vor­ nahme einzelner Untersuchungshandlungen an einen (Mr richtöherrn der niederen Gerichtsbarkeit erlassen wird, tz. 160 Absatz 3 spricht allgemein von dem Ersuchen „eines anderen Gerichtsherrn". Tic Heranziehung der niederen Gerichtsbarkeit zur Feststellung des triegsgericht lichen Thatbestandes wurde sich auch namentlich in der Marine nicht überall vermeiden Innen, da die auf einzelnen Schiffen begangenen Strafthaten aus Grund des an Bord festgestellten bez. an Bord zu ergänzenden Thatbestandes in der Hennath oder von dem Geschwadergericht abgeurtheilt werden. Müsste in solchen Fällen die Fest stellung durch Requisition des nächsten Geschwadergerichts erfolgen, so würden die Untersuchungen unter Umständen auf Jahre hinaus verzögert werden. lW. S. 54 ist der 'Ansicht, dass immer die Requisition in kriegsgerichtlichen Untersuchungen an den höheren Gerichtsherrn gehen muss). Anderseits wird — wenn solche besonderen Gründe nicht vorliegen — der Gerichtsherr der höheren Gerichts­ barkeit zu requiriren sein. cf. Auss. Best, zu Eini.G. §. 11 und § 151 A 4.

F. Nr. 12, 18, 14. F. sNiedere Gerichtsbarkeit) Nr. 12, 13, 14.

161.1 Die Behörden und Beamten des Polizei« und Sicherheitsdienstes sind verpflichtet, Ersuchen des Untersuchungsführers- um Ausführung einzelner Maßregeln oder um Bornahme von Ermittelungen zu genügen. 1 cf. §. 159 R.Str.P.O. 2 Das

Ersuchen

erfolgt

durch

Herz, RilitLrstrafgerichtSorduung.

den

Untersuchungs­

7

98 Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren,

sührer allein. Die Mitwirkung des Gerichtsherrn nicht erforderlich.

ist

162* Der Untersuchungsführer hat alle die Untersuchung berührende Vorgänge und That­ sachen, insbesondere alle von ihm vorgenonnnenen oder veranlaßten Ermittelungen aktenkundig 311 machen. 163J Ueber jede Untersuchungshandlung ist ein Protokoll2 aufzunehmen. Bei minder wichügen Sachen genügt ein Aktenvermerk. Das Protokoll ist von denr Untersuchungsführer iiitb dem zuge­ zogenen Gerichtsschreibcr, der Aktenvennerk von dem Untersuchungsführer zu unterschreiben.3 Ein Gerichtsschreiber muß zugezogen tverden bei der Vernehnunlg des Beschuldigten, der Zeugen mrd der Sachverständigen, sowie bei der Einnahme des Augenscheins.4 Im Falle dringenden Bedürfnisses kann für einzelne Untersuchungshandlungen jede geeignete Person als Gerichtsschreibcr zugezogcn werden. Dieselbe ist in Gemäßheit des §. 110 durch den die Untersuchungshandlung vornehmenden Beamten oder Offizier zu verpflichten. 1 cf. §. 186. 2 Dolmetscher' cf. §§. 116 ff. 3 Etwaige Zeichnungen und von dem Untersuchungs­ führer und dem Gerichtsschreibcr 511 unterzeichnen, falls sie nicht lediglich zur Erläuterung eines Aktenvermerkes dienen. 4 Das vom Richter und Gerichtsschreiber unter­ schriebene Protokoll über die Einnahme des Augenscheins

2 Titel. Verfahren in erster Instanz. §§.162-165. 99

hat die straft eures Beweismittels über letzteren nur in­ soweit, als cs die von beiden gemeinschaftlich und übereinstimmend gemachten Wahrnehmungen beurkundet. cf. Entsch. des RG. vom 21. Juni 1887. Rspr. Bd. IX, S. 876. F. Nr. 15. F. f Niedere (Gerichtsbarkeit) Nr. 15.

164.1 Das Protokoll must Ort und Tag der Verhandlung, sowie die Namen der mitwirkenden oder betheiligten Personell angeben und ersehen lassen, ob die wesentlichen Förmlichkeiten2 des Verfahrens beobachtet sind. Das Protokoll ist den bei der Verhandlung be­ theiligten Personell, soweit cs dieselben betrifft, behufs der Genehmigung vorzillescn oder zur eigenen Durch­ lesung vorzulcgeu Die erfolgte Genehmigung ist zu vermerken rmd das Protokoll von den Betheiligten zu unterschreiben. Unterbleibt die Unterschrift, so ist der Grund dafiir hi dem Protokolle zu vermerken. 1 cf. § 186 Abs. 2 und 3 RStr.P.O. 2 Zu diesen wesentlichen Förmlichkeiten gehören z. B. die Vorschriften der §§. 164 Ab'. 2, 173 Abs. 2, 187 Abs. 2 Formlose Protokolle über Zeugenvernehmungen eignen sich nicht zur Verlesung in der Hauptverhandlung an Stelle mündlicher Vernehmung des Zeugen. Entsch. d. R.G. vom 30. April 1881. Rspr. Bd. III, S. 259.

165.1 Findet die Einnahme eines Augenscheins2 statt, so ist dem Beschuldigten mld dem Vertheidiger die Anwesenheit bei der Verhandlung zu gestatten. 7*

100

Militärstrasgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren.

Dasselbe gilt, wenn ein Zeuge oder Sach­ verständiger vcrnonnncn werden soll, welcher vorauSsichtlich am Erscheinen in der Hauptverhandllmg verhindert, oder dessen Erscheinen wegen grostcr Entfernung besonders erschwert sein wird> Bon den Terminen sind die zur Anwesenheit Be­ rechtigten vorher zu benachrichtigen, soweit dies ohne Aufenthalt für die Sache geschehen kann. Beschuldigte, die dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehören, oder welche sich nicht auf freiem Fuße befinden, haben einen Anspruch auf Anwesenheit nur bei solchen Ternnnen, welche an den: Orte abgehalten werden, wo sie sich dienstlich aufhalten oder in Haft befinden. Alls die Verlegung eines Termins wegen Ver­ hinderung haben die zur Anwesenheit Berechtigten keinen Anspruchs 1 cf. §. 191 R.Str.P.Q. 2 cf. §tz. 222 ff. 8 Die Vorschrift des §. 293 findet nicht analoge Anwendung. Das Gesetz gestattet dem Beschuldigten und dem Vertheidiger lediglich die Anwesenheit in der Verhandlung, giebt ihnen aber nicht das Recht, in die Verhandlung einzugreifen. Es liegt also lediglich in dem Ennessen des Untersuchungsführers, ob und inwieweit er etwaigen Anregungen zur Befragung von Zeugen und Sachverständigen oder zu sonstigen Maßnahmen Folge geben will. * cf. §. 305. 5 Der Untersuchungsführer intin aber einem der artigen Anträge stattgeben, falls ihm dies nach Lage der Sache zwectrnäßig erscheint.

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 166, 167. 101 166J Der Beschuldigte? kann von der Anwesen­ heit bei der Verhandlung3 ausgeschlossen werden, wenn zu befürchten ist, daß ein Zeuge in seiner Gegenwart die Wahrheit nicht sagen werde. 1 cf. §. 192 R.Str.P.O. 3 Nur der Beschuldigte,« nicht etwa auch sein Ver­ theidiger, darf von der Anwesenheit bei der Zeugenver nehniung ausgeschlossen werden.

3 Die Ausschließung darf nur aus die Dauer Vernehmung des betreffenden Zeugen erfolgen.

der

167. Ter Gerichtshcrr ist stets berechtigt,' von beut Stande des Verfahrens durch Einsicht der Akten Kenntniß zu nehmen und die ihm zur Aufklärung der Sache geeignet' scheinenden Verfügungen zu treffen Er ist jedoch nicht befugt, ent den Unter­ suchungshandlungen thcilzunchmen

Vom Gerichtsherrn kann, falls dies aus besonderen Riicksichten angezeigi3 erscheittt, ein Offizier bestintmt werdet!, welcher den Untersuchungshandlungen des ersuchten Gerichts beizuwohnen und das Protokoll mit zu unterschreiben hat Hat er Einwenduttgen gegctt den Inhalt des Protokolls zu erheben, so sind sie von ihm unter detnselben zu vermerken.

Der UntersuchmtgSführer ist berechtigt, den Gcrichtsherrn zu ersuchen,3 einen Offizier zu bestimmen, welcher den Untersuchungshandlungen beizuwohnen und das Protokoll mit zu unterschreiben hat. i Der Gerichtsherr hat auch die Pflicht, sich durch Einsicht der Akten in Kenntniß von dem (Zange deS

102

MilitärstrafgerichtSordnung. II. Theil. Verfahren.

Verfahrens zu halten. Der Gerichtsherr darf sich nicht mit den Vorträgen des Nntersuchungsführerö begnügen, cf. Begr. zu §. 160 des Entw. S. 116.

2 3. B., wenn bei Feststellung des Thatbestandes Lerhältnisie Militär- oder marinetechnischer Art in Betracht kommen oder wenn die Zuziehung eines Offiziers behufs Aufrechterhaltung der Disziplin wünschenswert!) erfcheint, Der beisitzende Offizier hat dem ersuchten Gericht (nament­ lich auch Civilgcricht) über die in Betracht kommenden militärischen bezw. marittetechnischen Angelegenheiten Auskunft zu geben. In die Untersuchung selbst darf er nicht eingreifen.

168.1 Das Ermittelungsverfahren ist nicht weiter auszudehnen, als erforderlich ist, um eine Entscheidung darüber zu begründen, ob Anklage zu erheben oder die strafgerichtliche Verfolgung einzustellen sei? 1 cf. §. 188 V.Ltr.P.O. 2 Das Ermittelungsvcrfahren ist deshalb sofort abzuschliehen, wenn feststeht, dah eine Strafverfolgung aus rechtlichen oder thatsächlichen Gründen nicht eintreten kann. Anderseits soll das Ermittelungsverfahren — um die Hauptverhandlung in ausreichender Weise vorzubereiten — auf eine möglichst vollständige Sammlung des Beweis­ materials bedacht sein. cf. Begr. zu §. 161 des Entw

S. 117.

169.1 Ergiebt sich im Laufe des Ermittelungs­ verfahrens der Verdacht weiterer ntilitärgerichllich zu verfolgender strafbarer Handlungen, so hat der Untersuchungsführer in dringenden Fällen die in dieser Beziehung erforderlichen Untersuchlmgshandlungen Don Amtswegen vorzunehmen.

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 168—171. 103

Die Verhandlungen sind sofort dem Gerichtsherrn zu dessen Verfügung vorzulegen. i cf. §. 189 R.Str.P.O.

170.1 Im Felde und an Bord kann von einem schriftlichen Ermittelungsversahren im Sinne dieses Abschnitts Abstalld genommen werden. In jedem Falle ist dasselbe thunlichst einzuschränken und zu beschleunigen. i Eine Strafverfügung — §§. 349 ff. — kann auch tm Felde und an Bord nur nach vorausgegangenem Ermittelungsverfahren erlassen werden.

Zweiter Abschnitts • Begr. S. 117—129.

K.B. S. 58- 77.

Einzelne Untersuchnngsmaßregeln.

I. Vernehmung des Deschuldigten. 171. Beschuldigte, welche zu den Personen des Soldatenstandes des aktiven Heeres oder der aktiven Marine gehören, sind zu ihrer Vernehmung zu gestellen. Verhaftete Beschuldigte sind vorzuführen. i Wie Abs. 2 ergiebt, ist eine Vorführung des aus freiem Fusse befindlichen Beschuldigten nicht vorgeschrieben. Die erforderlichen Massnahmen, um das rechtzeitige Ein­ treffen desselben ant Dernehmungsorte ficherzustellen, hat der Vorgesetzte nach den Umständen deS Falles auf eigene Verantwortung zu treffen. Ausf.-Kest. D. Bei der Vernehmung als Be­ schuldigte, Angeklagte, Zeugen oder Sachverständige er­ scheinen Offiziere oder Sanitätsoffiziere im Dienstanzuge (vgl. O.Bkl.V.); Personen des Soldatenstandes vom

101

Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren.

Feldwebel u. s. w. abwärts erscheinen im Ordonnanzanzuge; sofern sie verhaltet sind, in Mütze ohne Seiten­ gewehr. Auf Beamte der Militärverwaltung, denen eine Diensluniform verliehen ist, findet diese Bestimmung sinngemäfic Anwendung. Ausf.-KeÜ. W. In der Marine sind die Ingenieure des "Soldatenstandes den Offizieren gleichgestellt: ebenso die Deckoffiziere. Die tläheren Vorschriften ergeben sich ans den Beklcidungsbestimmungen.

172. Beschuldigte, die nicht zu den im §. 171 bezeichneten Personen gehören, sind zu ihrer Ver­ nehmung schriftlich zu laden-1

Die Ladung fmm unter der Androhung geschehen, dast im Falle des Ausbleibens die Vorführung erfolgen werde 2 Die Vorführung ohne vorgängige Ladung kann verfügt werden, wenn Gründe vorliegen, welche die Untersuchungshaft rechtfertigen würden.' 4 Die Anordnung einer Vorführung ohne vorgängige Ladung steht dem Gerichtsherrn, bei Gefahr im Verzug auch dem Untersuchungsführer zu.

In dem Vorführungsbefehlü ist der Beschuldigte Genau zu bezeichnen und die ihnr zur Last gelegte strafbare Handlung, sowie der Grwld der Vor­ führung anzugeben. Der Vorgesührte ist sofort durch dm Unter­ suchungsführer zu vernehmen. Ist dies nicht aus­ führbar, so kann er bis zu seiner Vernehmung,

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 172, 173. 105

jedoch nicht über den nächstfolgenden« Tag hinaus, festgehalten werdend 1 of. §§. 141, 142. Auch Militärbeamte fallen unter die Vorschrift des §. 172. 3 cf. §. 188 R.Str.P.O. Bon der Aufnahme dieser Androhung in die Ladung wird lediglich dann abzusehen sein, wenn das Erscheinen des Beschuldigten int Vernelnuungstermine zweifellos ist. Denn die Vorführung kann — falls nicht Haftgründe vorliegen — nur erfolgen, wenn sie in der Ladung angedroht ist. cf. Abs. 3. Die Ladung müßte also -falls der Beschuldigte nicht erscheint — wiederholt und damit die Untersuchung verzögert werden. cf. Voeme §. 133 A. 4. 3 cf §. 134 R.Ztr.P.O 4 cf. §. 176. 5 Derselbe ist schriftlich abzufassen.

G Mit dem Abläufe des aus den Ankunftstag folgen­ den Tages must hiernach der Beschuldigte entweder durch den Untersuchungsführer vernommen oder auf freien Fnst gesetzt fein. 7 Hat der Beschuldigte voraussichtlich nur kurze Beit auf seine Vernehmung zu warten, so wird er unter Aufsicht zu stellen sein. Anderenfalls erscheint die Ueber führung in das Arrestgebäude zulässig und angezeigt. F Nr. 15. F. (Niedere tÄerichtsbarkeiti Nr. 15.

173J Der Beschuldigte ist in dem Ermittelungsverfahren zu vernehmen, auch wenn er schon früher gehört worden ist. Bei Beginn der ersten Vernehmung ist dem Be­ schuldigten zu eröffnen, welche strafbare Handlung ihm zur Last gelegt wird.3

106

Mlitärsirafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren.

Die Vernehmung3 soll dem Beschuldigtet: Ge­ legenheit zur Beseitigung der gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe und zur Geltendmachung der zu seinen Gunsten sprechenden Thatsachen geben. Bei der ersten Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittelung seiner persönlichen Verhältnisse4 Bedacht zu nehmen. Den Abschluß des Ermittelungsverfahrens (§. 168) bildet die Vernehmung des Beschuldigten über das Ergebniß der Ermittelungen. 1 cf. §. 136 R.Str.P.O. 2 cf. §. 164 A. 2 (Wesentliche Formvorichrift).

3 Die Zuziehung eines (Aerichtsschreibers ist erfordere lief), cf. §. 163 Abi. 2. 4 Hierzu gehört auch die Feststellung etwaiger Vor strafen. Bei schwereren Strasthaten empfiehlt sich Anfrage bet der Registerbehörde-, namentlich tttufe diese Anfrage erfolgen, wenn der Rückfall der betreffenden Strasthaten mit höherer Strafe bedroht ist, z. B. Diebstahl, Betrug. . . . , „ . r 16. Juni 1882 cf. Verord. des Bundesraths vom jggg

F. Nr. 15, 16.

F. (Niedere (Gerichtsbarkeit) Nr. 15, 16.

II. Einstweilige Enthebung vom Dienste. und vorläufige Festnahme.

Dcrhastnng

174. Dem Gerichtsherrn steht die Verfügung darüber zu, inwieweit ein Beschuldigter, welcher zu den Personen des Soldatenstandes' gehört, aus

2. Titel Verfahren in erster Instanz. §§. 174, 176.

107

Anlaß des eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens einst­ weilen des militärischen Dienstes zu entheben sei. Die Verfügung ist vom Gerichtsherrn allein2 zu erlassen. Die Befugniß der vorgesetzten Dienstbehörde zur vorläufigen Anordnung der Dienstenthebung wird durch Vorstehendes nicht beriihrt. 1 Militärbeamte unterfallen den §§. 125 ff. des R.B.G. cf. auch 80, 31 des Ges., betr. die Dienstvergehen der richterlichen Militärjustizbeamten. 2 Der Gerichtsoffizicr und der richterliche Militäriusiizdeamte zeichnen nicht mit. Ausnahme von der Regel des §. 97 Abl. 2 und des §. 102.

177>.1 Darüber, ob ein Beschuldigter in Unter­ suchungshaft zu nehmen ist, entscheidet der Gerichts­ herr.2 Der Haftbefehl3 ist von ihm allein zu erlassen. Gegen die Verfügung der Untersuchungshaft findet die Rechtsbcschwerde4 an den höheren Gerichtsherrn statt. 1 Eine dem §. 117 R.Ltr.P.O. entsprechende Be­ stimmung dahin, das; der Beschuldigte gegen Sicherheits­ leistung iitii der Untersuchungshaft verschont werden kann, ist nicht ausgenommen. 2 cf. §. 277. 3 Der Haftbefehl ist immer schriftlich abzufassen und mit Gründen zu versehen, cf. §§. 186, 176 und §. 174 A 2. 4 cf. §. 373 sf. Die Einreichung der Rechtsbefchwerde ist an keine Frist geknüpst. F. Nr. 17. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 17.

108

Milttärstrasgerichtöordnung. II. Theil. Der-fahren.

176J Die Untersuchungshaft ist zulässig,2 wenn dringende Derdachtsgrunde gegen den Beschuldigten vorhanden sind und entweder 1. ein Verbrechen* den Gegenstand der Untersuchung bildet, oder 2. der Beschuldigte der Flucht verdächtig ist, oder 3. die Aufrechterhaltung der militärischen Disziplin die Verhaftung erfordert, oder 4. Thatsachen^ vorliegen, auS denen zu schließen ist, daß der Beschuldigte Spuren der That ver­ nichten, oder daß er Zeugen oder Mitschuldige zu einer falschen Aussage, oder Zeugen dazu verleiten werde, sich der Zeugnißpflicht zu ent­ ziehen, oder daß er seine Freiheit zur Begehung neuer strafbarer Handlungen mißbrauchen werde. Diese Thatsachen sind aktenkundig zu machen

1 cf. §. 112 R.Str.P.O. 2 Also auch dann nicht gesetzlich geboten, wenn der Beschuldigte eines Verbrechens verdächtig ist. Der Gerichtöhcrr entscheidet nach pslichlmästigern Ermessen. $ cf. §. 1 R.Str.G.B. §. 1 M.Str.G.B. ♦ Diese Thatsachen müssen in den Gründen des Haft­ befehls bezeichnet werden. F. Nr. 17. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 17. 177.i Der Verhaftete muß spätestens anr Tage nach seiner Einliefenmg in das Gefängniß- über den Gegenstand der Beschuldigung gehört Wertteil. Dabei ist ihm zu eröffnen, daß ihm die Rechts-

2. Titel. Derfahren in erster Instanz. §§. 176—178.

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beschiverde (§. 175 Absatz 2) gegen den Haftbefehl znsteht. 1 cf. §§. 114, 115 R.Str.P.O. 2 Jede Einlieferung in ein Haftlokal macht die „Anhöruug" bcd Beschuldigten erforderlich. Eingehende Ver­ nehmung im Sinne des §. 178 kann später erfolgen.

3 Auch wenn der Tag nach der Einlieferung aus einen Sonn- oder Feiertag fällt darf die Anhörung des Be­ schuldigten nicht verschoben werden.

F Nr. 15.

F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 15.

178.1 Der Verhaftete soll, soweit rnöglich, von Anderen gesondert und nicht in demselben Raume mit Strafgefangenen verwahrt werden Den: Verhafteten dürfennur solcheBeschränkungen auferlegt werden, welche zur Sicherung des Zweckes der Hast oder zur Aufrechthaltung der Ordnung im Gefängnisse nothwendig sind 2 Bequemlichkeiten undBeschästigungen,diederDienststellung oder dem Stande und den Vermögensverhältnissen des Verhafteten entsprechen, darf er sich auf seine Kosten verschaffen, soweit sie mit dem Zwecke der Hast vereinbar sind unb weder die Ordnung im Gefängnisse stören, iiocfj die Sicherheit gefährden. Mit dieser Maßgabe darf Lesen und Beschäftigung mit schriftlichen Arbeiten dem Ver­ hafteten nicht untersagt werden. Feffeln dürfen im Gefängnisse dem Verhafteten nur dann angelegt werden, wenn dies wegen be-

110

Militärstrafgerichtöordnung. II. Theil. Verfahren,

sonderer Gefährlichkeit seiner Person, namentlich zur Sicherung Anderer erforderlich erscheint, oder wenn der Verhaftete einen Selbstentleibungs- oder Entweichungsversuch geniacht oder vorbereitet hat. Bei der Hauptvcrhandlung soll er ungefesselt sein. 1 cf. §. 116 R.Str.P.O

2 Verkehr mit dem Vertheidiger,

cf §§. 337, 345.

179.1 Die Untersuchungshaft ist aufzuheben? wenn ein Grund zur Verhaftung nicht nrehr besteht oder wenn der Beschuldigte freigesprochen oder außer Verfolgung gesetzt wird. DaS Gleiche gilt, wenn die Derurtheilung auf Geldstrafe lautet oder, sofern besondere Umstände nicht entgegenstehen, wenn die erkannte Freiheitsstrafe die Dauer von sechs Wochen nicht übersteigt. Durch Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung deS Angeklagten nicht verzögert werben. Auf Grund neuer Verdachtsgründe oder Beweis­ mittel kann der höhere Gerichtsherr gegen den An­ geklagten einen neuen Haftbefehl erlassen. i cf. §. 128 R.Str.P.O.

3 Die Aufhebung der Untersuchungshaft erfolgt auch hier durch den Gerichtshcrrn. Sie kann für den Fall der Freisprechung schon im Voraus verfügt werden, cf. Weigel zu §. 179.

150.1 Die Befugniß zur vorläufigen Festnahme? steht zu: bcii militärischen Vorgesetzten, den militärischen

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§.179, 180.

111

Wachen' und dem Untersuchungsführer, wenn die Voraussetzungen der Untersuchungshaft vorliegen; den Polizei- und Sicherheitsbeamten in den Fällen des §. 176 Nr. 1, 2. 4, wenn Gefahr im Ver­ zug mrd ein militärischer Vorgesetzter des Be­ schuldigten oder eine militärische Wache nicht erreichbar ist. Wird eine der Militärstrafgerichtsbarkeit unter­ stellte Person bei Ben'ibung eines Verbrechens oder Vergehens^ auf frischer That betroffen oder verfolgt, so kann, wenn sie der Flucht verdächtig oder ihre Persönlichkeit nicht sofort feststellbar ist, die vorläufige Festnahme durch Jedermann geschehen. Bei einem im Offiziersrange stehenden und in entsprechender Uniform befindlichen Angehörigen der bewaffneten Macht ist die Annahme ausgeschlossen, dah er der Flucht verdächtig sei, oder daß seine Persönlichkeit nicht sofort fcstgestellt werden könne, es sei denn, daß er bei der Begehung eines Verbrechens? auf frischer That betroffen oder verfolgt wird.6 1 cf. §. 127 R Ztr.P.O. 2 D. h. die nicht von dem Gerichtsherrn angeordnete Festnahme. 2 cf. §. 111 M.Ltr.G.B. * cf. tz. 176. 5 Die vorläufige Festnahme durch „Jedermann" ist ausgeschloffen, wenn nur eine Uebertretung verübt ist. 6 D. h., wenn die That unmittelbar nach ihrer Der-

112

Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren.

Übung entdeckt und auf Grund der hierbei gemachten, aus den Thäter hinweisenden Wahrnehmungen die Ver­ folgung desselben unverzüglich begonnen hat. Dafi der Thäter bei der That selbst betroffen worden, ist nicht er­ forderlich. cf. Voewe A. 2 zu §. 104 R.Str.P.O.

7 cf. §. 1 R.Str.G.B. §. 1 M.Str.G.B. Diese Vorschrift entspricht der Preufi. Aller!). Cabinets-Ordre vom 6. Dezember 1855. Militär-Gesetz Sammlung Bd. V S. 371 ff. 8 Alle im Offtzierrange stehenden Personen, wclcl»e Uniform zu tragen berechtigt sind, gehören zur „be­ waffneten Macht".

Aurf.Hrst. H. u. W. Vorläufig fcstgenommenc Per­ sonen werden in derselben Art, wie die in Untersuchungs­ haft genommenen (§. 178) bebandelt

18L1 Der Festgenommene ist unverzüglich,3 svfern er nicht wieder in Freiheit gesetzt wird, an die nächste Militärbehörde abzuliefcrn. Diese hat beit Festgenornmenen sofort zu vernehmen und, sofern sie nicht die Freilassung verfügt, dem zuständigen Ge­ richtsherrn zu überweisen i cf. §. 128 R.Str.P.O. 3 Der Festgenommene ist so schnell, als dies die Derhältniffe des Einzelfalles gestatten, abzuliefern.

Auss.-Dest. H. u. M. Unter „Militärbehörde" ist hier der Truppentheil, das Bezirkskommando beziehungs­ weise die militärische Wache zu verstehen. Das bezüglich einer der Wache zugeführten Person zu beobachtende Verfahren regelt sich nach den Vorschriften der Wachinstruktion.

182?

Pei strafbaren Handlungen, deren Ver-

2. Titel.

Verfahren in erster Instanz. §§. 181—183. 113

folgung nur auf Antrags cintritt, ist weder die vor­ läufige Festnahme, noch die Verhaftung von der Stellung eines solchen Antrags abhängig. Ist die Verhaftung vor der Stellung des Antrags erfolgt, so ist der Antragsberechtigte, von mehreren wenigstens einer, sofort von der Verhaftung in Kenntniß zu setzen. Die Freilassung mutz erfolgen, wenn nicht spätestens binnen einer Woche3 seit der Verhaftung ein Strafantrag eitlgcgangen ist. 1 cf. §. 130 N.Ltr.P.O. 3 DaS Gleiche gilt von benieniflcn strafklaren Hand­ lungen, deren Verfolgung nur mit „Ermächtigung" eintritt, cf. OlSh. §. 99 A 3 Vociue §. 130 A 4. 3 Berechnung der Irisl. cf. §. 146 Abs. 2.

183.1 Steckbriefe können von dem GcrichtSherrn erlassen werden, wenn die Voraussetzungen der Untersuchungshaft3 vorliegen und der zu Verhaftende flüchtig ist oder sich verborgen bäh. Andere Militärbehörden3 sind zur Erlassung eines Steckbriefs befugt, wenn der Beschuldigte ans dem Gefängniß entweicht oder sonst der Bewachung sich entzieht oder der Fahnenflucht verdächtig ist. Der Steckbrief soll, soweit dies möglich, eine Be­ schreibung des zu Verhaftenden enthalten und die demselben zur Last gelegte strafbare Handlung,* sowie die Behörde bezeichnen, an welche die Ab­ lieferung zu erfolgen hat. Die Bekanntmachung des Steckbriefs kann außer durch öffentliche Blätter^ auch durch öffentlichen AnHerz, Militärstrasgericht^ordrrnng. 8

114

Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren,

schlag im Heimathsorte, Wohnort oder gewöhnlichen Aufenthaltsorte des zu Verhaftenden erfolgen.

1 cf. §. 131 R.Str.P.O. 2 cf. §. 176. 8 Alle selbstständigen Militärbefehlsh aber, wie Re gimentskommandeure, Kommandeure derMatrosen-Artillerie Abtheilungen ?c., Kommandanten 2c. sind unter diesen Voraussetzungen zum Erlaß von Steckbriefen befugt, cf. Ausf-Best. 4 5lurze Bezeichnung der That mit dem strafrechtlichen (inten „Diebstahl, Betrug rc." ist ausreichend. 5 Die Wahl der Blätter ist dem Ermessen des Gerichts. Herrn überlassen. Die Bekanntmachung in mehreren Blättern und mehrfache Wiederholung der Bekanntmachung ist im fiskalischen Interesse, soweit angängig, zu vermeiden. Ausf.-Kkst.H. In den hier bezeichneten Fällen find außer dem Gerichtsherrn zur Erlassung von Steckbriefen befugt: die Militärvorgesetzten vom Regiments- oder selbst­ ständigen Bataillons-und Bezirkskommandeur ab aufwärts, beziehungsweise die mit den Befugnissen dieser Befehls­ haber auögestatteten Militärvorgesetzten, sowie bei Ent­ weichungen aus Gefangenanstalten oderArbeiterabthetlungen die Gouverneure, Kommandanten und Garnisonältesten. Ausf.-Dest. W. In der Marine sind auch die Abtheilungs-Kommandeure und alle Kommandanten S. M. Schiffe zu Erlaß von Steckbriefen befugt.

F. Nr. 18, 19, 20, 21. 184J Ist Jemand in Folge Haftbefehls (§. 175) oder auf Grund eines Steckbriefs (§. 183) ergriffen worden, und kann er nicht spätestens am Tage nach der Ergreifung bestimmungsgemäß? abgeliefert werden, so ist er auf sein Verlangen^ sofort der nächsten Militärbehörde vorzuführen und von dieser unverzüglich zu vernehmen. Weist er bei der Ver-

2. Titel.

Verfahren in erster Instanz. §§.184,186. 115

nehmung nach, daß er nicht die verfolgte Person, oder daß die Verfolgung durch die zuständige Be­ hörde wieder aufgehoben sei, so hat die Militär­ behörde seine Freilassung zu verfügend > cf. §. 132 R.Str.P.O.

3 D. l). an den Gcrtchtsherrn, welcher den Haftbefehl erlassen hat §. 175 — oder an die in dem Steckbriefe bezeichnete Behörde. §. 183 Abi. 3.

3 Verlangt der Ergriffene die Vorführung vor die nächste Militärbehörde nicht, io bat die Behörde, durch welche die Festnahme bewirkt ist, nach den Umständen des Falles zu entscheiden, ob der Ergriffene dem Gerichtsherrn bezw. der nach §. 183 'Abi 2 benannten Stelle oder ob er der nächsten Militärbehörde abgcliefert werden soll. Der Ergriffene ist über »ein Necht, die Vorführung vor die nächste Militärbehörde zu verlangen, zu belehren. 4 cf. Ausl.-Best. zu < 181.

III. Vernehmung von Zeugen. 18a. Die Gestellung von Zeugen, welche Personen des Soldatenstandes des aktivell Heeres oder der aktiven Marine sind, erfolgt durch dienstliche An­ ordnung. Anderen Personen ist, sofern nicht ein sonstiger Weg zweckdienlich erscheint, eine Ladung zuzustellen.1 In der Ladung ist auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens hinzuweisen. 1 Eine förmliche Zustellung der Ladung — §. 142 Abs. 1 — ist immer dann zweckmäßig, wenn ein Un­ gehorsam des Zeugen gegen die Ladung zu erwarten steht. Nur ein durch förmliche Zustellung geladener Zeuge kann

8*

116

Militärstrcisgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren,

bestraft werden, Ali §. 171.

cf. §§. 186, 141 A. 2 und Ausf.-Best.

Ausf.-Dest. H. U. W. Die Vabunti von Reichs­ oder Staatsbeamten ist ^dei vorgesetzten Dienstbehörde derselben mitzntheilen. F. Nr. 22, 82. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 18.

186.1 Ein durch Zustellung geladener Zeuge (§. 185 Absatz 2) ist,2 wenn er nicht erscheint, in die durch das Ausbleiben verursachten Kosten, sowie zu einer Geldstrafe bis zu dreihundert Mark, und für den Fall, daß diese nicht beigetrieben werden kann, zur Strafe der Haft bis zu sechs Wochen zu verurtheilcn3 Auch ist die zwangsweise Vorführnng des Zeugen zulässig. Bleibt der Zeuge bei noch­ maliger Vorladung in demselben Ermittelungs­ verfahren abermals aus, so kann derselbe noch ein­ mal in Strafe und Kosten verurtheilt werden. Die Verurtheilnng in Strafe und Kosten unter­ bleibt, wenn daS Ausbleiben des Zeugen genügend entschuldigt istErfolgt nachträglich genügende Entschuldigung, so werden die gegen den Zeugen getroffenen Anordnungen wieder aufgehoben. Die Befugniß zu den im ersten Absätze bezeichneten Maßregeln steht hinsichtlich der im §. 1 bezeichneten Personen, soweit sie zu laden sind (§. 185 Absatz 2), dem Gerichtsherrn zu. Hinsichtlich anderer Personen erfolgt die Fest­ setzung und die Vollstreckung dieser Maßregeln auf Ersuchen durch den Anitsrichter, in dessen Bezirke

2. Titel. Verfahren in erster Instanz.

§§. 186, 187. 117

der Zeuge seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Die Vorführung des Zeugen ist durch Ersuchen der Staatsanwaltschaft oder der Polizeibehörde zu bewirken. 1 cf. §. 60 R.Str.P.Q 2 Ist zu verurtheilcn. Die Verhängung der Strafe und Auferlegung der Kosten must erfolgen, falls keine genügende Entschuldigung des Ausbleibens vorliegt. Bei nochmaligem Ausbleiden des Zeugen auf wiederholte Ladung ist eine weitere Bestrafung nur zulässig, iiirtit ge­ boten 3 Auctr der zur Verweigemng des Zeugnisses Be rechtigle muh — falls er nicht auf feinen Antrag vom Erscheinen entbunden wird - der Ladung ^olgc leisten. 4 Das Vorschützen einer unwahren Thatsache als Entschuldigung wird durch §. 138 N.Str.G.B. unter Strafe gestellt. Personen des Loldatenstandes würden sich durch Erstattung einer derartigen falschen Meldung an den Gerichtsherrn — cf. Abs. 3 — der Be ftrafung aus §. 189 M.Str.G.B. aussetzen F. Nr. 22. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr 18.

187J Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt." 1. der Verlobte" des Beschuldigten; 2. der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; 3. diejenigen, welche mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt, verschwägert oder durch Annahme an Kindesstatt verbunden oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grgde verwandt

118

Militarstrasgerichtöordnung. 17. Theil. Verfahren,

oder bis zum zweiten Grade verschwägert sind, auch wenn die Ehe, durch welche die Schwäger­ schaft begründet ist, nicht mehr besteht. Die bezeichneten Personell sind vor jeher4 Ver­ nehmung über ihr Recht zur Verweigerung des Zeugnisses zu belehren? Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufell. 1 cf. §. 61 R.Ltr.P.O. Die in §. 187 genannten Personell sind nur zur Verweigerung deö Zeugnisses berechtigt. Dagegen können sie — z. B. durch zwangsweise körperliche Unter­ suchung — veranlaßt werden, indirekt zur Ueberftthrung des Beschuldigten beizutragen. (Lntsch. d. RG. vom 8. Juli 1889. — Bd. XIX L. 866. 2 Die genannten Personen können auch nach Ab­ legung des Zeugnisses die Beeidigung desselben ver­ weigern. §. 200 Abs. 2. 3 Das Verlöbniß braucht weder rechtsförmlich, noch veröffentlicht zu sein, mutz aber zur Zeit der Zeugnißablegung noch bestehen, cf. Entsch. d. R.G. vom 9. Mai 1898. Bd. XXXI, L. 142. 4 Die Belehrung iss also bei mehr-facher Vernehmung zu wiederholen. Jede Belehrung ist im Protokoll zu ver­ merken. ö et. §. 164 A. 2. Die Verletzung dieser Vorschrift muß — falls das Urtheil durch das rechtswidrig erlangte Zeugniß beeinstllßt ist — als Revisionsgrund gelten. Entsch. deö R.G. vom 4. Januar 1884. — Bd. IX 384. —

188J Zur Verweigerung des Zeugnisses silld ferner berechtigt?

2. Titel.

Verfahren in erster Instanz.

§§. 188, 189.

119

1. Geistliche in Ansehung desjenigen, was ihnen bei Ausübung der Seelsorge mwedraut3 ist2. Vertheidiger in Ansehung desjenigen, was ihnen in dieser ihrer Eigenschaft anvertraut3 ist; 3. Rechtsanwälte und Aerzte in Ansehung des jenigen, was ihnen bei Ausübung ihres Berufs anvertraut3 ist. Die unter Nr. 2 und 3 bezeichneten Personen dürfen das Zeugniß Glicht verweigern, wenn sie von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden^ sind. 1 cf §. 62 R-Ltr.P.O 2 Eine Belehrung dieser Personen ist nicht erforderlich 3 Jede kraft ihrer amtlichen Ltellung alS (Geistlicher re empfangene Mittheilung gilt als anvertraut. Das Hülfsperfonal der genannten Perfonen — Küster, Bureau-Vorsteher, Schreiber ?c. — ist zur Verweigerung des Zeugnisses nicht befugt. * Nur derjenige, welcher die Thatsache anvcrtraut hat, kann rechtsgültig van der Verpflichtung zur Verschwiegen­ heit entbinden.

189.1 Oeffentliche Beamte^ und Personen des Soldatenstandes, auch meint sie nicht wehr im Dienste sind, dürfen über Umstände, aus welche sich ihre Pflicht zur Dienstverschwiegenheit3 bezieht, als Zeugen mir mit Genehmigung^ ihrer vorgesetzten Dienst­ behörde oder der ihnen zuletzt vorgesetzt gewesenen Dienstbehörde vernommen werden. Für den Reichs­ kanzler bedarf es der Genehmigung des Kaisers, für die Minister der Genehmigung des Landesherrn, für die Mitglieder der Senate der freien Hansestädte der Genehmigung des Senats.

120

Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren.

Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn die Ablegung des Zeugnisses dem Wohle des Reichs oder eines Bundesstaats Nachtheil bereiten würde1 cf. §. 53 RStr.P.O. 2 Beamte im weitesten Sinne des Wortes. 3 Im Zweifel hat hierüber die vorgesetzte Dienst­ behörde zu bestimmen, deren Entscheidung für das Gericht maßgebend ist. ♦ Die Genehmigung kann auch unter Einschränkungen ertheilt werden. Entsch. d. R.G. vom 18. September 1882. — Bd. Vll, L. 74. —

190.1 Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder eitlem der im 187 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Angehörigen die Gefahr strafgerichtlichcr^ Verfolgung zuziehen würbe.3 45 1 cf. §. 54 R.Str.P.O. 2 Nur die Gefahr einer st rafgerichtlichen Verfolgung, nicht einer disziplinären Ahndung, berechtigt zur Ver­ weigerung der Auskunft. 3 Belehrung über das Recht der Zcugnißverweigerung ist nicht erforderlich, cf. Entfch. d. R.G. vom 10. Ok­ tober 1884. Rw- Vd. X, S. 617. 4 Das Recht, gemäß §. 190 als Zeuge die Auskunft zu verweigem, darf nicht durch Verschweigung einzelner Thatumstünde ausgeübt werden, sondern nur durch aus­ drückliche Verweigerung der Antwort, cf. Entsch. d. R.G. vom 21. Mai 1883. Rsp. Bd. V, S. 372. 5 Die Zeugen dürfen unter den Voraussetzungen des §. 190 die Zeugschaft gänzlich verweigern. Ob die Gefahr einer strafrechtlichen Untersuchung vor­ handen ist, hat der Richter nach freiem Ermessen zu ent scheiden, cf. Enti'ch. d. R.G. vom 9. Oktober 1880. Rspr. Bd. II, S. 305.

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 190—198. 121 19L1 Die Thatsache, auf welche der Zeuge die Verweigerung des Zeugnisses in den Fällen der §§. 187, 188 Nr. 2, 3 stützt, sowie die Behauptung des Zeugen in dem Falle des 8- 190 sind auf Ver(aiiflcii2 glaubhaft zu machen. Es genügt die Ver­ sicherung an Eidesstatt. 1 cf. §. 7,7> R.Ltr.P.O 3 cf. §. 126 A 2

2 des Richters.

192.1 Jeder Zeuge ist einzeln und in Abwesen­ heit2 der später abzuhvrendeu Zeugen zu vernehmen 3 Eine Gegenüberstellung mit anderen Zeugen oder mit dem Beschuldigten ist zulässig. 1 cf. §. 58 R.Ltr.P.O 2 Inttruktlonclie Vorschrift. Es kann deshalb ein Beuge mich dann gültig vernommen werden, wenn er vorher bei anderen Vernehmungen zugegen gewesen ist. Entich. d. R.^). vom 15. April 1880. Bd. I — L. 366. 3 Es ist die Buziehung eines (^erichtsichreibers er­ forderlich. cf. §. 163 Abi. 2 F 9k. 23. F (Niedere (Gerichtsbarkeit) Nr 19.

193? Die Vernehmung beginnt damit, daß der Zeuge über Vornatnen und Zunamen, Alter, Religionsbekenntniß, Stand oder Gewerbe und Wohnort befragt wird.23 Erforderlichen Falles sind deut Zeugen Fragen über solche Umstände, welche seine Glaubwürdigkeit in der vorliegenden Sache betreffen, insbesondere über seine Beziehungen zu dem Beschuldigten oder dem Verletzten, vorzulegen. 1 cf. §. 67 RStr.P.O.

122

Militärstrafgerichtsordmmg. H. Theil

Verfahren.

2 Die Frage nach eventuellen Vorstrafen ist nicht vorgeschriehen, aber zulässig und, der Regel nach, zweckmähig. 3 Die Vorschrift des §. 193 ist nur instruktioneller Natur, of. Entsch. des R G vom 17. März 1884. Rspr. Bd. VI, L. 206.

194.1 Der Zeuge ist zu veranlassen, dasjenige, was ihm von dem Gegenstände seiner Vernehmung bekannt ist, in, Zusammenhang anzugeben.3 Vor seiner Vernehmung ist dem Zeugen der Gegenstand der Untersuchung und die Person des Beschuldigten, sofern ein solcher vorhanden ist, zu bezeichnen. Zur Aufklärung und zur Vervollständigung der Aussage, sowie zur Erforschung des Grundes, auf welchem die Wissenschaft des Zeugen beruht, sind nvthigenfalls weitere Fragen zu stellen. 1 of. §. 68 R.Str.P.O. 2 Die Verlesung des Protokolls über eine frühere Vernehmung des Zeugen bars nur zur Unterstützung seines Gedächtnisses oder zur Feststellung oder Hebung von Widersprüchen erfolgen, cf. §. 307. Daö bisher übliche Verfahren, die frühere Aussage — ohne die Voraus­ setzungendes §. 307 — statt weiterer Befragung des Zeugen zu verlesen und dann von dem letzteren als richtig bestätigen zu lassen, verstößt gegen §§. 194, 307. Beruht das Urtheil ans einer solchen Aussage, so unterliegt es der Aufhebung, cf. Entsch. d. R G. vom 6. April 1888. Rspr. Bd. X, L. 280.

195.1 Die Beeidigung der Zeugen bleibt der Regel rlach bis zur Hauptverhandlung ausgesetzt? Lie hat jedoch schon in dem Ermittelungsverfahren

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 194—196. 123 zu erfolgen, wenn die Beeidigung als Mttel zur Herbeiführung einer wahrheitsgetreuen Aussage über eine Thatsache, von der die Erhebung der Anklage abhängig ist, erforderlich erscheint. Das Gleiche gilt für den Fall, daß der Zeuge voraus­ sichtlich am Erscheinen in der Hauptverhandlmrg verhindert oder fein Erscheinen wegen großer Ent­ fernung besonders erschwert sein wird, sofern seine Aussage nicht für die Feststellung des Thatbestandes bedeutungslos erscheint.3 1 cf. §. 66 R.Str.P O. 2 In dem Verfahren gegen Abwesende sind Zeugen und Sachverständige, insofern leine Bedenken entgegenüchen, eidlich zu oernelnuen. cf. §. 357 Abi. 4. 3 cf. §. 299.

196.1 Die Zeugen sind nach der Vernehmung und einzeln zu beeidigen. Sie find vor der Leistung des Eides in angemessener Weise auf die Bedeutung und die Heiligkeit desselben hinzuweisen.3 1 Im Gegensatz zu §. 60 R.Str.P.O, welcher den Voreid als Regel vorschreibt. 2 Dieser Hinweis auf die Bedeutung und Heiligkeit des Eides kann an die versammelten Zeugen gerichtet werden. Ausf.-Kest. A. U. W. Der Hinweis auf die Be­ deutung und die Heiligkeit des Eides darf nicht als eine forutularmäßige Vorhaltung behandelt werden; vielmehr muß dieser Hinweis in einer das religiöse Bewußtsein an­ regenden Weise erfolgen und im einzelnen Falle dem Bildungsstand und der Persönlichkeit des Schwurpflichtigen angepatzt werden.

124

Militärstrasgerichtsordnung. IT. Theil. Verfahren.

Soweit es erforderlich erscheint, sind die strafrechtlichen Folgen des Falscheides besonders hervorzuheben. Es ist serner darauf zu halten, daß bei der Eides abnahme die gebührende Feierlichkeit gewahrt werde, und namentlich sämmtliche Anwesende vor der Eidesabnahmc sich von ihren Sitzen erheben und während der Eides lciftung eine der Heiligkeit der Handlung entsprechende Haltung beobachten.

197J Der von dem Zeugen unter Erhebung der rechten Hand zn leistende Eid lautet: „Ich schwöre bei Gott dem Allmächtiger: urrd Allwissenden, dab ich rrach bestem Wissen und Gervissen die reine Wahrheit gesagt, rrichts verschwiegen und rrichts hinzugesctzt habe. So wahr mir Gott Helse." Die Bestirnrrrung des 8 42 Absatz 3 findet Anrvendung.2 Der Eid wird mittelst Nachsprechens oder Ab­ lesens der die Eidesnorrrr errthalterrden Eidesfornrel geleistete Stumme, rvelche schreiben können, leisten den Eid mittelst Abschreibens urrd Urrterschreibens der Eides­ formel. Stumme, welche rricht schreiben können, leisten derr Eid mit Hülfe eines Dolmetschers durch Zeichens 1 cf. §§. 61, 62, 63 R.Str.P.57. 2 Die Hinzufügung einer dem (Alaubensbetenntniß ent­ sprechenden Bekräftigungssormel ist dem Zeugen hiernach gestattet. 3 cf. §. 118 und A. 2 hierzu. * cf. §. 117.

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 197—199. 125 198J Der Eidesleistung wird gleich geachtet, wenn ein Mitglied einer Religionsgesellschaft, welcher das Gesehn den Gebrauch gewisser Betheuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet, eine Erklärung unter der Betheuerungsformel dieser Religions­ gesellschaft abgiebt. 1 cf. §. 64 N.Ltr.P.O. 2 Da reichsgesctzlictie Vorschriften fcDlcn, [ontnicn die ^andcsgesetze in Betracht. In Preuszcn: Verordnung vom 11. März 1827. G.L. L. 28 bez der Menoniten und All. Kabincts-Ordre vom 19. November 1836. — Iahrb. Bd. 49 L. 175 bez. der Philipponen.

199.l Richt zu beeidigen sind: 1. Personen, welche zirr Zeit der Vernehmung das sechszehnte Lebensjahr noch nicht vollendet, oder wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen Verstandesschwäche von dem Wesen und der Be­ deutung des Eides keine genügende Vorstellung haben2. Personell, welche nach den Bestimmungen der Strafgesetze unfähig sind, als Zeugen eidlich vernommell zu werden:2 3. Personen, welche hinsichtlich der den Gegenstand der Untersuchung bildenden That als Theilncljnicr,3 Begünstiger oder Hehler verdächtigt oder bereits verurtheilt sind.' « 1 cf. §. 56 N.Str.P.O. 2 cf. §. 161 R.Str.G.B 3 Die Theilnahme muß eine schuldhafte, strafbare sein.

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Militärstrafgcrichtsordnung. II. Theil. Verfahren.

Entsch. d. R.G. vom 23. September 1889 — Vd. XIX, S. 391 — und vom 24. Juni 1898 Bd. XXXI, S. 220. 4 Hierüber hat das Gericht nach pflichtgemäßer Ueber­ zeugung zu befinde». 5 Die Rechtskraft der Berurthciluug ist nicht erforderlich. 6 Bei uncidlicher Dernchuulng muß der Gnmd der Nichtbeeidigung — int Protoll — durch Anführung von Thatsachen er-sichtlich geiuacht werden. cf. Vocroc A. 6 a und b zu §. 56.

200.1 Hat eine Vernehmung von Personen statt­ gefunden, welche nach §. 187 zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sind, so hängt es von dem richterlichen Ermessen ab, ob sie unbeeidigt zu lassen oder zu beeidigen sind. Dieselben können auch nach der Vernehmung die Beeidigung des Zeugnisses verweigern und sind über dieses Recht zu belehren.23 1 cf. §. 57 R.Str.P.O 2 Wird es unterlassen, den unter Verzicht auf das Recht der Zeugnitzveliveigerung uneidlich vcrnotnmenen Zeugen vor seiner nachträglichen Vereidigung über sein Recht, die Eidesleistung zu verweigern, zu belehren, so ergiebt dies einen Revisionsgiiind. cf. Entsch. des R.G. vom 8. Juni 1885. Rspr. Bd. VII, S. 357. 3 Bei wiederholten Vernehmungen eitler nach §. 200 privilegirtcn Person mutz letztere über ihre Befugnis; eid lich oder nichteidlich auszusagen, belehrt werden, bevor sie die Richtigkeit ihrer Aussage auf einen früher in demselben Verfahren nach anderer Richtung hin abgeleistetcn Eid versichert. Entsch. des R.G. vom 11. Oktober 1883. Rspr. Bd. V, L. 600. cf. auch §. 187 A. 5 und §. 201.

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 200—202. 127 20L1 Wird ein eidlich vernommener Zeuge in derselben Strafsache nochmals vernommen, so ist eS zulässig, statt der nochmaligen Beeidignng den Zeugen die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung? auf den friiher geleisteten Eid versichern? zu fassen.4-6 i cf. §. 66 R.Ltr.P O. Abweichend von der R.Str.P.O ist die Berufung auf den in dem Ermittelungsvcrfahren oder in der ausge­ setzten vauptverhandlung (§. 276) geleisteten Eid auch im spütcren vauptverfahren zulässig. Die Entsch. des R.(8. vom 24. April 1880 — Mpr. Bd. I, S. 655 und die Entsch. des R.G. vom 24. September 1885 — Entsch. Bd. XII, S. 873 sind alio für die M.Ltr.G.O. ohne Be­ deutung. cf. Begr. S. 124 zu §. 193 des Entw. - Die Berufung mir den früher geleisteten Eid ist auch dann zulässig, wenn die neue Aussage von der früheren abweicht, oder wenn die neue Bernehmung sich aus bisher nicht erörterte Thatsachen erstreckt. cf. Entsch. des R G. vom 11. Mai 1894. Goltd. Arch. XXXXII, L. 136. 3 Eine bestimmte Form ist nicht vorgcschrieben. Der Zeuge muß aber selbst eine auodrückliche Nenicherung abgeben. 4 cf. §. 200 A. 3 5 cf. Allgemeine Vers, vom 5. Februar 1900 über die allgemeine Beeidigung von Sachverständigen für ge­ richtliche Angelegenheiten F.M.Bl. Nr. 6 vom 9. Februar 1900 S. 48.

202. Personen des Soldatenstandes des aktiven Heeres oder der aktiven Marine, welche die Ab­ legung des Zeugnisses oder die Eidesleistnng ohne gesetzlichen Grund verweigern, sind disziplinarisch mit Arrest zu bestrafen.'-

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Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren.

Die Bestrafung kann wiederholt werden, jedoch nicht über die Zeit der Beendigung des Verfahrens in der Instanz, auch nicht über die Zeit von sechs Monaten, und bei Uebertretungen nicht über die Zeit von sechs Wochen hinaus. Die Bestrafung erfolgt, sofern nicht der Gerichts­ herr zugleich der DiSziplinarvorgesetzte ist, mif dessen ErsuchendurchdenbetreffendenDisziplinarvorgesetzten. Der ersuchten Stelle steht eine Nachprüfung, ob die Verweigerung des Zeugnisses ohne gesetzlichen Grund erfolgt ist, nicht zu. 1 Die ungesetzliche Weigerung gilt als Verstoß gegen die militärische Zucht und Ordnung, uicht als Ungehorsam gegen einen Befehl in Dienstsachen. §§. 92, 93, 94, 95 M.Str.G.B. kommen nicht zur Anwendung. cf. Begr S. 124 zu §§. 194, 195 des Entw. und §. 19 E.Ä. 2 Mit Recht hebt Weigel hervor — §. 202 A. 2 — das; die Strafe für den einzelnen Weigerungsfall nicht über die in §§. 16, 17 MStr.GV. gezogene Grenze der Arreststrafe hinausgehen darf. Die Annahme dagegen, daß für den einzelnen Weigerungsfall eine Strafe von 6 Wochen Arrest zulässig sei, erscheint nicht zutreffend. Die Zeugnißvcrweigerung soll disziplinarisch als Zuwiderhandltmg gegen die militärische Zucht und Ordntmg bestraft werden. Sie unterfällt deshalb dem §. 1 der Disz.Ord. für das >>ecr und die kaiserliche Marine und ist somit auch an die in diesen Diszipl.-Ord. §§. 3 n. gegebenen Strafgrcnzen gebunden. Die Strafe kann bei hart­ näckiger Weigerung innerhalb der Festsetzungen des §. 202 Abs. 2 wiederholt werden.

203.1

Ein Zeuge,welcher nicht zu den im

2. Tttel. Verfahren in erster Instanz. §. 203.

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§. 202 bezeichneten Personen gehört, ist, wenn er ohne gesetzlichen Grund das Zeugniß oder die Eides­ leistung verweigert^ in die durch die Weigerung verursachten Kosten, sowie zu einer Geldstrafe bis zu dreihundert Mark und für den Fall, daß diese nicht beigetrieben werden kann, zur Strafe der Haft bis zu sechs Wochen zu verurtheilen.4 Auchö kann zur Erzwingung des Zeugnisses oder der Beeidigung die Haft angeordnct werden, jedoch nicht über die Zeit der Beendigung des Verfahrens in der Instanz, auch nicht über die Zeit von sechs Monaten, imb bei Uebertrctungen nicht über die Zeit von sechs Wochen hinaus. Die Bestimmungen des §. 186 Absatz 3 und 4 finden entsprechende Anwendung. Sind die Maßregeln gegen den Zeugen erschöpft, so können sie in demselben oder in einem anderen Verfahren, welches dieselbe That zmn Gegenstände hat, nicht wiederholt werden. 1 cf. §. 69 R.Str.P.O. 2 Ein erschienener Zeuge. Die Bestrafung der auSgcbliebcnen Zeugen regelt sich nach §. 186. 3 Ein Zeuge, welcher bereits bei einer früheren Der nchmung seine Ausgabe abgegeben hat, demnächst aber ein weiter gefordertes Zeugnis; verweigert, wird in gleicher Weise bestraft. Auch die Ablehnung der Beantwortung einzelner Fragen unterfällt den Bestimmungen des §. 203. 4 Die Strafen minien verhängt werden, wenn die Auösagc 2c. ohne gesetzlichen (tfrunb verweigert wird. Sie sind auch dann zu vollstrecken, wenn sich der Zeuge nach Festsetzung der Strafe zur Aussage bequemt. Die Strafe kann nur einmal verhängt werden. Her-, MilitärstrafgertchtSorduung.

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Militärslrasgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren.

5 Die Zwangshaft kann nur eintretcn, wenn eine Strafe bereits verhängt ist oder zugleich mit der Zwangs­ hast verhängt wird.

204. Soweit die Verhängung der in den §§. 186 und 203 gedachten Maßregeln vom Gerichtsherrn verfugt ist, findet die Rechtsbeschwerde' an das obere Gericht statt. Gegen die Verfügungen des Amtsrichters ist die Beschwerde nach den Vorschriften der bürgerlichen Strafprozeßordnung zulässig? 1 cf. §§. 3731t 2 cf. §§. 346 ff. R.Str.P.O. Die Beschwerde wird bei demjenigen Gerichte, von welchem die Entscheidung erlassen ist — in dringenden Fällen auch bei dem Beschwerdegcricht — zu Protokoll des Gerichtöschreibers oder schriftlich eingelegt — §. 348 I c. — Als Beschwerdegcricht entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. G.D.G. §§. 72, 77. Der Amtsrichter hat der Beschwerde selbst abzuhelfen, wenn er sie für begründet erachtet; er hat deshalb die Beschwerde zu prüfen. Die Beschwerde hat keine auf­ schiebende Wirkung.

205? Die Gebührenansprüche der auf Bestellung oder Ladung erschienenen Zeugen, welche nicht zu den aktiven Militärpersonen gehören, regeln sich nach der allgemeinen Gebührenordnung für Zeugen. Gegen die Festsetzung der Gebühren findet die Rechtsbeschwerde^ an das obere Gericht statt. Hinsichtlich der akttven Militärpersonen zukommen-

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 204—206. 131

denGebiihren wird imBerwaltungswegeBestimmung getroffen. 1 cf. §. 70 R.Str.P.O. 2 cf. §. 373 A. 1 zn 6.

Ausf.-Kest. H. U. M. Für die Gebührenansprüche der nicht zu den aktiven Militärpersonen gehörenden Zeugen und Sachverständigen ist die Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige vom 30. Juni 1878 (Reichs-Gesetzblatt Seite 173 ff.) in der Fassung der Be­ kanntmachung vom 20. Mai 1898 (Reichs-Gesetzblatt Seite 369, 689 ff.) maßgebend. Hinsichtlich der aktiven Militärpersoncn als Zeugen oder Sachverständigen zustehenden Reisegebühren wird auf die „Reiscordnung für die Personen des Soldatenstandes" und Hilf die Anlage 8. V. 4 Absatz 1 der „ Friedens besoldnngsvorschrift" vom 10. März 1898 venviesen (vgl. auch Gesetz vom 11. Juni 1890, Reichs-Gesetzblatt Seite 73). (In der Marine cf. §. 120 Fr.B.B.) F. 5. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 6. 206J Die Landesherren und die Mitglieder der landesherrlichen Familien, die Mitglieder der Fürstlichen Familie Hohcnzollern, sowie die Mit­ glieder des vormaligen Hannoverschen Königshauses, deö vormaligen Kurhessischen und des vormaligen Herzoglich Nassauischen Fürstenhauses sind in ihrer Wohnung zu vernehmen. Den Eid leisten dieselben mittelst Unterschreibens der Eidesformel. Zur Hmlptverhandlung werden sie nicht geladen. Das Protokoll Liber ihre gerichtliche Vernehmung ist in der Hauptverhandlung zu verlesen.

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Militürstrafgenchtsordnung. II Theil. Verfahren.

1 cf. §. 71 R.Str.P.O. 207.1 Ter Reichskanzler, die Minister eines Bundesstaats, die Mitglieder der Senate der freien Hansestädte, die Vorstände der obersten Reichsbehürdcn und die Vorstände der Ministerien sind an ihrem Amtssitz oder, wenn sie sich außerhalb des­ selben aufhalten, an ihrem Aufenthaltsorte zu ver­ nehmen. Die Mitglieder des Bundesraths sind während ihres Aufenthalts ant Sitze des Bundesraths an diesem Sitze, und die Mitglieder einer deutschen gesetzgebenden Versammltmg während der Sitznngspcriode und ihres Aufenthalts ant Cdc der Ver­ sammltmg an diesem Orte zu vernehnten. Die kommandirenden Generale (Admirale), sotvie die im Range derselben oder in einem höheren Range stehenden Offiziere sind an ihrem Aufenthaltsorte zu vernehmen. Zu einer Abweichung von den vorstehendett Be­ stimmungen bedarf es: in Betreff des Reichskanzlers und der im dritten Absätze bezeichneten Admirale der Genchmigung2 s des Kaisers, in Betreff der im dritten Absätze bezeichneten Generale der Genehmigung^ des zuständigen KontingentSherrn, in Betreff der Minister und der Mitglieder des Bundesraths der Genehmigung^ des Landesherrn,

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 207, 208. 133

in

Betreff der Mitglieder der Senate freien Hansestädte der Genehmigung^

der des

Senats, in Betreff der übrigell vorbezeichneten Beamten der Genehmigung^ jf)rcg unmittelbaren Vor­ gesetzten, in Betreff der Mitglieder einer gesetzgebenden Versalllnllung der Genehmigung^ der letzteren. 1 cf. §. 49 R.Ltr.P.O. 2 3nr Einholung der Genehmigung sind sowohl der lÄericiltsherr, als auch die Pro;es;bethciligten befugt. Die (Genehmigung (anu aud) olmc Antrag erfolgen. 3 Ohne diese (Genehmigung dürfen die hier genannten Personen nur dann zur Oauptvcrhandlung geladen werden, wenn dieselbe an ihren: Aufenthaltsorte bezw. Amtssitze statt find et.

IV. Zuziehung von Sachverständigen? i cf. §. 163 Abs. 2. Bei der Vernehmung (ti erichto idnc i ber 31131131 eh en.

ist ein

208? Auf Sachverständige finden die auf Zeugell bezüglichen Vorschriftell der §§. 185 bis 207 ent­ sprechende Anwendung, insoweit nicht in den nachfolgellden Paragraphen abweichende Bestimmungen getrvffcll sind. Die Gebührcnansprüche der nicht zu den aktiven Militärpersonen gehürellden Sachverständigen regeln sich nach der allgemeinen Gebührenordlnmg für Sachverständige.? Im Uebrigell findet der §. 205 Anwendung." 1 cf. §§. 72, 84 R.LtrP.O.

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Militärstrafgerichtsordnung. II Theil. Verfahren.

2 cf. §. 205 A. 2. 3 Also Rechtsbeschwerde an das obere Gericht. 4 cf. Ausf.-Best. zu §. 205. F. Nr. 5, 20. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 6, 20.

2O9.l Die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen und die Bestimmung ihrer Anzahl erfolgt durch den Gerichtsherrn, in dringlichen Fällen durch den Untersuchungsführer. Die Aus­ wahl darf auch einer anderen Behörde im Wege des Ersuchens überlassen werden. Lind für gewisse Arten von Gutachten Sachver­ ständige öffentlich bestellt, so sollen andere Personen nur dann gewählt werden, wenn besondere Umstände es erfordern.2 3 1 2 8 einer

cf. §. 73 R.Str.P.O. Jnstruktionelle Vorschrift. cf. §. 218 Abs 3. Einholung des Fachbehörde.

Gutachtens

Ausf.-Kest. A. u. M. A. Im Allgemeinen. Die Auswahl der Sachverständigen ist, soweit nicht die Militäritrafgerichtsordnung ausdrückliche Vorschriften enthält, in das Ermessen des Gerichtsherrn, in dringlichen Fällen des Untersuchungsführers, gestellt. Bei gerichtlich-medizinischen Fragen dürften indeß auS militärischen Rücksichten nachstehende Gesichtspunkte zu bcob achten sein: 1. Stabs- und Oberstabsärzte erscheinen für solche Fragen in militärgerichtlichen Untersuchungen alö die zunächst gegebenen Sachverständigen. 2. Bedarf es noch eines Obergutachtens, so wird es sich in der Regel empfehlen, dessen Erstattung

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §. 209.

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einer Kommission, bestehend auS dem Korpsgeneralarzt (in der Marine: Stationsarzt oder Geschwader­ arzt) und zwei Stabs- oder Oberstabsärzten, zu übertragen. 3. Bestehen auch nach diesem Obergutachten noch Zweifel, so kann ein Gutachten des Generalstabs­ arztes der Armee (Marine) erfordert werden. Zur Erstattung dieses Gutachtens wird der General­ stabsarzt der Annee (Marine) eine Kommission, bestehend auS Mitgliedern des Lehrkörpers der Kaiser WilhelmS-Akademie für das militärärztliche BildungSwesen oder sonstigen hervorragenden Fachmännern, heranziehen; andererseits werden etwaige Anträge der zuständigen militärischen Stelle auf Zuziehung hervorragender Vertreter der medizi­ nischen Wissenschaft Berücksichtigung finden. Dieses Gutachten wird in der Regel den Abschluß der Begutachtung finden können. 4. Die technische Kontrole über die bei Leichenöffnungen und Gemüthszustands-Untersuchungen in militär­ gerichtlichen Untersuchungen abgegebenen Gutachten der Militär- oder nicht beamteten Civilärzte liegt den KorpSgeneralärzten (in der Marine: Stations­ ärzten oder Geschwaderärztcn) ob; die Gutachten und Verhandlungen sind den Sanitätsümtern ein­ zusenden. B. Bei besonderen Strafhandlungen. Bei Körperverletzungen. 1. Bei Körperverletzungen, bei denen eine der im §. 224 des bürgerlichen Strafgesetzbuchs vorge­ sehenen Folgen eingetrcten ist oder möglicherweise noch eintreten kann, ist die ärztliche Untersuchung von zwei Aerzten, und zwar in der Regel von zwei Sanitätsoffizieren, vorzunehmen. Jedenfalls soll einer der Aerzte ein Sanitätsoffizier mindestens vom Range eines Stabsarztes oder ein Gerichts-

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Militärstrafgerichtöordmmg. II. Theil. Verfahren,

arzt sein. (An Bord genügt die Zuziehung eines Arztes.) Wird angeordnet, daß das abzugebende (tiitt achten schriftlich erstattet werde, so ist cs von den Sachverständigen gemeinschaftlich, wenn sie aber verschiedener Meinung sind, von einem jeden frr sonders auözustcllen. Bei leichten Lrörperverletzungen wird zur Fest stellung des Thatbestandes in der Regel die Aus­ sage des Verlebten genügen. Hat ein gerichtlicher Augenschein stattgefunden, so ist dessen Ergebniß in das Protokoll aufzunehmen. 2. Ist bei verletzten Frauenspersonen die Besichtigung der (Yeburtstheile nothwendig, so kann sie auch einer beeidigten Hebamme übcAragcn werden. Lind jedoch die (üeburtstheile so verletzt, daß eine ärztliche Behandlung nothwendig ist, so ist nach den ersten beiden Absätzen der Ziffer B 1 zu ver­ fahren. Bei derartigen Untersuchungen soll regel müßig der Untersuchungsführer nicht zugegen sein, wie überhaupt das Schamgefühl auch bei imiim lichen Personen möglichst zu schonen ist. Der (die) Sachverständige ist über die Ver­ letzung, ihre Entstehung und die möglichen Folgen ausführlich zu Protokoll zu vernehmen; die Ein reichung eines schriftlichen (Gutachtens, dessen Richtigkeit eidlich zu bestätigen bleibt, ist zulässig.

210. Auf die Ausschließung und Ablehnung von Sachverständigen finden die Bestimmungen des §. 122 Nr. 1 bis 4, sowie der §§. 124, 126, 130 Absatz 2 bis 4, §§. 131, 133, 134 entsprechende An­ wendung. F. Nr. 8. F. (Niedere (Äerichtobaneit) Nr. 9.

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 210—218. 137 211J Der zum Sachverständigen Ernannte hat der Ernennung Folge zu leisten, wenn er zur Er­ stattung von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt ist, oder wenn er die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntnis Voraussetzung der Begutachtmlg ist, öffentlich zum Erwerb ausübt, oder wenn er zur Ausübung derselben öffentlich bestellt oder ermächtigt ist. Zur Erstattung des Gutachtens ist auch derjenige verpflichtet, welcher sich dazu vor Gericht bereit erklärt Ijat2 » cf. §. 75 N.Ln.P.O. 2 Die einmal abgegebene Erklärung ist umvibemiflicli.

212.i Dieselben Gründe, welche einen Zeugen berechtigen, das Zeugnis; zu verweigern,- berechtigen einen Sachverständigen zur Verweigerung des Gut­ achtens. Auch aus anderer; GrLinden kaun ein Sachverständiger von der Verpflichtung zur Erstattung des Gutachtens entbunden werden. Die Vernehmung eines öffentlichen Beamten oder einer Person des Soldatenstandcs als Sachver­ ständigen findet nicht statt, wenn die vorgesetzte Behörde erklärt, das; die Vernehmung den dienst­ lichen Interessen Nachtheile bereiten würde. 1 cf. §. 76 R.Ttr.P.O. 2 cf. §§. 187 ff.

213? Im Falle des Nichterscheinens oder der Weigerung eines zur Erstattung des Gutachtens verpflichteten Sachverständigen, welcher nicht zu

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Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren,

den Personen des Soldatenstandes des aktiven Heeres oder der aktiven Marine gehört,3 wird der Sachverständige zum Ersätze der Kosten und zu einer Geldstrafe bis zu dreihundert Mark3 verurtheilt> Im Falle wiederholter: Ungehorsams kaun noch einmal auf eine Geldstrafe bis zu sechshundert Mark ersannt werden. 1 cf. §. 77 R.Str.P.O. 2 Personen des Soldatenstandes des aktiven Heeres und der aktiven Marine untcrfaUcn der Bestimmung des §. 202. cf. §. 208. 3 Die Festsetzung einer Haftstrafe für den Fall, dast die Geldstrafe nicht beigetrieben werden kann, ist lin Zulässig. * Das Dorschützen unwahrer Entschuldigungsgründe ist durch §. 138 Abs. 2 R.Str.G.B. §. 139 M.Str.G.B. unter Strafe gestellt, cf. §. 186 A. 4. F. Nr. 24. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 20.

214.1 Der mit der gerichtliche:: Vernehmung des Sachverständigen befaßte Untersuchungsführer hat, soweit ihm dies erforderlich erscheint, die Thätigkeit des Sachverständigen zu leiten. 1 cf. § 78 R.Str.P.O.

215.1 Der Sachverständige hat nach Erstattung des Gutachtens einen Eid3 dahin zu leisten: daß er das von ihm erforderte Gutachten un­ parteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen erstattet habe.

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 214—216. 139 Ist der Sachverständige für Erstattung von Gutachten der betreffenden Art im Allgemeinen beeidigt, so genügt die Berufung auf den geleisteten Eid." 1 gssk. §. 79 N.Ltr.P.O. 2 Die Vereidigung erfolgt regelmäßig erst in der Hauptverhandlung — cf. §§. 200, 195 — und zwar ist jeder Lachverständige einzeln zu vereidigen. 3 Die Berufung aus diesen Eid ist dann nicht mehr zulässig, wenn der össentlich bestellte Sachverständige sein x’liiü niedergelegt hat. cf. Entsch. deö R.G. vom 8. Januar 1897. Bd. XXIX S. 300. 4 Ausdrückliche Erklärung des Sachverständigen ist erforderlich. cf. §. 201 A 3.

216.1 Dem Sachverständigen kann auf sein Verlangen zur Vorbereitung des Gutachtens durch Vernehmung von Zeugen oder des Beschuldigten weitere Aufklärung verschafft werden. Zu demselben Zwecke kann ihm gestattet werden, die Akten einzusehen, der Vernehmung von Zeugen oder des Beschuldigten beizuwohnen und an dieselben unmittelbar Fragen zu stellen. Die Vorschrift des §. 192 findet auf Sachver­ ständige keine Anwendung. Es kann ungeordnet werden, daß der Sachver­ ständige sein Gutachten schriftlich erstatte. 1 cf. §. 80 R.Str.P.O. F. Nr. 24. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 20.

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Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil Verfahren.

217.1 Zur Vorbereitung eines Gutachtens über den Geisteszustand eines Beschuldigten, gegen welchen die Anklage erhoben ist, kann der Gerichts­ herr auf Antrag eines Sachverständigen nach Anhörung des Vertheidigers3 anordnen,4 ^datz der Angeklagte in eine öffentliche Irrenanstalt gebracht und dort beobachtet werde. Hat der Angeklagte keinen Vertheidiger, so ist ihm ein solcher zu bestellen. Die im Absatz 1 bezeichnete Anordnung ist dem Angeklagten und dem Vertheidiger bekannt zu ruachen. Gegen die Anordnung findet binnen der Frist von einer Woche die Rechtsbeschwerde3 an den höheren Gerichtsherrn statt. Dieselbe hat auf­ schiebende Wirkung.^ Die Verwahrung in der Anstalt darf die Dauer von sechs Wochen nicht übersteigend 1 cf. §. 81 R.Ltr.P.O. 2 Dieser Antrag ist nothwendige Voraussetzung der Unterbringung des Beschuldigten in einer Irrenanstalt 3 ES kann im Hinblick auf §. 337 Abs. 2 fraglich, erscheinen, ob auch im standgerichtlichcu Beriah reu ein Vertheidiger zu hören bezw. 311 bestellen ist. Die Frage ist zu bejahen. §. 217 bildet alS Spezialbesnunuung zu Gunsten deö Beschuldigten die Ausnahme von der allge^ meinen Regel des §. 337 Abi. 2. 4 Die Anordnung ist mit Gründen zu versehen, cf. §. 136. 5 cf. f. 373. « cf. §. 87b. 7 Auch im Falle des §. 218 darf die sechsmöchentliche Frist nicht überschritten werden.

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 217—219. 141 218J Wird ein Gutachten als ungenügend2 bestlnden, so kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige ange­ ordnet werden. Auch kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen angeordnet werden, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist. In wichtigeren Fällen kann das Gutachten einer Fachbchörde eingcholt werdend 1 cf. §. 83 R.Str.P.O. 2 Bei mehreren einander widersprechenden (Gutachten kann in gleicher Weise verfahren werden. 3 ES ist nicht erforderlich, daß vor Einholung des Gutachtens einer Fachbchörde zunächst Sachverständige gehört werden. Dagegen sind die eventuellen landesrechtlichen Vor­ schriften betreuend Innehaltung des Fnstanzenzugeö zu beachten. cf. z. V. in Preußen betr. Gutachten der König!, wissenschaftlichen Deputation für das Mcdizinalwescn die Allg. Verfügungen des Justiz Minist, v. 6. Fnli 1887 (F.M.Bl. S. 187) und vom 17. Februar 1891 (F.M.Bl. S. 51). Ausf-Zest A. Bedarf cS bei Verbrechen deS ^andesvenathö oder des Berraths militärischer Geheim­ nisse zur Feststellung des Thatbestandes des Gutachtens einer Militärbehörde, so ist dasselbe stets durch Ver­ mittelung des Kriegsministeriums einznholen. Ausf.-Äest. M. In der Marine tritt an Stelle des Kriegsministeriums das Reichs-Marine-Amt.

219.' Bei Münzvcrbrechcn und Münzvergehcn' sind die Münzen ober Papiere erforderlichen Falles

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Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren,

derjenigen Behörde vorzulegen, von welcher echte Münzen oder Papiere dieser Art in Umlauf gesetzt werdend Das Gutachten dieser Behörde ist über die Unechtheit oder Verfälschung sowie darüber einzuholen, in welcher Art die Fälschung muthmasrlich begangen worden sei. Handelt es sich um ausländische Münzen oder Papiere, so kann an Stelle des Gutachtens der aus­ ländischen Behörde dasjenige einer deutschen erfordert werden. 1 es. §. 92 R.Str.P.O. 3 cf. §§ 146 ff. R.Str.G.B. 8 Reglementarische Bestimmungen über die Behandlung der bet Reichs- und Landeskaffen eingehenden gefälschten ReichSmünzen rc. cf. Bezügl. der Reichsmünzen: Bek. v. 9. Mai 1876. R.Centr.Bl. S. 260. Preuß. J.M.Bl. S. 114; bezüglich der Reichskaffenscheine: Verordnung vom 6. Juni 1876. Reichsanzeiger Nr. 234; bezüglich der Reichsbanknoten: Verordnung v. 20. März 1877. J.M.Bl. S. 64. Ausf. Krst. H. U. M. Falsche Münzen sind an die Münzdirektton in Berlin behufs Begutachtung ober Prüfung einzusenden, wobei jedesmal die Untersuchungssache ober, falls noch keine Untersuchung eingeleitet worden, die verdächtigen Personen, sowie der letzte Besitzer der falschen Münze näher zu bezeichnen sind. Nach Beendigung der Untersuchung sind die falschen Münzen und Ueberführungsstücke an die Münzdirektiott mit Hinweis auf deren Gutachten abzttlicsern.

220.1 Zur Ermittelung der Echtheit oder Un­ echtheit eines Schriftstücks, sowie zur Ermittelung des Urhebers desselben kann eine Schriftvergleichung

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 220—222.

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unter Zuziehung von Sachverständigen vorgenommen werdend 1 cf. §. 98 R.Str.P.O. a Der Beschuldigte kann zur Anfertigung einer Schrift­ probe nicht gezwungen werden.

221.1 Insoweit zum Beweise vergangener That­ sachen oder Zustände, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war, sachkundige Personen zu vernehmen sind, kommen die Vorschriften über den Zeugenbeweis zur Anwendung. i cf. §. 85 R.Str.P.O.

V. Einnahme des Augenscheins,' Leichenschau,' Leichenöffnung.' ' Zuziehung eines Gerichtsschreibers ist erforderlich, cf. §. 163 Abs. 2.

222.' Findet die Einnahme eines Augenscheins? statt, so ist im Protokolle der vorgefundene Sach­ bestand festzustellen und darüber Auskunft zu geben, welche Spuren oder Merkmale, deren Vorhanden­ sein nach der besonderen Beschaffenheit des Falles vermuthet werden konnte, gefehlt haben.* Findet die Einnahme eines Augenscheins unter Zuziehung von Sachverständigen statt, so kann der Beschuldigte beantragen, daß die von ihm für die tzauptverhandlung in Vorschlag zu bringenden Sachverständigen zu dem Termine geladen werden und, wenn der Antrag abgelehnt wird, sofern die­ selben nicht zu den Personen des aktiven Heeres und der aktiven Marine gehören, deren Zuziehung

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Militärftrasgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren,

auf seine Kosten verlangen. In letzterem Falle wird die Gestellung oder Ladung durch den Unter suchungsführer veranlaßt, sobald der erforderliche Betrag der gesetzlichen Entschädigung für Reisekosten und Versäumnis bei der Militärgerichtsschreiberei hinterlegt wird. Den vom Beschuldigten benannten Sachver­ ständigen ist die Theilnahme mit Augenschein und an den erforderlichen Untersuchungen insoweit zu gestatten, als dadurch die Thätigkeit der amtlich bestellten Sachverständigen nicht behindert wird. Die Bestimmungen der Absätze 2 und 3 finden im Felde und an Bord keine Anwendung. 1 cf. §. 86 RStr.P.O.

2 cf. §§. 165 ff3 Etwaige Handzeichnungen, welche bei Einnahme des Augenscheins zur Klärung des Sachverhältnisses ange fertigt werden, bedürfen der Unterzeichnung durch den Untersuchungsführer und «Herichtsschreiber. 4 Ob ein Augenschein einzunehmcn ist, steht im richt er: lichen Ermessen. Der Richter kann auch einen Zeugen mit Besichtigung der Lokalitäten beauftragen und denselben hierüber vernehmen. Entsch. d. R.G. vom 28. September Bd. III, S. 545.

1881.

Rspr.

Ausf.-Kest. S. U. M. Die Entschädigungen an Reisetosten 2C. für die auf Antrag des Beschuldigten zu laden den Zeugen oder Sachverständigen sind bei der zu §. 469 Absatz 1 unter Nr. 2 bezeichneten Kasten Verwaltung zu hinterlegen.

F. Nr. 25.

2 Titel.

Verfahren in erster Instanz.

§. 223.

145

223. Ist der Tod einer Militärperson nicht auf natürlichem Wege erfolgt, so hat der Gerichtsherr, in dringenden Fällen jeder militärische Befehlshaber, welcher die Anzeige oder Meldung von dem Todes­ fall erhält, die Leichenschau durch einen Kriegsgerichtsrathl oder in Ermangelung eines solchen durch den zunächst erreichbaren Amtsrichter zu veranlassen3 Ist nach den bekannt gewordenen Thatsachen die Annahme begründet, daß der Tod durch Selbst­ mord, durch einen Unfall oder sonst ohne Derschlüden eines Anderen hcrbeigesührt ist, so bedar es der Zuziehung eines Arztes zur Leichenschau nicht. Die Umstände, unter denen die Leiche gefunden und der Tod erfolgt ist, sind sorgfältig zu untersuchen und zu Protokoll zu verzeichnen. In allen Fällen des Selbstmordes sind die Beweggründe thunlichst aufzuklären. 1 Also nicht durch einen Gerichtsofnzicr. „An Bord" kann der Kriegögcrichtsrath durch einen Offizier ersetzt werden. §. 98. Dem steht die Auss.-Bcst. nicht ent­ gegen.

2 Da die Leichenschau sich als eine besondere Art der Einnahme des Augenscheins darstellt, so ist immer ein Gerichtsschreiber zuzuziehen, cf. §. 163.

Ausf. Zest. g. U. M. Die eine Lelbstentlctbung betreffenden' Verhandlungen sind nach Abschluß der Er­ mittelungen dem Generalkommando und von diesem, nachdem es das im Interesse der Disziplin etwa noch Herz, MilitärstrafgerichtSordnunü

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Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren.

Erforderliche veranlagt hat, dem Kriegsministerium cur zusendcn. Gleiches gilt in den übrigen Fällen des §. 223. (In der Marine tritt an die Stelle des GeneralKonnnandos der Chef einer selbständigen Kommando­ behörde^ dann gehen die Akten an das Reichs-MarineAmt). 1. Die Leichenschau darf nicht durch einen Gerichtsofsizicr bewirkt werden. Als der „zunächst erreichbare" Amtsrichter ist der örtlich zuständige Amtsrichter anzusehen (vgl. §. 167 dcS Gerichtsvcrsassungsgesetzcs). In dem Ersuchungsschreiben ist zugleich um Einsendung der über den Fall aufgenommenen Verhandlungen zu ersuchen. 2. Die Militärbehörden haben darauf zu achten, das; gegebenen Falles ohne Zeitverlust die zur Rettung des vielleicht Scheiutodtcn erforderlichen Maßnahnlen ergriffen werden, auch stets Vorsorge für geeignete Aufbewahrung des Leichnams zu treffen. 3. Insofern bei einem Selbstmorde hinsichtlich der Beweggründe Zweifel oder Umstände obwalten, die eine nähere Ermittelung nöthig machen, muß der Gerichtsherr sie verfügen. Dies gilt nament­ lich dann, wenn der Verdacht besteht, daß der Verstorbene durch strafbare Handlungen eines Dritten zum Selbstmorde getrieben worden ist. In den Akten, betreffend die Todesermittelung einer Militärperson, ist zu vermerken, ob die nach Vorschrift des §. 58 Absatz 2 des Gesetzes vom 6. Februar 1876 über die Beurkundung des Personenstandes u. s. w. (Reichs-Gesetzblatt Seite 23 ff.) bz. des Erlaßes des Kriegsministeriumö vom 11. September 1874 (Armee-VerordnungsBlatt Seite 190) erforderliche Anzeige des Todes­ falles beim Standesamt erfolgt ist.

2. Titel.

Verfahren in erster Instanz.

§. 224.

147

224.i Ergiebt sich der Verdacht, daß der Tod durch die strafbare Handlung eines Anderen herbei­ geführt sei, so ist zur Leichenschau ein Militärarzt oder, wenn ein solcher nicht erreichbar, ein als Sachverständiger zu beeidigender anderer Arzt zuzuziehen. Erscheint der Verdacht nach der Leichenschau in Verbindung mit den sonst ermittelten Thatsachen nicht als beseitigt, so ist die Leichenöffmmg im Bei­ sein des Kriegsgerichtsraths oder Amtsrichters und des Gerichtsschreibers von zwei Aerzten, und zwar thunlichst Militärärzten, vorzunehmen.^ In allen Fällen soll einer der Aerzte ein Militärarzt mindestens vom Range eines Stabsarztes oder ein Gerichtsarzt3 sein. Demjenigen Arzte, welcher den Verstorbenen in der dem Tode unmittelbar voraus­ gegangenen Krankheit behandelt hat, ist die Leichen­ öffnung nicht zu übertragen. Derselbe kann jedoch allfgefordert werden, der Leichenöffnung anzuwohnen, um aus der Krankheitsgeschichte Aufschlüsse zu gebend Im Felde und an Bord genügt es, wenn die Leichenöffnung lediglich von einem Militärarzt vor­ genommen wird. Die Einschränkungen des zweiten Absatzes finden keine Anwendung. 1 cf. §. 87 R.Str.P.O. 2 Rcichsgesetzliche Vorschriften über das von den Aerzten bei der Leichenöffnung zu beobachtende Verfahren sind nicht gegeben. Es sind vielmehr die landesgesetz10*

148

Militärstrafgerichtsordnung. II. Tl)eil. Verfahren,

lichen Verordnungen maßgebend. In Preußen das Regulativ vom 13. Februar 1876, J.M.Bl. S. 75 ff. Verfügung des Ministers der geistlichen rc. Angelegen­ heiten vom 22. März 1881. J.M.Bl. S. 86. cf. Auöf.Best, zu §. 227. 3 „Gerichtsarzt" ist derjenige Arzt, welcher zur Vor­ nahme der in gerichtlichen Angelegenheiten, namentlich bei Untersuchungen, vorkommcnden ärztlichen Berufs­ handlungen ein für allemal bestellt ist. In Preußen ist dies der Lircisphusikus. * Er tritt dann als sachverständiger Zeuge auf. Ausf.-Kest. A. u. M. Die Heranziehung zweier Sanitätsoffiziere soll die Regel bilden.

225»1 Behufs der Besichtigung oder Oeffnnng einer schon beerdigten Leiche ist ihre Ausgrabung statthaft? 1 cf. 8. 87 Abs. 3 R.Str.P.O. 2 Die Ortspolizeibehörde ist rechtzeitig zu benach­ richtigen und zur Bereitstellung eines Obdultionölokales aufzufordern. Ausf.-Krst. A. u. M. Von der beabsichtigten Aus­ grabung einer Leiche ist die Ortspolizeibchörde zu benach­ richtigen.

226? Vor der Leichenöffnung ist, wenn nicht besondere Hindernisse cntgegenstchen, die Persönlich­ keit des Verstorbenen, insbesondere durch Befragung von Personen,2 welche den Verstorbenen gekannt haben, festzustellcn. Ist ein Beschuldigter vorhanden, so ist ihm die Leiche, sofern dies ausführbar, zur Anerkennung vorzuzeigen.3 i cf. §. 88 R.Str.P.O.

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 225—228.

149

2 ES geschieht dies in der Form einer Zeugen­ vernehmung. 3 Es wird auch hier vorausgesetzt, datz nicht besondere Hindernisse entgegenstchen. cf. §. 165 Abs. 1.

227? Die Leichenöffnung muh sich, soiveit der Zustand der Leiche dies gestattet, stets auf die Oeffnung der Kopf-, Brust- und Bauchhöhle erstrecken.2 Bei Ccffmutö der Leiche eines neugeborenen Kindes ist die Untersuchung insbesondere darauf zu richten, ob dasselbe nach oder während der Geburt gelebt habe und ob es reif oder wenigstens fähig gewesen sei, das Lebet: außerhalb des Mutterleibs fortzusetzen. 1 cf. §§. 89, 90 9t.Str.PO. 2 cf. §. 224 A. 2. Ausf. Ktst. H. u. M. Die Leichenöffnung ist nach den tut bürgerlichen Strafverfahren geltenden Vorschriften vorzunehmen.

228? Liegt der Verdacht einer Vergiftung2 vor, so ist die Untersuchmlg der in der Leiche oder sonst gefmldenen verdächtigen Stoffe durch einen Chemiker oder durch eine für solche Untersuchungell bestehellde Fachbehörde3 vorzunehnlen. Erforderlichen Falles hat diese Untersuchung unter Mitwirkung oder Leitung eines Arztes stattzufinden. 1 cf. §. 91 N.Str.P.O. 2 Obwohl dieser Paragraph sich an die Vorschriften über Leichenöffnung anschließt und die Untersuchung der in der Reiche gefundenen verdächtigen Stoffe vor-

150

Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren,

schreibt, so gilt die Bestimmung bez. Heranziehung eines Chemikers oder einer Fachbehörde zur Untersuchung der verdächtigen Stoffe doch allgemein für alle Arten der Vergiftung, also auch für Körperverletzung mittels giftiger Stoffe. cf. Voetve §. 91. 3 cf. §. 218 Abs. 8.

VI. Beschlagnahme und Durchsuchung. 229.1 Gegenstände, welche als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können oder der Einziehullg unterliegen, sind in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicher zu stellen. Befinden sich die Gegenstände in dem Gewahrsam einer Person und werden dieselben freiwillig hcrausgegeben, so bedarf es der Beschlagnahmet 1 cf. §. 94 R.Str.P.O. 2 Beschlagnahme ist die ausdrückliche Anordnung, daß ein Gegenstand in amtliche Verwahrung zu nehmen oder sonst sicherzustellen sei. Sie richtet sich gegen den widerstrebenden Willen des Inhabers.

230? Wer einen Gegenstand der vorbezeichneten Art in seinem Gewahrsame hat, ist verpflichtet, ben= selben auf Erfordern vorzulegen und auszuliefern. Er kann im Falle der Weigerung nach Maßgabe der Bestimmungen in den §§. 202 bis 204 hierzu angehalten werden. Gegen Personen, welche zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt find, ist die Verhängung einer Strafe oder Zwangshaft ebenso wie die Verurtheilung zur Tragung der durch die Weigermrg verursachten Kosten ausgeschlossen?

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 229—232. 151

1 cf. §. 95 R.Str.P.O. 3 Die Durchsuchung der Wohnung 2C.f sowie die zwangsweise Wegnahme eines gesundenen Beweisstückes oder eines der Einziehung unterliegenden Gegenstandes ist auch gegen diese Personen zulässig. Nur die Beftrafnng der Weigerung, den Gegenstand vorzulcgen und auSzuliefern, ist untersagt.

cf. aber §. 232.

231.1 Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in dienstlicher Verwahrung be­ findlichen Schriftstücken und Gegenständen durch Be­ hörden, öffentliche Beamte oder Personen des Toldatenstandcs darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, dah das Bekannt­ werden dieser Gegenstände oder des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohle des Reichs oder eines Bundesstaats Nachtheil bereiten würde. 1 cf. §. 96 R.Ltr.P.O. Für den 'Bercict) der Militärver waltung ist daö Kriegsministcrinm die „oberste Dienst­ behörde". Ausf.-Krst. M. Für den Bereist) der Marinever waltung ist der Neichslanzler (Neickw Marine Amt) die „oberste Dienstbehörde".

Ausf.-Krst. H.

232.1 Schriftliche Mittheilungen zwischen dem Beschuldigten und denjenigen Personen, die wegen ihres Verhältnisses zu ihm nach §§. 187, 188 zur Vemveigerllng des Zeugnisses berechtigt fhib, urrterliegen der Beschlagnahme^ nicht, falls sie sich in den Händen der letzteren Personen befinden^ und diese

152

MilitärstrafgerichtSordnung. II. Theil. Verfahren,

nicht einer Theilnahme, Begünstigung oder Hehlerei verdächtig fmb.4 1 cf. §. 97 R.Str.P.O. 2 Nur die „Beschlagnahme" ist untersagt. Freiwillig hcrausgegebene Schriftstücke können dagegen in Ver­ wahrung genommen werden. 3 Die bei dem Beschuldigten Vorgefundenen Schriftstücke unterliegen also durchweg der Beschlag nähme. cf. aber §. 346. 4 (Stu Versio ft gegen die Bestimmung des §. 232 würde zur Begründung der Revision ausrcichen; vor­ ausgesetzt, daft das Urtheil auf dem rechtswidrig beschlag, nahmten Schriftstücke beruht. cf. Ent sch. d. 9L(Sk vom 7. November 1889 — Bd. XX, S. 91 und vom 19. Juni 1891 — Bd. XXII, S. 61.

233*1 Zulässig ist die Beschlagnahme der an den Beschuldigten gerichteten Briefe und Sendungen auf der Sßoft,2 sowie der an ihn gerichteten Tele­ gramme auf den Telegraphenanstalten2- desgleichen ist zulässig an den bezeichneten Orten die Beschlag­ nahme solcher Briefe, Sendungen und Telegramme, in Betreff derer Thatsachen vorliegen, aus welchen zu schlichen ist, daß sie von den: Beschuldigten her­ rühren oder für ihn bestimmt sind, und dah ihr Inhalt für die Untersuchung Bedmtung habe1 cf. §. 99 N.Str.P.O. 2 cf. tz. 6 des Postgesctzes vam 28. Oktober 1871 N.G.Bl. S. 347 §. 8 deö Gesetzes, betr. das Telegraphen wesen re., vom 6. Npril 1892 R.G.Bl. S. 467. Die Beschlagnalnne erfolgt durch ein Leitens des Gerichts

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 233—235. 153

Herrn und des Untersuchungsführers zu unterzeichnendes Ersuchungsschreiben an die Post- bez. Telegraphen­ behörde. cf. §. 97 Abs. 2 M.Str.G.O. §. 9 E.G.

234. Bei strafbaren Handlungen, deren Ver­ folgung nur auf Antrag eintritt, ist die Beschlag­ nahme auch vor SkUintQ des Antrags zulässig. Erfolgt die Beschlagnahme, bevor der Antrag gestellt ist, so ist der Antragsberechtigte, von mehreren wenigstens eurer derselben, sofort von der Beschlagrrahme irr Kenntniß zu setzen. Die Beschlagnahme ist vorr Arntsrvegen rvieder aufzuheben, wenn der Arrtrag nicht binnen einer Woche seit dem Vollzüge der Beschlagnahrne gestellt ist. 235.1 Bei demjenigen, welcher als Thäter oder Theilnehrner einer strafbaren Handlung oder als Begünstiger oder als Hehler verdächtig ist, kann eine Durchsuchung feiner Person, der Wohnung und anderer Räume, sowie der ihm gehörigen Sachen, sowohl zum Zrvccke seiner Ergreifung, als auch darnr vorgerrourmcn werden, wenn zu vermutherr ist, das; die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln oder Einziehungsstücken führen werde. Bei anderen Personen 2 sind nur Durchsuchungen der Wohnung und anderer Räume, sowie der ihnen gehörigen Lachen behufs der Ergreifung des Be­ schuldigten oder behufs der Verfolgung von Spuren einer strafbaren Handlung oder behufs der Beschlag-

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Militarstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren,

nähme bestimmter Gegenstände und nur dann zu­ lässig, wenn Thatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in beit zu durchsuchenden Räumen oder Gegenständen befinde. Diese Beschränkung findet keine Arnvendung auf zum dienstlichen Gebrauch angewiesene Räume sowie aus Räume, irr welchen der Beschuldigte ergriffen worden ist, oder welche er während der Verfolgung betreten bat.8 1 cf. §§. 102, 108 R.Ltr.P.O. 2 Durchsuchung und Besichtigung einer Person, um Verletzungen festzustellen, ist zulässig. tt.B. 2. 74 zu §. 226 des Entw. und Entsch. des R.G. vom 11. vXinii 1886. Rspr. Bd. VIII, L. 454 ff. 3 Das Recht der militärischen Befehlshaber, ans disziplinären Gründen bei ihren Untergebenen jederzeit Revision abzuhalten, bleibt unberührt, cf. W. S. 102.

236.1 Zur Nachtzeit8 dürfen die Wohnung, die Geschäftsräume und das befriedete Besitzthum ohne Einwilligung des berechtigten Inhabers nur bei Verfolgung auf frischer That3 oder bei Gefahr im Verzug oder dann durchsucht werden, wenn es sich um die Wiederergreifung eures entwichenerr Gefangenen handelt. Diese Beschränkung findet keine Anwendung auf die zum dienstlichen Gebrauch angerviesenen Räume. Die Nachtzeit umfaßt in dem Zeitraume oout ersten April bis dreißigsten September die Stunden von neun Uhr Abends bis vier Uhr Morgens und in dem Zeiträume vom ersten Oktober bis einund-

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 236, 237. 155 dreißigsten März die Stunden von neun Uhr Abends bis sechs Uhr Morgms. 1 cf. §. 104 R.Str.P.O. 3 Eine vor Beginn der Nachtzeit angesangene Haus­ suchung kann beliebig — auch bis in die Nacht hinein — ausgedehnt werden. 3 cf. §. 180 A. 6.

237.1 Findet eine Durchsuchung außerhalb der im §. 236 Absatz 2 bezeichnetet! Räume statt, so gelten folgende Bestimmungen: Wird die Durchsuchung ohne Beisein des Unter­ suchungsführers oder eines Offiziers vorgenommen, so sind, wenn dies möglich ist,3 zwei Zeugen zuzu­ ziehen. Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume oder Gegenstände darf der Durchsuchung beiwohnen. Im Falle seiner Abwesenheit ist, wenn dies möglich ist,3 sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar zuzuziehen. Dejn In­ haber oder der in dessen Abwesenheit zugezogenen Person ist in den Fällen des §. 235 Absatz 2 der Zweck der Durchsuchung vor dem Beginne bekannt zu machen. Dem von der Durchsuchung Betroffenen ist nach deren Beendigung eine schriftliche Mittheilung zu machen, welche den Grund der Durchsuchung (§. 235 Absatz 1 und 2) sowie in: Falle des §. 235 Absatz 1 die strafbare Handlung bezeichnen muß. Auch ist demselben auf Verlangen ein Verzeichniß der in Verwahrung oder Beschlag genommenen Gegen-

156

Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren,

stände, falls aber nichts Verdächtiges gcfuiibcii wird, eine Bescheinigung hierüber zu geben. Eine Durchsicht der Papiere des von der Durch­ suchung Betroffenen steht nur dem Gerichtsherrn und dem Untersuchungsführer 3U.3 Andere Personen sind zur Durchsicht der aufgefundcnen Papiere tim* dann befugt, wenn der Inhaber derselben die Durch­ sicht ausdrücklich genehmigt'4 mangels einer solchen Genehmigung haben sie die Papiere, deren Durchsicht sie für geboten erachten, in einem Umschläge, welcher in Gegenwart des Inhabers oder seines Vertreters zu versiegeln ist, an den Gerichtsherrn oder den Untersuchungsführer abzuliefern. Dem Inhaber der Papiere oder dessen Vertreter ist die Beidrückung seines Siegels gestattet, auch ist er, falls demnächst die Entsiegelung und Durchsicht der Papiere angeordnet wird, wenn dies möglich ist, aufzufordern, derselben beizuwohnen. 1 of. §§. 105—107, 110 R.Str.PO. 2 D. h. wenn dies nach der pflichtgemäßen Ueber­ zeugung des die Durchsuchung leitenden Beamten ohne Gefährdung des Zweckes der Durchsuchung ausführbar ist. cf. Entsch. d. RG. vom 29. September 1886. Rspr. Bd. VII, S. 544. 3 Die Zuziehung eines Dolmetschers oder Sachver­ ständigen soll hierdurch nicht ausgeschlossen werden. 4 Die Genehmigung kann widerrufen werden. cf. 2oewe §. 110 A. 4.

238. Die Anordnung von Beschlagnahmen und Durchsuchungen bei aktiven Militärpersonen steht

2 Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 238, 239. 157

dem Gerichtsherrn, bei Gefahr im Verzugs auch dem Untersuchungsführer zu. Das Gleiche gilt für die Fälle des §. 233, sofern der Beschuldigte zu den aktiven Militärpersonen gehört. Den im Absatz 1 bezeichneten Personen ist auch außerhalb der Fälle des §. 237 auf Verlangen ein Verzeichnis der in Verwahrung oder Beschlag ge­ nommenen Gegenstände ausznhändigen. Diese Bestimmungen finden auf dienn §. 1 Nr 3, 5, 6, 7 bezeichneten Personen Anwendung, solange sie der Militärstrafgerichtsbarkeit unterstellt sind. Gegen die Anordnung der Beschlagnahme und Durchsuchung in anderen als den zum dienstlichen Gebrauch angewiesenen Räumen findet binnen drei Tagen vom Vollzug an die Rechtsbeschwerde2 an den höheren Gerichtsherrn statt. 1 „Gefahr int Verzüge" liegt vor, wenn zu besorgen sieht, dag der durch die Einholung der gerichtoherrlichcn Entscheidung bedingte Zeitverlust den Erfolg der Be­ schlagnahme k. vereiteln könnte. Ob dies der Fall, hat der Untersuchungsführer zu prüfen und zu entscheiden, cf. Loewe zu §. 98 A. 4 a Eutsch. d. R.G. vom 1. De­ zember 1892, Bd. XXIII, 5. 334.

2 cf. §. 378. 239. Beschlagnahmen und Durchsuchungen in anderen als den im §. 238 bezeichneten Fällen er­ folgen durch Ersuchen des Amtsgerichts.* Bei Gefahr im Verzüge kann das Ersuchen an die Staatsanwaltschaft oder diejenigen Polizei- oder Sicherheitsbeamten gerichtet werden, welche als

158

Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren.

Hülfsbeamte der Staatsanwaltschaft denAnordnungen derselben Folge zu leisten haben.2 Für die Befugniß der ersuchten Behörden und Beamten zur Anordnung von Beschlagnahmen und Durchsuchungen und das Verfahren bei dem Voll­ züge der getroffenen Anordnung sind die Vorschriften der bürgerlichen Strafprozeßordnung maßgebend3 In allen Fällen ist die Militärbehörde auf Ver­ langen zum Vollzüge zuzuziehen.

Im Felde und an Bord bleiben die vorstehenden Bestimmungen außer Anwendung. Für die Be­ schlagnahmen und Durchsuchungen gelten allgemein die Vorschriften des §. 238 Absatz 1 bis 3. 1 cf. §. 12 des G.tt. zur M.StEO. 2 cf. §. 153 G-V G. Locwe hierzu A. 3. 3 cf. tzg. 94 ff. R.Str.P.O.

240? Werden bei Gelegenheit einer Durchsuchung Gegenstände gefunden, welche zwar in keiner Be­ ziehung zu der Untersuchung stehen, aber auf die erfolgte Verübung einer anderen strafbaren Handlung hindeuten, so sind dieselben einstweilen in Beschlag zu nehmen. Der Militärbehörde oder der zuständigen Staatsanwaltschaft ist hiervon Kenntniß zu geben.

i cf. §. 108 R.Str.P.O.

241.1 Die in Verwahrung oder in Beschlag genommenen Gegenstände sind genau zu verzeichnen und zur Verhütung von Verwechselungen durch

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 240—243. 159

amtliche Siegel oder kenntlich zu machen.

in

sonst geeigneter Weise

1 cf. §. 109 R.Str.P.O. 242J Gegenstände, welche durch die strafbare Handlung dem Verletzten entzogen2 wurden, sind, falls nicht Ansprüche Dritter entgegenstehen, nach Beendigung der Untersuchung und geeigneten Falles schon vorher von Amtswegen dem Verletzten zurück­ zugeben, ohne daß es eines Urtheils hierüber be­ darf." Dem Betheiligtcn bleibt die Geltendmachung seiner Rechte im Civilvcrfahren Vorbehalten. i cf. §. 111 N.Str.P.O. 3 Hierzu gehören nicht diejenigen Sachen, welche von dem entwendeten (Mclbc oder von dem Erlöse der entwen­ deten Gegenstände seitens des Beschuldigten erworben sind.

cf. Entsch. d. N.G. vom 12. Januar 1880 — Bd. 1, S. 144. 5 Der Oehler befördert durch seine Hehlerei „diesen Zustand des Emzogenseins in seiner Fortdauer". Es must deshalb angenommen werden, dast §. 242 auch auf diese mittelbare Entziehung zur Anwendung zu bringen ist. Die bei dem Hehler gesundcncn Sachen sind dem Bestohlenen zurückzugeben.

cf. Entsch. des Bd. XIX, S. 98.

N.G.

vom

25.

März

1889



4 Die Anordnung der Zurückgabe erfolgt durch eine von dem Gerichtse.sfizier oder Militärjustizbeamtcn mit­ gezeichnete Verfügung des Gerichtsherrn.

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Militüntrafgerichtöordmmg. II Theil. Verfahren.

Dritter Abschnitts i Begr. S. 129—134.

K.V. S. 77—82.

Abschluß des Ermittelungsverfahrens. Erhebung der Anklage.' 243. Erachtet der Untersuchungsführer daS Ermittclungsverfahrcn für abgeschlossen (§§. 168, 173 Absatz 5), so hat er unter Vorlegung der Akten' dem Gerichtsherrn über das Ergebniß mündlich oder schriftlich Vortrag zu erstatten. Der von dem Untersuchungsführer gestellte Antrag ist zu den Akten zu bringen. 1 Der Gerichtshcrr hat van dem Inhalt der Alten durch Einsicht derselben Kenntniß zu nehmen, cf. §. 167 A. 1. Die zu erlassende Verfügung ist van dem Militärittstizbeamtcn mitzuzeichncn. cf. KB. zu §. 234 S. 77. F. Nr. 26, 27. F. (Niedere (Gerichtsbarkeit) Nr. 21, 22.

244. Der Gcrichtshcrr kann eine Vervoll­ ständigung des ErmittelungsverfahrcnS anordnen.' cf. §. 24.

245. Auf Grund der Ergebnisse des Ermittelungs­ verfahrens hat der Gerichtsherr darüber zu befinden, ob der Beschuldigte außer Verfolgung zu setzen, oder ob gegen ihn einzuschreiteu sei.' 1 Der (Acrichtsher-r stellt entweder das Verfahren ein oder er verfügt die Anklagecrhcbung, bez. erläßt eine Strafverfügung, oder er führt in den zulässigen Fällen die Diöziplinarbesirasung herbei. Wegen Abgabe an die zuständige Stelle cf. §§. 153 Abs. 4, 2oO.

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 244—247.

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Weder durch die Einstellung des Verfahrens, noch durch die Freisprechung des Beschuldigten wird eine Disziplinarbcstrasung ausgeschlossen, sofern das Verhalten des Beschuldigten sich als ein Zuwiderhandeln gegen die militärische Zucht und Ordnung darstellt. Wegen Bestrafung auf (Yrund des §. 3 des E.lY. zum MStrG.B. cf. §§. 251, 157. Ergiebt sich, daß der Beschuldigte wegen der ihm zur Vast gelegten Handlung der Militärstrasgerichtsbarlcit nicht untersteht, so hat der i^crichtsherr die Akten an die zuständige Civilbchörde abzugebcn. Wegen Mitzeichnung des Militärjustizbcamten cf. 248 A. 1.

246.1 Wird die Verfolgung eingestellt, so ist der Beschuldigte hiervon in Kenntnis; zll sehen, sofern er im Laufe des Ermittelungsverfahrens unter der Anschuldigrmg einer bestimmten strafbaren Handlung verantwortlich2 vernommen oder gegen ihn ein Steck­ brief veröffentlicht worden war. 1 cf. §. 168 Abs. 2 R.Str.P.O. 2 Nur dann, wenn der Beschuldigte verantwortlich, d. h. unter Anschuldigung einer bestimmten strafbaren Handlung als Verdächtiger vernommen worden ist, erscheint ein Anspruch auf Mittheilung des Ausganges cf. Begr. zu §. 235 des Entw. der Sache begründet, S. 130. §. 168 Abs. 2 R.Str.P.O. ist allgemeiner gefaht.

247.1 In allen Fällen, in denen die Einleitung eines Ermittellmgsverfahrens abgelchnt oder die Einstellung verfügt wird, ist derjenige, welcher die Strafverfolgung beantragt hat, unter Angabe der Gründe zu bescheiden. Herz, MilULrstrafgerichtsordnung.

11

162

Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren.

Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so stctzt ihm gegen diesen Bescheid innerhalb einer Woche2 nach dessen Zustellung die Rcchtsbeschwcrdc^ an den höheren (Nerichtshcrrn* und gegen dessen ablehnenden Bescheid-'' binnen vierzehn Tagend nach der Bckanntttlachnng der Antrag ans gerichtliche Entscheidung zu. Der Antrag must die Thatsachen, welche das strafrechtliche Einschreiten begründen sollen, sowie die Beweismittel angcben mit) bei dem für die Ent­ scheidung zuständigen Gericht eingercicht werden. Zur Entscheidung ist das Rcichsmilitärgericht^ zuständig. l cf. §s- 169, 170 N.Ltr.P.O. 3 cf. §. 146 Abs. 2 wegen Berechnung der Frist. 3 cf. §. 373. -t et. 24. 5 Auch der höhere Cöerichtoherr hat den ablehnenden Bescheid mit (Gründen zu versehen, cf. §. 136. 6 cf. §. 71.

248. l Ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht in der gesetzlichen Frist oder Form, oder ohne Anführung von Thatsachen und Beweismitteln ein­ gebracht, so ist derselbe vom Rcichsmilitärgericht als unzulässig zu verwerfen. Ist der Antrag rechtsgültig gestellt, so kann das Reichsmilitärgericht die Vorlegung der bisher ge­ führten Verhandlungen verlangen, auch dem Be­ schuldigten den Antrag unter Bcstimnmng einer Frist zur Erklärung mittheilen.

2. Titel.

Verfahren in erster Instanz. §§. 24 R, 249.

163

Zur Vorbereitung der Entscheidung kann das Reichsmilitärgericht Ernrittelungen durch einen KricgSgerichtsrath oder Amtsrichter veranlassen. Dem Antragsteller kann vor der Entscheidurrg über den Antrag die Leistung einer Sicherheit für die durch das Verfahren über den Antrag und durch die Untersuchung der Militärjustizverwaltung und dell: Beschuldigten vorallssichtlich erwachsenden Kosten durch Bcschlus; des Reich smilitärgerichts auf­ erlegt werden. Die Sicherheit ist bei der Gerichts­ schreiberei des Rcichsnlilitärgerichts durch Hinter­ legung in baarem Gelde oder in Werthpapieren zu leisten. Die Höhe der zu leistenden Sicherheit wird von denl Rcichsmilitärgerichte nach freiem Ernlessen festgesetzt. Dasselbe hat zugleich eine Frist zu be­ stimmen, binnen welcher die Sicherheit zu leisten ist. Wird die Sicherheit binnen der bestimmten Frist nicht geleistet,'^ so hat das Reichsmilitärgericht den Antrag für zurückgenomnlen zu erklären. 1 cf. §. 171—171 N.Str.P.O. 2 Der Antragsteller hat die Leistung der Sicherheit durch Vorlegung der Quittung bei dem Neichsmilitargericht zu beweisen.

249.1 Ergiebt sich kein genügender Anlaß zum strafrechtlichen Einschreiten, so verwirft das Reichs­ militärgericht den Antrag und setzt den Gerichts­ herrn, dessen Bescheid angefochten worden ist, den Antragsteller ulld den Beschuldigten von der Ver­ werfung in Kenntniß. Ist der Antrag verrvorfen, 11*

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Militürstrafgerichtsordnung. II Theil. Verfahren,

so kann das strafrechtliche Einschreiten gegen den Beschuldigten nur auf Grund neuer Thatsachen oder Beweismittel wieder ausgenommen werden. Wird der Antrag als unzulässig oder als unbegründet verworfen oder durch Verzicht oder Unter lassung der Sicherheitsleistung zurückgenommen, so sind dem Antragsteller die durch das Verfahren über den Antrag veranlaßten Kosten aufzuerlegen. Erachtet dagegen das Reichsmilitärgericht den Antrag für begründet, so beschließt cs, daß ein straf­ rechtliches Einschreiten gegen den Beschuldigten stattzufindcn habe 3 Auf Grund dieses Beschlusses hat der Gerichtsherr nach Maßgabe des 250 zu verfahren. 1 cf. §. 172 N.Ltr.P.O. 2 cf. §. 471 Abl. 2. 3 Ein Antrag, welcher solche neuen Thatsachen oder Beweismittel nicht enthält, wird von dem (^erichtsherrn als unzulässig zurückgcwiefen.

250. Liegt gegen den Beschuldigten hinreichender Verdacht einer strafbaren und militärgerichtlich ver­ folgbaren Handlung vor, so fjat1 der Gerichtsherr, sofern nicht Disziplinarbestrafung eintritt (§. 3 des Einführungsgesetzes zum Militärstrafgesetzbuch) oder eine Strafverfügung2 erlassen wird, die Anklage zu verfügen oder die Sache an den zuständigen Gerichts­ herrn abzugeben. 1 Nach dem hier anerkannten ^egalitütsprinzip ist der Gerichtsherr verpflichtet, gegen den hinreichend vcr-

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 250,251.

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dächtt gen Beschuldigten einzuschreiten, cf. auch §. 243 A. 1, 156. a cf. §§. 349 ft Ausf.-Drft. H. Wird der Beschuldigte in Unter suchungshaft genommen oder die Anklage gegen ihn ver fügt, so hat der Gerichtsherr, wenn der Beschuldigte Ossizier oder TanitätS ofsizier ist, dein höchsten der diesem vorgesetzten Militärbesehlshaber im Dienstweg Anzeige zu erstatten, wenn der Beschuldigte Sanitätsosstzier ist, auherdem den Generalstabsarzt der Armee zu benach richtigen, wenn der Beschuldigte Militärbeamter ist, die diesem vorgesetzte Verwaltungsstelle, iinD, sailS der Militürbeanne im doppelten Nnterorduungsverhältnisse steht, auch den nächsten vorgesetzten Militärbesehlshaber zu benachrichtigen. xXn gleicher Weise ist zu verfahren, wenn ein Ossizier oder Lanitütsoinzier aus Anlast des eingeleiteten gericht lichen BersahrenS einsuveilen des militärischen Dienstes enthoben wird (vergleiche auch §£. 174, 175). Ausf.-Ätst. M» Entsprechende Borschrist. Die Ingenieure des Loldatenstaudes werden wie die Ossizier behandelt. An Stelle des Generalstab sarzt der Arme tritt der (Generalstabsarzt der Marine. F. Nr. 28. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 23.

251. Ist der Beschuldigte einer strafbaren Hand­ lung überführt, die nach §. 3 des Einführungs­ gesetzes zum Militärstrafgesetzbuch im Disziplinar­ wege geahndet werden kamt, so hat der Gerichtsherr darüber zu befinden, ob eine solche Ahndung nach Lage der Lache für ausreichend zu erachten ist. In

166

Militärstrafgerichtöordnung. II. Theil. Verfahren,

dieser Beziehung ist, wenn der Gerichtsherr nicht zugleich Disziplinarvorgesetzter des Beschuldigten ist, bei Meinungsverschiedenheit die Ansicht des Disziplinarvorgesetzten maßgebend (§. 157 Absatz 2).1 Ist der Gerichtsherr zugleich der Disziplinär­ vorgesetzte, so hat er entweder die Disziplinarstrafe selbst zu verhängen oder die Verhängung derselben einem ihm unterstellten Disziplinarvorgesetzten des Beschuldigten zu überlassen. 1 Der GerichtSherr «tuft also — falls der Diszi pliuarvorgesetzte eine disziplinäre xUbnbung nicht für aus reichend erachtet — die Erhebung der xHtirlngc verfugen.

252» Vor der Anklageverfügung wegen einer der im 8- Ito bezeichneten strafbaren Handlungen ist, wenn sie gegen den Kaiser oder das Reich gerichtet ist, an den Reichskanzler, in anderen Fällen an die oberste Militärjustizverwaltmtgsbehvrde Bericht zu erstatten. 1 Der Bericht ist seitens des (tterichtshcrrn zu er statten und zwar unmittelbar an den Reichskanzler bez. die oberste Militärjustizverwaltungsbehörde. Ausf.-Srst. H. V on dem Berichte, der wegen eines gegen den Kaiser oder das Reich gerichteten Oochverraths oder Landesverrates oder wegen eines als Verbrechen oder Vergehen sich darstellenden Verraths militärischer tdZeheimniffe an den Reichskanzler zu erstatten ist, ist dem Kriegsministerium auf dem Dienstweg Abschrist einzu reichen. Ausf.-Host. M. An stelle des Kriegsministeriumv tritt der Ltaatsselretär des Reichs Marine Amts.

253.

Fallen dem Beschuldigten nach dem Er-

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 251—254. 167 gebnisse des Ermitteluligsverfahrens mehrere straf­ bare Handlungen zur Last, und erscheint für die Strafzumessung die Feststellung des einen oder des anderen Ctraffalls unwesentlich, so kann der Gcrichtsherr in Ansehung eines solchen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die anderen Fälle von einer Anklage absehen.l Im Felde und an Bord soll regelmäßig in dieser Weise verfahren werden. Die Verfügung ist von dem Gerichtsherrn zu den Akten zu bringend Erachtet der Gcrichtsherr nachträglich die weitere Anklage für geboten, so kann diese nur innerhalb eines Monats3 nach Rechtskraft des Urtheils erhoben werdend 1 cf. §. 208 R.Ltr.P.^. VIuö der von dem Gerichtsherrn unter Mitzeichnung des (S)crirt)tviun3iei,v oder .Kriegs gerichtoraths zu er lassenden Verfügung muß hervorgehcn, lvegen welcher Ltranälle von der Vern'igung der Anklage vorläufig Ab: stand genommen ist. 2 cf. A. 1 und >k B zu §. 240 des Cntw. S. 80. Ätitzeichnung dco Militärjunizbeamten ist erforderlich. 3 Wegen ^ristberechnung cf §§. 146 ff. 4 Die Einschränkung bezieht sich nur aus diejenigen Strasthaten, hinsichtlich deren absichtlich in Gemäßheit des Abf. 1 von der Anklagevenugung abgesehen ist.

254.1 Tie Anklageoerfügung des Gerichtsherrn (§. 250) hat die dem Beschuldigten zur Last gelegte That unter Hervorhebung ihrer geschlichen Merk­ male uni) des anzuweudenden Strafgesetzes zu be-

168

Militärstrafgerichtöordnung. II. Theil. Verfahren,

zeichnen, sowie die Angabe zu enthalten, ob die Ab» urtheilung der Sache durch ein Standgericht oder durch ein Kriegsgericht erfolgt. 1 cf. §§. 198, 201 R.Str.P.O. 2 Die Anklageverfügung muß a) die Person des Beschuldigten bestimmt bezeichnen; b) die dem Beschuldigten zur Vast gelegte That, d. h. das Verhalten des Beschuldigten, welche- den Gegenstand der Aburthcilung bilden soll, so genau angeben, daß die dem Beschuldigten vorgeworsene That von anderen Thaten unterschieden werden kann; c) die gesetzlichen Merkmale der That hervorheben, d. h. angcben, welches Delikt in der That gesunden wird; d) angeben, ob ein Standgericht oder ein Ztriegögericht entscheiden soll. cf. Begr. zu tz. 241 des Cntw. S. 132. Die Anklageversügnng hat hiernach den in der R.Str.P.O. für die „Anklageschrift" vorgeschriebenen In­ halt — §. 198 Abs. 1 R.Str.P.O. — steht aber an prozessualer Bedeutung nicht der letzteren, sondern dem Beschlusse, das Hauptvcrsahren zu eröffn en, — §. 201 ibid. — gleich. Sie bildet die Voraussetzung und Grundlage der Hauptverbandlung; die in der Anklage­

verfügung bezeichnete That ist der Gegenstand Urtheilsstndnng. cf. tz. 317 dieses Gesetzes. F Nr. 28. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 23.

der

255J Die Anklageverfügung ist dem Beschuldigten gleichzeitig mit einer die Angabe der Beweismittel2 und die wesetltlichen Ergebnisse der stattgehabten Ermittelungen enthaltenen Anklageschrift bekannt zu machend

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 266, 266.

169

Die Anklageschrift ist in Sachen der niederen Gerichtsbarkeit von dem Gerichtsoffizier, in Sachen der höheren Gerichtsbarkeit vor: dem Kriegsgerichts­ rathe, welchen der Gerichtsherr mit der Vertretung der Anklage vor dem erkennenden Gerichte beauf­ tragt, anzufertigen und zu unterzeichnen. Im Felde und an Bord bedarf^ es der An­ fertigung einer besonderen Anklageschrift nicht. 1 cf. §§. 198, 199 NStr.P.O. 2 Auch später hinzutretende Beweismittel sind dein Beschuldigten bekannt zu geben. cf §. 300 Abi. 2. 3 Farm der Bekanntmachung cf. §. 256. 4 (5s ist aber die Ansertigung einer Anklageschrift nicht ausgeschlossen; bei verwickelter Lachlage kann es vielmehr sowohl für das (Bericht, als auch namentlich für den Gerichtsherrn — welcher dem Vertreter der Anklage Weisungen zu ertheilen berechtigt ist, §. 97 — von Werth sein, die rechtliche und thatsächliche Aussassung des Vertreters der Anklage über den vorliegenden Fall kennen zu lernen. F. Nr. 29. F. (Niedere Gerichtsbarkeit^ Nr. 24.

256. Die im §. 255 vorgeschriebene Bekannt­ machung erfolgt an Beschuldigte, welche dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehören oder sich in Haft befinden, mündlich durch einen Gerichts­ offizier l oder Kriegsgerichtsrath.l Der Beschuldigte ist dabei aufzufordern, sich rechtzeitig zu erklären, ob und welche Anträge2 er in Bezug auf seine Ver­ theidigung zu stellen habe.

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Militürstrafgerichtöordnung. II. Theil. Verfahren.

Die mündliche Bekanntmachung und Aufforderung kann auch durch Ersuchen eines Amtsrichters herbei­ geführt werden. Ueber die Bekanntmachung und die Aufforderung, sowie über die von bem Beschuldigten abgegebene Erklärung ist ein Protokoll aufzunehmen. In kriegsgerichtlichen Fällen soll deut Beschuldigten eine Abschrift der Anklageverfügung iitib der An­ klageschrift mitgetheilt mei-beit; dasselbe hat in standgerichtlichen Fällen auf Verlangen des Beschuldigten zu geschehen. Ist der Beschuldigte verhaftet, so ist gleichzeitig bem Vertheidiger die Anklageverfügung ttttb die Anklageschrift mitzutheilen. Int Felde und an Bord findet diese Bestimmung keine Atttvendung. 1 Xx\e michbciit das slanbgerichlliche oder das kriegs flcricl)tlid)e Verfahren eingckitet isl. die siegel. Unter Umstünden kann auch im kriegsgerichtlichen Ver­ fahren die Bekanntmachung durch einen Okrichtsoffizier erfolgen, cf. §§. 160 A. 5 und 98 Latz 2. 2 Antrag auf Bestellung eines Vertheidigers ist binnen drei Tagen nach Bekanntmachung der Anllageversügitng zu stellen. cf §. 339 Abs. 3.

F. Nr. 29. F. (Niedere Okrichtsdarkeit) Nr. 24.

257. Gehört der Beschuldigte nicht zu beit im 256 Absatz 1 bezeichneten Personen, so erfolgt die Bekanntmachung und Aufforderung an ihn münd-

L. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 257 - -260. 171

lich (8 256) 142 ff.). F. Nr. 30.

oder mittelst Zustellung

(§§. 139,

258. Mit der Bekanntmachung der Anklage­ verfügung an den Beschuldigten (88- 256, 257) gilt die Anklage für erhoben. 259.1 Haben vor der Erhebung der Anklage oder der Zustellung der Strafverfügung Veränderungen in der persönlichen Dienststellung des Beschuldigten, insbesondere durch Versetzung, Beförderung oder in den Fällen des 8- 29 durch Zurücknahme der Ueber Weisung stattgefunden, in Folge deren der Beschuldigte unter die (Gerichtsbarkeit eines anderen Gerichts­ herrn getreten ist, so ist die Sache an diesen abzu­ geben. Die Bestimmungen der §§. 34, 35 finden entsprechende Anwendung. Später eingetretene Veränderungen ziehen eine Aenderung der gerichtlichen Zuständigkeit nur dann nach sich, wenn der Angeklagte durch Beförderung der niederen Gerichtsbarkeit entzogen wird.^ 1 Die (ÜTl)ebnnq der 'Jlnfhiflc fint nicht nur die Wir­ kung das; die 3nein* der Regel nach zur Aburttzeilung gebracht werden nmn $§. 260, 272 —, sondern auch die, das; der Gerichtsstand sesigelegt wird. Begr. zu §. 246 des (SiitiD. 3. 133. cf. aber § 260 A. 1 2 cf. §. 330 Abs. 2.

260. Nach der Erhebung der Atlklage must, vor­ behaltlich der Bestimmung des 8 272, die Sache zur Aburtheilung gebracht werden '

172

MilitarstrasgerichtSordnung. II. Theil. Verfahren.

Der Aburtheilung mutz eine mündliche Verhand­ lung vor dem erkennenden Gerichte (Hauptverhand­ lung) vorangehen.2 1 Die Aburtheilung braucht nicht immer eine rnilitär gerichtliche zu sein. Wenn sich nach Erhebung der An klage ersticht, das; der Beichuldistte wegen der unter An klastc gefteUten That der Militärgerichtsbarkeit nicht unterworsen in, so hat in der vauptverhandlung das (Gericht seine Unzuständigkeit durch Bcichlus; auszuiprechen — §. 328 — außerhalb der Luiuptverhandlung hat der (iZcrichtöherr die Abgabe der Lache an die zuständige Be Hörde zu verfügen. of. Begr. zu §. 247 des Entw. L. 134. 2 Prinzip der Mündlichkeit cf. §. 315 A 2.

Vierter A bschnitt.' i Begr. L. 134—138 ^.B. L. 82—85.

Vorbereitung der Dauptverhandlung. 261. Der Zusammentritt des erkemtenden Stand­ gerichts oder Kriegsgerichts erfolgt, nachdem die An­ klage erhoben ist, auf Befehl des Gerichtsherrn. Die Richter werden hu Dienstwege berufen ' Ist der Angeklagte ein General oder Admiral, so erfolgt die Berufung2 nach Maßgabe des 8- 18 Absatz 4. 1 cf. §§. 18 Abi. 3, 41, 53. „Berufung" bedeutet: „Uebertragung des Nüchtern arntes." 2 Die Berufung erfolgt hier durch den uaiier bezw. den ttvntingentsherrn. Die enorderlicheit Anordnungen hinsichtlich des 3ommmentrctciiv der dichter gehen von dem Gerichtsherrn aus.

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. tz§. 261—263. 173

262. Insoweit der Gerichtshcrr wegen Mangels oder wegen gesetzlicher Verhinderung (§§. 122 ff.) der zur vorschriftsmäßigen Bildung des Gerichts erforder­ lichen Personen innerhalb seines Befehlsbereichs zur Berufung des erkennenden Gerichts außer Stande ist, kann er einen anderen Gerichtsherrn ersuchen, entweder ihm einzelne fehlende Richter zlizuweisen oder selbst die Aburtheilung der Sache herbeizu­ führen. 1 Das Letztere kann auch geschehen, falls große Entfernung des Angeklagten oder der Zeugen oder militärdicnstlichc Gründe der Berufung des er­ kennenden Gerichts durch den zuständigen Gerichts­ herrn entgegenstehen. l Tie Wahl des einen ober des anderen Weges hängt von dem pflichtgemäßen Ermessen des (BerichtsHerrn ab, welcher namentlich die Uostenfrage zu berück­ sichtigen und unnöthige Weitläufigkeiten zu vermeiden hat. .’oeer, Marine und Lchutztruppen haben sich gegenseitig Rechtshulse zu leisten.

cf. §. 11 des E.G.

263. Ist in den Fällen des §. 262 ein anderer Gerichtsherr um Herbeiführung der Aburtheilung er­ sucht worden, so verbleibt dem ersuchenden Gerichts­ herrn das Recht der Einlegung von Rechtsmitteln und der Strafvollstreckung. Derselbe ist befugt, mit der Vertretung der An­ klage vor dem erkennenden Gericht einen seiner Ge-

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Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Der-fahren

richtsoffiziere oder einen der ihm zugeordnetell Kriegsgerichtsräthe zu beauftragen ' Im Nebrigen werden die gerichtsherrlichen Be­ fugnisse von dem ersuchten2 Befehlshaber wahr­

genommen. 1 Der beauftragte ttriegsgerichtsrath hat den Wei­ sungen seines, — des ersuchenden — (herichtsherrn Folge zu leisten. §. 97. 2 Der ersuchte lUcrichtöberr hat also alle zur Borbereitung der Hauptverhandlung und alle während der Hauptverhandlung erforderlichen Anordnungen und Ent­ scheidungen, soweit sie dem (Acrichtsherrn Zufällen, zu treffen. Mit der Urtheilsfällung ist das Ersuchen er­ ledigt.

264. Ort' und Zeit der Hauptverhandlung werden von dem Gerichtsherrn festgesetzt. 1 Hieraus folgt, dast die Hauptoerhandlung nirfjf am Garnisonorte stattzunndcn braucht. F. Nr. 81.

265. Die zur Hauptverhandlung erforderlichen Ladungen und die Herbeischaffung der als Beweis­ mittel dienenden (Gegenstände hat der Gerichtsherr' zu veranlassen. Die Gestellung oder Ladung der Zeugen und Sachverständigen regelt sich nach Vorschrift der §§. 185, 206, 207. 1 Der Angeklagte hat nicht das Recht der unmittel­ baren Ladung, cf. §. 269 A. 3. Abweichend von §§. 219, 221 R Str.P.O.

266. Angeklagte, welche zu ben Personen des Soldatenstandes des aktiven Heeres oder der

2.-Titel. Verfahren in erster Instanz. §§.264—267. 175

aktiven Marine gehören, sind zu dem anberanmten Termine zu gestellen.' Zwischen der Bekanntmachung der Anklageverfüflimß an den Angeklagten (§. 258) ltitb der Hailptvcrhandlung muß, wenn die Hauptverhandluug vor dein Standgerichte stattfindet, eine Frist von drei Tagen, in allen anderen Fällen von einer Woche liegen. Der Termin zur.^auptverhandlung ist spätestens tim vorhergehenden Tage dem Angeklagten dienstlich bekannt zu machen.'' Die Meldlmg, das; und wann dies geschehen, ist 311 den Akten zu bringen. Die im Absätze 2 und 3 bezeichneten Fristen können mit Zustimmung des Angeklagten abgekürzt werden. Irn Felde3 finden dieselben keine Anwendllng. 1 cf. Auss. Best, zu §. 171. 2 cf. §. 275 Abs. 3. 3 Wohl aber an Bord. cf. N.B. zu §. 253 des Entw. L. 83. F. Nr. 29, 32. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 24.

267.1 Angeklagte, welche nicht zu den im §. 266 bezeichneten Personen gehören, sind zu dem anbcraumten Terrnine schriftlich zu laden. Die La­ dung eines auf freiem Fuße befindlichen Angeklagten kann unter der Warnung geschehen, daß im Falle seines unentschuldigtcn Ausbleibens seine Vorführung oder Verhaftung erfolgen werde. Bei der Ladung

176

Militärstrafgerichtoordnung. II. Theil. Verfahren,

eines nicht auf freiem Fuße befindlichen Angeklagten findet der §. 140 Anwendung. Zwischen der Ladung und dem Tage der Hauptverhandlung muß die imtz. 266Absah2 vorgeschriebcne Frist ließen.2 3 Im Verfahren vor den Feldgerichten und Bord­ gerichten bedarf es einer Ladlmg des Angeklagten nicht. Die Gestellung richtet sich nach den Umständen des Falles. 1 cf. §§. 215, 216 R.Str.P.O. 2 cf. §. 275 Abs. 3. 3 Nach einer Aussetzung der Verhandlung steht dem Angeklagten ein Necht, aus'S Neue die Einhaltung dieser Frist zu verlangen, nicht nrehr zur Leite. es. Entsch. des R.G. vom 14. März 1887. Rspr. Bd. IV, S. 177. F. Nr. 81, 33.

268.1 Der Termin zur Hauptverhandlung ist den zur Zeit der Anberaumung dieses Termins be­ reits bekannten Vertheidigern2 zugleich mit der Be­ nachrichtigung (§. 266) oder Vorladung (§. 267) des Angeklagten, den erst später bestellten Ver­ theidigern gleichzeitig mit der Bestellung bekannt zu machen. 1 cf. §. 217 R.Str P.O. 2 cf. §§. 337 ff. F. Nr. 84. 269.1 Verlangt der Angeklagte vor dem Termine die Gestellung oder Ladung von Zeugen oder Sach­ verständigen oder die Herbeischaffung anderer Beweis­ mittel zur Hauptverhandlung, so hat er unter An-

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 268,269.

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gäbe der Thatsachen, über welche der Beweis er­ hoben werden soll, seine Anträge, soweit sie nicht bereits zu Protokoll erklärt sind (§. 256 Absatz 3), an den Gerichtsherrn zu richten. Die Anträge find von Mannschaften des aktiven Heeres und der ak­ tiven Marine dem nächsten mit Disziplinarstrafgewalt versehenen Vorgesetzten zu Protokoll zu er­ klären. Ist der Angeklagte verhaftet, so findet die Bestimmnng des §. 125 Absatz 3 Anwendung. Die Verfügung des Gerichtsherrn ist dem An­ geklagten bekannt zu machen. Gegen die Verfügung findet binnen drei Tagen nach der Bekanntmachung die Rcchtsbeschwerde? an den höheren Gerichts­ herrn statt. Den Anträgen des Angeklagten ist zu entsprechens wenn dieselben begründet erscheinen oder wenn der Angeklagte, soweit cs sich nicht mit Personen des aktiven Heeres und der aktiven Marine handelt, den erforderlichen Betrag der gesetzlichen Entschä­ digung für Reisekosten und Versäumniß der Zeugen oder Sachverständigen bei der Militärgerichts­ schreiberei hinterlegt. Ergiebt sich in der Hauptverhandlung, daß die Vernehmung einer auf Kosten des Angeklagten ge­ ladenen Person zur Aufklärung der Sache dienlich war, so hat das Gericht auf Antrag anzuordnen, datz dem Angeklagten die hinterlegte Summe zurück­ zugeben sei. Herz. MiliLärstrafgerichtSordnung.

12

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Militärstrafgerichteordnung. II. Theil. Verfahren,

t cf. §§. 218, 219 RSlr.P.O. ' 3 cf. §. 878. 3 Hiernach ist der Angeklagte nicht befugt, Zeugen und Sachverständige unmittelbar laden zu lasten. Eine dem §. 219 R.Str.P.O. entsprechende Bestimmung wurde von einem Kommissionsmitgliede beantragt, in der ersten Lesung der Kommission auch beschlossen, demnächst aber durch die jetzige Fassung des Abs. 4 ersetzt, cf. K B. zu 257 des Entw. S. 84, 85. Ein Recht auf Termins Verlegung hat der Angeklagte nicht.

270J2 Stehen dem Erscheinen eines Zeugen oder Sachverständigen in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit oder Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse2 entgegen, so kann der Gerichtsherr die Vernehmung desselben durch einen richterlichen Militärjustizbeamten oder Gerichtsoffizier oder durch Ersuchen eines Amtsrichters herbeiführen. Die Ver­ nehmung erfolgt, soweit nicht gesetzliche Hindernisse oder erhebliche Bedenken dagegen obwalten, eidlich. Dasselbe gilt, wenn ein Zeuge oder Sachver­ ständiger vernommen werden soll, dessen Erscheinen wegen großer Entfernung besonders erschwert * sein wird-b6 1 cf. §. 222 R.Str.P.O. 2 cf. §. 305 Abs. 2 Es liegt hier eine Ausnahme von dem im §. 304 enthaltenen Prinzipe der Mündlichkeit vor. 3 Die kommissarische Vernehmung eines dienstlich nicht abkömmlichen Zeugen oder Sachverständigen ist zu­ lässig; vorailsgesetzt, daß dieses Hinderniß nicht nur vor­ übergehend, sondern für eine längere oder ungewisse Zeit

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 270, 271.

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dem Erscheinen des Zeugen rc. in der Hauptverhandlung entgegcnsteht. Entsch. des R.G. vom 29. Nov. 1883. — Rspr. Bd. V S. 737. 4 Lluch hier ist vorausgesetzt, daß das Erscheinen des Zeugen aus längere oder ungewisse Zeit erschwert ist. ttehrt der Zeuge voraussichtlich bald an die Gcrichtsstelle zurück, io ist die kommissarische Vernehmung nicht gerecht fertigt. cf. Entsch. des vom 4. Dezember 1880. — Mn. Bd. II S. 602. •5 Auch die Beschassenüeit der Verkehrsmittel kommt hierbei in Betracht. cf Entsch. des 'Ji.W. vom 11. Mai 1886 und 24. Zauuar 1888. R'pr. Bd. VIII L. 358 und X S. 68. " Zm Auslande kann auch durch einen deutschen.^lou sul die kommissarische Vernehmung erfolgen, cf. §. 20 des Ges. vom 8. November 1867. B.G Bl. S. 137. Entsch. d. N.O). vom 29 August 1882. — Rspr Bd. IV S. 697.

271.1 Von bcn sinn Zwecke dieser Vernehmung anbcraumtcn Terminen sind der Gerichtshcrr, so­ fern dieser den Termin nicht selbst ungeordnet hat, der Angeklagte und der Vertheidiger2 vorher zu benachrichtigen, insoweit dies nicht wegen Gefahr im Verzugs unthunlich ist. Einer Vertretung der Anklage oder des Angeklagten bei der Vernehmung be­ darf es nicht. Das aufgenommene Protokoll ist dem Gerichtsherrn und dem Angeklagten oder dem Ver­ theidiger vorzulegen. Die Bestimmungen des §. 165 Absatz 4 und 5 finden Anwendung.

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Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren

Das Gleiche gilt, wenn zur Vorbereitung einer Hauptverhandlnng noch ein richterlicher Augenschein cinzunehmen ist. 1 cf. §§. 223, 224 N.Ltr.P.O. 2 Der Vertheidiger ist besonders zu benachrichtigen, cf. Entsch. des vom 24. November 1880 und 7. Dezember 1886. — Nspr. Bd. II L. 562 und Bd. VUI S. 731 3 Hierzu ist namentlich die lyefahr, dan das Beweisnlittel verloren geht, zu rechnen: nicht aber der Umstand, daft evcntl. die anberaumte Hauptverhandlnng verlegt werden muh. cf. Ent sch. des N.O). vom 24. April 18K0. — Nspr. Bd. I L. 655.

272. Ans Grund neu hervorgetrctener Umstände' samt der Gcrichtsherr vor der Hauptverhandluug zu Gltnsten dcS Angeklagten die Anklageverfugung abändern oder znrücknchmen. Alts eine solche Ent­ schließung finden die Bestimmungen der S§. 243 ff. entsprechende Anwendung. 1 Namentlich auch, wenn ein früher gestellter Straf antrag rcchtswirtsam zurückgenommen wird. cf. §§. 102—104, 194, 232, 247, 263, 292, 303, 370 R.Str.N.B.

Fünfter Abschnitt.' 1 Bcgr. S. 138-147 K.B. L. 85-104.

Hauptverhandlung. 273.1 Die Hauptverhandlung? (§. 260) erfolgt vor dem vorschriftsmäßig besetzten Standgericht oder Kriegsgericht in ununterbrochener Gegenwart der

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 272—274.

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zur Urtheilsfindung berufenen Personen sowie des mit der Vertretung der Anklage beauftragten Gerichts­ offiziers oder Kriegsgerichtsraths und eines Gerichts­ schreibers. Die Hauptverhandlung findet in Abwesenheit des Gerichtsherrn statt1 of. §. 225 RLtr.P.O. 2 Zur Hauptverhandlung gehört auch die Verkündung des Urtheils — tz. 327. — Die Verkündung des letzteren tuns; alia ebenfalls in Gegenwart der zur Urtheilsfindung bmi 1'1*111’11 Personen, des Vertreters der Anklage und des Gerichtsfchreibers erfolgen. Dieselben Richter, welche das Urtheil beschlossen haben, müssen auch bei der Verkün­ dung zugegen sein. (Line Vertretung ist unzulässig. cf. (Lutsch, vorn 11. Dezember 1880. — Rspr. Bd. II S. 631. 3 (Line ununterbrochene Anwesenheit des Vertheidigers in der Hauptverhandlung ist nicht erforderlich, cf. auch §. 346. F. Nr. 35. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) 9h*. 25.

274.i Es können in der Hauptverhandlung mehrere Genchtsschreibcr, mehrere Vertreter der Anklage,2 sowie mehrere Vertheidiger mitwirken und sich in die ihnen obliegenden Verrichtungen theilen 1 cf. §. 226 R.Dtr.P.O. 2 (LS kann hiernach in der Hauptverhandlung ein Vertreter der Anklage mitwirken, welcher nicht der ganzen Verhandlung beiwohnte und zwar neben oder statt des; jenigen, welcher die Anklage bis dahin vertrat. cf. Entsch. d. R.G. vom 5. Juli 1887. Rspr. Bd. IX L. 407.

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MilitürstrafgerichtSordnung. II. Theil. Verfahren.

275? Wird in der Hauptverhandlung die Aus­ setzung derselben beantragt, so entscheidet das Gericht. Kürzere Unterbrechungen ordnet der Vorsitzende an. Eine Verhinderung des Vertheidigers giebt nur in den Fällen der nothwendigen Vertheidigung (vgl. 8- 338) dem Angeklagten das Recht, die Aus­ setzung der Verhandlung zu verlangend Ist die Frist des §. 266 Absatz 2 und des 8- 267 Absatz 2 nicht eingehalten, so soll der Vorsitzende den Angeklagten mit der Befugnis, Aussetzung der Ver­ handlung zu verlangen, bekannt machend 1 cf. §. 227 N.Str.P.O. 2 cf. §. 346. 3 Es ist dies lediglich eine instrultivnelle Vorschrift, durch deren Außerachtlassung eine Nichtigkeit des Ver fahrens nicht begründet wird. cf. Ent sch. d. R.G. vorn 30. Januar 1880. Nspr. Bd. I L. 300.

276. r Eine unterbrochene Hauptvcrhandlung mutz spätestens am vierten Tage'^ nach der Unter­ brechung fortgesetzt werden, widrigenfalls mit dem Verfahren von Neuem zu beginnen ist. 1 cf. §. 228 R.Str.P.O. 2 Eine am Montag unterbrochene Verhandlung z. B. muß spätestens am Freitag fortgesetzt werden. §. 146 Ads. 3 kommt nicht zur Anwendung. Die Fortsetzung der Verhandlung an einem Sonntage oder attgenteinen Feiertage ist gesetzlich nicht ausgeschlossen, cf Voeiue zu §. 228 A. 2.

277. Im Falle der Aussetzung oder Unter­ brechung der Hauptverhandlung kann das Gericht i

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 275—279.

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die Festnahme des bis dahin auf freiem Fuße be­ findlichen Angeklagten anordnen. Dasselbe gilt im Falle der Verurtheilung. Von der Anordnung der Festnahme ist der Gerichtsherr in Kenntniß zu sehenDerselbe hat zu bestimmen, ob die Festnahme auf­ recht zu erhalten ist. 1 Ausnahme von der im §. 175 enthaltenen Regel. Die Anordnung des Gerichts hat, wie die beiden letzten Sätze des Paragraphen zeigen, lediglich einen provi­ sorischen Charakter.

278.1 Gegen einen ausgebliebeuen Angeklagten findet eine Hauptoerhandlung nicht statt. Ist das Ausbleiben eines gemäß §. 267 Absatz 1 geladenen Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so kann die Vorführung angeordnet oder die Ver­ haftung veranlaßt werden23 1 cf. §. 229 R.Str P.O. 2 Es ist hier ein selbständiger Verhastungsgrund aufgestellt. Die Voraussetzungen bco §. 176 brauchen nicht vorzuliegen. 3 Nur die Vorführung kanzr von dem Gerichte be­ schlossen, die Verhaftung kann lediglich „veranlagt", d. h. bei dem Gerichtsherrn beantragt werden.

279.1 Der erschienene Angeklagte darf sich aus der Verhandlung nicht entfernen. Der Vorsitzende kann die geeigneten Maßregeln treffen, um die Ent­ fernung desselben zu verhindern- auch kann er ihn während einer Unterbrechung der Verhandlung in Gewahrsam halten lassen. Entfernt der Angeklagte sich dennoch, oder bleibt

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Militärslrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren,

er bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Haupt­ verhandlung aus, so kann diese in seiner Abwesenheit2 zu Ende geführt werden, wenn feine Vernehmung über die Anklage schon erfolgt war und das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich er­ achtet. 1 cf. §. 230 N.Str.P.O. 2 Die Hauptverhandlung kann nur dann in Ab­ wesenheit des Angeklagten zu Ende geführt werden, wenn ein vorsätzliches Handeln deö Angeklagten dem Gange der Rechtspflege cntgegentritt, nicht auch dann, wenn Krankheit oder andere zwingende Umstände dem Erscheinen deö Angeklagten ein unüberwindliches Hindernis bereiten. cf. Entsch. des R.G. vom 1. Dezember 1891. — Bd. XXII S. 247 ff. — und vom 22. Dezember 1896. — Bd. XXIX S. 294 ff. — of. Bd. XXXII S. 36.

280.1 Der Angeklagte kann mit seiner Zuftinimunß 2 wegen grober Entfernung * seines Auf­ enthaltsorts von dem Erscheinen in der Hauptver­ handlung entbunden werden. Ueber einen darauf gerichteten Antrag des Angeklagten entscheidet, toeitn er vor der Hauptverhandlung eingeht, der Gerichts­ herr, anderenfalls das erkennende Gericht nach An­ hörung des Vertreters der Anklage. Für die Hauptverhandlung vor einem Kriegs­ gerichte darf eine Entbindung des Atlgeklagten vom Erscheinen nur eintreten, wenn voraussichtlich keine andere als eine innerhalb der Strafbefugnisse der Standgerichte3 liegende Strafe zu erwarten steht. Das erkennende Gericht bleibt befugt, nachträglich

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 280, 281

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das persönliche Erscheinen des Angeklagten zu be­ schließend

1 cf. §. 282 R.Str.P.O. 2 Antrag des Angeklagten ist nicht erforderlich. Das (besetz führt lediglich „große Entfernung des Aufenthalts­ orts" als genügenden Grund für die Entbindung von dem Erscheinen in der Hauptverhandlung auf. Der Be­ griff „große Entfernllng des Aufenthaltsorts" ist aber ein thatsächlicher und relativer, auch nach der Ltörper bcschaffenhcit des Vorgeladencn zu bemessender. Daö Gericht, bez. der Gerichtsherr kann deshalb bei der Fest­ stellung dieses Begriffs etwaige Krankheit oder Gebrech­ lichkeit des Vorgeladenen mit berücksichtigen. Entsch. d. 9i.G. vom 20. Mai 1889 — Bd. XIX, L. 248. 8 Es ist hier die „ Strafbemgniß" — §§. 47, 63 nicht die „Zuständigkeit" — §§. 45, 15, 16 — ent scheidend. 4 Von dieser Befugnis; muß das Gericht Gebrauch machen, wenn es aus Grund der — zunächst in Ab Wesenheit der Angellagten — stattgesundencn Verhandlung zu der Ansicht gelangt, daß eine höhere Strafe, alS die im §. 280 bezeichnete, angemessen sei. cf. Entsch. d. R.G. vom 18. Januar 1887 — Bd. XV, S. 337 ff. liegen mehrere real konkurrirende Strafthatcn vor, so darf die Ges am mt strafe nicht über die Strafbefugnisse der Standgerichte hinauögehen. Hält das Gericht eine höhere Gesannntstrafc für erforderlich, so ist das persön­ liche Erscheinen des Angeschuldigten anzuordnen, cf. Eilt sch. d. Ltt.G. vom 12. Oktober 1897 — Bd. XXX, Der Angeklagte ist, auch wenn ein Vertheidiger für ihn gesprochen hat, zu befragen, ob er selbst noch etwas zu seiner Vertheidigung anzuführen habe.^ 1 cf. §. 257 R.Ltr.P O. 2 Von Amtswegen. Wesentliche Formvorschrift. cf. Entsch. d. R.G. vom 27. März 1884. — Rspr. Bd. VI, S. 248 und Entsch. des RG. vom 28. Oktober 1897. — Rspr. Bd. IX, L. 588. 3 Die Ausführungen dürfen sich nur auf den Inhalt und das Ergebnis; der Verhandlung beziehen. Ausführungen des Vertheidigers, welche nicht zur Lache gehören, können dadurch verhindert werden, daß dem Vertheidiger in dieser Richtung das Wort ent­ zogen wird. cf. Entsch. d. R.G. vom 9. April 1886. — Rspr. Bd. VIII, S. 271. 4 Das „letzte Wort" ist dem Angeklagten gegenüber dem Vertreter der Anklage, nicht gegenüber seinem eigenen Vertheidiger cingcräumt. Es ist deshalb nicht gesetzwidrig, wenn zuerst der Angeklagte, dann der Vertheidiger „daö letzte Wort" hat. cf. Entsch. des R.G. vom 28. März 1885. Rspr. Bd. VII, L. 191. 5 Das Wesentliche dieser Vorschrift besteht darin, daß der Angeklagte neben dem Vertheidiger zum Worte komme, nicht darin, daß dies unbedingt erst nach dem

208

Militärftrafgerichtsordnung. II Theil. Verfahren.

Vertheidiger geschehe, d. R.G.

cf. die unter 4 erwähnte Entsch.

313.* Einem der Gerichtssprache nicht mächtigen2 Angeklagten müssen aus den Schlußvorträgen mindestens die Anträge des Vertreters der Anklage und des Vertheidigers durch den Dolmetscher bekannt gemacht werden. Dasselbe gilt von einem tauben3 Angeklagten, sofern nicht eine nlündliche oder schriftliche Verstän­ digung erfolgt. 1 cf. §. 258 R.Str.P.O. 2 cf. y. 116 und A. hierzu. 3 cf. §. 117 und A. hierzu wesentliche Formvorschrift.

ebenso

wie Abs. 1

314.1 Die Hauptverhandlung schlicht mit der Erlassung des Urtheils. Das Urtheil2 kann nur auf Freisprechung, Verurteilung oder Einstellung des Verfahrens lauten. Die Einstellung des Verfahrens ist insbesondere3 auszusprechen, wenn bei einer nur auf Antrag zu verfolgenden strafbaren Handlung sich crgiebt, das; der erforderliche Antrag nicht vorliegt, oder wenn der Antrag rechtzeitig zurückgenommen ist. 1 es. §. 259 R.Str.P.O. 2 Da die Erlassung des Urtheils ein Theil der Haupt Verhandlung ist, so ist §. 278 zu beachten. 3 Die Einstellung des Verfahrens hat auch da zu erfolgen, wo die strafrechtliche Verfolgbarkeit durch Ver­ jährung, jugendliches Alter, völkerrechtliche Vertrüge oder deshalb ausgeschlossen ist, weil ein reines Disziplinar­ vergehen — Disz.-Ord. §. 1 Nr. 1 — vorliegt.

2 Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 813—316.

209

315.1 Ueber das Ergebniß der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriffe der Verhandlung3 geschöpften Ueberzeugung3 1 cf. §. 260 R.Str.P.O. 3 Nur culs dem in der Hauptverhandlung selbst er­ örterten Vewcismaterial darf die Ueberzeugung geschöpft und nur mit solchem Veweismaterial darf daö Erkenntniß begründet werden. Daö Urtheil hat sich am' die Schuldsrage und die Straffrage zu erstrecken. Durch die Aufrechterhaltung eines früheren Urtheils in thatsächlicher Hinsicht wird int Wiederaufnahmeverfahren die erneute Prüfung der Strafzumessung auf Grund der neuen Verhandlung nicht entbehrlich. cf. Entsch. d. N.G. vom 25. Januar 1898. Bd. XXX, S. 421 ff. 3 Das Gericht ist hiernach in der Windung des Urtheils völlig frei und weder an Gutachten, noch an Erklärungen anderer Behörden gebunden; Ausnahme bezüglich der rechtlichen und militärdienstlichen Beurtheilung cf. §. 416.

316.1 Hängt die Strafbarkeit einer Handlung von der Beurtheilmig eines bürgerlichen Rechts­ verhältnisses ab, so entscheidet das Strafgericht auch über dieses nach den für das Verfahren und den Beweis in Strafsachen geltenden Vorschriften. Das Gericht ist jedoch befugt, das Urtheil ausznsetzen und einem der Bctheiligten zur Erhebung der Civilklage eine Frist zu bestimmen, oder das Urtheil des Civilgerichts3 abzuwarten. l cf. §. 261 R.Str.P.O. Herz, MilitarstrafkerichtSordnung.

14

210

Militärstrasgerichtsordnnng. II. Theil. Verfahren.

2 Das Urtheil des Civilgerichts ist auch in diesem Falle nicht bindend. cf. Entsch. d.-R.G. vom 6. Oktober 1886. — Rspr. Bd. VIII, S. 588.

317.1 Gegenstand der Nrtbeilsfindung ist die in der Anklageverfügung2 bezeichnete That, wie sich dieselbe nach dem Ergebnisse der Verhandlung dar­ stellt.» Das Gericht ist an diejenige Beurtheilung der That, welche der Anklageverfügung zu Grunde liegt, nicht gebunden.4 1 ct. §. 263 R.Str.P.O. 2 Das Gericht ist hiernach insofern an die Anklage­ verfügung gebunden, als dem Urtheile die in der Anklage­ verfügung bezeichnete, konkrete That zu Grunde gelegt werden muß. In der strafrechtlichen Qualifizirung der That ist — die Bestimmung des §. 818 vorbehalten das Gericht frei. In thatsächlicher Beziehung sind Ab­ weichungen von der Anklageverfügung gestattet, wenn durch dieselben die Identität der That nicht in Frage gestellt wird. So ist z. B. eine Derurtheilung auch dann zulässig, wenn sich im Laufe der Beweisaufnahme die Strafthat bezüglich des Ortes, der Zeit, der Perlon des Verletzten abweichend von der Anklageverfügung darstellt. cf. Loewe §. 268 A. 3 a. 3 Wesentliche Vorschrift. 4 Weicht das Gericht in der Beurtheilrmg der That von der Anklageverfügung ab, so sind die Gründe dieser Abweichung im Erkenntnisse anzugeben.

318.i2 Eine Derurtheilung des Angeklagten auf Grund eines anderen3 als des in der Anklagever­ fügung angeführten Strafgesetzes darf nicht erfolgen,

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 317,318.

211

ohne daß der Angeklagte zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts besonders hingerviesen4 und ihm Gelegenheit zur Vertheidigung gegeben worden ist. In gleicher Weise ist zu verfahren, wenn erst in der Verhandlung solche vom Strafgesetze besonders vorgesehene Umstände behauptet werden, welche die Strafbarkeit erhöhen. Das Gericht hat auf Antrag oder von Amts­ wegen die Hmlptverhandlung auszusehen, falls dies in Folge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Vertheidigung angenlcsscn erscheint. Seitens des Kriegsgerichts ist einem dahin gerichteten Anträge des Angeklagten stattzugeben, wenn derselbe neu hervorgetretene Um­ stände^ welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes zulassen oder die Strafbarkeit erhöhen, bestreitet. 1 cf. §. 264 R.Str.P.O. 2 Ein Verstoß gegen diese Vorschrift begründet die Revision, falls das Urtheil auf der (Gesetzesverletzung beruht, cf. §. 399 A. 2. Entsch. d. R.0). vom 16. Mai 1880. Rspr. Bd. I, S. 789 und vom 13. April 1892. - Vd. XXIII, S. 77. 3 Der Hinweis muß auch dann erfolgen, wenn das „andere Strafgesetz" milder ist. cf. Entsch. d. R.G. vom 12. Juni 1882. — Bd. VI, S. 349. 4 Don Seiten des Leiters der Verhandlung. §• 292. cf. Entsch. d. R.G. vom 8. März 1880. — Bd. I, S- 254. 14*

212

Militärstrcisgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren.

Die Befolgung der Vorschrift kann nur durch das Protokoll bewiesen werden, cf. §. 385. cf. Entsch. d. R.G. vom 14. Juni 1880. — Rspr. Bd. II, S. 67. 5 D. h. That umstände, welche zur Seit der Anklage crhebung dem Gerichte unbekannt waren, cf. Eutsch. d. R.G. vom 7. Juli 1885. — Rspr. Bd. VII, 3. 875.

319.1 Wird der Angeklagte im Laufe der Hauptverhandlung noch einer anderen That beschuldigt, als wegen welcher die Anklageverfügmlg gegen il)it erlassen ist, so kann auf Autrag des Vertreters der Anklage jene That mit seiner Zustimmung (ytm Gegenstände derselben Abnrtheilung gemacht werden Diese Bestimmung findet nicht Anwendung, wenn die That sich als ein bürgerliches oder militärisches Verbrechen darstellt, oder die Abnrtheilung derselben die Zuständigkeit- des Gerichts überschreitet 1 cf. §. 265 R Ltr.P.O. 2 Die sachliche Zuständigkeit,

cf. §§. 15, 16, 45.

320.1 Die Leitung der Urtheilsbcratbung und das Sammeln der Stimmen erfolgt durch denjenigen, der die Verhandlungen geführt hat. Etwaige Vorfragen2 sind einzeln vor der Haupt­ frage, die Festsetzung des Strafmaßes ist erst nach beschlossener Anwendung des Strafgesetzes die Gcsammtstrafe erst nach Festsetzung der Einzelstrasen und die Verhängung einer Ncbenstrafe erst nach der Bemessung der Hauptstrafc zur Abstimmung zu bringen.

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. ZZ. 319—322.

213

Meinungsverschiedenheiten über den Gegenstand, die Fassung und die Reihenfolge der Fragen oder Liber das Ergebniß der Abstimmung entscheidet daS (Bericht1 cf. §. 196 G.V.G. 2 D. h. solche Fragen, bei denen es sich darum han­ delt, ob die Strafverfolgung vor dem erkennenden (9r richt und damit eine Entscheidung desselben in der Sache selbst zulässig ist; so ob der erforderliche Antrag über­ haupt oder ob er rechtzeitig oder von einer dazu legitiinivteii Persou gestellt oder ob er rechtswirksam zurück­ gezogen, ob der Angeklagte vernehmungsfähig, ob Ver­ jährung der Strafverfolgung eingetreten, ob die Militär strafgerichtsbarkeit begründet ist. cf. Begr. zu §. 307 des Eutlv. L. 144.

321.1 Kein Richter darf die Abstimmung über chic Frage verweigern, weil er bei der Abstimmung über eine vorhergegangene Frage in der Minderheit geblieben ist. 1 cf. §. 197 G.V.G.

322.1 Zu einer jeden Entscheidung des Gerichts ist Stimmenmehrheit 2 erforderlich. Bilden sich bei einer Abstimmung mehr als zwei Meinungen, von denen keine die Mehrheit für sich hat, so werden die dem Angeklagten nachtheiligsten Stimmen den zunächst minder nachtheiligen so lange hinzugerechnet, bis sich nach Vorschrift des ersten Absatzes eine Entscheidung herausstellt. Ist es zweifelhaft, welche der Meinungen die nachtheiligere ist, so muß hierüber besonders abgestimmt werden.

214

Militärsirasgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren.

1 cf. §. 198 G.V.G. 2 Absolute Stimmenmehrheit, cf. Begr. zu §. 809 des Entw. S. 145. Nicht ausreichend ist die einfache Stimmenmehrheit bei einer dem Angeklagten nachtheiligen Entscheidung über die Schuldfrage, cf. §. 323. Einstimmigkeit ist in den Füllen deö §. 299 Abs. 4 er­ forderlich.

323.12 Zu einer jeden dem Angeklagten nach­ theiligen Entscheidung, welche die Schuldfrage be­ trifft, ist eine Mehrheit von zwei Drittheilen der Stimmen erforderlich * Die Schuldfrage begreift auch solche von dein Strafgesetze besonders vorgesehene Umstände, welche die Strafbarkeit autzschliesien^ vermindern^ oder er­ höhend Die Schuldfrage begreift nicht die Voraus­ setzungen des Rückfalls und der Verjährung? 1 cf. §. 262 R.Str.P.O. 2 cf. K.B. zu §. 309 deö Entw. S. 101. 5 Ausnahme von tz. 322. Es sind zu einer dem Angeklagten nachtheiligen, die Schuldfrage betreffenden Entscheidung hiernach er-forderlich: a) bei den Standgerichten 2 Stimmen. — §. 38. b) bei den Kriegsgerichten 4 Stimmen. — §. 49. c) bei den Oberkriegsgerichten und bei den Senaten des Reichsmilitärgerichts 5 Stimmen. — §§. 66, 84. ♦ cf. z. B. §§. 46, 163 Abs. 2, 310 R.Str.G.B. ö cf. z. B. §§. 157, 158 R.Str.G.B. v cf. z. B. §. 248 R.Str.G B. §§. 55, 95, 103, 107, 115, 136 M.Str.G.V. 7 Die Fragen, ob mildernde Umstände oder minder schwere Fälle vorliegen, ob die Untersuchungshaft auf die erkannte Strafe in Anrechnung zu bringen ist, charakterisiren sich nicht als Schuldfragen. Ihre für den An-

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 323 - 325.

215

geklagten ungünstige Entscheidung verlangt also Mehrheit von zwei Drittheilen der Stimmen. cf. bez. des Rückfalls § 411 A. 2.

keine

324. Bei den Standgerichten richtet sich die Reihenfolge der Abstimmenden nach dem Dienst­ range ; der Jüngste im Range stimmt zuerst. Bei den Kriegsgerichten stimmt der die Verhandlungen führende Kriegsgerichtsrath zuerst- die übriger: Richter stimmen in der für die Standgerichte vorgeschriebenen Reiherrfolge. Wirken außer dem bezeichneten Kriegsgerichtsrathe noch andere ^Militärs beamte* als Richter mit, so stimmen diese vor den Offizieren. * cf. §§. 55, 56.

325? Bei der Berathung und Abstirnnrung dürfen außer den zur Entscheidung berufenen Richkrtt3 nur die bei demselben Gerichte zu ihrer juristischen Ausbildung beschäftigten Personen zu­ gegen sein, soweit der Vorsitzende deren Anwesen­ heit gestattet? Ueber den Hergang bei der Berathung und Ab­ stimmung ist von den dabei anwesenden Personell Stillschweigen zu beobachten. 1 cf. §. 195 G.V.G. 2 Auch die Gerichtsschreiber dürfen hiernach bei der Berathung nicht zugegen sein. Die Zulassung von Referendaren, welche in der Sache als Gerichtsschreiber fungirt haben, ist gestattet. cf. Entsch. d. R.G. vom 8. Oktober 1888. — Rspr. Bd. X, S. 549.

216

Militttrstrasgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren.

3 Verstoß gegen diese Vorschrift ist kein absoluter Aushebungsgrund. Bei Einlegung der Revision muß die Annahme begründet sein, daß das Urtheil auf der Gesetzes­ verletzung beruht, of. §. 399 A. 2. Entsch. des R.G. vom 12. November 1888. - Rspr. Bd. X, S. 640.

326?2 Wird der Angeklagte verurtheilt, so müssen die Urtheilsgründe die für erwiesen erachteten Thatsachen angeben, in welchen die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung gesunder: werden, und die nähere Darlegung enthalten, weshalb diese Thatsachen für erwiesen erachtet worden sind. Waren in der Verhandlung solche vom Straf­ gesetze besonders vorgesehene Umstände behauptet rvorden, welche die Strafbarkeit ausschließen,3 ver­ mindern^ oder erhöhen,3 so müssen die Urtheils­ gründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden. Die Gründe des Strafurtheils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und sollen die Umstände anführen, welche für die Zumessung der Strafe bestiurmend geweserr sind. Macht das Strafgesetz die Anwendung einer ge­ ringeren Strafe von dem Vorhandensein mildernder Umstände oder eines minder schweren Falles ab­ hängig, so müssen die Urtheilsgründe die hierüber­ getroffene Entscheidung und die dafür maßgebend gewesenen Erwägungen ergeben, sofern das Vor­ handensein mildernder Urnstände oder eines minder

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 326, 327.

217

schweren Falles angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint wird. Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urtheilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt, oder ob und ans welchen Gründen die für erwiesen angenommene That für nicht straf­ bar erachtet worden ist. 1 cf. §. 266 R.Ltr.P.O.

2 cf. §. 400 zu 7. 3 cf. §. 323 A. 4 -6. 327.1 2 Die Verkündung des Urtheils erfolgt burd) Verlesung der Urthcilsformel und Eröffnung der Urtheilsgründe am Schluffe der Verhandlung oder spätestens innerhalb dreier Tage3 nach dem Schluffe der Verhandlung bei den Standgerichten durch der: Vorsitzenden, bei den Kriegsgerichten durch den die Verhandlung führenden Kriegsgerichtsrath.^ Die Eröffnung der Urtheilsgründc geschieht durch Verlesung oder burd) mündliche Mittheilung ihres wesentlichen Inhalts.^ Der Angeklagte ist über die Zulässigkeit der Be­ rufung und, falls derselbe erklärt, das; er sich bei dem Urtheile nicht beruhige, über die bei Einlegung der Berufung einzuhaltcndc Frist (§. 379), sowie den einzuschlagcnden Weg (§. 369) zu belehren. Ein in Abwesenheit des Angeklagten verkündetes Urtheil und die im Absätze 3 vorgeschriebcne Be-

218

MilitärstrasgerichtSordnung. II. Theil. Verfahren,

lehrung kann dem Angeklagten auch durch einen Gerichtsoffizier oder Kriegsgerichtsrach zu Protokoll eröffnet werden. Im Falle der Zustellung des UrcheilS (§. 137 Absatz 2) ist die Belehrung rnit der Zustellung zu verbinden. 1 cf. §. 267 R.Str.P.O. 2 Eine Abänderung oder Ergänzung des beschlossenen, in dem Sitzungsprotokolle beurkundeten und auf Grund der Beurkundung verkündeten Urtheils ist nicht statthaft. Im Falle eines Widerspruches zwischen Sitzungsprotokoll und ausgefertigtem Urtheil ist das erstere maßgebend. Entstehen durch einen solchen Widerspruch Zweifel über den Inhalt des beschlossenen Urtheils, so unterliegt das­ selbe der Aufhebung. Dagegen dürfen offensichtliche und für jeden erkenn bare Schreib- oder Fassungssehler der Urtheilsfonnel durch Gerichtsbeschluß berichtigt werden. cf. Entsch. des N.G. vom 22. Januar 1886. — Bd. XIII, S. 268 und 15. Februar 1887. — Rspr. Bd. IX, S. 132. 3 Erfolgt die Verkündung nicht spätestens am dritten Tage, so muß die Hauptverhandlung wiederholt werden. cf. §. 276 und Entsch. des R.G. von» 22. Mürz 1895. - Bd. XXVII, S. 117. * cf. §. 373 A. 2. 5 „Oeffentlichkeit." cf. §. 284. F. Nr. 86. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 26.

328. Findet das Gericht im Saufe1 der Ver­ handlung, daß der Angeklagte nicht unter der Militär­ strafgerichtsbarkeit steht, so hat es durch Beschluß seine Unzuständigkeit auszusprechen.

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 328—380.

219

Gegen dieser: Beschluß steht sowohl dem Gerichts­ herrn wie dem Angeklagten binnen einer Woche nach der Verkündung des Beschlusses die Rechtsbeschwerde2 an das Reichsmilitärgericht zu. Hat die Verkündung in Abweserrheit des Angeklagten stattgefunden, so läuft für diesen die Frist vom Tage der Zustellung des Beschlusses 1 Sobald das Gericht zu dieser Ueberzeugung gelangt, kann die Beweisaufnahme oder deren Fortsetzung unter­ bleiben. cf. Begr. zu §. 313 des Entw. S. 146. 3 cf. §. 378. F. Nr. 37.

329J Das Gericht darf sich nicht für unzu­ ständig erklären, weil die Sache vor ein Gericht niederer Ordnung gehöre, oder weil die Erhebung der Anklage voll einem unzuständigen Gerichtsherrn verfügt sei, oder weil zur Ahndung, der strafbaren Handlung die Bestrafung im DiSziplinarwege nach Maßgabe des §. 3 des Einführungsgesehes zum Militärstrafgesehbuch ausreichelld gewesen wäre.2 1 cf. §. 269 R.Str.P.O. 2 Folge des in §. 167 Abs. 2 satzes. cf. §. 157 A. 2.

enthaltenen Grund­

330.1 Stellt sich nach dem Ergebnisse der Ver­ handlung vor einem Standgerichte die That als eine solche dar, welche die Zuständigkeit des Standgerichts überschreitet, so hat dasselbe durch Beschluß seine Unzuställdigkeit auszusprechen2 und die Sache an

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Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren,

die zuständige Stelle zu verweisen. Dieser Beschlusz hat die Wirkung der Anklageerhebung für das weitere Verfahren. Das Gleiche gilt, wenn der Angeklagte mit Rück­ sicht auf seinen Rang der niederen Gerichtsbarkeit entzogen ist? oder die zu erkennende Strafe die dem Standgerichte gezogenen Grenzen überschreitet (88- 14, 15, 16, 47, 63). 1 cf. §. 270 R.Str.P.O. 2 cf. §. 63 A. 4. 3 cf. §. 259 Abs. 2. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 27.

33L1 Ueber die Hauptverhandlung ist ein Protokoll aufzunehmen, welches außer von dem Vor­ sitzenden und dein Gerichtsschreiber2 auch voll de,n die Verhandlung Führenden zu uuterschreiberl ist 3 4 1 cf. §. 271 R.Str.P.O. 2 Sind mehrere Gerichtsschreiber zugegen — § 274 — so hat jeder den von ihm aufgenommenen Theil des Protokolls zu unterzeichnen. 3 Die fehlende Unterschrift darf auch dann noch nach­ geholt werden, wenn bereits eine auf den Mangel der­ selben gestützte Revisionsrechtfertigung eingegangen ist. cf. Entsch. d. R.G. vom 18. Februar 1886. — Bd. Xlll, S. 851. 4 Randvermerte sind besonders zu unterzeichnen. 5 Ist eine dieser Personen behindert, so genügt die Unterschrift der übrigen zur Unterzeichnung berufenen Personen, cf. Begr. S. 146 zu §. 316 d. Gntw.

332.1 Das Protokoll über die Hauptverhand­ lung enthält:

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 331 - 333.

221

1. den Ort und den Tag2 der Verhandlung^ 2 die Namen der Mitglieder des Gerichts, des Vertreters der Anklage, des Gerichtsschreibers lmd des etwa -«gezogenen Dolmetschers3. die Bezeichnung der strafbaren Handlung nach der Anklage4. die Namen der Angeklagten und ihrer Ver­ theidiger!>. die Namen der vernommenen Zeugen und Sachverständigen und den Vermerk über die stattgehabten Beeidigungen6. die Angabe, bah öffentlich verhandelt oder die Ocffentlichkcit ausgeschlossen ist.3 ' cf. §. 272 N.Ltr.P.'T. 2 Es braucht nicht für jeden Tast der Verhandlung mtlv sich dieselbe aus mehrere Tage erstreckt - ein besonderes Protokoll ausgenommen werden. cf. Entfch. des DLbk vom l. Juli 1897. Vd. XXX, 2. 205 ff. 3 Auch der Oirund der AusschlicKung der Oeft'entlich feit ist anzugcben. cf. tz. 285.

333.1 Das Protokoll muff den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im Wesentlichen wiedergeben mit) die Beobachtung aller wesent­ lichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Be­ zeichnung der verlesenen Schriftstücke, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die er­ gangenen Entscheidungen und die Urtheilsformel enthalten.

222

Militärstrasgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren.

Don dem Inhalte der Erklärungen des Ver­ treters der Anklage, des Angeklagten und Der-? theidigers, der Zeugen und der Sachverständigen wird nur das Wesentliche in das Protokoll ausge­ nommen. Insoweit diese Personen bereits im Er­ mittelungsverfahren vernommen waren, ist in dem Protokolle nur zu vermerken, ob und inwiefern ihre Erklärungen etwa von den früheren Aussagen iti erheblichen Punkten abweichen. Kommt es auf die Feststellung eines Vorganges in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Aeußerung an, so hat der die Verhandlung führende Richter die vollständige Niederschreibung und Verlesung anzuordnen. In dem Protokoll ist zu bemerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist, oder welche Einwendungen erhoben sind? 1 cf. §. 273 R.Str.P.O. 2 Die vernommenen Personen — Angeklagte, Zeugen rc. — haben das Protokoll nicht zu unterzeichnen, cf. §. 881.

334. Erfolgt die Beobachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten nach Ansicht eines bei der Verhand­ lung Betheiligten' in mangelhafter oder ungenügender Weise, so ist dieser berechtigt, die Feststellung des Vorganges und dessen Aufnahme in das Protokoll zu verlangen. 1 Hiezu gehören auch Zeugen, Sachverständige, Dol­ metscher 2C,

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 884—886.

223

335.1 Die Beobachtung der für die Hauptver­ handlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten3 kann nur durch das Protokoll bewiesen8 werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt desselben ist der Nachweis der Unrichtigkeit^ zuläsfig. 1 cf. §. 274 R.Str.P.O. 3 D. h. alle Vorgänge in der Hauptverhandlung, welche für deren Rcchtsbeständigkeit von Einfluß sind. 8 Das Protokoll liefert hiernach nicht nur einen — allerdings durch die Darlegung der Unrichtigkeit wider­ legbaren - Beweis, daß die bekundeten Vorgänge zu­ treffend sestgestcllt sind, sondern auch einen Beweis dahin, daß nicht bekundete Vorgänge als nicht geschehen zu er­ achten sind. cf. Entsch. des R.G. vom 28. Januar 1880. — Bd. I, S. 86. * §. 274 R.Ltr.P.O. verlangt den Nachweis der Fälschung.

336.1 3 Das Urtheil mit den Gründen soll binnen drei Tagen nach der Verkündung zu den Akten gebracht werden, falls es nicht bereits voll­ ständig in das Protokoll * ausgenommen worden ist. Es ist von den Richtern, welche bei der Ent­ scheidung mitgewirkt haben, zu unterschreibend Ist ein5 Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter Angabe des Verhinderungs­ grundes von dem Vorsitzenden oder bei dessen Ver­ hinderung von dem ältesten beisitzenden Offizier unter dem Urtheile vermerkt. Die Bezeichnung des Tages der Sitzung, sowie die Namen der Richter, des Vertreters der Anklage

224

Militcirstrasgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren,

und des Gerichtsschreibers, welche an der Sitzung Theil genommen haben, sind in das Urtheil auszunehmen. Die Ausfertigungen und Ausziige der Urtheile sind bei den Standgerichten vom Vorsitzenden, bei den Kriegsgerichten von denr Kricgsgerichtsrathe, der die Verhandlung geführt hat, zu unterschreiben und mit dem Gcrichtssiegel zu versehen. i cf. §. 275 R.Str.P.O. 3 Instrultivnellc Vorschrift. 3 Die Ausnahme der Urtheilsgründe in das Protokoll erscheint nur bei einfacheren Lachen empfehlenswert!). 4 Aenderungen der bereits unterzeichneten Urtheils gründe bedürfen zu ihrer Rcchtsgültigleit der Unterschrift der sätnmtlichen Richter. cf. Entsch. des R.G. vom 17. Oktober 1892. Bd. XXII, S. 259. 5 Das (Gleiche gilt, wenn mebrcre Richter behindert sind. F. Nr. 38, 39. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 28.

Sechster Abschnitt.' 1 Begr. L. 147—153 K.V. L

104-116.

Vertheidigung. 337.12 3 Der Angeklagte kann sich nach Ab­ schluß^ des Ermittelungsverfahrens (§. 173 Absatz 5) des Beistandes eines Vertheidigers bedienen. Diese Bestimmung findet in dem Verfahren vor""'0 den Standgerichten feine Anwendung i cf. §. 137 R.Str.P.O.

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 837, 338.

225

3 Die gleichen Vorschriften gelten für die Berufungs­ instanz. cf. §. 389 Abs. 3. 3 Ueber Berechtigung zur Einlegung und Zurücknahme von Rechtsmitteln, cf. §§. 369 Abs. 5, 371 Abs. 2. 4 Bei Einnahme eines Augenscheins ist im Verfahren vor dem Kriegsgericht dem Vertheidiger die Anwesenheit zu gestatten, cf. §. 165 Abs. 1. 5 (Mcöt eine standgerichtliche Sache in die Berufungs­ instanz, so ist die Vertheidigung statthaft. K.B. zu §. 323 des Entw. S. 108. 6 cf. §. 217 A. 3. Zuziehung eines Vertheidigers ist auch in dem Verfahreit vor dem Standgerichte geboten, wcntt über die Unterbringung eines Angeklagten in eine öffentliche Irrenanstalt, behufs Beobachtung seines Oreisteszustandes, entschieden werden soll.

338.1 Bildet ein Verbrechen den Gegenstand der Anklage, so hat der Gerichtsherr dem Angeklagten, sofern derselbe einen Vertheidiger nicht erwählt hat, einen solchen von Amtswegen zu bestellen.3

Diese Bestimmung findet nicht Anwendung, wenn die strafbare Handlung nur deshalb als ein Ver­ brechen sich darstellt, weil sie im Rückfälle begangen ist,3 oder weil die Voraussetzungen des §. 55 des Militärstrafgesehbuchs vorliegen. 1 §.140 R.Str.P.Q. §. 1 R.Ltr.O.B. §. 1 M.Str.G.B. 3 Selbst gegen den Willen des Angeklagten, da die Mitwirkung des Vertheidigers ein „der Disposttionsbesugniß des Angeklagten nicht unterliegendes Erfordernitz" ist. cf. Entsch. des R.G. vom 14. Juni 1880. — Bd TT, S. 106. 3 cf. §§. 244, 245, 261, 264 R.Str.G.B. Herz, MiUtärstrafgerichtsordnung.

15

226

MilitärstrasgerichtSordnung. II. Theil. Verfahren.

339.1 Erachtet außer den Fällen der nothwen­ digen Vertheidigung (§. 338) der Gerichtsherr oder das erkennende Gericht die Bestellung eines Ver­ theidigers für sachgemäß, so ist dieselbe von Amts­ wegen zu veranlassen.

Der Angeklagte kann die Bestellung eines Ver­ theidigers beantragen, sofern dieselbe nicht von Amtswegen erfolgt. Der Antrag ist binnen einer Frist von drei Tagend nach der Bekanntmachung der Anklage­ verfügung (§§. 256, 257) zu stellen. Für das Ver­ fahren in der Berufungsinstanz ist der Antrag auf Be­ stellung eines Vertheidigers, sofern er nicht schon in erster Instanz gestellt war, spätestens binnen einer Frist von drei Tagen nach Bekanntmachung des Termins der Hauptverhandlung (§. 266 Absatz 3, §. 267 Ab­ satz 2, §. 388) zu stellen.

Ueber den Antrag entscheidet allßerhalb der Hauptverhandlung der Gerichtshcrr, in der Haupt­ verhandlung das Gericht" nach freiem Ermessen1 cf. §. 141 R.Ltr.P.O. 2 cf. §. 146. 3 DaS Gericht entscheidet mir die Bedursnisssrage, das Weitere behufs Auswahl des Vertheidigers und die Bestellung desselben ist dem Gerichtshenn zu überlassen, cf. Begr. zu §. 824 des Entw. S. 150. F. Nr. 89.

340.1 Die Vertheidigung mehrerer Angeklagter kann, insofern dies der Aufgabe der Bertheidiglmg

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 339- 841.

nicht widerstreitet, durch einen Vertheidiger geführt werdend

227

gemeinschaftlichen

1 cf. §. 146 R.Str.P.O. 2 Diese Vorschrift erstreckt fid) auch auf die Fälle der nothwendigen Vertheidigung, cf. §. 338. F. Nr. 39.

34L Als Vertheidiger werden zugelassen und können von Anitswegen bestellt werden: 1. Personen des Soldatenstandes des aktiven Heeres und der aktiven Marine im Offizier­ ranges 2. Kriegsgerichtsräthe und die bei den Militärgerichten beschäftigten Assessoren und Referen­ dare (Praktikanten)? 3 nichtrichterliche obere Militärbeamte? 4. Personen des Beurlaubtcnstandes im Offizier­ range: 5. Rechtsanwälte? welche von der obersten Militärjustizverwaltung ernannt sind. Die unter Nr. 1 bis 3 bezeichneten Personen bedürfen zur Uebernahme von Vertheidigungen der (Genehmigung der vorgesetzten Dienstbehörde. Bei den Kriegsgerichten imb Oberkriegsgerichten werden durch die oberste Militärjustizverwaltung aus den int Bereiche der Oberkriegsgerichte, bei dem Reichsmilitärgerichte durch seinen Präsidenten aus den am Sitze des Reichsmilitärgerichts wohnenden Rechtsanwälten nach Maßgabe des Bedürfnisses und nach Befragung der Anwaltskammer mehrere RechLS15*

228

Militärstrasgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren.

anwälle ernannt, welchen die Vertheidigung über­ tragen werden kann und welche die Uebernahme der Vertheidigung nicht verweigern dürfen. Einem bei den deutschen Gerichten zugelassencu Rechtsanwalt ist, insoweit Verbrechen ober Vergehen gegen die §§. 133, 156, 159, 160, 253, 263, 266, 267 bis 271,273,274 des bürgerlichen Strafgesetzbuchs den Gegenstand der Anklage bilden, mir seinen An­ trag die Uebernahme einer Vertheidigung vor dem Militärgerichte vom Gerichtsherrn zu gestatten, wenn nicht eine Gefährdung militärdienstlicher Interessen oder eine Gefährdung der Staatssicherheit zu be­ sorgen ist.5 Gegen die Versagung der Genehmigung steht dem Antragsteller die Rechtsbeschwerdeb an die oberste Militärjustizverwaltung zu: der Fortgang des Verfahrens wird durch die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht gehemmt. 1 Im Felde und an Bord können auch Angehörige des Heeres oder der Marine, welche nicht im Offizier ränge stehen, als Vertheidiger zugelaffen oder bestellt werden, cf. §. 848. 2 Hiernach ist die Bestellung von Oberkriegsgerichtö rathen und Reichsmilitärgerichtsräthen unzulässig. 3 Im Felde und an Bord auch untere Militärbeamte; z. B. Büchsenmacher, Untcrapothekcr, die zur Verrichtuug dienstlicher Funktionen eingeschifsten untern Civilbeamten. cf. §. 348 und Verord., betr. Klasseneintheilung der Militärbeamten vom 29. Juni 1880. R.G.Bl. S. l69 fs. * cf. §. 117 E.G. 5 Es ist selbstverständlich, daß die Genehmigung nur aus diesen Gründen versagt werden darf. « cf. §. 373.

2. Titel. Bewahren in erster Instanz. §§.842, 848.

229

Ausf.-Kest. H. U. M. Die tommandirenden Gene­ rale (in der Marine: Chefs einer selbstständigen Kornrnandobehörde) haben nach Feststellung des für ihren Be­ reich bestehenden Bedürfnisses sich mit den Vorständen der Anwaltskammern (§§. 41 ff. der RechtsanwaltSordnnng vom 1. Juli 1878, Reichs Gesetzblatt Seite 177 ff.) in Verbindung zu setzen, um diejenigen Rechtsanwälte zu ermitteln, welche geeignet unb bereit sind, zu Verthei­ digern ernannt zu werden. Das Ergebnis der Ermittelungen in unter Beifügung der Verhandlungen und der eigenen Vorschläge dem Uriegsministerimn vorzulegcn. Beim Abgang eines oon der Militärjustizverwaltung ernannten Rechtsanwalts ist in gleicher Weise zu verfahren. Als Vertheidiger erscheinen in der Oauptverhandlung die in Nr. 1 bis 4 bezeichneten Personen in der Dienstunifornt, Rechtsanwälte in der Amtstracht oder, wenn sie zugleich Offiziere des Beurlaubtcnstandes sind, nach Wahl in der militärischen Dienstuniform, Beamte, denen eine Dienstuniform nicht verliehen ist, im schwarzen Anzuge.

342. Bevor im einzelnen Falle ein Vertheidiger voll Amtswegen bestellt wird, ist, sofern nicht Dring­ lichkeit obwaltet, der Angeklagte zu befragen, ob er besondere Wünsche in Betreff der Persoll des zu bestellenden Vertheidigers zu äußern habe.' Die vvrgebrachten Wünsche filld nach Möglichkeit zu berücksichtigen. 1 Jnstruktionelle Vorschrift. F. Nr. 39.

343»1 Die Bestellung eines Vertheidigers unter­ bleibt, oder ist, falls sie bereits erfolgt war, zurück-

230

Militärflrafgerichtsordnnng. U. Theil. Verfahren,

zuziehen,wenn der Angeklagte einen von ihm ge­ wählten Vertheidiger benennt,3 welcher den Er­ fordernissen des §. 341 entspricht und zur Uebernahme der Vertheidigung bereit ist. 1 cf. §. 143 R.Str.P.O. 2 Der bestellte Vertheidiger wird erst durch diese nu5 drücklichc „ Zurückziehung der Bestellung" von seinen Pflichten entbunden. 3 Die Kosten für den gewählten Vertheidiger tragt der Angeklagte. cf. §. 469 und §. 347 A. 8.

344.1 Nach Abschluß des Ermittelungsverfahrens müssen dem Vertheidiger die Untersuchungsakten auf Verlangen vorgelegt werden.3 4 Sofern keine Bedenken entgegeustehen, können die Akten mit Ausnahme der Ueberführungsstücke bem Vertheidiger in seine Wohnung verabfolgt werben 4 1 cf. §. 147 R.Str.P.O. 2 cf. §. 243 ff. 3 Abschriften aus den Akten können ertheilt werden. Der Vertheidiger hat aber kein Recht, solche zu ver­ langen. cf. Loewe zu §. 147 A. 9. 4 Im Felde und an Bord cf. §. 348.

345.1 Dem verhafteten Angeklagten ist schriftlicher unb münblicher Verkehr mitbemVertheibiger gestattet. Solange dieAnklage nicht erhoben ist,2 kann ber Ge­ richtsherr schriftliche Mittheilungen zuriickrveisen, falls bereit Einsicht ihm nicht gestattet wirb. Bis3 zu bemfelben Zeitpunkte kann ber Gerichts-

L. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 844—347.

231

Herr, sofern die Verhaftung nicht lediglich wegen Verdachts der Flucht gerechtfertigt ist, anordnen, daß den Unterredungen mit dem Vertheidiger ein Kriegsgerichtsrath oder Gerichtsoffizier beiwohne. 1 2 3 ohne

cf. §. 148 R.Str.P.O. §§. 282, 188 MStr.GO. cf. 268. Nach Erhebung der Anklage sind die Unterredungen diese Beschränkung zu gestatten.

34(1.1 Bleibt in einem Falle der nothwendigen Vertheidigung (§. 338) oder in einem Falle, in welchem das Gericht- die Vertheidigung für sach­ gemäß erachtet hat 339), der bestellte oder ge­ wählte Vertheidiger in der Hauptverhandlung aus, so muß die Verhandlung ausgesetzt werden. An Stelle des Wahlvertheidigers ist in einem solchen Falle demnächst ein Vertheidiger von Amtswegen zu bestellen. Wird durch die Schuld des Vertheidigers eine Aussetzung3 erforderlich, so sind demselben, vor­ behaltlich dienstlicher Ahndung, die hierdurch ver­ ursachten Kosten aufzuerlegen. 1 cf §. 146 R.Ltr.P.O. 2 Das GHeidje gilt, wenn der (>)erichtöherr die Ver­ theidigung für sachgemäss erachtet hat. cf Begr. zu §. 331 des Entw. S. 162. 3 cf. § 276 Abi. 2.

347. Den bestellten Vertheidigen!, welche sich nicht am Gerichtsorte befinden, sind, sofern sie zu den im §. 341 Nr- 1 bis 3 bezeichneten Personen

232

Milttärftrasgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren,

gehören, die verordttMtgsmäßigenFuhrkostenundTagegelderl zu zahlen? Vertheidigungsgebührm stehen denselben nicht zu? 1 cf. Verordnung betr. Tagegelder :c. der Reichsbe4 21. Juni 1875 v .. . c._ .. amten vom - ------- - —Relteordnung für die 19. November 1879 ö Personen des Soldatenstandes der Kais. Marine vom 28. Mürz 1892. Reiseordnung für die Personen des Soldatenstandes der Armee vom 21. März 1889. 2 cf. §. 469. 5 Den nach §§. 338, 339 bestellten Rechtsanwälten steht ein Anspruch aus Vertheidigungögebühren zu. cf. §.17 Eins.-(Äes. Die Wahlvertheidiger sind auch in den Fällen der nothwendigen Vertheidigung von deni Angeklagten zu honoriren cf. §. 469 Abs. 2.

348. Int Felde und an Bord finden die Bestimmungen der §§. 342,344 nur insoweit Anwendung, als die Verhältnisse dies gestatten. Außer den im §. 341 bezeichneten Personen können im Bedürfniß­ fall auch Angehörige' des Heeres oder der Marine, die nicht Offizierrang haben, als Vertheidiger zu­ gelassen und bestellt rverden. 1 Personen des Soldatenslandes cf. auch §. 341 A. 1 und 3.

und Militärbeamte.

Siebenter Abschnitt? i cf. Begr. S. 163—154 K B.

Strafverfügung. 349.1 Betrifft die Beschuldigung lediglich eine Uebertretullg, so kann nach vorausgegangenem Er-

2 Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 348, 349.

233

mittelungsverfahren durch schriftliche Strafverfügung des Gerichtsherrn2 ohnevorgängigeHauptverhandlung

eine Strafe festgesetzt werden.

Die Verfügung ist

außer öoit dem Gerichtsherrn von einem Gerichts­ offizier

oder einem Kriegsgerichtsrathe zu unter»

zeichnen. Durch

eine

Strafverfügung da^rf

andere Strafe als Haft bis zu

jedoch

keine

vierzehn Tagen

oder Geldstrafe und diejenige 6ast,3 welche für den

Fall der Unbeibringlichkeit der Geldstrafe an deren

Stelle tritt,

sowie eine etwa verwirkte Einziehung

festgesetzt werden.

Bestehen Bedenken

gegen

die

Festsetzung

der

Strafe innerhalb dieser Grenzen, so ist nadb den im dritten, vierten imb fünften Abschnitte dieses Titels

gegebenen Vorschriften zu verfahrend 1 cf. §. 447 RLtr.P.O. 2 Ist ein nicht unter einem Gerichtsherrn stehender General oder Admiral beschuldigt, so ist zunächst in Gemüßheit des §. 21 ein Gerichtsherr zu bestellen.

8 In diesem Falle ist die Höchstdauer der Hast auf 14 Tage beschränkt.

cf. tz. 29 Abs. 2 N.Ltr.G.B. Entw. S. 163.

nicht

Begr. zu $. 334 des

4 ES tritt das ordentliche Verfahren ein; namentlich dann, wenn von dem Gerichtsosfizier oder dem Kriegs­ gerichtsrath Bedenken geltend gemacht werden, cf. Begr. zu §. 334 des Entw. L. 154.

F. Nr. 40. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 29.

234

MilitarstrafgerichtSordnung. II. Theil. Verfahren.

350. Die Strafverfügung ist dem Beschuldigten zuzuftellenl- 2 (§§. 139, 141, 142). 1 Die Verjährung wird durch die Strafverfügung unterbrochen. §. 10 des Einf.-Ges. und §. 68 R.Str.G.B. 2 Da mit der Zustellung die Einspruchsfrist beginnt — §. 861 Abs. 1 — so ist die Zustellung zur Post nicht statthaft. — §. 142 Abs. 2.

351.1 Die Strafverfügung muß autzer der Fest­ setzung der Strafe die strafbare Handlung,2 das an­ gewendete Strafgesetz und die Beweismittel bezeichnen, auch die Eröfstmng enthalten, daß sie vollstreckbar werde, wenn der Beschuldigte nicht binnen einer Woche nach der Zustellung bei dem Gerichtsherrn Einspruch erhebe. Hinfichtlich der Erhebung des Einspruchs finden die Bestimmungen des §. 369 Absatz 2 bis 4 über die Einlegung von Rechtsmitteln Anwendung. In der dem Beschuldigten zu machenden Eröfstmng ist derselbe auf einen oder mehrere der hiernach für die Erhebung des Einspruchs offenstehenden Wege2 zu verweisen. 1 cf. §. 449 RStr.P.O. 2 Die konkrete Strashandlung must bezeichnet werden; die Anführung der gesetzlichen Thatbestandsmerk' male genügt nicht. 2 cf. §. 869 Abs. 2—4. F Nr. 41. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 30.

352.1 Auf dell Einspruch2 füint vor Ablauf der Frist verzichtet werden.

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 850—366.

235

1 cf. §. 449 Abs. 2 R.Str.P.O. 2 Der Verzicht ans den Einspruch erfolgt in der gleichen Form wie die Einlegung desselben, cf. §. 871 A. 3.

353.1 Eine Strafverfügung, gegen die nicht rechtzeitig Einspruch erhoben worden ist, erlangt die Wirkung eines rechtskräftigen Urtheils.2-3 1 cf. §. 460 RStr.P.O. 2 Auch Verzicht und Zurücknahme des Einspruchs bcwirken Rechtskraft. 3 cf. §.417. Eine Bestätigungsordre wird nicht erlassen.

354.1 Bei rechtzeitigen:2 Einsprüche wird zur Hauptverhandlung geschritten? sofern nicht bis zur Bekanntmachung des Termins derselben (88- 266, 267) der Einspruch zurückgenommen wird. 1

cf. §. 451 R.Str P O.

2 Ein verspäteter zurückgewiesen.

Einspruch

wird

durch

Beschluß

3 Die Strafverfügung erhält dann die Bedeutung der Anllageverfttgung. cf. §. 260 und Begr. zu §. 339 des Entw. S. 154.

355.1 Das Gericht ist bei der Urtheilsfällung an den in der Strafverfügung enthaltenen Aus­ spruch nicht gebunden.2 1 cf. §. 451 Mb). 3 R.Str.P.O. 2 Es ist hiernach reformatio in peius zulässig. Die Vorschriften des fünften Abschnitts finden Anwendung) namentlich auch §§. 817, 318, 830.

236

MilitärstrafgerichtSordnung. II. Theil. Verfahren.

Achter Abschnitt^ i Begr. S. 155—157 K.B. S. 116, 117.

IIerfahren gegen Abwesende. 856.1 Ein Beschuldigter gilt als abwesend,2 wenn sein Aufenthalt unbekannt ist, oder wenn er sich im Ausland* aufhält und seine Gestellung vor das zu­ ständige Militärgericht nicht ausführbar oder nidjt angemessen erscheint-* 5 1 cf. §. 316 R.Str.P.O. 2 Die in den §§. 278, 279, 280 envähnten „aus gebliebenen" oder von dem „(Srfcbeinen in der Hauptverhandlung entbundenen" Angeklagten fallen nicht unter diesen Begriff. * cf. §. 8 R.Str.G.B. und §§. 143 A. 2, 144 A. 1 M.Str.G.O. 4 Das bisherige Kontumazial-Verfahren gegen Dcser teure — §§. 242 ff. Pr M.SttP.O., §. 2 Einf.Ges. z. M.Str.G.B. — ist hiernach formell und materiell auf gehoben. An seine Stelle tritt das Verfahren gegen Ab­ wesende. cf. §. 2 des Einf.Ges. zur M.Str.G.O., da gegen ist die Verfügung vom 8. Juli 1888 M.V.Bl. S. 161 „betreffend strafrechtliche Verfolgung der im Auslande Entwichenen" nicht aufgehoben. Es ist zweckmäßig, dieser Verfügung entsprechend auch fernerhin die Deserteure den heimischen Marinetheilen zu überweisen. 5 Die Gestellung eines Beschuldigten, welcher sich in einem deutschen Schutzgebiete befindet und deffen dortige Adreffe bekannt ist, wird regelmäßig „ausführbar und angemeffen" sein; die Aburthcilung wird im Requisitions­ wege — §§. 262, 263 — durch die in den Schutzgebieten befindlichen Militärgerichte zu erfolgen haben. Tie höheren Gerichtsherren der letzteren sind z. 3 die Gouverneure. cf. §§. 143 A 2, 144 A. 1

2 Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 356—358.

237

357.1 Gegen einen Abwesenden findet eine Hauptvcrhandlung nicht statt. Das Verfahren gegen denselben hat fid) auf die Sicherung der Beweise für den Fall seiner künftigen Gestellung zu beschränken. Die Zulassung eines Vertheidigers wird durch die Abwesenheit des Beschuldigten, soweit es sich nicht um Fahnenflüchtige2 3 handelt, nicht ausgeschlossen. Zur Wahl eines Vertheidigers sind auch Angehörige des Beschuldigten besilgt. Zeugen ruld Sachverständige sind, insofern keine Bedenken cntgcgenstehen, eidlich zu vernehmen.4 1 cf §. 327, 328 N Ltr.P.O. 2 (5s handelt sid) hier um eine Ausnahme von §. 337 Dieselbe hat für „abwesende" Personen des Loldatenstandes reine Bedeutung, da dieselben regelmäßig „Fahnen: flüchtige" sein werden, cf. K.B. zu §. 342 des Entw. S. 116/117 3 cf §§. 69 ff. M.Ltr.GB 4 Ausnahme von §. 195 Abf. 1

358.1 Ein Anspnld) auf Benachrichtigung über den Fortgailg und das Ergebniß des Verfahrens steht dem abwesenden Beschuldigten2 nicht zu. Der Gerichtsherr ist jedoch befugt, einem Abwesenden, dessen Aufenthalt bekannt ist, Benach­ richtigungen zugehen zu lassen.3 1 cf §. 329 R.Str.P.O. 2 Dem nach § 857 Abs. 3 zugelafsenen Vertheidiger steht ein Anspruch auf Benachrichtigung zu. 3 Die Benachrichtigung wird zweckmäßig durch ein-

238

Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren,

fache briefliche Mittheilung erfolgen. Eine förmliche Zu­ stellung im Sinne der §§. 141 ff. ist nicht erforderlich.

359J Der Abwesende, dessen Aufenthalt un­ bekannt ist, fcinn2 auf Anordnung des Gerichtsherrn in öffentlichen Blättern wir Gestellung oder zur Anzeige seines Aufenthaltsorts aufgcfordert werden. i cf. §. 330 R.Str.P.O. 3 Eine solche Anordnung wird nur dann zweNent sprechend sein, wenn der abwesende Beschuldigte von dem gegen ihn schwebenden Verfahren keine Kenntnis: hat und anzunchmen ist, daff er dem öffentlichen Gcstellungs befehle Folge leisten werde. Virßt zu dieser Annahme kein Grund vor, so würde durch die Aufforderung ledig­ lich eine unerwünschte Verschleppung des Verfahrens ver­ ursacht werden. F. Nr. 42.

360.l Sind die Voraussetzungen vorhanden,2 wonach der Abwesende wegen eines Verbrechens oder eines Vergehens vor ein Kriegsgericht zu stellet: wäre? so kann durch einen von dem Gerichtsherrn lind dem Kriegsgerichtsrathe zu unterzeichnenden Beschluß das im Reiche befindliche Vermögen des Abwesenden mit Beschlags belegt imb, sofern die Voraussetzungen der Fahnenflucht vorlicgen, der Abwesende für fahnenflüchtig erklärt werden. Dieser Beschluß ist durch den Reichsanzeiger be­ kannt zu machen und kann auch noch durch andere Blätter^ veröffentlicht werden. 1 cf. §§. 382, 333 R.Str.P.O. 2 Es ist davon abgesehen worden, die Beschlagnahme

2. Titel. Verfahren in erster Instanz. §§. 359—361.

239

des Vermögens und die Erklärung des Abwesenden für einen Fahnenflüchtigen von der vorgängigen Erhebung der Anklage -- §§. 254 ff. — abhängig zu machen, cf. Begr. zn §. 345 des Entw. S. 156. Der Beschluß ist von dem Kricgsgerichtsmth mitzuzeichnen. cf Begr. ibid. 3 cf. §. 62. 4 Die Beschlagnahme erstreckt sich auch aus das nach Erlast des Beschlusses dem abwesenden Beschuldigten zu­ fallende Vermögen. cf. Loewe §. 326 A. 2. 5 Der Gerichtsherr hat diese Veröffentlichung zu veranlafsen. es. Begr. zu §. 345 des Entw. S. 167. 6 Der Gerichtsherr entscheidet nach freien: Ermessen. Fn der Regel wird die Bekanntmachung im Rcichsanzeiger genügen. F. Nr. 43, 44.

361.1 Mit dem Zeitpunkte der ersten Bekannt­ machung in dem Neichsanzeiger verliert der Be­ schuldigte das Recht, über das in Beschlag genommene Vermögen unter Lebenden zu verfügen? Der die Beschlagnahme verhängende Beschluß ist derjenigen Behörde mitzutheilen, welche für die Ein­ leitung einer Vormundschaft über Abwesende zu­ ständig ist. Diese Behörde hat eine Giiterpflege ein­ zuleiten.3 1 cf. §. 334 R.Str.P.O. 2 Der Abwesende kann hiernach von Todeswegen ver­ fügen. Dagegen sind alle Verfügungen unter Lebenden nicht nur dem Staate gegenüber, sondern schlechthin nichtig. Bestehende Rechte dritter Personen, namentlich ciitd)

240

Militärstrasgerichtsordnung. TL Theil. Verfahren.

Alimentationsansprüche, behalten ihre Gültigkeit und sind aus dem beschlagnahmten Vermögen zu befriedigen. cf. Loewe §. 834 A. 2 und 3. 3 §. 1911 B.G.B. und §§. 35 ff. des Gei. über die Angelegenheiten der freiw. Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 1898.

362.' Die Beschlagnahme ist auszuheben,2 wenn die Gründe derselben weggefallen sind. Die Aufhebung der Beschlagnahme ist durch die­ selben Blätter3 bekannt zu machen, biird) welche die Beschlagnahme selbst veröffentlicht worden war. Eine entsprechende Bekanntmachung hat zu er­ folgen, sobald der Zustand der Fahnenflucht aufhört. 1 cf. §. 335 R.Str.P.O 2 Die Aufhebung erfolgt durch einen von dem Ge­ richtsherrn und dem ttriegsgerichtSrath zu unterzeichnenden Beschluß. 3 cf. §. 360 A. 5.

Dritter Titel.

Ordentliche Rechtsmittel. Erster Abschnitt.' i cf. Begr. S. 157—159 Lt.B. L. 117—119.

Allgemeine Bestimmungen. 363.1 Ordentliche Rechtsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind die Rechtsbeschwerde,3 die Berufung3 und die Revision.* 1 Der Antrag aus Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - §§. 146 n. — auf Wiederaufnahme des Ver

240

Militärstrasgerichtsordnung. TL Theil. Verfahren.

Alimentationsansprüche, behalten ihre Gültigkeit und sind aus dem beschlagnahmten Vermögen zu befriedigen. cf. Loewe §. 834 A. 2 und 3. 3 §. 1911 B.G.B. und §§. 35 ff. des Gei. über die Angelegenheiten der freiw. Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 1898.

362.' Die Beschlagnahme ist auszuheben,2 wenn die Gründe derselben weggefallen sind. Die Aufhebung der Beschlagnahme ist durch die­ selben Blätter3 bekannt zu machen, biird) welche die Beschlagnahme selbst veröffentlicht worden war. Eine entsprechende Bekanntmachung hat zu er­ folgen, sobald der Zustand der Fahnenflucht aufhört. 1 cf. §. 335 R.Str.P.O 2 Die Aufhebung erfolgt durch einen von dem Ge­ richtsherrn und dem ttriegsgerichtSrath zu unterzeichnenden Beschluß. 3 cf. §. 360 A. 5.

Dritter Titel.

Ordentliche Rechtsmittel. Erster Abschnitt.' i cf. Begr. S. 157—159 Lt.B. L. 117—119.

Allgemeine Bestimmungen. 363.1 Ordentliche Rechtsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind die Rechtsbeschwerde,3 die Berufung3 und die Revision.* 1 Der Antrag aus Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - §§. 146 n. — auf Wiederaufnahme des Ver

3. Titel.

Ordentliche Rechtsmittel.

363—367.

241

fahrens — §§. 436 ff. - der Einspruch gegen Straf­ verfügungen §§. 361 ff. fallen nicht unter den Begriff der „ordentlichen" Rechtsmittel, cf. aber tz§. 351 Abs. 2, 441. 2 cf. §§. 373 -377. 8 cf. §§. 378—396. 4 cf. §§. 397—415.

364.1 Die Rechtsbeschwerde findet nur gegen Beschlüsse und Verfügungen statt. i cf. §. 346 RStr.P.O.

365. Die Berufung und die Revision finden nur gegen Urtheile der erkennenden Gerichte statt- Diese Rechtsmittel stehen gleichmäßig dem Gerichtsherrn und dem Angeklagten zu.l 2 Hinsichtlich der Urtheile der Feldgerichte und der

Bordgerichte sind in diesem Gesetze besondere Be­ stimmungen getroffen.3 l cf. §. 338 R-Str.P.O 3 Auch Minderjährige, welche strafrechtlich verfolgbar sind — §. 60 M.Str.0).P. — können selbstständig Rechts­ mittel einlegen. cf. Entsch. des R.G. vom 3. Dezember 1883. — Rspr. Bd. V, S. 754. 3 cf. §§. 419-436.

366. Gegen die Entscheidungen des Reichs­ militärgerichts findet ein ordentliches Rechtsmittel nicht statt367. * Der Gerichtsherr kann von den ihm zu­ ständigen Rechtsmitteln auch zu Gunsten8 des An­ geklagten Gebrauch machen. Herz, MilitÜrstraigenchtZordnnnu

16

242 Militärstrafgerichtsordnung.

II. Theil. Verfahren.

Jedes seitens des Gcrichtsherrn eingelegte Rechts­ mittel hat die Wirkung, dasi die angefochtene Ent­ scheidung auch zu Gunsten des Angeklagten abgeändert oder aufgehoben werden samt.3-4 cf. §. 338 Abs. 2 R Ltr.P O. 2 Mit Rücksicht auf die besonderen folgen eines zu (Gunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittels — §§. 371 Satz 2, 396, 415 Abs. 2 — ist eS angezeigt, - - aber nicht geboten — diesen Zweck ausdrücklich Herr vorzubcben. 3 cf. §. 343 R.Str.P.O. 4 Das Urtheil wird hiernach zu Ungitnftcn des An­ geklagten nicht relativ rechtskräftig; wohl aber zu Gunsten desselben. cf. §§. 396, 415 Abs. 2. F. Nr. 47. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 38.

368. Die auf die Einlegung oder die Zurück­ nahme von Rechtsmitteln bezüglichen Erklärungen' des Gerichtsherrn sind in Sachen der niederen Gerichtsbarkeit druck) einen Gcrichtsoffizier, in Sachen der höheren Gerichtsbarkeit durch einen richterlichen Militärjustizbeanrten zrr den Akten zu beurkunden. 1 Diese Erklärungen sind mündlich oder schriftlich an den Gerichtsofsizier oder den richterlichen Militüriustizbcamten zu richten und von den letzteren zu den Akten zrt beurkunden. Die Erklärungen müssen die Beschwerde­ punkte enthalten, cf. §§. 880, 403. Ausf.-Dest. H. U. M. Die auf die Einlegung oder die Zurücknahme von Rechtsmitteln bezüglichen Beurkun­ dungen der Gerichtsoffiziere und der richterlichen Militär­ justizbeamten (vgl. §§. 380, 398) müssen auch die Angaben enthalten, an welchent Tage der Gerichtsherr die be-

8. Titel. Ordentliche Rechtsmittel.

§§. 868, 369.

243

treffende Erklärung abgegeben hat. Ist dieselbe schriftlich oder auf telegraphischem Wege erfolgt, so ist das Schrift­ stück oder Telegramm der Beurkundung beizufügen. F. Nr. 47. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 38.

369. Seitens des Beschuldigten sind die auf die Einlegung oder die Zurücknahme üo°tt Rechtsmitteln bezüglichen Erklärungen in den Fällen des §. 130 Absatz 4 und des §. 132 Absatz 2 bei dem Gerichts­ herrn anzubringen, weichern die Entscheidung zusteht, hu Uebrigen bei den: Gerichtsherrn, welcher die angefochtene Verfügung erlassen oder herbeigeführt, oder das Gericht berufen hat, dessen Entscheidung angefochten wird. Die Erklärungen können schriftlich eingereicht oder zu Protokoll eines Gerichtsoffiziers oder eines richterlichen Militärjustizbeamten oder des nächsten rnit Disziplinarstrafgewalt versehenen Vorgesetzten abgegeben werden. Angeklagte, welche sich nicht auf freien: Fuße be­ finden, können die Erklärungen überdies zu Protokoll des mit der Aufsicht über das Gefängniß betrauten Offiziers oder Beamten oder, sofern sie nicht dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehören, desjenigen Anrtsgerichts geben, in dessen Bezirke das Gefängniß liegt. Zur Wahrung einer Frist genügt es, wenn innerhalb derselben das Protokoll ausgenommen wird.' 16 =

244

Militärsträsgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren.

Für dm Beschuldigten kann auch der Vertheidiger,23 jedoch nur in dessen ausdrücklichem Auftrage, Rechts­ mittel einlegen. 1 cf. §. 841 Abs. 2 R.Str.P.O. §. 147 M.Str.G.O. 2 cf. §. 839 R.Str.P.O. 3 Nicht allein der für das voraufgegangene Dersahren bestellte oder gel-ählte Vertheidiger — §§. 888, 339, 343, — sondern auch der zum Zwecke der Einlegung des Rechts mittels neu bestellte oder gewählte Vertheidiger kann im Auftrage des Angeklagten Rechtsmittel einlegen. cf. Entsch. dcö R G. vom 23. Juni 1896. — Band XXVIII, S. 430. F. Nr 41. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 30.

370? Ein Irrthum2 in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich. 1 cf. §. 342 R.Str.P.O. 2 Auch das fehlen einer solchen Bezeichnung ist itticr hcblich.

371.1 Die Zurücknahnre eines Rechtsrnittels, sowie der Verzicht2 auf die Einlegung eines RechtSmittcls kann auch vor Ablauf der Frist zur Ein­ legung desselben wirksam erfolgen.3 Ein seitens des Gerichtsherrn zu Gunsten des Angeklagten ein­ gelegtes Rechtsmittel kann jedoch nur znrückgenommen werden, wenn letzterer auf dasselbe ausdrücklich verzichtet. Der Vertheidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichm Ermächtigung. 1 cf. §. 344 R.Str.P.O.

3. Titel. Ordentliche Rechtsmittel.

§§. 370—373.

245

2 Auf die Einlegung eines Rechtsmittels kann nicht eher rechtswirksam verzichtet werden, als bis der Lauf der Rechtsmittelfrist begonnen hat (§§. 379, 398). öf. Entsch. des RG. vom 1. Juni 1880. Rspr. Bd. II, S. 3 und vom 21. Juni 1886. Rspr. Bd. VIII, S. 470. 3 Wegen Form der Zurücknahme und des Verzichts, cf. §. 369. Es ist ausdrückliche Erklärung erforderlich. Ein Widerms ist nicht statthaft.

372.1 Hat die Entscheidung über das Rechts­ mittel auf Grund mündlicher Verhandlung2 stattzufiudcn, so ist die Zurücknahme imdj Beginn der Hauptverhandlung^ nicht mehr zulässig.4 1 cf. §. 345 R.Str.P.O. 2 Es kann sich hier nur um Berufung und Revision handeln, da die Entscheidung über eine Rechtöbeschwerde ohne mündliche Verhandlung erfolgt, cf. §. 377 Abs. 1. 3 cf. §. 294. 4 Die Zurücknahme ist auch nicht unter Zustimmung des Gegners — §. 345 R.Str.P.O. — zulässig.

Zweiter Abschnitts 1 Begr. S. 159—161 K B.

jiechtsbeschmerde. 373. Die Rechtsbeschrverde findet nur statt, so­ weit sie in diesem Gesetz ausdrücklich zugelassen ist.' 1 Die Rechtsbeschwerde findet nur in den nachstehend den Fällen statt: 1. gegen die Entscheidung des Gerichtsoffiziers oder Krtcgsgerichtsratys, durch welche ein bei Vornahme einer Untersuchungshandlung angebrachtes Gesuch um Ablehnung des Untersuchungsführers, von Sachverständigen oder Dolmetschern als unzulässig abgewiesen wird.

246

Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verlahren.

Sie geht an den Gerichtsherrn. drift ein Tag. cf. §§. 130 Abs. 4, 121, 210. 2. gegen die Entscheidungen über Ausschließung eines Gerichtsschreibers. Sie geht an den Gerichtsherrn. Frist ein Tag. cf. §. 132. 3. gegen die ein Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verwerfende Entscheidung. Sie geht an das Neichsmilttürgertcht. Frist drei Tage. cf. §. 149. 4. gegen einen Haftbefehl. Sie geht an den höheren Gerichtsherrn. Fristlos. cf. §§. 175 Abs. 2. 5. gegen die Verhängung von Zwangsmaszregeln gegen Zeugen und Sachverständige. Sie geht an das obere Gericht. Fristlos. cf. §§. 204, 208, 213, 299 Abs. 3. 6. gegen die Festsetzung der Gebühren für Zeugen und Sachverständige. Sie geht an das obere Gericht. Fristlos. cf. §§. 205, 208. 7. gegen die Anordnung, daß der Angeklagte in eine öffentliche Irrenanstalt gebracht und dort beobachtet werden soll. Sie geht an den höheren Gerichtsherrn. Frist eine Woche. Aufschiebende Wirkung. cf. §. 217. 8. gegen die Verfügung von Zwangsmaßregeln wider eine Person, welche die Vorlegung oder AuSlieserung eines

3. Titel.

Ordentliche Rechtsmittel.

§. 373.

247

für die Untersuchung erheblichen oder der Einziehung unter­ liegenden Gegenstandes ablehnt. Sie geht an das obere Gericht. Fristlos. cf. §. 230 Abs. 2. 9. gegen die vonl Gerichtsherrn oder Untersuchungs­ führer erfolgte Anordnung einer Beschlagnahme und Durch­ suchung, sofern dieselbe in andern, als zum dienstlichen Gebrauch angewiesenen Räumen stattfinden soll. Sie geht an den höheren Gerichtsherrn. Frist drei Tage vont Vollzüge gerechnet. cf. §. 238 Abs. 4. 10. gegen die Einstellung des Strafverfahrens, wenn der Antragsteller zugleich der Verletzte ist. Sie geht an den höheren Gerichtsherrn. Frist eine Woche. Gegen den ablehnenden Bescheid: Rechtsbeschwerde an das Reichsmilitärgericht. Frist vierzehn Tage. cf. §. 247 Abs. 2. 11. gegen die Verfügung des Gerichtsherrn, durch welche ein Antrag des Beschuldigten auf Gestellung oder Ladung von Zeugen oder Sachverständigen oder die Herbei schaffung anderen Beweistnaterials -zur Hauptverhandlung abgelehnt wird. Sie geht an den höheren Gerichtsherrn. Frist drei Tage. cf. §. 269 Abs. 3. 12. gegen den Beschluß des Gerichts, durch welchen eine Ordnungsstrafe festgesetzt ist. Sie geht an das Oberkriegsgericht. Frist eine Woche. cf. §. 290 Abs. 6. ^Aufschiebende Wirkung, wenn die Strafe gegen einen Rechtsanwalt verhängt ist. 13. gegen den Beschlaß des Gerichts, durch welchen

248

MilitärstrafgerichtSordnung. II. Theil. Verfahren.

— weil der Angeklagte nicht unter der Milttärstrafgerichtsbarkeit steht — die Unzuständigkeit ausgesprochen ist. Sie gehl an das Reichsmilitärgericht. Frist eine Woche. cf. §. 828 Abs. 2. 14. gegen die Versagung der von einem Rechtsanwalt beantragten (Genehmigung zur Uebernahme einer Ver­ theidigung. Sie geht an die oberste Militärjustizverwaltung. — §. 111. Fristlos. cf. §. 341 Abs. 4. 15. gegen die Verfügung des Gerichtsherrn der Be­ rufungsinstanz, durch welche daS Rechtsmittel der Berufung als unzulässig verworfen ist. Sie geht an das Reichsmilitärgericht. Frist drei Tage. cf. §. 385 Abs. 2. 16. gegen die Entscheidung über nachträgliche Fest, stellung einer Gesammtstrase — §. 79 R. Str.GB. — auf Grund mehrerer Strasurtheile. Sie geht an das obere Gericht. Fristlos. cf. §. 461 Abs. 4. 17. gegen die Entscheidungen des Gerichts über die Auslegung eines Strafurtheils rc. Sie geht an das obere Gericht. Fristlos. cf. §. 464 Abs. 4. 18. gegen Verfügungen und Entscheidungen, durch welche dritten Personen die Erstattung von Auslagen oder Kosten auferlegt wird. Die Rechtsbeschwerde gegen Verfügungen des Gerichts Herrn geht an den höheren Gerichtsherrn; gegen Ent­ scheidungen des Gerichts an das höhere Gericht. Frist vier Wochen. cf. §§. 470, 471.

3. Titel. Ordentliche Rechtsmittel. §§.374—376. 249 374J Erachtet die Stelle, deren Verfügung oder Entscheidung angefochten wird, die RechtSbeschwerde für begründet, so hat sie derselben abzuhelfen.2 Anderenfalls ist die Beschwerde sofort der zur Entscheidullg darüber zuständigen Stelle vorzulegen. Aus Rechtsbeschwerden gegen die Entscheidmlg er­ kennender Gerichte findet der erste Satz keine An­ wendung. 1 cf. §. 348 Abs. 2 R.Str.P.O. 2 Jede durch Rechtsbeschwerde anfechtbare Verfügung taun auch von Amtswegen abgeündert oder aufgehoben werden. cf. Entsch. des R.G. vom 4. März 1886. Rspr. Bd. VIII, S. 152.

37a.1 Durch Einlegung der Rechtsbeschwerde lvird der Vollzug der angefochtenen Verfügung oder Entscheidung nicht gehemmt. Die Bestimmung des 8- 217 Absatz 32 bleibt unberührt. Die Aussetzung des Vollzugs kann jedoch von demjenigen, der die angefochtene Verfügung oder Entscheidung erlassen hat, oder, sofern es sich mn die Entscheidung eines erkennenden Gerichts handelt, von dem Gerichtsherrn, welcher dasselbe berufen hat, angeordnet werden. Gleiche Befugniß hat die zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde zu­ ständige Stelle. 1 cf. 349 R.StrP.O. 2 cf. auch §. 290 Abs. 3 und 4.

376.1

Die zur Entscheidung über die Rechts-

250

Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren,

beschrverde zuständige Stelle kann etwa erforderliche Ermittelungen anordnen oder selbst vornehmen. ' cf. §. 350 R.Str.P.O. 377.1 Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde erfolgt ohne vorgängige mündliche Verhandlung. Steht dern Reichsmilitärgerichte die Entscheidung zu, so ist vor derselben die Militäranwaltschaft mit einer schriftlichen oder mündlichen Erklärung zu hören. Wird die Rechtsbeschwerde für begründet er­ achtet, so ist zugleich die in der Sache erforderliche Anordnung zu treffen. 1 cf. §. 351 R.Str.P.O. F. Nr. 45. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 31.

Dritter Abschnitt? 1 cf. Begr. S. 161—167 K.B. L. 119—127.

Berufung. 378. Die Berufung findet statt gegen Urtheile der Standgerichte und gegen die Urtheile der Kriegs­ gerichte in erster1 Instanz. Durch Berufung kann das Urtheil erster Instanz sowohl in thatsächlicher wie in rechtlicher Beziehung angefochten werden. 1 Gegen die Urtheile der Kriegsgerichte in zweiter Instanz findet weder Berufung, noch Revision statt, cf. tz. 397. Das Kriegsgericht entscheidet also in üandgerichtlichen Sachen endgültig. F. Nr. 46. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) 'Jh*. 32.

3. Titel. Ordentliche Rechtsmittel.

§§. 377—381. 251

379.1 Die Berufung muß binnen einer SBodje2 nach Verkündung2 des Urtheils eingelegt werdend Diese Frist beginnt, falls die Verkündung nicht in Anwesenheit deS Angeklagten stattgefunden hat, für diesen mit der Zustellung/' 1 cf. §. 356R.StrP.O. 2 cf. §. 146. 3 cf. §. 137. * cf. §§. 369, 384. Die Berufung wird bei demjenigen Gerichtsherrn ein­ gelegt, welcher das (tierid)t, dessen Entscheidung ange­ fochten wird, berufen hat. Dieser Gerichtsherr hat dann die Akten dem Gcrichtsherrn der Berufungsinstanz vor zulcgen. 5 cf. §. 138 ff. Für den Gerichtsherrn beginnt die Frist immer mit der Verkündung. W. L. 156.

380. Legt der Gerichtsherr Berufung ein, so mutz er zugleich erklären, weshalb und inwieweit das Urtheil von ihm angefochten wird/ i cf. §. 368. Die Gründe, aus welchen der GerichtsHerr das Urtheil anficht, sowie der Umfang der Anfechtung müssen aus der von dem Gerichtsoffizier oder deut richter­ lichen Militärjustizbeamten zu den Akten gegebenen Beur­ kundung hervorgehen. cf. Begr. zu §. 365 des Entw. S. 162. F. Nr. 47. F. (Niedere Gerichtsbarkeit) Nr. 83.

381? Legt der Angeklagte Berufung ein, so ist ihm das Urtheil mit den Gründen, sofern dies noch nicht geschehen, sofort zuzustellen.

252

Militarstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren.

Ist der Angeklagte verhaftet, so ist das Urtheil auch dem Vertheidiger zuzustellen. 1 cf. §. 357 Abs. 2 R.Str.P.O.

382.1 Sind vom Angeklagten bei Einlegung der Berufrmg bestimmte Beschwerdepunkte nicht auf­ gestellt, ist namentlich nicht klar erkennbar, ob er die auf die Schuldfrage bezügliche Entscheidung oder welchen anderen Theil des Urtheils er anfcchten will, so ist er durch einen Gerichtsoffizier oder einen Kriegsgerichtsrath darüber zu vernehmen, weshalb und inwieweit das Urtheil von ihm angefochten wird. Bei der Vernehmung hat fich der Gerichtsoffizier oder Kriegsgerichtsrath jeder Einwirkung auf die Entschließung des Angeklagten zu enthalten Ist die im Absah 1 vorgeschriebene Vernehmung nicht durchfiihrbar, so gilt im Zweifel der ganze Inhalt2 deS Urtheils als angefochten. 1 cf. §. 359 R.Str.P.O. 2 Der ganze Inhalt, soweit derselbe dem Angeklagten ungünstige Feststellungen trifft.

383.1 Durch rechtzeitige Einlegung der Berufung wird die Rechtskraft des Urtheils, soweit dasselbe angefochten ist2 gehemmt.3 1 cf. §. 857 Abs. 1 R.Str.P.O. 2 cf. §. 394 Abs. 1. 3 Eine vorläufige Vollstreckung, wie sie im §. 185 der Preuh. Milit.Str.G.O. vorgeschrieben ist, findet nicht statt.

384. Ist Berufung eingelegt, so hat der Gerichts-

3. Titel. Ordentliche Rechtsmittel. §§. 382—385. 253

Herr erster Instanz die Akten dem Gerichtsherrn der Berufungsinstanz vorzulegen.'

Gleichzeitig sind, wenn dieBerufrmg vom Gerichts­ herrn eingelegt ist, dem Angeklagten die Schriststücke Liber Einlegung und Begründlmg der Berllfung zuzustellen.2 Der Angeklagte und der Gerichtsherr erster Instanz sind befugt, eine schriftliche Gegenerklärung auf die Begründung der Benifung vor dem Termine zur Hauptverhandlung zu den Akten einzureichcn.^ 1 Mit Einlegung des Rechtsmittels wird die Zustün digkeit des Berichts Herrn der Berufungsinstanz begründet. Die Akten müssen deshalb unter allen Umständen und zwar auch dann vorgelegt werden, wenn die Frist nicht gewahrt oder der vorgeschriebcne Weg nicht innegehalten ist. Dem Gerichtöherrn erster Instanz ist unbenommen, in den Akten die ihm zweckmäßig erscheinenden Erklärungen niederzulegen, welche für den Fall der Bestellung eines Berufungsgerichts bis zum Termine der Hauptverhandlnttg ergänzt werden können. cf Begr. zu §. 369 d. Entw. S. 162. 2 Die Zustellung hat auch dann zu erfolgen, wenn die Berufung von dem Gcrichtshcrrn zu Gunsten des Angeklagten eingelegt ist. cf. §. 367 Abs. 1. •* cf. §. 361 R.Str.PO. F. Nr. 47. F. sNiedere Gerichtsbarkeit) Nr. 33.

385 1 Der Gerichtsherr2 der Berufmlgsinstanz kann das Rechtsmittel als unzirlässig zuriickweisen, wenn dasselbe nicht innerhalb der gcsetzliench Frist

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Militärstrafgerichtsordnung. II. Theil. Verfahren.

(§. 379) oder nicht auf dem vorgeschriebenen Wege (§. 369) eingelegt ist. Gegen diese Verfügung findet binnen drei Tagen nach der Zustellung die Rechtsbeschwerde2 an das Reichsmilitärgericht4 statt. 1 cf. §. 363 R.Str.PO. 2 cf. §. 97 Abs. 2. Der Militärjnstizbeamte hat die Verfügung mitzuzeichnen. 3 cf. §. 373 4 Das Reichsmilitärgericht hat bei begründeter RechtSbeschwerde nach §. 377 Abt. 3 die in der Sache erfordcr liche Anordnung zu treffen, welche nicht nur für den Gerichtsherrn, sondern auch für das erkennende Gericht maßgebend ist. F. Nr. 48.

386. Wird die Beruftmg zugelassen,' so hat der Gerichtsherr der Benlfungsinstanz denZusammentritt des erkennenden Gerichts (§. 62 Nr. 2, §. 65) zll veranlassen. Mit der Vertretung der Anklage in der Hauptverhandlung ist ein Oberkriegsgerichts­ rath2 oder ein Kriegsgerichtsrath2 zu beauftragen.2 1 Wird die Berufung zugelaffen, so erfolgt die Bildung des erkennenden Gerichts nach den für die erste Instanz geltenden Grundsätzen — §§. 261 ff. — nnd den über die Zusammensetzung des Berufungsgerichts gegebenen Vorschriften — §. 62 Nr. 2 in Verbindung mit §§. 49 ff. und §§. 6b ff. — die Vertretung der Anklage in der Hauptverhandlung wird der Regel nach einem Kriegsgenchtsrath übertragen werden. Es gilt dies auch von den Oberkriegsgerichten, da das Gesetz die Verwendung der beiden Oberkriegsgcrichtsräthe als Mitglieder des er­ kennenden Oberkriegsgerichts voraussetzt. — §. 66. — Hier-

3. Titel.

Ordentliche Rechtsmittel. §§. 386—388. 255

von abgesehen, steht dem Gerichtsherrn die Wahl unter den ihm beigeordnetcn richterlichen Militärjnstizbeamten frei, cf. Begr. zn §. 871 des Entw. S- 168. 3 Vertretung nach §. 98 zulässig. 3 Der beauftragte Vertreter der Anklage hat den Weisungen des Gerichtöherrn Folge zu leisten — §. 97 Abs. 1 —.

387. Ist tu Sachen der niederen (Gerichtsbarkeit der komtnandircnde General (Admiral) Gerichtsherr der Berufungsinstanz, so kann er mit der Zusammen­ berufung des erkennenden Kriegsgerichts einen ihm unterstellten Gerichtsherrn beauftragen.! 1 Die Bestimmung des Uricgsgerichtsraths bchuss Ver­ tretung der Anklage kann dem beauftragten Gerichtöherrn überlassen werden. Etwaige Weisungen des kommandiren den Generals — Admirals — über die Art der Ver­ tretung, namentlich über die zu stellenden Anträge sind für den Vertreter der Anklage maßgebend.

388J Auf die Vorbereitung der .Hauptver­ handlung finden die Vorschriften der 261 bis 267, 268 bis 271 mit nachstehenden Maßgaben An­ wendung. Insoweit eine wiederholte Vernehmung der ht erster Instanz vernommenen Zeugen und Sachver ständigen zttr Attfklärung der Sache nicht erforderlich erscheint,3 kann ihre Gestellung oder Ladung unter­ bleiben. Neue Beweismittel find zulässig. Bei der Auswahl der Zeugen und Sachver-

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Militärstrafgerichtöordnung. II. Theil

Verfahren,

ständigen ist auf die zur Rechtfertigung der Berufung benannten Personen Rückficht zu nehmen. Dein Angeklagten find gleichzeitig mit der Bckanntgebung des Termins der Hcurptverhandlung3 die von Amtswegen zu ladenden Zeugen und Sach­ verständigen namhaft zu machen. Läßt der Gerichts­ herr nur einen Theil der in erster Instanz ver­ nommenen Zeugen und Sachverständigen laben, so ist der Angeklagte darauf hinzuweisen, daß, wenn er die wiederholte Vernehmung anderer, in der Hauptverhandlung erster Instanz vernommener Zeugen oder Sachverständigen verlangen wolle, er deren Ladung rechtzeitig beantragen müsse (§. 269 Absah 4), widrigenfalls die Verlesung des über ihre Aussagen aufgenommenen Protokolls ohne seine Zu­ stimmung zulässig sei> 1 cf. § 364 R.Str.P.O. 2 Hierüber hat zunächst der Gcrichtsherr der Berufungs­ instanz zu befinden. Das erkennende Gericht ist aber an diese Entscheidung nicht gebunden. 3 Ein Antrag auf Bestellung eines Dertheidigerö ist — sofern er nicht schon in erster Instanz bestellt war — spätestens binnen einer Frist von 3 Tagen nach Bekannt­ gabe des Termins zu stellen. cf. §§. 339 Abs. 3, 389 Abs. 3.