Medizinische Mikrobiologie (Duale Reihe) [7. vollständig überarbeitete und erweiterte ed.] 3132423556, 9783132423558

2 in 1! Lehrbuch + Kurzlehrbuch zur schnellen Prüfungsvorbereitung. Erreger, Infektionskrankheiten, Prävention: Versch

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Medizinische Mikrobiologie (Duale Reihe) [7. vollständig überarbeitete und erweiterte ed.]
 3132423556, 9783132423558

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A Grundlagen ∙ 13

B

Immunologie ∙ 75

C

Virologie ∙ 165

D Bakteriologie ∙ 281

E

Mykologie ∙ 471

F

Protozoen ∙ 513

G Helminthen ∙ 551

H Arthropoden ∙ 591

I

Klinische Infektiologie ∙ 615

J

Hygiene und Impfungen ∙ 695

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Duale Reihe

Medizinische Mikrobiologie Herausgegeben von Herbert Hof, Dirk Schlüter

Unter Mitarbeit von: Dunja Bruder Oliver A. Cornely Rüdiger Dörries* Gernot Geginat Herbert Hof Udo Reischl Dirk Schlüter Paul Schnitzler Constanze Wendt * Mitarbeiter früherer Auflagen, von dessen ursprünglichen Beiträgen in der Neuauflage noch wesentliche Bestandteile enthalten sind.

7., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 560 Abbildungen

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Ihre Meinung ist uns wichtig! Bitte schreiben Sie uns unter: www.thieme.de/service/feedback.html

Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen. Geschützte Warennamen (Warenzeichen ®) werden nicht immer besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen oder die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Wo datenschutzrechtlich erforderlich, wurden die Namen und weitere Daten von Personen redaktionell verändert (Tarnnamen). Dies ist grundsätzlich der Fall bei Patienten, ihren Angehörigen und Freunden, z. T. auch bei weiteren Personen, die z. B. in die Behandlung von Patienten eingebunden sind. 1. Auflage 2000 2. Auflage 2002 3. Auflage 2004 4. Auflage 2009 5. Auflage 2014 6. Auflage 2017

© 2019 Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstr. 14 70469 Stuttgart Deutschland Printed in Germany Umschlaggestaltung: Thieme Gruppe Umschlagfoto: nobeastofierce/Adobe Stock Zeichnungen: BITmap, Mannheim; Karin Baum, Paphos, Zypern Layout: Ulrike Holzwarth, Büro für Gestaltung. Stuttgart Filmbeiträge: Chirurgische Händedesinfektion: Henne-Bruns, D.: Duale Reihe Chirurgie. Thieme; 2012 – Medienproduktion: TERRA NOVA Film Stuttgart; www.terra-nova.de; Hygienische Händedesinfektion: Jassoy, Ch., Schwarzkopf, A.: Hygiene, Infektiologie, Mikrobiologie. Thieme; 2013 – Medienproduktion: TERRA NOVA Film Stuttgart; www.terra-nova.de Satz: L42 AG, Berlin Druck: Aprinta Druck GmbH, Wemding

DOI 10.1055/b-006-163249 ISBN 978-3-13-242355-8

123456

Auch erhältlich als E-Book: eISBN (PDF) 978-3-13-242356-5 eISBN (ePub) 978-3-13-242357-2 ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

Vorwort

3

Vorwort Nur rund 2 Jahre nach Erscheinen der 6. Auflage konnte nun die vollständig überarbeitete und erweiterte 7. Auflage der Dualen Reihe Medizinische Mikrobiologie realisiert werden. Herr Prof. Dörries hatte von Anfang an nicht nur als Herausgeber, sondern auch als Autor für die Kapitel Virologie und Immunologie dieses Lehrbuch begleitet und mittels seines großen Engagements, seiner fachlichen Kompetenz und seiner didaktischen Fähigkeiten ganz wesentlich zum Erfolg des Buches beigetragen. Nachdem er entschieden hatte, bei der Neuauflage nicht mehr mitzuwirken, waren Veränderungen im Herausgeber- und Autorenteam notwendig. Die medizinische Mikrobiologie vereint verschiedene wissenschaftliche Teilgebiete, darunter die Biologie der Mikroorganismen – Viren, Bakterien, Pilze, Protozoen, Würmer. Um zu verstehen, wie die Erreger mithilfe von Virulenzfaktoren sich im menschlichen Körper durchsetzen und Krankheiten verursachen, sollte man diese biologischen Grundlagen kennen. Das Fach unterscheidet sich damit deutlich von anderen Fächern der Medizin, da nicht nur die Spezies Mensch, sondern auch die Erreger von Infektionskrankheiten im Fokus stehen. Ein neuer Aspekt ist die Beachtung der Rolle des Mikrobioms, also der Gesamtheit der mikrobiellen Flora des Menschen. Das Mikrobiom besteht nicht nur aus pathogenen Mikroorganismen, sondern beherbergt auch eine Vielzahl apathogener Keime, die aber durchaus als Statthalter oder Produzenten von Metaboliten das Funktionieren vieler Prozesse im menschlichen Körper dirigieren und die Vermehrung pathogener Mikroorganismen unterdrücken. Zusätzlich sollte man verstehen, wie es dem unspezifischen bzw. dem spezifischen Immunsystem des Menschen gelingt, Infektionserreger zu kontrollieren und Infektionen abzuwehren. Die mikrobiologische Diagnostik beruht auf dem direkten Nachweis von pathogenen Keimen mittels Mikroskopie, Antigennachweis, Kultur und Molekularbiologie sowie auf dem indirekten Nachweis einer spezifischen Immunreaktion gegen Erreger. Die modernen diagnostischen Methoden erlauben eine detailliertere Erkennung der Mikroorganismen und haben zum Teil auch zu einer Veränderung ihrer Nomenklatur und Einteilung geführt. Das erfolgreiche Erkennen und Behandeln von Infektionen beruhen, neben dem Einsatz der sinnvollen mikrobiologischen Diagnostik, ganz wesentlich auch auf der klinischen Untersuchung, der Anamnese sowie zusätzlichen Informationen aus weiteren diagnostischen Maßnahmen (v. a. klinische Chemie, Pathologie sowie Bildgebung). Die Infektiologie versucht, mit dem gezielten, therapeutischen Einsatz von antimikrobiellen Wirkstoffen und weiteren förderlichen Maßnahmen den Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen. Die Bestimmung der Antibiotikaempfindlichkeit von Erregern ist von zunehmender Bedeutung, da die Probleme in der Behandlung von Patienten, die mit resistenten Keimen infiziert sind, stetig zunehmen. Die ABS-Initiative (antibiotic stewardship) hat den rationalen Einsatz der Antibiotika zum Ziel, damit diese Waffe nicht stumpf wird. Die Prävention von Infektionen ist das Ziel von Impfungen und von hygienischen Maßnahmen in der Umgebung. Ziel des Buches Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie ist es, die relevanten Fakten verständlich zu vermitteln, biologische Zusammenhänge zu erläutern und die klinischen Aspekte der Infektionskrankheiten zu beschreiben, um den Lernenden mit dem notwendigen Rüstzeug für den klinischen Alltag auszustatten. Wir freuen uns sehr über Ihre Anregungen und konstruktive Kritik am Buch, damit wir unser Ziel noch besser erreichen! Heidelberg und Hannover im Januar 2019 Herbert Hof, Dirk Schlüter

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4

Inhaltsverzeichnis Teil A Grundlagen Herbert Hof, Gernot Geginat, Udo Reischl

1

Einführung in die Medizinische Mikrobiologie und Hygiene . . . . . . . . . . . . . 15

Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

1.2

Geschichtliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3

Einteilung der Mikroorganismen . . . . . . . . . . . . . . . . Subzelluläre biologische Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . Einzellige Mikroorganismen (Protisten) . . . . . . . . . . Mehrzellige Lebewesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18 18 18 19

Allgemeine Infektionslehre . . . . . . . . . . . . . . 20

3.6 3.6.1 3.6.2 3.7

3.7.1

Herbert Hof 2.1

Genetische Verwandtschaft der Mikroorganismen .

20

2.2 2.2.1 2.2.2

Mikroorganismen als Nützlinge bzw. Schädlinge . . Ökologische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Körpereigene Flora . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20 20 22

2.3

Mikroorganismen als Krankheitserreger . . . . . . . . .

25

4

Bildgebende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Herbert Hof, Udo Reischl Anamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.2

Klinische Zeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.2

27

Herbert Hof

4.2.2

27 4.2.3

Herbert Hof Klinisch-chemische Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Herbert Hof, Udo Reischl Präanalytik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herbert Hof Analytik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herbert Hof, Udo Reischl

33 33 37

Umgang mit potenziell pathogenen Mikroorganismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

Herbert Hof Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

Grundlagen der antimikrobiellen Chemotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

Herbert Hof

4.2.1 3.1

Mikrobiologische Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Herbert Hof, Gernot Geginat 4.1

3.3

31

Herbert Hof

1.1

3

Histologische Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herbert Hof

3.5

Herbert Hof

2

3.4

29

Grundregeln der antimikrobiellen Therapie . . . . . . Herbert Hof, Gernot Geginat Mikrobiologische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herbert Hof Pharmakologische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herbert Hof, Gernot Geginat Toxikologische und ökonomische Aspekte . . . . . . . Herbert Hof

68 68 69 74

Herbert Hof

Teil B Immunologie Dunja Bruder, Rüdiger Dörries*

1

Einleitung und Grundbegriffe . . . . . . . . . . . 77

1.1 1.1.1 1.1.2

Einteilung und Aufgaben des Immunsystems . . . . . Einteilung des Immunsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben des Immunsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

Strukturelemente des Immunsystems

.

79

2.1

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

2.2 2.2.1 2.2.2

Organe des Immunsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Primäre lymphatische Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekundäre lymphatische Organe . . . . . . . . . . . . . . . .

79 79 80

77 77 78

2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3

Zellen des Immunsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die myeloische Zelllinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die lymphoide Zelllinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

Das Erkennen von „fremd“ durch Zellen des Immunsystems . . . . . . . . . . . . . . 91

3.1

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

3.2

Erkennung von Infektionserregern durch Zellen des angeborenen Immunsystems . . . . . . . . . . . . . . . Mustererkennungsrezeptoren (PRRs) . . . . . . . . . . . Rezeptoren für Opsonine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91 92 95

3.2.1 3.2.2

84 84 85 87

* Mitarbeiter früherer Auflagen, von dessen ursprünglichen Beiträgen in der Neuauflage noch wesentliche Bestandteile enthalten sind. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

5

Inhaltsverzeichnis

3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4

Erkennung von Infektionserregern durch Lymphozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 B-Zell-Antigenrezeptor (BCR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Antigenerkennung durch B-Lymphozyten . . . . . . . . 99 Der T-Zell-Antigenrezeptor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Antigenerkennung durch T-Lymphozyten . . . . . . . . 102

4

Mechanismen der angeborenen und der erworbenen Immunabwehr . . . . . . . . 109

4.1

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4

Die angeborene Immunabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . Physikalische, chemische und mikrobiologische Barrieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Opsonisierung und Komplementsystem . . . . . . . . . Zelluläre Abwehr durch Phagozyten . . . . . . . . . . . . . Induzierbare Effektorsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . .

109 110 112 115

4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4

Die erworbene Immunabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . Die afferente Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Induktionsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die efferente Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Gedächtnis der adaptiven Immunantwort . . . .

119 119 122 130 142

109

5

Defekte und deregulierte Immunantwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

5.1

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

5.2 5.2.1 5.2.2

Die defekte Immunantwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Humorale Defekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Zelluläre Defekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4

Die überschießende Immunantwort . . . . . . . . . . . . . Hypersensitivität vom Typ I (Allergie) . . . . . . . . . . . Hypersensitivität vom Typ II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypersensitivität vom Typ III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypersensitivität vom Typ IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

150 151 152 153 154

5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4

Die autospezifische Immunantwort . . . . . . . . . . . . . Autoimmunerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechanismen der Selbsttoleranz . . . . . . . . . . . . . . . Verlust der Selbsttoleranz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathomechanismen der Autoimmunreaktion . . . . .

155 155 156 159 162

Teil C Virologie Paul Schnitzler, Rüdiger Dörries*

1

Allgemeine Virologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

2

Spezielle Virologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

1.1

Ursprünge der Virologie und ihr Weg zur modernen Biowissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

2.1

Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6 2.2.7

Viren mit positivsträngigem RNA-Genom . . . . . . . . Picornaviridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Caliciviridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hepeviridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Coronaviridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Togaviridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Flaviviridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Retroviridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

199 199 204 206 208 209 212 218

2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.3.7

Viren mit negativsträngigem RNA-Genom . . . . . . . . Paramyxoviridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rhabdoviridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Filoviridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deltavirus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arenaviridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bunyaviridae. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Orthomyxoviridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

225 225 232 234 235 237 240 242

2.4 2.4.1

Viren mit doppelsträngigem RNA-Genom . . . . . . . . 246 Reoviridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5 2.5.6 2.5.7

Viren mit DNA-Genom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herpesviridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Papillomaviridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polyomaviridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parvoviridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adenoviridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Poxviridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hepadnaviridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.6 2.6.1 2.6.2

Viroide und Prionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Viroide. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Prionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

1.2 1.2.1 1.2.2

Virion und Virus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Zusammensetzung und Struktur . . . . . . . . . . . . . . . 168 Abgrenzung zu anderen Mikroorganismen . . . . . . . 170

1.3 1.3.1

Molekulare Virologie und Genetik . . . . . . . . . . . . . . 171 Evolution viraler Erbinformationen . . . . . . . . . . . . . 171

1.4

Klassifikation von Viren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

1.5 1.5.1 1.5.2

Virus und Wirtszelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Vermehrungszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Zytopathogener Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

1.6 1.6.1 1.6.2 1.6.3 1.6.4 1.6.5

Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eindringen in den Wirt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Primärreplikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausbreitung im Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organmanifestation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausscheidung und Transmission . . . . . . . . . . . . . . . .

181 181 182 182 184 184

1.7 1.7.1 1.7.2 1.7.3

Immunabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unspezifische Abwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Abwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Immunevasion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

185 185 186 187

1.8 1.8.1 1.8.2

Verlaufsformen viraler Infektionen . . . . . . . . . . . . . . 189 Akute Virusinfektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Persistierende Virusinfektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

1.9 1.9.1 1.9.2 1.9.3

Prophylaxe und Therapie von Virusinfektionen . . . Prophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antivirale Chemotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zytokine als virostatische Therapeutika. . . . . . . . . .

191 191 192 197

248 248 261 263 265 267 269 273

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6

Inhaltsverzeichnis

Teil D Bakteriologie Herbert Hof, Dirk Schlüter

1

Allgemeine Bakteriologie. . . . . . . . . . . . . . . . 283

2.4.4 2.4.5

Propionibacterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktinomyzeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

357 358

2.5

Grampositive, aerobe, sporenbildende Stäbchenbakterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

360

Herbert Hof Bazillen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

360

Grampositive, anaerobe, sporenbildende Stäbchenbakterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

364

2.6.1

Herbert Hof Clostridium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

364

2.7

Mykobakterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

373

2.7.1 2.7.2 2.7.3

Herbert Hof Tuberkuloseerreger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . NTM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mycobacterium leprae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

374 383 385

2.8

Gramnegative Kokken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

386

301 301 303

2.8.1 2.8.2 2.8.3 2.8.4

Dirk Schlüter Gramnegative aerobe Kokken . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eikenella. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Moraxella catarrhalis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kokkoide, aerobe Kurzstäbchen . . . . . . . . . . . . . . . .

386 393 393 394

303 304 307 308 310 320 322

2.9

Gramnegative aerobe, nicht fermentierende Stäbchenbakterien (Pseudomonadaceae) . . . . . . . .

394

2.9.1

Dirk Schlüter Pseudomonas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

395

2.10

Enterobacterales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

398

Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

2.10.1 2.10.2 2.10.3 2.10.4 2.10.5 2.10.6 2.10.7 2.10.8 2.10.9

Dirk Schlüter Salmonella . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Shigella . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Escherichia. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Yersinia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klebsiella . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klebsiella granulomatis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enterobacter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Serratia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Proteus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

400 407 410 414 419 420 421 421 422

Herbert Hof, Dirk Schlüter

2.11

Vibrio (Vibrionen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

423

2.2

Grampositive Kokken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328

2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5

Herbert Hof Staphylokokken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streptokokken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enterokokken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mikrokokken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anaerobe Kokken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Dirk Schlüter 2.11.1 Vibrio cholerae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.11.2 Vibrio parahaemolyticus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.11.3 Vibrio vulnificus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

423 426 427

2.12

Diverse gramnegative aerobe Stäbchenbakterien . .

427

2.12.1 2.12.2 2.12.3 2.12.4 2.12.5 2.12.6

Dirk Schlüter Brucella . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Francisella . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bordetella . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Legionella. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pasteurella und Mannheimia . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haemophilus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

427 429 430 433 435 436

2.13

Spirochäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

440

Dirk Schlüter 2.13.1 Treponema. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.13.2 Borrelia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.13.3 Leptospira . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

440 446 449

Herbert Hof Struktur und Funktion der Bakterienzelle. . . . . . . . . Genetische Struktur und Organisation . . . . . . . . . . . Zytoplasma – Proteinsyntheseapparat . . . . . . . . . . . Zytoplasmatische Membran – Energieproduktionsapparat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.4 Zellwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.5 Äußere Membran bei gramnegativen Bakterien . . . 1.1.6 Zellwanddefekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.7 Fimbrien und Pili . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.8 Kapseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.9 Geißeln (Flagellen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.10 Sporen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.11 Extrazelluläre Toxine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3

1.2

288 289 293 295 295 296 296 297 297

Grundlagen der antibakteriellen Chemotherapie . . Naturstoffe mit antimikrobieller Wirkung . . . . . . . . Endogene Antibiotika des Menschen . . . . . . . . . . . . Antibiotika und antimikrobielle Chemotherapeutika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.4 Wirkspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.5 Wirkqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.6 Wirkmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.7 Resistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.8 Pharmakokinetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.9 Verträglichkeit und unerwünschte Wirkungen . . . . 1.3.10 Überlegungen zum rationalen Einsatz von Antibiotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Spezielle Bakteriologie

323

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

Herbert Hof, Dirk Schlüter 2.1

2.3

2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.4

2.4.1 2.4.2 2.4.3

2.5.1 2.6

Physiologie und Kultur der Bakterien . . . . . . . . . . . . 298

1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3

2

283 283 287

328 336 347 348 348

Grampositive, aerobe, nicht sporenbildende Stäbchenbakterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 Herbert Hof Listerien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 Korynebakterien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 Nokardien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 Grampositive, mikroaerophile bis anaerobe, nicht sporenbildende Stäbchenbakterien . . . . . . . . . 354 Herbert Hof Lactobacillus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 Bifidobacterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 Gardnerella . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356

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7

Inhaltsverzeichnis

2.14

Weitere gramnegative, gebogene und schraubenförmige Stäbchenbakterien . . . . . . . . . . . 450

2.17

Rickettsiaceae. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 Dirk Schlüter Rickettsia. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ehrlichia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Coxiella . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bartonella und Afipia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

461 463 464 465

2.15

Bacteroidales, Fusobacteriaceae . . . . . . . . . . . . . . . . 454

2.17.1 2.17.2 2.17.3 2.17.4

Dirk Schlüter

2.18

2.16

Obligat intrazelluläre Bakterien . . . . . . . . . . . . . . . . 457

Mollicutes (zellwandlose Bakterien): Mycoplasmataceae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467

Dirk Schlüter 2.16.1 Chlamydiaceae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457

Dirk Schlüter 2.18.1 Mycoplasma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468

Dirk Schlüter 2.14.1 Campylobacter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 2.14.2 Helicobacter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451

Teil E Mykologie Herbert Hof

1

Allgemeine Mykologie

2

Medizinisch relevante Pilze

1.1

Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473

2.1

Dermatophyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485

1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3

Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intoxikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Infektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.2 2.2.1 2.2.2

Sprosspilze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 Askomyzetische Sprosspilze: Candida . . . . . . . . . . . 489 Basidiomyzetische Sprosspilze . . . . . . . . . . . . . . . . . 494

1.3 1.3.1 1.3.2

Merkmale und Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 Nomenklatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477

2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3

1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5 1.4.6

Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mikroskopischer Nachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kultureller Nachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Molekularbiologischer Nachweis . . . . . . . . . . . . . . . Antigennachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Serologischer Nachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinische und bildgebende Verfahren . . . . . . . . . . .

Schimmelpilze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aspergillus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Penicillium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phaeohyphomyzeten („Schwärzepilze“, Dematiaceen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.4 2.4.1

Mucoraceen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 Andere Schimmelpilze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506

1.5 1.5.1 1.5.2

Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 Antimykotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 Resistenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484

2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4

Dimorphe Pilze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Histoplasma capsulatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blastomyces dermatitidis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Coccidioides immitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sporothrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.6 2.6.1 2.6.2

Außergewöhnliche Pilze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 Pneumocystis jirovecii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 Mikrosporidien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512

3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.6 3.1.7 3.1.8

Toxoplasma gondii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sarcocystis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cystoisospora . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cryptosporidium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blastocystis hominis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cyclospora cayetanensis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.2 3.2.1

Ziliaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 Balantidium coli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534

3.3 3.3.1 3.3.2

Rhizopoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 Pathogene Darmamöben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 Pathogene frei lebende Amöben . . . . . . . . . . . . . . . . 538

3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4

Flagellaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trypanosoma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leishmanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trichomonaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Giardia duodenalis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

..................

473 473 473 474 476

479 479 480 481 481 481 481

. . . . . . . . . . . . . 485

498 498 502 503

507 507 508 509 510

Teil F Protozoen Dirk Schlüter

1

Einführung – Allgemeine Parasitologie . . 515

1.1

Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515

1.2

Begriffsdefinitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515

1.3

Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516

2

Allgemeines zu Protozoen . . . . . . . . . . . . . . 517

2.1

Definition und Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517

2.2

Nachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517

2.3

Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518

3

Medizinisch relevante Protozoen . . . . . . . 520

3.1 3.1.1 3.1.2

Sporozoen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 Plasmodien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 Babesia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526

527 531 532 533 534 534

538 539 542 545 547

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8

Inhaltsverzeichnis

Teil G Helminthen Dirk Schlüter

1

Allgemeines

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553

1.1

Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553

1.2

Diagnose von Wurminfestationen . . . . . . . . . . . . . . . 553

1.3

Anthelminthika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555

2

Nematoda (Fadenwürmer) . . . . . . . . . . . . . . 556

2.1

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556

2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5

Nematoden mit Darminfestationen . . . . . . . . . . . . . . Oxyuridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ascarididae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ancylostomatidae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rhabditidae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trichuridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

557 557 558 561 564 565

2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3

Nematoden mit extraintestinalen Infestationen . . . Trichinella . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Filariidae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spiruridae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

566 566 568 571

3

Trematoda (Saugwürmer) . . . . . . . . . . . . . . . 573

3.1

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573

3.2 3.2.1

Schistosomatidae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 Schistosoma haematobium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575

3.2.2 3.2.3 3.2.4

Schistosoma japonicum, Schistosoma mekongi . . . Schistosoma mansoni, Schistosoma intercalatum . Schistosomatidae als Erreger der Zerkariendermatitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

576 577 578

3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3

Leberegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Opisthorchiidae. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dicrocoeliidae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leberegel der Familie Fasciolidae . . . . . . . . . . . . . . .

578 578 579 580

3.4 3.4.1

Darmegel der Familie Fasciolidae . . . . . . . . . . . . . . . Fasciolopsis buski . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

581 581

3.5 3.5.1

Lungenegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paragonimidae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

581 581

3.6

Blutegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

582

4

Cestoda (Bandwürmer) . . . . . . . . . . . . . . . . . 583

4.1

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

583

4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3

Cyclophyllidae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Taeniidae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Echinococcus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hymenolepidae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

583 583 586 589

4.3 4.3.1

Pseudophyllidae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diphyllobothrium latum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

589 589

2

Wichtige, medizinisch relevante Arthropoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601

2.1 2.1.1 2.1.2

Klasse Arachnida (Spinnentiere) . . . . . . . . . . . . . . . . Schildzecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Milben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

601 601 603

2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4

Klasse Hexapoda (Insekten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ordnung Heteroptera (Wanzen) . . . . . . . . . . . . . . . . Ordnung Siphonaptera (Flöhe) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ordnung Anoplura (Läuse) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ordnung Diptera (Zweiflügler) . . . . . . . . . . . . . . . . .

606 606 607 608 610

3.3

Infektionen der Bindehaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

625

3.4

Infektionen der Hornhaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

626

3.5 3.5.1 3.5.2

Intraokuläre Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uveitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endophthalmitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

627 627 628

3.6

Infektionen der Orbita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

628

3.7

Infektionen der Tränenorgane . . . . . . . . . . . . . . . . .

629

Teil H Arthropoden Gernot Geginat

1

Allgemeines zu Arthropoden . . . . . . . . . . . . 593

1.1

Biologie der Arthropoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593

1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6

Medizinische Bedeutung der Arthropoden . . . . . . . . Giftwirkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parasitismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vektorfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allergische Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Psychische Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prophylaktische Maßnahmen und Bekämpfung . . .

595 595 595 596 598 598 598

Teil I Klinische Infektiologie Oliver A. Cornely, Herbert Hof

1 2

Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 Infektionen des ZNS

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619

3

Infektionen des Auges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624

3.1

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624

3.2

Infektionen der Augenlider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624

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9

Inhaltsverzeichnis

4

Infektionen des Ohres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630

4.1

Infektionen des äußeren Gehörgangs . . . . . . . . . . . 630

4.2

Infektionen des Mittelohrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631

5

Infektionen der oberen Luftwege . . . . . . 633

5.1

Infektionen von Nase und Nasennebenhöhlen . . . . 633

5.2

Infektionen von Rachen und Larynx . . . . . . . . . . . . . 634

6

Infektionen der unteren Luftwege . . . . . 636

6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3

Infektionen von Trachea und Bronchien . . . . . . . . . . Akute Tracheobronchitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chronische Bronchitis bzw. akute Exazerbation/ Infektexazerbation der COPD. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bronchiolitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

636 637

6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3

Infektionen des Lungenparenchyms und der Pleura Pneumonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lungenabszess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pleuritis und Pleuraempyem . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

638 638 642 642

636 636

10.2

Harnwegsinfektion – Zystitis und Pyelonephritis . . 659

10.3

Urethritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 662

11

Infektionen der Geschlechtsorgane

11.1 11.1.1 11.1.2 11.1.3

Infektionen der männlichen Geschlechtsorgane . . . Orchitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epididymitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prostatitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

663 663 663 663

11.2 11.2.1 11.2.2 11.2.3

Infektionen der weiblichen Geschlechtsorgane . . . . Vulvitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vaginitis (Kolpitis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Infektionen des inneren Genitales. . . . . . . . . . . . . . .

664 664 664 665

12

Infektionen von Knochen und Gelenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667

12.1

Osteomyelitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667

12.2

Arthritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 669

13

Infektionen der Haut und der Weichteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672

7

Infektionen des Herzens

7.1

Perikarditis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644

13.1

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672

Myokarditis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645

13.2

Wundinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673

Endokarditis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645

13.3

Phlegmone/Abszess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674

13.4

Diabetisches Fußsyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674

13.5

Nekrotisierende Fasziitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675

7.2 7.3

................

644

. . . . 663

8

Infektionen des Verdauungstraktes . . . . 648

13.6

Bissverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 676

8.1

Infektionen von Mund und Zähnen . . . . . . . . . . . . . . 648

13.7

Dermatomykosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 677

8.2

Ösophagitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 649

8.3

Enteritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 649

8.4

Peritonitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653

14

Weitere Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 678

14.1

Sepsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 678

14.2

Infektionen während der Schwangerschaft/Geburt 680

Infektionen von Leber, Galle und Pankreas. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655

14.3

Infektionen im Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683

14.4

Infektionen bei Abwehrschwäche . . . . . . . . . . . . . . . 686

9.1

Hepatitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655

14.5

STD (sexually transmitted diseases) . . . . . . . . . . . . . 688

9.2

Bakterielle Cholezystitis und Cholangitis . . . . . . . . . 657

14.6

Importierte Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 689

9.3

Akute Pankreatitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 658

14.7

Postinfektionssyndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 692

10

Infektionen der Niere und der ableitenden Harnwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659

15

Biologische Kriegführung bzw. Bioterrorismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 693

10.1

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659

15.1

Potenzielle mikrobielle Kampfmittel . . . . . . . . . . . . 693

9

Teil J Hygiene und Impfungen Constanze Wendt, Herbert Hof

1

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 697

2

Aufgabengebiete der Hygiene . . . . . . . . . . 700

1.1

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 697

2.1

Gesundheitserziehung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 700

1.2

Grundvoraussetzungen für eine hohe Lebenserwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 698

2.2

Lebensmittelhygiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 700

2.3 2.3.1 2.3.2

Trinkwasserhygiene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 702 Natürliche Wasserquellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 702 Trinkwasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 702

1.3

Aktueller Stellenwert der Hygiene . . . . . . . . . . . . . . 699

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10

Inhaltsverzeichnis

2.4 2.4.1 2.4.2

Hygiene von Badewasser und Abwasser . . . . . . . . . . 705 Badewasserhygiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705 Abwasserhygiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705

2.5

Umwelthygiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 706

2.6 2.6.1 2.6.2

Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Persistenz von Erregern in der Umwelt und spezielle Reservoire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Infektionsquellen bzw. Übertragungswege . . . . . . .

706 706

Infektionsschutzgesetz (IfSG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Meldepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit bei der Behandlung von übertragbaren Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemeinschaftseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umgang mit und Transport von infektiösem Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quarantänekrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Bestimmungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

711 712

2.6.3 2.7 2.7.1 2.7.2 2.7.3 2.7.4 2.7.5 2.7.6 2.8 2.8.1 2.8.2

708 708

713 713 713 713 714

Krankenhaushygiene bzw. nosokomiale Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 714 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 714 Prophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 715

3

Desinfektion und Sterilisation . . . . . . . . . . . 719

3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3

Desinfektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arten der Desinfektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Desinfektionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Substanzen zur Desinfektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

719 719 724 725

3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5

Sterilisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sterilisationstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Verfahren mit eingeschränktem Einsatzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrolle der Sterilisiervorgänge . . . . . . . . . . . . . . . Verpackung des sterilisierten Materials . . . . . . . . . Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

730 731 733 734 734 735

4

Impfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 736

4.1

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

736

4.2

Passive Immunisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

737

4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3

Aktive Immunisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Totimpfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebendimpfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kombinationsimpfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

739 739 743 744

4.4

Individueller versus kollektiver Gewinn durch Impfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

745

4.5

Impfpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

746

4.6

Impfempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

746

4.7

Weitere Impfstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

746

4.8

Impfdokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

747

4.9

Zukünftige Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

748

Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 749

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11

Anschriften

Anschriften Herausgeber Prof. Dr. med. Herbert Hof MVZ Labor Dr. Limbach & Kollegen GbR Im Breitspiel 16 69126 Heidelberg Deutschland Prof. Dr. med. Dirk Schlüter Medizinische Hochschule Hannover Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene Carl-Neuberg-Str. 1 30625 Hannover Deutschland Prof. Dr. rer. nat. Rüdiger Dörries* ehem.: Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene Theodor-Kutze-Ufer 1–3 68167 Mannheim Deutschland

Mitarbeiter Prof. Dr. rer. nat. Dunja Bruder Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene Leipziger Str. 44 39120 Magdeburg Deutschland Prof. Dr. med. Oliver A. Cornely Universität Köln Klinik I für Innere Medizin, Klinische Infektiologie Kerpener Str. 62 50937 Köln Deutschland

Prof. Dr. med. Gernot Geginat Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene Leipziger Str. 44 39120 Magdeburg Deutschland Prof. Dr. med. Herbert Hof MVZ Labor Dr. Limbach & Kollegen GbR Im Breitspiel 16 69126 Heidelberg Deutschland Prof. Dr. rer. nat. Udo Reischl Universitätsklinikum Regensburg Institut für Klinische Mikrobiologie und Hygiene Franz-Josef-Strauß-Allee 11 93053 Regensburg Deutschland Prof. Dr. med. Dirk Schlüter Medizinische Hochschule Hannover Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene Carl-Neuberg-Str. 1 30625 Hannover Deutschland Prof. Dr. rer. nat. Paul Schnitzler Universitätsklinikum Heidelberg Zentrum für Infektiologie, Virologie Im Neuenheimer Feld 324 69120 Heidelberg Deutschland Prof. Dr. med. Constanze Wendt MVZ Labor Dr. Limbach & Kollegen GbR Im Breitspiel 16 69126 Heidelberg Deutschland

Prof. Dr. rer. nat. Rüdiger Dörries* ehem.: Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene Theodor-Kutze-Ufer 1–3 68167 Mannheim Deutschland

* Herausgeber und Mitarbeiter früherer Auflagen, von dessen ursprünglichen Beiträgen in der Neuauflage noch wesentliche Bestandteile enthalten sind. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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Grundlagen Herbert Hof, Gernot Geginat, Udo Reischl

A

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1

Einführung in die Medizinische Mikrobiologie und Hygiene

1.1 1.2 1.3

Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschichtliche Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung der Mikroorganismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Herbert Hof

1.1

Übersicht

▶ Definition. Die Medizinische Mikrobiologie ist die Lehre von den Ursachen menschlicher Infektionskrankheiten, ihrer Quellen und Verbreitung, deren Pathogenese, den möglichen Erscheinungsformen, den körpereigenen Abwehrmaßnahmen, der Diagnostik sowie den Möglichkeiten einer Therapie, speziell der direkten antimikrobiellen Chemotherapie. Recht neu ist die Erkenntnis, dass neben den pathogenen Mikroorganismen, die den Menschen besiedeln und das Mikrobiom darstellen, auch weitere Keime vorkommen, die anderweitig relevant für die Gesundheit sein können. Die Prävention der Infektionskrankheiten ist die eigentliche Aufgabe der Hygiene. Hierzu gehören: ■ Erkennen und Vernichten möglicher Erreger in der Umgebung des Menschen, noch bevor sie ihre pathogenen Eigenschaften entfalten können ■ Erkennung und Unterbrechung der Übertragungswege ■ vorzeitiger Schutz durch Impfung ■ Erziehung von medizinischem Personal sowie von Patienten zu einem Verhalten, das Erkrankungen vermeidet ■ Verordnungen bzw. Gesetze, die der Ausbreitung der Erreger Einhalt gebieten.

1.2

Geschichtliche Entwicklung

Infektionskrankheiten sind der Menschheit seit Jahrtausenden phänomenologisch bekannt. Ihr Auftreten wurde entweder als natürlich hingenommen oder auf die Einwirkung höherer Mächte (Götter, Dämonen u. Ä.) zurückgeführt. Solche Ereignisse wurden als schicksalhaft hingenommen oder auch als Strafe für eine verübte Sünde verstanden (Hiob). Heute würden wir aufgeklärt dazu sagen, dass Krankheit eben auch direkte Folge eines Fehlverhaltens sein kann. Der Glaube an Götter bzw. Dämonen war der Grund für strenge Regeln zur Hygiene und zum Sexualverhalten, die meist von Priestern überwacht wurden. Bereits in der hippokratischen Medizin (ab dem 3. Jahrhundert v. Chr.) vertiefte sich die Erkenntnis, dass aus der Umwelt – besonders aus der Luft – Gefahren für die Gesundheit ausgehen können. Sie stützte sich auf die Beobachtung, dass Menschen, die in der Nähe von Sümpfen, Moderwasser oder unter sonstigen ungünstigen, meist feuchtwarmen Klimabedingungen lebten, von bestimmten Erkrankungen (Malaria = Sumpffieber u. Ä.) weitaus häufiger betroffen waren als Menschen, die „gute Luft“ zum Atmen hatten. Auch das Auftreten von Seuchen und ihr Fortschreiten im Zuge von Katastrophen (Krieg, Sturmfluten, Hungersnöte) wurde als Folge der vielen unbestatteten Leichen, die menschliches Gemeinwesen durch „Leichengifte“ belasteten, gedeutet. Die Lehre von den Miasmen (griech.: Verunreinigungen) – das sind Dämpfe, Dünste, in der Luft enthaltene Giftstoffe – hielt sich hartnäckig bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Die Verbesserung der Luft durch Raucherzeugung, Verbrennen wohlduftender Substanzen oder Verschließen der Atemwege durch parfümierte Tücher wurde als Mittel der Wahl zur Abwehr der Miasmen betrachtet. Unter dem Eindruck der Pestepidemien im 14. Jahrhundert wurde zunehmend die direkte Übertragbarkeit von Infektionskrankheiten (Kontagiosität) diskutiert. Anste-

1.1

Übersicht

▶ Definition.

1.2

Geschichtliche Entwicklung

Die Lehre von den Miasmen (griech.: Verunreinigungen) – das sind Dämpfe, Dünste, in der Luft enthaltene Giftstoffe – als unbelebte Krankheitsursachen wurde bis zum Ende des 19. Jahrhunderts aufrechterhalten.

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16

A

Die Existenz lebender Ansteckungsstoffe wurde bereits im 16. Jahrhundert durch Fracastorius postuliert. Im 18. Jahrhundert gelang es dem Arzt Antoni van Leeuwenhoeck, Mikroorganismen erstmals durch ein Mikroskop zu sehen. Der kausale Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Seuchen und dem Nachweis von Mikroorganismen blieb jedoch unklar, da man der Überzeugung war, dass durch Urzeugung Leben aus toter Materie entstehen könne.

Erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts konnte der französische Chemiker Louis Pasteur diese Vorstellung widerlegen. Mit der Entwicklung des Henle-Koch-Postulats wurde die Kausalität zwischen Mikroorganismus und Infektionskrankheit wissenschaftlich begründet (Tab. A-1.1).

≡ A-1.1

1 Einführung in die Medizinische Mikrobiologie

ckungsverdächtige Menschen und Waren mussten sich seit 1374 in Venedig einer 40-tägigen („Quarantana“) Isolierung unterziehen, daher „Quarantäne“. Im 16. Jahrhundert wurde durch den Veroneser Arzt G. Fracastorius zum ersten Mal die Existenz eines lebenden Ansteckungsstoffes (Contagium animatum) diskutiert. Erstmals wirklich gesehen hat diese Mikrolebewesen Antoni van Leeuwenhoeck aus Delft (Niederlande) um 1670. Mit einem selbst gebauten Mikroskop sah er in Zahnbelag, Speichel und Wassertröpfchen „kleine Tierchen“. Die Tatsache allerdings, dass diese winzig kleinen Lebewesen ursächlich für die Entstehung von Krankheiten verantwortlich sein können, blieb unerkannt. Vielmehr galt nach wie vor die Lehre von der Urzeugung, der Generatio spontanea. Die makroskopische Beobachtung von Fäulnis und Verrottung belegte, dass jederzeit aus toter Materie spontan und direkt Leben entstehen kann, weil beobachtet wurde, wie aus einem alten Käse plötzlich Maden hervorkommen, sich aus eiternden Wunden von Tieren plötzlich Fliegen entwickeln oder aus Mist und Kot Würmer auswachsen oder in Fleischsuppe (Bouillon) durch Gärung (Spaltung von Kohlenhydraten) diese Kleinstlebewesen (Bakterien) entstehen. Erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts konnte der französische Chemiker Louis Pasteur eindeutig beweisen: Leben kann niemals „de novo“ entstehen, sondern immer nur weitergegeben werden. Alles Leben, das aus toter Materie zu entstehen scheint, wurde bereits vorher in Form einer Kontamination dorthin verbracht. 1840 formulierte Friedrich Gustav Jacob Henle (ein Anatom) ein Konzept, unter welchen Bedingungen Parasiten als ursächliche Erreger von Infektionskrankheiten angesehen werden müssen. Robert Koch nahm später diese Thesen auf und begründete das bis heute prinzipiell geltende Henle-Koch-Postulat (Tab. A-1.1).

Henle-Koch-Postulat „Übersetzung“

Originalwortlaut „Wenn es sich aber nachweisen ließe … ■

erstens, dass der Parasit in jedem einzelnen Falle der betreffenden Krankheit anzutreffen ist, und zwar unter Verhältnissen, welche den pathologischen Veränderungen und dem klinischen Verlauf der Krankheit entsprechen;



Der verdächtige Mikroorganismus (Erreger) muss in jedem Einzelfall nachgewiesen werden, und zwar unter Bedingungen, die dem klinischen Verlauf der Erkrankung und ihren pathologischen Veränderungen im Makroorganismus entsprechen.



zweitens, dass er bei keiner anderen Krankheit als zufälliger und nicht pathogener Schmarotzer vorkommt und



Der verdächtige Mikroorganismus darf nicht bei anderen Krankheiten oder im gesunden Menschen nachweisbar sein.



drittens, dass er, von dem Körper vollständig isoliert und in Reinkulturen hinreichend oft umgezüchtet, imstande ist, von Neuem die Krankheit zu erzeugen; dann



Laborkulturen des Erregers müssen in einem anderen Organismus eine identische (Mensch) oder ähnliche Krankheit (Tier) verursachen.

… ließe sich in diesem Fall kein anderes Verhältnis mehr zwischen Parasit und Krankheit denken, als dass der Parasit die Ursache der Krankheit ist.“ Dieses Henle-Koch-Postulat gilt als „Goldstandard“ der Infektionslehre, kann jedoch für viele Infektionskrankheiten nicht in allen Punkten erfüllt werden, z. B. werden pathogene Mikroorganismen auch bei völlig Gesunden gefunden (Keimträger, Ausscheider).

Interessant ist, dass Koch Krankheitserreger generell als „Parasiten“ bezeichnete, während man im engeren Sinne heute darunter nur noch die Protozoen, Würmer und Ektoparasiten („Ungeziefer“) versteht. Auch heute noch gilt die Erfüllung des Henle-Koch-Postulates als „Goldstandard“, wenn es darum geht, Erreger und Krankheit kausal zu vereinigen (siehe aus jüngster Zeit Helicobacter pylori als Verursacher der Gastritis). Dennoch darf nicht verschwiegen werden, dass die Erfüllung aller Postulate für die meisten Infektionskrankheiten nicht möglich ist: ■ Typische klinische Krankheitsbilder sind nicht selten mit dem Nachweis unterschiedlicher Mikroorganismen vergesellschaftet (z. B. Influenza mit Influenza-AViren, Haemophilus-influenzae-Bakterien oder bestimmten Staphylococcus-aureus-Stämmen), ohne dass der jeweilige Nachweis für das Krankheitsgeschehen kausal sein muss. ■ Mehrere Erreger können synergistisch bei der Ausprägung von Infektionen wirken. ■ Typische klinische Krankheitsbilder werden aber auch von unterschiedlichen Mikroorganismen kausal verursacht („Cholera“, gekennzeichnet durch profuse, wässrige Durchfälle, kann durch Vibrio cholerae oder durch bestimmte E.-coliStämme ausgelöst werden). ■ Pathogene Mikroorganismen können häufig auch bei völlig Gesunden gefunden werden (Keimträger, Ausscheider).

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A ■



17

1.2 Geschichtliche Entwicklung

Reinkulturen bestimmter pathogener Mikroorganismen (z. B. Viren) sind nicht immer möglich. Während Laborpassagen können Virulenzfaktoren verloren gehen.

▶ Merke. Der amerikanische Virologe T. M. Rivers ergänzte 1937 das Henle-Koch-

▶ Merke.

Postulat um das Antikörper-Postulat: Die Bildung spezifischer Antikörper als Folge der intensiven Auseinandersetzung des Immunsystems mit einem infektiösen Agens gilt als beweisend für die Ätiologie einer Infektionskrankheit. ▶ Definition. Wenn ein Erreger in den Körper eindringt, sich in ihm vermehrt und

▶ Definition.

eine entzündliche Reaktion auslöst, die den menschlichen Organismus in Mitleidenschaft zieht, spricht man von einer Infektionskrankheit. Gast-Wirts-Beziehungen: Der Mensch ist von einer vielfältigen Flora an Mikroorganismen besiedelt, dem Mikrobiom, das ihn normalerweise nicht krank macht. Im Gegenteil, diese Keime spielen sogar eine wichtige physiologische Rolle. Einige dieser Mikroorganismen können jedoch fakultativ pathogen sein; doch der abwehrtüchtige Körper wehrt sich so schnell und effizient mittels seiner unspezifischen Infektabwehr gegen solche eingedrungenen Erreger, dass allenfalls eine kurzfristige, irrelevante Invasionsphase ohne Krankheitswert entsteht. Außerdem gibt es sogenannte persistierende Erreger im Körper, die nicht auffallen, solange sie sich ruhig verhalten. Sie sind nach einer akuten Infektionskrankheit im Organismus verblieben, nachdem das Abwehrsystem die massive Vermehrung gestoppt hat und die daraus resultierende Entzündung abgeflaut ist. Nicht jede Infektion führt also zu einer Infektionskrankheit!

Gast-Wirts-Beziehungen: Der Mensch ist vom Mikrobiom besiedelt, das eine wichtige physiologische Rolle übernimmt. Einige der Mikroorganismen sind fakultativ pathogen.

Weitere schädliche Folgen, ausgelöst durch Mikroorganismen: Gelegentlich können allein schon Produkte von Mikroorganismen, sog. Toxine, eine Störung der Gesundheit bewirken (Intoxikation), ohne dass unbedingt die Produzenten selbst in den Körper eindringen bzw. sich dort vermehren. ■ Weiterhin können manche Individuen schon auf bloßen, flüchtigen Kontakt mit lebenden Mikroorganismen oder auch nur ihrer Bestandteile (Antigene) eine Allergie entwickeln, die schädliche Folgen wie Asthma, Exanthem, Urtikaria, Rhinitis usw. auslösen können. Die Fremdorganismen müssen nicht immer Mikroorganismen im Sinne des Wortes sein. Humanpathogene Helminthen (Würmer) zum Beispiel können erhebliche Abmessungen aufweisen.

Weitere schädliche Folgen, ausgelöst durch Mikroorganismen: Gelegentlich können nur die Toxine der Erreger eine Störung der Gesundheit bewirken (Intoxikation) bzw. schon der flüchtige Kontakt mit dem Erreger oder dessen Bestandteilen (Antigene) eine Allergie auslösen.



▶ Merke. Der Begriff Mikroorganismus wird im alltäglichen Sprachgebrauch nicht

Es gibt persistierende Erreger im Körper, die nicht auffallen, solange sie sich ruhig verhalten. Nicht jede Infektion führt also zu einer Infektionskrankheit!

▶ Merke.

nur für lebende Kleinstorganismen verwendet, sondern auch für Viren – diese sind zwar infektiöse Agenzien, aber im strengen Sinne unbelebt, da sie keinen eigenen Stoffwechsel aufweisen. Hygieneregeln, welche das Auftreten von Infektionen verhindern oder erschweren sollten, gab es in allen Kulturen in ganz unterschiedlichen Formen und Normen, die meist auf mehr oder weniger zufälligen Beobachtungen und Erfahrungen beruhten. In der Kulturgeschichte sind z. B. die Isolierungsmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Lepra (Aussatz) oder die diversen Empfehlungen zur Verhinderung der Pest (z. B. Räuchern und Tragen von Schutzkleidern inklusive Gesichtsmasken) wohl bekannt. Erst rationale Präventionsmaßnahmen, die aufgrund epidemiologischer und biologischer Kenntnisse der Krankheitsursachen getroffen wurden, führten zu einem unvergleichlichen Erfolg. Während bei uns heute Herz-Kreislauf-Krankheiten und Krebs die häufigsten Todesursachen sind, standen früher Infektionen an der Spitze, wie das heute in vielen Entwicklungsländern immer noch der Fall ist (Tab. A-1.2). Die hohe Lebenserwartung in Europa und Nordamerika ist in hohem Maße der Tatsache zuzuschreiben, dass die Infektionskrankheiten ihre Brisanz verloren haben; dies ist in ganz erheblichem Umfang durch die Erfolge der Hygiene bedingt. Mit Recht werden Semmelweis (Asepsis), Lister (Antisepsis), v. Pettenkofer (Wasserhygiene) und Jenner (Pockenimpfung) als Wohltäter der Menschheit hoch geachtet.

Präventionsmaßnahmen aufgrund epidemiologischer und biologischer Forschungsergebnisse führten dazu, dass Infektionskrankheiten in Europa nicht mehr die erste Todesursache darstellen (Tab. A-1.2). Semmelweis, Lister, v. Pettenkofer und Jenner haben durch ihre Forschung erheblich zum heutigen Hygienestandard beigetragen.

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18

A

≡ A-1.2

1 Einführung in die Medizinische Mikrobiologie

≡ A-1.2

Häufigkeit der Todesursachen

Rang

Europa

Entwicklungsländer

1.

Herz-Kreislauf-Krankheiten

Infektionen

2.

bösartige Neubildungen

Unterernährung

3.

Unfälle

Unfälle

4.

Infektionen

bösartige Neubildungen

5.

Diabetes mellitus

Herz-Kreislauf-Krankheiten

Einteilung der Mikroorganismen

1.3

Einteilung der Mikroorganismen

1.3

1.3.1

Subzelluläre biologische Objekte

1.3.1 Subzelluläre biologische Objekte

Prionen

Prionen

Als Prionen bezeichnet man infektiöse proteinhaltige Agenzien, bei denen sich keine Nukleinsäuren nachweisen lassen (infektiöse Eiweiße).

Bei Prionen (S. 278) handelt es sich um kleine, proteinhaltige Agenzien (proteinaceous infectious agents) ohne Nukleinsäure. Offensichtlich verbreiten sie sich durch Mechanismen, die nicht auf Vererbung beruhen; ähnlich wie ein Chaperon, welches durch Faltung von Proteinen deren Funktion beeinflusst, können die Prione die Faltung nah verwandter Proteine ändern, was zu pathologischen Konsequenzen führt.

Viroide

Viroide

Viroide sind fremde nackte Nukleinsäuren innerhalb einer Zelle. Ihre Bedeutung als Krankheitserreger für den Menschen ist unklar.

Als Viroide bezeichnet man fremde, nackte Nukleinsäuren innerhalb einer Zelle. Man kennt sie hauptsächlich als Verursacher von Pflanzenkrankheiten. Ihre Bedeutung für den Menschen ist umstritten.

Viren

Viren

Viren sind obligate Zellparasiten ohne eigenen Stoffwechsel. Sie enthalten immer nur eine Nukleinsäure (RNA oder DNA). Zum Aufbau von Viren siehe Kap. „Zusammensetzung und Struktur“ (S. 168).

Viren sind obligate Zellparasiten (Größe: 20–200 nm), die in einem fertigen Partikel (Virion) immer nur einen Typ von Nukleinsäure – also entweder RNA oder DNA – enthalten. Dies und die Tatsache, dass sie keine proteinsynthetisierenden Strukturen und keinerlei Mechanismen zur Energiegewinnung aufweisen und sie somit keinen eigenen Stoffwechsel aufrechterhalten können, zeigt, dass es sich um keine „Lebewesen“ im klassischen Sinne handelt. Zum Aufbau der Viren siehe Kap. „Zusammensetzung und Struktur“ (S. 168).

1.3.2

1.3.2 Einzellige Mikroorganismen (Protisten)

Einzellige Mikroorganismen (Protisten) Man unterscheidet Prokaryonten und Eukaryonten (Tab. A-1.3).

≡ A-1.3

Im Prinzip kann man zwei Gruppen unterscheiden, nämlich die primitiven Prokaryonten und die höher entwickelten Eukaryonten (Tab. A-1.3).

Unterschiede zwischen prokaryonten Zellen (Bakterien) und Eukaryonten (z. B. Pilze, Protozoen)

Struktur

Prokaryonten

DNA



zirkuläres Molekül



immer vorhanden (im Kern und in den Mitochondrien)

RNA



immer vorhanden



immer vorhanden

Nukleus mit Kernmembran



keine Kernmembran, DNA liegt als Knäuel im Zytoplasma (Kernäquivalent)



immer vorhanden

Zytoplasma



keine Mitochondrien



Mitochondrien



kein endoplasmatisches Retikulum



endoplasmatisches Retikulum



70S-Ribosomen



80S-Ribosomen



Lipiddoppelschicht als zytoplasmatische Membran



Lipiddoppelschicht als zytoplasmatische Membran (Zellwand)



starre Zellwand (Ausnahme: z. B. Mycoplasma)



starre Zellwand nur bei Pilzen

Vermehrung



ungeschlechtlich



ungeschlechtlich und häufig auch geschlechtlich

Größe



0,2–5 μm



1–150 μm

Wand

Eukaryonten

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A

19

1.3 Einteilung der Mikroorganismen

Prokaryonten

Prokaryonten

Prokaryonten (pro = vor, karyon = Kern) sind einzellige Lebewesen, die gleichzeitig DNA und RNA besitzen, wobei jedoch das Erbmaterial nicht in einem definierten Zellkern gelagert ist, der vom Zytoplasma abgegrenzt ist. Sie werden unterteilt in die Archaebakterien und die Eubakterien, die in der Medizin kurz als Bakterien bezeichnet werden:

Prokaryonten sind einzellige Lebewesen, das Erbmaterial (DNA und RNA) ist aber nicht in einem Zellkern gelagert. Sie werden unterteilt in die Archaebakterien und Eubakterien.

▶ Definition. Bakterien sind einzellige Mikroorganismen, deren Erbmaterial in einem einzigen Chromosom enthalten ist, das frei im Zytoplasma der Zelle liegt, das wiederum von einer zytoplasmatischen Membran umgeben ist. Zusätzlich können noch weitere Strukturen die Hülle ergänzen. Bakterien haben einen komplexen Stoffwechsel, der einen eigenen Proteinsyntheseapparat beinhaltet. Sie vermehren sich ungeschlechtlich durch Querteilung.

Eukaryonten ▶ Definition. Eukaryonte Zellen (Eukaryonten) besitzen einen von einer Kernmembran umgebenen Nukleus (eu [griech.] = wahrlich; karyon [griech.] = der Kern). Sie besitzen Mitochondrien und ein endoplasmatisches Retikulum.

▶ Definition.

Eukaryonten ▶ Definition.

Für die Mikrobiologie von Interesse sind: Pilze (Fungi, Mycophyta): Pilze haben einen Zellkern mit teils diploidem, teils haploidem Chromosomensatz, bestehend aus mehreren Chromosomen, eine starre Zellwand und sind bewegungsunfähig. Im Gegensatz zur Pflanze, für die diese Beschreibung ebenfalls zutreffend ist, besitzen sie jedoch keinen Fotosynthesemechanismus und müssen sich deshalb kohlenstoffheterotroph, d. h. durch Abbau organischen Materials, ernähren. Genetisch sind Pilze jedoch mit Mensch und Tier näher verwandt als mit Pflanzen (Abb. A-2.1). Von den > 1 000 000 Pilzarten sind nur ca. 1 % als Krankheitserreger für den Menschen von Bedeutung, s. Kap. „Allgemeine Mykologie – Bedeutung“ (S. 473). ■ Protozoen: Protozoen besitzen eine Zellmembran, einen – Chromosomen enthaltenden – Zellkern und differenzierte Organellen, die der Fortbewegung und dem Stoffwechsel dienen. Sie leben in der freien Natur oder als Parasiten in anderen Organismen, s. Kap. „Allgemeines zu Protozoen – Bedeutung“ (S. 518).

Von mikrobiologischem Interesse sind: ■ Pilze (Fungi) unterscheiden sich von Pflanzen dadurch, dass sie keine Fotosynthese betreiben und deshalb vom Abbau organischen Materials leben müssen (heterotrophe Lebensweise).

1.3.3 Mehrzellige Lebewesen

1.3.3

Helminthen (Würmer): Würmer sind vielzellige, dem Tierreich zugehörende Organismen, s. Kap. „Helminthen – Einführung“ (S. 553).

Helminthen (Würmer): s. Kap. „Helminthen – Einführung“ (S. 553).

Arthropoden (Gliederfüßler): Arthropoden sind von medizinischem Interesse, da sie als Vektoren (Überträger von Viren, Bakterien, Protozoen) und seltener als direkte Krankheitserreger (z. B. Krätzmilben) in Erscheinung treten, s. Kap. „Medizinische Bedeutung der Arthropoden“ (S. 595).

Arthropoden (Gliederfüßler): als Vektoren (Überträger von Viren, Bakterien, Protozoen) und direkte Krankheitsüberträger (z. B. Krätzmilben) von Bedeutung, s. Kap. „Medizinische Bedeutung der Arthropoden“ (S. 595).





Protozoen besitzen eine Zellmembran und differenzierte Organellen zur Fortbewegung und Aufrechterhaltung ihres Stoffwechsels.

Mehrzellige Lebewesen

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A

2

Allgemeine Infektionslehre

2.1 2.2 2.3

Genetische Verwandtschaft der Mikroorganismen . . . . . . . . . . . . Mikroorganismen als Nützlinge bzw. Schädlinge. . . . . . . . . . . . . . Mikroorganismen als Krankheitserreger . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20 20 25

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Herbert Hof 2.1

Genetische Verwandtschaft der Mikroorganismen

Im genetischen Stammbaum der Lebewesen (Abb. A-2.1) bilden die Bakterien einen eigenen Zweig; Pilze und Parasiten stehen näher bei den Tieren.

2.2

Mikroorganismen als Nützlinge bzw. Schädlinge

2.1

Genetische Verwandtschaft der Mikroorganismen

Lebewesen haben viele gemeinsame Strukturprinzipien, die zu ihrer Einteilung bzw. Klassifikation genutzt werden können. Einen hohen Stellenwert hat dabei der genetische Verwandtschaftsgrad, der zur Erstellung von Stammbäumen verwendet wird (Abb. A-2.1). Offensichtlich bilden die Bakterien einen eigenen Zweig, während die Pilze und Parasiten viel näher bei den Tieren stehen. Mikroorganismen sind also keine einheitliche Gruppe von Lebewesen. Die Helminthen (Würmer) sowie die Arthropoden (Gliederfüßler) sind zwar keine Mikroorganismen im engen Sinne, aber ihnen kommt Bedeutung als Krankheitserreger zu, sodass sie in diesem Lehrbuch erwähnt werden. In diesem genetischen Stammbaum erscheinen Viren nicht, da sie eigentlich keine Lebewesen sind; dennoch spielen diese Mikroorganismen eine große Rolle als Krankheitserreger, weshalb ihnen ein breiter Raum in diesem Buch zukommt.

2.2

Mikroorganismen als Nützlinge bzw. Schädlinge

Zwei Drittel der Biomasse der Erde besteht aus Mikroorganismen.

Allein die Tatsache, dass mehr als zwei Drittel der Biomasse der Erde aus Mikroorganismen besteht, belegt ihre immense und vielfältige Rolle für Natur und Menschen. Wegen ihres riesigen Repertoires an Stoffwechselleistungen und ihrer Adaptationsfähigkeit können die Millionen an unterschiedlichen Keimarten in äußerst verschiedenen ökologischen Nischen in der Umgebung von bzw. auf und im Menschen leben und gedeihen.

2.2.1

2.2.1 Ökologische Bedeutung

Ökologische Bedeutung

Den Mikroorganismen kommt eine enorme Bedeutung für die Beschaffenheit der Umwelt zu.

Das Gros der Umweltkeime hat seine unüberschätzbare Rolle in der Schaffung von Grundvoraussetzungen für das Leben von Pflanzen, Tieren und Menschen, indem sie den Kreislauf der anorganischen und organischen Materie der Natur mitbestimmen. So schaffen etwa die sulfitreduzierenden Bakterien im Erdreich Sulfate, welche für die Pflanzen notwendig sind; von anderen Bakteriengesellschaften im Boden wird Ammonium zu Nitrit umgebaut und den Pflanzen angeboten. Andere, die mit den Wurzeln von Leguminosen in Symbiose leben, binden N2 aus der Luft. Für die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichtes in der Biosphäre sind Mikroorganismen also essenziell. Einige Keime sind wahre Spezialisten. So haben selbst pathogene, gefürchtete Keime wie Pseudomonas aeruginosa, der Erreger des blaugrünen Wundeiters, und anderer nosokomialer Infektionen, außerhalb des Menschen segensreiche Wirkungen, sie können von Erdöl verseuchte Böden wieder sanieren. Andere Bakterien dagegen produzieren z. B. Methan oder Lachgas, welche als sog. Treibhausgase den Abbau der Ozonschicht in der Stratosphäre beschleunigen und so einen Klimawechsel fördern.

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A

⊙ A-2.1

21

2.2 Mikroorganismen als Nützlinge bzw. Schädlinge

Universeller phylogenetischer Stammbaum (genetic tree of life)

Universeller phylogenetischer Stammbaum nach Carl Woese, basierend auf Sequenzvergleichen der 16(18)S r-RNA-Gene. Bakterien bilden einen eigenen Zweig, während Pilze und Parasiten näher bei den Tieren stehen.

Manche Pilze sind unabdingbar für das Wachstum von größeren Pflanzen; nur wenn diese Pilze eine Symbiose mit den Wurzeln der Pflanzen (Mykorrhiza) eingehen, können die notwendigen Nährstoffe aus dem Boden resorbiert werden. Indirekt tragen Mikroorganismen ganz wesentlich zur Erhaltung und – auch – zur Gefährdung der Gesundheit bei, z. B. durch ihren Einfluss auf die Nahrungsmittelproduktion. Einerseits sind manche Mikroorganismen pflanzen- bzw. tierpathogen und durch ihr Wirken kommt es zu erheblichen Ernte- und Ertragsausfällen oder zu einer Verminderung der Qualität der Nahrungsmittel; Mikroorganismen sind also in vielen Fällen Ursache von Hungersnöten und Unterernährung, der größten Geißel der Menschheit. Andererseits sind manche Mikroorganismen entscheidend für die Produktion, Verbesserung und Verfeinerung von Nahrungsmitteln.

Sie können aber auch indirekt schädlich auf die menschliche Gesundheit wirken. Beispiele hierfür sind eine Minderung der Nahrungsmittelqualität oder auch der -quantität (durch Ernteausfälle).

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22 2.2.2

A Körpereigene Flora

Viele Körperregionen sind mikrobiell mit einer charakteristischen Population von diversen Mikroorganismen besiedelt (Abb. A-2.2). Dies bezeichnet man als Mikrobiom. Das Mikrobiom dient der Gesundheit, allerdings enthält diese autochthone Flora fakultativ pathogene Mikroorganismen, sodass endogene Infektionen möglich sind.

▶ Merke.

2 Allgemeine Infektionslehre

2.2.2 Körpereigene Flora Auch der Mensch selber beherbergt in seiner sog. natürlichen Flora meist apathogene Keime (Abb. A-2.2). Vor allem die große Masse und Vielzahl der Bakterien im Darm stellen regelrecht ein eigenes Organ (Mikrobiom) dar. Sie dienen der Gesundheit, z. B. durch die Produktion antimikrobieller Wirkstoffe oder auch durch den Entzug von Nährstoffen, welche von pathogenen Keimen benötigt werden, oder durch Stimulierung des Immunsystems und anderer Organe. Manche Keime dieser autochthonen Flora sind fakultativ pathogen, sodass endogene Infektionen möglich sind. Offensichtlich sind auch Organe, die bislang als steril erachtet wurden, wie etwa die Harnblase und die Plazenta, natürlicherweise kolonisiert. ▶ Merke. Die menschlichen Körperstellen und Exkremente, die von jeweils charak-

teristischen Populationen von Mikroorganismen besiedelt sind: Mundhöhle, Darm ■ Lunge ■ Haut ■ Harnblase ■ Vagina, Cervix uteri, Uterus und Plazenta ■ Muttermilch ■ männlicher Samen. ■

Die Menge und Art der Mikroorganismen variiert zwischen den verschiedenen Körperstellen und ist abhängig von Alter und Lebensbedingungen. Die größte Keimdichte herrscht mit ca. 1014 Bakterienzellen im Dickdarm. Die Menge des fremden Genmaterials ist etwa 150-mal größer als die des menschlichen Genoms, daher spricht man von einem 2. Genom. Der Mensch erlebt so als Holobiont eine Symbiose eigener und fremder Gene.

⊙ A-2.2

Je nach Alter und den Lebensbedingungen beherbergen diese Körperstellen ständig eine Standortflora, die evtl. noch durch transiente Keime ergänzt werden kann. Während früher nur die kultivierbaren Keime gezählt wurden, hat sich durch die Anwendung von modernen Methoden der Molekularbiologie, wie etwa dem Next Generation Sequencing (NGS) (S. 53), die Möglichkeit ergeben, das gesamte Fremdgenom zu bestimmen. Dieses Femdgenom besteht aus > 1000 verschiedenen Mikroben nämlich aus Viren (z. B. Bakteriophagen), Bakterien, Pilzen und Protozoen. Die Menge der Mikroorganismen variiert stark in den einzelnen Körperstellen (Abb. A-2.2). In der Lunge treten > 600 verschiedene Spezies auf. Die größte Keimdichte findet man im Dickdarm mit ca. 1014 Bakterienzellen, während der menschliche Körper dagegen aus nur 1012 Zellen besteht! Die Menge des fremden Genmaterials mit ca. 3,3 Millionen Genen ist etwa 150-fach größer als das menschliche Genom; man spricht von einem 2. Genom. Der Mensch als Holobiont erlebt also eine Symbiose von körpereigenen und vielen körperfremden Genen.

⊙ A-2.2

Keimbesiedlung im Mund bis in den Darm ca. 1014 Bakterienzellen im Gastrointestinaltrakt

Mundhöhle (106 Bakterien/ml) ca. 200 Spezies •vergrünende Streptokokken •Neisseria •Veillonella •Porphyromonas u.a.

Magen (101 Bakterien/ml) • Helicobacter pylori Ileum (108 Bakterien/ml) •vergrünende Streptokokken •Enterokokken •Pneumokokken •Escherichia •Bacteroides •Lactobacillus •Bifidobacterium u.a.

Kolon (1010 –1011 Bakterien/g) 400–500 Spezies •Bacteroidetes •Firmicutes – Enterococcus – Peptostreptococcus – Bacillus – Clostridium – Lactobacillus – Bifidobacterium •Proteobakterien – Escherichia – Klebsiella – Enterobacter – Proteus ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

A

Dieses natürliche Ökosystem besteht z. T. aus harmlosen Kommensalen, aber auch aus potenziell pathogenen Mikroorganismen und solchen, welche die Entwicklung und die Homöostase des Menschen dirigieren. Beispielsweise regulieren die Darmmikroben regional die Peristaltik, die Durchblutung des Darmes sowie die sekretorische Aktivität der Darmepithelzellen. Sie beeinflussen auch die Funktionen diverser Organe. Unter anderem die Funktion des Gehirns („Die Darm-Hirn-Achse“), es gibt Hinweise auf eine ursächliche Rolle bei Autismus. Die Entwicklung des Immunsystems des Darmes und darüber hinaus auch des gesamten Körpers wird durch das Mikrobiom gesteuert: So ist es beteiligt an der Entstehung von Asthma sowie von chronischen Entzündungen des Darmes und der Gelenke. Auch bei der Entstehung des metabolischen Syndroms oder des Diabetes mellitus spielt es eine Rolle. Die Darmflora dient zudem auch als Quelle für endogene Infektionen mit potenziell pathogenen Erregern. Also Freund oder Feind? Die stoffwechselaktiven Darmbakterien produzieren massenhaft Enzyme, Vitamine (speziell Vitamin K) und andere Stoffe wie etwa die kurzkettigen Fettsäuren (z. B. short-chain fatty acids; SCFAs). Ihre Metaboliten nennt man das Metabolom. Somit ist der Darminhalt als ein eigenes Organ mit ca. 2 kg Gewicht zu betrachten. Einige Beispiele für Auswirkungen des Mikrobioms des Darmes sind ■ Abbau von Fremdstoffen (Xenobiotika) wie Toxinen und Kanzerogenen, z. B. Acrylamid. Allerdings können manche Bakterien kanzerogene Nahrungsbestandteile auch aktivieren, z. B. indem sie Nitrosamin aus Nitrit und Nitrat erzeugen! ■ Eubacterium spp. und weitere Bakterien sowie Pilze degradieren Mykotoxine, wie Aflatoxin, Ochratoxin und Fumonisin, s. Kapitel Mykologie (S. 475), in der Nahrung. ■ Modulation von Pharmaka: Östrogene und Herzglykoside, welche in der Leber glukuronidiert und damit inaktiv wurden, werden im Kolon deglukoronidiert. Diese pharmakologisch aktiven Derivate tragen zur Effektivtät bei. Die Wirkung mancher Krebstherapien hängt daher z. T. von der Zusammensetzung der Darmflora ab. ■ Viele der üblichen Darmbakterien verwerten Gallensäuren und können so bewirken, dass etwa die Sporen von Clostridium difficile nicht mehr in der Lage sind auszukeimen. Da nur die vegetativen Bakterienzellen die schädlichen Toxine bilden können, unterbleibt so eine Enteritis. ■ Firmicutes können mit ihren Enzymen auch pflanzliche Fasern spalten, sodass schlussendlich eine bessere Futterverwertung resultiert. Bis zu 20 % mehr Kalorien können aus der Nahrung gewonnen werden. Das Körpergewicht wird also in erheblichem Maße durch die Zusammensetzung der Darmflora bedingt. ■ Harmlose Darmbakterien tragen zur „colonization resistance“ bei, indem sie z. B. mittels Bacteriocinen (S. 302) und Peroxiden die Kolonisierung mit fremden, pathogenen Erregern verhindern. ■ Die harmlose Standortflora verdrängt pathogene Erreger von den Mukosazellen und verhindert somit deren Adhäsion und damit schon den Beginn einer Schädigung. ■ Bakterielle Metaboliten, z. B. SCFA, ernähren die Darmepithelzellen (Enterozyten). ■ Produktion von Vitaminen (Vitamin K). ■ Stimulierung und Erziehung des mukosaassoziierten Immunsystems (cross talk between bacteria and the immune system). Eine ganz besondere Rolle spielen die kurzkettigen Fettsäuren, die sog. short-chain fatty acids (SCFAs), die das Mikrobiom im Darm aus pflanzlichen Kohlenhydraten bildet. ▶ Merke. Die Rolle der SCFAs (short-chain fatty acids) ■







23

2.2 Mikroorganismen als Nützlinge bzw. Schädlinge

Der Einfluss der natürlichen Keimflora für den Menschen ist am Beispiel der Darmflora dargestellt. Sie hat positiven wie negativen Einfluss. Ist sie also Freund oder Feind?

Das Metabolom stoffwechselaktiver Darmbakterien enthält massenhaft Enzyme, Vitamine und Fettsäuren (z. B. short-chain fatty acids; SCFAs), so kann der Darminhalt als eigenes Organ betrachtet werden.

▶ Merke.

rasche Absorption durch die Darmepithelzellen: – Butyrat wird von den Darmepithelzellen als notwendige Energiequelle genutzt – Propionat wird hauptsächlich von der Leber verwendet – Acetat wird systemisch verteilt und erreicht periphere Gewebe. SCFAs stärken die lokale Abwehr: Sie induzieren die Produktion von IgA und Zytokinen, wie IL 17 und IL 22. Weiterhin stimulieren sie die Produktion von RegIIIγ, einem antimikrobiellen Lektin, in der Schleimhaut. Die Ergänzung der Nahrung mit unverdaulichen pflanzlichen Stoffen erhöht die Produktion von SCFA, wovon der Mensch profitiert. Vor allem Faecalibacterium, welches vor chronischen Entzündungen im Darm schützt, produziert viele SCFAs.

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24

A

Die Darmflora ist erstaunlich stabil und schützt sich selbst vor Störungen (Resilienz). Äußere Faktoren, wie Essgewohnheiten, spielen jedoch eine große Rolle.

Die Bakterienpopulation im Darm (Tab. A-2.1) kann in 3 verschiedene Enterotypen eingeteilt werden: ■ Bacteroidestyp ■ Prevotellatyp oder ■ Ruminoccocustyp. Sie variieren mit den Essgewohnheiten, Allgemeinzustand und Alter eines Individuums.

≡ A-2.1

2 Allgemeine Infektionslehre

Die Stabilität der Darmflora ist bei einem Individuum beträchtlich. Die Resilienz, d. h. der Schutz vor Störungen, wird von den Bakterien selbst bewerkstelligt, z. B. mittels Bacteriocinen. Diverse äußere Faktoren können jedoch auf die Zusammensetzung der Darmflora Einfluss nehmen. Die Essgewohnheiten spielen eine große Rolle, wobei der Verzehr von proteinhaltiger, tierischer Nahrung, etwa Fleisch, die Bacteroidetesgruppe, eine pflanzliche Kost dagegen Prevotella begünstigt. Viele andere Lebensmittel, wie etwa Kaffee, ändern auch die bakterielle Zusammensetzung. Die Bakterienpopulation im Darm (Tab. A-2.1) lässt sich bei verschiedenen Individuen in 3 verschiedene Enterotypen einteilen: Bacteroidestyp, Prevotellatyp oder Ruminococcustyp. Den Bacteroidestyp findet man überwiegend bei Menschen, die tierische Eiweiße (Fleisch) und ungesättigte Fette verspeisen. Diese Menschen weisen gehäuft Fettleber, Insulinresistenz und Kolonkarzinom sowie Immunoseneszenz, konstante niedriggradige Entzündungen im Darm und eine CRP-Erhöhung auf. Menschen mit Prevotellatyp ernähren sich überwiegend mit faserhaltiger Nahrung; assoziiert sind rheumatoide Arthritis, Diabetes mellitus Typ 2 oder auch vorangegangene längere Antibiotikatherapien. Die Flora vom Ruminococcustyp ist gekennzeichnet durch eine hohe Diversität. Die Neigung zu Entzündungen ist bei Personen mit diesem Enterotyp vermindert, die Gefahr für Atherosklerose erhöht. Vom Säuglingsalter bis hin zum Greisenalter verändert sich die Darmflora. Auffälliger Weise dominieren beim Erwachsenen die Anaerobier deutlich. Die aeroben Darmbakterien, wie etwa E. coli, bilden also nur einen Bruchteil der gesamten Mikroben.

Zusammensetzung der bakteriellen Darmflora des Menschen

Anteil

Gruppe

Beispiele

60 %

Firmicutes (grampositive Bakterien)

Prevotella, Clostridium (darunter Ruminococcus), Eubacterium, Bifidobakterien, Bacillus (z. B. Slackia), Lactobacillus, Roseburia, Enterokokken

5%

Firmicutes

Faecalibacterium prausnitzii

10 %

Bacteroidetes (gramnegative Anaerobier)

Bacteroides, Porphyromonas, Eggerthella, Alistipes

5–10 %

Verrucomicrobia (anaerobe, eigentümliche Keime)

Akkermansia

ca. 10 %

Archaebakterien

1%

Proteobakterien (aerobe, gramnegative Stäbchen)

Präbiotika, z. B. unverdaubare Zucker wie Laktulose, haben eine wachstumsfördernde Wirkung auf die autochthone Darmflora.

Eine als Dysbiose bezeichnete gestörte Flora kann mit Krankheiten assoziiert sein. Ist die Darmflora schwer gestört, kann der Zustand mittels Stuhltransplantation verbessert werden.

▶ Exkurs.

Probiotika, z. B. Milchsäurebakterien (Lactobacillus) oder Sprosspilze (Saccharomyces), haben einen gesundheitsfördernden Einfluss auf den Wirt.

E. coli

Durch eine gezielte Auswahl von Nahrungsmitteln, den sog. Präbiotika, wie Laktulose (einem nicht resorbierbaren Zucker), versucht man die Zusammensetzung der Darmflora so zu steuern, dass Fehlbesiedelungen vermieden und die „guten“ Darmbakterien begünstigt werden. Auch diverse Medikamente beeinflussen die Darmflora, wobei besonders die Protonenpumpeninhibitoren und die Antibiotika zu nennen sind, aber auch Laxativa, Metformin, Betablocker und Opiate. Eine gestörte Flora, die als Dysbiose bezeichnet wird, kann mit Krankheiten assoziiert sein. So sind bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, einige Leitkeime, z. B. Faecalibacterium prausnitzii vermindert; auch im Alter nehmen die Firmicutes ab und dafür dominieren eher die Bacteroidetes. Bei schwer gestörter Darmflora kann, durch Stuhltransplantation von einem gesunden Spender, versucht werden, den Zustand zu verbessern. ▶ Exkurs. In Deutschland war früher die sog. „Dreckmedizin“ gegen vielerlei Beschwerden weit verbreitet. Der kranke Martin Luther schrieb aus dem Rheinland an seine Frau Katharina v. Bora in Wittenberg: „Liebe Katharina auch Dein Dreck hat mir nicht geholfen!“

Als Nährungsergänzungsmittel werden Probiotika wie Lactobacillus-Arten oder Sprosspilze, etwa Saccharomyces, eingesetzt, um die Stuhlflora im positiven Sinn zu manipulieren. Die Idee dabei ist, die Vermehrung von pathogene Bakterien zu hemmen und die Adhäsion von pathogenen Erregern an die Schleimhaut zu verhindern, weil die Stellen bereits durch harmlose Probiotika besetzt sind, und so das mukosaassoziierte Immunsystem zu stimulieren.

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A

⊙ A-2.3

25

2.3 Mikroorganismen als Krankheitserreger

Ilja Metschnikow: Nobelpreis 1908 für Medizin in Anerkennung seiner Arbeiten über die Immunologie, speziell über die Phagozytose

⊙ A-2.3

(Fotografie von Félix Nadar)

▶ Exkurs. Der Nobelpreisträger Ilja Metchnikoff (Abb. A-2.3) wollte alt werden. Da er hörte, dass besonders in Bulgarien die Menschen alt werden, züchtete er aus dem Stuhl eines 100-jährigen Bulgaren Bakterien, den Lactobacillus bulgaricus (heute: Lactobacillus delbrueckii var. bulgarica), an. Diesen vermehrte er in Milch und trank regelmäßig diese Bakteriensuspension, weil er dachte, dass auch ihm diese Bakterien zu einem langen Leben verhelfen würden. Er setzte sie also als Probiotikum ein. Als er mit ca. 70 Jahren verstarb, meinte er, dass er früher hätte damit beginnen sollen. Er verkaufte das Patent an einen belgischen Molkereibesitzer, sodass wir heute unseren Joghurt davon ableiten.

▶ Exkurs.

▶ Exkurs. Die Abhängigkeit von der eigenen Flora ist bei manchen Lebewesen noch viel deutlicher! Rinder können nur deswegen von der pflanzlichen Nahrung leben, weil sie im Pansen Bakterien beherbergen, welche Pflanzenfasern spalten und resorbierbare Produkte liefern. Viele Mikrofilarien, z. B. bei Onchocerca volulus (S. 570), haben in ihrem Darm Bakterien der Gattung Wolbachia als Endosymbionten, ohne die sie sich nicht vermehren könnten.

▶ Exkurs.

2.3

Mikroorganismen als Krankheitserreger

Für den Mediziner steht die Pathogenität der Mikroorganismen im Vordergrund. Dabei sind unter den Millionen von Keimen nur einige Hunderte gefährlich. Einige davon besiedeln den menschlichen Körper ständig und schädigen diesen erst bei einer für den Erreger „günstigen“ Gelegenheit („Opportunisten“). Andere werden von außen auf den Menschen übertragen und können ihn entweder vorübergehend kolonisieren oder sofort infizieren. Im Prinzip lösen pathogene Keime drei verschiedene Reaktionen aus: ■ Allergie: Die ständige Auseinandersetzung des Immunsystems mit den pathogenen, aber auch apathogenen Keimen und ihren Produkten aus der Umwelt bzw. der körpereigenen Flora, fordert das angeborene und das erworbene Immunsystem des Menschen zu einer andauernden Leistungsbereitschaft heraus. Das eigentliche Ziel ist zwar, die Infektion zu verhindern, aber gelegentlich kann diese Reaktion auch überschießend oder fehlerhaft sein, sodass sich keine protektive Immunität, sondern eine allergische Reaktion entwickelt. ■ Intoxikation: Einige Mikroorganismen führen zur Erkrankung, ohne dass sie selbst in den Wirtsorganismus eindringen bzw. eine Entzündung hervorrufen. Hier wird der menschliche Organismus durch die Aufnahme von sezernierten Toxinen (Giften) gestört und geschädigt. ■ Infektion: Diese kann also sowohl durch exogene als auch durch endogene Mikroorganismen ausgelöst werden. Ausmaß und Folgen einer Infektionskrankheit hängen von der Suszeptibilität (Empfänglichkeit bzw. Abwehrbereitschaft) des Patienten und vom Grad der Pathogenität (Schädlichkeit) des Erregers ab.

2.3

Mikroorganismen als Krankheitserreger Aus Sicht des Mediziners ist vor allem die Pathogenität eines Mikroorganismus wichtig. Manche können auch Allergien und Intoxikation auslösen. Auch apathogene Mikroorganismen der Umgebung können eine allergische Wirkung haben.

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26 Keime haben verschiedene Virulenzfaktoren wie Enzyme, Toxine oder Adhäsionsfaktoren. Sie sind entscheidend dafür, wie schnell und wie stark sich ein Erreger im Wirtsorganismus ausbreitet.

▶ Exkurs.

Die Kontagiosität beschreibt die Fähigkeit eines Keimes, eine Infektion hervorzurufen (Tab. A-2.2).

≡ A-2.2

A

2 Allgemeine Infektionslehre

Wie schnell und wie stark sich ein Erreger im Wirtsorganismus ausbreitet, hängt neben der Abwehrlage des Wirtes ganz entscheidend von der Aggressivität des Erregers ab. Dazu haben Keime verschiedene Virulenzfaktoren, die je nach genetischer Ausstattung und Situation in unterschiedlicher Menge produziert werden können. Dies können Enzyme, Toxine oder Adhäsionsfaktoren sein, die in einer konzertierten Aktion je nach Bedarf zum Zuge kommen. Die Folgen einer Infektion für Gesundheit und Leben eines Menschen sind in starkem Maße von Wirtsfaktoren abhängig. So ist z. B. die Prognose einer Infektion mit dem Pilz Scedosporium bei Vorliegen einer Abwehrschwäche äußerst schlecht, die Mortalität liegt mit > 90 % sehr hoch, obwohl der Pilz nicht sehr pathogen ist. Dieser fast harmlose Umweltkeim kann deswegen als typischer Opportunist bezeichnet werden. ▶ Exkurs. Manche Mikroorganismen sind mit vielen Virulenzfaktoren ausgerüstet. Wenn solche Erreger (z. B. Yersinia pestis) in einen menschlichen Organismus gelangen, können sie sich trotz heftiger Gegenwehr des Wirtes vermehren und eine Infektion verursachen. In diesen Fällen sind dann auch junge, gesunde Menschen gefährdet. Solche Keime nennt man obligat pathogen. Andere Keime dagegen sind fakultativ pathogen, d. h. sie können nur dann eine Erkrankung auslösen, wenn die Bedingungen für sie geeignet sind. So besiedeln bei vielen gesunden Menschen Pilze der Art Candida albicans den Mund, ohne dass dadurch Krankheitssymptome entstehen. Ändert sich jedoch das Milieu (z. B. durch ein schlecht sitzendes Gebiss, welches die Schleimhaut reizt oder wenn sich die lokale Immunität der Schleimhaut reduziert, z. B. durch Infektion mit HIV), können die Pilze in die Schleimhaut eindringen und einen Soor hervorrufen, der mit einem flächenhaft weißen Belag und einer schmerzhaften, entzündlichen Reaktion des umliegenden Gewebes einhergeht. Man nennt solche Erreger, die eine günstige Gelegenheit abpassen, Opportunisten. Sogar eigentlich ziemlich harmlose Umweltkeime, wie etwa Schimmelpilze der Arten Aspergillus fumigatus oder Rhizopus pusillus, können z. B. bei Leukämiepatienten, die wegen einer zytostatischen Therapie in eine lang anhaltende Neutropeniephase geraten, eine Infektion der Lunge oder auch des Gehirns bedingen. Solche Mikroorganismen mit wenig Aggressivität können sich demnach bei entsprechend schwerer Schädigung der Abwehrlage als Opportunisten entpuppen.

Die Kontagiosität beschreibt die Fähigkeit eines Keimes, bei Kontakt auch die „Chance“ zu nutzen und eine Infektion hervorzurufen. Im Einzelfall sind dafür viele verschiedene Eigenschaften verantwortlich. Bei hoch kontagiösen Keimen reicht oft schon eine kurze Expositionszeit gegenüber einer geringen Keimmenge aus, um eine Krankheit auszulösen. Ein Maß für die Gefährlichkeit von Keimen ist die minimale Infektionsdosis (Tab. A-2.2).

≡ A-2.2

Minimale Infektionsdosen, die für die Auslösung einer manifesten Infektion eines Erwachsenen notwendig sind.

Salmonella

> 108 Keime

Shigella

> 102 Keime

Lamblien

> 102 Keime

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A

3

Diagnostik

3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7

Anamnese. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinische Zeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinisch-chemische Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . Histologische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildgebende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mikrobiologische Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . Umgang mit potenziell pathogenen Mikroorganismen

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

27 27 29 31 32 33 66

© motorik - Fotolia.com

Herbert Hof, Udo Reischl

3.1

Anamnese

3.1

Anamnese

Herbert Hof Fragen zu beruflicher Exposition, sozialem Status, Reiseanamnese, Alter („Kinderkrankheiten“), Kontakt mit Erkrankten, vorangegangene Aufenthalte im Krankenhaus oder im Altenheim, genetische oder erworbene Prädisposition und Impfstatus können hilfreiche Hinweise für oder wider das Vorliegen einer bestimmten Infektionskrankheit bieten. Der bisherige Verlauf der Krankheit – akut oder chronisch – und subjektiv empfundene Beschwerden sind weitere wichtige Anhaltspunkte.

3.2

Klinische Zeichen

Berufliche Exposition, sozialer Status, Reiseanamnese, Alter („Kinderkrankheiten“), Kontakt mit Erkrankten, vorangegangene Aufenthalte im Krankenhaus oder im Altenheim, genetische oder erworbene Prädisposition, Impfstatus, bisheriger Verlauf der Krankheit.

3.2

Klinische Zeichen

Herbert Hof Einige Infektionskrankheiten gehen mit ganz charakteristischen Symptomen einher (S. 617), sodass der Arzt ohne Weiteres eine ziemlich sichere Diagnose stellen kann. Bei Röteln, Masern, Windpocken, u. a. bestehen typische Hauteffloreszenzen (Abb. A-3.1). Dagegen ist z. B. das Auftreten eines Ikterus zwar ein starkes Verdachtsmoment für das Vorliegen einer Hepatitis, aber kein endgültiger Beweis, da auch andere Ursachen dieses Symptom hervorrufen können. Der stakkatoartige Husten bei Infektion mit Bordetella pertussis erlaubt zumindest eine annähernde Diagnose, vor allem, wenn ein solcher Fall während einer Epidemie auftritt. Allerdings gibt es auch Fälle, die nicht klassisch verlaufen, daneben können auch manche Viren ganz ähnliche Symptome induzieren, wobei aber die Konsequenzen ganz unterschiedlich wären. Deshalb ist in vielen Fällen eine Bestätigung der Verdachtsdiagnose durch eine eingehende Labordiagnostik sinnvoll. Die Schwellung von peripheren, drainierenden Lymphknoten und der Milz, dem drainierenden Lymphknoten des Blutes, beobachtet man bei vielen Infektionen.

⊙ A-3.1

a

Einige Infektionskrankheiten gehen mit ganz charakteristischen Symptomen einher (S. 617), sodass der Arzt ohne Weiteres eine ziemlich sichere Diagnose stellen kann (Abb. A-3.1). Allerdings gibt es auch Fälle, die nicht klassisch verlaufen.

Typische Hauteffloreszenzen bei Röteln, Masern und Windpocken

b

c

a Bei Röteln sieht man zuerst ein Erythem (d. h. Rötung im Niveau der Haut) und später entwickeln sich Papeln, die leicht das Niveau der Haut überragen (beim Tasten spürt man die Unebenheiten der Haut). Die Einzeleffloreszenz ist etwa stecknadelkopfgroß. Alle Effloreszenzen sind in etwa demselben Entwicklungsstadium. (Gortner, L., Meyer, S.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme; 2018) b Bei Masern besteht ebenfalls ein Erythem und eine leichte Papelbildung; die Einzeleffloreszenz ist jedoch stecknadelspitzengroß; jedoch können gelegentlich die Einzeleffloreszenzen konfluieren und sind dann wie bei Röteln stecknadelkopfgroß. Alle Effloreszenzen sind im gleichen Entwicklungsstadium. c Bei den Windpocken sieht man gleichzeitig alle Stadien der Effloreszenzen nebeneinander, nämlich Erythem, Papel, Pustel, geplatzte und verschorfte Pusteln.

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28

A

Fieber ist ein Leitsymptom für viele Infektionen, wobei neben der Höhe der erreichten Temperaturen auch der Verlauf der Fieberkurve bewertet werden muss (Abb. A-3.2).

▶ Merke.

3 Diagnostik

Plötzlich einsetzende Übelkeit und schwallartiges Erbrechen, gefolgt von Durchfall, sind deutliche Hinweise auf eine Norovirusinfektion (S. 205), vor allem in den Wintermonaten („winter vomiting disease“). Bei Durchfall kann die Beschaffenheit des Stuhles auf die Ätiologie hinweisen. So ist der Stuhl bei Cholera (S. 423) und bei ETEC (S. 410) typischerweise wässrig, bei Shigellainfektion (S. 407) dagegen blutig. Fieber ist für viele Infektionskrankheiten ein Leitsymptom, wobei neben der Höhe der erreichten Temperaturen auch der Verlauf der Fieberkurve (Fiebertypen) bewertet werden muss: Während bei den meisten Fieberreaktionen ein abendlicher Temperaturanstieg erwartet wird, entsteht beim Typhus, einer zyklischen Infektion mit kontinuierlicher Freisetzung von Endotoxin, über 1–2 Wochen eine Kontinua auf hohem Niveau (Abb. A-3.2). Ein undulierendes Fieber, welches abfällt, um nach Tagen wieder anzusteigen, ist typisch für die Brucellose. Allgemein bekannt ist auch der zyklische Fieberanfall bei Malaria, nämlich an jedem 3. Tag (Malaria tertiana) oder 4. Tag (Malaria quartana). ▶ Merke. Das Warnsignal Fieber kann fehlen, z. B. im Alter oder unter antipyreti-

scher Therapie.

⊙ A-3.2

Fieberkurven

Temperatur (°C )

Kontinua (z.B. Typhus ) 40 39 38 37 36

Tage intermittierendes Fieber mit Schüttelfrösten (z.B. Sepsis)

Temperatur (°C)

Manche Infektionskrankheiten induzieren typische Fieberverlaufskurven, wobei die Höhe der Temperatur, die Dauer der Fieberschübe und die zeitlichen Intervalle zwischen den einzelnen Schüben variieren können.

Schüttelfrost

remittierendes Fieber (z.B. Tuberkulose)

40 39 38 37 36

Tage

Temperatur (°C )

Wechselfieber (Rhythmusfieber) (z.B. Malaria) 3-Tage-Fieber 4-Tage-Fieber 40 39 38 37 36

Tage

Temperatur (°C )

Tage undulierendes Fieber (z.B. Brucellose) 40 39 38 37 36

Tage

Temperatur (°C )

doppelgipfliges Fieber (z.B. Virusgrippe) 40 39 38 37 36

Tage

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A

Vor 2000 Jahren von Celsus beschrieben und später von Galen ergänzt, gelten Rubor, Calor, Tumor, Dolor und Functio laesa als Kardinalzeichen der Entzündung, hervorgerufen durch mikrobielle Erreger: ■ Durch Freisetzung von Entzündungsmediatoren (Prostaglandine, Kinine u. a.) werden die Gefäße weit gestellt, sodass diese Areale besser durchblutet werden, was Rubor und Calor zur Folge hat. ■ Da auch die Permeabilitätsbarriere des Endothels betroffen ist, kommt es zu einer Extravasation von Lymphe und zu einer Diapedese von Entzündungszellen, sodass das Gewebe an Zellmasse und Turgor zunimmt (Tumor). ■ Dieser gesteigerte Druck, zusammen mit Entzündungsmediatoren, stimuliert die sensiblen Nervenendigungen, was den Schmerz (Dolor) erzeugt. ■ Zur Schonung und Schmerzvermeidung werden solche entzündliche Gebiete (z. B. Gelenke) ruhig gestellt, was eine Funktionseinschränkung (Functio laesa) bedeutet.

3.3

29

3.3 Klinisch-chemische Merkmale

Klinisch-chemische Merkmale

Die Kardinalzeichen der Entzündung sind: ■ Rubor (Rötung) ■ Calor (Überwärmung) ■ Tumor (Schwellung) ■ Dolor (Schmerz) ■ Functio laesa (Funktionseinschränkung).

3.3

Klinisch-chemische Merkmale

Herbert Hof Als Folge von Infektionen ändern sich manche Parameter, die mithilfe der Klinischen Chemie nachgewiesen werden. So steigen beim Leberzerfall während einer Hepatitis die Blutspiegel von Transaminasen, z. B. von Aspartat-Aminotransferase und besonders von Alanin-Aminotransferase, stark an. Bei Durchfall droht wegen starker Verluste ein Kaliummangel. Bei bakterieller Meningitis sind im Liquor cerebrospinalis die Spiegel von Glukose erniedrigt; dagegen steigen die Werte von Eiweiß und Laktat an. Im Verlauf von vielen chronischen Infektionen kommt es zu einer Autoimmunreaktion, dem Antiphospholipidsyndrom (S. 692), das durch Bestimmung von Antikörpern gegen körpereigene Phospholipide erkannt werden kann. Auch der Rheumafaktor, d. h. Antikörper der Klasse IgM gegen den Fc-Anteil von IgG, entsteht als Folge von verschiedenen chronischen Infektionen; jedoch ist dieser Autoantikörper auch bei diversen anderen Autoimmunkrankheiten ohne mikrobiellen Grund vorhanden, etwa der rheumatoiden Arthritis, dem Lupus erythematodes und der Sklerodermie. ▶ Merke. CCP (cyclic citrullinated peptide)-Antikörper sind aussagekräftiger für

Als Folge von Infektionen ändern sich manche physiologischen Parameter (z. B. Transaminasen, Glukose, Eiweiß und Laktat). Bei vielen chronischen Infektionen kommt es zu einer Autoimmunreaktion, dem Antiphospholipidsyndrom (S. 692). Auch der Rheumafaktor entsteht als Folge von verschiedenen chronischen Infektionen.

▶ Merke.

eine rheumatoide Arthritis als der Rheumafaktor. Darüber hinaus gibt es noch ganz charakteristische Zeichen von Infektionen: Eisenspiegel: Bei Infektionen ganz generell ist der Eisenspiegel (und auch der Kupferspiegel) im Serum erniedrigt, weil diese Elemente aus der Zirkulation in die Gewebemakrophagen transportiert werden, um so unter anderem den Bakterien einen essenziellen Wachstumsfaktor vorzuenthalten. Fieber und Hepcidin, ein AkutePhase-Protein, steuern diese Prozesse. Eine Hyposiderinämie steigert die unspezifische Infektabwehr, während eine Eisenüberladung, z. B. nach Bluttransfusionen, zu einer Infektanfälligkeit führt. Der Normalwert im Serum liegt bei 10–30 μmol/l.

Der Eisenspiegel im Serum ist bei Infektionen meist erniedrigt (normal 10–30 μmol/l).

Akute-Phase-Proteine: Das C-reaktive Protein (CRP) ist das auffälligste der AkutePhase-Proteine, neben Ferritin, Hepcidin, Serumamyloid A, Haptoglobin, α-Antitrypsin, Fibrinogen, Coeruloplasmin sowie den Komplementfaktoren C 3, C 4 (Abb. A-3.3). Unter dem Einfluss hauptsächlich von IL-1 und IL-6, welche z. B. aus Makrophagen bei Kontakt mit Bakterien freigesetzt werden, kommt es innerhalb von wenigen Stunden in den Leberzellen zu einer gesteigerten Synthese und Freisetzung von CRP, einem Protein, das definitionsgemäß mit dem C-Polysaccharid aus der Kapsel von Pneumokokken reagiert. Darüber hinaus funktioniert es aber als generelles Opsonin und Stimulans für weitere Entzündungsmediatoren und verstärkt somit die unspezifische Infektabwehr. Wenige Stunden bis Tage nach dem Stimulus wird die Synthese von CRP wieder gedrosselt. Die quantitative Bestimmung erlaubt also eine zeitnahe Objektivierung von Entzündungsgeschehen. Die Höhe der CRP-Spiegel verläuft parallel zum Ausmaß der Gewebsschäden. Eine Verlaufskontrolle der Spiegel gibt ein objektives Maß zur Bewertung von Therapieerfolgen; diese Messwerte sind somit aussagekräftiger als z. B. die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG), die immer 2 Tage hinter dem CRP-Spiegel herhinkt (Abb. A-3.4).

Die Akute-Phase-Proteine, vor allem das CRP (C-reaktives Protein), sind bei Infektionen erhöht (Abb. A-3.3). Die Serumspiegel von CRP reagieren empfindlicher als die Blutsenkungsgeschwindigkeit. Der CRP-Normalwert beträgt 0–5 mg/l.

Die Höhe der CRP-Spiegel verläuft parallel zum Ausmaß der Gewebsschäden und ist aussagekräftiger als z. B. die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG, Abb. A-3.4).

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30 ⊙ A-3.3

A

3 Diagnostik

⊙ A-3.3

Serumproteine während einer „akuten Phase“ Unmittelbar nach einer Infektion, einem Trauma, einem Herzinfarkt oder einem operativen Eingriff ändert sich die Zusammensetzung der Serumproteine. Der Gehalt mancher Proteine, darunter vor allem das CRP (C-reaktives Protein), steigt rasch und sehr stark an, wogegen andere Werte, wie etwa Komplementfaktor C 3, nur wenig erhöht sind.

250 200 150 100

⊙ A-3.4

⊙ A-3.4

CRP

Albumin

Transferrin

Haptoglobin

Immunglobuline

IgM IgG IgA

saures α1-Glykoprotein

50 C3-Komplement

Prozentsatz vom Normalwert

1000

Wertigkeit von CRP und BSG

70

10 Infektion

50 40

6

30

4

20 2 0

CRP kann aber auch bei nicht infektiösen Prozessen erhöht sein (z. B. bei rheumatoider Arthritis, Morbus Still, Morbus Reiter, Morbus Crohn, Morbus Bechterew).

CRP wird auch bei nicht entzündlichen Ursachen, z. B. nach chirurgischen Eingriffen oder Herzinfarkt, produziert. Es ist also kein spezifischer Entzündungsmarker! Procalcitonin wird als Marker für akute bakterielle Infektionen angesehen (normal 0,1 μg/l).

10 2

4

6

8 Tage

10

12

BSG (mm/h )

CRP (mg/dl)

60 8

Der Serumgehalt an CRP (C-reaktives Protein) steigt innerhalb weniger Stunden nach dem Reiz an, abhängig vom Ausmaß der Schädigung. Nach dem Geschehen sinkt der Wert bald wieder ab. Dagegen erhöht sich die BSG (Blutsenkungsgeschwindigkeit) erst Tage später und fällt auch erst später wieder ab. Somit ergibt die Bestimmung von CRP ein aktuelleres Bild als die BSG.

0

Auch bei manchen, nicht erregerbedingten Entzündungen steigt das CRP über den Normalwert an, z. B. bei der rheumatoiden Arthritis (primär chronischen Polyarthritis), Morbus Still, Morbus Reiter, Morbus Crohn, Morbus Bechterew, während bei anderen, klinisch ähnlichen Bildern der CRP-Spiegel unauffällig bleibt, z. B. bei Lupus erythematodes, Sklerodermie, Colitis ulcerosa. Hier trägt also das CRP zur Differenzialdiagnose bei. Aber auch bei nicht entzündlichen Ursachen wird CRP produziert, z. B. bei Herzinfarkt mit Gewebsnekrosen und überhaupt nach chirurgischen Eingriffen, sodass dann die CRP-Spiegel kein Maß für den Infektionsverlauf sind. Procalcitonin: Nach Stimulation durch Tumornekrosefaktor (TNFα) produzieren nahezu alle Zellen des Körpers dieses Prohormon. Es wird als Marker für akute bakterielle Infektionen, speziell von Sepsis und Pneumonie, propagiert. Innerhalb von 2–6 Stunden – also noch vor dem CRP – nach einem Reiz steigt der Serumwert von normal 0,1 μg/l auf bis zu 20 μg/l an und sinkt auch relativ schnell wieder ab. Somit ist dieser Parameter auch zur Bewertung des Therapieerfolges von Antibiotika bei bakteriellen Infektionen geeignet.

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A

Differenzialblutbild: gibt oft wichtige Hinweise. Eine Leukozytose, bestehend aus polymorphkernigen Granulozyten, evtl. noch charakterisiert durch eine Häufung von jugendlichen Granulozyten (Linksverschiebung), tritt wenige Stunden nach einem bakteriellen Reiz auf, zunächst durch rasche Mobilisierung dieser Zellen aus einer Reserve, sofern der Körper dazu überhaupt noch in der Lage ist. Bei alten Menschen und chronisch Kranken muss man mit einer Knochenmarkinsuffizienz rechnen; auch Neugeborene haben nur einen begrenzten Pool an abrufbaren Leukozyten. Später, d. h. nach Tagen, folgen dann auch neu gebildete Granulozyten. Manche Infektionen, z. B. Typhus, gehen aber geradezu typischerweise mit einer Leukozytopenie einher. In anderen Fällen kommt es zu einer Veränderung in der Zahl und dem Aussehen der Lymphozyten. Absolute und relative Lymphozytose sind geradezu klassisch für Keuchhusten, auch bei vielen viralen Infektionen sind mononukleäre lymphozytäre Zellen stärker vermehrt als Granulozyten. Ganz charakteristische Zellveränderungen sieht man im peripheren Blut bei Mononukleose. Nach fortschreitender Infektion mit HIV kommt es zu einem Verlust der CD4+-T-Lymphozyten. Die Relation zu den CD8+-Zellen ist verschoben.

3.4

31

3.4 Histologische Verfahren

Histologische Verfahren

Das Differenzialblutbild zeigt bei bakteriellen Infekten meist eine Leukozytose mit Linksverschiebung. Manche Infektionen, z. B. Typhus, gehen aber geradezu typischerweise mit einer Leukozytopenie einher. In anderen Fällen kommt es zu einer Veränderung in der Zahl (z. B. Lymphozytose bei Keuchhusten) und dem Aussehen der Lymphozyten (z. B. Zellveränderungen bei Mononukleose). Bei HIV-Infektion gehen vor allem CD4+-T-Lymphozyten zugrunde; die Relation zu den CD8+-T-Lymphozyten verschiebt sich.

3.4

Histologische Verfahren

Herbert Hof Die eingewanderten Infektionserreger und die darauf folgende entzündliche Reaktion (Inflammation) hinterlassen in den infizierten Organen typische Spuren, die in makroskopischen und mikroskopischen Untersuchungen von Organen bzw. Biopsien erkannt werden können: ■ Ödem: Eine erste Gewebereaktion auf eine mikrobielle Noxe ist die erhöhte Permeabilität der Kapillarwand, sodass aus dem Blut verstärkt eiweißreiche Flüssigkeit ins Gewebe gelangt (Extravasation durch Schrankenstörung). Die verletzten Areale schwellen dadurch an – es bildet sich ein Ödem und die ortsständigen Strukturen werden verdrängt. ■ Eiter, bestehend aus Granulozyten, die ins infizierte Gewebe eingewandert sind, aus Zelldetritus und eiweißreicher Lymphe, ist charakteristisch für eine akute, meist bakterielle Entzündung. Im Verlauf von Tagen und Wochen wird der Anteil von Makrophagen größer. Später, wenn die Infektion schon fast überwunden ist, treten gehäuft eosinophile Granulozyten auf („eosinophile Morgenröte“). Durch Bakterien und ihre Produkte können Konsistenz, Farbe und Geruch des Eiters beeinflusst werden, was der erfahrene Kliniker mit zur Diagnose heranzieht. Klassisch ist der blaugrüne Eiter, der nach Lindenblüten duftet, bei Infektionen mit Pseudomonas aeruginosa. ■ Granulome entstehen bei länger anhaltenden Reizen; bei der Tuberkulose ist das Tuberkulom mit zentraler Verkäsung (wo schon das Gewebe homogenisiert ist) einem Rand mit epitheloiden Zellen, d. h. aktivierten Makrophagen und einem Wall von Lymphozyten (Abb. A-3.5), pathognomonisch.

⊙ A-3.5

Infektionsfolgen in infizierten Organen können in makroskopischen und mikroskopischen Untersuchungen von Organen bzw. Biopsien erkannt werden. ■

Ödem: Durch eine Schädigung der Kapillarwand wird die Permeabilität für eiweißreiche Flüssigkeit erhöht, Folge ist eine Ödembildung im Gewebe.



Eiter: Typisch für eine akute bakterielle Infektion ist die Bildung von Eiter, bestehend aus Granulozyten, Zelldetritus, lebenden und toten Bakterien und eiweißreicher Lymphe.



Granulome mit Makrophagen als vorherrschender Zelle, umgeben von Lymphozyten (Abb. A-3.5) entstehen oft bei chronischen Entzündungsprozessen.

⊙ A-3.5

Schema des entzündlichen Granuloms 1 Zentrale Nekrose mit vollständiger Homogenisierung der zellulären Elemente (Verkäsung). 2 Rand mit epitheloiden Zellen, d. h. aktivierten Makrophagen, erkennbar an dem großen, gelappten Zellkern und dem großen, zart gefärbten Zytoplasma. 3 Wall von kleinzelligen Lymphozyten mit rundem Kern und wenig Zytoplasmasaum. Meist T-Lymphozyten.

1 2 3

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32

A ■



Gelegentlich zeigen infizierte Einzelzellen charakteristische Veränderungen (z. B. Eulenaugenzellen bei Zytomegalie).

3.5

Bildgebende Verfahren



3 Diagnostik

Manchmal gelingt der Nachweis von typisch geformten oder spezifisch angefärbten Erregern im histologischen Schnitt, etwa von Leishmanien (S. 543), Tuberkulosebakterien (S. 379) oder Pilzen (S. 479). Gelegentlich sind einzelne Gewebszellen durch den Erreger in ganz charakteristischer Weise umgebaut, z. B. die Eulenaugenzellen bei Zytomegalie oder die NegriKörperchen im Zytoplasma der Neurone bei Infektion mit Tollwutvirus.

3.5

Bildgebende Verfahren

Herbert Hof Röntgenbild, CT bzw. Ultraschall zeigen gelegentlich typische Veränderungen (Extravasation, Infiltration, Abb. A-3.6). Auch Folgezustände, z. B. Verkalkungen, sind erkennbar (Abb. A-3.7).

⊙ A-3.6

Der Gewebeumbau, der im Verlauf einer Infektion erfolgt (Extravasation, Infiltration, Destruktion), lässt sich auch im Röntgenbild, CT bzw. Ultraschall erfassen (Abb. A-3.6). Die Lokalisation und die Art der Zeichnung geben Hinweise für die Ursache, und die Ausdehnung ist ein Maß für die Entwicklung der Erkrankung. Auch Folgezustände, z. B. Verkalkungen als Zeichen einer abgelaufenen, chronischen Entzündung, lassen sich erkennen (Abb. A-3.7).

⊙ A-3.6

Lobärpneumonie, Mittellappen

Verschattung Erguss

Breitflächige, diffuse Verschattung des rechten Mittel- und Unterlappens bei „Lobär“-Pneumonie.

⊙ A-3.7

Verkalkung nach Infektion (hier nach Tuberkulose) a Röntgenaufnahme des Thorax von einem 46-jährigen Mann nach ausgeheilter Tuberkulose. In der linken Lungenspitze 2 ca. 1 cm große kalkdichte Rundschatten (Pfeile). b Die verkalkten Rundherde sind im Tomogramm deutlich erkennbar (Pfeile).

a

b

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A

3.6

33

3.6 Mikrobiologische Diagnostik

Mikrobiologische Diagnostik

3.6

Mikrobiologische Diagnostik

3.6.1

Präanalytik

Herbert Hof, Udo Reischl

3.6.1 Präanalytik Herbert Hof

Probenentnahme

Probenentnahme ▶ Merke.

▶ Merke. Der Erfolg der labordiagnostischen Maßnahmen hängt entscheidend von

der Qualität der eingesandten Untersuchungsprobe ab. Die Phase der Präanalytik hängt ab von Art und Herkunft des Materials, sachkundiger Gewinnung, Zeitpunkt der Entnahme, Menge, Sterilität, Lagerung, Transport, exakter Kennzeichnung (Begleitschein) sowie von Zusatzinformationen (z. B. Angabe über gewünschte Tests). Die Proben können am besten durch Punktion oder als Tupferabstriche mittels direkter Materialentnahme gewonnen werden. Gegebenenfalls kann auch Spülmaterial hilfreich sein.

Die Probengewinnung erfolgt durch Punktion oder Abstrich.

▶ Merke.

▶ Merke. Bei einer Infektion der unteren Luftwege ist „Sputum“ recht wenig aus-

sagekräftig, da oft gar kein Sputum, also Sekret aus dem Bronchialtrakt, sondern Speichel (eben „Spucke“) geliefert wird. Dies ist im mikroskopischen Bild leicht zu erkennen, da im Speichel allenfalls Plattenepithelzellen, im Sputum jedoch Eiterzellen und Zylinderepithelzellen zu finden sind. Vor allem beim Schwerkranken werden heute aufwendigere Abnahmemethoden (Trachealsekret, bronchoalveoläre Lavage = BAL) eingesetzt, die entsprechend bessere Resultate erbringen (Tab. A-3.1).

≡ A-3.1

Wertigkeit von verschiedenen Abnahmetechniken von Material aus den Atemwegen zur Diagnostik von Infektionen (am Beispiel des Nachweises von Pneumocystis jirovecii)

Materialgewinnung

Vorteil/Nachteil

Erfolg

Wertigkeit

Trachealsekret

Vermischung von lokaler Flora der Trachea mit Mundflora

53 %

+

Bronchialspülung

nur Spülung, dabei Vermischung von lokaler Flora der Trachea mit Mundflora

53 %

+

bronchoalveoläre Lavage (BAL)

mechanische Blockade der Bronchien: Spülung distal davon

82 %

+++

transbronchiale Biopsie

Mundflora wird abgetrennt, Eingriff ist aber stark belastend

83 %

+++

Direkte Materialentnahme

Direkte Materialentnahme

Tupferabstriche (Stieltupfer): Es handelt sich um ein steriles Aufnahmemedium (in der Regel Watte), aber auch bürstenförmig geformte Kunststoffe, die am Ende eines Stiels aufgebracht sind. Zum Zwecke der Anzucht von Erregern werden die Tupfer in ein feuchtes Milieu, z. B. Gelatine, gesteckt, sodass die Erreger auf dem Transport überleben und ggf. schon beginnen, sich zu vermehren. Wenn ein molekularbiologischer Nachweis von mikrobieller DNA oder RNA, z. B. mittels PCR, verlangt ist, wäre die Gelatine inhibierend, sodass dafür trockene Tupfer besser geeignet sind.

Tupferabstriche: Steriles Aufnahmemedium auf einem Holz- oder Kunststoffstiel (Stieltupfer). Zum Transport enthalten die Systeme ein Medium, in dem die Keime überleben und ggf. sich auch schon vermehren können.

Vorteil: einfache Handhabung, Zugang auch zu kleinen Körperhöhlen (Gehörgang, Nase etc.).

Vorteil: einfache Handhabung, Zugang auch zu kleinen Körperhöhlen.

Nachteil: kleine Menge an Untersuchungsmaterial, keine exakte Quantifizierung der Keimflora.

Nachteil: kleine Menge, keine Quantifizierung der Keimflora.

Blut: Die Entnahme von Blutproben unterscheidet sich abhängig von ihrem späteren Verwendungszweck: ■ Blutkultur: Bei Verdacht auf Sepsis oder Bakteriämie 2 × 5–10 ml Venenblut zum aeroben und anaeroben Keimnachweis entnehmen, wobei die aerobe Flasche noch belüftet wird. Bei Kleinkindern reichen evtl. auch geringere Volumina, da die Keimkonzentrationen im Blut höher sind. Mehr als 3 Flaschenpaare pro Tag sind meist nicht indiziert. Bei Verdacht auf Fungämie ggf. eine Spezialflasche beimpfen. Vorher muss die Haut sorgfältig desinfiziert werden, da sonst eine Kontamination

Blut: Die Probenentnahme ist abhängig vom späteren Verwendungszweck: ■

Blutkultur: 2 × 5–10 ml Venenblut bei Verdacht auf Bakteriämie oder Sepsis.

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A

3.6

33

3.6 Mikrobiologische Diagnostik

Mikrobiologische Diagnostik

3.6

Mikrobiologische Diagnostik

3.6.1

Präanalytik

Herbert Hof, Udo Reischl

3.6.1 Präanalytik Herbert Hof

Probenentnahme

Probenentnahme ▶ Merke.

▶ Merke. Der Erfolg der labordiagnostischen Maßnahmen hängt entscheidend von

der Qualität der eingesandten Untersuchungsprobe ab. Die Phase der Präanalytik hängt ab von Art und Herkunft des Materials, sachkundiger Gewinnung, Zeitpunkt der Entnahme, Menge, Sterilität, Lagerung, Transport, exakter Kennzeichnung (Begleitschein) sowie von Zusatzinformationen (z. B. Angabe über gewünschte Tests). Die Proben können am besten durch Punktion oder als Tupferabstriche mittels direkter Materialentnahme gewonnen werden. Gegebenenfalls kann auch Spülmaterial hilfreich sein.

Die Probengewinnung erfolgt durch Punktion oder Abstrich.

▶ Merke.

▶ Merke. Bei einer Infektion der unteren Luftwege ist „Sputum“ recht wenig aus-

sagekräftig, da oft gar kein Sputum, also Sekret aus dem Bronchialtrakt, sondern Speichel (eben „Spucke“) geliefert wird. Dies ist im mikroskopischen Bild leicht zu erkennen, da im Speichel allenfalls Plattenepithelzellen, im Sputum jedoch Eiterzellen und Zylinderepithelzellen zu finden sind. Vor allem beim Schwerkranken werden heute aufwendigere Abnahmemethoden (Trachealsekret, bronchoalveoläre Lavage = BAL) eingesetzt, die entsprechend bessere Resultate erbringen (Tab. A-3.1).

≡ A-3.1

Wertigkeit von verschiedenen Abnahmetechniken von Material aus den Atemwegen zur Diagnostik von Infektionen (am Beispiel des Nachweises von Pneumocystis jirovecii)

Materialgewinnung

Vorteil/Nachteil

Erfolg

Wertigkeit

Trachealsekret

Vermischung von lokaler Flora der Trachea mit Mundflora

53 %

+

Bronchialspülung

nur Spülung, dabei Vermischung von lokaler Flora der Trachea mit Mundflora

53 %

+

bronchoalveoläre Lavage (BAL)

mechanische Blockade der Bronchien: Spülung distal davon

82 %

+++

transbronchiale Biopsie

Mundflora wird abgetrennt, Eingriff ist aber stark belastend

83 %

+++

Direkte Materialentnahme

Direkte Materialentnahme

Tupferabstriche (Stieltupfer): Es handelt sich um ein steriles Aufnahmemedium (in der Regel Watte), aber auch bürstenförmig geformte Kunststoffe, die am Ende eines Stiels aufgebracht sind. Zum Zwecke der Anzucht von Erregern werden die Tupfer in ein feuchtes Milieu, z. B. Gelatine, gesteckt, sodass die Erreger auf dem Transport überleben und ggf. schon beginnen, sich zu vermehren. Wenn ein molekularbiologischer Nachweis von mikrobieller DNA oder RNA, z. B. mittels PCR, verlangt ist, wäre die Gelatine inhibierend, sodass dafür trockene Tupfer besser geeignet sind.

Tupferabstriche: Steriles Aufnahmemedium auf einem Holz- oder Kunststoffstiel (Stieltupfer). Zum Transport enthalten die Systeme ein Medium, in dem die Keime überleben und ggf. sich auch schon vermehren können.

Vorteil: einfache Handhabung, Zugang auch zu kleinen Körperhöhlen (Gehörgang, Nase etc.).

Vorteil: einfache Handhabung, Zugang auch zu kleinen Körperhöhlen.

Nachteil: kleine Menge an Untersuchungsmaterial, keine exakte Quantifizierung der Keimflora.

Nachteil: kleine Menge, keine Quantifizierung der Keimflora.

Blut: Die Entnahme von Blutproben unterscheidet sich abhängig von ihrem späteren Verwendungszweck: ■ Blutkultur: Bei Verdacht auf Sepsis oder Bakteriämie 2 × 5–10 ml Venenblut zum aeroben und anaeroben Keimnachweis entnehmen, wobei die aerobe Flasche noch belüftet wird. Bei Kleinkindern reichen evtl. auch geringere Volumina, da die Keimkonzentrationen im Blut höher sind. Mehr als 3 Flaschenpaare pro Tag sind meist nicht indiziert. Bei Verdacht auf Fungämie ggf. eine Spezialflasche beimpfen. Vorher muss die Haut sorgfältig desinfiziert werden, da sonst eine Kontamination

Blut: Die Probenentnahme ist abhängig vom späteren Verwendungszweck: ■

Blutkultur: 2 × 5–10 ml Venenblut bei Verdacht auf Bakteriämie oder Sepsis.

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34

A



Serologie: Zum Antikörper- bzw. Antigennachweis sterile Gewinnung ohne Zusätze.





Polymerasekettenreaktion (PCR) (S. 50): Durch EDTA ungerinnbar gemachte Probe.



▶ Merke.

3 Diagnostik

mit residenter Flora erfolgt; dennoch bleibt eine Kontaminationsgefahr durch Keime in den Hautkrypten bestehen, z. B. durch koagulasenegative Staphylokokken oder Propionibakterien (S. 357) (Abb. D-2.3), die durch oberflächliche Desinfektion nicht komplett beseitigt werden. (Bakterien in anderen Flüssigkeiten, z. B. Liquor oder Gelenkpunktat, können ebenfalls in einer Blutkulturflasche angereichert werden.) Um die Wirkung von Antibiotika im Blut des Patienten zu minimieren, enthalten manche Systeme Kunstharze für die Adsorption und Neutralisierung. Die Flaschen sollten während des Transports bei Zimmertemperatur gelagert werden. Serologie: Zum Nachweis von spezifischen Antikörpern bzw. Antigenen im Serum muss das Material steril ohne jegliche Zusätze gewonnen werden. Das geronnene Blut kann dann entweder sofort zentrifugiert werden, um das Serum vom Blutkuchen zu trennen, oder als Vollblut ins Labor geschickt werden. Sollen mehrere Fragestellungen gleichzeitig geklärt werden, ist es empfehlenswert, mit dem Labor über die erforderlichen Volumina Rücksprache zu halten. Da eine 1-malige Feststellung der Antikörpermenge (Titer) oft nicht genügt, ist eine spätere Serumprobe nötig, um einen Titerverlauf zu sehen. Polymerasekettenreaktion (PCR) (S. 50): Zunächst muss das Blut durch EDTA ungerinnbar gemacht werden (Zitrat und Heparin sind wenig geeignet). Die hohe Empfindlichkeit der PCR erlaubt den Nachweis von nur wenigen Genomkopien, sodass auch schon bei einer minimalen exogenen Kontamination der Probe falsch positive Befunde entstehen.

▶ Merke. Proben, die für die PCR bestimmt sind, sollten daher ausschließlich dafür

reserviert werden. Unmittelbar nach der Abnahme sollten sie verschlossen und bis zum Zeitpunkt der Untersuchung im Labor nicht mehr geöffnet werden! Urin: Mittelstrahl- oder Blasenurin nach suprapubischer Punktion. Die Gewinnung von Mittelstrahlurin ist oft fehlerhaft. Vor allem bei Frauen besteht die Möglichkeit der Kontamination mit Hautkeimen.

▶ Exkurs.

Urin: Die Gewinnung von Mittelstrahlurin ist oft fehlerhaft. Der Patient muss zuvor genau instruiert werden! Vor allem bei Frauen besteht die Möglichkeit der Kontamination mit Hautkeimen; deswegen müssen die Labien vor dem Auffangen des Urins mit Wasser und Seife gereinigt und gespreizt werden. Dennoch besteht die Möglichkeit, dass die Standortflora der Urethra in das Material gelangt. Katheterurin nur, wenn der Blasenkatheter bereits wegen anderer Indikation liegt. Alleinige Katheterisierung der Blase nur zum Zwecke einer Uringewinnung ist nicht sinnvoll (Gefahr iatrogener Infektionen). Punktionsurin hat die geringste Gefahr der Kontamination. Da sich während dem Transport die Keimzahl und der relative Anteil der verschiedenen Bakterien verändern könnte, wird aus praktischen Gründen eine Eintauchmethode angewandt. ▶ Exkurs. Uringewinnung Mittelstrahlurin (Spontanurin): Die Koloniezahl im Urin spielt für die Diagnose der Harnwegsinfektionen eine erhebliche Rolle. Eine korrekte Entnahmetechnik bei der Urinprobe ist für die richtige Interpretation von großer Bedeutung. Vor allem bei Frauen wird der Urin leicht durch Bakterien der Hautflora kontaminiert. Deshalb sollten die Patienten eine detaillierte Anleitung erhalten: ■ Spreizen der Labien bzw. Zurückziehen der Vorhaut ■ Reinigung der äußeren Harnröhrenöffnung ■ Verwerfen der ersten Portion des Urins ■ Sammeln des Mittelstrahlurins in einem sterilen Gefäß. Der Urin sollte möglichst schnell untersucht werden, da sonst nachträglich eine Keimvermehrung stattfinden und das Ergebnis verfälschen könnte. Besser ist die Verwendung von Eintauchobjektträgern (Abb. A-3.8). Ein Harnwegsinfekt wird erst bei Koloniezahlen ab 105/ml im Morgenurin angenommen. Kleinere Koloniezahlen gelten als Kontamination. Transurethraler Katheterurin: Bei der Entnahme wird die Kontamination mit passagerer Hautflora vermindert, allerdings steigt die Gefahr der Verschleppung von Keimen von der äußeren Harnröhrenöffnung in die Blase. Diese Probenentnahme sollte also unter strenger Sorgfalt erfolgen. Suprapubischer Punktionsurin: Diese Form der Uringewinnung unter sterilen Kautelen ist zur Klärung von Problemfällen notwendig. Der Urin ist nicht immer steril, daher sind geringe Keimmengen nicht aussagekräftig.

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A

⊙ A-3.8

35

3.6 Mikrobiologische Diagnostik

Semiquantitative Keimzahlbestimmung im Urin Keimzahl 1000/ml

103

10 000/ml

104

50 000/ml

Objektträger in frischen Morgenurin tauchen. Nicht „rühren“!

Objektträger auf steriler Unterlage abtupfen.

Objektträger in Plastikbecher zurückstellen. Beschriftung nicht vergessen !

Zur Urindiagnostik werden verschiedene Methoden angewendet: ■ Inspektion: Trübungen oder sogar Blutbeimengungen sind Hinweise auf Infektionen. ■ Mikroskopische Untersuchung: Eine quantitative Bestimmung der Leukozyten, z. B. in der Zählkammer, zeigt das Ausmaß der entzündlichen Reaktion an. Bei einer Leukozyturie ist eine Harnwegsinfektion recht wahrscheinlich. Das Vorliegen von Leukozytenzylindern im Urinsediment ist ebenfalls ein deutlicher Hinweis. Oft kommt es bei einer akuten Zystitis zu einer Schleimhautschädigung mit Erosionsblutungen, sodass dann Erythrozyten im Urin zu finden sind. Auch eine grobe Abschätzung der Menge und der Art der Bakterien ist möglich. ■ Teststreifen: Da viele der uropathogenen Bakterien, z. B. E. coli, in der Lage sind, mittels ihrer Nitratreduktase aus Nitrat im Urin Nitrit zu bilden, ist die Nitritprobe hilfreich; Voraussetzung ist allerdings, dass der Patient mit der Nahrung Nitrat aufgenommen hatte und die Bakterien ausreichend Zeit hatten, dieses umzusetzen. Enterokokken, Staphylokokken und Pseudomonas bilden dagegen kein Nitrit. ■ Kulturelle Nachweisverfahren: Speziell der semiquantitativen Keimzahlbestimmung (Abb. A-3.8) kommt eine große Bedeutung zu; praktisch ist das Eintauchverfahren bei agarbeschichteten Objektträgern. Die Keimdifferenzierung erlaubt eine Wertung der Ursache bzw. der Prognose. ▶ Merke. Meistens ist ein einziger, spezieller Keim der Erreger einer Harnwegs-

100 000/ml

105

1 000 000/ml

106

Nach 24 Stunden Bebrütung bei 37 °C die Keimzahl ablesen. Vergleich mit Standardtabelle.

Die Urindiagnostik beinhaltet verschiedene Methoden: ■ Inspektion: Sichtprüfung auf Trübungen oder Blutbeimengungen. ■ Mikroskopische Untersuchung: Der Nachweis von Leukozyten und von Nitrit ist neben dem Keimnachweis ein wichtiges Kriterium für die Diagnose einer Harnwegsinfektion.



Teststreifen: V. a. Harnwegsinfekt bei Nachweis von Nitrit.



Kulturelle Nachweisverfahren: Eine semiquantitative Keimzahlbestimmung (Abb. A-3.8) im Morgenurin erhöht die Aussagekraft.

▶ Merke.

infektion. Wenn gleichzeitig mehr als 3 verschiedene Keimarten gefunden werden, muss im Allgemeinen eine falsche Probenentnahme unterstellt werden! Stuhl: Handelsübliche Entnahmesysteme (Stuhlröhrchen mit Löffelchen) sollten nicht randvoll, sondern etwa bis zur Hälfte gefüllt werden. Bei der Entnahme aus der Toilette sollten Beimengungen von Urin bzw. Spülwasser – speziell von Deomitteln – vermieden werden. Flachspültoiletten mit Auffangbecken sind für die Gewinnung geeignet. Bei Tiefspültoiletten ohne Auffangbecken helfen sog. Stuhlfänger. Für parasitologische Untersuchungen wird der Stuhl mikroskopisch untersucht. Für pathogene Keime wird eine Kultur auf verschiedenen Selektivnährböden angelegt. In manchen Fällen (Clostridium difficile, Noroviren, Parasiten) kann auch mittels ELISA ein Antigennachweis erfolgen. Aber auch molekularbiologische Nachweisverfahren (PCR) sind möglich.

Stuhl: Probe mit handelsüblichem System entnehmen.

Lungensekret: Expektoriertes Sputum ist oft mit Mundflora kontaminiert. Deswegen sollte man zuvor eine Mundspülung durchführen. Wenn spontan nicht genug Sputum produziert wird, kann man es durch Inhalation mit einer hyperosmolaren NaCl-Lösung induzieren. Besser ist bronchoskopisch entnommenes Sekret (Trachealsekret, BAL), darüber hinaus transtracheales Aspirat oder Lungenpunktionsmaterial (Tab. A-3.1); das Material kann mikroskopisch, kulturell oder molekularbiologisch untersucht werden.

Lungensekret: Sputum oder bronchoskopisch entnommenes Sekret (Tab. A-3.1).

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36

A

3 Diagnostik

Eiter, Wundsekret, Punktate, Exsudate, Transsudate, Liquor: mit Spritze entnehmen. Auf Sterilität achten.

Eiter, Wundsekrete, Punktate, Exsudate, Transsudate, Liquor: flüssiges Material mit Spritze entnehmen. Bei der Entnahme ist auf Sterilität zu achten, damit nicht Kontaminanten in das Probenmaterial gelangen. Solche Materialien eignen sich für die Mikroskopie, Kultur oder Molekularbiologie.

Duodenalsekret, Galle: im sterilen Röhrchen auffangen.

Duodenalsekret und Galle: flüssiges Material in sterilen Röhrchen auffangen. Wenige Erreger können mikroskopisch erfasst werden (z. B. Lamblien). Meist wird ein kultureller Nachweis versucht.

Gewebe: Biopsiematerial in sterile Behältnisse geben.

Gewebe: Für mikrobiologische Untersuchung sollte Biopsiematerial in sterile Behältnisse ohne Fixierlösung (Formalin) gegeben werden. Solche Proben eignen sich für die Mikroskopie, Kultur und die Molekularbiologie.

Abklatsch: Zur Kontrolle werden Nährböden auf infizierte bzw. kontaminierte Flächen gedrückt und bebrütet.

Abklatsch: Fertige, feste Nährböden werden auf infizierte bzw. kontaminierte Flächen aufgedrückt. Nach Transport ins Labor werden sie bebrütet und auf Wachstum kontrolliert. Ein praktischer Test beruht auf dem Tesafilmabklatsch. Ein Tesafilmstreifen wird mit der klebrigen Seite auf das Untersuchungsgut (Oberflächen, Anus) gepresst, sodass z. B. Pilzfäden und Pilzsporen bzw. Wurmeier hängenbleiben. Den Tesafilm legt man dann mit der klebrigen Seite auf einen Objektträger und schickt diesen ins Labor zur Mikroskopie.

Probentransport

Probentransport

Beim Probentransport kommt es darauf an, dass die Qualität des Materials nicht leidet und dass die Sicherheit gewährleistet ist.

Beim Probentransport muss einerseits gewährleistet sein, dass die Qualität des Materials nicht leidet; manche Erreger sind z. B. empfindlich gegen Temperatureinflüsse. Eine entscheidende Rolle spielt aber die Zeit; deswegen sollte der Transport ins Labor umgehend erfolgen. Daneben muss aber auch die Sicherheit gewährleistet sein. Die Probenbehälter und die Transportgefäße müssen bei möglichen Unfällen eine Freisetzung von potenziell pathogenen Keimen verhindern. Bei Versand von infektiösen Untersuchungsmaterialien mit der Post gibt es bestimmte Regeln. Die Probengefäße müssen vor Bruch geschützt werden und die Sendung muss als Biologischer Stoff der Kategorie B (UN 3 373) gekennzeichnet sein, um Gefahren für das Transportpersonal und die Allgemeinheit auszuschließen. Die Probe sollte in ein flüssigkeitsdichtes und staubdichtes Primärgefäß gefüllt sein, welches dann in ein Sekundärgefäß mit einer Saugeinlage zur evtl. Aufnahme des flüssigen Inhalts des Primärgefäßes gepackt wird. Der Transport von hoch gefährlichen Krankheitserregern der Risikogruppen III und IV (Tab. A-3.5), z. B. Tuberkuloseerreger oder Ebola-Viren, unterliegt als ansteckungsgefährlicher Stoff der Kategorie A für Menschen (UN 2814) noch strengeren Regeln. Dafür stehen gesonderte Transportbehälter für einen speziellen Gefahrguttransport zur Verfügung. Beigelegt sollte ein Auftragsschreiben sein, woraus neben der Adresse des Auftraggebers noch die Patientendaten und die gewünschte Untersuchung hervorgehen sollten; zusätzliche Angaben über die Klinik und die vorausgegangene Therapie sind für die Bewertung der Testergebnisse hilfreich. Bei Nennung der zugrunde liegenden Fragestellung kann der Mikrobiologe dem behandelnden Arzt evtl. mit seinem Fachwissen beistehen.

Die Probengefäße müssen flüssigkeitsdicht, staubdicht und bruchgeschützt sein. Die Sendung muss als Gefahrgut und zwar als Biologischer Stoff der Kategorie B gekennzeichnet sein.

Informationen an das Labor

Informationen an das Labor

Die Proben sind mit einem detaillierten Untersuchungsauftrag zu versehen.

Die Untersuchungsmaterialien müssen eindeutig gekennzeichnet und einem Untersuchungsauftrag unverwechselbar zugeordnet werden. Dieser sollte enthalten: ■ eine klare Aufgabenstellung (Zielauftrag/Definitionsauftrag) oder eine Verdachtsdiagnose oder eine Schilderung der wichtigsten anamnestischen und klinischen Daten (Mitwirkungsauftrag/Indikationsauftrag) ■ Angaben über eine bereits erfolgte Medikation, besonders bezüglich Antibiotika und Chemotherapeutika ■ Hinweise auf eventuelle Vorbefunde (auch negativer Art) ■ Zeit der Probenentnahme ■ Art der Probenentnahme.

▶ Exkurs.

▶ Exkurs. Einzelheiten der Probenentnahme, des Transportsystems und des Transportweges sollten prinzipiell für den Routinebetrieb und speziell bei besonderen Fragestellungen immer vorher mit dem mikrobiologischen Labor abgeklärt werden. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

A

37

3.6 Mikrobiologische Diagnostik

3.6.2 Analytik

3.6.2

Analytik

Herbert Hof, Udo Reischl Zur endgültigen Klärung einer Diagnose, speziell aber auch für eine gezielte antimikrobielle Chemotherapie, ist eine mikrobiologische Untersuchung erforderlich (Tab. A-3.2).

≡ A-3.2

Für die Möglichkeiten des Nachweises einer Infektionskrankheit s. Tab. A-3.2.

Möglichkeiten zum Nachweis einer Infektionskrankheit

direkt

indirekt



Isolierung des Krankheitserregers mittels Anzucht aus geeignetem Untersuchungsmaterial



mikroskopischer Nachweis (auch nicht anzüchtbarer Organismen)



Nachweis von Erregerbestandteilen (d. h. erregerspezifischen Antigenen)



Nachweis der spezifischen Zusammensetzung aus einzelnen Teilen (z. B. mittels Massenspektrometrie)



Nachweis erregertypischer Toxine oder Enzyme



Nachweis charakteristischer Genabschnitte, die entweder gruppenspezifisch oder stammspezifisch sein können



Nachweis erregerspezifischer Antikörper im Patientenserum



zelluläre Empfindlichkeitsreaktionen („Hauttests“, Lymphozytentransformationstests)

Für jede diagnostische Methode, sei sie direkt oder indirekt, muss die Zuverlässigkeit hinterfragt werden. Die Treffsicherheit und damit der Wert einer Methode wird durch die Parameter Sensitivität, Spezifität und Prädiktivwert charakterisiert.

Die Treffsicherheit eines Nachweisverfahrens wird charakterisiert durch dessen Sensitivität, Spezifität und Prädiktivwert.

Sensitivität: Die Sensitivität gibt an (in %), wie viele an einer Infektion erkrankte Personen mit dem Test sicher erfasst werden; sie berechnet sich nach der Formel:

Sensitivität: Gibt an, wie viele erkrankte Personen sicher mit dem Test erfasst werden.

Zahl der im Test positiv erkannten Kranken  100 Gesamtzahl aller Erkrankten Die höchste Sensitivität liegt theoretisch bei 100 %. Spezifität: Die Spezifität gibt an (in %), wie viele gesunde Personen mit dem Test sicher als gesund erkannt werden; sie berechnet sich nach der Formel:

Spezifität: Gibt an, wie viele gesunde Personen mit dem Test sicher als gesund erkannt werden.

Zahl der im Test negativ Erkannten  100 Gesamtzahl aller Negativen Die höchste Spezifität liegt theoretisch bei 100 %. Prädiktivwert: Der Prädiktivwert bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, mit der ein positives Testergebnis für das Vorliegen einer Infektion spricht (positiver Prädiktivwert), bzw. die Wahrscheinlichkeit, mit der ein negativer Testausfall eine Infektion sicher ausschließt (negativer Prädiktivwert). Untersuchungsmethoden, bei denen sowohl Sensitivität als auch Spezifität 100 % aufweisen, existieren nur theoretisch. In der Praxis geht eine hohe Sensitivität immer zu Lasten der Spezifität und umgekehrt. Die Differenzen sind heute bei sehr vielen Testverfahren sehr gering und nähern sich dem Idealwert von 100 %. Der Prädiktivwert ist abhängig von der Häufigkeit der zu diagnostizierenden Erkrankung. Gibt es nur wenige Krankheitsfälle (geringe Prävalenz), so wird der Prädiktivwert trotz hoher Sensitivität und Spezifität eines Untersuchungsverfahrens gering (sog. Bayes-Theorem).

Prädiktivwert: Bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, mit der ein positives Testergebnis für das Vorliegen einer Infektion spricht.

Mikroskopie

Mikroskopie

Bakterien sind im Lichtmikroskop bei 1000-facher Vergrößerung gerade noch sichtbar. Hierbei wird eine 100-fache Vergrößerung am Objektiv (Linse, die dem Objekt zugewandt ist) durch eine 10-fache Vergrößerung am Okular (Linse, durch die eingesehen wird) verstärkt. Wichtig ist eine zusätzliche Bündelung des Lichtes im Bereich des Objektivs. Zu diesem Zweck wird der Luftraum zwischen Objekt und Linse durch ein spezielles Öl (Immersionsöl) ersetzt, das die Lichtbrechung verändert. Pilze und Protozoen sind sehr viel größer und können bereits bei 40-facher und kleinerer Objektivvergrößerung sichtbar gemacht werden (40er Objektiv × 10-faches Okular), wobei hierzu die Verwendung von Immersionsöl nicht erforderlich ist.

Im Lichtmikroskop sind Bakterien bei 1000-facher Vergrößerung gerade noch sichtbar. Die Auflösung wird durch Immersionsöl verbessert. Pilze und Protozoen sind bereits bei 40facher Objektivvergrößerung gut erkennbar.

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38

A

3 Diagnostik

Im Lichtmikroskop können Bakterien, Pilze und Protozoen im lebenden oder toten Zustand besehen werden. Zu unterscheiden sind Nativ- (in der Regel ungefärbte mit lebenden Keimen) und fixierte (gefärbte mit abgetöteten Keimen) Präparate. Nativpräparate

Nativpräparate

Ungefärbte Präparate dienen der Betrachtung lebender Mikroorganismen. Zur Darstellung von Kryptokokken werden Tuschepartikel zugegeben (Abb. A-3.9).

Nativpräparate („wet mount“) dienen der Betrachtung lebender Mikroorganismen, oftmals zur Klärung der Frage nach der aktiven Beweglichkeit. Solche Präparate sind in der Regel ungefärbt (Ausnahme: seltene Vitalfärbungen) und deshalb kontrastarm. Zur Darstellung von Kryptokokken werden Tuschepartikel (nicht Tinte) zugegeben. Die großen, kapseltragenden Pilze verdrängen die Tuschepartikel und sind somit als große, helle Löcher in der Tusche zu sehen (Abb. A-3.9). Die Dunkelfeldmikroskopie erleichtert das Auffinden von beweglichen Bakterien, wie z. B. Treponema pallidum.

⊙ A-3.9

⊙ A-3.9

Liquor mit Kryptokokken und Leukozyten im Nativpräparat plus Tusche (40er-Objektiv)

Leukozyten ohne Kapsel

Kryptokokken mit mehr oder weniger dicker Kapsel

kapseltragende Kryptokokkenzelle, die sich gerade durch Sprossung vermehrt Die winzigen Tuschepartikel sind gleichmäßig suspendiert und absorbieren das durchtretende Licht, sodass der Hintergrund dunkel erscheint. Da, wo Leukozyten bzw. Kryptokokken die Tuschepartikel verdrängen, kann vermehrt Licht durchtreten. Der Durchmesser der hellen Zonen variiert je nach Dicke der Kapsel der Pilze; die Leukozyten in dem entzündeten Liquor sind dort zu vermuten, wo in einem hellen Fleck keine Kapsel sichtbar ist. Außerdem erkennt man eine Zelle, die sich gerade durch Sprossung vermehrt, was eben ein wichtiges Merkmal für „Sprosspilze“ ist

Gefärbte Präparate

Gefärbte Präparate

Erst nach Lufttrocknung werden die Objektträger hitzefixiert.

Die zumeist flüssigen Proben müssen auf dem Objektträger zunächst an der Luft trocknen. Danach werden die Träger 3-mal durch die leuchtende Flamme des Bunsenbrenners gezogen, um somit die Materialien zu fixieren. Dies bedeutet, dass die Mikroorganismen inaktiviert werden und dass gleichzeitig das Material mit der Oberfläche des Trägers verklebt und darauf fest haftet (gewisse Strukturveränderungen werden in Kauf genommen).

▶ Merke.

▶ Merke. Mykobakterien sind nicht leicht durch Hitze zu inaktivieren. Also Vorsicht

auch mit fixierten Objektträgern! Zum Nachweis von Parasiten in Stuhl und Blut werden andere chemische Verfahren der Fixierung verwendet. Die fixierten Objektträger werden gefärbt, wobei für bestimmte Zwecke spezielle Färbemethoden eingesetzt werden: Methylenblaufärbung ist schnell und zeigt die Formen der Bakterien deutlich (Abb. A-3.10).

Methylenblaufärbung: monochrome Färbung, die eine rasche, orientierende Information bringt. Dabei können vor allem die Formen der Körperzellen und der Mikroben beurteilt werden (Abb. A-3.10).

Fuchsin färbt zarte Bakterienstrukturen deutlich an (Abb. A-3.11).

Fuchsinfärbung: monochrome Färbung, wobei manch zartes Bakterium, z. B. Campylobacter, Borrelien und Protozoen, besser zur Darstellung gelangt (Abb. A-3.11). ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

A

⊙ A-3.10

39

3.6 Mikrobiologische Diagnostik

⊙ A-3.10

Methylenblau (Meningokokken) Die monochrome Färbung mit einem Farbstoff, in diesem Fall mit Methylenblau, lässt alle proteinhaltigen Strukturen blau erscheinen, eben auch die kleinen Bakterien (→).

⊙ A-3.11

⊙ A-3.11

Fuchsinfärbung (Zellkultur)

Zellkern

Zytoplasma

Toxoplasma

Die monochrome Färbung, diesmal mit Fuchsin, färbt alle proteinhaltigen Strukturen rötlich. Man erkennt in der infizierten Zellkultur die Mausperitonealmakrophagen mit ihrem großen, zart angefärbten Zytoplasma und einem ganz intensiv gefärbten Zellkern. Die intrazellulären Toxoplasmen sind ebenfalls stark gefärbt und heben sich deutlich vom Zytoplasma ab. Manche der Toxoplasmen haben sich verdoppelt und manche schon vervierfacht.

Gram-Färbung: Diese geläufige Routinefärbung erlaubt durch Verwendung mehrerer Farbstoffe und Differenzierungsschritte eine Trennung der Bakterien in zwei große Gruppen, nämlich die grampositiven (blau) und die gramnegativen (rot) Bakterien. Gefärbt wird der Zellleib; entscheidend für das Halten der Farbe bei der Differenzierung mit Alkohol ist die Zellwandstruktur (S. 289). Zusätzlich kann man noch die Bakterienform (Kokken, Stäbchen, Spiralen) erkennen. L-Formen (S. 295), ebenso wie Mykoplasmen und einige andere Bakterien, bleiben jedoch ungefärbt (Abb. A-3.12).

Die Gram-Färbung färbt grampositive Bakterien blau und gramnegative Bakterien rot (Abb. A-3.12).

Neisser-Färbung: Differenzialfärbung metachromatischer „Polkörperchen“ (dunkelbraun) und des Zellleibs (gelb) von C. diphtheriae.

In der Neisser-Färbung zeigt Corynebacterium diphtheriae deutliche Polkörperchen.

Ziehl-Neelsen-Färbung: Da Mykobakterien in ihrer Zellwand Wachse enthalten, bleiben diese Bakterien in wässrigen Farbstofflösungen ungefärbt und entgehen somit der Darstellung mit konventionellen Färbemethoden. Robert Koch hat gezeigt, dass die Wachsschicht bei Erwärmung durchlässig wird und diese Bakterien dann Farbstoff, z. B. Phenolfuchsin, aufnehmen, den sie dann auch durch Diffusion nicht wieder abgeben. Da sogar die Behandlung mit Salzsäure/Acetonlösung nicht dekolorisieren kann (Abb. A-3.13), gelten diese roten Mykobakterien als „säurefest“. Da aber alle Mykobakterien säurefest sind, kann man nicht nur spezifisch die pathogenen Tuberkelbakterien sehen. Auch manche andere Bakterienarten, z. B. Nocardien, erscheinen zumindest partiell säurefest.

Bei der Ziehl-Neelsen-Färbung wird unter Hitze der rote Farbstoff Phenolfuchsin durch die wachshaltige Wand in die Bakterienzelle gebracht. Später schützt die Wand selbst vor aggressiven Entfärbungsmitteln wie Salzsäure; sie bleibt rot gefärbt (Abb. A-3.13) und ist säurefest (z. B. Mykobakterien).

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40 ⊙ A-3.12

A

3 Diagnostik

⊙ A-3.12

Gram-Färbung

Vorgehensweise: 1. Schritt: nach Fixierung

2. Schritt: Färbung mit Gentianaviolett 3 Minuten 3. Schritt: Beizung mit Lugol’scher Lösung 1 Minute 4. Schritt: Differenzierung mit 96 % Alkohol

5. Schritt: Gegenfärbung mit Safranin 1 Minute Ergebnis: Grampositive Bakterien werden blau (I), gramnegative rot (II) gefärbt. I

⊙ A-3.13

⊙ A-3.13

II

Ziehl-Neelsen-Färbung

„säurefeste“ Stäbchen

Kerne von Entzündungszellen

residente Bakterienflora In dem eitrigen Sputum sind die blau gefärbten Entzündungszellen an dem gelappten Kern deutlich zu erkennen. Auch die residente, bunte Bakterienflora der oberen Luftwege ist blau gefärbt, obwohl nach dem ersten Färbeschritt mit Phenolfuchsin alle Strukturen rot waren. Die „säurefesten“ Stäbchen von Mycobacterium tuberculosis, die trotz Entfärbung mit starker Säure den aufgenommenen roten Farbstoff nicht wieder abgegeben haben, bleiben rot.

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A

⊙ A-3.14

41

3.6 Mikrobiologische Diagnostik

Giemsa-Färbung (Blutausstrich eines Patienten mit Malaria tropica) In mehreren Erythrozyten sieht man Plasmodien (Ringformen), die einen Kern (dunkelrot), manchmal sogar zwei Kerne besitzen. Einmal enthält ein Erythrozyt sogar zwei Ringformen.

Ringform

Ringform mit Doppelkern zwei Ringformen in einem Erythrozyten

⊙ A-3.15

⊙ A-3.15

Grocott-Gomori-Färbung (Nierenschnitt) In diesem Gewebsschnitt durch eine Niere sieht man im Bereich des Glomerulums eine nestförmige Ansammlung von Pilzelementen (Candida albicans), die mit Silber schwarz imprägniert sind.

Giemsa-Färbung: Plasmodien und Trypanosomen im peripheren Blut sowie Leishmanien in Knochenmark und Lymphknotenausstrichen lassen sich gut mit dieser Differenzialfärbung erkennen, wobei die Kerne rot und das Zytoplasma der Protozoen blau erscheinen (Abb. A-3.14).

Die Giemsa-Färbung wird zum Nachweis einiger Parasiten verwendet (Abb. A-3.14).

Grocott-Gomori-Färbung: Pilzelemente im Gewebe lassen sich mit den Silbersalzen schwarz anfärben (Abb. A-3.15).

Grocott-Gomori-Färbung: Pilzelemente erscheinen durch Silbersalze schwarz (Abb. A-3.15). Warton-Starr-Färbung: Silberimprägnierung von Bakterien.

Warton-Starr-Färbung: Durch Silberimprägnierung lassen sich auch Bakterien, z. B. Helicobacter pylori auf der Magenschleimhaut, und andere Bakterien, z. B. Nocardien, im Gewebe nachweisen. Immunfluoreszenz: Wenn eine Kultur der Erreger nicht möglich ist (speziell bei Viren) und wenn ein Nachweis schnell erfolgen soll, besteht die Möglichkeit, die Erreger aufgrund ihrer charakteristischen Antigenstruktur zu entdecken. Spezifische Antikörper können an die jeweiligen Antigene binden, sodass man den Erreger damit aufspürt (Immunfluoreszenztest, Abb. A-3.16). Diese Bindung wird entweder dadurch im Fluoreszenzmikroskop sichtbar gemacht (Abb. A-3.17), dass der spezifische Antikörper direkt mit Fluoreszein markiert ist oder dass in einem zweiten Schritt (Sandwich-Technik) ein gegen diesen Antikörper gerichteter fluoreszierender Antikörper das Antigen anzeigt (indirekt). Der Immunfluoreszenztest (IFT) wird vorwiegend zur Darstellung von Antigenen verwendet, die mit Zellen des Patienten assoziiert sind. Erkennt der spezifische Antikörper nur ein Epitop auf dem Erreger, wie dies bei einem monoklonalen Antikörper der Fall ist, besteht das Risiko, dass bei einer Mutation in diesem Antigenbereich der Erreger nicht erfasst wird; deswegen ist ein Cocktail von verschiedenen monoklonalen Antikörpern oder ein polyklonaler Antikörper besser.

Immunfluoreszenz: Fluoreszenzmarkierte Antikörper reagieren spezifisch mit entsprechenden Antigenen. Im Fluoreszenzmikroskop sieht man diese Bindung als leuchtende Stellen (Abb. A-3.17). Das Prinzip des Immunfluoreszenztests (IFT) zeigt Abb. A-3.16.

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42 ⊙ A-3.16

A

3 Diagnostik

Prinzip des Immunfluoreszenztests (IFT) zum Antigennachweis

1 Fixieren und Permeabilisieren der Zellmembran

virales Antigen Proteine virusinfizierte Zelle

2 Waschen und Zugabe eines virusspezifischen Antikörpers (Primärantikörper)

virusspezifischer Primärantikörper

3 Waschen und Zugabe eines fluorogenmarkierten Antikörpers mit Spezifität für den Primärantikörper

4 nach Inkubation und Waschen Betrachten der Fluoreszenz im Mikroskop

⊙ A-3.17

Die infizierten Zellen werden mit Alkohol fixiert (1), gewaschen und mit einem virusspezifischen Primärantikörper inkubiert (2). Nach erneutem Waschen wird ein zweiter Antikörper dazugegeben, der spezifisch für die schwere Kette des Primärantikörpers ist und mit einem fluoreszierenden Farbstoff gekoppelt ist (3). Nach dem Waschen wird die Probe unter dem Fluoreszenzmikroskop betrachtet: virusinfizierte Zellen leuchten nach UVAnregung auf (4).

Sekundärantikörper (Fluorogen)

Anregen im UV-Bereich

⊙ A-3.17

emittierte Fluoreszenz

Immunfluoreszenz Direkte Immunfluoreszenz mit linearer Ablagerung von Antikörpern der Klasse IgG an der periläsionalen Hautbiopsie einer Patientin mit Pemphigus gestationis. (Chapsa M., Heyne S., Schneiderat S. et al.: Pemphigoid gestationis. Aktuelle Dermatologie 2018; 44(06): 256– 259)

IgG

Die Erkennung und Interpretation der Fluoreszenz verlangt viel Erfahrung, sodass solche Ergebnisse kritisch gewertet werden müssen. Auch zum Nachweis von Autoimmunkrankheiten wird dieses Verfahren oft eingesetzt. Elektronenmikroskopie

Elektronenmikroskopie

Submikroskopische Erreger, z. B. Viren, können im Elektronenmikroskop erkannt werden (Abb. A-3.18).

Für den Nachweis der submikroskopisch kleinen Viren wird in manchen Speziallabors die Elektronenmikroskopie eingesetzt (Abb. A-3.18). Mit spezifischen Antikörpern lassen sich Viren fangen und anreichern, sodass mithilfe der Immunelektronenmikroskopie z. B. geringe Mengen an Viren im Stuhl bei Enteritis gefunden werden können.

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A

⊙ A-3.18

43

3.6 Mikrobiologische Diagnostik

Viren im elektronenmikroskopischen Bild (EM-Bild)

⊙ A-3.18

Aus dem Kot eines Kindes konnten Rotaviren angereichert werden, die dann elektronenmikroskopisch dargestellt wurden. (Quelle: Robert-Koch-Institut, Berlin, Hans R. Gelderblom [1983])

Kultur und Differenzierung von Erregern

Kultur und Differenzierung von Erregern

Die Koch-Postulate (s. Tab. A-1.1) benötigen für den exakten Beweis einer kausalen Verknüpfung zwischen Krankheit und Erreger eine Anzüchtung. Erst dies bringt also den unumstößlichen Befund.

Erst der kulturelle Nachweis des Erregers ist der endgültige Beweis der Erkrankungsursache.

Nachweis der Infektiosität von Viren

Nachweis der Infektiosität von Viren

Der Nachweis der Infektiosität nutzt die biologischen Fähigkeiten eines Virus, seine Wirtszellen auch in vitro zu infizieren. Da manche Viren aufgrund ihres Bauprinzips sehr fragil sind, stellt dieses Nachweisverfahren sehr hohe Ansprüche an die Qualität des Untersuchungsmaterials. Die Diagnose einer akuten Virusinfektion über den direkten Nachweis des infektiösen Agens ist nur bei möglichst frühzeitiger Abnahme der Probe nach Beginn der klinischen Symptomatik, also in der akuten Phase, möglich, da ein infektiöses Virus in der Regel innerhalb weniger Tage nach Beginn der Erkrankung vom Wirt eliminiert wird. Der Versuch der Virusanzucht kann prinzipiell aus allen Körpersekreten und Flüssigkeiten des Patienten unternommen werden. In der Regel wird dazu eine geringe Menge des Untersuchungsmaterials unter sterilen Bedingungen auf Einschichtrasen von Zellen verschiedener Herkunft gegeben. Zur Adsorption des Virus wird von den Zellen das Kulturmedium entfernt und gerade so viel Probenmenge auf die Zellen gegeben, dass sie nicht austrocknen. Nach einer Stunde ist die Majorität aller eventuell vorhandenen Viruspartikel an seinen Rezeptor gebunden. Nach 1-maligem vorsichtigem Waschen der Kultur wird wieder Kulturmedium aufgefüllt, und die Zellen werden in den nächsten Tagen mindestens alle 24 Stunden auf die Entwicklung eines zytopathogenen Effekts (CPE, s. u.) hin überprüft. Da bei unbekanntem Erreger der zur Anzucht geeignete Zelltyp nicht bestimmt werden kann und nicht alle Viren auf nur einem Typ von Zellrasen anwachsen, wird die Probe auf eine Serie verschiedener Zellen verimpft. Natürlich werden auch Zellrasen zur Kontrolle ausschließlich mit sterilem Kulturmedium scheininfiziert bzw. mit einem Laborstamm des unter Verdacht stehenden Virus inokuliert.

Der Nachweis der Infektiosität nutzt die biologischen Fähigkeiten eines Virus, seine Wirtszellen auch in vitro zu infizieren. Der direkte Nachweis des infektiösen Agens ist oft nur in der akuten Phase möglich.

Zur Anzucht eines Virus wird eine geringe Menge des Untersuchungsmaterials unter sterilen Bedingungen auf Einschichtrasen von Zellen verschiedener Herkunft gegeben, und die Zellen werden in den nächsten Tagen mindestens alle 24 Stunden auf die Entwicklung eines zytopathogenen Effekts hin überprüft.

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44 Zur exakten Identifikation des angezüchteten Virus wird eine Typisierung mithilfe von spezifischen Antikörpern vorgenommen. Nach Aussaat des Inokulats auf einen Zellrasen wird die Entwicklung eines zytopathogenen Effekts (CPE) überprüft. Diejenige Antikörperpräparation, die einen CPE verhindert, definiert den Serotyp des Virusisolats.

Aus der beschriebenen Vorgehensweise ist ersichtlich, dass die Isolation und Typisierung eines Virus sehr arbeitsaufwendig sind und keinesfalls als ein schnelles Verfahren gelten können.

▶ Merke.

A

3 Diagnostik

Bei manchen Viren gibt der sich entwickelnde zytopathogene Effekt (CPE) erste Hinweise auf das im Inokulat enthaltene Virus. So zeigen große Synzytien mit vielen Zellkernen ein Virus mit fusogenen Eigenschaften an. Trotz solcher Eingrenzungsmöglichkeiten muss zur exakten Identifikation des Virus eine Typisierung mithilfe von spezifischen Antikörpern vorgenommen werden. Dabei haben sich solche Antikörper besonders gut bewährt, die die Infektiosität des Virus neutralisieren können, da sie meistens eine typspezifische Determinante auf dem Virus erkennen. Dazu wird das angezüchtete Virusmaterial seriell verdünnt und mit einem Satz neutralisierender Antikörper inkubiert. Nach einer Stunde wird das Inokulat auf einen Zellrasen plattiert und die Entwicklung eines CPE überprüft. Diejenige Antikörperpräparation, die einen CPE verhindert, definiert den Serotyp des Virusisolats. Aus der beschriebenen Vorgehensweise ist ersichtlich, dass die Isolation und Typisierung eines Virus sehr arbeitsaufwendig sind und keinesfalls als ein schnelles Verfahren gelten können. In Extremfällen, bei sehr langsam wachsenden Viren, wie dem Zytomegalievirus, können bis zur Identifikation Wochen vergehen. Daher sind Anzuchtversuche keine Maßnahme der schnellen Akutdiagnostik, sondern dienen eher der Bestätigung eines Verdachts oder eines anderen Testsystems. Von allergrößter Bedeutung ist die exakte Identifikation bestimmter viraler Serotypen für die Epidemiologie des betreffenden Erregers. ▶ Merke. Virale Serotypen sind über ihre Neutralisierbarkeit durch homotypische

Antikörperpräparate definiert.

Kultur von Bakterien und Pilzen

Kultur von Bakterien und Pilzen

Ansprüche an das Nährmedium: Die meisten Bakterien geben sich mit einem komplexen Gemisch von anorganischen und organischen Stoffen zufrieden (Universalnährmedien). Nicht jeder Nährboden ist für jedes Bakterium geeignet. Daher gibt es Spezialnährböden für einzelne Erreger, ferner Elektivnährmedien, die bestimmte Keime fördern, oder Selektivnährmedien, die unerwünschte Keime unterdrücken.

Ansprüche an das Nährmedium: Die Mehrzahl der Bakterien und Pilze ist genügsam; sie geben sich mit demselben Standardgemisch aus anorganischen und organischen Stoffen (Universalnährmedien) zufrieden. Einzelne Bakterien sind so anspruchsvoll, dass es bis heute nicht gelungen ist, sie auf künstlichen Nährböden zu züchten, z. B. Tropheryma whipplei. Üblicherweise wird zur Anzucht ein Set von unterschiedlichen Universalnährmedien verwendet, wobei die Erfahrung zeigt, dass dem Gros der medizinisch relevanten Erreger diese Angebote genügen. Daneben müssen aber auch Spezialnährböden für einzelne Erreger bereitgehalten werden. Manchmal ist es wichtig, in Elektivnährmedien das Wachstum einzelner Erreger zu fördern bzw. in Selektivnährmedien das anderer zu unterdrücken. Außerdem werden chemische Inhibitoren, pH-Wert-Unterschiede, bestimmte Salzkonzentrationen oder Antibiotikazusätze verwendet, um einzelnen Bakterien Vorteile zu verschaffen. Endo-Agar bzw. McConkey-Agar verhindern durch Zugabe von bestimmten Farbstoffen und Gallensalzen das Wachstum grampositiver Bakterien.

Wertigkeit: Der kulturelle Nachweis von Bakterien ist noch lange kein Beleg für deren pathogenetische Bedeutung, denn es könnte sich auch um eine bloße Kolonisation oder auch Kontamination handeln.

Wertigkeit: In der Praxis besteht die Schwierigkeit darin, den positiven Befund richtig zu werten. Eine Präsenz von Erregern in unsterilem Gewebe, z. B. auf Haut und Schleimhäuten, kann nicht zwischen bloßer Besiedelung und einer Infektion unterscheiden. Bei der Untersuchung von Sputa, Rachenabstrichen und Urinen stellen sich solche Fragen automatisch. Auch bei sterilem Gewebe, z. B. Blut, kann ein positiver Befund entweder durch Kontamination mit residenter Flora der Haut oder durch Kontamination im Labor entstehen. Die Differenzierung und Typisierung sind dann weitere Schritte zur Bewertung des Befundes. Zunehmend wird auch der Nachweis von Virulenzfaktoren wichtig, unerlässlich sind z. B. der Toxinnachweis bei Corynebacterium diphtheriae oder der Nachweis von Verotoxin bei einem Isolat von Escherichia coli aus dem Stuhl.

Differenzierung und Typisierung: Aufgrund genetischer, massenspektrometrischer und biochemischer Differenzierungsmerkmale (Abb. A-3.19, Abb. A-3.20, Abb. A-3.21) werden Bakterien in Familien, Gattungen (Genus) und Arten (Spezies) eingeteilt. Eine weitere Einteilung in Vare (Typen) erfolgt anhand gemeinsamer Kulturmerkmale.

Differenzierung: Aufgrund morphologischer, biochemischer (Abb. A-3.19), massenspektrometrischer (Abb. A-3.21), immunologischer und genetischer (Abb. A-3.20) Differenzierungsmerkmale werden Bakterien in Familien, Gattungen (Genus) und Arten (Spezies) eingeteilt. Die vollständige Bezeichnung eines Bakteriums besteht in einem Gattungsnamen (großgeschrieben) und einem Epitheton ornans, der Artbezeichnung, z. B. Listeria monocytogenes. Häufig ist es erforderlich, eine Art noch in Vare (Typen) einzuteilen, wobei Kulturen mit gemeinsamen Merkmalen zusammengefasst werden.

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A

⊙ A-3.19

a

45

3.6 Mikrobiologische Diagnostik

„Bunte Reihe“ am Beispiel der Enterobacterales

b

Zur biochemischen Differenzierung von Enterobacterales werden z. B. folgende Testsubstrate verwendet: ■ SIM-Nährboden zum Nachweis von Indol- und Schwefelwasserstoffbildung ■ Harnstoff-Nährboden zum Nachweis der Ureasebildung ■ Laktose zum Nachweis der Säurebildung ■ Citratabbau. Die Stoffwechselleistungen werden in verschiedenen Teströhrchen untersucht, wobei nach Zugabe der Indikatorreagenzien ein buntes Bild entsteht. a In der konventionellen Reihe fällt Yersinia enterocolitica auf wegen ihres typischen Farbmusters (z. B. Urease + , Voges Proskauer + bei 22 °C). b Heute bedient man sich meist industriell hergestellter Testsysteme, die einfach zu beimpfen sind. In diesem Beispiel fällt Morganella morganii wegen ihres typischen Farbmusters auf (z. B. Urease + , Indol +).

⊙ A-3.20

Sekundärstruktur eines prokaryonten 16S-rRNA-Moleküls (16S-rRNA von Escherichia coli)

⊙ A-3.20

Konservierte, d. h. im Verlauf der Evolution nahezu gleich gebliebene Sequenzbereiche werden durch variable Regionen unterbrochen. Die konservierten Bereiche sind grün, die semikonservierten, d. h. nur bei bestimmten, phylogenetisch verwandten Gruppen konservierten Regionen, sind blau, und variable, speziesspezifische Sequenzen (V 1– 9) rot dargestellt.

Typisierung: Bakterienarten lassen sich außerdem in verschiedene Phagovare unterteilen, wozu spezifische Phagen eingesetzt werden (Phagentypisierung oder Lysotypie). Bakteriophagen (S. 286) sind Viren, welche die Bakterienzelle zur Multiplikation nutzen. Die Adhäsion der Phagen an die Bakterienoberfläche, der erste Schritt zu einer erfolgreichen Infektion, ist dabei kritisch abhängig von ganz speziellen Rezeptor-Liganden-Verhältnissen. Zur Differenzierung von Bakterien werden verschiedene Merkmale und Methoden herangezogen (Tab. A-3.3).

Zu den Differenzierungsmethoden siehe Tab. A-3.3.

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46

≡ A-3.3

A

3 Diagnostik

Differenzierung von Bakterien anhand verschiedener Merkmale

Merkmale

Kriterien

Prinzip

Methode

morphologisch

Form

Kugel, Stäbchen, Schraube

Lichtmikroskop

Größe

Haufen, Ketten

Färbeverhalten

grampositiv, -negativ

Kapsel

ja/nein

Geißel

Zahl, Anordnung

Sporen

ja/nein, Farben

physiologisch

spezifisches Enzymmuster

Nachweis dieser Enzyme durch Substratabbau

Farbreaktion (Farbumschlag des Indikatormediums durch pH-Änderung → „bunte Reihe“, Abb. A-3.19

chemisch

spezifisches Muster kurzkettiger Fettsäuren

(v. a. bei Anaerobiern)

Gaschromatografie

serologisch

spezifische Antigenstrukturen

Einsatz verschiedener Antiseren

Sichtbarmachung der Antigen-Antikörper-Reaktion (S. 47) mit verschiedenen serologischen Verfahren; neben der Bestimmung der Bakterienart ist zusätzlich eine Feintypisierung verschiedener Bakterienarten durch Nachweis von O- und H-Antigenen möglich (Serovarietät, z. B. bei Salmonella enterica)

massenspektroskopisch

spezifische Muster von ribosomalen Proteinen

Die Analytmoleküle (Proteine) werden in MALDI-TOF-MS (matrix-assisted laser einem elektrischen Feld beschleunigt. Je nach desorption/ionization time-of-flight Masse und Ladung benötigen die einzelnen mass spectrometry) Proteine unterschiedlich lange Zeit, um am Messpunkt anzukommen. So gewinnt man speziesspezifische Spektren von ribosomalen Proteinen (Abb. A-3.21).

genetisch

Typisierung von DNA-Abschnit- Bereiche dieser DNA sind bei allen Bakterien ten, welche für die ribosomale gleich (hoch konserviert), andere sind nur RNA codieren bei Bakterien einer Gattung identisch (semikonserviert). Andere sind bei Bakterien einer Art gleich (variabel) (Abb. A-3.20).

Amplifikation bestimmter Genabschnitte mittels spezifischer Primer (PCR) und Sequenzierung oder Spaltung mit Endonukleasen und elektrophoretische Auftrennung nach Größe bzw. Ladung

Genetic Fingerprinting

Zerschneidung des gesamten Genoms eines Bakteriums durch Restriktionsenzyme zwischen exakt definierten Nukleotidsequenzen

gelelektrophoretische Auftrennung der so entstandenen DNA-Bruchstücke nach Länge und Ladung (RFLP = restriction fragment length polymorphism). Das charakteristische Muster der DNABanden erlaubt eine Identifikation eines Bakterienklons innerhalb einer Bakterienart.

Pathogenitätsfaktoren

Präsenz von Virulenzfaktoren

Fimbrien, Toxine u. a.

durch Bioassays oder genetische Analysen (Der reine Erregernachweis, z. B. E. coli im Stuhl oder Corynebacterium diphtheriae im Rachenabstrich, macht häufig keine Aussage über deren Pathogenität!)

Biotypisierung (Differenzierung verschiedener Phagovare)

Phagentypisierung

Mit einem Set bekannter Phagen gelingt es, Einzelisolate zu charakterisieren, indem diese Zellen durch solche Phagen lysiert werden.

Lysogenotypie (Nachweis temperenter Phagen)

Unter bestimmten chemischen oder physikalischen Bedingungen können solche Prophagen, die sich im Genom des Bakteriums versteckt haben, induziert werden, sich zu vermehren, was dann zur Lysis der Bakterien führt. Die freigesetzten Phagen können dann identifiziert werden.

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A

Massenspektrometrie ribosomales Protein RL36 RS32 RL34 RL33meth. RL32 RL30 RL35 RL29 RL31 RS21

Detektion

a a Prinzip der Massenspektrometrie. b Erregerspezifisches Spektrum (E. coli).

2000 1000

b

8368,99

3000

7870,62

Beschleunigung der Ionen im elektrostatischen Feld

5096,01

Protonenübergang

Intensität

4000

Kokristallisation (analytische Probe und Matrix)

m/z 4364,33 5095,82 5380,39 6255,39 6315,19 6410,60 7157,74 7273,45 7871,06 8368,76

E. coli

7157,55 7273,87

5000

5380,64

6000

4364,06

masseabhängige Driftzeit

Laserimpuls (3 –4 ns)

6254,64 6410,90 6315,49

⊙ A-3.21

47

3.6 Mikrobiologische Diagnostik

0 4000 4500 5000 5500 6000 6500 7000 7500 8000 8500 Masse

(Quelle: T. Maier, Bruker Daltonik GmbH, Bremen)

Massenspektrometrie: Mithilfe von MALDI-TOF (matrix-assisted laser desorption/ ionization time-of-flight)-Massenspektrometrie können die Unterschiede in der Zusammensetzung von ribosomalen Proteinen der Bakterien (und z. T. auch von Pilzen) gemessen werden. Die Bakterien aus einer Kultur werden auf eine Metallplatte aufgetragen (bei einer hohen Bakteriendichte kann sogar schon Patientenmaterial direkt verwendet werden) und mit einer Matrix vermischt, welche die Bakterien zerstört, sodass die Einzelteile frei werden. Danach wird das Material mit einem hochenergetischen Laserstrahl explosionsartig zerstäubt. Die entstandenen Ionen werden in einem elektrostatischen Feld beschleunigt. Je nach Masse der einzelnen Teile ist die Fluggeschwindigkeit unterschiedlich, sodass sie verzögert am Ionendetektor ankommen und ein elektrisches Signal auslösen (Abb. A-3.21). Für jede Bakterienart entstehen so ganz charakteristische Spektren (Abb. A-3.21), die dann mit einer Datenbank abgeglichen werden. Diese Methode ist schnell, zuverlässig und so genau, dass man in manchen Fällen sogar noch innerhalb einer Art weitere Untergruppen (clades) erkennen kann.

Massenspektrometrie: Die Massenspektrometrie erzeugt aus Anteilen (nämlich Ribosomen) einer Bakterienprobe Ionen, die anschließend in einem elektrostatischen Feld beschleunigt werden. Je nach Masse der einzelnen Teile ist die Fluggeschwindigkeit und somit das registrierte elektrische Signal am Ionendetektor unterschiedlich. Die gemessenen Spektren sind für jede Bakterienart spezifisch (Abb. A-3.21).

Antigennachweise

Antigennachweise

Wenn der kulturelle Nachweis von Viren, Bakterien oder Pilzen gar nicht oder nur verspätet gelingt, kann der Nachweis von spezifischen Produkten aus einem Viruspartikel oder aus dem Zytoplasma bzw. der Zellwand von zellulären Erregern weiterhelfen. Dazu gibt es verschiedene Methoden der Mikroskopie, wie etwa die Immunfluoreszenz (S. 41), oder der Immunologie, wie etwa die Agglutination (S. 61) (Abb. A-3.22) oder der „Capture“-Enzyme-Immunoassay (EIA, Abb. A-3.23). Beim Nachweis viraler Antigene ist der EIA allerdings solchen Infektionen vorbehalten, bei denen exzessiv viel Virus produziert und ausgeschieden wird, da die kritische antigene Masse, bei der noch ein Signal zu erwarten ist, sehr hoch sein muss (z. B. Rotavirusenteritiden mit bis zu 1012 Viruspartikeln pro Gramm Stuhl).

Der Antigennachweis erfolgt mittels Immunfluoreszenz (S. 41), Agglutinationstests (S. 61) (Abb. A-3.22) oder Enzymimmunoassay (EIA, Abb. A-3.23).

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48

A

⊙ A-3.22

3 Diagnostik

Antigennachweis durch Latexagglutination

Nachweis von Cryptococcus-Antigen im Liquor eines AIDS-Patienten mittels quantitativem Latexagglutinationstest. (Hof, H.: Mykologie für Mediziner. Thieme; 2003)

⊙ A-3.23

Prinzip des „Capture“-Enzymimmunoassays (EIA) zum Antigennachweis

1 Zugabe der Patientenprobe Proteine virales Antigen

virusspezifisches IgG

2 Waschen und Zugabe virusspezifischer Antikörper

enzymmarkierter Antikörper mit Spezifität für virale Proteine

Partikel werden durch einen Antikörper gebunden, der am Boden eines Napfes einer Mikrotiterplatte adsorbiert ist (1). Nach Entfernen des ungebundenen Materials wird das gebundene Antigen mit einem zweiten spezifischen Antikörper aufgesucht (2), der mit Enzymen wie z. B. alkalischer Phosphatase markiert ist. Nach erneutem Waschen wird ein farbloses Substrat zugegeben (3), das durch das am Antikörper gebundene Enzym in ein farbiges Produkt umgewandelt wird (4). Die optische Dichte der Lösung ist ein Maß für die Menge des in der Patientenprobe vorhandenen Antigens (5).

3 Waschen und Zugabe des farblosen Enzymsubstrats

4 farbloses Enzymsubstrat konvertiert zu farbigem Produkt

5 Messen der optischen Dichte im Fotometer

Nukleinsäuregestützte Nachweisverfahren (Molekulare Diagnostik) Die molekularbiologische Detektion des Erreger-Genoms, bestimmter Gensegmente oder der Nachweis von erregerspezifischer RNA ist wesentlich empfindlicher als der immundiagnostische Nachweis eines Antigens.

Nukleinsäuregestützte Nachweisverfahren (Molekulare Diagnostik) Wesentlich empfindlicher als der immundiagnostische Nachweis eines Antigens ist die molekularbiologische Detektion des Genoms von Mikroorganismen, einzelner spezifischer Fragmente davon oder der Nachweis von RNA-Transkripten. Von den zahlreichen Techniken und Ausführungsformen, die zu diesem Zweck mittlerweile entwickelt wurden, sollen an dieser Stelle die für diagnostische Zwecke relevanten Ansätze vorgestellt werden: ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

A

49

3.6 Mikrobiologische Diagnostik

Nukleinsäure-Hybridisierung

Nukleinsäure-Hybridisierung

Die Methodik der Nukleinsäure-Hybridisierung ist seit den 1980er Jahren bekannt und ermöglicht einen sequenzspezifischen Nachweis und eine Quantifizierung von Nukleinsäurefragmenten entsprechender pathogener Mikroorganismen. Die Nukleinsäure des Erregers (die bei einem Befall mit Viren entweder im Zellkern oder im Zytoplasma der infizierten Zelle vorliegt) kann nach Denaturierung in Einzelstränge über Temperatur-, Salzkonzentration- oder pH-Änderung mit einem synthetischen komplementären Oligonukleotid unter Renaturierungsbedingungen Doppelstränge ausbilden (Hybridisierung). Werden diese Oligonukleotide (Gensonden; engl: probes) nun mit einer detektierbaren Modifikation (wie Enzymen, Fluoreszenz- oder Chemolumineszenzfarbstoffen) versehen, so können deren Signale in einer nachfolgenden Detektionsreaktion direkt oder indirekt ausgelesen werden. Bei Anwendung dieses Verfahrens im Gewebeschnitt oder in der Zellkultur können einzelne infizierte Zellen identifiziert werden (In-situ-Hybridisierung [ISH]). Beim Einsatz nach Extraktion der Nukleinsäure und Adsorption an einen Filter wird ihre Präsenz in der Probe demonstriert („Dot“- oder „Slot-blot“-Hybridisierung). Bei einer Verfeinerung der Technik kann die extrahierte virale Nukleinsäure quantifiziert werden. Prinzipiell kann die Hybridisierung zum Nachweis sowohl von DNA als auch von RNA verwendet werden, wobei die Detektion von RNA aufgrund von deren höherer Fragilität und des verbreiteten Vorkommens von RNA-abbauenden RNAsen technisch diffiziler ist. Das Prinzip ist in Abb. A-3.24 dargestellt. Da manche Erreger in sehr geringer Konzentration oder ungleichmäßiger Verteilung im klinischen Probenmaterial vorliegen, ist mit klassischen Hybridisierungsverfahren meist kein zuverlässiger diagnostischer Direktnachweis möglich. Obwohl die Sensitivität der traditionellen Hybridisierungsverfahren mit der Entwicklung empfindlicherer Detektionsmethoden und/oder der Auswahl von Multicopy-Zielsequenzen inzwischen etwas gesteigert werden konnte, ist in vielen Fällen immer noch eine vorhergehende Anzucht der Erreger nötig, um die durchschnittliche Nachweisgrenze von 5 000–10 000 Genomäquivalenten pro Detektionsreaktion zu erreichen.

Im Rahmen der Nukleinsäure-Hybridisierung können speziesspezifische Segmente innerhalb des Genoms der Erreger mit Gensonden nachgewiesen und ggf. auch quantifiziert werden. Das Prinzip ist in Abb. A-3.24 dargestellt.

⊙ A-3.24

Die Sensitivität von Hybridisierungsverfahren ist für den zuverlässigen Direktnachweis der Erreger nicht immer ausreichend.

Prinzip der In-situ-Hybridisierung (ISH) am Beispiel von Virusinfektionen

1 Fixieren, Permeabilisieren der Zellmembran und Denaturieren der Nukleinsäure

zelluläre DNA

virale DNA

virusinfizierte Zelle

2 Zugabe einer fluorogenmarkierten, viruskomplementären Nukleinsäuresonde

Virale Nukleinsäure wird nach Denaturieren in Einzelstränge (1) mit einem synthetischen komplementären Oligonukleotid versetzt, das fluoreszenzmarkierte Nukleotide enthält (2). Die gebildeten Doppelstränge (Hybridisierung [3]) können im Fluoreszenzmikroskop identifiziert werden (4).

fluorogene Sonde

3 Hybridisieren und Waschen

4 Betrachten der Fluoreszenz im Mikroskop

Anregen im UV-Bereich

emittierte Fluoreszenz

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50 Erst die Kombination eines effizienten In-vitro-Amplifikationssystems (z. B. die Nukleinsäure-Amplifikations-Technik [NAT]) mit einem sequenzspezifischen Nukleinsäure-Hybridisierungsverfahren ermöglicht die spezifische, sensitive, automatisierbare Detektion pathogener Mikroorganismen.

A

3 Diagnostik

Aus diesem Grund wurden sogenannte In-vitro-Nukleinsäure-Amplifikationssysteme entwickelt, die über eine vorgeschaltete millionenfache Vermehrung erregerspezifischer Nukleinsäure-Bereiche eine spezifische und sensitive Detektion der pathogenen Mikroorganismen mit den zuvor beschriebenen Hybridisierungsmethoden ermöglichen. Erst über die Kombination eines effizienten In-vitro-Amplifikationssystems mit einem sequenzspezifischen Hybridisierungsverfahren wird ein gezielter, automatisierbarer, zuverlässiger und somit auch routinefähiger Direktnachweis geringster Mengen von Nukleinsäuremolekülen innerhalb eines gemeinsamen Testformats möglich. In-vitro-Amplifikationsverfahren: Die sogenannten NAT (Nukleinsäure-Amplifikations-Techniken) sind hochsensitive molekularbiologische Verfahren, die im Umfeld der medizinischen Mikrobiologie und Virologie zunehmend Verwendung für den gezielten Nachweis von Erreger-Nukleinsäure oder genetisch codierten Pathogenitäts-, Virulenz- oder Resistenzfaktoren finden. Nach mehr als zwei Jahrzehnten intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeit an der eigentlichen Methodik sowie der Etablierung und Standardisierung individueller Testsysteme sind nukleinsäuregestützte Verfahren derzeit auf dem besten Wege, sich bei einigen diagnostischen Fragestellungen als „Goldstandard“ zu etablieren.

Polymerasekettenreaktion (PCR)

Polymerasekettenreaktion (PCR)

Über die Polymerasekettenreaktion (engl. polymerase chain reaction; PCR) kann eine gezielte millionenfache Vermehrung (Amplifikation) der im Probenmaterial anwesenden Erregernukleinsäure erzielt werden. In der diagnostischen Routine liegen die Nachweisgrenzen bei etwa 50–200 Genomkopien/ ml. Das Ergebnis liegt in der Regel 4–6 Stunden nach Probeneingang vor. Das Prinzip der PCR ist in Abb. A-3.25 schematisch dargestellt.

Das genial einfache Prinzip der Polymerasekettenreaktion (PCR) ahmt in groben Zügen den Prozess nach, der bei der DNA-Verdopplung während der natürlichen Zellteilung stattfindet. Im Rahmen des thermozyklischen Reaktionsverlaufs wird der DNA-Doppelstrang (das sog. Templat oder engl.: template) in einem ersten Schritt durch Erhitzen denaturiert und damit in die beiden Einzelstränge aufgetrennt. Im zweiten Schritt wird die Spezifität der PCR-Reaktion für eine bestimmte Sequenz in der Ziel-DNA durch die Verwendung von 2 kurzen Oligonukleotid-Primern mit definierter Basensequenz erreicht, die die zu vermehrende Sequenz auf beiden Strängen der Ziel-DNA begrenzen. Diese beiden Primer hybridisieren anschließend bei erniedrigter Temperatur an die jeweils komplementären Stellen der Ursprungsstränge (engl. annealing). Im dritten Schritt verlängert eine thermostabile DNA-Polymerase unter Verbrauch von Desoxynukleotidtriphosphaten (dNTPs) die gebundenen Primer, sodass 2 den Ursprungssträngen entsprechende Doppelstränge entstehen. Da diese exakte Kopien der Ursprungsstränge darstellen, dienen sie im nächsten Zyklus als neue Ursprungsstränge zur Hybridisierung und Elongation von weiteren PrimerMolekülen. Die zyklische Wiederholung dieses Prozesses resultiert in einer exponentiellen Zunahme von DNA-Fragmenten mit einer durch die Entfernung zwischen den beiden Primer-Hybridisierungsstellen, festgelegten Länge. Aus einer ursprünglich kleinen Zahl von Templat-Molekülen (Zielsequenzen) des im Probenmaterial nachzuweisenden Erregers wird somit in vitro eine millionenfache Anzahl von Kopien erzeugt, die eine Aussage über das Vorliegen des gesuchten Erregers ermöglicht. Die Spezifität des Amplifikationsprozesses wird dabei vorwiegend über die Länge und Position der ausgewählten Primersequenzen innerhalb des entsprechenden Zielgens sowie der gewählten Annealingtemperatur bestimmt. Nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch ist hier der Nachweis eines einzelnen Genoms durch die PCR möglich. Die durchschnittlichen unteren Nachweisgrenzen in der diagnostischen Routine liegen bei etwa 50–200 Genomkopien/ml. Abhängig von der Probentransport-Logistik, der Strukturierung und Geräteausstattung des jeweiligen Labors sind die Ergebnisse von PCR-Untersuchungen in der Regel 4 bis 6 Stunden nach Eingang des Untersuchungsmaterials verfügbar. Das Prinzip der PCR ist in Abb. A-3.25 schematisch dargestellt. Daraus geht hervor, dass prinzipiell nur DNA-Sequenzen zu vervielfältigen sind. Dennoch kann durch das Vorschalten eines Transkriptionsschritts auch die Erbinformation von RNA-Viren oder die mRNA von bakteriellen oder eukaryonten Pathogenen mithilfe der PCR amplifiziert werden. Nach Extraktion der RNA aus dem klinischen Probenmaterial wird diese mithilfe der reversen Transkriptase (RT) in eine doppelsträngige cDNA umgeschrieben, die anschließend der PCR unterzogen wird. Bei der reversen Transkription der RNA können je nach Wahl der Oligonukleotid-Primer für die RT ausschließlich virale RNA-Moleküle umgeschrieben werden oder die gesamte mRNA, die in der Probe enthalten ist.

Mithilfe der reversen Transkriptase (RT) kann RNA in eine doppelsträngige cDNA umgeschrieben werden, welche anschließend über PCR amplifiziert werden kann. Dadurch kann auch ein Nachweis über RNA mittels PCR erfolgen.

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⊙ A-3.25

51

3.6 Mikrobiologische Diagnostik

Polymerasekettenreaktion (PCR)

1. Zyklus

2. Zyklus

Ziel-DNA Aufschmelzen und Primer-Anlagerung Primer Verlängerung der Primer durch die Taq-Polymerase Taq-Polymerase

Renaturierung der DNA

Ziel-DNA verdoppelt

Ziel-DNA vervierfacht

Die PCR erlaubt die millionenfache selektive In-vitro-Vervielfältigung eines bestimmten DNA-Abschnitts. Die Spezifität dieser Reaktion für eine ausgesuchte Sequenz in der Ziel-DNA wird durch die Verwendung von spezifischen Oligonukleotid-Primern erreicht, die das ausgesuchte Segment sowohl auf dem (+)- als auch auf dem (–)-Strang der Ziel-DNA begrenzen. Nach Aufschmelzen der Ziel-DNA in 2 Einzelstränge lagern sich die Oligonukleotid-Primer an ihre komplementären Sequenzen in der DNA an. Die zugesetzte DNA-Polymerase synthetisiert, ausgehend von beiden Primern, neue DNA-Stränge in gegenläufiger Richtung. Dieser Vervielfältigungsschritt kann in einem Reaktionsansatz mehrfach wiederholt werden, da durch die Thermoresistenz der verwendeten DNA-Polymerase die neu synthetisierten DNA-Stücke aufgeschmolzen werden können und die in der Lösung im Überschuss vorhandenen Oligonukleotid-Primer dadurch nicht nur wieder an die parentalen DNA-Stränge, sondern auch an die neu synthetisierten Stränge anlagern. Nach einer 40-fachen Wiederholung dieses Zyklus liegen etwa 1 Milliarde identischer Kopien des ausgewählten DNA-Abschnitts vor. Das Produkt der Amplifikation kann in einem Agarosegel nach elektrophoretischer Auftrennung sichtbar gemacht werden, indem der Elektrophoresepuffer mit einem DNA-interkalierenden Farbstoff wie Ethidiumbromid (EtBr) oder SYBR Green versetzt wird. Bei Bestrahlung mit UV-Licht leuchtet die gefärbte DNA hell auf. Da von der Positionierung der Oligonukleotid-Primer die exakte Größe des amplifizierten Abschnittes bekannt ist, kann im Vergleich zu einem DNA-Größenstandard überprüft werden, ob das erwartete Amplicon entstanden ist.

„Real-Time-PCR“ zur Bestimmung der Erregerlast Zunächst wurde die PCR nur bei solchen Infektionen als diagnostisches Werkzeug verwendet, bei denen die Anzucht des Erregers unmöglich war oder nur sehr wenig Viruspartikel in die Körperflüssigkeiten abgegeben wurden. In den letzten Jahren hat sich durch die Verfeinerung der Technik die Möglichkeit ergeben, die Zahl der Genomkopien pro Volumeneinheit mithilfe der PCR zu bestimmen. Damit wurde die PCR zu einem wichtigen Werkzeug bei der Bestimmung der Erregerlast eines Patienten. Insbesondere bei den persistierenden Infektionen, die einer antimikrobiellen Chemotherapie zugänglich sind, wird sie verwendet, um den Erfolg der Therapie zu kontrollieren (HIV, virale Hepatitiden). Die Methodik der „Real-Time-PCR“ (RT-PCR; nicht zu verwechseln mit einer PCR nach reverser Transkription einer RNA) ist in Abb. A-3.26 dargestellt. ▶ Merke. Die „Real-Time-PCR“ (RT-PCR) ist nicht zu verwechseln mit einer PCR nach

„Real-Time-PCR“ zur Bestimmung der Erregerlast In den letzten Jahren hat sich durch neue methodische Ansätze zudem die Möglichkeit ergeben, die Zahl der Genomkopien pro Volumeneinheit mittels PCR-gestützter Verfahren zu bestimmen (quantitative PCR). Die Methodik ist in Abb. A-3.26 dargestellt. Damit wurde die PCR zu einem wichtigen Werkzeug bei der Bestimmung der Erregerlast eines Patienten.

▶ Merke.

reverser Transkription (S. 50) einer RNA. Durch die sog. Real-Time-PCR lässt sich eine unbestimmte DNA-Menge quantifizieren, daher wird diese auch als qPCR (quantitative PCR) bezeichnet. Die Quantifizierung beruht im einfachsten Fall auf einer Substanz, die sich ausschließlich in eine Doppelstrang-DNA einlagert und nur in diesem eingelagerten Zustand bei Anregung mit Licht einer bestimmten Wellenlänge fluoresziert. Da bei jedem Amplifikationszyklus die Menge an doppelsträngiger DNA im PCR-Reaktionsgefäß zunimmt, wird auch das Fluoreszenzsignal in der Probe ständig stärker. Damit ist eine einfache Be-

Durch die sog. Real-Time-PCR lässt sich eine unbestimmte DNA-Menge quantifizieren (Abb. A-3.26) → quantitative PCR (qPCR). Bei Amplifikation der DNA zusammen mit fluoreszierenden Molekülen kann von der kontinuierlich gemessenen Fluoreszenzintensität auf die ursprüngliche DNA-Menge geschlossen werden. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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3 Diagnostik

ziehung herstellbar: Je mehr Kopien der zu amplifizierenden DNA im Ausgangsmaterial vorhanden sind, desto weniger Amplifikationszyklen werden benötigt, um ein messbares bzw. ein maximales Fluoreszenzsignal zu erreichen. Setzt man nun definierte Mengen von Kopien einer Ziel-DNA in separate Reaktionen ein, so lässt sich eine Standardkurve generieren, bei der die Kopienzahl der eingesetzten ZielDNA einen linearen Bezug zur PCR-Zyklenzahl hat, die notwendig ist, um ein bestimmtes Fluoreszenzniveau zu erreichen. Damit kann die Anzahl der DNA-Kopien in einer unbekannten Probe anhand der Zyklenzahl bestimmt werden, die notwendig ist, um ebendieses Fluoreszenzniveau zu erreichen. Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der modernen Real-Time-PCR-Verfahren im Rahmen der Diagnostik von Infektionskrankheiten spiegeln sich nicht zuletzt in der exponentiell steigenden Vielfalt geschlossener Analysesysteme, fertig konfektionierter kommerzieller Testkits oder eigenentwickelter PCR-Protokolle zum Nukleinsäurenachweis von mikrobiologisch relevanten Erregern wider. Prinzip der quantitativen PCR

Prinzip der quantitativen PCR

s. Abb. A-3.26

Die Abb. A-3.26 zeigt das Prinzip der quantitativen PCR.

⊙ A-3.26

Prinzip der quantitativen PCR a Bei Amplifikation lagert sich in den neu entstehenden DNA-Strang ein „interkalierender“ Farbstoff ein. Bei Anregung mit Licht bestimmter Wellenlänge emittiert der eingelagerte Farbstoff, nicht jedoch der freie, ungebundene Farbstoff ein fluoreszierendes Licht. b Zeichnet man die Fluoreszenzintensität in Abhängigkeit von den Amplifikationszyklen der PCR auf, so ergibt sich eine sigmoide Kurve. Dabei gilt, dass bei hoher Ausgangskonzentration der zu amplifizierenden Ziel-DNA schon nach wenigen Amplifikationszyklen ein Anstieg des messbaren Fluoreszenzsignals zu beobachten ist. Je geringer die Konzentration der Ziel-DNA, desto mehr Zyklen werden benötigt, um ein messbares Signal zu generieren. c Für jeden PCR-Ansatz kann man die Anzahl der PCR-Zyklen bestimmen, nach denen die Kurve der zunehmenden Fluoreszenzintensität eine vorgegebene Schwelle überschreitet („crossing point“ bzw. „Cp-Wert“). d Die Cp-Werte können für eine serielle Verdünnungsreihe einer bestimmten Menge an ZielDNA mit der Real-Time-PCR gemessen und in Abhängigkeit von der Kopienzahl der Ziel-DNA in einer Standardkurve dargestellt werden. Wird in einem getrennten Ansatz unter den gleichen Bedingungen die Ziel-DNA in einer diagnostischen Probe amplifiziert, kann nach Identifizierung des Cp-Werts aus der Standardkurve die Ausgangsmenge an Ziel-DNA in der Patientenprobe rechnerisch bestimmt werden.

Sequenzbestimmung von DNA-Segmenten

Sequenzbestimmung von DNA-Segmenten

Mit der Kettenabbruchmethode nach Sanger oder den modernen NGS-Verfahren kann die genaue Basensequenz innerhalb eines amplifizierten DNA-Segments bestimmt werden. Durch computergestützte Sequenzvergleiche kann anschließend die Spezies identifiziert werden.

Die genaue Abfolge der einzelnen Nukleotide (Basensequenz) innerhalb eines amplifizierten DNA-Segments kann mithilfe der sogenannten Kettenabbruchmethode nach Sanger bestimmt werden. Da heute schon von nahezu allen infektiologisch relevanten Mikroorganismen die Sequenz ihrer gesamten Genome bekannt und in Datenbanken zugänglich ist, kann durch computerunterstützte Sequenzvergleiche eine zuverlässige molekulare Speziesidentifizierung erfolgen. Für bislang nicht ausreichend charakterisierte oder unbekannte Spezies können darüber hinaus bestimmte Verwandtschaften der nachgewiesenen Mikroorganismen bzw. ihre Zugehörigkeit zu bestimmten Erregergruppen ermittelt werden.

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3.6 Mikrobiologische Diagnostik

Auch wenn die Sanger-Methode nach wie vor Anwendung findet, sind mittlerweile eine Reihe moderner Verfahren zur Hochparallel- bzw. Hochdurchsatz-Sequenzierung verfügbar, die pro Sequenzierreaktion bis zu mehrere Millionen Einzelsequenzen liefern (die sog. Next-Generation-Sequencing- oder kurz: NGS-Verfahren). Damit gelingt die zuverlässige Analyse kompletter Mikrobiom-Konstellationen oder die schnelle Sequenzierung kompletter Genome von Mikroorganismen oder Viren. ▶ Exkurs. Derzeit sind jedoch die mit den NGS-Verfahren verbundenen Kosten von mehreren hundert Euro pro Analyse noch limitierend für einen verbreiteten Einsatz in der mikrobiologischen Diagnostik. Mögliche Anwendungsbeispiele sind die komplette Analyse der Gesamtheit der Viren, Bakterien oder Pilze in einem Probenmaterial (das sog. Mikrobiom (S. 22), d. h. die Spezieskomposition und deren relative Menge), die molekulare Resistenztestung von Viren (sofern die resistenzvermittelnden Mutationen in Art und Position innerhalb des Virusgenoms bekannt sind), die Suche und ggf. Identifizierung von bisher unbekannten Erregern sowie die epidemiologische Typisierung von Pathogenen im Rahmen der Aufklärung von Infektionsketten (S. 709). Derzeit wird im Rahmen zahlreicher internationaler Studien eine Vielzahl von Daten erhoben und bioinformatisch analysiert. Mit dem zunehmenden Einsatz dieser NGS-Verfahren an definierten Probenmaterialien unterschiedlichster Patientenkohorten und der Standardisierung von Untersuchungsprotokollen werden sich in den kommenden Jahren sicherlich zuverlässigere Erkenntnisse zu möglichen Korrelationen zwischen bestimmten Mikrobiomkonstellationen oder -verschiebungen und klinischen Krankheitsbildern ergeben.

Mit modernen NGS-Verfahren sind Hochparallel- bzw. Hochdurchsatz-Sequenzierungen möglich. Damit können Mikrobiom-Konstellationen bis hin zu kompletten Genomen von Mikroorganismen oder Viren bestimmt werden. ▶ Exkurs.

Diagnostische Applikationen

Diagnostische Applikationen

Für den gezielten Nachweis von nahezu allen bakteriellen, viralen, fungalen, parasitären und anderen eukaryonten Pathogenen sind mittlerweile viele kommerzielle PCR-Testsysteme oder gut evaluierte laborintern (in house) entwickelte Protokolle verfügbar. Zu den Vorteilen der PCR-Verfahren im Routineeinsatz der mikrobiologischen Labordiagnostik gehören u. a. neben ihrer hohen analytischen Sensitivität die erzielbare Spezifität, die Schnelligkeit, die relativ einheitliche (und zum Teil auch bereits automatisierte) apparative Ausstattung und Methodik bei der Durchführung von molekularbiologischen Verfahren zum gezielten Erregernachweis, die Unabhängigkeit von einer erfolgreichen kulturellen Anzucht, die Nachweisbarkeit von Erregern auch bei fehlender Immunantwort sowie die Möglichkeit zum Nachweis ganzer Erregergruppen (Abb. A-3.27).

Es sind mittlerweile viele kommerzielle PCRTestsysteme und gut evaluierte laborinterne PCR-Protokolle verfügbar. Diese PCR-Verfahren zeichnen sich im Routineeinsatz der mikrobiologischen Labordiagnostik vor allem durch ihre hohe analytische Sensitivität, die erzielbare Spezifität und die Schnelligkeit aus, welche unabhängig von einer erfolgreichen Kultivierung und Nachweisbarkeit möglicher Erreger ist (Abb. A-3.27).

Schema der PCR-Applikationsmöglichkeiten in der Mikrobiologie

Pathogene

⊙ A-3.27

Viren

Bakterien

Pilze

Parasiten

Quantifizierung

Resistenztestung

Epidemiologie

Die Anwendung der PCR ermöglicht mit einer hohen analytischen Sensitivität verschiedene Erreger, unabhängig von deren Kultivierbarkeit, zu identifizieren und quantifizieren. Sie erlaubt zudem den Nachweis bestimmter (Resistenz-)Gene zur molekularen Resistenztestung und epidemiologischen Charakterisierung von Mikroorganismen. (Grafiken: Bakterien aus Fuchs, G. et al. Allgemeine Mikrobiologie. Thieme; 2017; Parasiten aus Groß, U. KLB Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Thieme; 2013; Foto: Elektrophorese-Gel aus Baumann M., Beer R. Farbatlanten der Zahnmedizin-Endodontologie. Thieme; 2007)

DNA-/RNAPräparation

Speziesidentifizierung 1 . . . A CGA A CGC T 670 A G A A CGA A CGC T M.malmoense M.szulgai M.kansasii M.gastrii M.bohemicum M.intracellulare M.avium

Floureszenzintensität

Amplifikation und Detektion

40 30 20 10 0

wt

C (A)G G

A

C

A B C

B

…g G A A a…

1

2

3

4

5

t gc t aa t gggaa t a t ............... . . . . . .c. . . . . . . . . . . . . .c. . . . . . . . . . . . . .c. . . . . . .c . . . . . c . t . . . ta .g

mt

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54 Oberste Prämisse bei Auswahl und Einsatz molekularbiologischer Nachweisverfahren muss die möglichst zeitnahe Bereitstellung von therapierelevanten Informationen für den behandelnden Arzt sein, um das diagnostische Potenzial sowohl unter medizinischen wie auch ökonomischen Gesichtspunkten nutzen zu können. Die Nachteile sollten nicht vergessen werden. Eine PCR bietet keine Unterscheidung zwischen „lebenden“ und „toten“ Erregern und birgt das mit der sehr hohen analytischen Sensitivität einhergehende Risiko von falsch positiven Ergebnissen durch Kontaminationsereignisse. Vgl. Tab. A-3.4.

≡ A-3.4

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3 Diagnostik

Die oberste Prämisse bei der Auswahl und dem Einsatz molekularbiologischer Nachweisverfahren sollte dabei immer die möglichst zeitnahe Bereitstellung von therapierelevanten Informationen für den behandelnden Arzt sein. Genau dann kann nämlich erst das gesamte Spektrum der diagnostischen Möglichkeiten von nukleinsäuregestützten Verfahren sowohl unter medizinischen als auch unter ökonomischen Gesichtspunkten zum Wohle der Patienten ausgenützt werden. Neben den vielen unumstrittenen Vorteilen von Nukleinsäureamplifikationstechniken (S. 50) und insbesondere der PCR-Methodik sollten aber die Nachteile nicht ganz vergessen werden – denn auch diese sind unter dem Aspekt der Befunderstellung und -interpretation relevant. Dazu zählen aus infektionsdiagnostischer Sicht insbesondere die beim Nukleinsäure-Nachweis fehlende Möglichkeit einer Unterscheidung zwischen „lebenden“ (also vermehrungsfähigen bzw. infektiösen) und „toten“ Erregern im untersuchten Probenmaterial, sowie das mit der sehr hohen analytischen Sensitivität einhergehende Risiko von falsch positiven Ergebnissen durch Kontaminationsereignisse während der Präanalytik (S. 33) oder innerhalb des diagnostischen Labors. Weitere Limitationen stellen die aktuell noch nicht umfassend standardisierten negativen (NPV) und positiven prädiktiven Werte (PPV) von entsprechenden PCR-Befunden sowie die fehlende Erkennung vieler bakterieller und parasitärer Resistenzmechanismen dar. Siehe auch Tab. A-3.4.

≡ A-3.4

Vor- und Nachteile der PCR-Diagnostik.

Vorteile

▶ Merke.

Nachteile



schnell



tot vs. lebend?



sensitiv



Antibiotika-Resistenz?



spezifisch



PPV/NPV?



einheitliche Technologie



Kontaminationsrisiko?



Automatisierungspotenzial



aufwendige Methodik



unabhängig von einer erfolgreichen Kultivierung



Standardisierung?



relativ hohe Kosten

▶ Merke. Die Anforderung von PCR-Untersuchungen sollte stets unter möglichst ge-

nauer Kenntnis der spezifischen Vor- und Nachteile und der damit einhergehenden Eingrenzung von potenziellen Indikationsgebieten erfolgen. Aufgrund der Heterogenität und enormen Vielfalt der biologischen Resistenzmechanismen und Stoffwechselprozesse herrschen noch große Lücken hinsichtlich einer umfassenderen und vor allem zuverlässigen molekularen Resistenztestung.

Auch wenn für einige wichtige Antibiotika-Resistenzmechanismen die genetischen Grundlagen aufgeklärt und bereits mit routinefähigen PCR-Testsystemen zum Direktnachweis aus dem klinischen Probenmaterial analysiert werden können, zeigen sich aufgrund der Heterogenität und enormen Vielfalt der biologischen Resistenzmechanismen noch große Lücken hinsichtlich einer umfassenderen und vor allem zuverlässigen molekularen Resistenztestung. Zudem entspricht aufgrund der oft hochkomplexen und manchmal auch multifaktoriellen Stoffwechselprozesse von Bakterien der Genotyp nicht immer dem für die Antibiotikatherapie relevanten Phänotyp (z. B. induzierbare Betalaktamasen).

Indikationen für die Durchführung von PCR-Untersuchungen PCR-Diagnostik sollte nur dann angefordert werden, wenn sich prognostische oder therapeutische Konsequenzen aus den Befunden ergeben oder wenn diese einen nennenswerten Beitrag zur Aufklärung nosokomialer Infektionsketten liefern können.

Indikationen für die Durchführung von PCR-Untersuchungen Sowohl unter medizinischen als auch ökonomischen Aspekten ist eine sinnvolle Indikationsstellung für PCR-gestützte Untersuchungen erforderlich. Sie sind in der Regel einzusetzen, wenn sich prognostische oder therapeutische Konsequenzen aus der Diagnostik ergeben oder wenn sie einen nennenswerten Beitrag zur Aufklärung nosokomialer Infektionsketten liefern können. In der mikrobiologisch-infektiologischen Routinediagnostik sollten daher nur solche PCR-Untersuchungen eingesetzt werden, die vor ihrem Einsatz ausreichend hinsichtlich Sensitivität und Spezifität, Intra- und Interassay-Reproduzierbarkeit und Robustheit validiert wurden. Eine Indikation für die Durchführung von PCR-gestützten Nachweisverfahren ist in erster Linie bei folgenden Konstellationen gegeben: ■ zum Nachweis von nicht kultivierbaren, langsam wachsenden oder schwierig zu kultivierenden Erregern, wenn die gegebenenfalls vorliegenden serologischen Befunde nicht hinreichend aussagekräftig sind oder für bestimmte Erreger keine serologischen Nachweisverfahren verfügbar sind, ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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3.6 Mikrobiologische Diagnostik

wenn die für die konventionelle Diagnostik benötigte Zeitspanne in Anbetracht des klinischen Zustands des Patienten zu lang wäre und im Falle eines positiven PCR-Nachweises unmittelbar spezifische Therapieoptionen zur Verfügung stehen, ■ zum Erregernachweis bei antimikrobiell vorbehandelten Patienten, bei denen eine Keimanzucht nicht mehr möglich ist, ■ wenn der betreffende Patient bzw. potenzielle Kontaktpatienten oder auch der behandelnde Arzt bzw. die Klinik von dem schnelleren und möglicherweise auch präziseren Befund einen klinischen und/oder ökonomischen Nutzen haben, ■ wenn es im Rahmen der Therapieverlaufskontrolle (z. B. HIV, HBV, HCV, CMV, EBV) prognostische Aussagen erlaubt, ■ wenn es zu einer Verbesserung der Abschätzbarkeit von Transmissionsrisiken (z. B. Mutter-Kind-Transmission, Übertragungsrisiko nach Nadelstichverletzung) führt, und/oder ■ wenn der molekulare Nachweis von bekannten Resistenzgenen, Mutationen oder Pathogenitätsfaktoren die diagnostische Sicherheit bei unklaren phänotypischen Ergebnissen verbessern kann bzw. therapeutisch prognostische Konsequenzen hat. Neben den routinemäßig eingesetzten Verfahren zum Direktnachweis von pathogenen Erregern ist die molekulare Genotypisierung (molecular fingerprinting) eine weitere inzwischen gut etablierte Indikation für PCR-gestützte Untersuchungen zur Aufklärung von Infektionsketten (S. 709) oder Ausbruchsgeschehen im Umfeld der modernen Krankenhaushygiene (S. 714) oder anderer epidemiologischer Fragestellungen. Zu den weiteren aktuellen Indikationsgebieten zählt zudem das Konzept der „präemptiven Diagnostik und Therapie“ (d. h. das Testen von Immunsupprimierten, um Patienten mit Virusnachweis zu therapieren, bevor sie klinisch erkranken) sowie die Diagnosefindung bei Neugeborenen, bei denen serologische Verfahren wegen Übertragung mütterlicher Antikörper meist nicht aussagekräftig sind (z. B. bei HIV). ■

▶ Merke. Wann ist die Anforderung von PCR-Untersuchungen sinnvoll?

Die molekulare Genotypisierung (molecular fingerprinting) ist eine gut etablierte Indikation für eine PCR-gestützte Untersuchungen zur Aufklärung von Infektionsketten oder Ausbruchsgeschehen im Umfeld der modernen Krankenhaushygiene oder anderer epidemiologischer Fragestellungen

▶ Merke.

Wenn über konventionelle Nachweisverfahren nicht die gewünschten „sameday-results“ (taggleiche Befunde) erhalten werden können (Mikroskopie, Kultur, Serologie, Antigennachweis), und/oder ■ bei antibiotisch vorbehandelten Patienten, ■ zum schnellen Nachweis langsam wachsender bzw. nicht kultivierbarer Erreger, ■ wenn der molekulare Nachweis bekannter Resistenzgene oder Pathogenitätsfaktoren die diagnostische Sicherheit bei unklaren phänotypischen Ergebnissen verbessern kann, ■ zur epidemiologischen Schnelltypisierung. ■

▶ Merke. Die Entscheidung für oder gegen die Durchführung von PCR-Unter-

▶ Merke.

suchungen kann nicht starr kategorisiert werden. Sie ist vielmehr für jeden Einzelfall nach sorgfältiger Kosten-Nutzen-Abwägung zu fällen. Angesichts der Vielfalt der Methoden, des unterschiedlichen Qualifikationsgrades und der apparativen Ausstattung von Laboratorien sowie der vereinzelt verfügbaren und zum Teil hervorragend validierten Spezialuntersuchungen kann die Indikationsstellung nicht in starre Kategorien gefasst werden. Die Entscheidung für oder gegen die Durchführung von bestimmten PCR-Untersuchungen sollte vielmehr im Einzelfall nach sorgfältiger Kosten-Nutzen-Abwägung und in möglichst genauer Kenntnis der Vor- und Nachteile der jeweils vor Ort etablierten Logistik, den verfügbaren Nachweisverfahren und den klinischen Umsetzungsmöglichkeiten von entsprechenden PCR-Befunden erfolgen. Diagnostische Wertigkeit: Prinzipiell ist der Nachweis eines Erregers oder eines seiner spezifischen Bausteine in klinischen Proben von sehr hoher diagnostischer Aussagekraft, da die Präsenz in einer eigentlich sterilen Probe unzweifelhaft eine Infektion oder Kolonisation des Patienten anzeigt. Mit zunehmender Sensitivität der Testsysteme (PCR) treten jedoch immer häufiger Schwierigkeiten auf, aus der Präsenz des Erregers auch zwingend auf ein bestimmtes Erkrankungsbild schließen zu können. Gerade bei solchen Infektionen, die lebenslang im Menschen persistieren (latente Infektion), wie etwa Herpes- oder Polyomavirusinfektionen, ist der rein qualitative Nachweis von Erreger-DNA nicht unbedingt auch mit einer klinischen Symptomatik verbunden. Denn im Verlauf des Lebens kommt es offensichtlich häu-

Diagnostische Wertigkeit: Eigentlich zeigt die Anwesenheit von Erregernukleinsäure in einer normalerweise sterilen Probe unzweifelhaft eine Infektion des Patienten an, jedoch kann aufgrund der zunehmenden Sensitivität der PCR-Testsysteme nicht mehr zwingend aus der Präsenz des Erregers auf ein bestimmtes Erkrankungsbild geschlossen werden. Das gilt z. B. für lebenslang persistierenden Infektionen oder auch unmittelbar nach einer erfolgreichen antibiotischen Behandlung. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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3 Diagnostik

figer zu subklinischen Aktivierungen der Persistenz, die keine sichtbaren Konsequenzen für den Patienten haben. Daher müssen positive Befunde aus der PCR immer sehr sorgfältig im Zusammenhang mit dem klinischen Zustand des Patienten gesehen und die Plausibilität des Befundes mit dem klinisch tätigen Arzt abgestimmt werden. Wichtige Aspekte der Präanalytik

Wichtige Aspekte der Präanalytik

Falsch positive/falsch negative Ergebnisse: Die Sensitivität hochempfindlicher molekularbiologischer Amplifikationstechniken birgt mitunter auch eine gewisse Gefahr von falsch positiven oder falsch negativen Befunden. Exogene DNA-Kontaminationen können zu (schwachen) falsch positiven PCR-Ereignissen führen. Laborinterne Verschleppung von Amplifikaten kann durch den Einsatz von Real-Time-PCR-Verfahren („closed-tube“-Konzept) oder abgeschlossenen PCR-Reaktionskartuschen deutlich minimiert werden. Sogenannte „sampling errors“ können zu falsch negativen Ergebnissen führen. Diese sind oftmals auf eine inhomogene Verteilung der Erreger in der Probe oder Fehler bei ihrer Aufteilung zurückzuführen. Einige biochemische oder pharmakologische Substanzklassen können zudem inhibierend auf die DNA-Polymerase wirken.

Falsch positive/falsch negative Ergebnisse: Der Einsatz von hochsensitiven, aber auch sensiblen molekularbiologischen Amplifikationstechniken zum Erregernachweis in klinischem Probenmaterial birgt mitunter auch eine gewisse Gefahr von falsch positiven oder falsch negativen Befunden. Mögliche Einflussfaktoren liegen sowohl auf Seiten der Klinik bei der Probenauswahl und -gewinnung (Präanalytik) als auch auf Seiten des mikrobiologisch-diagnostischen Labors. So kann es beispielsweise durch geringgradige exogene DNA-Kontaminationen sporadisch zu (schwachen) falsch positiven PCR-Ergebnissen kommen, die sich selbst durch das vorschriftsmäßige Mitführen von Negativkontrollen im Labor nicht sicher als Kontamination erkennen lassen. Bei der komplexeren Verarbeitung von Paraffineingebetteten Proben ist die Kontaminationsgefahr durch ubiquitäre Erreger bzw. deren DNA gegenüber nativen Proben stark erhöht. Die Gefahr einer laborinternen Verschleppung von Amplifikaten vorangegangener Untersuchungen wird durch den zunehmenden Einsatz von Real-Time-PCR-Verfahren („closed-tube“-Konzept) oder dem Einsatz von abgeschlossenen PCR-Kartuschen mittlerweile deutlich minimiert. Die oftmals zu beobachtende inhomogene Verteilung der nachzuweisenden Erreger im klinischen Untersuchungsgut oder eine unzureichende Verflüssigung von respiratorischem Probenmaterial vor der Aufteilung für unterschiedliche nachgeschaltete Untersuchungsverfahren kann aufgrund des sog. „sampling error“ zu falsch negativen Ergebnissen führen. Auch sind eine Reihe von biochemischen oder pharmakologischen Substanzklassen (wie etwa Heparin oder Komponenten aus Stuhlproben) bekannt, die die Enzymaktivität der bei der PCR verwendeten DNA-Polymerase komplett oder partiell hemmen können (Inhibition).

▶ Merke.

▶ Merke. Die Präanalytik entzieht sich den methodischen Kontrollen der PCR, somit

können mögliche Fehlerquellen nicht erfasst bzw. erkannt werden. Bei diagnostischen PCR-Untersuchungen müssen stets eine Reihe definierter Kontrollreaktionen mitgeführt werden, damit eventuelle Kontaminations- oder Inhibitionsereignisse zuverlässig erkannt werden.

Der direkte PCR-Nachweis von Erreger-DNA aus Paraffinschnitten oder formalinfixiertem Gewebe kann aufgrund von Inhibitionsereignissen zu nicht interpretierbaren Ergebnissen führen und weist generell eine höhere Kontaminationsgefahr auf. Im Vergleich zu Nativmaterial sind hier deutlich schlechtere untere Nachweisgrenzen der PCR-Untersuchungen auf pathogene Erreger zu erwarten.

Gemäß den aktuellen normativen Vorgaben muss daher bei jeder diagnostischen PCR-Untersuchung eine Reihe definierter Kontrollreaktionen (Negativ-, Positiv- und Inhibitionskontrollen) mitgeführt werden, die eventuelle Kontaminations- oder Inhibitionsereignisse zuverlässig erkennen sollten. Der gesamte sensible Bereich der Präanalytik (also alle Teilschritte von der Probennahme am Patienten über die Lagerung und den Transport bis hin zum Öffnen des Probenmaterials im Labor) entzieht sich jedoch den methodischen Kontrollen und mögliche Fehlerquellen können laborseitig in der Regel nicht erfasst oder erkannt werden. Die Untersuchung von formalinfixiertem und/oder in Paraffin eingebettetem Gewebe auf pathogene Mikroorganismen birgt ein gewisses Risiko sowohl für falsch negative als auch falsch positive PCR-Befunde. So werden bei der Formalin-Fixierung beispielsweise kovalente Verknüpfungen zwischen den beiden DNA-Strängen ausgebildet, die einen effizienten Ablauf der Polymerasekettenreaktion verhindern oder verschlechtern können. Auch während der routinemäßigen Prozessierung des Probenmaterials im Umfeld der diagnostischen Pathologie können Kontaminationen mit exogenen Nukleinsäuren nicht immer zuverlässig oder nachträglich erkennbar ausgeschlossen werden. Bei Verdacht auf eine Infektion sollte der PCR-gestützte Erregernachweis grundsätzlich aus Nativgewebe erfolgen – die PCR am Paraffinschnitt stellt lediglich einen Sonderfall dar, wenn bei nachträglichem Infektionsverdacht kein Nativmaterial mehr zur Verfügung steht und auch nicht mehr gewonnen werden kann. Die möglichen Limitationen sollten auf dem resultierenden PCR-Befund entsprechend kommentiert werden, um Fehleinschätzungen auf Seiten der Kliniker zu vermeiden.

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3.6 Mikrobiologische Diagnostik

Molekulare Diagnostik von Infektionserregern, Resistenzgenen und Pathogenitätsfaktoren Im Bereich der medizinischen Mikrobiologie werden PCR-gestützte Testsysteme inzwischen sehr erfolgreich für den Direktnachweis eines breiten Spektrums viraler, bakterieller sowie einiger fungaler und eukaryonter Pathogene eingesetzt. Da es sich um kulturunabhängige Verfahren handelt, haben sich diese Techniken vor allem für den gezielten und hochsensitiven Nachweis von nicht bzw. schwer anzüchtbaren Erregern wie Chlamydien, Mykobakterien, Borrelien, Pneumocystis jirovecii oder Toxoplasma gondii und in der Virologie für den Nachweis nahezu aller bekannten pathogenen Viren bewährt. Neben dem reinen Erregernachweis finden diese Techniken auch für die Charakterisierung der Erreger durch den Nachweis von genetisch codierten Pathogenitätsfaktoren, Resistenzgenen bzw. resistenzvermittelnden Sequenzmutationen Anwendung. Die Liste der aktuellen routinefähigen Applikationen von PCR-gestützten Verfahren erstreckt sich mittlerweile über alle bisher bekannten infektiologisch relevanten Erreger oder Erregergruppen. Sie wächst nahezu wöchentlich um spezielle diagnostische Fragestellungen oder um neue Verfahren zum gleichzeitigen Nachweis von mehreren (meist symptombezogen ausgewählten) Erregern oder Erregergruppen innerhalb eines einzigen PCR-Testansatzes (Multiplex-PCR-Konzepte). ▶ Exkurs. Aktuelle Beispiele für Nachweise von Virulenzfaktoren, z. B. Toxinen bzw. Resistenzgenen, sind ■ der spezifische Nachweis von Shiga-Toxin-Genen (stx) bei enterohämorrhagischen E. coli (EHEC), ■ der Nachweis des Pertussis-Toxin-Gens bei Bordetella pertussis, ■ der Nachweis des Methicillin-Resistenz-vermittelnden mecA-Gens bei Staphylokokken (MRSA) oder ■ die molekulare Resistenztestung bei Mycobacterium tuberculosis.

Molekulare Diagnostik von Infektionserregern, Resistenzgenen und Pathogenitätsfaktoren PCR-Testsysteme werden mittlerweile für den Direktnachweis eines breiten Spektrums von Pathogenen eingesetzt. Als kulturunabhängige Verfahren haben sich diese Techniken vor allem zum gezielten und hochsensitiven Nachweis von nicht bzw. schwer anzüchtbaren Erregern bewährt.

Die Charakterisierung von Erregern durch den Nachweis genetisch codierter Pathogenitätsfaktoren, Resistenzgenen bzw. resistenzvermittelnden Sequenzmutationen ist mittels PCR möglich. Mittlerweile werden Verfahren zum systematischen Nachweis von Erregern oder Erregergruppen in einzelnen PCR-Testansätzen entwickelt (Multiplex-PCR-Konzepten). ▶ Exkurs.

Über symptombezogene Multiplex-PCR-Testsysteme gelingt beispielsweise bereits der simultane PCR-Nachweis mehrerer unterschiedlicher viraler und bakterieller Erreger aus der BAL-Probe eines Patienten mit Verdacht auf eine respiratorische Infektion.

Abhängig von der diagnostischen Fragestellung, die in der Regel durch das klinische Bild des Patienten und der davon abgeleiteten Verdachtsdiagnose bestimmt wird, kann man prinzipiell zwischen einem gezielten und einem ungezielten Erregernachweis unterscheiden. Bei klar eingegrenzter Verdachtsdiagnose bzw. zum Ausschluss eines definierten Erregers bietet sich eine gezielte Untersuchung mittels erregerspezifischer Nachweisprotokolle an, die im entsprechend ausgestatteten und qualifizierten Labor schnell und ökonomisch durchgeführt werden können. Diese Testverfahren beruhen auf Primer- und Sondensequenzen, die bestimmte erregerspezifische Zielsequenzen unter definierten Reaktionsbedingungen selektiv erfassen und diese selbst in Gegenwart großer Mengen an Human-DNA oder Nukleinsäuren der Begleitflora spezifisch vermehren und detektieren können. Sie zeichnen sich in der Regel durch eine sehr hohe analytische Sensitivität aus, die, je nach Art des untersuchten Probenmaterials, des nachzuweisenden Erregers und der Kopienzahl der ausgewählten Zielsequenz, bis zum Nachweis von einzelnen Zielorganismen oder Viren im PCR-Ansatz reichen kann. Bei unklarer Klinik des Patienten (d. h., das Vorliegen einer Infektion mit Bakterien, Pilzen oder Viren ist wahrscheinlich, aber das mögliche Erregerspektrum kann nicht genau eingegrenzt werden) stoßen diese erregerspezifischen Nachweisverfahren jedoch schnell an ihre Grenzen. In solchen Situationen besteht dann bei einigen Erregergruppen die Möglichkeit, mit speziesübergreifenden („broad-range“) PCR-Methoden auf das Vorliegen von bakterieller oder fungaler Nukleinsäure in bei bestimmten Arten normalerweise sterilem Probenmaterial (z. B. Liquor, Blut, Organbiopsien, Gelenkflüssigkeit) zu testen. Als Zielsequenzen haben sich hier bestimmte Gene oder Genregionen bewährt, die für strukturelle bzw. funktionelle Proteine oder für Komponenten der Ribosomen codieren (Abb. A-3.20) und deren Nukleinsäuresequenz zwischen verschiedenen Spezies oder Arten durch den „evolutionären Druck“ in einigen essenziellen Bereichen konserviert geblieben ist.

Die gezielte Untersuchung mittels erregerspezifischer Nachweisprotokolle bietet sich bei eingegrenzter Verdachtsdiagnose oder zum Ausschluss bestimmter Erreger an. Diese Testverfahren beruhen auf definierten Primerund Sondensequenzen, die bestimmte erregerspezifische Zielsequenzen unter definierten Reaktionsbedingungen selektiv, auch in Anwesenheit von Human-DNA oder Nukleinsäuren, die zur Begleitflora gehören, erfassen.

Es besteht die Möglichkeit, einige Erregergruppen mit speziesübergreifenden („broad-range“) PCR-Methoden nachzuweisen. Zielsequenzen für die Broad-range-PCR sind bestimmte Gene oder Genregionen, die sich aufgrund ihrer konservierten Bereiche in der Nukleinsäurensequenz auch für die molekulare Speziesidentifizierung eignen. Dazu gehören u. a. spezielle bakterielle Markergene oder Gene/Genregionen, die für strukturelle bzw. funktionelle Proteine oder für ribosomale Untereinheiten codieren.

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58

A

3 Diagnostik

Da die kompletten Sequenzen dieser Gene in der modernen Evolutionsbiologie inzwischen einen gewissen Goldstandard bei der Definition von Bakterien- und Pilzspezies, deren phylogenetischer Klassifizierung sowie bei der Erstellung von Stammbäumen darstellen, kann das hohe diagnostische Potenzial dieser Zielsequenzen auch im Rahmen eines speziesübergreifenden Erregernachweises genutzt werden. Beispiele für systematisch untersuchte bakterielle „Markergene“ sind hsp65 (65-kDa heat shock protein), rpoB (B-Untereinheit der RNA-Polymerase) oder die bereits zuvor beschriebenen Gene für die ribosomalen Untereinheiten (16S-rDNA, 23S-rDNA) und dazwischenliegende Sequenzregionen (als ITS [internal transcribed spacer]-Regionen bezeichnet). Die entsprechenden Genregionen für ribosomale Untereinheiten (18S-rDNA, 28S-rDNA) und der ITS-Bereich wurden inzwischen auch bei den meisten relevanten Pilzspezies systematisch untersucht und stellen ebenfalls geeignete Zielsequenzen für die molekularbiologische Speziesidentifizierung von Kulturisolaten und manchmal auch für den Direktnachweis aus klinischem Probenmaterial dar. Bei diesen speziesübergreifenden NAT-Untersuchungen (S. 50) werden die beiden Primersequenzen so ausgewählt, dass sie jeweils innerhalb eines möglichst gut konservierten Bereichs der entsprechenden eubakteriellen bzw. fungalen Zielsequenz binden und gleichzeitig einen oder mehrere hypervariable speziesspezifische Sequenzbereiche flankieren und deren PCR-Amplifikationsprodukte dann nach DNASequenzierung die molekulare Speziesidentifizierung ermöglichen. ▶ Merke.

▶ Merke. Der Vorteil des breiten Erregerspektrums wird bei den speziesübergrei-

fenden PCR-Verfahren jedoch aus methodischen Gründen meist mit dem Nachteil einer geringeren analytischen Sensitivität erkauft. Die klinische Sensitivität ist bei manchen spezifischen Fragestellungen oft trotz analytischer und technischer Sensitivität recht gering. Daher sollten die spezifischen Vor- und Nachteile sowie die methodenbedingten Limitationen der molekularbiologischen Testverfahren bei der Interpretation entsprechender PCR-Befunde berücksichtigt werden.

Bei manchen Fragestellungen ist, trotz exzellenter analytischer bzw. technischer Sensitivität der PCR-Methodik, die klinische Sensitivität sogar bei der Untersuchung nativer Proben bekanntermaßen relativ gering (z. B. Nachweis von Borrelien-DNA in Haut-/Synovia-Biopsien). Positive Nachweise sind zweifelsfrei wegweisend, aber negative PCR-Befunde sollten in diesen Fällen nicht zum Ausschluss einer Infektion herangezogen werden. Bei der Anforderung von PCR-Untersuchungen im mikrobiologischen Labor sollte man sich daher stets über die spezifischen Vor- und Nachteile bzw. die methodenbedingten Limitationen der konventionellen und molekularbiologischen Testverfahren zum gezielten Nachweis von Viren, Bakterien und Parasiten in bestimmten Arten von klinischem Probenmaterial informieren und diese dann auch bei der Interpretation entsprechender Befunde berücksichtigen.

Automatisierte geschlossene PCRTestsysteme Automatisierte geschlossene Testsysteme ermöglichen die Durchführung der PCR-Diagnostik prinzipiell auch außerhalb eines mikrobiologischen Labors, z. B. am „Krankenbett“.

Automatisierte geschlossene PCR-Testsysteme Aufgrund einer Vielzahl von manuellen Arbeitsschritten galt die PCR-Diagnostik lange als ein reines Laborverfahren. Mit der Entwicklung und kommerziellen Verfügbarkeit von integrierten Einzeltest-Gerätekonzepten, in denen die einzelnen Teilschritte der PCR-Analytik vollautomatisiert innerhalb einer geschlossenen Testkartusche ablaufen, hat sich diese Situation inzwischen etwas geändert. Da solche automatisierten geschlossenen Testsysteme bereits alle erforderlichen Reagenzien einsatzfertig enthalten („unit-use“), reduziert sich der Arbeitseinsatz eines Anwenders dieser Systeme prinzipiell auf die vorschriftsmäßige Einbringung des klinischen Probenmaterials und den Start des PCR-Laufes. Innerhalb des Systems werden nach einem Lyse-Schritt die Nukleinsäuren freigesetzt, aufgereinigt und mit den meist lyophilisiert vorgelegten PCR-Reaktionskomponenten vermischt. Anschließend laufen in einer speziellen Reaktionskammer die nächsten PCR-Verfahrensschritte (DNA-Amplifikation und -Detektion von spezifischen Amplifikationsprodukten) ab und das Ergebnis wird dem Benutzer dann als Klartext angezeigt oder gleich an das EDV-System des Labors übermittelt. Die Zeitspanne bis zum Vorliegen von PCR-Befunden beträgt hier zwischen 30 Minuten und 2 Stunden – je nach Design und Komplexität des Testsystems.

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A

59

3.6 Mikrobiologische Diagnostik

Durch Variation der Reagenzien lassen sich die Testkassetten leicht an den gezielten Nachweis von unterschiedlichen Erregern anpassen. Die Liste routinefähiger Applikationen wird zunehmend länger und im Prinzip lassen sich solche Tests sogar patientennah durchführen. Im Kontext infektiologischer Fragestellungen ist der Trend zur dezentralen Testung und zunehmenden Miniaturisierung jedoch nicht immer als Fortschritt zu betrachten. Aufgrund des meist heterogenen Probenmaterials (Abstriche, Punktate, Biopsiematerial o. Ä.) und der oft sehr inhomogenen Verteilung der jeweiligen Erreger innerhalb des gesamten Probenmaterials sind mit der Untersuchung von kleineren Aliquots methodenbedingt meist mehr oder weniger deutliche Einbußen hinsichtlich der erzielbaren Sensitivität des Erregernachweises verbunden. Zudem sind bei einer peripheren Testdurchführung auch nicht immer qualifiziertes Personal oder entsprechende Sicherheitsvorkehrungen (Kontaminationsund Personenschutz) zur Handhabung von potenziell infektiösem Probenmaterial vorhanden. Diese Aspekte sollten bei Bestrebungen zur Dezentralisierung oder der Einführung von POCT (Point-of-care-Testung)-Strategien im mikrobiologisch-diagnostischen Umfeld stets bedacht werden. ▶ Exkurs. Aktueller Stellenwert molekularer Nachweisverfahren Mit der Entwicklung von neuen, hochsensitiven molekularbiologischen Testsystemen zum kulturunabhängigen Erregernachweis stehen selbst dem Routinelabor vielfältige Möglichkeiten der Nukleinsäurediagnostik aus einer Vielzahl klinischer Probenmaterialien zur Verfügung. ■ Durch die Verfügbarkeit aussagekräftiger und valider taggleicher PCR-Befunde („same day results“) eröffnen sich neue Optionen zur frühzeitigen Einleitung gezielter Behandlungsmaßnahmen oder Isolationsmaßnahmen zum Schutz „negativer“ Patienten. ■ Meist kann die Sensitivität moderner kultureller Nachweisverfahren nicht erreicht werden. Für viele Fragestellungen kann PCR-Diagnostik die Kultur nicht ersetzen, sondern lediglich wertvoll ergänzen. ■ Cave: Nicht alles, was aktuell diagnostisch möglich ist, muss im Einzelfall auch klinisch/infektiologisch sinnvoll sein!

Es werden immer mehr routinefähige Testkassetten entwickelt, mit denen der gezielte Nachweis unterschiedlicher Erreger ermöglicht wird. Dabei ist zu beachten, dass dezentral (ggf. vorab) erhobene PCR-Ergebnisse stets in der Zusammenschau mit den umfassenderen Befunden des mikrobiologischen Labors interpretiert werden müssen, um Fehler in der peripheren Testdurchführung feststellen zu können.

▶ Exkurs.



Epidemiologische Charakterisierung von Bakterienisolaten mittels MLST Da alle Isolate oder klinischen Varianten innerhalb einer Spezies ja definitionsgemäß identische phänotypische Eigenschaften aufweisen sollten, lassen sie sich mittels konventioneller mikrobiologischer Verfahren nicht hinreichend gut unterscheiden. Mittlerweile steht jedoch eine Reihe von molekularbiologischen Techniken zur Genomanalyse zur Verfügung, die in vielen Fällen eine Identifizierung und Klassifizierung von verschiedenen Isolaten einer Spezies ermöglichen („molecular fingerprinting“). So werden im Rahmen der sog. Multi-Locus-Sequenz-Typisierung (MLST) beispielsweise 7 unterschiedliche Gensegmente aus dem bakteriellen Genom mit PCR amplifiziert und deren Nukleinsäuresequenzen über DNA-Sequenzierung ermittelt. Bei den hier untersuchten Gensegmenten handelt es sich um relativ hochkonservierte Regionen, sog. House-keeping-Gene, die also am zentralen Stoffwechsel beteiligt sind, aber dennoch eine gewisse Sequenzvariabilität aufweisen können. Anhand dieser Sequenzvariation können verschiedene Isolate der gleichen Spezies unterschieden und international vereinheitlicht benannten Sequenztypen bzw. sogenannten „klonalen Komplexen“ zugeordnet werden. Als Untersuchungsmaterial kommen ausschließlich Reinkulturen der betreffenden Bakterienisolate in Frage. Die ermittelten Sequenzen werden mit öffentlich zugänglichen Referenzdatenbanken abgeglichen (http://www.mlst.net oder http://pubmlst. org), die alle bislang bekannten Sequenzvarianten (Allele) für die einzelnen untersuchten Gensegmente enthalten. Die einzelnen Varianten jedes Gens sind dabei mit Nummern bezeichnet und somit ergibt sich ein meist 7-stelliger Zahlencode (Allelprofil). Bereits bekannten Kombinationen der 7 Allelnummern ist jeweils ein Sequenztyp (ST) zugeordnet. Durch Abgleich der erhaltenen meist siebenstelligen Allelkombination erhält man dabei den MLST-Sequenztyp des jeweils untersuchten Bakterienisolats. MLST-Typisierungen (Abb. A-3.28) werden meist für die Abklärung von epidemiologischen Fragestellungen durchgeführt. Da für jeden der untersuchten Loci eine größere Anzahl von Allelvarianten existiert, die wiederum in einer sehr hohen Anzahl von weltweiten Allelprofilen resultiert, wäre das zufällige Auftreten eines identischen MLST-Profils bei 2 nicht klonalen Isolaten sehr unwahrscheinlich. Bei Vorliegen unterschiedlicher MLST-Typen kann eine Übertragung von einem Patienten zu weiteren untersuchten Patienten ausgeschlossen werden, wohingegen ein identi-

Epidemiologische Charakterisierung von Bakterienisolaten mittels MLST Anhand von Sequenzvariationen innerhalb bestimmter funktioneller Gene von Bakterien kann sogar zwischen verschiedenen Isolaten der gleichen Spezies unterschieden werden („molecular fingerprinting“). Im Rahmen der sog. Multi-Locus-SequenzTypisierung (MLST) werden relativ hoch konservierte Regionen von Genen, die am zentralen Stoffwechsel beteiligt sind, aber dennoch eine gewisse Sequenzvariabilität aufweisen können (sog. House-keeping-Gene), untersucht.

Über geeignete molekulare Typisierungsverfahren („molecular fingerprinting“) lassen sich selbst unterschiedliche Isolate oder Varianten innerhalb einer Spezies unterscheiden und typisieren. Damit erhält man wertvolle Informationen zur epidemiologischen Aufklärung von klonalen Ausbruchsgeschehen oder Infektionsketten (Abb. A-3.28). ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

60

A

⊙ A-3.28

3 Diagnostik

Prinzip des Multi Locus Sequence Typing (MLST) DNA-Isolation aus Reinkultur

Amplifikation und Sequenzierung der „house-keeping“-Gene (z.B. von S. aureus)

1 2800000 200000

2600000

arcC 400000

2400000

aroE

2200000

2

3

gmk 800000 2000000

1600000

pta tpi

1000000

1800000

Datenbank-Abgleich

glpF

600000

Gen Sequenztyp

arcC aroE glpF gmk pta 6

5

6

2

7

tpi

yqiL

7

5

4

MLST-ST 51

yqiL

1200000 1400000

Aus der Reinkultur wird die DNA gewonnen (1). Es folgen PCR-Amplifikation und DNA-Sequenzierung von ca. 450 bp großen Segmenten innerhalb 7 konservierter Gene („house-keeping“-Gene) an unterschiedlichen Positionen des hier schematisch dargestellten Bakteriengenoms (z. B. für Staphylococcus aureus) (2). Anschließend wird mittels Datenbankabgleich (z. B. http://saureus.mlst.net/ für Staphylococcus aureus) ein 7-stelliger Allel-Code ermittelt (3), der einem entsprechenden MLST-Sequenztyp (ST) zugeordnet (4) und so epidemiologisch bewertet werden kann.

scher MLST-Typ bei 2 oder mehreren Patienten keinen Beweis für eine Übertragung darstellt, jedoch auf eine klonale Verbreitung bzw. einen Ausbruch hindeutet. Serologie

Serologie

Grundlagen

Grundlagen

▶ Definition.

IgM-Antikörper gelten als Hinweis für eine frische Infektion. Später im Verlauf einer Erkrankung werden auch Antikörper der Klasse IgG gebildet.

Die Bestimmung der exakten Menge an spezifischen Antikörpern in Serum oder Liquor ist aber technisch schwierig. Früher wurden meist Titer bestimmt, d. h. die höchste Serumverdünnung, die gerade noch in der Lage ist, eine positive Reaktion zu erreichen. Beweisend ist meist nur ein Titerverlauf. ▶ Merke.

▶ Definition. Wenn ein direkter Nachweis der Erreger nicht gelingt, weil evtl. das infizierte Gebiet für eine Probenentnahme unerreichbar ist, der Keim schon längst verschwunden oder der Erreger nicht anzüchtbar ist, bleibt noch der indirekte Beweis durch Nachweis von spezifischen Antikörpern.

Bei Antigenkontakt kommt es zunächst zur IgM-Produktion, die nur kurze Zeit anhält. Später werden dann IgG-Antikörper gebildet (zumindest bei Proteinantigenen ist dies der Fall, nicht aber bei Kohlenhydrat- und Lipidantigenen), wobei die Subklassen unterschiedliche chemische Strukturen bevorzugen (Teichonsäuren führen zur Bildung von IgG2). Auch die Affinität der Antikörper nimmt im Verlaufe einer Immunreaktion zu. Wenn auch in der unmittelbaren Folge nach Antigenexposition große Mengen von Antikörpern gebildet werden, nimmt danach im Laufe von Wochen, Monaten und Jahren die Produktion wieder ab. Die Bestimmung der exakten Menge an spezifischen Antikörpern in Serum oder Liquor ist aber technisch schwierig. Früher wurden meist Titer bestimmt, d. h. die höchste Serumverdünnung, die gerade noch in der Lage ist, eine positive Reaktion zu erreichen. Beweisend ist meist nur ein Titerverlauf. In den meisten Fällen erlaubt erst eine Titerveränderung in einer zweiten Probe, 2–3 Wochen später abgenommen, die Entscheidung, ob die Antikörperproduktion erst beginnt, anhält oder bereits abfällt. ▶ Merke. Ein Titer ist keine absolute Antikörpermenge, sondern abhängig von Anti-

genpräparation, Technik und nicht zuletzt vom Laborpersonal. Beweisend ist meist nur ein Titerverlauf. Heute werden zunehmend Einheiten/ml (bzw. international Units/ml) angegeben, wofür man Standardseren mit definierten Antikörpermengen mitführen muss. Diagnostische Wertigkeit: Da die Antikörperproduktion erst mit zeitlicher Verzögerung auf den Antigenreiz hin erfolgt, ist die Serologie in der akuten Phase wenig hilfreich.

Diagnostische Wertigkeit: Der Nachteil liegt darin, dass die Immunreaktion erst mit zeitlicher Verzögerung (ca. 8 Tage) zum Antigenkontakt erfolgt, d. h., dass in der akuten Phase oft noch keine Antikörper messbar sind, sondern manchmal erst nach der Genesung, sodass die Information für den Patienten zu spät kommt. Für epidemiologische Erkenntnisse, d. h. für die Mitmenschen, mag dies dennoch wichtig sein. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

A

61

3.6 Mikrobiologische Diagnostik

▶ Merke. Der Nachweis erregerspezifischer Antikörper in einer klinischen Probe ist

▶ Merke.

nur ein indirekter Hinweis auf eine Infektion. Da erregerspezifische Antikörper oftmals lebenslang persistieren, ist ihr Nachweis in einer einzelnen Serumprobe kein ausreichender Beweis für eine akut stattfindende Infektion. Die Bestimmung der Titerbewegung in 2 aufeinanderfolgenden Proben (mindestens 14 Tage Abstand) kann Auskunft über den Zustand der Infektion geben. Steigt der Titer zwischen den beiden Proben um den Faktor ≥ 4 an, kann davon ausgegangen werden, dass der Patient sich in der akuten Phase der Infektion befindet; fällt er um mindestens diesen Faktor ab, ist der Patient in der postakuten Phase. Ist keine Bewegung bei den Titern erkennbar, kann keine Aussage über die Akuität einer möglichen Infektion gemacht werden. Da bei vielen Infektionen eine signifikante Antikörperbildung erst 8–12 Tage nach der Infektion einsetzt, erfolgt ihr Nachweis bei sehr kurzen Inkubationszeiten, wie etwa nach Infektion mit Rhino- oder Influenzaviren, oftmals erst nach Abklingen der klinischen Symptomatik. Andererseits ist das Vorhandensein von spezifischen Antikörpern manchmal nur ein Beweis einer früheren, abgelaufenen Infektion (Seronarbe). Probleme, die bei der diagnostischen Verwertung von Antikörperbestimmungen auftreten können, sind immunsuppressive Behandlungen von Patienten, vorangegangene Impfungen oder die Gabe von Immunglobulinpräparaten zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken. Es muss an dieser Stelle daher nachdrücklich betont werden, dass die Plausibilität eines Antikörperbefundes nur in enger Abstimmung mit dem behandelnden Arzt bzw. bei ausreichender Information des Laborarztes über den Patienten geprüft werden kann.

Die Plausibilität eines Antikörperbefundes kann nur in enger Abstimmung mit dem behandelnden Arzt bzw. bei ausreichender Information des Laborarztes über den Patienten geprüft werden.

Verfahren

Verfahren

Neutralisationstests: Wenn die Epitope auf einem Antigen durch den spezifischen Antikörper blockiert sind, so wird auch deren Funktion neutralisiert. Ein Toxin verliert somit seine Gefährlichkeit. So kann z. B. das Zytotoxin Streptolysin O von Streptococcus pyogenes, das auch Erythrozytenmembranen „durchlöchert“, durch Patientenserum neutralisiert werden, sodass dann die Lysis nicht mehr gelingt. Ein Virus verliert seine Infektiosität, weil bereits die Adsorption der Oberflächenstrukturen an die Rezeptoren der Wirtszelle unterbunden wird (Abb. A-3.29).

Neutralisationstests: Der Neutralisationstest (Abb. A-3.29) basiert auf dem Prinzip, dass ein pathogenes Antigen unwirksam wird, wenn seine Epitope durch einen spezifischen Antikörper blockiert sind.

Präzipitationsreaktionen: Da jedes Antikörpermolekül 2 (oder sogar mehrere, z. B. IgM) Antigenbindungsstellen besitzt, kann also ein einziger Antikörper je 1 Epitop auf 2 verschiedenen Antigenmolekülen binden. Bei Antigen- und Antikörpermischungen in äquivalenten Verhältnissen können somit Vernetzungen entstehen (Abb. A-3.30). Solche Molekülverbände sind als Präzipitate mit dem bloßen Auge sichtbar, z. B. in der Ouchterlony-Technik, wo sowohl Antigen als auch Antikörper in einem Agargel allmählich aufeinander zu diffundieren und bei Äquivalenz eine Präzipitationslinie entsteht. Zur Identifikation von unbekannten Antikörpern, aber viel öfter noch zur Erkennung von unbekannten Antigenen (z. B. Immunelektrophorese, Elek-Test) ist dieser Test einsetzbar.

Präzipitationsreaktionen: Abb. A-3.30.

Agglutinationsreaktionen: Kommen die Epitope nicht auf löslichen Antigenen vor, sondern als Teile von ganzen Partikeln (Bakterien, Pilze, Erythrozyten), entwickelt sich durch die Antikörperbrücken eine Agglutination (Abb. A-3.31a). Wenn Latexpartikel, d. h. Polystyrolpartikel mit einer Größe von 0,2–0,8 μ, als Träger von Antigen fungieren, können sie durch Antikörper im Patientenserum agglutiniert werden (Abb. A-3.31b). Natürlich können umgekehrt auch bekannte Antikörper an diese Kunststoffpartikel gebunden werden, sodass dann unbekannte Antigene identifiziert werden können. Auch Erythrozyten (vom Hammel oder von Vögeln) können mit Fremdantigen beladen und durch Patientenantikörper agglutiniert werden. Beim TPPA (Treponema-pallidum-Partikelagglutinationstest) werden Kunststoffpartikel mit Treponemenantigen beschickt; hatte der Patient jetzt oder irgendwann früher eine Infektion mit diesen Bakterien, so werden diese die Kunststoffpartikel mit dem fremden Antigen agglutinieren (Abb. A-3.31c).

Agglutinationsreaktionen: Abb. A-3.31 und Abb. A-3.32.

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62

A

⊙ A-3.29

3 Diagnostik

Prinzip des Neutralisationstests (NT) am Beispiel einer viralen Infektion

konfluenten Zellrasen mit Virus inkubieren

Virus mit Antiserum inkubieren und auf konfluenten Zellrasen geben

Vitalfärbung des Zellrasens mit Neutralrot und Betrachtung der Färbung vom Boden des Kulturgefäßes

Zellrasen vollständig zerstört

Bei diesem Test macht man sich zunutze, dass in der Patientenprobe befindliche Antikörper die Zerstörung eines konfluenten Zellrasens durch das Virus verhindern. Beim NT wird eine bestimmte Menge an infektiösen Viruspartikeln mit Verdünnungen des Patientenserums inkubiert und die Mischung auf eine empfindliche Zellkultur gegeben. Die stattgefundenen Zerstörungen werden sichtbar gemacht, indem mit einem Farbstoff gefärbt wird, der nur von lebenden Zellen aufgenommen wird. Die letzte Verdünnung der Probe, die noch einen über 50 %igen Schutz der Zellkultur vor Infektion bewirken konnte, wird als Neutralisationstiter bezeichnet.

vollständige Virusneutralisation, daher Zellrasen völlig intakt

seriell verdünntes Patientenserum mit Virus inkubieren, auf Zellrasen geben und anschließend Neutralrotfärbung

1:2 1:4 1:8 Verdünnung des Patientenserums

1:16

1:32

1:64

Neutralisationstiter: letzte Verdünnung mit mehr als 50% Schutz

⊙ A-3.30

⊙ A-3.30

Immunpräzipitation

AK-Überschuss Äquivalenzzone

Der Hämagglutinationshemmtest (HAH) wird wie der NT durchgeführt, mit dem Unterschied, dass die in der Patientenprobe nachzuweisenden Antikörper nicht mit der Zerstörung eines suszeptiblen Zellrasens interferieren, sondern die Agglutination von Erythrozyten durch ein virales Glykoprotein, das Hämagglutinin (HA), verhindern (Abb. A-3.32).

AG-Überschuss

Die schematische Darstellung zeigt, dass nur im Äquivalenzbereich von Antikörper und passendem Antigen eine Vernetzung der Partner stattfindet. Sowohl bei Antikörperüberschuss als auch bei Antigenüberschuss bleiben die Proteinmoleküle in Lösung.

Der Hämagglutinationshemmtest (HAH) wird wie der Neutralisationstest (s. o.) durchgeführt, mit dem Unterschied, dass die in der Patientenprobe nachzuweisenden Antikörper nicht mit der Zerstörung eines suszeptiblen Zellrasens interferieren, sondern die Agglutination von Erythrozyten durch ein virales Glykoprotein, das Hämagglutinin (HA), verhindern (Abb. A-3.32). Damit ist die Verwendung dieses Tests natürlich nur bei solchen Infektionen möglich, die von hämagglutinierenden Viren verursacht werden. Da das Hämagglutinin dieser Viren für die Adsorption an die Wirtszelle und damit für eine Infektion unerlässlich ist, haben Antikörper, die an das Hämagglutinin binden, in den meisten Fällen auch virusneutralisierende Eigenschaften. Als Hämagglutinationshemmtiter wird die Probenverdünnung bezeichnet, die eine Hämagglutination durch eine bestimmte Virusmenge gerade noch verhindern kann. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

A

⊙ A-3.31

63

3.6 Mikrobiologische Diagnostik

Agglutinationstechniken a Bakterienagglutination. b Latexagglutination am Beispiel des Screenings auf Rheumafaktoren (RF). c Indirekte Hämagglutination.

a

z.B. Yersinia enterocolitica 03 RF (IgM anti-IgG)

Agglutination = positive Testreaktion

IgG

b

IgM-RF in Patientenserum

Latexpartikel

Vorbehandlung: chemische Bindung

Ag c (z.B. von Treponema)

⊙ A-3.32

Sind spezifische AK gegen Treponema im Patientenserum enthalten, kommt es zur Agglutination der antigenbeladenen Erythrozyten.

Schafserythrozyt

Prinzip des Hämagglutinationshemmtests (HAH) am Beispiel einer Virusinfektion

Erythrozyten mit Virus inkubieren

Virus mit Antiserum inkubieren und mit Erythrozyten mischen

Betrachtung der Agglutination vom Boden des Gefäßes

vollständige Hämagglutination

Diesem Test liegt zugrunde, dass die im Patientenserum enthaltenen Antikörper die Agglutination von Erythrozyten durch ein virales Glykoprotein (Hämagglutinin) verhindern. Die Erythrozyten sammeln sich daher in der Spitze des Napfes an, wogegen sie sich bei Hämagglutination mattenartig auf dem Napfboden absetzen. Für den Test wird verdünntes Patientenserum mit dem Virus inkubiert und dann mit Erythrozyten vermischt. Die Probenverdünnung, die eine Hämagglutination durch eine vorgegebene Virusmenge gerade noch verhindern kann, wird als Hämagglutinationshemmtiter bezeichnet.

keine Hämagglutination

seriell verdünntes Patientenserum mit Virus inkubieren und mit Erythrozyten mischen

1:2 1:4 Verdünnung des Patientenserums

1:8

1:16

1:32

1:64

Hämagglutinationshemmtiter: letzte Verdünnung, die eine Agglutination nicht mehr verhindern kann

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64 Komplementbindungsreaktion (KBR): keine praktische Bedeutung mehr. Enzymimmunoassay = EIA: Abb. A-3.33.

Die Präsenz hoher virusspezifischer IgM-Titer in einer einzigen Serumprobe wird als Hinweis für eine aktuelle Infektion verstanden.

⊙ A-3.33

A

3 Diagnostik

Komplementbindungsreaktion (KBR): Dieser Test spielt heute kaum mehr eine Rolle. Enzymimmunoassay (EIA): Mit dem EIA (auch als ELISA bezeichnet = Enzyme-linked Immunoadsorbent Assay) kann man, wenn eine Antigen-Antikörper-Reaktion stattgefunden hat, die gebundenen Antikörper mit markierten Antihumanglobulinen detektieren. Diese markierten Antikörper können gezielt gegen IgM, IgG oder IgA gerichtet sein. Die Markierung der Antikörper erfolgt mit einem Enzym, z. B. alkalische Phosphatase oder Meerrettichperoxidase; die Menge der gebundenen Antikörper kann danach mittels einer Enzymreaktion quantitativ bestimmt werden (Abb. A-3.33). Der Vorteil der Methode besteht darin, dass man solche Tests automatisieren kann. Diagnostika-Firmen bieten ein großes Panel diverser Tests an. Die Möglichkeit im EIA, durch Verwendung isotypenspezifischer Sekundärantikörper die vom Patienten gebildeten Antikörper zu differenzieren, hat die serologische Diagnose akuter Infektionen wesentlich verbessert. So wird die Präsenz hoher spezifischer IgM-Titer in einer einzigen Probe als Hinweis für eine aktuelle Infektion verstanden. Vorsicht ist bei dieser Interpretation jedoch geboten, wenn es sich um eine Infektion mit Erregern handelt, die eine lebenslange Persistenz etablieren. Hier kann es auch bei Aktivierungen einer seit Langem subklinisch persistierenden Infektion zu erneuter IgM-Synthese kommen. In diesem Fall würde es sich nicht um eine Primärinfektion mit dem Agens handeln.

⊙ A-3.33

Enzymimmunoassay (EIA) zum Antikörpernachweis

Indikator (farblos) + Substrat (H2O2)

Indikator-H (farbig) + (H2O)

Farbreaktion Antikörper

Antigen E

E

E

Sekundärantikörper, enzymgekoppelt

E

E

Nachweis spezifischer AK gegen ein AG mittels enzymmarkierter Sekundärantikörper (Konjugat) ▶ Exkurs.

▶ Exkurs. Diese sehr spitzfindig anmutende Differenzierung hat einen hohen prognostischen Stellenwert, wenn etwa während der Schwangerschaft eine Infektion mit dem Zytomegalievirus serologisch diagnostiziert wird. Handelt es sich um eine Primärinfektion der Mutter, besteht für den Fetus eine ernst zu nehmende Gefahr der intrauterinen Schädigung; handelt es sich um eine Aktivierung einer persistierenden Infektion, ist dieses Risiko wesentlich geringer. Tatsächlich kann die intrauterine Infektion durch Bestimmung des virusspezifischen IgM im Serum des Embryos (Nabelschnurvenenpunktion) festgestellt werden, da ab der 19.–20. Schwangerschaftswoche dieser in der Lage ist, selbstständig mit der Synthese von IgM auf die Infektion zu antworten. Da diese Antikörperklasse zu groß ist, um die Plazenta zu passieren, ist ihr Nachweis im kindlichen Blutkreislauf (prä- oder postnatal durch Nabelschnurpunktion) ein eindeutiger Hinweis auf eine akute Infektion. Im Gegensatz dazu sind Antikörper der IgG-Klasse plazentagängig. Maternale IgG sind bis zu 8 Monate nach der Geburt noch nachweisbar. Daher ist ihre Demonstration bei Säuglingen zunächst kaum zu deuten, wenn nicht auch der Status der Mutter bezüglich der IgG-Titer bekannt ist.

Aviditätsbestimmung: Im Laufe einer Immunreaktion wird die Passgenauigkeit der Antikörper zum Antigen immer besser und der Anteil der hochaviden Antikörper im Serum nimmt zu, was z. B. mittels EIA gemessen werden kann. ▶ Klinischer Fall.

▶ Klinischer Fall. Bei einer 20-jährigen Schwangeren im 4. Monat werden zum ersten Mal Antikörper der Klasse IgG und der Klasse IgM gegen Toxoplasma gondii festgestellt. Da ein Vorbefund aus der Zeit vor der Schwangerschaft nicht existiert, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Infektion während der Schwangerschaft erworben wurde, was eine erhebliche Gefahr konnataler Schäden des Fetus (S. 530) bedeuten könnte. Deswegen wird im Speziallabor eine Aviditätsbestimmung von IgG und IgM durchgeführt. Da beide Antikörperklassen nur eine niedrige Affinität aufweisen, wird mit einer Chemotherapie der Schwangeren begonnen, um den Fetus vor T. gondii zu schützen oder zumindest die Schäden so gering wie möglich zu halten.

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A

Indirekter Immunfluoreszenztest (IFT): Wenn Antigene auf einem Objektträger fixiert sind, so können spezifische Antikörper im Patientenserum daran binden. Diese Patientenantikörper werden dann im zweiten Schritt mit fluoreszenzmarkierten Antikörpern gegen IgM, IgG oder IgA erkannt. Eine Titerbestimmung erlaubt eine semiquantitative Bestimmung (Abb. A-3.34). Der Nachweis von IgM-Antikörper spricht für eine akute Infektion.

⊙ A-3.34

65

3.6 Mikrobiologische Diagnostik

Indirekter Immunfluoreszenztest zum Antikörpernachweis

Indirekter Immunfluoreszenztest (IFT): Abb. A-3.34.

⊙ A-3.34

mit Fluoreszein markierter Sekundärantikörper spezifischer Primärantikörper

Gewebsschnitt

Immunoblot (Western Blot): Hierbei werden einzelne Antigene im Agargel elektrophoretisch nach Größe und Ladung getrennt und im zweiten Schritt in derselben Reihenfolge durch Elektrophorese auf Nitrozellulosefilterpapier übertragen. Diese Filterstreifen können mit Patientenserum inkubiert werden. Wenn spezifische Antikörper gegen die einzelnen Antigene vorhanden sind, so werden diese an die jeweiligen Antigenbanden gebunden. Mittels enzymmarkierten Antihuman-Antikörpers können diese gebundenen Antikörper sichtbar gemacht werden (Abb. A-3.35).

⊙ A-3.35

Immunoblot (Western Blot): Abb. A-3.35.

Prinzip des Western Blots

Ergebnis: Patient hat Antikörper mit Spezifität für Proteine A und C Nach der Auftrennung eines Erregerpartikels in seine Proteinuntereinheiten in einem vertikalen denaturierenden Polyacrylamidgel (1) werden die Polypeptidketten in einer zweiten Elektrophorese im 90°-Winkel zur Laufrichtung der ersten Elektrophorese auf einen Nitrozellulosefilter transferiert (2), wo sie für die zugegebenen Patientenantikörper frei zugänglich sind (3). Die gebundenen Antikörper werden wie im EIA mit einem Sekundärantikörper nachgewiesen (4–6).

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A

Nachweis von T-Zell-vermittelter Immunität Im Lymphozytentransformationstest (LTT) wird geprüft, ob im Patientenblut T-Lymphozyten vorhanden sind, die nach Exposition gegenüber einem spezifischen Antigen in der Lage sind, Zytokine auszuschütten. Dies ist der Beweis, dass früher schon einmal eine Infektion mit dem Erreger erfolgte. Dieser Test wird speziell bei der Diagnose einer latenten Tuberkelinfektion eingesetzt.

3.7

Umgang mit potenziell pathogenen Mikroorganismen

3 Diagnostik

Nachweis von T-Zell-vermittelter Immunität Lymphozytentransformationstest (LTT): Nicht nur der Nachweis von spezifischen Antikörpern als Zeichen einer humoralen Immunreaktion, sondern auch die Erfassung der Aktivität von spezifischen T-Lymphozyten kann zur Diagnose einer Infektion herangezogen werden. Die größte praktische Bedeutung hat der Nachweis einer durchgemachten, latenten Infektion mit Mycobacterium tuberculosis. Man nimmt 1 ml Vollblut in ein Röhrchen, das mit immundominanten Antigenen von M. tuberculosis bestückt ist. Wenn im Körper des Patienten nach einer früher durchgemachten Infektion solche T-Lymphozyten kreisen, die dagegen geprimt sind, so werden diese nach Kontakt mit dem entsprechenden Antigen Zytokine ausschütten. Diese Reaktion kann im Labor gemessen werden. Als Negativkontrolle dient ein Röhrchen ohne Tuberkelantigen. Als Positivkontrolle enthält ein weiteres Röhrchen Phythämagglutinin, welches alle lebenden T-Lymphozyten zur Zytokinproduktion stimuliert; so kann überprüft werden, ob überhaupt funktionstüchtige T-Lymphozyten im Labor ankamen.

3.7

Umgang mit potenziell pathogenen Mikroorganismen

Herbert Hof Mikroorganismen werden aufgrund ihrer Gefährlichkeit für medizinisches Personal und für die Bevölkerung in 4 Kategorien eingestuft (Tab. A-3.5).

≡ A-3.5

Mikroben werden nach ihrer Gefährlichkeit für den Menschen in 4 Kategorien eingestuft (Tab. A-3.5). Dabei wird berücksichtigt, dass einerseits die Person, die mit dem Keim direkt umgeht, gefährdet sein kann, aber andererseits bei akzidenteller Freisetzung diese Erreger auch für die Bevölkerung eine Gefahr darstellen könnten. Im Infektionsschutzgesetz (IfSG) § 44 ist die Erlaubnispflicht und in § 49 die Anzeigepflicht für den Umgang mit solchen Keimen geregelt. Die fachliche Qualifikation der Personen sowie die räumlichen Gegebenheiten (Stufen S 1–S 4) sind für die jeweilige Genehmigung ausschlaggebend.

Klassifizierung der Gefährlichkeit von Mikroorganismen: biologische Schutzstufen nach Biostoffverordnung bzw. nach TRBA (technische Regeln für den Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen) 466

Risikogruppe I

keine oder nur geringe Gefahr für Beschäftigte und Bevölkerung z. B. Bacillus subtilis, Escherichia coli K12, Lactobacillus bulgaricus



Risikogruppe II

Risikogruppe III



attenuierte Viren, die zur Lebendimpfung gegen Mumps, Masern, Röteln und Poliomyelitis eingesetzt werden.



Schimmelpilze der Gattungen Cladosporium und Penicillium



Sprosspilze, wie Geotrichum und die meisten Candida-Arten



apathogene Darmamöben

mäßiges Risiko für Beschäftigte und Bevölkerung ■ z. B. Bordetella pertussis, Staphylococcus aureus, Streptococcus pyogenes, Salmonella spp., Shigella spp. ■

Herpes-simplex-Virus, Influenzavirus, Hepatitis-A-Virus, Rotaviren



Cryptococcus neoformans, Aspergillus



Trichomonas vaginalis, Toxoplasma gondii; Ascaris lumbricoides

hohes Risiko für Beschäftigte – geringes Risiko für Bevölkerung z. B. FSME-Virus, Gelbfiebervirus; Yersinia pestis, Rickettsia prowazeki, Mycobacterium tuberculosis, Bacillus anthracis, Coccidioides immitis, Histoplasma capsulatum



Risikogruppe IV

hohes Risiko für Beschäftigte und Bevölkerung z. B. Ebola-Virus, Maul-und-Klauenseuche-Virus



3.7.1

Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO)

Bevor mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen gearbeitet werden darf, müssen besondere bauliche und organisatorische Auflagen erfüllt sein.

3.7.1 Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) Der Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) unterliegt noch weitergehenden Auflagen. Im Gentechnikgesetz (GenTG) ist festgelegt, dass besondere bauliche und organisatorische Auflagen erfüllt sein müssen, bevor mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen gearbeitet werden darf. Je nach Risikostufe sind unterschiedliche Maßnahmen erforderlich, um das unbeabsichtigte Verbreiten solcher Organismen zu verhindern. Diese Arbeiten müssen der Behörde gemeldet und genehmigt sein.

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4

Grundlagen der antimikrobiellen Chemotherapie

4.1 4.2

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundregeln der antimikrobiellen Therapie. . . . . . . . . . . . . . . . . .

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67 68

© Thomas Stephan - Thieme Verlagsgruppe

Herbert Hof, Gernot Geginat

4.1

Einführung

4.1

Einführung

Herbert Hof Da sich Fremdorganismen in manchen Strukturen und Stoffwechselvorgängen grundlegend von den menschlichen Zellen unterscheiden, ergibt sich die Möglichkeit, selektiv an diesen speziellen Punkten therapeutisch anzugreifen. Bei Viren, die den menschlichen Stoffwechsel nutzen, ergeben sich bisher recht wenige therapeutische Ansatzpunkte; bei Bakterien sind die Zellwand, die Ribosomen und die DNA recht unterschiedlich, sodass viele Möglichkeiten existieren. Pilze unterscheiden sich in ihrer Zellwand (z. B. Glucan) und ihrer zytoplasmatischen Membran (z. B. Ergosterin anstelle von Cholesterin) ganz erheblich von anderen Zellen, folglich setzen Antimykotika hauptsächlich hier an. In der Natur kommen Stoffe vor, die eine antimikrobielle Aktivität besitzen, z. B. in Pflanzen, Nahrungsmitteln und vor allem in Gewürzen (Zwiebeln, Knoblauch, Thymian, Oregano, Salbei, Hopfen etc.). Der Mensch nutzt diese Wirkstoffe, z. B. zur Konservierung von Speisen, aber kaum zur Therapie von Infektionskrankheiten. Auch in der Welt der Mikroben werden im Lebenskampf gegen die Konkurrenz Waffen eingesetzt. Manche Bakterien produzieren kleine Proteinmoleküle, Bakteriozine, welche nah verwandte Mikroorganismen, z. B. der gleichen Art, rasch eliminieren. Für die Erhaltung der Ökologie der Mikrobenflora spielen diese Stoffe eine große Rolle. In der Lebensmittelindustrie werden solche Eigenschaften genutzt, um eventuell pathogene Keime zu beseitigen. Wird z. B. eine Salami mit einem bakteriocinproduzierenden Stamm von Lactobacillus infiziert, so wird dieser über die Bildung von Milchsäure die Reifung der Wurst in Gang setzen und den typischen säuerlichen Geschmack vermitteln; gleichzeitig tötet er durch Bakteriozine die oft vorhandenen pathogenen Listerien ab. Auch der Verzehr von Joghurt mit lebenden Lactobazillen dürfte z. T. durch Bakteriocinproduktion Einfluss auf die Darmflora nehmen. Hefepilze produzieren ein „Killertoxin“ (ein RNA-Virus), welches anfällige Hefezellen umbringt. Solche Probiotika, d. h. ungefährliche Lebewesen – meist Bakterien oder Hefepilze –, welche andere pathogene Keime verdrängen, finden zunehmend Interesse und gelegentlich auch therapeutischen Einsatz, z. B. bei Enteritis. Langsam wachsende Bakterien (Streptomyzeten) und Pilze (Penicillium, Cephalosporium) produzieren Stoffe ganz unterschiedlicher chemischer Struktur, die schnell wachsende Bakterien hemmen. Solche Antibiotika sind essenziell für das Überleben der Produzenten; selbstverständlich haben die Angegriffenen mit der Zeit Mechanismen entwickelt, diesen Angriffen zu entgehen (Resistenzmechanismen; Tab. A-4.1).

≡ A-4.1

Prinzipielle Resistenzmechanismen

Voraussetzung für eine effektive Chemotherapie ist ein selektiver Wirkmechanismus, der im Idealfall nur dem Infektionserreger, nicht aber dem Menschen schadet.

Naturstoffe in Pflanzen und Gewürzen besitzen antimikrobielle Wirkung.

Manche Bakterien produzieren Oligopeptide mit antibakterieller Aktivität, sog. Bakteriozine.

Probiotika sind Mikroorganismen, die andere, pathogene Erreger verdrängen oder behindern. Einsatz z. B. bei Enteritis. Antibiotika sind Stoffwechselprodukte von Mikroorganismen, welche andere Mikroorganismen angreifen. Die Angegriffenen haben z. T. Resistenzmechanismen entwickelt (Tab. A-4.1).

≡ A-4.1

1. Behinderung der Penetration des Wirkstoffs in die Zielzelle, sodass das Target nicht erreicht wird. 2. Zerstörung oder Modifikation des Wirkstoffs durch mikrobielle Enzyme, sodass der Stoff nicht mehr an das Target bindet. 3. Veränderung des Targets der Zielzelle, sodass selbst ein unveränderter Wirkstoff nicht mehr bindet.

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68

A

4 Grundlagen der antimikrobiellen Chemotherapie

Auch eine Immunmodulation, z. B. durch Hormone, Zytokine und Antiphlogistika, kann indirekt die Abwehr stärken.

Nur wenige dieser natürlichen Antibiotika eignen sich jedoch zur Anwendung als Medikament am Menschen. Dies liegt einerseits daran, dass die Bioverfügbarkeit nicht ausreichend ist, wenn z. B. eine Substanz nicht resorbierbar ist; andererseits muss auch die Verträglichkeit gut sein – Substanzen mit schwerwiegenden Nebenwirkungen sind nicht einsetzbar. Viele dieser Stoffe haben auch pleiotrope Effekte, d. h. sie zeigen neben einer antimikrobiellen Aktivität weitere, unerwünschte Wirkungen. So sind manche Antibiotika gleichzeitig auch Zytostatika. Heute gibt es daneben eine Vielzahl von synthetischen Stoffen mit antimikrobieller Wirkung, die sog. Chemotherapeutika, z. B. Sulfonamide, Nitroimidazole, Oxazolidinone und Chinolone (im allgemeinen Sprachgebrauch werden auch sie oft als Antibiotika bezeichnet). Zu erwähnen sind noch die endogenen Antibiotika. In spezialisierten Zellen, z. B. in Granulozyten oder in Paneth-Drüsenzellen der Lieberkühn-Krypten des Dünndarms, sind Oligopeptide mit breiter antimikrobieller Aktivität enthalten, z. B. die Defensine, darunter Cryptdin. Teils bleiben sie in den Granula der Phagozyten, teils werden sie nach draußen abgegeben und tragen so zur unspezifischen humoralen Abwehr im Blut oder in Sekreten bei. Sie sind allerdings nur unter ganz spezifischen Bedingungen aktiv. Wird z. B. die Zusammensetzung und die Konsistenz des Schleims in der Lunge geändert (z. B. bei Kindern mit Mukoviszidose), so sind die Defensine unwirksam. In jedem Organ sind andere Oligopeptide am Werk. Diese angeborene, unspezifische Abwehr ist der Grund, dass im Allgemeinen eine Infektion durch die körpereigene Flora oder durch externe Erreger erst gar nicht zustande kommt. Dieses Wirkprinzip ist übrigens in der Natur weit verbreitet. Insekten, die sonst nur wenige spezialisierte Abwehrmöglichkeiten haben, sind für ihr Leben in bakterienverseuchtem Milieu mit einer Vielzahl solcher endogener Antibiotika ausgestattet. Das ist der Grund dafür, dass Honig nie verschimmelt, während Marmelade ohne Schutz ist. Solche Oligopeptide haben eine sehr breite antibiotische Wirkung. Allerdings gelingt es heute noch nicht, dieses Abwehrsystem effektiv und zielgerecht zu steuern. Auch eine Immunmodulation, z. B. durch Hormone, Zytokine und Antiphlogistika, kann die Abwehr stärken, obwohl hierbei die Wirksubstanz nicht direkt, sondern indirekt durch Beeinflussung der körpereigenen Reaktionen im Spiel ist.

4.2

4.2

Nur wenige dieser natürlichen Antibiotika eignen sich zur Anwendung am Menschen, da entweder die Bioverfügbarkeit nicht ausreichend oder die Verträglichkeit schlecht ist. Auch können sich unerwünschte Wirkungen einstellen.

Chemotherapeutika sind synthetisierte Stoffe mit antimikrobieller Wirkung (z. B. Sulfonamide, Chinolone). Endogene Antibiotika sind antimikrobielle Proteine, die in Körperzellen produziert werden, teils intrazellulär gespeichert und teils sezerniert werden. Solche Oligopeptide haben eine breite antibiotische Wirkung. Sie tragen zur unspezfischen Abwehr bei.

Grundregeln der antimikrobiellen Therapie

Grundregeln der antimikrobiellen Therapie

Herbert Hof, Gernot Geginat 4.2.1

Mikrobiologische Aspekte

4.2.1 Mikrobiologische Aspekte Herbert Hof

Indikationsstellung

Indikationsstellung

Vor jeder Antibiotikatherapie sollte man die Indikation kritisch überprüfen. Ein positives Untersuchungsergebnis, der Nachweis von Bakterien in einer Kultur, kann durch Kontamination zustande gekommen oder auch nur Zeichen einer Kolonisation sein.

Zunächst muss geklärt werden, ob überhaupt eine Therapie notwendig ist. Die allermeisten Fehlanwendungen entstehen durch eine unklare Indikation. Selbst ein positives Untersuchungsergebnis, z. B. der Nachweis eines koagulasenegativen Staphylococcus in der Blutkultur, kann allein durch eine Kontamination zustande gekommen sein; hier ist natürlich jegliche therapeutische Konsequenz überflüssig. Evtl. ist ein positiver Nachweis von potenziell pathogenen Keimen aber auch nur Zeichen einer Kolonisation, z. B. ist der Nachweis von Haemophilus im Bronchialsekret noch kein Beweis, dass eine Bronchitis wirklich dadurch verursacht worden ist. Auch Pilze im Darm sind bei 30 % aller Menschen immer präsent. Allenfalls die Überlegung einer prophylaktischen Gabe von antimikrobiellen Stoffen wäre dann gerechtfertigt, um diese mögliche Infektquelle auszuschalten. Erst wenn eine oberflächliche Infektion bewiesen ist, und erst recht bei einer systemischen Infektion mit Krankheitsfolgen, ist eine Therapie zwingend. Eine chronische, persistierende oder inapparente Infektion mit Toxoplasma, Zytomegalievirus oder HSV 1 muss nicht behandelt werden und kann auch gar nicht kuriert werden.

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69

A 4.2 Grundregeln der antimikrobiellen Therapie

Bei manchen chirurgischen Eingriffen wird vorsorglich eine perioperative Prophylaxe verabreicht, wenn bei manchen (sog. unsauberen) Operationen mit einem Eintrag von Keimen aus der körpereigenen Flora oder von außen in das Operationsgebiet zu rechnen ist. Die Wahl des Antibiotikums sollte sich dabei nach der zu erwartenden Keimart richten. Auch internistische Patienten erhalten ggf. prophylaktisch Antibiotika, wenn mit einem erheblichen Risiko, an einer Infektion schwer zu erkranken, gerechnet werden muss (z. B. Befürchtung einer Kolonisation mit Meningokokken oder bei einer Immunschwäche). ▶ Merke. Man muss sich im Klaren darüber sein, dass Kliniker heute in der über-

Bei einigen chirurgischen Eingriffen wird präventiv eine perioperative Prophylaxe verabreicht.

▶ Merke.

wiegenden Zahl der Fälle Antibiotika nicht zur Therapie von nachgewiesenen Infektionen einsetzen, sondern meistens zur Verhütung von Infektionen; vor allem in der Chirurgie ist dies üblich. Der Grat zwischen sinnloser Verschwendung und sinnvoller Prophylaxe ist sehr schmal. Die Entscheidung für den Einsatz von Antibiotika sollte ständig hinterfragt werden. Mit einer strengen Indikationsstellung kann viel Geld eingespart werden. Die sog. präemptive Therapie beginnt zuvorkommend bei einer zu erwartenden Verschlechterung des Krankheitszustandes, wenn uncharakteristische Symptome vorhanden sind, aber noch keine sicheren Zeichen einer spezifischen Infektion. Zur kalkulierten (empirischen) Therapie s. Kap. Bakteriologie (S. 315). Ein übermäßiger Gebrauch von Antibiotika führt zu einem hohen Selektionsdruck, sodass resistente Keimpopulationen zunehmen, wodurch der weitere Einsatz dieser Medikamente eingeschränkt wird.

Die sog. präemptive Therapie beginnt zuvorkommend bei einer zu erwartenden Verschlechterung des Krankheitszustandes. Zur kalkulierten (empirischen) Therapie s. Kap. Bakteriologie (S. 315). Ein übermäßiger Gebrauch von Antibiotika führt zu einem hohen Selektionsdruck.

Erregerdiagnostik

Erregerdiagnostik

Ist die Frage geklärt, ob eine therapiebedürftige Infektion vorliegt, dann ist eine exakte Erregerdiagnose eine Voraussetzung für eine gezielte, optimale Therapie, da kein Antibiotikum für alle Mikroorganismen gleichermaßen günstig ist. Solange der Feind nicht eindeutig identifiziert ist, muss man aufgrund von Erfahrungswerten (zunächst) eine kalkulierte Therapie (S. 315) beginnen, die entweder aus einem Breitspektrumantibiotikum oder möglicherweise aus einer Kombination verschiedener Antibiotika besteht.

Eine exakte Erregerdiagnose ist die Voraussetzung für eine gezielte, optimale Therapie. Solange der Feind nicht identifiziert ist, muss man aufgrund von Erfahrungswerten eine kalkulierte Therapie (S. 315) beginnen.

▶ Merke. Oft werden aus Unkenntnis der Erreger ganze Cocktails von Antibiotika

▶ Merke.

eingesetzt.

Empfindlichkeit der Erreger und gezielte Wahl des richtigen Medikaments (Antibiogramm) Ist ein Keim als Erreger erkannt, kann man ggf. deeskalieren. Klassischerweise gibt es in einigen klinischen Situationen Mittel der ersten Wahl, die zunächst ohne Kenntnis der Empfindlichkeit eingesetzt werden können. Nur wenn sich ein therapeutischer Erfolg nicht einstellt, muss man die Diagnose überdenken oder klären, ob einer der seltenen Fälle von Resistenz besteht. Basis für eine rationale, gezielte Therapie ist neben der Identifikation des Erregers auch die Empfindlichkeitsprüfung. Während diese bei den meisten Bakterien Standard ist, gibt es für Viren, Pilze und Parasiten noch wenige Routinetests.

4.2.2 Pharmakologische Aspekte

Empfindlichkeit der Erreger und gezielte Wahl des richtigen Medikaments (Antibiogramm) Ist ein Keim als Erreger erkannt, kann man ggf. deeskalieren. Basis für eine rationale, gezielte Therapie ist neben der Identifikation des Erregers auch die Empfindlichkeitsprüfung.

4.2.2

Pharmakologische Aspekte

Herbert Hof, Gernot Geginat

Adäquate Applikationsart

Adäquate Applikationsart

Bei einer topischen Gabe von Antibiotika in Wunden muss bedacht werden, dass die Diffusion durch nekrotisches Gewebe sehr schwierig ist und deshalb diese Antibiotika von außen oft nicht ausreichend tief in das infizierte Gewebe eindringen. Eine lokale Antibiotikagabe ist deshalb meist ineffektiv. Eine Verteilung über den Blutweg liefert Antibiotika über die Kapillaren bis vor Ort, wo dann die Diffusionsstrecke

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70 Die Art der Applikation entscheidet darüber, ob am Ort der Infektion wirklich ausreichend Wirkstoff ankommt. Die Resorption bei oraler Applikation kann sehr unterschiedlich sein.

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4 Grundlagen der antimikrobiellen Chemotherapie

nur noch kurz ist. Allerdings – in tote, nicht durchblutete Areale gelangt selbst dann nicht genügend Wirkstoff. Damit am Wirkort auch tatsächlich hohe Spiegel erreicht werden, muss gewährleistet sein, dass die Substanzen auch dorthin gelangen können. So ist gelegentlich eine direkte intrathekale Applikation zwingend, wenn die Blut-Liquor-Schranke zu dicht ist. Bei oraler Gabe von Ampicillin werden nur ca. 60 % resorbiert; Amoxicillin, das die gleiche antibakterielle Aktivität besitzt, wird zu 80 % resorbiert. Die Resorption von Ampicillinestern liegt sogar bei 90 %. Bei parenteraler Gabe sind alle diese Präparate gleichwertig.

Adäquate Dosierung

Adäquate Dosierung

Ausreichende Wirkspiegel im Serum, im Gewebe oder in Sekreten sollten erzielt werden.

Generell gilt, dass man im Serum Wirkstoffkonzentrationen erreichen sollte, die über der Empfindlichkeitsgrenze des Erregers liegen. Diese Serumspiegel hängen naturgemäß von der Dosis, aber auch von der Art der Substanz ab. Manche Medikamente sind stark beeinflusst von individuellen Eigenschaften des Patienten. Aminoglykosidspiegel schwanken selbst bei jungen, gesunden Menschen recht stark – vor allem dann, wenn die Nieren- oder Leberfunktionen eingeschränkt sind, kann der Metabolismus variieren. Deshalb sollte man die tatsächlich erreichten Serum- bzw. Wirkspiegel überprüfen. Eine Loading Dose ist in vielen Fällen nützlich, um zunächst Depots aufzufüllen, damit dann bald auch die tatsächliche Verfügbarkeit beginnt. Gewebespiegel, die eigentlich viel eher zur Bewertung von Substanzen geeignet wären, sind in der Praxis schwer zu bekommen. Bei vielen Medikamenten stellt sich aber mit der Zeit ein sog. Steady State ein, sodass dann auch im Gewebe ein Wirkspiegel erreicht wird. Dennoch sind manche Kompartimente im Körper schwer zugänglich, z. B. die Prostata, das ZNS, Knochen. Einzelne Antibiotika, z. B. Makrolide, werden in großer Menge von Phagozyten aufgenommen und angereichert. In diesen Vehikeln werden sie an den Ort der Infektion geschleppt, wo sie dann in viel höherer Konzentration als im Serum verbleiben. Unterschiede im Sekretionsweg müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Manche Substanzen werden hauptsächlich renal ausgeschieden, erreichen in der Niere hohe Wirkspiegel und sind somit bevorzugt bei Harnwegsinfektionen zu verwenden. So haben z. B. die beiden Cephalosporine Cefotaxim und Ceftriaxon fast identische antimikrobielle Wirkung, aber Cefotaxim wird über die Niere ausgeschieden, während Ceftriaxon zum Großteil über die Leber ausgeschieden wird. Die Chinolone erreichen erhebliche Konzentrationen in den Sekreten auf den Schleimhäuten und können dort wirken; eine Kolonisierung mit Neisseria meningitidis kann damit erfolgreich beendet werden.

Mit der Loading Dose werden die Depots aufgefüllt. Gewebespiegel, die eigentlich viel eher zur Bewertung von Substanzen geeignet wären, sind in der Praxis schwer zu bekommen. Bei vielen Medikamenten stellt sich aber mit der Zeit ein Steady State ein, sodass dann auch im Gewebe ein Wirkspiegel erreicht wird.

Unterschiede im Sekretionsweg müssen ebenfalls berücksichtigt werden.

Adäquate Applikationsintervalle

Adäquate Applikationsintervalle

Je nach pharmakologischen und mikrobiologischen Eigenschaften müssen die Intervalle der jeweiligen Verabreichung geplant werden.

Die Metabolisierungsrate bestimmt in erster Linie die Zeit bis zur nächsten Applikation. Die Halbwertszeit eines Präparates hängt von vielen Faktoren ab: Proteinbindung, Inaktivierung, Eliminierung etc. Beispiel: Ceftriaxon wird wegen einer hohen Bindung an Serumalbumin nur nach und nach über die Galle ausgeschieden. Cefotaxim, das in Bezug auf die direkte antibakterielle Aktivität gleichwertig ist, wird dagegen relativ schnell über die Niere mit dem Urin ausgeschieden. Auch die Auswirkungen auf die Erreger müssen bedacht werden. Wenn Antibiotika rasch bakterizid wirken (bakterizid = Bakterien abtötend, im Gegensatz zu bakteriostatisch = das Wachstum der Bakterien hemmend), z. B. Aminoglykoside, dann ist ein hoher Spitzenspiegel für die Effizienz entscheidend, ein lang anhaltender Serumwert dagegen weit weniger – eine hohe Dosis 1-mal pro Tag ist deshalb ausreichend (außerdem ist die Toxizität dabei geringer). Betalaktamantibiotika dagegen wirken erst nach mehreren Stunden Einwirkzeit bakterizid, und somit müssen Serumwerte, die über der Empfindlichkeitsgrenze der Erreger liegen, über einen längeren Zeitraum erhalten bleiben, d. h. die Intervalle müssen kurz sein.

Wenn Antibiotika rasch bakterizid wirken, z. B. Aminoglykoside, ist ein hoher Spitzenspiegel, aber weniger ein lang anhaltender Serumwert für die Effizienz entscheidend. Eine hohe Dosis 1-mal pro Tag ist ausreichend.

Betalaktamantibiotika wirken erst nach mehreren Stunden Einwirkzeit bakterizid, deshalb müssen Serumwerte – über der Empfindlichkeitsgrenze der Erreger – über einen längeren Zeitraum erhalten bleiben.

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71

A 4.2 Grundregeln der antimikrobiellen Therapie

Adäquate Dauer

Adäquate Dauer

Oft wird eine Therapie zu früh abgesetzt, wenn einzelne Erreger noch in Nischen überleben können und dann eine endogene Exazerbation auslösen. Klassisch ist die Angina tonsillaris mit Streptococcus pyogenes, wo eine Therapie mit Penicillin unbedingt 10 Tage lang erfolgen sollte, auch wenn anscheinend der Erfolg schon früher sichtbar ist. Andererseits bedingt eine lange Therapie – neben den hohen Kosten – ein erhöhtes Risiko der Selektion resistenter Stämme.

Gelegentlich sollte eine Therapie auch dann noch fortgesetzt werden, wenn die Krankheitszeichen bereits abgeklungen sind, um eine völlige Ausheilung zu erzwingen. Andererseits besteht dann auch ein erhöhtes Risiko für die Selektion resistenter Stämme.

Rationaler Einsatz von Antibiotika (antibiotic stewardship)

Rationaler Einsatz von Antibiotika (antibiotic stewardship) Der Großteil der Antibiotika wird in der landwirtschaftlichen Tierhaltung verwendet. In der Humanmedizin werden die meisten Antibiotika im ambulanten Bereich verbraucht.

Der globale Antibiotikaverbrauch nimmt weiterhin zu. In der Human- und Veterinärmedizin inklusive Landwirtschaft wurden 2013 weltweit ca. 200000 Tonnen Antibiotika verbraucht. In Deutschland wurden 2015 ca. 1300 Tonnen Antibiotika verbraucht, davon ca. 40 % in der Humanmedizin und 60 % in der Veterinärmedizin bzw. landwirtschaftlichen Tierhaltung. In der Humanmedizin werden Antibiotika zum überwiegenden Teil (85 %) im ambulanten Bereich und nur zu 15 % im stationären Bereich verordnet. Viele Antibiotika verlieren ihre Wirksamkeit wegen der Selektion von resistenten Erregern. Infektionen mit hochresistenten Erregern sind schlechter behandelbar und besitzen eine höhere Mortalität. Es wurde prognostiziert, dass bis zum Jahr 2050 die Zahl der Todesfälle durch multiresistente Erreger die Todesfälle durch Krebsleiden überschreitet. Die Indikation für die Anwendung von Antibiotika muss also streng gestellt und eine allzu breite Anwendung vermieden werden. Der zweite wichtige, unerwünschte Effekt einer Antibiotikatherapie ist die Störung der körpereigenen, physiologischen Flora. Als Folge der Dysbalance können sich bestimmte Erreger ausbreiten, z. B. Candida albicans oder Clostridium difficile, und ihrerseits Erkrankungen auslösen. Die antibiotikainduzierte C.-difficile-assoziierte Diarrhö gehört mit einem Anteil von ca. 10 % zu den häufigsten nosokomialen Infektionen. Den global und auch in Deutschland zunehmenden Antibiotikaresistenzen kann kaum mit neuen antibiotisch wirksamen Substanzen begegnet werden. Die meisten neu zugelassenen Antibiotika gehören zu etablierten Substanzgruppen, sodass es auch bei diesen zu einer raschen Resistenzentwicklung kommen kann. Für Infektionen mit einigen gramnegativen Erregern, wie carbapenemresistenten Acinetobacter baumanii, Pseudomonas aeruginosa und Enterobacterales, sind die Behandlungsoptionen bereits so weit limitiert, dass dies von der WHO als kritisch eingestuft wird. Um die weitere Wirksamkeit der vorhandenen Antibiotika sicherzustellen, muss zum einen die Verbreitung von multiresistenten Keimen im Krankenhaus vermieden werden, zum andern sollten Antibiotika mit einem hohen Selektionspotenzial für multiresistente Keime möglichst nur gezielt und restriktiv eingesetzt werden. Um den rationalen Einsatz von Antibiotika zu fördern, wurden für den klinischen Bereich sogenannte „Antibiotic-Stewardship (ABS)“-Programme entwickelt. Antibiotic Stewardship bedeutet einen verantwortlichen bzw. sparsamen Umgang mit Antibiotika. Entsprechende Programme sind in Deutschland im § 23 des Infektionsschutzgesetzes verankert. Antibiotic-Stewardship-Programme sollten nicht nur in Kliniken, sondern z. B. im Rahmen von regionalen Netzwerken zur Vermeidung von multiresistenten Erregern im ambulanten Bereich etabliert werden. Gerade bei häufigen ambulant behandelten Infektionen, wie z. B. Infektionen der oberen Atemwege, ist in den wenigsten Fällen eine Antibiotikatherapie indiziert und es besteht ein erhebliches Einsparpotenzial. Die klinische Implementierung eines ABS-Programms erfordert zuallererst ein möglichst multidisziplinäres Team von Antibiotikaexperten mit infektiologischer, mikrobiologischer, krankenhaushygienischer und pharmazeutischer Expertise, die dazu ein entsprechendes Mandat der Klinikleitung besitzen. Wichtige Voraussetzungen für die Implementierung sind möglichst aktuelle Daten zur hausinternen Erregerund Resistenzsituation klinisch relevanter Infektionen sowie zum Antibiotikaverbrauch. Diese Daten sollten mindestens jährlich in Form einer Erreger- und Resistenzstatistik bzw. einer Antibiotikaverbrauchsstatistik auf der Ebene der Fachkliniken bzw. der Stationen erhoben werden, wozu Kliniken durch § 23 Infektionsschutzgesetz auch formal verpflichtet sind. Basierend auf diesen Daten werden unter der Leitung des ABS-Expertenteams die ABS-Kernstrategien umgesetzt (Tab. A-4.2).

Die wichtigste unerwünschte Folge einer allzu breiten, unkritischen Anwendung von Antibiotika ist die Selektion von resistenten Bakterien. Eine weitere sehr wichtige unerwünschte Wirkung ist die Störung der physiologischen Flora, was zu sekundären Erkrankungen führt, z. B. Kandidiasis und C.-difficile-Diarrhö.

Die Behandlungsoptionen für Infektionen durch Acinetobacter baumannii, Pseudomonas aeruginosa und viele Enterobacterales sind wegen der häufigen Antibiotikaresistenzen limitiert.

Um den rationalen Einsatz von Antibiotika zu fördern, wurden für den klinischen Bereich sogenannte „Antibiotic-Stewardship (ABS)“Programme entwickelt.

Ein ABS-Programm erfordert ein kompetentes, interdisziplinäres Team im Krankenhausbereich, das auf aktuelle Daten zur Resistenzentwicklung und zum Antibiotikaverbrauch zurückgreifen kann (Tab. A-4.2).

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72

≡ A-4.2

A

4 Grundlagen der antimikrobiellen Chemotherapie

Kernstrategien von ABS-Programmen

Kernstrategie

Erläuterung

Antiinfektivahauslisten und hausinterne Behandlungsleitlinien

Antiinfektivahauslisten beschränken die Vielfalt verfügbarer Antibiotika auf die wichtigsten Präparate. Aus jeder klinisch relevanten Substanzklasse sollte ein geeignetes Präparat ausgewählt werden. Einzelne Präparate können als Reservepräparate mit einer speziellen Freigaberegelung versehen werden (z. B. Oberarztrezept). Internationale und nationale Leitlinien sollen in lokalen Behandlungsleitlinien an die Erreger- und Resistenzsituation der eigenen Klinik angepasst werden. Die lokalen Leitlinien sollen die wichtigsten Aspekte der Infektionsdiagnostik und Therapie enthalten.

Fortbildung/Schulung

Die Mitarbeiter sollen jederzeit Zugriff auf die Hausliste und die hausinterne Behandlungsleitlinie haben. Auf dieser Basis sollen gezielte Schulungen der ärztlichen Mitarbeiter erfolgen.

Antibiotikavisiten

Im Rahmen von Antibiotikavisiten wird die Umsetzung der lokalen Behandlungsleitlinien gefördert und gleichzeitig überprüft. Ziel ist die korrekte Umsetzung der hausinternen Standards für die Infektionsdiagnostik, Substanzwahl, Dosierung und Therapiedauer. Im Gegensatz zu einem einzeln angeforderten Konsil erfolgen Antibiotikavisiten proaktiv, weshalb für diese Art der Visite auch der Begriff proaktive Verordnungsanalyse verwendet wird. Die Visiten können turnusmäßig erfolgen (z. B. 1-mal wöchentlich auf einer Intensivstation) oder nur bei bestimmten Infektionen (z. B. Endokarditis), bestimmten Erregern (z. B. MRSA), Verordnung bestimmter Substanzen (z. B. definierte Reserveantibiotika). Im Rahmen der Visiten erhalten die primär behandelnden Ärzte eine unmittelbare Rückmeldung zur Optimierung von Infektionsdiagnostik und Therapie.

Qualitätsindikatoren

Qualitätsindikatoren dienen der Erfolgskontrolle von ABS-Programmen. Geeignete Ergebnisindikatoren sind z. B. der Gesamtantibiotikaverbrauch, Verbrauch einzelner Reserveantibiotika (z. B. Carbapeneme) oder die Häufigkeit der C.-difficile-Diarrhö. Zusätzlich sollten Strukturindikatoren (z. B. jährliche Aktualisierung der internen Behandlungsleitlinien, regelmäßige Durchführung von Antibiotikavisiten und Schulungen) und Prozessindikatoren (z. B. Therapiedauer bei der Staphylococcus-aureus-Bakteriämie mindestens 14 Tage nach der ersten negativen Blutkultur, initiale Therapie der ambulant erworbenen Pneumonie nach hausinterner Leitlinie) erhoben werden.

Das ABS-Team erstellt eine hauseigene Antiinfektivaliste sowie angepasste Behandlungsleitlinien und führt diese durch Fortbildungen, Schulungen und Antibiotikavisiten in der Klinik ein.

ABS-Programme können den Antibiotikaverbrauch in einer Klinik senken, ohne die Qualität der Patientenversorgung zu gefährden.

ABS-Programme können die Wahl, Dauer und Dosierung von Antibiotika optimieren sowie den gezielten Einsatz der mikrobiologischen Diagnostik verbessern.

Ein weiteres Ziel des ABS ist die möglichst frühzeitige Umstellung einer i. v.-Gabe auf eine orale Applikation. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass eine orale Antibiose einer i. v.-Antibiose nicht immer gleichwertig ist (Tab. A-4.3).

Als initialen Schritt entwickelt das ABS-Team unter Einbeziehung der Fachkliniken eine hauseigene Antiinfektivaliste sowie an die hausinterne Situation angepasste Behandlungsleitlinien. Voraussetzung für die klinische Umsetzung ist, dass alle ärztlichen Mitarbeiter regelmäßig über die festgelegten hausinternen Standards informiert und geschult werden. Im Rahmen von regelmäßigen Antibiotikavisiten durch das ABS-Expertenteam wird auf den Stationen die klinische Umsetzung der hausinternen Leitlinien gefördert. Die Effektivität von ABS-Programmen soll hausintern durch die regelmäßige Erhebung von Qualitätsindikatoren überprüft werden, welche die Auswirkungen des ABS-Programms auf Strukturen (z. B. wöchentliche Durchführung von Verordnungsanalysen auf einer Intensivstation), Prozesse (z. B. korrekte Verordnung der perioperativen Prophylaxe als Einzeldosis) und Ergebnisse (z. B. Reduktion des gesamten Antibiotikaverbrauchs einer Klinik oder Rückgang von Erkrankungen durch Clostridium difficile) beschreiben. In zahlreichen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass ABS-Programme den gesamten Antibiotikaverbrauch einer Klinik um ca. 30 % senken können, ohne dass diese Einsparung den Patienten gefährdet. Als Nebeneffekt wirkt sich die Reduktion der Verordnung neu zugelassener Breitspektrumantibiotika und Antimykotika ökonomisch günstig aus, sodass sich ABS-Programme durch die Einsparung von Kosten für Antibiotika und Kosten für die Isolierung von Patienten mit Erkrankungen durch C. difficile gegenfinanzieren lassen. Die in allen ABS-Programmen enthaltenen grundlegenden ABS-Kernstrategien können durch spezielle Maßnahmen zur Optimierung der Auswahl, Dauer und Dosierung der Antibiotika und Verbesserung der mikrobiologischen Diagnostik ergänzt werden. Die Reevaluierung der Wahl und Dosierung von Antibiotika sowie der Therapiedauer und ggf. einer Deeskalation der initialen, meist breit begonnenen Antibiotikatherapie ist ein zentrales Ziel von ABS-Programmen. Die Deeskalation der Antibiotikatherapie kann absolut sein, d. h., eine Antibiose wird bei fehlender Infektionsdiagnose oder nach Überschreitung der Therapiedauer komplett beendet. In vielen Fällen ist auch bei gesicherter Infektionsdiagnose eine Deeskalation möglich, indem eine primäre Antibiotikatherapie mit einem Breitspektrumantibiotikum oder einer Kombination mehrerer Antibiotika und/oder Antimykotika nach Erregernachweis und Empfindlichkeitstestung auf eine gezielte Antibiose mit einem einzelnen Schmalspektrumantibiotikum umgestellt wird. Ein weiterer wichtiger Aspekt von ABS-Programmen ist die Umstellung einer i. v. begonnenen Antibiotikatherapie auf eine orale Therapie. Diese Umstellung ist sinnvoll, da durch den Wegfall des venösen Zugangs das Risiko einer nosokomialen Blutstrominfektion reduziert wird. Im Hinblick auf die orale Fortsetzung einer i. v.-Antibiotikatherapie ist zu beachten, dass die orale Maximaldosis vieler Antibiotika deutlich geringer ist als die i. v.-Dosierung und dass die orale Bioverfügbarkeit eingell rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

73

A 4.2 Grundregeln der antimikrobiellen Therapie

schränkt sein kann (Tab. A-4.3). Die Umstellung auf eine orale Antibiotikatherapie führt damit in vielen Fällen zu einer deutlichen Dosisreduktion. Dadurch besteht die Gefahr, dass durch die geringere Dosierung und eine eingeschränkte orale Bioverfügbarkeit die notwendigen Wirkspiegel nicht erreicht werden. Deshalb ist eine Oralisierung der Antibiotikatherapie bei schwerwiegenden Infektionen, wie z. B. Endokarditiden, in der Regel nicht möglich. Einen möglichen Ausweg bietet hier eine ambulante Antibiotikatherapie mit Substanzen, die aufgrund ihrer langen Halbwertszeit (z. B. Ceftriaxon) nur 1-mal täglich i. v. appliziert werden müssen. Ein ökonomischer Vorteil ist zudem, dass bei einer oralen Therapie evtl. eine ambulante Fortsetzung der Antibiotikatherapie ermöglicht wird.

≡ A-4.3

Vergleich der oralen Bioverfügbarkeit klinisch wichtiger Antibiotika bei normaler Resorption im Darm

Substanz

i. v. Tagesdosis*

p. o. Tagesdosis

p. o. Bioverfügbarkeit

Dosis p. o./i. v.

Aminopenicillin

3×5 g Ampicillin

3×1 g Amoxicillin

ca. 80 %

ca. 15 %

Cephalosporin 2. Generation

3 × 1,5 g Cefuroxim

2 × 0,5 g Cefuroximaxetil

ca. 50 %

ca. 10 %

Ciprofloxacin

2 × 400 mg

2 × 500 mg

ca. 80 %

ca. 100 %

Clindamycin

3 × 600 mg

3 × 600 mg

ca. 80 %

ca. 80 %

Flucloxacillin

4×2g

4 × 750 mg

ca. 50 %

ca. 20 %

Eine besonders hohe Bedeutung kommt ABS-Programmen zur Vermeidung von Erkrankungen durch C. difficile zu. Bei auf C. difficile fokussierten ABS-Interventionen werden Antibiotika mit einem hohen C.-difficile-Erkrankungsrisiko nach Möglichkeit durch Antibiotika mit einem geringeren C.-difficile-Erkrankungsrisiko ersetzt (Tab. A-4.4).

≡ A-4.4

Ein wichtiges Ziel von ABS Programmen ist die Verhinderung von Erkrankungen durch C. difficile (Tab. A-4.4).

CDI-Risiko unter Therapie mit verschiedenen Antibiotika

hoch

Clindamycin, Fluorquinolone (speziell Ciprofloxacin), Cephalosporine 3. Generation (speziell Ceftriaxon)

mittel

Carbapeneme, Penicilline ± Betalaktamaseinhibitoren, Cephalosporine 1. + 2. Generation, Carbapeneme

gering

Vancomycin, Metronidazol, Linezolid, Daptomycin, Fosfomycin, Doxycyclin, Cotrimoxazol, Aminoglykoside, Makrolide

Die Optimierung der Dosierung, die Reduktion der Therapiedauer und der Verzicht auf Breitspektrumantibiotika reduzieren ebenfalls die Selektion von multiresistenten Erregern, wie MRSA, MRGN und VRE. Wichtig ist, dass ABS-Maßnahmen zur Kontrolle von C. difficile und multiresistenten Erregern immer zusammen mit entsprechenden Hygienemaßnahmen erfolgen. ▶ Klinischer Fall. ABS-Intervention zur Vermeidung von Clostridium-difficile-Infektionen (CDI) bei Patienten mit orthopädischen Protheseninfektionen Auf einer Spezialstation zur Behandlung von Infektionen von Gelenkprothesen traten 2014 zunehmend Erkrankungen mit Clostridium difficile auf. Mehrere Patienten entwickelten schwere Verlaufsformen und mussten intensivmedizinisch behandelt werden. Ein Patient verstarb mit einem toxischen Megakolon. Die epidemiologische Analyse ergab, dass der Hauptanteil der schweren Erkrankungen durch C. difficile vom Ribotyp 027 bedingt war. Ribotyp 027 gehört zu den sogenannten hypervirulenten C.-difficile-Stämmen (S. 371), die aufgrund einer hohen Toxinproduktion häufiger zu schweren Krankheitsverläufen führen. Die molekularepidemiologische Feintypisierung der C.-difficile-Isolate ergab jedoch, dass die Stämme nicht vollständig genetisch identisch (klonal) waren, sodass es keinen Hinweis gab, dass die Erreger direkt von einem zum anderen Patienten übertragen wurden. Es handelte sich bei der Häufung von Fällen demnach nicht um einen klassischen Ausbruch durch nosokomiale Übertragung des C. difficile vom RT 027 auf der Station. Die initial sofort eingeleiteten krankenhaushygienischen Maßnahmen waren nicht effektiv. In der Folge wurden durch ein auf C. difficile fokussiertes ABS-Programm alle Antibiotikaverordnungen der Station durch das ABS-Team der Klinik evaluiert und eine systematische Erfassung des stationären Antibiotikaverbrauchs sowie der C.-difficile-Infektionen mit quartalsweisem Feedback an die Station implementiert. Alle Verordnungen von Antibiotika mit hohem C.-difficile-Infektionsrisiko, insbesondere von Clindamycin, Fluorquinolonen und Cephalosporinen der 3. Generation, wurden durch Antibiotika mit einem niedrigeren C.-difficile-Infektionsrisiko wie Penicillin G, Flucloxacillin, Cotrimoxazol oder Linezolid ersetzt. In der Folge kam es zu einer Reduktion des Verbrauchs von C.-difficile-Risikoantibiotika um mehr als 90 %, die mit dem vollständigen Verschwinden von C.-difficile-Erkrankungen auf der Station einherging (Abb. A-4.1). Es traten insbesondere keine weiteren schweren Verläufe mehr auf.

Die Optimierung der Dosierung, die Reduktion der Therapiedauer sowie der Verzicht auf Breitspektrumantibiotika reduzieren die Selektion von multiresistenten Erregern.

▶ Klinischer Fall.

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74

A

60

3

50

3

40

2

30

2

20

1

10

1

0

CDI-Rate (Fälle/1000 Patiententage)

CDI-Rate und Verbrauch von CDI-Risikoantibiotika

Antibiotikaverbrauch (DDD/100 Patiententage)

⊙ A-4.1

4 Grundlagen der antimikrobiellen Chemotherapie

0 2013

2013

2013

2013

2014

2014

2014

2014

2015

2015

2015

2015

2016

2016

Q1

Q2

Q3

Q4

Q1

Q2

Q3

Q4

Q1

Q2

Q3

Q4

Q1

Q2

Achsentitel CDI

Cephalosporine 3. Gen.

Fluoroquinolone

Clindamycin

Monitoring der C.-difficile-Erkrankungsrate und der Verordnungsdichte von ausgewählten Antibiotika mit einem erhöhten Risiko für C. difficile. Aufgrund einer erhöhten Rate von C.-difficile-Erkrankungen wurden auf der Station regelmäßige Antibiotikavisiten eingeführt mit dem Ziel, den Verbrauch von Fluoroquinolonen, Cephalosporinen der 3. Generation und Clindamycin zu reduzieren (s. Text). Die Reduktion des Verbrauchs dieser Antibiotikagruppen, gemessen als stationäre Verordnungsdichte in definierten Tagesdosen (DDD) pro 100 Patiententage (Linien) führte mit einer gewissen Latenz zu einem kompletten Rückgang der C.-difficile-Erkrankungen (Balken) (Daten aus: Färber et al. Antimicrobial Resistance and Infection Control 2017; 6: 22).

4.2.3

Toxikologische und ökonomische Aspekte

4.2.3 Toxikologische und ökonomische Aspekte Herbert Hof

Toxikologisch: Durch Bestimmung der Medikamentenspiegel erreicht man eine Wirkungs- und Toxizitätskontrolle.

Toxikologisch: Durch Bestimmung von Spitzenspiegel bzw. Talspiegel muss man bei manchen Präparaten (Aminoglykoside, Glykopeptide) die Dosierung steuern, um erstens eine Wirkungskontrolle und zweitens auch eine Toxizitätskontrolle zu haben.

Ökonomisch: Die Entscheidung, welche Medikamentengruppe eingesetzt werden soll, muss auch unter ökonomischen Aspekten getroffen werden.

Ökonomisch: Die Entscheidung, welche Medikamentengruppe eingesetzt werden soll, muss auch unter ökonomischen Aspekten getroffen werden. Bei einer manifesten, schweren Erkrankung ist es sicherlich sinnvoll, zunächst massiv zu intervenieren und dann nach dem Eintritt des Erfolgs zu reduzieren (Deeskalation). Vielleicht kann man dann auf orale Therapieformen umsteigen. In einer Situation – z. B. auf der Intensivstation bei jungen, frisch verunfallten Patienten – wo man noch keine Infektion beobachtet, aber erfahrungsgemäß in nächster Zeit damit rechnen muss, sollte man mit Standardpräparaten beginnen und bei Bedarf verstärken (Eskalation).

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Immunologie Dunja Bruder, Rüdiger Dörries*

B

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1

Einleitung und Grundbegriffe

1.1

Einteilung und Aufgaben des Immunsystems . . . . . . . . . . . . . . . .

B 77

© Thieme Verlagsgruppe

1.1

Einteilung und Aufgaben des Immunsystems

1.1

Einteilung und Aufgaben des Immunsystems

1.1.1 Einteilung des Immunsystems

1.1.1

Einteilung des Immunsystems

Grundsätzlich kann die immunologische Abwehr infektiöser Erreger in zwei Kategorien eingeteilt werden (Tab. B-1.1): ■ unspezifisch bzw. angeboren („natürlich“): Diese erste, sehr schnelle Abwehrreaktion stellt eine relativ unspezifische Maßnahme gegen infektiöse Erreger dar, d. h. es findet nur eine Unterscheidung zwischen „körpereigen“ und „körperfremd“ statt, ohne dass der Erreger als solcher identifiziert wird; ■ spezifisch bzw. erworben („adaptiv“): Für die Induktion dieser langsameren Immunantwort ist das spezifische Erkennen des Erregers notwendig. Der Erkennungsprozess führt zur Aktivierung und Differenzierung besonderer immunologischer Effektorzellen und zur Ausbildung eines immunologischen Gedächtnisses, welches bei erneutem Kontakt mit dem gleichen oder ähnlichen Infektionserreger eine deutlich beschleunigte Expansion spezifischer Effektorzellen erlaubt. Es stellt damit die Basis für eine oft lebenslange Immunität dar.

Die immunologische Abwehr von Infektionserregern wird von angeborenen und erworbenen Mechanismen getragen (Tab. B-1.1): ■ Die unspezifische bzw. angeborene („natürliche“) Immunabwehr ist nur bedingt spezifisch; ■ die spezifische bzw. erworbene („adaptive“) Immunabwehr ist hoch spezifisch für das infektiöse Agens.

Das Immunsystem stellt die evolutionäre Antwort auf die potenzielle Bedrohung durch infektiöse Agenzien dar. Ohne Kenntnisse immunologischer Vorgänge kann die Pathobiologie infektiöser Erreger nicht verstanden werden. Das folgende Kapitel soll daher ein immunologisches Basiswissen vermitteln, um den Verlauf und Ausgang von Infektionserkrankungen besser verstehen zu können. Immunologische Mechanismen spielen zwar auch eine wesentliche Rolle bei der Zerstörung von Tumoren und bei der Kontrolle der körperlichen Integrität (Transplantatabstoßung), doch würde der Einschluss dieser Themen den Rahmen und die Aufgabe dieses Buches sprengen.

≡ B-1.1

Vergleich von angeborener und erworbener Immunabwehr angeboren („natürlich“)

erworben („adaptiv“)

Spezifität



gering



hoch

Kinetik



sofort bis wenige Tage



> 3 Tage

Gedächtnis



nein



ja

humorale (lösliche) Mediatoren



antimikrobielle Enzyme (Lysozym) und Peptide (Defensine), Surfactant-Proteine



Antikörper (Immunglobuline)



Zytokine

zelluläre Mediatoren

Rezeptoren zur Erkennung fremder Strukturen



Komplement



Akute-Phase-Proteine



Zytokine



Granulozyten



B-Lymphozyten



Monozyten/Makrophagen



T-Lymphozyten



dendritische Zellen



NK-Zellen (natürliche Killerzellen)



ILC (innate lymphoid cells)



PRRs (pattern recognition receptors)



T-Zell-Rezeptor, TCR



B-Zell-Rezeptor, BCR

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78

B 1 Einleitung und Grundbegriffe

▶ Definition.

▶ Definition. Unter Immunität wird der Schutz vor einer durch einen bestimmten Erreger hervorgerufenen Erkrankung verstanden.

Leukozyten stellen die zellulären Komponenten der angeborenen und der erworbenen Immunabwehr dar.

Zelluläre Träger sowohl der unspezifischen als auch der spezifischen Immunantwort sind die weißen Blutzellen (Leukozyten), die aus pluripotenten hämatopoetischen Stammzellen im Knochenmark entstehen und durch Differenzierung und Reifung in verschiedenen Kompartimenten des Körpers ihre spezifischen Eigenschaften erwerben.

1.1.2

1.1.2 Aufgaben des Immunsystems

Aufgaben des Immunsystems

Das Immunsystem muss bei Toleranz gegenüber körpereigenen Strukturen eine Vielzahl von körperfremden Substanzen (Antigene) erkennen und eliminieren.

Die wesentliche Aufgabe des Immunsystems ist die Erkennung und Zerstörung einer enormen Vielzahl körperfremder Substanzen (Antigene) bei gleichzeitiger Toleranz gegenüber körpereigenen Bausteinen. Irrtümer bei dieser Differenzierung zwischen „Selbst“ und „Fremd“ können autoaggressive Immunreaktionen mit schwerwiegenden klinischen Komplikationen auslösen. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, bilden Zellen des Immunsystems Rezeptoren aus, mit deren Hilfe im Prinzip nur Antigene, nicht aber körpereigene Strukturelemente erkannt werden. Andere Rezeptoren ermöglichen die Kommunikation zwischen den an der Immunabwehr beteiligten Zellen.

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2

Strukturelemente des Immunsystems

2.1 2.2 2.3

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organe des Immunsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zellen des Immunsystems. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

B 79 79 84 © Dariusz T. Oczkowicz - Fotolia.com

2.1

Allgemeines

▶ Definition. Das Immunsystem stellt eine Kombination aus lymphatischen Orga-

2.1

Allgemeines

▶ Definition.

nen, vernetzten Blut- und Lymphgefäßen und den sehr mobilen Leukozyten als Träger der angeborenen und erworbenen Immunität dar. Erst durch Zusammenwirken dieser Komponenten kann es seiner Überwachungs- und Verteidigungsfunktion gerecht werden und den Körper vor Infektionserregern und deren Toxinen schützen.

2.2

Organe des Immunsystems

2.2

Organe des Immunsystems

2.2.1

Primäre lymphatische Organe

Auf der Suche nach potenziellen Krankheitserregern zirkulieren Lymphozyten im Blut und in der Lymphe und finden sich in großer Anzahl in lymphatischen Organen. Diese werden eingeteilt in primäre (zentrale) und sekundäre (periphere) lymphatische Organe.

2.2.1 Primäre lymphatische Organe ▶ Definition. Primäre lymphatische Organe sind Orte, an denen die Zellen des Immunsystems gebildet werden. Zu ihnen zählen das Knochenmark und der Thymus.

Das Knochenmark

▶ Definition.

Das Knochenmark

Anatomie: Als Knochenmark wird die zelluläre Substanz in der Spongiosa der Knochen bezeichnet. Grundsätzlich wird zwischen Fettmark und rotem Mark unterschieden. Feinbau und Funktion: Pluripotente Stammzellen stellen als blutbildende Zellen zusammen mit unreifen Stadien von Lymphozyten sowie unreifen und reifen Stadien von Monozyten, Erythrozyten, Granulozyten und Thrombozyten das Parenchym des roten Marks dar, welches in das retikuläre Bindegewebe (Stroma) eingelagert ist. Neu entstandene Blutzellen werden aus dem Knochenmark von einem dichten Netz von Sinusoiden abgeleitet. ▶ Merke. Im Knochenmark entstehen alle zellulären Bestandteile des Blutes aus

▶ Merke.

pluripotenten Stammzellen. ▶ Exkurs. Eine systemische Schädigung des Knochenmarks kann zu einer sog. Panzytopenie (Erythrozyten-, Leukozyten- und Thrombozytenmangel) führen mit Anämie, Infektanfälligkeit und erhöhter Blutungsneigung. Mögliche Ursachen sind „idiopathisch“ (unbekannt), ionisierende Strahlen oder Medikamente.

Das Knochenmark ist nicht nur der Ort der Ontogenese, sondern auch der Reifung von B-Lymphozyten (bone marrow dependent). B-Lymphozyten sind für ihre Differenzierung in hohem Maße von Kontakten mit Stromazellen des Knochenmarks abhängig und verlassen nach Reifung den Ort ihrer Genese, um im Körper über Blutund Lymphbahnen zu rezirkulieren.

▶ Exkurs.

Im Knochenmark entstehen und reifen B-Lymphozyten.

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80

B 2 Strukturelemente des Immunsystems

Der Thymus

Der Thymus Anatomie: Der von einer kollagenen Bindegewebshülle umgebene, zweilappige Thymus liegt oberhalb des Herzens und ist durch Septen in kleine Läppchen (Lobi) untergliedert. In das epitheliale Stroma sind zahlreiche T-Lymphozyten (thymus dependent) bzw. deren unreife Vorläuferzellen (Thymozyten) eingelagert. Ihre Dichte nimmt vom Rand (Kortex) bis zum Inneren (Mark) des Thymus ab (Abb. B-2.1).

T-Vorläuferzellen entstehen im Knochenmark und reifen im Thymus zu T-Lymphozyten (Abb. B-2.1).

▶ Merke.

Funktion: T-Vorläuferzellen wandern aus dem Knochenmark in den Thymus und beginnen in dessen Kortex ihre Reifung zu T-Lymphozyten (Abb. B-2.1). Im Thymus „lernen“ die T-Vorläuferzellen, zwischen körpereigenen und -fremden Strukturen zu unterscheiden. Potenziell selbstreaktive Zellen sterben durch Apoptose (negative Selektion), während sich nicht selbstreaktive Thymozyten zu reifen T-Lymphozyten entwickeln (positive Selektion). Eine wichtige Rolle für die Selektion von Thymozyten und ihrer Differenzierung zu T-Lymphozyten spielen neben Thymusepithelzellen Makrophagen (S. 86) und dendritische Zellen (S. 86), die aus dem Knochenmark in den Thymus eingewandert sind. Sie sind zusammen mit reifen T-Lymphozyten vor allem in der Medulla lokalisiert. Wie reife B-Zellen treten reife T-Zellen in den Blutkreislauf ein und rezirkulieren im Körper über Blut- und Lymphbahnen. ▶ Merke. ■ ■

▶ Definition.

T-Zellen differenzieren im Thymus aus knochenmarkstämmigen Vorläuferzellen. B-Zellen entstehen und reifen im Knochenmark.

▶ Definition. Nach ihrer Differenzierung in den Reifungsorganen (Knochenmark,

Thymus) werden die Lymphozyten in den Blutkreislauf entlassen. Da diese Zellen noch keinen Antigenkontakt hatten, werden sie auch als naive Lymphozyten bezeichnet. Sie wandern über das Blut in die sekundären lymphatischen Organe, wo sie nach spezifischem Antigenkontakt zu Effektorzellen differenzieren.

⊙ B-2.1

Struktur und Funktion des Thymus

Thymusepithelzellen Thymozyt

dendritische Zellen und Makrophagen aus dem Knochenmark 1 Mark (Medulla) Bindegewebshülle 2

Rinde (Kortex) 3

Hassall-Körperchen

2.2.2

reife T-Lymphozyten

Sekundäre lymphatische Organe

▶ Definition.

Der Thymus ist von einer kollagenen Bindegewebshülle umgeben, die durch Ausbildung von Fortsätzen das Organ in kleine Läppchen unterteilt. Thymozyten aus dem Knochenmark treten über den Blutkreislauf in den Kortex des Thymus ein und beginnen mithilfe der Thymusepithelzellen ihre Reifung zum T-Lymphozyten (1). Im Verlauf ihrer Differenzierung wandern T-Lymphozyten vom Kortex Richtung Medulla. Im Grenzbereich zwischen Kortex und Medulla werden sie von dendritischen Zellen und Makrophagen aus dem Knochenmark auf Reaktivität auf Selbstantigene (Autoantigene) geprüft (2). Nur solche T-Lymphozyten, die nicht autoreaktiv sind, verlassen den Thymus und treten in den Blutkreislauf ein (3). Autoreaktive Zellen sterben durch Apoptose.

2.2.2 Sekundäre lymphatische Organe ▶ Definition. Unter sekundären lymphatischen Organen werden alle lymphatischen Gewebe zusammengefasst, in denen die Aktivierung von B- und T-Lymphozyten stattfindet und somit eine spezifische Immunantwort eingeleitet wird. Dazu zählen Milz, Lymphknoten und das mukosaassoziierte lymphatische Gewebe (MALT).

Aufbau: Prinzipiell gibt es in allen sekundären lymphatischen Organen morphologisch abgrenzbare Bereiche, die bevorzugt B- oder T-Lymphozyten in geordneten Strukturen beherbergen.

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B

Funktion: Funktionell entsprechen die sekundären lymphatischen Organe einem großen Marktplatz, auf dem Antigene aus Organen und dem Blutkreislauf präsentiert werden. Hierbei kommt den dendritischen Zellen, die Infektionserreger oder deren Bestandteile in nahezu allen Körperregionen aufnehmen, in die sekundären lymphatischen Organe transportieren und dort in prozessierter Form T-Lymphozyten präsentieren, eine besondere Bedeutung zu. Bei Erkennen dieser Antigene durch rezirkulierende Lymphozyten wird in mehreren Schritten die spezifische Immunantwort ausgelöst (Abb. B-2.2): ■ Extravasation naiver Lymphozyten: Naive Lymphozyten (s. o.) verlassen in den sekundären lymphatischen Organen den Blutkreislauf. ■ Differenzierung zu Effektorzellen: Erkennt ihr Antigenrezeptor das angebotene Antigen, kommt es zu einer Phase massiver Zellteilung mit nachfolgender Differenzierung zu Effektorzellen. ■ spezifische Immunantwort: Diese T-Effektorzellen verlassen die Organe über die abführenden Gefäßbahnen und erreichen über den Blutkreislauf die Orte, an denen das Antigen in den Organismus eingedrungen ist. Hier üben sie die während ihrer antigenabhängigen Differenzierungsphase erworbenen Effektorfunktionen aus.

⊙ B-2.2

81

2.2 Organe des Immunsystems

In den peripheren lymphatischen Organen wird die durch B- und T-Lymphozyten vermittelte spezifische Immunantwort ausgelöst (Abb. B-2.2).

Rezirkulation von Lymphozyten

afferente Lymphbahn 2 1 peripherer Lymphknoten 3

4

efferente Lymphbahn

6

infiziertes Organ

Milz Schleimhaut MALT Blutkreislauf dendritische Zelle

Infektionserreger

Antigen

naiver Lymphozyt

antigenbeladene dendritische Zelle

5

Effektorzelle

▶ Definition. Effektorzellen der spezifischen Immunreaktion sind ausdifferenzierte

Bei Eindringen eines Infektionserregers (Antigen) in ein Organ werden Bruchstücke davon von dendritischen Zellen über afferente Lymphbahnen in die nächsten regionalen Lymphknoten transportiert (1). Im Lymphknoten treten rezirkulierende naive Lymphozyten aus dem Blutkreislauf aus und durchwandern das lymphatische Gewebe (2). Erkennen sie erregerspezifische Strukturen, werden sie aktiviert und differenzieren zu Effektorzellen, die das lymphatische Gewebe in der efferenten Lymphbahn verlassen (3) und über den Ductus thoracicus in den Blutkreislauf eintreten. An aktivierten Endothelzellen verlassen Effektorlymphozyten wieder den Blutkreislauf, treten in das Gewebe ein und vernichten den eingedrungenen Infektionserreger (4). Antigene, die in den Schleimhäuten lokalisiert sind, werden im mukosaassoziierten lymphatischen Gewebe (MALT) den extravasierten naiven Lymphozyten präsentiert (5). Auch hier fließen differenzierte Effektorzellen über efferente Bahnen ab und treten wieder in den Blutkreislauf ein. In der Milz treffen naive Lymphozyten auf Antigene, die sich im Blutkreislauf befinden und in die periarteriellen Ansammlungen von Lymphozyten transportiert werden (6). Antigenspezifische Lymphozyten differenzieren zu Effektorzellen, die über die abführende Vene wieder in den Blutkreislauf eintreten.

▶ Definition.

Lymphozyten, die spezifische Aufgaben bei der Abwehr von Infektionserregern und bei der Eliminierung von Antigenen ausüben. ▶ Merke. Die sekundären lymphatischen Organe sind die Orte der Präsentation von

▶ Merke.

Antigenen und deren Erkennung durch naive Lymphozyten. Dieses löst die Differenzierung der Lymphozyten zu Effektorzellen und somit die spezifische Immunantwort aus. Lymphozyten, die keinen passenden Rezeptor für die dargebotenen Antigene besitzen und daher nicht antigenspezifisch aktiviert wurden, erhalten Signale zum weiteren Überleben und zum Rezirkulieren, wodurch die Chancen auf ein späteres Zusammentreffen mit „ihrem“ Antigen erhöht werden.

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82

B 2 Strukturelemente des Immunsystems

Die Milz

Die Milz Anatomie: Die Milz liegt als größtes sekundäres lymphatisches Organ unterhalb des Zwerchfells mit Kontakt zu Niere und Magen. Von ihrer Bindegewebskapsel ausgehende Trabekel bilden das Gerüst für das dazwischenliegende retikuläre Bindegewebe. Dessen größter Anteil wird von der roten Pulpa gebildet, dem Ort, an dem gealterte rote Blutkörperchen abgebaut werden. Innerhalb der roten Pulpa lassen sich helle punktförmige Bereiche ausmachen, die durch Leukozyten gebildete weiße Pulpa. Äste der A. lienalis verlaufen nach Durchtritt durch die Milzkapsel zunächst entlang der Trabekel. Auf ihrem weiteren Weg zweigen sie sich auf und treten in die Pulpa ein. Dort werden sie von Lymphozyten umgeben, die sich in Form einer länglichen oder kugelförmigen Hülle anordnen. In dieser periarteriellen Scheide (periarteriolar lymphoid sheath, PALS) teilt sich die zentrale Arterie pinselartig in Arteriolen auf, die nachfolgend im Gewebe Kapillaren ausbilden. Der venöse Abfluss erfolgt über venöse Sinus und Pulpa- bzw. Trabekelvenen in die V. lienalis.

In der weißen Pulpa der Milz bilden T-Lymphozyten eine periarterielle Scheide (PALS) aus, auf der B-Lymphozyten in Follikeln angeordnet sind (Abb. B-2.3).

Feinbau: In der weißen Pulpa der Milz findet sich eine sehr charakteristische Anordnung der T- und B-Lymphozyten (Abb. B-2.3). Während die T-Zellen die zentrale Arteriole als PALS direkt umgeben, bilden B-Zellen Follikel aus, die auf der PALS angeordnet sind. PALS und B-Zell-Follikel werden von einer Rand- oder Mantelzone umgeben, die T- und B-Lymphozyten enthält. An den Kontaktstellen zwischen PALS und B-Zell-Follikeln lassen sich Zonen aufgelockerter Zelldichte mit großen Lymphozyten erkennen. In diesen sogenannten Keimzentren befinden sich B-Lymphozyten, die mit der Hilfe von T-Lymphozyten aktiviert wurden und in Plasmazellen differenzieren, welche antikörpersezernierende Effektorzellen darstellen. Funktion: Da die Milz keine afferenten Lymphbahnen hat, ist sie insbesondere an der Immunabwehr hämatogener Infektionserreger beteiligt. Antigene solcher Erreger werden über die zuführende Arterie von dendritischen Zellen herangebracht und den Lymphozyten präsentiert.

⊙ B-2.3

Struktur und Funktion der Milz

Die Milz wird von einer Bindegewebskapsel umgeben, die durch Fortsätze (Trabekel) in das Organ ein Gerüst für das retikuläre Bindegewebe ausbildet. Der größte Anteil dieses Bindegewebes stellt die rote Pulpa dar, in der sich Ansammlungen von Leukozyten in Form der weißen Pulpa befinden. Lymphozyten treten über die zuführende Arterie in die Milz ein (1). T-Lymphozyten lagern sich als periarterielle Scheide (PALS) um fein verästelte Arteriolen ab (2), B-Lymphozyten sind als lymphatische Follikel auf der PALS angeordnet (3) und stellen einen großen Teil der Lymphozyten dar, die sich in der Randzone der weißen Pulpa befinden. Bei Erkennung eines Antigens in der PALS bildet sich in den Follikeln ein Keimzentrum aus, in dem B-Lymphozyten mit der Hilfe von T-Lymphozyten in antikörperproduzierende Plasmazellen differenzieren (4). Effektorlymphozyten werden über venöse Sinus (5) der abführenden Vene zugeführt und verlassen so die Milz (6). Histologisches Bild: Ein Gefrierschnitt von der Milz einer Ratte wurde mit einem spezifischen Antikörper für B-Lymphozyten gefärbt. Der rote Farbniederschlag kennzeichnet die Lokalisation der B-Zellen.

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B

83

2.2 Organe des Immunsystems

▶ Exkurs. Nach Verlust der Milz (Splenektomie) besteht eine erhöhte Infektanfälligkeit, die zu einer oft tödlichen Sepsis führen kann, der sog. Overwhelming post Splenectomy Infection (OPSI) (S. 344).

Die Lymphknoten

▶ Exkurs.

Die Lymphknoten

Anatomie: Der Aufbau der Lymphknoten ähnelt mit Kapsel und Trabekeln dem der Milz. Zwischen retikulärem Gewebe und der Bindegewebskapsel liegt der Randsinus, über welchen die Lymphe aus den afferenten Lymphbahnen den Lymphknoten erreicht. Feinbau: Das retikuläre Bindegewebe ist mit Lymphozyten durchsetzt, welche typischerweise in den Randbereichen (Kortex) eine höhere Dichte als im Zentrum (Medulla) aufweisen (Abb. B-2.4). Kortikal finden sich überwiegend B-Lymphozyten, die sich in Follikeln organisieren. Hier liegen – ähnlich wie in den B-Zell-Follikeln der Milz – Keimzentren (S. 82). Von den kortikalen B-Zell-Bereichen werden Markstränge in die Medulla fortgesetzt. T-Lymphozyten halten sich gemeinsam mit antigenpräsentierenden dendritischen Zellen parakortikal Richtung Medulla auf.

⊙ B-2.4

In den Lymphknoten (Abb. B-2.4) siedeln sich T-Lymphozyten unterhalb der Rindenregion (parakortikal) an. Follikel von B-Lymphozyten finden sich in der Rindenregion (kortikal).

Struktur und Funktion eines Lymphknotens

efferente Lymphbahn afferente Lymphbahn Vene Arterie

5

Randsinus

Marksinus

Bindgewebshülle

1

4

Keimzentrum afferente Lymphbahn

Markstränge (Plasmazellen, Makrophagen)

2

3 kortikale lymphatische Follikel (B-Lymphozyten)

Parakortex (T-Lymphozyten)

afferente Lymphbahn

Ähnlich der Milz wird auch ein Lymphknoten von einer Bindegewebshülle umgeben, die Trabekel in das Organ vortreibt. Zwischen dem retikulären Gewebe und der Kapsel liegt der Randsinus, in den die afferenten Lymphbahnen aus den Organen münden. Rezirkulierende Lymphozyten treten über die zuführende Arterie in den Lymphknoten ein (1) und verlassen an besonderen venösen Epithelien den Blutkreislauf (2). T-Lymphozyten wandern in die parakortikalen Bereiche, während B-Lymphozyten sich in den kortikalen lymphatischen Follikeln ansiedeln. Über die afferenten Lymphbahnen werden Antigene aus den Organen herangeführt (3) und nachfolgend den extravasierten Lymphozyten präsentiert. Bei Erkennung eines Antigens wird eine spezifische Immunantwort ausgelöst, in deren Verlauf es zur Ausbildung eines Keimzentrums kommt, in dem B-Lymphozyten mithilfe von T-Lymphozyten differenzieren (4). Differenzierte Effektorlymphozyten werden über den Marksinus und die efferente Lymphbahn wieder dem Blutkreislauf zugeführt (5).

Funktion: Mit der Lymphe werden Antigene aus den Geweben bzw. antigenpräsentierende dendritische Zellen oder Makrophagen herangeführt, s. Kap. „Die afferente Phase“ (S. 119). Die dendritischen Zellen lokalisieren sich in den parakortikalen T-Zell-Bereichen, wo sie T-Lymphozyten aktivieren und ihre Differenzierung in Effektorzellen einleiten.

Das schleimhautassoziierte lymphatische Gewebe ▶ Definition. Zum schleimhautassoziierten lymphatischen Gewebe (MALT = mucosa-

Das schleimhautassoziierte lymphatische Gewebe ▶ Definition.

associated lymphoid tissue) zählen das bronchienassoziierte (BALT), das nasenassoziierte (NALT) und das darmassoziierte (gut-associated, GALT) lymphatische Gewebe mit Tonsillen, Blinddarm und den Peyer-Plaques des Dünndarms. Anatomie und Feinbau: Aufgrund ihrer physiologischen Funktionen bilden Schleimhäute eine in ihrer Gesamtheit mehrere hundert Quadratmeter große Grenzfläche, die in nahezu direktem Kontakt zur Außenwelt steht. Somit bilden Schleimhäute riesige Angriffsflächen für Infektionserreger. Das mukosale Immunsystem stellt den größten Teil des

MALT ist das größte sekundäre lymphatische Gewebe des menschlichen Immunsystems und beherbergt etwa dreiviertel aller Lymphozyten.

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84

B 2 Strukturelemente des Immunsystems

Im lymphatischen Gewebe des Darmes bilden B-Lymphozyten große Follikel in der Darmwand, zwischen denen kleinere Ansiedlungen von T-Lymphozyten angeordnet sind (Abb. B-2.5).

menschlichen Immunsytems dar und etwa dreiviertel aller Lymphozyten sind im MALT lokalisiert. Das MALT zeigt, wenn auch in abgewandelter Form, den typischen Aufbau eines sekundären lymphatischen Organs. Am Beispiel der Peyer-Plaques des Dünndarms wird dies deutlich (Abb. B-2.5): Ein großer B-Zell-Follikel liegt innerhalb der Darmwand und wird zur luminalen Seite des Darms durch das follikelassoziierte Epithel abgegrenzt. Dieses bildet eine Kuppel (Dome) über dem lymphatischen Gewebe und beinhaltet neben den klassischen Darmepithelzellen sogenannte M-Zellen (microfold cells). M-Zellen fehlt im Gegensatz zu anderen Darmepithelzellen der typische Bürstensaum und sie sind nicht von einer Mukusschicht bedeckt. Sie sind deshalb relativ frei zugänglich und in der Lage, Antigene aus dem Darmlumen transzellulär in den Peyer-Plaques zu transportieren. Der Bereich zwischen den Follikeln und dem follikelassoziierten Epithel ist reich an dendritischen Zellen, die für die Aufnahme von Antigenen und die Aktivierung von ebenfalls dort zahlreich vorhandenen Lymphozyten bereit sind. Der T-Zell-Bereich ist deutlich kleiner als bei anderen sekundären lymphatischen Geweben. Die T-Zellen sind überwiegend zwischen den großen B-Zell-Follikeln angeordnet, in deren luminal zugewandten Enden auch die Keimzentren angesiedelt sind. Funktion: Im MALT werden Antigene von den gastrointestinalen, respiratorischen und anderen Schleimhäuten gesammelt und den Lymphozyten zur Erkennung zugänglich gemacht.

⊙ B-2.5

⊙ B-2.5

Aufbau der Peyer-Plaques Zotten Krypten follikelassoziiertes Epithel Kuppelregion Follikel (B-Zellen) thymusabhängige Region (T-Zellen)

M-Zelle dendritische Zelle Lymphozyt Enterozyt

Erläuterung s. Haupttext. (Quelle: Abbildung mit freundlicher Genehmigung von Prof. A. Gebert, Jena)

Zellen des Immunsystems

2.3

Zellen des Immunsystems

2.3

2.3.1

Allgemeines

2.3.1 Allgemeines

Die Zellen des Immunsystems entwickeln sich aus pluripotenten Stammzellen des Knochenmarks (Abb. B-2.6). Dieser Prozess wird Hämatopoese genannt.

Die Hämatopoese, also die Bildung der Zellen des Blutes, findet im Knochenmark statt. Ausgehend von pluripotenten hämatopoetischen Stammzellen werden in einem ersten Schritt Vorläuferzellen mit eingeschränktem Differenzierungspotenzial entwickelt. Es entstehen myeloische und lymphoide Stammzellen (Abb. B-2.6).

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B

⊙ B-2.6

Die Entwicklung von blut- und gewebeständigen Zellen aus der hämatopoetischen Stammzelle

Gewebe

BM-Mastzelle mukosale Mastzelle

Blut

Thrombozyten

Mastzelle im Bindegewebe

Erythrozyt

Megakaryozyt

Erythroblast 2 EM-Vorläufer

G-Vorläufer

Neutrophile

hämatopoetische Stammzelle 1

4

BLymphozyt

Plasmazelle

85

2.3 Zellen des Immunsystems

GEMMVorläufer

L-Vorläufer

GMVorläufer

Knochenmark

Basophile

M-Vorläufer Eosinophile

NK-Zelle

ILC

3

Monozyt

T-Lymphozyt

aktivierte T-Zelle

sekundäres lymphatisches Gewebe

reife DC

unreife DC

Makrophage

▶ Merke. Entstehung, Reifung und Differenzierung von Zellen des Immunsystems

Ausgehend von einer pluripotenten hämatopoetischen Stammzelle werden mithilfe von Wachstums- und Differenzierungsfaktoren verschiedene Zelllinien entwickelt. Die myeloische Zelllinie führt zunächst zu einer Vorläuferzelle aus der sich Granulozyten, Erythrozyten, Megakaryozyten und Makrophagen entwickeln können (GEMMVorläufer) (1). Aus den GEMM-Vorläufern differenzieren über einen weiteren gemeinsamen Erythrozyten-/Megakaryozyten-(EM-)Vorläufer die Erythroblasten und Megakaryozyten, aus denen sich schließlich die Erythrozyten und Thrombozyten ableiten (2). Die GEMM-Vorläufer lassen sich in Granulozyten-/Makrophagen-(GM-)Vorläufer differenzieren, die Ausgangspunkt einer Reihe von wichtigen Zellen der unspezifischen Immunität sind (3). Mastzellen und neutrophile Granulozyten werden von einem gemeinsamen Granulozyten-(G-)Vorläufer gebildet, während sich basophile und eosinophile Granulozyten direkt aus dem GM-Vorläufer entwickeln können. Dieser ist auch Ausgangspunkt der Monozyten-/Makrophagen-Linie. Aus den im Blut rezirkulierenden Monozyten können sich gewebeständige Makrophagen und dendritische Zellen entwickeln. Dendritische Zellen werden nach Antigenaufnahme im Gewebe mobil und wandern in sekundäre lymphatische Organe, wo sie den T-Lymphozyten Antigene präsentieren. Für die lymphoide Zelllinie ist die hämatopoetische Stammzelle Ausgangspunkt der Entwicklung (4). Über lymphozytäre (L-)Vorläufer entwickeln sich B- und T-Lymphozyten sowie NK-Zellen und angeborene lymphoide Zellen (ILC, innate lymphoid cells). B- und T-Lymphozyten können aus dem Blutkreislauf in sekundäre lymphatische Organe extravasieren und dort antigenspezifisch aktiviert werden.

▶ Merke.

werden durch die differenzielle Expression einer Vielzahl von membranständigen Proteinen begleitet, die geeignet sind, den jeweiligen Entwicklungsstand der Zelle zu definieren. Diese Membranproteine werden mithilfe der CD-(„cluster of differentiation“)-Nomenklatur bezeichnet. Gegenwärtig gibt es über 370 katalogisierte CD-Moleküle, die fortlaufend nummeriert sind.

2.3.2 Die myeloische Zelllinie

2.3.2

Aus der gemeinsamen myeloischen Stammzelle (GEMM-Vorläufer) werden die Vorläuferzellen für die Granulozyten-/Monozyten-Linie (GM-Vorläufer) und die Thrombozyten-/Erythrozyten-Linie (EM-Vorläufer) differenziert (Abb. B-2.6).

Aus myeloischen Stammzellen entwickeln sich die Vorläuferzellen für die Granulozyten-/ Monozyten-Linie und die Thrombozyten-/ Erythrozyten-Linie (Abb. B-2.6).

▶ Merke. Die Granulozyten-/Monozyten-Vorstufe ist der Ausgangspunkt für die

Die myeloische Zelllinie

▶ Merke.

Entwicklung einer Reihe von im Blutkreislauf zirkulierenden (Granulozyten und Monozyten) und gewebeständigen (Makrophagen, Mastzellen und dendritische Zellen) Zellen, die wichtige Funktionen bei der unspezifischen Immunabwehr übernehmen und in vielen Fällen auch an der Aktivierung der spezifischen Immunantwort beteiligt sind. Da diese Zellen die adaptive Immunantwort unterstützen, werden sie auch akzessorische Zellen der spezifischen Immunabwehr genannt. Zu ihnen zählen Granulozyten, Mastzellen, Makrophagen und dendritische Zellen.

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86

B 2 Strukturelemente des Immunsystems

Granulozyten

Granulozyten

▶ Merke.

▶ Merke. Granulozyten bilden die „vorderste Abwehrfront“ beim Eindringen frem-

der Substanzen oder pathogener Keime. Sie machen ca. 60–70 % der Blutleukozyten aus. Lokalisation: Bei entzündlichen Vorgängen werden Granulozyten über chemotaktische Faktoren (Chemokine) in großer Zahl aus dem Blut an den Ort der Entzündung rekrutiert. Sie verlassen am entzündlichen Endothel die Blutgefäße und stoßen in das Gewebe vor. Granulozyten wie die Neutrophilen, Eosinophilen und die Basophilen sind wichtige Effektorzellen der natürlichen Immunität, die durch Phagozytose und antimikrobielle Substanzen, die in intrazellulären Granula gespeichert sind, wesentlich zur Infektabwehr beitragen.

Funktion: Neutrophile Granulozyten (ca. 90 %): Sie stellen den größten Anteil der Zellen der unspezifischen Immunantwort dar und sind für eine effiziente Abwehr bakterieller Infektionen unerlässlich. Neutrophile haben ausgeprägte phagozytäre Eigenschaften und zerstören bakterielle Erreger mittels bakterizider Substanzen, die in intrazellulären Granula gespeichert sind. ■ Eosinophile Granulozyten (2–4 %): Sie zeichnen sich durch eine hohe Dichte von Rezeptoren für Antikörper aus, deren Bindung zu einer massiven Ausschüttung von vorgefertigten Granula führt. Diese Granula sind besonders effektiv bei der Bekämpfung eines parasitären Befalls. ■ Basophile Granulozyten ( < 1 %): Ihre Funktion ist weitaus weniger klar, doch sind sie vermutlich ebenfalls an der Abwehr von Parasiten beteiligt. ■

Monozyten/Makrophagen

Monozyten/Makrophagen

Monozyten/Makrophagen sind phagozytierende Zellen des Blutes bzw. der Gewebe. Makrophagen können sich aus Blutmonozyten entwickeln, die den Blutkreislauf verlassen und in das Gewebe einwandern.

Lokalisation: Während Monozyten im Blut rezirkulieren, handelt es sich bei Makrophagen um gewebeständige Zellen. Makrophagen wandern z. T. schon während der Ontogenese in das Gewebe ein oder entwickeln sich aus Monozyten, die aus dem Blutkreislauf in das Organ eingetreten sind. Da Blutmonozyten bereits viele Eigenschaften mit den Makrophagen teilen (z. B. Phagozytose), werden sie manchmal auch als zirkulierende Makrophagen bezeichnet. Makrophagen werden je nach Gewebe, in dem sie lokalisiert sind, unterschiedlich bezeichnet. Beispiele für Gewebemakrophagen sind Kupffer-Sternzellen in der Leber, Mikrogliazellen im ZNS, Alveolarmakrophagen in der Lunge oder Osteoklasten im Knochen.

Nach Phagozytose von Erregern werden diese von Makrophagen proteolytisch verdaut und Bruchstücke davon im Kontext mit MHCMolekülen (S. 102) an der Zelloberfläche präsentiert. T-Lymphozyten können mit der antigenpräsentierenden Zelle interagieren und diesen MHC-Peptid-Komplex mit ihrem Antigenrezeptor erkennen.

Funktion: Makrophagen und Monozyten tragen Rezeptoren auf ihrer Oberfläche, die in der Lage sind, Bakterien zu binden und anschließend die Phagozytose der Erreger einzuleiten. Erregerantigene können nach intrazellulärem Abbau (Prozessierung) gebunden an Major Histocompatibility Complex (MHC)-Moleküle (S. 102) auf der Oberfläche präsentiert und so der Erkennung durch T-Zellen zugänglich gemacht werden. Die MHC-Antigen-Komplex-abhängige Interaktion einer T-Zelle mit Makrophagen führt zu dessen Aktivierung, die in der Regel eine Steigerung seiner bakteriziden Eigenschaften und die Ausschüttung von Zytokinen und Chemokinen zur Folge hat.

▶ Merke.

▶ Merke. Makrophagen und Monozyten erfüllen aufgrund ihrer phagozytären und

bakteriziden Eigenschaften wesentliche Funktionen bei der unspezifischen Immunabwehr. Durch die Fähigkeit zur Antigenpräsentation und der Ausschüttung von Entzündungsmediatoren stellen sie außerdem ein wichtiges Bindeglied zur adaptiven Immunantwort dar.

Dendritische Zellen

Dendritische Zellen

Dendritische Zellen (DCs) sind durch ihre Fähigkeit zur antigenspezifischen Aktivierung naiver T-Lymphozyten charakterisiert. Sie können ins Gewebe eindringende Erreger aufnehmen, Antigene prozessieren und antigene Peptide im Kontext mit MHC-Molekülen auf der Oberfläche präsentieren.

Lokalisation: Dendritische Zellen (DCs) entwickeln sich aus im Blut befindlichen Vorläuferzellen durch Migration in das Parenchym von Organen (z. B. LangerhansZellen der Haut). Dort differenzieren sie unter lokalen Einflüssen zu einem Zelltypus, der sehr langlebig ist. Einige von ihnen rezirkulieren aber auch im Blutkreislauf. In diesem ruhenden Zustand werden sie auch als unreife dendritische Zellen bezeichnet.

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B

87

2.3 Zellen des Immunsystems

Funktion: Unreife dendritische Zellen weisen eine sehr starke phagozytierende Aktivität auf. Mit zunehmendem Aktivierungsstatus nach Erkennung von Infektionserregern steigern sie massiv die Expression von MHC-Molekülen und kostimulatorischen Molekülen und gehen damit von einem antigenphagozytierenden Zustand in einen antigenpräsentierenden Zustand über. Gleichzeitig lösen sie sich aus dem Gewebeverband und wandern mit der abfließenden Lymphe in die nächsten regionalen Lymphknoten, wo sie in den parakortikalen Bereichen den T-Zellen antigene Peptide im Kontext der MHC-Moleküle präsentieren. Zudem sezernieren aktivierte dendritische Zellen eine Reihe von Zytokinen, die essenziell für die Differenzierung von T-Lymphozyten zu Effektorzellen sind. Mit diesen Aktivierungsprozessen ist der Übergang von der unreifen zur reifen dendritischen Zelle verbunden. ▶ Merke. Dendritische Zellen stellen durch ihre Fähigkeit zur Phagozytose und an-

Nach Kontakt mit Infektionserregern werden dendritische Zellen aktiviert. Dadurch werden sie mobilisiert und wandern über die drainierende Lymphe in die nächsten regionalen Lymphknoten, wo sie naiven T-Lymphozyten Antigene präsentieren und diese bei Erkennen des Antigens aktivieren.

▶ Merke.

tigenspezifischer Stimulierung naiver T-Lymphozyten eine wichtige Nahtstelle zwischen der unspezifischen und der spezifischen Immunantwort dar. Im Gegensatz zu Makrophagen können sie im aktivierten Zustand das Gewebe verlassen und über die Lymphe zu den regionalen Lymphknoten gelangen.

Mastzellen

Mastzellen

Lokalisation: Mastzellen sind als gewebeständige Zellen überwiegend gefäßnah lokalisiert. Besonders zahlreich sind sie in den Bindegeweben unterhalb der Epithelien, der Submukosa des Gastrointestinal- und des Respirationstraktes und der Haut.

Mastzellen sind gewebeständige Zellen, die überwiegend gefäßnah lokalisiert sind.

Funktion: Bei Besatz bestimmter Rezeptoren im Rahmen einer spezifischen Immunantwort schütten Mastzellen im Sekundenbereich gefäßerweiternde Granula und proinflammatorische Mediatoren aus (Prostaglandine, Leukotriene, Histamin, Tumornekrosefaktor). Als Folge kommt es zu einer erhöhten Diffusion von Substanzen und Flüssigkeit aus dem Blut in das Gewebe einschließlich einer erleichterten transendothelialen Migration von Blutzellen.

Sie schütten bei Aktivierung vasoaktive Substanzen und proinflammatorische Mediatoren aus.

▶ Exkurs. Dieser Vorgang spielt eine wichtige Rolle bei allergischen Reaktionen vom Soforttyp (Typ I) (S. 151).

▶ Exkurs.

▶ Merke. Mastzellen vermitteln bei Entzündungsreaktionen den Anstieg der Blut-

▶ Merke.

gefäßpermeabilität.

2.3.3 Die lymphoide Zelllinie

2.3.3

Aus der lymphoiden Stammzelle gehen die Vorläuferzellen der Lymphozyten, der natürlichen Killerzellen und der angeborenen lymphoiden Zellen (innate lymphoid cells, ILC) hervor (Abb. B-2.6).

Aus der lymphoiden Stammzelle entstehen Vorläuferzellen der Lymphozyten, der natürlichen Killerzellen und der angeborenen lymphoiden Zellen (Abb. B-2.6).

Lymphozyten

Lymphozyten

▶ Merke. B- und T-Lymphozyten sind die zellulären Träger der spezifischen Immun-

Die lymphoide Zelllinie

▶ Merke.

antwort. Sie sind in der Lage, Antigene spezifisch zu erkennen und zu eliminieren. Haben naive B- und T-Lymphozyten in den sekundären lymphatischen Organen den Blutkreislauf verlassen, kann es dort zum Erstkontakt mit einem Antigen kommen. Nach antigenspezifischer Aktivierung, Vermehrung (s. u.) und Differenzierung zu Effektorzellen treten sie über drainierende Lymphbahnen und den Ductus thoracicus wieder in den Blutkreislauf ein. Als aktivierte Zellen sind sie in der Lage, praktisch jedes Organ zu erreichen, wo sie durch die Gefäßwand in das Gewebe vordringen und ihre Effektorfunktionen wahrnehmen (Abb. B-2.2). B- und T-Lymphozyten besitzen zur Erkennung von Antigenen spezifische Rezeptoren. Dieser jeweilige Antigenrezeptor ist ein höchst individuelles Kennzeichen eines jeden naiven Lymphozyten, da es keine zwei Zellen mit einem identischen Rezeptor gibt. Angesichts der unzähligen möglichen antigenen Strukturen, die zur immunologischen Abwehr erkannt werden müssen, ist diese Rezeptorvielfalt wichtig. Nach Antigenkontakt eines einzelnen Lymphozyten wird diese Zelle in eine Phase der Zellteilung getrieben, sodass ein Zellklon entsteht, in dem alle Zellen den identi-

Die Antigenerkennung durch B- und T-Lymphozyten in den sekundären lymphatischen Organen erfolgt mithilfe eines Antigenrezeptors, der für jeden Lymphozyten individuell ist. Bei Kontakt mit dem passenden Antigen entsteht durch Zellteilung ein Zellklon, in dem alle Zellen identische Antigenrezeptoren tragen (klonale Selektion, Abb. B-2.7). ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

88 ⊙ B-2.7

B 2 Strukturelemente des Immunsystems

⊙ B-2.7

Klonale Selektion

Antigen

1 Antigenrezeptoren 1

2

3

4

5

6

7

6

6

6

6

6

6

rezirkulierender Lymphozytenpool Proliferation 2

6

6

6

3

4

6 6

Jeder Lymphozyt besitzt zur Erkennung eines Antigens einen individuellen Rezeptor mit einzigartiger Passform (dargestellt durch die Lymphozyten 1–7) (1). Die Erkennung eines Antigens, welches z. B. nur mit dem Rezeptor auf dem Lymphozyten Nr. 6 interagieren kann, wird ausschließlich diesen Lymphozyten aktivieren und zu seiner massenhaften Vermehrung führen. Es entsteht ein Zellklon, in dem alle Zellen den gleichen Antigenrezeptor tragen (2) und aus dem sich Gedächtniszellen (3) und Effektorzellen (4) differenzieren.

Gedächtniszellen

Effektorzellen

schen Antigenrezeptor tragen. Dieser Vorgang wird auch als klonale Selektion bezeichnet (Abb. B-2.7). ▶ Merke.

▶ Merke. Nur bei solchen B- bzw. T-Lymphozyten, deren Antigenrezeptor durch

Bindung an ein Antigen aktiviert wird, kommt es zur Zellproliferation.

B-Lymphozyten ▶ Merke.

B-Lymphozyten ▶ Merke. B-Lymphozyten sind u. a. verantwortlich für die humorale (durch Antikör-

per vermittelte) Immunität. Der Antigenrezeptor von B-Lymphozyten (BCR) stellt ein membranständiges Immunglobulinmolekül dar, welches native Antigene erkennen und binden kann. Antigenspezifisch aktivierte B-Zellen differenzieren in Plasmazellen, welche lösliche Kopien ihres BCRs in Form von antigenspezifischen Antikörpern sezernieren, die die humorale Immunität vermitteln.

Antigenrezeptor: B-Lymphozyten bilden zum Zweck der Antigenerkennung ein membranständiges Immunglobulin aus (B cell receptor, BCR), welches native Antigene erkennen und binden kann; vgl. Kap. „B-Zell-Antigenrezeptor (BCR)“ (S. 96).

T-Lymphozyten

T-Lymphozyten

▶ Merke.

Antikörperbildung: Nach Erkennung eines Antigens mit anschließender Vermehrung und Differenzierung in Effektorzellen sezernieren B-Zellen lösliche Kopien ihres BCRs in Form von Antikörpern. Nach diesem finalen Differenzierungsschritt werden sie mit dem Begriff Plasmazellen beschrieben. Die sezernierten Antikörper sind in der Lage, hoch spezifisch an den entsprechenden antigenen Strukturen zu binden und diese damit zu neutralisieren; vgl. Kap. „Neutralisation durch Antikörper“ (S. 137).

▶ Merke. T-Lymphozyten sind u. a. verantwortlich für die zellvermittelte Immuni-

tät. Ihre Aktivierung erfolgt über antigenspezifische T-Zell-Rezeptoren an der Oberfläche. Der Antigenrezeptor von T-Lymphozyten (TCR) ist ein membranständiges Molekül, welches Bruchstücke von Antigenen im Kontext mit körpereigenen MHC-Molekülen auf der Oberfläche von antigenpräsentierenden Zellen erkennt.

Antigenrezeptor: T-Lymphozyten entwickeln ebenfalls einen spezifischen Antigenrezeptor (T cell receptor, TCR), der sich jedoch fundamental vom BCR unterscheidet. Der TCR ist nicht in der Lage, native Antigene zu erkennen, und es werden keine Kopien produziert, die in die Umgebung abgegeben werden. Dieser stets membranständige Rezeptor erkennt kleine Bruchstücke eines Antigens, die den T-Lymphozyten in Verbindung mit MHC-Molekülen (S. 102) auf der Oberfläche von antigenpräsentierenden Zellen angeboten werden.

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B

89

2.3 Zellen des Immunsystems

T-Zell-Subklassen: Es existieren grundsätzlich 2 Subklassen von T-Lymphozyten: ■ CD4+-T-Zellen tragen den CD4-Korezeptor auf ihrer Oberfläche. Sie regulieren Immunantworten u. a. durch die Sekretion von Zytokinen, die auf andere Immunzellen wirken. So befähigen sie beispielsweise Makrophagen, intrazelluläre Bakterien effizienter abzutöten und aktivieren durch direkte Zell-Zell-Interaktion B-Lymphozyten zur Antikörperproduktion. Aufgrund ihrer unterstützenden Funktion werden CD4+-T-Zellen auch T-Helferzellen genannt. ■ CD8+-T-Zellen tragen den CD8-Korezeptor und differenzieren nach antigenspezifischer Aktivierung zu zytotoxischen T-Lymphozyten, die in der Lage sind, infizierte körpereigene Zellen zu erkennen und zu zerstören. Beide Korezeptoren sind zur Stabilisierung des Antigenerkennungsprozesses durch den TCR notwendig, wobei CD4+-T-Zellen antigene Peptide in Kombination mit MHC-Klasse-II-Molekülen und CD8+-T-Zellen antigene Peptide in Kombination mit MHC-Klasse-I-Molekülen erkennen. ▶ Exkurs. Neben den CD4+-Helfer-T-Zellen, die Immunantworten unterstützen, reifen im Thymus auch CD4+ regulatorische T-Zellen (natürliche regulatorische T-Zellen, nTREG). Diese unterdrücken die Aktivität anderer T-Zellen und sind für den kontrollierten Ablauf von Entzündungsreaktionen und für die Aufrechterhaltung immunologischer Toleranz gegenüber körpereigenen Strukturen (S. 156) unerlässlich.

Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) ▶ Merke. Im Gegensatz zu den B- und T-Lymphozyten, die aufgrund der sehr spezi-

Man unterscheidet 2 T-Zell-Subklassen: ■ CD4+-T-Zellen: Sie tragen als Korezeptor das CD4-Molekül (S. 108) und regulieren eine Vielzahl immunologischer Prozesse. Entsprechend ihrer unterstützenden Funktion werden sie auch als T-Helferzellen bezeichnet. ■ CD8+-T-Zellen: Sie tragen als Korezeptor das CD8-Molekül (S. 108) und differenzieren zu zytotoxischen T-Zellen, die infizierte Zellen direkt abtöten können.

▶ Exkurs.

Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) ▶ Merke.

fischen Antigenerkennung dem spezifischen Immunsystem angehören, exprimieren natürliche Killerzellen keinen antigenspezifischen Rezeptor und sind somit Teil des unspezifischen Immunsystems. Rezeptor: Natürliche Killerzellen tragen Rezeptoren, deren Aktivierung durch eine andere Zelle die sofortige Zerstörung der kontaktierenden Zelle (Zielzelle) zur Folge hat. Auslöser der Aktivierung sind insbesondere Auffälligkeiten der Zielzelle hinsichtlich ihrer MHC-I-Moleküle, z. B. eine zu geringe Dichte dieser Moleküle oder aber eine veränderte Struktur. Kann die Zielzelle allerdings durch eine „normgerechte“ Expression ihrer MHC-I-Moleküle eine Rezeptorklasse auf NK-Zellen bedienen, die eine negative Rückkopplung auf den „Killerapparat“ haben, unterbleibt die zytotoxische Reaktion. Diese unmittelbare Reaktionsfähigkeit weist die NK-Zellen als Zellen der angeborenen Abwehr aus und grenzt sie sehr deutlich von den CD8+-T-Lymphozyten ab. Andererseits zeigen sie durch ihr relativ komplexes Repertoire an Rezeptoren zur Erkennung von MHC-I-Molekülen eine gewisse Verwandtschaft zu den T-Lymphozyten. ▶ Merke. Viren verfügen über Mechanismen, die Expression von MHC-I-Molekülen

Natürliche Killerzellen können mit ihren Rezeptoren keine spezifischen Antigene, sondern lediglich die normgerechte Expression von MHC-I-Molekülen auf anderen Zellen prüfen und bei Abweichungen unmittelbar den Tod der Zelle auslösen.

▶ Merke.

auf der Oberfläche infizierter Zellen zu beeinträchtigen. Eine verminderte MHC-IExpression markiert diese Zellen als Ziel für einen Angriff durch NK-Zellen. NK-Zellen spielen somit eine wichtige Rolle in der frühen Phase der antiviralen Immunantwort.

Innate lymphoid Cells (ILC, angeborene lymphoide Zellen) ▶ Merke. Innate lymphoid Cells (ILC) werden durch Zytokine aktiviert, die nach der

Innate lymphoid Cells (ILC, angeborene lymphoide Zellen) ▶ Merke.

Erkennung von Infektionserregern durch andere Immunzellen wie Makrophagen und dendritische Zellen sezerniert werden. Rezeptor: ILC tragen keinen antigenspezifischen Rezeptor und interagieren auch nicht wie NK-Zellen mit MHC-Molekülen. Die Aktivierung dieser Immunzellen erfolgt durch proinflammatorische Zytokine, welche Makrophagen, dendritische Zellen oder Epithelzellen nach unspezifischer Aktivierung durch Infektionserreger sezernieren.

ILC tragen keinen antigenspezifischen Rezeptor. Die Aktivierung erfolgt durch proinflammatorische Zytokine.

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90

B 2 Strukturelemente des Immunsystems

ILC unterstützen die Abwehr von Infektionserregern durch die Sezernierung proinflammatorischer Zytokine, welche die Aktivierung anderer Immunzellen verstärken. Man unterscheidet 3 Gruppen von ILC, die sich sowohl in der Art der Zytokine, durch die sie aktiviert werden, als auch in dem von ihnen sezernierten Zytokinspektrum unterscheiden: ■ ILC 1: Aktivierung durch IL-12; Sekretion von IFN-γ → unterstützen die Abwehr intrazellulärer Infektionserreger ■ ILC 2: Aktivierung durch IL-25, IL-33, TSLP; Sekretion von IL-5 und IL-13 → unterstützen die Abwehr von Parasiten ■ ILC 3: Aktivierung durch IL-23; Sekretion von IL-17 und IL-22 → unterstützen die Abwehr von extrazellulären Bakterien und Pilzen

Funktion: Aktivierte ILC sezernieren eine Vielzahl von proinflammatorischen Zytokinen und verstärken so die Immunantwort. Während NK-Zellen funktionell eine gewisse Ähnlichkeit mit CD8+-T-Zellen aufweisen, ähneln ILC in vielerlei Hinsicht funktionell den CD4+-T-Helferzellen. Sie finden sich in größerer Anzahl sowohl in sekundären lymphatischen Geweben als auch in der Haut, der Leber, dem Dünndarm und der Lunge und leisten einen wichtigen Beitrag zur Abwehr von Viren, Bakterien, Pilzen und Parasiten. Man unterscheidet derzeit 3 Subpopulationen mit unterschiedlichen Funktionen: ■ ILC 1 werden durch Interleukin(IL)-12, welches bei intrazellulären Infektionen mit Viren und Bakterien von Makrophagen und dendritischen Zellen ausgeschüttet wird, aktiviert. Wie NK-Zellen sezernieren aktivierte ILC 1 IFN-γ und unterstützen so die Abwehr intrazellulärer Erreger. ■ ILC 2 werden durch IL-25, IL-33 und TSLP (thymic stromal lymphopoietin), welches Epithelzellen nach Aktivierung durch Parasiten freisetzen, aktiviert. In der Folge sezernieren ILC 2 IL-5 und IL-13 und tragen so zur antiparasitären Immunantwort bei. ■ ILC 3: Die Erkennung extrazellulärer Bakterien durch Makrophagen und dendritische Zellen stimuliert diese zur Sekretion von IL-23. Dieses aktiviert ILC 3, die daraufhin IL-17 und IL-22 freisetzen und zur Bekämpfung extrazellulärer Bakterien und von Pilzen beitragen. Über die von ihnen freigesetzten Zytokine unterstützen ILC sehr effizient die Funktion der verschiedenen Unterklassen der CD4+-T-Helferzellen, auf die in Kap. „Die CD4+–Effektorzellen“ (S. 130) noch näher eingegangen wird.

Unkonventionelle T-Zellen: invariante NKT-Zellen, γδ-T-Zellen, MAIT iNKT, γδ-T-Zellen und MAIT sind unkonventionelle T-Zellen, die anders als konventionelle T-Zellen keine Peptidliganden auf klassischen MHC-Molekülen erkennen.

Unkonventionelle T-Zellen: invariante NKT-Zellen, γδ-T-Zellen, MAIT

Stattdessen erkennen sie Lipide (iNKT), Vitamin-B-Metaboliten (MAIT) oder eine sehr diverse Gruppe von Nichtpeptidliganden (γδ-TZellen) in Verbindung mit nicht klassischen MHC-Klasse-I-Molekülen.

Neben den NK-Zellen und den ILC gibt es weitere Gruppen von Lymphozyten, die der angeborenen Immunität zugeordnet werden müssen. Zu diesen gehören die invarianten NKT-Zellen (iNKT), γδ-T-Zellen und die erst kürzlich beschriebenen mukosaassoziierten invarianten T-Zellen (MAIT). Bei allen handelt es sich um T-Lymphozyten, allerdings erkennen sie im Gegensatz zu den klassischen T-Zellen keine Peptidantigene in Verbindung mit klassischen MHC-Klasse-I-Molekülen. NKT-Zellen exprimieren einen invarianten TCR und erkennen z. B. α-Galaktoceramid von Bakterien in Verbindung mit dem nicht klassischen MHC-Molekül CD1. MAIT exprimieren einen invarianten T-Zell-Rezeptor, der Metaboliten des bakteriellen Vitamin-B-Stoffwechsels in Verbindung mit dem nicht klassischen MR1-Molekül erkennt. γδ-T-Zellen hingegen erkennen ein breites Spektrum verschiedenster Liganden auf nicht klassischen MHC-Molekülen wie MHC-Klasse-Ib, die im Kontext von Infektionen und Zellstress gebildet werden. Unkonventionelle T-Zellen sind insbesondere in den mukosalen Geweben stark vertreten und können direkt und ohne weitere klonale Expansion (s. Abb. B-3.8) ihre wichtigen Funktionen an der Nahtstelle zwischen angeborener und erworbener Immunität in der Erregerabwehr ausüben.

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3

Das Erkennen von „fremd“ durch Zellen des Immunsystems

3.1 3.2

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkennung von Infektionserregern durch Zellen des angeborenen Immunsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkennung von Infektionserregern durch Lymphozyten . . . . . . . . . .

3.3

B

91 91 96 © Andrea Danti - Fotolia.com

3.1

Allgemeines

3.1

Allgemeines

3.2

Erkennung von Infektionserregern durch Zellen des angeborenen Immunsystems

Das Immunsystem muss zuverlässig und mit hoher Präzision fremde, in den Körper eingedrungene Substanzen erkennen und eliminieren, ohne dabei gegen körpereigene Strukturen vorzugehen. Drei Prinzipien sind bei der Bewältigung dieser Aufgabe zu erkennen: ■ Zellen des Immunsystems, die potenziell körpereigene Strukturen erkennen könnten, werden in der Regel im Zuge ihrer Ontogenese in den primären lymphatischen Organen durch Apoptose eliminiert (negative Selektion), s. Kap. „Mechanismen der Selbsttoleranz“ (S. 156). ■ Körperfremde Strukturen, insbesondere solche, die Teil von Infektionserregern sind und die repetitive, strukturell stark konservierte Bauelemente enthalten (pathogenassoziierte Muster oder PAMP), werden von Zellen des angeborenen Immunsystems erkannt und eliminiert. ■ Körperfremde Strukturen, die bei Infektionserregern einer hohen Variabilität unterliegen, werden von den Zellen des spezifischen Immunsystems erkannt und eliminiert.

3.2

Erkennung von Infektionserregern durch Zellen des angeborenen Immunsystems

Makrophagen, Granulozyten und dendritische Zellen erkennen Infektionserreger mithilfe einer Reihe von Rezeptoren, den sog. Mustererkennungsrezeptoren oder „pattern recognition receptors“ (PRRs). Im Gegensatz zu den Antigenrezeptoren von B- und T-Lymphozyten ist ihre Expression weder von einer rekombinatorischen Vielfalt oder erhöhter Mutationsfrequenz begleitet, noch kommt es zu einer klonalen Selektion der exprimierenden Zellen. Die Spezifität dieser Rezeptoren ist daher auf wenige, oftmals konservierte Strukturen (Muster) von Infektionserregern beschränkt, die im Wirt in vergleichbarer Form nicht auftreten und auch unter dem Begriff „pathogen-associated molecular patterns“ (PAMPs) zusammengefasst werden. Zu diesen PAMPs gehören z. B. konservierte Zellwandbestandteile von Bakterien (Lipopolysaccharide/LPS) oder von Pilzen (1,3-Glucan). Bei Bindung eines entsprechenden Liganden (PAMP) an einen PRR werden unterschiedliche Reaktionen ausgelöst, die von der Einleitung der Phagozytose bis zur Induktion der Zytokinsynthese reichen. Aufgrund ihrer Lokalisation und ihren funktionalen Eigenschaften unterscheidet man: ■ lösliche PRRs ■ membranständige PPRs ■ zytoplasmatische PRRs (Tab. B-3.1). ▶ Merke. Die Spezifität der Rezeptoren phagozytierender Zellen ist bei Weitem

Makrophagen, Granulozyten und dendritische Zellen erkennen Infektionserreger mithilfe von Mustererkennungsrezeptoren, den sog. „pattern recognition receptors“ (PRRs), die an konservierte Strukturen (Muster) von Infektionserregern, den sog. „pathogen-associated molecular patterns“ (PAMP), binden.

Man unterscheidet lösliche, membranständige oder zytoplasmatische PRRs (Tab. B-3.1).

▶ Merke.

nicht so hoch wie die der Antigenrezeptoren von Lymphozyten, doch können molekulare Strukturen von Infektionserregern, die auch unter dem Begriff PAMPs (pathogen-associated molecular patterns) zusammengefasst werden, von körpereigenen Substanzen differenziert werden. Die Rezeptoren, die mit PAMPs interagieren, werden als PRRs („pattern recognition receptors“) bezeichnet.

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92

≡ B-3.1

B 3 Erkennen von „fremd“ durch Immunzellen

Mustererkennungsrezeptoren (PRRs)

Einteilung

wichtige Rezeptoren

lösliche PRRs fungieren als Opsonine und markieren Erregeroberflächen, damit Erreger von Phagozyten [indirekt] erkannt werden können



mannosebindendes Lektin (MBL): wird als bindet an spezifische bakterielle und virale Akute-Phase-Protein in der Leber gebildet und Zuckerreste (Mannose- und Fucosereste) und ist im Blutplasma zu finden aktiviert Komplement (Auslöser des lektinvermittelten Weges des Komplementsystems)



Surfactant-Proteine (SP-A, SP-D): werden in binden ein breites Sprektrum an Bakterien und der Lunge gebildet und in den alveolaren Pilzen, aktivieren aber kein Komplement Raum sezerniert

membranständige PRRs sind auf der Zelloberfläche oder intrazellulär in endosomalen Membranen lokalisiert; sie erkennen Erregerstrukturen direkt, also ohne vorherige Opsonisierung



C-Typ-Lektin-Rezeptoren (CLRs)

zytoplasmatische PPRs sind im Zytoplasma lokalisiert

– Mannoserezeptor

Ligand (PAMP)

binden kohlenhydrathaltige Strukturen auf Infektionserregern

– DEC-205 – DC-SIGN – Dectin-1 ■

Scavenger-Rezeptoren: SCARA-I und -II, MARCO, SCARB

binden an anionische Polymere oder HDL (highdensity lipoproteins)



TLRs (TOLL-like receptors)

binden eine Reihe von konservierten molekularen Strukturen (z. B. Lipide, Nukleinsäuren)



NLRs (NOD-like receptors)



RLRs (RIG-like receptors)

binden bakterielle bzw. virale Bausteine wie Zellwandbestandteile, RNA und DNA



cGAS

Mustererkennungsrezeptoren (PRRs) Lösliche Mustererkennungsrezeptoren

3.2.1 Mustererkennungsrezeptoren (PRRs)

Lösliche PRRs markieren Infektionserreger (Opsonisierung) und ermöglichen dadurch die Aufnahme durch Phagozyten.

Lösliche PRRs werden von verschiedenen Zelltypen sezerniert und binden an der Oberfläche von Infektionserregern. Diese Markierung von Infektionserregern wird auch als Opsonisierung bezeichnet. Die Opsonisierung von Infektionserregern erlaubt es Phagozyten, mithilfe von Rezeptoren derart markierte Erreger zu binden und aufzunehmen. Beispielhaft für lösliche PRRs sollen das mannosebindende Lektin (MBL) und das Komplement (C) sowie die Surfactant-Proteine SP-A und SP-D erwähnt werden. Sowohl MBL als auch SP gehören zu der Proteinfamilie der Kollektine.

Mannosebindendes Lektin und Komplement Lösliches mannosebindendes Lektin (MBL) bindet an bakterielle PAMPs. Die mit MBL komplexierte Serinprotease MASP-2 löst über die Konvertierung der Komplementkomponente C 4 eine Kaskade von enzymatischen Umwandlungen aus, die mit der Ablagerung von C 3b-Komplement auf der bakteriellen Membran endet. C 3b-opsonisierte Bakterien können über C 3b-Rezeptoren von Phagozyten aufgenommen und eliminiert werden (Abb. B-3.1).

Mannosebindendes Lektin und Komplement

3.2.1

Lösliche Mustererkennungsrezeptoren

Mannosebindendes Lektin (MBL) wird im Rahmen der unspezifischen Infektabwehr von Leberzellen als Teil der Akute-Phase-Proteine produziert. Es handelt sich dabei um ein oligomeres C-Typ-Lektin. Lektine sind Proteine, die mindestens eine, oftmals aber auch mehrere Domänen besitzen, die Kohlenhydratreste erkennen und binden können (carbohydrate recognition domain = CRD). Dadurch sind sie in der Lage, mit bestimmten bakteriellen und viralen Zuckerresten zu interagieren. MBL erkennt mit seinen multiplen CRDs insbesondere Mannose, Fucose und N-Acetyl-Glucosamin, also Zuckerreste, die auf bakteriellen Glykanen zu finden sind. Außerdem bildet MBL im Plasma Komplexe mit Serinproteasen aus (MASP-1 und -2). Die Bindung von MBL an die Oberfläche von Infektionserregern führt zu einer Konformationsänderung der Serinprotease MASP-2, in deren Folge das Enzym durch Spaltung der Komplementkomponente C 4 eine proteolytische Kaskade initiiert, die zur Bildung der C 3-Konvertase führt (Abb. B-3.1). Die C 3-Konvertase spaltet die Komplementkomponente C 3 in die Untereinheiten C 3a und C 3b. C 3b lagert sich auf der Erregeroberfläche an und der opsonisierte Erreger wird nach Bindung an membranständige Komplementrezeptoren (CR) von Phagozyten eliminiert.

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B

⊙ B-3.1

93

3.2 Erkennen von Infektionserregern (angeborenes Immunsystem)

Opsonisierende Wirkung von mannosebindendem Lektin (MBL) und Komplement (C) C2b

C4a MBL

3

2

C3a (Chemotaxis)

C3 4

C2

C4

C2a

MASP-2

C4b

1

C3-Konvertase

C4b PAMPs C4b Bakterienzelle

C3b

5

MBL erkennt pathogenassoziierte molekulare Muster (PAMPs) auf der Bakterienoberfläche und bindet daran (1). Die Serinprotease MASP-2 komplexiert mit MBL und spaltet die lösliche CKomponente C 4 in die Produkte C 4a und C 4b (2). C 4b lagert sich auf der bakteriellen Membran an und bindet die C-Komponente C 2. MASP-2 spaltet auch C 2 in C 2a und C 2b, wobei C 2b in Lösung geht, C 2a jedoch an C 4b gebunden bleibt (3). Die Kombination C 2a/C 4b entspricht der C 3-Konvertase, die in der Lage ist, lösliche C 3-Komponenten in C 3a und C 3b zu spalten (4). C 3a löst Chemotaxis aus, C 3b lagert sich in großer Zahl auf der bakteriellen Membran ab (Opsonisierung) (5).

Surfactant-Proteine SP-A und SP-D

Surfactant-Proteine SP-A und SP-D

Surfactant-Proteine werden überwiegend von alveolaren Lungenepithelzellen synthetisiert und in den alveolaren Raum sezerniert. Durch die weit gefächerte Spezifität können Surfactant-Proteine ein breites Spektrum an bakteriellen Erregern und Pilzen binden und je nach Erreger auch zu Komplexen zusammenführen. Im Gegensatz zu MBL aktivieren die Surfactant-Proteine kein Komplement. Die Eliminierung der opsonisierten Erreger geschieht durch Bindung an membranständige Rezeptoren für SP-A und -D (S. 95) mit nachfolgender Phagozytose, vgl. Kap. „Opsonisierung und Komplementsystem“ (S. 110). Neben ihrer Funktion als Kollektine können Surfactant-Proteine auch direkt antimikrobiell wirken.

Lösliche Surfactant-Proteine finden sich überwiegend im alveolaren Raum. Sie können an PAMPs von Bakterien und Pilzen binden. Derartig opsonisierte Erreger können über die Bindung an Rezeptoren für Surfactant-Proteine (S. 95) von Makrophagen aufgenommen und eliminiert werden, vgl. Kap. „Opsonisierung und Komplementsystem“ (S. 110).

Membranständige Mustererkennungsrezeptoren

Membranständige Mustererkennungsrezeptoren

Phagozyten können Erreger bzw. PAMPs nicht nur indirekt über Opsonine auf der Erregeroberfläche (z. B. MBL-induziertes C 3b) binden, sondern auch direkt mit membranständigen Mustererkennungsrezeptoren. Die Bindung an solche Rezeptoren löst entweder die Phagozytose (S. 112) aus oder führt über Signalkaskaden zur Expression von verschiedenen, für eine Immunantwort wichtige Entzündungsmediatoren.

C-Typ-Lektin-Rezeptoren (CLRs)

C-Typ-Lektin-Rezeptoren (CLRs)

C-Typ-Lektine werden von phagozytierenden Zellen zur Bindung von kohlenhydrathaltigen Strukturen auf Bakterien, Viren und Pilzen genutzt. Hierbei werden von Makrophagen, Neutrophilen und dendritischen Zellen verschiedene C-Typ-Lektinrezeptoren exprimiert, deren Bindung an spezifische Liganden die Aufnahme des Erregers auslöst. Exemplarisch seien der Mannoserezeptor (MR), Dectin-1, DC-SIGN und DEC-205 genannt, wobei MR und Dectin-1 vornehmlich von Makrophagen und Neutrophilen, DC-SIGN und DEC-205 nahezu ausschließlich von dendritischen Zellen exprimiert werden.

C-Typ-Lektine auf Phagozyten binden kohlenhydrathaltige Strukturen auf Infektionserregern.

Scavenger-Rezeptoren

Scavenger-Rezeptoren

Scavenger-Rezeptoren (SR) auf Makrophagen zeichnen sich durch eine duale Rolle aus. Prinzipiell sind sie in der Lage, polyanionische Moleküle zu binden und der Phagozytose zuzuführen. Die Besonderheit liegt jedoch darin, dass sie zudem neben von eindringenden Infektionserregern abstammendes HDL (high density lipoproteins) auch körpereigenes HDL erkennen können. Dadurch spielen sie nicht nur eine wesentliche Rolle bei der Elimination von Infektionserregern, sondern auch beim körpereigenen Lipidmetabolismus. Ihre Verwicklung in pathologische Prozesse wie Morbus Alzheimer, Arteriosklerose oder Thrombose wird beschrieben. SR sind in verschiedene Klassen unterteilt (A bis F), von denen an dieser Stelle die Rezeptoren SCARA I, II und MARCO (macrophage receptor with a collagenous

Membranständige Scavenger-Rezeptoren auf Makrophagen binden polyanionische Liganden auf Bakterien und erlauben so die Phagozytose der Infektionserreger

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94

B 3 Erkennen von „fremd“ durch Immunzellen

structure) aus der A-Klasse erwähnt seien, die auf Makrophagen lokalisiert sind und beispielsweise bakterielle Zellwandbestandteile oder CpG-DNA erkennen. SCARB (CD36) auf Phagozyten bindet unter anderem langkettige Fettsäuren wie Diacylglyceride auf S. aureus. Bei allen Rezeptoren löst die Bindung des Liganden auch die Phagozytose aus. TOLL-ähnliche Rezeptoren (TLR)

TOLL-ähnliche Rezeptoren (TLR)

TOLL-ähnliche Rezeptoren der phagozytierenden Zellen können eine Reihe molekularer Strukturen (z. B. Lipide, Nukleinsäuren) binden, die von Infektionserregern stammen (Abb. B-3.2).

TOLL-ähnliche Rezeptoren (TLRs, toll-like receptors) sind Transmembranproteine, die in der äußeren Zellmembran oder in der endosomalen Membran, insbesondere der Zellen der angeborenen Immunität (Makrophagen/Monozyten, Granulozyten, dendritische Zellen), teils aber auch auf Lymphozyten, Epithel- und Gewebezellen lokalisiert sind. Für den Menschen sind derzeit 10 verschiedene TLRs beschrieben. TLR-1, -2, -4, -5 und -6 erkennen an der Zelloberfläche konservierte Oberflächenstrukturen extrazellulärer Erreger, während TLR-3, -7, -8 und -9 sich in der endosomalen Membran befinden, wo sie virale und bakterielle Nukleinsäuren detektieren (Abb. B-3.2). Die Funktion des TLR-10 ist noch nicht hinreichend charakterisiert. Während sowohl TLR-1 und -2 als auch TLR-1 und -6 im Zuge der Ligandenbindung Heterodimere formen, bilden alle anderen TLRs Homodimere aus. Diese Dimerisierung ermöglicht eine Annäherung ihrer zytoplasmatischen Signalübertragungsdomänen, ein Zustand, der die Signalübertragung auslöst. Eine Besonderheit stellt der TLR-4 dar, welcher mit dem akzessorischen Protein MD-2 assoziiert ist. MD-2 ist notwendig für die Bindung des TLR-2 an seinen Liganden LPS und stabilisiert darüber hinaus das TLR-2-Homodimer.

⊙ B-3.2

⊙ B-3.2

Zelluläre Lokalisierung und Liganden von membranständigen TLRs sowie zytoplasmatischen NLRs, RLRs und cGAS

Lipoteichonsäure Zymosan

TLR-2 TLR-6 Flagellin

TLR-2 TLR-1 NLR TLR-5 RLR TLR-3

LPS

MDP TLR-7

TLR-4

CD-2

virale RNA dsRNA ssRNA

TLR-8

dsDNA

ssRNA CpG DNA Endosom

cGAS

TLR-9 Zytoplasma

TOLL-like Rezeptoren (TLRs) sind Transmembranproteine, die in der äußeren Zellmembran (TLR-1, -2, -4, -5, -6) oder endosomalen Membran (TLR-3, -7, -8, -9) lokalisiert sind. Für die Ausübung ihrer Funktion, d. h. die Induktion der Genexpression für proinflammatorische Mediatoren, bilden TLRs im Zuge der Ligandenbindung entweder Homodimere oder, im Falle von TLR-2/TLR-6 und TLR1/TLR-2, Hetreodimere. Die jeweiligen Liganden, deren Bindung eine spezifische TLR-Aktivierung auslöst, sind: TLR2/TLR-6 und TLR-1/TLR-2 Heterodimere: Aktivierung durch verschiedene bakterielle und von Pilzen abstammende Liganden (Lipoteichonsäure, β-Glukan, Lipoproteine, Zymosan); TLR-3: doppelsträngige (ds) RNA; TLR-4 (in Verbindung mit CD-2): Lipopolysaccharid, Lipoteichonsäure; TLR-5: Flaggelin; TLR-7 und TLR-8: einzelsträngige (ss) RNA; TLR-9: unmethylierte CpG DNA. NOD-like- (NLRs) und RIG-like-Rezeptoren (RLRs) sowie cGAS sind im Zytoplasma der Zelle lokalisiert. Während RLRs virale RNA erkennen, werden NLRs durch eine Reihe bakterieller Strukturen oder auch Zellstressmediatoren aktiviert. cGAS erkennt dsDNA im Zytoplasma und bewirkt indirekt über STING in der Membran des endoplasmatischen Retikulums die Aktivierung der Zelle. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

B

95

3.2 Erkennen von Infektionserregern (angeborenes Immunsystem)

Die Bindung des Liganden führt bei TLR nicht zur Phagozytose des Pathogens, sondern es kommt zur Signaltransduktion mit einer nachfolgenden Aktivierung der transkriptionellen Aktivität der Zelle. Im Zuge dieser Aktivierung werden immunaktivierende Mediatoren exprimiert (Zytokine, chemotaktische Botenstoffe, antimikrobielle Peptide, antivirale Typ-I-/III-Interferone), die eine Entzündungsreaktion einleiten. Gleichzeitig wird die Expression membranständiger Moleküle hochreguliert, die für die Induktion einer spezifischen Immunantwort nötig sind. Hierzu gehören vor allem die sog. B7-Moleküle (S. 120), die für die Kostimulierung von antigenspezifischen T-Lymphozyten notwendig sind.

Die Bindung löst eine Signalkaskade aus und führt zur transkriptionellen Aktivierung der Zelle.

Zytoplasmatische Mustererkennungsrezeptoren

Zytoplasmatische Mustererkennungsrezeptoren Zu diesen Rezeptoren zählen die NOD-likeRezeptoren (NLRs), RIG-like-Rezeptoren (RLRs) und cGAS (Abb. B-3.2). Sie sind im Zytoplasma lokalisiert und erkennen bakterielle bzw. virale Bausteine wie Peptidoglukan, RNA und DNA. Sie haben Verbindung zu Signalkaskaden, die in der infizierten Zelle die Produktion von Entzündungsmediatoren (IL-1β, IL-18, Typ-I-Interferone) oder den Zelltod durch Pyroptose induzieren.

Im Zytoplasma der Zelle sind Rezeptoren lokalisiert, die bei intrazellulärer Replikation von Viren oder Bakterien PAMPs erkennen und damit eine Signalkaskade auslösen. Diese Rezeptoren gehören in die Gruppe der NLRs (NOD-like-Rezeptoren; „nucleotide and oligomerization domain“), der RLR (RIG-like-Rezeptoren; „retinoicacid inducible gene“) und cGAS (cyclic guanosine monophosphate-adenosine monophosphate synthetase) (Abb. B-3.2). Die zur Gruppe der NLRs gehörenden Moleküle NOD1 und NOD2 werden durch Bestandteile des bakteriellen Peptidoglukans aktiviert, welches schließlich die Synthese proentzündlicher Zytokine stimuliert. Eine andere Untergruppe der NLRs, die sog. NLR-Proteine (NLRPs), erkennen neben mikrobiellen Strukturen auch Signale, die bei Zellstress bzw. durch Zellschäden ausgelöst werden. Die Stimulation von NLRP3 führt beispielsweise zur Formierung eines Inflammasoms, welches ein Multiproteinkomplex ist, der in einem Caspase 1-abhängigen Prozess inaktive Formen von proentzündlichen Zytokinen (IL-1β, IL-18) in deren aktive Formen spaltet. Gleichzeitig löst Inflammasomenaktivierung Pyroptose („Feuertod“) aus. Die durch Absterben der Zelle gleichzeitige Freisetzung von Zytokinen, Bakterien, antimikrobiellen Substanzen und Gefahrensignalen (danger-associated molecular patterns, DAMPs) führt zu einer starken Entzündungsreaktion (S. 113), welche die Ausbreitung bakterieller Infektionen verhindert. Während NLRs eher bakterielle PAMPs erkennen, weisen RLRs eher Affinität für virale Komponenten auf. Der RLR MDA5 erkennt doppelsträngige virale RNA, ein anderer RLR, RIG-I, wird durch einzelsträngige virale RNA aktiviert. RLR-Aktivierung durch virale Nukleinsäuren resultiert in der Expression antiviral wirksamer Typ-I-Interferone (IFN-α und -β), die in nicht-infizierten Nachbarzellen über Bindung an den ubiquitär exprimierten Typ-I-Interferonrezeptor IFNAR ein antivirales Programm einleiten. Das Enzym cGAS wird durch Bindung an zytosolische DNA, die etwa bei einer Infektion mit doppelsträngigen RNA-Viren im Zytoplasma der Zelle vorliegt, zur Verknüpfung von GTP und ATP zu zyklischem GMP-AMP (cGAMP) aktiviert. cGAMP bindet anschließend an seinen Rezeptor STING (stimulator of interferon genes), der in der Membran des endoplasmatischen Retikulums lokalisert ist. STING setzt eine Signaltransduktionskaskade in Gang, an deren Ende ebenfalls die Sekretion antiviral wirksamer Typ-I-Interferone steht.

3.2.2 Rezeptoren für Opsonine

3.2.2

Rezeptoren für Opsonine

Neben der direkten Erkennung von Infektionserregern mithilfe von Mustererkennungsrezeptoren können viele Zellen des angeborenen Immunsystems auch über indirekte Erkennungswege Infektionserreger binden und eliminieren. Dazu gehören alle Rezeptoren, die in der Lage sind, Bakterien zu binden, die mit Opsoninen besetzt sind. Zu den wichtigsten Opsoninen zählen die Kollektine (mannosebindendes Lektin, Surfactant-Proteine), Komplementkomponenten und im weiteren Sinne auch Antikörper.

Rezeptoren für mannosebindendes Lektin (MBL) und Surfactant-Protein (SP)

Rezeptoren für mannosebindendes Lektin (MBL) und Surfactant-Protein (SP)

Die möglichen Rezeptoren für die beiden Kollektine mannosebindendes Protein und Surfactant-Protein sind bisher nicht vollständig definiert. Der MBL-Rezeptor findet sich hauptsächlich auf Zellen, die keinen Mannoserezeptor exprimieren, wie z. B. Monozyten. Strukturell ähneln die beiden Kollektine stark der Komplementkom-

Die Rezeptoren für MBL und SP ähneln dem Komplementrezeptor CR1, der die beiden Kollektine ebenfalls binden kann. Mit Kollektinen opsonisierte Erreger werden phagozytiert und eliminiert. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

96

B 3 Erkennen von „fremd“ durch Immunzellen

ponente C 1q. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Komplementrezeptor CR1 nicht nur C 1q selbst, sondern auch MBL und SP binden kann und damit in der Lage ist, MBL- und SP-opsonisierte Bakterien der Phagozytose zuzuführen. Rezeptoren für Komplementkomponenten (CR) Komplementrezeptoren dienen sowohl der Bindung und Phagozytose von Infektionserregern, die mit Komplementuntereinheiten opsonisiert wurden, als auch der Chemotaxis beweglicher Zellen entlang eines Gradienten von Komplementuntereinheiten.

Rezeptoren für Komplementkomponenten (CR)

Rezeptoren für die Fc-Region von Antikörpern Fc-Rezeptoren finden sich auf allen phagozytierenden Zellen, NK-Zellen, Eosinophilen, Basophilen und Mastzellen.

Rezeptoren für die Fc-Region von Antikörpern

Fc-Rezeptoren binden die Fc-Region von Immunglobulinen. Sind diese Immunglobuline durch Antigene vernetzt, wird die Fc-bindende Zelle entweder zur Phagozytose oder zur Sekretion von Effektormolekülen (z. B. zytotoxische Granula) stimuliert.

3.3

Erkennung von Infektionserregern durch Lymphozyten

Komplementrezeptoren (CR) kommen hauptsächlich auf phagozytierenden Zellen und B-Lymphozyten, aber auch auf Endothelzellen, Mastzellen und Erythrozyten vor. Sie können zwar funktionell in einer Gruppe zusammengefasst werden, strukturell zeigen sie jedoch deutliche Unterschiede. Komplementrezeptoren erlauben es phagozytierenden Zellen Infektionserreger zu binden und aufzunehmen, die mit Untereinheiten des Komplementsystems bedeckt (opsonisiert) sind. Außerdem vermitteln sie die Chemotaxis mobiler Zellen entlang eines Konzentrationsgradienten von Komplementuntereinheiten.

Fc-Rezeptoren stellen eine Rezeptorfamilie dar, die auf Zellen des Immunsystems und hier insbesondere auf den akzessorischen Zellen (phagozytierenden Zellen, NK-Zellen, Eosinophilen, Basophilen und Mastzellen) weit verbreitet sind. Fc-Rezeptoren binden die Fc-Region von Immunglobulinen. Akzessorische Zellen können so durch Bindung von Immunkomplexen aus Infektionserregern und Antikörpern über Fc-Rezeptoren und anschließende Phagozytose der Komplexe zur spezifischen Eliminierung von Infektionserregern beitragen. Bei nicht phagozytischen Zellen wie den NK-Zellen, Eosinophilen, Basophilen und Mastzellen führt die Fc-Erkennung auf opsonisierten Erregern durch Fc-Rezeptoren zur Freisetzung vorgeformter Granula. Im Falle der NK-Zellen enthalten diese zytotoxische Mediatoren, die antikörperbeladene Zielzellen direkt abtöten können (antibody-dependent cellmediated cytotoxicity, ADCC), während Mastzellen, Basophile und Eosinophile entzündungsfördernde (Mastzellen) oder antimikrobielle (Basophile, Eosinophile) Substanzen ausschütten, die insbesondere wirksam gegen Parasiten sind.

3.3

Erkennung von Infektionserregern durch Lymphozyten

Die bisher beschriebenen Rezeptoren zur Erkennung körperfremder Strukturen weisen eine geringe Spezifität auf. Ihre genetische Information ist in stark konservierter Form im Genom der Zelle enthalten. B- und T-Lymphozyten hingegen erkennen mit ihren Antigenrezeptoren höchst individuelle körperfremde Strukturen, die nur aus wenigen Aminosäuren eines Proteins bestehen (antigenes Epitop). Um der Vielfalt der existierenden antigenen Epitope gerecht zu werden, wurde ein einzigartiges Bauprinzip für diese Antigenrezeptoren entwickelt, welches eine enorme Variabilität der Rezeptoren sicherstellt. Um die Prozesse bei der Erkennung von antigenen Epitopen besser zu verstehen, sollen nachfolgend der Bauplan und die Entstehung der lymphozytären Antigenrezeptoren etwas detaillierter besprochen werden. ▶ Merke.

▶ Merke. Die Antigenrezeptoren der Lymphozyten stellen durch ihre einzigartig

hohe Spezifität und gleichzeitige Variabilität die Grundlage für die spezifische Immunität dar.

3.3.1

B-Zell-Antigenrezeptor (BCR)

▶ Merke.

Struktur: Das Y-förmige Antikörper- bzw. BCR-Molekül kann in zwei Bereiche unterteilt werden (Abb. B-3.3): ■ C-Region (konstanter Teil): vermittelt biologische Funktionen (z. B. Bindung am FcRezeptor).

3.3.1 B-Zell-Antigenrezeptor (BCR) ▶ Merke.

Antikörper sind sezernierte Kopien des BCR, die an Antigene binden können und damit zu deren Eliminierung beitragen. Struktur des BCR: Der Y-förmige BCR entspricht in seiner Struktur einem Immunglobulinmolekül (Abb. B-4.13) mit einem zusätzlichen transmembranösen Teil am Carboxyende des Moleküls (Abb. B-3.3). Man unterscheidet zwei Bereiche: ■ C-Region (konstanter Bereich): Die C-Region umfasst den „Stamm“ des Y und die daran anschließenden Hälften der beiden „Arme“, wobei sie nur vier oder fünf unterschiedliche Formen annehmen kann. Sie besitzt biologische Effektorfunktionen, die bei der Interaktion mit Zellen im Zuge der Immunabwehr genutzt werden. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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B 3 Erkennen von „fremd“ durch Immunzellen

ponente C 1q. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Komplementrezeptor CR1 nicht nur C 1q selbst, sondern auch MBL und SP binden kann und damit in der Lage ist, MBL- und SP-opsonisierte Bakterien der Phagozytose zuzuführen. Rezeptoren für Komplementkomponenten (CR) Komplementrezeptoren dienen sowohl der Bindung und Phagozytose von Infektionserregern, die mit Komplementuntereinheiten opsonisiert wurden, als auch der Chemotaxis beweglicher Zellen entlang eines Gradienten von Komplementuntereinheiten.

Rezeptoren für Komplementkomponenten (CR)

Rezeptoren für die Fc-Region von Antikörpern Fc-Rezeptoren finden sich auf allen phagozytierenden Zellen, NK-Zellen, Eosinophilen, Basophilen und Mastzellen.

Rezeptoren für die Fc-Region von Antikörpern

Fc-Rezeptoren binden die Fc-Region von Immunglobulinen. Sind diese Immunglobuline durch Antigene vernetzt, wird die Fc-bindende Zelle entweder zur Phagozytose oder zur Sekretion von Effektormolekülen (z. B. zytotoxische Granula) stimuliert.

3.3

Erkennung von Infektionserregern durch Lymphozyten

Komplementrezeptoren (CR) kommen hauptsächlich auf phagozytierenden Zellen und B-Lymphozyten, aber auch auf Endothelzellen, Mastzellen und Erythrozyten vor. Sie können zwar funktionell in einer Gruppe zusammengefasst werden, strukturell zeigen sie jedoch deutliche Unterschiede. Komplementrezeptoren erlauben es phagozytierenden Zellen Infektionserreger zu binden und aufzunehmen, die mit Untereinheiten des Komplementsystems bedeckt (opsonisiert) sind. Außerdem vermitteln sie die Chemotaxis mobiler Zellen entlang eines Konzentrationsgradienten von Komplementuntereinheiten.

Fc-Rezeptoren stellen eine Rezeptorfamilie dar, die auf Zellen des Immunsystems und hier insbesondere auf den akzessorischen Zellen (phagozytierenden Zellen, NK-Zellen, Eosinophilen, Basophilen und Mastzellen) weit verbreitet sind. Fc-Rezeptoren binden die Fc-Region von Immunglobulinen. Akzessorische Zellen können so durch Bindung von Immunkomplexen aus Infektionserregern und Antikörpern über Fc-Rezeptoren und anschließende Phagozytose der Komplexe zur spezifischen Eliminierung von Infektionserregern beitragen. Bei nicht phagozytischen Zellen wie den NK-Zellen, Eosinophilen, Basophilen und Mastzellen führt die Fc-Erkennung auf opsonisierten Erregern durch Fc-Rezeptoren zur Freisetzung vorgeformter Granula. Im Falle der NK-Zellen enthalten diese zytotoxische Mediatoren, die antikörperbeladene Zielzellen direkt abtöten können (antibody-dependent cellmediated cytotoxicity, ADCC), während Mastzellen, Basophile und Eosinophile entzündungsfördernde (Mastzellen) oder antimikrobielle (Basophile, Eosinophile) Substanzen ausschütten, die insbesondere wirksam gegen Parasiten sind.

3.3

Erkennung von Infektionserregern durch Lymphozyten

Die bisher beschriebenen Rezeptoren zur Erkennung körperfremder Strukturen weisen eine geringe Spezifität auf. Ihre genetische Information ist in stark konservierter Form im Genom der Zelle enthalten. B- und T-Lymphozyten hingegen erkennen mit ihren Antigenrezeptoren höchst individuelle körperfremde Strukturen, die nur aus wenigen Aminosäuren eines Proteins bestehen (antigenes Epitop). Um der Vielfalt der existierenden antigenen Epitope gerecht zu werden, wurde ein einzigartiges Bauprinzip für diese Antigenrezeptoren entwickelt, welches eine enorme Variabilität der Rezeptoren sicherstellt. Um die Prozesse bei der Erkennung von antigenen Epitopen besser zu verstehen, sollen nachfolgend der Bauplan und die Entstehung der lymphozytären Antigenrezeptoren etwas detaillierter besprochen werden. ▶ Merke.

▶ Merke. Die Antigenrezeptoren der Lymphozyten stellen durch ihre einzigartig

hohe Spezifität und gleichzeitige Variabilität die Grundlage für die spezifische Immunität dar.

3.3.1

B-Zell-Antigenrezeptor (BCR)

▶ Merke.

Struktur: Das Y-förmige Antikörper- bzw. BCR-Molekül kann in zwei Bereiche unterteilt werden (Abb. B-3.3): ■ C-Region (konstanter Teil): vermittelt biologische Funktionen (z. B. Bindung am FcRezeptor).

3.3.1 B-Zell-Antigenrezeptor (BCR) ▶ Merke.

Antikörper sind sezernierte Kopien des BCR, die an Antigene binden können und damit zu deren Eliminierung beitragen. Struktur des BCR: Der Y-förmige BCR entspricht in seiner Struktur einem Immunglobulinmolekül (Abb. B-4.13) mit einem zusätzlichen transmembranösen Teil am Carboxyende des Moleküls (Abb. B-3.3). Man unterscheidet zwei Bereiche: ■ C-Region (konstanter Bereich): Die C-Region umfasst den „Stamm“ des Y und die daran anschließenden Hälften der beiden „Arme“, wobei sie nur vier oder fünf unterschiedliche Formen annehmen kann. Sie besitzt biologische Effektorfunktionen, die bei der Interaktion mit Zellen im Zuge der Immunabwehr genutzt werden. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

97

B 3.3 Erkennung von Infektionserregern durch Lymphozyten ■

V-Region (variabler Bereich): Die V-Region als vorderer Teil der beiden „Arme“ ist bei jeder naiven B-Zelle einzigartig. Die V-Region jedes „Armes“ ist der Ort der Antigenbindung. Ein BCR- bzw. Antikörpermolekül hat also zwei identische Antigenbindungsstellen.



Aufbau und Klassifizierung: Die biochemische Analyse des Moleküls zeigt, dass es jeweils aus 4 Polypeptidketten aufgebaut ist, welche kovalent über Disulfidbrücken verbunden sind. Gemeinsames Strukturelement aller Ketten ist die Immunglobulindomäne, die durch eine bestimmte dreidimensionale Faltung der Kette ausgebildet wird und innerhalb eines Moleküls mehrfach zu finden ist. Die Polypeptidketten lassen sich in zwei Gruppen einteilen (Abb. B-3.3): ■ schwere (H-)Ketten: Zwei identische H-Ketten bilden Stamm und Arme des Y. Es gibt 5 Hauptklassen von schweren Ketten (Isotyp μ, δ, γ, α und ε). Die schweren Ketten bestimmen durch ihre Struktur die biologischen Eigenschaften des Moleküls und erlauben eine Klassifizierung der Immunglobuline;

V-Region (variabler Teil): besitzt 2 Antigenbindungsstellen, mit denen Antigene direkt gebunden werden.

Aufbau und Klassifizierung: Der BCR ist aus 4 Polypeptidketten aufgebaut, die über Disulfidbrücken miteinander verbunden sind (Abb. B-3.3):



schwere (H-)Ketten: Zwei identische schwere Ketten bilden Stamm und Arme des Moleküls. Es gibt 5 Hauptklassen von H-Ketten (Isotyp μ, δ, γ, α und ε).

▶ Merke.

▶ Merke. Die Immunoglobulinklassen werden mit Bezug auf die schwere Kette mit

IgM, IgD, IgG, IgA und IgE bezeichnet. leichte (L-)Ketten: Zusätzlich sind an die Arme des Y zwei identische L-Ketten gekoppelt. Zwei verschiedene leichte Ketten sind beschrieben (λ- und κ-Kette). Ein Ig-Molekül enthält entweder zwei κ- oder zwei λ-Ketten, nie je eine. Funktionell sind zwischen den in allen Ig-Klassen vorkommenden κ- und λ-tragenden Molekülen keine Unterschiede bekannt. Sowohl die schweren als auch die leichten Ketten tragen mit ihrem aminoterminalen Ende zur Ausbildung des variablen antigenbindenden Bereiches und mit ihrem carboxyterminalen Ende zum konstanten Bereich bei. Die beiden antigenbindenden Arme sind durch eine außerordentlich flexible Gelenkregion in den schweren Ketten sehr beweglich. ■

⊙ B-3.3



leichte (L-)Ketten: An die Arme des Y-förmigen Moleküls sind zwei identische L-Ketten angelagert. Es gibt zwei Isotypen an L-Ketten (λ- und κ-Kette).

Rezeptoren zur spezifischen Antigenerkennung bei der adaptiven Immunität

schwere Kette (H) VH leichte Kette (L)

α-Kette -

VL

-s

-s-s-s-s-

-

CL Immunglobulindomäne Igα Igβ

β-Kette



-s

-s

-s

BCR

Antigenbindungsstelle C1H

C2H C3H





Cβ ----s-s----

C4H

TCR

Immunglobulindomäne

-s-s-

-s-s-

ITAM

ITAM ε-Kette δ-Kette Signaltransduktion

ζ-Kette

γ-Kette ε-Kette ζ-Kette

B- und T-Lymphozyten besitzen zur Antigenerkennung spezifische Rezeptoren. Gemeinsames strukturelles Grundelement beider Rezeptoren ist die Immunglobulindomäne, eine Faltung der Polypeptidkette mit typischer 3-D-Struktur. Der BCR gleicht in seinem Aufbau einem Immunglobulinmolekül, mit dem Unterschied, dass zur Verankerung in der Zellmembran am carboxyterminalen Ende eine Transmembranregion vorhanden ist. Der erste BCR, der von einer naiven B-Zelle exprimiert wird, ist ein monomeres IgM. Die beiden schweren Ketten des IgM bestehen jeweils aus 4 konstanten Domänen (CH1 bis CH4) und einer variablen Domäne (VH), die zur Ausbildung der Antigenbindungsstelle beiträgt. Die beiden leichten Ketten besitzen jeweils eine konstante (CL) und eine variable Domäne (VL), die mit der VH-Domäne die Antigenbindungsstelle formt. Alle 4 Ketten sind kovalent über Disulfidbrücken miteinander verbunden. Da der BCR selber bei Antigenbindung kein Signal in das Zellinnere weiterleiten kann, ist er mit zusätzlichen Polypeptidketten assoziiert (Igα und Igβ), an deren zytoplasmatischen Carboxyenden signalübertragende Domänen (ITAMs = immunoreceptor tyrosine activation motifs) platziert sind. Der TCR ist ein heterodimeres Molekül aus einer α- und einer β-Kette, die jeweils eine konstante (Cα, Cβ) und eine variable Domäne (Vα, Vβ) aufweisen. Wie beim BCR auch bilden die variablen Domänen die Antigenbindungsstelle des Rezeptors aus. Auch der TCR hat selbst keine Möglichkeiten zur Signalübertragung in das Zellinnere. Er ist daher mit einem Komplex aus 4 verschiedenen Polypeptidketten assoziiert (δ-, ε-, γ- und ς-Kette), die zum Teil mehrere ITAMs tragen. Die δ-, ε- und γ-Ketten werden auch unter dem Begriff CD3-Komplex zusammengefasst.

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98

B 3 Erkennen von „fremd“ durch Immunzellen

Spezifität: Durch Umlagerung von keimbahncodierten Gensegmenten im Genom und einer zufälligen Verknüpfung dieser Elemente in der DNA entstehen BCRs mit einer enorm vielfältigen Antigenspezifität.

Spezifität: Zunächst war schwer vorstellbar, wie eine derartige Vielfalt von strukturell sehr ähnlichen, aber eben nicht identischen Rezeptormolekülen im Genom Platz findet. Erst Mitte der 1970er Jahre stellte sich heraus, dass dafür zwei Prozesse verantwortlich sind: ■ Umlagerung einer bestimmten Anzahl in der Keimbahn angelegter Gensegmente im Genom und ■ eine zufällige, nicht gerichtete Verknüpfung dieser Elemente in der DNA einer B-Zelle. Wie kommt es nun zum Zusammenbau dieser eigenartigen Kombination aus scheinbar unendlicher Vielfalt im variablen Bereich und der sehr begrenzten Variabilität im konstanten Bereich? Das Grundprinzip ist vereinfacht in Abb. B-3.4 dargestellt.

Die V-Regionen der leichten und der schweren Ketten werden von mehreren kleinen Gensegmenten codiert. Während der Differenzierung zu einer naiven B-Zelle kommt es zur Umlagerung dieser Gensegmente (somatische Rekombination).

Somatische Rekombination: Die Information für den BCR liegt in unterschiedlichen Bereichen der DNA im Genom der hämatopoetischen Stammzelle des Knochenmarks. Dort codiert eine beschränkte Anzahl von Gensegmenten für bestimmte Bauteile in submolekularer Größe, wobei die V-Regionen der leichten und der schweren Ketten nicht nur aus einem, sondern aus mehreren kleinen Gensegmenten zusammengesetzt werden. Ausgehend von dieser Keimbahnkonfiguration finden während der Differenzierung zu einer naiven B-Zelle Umlagerungen der Gensegmente (V- und C-Gensegmente) statt, die für die variable und konstante Region codieren (somatische Rekombination).

⊙ B-3.4

Konstruktion des B-Zell-Antigenrezeptors

μ

δ

γ

γ

leichte (L-)Kette

schwere (H-)Kette

D-J-Umlagerung

V-DJ-Umlagerung

V-J-Umlagerung

κ

Die genetische Information für die Bausteine des BCRs liegt bei den Vorläufern zur B-Zelle in der sogenannten Keimbahnkonfiguration vor. Für den Zusammenbau der schweren Kette des Moleküls findet sich eine gewisse Anzahl verschiedener Gensegmente, die für unterschiedliche variable (V) Teile codieren, und die Segmente, die für die verschiedenen konstanten Teile (Cμ, Cδ, Cγ 1 usw.) der Kette codieren. Dazwischen sind mehrere kleine Gensegmente eingelagert, die D- (von diversity) und die J-Segmente (von joining). Im Verlauf der B-Zell-Ontogenese finden nun zunächst Umlagerungen in der zellulären DNA statt (1). Erst wird ein beliebiges J-Element mit einem beliebigen D-Element verbunden (D-J-Umlagerung). Die DNA, die dazwischenliegt, wird ausgeschnitten und geht der Zelle verloren. Dann wird das neu entstandene DJ-Element an ein beliebiges V-Element angelagert (V-DJ-Umlagerung). Für den ersten BCR, den eine B-Zelle exprimiert, wird nun ein primäres RNA-Transkript angefertigt, das den VDJ-Komplex und die Exons enthält, die für den konstanten Teil der μ-Kette codieren (2). Die gesamte Information, die zwischen dem VDJ-Komplex und dem Cμ-Teil liegt, wird durch „splicing“ entfernt, sodass schließlich eine mRNA entsteht, die für eine komplette μ-Kette codiert. Die Prozesse zur Konstruktion einer leichten Kette verlaufen ähnlich. Im Bild ist beispielhaft die Zusammensetzung der leichten κ-Kette dargestellt. Bei den leichten Ketten gibt es keine D-Elemente, sondern nur J-Elemente zwischen den Elementen für den variablen und den konstanten Teil Cκ (3). Daher findet auch nur eine Umlagerung statt, nämlich die Anlagerung eines J- an ein beliebiges V-Element. Aus dem primären RNA-Transkript wird die Information zwischen umgelagertem VJ-Element und dem Cκ-Teil durch „splicing“ entfernt, es entsteht eine mRNA, die für eine leichte κ-Kette codiert (4). Nach Translation der mRNAs für μ- und κ-Kette (5) können die Polypeptide zu einem kompletten BCR in Form eines monomeren IgMs zusammengebaut werden (6).

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99

B 3.3 Erkennung von Infektionserregern durch Lymphozyten

Vielfalt der V-Region: Zu der enormen Vielfalt der antigenerkennenden variablen Regionen des BCR tragen mehrere Umstände bei (Abb. B-3.4): ■ Kombinatorische Vielfalt: Sowohl bei den leichten als auch bei den schweren Ketten existiert eine unterschiedlich große Anzahl solcher genetisch fixierter Segmente. Welche von diesen Segmenten umgelagert werden, bleibt dem Zufall überlassen. ■ Vielfalt durch ungenaue Verknüpfungsvorgänge (junctional diversity): Bei der somatischen Rekombination der Gensegmente sind besondere DNA-modifizierende Enzyme beteiligt. Durch ihre Eigenschaft, nach dem Zufallsprinzip bei der Verknüpfung loser DNA-Enden einzelne Nukleotide zu entfernen oder hinzuzufügen, wird weitere Vielfalt erzeugt. ■ Vielfalt durch Kombination leichter und schwerer Ketten: Zumindest theoretisch kann jede leichte Kette mit jeder schweren Kette zu einem Rezeptormolekül zusammengefügt werden. Tatsächlich gibt es aber weniger kombinatorische Vielfalt, da nicht alle Kombinationen ein stabiles Rezeptormolekül ergeben. ■ Vielfalt durch somatische Mutationsereignisse: Nachdem alle Umlagerungen zur Produktion eines fertigen Rezeptors abgeschlossen sind, kommt es bei der antigenspezifischen Aktivierung der B-Zelle gehäuft zu Mutationsereignissen in den variablen Bereichen des Moleküls (Hypermutationsaktivität), s. Kap. „Antigenerkennung durch B-Lymphozyten“ (S. 99). Berechnet man alle Möglichkeiten, die sich durch die 4 genannten Prozesse für die Entstehung eines spezifischen BCR ergeben, kommt man auf die enorme Zahl von etwa 1011 denkbaren BCR, die ein menschliches Immunsystem produzieren kann.

Vielfalt der V-Region: Die Vielfalt an verschiedenen BCRs mit unterschiedlichen Antigenerkennungsstellen wird nach dem Zufallsprinzip generiert (Abb. B-3.4). Mindestens 4 Mechanismen sind daran beteiligt: ■ Umlagerung und Rekombination von genetischen Segmenten, die für den BCR codieren (s. o.) ■ ungenaue Verknüpfungen der DNA bei den Rekombinationsereignissen; ■ unterschiedliche Kombinationen der 4 Polypeptidketten des BCR ■ gehäufte Mutationen in der Antigenbindungsstelle nach antigener Aktivierung der B-Zelle.

3.3.2 Antigenerkennung durch B-Lymphozyten

3.3.2

B-Zell-Rezeptoren sind im Gegensatz zu T-Zell-Rezeptoren in der Lage, native Antigene zu binden. Daher kann ein B-Lymphozyt ein komplettes, in Lösung befindliches Viruspartikel oder eine Bakterienzelle über den BCR an seiner Oberfläche binden. Die Vorgänge der Antigenbindung am BCR entsprechen den Antikörper-AntigenWechselwirkungen, da die strukturellen Unterschiede zwischen membranständigem BCR und sezerniertem Antikörper am carboxyterminalen Ende lokalisiert sind (BCR hydrophob, Antikörper hydrophil). Antigenbindungsstelle des BCR: Die dreidimensionale Struktur der Antigenbindungsstelle wird von den Aminosäuresequenzen der beiden schweren und leichten Polypeptidketten und deren Wechselwirkungen untereinander bestimmt (Abb. B-3.5). Aufgrund dieses Konstruktionsprinzips ergibt sich für jeden BCR eine sehr individuelle Bindungstasche für dreidimensionale Fremdstrukturen, deren Passform nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip genau für die Bindung eines spezifischen Antigens geeignet ist.

⊙ B-3.5

Bindung eines antigenen Epitops durch die Antigenbindungsstelle eines Antikörpers

Epitop aus dem gp41 von HIV

VL

CL

CH

VH

VL

CL

VH

CH

HIVEpitop

Antigenerkennung durch BLymphozyten Die Erkennung von Antigenen durch B-Lymphozyten folgt den Prinzipien der AntigenAntikörper-Bindung, da der Antigenrezeptor der B-Zelle (BCR) strukturell einem Antikörpermolekül gleicht.

Die Antigenbindungsstelle des BCR wird durch die dreidimensionale Struktur der aminoterminalen Enden von schwerer und leichter Polypeptidkette geformt (Abb. B-3.5).

⊙ B-3.5

Die variable Domäne der leichten Kette (VL) und die variable Domäne der schweren Kette (VH) eines Antikörpermoleküls bilden die Bindungstasche für die nicht kovalente Einlagerung einer antigenen Struktur. Dargestellt ist das Fab (fragment antigen binding) eines Antikörpers mit Spezifität für ein antigenes Epitop aus dem Hüllprotein gp41 des Humanen Immundefizienzvirus (HIV). (Die zugrunde liegenden Sequenzdaten für die 3-D-Modelle wurden der Molecular Modeling Database (MMDB) des National Center for Biotechnology Information (NCBI) entnommen (MMDB: 32859 und 9187). Das 3-D-Modeling wurde mit dem Programm Cn3D durchgeführt, ebenfalls beim NCBI erhältlich.)

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100

B 3 Erkennen von „fremd“ durch Immunzellen

Die Antigenbindungsstelle des BCR kann aufgrund ihres beschränkten Raumes nicht ein komplettes partikuläres Antigen, sondern lediglich submolekulare Strukturen binden. Solche passenden Teilstrukturen heißen antigene Epitope.

Antigenes Epitop: Natürlich ist in der Bindungsstelle nicht genügend Platz für das gesamte Antigen, sondern nur für eine Teilstruktur, die aus einer begrenzten Anzahl von Bausteinen (Aminosäuren, Zuckerresten etc.) besteht. Diese passende Teilstruktur des Antigens wird als antigenes Epitop bezeichnet. Bei großen Proteinen oder gar Viren und Bakterien ist eine Vielzahl unterschiedlicher antigener Epitope zu finden, von denen jedes an einen individuellen BCR bindet.

Die Bindung von antigenen Epitopen an die Antigenbindungsstelle des BCR ist nicht kovalent und reversibel. Die Bindungsstärke wird von elektrostatischen Kräften, Wasserstoffbrückenbildung, Van-der-Waals-Kräften und hydrophoben Wechselwirkungen bestimmt.

Antikörper-Antigen-Bindung: Die Bindung des antigenen Epitops ist eine nicht kovalente Interaktion, die von mindestens vier verschiedenen Kräften bestimmt wird: Elektrostatische Anziehungskräfte, Wasserstoffbrückenbildung, Van-der-WaalsKräfte und schließlich hydrophobe Wechselwirkungen. Die Bindung des Antigens an den BCR bzw. den Antikörper ist reversibel, d. h. sie kann durch verschiedene Mechanismen wieder aufgehoben werden (z. B. Veränderungen des pH oder der Salzkonzentration).

Die Passform der Antigenbindungsstelle wird nach einer antigenspezifischen Aktivierung und anschließender Vermehrung der B-Zelle durch Hypermutationsereignisse verändert. Solche B-Zellen, die dabei einen besser passenden Rezeptor generieren, werden bei Vermehrung und Differenzierung bevorzugt.

Hypermutationsaktivität: Im Gegensatz zum TCR wird im Verlauf einer Immunantwort die Passform der initial aktivierten BCRs immer besser. Dieser Umstand ist Resultat einer bemerkenswerten Mutationsaktivität in wenigen eng umschriebenen Bereichen der Gensequenzen, die für die Antigenbindungsstelle codieren. Diese Hypermutationsaktivität während der Vermehrung der antigenaktivierten B-Zelle führt zu Veränderungen in der Aminosäuresequenz des antigenbindenden Bereiches. B-Zellen, die dabei Rezeptoren mit besserer Passform generieren als der Ursprungsrezeptor, werden durch den besseren Kontakt mit dem Epitop bei der Expansion bevorzugt. Zu einem Austausch von Aminosäuren kommt es besonders häufig in bestimmten Abschnitten der variablen Bereiche von schwerer und leichter Kette, den sog. Hot Spots. Diese Regionen werden auch Complementary determining Regions (CDRs) genannt, da sie die Hauptinteraktionspunkte mit dem antigenen Epitop darstellen. Die weniger häufig mutierenden Bereiche der variablen Regionen werden auch als Frame Work (FR)-Regionen bezeichnet.

Die Bindung eines Antigens am BCR führt zu einer Signalübertragung in den Zellkern und damit zu Veränderungen in der transkriptionellen Aktivität der Zelle. Die damit verbundenen Änderungen in der Proteinexpression können abhängig vom Antigen unterschiedliche Effekte haben und reichen von der Apoptose bis hin zur klonalen Expansion und Differenzierung in eine antikörpersezernierende Plasmazelle.

Signalübertragung durch den BCR: Die Bindung eines Antigens an den BCR löst über Hilfsrezeptoren eine Signalkaskade aus, die bis in den Kern der Zelle reicht und dort die An- und Abschaltung der Transkription verschiedener Gene auslöst. Die mit der Signalübertragung in den Zellkern verbundenen Veränderungen des Proteinexpressionsmusters leiten die B-Zelle schließlich in einen Zustand über, der – je nach Umgebung und Art des Antigens – unterschiedliche Konsequenzen haben kann. Das Spektrum der möglichen Antworten reicht von der Einleitung des programmierten Zelltods (Apoptose) bis hin zur klonalen Expansion und nachfolgend zur Differenzierung in eine antikörperproduzierende Zelle. Außerdem spielen für die Weichenstellungen bei der B-Zell-Antwort (S. 125) auch T-Lymphozyten eine ganz entscheidende Rolle.

3.3.3

3.3.3 Der T-Zell-Antigenrezeptor

Der T-Zell-Antigenrezeptor

Obwohl der T-Zell-Antigenrezeptor dem BCR strukturell sehr ähnlich ist, gibt es fundamentale funktionelle Unterschiede. ▶ Merke.

▶ Merke. Im Gegensatz zu B-Lymphozyten können T-Lymphozyten mit ihrem TCR

keine nativen Antigene erkennen. Der Antigenrezeptor der T-Zellen (TCR, Abb. B-3.6) ist ein heterodimeres Molekül, das Peptidbruchstücke von Antigenen erkennt, die gebunden an körpereigenen MHC-Molekülen präsentiert werden müssen.

TCRs sind darauf angewiesen, dass ihnen kleine Peptidbruchstücke des Antigens (antigene Epitope) – gebunden an MHC-Molekülen – von körpereigenen Zellen präsentiert werden. Somit hat der TCR bei der Antigenerkennung zwei wesentliche Aufgaben: ■ Erkennung körpereigener MHC-Moleküle: Hierfür müssen beim TCR relativ strukturkonservative Regionen vorhanden sein, die MHC-Moleküle erkennen können. ■ Erkennung körperfremder Strukturen: Auf der anderen Seite muss es TCR-Bereiche geben, die ein enormes Spektrum von unterschiedlichen exogenen antigenen Peptiden detektieren können. Struktur und Aufbau: Wie der BCR verfügt auch der TCR über eine variable Region zur Antigenerkennung und eine konstante Region im membranassoziierten Teil zur Interaktion mit MHC Molekülen. Allerdings setzt sich der TCR nur aus 2 Polypeptidketten zusammen (α- und β-Kette), stellt also eine heterodimere Struktur dar (Abb. B-3.6). ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

101

B 3.3 Erkennung von Infektionserregern durch Lymphozyten

⊙ B-3.6

Konstruktion des T-Zell-Antigenrezeptors

β

β

β

β

α

β

α

Die Prinzipien zur Konstruktion des BCRs finden sich beim Zusammenbau des TCRs wieder. Der TCR besteht aus einer α- und einer β-Kette, wobei die β-Kette nach dem Schema einer schweren Kette des BCRs und die α-Kette wie eine leichte BCR-Kette zusammengesetzt wird. Bei der β-Kette kommt es also zunächst zur D-J-Umlagerung, gefolgt von der V-DJ-Umlagerung (1). Durch RNA-Splicing wird aus dem primären RNA-Transkript die Information zwischen umgelagertem VDJ-Segment und dem benutzten konstanten Segment Cβ ausgeschlossen und die mRNA codiert für eine komplette β-Kette (2). Analog zur leichten Kette des BCR findet bei der α-Kette des TCR nur eine V-J-Umlagerung statt (3) und die mRNA entsteht durch Splicing des primären RNA-Transkriptes zwischen VJ-Element und dem konstanten Cα-Segment (4). α- und β-Kette werden schließlich über eine Disulfidbrücke zu einem funktionsfähigen TCR verbunden (5).

Somatische Rekombination: Auch der TCR wird von unterschiedlichen Gensegmenten codiert, die durch somatische Rekombination umgelagert werden (Abb. B-3.6). Die nachfolgenden Splice-Ereignisse des primären RNA-Transkripts führen schließlich zu einer mRNA, die für funktionelle α- und β-Ketten codiert. Diese Prozesse laufen im Zuge der Reifung der T-Lymphozyten im Thymus ab.

Seine Vielfalt wird nach ähnlichen Prinzipien wie bei der Konstruktion des BCR erzeugt (Abb. B-3.6).

Vielfalt der V-Region: Dadurch, dass für die α-Kette des TCR sehr viel mehr Gensegmente zur Verfügung stehen als für die L-Kette des BCR, wird die Diversität des TCR in deutlich höherem Maße von der rekombinatorischen Vielfalt bestimmt als die des BCR. Daneben spielt auch eine junktionale Vielfalt eine Rolle. Im Gegensatz zum BCR tritt jedoch im TCR keine weitere Steigerung der Vielfalt durch Hypermutationen im Verlauf der T-Zell-Reifung oder -Differenzierung auf.

Im Gegensatz zum BCR tragen beim TCR allerdings keine Mutationsereignisse nach Aktivierung der T-Zelle zur Variabilität bei.

γ/δ-T-Lymphozyten: Zusätzlich zu T-Lymphozyten mit dem α/β-TCR gibt es solche mit einem TCR, der aus einer γ/δ-Kette zusammengesetzt ist. Sie machen etwa 1– 5 % der gesamten T-Zell-Population aus, können aber in bestimmten Kompartimenten des Körpers bis zu 50 % der dort lokalisierten T-Zellen ausmachen. Die Gensegmente für diese TCRs werden entsprechend den Prinzipien der α/β-Ketten konstruiert. Allerdings ist rekombinatorische Vielfalt dieser Rezeptoren um ein Vielfaches niedriger als bei den α/β-TCRs. γ/δ-T-Lymphozyten wandern nach der thymischen Selektion in der Regel nicht in die sekundären lymphatischen Organe, sondern direkt in bestimmte Organe des Körpers wie Haut, Mukosa der Reproduktionsorgane und den Verdauungstrakt. Mit ihrer beschränkten Vielfalt an TCRs und durch ihre Lokalisation treten sie direkt mit eindringenden Pathogenen in Wechselwirkung und können nachfolgend ihre Effektorfunktionen sofort ohne vorangehende Proliferationsphase ausüben. Darunter finden sich die Zerstörung von gestressten oder infizierten Zellen, Einfluss auf die Reifung von dendritischen Zellen, Aktivierung von α/β-T-Lymphozyten durch Antigenpräsentation, Hilfe für B-Lymphozyten bei der IgE-Produktion, lokale Zytokinausschüttung und schließlich Regulation von Stroma-

γ/δ-T-Lymphozyten können in bestimmten Körperregionen bis zu 50 % der T-Zell-Population darstellen. Ihre TCR-Vielfalt ist deutlich geringer als die der α-/β-T-Zellen und anders als diese können sie Effektorfunktionen ohne vorangegangene Proliferation und Differenzierung unmittelbar nach Pathogenkontakt ausüben.

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102

B 3 Erkennen von „fremd“ durch Immunzellen

zellen durch Ausschüttung von Wachstumsfaktoren. Aufgrund ihrer beschränkten TCR-Vielfalt und der direkten Ansprechbarkeit durch Pathogene werden sie als Verbindungsglied zwischen natürlicher und adaptiver Immunität gesehen. Antigenerkennung durch TLymphozyten Der TCR erkennt Bruchstücke von Proteinantigenen, die gebunden an Molekülen des Haupthistokompatibilitätskomplexes (MHC) auf der Oberfläche antigenpräsentierender Zellen dargeboten werden. Ausnahmen stellen die TCRs von γ/δ-T-Lymphozyten, iNKTZellen und MAIT-Zellen dar.

3.3.4 Antigenerkennung durch T-Lymphozyten

MHC-Moleküle

MHC-Moleküle

3.3.4

Da eine T-Zelle nicht in der Lage ist, ein Viruspartikel oder eine Bakterienzelle direkt zu binden, ist sie darauf angewiesen, Bruchstücke von Proteinantigenen (i. d. R. kurze Peptide aus wenigen Aminosäuren) gebunden an MHC-Molekülen (major histocombatibility complex) auf der Zelloberfläche präsentiert zu bekommen. Ausnahmen stellen die TCRs von γ/δ-T-Lymphozyten, invarianten NKT-Zellen und mukosaassoziierten invarianten T (MAIT)-Zellen dar.

MHC-Moleküle (auch HLA, human leukocyte antigens) wurden ursprünglich im Zusammenhang mit der Abstoßung von Gewebetransplantaten durch das Immunsystem des Empfängers beschrieben. Sie umfassen eine Gruppe zelleigener Proteine, deren Neusynthese im endoplasmatischen Retikulum (ER) erfolgt und die über den Golgi-Apparat an die Zelloberfläche gelangen. Auf dem Weg dorthin erfolgt ihre Beladung mit antigenen Peptiden. ▶ Merke.

▶ Merke. Die MHC-Moleküle sind von grundsätzlicher Bedeutung für eine T-Zell-

vermittelte Immunantwort.

MHC-Klasse-I-Moleküle

MHC-Klasse-I-Moleküle

Sie finden sich auf nahezu allen kernhaltigen Zellen (Tab. B-3.2).

Vorkommen: Virusinfizierte Zellen werden durch CD8+-T-Zellen eliminiert. Da Viren grundsätzlich alle kernhaltigen Zellen infizieren können, exprimieren nahezu alle diese Zellen des Körpers MHC-Klasse-I-Moleküle (Tab. B-3.2).

▶ Merke.

▶ Merke. Antigene Peptide gebunden an MHC-Klasse-I-Molekülen werden von

CD8+-T-Lymphozyten erkannt. Der CD8-Korezeptor übernimmt hierbei durch Interaktion mit dem MHC-Klasse-IMolekül eine stabilisierende Funktion bei der Bindung des TCR an das MHC-I-Molekül.

≡ B-3.2

≡ B-3.2

Expression von MHC-Molekülen

Gewebe

MHC-Klasse I

MHC-Klasse II

lymphatisches Gewebe T-Lymphozyten

+++

(+)*

B-Lymphozyten

+++

+++

Makrophagen

+++

++

dendritische Zellen

+++

+++

Thymusepithelzellen

+

+++

Neutrophile

+++



Leberzellen

+



Nierenzellen

+



Hirnzellen

+

–#





andere kernhaltige Zellen

kernlose Zellen Erythrozyten

* humane T-Lymphozyten sind MHC-II-positiv # die meisten Hirnzellen sind MHC-II-negativ. Eine Ausnahme bilden die Mikrogliazellen (Makrophagen des Hirns)

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103

B 3.3 Erkennung von Infektionserregern durch Lymphozyten

⊙ B-3.7

Struktur der MHC-Moleküle der Klassen I und II

Peptid aus Influenza α1

Peptid aus EBV

α2

α1 β1

α2 β2Mikroglobulin

α3

β2

Klasse I

Klasse II

NH2

NH2

α2-Domäne

α1-Domäne

α3-Domäne

β2-Mikroglobulin

α2-Domäne

antigenes Peptid β1-Domäne

α3-Domäne

β2-Domäne

Zellmembran COOH

COOH

Das MHC-Klasse-I-Molekül besteht aus einer schweren α-Kette mit 3 Domänen (α1, α2 und α3) und einem nicht kovalent assoziierten β2Mikroglobulin. Die α1- und α2-Domänen bilden die Bindungstasche für antigene Peptide aus, die vom TCR im Kontext mit dem MHC-Klasse-IMolekül erkannt werden. In der 3-D-Darstellung des Moleküls ist in die Bindungstasche ein antigenes Peptid des Epstein-Barr-Virus (EBV) eingelagert. MHC-Klasse-II-Moleküle setzen sich aus je einer α- und β-Kette mit jeweils 2 Domänen (α1, α2 bzw. β1, β2) zusammen. Der peptidbindende Spalt wird von der α1- und der β1-Domäne gebildet. Im 3-D-Modell ist ein Peptid aus dem Influenzavirus in der Bindungstasche enthalten. (Die zugrunde liegenden Sequenzdaten für die 3-D-Modelle wurden der Molecular Modeling Database [MMDB] des National Center for Biotechnology Information [NCBI] entnommen [MMDB: 3 2859 und 9 187]. Das 3-D-Modeling wurde mit dem Programm Cn3D durchgeführt, ebenfalls beim NCBI erhältlich.)

Aufbau: Es handelt sich um heterodimere Moleküle aus einer schweren, im MHCKomplex codierten α-Kette, welche über eine Transmembranregion in der Zellwand verankert ist und den peptidbindenden Spalt ausbildet (Abb. B-3.7), sowie dem nicht im MHC-Komplex codierten β2-Mikroglobulin. Dieses assoziiert nicht kovalent mit der α-Kette und hat eine stabilisierende Funktion. Der Mensch exprimiert auf seinen kernhaltigen Zellen 3 verschiedene MHC-Klasse-IMoleküle (HLA-A, -B und -C), die sich insbesondere in der Struktur ihrer Peptidbindungstasche unterscheiden. Da sowohl die mütterlichen als auch die väterlichen MHC-Klasse-I-Moleküle exprimiert werden (kodominante Expression), tragen kernhaltige Zellen insgesamt 6 verschiedene MHC-Klasse-I-Moleküle, die unterschiedliche Peptide binden können.

MHC-Klasse-I-Moleküle sind heterodimere Moleküle aus einer schweren α-Kette und dem nicht kovalent assoziierten β2-Mikroglobulin (Abb. B-3.7).

Peptidbindender Spalt: In den zu beiden Seiten hin geschlossenen peptidbindenden Spalt passen Peptide, die eine Länge von 8–10 Aminosäuren aufweisen und deren Aminosäureseitenketten an definierten Positionen (den sog. Ankerpositionen) mit dem MHC-Molekül in enge Wechselwirkung treten. Peptide, die in ein bestimmtes MHC-Klasse-I-Molekül passen, besitzen an den Ankerpositionen gleiche oder zumindest sehr ähnliche Aminosäureseitenketten. Diese 2–3 Aminosäureseitenketten sind entscheidend für eine stabile Peptidbindung, während die restlichen Aminosäuren relativ unwichtig für die Passfähigkeit eines Peptids sind. Häufig haben Peptide, die in ein MHC-Klasse-I-Molekül passen, am Carboxyende hydrophobe Eigenschaften. Aufgrund der Tatsache, dass nur wenige Aminosäurepositionen innerhalb des Peptids für eine ideale Bindung an das MHC-Klasse-I-Molekül ausschlaggebend sind, kann jedes MHC-Klasse-I-Molekül relativ viele verschiedene Peptide binden und CD8+-T-Lymphozyten präsentieren. Die Bindung eines Peptids übt stabilisierende Wirkung auf das heterodimere MHC-Molekül aus.

Die α-Kette bildet den peptidbindenden Spalt aus. Peptide, die in den Spalt eines bestimmten MHC-Klasse-I-Moleküls passen, weisen an den Kontaktstellen zum MHC-Molekül ähnliche oder sogar identische Aminosäureseitenketten auf. Diese werden Ankerpositionen genannt.

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104

B 3 Erkennen von „fremd“ durch Immunzellen

MHC-Klasse-II-Moleküle

MHC-Klasse-II-Moleküle

Zur Expression der MHC-Klasse-II-Moleküle s. Tab. B-3.2.

Vorkommen: MHC-Klasse-II-Moleküle werden im Wesentlichen von antigenpräsentierenden Zellen, d. h. dendritischen Zellen, B-Zellen und Makrophagen exprimiert. (Tab. B-3.2).

▶ Merke.

▶ Merke. An MHC-Klasse-II-Molekülen gebundene antigene Peptide werden von

CD4+-T-Lymphozyten erkannt. Auch hier sorgt der CD4-Korezeptor durch Interaktion mit dem MHC-Klasse-II-Molekül für eine Stabilisierung des TCR-MHC-Komplexes. MHC-Klasse-II-Moleküle sind Heterodimere aus je einer α- und einer β-Kette, die am aminoterminalen Ende den peptidbindenden Spalt ausbilden (Abb. B-3.7). Ihre Expression ist weitestgehend auf antigenpräsentierende Zellen beschränkt.

Aufbau: Das MHC-Klasse-II-Molekül setzt sich aus 2 Ketten (α- und β-Kette) zusammen, die beide im MHC-Komplex codiert sind. Beide Ketten haben einen Transmembranteil, mit dem sie in der Zellwand verankert sind (Abb. B-3.7). Mindestens 3 verschiedene MHC-Klasse-II-Moleküle (HLA-DP, -DQ und -DR) werden auf antigenpräsentierenden Zellen des menschlichen Immunsystems exprimiert. Wie die MHCKlasse-I-Moleküle auch unterscheiden sie sich in der Feinstruktur ihrer peptidbindenden Taschen und werden ebenfalls kodominant exprimiert.

Die Peptide, die in den Spalt passen, sind länger als diejenigen, die in die Klasse-I-Moleküle passen, da der peptidbindende Spalt von Klasse-II-Molekülen an beiden Enden offen ist.

Peptidbindender Spalt: Bei MHC-Klasse-II-Molekülen wird der peptidbindende Spalt durch Beteiligung der α- und β-Ketten gebildet. Anders als bei MHC-Klasse-IMolekülen ist er an beiden Enden offen, sodass die gebundenen Peptide wesentlich länger sein können. Meistens werden längere Peptide, die an den Enden aus der Tasche herausragen, durch Peptidasen auf eine Länge zwischen 13 und 17 Aminosäuren zurechtgestutzt („trimming“). Auch hier sind für eine stabile Interaktion eines antigenen Peptids mit dem peptidbindenden Spalt bestimmte Ankerpositionen verantwortlich.

Variabilität von MHC-Molekülen

Variabilität von MHC-Molekülen

Um eine möglichst große Vielfalt verschiedener antigene Peptide binden und präsentieren zu können, sind MHC-Moleküle hoch variabel. Zur Variabilität tragen Polygenie (mehrere Gene codieren für MHC-Moleküle) und ein sehr hoher Polymorphismus (viele Varianten innerhalb des beschränkten Satzes an MHCGenen) bei.

Zur spezifischen immunologischen Abwehr einer Vielzahl von verschiedenen Infektionserregern müssen MHC-Moleküle in der Lage sein, sehr viele verschiedene antigene Peptide den T-Lymphozyten zu präsentieren. Dies wird erreicht durch: ■ Polygenie: Für die MHC-Moleküle codieren mehrere Gene. ■ Polymorphismus: Innerhalb des beschränkten Satzes der MHC-Moleküle kommt es zur Entwicklung zahlreicher Varianten. So sind für das MHC-Klasse-I-HLA-BMolekül bereits über 2600 Varianten, für die β-Kette des MHC-Klasse-II-DR-Moleküls derzeit mehr als 1200 Varianten beschrieben. Hierbei sind die Unterschiede zwischen den einzelnen allelen Formen besonders in den Abschnitten der Aminosäuresequenz lokalisiert, die den peptidbindenden Spalt bilden und mit den antigenen Peptiden interagieren. Auf alle Infektionserreger übt der Mechanismus der MHC-vermittelten Antigenpräsentation einen sehr hohen Selektionsdruck aus, da grundsätzlich gegen jedes präsentierbare Peptidantigen eine zelluläre Immunantwort generiert werden kann, die die Eliminierung des Erregers zur Folge hat. Um diesem Druck zu entgehen, verfolgen Infektionserreger unter anderem folgende Strategien: ■ Unterdrückung der MHC-vermittelten Antigenpräsentation ■ Mutationen in erregerspezifischen Peptiden, sodass diese an bestimmte MHC-Moleküle nicht mehr binden können. In beiden Fällen ist die Konsequenz, dass vermindert antigene Peptide an die Oberfläche antigenpräsentierender Zellen gelangen, wodurch der Erreger der zellulären Immunantwort entgehen kann. Dieser Prozess wird auch als „immune escape“ bezeichnet.

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B

105

3.3 Erkennung von Infektionserregern durch Lymphozyten

Beladung von MHC-Molekülen mit antigenen Peptiden

Beladung von MHC-Molekülen mit antigenen Peptiden

Im Folgenden wird erläutert, wie und an welchen Orten innerhalb der Zelle Proteinantigene in antigene Peptide abgebaut werden und über welche Mechanismen sie in den peptidbindenden Spalt der MHC-Moleküle gelangen.

Antigenprozessierung ▶ Definition. Antigenprozessierung: Fragmentierung der antigenen Polypeptidket-

Antigenprozessierung ▶ Definition.

ten auf die für das MHC-Molekül „richtige“ Peptidlänge. Das Prinzip der Antigenprozessierung und Präsentation erlaubt es der spezifischen Immunantwort, die Vielzahl der eindringenden Fremdsubstanzen, einschließlich der Infektionserreger, für T-Lymphozyten erkennbar zu machen. Grob können solche Fremdsubstanzen in drei Gruppen eingeordnet werden: ■ intrazellulär replizierende Krankheitserreger: Diese sind in der Lage, körpereigene Zellen zu infizieren und sich in deren Zytoplasma zu vermehren. Peptide solcher Erreger werden grundsätzlich von MHC-Klasse-I-Molekülen präsentiert und aktivieren CD8+-T-Zellen. ■ intravesikulär replizierende Krankheitserreger: diese Erreger haben Mechanismen entwickelt, die es ihnen erlaubt, sich in den sauren endosomalen Vesikeln der Zelle zu vermehren. Peptide solcher Krankheitserreger werden über MHC-Klasse-IIMolekülen auf der Oberfläche den CD4+-T-Zellen präsentiert. ■ extrazelluläre Erreger: Solche Infektionserreger und deren Toxine liegen eigentlich extrazellulär vor, können aber durch Phagozytose, Endozytose oder Pinozytose in das endosomale Kompartiment phagozytischer Zellen gelangen. Von hier aus werden sie ebenfalls zur Präsentation durch MHC-Klasse-II-Moleküle vorbereitet.

Peptidantigene intrazellulär replizierender Infektionserreger werden von MHC-Klasse-IMolekülen präsentiert. Peptidantigene von extrazellulären Erregern, die sich nach Phagozytose im Endosom befinden oder von Erregern, die sich innerhalb endozytischer Vesikel vermehren, werden von MHC-Klasse-IIMolekülen präsentiert.

MHC-Klasse-I-Präsentationsweg

MHC-Klasse-I-Präsentationsweg

▶ Merke.

Der MHC-Klasse-I-Präsentationsweg beginnt mit dem Abbau von Proteinen, die sich im Zytoplasma der Zelle befinden.

▶ Merke.

Generierung antigener Peptide durch das Proteasom: In einer Zelle werden ständig neue Proteine synthetisiert und nicht mehr benötigte abgebaut (Abb. B-3.8). Proteine, die abgebaut werden sollen, werden mit Ubiquitinketten markiert (Ubiquitinierung). Die Degradation ubiquitinierter Proteine erfolgt im Zytoplasma durch einen zylindrischen, multikatalytischen Proteasekomplex, der als Proteasom bezeichnet wird. Durch das Proteasom werden nicht nur zelluläre Polypeptidketten abgebaut, sondern auch solche, die bei der Vermehrung intrazellulärer Infektionserreger entstehen. Hier sind insbesondere die Viren zu nennen, da sie obligat intrazelluläre Vermehrungszyklen haben. Aber auch einige Bakterien können intrazellulär replizieren. Um in den peptidbindenden Spalt eines MHC-Klasse-I-Moleküls zu gelangen, müssen die bei der proteasomalen Fraktionierung im Zytoplasma entstandenen Peptide anschließend an den Ort der Proteinbiosynthese von MHC-Klasse-I-Molekülen verbracht werden.

Polypeptide von intrazellulären Erregern werden durch einen multikatalytischen Proteasekomplex, der Proteasom genannt wird, in kleine Peptide gespalten (Abb. B-3.8).

Transport von Peptiden in das endoplasmatische Retikulum (ER) durch TAP: Die durch die Aktivität des Proteasoms entstandenen Peptide werden durch ein aktives, ATP-getriebenes Transportersystem durch die Membran in das Lumen des ER verbracht. Die Proteine, die dieses Transportersystem ausbilden, heißen TAP-1 und TAP-2 (transporters associated with antigen processing) und ihre genetische Information ist ebenfalls im MHC-Komplex codiert. Interessant ist, dass der Transporterkomplex bevorzugt kurze Peptide transportiert, die zwischen 8–16 Aminosäuren lang sind und am Carboxyende hydrophobe oder basische Aminosäureseitenketten besitzen und somit wichtige Voraussetzungen zur Bindung an MHC-Klasse-I-Moleküle erfüllen. Im ER können Peptide, die zu lang sind, durch das Enzym ERAAP (endoplasmic reticulium aminopeptidase associated with antigen processing) auf die ideale Länge von 8– 10 Aminosäuren gekürzt werden.

Die Peptidfragmente gelangen mithilfe besonderer Transporterproteine (TAP) in das Lumen des ER, wo sie bei Kompatibilität für den peptidbindenden Spalt an MHC-Klasse-IMoleküle gebunden werden.

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106

B 3 Erkennen von „fremd“ durch Immunzellen

⊙ B-3.8

Wege der MHC-Klasse-I- und Klasse-II-Präsentation von Peptiden

MHC-Klasse-IPräsentationsweg

MHC-Klasse-IIPräsentationsweg Phagozytose von extrazellulären Partikeln

4

8 Phagosom 7

6

3 Golgi-Apparat endoplasmatisches Retikulum D-Kette Calnexin

2

E2-Mikroglobulin α-/β-Kette

TAP 1

Proteasom zytosolisches Protein

5 li-Kette

Bei der Präsentation von antigenen Peptiden durch MHC-Moleküle werden für MHCKlasse-I- und MHC-Klasse-II-Moleküle grundsätzlich zwei verschiedene Wege genommen. MHC-Klasse-I-Weg: Im Zytoplasma erfolgt der proteolytische Abbau nicht mehr benötigter zellulärer Proteine und Polypeptide von intrazellulären Infektionserregern durch das Proteasom. Die entstandenen Peptide werden aktiv über ein Transportersystem (TAP = transporters associated with antigen processing) in das endoplasmatische Retikulum (ER) transportiert (1). Hier treffen die Peptide auf neusynthetisierte MHC-Klasse-IMoleküle und wenn sie in den peptidbindenden Spalt der α-Kette passen, formiert sich ein trimerer Komplex aus Peptid, α-Kette des MHC-Klasse-I-Moleküls und dem β2-Mikroglobulin (2). Der Komplex wird über den Golgi-Apparat an die Zelloberfläche transportiert (3) und kann dort von einem passenden TCR eines CD8+-T-Lymphozyten erkannt werden (4). MHC-Klasse-II-Weg: MHC-Klasse-II-Moleküle werden ebenfalls im ER synthetisiert. Um zu verhindern, dass zytosolische Peptide, die über TAP in das ER gelangt sind, in der peptidbindenden Spalte eingelagert werden, wird die Bindungsstelle zunächst durch eine Polypeptidkette, die invariante Kette (li), blockiert (5). Der Komplex wird über den Golgi-Apparat Richtung Zelloberfläche transportiert (6), wobei die MHC-Klasse-II-Moleküle enthaltenden Vesikel mit dem Phagosom der Zelle fusionieren (7). Im Phagosom befinden sich proteolytisch verdaute Antigene. Die invariante Kette wird in einem mehrstufigen Prozess proteolytisch abgebaut und die frei werdende Bindungsstelle mit antigenen Peptiden beladen, die in den Spalt passen. Die peptidbeladenen MHC-Klasse-IIMoleküle werden an die Zelloberfläche verbracht, wo sie CD4+-T-Lymphozyten mit passendem TCR zugänglich sind (8).

Zellkern

Der trimere Komplex aus antigenem Peptid, schwerer α-Kette und β2-Mikroglobulin des MHC-Klasse-I-Moleküls wird über den GolgiApparat an die Zelloberfläche transportiert und dort CD8+ T-Lymphozyten präsentiert.

Beladung der MHC-Klasse-I-Moleküle mit Peptiden: Die schweren α-Ketten der MHC-Klasse-I-Moleküle werden an der inneren Membran des ER synthetisiert und zunächst durch Anlagerung des Calnexins (ein Chaperonprotein) in einem partiell gefalteten Zustand stabilisiert. Nach Anlagerung des β2-Mikroglobulins an die MHC-Klasse-I-α-Kette, löst sich das Calnexin und das noch immer nur teilweise gefaltete MHC-Klasse-I-Molekül lagert sich an einen sog. Peptidbeladungskomplex (PLC, peptide-loading complex) an, der aus den Chaperonen Calreticulin und ERp57 sowie Tapasin besteht, welches das noch instabil gefaltete MHC-Klasse-I-Molekül an den TAP-Transporter assoziiert. Sobald ein antigenes Peptid in das ER transportiert wird, welches optimal in die Peptidbindungstasche passt, erfolgt nach Peptidbindung eine Konformationsänderung und das MHC-Klasse-I-Molekül wird in seine endgültige Form gefaltet. Dadurch löst es sich vom PLC und der trimere Komplex aus MHC-Klasse-I-α-Kette, β2-Mikroglobulin und antigenem Peptid wird über den Golgi-Apparat an die Zelloberfläche gebracht. Dort dient er als Ligand für eine CD8+T-Zelle, die einen entsprechend passenden Antigenrezeptor ausgebildet hat.

MHC-Klasse-II-Präsentationsweg

MHC-Klasse-II-Präsentationsweg

Siehe Abb. B-3.8.

Der Antigenprozessierungs- und Präsentationsweg für MHC-Klasse-II-Moleküle unterscheidet sich fundamental vom MHC-Klasse-I-Weg (Abb. B-3.8).

▶ Merke.

▶ Merke. In den MHC-Klasse-II-Präsentationsweg gelangen Antigene von Erregern,

die sich in endosomalen Vesikeln vermehren sowie Fremdsubstanzen und Erreger, die von der Zelle aus dem extrazellulären Raum durch Phagozytose/Endozytose in ein Endosom aufgenommen wurden. Aus diesem Grund werden MHC-Klasse-II-Moleküle überwiegend von Zellen des Immunsystems mit phagozytierenden/endozytierenden Eigenschaften exprimiert.

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107

B 3.3 Erkennung von Infektionserregern durch Lymphozyten

Polypeptidabbau im Endosom: Im Endosom herrscht zunächst ein neutraler pH, doch mit der Wanderung des Endosoms Richtung Kern wird das Milieu durch Einstrom von H+-Ionen immer saurer. Das ist die Voraussetzung für die Aktivität saurer endosomaler Proteasen, die den Abbau der aufgenommenen Proteine einleiten. Außerdem fusionieren die Endosomen mit Lysosomen der Zelle, die ebenfalls saure Proteasen enthalten und zur Degradation der Proteinantigene beitragen. So entstehen Peptide von sehr unterschiedlicher Länge, die in den an den Enden offenen peptidbindenden Spalt von MHC-Klasse-II-Molekülen binden können. Allerdings müssen hierfür die neusynthetisierten MHC-Klasse-II-Moleküle zunächst von ihrem Entstehungsort ohne vorzeitige Peptidbeladung im ER an den Ort ihrer Beladung im endolysosomalen Kompartiment verbracht werden.

Polypeptide von phagozytierten extrazellulären Erregern oder solchen, die sich in endosomalen Vesikeln vermehren, werden im Endosom proteolytisch gespalten. Neusynthetisierte MHC-Klasse-II-Moleküle erreichen das Endosom von ihrem Syntheseort im endoplasmatischen Retikulum kommend mithilfe von Golgi-Vesikeln.

Transport der MHC-Klasse-II-Moleküle zu sauren Endosomen: Damit die MHC-Klasse-II-Moleküle nicht schon im ER mit Peptiden beladen werden, die über das TAPTransportersystem in das ER gelangt sind, wird ihr peptidbindender Spalt durch eine Polypeptidkette blockiert. Dieser Komplex aus MHC-Klasse-II-Molekülen und der sog. invarianten Kette macht sich auf den Weg vom ER zu einem sauren Endosom.

Ihr peptidbindender Spalt ist zunächst durch eine besondere Polypeptidkette (invariante Kette) blockiert, die eine vorzeitige Beladung der Moleküle mit Peptiden im ER verhindert.

Beladung der MHC-Klasse-II-Moleküle: Im sauren Endosom wird der Komplex für mehrere Stunden zurückgehalten. In diesem Zeitraum beginnen Proteasen, die invariante Kette in einem mehrstufigen Prozess abzubauen, bis schließlich nur noch der peptidbindende Spalt durch den Surrogatliganden CLIP (class II-associated invariant chain peptide) blockiert ist. CLIP wird mithilfe des MHC-Klasse-II-artigen molekularen Chaperons HLA-DM, welches die offene Konformation des Peptidbildungsspalts stabilisiert, freigesetzt. Nach Beladung des Spalts mit einem optimal passenden Fremdpeptid löst sich der jetzt stabile geschlossene Komplex von HLA-DM und der MHC-Klasse-II-Peptid-Komplex wird an die Zelloberfläche transportiert, wo er als Ligand zur Erkennung durch antigenspezifische CD4+-T-Zellen zur Verfügung steht.

Nach schrittweisem Abbau der invarianten Kette im Endosom und Freisetzung von CLIP ist der peptidbindende Spalt frei für die Bindung passender antigener Peptide. Der Komplex aus MHC-Klasse-II-Molekül und eingelagertem Peptid wird an die Zelloberfläche transportiert und dort CD4+-T-Lymphozyten präsentiert.

▶ Exkurs. Superantigene können in nativer Form, d. h. unabhängig von einer intrazellulären Prozessierung, an MHC-Klasse-II-Moleküle und den TCR binden und somit eine Brücke zwischen diesen Molekülen herstellen. Dies führt zu einer polyklonalen Aktivierung von CD4+-TZellen und anschließender massenhafter Freisetzung von Zytokinen, welche einerseits direkt toxisch sind, andererseits die Einleitung einer antigenspezifischen Immunantwort unterdrücken. Zu den bekanntesten Superantigenen gehören das Staphylokokken-Enterotoxin (SE), welches Lebensmittelvergiftungen auslöst, und das Toxic-Shock-Syndrome-Toxin-1(TSST-1)-Protein von Staphylococcus aureus, welches Auslöser des toxischen Schocksyndroms ist.

Kreuzpräsentation von Antigenen durch dendritische Zellen ▶ Definition. Die Beladung von MHC-Klasse-I-Molekülen mit Peptiden, die sich von exogenen Antigenen ableiten, bezeichnet man als Kreuzpräsentation (cross presentation). Die Aktivierung naiver T-Zellen durch diesen Mechanismus heißt Kreuzaktivierung (cross priming).

Die Trennung zwischen MHC-Klasse-I- und MHC-Klasse-II-Präsentationswegen ist nicht absolut. Einige Infektionserreger, wie z. B. bestimmte Viren, infizieren ausschließlich Epithelzellen. Da diese aber nicht in der Lage sind, naive CD8+-T-Zellen initial zu aktivieren, müssen dendritische Zellen Bestandteile der virusinfizierten Zellen aufnehmen und Bruchstücke davon auf MHC-Klasse-I-Moleküle laden. Spezialisierte dendritische Zellen verfügen über Mechanismen, aufgenommene Antigene aus dem Phagosom in das Zytoplasma zu translozieren, wo sie für den MHC-Klasse-I-Präsentationsweg zugänglich sind.

▶ Exkurs.

Kreuzpräsentation von Antigenen durch dendritische Zellen ▶ Definition.

Spezialisierte dendritische Zellen können exogene Antigene der MHC-Klasse-I-Präsentation zugänglich machen. Dieser Mechanismus wird Kreuzpräsentation genannt.

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108

B 3 Erkennen von „fremd“ durch Immunzellen

Der Komplex aus TCR, Korezeptor und MHC-Peptid-Molekül CD4 und CD8 als Korezeptoren: Reife T-Lymphozyten exprimieren entweder das CD4oder das CD8-Molekül als Korezeptoren. Beide Moleküle stabilisieren die Interaktion des TCR mit dem MHC-Peptid-Komplex bei der Antigenerkennung.

Der Komplex aus TCR, Korezeptor und MHC-Peptid-Molekül

Während das monomere CD4-Molekül mit MHC-Klasse-II-Molekülen interagiert, kann das dimere CD8-Molekül nur an MHCKlasse-I-Moleküle binden (Abb. B-3.9).

Aufbau des CD4-Korezeptors: Das CD4-Molekül ist ein Monomer, welches aus 4 extrazellulären Immunglobulindomänen (D 1–4), einem Transmembranteil und einem zytoplasmatischen Fortsatz aufgebaut ist (Abb. B-3.9). Das CD4-Molekül des T-Lymphozyten interagiert anders als der antigenspezifische TCR nicht mit dem Peptid-MHCKomplex, sondern bindet an einen konservierten Bereich des MHC-Klasse-II-Moleküls auf der Oberfläche antigenpräsentierender Zellen. Die nachfolgende Interaktion des zytoplasmatischen Anteils des CD4-Moleküls mit Signaltransduktionsmolekülen führt zu einer Verstärkung des Signals, welches vom TCR in die Zelle übermittelt wird. Dies hat einen Anstieg der Sensitivität der T-Zelle für ein spezifisches Antigen zur Folge.

CD4 und CD8 als Korezeptoren: Die Entscheidung darüber, ob eine T-Zelle mit ihrem TCR an einem MHC-Klasse-I- oder MHC-Klasse-II-Peptid-Komplex binden kann, wird bei ihrer Reifung im Thymus getroffen. Am Ende dieser Reifung exprimiert ein T-Lymphozyt neben dem antigenspezifischen TCR noch einen Korezeptor, entweder das CD8- oder das CD4-Molekül. Die Expression dieser Korezeptoren ist auf reifen T-Zellen exklusiv, d. h. eine Zelle exprimiert i. d. R. entweder CD4 oder CD8. Doppelt positive Zellen finden sich physiologischerweise nur als Zwischenstadium zur reifen Zelle im Thymus.

Aufbau des CD8-Korezeptors: CD8-Moleküle sind Heterodimere, die aus einer αund einer β-Kette mit jeweils einer Immunglobulin-Domäne aufgebaut sind (Abb. B-3.9). Das CD8-Molekül bindet an konservierte Strukturen des MHC-Klasse-IMoleküls, sodass das antigene Peptid in der petidbindenden Spalte des Moleküls für Interaktionen mit dem TCR zugänglich bleibt. Die Signalübertragung übernimmt analog zum CD4-Korezeptor der zytoplasmatische Teil der α-Kette.

⊙ B-3.9

⊙ B-3.9

CD4- und CD8-Korezeptoren für die Erkennung von Peptid-MHC-Komplexen durch T-Zellen CD8

CD4 D1 D2 D3

flexibles Gelenk

α-Kette

β-Kette --s-s---s-s--

D4

▶ Merke.

▶ Merke. Beide Korezeptoren der T-Lymphozyten stabilisieren durch ihre Interakti-

on mit den MHC-Molekülen der antigenpräsentierenden Zelle die TCR-MHC-PeptidKomplex-Bindung und tragen durch ihre zytoplasmatischen Anteile zur Signaltransduktion und -verstärkung in das Zellinnere bei.

Signaltransduktion nach Peptid-MHCKomplex-Erkennung

Nach Interaktion von TCR und Korezeptor mit dem MHC-Peptid-Komplex kommt es zur Signaltransduktion in den Kern des T-Lymphozyten. Diese Signalübermittlung ist kein Allesoder-nichts-Phänomen, sondern kann sehr fein abgestufte Aktivierungsprozesse in der T-Zelle auslösen.

Signaltransduktion nach Peptid-MHC-Komplex-Erkennung Durch die gleichzeitige Interaktion von Korezeptor und TCR mit einem MHC-PeptidKomplex reagieren T-Lymphozyten auf bis zu 100-fach niedrigere Antigenmengen als ohne Beteiligung des Korezeptors. Sobald der TCR mithilfe seines Korezeptors mit dem MHC-Peptid-Komplex interagiert, kommt es zur Induktion einer komplexen Signaltransduktionskaskade, die in der Aktivierung von Transkriptionsfaktoren im Zellkern resultiert. Diese binden an entsprechende Domänen in der DNA und bewirken dadurch die Expression von Genen, die den Aktivierungszustand der T-Zelle regulieren. Abhängig von den genauen Umständen der Antigenerkennung kann die Aktivierung der T-Zelle auch unvollständig sein, d. h. statt Induktion der Zellteilung und der Synthese von Zytokinen kann z. B. auch nur die Zytokinsynthese aktiviert oder die Zelle sogar funktionell inaktiviert werden. Mit anderen Worten: Der TCR ist nicht nur ein einfacher Ein- und Ausschalter, sondern kann fein abgestufte Signale vermitteln. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

4

Mechanismen der angeborenen und der erworbenen Immunabwehr

4.1 4.2 4.3

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Die angeborene Immunabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Die erworbene Immunabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

4.1

Allgemeines

B © Sebastian Kaulitzki - Fotolia.com

4.1

Allgemeines

Während in den vorangegangenen Kapiteln die für das Verständnis von Infektionskrankheiten notwendigen Grundlagen der Immunologie erläutert wurden, sollen nachfolgend die Mechanismen besprochen werden, die bei der Abwehr von Infektionserregern zum Tragen kommen. Phasen der Immunantwort: Das Immunsystem der Wirbeltiere reagiert bei Eindringen eines infektiösen Agens mit einer abgestuften Antwort, die im Wesentlichen in 3 Phasen verläuft: ■ Phase 1: In den ersten Stunden nach Invasion des Erregers wird der Versuch unternommen, durch bereits vorhandene, aber unspezifische Effektorsysteme die Infektion lokal einzugrenzen. ■ Phase 2: Nach Überwindung dieser ersten Barrieren durch den Erreger werden frühe, unspezifische Abwehrreaktionen induziert, deren Hauptaktivitäten in den ersten 4 Tagen nach Eintritt des Erregers liegen. ■ Phase 3: Mit der Aktivierung der Zellen der angeborenen Immunabwehr wird schließlich über die Sekretion immunologisch aktiver Mediatoren die Phase der sehr komplexen erworbenen Immunität eingeleitet. ▶ Merke. Die ersten beiden Phasen der Immunantwort werden zur angeborenen

Die Immunantwort gegen infektiöse Organismen organisiert sich in einem fein aufeinander abgestimmten Zusammenspiel von unspezifischen und spezifischen Abwehrmaßnahmen, mit dem Ziel der vollständigen Eliminierung aller eindringenden Erreger.

▶ Merke.

Abwehr, die erregerspezifischen Maßnahmen der Phase 3 zur erworbenen Immunabwehr gerechnet. Tatsächlich ist die scharfe Abgrenzung dieser einzelnen Stufen nicht möglich, vielmehr ist die immunologische Abwehr ein fein aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel verschiedener Maßnahmen mit einem einzigen Ziel: Vernichtung des eindringenden Erregers bei minimaler Schädigung des infizierten Wirtes.

4.2

Die angeborene Immunabwehr

4.2.1 Physikalische, chemische und mikrobiologische Barrieren

4.2

Die angeborene Immunabwehr

4.2.1

Physikalische, chemische und mikrobiologische Barrieren

Um sich erfolgreich in einem Wirt durchzusetzen, muss es dem infektiösen Agens gelingen, Organe zu besiedeln, die seine Replikation erlauben. Diesem dauerhaft stattfindenden Invasionsversuch von Viren, Bakterien, Parasiten und Pilzen werden zunächst physikalische, chemische und mikrobiologische Barrieren entgegengesetzt.

Physikalische Barrieren

Physikalische Barrieren

Haut: Einen sehr wirksamen Schutz vor einer Vielzahl von Erregern bieten dabei die äußeren Epithelien des Körpers (verhornte Haut). Der protektive Charakter der äußeren Epithelien ist nicht mehr bei verletzter Haut gegeben (z. B. nach Biss, Verbrennungen oder Nadelstichverletzungen). An solchen Stellen besteht ein sehr hohes Risiko für den Eintritt von Erregern in den Organismus.

Die verhornte Haut und die Schleimhäute bilden als Teil der natürlichen Abwehr eine erste Barriere gegen das Eindringen von Infektionserregern.

Schleimhaut: Epithelzellen der Schleimhäute sind durch sog. Tight Junctions (Zonula occludens) eng miteinander verbunden, sodass sie eine effiziente Diffusionsbarriere für größere Partikel und Mikroorganismen bilden. Trotzdem bieten sie ungleich bessere Eintrittschancen in den Organismus als die äußeren Epithelien. Dies liegt neben ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

110

B 4 Mechanismen der Immunabwehr

ihrer insgesamt enormen Großflächigkeit u. a. daran, dass die inneren Epithelien eine Reihe von membranständigen Rezeptoren tragen, die sie aus funktionellen Gründen benötigen. Diese können jedoch auch von Infektionserregern zur Anheftung an die Zelle genutzt werden. So sind die Schleimhäute des Respirations-, Gastrointestinal- und des Urogenitaltraktes bevorzugte Eintrittsorte für eine Vielzahl verschiedener Mikroorganismen. Um diesen Zugangsweg wenigstens teilweise zu blockieren, werden die Zellen mit einer Schleimschicht aus zahlreichen Glykoproteinen nach außen abgeschirmt. Durch Zilienbildung und deren Beweglichkeit wird ein Transportsystem geschaffen, welches eindringende Partikel wieder in die Umwelt befördert. Neben diesem sehr effektiven Transportsystem gibt es noch Spüleffekte wie z. B. durch Harn im Urogenitalbereich oder die Darmperistaltik, die geeignet sind, Mikroorganismen aus dem Körper zu entfernen. Chemische Barrieren

Chemische Barrieren

Als chemische Barriere gegen eindringende Infektionserreger bilden Oberflächenepithelien und Phagozyten Substanzen mit mikrozider Wirkung. Dazu zählen Säuren, antimikrobielle Enzyme und antimikrobielle Peptide.

Substanzen mit mikrozider Wirkung: Die Oberflächenepithelien bilden nicht nur mechanische Barrieren, sondern produzieren eine Reihe von Substanzen mit mikrozider Wirkung. Ausgewählte Beispiele hierfür sind: ■ Säuren: Fett- und Milchsäuren aus Talg- und Schweißdrüsen der Haut stellen für Erreger ungünstige pH-Verhältnisse her. Auch die Magensäure sorgt mit ihrem sehr niedrigen pH für ein erregerfeindliches Milieu. ■ Antimikrobielle Enzyme: Antibakteriell wirkende Enzyme wie Lysozym und die sekretorische Phospholipase A2 werden von Epithelien und auch Phagozyten sezerniert und finden sich in hoher Konzentration in der Tränenflüssigkeit und im Speichel. Lysozym schädigt die Bakterienzelle durch Spaltung von Peptidoglukan, einem typischen Bestandteil der bakteriellen Zellwand. Sekretorische Phospholipase A2 ist ein sehr basisches Enzym, welches in die bakterielle Zellwand eindringt und die Bakterien direkt durch Hydrolyse der bakteriellen Membranphospholipide abtötet. ■ Antimikrobielle Peptide: Hierzu zählen die Defensine, Cathelizidine und Histatine, die ihre breite antimikrobielle Wirkung überwiegend durch die Zerstörung der Zellmembran von Bakterien und Pilzen ausüben. Neben Epithelzellen werden sie auch von Phagozyten und hier insbesondere von neutrophilen Granulozyten gebildet, die sie in ihren zytoplasmatischen Granula speichern. Zur Aktivierung ihrer mikroziden Funktionen sind teilweise noch proteolytische Spaltungen notwendig.

Mikrobiologische Barrieren

Mikrobiologische Barrieren

Haut und Schleimhautoberflächen sind mikrobiell besiedelt. Die kommensalen Mikroorganismen (Mikrobiom) bilden eine wirksame mikrobiologische Barriere gegen potenzielle Krankheitserreger.

Nicht nur die Haut, sondern auch alle Schleimhautoberflächen des Körpers sind mit Mikroorganismen besiedelt. Diese in ihrer Gesamtheit als Mikrobiom bezeichneten Kommensalen bilden eine wirkungsvolle mikrobiologische Barriere gegen potenzielle Krankheitserreger. Zum einen kompetieren sie mit Infektionserregern um Nährstoffe und produzieren ihrerseits auch antimikrobielle Substanzen, die das Wachstum von potenziellen Krankheitserregern limitieren. Zum anderen stimulieren kommensale Mikroorganismen das Epithel zur Produktion antimikrobieller Peptide und tragen somit indirekt zur Stärkung der epithelialen Barriere bei.

▶ Exkurs.

4.2.2

Opsonisierung und Komplementsystem

▶ Exkurs. Die schützende Wirkung der kommensalen Mikroorganismen wird eindrucksvoll im Zusammenhang mit dem Einsatz von Breitspektrumantibiotika (Tab. A-4.4) sichtbar. Diese schädigen kurzfristig massiv das Mikrobiom des Darms, wodurch eine ökologische Nische entsteht, in der sich Infektionserreger wie Clostridium difficile (S. 371) rasant vermehren und in Folge schwerwiegende Durchfallerkrankungen verursachen können.

4.2.2 Opsonisierung und Komplementsystem Zur Markierung als körperfremd werden Erreger mit mannosebindendem Lektin (MBL) (S. 92), Surfactant-Proteinen (SP) (S. 93) oder Komponenten des Komplementsystems beladen (Abb. B-4.1). Dieser Vorgang erleichtert phagozytierenden Zellen des Immunsystems die Aufnahme des Erregers.

▶ Merke.

▶ Merke. Dieses Abwehrprinzip, nämlich die Beladung von bakteriellen Oberflä-

chen mit Proteinen für eine erleichterte Phagozytose, wird als Opsonisierung bezeichnet.

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B

111

4.2 Die angeborene Immunabwehr

Surfactant-Proteine

Surfactant-Proteine

Die oberflächenwirksamen Surfactant-Proteine (S. 93) im Flüssigkeitsfilm der Lungenalveolen bilden eine Substanzklasse, die eine Schnittstelle zu den zellulären Komponenten der angeborenen Immunität bilden. Die Surfactant-Proteine A und D können die Oberfläche von Bakterien besetzen und bilden dadurch Erkennungsstrukturen für Rezeptoren auf phagozytierenden Zellen, wodurch die Phagozytose und Vernichtung von Bakterien erleichtert wird. Surfactant-Proteine können nicht nur zur Opsonisierung beitragen, sondern auch eine direkte mikrobiozidale Wirkung entfalten. So werden Bakterien durch Surfactant-Proteine aggregiert und die Permeabilität ihrer Membran erhöht. Neben der antibakteriellen Wirkung haben diese Proteine auch antimykotische Effekte, wie die Hemmung des Wachstums von Histoplasma capsulatum und Candida albicans. Die molekularen Grundlagen dieser direkten Wirkung von Surfactant-Proteinen sind noch nicht vollständig aufgeklärt.

Surfactant-Proteine wirken nicht nur als Opsonine, sondern erhöhen auch die Permeabilität der Bakterienmembran und sind somit direkt bakterizid. Neben dieser antibakteriellen Wirkung haben sie auch antimykotische Effekte.

Komplementsystem

Komplementsystem

Das hitzelabile Komplement ist ein normaler Bestandteil des Blutplasmas und spielt u. a. auch für die Opsonisierung von Bakterien eine bedeutende Rolle. Es besteht aus unterschiedlichen Proteinen, die miteinander in Wechselwirkung treten und durch enzymatische Aktivitäten verschiedene Effektormoleküle für die Infektabwehr generieren können. Das Prinzip besteht darin, dass eine mithilfe einer anderen Komponente aus einer Vorstufe entstandene, enzymatisch aktive Komponente eine weitere in eine aktivierte enzymatische Form überführt (Komplementkaskade, Abb. B-4.1). Für die Opsonisierung ist die Umwandlung der C 3-Komponente in die C 3a- und C 3b-Moleküle entscheidend. Während das C 3a-Molekül eine wichtige Rolle bei Entzündungsreaktionen spielt, opsonisiert das C 3b die Bakterienoberfläche und erleichtert damit den phagozytierenden Zellen die Aufnahme des Erregers. Phagozyten besitzen mit den Komplementrezeptoren CR1 und CR3 die dazu notwendigen Rezeptoren.

Das hitzelabile Komplementsystem besteht aus einer Reihe von Plasmaproteinen, die durch Wechselwirkung untereinander wichtige Effektormoleküle für die Infektabwehr generieren können.

▶ Exkurs. Bei einem angeborenen Mangel der C 3-Komponente des Komplementsystems ist insbesondere die Anfälligkeit für bakterielle Infektionen erhöht, da die zur Opsonisierung benötigten C 3b-Moleküle nicht gebildet werden können.

⊙ B-4.1

▶ Exkurs.

Komplementsystem

antikörperabhängig

antikörperunabhängig

klassischer Weg

Lektinweg

alternativer Weg

Antigen-LPS + IgG1, IgG3, IgM

Antigen + MBL

Antigen

MBL-assoziierte Serinproteasen

+ C1

C2, C4

C3

C3 C4b/C2b (klassische C3-Konvertase)

un

B, P

g

C3b/Bb/P (alternative Verstärker-C3-Konvertase)

C5 C5-Konvertase (C4b/C2b/C3b oder C3b/Bb/P/C3b)

C5 C5b

Lyse

ärk

+

C3b

Opsonisierung

Chemotaxis

t er s b-V

C3b

+ C6 – C9

lytischer Komplex (membrane attack complex = MAC)

Der klassische Aktivierungsweg des Komplementsystems setzt die Bindung von Antikörpern an das Antigen voraus. An der Fc-Region von Antikörpern der Klassen IgM und IgG (aber nicht von IgA) wird dabei eine Bindungsstelle für den Faktor C 1 zugänglich. Ist C 1 gebunden, verläuft die Kaskade der Aktivierung der weiteren Komplementfaktoren ab. Beim alternativen Aktivierungsweg bindet gleich C 3 an mikrobielle Strukturen (z. B. an Bakterien), wodurch dann die restlichen Komplementfaktoren schrittweise aktiv werden. Die einzelnen Intermediärprodukte zeigen unterschiedliche biologische Wirkungen. Beim Lektinweg wird nach Bindung von mannosebindendem Lektin (MBL) an die Bakterienoberfläche die im Serum enthaltene Serinprotease MASP an MBL gebunden und aktiviert. Sie startet die Komplementkaskade durch Spaltung der C 4-Komponente in die C 4a- und C 4b-Untereinheiten (Abb. B-3.1). (Groß, U.: Kurzlehrbuch Medizinische Mikrobiologie. Thieme; 2013)

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112

B 4 Mechanismen der Immunabwehr

Außer für die Opsonisierung befähigte Produkte entstehen dabei auch solche, die entzündliche Zellen anlocken oder eine lytische Zerstörung von Zellen herbeiführen können. Weitere Details s. Kap. „Aktivierung des Komplementsystems durch Antikörper“ (S. 139). 4.2.3

4.2.3 Zelluläre Abwehr durch Phagozyten

Zelluläre Abwehr durch Phagozyten

Nach Überwinden der physikalischen, chemischen und mikrobiologischen Barrieren werden Infektionserreger von phagozytierenden Zellen der angeborenen Immunantwort eliminiert.

Gelingt es infektiösen Agenzien, die physikalischen, chemischen und mikrobiologischen Barrieren des Wirtsorganismus zu überwinden, stehen phagozytierende Zellen zu ihrer Elimination bereit. Zu den Phagozyten zählen die im Blut rezirkulierenden Monozyten und Granulozyten und die in den Geweben lokalisierten Makrophagen. Makrophagen finden sich in großer Zahl im Verdauungs- und Respirationstrakt, im Bindegewebe, in der Milz und als gefäßauskleidende Zellen in der Leber. Eine dritte Klasse von Phagozyten, die dendritischen Zellen, können zwar auch Erreger aufnehmen und zerstören, doch dienen diese Prozesse nicht so sehr der unspezifischen Abwehr als der Induktion einer spezifischen Immunantwort. Dendritische Zellen stellen somit ein wichtiges Bindeglied zwischen der angeborenen und erworbenen Immunität dar.

Eliminierung von Erregern durch Phagozyten Zu den wichtigsten Rezeptorgruppen (Abb. B-4.2), mit denen Phagozyten Infektionserreger erkennen und aufnehmen, zählen die membranständigen Mustererkennungsrezeptoren (PPRs) wie C-Typ-Lektin-Rezeptoren (S. 93) und Scavenger-Rezeptoren sowie Rezeptoren für Opsonine wie MBL, Surfactant-Proteine, Komplement und Antikörper (S. 95).

Eliminierung von Erregern durch Phagozyten

⊙ B-4.2

Zur Bindung und Elimination von Infektionserregern nutzen Phagozyten eine Reihe von Rezeptoren. Jeder Rezeptortyp nutzt einen anderen Angriffspunkt zur Phagozytose von Mikroorganismen (Abb. B-4.2). Die beiden wichtigsten Rezeptorgruppen sind: ■ membranständige Mustererkennungsrezeptoren (PPRs) wie C-Typ-Lektin-Rezeptoren (S. 93) und Scavenger-Rezeptoren ■ Rezeptoren mit Spezifität für Opsonine wie MBL, Surfactant-Proteine, Komplement und Antikörper (S. 95).

Phagozyten als Zellen der angeborenen Immunabwehr Bakterium opsonisiert mit: Antikörpern Komplement (C) mannosebindendem Lektin (MBL) Surfactant-Protein (SP)

2

1 Mannoserezeptor Dectin-1

C3b MBL SP

Scavenger

Fc-Rezeptor

Komplementrezeptor

-S-S-

3 Phagozyt Phagozytose

Phagosom

Phagolysosom Zellkern

4

Sauerstoffradikale Stickoxide

antibakterielle Proteine (Defensine, kationische Peptide, Lysozym, Lactoferrin)

Prostaglandine Leukotriene thrombozytenaktivierender Faktor

Phagozyten besitzen Rezeptoren, die bei Bindung an einen Infektionserreger dessen Phagozytose auslösen und damit seine Vernichtung einleiten. Zwei Rezeptortypen sind für diese Effektorfunktion besonders wichtig: PRRs und Rezeptoren für Opsonine. PRRs erkennen stark konservierte Strukturen auf Pathogenen, sog. pathogen-associated molecular pattern, s. PAMPs (S. 91). Zu den wichtigsten PRRs zählen der Mannoserezeptor, Dectin-1 und die Scavenger-Rezeptoren (1). Zu den opsoninbindenden Rezeptoren zählen die Rezeptoren für mannosebindendes Lektin (MBL), Surfactant-Protein (SP), Komplement (C) und dem Fc-Teil von Antikörpern (Fc) (2). Der Fc-Rezeptor verleiht dem Makrophagen – wenn auch indirekt – die Fähigkeit zur spezifischen Elimination von Pathogenen. Dies geschieht durch Bindung und Phagozytose von Antikörpern, die Infektionserreger spezifisch komplexiert haben (2, 3). Die Phagozytose und der anschließende enzymatische Verdau der aufgenommenen Substanzen im Phagolysosom (4) führt zu einer Aktivierung der Zelle, die sich in der Induktion verschiedener Effektormechanismen bemerkbar macht (5).

5 antibakterieller „respiratory burst“

Behinderung des bakteriellen Wachstums

Ödembildung

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B

⊙ B-4.3

113

4.2 Die angeborene Immunabwehr

⊙ B-4.3

Phagozytose Granulozyten haben viele Stäbchenbakterien phagozytiert (Blutausstrich, MayGrünwaldfärbung).

▶ Merke. Die Bindung von antikörpermarkierten Erregern über Fc-Rezeptoren zeigt

▶ Merke.

deutlich, dass Effektorsysteme der natürlichen und der erworbenen Infektabwehr nicht isoliert nebeneinander wirksam werden, sondern dass die zellulären Komponenten der angeborenen Immunabwehr eine sehr effiziente Ergänzung der erworbenen Immunität darstellen. Häufig werden Phagozyten daher auch als Hilfsoder akzessorische Zellen der adaptiven Immunreaktion bezeichnet.

Phagozytose ▶ Definition. Die Phagozytose ist ein aktiver Prozess, bei dem die Infektionserreger

Phagozytose ▶ Definition.

zunächst von der Zellmembran des Phagozyten umschlossen und dann in ein Vesikel (Phagosom) aufgenommen werden (Abb. B-4.3). Durch Ansäuerung des Phagosoms wird ein bakteriostatisches Milieu geschaffen, und nach Fusion solcher Phagosomen mit den zytoplasmatischen Lysosomen entsteht ein Phagolysosom, in dem es zur Zerstörung der Bakterien kommt. Dazu tragen eine Reihe von Proteinen und Peptiden des Lysosoms bei, die eine starke bakterizide Wirkung entfalten. Die Phagozytose selbst löst u. U. auch die Freisetzung weiterer antibakterieller Wirkstoffe aus, die zum Teil intrazellulär wirken, aber auch an die Umgebung abgegeben werden (Abb. B-4.2). Dazu gehören aggressiv lytische Sauerstoffradikale und Stickstoffoxide, die durch lysosomale Enzyme in einem Prozess hergestellt werden, der auch als oxidativer bzw. respiratorischer Burst bezeichnet wird. Des Weiteren können u. a. Defensine, Lysozym und Lactoferrin produziert werden. Lactoferrin ist ein eisenbindendes Protein und kompetiert damit um Eisenionen, die für manche Bakterien von existenzieller Bedeutung sind.

Entzündungsreaktion

Nach Phagozytose in ein Phagosom werden Infektionserreger im sauren Milieu eines Phagolysosoms enzymatisch verdaut und damit zerstört. Dieser Vorgang aktiviert je nach Phagozyt die Freisetzung einer Reihe antibakterieller Wirkstoffe, wie z. B. Sauerstoffradikale und Stickstoffoxide (Abb. B-4.2).

Entzündungsreaktion

Häufig folgt auf das Eindringen eines Erregers in das Gewebe eine starke Entzündungsreaktion. Die typischen Zeichen einer Entzündung (Abb. B-4.4), Schmerz, Rötung, Erwärmung und Schwellung, sind die Folgen von vier bedeutenden Veränderungen im Blutgefäßsystem am Ort des Geschehens: Erweiterung der Blutgefäße (Vasodilatation), Aktivierung des Endothels zur Steigerung der Expression von Adhäsionsmolekülen für Leukozyten, vermehrte Einwanderung von Leukozyten in das entzündete Gewebe (Extravasation) und schließlich Blutgerinnung zur Vermeidung der Verbreitung von Infektionserregern in die Zirkulation. Erhöhung der Gefäßpermeabilität und Ödembildung: Verschiedene, von aktivierten Makrophagen und später auch anderen an den Ort der Entzündung rekrutierten Leukozyten sezernierte Effektormoleküle (Prostaglandine, Leukotriene, thrombozytenaktivierende Faktoren) führen zum Anstieg der Gefäßpermeabilität, senken die Flussgeschwindigkeit des Blutes und wirken chemotaktisch auf andere Entzündungszellen. Die Permeabilitätserhöhung der Gefäße führt zu einem erhöhten Flüssigkeits-

Verschiedene, durch aktivierte Makrophagen freigesetzte Wirkstoffe setzen eine lokale Entzündungsreaktion (Abb. B-4.4) in Gang, die von einer erhöhten Gefäßpermeabilität, Aktivierung des Blutgefäßendothels und in deren Folge von einem verstärkten Einstrom von Leukozyten in das Gewebe begleitet sind. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

114 ⊙ B-4.4

B 4 Mechanismen der Immunabwehr

⊙ B-4.4

Typisches Bild einer Entzündung Gefäßveränderungen im Bereich des Furunkels führen zum typischen Bild einer Entzündung: Schwellung des Gewebes durch Ödembildung und Rötung durch Erwärmung. (Gortner, L., Meyer S.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme; 2018)

einstrom in das Gewebe (Ödembildung), mit dem die lokale Konzentration von immunologisch wirksamen Plasmaproteinen ansteigt (Komplement, MBL, Antikörper). Die Extravasation von Neutrophilen an Orten der Entzündung wird durch Hochregulierung von Adhäsionsmolekülen am Endothel durch TNF-α von aktivierten Makrophagen und chemotaktische Faktoren, wie die Komplementkomponente C 5a und/oder das Chemokin CXCL 8, gefördert.

Die von Neutrophilen gebildeten Granula haben antibakterielle Wirkung. Sie enthalten Lactoferrin (entzieht den Bakterien Eisen), Lipocalin (verhindert erneute Eisenaufnahme), Lysozym (zerstört die Bakterienzellwand), und Matrixmetalloproteasen (lösen die extrazelluläre Matrix auf). In den Neutrophilen wird mit Beginn der Phagozytose das Apoptoseprogramm eingeschaltet. Selbst während Ablauf dieses Programms wirken Neutrophile noch antibakteriell.

Aktivierung des Endothels und Extravasation von Leukozyten: Weitere Faktoren, die nach Erregerkontakt von Makrophagen vor Ort ausgeschüttet werden (insbesondere TNF-α), lösen eine Hochregulierung von Adhäsionsmolekülen auf dem Blutgefäßendothel aus, sodass es zu einer Anheftung und Extravasation von neutrophilen Granulozyten kommt. Auch die Komplementkomponente C 5a und das von aktivierten Makrophagen sezernierte Chemokin CXCL 8 (früher IL-8, s. u.) üben eine chemotaktische Wirkung auf die im Blutstrom befindlichen neutrophilen Granulozyten aus. Auch Monozyten gelangen auf diesem Weg in das entzündete Gewebe. Dort differenzieren sie je nach Art der Entzündung in inflammatorische Monozyten, die ihrerseits eine Vielzahl von Entzündungsmediatoren sezernieren oder in dendritische Zellen, die Erregerbestandteile zu den lokalen Lymphknoten transportieren und eine wichtige Funktion bei der Einleitung der spezifischen Immunantwort haben. Nach Übertritt in das Gewebe tragen insbesondere Neutrophile durch ihre starke phagozytische Aktivität zur Aufnahme und Elimination des eingedrungenen Erregers bei. Bei den Rezeptoren, die von Neutrophilen zur Phagozytose benutzt werden, handelt es sich in erster Linie um Komplementrezeptoren zur Bindung an opsonisierte Bakterien, aber auch um Fc-Rezeptoren, wie sie auf Makrophagen zu finden sind. Neben ihrer phagozytischen Aktivität entwickeln Neutrophile durch Ausschüttung von Granula vor Ort eine erhebliche antibakterielle Wirkung. Sie wird durch kombinierte stimulatorische Ereignisse ausgelöst, die durch Interaktion von Integrinen mit extrazellulärer Matrix im Gewebe und der Bindung von Zytokinen, wie z. B. C 5a (Komplementkomponente) und TNF-α (aus Makrophagen), vermittelt werden. Hierbei handelt es sich um eine sequenzielle Antwort, die mit der Sekretion von peroxidasefreien Granula beginnt. Darin enthalten sind u. a. Lactoferrin, Lipocalin, Lysozym und Matrixmetalloproteasen (MMPs): Lactoferrin bindet Eisen und entzieht somit vielen Bakterien einen essenziellen Wachstumsfaktor. Zwar können Bakterien diesen Angriff durch Siderophore abwehren, die eine sehr hohe Affinität zu Eisen haben, doch das von Neutrophilen gebildete Lipocalin kann die Komplexe aus Eisen und Siderophoren so ummanteln, dass sie nicht mehr von Bakterien aufgenommen werden können. Lysozym greift schließlich die Bakterienzellwand durch Abspaltung von Zuckerresten am Peptidoglukangerüst an. Die sezernierten MMPs lösen die extrazelluläre Matrix auf, sodass die Neutrophilen leichter in das Gewebe vordringen können. Eine zweite Welle von Granula enthält als wichtiges Enzym Myeloperoxidase, welches gleichzeitig produziertes Wasserstoffperoxid in sehr viel wirksamere antibakterielle hypochlorige Säure umwandeln kann. Wahrscheinlich werden in den Neutrophilen schon mit Beginn der phagozytischen Aktivität und den nachfolgenden Aktivierungsereignissen die Signalkaskaden des programmierten Selbstmords (Apoptose) ausgelöst. Dieses führt zu einem Massensterben am Ort ihrer Aktivität und trägt zur Eiterbildung bei. Interessant ist, dass Neutrophile selbst als sterbende Zellen noch antibakteriell wirken. Als Vorstufe zur Apoptose können sie ein Netz aus DNA (NETs = neutrophil extracellular traps) in die Umgebung katapultieren, Bakterien verfangen sich darin wie in einem Spinnennetz und können anschließend effizienter von anderen Neutrophilen und Makrophagen phagozytiert werden. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

B

115

4.2 Die angeborene Immunabwehr

▶ Merke. Den Phagozyten kommt eine zentrale Rolle als Effektoren und Regulato-

▶ Merke.

ren der angeborenen Immunabwehr zu. Durch ihre phagozytische Aktivität tragen sie direkt zur Eliminierung der eingedrungenen Erreger bei und durch die Sezernierung immunologisch wirksamer Mediatoren organisieren sie die lokale Entzündungsreaktion.

4.2.4 Induzierbare Effektorsysteme

4.2.4

Bei den von aktivierten Phagozyten sezernierten immunologisch wirksamen Mediatoren handelt es sich in erster Linie um Zytokine, die regulierend auf andere Zellen der Immunabwehr wirken. Damit wird der Übergang von der ersten, stets präsenten „Abwehrfront“ zu den induzierbaren Effektorsystemen der angeborenen Immunabwehr markiert. Diese stellen schließlich eine Verknüpfung zur letzten Phase der immunologischen Antwort, den erworbenen Immunreaktionen, her. Hierbei spielen neben den Phagozyten auch die NK-Zellen und ILCs (innate lymphoid cells) eine wichtige Rolle, da sie Zytokine produzieren können, die stark regulierend für T-Lymphozyten sind.

Die durch das Eindringen von Infektionserregern aktivierten Phagozyten setzen Zytokine frei, die regulierend auf andere Zellen des Immunsystems einwirken.

Zytokine

Zytokine

Makrophagen, Neutrophile und dendritische Zellen beginnen nach Kontakt mit einem Infektionserreger mit der Synthese einer Reihe kleiner Proteine, den Zytokinen. Durch Bindung an entsprechende Rezeptoren auf Immunzellen tragen diese zur lokalen und systemischen Organisation der angeborenen Immunabwehr bei und dienen der Regulierung von adaptiven Immunreaktionen, die in der späten Phase der angeborenen Immunabwehr schon angelaufen sind. Aus historischen Gründen werden auch heute noch viele Zytokine als Interleukine (IL) bezeichnet und zu ihrer Abgrenzung die fortlaufende numerische Aufzählung gewählt (z. B. IL-1, -2 etc.). Die Zytokine sind jedoch funktionell eine sehr heterogene Gruppe, sodass ihre Zusammenfassung unter einem Nummernsystem heute nicht mehr sinnvoll erscheint. Wichtige Zytokine, die im Kontext bakterieller Infektionen von Makrophagen und dendritischen Zellen freigesetzt werden, sind IL-1β, IL-6, IL-12, der Tumornekrosefaktor TNF-α und CXCL 8 (IL-8).

Zytokine sind kleine Proteine, die von aktivierten Zellen sezerniert werden und über Oberflächenrezeptoren auf Immunzellen wirken. Sie regulieren sowohl lokale und systemische Ereignisse der angeborenen Immunabwehr, als auch adaptive Immunreaktionen.

Makrophagen und dendritische Zellen

Makrophagen und dendritische Zellen

Interleukin-1β und -6: IL-1β und IL-6 erfüllen bei Infektion durch einen Erreger mehrere Funktionen: ■ Aktivierung von Endothelzellen durch IL-1β führt zu erleichterter Migration von Entzündungszellen in das Gewebe. ■ Stimulation von T- und B-Lymphozyten durch IL-1β und -6. IL-6 regt B-Zellen zur Antikörpersynthese an. ■ Auslösung von Fieber als systemische Wirkung. ■ Stimulation der IL-6-Synthese durch IL-1β als enger Verknüpfungspunkt zur erworbenen Immunabwehr. ■ Stimulation der Synthese von Akute-Phase-Proteinen in der Leber (synergistisch mit TNF-α). Diese von Hepatozyten produzierten Proteine enthalten wichtige Abwehrstoffe der angeborenen Immunabwehr. Darunter finden sich z. B. die antibakteriell wirksamen Surfactantproteine SP-A und -D, das mannosebindende Lektin (MBL), die bei Bindung an Bakterien eine opsonisierende Wirkung haben, s. Kap. „Opsonisierung und Komplementsystem“ (S. 110).

IL-1β, -6, -12, TNF-α und CXCL 8 sind wesentliche Zytokine, die von aktivierten Makrophagen und dendritischen Zellen ausgeschüttet werden und die verschiedene lokale und systemische Wirkungen erzielen: IL-1β und IL-6: ■ Aktivierung von Endothelzellen, T- und B-Lymphozyten ■ Auslösung von Fieber ■ Stimulation der Synthese von Akute-Phase-Proteinen in der Leber (synergistisch mit TNF-α).

Tumornekrosefaktor-α: TNF-α aktiviert u. a. lokale Entzündungsantworten und hilft so, eine Ausweitung der Infektionen in die Blutzirkulation zu verhindern. TNF-α hat 3 wesentliche lokale Funktionen: ■ Steigerung der lokalen Gefäßpermeabilität: Die Folge ist ein verstärkter Eintritt von Plasmaproteinen (z. B. Komplement, Antikörper) in das Gewebe. ■ Induktion der vermehrten Expression von Adhäsionsmolekülen: Dieser Effekt erleichtert die Extravasation von Leukozyten. ■ Stimulation der Blutgerinnung: Durch Auslösung der Gerinnung in kleinen Blutgefäßen wird die Ausbreitung von bakteriellen Erregern über den Blutstrom begrenzt.

Induzierbare Effektorsysteme

TNF-α: ■ Steigerung der Gefäßpermeabilität ■ Hochregulation von Adhäsionsmolekülen ■ Stimulation der Blutgerinnung ■ Stimulation der Synthese von Akute-PhaseProteinen ■ Mobilisierung von dendritischen Zellen ■ Aktivierung von Neutrophilen. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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B 4 Mechanismen der Immunabwehr

Synergistisch mit IL-1β und IL-6 wirkt TNF-α zudem systemisch: ■ Stimulation der Synthese von Akute-Phase-Proteinen (s. o.) ■ Mobilisierung von dendritischen Zellen: Nach Aufnahme und Prozessierung von Antigenen lösen sich dendritische Zellen aus dem Gewebeverband und fließen in die regionalen Lymphknoten ab. ■ Mobilisierung von Neutrophilen: TNF-α induziert im Knochenmark die Freisetzung von Neutrophilen in den Blutkreislauf (Leukozytose). ▶ Exkurs.

▶ Exkurs. Bei einer systemischen bakteriellen Infektion (Sepsis) kann eine erhöhte Ausschüttung von TNF-α durch Leber- und Milzmakrophagen zu einem lebensbedrohlichen septischen Schock führen. Die durch hohe TNF-α-Spiegel gesteigerte Gefäßpermeabilität führt zu einer deutlichen Reduktion des Blutvolumens, einer erhöhten Gerinnungsneigung des Blutes und einem Kollaps der Gefäße. Das Risiko, infolge eines septischen Schocks ein tödliches Multiorganversagen zu entwickeln, ist sehr hoch.

CXCL 8 und IL-12: ■ Chemotaxis von Neutrophilen und T-Lymphozyten (CXCL 8), ■ Stimulation von NK-Zellen (IL-12).

CXCL 8 und Interleukin-12: Während IL-1β, -6 und TNF-α sowohl lokale als auch systemische Wirkungen haben, beschränkt sich die Aktion von CXCL 8 und IL-12 eher auf lokale Ereignisse. ■ CXCL 8 rekrutiert durch chemotaktische Stimuli neutrophile Granulozyten und T-Lymphozyten an den Ort der Infektion. ■ IL-12 stellt über die NK-Zellen eine sehr wichtige Verbindung zur spezifischen Immunabwehr dar. IL-12 stimuliert die Aktivität von NK-Zellen (S. 117) und ILC 1, die insbesondere bei der angeborenen Abwehr viraler Infektionen von großer Bedeutung sind. Aktivierte NK-Zellen und ILC 1 produzieren erhebliche Mengen an Interferon-γ und greifen damit in die Regulation von antigenspezifischen CD4+-TLymphozyten (S. 122) ein.

Neutrophile

Neutrophile

Neutrophile stellen auch ein wichtiges Bindeglied zur adaptiven Immunität her. Sie sind unter anderem an der Aktivierung des Chemokins Chemerin beteiligt und sezernieren das Zytokin BlyS. Chemerin wirkt stark chemotaktisch auf dendritische Zellen. BlyS fördert die Proliferation und die Differenzierung von B-Lymphozyten.

Neben ihrer Funktion als antibakteriell wirkende Effektorzellen haben Neutrophile auch wichtige immunregulierende Funktionen und stellen über die Freisetzung verschiedener immunologisch wirkender Substanzen ein wichtiges Verbindungsglied zur erworbenen Immunität dar. Neben den bereits beschriebenen Zytokinen TNF-α und IL-12 (s. o.), handelt es sich dabei beispielsweise um die proteolytische Aktivierung von Chemerin. Makrophagen und dendritische Zellen sezernieren biologisch inaktives Prochemerin. Dieses wird durch die in den von Neutrophilen bei Erregerkontakt ausgeschütteten Granula enthaltenen Proteasen in aktives Chemerin gespalten, welches insbesondere eine starke chemotaktische Wirkung auf dendritische Zellen hat. Aktivierte Neutrophile sezernieren zudem den B-Lymphozyten-Stimulator BlyS. BlyS ist ein Zytokin, welches sowohl die Proliferation als auch die Differenzierung von B-Lymphozyten unterstützt.

Interferone (IFN), natürliche Killerzellen und Innate lymphoid Cells Interferone, NK-Zellen und ILC 1 sind Effektoren der angeborenen Immunität, die sich insbesondere gegen intrazellulär replizierende Erreger richten.

Interferone (IFN), natürliche Killerzellen und Innate lymphoid Cells

Interferone

Interferone

▶ Definition.

Es gibt 3 Klassen von Interferonen: Typ-I(IFN-α und -β), Typ-II- (IFN-γ) und Typ-III-(IFN-λ) Interferone.

Bisher war bei den induzierbaren Abwehrmechanismen zur angeborenen Immunabwehr fast ausschließlich von bakteriellen Erregern und deren Abwehr durch Phagozyten die Rede. Daneben gibt es mit dem Interferonsystem, den natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) und einer Untergruppe der Innate lymphoid Cells (ILC 1) jedoch weitere humorale und zelluläre Strategien der unspezifischen Immunabwehr, die sehr stark gegen sich intrazellulär vermehrende Krankheitserreger gerichtet sind. Dazu gehören natürlich alle Viren, aber auch bestimmte Parasiten, wie Leishmanien oder besondere Bakterienarten, wie z. B. die Listerien.

▶ Definition. Interferone sind Zytokine, die einerseits die Replikation von Viren in infizierten Zellen unterbinden können und zudem nicht infizierte Zellen resistent gegen eine Virusinfektion machen.

Einteilung: Interferone werden in 3 Klassen eingeteilt: Typ-I-, Typ-II- und Typ-III-Interferone. Zu den Typ-I-Interferonen zählen IFN-α und -β. Während zum IFN-α eine ganze Familie miteinander verwandter Proteine gehört, die von insgesamt 12 verschiedenen Genen codiert werden, gibt es für das IFN-β nur ein codierendes Gen. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

B

117

4.2 Die angeborene Immunabwehr

IFN-γ ist das einzige bekannte Typ-II-Interferon. Typ-III-Interferone fassen die noch relativ neu beschriebenen IFN-λ-Moleküle zusammen, IFN-λ1, -2 und -3, die auch als IL-28A, IL-28B und IL-29 bezeichnet werden. Erst kürzlich wurde das Gen für IFN-λ4 entdeckt, dessen Funktion noch recht unerforscht ist. ▶ Merke. IFN-α, -β und -λ wirken ausgesprochen virostatisch, wohingegen IFN-γ ein

▶ Merke.

wesentlicher Regulator der unspezifischen und spezifischen Immunantwort ist. Synthese: Die Synthese von Typ-I- und -III-Interferonen beschränkt sich nicht auf die Zellen des Immunsystems, sondern wird in praktisch allen virusinfizierten Zielzellen, also auch den für Erreger leicht zugänglichen Epithelzellen der Schleimhäute, induziert. Spezialisierte dendritische Zellen, die sog. plasmazytoiden dendritischen Zellen (pDC), sind in der Lage, bis zu 1000-mal mehr Typ-I-Interferon zu sezernieren als andere Zellen. Ausgelöst wird die Synthese der Typ-I- und -III-Interferone insbesondere durch die Erkennung viraler Nukleinsäuren durch verschiedene PRRs, wie beispielsweise TLR-3, -7/8 und -9 im Endosom sowie cGAS und RLRs im Zytoplasma.

Praktisch alle virusinfizierten Zellen sind in der Lage, Typ-I- und -III-Interferone zu synthetisieren.

Wirkung von Typ-I- und Typ-III-Interferonen: Typ-I- und -III-Interferone verhindern nicht nur in der infizierten Zelle selbst die virale Vermehrung, sondern binden nach Sekretion durch die infizierte Zelle an IFN-Rezeptoren der Nachbarzellen und signalisieren damit auch nicht infizierten Zellen die bedrohliche Situation. Dieser Alarmzustand, der durch Wirkung von Interferonen in nicht infizierten Nachbarzellen ausgelöst wird, wird als antiviraler Zustand (antiviral state) bezeichnet. Während der gemeinsame Rezeptor für IFN-α und -β (IFNAR) ubiquitär, d. h. auf allen Zellen, exprimiert ist, ist die Expression des Rezeptors für IFN-λ (IFNλR) weitgehend auf Epithelzellen der Schleimhäute beschränkt. Dies erklärt, weshalb IFN-λ insbesondere Schutz vor Schleimhautinfektionen, nicht aber vor systemischen Virusinfektionen vermittelt. Die Bindung von IFN-α/-β und IFN-λ an ihre jeweiligen Rezeptoren führt zur Induktion komplexer Signaltransduktionskaskaden, an deren Ende die Expression sog. interferoninduzierter Gene (interferon stimulated genes, ISGs) und nachfolgend die Synthese von Enzymen steht, die einer effizienten Virusreplikation entgegenwirken. Diese bewirken die Bildung von RNAsen, die RNA zerstören, bzw. die Blockade der Produktion von Proteinen. Zur genaueren Darstellung der Wirkweise siehe Kap. „Unspezifische Abwehr“ (S. 185). Außer der virostatischen Wirkung zeigen Interferone auch eine Vernetzung zur spezifischen Immunabwehr, indem sie die Expression von MHC-Klasse-I-Molekülen auf den Zellen hochregulieren. Damit wird die Erkennbarkeit von infizierten Zellen für CD8+-zytotoxische-T-Lymphozyten deutlich verbessert. Zusätzlich stimulieren sie zusammen mit IL-12 auch die Aktivität der natürlichen Killerzellen, die eine unspezifische zelluläre Abwehr gegen intrazelluläre Erreger aufbauen.

Interferon-α, -β und -λ wirken über spezifische Interferonrezeptoren auf Zielzellen und entwickeln ausgesprochen virostatische Eigenschaften, indem sie in der Zelle die Synthese von Enzymen induzieren, die z. B. virale RNA zerstören oder die virale Proteinbiosynthese blockieren. Außerdem stimulieren sie die Expression von MHC-Klasse-I-Molekülen und tragen zur Aktivierung von NK-Zellen bei.

▶ Exkurs. Interferon-α (IFN-α) wird aufgrund seiner virostatischen Wirkung auch therapeutisch zur Behandlung chronischer Infektionen mit Hepatitis-B- und -C-Viren eingesetzt. Da es wegen seiner Wirkung auf alle Körperzellen teils schwerwiegende Nebenwirkungen hat, stellt IFN-λ, dessen Rezeptorexpression auf wenige Zellarten beschränkt ist, jedoch auch Hepatozyten beinhaltet, eine Erfolg versprechende Alternative dar.

▶ Exkurs.

Wirkung von IFN-γ: IFN-γ ist ein Botenstoff, der in der frühen Phase der Immunantwort vornehmlich von aktivierten NK-Zellen und ILC 1 sezerniert wird und der stimulierende Wirkung auf Zellen des Immunsystems ausübt. Besonders Makrophagen steigern nach IFN-γ-Exposition ihre Aktivität. Dies äußert sich insbesondere in der Hochregulierung der MHC-Moleküle der Klassen I und II und der damit verbundenen Verbesserung der Präsentation antigener Peptide. In Kombination mit IL-12 unterstützt IFN-γ die Differenzierung von CD4+-T-Lymphozyten in einen proentzündlichen Typ (Abb. B-4.8).

NK-Zellen

NK-Zellen

NK-Zellen können Zielzellen ohne vorherige Differenzierung töten, allerdings wird ihre zytotoxische Funktion durch Zytokine wie IFN-α/-β und IL-12 erheblich gesteigert. Anstelle antigenspezifischer Rezeptoren exprimieren NK-Zellen zur Ausübung und Regulierung ihrer Effektorfunktionen eine Kombination von aktivierenden und

NK-Zellen regulieren ihre Aktivität über aktivierende und inhibierende Rezeptoren.

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118

B 4 Mechanismen der Immunabwehr

inhibierenden Oberflächenrezeptoren. Diese Rezeptoren erkennen Veränderungen im Expressionsmuster verschiedener körpereigener Oberflächenproteine („dysregulated self“). Es wird davon ausgegangen, dass das Gleichgewicht zwischen aktivierenden und inhibierenden Signalen ausschlaggebend dafür ist, ob Effektorfunktionen in NKZellen ausgelöst werden. Die Stimulation aktivierender Rezeptoren auf NK-Zellen führt zur IFN-γ-Sekretion und der Ausschüttung zytotoxischer Granula.

Aktivierende Rezeptoren: Aktivierende Rezeptoren erkennen eine verstärkte Expression bestimmter Proteine auf Zellen, die infolge metabolischen Stresses (z. B. Infektionen, metabolische Transformation) vermehrt auf der Oberfläche der Zielzelle erscheinen („stress-induced self“). Rezeptoraktivierung durch solche Liganden führt zu einer Signalübertragung in die NK-Zelle, die letztlich neben der Freisetzung von IFN-γ die Ausschüttung zytotoxischer Granula und damit den Tod der Zielzelle auslöst.

Bei normgerechter Expression von MHC-Klasse-I-Molekülen durch die Zielzelle unterdrücken inhibierende Rezeptoren die Funktion der aktivierenden Rezeptoren.

Inhibierende Rezeptoren: Die Funktion der aktivierenden Rezeptoren wird durch die der inhibierenden Rezeptoren gegenreguliert. Sie üben ihre blockierende Aktivität nur aus, wenn die kontaktierte Zelle ihre MHC-Klasse-I-Moleküle in ausreichender Dichte und Qualität exprimiert. Ist das nicht der Fall, wird die Zelle durch Interaktion mit den aktivierenden Rezeptoren getötet.

Funktion: NK-Zellen überwachen die regelhafte Expression von MHC-Klasse-I-Molekülen. Zellen, die Abweichungen von der normalen MHC-Klasse-I-Expression aufweisen, werden zerstört (Abb. B-4.5).

Funktion: MHC-Klasse-I-Moleküle sind die bevorzugten Liganden für die inhibitorischen Rezeptoren, sodass eine Zelle mit ausreichend hoher MHC-Klasse-I-Expression i. d. R. nicht von NK-Zellen zerstört wird (Abb. B-4.5a). Viele Virusinfektionen hemmen jedoch die Expression der MHC-Klasse-I-Moleküle, um einer Erkennung durch CD8+-T-Lymphozyten zu entgehen. Sollte die MHC-Klasse-I-Dichte dabei unter eine kritische Grenze fallen („missing self“), werden die inhibitorischen Rezeptoren der NK-Zelle nicht mehr aktiviert und die Stimulation der aktivierenden Rezeptoren vermittelt eine Zytolyse, die sich der gleichen Mechanismen bedient, wie sie von CD8+-T-Lymphozyten genutzt werden. Es werden perforin- und granzymhaltige Granula ausgeschüttet, die in die Zielzelle eindringen und hier die Enzymkaskade auslösen, die zum programmierten Selbstmord der Zelle führt (Abb. B-4.5b). Neben dem komplex regulierten Gleichgewicht aus aktivierenden und inhibierenden Rezeptoren können NK-Zellen Zielzellen auch mittels des auf ihrer Oberfläche exprimierten Moleküls TRAIL (tumor necrosis factor-related apoptosis-inducing ligand) töten. Die Bindung von TRAIL an entsprechende „Todes“-Rezeptoren auf Zielzellen löst in diesen Apoptose aus. Des Weiteren exprimieren NK-Zellen Fc-Rezeptoren und die Bindung von Antikörpern an diese Rezeptoren stimuliert die Freisetzung der zytotoxischen Granula. Dieser Mechanismus wird als antikörperabhängige zelluläre Zytotoxizität (ADCC) bezeichnet.

Neben ihrer Wirkung über aktivierende und inhibierende Rezeptoren können NK-Zellen mittels TRAIL Apoptose in Zielzellen induzieren oder nach Bindung von Antikörpern an ihre Fc-Rezeptoren zytotoxische Granula freisetzen.

⊙ B-4.5

NK-Zellen bei der natürlichen Immunabwehr durch von NK-Zellen vermittelte Zytolyse

NK-Zelle

a

NK-Zelle

b

iR supprimiert die aR Aktivität

iR MHCKlasse-I

-s-s-

-s-s-

aR aR-Ligand

aR aktiviert NK-Zellfunktion

iR zytotoxische Granula

-s-s-

-s-s-

aR aR-Ligand

Apoptose fragmentierte DNA

a Natürliche Killerzellen regulieren ihre Aktivität über 2 Rezeptortypen, die inhibitorischen Rezeptoren (iR) und die aktivierenden Rezeptoren (aR). Die inhibitorischen Rezeptoren überprüfen die regelhafte Expression von MHCKlasse-I-Molekülen auf Zielzellen. Werden diese normgerecht exprimiert, supprimieren die inhibitorischen Rezeptoren die Funktion der aktivierenden Rezeptoren, sodass die überwachte Zelle keinen Schaden nimmt. b Gibt es Abweichungen von der Norm, wie z. B. eine zu geringe Dichte der MHC-Klasse-IMoleküle auf der Zelloberfläche, entfällt die supprimierende Wirkung der inhibitorischen Rezeptoren und die Bindung von aktvierenden Rezeptoren an ihre Liganden löst die Ausschüttung zytotoxischer Granula aus, die in der Zielzelle Apoptose induzieren.

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B

119

4.3 Die erworbene Immunabwehr

ILC 1

ILC 1

ILC 1 (innate lymphoid cells vom Typ 1) exprimieren ebenfalls keinen antigenspezifischen Rezeptor und genauso wie NK-Zellen werden sie maßgeblich durch IL-12, welches von Phagozyten nach Aktivierung durch Infektionserreger freigesetzt wird, zur Sekretion von IFN-γ angeregt. Während NK-Zellen direkte zytotoxische Funktionen haben, tragen ILC 1 indirekt zur Erregerabwehr bei, indem sie u. a. Makrophagen dazu befähigen, intrazelluläre Erreger effizienter abzutöten oder die Differenzierung von T-Zellen in Effektorzellen zu unterstützen.

Aktivierte ILC 1 sezernieren IFN-γ und tragen durch Aktivierung von Makrophagen und Unterstützung der T-Zell-Differenzierung zur Abwehr intrazellulärer Infektionserreger bei.

4.3

Die erworbene Immunabwehr

4.3

Die erworbene Immunabwehr

Sollte es den Effektorsystemen der angeborenen Immunabwehr nicht gelingen, eindringende Infektionserreger zu eliminieren, wird der Übergang zu einer erregerspezifischen, adaptiven Antwort eingeleitet. Dieser Übergang ist fließend, da viele Zytokine, die von Phagozyten sezerniert werden, auch Einfluss auf Zellen der spezifischen Abwehr nehmen können. ▶ Merke. Ein wesentlicher Unterschied zwischen angeborener und erworbener Im-

▶ Merke.

munabwehr liegt in der Spezifität der zur Erkennung des Erregers verwendeten Rezeptoren. Während die Zellen der angeborenen Immunität identische keimbahnkonfigurierte Rezeptoren mit breiter Spezifität und geringer Variabilität benutzen, zeichnen sich die Antigenrezeptoren der spezifischen Immunität durch rekombinierte DNA-Sequenzen aus, die dazu führen, dass jede Zelle einen Rezeptor mit einzigartiger Spezifität trägt. Phasen der spezifischen Immunantwort: Weiterhin wird die spezifische Immunreaktion – im Gegensatz zur angeborenen Immunreaktion – nicht am Ort der Infektion selbst ausgelöst, sondern in den sekundären lymphatischen Organen. Hierbei werden 3 Phasen unterschieden: ■ afferente Phase (S. 119): Erregerspezifische Antigene werden bis in die sekundären lymphatischen Organe getragen und dort den Lymphozyten in verständlicher Form zugänglich gemacht; ■ Induktionsphase (S. 122): Bei Erkennung einer antigenen Struktur werden Lymphozyten in den sekundären lymphatischen Organen aktiviert, expandieren durch Zellteilung und differenzieren zu Effektorzellen; ■ efferente Phase (S. 130): Effektorzellen verlassen die lymphatischen Gewebe über Lymph- oder Blutbahnen (Milz) und erreichen über den Blutkreislauf die Orte der Infektion, wo sie mithilfe ihrer Effektormechanismen zur Eliminierung der Pathogene beitragen. Dabei kommt es erneut zu zahlreichen Verflechtungen mit den Zellen der natürlichen Abwehr.

Die spezifische Immunantwort lässt sich in 3 Phasen einteilen: ■ afferente Phase: Erregerspezifische Antigene werden in die sekundären lymphatischen Organe transportiert und dort Lymphozyten präsentiert; ■ Induktionsphase: Antigenspezifische Lymphozyten werden bei Erkennen ihres Antigens aktiviert und differenzieren zu Effektorzellen; ■ efferente Phase: Effektorzellen erreichen über den Blutkreislauf die Orte, an denen der Erreger repliziert und beenden die Infektion durch Eliminierung des Erregers.

4.3.1 Die afferente Phase

4.3.1

Die afferente Phase

Unter den phagozytierenden Zellen, die bei Eindringen eines Erregers über die Epithelien in das Gewebe an der Abwehrreaktion beteiligt sind, befinden sich nicht nur gewebeständige Makrophagen und infiltrierende neutrophile Granulozyten, sondern auch dendritische Zellen. Während Makrophagen und Neutrophile Erreger am Infektionsort bekämpfen, können dendritische Zellen ebenso Erreger aufnehmen und abtöten. Ihre wesentliche Aufgabe ist es jedoch, Erregerbestandteile zu nahegelegenen sekundären lymphatischen Organen zu tragen und dort spezifische Immunität zu induzieren.

Dendritische Zellen

Dendritische Zellen

Antigenaufnahme: Dendritische Zellen besitzen ebenso wie Makrophagen Rezeptoren zur Erkennung eindringender Infektionserreger (Abb. B-4.6). Neben der Antigenaufnahme durch phagozytosevermittelnde Rezeptoren, wie Komplement- und FcRezeptoren oder DEC-205, nehmen dendritische Zellen Antigene auch unspezifisch durch Makropinozytose auf. Insgesamt erlaubt ihnen ihre breite Rezeptorausstattung die Bindung und die Aufnahme aller Arten von Krankheitserregern und Antigenen und deren anschließenden Abbau in Lysosomen. Bruchstücke davon werden schließlich gebunden an MHC-Molekülen auf der Oberfläche präsentiert.

Dendritische Zellen (DCs) können über phagozytosevermittelnde Rezeptoren und Makropinozytose Infektionserreger aufnehmen und proteolytisch verdauen. Gleichzeitig werden sie bei Bindung von infektiösen Agenzien an ihre Toll-ähnlichen Rezeptoren (TLR) aktiviert (Abb. B-4.6).

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B

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4.3 Die erworbene Immunabwehr

ILC 1

ILC 1

ILC 1 (innate lymphoid cells vom Typ 1) exprimieren ebenfalls keinen antigenspezifischen Rezeptor und genauso wie NK-Zellen werden sie maßgeblich durch IL-12, welches von Phagozyten nach Aktivierung durch Infektionserreger freigesetzt wird, zur Sekretion von IFN-γ angeregt. Während NK-Zellen direkte zytotoxische Funktionen haben, tragen ILC 1 indirekt zur Erregerabwehr bei, indem sie u. a. Makrophagen dazu befähigen, intrazelluläre Erreger effizienter abzutöten oder die Differenzierung von T-Zellen in Effektorzellen zu unterstützen.

Aktivierte ILC 1 sezernieren IFN-γ und tragen durch Aktivierung von Makrophagen und Unterstützung der T-Zell-Differenzierung zur Abwehr intrazellulärer Infektionserreger bei.

4.3

Die erworbene Immunabwehr

4.3

Die erworbene Immunabwehr

Sollte es den Effektorsystemen der angeborenen Immunabwehr nicht gelingen, eindringende Infektionserreger zu eliminieren, wird der Übergang zu einer erregerspezifischen, adaptiven Antwort eingeleitet. Dieser Übergang ist fließend, da viele Zytokine, die von Phagozyten sezerniert werden, auch Einfluss auf Zellen der spezifischen Abwehr nehmen können. ▶ Merke. Ein wesentlicher Unterschied zwischen angeborener und erworbener Im-

▶ Merke.

munabwehr liegt in der Spezifität der zur Erkennung des Erregers verwendeten Rezeptoren. Während die Zellen der angeborenen Immunität identische keimbahnkonfigurierte Rezeptoren mit breiter Spezifität und geringer Variabilität benutzen, zeichnen sich die Antigenrezeptoren der spezifischen Immunität durch rekombinierte DNA-Sequenzen aus, die dazu führen, dass jede Zelle einen Rezeptor mit einzigartiger Spezifität trägt. Phasen der spezifischen Immunantwort: Weiterhin wird die spezifische Immunreaktion – im Gegensatz zur angeborenen Immunreaktion – nicht am Ort der Infektion selbst ausgelöst, sondern in den sekundären lymphatischen Organen. Hierbei werden 3 Phasen unterschieden: ■ afferente Phase (S. 119): Erregerspezifische Antigene werden bis in die sekundären lymphatischen Organe getragen und dort den Lymphozyten in verständlicher Form zugänglich gemacht; ■ Induktionsphase (S. 122): Bei Erkennung einer antigenen Struktur werden Lymphozyten in den sekundären lymphatischen Organen aktiviert, expandieren durch Zellteilung und differenzieren zu Effektorzellen; ■ efferente Phase (S. 130): Effektorzellen verlassen die lymphatischen Gewebe über Lymph- oder Blutbahnen (Milz) und erreichen über den Blutkreislauf die Orte der Infektion, wo sie mithilfe ihrer Effektormechanismen zur Eliminierung der Pathogene beitragen. Dabei kommt es erneut zu zahlreichen Verflechtungen mit den Zellen der natürlichen Abwehr.

Die spezifische Immunantwort lässt sich in 3 Phasen einteilen: ■ afferente Phase: Erregerspezifische Antigene werden in die sekundären lymphatischen Organe transportiert und dort Lymphozyten präsentiert; ■ Induktionsphase: Antigenspezifische Lymphozyten werden bei Erkennen ihres Antigens aktiviert und differenzieren zu Effektorzellen; ■ efferente Phase: Effektorzellen erreichen über den Blutkreislauf die Orte, an denen der Erreger repliziert und beenden die Infektion durch Eliminierung des Erregers.

4.3.1 Die afferente Phase

4.3.1

Die afferente Phase

Unter den phagozytierenden Zellen, die bei Eindringen eines Erregers über die Epithelien in das Gewebe an der Abwehrreaktion beteiligt sind, befinden sich nicht nur gewebeständige Makrophagen und infiltrierende neutrophile Granulozyten, sondern auch dendritische Zellen. Während Makrophagen und Neutrophile Erreger am Infektionsort bekämpfen, können dendritische Zellen ebenso Erreger aufnehmen und abtöten. Ihre wesentliche Aufgabe ist es jedoch, Erregerbestandteile zu nahegelegenen sekundären lymphatischen Organen zu tragen und dort spezifische Immunität zu induzieren.

Dendritische Zellen

Dendritische Zellen

Antigenaufnahme: Dendritische Zellen besitzen ebenso wie Makrophagen Rezeptoren zur Erkennung eindringender Infektionserreger (Abb. B-4.6). Neben der Antigenaufnahme durch phagozytosevermittelnde Rezeptoren, wie Komplement- und FcRezeptoren oder DEC-205, nehmen dendritische Zellen Antigene auch unspezifisch durch Makropinozytose auf. Insgesamt erlaubt ihnen ihre breite Rezeptorausstattung die Bindung und die Aufnahme aller Arten von Krankheitserregern und Antigenen und deren anschließenden Abbau in Lysosomen. Bruchstücke davon werden schließlich gebunden an MHC-Molekülen auf der Oberfläche präsentiert.

Dendritische Zellen (DCs) können über phagozytosevermittelnde Rezeptoren und Makropinozytose Infektionserreger aufnehmen und proteolytisch verdauen. Gleichzeitig werden sie bei Bindung von infektiösen Agenzien an ihre Toll-ähnlichen Rezeptoren (TLR) aktiviert (Abb. B-4.6).

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B 4 Mechanismen der Immunabwehr

Die Aktivierungsvorgänge während der Phagozytose von Infektionserregern führt zu einer Mobilisierung der DCs (Abb. B-4.6). Sie fließen mit der drainierenden Lymphe in die nächsten regionalen Lymphknoten bzw. über den Blutkreislauf in die Milz, wenn es sich um Antigenaufnahme im Blutkreislauf handelt. Zusätzlich wird die Expression der kostimulatorischen B7.1- und B7.2-Moleküle stimuliert, die für die Aktivierung naiver T-Lymphozyten wichtig sind.

Aktivierung und Mobilisierung: Dendritische Zellen exprimieren das gesamte Spektrum der TOLL-ähnlichen Rezeptoren (TLR), deren Erkennung von Erregerbestandteilen zu ihrer Aktivierung führt. Auch die Erkennung von Erregerstukturen durch Phagozytoserezeptoren wie DC-SIGN und Dectin-1 trägt zur Aktivierung der dendritischen Zellen bei. TLR-Stimulation verändert die Expression von Chemokinrezeptoren auf der Oberfläche der dendritischen Zellen, welches sie zur Wanderung in die regionalen lymphatischen Gewebe befähigt (Abb. B-4.6). Hier ist insbesondere CCR7 (Chemokinrezeptor 7) zu erwähnen, der die dendritische Zelle empfänglich macht für das Chemokin CCL 21, welches in lymphatischen Geweben exprimiert wird und die Zelle an den Ort ihrer Bestimmung lockt. Ferner trägt CCL 21 zu einer verbesserten antigenpräsentierenden Funktion bei. Beim Lösen aus dem Gewebeverband verliert die dendritische Zelle wesentliche, für sie typische Eigenschaften und verändert auch ihre Morphologie. Bei ihrer Ankunft im lymphatischen Gewebe kann sie nicht mehr phagozytieren und somit keine Fremdantigene mehr aufnehmen. Wohl aber kann sie die am Infektionsort aufgenommenen Antigene, die inzwischen in Form von Peptiden an den in ihrer Anzahl stark erhöhten MHC-Klasse-I- und -II-Molekülen gebunden sind, dauerhaft präsentieren. Außerdem induziert ihre Mobilisierung zwei für die Aktivierung naiver T-Lymphozyten sehr wichtige kostimulatorische Moleküle, B7.1 (auch CD80) und B7.2 (CD86). Die B7-Moleküle sind Mitglieder der Immunglobulin-Superfamilie. Sie bilden jeweils Homodimere aus und besitzen 2 extrazelluläre Ig-Domänen, die stark glykolysiert sind, einen Transmembranteil und einen zytoplasmatischen Anteil zur Signalgebung.

Bei Ankunft in den sekundären lymphatischen Organen siedeln sich DCs in den T-ZellBereichen an und präsentieren über in ihrer Anzahl jetzt stark erhöhten MHC-Moleküle antigene Epitope (Abb. B-4.6).

Ankunft im sekundären lymphatischen Organ: Bei ihrer Ankunft im sekundären lymphatischen Organ exprimiert die dendritische Zelle außer den Zelladhäsionsmolekülen LFA-1, LFA-3, ICAM-1 und ICAM-2 auch beide B7-Moleküle. Außerdem produziert sie das Chemokin CCL 19, welches chemotaktisch für naive T-Lymphozyten wirkt. Die eingewanderten, jetzt reifen dendritischen Zellen siedeln sich in den parakortikalen Bereichen des lymphatischen Gewebes an, wo sie den vorbeiziehenden naiven T-Lymphozyten ihre antigenen Peptide anbieten (Abb. B-4.6).

⊙ B-4.6

Die afferente Phase einer spezifischen Immunantwort

3

1 B7 TLR 2

DC-SIGN

CCR7

MHC-Klasse-II

MHC-Klasse-I

ICAM-1

MHC-Klasse-II MHC-Klasse-I LFA-3 ICAM-2 DEC-205

LFA-1

Infektionserreger dendritische Zelle im Gewebe

dendritische Zelle im sekundären lymphatischen Gewebe

Eine zentrale Funktion bei der Initiierung einer spezifischen Immunantwort tragen dendritische Zellen (DCs). Sie sind in der Lage, im Gewebe Infektionserreger zu binden (1). Bei Bindung an z. B. den DEC-205-Rezeptor werden die Erreger oder ihre Bestandteile phagozytiert und nach Degradation antigene Peptide von ihnen gebunden an MHC-Klasse-I- und -II-Molekülen präsentiert. Bindung an TLRs führt zu einer starken aktivierenden Signalübertragung in die Zelle. Als Folge löst sich die dendritische Zelle aus dem Gewebeverband und fließt mit der drainierenden Lymphe in die nächsten regionalen Lymphknoten ab (2). Bei ihrer Ankunft im Lymphknoten siedelt sich diese phänotypisch und funktionell stark veränderte Zelle in den parakortikalen T-Zell-Bereichen an. Auf ihrer Oberfläche werden jetzt die costimulatorischen Moleküle B7.1 und B7.2 exprimiert und eine Reihe von Rezeptoren für die interzelluläre Adhäsion (ICAM-1, ICAM-2, LFA-1 und LFA-3) hochreguliert. Diese reife DC ist jetzt keine phagozytierende und antigenprozessierende Zelle mehr, sondern bietet auf den sehr stark hochregulierten MHC-Molekülen antigene Peptide den rezirkulierenden T-Lymphozyten an (3). ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

B

121

4.3 Die erworbene Immunabwehr

T-Lymphozyten

T-Lymphozyten

Extravasation: Naive T-Lymphozyten besitzen ein Rezeptorrepertoire, welches es ihnen ermöglicht, an besonderen Stellen der venösen Gefäße im sekundären lymphatischen Organ mit dem Gefäßendothel zu interagieren und in das lymphatische Gewebe überzutreten. Selektine stellen die wichtigsten an der Adhäsion beteiligten Rezeptoren auf T-Lymphozyten dar. Unter Mithilfe der LFA-1-/ICAM-1-Interaktionen dringen dann die T-Zellen durch das Endothel in das Lymphgewebe vor (Abb. B-4.7).

Naive, rezirkulierende T-Lymphozyten können an besonderen venösen Epithelien der Lymphknoten aus dem Blutkreislauf in das lymphatische Gewebe extravasieren.

Ankunft im sekundären lymphatischen Organ: Bei der Passage durch das sekundäre lymphatische Organ binden die T-Zellen mithilfe ihrer Oberflächenmoleküle (LFA-1 und CD2) an die entsprechenden Liganden auf den antigenpräsentierenden Zellen (ICAM-1, ICAM-2 und LFA-3) (Abb. B-4.7).

Dort treten sie zunächst über antigenunabhängige Rezeptorinteraktionen mit DCs in Verbindung (Abb. B-4.7).

⊙ B-4.7

Extravasation und Passage von naiven T-Lymphozyten in sekundäre lymphatische Gewebe

naive CD4+-T-Zelle 1

CD28 CD28

TCR

CD4

CD-2 2 LFA-1

L-Selektin

mucinartige Adressine

ICAM-1 LFA-1

Endothel

B7

CD28

LFA-3 CD-2

CD4 ICAM-2

3

ICAM-1

Naive rezirkulierende T-Lymphozyten besitzen eine Rezeptorausstattung, die es ihnen erlaubt, an speziellen venösen Endothelien von lymphatischen Geweben den Blutkreislauf zu verlassen. Der Vorgang ist hier beispielhaft für eine CD4+T-Zelle dargestellt. Zur Verlangsamung ihrer Fließgeschwindigkeit nutzen die Lymphozyten L-Selektin zur Interaktion mit Adressinen (mucinartige Rezeptoren) (1). Nach dieser lockeren Anlagerung kommt es zu einer deutlich festeren Adhäsion, bei der das lymphozytäre Integrin LFA-1 und das ICAM-1 auf dem Endothel interagieren. Dieses Rezeptor-Liganden-Paar spielt auch eine Rolle bei der nun folgenden transendothelialen Migration des Lymphozyten (2). Im lymphatischen Gewebe wandern die T-Zellen in die von ihnen bevorzugten Bereiche, wo sich antigenpräsentierende dendritische Zellen befinden. Über die Ligandenpaare CD2/LFA-3, LFA-1/ ICAM-1 und LFA-1/ICAM-2 treten T-Lymphozyt und DC in Kontakt (3). Diese zunächst antigenunabhängige Interaktion ermöglicht der T-Zelle, die Passform ihres TCRs für die MHC-PeptidKomplexe auf der DC zu prüfen.

LFA-1 LFA-1

TCR CD40

MHCKlasse-II

▶ Merke. Diese Interaktionen zwischen antigenpräsentierender Zelle und T-Lym-

▶ Merke.

phozyt werden solange nicht durch TCR-MHC-Peptid-Bindungen stabilisiert, bis die T-Zelle auf ihren passenden MHC-Peptid-Komplex getroffen ist. Vielmehr dienen diese lockeren Anlagerungen dazu, die Passform des TCR bezüglich des MHC-Peptid-Komplexes auf der antigenpräsentierenden Zelle zu proben. Dieses Durchwandern des lymphatischen Gewebes durch die T-Lymphozyten und das Proben ihres TCR auf seine Passfähigkeit hat zwei bedeutende Effekte: ■ es erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass eine T-Zelle auf „ihr“ Antigen trifft, und ■ nur solche T-Lymphozyten, die auf ihren Wanderungen durch die lymphatischen Gewebe regelmäßig durch Kontaktversuche mit dendritischen Zellen ihren Antigenrezeptor proben, erhalten durch den engen Kontakt Überlebenssignale von den dendritischen Zellen, die ihre Langlebigkeit (Jahre) und damit Nützlichkeit für die immunologische Überwachung sichern. Trifft die T-Zelle nicht auf eine mit ihrem spezifischen Antigen beladene dendritische Zelle, verlassen sie das lymphatische Gewebe wieder und kehren in die Zirkulation zurück. Kommt es jedoch dazu, dass ein TCR gut zu einem MHC-Peptid-Kom-

Dabei proben sie die Passform ihres TCRs für das von den DCs präsentierte antigene Epitop. Sollte ein TCR besonders gut auf den MHC-Peptid-Komplex passen, verstärken sich die Bindungen zwischen T-Lymphozyt und DC und die antigenspezifische Stimulierung der T-Zelle beginnt.

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122

B 4 Mechanismen der Immunabwehr

plex passt, verstärkt dieser Erkennungsprozess die Affinitäten der Integrininteraktionen, sodass die T-Zelle ihre Wanderung beendet. Der Vorgang der antigenspezifischen Stimulation setzt ein. 4.3.2

Die Induktionsphase

4.3.2 Die Induktionsphase

Stimulierung der T-Zell-Antwort

Stimulierung der T-Zell-Antwort

Naive T-Lymphozyten benötigen für ihre antigenspezifische Aktivierung mindestens 3 Signale: ■ 1. Signal → die spezifische Interaktion des TCR mit dem MHC-Peptid-Komplex (Aktivierung), ■ 2. Signal → Interaktion von CD28 mit den kostimulatorischen B7-Molekülen (Proliferation), ■ 3. Signal → Zytokine für die Differenzierung der T-Zellen in Effektorzellen.

Signale zur T-Zell-Aktivierung: Zur effizienten Aktivierung von naiven T-Lymphozyten durch antigenpräsentierende dendritische Zellen sind 3 Signale notwendig. Die Aktivierung der T-Zelle erfolgt durch die Erkennung eines MHC-Peptid-Komplexes mit dem Antigenrezeptor und dem CD4- bzw. CD8-Korezeptor (Signal 1) (Abb. B-4.8). Dieses Signal allein reicht jedoch nicht aus, die T-Zelle zur Zellteilung und Differenzierung anzuregen. Durch Interaktion des kostimulatorischen Moleküls B7 mit seinem Rezeptor CD28 auf T-Zellen ist das für die T-Zell-Aktivierung notwendige 2. Signal gegeben, durch welches die T-Zellen in eine Phase intensiver Zellteilungen eintreten können (Abb. B-4.8). Ihre Differenzierung zu verschiedenen Typen von Effektorzellen wird schließlich durch Zytokine (Signal 3), die durch die antigenpräsentierende dendritische Zelle sezerniert werden, gesteuert.

T-Lymphozyten treten nach antigenspezifischer Aktivierung durch DCs in eine starke Proliferationsphase ein. Für diese klonale Expansion ist IL-2 als Wachstumsfaktor notwendig. T-Lymphozyten produzieren und nutzen dieses Interleukin in autokriner Weise.

Proliferationsphase: Die B7/CD28-Interaktion induziert in aktivierten T-Zellen sowohl die Expression des Zytokins IL-2 als auch die Expression einer hoch-affinen Variante des IL-2-Rezeptors (CD25). Somit produzieren sie ihren eigenen Wachstumsfaktor, den sie in autokriner Weise selbst binden und damit ihre Vermehrung vorantreiben. Die Proliferationsphase kann mehrere Tage dauern und führt schließlich dazu, dass tausende von T-Lymphozyten mit identischem Antigenrezeptor entstanden sind (klonale Selektion).

Anschließend differenzieren die expandierten T-Zellen unter dem Einfluss von Zytokinen in Effektorzellen.

Effektorzelle: Sobald die T-Zelle sich in eine Effektorzelle differenziert hat, verlässt sie das lymphatische Gewebe und dringt über das Lymph- und Blutgefäßsystem zum Ort der Infektion vor. Dieser Prozess wird durch eine veränderte Expression von Adhäsionsmolekülen und Rezeptoren unterstützt. In differenzierten T-Effektorzellen werden bei jeder Interaktion des T-Zell-Antigenrezeptors mit einem passenden MHC-Peptid-Komplex ihre Effektorfunktionen abgerufen, ohne dass noch ein weiterer Kontakt mit kostimulatorischen Molekülen notwendig wäre. Bei der Differenzierung in T-Effektorzellen im lymphatischen Gewebe schlagen CD4+- und CD8+-T-Zellen allerdings unterschiedliche Wege ein, die nachfolgend vorgestellt werden sollen.

CD4+-T-Zellen

CD4+-T-Zellen

CD4+-T-Lymphozyten können unter dem Einfluss von Zytokinen in verschiedene Subklassen differenzieren (Abb. B-4.8).

In der späten Phase der klonalen Expansion beginnen CD4+-T-Zellen – unter dem Einfluss verschiedener Zytokine – einen Differenzierungsvorgang, der zur Ausbildung ihrer typischen Effektorfunktionen dient (Abb. B-4.8). Aktuell unterscheidet man TH1 (T-Helfer-1), TH2, TH17, follikuläre T-Helferzellen (TFH) und induzierte regulatorische T-Zellen (iTREG). Für ihre Differenzierung in eine dieser Subklassen spielt das bei der Aktivierung der T-Zelle in der Umgebung herrschende Mikromilieu eine wesentliche Rolle. Dendritische Zellen (DCs) geben nach Kontakt mit unterschiedlichen Infektionserregern eine sehr differenzierte Zytokinantwort. Diese Zytokine induzieren in T-Zellen die Expression spezifischer Transkriptionsfaktoren, die nachfolgend das Differenzierungsprogramm und Zytokinprofil der T-Effektorzelle steuern. Der Kontakt von Hefen und Pilzen z. B. induziert in DCs hohe Spiegel von IL-6 und TGF-β, was häufig zur Differenzierung von TH17-Zellen führt. Bleibt dagegen die IL-6-Antwort aus, wie es die Regel bei DC-Kontakt mit harmlosen Umweltantigenen oder kommensalen Bakterien der Fall ist, führt das sezernierte TGF-β zur Entwicklung von iTREG-Zellen, die unerwünschte Immunreaktionen unterbinden. Weitere Beispiele sind virale Infektionen, die häufig zur IL-12-Induktion in DCs führen und damit die Weichen in Richtung TH1-Zelle stellen, und parasitäre Infektionen, die in DCs die Bildung von IL-4 auslösen und so die Entwicklung von TH2Antworten vorantreiben. Die Signale, die eine dendritische Zelle veranlassen, die Differenzierung von TFH-Zellen voranzutreiben, sind bislang unvollständig verstanden, allerdings scheint IL-6 eine entscheidende Rolle zu spielen. Neben den von DCs sezernierten Zytokinen tragen auch von anderen Zellen am Infektionsort produzier-

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B

⊙ B-4.8

Aktivierung naiver CD4+-T-Zellen und ihre Differenzierung in T-Effektorzellen

IL-17, IL-22

TH17

2. Signal: B7/CD28 Proliferation 2 B7

123

4.3 Die erworbene Immunabwehr

RORγT IL-10, TGF-β TREG

DC

IL-6, IL-23, TGF-β

IL-2, TGF-β

Foxp3

CD28

4 CD4

MHC-II/ TCR

IL-6, IL-21 TFH TH0 IL-12

TH2

IL-21

GATA3

1 1. Signal: MHC-II/TCR Aktivierung TH1

IL-4, IL-5, IL-13

T-bet 3 3. Signal: Zytokine Differenzierung

Bcl-6

IL-4

IL-2, IFN-γ

Naive CD4+-T-Lymphozyten (TH0) erkennen mit ihrem Antigenrezeptor (TCR) spezifische Peptide gebunden an MHC-Klasse-II-Molekülen auf dendritischen Zellen (DC), wodurch sie aktiviert werden (1. Signal) (1). Die Interaktion des CD28-Rezeptors mit B7-Molekülen auf der DC liefert das 2. Aktivierungssignal (2). Die Th 0-Zellen treten in das Stadium der Proliferation ein und differenzieren unter dem Einfluss verschiedener, insbesondere von der DC sezernierter Zytokine (3. Signal) zu TH-Effektorzellen (3). Die unterschiedlichen TH-Effektorzellen lassen sich durch die Expression von Transkriptonsfaktoren und ihre Zytokinsekretion unterscheiden (4). T-bet, GATA-3, RORγT, Bcl-6, Foxp3: Transkriptionsfaktoren, die das Differenzierungsprogramm in den jeweiligen CD4+-T-Zellsubklassen steuern.

te Mediatoren zur T-Zelldifferenzierung bei. Hinzu kommen außerdem noch Zytokine, die T-Zellen infolge des Aktivierungsprozesses selbst produzieren und auch autokrin verwenden. ▶ Merke. Unterschiedliche TH-Zelltypen unterscheiden sich insbesondere durch

▶ Merke.

das Zytokinprofil, welches sie sezernieren.

CD8+-T-Zellen

CD8+-T-Zellen

Die CD8+-T-Zellen benötigen zu ihrer Aktivierung und zum Eintritt in die klonale Expansionsphase sehr starke Signale, die oftmals die gleichzeitige Aktivierung einer CD4+-T-Zelle durch die identische dendritische Zelle notwendig macht (Abb. B-4.9). Diesen Helfereffekt von CD4+-T-Lymphozyten bei der Aktivierung von CD8+-T-Lymphozyten erklärt man sich durch CD40 L/CD40-Interaktionen zwischen CD4+-T-Zelle und dendritischer Zelle, die zu einer verstärkten Expression von B7-Molekülen auf der dendritischen Zelle führen. Damit wird das kostimulatorische 2. Signal wesentlich verstärkt, das auch CD8+-T-Lymphozyten neben der Antigenerkennung durch ihren TCR benötigen. Auch unterstützt das von aktivierten CD4+-T-Zellen produzierte IL-2 CD8+-T-Zellen bei deren Differenzierung. Der weitere Verlauf über Expansions- und Differenzierungsphase entspricht dem der CD4+-T-Zellen. Aktivierte CD8+T-Zellen differenzieren stets in zytotoxische Effektorzellen, die infizierte Zellen im Gewebe nach Erkennung des MHC-Peptid-Komplexes direkt und ohne weitere Kostimulation abtöten können.

Naive CD8+-T-Lymphozyten brauchen für ihre Aktivierung sehr starke Signale (Abb. B-4.9). Diese werden häufig durch CD4+-T-Lymphozyten ermöglicht, die sich zur gleichen Zeit in Kontakt mit der stimulierenden dendritischen Zelle befinden.

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124

B 4 Mechanismen der Immunabwehr

⊙ B-4.9

Antigenspezifische Aktivierung von CD8+-T-Lymphozyten

CD8+-T-Lymphozyt

2

2. Signal dendritische Zelle

CD4+-T-Lymphozyt B7

CD28/B7

CD28

3 CD40/40L CD8

1

TCR/ MHCKlasse-I

TCR/ MHCCD4 Klasse-II

1. Signal

CD8+-T-Lymphozyten benötigen sehr starke Signale für eine antigenspezifische Aktivierung. Wie für CD4+-T-Lymphozyten auch, müssen für die Aktivierung und den Eintritt in die Proliferationsphase 2 Signale gegeben werden: Die Interaktion von TCR und MHC-Peptid-Komplex (1) und die Wechselwirkung zwischen CD28/B7-Molekülen (2). Das 2. Signal kann verstärkt werden, wenn gleichzeitig CD4+-T-Lymphozyten mit der DC interagieren, da sie über CD40/CD40L-Interaktionen eine deutliche Hochregulierung von B7-Molekülen induzieren (3), von der auch CD8+-T-Zellen profitieren.

Stimulierung der B-Zell-Antwort

Stimulierung der B-Zell-Antwort

Naive, rezirkulierende B-Lymphozyten treten, wie naive T-Zellen, in die sekundären lymphatischen Organe ein und siedeln sich nach kurzer Passage durch die T-Zell-Bereiche in B-Zell-Follikeln an (Abb. B-4.10).

Auch naive B-Zellen rezirkulieren im Blutkreislauf und extravasieren in die sekundären lymphatischen Gewebe. Nach dem Austritt in das Gewebe finden sie sich nur sehr kurzfristig im T-Zell-abhängigen Bereich und wandern zügig in die B-Zell-Zonen des Organs, wo sie Anhäufungen in Form primärer Lymphfollikel bilden (Abb. B-4.10). Die Bildung dieser Bereiche wird durch die differenzielle Expression von Chemokinen und Chemokinrezeptoren auf T- und B-Lymphozyten gesteuert. In den primären Lymphfollikeln sind follikuläre dendritische Zellen (FDC) lokalisiert. Im Gegensatz zu anderen dendritischen Zellen sind diese nicht phagozytisch, sondern darauf spezialisiert, über langgestreckte Membranausstülpungen mittels ihrer Komplementrezeptoren opsonisierte Antigene zu binden, die über die Lymphe oder den Blutstrom in die Follikel gelangen. Unterstützt wird dieser Filtereffekt von spezialisierten Makrophagen, die im Sinus (Abb. B-2.4) lokalisiert sind und die ebenfalls über Komplementrezeptoren opsonisierte Antigene binden. Diese Antigene werden nicht phagozytiert, sondern an Komplementrezeptor-exprimierende B-Zellen übergeben, die diese Antigene dann in primäre Lymphfollikel tragen. Dadurch kommt es in diesem Bereich zu einer Anhäufung von Antigenen, die von spezifischen B-Zellen über ihren BCR erkannt werden können.

In den B-Zell-Follikeln lokalisierte follikuläre dendritische Zellen (FDC) filtern mithilfe ihrer Komplementrezeptoren opsonisierte Antigene aus Blut und Lymphe. Sie phagozytieren diese nicht, sondern bieten sie B-Zellen zur Erkennung durch deren BCR an.

⊙ B-4.10

Antigenspezifische Aktivierung von B-Lymphozyten

B-Zelle

B-Zell-Follikel follikuläre dendritische Zelle (FDC)

Keimzentrum

In den Lymphknoten extravasierte B-Lymphozyten durchwandern auf ihrem Weg in die B-ZellFollikel die parakortikalen T-Zell-Bereiche (1). Bei spezifischem Kontakt mit einem Antigen und Hilfe von CD4+-T-Lymphozyten formt sich ein Primärfokus, in dem erste IgM-produzierende Plasmazellen entstehen (2). Einige dieser Plasmazellen wandern mit ihren Helfer-T-Lymphozyten in die B-Zell-Follikel ein und formen ein Keimzentrum, in dem es zur Expansion der B-Lymphozyten und zur Anpassung der Antikörperantwort kommt (3).

3

TFH-Zelle Primärfokus 2

1

dendritische Zelle (DC) parakortikaler T-Zell-Bereich

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B

125

4.3 Die erworbene Immunabwehr

Frühe Phase der B-Zell-Aktivierung

Frühe Phase der B-Zell-Aktivierung

Für die antigenspezifische Aktivierung von B-Zellen im primären Lymphfollikel sind mindestens 2 Signale notwendig, von denen eines von einer aktivierten CD4+-T-Zelle stammen muss. Dieser Prozess wird noch komplizierter dadurch, dass für die erfolgreiche T-Zell-Hilfe in der Regel B- und T-Zellen ein identisches Antigen erkennen müssen. Nach ihrer Aktivierung und Differenzierung in der T-Zellzone verbleibt ein Teil dieser CD4+-T-Helferzellen dort. Hierbei handelt es sich um die follikulären Helfer-T-Zellen (TFH), die an der Grenzfäche zum B-Zellfollikel in Kontakt mit B-Zellen treten.

Die Interaktion von B-Zellen mit follikulären CD4+-T-Helferzellen (TFH) erfolgt an der Grenzfläche zwischen T-Zellzone und B-Zellfollikel.

▶ Merke. Diese Lokalisation ist deshalb sinnvoll, da eine antigenspezifische B-Zelle

▶ Merke.

für ihre Expansion und Differenzierung die Assistenz einer bereits antigenspezifisch aktivierten CD4+-T-Zelle benötigt. Signale zur kompletten B-Zell-Aktivierung: Im Gegensatz zu T-Lymphozyten müssen für B-Lymphozyten antigene Epitope nicht im Kontext mit MHC-Molekülen präsentiert werden. Der BCR ist in der Lage, extrazelluläre antigene Epitope zu erkennen und zu binden. Dies kann durchaus ein Epitop auf einem kompletten Virus sein, sodass das gesamte Viruspartikel über den BCR gebunden wird. Bei guter Passform wird durch die Bindung ein Signal in das Zellinnere gegeben und schließlich wird der Komplex aus BCR und gebundenem Antigen internalisiert und einem Phagolysosom zugeführt. Damit ist ohne weiteren Zellkontakt bereits das Signal 1 zur Aktivierung gegeben (Abb. B-4.11). Das Signal 2 muss nun, wie bei den T-Lymphozyten auch, durch eine andere Zelle gegeben werden.

Signal 1: Der BCR kann im Gegensatz zum TCR partikuläre Antigene in ihrer nativen Form erkennen und binden. Nach Phagozytose des BCR-Antigen-Komplexes durch die B-Zelle wird das Antigen im Phagolysosom proteolytisch gespalten und Peptide daraus im Kontext mit MHC-Klasse-II-Molekülen an der Oberfläche präsentiert (Abb. B-4.11).

Antigenpräsentation durch die B-Zelle: B-Lymphozyten können nach Aufnahme des BCR-Antigen-Komplexes und dessen Abbau Peptide gebunden an MHC-Klasse-IIMoleküls an die Zelloberfläche transportieren. Die B-Zelle wird damit zu einer antigenpräsentierenden Zelle für CD4+-T-Lymphozyten (Abb. B-4.11).

Die B-Zelle wird zur antigenpräsentierenden Zelle für CD4+-T-Lymphozyten (Abb. B-4.11).

▶ Merke. Von der B-Zelle über MHC-Klasse-II-Moleküle präsentierte Peptide müs-

▶ Merke.

sen für die Erkennung durch CD4+-T-Lymphozyten zwar aus dem aufgenommenen Antigen stammen, aber durchaus nicht identisch mit der antigenen Struktur sein, an die initial der BCR gebunden hatte.

⊙ B-4.11

Hilfe von CD4+-T-Lymphozyten bei der antigenspezifischen Aktivierung von B-Lymphozyten

CD4+-TFH-Zelle

2. Signal

3

TCR

CD40L CD40

2 CD4

BCR

4

1

Proliferation und Differenzierung

Viruspartikel Glykoprotein

Zytokine

MHC-Klasse-II

Kapsidprotein

1. Signal B-Zelle

Wie bei T-Zellen auch, sind für die antigenspezifische Aktivierung von B-Zellen 2 Signale erforderlich. Signal 1 wird gegeben, wenn die B-Zelle mit ihrem Antigenrezeptor (BCR) ein Antigen binden kann (1). Der BCR-Antigen-Komplex wird internalisiert und enzymatisch verdaut. Passen Peptide in die MHC-Klasse-II-Moleküle, werden sie an der Oberfläche präsentiert und von solchen CD4+-T-Lymphozyten erkannt, die mit dem gleichen Peptid von einer dendritischen Zelle aktiviert wurden (2). Die CD4+-T-Zelle stellt das 2. Signal in Form des CD40-Liganden zur Verfügung, der durch Interaktion mit dem CD40Molekül auf der B-Zelle (3) ihre Expansions- und Differenzierungsphase einleitet (4). Hinweis: Die antigene Struktur, die vom BCR erkannt wird, muss nicht identisch sein mit dem Peptid, welches anschließend im MHC-Klasse-II-Molekül präsentiert wird. Hier ist dargestellt die Bindung des BCRs an ein virales Hüllprotein. Nach Internalisierung wird das Virus enzymatisch verdaut. Dabei werden auch Peptide aus dem inneren viralen Kapsidprotein freigesetzt. Passen diese Peptide in das MHC-Klasse-II-Molekül und findet sich eine entsprechende T-Zelle, wird die B-Zelle differenzieren und Antikörper gegen das virale Hüllprotein sezernieren.

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126

B 4 Mechanismen der Immunabwehr

So ist es möglich, dass eine B-Zelle, deren BCRs spezifisch für bestimmte Glykoproteine in einer Virushülle sind, das Virus bindet und internalisiert. Nach proteolytischer Spaltung des kompletten Virus werden alle entstandenen Peptide, die in das MHC-Klasse-II-Molekül passen, an der Oberfläche präsentiert (Abb. B-4.11). Darunter können auch Peptide sein, die aus dem Inneren des Viruspartikels stammen und daher vom BCR gar nicht gesehen werden konnten. Wurde aber eine CD4+-T-Zelle bereits durch diese MHC-Klasse-II/Peptid-Kombination von einer dendritischen Zelle stimuliert, so wird sie diese Kombination auch auf der B-Zelle erkennen. Signal 2: Erkennt eine aktivierte CD4+-TFHZelle gebunden an einem MHC-Klasse-II-Molekül der B-Zelle ein antigenes Peptid, welches sie zuvor bei ihrer eigenen Aktivierung auf einer dendritischen Zelle gesehen hat, gibt sie der B-Zelle weitere Differenzierungshilfe in Form von CD40/CD40L-Interaktion und Zytokinen.

Antigenerkennung durch CD4+-TFH-Zellen: CD4+-TFH-Zellen prüfen mit ihrem TCR, ob eine B-Zelle über MHC-Klasse-II-Moleküle ein antigenes Peptid präsentiert, welches sie schon selbst bei ihrer Aktivierung durch eine dendritische Zelle gesehen haben. Erkennt eine CD4+-TFH-Zelle den MHC-Klasse-II-Peptid-Komplex auf einer B-Zelle, tritt sie mit dieser in enge Interaktion. Hierbei kommt es zur Bindung des CD40-Rezeptors auf der B-Zelle mit dem CD40 L auf der TFH-Zelle (Signal 2, Abb. B-4.11), wodurch die B-Zelle aktiviert wird und in eine Phase der Proliferation eintritt. Unterstützt wird dieser Prozess durch das von der TFH-Zelle sezernierte Zytokin IL-21 und die Expression einer Reihe von Oberflächenrezeptoren, welche für die weitere Differenzierung des B-Lymphozyten in eine antikörperproduzierende Zelle nötig sind. Weitere TFH-sezernierte Zytokine sind IL-6, TGF-β, IFN-γ und IL-4, die entscheidenden Einfluss auf die Art der produzierten Antikörper haben.

Nach antigenspezifischer Aktivierung der B-Zelle mithilfe von CD4+-TFH-Lymphozyten bilden die aktivierten Zellen an der Grenze von T- und B-Zell-Bereich einen Primärfokus aus, in dem sich in den folgenden Tagen einige B-Lymphozyten zu IgM-sezernierenden Plasmazellen entwickeln, die den Fokus Richtung Markstränge verlassen und nach wenigen Tagen, in denen sie Antikörper sezernieren, durch Apoptose eliminiert werden.

Bildung eines Primärfokus: Für die nun einsetzende klonale Expansion von B-Lymphozyten formen sie einen Primärfokus an der Grenze zwischen B- und T-Zell-Zone. Im Laufe der folgenden Tage differenzieren einige B-Lymphozyten in antikörperproduzierende Plasmazellen und wandern in die Markstränge des Lymphknotens bzw. in die rote Pulpa der Milz. Dort sezernieren sie für wenige Tage Antikörper und gehen dann durch programmierten Selbstmord zugrunde. Diese erste frühe Versorgung mit erregerspezifischen Antikörpern hat für den Wirt natürlich protektive Wirkung, dient aber wahrscheinlich auch dazu, erregerspezifische Antigene in Form von Immunkomplexen in den B-Zell-Follikeln festzuhalten. Damit sind die frühe Phase der B-Zell-Aktivierung und die Induktion einer humoralen (antikörpergestützten) Immunantwort abgeschlossen.

Späte Phase der B-Zell-Aktivierung

Späte Phase der B-Zell-Aktivierung

CD4+-T

Einige aktivierte B- und FH-Lymphozyten wandern aus dem Primärfokus in den BZell-Follikel ein, wo es dann zu heftigen Teilungsreaktionen der B-Zellen kommt. Es bildet sich ein Keimzentrum aus, dessen Inneres von proliferierenden, antigenspezifischen B-Lymphozyten angefüllt ist (Abb. B-4.10 und Abb. B-4.12).

Bildung des Keimzentrums: In der späteren Phase der humoralen Immunantwort kommt es zu einer Anpassung und einer Art Nachbesserung der Antwort. Einige antigenspezifische B-Lymphozyten wandern aus dem Primärfokus in Begleitung von CD4+-TFH-Lymphozyten in die primären B-Zell-Follikel ein, die von der Masse der extravasierten, aber nicht stimulierten B-Lymphozyten gebildet werden. In dieser Umgebung formen die aktivierten Neuankömmlinge aus dem Primärfokus ein Keimzentrum (Abb. B-4.10 und Abb. B-4.12). Die Mehrheit der im Keimzentrum enthaltenen Lymphozyten wird von sich teilenden B-Zellen gestellt, etwa 10 % stellen die begleitenden und für die nachfolgenden Differenzierungsschritte absolut notwendigen T-Lymphozyten dar. Aufbau des Keimzentrums: In den Keimzentren findet eine massive Zellteilung von B-Lymphozyten statt, sodass ein solches Zentrum die umgebenden ruhenden B-Lymphozyten immer weiter an den Rand des Follikels (Mantelzone) drängt. In der inneren Struktur eines solchen Keimzentrums lassen sich zwei charakteristische Bereiche erkennen (Abb. B-4.12): ■ „dunkle“ Zone: Sie besteht aus dicht gepackten, massiv proliferierenden B-Lymphozyten, die nur sehr wenige BCRs tragen (Zentroblasten). ■ „helle“ Zone: Hier halten sich B-Lymphozyten mit geringerer Teilungsrate und erhöhter Oberflächenexpression von BCRs auf (Zentrozyten). Eingelagert in die helle Zone finden sich außerdem follikuläre dendritische Zellen (FDCs), die die Affinitätsreifung (s. u.) der B-Zellen vorantreiben.

▶ Merke.

▶ Merke. Die in der hellen Zone des Keimzentrums vorhandenen follikulären den-

dritischen Zellen (FDC) sind nicht zu verwechseln mit den dendritischen Zellen der T-Zell-Aktivierung!

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B

⊙ B-4.12

4.3 Die erworbene Immunabwehr

127

Antigenabhängige Differenzierung von B-Lymphozyten im Keimzentrum

Plasmazelle nach Isotypenwechsel

6

B-Gedächtniszelle

Mantelzone

naive B-Zelle

5

helle Zone FDC 4

Zentrozyten

Zentroblasten

3

TFH-Zelle

dunkle Zone 2

1

B-Zellen Primärfokus

frühe, IgM-sezernierende Plasmazelle

Nach erstem Kontakt mit einem Antigen bekommen B-Lymphozyten Differenzierungshilfe von CD4+-TFH-Lymphozyten und formieren einen Primärfokus im Grenzbereich zwischen B-ZellFollikel und parakortikalem T-Zell-Bereich (1). Daraus gehen erste IgM-sezernierende Plasmazellen hervor (2). Einige von den aktivierten BLymphozyten wandern in Begleitung ihrer TFHZellen in den B-Zell-Follikel und bilden hier ein Keimzentrum aus. In einer dunklen Zone des Keimzentrums finden sich stark proliferierende B-Lymphozyten (Zentroblasten) mit geringer BCR-Dichte (3), in einer hellen Zone solche mit geringer Teilungsrate aber dichter BCR-Expression (Zentrozyten). In der Übergangszone zwischen dunkler und heller Zone sind follikuläre dendritische Zellen (FDCs) eingelagert, die an der Oberfläche Komplexe aus früh synthetisierten Antikörpern und Antigenen gebunden haben. Während der heftigen Zellteilung der Zentroblasten werden Mutationen in den codierenden Bereichen für die Antigenbindungsstelle akkumuliert. Führt dieses zur Bildung eines besser passenden BCR, so wird die Zelle bevorzugt weiter differenziert. Die Passprobe für den BCR wird an den Immunkomplexen auf den FDCs vorgenommen (4). Selektionierte B-Lymphozyten mit hochaffinem BCR können nachfolgend unter Einwirkung von Zytokinen noch einen Isotypenwechsel durchlaufen, bei dem die Antigenbindungsstelle des BCR mit einem konstanten Teil einer anderen schweren Kette verknüpft wird (5). Am Ende stehen Plasmazellen zur Verfügung, die Antikörper mit hoher Spezifität für ihr Antigen, aber mit unterschiedlichen biologischen Eigenschaften sezernieren. Aus dem expandierten B-Zell-Pool werden außerdem langlebige B-Gedächtniszellen rekrutiert (6).

Im Verlauf der im Keimzentrum ablaufenden Differenzierungsprozesse erfahren B-Lymphozyten wesentliche Veränderungen, die auf die Qualität der Antikörperantwort entscheidenden Einfluss haben: Hypermutation der Antigenbindungsstelle/Affinitätsreifung: Die heftigen Zellteilungen, die B-Lymphozyten im Keimzentrum durchführen, begünstigen eine hohe Frequenz von Basenaustauschen in den variablen Bereichen des Ig-Rezeptors (Hypermutationen). Solche Punktmutationen führen zu einer Vielzahl von varianten BCRs, die die Spezifität bzw. die Bindungsstärke des Rezeptors verändern können, s. Kap. „Antigenerkennung durch B-Lymphozyten“ (S. 99). Die Art der Mutation entscheidet über das weitere Schicksal der B-Zelle. Mutationen, die die Struktur des Antikörpers massiv verändern, führen häufig dazu, dass der Rezeptor überhaupt nicht mehr synthetisiert wird oder gar nicht bzw. schlechter mit dem antigenen Epitop interagieren kann. Solche Zellen haben in der Konkurrenz um die Bindung an das Antigen natürlich einen Nachteil gegenüber solchen, bei denen durch Mutationen in den Kontaktstellen zum Epitop durch Aminosäuretausch eine bessere Passform des Rezeptors entstanden ist. Die schlecht bindenden Zellen sterben durch Apoptose (negative Selektion), die besser bindenden Zellen hingegen überleben (positive Selektion). Da bei jeder Zellteilung solche Hypermutationsereignisse auftreten und die Passform des Rezeptors immer wieder neu geprüft wird, kommt es im Verlauf dieser Proliferationsphase zu einer Anreicherung von B-Lymphozyten mit ausgezeichneten Bindungsqualitäten für die im Keimzentrum vorliegenden Antigene. Wesentlich be-

Die hohe Zellteilungsrate bei den B-Lymphozyten in den Keimzentren erlaubt durch eine hohe Mutationsfrequenz in den antigenbindenden Bereichen des BCR Veränderungen in seiner Passform für das Antigen.

Die meisten Mutationen führen zu schlechter passenden, manche zu besser passenden Rezeptoren. Die Passform des Rezeptors wird an den Antigen-Antikörper-Komplexen auf den follikulären dendritischen Zellen geprobt. Zellen mit besser passendem Rezeptor bekommen einen Wachstumsvorteil (positive Selektion), bei schlechter oder gar nicht passendem Rezeptor wird die Zelle apoptotisch (negative Selektion). Follikuläre dendritische Zellen und CD4+-TFHZellen sind wesentlich an der Selektion von B-Zellen mit hochaffinem Antigenrezeptor (Affinitätsreifung) in den Keimzentren beteiligt. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

128

B 4 Mechanismen der Immunabwehr

teiligt an dieser sog. Affinitätsreifung sind follikuläre dendritische Zellen (FDCs), die auf ihrer Oberfläche dicht gepackt Komplexe aus früh synthetisierten Antikörpern und Antigenen bereithalten. B-Zellen, die durch Hypermutation eine hohe Affinität zu diesen Antigenen haben, nehmen diese in Folge besonders effizient auf und präsentieren antigene Peptide vermehrt den lokalen CD4+-TFH-Zellen. Deren Interaktion mit den antigenpräsentierenden B-Zellen regt diese weiter zur Teilung an. Hat das Keimzentrum seine maximale Größe erreicht, ist es angefüllt mit den Nachkommen von nur einigen wenigen B-Lymphozyten, die die rigorose „Selektionsmaschinerie“ hinsichtlich der Bindungsqualität ihres Antigenrezeptors überlebt haben. Änderung des sezernierten Antikörperisotyps/Isotypenwechsels: Neben der Optimierung des BCR läuft in den Keimzentren ein weiterer bedeutungsvoller Prozess ab, der nicht die Qualität der Antigenbindung verbessert, sondern die biologischen Eigenschaften der produzierten Antikörper beeinflusst. Für die Konstruktion der schweren Kette des BCR wird die Information für den konstanten Teil der μ-Kette genutzt, s. Kap. „B-Zell-Antigenrezeptor (BCR)“ (S. 96). ▶ Merke.

▶ Merke. Bis zur Einwanderung in die Keimzentren handelt es sich bei den ersten

Produkten (BCR bzw. sezernierte Antikörper einer aktivierten B-Zelle) um den Immunglobulintyp IgM.

Im Zuge der späten Reifung von B-Lymphozyten kann durch erneute rekombinatorische Ereignisse im Genom der Zelle der konstante Teil von der schweren Kette der sezernierten Antikörpermoleküle ausgetauscht werden, ohne dass der aminoterminale, antigenbindende Bereich verändert wird. Durch diesen auch als Isotypenwechsel bezeichneten Vorgang kann eine B-Zelle nachfolgend auf ihre erste IgM-Synthese auch Antikörper der anderen Subklassen wie IgG, IgA oder IgE sezernieren, ohne dass die Bindungseigenschaften für das Antigen verändert werden (Abb. B-4.13). Da im konstanten Teil der schweren Ketten die biologischen Eigenschaften von Antikörpern, wie z. B. Bindung von Komplement oder Plazentagängigkeit lokalisiert sind, entstehen so Antikörper, die in die verschiedenen Kompartimente des Körpers vordringen können und lokal zur Eliminierung des Infektionserregers beitragen (Tab. B-4.1).

Am Ende der antigenspezifischen B-Zell-Differenzierung stehen Plasmazellen, die hochaffine Antikörper mit Zugangsmöglichkeiten zu fast allen Kompartimenten des Körpers sezernieren.

▶ Merke.

Der IgM-Antikörper ist aus 5 monomeren IgM-Molekülen und einer zusätzlichen Polypeptidkette (J-Kette) zusammengesetzt (Abb. B-4.13b). Da dieser frühe Antikörper bereits vor den Hypermutationsereignissen und der Affinitätsreifung im Keimzentrum sezerniert wird, hat er eine vergleichsweise niedrige Affinität. Dieser Nachteil wird jedoch durch die hohe Zahl der Antigenbindungsstellen wieder kompensiert. Aufgrund des Konstruktionsprinzips und der daraus resultierenden Größe des Moleküls ist diese Antikörperklasse überwiegend im Serum zu finden, wo sie aufgrund ihrer hohen Bindungskapazität Pathogene binden und vernetzen kann. Da Infektionserreger jedoch nicht nur über die Blutbahn eindringen und sich ausbreiten können, sondern sich auch im Gewebe vermehren, werden Antikörper mit der gleichen Antigenspezifität auch in anderen Kompartimenten des Körpers benötigt. Die Lösung für dieses Problem bietet der Isotypenwechsel. Die Eigenschaften, die ein Antikörper zur Entfaltung seiner Effektorfunktionen an möglichst vielen Plätzen des Organismus haben muss, sind im konstanten Teil seiner schweren Kette lokalisiert. Hier finden sich biologische Merkmale wie z. B. Plazentagängigkeit, die Fähigkeit zur Komplementaktivierung oder zur Bindung an einem Fc-Rezeptor (Tab. B-4.1). Aktivierte IgM-produzierende B-Zellen, die in die Keimzentren einwandern, können nun den konstanten Teil der schweren μ-Kette gegen einen anderen konstanten Teil austauschen, ohne dabei die Antigenbindungsstrukturen in den variablen Teilen zu verändern. So entstehen nach Produktion von IgM neue BCRs und nachfolgend die bekannten sezernierten Immunglobulinklassen (Isotypen) IgA, IgG, IgE (Abb. B-4.13). Ausgelöst wird dieser Isotypenwechsel durch den Einfluss von Zytokinen, die während der Differenzierungsphase der B-Zellen in den Keimzentren zur Verfügung stehen. Über die Signalwirkung der Zytokine, die insbesondere von CD4+-TFH-Zellen stammen, werden in der B-Zelle Prozesse ausgelöst, die eine erneute Rekombination auf Genomebene bewirken. So induziert beispielsweise IL-4 den Isotypenwechsel von IgM zu IgE, während IL-21 den Wechsel der IgM- zur IgA-Produktion auslöst. Andere Zytokine bewirken die Umschaltung zu verschiedenen IgG-Subklassen und manche üben dabei auch einen hemmenden Einfluss auf den Wechsel zu anderen Isotypen aus. Plasmazellen: Am Ende dieser sehr komplexen Entwicklungsphase in den Keimzentren stehen also B-Lymphozyten bereit, die Antikörper mit optimaler Passform für ihr antigenes Epitop und mit biologischen Eigenschaften produzieren, die einen Einsatz im ganzen Körper möglich machen. Derartige Plasmazellen verlassen die Keimzentren und dringen teilweise in erregerbefallene Organe ein, andere siedeln sich als langlebige Antikörperproduzenten im Knochenmark an. ▶ Merke. Die Plasmazelle ist die antikörperproduzierende Form des B-Lymphozy-

ten.

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B

⊙ B-4.13

⊙ B-4.13

Immunglobuline

variabel

konstant

Fab antigenbindendes Fragment Fc kristallisierbares Fragment VH variable Domäne der schweren Kette VL variable Domäne der leichten Kette CH/L konstante Domäne der schweren/ leichten Kette

leichte Kette schwere Kette

s s

C H1 VH

ss ss

COOH

s s

CH2 COOH

CL

NH2

129

4.3 Die erworbene Immunabwehr

CH3

VL

NH2

Fab Antigenbindung

Fc Effektorfunktion

a IgG

IgE λ oder κ

γ

ε

IgM

J-Kette

IgA

α

λ oder κ J-Kette

S-Stück

λ oder κ

μ

b a Struktur des Immunglobulinmoleküls. b Immunglobulinklassen. (Kayser, F.H. et al.: Medizinische Mikrobiologie. Thieme; 2010)

≡ B-4.1

Klassen der menschlichen Immunglobuline IgG

IgA

IgM

IgD

IgE

H-Kette

Gamma

Alpha



Delta

Epsilon

L-Kette

κ oder λ

κ oder λ

κ oder λ

κ oder λ

κ oder λ

Unterklassen

IgG1–IgG4

IgA1, IgA2

IgM1, IgM2





Molekulargewichte

150 monomer

180 monomer oder dimer

900 pentamer

150–380 monomer

195 monomer

spez. Antigenbindungsstellen

2

2 oder 4

10

2

2

Komplementaktivierung

++

+

+++





Plazentagängigkeit

++









Verteilung ■

Blut

+++

++

+++

±

±



Interstitium

+++

+

+

±

±



Sekrete

±

+++

++

±

±

21

100 I.E./l

eine Auffrischimpfung nach 10 Jahren ist ausreichend (STIKO 2018)

ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

277

C 2.6 Viroide und Prionen

Neben dem normalen Erwachsenenimpfstoff gibt es einen Kinderimpfstoff (für Kinder bis 10 Jahre) mit reduzierter Antigendosis und einen Spezialimpfstoff für Dialysepatienten mit erhöhtem Antigenanteil. Die aktive Schutzimpfung wird von der Ständigen Impfkommission des RobertKoch-Instituts für die in Tab. C-2.28 aufgeführten Personengruppen und als Regelimpfung im Kindes- und Jugendalter empfohlen.

≡ C-2.28

Impfindikationen (Aktivimpfung) Hepatitis B bei (bislang nicht gegen Hepatitis B geimpften) Erwachsenen (nach STIKO 2018)



Beschäftigte im Gesundheitswesen



Dialysepatienten, Patienten mit häufiger Übertragung von Blut oder mit chron. Leberkrankheit, HIV-Positive, vor ausgedehnten chirurgischen Eingriffen



Patienten in psychiatrischen Kliniken oder vergleichbaren Fürsorgeeinrichtungen



Kontakt zu HBsAg-positiven Menschen bzw. Neugeborene HBsAg-positiver Mütter und gefährdete Personen in Gemeinschaftseinrichtungen



Prostituierte, Homosexuelle, Drogenabhängige, Strafgefangene



Sexualkontakt zu HBsAg-Trägern



Reisende in HBV-Endemiegebiete mit engem Kontakt zur Bevölkerung



möglicher Kontakt zu infiziertem Blut oder infizierter Körperflüssigkeit (z. B. Müllentsorger, Polizisten)

Für die passive Immunisierung stehen spezielle HB-Immunglobulinpräparate (HBIg) zur Verfügung. Diese sollten als Simultanimpfung (zusammen mit der aktiven Immunisierung) bei folgenden Indikationen verabreicht werden: ■ ungeschützte Personen bei Verletzungen mit möglicherweise erregerhaltigen Gegenständen (z. B. Kanülen) ■ Neugeborene HBsAg-positiver Mütter (in der Regel simultan mit der aktiven Impfung). ▶ Exkurs. Selbstverständlich schützt ein Handschuh nicht vor Stichverletzungen. Deshalb: Niemals die Kunststoffkappe wieder auf die gebrauchte Kanüle stecken, dabei entstehen nachweislich die meisten Stichverletzungen mit kontaminierten Nadeln.

2.6

Viroide und Prionen

Die Hepatitis-B-Schutzimpfung wird für die in Tab. C-2.28 aufgeführten Personengruppen und als Regelimpfung im Kindes- und Jugendalter empfohlen.

≡ C-2.28

Die simultane Verabreichung von aktivem Impfstoff und HB-Immunglobulinpräparat zur passiven Immunisierung ist angezeigt bei: ■ Infektionsverdacht bei ungeschützten Personen ■ Neugeborenen HBsAg-positiver Mütter.

▶ Exkurs.

2.6

Viroide und Prionen

Neben den bisher besprochenen konventionellen Viren gibt es noch eine Reihe von Erregern, die nur teilweise oder gar nicht dem typischen Bauplan eines Virus entsprechen. Da sie jedoch ebenfalls übertragbar sind, ähnliche Strukturelemente wie ein Virus aufweisen und zum Teil schwerwiegende Krankheiten auslösen können, sollen sie im Rahmen dieses Buches kurz besprochen werden.

Viroide und Prionen sind Erreger, die nur teilweise oder gar nicht dem viralen Bauplan entsprechen. Sie sind übertragbar und lösen z. T. schwere Krankheiten aus.

2.6.1 Viroide

2.6.1

Viroide sind kovalent geschlossene zirkuläre RNA-Moleküle, die mit keinem Protein komplexiert sind. Ihre Vermehrung wird von zellulären Polymerasen im Zellkern durchgeführt. Sie stellen die kleinsten vermehrungsfähigen Nukleinsäuren dar, und man geht heute davon aus, dass sie sich aus zellulären RNA-Molekülen entwickelt haben, die sich ein „origin of replication“ (Startpunkt der Nukleinsäurereplikation) angeeignet haben.

Viroide sind zirkuläre RNA-Moleküle, die nicht mit Proteinen komplexiert sind. Sie stellen die kleinsten vermehrungsfähigen Nukleinsäuren dar.

▶ Merke. Obwohl im strengen Sinne das Hepatitis-D-Virus (S. 236) nicht die Definiti-

Viroide

▶ Merke.

on eines Viroids erfüllt, zeigt es eindeutige Ähnlichkeiten mit diesen kleinsten replikationsfähigen RNA-Molekülen. Die Replikation seiner RNA ist wie bei einem Viroid nicht von einem Helfervirus, sondern von zellulären Polymerasen abhängig. Um sich zu einem infektiösen Partikel zu entwickeln, benötigt HDV außerdem beim Knospen aus den infizierten Zellen das Hüllprotein des Hepatitis-B-Virus (HBs-Antigen). Nur in dieser Form kann HDV unter Nutzung des zellulären Rezeptors für HBV in neue Wirtszellen eindringen. HDV-Infektionen kommen daher nur in Kombination mit HBV vor. Daher kann HDV am besten als Satellitenvirus des HBV umschrieben werden. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

277

C 2.6 Viroide und Prionen

Neben dem normalen Erwachsenenimpfstoff gibt es einen Kinderimpfstoff (für Kinder bis 10 Jahre) mit reduzierter Antigendosis und einen Spezialimpfstoff für Dialysepatienten mit erhöhtem Antigenanteil. Die aktive Schutzimpfung wird von der Ständigen Impfkommission des RobertKoch-Instituts für die in Tab. C-2.28 aufgeführten Personengruppen und als Regelimpfung im Kindes- und Jugendalter empfohlen.

≡ C-2.28

Impfindikationen (Aktivimpfung) Hepatitis B bei (bislang nicht gegen Hepatitis B geimpften) Erwachsenen (nach STIKO 2018)



Beschäftigte im Gesundheitswesen



Dialysepatienten, Patienten mit häufiger Übertragung von Blut oder mit chron. Leberkrankheit, HIV-Positive, vor ausgedehnten chirurgischen Eingriffen



Patienten in psychiatrischen Kliniken oder vergleichbaren Fürsorgeeinrichtungen



Kontakt zu HBsAg-positiven Menschen bzw. Neugeborene HBsAg-positiver Mütter und gefährdete Personen in Gemeinschaftseinrichtungen



Prostituierte, Homosexuelle, Drogenabhängige, Strafgefangene



Sexualkontakt zu HBsAg-Trägern



Reisende in HBV-Endemiegebiete mit engem Kontakt zur Bevölkerung



möglicher Kontakt zu infiziertem Blut oder infizierter Körperflüssigkeit (z. B. Müllentsorger, Polizisten)

Für die passive Immunisierung stehen spezielle HB-Immunglobulinpräparate (HBIg) zur Verfügung. Diese sollten als Simultanimpfung (zusammen mit der aktiven Immunisierung) bei folgenden Indikationen verabreicht werden: ■ ungeschützte Personen bei Verletzungen mit möglicherweise erregerhaltigen Gegenständen (z. B. Kanülen) ■ Neugeborene HBsAg-positiver Mütter (in der Regel simultan mit der aktiven Impfung). ▶ Exkurs. Selbstverständlich schützt ein Handschuh nicht vor Stichverletzungen. Deshalb: Niemals die Kunststoffkappe wieder auf die gebrauchte Kanüle stecken, dabei entstehen nachweislich die meisten Stichverletzungen mit kontaminierten Nadeln.

2.6

Viroide und Prionen

Die Hepatitis-B-Schutzimpfung wird für die in Tab. C-2.28 aufgeführten Personengruppen und als Regelimpfung im Kindes- und Jugendalter empfohlen.

≡ C-2.28

Die simultane Verabreichung von aktivem Impfstoff und HB-Immunglobulinpräparat zur passiven Immunisierung ist angezeigt bei: ■ Infektionsverdacht bei ungeschützten Personen ■ Neugeborenen HBsAg-positiver Mütter.

▶ Exkurs.

2.6

Viroide und Prionen

Neben den bisher besprochenen konventionellen Viren gibt es noch eine Reihe von Erregern, die nur teilweise oder gar nicht dem typischen Bauplan eines Virus entsprechen. Da sie jedoch ebenfalls übertragbar sind, ähnliche Strukturelemente wie ein Virus aufweisen und zum Teil schwerwiegende Krankheiten auslösen können, sollen sie im Rahmen dieses Buches kurz besprochen werden.

Viroide und Prionen sind Erreger, die nur teilweise oder gar nicht dem viralen Bauplan entsprechen. Sie sind übertragbar und lösen z. T. schwere Krankheiten aus.

2.6.1 Viroide

2.6.1

Viroide sind kovalent geschlossene zirkuläre RNA-Moleküle, die mit keinem Protein komplexiert sind. Ihre Vermehrung wird von zellulären Polymerasen im Zellkern durchgeführt. Sie stellen die kleinsten vermehrungsfähigen Nukleinsäuren dar, und man geht heute davon aus, dass sie sich aus zellulären RNA-Molekülen entwickelt haben, die sich ein „origin of replication“ (Startpunkt der Nukleinsäurereplikation) angeeignet haben.

Viroide sind zirkuläre RNA-Moleküle, die nicht mit Proteinen komplexiert sind. Sie stellen die kleinsten vermehrungsfähigen Nukleinsäuren dar.

▶ Merke. Obwohl im strengen Sinne das Hepatitis-D-Virus (S. 236) nicht die Definiti-

Viroide

▶ Merke.

on eines Viroids erfüllt, zeigt es eindeutige Ähnlichkeiten mit diesen kleinsten replikationsfähigen RNA-Molekülen. Die Replikation seiner RNA ist wie bei einem Viroid nicht von einem Helfervirus, sondern von zellulären Polymerasen abhängig. Um sich zu einem infektiösen Partikel zu entwickeln, benötigt HDV außerdem beim Knospen aus den infizierten Zellen das Hüllprotein des Hepatitis-B-Virus (HBs-Antigen). Nur in dieser Form kann HDV unter Nutzung des zellulären Rezeptors für HBV in neue Wirtszellen eindringen. HDV-Infektionen kommen daher nur in Kombination mit HBV vor. Daher kann HDV am besten als Satellitenvirus des HBV umschrieben werden. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

278

C

2.6.2

2.6.2 Prionen

Prionen

Prionen sind das auslösende Agens von transmissiblen spongioformen Enzephalopathien (TSE). Sie rufen im infizierten Mensch keine Immunantwort hervor, sind klein (10–15 nm), unempfindlich gegenüber herkömmlichen Desinfektionsverfahren und extrem widerstandsfähig gegenüber Hitze, UV- und γ-Bestrahlung. Bis heute konnte ihnen weder eine Nukleinsäure noch ein ihnen originäres Protein zugeordnet werden. Nach der sog. Prionhypothese entstehen sie durch irreversible strukturelle Veränderung eines normalen zellulären Proteins (Prionprotein = PrPc). Dieses pathologisch veränderte Protein ist in der Lage, die Umlagerung von anderen „gesunden“ PrP-Molekülen in pathologisch verändertes PrPsc zu katalysieren. Dieser Prozess führt zu einer Degeneration von Nervenzellen, die im Gewebe durch schwammartige Veränderungen auffällig wird und in wenigen Monaten zum Tod des befallenen Organismus führt. Klinisch äußert sich diese Enzephalopathie in psychischen Auffälligkeiten, die in eine rasch progrediente Demenz übergehen, Ataxien und klonischen Muskelzuckungen.

2 Spezielle Virologie

Im Menschen und etwas häufiger im Tier sind übertragbare spongioforme Enzephalopathien (transmissible spongioform encephalopathy = TSE) beschrieben, deren Erreger bis heute kontrovers diskutiert werden. Sie weisen für übertragbare Agenzien folgende einzigartige Eigenschaften auf: ■ Sie sind sehr klein (10–15 nm). ■ Sie rufen im infizierten Wirt keine Immunantwort hervor. ■ Sie widerstehen allen herkömmlichen Desinfektionsverfahren. ■ Sie sind extrem widerstandfähig gegenüber Hitze, UV- und γ-Bestrahlung. ■ Bis heute konnte ihnen weder eine Nukleinsäure noch ein ihnen originäres Protein zugeordnet werden. Insbesondere der letzte Punkt hat dazu geführt, dass heute die Hypothese von den Prionen (proteinaceous infectious particles) als Verursacher von TSE verbreitet akzeptiert ist. Dennoch muss betont werden, dass hierüber kein generelles Einverständnis besteht und die Existenz einer dem infektiösen Agens zugehörigen Nukleinsäure immer noch sehr kontrovers diskutiert wird. Die Prionhypothese geht davon aus, dass die irreversible strukturelle Veränderung eines normalen zellulären Proteins (Prionprotein = PrPc) dieses Protein in die Lage versetzt, die Umlagerung von „gesundem“ PrP in pathologisch verändertes = PrPsc zu katalysieren. Da PrPsc resistent gegen Abbau durch Proteinasen ist und nicht mehr normal verstoffwechselt werden kann, wird es im Nervensystem in Form fibrillärer Ablagerungen sichtbar. In Konsequenz führt dieser Prozess zu einer Degeneration von Nervenzellen, die im Gewebe durch schwammartige Veränderungen auffällig wird und regelmäßig in wenigen Monaten zum Tod des befallenen Organismus führt. Klinisch äußert sich das Bild dieser Enzephalopathie in psychischen Auffälligkeiten, die in eine rasch progrediente Demenz übergehen, Ataxien und klinischen Muskelzuckungen.

TSE bei Schafen: TSE ist seit 200 Jahren bei Schafen als „Scrapie“ bekannt. Die Erkrankung kann auf andere Schafe, aber auch über die Speziesgrenze hinweg übertragen werden.

TSE bei Schafen: Bei Schafen ist die Klinik einer TSE schon seit 200 Jahren als „Scrapie“ beschrieben, da sich diese Tiere in der klinisch overten Phase sehr intensiv an den Pfosten ihrer Zäune rieben und abstützten, möglicherweise als Ausdruck ihrer Ataxien. Bei Inokulation von Nervenzellgewebe bzw. gereinigtem PrPsc aus Scrapieschafen kann die Erkrankung auf andere Schafe, aber auch über die Speziesgrenze hinweg auf Ziegen, Hamster und Mäuse übertragen werden. Außerdem wurde sie durch Verfütterung von kontaminiertem Fleisch auf Hauskatzen und verschiedene Zootiere (Großkatzen, Huftiere u. a.) übertragen.

TSE bei Rindern: Die insbesondere unter britischen Rindern aufgetretene „bovine spongioform encephalophathy“ (BSE) ist möglicherweise das Resultat einer ungenügenden Inaktivierung des Scrapie-Erregers in Schafkadavern, die in Britannien in großem Ausmaß zu Fleischmehl verarbeitet und zur Rindermast eingesetzt wurden. Der Erreger der BSE fiel vor allen Dingen durch seine Fähigkeit auf, die Speziesbarriere relativ leicht zu überwinden.

TSE bei Rindern: Die insbesondere unter britischen Rindern aufgetretene „bovine spongioform encephalopathy“ (BSE) ist das Resultat der ungenügenden Inaktivierung eines TSE-Erregers in Tierkadavern, die in Britannien in großem Ausmaß zu Fleischmehl verarbeitet und zur Rindermast eingesetzt wurden. Die befallenen Tiere zeigen das typische klinische Bild einer TSE mit Ataxien und verändertem Verhalten. Histopathologisch finden sich post mortem die typischen Ablagerungen des PrPsc. Mithilfe des Western Blots kann das pathologische Protein in Hirnmaterial gefunden werden. Der Höhepunkt der Epidemie lag 1992/93; durch das erlassene Verfütterungsverbot von Tiermehl sinken die Fallzahlen stetig ab. Der Erreger der BSE fiel vor allen Dingen durch seine Fähigkeit auf, die Speziesbarriere relativ leicht zu überwinden.

TSE beim Menschen: Bei einer menschlichen TSE, der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) ist aus dem Nervengewebe ein kontagiöses Agens zu isolieren, welches die typische Erkrankung auf andere Lebewesen übertragen kann. Es werden spontane und familiär bedingte CJK-Fälle unterschieden. Bei vererbbarer CJK finden sich im PrP-Gen Mutationen oder Deletionen.

TSE beim Menschen: Auch bei einer menschlichen TSE, der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK), ist aus dem Nervengewebe ein kontagiöses Agens zu isolieren, welches die typische Erkrankung auf andere Lebewesen übertragen kann. Dies funktioniert besonders gut, wenn der Empfänger eine transgene Maus ist, der das menschliche PrP-Gen implantiert wurde. Die CJK wurde erstmals 1920 von den Neurologen Creutzfeldt und Jakob beschrieben. Spätere epidemiologische Untersuchungen haben ergeben, dass es sich um eine seltene Erkrankung handelt (0,5–1 Fall pro 1 Mio. Einwohner). Es werden spontane und familiär bedingte Fälle unterschieden. Die Letzteren werden autosomal-dominant vererbt. Analysen des PrP-Gens haben in solchen Fällen stets Mutationen oder Insertionen gezeigt. Auch diese vererbten Erkrankungen führen zu einem PrP, welches kontagiös ist. Eine einfache Übertragung von Mensch zu Mensch scheint es bei der CJK nicht zu geben, doch haben iatrogene Inokulationen die prinzipielle Übertragbarkeit des Erregers unter Menschen ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

279

C 2.6 Viroide und Prionen

aufgezeigt. Sowohl bei Hornhaut- und Duratransplantationen als auch bei Nutzung kontaminierter Elektroden für sterotaktische Eingriffe wurde CJK schon übertragen. Eine weitere Form der menschlichen TSE wurde unter dem Begriff „Kuru“ bekannt. Hierbei handelt es sich um die orale Übertragung des Erregers durch Kannibalismus, wie er in Neuguinea üblich war. Ausgangspunkt war vermutlich ein sporadisch aufgetretener Fall von CJK. Da aus rituellen Gründen das Gehirn von Verstorbenen von den Frauen bestimmter Stämme Neuguineas verzehrt wurde, kam es zu eine Häufung von CJK-Fällen unter den weiblichen Mitgliedern der betroffenen Familien. Nachdem der Übertragungsweg identifiziert und der Kannibalismus unterbunden werden konnte, ist Kuru unter Kontrolle.

Eine weitere Form der menschlichen TSE ist „Kuru“, die durch rituellen Kannibalismus oral übertragen wird.

Diagnose einer TSE

Diagnose einer TSE

Bisher kann die Diagnose einer TSE intra vitam nur bei Auftreten der typischen klinischen Symptome gestellt werden. Stützenden Charakter hat beim Menschen der Nachweis von zwei Proteinen im Liquor cerebrospinalis, der neuronspezifischen Enolase und des p130. Nur beim Schaf konnte PrPsc bisher in den Tonsillen auch in der klinischen Latenzphase entdeckt werden. Post mortem ist der Nachweis des PrPsc mithilfe immunchemischer Methoden in Hirnmaterial möglich und gilt als pathognomonisch.

Die Diagnose TSE kann intra vitam nur bei Auftreten der typischen klinischen Symptome gestellt werden. Stützenden Charakter hat beim Menschen der Nachweis von zwei Proteinen im Liquor cerebrospinalis, der neuronspezifischen Enolase und des p130.

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Bakteriologie Herbert Hof, Dirk Schlüter

D

©f ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

D

1

Allgemeine Bakteriologie

1.1 1.2 1.3

Struktur und Funktion der Bakterienzelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Physiologie und Kultur der Bakterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Grundlagen der antibakteriellen Chemotherapie . . . . . . . . . . . . . . 301

© Thomas Stephan - Thieme Verlagsgruppe

Herbert Hof

1.1

Struktur und Funktion der Bakterienzelle

Bakterien haben einen zellulären Aufbau (Abb. D-1.1). Im Vergleich zu den Zellen höherer Lebewesen sind Bakterienzellen jedoch einfacher strukturiert.

Struktur und Funktion der Bakterienzelle Bakterien haben einen zellulären Aufbau (Abb. D-1.1).

1.1.1 Genetische Struktur und Organisation

1.1.1

Bei Bakterien ist die gesamte genetische Information auf einem einzigen, ringförmigen Chromosom (Nukleoid) in Form von doppelsträngiger DNA gespeichert. Davon gibt es nur wenige Ausnahmen: Helicobacter pylori, Borrelia burgdorferi und einige andere Bakterien haben ein lineares Chromosom. Neisserien und Burkholderia pseudomallei können einen doppelten Satz an Chromosomen mit jeweils unterschiedlichem Genbesatz haben, was ihr Repertoire vergrößert. Ringförmige Chromosomen benötigen keine Telomere zur Replikation. Im Vergleich zur menschlichen DNA gibt es einige Konstruktionsunterschiede. So ist z. B. das Dinukleotid C-G (Cytidin-Guanosin) in der bakteriellen DNA sehr viel häufiger vorhanden und die Methylierung von Cytosin im bakteriellen Genom fehlt völlig.

⊙ D-1.1

1.1

Genetische Struktur und Organisation Bakterien besitzen in der Regel nur ein einziges, ringförmiges Chromosom (Nukleoid). Die DNA enthält etwa 5 × 106 Basenpaare, dies entspricht ca. 5 000 Genen (Tab. D-1.1). Im Gegensatz zu den menschlichen Genen sind Bakteriengene in der Regel singulär, d. h. bei einem Ausfall kann der Mangel nicht kompensiert werden.

Aufbau einer Bakterienzelle (Grundbauplan)

Zellwand (dick bei grampositiven Bakterien)

Zellkernäquivalent (Nukleoid)

a Schematische Darstellung (nicht maßstabsgetreu). Komplexe Strukturen sind am Aufbau beteiligt. Nicht immer sind alle hier aufgeführten Merkmale bei einem Bakterium vorhanden.

Geißel

(nach Kayser, F.H. et al.: Medizinische Mikrobiologie. Thieme;

äußere Membran (bei gramnegativen Bakterien)

Kapsel

2014)

b Elektronenmikroskopische Aufnahme eines grampositiven Stäbchenbakteriums (Listeria monocytogenes), das sich gerade teilt.

Fimbrien, Pili Plasmid Speicherstoffe Zytoplasmamembran

70S -Ribosomen

Zellwand (dünn bei gramnegativen Bakterien)

a Zytoplasmamembran und Zellwand

Chromosom (Zellkernäquivalent) Zytoplasma

Teilungsebene

b ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

284

D

▶ Exkurs.

▶ Exkurs. Die Zellen des menschlichen Immunsystems können mit ihrem TOLL-like-Rezeptor (S. 94) (Abb. D-1.10) bakterielle DNA-Bruchstücke mit mehrfach hintereinander erscheinenden CpG-Motiven (sog. CpG-Oligonukleotide, p = poly) binden, was zu einer Stimulation der Zytokinproduktion und der Antikörperproduktion führt.

Die DNA-Kette ist mit nur ca. 1 mm und etwa 5 × 106 Basenpaaren relativ kurz, dies entspricht ca. 5 000 Genen. Im Vergleich dazu ist das menschliche Genom etwa 2 m lang und enthält ca. 3 × 109 Basenpaare mit etwa 25 000 Genen (Tab. D-1.1). Während in dem großen menschlichen Genom einige Gene mehrfach (redundant) vorkommen, sind die bakteriellen Gene – bis auf Ausnahmen – singulär, d. h. bei Ausfall eines Gens kann dieser Mangel nicht durch ein Allel kompensiert werden. Bis zu einem gewissen Grad können Punktmutationen durch ein Reparationssystem allerdings wieder ausgebessert werden. Auch von anderen Lebewesen unterscheiden sich die Bakterien in ihrem Genom ganz deutlich (s. Abb. A-2.1; Tab. D-1.1). Nur sehr wenige Bakteriengene (ca. 200) sind mit denen der menschlichen Zelle identisch. Der Genbestand der verschiedenen Bakterien untereinander ist jedoch recht ähnlich. Die wenigen Unterschiede jedoch können zu ihrer Klassifikation herangezogen werden. So lässt sich aufgrund genetischer Verwandtschaftsgrade ein phylogenetischer Stammbaum (Abb. D-1.2) erstellen.

Aufgrund genetischer Diversität können Bakterien sowohl von anderen Lebewesen als auch untereinander unterschieden und Verwandschaftsgrade erstellt werden (Abb. D-1.2).

≡ D-1.1

1 Allgemeine Bakteriologie

Einige Unterschiede zwischen der Organsiation des menschlichen (eukaryontischen) und des bakteriellen (prokaryontischen) Genoms Mensch

Anzahl an Basenpaaren

ca.

Bakterien

3 × 109

ca. 5 × 106

Anzahl an Genen

ca. 25 000

Telomere

ja

ca. 5 000 nein

Chromsomensatz

doppelt (diploid)

einfach (haploid)

Anzahl an Chromosomen

44 + 2

(meist nur) 1

Kopienzahl der Gene

doppelt

(meist nur) einfach

Struktur

linear

(meist) zirkulär

Introns

sehr viele

keine

Histone

ja

keine oft; sogar mehrere auch verschiedene

Plasmide

nein

Zellkernmembran

ja

nein

Aufbau der Ribosomen

80S-Ribosomen (60S- und 40S-Untereinheit)

70S-Ribosomen (50S- und 30S-Untereinheit)

Mitochondrien

viele

keine

zytoplasmatische Membran

Cholesterin

kein Cholesterin

starre Zellwand

nein

ja (Peptidoglykansacculus)

⊙ D-1.2 100

Genetischer Stammbaum Gruppe

A

B

Stamm 1 2 3

4

1 2

C 3

1

2

3

Aufgrund von DNA-Homologien können die Lebewesen jeweils verwandten Gruppen zugeordnet werden.

80 70

Art

E. cloacae

90 E. aerogenes

Verwandtschaftsgrad (in %)

⊙ D-1.2

60 50

Gattung

Enterobacter

Escherichia coli

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D

285

1.1 Struktur und Funktion der Bakterienzelle

Von großer praktischer Bedeutung für die Gruppierung sind die Sequenzunterschiede in den DNA-Abschnitten, die für die ribosomale 16S-RNA (Abb. D-1.4) codieren. Auf diesen Genabschnitten gibt es Bereiche, die hoch konserviert sind (Abb. A-3.20). Sie sind also bei großen Bakteriengruppen (z. B. verschiedene Gattungen) identisch. Zudem gibt es sog. hypervariable Bereiche, von denen jede Bakterienart für sie typische Basensequenzen aufweist, was für die diagnostische Abgrenzung der Arten untereinander von Bedeutung ist. Die bakterielle DNA liegt fast nackt, ohne Schutz von Histonen und ohne eine Kernmembran im Zytoplasma. Da also bei Bakterien nur ein Kernäquivalent und kein richtiger Zellkern existiert, bezeichnet man diese primitiven Lebewesen als Prokaryonten. Die DNA wäre in gestreckter Form erheblich zu lang für die kleine Bakterienzelle und muss somit kompakt verknäuelt werden. Diese energetisch ungünstige Maßnahme gelingt nur durch die enzymatische Aktivität der Gyrasen. ▶ Exkurs. Die bakteriellen Gyrasen unterscheiden sich so stark von der Topoisomerase II der eukaryontischen Zelle, die dort die gleiche Aufgabe hat, dass sie selektiv gehemmt werden können (Gyrasehemmer als Antiinfektiva).

Auch bei Bakterien codieren Nukleotid-Triplets für je eine Aminosäure. Eukaryonten und Prokaryonten verwenden vorwiegend dieselben Codons für die gleichen Aminosäuren, allerdings werden gelegentlich von den Bakterienzellen auch andere Codons als bei Eukaryonten bevorzugt. Der Vorgang der Ablesung ist anders als bei eukaryonten Zellen: Während menschliche Zellen sehr viele Introns besitzen, d. h. Genabschnitte, die zwar transkribiert aber nicht translatiert werden und somit eigentlich keine nutzbare genetische Information enthalten und nur die eigentlichen informationsenthaltenden Abschnitte (Exons) trennen, fehlen diese bei Bakterien. Ein Splicing der mRNA entfällt demnach. Im bakteriellen Genom kommen jedoch gelegentlich sog. Pseudogene vor, die funktionsuntüchtig geworden sind, z. B. durch weitgehende Deletion oder nur partielle Deletion (sog. truncation), durch Nonsense-Mutation oder durch eine Verschiebung des Leserasters (sog. frameshift mutation). Gerade bei Laktobazillen findet man solche Veränderungen sehr häufig. Ca. 75 % des Genoms sind aufgeteilt in Funktionseinheiten, d. h. Operons mit Promotorbereichen, Repressorsequenzen, Operatorabschnitten und Strukturgenen. Hierbei kann ein Promotor auch gleichzeitig für mehrere Gene verantwortlich sein, sodass eine polycistronische Ablesung erfolgt. Die Promotoraktivität wird gesteuert durch Einflüsse von Repressor- bzw. Operatoraktivitäten, die wiederum von außen (Temperatur, pH, Ionenstärke, Substratkonzentrationen) in Gang gesetzt werden. Genprodukte, z. B. Enzyme, können also durch Induktion oder Repression entstehen. Die entstandenen Proteine müssen z. T. später noch in die eigentlich aktiven Produkte zerlegt werden. Die Gene, die für ribosomale RNA codieren, liegen in mehrfacher Kopie vor, weil diese Information oft und rasch abgerufen wird. Die meisten Gene sind jedoch nur in einer Kopie vorhanden. Eine Mutation führt damit zu einem durchschlagenden Effekt, da eine Kompensation durch ein Allel von einem diploiden Chromosomensatz nicht möglich ist. Wenn auf einem Strang der DNA-Doppelhelix eine Veränderung des Leserasters auftritt, wird diese Störung sehr genau registriert, z. B. bei einer durch Strahlung oder chemische Mutagene ausgelösten Adduktbildung zwischen zwei benachbarten Nukleotiden. Das SOS-Repair-System wird aktiviert und schneidet den Defekt weit im Gesunden heraus. An dem erhaltenen komplementären Strang wird eine komplette Restauration erreicht und die Lücke wieder geschlossen. Die Mutation kann also wieder repariert werden. Allerdings schleichen sich bei diesem rasanten Prozess („error-prone repair mechanism“) gelegentlich Flüchtigkeitsfehler ein, die zu „Webfehlern“ (S. 309) in der betroffenen DNA-Sequenz führen, sodass Mutationen zurückbleiben können. Zusätzlich zu den originären Genen können fremde Gensequenzen oder sogar ganze Gene und Gen-Cluster in das Chromosom inkorporiert werden: ■ Insertionssequenzen (IS): In einzelnen Stämmen findet man – oft mehrfach – kurze DNA-Sequenzen (1–2 Kilobasen), die einzig nur die notwenigen Informationen codieren, welche für die Interdisposition und ihre eigene Vermehrung nötig sind. Im Gegensatz zu Transopsons vermitteln sie also keine zusätzlichen Eigenschaften. Sie können sich zwischen bakterielle Gene integrieren, was keine phänotypische Auswirkung hat, oder sich in ein bakterielles Gen hineinzwängen, wodurch die

Auf den DNA-Abschnitten, die für die 16SRNA codieren, gibt es hoch konservierte Sequenzen, die bei den meisten Bakteriengruppen identisch sind (s. Abb. A-3.20).

Das bakterielle Chromosom ist nicht geschützt durch Histone oder durch eine Kernmembran, daher bezeichnet man Bakterien als Prokaryonten.

▶ Exkurs.

Bakterien nutzen z. T. andere Codons als Eukaryonten.

Auf der Bakterien-DNA gibt es keine Introns, sondern nur Exons. Der überwiegende Teil des Genoms ist in Funktionseinheiten, sog. Operons, gegliedert. Sie enthalten Regulatorund Strukturgene.

Außer für ribosomale RNA liegt jede genetische Information nur ein einziges Mal vor. Eine Mutation in einem Gen hat also immer eine phänotypische Konsequenz, da dieser Defekt nicht vom Allel kompensiert werden kann.

Zusätzlich können fremde Gensequenzen oder sogar ganze Gene und Gen-Cluster inkorporiert werden: ■ Insertionssequenzen (IS): kurze DNA-Sequenzen, die eine Interposition in die bakterielle DNA erwirken.

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286

D



Transposons: springende Gene, die sich ins Chromosom integrieren und durch Konjugation von einer Bakterienzelle auf eine andere übertragen werden. Sie tragen oft Resistenzmerkmale.





Integrons: mittelgroße DNA-Sequenzen, die mehrere Gene (sog. Genkassetten) und zusätzlich noch einen Promotor für diese Gene und eine Integrase enthalten.





Bakteriophagen, die Viren der Bakterien, können ihre DNA in das Bakteriengenom integrieren (Abb. D-1.3). Sie tragen oft Informationen für Toxine. Heute lassen sich gezielt DNA-Sequenzen mithilfe von Phagen auf ein Rezeptorbakterium übertragen.





Bei der Transformation wird Fremd-DNA durch physikalische oder chemische Prozesse in das Bakterium eingebracht.



⊙ D-1.3

1 Allgemeine Bakteriologie

Expression dieses Gens gestört werden kann. Die Anzahl solcher IS-Elemente ist recht unterschiedlich; bei Laktobazillen sind sie häufig (> 200 pro Genom). Ein Transposon, ein sog. springendes Gen, besitzt flankierende Nukleotidsequenzen, die sog. Insertionssequenzen (IS), welche für die Integration ins Genom sorgen. Nach Annäherung zweier Bakterien und Zell-zu-Zell-Kontakt (Konjugation) wird das Transposon von einer Donorzelle auf eine Rezeptorzelle übertragen. Auf solchen Genabschnitten können fremde Gene, z. B. Antibiotikaresistenzen, codiert sein. Wenn sich ein Transposon in ein chromosomales Gen inseriert, führt das zu einer Mutation. Einzelne Stämme innerhalb einer Bakterienart können sich also durch solche zusätzlichen genetischen Informationen durchaus unterscheiden. Integrons sind mittelgroße DNA-Sequenzen. Sie enthalten eine ganze Batterie von Genen (eine sog. Genkassette). Die Gene, die von einem eigenen Promotor gesteuert werden, sind ganz unterschiedlicher Art und können z. B. für Resistenzen gegen verschiedene Antibiotika oder für veränderte Proteine codieren. Außerdem enthalten sie noch die genetische Information für eine spezielle Integrase, welche die Insertion in ein Chromosom, aber auch in ein Plasmid bewerkstelligen kann. Integrons kommen also zeitenweise episomal vor, d. h. im Zytoplasma der Bakterienzelle gelegen, und zeitweise sind sie ins Genom integriert. Bakteriophagen sind Viren, die sich speziell an eine Bakterienart oder sogar an eine bestimmte Gruppe innerhalb einer Art adaptiert haben. Nach Anheftung an die Bakterienzelle und deren Penetration wird die Phagen-DNA in die Zelle eingeschleust und kann sich sogar in das Bakteriengenom integrieren (Transduktion). Das weitere Geschehen ist abhängig von der Art des Phagen (Abb. D-1.3). Neben den eigentlichen viralen Gensequenzen können auch zusätzliche Gene auf dem oft chromosomal oder extrachromosomal (episomal) gelegenen Bakteriophagengenom lokalisiert sein. Häufig tragen sie Informationen für Toxine, z. B. das Diphtherietoxin von Corynebacterium diphtheriae (S. 351), das Scharlachtoxin von Streptococcus pyogenes (S. 338), das Botulinumtoxin von Clostridium botulinum (S. 367) und das Pantoin-Valentin-Toxin von Staphylococcus aureus (S. 329), wodurch die Pathogenität des Trägerstamms beeinflusst werden kann. Durch genetische Manipulation (Gentechnik) können heute gezielt neue Gensequenzen, die z. B. auch aus dem menschlichen Genom stammen können, in die Bakteriophagen-DNA integriert und diese Informationen dann auf Bakterien transferiert werden. Die Transformation stellt ein künstliches Verfahren zum Einbringen fremder DNA in eine Bakterienzelle dar. Dabei wird gereinigte „nackte“ DNA mithilfe von physikalischen oder chemischen Prozessen durch die Zellwand in die Bakterienzelle übertragen.

⊙ D-1.3

Transduktion von Genabschnitten durch Bakteriophagen

Die Bakteriophagen (Viren) binden mittels Liganden an hoch spezifische Rezeptoren auf der Oberfläche von Bakterien. Danach kommt es zur Injektion der viralen DNA in die Bakterienzelle. Dies hat entweder eine massive Vermehrung der Viren mit Zerstörung der Wirtszelle zur Folge (lytischer Phage) oder die virale DNA integriert sich in das bakterielle Chromosom und verbleibt in Ruhe (temperenter Phage, Prophage), bis durch besondere Reize (z. B. pH, Temperatur) eine Replikation der Viren induziert wird. Auf diese Art erwirbt ein Bakterium zusätzliche genetische Information. (nach Kayser, F.H. et al.: Medizinische Mikrobiologie. Thieme; 2010) ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

D

287

1.1 Struktur und Funktion der Bakterienzelle

Plasmide (extrachromosomale Gene)

Plasmide (extrachromosomale Gene)

Die Mehrzahl der Bakterien enthält zusätzlich zur chromosomalen DNA auch noch ringförmige, extrachromosomale Erbmaterialien (Plasmide). Manchmal kommen mehrere Kopien eines Plasmids vor, aber es können auch Plasmide unterschiedlicher Größe und Art nebeneinander auftreten. Die Expression der genetischen Information auf der Plasmid-DNA unterliegt nur bedingt der Regulation durch chromosomale Steuerung. Durch Konjugation (S. 286) kann Plasmid-DNA entweder nur innerhalb einer Bakterienart oder sogar über Speziesgrenzen hinaus übertragen werden. Wenn Plasmide die genetische Information für Virulenzfaktoren (Toxine, Fimbrien) oder für Antibiotikaresistenzen enthalten, können sich solche Eigenschaften auf diese Weise ausbreiten.

Plasmide sind ringförmige, extrachromosomale DNA-Ketten, deren genetische Information weitgehend unabhängig vom Chromosom exprimiert wird. Durch Konjugation (S. 286) können sie auf andere Bakterien übertragen werden. Sie tragen oft Gene für Virulenz oder Antibiotikaresistenzen.

▶ Exkurs. Besitzt zu Beginn einer Antibiotikumtherapie eine Bakterienart eine plasmidcodierte Resistenz gegen dieses Antibiotikum, können im Therapieverlauf auch andere Bakterienarten im selben Wirt durch Konjugation resistent werden. Da alle Keime, die ein solches Plasmid tragen, einen Selektionsvorteil haben, kann es auch bei häufiger Verwendung eines bestimmtes Antibiotikums – z. B. in einer Klinik – zu einer schnellen Ausbreitung eines resistenz-vermittelnden Plasmids kommen. Hospitalkeime besitzen oft solche plasmidcodierten Eigenschaften. Auch dort, wo ein Antibiotikum häufig in falscher Indikation bzw. in falscher Dosierung eingesetzt wird, treten resistente Stämme gehäuft auf.

▶ Exkurs.

Genetische Diversität

Genetische Diversität

Definitionsgemäß haben alle Bakterien einer Art in etwa die gleiche Erbausstattung. Einzelne Stämme innerhalb einer Art sind untereinander jedoch nicht absolut identisch, denn durch zusätzliche intrachromosomale Variation (z. B. durch Pseudogene, durch IS-Elemente und Transposons), durch Integrons und Bakteriophagen (intraund/oder extrachromosomal gelegen) sowie durch extrachromosomale Plasmide können einzelne Stämme besondere Eingenschaften erworben haben und sich anders verhalten. Vor allem bei der Adaptation an bestimmte Nischen mit speziellen Bedingungen können solche genetischen Veränderungen hilfreich sein.

Genetische Diversität entsteht durch zusätzliche genetische Elemente. Stämme aus einer Bakterienart sind genetisch nicht absolut identisch!

▶ Exkurs. ■







▶ Exkurs.

Laktobazillusstämme, die den Menschen kolonisieren, die als Probiotika geeignet sind und die in der Milchindustrie zur Herstellung von Käse verwendet werden, unterscheiden sich jeweils genetisch in praktisch wichtigen Details. Der Mensch ist in seinem Darm nicht nur mit einem einzigen Stamm von Escherichia coli besiedelt. Vielmehr beherbergt er verschiedene, meist apathogene Stämme; einige unter diesen können allerdings Harnwegsinfektionen auslösen (uropathogene Stämme). Die enteropathogenen E.-coli-Stämme können Diarrhö erzeugen. Serumresistenten Stämme wiederum sind in besonderem Maß befähigt, den unspezifischen Abwehrmechanismen des Blutes zu trotzen, sodass man solche Stämme vor allem bei Sepsis findet. Unter den Isolaten von Staphyloccoccus aureus gibt es welche mit nur mäßiger und andere mit sehr hoher Pathogenität. Manche Stämme von Streptococcus pyogenes enthalten viele Virulenzgene und sind folglich sehr aggressiv, während andere nur schwach pathogen sind.

1.1.2 Zytoplasma – Proteinsyntheseapparat Das Zytoplasma einer Bakterienzelle enthält eine große Anzahl in Wasser gelöster nieder- und hochmolekularer Stoffe, RNA und etwa 20 000 Ribosomen, die für die Eiweiß- und Enzymproduktion verantwortlich sind. Die Ribosomen von eu- bzw. prokaryotischen Zellen unterscheiden sich deutlich in ihrem Proteinaufbau. Im Vergleich zu den 80S (Svedberg-Einheiten) großen Ribosomen der menschlichen Zellen, sind die bakteriellen Ribosomen kleiner, nämlich nur 70S. Auch die beiden Untereinheiten (30S und 50S) besitzen eine andere ribosomale RNA-Struktur und einen anderen Proteinaufbau (Abb. D-1.4). Ein weiterer wichtiger Unterschied zu den eukaryontischen Zellen besteht u. a. darin, dass bei Bakterien die Proteinsynthese durch die Ribosomen immer mit einem f-Methionin (fMet) startet. Wie in eukaryontischen Zellen wird an den Ribosomen die genetische Information der m-RNA abgelesen und in Aminosäuresequenzen umgeschrieben. Die m-RNA von Eukaryonten ist monocistronisch strukturiert, d. h. auf einem m-RNA-Strang ist nur ein Gen codiert. In prokaryontischen Zellen findet man dagegen meist polycistronische m-RNA, wobei aber jedes Gen ein eigenes Startcodon besitzt.

1.1.2

Zytoplasma – Proteinsyntheseapparat

Bakterien haben 70S große Ribosomen, die aus einer 30S- und einer 50S-Untereinheit bestehen (Abb. D-1.4). Im Gegensatz zu eukaryontischen Zellen startet in Bakterienzellen die ribosomale Proteinsynthese immer mit einem f-Methionin (fMet).

Bakterien besitzen polycistronische m-RNA, d. h. eine m-RNA kann mehrere Polypeptidketten codieren.

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288

D

⊙ D-1.4

1 Allgemeine Bakteriologie

Aufbau der 70S-Ribosomen der Prokaryonten im Vergleich zu den 80S-Ribosomen der Eukaryonten

70S

80S

M=2.800.000

M=4.500.000

Makrolide 50S

Aminoglykoside

M=1.800.000 ~34 Proteine

30S

40S

60S

M=1.000.000 ~21 Proteine

M=1.500.000 ~33 Proteine

M=3.000.000 ~45 Proteine

5S RNA

23S RNA

16S RNA

18S RNA

5,8S RNA

28S RNA

5S RNA

120 Nukleotide

3.000 Nukleotide

1.500 Nukleotide

2.000 Nukleotide

160 Nukleotide

5.000 Nukleotide

120 Nukleotide

Prokaryontenribosom

Eukaryontenribosom

Gewisse Unterschiede in der Struktur der Ribosomen der pro- bzw. eukaryontischen Zellen sind der Grund für die selektive Wirkung mancher Antibiotika auf Bakterien, wenn diese präferenziell ein Target an den 70S-Ribosomen, nicht aber an den 80S-Ribosomen finden.

▶ Exkurs.

▶ Exkurs. Auf dem unterschiedlichen Aufbau eu- bzw. prokaryontischer Ribosomen basiert die selektive Wirkung einiger Antibiotika, z. B. Makrolide, Clindamycin, Tetrazykline oder Aminoglykoside, s. Kap. „Wirkmechanismus“ (S. 308), welche die Funktion bestimmter ribosomaler Proteine der Bakterienzelle hemmen, ohne jedoch die Proteinsynthese des Wirtes zu stören (Abb. D-1.4, Tab. D-1.2).

▶ Exkurs.

▶ Exkurs. Prokaryontische Zellen haben eine eigene Art der Glykosylierung und Faltung von Proteinen, die sich von der eukaryontischer Zellen (animalische und Pilzzellen) deutlich unterscheidet. Daher haben z. B. plasmidcodierte Fremdproteine, die in Bakterien synthetisiert werden, eine andere Tertiärstruktur und damit evtl. auch andere Antigeneigenschaften als die in Eukaryonten synthetisierten. Das Oberflächenprotein des Hepatitis-B-Virus (HBsAg), das in Bakterien rekombinant hergestellt wird, erreicht im Menschen nicht die gewünschte Immunogenität. Daher muss der Impfstoff in Sprosspilzzellen produziert werden.

≡ D-1.2

≡ D-1.2

An ribosomalen Untereinheiten ansetzende Antibiotika

Insertionsstelle

Antibiotikum

50S-Untereinheit



Makrolide



Clindamycin



Streptogramine



Tetrazykline

30S-Untereinheit



1.1.3

Zytoplasmatische Membran – Energieproduktionsapparat

Die Bakterien-Zytoplasmamembran ist eine Phospholipiddoppelschicht. ▶ Merke.

Bemerkungen durch gleiche Insertionsstellen keine additive bzw. synergistische Wirkung durch unterschiedliche Insertionsstellen synergistischer Effekt mit den anderen Antiotika dieser Gruppe

durch Ansetzen an der 30S-Untereinheit keine Aminoglykoside Konkurrenz zu anderen Antibiotika der Gruppe, untereinander allerdings antagonistische Wirkung

1.1.3 Zytoplasmatische Membran – Energieproduktionsapparat Entsprechend einer biologischen Elementarmembran ist die Struktur der Zytoplasmamembran von Bakterien eine Phospholipiddoppelschicht. ▶ Merke. Im Unterschied zur menschlichen Zelle enthält die Zytoplasmamembran

von Bakterien kein Cholesterin, sondern andere, verwandte Lipide (Tab. D-1.3).

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D

≡ D-1.3

289

1.1 Struktur und Funktion der Bakterienzelle

Ungefähre Lipidzusammensetzung verschiedener Zellmembranen (in %) Leberzelle

Erythrozyt

Mitochondrien

Sprosspilze

E. coli

Cholesterin

17

23

3

0

0

Ergosterin







70



Phosphatidylethanolamin

7

18

35



70

Phosphatidylcholin

24

17

39





Sphingomyelin

19

18







andere

33

24

23

30

30

Manche bakteriellen Toxine, z. B. Hämolysine, haben als Target Cholesterin und können somit die Membran eukaryontischer Zellen angreifen, während der bakterielle Produzent selbst nicht attackiert werden kann. Einige Fettsäuren bei Bakterien sind bezüglich Länge, Verzweigung und Doppelbindungen recht eigentümlich, sodass man ihr Vorkommen zur Charakterisierung einzelner Arten heranziehen kann. Die zytoplasmatische Membran ist entscheidend für den Erhalt der Zelle, da sie die Grenze nach außen darstellt (Barrierefunktion) und durch selektive Permeabilität die Stabilität des internen Milieus gewährleistet. Membranassoziierte Proteine gewähren und kontrollieren den Durchlass von Stoffen: Permeasen transportieren Nährstoffe selektiv von außen nach innen, Transferproteine ermöglichen die Sekretion von Proteinen aus der Zelle. Neben der Barrierefunktion erfüllt diese Membran bei Bakterien auch die Funktion der Energieproduktion, da sie Enzyme der Atmungskette enthält, welche ATP freisetzen. Die aerobe Respiration entspricht im Prinzip der Zellatmung von Eukaryonten, bei Anaerobiern findet man ein anderes Enzymsystem als bei Aerobiern; s. Kap. „Physiologie und Kultur der Bakterien“ (S. 298). ▶ Merke. Bakterienzellen besitzen keine Mitochondrien.

Die Mitochondrien der menschlichen Zellen haben einen ähnlichen Aufbau wie Bakterien mit einem autochthonen, ringförmigen DNA-Faden, mit 70S-Ribosomen und eben einer zytoplasmatischen Membran als Träger der Atmungskettenenzyme. Mitochondrien sind also wahrscheinlich atavistische Bakterien, die in Symbiose mit der Wirtszelle leben. Mit der Zytoplasmamembran assoziiert sind auch andere Enzymsysteme, z. B. für die Synthese der Zellwand. Transpeptidasen nehmen hier die Vorstufen auf und schleppen sie während Wachstum und Vermehrung an den Ort der Neusynthese der Zellwand. Die Aktivität der Zellwandsynthese ist nicht gleichmäßig über die gesamte Membran verteilt, sondern fleckförmig dort am größten, wo die Trennung der beiden Bakterienzellen bei der binären Spaltung erfolgt, nämlich am Septum. ▶ Exkurs. Diese Transpeptidasen sind das Ziel für die Betalaktamantibiotika. Durch die Bindung an das Antibiotikum werden sie in ihrer Funktion gehemmt, was zur Störung des Zellwandaufbaus führt. Die Wand wird schwach, durchlässig und labil.

Die Zellmembran dient als selektive Permeabilitätsbarriere.

Sie ist außerdem verantwortlich für die Produktion von Energie mittels Enzymen der Atmungskette.

▶ Merke.

Da Mitochondrien einen bakterienähnlichen Aufbau haben, sind sie wahrscheinlich atavistische Bakterien, die in Symbiose mit der Wirtszelle leben. Enzymsysteme für die Synthese der Zellwand (Transpeptidasen) sind mit der Zytoplasmamembran assoziiert.

▶ Exkurs.

Die Transpeptidasen werden deswegen auch Penicillinbindeproteine (PBPs) genannt. Jedes Bakterium hat mehrere verschiedene solcher PBPs, z. B. Neisserien 3, Kolibakterien 6, grampositive Bakterien zwischen 5 und 8. Von jedem PBP sind pro Bakterienzelle viele Moleküle präsent, mehrere Dutzend bis mehrere Tausend Kopien. Die Blockade einzelner PBPs führt zu jeweils unterschiedlichen Konsequenzen, da jedes eine etwas andere Funktion hat und nicht alle PBPs gleichermaßen essenziell sind. Wenn z. B. PBP 2 von Kolibakterien behindert wird, dann runden sich die Stäbchenbakterien ab und sehen aus wie Kokken, bei einer Hemmung von PBP 3 unterbleibt die Bildung von Septen, die Einzelzellen trennen sich nicht mehr und es entstehen filamentöse, mehrzellige Verbände.

Die Transpeptidasen werden auch als Penicillinbindeproteine (PBPs) bezeichnet.

1.1.4 Zellwand

1.1.4

Die meisten Bakterien schützen ihre Zelle durch eine strapazierfähige Zellwand (Abb. D-1.5), die nur getrennt durch einen mehr (gramnegativ) oder weniger (grampositiv) deutlichen periplasmatischen Spalt der Zytoplasmamembran aufliegt. Das Grundgerüst besteht aus Peptidoglykan (Murein), das netzartig wie ein Korsett die Zel-

Die meisten Bakterien besitzen eine Zellwand (Abb. D-1.5) aus einem Baustein, der sonst in der Natur nicht vorkommt, nämlich Peptidoglykan (Murein) (Abb. D-1.6).

Zellwand

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290 ⊙ D-1.5

D

1 Allgemeine Bakteriologie

Bakterienzellwand

Teilungsebene

Auf dem elektronenmikroskopischen Bild ist nach Gefrierbruch die Wand teilweise abgebrochen, sodass die darunter liegende zytoplasmatische Membran frei wird.

Zellwand

zytoplasmatische Membran (darunter das Zytoplasma)

⊙ D-1.6

⊙ D-1.6

Chemische Struktur des Peptidoglykans der Zellwand von Bakterien Das Peptidoglykan, das die Bakterienzelle wie ein Sack (Sacculus) umgibt, setzt sich aus zahlreichen, identischen Untereinheiten zusammen. Zunächst bilden sich lange Polysaccharidfäden aus repetitiven Teilstücken, und zwar N-Acetylmuraminsäure und N-Acetylglucosamin. Diese Stränge werden durch Quervernetzung der kurzen Peptidseitenketten an der N-Acetylmuraminsäure zu einem einzigen, netzförmigen Riesenmolekül verwoben.

le umgibt (Sacculus) und sie stabilisiert (Abb. D-1.6). Die langen Polysaccharidketten (Glykane) werden durch Quervernetzung mittels kurzer Aminosäurestücke verfestigt. Einige dieser Aminosäuren, z. B. die meso-Diaminopimelinsäure, sind ganz charakteristisch und kommen bei Eukaryonten nicht vor. Diese Textur verleiht der Wand eine äußerst hohe Zerreißfestigkeit. In einer Bakterienzelle besteht ein Überdruck von bis zu 2 atü (wie in einem Autoreifen)! Daher lysiert die Zelle, wenn die Zellwand, z. B. durch Antibiotika, geschädigt wird. Wegen der starren Zellwand erübrigt sich auch ein inneres Zytoskelett, wie dies menschliche Zellen in Form von Aktinfilamenten besitzen. ▶ Merke.

▶ Merke. Bei grampositiven Bakterien liegen viele Mureinschichten übereinander,

gramnegative Bakterien dagegen haben nur wenige Lagen (Abb. D-1.7). Bei grampositiven Bakterien besteht das Mureinnetz aus bis zu 40 Schichten, bei gramnegativen Bakterien ist es wesentlich dünner (Abb. D-1.7).

Peptidoglykan ist eines der bakteriellen PAMPs und trägt zur Fieberreaktion bei. Das Peptidoglykan wird bei grampositiven Bakterien durch Teichonsäuren und Lipoteichonsäuren verstärkt (Abb. D-1.8).

Je nach Dicke der Zellwand, also nach der Anzahl der Peptidoglykanschichten, lassen sich Bakterien mit der Gram-Färbung (S. 39) in zwei Gruppen trennen: ■ Bei grampositiven Bakterien kann das Peptidoglykannetz bis zu 40 Schichten dick sein (≙ 15–80 nm) und 30–70 % des Trockengewichts des Bakteriums ausmachen (Abb. D-1.7). Man nennt Bakterien in dieser Gruppe auch Firmicutes ■ Dagegen ist das Peptidoglykan bei gramnegativen Bakterien nur 10–20 nm dick, was einen Anteil an der Trockenmasse von ca. 10 % entspricht (Abb. D-1.7). Das Peptidoglykan ist eines der bakteriellen PAMPs (S. 91) und trägt zur Fieberentstehung bei Infektionen bei. Ein weiterer wichtiger Baustein der Zellwand von grampositiven Bakterien sind Teichonsäuren, die 20–30 % ausmachen. Dabei sind Glycerolstrukturen (3 C-Atome) bzw. Ribitol (5 C-Atome) über Phosphatbrücken zu langen Ketten verbunden, die kovalent mit dem Peptidoglykangerüst verknüpft sind. Manche grampositive Bakterien verwenden auch Teichuronsäuremoleküle. Durch Veresterung mit Lipiden entstehen Lipoteichonsäuren, die ebenfalls die Zellwand durchspannen. Ihr Lipidanteil verankert das lange Molekül in der Lipidschicht der Zytoplasmamembran (Abb. D-1.8). ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

D

⊙ D-1.7

Struktur und Funktion der Bakterienzellwand

⊙ D-1.8

Aufbau der Bakterienzellwand

⊙ D-1.7

grampositiv zellwandassoziierte Proteine

Membran: Lipoteichonsäure

291

1.1 Struktur und Funktion der Bakterienzelle

Zellwand: Teichonsäure

gramnegativ zellwandspezifisches Polysaccharid

K-Antigen

O-Kette

Core

Lipid A

Lipopolysaccharid (LPS) äußere Membran periplasmatischer Raum

OmpA

Porine (z.B. OmpF) Lipoprotein

Peptidoglykan

Zytoplasmamembran a

b

a Charakteristisch für grampositive Bakterien sind die dicke Peptidoglykanschicht, die mit dem Peptidoglykangerüst verknüpften Teichonsäuren und die mit ihrem Lipidanteil in der Zellmembran verankerten Lipoteichonsäuren. Die über das Peptidoglykan hinausragenden Proteine dienen der Interaktion mit der Umgebung und als Virulenzfaktoren. Polysaccharidketten können sich zu einer Kapsel verdichten. b Kennzeichnend für gramnegative Bakterien sind die dünne Peptidoglykanschicht sowie die über Proteine damit verbundene äußere Membran. An deren Oberfläche befinden sich Lipopolysaccharide (LPS), die beim Zerfall des Bakteriums als Endotoxine (Pyrogene) wirken. Das äußere Ende des LPS ist das O-Antigen, das für die Typisierung von Bakterien herangezogen wird und für die Virulenz der Zellen ausschlaggebend ist. (nach Kayser, F.H. et al.: Medizinische Mikrobiologie. Thieme; 2014)

Diese Strukturen sind bei der Interaktion der Bakterienzelle mit den Wirtszellen, z. B. bei der Adhäsion der Bakterien an Epithelzellen, beteiligt. ▶ Exkurs. Die Teichonsäuren und Lipoteichonsäuren interagieren als PAMPs mit bestimmten Rezeptoren auf Entzündungszellen, z. B. Makrophagen und Granulozyten, was über eine Kaskade von intrazellulären Signalen zu einer Ausschüttung von Zytokinen führt, und rufen beim Menschen eine fieberhafte Reaktion hervor; sie stellen also exogene Pyrogene dar. Diese Bestandteile lösen sich bereits beim lebenden Erreger in gewissem Umfange aus dem Verband der Zellwand und gelangen in den Kreislauf, was eine systemische entzündliche Reaktion auslöst.

Assoziiert mit der Zellwand können oberflächlich Proteine liegen, z. B. das M-Protein bei Streptococcus pyogenes, das Protein A bei Staphylococcus aureus oder das Protein p60 bei Listeria monocytogenes. Solche Proteine an der Oberfläche können zur Kontaktaufnahme mit der Umgebung dienen, wie z. B. das p60, oder diese auch verhindern, wie z. B. das M-Protein, das die Phagozytose durch Leukozyten hemmt. Das Pro-

▶ Exkurs.

Zusätzlich enthält die Zellwand noch Proteine, die für die Interaktion mit der Umgebung (z. B. Adhäsion) und als Virulenzfaktoren fungieren.

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292

D

Die Zellwand ermöglicht den Stoffaustausch: ■

von innen nach außen (z. B. Toxine, Enzyme),

▶ Exkurs.



tein A bindet Antikörper am Fc-Stück, verhindert somit die Reaktion mit dem FabStück und stört folglich die Opsonisation, da die Antikörper tragenden Bakterien nicht mehr von den Fc-Rezeptoren der Phagozyten gebunden werden können. Trotz der vielen Schichten ist diese schwammige, poröse Wand für Makromoleküle recht gut zu penetrieren: ■ Im Inneren der Zelle gebildete Stoffe (z. B. Toxine, Enzyme) werden in großer Menge durchgeschleust. Grampositive Bakterien zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine Vielzahl solcher Exotoxine bilden, die in großer Quantität im Überstand erscheinen. Auch die Menge an extrazellulären Betalaktamasen (Enzyme, die Betalaktamantibiotika abbauen) ist beträchtlich. ▶ Exkurs. Immer nur Kochwäsche? Das grampositive Bakterium Bacillus subtilis produziert riesige Mengen von Peptidasen, die in den Überstand sezerniert werden. Solche Enzyme sorgen als Zusätze in den „bioaktiven“ Waschmitteln dafür, dass auch Eiweißreste in kleine, wasserlösliche Stücke gespalten werden. Bei 30 °C und bei 60 °C sind solche Enzyme aktiv: Wenn man diese Waschmittel auf 90 °C erhitzt, werden auch diese bakteriellen Proteine denaturiert und dann ist nur noch der Seifen- und Detergenzienanteil wirksam, der eben nur Fettreste löst. Bleiben solche bakteriellen Proteine in der Wäsche zurück, können sie prinzipiell allergische Reaktionen auslösen.

von außen nach innen (z. B. Nährstoffe, Penicillin G, Farbstoffe).

Da Bakterien kein inneres Skelett haben, brauchen sie ein Korsett von außen, die Zellwand. Sie verleiht dem Bakterium die typische Form (Abb. D-1.9): ■ Kugel (Kokkus) ■ Stäbchen ■ Schraube.

⊙ D-1.9

1 Allgemeine Bakteriologie

Stoffe, die von außen in die Bakterienzelle streben, werden nur bedingt zurückgehalten. Jedes Bakterium benötigt zum Wachstum auch hochmolekulare Nährstoffe, z. B. Vitamine, aus der Umgebung, weil diese Stoffe nicht selbst synthetisiert werden können. Beispielsweise dringt Penicillin G ohne Schwierigkeiten durch die Peptidoglykanschicht und gelangt ungehindert an die PBPs. Auch Farbstoffe gelangen relativ leicht in die Zelle, so z. B. das bei der Gram-Färbung verwendete Gentianaviolett, das nach Vernetzung mit Jod bei grampositiven Zellen durch die dicke Peptidoglykanschicht zurückgehalten wird und durch Alkohol nicht mehr herausgelöst werden kann. Daher erscheinen grampositive Zellen im mikroskopischen Bild dunkelblau. Die dünne Peptidoglykanschicht der gramnegativen Bakterien ermöglicht dagegen die Farbstoffextraktion. Nach Gegenfärbung mit einem Fuchsinfarbstoff erscheinen gramnegative Zellen unter dem Mikroskop daher rot. Die Zellwand bestimmt außerdem die Form des Bakteriums (Abb. D-1.9). Es können 3 Grundformen unterschieden werden: ■ Ist der Sacculus kugelförmig, so erscheint die Zelle als Kokkus. ■ Ist die Peptidoglykanschicht gestreckt, so erscheinen diese Bakterien als Stäbchen. ■ Sind zusätzlich „Kurven“ eingebaut, liegen schraubenförmige Bakterien vor. ■

Die verschiedenen Bakterienformen

Schrauben

Kokken

haufenförmig gelagert (z.B. Staphylokokken)

in Ketten gelagert (z.B. Streptokokken)

Zweierkokken (Diplokokken) (z.B. Neisseria)

zugespitzte Stäbchenbakterien (z.B. Fusobakterien)

keulenförmige Stäbchen (z.B. Korynebakterien)

Diplokokken mit Kapsel (z.B. Pneumokokken)

spiralförmige Bakterien (Spirochäten)

einfach gekrümmte Stäbchen (z.B. Vibrionen)

große Bögen, ungleichmäßig (z.B. Borrelien)

Die Art und Weise, wie das Riesenmolekül des Peptidoglykansacculus geformt ist, bedingt die Form der Bakterienzelle, nämlich kugelförmig, stäbchenförmig oder schraubenförmig. Innerhalb jeder Kategorie gibt es Formvariationen, z. B. dicke oder dünne Stäbchen, lange oder kurze Stäbchen mit runden Enden oder abgehackt oder z. B. Schrauben mit engen, gleichmäßigen Windungen oder mit groben, ungleichen Windungen. (nach Kayser, F.H. et al.: Medizinische Mikrobiologie. Thieme; 2014)

Stäbchen

gerade Stäbchen mit abgerundeten Enden (z.B. Kolibakterien)

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D

293

1.1 Struktur und Funktion der Bakterienzelle

1.1.5 Äußere Membran bei gramnegativen Bakterien ▶ Merke. Die dünne Zellwand der gramnegativen Bakterien wird komplettiert

1.1.5

Äußere Membran bei gramnegativen Bakterien

▶ Merke.

durch eine äußere Membran, eine Lipiddoppelschicht, die neben der Zellmembran eine weitere Barriere darstellt (Abb. D-1.8). Für im Zellinnern gebildete hydrophile Stoffe ist diese Lipidschicht unüberwindbar. So bleiben Betalaktamasen, andere Enzyme und Toxine im periplasmatischen Spalt zurück. Im Vergleich zu grampositiven Bakterien gelangen nur recht wenige Toxine nach außen (Exotoxine). Im Zuge der Expression von Proteinen durch gentechnisch veränderte Mikroorganismen ist deren mangelhafte Freisetzung gelegentlich ein Problem, da die synthetisierten Proteine im periplasmatischen Spalt bleiben. Nur über bestimmte, spezialisierte Proteinkanäle (Porine oder auch OMPs – outer membrane proteins – genannt), welche die Lipiddoppelschicht durchziehen, ist ein geregelter Stoffaustausch möglich. Unter äußeren Einflüssen, etwa pH-Wert, Ionenstärke und Ionenkonstellation, öffnen oder schließen sich die Porine. Aminopenicilline, noch besser Ureidopenicilline, und auch Cephalosporine und Peneme passieren in der Regel leicht, wogegen Penicillin G draußen bleibt. Bei Pseudomonas aeruginosa sind diese Porine eng und für die meisten Betalaktamantibiotika schwierig zu passieren. Auch Nahrungsstoffe, z. B. komplexiertes Eisen, werden über Porine transportiert. Außerdem sind diese OMPs gute Antigene. So entwickelt jeder Erwachsene im Laufe seines Lebens entsprechende Antikörper als Folge einer stillen Feiung. Allerdings besitzen manche Bakterien, z. B. Gonokokken, genetisch codierte Variationen der OMPs, sodass im Wirt einfach eine neue Antigenvariation exprimiert wird und die Immunreaktion ins Leere geht. OMPs dienen auch Bakteriophagen, Bacteriocinen und konjugativen Pili als Rezeptoren. Einige Bakterien haben sich spezialisiert und zusätzliche Typen von Sekretionssystemen entwickelt, mit deren Hilfe sie bestimmte Produkte (z. B. Virulenzfaktoren) gezielt nach außen abgeben. Pathogene Yersinien, Shigellen und Kolibakterien bilden lange Proteinfäden. Diese nehmen z. B. mit der Oberfläche einer menschlichen Darmzelle Kontakt auf und durchbohren die Wirtszellmembran wie eine Punktionsnadel. Durch die Proteinkanäle können dann bakterielle Toxine in die Wirtszellen gelangen und dort wie andere PAMPs (S. 91) Signale auslösen, sodass die Eigenschaften der Wirtszelle verändert werden können. Einige davon wirken pyrogen. Im Gegensatz zur inneren (zytoplasmatischen) Membran enthält die äußere Membran auch Polysaccharide, z. B. das medizinisch besonders wichtige Lipopolysaccharid (LPS, Abb. D-1.8). Sein Lipidanteil, das Lipid A, ist fest in der Lipidschicht verankert, während der lange Polysaccharidrest aus der äußeren Membran herausragt. Aus einer lebenden Zelle wird nur wenig LPS abgegeben. Dieses Endotoxin wird aber nach dem Tod der Zelle frei und bindet wie andere PAMPs an Zellrezeptoren. Es ist für den Menschen eine extrem aktive proinflammatorische Substanz und ein starkes exogenes Pyrogen. Der Hauptanteil an der Toxinwirkung kommt dem Lipidanteil zu, der bei allen Bakterien gleich ist; die Menge an Endotoxin pro Zelle kann allerdings von Art zu Art variieren. Im Makrophagen wird durch Bindung von Endotoxin an den TOLL-like Rezeptor 4 (s. Tab. B-3.1) die Produktion von IL-1 und TNF-α anregt, welche ihrerseits als endogene Pyrogene für den Fieberanstieg verantwortlich sind (Abb. D-1.10), indem sie die thermoregulatorischen Zentren im Hypothalamus stimulieren. Darüberhinaus reizen diese proinflammatorischen Zytokine auch Osteoklasten und hemmen Fibroblasten, Myozyten und Adipozyten. Außerdem bringen sie die Leberzellen dazu, verstärkt Akute-Phase-Proteine (S. 29) zu synthetisieren und ins Blut zu sezernieren. Die Aktivität von Phagozyten, B- und T-Lymphozyten wird ebenfalls durch die proinflammatorischen Zytokine erhöht, sodass die gesamte Infektabwehr in Alarm versetzt wird. Das bakterielle Endotoxin hat also eine Schlüsselfunktion für verschiedene Prozesse im Körper des Menschen, der hochempfindlich auf dieses bakterielle Produkt reagiert. Das Endotoxin als eines der stärksten PAMPs (S. 91) stimuliert nicht nur Rezeptoren an der Oberfläche von Makrophagen, sondern auch von Granulozyten, Endothelzellen und manche Epithelzellen. Diese Wirtszellen werden dadurch zur Produktion und Ausschüttung von IL-1 und TNF-α sowie weiteren proinflammatorischen Zyto-

Die äußere Membran enthält spezialisierte Proteinkanäle, welche selektiv die Durchlässigkeit regulieren. Diese Outer Membrane Proteins (OMPs oder Porine) sind auch gute Antigene und Rezeptoren für Bakteriophagen.

Durch bestimmte Sekretionssyteme haben sich manche Bakterien auf den „Angriff“ ganz bestimmter Wirtszellen spezialisiert.

In der äußeren Membran ist das Lipopolysaccharid (LPS, Abb. D-1.8) verankert, das nach Zerfall des Bakteriums im Wirt stark toxisch wirkt, hauptsächlich wegen seines Lipidanteils (Lipid A). Dieses Endotoxin ist für den Menschen ein extrem aktives exogenes Pyrogen, das im Makrophagen die Produktion von IL-1 und TNF anregt, welche ihrerseits als endogene Pyrogene für den Fieberanstieg verantwortlich sind (Abb. D-1.10).

Auch Granulozyten, Endothelzellen und Epithelzellen werden durch das Endotoxin zur Ausschüttung von proinflammatorischen Stoffen (z. B. Zytokine) angeregt.

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294 ⊙ D-1.10

D

1 Allgemeine Bakteriologie

⊙ D-1.10

Fieberauslösung durch bakterielle Pyrogene Lipopolysaccharid (LPS) aus der äußeren Membran von gramnegativen Bakterien und in geringerem Maße auch Peptidoglykan, Teichonsäuren und Lipoteichonsäuren aus der Zellwand von grampositiven Bakterien binden an spezielle Rezeptoren (z. B. CD14 und TOLL-like-Rezeptor 4 bzw. 2) an der Membran von Makrophagen. Dadurch wird eine Neuproduktion von Zytokinen, wie TNF-α und IL-1, angeregt. Diese Mediatoren werden innerhalb von 3 Stunden in großer Menge freigesetzt und gelangen in die Zirkulation. An verschiedenen Zielorganen üben sie jeweils ganz unterschiedliche Wirkungen aus. Im Hypothalamus reagiert das Thermoregulationszentrum mit einer Höherstellung des Sollwertes; die neue Solltemperatur wird einerseits durch eine gesteigerte Wärmeproduktion, z. B. durch Muskelarbeit (Schüttelfrost) erreicht, andererseits durch eine verminderte Wärmeabgabe. (Die Haut wird weniger durchblutet, wodurch sie zunächst kalt und blass erscheint.)

exogenes Pyrogen (Endotoxin, Peptidoglykan Teichonsäure, Lipoteichonsäure)

Makrophagen

endogenes Pyrogen (Interleukin-1, Tumornekrosefaktor)

thermoregulatorisches Zentrum im ZNS Prostaglandine

cAMP

Wärmeproduktion



Wärmeabgabe ↓

Fieber

kinen, darunter auch IL-8, einem Leukozyten anlockenden Zytokin, und von anderen entzündungsfördernden Stoffen (z. B. Prostaglandine, Leukotriene) angeregt, was die Abwehrreaktion noch verstärkt. ▶ Merke.

▶ Merke. Endotoxin wird bei der Dampfsterilisation nicht inaktiviert! Infusionsflüs-

sigkeiten müssen deshalb nicht nur frei von lebenden, vermehrungsfähigen Bakterien sein, d. h. steril, sondern auch pyrogenfrei sein, was bedeutet, dass auch die Bakterienleichen – etwa durch Sterilfiltration – entfernt sein müssen und das Vorhandensein von freiem LPS ausgeschlossen sein muss; s. Kap. „Sonstige Verfahren mit eingeschränktem Einsatzbereich“ (S. 733). Die Polysaccharidketten gliedern sich in einen Kernteil („Core“) und eine O-spezifische Kette. Kurze O-Ketten lassen die Kolonie rau, lange dagegen glatt erscheinen.

▶ Merke.

Die Polysaccharidketten der äußeren Membran gliedern sich in einen Kernteil („Core“), der für ganze Gruppen von Bakterien identisch ist – so haben z. B. alle Salmonellen die gleiche Struktur – und eine variable O-spezifische Kette. Diese Oligosaccharidkette kann repetitiv vielfach nacheinander liegen, wodurch die Kettenlänge beeinflusst wird. Je länger, desto glatter (schleimiger) erscheint die Kolonie. Wenn die Kette nur kurz ist oder ganz fehlt, dann erscheinen die Kolonien rau. ▶ Merke. Raue Bakterien können Komplement auf dem alternativen Pathway

(Abb. B-4.1) aktivieren, werden somit opsonisiert und schnell eliminiert. Sie sind also apathogen. Bei infektiösen Prozessen findet man dagegen glatte Bakterien. Vom Immunsystem werden die Polysaccharidreste als O-Antigen erkannt. Bei der serologischen Typisierung werden solche Variationen nachgewiesen.

Die O-Seitenketten sind aufgrund der verschiedenen Zuckermoleküle jeweils sehr spezifisch und induzieren eine Antikörperproduktion, weshalb sie auch O-Antigen (Oberflächenantigen) genannt werden. Bei Salmonellen findet man über 600 verschiedene

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295

1.1 Struktur und Funktion der Bakterienzelle

O-Antigene. Auch Kolibakterien kann man aufgrund ihrer O-Antigene unterscheiden. Wenn die Antigenexpression mit der Produktion von Virulenzfaktoren korreliert, kann dies zum indirekten Nachweis pathogener Bakterien verwendet werden: So ist z. B. der Stamm O 157 ein gefürchteter Enteritiserreger (EHEC), da er in der Regel Toxine produziert. Bei Neisserien, Bordetella und Haemophilus fehlen die repetitiven O-Antigen-Stücke des LPS; diese Lipooligosaccharide sind jedoch ebenfalls toxisch.

1.1.6 Zellwanddefekte

1.1.6

Die meisten zellwandhaltigen Bakterien können unter bestimmten Bedingungen, wie z. B. nach Antibiotikaeinwirkung, ihre Zellwand ganz oder teilweise verlieren und in einer sog. L-Form (von Lister-Institut in London, wo die zellwandfreien Formen zuerst entdeckt wurden) überleben. Damit verhalten sie sich atypisch: Sie sind gegen zellwandaktive Antibiotika resistent, außerdem antigenetisch different und können vom Immunsystem nicht erkannt werden; vgl. Erklärungsmöglichkeit für Persister, Kap. „Resistenz“ (S. 310). Das Fehlen der Zellwandbestandteile verringert eine entzündliche Reaktion. Im Gegensatz zu Mykoplasmen (s. u.) regenerieren L-Formen ihre Zellwand bei Wegfallen der Antibiotikawirkung wieder, d. h. revertieren in die normale Bakterienform und können dadurch einen Rückfall verursachen. Chlamydien sind gramnegative Bakterien, insofern aber atypisch, dass sie zwar eine äußere Membran, aber kein Peptidoglykan besitzen. Mykoplasmen sind überhaupt nicht in der Lage, eine Zellwand zu produzieren. Sie bilden daher eine eigene Gruppe, die der Mollicutes. Sie haben stattdessen ein inneres Stützkorsett, das aber keine konstante, charakteristische Form und Größe der Zellen bedingt.

Manchmal verlieren normale Bakterien ihre Zellwand ganz oder teilweise. Solche L-Formen verhalten sich atypisch. Sie sind gegen zellwandaktive Antibiotika resistent, außerdem antigenetisch different und können vom Immunsystem nicht erkannt werden; vgl. Erklärungsmöglichkeit für Persister, Kap. „Resistenz“ (S. 310).

1.1.7 Fimbrien und Pili

1.1.7

Zusätzlich zu den Adhäsionsmolekülen der Zellwand bzw. der äußeren Membran können manche gramnegative Bakterien spezielle Mikrofibrillen aus Proteinen ausbilden, auf denen Adhäsionsmoleküle konzentriert sind und die über die Zelloberfläche hinausragen, was die Interaktion mit Wirtszellen begünstigt. Meist sind sie in einer Vielzahl an der Oberfläche der Bakterien sichtbar (Abb. D-1.11). Die in großer Zahl vorhandenen Fimbrien ermöglichen – verglichen mit unbehaarten Bakterien – eine wesentlich bessere Adhäsion an Schleimhautzellen. Diese stellt in vielen Fällen einen ersten Schritt für eine Infektion, d. h. für eine Passage der Schleimhautbarriere, dar. Aber auch für den effizienten Einsatz von Toxinen ist eine Annäherung an das Target von Bedeutung. Unbehaarte Bakterien sind meist weniger virulent. Sexualpili sind länger als normale Fimbrien und kommen meist nur in Ein- bzw. Zweizahl pro Zelle vor. Sie sind für den Prozess der Konjugation („mating“) und für den Transfer von Plasmiden notwendig. Diese Fimbrien bzw. Pili bestehen aus mehreren Proteinuntereinheiten, die antigenetisch jeweils charakteristisch sind, aber auch innerhalb eines einzigen Bakterienstammes variieren können. Dadurch wird ein Antigenwechsel und damit eine chronische Besiedelung trotz Immunreaktion möglich.

Gramnegative Bakterien können Mikrofibrillen aus Proteinen ausbilden, auf denen Adhäsionsmoleküle konzentriert sind und die aus der Zellwand herausragen (Abb. D-1.11).

⊙ D-1.11

Viele pathogene gramnegative Bakterien tragen auf ihrer Oberfläche Mikrofibrillen

Zellwand

zahlreiche Proteinfäden (Fimbrien, Pili)

Zellwanddefekte

Chlamydien haben kein Peptidoglykan, sondern nur eine äußere Membran. Mykoplasmen haben gar keine Zellwand, dafür ein inneres Stützkorsett. Sie gehören daher in die Gruppe der Mollicutes.

Fimbrien und Pili

Fimbrien sind notwendig für eine Adhäsion an Schleimhautzellen, Sexualpili für das „mating“ und den Plasmidtransfer.

Diese Fimbrien bzw. Pili bestehen aus mehreren Proteinuntereinheiten.

⊙ D-1.11

Diese 0,1–0,5 nm dicken Mikrofibrillen (Fimbrien oder Pili) sind kurze Proteinhärchen, die aus mehreren gleichen Untereinheiten zusammengesetzt sind. Sie dienen der Adhäsion und haben zusätzlich noch Antigencharakter.

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D

1.1.8

1.1.8 Kapseln

Kapseln

1 Allgemeine Bakteriologie

Manche Bakterien haben als Hülle eine polysaccharidhaltige Kapsel (Abb. D-1.12a), welche die Kolonie meist glatt und schleimig erscheinen lässt (Abb. D-1.12b) (nur bei Bacillus anthracis ist die Kapsel aus Protein). Der Durchmesser der Schleimkapsel kann ein Vielfaches des Bakteriendurchmessers erreichen. Die Kapsel stellt eine weitere Barriere für den Stoffaustausch dar, verhindert das Austrocknen der Zelle und behindert z. B. auch in einigen Fällen die Penetration von Antibiotika.

Polysaccharidkapseln sind wichtige Virulenzfaktoren, welche die Kolonien meist glatt und schleimig erscheinen lassen (Abb. D-1.12).

▶ Merke.

▶ Merke. Die wichtigste Funktion der Kapsel ist jedoch der Schutz vor Phagozytose

etwa durch Verhinderung der Opsonisierung durch Komplement. Dadurch sind bekapselte Bakterien (z. B. Haemophilus influenzae, Klebsiella pneumoniae, Streptococcus pneumoniae) virulenter als unbekapselte. Einzelne humorale Abwehrstoffe, etwa das CRP, reagieren aber auch mit diesen Polysaccharidkapseln und opsonisieren die Erreger, die dann besser phagozytiert werden können. Unterschiedliche antigenetische Eigenschaften der Kapselbausteine erlauben eine Serotypisierung der Kapselträgerbakterien, z. B. bei Meningokokken und Pneumokokken. Innerhalb einer Bakterienart kann die Zusammensetzung der Kapsel variieren, sodass sich verschiedene Kapselserovare unterscheiden lassen.

Unterschiedliche Antigeneigenschaften der Kapselbausteine ermöglichen eine Serotypisierung.

⊙ D-1.12 Kapsel

Kapselbildende Bakterien

Zellwand

a

1.1.9

a Diese Bakterienzelle ist außen noch von einer dicken Schicht aus Polysaccharid umgeben. Sie dient als Adhäsin und verhindert die Phagozytose, sodass bekapselte Bakterien virulenter sind. Das Immunsystem erkennt diese Strukturen als Antigen und bildet spezifische Antikörper dagegen. b Solche bekapselten Bakterien wachsen auf festen Nährböden als glatte und schleimige („muköse“) Kolonien, wie etwa Klebsiella pneumoniae.

Chromosom

b

Geißeln (Flagellen)

▶ Merke.

1.1.9 Geißeln (Flagellen) ▶ Merke. Während Kokken alle unbegeißelt und daher unbeweglich sind, besitzen

manche Stäbchenbakterien Geißeln, die sie zur Bewegung befähigen. Schraubenbakterien sind selbst ohne Geißeln beweglich, indem sie sich um ihre eigene Achse drehen. Geißeln sind lange Proteinfäden aus repetitiven Flagellinuntereinheiten, die Stäbchenbakterien Beweglichkeit verleihen (Abb. D-1.13). Da sich diese Proteine innerhalb einer Bakterienart von Stamm zu Stamm antigenetisch unterscheiden können, werden sie zur Serotypisierung (H-Antigene) herangezogen.

⊙ D-1.13

a

Die langen, proteinhaltigen Geißeln kommen entweder in Einzahl (monotrich) oder in Mehrzahl vor, wobei diese entweder in einem Büschel zusammenstehen (lophotrich) oder ringsum (peritrich) verteilt sind (Abb. D-1.13). Die Geißeln sind über einen komplizierten Halteapparat in der Zellwand und Zytoplasmamembran verankert, der es ihnen ermöglicht, wie ein Propeller um die eigene Achse zu rotieren. Die Geißeln verleihen den Bakterien Motilität, sodass diese sich sogar auf der Oberfläche einer Agarplatte wie mit einem Hauch ausbreiten können. Daher werden sie auch als H-Antigene bezeichnet, die zur Serotypisierung von Bakterien beitragen. Sie bestehen aus repetitiven Proteineinheiten, dem Flagellin, und sind so fein, dass sie in den üblichen Färbeverfahren gar nicht sichtbar werden.

Begeißelte Bakterien, Begeißelungstypen

b

monotrich (z. B. Vibrio)

lophotrich (z. B. Pseudomonas)

peritrich (z. B. Proteus)

a Peritrich begeißeltes Stäbchenbakterium. Die langen Proteinfäden entspringen an mehreren Stellen aus der Zellwand, in der sie fest verankert sind. Sie dienen der Beweglichkeit. Die Fäden bestehen aus vielen gleichen Untereinheiten, dem Flagellin, das als Antigen („H-Antigen“) wirkt. b Die Geißeln können in Einzahl oder Mehrzahl vorhanden sein; sie können an einer Stelle, evtl. sogar gebündelt, oder an mehreren Positionen aus der Zellwand austreten. (nach Kayser, F.H. et al.: Medizinische Mikrobiologie. Thieme; 2014)

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1.1 Struktur und Funktion der Bakterienzelle

1.1.10 Sporen

1.1.10 Sporen

Manche Bakteriengattungen aus der Gruppe der Aerobier (z. B. Bacillus) und Anaerobier (z. B. Clostridium) bilden unter schlechten Wachstumsbedingungen Sporen, d. h. Dauerformen. Die lebensnotwendigen Zellstrukturen, wie DNA, Ribosomen oder zytoplasmatische Membran, werden dabei auf engstem Raum gespeichert und mit einer wenig durchlässigen Sporenwand umgeben, die vor Austrocknung und anderen Umwelteinflüssen (z. B. gegen UV-Strahlen von Sonnenlicht) schützt. Da sie auch gegenüber den meisten Desinfektionsmitteln resistent sind, stellen sie ein Risiko für die Übertragung von Infektionserregern speziell im Hospitalbereich dar. Selbst Hitze halten solche Sporen aus. Bei feuchter Hitze sterben sie erst bei ca. 120 °C ab; trockene Hitze halten sie sogar bis zu 180 °C aus; s. Kap. „Sterilisation“ (S. 730). Wenn solche Sporen in das menschliche Gewebe getragen werden und dort gute Wachstumsbedingungen gegeben sind, keimen sie zu vegetativen Bakterienzellen aus. Die Sporenwand gewährt auch wässrigen Farblösungen keinen Zutritt, sodass Sporen bei Färbung als nicht gefärbte Stellen ausgespart bleiben (Abb. D-1.14).

Sporen (Abb. D-1.14) werden von manchen Bakterien unter ungünstigen Lebensbedingungen produziert (z. B. Clostridium, Bacillus). In dieser Dauerform, die resistent gegen Austrocknung, Hitze und Desinfektionsmittel ist, können alle genetischen Informationen widrige Bedingungen besser überstehen. Aus einer Spore kann unter günstigen Bedingungen wieder ein vegetatives Bakterium auskeimen.

⊙ D-1.14

⊙ D-1.14

Endständige Sporen bei Clostridium tetani

Spore

An einem Pol der Bakterienzelle hat sich eine runde Spore entwickelt, wodurch der Leib der Bakterienzelle aufgetrieben erscheint wie ein Tennisschläger. Die Spore selbst fällt im Lichtmikroskop durch den hohen Brechungsindex in den ungefärbten Bakterienzellen auf. Sie enthält neben allen genetischen Informationen in kompakter Form auch etwas Zytoplasma, Ribosomen, und hat eine dicke, stabile und wachshaltige Wand, wodurch sie eine gute Überlebenschance in der Umwelt hat. Sie stellt die Dauerform mancher Bakterien dar.

Bakterienzelle

1.1.11 Extrazelluläre Toxine

1.1.11 Extrazelluläre Toxine

Im Überstand mancher Bakterienkulturen findet man Produkte, die in vielfältiger Weise den menschlichen Organismus schädigen können, weswegen sie als Exotoxine bezeichnet werden. Wichtige bakterielle Exotoxine sind in Tab. D-1.4 dargestellt. Einige davon sind PAMPs (S. 91) und induzieren Fieber.

Wichtige bakterielle Exotoxine zeigt Tab. D-1.4.

≡ D-1.4

Einige bakterielle Exotoxine

Wirkmechanismus

Bezeichnung

Produzent

Porenbildung in Biomembran

Hämolysin/Zytolysin

Staphylococcus aureus, Streptococcus pyogenes, Listeria monocytogenes

enzymatische Veränderung der Zellmembran

Phospholipase

Staphylococcus aureus

Lecithinase

Pseudomonas aeruginosa, Listeria monocytogenes

Interaktion mit dem Zytoskelett

aktinpolymerisierendes Protein

Listeria monocytogenes, Shigella flexneri

aktindepolymerisierendes Protein

Clostridium botulinum

Interaktion mit der intrazellulären Signaltransduktion

Pertussistoxin

Bordetella pertussis

Choleratoxin

Vibrio cholerae

Interferenz mit der Proteinsynthese

Diphtherietoxin

Corynebacterium diphtheriae

Exotoxin A

Pseudomonas aeruginosa

Superantigen (immunmodulierend massive Stimulierung der Produktion vieler Zytokine)

Toxic Shock Toxin

Staphylococcus aureus

Enterotoxin B

Staphylococcus aureus

Scharlachtoxin

Streptococcus pyogenes

Neurotoxin

Tetanospasmin

Clostridium tetani

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1.2

1.2

Physiologie und Kultur der Bakterien Prototrophe Bakterien haben eine sehr große genetische Ausstattung und können viele Enzyme selbst bilden, sodass sie die meisten Stoffwechselleistungen selbst bewerkstelligen. Auxotrophe Mutanten haben genetische Defekte und sind zu bestimmten Stoffwechselleistungen nicht mehr fähig. Sie sind auf Zufuhr dieser Produkte von außen angewiesen.

1 Allgemeine Bakteriologie

Physiologie und Kultur der Bakterien

Die meisten Bakterien sind im Prinzip prototroph, d. h. sie können mithilfe ihrer enzymatischen Ausstattung selbst die wesentlichen Stoffwechselleistungen für den Aufbau der Zellstrukturen erbringen. Sie sind also nicht auf die Zufuhr von fertigen Teilprodukten von außen angewiesen. Sie benötigen bestimmte chemische Grundstoffe wie Wasser, anorganische Stoffe (Elektrolyte), organische Stoffe (Kohlehydrate, Proteine, Lipide) und in Spuren auch Vitamine. Auxotrophe Mutanten haben genetische Defekte, sodass sie nur nach Supplementierung mit bestimmten Wachstumsfaktoren gedeihen.

Temperaturoptimum: Die meisten pathogenen Bakterien haben ein Wachstumsoptimum bei 37 °C, daher wirkt Fieber hemmend auf ihre Vermehrung.

Temperaturoptimum: Die meisten pathogenen Keime haben ihr Wachstumsoptimum um 37 °C. Höhere Temperaturen hemmen das Wachstum vieler Erreger, was die protektive Wirkung von Fieber z. T. erklärt. Ein vermindertes Wachstum zeigen manche Bakterien bei niedrigeren Temperaturen, wobei einige, z. B. Yersinien und Listerien, sich sogar noch bei 4 °C vermehren. Dies wird als Selektivvorteil bei der Kälteanreicherung genutzt.

pH-Wert: Die meisten Bakterien bevorzugen einen neutralen pH-Wert. Stark saure Verhältnisse sind für pathogene Bakterien tödlich. Der Säuremantel der Haut und das physiologischerweise saure Milieu der Scheide stellen Barrieren für pathogene Erreger dar.

pH-Wert: Die meisten Bakterien bevorzugen einen neutralen pH-Wert. Stark saure Verhältnisse, d. h. pH-Werte < 4,5, sind für pathogene Bakterien tödlich. Dies ist auch der Grund, warum der Magen normalerweise keimarm ist und dort nur spezialisierte Bakterien überleben, wie etwa Helicobacter pylori. Der Säuremantel der Haut und das physiologischerweise saure Milieu der Scheide stellen Barrieren für pathogene Erreger dar. In einer Phagozytosevakuole entstehen durch die Wirkung von H+-Pumpen ebenfalls recht schnell niedrige pH-Werte, was die Abtötung der internalisierten Bakterien begünstigt. Dagegen haben Keime, welche die Ansäuerung der Vakuole verzögern (Salmonella) oder verhindern (Legionella) eine Chance, in der Vakuole zu überleben. Manche Spezialisten, wie etwa Coxiella burnetii lieben jedoch den niedrigen pH in der Phagozytosevakuole. Durch Ansäuerung der In-vitro-Kultur lassen sich die meisten Bakterien unterdrücken. Einige Bakterien lieben dagegen ein leicht alkalisches Milieu, z. B. Choleravibrionen.

Sauerstoff: Aerobe Bakterien verwenden Sauerstoff als essenziellen Protonenakzeptor.

Sauerstoff: Aerobe Bakterien wachsen unter Anwesenheit von Sauerstoff und nutzen ihn als Akzeptor für Protonen, die im Stoffwechsel anfallen und in überschüssiger Menge toxisch wären. Die Anaerobier dagegen nutzen organische Stoffe (Pyruvat, Laktat) als Protonenakzeptoren. O2 ist für sie schädlich, wobei einige extrem empfindlich reagieren (obligate Anaerobier). Die medizinisch relevanten Anaerobier sind allerdings ziemlich aerotolerant, d. h. dass sie eine kurzzeitige O2-Exposition überleben. Erst nach einigen Stunden werden sie irreversibel gestört. Viele aerobe Bakterien, z. B. Darmbakterien, können aber auch auf anaerobe Stoffwechselwege umschalten, sie heißen dann fakultativ anaerob.

Anaerobe Bakterien verwenden dagegen organische Protonenakzeptoren. Sauerstoff ist für sie schädlich. Viele aerobe Bakterien, z. B. Darmbakterien, können aber auch auf anaerobe Stoffwechselwege umschalten, sie heißen dann fakultativ anaerob.

▶ Exkurs.

▶ Exkurs. Auch externe Stoffe, z. B. 5-Nitroimidazole (Metronidazol), können als Protonenakzeptoren dienen. Dabei wird von dem eigentlichen, nicht aktiven Prodrug die Nitrogruppe zu toxischen Intermediärprodukten reduziert, welche dann die DNA der betroffenen Bakterienzelle schädigen. Solche Substanzen sind also antibiotisch wirksame Mittel mit ausschließlicher Wirkung gegen Anaerobier, einschließlich Protozoen, wie Trichomonas, Giardia, Amöben; s. Kap. „Wirkmechanismus“ (S. 308).

Im Labor kann man solche anaeroben Bedingungen durch physikalische Methoden (Verdrängung von sauerstoffhaltiger Luft durch Stickstoff) oder durch chemische Prozesse erreichen, wobei (bei Anwesenheit von Katalysatoren) O2 rasch verbraucht wird. In der historischen Fortner-Platte wird durch sauerstoffzehrende Bakterien (z. B. Serratia marcescens) ein anaerobes Milieu geschaffen. Kapnophile Bakterien bevorzugen reduzierte O2-Spannungen, z. B. 10 % CO2-Anteil im Gasgemisch, d. h., sie wachsen schlechter in Raumluft. In flüssigen Nährmedien vermehren sich Bakterien in planktonischer Form. Auf festem Untergrund bilden sie eine kompakte Kolonie der sog. Biofilm.

Flüssige/feste Nährmedien: In flüssigen Nährmedien vermehren sich – zumindest im Prinzip – Bakterien in planktonischer Form, d. h. gleichmäßig verteilt (Abb. D-1.16a). Auf festem Untergrund bleiben die Bakterien eng zusammen und bilden eine kompakte Kolonie unter einer geschlossenen Schleimschicht (Abb. D-1.16b). Man nennt solche Gemeinschaften von Mikroorganismen auch Biofilm. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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1.2

1.2

Physiologie und Kultur der Bakterien Prototrophe Bakterien haben eine sehr große genetische Ausstattung und können viele Enzyme selbst bilden, sodass sie die meisten Stoffwechselleistungen selbst bewerkstelligen. Auxotrophe Mutanten haben genetische Defekte und sind zu bestimmten Stoffwechselleistungen nicht mehr fähig. Sie sind auf Zufuhr dieser Produkte von außen angewiesen.

1 Allgemeine Bakteriologie

Physiologie und Kultur der Bakterien

Die meisten Bakterien sind im Prinzip prototroph, d. h. sie können mithilfe ihrer enzymatischen Ausstattung selbst die wesentlichen Stoffwechselleistungen für den Aufbau der Zellstrukturen erbringen. Sie sind also nicht auf die Zufuhr von fertigen Teilprodukten von außen angewiesen. Sie benötigen bestimmte chemische Grundstoffe wie Wasser, anorganische Stoffe (Elektrolyte), organische Stoffe (Kohlehydrate, Proteine, Lipide) und in Spuren auch Vitamine. Auxotrophe Mutanten haben genetische Defekte, sodass sie nur nach Supplementierung mit bestimmten Wachstumsfaktoren gedeihen.

Temperaturoptimum: Die meisten pathogenen Bakterien haben ein Wachstumsoptimum bei 37 °C, daher wirkt Fieber hemmend auf ihre Vermehrung.

Temperaturoptimum: Die meisten pathogenen Keime haben ihr Wachstumsoptimum um 37 °C. Höhere Temperaturen hemmen das Wachstum vieler Erreger, was die protektive Wirkung von Fieber z. T. erklärt. Ein vermindertes Wachstum zeigen manche Bakterien bei niedrigeren Temperaturen, wobei einige, z. B. Yersinien und Listerien, sich sogar noch bei 4 °C vermehren. Dies wird als Selektivvorteil bei der Kälteanreicherung genutzt.

pH-Wert: Die meisten Bakterien bevorzugen einen neutralen pH-Wert. Stark saure Verhältnisse sind für pathogene Bakterien tödlich. Der Säuremantel der Haut und das physiologischerweise saure Milieu der Scheide stellen Barrieren für pathogene Erreger dar.

pH-Wert: Die meisten Bakterien bevorzugen einen neutralen pH-Wert. Stark saure Verhältnisse, d. h. pH-Werte < 4,5, sind für pathogene Bakterien tödlich. Dies ist auch der Grund, warum der Magen normalerweise keimarm ist und dort nur spezialisierte Bakterien überleben, wie etwa Helicobacter pylori. Der Säuremantel der Haut und das physiologischerweise saure Milieu der Scheide stellen Barrieren für pathogene Erreger dar. In einer Phagozytosevakuole entstehen durch die Wirkung von H+-Pumpen ebenfalls recht schnell niedrige pH-Werte, was die Abtötung der internalisierten Bakterien begünstigt. Dagegen haben Keime, welche die Ansäuerung der Vakuole verzögern (Salmonella) oder verhindern (Legionella) eine Chance, in der Vakuole zu überleben. Manche Spezialisten, wie etwa Coxiella burnetii lieben jedoch den niedrigen pH in der Phagozytosevakuole. Durch Ansäuerung der In-vitro-Kultur lassen sich die meisten Bakterien unterdrücken. Einige Bakterien lieben dagegen ein leicht alkalisches Milieu, z. B. Choleravibrionen.

Sauerstoff: Aerobe Bakterien verwenden Sauerstoff als essenziellen Protonenakzeptor.

Sauerstoff: Aerobe Bakterien wachsen unter Anwesenheit von Sauerstoff und nutzen ihn als Akzeptor für Protonen, die im Stoffwechsel anfallen und in überschüssiger Menge toxisch wären. Die Anaerobier dagegen nutzen organische Stoffe (Pyruvat, Laktat) als Protonenakzeptoren. O2 ist für sie schädlich, wobei einige extrem empfindlich reagieren (obligate Anaerobier). Die medizinisch relevanten Anaerobier sind allerdings ziemlich aerotolerant, d. h. dass sie eine kurzzeitige O2-Exposition überleben. Erst nach einigen Stunden werden sie irreversibel gestört. Viele aerobe Bakterien, z. B. Darmbakterien, können aber auch auf anaerobe Stoffwechselwege umschalten, sie heißen dann fakultativ anaerob.

Anaerobe Bakterien verwenden dagegen organische Protonenakzeptoren. Sauerstoff ist für sie schädlich. Viele aerobe Bakterien, z. B. Darmbakterien, können aber auch auf anaerobe Stoffwechselwege umschalten, sie heißen dann fakultativ anaerob.

▶ Exkurs.

▶ Exkurs. Auch externe Stoffe, z. B. 5-Nitroimidazole (Metronidazol), können als Protonenakzeptoren dienen. Dabei wird von dem eigentlichen, nicht aktiven Prodrug die Nitrogruppe zu toxischen Intermediärprodukten reduziert, welche dann die DNA der betroffenen Bakterienzelle schädigen. Solche Substanzen sind also antibiotisch wirksame Mittel mit ausschließlicher Wirkung gegen Anaerobier, einschließlich Protozoen, wie Trichomonas, Giardia, Amöben; s. Kap. „Wirkmechanismus“ (S. 308).

Im Labor kann man solche anaeroben Bedingungen durch physikalische Methoden (Verdrängung von sauerstoffhaltiger Luft durch Stickstoff) oder durch chemische Prozesse erreichen, wobei (bei Anwesenheit von Katalysatoren) O2 rasch verbraucht wird. In der historischen Fortner-Platte wird durch sauerstoffzehrende Bakterien (z. B. Serratia marcescens) ein anaerobes Milieu geschaffen. Kapnophile Bakterien bevorzugen reduzierte O2-Spannungen, z. B. 10 % CO2-Anteil im Gasgemisch, d. h., sie wachsen schlechter in Raumluft. In flüssigen Nährmedien vermehren sich Bakterien in planktonischer Form. Auf festem Untergrund bilden sie eine kompakte Kolonie der sog. Biofilm.

Flüssige/feste Nährmedien: In flüssigen Nährmedien vermehren sich – zumindest im Prinzip – Bakterien in planktonischer Form, d. h. gleichmäßig verteilt (Abb. D-1.16a). Auf festem Untergrund bleiben die Bakterien eng zusammen und bilden eine kompakte Kolonie unter einer geschlossenen Schleimschicht (Abb. D-1.16b). Man nennt solche Gemeinschaften von Mikroorganismen auch Biofilm. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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1.2 Physiologie und Kultur der Bakterien ▶ Exkurs.

▶ Exkurs. Biofilm Auf Grenzflächen von flüssigen und festen Phasen können Bakterien, Pilze und Protozoen adhärieren, aggregieren und Plaques bilden (Abb. D-1.15). Solche Biofilme entstehen bei vielen Infektionsprozessen, z. B. bei Karies, Mittelohrentzündung, Endokarditis und bei Lungenaffektionen von Patienten mit Mukoviszidose und ganz besonders auf Fremdkörpern, wie Venenkathetern, Harnblasenkathetern und Gelenkprothesen. Wasserleitungen sind ebenfalls häufig betroffen. Die Beschaffenheit und Beschichtung der Katheter (eine Silberbeschichtung wirkt hemmend) und einer Wasserleitung (Rost fördert) spielen eine Rolle. Die Entstehung eines Biofilms wird begünstigt durch Faktoren wie Temperatur, pH, Fließgeschwindigkeit und Nährstoffgehalt (Serum, Speichel, Glukose). Es gibt Biofilme mit nur einer Keimart. Daneben können auch Bakterien von verschiedenen Arten zusammen auftreten oder sogar gemeinsam mit Pilzen oder Protozoen, z. B. Amöben. Bestimmte Bakterien, allen voran koagulasenegative Staphylokokken (s. Abb. D-2.7), Staphylococcus aureus, Pseudomonas, Streptococcus mutans, Haemophilus und Legionellen, sind besonders dazu befähigt. Unter den Pilzen neigt Candida parapsilosis besonders dazu. Sie bilden eine extrazelluläre Matrix bestehend aus polymeren Kohlenhydraten (Dextrane, Alginate), Proteinen, Lipiden und extrazellulärer DNA der Mikroorganismen. Zusätzlich können wirtseigene Komponenten eingebaut sein. Diese chemische Barriere behindert die Penetration von antimikrobiellen Stoffen. In einem reifen Biofilm herrscht Sauerstoff-, Nährstoff- und Platzmangel, sodass die Keime ihr soziales Verhalten in Form eines „quorum sensing“ ändern müssen. Mittels Botenstoffen (AcylHomoserin-Lacton bei Bakterien und Farnesol von Pilzen) kommunizieren sie untereinander. Sie aktivieren das Dormancy-Programm im Genom und reduzieren ihre Vermehrung, sie drosseln den Stoffwechsel und müssen vermehrt Effluxpumpen anschalten. Dies ändert ihr Verhalten gegenüber Antibiotika und Desinfektionsmitteln gewaltig. Die persistierenden Keime sind nicht eigentlich multiresistent, sondern eben nur recalzitrant, d. h. tolerant! Antibiotika, welche die Zellwandsynthese hemmen, sind gegen ruhende Keime weniger wirksam, da diese im Biofilm eben keine neue Zellwand synthetisieren. Eine Sanierung solcher Herde allein durch Antibiotika ist schwer, da auch die körpereigene Abwehr gegen Keime im Biofilm unfähig ist. Allenfalls Chinolone, Aminoglykoside, Daptomycin, Rifampicin und Nitroxolin sind ggf. noch aktiv. Gegen Pilze sind nur noch die Echinocandine mäßig wirksam.

⊙ D-1.15

Plaquebildung von Bakterien (Biofilm)

⊙ D-1.15

⊙ D-1.16

Bakterielle Wachstumsformen

⊙ D-1.16

a

b

a Planktonisches Wachstum. b Mikrokolonie (z. B. im Biofilm).

Agar: Die medizinisch-technische Assistentin Lina Hesse, Ehefrau von Walter Hesse, Assistent bei Robert Koch, verwendete alte Familienrezepte der holländischen Verwandtschaft, die sie früher in Indonesien von Einheimischen übernommen hatten.

Agar: Die agarhaltigen Nährböden begründeten den Erfolg des Labors von Robert Koch, weil man so Einzelkolonien erhalten kann. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

300

D

Agar ist ein Polysaccharid aus Tang; es wirkt als Geliermittel und verfestigt flüssige Nährmedien. Auf solchen festen Nährböden kann man durch fraktioniertes Ausstreichen Einzelkolonien züchten (Abb. D-1.17).

Danach wurden Puddingspeisen nicht mit Gelatine, sondern mit Agar verfestigt. Selbst bei Temperaturen um 37 °C (also im Brutschrank) bleibt der Agar fest. Diese agarhaltigen Nährböden waren Voraussetzung für den Erfolg des Labors von Robert Koch, denn so können auf der Oberfläche des festen Kulturmediums Einzelkolonien heranwachsen, die im Prinzip aus einem einzigen Bakterium hervorgegangen sind und somit untereinander identisch sein sollten. Agar ist ein Polysaccharid aus getrockneten Fäden von Meerestangpflanzen, die zu feinem Pulver zerrieben werden. In Wasser ist Agar zunächst unlöslich, nach Erhitzen auf 100 °C wird dieses Polysaccharid löslich. Bei Temperaturen unter 45 °C wird die agarhaltige Lösung schlagartig fest, d. h. bei Brutschranktemperatur von 37 °C hat eine Nährlösung mit Agar ideale Konsistenz, während Gelatine bei dieser zur Anzucht von Erregern notwendigen Temperatur bereits flüssig zu werden beginnt. Die Zugabe von 0,5–1,5 % pulverisierten Agars verfestigt das Nährmedium so, dass das Erregermaterial an der Oberfläche ausgestrichen werden kann, wobei sich dann am Ort der Inokulation eine Kolonie entwickelt. Durch das fraktionierte Ausstreichen (Abb. D-1.17) gelingt es, auch aus dichten Bakteriensuspensionen Einzelkolonien zu isolieren.

⊙ D-1.17

1 Allgemeine Bakteriologie

⊙ D-1.17

Fraktioniertes Ausstreichen

In mehreren Verdünnungsschritten wird das Untersuchungsmaterial auf der Oberfläche einer Agarplatte verteilt. Während im ersten Teil viele Bakterien nebeneinander liegen und die Kolonien konfluieren, sind im 2. und erst recht im 3. Ausstrich die Keime vereinzelt. Die Kolonien, die nach Bebrütung daraus entstehen, liegen separat. Solche Einzelkolonien werden für die weitere Charakterisierung benötigt. (nach Kayser, F.H. et al.: Medizinische Mikrobiologie. Thieme; 2010)

Die einzelnen Bakterienarten haben oft charakteristische Koloniemorphologien auf einem Nähragar (Abb. D-1.18).

Die einzelnen Bakterienarten haben oft charakteristische Koloniemorphologien auf einem Nähragar (Abb. D-1.18). Die Oberfläche kann zerklüftet und trocken (rau) oder speckig-glänzend (glatt) oder schleimig sein. Die Kolonie kann erhaben oder flach sein, groß oder stecknadelspitzenklein. Der Rand kann rund und glatt oder auch unscharf bis zirzinös sein. Die Farbe einer Kolonie, ebenso wie der Geruch, kann schon auf ein bestimmtes Bakterium hinweisen.

Reduplikation: Die übliche Reduplikationszeit beträgt 20–30 Minuten, d. h., dass in dieser extrem kurzen Zeit alle Strukturen neu gebildet werden (Tab. D-1.5).

Reduplikation: Bakterienzellen vermehren sich vegetativ (ungeschlechtlich) durch binäre Teilung. Die Reduplikationszeit der schnellwüchsigen Bakterien beträgt unter günstigen Bedingungen ca. 20 Minuten, was bedeutet, dass in dieser kurzen Zeit alle der essenziellen Strukturen neu gebildet werden! Schnellwüchsig sind die allermeisten der medizinisch relevanten Bakterien, wie Staphylokokken, Streptokokken oder Enterobacterales. Solche Keime wachsen also innerhalb von 24 Stunden durch binäre Teilung zu Milliarden von Einzelzellen (Tab. D-1.5), die alle untereinander identisch sind, weil sie aus einer Mutterzelle entstanden sind. Solche Zellansammlungen erscheinen auf festem Nährboden als eine Kolonie, in flüssigem Nährmedium entsteht eine Trübung. Einzelne Bakterien haben deutlich längere Generationszeiten, nämlich Campylobacter ca. 90 Minuten, Nocardien und manche Mykobakterien bis zu 24 Stunden, sodass erkennbare Kolonien erst nach mehreren Tagen und sogar Wochen entstehen (Tab. D-1.5).

Einzelne Bakterien, wie Nocardien und Mykobakterien, teilen sich langsam, etwa alle 24 Stunden.

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D

⊙ D-1.18

301

1.3 Grundlagen der antibakteriellen Chemotherapie

⊙ D-1.18

Beispiele für Koloniemorphologie und -farben

Rand und Profil der Kolonien auf einem Nährmedium Rand

glatt

wellig

gelappt

gesägt

fädig

konzentrische Zonen

erhaben

konvex

Spiegeleiförmig

konvex mit Ausstülpungen

Randwall

Profil

flach a

Farbe und Beschaffenheit der Kolonien

weiße, trockene Kolonie (z.B. Nocardia)

große, zackige Kolonie b (z.B. Bacillus)

≡ D-1.5

schwarze, feuchte Kolonie (z.B. Salmonella)

gelbe, trockene Kolonie (z.B. Mycobacterium)

gelappte Kolonie (z.B. Chryseomonas)

Kolonie mit Satelliten (z.B. Clostridium)

Durch binäre Teilung wachsen Bakterien innerhalb von 24 Stunden zu Milliarden von Einzelzellen

≡ D-1.5

pro Stunde = 2 Teilungen Anfangskeimzahl

1

9 Stunden

1 Stunde

4

10 Stunden

1 048 576

2 Stunden

16

11 Stunden

4 194 304

3 Stunden

64

12 Stunden

16 777 216

4 Stunden

256

13 Stunden

67 108 864

5 Stunden

1024

14 Stunden

268 435 456

6 Stunden

4 096

15 Stunden

1 073 741 824

7 Stunden

16 384

16 Stunden

4 294 967 296

8 Stunden

65 536

17 Stunden

17 179 869 184

1.3

262 144

Grundlagen der antibakteriellen Chemotherapie

1.3.1 Naturstoffe mit antimikrobieller Wirkung Anorganische Stoffe Es gibt zahlreiche anorganische Verbindungen, z. B. Schwermetallsalze im Boden, die das Wachstum mancher Bakterien hemmen. Nur Bakterien, die einen Resistenzmechanismus erworben haben, sind in einer solchen ökologischen Nische überhaupt lebensfähig.

1.3

Grundlagen der antibakteriellen Chemotherapie

1.3.1

Naturstoffe mit antimikrobieller Wirkung Anorganische Stoffe Einige anorganische Verbindungen, z. B. Schwermetallsalze im Boden, hemmen das Wachstum mancher Bakterien.

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302

D

Organische, pflanzliche Stoffe

Organische, pflanzliche Stoffe

Auch Pflanzen produzieren Stoffe mit antimikrobieller Wirkung. Kurze Zeit nach einer Infektion bilden sie Phytoalexine. Ein weiteres Beispiel ist das von Zwiebeln und Knoblauch gebildete Allicin.

Pflanzen müssen sich ständig gegen eine Vielzahl von Mikroorganismen (Bakterien, Pilze) wehren. Im Laufe der Entstehungsgeschichte haben sie die Fähigkeit erworben, Stoffe mit antimikrobieller Wirkung zu bilden, was ihnen einen Überlebensvorteil bietet. Phytoalexine sind niedermolekulare, antimikrobielle Stoffe, die von der Pflanze selbst unmittelbar nach einer Infektion durch Bakterien gegen deren Wachstum produziert werden. Ein klassisches Beispiel ist das auch von Zwiebeln und Knoblauch gebildete Allicin (2-Propenyl-2-Propenethiol-sulfinat). Es entsteht bei Verletzung der Zwiebelschale bzw. Quetschen der Knoblauchzehe durch Hydrolyse einer inaktiven Vorstufe. Allicin hat eine breite Wirkung auf viele grampositive und -negative Bakterien und sogar Pilze, indem es die SH-Gruppen von essenziellen Enzymen der Keime hemmt und dadurch deren Wachstum verzögert. Daneben enthalten aber auch ätherische Öle und Extrakte aus vielen Gewürzen, wie Thymian, Oregano, Salbei, Paprika, Meerrettich, Zimt, Vanille, aber auch Kaffee, Tee und Hopfen antimikrobielle Stoffe unterschiedlicher chemischer Natur. Zwar haben solche Stoffe in der Therapie von Infektionen des Menschen noch keine breite Anwendung gefunden, aber Naturvölker haben diese Eigenschaften schon immer genutzt, nicht zuletzt zum Schutz vor Verderben von Nahrungsmitteln.

Antimikrobielle Wirkstoffe von Mikroorganismen Die antimikrobiellen Stoffe mancher Pilze und langsam wachsender Bakterien schützen die Produzenten vor den schnell wachsenden Bakterien, die Konkurrenten um die Nahrung und den Standort sind.

Antimikrobielle Wirkstoffe von Mikroorganismen

Tierische Stoffe

Tierische Stoffe

Die Oligopeptide Apidaecin der Biene und Magainin des Frosches verhindern Schimmelbefall (Abb. D-1.19).

Marmelade kann leicht verschimmeln und vergären. Honig dagegen ist ziemlich gut vor Verderb geschützt, solange die antimikrobiellen Inhaltsstoffe (z. B. das Oligopeptid Apidaecin) nicht durch hohe Temperatur denaturiert werden. Auf diese Weise verhindert die Biene, dass die gesammelte Glukoselösung vorzeitig vergärt (Abb. D-1.19). (Honig enthält zusätzlich noch antimikrobielle Stoffe pflanzlichen Ursprungs, z. B. von den gesammelten Blütenpollen.) Obwohl sich z. B. der Frosch überwiegend im Wasser aufhält, verschimmelt er nicht, auch Wunden des Frosches infizieren selbst in verschmutztem Wasser nicht: Die Nackendrüsen scheiden Magainin aus (Abb. D-1.19), welches eine sehr breite, bakterizide Wirkung hat.

⊙ D-1.19

1 Allgemeine Bakteriologie

Nicht nur die wenigen, therapeutisch genutzten Metaboliten der diversen Schimmelpilze, wie Penicilline aus Pencillium spp. und Cephalosporine aus Cephalsoporium spp., sondern auch eine Vielzahl von anderen Stoffen aus Pilzen haben eine antimikrobielle Wirkung, z. B. Patulin, ein Mykotoxin. Diese Produkte helfen den Pilzen in der Natur im Kampf gegen schnell wachsende Bakterien, die Nahrungskonkurrenten sind. Auch langsam wachsende Bakterien, wie etwa Streptomyzeten, bilden antibakterielle Wirkstoffe, z. B. Streptomycin und Tetrazykline. Auch die Polymyxine stammen aus Bakterien (Paenibacillus polymyxa). Pseudomonas fluorescens produziert das staphylokkenwirksame Mupirocin. Im Prinzip produzieren sogar alle Bakterien antimikrobiell wirksame Stoffe. Wenn z. B. die Bakteriendichte zu groß geworden ist, bilden sie im Rahmen des „Quorum sensing“ (S. 299) chemische Signale, die das Wachstum der Nachbarn stoppen. Vor nachbarschaftlicher Konkurrenz schützten auch Bacteriozine. Kolibakterien produzieren Colicine, kleine Proteine, welche ein ganz enges Spektrum haben und nur verwandte Kolistämme abtöten. Zur Balance der Bakterienpopulation im Mikrobiom des Darmes (S. 22) tragen sie wesentlich bei.

Tierische antimikrobielle Wirkstoffe Die Biene schützt durch das Oligopeptid Apidaecin die gesammelte Glukoselösung vor Schimmelpilz und Bakterien. Auf der Froschhaut verhindert Magainin die Keimvermehrung. (Quelle: H. Hof: Candida, Aspergillus und Co. Pathogene Pilze. Pharmazie in unserer Zeit, 32 (2003), S. 102; Mit freundlicher Genehmigung © Wiley-VCH Verlag GmbH&Co. KGaA.)

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D

303

1.3 Grundlagen der antibakteriellen Chemotherapie

1.3.2 Endogene Antibiotika des Menschen Der Mensch selbst bildet auch eine Vielzahl von Oligopeptiden mit breiter antimikrobieller Aktivität, die als Teil der angeborenen Infektabwehr (innate immunity) den Körper vor Infektion schützen, s. Kap. „Physikalische und chemische Barrieren“ (S. 109). Diese „endogenen Antibiotika“ werden von den Epithelzellen auf Haut und Schleimhäuten synthetisiert. Jede Lokalität produziert spezifische, kationische Oligopeptide, die ausschließlich nur unter den ganz besonderen Verhältnissen lokal wirken können. So bilden die Paneth-Drüsenzellen in den Lieberkühn-Krypten des Dünndarms das Cryptdin, ein α-Defensin mit einer Länge von ca. 35 Aminosäuren, das die Darmschleimhaut schützt. Die antimikrobielle Aktivität von polymorphkernigen Granulozyten wird z. T. auch von solchen α-Defensinen vermittelt. In der Lunge werden ähnliche Oligopeptide, die β-Defensine synthetisiert, welche die Schleimhäute vor einer übermäßigen Besiedelung mit pathogenen Keimen schützen. Ist der Schleim in seiner Konsistenz verändert, z. B. bei Patienten mit Mukoviszidose, verlieren diese Defensine ihre Aktivität und es resultiert eine erhöhte Infektanfälligkeit. Weitere antibakterielle Peptide der Lunge sind die Surfactant-Proteine (S. 111). Die Vagina ist durch Protegrine vor fremden Keimen geschützt. Das Tamm-HorsfallProtein aus den Zellen der Henle-Schleifen, das mengenmäßig häufigste Protein im Urin eines gesunden Menschen, bindet an die Fimbrien der Kolibakterien und verhindert so deren Adhäsion an die Blasenwand. Auf der Haut sind neben einem sauren pH und Talg auch noch Proteine, wie Lysozym und Dermcidin, wichtig für den Schutz vor Infektionen. ▶ Merke. Die Exposition gegenüber potenziell pathogenen Keimen ist alltäglich,

1.3.2

Endogene Antibiotika des Menschen Defensine, Protegrine und andere Oligopeptide, die von Körperzellen produziert werden, haben eine breite antimikrobielle Aktivität auf Haut und Schleimhäuten und sind somit Teil der angeborenen Infektabwehr. Auch im Blut bzw. im Gewebe sind körpereigene Stoffe gegen Bakterien aktiv.

▶ Merke.

aber endogene Antibiotika bewahren – zusammen mit den anatomischen Barrieren der Haut und Schleimhäute – den Körper vor ständigen Infektionen. Auch im Blut sowie im Gewebe gibt es Stoffe, die manche Bakterien direkt attackieren, z. B. einige Chemokine, Defensine, Komplementkomponenten und das C-reaktive Protein (CRP) (S. 29). Bei Bedarf, d. h. im Falle einer Bakterieninvasion, wird deren Produktion in kurzer Zeit vervielfacht. Es ist ein Teil der sog. Akute-Phase-Proteine (S. 29).

1.3.3 Antibiotika und antimikrobielle Chemotherapeutika ▶ Definition. Als antibakterielle Chemotherapie im engeren Sinne bezeichnet man die gezielt gegen den Erreger einer Infektionskrankheit gerichtete Behandlung mit dem Vorsatz, diesen zu vernichten oder wenigstens seine Vermehrung zu unterbinden. Hierzu kommen Medikamente zum Einsatz, die nach dem Prinzip der selektiven Toxizität die Zelle des Mikroorganismus möglichst effektiv schädigen und die körpereigene Zelle möglichst unbeeinflusst lassen sollen. Als Antibiotika werden antibakteriell wirksame Stoffe bezeichnet, die natürlicherweise vorkommen und von Pilzen oder Bakterien gebildet werden (z. B. Penicillin entdeckt von Alexander Fleming; Nobelpreis 1945). Synthetisch gewonnene, antimikrobiell wirkende Pharmaka werden unter dem Begriff antibakterielle Chemotherapeutika zusammengefasst (z. B. Sulfonamide entdeckt von Gerhard Domagk; Nobelpreis 1939). Die Nomenklatur ist jedoch nicht streng, sondern vielmehr fließend. In der Regel werden alle Medikamente der antibakteriellen Chemotherapie als „Antibiotika“ bezeichnet, was sich schon deswegen empfiehlt, weil der Begriff „Chemotherapie“ beim Laien mit der außerordentlich nebenwirkungsreichen chemischen Krebsbehandlung gleichgesetzt wird und entsprechend negativ besetzt ist.

Die rationelle Auswahl des jeweils am besten (auch unter Kostenüberlegungen) geeigneten Therapeutikums setzt diverse Kenntnisse über dessen pharmakologische Eigenschaften (Resorption, Verteilung, Gewebegängigkeit, Ausscheidung, Proteinbindung, Halbwertszeit, Stabilität, Nebenwirkungen, Interaktionen) voraus. Zur oralen Anwendung kommen einige Antibiotika, obwohl sie selbst nicht oder nur in ge-

1.3.3

Antibiotika und antimikrobielle Chemotherapeutika

▶ Definition.

Neben der direken antimikrobillen Wirkung sind für die Wahl des richtigen Antibiotikums auch die pharmakologischen Eigenschaften von Bedeutung.

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304

D

1 Allgemeine Bakteriologie

ringem Maße im Darm resorbiert werden; wenn sie als Esterverbindungen verabreicht werden, z. B. Fosfomycin-Trometanol, Pivmecillinam, Ampicillin-Sulbactam und Cefpodoximproxetil, ist die Bioverfügbarkeit besser. In der Darmwand werden die Ester durch unspezifische Esterasen abgespalten, und die Wirksubstanz steht zur Verfügung. 1.3.4

1.3.4 Wirkspektrum

Wirkspektrum

Ein einziges Antibiotikum für alle Bakterien gibt es nicht. Jedes Antibiotikum hat ein bestimmtes Wirkspektrum. Chemisch nah verwandte Agenzien haben meist ein ähnliches Spektrum; im Einzelfall können jedoch praktisch relevante Vor- bzw. Nachteile bestehen. Beispielsweise besitzen alle Substanzen aus der Gruppe der Betalaktamantibiotika den Betalaktamring als eigentlich reaktive Gruppe, deren Aktivität jedoch erheblich durch weitere Ringstrukturen beeinflusst wird (Abb. D-1.20). Aber auch innerhalb dieser Untergruppen hat wiederum jede der zahllosen Seitenkettenmodifikationen unterschiedliche Eigenschaften zur Folge (Abb. D-1.21). Allein in der Gruppe der Cephalosporine gibt es bereits 5 Generationen mit jeweils mehreren Präparaten. Diese unterscheiden sich womöglich bezüglich ihrer direkten antibakteriellen Wirkung, aber auch bezüglich des pharmakologischen Verhaltens. Sogenannte Breitspektrumantibiotika (z. B. Tetrazykline, Carbapeneme, Chinolone) sind gegenüber einer Vielzahl von verschiedenen gramnegativen und grampositiven Bakterien wirksam, wogegen andere Substanzen, die Schmalspektrumantibiotika, speziell nur wenige Erreger angreifen (z. B. Oxazolidinone, Daptomycin und Vancomycin nur gegen grampositive Bakterien, Aztreonam und Polymyxine nur gegen gramnegative Bakterien, Metronidazol nur gegen Anaerobier). Die Tabellen Tab. D-1.6, Tab. D-1.7, Tab. D-1.8, Tab. D-1.9 und Tab. D-1.10 geben – nach Wirkmechanismen geordnet – eine Übersicht über die gebräuchlichsten Antibiotika.

Die verschiedenen Antibiotika unterscheiden sich mehr oder weniger in ihrem Wirkspektrum.

Manche (z. B. Tetrazykline, Carbapeneme, Chinolone) haben ein breites Wirkspektrum gegen eine Vielzahl von verschiedenen Bakterien, andere nur ein schmales (z. B. Oxazolidinone und Vancomycin nur gegen grampositive Bakterien). Die gebräuchlichsten Antibiotika zeigen: Tab. D-1.6, Tab. D-1.7, Tab. D-1.8, Tab. D-1.9, Tab. D-1.10.

⊙ D-1.20

Grundstrukturen diverser Betalaktamantibiotika

Betalaktamantibiotika 4

R HN

6 7

O

5

N

S 3 2

1

Betalaktamring Penicilline

⊙ D-1.21

CH3 CH3 COOH H

5

R1 HN

7 8

O

6

S

N 1 2

H2N

4 3

R2

COOH

Cephalosporine

⊙ D-1.21

O

O N

SO3H

Monobactame

O

N

C

OH COOH

Oxapename (Clavulansäure)

O

N

COOH

Carbapeneme (Thienamycin)

Penicillinderivate

Depotpenicilline

Breitspektrumpenicilline • Ampicillin • Piperacillin • Mezlocillin • Amoxicillin Innerhalb der Gruppe der Betalaktamantibiotika gibt es mehrere Untergruppen. In der Untergruppe der Penicilline existieren zahllose Substanzen mit jeweils unterschiedlichen Seitenketten, die sich dadurch in ihrer direkten antimikrobiellen Wirkung sowie in ihren pharmakologischen Eigenschaften mal mehr und mal weniger unterscheiden.

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D

≡ D-1.6

305

1.3 Grundlagen der antibakteriellen Chemotherapie

β-Lactamantibiotika (Hemmung der bakteriellen Zellwandsynthese)

Klasse

Wirkstoff

Spektrum

Achtung!

Penicilline

klassische Penicilline ■ Penicillin G

wirksam gegen grampositive Keime und gramnegative Kokken und sogar Pasteurella multocida

nicht wirksam gegen penicillinaseaktive Staphylokokken; Haemophilus-Arten und alle anderen gramnegativen Stäbchenbakterien

Mittel der Wahl gegen Staphylokokken

nicht wirksam gegen Hospital-Staphylokokken (MRSA) Kontraindikation: schwere Niereninsuffzienz



Benzylpenicillin



Penicillin V



Phenoxymethylpenicillin (säurestabil)

penicillinasefeste Penicilline ■ Methicillin ■

Oxacillin



Flucloxacillin

Aminopenicilline ■ Ampicillin ■

Amoxicillin



Mecillinam

Acylureidopenicilline ■ Mezlocillin ■

Piperacillin

Cephalosporine

wirksam gegen manche grampositive Bakte- nicht penicillinasefest, allergisierend rien und gegen manche Enterobacterales für Harnwegsinfektionen

wirksam besonders gegen viele Enterobacterales und Pseudomonaden; gute Penetrationsfähigkeit durch Zellwand

nicht penicillinasefest

alle Cephalosporine haben eine Lücke bei Enterokokken! 1. Generation ■ Cefaclor ■

Cefalexin



Cefadroxil



Cefazolin u. a.

2. Generation ■ Cefuroxim ■

gut wirksam auf Staphylokokken und Streptokokken, schwach gegen Haemophilus, E. coli, Klebsiella

penicillinasefest, empfindlich gegen Cephalosporinasen; Cefazolin nur i. v.

im Vergleich zu 1. Generation verbesserte Wirkung gegen gramnegative Keime

stabil gegen Penicillinase und viele Cephalosporinasen

Cefotiam

3. Generation ■ Cefpodoxim ■

Ceftibuten



Cefixim

sehr breites Wirkspektrum mit guter Wirkung gegen gramnegative Bakterien, jedoch im Vergleich zu 1. und 2. Generation schwächere Wirkung gegen grampositive Keime wie 3. Generation

nur i. v. Gabe

3b. Generation ■ Ceftazidim

auffällig gute Aktivität gegen P. aeruginosa

nur i. v. Gabe

4. Generation ■ Cefepime

wie 3. Generation; aber besser gegen P. aeruginosa

3a. Generation ■ Cefotaxim ■

Ceftriaxon



Cefpirom



5. Generation:



Cefoxitin



Ceftarolin



Ceftobiprol



Imipenem



Meropenem



Ertapenem

Monobactame



Aztreonam

Enterobacterales, nicht wirksam gegen grampositive Bakterien

Oxalactame



Clavulansäure



Sulbactam



Tazobactam

Inhibitor von Betalaktamasen; hat selbst nur anfällig gegen spontane Hydrolyse sehr geringe antibakterielle Aktivitäten; (angesetzte Lösungen nicht lange Kombination mit Amoxicillin und anderen stehen lassen!) Penicillinderivaten

Peneme

gute Wirkung gegen Anaerobier

Ceftarolin und Ceftobiprol wirken sogar gegen MRSA

oft wirksam bei Keimen, die gegen Cephalosporine resistent sind

Inaktivierung von Imipenem durch Nierenenzyme (Applikation zusammen mit Cilastatin, einem Enzyminhibitor)

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306

D

≡ D-1.7

1 Allgemeine Bakteriologie

≡ D-1.7

Weitere Antibiotika mit Störung der bakteriellen Zellwandsynthese und der zytoplasmatischen Membran

Klasse

Wirkstoff

Glykopeptide



Vancomycin



Teicoplanin



Lipopeptide

Spektrum

Achtung!

nur grampositive Bakterien

Ototoxizität, Nephrotoxizität

Daptomycin

nur grampositive Bakterien

bakterizid; gute Gewebepenetration; wird durch Surfactant gehemmt

begrenztes Spektrum

gute Penetrationsfähigkeit



Bacitracin

grampositive Bakterien

zur Systemtherapie nicht geeignet



Polymyxin B



Colistin

gramnegative Stäbchen reserviert für spezielle Situationen; Neuro- und Nephrotoxizität; rasche Resistenzentwicklung

Fosfomycin Polypeptide

Ethambutol

≡ D-1.8

Tuberkelbakterien

neurotoxisch

Antibiotika mit Hemmung der bakteriellen Proteinsynthese

Klasse

Wirkstoff

Spektrum

Achtung!

Aminoglykoside



Streptomycin

Tuberkelbakterien



Gentamicin



Tobramycin

ganz breit; viele grampositive und gramnegative aerobe Bakterien



Amikacin



Netilmicin

häufige Resistenzen; Neurotoxizität; Nephrotoxizität; Ototoxizität keine Wirkung gegen Anaerobier, Streptokokken und Enterokokken (als Einzelsubstanz) Cave: kontraindiziert bei Schwangerschaft im 1. Trimenon, Neugeborenen und schwerer Niereninsuffizienz



Neomycin



Paromomycin



Kanamycin

■ ■ ■

Roxithromycin



Clarithromycin



Azithromycin



Lincomycin



Clindamycin



Tetrazyklin



Oxytetracyclin



Doxycyclin



Minocyclin



Glycylcycline



Rifampicin



Rifabutin



Linezolid



Tedizolid



Nitroxolin

Makrolide

Lincomycine

Tetrazykline

Rifamycine Oxazolidinone

ganz breit; viele grampositive und gramnegative aerobe Bakterien

topische und orale Anwendung

Spectinomycin

penicillinasepositive Gonokokken

z. Zt. nicht im Handel

Erythromycin

wirksam auch gegen intrazelluläre Bakterien

unwirksam gegen Enterobacterales; Erythromycin steigert die Motilität der oberen Darmabschnitte; Folge: Bauchgrimmen. Die neueren Derivate haben diese Nebenwirkungen nicht mehr.

grampositive Aerobier und Anaerobier sowie gramnegative Anaerobier zunehmende Resistenzen

Cave: Gute Penetration ins Knochengewebe. Achten auf die eventuelle Entwicklung einer pseudomembranösen Enterokolitis!

Fusidinsäure Hydrochinolin

gelegentlich Resistenzen; Ablagerung in den Milchzähnen und Knochen Cave: kontraindiziert bei Schwangerschaft im 1. Trimenon, Kindern und schwerer Niereninsuffizienz

grampositive Erreger, Mykobakterien

wirksam auch gegen intrazelluläre Bakterien und im Biofilm

ausnahmslos alle grampositive Bakterien

Thrombozytopenie

grampositive Bakterien

rasche Resistenzentwicklung

Escherichia coli, andere Erreger von Harn- unwirksam gegen Pseudomonas; wegsinfektionen auch wirksam gegen Candida spp. wirksam gegen Keime im Biofilm

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D

≡ D-1.9

Antibiotika mit Störung der Folsäuresynthese und diverser anderer Enzymfunktionen in der Bakterienzelle

Klasse

Wirkstoff

Sulfonamide



Sulfanilamid



Sulfamethoxazol



Sulfadiazin u. a.

Diaminopyrimidine Diaminopyrimidin/ Sulfamethoxazol



Trimethoprim



Cotrimoxazol

Paraaminosalicylsäure

PAS

Nitrofurane



Nitrofurantoin



Nitrofurazon u. a.

Isonicotinamid

≡ D-1.10

307

1.3 Grundlagen der antibakteriellen Chemotherapie

Isoniazid (INH)

Spektrum

Achtung!

wirksam gegen Streptokokken, Pneumokokken, Aktinomyzeten, Nokardien

häufige Resistenzen Cave: kontraindiziert bei Schwangerschaft 1. Trimenon, Neugeborenen und schwerer Niereninsuffizienz; Allergie

sehr breites Spektrum; nicht wirksam gegen Anaerobier, Rickettsien, Chlamydien, Mykoplasmen; wirkt auch gegen den Pilz Pneumocystis

Kombination mit Sulfonamiden sinnvoll: Synergismus Cave: kontraindiziert bei Schwangerschaft 1. Trimenon, Neugeborenen und bei schwerer Niereninsuffizienz

Tuberkelbakterien Harnwegsinfekte

Cave: kontraindiziert bei Schwangerschaft 1. Trimenon, Neugeborenen und schwerer Niereninsuffizienz sowie im hohen Alter neurotoxisch, allergisierend

Tuberkelbakterien

neurotoxisch

Antibiotika mit Wirkung auf die baktierelle DNA

Klasse

Wirkstoff

Nitroimidazole



Spektrum

Achtung!

strikte Wirkung auf Anaerobier und verschiedene Protozoen

Cave: kontraindiziert bei Schwangerschaft 1. Trimenon, Alkoholgenuss

Chinolone

1. Generation ■ Nalidixinsäure

gramnegative Stäbchen

zurzeit nicht im Handel

2. Generation ■ Ciprofloxacin

systemische Infektionen mit Enterobacterales. Sehr gut wirksam gegen Meningokokken auch zur Prophylaxe; mäßige Wirkung gegen Pseudomonaden

Ciprofloxacin wird z. T. über den Darm ausgeschieden. Auch hohe Konzentrationen in Sekreten, z. B. ELF (epithelial lining fluid)

3. Generation ■ Levofloxacin

recht gute Wirkung gegen grampositive Kokken; auch gegen Chlamydien und Mycoplasmen

wird vorwiegend renal ausgeschieden; auch hohe Konzentrationen in Sekreten

4. Generation ■ Moxifloxacin

recht gute Wirkung gegen grampositive Kokken; auch gegen Chlamydien, Mykoplasmen und Anaerobier

wird zu einem großen Teil über den Darm ausgeschieden; wirkt gegen die Anaerobier der Darmflora; auch hohe Konzentrationen in Sekreten



Metronidazol

Norfloxacin

1.3.5 Wirkqualität

1.3.5

Sind antimikrobielle Chemotherapeutika für den Erreger direkt tödlich, sprechen wir von Bakterizidie. Diese ist naturgemäß irreversibel. Andere Antibiotika unterdrücken nur das Wachstum der Keimpopulation, sie sind bakteriostatisch. Die Bakteriostase hält nur so lange vor, wie eine ausreichende Konzentration des Wirkstoffes am Wirkort vorhanden ist (sog. post antibiotic effect, PAE). Die Wirkung ist somit reversibel. Zwischen Bakterizidie und Bakteriostase gibt es fließende Übergänge, die von der eingesetzten Substanz, ihrer Konzentration im Gewebe, der Erregerart und anderen Faktoren abhängig ist. Bakterizide Antibiotika werden weiterhin unterteilt in ■ primär bakterizide Antibiotika, das sind solche, die auch gegen ruhende Keime wirksam sind (Prototyp: Aminoglykoside, Lipopeptide), und ■ sekundär bakterizide Antibiotika, die nur bei proliferierenden Bakterienpopulationen zum Zuge kommen (Prototypen: Penicilline, Cephalosporine). Bei den bakteriostatisch wirkenden Antibiotika finden sich solche, die immer zur Bakteriostase führen (Prototyp: Sulfonamide), und solche, die nur vorwiegend bakteriostatisch wirken (Prototyp: Tetrazykline).

Antimikrobielle Chemotherapeutika können für den Erreger direkt tödlich sein (Bakterizidie). Andere Antibiotika unterdrücken das Wachstum der Keimpopulation. Sie sind bakteriostatisch.

Wirkqualität

Weiterhin werden unterschieden: ■ primär bakterizide Antibiotika, das sind solche, die auch gegen ruhende Keime wirksam sind, und ■ sekundär bakterizide Antibiotika, die nur bei proliferierenden Bakterienpopulationen zum Zuge kommen.

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308

D

1.3.6

1.3.6 Wirkmechanismus

Wirkmechanismus

Die wichtigsten Wirkmechanismen zeigt Abb. D-1.22.

⊙ D-1.22

1 Allgemeine Bakteriologie

Der besondere Vorteil der Antibiotika beruht darauf, dass diese Medikamente wie eine Wunderdroge („magic bullet“) ganz selektiv ein spezielles Target in der Bakterienzelle attackieren, für welches die menschliche Zelle keine analoge Struktur besitzt. Im Idealfall wird also nur der Stoffwechsel der Bakterienzelle geschädigt. Abb. D-1.22 zeigt in einer Übersicht die wichtigsten Wirkmechanismen der Antibiotika.

⊙ D-1.22

Angriffspunkte der Antibiotika Veränderungen an der DNA:

Zellwandsynthese: Penicilline Cephalosporine Vancomycin Teicoplanin Fosfomycin

(5-Nitroimidazole)

DNA-Replikation (DNA-Gyrase): Chinolone

DNA-abhängige RNA-Polymerase: Rifampicin

DNA Ribosomen Proteinsynthese:

mRNA

THFS

50

50

50

30

30

30

mRNA PABS

A) 50S-Inhibition: Chloramphenicol Erythromycin B) 30S-Inhibition: Tetrazykline Aminoglykoside Bindung an • f-Met-t-RNA: Oxazolidinon

Zytoplasmamembran: Polymyxine, Lipopeptide

Folsäuremetabolismus kompetitive Antagonisten der p-Aminobenzoesäure: Sulfonamide Folsäurereduktase: Trimethoprim

(nach Henne-Bruns et al.: Duale Reihe Chirurgie. Thieme; 2012)

Störung der bakteriellen Zellwandsynthese: Störung der Mureinquervernetzung.

▶ Merke.

Störung der bakteriellen Zellwandsynthese: Die Betalaktamantibiotika (Penicilline, Cephalosporine, Peneme, Monobactame) stören die nur in bakteriellen Zellen stattfindende Mureinbiosynthese. Sie binden an Transpeptidasen, die sog. Penicillinbindeproteine (PBP) (S. 289), welche die Quervernetzung des Mureingerüsts enzymatisch steuern. Damit eine antibakterielle Wirkung eintritt, müssen nicht alle PBP gehemmt werden; es reicht aus, wenn die Mehrzahl blockiert ist. Folgen der irreversiblen Hemmung der Transpeptidase sind: Verhinderung der Quervernetzung des Mureins durch irreversible Hemmung der Transpeptidase, die enzymatische Zerstörung des Mureins am falschen Ort zur falschen Zeit durch Autolysine, durch die fehlerhafte Zellwand und den hohen osmotischen Druck bedingte Lyse der Zelle. Eine Bakterizidie tritt erst verzögert ein, und zwar wenn der Pool an Zellwandbausteinen völlig verbraucht ist. Betalaktame wirken also im Prinzip bakterizid, aber eben nicht schnell. Glykopeptide, Fosfomycin und Polypeptide führen auf verschiedenen molekularen Ebenen ebenfalls zur Störung der Mureinbiosynthese. ▶ Merke. Antibiotika mit Störung der bakteriellen Zellwandsynthese sind nur aktiv,

wenn sich das Bakterium schnell vermehrt und dabei viel Zellwandsynthese notwendig ist; ruhende Bakterien, z. B. in einem Biofilm, sind wenig vulnerabel.

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D

309

1.3 Grundlagen der antibakteriellen Chemotherapie

Störung der zytoplasmatischen Membran: Lipopeptide integrieren sich, auch bei ruhenden Baktieren, in die Lipiddoppelschicht und führen zur Depolarisation des Membranpotenzials und zum raschen Tod der Bakterien. Störung der bakteriellen Proteinsynthese: Aminoglykoside, Tetrazykline, Makrolide, Oxazolidinone, Hydrochinolin sowie Rifampicin hemmen die bakterielle Proteinsynthese durch Störung der Translation an den bakteriellen Ribosomen (S. 287); die jeweiligen Strategien sind unterschiedlich: ■ Falschablesen des genetischen Codes (Miscoding) ■ Blockierung der Bindung von Formyl-Methionin-tRNA (f-Met-tRNA) ■ Blockierung des Initialribosoms durch Aminoacyl-tRNA ■ Blockierung des Elongationsribosoms durch Aminoacyl-tRNA ■ Blockierung der DNA-abhängigen RNA-Polymerase. Als Folge des Mangels an Bausteinen wird das Wachstum der Bakterien gehemmt (im Prinzip wirken sie also bakteriostatisch, z. B. Tetrazykline, Makrolide). Wenn aber, wie z. B. bei Aminoglykosiden, ein Falschablesen („misreading“) des genetischen Codes erfolgt, wirken sie bakterizid. Denn es entstehen fehlerhafte Proteine, die letztendlich die Strukturen und Prozesse dermaßen durcheinanderbringen, dass das getroffene Bakterium abstirbt. Im Prinzip reicht ein einziger Treffer von einem Aminoglykosid aus, um diesen Erfolg zu erzielen, weil die Störung der Proteinsynthese wegen einer festen Bindung an das Target im Bakterium lange anhält. ▶ Merke. Antibiotika mit Störung der bakteriellen Proteinsynthese sind nur wirk-

Störung der zytoplasmatischen Membran: Lipopeptidantibiotika integrieren sich (selbst bei ruhenden Bakterien) in die zytoplasmatische Membran und töten so die Bakterien rasch ab. Störung der bakteriellen Proteinsynthese: Störung der Translation oder Transkription im genetischen Apparat.

▶ Merke.

sam, wenn das Bakterium sich schnell vemehrt und dabei viel Proteinsynthese notwendig ist; ruhende Bakterien sind wenig vulnerabel. Störung der bakteriellen Folsäuresynthese: Während menschliche Zellen „fertige“ Folsäure aus der Umgebung beziehen, was für die Synthese der Purinbasen und damit für die DNA-Synthese benötigt wird, sind Bakterienzellen abhängig von ihrer eigenen Folsäuresynthese, da ihre Zellwände für diesen essenziellen Stoff undurchlässig sind. ■ Sulfonamide haben eine starke Ähnlichkeit in ihrer chemischen Struktur mit pAminobenzoesäure, welche zusammen mit dem Enzym Dihydropteroinsäure-Synthetase zur Bildung von Tetrahydrofolsäure (H4-Folsäure) benötigt wird. Sulfonamide nehmen ihren Platz ein und stören so die bakterielle Folsäuresynthese. ■ Trimethoprim blockiert direkt das Enzym Dihydrofolsäure-Reduktase. In beiden Fällen resultiert eine erhebliche Störung des bakteriellen Stoffwechsels, da die Folsäure als wichtige Vorstufe für die Nukleinsäurebildung nicht zur Verfügung steht. Wenn beide Wirkstoffe kombiniert werden, was in der Praxis häufig gemacht wird (z. B. Cotrimoxazol, eine fixe Kombination von Trimethoprim und Sulfamethoxazol), so wirken diese Partner synergistisch.

Störung der bakteriellen Folsäuresynthese: Enzymblockade.

Störung der bakteriellen DNA-Struktur: ■ Chinolone hemmen die DNA-Gyrase, ein Enzym, das für die Verdrillung der rechtsgewundenen DNA-Doppelhelix nach links verantwortlich ist. Durch diese Linksverdrillung entsteht in der Bakterienzelle die für die Replikation und Transkription günstigste DNA-Struktur. Da in einem Bakteriumgenom selbst im Ruhezustand immer eine Transkription eines Gens stattfindet, sind die Bakterien also auch in der Ruhephase vulnerabel. Eine Störung der Funktion dieser bakteriellen Gyrasen führt rasch zum Tod der Bakterien. Chinolone haben eine erheblich höhere Affinität für bakterielle als für zelluläre Gyrasen. ■ 5-Nitroimidazole sind primär inaktiv (Prodrug). Wenn sie aber nach Aufnahme in die Bakterienzelle von speziell in Anaerobiern vorhandenen Nitroreduktasen reduziert werden, entstehen Intermediärprodukte (Radikale, Nitroso- und Nitrosamingruppen). Diese binden spezifisch an Thymidinnukleotide in der bakteriellen DNA, die ja nicht durch eine Zellkernmembran geschützt ist. Es kommt zur Adduktbildung zwischen zwei auf einem Strang gelegenen Nukleotiden, wodurch das Leseraster verschoben und das Ablesen der genetischen Information empfindlich gestört wird. Bis zu einem gewissen Grad können Bakterien solche induzierten Mutationen wieder reparieren (SOS-repair-System), wobei allerdings „Webfehler“ in Form bleibender Mutationen auftreten können.

Störung der bakteriellen DNA-Struktur: ■ „Gyrasehemmer“ ■ Störung des Leserasters.

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310

D

1 Allgemeine Bakteriologie

Inhibition von Resistenzmechanismen: Einige Derivate der Betalaktamantibiotika, die selbst keine direkte antimikrobielle Aktivität mehr besitzen, können aber irreversibel mit der Betalaktamase von Bakterien reagieren und diese blockieren. Diese Betalaktamaseinhibitoren haben unterschiedliche Spektren und Geschwindigkeiten.

Inhibition von Resistenzmechanismen: Gelegentlich werden antimikrobiell wirksame Antibiotika mit Inhibitoren von Resistenzmechanismen kombiniert. Praktisch wichtig sind die Betalaktamaseinhibitoren. Diese Substanzen, wie Clavulansäure, Sulbactam, Tazobactam, Avibactam und Relebactam besitzen nur eine ganz geringfügige antimikrobielle Aktivität (ausgenommen gegen Acinetobacter). Sie binden fest an die Betalaktamasen und verhindern so die Zerstörung der Betalaktamantibiotika durch diese bakteriellen Enzyme. Die einzelnen Inhibitoren unterscheiden sich in ihrem Spektrum der mit ihnen interagierenden Betalaktamasen und in der Geschwindigkeit, mit der die Hemmung eintritt. Sie haben also unterschiedliche Effizienz und klinische Wertigkeit.

1.3.7

1.3.7 Resistenz

Resistenz

▶ Definition.

▶ Definition. Eine Bakterienresistenz liegt vor, wenn Bakterien in Anwesenheit the-

rapeutisch relevanter Konzentrationen eines Chemotherapeutikums (Antibiotikums) ihre Vermehrung nicht einstellen. Sie sind gegenüber der Wirksubstanz unempfindlich.

Ursachen für Resistenzen

Ursachen für Resistenzen

Natürliche (primäre) Resistenz: Der Wirkmechanismus eines bestimmten Antibiotikums kommt nicht zum Zuge, da die natürlichen, genetisch fixierten Eigenschaften des Bakteriums keinen Angriffspunkt für das Antibiotikum bieten.

Natürliche (primäre) Resistenz: Der Wirkmechanismus eines bestimmten Antibiotikums kommt nicht zum Zuge, da die natürlichen, genetisch fixierten Eigenschaften des Bakteriums keinen Angriffspunkt für das Antibiotikum bieten. Es handelt sich also um eine primäre, immer vorhandene Unempfindlichkeit, die bei der Therapie zu berücksichtigen ist. Die zellwandlosen Bakterien (Mycoplasma, Ureaplasma, Chlamydien) sind von vornherein resistent gegenüber Antiobiotika, welche die Zellwandsynthese hemmen. Penicillin G wirkt nicht bei gramnegativen Stäbchenbakterien, da diese Substanz die äußere Membran nicht überwinden kann. Die Penicillinderivate wie Aminopenicilline (Ampicillin, Amoxicillin) und noch besser die Ureidopenicilline (Mezlocillin, Piperacillin) passieren diese Schranke recht gut, indem sie sich durch die Porine (Proteinkanäle) der Lipiddoppelschicht zwängen. Diese Penicillinderivate wirken also auch auf gramnegative Stäbchen wie Escherichia coli und haben somit ein breiteres Spektrum als Penicillin G. Pseudomonas aeruginosa hat so enge Poren, dass allenfalls Azlocillin und Piperacillin hindurchpassen. Die Cephalosporine und Peneme penetrieren deutlich besser. Proteusbakterien sind immer resistent gegen Tetrazykline, weil sie eine Effluxpumpe für diese Antibiotika besitzen, sodass diese ihr Ziel nicht erreichen. Gramnegative Bakterien sind a priori gegen Vancomycin resistent (die Vancomycinresistenz von Enterokokken ist dagegen erworben!). In jeder Bakterienpopulation existieren einzelne Individuen, die durch natürliche, zufällige, sehr seltene Mutationen gegen bestimmte Wirkmechanismen von Antibiotika resistent sind. Es besteht dabei kein Zusammenhang mit vorausgegangenen oder bestehenden Therapiemaßnahmen. Diese Persister vermehren sich unter einer Antibiotikatherapie aufgrund ihres Selektionsvorteils und werden dann zum Problem.

In jeder Bakterienpopulation existieren Persister (gegen Antibiotika unempfindliche Individuen). Sie vermehren sich unter Antibiose aufgrund des Selektionsvorteils und werden dann zum Problem.

▶ Exkurs.

Erworbene (übertragene, sekundäre) Resistenz: Resistenz-Transfer-Faktoren (Plasmide) können zur Ausbildung von Mehrfachresistenzen führen, s. Kap. „Genetische Struktur und Organisation“ (S. 283). Multiresistente Keime spielen als nosokomiale Erreger eine große Rolle in vielen Krankenhäusern.

▶ Exkurs. Solche Bakterien, die selbst Antibiotika herstellen, müssen selbstverständlich sich selber vor der Wirkung schützen, indem sie Resistenzmechanismen dagegen aktivieren. So produzieren gewisse bodenständige Bakterien Rifampicin und sind selbst dagegen resistent, weil sie eine Punktmutation in der RNA-Polymerase besitzen.

Erworbene (übertragene, sekundäre) Resistenz: Die sekundäre Resistenz steht im Zusammenhang mit der Antibiotikatherapie. Neben dem bereits oben beschriebenen Selektionsmechanismus spielt hier der Austausch genetischen Materials zwischen einzelnen Bakterienzellen eine wichtige Rolle. Über Resistenz-Transfer-Faktoren (Transposons, Plasmide) können primär gegen bestimmte Antibiotika empfindliche Keime sogar Mehrfachresistenzen ausbilden, s. Kap. „Genetische Struktur und Organisation“ (S. 283), wenn nebeneinander mehrere Resistenzeigenschaften codiert sind. Solche multiresistenten Keime stellen bei nosokomialen Infektionen in vielen Krankenhäusern ein erhebliches Problem dar.

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D

311

1.3 Grundlagen der antibakteriellen Chemotherapie

Induzierte Resistenz: Alle gramnegativen Stäbchenbakterien (außer Salmonella) besitzen zumindest eine chromosomal codierte Information für eine Betalaktamase. Nur wenige Bakterien exprimieren dieses Gen konstitutiv und sind somit von vornherein gegen die meisten Betalaktamantibiotika resistent. Unter einer Therapie mit solchen Stoffen in z. B. unzureichender Dosierung können nach und nach auch bis dahin empfindlich erscheinende Bakterien ohne Erwerb neuer Resistenzgene ihr Verhalten ändern. Einige Bakterienarten (Enterobacter, Morganella, Serratia) aktivieren Gene für Cephalosporinasen so schnell, dass es aus strategischer Sicht nicht ratsam ist, Cephalosporine bei Infektionen mit diesen Keimen überhaupt einzusetzen, auch wenn sie zunächst bei der Testung noch wirksam erschienen. Im Gegensatz dazu unterliegt die Produktion plasmidcodierter Betalaktamase nicht der Regulation durch das Chromosom. Solche Enzyme werden also ständig (konstitutiv) produziert, und zwar in großer Menge – ganz besonders, wenn das Plasmid in mehrfacher Kopie in einer Bakterienzelle vorliegt. ▶ Merke. Man muss unterscheiden zwischen einer Resistenz, die genetisch codiert

Induzierte Resistenz: Alle gramnegativen Bakterien besitzen eine chromosomal codierte Betalaktamase, doch wird diese genetische Information nur bei wenigen Arten konstitutiv exprimiert, allenfalls nach Induktion.

▶ Merke.

ist, oder einer funktionell bedingten, eingeschränkten Vulnerabilität, wodurch die Bakterien oft nur passager refraktär werden. Beide Mechanismen können dazu führen, dass unter einer Therapie eine Keimpersistenz beobachtet wird.

Resistenzmechanismen

Resistenzmechanismen

Die 4 wichtigsten Mechanismen sind in Tab. D-1.11 dargestellt. Bakterien haben im Laufe der Evolution vielfältige Wege gefunden, um der Wirkung von antimikrobiellen Stoffen zu entgehen, wovon hier nur die wichtigsten näher besprochen werden sollen.

Die wichtigsten Mechanismen sind in Tab. D-1.11 dargestellt.

≡ D-1.11

Strategien der Bakterien zur Ausbildung von Resistenzen

Strategie

Mechanismus

Produktion inaktivierender Enzyme

Betalaktamasen: Hydrolysierung des Betalaktamrings durch verschiedene Enzyme (z. B. Penicillinasen, Cephalosporinasen). Erweiterte Wirkspektren besitzen ESBL (extended spectrum betalactamases) und Carbapenemasen. Aminoglykosidtransferasen: Inaktivierung des Antibiotikums durch verschiedene Bakterienenzyme (Acetyl-, Phospho-, Adenyltransferasen)

Permeabilitätsbarrieren

Störung des Transports durch die bakterielle Zellwand bzw. die Zytoplasmamembran (durch veränderte Porine) und damit Verhinderung des Zugangs zur Zielstruktur

aktiver Efflux

In der Zytoplasmamembran lokalisierte Proteine (Transporter) befördern die eingedrungenen Antibiotika wieder aus der Zelle (Effluxpumpen).

Veränderungen der Zielstruktur

Bildung von Penicillinbindeproteinen (PBP) mit geringer Affinität zu Betalaktamantibiotika Bindung von Methylgruppen an Ribosomen Die Untereinheit A der DNA-Gyrase wird so strukturiert, dass Gyrasehemmer nicht mehr an das Enzym binden können.

Produktion inaktivierender Enzyme

Produktion inaktivierender Enzyme

Der praktisch wichtigste Resistenzmechanismus ist die Bildung von Enzymen, welche die Antiobiotika inaktivieren, noch bevor sie an ihr Target binden können. Solche bakteriellen Enzyme, die schon seit ca. 2 Milliarden Jahren von Bakterien gebildet werden, spielen bei der Resistenz gegen Aminoglykoside und vor allem gegen Betalaktamantibiotika eine Rolle in der Medizin.

Die enzymatische Inaktivierung von Antibiotika durch Betalaktamasen ist der wichtigste Resistenzmechanismus.

Betalaktamasen

Betalaktamasen

Unter den Betalaktamasen gibt es eine Vielfalt von diversen Klassen und Varianten (mehr als 340), deren Resistenzgene entweder chromosomal- oder plasmidcodiert sind (s. o.). Diese Enzyme bewirken eine hydrolytische Spaltung des Betalaktamrings von Antibiotika (Abb. D-1.20), wodurch das Antibiotikum die antimikrobielle Wirkung verliert. Die Bildung der Enzyme kann erst während der Therapie durch das Antibiotikum induziert werden oder erfolgt ständig bzw. konstitutiv (z. B. die Bildung von AmpC-Betalaktamasen durch Enterobacterales spp., Serratia spp. und Pseudomonas aeruginosa).

Betalaktamasen spalten den Betalaktamring von Antibiotika (Abb. D-1.20). Es gibt eine Vielfalt von Enzymvarianten, deren Gene entweder chromosomal- oder plasmidcodiert sind. Die Bildung der Enzyme kann erst durch das Antibiotikum induziert werden oder erfolgt konstitutiv (z. B. AmpC-Betalaktamasen).

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312

Die sog. ESBL (extended spectrum betalactamases) haben ein erweitertes Wirkspektrum und zerstören die meisten Betalaktamantibiotika, jedoch nicht Carbapeneme. Ein noch weiteres Wirkspektrum besitzen die Carbapenemasen.

≡ D-1.12

▶ Merke.

D

1 Allgemeine Bakteriologie

Betalaktamasen besitzen eine ganz unterschiedliche chemische Struktur. Die meisten sind Serinbetalaktamasen, die im aktiven Zentrum ein Serinmolekül besitzen. Andere, seltenere Betalaktamasen haben zentral ein Zink-Ion, weshalb sie auch als Metallobetalaktamasen bezeichnet werden. Plasmidcodierte Betalaktamasen können auch erweiterte Wirkspektren haben; praktisch wichtig sind vor allem die ESBL (extended spectrum betalactamases), die definitionsgemäß nicht nur Aminopenicilline, Ureidopenicilline und Cephalosporine der 1. und 2. Generation spalten, sondern sogar solche der 3. Generation, wie Cefotaxim, Ceftriaxon und Ceftazidim. Die Carbapeneme allerdings sind gegenüber diesen ESBL stabil. Solche ESBL-Bildner kommen vor allem bei Escherichia, Klebsiella und Proteus vor. Aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung kann man > 2000 verschiedene ESBL definieren (z. B. aus der Klasse TEM, CTX-M, SHV, OXA). Ein im Vergleich zu den ESBL noch einmal erweitertes Sprektrum besitzen die Carbapenemasen, die z. T. alle Betalaktame spalten können und z. B. bei einigen Stämmen von Klebsiellen und Pseudomonaden vorkommen. Das Spektrum der verschiedenen Betalaktamasen ist also stark variabel; einen groben Überblick über die Betalaktamasestabilität der verschiedenen Betalaktamantibiotika gibt Tab. D-1.12. Verschiedene Carbapenemasen, wie etwa OXA48 oder NDM (Neu-Delhi-Metallocarbapenemase), können auch die sonst stabilen Carbapeneme spalten.

≡ D-1.12

Relative Stabilität der verschiedenen Betalaktamantibiotika

Betalaktamantibiotika

Betalaktamasestabilität

Penicillin, Aminopenicillin, Ureidopenicillin

gering

Cephalosporine 1. und 2. Generation

mäßig

Cephalosporine 3. und 4. Generation

gut

Carbapenem, Aztreonam

sehr gut (aber nicht absolut)

▶ Merke. Gegen einzelne Betalaktamasen gibt es klinisch verfügbare Inhibitoren

(Betalaktamaseinhibitoren = BLI). Meistens werden sie gleich als fixe Kombination verabreicht (z. B. Amoxicillin + Clavulansäure; Ampicillin + Sulbactam, Piperacillin + Tazobactam, Ceftazidim + Avibactam). Allerdings werden nicht alle Betalaktamasen dadurch inhibiert. Neue BLI, wie etwa Avibactam, können sogar AmpC-Betalaktamasen und einige Carbapenemasen hemmen. Bakterien setzen diese Betalaktamasen mit jeweils unterschiedlicher Strategie ein: Grampositive Bakterien produzieren große Mengen davon und geben sie massenhaft in die Umgebung ab. Noch bevor das Betalaktamantibiotikum in die Nähe des Bakteriums kommt, wird es daher schon inaktiviert. Bei einer Mischinfektion profitieren davon auch solche Bakterien, die eigentlich empfindlich sind. Gramnegative Bakterien bilden nur wenige Moleküle, die dann strategisch günstig an den Stellen lokalisiert werden – nämlich im periplasmatischen Spalt unterhalb der Poren – wo das Antibiotikum auf dem Weg zum Target vorbeikommen muss. Wenn Enterobacter, Serratia oder Pseudomonas, die sowieso schon konstitutiv Betalakatamase bilden, eine Mutation im Genom erlebt haben, können sie evtl. die AmpC-Betalaktamase so stark überproduzieren, dass dann sogar eine Resistenz gegen Cephalosporine der 3. Generation, also Cefotaxim und Ceftazidim, resultiert. Aminoglykosidasen

Aminoglykosidasen Für die Modifizierung von Aminoglykosiden haben manche Bakterien Acetyltransferasen, Adenyltransferasen oder Phosphoryltransferasen. Eines der Aminoglykoside, nämlich Amikacin, ist jedoch besonders stabil, weil aufgrund einer Seitenkette die meisten Enzyme gehindert werden, dieses Molekül zu verändern. Einige dieser Aminoglykosidasen können sogar Chinolone modifizieren.

▶ Exkurs.

▶ Exkurs. Auch die Resistenz von Bakterien gegenüber Makroliden kann z. T. durch modifizierende Enzyme vermittelt werden, nämlich durch Veresterung, durch Glykosylierung oder Phosphorylierung der Antibiotika, sodass sie nicht mehr ans Target binden können.

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D

313

1.3 Grundlagen der antibakteriellen Chemotherapie

Permeabilitätsbarrieren

Permeabilitätsbarrieren

Um an seine Zielstruktur zu gelangen, muss ein Antibiotikum durch die Zellwand (S. 289) hindurch und (bis auf die Glykopeptide und die Polymyxine) auch noch durch die zytoplasmatische Membran gelangen. Die dicke, aber einfach strukturierte Zellwand der grampositiven Bakterien ist für die meisten Antibiotika leicht zu überwinden. Bei Enterokokken kann allerdings Penicillin G die Zellwand nicht überwinden. Aminoglykoside können die Zellwand von Streptokokken nicht überwinden. Grampositive Anaerobier sind gegen Aminoglykoside resistent, weil die Energie für den aktiven Transport nur bei aerobem Stoffwechsel geliefert werden kann. Die komplex strukturierte Zellwand der gramnegativen Bakterien ist allerdings für einige Antibiotika ein Hindernis. So kann z. B. Penicillin G die Zellwandporen gramnegativer Baktieren (mit Ausnahme von Neisseria und Pasteurella) nicht passieren und sein Ziel erreichen. Die Passage anderer, auch verwandter Substanzen, wie z. B. Aminopenicilline und vor allem Ureidopenicilline, Cephaolsporine und Carbapeneme, ist dagegen zumindest bei den meisten Enterobacterales, wie Escherichia coli und Proteus mirabilis, leicht möglich. Einzelne Stämme können jedoch durch Veränderungen ihrer Porine auch gegen viele Antibiotika resistent sein. Besonders bei Pseudomonas aeruginosa gibt es viele Stämme mit ganz besonderen, impermeablen Porinen, die nur noch wenige Antibiotika (oder gar keine) überwinden können.

Porine in der Zellwand gramnegativer Bakterien bestimmen die Permeabiltät für manche Antibiotika.

▶ Merke. Gramnegative Stäbchenbakterien, wie Escherichia coli oder Proteus mira-

▶ Merke.

bilis, sind immer gegen Penicilin G resistent, weil diese Substanz nicht durch die Poren in der Zellwand gelangt. Aminopenicilline, Ureidopenicilline, Cephalosporine und Carbapeneme penetrieren sehr viel leichter. Die meisten Stämme von Pseudomonas aeruginosa besitzen jedoch Porine, die nur noch für wenige Antibiotika permeabel sind. Eine dicke Kapsel (z. B. bei Klebsiella pneumoniae) kann für manche Antibiotika (z. B. Betalaktamantibiotika) ein Diffusionshindernis darstellen. Mykobakterien haben außen eine komplexe Lipidschicht, welche für wasserlösliche Antibiotika (z. B. Betalaktamantibiotika) undurchlässig ist.

Zellwandstrukturen, wie Kapsel oder Fettschichten, behindern das Eindringen von Antibiotika ins Bakterium.

Aktiver Efflux

Aktiver Efflux

Im Genom eines Bakteriums gibt es eine Vielzahl von Genen für ganz verschiedene Transporter (Influx und Efflux). Bei Laktobazillen haben ca. 20 % der Genprodukte eine solche Transporterfunktion. Die Effluxpumpen können neben schädlichen Abfallstoffen auch manche Antibiotika exportieren, noch bevor sie ihr Ziel im Inneren der Bakerienzelle erreichen. Bei Bedarf kann die Expression solcher Effluxstrukturen hochreguliert werden. Der Grad der Resistenz ist also variabel. Einige Effluxpumpen sind auf bestimmte Antibiotikagruppen spezialisiert. So sind z. B. alle Proteusbakterien aufgrund von Effluxpumpen generell resistent gegen Tetrazykline. Inhibitoren solcher Effluxpumpen gibt es zwar, sie sind jedoch noch nicht klinisch einsetzbar, weil die Pumpen eben nicht nur Antibiotika transportieren.

Effluxpumpen können manche Antibiotika exportieren, bevor sie ihr Ziel erreicht haben.

▶ Exkurs. Auch eukaryontische Zellen besitzen Effluxpumpen, z. B. das P-Glykoprotein aus der Familie der sog. ABC-Transporter (ATP-binding-cassette-Transporter) oder das MATE-Protein (multi-antimicrobial extrusion). Diese Proteine transportieren die unterschiedlichsten Substanzen (darunter auch diverse Pharmaka) gegen ein Konzentrationsgefälle aktiv durch eine Membranbarriere hindurch. So sind z. B. manche Krebszellen des Menschen gegen bestimmte Zytostatika resistent, indem sie solche Mechanismen aktivieren.

▶ Exkurs.

Veränderungen der Zielstruktur

Veränderungen der Zielstruktur

Mutationen in den Zielstrukturen der Bakterienzelle, welche die natürliche Funktion nicht wesentlich beeinträchtigen, können die Affinität von Antibiotika beeinflussen. Häufig und klinisch äußerst relevant ist die Resistenz bei Staphyloccous aureus gegen Methicillin (ganz ähnlich wie Oxacillin) und gegen alle Betalaktamantibiotika. Diese sog. MRSA (methicillinresistente Staph. aureus) bilden aufgrund einer neuen Geninformation (mecA) zusätzlich zu den üblichen Penicillinbindeproteinen (PBP)

Mutationen in Zielstrukturen können die Affinität der Antibiotika beeinträchtigen. Bei den sog. MRSA führt eine strukturelle Veränderung im Penicillinbindeprotein 2 (PBP2) dieser S.-aureus-Stämme zu einer Resistenz gegen Methicillin und darüberhinaus gegen fast alle anderen Betalaktamantibiotika (Abb. D-1.23). ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

314 ⊙ D-1.23

D

1 Allgemeine Bakteriologie

⊙ D-1.23

Betalaktamaseresistenz Betalaktam

natürliches PBP

PBP2

Be tal

akt

verändertes PBP

Durch die strukturelle Änderung im Molekül des PBP2 (Penicillinbindeprotein) bei MRSA verliert das Betalaktamantibiotikum seine Affinität für seine Zielstruktur.

am

PBP2a

ein verändertes PBP2, das PBP2a bzw. das PBP2c. Da die Affinität von Methicillin und darüberhinaus aller Betalaktame (außer Ceftarolin sowie Ceftobiprol) gegenüber diesem Bindeprotein stark vermindert ist (Abb. D-1.23) und die Funktion dieser Transpeptidase nicht mehr gehemmt werden kann, sind solche Stämme gegen die meisten Betalaktame resistent. MRSA können aber aufgrund der erhaltenen Funktion des PBP2a weiterhin Zellwand aufbauen, obwohl die üblichen PBP durch die Betalaktame ausgeschaltet sind. Bei Listeria monocytogenes ist das essenzielle PBP3 und bei allen Enterokokken das PBP5 verändert, sodass Cephalosporine nicht mehr wirken. ▶ Merke.

▶ Merke. Die Cephalosporine haben eine „Enterokokkenlücke“ und eine „Listerien-

lücke“. Die Resistenz gegenüber Makroliden entsteht z. B. durch Methylierung der ribosomalen RNA.

▶ Klinischer Fall.

Die Resistenz gegenüber Makroliden entsteht durch die Fähigkeit der Bakterien, an einer ganz bestimmten Stelle (Position 2058 der 23S-r-RNA), eine Methylgruppe an die Basen anzuhängen. Dadurch ist die Konfiguration der Ribosomen so verändert, dass Makrolide und Lincosamide nicht mehr binden können. ▶ Klinischer Fall. Ein 60-jähriger Mann aus Kuwait wird nach längerer stationärer Behandlung einer Pankreasfistel bei chronischer Pankreatitis und Hepatitis-B-Infektion mit Leberzirrhose in ein deutsches Krankenhaus verlegt. Bei Aufnahme kann aus der Fistel neben Pseudomonas aeruginosa, der gegen alle üblichen Antibiotika, einschließlich Imipenem, resistent ist, ein sog. 4-MRGN-Keim, auch noch ein methicillinresistenter Staphylococcosus aureus (MRSA) isoliert werden. Dieser ist nicht nur gegen alle Betalaktamantibiotika, sondern auch gegen Makrolide, Chinolone, Tetrazykline, Rifampicin und Fosfomycin resistent. Außerdem hat der Patient noch eine Harnwegsinfektion mit Escherichia coli, das ESBL (extended spectrum betalactamases) produziert und eine Resistenz gegen Chinolone besitzt, ein sog. 3-MRGN-Keim. In diesem Fall ist das große Repertoire an Antibiotika ziemlich erschöpft und man musste auf Reserveantibiotika zurückgreifen.

Mehrfachresistenz/Parallelresistenz

Mehrfachresistenz/Parallelresistenz

Ein besonderes Problem stellen multiresistente Hospitalkeime dar

Einige Resistenzmechanismen bedingen eine Mehrfachresistenz, indem sie die Wirkung von mehreren Antibiotika hemmen, auch wenn diese ganz unterschiedlicher chemischer Struktur sind (z. B. cfr-codierte Resistenz gegen Chinolone, Lincosamide und Oxazolidinone). Eine Multiresistenz findet man oft bei Hospitalkeimen. Diese sind gegen mehrere Antibiotikagruppen resistent, weil sie verschiedene Resistenzgene tragen. Wenn auf demselben Plasmid gleich mehrere Resistenzgene codiert sind, welche die Wirkung unterschiedlicher Antibiotika inhibieren, entsteht eine Parallelresistenz bzw. Kreuzresistenz.

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D

315

1.3 Grundlagen der antibakteriellen Chemotherapie

▶ Merke. Mehrfachresistenz (Multiresistenz, Polyresistenz): Eine Mehrfachresistenz ist

▶ Merke.

die Unempfindlichkeit von Bakterien gegenüber mehreren Antibiotika verschiedener Klassen. Dies gilt z. B. für MRSA (multiresistente Staphylococcus aureus). Aus praktischen Gründen sowie nach Empfehlung der KRINKO (Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des RKI) werden in den Laborbefunden besonders die 3-MRGN (multiresistente gramnegative Bakterien), die gegen 3 der wichtigsten Antibiotikagruppen (Piperacillin, Cefotaxim und Ciprofloxacin) resistent sind, und die 4-MRGN, die zusätzlich auch noch gegen Carbapeneme resistent sind, hervorgehoben. Parallelresistenz: Sie liegt vor, wenn eine Resistenz gegen eine Substanz gekoppelt ist mit einer Resistenz gegen eine zweite; z. B. wenn beide Resistenzgene auf einem Plasmid gekoppelt sind (Beispiel: ESBL und Chinolonresistenz bei E. coli). Kreuzresistenz: Eine Resistenz, die gleichzeitig gegen mehrere Substanzgruppen gerichtet ist, z. B. eine Resistenz gegen Penicilline, die auch einige Cephalosporine erfasst, wenn also eine Betalaktamase mit einem breiten Spektrum gebildet wird oder z. B. ein Resistenzmechanismus existiert, der gegen Clindamycin und gegen Erythromycin gleichzeitig wirkt.

Kriterien für die richtige Antibiotikawahl

Kriterien für die richtige Antibiotikawahl

Kalkulierte Therapie: Häufig ist anfangs unklar, welche Erreger an einer Infektion beteiligt sind. Dennoch sollte bei schweren Infektionen auch vor einer definitiven Erregerabklärung eine antimikrobielle Chemotherapie unmittelbar begonnen werden. Die Erfahrung zeigt, dass in bestimmten klinischen Situationen in den meisten Fällen ein Standardregime wirksam ist. Leitlinien verschiedener Expertengruppen zu einzelnen Krankheiten sollten hier zu Rate gezogen werden. Zur kalkulierten Antibiotikatherapie einer unkomplizierten Harnwegsinfektion (Zystitis) werden primär solche Antibiotika empfohlen, die ein breites Wirkspektrum haben, die oral verabreicht werden können und die im Harn hohe Konzentrationen erreichen, wie etwa Nitroxolin, Pivmecillinam, Fosfomycin-Trometanol und ggf. Nitrofurantoin. Bei nachgewiesenem Erreger kann dessen Empfindlichkeit je nach Land, Klinik und Station unterschiedlich sein, sodass solche Empfehlungen (Tab. D-1.13) nur für eine erste Orientierung gelten.

Kalkulierte Therapie: Sie basiert auf klinischen Erfahrungen.

≡ D-1.13

Mittel der ersten Wahl zur Therapie von Infektionen

Keime

≡ D-1.13

empfohlenes Antibiotikum

Streptokokken, auch Pneumokokken (außer Enterokokken) Penicillin Neisseria meningitidis

Penicillin

Treponema pallidum

Penicillin

Anaerobier

Metronidazol

Mykoplasmen

Makrolide/Tetrazyklin

Chlamydien

Makrolide/Tetrazyklin

Die Empfehlung beruht auf lokaler Resistenzlage sowie klinischer Erfahrung, nicht auf In-vitro-Testung der Antibiotikaempfindlichkeit eines Isolates. Man kann primär von der Wirksamkeit dieser Antibiotika ausgehen. Bei klinischem Misserfolg (nach 3–4 Tagen) ist allerdings eine Überprüfung erforderlich (evtl. auch Überprüfung der Diagnose).

Oft werden Antibiotikakombinationen eingesetzt, wofür es mehrere Begründungen gibt (Tab. D-1.14). ▶ Merke. Wenn einem Patienten ein ganzer Cocktail von Antibiotika verabreicht

Für Antibiotikakombinationen gibt es mehrere Begründungen (Tab. D-1.14). ▶ Merke.

wird, so geschieht dies meist nur irrational aus Mangel an Fakten. Für manche Infektionen werden typischerweise bestimmte Antibiotikakombinationen eingesetzt (Tab. D-1.15). Wenn der Erreger bekannt ist, fällt es naturgemäß leichter, die richtige Wahl für ein Antibiotikum zu treffen. In manchen Situationen ist die Konsequenz vorgegeben (Abb. D-1.24).

Typische Antibiotikakombinationen zeigt Tab. D-1.15.

Gezielte Therapie: In den meisten Fällen sollte jedoch eine Bestimmung der Empfindlichkeit gegenüber Antibiotika mittels In-vitro-Testung versucht werden (Antibiogramm).

Gezielte Therapie: Sie beruht auf einer klaren Diagnose und einem Antibiogramm (vgl. Abb. D-1.24). ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

316

D

≡ D-1.14

1 Allgemeine Bakteriologie

Überlegungen zu Antibiotikakombinationen

Gründe für Antibiotikakombinationen

Gründe gegen Antibiotikakombinationen



Erweiterung des Spektrums (kein Antibiotikum kann alle Bakterein erreichen)



Mischinfektion durch verschiedene Bakterien mit jeweils unterschiedlicher Empfindlichkeit; Synergismus (Abb. D-1.28)



Verhinderung der Entwicklung von Resistenzen: Das Überleben von Mutanten, die gegen ein Antibiotikum resistent sind, ist bei Präsenz von mehreren Antibiotika nicht möglich; die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bakterium gleich durch mehrere Mutationen gegenüber diversen Antibiotika reistent wird, ist statistisch gering.

≡ D-1.15



Antagonismus (wenn z. B. die Proteinsynthese durch ein bakteristatisches Antibiotikum, wie Tetrazyklin, gehemmt wird, kann ein Betalaktamantibiotikum nicht mehr wirken, weil das Bakterium keine neue Zellwand mehr synthetisiert; in diesem Fall bewirkt Tetrazyklin, dass das Bakterium refraktär gegen Betalaktame wird)



zusätzliche Toxizität



die Wahrscheinlichkeit von Interaktionen mit anderen Medikamenten steigt



Kosten

Feste Standard-Therapieschemata

z. B. Tuberkulose

INH + Streptomycin + PAS (besser Ethambutol oder Pyrazinamid) als Dreierkombination; evtl. Rifampicin als 4. Substanz Die Kombination hat bessere antibakterielle Wirkung (Synergismus) und verhindert rasche Resistenzentwicklung. Unbedingt!!!

z. B. Meningitis

solange Erreger und Antibiogramm noch nicht bekannt sind: Cephalosporin + Aminoglykosid

z. B. Peritonitis

Piperacillin + Metronidazol (+ Aminoglykosid) (viele Aerobier und Anaerobier werden erfasst)

z. B. Enterokokkenendokarditis

Ampicillin + Aminoglykosid (obwohl in vitro alle Enterokokken resistent gegen Aminoglykoside sind; trotzdem Synergismus)

z. B. Gelenkprotheseninfekt (mit Staphylokokken)

Rifampicin + Flucloxacillin

Im Einzelfall erfordert das Nichtansprechen auf die Therapie eine kritische Prüfung!

Empfehlungen zur richtigen Antibiotikawahl aufgrund von mikrobiologischen Überlegungen

Therapie 1. Wahl

gut wirksam

Alternativtherapie

etwas wirksam

nicht anzuraten

grampositiv gramnegativ

Tagestherapiekosten:

< 10 € 10–50 € > 50 €

⊙ D-1.24

Linezolid Vancomycin Metronidazol Cotrimoxazol Ciprofloxacin Moxifloxacin Gentamicin Clarithromycin Clindamycin Doxycyclin Imipenem Cefotaxim Cefazolin Cefadroxil Piperacillin Amoxicillin + Clavulansäure

Str ep to Str kokk ep e to n A co , cc B, C Pn us vi , G eu r m idan Sta En okok s ph te ke Sta . au roko n ph reu kke .a s ur (MS n eu s ( SA) Go M R S Ha n em Men oko A) op ing kke o hil n us kok inf ken Es ch luen eri z ch ae ia c Kle oli bs Pr Salm iella ot eu on Pr s m ella ot eu irab ili s En vulg s Ps t a ero ris eu do ba m cte on S as err r ae a ru tia gin o Bo sa r r e Le lia g Ac ion tin ell om a Ba y cte Clos ces t ri ro ide die n s Tre fragi l po is Ch nem l am a My ko ydie pla n Ric sme n ke tts ien

Amoxicillin Flucloxacillin Penicillin V Penicillin G Gram (+/–)

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D

Empfindlichkeitsprüfung/Resistenztestung/Antibiogramm Bestimmung der minimalen Hemmkonzentration (MHK): In einem geeigneten Nährmedium wird eine Verdünnungsreihe eines Antibiotikums angelegt. Danach wird eine definierte, geringe Menge an Bakterien eingeimpft und bebrütet. Nach 24 Stunden wird abgelesen, ob die Keime sich vermehrt haben (Abb. D-1.25). Die niedrigste das Wachstum unterdrückende Konzentration gilt als minimale Hemmkonzentration (MHK). Bei der kritischen Beurteilung dieses Wertes muss man jedoch bedenken, dass die Entstehungsbedingungen recht artefiziell sind (kontinuierliche Konzentration über 24 Stunden, neutraler pH, artifizielle Elektrolytkonzentrationen, unnatürliche Nährstoffbedingungen, günstige O2-Verhältnisse, niedriges Inokulum etc.). ▶ Exkurs. Der pH hat großen Einfluss auf die Stabilität und die Wirksamkeit von Antibiotika. Penicilline, Aminoglykoside und Chinolone verlieren in saurem Milieu, das man z. B. in entzündeten Geweben oder auch im Urin sowie in einer Phagozytosevakuole innerhalb von Granulozyten oft findet, stark an Aktivität; Makrolide und Tetrazykline sind weniger anfällig. Rifampicin dagegen gewinnt sogar bei niedrigem pH an Aktivität.

Weiterhin sagt der absolute Wert allein nichts aus über den zu erwartenden Therapieerfolg, denn dieser hängt darüber hinaus auch von den pharmakologischen Eigenschaften eines Medikamentes ab. Deswegen werden zur Bewertung sog. Breakpoints herangezogen. Das sind Serumspiegel, die nach der Hälfte des üblichen Applikationsintervalls erreicht werden können. Unter Zuhilfenahme dieser normativen Maßstäbe kann man unter Vorbehalt eine Aussage über die Empfindlichkeit des Erregers machen. Experten der EUCAST (European Committee on Antimicrobial Susceptibility Testing) haben Vorschläge für verbindliche Breakpoints erarbeitet jedoch nicht für alle Bakterien und alle Antibiotika.

⊙ D-1.25

317

1.3 Grundlagen der antibakteriellen Chemotherapie

Bestimmung der minimalen Hemmkonzentration (MHK), hier am Beispiel von Imipenem für Acinetobacter

Empfindlichkeitsprüfung/Resistenztestung/ Antibiogramm Bestimmung der minimalen Hemmkonzentration (MHK): Sie ergibt das exakte Maß für die Empfindlichkeit eines Erregers gegenüber einem bestimmten Präparat (Abb. D-1.25). Diese exakten Werte kommen aber unter artefiziellen Bedingungen zustande.

▶ Exkurs.

Für die praktische Beurteilung des Wertes eines Antibiotikums ist nicht allein die MHK, sondern die Tatsache wichtig, ob im Serum eines Menschen überhaupt ausreichende Wirkspiegel erreicht werden können.

⊙ D-1.25

nach der europäischen Norm (EUCAST) mäßig empfindlich

128

64

32

16

empfindlich

Breakpoint

Breakpoint

resistent

8

4

mg/l Imipenem

2

1

0,5

Wachstumskontrolle

MHK

Im Bouillondilutionstest werden Nährlösungen mit absteigenden Konzentrationen des Antibiotikums hergestellt und mit jeweils der gleichen (niedrigen) Anzahl von Bakterien beimpft. Während sich die Bakterien in der Wachstumskontrolle (ohne Antibiotikum) sowie bei ganz niedrigen Konzentrationen vermehren und nach 24 Stunden eine Trübung verursachen, wird ihre Vermehrung durch hohe Antibiotikakonzentrationen inhibiert; die Bouillon bleibt klar. Die niedrigste Konzentration, die noch in der Lage ist, das Wachstum der Keime vollständig zu hemmen, wird als minimale Hemmkonzentration bezeichnet. Das Schema zeigt die Bestimmung der minimalen Hemmkonzentration (MHK) von Imipenem für einen Stamm von Acinetobacter baumanii. Die gemessene MHK beträgt 16 mg/l, da dies die niedrigste Konzentration ist, bei der noch eine nahezu vollständige Hemmung der Vermehrung (keine Trübung) eintritt. Die Wertung dieses Messergebnisses ist durch die EUCAST (die europäische Norm) vorgegeben, die Breakpoints für jede Substanz und jedes Bakterium definiert hat, nämlich bei Imipinem und Acinetobacter baumannii empfindlich ≤ 2 mg/l und resistent ≥ 8 mg/l. In diesem Fall muss also der Stamm als resistent gegen Imipenem bezeichnet werden, da die gemessene MHK (16 mg/l) über dem vorgegebenen Breakpoint liegt. Fazit: Die Empfindlichkeitsprüfung und die Einteilung in die Kategorien sensibel (s), wirksam nur bei hoher Dosierung oder resistent (r) müssen kritisch gewertet werden. Der Erfolg eines Antibiotikums hängt darüber hinaus nämlich auch noch von anderen Parametern ab. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

318

D

1 Allgemeine Bakteriologie

Beachte. Als Kriterium für die Wirksamkeit eines Antibiotikums wird also ausschließlich die Hemmung der Vermehrung herangezogen. Unberücksichtigt bleibt, dass manche Antibiotika schon in subinhibitorischen Konzentrationen (S. 319) wirken. Unberücksichtigt ist, dass allein die Hemmung der Produktion von Toxinen bzw. Virulenzfaktoren den Verlauf der Erkrankung wesentlich beeinflussen. Unberücksichtigt ist auch, dass in manchen Körperteilen, die Konzentrationen unter oder über den Blutspiegeln liegen, sodass in einzelnen Arealen die Breakpoints entweder nicht erreicht oder ein andermal überschritten werden. Nur für ganz wenige Antibiotika gibt es z. B. harnwegsspezifische Breakpoints. Die Erfahrung lehrt, dass eine gewisse Korrelation zwischen MHK und dem therapeutischen Erfolg besteht. Die Beurteilung eines Antibiotikums als sensibel (s) bedeutet, dass ein therapeutischer Erfolg zu erwarten ist, intermediär (i) kann so interpretiert werden, dass mit einer Hochdosistherapie noch eine Wirkung erzielt werden kann, wogegen die Wertung als resistent (r) eine Anwendung nicht empfiehlt. Diffusionstest: Für die Routine ist die exakte Bestimmung der MHK meist zu aufwendig, sodass der einfachere Diffusionstest zur Anwendung kommt. Dabei werden Papierblättchen, die mit einer definierten Menge Antibiotikum getränkt sind, auf eine beimpfte Agarplatte gelegt, wobei das Antibiotikum diffundieren kann und ein Konzentrationsgefälle entsteht. Solange die Wirkstoffkonzentration ausreicht, das Wachstum der Bakterien zu hemmen, bildet sich eine Zone ohne Keimwachstum (Abb. D-1.26). Der Durchmesser der Hemmzone steht in einem linearen Verhältnis zur MHK (Abb. D-1.27). Die Werte sind jedoch leicht durch äußere Bedingungen zu beeinflussen.

Diffusionstest: Der Diffusionstest ist ein einfacher, praktischer Parameter für die Kategorisierung s-i-r ohne Bestimmung der exakten MHK (Abb. D-1.26 und Abb. D-1.27).

⊙ D-1.26

⊙ D-1.26

Agardiffusionstest zum Nachweis der Empfindlichkeit von Bakterien

0

⊙ D-1.27

1

2

3

4

5

Beziehung zwischen Hemmhofdurchmesser und MHK Mithilfe von mehreren Bakterienisolaten wurden für jedes der üblichen Antibiotika und für jedes gängige Bakterium Regressionsgeraden erstellt. Im Labor lässt sich dann aufgrund eines exakt gemessenen Hemmhofdurchmessers auf die eigentliche MHK zurückschließen. In diesem Beispiel war der gemessene Hemmhofdurchmesser 10 mm; das entspricht einer MHK von ca. 32 mg/l. Angenommen, der vorgegebene Breakpoint läge bei 2 mg/l, so könnte das Bakterium als resistent gewertet werden.

20

Hemmhofdurchmesser (mm )

Nachdem die Oberfläche einer Nähragarplatte gleichmäßig mit einer passenden Bakterienmenge beimpft ist, werden Filterpapierblättchen aufgelegt, die mit einer vorgegebenen Menge eines Antibiotikums getränkt sind. Wenn das Antibiotikum in den Agar diffundiert, so entsteht ein Konzentrationsgefälle. In der Nähe des Blättchens, wo hohe Konzentrationen herrschen, wird das Wachstum der empfindlichen Keime gehemmt; sobald aber die Konzentration unter einen kritischen Wert absinkt, können die Bakterien sich wieder vermehren. Die Größe des Hemmhofes kann exakt gemessen werden und steht in gewissem Verhältnis zur MHK.

15

10

Regressionsgerade 5

0,25

1

4

16

64

256 1024

MHK-Werte (mg/l) ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

1.3 Grundlagen der antibakteriellen Chemotherapie

319

Post-antibiotic Effect: Bei der Entscheidung über die Länge der Applikationsintervalle spielt die Kenntnis über einen Post-antibiotic Effect eine Rolle. Wenn Aminoglykoside und Makrolide einmal an ihr Target am Ribosom gebunden haben, bleiben sie mehrere Stunden haften und blockieren in dieser Zeit die Vermehrung, selbst wenn im externen Milieu die Antibiotikakonzentration abgesunken ist.

Post-antibiotic Effect: Wenn ein Antibiotikum fest an sein Target bindet, kann über längere Zeit hinweg die Wirkung bestehen, ohne dass im externen Milieu noch ausreichend Wirkstoff vorhanden ist.

Wirkung von subinhibitorischen Konzentrationen: Die Hemmung der Vermehrung ist für die Praxis der wichtigste Parameter zur Beurteilung der Effizienz eines Antibiotikums. Manche Substanzen können jedoch bereits in Bereichen weit unter diesen Hemmkonzentrationen die Transkription bakterieller Gene beeinflussen und die Bildung von Virulenzfaktoren (Fimbrien, Toxinen) behindern und somit zu einem therapeutischen Erfolg beitragen. In einzelnen Konstellationen kommt es dabei jedoch zu einer Stimulierung der Produktion von Toxinen. Weiterhin ist die Induktion von Resistenzen von Bakterien durch subinhibitorische Antibiotikakonzentrationen möglich

Wirkung von subinhibitorischen Konzentrationen: Auch in niedrigen Konzentrationen, die nicht mehr in der Lage sind, die Vermehrung zu hemmen, können manche Antibiotika die Transkription mancher Gene der Bakterien steuern und die Produktion von Virulenzfaktoren beeinträchtigen.

Bakterizidie/Bakterizidiekinetik: Vor allem im abwehrgeschwächten Wirt wäre es wichtig, die Bakterien nicht nur zu hemmen, sondern auch irreversibel zu schädigen, d. h. zu töten. Eine solche Aktivität kann in vitro geprüft werden. Definitionsgemäß gilt ein Antibiotikum als bakterizid, wenn es nach 24 Stunden in Konzentrationen, die allenfalls doppelt so hoch sind wie die MHK, 99,9 % der Bakterien abtötet. Wichtig ist zudem der Zeitpunkt der Abtötung nach Exposition. Betalaktamantibiotika sind im Prinzip zwar bakterizid, sie erreichen dieses Ziel aber erst nach 6–8 Stunden, Aminoglykoside und Chinolone dagegen schon in 1 Stunde; sie gelten also als rasch bakterizid.

Bakterizidie/Bakterizidiekinetik: Als Maß für die Wirksamkeit eines Antibiotikums ist nicht nur die Hemmung der Vermehrung, sondern möglichst auch eine Abtötung zu beurteilen.

Synergismus/Antagonismus: Wenn mehrere Antibiotika gleichzeitig auf ein Bakterium einwirken, so kann dies synergistische, additive (indifferente) oder antagonistische Auswirkungen haben (Abb. D-1.28). Wenn z. B. Ampicillin die Zellwandsynthese von Enterokokken gestört hat, kommt es zu strukturellen Veränderungen. Aminoglykoside können dann durch diese ansonsten für sie impermeable Membran hindurchgelangen und bakterizid wirken, obwohl Enterokokken gegenüber Aminoglykosiden allein immer resistent sind. Fosfomycin steigert die Wirkung von vielen zellwandaktiven Antibiotika. Wenn dagegen z. B. eine bakteriostatisch wirksame Substanz, wie Tetrazyklin, die Vermehrung der Bakterien hemmt und somit die Bakterien keine neue Zellwand mehr synthetisieren, ist ein eigentlich bakterizid wirkendes Betalaktamantibiotikum unwirksam.

Synergismus/Antagonismus: Kombinationen von verschiedenen Antibiotika können synergistische, additive (indifferente) oder antagonistische Wirkungen haben (Abb. D-1.28).

D

⊙ D-1.28

Synergistische Wirkung von Ampicillin und Gentamicin auf Listeria monocytogenes

⊙ D-1.28

Ohne Antibiotika können sich die Bakterien in einer Flüssigkultur vermehren. Gegenüber dem Ausgangswert steigen die Keimzahlen noch an. Gentamicin (GM) in niedriger Konzentration kann kurzzeitig das Keimwachstum hemmen, bevor dann doch die Vermehrung beginnt. Ampicillin (AMP) allein in einer relativ niedrigen Konzentration kann das Wachstum ebenfalls nur hemmen; erst nach vielen Stunden kommt es zu einer Keimzahlreduktion. Die bakterizide Wirkung von Ampicillin ist also nur schwach. Bei Kombination der beiden schwachen Partner kommt es zu einem Synergismus, sodass die Keimzahl deutlich und rasch abfällt.

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320

D

1.3.8

1.3.8 Pharmakokinetik

Pharmakokinetik

Der Serumwert sollte über der MHK liegen. Bei Bakteriostatika sollte ein möglichst gleichbleibender Spiegel über längere Zeit bestehen. Die AUC (area under the curve) ist entscheidend. Bei bakteriziden Antibiotika ist oft eine hohe Konzentrationsspitze von Vorteil (i. v. Applikation), die eine rasche Elimination der Erreger einleitet (Abb. D-1.29).

⊙ D-1.29

1 Allgemeine Bakteriologie

Die Gesetzmäßigkeiten von Resorption, Verteilung im Organismus, Abbau und Ausscheidung sind für die einzelnen Antibiotikagruppen sehr unterschiedlich. Eine genaue Darstellung muss deshalb den Lehrbüchern der Pharmakologie überlassen bleiben. Das Ziel ist, dass man Serumwerte erreicht, die höher sind als die minimale Hemmkonzentration (MHK) für das jeweilige Bakterium (Abb. D-1.29). Dabei ist es günstig, wenn bei bakteriostatisch wirkenden Substanzen ein möglichst gleichbleibender Spiegel über längere Zeit (AUC = area under the curve) besteht. Schnelle Resorption bei oraler Applikation, nicht zu kurze Halbwertszeit und gute Diffusionseigenschaften können dies gewährleisten. Bei bakteriziden Antibiotika ist oftmals die intravenöse Verabreichung günstiger, da es dann am Infektionsort zu einer hohen Konzentrationsspitze kommt, die eine rasche Elimination der Erreger einleitet.

Grundkonzept der Antibiotikatherapie

Zeit über MHK für P. aeruginosa

▶ Merke.

Der Serumwert eines Antibiotikums sollte über dem Wert der MHK liegen. Da die MHK-Werte für die verschiedenen Bakterien aber deutlich differieren, wird in dem virtuellen Beispiel klar, dass eine sichere therapeutische Wirksamkeit bei Infektionen mit E. coli eher erreicht wird als bei Infektionen mit P. aeruginosa. Darüber hinaus wäre es bei manchen Antibiotika (z. B. Betalaktamantibiotika) wichtig, dass die Serumwerte lange Zeit über der MHK (AUC) liegen, während bei anderen (z. B. Aminoglykoside, Vancomycin) vor allem die Höhe des Spitzenwertes für den therapeutischen Erfolg entscheidend ist. Entsprechend muss das Applikationsintervall angepasst werden.

▶ Merke. Über einen günstigen Therapieerfolg entscheidet nicht nur die hohe di-

rekte antimikrobielle Wirkung (belegt z. B. durch eine niedrige MHK), sondern auch Höhe bzw. Dauer von Blut- und Gewebespiegel. Einige Antibiotika (z. B. Betalaktame) verlieren sehr schnell ihren therapeutischen Effekt, wenn die Serumkonzentration unter den MHK-Wert abfällt. Folglich sollte die Zeit über der MHK ausreichend lang sein. Konsequenz: Diese Substanzen sollten besser mehrfach am Tag verabreicht werden. Mit anderen Antibiotika (z. B. Aminoglykosiden und Vancomycin) erreicht man die besten therapeutischen Ergebnisse durch hohe Spitzenwerte im Serum, weil so die Trefferquote gesteigert wird. Hinzu kommt, dass diese Wirkstoffe, wenn sie einmal ihr Target erreicht haben, über lange Zeit die Funktion unterbinden (langer postantibiotic effect), selbst wenn die Serumkonzentration unter den MHK-Wert gefallen ist. Konsequenz: Diese Substanzen sollten 1-mal pro Tag verabreicht werden. Antibiotika werden an Serumproteine gebunden und damit neutralisiert, sie werden außerdem metabolisiert und damit antibakteriell inaktiv. Ausscheidung erfolgt über die Nieren, in einigen Fällen auch über den Schweiß, die Galle und Fäzes.

Antibiotika werden zu einem bestimmten Anteil an Serumproteine gebunden und damit neutralisiert, solange die Bindung hält. Im Organismus werden die meisten Antibiotika mehr oder minder stark metabolisiert und damit ebenfalls antibakteriell inaktiv. Die Ausscheidung erfolgt vorwiegend über die Nieren, zum Teil auch über den Schweiß, die Galle und Fäzes. Im letzteren Fall kann es zur Rückresorption im Darm kommen. Von Fall zu Fall ist auch eine Ausscheidung über Sekrete (z. B. Muttermilch) zu beachten. So ist es auch effektiver, Antibiotika wie z. B. Ciprofloxacin oder Rifampicin zur Eradikation einer oberflächlichen Besiedelung des Rachens mit Meningokokken einzusetzen als z. B. Penicillin, da die erstgenannten Substanzen deutlich stärker über den Schleim der oberen Luftwege eliminiert werden. Entscheidend für die klinische Wirksamkeit von Antibiotika ist auch ihre Gewebegängigkeit, abhängig von der chemischen Beschaffenheit (Molekülgröße, Lipophilie, elektrischer Ladung). Im Prinzip sollten eben am eigentlichen Wirkort ausreichend hohe Konzentrationen erreicht werden (Tab. D-1.16).

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D

≡ D-1.16

321

1.3 Grundlagen der antibakteriellen Chemotherapie

Gewebegängigkeit einiger Antibiotika Ampicillin

Ciprofloxacin

Doxycyclin

Vancomycin

Linezolid

ELF



+++

+



++

Lunge

++

++

++

(+)

++

ZNS

+

+





++

Knochen

+

++

++

(+)

++

Prostata

(+)

++

++



++

Niere

++

++

++

(+)

+

Galle

+

++

++



+

ELF = epithelial lining fluid (Sekrete, Schweiß)

Makrolide werden in Granulozyten und Makrophagen angereichert und von diesen Depots langsam abgegeben. So beträgt die HWZ von Azithromycin 9 Tage. Diese Zellen transportieren die Antibiotika auch in Entzündungsherde, wenn sie durch Zytokine dorthin gelockt werden.

Makrolide werden in Granulozyten und Makrophagen angereichert. Diese Entzündungszellen transportieren die Antibiotika dann in infizierte Gewebe.

Prüfung auf antimikrobielle Wirkstoffe bzw. Spiegelbestimmungen: Exakte Wirkspiegel von Antibiotika in Serum, Liquor, Lymphe oder Gewebe werden meist mithilfe von chemischen Methoden bestimmt. Aber auch mit mikrobiologischen Methoden kann die antimikrobielle Aktivität erfasst werden: ■ Pauschaler Nachweis von antimikrobiellen Wirkstoffen in Urin oder Liquor: Ein trockenes, steriles Filterblättchen wird mit der Flüssigkeitsprobe des Patienten getränkt und auf die Oberfläche einer Agarplatte gedrückt, sodass der Wirkstoff in den Agar diffundieren kann; es entsteht ein Diffusionsgefälle. Wenn die Hemmkonzentration zu gering wird, können die Sporen von Bacillus subtilis, die zuvor in dem Agar suspendiert worden waren, auskeimen. Die Bakterien vermehren sich bei Bebrütung über Nacht zu sichtbaren Kolonien. Wenn hohe Antibiotikakonzentrationen vorhanden sind, wird eine Hemmzone um das Blättchen herum sichtbar (Abb. D-1.30). Auf diese Art lässt sich relativ einfach auch die Compliance eines Patienten überprüfen, d. h. ob er regelmäßig seine vorgeschriebenen Antibiotika eingenommen hat.

Die Effizienz einer Antibiotikatherapie lässt sich – neben der Wirkspiegelbestimmung in Flüssigkeiten mittels chemischer Methoden – überprüfen durch:

⊙ D-1.30

Nachweis antibakterieller Wirkstoffe in Urin oder Liquor



mikrobiologische Assays (Abb. D-1.30).

⊙ D-1.30

In einem Nähragar werden Sporen von Bacillus subtilis als Indikatorkeim eingegossen. Die Platten können bei 4 °C mehrere Wochen aufbewahrt werden, da bei dieser Temperatur ein Auskeimen der Sporen und eine Vermehrung der Bakterien nicht stattfindet. Filterpapierblättchen werden mit einer Körperflüssigkeit des Patienten (z. B. Urin oder Liquor) getränkt und auf die Oberfläche einer Agarplatte aufgelegt, sodass die im Probenmaterial vorhandenen Antibiotika in den Nähragar diffundieren. Die folgende Inkubation der Agarplatte bei 37 °C über 24 Stunden führt zu einer Vermehrung der Bakterien, die den Agar gleichmäßig trüben. Da B. subtilis praktisch gegen alle üblichen Antibiotika empfindlich ist, wird sein Wachstum unterdrückt, wenn in dem entsprechenden Material (hier z. B. in den beiden Proben im rechten oberen Quadranten) antimikrobielle Hemmstoffe vorhanden waren. Diese Hemmzone zeigt an, dass antimikrobieller Wirkstoff vorhanden war, man kann aber allein daraus nicht erkennen, welches Antibiotikum vorliegt.

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322 ■

therapeutisches Drug-Monitoring (TDM) zum Nachweis, dass die Antibiotikaspiegel im Wirkbereich bzw. im toxischen Bereich liegen.

D ■

1 Allgemeine Bakteriologie

therapeutisches Drug-Monitoring (TDM) – Da die Resorption und auch der Metabolismus von individuellen Gegebenheiten abhängen, kann die generelle Empfehlung über die Dosierung nicht in jedem Einzelfall übernommen werden. Wenn also trotz der rationalen Überlegung die Wirkung eines Antibiotikums nicht erwartungsgemäß eintritt, sollte man den Talspiegel im Serum überprüfen, ob die Substanz im Wirkbereich liegt. Dafür stehen vor allem Methoden der HPLC (Hochleistungsflüssigkeitschromatografie) zur Verfügung. – Wenn die Metabolisierung und die Ausscheidung eines Antibiotikums wegen Interaktionen mit anderen Medikamenten oder aus genetischen Gründen gestört sind, können möglicherweise so hohe Wirkspiegel auftreten, dass toxische Spitzenspiegel entstehen. Auch in solchen Fällen, z. B. bei Niereninsuffizienz und Gabe von Aminoglykosiden, wäre eine Steuerung der Dosierung mittels TDM sinnvoll.

Verträglichkeit und unerwünschte Wirkungen Siehe auch Tab. D-1.6, Tab. D-1.7, Tab. D-1.8, Tab. D-1.9, Tab. D-1.10.

1.3.9 Verträglichkeit und unerwünschte Wirkungen

Toxische Wirkungen: Toxische Wirkungen (Tab. D-1.17) beruhen meistens auf Überdosierungen bzw. eine Kumulierung bei Ausscheidungsstörungen. Bei entsprechender Kontrolle des aktuellen Blutspiegels sind toxische Nebenwirkungen bei Antibiotikatherapie vermeidbar.

Toxische Wirkungen: Etliche Antibiotika (z. B. Aminoglykoside, Vancomycin, Rifampicin, Isoniazid) sind potenziell toxisch für bestimmte Organe (Blut bildendes System, Leber, Niere, ZNS) (Tab. D-1.17). Diese Toxizität tritt in der Praxis meistens bei Überdosierung bzw. durch Kumulierung des Antibiotikums infolge Ausscheidungsstörungen auf. Bei entsprechender Kontrolle des Blutspiegels sind toxische Nebenwirkungen bei Antibiotikatherapie vermeidbar. Pleiotrope Effekte mancher Antibiotika, z. B. der Makrolide, die zusätzlich zu den direkt antimikrobiellen Wirkmechanismen noch andere Wirkungen haben, können auch die körpereigenen Infektabwehrmaßnahmen stimulieren oder hemmen.

1.3.9

≡ D-1.17

Schon bei sachgerechter Anwendung, aber erst recht bei Überdosierung, können unter einer Antibiotikatherapie Nebenwirkungen auftreten, s. auch Tab. D-1.6, Tab. D-1.7, Tab. D-1.8, Tab. D-1.9, Tab. D-1.10.

≡ D-1.17

Toxische Wirkungen von einigen Antibiotika

Antibiotikum

toxische Konsequenzen

Aminoglykoside

nephrotoxisch, ototoxisch

Chinolone

kardiotoxisch: QT-Zeit-Verlängerung knorpelschädigend bei Kleinkindern schwere ZNS-Störungen im hohen Alter (Halluzinationen,Unruhe, Verwirrtheit)

Cotrimoxazol

allergische Reaktionen (beruht v. a. auf der Sulfonamidkomponente) hepatotoxisch, myelotoxisch

Linezolid

nach längerer Gabe Thrombozytopenie

Penicillin

allergisierend

Rifampicin

hepatotoxisch: Stimulierung des Cytochrom-P450-Systems

Tetrazykline

im Kleinkindesalter: lagern sich in Knochen und Zahnschmelz ein; Fotosensibiliserung

Vancomycin

nephrotoxisch, ototoxisch

Allergische Wirkungen: Exantheme bis zum anaphylaktischen Schock.

Allergische Wirkungen: Allergische Nebenwirkungen, die sich als polymorphe Exantheme bis hin zum Lyell-Syndrom oder als tödlicher anaphylaktischer Schock manifestieren, können bei der Therapie mit Penicillinen, Sulfonamiden, Vancomycin, Streptomycin und Nitrofuranen auftreten. Andere Antibiotikaallergien sind selten und finden sich dann fast immer als Kontaktallergie nach lokaler Applikation. Ein klinischer Verdacht auf Antibiotikaallergie sollte allerdings zu einem späteren Zeitpunkt durch eine Allergietestung bestätigt werden, um zu vermeiden, dass wichtige Antibiotika einem Patienten vorentahlten werden.

Interaktionen mit anderen Pharmaka: Möglich sind Aktivitätsminderung, synergistische und antagonistische Effekte sowie Einflüsse auf die Pharmakokinetik.

Interaktionen mit anderen Antibiotika bzw. Pharmaka: Die Kombination von zwei verschiedenen Antibiotika kann synergistische, aber auch antagonistische Effekte haben, ebenso die Kombination mit Nichtantibiotika. Andererseits kann eine direkte chemische Interaktion zur gegenseitigen Minderung der Aktivität führen, z. B. bei Mischung von Aminoglykosid mit Betalaktamantibiotika vor Infusion. Auch die Pharmakokinetik von Antibiotika kann in vielfältiger Weise durch Begleitmedikation beeinflusst werden, z. B. durch Änderung der Resorption und Ausscheidung, der Verteilung im Körper und der Metabolisierung. Antibiotika ihrerseits können wesentlich die pharmakologische Wirkung von anderen Medikamenten beeinflussen. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

D

323

1.3 Grundlagen der antibakteriellen Chemotherapie

▶ Exkurs. In Kontrazeptiva enthaltene Östrogene werden nach Resorption aus dem Dünndarm in der Leber glukuronisiert und mit der Galle ausgeschieden. Die Bakterien der physiologischen Darmflora produzieren in großer Menge Glukuronidasen, die eine Spaltung des Moleküls bewirken. Das freie Östrogen kann nun wieder resorbiert werden. Diese Rückresorption trägt erheblich zum notwendigen Serumspiegel bei. Wird nun durch Antibiotika, die entweder nicht resorbiert oder mit der Galle intestinal ausgeschieden werden, die Darmflora massiv reduziert, unterbleibt die Deglukuronisierung der Östrogene und die verfügbare Menge des Hormons im Serum sinkt ab. Auf diese Weise kann es trotz Einnahme oraler Kontrazeptiva zu Schwangerschaften kommen.

Biologische Rückwirkungen („Kollateralschäden“): Speziell bei Anwendung von Breitspektrumantibiotika kann es zu Kollateralschäden kommen. Hierzu gehört die Störung der körpereigenen Flora. Die Darmflora wird z. B. durch Ceftriaxon, das über die Galle in hohem Maße ausgeschieden wird, verändert. Dadurch können Keime von außen oder von der körpereigenen Flora, wie Clostridium difficile oder auch Sprosspilze, sich leichter im Darm ausbreiten, das Mikrobiom (S. 22) stören und evtl. Krankheiten, wie Enteritis oder Vaginose, verursachen. Die Chinolone, die auf Haut und Schleimhäuten in sehr viel höherer Konzentration als im Serum auftreten, beseitigen den empfindlichen Teil der Normalflora, sodass dann multiresistente Keime (z. B. MRSA) selektioniert werden. Nach Ausscheidung von aktiven Antiobiotikamolekülen können im Prinzip diese in der Umgebung die Selektion von resistenten Keimen fördern. ▶ Merke. Bei einer Therapie mit Antibiotika handelt es sich um eine kausale und

▶ Exkurs.

Biologische Rückwirkungen: Störung der Normalflora; Sekundärinfektionen mit Sprosspilzen oder resistenten Bakterien sind möglich.

▶ Merke.

keine symptomatische Therapie, mit der bei sinnvollem Antibiotikaeinsatz eine Heilungsrate von über 90 % erzielt werden kann. Selbst bei weniger gut überlegten Indikationen erreichen sie eine Heilungsrate von 60 % (die 90–60-Regel der Antibiotikatherapie). Eine solche Wirkungsrate wird von keiner anderen Medikamentengattung erreicht! So liegt z. B. der Heilungserfolg von Insulin bei 0 % und auch Herzglykoside helfen, heilen aber nicht. Eine so außerordentliche „Waffe“ sollte man durchdacht einsetzen, damit sie nicht an Wirksamkeit verliert.

1.3.10 Überlegungen zum rationalen Einsatz von Antibiotika Therapie mit Antibiotika Die antimikrobielle Chemotherapie bakterieller Infektionen mittels Antibiotika kann sehr erfolgreich sein. Bei richtigem Einsatz wird damit eine recht hohe Erfolgsquote erzielt, denn mit einer solchen kausalen Therapie können bis zu 80–90 % der Patienten vollständig geheilt werden, vorausgesetzt, dass die chirurgische Behandlung (Herdsanierung) erfolgreich und die körpereigene Abwehr funktionstüchtig ist. Ein Arzt hat heute die Qual der Wahl von über 500 verschiedenen antibiotischen Präparaten im Handel, worunter allerdings viele Kopien sind. Die Anzahl der Wirksubstanzen ist geringer und auch davon sind jeweils noch viele Varianten mit geringen Unterschieden in Hinblick auf ihre direkte antimikrobielle Wirkung; zumindest einige unterscheiden sich aber erheblich in ihren pharmakologischen Eigenschaften. Bei der Auswahl eines Antibiotikums müssen verschiedene Aspekte beachtet werden: ■ Empfindlichkeit der Erreger (MHK-Werte; Bakterizidie) ■ Resistenzlage (Prävalenz von multiresistenten Keimen wie MRSA, 3-MRGN, 4MRGN, VRE) ■ pharmakologische Eigenschaften des Antibiotikums (Resorption, Metabolismus, Gewebepentration, Ausscheidungsmodus) ■ Nebenwirkungen (Toxizität) und Interaktionen mit anderen Medikamenten ■ Spätfolgen, sog. Kollateralschäden (Färbung der Zähne, Änderungen der Darmflora, Selektion von resistenten Keimen, Allergisierung) ■ Praktikabilität (Compliance, once daily, oral) ■ Ökonomie (Preis, Zusatzkosten für etwaige Spiegelbestimmungen) abwägen gegen Verkürzungen der Liegezeit; Verbesserung der Lebensqualität. In der Praxis haben sich als Auswahlkriterien eines Antibiotikums die Grundprinzipien der Tarragona-Strategie bewährt (Tab. D-1.18). Dasselbe Ziel verfolgt auch Antibiotic Stewardship (S. 71).

1.3.10 Überlegungen zum rationalen Einsatz von Antibiotika Therapie mit Antibiotika Die Auswahl eines Antibiotikums muss folgende Aspekte berücksichtigen: ■ Empfindlichkeit der Erreger ■ Resistenzlage ■ pharmakologische Eigenschaften des Antibiotikums ■ Nebenwirkungen (Toxizität) und Interaktionen mit anderen Medikamenten ■ Spätfolgen (z. B. Änderungen der Darmflora; Selektion von resistenten Keimen) ■ Praktikabilität ■ Ökonomie (Preis, Zusatzkosten für Spiegelbestimmungen). In der Praxis hat sich die Tarragona-Strategie bewährt (Tab. D-1.18).

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324

≡ D-1.18

D

1 Allgemeine Bakteriologie

Tarragona-Strategie

Prinzipien

Bedeutung

Look at your Patient



Welche Erreger sind ggf. zu erwarten?



Risikostratefizierung (z. B. Bauch-OP? Offene Fraktur? Wunden? Pneumonie? Galle? Harnwege?)



Begleitende Organdysfunktion? Begleitende Medikamente?



Welche lokalen Besonderheiten gibt es?



Wie häufig sind MRSA, VRE, ESBL, 3-MRGN, 4-MRGN? (lokale Resistenzstatistik)



das beste Medikament (bakterizid) je früher desto besser (nicht immer abwarten, bis ein Antibiogramm vorliegt)



ausreichend hohe Dosierung

Listen to your Hospital Hit hard (and early)

Get to the Point

Focus, Focus, Focus

pharmakologische Aspekte berücksichtigen: ■ Loading-Dose notwendig, um schnell den optimalen Wirkspiegel zu erreichen? ■

Gewebegängigkeit: Wo ist der vermutliche Infektionsherd?



Ausscheidungsweg: Bei einer Harnwegsinfektion wird man z. B. ein Antibiotikum verwenden, das in aktivem Zustand hauptsächlich renal ausgeschieden wird wie Levofloxacin; bei einer Cholangitis dagegen wird man Ciprofloxacin bevorzugen, das überwiegend über die Gallenwege ausgeschieden wird. Die direkte antibakterielle Aktivität der beiden Substanzen ist z. B. gegen E.coli, in etwa geich.



möglichst kurze Dauer, um die Resistenzentwicklung zu unterbinden



evtl. Wechsel auf andere Substanzen (deseskalieren) oder orale Sequenz, die meist billiger ist

Prophylaxe mit Antibiotika

Prophylaxe mit Antibiotika

In der Praxis werden Antibiotika nicht nur zur Therapie von manifesten Infektionen, sondern manchmal auch schon vorsorglich zur Prophylaxe eingesetzt

Antibiotika werden in der Medizin nicht nur zur Therapie von bereits bestehenden Infektionen eingesetzt, sondern auch zur Prophylaxe, z. B. Endokarditisprophylaxe oder Rezidivprophylaxe von Streptokokkeninfektionen bei rheumatischem Fieber, Weichteil- und Gelenkrheumatismus. Vor allem aber in der Chirurgie spielt die Antibiotikaprophylaxe eine große Rolle.

Prävention von Wundinfektionen

Prävention von Wundinfektionen

Ermöglicht eine Verletzung der natürlichen Barrieren den Eintritt von Keimen der körpereigenen Flora oder der Umwelt (Tab. D-1.19), ist eine Antibiotikagabe sinnvoll.

Wenn erfahrungsgemäß eine Verletzung der natürlichen Barrieren den Eintritt von Keimen der körpereigenen Flora oder von Umweltkeimen ermöglicht (Tab. D-1.19), ist eine vorsorgliche Gabe von Antibiotika sinnvoll, um eine Infektion zu verhindern.

≡ D-1.19

Antibiotikaprophylaxe in der Chirurgie

Indikation

Gefahren

Antibiotika

stark verschmutzte Wunden, verspätete Wundversorgung

Mischinfektion; grampositiv und gramnegativ; Amoxicillin + Clavulansäure aerob + anaerob Ampicillin + Sulbactam

Schuss- und Stichverletzungen

Mischinfektion; grampositiv und gramnegativ; Amoxicillin + Clavulansäure aerob + anaerob Ampicillin + Sulbactam

Bissverletzungen

Mischinfektion; grampositiv und gramnegativ; Amoxicillin + Clavulansäure aerob + anaerob Ampicillin + Sulbactam über 3–5 Tage

Perioperative Prophylaxe

Perioperative Prophylaxe

Die perioperative Antibiotikaprophylaxe ist bei Operationen indiziert, wenn die Gefahr besteht, dass während des Eingriffs Keime in das Operationsgebiet verschleppt werden könnten (Tab. D-1.20).

Ziel dieser Maßnahme ist es, die von Außen ins OP-Gebiet eingeschleppten Keime zu vernichten, noch bevor sie eine Sekundärinfektion erzeugen. Die beste Maßnahme, Infektionen zu verhindern, ist natürlich eine gute Operationstechnik und eine strenge Asepsis. Eine generelle Prophylaxe mit Antibiotika bei Operationen ist abzulehnen. Anderseits ist eine perioperative Prophylaxe durchaus bei bestimmten Situationen mit einem erhöhten Infektionsrisiko indiziert, um Sekundärinfektionen zu verhindern (Tab. D-1.20).

▶ Merke.

▶ Merke. In der Chirurgie werden die meisten Antibiotika nicht dazu verwendet,

um Infektionen zu behandeln, sondern um Infektionen zu verhindern! Der präventive Einsatz ist eine Gratwanderung zwischen unsinniger Ausgabe und sinnvoller Prävention. Jedes Mal muss das Für und Wider sehr sorgfältig überdacht werden.

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D

≡ D-1.20

325

1.3 Grundlagen der antibakteriellen Chemotherapie

Einige Indikationen zur perioperativen Prophylaxe

Indikation

Gefahren

Antibiotikum

OP in stark kontaminiertem Gebiet (Mund, Ösophagus, Rektum, Kolon)

Mischinfektion möglich

Ceftriaxon + Metronidazol

Hysterektomie

gramnegative Stäbchen + Anaerobier

Cefotaxim + Metronidazol

Gallengang

gramnegative Stäbchen

Ceftriaxon

I. unsaubere Operationen

Amputation bei Gangrän

Gasbrand

Penicillin

Ausräumung von Abszessen bzw. osteomyelitischen Herden

grampositive Kokken (aber keine Enterokokken)

Cefazolin bzw. Cefuroxim

II. saubere Operationen, bei denen aber eine Infektion eine schwerwiegende Komplikation wäre Implantation von Kunststoffen und Metallen

Fremdkörper, die Infektionen begünstigen (Staphylokokken)

Cefazolin bzw. Cefuroxim

Herzoperationen

Staphylokokken

Cefazolin bzw. Cefuroxim

Transplantationen

Staphylokokken

Cefazolin bzw. Cefuroxim

neurochirurgische Eingriffe

diverse Bakterien

Cefazolin bzw. Cefuroxim

Bei der Auswahl des Antibiotikums spielt das vermutliche Erregerspektrum eine Rolle, aber auch die Dosierung, die Halbwertszeit und Gewebeverteilung des Medikaments. Am besten erfolgt die Injektion des Antibiotikums gleichzeitig mit der Einleitung der Narkose, damit schon zu Beginn der Operation Antibiotikum vor Ort ist. So können die Erreger ggf. vor ihrer Einnistung attackiert werden, wenn diese noch leicht zugänglich und noch nicht durch Fibrinfäden oder Eiter geschützt sind. Das Antibiotikum sollte während der gesamten Operationsdauer vorhanden sein und muss je nach Halbwertszeit bei einem längeren Eingriff ggf. ein weiteres Mal injiziert werden. Diese Kurzzeitprophylaxe ist wenig belastend und hat kaum Auswirkung auf die Resistenzlage der Keime bei einem Patienten. Bestehen im Anschluss an eine perioperative Prophylaxe Anzeichen einer Infektion, muss eine Weiterbehandlung mit demselben Antibiotikum gut begründet sein, da ja für eine Therapie ganz andere Überlegungen gelten. Besser wäre aber eine andere, vielleicht gezieltere Wahl des Antibiotikums. ▶ Klinischer Fall. Bei einem 56-jährigen Diabetiker, der schon mehrfach wegen einer AVK des rechten Beins in diversen Kliniken gewesen ist, wurde in der Gefäßchirurgie ein pedaler Bypass der Arteria dorsalis pedis angelegt. Als perioperative Prophylaxe wurde gemäß Standard 2 g Cefazolin i. v. bei Einleitung der Narkose gegeben. Dieses Antibiotikum wurde auch nach Verlegung auf die Aufwachstation noch 2-mal verabreicht, wo der Patient noch über 12 Stunden lag. Auch als der Patient dann auf die Station zurückverlegt wurde, ist diese Behandlung noch für 3 Tage fortgesetzt worden, nicht zuletzt, weil der Patient Fieber entwickelte. Als sich der Zustand des Patienten verschlimmerte und eine Infektion des Gefäßimplantats vermutet wurde, erfolgte eine Revision, wobei im Eiter grampositive Bakterien gefunden wurden. Diese wurden als MRSA charakterisiert, die bekanntermaßen gegen Cefazolin resistent sind; daher war die Antibiotikagabe unwirksam. Kommentar: Wenn die Besiedelung des Patienten nach den vielfachen Krankenhausaufenthalten mit MRSA bekannt gewesen wäre, hätte man gleich ein wirksames Präparat einsetzen müssen. Die Gabe von Cefazolin hätte spätestens nach Rückverlegung auf die Station überdacht werden müssen, weil diese Substanz ja zunächst als kurzzeitige Prophylaxe gedacht war.

Die Wahl des richtigen Antibiotikums hängt von dem zu erwartenden Keimspektrum ab; die Dauer der Antibiotikagabe hängt von der Dauer der Operation ab. Eine Gabe über des Ende der Operation hinaus ist nicht sinnvoll.

▶ Klinischer Fall.

Lokale Prophylaxe

Lokale Prophylaxe

Unter der Vorstellung, dass über einen längeren Zeitraum hinweg ein Operationsgebiet mit erhöhter Anfälligkeit gegen Infektionserreger mittels Antibiotika geschützt werden könnte, werden manchmal Antibiotikadepots (in Form von Ketten oder Zusätzen zu Knochenzement) gebildet, aus denen dann protrahiert hohe Antibiotikamengen in die unmittelbare Umgebung abgegeben werden. Selektive Dekontamination von Darm (z. B. vor Darmoperationen oder bei Leberzirrhose) bzw. Atemwegen (z. B. bei Langzeitbeatmeten): Da manche Schleimhäute regelmäßig mit einer komplexen Flora besiedelt sind, geht davon eine mögliche Verschleppung von Keimen aus. Um dies zu verhindern, wird versucht, die Standortflora durch lokale Antibiotikainstillation zu reduzieren. Einerseits werden dafür häufig nicht resorbierbare Aminoglykoside verwendet, andererseits wird die Anaerobierflora, z. B. durch Metronidazol, attackiert.

Zum Schutz von Fremdkörperimplantaten wird die Insertionsstelle manchmal mit einem Antibiotikum gefüllt, das durch Diffusion in die unmittelbare Umgebung gelangt.

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326 Häufige Fehler beim Einsatz von Antibiotika ■ falsche Indikation ■ falsches Medikament ■ falsche Dosierung ■ falsche Applikationsintervalle ■ falsche Dauer der Medikation ■ falsche Kombinationen ■ ständiger Wechsel von Antibiotika ■ nicht beachtete Nebenwirkungen ■ nicht beachtete Interaktionen ■ Compliance-Fehler.

D

1 Allgemeine Bakteriologie

Häufige Fehler beim Einsatz von Antibiotika Wenn eine Antibiotikatherapie nicht erfolgreich ist, sollte man folgende Fakten überprüfen: ■ falsche Indikation: – unzureichende Diagnostik – Therapie, obwohl gar keine bakterielle Infektion vorliegt. Antibiotika sind keine Antipyretika! – Prophylaxe, obwohl die Wahrscheinlichkeit einer infektiösen Komplikation sehr gering ist. ■ falsches Medikament: – Keim ist resistent. – Keim liegt an einer für dieses Medikament unzugänglichen Stelle. ■ falsche Dosierung: Die individuelle Dosis muss je nach Schwere der Krankheit, Gewicht, Alter, Vorkrankheiten und bestehenden Organschädigungen sowie der Empfindlichkeit der Erreger erfolgen (Abb. D-1.29); ggf. Wirkspiegelbestimmung. ■ falsche Applikationsintervalle: Bei manchen Antibiotika ist das Wirkungsoptimum abhängig von der Spitzenkonzentration, bei anderen von den Talkonzentrationen. Je nach Halbwertszeit sind die Abstände einzuhalten. ■ falsche Dauer der Medikation: Eine perioperative Prophylaxe sollte nur kurzzeitig verabreicht werden und zwar 30–60 Minuten vor OP-Beginn. Eine Therapie sollte nur während der aktiven Infektion (und etwas darüber hinaus) erfolgen. ■ falsche Kombinationen: „Wilde“ Antibiotikakombinationen sind teuer und nutzlos; möglicherweise keine synergistischen Effekte (Abb. D-1.28), sondern sogar Antagonismus. ■ ständiger Wechsel von Antibiotika: Trotz einer hervorragenden antimikrobiellen Wirkung der meisten Antibiotika ist oft erst innerhalb von einigen Tagen mit einer Besserung zu rechnen. ■ nicht beachtete Nebenwirkungen: Unverträglichkeit (Allergie); Organschäden (nephro- und ototoxische Wirkung von Vancomycin) ■ nicht beachtete Interaktionen: Rifampicin hat nach 1 Woche in der Leber das Cytochrom-P450-System maximal stimuliert, sodass Begleitmedikationen (z. B. Psychopharmaka, Herzglykoside) verstärkt abgebaut werden. ■ Compliance-Fehler (speziell bei oraler Gabe): Kontrolle durch Nachweis von antimikrobieller Substanz im Urin (Abb. D-1.30).

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D

2

Spezielle Bakteriologie

2.1 2.2 2.3 2.4

Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grampositive Kokken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grampositive, aerobe, nicht sporenbildende Stäbchenbakterien . . Grampositive, mikroaerophile bis anaerobe, nicht sporenbildende Stäbchenbakterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grampositive, aerobe, sporenbildende Stäbchenbakterien . . . . . . Grampositive, anaerobe, sporenbildende Stäbchenbakterien . . . . Mykobakterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gramnegative Kokken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gramnegative aerobe, nicht fermentierende Stäbchenbakterien (Pseudomonadaceae) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enterobacterales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vibrio (Vibrionen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diverse gramnegative aerobe Stäbchenbakterien. . . . . . . . . . . . Spirochäten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere gramnegative, gebogene und schraubenförmige Stäbchenbakterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bacteroidales, Fusobacteriaceae. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Obligat intrazelluläre Bakterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rickettsiaceae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mollicutes (zellwandlose Bakterien): Mycoplasmataceae . . . . . . .

2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12 2.13 2.14 2.15 2.16 2.17 2.18

. . 327 . . 328 . . 348 . . . . .

. . . . .

354 360 364 373 386

. . . . .

. . . . .

394 398 423 427 440

. . . . .

. . . . .

450 454 457 461 467

© Sebastian Kaulitzki - Fotolia.com

Herbert Hof, Dirk Schlüter

2.1

Übersicht

2.1

Übersicht

Herbert Hof, Dirk Schlüter In diesem Lehrbuch für Medizinstudenten sollen nur die wichtigsten Krankheitserreger dargestellt werden. Tab. D-2.1 gibt eine Übersicht über die wichtigsten humanpathogenen Bakterien.

≡ D-2.1

Die wichtigsten humanpathogenen Bakterien zeigt Tab. D-2.1.

Charakteristika der wichtigsten humanpathogenen Bakterien

Gattung

Morphologie

gram-

Acinetobacter (S. 394)

Stäbchen



Actinomyces (S. 358)

Stäbchen

+

Bacillus (S. 360)

Stäbchen (plump)

+

Bacteroides (S. 454)

Stäbchen



Bartonella (S. 465)

Stäbchen (gekrümmt)



Bifidobacterium (S. 356)

Stäbchen

+

Bordetella (S. 430)

Stäbchen



Borrelia (S. 446)

Spirochäten

Brucella (S. 427)

beweglich

sporenbildend

O2-Bedarf





aerob





anaerob



+

aerob





anaerob





aerob





anaerob

–1



aerob



+



aerob

Stäbchen (kokkoid)







aerob

Burkholderia (S. 394)

Stäbchen



+2



aerob

Campylobacter (S. 450)

Stäbchen (spiralig)



+



mikroaerophil

Chlamydia (S. 457)

Inklusionen







9

Citrobacter (S. 398)

Stäbchen



+



aerob

+4

Clostridium (S. 364)

Stäbchen

+3

+

anaerob

Corynebacterium (S. 350)

Stäbchen

+





aerob

Coxiella (S. 464)

Stäbchen





(+)

aerob

Cutibacterium (S. 357)

Stäbchen

+





anaerob

Enterobacter (S. 421)

Stäbchen



+



aerob/fakultativ anaerob

Enterococcus (S. 347)

Diplokokken

+





aerob/fakultativ anaerob

Escherichia (S. 410)

Stäbchen



+



aerob/fakultativ anaerob

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328

≡ D-2.1

D

2 Spezielle Bakteriologie

Charakteristika der wichtigsten humanpathogenen Bakterien (Fortsetzung)

Gattung

Morphologie

gram-

beweglich

sporenbildend

O2-Bedarf

Francisella (S. 429)

Stäbchen (kokkoid)







aerob

Fusobacterium (S. 454)

Stäbchen







anaerob

Gardnerella (S. 358)

Stäbchen

–3





aerob

Haemophilus (S. 436)

Stäbchen (kokkoid)







aerob

Helicobacter (S. 451)

Stäbchen (gekrümmt)



+



mikroaerophil

Klebsiella (S. 419)

Stäbchen







aerob/fakultativ anaerob

Lactobacillus (S. 354)

Stäbchen

+





mikroaerophil

Legionella (S. 433)

Stäbchen



+



aerob

Leptospira (S. 449)

Spirochäten



+



aerob

Listeria (S. 348)

Stäbchen

+

+5



aerob

Moraxella (S. 393)

Stäbchen (kokkoid)







aerob





aerob





9

Mycobacterium (S. 373)

Stäbchen

+6

Mycoplasma (S. 468)

variabel

7

Neisseria (S. 386)

Diplokokken







aerob

Nocardia (S. 354)

Stäbchen

+





aerob

Pasteurella (S. 435)

Stäbchen







aerob/fakultativ anaerob

Proteus (S. 422)

Stäbchen



+



aerob/fakultativ anaerob

Pseudomonas (S. 395)

Stäbchen



+



aerob

Rickettsia (S. 461)

Stäbchen







9

Salmonella (S. 400)

Stäbchen (plump)



+



aerob/fakultativ anaerob

Serratia (S. 421)

Stäbchen



+



aerob/fakultativ anaerob

Shigella (S. 407)

Stäbchen







aerob/fakultativ anaerob

Staphylococcus (S. 328)

Kokken (Haufen)

+





aerob

Streptococcus (S. 336)

Kokken (Ketten/Diplokokken)

+





aerob/fakultativ anaerob

Treponema (S. 440)

Spirochäten



+



aerob

Vibrio (S. 423)

Stäbchen (gekrümmt)



+



aerob

Yersinia (S. 414)

Stäbchen



+8



aerob/fakultativ anaerob

1

3

5

7

9

2

außer B. bronchoseptica außer B. mallei

2.2

4

teilweise gramlabil außer Cl. perfringens

Grampositive Kokken

6

2.2

bei 20 °C säurefest

ohne Zellwand/formlos 8 außer Y. pestis

keine Aussage möglich

Grampositive Kokken

Herbert Hof Klassifikation: Medizinisch wichtige grampositive Kokken sind Micrococcaceae (u. a. Staphylococcus) und Streptococcaceae (u. a. Streptococcus). ▶ Merke.

Klassifikation: Die für die Humanmedizin wichtigsten Vertreter unter den grampositiven Kugelbakterien (Kokken) sind Staphylokokken, Streptokokken, Pneumokokken und Enterokokken, die sich genetisch mehr oder weniger stark unterscheiden. ▶ Merke. Die zu den grampositiven Kokken zählenden Staphylokokken (Haufen-

kokken) und Streptokokken (Kettenkokken) sind von allergrößter klinischer Bedeutung.

2.2.1

Staphylokokken

▶ Definition.

2.2.1 Staphylokokken ▶ Definition. Staphylokokken (griech. staphyle, die Traube) sind grampositive, nicht

sporenbildende Kugelbakterien von annähernd 1 μm Durchmesser, die sich in allen Ebenen des Raumes teilen und sich wegen ihrer Unbeweglichkeit somit in dichten Haufen oder Trauben anordnen (Abb. D-2.1). Klassifikation: Man unterscheidet koagulasepositive und koagulasenegative Staphylokokken (Tab. D-2.2).

Klassifikation: Von klinischem Interesse ist die Unterteilung der Staphylokokken in koagulasepositive und koagulasenegative Spezies (s. u.). Tab. D-2.2 gibt einen Überblick. Mittels feiner Differenzierungsmethoden, wie etwa MALDI-TOF-Massenspektrometrie (S. 47), können heute sehr viele Arten voneinander exakt unterschieden werden.

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D

⊙ D-2.1

329

2.2 Grampositive Kokken

⊙ D-2.1

Staphylokokken Lichtmikroskopisches Bild der in Trauben oder Haufen gelagerten Kugelbakterien (eine Kugel hat einen Durchmesser von 1 μm).

≡ D-2.2

Einteilung der Staphylokokken

koagulasepositiv koagulasenegativ



S. aureus



(S. intermedius)



S. epidermidis



S. saprophyticus



S. lugdunensis



S. haemolyticus



S. hominis



S. warneri



weitere ca. 45 Spezies, die beim Menschen selten vorkommen

≡ D-2.2

Nachweis: Staphylokokken sind auf gewöhnlichen Nährmedien bei 37 °C gut kultivierbar. Charakteristische Pigmentierungen der Kolonien (porzellanweiß oder elfenbeinfarbig) und spezielles Hämolyseverhalten auf bluthaltigen Nährböden geben wichtige labordiagnostische Hinweise.

Nachweis: Meistens können Staphylokokken unproblematisch kultiviert werden.

Koagulasepositive Staphylokokken (Staphylococcus aureus)

Koagulasepositive Staphylokokken (Staphylococcus aureus) Virulenzfaktoren: S. aureus produziert das extrazelluläre Enzym Koagulase und das zellwandständige Enzym Clumping-Faktor, die beide eine Ausfällung von Fibrin bewirken. Diese Eigenschaft ist ein wichtiger Pathogenitätsfaktor, der auch in der Diagnostik eine große Rolle spielt (Tab. D-2.3 und Abb. D-2.2).

Virulenzfaktoren: Pathogene koagulasepositive Staphylokokken unterscheiden sich von den weniger gefährlichen koagulasenegativen Arten durch eine Reihe von Pathogenitätsfaktoren, die z. T. ausgeschieden werden und z. T. an der Zellwand haften bleiben: ■ Koagulase, ein extrazelluläres Enzym, ist für die Trennung von pathogenen und weniger pathogenen Arten in der Praxis von Bedeutung (Tab. D-2.3) Es bindet im Serum an Prothrombin und aktiviert die Bildung von Fibrin aus Fibrinogen. ■ Der „Clumping-Faktor“, ein an die Zelloberfläche gebundenes Enzym, zeigt ähnliche Effekte, indem es zur Ausfällung von Fibrin führt (Tab. D-2.3 und Abb. D-2.2). Weitere wichtige Virulenzfaktoren von S. aureus, die z. T. mittels molekularbiologischer Methoden erfasst werden können, sind in Tab. D-2.4 dargestellt. Neben diesen Substanzen werden noch eine Reihe anderer Enzyme und Toxine gebildet, darunter auch solche, die spezifisch bakterientoxisch sind und somit eine Hemmung der umgebenden Keimflora bewirken.

≡ D-2.3

Weitere wichtige Virulenzfaktoren von S. aureus sind in Tab. D-2.4 dargestellt.

Nachweismethoden von virulenten Staphylococcus-Stämmen in der Praxis

Nachweis von

Durchführung

Koagulase

0,5 ml Kaninchenplasma wird mit der fraglichen Bakterienkolonie beimpft und bei 37 °C inkubiert. Nach 4, spätestens nach 24 Stunden ist eine Koagulation des Plasmas zu beobachten!

Clumping-Faktor (Objektträgertest)

Auf einem Objektträger wird ein Tropfen Kaninchenplasma mit dem Probenmaterial verrieben. Enthält dieses S. aureus, so kommt es zu einer Verklumpung (Ausfällung von Fibrin), die mit bloßem Auge beobachtet werden kann. Als Negativkontrolle dient die Suspension in physiol. NaCl-Lösung. Dieser einfache Test wird häufig (teilweise in leicht modifizierter Art) als Schnellnachweis von S. aureus im Labor eingesetzt (Abb. D-2.2).

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330

D

⊙ D-2.2

2 Spezielle Bakteriologie

⊙ D-2.2

Objektträgertest zum Nachweis des Clumping-Faktors (Bestätigung eines Staphylococcus-aureus-Befundes) Die verdächtige Kolonie wird in physiologischer NaCl-Lösung verrieben, parallel dazu auch in Kaninchenplasma. Staphylococcus aureus wird sich in der NaCl-Lösung homogen suspendieren lassen (links), im Plasma jedoch durch Fibrinausfällung koagulieren (rechts). Ein koagulasenegativer Stamm wäre auch hier homogen zu suspendieren. (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 112, Bakterielle Infektionen 1985)

≡ D-2.4

Weitere wichtige Virulenzfaktoren von Staphylococcus aureus

Virulenzfaktor

Bemerkungen

zellwandständig Polysaccharidkapsel

Einige Stämme besitzen eine echte Schleimkapsel, die vor der Phagozytose schützt. Sie geht jedoch unter Kulturbedingungen rasch verloren.

Protein A

Fast alle Stämme besitzen auf ihrer Oberfläche mit Protein A eine Proteinstruktur, an die Immunglobuline mit ihrem Fc-Fragment binden. Durch diese „verkehrte“ Bindung entzieht sich das Bakterium der Phagozytose, da das Fc-Stück als Opsonin, d. h. als Rezeptor für die Makrophagen, nicht mehr zur Verfügung steht. Diese Eigenschaft kann in der Labordiagnostik zur Identifizierung von S. aureus verwendet werden.

Koagulase

Ein Enzym, das an Prothrombin im Serum bindet und dadurch die Bildung von Fibrin aus Fribinogen aktiviert.

Clumping-Faktor

Das Enzym bedingt eine Fibrinbildung aus Plasmaproteinen, wodurch die Bakterien von körpereigenem Material eingehüllt werden.

Fibronektinbindeprotein

Die Bakterien werden mit körpereigenem Fibronektin umhüllt.

Kollagenbindeprotein

Die Bakterien werden mit körpereigenem Kollagen umhüllt.

interzelluläres Adhäsin

Fast alle Staphylokokken, u. a. S.-aureus-Stämme, können ein interzelluläres Adhäsin aus linearem Poly-NAcetylglucosamin produzieren. Solche Schleimsubstanzen sind Grundlage für eine Biofilmbildung; innerhalb der Schleimschicht wachsen Mikrokolonien (Abb. D-2.7b). Hinter dieser Schutzwand sind die Keime vor der körpereigenen Abwehr sicher.

extrazellulär extrazelluläres Adhäsionsprotein (Eap)

Es bindet an ICAM1-Rezeptoren von Endothelzellen und behindert somit die Bindung von Leukozyten. So werden die Randständigkeit und auch das Auswandern der Abwehrzellen an den Infektionsort gehemmt.

Staphylokinase/Fibrinolysin Phagencodiert. Durch Fibrinolysinbildung kann S. aureus ein selbst erzeugtes Fibringerinnsel wieder auflösen. Während am Anfang einer S.-aureus-Invasion in den menschlichen Körper die Fibrinausfällung den Erreger schützt, kann S. aureus nach entsprechender Vermehrung so den Fibrinschutzwall auflösen, um sich ungestört im Gewebe verbreiten zu können. Außerdem neutralisiert es die antimikrobielle Wirkung von Defensinen. Hyaluronidase

Mit dieser Depolymeridase kann sich der Erreger durch Auflösung der Interzellurarsubstanzen im Gewebe ausbreiten.

Hämolysine

S. aureus kann vier verschiedene Hämolysine bilden (α-, β-, γ- und δ-Hämolysin), die nicht nur zur Auflösung von Erythrozyten, sondern auch von Parenchymzellen führen.

Leukocidin

Phagencodiert. Ein wichtiges porenformendes Toxin, das Makrophagen und Granulozyten zerstört. Stämme, welche das Gen lukF/lukS für dieses Pantoin-Valentin-Toxin besitzen, sind stark pathogen, weil sie progrediente Wundinfektionen und auch abszedierende Pneumonien, selbst beim jungen Erwachsenen, hervorrufen, indem sie die unspezifische zelluläre Abwehr vernichten. Oft sind sie gleichzeitig methicillinresistent (MRSA).

Exfoliatintoxine

Biochemisch lassen sich 2 Proteine unterscheiden (Exfoliatin A und B). Es handelt sich um ein relativ selten (ca. 5 %) von S.-aureus-Stämmen gebildetes epidermolytisches Toxin. Eine Serinprotease, welche die Desmosomen zwischen den Zellen im Stratum granulosum der Haut spaltet, sodass sich Blasen bilden, sog. Staphylococcal scalded Skin Syndrome (SSSS).

Enterotoxine

5 Enterotoxine (A–E) lassen sich nachweisen. Nur wenige Stämme von S. aureus (ca. 5 %) können eines oder mehrere dieser Enterotoxine bilden. Diese Enterotoxine sind hitzestabil, sodass sie einen außerordentlich wichtigen Faktor in der Lebensmittelhygiene darstellen (Lebensmittelvergiftungen!). Häufigste Vergiftungsquellen sind Milch- und Eiprodukte in allen Variationen sowie Schweinefleisch.

Toxic Shock Syndrome Toxin (TSST)

Das TSST-1 wird nur von ca. 1 % der S.-aureus-Stämme produziert. Es wirkt wie ein „Superantigen“, d. h. viele Lymphozyten werden dadurch – unabhängig von ihrer Antigenspezifität – zur Produktion von Zytokinen stimuliert. Diese führen zum Bild des toxischen Schocksyndroms (TSS). ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

D

331

2.2 Grampositive Kokken

▶ Merke. Jeder Stamm von S. aureus hat sein eigenes Repertoire an Virulenzfak-

▶ Merke.

toren; folglich ist die pathogene Potenz recht variabel. Einige Stämme können extrem gefährlich sein, während andere wiederum nur wenig aggressiv sind. Besonders gefährliche Stämme fallen auf, wenn sie richtige Ausbrüche erzeugen. ▶ Exkurs. Zahlreiche Stämme bilden das Enzym Penicillinase (eine spezielle Betalaktamase), das Benzylpenicillin (Penicillin G), Ampicillin und Ureidopenicillin durch Spaltung des Betalaktamringes zerstört und eine Therapie unwirksam macht. Oxacillin bzw. Methicillin, Cephalosporine, Peneme und Oxalactame sind dagegen stabil.

▶ Exkurs.

Penicillinresistente Stämme: Bei Einführung von Pencillin waren die meisten Stämme hochempfindlich, während heute die meisten Stämme resistent sind, weil sie eine Penicillinase, eine Betalaktamase (S. 311), bilden. Die meisten dieser Stämme sind jedoch gegen Flucloxacillin (s. Tab. D-1.6), einem semisynthetischen Derivat, noch empfindlich. Die sog. MRSA (methicillinresistenten S. aureus)-Stämme haben durch Erwerb des mecA-Gens (seltener auch des mecC-Gens) die Fähigkeit erlangt, ein leicht verändertes Penicillinbindeprotein 2, nämlich 2a, zu bilden, an das keine Betalaktame (mit Ausnahme von Ceftarolin und Ceftobiprol) binden und somit nicht mehr wirken können.

Penicillinresistente Stämme: Heute sind die meisten Stämme von S. aureus gegen Penicillin resistent, da sie eine Penicillinase, eine Betalaktamase (S. 311), bilden.

Epidemiologie: Ca. 30 % aller Menschen beherbergen S. aureus immer auf der Haut (Abb. D-2.3) oder den Schleimhäuten, nicht zuletzt, weil Staphylokokken gegen Lysozym (S. 110) in den Sekreten (Schweiß, Talg) relativ resistent sind. Ca. 30 % sind ab und zu passager besiedelt. Bestimmte Areale sind als Standorte bevorzugt, wie etwa Nasenvorhof, Rachen, Achsel und Rima ani. Von hier aus kann der opportunistisch pathogene Erreger über Händekontakt, direkt über Tröpfchenemission oder indirekt über Staub verbreitet werden und nosokomiale Infektionen begründen. Eine spezielle Rolle als nosokomiale Erreger spielen dabei die methicillinresistenten S. aureus (MRSA), die – vor allem auf Intensivstationen – Epidemien auslösen. Solche Stämme, die zumeist auch viele Virulenzfaktoren mittragen, sind vor allem im Hospital verbreitet: ha-(hospital acquired)MRSA. Aber auch in der Bevölkerung kommen solche Stämme vor: ca-(community acquired)MRSA. Speziell Personen mit Tierkontakt (speziell mit Schweinen) beherbergen die sog. la-(livestock acquired) MRSA. Oft haben solche MRSA auch noch zusätzlich zur Betalaktamresistenz eine Parallelresistenz zu vielen anderen Antibiotika, speziell den Chinolonen, sodass sie auch als „multiresistant S. aureus“ bezeichnet werden.

Epidemiologie: 30 % aller Menschen beherbergen S. aureus auf der Haut (Abb. D-2.3) oder den Schleimhäuten (insbes. im Bereich von Nasenvorhof, Kopfhaar, Achseln und Rima ani). Eine spezielle Rolle spielen methicillinresistente S. aureus (MRSA), die – vor allem auf Intensivstationen – Epidemien auslösen.

⊙ D-2.3

Schematische Darstellung der Ökologie der Haut

S. aureus

Corynebacterium spp.

Pityrosporum spp.

Stratum corneum

aerob anaerob

S. epidermidis Propionibacterium spp.

Talgdrüse

⊙ D-2.3

An der Oberfläche der Haut herrschen aerobe Verhältnisse. Staphylococcus aureus ist hier bei 30 % der Patienten immer zu finden, neben anderen Keimen wie Malassezia furfur und Staphylococcus epidermidis. Dieser Keim kann auch in den Krypten der Haut wachsen, wo anaerobe Verhältnisse bestehen; hier gedeihen speziell die anaeroben Korynebakterien, die Propionibakterien (Cutibakterien). Selbst bei ganz sorgfältiger Hautdesinfektion, z. B. mit Alkohol, können in den Krypten einige Keime überleben. Folglich wird es verständlich, dass bei einer Venenpunktion solche Keime über die Nadel in die Blutprobe gelangen. Oft sind also Blutkulturen falsch positiv durch S. epidermidis und Propionibakterien.

Pathogenese und Klinik: Bei lokalen Gegebenheiten (z. B. Epitheldefekt der Haut bzw. Schleimhäute) oder bei genereller Abwehrschwäche des Organismus (z. B. Granulozytendefekt) verursachen die koagulasepositiven Staphylokokken, d. h. S. aureus, eine Reihe klassischer Infektionskrankheiten, wobei die Eiterbildung ganz charakteristisch ist. Je nach pathogener Potenz eines Stammes kann die Schwere der Infektion stark variieren. Außerdem können einige Stämme von S. aureus auch Intoxikationen auslösen.

Pathogenese und Klinik: Koagulasepositive Staphylokokken, z. B. S. aureus, sind nicht obligat pathogen; sie verursachen nur unter bestimmten Bedingungen (z. B. Epitheldefekte oder Abwehrschwäche des Organismus) eitrige Infektionen. Einige Stämme können auch Intoxikationen auslösen. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

332

D

▶ Merke.

2 Spezielle Bakteriologie

▶ Merke. Insgesamt muss unterschieden werden zwischen Erkrankungen, die

durch das invasive Auftreten der Erreger begründet werden, und solchen, die durch S.-aureus-Toxine bedingt sind, auch wenn der Übergang fließend ist (Tab. D-2.5).

≡ D-2.5

≡ D-2.5

Staphylokokkenerkrankungen

invasiv

Übergangsformen

Abszessbildung in der Haut, den Schleimhäuten und inneren Organen, z. B. ■ Impetigo follicularis



Staphylococcal scalded Skin Syndrome (SSSS)



toxisches Schocksyndrom (TSS)



Mastitis puerperalis



Furunkel



Karbunkel



„Plastikinfektionen“



Osteomyelitis, Ostitis



Endokarditis

toxinbedingt ■

Lebensmittelvergiftungen – Staphylokokken-Enteritis – Staphylokokken-Enterokolitis

Invasive Staphylococcus-aureus-Erkrankungen: ■ Lokale Infektionen der Haut und Schleimhäute: Infektionen der Haut und ihrer Anhangsgebilde (hauptsächlich Haarfollikel und Schweißdrüsen) führen zur klassischen Abszessbildung. Die Staphylokokken kapseln sich durch Ausbildung eines Fibrinwalles ab. Die Abszesse können von Stecknadelkopfgröße (bei der Impetigo follicularis) bis zur Apfelsinengröße bei der Mastitis puerperalis reichen. Im Bereich der behaarten Haut entstehen Furunkel (Entzündungen der Haarbalgfollikel). Konfluierende Furunkel werden Karbunkel genannt (Abb. D-2.4). Bei ihnen besteht immer die Gefahr einer metastatischen Absiedelung der Keime in tiefere Körperregionen. Gelber, rahmiger, geruchloser Eiter ist meist reichlich in den Infektionsherden vorhanden (Abb. D-2.5). Durch eine Schädigung der Epithelien, z. B. des Bronchialepithels nach vorausgegangener Influenza (S. 243) oder nach einem chirurgischen Hautschnitt bzw. nach traumatischer Schädigung kann die Barrierefunktion geschwächt werden. Dann können Staphylokokken leicht eindringen und Sekundärinfektionen verursachen.

Invasive S.-aureus-Erkrankungen: ■ Lokale Infektionen der Haut und Schleimhäute äußern sich in Eiterherden (Abszessen, Abb. D-2.5). Von den Haarbalgfollikeln ausgehende Furunkel können zu Karbunkeln konfluieren (Abb. D-2.4).

⊙ D-2.4

⊙ D-2.4

Karbunkel über dem rechten Schulterblatt (spontan perforiert) (Paetz B. Chirurgie für Pflegeberufe. Thieme; 2017)

⊙ D-2.5

Staphylokokkeneiter (aus einer infizierten Hautwunde) (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 112, Bakterielle Infektionen 1985)

a In der Gram-Färbung sieht man massenhaft grampositive Kokken, die meist in Haufen zusammenliegen. b Neben den grampositiven Kokken in Haufen sind einige Eiterzellen (→) erkennbar.

a

b ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

D

333

2.2 Grampositive Kokken

Infektionen innerer Organe: Innere Organe können durch Staphylokokken entweder endogen, d. h. direkt bzw. lymphogen/hämatogen von peripheren Entzündungsherden aus, oder exogen, d. h. posttraumatisch oder im Zuge operativer Eingriffe, besiedelt werden. Ausgehend von großen Furunkeln oder Karbunkeln kann es zur Osteomyelitis oder Ostitis kommen. Als „posttraumatische“ Infektion ist die staphylokokkenbedingte Rechtsherzendokarditis i. v. Drogensüchtiger zu nennen. Inkorporierte Fremdmaterialien (z. B. Herzklappen, intravasale Katheter, Gefäßprothesen, Hämodialyse-Shunts) können zum Ausgangspunkt von „Plastikinfektionen“ werden, die häufig von S. aureus verursacht werden. Dabei bildet sich an der Oberfläche der Katheter ein Biofilm (Abb. D-2.7b). Im Zuge solcher Infektionen kommt es leicht zur Septikämie mit nachfolgend multiplen Metastasen. Die Septikämie kann in einen irreversiblen Schock einmünden. In einigen Fällen kann S. aureus zunächst am Ort der Infektion, speziell in einem Biofilm (S. 299), in eine Ruhephase übergehen und sogar monatelang in der Form von „small colony variants“ symptomlos persistieren, bevor dann – auch ohne erkennbaren Anlass – eine Exazerbation geschieht, die wieder zu einer akut-eitrigen Infektion führt.



Übergangsformen zwischen invasiven und toxinbedingten Erkrankungen: Dermatitis exfoliativa: Die als Staphylococcal scalded Skin Syndrome (SSSS) bezeichnete Erkrankung betrifft häufig, jedoch nicht ausschließlich, Säuglinge und Kleinkinder. Verursacher sind Staphylokokken, die das Toxin Exfoliatin (Tab. D-2.4) bilden. Das Krankheitsbild ist durch eine großflächige Epidermolyse gekennzeichnet. Das Krankheitsgeschehen setzt unvermittelt mit einem generalisierten Erythem und Fieber ein. Ähnlich wie bei einer Verbrühung hebt sich die Haut in großen Blasen ab. Soweit keine Komplikationen durch Elektrolyt- und Flüssigkeitsverluste auftreten, kommt es zu einem gutartigen Verlauf mit rascher Neubildung der Epidermis. ■ Toxisches Schocksyndrom (toxic shock syndrome, TSS): Betroffen sind in erster Linie junge Frauen, die zur Menstruationshygiene Tampons benutzen, welche aufgrund ihrer hohen Saugfähigkeit lange intravaginal liegen bleiben können. Ca. 30 % aller Frauen beherbergen S. aureus in der Scheide, wenn auch nur in geringer Anzahl. Diese können sich nun in den blutgefüllten Tampons stark vermehren, weil sie dort gut mit Nährstoffen, vor allem Eisen, versorgt werden. Wenn nun ein Stamm vorhanden ist, der die genetische Information für das TSST-1 (toxic shock syndrome toxin 1, Tab. D-2.4) trägt, was nur in 1 % aller Stämme vorkommt, so kann dieses Toxin in großen Mengen gebildet und resorbiert werden. Dieses Toxin ist ein Superantigen (S. 107), d. h. es aktiviert gleichzeitig die Mehrzahl der T-Lymphozyten, die dann sofort große Mengen an Zytokinen ausschütten. Dieses „Zytokinkonzert“ führt zu hohem Fieber, bedrohlichem Kreislaufschock, Bewusstseinseintrübungen, Durchfall und einem Hautexanthem. ■

▶ Klinischer Fall. Eine Schulklasse mit 16-jährigen Mädchen aus Süddeutschland fährt im Skiurlaub für 1 Woche nach Österreich. Sie sind dort in 2-Bett-Zimmern in einer Pension untergebracht, die baulich nicht ganz einwandfrei ist, denn die Wände und Fußböden sind schadhaft und nachts laufen die Mäuse herum. Viele der Schüler entwickeln eine katarrhalische Infektion der Atemwege. 2 Schülerinnen, die in einem Zimmer untergebracht sind, bleiben am Donnerstag dem Skiunterricht fern, weil sie sich wegen der Menstruation nicht wohl fühlen. Anderntags fühlen sich beide sogar richtig krank mit Fieber, Unwohlsein und Kreislaufproblemen. Der Sportlehrer als Aufsichtsperson verordnet bei diesem „grippalen“ Infekt Bettruhe, was aber den Zustand, vor allem einer der Schülerinnen, nicht bessert. Da aber für Samstag die Rückreise geplant ist, wird keine ärztliche Hilfe in Anspruch genommen. Während der Busfahrt verschlechert sich der Zustand der einen 16-Jährigen rapide. Als sie am Heimatort ankommt ist sie trotz hoher Atemfrequenz zyanotisch, schwach und reagiert kaum mehr auf Ansprache, sodass sie vom Notarzt sofort auf die Intensivstation der Klinik eingewiesen werden muss. Dort stirbt sie trotz eingeleiteter Therapie, darunter auch antibiotische Therapie, nach 2 Tagen an einem septischen Schock mit ARDS (acute respiratory distress syndrome), das mit einer Hepatisation der Lunge (im Röntgenbild eine „weiße“ Lunge) einherging, sodass eine Oxygenierung nicht möglich war. Die lokale Presse fabulierte über eine mysteriöse Virusinfektion, z. B. eine Hantaan-Virus-Infektion (S. 241), die von Mäusen übertragen sei. Die Kultur von Sputum und Scheidensekret bringt aber nach 2 Tagen den Nachweis von S. aureus, der dann im Referenzlabor näher untersucht wurde. Nach 14 Tagen war klar, dass dieser spezielle Stamm nicht nur TSST-1, sondern auch Enterotoxin B produzierte. (Auch bei der Zimmernachbarin wurde derselbe Stamm isoliert.) Dieser hatte sich offensichtlich nach einer lokalen Besiedlung bei der Verstorbenen ausgebreitet und auch die Pneumonie, vielleicht nach viraler Bahnung, erzeugt. Die massive Toxinbildung war schlussendlich für diesen letalen Ausgang verantwortlich.



Infektionen innerer Organe: Auch posttraumatische oder postoperative Infektionen können innere Organe betreffen. Bei großen Furunkeln besteht die Gefahr der metastatischen Absiedelung der Keime und der Entstehung einer Ostitis und Osteomyelitis. Bekannt sind die Rechtsherzendokarditis Drogenabhängiger oder die „Plastikinfektionen“, bei denen medizinische Kunststoffimplantate Ausgangspunkt von Septikämien sind.

In Einzelfällen kann S. aureus lokal symptomlos persistieren und nach Monaten exazerbieren.

Übergangsformen zwischen invasiven und toxinbedingten Erkrankungen: ■ Dermatitis exfoliativa: Staphylokokken, die das Toxin Exfoliatin (Tab. D-2.4) bilden, verursachen das Staphylococcal scalded Skin Syndrome (SSSS), das durch eine großflächige, blasige Abhebung der Epidermis gekennzeichnet ist.



Toxisches Schocksyndrom: Das TSS betrifft junge Frauen, die zur Menstruationshygiene Tampons benutzen. Einige Stämme von S. aureus, die das TSST-1 bilden (Tab. D-2.4), können in diesem Millieu große Mengen dieses Toxins bilden.

▶ Klinischer Fall.

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334

D

Toxinbedingte Erkrankungen: ■ Durch Staphylokokkentoxine verursachte Enteropathien sind bei uns die häufigste Folge von Lebensmittelvergiftungen (Tab. D-2.6). Diese Toxine können sowohl exogen wie endogen gebildet werden. Man unterscheidet:



Bei der Staphylokokken-Enteritis werden die hitzestabilen Toxine in der Regel exogen gebildet und mit der Nahrung aufgenommen.

▶ Merke.



Lebensmittelvergiftungen sind gekennzeichnet durch eine kurze Inkubationszeit, die meist nur 1–2 Stunden beträgt. Der Zusammenhang mit einer vorausgegangenen Nahrungsaufnahme wird vom Patienten fast immer erkannt und ist ein wichtiges differenzialdiagnostisches Kriterium. Fieber, Übelkeit, Erbrechen und Diarrhö sind Kardinalsymptome. Eine spezifische Therapie existiert nicht.

≡ D-2.6



Die Staphylokokken-Enterokolitis, die entweder durch die Toxinbildung sehr großer oral aufgenommener stoffwechselaktiver Keimmengen (> 105/g Nahrung) oder durch eine extreme Vermehrung von toxinbildenden Staphylokokken im Darm (ca. 30 % aller Menschen sind Keimträger), z. B. infolge einer Antibiotikatherapie, entsteht.

≡ D-2.6

Nachweis: Der Keimnachweis erfolgt kulturell. Toxine werden in vitro aus Kulturüberständen nachgewiesen. Für epidemiologische Fragestellungen eignet sich die spa-Typisierung.

a

Toxinbedingte Erkrankungen: ■ Lebensmittelvergiftungen (Tab. D-2.6) werden bei uns am häufigsten durch Staphylokokkentoxine erzeugt und zwar speziell durch Enterotoxin B, das wie ein Superantigen (S. 107) wirkt. Neben kalt genossenen Speisen, wie Mayonnaisen, Salaten und Puddings, können auch gegarte Gerichte Ausgangspunkt einer solchen Lebensmittelvergiftung sein, da die Toxine hitzestabil sind und durch Kochtemperaturen nicht inaktiviert werden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass diese Toxine nicht nur exogen in den Lebensmitteln, sondern auch endogen im Darm produziert werden können. Man unterscheidet: ■ Die Staphylokokken-Enteritis, bei der nur die oral mit der Nahrung aufgenommenen Enterotoxine wirksam sind und die sich in der Regel durch einen kurzen und komplikationslosen Verlauf auszeichnet. ▶ Merke. Staphylokokkenbedingte

Bei der Staphylokokken-Enterokolitis erfolgt die Toxinbildung im Darm.

⊙ D-2.6

2 Spezielle Bakteriologie

Ursachen von Lebensmittelvergiftungen

Erreger

Häufigkeit

Staphylococcus-aureus-Enterotoxin (A–E)

40 %

Clostridium perfringens

30 %

Bacillus cereus

10 %

Clostridium botulinum

90 % heilend. Die Therapie kann bei Pharyngitiden, wenn bei der Inspektion eitrige Stippchen gesehen werden und somit ein bakterieller Infekt wahrscheinlich ist, schon vor dem Erregernachweis begonnen werden. Ein Antibiogramm ist nicht erforderlich, da Resistenzen selten vorkommen. Bei Unverträglichkeit von Betalaktamantibiotika wirkt Erythromycin oder Moxifloxacin. Prophylaxe: Unspezifische prophylaktische Maßnahmen gegen Streptokokken-A-Infektionen, z. B. Gurgeln u. Ä., sind nicht überzeugend. Evtl. Langzeittherapie mit Penicillin.

Prophylaxe: Unspezifische prophylaktische Maßnahmen gegen Streptokokken-A-Erkrankungen, z. B. Gurgeln u. Ä., sind nicht überzeugend. Ist eine Infektion mit Folgekrankheit abgelaufen, droht bei einer Wiederinfektion eine heftige Immunreaktion, noch schlimmer als zuvor. Deswegen ist in solchen Fällen als Rezidivprophylaxe eine Langzeittherapie mit Penicillin angezeigt, oft sogar über viele Jahre! ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

D

343

2.2 Grampositive Kokken

Streptococcus agalactiae (Streptokokken der Serogruppe B) Bedeutung: B-Streptokokken sind primär tierpathogen, können jedoch auch den Menschen besiedeln (Darm Vagina, Harnblase) und Sepsis und Wundinfekte erzeugen. Eine besondere Bedeutung aber erlangen sie in der Geburtshilfe, wenn sie von einer koloniserten Mutter intra partum auf das Kind übergehen und dann in ca. 2 % eine schwere Meningitis und Sepsis erzeugen. ▶ Merke. Vorsorgeuntersuchung: Eine Schwangere sollte in den letzten Wochen

Streptococcus agalactiae (Streptokokken der Serogruppe B) Bedeutung: Streptokokken-B-Infektionen spielen besonders in der Geburtshilfe eine Rolle.

▶ Merke.

vor Entbindung mittels eines Vaginalabstriches kontrolliert werden, ob sie Trägerin von B-Streptokokken ist. Ggf. kann sie dann mit Ampicillin kurzzeitig behandelt werden, damit die Geburtswege zumindest während der Geburt frei sind. Klinik: Streptokokken-B-Infektionen des Neugeborenen finden sich in einer Häufigkeit von ca. 1:1000. Man unterscheidet den „early onset type“ (innerhalb der ersten Tage post partum), der insbesonders bei Frühgeburten mit geringem Geburtsgewicht auftritt. Neben einer Sepsis ist vor allem die Meningitis gefürchtet, die in etwa der Hälfte aller Fälle nach 24–48 Stunden letal endet. Bei der Spätform („late onset type“) erfolgt die Infektion nicht unbedingt von der Mutter, sondern kann auch durch das Pflegepersonal verursacht werden. Sie tritt jenseits der ersten Lebenswoche auf. Auch hier dominiert eine Meningitis mit einer Letalität von ca. 25 %.

Klinik: Streptokokken-B-Infektionen des Neugeborenen, die innerhalb der ersten Lebenswoche auftreten, stammen immer aus den Geburtswegen der Mutter. Spätere Manifestationen können auch durch das Pflegepersonal verursacht sein. Gefürchtet sind die Sepsis und die Meningitis, die mit hoher Letalität behaftet ist.

Nachweis: Kulturell ist S. agalactiae (nicht zu verwechseln mit S. dysgalactiae, welcher deutlich weniger pathogen ist) aus geeignetem Untersuchungsmaterial des Neugeborenen wie Blut und Liquor als Zeichen einer Infektion und aus Abstrichen von vielen Körperstellen als Zeichen einer generellen Besiedelung nachzuweisen. Sonst findet man sie oft im Eiter oder im Vaginalabstrich (bei 10–20 % aller Frauen). Bei einer Schwangeren sollte ca. 1–5 Wochen vor der geplanten Geburt kontrolliert werden, ob der Geburtskanal kolonisiert ist, um ggf. mittels Amoxicillin eine Eradikation zu erzielen. Die Typisierung erfolgt mittels Latexagglutination (Abb. D-2.10). Typisch für B-Streptokokken ist auch der CAMP-Faktor, der zusammen mit einer Phospholipase von S. aureus die Hämolyse noch verstärkt. Auch die PCR hat eine hohe Sensitivität. Der Antigennachweis direkt im Scheidensekret mittels ELISA wird nur bei massiver Präsenz positiv.

Nachweis: Kulturell aus Blut, Liquor u. Ä. In den letzten Wochen vor der Geburt sollte der Geburtskanal auf eine Kolonisierung hin untersucht werden.

Therapie: Penicillin, eventuell in Kombination mit einem Aminoglykosid, ist das Mittel der Wahl. Auch Ampicillin bzw. Amoxicillin wirken noch gut.

Therapie: Mittel der Wahl ist Penicillin, evtl. in Kombination mit einem Aminoglykosid.

Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken)

Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken)

▶ Definition. Pneumokokken sind grampositive, ovale bis lanzettförmige Diplokokken, die von einer Polysaccharidkapsel umgeben sind, welche sich durch geeignete Färbemethoden indirekt darstellen lässt (Abb. D-2.15).

Klassifikation: S. pneumoniae besitzt keine Lancefield-Gruppenantigene. Die Antigenstrukturen der Polysaccharidkapsel gestatten aber eine Unterteilung in 91 Serovare. Einige davon dominieren in der Bevölkerung.

⊙ D-2.15

▶ Definition.

Klassifikation: S. pneumoniae besitzt keine Lancefield-Gruppenantigene.

⊙ D-2.15

Sputum bei Pneumokokkenpneumonie Eitriges Sputum mit reichlich Diplokokken (Methylenblaufärbung, 1:400). (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 129, Bronchopulmonale Infektionen 1988)

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344

D

Virulenz: ■ Kapsel (Abb. D-1.12a): Nur bekapselte Pneumokokken lösen Infektion aus.

Virulenz: ■ Polysaccharidkapsel (Abb. D-1.12a): Sie ist der wichtigste Pathogenitätsfaktor und wirkt antiphagozytär. Nur bekapselte Pneumokokken lösen Infektion aus.

▶ Merke. ■

Hämolysin: Es ist fast identisch mit dem Streptolysin O u. a. Es lysiert z. B. das Epithel der Nasenhöhle und erlaubt ein Eindringen.

▶ Merke. Je dicker die Kapsel, desto virulenter der Erreger. ■





Bedeutung: S. pneumoniae ist der klassische Erreger der Lobärpneumonie. Der Erreger spielt weiterhin eine Rolle bei Infektionen des Ohres (Otitis media, Tab. D-2.9) und des Auges (Ulcus serpens corneae).

≡ D-2.9

2 Spezielle Bakteriologie

Hämolysin: Das Hämolysin der Pneumokokken (Pneumolysin) ist fast identisch mit dem Streptolysin O, dem Listeriolysin, dem Tetanolysin u. a. m. Es lysiert z. B. das Epithel der Nasenhöhle und erlaubt ein Eindringen. Außerdem ist es für Abwehrzellen zytotoxisch und wirkt inflammatorisch. IgA-Protease: dieses Enzym zerstört die immunologische Abwehr des Menschen und ermöglicht eine Kolonisierung von Schleimhäuten PavA: dieses Gen codiert für ein Oberflächenprotein, welches die Adhäsion an Epithelzellen ermöglicht und die Phagozytose durch Makrophagen hemmt.

Bedeutung: Eine Besiedelung der oberen Luftwege mit pathogenen Erregern ist der Ausgangspunkt für eine Rhinitis und Sinusitis. S. pneumoniae ist der häufigste Erreger der Lobärpneumonie, einer Lungenentzündung, die sich streng innerhalb eines Lungenlappens lokalisiert und von dort in die Blutbahn streut. Diese Art der Infektion ist bei jungen Erwachsenen eher selten geworden; bei Älteren jedoch ist S. pneumoniae bei Bronchopneumonien ein führender Erreger vor allem in der kälteren Jahreszeit. Ein weiterer wichtiger Lokalisationsort ist das Ohr; hier verursacht S. pneumoniae nicht selten eine Otitis media (Tab. D-2.9) und Mastoiditis. Auch das Ulcus serpens corneae wird durch Pneumokokken verursacht. Aber auch an anderen Körperstellen, z. B. im Darm, kommen Pneumokokken vor. Dort können sie auch Infektionen induzieren, z. B. Appendizitis und Peritonitis.

≡ D-2.9

Erreger von Otitis media

Streptococcus pneumoniae

Bei Älteren und Splenektomierten kann es auch zu einer Pneumokokkensepsis kommen. ▶ Merke.

30 %

Haemophilus influenzae

20 %

Streptococcus pyogenes (A-Streptokokken)

10 %

Staphylococcus aureus

5%

Moraxella (Branhamella) catarrhalis

5%

Enterobacterales

1%

andere (z. B. Anaerobier)

29 %

Bei Älteren und Splenektomierten kommt es häufig auch zu einer Pneumokokkensepsis, die eine langwierige Hospitalisierung erfordert und eine hohe Mortalität (> 30 %) hat. ▶ Merke. Nach Splenektomie besteht durch Wegfall dieses „drainierenden Lymph-

knotens der Blutbahn“ eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber bekapselten Bakterien, speziell gegen Pneumokokken. In einer solchen Situation kann sich eine fulminante Sepsis entwickeln, die innerhalb von Stunden zum Tod führen kann, noch bevor eine Diagnose oder Therapie erfolgte (overwhelming post splenectomy infection = OPSI). Nach einer Pneumokokkensepsis kann sich eine Pneumokokken-Meningitis manifestieren.

Als sekundäre Folge einer Infektion kommt es durch hämatogene Streuung zur Pneumokokken-Meningitis, nach der Meningokokken-Meningitis der beim Erwachsenen häufigsten Form der Hirnhautentzündung.

Epidemiologie: Ungefähr 70 % aller Menschen sind symptomlose Träger von Pneumokokken. Natürlicher Standort dieser Keime ist der Oropharynx.

Epidemiologie: Ungefähr 70 % aller Menschen sind symptomlose Träger von Pneumokokken. Natürlicher Standort dieser Keime ist der Oropharynx. Einige der 91 Serovarietäten sind dominierend. Seit der Einführung des Konjugatimpfstoffes kommt es zu einer Verdrängung derjenigen Serovarietäten, die im Impfstoff enthalten sind (seroreplacement). Krankheitsausbrüche sind oft endogener Natur. Prädisponierende Faktoren wie Lungenerkrankungen oder Immundefekte bahnen eine Infektion. Pneumokokkenseptikämien treten häufig im Alter und nach Splenektomien auf.

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D

Nachweis: Bei Meningitis kann bereits das mikroskopische Liquorpräparat eine Diagnose ermöglichen (Abb. D-2.16a). Der immunologische Antigennachweis in Liquor, Blut und Urin hat etwa die gleiche Sensitivität. Die Bakterienkultur erfolgt auf Blutagar, wo Pneumokokken als glatte, oft schleimige Kolonien mit einer zentralen Eindellung wachsen (Abb. D-2.16b). Es zeigt sich eine α-Hämolyse, eine 5–10 %ige CO2Atmosphäre begünstigt das Wachstum. Als zusätzliches diagnostisches Kriterium zur Abgrenzung anderer α-hämolysierender Streptokokken wird die Empfindlichkeit gegen Optochin geprüft (Abb. D-2.17).

⊙ D-2.16

345

2.2 Grampositive Kokken

Nachweis: Bei Meningitis kann bereits das mikroskopische Liquorpräparat (Abb. D-2.16a) eine Diagnose ermöglichen. Sonst erfolgt die Diagnose kulturell (Abb. D-2.16b) mit Prüfung der Optochinempfindlichkeit (Abb. D-2.17).

Pneumokokken-Nachweis a Gram-Färbung von Pneumokokken aus Kultur: Beachte die Diplolanzettform und die Kapselbildung. b Typische Kulturmorphologie von Streptococcus pneumoniae auf Blutagar. (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 126, Bakterielle Infektionen 1986)

a

⊙ D-2.17

b

Optochintest zur Schnelldifferenzierung von vergrünenden Streptokokken und Pneumokokken

⊙ D-2.17

Die Pneumokokken zeigen eine deutliche Wachstumshemmung durch das Optochinplättchen (Hemmhof). (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 120, Bakterielle Infektionen 1983)

Therapie: Mittel der Wahl ist zumindest in Deutschland Penicillin (Resistenzen sind in Deutschland selten), alternativ werden Makrolide oder ein Cephalosporin der III. Generation oder Moxifloxacin gegeben.

Therapie: Mittel der Wahl ist Penicillin, alternativ Makrolide oder ein Cephalosporin der III. Generation.

Prophylaxe: Risikopatienten, z. B. alle Kleinkinder, Alte > 60 Jahre und vor allem solche mit chronischen Lungen- und Herzkrankheiten, Diabetes mellitus, Leberzirrhose, Erkrankungen der Niere, der blutbildenden Organe sowie Splenektomierte, können mit Totimpfstoffen aktiv immunisiert werden. Der eine Impfstoff enthält die gereinigten Kapselpolysaccharide der 23 am häufigsten vorkommenden Serogruppen. Die Impfung mit solchen T-Zell-unabhängigen Antigenen (S. 130) erfolgt bei Kindern > 2 Jahre und bei Erwachsenen in einer Dosis (0,5 ml). Es entstehen nur IgMAntikörper, welche die Bltubahn nicht verlassen können. Somit schützt dieser Impfstoff nur vor Sepsis und Meningitis und zwar nur etwa 6 Jahre. Eine Auffrischimpfung ist wegen einer „hyporesponsivness“ wenig effektiv. Der Konjugatimpfstoff, der bis zu 13 der wichtigsten Serovare enthält, die an ein atoxisches Diphtherietoxin als Träger gebunden sind (Tab. J-4.2), wird bei Kleinkindern über 2 Monate 3-mal im Abstand von je 4 Wochen und dann noch einmal in 2 Jahren verabreicht. Bei Erwachsenen über 60 Jahre ist eine 1-malige Impfung empfohlen und alle 6 Jahre eine Auffrischimpfung. Damit entsteht eine belastbare Immunität auch auf den Schleimhäuten des Oropharynx, sodass schon eine Kolonisierung mit den 13 Serovaren unterbleibt. Die dominanten Serotypen werden somit aus der Bevölkerung verdrängt. Sinusitis, Otitis media, Pneumonie, Sepsis und Meningitis werden verhindert.

Prophylaxe: Zur Impfung von Kindern und von Erwachsenen mit Risikokonstellation (Alter, Splenektomie) stehen Totimpfstoffe zur aktiven Immunisierung zur Verfügung. Der eine Impfstoff für Kinder > 2 Jahre und Erwachsene enthält die gereinigten Kapselpolysaccharide der 23 am häufigsten vorkommenden Serogruppen und schützt vor Sepsis und Meningitis. Ein Konjugatimpfstoff, der bis zu 13 der wichtigsten Antigene enthält, kann darüber hinaus sogar auch vor Otitis media, Sinusitis und Pneumonie schützen, und zwar auch Kleinkinder.

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346

D

Oralstreptokokken

Oralstreptokokken

▶ Definition.

Klassifikation: Die in Tab. D-2.10 aufgeführten Streptokokkenspezies zählen zu den Oralstreptokokken.

≡ D-2.10

2 Spezielle Bakteriologie

▶ Definition. Es handelt sich um unterschiedliche Streptokokkenspezies, deren natürlicher Standort der Rachenraum ist, darüber hinaus aber auch der Intestinaltrakt und die Vagina. Ihre Systematik und Nomenklatur ist im Fluss. Die meisten Oralstreptokokken besitzen kein Antigen nach der Lancefield-Gruppierung. Viele haben α-hämolytische Aktivitäten. Orale Streptokokken werden deshalb auch oft mit dem Sammelbegriff „vergrünende Streptokokken“ oder „Viridans-Streptokokken“ belegt. Die Vergrünung ist jedoch nicht obligat, etliche Spezies zeigen keinerlei Hämolyse (γ-Hämolyse).

Klassifikation: Zu den Oralstreptokokken werden die in Tab. D-2.10 angeführten Streptokokkenspezies gezählt.

≡ D-2.10

Oralstreptokokken

„Salivariusgruppe“ (Darmstreptokokken)

S. salivarius S. bovis

„Mutansgruppe“

S. mutans S. cricetus

„Milleri-Gruppe“

S. anginosus S. constellatus S. intermedius

„Oralisgruppe“

S. mitior S. mitis S. sanguis

Bedeutung: Orale Streptokokken sind die häufigsten Appendizitiserreger, zu über 50 % Ursache bakterieller Endokarditiden und ein wichtiger Faktor bei der Entstehung der Zahnkaries.

Bedeutung: Orale Streptokokken erlangen in der Medizin in mehrfacher Hinsicht Bedeutung: ■ Sie sind die häufigsten Appendizitiserreger. ■ Sie sind zu über 50 % Ursache bakterieller Endokarditiden. ■ Sie sind ein wichtiger Faktor bei der Entstehung der Zahnkaries.

Pathogenese: Streptokokken der Mutansgruppe sowie S. sanguis und S. mitior werden neben einigen Aktinomyzetenspezies als Initiatoren der Zahnkariesbildung betrachtet.

Pathogenese: Streptokokken der Mutansgruppe sowie S. sanguis und S. mitior werden neben einigen Aktinomyzetenspezies als Initiatoren der Zahnkariesbildung betrachtet. Diese Bakterienarten zeigen eine besondere Adhärenz für die Glykoproteinstrukturen des Zahnschmelzoberhäutchens. Dort angeheftet, produzieren sie einen Belag aus extrazellulären Polysacchariden, der zahlreichen anderen Bakterien und Sprosspilzen als Lebensraum dient. Diese Plaquekeime bilden ihrerseits organische Säuren, die den Zahnschmelz angreifen und die Kariesentstehung einleiten. Streptokokken der Milleri-Gruppe gelangen bei Zahnextraktionen, beim Zähneputzen, aber auch beim normalen Kauen in die Blutbahn, wo sie normalerweise sehr schnell eliminiert werden (transitorische Bakteriämie). Sie können sich jedoch auf rheumatisch vorgeschädigten Herzklappen und dem Endokard absiedeln und dort eine chronisch verlaufende Endokarditis (Endocarditis lenta) auslösen, s. Kap. „Endokarditis“ (S. 645). Von dort streuen die Bakterien schubweise, sodass man an verschiedenen Körperstellen – z. B. an der Haut – mit septischen Metastasen rechnen muss.

Streptokokken der Milleri-Gruppe gelangen z. B. bei Zahnextraktionen in die Blutbahn, wo sie sich auf vorgeschädigten Herzklappen und dem Endokard absiedeln und eine chronische Endokarditis (Endocarditis lenta) verursachen können, s. Kap. „Endokarditis“ (S. 645).

Nachweis: Der Erregernachweis erfolgt kulturell.

Nachweis: Der Erregernachweis erfolgt kulturell. Die Differenzierung durch Biochemie oder Massenspektrometrie (MALDI-TOF) ist möglich.

Therapie: Penicillin wirkt oft; mit Resistenzen muss jedoch gerechnet werden.

Therapie: In vielen Fällen hilft Penicillin; mit Resistenzen muss jedoch gerechnet werden.

Prophylaxe: Bei Risikopatienten ist eine Endokarditisprophylaxe angezeigt.

Prophylaxe: Bei bestimmten Risikopatienten ist eine antibiotische Endokarditisprophylaxe (S. 647) indiziert.

▶ Exkurs.

▶ Exkurs. Bei der Kultivierung von S. milleri aus einer Blutkultur sollte unbedingt nach pyogenen Abszessen in Leber, Milz, Knochen etc. gefahndet werden. Der Nachweis von S. bovis in der Blutkultur sollte die Suche nach einem Intestinaltumor (Dickdarmkarzinom) veranlassen.

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D

347

2.2 Grampositive Kokken

Weitere Streptokokken

Weitere Streptokokken

Eine Vielzahl von weiteren Streptokokken, wie Streptococus dysgalactiae, Gemella, Abiotropha, Granulicatella etc., findet man als kolonisierende Keime auf diversen Schleimhäuten. Gelegentlich können sie auch Infektionen, z. B. Endokarditis, Hauteiterungen, Protheseninfektionen oder Spondylodiszitis, hervorrufen.

2.2.3 Enterokokken

2.2.3

▶ Definition. Enterokokken sind grampositive, meist paarweise angeordnete Streptokokken, die sich auch noch bei pH 9,6 in einem Medium mit 6,5 % Kochsalz vermehren. Sie sind gegen Temperatureinflüsse (10–45 °C) und Gallensalze weitgehend unempfindlich. Die Aesculinspaltung ist eine charakteristische Stoffwechselleistung.

Enterokokken

▶ Definition.

Klassifikation: Alle humanpathogenen Enterokokken gehören zur Lancefield-Serogruppe D der Streptokokken, die wichtigsten sind: ■ Enterococcus faecalis ■ Enterococcus faecium ■ Enterococcus durans ■ Enterococcus casseliflavus ■ Enterococcus gallinarum.

Klassifikation: Die wichtigsten Vertreter der Enterokokken sind: ■ Enterococcus faecalis ■ Enterococcus faecium. Es handelt sich um normale Bewohner des menschlichen Darmes. Sie gehören zur Lancefield-Gruppe D.

Bedeutung: Enterococcus faecalis und Enterococcus faecium machen bei ballastund kohlenhydratreicher, fett- und eiweißarmer Ernährung bis 50 % der aeroben Darmflora aus. Enterococcus durans und Enterococcus casseliflavus kommen sehr viel seltener beim Menschen vor. Neben vielen Lokalinfektionen (z. B. chronische Wunden oder Cholangitis) sind Enterokokken auch bei chronischen Harnwegsinfektionen ursächlich beteiligt, hauptsächlich bei solchen, die nosokomialer Natur sind (Abb. D-2.18a). In den meisten Fällen, bei denen Enterokokken im Mittelstrahlurin nachgewiesen werden, handelt es sich jedoch nur um eine Kolonisierung der Urethra ohne therapeutische Konsequenz.

Bedeutung: Neben vielen Lokalinfektionen spielen die Enterokokken vor allem bei chronischen Harnwegsinfektionen eine Rolle (Abb. D-2.18a).

▶ Merke. Bei Schwerkranken findet man Enterokokken häufig auch in den oberen

▶ Merke.

Luftwegen; dort haben sie aber keinerlei Bedeutung als Krankheitserreger und sind nicht therapiebedürftig! Nachweis: Blut- und aesculinhaltige Nährmedien sind zur Isolierung bzw. Charakterisierung der Erreger besonders geeignet (Abb. D-2.18b).

Nachweis: Kulturell auf blut- und aesculinhaltigen Nährmedien (Abb. D-2.18b).

Therapie:

Therapie:

▶ Merke. Alle Enterokokken sind intrinsisch resistent gegen Benzylpenicillin (Peni-

▶ Merke.

cillin G), Cephalosporine und Cotrimoxazol! Aminoglykoside wirken nur in hoher Dosis. E. faecium ist meist auch gegen viele weitere Antibiotika resistent, gelegentlich sogar gegen Vancomycin.

⊙ D-2.18

a

Enterokokken

b

(Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 120, Bakterielle Infektionen 1983)

a Harnwegsinfekte durch Enterokokken, Nachweis im Urinsediment (Methylenblaufärbung). b Enterokokken-Reinkultur auf Blutagar. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

348 Aminopenicilline in Kombination mit Aminoglykosiden wirken meist synergistisch.

▶ Merke.

D

2 Spezielle Bakteriologie

Enterokokken sind von vornherein gegen Penicillin G resistent, da es die Zellwand nicht überwinden kann. Die Cephalosporine haben eine Wirklücke bei den Enterokokken, weil diese Penicillinbindeproteine mit geringer Affinität bilden. Auch Cotrimoxazol ist unwirksam. Chinolone und Carbapeneme sind nur mäßig wirksam. Stämme von E. faecium sind oft noch gegen mehrere andere Substanzen resistent, gelegentlich sogar gegen Vancomycin. Die Kombination von Aminopenicillinen mit Aminoglykosiden ist oft wirksam, weil ein Synergismus zwischen beiden Antibiotika besteht, zumindest wenn die Enterokokken nicht total gegen Aminoglykoside resistent sind. Glykopeptide (z. B. Vancomycin), Lipopetide und Oxazolidinone sind meistens wirksam. Als Erreger von nosokomialen Infektionen treten in manchen Hospitälern aber gehäuft vancomycinresistente Enterokokken (VRE) auf, die ein Transposon mit einem Resistenzgen besitzen. ▶ Merke. Patienten mit VRE, entweder als Infektionserreger in Wunden oder nur

als Kolonisierer (z. B. im Darm bzw. Analabstrich), sollten strikt isoliert werden. Die Kolonisierung mit VRE kann monatelang anhalten; eine zuverlässige Dekontaminationsmaßnahme gibt es nicht.

2.2.4

Mikrokokken

2.2.4 Mikrokokken

Mikrokokken sind wenig pathogene Bakterien, die sich auf menschlicher Haut finden (typische opportunistische Erreger).

Auf der Haut des Menschen und der Umgebung findet man regelmäßig Mikrokokken der Gattung Kocuria u. a. Diese haben mit den Staphylokokken einige morphologische und kulturelle Ähnlichkeiten, obwohl sie sich genetisch deutlich voneinander unterscheiden. Diese wenig pathogenen Bakterien können als typische opportunistische Erreger gelegentlich auf Fremdkörpern (Implantaten) eitrige Infektionen erzeugen.

2.2.5

2.2.5 Anaerobe Kokken

Anaerobe Kokken

Peptokokken (anaerobe grampositive Staphylokokken) und Peptostreptokokken (anaerobe grampositive Streptokokken) gehören zur normalen Flora des Menschen und können gelegentlich Infektionen beim Menschen begründen.

2.3

Grampositive, aerobe, nicht sporenbildende Stäbchenbakterien

Strikt anaerobe grampositive und gramnegative Kokken gehören zur Normalflora des Menschen. Ihr natürlicher Standort sind hauptsächlich die Mundhöhle, der Darm und der Genitalbereich. Bei Verschleppung in das Gewebe, z. B. durch Verletzungen, postoperative Wundinfektionen u. Ä., können sie Ursache von Infektionen sein. Grampositive anaerobe Staphylokokken werden als Peptokokken, grampositive anaerobe Streptokokken als Peptostreptokokken klassifiziert.

2.3

Grampositive, aerobe, nicht sporenbildende Stäbchenbakterien

Herbert Hof 2.3.1

Listerien

▶ Definition.

2.3.1 Listerien ▶ Definition. Listerien sind aerobe, grampositive, nicht sporenbildende, feine Stäbchenbakterien, die sich klassischerweise durch eine Beweglichkeit bei 20 °C (nicht bei 37 °C) auszeichnen.

Klassifikation: Nur L. monocytogenes und seltener L. ivanovii sind von humanmedizinischem Interesse.

Klassifikation: Die Gattung Listeria (sensu stricto) umfasst 6 Arten, von denen jedoch nur Listeria monocytogenes und – in ganz geringem Maße – Listeria ivanovii von humanmedizinischer Bedeutung sind. Daneben gibt es noch eine Reihe von nah verwandten Arten, die in der Umwelt vorkommen. Mittels spezifischer Antikörper können innerhalb der Art L. monocytogenes ca. 13 Serovarietäten unterschieden werden, wobei > 90 % aller Isolate vom Menschen entweder zu Serovar 1 oder 4 gehören.

Bedeutung: L. monocytogenes (und in seltenen Fällen L. ivanovii) sind Erreger von Listeriosen des Menschen. Alle übrigen Listerien sind apathogen, aber in der Umwelt weit verbreitet.

Bedeutung: Listerien, darunter auch L. monocytogenes, sind in der Umwelt weit verbreitet und können im Erdreich, im Wasser, auf Pflanzen und in Nahrungsmitteln tierischen (Milch, Käse, Wurst, Räucherlachs) und pflanzlichen Ursprungs (Salat, Pilze) isoliert werden. Als Verursacher von Listeriosen bei Mensch und Tier treten jedoch nur Stämme von L. monocytogenes (und selten von L. ivanovii) auf.

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D

349

2.3 Grampositive, aerobe, nicht sporenbild. Stäbchen

Listeria monocytogenes

Listeria monocytogenes

Epidemiologie: Über Staub gelangt L. monocytogenes auf rohes Fleisch, in die Milch und auch auf die Rinde von Weichkäsearten (Romadur, Brie, Rocquefort), auf geräucherten Lachs, Salate, rohe Gemüse u. a. Bei Verzehr all dieser alltäglichen Lebensmittel kann eine Infektion entstehen. Karotten, Tomaten und Äpfel sind dagegen frei von Listerien. In der Schwangerschaft können bestimmte Varianten mit den notwendigen Virulenzfaktoren während einer kurzen Bakteriämiephase auch die Plazenta besiedeln und eine intrauterine Infektion des Fetus bedingen. Auch Infektionen intra partum sind beschrieben. Seltener sind Infektionen von Haut oder Auge nach direktem Kontakt mit Umweltkeimen. Meistens treten Listeriosen nur sporadisch auf. Wenn ein industriell gefertigtes Lebensmittel mit Listerien kontaminiert ist und im Laufe der Reifung und Lagerung große Keimmengen entstanden sind, entwickelt sich bei Verteilung an viele Verbraucher gelegentlich eine mehr oder weniger große Epidemie. Pro Jahr werden in Deutschland ca. 700 Fälle erfasst, darunter ca. 50 schwangerschaftsassoziierte Fälle. Die Dunkelziffer ist beträchtlich. Die Letalität beträgt ca. 10 %. Die meisten Fälle treten sporadisch auf, aber Ausbrüche mit wechselnden Patientenzahlen werden immer wieder beobachtet.

Epidemiologie: Die Übertragungswege gehen im Regelfall von Lebensmitteln aus. Die Übertragung erfolgt meist oral oder ggf. auch intrauterin.

Pathogenese: Listerien sind relativ stabil gegen Säure und können deshalb die Magenpassage überstehen, besonders bei kleinen Kindern sowie alten und kranken Menschen. Ein Aperitif oder eine heiße Suppe lockt die Magensäure und reduziert damit das Risiko einer Listeriose. Listerien binden im Dünndarm an Epithelzellen (vermutlich an M-Zellen in den Peyer-Plaques) und induzieren aktiv ihre Internalisierung. Im intrazellulären Milieu verschiedener Zellen (Epithelzellen, Mesenchymzellen, professionellen Phagozyten) überleben pathogene Listerien und können sich sogar vermehren. Humorale Antikörper sind gegen solche intrazellulären Bakterien unwirksam. Erst wenn T-Lymphozyten durch Zytokinausschüttung die antibakterielle Aktivität der Wirtszellen erhöhen, gelingt die Elimination der Listerien. Ist diese T-Zell-vermittelte, zelluläre Immunabwehr gestört (z. B. bei Leukämie oder unter Kortisontherapie), haben Listerien eine Chance, sich zu halten und eine Erkrankung hervorzurufen.

Pathogenese: Listerien müssen als opportunistisch pathogene Erreger eingestuft werden, die sich fakultativ intrazellulär vermehren und durch eine T-Zell-vermittelte Immunreaktion abgewehrt werden.

▶ Merke. Die Exposition ist häufig, die Erkrankung ist selten, weil diese Opportu-

Pro Jahr werden in Deutschland ca. 700 Fälle erfasst, darunter ca. 50 schwangerschaftsassoziierte Fälle.

▶ Merke.

nisten sich meistens nur beim Abwehrgeschwächten (Leukämie, Organtransplantation, Schwangerschaft, hohes Alter) vermehren können. Eine funktionierende TZell-vermittelte Abwehr schützt dagegen vor einer manifesten Erkrankung. Klinik: Werden große Keimmengen oral aufgenommen (genaue Infektionsdosis ist unbekannt), kann es zu einer Listeriose mit Bakteriämie kommen, wobei klinisch die Symptome eines grippalen Infektes dominieren. Solche Erkrankungen werden in der Regel überhaupt nicht als Listeriose gedeutet. Bei erworbener, angeborener oder therapeutisch bedingter Abwehrschwäche kann eine Septikämie und Meningoenzephalitis entstehen. Auch Schwangere sind deutlich anfälliger. Die Infektion während der Schwangerschaft führt intrauterin zur Infektion der Plazenta und nachfolgend zur Infektion des Fetus. Eine solche intrauterine Infektion bedingt in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Infektion einen Abort, eine Frühgeburt oder die Geburt eines mehr oder minder geschädigten Kindes. Bei dieser Form der konnatalen Listeriose kommt es zu Abszessen und multipler Granulombildung in der Lunge, im ZNS und in der Haut (sog. Granulomatosis infantiseptica) (Abb. D-2.19). ▶ Merke. Die Listeriose ist meldepflichtig!

Nachweis: Bei Verdacht einer Listeriose ist der kulturelle Erregernachweis beweisend. Da die Erreger anspruchslos sind, wachsen sie auf den üblichen Nährmedien. Auf Blutagar ist meist nur eine schwache Hämolyse zu erkennen. Die Differenzierung erfolgt entweder biochemisch oder mittels MALDI-TOF-Massenspektrometrie. Zur Anreicherung macht man sich die Tatsache zunutze, dass sich Listerien bei Kühlschranktemperaturen (5–10 °C) vermehren können (Kälteanreicherung). Serologische Untersuchungen sind prinzipiell möglich, der Nachweis von Antikörpern gegen Listerien-O- und -H-Antigene ist in der Praxis jedoch wenig aussagekräftig. Denn erstens kommt diese Antikörperproduktion erst nach 10–14 Tagen

Klinik: Die Listeriose kann mit Symptomen eines grippalen Infektes dominieren. Bei Abwehrschwäche kann eine Septikämie und Meningoenzephalitis entstehen. Besonders gefährlich ist die Infektion während der Schwangerschaft. Diese Granulomatosis infantiseptica des Fetus kann einen Abort, eine Frühgeburt oder die Geburt eines geschädigten Kindes bedingen (Abb. D-2.19).

▶ Merke.

Nachweis: Bei Verdacht einer Listeriose ist nur der kulturelle Erregernachweis beweisend.

Serologische Untersuchungen führen in der Praxis meistens nicht zum Erfolg.

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350 ⊙ D-2.19

D

2 Spezielle Bakteriologie

Generalisierte Neugeborenenlisteriose

a

b a Ein Neugeborenes, das kurz nach der Geburt an einer disseminierten Infektion mit Listeria monocytogenes verstorben ist (Granulomatosis infantiseptica). b Nicht nur in der Haut, sondern auch in verschiedenen inneren Organen, z. B. hier in der Leber, sind multiple granulomatöse Infektionsherde zu erkennen.

richtig in Gang, sodass diese Diagnostik in der akuten Phase versagt. Zweitens ist beim Abwehrgeschwächten die Antikörperproduktion sowieso behindert. Drittens gibt es viele kreuzreagierende Antigene bei anderen Bakterien, sodass selbst ein positiver Antikörpernachweis kein sicherer Beweis für die abgelaufene Listeriose ist. Therapie: Ampicillin und Aminoglykoside in Kombination.

▶ Klinischer Fall.

Therapie: Die Therapie erfolgt mit Ampicillin, kombiniert mit Aminoglykosiden, um die Bakterizidie zu verstärken (Abb. D-1.28). Auch Makrolide, Cotrimoxazol,Tetrazykline und Chinolone sind wirksam. Eine Antibiotikatherapie muss mindestens über 14 Tage lang erfolgen, weil sonst ein Rezidiv droht. ▶ Klinischer Fall. Eine 24-Jährige ist im 8. Monat schwanger als sie eine fieberhafte, grippeähnliche Erkrankung durchmacht. Sie selbst und auch der Frauenarzt sind nicht sonderlich besorgt, weil die Symptome nach 1–2 Tagen wieder spontan abklingen. Aber 10 Tage danach merkt sie, dass die Strampelbewegungen nachlassen, und nach weiteren 2 Tagen muss sie mit vorzeitigen Wehen ins Krankenhaus. Die Hebamme bemerkt, dass das abgehende Fruchtwasser „grün“ ist. Das Neugeborene fällt auf durch Atemnot, neurologischer Defizite und mehrerer, über den gesamten Körper verteilter Hautrötungen, die sich im Laufe des nächsten Tages noch verstärken. Am 3. Tag stirbt das Kind. Bei der Obduktion finden sich multiple, granulomatöse Herde in Milz und Leber (Diagnose: Granulomatosis infantiseptica), aus denen später Listeria monocytogenes isoliert werden konnte. Anamnestisch lässt sich nachträglich erheben, dass die Mutter ca. 10 Tage vor der fieberhaften Erkrankung Käse („Harzer Roller“) gegessen hatte, der nachweislich mit Listeria monocytogenes kontaminiert war und deshalb – mit zeitlicher Verzögerung – vom Markt genommen wurde.

Prävention: Risikopersonen (Alte, Immunsupprimierte, Schwangere) sollten Speisen mit hohem Befall an Listerien meiden; erhitzte Speisen sind frei von Listerien.

Prävention: Eine absolute Lebensmittelsicherheit gibt es nicht. Strikte Hygiene während der Herstellung und Einhaltung der Kühlkette reduzieren das Risiko. Vor allem Risikopersonen (Alte, Immunsupprimierte, Schwangere) sollten Lebensmittel meiden, die möglicherweise kontaminiert sein können, z. B. Salate, Weichkäse, Räucherlachs und Salami. Ein Aperitif oder eine heiße Suppe locken die Magensäure und reduzieren so das Risiko einer lebensmittelbedingten Listeriose. Erhitzen auf ca. 70 °C tötet die vegetativen Bakterien mit Sicherheit ab. Eine Impfung gibt es nicht.

2.3.2

2.3.2 Korynebakterien

Korynebakterien

▶ Definition.

Klassifikation: Neben apathogenen Hautund Schleimhautbewohnern sind für den Menschen die opportunistisch pathogenen Spezies und der Erreger der Diphtherie von Interesse (Tab. D-2.11).

▶ Definition. Es handelt sich um grampositive, nicht sporenbildende, unbewegliche, gekrümmte Stäbchenbakterien, die als besonderes Charakteristikum häufig – nicht immer – keulenförmige Auftreibungen zeigen (koryne = griech.: Keule).

Klassifikation: Korynebakterien sind in der Umwelt weit verbreitet. Einige Arten sind tier- und pflanzenpathogen. Neben apathogenen Haut- und Schleimhautbewohnern (Abb. D-2.3) sind für den Menschen die opportunistisch pathogenen Spezies und die Erreger der Diphtherie von Interesse. Tab. D-2.11 gibt einen Überblick über die relevanten humanpathogenen Arten. Neben den eigentlichen Korynebakterien werden andere grampositive aerobe Stäbchen, z. B. Dermabacter, summarisch als koryneforme Bakterien bezeichnet.

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D

≡ D-2.11

351

2.3 Grampositive, aerobe, nicht sporenbild. Stäbchen

Relevante humanpathogene Korynebakterien

Spezies

Bedeutung

C. diphtheriae var. gravis

Erreger der Diphtherie

C. diphtheriae var. intermedius

Erreger der Diphtherie

C. diphtheriae var. mitis

Erreger der Diphtherie

C. diphtheriae (atoxinogen)

apathogener Schleimhautbewohner

C. ulcerans

Erreger meistens von Hautdiphtherie; nach Tierkontakt

C. jeikeium

fakultativ pathogen (Isolate bei Bakteriämie und Sepsis)

C. minutissimum

Erreger des Erythrasmas (Pseudomykose der Haut)*

C. striatum

fakultativ pathogen (Isolate bei Pneumonien)

C. urealyticum

fakultativ pathogen (Isolate bei Harnwegsinfekten)

* Es handelt sich um scharf begrenzte, rote bis braune, kaum schuppende Erytheme, die besonders an den Oberschenkelinnenseiten (Genitale wird nicht befallen!), den Leistenbeugen und Achselfalten auftreten.

Nachweis: Wegen ihrer charakteristsichen Form („coryneforme Stäbchen“) kann man sie schon im mikroskopischen Präparat erkennen. Die humanpathogenen Arten stellen keine besonderen Nährbodenansprüche. Die meisten Spezies sind fakultative Anaerobier, einige wachsen nur anaerob.

Nachweis: Die Korynebakterien sind gekrümmte, keulenförmig aufgetriebene, grampositive Stäbchenbakterien. Die meisten Spezies sind fakultative Anaerobier, einige wachsen nur anaerob.

Corynebacterium diphtheriae

Corynebacterium diphtheriae

Geschichtliches: Die Diphtherie ist seit dem Altertum bekannt. Bis in die Neuzeit trat sie in bis heute ungeklärten periodischen Abständen immer wieder auf und forderte Tausende von Toten, hauptsächlich Kinder („Würgeengel der Kinder“). 1765 prägte Francis Home den Begriff „croup“ für die Diphtherie, ein schottisches Wort für Heiserkeit. Die als charakteristisches Kennzeichen der Diphtherie auftretenden weißen, durch Einblutungen oft schmutzig-braunen Beläge auf den Tonsillen gaben der Krankheit den Namen „Halsbräune“ und 1826 schließlich den Namen Diphtherie (diphthera = griech.: die Haut, die Membran). ▶ Definition. C. diphtheriae sind grampositive schlanke Stäbchen mit terminalen keulenförmigen Auftreibungen. Hierbei handelt es sich um Metaphosphate und Kalzium, die im Zellkörper abgelagert werden und in der Spezialfärbung nach Neisser als Polkörperchen dargestellt werden können (Abb. D-2.20), die bei C. diphtheriae und seltener bei C. pseudodiphtheriticum auftreten. In der Gram-Färbung werden häufig charakteristische Lagerungen der Bakterien in V- oder Y-Form beobachtet, die an chinesische Schriftzeichen erinnern.

⊙ D-2.20

▶ Definition.

⊙ D-2.20

Corynebacterium diphtheriae Oben: Die leicht gebogenen, keulenartigen grampositiven Stäbchen unterscheiden sich morphologisch nicht von anderen Korynebakterien. Einzelne Stäbchen haben den Gram-Farbstoff schon abgegeben und erscheinen violett („gramlabil“). Vermutlich sind dies tote Bakterien, bei denen die Zellwand schon teilweise degradiert ist. Unten: In der Neisser-Färbung erscheinen die Zellleiber gelb gefärbt. Typisch für C. diphtheriae ist, dass die Bakterien viele schwarz gefärbte Polkörperchen ausbilden, manchmal sogar an beiden Polen der Bakterienzelle.

Klassifikation: Angehörige der Spezies C. diphtheriae, die ein Diphtherietoxin bilden, sind die Erreger der Diphtherie. Es handelt sich dabei um die Biovarietäten mitis, intermedius und gravis. Diese Bezeichnungen sind historisch gewachsen, da man annahm, mit diesen Bezeichnungen unterschiedliche Stufen der Virulenz von Corynebacterium diphtheriae beschreiben zu können, was jedoch nicht zutrifft.

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352

D

2 Spezielle Bakteriologie

Epidemiologie: Die Keime werden durch Tröpfchen- oder Schmierinfektion übertragen. Gesunde Keimträger sind heute bei uns sehr selten. In Mitteleuropa ist die Rachen-, in den Tropen die Wunddiphtherie die häufigste Manifestation der Krankheit. Der Nachweis ist nach IfSG meldepflichtig. Bei uns ist die Inzidenz niedrig, die Letalität aber erschreckend hoch.

Epidemiologie: Die Keime werden durch Tröpfchen- oder Schmierinfektion übertragen. Ansteckungsquelle ist in der Regel ein Erkrankter. Gesunde Keimträger werden in der einheimischen Bevölkerung auf 0,07 % beziffert. Bei Ausländern ist die Trägerquote mit 2,3 % deutlich höher. Es handelt sich dabei um atoxinogenes Corynebacterium diphtheriae, das sein Phagengenom verloren hat, jedoch jederzeit wieder mit einem Phagen lysogenisiert werden kann. Der Nachweis der toxinbildenden Bakterien ist nach IfSG meldepflichtig. In Mitteleuropa ist die Rachendiphtherie, in den Tropen die Wunddiphtherie die häufigste Form der Krankheit. Die Inzidenz der Diphtherie ist heute sehr gering (Größenordnung ca. 20–30 Fälle pro Jahr in Europa, vor allem in Litauen und Lettland); die Letalität ist jedoch immer noch erschreckend hoch (22 %). Corynebacterium ulcerans ist bei wildlebenden Tieren sowie bei Nutz- und Haustieren verbreitet und kann durch direkten Kontakt oder über unpasteurisierte Milch auf den Menschen übertragen werden. Auch dieses Bakterium kann das Gen für das Diphtherietoxin enthalten und respiratorische, aber auch dermale Diphtherie verursachen. In Europa, wo toxigene C. diphtheriae Stämme weitgehend ausgerottet sind, ist dieses Bakterium jetzt der häufigste Erreger von Diphtherie.

Pathogenese: Nur mit einem Phagen infizierte Bakterien der Art C. diphtheriae bilden das Diphtherietoxin, ein Polypeptid aus 2 Fragmenten (A und B). Fragment B bindet an die Zellmembran; Fragment A blockiert nach Penetration die Proteinsynthese der Zelle und verursacht damit deren Tod. Die Schwere der Krankheit wird von dem Verlust der zerstörten Körperzelle bestimmt.

Pathogenese: Die Pathogenität von C. diphtheriae beruht auf der Bildung eines Exotoxins. Die genetische Information zur Bildung dieses Toxins wird durch einen lysogenen Phagen codiert. Nur Stämme, die diesen oder einen verwandten Prophagen enthalten, sind pathogen. Das Toxin besteht biochemisch aus einem hitzelabilen Polypeptid, an dem zwei Untereinheiten (A und B) unterschieden werden können. Das größere B-Stück ist für die Bindung des Moleküls an die Körperzelle und den Durchtritt des kleineren A-Peptids durch die Zytoplasmamembran verantwortlich. In der Zelle blockiert das A-Fragment irreversibel die Proteinsynthese an den Ribosomen. Die Folge ist der Zelltod. Die Schwere des Krankheitsbildes wird letztlich von dem Ausfall der zerstörten Körperzellen bestimmt (z. B. Niere, Myokard, Nervensystem).

Klinik: Nach der Eintrittspforte der Erreger entsteht eine Rachen-, Nasen-, Wund- oder Hautdiphtherie. Abgestorbene Epithelzellen, Fibrin und Entzündungszellen bilden einen Belag, der der Mukosa ziemlich fest anliegt (Pseudomembran) (Abb. D-2.21). Im Rachenraum kann diese die Atemwege verlegen und zu schwerer Atemnot führen.

Klinik: Die Erkrankung beginnt nach einer Inkubationszeit von 3–5 Tagen als Lokalinfektion. Je nach der Eintrittspforte der Erreger (Tröpfchen- oder Schmierinfektion) entsteht eine Rachen-, Nasen-, Wund- oder Hautdiphtherie. Das gebildete Toxin führt lokal zu Nekrosen, die bei der häufigsten Form, der Rachendiphtherie, einen ganz typischen Foetor ex ore bedingen. Abgestorbene Epithelzellen, Fibrin und Entzündungszellen bilden einen Belag, der der Mukosa ziemlich fest anliegt und deshalb als Pseudomembran bezeichnet wird (Abb. D-2.21). Im Rachenraum kann diese diphtherische Pseudomembran, ausgehend von den Tonsillen über den Kehlkopf hinweg, die Atemwege verlegen und zu Husten, Dyspnoe mit inspiratorischem Stridor und schwerer Atemnot mit Zyanose führen. Massives Krankheitsgefühl, Fieber und Schwellen der regionalen Lymphknoten (weicher Tastbefund) kommen hinzu. Nach 4–5 Tagen hat die Lokalinfektion ihren Höhepunkt erreicht. Bei der Rachendiphtherie kommt es dann innerhalb von Stunden zum massiven Anschwellen des Halses („Cäsarenhals“: Schwellung der regionalen Halslymphknoten und Ausbildung eines periglandulären Ödems).

⊙ D-2.21

⊙ D-2.21

Rachendiphtherie Auf den geröteten und geschwollenen Tonsillen findet sich ein weiß-gelblicher, fest anhaftender Belag. Gerötete und geschwollene (Gortner, L., Meyer, S.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme; 2018)

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D

353

2.3 Grampositive, aerobe, nicht sporenbild. Stäbchen

Das produzierte Diphtherietoxin wird auch in die Zirkulation eingeschwemmt und begründet eine systemische Intoxikation, deren Schwere von der Toxinmenge und vom jeweiligen Organbefall abhängig ist (Herz, Nieren, motorische Nerven). Diese Organschäden als Spätfolge der Diphtherie bestimmen das Krankheitsbild. Der Tod tritt im toxischen Kreislaufversagen nach Schädigung des Herzens ein. Nachweis: Einen ersten, schnellen Hinweis gibt der mikroskopische Nachweis von koryneformen Stäbchen und von Polkörperchen, die jedoch im Originalmaterial nur wenig ausgeprägt sind. Die Anzüchtung der Erreger aus Abstrichen lokaler Infektionsherde gelingt auf blut- oder serumhaltigen Nährmedien. Für die Erstisolation kann ein Selektivagar zur Unterdrückung der Begleitflora eingesetzt werden. Die typischen Keulenformen und damit die Ausbildung der charakteristischen Polkörperchen werden am besten im klassischen Löffler-Serum erzeugt. Zur Darstellung der Polkörperchen bedient man sich der Spezialfärbung nach Neisser. Die Polkörper werden schwarzblau, der Zellleib hellgelb angefärbt (erinnert an Streichhölzer). Die Speziesdiagnose der angezüchteten Bakterien erfolgt mithilfe der „bunten Reihe“ oder durch MALDI-TOF-Massenspektrometrie. Zur Sicherung der Diagnose sollte immer auch ein Nachweis der Toxinbildung erfolgen. Dies geschieht im Immundiffusionstest nach Elek. Schneller ist ein Nachweis des Toxingens der angezüchteten Bakterien mittels PCR. Ein positives Ergebnis des Toxinnachweises ist meldepflichtig.

Das Toxin wirkt nicht nur lokal, sondern auch systemisch. Die Folgen hängen von der Menge des gebildeten Toxins und vom jeweiligen Organbefall (Herz, Leber, Nieren, Nerven) ab. Eine solche Spätfolge der Diphtherie kann den Tod bedeuten (toxisches Kreislaufversagen). Nachweis: Der Nachweis der Bakterien erfolgt zunächst mikroskopisch und dann kulturell unter Einsatz von Selektivnährmedien.

Reinkulturen werden in Löffler-Serum weitergezüchtet. Die Polkörperchen lassen sich in der Spezialfärbung nach Neisser nachweisen. Die endgültige Differenzierung erfolgt mittels „bunter Reihe“ oder MALDI-TOFMassenspektrometrie. Der Nachweis der Toxinbildung erfolgt im Immundiffusionstest nach Elek oder mittels PCR

Therapie: Antitoxin in Form eines heterologen Serums (Pferdeserum), um das noch zirkulierende Toxin zu neutralisieren, steht derzeit in Deutschland nicht zur Verfügung. Frühzeitig muss durch eine antibakterielle Chemotherapie der weiteren Erregervermehrung begegnet werden, um die Toxinproduktion zu stoppen. Mittel der Wahl sind Penicillin oder ein Makrolid. Zumindest über 3–4 Wochen sollte strenge Bettruhe verordnet werden, weil noch so spät die Toxinwirkung auf innere Organe zu erwarten ist, was auch dann noch akut zum Tod führen kann.

Therapie: Frühzeitig muss Penicillin oder ein Makrolid gegeben werden.

Prophylaxe: Man sollte zwingend die Möglichkeit einer aktiven Immunisierung mit einem Totimpfstoff nutzen. Dieser Totimpfstoff, ein Toxoid aus formalininaktiviertem Diphtheritoxin, ist an Aluminiumhydroxid adsorbiert und enthält zusätzlich noch Konservierungsstoffe, die für seltene allergische Reaktionen verantwortlich sein können.

Prophylaxe: Aktive Immunisierung mit einem Totimpfstoff, der ein Toxoid enthält.

▶ Merke. Erwachsene nicht mit Kinderimpfstoff impfen! Kinder ab dem 6. Lebens-

▶ Merke.

jahr sollen ebenfalls nur noch mit Erwachsenenimpfstoff (d) geimpft werden. Darüber hinaus existieren fertige Impfkombinationen für Tetanus (T) und Diphtherie, was sehr sinnvoll ist. Auch hier wird unterschieden zwischen DT (Diphtherie und Tetanus) für Kinder bis 6 Jahre und Td (Tetanus und Diphtherie) für Erwachsene bzw. Kinder über 6 Jahren. Darüber hinaus existiert die fertige Kombination DPT (Diphtherie-Pertussis-Tetanus). Nicht immunisierte Kinder über 6 Jahren sowie Erwachsene können mit d-Impfstoff (Erwachsenenimpfstoff) grundimmunisiert werden. Eine Auffrischung sollte im 6.–8. Lebensjahr und im 11.–15. Lebensjahr mit dem Erwachsenenimpfstoff, am besten in Kombination mit Tetanus und Pertussis erfolgen. Erwachsene sollten ihre Immunität durch regelmäßige DPT-Auffrischung (alle 10–15 Jahre) erhalten. Die Existenz einer Immunität kann durch eine Antikörpertiterbestimmung im Serum geklärt werden.

Der Immunstatus kann durch Bestimmung der Antikörper im Serum geprüft werden.

▶ Exkurs. Die Schutzimpfung gegen Diphtherie erscheint auf den ersten Blick etwas kompliziert. Es existieren prinzipiell zwei Impfstoffe: ein Impfstoff für Kinder (gekennzeichnet in den Handelspräparaten mit „D“) und ein Impfstoff für Erwachsene (gekennzeichnet in den Handelspräparaten mit „d“). Der Impfstoff für Kinder (D) enthält eine höhere Antigendosis als der Impfstoff für Erwachsene (d).

▶ Exkurs.

▶ Merke. 80 % der Erwachsenen ab dem 20. Lebensjahr sind nicht ausreichend ge-

▶ Merke.

schützt! Eine Titerbestimmung der protektiven Antikörper im Serum kann die Entscheidung für eine Wiederimpfung lenken.

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354

D

2.3.3

2.3.3 Nokardien

Nokardien

Nokardien sind den Aktinomyzeten ähnlich, unterscheiden sich jedoch von diesen durch ihre aerobe Lebensweise. Von medizinischem Interesse sind die Arten N. asteroides (Abb. D-2.22) und N. brasiliensis, Erreger der seltenen Nokardiosen. Dabei handelt es sich um pyogene Entzündungen mit zentraler Nekrose. Je nach Lokalisation werden pulmonale, oberflächliche oder systemische Erkrankungen unterschieden.

⊙ D-2.22

2 Spezielle Bakteriologie

Nokardien sind Bakterien, die in ihrer Morphologie große Ähnlichkeiten mit den Aktinomyzeten aufweisen, sich von diesen jedoch durch ihre aerobe Lebensweise unterscheiden. Von medizinischem Interesse sind die Arten Nocardia asteroides und Nocardia brasiliensis, die Erreger der heute sehr seltenen Nokardiosen. Innerhalb der Art N. asteroides lassen sich noch einige Subspezies differenzieren, darunter Nocardia farcinica. Sie erzeugen pyogene Entzündungen mit zentraler Nekrotisierung, die meist bei Abwehrgeschwächten entstehen. Je nach Lokalisation unterscheidet man: ■ pulmonale Nokardiosen: Lungenabszesse, Pneumonien etc. ■ Oberflächennokardiosen: Abszesse der Haut mit Lymphbahnbeteiligung ■ systemische Nokardiosen: Abszessbildung in inneren Organen, Sepsis. Neben den eigentlichen Nokardien werden auch andere grampositive, aerobe Stäbchen dieser Bakteriengruppe unter dem Sammelbegriff nokardiaforme Bakterien subsumiert. Als Krankheitserreger sind diese Bakterien vermutlich unterschätzt, da sie mehrere Tage brauchen, um eine sichtbare trockene, runzelige Kolonie auf den üblichen Nährböden zu bilden, sodass sie bei Routineuntersuchungen einfach übersehen werden. Vielleicht ergibt sich bei der mikroskopischen Untersuchung ein Hinweis; doch sind diese Bakterien wegen ihrer Lipide in der Zellwand oft nur schwach angefärbt (Abb. D-2.22). Weitere verwandte Bakterien sind Nocardiopsis, Tsukamurella, Streptomyces, Rhodococcus u. a.

⊙ D-2.22

Eiter mit Nocardia asteroides Verzweigte dünne Fäden, z. T. in Stäbchen, z. T. in kokkoide Formen zerfallend. (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 128, Bronchopulmonale Infektionen 1987)

2.4

Grampositive, mikroaerophile bis anaerobe, nicht sporenbildende Stäbchenbakterien

2.4

Grampositive, mikroaerophile bis anaerobe, nicht sporenbildende Stäbchenbakterien

Herbert Hof 2.4.1

Lactobacillus

▶ Definition.

2.4.1 Lactobacillus ▶ Definition. Es handelt sich in der Regel um lange, schlanke, gerade, grampositive,

nicht sporenbildende Stäbchen, jedoch kommen auch gekrümmte, koryneforme und kokkoide Varianten vor. Sie wachsen am besten unter reduziertem Sauerstoff, d. h. sie sind mikroaerophil (kapnophil). Laktobazillen bilden Milchsäure, sind jedoch keine echten Bazillen (Bacillus = aerobe Sporenbildner!). Einzelne Stämme einer Art können durch genetische Diversität ganz spezielle Eigenschaften erworben haben, die industriell zur Fertigung von Lebensmitteln genutzt werden. Klassifikation: Einen Überblick über die Lactobacillus-Arten gibt Tab. D-2.12.

Klassifikation: Tab. D-2.12 gibt einen Überblick über die humanmedizinisch interessanten Arten von Lactobacillus. Viele weitere Spezies werden außerhalb des Menschen gefunden.

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D

≡ D-2.12

355

2.4 Grampositive, mikroaerophile/anaerobe, nicht sporenbild. Stäbchen

Humanmedizinisch interessante Lactobacillusspezies und ihr natürlicher Standort im Menschen

Spezies

natürlicher Standort

Vorkommen außerhalb des Menschen

L gasseri

Vagina



L. jensenii

Vagina



L. iners

Vagina



L. crispatus

Vagina



L. fermentum

Vagina, Mundhöhle, Darm

Milchprodukte

L. casei

Mundhöhle, Darm

Milchprodukte

L. delbrueckii var. Darm bulgarica

≡ D-2.12

Starterkultur für div. Käsesorten; Joghurt

L. helveticus



Starterkultur für div. Käsesorten, Buttermilch, Kefir

L. acidophilus

Mundhöhle, Darm

Milchprodukte, Joghurt (Probiotikum)

Bedeutung: Über 80 bekannte Arten werden als Milchsäureproduzenten bei der Herstellung von Käse, Sauerkraut, Fleisch- und Wurstwaren u. a. gefunden. Laktobazillen gehören zur normalen Flora des Menschen (Tab. D-2.12). Vor allem im Dünndarm spielen sie eine wichtige Rolle und schützen vor einem „bacterial overgrowth“ durch fremde Bakterien. Die in der Vagina vorkommenden Arten werden als Döderlein-Stäbchen bezeichnet (Abb. D-2.23). Sie bilden aus Glukose Laktat, sind für die Ausbildung eines sauren Scheidenmilieus verantwortlich und hemmen das Wachstum vieler anderer Erreger, z. B. auch durch Produktion von Bakteriozinen. Allerdings sind nicht alle Laktobazillen gleichermaßen schützend. Etwa 20 % der Laktobazillen in der Scheide produzieren zusätzlich noch H2O2 und verstärken somit die Resistenz gegen fremde Mikroorganismen, die eine Entzündung und ggf. eine bakterielle Vaginose hervorrufen könnten. L. iners hat sogar einen negativen Einfluss auf die Zusammensetzung der Scheidenflora. Während alle anderen Bakterien für das Wachstum Eisenionen benötigen, sind Laktobazillen davon nicht abhängig, denn sie verwenden Kobalt und Molybdän als Kofaktor. Bei der Joghurtproduktion sind Laktobazillen, speziell L. acidophilus, neben Streptokokken beteiligt. Der oft als Probiotikum verwendete Lactobacillus delbrueckii variatio bulgarica stammt aus dem Stuhl eines 100-jährigen Bulgaren (Probiotika), s. Kap. „Körpereigene Flora“ (S. 22). Generalisierte Infektionen mit Laktobazillen sind selten, aber beschrieben (Endokarditis, Urosepsis u. a.)

Bedeutung: Laktobazillen werden in über 40 Spezies in der Umwelt (insbes. Lebensmittel) sowie als Angehörige der normalen menschlichen Flora beschrieben (Tab. D-2.12). Sie gehören zur Standortflora des Dünndarms und verhindern einen „bacterial overgrowth“ durch fremde Bakterien. Die in der Vagina natürlicherweise vorkommenden Arten werden als Döderlein-Stäbchen bezeichnet (Abb. D-2.23). Sie dienen der Aufrechterhaltung des sauren Scheidenmilieus und hemmen so die Vermehrung von Fremdkeimen.

Therapie: Die meisten Erregerstämme sind empfindlich gegen Penicilline oder Cephalosporine.

Therapie: Penicilline oder Cephalosporine.

▶ Exkurs. Bei Frauen mit rezidivierenden Scheidenentzündungen (S. 664) ist in der Regel das normale saure, laktobazillenhaltige Scheidenmilieu hochgradig gestört. Zahlreiche naturmedizinisch orientierte Gynäkologen berichten von Heilungserfolgen, die sie mit der Applikation von Joghurt in die Scheide (jeweils über Nacht) erreicht haben. Auch spezielle Laktobazillenpräparate stehen bei gestörter Scheidenflora zur lokalen Ersatztherapie zu Verfügung.

⊙ D-2.23

Döderlein-Stäbchen im Vaginalabstrich (grampositive Laktobazillen)

Laktobazillen im Joghurt werden als Probiotika (S. 24) verwendet.

Generalisierte Infektionen mit Laktobazillen sind sehr selten.

▶ Exkurs.

⊙ D-2.23

Neben den großen, flachen Plattenepithelzellen mit einem kleinen, kompakten Zellkern, wie sie unter dem Einfluss von Östrogen in der Vagina in großer Zahl vorkommen, sind Laktobazillen als kurze, z. T. auch längere grampositive Stäbchen zu finden. Die Kultur ist zumeist negativ, wenn man nicht unter anaeroben Bedingungen bebrütet. (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 106, Bakterielle Infektionen 1983)

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356

D

2.4.2

2.4.2 Bifidobacterium

Bifidobacterium

▶ Definition.

2 Spezielle Bakteriologie

▶ Definition. Bifidobakterien sind anaerobe, unregelmäßig geformte, grampositive

Stäbchenbakterien. Bedeutung: Sie kommen in einer großen Speziesvielfalt in der Normalflora des Menschen sowie in der Umwelt vor.

Bedeutung: Es handelt sich um Bakterien, die zwar in einer großen Speziesvielfalt in der menschlichen Normalflora und in der Umwelt vorkommen, insgesamt jedoch nur geringe pathogene Potenz besitzen. Sie sind Teil des Mikrobioms (S. 22) des Darmes, da sie tolerant gegenüber Gallesalzen sind. Vor allem bei Kleinkindern sind sie dominant. Sie können Zucker zu Säure vergären, sodass das Milieu sauer wird, was das Wachstum von Begleitkeimen hemmt.

▶ Merke.

▶ Merke. Infektionen mit Beteiligung von Bifidobakterien sind extrem selten.

▶ Exkurs.

▶ Exkurs. Die Zusammensetzung der Frauenmilch bewirkt, dass der Darm von gestillten Säuglingen mit Bifidobakterien besiedelt ist, die offensichtlich die Entstehung einer Dyspepsie verhindern. Der gestillte Säugling produziert einen Stuhl von aromatischem, nicht abstoßendem Geruch. Erst unter Kuhmilch- und Mischkosternährung kommt es zur Besiedelung des kindlichen Darmes mit Enterobacterales und strikt anaeroben Bakterien.

2.4.3

Gardnerella

▶ Definition.

2.4.3 Gardnerella ▶ Definition. Einziger Vertreter der Gattung ist Gardnerella vaginalis. Es handelt sich

um ein kleines, pleomorphes, unbewegliches, nicht sporenbildendes Stäbchenbakterium, das in der Gram-Färbung häufig gramnegativ bzw. gramlabil erscheint, das aber zu den grampositiven Bakterien gehört und verwandt mit Bifidobacterium ist. Normalerweise kommt es in geringen Keimzahlen (100 pro ml) im Vaginalsekret vor und gehört zur normalen Vaginalflora. Pathogenese: Wenn die normale Laktobazillenflora der Scheide gestört ist, können sich Gardnerella und einige andere Anaerobier vermehren und eine bakterielle Vaginose hervorrufen. Die Scheidenentzündung manifestiert sich durch einen dünnflüssigen, nach Fisch riechenden Fluor.

Pathogenese: Wenn die normale Scheidenflora gestört ist, d. h. wenn die Laktobazillen vermindert sind, und der pH auf > 4,5 ansteigt, vermehren sie sich. Durch Degradation von Proteinen entstehen nach Fisch riechenden Amine („Aminkolpitis“). Bei der unspezifischen Vulvovaginitis (der sog. bakteriellen Vaginose), die sich durch einen dünnflüssigen Fluor manifestiert, werden große Keimzahlen (107/ml Ausfluss) von G. vaginalis zusammen mit diversen Anaerobiern, z. B. Atopobium vaginae, Mobiluncus spp., Prevotella spp. und auch mit Mykoplasmen gefunden. Es wird deshalb postuliert, dass diese Keime gemeinsam ursächlich für die Entstehung der Erkrankung verantwortlich sind.

Klinik: Im Vordergrund steht eine lokale Entzündung der Scheide, die zum Ausfluss (Fluor vaginalis) führt.

Klinik: Die pathogenen Bakterien lösen eine Entzündung in der Vagina aus, die zu einem Fluor vaginalis führt. Die Patientin spürt als Folge der Entzündung der Scheidenwand Brennen und Jucken. Die Folge ist eine Impotentia coeundi.

Krankheitsfolgen: Wegbereiter für STD (sexually transmitted diseases); bei Schwangerschaft: Frühgeburtlichkeit.

Krankheitsfolgen: Diese lokale Entzündung kann den Weg für andere Infektionserreger erzeugen, vor allem für Erreger von STD (sexually transmitted disease) wie HIV, Chlamydia trachomatis und Neisseria gonorrhoeae, die dann ihrerseits aufsteigende Infektionen (PID = pelvic inflammtory disease) verursachen mit schwerwiegenden Folgen wie etwa Unfruchtbarkeit. Bei einer Schwangerschaft erhöht diese lokale Infektion eine Frühgeburtlichkeit. Systemische Infektionen mit G. vaginalis sind beschrieben (Endokarditis, Meningitis, Puerperalsepsis), jedoch sehr selten.

Nachweis: Fischartiger Geruch des Fluor vaginalis, der durch Zugabe von Kalilauge verstärkt wird, mikroskopisch „clue cells“ (Abb. D-2.24), kulturell auf Menschenblutagar hämolysiernde Kolonien.

Nachweis: Diagnostiziert wird die Erkrankung meist durch das klinische Bild und den Amingeruch dieses Ausflusses. Typischerweise wird der Geruch, der an Fisch erinnert, verstärkt, wenn der Gynäkologe noch 1–2 Tropfen einer 10 %igen Kalilauge hinzugibt. Hilfreich ist die Mikroskopie des Scheidenabstriches. Hier finden sich als Charakteristikum Vaginalepithelzellen, die über und über mit kleinen gramlabilen Stäbchen besiedelt sind („clue cells“, Abb. D-2.24). Bei Kultur auf Nähragar mit Menschenblut (nicht jedoch mit Hammelblut) findet man eine feine Hämolysezone um die Kolonien. Diese werden biochemisch differenziert. Gensonden zum Direktnachweis im Scheidenabstrich sind kommerziell erhältlich.

Therapie: Metronidazol. Eine Behandlung des Partners sollte in Erwägung gezogen werden.

Therapie: Diese Bakterien sprechen (wie auch Atopobium und Prevotella, nicht aber Mobiluncus) gut auf Metronidazol an. Eine Behandlung des Partners sollte immer in Erwägung gezogen werden. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

D

⊙ D-2.24

357

2.4 Grampositive, mikroaerophile/anaerobe, nicht sporenbild. Stäbchen

⊙ D-2.24

Gardnerella vaginalis Scheidenabstrich bei bakterieller Vaginose. Im Nativpräparat fallen die sog. „clue cells“ auf: Vaginalepithelzellen (große Plattenepithelzellen mit rundem Zellkern und weitem Zytoplasma). Sie sind dicht besiedelt mit kurzen, stäbchenförmigen Bakterien. In diesem Bild sieht man außerdem noch Sprosspilze; häufig sind Mischinfektionen für den Fluor vaginalis verantwortlich.

2.4.4 Propionibacterium

2.4.4

▶ Definition. Es handelt sich um koryneforme, pleomorphe, nur selten in Verzwei-

Propionibacterium

▶ Definition.

gungen wachsende anaerobe Stäbchenbakterien. Heute werden sie auch Cutibacterium spp. genannt. Klassifikation: Tab. D-2.13 zeigt die humanmedizinisch interessanten Arten der Gattung Propionibacterium, die heute auch als Cutibacterium bezeichnet werden. Es existieren noch weitere, beim Menschen nicht vorkommende Arten.

≡ D-2.13

Humanmedizinisch interessante, in der menschlichen Haut vorkommende Arten der Gattung Propionibacterium und ihre klinische Bedeutung

Spezies

klinische Bedeutung

P. acnes

Akne, Komedonen, Abszesse

P. avidum

apathogen

P. granulosum

Akne, Komedonen, Abszesse

Bedeutung: P. acnes ist der häufigste Hautkeim des Menschen. Bis zu 100 000 dieser Bakterien pro cm2 können gefunden werden, besonders in den Krypten der Haut, wo sie der Einwirkung von Hautdesinfektionsmittel leicht entgehen (Abb. D-2.3). ▶ Merke. P. acnes ist an der Entstehung der Acne vulgaris und der Ausbildung von

Klassifikation: Tab. D-2.13 gibt einen Überblick über die relevanten Spezies.

≡ D-2.13

Bedeutung: P. acnes ist der häufigste Hautkeim des Menschen.

▶ Merke.

Komedonen beteiligt, nicht jedoch deren Ursache (Abb. D-2.25). Bei erhöhtem Androgenspiegel in der Pubertät wird in den Talgdrüsen vermehrt Sekret produziert, das jedoch wegen einer Verhornungsstörung des mehrschichtigen Plattenepithels nicht abfließen kann. Unter den anaeroben Bedingungen können sich Propionibakterien gut vermehren. Da P. acnes das Enzym Lipase besitzt, kann es die Bestandteile im Talg abbauen.

⊙ D-2.25

Ausgedehnte Acne vulgaris mit zahlreichen Komedonen sowie Papeln und Pusteln.

⊙ D-2.25

(Moll, I.: Duale Reihe Dermatologie. Thieme; 2016)

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358

D

2 Spezielle Bakteriologie

P. acnes findet sich als Verursacher von Spritzenabszessen.

P. acnes findet sich außerdem als Verursacher von Spritzen- und sonstigen Abszessen. Durch Verschleppung gelangen sie von der Haut in das Operationsgebiet. Speziell auch bei Gelenkersatz können sie sich am Fremdkörper, auch wenn sie nur in sehr geringer Anzahl ankommen, langsam vermehren und oft erst nach Wochen eine schwelende Entzündung hervorrufen, die das Implantat lockert. Solche Protheseninfektionen können eine Nachoperation erforderlich machen.

Therapie: Betalaktamantibiotika.

Therapie: Propionibakterien sind gut empfindlich gegen zahlreiche Chemotherapeutika, darunter auch Betalaktamantibiotika. Wenn sie auf Implantaten einen Biofilm (S. 299) erzeugen, muss evtl. eine Kombination mit Rifampicin verabreicht werden, um auch die ruhenden Keime zu attackieren.

2.4.5

2.4.5 Aktinomyzeten

Aktinomyzeten

▶ Definition.

⊙ D-2.26

▶ Definition. Aktinomyzeten sind grampositive, nicht sporenbildende, anaerobe Stäbchenbakterien mit sehr variabler Dicke und Länge (Abb. D-2.26c). Charakteristisch ist die Bildung von Verzweigungen. Diese sind allerdings nur in Präparaten aus frischen Kulturen zu sehen; in älteren entstehen eher koryneforme Strukturen. Der Name „Strahlenpilz“ ist äußerst irreführend, da es sich nicht um myzelbildende Pilze handelt! Die Aerotoleranz ist recht unterschiedlich.

Aktinomykose

b

a

c

a Klinisch tritt die Erkrankung als induzierte Entzündung mit Fistelgängen in Erscheinung, hier eine Schwellung am Hals. b Im Fisteleiter fallen harte, verkalkte Körnchen auf, die sog. Drusen, die sich im histologischen Bild als kompakte Konglomerate aus Eiterzellen und Bakterien darstellen. c In der Gram-Färbung erkennt man neben den rot gefärbten Entzündungszellen die grampositiven, gekörnten Fäden, die wie ein Pilzgeflecht aussehen, daher die alte Bezeichnung „Strahlenpilz“.

Klassifikation: Tab. D-2.14 gibt einen Überblick über die wichtigen Spezies.

≡ D-2.14

Klassifikation: Tab. D-2.14 gibt einen Überblick über die humanmedizinisch interessanten Spezies. Außerdem gibt es noch viele, für den Menschen jedoch apathogene Arten. Verwandt sind sie mit Bifidobakterien und darüber hinaus auch Arcanobacterium spp., Actinobaculum spp., Varibaculum spp., Mobiluncus spp. und Tropheryma whipplei.

Humanmedizinisch interessante Spezies der Bakteriengattung Actinomycetes

Gattung

Bedeutung

A. israelii

Aktinomykoseerreger (Erreger der klassischen Aktinomykose)

A. naeslundii

Aktinomykoseerreger (Erreger der klassischen Aktinomykose; beteiligt in der Pathogenese von Karies und Parodontose)

A. neuii

Erreger von Abszessen, infizierten Atheromen

A. funkei

wenig pathogen; beteiligt an Mischinfektionen

A. meyeri

Periodontalentzündung, Abszesse (nach Menschenbiss!)

Epidemiologie: Erkrankungsfälle bei Kindern, Jugendlichen oder Senioren sind ungewöhnlich. Männer sind von der zervikofazialen Form 2-mal häufiger als Frauen betroffen.

Epidemiologie: Aktinomykosen kommen weltweit vor. Erkrankungsfälle bei Kindern, Jugendlichen oder Senioren sind ungewöhnlich. Dies und die Tatsache, dass Männer bei der zervikofazialen Form 2-mal häufiger als Frauen betroffen sind, lässt den Schluss zu, dass möglicherweise hormonelle Einflüsse eine Rolle bei der Ätiologie der Aktinomykosen spielen.

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D

359

2.4 Grampositive, mikroaerophile/anaerobe, nicht sporenbild. Stäbchen

Pathogenese: Bakterien dieser Gruppe gehören zur Normalflora des Oro-Anal-Traktes; manche sind auch im Urogenitaltrakt und auf der Haut zu finden. Ihre Pathogenität ist mäßig: meistens sind sie an polymikrobiell verursachten Infektionsherden in ganz verschiedenen Organen beteiligt. Die Vermehrung der Aktinomyzeten im Gewebe setzt eine Sauerstoffverarmung, ausgedrückt als niedriges Redoxpotenzial, voraus. Obwohl im Tierversuch Reinkulturen von Aktinomyzeten Aktinomykosen verursachen können, dominieren beim Menschen eindeutig die Mischinfektionen. Andere kapnophile Bakterien, wie Aggregatibacter actinomycetemcomitans, Anaerobier, wie Bacteroides- und Fusobakterien-Arten, sowie fakultative Anaerobier, wie Enterobacterales, Staphylo- und Streptokokken schaffen entsprechende Lebensbedingungen. Es handelt sich um eine lokale Eiterung, die sich auf das umliegende Gewebe ausbreitet. Die Abszesse werden von Binde- und Granulationsgewebe umgeben und bilden derbe Infiltrationen, die später nekrotisieren (Abb. D-2.26a). Als Charakteristikum gilt die Ausbildung von Fisteln.

Pathogenese: Aktinomykosen sind beim Menschen fast immer Mischinfektionen, bei denen Anaerobier und fakultative Anaerobier für die Bereitstellung des Milieus sorgen. Aktinomykosen sind lokale, durch endogene Infektion entstehende Eiterungen, die zu Ausbreitungen, zu Fistelbildung und derben Infiltrationen führen (Abb. D-2.26a).

Klinik: Bei Infektionen unterscheidet man je nach Lokalisation: ■ zervikofaziale Aktinomykose: Sie ist die häufigste Form und wird meistens durch Actinomyces israelii verursacht. Es handelt sich um eine endogene Infektion, die in der Regel von einer Verletzung in der Mundhöhle ausgeht (Abb. D-2.26a). ■ thorakale Aktinomykose: Sie entwickelt sich entweder durch fortgeleitete zervikofaziale Aktinomykosen oder nach Speichelaspiration, seltener durch hämatogene Streuung der Erreger. ■ abdominale Aktinomykose: Sie geht von Darmverletzungen oder dem weiblichen Genitale aus. ■ kutane Aktinomykose: Sie ist sehr selten und wird nach Menschenbiss oder anderen Verletzungen mit Speichelkontaminationen beobachtet. Sonderformen sind: ■ die Aktinomykose des weiblichen Genitales, die häufig von intrauterinen Verhütungsmaßnahmen ausgeht (z. B. A. viscosus), ■ die Aktinomykose der Leber infolge hämatogener Streuung, ■ die Aktinomykose der Tränenkanälchen, die meist als Monoinfektion, z. B. von A. odontolyticus oder A. viscosus verursacht wird. Aktinomyzeten sind auch an der Ätiologie der Zahnkaries und der Parodontitis beteiligt (A. naeslundii, A. meyeri).

Klinik: Es werden unterschieden: ■ zervikofaziale Aktinomykose (häufigste Form)

Nachweis: Eine Besonderheit der Aktinomyzeteninfektion ist die Ausbildung von Drusen (Abb. D-2.26b). Dabei handelt es sich um schon makroskopisch sichtbare 1– 2 mm große, steinharte Körnchen, die vor allem im Fisteleiter reichlich vorkommen. Mikroskopisch finden sich in Quetschpräparaten Ansammlungen von Bakterien, umgeben von einem Lymphozytenwall, aus dem radiär filamentöse Aktinomyzeten herausragen (alter Name: „Strahlenpilz“!). Das Auffinden der Drusen ist ein wichtiges differenzialdiagnostisches Kriterium, zumal die Kultur und Identifizierung der Erreger sehr aufwendig sind und mehrere Wochen erfordern. Der kulturelle Nachweis erfolgt unter anaeroben Bedingungen auf hochwertigen Nährböden. Das Wachstum ist allerdings langsam, sodass bei Kontaminationen mit der Mundhöhlenflora die schnellwachsenden Keime den Nachweis von Aktinomyzeten verhindern. Mittels MALDI-TOF-Spektrometrie kann man heute im Labor eine Differenzierung erreichen.

Nachweis: Eine Besonderheit der Aktinomyzeteninfektion ist die Ausbildung von Drusen, Ansammlungen von Bakterien, umgeben von einem Lymphozytenwall, aus dem radiär filamentöse Aktinomyzeten herausragen (Abb. D-2.26b). Das Auffinden der Drusen ist wichtig, da die Kultur und Identifizierung der Erreger aufwendig sind und lange dauern.

Therapie: Für die Therapie von fortgeschrittenen, destruierenden Läsionen ist eine Kombination aus chirurgischer und chemotherapeutischer Intervention nötig. Zu bedenken ist, dass nicht nur die Aktinomyzeten, sondern auch die Begleitflora bekämpft werden müssen. Mittel der Wahl ist ein Carbapenem i. v. gefolgt von oraler Therapie mit Aminopenicillin oder Tetrazyklin. Gegen Metronidazol sind diese grampositiven Anaerobier zumeist resistent.

Therapie: Kombination aus chirurgischer und chemotherapeutischer Intervention. Neben den Aktinomyzeten muss auch die Begleitflora bekämpft werden. Mittel der Wahl ist ein Carbapenem gefolgt von Aminopenicillin oder Tetrazyklin.

Prophylaxe: Da es sich um endogene Infektionen handelt, ist prophylaktischen Maßnahmen kein Erfolg beschieden.

Prophylaxe: Da es eine endogene Infektion ist, ist keine Prophylaxe möglich.

▶ Merke. Bei Verdacht auf eine Aktinomykose, z. B. bei Vorhandensein von Drusen,

■ ■



thorakale Aktinomykose abdominale Aktinomykose (nach Darmverletzungen) kutane Aktinomykose (nach Menschenbiss).

▶ Merke.

muss das Untersuchungsmaterial immer in Transportmedien verbracht werden, die für eine Anaerobierdiagnostik geeignet sind.

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360

D

2.5

2.5

Grampositive, aerobe, sporenbildende Stäbchenbakterien

2 Spezielle Bakteriologie

Grampositive, aerobe, sporenbildende Stäbchenbakterien

Herbert Hof ▶ Definition.

▶ Definition. Sporenbildende Bakterien stellen eine besondere Gruppe von Mikroorganismen dar, die sich dadurch auszeichnen, dass sie in der Lage sind, stoffwechselinaktive Dauerformen, d. h. Sporen (S. 297), genauer Bakteriensporen, noch genauer Endosporen auszubilden, die – zumindest theoretisch – der Bakterienzelle ein unbegrenztes Leben sichern. Die Sporenbildung (Sporulation) wird durch sehr komplexe Faktoren ausgelöst.

▶ Merke.

▶ Merke. Sporen sind gegen Austrocknung, Hitzeeinwirkung (Kochen), Strahlung

und gegen Chemikalien (z. B. Desinfektionsmittel) weitgehend unempfindlich. Für die Resistenz der Sporen sind u. a. thermostabile Enzyme, die Abwesenheit von freiem Wasser sowie ungewöhnlich viele Disulfidbrücken in der Sporenwand verantwortlich.

Für die Resistenz der Bakteriensporen sind thermostabile Enzyme, die Abwesenheit von freiem Wasser sowie der hohe Gehalt an Dipicolinsäure und Kalzium verantwortlich. Die äußere Sporenwand enthält ungewöhnlich viele Disulfidbrücken, auf die die erhöhte Strahlenresistenz zurückgeführt wird. Einige aus dieser Bakteriengruppe sind von humanmedizinischer Bedeutung.

Klassifikation: Einen Überblick über die medizinisch wichtigen Sporenbildner gibt Tab. D-2.15.

Klassifikation: Tab. D-2.15 gibt einen Überblick über die endosporenbildenden Bakteriengattungen und ihre humanmedizinische Bedeutung.

≡ D-2.15

≡ D-2.15

Gattung der endosporenbildenden Bakterien und ihre humanmedizinische Bedeutung

Genus

humanpathogene Bedeutung

Bacillus (aerob)

Infektionserreger, Lebensmittelvergifter

Clostridium (anaerob)

Infektionserreger, Lebensmittelvergifter

Thermoactinomyces (aerob)

als Atemwegsallergen beschrieben

Bedeutung: Die physikalische und chemische Widerstandsfähigkeit der Sporen übertrifft die der sie erzeugenden, vegetativen Bakterienzelle. Nachweis: Die Sporen selbst können nur durch spezielle Färbebedingungen dargestellt werden. Kulturell ist der Nachweis der Sporenbildner in der Regel problemlos möglich, da sich unter geeigneten Kulturbedingungen aus den Sporen wieder vegetative Bakterienzellen ausbilden.

Bedeutung: Bakteriensporen sind durch eine sehr viel höhere physikalische und chemische Widerstandsfähigkeit ausgezeichnet als die sie erzeugende vegetative Bakterienzelle.

2.5.1

2.5.1 Bazillen

Bazillen

▶ Definition.

Nachweis: Die Sporen selbst können nur durch spezielle Färbebedingungen dargestellt werden, weil die Wachse in der Sporenwand das Eindringen von wässrigen Farbstofflösungen behindern. Kulturell ist der Nachweis der Sporenbildner in der Regel problemlos möglich, da sich unter geeigneten Kulturbedingungen aus den Sporen wieder vegetative Bakterienzellen ausbilden, die sich in konventioneller Weise, z. B. als Kolonie, darstellen. Spezielle Kulturverfahren (aerob, anaerob), typische Kulturmorphologien und mikroskopische Befunde werden in den entsprechenden Kapiteln dargestellt.

▶ Definition. Unter Bazillen (Bacillus spp.) versteht man grobe, plumpe, aerobe Stäb-

chenbakterien, die in der Lage sind, pro Zelle eine Endospore zu bilden. Die vegetativen Zellen stellen sich in der Gram-Färbung meist als positiv dar, während die Spore ausgespart bleibt. Klassifikation: Die Gattung Bacillus umfasst zahlreiche Spezies. Nur Bacillus anthracis ist obligat pathogen. Die meisten anderen sind als ubiquitär verbreitete Boden- und Wasserbakterien fakultativ pathogen oder absolut apathogen (Tab. D-2.16).

Klassifikation: Die Gattung Bacillus umfasst zahlreiche Spezies. Nur eine davon ist für den Menschen obligat pathogen, nämlich Bacillus anthracis. Die meisten anderen sind als ubiquitär verbreitete Boden- und Wasserbakterien fakultativ pathogen oder absolut apathogen. Sie werden in der industriellen Mikrobiologie eingesetzt, z. B. als Antibiotikumproduzenten (Bacillus polymyxa erzeugt Polymyxine) oder als Produzenten von extrazellulären Proteasen (Bacillus subtilis), die als „bioaktive“ Zusätze für Waschmittel (S. 292) verwendet werden. Auch als Bioindikatoren zur Kontrolle von Sterilisationsverfahren (S. 731) werden solche Sporen verwendet. Tab. D-2.16 gibt einige Bacillusarten von humanmedizinischem Interesse wieder.

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360

D

2.5

2.5

Grampositive, aerobe, sporenbildende Stäbchenbakterien

2 Spezielle Bakteriologie

Grampositive, aerobe, sporenbildende Stäbchenbakterien

Herbert Hof ▶ Definition.

▶ Definition. Sporenbildende Bakterien stellen eine besondere Gruppe von Mikroorganismen dar, die sich dadurch auszeichnen, dass sie in der Lage sind, stoffwechselinaktive Dauerformen, d. h. Sporen (S. 297), genauer Bakteriensporen, noch genauer Endosporen auszubilden, die – zumindest theoretisch – der Bakterienzelle ein unbegrenztes Leben sichern. Die Sporenbildung (Sporulation) wird durch sehr komplexe Faktoren ausgelöst.

▶ Merke.

▶ Merke. Sporen sind gegen Austrocknung, Hitzeeinwirkung (Kochen), Strahlung

und gegen Chemikalien (z. B. Desinfektionsmittel) weitgehend unempfindlich. Für die Resistenz der Sporen sind u. a. thermostabile Enzyme, die Abwesenheit von freiem Wasser sowie ungewöhnlich viele Disulfidbrücken in der Sporenwand verantwortlich.

Für die Resistenz der Bakteriensporen sind thermostabile Enzyme, die Abwesenheit von freiem Wasser sowie der hohe Gehalt an Dipicolinsäure und Kalzium verantwortlich. Die äußere Sporenwand enthält ungewöhnlich viele Disulfidbrücken, auf die die erhöhte Strahlenresistenz zurückgeführt wird. Einige aus dieser Bakteriengruppe sind von humanmedizinischer Bedeutung.

Klassifikation: Einen Überblick über die medizinisch wichtigen Sporenbildner gibt Tab. D-2.15.

Klassifikation: Tab. D-2.15 gibt einen Überblick über die endosporenbildenden Bakteriengattungen und ihre humanmedizinische Bedeutung.

≡ D-2.15

≡ D-2.15

Gattung der endosporenbildenden Bakterien und ihre humanmedizinische Bedeutung

Genus

humanpathogene Bedeutung

Bacillus (aerob)

Infektionserreger, Lebensmittelvergifter

Clostridium (anaerob)

Infektionserreger, Lebensmittelvergifter

Thermoactinomyces (aerob)

als Atemwegsallergen beschrieben

Bedeutung: Die physikalische und chemische Widerstandsfähigkeit der Sporen übertrifft die der sie erzeugenden, vegetativen Bakterienzelle. Nachweis: Die Sporen selbst können nur durch spezielle Färbebedingungen dargestellt werden. Kulturell ist der Nachweis der Sporenbildner in der Regel problemlos möglich, da sich unter geeigneten Kulturbedingungen aus den Sporen wieder vegetative Bakterienzellen ausbilden.

Bedeutung: Bakteriensporen sind durch eine sehr viel höhere physikalische und chemische Widerstandsfähigkeit ausgezeichnet als die sie erzeugende vegetative Bakterienzelle.

2.5.1

2.5.1 Bazillen

Bazillen

▶ Definition.

Nachweis: Die Sporen selbst können nur durch spezielle Färbebedingungen dargestellt werden, weil die Wachse in der Sporenwand das Eindringen von wässrigen Farbstofflösungen behindern. Kulturell ist der Nachweis der Sporenbildner in der Regel problemlos möglich, da sich unter geeigneten Kulturbedingungen aus den Sporen wieder vegetative Bakterienzellen ausbilden, die sich in konventioneller Weise, z. B. als Kolonie, darstellen. Spezielle Kulturverfahren (aerob, anaerob), typische Kulturmorphologien und mikroskopische Befunde werden in den entsprechenden Kapiteln dargestellt.

▶ Definition. Unter Bazillen (Bacillus spp.) versteht man grobe, plumpe, aerobe Stäb-

chenbakterien, die in der Lage sind, pro Zelle eine Endospore zu bilden. Die vegetativen Zellen stellen sich in der Gram-Färbung meist als positiv dar, während die Spore ausgespart bleibt. Klassifikation: Die Gattung Bacillus umfasst zahlreiche Spezies. Nur Bacillus anthracis ist obligat pathogen. Die meisten anderen sind als ubiquitär verbreitete Boden- und Wasserbakterien fakultativ pathogen oder absolut apathogen (Tab. D-2.16).

Klassifikation: Die Gattung Bacillus umfasst zahlreiche Spezies. Nur eine davon ist für den Menschen obligat pathogen, nämlich Bacillus anthracis. Die meisten anderen sind als ubiquitär verbreitete Boden- und Wasserbakterien fakultativ pathogen oder absolut apathogen. Sie werden in der industriellen Mikrobiologie eingesetzt, z. B. als Antibiotikumproduzenten (Bacillus polymyxa erzeugt Polymyxine) oder als Produzenten von extrazellulären Proteasen (Bacillus subtilis), die als „bioaktive“ Zusätze für Waschmittel (S. 292) verwendet werden. Auch als Bioindikatoren zur Kontrolle von Sterilisationsverfahren (S. 731) werden solche Sporen verwendet. Tab. D-2.16 gibt einige Bacillusarten von humanmedizinischem Interesse wieder.

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D

▶ Exkurs. Bacillus thuringiensis wird erfolgreich zur biologischen Bekämpfung gegen Insekten eingesetzt. Bei der Sporulation dieser Bakterien werden große Mengen (30 % des Gesamtproteins) von einer Proform des δ-Endotoxins gebildet. Werden solche Sporen auf Pflanzen gesprüht, so fressen Insektenlarven mit den Blättern auch die Bakteriensporen auf. Im Darm der Insektenlarve entsteht durch enzymatische Spaltung aus der Proform das aktive Toxin, das an ganz spezifische Rezeptoren der Darmepithelien von bestimmten Insekten, nämlich Lepidoptera (Schmetterlinge, Motten), Diptera (Mücken) und Coleoptera (Käfer), bindet. In der Membran der Wirtszelle entsteht dadurch ein Kanal für Elektrolyte, sodass die Zelle durch osmotische Schwellung zum Platzen gebracht wird. Das Insekt frisst nicht mehr und stirbt schlussendlich an einer Sepsis, weil durch die Epithelzerstörung die Darmbarriere durchbrochen ist.

≡ D-2.16

361

2.5 Grampositive, aerobe, sporenbild. Stäbchen

Auswahl einiger Bacillusspezies mit humanmedizinischer bzw. umwelthygienischer Bedeutung

Spezies

Bedeutung

B. anthracis

Erreger des Milzbrandes

B. brevis

Antibiotikaproduzent

B. cereus

Lebensmittelvergifter Antibiotikaproduzent fakultativ pathogener Erreger

B. circulans

fakultativ pathogener Erreger Antibiotikaproduzent

B. polymyxa

Antibiotikaproduzent

B. pumilis

fakultativ pathogener Erreger Antibiotikaproduzent (Bioindikator für Niedrigtemperatur-Plasmasterilisatoren)

▶ Exkurs.

≡ D-2.16

B. stearothermophilus Bioindikator zur Überprüfung von Heißluft- und Formaldehydgas(„Geobacillus“) Sterilisatoren sowie von Autoklaven B. subtilis

fakultativ pathogener Erreger Lebensmittelvergifter Antibiotikaproduzent Bioindikator zum Nachweis der Phenylketonurie (Guthrie-Test) Bioindikator zur Überprüfung von Ethylengas-Sterilisatoren Bioindikator für antimikrobielle Stoffe (Abb. D-1.30) liefert Proteasen (Subtilisin) als Bestandteil bioaktiver Waschmittel

B. thuringiensis

biologisches Insektizid

Bacillus anthracis

Bacillus anthracis

Geschichtliches: 1849 beschrieb der Arzt Pollender das Milzbrandstäbchen. Robert Koch gebührt das Verdienst, 1876 die kausale Verknüpfung zwischen dem Erreger und der Krankheit aufgeklärt zu haben. Im Zweiten Weltkrieg experimentierten die Engländer auf der Insel Gruinard mit Milzbrandsporen zur bakteriologischen Kriegsführung. Bis 1990 war die Insel für Menschen unbewohnbar. Dieser Erreger wird heute als potenzielle biologische Waffe erwähnt. Obwohl die internationale Konvention über biologische Waffen selbst jegliche Forschung verbietet, geschweige denn Herstellung und Einsatz, ist ein Laborunfall bekannt geworden. 1979 sind 66 Personen in Jekaterinenburg/Russland an einer Lungeninfektion gestorben, nachdem sie ein Aerosol von Bacillus anthracis eingeatmet hatten.

Geschichtliches: Im Zweiten Weltkrieg experimentierten die Engländer auf der Insel Gruinard mit Milzbrandsporen zur bakteriologischen Kriegsführung. B. anthracis gilt als potenzielle biologische Waffe.

▶ Definition. B. anthracis ist ein ausgesprochen großes, unbewegliches Stäbchen-

▶ Definition.

bakterium (bis zu 10 μm lang), das sich grampositiv anfärbt. Die Spore ist mittelständig, oval und stark lichtbrechend. Sowohl in vivo wie unter Kulturbedingungen kommt es zur Kettenbildung. Die Stäbchen sind von einer Polyglutaminsäurekapsel umgeben, die einen bedeutenden Pathogenitätsfaktor darstellt. Im mikroskopischen Bild dominiert die „Bambusform“ der Stäbchen, d. h. die Enden sind breiter als die Mitte. Hierbei handelt es sich jedoch um ein präparationsbedingtes Artefakt. Bedeutung: B. anthracis ist der Erreger des Anthrax (Milzbrandes). Der Milzbrand ist eine kontagiöse Zoonose der Weidetiere. Dafür werden ca. 10 000 Sporen benötigt. Die Tiere nehmen die über Jahrzehnte in der Erde überlebensfähigen Sporen oral

Bedeutung: B. anthracis ist der Erreger des Anthrax (Milzbrandes), einer kontagiösen Zoonose der Weidetiere.

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D

2 Spezielle Bakteriologie

auf und verenden an einer schweren generalisierten Sepsis. Bei der Untersuchung der Kadaver imponiert die dunkelrote, vergrößerte Milz. Epidemiologie: Nur noch ganz vereinzelte Fälle. ▶ Merke.

Epidemiologie: In den Industrieländern ist diese Infektion heute nahezu ausgestorben. ▶ Merke. Nach Infektionsschutzgesetz ist bereits der Krankheitsverdacht mel-

depflichtig. Milzbrandverdacht erfordert schärfste Sicherheitsmaßnahmen, um eine Verbreitung der Sporen zu verhindern. Der Umgang mit diesen gefährlichen Bakterien unterliegt strengen Regeln (Sicherheitsstufe 3). Pathogenese: Die Infektion des Menschen erfolgt über kranke Tiere bzw. über kontaminierte tierische Produkte. Die Pathogenität beruht auf einer Kapsel, die den Keim vor der Phagozytose schützt, sowie auf der Absonderung eines Exotoxins.

Pathogenese: Die Infektion des Menschen erfolgt direkt über kranke Tiere und indirekt über kontaminierte tierische Produkte. Die Pathogenität von B. anthracis beruht auf der bereits erwähnten Kapsel, die den Keim vor der Phagozytose schützt, sowie auf der Absonderung eines Exotoxins, das bislang noch nicht rein dargestellt werden konnte, von dem man aber weiß, dass es sich aus drei Faktoren zusammensetzt: einer ödembildenden Komponente, einem Letalitätsfaktor und einem Schutzantigen.

Klinik: Nach Lokalisation wird unterschieden: ■ Hautmilzbrand (> 90 %): Aus einer lokalen Entzündung (Pustula maligna, Abb. D-2.27) können sich eine Streuung und Absiedlung des Keimes in innere Organe entwickeln.

Klinik: Je nach Eintrittspforte des Erregers wird unterschieden: ■ Hautmilzbrand (mehr als 90 % aller humanen Infektionen mit B. anthracis): 8– 72 Stunden nachdem der Keim durch kleine Hautverletzungen eingedrungen ist oder bei Drogenabhängigen evtl. mit der Injektionsnadel inokuliert wurde, entwickelt sich innerhalb weniger Tage eine lokale „Pustula maligna“ mit schwarzem, nekrotisch zerfallendem Zentrum (Abb. D-2.27). Von dieser Stelle aus kann es zu einer Streuung des Erregers mit foudroyant verlaufender Septikämie, Meningitis und Absiedlung des Keimes in innere Organe kommen. Die Exotoxine verursachen Fieber, Benommenheit und Herzrhythmusstörungen. 5–20 % der unbehandelten Fälle verlaufen tödlich. ■ Lungenmilzbrand: Durch Inhalation erregerhaltigen Staubes kommt es zum Lungenmilzbrand, der unter den Symptomen einer atypischen schweren Bronchopneumonie verläuft, die mit Lungenblutungen einhergehen kann. ■ Darmmilzbrand: Durch die orale Aufnahme kontaminierter Nahrungsmittel entwickelt sich der Darmmilzbrand, der durch Erbrechen und blutige Diarrhöen gekennzeichnet ist.



Lungenmilzbrand: durch Inhalation erregerhaltigen Staubes.



Darmmilzbrand: durch die Aufnahme kontaminierter Nahrungsmittel.

⊙ D-2.27

⊙ D-2.27

Milzbrand Schwarze, fest haftende Nekrose, von einem noch teilweise erkennbaren Pustelsaum sowie Rötung und Schwellung umgeben (Pustula maligna). (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 114, Bakterielle Infektionen 1985)

Krankheitsfolgen: Die Letalität des Hautmilzbrandes ist gering, für Lungen- und Darmmilzbrand liegt sie bei ca. 50 %.

Krankheitsfolgen: Die Letalität des Hautmilzbrandes ist bei rechtzeitiger Behandlung heute gering. Lungenmilzbrand und Darmmilzbrand endeten früher fast immer tödlich, auch heute liegt die Letalität noch bei ca. 50 %.

Nachweis: Kulturell je nach Lokalisation aus Blut, Sputum, Stuhl etc. (Abb. D-2.28). Der kulturelle Nachweis ist in der Regel problemlos möglich, da der Milzbranderreger nur geringe Ansprüche stellt (Abb. D-2.29).

Nachweis: Im Direktpräparat sieht man die typischen grampositiven Stäbchen mit eckigen Enden in kurzen Ketten (Abb. D-2.28a). Kulturell erfolgt der Nachweis aus den Hautläsionen und im Blut (Abb. D-2.28b), bei Lungenmilzbrand aus Sputum und bei Darmmilzbrand aus Stuhl. Der kulturelle Nachweis ist in der Regel problemlos möglich, da Milzbranderreger nur geringe Ansprüche stellen. Kulturmorphologisch zeigen sich grauweiße, lockige Ausläufer (Medusenhaupt) um die matt glänzende Kolonie. Dies ist jedoch kein Spezifikum, da auch andere Bacillusspezies diese Eigenheit aufweisen (Abb. D-2.29). Da von den angezüchteten Keimen eine sehr groll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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⊙ D-2.28

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2.5 Grampositive, aerobe, sporenbild. Stäbchen

Bacillus anthracis (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 115, Bakterielle Infektionen 1985)

a

⊙ D-2.29

a Methylenblaufärbung: Die teilweise in Kettenform liegenden Stäbchen sind von der Kapsel (heller Hof) umgeben. Typisch sind die kantigen Ecken an den Enden der Stäbchen. b Kultur auf Blutagar: Die Einzelkolonie ist grauweiß und hat einen leicht gezackten Rand. Die Koloniemitte ist gegen den Rand abgesetzt und leicht erhaben.

b

⊙ D-2.29

Aerober Sporenbildner (Bacillus spec.) Kulturmorphologie auf Festmedium. Typisch ist die große, unscharf begrenzte, bizarr geformte Kolonie mit trockener Oberfläche und leichter Hämolyse.

ße Gefahr für Laborpersonal und für die Umgebung ausgeht, sind diese Arbeiten nur unter Bedingungen der Sicherheitsstufe 3 erlaubt, vgl. Kap. „Umgang mit potenziell pathogenen Mikroorganismen“ (S. 66). Therapie: Mittel der Wahl ist Benzylpenicillin (Penicillin G). ▶ Merke. Bei Hautmilzbrand sind chirurgische Maßnahmen kontraindiziert!

Therapie: Benzylpenicillin. ▶ Merke.

Prophylaxe: In den USA gibt es einen Totimpfstoff, der aber erst nach mehrmaligen Injektionen einen Schutz gegenüber dem bakteriellen Exotoxin verleiht. Erkrankte und Krankheitsverdächtige müssen streng isoliert werden. Bei beruflicher Exposition sind konsequente Schutzmaßnahmen (Handschuhe, Atemmasken, Schutzkleidung) erforderlich. Auch die Desinfektion bzw. Sterilisation der kontaminierten Objekte ist zwingend. Wegen der extrem hohen Kontagiosität ist dieses Bakterium in die Risikogruppe 3 eingruppiert; vgl. Kap. „Umgang mit potenziell pathogenen Mikroorganismen“ (S. 66). Dies bedeutet, dass nur wenige Speziallabors, die entsprechend räumlich ausgestattet sind, damit arbeiten dürfen.

Prophylaxe: Schutz vor den Toxinen bietet ein Totimpfstoff. Das Bakterium ist sehr kontagiös. Bei Exposition sind stringente Schutzmaßnahmen nötig.

Bacillus cereus

Bacillus cereus

Bedeutung: B. cereus kommt in der Natur ubiquitär vor und ist somit in nahezu allen Rohstoffen von Lebensmitteln vorhanden. Auch während der Verarbeitung kann der Keim dank seiner resistenten Sporen meist überleben. Selbst ein kurzes Aufkochen tötet die Sporen nicht ab. Solange der Gehalt < 103/g ist, gilt ein Lebensmittel noch als unbedenklich. Wenn die Keimzahl größer ist, muss man damit rechnen, dass die Bakterien im Lebensmittel eine kritische Menge des emetischen Toxins (Cereulid) produzieren, das dann mit der Nahrung aufgenommen wird. Es kommt also kurz nach der Nahrungsaufname zu einer Lebensmittelintoxikation, die kurzzeitig zu Erbrechen führt. Da B. cereus aber auch Proteasen (und viele andere extrazelluläre Enzyme) bildet, welche zu geschmacklichen Veränderungen der befallenen Nahrungsmittel führen, werden gerade stark betroffene Speisen als unappetitlich erkannt und gemieden.

Bedeutung: Diese Bakterien produzieren eine Vielzahl extrazellulärer Enzyme. Für die Pathogenese bedeutungsvoll ist in erster Linie ein Enterotoxin.

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D

2 Spezielle Bakteriologie

Wenn jedoch viele Sporen in den Dünndarm gelangen und dort auskeimen, können die vegetativen Bakterien im Darm ein Enterotoxin bilden, das nach einer Inkubationszeit von ca. 12 Stunden eine Diarrhö auslösen kann. Es handelt sich dann also um eine Lebensmittelinfektion! ▶ Merke.

▶ Merke. Es handelt sich also teilweise um eine Lebensmittelintoxikation, wobei

nur das bakterielle Toxin aufgenommen wird, und teilweise um eine Lebensmittelinfektion, wobei die Keime selbst in den Darm gelangen und sich vermehren und dort erst das entsprechende Toxin herstellen. Nachweis: Der Nachweis des Enterotoxins im Lebensmittel gelingt mithilfe immunologischer Verfahren (EIA).

Nachweis: Oft wird die Erregernatur der Erkrankung gar nicht festgestellt – d. h. die Erkrankung ist eindeutig unterdiagnostiziert –, weil die Symptome im Allgemeinen blande und auch schnell (innerhalb von 24 Stunden) wieder vorbei sind. Allenfalls bei Erkrankungen in Gemeinschaftseinrichtungen entsteht Klärungsbedarf. Zumindest das B.-cereus-Enterotoxin kann theoretisch im Tierversuch nachgewiesen werden. Neuerdings stehen EIAs zum Nachweis der Toxine in Lebensmitteln zur Verfügung. Bei einer Keimzahl von > 105/g im Lebensmittel ist Gefahr im Verzug.

Therapie: symptomatische Therapie.

Therapie: Die Erkrankung ist selbstlimitierend und erfordert allenfalls eine symptomatische Therapie.

Prophylaxe: Ordentliche Küchenhygiene verhindert die Vermehrung der Bazillen und eine Produktion der Toxine.

Prophylaxe: Wie alle Lebensmittelintoxikationen kann auch diese Erkrankung durch richtigen Umgang mit Lebensmitteln vermieden werden. Entscheidend ist, das Wachstum von Bazillen in Lebensmitteln zu unterbinden, um die Toxinbildung zu minimieren. Gekochte Speisen sollten nicht mit unerhitzten Speisen und Gerätschaften nachträglich wieder kontaminiert werden, sie sollten ständig und ausreichend gekühlt werden.

2.6

Grampositive, anaerobe, sporenbildende Stäbchenbakterien

2.6

Grampositive, anaerobe, sporenbildende Stäbchenbakterien

Herbert Hof 2.6.1

Clostridium

▶ Definition.

2.6.1 Clostridium ▶ Definition. Clostridien sind anaerobe, sporenbildende, in der Regel grampositive (oftmals gramlabile) Stäbchenbakterien.

Klassifikation: Clostridien leben im Erdboden, manche Arten gehören zur Darmflora des Menschen. Von medizinischem Interesse sind: ■ Clostridium tetani ■ Clostridium botulinum ■ Clostridium perfringens ■ Clostridium difficile.

Klassifikation: Clostridien, von denen es sehr viele Arten gibt, leben ubiquitär im Erdboden, manche Arten gehören zur normalen Darmflora des Menschen. Unter humanmedizinischen Gesichtspunkten sind folgende vier Erreger bzw. Erregergruppen von Interesse: ■ Clostridium tetani als Erreger des Tetanus, ■ Clostridium botulinum als Erreger des Botulismus, ■ Clostridium perfringens u. a. als Erreger von Gasbrand und Gasödem ■ Clostridium difficile als Erreger der pseudomembranösen Kolitis.

Clostridium tetani

Clostridium tetani Geschichtliches: Obwohl der Wundstarrkrampf als Krankheit bereits in der Antike bekannt war, konnte der Erreger erst 1886 von Rosenbach in menschlichem Untersuchungsmaterial gesehen und 1889 von Kitasato (einem Schüler von Robert Koch) reinkultiviert werden. 1890 gelang Faber mit dem Toxinnachweis der entscheidende Schritt. Emil v. Behring und Kitasato konnten ein antitoxisches Tetanusserum aus Pferden gewinnen.

▶ Definition.

▶ Definition. Clostridium tetani ist ein schlankes, durch peritriche Begeißelung leb-

haft bewegliches, grampositives (in alten Kulturen auch gramnegatives) Stäbchenbakterium, das terminal runde Sporen ausbilden kann, sodass sich im mikroskopischen Bild die Form eines „Trommelschlägels“ ergibt (Abb. D-1.14). Bedeutung: Erreger des Tetanus.

Bedeutung: C. tetani ist der Erreger des Tetanus (Wundstarrkrampf).

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D

365

2.6 Grampositive, anaerobe, sporenbild. Stäbchen

Epidemiologie: Die Inzidenz der Erkrankung ist in den industrialisierten Ländern heute gering. Meistens sind Personen älter als 80 Jahre betroffen, bei denen eine Auffrischimpfung unterblieben ist. In den Entwicklungsländern ist die Erkrankungshäufigkeit weitaus höher.

Epidemiologie: Die Inzidenz ist in den industrialisierten Ländern heute gering, in den Entwicklungsländern weitaus höher.

Pathogenese: Wundstarrkrampf (Tetanus) entsteht, wenn Tetanussporen in die Tiefe einer Wunde gelangen, dort unter anaeroben Bedingungen – die durch Verschluss der Wunde, Mischinfektionen mit Aerobiern, die den Sauerstoff zehren, oder durch Gewebsuntergang entstehen – auskeimen und ihre Toxine absondern. Die klinische Manifestation der Erkrankung ist dabei primär nicht durch das invasive Verhalten der Erreger bedingt, sondern durch das Sezernieren eines starken Neurotoxins mit dem Namen Tetanospasmin, das auch durch Autolyse der Bakterienzellen freigesetzt wird. Das Tetanospasmin blockiert die Hemmung der motorischen Endplatte durch Verhinderung der Freisetzung von Neurotransmittern (Glycin und Gamma-Aminobuttersäure) an den Synapsen und hat eine besonders hohe Affinität zum Zentralnervensystem. Weitere beschriebene Toxine des Bakteriums sind für das Krankheitsbild des Tetanus offensichtlich ohne Bedeutung. Das produzierte Toxin gelangt entweder retrograd entlang der Nervenaxone (5 mm/h) oder auf dem Blutweg in das ZNS. Dort bindet es an den Vorderhörnern des Rückenmarks oder im Hirnstamm. Groß- und Kleinhirn werden nicht erfasst. Die Folge ist eine Übererregbarkeit der Muskulatur auf äußere Reize bei einer prinzipiellen Erhöhung des Muskeltonus ohne Beeinträchtigung des Bewusstseins.

Pathogenese: Wundstarrkrampf (Tetanus) entsteht, wenn Tetanussporen in die Tiefe einer Wunde gelangen, dort unter anaeroben Bedingungen auskeimen und ihre Toxine absondern. Die klinische Manifestation der Erkrankung ist dabei durch die Produktion eines starken Neurotoxins (Tetanospasmin) bedingt.

Klinik: Folgende Krankheitsbilder werden unterschieden: Generalisierter Tetanus: Der Betroffene erlebt das Krankheitsbild bei ungetrübtem Bewusstsein. Symptomatisch sind v. a. tonisch-klonische Krämpfe, die durch akustische und optische Reize ausgelöst werden. Lähmungserscheinungen beginnen oftmals in der Gesichtsmuskulatur. Der Mund kann infolge einer Kiefersperre (Trismus) nicht mehr geöffnet werden, Sprechen fällt schwer. Die Starre der mimischen Gesichtsmuskulatur führt zum Risus sardonicus, einem merkwürdigen, zwischen Lachen und Weinen angesiedelten Gesichtsausdruck. Durch die Steifheit der Nacken- und Rückenmuskulatur kommt es zum Opisthotonus, der Patient liegt überstreckt auf Schultern und Gesäß. Die Bauchmuskulatur ist bretthart. Durch Lähmung von Glottis und Zwerchfell tritt der Erstickungstod ein (Abb. D-2.30).

Klinik: Man unterscheidet: ■ Generalisierter Tetanus: Ungetrübtes Bewusstsein, akustisch und optisch ausgelöste tonisch-klonische Krämpfe. Lähmungserscheinungen beginnen oft in der Gesichtsmuskulatur (Risus sardonicus und Trismus). Die Steifheit der Nacken- und Rückenmuskulatur führt zum Opisthotonus (Abb. D-2.30). Durch Lähmung von Glottis und Zwerchfell Erstickungstod.



⊙ D-2.30

Die Folge des Toxins ist eine Übererregbarkeit der Muskulatur auf äußere Reize bei Erhöhung des Muskeltonus ohne Beeinträchtigung des Bewusstseins.

Generalisierter Tetanus a Tetanus nach Hautverletzung in der Leistenregion bei einem Jugendlichen. Erkennbar sind Opisthotonus (Anspannung der Streckmuskulatur des Stammes) und Risus sardonicus (Kontraktion der Gesichtsmuskulatur). b Risus sardonicus bei Tetanus.

a





b

Lokalisierter Tetanus: Er kommt fast ausschließlich bei immunisierten Menschen vor und beschränkt sich auf die unmittelbare Umgebung der Verletzungsstelle. Die Letalität ist deutlich geringer als beim generalisierten Tetanus. Als Sonderform ist der sogenannte Kopftetanus bekannt, der von Zahnextraktionen und Otitis media ausgeht und mehrere Wochen andauert. Neugeborenentetanus („Krankheit des 8. Tages“): Besonders in unterentwickelten Ländern ist die Infektion des nekrotischen Nabels (Abb. D-2.31), in dem ein anaerobes Milieu herrscht, von Neugeborenen weit verbreitet, der ca. am 8. Tag post partum auftritt und mit hoher Letalität verbunden ist.



Lokalisierter Tetanus: Meist nur bei immunisierten Menschen bei Beschränkung auf die unmittelbare Umgebung der Verletzungsstelle. Eine Sonderform ist der sog. Kopftetanus.



Neugeborenentetanus („Krankheit des 8. Tages“): In unterentwickelten Ländern ist diese Nabelinfektion (Abb. D-2.31) weit verbreitet.

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366 ⊙ D-2.31

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2 Spezielle Bakteriologie

⊙ D-2.31

Neugeborenentetanus

In dem nekrotischen Nabel, der nicht vor Kontamination mit Schmutz durch sterile Gaze geschützt war, konnten Sporten von C. tetani auskeimen und sich in dem anaeroben Milieu vermehren. Da die Mutter nicht gegen Tetanus geimpft war, hatte das Neugeborene keine schützenden Antikörper. So konnten die Tetanustoxinmoleküle ungehemmt über die Blutbahn in die Skelettmuskulatur gelangen und dort einen Tetanus auslösen, der mehrere Tage anhielt.

Krankheitsfolgen: Bei generalisiertem Tetanus liegt die Letalität zwischen ca. 25 % bei jungen Menschen und ca. 55 %. bei älteren Menschen. Nachweis: Die Diagnose Tetanus erfolgt klinisch. Der Erregernachweis ist unter anaeroben Kulturbedingungen zwar i. d. R. problemlos möglich, oft wird aber nicht die richtige Materialprobe geschickt, sodass der Nachweis erfolglos bleibt. Der Toxinnachweis erfolgt ggf. im diagnostischen Tierversuch aus Wundmaterial.

Therapie: chirurgische Wundtoilette. Applikation des spezifischen Hyperimmunserums. Sedierung und Gabe von Muskelrelaxanzien vom Curaretyp. Penicillin oder Tetrazykline.

▶ Merke.

Krankheitsfolgen: Bei generalisiertem Tetanus liegt die Letalität bei jungen Menschen bei ca. 25 % und bei älteren Menschen bei ca. 55 %. Bei lokalisiertem Tetanus beträgt die Letalität ca. 1 %. Nachweis: Die Diagnose Tetanus erfolgt klinisch und anamnestisch. Der Erregernachweis ist unter anaeroben Kulturbedingungen zwar meist problemlos möglich, selten kommt jedoch die richtige Materialprobe zur Untersuchung, sodass der Nachweis meist erfolglos bleibt. Der Toxinnachweis kann im Prinzip im diagnostischen Tierversuch aus Wundmaterial erfolgen. Hierzu wird das Untersuchungsmaterial zwei weißen Mäusen in einer Hauttasche in der Schwanzwurzel implantiert. Eine der Mäuse wurde vorher mit Tetanusantitoxin immunisiert. Nach 1–3 Tagen geht das nicht immunisierte Tier unter dem Erscheinungsbild eines Tetanus zugrunde, die immunisierte Maus überlebt. Therapie: Chirurgische Wundtoilette mit Entfernung des nekrotischen Gewebes, um die Vermehrung des Erregers und weitere Toxinbildung zu verhindern. Applikation des spezifischen humanen Hyperimmunserums (z. B. Tetagam). Sedierung und Gabe von Muskelrelaxanzien vom Curaretyp, Antibiotika (Penicillin oder Tetrazykline), um eine weitere Toxinproduktion zu verhindern. ▶ Merke. Tetanuskranke sollten isoliert werden, nicht wegen einer Ansteckungs-

gefahr, sondern um sie vor allen sensorischen Reizen abzuschirmen. Prophylaxe: Aktive Schutzimpfung mit einem Totimpfstoff. Grundimmunisierung ab dem 3. Lebensmonat. Für die Auffrischung der Impfung gelten folgende Empfehlungen (Tab. J-4.3):







Auffrischungen ohne Verletzungsfälle: nicht häufiger als im Abstand von 10 Jahren. Bei Verletzungsfällen: aktive Auffrischungsimpfung wenn letzte Tetanusimpfung vor > 5 Jahren. Bei unbekanntem Impfstatus, fehlender oder unvollständiger Grundimmunisierung oder fehlender Auffrischung: Hyperimmunserum (und gleichzeitig eine aktive Impfung beginnen).

Prophylaxe: Aktive Schutzimpfung mit einem Totimpfstoff (z. B. Tetanol), einem formolinaktivierten Tetanustoxin (Toxoid), das an Aluminiumhydroxidsalz adsorbiert ist, um die Depotwirkung zu verstärken, und zusätzlich versetzt mit Konservierungsmitteln, z. B. Natriumtimerfonat. Grundimmunisierung ab dem 3. Lebensmonat siehe Impfschema in Tab. J-4.3. Für die Auffrischung der Impfung gelten folgende Richtlinien: ■ Auffrischungen ohne Verletzungsfälle sollten nicht häufiger als im Abstand von 10 Jahren erfolgen. Die STIKO (Ständige Impfkommission des RKI) hält einen Abstand von 10–15 Jahren für ausreichend. Vor allem bei Schwangeren sollte das Impfbuch kontrolliert werden und ggf. ein Antikörperspiegel bestimmt werden. ■ Bei Verletzungsfällen sollte eine aktive Auffrischungsimpfung erfolgen, wenn die letzte Tetanusimpfung länger als 5 Jahre zurückliegt. ■ Bei unbekanntem Impfstatus, fehlender oder unvollständiger Grundimmunisierung oder fehlender Auffrischung sollte eine Simultanprophylaxe, d. h. Gabe des Hyperimmunserums (z. B. Tetagam), verabreicht werden (Injektionsstellen jeweils auf der kontralateralen Körperseite), damit das Toxin neutralisiert wird, noch bevor es an den Synapsen ankommt. Gleichzeitig sollte eine aktive Impfung (z. B. mit Tetanol) begonnen werden. Bei Zweifel über den Impfstatus kann eine Bestimmung der Serumantikörpertiter erfolgen.

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2.6 Grampositive, anaerobe, sporenbild. Stäbchen

Die Impfung entbindet nicht von einer sorgfältigen Wundtoilette! Bei chirurgisch schlecht versorgbaren Wunden kann die wiederholte Serumgabe nach 36 Stunden erwogen werden. ▶ Exkurs. Alte Menschen sind häufig nicht ausreichend immunisiert! Der Impfstatus von Schwangeren sollte kontrolliert werden. Wenn die werdende Mutter zirkulierende Antikörper der Klasse IgG besitzt, können diese transplazentar im letzten Trimenon auf den Fetus übertragen werden, sodass das Neugeborene eine Leihimmunität besitzt, die während der Geburt und zumindest 3–6 Monate lang vor einer Erkrankung schützt. Somit könnte der lebensgefährliche Tetanus neonatorum verhindert werden.

Clostridium botulinum

Die Impfung entbindet nicht von einer sorgfältigen Wundtoilette!

▶ Exkurs.

Clostridium botulinum

Geschichtliches: Der schwäbische Dichter Justinus Kerner aus Weinsberg bei Heilbronn beschrieb 1820 eine Wurstvergiftung, die er Botulismus (botulus = Wurst) nannte. Als der Privatdetektiv van Ermengen 1896 aus einem Schinken, an dessen Verzehr 3 Menschen unter verdächtigen Umständen gestorben waren, diese toxinbildenden Bakterien isolierte, war die Ätiologie geklärt. ▶ Definition. Es handelt sich um große, grampositive, peritrich begeißelte Stäbchenbakterien, die subterminal eine ovale Spore ausbilden können, die dann das Bakterium auftreibt und ihm die Form eines „Tennisschlägers“ gibt.

▶ Definition.

Klassifikation: C. botulinum wird nach dem Typ des Toxins klassifiziert, das es phagencodiert produziert. Wir unterscheiden sieben Typen, die als Typ A bis G bezeichnet werden. Für den Menschen sind die Typen A und allenfalls B und E von besonderem Interesse. Typ F hat bislang nur vereinzelt zu Lebensmittelintoxikationen geführt. Typ C und D sind tierpathogen und für den Menschen ohne Bedeutung.

Klassifikation: C. botulinum wird nach dem Typ des Toxins klassifiziert, das es phagencodiert produziert. Es gibt 7 Typen (Typ A bis G). Für den Menschen sind die Typen A, B, und E von Interesse.

Bedeutung: Die Botulinumtoxine, vor allem das Toxin A, sind die stärksten bakteriellen Gifte, die wir kennen. Toxin A wirkt bereits in winzigsten Dosen (10-8 g) für den Menschen tödlich (etwa 1-Million-mal toxischer als Arsen). Es handelt sich um ein Neurotoxin, dessen Wirkung durch die Hemmung der Acetylcholinfreisetzung an der motorischen Nervenendplatte zustande kommt. Die dadurch erfolgte Blockierung der Muskelerregung führt zu entsprechenden Lähmungserscheinungen und letztendlich durch Paralyse der Atemmuskulatur zum Tode. Die Wirkung hält über Monate an.

Bedeutung: Die Botulinumtoxine sind die stärksten bakteriellen Gifte (Neurotoxin). Durch Hemmung der Acetylcholinfreisetzung an der motorischen Endplatte kommt es zur Blockierung der Muskelerregung mit Lähmungserscheinungen und Paralyse der Atemmuskulatur.

▶ Exkurs. Toxin A wird als spezifisches Muskelrelaxans therapeutisch eingesetzt, und zwar zur Behandlung von Muskelspasmen, z. B. Strabismus und fokalen Dystonien (Blepharospasmus, Torticollis spasticus), wobei allerdings die extrem starke Potenz dieses Toxins peinlichste Sorgfalt erfordert. Kosmetische Erfolge bei der Korrektur von Falten im Gesicht und am Hals können mit niedrigen Dosen („Botox“) erzielt werden und halten wenige Monate an. Die Hemmung der Schweißdrüsenfunktion bekämpft eine Hyperhidrosis.

▶ Exkurs.

Epidemiologie: Der Botulismus ist eine relativ seltene Erkrankung. Pro Jahr werden in Deutschland ca. 10 Fälle gemeldet, darunter 3–4 Fälle von Säuglingsbotulismus und 2–3 Wundbotulismus.

Epidemiologie: Jährlich werden in Deutschland ca.10 Fälle von Botulismus gemeldet.

Pathogenese: Es werden folgende Arten des Botulismus unterschieden: ■ lebensmittelbedingter Botulismus: Bei dieser bedeutendsten Form des Botulismus werden nur die Toxine mit der Nahrung aufgenommen. Die Sporen von C. botulinum werden dabei, meist als Folge von Verunreinigungen mit Erde, in ein anaerobes Milieu gebracht. Dieses findet sich in Konservendosen und Einweckgläsern, aber auch im Inneren von Wurst, Schinken und Fleischwaren. Für die Toxinbildung sind weiterhin ein gewisser Proteingehalt im Umgebungsmilieu und ein neutraler pH-Wert Voraussetzung. Gemüsekonserven (z. B. grüne Bohnen) und gekochte, nicht autoklavierte Wurstkonserven sind deshalb eher betroffen als eingemachtes Obst. Kühlung unterdrückt die Auskeimung der Sporen und damit die Toxinbildung der vegetativen Keime.

Pathogenese: Es werden unterschieden: ■ lebensmittelbedingter Botulismus: Bei dieser bedeutendsten Form des Botulismus werden die Sporen von C. botulinum in ein anaerobes Milieu (Konservendosen und Einweckgläser, aber auch das Innere von Fleischwaren) gebracht, wo sie auskeimen und Toxine produzieren, die dann mit der Nahrung aufgenommen werden.

▶ Merke. Betroffene Lebensmittel müssen nicht unbedingt geschmacklich verän-

▶ Merke.

dert sein. Nicht alle C.-botulinum-Stämme besitzen Proteasen oder Lipasen. Auch die Gasbildung, die bei Konserven zu Bombagen und bei Einweckgläsern zum selbsttätigen Öffnen der Gefäße führt (stets Alarmzeichen für mikrobiologische Aktivitäten!), ist nicht die Regel. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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Wundbotulismus: Sehr seltene Form des Botulismus, bei der die Wunde mit Sporen von C. botulinum kontaminiert wird.





Säuglingsbotulismus: Hierbei werden nicht das Toxin, sondern die Bakteriensporen oral aufgenommen. Diese können offensichtlich im Säuglingsdarm auskeimen und Toxine bilden.



2 Spezielle Bakteriologie

Wundbotulismus: Eine sehr seltene Form des Botulismus, bei der ähnlich wie beim Tetanus eine Wunde mit Sporen von C. botulinum kontaminiert wird. Unter anaeroben Bedingungen können diese im Gewebe in die vegetative Form übergehen und vor Ort Toxine bilden. Säuglingsbotulismus: Bei der erstmals 1976 in den USA beschriebenen Sonderform des Botulismus wird nicht das Toxin mit der Nahrung aufgenommen, sondern die – für den Erwachsenen völlig ungefährlichen – Bakteriensporen. Diese können offensichtlich im Säuglingsdarm auskeimen und Toxine bilden. Die Sporen sollen besonders durch Verfütterung von Honig in den Darm des Säuglings gelangen.

Klinik: Erste Lähmungserscheinungen betreffen i. d. R. die Augenmuskulatur (Doppeltsehen). Später erfolgt der Ausfall der Schlundund Zungenmuskulatur. Versiegen der Speichelsekretion und Schluckstörungen sind nachfolgende Symptome. Ein Ileus kann dem Tod durch Atemlähmung vorausgehen.

Klinik: Nach einer Inkubationszeit von 18–36 Stunden (in einigen Fällen aber auch erst nach Tagen) treten nur in ca. 30 % der Intoxikationen Übelkeit und Erbrechen auf. Fieber tritt nicht auf. Die ersten Lähmungserscheinungen betreffen in der Regel die Augenmuskulatur und äußern sich in Doppeltsehen, Pupillenstarre und Lichtscheu. Die Lähmung der Augenlider führt dazu, dass der Patient die Augen nicht öffnen kann. Später erfolgt der Ausfall der Schlund- und Zungenmuskulatur. Versiegen der Speichelsekretion („trockener Mund“), Sprachschwierigkeiten („Heiserkeit“) und Schluckstörungen sind die darauf folgenden Symptome. Motilitätsstörungen der Extremitäten und ein Ileus können dem Tod durch Atemlähmung (meist nach 3–8 Tagen) vorausgehen. Ausprägung und Letalität des Krankheitsbildes hängen von der aufgenommenen Toxinmenge und der Art des Toxins ab.

Krankheitsfolgen: Die Letalität liegt bei 25– 70 %. Beim Säuglingsbotulismus unter 1 %.

Krankheitsfolgen: Die Letalität liegt zwischen 25 und 70 %, je nach Toxinart und -menge. Beim Säuglingsbotulismus liegt die Letalität niedriger (unter 1 %), vorausgesetzt, die Krankheit wird als solche erkannt und die Kinder werden entsprechend ärztlich versorgt.

Nachweis: Der Erreger kann unter strikt anaeroben Bedingungen angezüchtet werden.

Nachweis: Der Erreger kann unter strikt anaeroben Bedingungen, z. B. auf Blutagarplatten, in der Regel problemlos angezüchtet werden. Kulturmorphologisch, biochemisch und serologisch lassen sich C.-botulinum-Stämme in vier Gruppen einteilen, was jedoch für die klinische Praxis nicht sehr bedeutsam ist.

▶ Merke.

▶ Merke. Wichtig ist der Toxinnachweis aus Serum, Erbrochenem oder asservierten

Lebensmittelresten. 0,5 ml Serum oder Probenextrakt werden einer Maus intraperitoneal injiziert. Eine zweite Maus erhält neben dem Untersuchungsmaterial eine äquivalente Menge polyvalentes C.-botulinum-Antitoxin. Bei positivem Toxinnachweis wird das ungeschützte Tier unter charakteristischen Symptomen sterben, das geschützte überleben. Therapie: Möglichst frühzeitige Gabe eines polyvalenten Antitoxins zur Neutralisierung freier Toxinmengen.

Therapie: Möglichst frühzeitige Gabe eines polyvalenten Antitoxins zur Neutralisierung freier Toxinmengen. Entfernung von Toxin durch Magenspülung. Die symptomatische Behandlung steht im Vordergrund.

Prophylaxe: Botulismustoxine sind hitzelabil. 10-minütiges Kochen oder 30-minütiges Erhitzen auf 80 °C inaktivieren sie.

Prophylaxe: Botulismustoxine sind hitzelabil. 10-minütiges Kochen oder 30-minütiges Erhitzen auf 80 °C inaktivieren sie. Konserven aus bombierten Dosen (nach außen gewölbte Deckel- und Bodenflächen) oder aus selbsttätig geöffneten Einweckgläsern (= Aufhebung des beim Einwecken erzeugten „Vakuums“ durch bakterielle Gasbildung) sowie Konserven mit geschmacklichen Veränderungen, wie Säuerung, ranzigem Geruch oder farblichen Veränderungen, sollten auf gar keinen Fall unerhitzt verzehrt werden. Sofern man sich nicht für ein Verwerfen dieser Nahrungsmittel entscheiden kann, müssen sie in der oben beschriebenen Weise hitzebehandelt werden, auch wenn sie später, z. B. als Salatbestandteil, wieder kalt verzehrt werden.

▶ Merke.

▶ Merke. Bereits der Verdacht auf Botulismus ist nach Infektionsschutzgesetz mel-

depflichtig.

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2.6 Grampositive, anaerobe, sporenbild. Stäbchen

▶ Klinischer Fall. Eine Hausfrau will ihrem Ehemann zum Abendbrot eine Hausmacher-Rotwurstspezialität offerieren. Sie bemerkt eine eigentümliche graue Verfärbung der Wurstmasse und glaubt, einen befremdlichen Geruch wahrzunehmen. Der Ehemann, auf diese Umstände angesprochen, isst dennoch einige Bissen davon. Im Laufe des nächsten Tages klagt er über Übelkeit, Müdigkeit und „Kreislaufbeschwerden“. Als er spät am Abend angibt, alles nur noch verschwommen zu sehen, holt die Frau den Hausarzt, der den Patienten im Zustand der weitgehenden Schluck- und Sprechunfähigkeit vorfindet. Erst auf intensives Nachfragen erinnert sich die Frau an den Vorfall mit der verdorbenen Wurstkonserve. Während der Hausarzt die sofortige Notfalleinweisung in die Klinik veranlasst, kann die Frau die Wurstkonserve aus dem Mülleimer sicherstellen, woraus später C. botulinum gezüchtet wurde. In der Klinik gestaltet sich die Beschaffung eines polyvalenten Antitoxins unerwarteterweise schwierig. Dieses muss erst aus einem Zentrum eingeflogen werden. Um die Zwischenzeit zu überbrücken, entschließen sich die Klinikärzte zu einer Hämodialyse, um restliche Toxinmengen aus dem Blut zu eliminieren. Alle Maßnahmen führen schließlich zur Genesung des Patienten. Nur die Tatsache, dass der erstzugezogene Hausarzt überhaupt die Idee hatte, dass hier ein Fall von Botulismus vorliegen könnte, hat wahrscheinlich dem Patienten das Leben gerettet.

Clostridium perfringens ▶ Definition. Unter Gasbrand, Gasödem, Gasgangrän, Gasphlegmone, malignem

▶ Klinischer Fall.

Clostridium perfringens ▶ Definition.

Ödem oder Emphysema malignum sive septicum versteht man eine bakterielle Infektionskrankheit mit einer rasch fortschreitenden, mit starken Ödem- und/oder Gasbildung einhergehenden Gewebsnekrose der Muskulatur, in der Regel hervorgerufen durch toxinbildende Clostridien, vor allem C. perfringens. Klassifikation: Zu den Erregern dieses Krankheitsbildes gehören: Clostridium perfringens ■ Clostridium histolyticum ■ Clostridium septicum ■ Clostridium novyi ■ Clostridium haemolyticum ■ Clostridium oedematiens und andere Clostridien. Bedeutendster und bestuntersuchter Erreger dieser Gruppe ist Clostridium perfringens, der im Nachfolgenden besprochen werden soll. Meistens wird ein manifester Gasbrand durch eine Mischinfektion mit mehreren Arten – aber auch mit aeroben Bakterien – verursacht. ■

▶ Definition. Clostridium perfringens ist ein unbewegliches, bekapseltes, sporenbil-

Klassifikation: Der hauptsächliche Erreger von Gasbrand ist C. perfringens.

▶ Definition.

dendes, grampositives Stäbchenbakterium, das ovale Sporen in subterminaler Lagerung ohne Auftreibung des Zellleibes bildet. Bedeutung: Humanmedizinische Bedeutung haben nur Clostridium perfringens Typ A und Typ C.

Bedeutung: Humanmedizinische Bedeutung haben nur C. perfringens Typ A und Typ C.

Epidemiologie: In Deutschland treten pro Jahr nur noch ca. 50–70 Fälle von Gasbrand/Gasödem auf. Angesichts einer guten chirurgischen Grundversorgung der Bevölkerung ist die Krankheit selten geworden.

Epidemiologie: Angesichts einer guten chirurgischen Grundversorgung ist die Krankheit selten.

Pathogenese: Wenn in einem nekrotischen Gewebe anaerobe Verhältnisse herrschen, können die Sporen auskeimen. Die vegetativen Bakterienzellen vermehren sich und bilden dabei zahlreiche Enzyme und Toxine, die ins umliegende, gesunde Gewebe diffundieren und dort weitere Nekrosen (Myonekrosen) erzeugen. Das nekrotische Gewebe wird als Nährstoff verwendet, wobei als Endprodukt CO2-Gas entsteht. Ohne äußere Hilfe kommt es zu einem Fortschreiten der Gewebedestruktion. Im Prinzip können sich 2 Verläufe entwickeln: ■ atoxische Infektion: Sie kann als lokalisierte eitrige Entzündung praktisch alle Organe erfassen. Neben Unfall- und Kriegsverletzungen sind Spritzenabszesse, Gallenblasenentzündungen, Infektionen im weiblichen Becken sowie Wundinfektionen nach Kolon- oder Rektumkarzinomoperationen häufig. Daneben unterscheiden wir die anaerobe oder Clostridienzellulitis, bei der sich der Erreger in einer Muskelfaszienloge vermehrt. Es resultiert keine Gewebsnekrose. Eine Toxinämie besteht nicht.

Pathogenese: Die Sporen keimen unter anaeroben Verhältnisen aus, die vegetativen Bakterienzellen bilden nekrotisierende Toxine. Nekrotisches Gewebe dient als Nährstoff, wobei CO2 entsteht. Es werden 2 Verläufe unterschieden: ■ Die atoxische Infektion kann als lokalisierte eitrige Entzündung praktisch alle Organe erfassen oder als anaerobe Clostridienzellulitis auftreten. Es resultiert keine Gewebsnekrose.

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Gasbrand/Gasödem kann exogener oder endogener Natur sein. Die Krankheit ist gekennzeichnet durch Toxinämie und aggressive Myonekrose mit hoher Letalität (Abb. D-2.32). Die Gasbildung kann als „Krepitus“-Zeichen wahrgenommen werden. Exogene Infektionen resultieren stets aus tiefen erdverschmutzten Wunden. Endogene, nicht traumatische Infektionen nehmen ihren Ausgang oft vom Darm, insbesondere bei Patienten mit Kolonkarzinom.

⊙ D-2.32

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2 Spezielle Bakteriologie

Gasbrand/Gasödem: Die Ursache kann exogen oder endogen sein. Die Krankheit ist gekennzeichnet durch Toxinämie und aggressive Myonekrose mit hoher Letalität (Abb. D-2.32). Die Gasbildung kann als „Krepitus“-Zeichen (wie das Knirschen von Schnee beim Formen eines Schneeballs) bei der Palpitation wahrgenommen werden. Exogene Infektionen resultieren meist aus tiefen erdverschmutzten Wunden. Einschleppungen während aseptischer Eingriffe sind ebenfalls möglich. Weitere Faktoren, wie mangelnde Durchblutung, z. B. durch Abbindung, Kälte, Schock sowie Mischinfektionen mit aeroben Keimen, die dann den Sauerstoff zehren, können zum Entstehen der Krankheit beitragen. Endogene, nicht traumatische Infektionen nehmen ihren Ausgang oft vom Darm, insbesondere bei Patienten mit Kolonkarzinom. Ein uterines Gasödem wird sehr selten bei normalen Geburten, gelegentlich aber nach septischen Aborten beobachtet. Gasbrand und Gasödem können als Spätfolgen von Kriegsverletzungen nach Jahrzehnten an eingeheilten Fremdkörpern (Granatsplittern, Stofffetzen, Holzsplittern) entstehen.

⊙ D-2.32

Gasbrand (Gasgangrän) Durch eine postoperative Infektion mit Clostridium perfringens entstandener Gasbrand am Oberschenkel eines Patienten. (Henne-Bruns, D.: Duale Reihe Chirurgie. Thieme; 2012)



Intoxikation: Voraussetzung für eine Lebensmittelvergiftung mit C. perfringens Typ A ist eine sehr hohe Keimzahl (106 /g) im Lebensmittel. Sie heilt meist nach 24–48 Stunden therapielos aus.

▶ Merke.



Intoxikation: Nicht unerwähnt bleiben soll die Rolle von C. perfringens Typ A als Lebensmittelvergifter. Voraussetzung ist allerdings eine sehr hohe Keimzahl (mindestens 106 Keime pro Gramm) in der Speise. Das gebildete Enterotoxin erzeugt eine Enteritis mit Übelkeit, Durchfall und Bauchschmerzen, jedoch ohne Erbrechen und Fieber, die nach 24–48 Stunden auch ohne spezifische Therapie ausheilt.

▶ Merke. Clostridium perfringens kann also 2 ganz unterschiedliche Krankheiten

verursachen, nämlich Gasbrand und Lebensmittelvergiftung. Klinik: Nach einer Inkubationszeit von nur 5 Stunden kann bereits nach weiteren 5 Stunden der Tod eintreten. Jedoch variieren die Krankheitsbilder erheblich. Typisch sind der starke Wundschmerz und die gespannte, ödematös verquollene, rotbraun verfärbte Haut um die Wunde.

Klinik: Das Krankheitsgeschehen bei Gasbrand ist oftmals extrem kurz. Nach einer Inkubationszeit von nur 5 Stunden kann sich die Gasbildung rasant ausbreiten, sodass bereits nach weiteren 5 Stunden der Tod eintreten kann. Jedoch variieren die Krankheitsbilder erheblich, in Abhängigkeit vom betroffenen Organsystem, dem Zustand des Patienten und der Art ärztlicher Gegenmaßnahmen. Typisch sind der starke Wundschmerz und die gespannte, ödematös verquollene und rotbraun verfärbte Haut in der Umgebung einer Gasbrandwunde. Der Patient hat Fieber, ist unruhig, aber bei vollem Bewusstsein.

Krankheitsfolgen: Unbehandelt beträgt die Letalität 100 %. Trotz optimaler Therapie liegt die Letalität immer noch bei 40–60 %. Evtl. muss amputiert werden.

Krankheitsfolgen: Unbehandelt verläuft die Erkrankung tödlich. Trotz optimaler Therapie liegt die Letalität immer noch bei 40–60 %. Im Zuge der Therapie können Amputationsmaßnahmen sinnvoll sein, die den Patienten aber natürlich als Krankheitsfolgen belasten.

Nachweis: Die Diagnose wird klinisch gestellt. Eine mikroskopische Untersuchung bringt bei Präsenz von plumpen, grampositiven Stäbchen (oft in Mischinfektion mit anderen Bakterien) eine rasche Bestätigung (Abb. D-2.33). Die bakteriologische Anzüchtung des Erregers kann nicht abgewartet werden. Auf der Blutagarplatte wachsen die Bakterien nur unter strikt anaeroben Bedingungen.

Nachweis: Die Diagnose wird in der Regel klinisch gestellt. Die bakteriologische Anzüchtung des Erregers kann wegen des raschen Fortschreitens der Erkrankung nicht abgewartet werden und dient lediglich einer rückwirkenden Bestätigung. Eine rasche Bestätigung eines Gasbrandverdachts kann ein Gram-Präparat vom progressiven Rand der Läsion erbringen. Typischerweise liegt eine Mischinfektion mit Kokken und eben den großen, plumpen grampositiven Stäbchen vor. Unter den anaeroben Wachstumsbedingungen im nekrotischen Gewebe des Patienten haben sich aber nur ganz selten Sporen gebildet (Abb. D-2.33)! Auf Blutagarplatten unter strikt anaeroben Bedingungen ist der kulturelle Nachweis im Regelfall problemlos möglich. Die Sporenbildung ist in der Kultur jedoch meist nicht zu beobachten. Innerhalb von ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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⊙ D-2.33

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2.6 Grampositive, anaerobe, sporenbild. Stäbchen

⊙ D-2.33

Clostridium perfringens Lichtmikroskopisches Bild. Im nekrotischen Gewebe sind zahlreiche grampositive, plumpe Stäbchen erkennbar. Typischerweise werden unter den günstigen Wachstumsbedingungen im Gewebe keine Sporen gebildet. Während die Abbildung eine Reinkultur von Clostridium perfringens zeigt, liegt in der Praxis meist eine Mischinfektion vor.

wenigen Stunden lässt sich die typische Gasbildung in flüssigem, glukosehaltigem Medium erkennen. ▶ Merke. Der Nachweis von Clostridium spec. aus infizierten Wunden bedeutet we-

▶ Merke.

gen des ubiquitären Vorkommens nicht automatisch, dass ein Gasbrand vorliegen muss. Die Bakterien sind eben nur eine Voraussetzung für die Entstehung dieses bedrohlichen Krankheitsbildes. Andererseits sollte bei einem solchen Befund auch ohne entsprechende klinische Symptomatik an das Risiko gedacht werden, dass ein Gasbrand in der unmittelbaren Zukunft entstehen könnte. Bei der serologischen Typisierung lassen sich innerhalb der Spezies C. perfringens anhand serologischer und biochemischer Eigenschaften sowie unterschiedlicher Toxinbildungsmöglichkeiten fünf Typen unterscheiden, die mit A – E bezeichnet werden. Unter Berücksichtigung der Bildung von acht sogenannten kleinen Toxinen (z. B. Kappa-Toxin = Kollagenase; Lambda-Toxin = Proteinase; My-Toxin = Hyaluronidase; Ny-Toxin = Desoxyribonuklease) lassen sich weitere Subtypen differenzieren. Als große, letale Toxine werden das Alpha-Toxin (eine Lecithinase), das Beta-Toxin, das Epsilon-Toxin und das Jota-Toxin, die alle nekrotisierend wirken, bezeichnet.

Bei der serologischen Typisierung lassen sich innerhalb der Spezies C. perfringens anhand serologischer und biochemischer Eigenschaften sowie unterschiedlicher Toxinbildungsmöglichkeiten 5 Typen unterscheiden (A–E).

Therapie: Die chirurgische Intervention ist die Therapie der Wahl. Sorgfältigste Wundtoilette muss so rasch wie möglich durchgeführt werden. Nach Manifestation des Gasödems/Gasbrandes muss das Infektionsgebiet weit eröffnet werden, um dem Luftsauerstoff Zutritt zu verschaffen. Dabei sind Amputationen oftmals unumgänglich. Eine hyperbare Sauerstofftherapie, bei der der Patient in einer Druckkammer mehrmals über ca. 2 Stunden mit 300 kPa reinem Sauerstoff beatmet wird, hat sich nicht bewährt. Die Gabe von Antibiotika (Benzylpenicillin = Penicillin G, Cephalosporine) ist als flankierende Maßnahme sinnvoll; man muss jedoch auch die Begleitflora antibiotisch behandeln.

Therapie: Das Infektionsgebiet muss im Rahmen einer chirurgischen Intervention weit eröffnet werden, um dem Luftsauerstoff Zutritt zu verschaffen. Unterstützung durch Antibiotika, z. B. Penicillin.

Prophylaxe: Spezielle prophylaktische Maßnahmen sind nicht möglich. Am wirkungsvollsten wäre die Vermeidung von Wundverschmutzung z. B. durch sterile Wundverbände. Eine gute Operationstechnik, die keine schlecht durchbluteten Wundränder stehen lässt, verhindert ein anaerobes Milieu, das für das Wachstum der Clostridien notwendig wäre.

Prophylaxe: sterile Wundversorgung, gute Operationstechnik.

Clostridium difficile

Clostridium difficile

▶ Definition. Es handelt sich um ein peritrich begeißeltes, bewegliches, grampositives, sporenbildendes Stäbchenbakterium, heute als Clostridioides difficile bezeichnet. Die ovalen Sporen werden terminal oder subterminal ausgebildet.

Bedeutung: C. difficile ist der Erreger der pseudomembranösen Kolitis, die in den letzten Jahren in manchen Krankenhäusern epidemisch auftrat, speziell bei Schwerkranken, die mit Antibiotika (speziell Moxifloxacin, Ciprofloxacin und Ceftriaxon) vorbehandelt wurden.

▶ Definition.

Bedeutung: C. difficile ist Erreger der pseudomembranösen Kolitis.

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2 Spezielle Bakteriologie

Epidemiologie: Erwachsene haben selten, Kinder im 1. Lebensjahr dagegen bis zu 50 % C. difficile im Stuhl ohne Symptome. Bei gestörter Darmflora können sich C. difficile jedoch im Dickdarm stark vermehren und dann eine Diarrhö erzeugen. Da die Sporen stabil sind, werden sie durch Kontakt mit kontaminierten Gegenständen und Händen sowie durch Luft verbreitet, was zu nosokomialen Ausbrüchen führen kann. Ein Mangel an Magensäure (z. B. Therapie mit Protonenpumpeninhibitoren, hohes Alter) begünstigt die Passage.

Epidemiologie: Unter den Stämmen von C. difficile gibt es eine große Heterogenität; es gibt 5 genetische Gruppen (clades). Einzelne Stämmen sind besonders virulent, wenn z. B. durch ein aktives Regulatorgen die Toxinproduktion gesteigert ist, wie z.B bei dem Typ 027. Sporen von C. difficile finden sich ubiquitär in der Umwelt, auch im Krankenhaus. Schon gesunde Erwachsene sind in 15 % asymptomatische Träger. Kinder im 1. Lebensjahr haben sogar bis zu 90 % C. difficile im Stuhl. Im Alter, bei Patienten mit Mukoviszidose und chronischen entzündlichen Darmerkrankungen (z. B. M. Crohn) oder wenn die körpereigene Darmflora eines Patienten durch eine vorausgegangene Antibiotikatherapie schwer gestört ist (z. B. als Kollateralschaden v. a. nach Ceftriaxon, Moxifloxacin, Ciprofloxacin, Clindamycin und Ampicillin) und die „Konkurrenz“ fehlt, können sich die Clostridien leicht im Dickdarm vermehren. Die Sporen aus dem Kot von kranken Patienten mit Diarrhö sind in der Umwelt stabil und können über Kontakt mit kontaminierten Gegenständen und Händen, aber auch über die Luft, verbreitet werden. Eine Erkrankung ist also meistens eine nosokomiale Infektion.

Pathogenese: Der Pathomechanismus wird durch zwei Toxine aufrechterhalten.

Pathogenese: Die Aufnahme von Sporen erfolgt oral. Wenn durch Protonenpumpeninhibitoren oder im hohen Alter die Produktion von Magensäure vermindert ist, gelingt die Passage von verschluckten Sporen umso besser. Die Sporen benötigen zum Auskeimen Gallensäuren (Taurocholsäure). Eine normale Darmflora verhindert das massive Auskeimen, weil sie den Gehalt an Gallensäuren im Darmlumen reduzieren. Manche Bakterienstämme von C. difficile haben die genetische Ausstattung, Toxine zu produzieren, die dann von vegetativen Bakterienzellen unter günstigen Bedingungen in großer Menge gebildet und freigesetzt werden. Bei einzelnen, hypervirulenten Stämmen ist die Toxinproduktion hochreguliert. Der Pathomechanismus wird hautptsächlich durch zwei Toxine aufrechterhalten. Essenziell ist das Toxin B; es schädigt die Epithelzellen des Kolons (Zytotoxin): Toxin A ist ein Enterotoxin, das den Elektrolyttransport stört und für Flüssigkeitsverlust und Funktionsstörungen des Darmes verantwortlich ist, was den wässrigen Durchfall erklärt. Ein weiteres Toxin, das binäre Toxin, ist nicht essenziell. Wenn sich durch Störung der üblichen Darmflora die Zahl von C. difficile stark vermehrt hat und die Toxinproduktion hoch ist, können diese Toxinwirkungen in Erscheinung treten. Bis zu einem gewissen Grad kann eine funktionstüchtige Schleimhaut mittels Enzymen die Toxine degradieren. Auch spezifische Antikörper aus früherem Kontakt können die Wirkung neutralisieren.

Klinik: Es kommt zu wässriger Diarrhö begleitet von kolikartigen Bauchschmerzen, in schweren Fällen unter Abgang von Schleim und Pseudomembranen. Zusätzlich können noch Peritonitis, Ileus und Kreislaufprobleme auftreten.

Klinik: In der Regel setzen die Symptome plötzlich ein. Die wässrigen Durchfälle (mindestens 3 Stuhlgänge pro Tag) sind begleitet von kolikartigen Bauchschmerzen, in schweren Fällen unter Abgang von Schleim und von Pseudomembranen. Die Kolonschleimhaut ist endoskopisch mit gelblichen Belägen überzogen (Leukozyten in einer Fibrinmatrix) und ödematös verquollen. Wenn einzelne Kolonabschnitte nur noch unzulänglich mit Blut versorgt werden, entsteht ein Megakolon und Kolonileus. Darmperforationen solcher Areale sind beschrieben, welche zu einer Peritonitis führen. Meist entsteht auch Fieber mit Leukozytose und zunehmend eine Hypalbuminämie. Es entwickelt sich eine hämodynamische Instabilität (Schockzeichen) und auch respiratorisches Versagen.

Nachweis: Antigennachweis im Stuhl. Kulturell aus dem Stuhl. Diese Ergebnisse können auch bei bloßer Kolonisierung positiv sein. Beweisend für eine therapiebdürftige Erkrankung ist jedoch der Nachweis von Toxinen.

Nachweis: Das Krankheitsbild ist recht pathognomonisch, vor allem, wenn anamnestisch eine Breitspektrumantibiotikatherapie voranging. Erfahrene Pflegekräfte erkennen das Krankheitsbild schon an dem charakteristischen Geruch, der von dem durchfälligen, schleimigen Kot ausgeht. Ein immunologischer Antigennachweis von einem Bakterienenzym (Glutamatdehydrogenase/GDH-Test) im Stuhl ist ein erster Verdacht (kann aber auch bei bloßer Besiedelung positiv sein). Auch kulturell sind C. difficile aus dem Stuhl nachweisbar. Entscheidend ist jedoch der Nachweis von Toxinen. Dieser erfolgt durch den molekularbiologischen Nachweis der Toxine, entweder der Toxingene in den kultivierten Bakterien mittels PCR oder der Toxinantigene mittels ELISA aus bakterienfreiem Stuhlfiltrat. Aus praktischen Gründen wird eine Stufendiagnostik durchgeführt, wobei zunächst mit einer Methode, nämlich dem GDH-Test, begonnen wird. Nur wenn dieser positiv ausfällt, werden die weiteren Methoden eingesetzt. Im Blut findet man eine ausgeprägte Leukozytose, ein erhöhtes Laktat und nach und nach eine Hypalbuminämie. Mittels Bildgebung sieht man eine Erweiterung des Ko-

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2.7 Mykobakterien

lon und eine Verdickung der Darmwand. Bei der Koloskopie ist das pathognomonische Bild der Pseudomembranbildung mit Schleimhautödem, Erythem und ggf. Ulzerationen zu erkennen. Therapie: In manchen Fällen ist eine spezifische Therapie nicht notwendig. Soweit eine Assoziation mit einer Antibiotikatherapie besteht, ist diese abzusetzen. In schweren Fällen kann C. difficile direkt durch Antibiotika beseitigt werden. Mittel der Wahl hierfür ist Metronidazol (i. v. oder oral) oder Vancomycin (oral, weil es nicht resorbiert wird). Resistenzen sind praktisch nicht vorhanden und dennoch kann es Rezidive nach Absetzen geben. Endogene Reinfektionen sind möglich, wenn die prädisponierenden Faktoren weiter bestehen; eine exogene Reinfektion droht, wenn die Anfälligkeit weiterbesteht und eine Kontamination der Umgebung im Hospital mit Sporen erfolgte. Fidaxomicin ist ein Schmalspektrumantibiotikum aus der Gruppe der Makrolide, welches ausschließlich gegen C. difficile wirkt; nach Therapie mit diesem Antibiotikum ist die Rezidivrate niedrig. Bei schweren Verläufen wird durch eine Stuhltransplantation (S. 22) von einem gesunden Spender versucht, die Darmflora zu restituieren. Bei schweren Verläufen mit Megakolon muss gelegentlich eine Kolektomie der betroffenen Areale erfolgen. Eine Ausheilung der Diarrhö kann durch die Gabe von Probiotika, z. B. Sprosspilze der Art Saccharomyces, beschleunigt werden.

Therapie: Bei Assoziation mit einer Antibiotikatherapie ist diese abzusetzen. In schweren Fällen Gabe von Metronidazol oder Vancomycin (oral).

Prophylaxe: Der kluge Einsatz von Protonenpumpeninhibitoren sowie von Antibiotika (antibiotic stewardship (S. 71)), speziell der rationierte Gebrauch von solchen Antibiotika, welche enteral ausgeschieden werden und die natürliche Zusammensetzung der Darmflora verändern, wie Ciprofloxacin, Ceftriaxon, Clindamycin etc., reduziert die Anfälligkeit der Patienten. Eine Isolierung der Patienten mit manifester pseudomembranöser Kolitis ist erforderlich, da sie massenhaft Sporen ausscheiden und eine Gefahr für andere Patienten darstellen. Weil die üblichen Desinfektionsmittel nicht gegen die Sporen der Bakterien wirksam sind, sollten in solchen Situationen zur Flächendesinfektion sauerstoffabspaltende Mittel (Peroxide) verwendet werden, vgl. Kap. „Substanzen zur Desinfektion“ (S. 725). Da auch die alkoholischen Händedesinfektionsmittel nicht sporozid wirken, muss zumindest das Händewaschen mit warmem Wasser sorgfältig erfolgen, um die Keimlast zu reduzieren. Ein schwerer Verlauf einer C.-difficile-Erkrankung sowie Todesfälle sind meldepflichtig.

Prophylaxe: Patienten mit pseudomembranöser Kolitis sollten isoliert werden. Flächen sollten mit sauerstoffabspaltenden Mitteln (Peroxide) desinfiziert werden. Händewaschen kann die Menge der Sporen reduzieren und die Verschleppung minimieren. Schwere Verlaufsfälle sind meldepflichtig.

2.7

Mykobakterien

2.7

Mykobakterien

Herbert Hof ▶ Definition. Mykobakterien sind unbewegliche, nicht sporenbildende Stäbchenbakterien, die einen Zellwandaufbau wie grampositive Bakterien besitzen. Typisch ist jedoch der hohe Lipidgehalt der Zellwand. Langkettige Fettsäuren, speziell Mycolsäuren, sind mit dem Peptidoglykangerüst zu einer dicken, wachsartigen Schicht verknüpft, die einen Stoffaustausch durch diese hydrophobe Zellwand erschwert, sodass die Versorgung mit Nährstoffen kritisch ist. Dies ist ein Grund dafür, dass die Mykobakterien meist nur recht langsam wachsen. Sie benötigen für die Synthese dieser Lipide auch Vorstufen in ihren Nährstoffen, was die speziellen Ansprüche an Kulturmedien erklärt. Außerdem verleiht diese Zellwand eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen Umwelteinflüsse, z. B. gegen Säuren im Magensaft („säurefest“), gegen die Körperabwehr sowie gegen viele Antibiotika. Obwohl sie zu den grampositiven Bakterien gehören, lassen sie sich jedoch mit der Gram-Färbung nicht oder nur extrem schlecht darstellen. Grund für diese Permeabilitätsbarriere ist der hohe Lipidanteil in der Zellwand, der wässrige Farblösungen kaum durchlässt. Mykobakterien lassen sich nur unter Einsatz drastischer Methoden (z. B. durch Einwirkung heißer Farblösungen) anfärben. Haben sie jedoch erst einmal Farbstoff angenommen, können sie auch mit Salzsäure-Alkohol-Mischungen nicht wieder entfärbt werden. Aufgrund dieses Verhaltens werden Mykobakterien als „säurefeste“ Stäbchen bezeichnet. Vergleiche auch Ziehl-Neelsen-Färbung (S. 39).

▶ Definition.

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2.7 Mykobakterien

lon und eine Verdickung der Darmwand. Bei der Koloskopie ist das pathognomonische Bild der Pseudomembranbildung mit Schleimhautödem, Erythem und ggf. Ulzerationen zu erkennen. Therapie: In manchen Fällen ist eine spezifische Therapie nicht notwendig. Soweit eine Assoziation mit einer Antibiotikatherapie besteht, ist diese abzusetzen. In schweren Fällen kann C. difficile direkt durch Antibiotika beseitigt werden. Mittel der Wahl hierfür ist Metronidazol (i. v. oder oral) oder Vancomycin (oral, weil es nicht resorbiert wird). Resistenzen sind praktisch nicht vorhanden und dennoch kann es Rezidive nach Absetzen geben. Endogene Reinfektionen sind möglich, wenn die prädisponierenden Faktoren weiter bestehen; eine exogene Reinfektion droht, wenn die Anfälligkeit weiterbesteht und eine Kontamination der Umgebung im Hospital mit Sporen erfolgte. Fidaxomicin ist ein Schmalspektrumantibiotikum aus der Gruppe der Makrolide, welches ausschließlich gegen C. difficile wirkt; nach Therapie mit diesem Antibiotikum ist die Rezidivrate niedrig. Bei schweren Verläufen wird durch eine Stuhltransplantation (S. 22) von einem gesunden Spender versucht, die Darmflora zu restituieren. Bei schweren Verläufen mit Megakolon muss gelegentlich eine Kolektomie der betroffenen Areale erfolgen. Eine Ausheilung der Diarrhö kann durch die Gabe von Probiotika, z. B. Sprosspilze der Art Saccharomyces, beschleunigt werden.

Therapie: Bei Assoziation mit einer Antibiotikatherapie ist diese abzusetzen. In schweren Fällen Gabe von Metronidazol oder Vancomycin (oral).

Prophylaxe: Der kluge Einsatz von Protonenpumpeninhibitoren sowie von Antibiotika (antibiotic stewardship (S. 71)), speziell der rationierte Gebrauch von solchen Antibiotika, welche enteral ausgeschieden werden und die natürliche Zusammensetzung der Darmflora verändern, wie Ciprofloxacin, Ceftriaxon, Clindamycin etc., reduziert die Anfälligkeit der Patienten. Eine Isolierung der Patienten mit manifester pseudomembranöser Kolitis ist erforderlich, da sie massenhaft Sporen ausscheiden und eine Gefahr für andere Patienten darstellen. Weil die üblichen Desinfektionsmittel nicht gegen die Sporen der Bakterien wirksam sind, sollten in solchen Situationen zur Flächendesinfektion sauerstoffabspaltende Mittel (Peroxide) verwendet werden, vgl. Kap. „Substanzen zur Desinfektion“ (S. 725). Da auch die alkoholischen Händedesinfektionsmittel nicht sporozid wirken, muss zumindest das Händewaschen mit warmem Wasser sorgfältig erfolgen, um die Keimlast zu reduzieren. Ein schwerer Verlauf einer C.-difficile-Erkrankung sowie Todesfälle sind meldepflichtig.

Prophylaxe: Patienten mit pseudomembranöser Kolitis sollten isoliert werden. Flächen sollten mit sauerstoffabspaltenden Mitteln (Peroxide) desinfiziert werden. Händewaschen kann die Menge der Sporen reduzieren und die Verschleppung minimieren. Schwere Verlaufsfälle sind meldepflichtig.

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Mykobakterien

2.7

Mykobakterien

Herbert Hof ▶ Definition. Mykobakterien sind unbewegliche, nicht sporenbildende Stäbchenbakterien, die einen Zellwandaufbau wie grampositive Bakterien besitzen. Typisch ist jedoch der hohe Lipidgehalt der Zellwand. Langkettige Fettsäuren, speziell Mycolsäuren, sind mit dem Peptidoglykangerüst zu einer dicken, wachsartigen Schicht verknüpft, die einen Stoffaustausch durch diese hydrophobe Zellwand erschwert, sodass die Versorgung mit Nährstoffen kritisch ist. Dies ist ein Grund dafür, dass die Mykobakterien meist nur recht langsam wachsen. Sie benötigen für die Synthese dieser Lipide auch Vorstufen in ihren Nährstoffen, was die speziellen Ansprüche an Kulturmedien erklärt. Außerdem verleiht diese Zellwand eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen Umwelteinflüsse, z. B. gegen Säuren im Magensaft („säurefest“), gegen die Körperabwehr sowie gegen viele Antibiotika. Obwohl sie zu den grampositiven Bakterien gehören, lassen sie sich jedoch mit der Gram-Färbung nicht oder nur extrem schlecht darstellen. Grund für diese Permeabilitätsbarriere ist der hohe Lipidanteil in der Zellwand, der wässrige Farblösungen kaum durchlässt. Mykobakterien lassen sich nur unter Einsatz drastischer Methoden (z. B. durch Einwirkung heißer Farblösungen) anfärben. Haben sie jedoch erst einmal Farbstoff angenommen, können sie auch mit Salzsäure-Alkohol-Mischungen nicht wieder entfärbt werden. Aufgrund dieses Verhaltens werden Mykobakterien als „säurefeste“ Stäbchen bezeichnet. Vergleiche auch Ziehl-Neelsen-Färbung (S. 39).

▶ Definition.

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374 ▶ Merke.

D

2 Spezielle Bakteriologie

▶ Merke. Nur wenige andere Bakterien, wie etwa Nokardien, sind zumindest par-

tiell säurefest. Klassifikation: Tab. D-2.17.

≡ D-2.17

Klassifikation: Eine Übersicht über die humanpathogenen Arten zeigt Tab. D-2.17. Neben den 7 Tuberkuloseerregern gibt es noch ca. 170 weitere Mykobakterien, die z. T. medizinische Bedeutung haben. Dazu gehören M. leprae, der Erreger der Lepra, sowie die Gruppe der nicht tuberkulösen Mykobakterien (NTM), die früher als MOTT (mycobacteria other than tubercle bacilli) bezeichnet wurden. Die pathogenetische Bedeutung von NTM ist mehr oder weniger gering; meistens erzeugen sie nur bei Abwehrgeschwächten Infektionen, die mit ganz unterschiedlichen Manifestationen einhergehen.

≡ D-2.17

Übersicht über die Spezies der Gattung Mycobacterium, soweit sie von humanmedizinischem Interesse sind

Gattung

Bedeutung

M. abscessus

NTM (bei Mukoviszidose)

M. africanum

Tuberkuloseerreger

M. avium

NTM

M. bovis (syn.: M. bovis ssp. bovis)

Tuberkuloseerreger

M. caprae (syn.: M. bovis ssp. caprae)

Tuberkuloseerreger

M. canettii

Tuberkuloseerreger

M. chimera

NTM

M. fortuitum

NTM

M. intracellulare

NTM

M. kansasii

NTM

M. leprae

Erreger der Lepra

M. lepraemurium

NTM

M. marinum

NTM (wächst nur bei < 30 °C)

M. microti

Tuberkuloseerreger

M. pinnipedii

Tuberkuloseerreger

M. tuberculosis

Tuberkuloseerreger

M. ulcerans

NTM

M. xenopi

NTM

sowie mehrere weitere nicht humanpathogene Spezies NTM = nicht tuberkulöse Mykobakterien

2.7.1

Tuberkuloseerreger

2.7.1 Tuberkuloseerreger Geschichtliches: Als Robert Koch am 24. März 1882 vor der Berliner Physiologischen Gesellschaft über die Erreger der Tuberkulose berichtete, war dies etwas ungeheuer Revolutionäres. Nicht nur, dass die Tuberkulose, die bislang als rein konstitutionelle Krankheit angesehen wurde, nunmehr zur Infektionskrankheit wurde, nicht nur, dass zahlreiche andere Krankheitsbilder nunmehr als entsprechender Organbefall ein und desselben Erregers erkannt wurden, die Bedeutung der gedanklichen Vorstellungen, die zur Beweissicherung eingesetzt wurden, begründete eine neue Ära ärztlich-wissenschaftlicher Forschung.

Klassifikation: ■ M. tuberculosis ■ M. bovis ■ M.caprae ■ M. africanum ■ M. microti ■ M. canettii ■ M. pinnipedii.

Klassifikation: Als Erreger der menschlichen Tuberkulose gelten: ■ M. tuberculosis ■ M. bovis ■ M.caprae ■ M. africanum ■ M. microti ■ M. canettii ■ M. pinnipedii.

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D

375

2.7 Mykobakterien

Epidemiologie: Die weltweit größte Bedeutung unter den Mykobakterien als Erreger der Tuberkuloe hat M. tuberculosis. M. tuberculosis und M. africanum haben als Hauptwirt den Menschen und werden ausschließlich von Mensch zu Mensch übertragen. M. tuberculosis ist weltweit verbreitet und tritt in Afrika neben M. africanum auf. (Infizierte Personen aus Afrika, speziell Westafrika, können M. africanum einschleppen.) M. bovis und M. caprae werden durch Rinder bzw. andere Tiere auf den Menschen übertragen. Vor allem der Genuss roher Milch führte früher zur primären Darmtuberkulose. Mit der Eliminierung der Rindertuberkulose ist dieser Keim bei uns heute sehr selten geworden und tritt allenfalls noch nach Reaktivierung bei älteren Menschen auf. M. microti verursacht die Tuberkulose der Wühlmaus; von hier kann sie als echter Tuberkuloseerreger auch den Menschen erreichen. M. pinnedii hat als Reservoir Tiere, z. B. Seelöwen. M. canettii, vermutlich ein Vorläufer der humanpathogenen Mykobakterien, kommt heute noch in Teilen von Afrika vor. Die Tuberkulose ist weltweit immer noch stark verbreitet. Etwa ⅓ der Weltbevölkerung ist infiziert, wovon wahrscheinlich jeder 10. im Laufe seines Lebens eine aktive Tuberkulose erfahren wird, sodass er dann bei einer „offenen Tuberkulose“ ansteckend wird. Die umweltstabilen Erreger breiten sich meist aerogen aus. Jährlich erkranken weltweit etwa 10 Mio. Menschen, die meisten davon in Indien, China, Südafrika, Indonesien und Pakistan. In Europa werden dagegen verhältnismäßig wenige Personen, in Europa in 2016 nur 300 000, krank. HIV-infizierte Menschen haben wegen der Schwäche des T-zellulären Immunsystems ein etwa 40-fach höheres Risiko zu erkranken; andererseits bedingt eine aktive Tuberkulose bei HIV-Infizierten die schnelle Ausbildung des Krankheitsvollbildes AIDS. Erreger mit MDR (multi drug resistance), welche eine große Gefahr darstellen, da diese Infektionen nur schwer zu therapieren sind, nehmen zu. Sie sind zumeist importiert aus Südosteuropa, Russland, Indien oder China. In Deutschland nahmen die Fallzahlen in den letzten Jahrzehnten ständig ab. Seit 2013 jedoch steigt die die Zahl der Erkrankungen wieder an, und zwar in 2015 auf 5 800 Neuerkrankungen. Dies beruht hauptsächlich darauf, dass Menschen mit Migrationshintergrund die Infektion einschleppen. Rückläufig ist die Zahl weiterhin bei Deutschstämmigen, außer bei > 70-Jährigen sowie bei Personen, die in schlechten sozialen Situationen – vor allem in Großstädten – leben.

Epidemiologie: M. tuberculosis ist welteit verbreitet und hat die größte Bedeutung unter den Mykobakterien als Erreger der Tuberkulose M. tuberculosis und M. africanum werden ausschließlich von Mensch zu Mensch übertragen. Die Übertragung von M. bovis und M. caprae, der Erreger der Rindertuberkulose, erfolgt in der Regel über rohe Kuhmilch und führt zur Darm- oder Lymphknotentuberkulose.

Pathogenese: Mykobakterien bilden zwar keine Toxine, aber der hohe Wachs- und Lipidanteil in der Zellwand der Tuberkuloseerreger spielt eine wichtige Rolle in der Pathogenese. Er ist verantwortlich für ■ die schlechte Anfärbbarkeit der Bakterien (Säurefestigkeit), ■ das langsame Wachstum der Keime (Nährstoffe können nur sehr langsam durch wenige Kanäle (Porine) in das Zellinnere diffundieren), ■ die weitgehende Unempfindlichkeit gegenüber chemischen und physikalischen Noxen (umweltstabil), ■ die Vorgänge im menschlichen Organismus nach der Infektion (resistent gegen Körperabwehr) und ■ die geringe Permeabilität für Antibiotika (viele der üblichen Antibiotika sind unwirksam).

Pathogenese: Mykobakterien haben einen speziellen Aufbau der Zellwand, die sie vor Umwelteinflüssen und der antimikrobiellen Abwehr im Körper eines Infizierten schützt. Sie bilden keine Toxine.

Die Infektion mit Tuberkulosebakterien ist weltweit immer noch weit verbreitet. Geschätzt waren 2016 mehr als 10 Millionen Menschen – vor allem in Südostasien und Afrika - an einer aktiven Tuberkulose erkrankt. HIV-Infizierte sind besonders anfällig. Nur Patienten mit einer offenen Tuberkulose sind ansteckend. Die umweltstabilen Erreger werden meist aerogen verbreitet. Ein Problem ist die Existenz von Bakterien mit Multiresistenz, die zumeist aus Russland, Indien oder China importiert sind.

In Deutschland, wo die Zahl der Erkrankten in den letzten Jahrzehnten stetig zurück ging, steigt die Zahl neuerdings wieder an, nämlich auf > 5 800 Fälle pro Jahr in 2015. Risikogruppen sind vor allem Migranten aber auch Personen in schlechten sozialen Verhältnissen und > 70-Jährige.

▶ Exkurs. Wachs D hat eine besondere Eigenschaft: die immunogene Wirkung anderer Antigene wird verstärkt (Adjuvanswirkung). Der amerikanische Pathologe Jules Freund konnte mit abgetöteten Mykobakterien in einer Wasser-in-Öl-Emulsion diesen Effekt im Tierexperiment nachweisen (komplettes Freund-Adjuvans).

▶ Exkurs.

▶ Merke. Die nicht immunogene Wirkung der Lipide und Wachse in der Zellwand

▶ Merke.

und die sehr langsame Vermehrung bedingen, dass der Erreger beim primären Eindringen in das Gewebe keine Entzündung, sondern in der Regel eine inapparente Infektion auslöst.

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376

D

Die Erreger lassen sich von Gewebemakrophagen aufnehmen und in tiefere Organregionen verschleppen. Innerhalb dieser Zellen können sie sich auch vermehren. Erst die durch T-Lymphozyten vermittelte Aktivierung der Makrophagen führt zu einer Elimination der Mykobakterien. Eine heftige, chronische Entzündungsreaktion, ausgelöst von einer zellvermittelten (T-Zell-vermittelten Immunreaktion), führt zu Gewebeschäden.

Ein besonderes Charakteristikum der Tuberkulose ist die Ausbildung von Tuberkeln. Es handelt sich dabei um verschmolzene, mehrkernige Makrophagen (Langhans-Riesenzellen), die von Epitheloidzellen, Lymphozyten, Plasmazellen, Fibroblasten, Granulozyten und Makrophagen umhüllt werden. Im Zentrum dieses avaskulären Granuloms entsteht eine verkäsende Nekrose, die schließlich durch Kalziumablagerungen verkalken kann (Abb. D-2.34). Da eine komplette Eradikation von M. tuberculosis durch die Granulombildung selten gelingt, entwickelt sich eine latente Infektion (man spricht auch von LTBI = latente tuberkulöse Infektionen mit M.-tuberculosis-Komplex).

⊙ D-2.34

2 Spezielle Bakteriologie

Mykobakterien lassen sich von Gewebemakrophagen phagozytieren und verzögern die Verschmelzung von Phagosom und Lysosom. Die dicke Mycolsäureschicht auf der Außenseite der Mykobakterien schützt vor den antimikrobiellen Stoffen im Phagosom und somit vor Inaktivierung. Durch Vermehrung im Phagosom verursachen die Erreger den Zelltod des Makrophagen. Dabei werden lebende Mykobakterien frei, die auf dem Blut- und Lymphweg in tiefere Organregionen, z. B. den Lymphknoten, gelangen. Dort werden sie wieder von ortsständigen Phagozyten phagozytiert. Erst wenn die Makrophagen durch immunkompetente T-Lymphozyten mittels Lymphokine (IFN-γ, TNF etc.) stimuliert werden, kommt es zur Abtötung der phagozytierten, intrazellulären Mykobakterien. Die Klinik der Tuberkulose wird bestimmt durch den Wettlauf zwischen Vermehrung der virulenten Erreger und deren Abtötung durch die körpereigene Abwehr. Ein besonderes Charakteristikum der Tuberkulose ist die Ausbildung von Tuberkeln, welche histologisch als Granulom (Abb. A-3.5) imponieren. Im Zentrum dieses avaskulären Granuloms entsteht durch komplette Zerstörung der zellulären Gewebsstrukturen eine verkäsende Nekrose (Abb. D-2.34), die schließlich durch Kalziumablagerungen verkalken kann (die Verkalkungsherde, die spät im Krankheitsverlauf entstehen, sind röntgenologisch nachweisbar). In diesem amorphen Material aus einem komplexen Gemisch aus Lipiden, wovon die Mykobakterien sich ernähren, können einige Bakterien lange Zeit überleben. Angelockt durch das Infektionsgeschehen liegen um diese zentrale Nekrose herum Entzündungszellen, nämlich Granulozyten, Fibroblasten, Makrophagen, epitheloide Zellen, Langhans-Riesenzellen umgeben von einem Wall aus Lymphozyten (v. a. T-Lymphozyten). Die Epitheloidzellen sind Makrophagen, die durch die Zytokine der spezifisch gegen M. tuberculosis geprimten T-Lymphozyten in einen hohen Aktivitätsgrad versetzt wurden, sodass die intrazellulären Tuberkelbakterien abgetötet werden können. Die Langhans-Riesenzellen sind mehrkernige Synzytien von fusionierten epitheloiden Makrophagen. In einem Erkrankten findet man parallel solche Granulome (Tuberkulome) in verschiedenen Entwicklungsstadien.

Tuberkulöses Granulom

Langhans-Riesenzellen (Synzytium)

zentrale Verkäsung (homogen)

Zone aus Epitheloidzellen (große, irreguläre Kerne)

Wall von Lymphozyten (kleine, runde Kerne)

▶ Merke.

Histologischer Befund (Lymphknotentuberkulose): Im Zentrum der infektiösen Herde findet man eine Verkäsung, d. h. eine vollständige Zerstörung der anatomischen Strukturen; das nekrotische, lipidhaltige Material färbt sich homogen an. Am Rand der Nekrose geht der Kampf gegen die Erreger weiter, hier findet man mehrere Reihen von hellen Zellen, sog. Epitheloidzellen. Es handelt sich dabei um aktivierte Makrophagen, die gelegentlich Synzytien bilden, dabei entstehen mehrkernige Riesenzellen (Langhans-Riesenzellen). Den äußeren Randwall des Granuloms bilden T-Lymphozyten, die mittels ihrer Zytokine die Makrophagen in einen Zustand erhöhter antibakterieller Aktivität bringen.

▶ Merke. Das Granulom ist Ausdruck einer zellvermittelten, d. h. T-Zell-vermittelten

Immunreaktion des Körpers gegen die pathogenen Mykobakterien. Die immunologischen Abwehrmechanismen des Organismus gegen Tuberkuloseerreger sind rein zellulärer Natur; die humorale Abwehr ist nur unwesentlich an der Abwehr der fakultativ intrazellulären Bakterien beteiligt, wenngleich Antikörper gegen verschiedene Antigene der Erreger gebildet werden. Durch die Granulombildung gelingt es beim Immunkompetenten in den allermeisten Fällen, das Ausbreiten der Infektion zu verhindern. Zumeist verläuft also eine Infektion mit M. tuberculosis inapparent. Bei T-Zell-Schwäche, etwa im hohen Alter, unter Kortisontherapie, bei Immunsuppression und bei AIDS, erfolgt die Granulombildung nicht in vollem Umfang und die Infektion schreitet fort.

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D

377

2.7 Mykobakterien

Eine komplette Eradikation ist aber auch beim Abwehrtüchtigen nur selten möglich. In solchen Foci (Focus lat. = Herd) können einzelne Keime von M. tuberculosis jahrelang überleben; dabei vermehren sie sich nicht merklich. Es besteht eine latente tuberkulöse Infektion (LTBI). Wenn sich aus Altersgründen oder Krankheit oder iatrogen eine T-Zell-Schwäche entwickelt, kann eine endogene Exazerbation erfolgen – auch oft Jahre nach der Erstinfektion. ▶ Merke. 90 % aller Infektionen mit M. tuberculosis verlaufen bei sonst gesunden

▶ Merke.

Menschen asymptomatisch. Da auch durch eine normale Immunabwehr keine vollständige Beseitigung der Erreger erreicht werden kann, können einige wenige Erreger in einer „Nische“ lebenslang persistieren, ohne klinische Zeichen auszulösen (latente Infektion). Sobald eine Schwächung des Immunsystems vorliegt, z. B. im hohen Alter, kann es zur endogenen Exazerbation kommen. In einem Granulom sind die Bakterien eingeschlossen und können nicht nach außen dringen („geschlossene“ Tuberkulose). Wenn solche Herde groß werden – vor allem bei abwehrschwachen Personen – und erhebliche Gewebeanteile zerstören, können sie zerfallen, nach außen drainieren und massiv Erreger freisetzen („offene“ Tuberkulose). Wenn also bei einer Lungentuberkulose die Granulome in den Bonchialtrakt durchbrechen, erscheinen die lebenden Tuberkelbakterien im Sputum. Mit dem z. T. blutigen Auswurf erfolgt eine Streuung der Erreger mittels Tröpfchen (Aerosolbildung) in die Umgebung, die dann auf andere Personen übertragen werden.

Von einer „offenen“ Tuberkulose spricht man, wenn Mykobakterien aus Infektionsherden nach außen abgegeben werden und der Patient somit andere anstecken kann. Eine hohe Ansteckungsgefahr entsteht vor allem durch die aerogene Ausbreitung der Erreger bei Lungentuberkulose.

Klinik: Primärtuberkulose: Erstinfektionen mit tuberkuloseerzeugenden Mykobakterien sind in den entwickelten Ländern heute nur noch selten, weil Patienten mit offener Tuberkulose rechtzeitig erkannt werden. Die Infektion erfolgt aerogen durch Tröpfchen. Betroffen ist folglich zunächst fast immer die Lunge (Abb. D-2.35). In der Lunge entwickelt sich bei Erstinfektion ein Tuberkelgranulom, wodurch die Fortentwicklung der Läsion schon im Anfangsstadium gestoppt wird. Nach Verkalkung des Herdes bleibt als Residuum ein erbsengroßer Schatten röntgenologisch nachweisbar. Wenn evtl. auch noch eine Ausbreitung entlang der Lymphbahnen in die regionalen Hiluslymphknoten erfolgte, ist der sog. Primärkomplex nachweisbar. Klinisch verläuft auch eine solche Infektion beim Abwehrtüchtigen oft symptomlos.

Klinik: ■ Die Primärtuberkulose betrifft fast immer die Lunge (Abb. D-2.35). Sie entsteht, wenn nach der Aufnahme der Erreger eine immunologische Kontrolle nicht gelingt und.



⊙ D-2.35

Primärtuberkulose Lungenbefall mit Ausbreitung entlang der Lymphbahnen in die regionalen Hiluslymphknoten (sog. Primärkomplex). (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 130, Bronchopulmonale Infektionen 1988)

Hiluslymphknoten Primärherd

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378 ■

Eine Primärinfektion heilt nicht immer komplett aus. Von einer latenten Tuberkuloseinfektion (LTBI) muss man ausgehen, wenn trotz fehlender klinischer Symptomatik der Nachweis einer immunologischen Auseinandersetzung mit M. tuberculosis gelingt.



Postprimärtuberkulosen sind endogene Streuungen der Erreger nach Reaktivierung im abwehrgeschwächten Organismus.



50–70 % aller klinisch manifesten Tuberkuloseerkrankungen sind Reaktivierungstuberkulosen, bei denen aus Primärtuberkeln Keime freigesetzt werden.

Bei leichter Krankheit und geringer Keimaussaat ist oft nur ein Organ – meistens die Lunge – betroffen (Abb. D-2.36). Die Tuberkulose kann aber jedes Organ betreffen und ist somit Gegenstand fast jeder klinischen Disziplin. Gefürchtet sind die Miliartuberkulose und die tuberkulöse Meningitis.

⊙ D-2.36

Diagnostik: Anamnese: Speziell nach Exposition, d. h. bei Tuberkulose in der Umgebung, und nach früherer Infektion mit M. tuberculosis muss an diese Ätiologie gedacht werden. Der Patient klagt oft über Nachtschweiß, Gewichtsabnahme („Schwindsucht“), chronischen Husten mit blutigem Auswurf.

D

2 Spezielle Bakteriologie

Latente Tuberkuloseinfektion (LTBI): Eine einmal erfolgte Primärinfektion heilt nur selten vollständig aus. Man muss auch nach erfolgreicher Abwehr durch das Immunsystem von einer Persistenz der Erreger in verkalkten Gewebsnarben (z. B. in den Lungenspitzen) ausgehen. Solche Personen tragen das Risiko, im Laufe ihres Lebens eine Reaktivierung der Erkrankung zu erleben, wenn sich eine erworbene Abwehrschwäche entwickelt. Durch immunologische Tests, wie den TuberkulinHauttest oder besser durch einen Interferongamma Release Assay (IGRA) (siehe weiter unten), lässt sich eine latente Infektion belegen. ■ Postprimärtuberkulosen: Sie sind immer endogener Natur und können mehrere Ursachen haben: Der in der Regel abwehrgeschwächte Körper (HIV-Infektion, Alkoholismus, iatrogen Immungeschwächte, Säuglingsalter etc.) kann die Primärtuberkulose nicht lokal begrenzen. Es kommt zur disseminierten Aussaat des Erregers. ■ Bei Patienten mit einer latenten Tuberkulose, bedingt durch eine Abwehrschwäche, ist auch Jahre nach Erstinfektion eine endogene Exazerbation möglich und kann zu einer klinischen Manifestation führen. Ca. 50–70 % aller klinisch manifesten Tuberkulosen sind durch eine Reaktivierung bedingt. Betroffen sind vor allem ältere Menschen. Kann die Infektion einigermaßen unter Kontrolle gehalten werden und ist die Keimaussaat relativ gering, so ist oftmals nur ein Organ betroffen und zwar die Lunge. Im Prinzip kann die Tuberkulose praktisch jedes Organ betreffen (Abb. D-2.36). Im Grunde findet man Tuberkulose folglich in fast jeder klinischen Disziplin. Tuberkel innerhalb von Organen haben makroskopisch das Aussehen von Hirsekörnern (milium = lat. das Hirsekorn). Wenn in verschiedenen Organen ein massenhaftes Auftreten von Tuberkeln beobachtet wird, spricht man von einer Miliartuberkulose. Je nach Organbefall, Ausdehnung und Gewebezerstörung kann der Zustand der Patienten außerordentlich kritisch sein. Eine tuberkulöse Meningitis, vor allem, wenn sie spät erkannt wird, verläuft schwer und endet oft letal. ■

⊙ D-2.36

Manifestationsorte der Tuberkulose

Diagnostik: Die Anamnese über evtl. frühere Erkrankungen oder Infektionen in der Umgebung weckt einen ersten Verdacht. Spezielle berufliche Exposition, niedriger sozialer Status wie Obdachlosigkeit, Alkoholismus, Drogenabusus, hohes Alter und vor allem Migrationshintergrund sind Risikofaktoren für eine Tuberkulose. Wegen der chronischen Ausschüttung der endogenen Pyrogene IL-1 und TNF-α klagt der Patient typischerweise über wochen- und evtl. monatelange subfebrile Temperaturen oder Fieberzustände typischerweise mit Nachtschweiß. Da die proinflammatorischen Zytokine auch auf Osteoklasten, Fibroblasten, Myozyten und Adipozyten wirken, s. Kap. „Äußere Membran bei gramnegativen Bakterien“ (S. 293), kommt es allmählich zu einer deutlichen Gewichtsabnahme mit Muskelschwund, sog. „Schwindsucht“ (DD: Tumorkachexie). Bei einem Einbruch der entzündlichen ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

D

379

2.7 Mykobakterien

Granulome in die Atemwege ist auch ein chronischer Husten mit Blutbeimengung im Sputum zu beobachten (DD: Lungenkarzinom). Oft wird aufgrund einer Bildgebung (z. B. Röntgenbild, CT) von Lunge und anderen Organen der Verdacht auf eine Tuberkulose erhärtet. Vor allem in den Lungenspitzen sieht man nach einer Primärinfektion in der akuten Phase Rundherde, die später verkalken. Eventuell sieht man neben diesem Primäraffekt auch noch einen Primärkomplex (Rundherd in der Lungenpitze plus eine Lymphangitis plus eine Schwellung der hilären Lymphknoten). In fortgeschrittenen Stadien sind dann viele Läsionen oder evtl. auch schon eine Kavernenbildung mit Lufteinschlüssen sichtbar, die sich als Folge von Gewebeeinschmelzungen gebildet haben. Mikrobiologische Diagnostik: Von entscheidender Bedeutung für den Erfolg eines Erregernachweises ist die Präanalytik, d. h. die Qualität des Untersuchungsmaterials. Die Probe muss vom Ort des Geschehens gewonnen werden, und zwar in ausreichender Menge. Sputumproben sollten möglichst an 3 unterschiedlichen Tagen abgenommen werden. Der direkte mikrobiologische Nachweis von M. tuberculosis ist beweisend für das Vorliegen einer aktiven Tuberkulose. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten: die Mikroskopie, die Molekularbiologie und die Kultur, die jeweils unterschiedlichen praktischen Wert für die Diagnosestellung haben. Mykobakterien lassen sich direkt in verschiedenen Patientenproben, z. B. Sputum, Trachealsekret, Pleurapunktat, Liquor cerebrospinalis, Punktaten etc. mikroskopisch darstellen. Die Bakterien werden in der Regel durch Zentrifugation angereichert und dann nach Ziehl-Neelsen angefärbt, sodass man die sog. „säurefesten Stäbchen“ erkennt. Alternativ kann man Fluoreszenzfarbstoffe, wie z. B. Auramin, verwenden. Das Präparat muss mindestens 5 min nach einem mäanderförmigen Muster abgesucht werden, vor allem, wenn nur wenige Bakterien enthalten sind. (Die Sensitivität der Methode ist nicht sehr hoch.) Im positiven Falle erhält man einen schnellen Hinweis auf die Präsenz von Mykobakterien. Die Menge der Keime gibt einen praktisch wichtigen Hinweis auf die notwendigen medizinischen Maßnahmen speziell bei Patienten mit einer hohen Keimlast. Denn gerade diese Menschen sind stark kontagiös. Ein negatives Mikroskopieergebnis schließt jedoch wegen der geringen Sensitivität eine Infektion nicht aus. Eine Unterscheidung zwischen Tuberkuloseerregern und NTM ist damit jedoch nicht möglich (Tab. D-2.18). ▶ Merke. Negative Befunde bei einer 1-maligen mikroskopischen Untersuchung

Röntgenologischer Nachweis: Einzelherde, meist in den Lungenspitzen; bei früherer Infektion oft schon verkalkt; evtl. Lymphangitis und Lymphknotenschwellungen hilär (Abb. D-2.35); evtl. mehrere Rundherde und ggf. Kavernenbildung.

Mikrobiologische Diagnostik: Die Präanalytik ist für den Erfolg eines Erregernachweises entscheidend. Sputumproben möglichst an 3 unterschiedlichen Tagen. Direkter mikrobiologischer Nachweis: Mykobakterien lassen sich mit Spezialfärbungen (z. B. Ziehl-Neelsen) direkt in Sputum, Trachealsekret, Liquor etc. umgehend nachweisen. Damit kann jedoch nur der Befund „säurefeste Stäbchen“ erhoben werden. Für die endgültige Diagnose sind der kulturelle und ggf. der molekularbiologische Nachweis (mittels PCR) unerlässlich.

▶ Merke.

schließen eine Tuberkulose niemals aus! Mit Hilfe von molekularbiologischen Methoden (NAT [nucleic acid amplification test] z. B. PCR), kann in kurzer Zeit und mit höherer Sensitivität als mit der Mikroskopie der Nachweis von Mykobakterien direkt im Untersuchungsmaterial erbracht werden. Im positiven wie im negativen Fall erhält man mit dieser Methode eine zuverlässige Aussage über Tuberkuloseerreger oder NTM. Diese molekularbiologische Methode ist also von hoher Sensitivität und Spezifität und hat einen hohen prädiktiven Wert. Manche Tests schließen bereits eine genetische Resistenzprüfung zumindest für einige Antibiotika ein, was vor allem bei Verdacht auf multiresistente Erreger hilfreich ist. Die Kultivierung der Erreger setzt in der Regel eine Probenvorbereitung voraus. Das Untersuchungsmaterial muss homogenisiert und die Begleitflora weitgehend abgetötet werden. Hierzu stehen bewährte Labortechniken zur Verfügung, z. B. die NAcetyl-L-Cystein-NaOH-Methode (kurz: NALC). Die Kultur erfolgt auf lipidhaltigen Nährmedien, z. B. Gylcerol-Eier-Agar nach Löwenstein-Jensen (Abb. D-2.37); parallel werden zur Anzucht auch spezielle Flüssigkulturen verwendet, die ein schnelleres Wachstum ermöglichen. Die meisten Mykobakterien lassen sich auf diesen Spezialnährböden unter strikt aeroben Bedingungen kultivieren. Die Kulturen müssen mindestens 6 (Flüssigkulturen) bzw. 8 Wochen (feste Nährmedien) bebrütet werden. Kulturzeit und -morphologie von M. tuberculosis und M. bovis sind Tab. D-2.18 zu entnehmen. In der Regel sind bei mikroskopisch stark positiven Proben schon nach 7 Tagen die Kulturen positiv. Bei geringer Keimzahl kann es bis zu 3 Wochen dauern. Die NTM sind in ihren Wachstumseigenschaften sehr variabel. Als schnell wachsen-

Mithilfe der PCR kann man aus diversen Untersuchungsmaterialien (außer Venenblut und Knochenmark) in kurzer Zeit den Nachweis von Tuberkuloseerregern erbringen; zusätzlich ist auch eine genetische Resistenzprüfung (allerdings gegen nur wenige Antibiotika) möglich.

Der Goldstandard der Tuberkulosediagnostik ist die Kultur (Tab. D-2.18, Abb. D-2.37).

Die Kultivierungszeiten liegen in der Regel bei 1 bis 3 Wochen; bei langsam wachsenden Mykobakterien bei bis zu 8 Wochen, bei schnell wachsenden bei 1 Woche.

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380

D

Tuberkuloseerreger sind langsam wachsende Bakterien (Verdopplungszeit bis zu 24 Stunden). Positive Kulturen müssen zur Klärung von Tuberkuloseerreger oder NTM unbedingt differenziert werden.

de Mykobakterien werden solche verstanden, die innerhalb 1 Woche makroskopisch sichtbare Kolonien hervorbringen. Die langsam wachsenden Bakterien benötigen Kulturzeiten bis zu 8 Wochen, da die Verdopplungszeit bis zu 24 Stunden beträgt (während die meisten Bakterien sich innerhalb von 20 Minuten teilen; Tab. D-1.5). Tuberkuloseerreger sind langsam wachsende, keinen Farbstoff bildende Mykobakterien (Abb. D-2.37). Zu einem endgültigen Befund gehört die Differenzierung der verschiedenen Arten von Mykobakterien. Die Kulturmorphologie, insbesondere das Pigmentationsverhalten, und die Wachstumsgeschwindigkeit geben Hinweise (Tab. D-2.18). M. tuberculosis wächst auf Löwenstein-Jensen-Nährböden in trockenen, krümeligen Kolonien, wogegen M. bovis und M. caprae kleine, feuchte Kolonien bilden. Eine endgültige Differenzierung der Isolate erfolgt innerhalb kurzer Zeit mit immunchromatografischen, massenspektroskopischen oder molekularbiologischen Methoden.

⊙ D-2.37

2 Spezielle Bakteriologie

Kultur von Mycobacterium tuberculosis auf Löwenstein-Jensen-Agar

a

b

Die farblosen Kolonien sind nicht glatt/glänzend, sondern trocken und rissig (eugones Wachstum). (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 130, Bronchopulmonale Infektionen 1988)

≡ D-2.18

Versuche mit Meerschweinchen werden zur Diagnostik nicht mehr durchgeführt. ▶ Merke.

≡ D-2.18

Differenzierung von M. tuberculosis und M. bovis sowie M. caprae aufgrund der Kulturbedingungen

Spezies

Kulturzeit

Kulturmorphologie

M. tuberculosis

ca. 2 Wochen

eugones Wachstum: farblose, trockene, blumenkohlartige Kolonien

M. bovis, M. caprae

3–4 Wochen

dysgones Wachstum: farblose, glatte, feucht-glänzende Kolonien

Versuche mit den hochempfindlichen Meerschweinchen werden heute zu diagnostischen Zwecken nicht mehr durchgeführt. ▶ Merke. Bei Nachweis von M. tuberculosis (durch Kultur oder PCR) in Sekreten ist

der Nachweis einer aktiven, d. h. „offenen“ Tuberkulose erbracht, was eine Therapiebedürftigkeit und Isolierungspflicht beinhaltet. Spätere Kontrolluntersuchungen zeigen dann, ob eine spezifische Therapie anspricht oder nicht. Eine Resistenzbestimmung von Mykobakterien gegenüber den wichtigsten Antibiotika muss bei jedem Patient erfolgen. Goldstandard ist die phänotypische Bestimmung mittels Kultur, die allerdings ca. 7 Tage benötigt. Eine schnelle Vorabeinschätzung gelingt mit molekularbiologischen Verfahren, wobei resistenzassoziierte Mutationen festgestellt werden.

Von jedem Patienten sollte von den Erstisolaten eine Resistenzbestimmung gegenüber den wichtigsten Antibiotika, nämlich INH, Rifampicin, Ethambutol und Pyrazinamid durchgeführt werden. Goldstandard ist die phänotypische Testung mittels Kultur, welche allerdings etwa 7 Tage benötigt. Im Falle von Resistenzen gegen einzelne der Standardantibiotika oder bei Unverträglichkeit müssen weitere Substanzen, die sog. „Second-line“-Antibiotika, geprüft werden. Bei Nichtansprechen einer Therapie muss man auch Nachfolgeisolate auf eine evtl. erworbene Resistenz hin testen. Resistenzvermittelnde Mutationen in bestimmten Genabschnitten der Mykobakterien sind für bestimmte Antibiotika, darunter Rifampicin, bekannt. Diese lassen sich durch molekularbiologische Verfahren (PCR, Hybridisierung, Sequenzierung) innerhalb kurzer Zeit bestimmen. Solange jedoch nicht alle Resistenz auslösenden Mutationen bekannt sind, kann auf die phänotypische Resistenzbestimmung nicht verzichtet werden.

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D

381

2.7 Mykobakterien

Eine akute Infektion mit M. tuberculosis bzw. eine frühere Exposition, also eine latente Infektion, lassen sich indirekt nachweisen, indem eine erfolgte Immunreaktion gemessen wird. Der früher übliche Tuberkulin-Hauttest wird heute nur noch in ganz speziellen Fällen, z. B. bei Kindern < 5 Jahren, durchgeführt. Vielmehr wird eine immunologische Reaktion von T-Lymphozyten des menschlichen Organismus auf spezifische Peptidantigene von M. tuberculosis mit einem Interferon Gamma Release Assay (IGRA) geprüft, z. B. durch den T-SPOT-TB- oder den Quantiferon-Test. Diese immunologischen Tests benötigen lebende T-Lymphozyten im Venenblut von Patienten. Im Labor werden sie spezifischen Peptidantigenen von M. tuberculosis ausgesetzt. Nur wenn sie bereits während einer Infektion Kontakt mit den Antigenen von M. tuberculosis hatten, schütten sie γ-Interferon aus, dessen Produktion dann im Labor gemessen wird. Das Ergebnis ist nach 24 Stunden ablesbar. Eine Kreuzreaktivität mit dem BCG-Impfstoff sowie den meisten NTM besteht nicht. Im positiven Fall liegt eine akute, therapiebedürftige Infektion oder aber eine latente, nicht therapiebedürftige Tuberkulose vor (LTBI), denn die Memory-T-Zellen zirkulieren auch noch nach Jahrzehnten. Die Diagnose einer akuten Infektion muss der Nachweis der Erreger erbringen. Diese immunologischen Tests haben somit einen hohen Stellenwert in der Diagnostik von M.-tuberculosis-Infektionen. Aufgrund einer begrenzten Sensitivität schließt ein negatives Ergebnis jedoch eine Infektion nicht mit Sicherheit aus! Falsch negative oder nicht auswertbare Befunde können auch auftreten, wenn eine starke Lymphopenie vorliegt oder diese Zellen in ihrer Funktion geschwächt sind, z. B. nach immunsuppressiver Therapie oder auch nach langem Transport der Blutprobe. Um dies zu erkennen, wird immer eine Positivkontrolle (Zusatz von Phythämagglutinin zu den Lymphozyten im Blut, welches die Ausschüttung von Interferon aus Lymphozyten generell stimuliert) mitgeführt.

Immunologische Verfahren: Infektionen mit Tuberkulosebakterien können auch indirekt nachgewiesen werden. Dabei werden T-Lymphozyten im Venenblut des Patienten erfasst, welche nach Exposition gegenüber spezifischen Antigenen der Tuberkuloseerreger mit einer Produktion von Interferongamma reagieren.

Therapie: Wegen der besonderen Zellwandstruktur der Mykobakterien, ihrer geringen Vermehrungsgeschwindigkeit und der teils intrazellulären Lagerung in den Phagozytosevakuolen von Makrophagen ergeben sich einige Unterschiede in der Antibiotikatherapie der Tuberkulose gegenüber anderen bakteriellen Infektionen (Tab. D-2.19). Die eingesetzten Präparate finden z. T. nur bei Mykobakterieninfektionen Anwendung.

Therapie: Infektionen mit Mykobakterien müssen immer mit einer Kombination von mehreren Medikamenten über mehrere Monate hinweg therapiert werden (Tab. D-2.19).

▶ Merke. Eine Kombination von mehreren der aufgeführten Präparate ist notwen-

▶ Merke.

dig, weil diese jeweils unterschiedliche Targets angreifen und auf unterschiedliche extrazelluläre bzw. intrazelluläre Populationen wirken. Empfohlen wird im Regelfall eine 4er-Kombination mit Erstlinienantibiotika (INH, Rifampicin, Pyrazinamid, Ethambutol) für die ersten 2 Monate. Für weitere 4 Monate wird eine 2er-Kombination von INH plus Rifampicin angeraten. Wichtig ist die Mehrfachkombination auch, um die Entstehung von resistenten Varianten zu verhindern. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine einzelne Bakterienzelle gleichzeitig gegen mehrere Substanzen einen Resistenzmechanismus entwickelt, ist äußerst gering, selbst dann, wenn die Antibiotika über viele Monate verabreicht werden müssen, um auch die versteckten und wenig aktiven Erreger zu erfassen. Dennoch muss vor und auch während einer Therapie – spätestens aber bei Therapieversagen – ein Antibiogramm der Isolate erstellt werden. Im Allgemeinen jedoch greift eine Kombinationstherapie bei stationärer Behandlung recht schnell, sodass bei empfindlichen Erregern innerhalb von 1–2 Monaten eine Elimination der Mehrzahl, vor allem der vermehrenden Keime, stattfindet und somit eine Ansteckungsfähigkeit in 90 % unterbunden wird. Eine stationäre Behandlung – oder sogar eine monatelange Separation in Lungenheilanstalten wie früher – ist nicht mehr notwendig. Allerdings muss in der Stabilisierungsphase weiterhin eine Kombinationstherapie (INH und Rifampicin) für 4–7 Monate erfolgen, um eine endgültige Heilung zu erzielen. Bei resistenten Stämmen werden weitere, die sog. Zweitlinienantibiotika, wie moderne Fluorochinolone, Aminoglykoside (Amikacin, Capreomycin), Protionamid, PAS, Cycloserin, Makrolide und Linezolid eingesetzt. Weitere, neue und außergewöhnliche Antibiotika werden erprobt.

Am Bakterium greifen sie an unterschiedlichen Targets an. Die Selektion von resistenten Varianten wird somit unterdrückt. Dennoch muss vor und auch während einer Therapie – spätestens aber bei Therapieversagen – ein Antibiogramm der Isolate erstellt werden.

Die Kombinationstherapie ermöglicht nach wenigen Wochen eine Entlassung des Patienten aus der Isolierung, wenn die Mehrzahl der Bakterien bereits abgetötet ist und keine Ansteckungsgefahr mehr besteht. Allerdings muss in der Stabilisierungsphase weiterhin eine Kombinationstherapie (INH und Rifampicin) für 4–7 Monate erfolgen, um eine endgültige Heilung zu erzielen.

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382

≡ D-2.19

D

2 Spezielle Bakteriologie

Bei Infektionen mit Mykobakterien eingesetzte Antibiotika

Medikament

Erreger

Mechanismus

Medikamente für Standardtherapien Isoniazid (INH)





Rifampicin/Rifabutin

Pyrazinamid

Ethambutol

Streptomycin (Aminoglykosid der ersten Generation)

Tuberkuloseerreger mit MHK-Werten von < 0,02 mg/l, in der akuten Phase mit extrazellulärer Vermehrung



bakterizid



Die Spezifität für Tuberkelbakterien beruht auf deren spezieller Zellwand, da INH die Synthese von langkettigen Fettsäuren (> 26 Glieder) behindert.



Aktivierung durch die Katalase der INH-empfindlichen Mykobakterien



bakterizid (auch im sauren Milieu der Phagozytosevakuole)



RNS-Polymerase-Hemmer

Die meisten NTM haben eine weit geringere Empfindlichkeit, ebenso die üblichen Bakterien



viele Mykobakterien-Arten (Tuberkuloseerreger und NTM)



extrazellulär und intrazellulär



M. tuberculosis, M. africanum, M. caprae, bei M. bovis sind resistente Stämme möglich, NTM sind a priori resistent



bakterizid (nur im sauren Milieu der Phagozytosevakuole)



intrazellulär





nur gegen sich aktiv vermehrende Keime → Pyrazinamid ist bei einer Tuberkulose durch M. tuberculosis in der Anfangsphase (2 Monate lang) wirkungsvoll. Wenn dann später, im sog. paukibazillären Stadium, nur noch ganz wenige, „verschlafene“ Keime vorhanden sind, nützt dieses Präparat nicht mehr viel.

Nach Aktivierung in der Leber entsteht ein Metabolit, der ausschließlich auf M. tuberculosis wirkt.



allein eingesetzt, hat es nur geringe Wirkung



bakteriostatisch



In Kombination mit anderen Tuberkulosemedikamenten kann es sowohl die extra- wie intrazelluläre Vermehrung von Tuberkuloseerregern und vielen NTM beeinträchtigen.



unterbindet den Einbau von Arabinogalactan in die Zellwand



zunehmend seltener eingesetzt; allenfalls noch zur Behandlung einer akuten Phase einer ZNS-Tuberkulose (als Ersatz für Ethambutol)



rasch bakterizid bei neutralem pH-Wert

„Zweitlinien“-Medikamente Fluorochinolone (Levofloxacin, Moxifloxacin)



wichtigster Ersatz bei Stämmen mit Resistenz ggf. Standardtherapie bzw. Unverträglichkeit; auch bei NTM



Hemmung der bakteriellen Gyrase, bakterizid

Aminoglykoside (Amikacin, Capreomycin)



Wichtig bei Tuberkuloseerregern mit MDR



Hemmung der Proteinsynthese, bakterizid

Protionamid, Ethionamid



Reservemedikamente bei Tuberkuloseerreger mit MDR bzw. XDR



bakteriostatisch

PAS (p-Amino-Salicylsäure)



Reservemedikament bei Tuberkuloseerreger mit MDR



bakteriostatisch

Cycloserin



Tuberkuloserreger mit MDR



bakteriostatisch

Makrolide (v. a. Clarithromycin)



Wichtigste Medikamente bei NTM (speziell M. avium und M. intracellulare)



Hemmung der Proteinsynthese

Oxazolidinone



Tuberkuloserreger mit MDR



Hemmung der Proteinsynthese

Im Regelfall sind die Tuberkulostatika gegen M.-tuberculosis-Stämme wirksam. Resistenzen gegen einzelne Medikamente kommen vor, vor allem während einer längeren Therapie. Bei importierten Stämmen findet man sogar eine Multidrug-Resistenz (MDR).

Im Regelfall sind Stämme von M. tuberculois gegen die Tuberkulostatika empfindlich. Manche Stämme können gegen einzelne oder mehrere der Antibiotika resistent sein oder während einer monatelangen Therapie resistent werden. Resistenz gegen INH treten in Deutschland bei ca. 8 % der Stämme auf. Vor allem bei Patienten aus dem Ausland (Südosteuropa,Russland, Indien) muss man auf solche Problemstämme achten. ■ MDR (multi drug resistance): Die beiden wichtigsten Erstlinienantibiotika, nämlich INH und Rifampicin sind gleichzeitig unwirksam. Vorkommen: besonders bei Patienten aus Südosteuropa und Russland. ■ XDR (extensively drug resistance): Resistenz gegen INH und Rifampicin sowie zusätzlich Fluorochinolone und mindestens eines der Aminoglykoside. Es resultieren stark eingeschränkte Behandlungsmöglichkeiten und damit auch Heilungschancen. ■ TDR (totally drug resistance): Fast alle der möglichen Antibiotika sind unwirksam. Im Gegensatz zu den beiden obigen Gruppen, die genau definiert sind, wird dieser Begriff variabel eingesetzt.

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D

383

2.7 Mykobakterien

Prophylaxe: Die Erkrankung ist nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtig, was beinhaltet, dass in einem solchen Fall sogar das bürgerliche Grundrecht auf Freizügigkeit aufgehoben ist und eine zwangsweise stationäre Einweisung angeordnet werden kann, um die Nichtinfizierten zu schützen. Der Staat sieht für Tuberkulosekranke nach dem Bundessozialhilfegesetz besondere Leistungen vor. Untersuchungen von Kontaktpersonen sind geeignet, frühzeitig therapiebedürftige Infektionen zu erkennen und Ausbrüche zu verhindern. Routinemäßige Röntgenreihenuntersuchungen der Bevölkerung bzw. bestimmter Berufsgruppen (z. B. Lehrer) werden heute nicht mehr praktiziert. Wichtig ist die Isolierung der Kranken mit Erregerausscheidung, also einer offenen Tuberkulose. Wenn Kontakt mit einem Tuberkulosekranken bestanden hat, weden vorsorgliche Untersuchungen (Röntgen, IGRA) zur (frühzeitigen) Erkennung einer möglichen Infektion durch die Gesundheitsämter veranlasst. Im Falle dass eine Konversion der immunologischen Teste daraufhinweist, dass eine Infektion stattgefunden haben könnte, wird eine prophylaktische Gabe von INH plus Rifampicin über mehrere Monate empfohlen. Vor einer geplanten Therapie mit monoklonalen Antikörpern gegen TNFα sollte eine latente Infektion ausgeschlossen werden. Die Impfung mit BCG (Bacille Calmette Guérin), einem Lebendimpfstoff mit attenuierten Bakterien vom Stamm M. bovis, wird heute von der STIKO des RKI in Deutschland nicht mehr propagiert (Tab. J-4.3). Neue, gentechnisch veränderte Impfstoffe sind derzeit in Erprobung.

Prophylaxe: Die Erkrankung ist meldepflichtig. Eventuell Untersuchungen und ggf. Antibiotikaprophylaxe von Kontaktpersonen. Isolierung der offen Tuberkulosen. Eine Impfung gibt es nicht.

2.7.2 NTM

2.7.2

▶ Definition. Mykobakterien, die weder Tuberkulose noch Lepra erzeugen, werden heute unter der Bezeichnung NTM (non tuberculous mycobacteria) subsumiert, für die früher der Begriff MOTT (mycobacteria other than tubercle bacilli) galt. Die alte Bezeichnung „atypische Mykobakterien“ sollte endgültig verlassen werden, da die Bakterien dieser Gruppe in keiner Weise atypisch sind!

NTM

▶ Definition.

Klassifikation: Neben mehreren humanpathogenen Spezies gibt es viele Arten, die in der Umwelt vorkommen (Tab. D-2.17).

Klassifikation: Tab. D-2.17.

Bedeutung: Hauptmanifestationsorte von NTM-Infektionen sind die Lunge, die Lymphknoten und die Haut bzw. die Weichteile, oder sie treten als generalisierte Infektion in allen Teilen des menschlichen Körpers auf. Oft liegt eine prädisponierende Erkrankung vor. Zu Risikofaktoren gehören: iatrogene Immunsuppression, HIV-Infektion und genetische Besonderheiten, wie etwa Mukoviszidose. ■ Lungeninfektionen: Radiologisch treten pulmonale NTM-Infektionen in zwei typischen Manifestationen auf. Die fibrokavernöse Form ähnelt klinisch, radiologisch und histologisch einer Lungentuberkulose. Die noduläre, bronchiektatische Form ist charakterisiert durch Bronchiektasen und Knötchen. Pulmonale NTM-Infektionen sind nicht selten mit einer aktiven oder latenten Tuberkulose kombiniert. Auch eine COPD ist ein Risikofaktor. ■ Lymphknoteninfektionen werden bei Kindern beobachtet. Möglicherweise werden die NTM beim Zahnen aus der Umgebung aufgenommen und gelangen dann in die drainierenden Lymphknoten. ■ Haut- und Weichteilmanifestationen finden sich in Form ekzematöser Erscheinungen. Die Quellen dafür sind unterschiedlich. Aus dem Wasser stammt der Erreger M. marinum, welcher das Schwimmbadgranulom verursacht (Abb. D-2.38). Beim Tätowieren der Haut können schnellwachsende NTM durch verunreinigtes Wasser inokuliert werden. Ein spezifischer Erreger ist M. ulcerans, in tropischen Gebieten der Erreger des Buruli-Geschwürs (Abb. D-2.39). ■ Generalisierte Infektionen mit NTM betreffen vor allem Menschen mit herabgesetzter Immunabwehr. AIDS-Patienten erkranken an Infektionen durch M. avium, M. intracellulare, M. genavense und M. kansasii.

Bedeutung: Hauptmanifestationen von NTMInfektionen finden sich in: ■ der Lunge (nicht immer von einer wirklichen Lungentuberkulose zu unterscheiden), ■ den Lymphknoten, ■ der Haut/den Weichteilen (Abb. D-2.38), ein spezifischer Erreger ist das in tropischen Gebieten vorkommende M. ulcerans (Verursacher des Buruli-Geschwürs, Abb. D-2.39), ■ der generalisierten Infektion (v. a. bei Menschen mit herabgesetzter Immunabwehr).

Epidemiologie: NTM werden in der Regel nicht in einer direkten Infektionskette von Mensch zu Mensch übertragen. Meist sind infizierte Tiere oder Umweltmaterialien Quelle für die Infektion. NTM-Infektionen sind nicht meldepflichtig.

Epidemiologie: NTM werden i. d. R. nicht von Mensch zu Mensch übertragen, sondern meistens über infizierte Tiere oder Umweltmaterialien.

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384

D

⊙ D-2.38

2 Spezielle Bakteriologie

⊙ D-2.38

Schwimmbadgranulom Das Schwimmbadgranulom, verursacht durch Mycobacterium marinum, tritt meist im Rahmen einer Abwehrschwäche auf, kann sich aber unter Umständen auch beim Gesunden entwickeln, wenn die Erreger durch Hautverletzungen bei häufigem Kontakt mit Wasser von Aquarien eindringen. (Moll, I.: Duale Reihe Dermatologie. Thieme; 2016)

⊙ D-2.39

Ulcus tropicum (Ulcus Buruli) Buruli-Geschwüre, hier an Kopf (a) und Unterschenkel (b), hervorgerufen durch Mycobacterium ulcerans. Tritt bei Patienten mit Abwehrschwäche (in diesem Fall Unterernährung) auf. Keine spontane Heilung.

a

b

Nachweis: durch die Kultur aus geeignetem Untersuchungsmaterial. Mikroskopie und PCR sind manchmal erfolgreich.

Nachweis: Wie beim Untersuchungsgang auf Tuberkulose werden Materialien mit Verdacht auf NTM-Infektion mikroskopisch untersucht. Da die Infektionsherde oft keimarm sind, entgehen sie leicht diesem Nachweis. Im positiven Fall des Nachweises von „säurefesten“ Stäbchen ist dieser erste Anhalt für eine Infektion relevant. PCR-Tests zum Nachweis von NTM direkt im Gewebe sind noch wenig verbreitet. Folglich ist die Kultur aus geeignetem Untersuchungsmaterial der wichtigste Schritt zur Diagnose. Man unterscheidet zwischen schnellwachsenden und langsamwachsenden Arten. Die klinische Bedeutung der mikrobiologischen Befunde ist diffizil. Von den diversen NTM-Arten sind nur wenige humanpathogen, wogegen die meisten nur akzidentell in das Untersuchungsmaterial gelangt sind. Deswegen ist eine exakte Differenzierung mittels Molekularbiologie wichtig. Weiterhin dienen klinische, differenzialdiagnostische Aspekte zur Bewertung eines positiven Keimnachweises.

Therapie: Wie bei der Therapie der Tuberkulose werden zur Behandlung von NTM-Infektionen Kombinationen von mehreren Medikamenten über einen längeren Zeitraum eingesetzt. Pyrazinamid und INH sind meist nicht wirksam. Clarithromycin + Rifampicin sowie Ethambutol + Moxifloxacin sind oft effektiv.

Therapie: Die medikamentöse Therapie von NTM-Infektionen besteht wie bei der Therapie der Tuberkulose in einer Kombination von diversen Antibiotika. Die Wahl ist abhängig von dem Resistenzmuster der Spezies. Die meisten Arten sind gegen Pyrazinamid und gegen INH resistent. Die Kombinationen von Clarithromycin und Rifampicin oder von Ethambutol und Moxifloxacin sind oft wirksam. Bei Therapieversagen kann man nach orientierender Austestung weitere Medikamente, wie etwa Amikacin etc., einsetzen, deren Wertigkeit jedoch durch keine zuverlässigen Studien belegt ist.

▶ Klinischer Fall.

▶ Klinischer Fall. Ein 35-jähriger Mann begibt sich wegen nässender, ekzematöser Hauterscheinungen an beiden Händen in dermatologische Behandlung. Nach etlichen therapeutischen Fehlschlägen und einigen bakteriologischen und mykologischen Untersuchungen ohne Befund (der Patient ist zwischenzeitlich in stationärer Betreuung) kommt der Verdacht auf, es könnte sich um eine Hauttuberkulose handeln. Nach 6 Wochen Kulturzeit auf festen Nährmedien für Mykobakterien wachsen Kolonien, die als M. marinum differenziert werden. Gezielte Fragen ergeben, dass der Patient begeisterter Aquarianer ist. Untersuchungen von Wasserproben aus seinen Aquarien zeigen ebenfalls M. marinum. Es handelte sich also um eine klassische NTM-Infektion, die sich der Mann beim Hantieren in seinen Aquarien zugezogen hatte.

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D

385

2.7 Mykobakterien

2.7.3 Mycobacterium leprae

2.7.3

Mycobacterium leprae

Geschichtliches: Erhard H. A. Hansen entdeckte 1874 den Erreger der Lepra. Es handelt sich dabei um eine Erkrankung, die im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung vielleicht nicht mit dem biblischen Aussatz identisch ist. Durch vergleichende Genomanalysen von Skelettproben konnte eine Ausbreitung der Lepra von Ostafrika ausgehend nach Westafrika, Asien bzw. nach Europa bzw. Amerika nachvollzogen werden. ▶ Definition. Mycobacterium leprae unterscheidet sich von den übrigen Mykobakterien dadurch, dass es in der Praxis weder in leblosen Nährmedien noch in Zellkulturen oder im Meerschweinchen kultiviert werden kann. Eine künstliche Vermehrung des Erregers ist nur in den Fußsohlen von immungeschwächten Mäusen und Ratten sowie im Armadillo (Gürteltier) möglich.

▶ Definition.

Biologie: Das Genom von M. leprae ist vergleichsweise klein. Während M. tuberculosis ca. 4,4 Millionen Basenpaare besitzt, hat M. leprae nur 3,3 Millionen. Dazu kommt, dass viele der vorhandenen Gene nicht voll funktionsfähig sind. Die Folge ist, dass diese Bakterien ganz speziell von der Versorgung durch Produkte der Wirtszelle angewiesen und in vitro auf künstlichen Nährmedien nicht anzüchtbar sind. Auch die recht lange Reduplikationszeit von ca. 12 Tagen ist vermutlich darauf zurückzuführen.

Biologie: Das Genom von M. leprae ist vergleichsweise klein, sodass das Bakterium wenig Stoffwechselleistungen erbringen kann.

Epidemiologie: In den entwickelten Ländern ist die Lepra heute ausgerottet. Weltweit werden allerdings immer noch > 200 000 Erkrankte der WHO gemeldet, wobei eine hohe Dunkelziffer anzunehmen ist, weil die Qualität der Erfassung von Infektionen durch die lokalen Gesundheitsbehörden schwankt. Die Länder mit der höchsten Inzidenz sind Indien, Brasilien und Indonesien. Neben Indien und Indonesien gibt es auch in anderen Ländern Asiens und auch in Afrika viele Infektionen. Ansteckungsquelle ist der kranke Mensch.

Epidemiologie: Weltweit werden immer noch > 200 000 Erkrankungen an die WHO gemeldet, wobei die Dunkelziffer hoch sein dürfte. Die höchste Inzidenz besteht in Indien, Brasilien und Indonesien. Eine Isolierung der Kranken wird heute wegen der niedrigen Kontagiosität nicht mehr für erforderlich gehalten.

Pathogenese: Leprabakterien sind wenig aggressiv; nur bei massiver und lang anhaltender Exposition von bakterienhaltigen Aerosolen kommt es nach langer Zeit (nach Jahren) zu einer Erkrankung. M. leprae verhalten sich im Körper ähnlich wie Tuberkuloseerreger, d. h., sie sind obligat intrazelluläre Bakterien. Allerdings infizieren sie vorwiegend Nerven- und Hautzellen, in denen sie sich langsam, aber kontinuierlich vermehren. Auch bei der Lepra versucht der Organismus, der Infektion durch Ausbildung von Granulomen zu begegnen. Wie bei der Tuberkulose beruht die Abwehr ausschließlich auf einer T-Zell-vermittelten Immunreaktion.

Pathogenese: M. leprae sind intrazelluläre Bakterien. Die Abwehr beruht ausschließlich auf einer T-Zell-vermittelten Immunreaktion.

Klinik: Lepra kann in verschiedenen Erscheinungsformen auftreten, nämlich in der tuberkuloiden und der lepromatösen Form, die auch als sog. Borderline-Manifestationen verlaufen. Zusätzlich kann bei Kindern noch eine weitere Form, nämlich die Lepra indeterminata, beobachtet werden. Die Inkubationszeit beträgt Monate bis Jahre. ■ Lepra indeterminata: Zunächst entwickeln sich uncharakteristische, singuläre Hautläsionen (kleine, hypopigmentierte Maculae), die zunächst nicht ernst genommen werden und auch in 75 % spontan abheilen. Meistens sind Kinder betroffen. ■ Lepromatöse Lepra: Die lepromatöse Lepra ist durch einen bösartigen, progressiven Verlauf gekennzeichnet. Es kommt zur ungehemmten Bakterienvermehrung und Absiedlung in zahlreichen Organen. Das klassische Krankheitsbild wird durch knotenartige Hautverdickungen und -schwellungen bestimmt, die dem Gesicht das Aussehen eines Löwenkopfes verleihen (Facies leontina, Abb. D-2.40a). Der Befall peripherer Nerven ist nicht so gravierend wie bei der tuberkuloiden Lepra. ■ Tuberkuloide Lepra: Diese zeigt das klassische klinische Bild der Lepra. Durch Beteiligung und Ausfall der Nerven kommt es frühzeitig zur schmerzlosen Verstümmelung der Extremitäten. Hypopigmentierte, schmerzunempfindliche Hautareale sind typisch (Abb. D-2.40b). Tatsächlich ist die tuberkuloide Lepra jedoch die benignere Form der Lepra mit einer guten Heilungstendenz, wobei nur noch ganz wenige Keime im Gewebe überleben (paucibazilläre Form). ■ Borderline-Lepra: Dieser Begriff umfasst die zahlreichen Übergangsformen. Der Grund für die unterschiedlichen Verlaufsformen der Lepra liegt möglicherweise im genetisch bedingten Zustand der zellulären Abwehr. Die lepromatöse Form ist bedingt durch eine fehlende oder reduzierte T-Lymphozyten-Aktivität (Immunschwäche). Bei der tuberkuloiden Lepra ist die zelluläre Abwehr intakt, jedoch nicht in der Lage, die Keimvermehrung unter Kontrolle zu bringen.

Klinik: Lepra kann in verschiedenen Erscheinungsformen auftreten, nämlich in der tuberkuloiden und der lepromatösen Form (plus Zusatzform bei Kindern). ■



Lepra indeterminata bei Kindern mit zunächst uncharakteristischen, singulären, meist spontan abheilenden Hautläsionen (kleine, hypopigmentierte Maculae). Lepromatöse Lepra mit bösartigem, progressivem Verlauf. Hauptsymptom ist der „Löwenkopf“ (knotenartige Hautverdickungen, Facies leontina, Abb. D-2.40a).



Tuberkuloide Lepra mit benignem Verlauf und guter Heilungstendenz. Typisch sind hier schmerzlose Extremitätenverstümmelungen und hypopigmentierte, gefühllose Hautareale (Abb. D-2.40b).



Borderline-Lepra bezeichnet die zahlreichen Übergangsformen.

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386 ⊙ D-2.40

D

2 Spezielle Bakteriologie

Lepra a Charakteristisch für die lepromatöse Form sind die knotigen, wulstigen, teils hyperpigmentierten Hautveränderungen im Gesicht. (Moll, I.: Duale Reihe Dermatologie. Thieme; 2016)

b Bei der benigneren Form, der tuberkuloiden Lepra, herrschen randbetonte, konfluierende, berührungsunempfindliche Papeln vor. (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 116, Bakterielle Infektionen 1985)

a

b

Nachweis: Da eine Kultur der Erreger in der Praxis nicht möglich ist, kommt dem mikroskopischen Nachweis säurefester Stäbchen und dem DNA-Nachweis mittels PCR Bedeutung zu.

Nachweis: Da eine Kultivierung der Erreger in der Praxis nicht möglich ist, kommt dem klinischen Befund und dem mikroskopischen Nachweis säurefester Stäbchenbakterien aus entsprechenden Hautläsionen große Bedeutung zu. Der Nachweis M.leprae-spezifischer DNA mittels PCR sichert die Diagnose. Andererseits ist die Sensitivität der Methode aus Untersuchungsmaterial begrenzt, sodass im negativen Fall eine Lepra nicht ausgeschlossen werden kann. Für die prognostische Beurteilung kommt es auf die Menge der Erreger an: Wenn man in allen Läsionen „säurefeste Stäbchen“ sieht, handelt es sich um eine multibazilläre Erkrankung, wogegen bei einer paucibazillären Manifestation der Nachweis nur vereinzelt gelingt.

Therapie: Kombination von Rifampicin und sehr speziellen Antibiotika wie Clofazimin und Dapson.

Therapie: Die WHO empfiehlt eine Kombination von Rifampicin mit den sehr speziellen Antibiotika Clofazimin und Dapson. Bei der multibazillären Erkrankung sollte eine Dauer von 12 Monaten, bei einer paucibazillären Form von nur 6 Monaten eingehalten werden. Durch den akuten Zerfall von Bakterien kann es unter einer wirksamen Therapie zu Antigenfreisetzungen und dadurch zu heftigen, immunologisch bedingten Entzündungsreaktionen kommen.

Prophylaxe: Da die Kontagiosität gering und die antibiotische Therapie erfolgreich ist, wird heute die strenge Isolierung der Kranken nicht mehr gefordert.

Prophylaxe: Da die Kontagiosität gering und die antibiotische Therapie erfolgreich ist, wird heute die strenge Isolierung der Kranken nicht mehr gefordert. Engere Kontaktpersonen sollen in regelmäßigen Untersuchungen (alle 6 Monate) getestet werden. Ggf. kann eine einmalige Gabe von Rifampicin nach Exposition die Manifestation einer Erkrankung unterdrücken.

▶ Merke.

▶ Merke. Im Gegensatz zum weit verbreiteten Meinung ist Lepra keine hoch kon-

tagiöse Erkrankung! ▶ Merke.

▶ Merke. Der Nachweis von M. leprae ist nach Infektionsschutzgesetz meldepflich-

tig.

2.8

Gramnegative Kokken

2.8

Gramnegative Kokken

Dirk Schlüter Gramnegative Kokken sind in die Familien Moraxellaceae (Gattungen Moraxella, Acinetobacter) und Neisseriaceae (Gattungen Neisseria, Eikenella, Kingella) unterteilt.

Die gramnegativen Kokken sind in die Familie der Moraxellaceae mit den Gattungen Moraxella und Acinetobacter und die Familie der Neisseriaceae mit den Kokkengattungen Neisseria, Eikenella und Kingella eingeteilt.

2.8.1

2.8.1 Gramnegative aerobe Kokken

Gramnegative aerobe Kokken

Klassifikation: Tab. D-2.20.

Klassifikation: Die Gattung Neisseria umfasst die in Tab. D-2.20 aufgeführten Arten. Daneben gibt es noch die Gattung Moraxella.

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D

≡ D-2.20

387

2.8 Gramnegative Kokken

Klassifikation der Gattungen Neisseria und Moraxella

Art

Standort

N. gonorrhoeae

Urogenital-, Rektal-, Pharyngeal- und Konjunktivalschleimhaut

Bedeutung Erreger der Gonorrhö

N. meningitidis

Nasopharynx

Erreger der epidemischen Meningitis

N. lactamica

Nasopharynx

*

N. cinerea

Nasopharynx

*

N. sicca

Nasopharynx

*

N. flavescens

Nasopharynx

*

N. elongata

Urogenitalschleimhaut

*

M. catarrhalis

Nasopharynx

Erreger von Sinusitis, Otitis media, Bronchitis

* = Angehörige der normalen Flora des Menschen, die jedoch gelegentlich Infektionen hervorrufen können

Neisseria gonorrhoeae (Gonokokken)

Neisseria gonorrhoeae (Gonokokken)

Geschichtliches: Der Erreger der Gonorrhö wurde 1879 von Albert Neisser erstmals dargestellt. (Die nach Neisser benannte Färbemethode dient jedoch nicht der Darstellung von Neisserien, sondern von Corynebacterium diphtheriae.) 1881 wurde die von dem Gynäkologen Karl Credé propagierte Prophylaxe der Gonokokken-Blennorrhö beim Neugeborenen mit 1 % Argentum nitricum eingeführt (S. 729). ▶ Definition. Gonokokken sind gramnegative, in Kaffeebohnenform paarweise angeordnete Diplokokken, die strikt aerob wachsen und die Glukose, nicht jedoch Maltose sowie Saccharose abbauen.

▶ Definition.

Bedeutung: Neisseria gonorrhoeae ist der Erreger der Geschlechtskrankheit Gonorrhö (GO, Tripper).

Bedeutung: Erreger der Gonorrhö (GO, Tripper).

Epidemiologie: Die Gonorrhö ist weltweit, jedoch mit unterschiedlicher Inzidenz, verbreitet. Die Dunkelziffer ist vor allem in Entwicklungsländern sehr hoch. Die WHO schätzte für das Jahr 2012 weltweit ca. 106 Mio Infektionen bei 15–49 Jahre alten Personen. Damit ist die Gonorrhö die dritthäufigste sexuell übertragbare Erkrankung. Da in Deutschland keine Meldepflicht für die Gonorrhö besteht, ist die Zahl der Infektionen unbekannt. Am meisten betroffen sind von dieser klassischen Geschlechtskrankheit junge, heterosexuelle Männer und Frauen sowie homosexuelle Männer. Die umweltlabilen Erreger werden fast ausschließlich durch engen körperlichen Kontakt, z. B. beim Geschlechtsverkehr (STD = sexually transmitted disease), übertragen. Eine Sonderform ist die Blennorrhö des Neugeborenen, das die Erreger von der infizierten Mutter beim Durchgang durch den Geburtskanal erwirbt. Eine durchgemachte Gonorrhö hinterlässt keine Immunität.

Epidemiologie: Die Gonorrhö ist weltweit verbreitet. Sie wird hauptsächlich beim Geschlechtsverkehr übertragen. Die Dunkelziffer ist hoch.

Pathogenese: Die Infektion erfolgt beim Geschlechtsverkehr. Andere Infektionsquellen sind denkbar, in der Praxis jedoch extrem selten, weil Gonokokken außerhalb des Körpers schnell durch Licht, Trockenheit und Kälte inaktiviert werden. Aber nicht jeder Kontakt führt unweigerlich zu einer Infektion. Die lokale unspezifische Infektabwehr, z. B. getragen durch Oligopeptide wie etwa Protegrine, kann bis zu einem gewissen Grad schützen. Gonokokken besitzen ein Bündel von Pathogenitätsfaktoren, die es ihnen gestatten, die lokale Abwehr zu unterlaufen, sich an Epithelzellen des Urogenitaltraktes anzuhaften, durch diese Zellen hindurch ins subseröse Gewebe einzudringen und der zellulären und humoralen Abwehr zu entgehen: ■ Opaque-Protein: Dieses besondere Protein lagert sich der Zellwand auf. ■ Haftpili: Gonokokken ohne Pili verlieren ihre Virulenz. ■ IgA-Protease: Das von den Gonokokken produzierte Enzym zerstört die Schleimhautantikörper vom Typ IgA. ■ Endotoxin: Das in der äußeren Membran liegende Endotoxin induziert eine heftige Entzündungsreaktion. Mit den Antigenstrukturen des Opaque-Proteins haften sich die Gonokokken an die Epithelzellen des Urogenitaltraktes an. Diese nehmen die Erreger durch Endozytose auf und schleusen sie in einer Vakuole durch die Zelle hindurch in das subepitheliale Gewebe. Dort werden die eingedrungenen Erreger zum Teil von polymorphkernigen Leukozyten phagozytiert und abgetötet. Ein besonderer Schutzmechanismus des Erregers ermöglicht jedoch seine weitere Ausbreitung. Die Haftpili führen bei der An-

Pathogenese: Gonokokken besitzen folgende wichtige Pathogenitätsfaktoren: ■ ein besonderes Protein, das sich der Zellwand auflagert (Opaque-Protein) ■ Haftpili (Gonokokken ohne Pili verlieren ihre Virulenz) ■ eine IgA-Protease, mit der sie die Schleimhautantikörper vom Typ IgA zerstören ■ Endotoxin, das die Entzündung induziert.

Mit dem Opaque-Protein haften sich die Keime an Zellen des Urogenitaltraktes an, werden von diesen durch Endozytose aufgenommen und in einer Vakuole durch die Zelle in das subepitheliale Gewebe transportiert. Die Haftpili führen bei Kontakt mit Phagozyten zu

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388 deren Degranulierung. Werden die Erreger dann in die Zelle aufgenommen, überleben sie und vermehren sich. Durch Antigenwechsel unterlaufen sie die Immunreaktion. Der evtl. diploide Chromosomensatz von Neisserien erhöht die Möglichkeit des Antigenwechsels.

Klinik: Die Gonorrhö wird unterteilt in: ■



lokale Infektionen: – Mann: Massiver urethraler Ausfluss durch eitrige Entzündung der Harnröhre, mit Schmerzen beim Urinieren und Abgang von Eiter. In 10 % asymptomatischer Verlauf. Rektale und Rachen-GO bleiben oft symptomlos. – Frau: Hauptinfektionsort ist der Muttermund und Zervixkanal mit vermehrtem Fluor. Oft Begleiturethritis mit Dysurie. In 50 % asymptomatischer Verlauf trotz bestehender Infektiosität. – Die gonokokkenbedingte Neugeborenen-Blennorrhö führt zur Erblindung. Die Credé-Prophylaxe (Einträufeln einer 1 %igen Silbernitratlösung in den Konjunktivalsack), zur Verhinderung bakterieller Infektionen, wurde heute weitgehend durch antibiotikahaltige Salben bzw. Tropfen ersetzt. aszendierende und disseminierende Gonorrhö: Aus der lokalen Infektion kann sich eine aszendierende Infektion entwickeln. Beim Mann kann es zu Prostatitis und Epididymitis, bei der Frau zur Adnexitis und Pelvic Inflammatory Disease kommen (Abb. D-2.41). Seltener ist die hämatogene Streuung der Erreger (1–3 % der Fälle) mit Arthritis und Reiter-Trias.

⊙ D-2.41

D

2 Spezielle Bakteriologie

haftung der Gonokokken an Phagozyten zu deren Degranulierung (Entleerung der Lysosomen). Werden die Erreger nun in die Zelle aufgenommen, können sie dort nicht nur überleben, sondern sich sogar vermehren. Das Genom der Gonokokken enthält mehrere Variationen des Opaque-Proteins sowie des Pilins (repetitive Untereinheit der Pili), sodass ein Bakterium durch Antigenwechsel der Immunreaktion ausweicht. (Ganz außergewöhnlich ist, dass Neisserien manchmal einen diploiden Chromosomensatz besitzen, sodass das Repertoire an Antigenwechseln noch größer wird.) Die IgA-Protease trägt ebenfalls dazu bei, die lokale Immunität zu zerstören, indem das Fc-Stück vom IgA abgespalten wird. Die FabFragmente können aber immer noch spezifisch mit dem Antigen an der Oberfläche der Bakterien reagieren. So werden die fremden Erreger durch körpereigene Proteine maskiert und entgehen somit weiteren Angriffen. Die Folge ist eine Chronifizierung. Klinik: Die klassische Gonorrhö äußert sich mit den Symptomen einer genitalen Schleimhautinfektion bei Männer und Frauen mit unterschiedlichen Symptomen: ■ lokale Infektionen: Nach einer Inkubationszeit von 2–7 Tagen kommt es zu einer Entzündung der Harnröhre (Urethritis), die mit Rötung und Schwellung des Orificium urethrae sowie Schmerzen beim Urinieren einhergeht. Aus der Urethra entleert sich ein eitriges Sekret. Bei der Frau verläuft die Infektion meist blander und bleibt deshalb häufig unerkannt. Wenn allerdings die Bartholin-Drüse befallen ist, entwickelt sich in diesem stark innervierten Gebiet eine äußerst schmerzhafte Entzündung (Bartholinitis). Rektale und Rachen-Gonorrhö, die durch Analverkehr bzw. durch Cunnilingus oder Fellatio erworben werden, bleiben sehr oft symptomlos und können parallel zur genitalen Gonorrhö auftreten. Bei Frauen mit genitaler Gonorrhö kommt es häufig zur rektalen Gonorrhö durch Kontamination mit Genitalsekreten. Die gonokokkenbedingte Neugeborenen-Blennorrhö war noch im 19. Jahrhundert die häufigste Ursache von Erblindung. Die 1881 eingeführte Credé-Prophylaxe – Einträufeln einer 1 %igen Silbernitratlösung in den Konjunktivalsack der Augen des Neugeborenen – die eine bakteriell bedingte Infektion verhindert, wird heute nicht mehr generell empfohlen, da sie u. a. zu einer starken Bindehautreizung führen kann. Heute werden zur Prophylaxe i. d. R. erythromycinhaltige Augentropfen bzw. tetrazyklinhaltige Augensalben eingesetzt. ■ aszendierende und disseminierende Gonorrhö: Unbehandelt verschwinden die lokalen Symptome, und eine aszendierende Verbreitung der Erreger im Gewebe ist die Folge: Beim Mann dominieren Prostatitis und Epididymitis; die entzündliche Reaktion ist nur noch schwach und die Eiterbildung gedrosselt, sodass sich allenfalls über Nacht noch etwas Eiter in der Urethra ansammelt und dann noch vor dem ersten Wasserlassen als „Bonjour-Tröpfchen“ am Orificium austritt (Abb. D-2.41). Bei Frauen sind die Folgen schlimmer; die Adnexitis, im Extremfall auch eine „Pelvic inflammatory disease“ sind belastend und schmerzhaft. Oftmals ergibt sich eine Verstärkung der Symptome während der Menstruation, teilweise mit Ausbildung von Exanthemen. Selten (1–3 %) kommt es zu einer hämatogenen Streuung der Erreger, mit den Folgen von Fieberschüben, einer Arthritis (besonderer Manifestationsort Kniegelenk: Vorsicht! Nicht jede Gonarthritis ist gonorrhoisch!) und akral lokalisierten Vaskulitiden der Haut. Auch durch Immunkomplexe bedingte Polyarthritiden können auftreten.

⊙ D-2.41

Urethritis gonorrhoica Mit gelbem eitrigem Ausfluss und gerötetem Orificium urethrae und Präputiumödem. (Moll, I.: Duale Reihe Dermatologie. Thieme; 2016)

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D

Krankheitsfolgen: Spätfolge bei Männern ist die Harnröhrenstriktur. Bei Frauen kommt es nicht selten zu Tubenverklebungen, die zur Sterilität führen können. Nachweis: Während der akuten Phase der Erkrankung findet man im mikroskopischen Präparat von Eiterabstrichen viele Erreger. Sie liegen als Diplokokken einzeln oder in Gruppen und sogar innerhalb von Leukozyten (Abb. D-2.42).

⊙ D-2.42

389

2.8 Gramnegative Kokken

Krankheitsfolgen: bei Männern Harnröhrenstriktur, bei Frauen Sterilität infolge Tubenverklebung. Nachweis: Das mikroskopische Bild zeigt meist intra- und extrazelluläre gramnegative Diplokokken einzeln und in Gruppen (Abb. D-2.42).

⊙ D-2.42

Gonokokken Ausstrichpräparat, Methylenblaufärbung mit Leukozyten und intra- und extrazellulär gelegenen, semmelförmigen Diplokokken.

▶ Merke. Die in der akuten Phase im Urethralsekret auftretenden, teils intrazellulär

▶ Merke.

gelagerten Diplokokken, die sich in mikroskopischen Direktpräparaten mit Gramund Methylenblaufärbung darstellen lassen, sind jedoch für eine Gonorrhö nicht beweisend. Zur Sicherung der Diagnose ist ein PCR- oder kultureller Nachweis nötig. Die PCR eignet sich für den Nachweis aus genitalen Sekreten und Urin. Bei anderen Orten (Pharynx) müssen apathogene Neisserien als Standortflora abgegrenzt werden. Standard ist eine Multiplex-PCR, die differenziell N. gonorrhoeae als auch Chlamydia trachomatis, als wichtigen Erreger der nicht-gonorrhöischen Urethritis, nachweist. Die Kultur gelingt nicht immer, denn Gonokokken stellen hohe Ansprüche an Transport und an die Kultivierung. Geeignet sind Kochblutnährmedien („Schokoladenagar“) mit Antibiotikazusätzen zur Unterdrückung der Begleitflora (Thayer-MartinAgar). Die Anzucht erfolgt in einer 5–10 %igen CO2-Atmosphäre bei 37 °C. Die Gonokokken wachsen dann als kleine farblose Kolonien, die oxidasepositiv sind. ▶ Merke. Gonokokken haben nur eine Chance zu überleben, wenn sie aus einer

Zur Sicherung der Diagnose ist entweder eine PCR oder der kulturelle Nachweis nötig. Für ein Antibiogramm ist die Anzucht notwendig. Gonokokken stellen hohe Kulturansprüche. Eingesetzt werden Spezialmedien. Die Anzucht erfolgt in einer 5–10 %igen CO2-Atmosphäre.

▶ Merke.

feuchten, dunklen, warmen Nische sofort in eine andere feuchte, dunkle, warme Nische gelangen. Sie sind außerordentlich empfindlich und gehen außerhalb des menschlichen Körpers rasch zugrunde. Nur die sehr schnelle Einlieferung des Untersuchungsmaterials ins Labor, unter Benutzung eines geeigneten Transportmediums, sichert die Chance für einen kulturellen Nachweis. Therapie: Mittel der Wahl war früher Benzylpenicillin (Penicillin G). Heute werden weltweit Penicillin- und Fluorchinolon-resistente N. gonorrhoeae beobachtet. Das Antibiogramm ist deshalb – vor allem bei Therapieversagen – unverzichtbar. Cephalosporine der 3. Generation wie Ceftriaxon (i. v.) oder Cefixim (oral) in Kombination mit einem Makrolid (Azithromycin p. o.) sind die Kombinationstherapie der Wahl. Eine Mitbehandlung des Intimpartners sollte veranlasst werden.

Therapie: Cephalosporine der 3. Generation (z. B. Ceftriaxon i. v.) in Kombination mit Azithromycin (p. o.) sind Mittel der Wahl für eine Einmaltherapie.

Prophylaxe: Die sicherste Prophylaxe einer Gonorrhö liegt in der Benutzung von Kondomen bei Intimkontakten mit wechselnden Partnern, was angesichts der AIDSProblematik heute eigentlich selbstverständlich sein sollte. Die Prophylaxe beim Neugeborenen (Credé-Prophylaxe) wurde bereits beschrieben (s. o.).

Prophylaxe: Der sicherste Schutz liegt in der Benutzung von Kondomen.

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390 ▶ Klinischer Fall.

Neisseria meningitidis (Meningokokken)

D

2 Spezielle Bakteriologie

▶ Klinischer Fall. Innerhalb von wenigen Tagen werden drei junge Frauen mit den Symptomen einer hoch schmerzhaften Salpingitis in die gynäkologische Abteilung einer Klinik eingeliefert. Nach notfallmäßiger chirurgischer Intervention finden sich die Patientinnen später auf der Allgemeinstation wieder. Die Diagnose Gonorrhö wird labormäßig aus dem Salpingitiseiter gestellt. Sehr schnell zeigt sich, dass sich alle drei untereinander kennen, zwar nicht persönlich, jedoch vom Sehen. Alle drei besuchten regelmäßig eine bestimmte Diskothek. Die Befragung des Stationsarztes bezüglich der Ansteckungsquelle führt bei allen drei Patientinnen zum gleichen Ergebnis: Sie sind der Meinung, sich die Infektion auf der Toilette eben dieser Diskothek zugezogen zu haben. Dort stünden die Frauen Schlange, da nur eine einzige Toilette vorhanden sei. Eine entsprechende Meldung an die zuständige Gesundheitsbehörde führt zu einer Begehung der Diskothek durch das Gesundheits- und das Gewerbeaufsichtsamt. Die tatsächlich vorhandenen untragbaren sanitären Verhältnisse werden beanstandet. Dem anwesenden Amtsarzt fällt ein überaus attraktiver Diskjockey auf. Durch eine unbestimmte Ahnung inspiriert, kann er in einem „Gespräch unter Männern“ erreichen, dass sich der Diskjockey bereit erklärt, sich einer entsprechenden Untersuchung zu unterziehen. Das Ergebnis dieser Untersuchung wird offiziell niemals bekannt. Eine nochmalige vorsichtige Befragung der Patientinnen durch den Klinikarzt ergibt jedoch, dass alle drei Frauen mit diesem Diskjockey Intimkontakt hatten.

Neisseria meningitidis (Meningokokken) Geschichtliches: Die epidemische Genickstarre wurde erstmals 1805 von Vieusseux in Genf als eigenes Krankheitsbild beschrieben. Neisseria meningitidis wurde 1887 vom Wiener Pathologen Anton Weichselbaum nachgewiesen.

▶ Definition.

▶ Definition. Meningokokken sind gramnegative, semmelförmig angeordnete Diplo-

kokken. Die unbeweglichen, zur Sporenbildung nicht befähigten Keime besitzen eine Polysaccharidkapsel (Abb. D-2.43).

⊙ D-2.43

⊙ D-2.43

Neisseria meningitidis Vorwiegend intrazellulär gelagerte Meningokokken im Liquorausstrich. Gram-Färbung: dicker, rahmiger Eiter.

Klassifikation: Es werden 12 Serotypen unterschieden, von denen die Typen A, B und C die größte epidemiologische Bedeutung haben. Der Mensch ist der einzige Wirt für Meningokokken.

Klassifikation: Die Antigenstrukturen der Polysaccharidkapsel gestatten eine Unterteilung in 12 Serotypen (A, B, C, X, Y, Z, E, W, H, I, K, L). Der häufigste Serotyp ist B, der für sporadische Fälle in Europa verantwortlich ist. Vor allem die Serotypen A und in geringerem Ausmaß W und X wurden als Erreger von Epidemien mehrfach beobachtet. Die anderen Serotypen werden deutlich seltener isoliert. Bei Patienten mit Komplementdefekt können auch Stämme der Serovar-Y Infektionen verursachen. Der Mensch ist das einzige Reservoir für Meningokokken.

Bedeutung: Meningokokken sind die Erreger der Meningitis epidemica.

Bedeutung: Meningokokken sind häufige Erreger der epidemischen Genickstarre (Meningitis epidemica) (Tab. D-2.21) und anderer, oft schwer verlaufender Infektionen (z. B. Sepsis).

Epidemiologie: Bei uns tritt die Erkrankung sporadisch auf. Serogruppe B ist dabei der häufigste Erreger. In Entwicklungsländern dominieren bei Epidemien Serotypen A (sowie W und X) (Abb. D-2.44).

Epidemiologie: In Deutschland werden ca. 300 Meningokokkeninfektionen pro Jahr gemeldet, die bevorzugt in der kalten Jahreszeit auftreten. Bei uns sind meist nur sporadische Erkrankungen, hauptsächlich durch die Serogruppe B (65–70 %) und C (20–25 %) zu sehen. Kleinkinder im 1. und 2. Lebensjahr sowie Teenager (15– 19 Jahre) sind die am häufigsten Betroffenen. In den Entwicklungsländern (hauptll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

D

⊙ D-2.44

Weltweite Prävalenz der Meningokokken-Meningitis („Meningitisgürtel“) (nach WHO, 2018)

B, C, Y, W

B, C, W, Y

391

2.8 Gramnegative Kokken

⊙ D-2.44

A, C B, C, W, A

B, C, W C , W, X, A

B, C,

W

B, W, Y B, C, W SEROGRUPPE am häufigsten SEROGRUPPE

weniger häufig

(http://www.who.int/emergencies/diseases/meningitis/serogroup-distribution-2018.pdf)

sächlich in der Sahelzone Afrikas, „Meningitisgürtel“) kam es bis 2010 zu regelmäßigen Meningitis-Epidemien durch Meningokokken des Serotyps A. Durch massive Impfkampagnen wurde der Serotyp A zurückgedrängt, sodass aktuell Epidemien mit dem Serotyp A nicht mehr auftreten. Stattdessen werden vermehrt Infektionen mit den Serotypen W, X und C beobachtet (Abb. D-2.44). Pathogenese: 5–10 % der Bevölkerung sind symptomlose Keimträger von Meningokokken. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfchen oder als Schmierinfektion. Pathogene Meningokokken besitzen mehrere, entscheidende Virulenzfaktoren: ■ Adhäsine lösen nach Bindung an die Epithelzellen eine Internalisation aus, und die Erreger überwinden diese Barriere auf intrazellulärem Weg (Abb. D-2.69). ■ Ein Rezeptor für humanes Transferrin ermöglicht ihnen nach Eintritt in die Zirkulation, essenzielle Eisenionen vom Transferrin zu übernehmen, da sie selbst keine Siderophore bilden und somit sonst gar nicht in der Lage wären, sich im Körper zu vermehren. ■ Das Endotoxin der Meningokokken kann die Zytokinkaskade auslösen und so Fieber, Gerinnungsstörungen und Schock verursachen. ■ Die Polysaccharidkapsel, von der es 12 verschiedene Serovarietäten gibt, schützt vor Phagozytose und Komplementopsonisation. Mithilfe der unspezifischen Abwehr, z. B. der Phagozyten und des Komplementsystems, und der spezifischen Immunreaktion gelingt in den meisten Fällen eine frühzeitige Eliminierung; vgl. Immunologie (S. 77). Kinder unter 12 Monaten profitieren von einem „Nestschutz“.

Pathogenese: 5–10 % der Bevölkerung sind symptomlose Keimträger. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfchen oder als Schmierinfektion. Virulenzfaktoren von pathogenen Meningokokken sind: ■ Adhäsine, welche eine Internalisation in die Epithelzellen auslösen ■ Rezeptoren für humanes Transferrin, womit sie sich Fe + + besorgen ■ Endotoxin, welches Entzündung auslöst ■ Polysaccharidkapsel, die vor Opsonisation und Phagozytose schützt.

Klinik: Nach einer Inkubationszeit von 2–5 Tagen (Tab. D-2.21) kommt es zu plötzlich einsetzendem schwerem Krankheitsgefühl mit hohem Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen und Nackensteife. Die immer vorhandene Bakteriämie (die Meningokokken-Meningitis ist eine Allgemeininfektion!) kann zu einer Infektion der Endothelzellen führen, was zu einer Thrombosierung des kapillaren Gefäßsystems und zu einer Mikrozirkulationsstörung führt. Die Folge ist eine Purpura fulminans mit petechialen Blutungen oder Organnekrosen (Nebennierenrinde) oder Nekrosen der Akren, was eine Amputation bedingen kann. Es kann zu einem Endotoxinschock mit Verbrauchskoagulopathie und hämorrhagischer Nekrose der Nebennierenrinden kommen, dem Waterhouse-Friderichsen-Syndrom (Abb. D-2.45). Meningokokkeninfektionen können dramatisch schnell verlaufen und innerhalb weniger Stunden zu lebensbedrohlichen Krankheitsbildern führen!

Klinik: Nach einer Inkubationszeit von 2–5 Tagen (Tab. D-2.21) kommt es in 2 Drittel der Fälle zu plötzlich einsetzender Meningitis. Die immer vorhandene Bakteriämie (es handelt sich um eine Allgemeininfektion!) kann zu einer schweren Sepsis und zu einem Waterhouse-Friderichsen-Syndrom (Endotoxinschock mit Verbrauchskoagulopathie, Abb. D-2.45) führen.

In den meisten Fällen wird der Erreger durch das Immunsystem eliminiert.

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392

≡ D-2.21

D

2 Spezielle Bakteriologie

Meningokokken-Meningitis auf einen Blick

Inkubationszeit

direkte Ansteckungsfähigkeit von Mensch zu Mensch

Meldepflicht

Wiederzulassung der Erkrankten zu Gemeinschaftseinrichungen

2–5 Tage

Nach Beginn einer Antibiotikatherapie verschwinden die Erreger innerhalb von 24 Stunden.

bei Nachweis in Blut, Liquor und anderen, normalerweise sterilen Substraten

nach Abklingen der klinischen Symptome

⊙ D-2.45

⊙ D-2.45

Waterhouse-Friderichsen-Syndrom Bei Befall der Haut, wie bei diesem Jungen, kommt es durch die Schädigung der Endothelzellen zu einer Extravasation von Blut (petechiale Blutungen unterschiedlicher Ausdehnung). Mit dem Glasspatel lassen sich diese roten Flecken nicht wegdrücken, wie das bei einer bloßen Weitstellung der Gefäße der Fall wäre. (Gortner, L., Meyer, S, Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme; 2018)

Krankheitsfolgen: Die Letalität liegt unbehandelt bei bis zu 70 %.

Krankheitsfolgen: Die Letalität ist sehr unterschiedlich. Sie wird zwischen 20 und 70 % angegeben. Bei rechtzeitiger Behandlung liegt sie unter 1 %. Trotzdem kann es in 10–20 % der Überlebenden einer Meningokokken-Meningitis zu Komplikationen wie Hirnnervenlähmungen, Krampfanfällen, Hydrozephalus und Hemiplegie sowie Taubheit durch Innenohrschädigung kommen. Nach einer Sepsis sind häufig Amputationen aufgrund von Gangrän und Nekrosen der Extremitäten erforderlich.

Nachweis: Kulturell aus Liquor und Blut, seltener aus anderem Material.

Nachweis: Im mikroskopischen Präparat vom Liquor sieht man erst mit zeitlicher Verzögerung von wenigen Stunden nach Invasion eine Zunahme der Granulozyten. Die gramnegativen Diplokokken liegen in Gruppen intra- und extrazellulär (ähnliches Bild wie Abb. D-2.43). Der kulturelle Nachweis erfolgt aus Liquor und Blut, seltener aus Abstrichen von Hautläsionen oder aus dem Nasopharynx. Die Identifikation gelingt mittels bunter Reihe. Die Serotypisierung erfolgt mit entsprechenden Antiseren.

▶ Merke.

▶ Merke. Meningokokken sind außerordentlich empfindlich gegen Umwelteinflüs-

se. Die schnelle Anlieferung in das mikrobiologische Labor unter Verwendung eines geeigneten Transportmediums ist von großer Wichtigkeit. Material nicht kühlen. Therapie: ▶ Merke.

Therapie: ▶ Merke. Da ein Erregernachweis anfangs oft noch nicht vorliegt, sollte bei Verdacht

auf eine bakterielle Meningitis zunächst besser mit einem Antibiotikum therapiert werden, das auch andere Meningitiserreger erfasst, z. B. ein Cephalosporin der 3. Generation (Ceftriaxon i. v.). Penicillin G ist grundsätzlich das Mittel der Wahl bei Meningokokkeninfektionen, aber es gibt 38 % Penicillin G intermediär empfindliche Stämme und ca. 3 % resistente Stämme. Die klinische Bedeutung der intermediären Penicillin G-Empfindlichkeit ist unklar. Da Penicillin G die Meningokokken nicht aus dem Nasen-Rachen-Raum beseitigt, muss bei dieser Therapie zusätzlich Rifampicin, Ceftriaxon oder Ciprofloxacin gegeben werden. Patienten gelten 24 Stunden nach Beginn der Therapie als nicht mehr infektiös. Prophylaxe: Eine Schutzimpfung ist besonders für Kinder und exponierte Personengruppen zu empfehlen.

Prophylaxe: Serumantikörper gegen Kapselantigene und andere Oberflächenstrukturen schützen vor einer Invasion. Solche spezifischen Antikörper werden natürlicherweise im Laufe des Lebens durch Kolonisation mit N. meningitidis, aber auch mit anderen, nicht pathogenen Neisserien (z. B. N. lactamica) induziert. Zusätzlich stehen Impfstoffe zur Verfügung, die Kapselbestandteile enthalten und somit bei Applikation protektive Antikörper induzieren. Ausnahme ist der Serotyp B, bei dem aufgrund ähnlicher Polysaccharidstrukturen zwischen dem Kapseltyp B und Nervenzellen kein Impfstoff basierend auf Kapselantigenen entwickelt werden kann. Alternativ stehen Serotyp B-Impfstoffe, die andere Oberflächenantigene enthalten, zur Verfügung. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

D

393

2.8 Gramnegative Kokken

Zur Impfung gegen Meningokokken stehen verschiedene Totimpfstoffe zur Verfügung: ■ konjugierte monovalente Impfstoffe gegen den Serotyp C ab dem Alter von 2 Monaten, ■ quadrivalente Konjugatimpfstoffe gegen die Serotypen A, C, W und Y für Personen ab dem Alter von 2 Jahren bzw. 1 Jahr. ■ Aktuell wird von der ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) die einmalige Impfung von Kindern ab dem 2. Lebensjahr mit einem monovalenten Konjugatimpfstoff gegen den Serotyp C empfohlen. Dabei sind die Polysaccharidantigene als Hapten an einen Proteinträger gekoppelt, damit eine starke Immunreaktion ausgelöst wird. ■ Darüber hinaus wird die Impfung mit einem quadrivalenten Konjugatimpfstoff gegen Serotyp A, C, W und Y für besondere Gruppen wie Personen mit Immundefekten, Reisende in Risikogebiete, bei bestimmten Ausbruchsituationen etc. empfohlen. ■ Eine andere Konjugatvakzine aus Proteinantigenen gegen die Serogruppe B ist für Personen ab 2 Monaten zugelassen, wird von der ständigen Impfkommission am Robert-Koch Institut (STIKO) aber aktuell aufgrund ungenügendem Nachweis der Protektion nicht empfohlen! Da Erkrankte die Erreger oft in großer Menge ausscheiden, kommt es z. B. beim Absaugen der Trachealflüssigkeit oder bei Reanimation zu starker Aerosolbildung. Folglich haben Kontaktpersonen ein 1000-fach höheres Risiko zu erkranken. Eine kurzzeitige Chemoprophylaxe des medizinischen Personals oder von Angehörigen des Patienten mit Rifampicin, Ceftriaxon oder Ciprofloxacin für 2 Tage ist sinnvoll. Besonders Chinolone (schon eine Dosis oral) sind hervorragend wirksam, weil sie hohe Konzentrationen in der „epithelial lining fluid“ (ELF), also im Sekret auf der Schleimhaut, erreichen und so die inhalierten Bakterien noch vor einer Kolonisierung abtöten (bei Schwangerschaft allerdings kontraindiziert). ▶ Merke. Eine Chemophrophylaxe im Umfeld von Erkrankten sowie die Sanierung

▶ Merke.

erkannter Keimträger sollte nicht mit Penicillin, sondern mit Rifampicin, Ceftriaxon oder einem Chinolon (Ciprofloxacin) vorgenommen werden, da Penicillin nicht in ausreichender Menge in den Schleim ausgeschieden wird und somit eine Besiedelung der Oberfläche nicht beeinflusst.

2.8.2 Eikenella ▶ Definition. Die einzige Spezies dieser Gattung ist Eikenella corrodens. Das gramnegative, unbewegliche, kokkoide Stäbchenbakterium ist normalerweise Bestandteil der Schleimhautflora der Mundhöhle und des oberen Respirationstraktes.

2.8.2

Eikenella

▶ Definition.

Bei prädisponierenden Faktoren, wie Tumoren des Kopfes und Nackens, sowie nach Menschenbissen können Infektionen durch den Keim erfolgen, sowohl als Mischals auch als Monoinfektionen. Eikenella corrodens kann auch eine Endokarditis auslösen, vor allem bei schlechter Mund- und Zahnhygiene. Die Diagnose erfolgt durch kulturellen Nachweis des Erregers auf Blutagar, was eine 5 %ige CO2-Atmosphäre voraussetzt. Der Name kommt von der charakteristischen Wuchsform der Keime, die die Agaroberfläche „korrodieren“, d. h. sich in den Agar eingraben. Selbst in einer Mischkultur kann man Eikenella bereits aufgrund seines typischen modrigen Geruchs vermuten. Mit Penicillin, Ampicillin, Tetrazyklinen u. a. kann die Therapie eingeleitet werden, jedoch muss bei Mischinfektionen die Empfindlichkeit der Begleitflora berücksichtigt werden. Gegen Makrolide, Clindamycin und Metronidazol ist dieser Keim resistent.

Bei prädisponierenden Faktoren (reduzierte Abwehr) können Infektionen auftreten.

2.8.3 Moraxella catarrhalis

2.8.3

Früher, als ihre pathogene Bedeutung noch nicht bekannt war, wurden diese Bakterien als Neisseria catarrhalis bezeichnet und für übliche Flora erachtet, weil sie bei gesunden Trägern vorkommen. Sie sind jedoch durchaus in der Lage, Sinusitis und Otitis media und sogar Bronchitis und Pneumonie hervorzurufen, in seltenen Fällen sogar eine Bakteriämie mit Endokarditis und selbst Meningitis. Zu bemerken ist, dass diese Keime oft eine Resistenz gegen viele verschiedene Antibiotika, auch gegen Penicillin, besitzen.

Moraxella catarrhalis besiedelt nicht nur die oberen Luftwege, sondern verursacht auch Sinusitis, Otitis media, Bronchitis, Pneumonie.

Nachweis des Keimes auf Blutagar; typischer modriger Geruch. Penicillin, Ampicillin und Tetrazykline sind wirksam.

Moraxella catarrhalis

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394

D

2.8.4

2.8.4 Kokkoide, aerobe Kurzstäbchen

Kokkoide, aerobe Kurzstäbchen

2 Spezielle Bakteriologie

Kokkoide Kurzstäbchen der Gattung Acinetobacter gehören zur normalen Körperflora des Menschen. Sie können gelegentlich an Infektionen beteiligt sein. Insgesamt sind sie als Krankheitserreger nur von nachgeordneter Bedeutung. Acinetobacter

Acinetobacter

Acinetobacter können Verursacher von nosokomialen Infektionen sein; besondere Probleme entstehen durch multiresistente Erreger, nämlich 3-MRGN bzw. sogar 4-MRGN.

Wie der Name ausdrückt, sind diese nicht fermentierenden Bakterien unbeweglich, d. h. unbegeißelt. Es handelt sich um kokkoide, gramnegative, oft paarweise auftretende Stäbchenbakterien mit häufigem Vorkommen in der Umwelt; sie sind ziemlich umweltstabil und damit im Hospitalbereich oft zu finden. Neben A. baumannii existieren noch mehrere Spezies, z. B. A. calcoaceticus, A. lwoffii (benannt nach dem Nobelpreisträger André Lwoff). Der kulturelle Nachweis des Keimes aus klinischem Untersuchungsmaterial gelingt problemlos, jedoch ist die Entscheidung, ob einem solchen Isolat eine Infektionsrelevanz zukommt, in der Regel schwierig. Als Erreger von nosokomialen Infektionen (z. B. Pneumonie nach künstlicher Beatmung oder Wundinfektionen nach Operationen) sind sie allerdings ernst zu nehmen. Eine Therapie gegen Acinetobacterinfektionen erfordert immer ein Antibiogramm, da der Erreger gegen zahlreiche Antibiotika resistent sein kann. In manchen Hospitalbereichen kommen multiresistente Stämme vor, nämlich 3-MRGN, die gegen 3 der wichtigsten Antibiotikagruppen resistent sind oder selbst 4-MRGN, die gegen fast alle Antibiotika resistent sind. Solche Patienten sind strikt zu isolieren, um eine Ausbreitung zu verhindern.

Kingella

Kingella

Kingella kingae ist bei kleinen Kindern ein wichtiger Erreger von septischer Arthritis, Osteomyelitis und Spondoliszitis, bei Erwachsenen auch von Endokarditiden.

Kingella kingae ist ein Gram-negatives aerobes kokkoides Stäbchenbakterium (S. 386), das erst in den Jahren nach 1990 als Infektionserreger bei jungen Kindern entdeckt wurde. K. kingae ist Teil der normalen Rachenflora von kleinen Kindern. Oft geht eine Infektion der Mundschleimhaut oder der oberen Atemwege einer septischen Arthritis (S. 669), Osteomyelitis (S. 667) und Spondylodiszitis (S. 667) voraus. Bei Erwachsenen kann es neben Knochen- und Gelenkinfektionen auch Endokarditiden auslösen. Die kulturelle Anzucht kann schwierig sein, sodass insbesondere aus primär sterilen Materialien wie dem Knochen ein molekularbiologischer Nachweis sinnvoll sein kann. K. kingae ist in der Regel empfindlich gegen Penicilline und Cephalosporine sowie Makrolide, Cotrimoxazol und Tetrazykline.

2.9

Gramnegative aerobe, nicht fermentierende Stäbchenbakterien (Pseudomonadaceae)

2.9

Gramnegative aerobe, nicht fermentierende Stäbchenbakterien (Pseudomonadaceae)

Dirk Schlüter Geschichtliches: Der Arzt Otto Friedrich Müller aus Kopenhagen versuchte 1786 eine Bakteriensystematik mit wissenschaftlicher Nomenklatur zu schaffen. Dabei unterschied er zwischen beweglichen Mikroben, die er als Zittertierchen oder Vibriones bezeichnete, und unbeweglichen „Urkörperchen“ oder Monaden (Monas punctum = Kokke). Am Ende des 19. Jahrhunderts erkannte man, dass es bewegliche Stäbchenbakterien gab, die nicht in das Schema der Vibrionen einzuordnen waren. Es handelte sich vielmehr um falsche (weil bewegliche) „Urkörperchen“, also Pseudomonaden. ▶ Definition.

▶ Definition. Pseudomonaden sind gramnegative, nicht sporenbildende Stäbchenbakterien von unterschiedlicher Größe (0,5–5,0 μm), die leicht gebogen sein können, aber keine Schraubenstruktur besitzen. Pseudomonaden sind grundsätzlich beweglich, da sie eine oder auch mehrere polar angeordnete Geißeln besitzen (unter Kulturbedingungen können auch peritriche Begeißelungen beobachtet werden). Pseudomonaden sind obligate Aerobier, die zur Abdeckung ihres Energiebedarfes Sauerstoff als terminalen Elektronenakzeptor benötigen. Sie besitzen alle das Enzym Katalase. Weil sie Glukose nicht fermentativ, sondern nur oxidativ verwerten können, werden sie zu den Nonfermentern gezählt. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

D

Klassifikation: Die rein mikrobiologische Klassifikation ist sehr kompliziert, es werden mehrere Genera der Familie Pseudomonadaceae unterschieden, wovon einige in Tab. D-2.22 genannt sind. Die Differenzierung erfolgt biochemisch oder massenspektrometrisch. Die meisten Pseudomonaden sind Umweltkeime, vor allem sog. „Pfützenkeime“ aus wässrigen Standorten (Syphon etc.), die gelegentlich Infektionen hervorrufen können.

≡ D-2.22

395

2.9 Gramnegative aerobe, nicht fermentierende Stäbchen Klassifikation: Tab. D-2.22.

Medizinisch bedeutungsvolle Pseudomonaden

Keim

Bedeutung/Vorkommen

Pseudomonas ■

pathogen

Pseudomonas aeruginosa

Eiter (blaugrün)/Wasser



wenig pathogen

Pseudomonas fluorescens

Wasser

Pseudomonas putida

Wasser

Pseudomonas stutzeri

Wasser

Pseudomonas syringae

Wasser

Burkholderia cepacia (früher: Pseudomonas cepacia); ein ganzer Komplex mit mehr als 20 verwandten Arten

infektbedingte Exazerbation einer Mukoviszidose/Wasser

Burkholderia mallei

Eiter bei Einhufern/Rotz (selten beim Menschen)

Burkholderia pseudomallei

Melioidose (schwerste, oft tödliche Pneumonien)/Wasser/ Staub; v. a. in tropischen Ländern von Südostasien Evtl. Hinweis auf Sicherheitsstufe!!

Stenotrophomonas

Stenotrophomonas maltophilia (früher: Xanthomonas maltophilia)

nosokomiale Infektion/Wasser

Shewanella

Shewanella putrefaciens

Wasser

Sphingomonas

Sphingomonas paucimobilis

Wasser

Burkholderia

Comamonas

Wasser

Delftia

Wasser

Ralstonia

Ralstonia pickettii

Brevundimonas

Wasser Wasser

Myroides

Wasser

Chryseobacterium

Chryseobacterium indologenes

Wasser

2.9.1 Pseudomonas

2.9.1

Pseudomonas aeruginosa

Pseudomonas aeruginosa

Pseudomonas

Geschichtliches: P. aeruginosa ist der Verursacher des blaugrünen Wundeiters. Die grünspanartige Verfärbung der Wundverbände (aeruginosus = grünspanartig) hat ihm den Namen gegeben (Abb. D-2.46). Gessard gelang 1882 die erste Reinkultur. Er nannte den isolierten Keim „Bakterium des blaugrünen Eiters“, Bacterium pyocyaneum.

⊙ D-2.46

⊙ D-2.46

Reinkultur von Pseudomonas aeruginosa Der von den Bakterien gebildete blaugrüne Farbstoff färbt des Nährmedium an.

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396 ▶ Definition.

D

2 Spezielle Bakteriologie

▶ Definition. Pseudomonas aeruginosa besitzt eine Reihe unverwechselbarer artspezifischer Eigenschaften: ■ In Flüssigkulturen wächst er als strikter Aerobier an der äußersten Flüssigkeitsoberfläche. Die Bakterienmasse bildet dabei ein regelrechtes Häutchen (Kahmhautbildung). ■ Ein eindringlicher süßlich-aromatischer Geruch, bedingt durch die Bildung von Aminoacetophenon, lässt sich auch diagnostisch am Krankenbett verwenden. ■ In Flüssigkulturen lässt sich das blaugrüne Phenacinderivat Pyocyanin, das speziesspezifisch ist, mit Chloroform ausschütteln. ■ Ein zweites gelbgrünes Pigment ist wasserlöslich und lässt sich nicht mit Chloroform ausschütteln. Es fluoresziert im UV-Licht und wird deshalb als Fluoreszein bezeichnet. Dieser Farbstoff ist jedoch nicht artspezifisch und kann auch bei anderen Vertretern der Gruppe nachgewiesen werden. Die Bildung weiterer roter oder brauner Pigmente ist möglich, aber nicht obligatorisch; in vielen anderen Nährböden kommt es zur Diffusion der Farbstoffe und entsprechender Färbung. ■ P. aeruginosa bildet auf bluthaltigen Nährböden in der Regel eine Beta-Hämolyse aus.

Klassifikation: Die Feintypisierung ist Speziallabors vorbehalten.

Klassifikation: In der Natur kommen viele Pseudomonas-Arten vor, die aber apathogen sind, z. B. Pseudomonas fluorescens. Von humanmedizinischer Bedeutung ist vor allem P. aeruginosa. Für epidemiologische Zusammenhänge ist eine Typisierung mittels Next-Generation-Sequencing oder Multilocus-Sequence-Typing sinnvoll. Von deutlich abnehmender Bedeutung ist die historische Unterscheidung aufgrund von O- und H-Antigenmustern, durch Phagenlysotypie und durch Austestung mit Pyocinen, d. h. speziellen Bacteriocinen, welche Speziallabors vorbehalten ist.

Bedeutung: P. aeruginosa ist der typische Nass- oder Pfützenkeim, der selbst in entionisiertem Wasser, aber vor allem auch in Duschen, Toiletten etc. noch nachweisbar sein kann. Er ist ein bedeutender Erreger nosokomialer Infektionen mit hoher Umweltpersistenz.

Bedeutung: Die Nährstoffansprüche von P. aeruginosa sind sehr bescheiden. P. aeruginosa ist deshalb der typische Nass- oder Pfützenkeim, der selbst in entionisiertem Wasser sowie Duschen, Waschbecken etc. noch nachweisbar sein kann. Er ist ein bedeutender Erreger nosokomialer Infektionen mit hoher Umweltpersistenz. Gefürchtet ist sein Auftreten in mehrfach verwendbaren Lösungen und Augentropfen sowie in Flüssigseifen und ungenügend konzentrierten Desinfektionsmittellösungen (große Gefahr zentraler Desinfektionsmitteldosieranlagen!).

▶ Exkurs.

Pathogenese: Es kann zwischen invasivem Vorgehen des Erregers mit lokalen Entzündungen bis zur Sepsis und der Produktion von Exotoxinen und Enzymen mit lokalen und systemischen Folgen unterschieden werden. Das einzelne LPS-Molekül von Pseudomonas ist weniger toxisch und weniger entzündungsfördernd als das Endotoxin von Enterobacterales. Aber bei chronischer Besiedelung, z. B. bei Mukoviszidose, spielt die große Menge doch eine entscheidende Rolle bei der Pathogenese. Weitere Pathogenitätsfaktoren sind eine Schleimschicht aus Alginat und ein Exotoxin A, welches als Zytotoxin die Epithelzellen schädigen kann. Im Grunde müssen dann nicht die Bakterien selbst im Gewebe vorrücken, es reicht, wenn antigene Bakterienprodukte ständig eine Immunreaktion unterhalten.

▶ Exkurs. Genau dieselben Stämme, die beim Menschen Krankheit erzeugen, werden eingesetzt, um Wasser und Böden, die mit Erdöl verunreinigt sind, wieder zu sanieren.

Pathogenese: Die Pathogenese von P.-aeruginosa-Infektionen ist je nach Lokalisationsort und Dispositionsrisiko des Patienten sehr komplex. Prinzipiell kann unterschieden werden zwischen dem invasiven Vorgehen des Erregers mit ausgeprägten lokalen Entzündungen bis zur Sepsis und der Produktion von Endo- und Exotoxinen und zahlreichen Enzymen, die lokale und systemische Folgen bewirken. Das Endotoxin (LPS) der Pseudomonaden hat einige strukturelle Unterschiede zu dem der anderen gramnegativen Stäbchenbakterien; es ist weniger toxisch und weniger entzündungsfördernd. Dennoch ist bei lang anhaltender Exposition, z. B. bei Besiedelung der Mukosa von Mukoviszidosepatienten, auch diese Komponente an der Inflammation beteiligt. Von Stamm zu Stamm kann die Polysaccharidkette des LPS unterschiedlich lang ausgebildet werden. Eine lange Kette, wie sie bei glatten Kolonien vorkommt, schützt das Bakterium nach Penetration ins Gewebe vor Opsonisierung durch Komplement. Solche glatten Bakterien können also tiefe Infektionen hervorrufen. Raue Bakterien mit nur kurzen Polysaccharidseitenketten haben einen Vorteil an der Oberfläche von Schleimhäuten, z. B. bei Mukoviszidosepatienten. Sie binden besser an diese Epithelzellen mit den entsprechenden Rezeptoren. Eine extrazelluläre Schleimschicht aus Alginat verhindert, dass sie von der Epitheloberfläche vertrieben werden. Weitere extrazelluläre Produkte, z. B. Exotoxin A, ein Zytotoxin, kann nun Schäden an der Schleimhaut auslösen. Selbst wenn bei der Mukoviszidose die Erreger selbst nicht in die Tiefe des Bronchialgewebes vordringen, so können doch bei chronischer Besiedelung bakterielle Produkte in der Schleimhaut eine immunologisch induzierte Entzündung verursachen.

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D

397

2.9 Gramnegative aerobe, nicht fermentierende Stäbchen

Klinik: Je nach Lokalisationsort bietet die Klinik unterschiedliche Symptome. Typische Krankheiten sind: ■ pseudomonasbedingte Otitis externa nach Besuch von Schwimmbädern („swimmer’s ear“). Ebenfalls papulöse Exantheme der Haut, typischerweise die Badebekleidung nachzeichnend, besonders nach Besuch von Whirlpools, ■ Infektionen von Brandwunden und postoperative Wundinfektionen (typischer blau-grüner Eiter!), ■ Infektionen der Respirationsorgane über Aerosole durch kontaminierte Inhalationsgeräte, Ultraschallvernebler, Klimaanlagen, Inkubatoren, Intubation u. Ä., ■ Lungeninfekte bei zystischer Fibrose (Mukoviszidose) nicht selten in Kombination mit anderen Bakterien wie S. aureus, ■ hartnäckige, rezidivierende Harnwegsinfekte bei liegendem Katheter oder künstlichen Materialien, ■ Endokarditiden und Septikämien oft bei Drogenabhängigen.

Klinik: Typische Krankheiten sind: ■ Otitis externa nach Schwimmbadbesuch ■ Infektionen von Brandwunden und postoperative Wundinfektionen ■ Infektionen der Respirationsorgane durch kontaminierte Geräte ■ Lungeninfekte bei zystischer Fibrose ■ rezidivierende deviceassoziierte (z. B. katheterassoziierte) Harnwegsinfekte ■ Endokarditiden und Septikämien oft bei Drogenabhängigen.

Therapie: P. aeruginosa hat, wie alle gramnegativen Bakterien, eine äußere Membran, welche eine Diffusionsbarriere für Antibiotika darstellt. Wenn überhaupt, dann können diese nur über spezielle Kanäle (Porine, Abb. D-1.7) dieses Hindernis überwinden. Nun sind die Porine der Pseudomonaden ganz besonders eng und undurchlässig. Dies bedeutet, dass die meisten der üblichen Antibiotika nicht penetrieren. Insgesamt stellen viele Stämme von P. aeruginosa ein therapeutisches Problem dar! Im Einzelfall muss man die Auswahl nach Antibiogramm treffen. Evtl. sollten Betalaktame wie Piperacillin, Ceftazidim, Cefepim mit einem Aminoglykosid oder Chinolon kombiniert werden.

Therapie: P. aeruginosa ist oft wenig empfindlich gegen eine Vielzahl von Antibiotika oder sogar resistent. Daher empfehlen sich Kombinationen, z. B. Betalaktame (wie Piperacillin, Ceftazidim, Cefepim) plus hochdosiert Aminoglykoside oder Chinolone.

Prophylaxe: Pseudomonadeninfektionen sind typische nosokomiale Infektionen. Daher sind die bauliche und technische Sanierung der Krankenzimmer sowie sorgfältige Desinfektion notwendig, um von vornherein eine Exposition zu verhindern. Da Wasser eine häufige Infektionsquelle darstellt, sollte ein Waschbecken im Krankenzimmer im Prinzip so konstruiert sein, dass der Wasserstrahl nicht in den Syphon, sondern auf die Schale des Waschbeckens gerichtet ist, damit nicht bakterienhaltige Aerosole entstehen. Bei Befall von Wasserleitungen (S. 703) muss ggf. durch einen Bakterienfilter am Auslass des Wasserhahns eine Übertragung auf Patienten verhindert werden, s. Kap. „Desinfektionsverfahren“ (S. 724).

Prophylaxe: Pseudomonadeninfektionen sind typische nosokomiale Infektionen, denen nur durch gezielte Desinfektionsmaßnahmen begegnet werden kann.

▶ Klinischer Fall. Bei einer 68-jährigen multimorbiden Frau wird wegen fortgesetzter Oberbauchbeschwerden eine endoskopisch-retrograde Cholangiopankreatikografie (ERCP) vorgenommen. Zu diesem Zweck wird mit einem flexiblen Endoskop die Papilla Vateri aufgesucht, und von dort aus werden die Pankreas- und Gallengänge retrograd über den Flüssigkeitskanal des Instruments mit Röntgenkontrastmittel gefüllt. Einige Stunden nach der Untersuchung bekommt die Patientin hohes Fieber und zeigt alle Anzeichen einer massiven Septikämie. Noch ehe ein mikrobiologischer Befund vorliegt, verstirbt die Frau. Die mikrobiologische, pathologische und krankenhaushygienische Untersuchung des Falles erbrachte folgende Ergebnisse: In der Blutkultur Nachweis von Pseudomonas aeruginosa. Aus den Gallenwegen und aus dem Lebergewebe kann ebenfalls P. aeruginosa angezüchtet werden. Eine bakteriologische Untersuchung des Röntgenkontrastmittels verläuft negativ. Stichprobenhafte Untersuchungen der Gastroduodenoskope dieser Klinik bringen dieselben Keimisolate. Schließlich findet sich der Erreger auch in der Wasserstelle des Raumes, wo die Endoskope nach Gebrauch gereinigt und desinfiziert werden. Alle Isolate stimmen genotypisch überein. Folgende Kontaminationskette ist deshalb anzunehmen: Das flexible Duodenoskop war nach früherem Gebrauch zwar sachgerecht gereinigt und desinfiziert worden, bei der anschließenden Durchspülung der Gerätekanäle (unbedingt nötig zur Entfernung des schleimhautreizenden Desinfektionsmittels) war jedoch jenes Wasser verwendet worden, das P. aeruginosa enthielt. Diese Kontamination der Endoskope blieb unentdeckt, solange mit ihnen keine „invasiven“ Eingriffe vorgenommen wurden. Bei ERCP waren die Keime durch das Röntgenkontrastmittel jedoch aus dem Instrument heraus – und unter Druck – in die Gallenwege hineingespült worden. Von dort konnten sie hämatogen streuen und die Septikämie verursachen.

▶ Klinischer Fall.

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398

D

2.10

2.10 Enterobacterales

Enterobacterales

2 Spezielle Bakteriologie

Dirk Schlüter ▶ Definition.

▶ Definition. Seit 2016 wird die Ordnung Enterobacterales in mehrere Familien eingeteilt: Enterobacteriaceae (mit den Gattungen Escherichia, Citrobacter, Enterobacter, Klebsiella, Raoultella, Salmonella, Shigella), Erwiniaceae (mit den Gattungen Erwinia, Pantoea), Yersiniaceae (mit den Gattungen Yersinia, Serratia), Hafiaceae, Morganellaceae (mit den Gattungen Proteus, Providencia, Morganella). Die Enterobacterales umfassen gramnegative, nicht sporenbildende, aerobe/fakultativ anaerobe, teils bewegliche (begeißelte) (Abb. D-1.13), teils unbewegliche (unbegeißelte) Stäbchenbakterien.

Klassifikation: Tab. D-2.23.

≡ D-2.23

Klassifikation: Diese Bakterien gehören zur Klasse der Gammabakterien im Stamm der Proteobakterien. Tab. D-2.23 gibt einen Überblick über die humanmedizinisch interessanten Gattungen der Enterobacterales.

Die wichtigsten Gattungen bzw. Familien der Enterobacterales

Genus

natürliches Habitat

humanpathologische Bedeutung

Buttiauxella

Darmtrakt

koliformer Keim, extraintestinale Infektionen

Citrobacter

Darmtrakt

koliformer Keim, extratestinale Infektion

Cronobacter

Lebensmittel (Milchpulver)

bei Kleinkindern lebensgefährliche Sepsis, Meningitis

Enterobacter

Umwelt, Darmtrakt

koliformer Keim, extraintestinale Infektion

Erwiniaceae

Umwelt, Darmtrakt

seltene extraintestinale Infektionen, wenig pathogen

Escherichia

Darmtrakt

extraintestinale Infektion, Enteropathien, klassischer Fäkalindikator, Harnwegsinfektionen

Hafniaceae

Umwelt

Diarrhö, extraintestinale Infektionen

Klebsiella

Darmtrakt

koliformer Keim, extraintestinale Infektion

Kluyvera

niedere Tiere

koliformer Keim, extraintestinale Infektion

Leclercia

unbekannt

koliformer Keim, extraintestinale Infektion

Morganellaceae

Darmtrakt, Umwelt

extraintestinale Infektion

Raoultella

Darm, Umgebung

extrainestinale Infektionen

Salmonella

Reptilien, Hühner

je nach Serovar (> 2200): Typhus abdominalis, intestinale und extraintestinale Infektionen

Shigella

Darmtrakt

bakterielle Ruhr (sehr selten extraintestinale Infektionen)

Yersiniaceae

Tiere

je nach Spezies: Pest, intestinale und extraintestinale Infektionen

Wichtige Vertreter mit eindeutiger humanmedizinischer Bedeutung sind fett hervorgehoben.

Bedeutung: Neben den Vertretern klassischer Infektionskrankheiten stellen die Enterbacterales die Hauptgruppe der Erreger nosokomialer Infektionen sowie wichtige bakteriologische Hygieneindikatoren (Abb. D-2.47). Ihre Endotoxine können in der Blutbahn einen lebensgefährlichen septischen Schock auslösen.

⊙ D-2.47

Bedeutung: Neben den Erregern klassischer Infektionskrankheiten, wie Typhus abdominalis, Salmonellenenteritis, bakterieller Ruhr oder Pest bedingen Enterobacterales ca. 50 % der Erreger nosokomialer Infektionen, sowie mit E. coli und den koliformen Keimen die wichtigsten bakteriologischen Hygieneindikatoren (Abb. D-2.47). Wie alle gramnegativen Bakterien sind auch die Enterobacterales Endotoxinbildner. Endotoxin ist ein Lipopolysaccharid der äußeren Bakterienmembran, das beim Zerfall der Bakterien (in vivo oder in vitro) frei wird. Bei Einschwemmung in die Blutbahn kann es als eines der effektivsten PAMPs (S. 91) wirksam werden und Zellrezeptoren (z. B. Toll-likeRezeptoren, CD14) stimulieren. Dadurch wird z. B. die Zytokinkaskade stimuliert, welche Fieber erzeugt und ggf. einen Endotoxinschock auslösen kann.

⊙ D-2.47

Kultur von Enterobacteriaceae auf Endoagar Die rosa, schleimigen, teilweise konfluierenden Kolonien sind Klebsiella pneumoniae, die kleineren dunkleren Kolonien mit Doppelrand und zentraler Erhebung Escherichia coli.

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D

399

2.10 Enterobacterales

Nachweis: Alle Enterobacterales zeigen auf festen bzw. in flüssigen, relativ einfachen Nährmedien Wachstum. Ihre teilweise Resistenz gegenüber Gallensalzen sowie einigen Farbstoffen und Chemikalien bietet Möglichkeiten zur selektiven Kultivierung. Einige Gattungen haben eine charakteristische Kulturmorphologie, die der Fachmann zur ersten Verdachtsdiagnose (auf Gattungsebene) nutzen kann (z. B. Schwärmverhalten bei Proteus, Schleimbildung bei Klebsiella, rote Pigmentierung bei Serratia, gelbe Pigmentierung bei Cronobacter u. a.). ▶ Merke. Eine endgültige Differenzierung der einzelnen Spezies ist jedoch weder

Nachweis: Enterobakterien sind aus allen Untersuchungsmaterialien problemlos nachweisbar, da sie stabil und anspruchslos sind.

▶ Merke.

mikroskopisch noch mittels Kulturmorphologie möglich. Sie erfolgt klassischerweise aufgrund unterschiedlicher Muster verschiedener Stoffwechselleistungen, die als biochemische Reaktionen in der „bunten Reihe“ getestet werden (Abb. A-3.19). Kompliziert wird die Klassifikation dadurch, dass innerhalb einer Spezies einzelne Stämme abweichende Stoffwechselmerkmale besitzen können. Es ist deshalb unverzichtbar, möglichst viele Stoffwechselmerkmale zu erfassen. Die Industrie bietet heute mehrere standardisierte Systeme an, mit denen eine Vielzahl solcher biochemischer Parameter in einem numerischen Code erfasst und anhand von Tabellen bzw. durch Computerlisten der Wahrscheinlichkeit nach zugeordnet werden. Eine sehr wichtige Stoffwechselleistung ist die Frage nach dem Vorhandensein des Enzyms Beta-Galaktosidase, das den Abbau von Laktose reguliert. Der Nachteil der biochemischen Differenzierung ist, dass man mehrere Stunden (meist 18–24 h) bis zu einem eindeutigen Ergebnis warten muss. ▶ Merke. Als Faustregel gilt: Laktosepositive Enterobacteriaceae, d. h. Bakterien, die

Die Differenzierung erfolgt aufgrund unterschiedlicher Stoffwechselleistungen in der „bunten Reihe“ (Abb. A-3.19). Eine sehr wichtige Stoffwechselleistung stellt der Abbau von Laktose dar.

▶ Merke.

Laktose spalten können, sind in der Regel der normalen Darm- oder Umweltflora zuzuordnen und damit fakultativ pathogen. Laktosenegative Enterobacteriaceae sind hingegen immer verdächtig und müssen differenziert werden, da die humanmedizinisch höchst wichtigen Genera Salmonella und Shigella dazugehören. Für viele mikrobiologisch-hygienischen Fragestellungen genügt diese Feststellung. Laktosepositive Enterobacteriaceae werden deshalb ohne weitere Speziesdifferenzierung auch als koliforme Keime bezeichnet. Routinemäßig werden serologische Nachweise (d. h. Antikörpertiterbestimmungen im Patientenserum) nur selten geführt (z. B. bei typhösen Salmonellen- oder Yersinienerkrankungen). Serologische Laborverfahren dienen jedoch dazu, innerhalb der einzelnen Genera eine Spezies- bzw. Serovardifferenzierung vorzunehmen. Prinzipiell lassen sich folgende Antigenstrukturen nachweisen: ■ O-Antigen (Oberflächenantigene): Es handelt sich um in der Zellwand lokalisierte, thermostabile Lipopolysaccharide (Endotoxin). ■ H-Antigen (Geißelantigene): Können als thermolabile Proteine (Flagellin) hohe Antikörpertiter hervorbringen. ■ F-Antigene (Fimbrienantigene): Fimbrien (Proteine) sind für die Adhärenz an den Zellen der befallenen Organe von besonderer Wichtigkeit. ■ K-Antigene (Kapselantigene): Einige Enterobacterales sind bekapselt. Es handelt sich um Polysaccharide, die der Oberfläche der Bakterienzelle aufsitzen. ■ OMP-Antigene (outer membrane proteins): Sie fungieren als Porine zum Durchlass von Stoffen durch die Lipiddoppelschicht. Einzelne Domänen dieser Porine zeigen nach außen und induzieren eine Immunreaktion. Die Bezeichnung O- und H-Antigene entstammt ursprünglich Untersuchungen beim Bakterium Proteus. Stark begeißelte Stämme bilden auf festen Nährböden keine umschriebenen Kolonien, sondern überziehen ihn mit einem dünnen Film von hauchförmigem Aussehen. Geißellose, unbewegliche Stämme wachsen ohne Hauch in normalen Kolonien. Eine weitere zuverlässige Differenzierung der Enterobacterales ist mithilfe von MALDITOF-Massenspektrometrie (S. 47) möglich. Der Vorteil ist, dass die Ergebnisse schnell, nämlich innerhalb von Minuten vorliegen. ▶ Merke. Viele Enterobacterales sind empfindlich gegen Austrocknung. Die Einsen-

Laktosepositive Enterobacteriaceae werden auch als koliforme Keime bezeichnet. Serologische Untersuchungsmethoden dienen in erster Linie der Speziesdifferenzierung. Folgende Antigenstrukturen sind nachweisbar: ■ O-Antigen: in der Zellwand lokalisierte Lipopolysaccharide. ■ H-Antigen: Geißelantigene, verursachen hohe Antikörpertiter. ■ F-Antigene: Fimbrienantigene. ■ K-Antigene: Kapselantigene. ■ OMP-Antigene: outer membrane proteins.

Mithilfe von MALDI-TOF-Massenspektrometrie lassen sich die Enterobacterales gut und schnell differenzieren. ▶ Merke.

dung von Untersuchungsmaterial erfolgt deshalb bei kleinen Mengen – z. B. Tupferabstrich – in einem Transportmedium oder besser durch eine größere Menge (ca. 2 ml) des direkten Untersuchungsmaterials (z. B. Stuhl, Urin, Eiter, Sputum, Biopsie etc.). Auch Tupfer, die in einem flüssigen Medium eintauchen, verhindern verlässlich eine Austrocknung. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

400

D

2.10.1 Salmonella

2.10.1 Salmonella

2 Spezielle Bakteriologie

Geschichtliches: Die Salmonellen sind benannt nach dem amerikanischen Bakteriologen Daniel Salmon. Die wichtigsten Salmonellen, nämlich die Erreger des Typhus abdominalis, waren jedoch bereits 1880 von Robert Koch und Karl Joseph Eberth entdeckt und 1884 von Theodor August Gaffky in Reinkultur gezüchtet worden. Schon 1839 hatte der Kliniker Johannes Lucas Schönlein (Würzburg, später Zürich und Berlin) die Unterscheidung zwischen Typhus abdominalis (engl. typhoid fever) und Typhus exanthemicus (= Fleckfieber, engl. typhus, Erreger sind Rickettsien) vorgenommen. ▶ Definition.

▶ Definition. Salmonellen sind peritrich begeißelte (bewegliche) gramnegative Stäbchenbakterien, die in der Regel Laktose nicht vergären können und sich mikroskopisch nicht von anderen Gram-negativen Stäbchenbakterien unterscheiden lassen.

Klassifikation: Die Gattung der Salmonellen ist in 2 Spezies, Salmonella bongori und Salmonella enterica unterteilt. S. enterica wird in 6 Subspezies unterteilt. Praktisch alle medizinisch relevanten Salmonellen sind der Subspezies I, Salmonella enterica, zugeordnet. Die weitere Einteilung erfolgt in Serovare, von denen es über 2500 gibt. Die Serovareinteilung erfolgt hauptsächlich serologisch nach dem Antigenmuster der Geißeln: ■ O-Antigene, ■ H-Antigene, die in Phase 1 und Phase 2 eingeteilt werden, ■ Kapsel- oder Vi-Antigene (eigentlich K-Antigene).

Maßgeblich für die Klassifizierung der Salmonellen ist das Kauffmann-White-Schema (Tab. D-2.24).

≡ D-2.24

Klassifikation: Es werden zwei Salmonella-Spezies, Salmonella bongori und Salmonella enterica, unterschieden. Letztere teilt sich in 6 Subspezies auf: ■ ssp. arizonae (Gruppe IIIa), ■ ssp. diarizonae (Gruppe IIIb), ■ ssp. enterica (Gruppe I), ■ ssp. houtenae (Gruppe IV), ■ ssp. indica (Gruppe VI) und ■ ssp. salamae (Gruppe II). Praktisch alle humanmedizinisch relevanten Salmonellen finden sich in der Spezies Salmonella enterica ssp. enterica. Eine weitere Unterteilung in Serovare ergibt sich aufgrund von unterschiedlichen Antigenmustern: ■ Von O-Antigenen existieren mehr als 60 Typen. ■ Die H-Antigene können in zwei Phasen unterteilt werden, da sich die Antigenstruktur der Geißeln aus zwei Gruppen unterschiedlicher Proteine herleitet, die in unterschiedlichen genetischen Bereichen determiniert sind und als H1 und H2 bezeichnet werden. Die beiden Phasen können gemeinsam oder einzeln vorkommen. Die H1-Antigene werden mit Kleinbuchstaben gekennzeichnet. Diese reichen allerdings nicht aus, deshalb wird z zusätzlich numeriert (z1, z2 usw.). Die H-Antigene der Phase H2 werden durch Kleinbuchstaben und Zahlen gekennzeichnet. ■ Die K-Antigene, hier in der Regel als Vi-Antigene bezeichnet, kommen nur sehr selten vor, kennzeichnen jedoch die besonders humanpathogenen Varietäten Typhi und Paratyphi. Durch diese Antigenbestimmungen lassen sich die Salmonellen serologisch (Gruber-Agglutinationsreaktion) in mehr als 2500 Serovare, die früher auch als Spezies bezeichnet wurden, unterteilen und im Kauffmann-White-Schema auflisten. Nach derzeitigem Stand wäre die korrekte biologische Bezeichnung: Salmonella enterica Serovar Enteritidis. Praktisch und eingebürgert ist allerdings noch immer: Salmonella enteritidis. Tab. D-2.24 gibt einen kurzen Überblick über die wichtigsten Salmonellavarietäten und ihre Darstellung im Kauffmann-White-Schema.

Beispielhafte Darstellung einiger wichtiger Varietäten von Salmonella enterica nach dem Kauffmann-White-Schema

Serovar

Gruppe

O-Antigen

H-Antigen Phase 1

Phase 2

Enteritidis

D1

1, 9, 12

g, m

(1, 7)*

Typhimurium

B

1, 4, (5), 12

i

1, 2

Infantis

C1

6, 7

r

1, 5

Typhi

D1

9, 12 (Vi)

d



Parathyphi A

A

1, 2, 12

a

1, 5

Parathyphi B

B

1, 4, (5), 12

b

1, 2

Parathyphi C

C1

6, 7 (Vi)

c

1, 5

Arizonae

56–65

56–65

l, v, u. a. m.

e, n, x, z15 u. a. m.

* kein Nachweis des Antigens möglich

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D

401

2.10 Enterobacterales

Der Nachweis von Antikörpern im Serum eines Patienten ist nur bei systemischen, d. h. typhösen Salmonellenerkrankungen, sinnvoll. Negative Resultate schließen eine Erkrankung nicht aus. Ein Hinweis für eine typhöse Salmonellose ist ein Titeranstieg mindestens um das 4-Fache innerhalb von 8–10 Tagen in der Frühphase der Krankheit.

Ein Anstieg der Antikörper gegen Salmonellen-O- und -H-Antigene um mindestens das 4-Fache kann zur Diagnostik einer typhösen Salmonellose herangezogen werden.

Bedeutung: Die durch Salmonellen verursachten Infektionskrankheiten reichen von relativ harmlosen lokalisierten Enteritiden bis zu schweren septischen und schwersten zyklischen Allgemeininfektionen. Bei der Größe dieser Bakteriengattung ist es deshalb unter praktischen medizinischen Gesichtspunkten sinnvoll, zwischen typhösen und enteritischen Salmonellosen zu unterscheiden.

Bedeutung: In der Praxis ist es sinnvoll, zwischen typhösen und enteritischen Salmonelloseerkrankungen zu unterscheiden.

Nachweis: Salmonellen lassen sich auf gebräuchlichen Nährböden und in Nährbouillons problemlos kultivieren. In der Regel muss der Nachweis aus hoch bakterienhaltigem menschlichem Untersuchungsmaterial (z. B. Stuhl) sowie aus Nahrungsmitteln, Bade- und Abwasser geführt werden, wobei die Begleitflora durch Einsatz spezieller Selektivnährmedien unterdrückt werden muss. Dabei macht man sich die Tatsache zunutze, dass Salmonellen gegenüber Gallensalzen, Thiosulfit, dem Farbstoff Brillantgrün u. a. unempfindlich sind, während zahlreiche Darm- und UmweItkeime in Anwesenheit dieser Stoffe kein Wachstum zeigen. Standardverfahren zum Salmonellennachweis sind die Anreicherung in Tetrathionat- oder Natriumbiselenitbouillon und der Direktnachweis auf Natriumdesoxycholatagar (Leifson-Agar) oder Bismutsulfitagar (Wilson-Blair-Agar).

Nachweis: Der kulturelle Nachweis von Salmonellen aus Stuhl wird zuverlässig nur durch Selektivnährmedien gewährleistet, die so beschaffen sein müssen, dass die im Untersuchungsmaterial in der Regel vorhandene Begleitflora unterdrückt wird.

Typhöse Salmonellosen

Typhöse Salmonellosen

▶ Definition. Erreger der typhösen Salmonellosen (Typhus und Paratyphus) sind: ■

■ ■ ■ ■

▶ Definition.

Salmonella enterica Serovar Typhi (kurz: S. Typhi, der Verursacher des Typhus abdominalis, Salmonella enterica Serovar Paratyphi A (S. Paratyphi A), Salmonella enterica Serovar Paratyphi B (S. Paratyphi B), Salmonella enterica Serovar Paratyphi C (S. Paratyphi C), mehrere andere Salmonellavarietäten (S. Enteritidis, S. Typhimurium, S. Hadar) bei älteren und abwehrgeschwächten Patienten.

Epidemiologie: S. Typhi und S. Paratyphi B kommen weltweit vor, S. Paratyphi A und C nur in tropischen und subtropischen Regionen. Primäre Infektionsquelle ist immer der Mensch, und zwar sowohl der Erkrankte wie auch der Ausscheider. In Deutschland ist die Zahl der Erkrankungen seit dem Ende des Krieges kontinuierlich zurückgegangen. Bei Katastrophen und in Kriegswirren nimmt diese Infektion oft einen epidemieartigen Charakter an, weil durch die schlechten hygienischen Verhältnisse die Verbreitung der Keime begünstigt wird. Bei Reiserückkehrern aus tropischen Ländern ist bei entsprechender Symptomatik an Typus zu denken!

Epidemiologie: Primäre Infektionsquelle ist immer der Mensch. In Deutschland ist die Zahl der Erkrankungen seit dem Ende des Krieges kontinuierlich zurückgegangen.

Pathogenese: Die Infektion erfolgt oral durch Trinkwasser und Nahrungsmittel. Die Infektionsdosis ist klein (100–1000 Bakterien). Die Erreger dringen durch das Epithel des Dünndarmes, gelangen in die regionären Lymphknoten – wo sie sich vermehren – und streuen von dort hämatogen. In dieser bakteriämischen Phase können die Erreger praktisch alle Organe des Körpers besiedeln. Von besonderer Bedeutung ist die Vermehrung der Keime in den lymphatischen Systemen der Darmwand, da dies nach heftiger Aktivierung des Immunsystems nach ca. 4–5 Wochen zu Nekrotisierungen führt, die dann Darmblutungen und -perforationen verursachen.

Pathogenese: Die Infektion erfolgt oral durch kontaminiertes Trinkwasser und Lebensmittel. Die Infektionsdosis (100–1000 Keime) ist klein. Die typhöse Salmonellose ist eine generalisierte Infektionskrankheit. Von besonderer Bedeutung sind Darmblutungen und -perforationen, die meist als Folge von heftigen Immunreaktionen gegen restliche Bakterien in der Darmwand nach 4–5 Wochen auftreten. Klinik: Inkubationszeit ca. 2 Wochen. Typhus und Paratyphus verlaufen unbehandelt in 3 Stadien (Abb. D-2.48): ■ 1. Krankheitswoche (Stadium incrementi): stufenförmiger Fieberanstieg auf 41 °C, Ausbildung der Typhus-Roseolen auf der Bauchhaut, relative Bradykardie.

Klinik: Nach einer Inkubationszeit von ca. 2 Wochen beginnt die Krankheit mit unspezifischen, grippeähnlichen Prodromi. Das Krankheitsbild des Typhus und Paratyphus stellt sich unbehandelt so dar (Abb. D-2.48): ■ 1. Krankheitswoche (Stadium incrementi): Anstieg der Körpertemperatur stufenförmig auf 39–41 °C (kein Schüttelfrost!). Häufig entwickeln sich eine Angina und Bronchitis (Nachweis der Erreger in Sputum und Rachenabstrich möglich). Auf der Bauchhaut zeigen sich Roseolen (infektiöse Absiedlungen in der Haut). Relative Bradykardie (für die erhöhte Körpertemperatur ist die Pulsfrequenz relativ zu niedrig), Leukopenie, besonders Eosinopenie, Milzschwellung (Organbefall) und Obstipation (!) sind charakteristische Befunde.

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402 ⊙ D-2.48

D

2 Spezielle Bakteriologie

⊙ D-2.48

Typhus abdominalis

Temperatur (°C)

41 40 39 38 37 36 1. Woche Stadium incrementi

2. - 3. Woche Stadium acmes

4. - 5. Woche Stadium decrementi

Relaps

Diagnose: Erreger im Blut

Erreger im Stuhl

spezifische Antikörper mind. 4-fach Typische Fieberkurve, Stadieneinteilung der Krankheit und mikrobiologische Diagnostik.



2.–3. Krankheitswoche (Stadium acmes): Fieberkontinuum, häufige erbsbreiartige Stuhlentleerungen, Benommenheit (typhos = Rauch), hohe Letalität durch toxische Organschäden und Kreislaufkollaps.



4.–5. Krankheitswoche (Stadium decrementi): Hohes Fieber. Hohe Letalität durch Darmnekrosen und Perforationsperitonitis.



Ab 5. Krankheitswoche: Stabilisierung des Allgemeinzustandes, jedoch Gefahr von Rezidiven.

2. und 3. Krankheitswoche (Stadium acmes): Ein Fieberkontinuum um die 40 °C und häufige erbsbreiartige Stuhlentleerungen (Vermehrung der Erreger in den lymphatischen Systemen des Darms) sind typische klinische Zeichen. Der Kranke leidet unter starken Kopfschmerzen, ist benommen bis zum Delirium. Er nimmt seine Umwelt wie in Nebel verhüllt wahr (daher auch der Name „typhos“ = griech. Nebel, Rauch). Das Allgemeinbefinden ist stark reduziert. Pneumonie, Myokarditis und toxischer Kreislaufkollaps können zum Tode führen. ■ 4. und 5. Krankheitswoche (Stadium decrementi): Die Fieberminima fallen, während die Maxima zunächst unverändert hoch bleiben (amphibole Fieberkurve, Abb. A-3.2). Das Allgemeinbefinden bessert sich. In diesem Stadium wird die Krankheit besonders kritisch, da jetzt infolge der immunbedingten Nekrosenbildung im Bereich der Peyer-Plaques massive Darmblutungen sowie eine Perforationsperitonitis mit Exitus drohen. ■ Jenseits der 5. Krankheitswoche (Relaps) stabilisiert sich der Allgemeinzustand und die Körpertemperatur normalisiert sich. Nicht selten treten jedoch nach einem mehr oder weniger langen fieberfreien Intervall erneut alle Symptome der Krankheit auf. Bei Kindern verläuft die Krankheit oftmals milder als bei Erwachsenen. ■

Letalität: 15 % bei unbehandelten Fällen, 1–2 % bei Therapie.

Letalität: Unbehandelt liegt die Letalität des Typhus bei 15 %. Selbst bei adäquater Therapie muss in 1–2 % der Fälle mit dem Tod des Patienten gerechnet werden.

Krankheitsfolgen: Bei 2–5 % aller Erkrankungen resultiert eine Dauerausscheidung der Erreger über die Gallenblase und Gallenwege, d. h. über 10 Wochen nach der Krankheit sind noch Erreger im Stuhl nachzuweisen. Hier besteht Meldepflicht! Metastatische Absiedelungen können zu Osteomyelitis bzw. Spondylitis führen.

Krankheitsfolgen: Metastatische Erregerabsiedelungen bilden gelegentlich die Grundlage für eine Osteomyelitis bzw. Spondylitis, die erst nach Jahren klinisch manifest werden kann. Die Gallenwege, insbesondere die – durch vorausgehende Entzündungen – vernarbte Wand der Gallenblase, können auch nach der Genesung vom Typhus oder Paratyphus noch Keime beherbergen, die dann oft lebenslang mit dem Stuhl ausgeschieden werden. Werden 10 Wochen nach Überstehen der Krankheit noch Erreger im Stuhl nachgewiesen, spricht man von Dauerausscheidern. Dies ist bei 2–5 % aller Erkrankungen der Fall. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Dabei können mehr oder minder starke cholezystische Beschwerden auftreten.

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D

403

2.10 Enterobacterales

▶ Merke. Die Erregerausscheidung über den Stuhl muss nicht kontinuierlich, son-

▶ Merke.

dern kann auch schubweise erfolgen; daraus resultieren Schwierigkeiten bei der Erkennung von Ausscheidern. Sehr selten kann eine Dauerausscheidung auch über den Urin erfolgen, z. B. nach Überstehen einer typhösen Pyelonephritis. ▶ Klinischer Fall. Mary Mallon, die sog. „typhoid Mary“, eine junge Frau irischer Abstammung und aus niedrigen sozialen Verhältnissen, wurde von 1906 bis zu ihrem Tod 1938 in New York/ USA in einem Gefängnis festgehalten, obwohl sie nie ein Verbrechen begangen hatte. Ihr Pech war, dass sie als eine gesunde Ausscheiderin von Salmonella Typhi bei ihrer Arbeit als Haushälterin und Köchin die Keime auf Familienmitglieder übertragen hatte. Da sie somit ein „öffentliches Risiko“ darstellte, wurde sie von der Gesellschaft diskriminiert und isoliert.

Nachweis: Beste Methode ist die Anzüchtung und Differenzierung der Erreger: In der 1. Krankheitswoche und der ersten Hälfte der 2. Krankheitswoche aus dem Blut, eventuell auch aus Sputum und Rachenabstrich bei Vorliegen einer Bronchitis und Angina. Später erfolgt der Erregernachweis aus dem Stuhl. Auch im Urin kann der Keim eventuell gefunden werden. Serologische Untersuchungen sollten zu Beginn der Krankheit und in der 2. Krankheitswoche versucht werden. Ein deutlicher Anstieg (mindestens das 4-Fache) des H- und O-Antigen-Antikörper-Titers innerhalb dieser Zeit ist hinweisend für das Vorliegen einer typhösen Salmonellose (Abb. D-2.48). ▶ Merke. Die Unterscheidung zwischen Paratyphus und Typhus abdominalis ist kli-

▶ Klinischer Fall.

Nachweis: Anzüchtung des Erregers aus Blut in der 1.–2. Krankheitswoche (evtl. auch aus Sputum und Rachenabstrich), später aus Stuhl und eventuell aus Urin. Serologische Untersuchungen möglichst früh und in der 2. Krankheitswoche können sinnvoll sein (Abb. D-2.48).

▶ Merke.

nisch nicht möglich (der Paratyphus verläuft insgesamt weniger dramatisch als der Typhus abdominalis), sie ist lediglich eine Frage des Erregernachweises. Therapie: Typhöse Salmonellen sind empfindlich gegen Chloramphenicol. Wegen der bekannten Nebenwirkungen wird es jedoch nur bei vitaler Bedrohung eingesetzt. Mittel der Wahl sind Chinolone, Cephalosporine der 3. Generation, vor allem solche, die über die Gallenwege enteral ausgeschieden werden, wie z. B. Ciprofloxacin und Ceftriaxon und Azithromycin. Zur Sanierung von Dauerausscheidern ist oftmals nur das chirurgische Vorgehen (Cholezystektomie) erfolgreich. Durch Chinolone (z. B. Ciprofloxacin) können ebenfalls Sanierungserfolge verzeichnet werden.

Therapie: Mittel der Wahl sind Chinolone, Cephalosporine der 3. Generation und Azithromycin. Chloramphenicol ist fast immer wirksam, wird aber wegen seiner Nebenwirkungen nur bei vitaler Bedrohung eingesetzt.

Prophylaxe: Nach Überstehen einer Typhus- oder Paratyphuserkrankung besteht eine partielle Immunität, die jedoch streng spezifisch ist und nur für den jeweiligen Erreger gilt. Es besteht keine Kreuzimmunität zwischen S. Typhi und den 3 Paratyphuserregern. In Deutschland steht ein oraler Lebendimpfstoff (Typhoral L) zur Verfügung. Es handelt sich um eine Mangelmutante von S. enterica Typhi, die erstens rau und dadurch gegen die unspezifische Abwehr recht anfällig ist und zweitens einen irreversiblen Defekt in der Galaktose-Epimerase aufweist, wodurch die Virulenz, nicht jedoch die Immunogenität verloren geht. Die Dauer des Impfschutzes wird mit 1 Jahr angegeben. Die Impfung ist von der STIKO (Ständige Impfkommission des Robert Koch-Instituts) als Reiseimpfung (S. 747) eingestuft. Zudem wird auch ein Totimpfstoff (Typhim), der aus dem Kapselantigen Vi besteht, für die parenterale Vakzination angeboten. Beide Impfstoffe vermitteln jedoch nur eine schwache Immunität, die keinen sicheren Schutz bietet. (Gegen die enteritischen Salmonellen wird durch diese Impfstoffe kein Schutz aufgebaut.) Die Hauptmaßnahmen zur Verhütung der typhösen Salmonellosen ist die Vermeidung der Exposition: ■ Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) (S. 711) schreibt vor, dass dem zuständigen Gesundheitsamt gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 IfSG der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an Typhus abdominalis und Paratyphus sowie gemäß § 7 Abs. 1 IfSG der direkte Nachweis von Salmonella Typhi oder Salmonella Paratyphi, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet werden. ■ Bei Ausscheidern von S. Typhi oder S. Paratyphi ist eine Belehrung über hygienische Verhaltensregeln und die Vermeidung von Infektionsrisiken erforderlich; eine Sanierung sollte angestrebt werden. ■ Entsprechend § 34 IfSG ist ein Ausschluss von Personen, in deren Wohngemeinschaft nach ärztlichem Urteil eine Erkrankung oder ein Verdacht auf Typhus auf-

Prophylaxe: In Deutschland steht ein oraler Lebendimpfstoff (Typhoral L) zur Verfügung. Die Dauer des Impfschutzes wird mit 1 Jahr angegeben. Auch ein Totimpfstoff (Typhim) steht zur Verfügung.

Die Hauptmaßnahmen zur Verhütung der typhösen Salmonellosen ist die Vermeidung der Exposition. Der Nachweis von Salmonellen muss dem zuständigen Gesundheitsamt gemeldet werden.

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▶ Klinischer Fall.

Enteritische Salmonellosen ▶ Definition.

2 Spezielle Bakteriologie

getreten ist, aus Gemeinschaftseinrichtungen bis zum Vorliegen von 3 aufeinanderfolgenden negativen Stuhlproben im Abstand von 1–2 Tagen notwendig. Ausnahmen können in Absprache mit dem Gesundheitsamt erfolgen, wenn keine typhusverdächtigen Symptome vorliegen und wenn eine strikte Einhaltung der Hygienemaßnahmen (s. u.) gegeben ist. Um die Bevölkerung zu schützen, wird weiterhin bestimmt, dass Personen, die in lebensmittelbearbeitenden Betrieben tätig sind, keine Ausscheider sein dürfen.

▶ Klinischer Fall. In einem kleinen Ort nahe Pforzheim, erkranken im Januar 1919 nach und nach mehrere Geschwister in einer Bauernfamilie an einer „Darmgrippe“. Die Ausscheidungen der Familie werden in die Jauchegrube gegeben. Anfang Februar, es liegt noch eine dicke Schneeschicht auf den Feldern, ist die Jauchegrube übervoll. Der Vater bringt sie deshalb „zur Düngung“ auf eine Wiese. Bei der folgenden Schneeschmelze läuft das Wasser dem Gefälle nach auf dem immer noch gefrorenen Boden ca. 350 m weit in Richtung eines Brunnens, aus dem ein bestimmter Stadtteil von Pforzheim mit Trinkwasser versorgt wird. Am 10. März werden in eben diesem Stadtteil 19 Fälle von Typhus abdominalis gemeldet, 2 Tage später sind es bereits 500 und am 20. März sogar 1700. Es handelt sich um eine lehrbuchmäßige Explosivepidemie, die insgesamt 4 000 Erkrankte hervorbrachte. Später wurde der Zusammenhang mit der gedüngten Wiese und dem Brunnen festgestellt. Bei Tests zeigte sich, dass die Keime 10 Stunden gebraucht hatten, um den Weg von 350 m zurückzulegen. Bei der Typhusepidemie von Pforzheim verloren etwa 400 Menschen ihr Leben.

Enteritische Salmonellosen ▶ Definition. Alle übrigen Salmonellen, außer den zuvor beschriebenen Typhuserre-

gern, können Auslöser einer enteritischen Salmonellose sein. Epidemiologie: Primäre Infektionsquellen sind tierische Nahrungsmittel. Massentierhaltung und entsprechende Fütterungsmethoden haben zur Durchseuchung der Nutztierbestände, vor allem von Geflügel, mit Salmonellen geführt. In den letzten Jahren hat die Häufigkeit der Salmonellosen abgenommen.

Epidemiologie: Während typhöse Salmonellosen in unseren Breiten heute eine ausgesprochene Seltenheit darstellen, ist die Zahl der enteritischen Salmonellen hoch. Salmonellen sind die zweithäufigsten Erreger (nach Campylobacter) von lebensmittelbedingter Diarrhö. In den letzten Jahren hat die Häufigkeit der gemeldeten Fälle stetig abgenommen. Die Zahl der nicht diagnostizierten und damit nicht gemeldeten Erkrankungen dürfte jedoch groß sein, da Durchfälle vor allem während und nach Urlaubsreisen vom Patienten oftmals nicht ernst genommen werden (Problem der unerkannten Ausscheider!). Primäre Infektionsquelle ist aber nicht der Mensch, sondern tierische Nahrungsmittel. Massentierhaltung und entsprechende Fütterungsmethoden haben zu einer starken Durchseuchung unserer Nutztierbestände mit Salmonellen geführt. Vor allem das Huhn und die Hühnereier sind Hauptinfektionsquelle für S.-enterica-Enteritidis, vor allem mit solchen Stämmen, die sich speziell an das Huhn adaptiert haben. Fehlerhafte Küchenhygiene beim Verbraucher ist eine der Ursachen, die dazu führen, dass sich die eingeschleppten Erreger in Lebensmitteln vor deren Verzehr vermehren und die Infektion begründen können.

Pathogenese: Die Infektion erfolgt oral durch Nahrungsmittel, seltener durch Trinkwasser. Die Infektionsdosis ist groß (> 105 Bakterien).

Pathogenese: Die Infektion erfolgt oral durch Nahrungsmittel, seltener durch Trinkwasser. Die Infektionsdosis ist groß (> 105 Bakterien), weil ein Teil der Erreger durch die Magensäure abgetötet wird. Bei Kleinkindern und alten Menschen, wo diese unspezifische Abwehr fehlen kann, ist die Infektionsdosis entsprechend niedriger. Die erforderliche hohe Infektionsdosis ist häufig dadurch gewährleistet, dass sich die Erreger im Lebensmittel vermehren können, bevor die Aufnahme in den Körper erfolgt. Die Enteritis entsteht durch massive Invasion der Dünndarmschleimhaut mit dem Keim. Die Invasion erfolgt einmal durch die M-Zellen der Peyer-Plaques, die nur eine ganz hauchdünne Barriere darstellen (Abb. D-2.49); darunter liegen Makrophagen, welche die Salmonellen phagozytieren. Die pathogenen Salmonellen können z. T. in den Makrophagen überleben und sich dort sogar vermehren (Abb. D-2.50). Ein weiterer Weg geht direkt durch die Enterozyten. Salmonellen binden an den EGF-Rezeptor (eigentlich Rezeptor für den epidermal growth factor). Diese Bindung löst eine dramatische Veränderung des Zytoskeletts dieser Epithelzelle aus; sie umschlingt die Salmonella mit Ausläufern (Abb. D-2.51) und verschlingt dann die Bakterien; diese wandern transepithelial in die Submukosa, wo Makrophagen warten, die schon von der Epithelzelle mittels IL-8 angelockt wurden.

Salmonellen können die Darmepithelbarriere auf verschiedenen Wegen überwinden. Sie sind in der Lage, sich innerhalb (intrazellulär), z. B. in Gewebemakrophagen, zu vermehren (Abb. D-2.49, Abb. D-2.50, Abb. D-2.51).

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D

⊙ D-2.49

⊙ D-2.49

Ausschnitt aus dem Epithel der Peyer-Plaques

Epithelzelle

M-Zelle

405

2.10 Enterobacterales

Das Epithel des Dünndarms aus Enterozyten mit Bürstensaum ist unterbrochen durch flache M-Zellen (M) mit glatter Oberfläche. Diese M-Zellen nehmen Partikel, darunter auch lebende Bakterien wie Salmonellen, auf und transportieren sie weiter an die Makrophagen, die zusammen mit Lymphozyten in der subepithelialen Schicht warten.

Lymphozyten Makrophagen

⊙ D-2.50

⊙ D-2.50

Intrazelluläre Salmonellen Die gramnegativen S. typhimurium wurden von Makrophagenkulturen phagozytiert und überleben intrazellulär.

⊙ D-2.51

Adhäsion und nachfolgende Penetration von Salmonella durch die Enterozyten des Dünndarmepithels

Salmonelle

EGF-Rezeptor

„Ruffle“

Bürstensaum Enterozyt

⊙ D-2.51

Salmonellen missbrauchen den EGFRezeptor und lösen dadurch ein Signal aus, woraufhin die Wirtszelle Ausläufer bildet, die – wie die Halskrause eines evangelischen Pastors (engl. „ruffle“) – die Salmonellen umfassen und verschlingen. Danach wandert die internalisierte Salmonelle durch die Epithelzelle, um auf der anderen Seite wieder freigesetzt zu werden. Dort warten schon Makrophagen, die durch IL-8 angelockt wurden.

In der Regel bleibt die Infektion lokalisiert. Bei abwehrgeschwächten Personen und Kindern kann es jedoch zu einer Generalisierung kommen. Die Produktion von Enterotoxinen spielt im Pathomechanismus wahrscheinlich nur eine untergeordnete Rolle. Das Überleben der pathogenen Keime in den Wirtszellen ist plasmidgesteuert, wobei für jeden Salmonellaserovar ein typisches Plasmid bekannt ist.

In der Regel bleibt die Infektion lokalisiert, bei Abwehrgeschwächten kann es zur Generalisierung kommen.

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406

D

2 Spezielle Bakteriologie

Klinik: Nach einer Inkubationszeit von wenigen Stunden plötzlich einsetzender Brechdurchfall und kolikartige Bauchschmerzen. Die Symptome können auch milder verlaufen. Bei unkompliziertem Verlauf Ausheilung innerhalb einer Woche. Bei immunsupprimierten Menschen kann es zur hämatogenen Streuung der Erreger mit extraintestinalen Symptomen kommen.

Klinik: Nach einer Inkubationszeit von wenigen Stunden bis einigen Tagen beginnt die Krankheit oftmals plötzlich mit Brechdurchfall und kolikartigen Bauchschmerzen. Die Symptome können jedoch auch milder verlaufen, z. B. als reine Diarrhö. Hohes Fieber bis 40 °C ist häufig, muss aber nicht auftreten. Innerhalb einer Woche stellt sich bei unkompliziertem Verlauf Beschwerdefreiheit ein. Bei Immunsupprimierten wie z. B. HIV-Infizierten (dort eine AIDS-definierende Erkrankung) kann es zur hämatogenen Streuung der Erreger mit entsprechenden extraintestinalen Symptomen (Sepsis, Osteomyelitis, Endokarditis, Meningitis u. a.) kommen. Die Erregerausscheidung im Stuhl persistiert unterschiedlich lang, im Mittel ca. 6 Wochen.

Letalität: Letalität der enteritischen Salmonellosen bei Gesunden sehr gering, bei alten und immungeschwächten Menschen erhöht.

Letalität: Auch unbehandelt ist die Letalität der enteritischen Salmonellosen bei sonst Gesunden sehr gering (0,1 %). Bei Kleinkindern, alten Menschen und abwehrgeschwächten Personen ist die Letalität erhöht.

Krankheitsfolgen: Erregerausscheidung bei Erwachsenen im Durchschnitt einen Monat, bei Kindern unter 5 Jahren 7 Wochen oder länger. Erregerausscheidung für mehr als 6 Monate tritt vor allem bei Kindern mit schweren Erkrankungsverläufen auf. Nachweis: Durch Anzüchtung und Differenzierung aus Patientenstuhl.

Krankheitsfolgen: Die Ausscheidung von Enteritis-Salmonellen dauert bei Erwachsenen im Durchschnitt einen Monat, bei Kindern unter 5 Jahren 7 Wochen oder länger. Eine Erregerausscheidung über mehr als 6 Monate wurde beschrieben und tritt nicht selten bei Kindern mit schweren Erkrankungsverläufen auf.

▶ Merke.

Nachweis: Einzige Methode ist die Anzüchtung und Differenzierung der Erreger aus dem Patientenstuhl, wo sie im Gegensatz zur Typhuserkrankung vom ersten Krankheitstag an vorkommen. ▶ Merke. Der Nachweis von Salmonellen ist nach Infektionsschutzgesetz meldepflich-

tig! Therapie: Die Therapie beschränkt sich normalerweise auf die symptomatische Behandlung, vor allem die Behebung der Elektrolytund Wasserverluste.

Therapie: Im Gegensatz zu den typhösen Salmonellosen ist eine antibakterielle Chemotherapie bei akuter nicht typhoidaler Salmonelleninfektion nicht zwingend angezeigt. Eine antimikrobielle Therapie soll in folgenden Fällen erfolgen: Bakteriämie, Zeichen einer systemischen Infektion (z. B. Fieber > 38,5 °C), Immunsuppression, Hämodialysepatienten, Vorliegen von Gefäßprothesen, Vorliegen von Gefäßaneurysmen und Fremdmaterial (z. B. Gelenkprothesen). Zur Therapie geeignet ist vor allem das Chinolon Ciprofloxacin, das im Darm die höchsten Konzentrationen erreicht, weil es über die Galle, aber auch aktiv über die Darmschleimhaut, sezerniert wird. Eine Alternative ist ein Cephalosporin der 3. Generation (Ceftriaxon). Die Therapie wird ergänzt durch die symptomatische Behandlung, vor allem zur Behebung der Elektrolyt- und Wasserverluste.

Prophylaxe: Nach Überstehen einer enteritischen Salmonellose besteht keine Immunität. Eine Schutzimpfung ist dagegen nicht möglich. Die Hauptmaßnahmen zur Verhütung der enteritischen Salmonellosen sind expositionsprophylaktischer Natur (z. B. Küchenhygiene). Nach dem Infektionsschutzgesetz werden Salmonellenträger, die in lebensmittelbearbeitenden Betrieben, in der Krankenpflege u. Ä. beschäftigt sind, mit einem Berufsverbot belegt.

Prophylaxe: Durch die Meldepflicht bei Nachweis von Salmonellen will die Behörde einerseits die Umgebung vor den Infizierten schützen und andererseits auch eine mögliche Quelle für die Infektion eruieren. Nach Überstehen einer enteritischen Salmonellose besteht keine Immunität. Eine Immunisierung – d. h. Schutzimpfung – ist nicht möglich; auch die Impfstoffe gegen S. enterica Typhi sind gegen die übrigen Enteritissalmonellen unwirksam. Die Hauptmaßnahmen zur Verhütung der enteritischen Salmonellosen sind expositionsprophylaktischer Natur. Lebensmittel, die möglicherweise kontaminiert sind, hauptsächlich Hackfleisch und Hühnereier, sollten deswegen regelrecht (d. h. kühl) gelagert werden, um eine weitere Vermehrung zu unterbinden. Beim Erhitzen > 70 °C werden die Salmonellen abgetötet. Um die Bevölkerung zu schützen, ist im Infektionsschutzgesetz geregelt, dass Salmonellenträger, die in lebensmittelbearbeitenden Betrieben (dies sind z. B. auch Wasserwerke) tätig sind oder die berufsmäßig mit der Pflege von Säuglingen oder Kleinkindern oder in bestimmten Bereichen der Krankenpflege beschäftigt sind, mit einem Berufsverbot belegt werden. Zu diesem Zweck werden bei Arbeitsaufnahme Stuhluntersuchungen durchgeführt. Es ist sinnvoll, Großküchen und Lebensmittelbetrieben anzuraten, im Zuge der Sorgfaltspflicht ihr Personal jährlich, und zwar nach der Urlaubszeit, freiwillig untersuchen zu lassen, um Neuinfektionen, z. B. während des Urlaubs in südlichen Ländern, rechtzeitig aufzudecken.

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D

407

2.10 Enterobacterales

▶ Exkurs. Hühner, die mit Salmonellen infiziert sind, zeigen keine Krankheitsymptome. Bereits das Ovar kann befallen sein, sodass das Ei noch vor der Umhüllung mit der Eischale infiziert sein kann. Hühnereier können auch erst nach dem Legen, wenn sie durch Kot der Hühner aus infizierten Tierbeständen beschmutzt werden, durch die Eischale hindurch infiziert werden. Die Salmonellen (und zwar S. enterica Enteritidis), sitzen vor allem unter der Eischale. Zunächst können sie sich nicht vermehren, da das Ovalbumin die wenigen Eisenmoleküle fest bindet; allerdings ab dem 18. Tag nach Legedatum (deswegen nach Hühnereiverordnung der Vermerk des Legedatums auf dem Eierkarton) wird Eisen allmählich verfügbar, sodass dann geraten ist, die Eier im Kühlschrank aufzubewahren, um die Vermehrung zu bremsen. Salmonellen geraten also in Speisen, die aus rohen Eiern hergestellt werden (z. B. Tiramisu) und können sich dort bei Verlassen der Kühlkette rasch vermehren. Neben Hühnern sind – sogar noch in viel höherem Maße – Enten mit Salmonella infiziert.

▶ Exkurs.

▶ Exkurs. Kinder sind für Salmonelleninfektionen wesentlich empfänglicher als Erwachsene. Bei Diarrhö, vor allem in der warmen Jahreszeit, sollte immer eine Salmonellendiagnostik vorgenommen werden. Besonders bei Kleinkindern und alten Menschen beobachtet man nicht selten septische Salmonelloseverlaufsformen, die dann wie eine typhöse Salmonellose zu behandeln sind.

▶ Exkurs.

▶ Klinischer Fall. In einer Seniorenwohnanlage erkranken am späten Nachmittag epidemieartig 15 Personen an heftigem Brechdurchfall und hohem Fieber. Der Heimarzt vermutet eine akute Lebensmittelvergiftung und unterrichtet die zuständige Gesundheitsbehörde. Der Amtsarzt kann in der Küche Kartoffelsalat und gebratenes Hähnchen – die letzte Mahlzeit der alten Leute – sicherstellen. Er ordnet weiterhin eine Stuhluntersuchung aller Bewohner des Seniorenheimes sowie des Personals an. Am späten Abend müssen drei Erkrankte wegen massiver Verschlechterung ihres Allgemeinzustandes in intensivmedizinische Behandlung überstellt werden. Eine 79-jährige Frau verstirbt im Laufe der Nacht. 2 Tage später liegen die ersten mikrobiologischen Befunde vor: Im Stuhl aller Erkrankten konnte S.-enterica-Enteritidis nachgewiesen werden, ebenfalls im Kartoffelsalat. Die Stuhluntersuchungen des Pflege- und Küchenpersonals waren negativ, ebenso die Untersuchung des gebratenen Hähnchens. Während weitere Stuhluntersuchungen vorgenommen wurden, konnte der Amtsarzt durch Befragen des Küchenpersonals und Umgebungsuntersuchungen in der Küche den Infektionsweg aufklären: Die Hähnchen waren als tiefgefrorene Rohware in die Küche angeliefert worden. Das Geflügel wurde in der Küche aufgetaut und bratfertig gemacht. Während die Hühnchen im Grill gebraten wurden, bereitete das Küchenpersonal Kartoffelsalat zu, in eben jenen Schüsseln, in denen vorher die – salmonellenhaltigen – Hühner lagen. Der solchermaßen kontaminierte Kartoffelsalat blieb anschließend für ca. 1 Stunde bei Raumtemperatur stehen, bis die Hühnchen gar waren. Eine Kühlung des Kartoffelsalates war ausdrücklich unterblieben, da sich die Senioren in der Vergangenheit über die ihrer Meinung nach zu kalten Beilagen ihres Essens beschwert hatten. Während die Salmonellen auf den Hähnchen infolge der Hitzeeinwirkung beim Braten abgetötet wurden, konnten sie sich im Kartoffelsalat vermehren und die Salmonellose begründen. Der Küchenleiter musste sich belehren lassen, dass es eine hygienisch grobe Fahrlässigkeit ist, wenn in einer Großküche Arbeitsplätze zur Bearbeitung von rohem Fleisch und Geflügel nicht von den übrigen Arbeitsplätzen getrennt sind.

▶ Klinischer Fall.

2.10.2 Shigella

2.10.2 Shigella

Geschichtliches: Das Bakteriengenus Shigella ist benannt nach seinem Entdecker Shiga, einem japanischen Bakteriologen, der 1898 den Erreger der bakteriellen Ruhr nachwies, 2 Jahre bevor dies dem Deutschen Kruse unabhängig davon gelang. ▶ Definition. Shigellen sind gramnegative, sporenlose, unbegeißelte und deshalb unbewegliche Stäbchenbakterien, die weder Laktose vergären noch Citrat und Harnstoff verwerten können und keinen Schwefelwasserstoff produzieren.

Klassifikation: Das Genus Shigella, das ganz nahe mit Escherichia verwandt ist, besteht aus vier Spezies mit jeweils mehreren Serovaren, die sich durch die O-Antigene ergeben (Tab. D-2.25).

▶ Definition.

Klassifikation: Das Genus Shigella besteht aus 4 Spezies, die durch O-Antigene weiter unterteilt werden (Tab. D-2.25).

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408

D

≡ D-2.25

2 Spezielle Bakteriologie

Arten der Gattung Shigella

S. dysenteriae

Erreger der gefürchteten Shiga-Kruse-Ruhr. Vorkommen meist in tropischen Ländern. Produziert das neurotoxische, darmepithelnekrotisierende Shigatoxin. Bekannt sind > 10 Serovare, wovon nur Serovar 1 zusätzlich ein Exotoxin bildet, das zu schweren toxischen Krankheitsbildern mit Beteiligung des ZNS führen kann.

S. flexneri

Erreger der Flexner-Ruhr, Vorkommen in Mitteleuropa und den Tropen mit > 10 Serovaren

S. boydii

Vorkommen in tropischen Ländern mit 20 Serovaren

S. sonnei

Erreger der relativ harmlosen Sommer- oder E-Ruhr mit nur einem Serovar, Vorkommen in Mitteleuropa. Wenn das Bakterium ein Virulenzplasmid trägt, das auch die genetische Information für das O-Antigen trägt, so erscheint die Kolonie glatt.

Bedeutung: Alle Shigellenspezies sind humanpathogen und verursachen die bakterielle Ruhr oder Dysenterie.

Bedeutung: Erreger von bakterieller Ruhr oder Dysenterie. ▶ Merke.

▶ Merke. Die Ruhr ist eine Infektion des Kolons. Sie kann durch Shigellen (Bakte-

rien) oder durch Amöben (Protozoen) hervorgerufen werden. Epidemiologie: Infektionsquelle der Ruhr, die weltweit auftritt, ist immer der Mensch. In Deutschland leicht steigende Tendenz durch zunehmenden Ferntourismus.

Epidemiologie: Infektionsquelle der bakteriellen Ruhr, die weltweit auftritt, ist immer der Mensch. Die Übertragung durch Fliegen (fäkal-oraler Infektionsgang) ist wegen der sehr geringen Infektionsdosis (ca. 100 Bakterien) v. a. in tropischen Ländern von besonderer Bedeutung. In Deutschland ist die Zahl der Erkrankungen mit ca. 400 Fällen pro Jahr niedrig. Nur 40 % der Fälle werden in Deutschland erworben. Der Rest sind importierte Fälle bei Reiseaktivität in Risikogebiete, d. h. subtropische und tropische Länder mit niedrigem Hygienestandard. Shigellen haben die Tendenz, sich rasch epidemisch auszubreiten.

Pathogenese: Die Infektion erfolgt oral durch Trinkwasser und Nahrungsmittel. Die Infektionsdosis ist sehr klein (< 100 Bakterien). Die besondere Charakteristik der Erreger liegt in ihrer Invasivität. Eintrittspforte sind die enteralen M-Zellen (Abb. D-2.52).

Pathogenese: Die Infektion erfolgt oral durch Trinkwasser und Nahrungsmittel. Die Infektionsdosis ist sehr klein (< 100 Bakterien), weil diese Erreger relativ säurestabil sind, und somit die Einwirkung der Magensäure gut überstehen. Die besondere Charakteristik der Erreger liegt in ihrer Invasivität. Sie dringen in die Epithelzellen des terminalen Ileums und besonders des Kolons ein, wo sie ausgedehnte ulzeröse Läsionen verursachen. Shigellen können Enterozyten nicht von der Lumenseite her angreifen. Sie nutzen zunächst M-Zellen als Eintrittspforte und von dort greifen sie die Epithelzellen von der lateralen oder basolateralen Seite her an. Auf diese Weise breiten sie sich von Zelle zu Zelle weiter aus (Abb. D-2.52). Diese Nekrotisierungen sind die Ursache von Darmblutungen und -perforationen. Das Shigatoxin sowie die shigaähnlichen oder Verotoxine zeigen zyto-, entero- und neurotoxische Aktivitäten, die als Pathogenitätsfaktoren nicht nur bei Shigellen, sondern auch bei anderen Enterobacteriaceae von Bedeutung sind.

Das Shigatoxin zeigt zyto-, entero- und neurotoxische Aktivitäten.

⊙ D-2.52

Schematische Darstellung der Zellinvasion von Shigellen

Enterozyten

4

M-Zelle

1

5

3

Makrophage 2

6

neutrophiler Granulozyt

Shigellen müssen zuerst die M-Zellen der Peyer-Plaques überwinden ①, dann können sie von hinten in die Epithelzellen eindringen ②. Anschließend wandern sie von Zelle zu Zelle immer so weiter ③, ④. Durch die intrazelluläre Vermehrung kommt es zur Schädigung der Epithelzellen und zu Nekrosen. Jetzt ist die Bahn frei für den direkten Zugang der Shigellen ⑤, die sich dann von Zelle zu Zelle weiter ausbreiten ⑥. Typisch für die Shigellose ist die Darmulzeration mit Blutungen und schmerzhaftem Stuhldrang (Tenesmen).

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D

Klinik: Nach einer Inkubationszeit von ca. 2–3 Tagen (kürzere oder längere Inkubationszeiten sind beschrieben) beginnt die Krankheit mit kolikartigen Bauchschmerzen und Diarrhö. Die Stuhlentleerung ist häufig (8–30-mal/d) und schmerzhaft (Tenesmen). Der Stuhl ist entweder schleimig und hell (weiße Ruhr) oder blutig (rote Ruhr). Fieber kann auftreten, ist aber eher uncharakteristisch. In der Regel tritt nach 4 Tagen (in seltenen Fällen erst nach 14 Tagen) Genesung ein. Die Lebensbedrohung liegt im starken Flüssigkeits- und Elektrolytverlust, der – besonders bei Kleinkindern – zu ZNS-Symptomen (Krämpfe, Koma), Nierenversagen und Kreislaufkollaps führen kann. Schwere Verläufe der Ruhr (Abb. D-2.53) werden durch die toxinbildende Spezies S. dysenteriae verursacht, während S. sonnei nur einen leichten Darminfekt hervorruft. Diese S. dysenteriae-Stämme produzieren ein Zytotoxin (Shigatoxin), welches systemisch wirkt und ein hämolytisch-urämisches Syndrom mit Nierenversagen, Thrombozytopenie und akuter hämolytischer Anämie auslösen kann.

⊙ D-2.53

409

2.10 Enterobacterales

Klinik: Nach einer Inkubationszeit von ca. 2– 3 Tagen Beginn mit kolikartigen Bauchschmerzen und Diarrhö. Stuhlentleerungen sind häufig (8–30-mal/d) und schmerzhaft (Tenesmen). Der Stuhl ist schleimig und hell (weiße Ruhr) oder blutig (rote Ruhr). Die Lebensbedrohung besteht durch den hohen Flüssigkeits- und Elektrolytverlust (Nierenversagen, Kreislaufkollaps).

⊙ D-2.53

Prominentes Ruhropfer Der Maler Albrecht Dürer ist 1528 im Alter von 57 Jahren vermutlich an einer Ruhr verstorben. (Albertina, Wien www.albertina.at)

Krankheitsfolgen: Krankheitsfolgen sind selten. Als immunpathologische Nachkrankheit kann sich ein Reiter-Syndrom entwickeln. Die Reiter-Trias besteht aus entzündlichen Prozessen am Auge (Konjunktivitis, Iritis, Lidschwellungen), an der Urethra und an Gelenken (Arthritis, Bursitis, Synovitis). ▶ Merke. Nach überstandener Erkrankung scheiden die Patienten bis ca. 4 Wochen

Krankheitsfolgen: Als Nachkrankheit können sich eine Infektarthritis und ein Reiter-Syndrom entwickeln.

▶ Merke.

Erreger aus. Gesunde Ausscheider (kurzfristig) sind nicht selten. Nachweis: Ausschließlich aus dem Stuhl von Erkrankten. Die Erregerzahl und damit die Nachweiswahrscheinlichkeit nehmen mit der Häufigkeit der Stuhlentleerungen ab (je eher die Untersuchung, desto größer die Wahrscheinlichkeit des Erregernachweises). Shigellen lassen sich auf gebräuchlichen Nährböden und in Nährbouillons problemlos kultivieren. In der Regel muss jedoch, ähnlich wie bei Salmonellen, der Nachweis aus hoch bakterienhaltigem menschlichem Untersuchungsmaterial (z. B. Stuhl) sowie aus Nahrungsmitteln, Bade- und Abwasser geführt werden, wobei die Begleitflora durch Einsatz spezieller Selektivnährmedien unterdrückt werden muss. Dabei können weitgehend die gleichen Nährmedien benutzt werden wie bei der Salmonellendiagnostik (Tetrathionatbouillon und Wilson-Blair-Agar sind nicht geeignet!), sodass der Untersuchungsauftrag an das bakteriologische Labor immer kombiniert gestellt werden kann. ▶ Merke. Shigellen, vor allem die bedeutende Spezies S. dysenteriae, sterben in der

Nachweis: Ausschließlich aus den Stuhlentleerungen. Auf gebräuchlichen Nährböden und in Nährbouillons. I. d. R. muss die Begleitflora durch Einsatz spezieller Selektivnährmedien unterdrückt werden.

▶ Merke.

Außenwelt sehr schnell ab. Bei Fäzesuntersuchungen sollten diese umgehend im Labor verarbeitet werden oder in Transportmedium versandt werden.

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410

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2 Spezielle Bakteriologie

Aufgrund geringer Antikörperbildung im Patienten ist eine serologische Untersuchung von Patientenserum nicht angezeigt.

Vom Patienten werden bei Erkrankung nur geringe Antikörper gebildet (Fehlen der sehr immunogenen H-Antigene!), sodass eine serologische Untersuchung von Patientenserum nicht angezeigt ist. Labormäßig werden die Shigellen jedoch mittels Objektträgeragglutinationsverfahren mit bekannten Antiseren differenziert (Speziesbestimmung).

Therapie: Neben der symptomatischen Therapie ist eine Antibiotikatherapie mit Chinolonen oder Azithromycin sinnvoll.

Therapie: Neben der symptomatischen Therapie ist die Antibiotikagabe sinnvoll. Chinolone und Azithromycin sind Mittel der Wahl. Eine Empfindlichkeitsprüfung der isolierten Erreger ist unverzichtbar, da Resistenzen vorkommen.

Prophylaxe: Die Hauptmaßnahmen zur Verhütung der Ruhr sind expositionsprophylaktischer Natur. Der Nachweis von Shigellen ist nach Infektionsschutzgesetz dem Gesundheitsamt zu melden.

Prophylaxe: Nach Überstehen einer Ruhrerkrankung existiert vorübergehend eine allerdings nur mäßige Immunität. In Deutschland steht kein Impfstoff zur Verfügung. Die Hauptmaßnahmen zur Verhütung der Ruhr sind expositionsprophylaktischer Natur. Das IfSG schreibt vor, dass der Nachweis von Shigellen dem zuständigen Gesundheitsamt gemeldet werden muss, damit Ausbrüche verhindert werden. Um die Bevölkerung zu schützen, wird weiterhin bestimmt, dass Personen, die in lebensmittelbearbeitenden Betrieben tätig sind oder die berufsmäßig mit der Pflege von Säuglingen oder Kleinkindern oder in bestimmten Bereichen der Krankenpflege beschäftigt sind, keine Ausscheider sein dürfen.

2.10.3 Escherichia

2.10.3 Escherichia Geschichtliches: 1885 beschrieb Theodor Escherich (Würzburg) das später nach ihm benannte Bakterium Escherichia coli als erstes spezifisches Darmbakterium.

▶ Definition.

▶ Definition. E. coli ist ein gramnegatives, sporenloses, peritrich begeißeltes

(Abb. D-1.13) und deshalb bewegliches Stäbchen. Es vergärt unter Gasbildung Glukose, Laktose und Mannitol (letzteres sogar bei 44-°C-Bebrütung) und bildet Indol (wichtige Reaktion!), jedoch kein H2S. Harnstoff und Citrat kann es nicht verwerten. Klassifikation: E. coli ist die wichtigste Spezies der Gattung Escherichia.

Klassifikation: Neben E. coli existieren noch weitere Escherichiaspezies, die jedoch nur gelegentlich aus menschlichem Untersuchungsmaterial isoliert werden (z. B. E. fergusonii, E. hermanii).

Bedeutung: E. coli kommt regelmäßig im Darm von Warmblütern vor. Er ist deshalb der klassische Fäkalindikator, d. h. der Nachweis von E. coli in der Umwelt zeugt immer von einer Verunreinigung mit menschlichen oder tierischen Exkrementen.

Bedeutung: E. coli kommt regelmäßig im Darm von Warmblütern vor und ist ein wichtiger Produzent von Vitamin K. Er ist der klassische Fäkalindikator, d. h., der Nachweis von E. coli in Trinkwasser, Lebensmitteln, Bedarfsgegenständen des täglichen Lebens oder auf Gegenständen im Umfeld des Menschen zeugt immer von einer Verunreinigung mit menschlichen oder tierischen Exkrementen und signalisiert die prinzipielle Möglichkeit des Vorkommens anderer Erreger (Viren, Bakterien, Protozoen, Würmer). In 100 ml Trinkwasser darf kein E. coli nachweisbar sein; vgl. Kap. „Trinkwasserhygiene“ (S. 702). Eine Übertragung von E. coli kann also von außen erfolgen. So sind z. B. Rinder ganz häufig Träger von EHEC. Die Infektionsdosis kann sehr gering sein. Nur 10–100 EHEC auf Fleisch oder Gemüse sind ausreichend, um bei Menschen eine Erkrankung zu erzeugen. Erkrankte Menschen können natürlich auch Quelle für Infektionen mit pathogenen E. coli sein. Jeder Mensch beherbergt im Darm eine Vielzahl von verschiedenen Stämmen und Varianten, s. Kap. „Genetische Struktur und Organisation“ (S. 283), wovon die meisten harmlose Kommensalen bleiben, z. B. weil sie rau und damit gegenüber der unspezifischen Abwehr hoch anfällig sind, sodass sie sich im Gewebe gar nicht vermehren können. Sie können auch gar keine eitrige Entzündung auslösen, selbst wenn sie in Organe verschleppt werden. Einige sind aufgrund einer speziellen genetischen Ausstattung z. B. uropathogen, andere dagegen darmpathogen (Tab. D-2.26), sodass sie diverse extraintestinale oder intestinale Infektionen hervorrufen können.

Die meisten Stämme sind apathogen; einige dagegen haben Virulenzfaktoren, sodass sie dann uropathogen andere darmpathogen sind (Tab. D-2.26).

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D

≡ D-2.26

411

2.10 Enterobacterales

Pathogenese intestinaler Infektionen mit E.-coli-Subtypen

Subtyp

Erkrankung

DAEC diffus adhärierende E. coli



Diarrhö bei Kindern zw. 18 Monaten und 5 Jahren



Spezielle Fimbrien (Afa-Dr) binden an Enterozyten des Dünndarms; Aufhebung der Mikrovilli.

EPEC enteropathogene E. coli (Dyspesie-Coli)



Diarrhö (bei Säuglingen mit daraus folgenden Gedeihstörungen und lebensbedrohlichen Zuständen)





betroffen sind vor allem Säuglinge in Entwicklungsländern

Besondere Fähigkeit der Erreger zur Adhärenz an die Darmmukosazelle durch „bundle forming pili (Bfp)“ mit Aufhebung der Mikrovilli. Ein EAF (EPEC-adhesion factor) kann nachgewiesen werden. Lokalisierte Adhärenz auch durch Vernetzung der Bakterien untereinander.



Reisediarrhöen („Montezumas Rache“ etc.)





in tropischen Ländern weit verbreitet

hitzelabiles Enterotoxin (LT I) in chemischer Struktur und Wirkungsmechanismus ähnlich dem Choleratoxin → Pathomechanismus: Aktivierung der zellulären Adenylatzyklase (S. 425)



LT II hat die gleichen Auswirkungen wie LT I, unterscheidet sich jedoch in seiner chemischen Struktur.



Hitzestabiles Enterotoxin (ST) kann manchmal nachgewiesen werden, seine Bedeutung im Krankheitsgeschehen ist noch unklar.



Durch Fimbrien können sich ETEC an die Dünndarmwand relativ fest anheften, sodass sie durch die gesteigerte Darmperistaltik während der Diarrhö nicht eliminiert werden und sie ihr Toxin leicht an die Epithelien abgeben.

ETEC enterotoxinbildende E. coli

Pathomechanismus/Virulenzfaktoren

EIEC enteroinvasive E. coli



imitieren eine bakterielle Ruhr (Shigellose) mit Tenesmen und Fieber



Tragen ein Plasmid (pINV), das die Invasion in die Darmmukosazelle des Kolon ermöglicht und diese damit zerstört. Wässrig-blutige Durchfälle.

EAEC enteroaggregative E. coli



wässrige Diarrhö mit Schleimbeimengung; akut und chronisch



Adhärenzfimbrien (AAF) binden an Mukosazellen und stimulieren die Schleimproduktion mit der Folge von wässrig-schleimigen Durchfällen. Immunsupprimierte häufig betroffen.

EHEC enterohämorrhagische E. coli oder verotoxinproduzierende E. coli (VTEC) oder Shiga-like-Toxin produzierende E. coli (STEC)



hämorrhagische Kolitis





hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) mit akutem Nierenversagen, Anämie und Thrombozytopenie. Klinisch erst wässrige Diarrhö, dann in 15–20 % der Fälle blutige Diarrhö. Mit Latenz systemische toxinvermittelte Anämie, Thrombozytopenie, Nierenschädigung, ZNS-Schädigung.

gehäuft Serovare: O157:H7, O26:H11, O103:H2, O111:H8, O145:H28, O157:H7, O104:H4



Sie tragen chromosomal ein Gen (eae), dessen Produkt die Adhäsion an Epithelzellen vermittelt. Im Kindesalter ist der Rezeptorbesatz der Zellen höher; somit erklärt sich die höhere Anfälligkeit.



Shigatoxine (Stx, auch: Verotoxin, Shiga-like toxin) kann phagencodiert produziert werden und hemmt die Proteinbiosynthese menschlicher Zellen. Es besitzt Ähnlichkeit mit dem neurotoxischen und nekrotisierenden Toxin, das Shigella dysenteriae produziert (= Shiga-like toxin); 2 Familien von Varianten (St1 und St2); zerstören nicht nur Mukosazellen, sondern auch Nieren- und Hirnendothelzellen (besitzen Stx-Rezeptoren).



Ein Hämolysin kann plasmidcodiert produziert werden.



Diese Toxine können auch in die Niere gelangen und diese schädigen.

(Wiederkäuer [Rinder, Schafe] scheiden solche Stämme mit dem Kot aus, die dann auf Nahrungsmittel gelangen.)

Pathogenese extraintestinaler Infektionen: Einige E.-coli-Stämme besitzen sogenannte P-Fimbrien, auch PAP (= pyelonephritisassoziierte Pili) genannt (Abb. D-1.11), mit denen sie sich spezifisch am Epithel der harnableitenden Wege anhaften (Abb. D-2.54). Allerdings werden sie durch das Tamm-Horsfall-Protein, welches normalerweise das mengenmäßig häufigste Protein im Urin ist, daran gehindert, weil die P-Fimbrien durch dieses Protein geblockt werden, s. Kap. „Endogene Antibiotika des Menschen“ (S. 303). Wenn durch die Adhäsion ein enger Kontakt zustande gekommen ist, können Bakterientoxine, z. B. Hämolysine, die Zellen der Blasenwand schädigen, wovon Blut im Urin zeugt. Die beschädigte Epithelbarriere erleichtert eine Invasion der Bakterien. Lokal entsteht eine eitrige Entzündung (Zystitis), von der auch eine Urosepsis ausgehen kann, übrigens die häufigste Ursache von Sepsis (S. 678). Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die ursächlichen Bakterien auch noch zusätzliche Virulenzeigenschaften, wie etwa Serumresistenz, mitbringen.

Pathogenese extraintestinaler Infektionen: Einige Stämme besitzen P-Fimbrien (PAP, pyelonephritisassoziierte Pili; Abb. D-1.11), mit denen sie sich am Epithel anhaften (Abb. D-2.54). Durch toxinbedingte Schädigung der Blasenwand wird eine Invasion der Bakterien vorbereitet. Es entsteht eine Entzündung (Zystitis) oder Urosepsis.

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412 ⊙ D-2.54

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2 Spezielle Bakteriologie

⊙ D-2.54

Adhäsion von E. coli an das Blasenepithel Gramnegative Stäbchenbakterien binden mittels Fimbrien (Abb. D-1.11) an das Uroepithel (doppelkernige Pflasterepithelzelle). Dies ist der erste Schritt zur Infektion, denn jetzt können die bakteriellen Toxine, z. B. das zytotoxische Hämolysin, das Epithel zerstören, eindringen und eine Entzündung der Blasenwand initiieren.

▶ Exkurs.

Klinik extraintestinaler Infektionen: Extraintestinale Infektionen mit E. coli können bei immunsupprimierten Patienten, Säuglingen oder bei entsprechender Disposition auftreten. Häufig betroffen sind die Harnwege mit Urethritis, Zystitis, Ureterozystitis, Zystopyelitis, Pyelonephritis. Ursache hierfür sind meist Schmierinfektionen aus der Analregion.

E. coli ist nicht selten an Entzündungen im Bauchraum sowie bei postoperativen Wundeiterungen beteiligt.

▶ Merke.

▶ Exkurs. Eine mechanische Abflussstörung, wie etwa eine Prostatahypertrophie, und Anomalien, ein vesikoureteraler Reflux, z. B. bei Querschnittsgelähmten, oder medizinische Manipulationen (Katheterisierung, Zystoskopie und Blasenspülungen) fördern die Aszension von begeißelten Coli-Stämmen ins Nierenbecken, wo ebenfalls eine Invasion erfolgen kann. Besonders in der Schwangerschaft droht dies, da der Fetus mechanisch Druck auf die Ureteren ausübt und durch die Hormone eine Weitstellung der Hohlorgane mit glatter Muskulatur (Blase, Ureter) erfolgt. Eine Pyelonephritis wird oft noch durch eine Sepsis kompliziert, vorausgesetzt, die Erreger besitzen bestimmte Virulenzeigenschaften, wie z. B. Serumresistenz.

Klinik extraintestinaler Infektionen: Extraintestinale Infektionen mit E. coli können bei immunsupprimierten Patienten oder im Zuge entsprechender Dispositionen systemisch oder lokalisiert auftreten. Neugeborene können eine Meningitis entwickeln, wenn sie während der Geburt mit E. coli aus der Darmflora der Mutter kolonisiert werden, speziell wenn diese Kolibakterien ein Kapselantigen K1 tragen. Häufig betroffen sind die Harnwege mit Urethritis, Zystitis, Ureterozystitis, Zystopyelitis, Pyelonephritis. Ursache hierfür sind meistens Schmierinfektionen aus der Analregion (besonders bei Kindern und Frauen) mit Kontamination des Ostium urethrae. Da Kolibakterien stark begeißelt sein können und somit beweglich sind, gelangen sie bis in die Blase. Da bei Frauen die Urethra nur kurz ist, leiden sie häufiger an Zystitis als Männer. E. coli ist häufig auch an Entzündungen im Bauchraum beteiligt (Appendizitis, Peritonitis, Cholangitis und Cholezystitis). Als Erreger von noskomialen Infektionen findet man E. coli häufig bei Harnwegsinfektionen und in sekundär infizierten Wunden, z. B. in postoperativen Schnittwunden, oder auch bei der fäkalen Verunreinigung von oberflächlichen Wunden, z. B. bei diabetischem Fuß. Einige Stämme sind, ausgehend von solchen lokalen Infektionsherden, in der Lage, auch Sepsis zu erzeugen (z. B. Urosepsis, Cholangiosepsis). E. coli ist der häufigste Sepsiserreger – vor allem bei alten Menschen. ▶ Merke. E. coli ist ein wichtiger Erreger nosokomialer Infektionen, insbesondere

von Harnwegsinfektionen und Wundinfektionen. Pathogenese intestinaler Infektionen: Tab. D-2.26. Darmpathogene E.-coli-Stämme bilden Toxine oder sind invasiv, wodurch Schädigungen der Darmschleimhaut resultieren, die zu Diarrhö führen.

Pathogenese intestinaler Infektionen: Zur Pathogenese intestinaler Infektionen durch die diversen Pathovare von E. coli: siehe Tab. D-2.26. Speziell die EHEC-Stämme haben jeweils ein Mosaik von Virulenzfaktoren, welche die unterschiedlichen Folgen bedingen: Auf einem Plasmid sind 2 Faktoren codiert: ein Enterohämolysin, das nach Lysis der Erythrozyten das Bakterium mit dem essenziellen Nährstoff Eisen versorgt; ein zweites Gen codiert für LEE (locus enterocyte effacement). Diese Eigenschaft bedingt, dass nach Bindung des Bakteriums an die Enterozyten, welche durch ein Oberflächenprotein (dem Intimin) vermittelt wird, deren Mikrovilli daraufhin verschwinden und eine feste Bindung zustande kommt. Weiterhin können die Bakterien, sofern sie einen entsprechenden Bakteriophagen aufgenommen haben, Toxine bilden, die mit dem Shigatoxin von Shigella dysenteriae eine hohe Homologie haben. Bei EHEC gibt es 2 Varianten: Das Shigatoxin 1 (Stx1) kommt nicht bei allen Stämmen vor. Das Shigatoxin 2 (Stx2) kommt bei allen EHEC-Stämmen vor. Vor allem von Stx2 gibt es zahlreiche Varianten (die EHECStämme sind also nicht alle gleich in ihrer pathogenen Potenz).

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413

2.10 Enterobacterales

Die Bildung von Toxin wird von äußeren Einflüssen gesteuert. Das Gen auf dem Bakteriophagen ruht normalerweise. Wenn das Bakterium durch bestimmte Umgebungsbedingungen (z. B. durch Antibiotika) gereizt wird, welche am Genom angreifen wie z. B. Chinolone, s. Kap. „Genetische Struktur und Organisation“ (S. 283), beginnen die Bakteriophagen sich zu replizieren, wobei auch das Gen für die Toxinbildung aktiviert wird. Das Toxin verbleibt zunächst intrazellulär im Bakterium und wird erst nach Lyse durch Bakteriophagen oder durch Antibiotika freigesetzt. ▶ Merke. Eine wirksame Antibiotikatherapie kann die Krankheitssymptome, die

▶ Merke.

durch das Toxin bedingt sind, noch verstärken, weil vermehrt Toxin freigesetzt wird. Diese Toxine intestinaler EHEC können in das Blut gelangen und systemische Schädigungen verursachen. Sie binden an spezielle Rezeptoren, nämlich an neutrale Glykolipide wie etwa Globotriosylceramid, welche nicht nur auf Enterozyten vorkommen, sondern auch auf Endothelzellen in den Gefäßen von Niere und Hirn, auf Nierentubuluszellen und darüberhinaus auf polymorhkernigen Granulozyten. Ein Fragment wird internalisiert und dort so verändert, dass es an die ribosomale RNA bindet und dort die Proteinsynthese stoppt. Die Folge ist der Zelltod. Die Shigatoxine ebenso wie das LPS (Abb. D-1.8) dieser gramnegativen Bakterien induzieren eine Entzündung mit Freisetzung von IL-1 und TNF-α sowie eine Attraktion von polymorphkernigen Granulozyten. Dies verstärkt die lokale Schädigung der Mukosa, sodass noch mehr von den Shigatoxinen in die Blutbahn gelangen und den Verlauf der Erkrankung komplizieren, wobei die Hämolyse und die Niereninsuffizienz im Vordergrund stehen. Dieses gefürchtete Krankheitsbild des hämolytischurämischen Syndroms (HUS) kann auch bei Kontamination von Lebensmitteln als Epidemie auftreten! Klinik intestinaler Infektionen: Intestinale Infektionen mit E. coli sind gekennzeichnet durch massive Diarrhöen mit ihren Folgeerscheinungen. Als Verursacher sind heute mehrere E.-coli-Subtypen bekannt, die sich letztendlich durch chromosomal codierte, phagencodierte und plasmidcodierte Pathogenitätsfaktoren unterscheiden (Tab. D-2.26).

Klinik intestinaler Infektionen: Sie rufen massive Diarrhöen hervor. Als Verursacher sind mehrere E.-coli-Subtypen bekannt, die sich durch Pathogenitätsfaktoren unterscheiden (Tab. D-2.26).

Nachweis: Je nach Manifestationsort der Infektion erfolgt die Erregerisolation unterschiedlich: ■ Bei extraintestinalen Infektionen erfolgt die Erregerisolation aus dem jeweiligen Material, also z. B. Blut bei Sepsis, Urin bei Harnwegsinfekten, Liquor bei Meningitis, Gallensaft bei Cholangitis, Wundexsudat etc. ■ Bei intestinalen Infektionen ergeben sich erhebliche Schwierigkeiten, da im Regelfall aus jedem Stuhl E. coli isoliert werden kann. Die Identifizierung von EPEC, ETEC, EIEC und EHEC (vgl. Tab. D-2.26) ist recht aufwendig und nicht Teil der Routinediagnostik. So erfolgt die Diagnose in der Regel klinisch, nach Ausschluss anderer Diarrhöverursacher oder durch gezielten Auftrag, z. B. nach einem Toxinnachweis, z. B. von Verotoxin (toxisch für Verozellen, einer Zelllinie aus Affennierenzellen). Der Keimnachweis erfolgt ausschließlich kulturell. Dies ist in der Regel problemlos möglich. Je nach Probenmaterial erfolgen die Untersuchungen im Direktverfahren unter Einsatz von festen Selektivnährböden, z. B. Endo-Agar (Abb. D-2.47) oder McConkey-Agar, oder mittels Anreicherung in Flüssigkulturen. Bei Verwendung von Chromagarplatten kann man einige der pathogenen Stämme leichter erkennen. So können alle E.-coli-Stämme aufgrund der Fähigkeit, β-D-Glucuronidase zu produzieren, auf chromogenen Medien sichtbar gemacht werden. Da EHEC-Stämme des Serovars O157 in der Regel kein Sorbit fermentieren können, zeigen sie auf Spezialnährböden keinen Farbumschlag, während die anderen E.-coli-Stämme durch Ansäuerung des Milieus als rote Kolonien imponieren. Die endgültige Diagnose wird wie bei allen Enterobacteriaceae durch den Ausfall zu überprüfender Stoffwechselleistungen („bunte Reihe“) oder mittels MALDI-TOF-Massenspektrometrie gestellt. Durch serologische Typisierung lassen sich bei E. coli mindestens 170 O-Antigene und 50 H-Antigene sowie 70 K-Antigene und 10 F-Antigene nachweisen. Für die Routinepraxis des mikrobiologischen Labors hat dies jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung, für epidemiologische Fragestellungen kann diese Tatsache aber he-

Nachweis: ■ Bei extraintestinalen Infektionen erfolgt die Erregerisolation aus dem jeweiligen Material. ■ Bei intestinalen Infektionen ergeben sich Schwierigkeiten, da praktisch aus jedem Stuhl E. coli isoliert werden kann. Die Identifizierung der Subtypen (vgl. Tab. D-2.26) wird nicht routinemäßig durchgeführt.

Der Keimnachweis erfolgt ausschließlich kulturell (Abb. D-2.47). Die endgültige Diagnose wird bei allen Enterobacteriaceae biochemsich durch die „bunte Reihe“ oder massenspektrometrisch gestellt.

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2 Spezielle Bakteriologie

rangezogen werden; so findet man unter den EHEC häufig Stämme des Serovars O157H7. Der Nachweis der einzelnen Pathogenitätsfaktoren, also z. B. der Shigatoxine und Enterotoxine, ist bei isolierten Stämmen mittels ELISA und PCR möglich. Therapie: Bei extraintestinalen E.-coli-Infektionen kann nur die gezielte antibakterielle Chemotherapie nach Austestung der Erregerempfindlichkeit zum Erfolg führen.

Bei der intestinalen Infektion ist eine antibiotische Therapie nicht zwingend angezeigt, bei EHEC sogar kontraindiziert.

Therapie: Bei extraintestinalen E.-coli-Infektionen kann oft nur die gezielte antibakterielle Chemotherapie nach Austestung der Erregerempfindlichkeit zum Erfolg führen. Vor allem bei Personen, die aus dem Ausland kommen, die häufig hospitalisiert waren oder die über 60 Jahre alt sind, muss mit Resistenzen gegen Aminopenicilline, Cephalosporine, Cotrimoxazol und Chinolone (oft auch Multiresistenz, nämlich 3MRGN oder sogar 4MRGN) gerechnet werden. Beim ambulanten Patienten genügt oft eine orale Gabe von Fosfomycin, Amoxicillin, Cephalosporin oder Levofloxacin. (Ceftriaxon und Ciprofloxacin werden hauptsächlich enteral ausgeschieden und sollten bei einer Harnwegsinfektion besser nicht eingesetzt werden, auch wenn nominell die Bakterien dagegen empfindlich sind.) Bei einer unkomplizierten Harnwegsinfektion reicht eine kurzfristige Antibiotikatherapie (1–3 Tage) aus. Nur bei rezidivierenden Erkrankungen muss über einen längeren Zeitraum antibiotisch behandelt werden. In der Leitlinie werden Pivmecillinam, Fosfomycin, Nitroxolin und Nitrofurantoin als Mittel der 1. Wahl empfohlen. Ob eine ausreichende Substanzmenge appliziert wurde, lässt sich mittels Wirkstofftest im Urin überprüfen (s. Abb. D-1.30). Man sollte auf alle Fälle versuchen, den Grund für die Rezidive (anatomische Anomalien etc.) zu eruieren. Bei der intestinalen Infektion ist eine antibiotische Therapie nicht zwingend angezeigt, hier steht die Bekämpfung der Diarrhö, besonders des Wasser- und Elektrolytverlustes, im Vordergrund. Eine symptomatische Therapie mit Loperamid (Imodium), ein Opiumderivat, das die Darmperistaltik dämpft, ist zur subjektiven Besserung der Diarrhö geeignet. Auch wird der Flüssigkeits- und Elektrolytverlust vermindert. Andererseits wird dadurch die natürliche Elimination der pathogenen Bakterien und deren Toxine mit dem Stuhlgang verlangsamt. Bei Infektionen mit EHEC ist eine Therapie mit wirksamen Antibiotika sogar kontraindiziert, weil die Bakterien dadurch erst zu einer massiven Toxinproduktion angeregt werden. Die orale Therapie mit Hefepräparaten (Perenterol) ist im Prinzip sinnvoll, weil die E.-coli-Stämme und auch deren Toxine an der mannanhaltigen Oberfläche der Sprosspilze gebunden werden, sodass sie nicht an die Mukosazellen gelangen.

Prophylaxe: Intestinale Infektion mit enteropathogenen E.-coli-Stämmen sind stets exogener Natur (orale Aufnahme!). Zur Enteritisund Zystitisprophylaxe s. Kap. „Enteritis“ (S. 649) und Kap. „Harnwegsinfektion – Zystitis und Pyelonephritis“ (S. 659).

Prophylaxe: Intestinale Infektionen mit EPEC, ETEC, EIEC, EHEC und eventuell anderen enteropathogenen E.-coli-Stämmen sind immer exogener Natur (orale Aufnahme des Erregers mit Wasser, Fleisch und Gemüse). Sie sind besonders in allen Ländern mit geringem Hygienestandard zu befürchten. Zur Enteritisprophylaxe s. auch Kap. „Enteritis“ (S. 649), zur Prophylaxe und Diagnostik von Harnwegsinfektionen s. Kap. „Harnwegsinfektion – Zystitis und Pyelonephritis“ (S. 659). Der orale Totimpfstoff gegen Cholera (Dukoral) enthält eine rekombinant hergestellte, nicht toxische Komponente der Unterheit B des Choleratoxins, was zumindest gegen die Shiga-like-Toxine (Stx1 und Stx2) von EHEC schützen soll, die eine hohe antigenetische Ähnlichkeit besitzen.

2.10.4 Yersinia

2.10.4 Yersinia

Klassifikation: Das Genus Yersinia beinhaltet mehrere Arten. Drei haben humanmedizinische Bedeutung: ■ Yersinia pestis ■ Yersinia enterocolitica ■ Yersinia pseudotuberculosis.

Klassifikation: Das Genus Yersinia beinhaltet mehrere Arten, von denen drei große humanmedizinische Bedeutung haben: ■ Yersinia pestis ■ Yersinia enterocolitica ■ Yersinia pseudotuberculosis. Die anderen Spezies z. B. Y. frederiksenii, Y. intermedia und Y. kristensenii haben nur geringe Bedeutung. Nur einzelne Stämme innerhalb dieser Arten treten beim Menschen als opportunistisch pathogene Erreger in Erscheinung. Da die Yersiniosen bezüglich ihrer infektionshygienischen Bedeutung, Diagnostik, Epidemiologie und Klinik erhebliche Unterschiede aufweisen, ist es angezeigt, die wichtigsten Yersinien-Arten und die ihnen zuzuordnenden Krankheitsbilder getrennt zu besprechen.

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415

2.10 Enterobacterales

Yersinia pestis

Yersinia pestis

Geschichtliches: Die Pest ist eine der ältesten, bekanntesten und gefährlichsten Infektionskrankheiten des Menschen. Der „Schwarze Tod“ hat nicht nur erhebliche medizinhistorische Bedeutung (erste Versuche der Individualprophylaxe im Sinne einer „Hygiene“ und Erklärungsversuche zum Übertragungsmodus „Kontagium“), er hat seinen kulturhistorischen Niederschlag in zahlreichen Werken der Literatur und der bildenden Kunst gefunden und wie wohl keine andere Infektionskrankheit die Geschichte des Abendlandes sichtbar geprägt. Entdeckt wurde der Erreger 1894 in Hongkong durch den Franzosen Alexandre Yersin. ▶ Definition. Yersinia pestis ist ein pleomorphes, kurzes, oft kokkoides, sporen- und

▶ Definition.

geißelloses, immer unbewegliches (wichtiges Diagnosekriterium), (un-)bekapseltes Stäbchenbakterium, das sich von den anderen medizinisch interessanten YersinienArten durch die Fähigkeit zur Harnstoffspaltung unterscheidet. Bedeutung: Y. pestis ist der Erreger der Pest, und zwar sowohl der Bubonen- wie der Lungenpest.

Bedeutung: Erreger der Bubonen- und Lungenpest.

Epidemiologie: Die Pest als Zoonose ist auch heute noch endemisch in Teilen Afrikas (Madagaskar, Demokratische Republik Kongo), Asiens und Amerikas (Peru) anzutreffen. Pro Jahr werden etwa 650 Infektionen an die WHO gemeldet, von denen knapp 20 % tödlich verlaufen (Abb. D-2.55).

Epidemiologie: Die Pest als Zoonose ist auch heute noch in Teilen Asiens, Afrikas und Amerikas anzutreffen (Abb. D-2.55).

⊙ D-2.55

Vorkommen natürlicher Pestgebiete (nach WHO 03/2016)

⊙ D-2.55

Gebiete mit möglichem Yersinia‐pestis‐Vorkommen, basierend auf historischen Daten und neueren Informationen

Pathogenese: Die Pest ist primär eine Zoonose, bei der verschiedene Nagetierarten – hauptsächlich Ratten – betroffen sind. Die Infektion erfolgt über den Rattenfloh (Xenopsylla cheopis) oder andere Ektoparasiten, welche bei der Blutmahlzeit an infizierten Tieren den Erreger aufnehmen. Dieser vermehrt sich im Vormagen der Flöhe so rapide, dass bei einem erneuten Stech- und Saugakt der Parasiten eine Regurgitation und damit eine „Injektion“ von mehr als 10 000 Bakterien in das Opfer erfolgt. Auf diese Weise wird der Erreger von kranken auf gesunde Ratten übertragen oder eventuell perkutan auf den Menschen, wenn dieser „versehentlich“ vom Rattenfloh befallen wird. Bei niedrigen Temperaturen, z. B. im Floh, sind manche Virulenzfaktoren, z. B. antiphagozytäre Oberflächenstrukturen, nicht exprimiert. Somit wird ein Großteil der injizierten Bakterien durch polymorphkernige Granulozyten sofort vernichtet. Allenfalls in unreifen Monozyten kann die Infektion angehen, wobei diese Erreger sich intrazellulär vermehren und jetzt bei 37 °C ihr genetisches Potenzial für Virulenzfaktoren voll entfalten. An der Infektionsstelle kann ein Primäraffekt in Form einer Bläschen- oder Pustelbildung ausheilen. Meist kommt es jedoch zur lymphogenen

Pathogenese: Die Pest ist primär eine Zoonose der Nagetiere, hauptsächlich der Ratte. Die Infektion erfolgt von dort perkutan über den Rattenfloh oder andere Ektoparasiten. Der Erreger kann so auch auf den Menschen übertragen werden.

Es kommt zum Anschwellen der regionären Lymphknoten, welche sich aufgrund der Erregervermehrung hämorrhagisch bläulich verfärben (= Bubonen, Abb. D-2.56). Beim Einbruch in die Blutbahn resultiert die Pestsepsis, die alle Organe betreffen kann.

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416 ⊙ D-2.56

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2 Spezielle Bakteriologie

Yersinia pestis

a

b (Quelle: Abbildungen mit freundlicher Genehmigung von Prof. Seitz, Bonn. In: Löscher, T., Burchard, G.-D.: Tropenmedizin in Klinik und Praxis. Thieme; 2010)

a Bubonen am Oberschenkel (z. T. durchgebrochen). b Bubo am Hals.

Die Erregerstreuung in den Kreislauf bewirkt die sekundäre Lungenpest mit hoch infektiösem Sputum. Durch direkte aerogene Infektionen kann eine primäre Lungenpest bei Kontaktpersonen induziert werden.

Streuung. Der regionäre Lymphknoten schwillt an. Die Erregervermehrung führt zu einer hämorrhagischen, bläulichen Verfärbung (Bubonen, Abb. D-2.56). Über 90 % aller Pestinfektionen verlaufen unter diesem Bild der Bubonenpest. Kommt es zu einem Einbruch in die Blutbahn, was bei ca. 50–90 % aller unbehandelten Infektionen der Fall ist, so resultiert die Pestsepsis, die praktisch alle Organe betreffen kann. Die virulenten Yersinien sind nämlich durch die Bildung von Siderophoren (wie Yersiniobactin und Enterobactin) in der Lage, sich in einem Wirt mit dem essenziellen Nährstoff Eisen ausreichend zu versorgen. Bei einer Erregerstreuung in den Kreislauf kommt es zur sekundären Lungenpest mit hoch infektiösem Sputum. Durch direkte aerogene Infektionen kann bei exponierten Kontaktpersonen eine primäre Lungenpest induziert werden (Inkubationszeit: wenige Stunden). Da bei der Übertragung von Mensch zu Mensch die Erreger bei 37 °C wachsen und somit volle Virulenz besitzen, reichen wenige Keime aus, eine Infektion mit sofortigem Beginn zu setzen.

Klinik: hohes Fieber, starke Kopfschmerzen, Vernichtungsangst. Die Bubonen sind druckschmerzhaft. Bei Pestsepsis kommt es zur hämorrhagischen Diathese. Die Inkubationszeit beträgt im Mittel 5–7 Tage.

Klinik: Die Infektion mit Y. pestis führt zu hohem Fieber, Schüttelfrost, starken Kopfschmerzen und Vernichtungsangst. Die Bubonen sind druckschmerzhaft. Der Patient nimmt deshalb vielfach eine Schutzhaltung ein. Die Pestsepsis zeigt ein schweres toxisch-infektiöses Krankheitsbild, wobei eine schwere hämorrhagische Diathese dominiert. Die Lungenpest wird begleitet von anfangs schleimigem, später hellblutig-dünnflüssigem hoch infektiösem Auswurf. Die Inkubationszeit beträgt im Mittel 5–7 Tage.

Letalität: unbehandelte primäre Lungenpest: 100 %. Unbehandelte Bubonenpest: 50–60 %.

Letalität: Die unbehandelte primäre Lungenpest führt praktisch immer und oft innerhalb von 24 Stunden zum Tode. Die Letalität bei der unbehandelten Bubonenpest wird mit 50–60 % angegeben.

Krankheitsfolgen: Eine überstandene Pest hinterlässt keine absolute Immunität. Nachweis: Nachweis kulturell und mikroskopisch aus Bubonenaspirat, Blut oder Sputum. In festen Nährböden oder Bouillonkulturen. Mehrere plasmidcodierte Antigene (F1, V, W) können als Pathogenitätsfaktoren nur unter Kulturbedingungen nachgewiesen werden. Zur Schnelldiagnose stehen Antigen-Nachweise (Vor-Ort-Diagnostik) und die PCR zur Verfügung.

Krankheitsfolgen: Eine überstandene Pest hinterlässt keine absolute Immunität. Nachweis: Kulturell und mikroskopisch durch Nachweis des Erregers aus Bubonenaspirat, Blut oder Sputum. Y. pestis stellt keine besonderen Ansprüche an feste Nährböden oder Bouillonkulturen. Sie wächst bei Temperaturen zwischen 22 und 37 °C mit einem Optimum bei 28–30 °C. Entscheidend für die Virulenz sind 3 charakteristische Plasmide, die für Proteine im Zytoplasma und in der Zellwand codieren. Wird Y. pestis bei 37 °C kultiviert, so bildet sie eine Kapsel aus. Diese als F1 (= Fraktion 1) bezeichnete Hülle besteht aus einem löslichen, nicht toxischen Protein, das den Erreger vor der Phagozytose schützt und somit als Pathogenitätsfaktor einzustufen ist. Zwei weitere plasmidcodierte Antigene, die jedoch ebenfalls nur bei 37 °C gebildet werden, haben ebenfalls antiphagozytäre Eigenschaften und werden als Virulenzantigene V und W bezeichnet. Bei niedrigen Temperaturen, wie z. B. im Floh, werden andere Faktoren produziert. Zur schnellen Vor-Ort-Diagnose in Entwicklungsländern stehen Y. pestis Antigen-Nachweise zur Verfügung, deren Verwendung in Afrika und Südamerika von der WHO unterstützt wird. Ein direkter Erregernachweis kann auch im Labor mittels PCR, insbesondere aus dem Blut, erfolgen.

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417

2.10 Enterobacterales

Therapie: Zur Therapie stehen Aminoglykoside, Chinolone, Cotrimoxazol und Tetrazykline zur Verfügung.

Therapie: Aminoglykoside, Chinolone, Cotrimoxazol und Tetrazykline.

Prophylaxe: Erkrankte sind zu isolieren, Kontaktpersonen können auf Anordnung des Gesundheitsamtes in Quarantäne genommen werden. Ein in den USA entwickelter Totimpfstoff schützt nur ungenügend. Die Impfung ist nur in seltenen Fällen bei spezieller Indikation (nachgewiesenes Expositionsrisiko) vertretbar. Nach vermuteter Exposition ist eine prophylaktische Antibiotikatherapie mit Chinolon und Tetrazyklin ratsam. Wichtiger Schutz ist eine ausreichende Expositionsprophylaxe (Vermeidung von Kontakt zu betroffenen Tieren, Flöhen), insbesondere in Ausbruchsgebieten!

Prophylaxe: Der Nachweis ist meldepflichtig. Erkrankte sind zu isolieren, Kontaktpersonen können auf Anordnung des Gesundheitsamtes in Quarantäne genommen werden. Die Expositionsprophylaxe, insbesondere bei Reisen in Endemiegebiete, ist ein wichtiger Schutz.

▶ Merke. Der Nachweis von Yersinia pestis ist nach Infektionsschutzgesetz mel-

▶ Merke.

depflichtig. ▶ Exkurs. Mit Y. pestis darf nur in solchen Labors gearbeitet werden, die über spezielle Sicherheitsmaßnahmen verfügen (Sicherheitsstufe 3) und eine spezielle staatliche Genehmigung besitzen.

Yersinia pseudotuberculosis ▶ Definition. Der Unterschied zu Y. pestis ergibt sich aus einem abweichenden Stoffwechselverhalten („bunte Reihe“) sowie aus der Tatsache, dass Y. pseudotuberculosis peritrich begeißelt und damit beweglich ist. Die Geißeln werden allerdings nur bei Wachstumstemperaturen unter 30 °C ausgebildet.

▶ Exkurs.

Yersinia pseudotuberculosis ▶ Definition.

Bedeutung: Y. pseudotuberculosis verursacht eine Lymphadenitis mesenterialis. Da auch bei einer Darmtuberkulose vergrößerte Mesenteriallymphknoten auftreten, führte dies zur Bezeichnung Pseudotuberkulose.

Bedeutung: Y. pseudotuberculosis verursacht eine Lymphadenitis mesenterica.

Epidemiologie: Bei gesunden Personen ist nur selten ein signifikanter Antikörpertiter nachweisbar, was zeigt, dass der Durchseuchungsgrad der Bevölkerung nur gering sein kann. Dies deckt sich mit der niedrigen Zahl an klinisch manifesten Fällen.

Epidemiologie: Der Durchseuchungsgrad der Bevölkerung ist nur gering.

Pathogenese: Natürlicher Wirt sind zahlreiche Säugetiere (Schweine!) und Vögel; es handelt sich also um eine Zoonose. Die Infektion des Menschen mit Y. pseudotuberculosis erfolgt oral. Die Erreger sind aufgrund ihrer Proteinstruktur in der äußeren Zellmembran in der Lage, innerhalb von endozytischen Vesikeln die Epithelzellen des Ileums zu durchdringen. Erreichen sie die Submukosa des Darms, werden sie dort von Gewebemakrophagen aufgenommen und in die mesenterialen Lymphknoten transportiert.

Pathogenese: Die Infektion des Menschen mit Y. pseudotuberculosis erfolgt in aller Regel oral. Die Erreger werden nach Durchdringung der Epithelzellen in der Submukosa des Ileums von Gewebemakrophagen aufgenommen und zu den Lymphknoten transportiert.

Klinik: Am häufigsten ist die pseudoappendizitische Verlaufsform, die bei 75–90 % der Krankheitsfälle zu beobachten ist und vor allem bei Kindern und Jugendlichen auftritt. Seltener ist eine Ileussymptomatik oder ein enteritischer Verlauf. Septikämien werden vereinzelt beschrieben, sie treten in der Regel aber nur bei Patienten mit anderen Grundleiden auf.

Klinik: Am häufigsten ist die pseudoappendizitische Verlaufsform, die vor allem bei jungen Menschen auftritt. Seltener ist ein enteritischer Verlauf.

Krankheitsfolgen: Eine reaktive Arthritis, ein Erythema nodosum oder andere Hauterscheinungen können als Begleiterscheinungen oder auch als Folge einer Infektion mit Y. pseudotuberculosis auftreten. Vor allem Frauen im mittleren Alter mit einer genetischen Prädisposition (HLA B27) sind betroffen.

Krankheitsfolgen: Arthritis, Erythema nodosum oder andere Hauterscheinungen sind immunpathologische Reaktionen.

Nachweis: Die Erregerisolation aus Operationsmaterial (Lymphknoten, Appendix u. Ä.) gelingt leicht, aus Stuhl hingegen nur selten. Y. pseudotuberculosis stellt keine besonderen Kulturansprüche und kann mittels gängiger fester oder flüssiger Nährmedien zur Enterobacteriaceae-Diagnostik nachgewiesen werden. Bei der serologischen Typisierung können mehrere O- und H-Antigene nachgewiesen werden. Serologisch lassen sich nach einer Infektion Antikörper im Serum des Patienten nachweisen. Antikörpernachweise sind aber nicht zum Nachweis einer akuten enterischen Infektion geeignet. Sie zeigen an, dass eine Infektion unlängst stattgefunden hat.

Nachweis: Die Erregerisolation aus OP-Material gelingt leicht, aus Stuhl hingegen nur selten.

Therapie: Eine Antibiotikatherapie ist nicht zwingend erforderlich. Bei Septikämie und anderen Komplikationen werden kalkuliert Chinolone eingesetzt.

Therapie: Antibiotikagaben (z. B. Chinolone) sind zwingend nur bei Sepsis und Komplikationen erforderlich. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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Yersinia enterocolitica

Yersinia enterocolitica

Bedeutung: akute Enteritiden und postinfektiöse immunpathologsche Reaktionen.

Bedeutung: In Europa werden ca. 1 % der akuten Enteritiden durch Y. enterocolitica verursacht. Wochen nach einer akuten Infektion kann es – bevorzugt bei Frauen – zu immunpathologischen Komplikationen, wie reaktive Arthritis und Erythema nodosum kommen.

Epidemiologie: Infektionen von Mensch zu Mensch sind ungewöhnlich. Es handeltt sich um eine Zoonose. Schweine spielen für das Infektionsgeschehen beim Menschen eine besondere Rolle.

Epidemiologie: Infektionen mit Yersinia enterocolitica sind im Vergleich zu Y. pseudotuberculosis-Infektionen wesentlich häufiger. Y. enterocolitica ist im Tierreich weit verbreitet. Für die Infektion des Menschen haben Wild- und Haustiere, insbesondere Schweine, eine besondere Rolle. Etwa 60 % aller Yersinia-enterocoliticaInfektionen sind mit dem Genuss rohen Schweinefleisches vergesellschaftet. Damit zählen Y. entercolitica-Infektionen zu den Zoonosen. Die bisherigen Untersuchungen scheinen zu belegen, dass Y. enterocolitica für den Menschen nicht sehr infektiös ist. Dennoch ist der Nachweis der Erreger bei einer Enteritis meldepflichtig. In Deutschland werden ca. 3 000 Infektionen pro Jahr gemeldet. Da der Erreger nur in kleinen Mengen und kurzfristig mit dem Stuhl ausgeschieden wird, sind Übertragungen von Mensch zu Mensch ungewöhnlich.

Pathogenese: Die Aufnahme erfolgt mit der Nahrung. Die Erreger überwinden die Schleimhaut des Dünndarms und vermehren sich in der Submukosa. Wichtige Virulenzfaktoren des Bakterium sind plasmidcodiert.

Pathogenese: Das Schicksal von Y. enterocolitica im Ileum ist identisch mit dem von Y. pseudotuberculosis. In den Peyer-Plaques können sie viele Tage überleben. Die Virulenz der Erreger ist abhängig von Genen, die auf einem charakteristischen großen Plasmid lokalisiert sind. Ein spezielles Sekretionssystem der Bakterien überträgt eine Reihe von Effektorproteinen (Yersinia outer proteins, YOPs) in eine Wirtszelle, wo sie verschiedene zellbiologische Veränderungen bewirken.

Klinik: akute Enteritis mit dünnflüssigen Stühlen und kolikartigen abdominellen Schmerzen (Tab. D-2.27). Die Symptome klingen in der Regel nach wenigen Tagen ab.

Klinik: Nach einer Inkubationszeit von 3–10 Tagen treten die Symptome einer akuten Enteritis mit dünnflüssigen Stühlen und kolikartigen abdominellen Schmerzen auf. Die Darmkoliken treten wiederholt auf. Fieber, Erbrechen und allgemeine Körperschwäche können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Die Symptome klingen in der Regel nach wenigen Tagen ab. Betroffen sind Säuglinge. Bei Kindern > 6 Jahren sowie bei Erwachsenen führt eine mesenteriale Lymphadenitis ähnlich wie bei Y. pseudotuberculosis zur Pseudoappendizitis (Tab. D-2.27).

≡ D-2.27

2 Spezielle Bakteriologie

≡ D-2.27

Klinische Manifestationen nach Infektion mit Yersinia enterocolitica

gastrointestinale Infektion



Enterokolitis (speziell bei Kleinkindern)



akute Lymphadenitis der mesenterialen Lymphknoten



terminale Ileitis, Pseudoappendizitis (speziell bei Kindern > 6 Jahre und bei Erwachsenen)



speziell bei abwehrgeschwächten Personen



speziell auch bei Personen mit Eisenüberladung (Transfusionen)

metastatische Infektionen (nach Sepsis, selten)



fokale Abszesse



Endokarditis



Osteomyelitis

postinfektiöse, immunpathologische Reaktionen (assoziiert mit HLA B27)



Arthritis (einzelner oder mehrerer großer Gelenke)



Myokarditis



Erythema nodosum (Abb. D-2.57)

Sepsis

Krankheitsfolgen: Myokarditis, Arthritiden, Erytheme (Abb. D-2.57) oder andere Hauterscheinungen können 1–3 Wochen nach der Krankheit auftreten.

Krankheitsfolgen: Myokarditis, Arthritiden, Erythema nodosum (Abb. D-2.57) oder andere Hauterscheinungen können als immunpathologische Folge einer Infektion mit Yersinia enterocolitica 1–3 Wochen nach der Krankheit auftreten. Betroffen sind bevorzugt über 40-jährige Frauen. Der HLA-Typ B27 prädisponiert zu YersiniaFolgeerkrankungen wie reaktive Arthritis. In Nordeuropa sind solche Komplikationen viel häufiger als in Mitteleuropa, wogegen in Südeuropa diese immunpathologischen Reaktionen nur selten beschrieben werden.

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⊙ D-2.57

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2.10 Enterobacterales

Erythema nodosum nach einer Infektion mit Y. enterocolitica

⊙ D-2.57

Meistens sind Frauen betroffen. Das rötlich-livide, schmerzhafte, indurierte Erythem manifestiert sich hauptsächlich an den Streckseiten der Unterschenkel; es kann singulär oder multipel vorliegen. Bakterien findet man in diesen Läsionen nicht; vielmehr ist es eine immunpathologische Reaktion, vermutlich eine Kreuzreaktion von Antikörpern, die gegen Bakterienantigene gerichtet sind, mit körpereigenen Strukturen der Haut.

Nachweis: Der kulturelle Erregernachweis aus Operationsmaterial ist in der Regel einfach (mittels gängiger fester oder flüssiger Nährmedien zur EnterobacteriaceaeDiagnostik). Schwieriger ist die Keimisolation aus Stuhl. Hier empfehlen sich der Einsatz spezieller Yersinianährmedien. Zur serologischen Typisierung wird in der Literatur häufig ein Schema verwendet, in dem die Serogruppen (O-Antigene) 3 und 9 sowie seltener 5 und 27 als Erreger dominieren (in den USA gibt es noch Serovar 8, das oft schwere Infektionen erzeugt). Serologische Untersuchungen zum Nachweis von spezifischen Antikörpern gegen O3 bzw. O9 sind prinzipiell möglich. Die Interpretation der Ergebnisse ist jedoch nicht immer einfach, da unspezifische und Kreuzreaktionen (z. B. mit Brucella spp.) möglich sind und die Höhe des Titers von den im Labor eingesetzten Antigenen abhängt. Für die Erkennung von Folgekrankheiten sind diese Antikörpernachweise jedoch wichtig.

Nachweis: Der kulturelle Keimnachweis aus OP-Material ist in der Regel einfach. Schwieriger ist die Keimisolation aus Stuhl. Antikörper im Blut helfen bei der Diagnose.

Therapie: Eine spontane Heilung ist möglich. Bei Septikämie und anderen Komplikationen werden Antibiotika nach der Resistenzlage des Erregers eingesetzt.

Therapie: Die Gabe von Antibiotika ist nur bei Komplikationen erforderlich.

2.10.5 Klebsiella

2.10.5 Klebsiella

▶ Definition. Klebsiellen sind gramnegative, sporenlose, unbewegliche, bekapselte

▶ Definition.

Stäbchen, die nach dem deutschen Bakteriologen Edwin Klebs benannt sind. Klassifikation: Das Genus Klebsiella enthält mehrere Arten mit humanmedizinischer Bedeutung: ■ Klebsiella pneumoniae ■ Klebsiella oxytoca ■ Klebsiella granulomatis löst das spezifische Krankheitsbild der Granuloma inguinale aus. Heute werden von Klebsiella abgegrenzt: Raoultella ornithinolytica, R. terrigena und R. planticola.

Klassifikation: Die wichtigsten Spezies sind:

Bedeutung: Klebsiellen sind fakultativ pathogene Erreger. Eine Prädisposition beim Wirt muss in der Regel gegeben sein. Sie nehmen in der Rangfolge nosokomialer Infektionserreger zusammen mit Enterobacter den dritten Platz ein. Bedeutendster Vertreter ist Klebsiella pneumoniae. Klebsiella pneumoniae und Klebsiella oxytoca können Lungenabszesse, Pleuritis, Bronchitis, Sinusitis, Mastoiditis, Otitis, Cholangitis und Cholezystitis sowie Harnwegsinfektionen ebenso wie Sepsis, Meningitis, Endokarditis und Osteomyelitis verursachen. Nosokomiale Ausbrüche mit multiresistenten Klebsiellen (auch 4-MRGN) (ggf. Hinweis auf Meldepflicht von 4-MRGN) sind wiederholt beschrieben worden und aufgrund ihrer schwierigen Therapie gefürchtet.

Bedeutung: Klebsiellen sind fakultativ pathogen. Sie sind wichtige nosokomiale Infektionserreger (3. Platz zusammen mit Enterobacter). Klebsiella pneumoniae kommt für Pneumonien, Lungenabszess, Bronchitis, Pleuritis, Sinusitis, Otitis u. v. a. Infektionen in Betracht.

Nachweis: Der Keimnachweis erfolgt ausschließlich kulturell und ist in der Regel problemlos möglich. Je nach Probenmaterial erfolgen die Untersuchungen im Direktverfahren unter Einsatz von festen Selektivnährböden oder mittels Anreicherung in Flüssigkulturen. Klebsiellen wachsen auf glukosehaltigen Universalnährböden in typischen schleimigen, großen Kolonien, die dem erfahrenen Untersucher erste Hinweise zur Bestimmung geben (Abb. D-2.58). Die endgültige Diagnose wird

Nachweis: Der Keimnachweis erfolgt ausschließlich kulturell. Klebsiellen wachsen auf glukosehaItigen Universalnährböden in typischen schleimigen, großen Kolonien (Abb. D-2.58). Die endgültige Diagnose wird durch den Ausfall der „bunten Reihe“ gestellt.

■ ■ ■

Klebsiella pneumoniae Klebsiella oxytoca Klebsiella granulomatis.

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420 ⊙ D-2.58

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2 Spezielle Bakteriologie

⊙ D-2.58

Klebsiella pneumoniae Man erkennt die typischen großen und schleimigen Kolonien. (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 127, Bakterielle Infektionen 1987)

jedoch auch hier wie bei allen Enterobacteriaceae durch den Ausfall zu überprüfender Stoffwechselleistungen („bunte Reihe“) bzw. mittels MALDI-TOF-Massenspektrometrie gestellt. Zur serologischen Typisierung sind bei Klebsiella mehrere O-Antigene bekannt, denen jedoch keine diagnostische Bedeutung zukommt, da sie wegen der Kapsel nicht agglutinierbar sind. Daneben werden ca. 80 K-Antigene unterschieden. Unterschiedliche Virulenz bestimmter K-Antigene konnte bisher für den Menschen nicht beobachtet werden. Therapie: Wegen einer natürlichen Resistenz gegen Benzyl- und Aminopenicilline und häufiger plasmidbedingter Mehrfachresistenz ist eine sinnvolle Therapieplanung erst nach Erregerisolation und Antibiogramm möglich.

Therapie: Die Therapie von Klebsielleninfektionen ist immer problematisch, da Klebsiella neben einer natürlichen Resistenz gegen Benzylpenicillin (Penicillin G) und Aminopenicilline nicht selten eine plasmidbedingte Mehrfachresistenz aufweist, vor allem durch Effluxpumpen für Antibiotika, aber auch Carbapenamsen. Eine sinnvolle Therapieplanung ist erst nach Erregerisolation und Antibiogramm möglich.

2.10.6 Klebsiella granulomatis

2.10.6 Klebsiella granulomatis

▶ Definition.

▶ Definition. Dieses gramnegative, kokkoide, bekapselte Bakterium kommt normalerweise im Darm vor und kann durch Autoinokulation bzw. beim Geschlechtsverkehr in den Genitalbereich gebracht werden und dort eine Granuloma inguinale auslösen. Klinisch ist es damit von den zuvor beschriebenen Klebsiellen distinkt.

Bedeutung: vor allem in tropischen Ländern, speziell Südafrika.

Bedeutung: Diese STD (sexually transmitted disease) tritt vor allem in tropischen Ländern bei Menschen in schlechten hygienischen Verhältnissen, bei Unterernährung und sexuellem Risikoverhalten (häufig wechselnde Geschlechtspartner; außergewöhnliche Sexualpraktiken) auf.

Pathogenese: Die Erreger können sich nach Eintritt in die Haut lokal in den Makrophagen und später in den inguinalen Lymphknoten vermehren und eine Entzündung hervorrufen, die mit lokalen Ulzerationen und regionaler Lymphknotenschwellung einhergeht (Abb. D-2.59).

Pathogenese: Über minimale Läsionen in der Haut können die Keime ins Gewebe vordringen und eine entzündliche Reaktion induzieren, die sogar zu einer Ulzeration führen kann (Abb. D-2.59). Solche Hautgeschwüre können dann mit anderen, opportunistischen Erregern superinfizieren. Nach Verschleppung der Bakterien in die regionalen, d. h. in die inguinalen Lymphknoten geht dort die Infektion weiter. Eine zellvermittelte Immunität induziert die Granulombildung (Granuloma inguinale), die eine Ausheilung ermöglicht. Bei Abwehrschwäche jedoch wird die Krankheit manifest.

⊙ D-2.59

⊙ D-2.59

Ulzerierende Läsionen, hier am männlichen Genitale (Röcken M, Schaller M, Sattler E et al. Taschenatlas Dermatologie. Thieme; 2010)

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421

2.10 Enterobacterales

Nachweis: In den Infektionsherden findet man Klebsiella granulomatis typischerweise innerhalb von Gewebemakrophagen; bei Anfärbung sieht man eine schmale, ungefärbte Zone als Hinweis für die Kapsel (Donovan-Körperchen). Die Erreger lassen sich kulturell nicht anzüchten, sodass die Mikroskopie die einzige Möglichkeit zur Diagnose bleibt.

Nachweis: Da die Erreger kaum kultivierbar sind, wird die Infektion durch den mikroskopischen Nachweis von intrazellulären Bakterien geführt.

Therapie: Eine Therapie mit Tetrazyklinen oder Makroliden verspricht Hilfe.

Therapie: Tetrazykline oder Makrolide.

2.10.7 Enterobacter

2.10.7 Enterobacter

▶ Definition. Es handelt sich um gramnegative, peritrich begeißelte, bewegliche

▶ Definition.

Stäbchenbakterien, die Laktose vergären und Citrat als alleinige Kohlenstoffquelle verwerten können. Kapselbildung ist möglich, jedoch nicht obligat. Klassifikation: Die Gattung Enterobacter ist in sich sehr inhomogen; mehrere Arten sind Teil der normalen Darmflora. Neben apathogenen Arten gibt es auch potenziell pathogene Enterobacter. Aufgrund phylogenetischer molekularer Untersuchungen hat sich die Zuordnung von Bakterien zur Gattung Enterobacter geändert; wichtigster humanmedizinischer Vertreter ist Enterobacter cloacae. Verwandt mit Enterobacter sind die Gattungen Erwinia, Pantoea (Pantoea agglomerans, früher: Enterobacter agglomerans) und Cronobacter (Cronobacter sakazakii, früher: Enterobacter sakazakii; kommt gelegentlich in Milchpulver vor und kann dann bei Kleinkindern und vor allem Frühgeborenen eine nekrotisierende Enterokolitis und sogar Sepsis und Meningitis erzeugen).

Klassifikation: Die Gattung Enterobacter ist sehr inhomogen.

Bedeutung: Enterobacter sind fakultativ pathogene Erreger von Bronchitis, Cholangitis, Harnwegsinfektionen, selten von Sepsis oder Meningitis. Eine Prädisposition beim Wirt muss in der Regel gegeben sein. Als nosokomialer Infektionserreger kommt ihnen zunehmende Bedeutung zu.

Bedeutung: Enterobacter sind fakultativ pathogene Erreger. Sie nehmen in der Rangfolge nosokomialer Infektionserreger einen wichtigen Platz ein.

Nachweis: Der Keimnachweis erfolgt ausschließlich kulturell und ist in der Regel problemlos möglich. Je nach Probenmaterial erfolgen die Untersuchungen im Direktverfahren unter Einsatz von festen Selektivnährböden oder mittels Anreicherung in Flüssigkulturen. Die endgültige Diagnose wird wie bei allen Enterobacteriaceae durch den Ausfall zu überprüfender Stoffwechselleistungen („bunte Reihe“) bzw. mittels MALDI-TOF-Massenspektrometrie gestellt.

Nachweis: Der Keimnachweis erfolgt ausschließlich kulturell.

Therapie: Ähnlich wie bei Klebsiellen bestehen auch bei Enterobacter natürliche Resistenzen gegen Aminopenicilline und ältere Cephalosporine. Mehrfachresistenzen beruhen auf R-Plasmiden. Gute Therapieerfolge werden in der Regel mit Chinolonen und Aminoglykosiden erreicht. Sinnvolle Therapieplanungen setzen die Empfindlichkeitsprüfung der Keimisolate voraus.

Therapie: Gute Therapieerfolge werden mit Chinolonen erreicht. Sinnvolle Therapieplanungen setzen die Empfindlichkeitsprüfung voraus.

2.10.8 Serratia

2.10.8 Serratia

▶ Definition. Es handelt sich um gramnegative, sporenlose, peritrich begeißelte,

▶ Definition.

deshalb bewegliche Stäbchenbakterien, die als besonderes biochemisches Kennzeichen Desoxyribonuklease produzieren. Der Keim ist benannt nach dem italienischen Physiker Serafino Serrati. Klassifikation: Die Gattung umfasst mehrere Arten, wovon einige auch beim Menschen gefunden worden sind. Die humanmedizinisch wichtigsten Arten sind: ■ Serratia marcescens, ■ Serratia liquefaciens. Bedeutung: Lange Zeit wurde Serratia als Markerkeim für Hygieneuntersuchungen verwendet, da man das Bakterium als völlig apathogen einstufte. Heute ist Serratia marcescens ein gefürchteter Erreger nosokomialer Infektionen, insbesondere in der Neonatologie und auf Intensivstationen. Wie bei allen opportunistisch pathogenen Keimen muss eine Disposition beim Empfänger vorhanden sein. Serratia wird bei Harnwegsinfektionen, Sepsis, Endokarditis, Meningitis, Wundinfektionen und bei Osteomyelitis isoliert.

Klassifikation: Die humanmedizinisch wichtigsten Arten sind: ■ ■

Serratia marcescens Serratia liquefasciens.

Bedeutung: Serratia marcescens ist ein gefürchteter Erreger nosokomialer Infektionen wie Harnwegsinfektionen, Sepsis, Endokarditis, Meningitis, Osteomyelitis und Wundinfektionen.

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422 Nachweis: Der Keimnachweis erfolgt ausschließlich kulturell. Serratien produzieren ein wasserunlösliches, zellständiges rotes Pigment (Prodigiosin, Abb. D-2.60) bei Zimmertemperatur. Bakterienkolonien auf kohlenhydrathaltigen Nährböden können das Aussehen von Blutstropfen annehmen (Hostienwunder).

⊙ D-2.60

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2 Spezielle Bakteriologie

Nachweis: Der Keimnachweis erfolgt ausschließlich kulturell. Dies ist in der Regel problemlos möglich. Besonderes kulturmorphologisches Kennzeichen der Serratien ist die Produktion eines wasserunlöslichen, zellständigen roten Pigments (Prodigiosin, Abb. D-2.60) bei Zimmertemperatur. Bakterienkolonien auf kohlenhydrathaltigen Nährböden können das Aussehen von Blutstropfen annehmen (Hostienwunder). Die endgültige Diagnose wird wie bei allen Enterobacteriaceae durch den Ausfall zu überprüfender Stoffwechselleistungen („bunte Reihe“) bzw. mittels MALDITOF-Massenspektrometrie gestellt. Mehrere O- und H-Antigene können zur Stammtypisierung bei Hospitalinfektionen zur Aufzeigung von Übertragungswegen hilfreich sein.

⊙ D-2.60

Reinkultur von Serratia marcescens Der von den Bakterien gebildete blutrote Farbstoff bleibt streng auf die Bakterienkolonie beschränkt. Der Nährboden bleibt unbeeinflusst.

Therapie: Sinnvolle Therapiestrategien sind nur bei ausgetesteten Keimisolaten erfolgversprechend. Aminoglykoside sind hoch wirksam.

Therapie: Viele Serratia-Stämme haben eine natürliche Antibiotikaresistenz gegen zahlreiche Cephalosporine. Sinnvolle Therapiestrategien sind nur bei ausgetesteten Keimisolaten erfolgversprechend. Aminoglykoside, vor allem Amikacin, zeigen teilweise sehr gute Erfolge.

2.10.9 Proteus

2.10.9 Proteus Geschichtliches: An Proteus, den griechischen Meeresgott, der die Fähigkeit besaß, seine Gestalt zu verändern, fühlte sich 1885 der Erlanger Pathologe Gustav Hauser erinnert, als er das gar wundersame Bakterium Proteus mirabilis entdeckte.

▶ Definition.

Klassifikation: Humanmedizinische Bedeutung haben: ■ ■ ■

Proteus mirabilis Proteus vulgaris Proteus penneri.

▶ Definition. Es handelt sich um ein gramnegatives, sporenloses, aufgrund einer starken peritrichen Begeißelung (Abb. D-1.13) lebhaft bewegliches Stäbchenbakterium, das Laktose nicht abbauen kann.

Klassifikation: Die Gattung Proteus besteht aus fünf Spezies, von denen drei humanmedizinische Bedeutung haben: ■ Proteus mirabilis, ■ Proteus vulgaris, ■ Proteus penneri.

Bedeutung: Als opportunistisch pathogene Keime können Proteus spp. bei vielfältigen (nosokomialen) Infektionen isoliert werden.

Bedeutung: Als opportunistisch pathogene Keime können Proteus spp. speziell bei Harnwegsinfekten isoliert werden. Die Entstehung von Nierensteinen im Laufe von Harnwegsinfektionen wird gefördert, da diese Keime große Mengen von Urease produzieren. Dadurch entsteht aus Harnstoff verstärkt Ammoniak, was den pH im Urin erhöht, sodass Salze auskristallisieren. Auch Wundinfektionen, Septikämien (nosokomiale Infektionen) und Infektionen des Respirationstrakts sind möglich.

Nachweis: ausschließlich kulturell (Abb. D-2.61). Die kulturmorphologische Besonderheit der Proteusbakterien besteht im Phänomen des „Schwärmens“, d. h. die Keime bilden keine umschriebenen Kolonien.

Nachweis: Der Keimnachweis erfolgt ausschließlich kulturell (Abb. D-2.61) und ist problemlos möglich. Die kulturmorphologische Besonderheit der Proteusbakterien besteht im Phänomen des „Schwärmens“, d. h. die Keime bilden auf festen, feuchten Nährböden keine umschriebenen Kolonien, sondern überziehen sie flächenhaft als „Hauch“ (daher auch der Name H-Antigene generell für alle Geißelantigene). Die endgültige Diagnose wird wie bei allen Enterobacteriaceae durch den Ausfall zu überprüfender Stoffwechselleistungen („bunte Reihe“) bzw. mittels MALDI-TOFMassenspektrometrie gestellt. Typisch ist die Indolbildung von P. vulgaris (und Morganella spp).

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⊙ D-2.61

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2.11 Vibrio (Vibrionen)

⊙ D-2.61

Reinkultur von Proteus mirabilis Typisch ist das terrassenförmige Schwärmverhalten des Keimes auf frischen, feuchten Nährböden, die „hauchförmig“ überzogen werden.

Therapie: P. mirabilis ist in den allermeisten Fällen gegen eine Vielzahl von Antibiotika empfindlich. P. vulgaris (indolpositiv) (sowie Morganella spp.) sind immer resistent gegen Cephalosporine der 1. und 2. Generation (z. B. Cefuroxim), weil sie Betalaktamase (Cefuroximase) produzieren, die diese Antibiotika spaltet. Eine natürliche Resistenz gegen Tetrazykline inklusive Tigecyclin ist typisch. Für eine gezielte Antibiotikatherapie ist ein Antibiogramm erforderlich.

2.11 Vibrio (Vibrionen)

Therapie: Ohne Antibiogramm ist eine sinnvolle Therapie nicht möglich.

2.11

Vibrio (Vibrionen)

Dirk Schlüter Geschichtliches: Der Arzt Otho Friedrich Müller aus Kopenhagen versuchte 1786 eine Bakteriensystematik mit wissenschaftlicher Nomenklatur zu schaffen. Dabei beschrieb er bewegliche Mikroben, die er als Zittertierchen oder Vibriones (vibrare = sich schnell hin- und herbewegend, vibrierend) bezeichnete. In den Blickpunkt des Weltinteresses traten die Vibrionen 1883, als Robert Koch im griechischen Hospital von Alexandria (Ägypten) einen Vibrio als den Erreger der Cholera entdeckte. ▶ Definition. Wir verstehen unter Vibrionen gramnegative, nicht sporenbildende, starre, gerade oder gekrümmte, eine oder mehrere polar angeordnete Geißeln tragende, lebhaft bewegliche Stäbchenbakterien.

Klassifikation: Die Gattung Vibrio enthält mehrere humanpathogene Spezies wie z. B. Vibrio cholerae ■ Vibrio parahaemolyticus ■ Vibrio alginolyticus ■ Vibrio metschnikovii ■ Vibrio vulnificus. In der Praxis sind nur Vibrio cholerae (sowohl O1 wie non O1, s. u.) und Vibrio parahaemolyticus von Bedeutung. Alle anderen humanpathogenen Vibrionen sind nur sehr selten Verursacher von Infektionskrankheiten, z. B. Wundinfektionen. Sie werden weltweit in Meer- oder Brackwasser gefunden, soweit dieses mehr als 10 °C warm ist. ■

▶ Definition.

Klassifikation: Wichtigste humanpathogene Vertreter sind: ■ Vibrio cholerae ■ Vibrio parahaemolyticus.

In der Praxis sind nur Vibrio cholerae (sowohl O1 wie non O1) und Vibrio parahaemolyticus von Bedeutung (weltweit in Meer- oder Brackwasser > 10 °C warm).

Nachweis: auf einfachen Nährböden bei 37 °C ohne Schwierigkeiten kultivierbar. Medien mit erhöhtem Kochsalzgehalt (bis zu 10 %) bieten einen selektiven Wachstumsvorteil für Vibrionen (halophile Bakterien).

Nachweis: kulturell.

2.11.1 Vibrio cholerae

2.11.1 Vibrio cholerae

Geschichtliches: Der Begriff Cholera kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Fluss der gelben Galle“. Die Cholera war schon vor der Zeitenwende in Asien bekannt und gefürchtet. Belegte Fälle von Cholera in Europa finden sich erst im 19. Jahrhundert, wo sie als „Gallenbrechruhr“ oder Cholera asiatica bezeichnet wurde. R. Koch hat 1884 diesen Erreger als Erster kultiviert. M. v. Pettenkofer wollte 1892 in einem Selbstversuch die ursächliche Beteiligung von Vibrio cholerae an der Cholera widerlegen. Vor den Augen seiner Studenten in München trank er eine bakterienhaltige Bouillon, die ihm von Kochs Labor aus Berlin zugeschickt worden war. 2 Tage später traten nur leichte, vorübergehende Diarrhöen auf, aber nicht die typischen massenhaften Flüssigkeitsverluste. Die Ursache ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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2.11 Vibrio (Vibrionen)

⊙ D-2.61

Reinkultur von Proteus mirabilis Typisch ist das terrassenförmige Schwärmverhalten des Keimes auf frischen, feuchten Nährböden, die „hauchförmig“ überzogen werden.

Therapie: P. mirabilis ist in den allermeisten Fällen gegen eine Vielzahl von Antibiotika empfindlich. P. vulgaris (indolpositiv) (sowie Morganella spp.) sind immer resistent gegen Cephalosporine der 1. und 2. Generation (z. B. Cefuroxim), weil sie Betalaktamase (Cefuroximase) produzieren, die diese Antibiotika spaltet. Eine natürliche Resistenz gegen Tetrazykline inklusive Tigecyclin ist typisch. Für eine gezielte Antibiotikatherapie ist ein Antibiogramm erforderlich.

2.11 Vibrio (Vibrionen)

Therapie: Ohne Antibiogramm ist eine sinnvolle Therapie nicht möglich.

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Vibrio (Vibrionen)

Dirk Schlüter Geschichtliches: Der Arzt Otho Friedrich Müller aus Kopenhagen versuchte 1786 eine Bakteriensystematik mit wissenschaftlicher Nomenklatur zu schaffen. Dabei beschrieb er bewegliche Mikroben, die er als Zittertierchen oder Vibriones (vibrare = sich schnell hin- und herbewegend, vibrierend) bezeichnete. In den Blickpunkt des Weltinteresses traten die Vibrionen 1883, als Robert Koch im griechischen Hospital von Alexandria (Ägypten) einen Vibrio als den Erreger der Cholera entdeckte. ▶ Definition. Wir verstehen unter Vibrionen gramnegative, nicht sporenbildende, starre, gerade oder gekrümmte, eine oder mehrere polar angeordnete Geißeln tragende, lebhaft bewegliche Stäbchenbakterien.

Klassifikation: Die Gattung Vibrio enthält mehrere humanpathogene Spezies wie z. B. Vibrio cholerae ■ Vibrio parahaemolyticus ■ Vibrio alginolyticus ■ Vibrio metschnikovii ■ Vibrio vulnificus. In der Praxis sind nur Vibrio cholerae (sowohl O1 wie non O1, s. u.) und Vibrio parahaemolyticus von Bedeutung. Alle anderen humanpathogenen Vibrionen sind nur sehr selten Verursacher von Infektionskrankheiten, z. B. Wundinfektionen. Sie werden weltweit in Meer- oder Brackwasser gefunden, soweit dieses mehr als 10 °C warm ist. ■

▶ Definition.

Klassifikation: Wichtigste humanpathogene Vertreter sind: ■ Vibrio cholerae ■ Vibrio parahaemolyticus.

In der Praxis sind nur Vibrio cholerae (sowohl O1 wie non O1) und Vibrio parahaemolyticus von Bedeutung (weltweit in Meer- oder Brackwasser > 10 °C warm).

Nachweis: auf einfachen Nährböden bei 37 °C ohne Schwierigkeiten kultivierbar. Medien mit erhöhtem Kochsalzgehalt (bis zu 10 %) bieten einen selektiven Wachstumsvorteil für Vibrionen (halophile Bakterien).

Nachweis: kulturell.

2.11.1 Vibrio cholerae

2.11.1 Vibrio cholerae

Geschichtliches: Der Begriff Cholera kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Fluss der gelben Galle“. Die Cholera war schon vor der Zeitenwende in Asien bekannt und gefürchtet. Belegte Fälle von Cholera in Europa finden sich erst im 19. Jahrhundert, wo sie als „Gallenbrechruhr“ oder Cholera asiatica bezeichnet wurde. R. Koch hat 1884 diesen Erreger als Erster kultiviert. M. v. Pettenkofer wollte 1892 in einem Selbstversuch die ursächliche Beteiligung von Vibrio cholerae an der Cholera widerlegen. Vor den Augen seiner Studenten in München trank er eine bakterienhaltige Bouillon, die ihm von Kochs Labor aus Berlin zugeschickt worden war. 2 Tage später traten nur leichte, vorübergehende Diarrhöen auf, aber nicht die typischen massenhaften Flüssigkeitsverluste. Die Ursache ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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2 Spezielle Bakteriologie

hierfür lag vermutlich in einer niedrigen Infektionsdosis wegen einer teilweisen Inaktivierung der Erreger auf ihrem Transport von Berlin nach München. ▶ Definition.

▶ Definition. Choleravibrionen sind in der Regel kommaförmig gebogene, gramne-

gative, monotrich polar begeißelte Stäbchen, die eine ausgesprochene Alkalitoleranz aufweisen und auch noch bei pH 9 wachsen. Klassifikation: V. cholerae kann aufgrund von O-Antigenstrukturen in 200 Serotypen unterteilt werden. Dabei werden unterschieden: ■ Vibrio cholerae O1, wovon es zwei Biovare gibt, nämlich V. cholerae und V. eltor, ■ Vibrio cholerae non O1 („NAG-Vibrionen“).

Klassifikation: Durch O-Antigenstruktur Unterteilung in ca. 200 Serotypen. Man unterscheidet: V. cholerae O1 und V. cholerae non O1. ▶ Merke.

▶ Merke. Serotyp O1 ist der Erreger der klassischen Cholera.

Alle anderen Serotypen werden als V. cholerae non O1 bezeichnet.

Alle anderen Serotypen werden als V. cholerae non O1 bezeichnet. Die alte, teilweise auch heute noch benutzte Bezeichnung „NAG-Vibrionen“ (nicht agglutinierende Vibrionen) sollte verlassen werden, da sie irreführend ist. Die Nichtagglutinierbarkeit bezieht sich nur auf das Antigen O1, ein Polysaccharid. Mit anderen Antiseren gegen O-Antigene von V. cholerae tritt selbstverständlich Agglutination auf. In letzter Zeit sind aber in Bangladesh erstmals auch Cholerafälle durch Vibrio cholerae O 139 beschrieben worden.

Bedeutung: Vibrio cholerae O1 ist der hauptsächliche Erreger der Cholera. Der klassische Vibrio cholerae spielt heute praktisch keine Rolle mehr. Seit 1960 ist der Vibrio eltor weltweit für Choleraerkrankungen verantwortlich.

Bedeutung: Vibrio cholerae O1 ist der hauptsächliche Erreger der Cholera. Das klassische Bakterium von Vibrio cholerae spielt heute praktisch keine Rolle mehr. Seit 1960 ist der Typ Vibrio eltor weltweit für Choleraerkrankungen verantwortlich. Er ist umweltstabiler als der klassische Vibrio cholerae. Die Krankheitsbilder bei Infektion mit Vibrio cholerae non O1 – außer O 139 – reichen von der völlig inapparenten Infektion bis zum Vollbild der Cholera.

Epidemiologie: Erreger der Cholera ist heute weltweit Vibrio eltor. Der klassische Vibrio cholerae spielt praktisch keine Rolle mehr. In Europa sind Choleraerkrankungen nur selten zu sehen (Abb. D-2.62).

Epidemiologie: Der klassische Vibrio cholerae war in Indien, speziell im Gangesgebiet, endemisch und verbreitete sich von hier aus im 19. Jahrhundert in mehreren Wellen weltweit. Cholera ist die Krankheit der Armen (Abb. D-2.62)! Bei diesen Pandemien waren Millionen Tote zu beklagen. Der bereits 1905 von Felix Gottschlich in El-Tor, einem Lager für Mekka-Pilger am Roten Meer, entdeckte Vibrio eltor galt als apathogen, bis er 1937 als Verursacher einer Choleraepidemie mit hoher Letalität in

⊙ D-2.62

Choleraepidemie 1892 in Hamburg

Erkrankungen an Cholera und Sterblichkeit auf jeweils 1.000 Steuerzahler

100

113,94

110

100,25

120

Bei der letzten großen Choleraepidemie in Deutschland 1892 in Hamburg sind Cholerafälle hauptsächlich in den Stadtvierteln mit Bevölkerung niedrigen Einkommens aufgetreten.

Erkrankung Sterblichkeit

90

6,00 4,80

16,92 11,00

30,98

10

18,03 9,62

20

15,58

30

39,67

26,75

40

22,04

50

47,10

60

55,30

70

61,86

80

800 1.000 - 2.000 - 3.500 - 5.000 - 10.000 - 25.000 - 50.000 M 1.000 M 2.000 M 3.500 M 5.000 M 10.000 M 25.000 M 50.000 M und mehr Einkommensklasse (Jahreseinkommen) 28.647

43.848

14.544

6.125

5.649

3.328

1.182

834

absolute Zahl der Steuerzahler (Dezember 1891)

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425

2.11 Vibrio (Vibrionen)

Indonesien erkannt wurde. Seit 1960 befindet sich Vibrio eltor in weltweiter Verbreitung und hat selbst den klassischen Vibrio cholerae aus Indien vertrieben. In Europa wurden bislang nur kleine Ausbrüche der Cholera in Italien und Spanien beobachtet. Neuerdings werden auch Erkrankungen aus Südamerika berichtet. Nur ganz vereinzelt treten importierte Fälle in Deutschland auf; im Jahr 2016 ein gemeldeter Fall durch Vibrio cholerae 01 bei einer Rückkehrerin aus Bangladesh. Pathogenese: Die Infektion mit Vibrio cholerae O1 erfolgt immer oral. Mit menschlichen Ausscheidungen kontaminiertes Trink- und Oberflächenwasser spielt dabei eine ausschlaggebende Rolle. Die Infektiosität der Choleraerreger ist gering. Selbst Erregerdosen von 105 führen in über 90 % zu keinen Krankheitserscheinungen. Die besondere Säureempfindlichkeit der Erreger bewirkt häufig eine Inaktivierung im aziden Magen. Prädisponierende Faktoren, wie erhöhter pH des Magensaftes, körperliche Schwäche durch hohes oder geringes Alter, Grunderkrankungen, Mangelernährung etc. entscheiden über die Prognose. Die oral aufgenommenen Erreger gelangen in das alkalische Dünndarmlumen, wo sie ideale Lebensbedingungen vorfinden. Mithilfe ihrer Geißel nähern sie sich der Darmwand. Muzinolytische Enzyme (Proteasen, Neuraminidasen) helfen beim Vordringen bis an die Enterozyten und bei der Freilegung der relevanten Zellrezeptoren, wo sich die Erreger anheften. Sie dringen jedoch nie in die Schleimhaut ein und erzeugen keine entzündliche Reaktion und keine Gewebeschäden! Definitionsgemäß ist die Cholera somit eigentlich keine Infektionskrankheit, sondern vielmehr eine Toxoinfektion. Bei der Vermehrung erzeugen sie ein Exotoxin, das als Enterotoxin den Pathomechanismus der Cholera initiiert. Es handelt sich um ein Protein, das in sieben Untereinheiten zerlegt werden kann: zwei schwere A-Proteine (A1 und A2), die für das eigentliche Krankheitsbild verantwortlich sind, und fünf leichte B-Einheiten (B1–B5). Das Protein bindet mit den B-Einheiten an den GM1-Gangliosidrezeptor der Dünndarmmukosazelle. Dabei werden die A-Fragmente abgespalten. A1 dringt in die Zelle ein und aktiviert dort die Adenylatzyklase. Das so vermehrt entstehende zyklische ATP bewirkt eine Hypersekretion von Elektrolyten und Wasser in das Dünndarmlumen. ▶ Merke. Die Choleravibrionen bleiben nur auf der Lumenseite der Enterozyten haf-

Pathogenese: Die Infektion mit Vibrio cholerae O1 erfolgt immer oral. Die Infektiosität der Choleraerreger ist nicht sehr groß. Prädisponierende Faktoren (Grunderkrankung, Mangelernährung) spielen für den Ausbruch eine wichtige Rolle.

Das gebildete Enterotoxin bestimmt das Krankheitsbild. Es handelt sich um ein Protein, das an die Dünndarmmukosazelle bindet. Ein Spaltprodukt (A1) aktiviert das Enzym Adenylatzyklase. Das dadurch im Übermaß entstehende zyklische ATP bewirkt eine Hypersekretion von Elektrolyten und Wasser in das Darmlumen.

▶ Merke.

ten. Sie dringen nicht ins Gewebe ein. Sie erzeugen keine Entzündung oder Nekrose der Epithelien. Allein das Enterotoxin ist aufgrund seiner Eigenschaften für das Krankheitsbild verantwortlich (Intoxikation!). Klinik: Die klassische Cholera – mit einer Inkubationszeit von wenigen Stunden bis zu 5 Tagen – ist gekennzeichnet durch zahlreiche dünnflüssige, trübe („reiswasserartige“) Stuhlentleerungen sowie durch Erbrechen wässrigen Mageninhaltes mit Galle und Blutbeimengungen. Da der Erreger das Darmlumen nicht verlässt, tritt keine Temperaturerhöhung auf. Das Krankheitsgeschehen wird bestimmt durch den starken Elektrolyt- und Wasserverlust (bis 25 l täglich!), was vor allem bei Kleinkindern schnell verheerende Folgen hat. Der Cholerakranke hat ein charakteristisches Aussehen, das den früheren Ärzten eine Prima-vista-Diagnose gestattete: eingefallenes Gesicht mit tief eingesunkenen Augäpfeln, stark exsikkierte Haut („Waschfrauenhände“) und Schleimhäute. Der Leib ist eingezogen („Kahnbauch“). Die peripheren Pulse sind nur schwach tastbar. Es bestehen Hypotonie und Tachykardie. Als besonders auffällig wird die hohe Stimme („Vox cholerica“) beschrieben. Oligo- bzw. Anurie sind Folgeerscheinungen des Flüssigkeitsverlustes. Der Tod tritt durch Kreislaufinsuffizienz oder im urämischen Koma auf.

Klinik: Die Cholera hat eine Inkubationszeit von wenigen Stunden bis zu 5 Tagen. Sie ist gekennzeichnet durch den starken Elektrolyt- und Flüssigkeitsverlust (bis zu 25 l/d). Dies führt zu massiver Exsikkose, Kreislaufinsuffizienz und Nierenversagen. Charakteristische klinische Zeichen sind „Reiswasserstühle“, „Waschfrauenhaut“, die „Vox cholerica“ und der „Kahnbauch“.

Krankheitsfolgen: Unbehandelt beträgt die Letalität der Cholera 50 %.

Krankheitsfolgen: Unbehandelt ist die Letalität 50 %. Nachweis: Aus Bakteriengemischen (Stuhl etc.) kann Vibrio durch Alkalinisierung bis pH 9 selektioniert werden. Vibrionen wachsen auch noch bei 40 °C und bei 10 % NaCl.

Nachweis: Vibrio cholerae stellt keine besonderen Kulturansprüche. Er kann auf einfachen Nährböden bei aerober Bebrütung isoliert werden. Aus Bakteriengemischen (Stuhl, Erbrochenes etc.) kann er durch Alkalinisierung bis pH 9 selektioniert werden. Auf Spezialnährböden, z. B. TCBS, wachsen Vibrionen typischerweise als gelbe, flache Kolonien. Vibrionen wachsen auch noch bei 40 °C und bei 10 % NaCl (halophil). Anschließend erfolgt eine serologische Bestimmung durch Agglutination.

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426 ▶ Exkurs.

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2 Spezielle Bakteriologie

▶ Exkurs. Viele Vibrionaceae sind gegen Austrocknung und gegen längere Abkühlung empfindlich. Die Lagerung von Untersuchungsmaterial im Kühlschrank ist deswegen nicht zu empfehlen.

Therapie: in erster Linie Ersatz der Elektrolyt- und Wasserverluste durch parenterale Infusionstherapie oder orale Rehydratation. Antibiotika sind zweitrangig.

Therapie: Eine antibiotische Therapie mit Chinolonen muss hinter der symptomatischen Behandlung zum Ausgleich des Wasser- und Elektrolytverlustes zurücktreten. Die WHO empfiehlt zur Rehydratation die orale Substitution mit 3,5 g NaCl, 1,5 g KCl, 20 g NaHCO3 und 20 g Glukose pro Liter Trinkwasser. Eine Alternative ist die parenterale Applikation von Elektrolyten und Flüssigkeit.

Prophylaxe: Es empfiehlt sich die Meidung von kontaminationsverdächtigen Flüssigkeiten (offenen Limonaden, Trinkwasser, Eiswürfeln etc.) und Speisen (ungegarten Meerestieren, Salaten, ungeschälten Früchten). Die Choleraschutzimpfung mit einem Totoder einem Lebendimpfstoff ist unbefriedigend.

Prophylaxe: Infektionsquelle ist der kranke Mensch, selten der Rekonvaleszent. Gesunde Dauerausscheider kommen nicht vor. Expositionsprophylaktisch empfiehlt sich die strikte Meidung von kontaminationsverdächtigen Flüssigkeiten (offenen Limonaden, Trinkwasser, Eiswürfeln im Drink etc.) und Speisen (besonders ungegarten Meerestieren sowie Salaten und ungeschälten Früchten). Europäische Touristen sind auch in Endemiegebieten relativ wenig gefährdet, da sie es sich leisten können, das Trinkwasser in Flaschen aus der Industrieproduktion zu kaufen. Der Totimpfstoff (Dukoral) besteht aus inaktivierten Bakterien des Serovars O1 und einem rekombinant hergestellten Protein, der nicht toxischen Komponente B des Choleratoxins. Um die Proteinkomponente vor der Magensäure zu schützen, wird Bicarbonat hinzugefügt. Zwei Dosen im Abstand von 1–6 Wochen (bei Kleinkindern sogar 3 Dosierungen) werden oral zumindest 1 Woche vor möglicher Exposition verabreicht. Die Verträglichkeit ist gut aber die Schutzwirkung nicht zuverlässig und auch nicht lange anhaltend. (Ein Schutz gegen Infektion mit dem Stamm O139 gibt es überhaupt nicht!) Eine Schluckimpfung mit einem attenuierten Lebendimpfstoff (Orochol Berna) aus V. cholerae O1, der zwar die immunogene Toxinuntereinheit B, nicht aber die toxigene Untereinheit A bildet, erzeugt einen passablen Schutz. Da für einen Touristen die Infektionsgefahr minimal ist, wird die Impfung nur für besonders gefährdete Personen empfohlen, wie etwa Mitarbeiter in einem Flüchtlingscamp. Obwohl von der WHO nicht getragen, wird dennoch von manchen Ländern – speziell während eines Choleraausbruchs – eine Impfung von Einreisenden verlangt.

▶ Merke.

▶ Merke. Der Nachweis von Cholerabakterien ist meldepflichtig. Kranke und Krank-

heitsverdächtige sind zu isolieren.

2.11.2 Vibrio parahaemolyticus

2.11.2 Vibrio parahaemolyticus Geschichtliches: Der Keim wurde 1950 als Erreger einer Enteritisepidemie in Japan entdeckt. Obwohl er zwischenzeitlich weltweit als Verursacher von Gastroenteritiden nachgewiesen worden ist, tritt er besonders häufig in Japan auf, was mit den Eigenheiten der dortigen Küche zu tun hat.

Epidemiologie: Der Keim kommt in Fischen und Schalentieren in warmen Gewässern vor.

Epidemiologie: Natürlicher Lebensbereich von V. parahaemolyticus sind Küstengewässer mit Temperaturen über 10–15 °C. Das Bakterium kommt in Schalentieren und Fischen vor.

Pathogenese: Ein thermostabiles Toxin (Kanagawa-Hämolysin) ist ein Pathogenitätsfaktor.

Pathogenese: Nach Aufnahme in den menschlichen Darm bilden die Bakterien ein thermostabiles Exotoxin mit hämolytischer Aktivität, das Kanagawa-Hämolysin genannt wird (nach dem japanischen Regierungsbezirk Kanagawa).

Klinik: akuter Brechdurchfall, Fieber und Kopfschmerzen.

Klinik: Die Infektion äußert sich als akuter Brechdurchfall mit starken Leibschmerzen, Fieber und Kopfschmerzen.

Krankheitsfolgen: i. d. R. Spontanheilung.

Krankheitsfolgen: In der Regel Spontanheilung, jedoch wird auch über Todesfälle berichtet.

Nachweis: kulturell aus dem Stuhl der Erkrankten.

Nachweis: Ausschließlich kulturell aus dem Stuhl der Erkrankten. Da der Erreger halophil (salzliebend) ist, kann durch Zusatz von NaCl (z. B. 6,5 %) zu den Nährmedien eine Selektionierung vorgenommen werden.

Therapie: symptomatisch, evtl. Chinolone.

Therapie: In erster Linie symptomatisch. Eine begleitende antibiotische Therapie mit Chinolonen kann versucht werden.

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2.12 Diverse gramnegative aerobe Stäbchenbakterien

▶ Merke. Die Unterbrechung der Kühlkette führt zu einer massiven Vermehrung

▶ Merke.

der Vibrionen auf den gefangenen Meerestieren. Wenn diese dann roh verspeist werden, z. B. als Sushi, kommt es zur Erkrankung. Das Erhitzen der Speisen würde die Erreger vernichten. Der Verzehr von ungegartem Fisch und Schalentieren ist aus hygienischer Sicht abzulehnen.

2.11.3 Vibrio vulnificus

2.11.3 Vibrio vulnificus

Epidemiologie: Wie alle Vibrionen kommt auch diese halophile Art hauptsächlich in Meerwasser vor. Schalentiere sind das Reservoir.

Epidemiologie: Standort ist das Meerwasser.

Pathogenese: Beim Baden im Meer können diese Bakterien Hautwunden besiedeln und lokale Eiterungen hervorrufen. Gelegentlich, vor allem bei alten Menschen, Patienten mit Leberzirrhose und mit Eisenüberladung kann eine systemische Ausbreitung erfolgen. Kommen diese Bakterien in die Nahrung, so können sie auch eine Enteritis bedingen.

Pathogenese: Beim Baden im Meer erfolgt eine Infektion von Wunden.

▶ Merke. Die durch V. vulnificus hervorgerufenen Erkrankungen sind – im Gegen-

▶ Merke.

satz zu V. cholerae – Folgen einer Infektion und nicht einer Intoxikation.

2.12 Diverse gramnegative aerobe

2.12

Stäbchenbakterien

Diverse gramnegative aerobe Stäbchenbakterien

Dirk Schlüter

2.12.1 Brucella

2.12.1 Brucella

Geschichtliches: Der englische Militärarzt David Bruce isolierte die nach ihm benannten Erreger 1887 in Malta aus der Milz eines an undulierendem Fieber verstorbenen Soldaten. ▶ Definition. Brucellen sind sehr kleine, kokkoide, pleomorphe, gramnegative, unbewegliche Stäbchenbakterien. Sie sind strikte Aerobier.

▶ Definition.

Klassifikation: Von humanpathogener Bedeutung sind vier Arten, die weltweit vorkommen: ■ Brucella abortus, ■ Brucella melitensis, ■ Brucella suis, ■ Brucella canis. Brucella abortus und Brucella melitensis sind genetisch sehr ähnlich.

Klassifikation: Von humamedizinischer Bedeutung sind 4 Arten:

Bedeutung: Alle vier humanpathogenen Brucellaspezies sind die Erreger der Brucellose, einem Krankheitsbild, das als undulierendes Fieber bezeichnet wird. Je nach Erregernachweis wird diese Erkrankung auch als Morbus Bang und als Maltafieber bezeichnet. ■ Brucella abortus ist der Erreger des Morbus Bang des Menschen, der eigentliche Wirt ist das Rind. ■ Brucella melitensis ist der Erreger des Maltafiebers beim Menschen. Brucella melitensis kommt hauptsächlich bei Ziegen und Schafen vor, aber auch Rinder und Schweine können infiziert sein. ■ Brucella suis ist der Erreger der Schweinebrucellose. ■ Brucella canis kommt bei Hunden vor. Pro Jahr werden in Deutschland etwa 30 Fälle gemeldet, von denen nur ca. 30 % in Deutschland erworben sind. Die Mehrzahl ist z. B. aus Italien, Spanien, Türkei oder Afrika importiert. In den meisten Fällen kann man anamnestisch Rohmilchkäse als Infektionsquelle eruieren.

Bedeutung: Alle vier Brucellaspezies sind die Erreger der Brucellose (undulierendes Fieber). Je nach Erregernachweis wird diese Erkrankung auch als Morbus Bang (B. abortus) und als Maltafieber (B. melitensis) bezeichnet.

Epidemiologie: Brucellosen sind weltweit verbreitet. In unpasteurisierter Milch jeder Art (Kuhmilch, Ziegenmilch) sind Brucellen wochenlang lebensfähig, ebenso wie in daraus hergestellten Milchprodukten (Käse). Aus hygienischer Sicht sind deshalb solche Produkte aus infizierten Tierbeständen abzulehnen. Besonders Brucella meli-

Epidemiologie: Brucellosen sind weltweit verbreitet. In unpasteurisierter Milch und daraus hergestellten Produkten (Käse) sind Brucellen wochenlang lebensfähig.

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Brucella abortus, Brucella melitensis, Brucella suis, Brucella canis.

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2.12 Diverse gramnegative aerobe Stäbchenbakterien

▶ Merke. Die Unterbrechung der Kühlkette führt zu einer massiven Vermehrung

▶ Merke.

der Vibrionen auf den gefangenen Meerestieren. Wenn diese dann roh verspeist werden, z. B. als Sushi, kommt es zur Erkrankung. Das Erhitzen der Speisen würde die Erreger vernichten. Der Verzehr von ungegartem Fisch und Schalentieren ist aus hygienischer Sicht abzulehnen.

2.11.3 Vibrio vulnificus

2.11.3 Vibrio vulnificus

Epidemiologie: Wie alle Vibrionen kommt auch diese halophile Art hauptsächlich in Meerwasser vor. Schalentiere sind das Reservoir.

Epidemiologie: Standort ist das Meerwasser.

Pathogenese: Beim Baden im Meer können diese Bakterien Hautwunden besiedeln und lokale Eiterungen hervorrufen. Gelegentlich, vor allem bei alten Menschen, Patienten mit Leberzirrhose und mit Eisenüberladung kann eine systemische Ausbreitung erfolgen. Kommen diese Bakterien in die Nahrung, so können sie auch eine Enteritis bedingen.

Pathogenese: Beim Baden im Meer erfolgt eine Infektion von Wunden.

▶ Merke. Die durch V. vulnificus hervorgerufenen Erkrankungen sind – im Gegen-

▶ Merke.

satz zu V. cholerae – Folgen einer Infektion und nicht einer Intoxikation.

2.12 Diverse gramnegative aerobe

2.12

Stäbchenbakterien

Diverse gramnegative aerobe Stäbchenbakterien

Dirk Schlüter

2.12.1 Brucella

2.12.1 Brucella

Geschichtliches: Der englische Militärarzt David Bruce isolierte die nach ihm benannten Erreger 1887 in Malta aus der Milz eines an undulierendem Fieber verstorbenen Soldaten. ▶ Definition. Brucellen sind sehr kleine, kokkoide, pleomorphe, gramnegative, unbewegliche Stäbchenbakterien. Sie sind strikte Aerobier.

▶ Definition.

Klassifikation: Von humanpathogener Bedeutung sind vier Arten, die weltweit vorkommen: ■ Brucella abortus, ■ Brucella melitensis, ■ Brucella suis, ■ Brucella canis. Brucella abortus und Brucella melitensis sind genetisch sehr ähnlich.

Klassifikation: Von humamedizinischer Bedeutung sind 4 Arten:

Bedeutung: Alle vier humanpathogenen Brucellaspezies sind die Erreger der Brucellose, einem Krankheitsbild, das als undulierendes Fieber bezeichnet wird. Je nach Erregernachweis wird diese Erkrankung auch als Morbus Bang und als Maltafieber bezeichnet. ■ Brucella abortus ist der Erreger des Morbus Bang des Menschen, der eigentliche Wirt ist das Rind. ■ Brucella melitensis ist der Erreger des Maltafiebers beim Menschen. Brucella melitensis kommt hauptsächlich bei Ziegen und Schafen vor, aber auch Rinder und Schweine können infiziert sein. ■ Brucella suis ist der Erreger der Schweinebrucellose. ■ Brucella canis kommt bei Hunden vor. Pro Jahr werden in Deutschland etwa 30 Fälle gemeldet, von denen nur ca. 30 % in Deutschland erworben sind. Die Mehrzahl ist z. B. aus Italien, Spanien, Türkei oder Afrika importiert. In den meisten Fällen kann man anamnestisch Rohmilchkäse als Infektionsquelle eruieren.

Bedeutung: Alle vier Brucellaspezies sind die Erreger der Brucellose (undulierendes Fieber). Je nach Erregernachweis wird diese Erkrankung auch als Morbus Bang (B. abortus) und als Maltafieber (B. melitensis) bezeichnet.

Epidemiologie: Brucellosen sind weltweit verbreitet. In unpasteurisierter Milch jeder Art (Kuhmilch, Ziegenmilch) sind Brucellen wochenlang lebensfähig, ebenso wie in daraus hergestellten Milchprodukten (Käse). Aus hygienischer Sicht sind deshalb solche Produkte aus infizierten Tierbeständen abzulehnen. Besonders Brucella meli-

Epidemiologie: Brucellosen sind weltweit verbreitet. In unpasteurisierter Milch und daraus hergestellten Produkten (Käse) sind Brucellen wochenlang lebensfähig.

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Brucella abortus, Brucella melitensis, Brucella suis, Brucella canis.

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2 Spezielle Bakteriologie

tensis tritt in mediterranen und afrikanischen Gebieten mit Schaf- und Ziegenhaltung endemisch auf und führt zu den schwersten humanen Infektionen. In Deutschland sind die Tierbestände Brucellose frei! Der Umgang mit diesen Bakterien im Labor erfordert allerhöchste Sorgfalt, denn sie sind hoch kontagiös und es drohen Infektionen der Labormitarbeiter. Pathogenese: Brucellosen sind Anthropozoonosen. Menschliche Infektionen erfolgen durch direkten oder indirekten Kontakt mit kranken Tieren oder deren Ausscheidungen. An der Eintrittspforte kommt es zu einer lokalisierten Entzündung. Nach Transport der Erreger durch Granulozyten in die regionalen Lymphknoten kommt es zu einer hämatogenen Streuung mit nachfolgendem Organbefall, wobei im betroffenen Organ typische, nicht verkäsende Granulome entstehen.

Pathogenese: Brucellosen sind klassische Anthropozoonosen. Betroffen sind in erster Linie Tiere (s. o.), von denen der Erreger auf den Menschen übertragen werden kann. Menschliche Infektionen erfolgen durch direkten oder indirekten (Milch, Weichkäse) Kontakt mit kranken Tieren oder deren Ausscheidungen. Je nach Eintrittspforte des Erregers (Schleimhaut des oberen Verdauungs- oder Respirationstraktes, Hautläsionen, Genitalschleimhaut bei Sodomie) kommt es zu einer lokalisierten Entzündung mit uncharakteristischen Beschwerden und Störung des Allgemeinbefindens. Die Erreger werden durch Granulozyten, in denen sie unbeschadet überleben weil sie die Phagosomen-Lysosomen-Fusion hemmen, in die lokalen Lymphknoten (Lymphadenitis) geschleppt und streuen von dort aus hämatogen. Praktisch alle Organe können befallen werden; die Manifestationsorte bestimmen das Krankheitsbild. Brucellen können sich speziell in Zellen des retikuloendothelialen Systems (d. h. Milz, Leber, Knochenmark) und der Reproduktionsorgane beider Geschlechter vermehren. Dort entwickeln sich typische, nicht verkäsende Granulome.

Klinik: Fieber (bis 40 °C) und Schüttelfrost (Febris undulans), Hepatosplenomegalie. Die Krankheit wird durch die Organmanifestation bestimmt (Osteomyelitis, Meningoenzephalitis, Nephritis, Pneumonie, Endokarditis, Orchitis oder Plazentitis).

Klinik: Nach einer Inkubationszeit von ca. 14 Tagen bis 3 Wochen beginnt die Krankheit mit hohen Temperaturen bis 40 °C und Schüttelfrost (Febris undulans, Abb. A-3.2). Regelmäßig kommt es zur Hepatosplenomegalie. Daneben kann sich eine Osteomyelitis, Meningoenzephalitis, Nephritis, Endokarditis oder Pneumonie manifestieren. Ein Befall der Geschlechtsorgane äußert sich als Orchitis oder Plazentitis, die auch einen Abort bewirken kann. In manchen Fällen kommt es zu einer Chronifizierung, die über Jahre anhält.

Nachweis: kulturell aus Blut, Lymphknotenoder Knochenmarkbiopsat bzw. Plazenta.

Nachweis: kulturell aus Blut, Lymphknoten- oder Knochenmarkbiopsat bzw. Plazenta und serologisch. Obwohl Brucellen strikte Aerobier sind, empfiehlt es sich, die Kultur in 5–10 %iger CO2-Atmosphäre vorzunehmen und dem Untersuchungsmedium 5 % Serum und eine handelsübliche Mischung von Wuchsstoffen (Thiamin u. a.) zuzusetzen. Zum Nachweis von Brucellen sind die Kulturen 5 Tage, gelegentlich auch 2–3 Wochen zu bebrüten. Die Isolation setzt somit immer den gezielten Untersuchungsauftrag voraus, denn sonst bleibt der Erreger unentdeckt. Serologisch können im Serum infizierter Menschen spezifische Antikörper im ELISA nachgewiesen werden. Die Bewertung der serologischen Ergebnisse ist jedoch nicht immer einfach, da zwischen Brucellen und anderen Bakterien (z. B. Yersinien) Antigengemeinsamkeiten auftreten. So führt auch eine Choleraschutzimpfung zu niedrigen Titern.

Brucellen sind anspruchsvolle Keime, die langsam wachsen. Folglich ist eine längere Bebrütungszeit erforderlich.

Als serologische Nachweismethode dient der ELISA. Die Bewertung ist nicht immer einfach, da zwischen Brucellen und anderen Bakterien Antigengemeinsamkeiten auftreten.

Therapie: Tetrazykline in Kombination mit Aminoglykosid.

▶ Merke.

Therapie: Tetrazykline in Kombination mit einem Aminoglykosid und/oder Rifampicin zeigen gute Erfolge. Alternativ kann Trimethoprim plus Sulfamethoxazol gegeben werden. ▶ Merke. Die Therapie muss langfristig ausgelegt sein (> 1 Monat). Rückfälle und

Organmanifestationen unter der Therapie sind nicht auszuschließen. Prophylaxe: Keine unpasteurisierte Milch und Milchprodukte verzehren, wenn die Tierbestände nicht brucellosefrei sind.

Prophylaxe: Durchuntersuchung der Nutztierbestände (Serologie) und Elimination infizierter Tiere. Kein Verzehr von unpasteurisierter Milch und Milchprodukten aus nicht sicher brucellosefreien Tierbeständen.

▶ Exkurs.

▶ Exkurs. Bei chronisch Erkrankten herrschen oft sehr uncharakteristische Symptome vor. Bevor die Diagnose „vegetative Dystonie“ gestellt wird, sollte auch an eine Brucellose gedacht werden, besonders wenn sich anamnestisch (Mittelmeerbewohner, Biokostanhänger, Globetrotter, Tätigkeit im Mikrobiologielabor) dafür Ansatzpunkte ergeben.

▶ Merke.

▶ Merke. Der Nachweis ist nach Infektionsschutzgesetz meldepflichtig. Isolations-

maßnahmen sind nicht nötig, da eine Übertragung von Mensch zu Mensch normalerweise nicht vorkommt.

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2.12 Diverse gramnegative aerobe Stäbchenbakterien

2.12.2 Francisella ▶ Definition. Es handelt sich um sehr kleine, zarte (nur 0,2 μm Durchmesser), unbe-

2.12.2 Francisella ▶ Definition.

wegliche, strikt aerobe, gramnegative Stäbchenbakterien. Klassifikation: Die Gattung Francisella enthält mit Francisella tularensis eine humanpathogene Spezies.

Klassifikation: Von medizinischem Interesse ist F. tularensis.

Bedeutung: Francisella tularensis ist der Erreger der Tularämie. Es handelt sich dabei um eine pestähnliche Infektionskrankheit, die auch bei Tieren zu manifesten Infektionen führen kann („Hasenpest“). Manche Stämme sind so gefährlich, dass sie als biologische Waffe eingestuft werden. Der Umgang im Labor muss unter erhöhten Sicherheitsbedingungen (Sicherheitsstufe 3) erfolgen.

Bedeutung: F. tularensis, der Erreger der Tularämie, ist sehr gefährlich.

Epidemiologie: In Europa ist die Tularämie selten. Gelegentlich kommen aber lokale Ausbrüche bei Menschen und Tieren (Feldhasen) vor. In Deutschland werden ca. 40 Fälle pro Jahr gemeldet, von denen die Hälfte in Deutschland erworben worden ist. Endemiegebiete bestehen in Amerika und in Russland.

Epidemiologie: In Europa ist die Tularämie selten.

Pathogenese: Reservoir des Erregers sind hauptsächlich Nagetiere. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt durch direkten Tierkontakt (erkrankte Wildtiere werden zahm), indirekt über Ektoparasiten oder kontaminierte Nahrungsmittel. Je nach Eintrittspforte des Erregers (Schleimhaut des oberen Verdauungs- oder Respirationstraktes, Hautläsionen, Konjunktiven) kommt es zu einer lokalisierten Entzündung. Die Erreger werden durch Granulozyten, in denen sie unbeschadet überleben, in die lokalen Lymphknoten geschleppt und streuen von dort aus hämatogen; praktisch alle Organe können sekundär befallen werden. Die Manifestationsorte bestimmen das Krankheitsbild. In den befallenen Organen finden sich typische kleine, verkäsende Granulome und eitrige Abszesse.

Pathogenese: Reservoir sind hauptsächlich Nagetiere. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt direkt oder indirekt. Je nach Eintrittspforte des Erregers kommt es zu einer lokalisierten Entzündung. Die Erreger streuen von den Lymphknoten aus hämatogen. Die Manifestationsorte bestimmen das Krankheitsbild.

Klinik: Nach einer Inkubationszeit von durchschnittlich 5 Tagen (1–10 Tagen) entsteht im Bereich der Eintrittsstelle ein Primärkomplex aus einer lokalen ulzerösen Entzündung und einer regionalen Lymphadenitis. Man unterscheidet eine kutano-, okulo- oder tonsilloglanduläre Form, die als äußere Tularämie bezeichnet wird, vom Befall der Atemwege oder des Darmes als innere Tularämie. Dem Primärkomplex folgt das Stadium der Generalisierung mit intermittierendem hohem Fieber und schwerem Krankheitsgefühl. Je nach Organmanifestation dominieren Symptome, die an Pneumonie, Diphtherie, Tuberkulose, Malaria oder Typhus erinnern und differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind.

Klinik: Im Bereich der Eintrittsstelle entsteht ein Primärkomplex (lokale ulzeröse Entzündung und regionale Lymphadenitis). Man unterscheidet eine kutano-, okulo- oder tonsilloglanduläre Form (äußere Tularämie), vom Befall der Atemwege oder des Darmes als innere Tularämie. Dem Primärkomplex folgt das Stadium der Generalisierung.

Krankheitsfolgen: Unbehandelt liegt die Letalität bei ca. 30 %. Eine lang andauernde, wenn auch nicht absolute Immunität wird bei Überstehen der Krankheit erworben.

Krankheitsfolgen: Unbehandelt liegt die Letalität bei bis zu 30 %.

Nachweis: Der kulturelle Erregernachweis aus Eiter, Sputum, Gewebebiopsat u. a. ist sehr schwierig und gelingt direkt nur auf günstigen Nährböden nach langer Kulturzeit (bis 10 Tage). Dann erfolgt eine Differenzierung mittels „bunter Reihe“, MALDITOF-Massenspektrometrie oder PCR. Mittels PCR können die Erreger auch direkt im infizierten Gewebe nachgewiesen werden. Ab der 2. Krankheitswoche können Antikörper im Serum mittels Agglutinationstest, Immunfluoreszenz oder ELISA nachgewiesen werden. Die Agglutinationssreaktion (Widal) bringt erst ab der 3.–4. Krankheitswoche verwertbare Ergebnisse. Nach Überstehen der Krankheit können Antikörper jahrelang persistieren. Kreuzreaktionen mit Brucellen und Yersinia enterocolitica erschweren die serologische Diagnostik.

Nachweis: Der kulturelle Erregernachweis gelingt nur auf speziellen Nährböden nach langer Kulturzeit. Mittels PCR können die Erreger im infizierten Gewebe nachgewiesen werden. Ab der 2. Krankheitswoche können Antikörper im Serum nachgewiesen werden. Es finden sich Kreuzreaktionen mit Brucellen und Yersinia enterocolitica.

▶ Merke. Der Nachweis ist nach Infektionsschutzgesetz meldepflichtig.

▶ Merke.

Therapie: Mittel der Wahl ist erfahrungsgemäß Streptomycin aus der Gruppe der Aminoglykoside; Chinolone und Doxycyclin sind Alternativen.

Therapie: Mittel der Wahl ist Streptomycin.

Prophylaxe: Wegen der Gefährlichkeit einer manifesten Infektion kann nach Kontakt eine prophylaktische Gabe von einem Chinolon (z. B. Ciprofloxacin) oder von Doxycyclin erwogen werden.

Prophylaxe: ggf. Chinolon oder Doxycyclin.

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430

D

2.12.3 Bordetella

2.12.3 Bordetella

2 Spezielle Bakteriologie

Geschichtliches: Jules Bordet und Gengou konnten 1906 erstmals den Erreger des Keuchhustens als schwer kultivierbares Bakterium identifizieren. ▶ Definition.

▶ Definition. Bordetellen sind strikt aerobe, kleine kokkoide oder ovoide, gramnega-

tive, bekapselte Stäbchen, die biochemisch relativ inaktiv sind. Bordetella pertussis und Bordetella parapertussis sind unbeweglich, Bordetella bronchiseptica ist begeißelt und damit beweglich. Klassifikation: Man kennt 8 Bordetella-Arten, wovon allenfalls 3 von relevanter humanmedizinischer Bedeuting sind: ■ Bordetella pertussis (humanpathogen), ■ Bordetella parapertussis (humanpathogen), ■ Bordetella bronchiseptica (tierpathogen, selten humanpathogen).

Klassifikation ■ ■ ■

Bordetella pertussis, Bordetella parapertussis, Bordetella bronchiseptica.

Bedeutung: Bordetella pertussis ist der klassische Erreger des Keuchhustens. Bei Infektion mit B. parapertussis (5–20 % der Pertussisfälle) verläuft die Krankheit milder, oftmals klinisch inapparent.

Bedeutung: Bordetella pertussis ist der klassische Erreger des Keuchhustens (Pertussis) und kommt nur beim Kranken vor. Bordetella parapertussis ist für 5–20 % der Pertussisfälle verantwortlich. Die Krankheit verläuft milder, oftmals klinisch inapparent und ist deshalb bei gemeldeten Fällen unterrepräsentiert. Der Erreger wird nur beim Menschen isoliert.

Epidemiologie: weltweites Vorkommen. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion im Stadium catarrhale von Mensch zu Mensch.

Epidemiologie: Pertussis kommt weltweit vor. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion in der Inkubationszeit und vor allem im Stadium catarrhale direkt von Mensch zu Mensch. Danach nimmt die Menge der ausgschiedenen Bakterien deutlich ab. Auch Patienten mit subklinischer Erkrankung und selbst Geimpfte sind kontagiös. Kindergartenkinder verbreiten die Erreger untereinander; danach besteht eine partielle Immunität. Der Erkrankungsgipfel liegt bei Kindern und Jugendlichen mit einem Maximum bei Säuglingen. Immer öfter erkranken auch, insbesondere ältere Erwachsene, weil die Immunität nicht lebenslang anhält. Es treten regelmäßig Ausbrüche (im Jahr 2016: 682 Ausbrüche mit 2000 Erkrankten laut RKI) auf. Insgesamt werden in Deutschland ca. 14 000 Erkrankunken pro Jahr gemeldet.

Pathogenese: Die Infektion erfolgt durch Tröpfchen aus dem Respirationstrakt Kranker. Ein Exotoxin hemmt die Zilienbewegung der Epithelzellen der Atemwege. Verschiedene andere Exotoxine wirken lokal und systemisch (Tab. D-2.28).

Pathogenese: Die Infektion erfolgt durch Tröpfchen aus dem Respirationstrakt Kranker. B. pertussis besitzt die Fähigkeit, sich mithilfe von Adhäsionsfaktoren (Tab. D-2.28) an die mit Zilien versehenen Epithelzellen der Atemwege anzuheften. Ein kleinmolekulares Exotoxin (tracheales Zytotoxin – TCT) hemmt die Zilienbewegung der Trachealschleimhaut. Weitere Toxine sind wichtige Pathogenitätsfaktoren (Tab. D-2.28).

≡ D-2.28

Pathogenitäts- und Virulenzfaktoren von Bordetella pertussis

Bezeichnung

Abkürzung

Struktur

Funktion

filamentöses Hämagglutinin

FHA

Adhäsionsprotein an der Zelloberfläche; wird auch sezerniert

lokal: Adhäsion an zilienbewehrte Epithelien zusammen mit PT

Pertactin

PER

Protein der äußeren Membran

lokal: Adhäsionsfaktor

Fimbrien

FIM

zellwandassoziierte Adhäsionspili (Proteine)

lokal: Adhäsionsfaktoren; Einteilung in Serotypen

Pertussistoxin (lymphocytosis- PT (LPF) promotin-factor)

Hexamer aus fünf verschiedenen Polypeptiden

lokal: Adhäsion zusammen mit FHA. Systemisch: nach Bindung an Zellrezeptoren penetriert nur ein Teil (A) in die Zelle und bedingt eine ADP-Ribosylierung von G-Proteinen, dadurch Zellschädigung; Lymphozytose, Insulinfreisetzung.

Adenylatzyklasetoxin

ACT

Proteotoxin mit Enzymwirkung

lokal: Intoxikation von Effektorzellen der Wirtsabwehr (z. B. Granulozyten) durch erhöhtes intrazelluläres cAMP

Tracheazytotoxin

TCT

kleinmolekulares Glykopeptid

lokal: Ziliostase

hitzelabiles Toxin

HLT

Proteotoxin

lokal: vermutlich Spasmen der glatten Muskulatur

Lipooligosaccharid

LOS

wie Endotoxine

lokal und systemisch: pyrogen, Zytokinfreisetzung

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2.12 Diverse gramnegative aerobe Stäbchenbakterien

431

Klinik: Nach einer Inkubationszeit von 10–14 Tagen verläuft die Krankheit in drei Stadien (Abb. D-2.63): ■ Stadium catarrhale: Symptome einer Erkältungskrankheit mit mäßigem Fieber. Dauer 1–2 Wochen. ■ Stadium convulsivum: Typische, krampfartige Hustenanfälle, bei welchen nach einer tiefen Inspiration ein Hustenstakkato mit Herausstrecken der Zunge und Hervorwürgen von zähem Schleim erfolgt. Unterbrochen von hörbarem Einatmen kommt es schließlich zum Stimmritzenkrampf, der zu Apnoe (Zyanose!) führt und mit einem keuchenden Inspirium endet. Unmittelbar danach erfolgt oftmals ein zweiter, meist etwas leichterer Anfall, der als Reprise bezeichnet wird. Im Stadium convulsivum ist die Temperatur normal. Dauer 2–6 Wochen. ■ Stadium decrementi: Abklingen der Krankheit unter den Symptomen einer Bronchitis. Dauer bis zu 6 Wochen.

Klinik: Die Krankheit verläuft in 3 Stadien (Abb. D-2.63): ■ Stadium catarrhale: Symptome einer Erkältung mit mäßigem Fieber (1–2 Wochen). ■ Stadium convulsivum: Typische, krampfartige Hustenanfälle (nach einer tiefen Inspiration erfolgt ein Hustenstakkato mit Hervorwürgen von zähem Schleim), evtl. Stimmritzenkrampf, der zu Apnoe (Zyanose!) führen kann (2–6 Wochen). ■ Stadium decrementi: Abklingen der Krankheit unter Bronchitissymptomen (bis zu 6 Wochen).

D

⊙ D-2.63

Schematische Darstellung des Infektions- und Krankheitsverlaufs mit Bordetella pertussis

⊙ D-2.63

Nachweis nicht sicher möglich Krankheitsverlauf IgG-Antikörper IgM-Antikörper Nachweis von Bakterien 0

1

2

3

4

5

6

7

8

9 10 11 12 Wochen nach der Infektion

Krankheitsfolgen: Die Letalität liegt weit unter 1 % und betrifft in mehr als 70 % Säuglinge im ersten halben Lebensjahr. In Afrika aber ist Bordetella pertussis neben dem Masernvirus hauptverantwortlich für die hohe Kindersterblichkeit. Als Komplikation werden oftmals Pneumokokken- oder Hämophiluspneumonien sowie eine Otitis media beobachtet, weil das sezernierte filamentöse Hämagglutinin von B. pertussis auch von den anderen Bakterien zur Adhäsion verwendet wird. Durch die heftigen Hustenstöße kann es zur Ruptur von Konjunktivalgefäßen kommen (Abb. D-2.64a). Aspirationspneumonien, Alveolarrupturen und in seltenen Fällen ein Pneumothorax als Folge der Anfälle sind möglich. In 0,4 % der Fälle stellen sich Schäden am ZNS als Spätfolgen ein, deren Pathomechanismus nicht zufriedenstellend erklärt werden kann. Die durchgemachte Krankheit hinterlässt eine fundierte, jedoch nicht absolute Immunität. Zweiterkrankungen, z. B. im Erwachsenenalter, sind prinzipiell möglich.

Krankheitsfolgen: Die Letalität liegt deutlich unter 1 % und betrifft in mehr als 70 % Säuglinge im ersten halben Lebensjahr. Komplikationen: Otitis media oder Pneumonien. Die Krankheit hinterlässt keine absolute Immunität. Zweiterkrankungen im Erwachsenenalter sind möglich.

Nachweis: Die Diagnose erfolgt in erster Linie klinisch. Das Symptom Keuchhusten kann jedoch auch von anderen Erregern (z. B. Adenoviren) ausgelöst sein. Das Blutbild zeigt eine relative und absolute Lymphozytose (Abb. D-2.64b).

Nachweis: Die Diagnose erfolgt in erster Linie klinisch. Das Blutbild zeigt eine Lymphozytose (Abb. D-2.64b).

⊙ D-2.64

Befunde bei Pertussis (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 125, Bronchopulmonale Infektionen 1986)

a

b

c

a Durch die heftigen Hustenstöße können die Konjunktivalgefäße platzen (sogenanntes Hyposphagma). b Im Blutbild ist die absolute Lymphozytose ein charakteristischer Befund. c Die Kerne der Lymphozyten erscheinen etwas aufgelockert und vergrößert, sonst sind keine wesentlichen qualitativen Veränderungen festzustellen. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

432

D

2 Spezielle Bakteriologie

Die Bakterien findet man am ehesten in nasopharyngealen Sekreten. Der Erreger kann sofort durch direkte Immunfluoreszenz bestimmt werden, was jedoch in der Praxis nicht immer gelingt (falsch positive und falsch negative Ergebnisse möglich). Der kulturelle Nachweis gelingt auf Selektivplatten, welche die Begleitflora weitgehend unterdrückt. Auch eine PCR zum Direktnachweis ist sinnvoll, weil man damit in kurzer Zeit evtl. auch noch tote Bakterien entdecken kann, wenn der kulturelle Nachweis schon gar nicht mehr möglich ist. ▶ Merke.

▶ Merke. Der kulturelle Nachweis von Bordetella pertussis oder Bordetella paraper-

tussis gelingt nur im Stadium catarrhale (am besten mittels eines tiefen Tupferabstriches aus der Nase). ▶ Exkurs.

⊙ D-2.65

▶ Exkurs. Bei Verdacht auf Keuchhusteninfektion: Den Kalziumalginattupfer zum Abstrich möglichst tief in die Nase einführen. 5–10 Sekunden am Ort belassen (Abb. D-2.65). Der Transport zum Labor muss unbedingt (!) in einem speziellen Transportmedium (z. B. Regan-LoweMedium) erfolgen.

⊙ D-2.65

Tupferabstrich aus tiefem Nasenbereich

(Neumeister, B., Geiss, H. K., Braun, R. W., Kimmig, P., Mikrobiologische Diagnostik. Thieme; 2009)

Bordetella wird auf Spezialnährböden angezüchtet. Die drei Bordetella-Arten sind kulturmorphologisch nicht unterscheidbar, lassen sich aber biochemisch und massenspektrometrisch differenzieren. Der Nachweis mittels PCR ist schneller und sensitiver.

Der Nachweis von spezifischen Antikörpern im Serum bestätigt die klinische Diagnose.

Therapie: Eine Antibiotikatherapie ist nur im Stadium catarrhale sinnvoll, z. B. mit Erythromycin. Sonst Husten stillen!

Bordetella wird auch heute noch auf dem Bordet-Gengou-Blutagar angezüchtet, dem Kartoffelextrakt und Glycerol zugesetzt sind. Besser ist jedoch der HolzkohleBlut-Agar, vor allem, wenn ein Cephalosporin (z. B. Cephalexin) zugegeben wird, weil dadurch in einer Mischflora den Bordetellen ein selektiver Vorteil geschaffen wird. Nach einer Kulturzeit von 3–4 Tagen bei 37 °C zeigen sich tröpfchenartige Kolonien. Die drei Bordetella-Arten sind kulturmorphologisch nicht unterscheidbar. Eine biochemische oder massenspektrometrische Differenzierung ist möglich. Der Nachweis mittels PCR ist schneller und sensitiver. Die serologische Diagnostik ist prinzipiell mittels ELISA möglich, liefert in der Regel aber erst im klinisch eindeutig manifesten Stadium (3–4 Wochen nach Krankheitsbeginn) verwertbare Ergebnisse, wobei das Verhältnis von IgA- zu IgG-Antikörpern Hinweise auf die Akuität des Geschehens bringt. Auch nach Impfungen können Antikörper nachgewiesen werden, aber eben nur solche der Klasse IgG. Ein Antibiogramm ist routinemäßig nicht erforderlich, da Resistenzen gegen Erythromycin nur ganz selten sind. Therapie: Eine Antibiotikatherapie ist nur im Stadium catarrhale sinnvoll, hier hat sich Erythromycin bewährt. (Es sollte auch zur Prophylaxe nicht immuner Kontaktpersonen für 10 Tage appliziert werden.) Im Stadium convulsivum dominieren die Toxinfolgen, hier ist unter Umständen Cortison indiziert. Sonst stehen die Sedierung und die Unterdrückung des Hustens an erster Stelle.

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D

433

2.12 Diverse gramnegative aerobe Stäbchenbakterien

Prophylaxe: Kinder, die älter als 3 Monate sind, können und sollen unbedingt geimpft werden (ggf. auch noch später), besonders solche, die in Gemeinschaftseinrichtungen oder unter ungünstigen Familienverhältnissen leben, sowie Kinder mit Grundleiden, bei denen Pertussis eine besondere Gefahr darstellen würde. Auch Personal in Kindergärten soll geimpft werden. In Deutschland ist die Kombinationsimpfung (S. 744) mit Diphtherie, Tetanus, Polio, Haemophilus influenzae b und Hepatitis B möglich. Der azelluläre Impfstoff enthält nur noch die Kombination von einigen wenigen bakteriellen Stoffen, nämlich FHA und Pertactin, die beide als Adhäsin wirken, und fixiertes (unschädliches) Pertussistoxin, das für die wichtigsten Krankheitszeichen verantwortlich gemacht wird. Dieser Impfstoff ist protektiv, aber wenig toxisch und wird deswegen heute allgemein empfohlen. Die Immunität nach Impfung lässt nach Jahren nach, sodass auch die Eltern bei Exposition wieder erkranken. Eine Chemoprophylaxe mit Antibiotika, z. B. mit Makroliden, ist nach Exposition bei Familienangehörigen oder Kindergartenkindern sinnvoll.

Prophylaxe: Kinder, die älter als 3 Monate sind, können und sollen geimpft werden. In Deutschland ist eine Kombinationsimpfung (S. 744) mit Diphtherie und Tetanus möglich.

2.12.4 Legionella

2.12.4 Legionella

Eine Chemoprophylaxe mit Makroliden nach Exposition ist sinnvoll.

Geschichtliches: Im Sommer 1976 trat bei einer Zusammenkunft der „American Legion“ in Philadelphia (USA) bei 221 von 4 500 Teilnehmern eine schwere Erkrankung des Respirationstraktes auf. 34 der Kriegsveteranen (Legionäre) verstarben. Ohne den Erreger zu kennen, nannte man die Krankheit „Legionaires Disease“. Im Januar 1977 gelang es McDade, ein gramnegatives Stäbchenbakterium als Verursacher zu isolieren. Die Erstisolation dieses nun Legionella genannten Keimes war jedoch bereits 1944 von Tatlock erfolgt. Nachträglich konnten früher publizierte Krankheitsfälle diesem Erreger zugeschrieben werden. ▶ Definition. Legionellen sind nur schwach anfärbbare, kurze bis filamentöse gramnegative, in der Regel meistens bewegliche Stäbchenbakterien, die Zucker weder fermentativ noch oxidativ verwerten können.

▶ Definition.

Klassifikation: Im Genus Legionella kennt man über 50 Arten, wovon die meisten apathogene Umweltkeime sind. Einige, wie etwa L. micdadei und L. longbeachae, verursachen leichte Krankheiten. Dagegen können Erreger der Spezies L. pneumophila, wovon es 14 verschiedene Serogruppen gibt, schwere Verlaufsformen auslösen.

Klassifikation: Zurzeit kennt man über 50 Arten. Humanpathogenetisch am wichtigsten ist L. pneumophila, wovon es 14 Serogruppen gibt.

Bedeutung: Als Erreger der Legionellosen findet sich am häufigsten Legionella pneumophila der Serogruppe 1.

Bedeutung: Erreger der Legionellosen.

Epidemiologie: Legionellen sind in natürlichen Feuchtbereichen weit verbreitet. Sie können aus Wasseranlagen von Krankenhäusern, Privathaushalten (Duschköpfen, Kühltürmen, Luftbefeuchtern, Inhalationskammern in Kurbädern, aus zahnärztlichen Behandlungseinheiten usw.) isoliert werden. Legionellen halten sich in Kaltwasser von 5–25 °C; in Warmwassersystemen zwischen 25 und 50 °C vermehren sie sich bei langen Standzeiten. Bei 60 °C werden sie inaktiviert, auch durch Chlorung sind sie angreifbar, soweit sie frei vorkommen. Natürlicher Wirt der Legionellen sind frei lebende Akanthamöben. In deren Zysten entziehen sich die Bakterien der Chloreinwirkung.

Epidemiologie: Legionellen sind in Feuchtbereichen weit verbreitet. Sie halten sich in Wassersystemen aller Arten. Bei 60 °C werden sie inaktiviert, auch durch Chlorung sind sie angreifbar. Natürlicher Wirt der Legionellen sind Akanthamöben.

Pathogenese: Die Infektion erfolgt überwiegend durch Inhalation keimhaltiger Tröpfchen, seltener durch Staubpartikel. Die für eine manifeste Infektion notwendige Infektionsdosis ist variabel und vom Gesundheitszustand des Menschen (Immunsupprimierte und alte Menschen sind gefährdeter) und der Expression von Virulenzfaktoren des Bakteriums abhängig. Eine Infektion von Mensch-zu-Mensch findet nicht statt. Ein wichtiges Pathogenitätsprinzip besteht in der Tatsache, dass Legionellen sich innerhalb von Makrophagen vermehren. Auch die Fähigkeit, Proteasen und Phospholipase zu produzieren, wodurch z. B. Surfactant gespalten wird, spielt im Krankheitsgeschehen eine Rolle. Eine zellvermittelte Immunreaktion ist für die Überwindung entscheidend. Fehlt diese (z. B. im Alter, Kortisontherapie, Raucher, Anti-TNF-Therapie), sind die betroffenen Menschen stark gefährdet.

Pathogenese: Die Infektion erfolgt überwiegend durch Inhalation keimhaltiger Tröpfchen, seltener durch Staubpartikel. Fraglich ist nach wie vor die Infektionsdosis. Legionellen vermehren sich innerhalb von Makrophagen.

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434

D

Klinik: man unterscheidet klinisch: ■ Legionärskrankheit: in der Regel atypische Pneumonie mit hohem Fieber (Abb. D-2.66). Trockener unproduktiver Husten, Pleuritis, Laryngitis und Rhinitis. Daneben Muskelschmerz und gastrointestinale Symptomatik mit Übelkeit und Diarrhö. Letalität ohne Therapie > 15 %. ■ Pontiac-Fieber: wie die Legionärskrankheit, jedoch ohne Pneumonie. Meist komplikationsloser selbstheilender Verlauf. ■ Pittsburgh-Pneumonie: Krankheitsverlauf wie bei der Legionärskrankheit, betroffen sind vor allem abwehrgeschwächte Patienten.

Klinik: Klinisch werden prinzipiell drei Arten von Legionellosen unterschieden: ■ Legionärskrankheit: Nach einer Inkubationszeit von 2–10 Tagen kommt es zu grippeartigen Symptomen. Unter raschem Temperaturanstieg bis 40 °C und Schüttelfrost entsteht eine atypische Pneumonie (Abb. D-2.66). Röntgenologisch finden sich ein- oder beidseitige Lungeninfiltrate, meist in den Unterfeldern. Trockener, unproduktiver Husten, Pleuritis, Laryngitis und Rhinits sind häufig. Daneben besteht eine gastrointestinale Symptomatik mit Übelkeit und Diarrhö. Die Patienten sind infolge einer Enzephalitis verwirrt. Die Letalität ohne Therapie ist größer als 15 %. Männer über 50 Jahre sind häufiger betroffen als andere Bevölkerungsgruppen. ■ Pontiac-Fieber: wie die Legionärskrankheit, jedoch ohne Pneumonie. Meist komplikationsloser, selbstheilender Verlauf. ■ Pittsburgh-Pneumonie: Verursacher ist Legionella micdadei. Krankheitsverlauf wie bei der Legionärskrankheit, betroffen sind jedoch vor allem abwehrgeschwächte Patienten unter Kortikoidtherapie.

⊙ D-2.66

2 Spezielle Bakteriologie

⊙ D-2.66

Röntgenbefund bei Legionärskrankheit Infiltration der rechten Lunge mit Betonung des Unterfeldes. (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 132, Bronchopulmonale Infektionen 1989)

Nachweis: Der mikroskopische Direktnachweis der Erreger mittels Immunfluoreszenz ist unsicher. Kulturell lassen sich Legionellen auf Spezialnährmedien kultivieren (Abb. D-2.67). Schwierig ist die genaue Spezies- und Serotypbestimmung. Legionella pneumophila Serogruppe 1 ist für mehr als die Hälfte aller Legionellosen verantwortlich. In der akuten Phase gelingt der Antigennachweis im Urin. Klinisch bedeutend ist die PCR aus respiratorischem Material, die alle Serotypen nachweisen kann.

⊙ D-2.67

Nachweis: Die Transaminasen sind leicht erhöht. Typisch ist auch eine Hyponatriämie. Die Keime wachsen nicht auf den üblichen Nährböden, sondern stellen spezielle Ansprüche. Sie wachsen z. B. auf Aktivkohle-Hefeextrakt-Agar, bei 35 °C in einer Atmosphäre von 2,5–5 % CO2 über 2–7 Tage (Abb. D-2.67). Da Legionellen zumindest 30 Minuten bei 50 °C überleben, kann man durch eine derartige Vorbehandlung eventuell vorhandene Begleitflora unterdrücken. Kulturell lassen sich Legionellen aus verschiedenen Sekreten und Patientenmaterialien auf entsprechenden Nährböden kultivieren. Schwierig ist jedoch die genaue Spezies- und Serotypbestimmung, die auch heute nur in speziell eingerichteten Labors durchgeführt wird. Der mikroskopische Direktnachweis der Erreger mittels Immunfluoreszenz ist im Prinzip ebenfalls möglich. Legionella pneumophila Serogruppe 1 ist für mehr als die Hälfte aller Legionellosen verantwortlich. Die Frühdiagnose erfolgt über im Urin ausgeschiedene Antigene. Allerdings kann aus einer Vielzahl von Arten und Serogruppen nur Serovar 1 so erfasst werden. Große klinische Bedeutung hat der Nachweis von Legionellen aus respiratorischem Material mittels PCR, die alle Serotypen nachweisen kann.

⊙ D-2.67

Kolonien von Legionella pneumophila auf BCYE-Agar (gepufferter Holzkohle-Hefe-Extrakt) Glatte, konvexe Kolonien mit granulärer Feinstruktur.

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D

435

2.12 Diverse gramnegative aerobe Stäbchenbakterien

Der Antikörpernachweis im Patientenserum gelingt frühestens in der 2. Krankheitswoche, wenn die akute Phase der Krankheit bereits überwunden ist. Somit kann also erst nachträglich die klinische Diagnose gesichert werden. Die Tatsache, dass selbst hohe Antikörpertiter innerhalb eines Jahres fast gänzlich verschwinden, spricht dafür, dass keine dauernde Immunität erworben wird.

Serologische Antikörpernachweise im Patientenserum sind erst in der 2. Krankheitswoche zu erwarten, wenn die akute Phase der Krankheit bereits überwunden ist.

Therapie: Mittel der Wahl sind Makrolide (Betalaktame sind in vitro zwar wirksam, aber klinisch unwirksam, weil sie nicht auf die intrazellulären Bakterien wirken). Alternativ sind auch Chinolone auf die intrazellulären Erreger wirksam. Wegen fehlender Korrelation zur In-vivo-Wirkung sind bei Legionellosen keine Antibiogramme angezeigt.

Therapie: Mittel der Wahl sind Makrolide (alternativ Chinolone).

Prophylaxe: Warmwassersysteme, in denen Temperaturen von 60–70 °C herrschen, sind praktisch unbedenklich. Im Prinzip sollte ein Waschbecken im Krankenhaus so konstruiert sein, dass der Wasserstrahl aus dem Hahn nicht direkt in den Syphon fällt, weil sonst ein keimhaltiges Aerosol entstehen könnte. Wenn Legionellen im Leitungswasser in erheblichen Mengen nachgewiesen wurden, kann auch ein Bakterienfilter am Wasserhahn die Gefahr für Patienten beseitigen; vgl. Kap. „Sonstige Verfahren mit eingeschränktem Einsatzbereich“ (S. 733).

Prophylaxe: Warmwassersysteme mit Temperaturen von 60–70 °C sind praktisch unbedenklich. Bei Nachweis großer Mengen von Legionellen im Leitungswasser kann durch Bakterienfilter die Übertragung auf den Menschen verhindert werden.

2.12.5 Pasteurella und Mannheimia

2.12.5 Pasteurella und Mannheimia

▶ Definition. Die Keime der Gattung Pasteurella und Mannheimia sind kokkoide,

▶ Definition.

pleomorphe, fakultativ anaerobe, gramnegative, unbewegliche, nicht sporenbildende Kurzstäbchen. Eine Besonderheit liegt im Färbeverhalten der Bakterien: Die terminalen Bereiche der Keime färben sich polkappenartig stark an, der restliche Zellleib nur schwach. Es entsteht ein Bild, das an eine Sicherheitsnadel erinnert. Lange Zeit glaubte man, dass diese Anfärbbarkeit der Polkappen ein Spezifikum ausschließlich von Pasteurella sei, und hat deshalb auch die Pesterreger diesem Genus zugeordnet. Heute weiß man, dass auch andere Stäbchenbakterien diese Eigenheit besitzen.

Eine Besonderheit liegt im Färbeverhalten der Bakterien: Die terminalen Bereiche der Keime färben sich polkappenartig stark an, der restliche Zellleib nur schwach („Sicherheitsnadel“).

Klassifikation: Tab. D-2.29 gibt einen Überblick über die wichtigsten Spezies der Gattungen Pasteurella bzw. Mannheimia und ihre natürlichen Standorte. Wichtigster und häufigster Vertreter ist P. multocida, der vor allem von Katzen (90 %) und Hunden (50 %) im Rachenraum beherbergt wird.

Klassifikation: Tab. D-2.29 gibt einen Überblick über die Spezies der Gattungen Pasteurella und Mannheimia.

≡ D-2.29

Spezies der Gattung Pasteurella bzw. Mannheimia und ihre natürlichen Standorte

Spezies

Vorkommen im Respirationstrakt von

P. multocida

Katzen, Hunden, Ratten, sehr selten beim Menschen; wichtigste Spezies!

M. haemolytica

Rindern, Schafen, Ziegen und Vögeln

Pathogenese: Alle Pasteurellen sind Kommensalen im Respirationstrakt von Tieren, selten des Menschen. Die meisten Infektionen beim Menschen entwickeln sich als Folge tierischer Kratz- oder Bissverletzungen, seltener durch Tröpfchenübertragung. Abwehrschwächen des Empfängers begünstigen das Angehen der Infektion. Klinik: Je nach Eintrittspforte des Erregers resultieren lokal begrenzte Wund- oder Organinfektionen (z. B. Bronchitis, Pneumonie, Otitis, Sinusitis etc.) und eine lokale Lymphadenitis. Als Spätkomplikation nach Verletzungen sind auch entfernte Infektionen, z. B. am Endokard, im Knochen und sogar im ZNS beschrieben.

≡ D-2.29

Pathogenese: Pasteurellen sind Kommensalen im Respirationstrakt von Tieren, selten des Menschen. Infektionen entwickeln sich als Folge tierischer Kratz- oder Bissverletzungen. Klinik: Es resultieren eine lokalisierte Wundoder Organinfektion und eine lokale Lymphadenitis; darüber hinaus evtl. Endokarditis, Osteomyelitis.

Nachweis: Die Diagnose erfolgt kulturell aus geeignetem Untersuchungsmaterial (Wundabstrichen, Sputum etc.).

Nachweis: Er erfolgt kulturell.

Therapie: Mittel der Wahl ist Benzylpenicillin (Penicillin G). Dies ist außergewöhnlich, weil sonst praktisch alle gramnegativen Stäbchenbakterien gegen Penicillin resistent sind, da dieses durch deren äußere Membran nicht diffundiert! Jedoch treten häufig Mischinfektionen auf, an denen noch andere Keime beteiligt sind, die bei der Therapie berücksichtigt werden müssen.

Therapie: Mittel der Wahl ist Benzylpenicillin. Mischinfektionen müssen berücksichtigt werden.

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436

D

2 Spezielle Bakteriologie

Prophylaxe: Eine Prophylaxe nach Tierbiss ist nicht automatisch angezeigt. Jedoch sollte bei Anzeichen von Infektionen frühzeitig eine Antibiotikatherapie eingeleitet werden.

Prophylaxe: Angesichts der weiten Verbreitung bei Haustieren und der Tatsache, dass die Pathogenität für den Menschen gering ist, sind prophylaktische Maßnahmen bei Bissverletzungen durch Tiere nicht automatisch angezeigt. Allerdings sollten bei geringstem Hinweis auf eine Infektion durch eine antibiotische Prophylaxe Komplikationen verhindert werden, z. B. mittels Amoxicillin kombiniert mit Clavulansäure, um die evtl. durch Anaerobier gebildete Betalaktamase zu hemmen (ggf. auch an Tetanus- und Tollwutimpfung denken).

2.12.6 Haemophilus

2.12.6 Haemophilus

▶ Definition.

Klassifikation: Tab. D-2.30 gibt einen Überblick.

≡ D-2.30

Haemophilus influenzae

▶ Definition. Haemophilus ist gekennzeichnet durch den Bedarf an verschiedenen Wachstumsfaktoren, die im Blut vorkommen (hämophil!). Es handelt sich um zarte, kokkoide, unbewegliche, nicht sporenbildende, gramnegative, oftmals bekapselte Stäbchen aus der Familie der Pasteurellaceae

Klassifikation: Tab. D-2.30 gibt einen Überblick über die humanmedizinisch relevanten Arten. Verwandt sind auch Keime der Gattung Aggregibacter, z. B. Aggregibacter aphrophilus, Aggregibacter segnis und Aggregibacter actinomycetemcomitans, die gelegentlich als Erreger von Wundinfektionen, speziell im Periodontalbereich, in Erscheinung treten und ebenfalls zu den Pasteurellaceae gehören.

≡ D-2.30

Humanmedizinisch relevante Spezies der Gattung Haemophilus

Spezies

Bedeutung

H. aegyptius

Verursacher einer infektiösen Konjunktivitis und des brasilianischen Purpurafiebers

H. ducreyi

Verursacher des Ulcus molle

H. haemolyticus

apathogener Besiedler des Nasopharynx

H. influenzae

bedeutender Meningitiserreger bei Kindern, chron. Bronchitis

H. parahaemolyticus

Infektionen der Mundhöhle, Endokarditis

H. parainfluenzae

selten bei Endokarditis isoliert

Haemophilus influenzae Geschichtliches: Der heute etwas irreführende Name Haemophilus influenzae geht auf Richard Pfeiffer zurück, einen Assistenten Robert Kochs, der 1892 in dem Bakterium den Erreger der Influenza entdeckt zu haben glaubte. Bei seinen Untersuchungen konnte er in allen Fällen aus dem eitrigen Bronchialsekret Grippekranker das Bakterium isolieren. Erst 1933 konnte schließlich von Smith, Andrewes und Laidlaw gezeigt werden, dass der Verursacher der Influenza ein Virus ist. Heute weiß man allerdings, dass die Influenzaviren ebenso wie andere Viren durch ihre Schleimhautschädigung den Boden für Sekundärinfektionen bereiten, unter denen tatsächlich diejenigen mit H. influenzae (neben S. aureus) häufig sind.

▶ Definition.

▶ Definition. Haemophilus influenzae sind kleine, zarte, unbewegliche, oft bekap-

selte, fakultativ anaerobe Stäbchenbakterien. Unbekapselte Stämme können auch fadenförmige Gebilde oder Ketten ausbilden. Alle Haemophilus-Arten benötigen Wuchsfaktoren aus dem Blut (Hämin, NAD, NADP). Manche Bakterien (z. B. S. aureus) sezernieren bei ihrem Wachstum viel NAD in das Nährmedium, sodass Haemophilus in Nachbarschaft dieser Kolonien wächst (Ammen- oder Satellitenphänomen, Abb. D-2.68).

Bakterien der Gattung Haemophilus benötigen bestimmte Wachstumsfaktoren aus dem Blut. Während H. influenzae sowohl von dem Faktor X, nämlich Hämin, als auch dem Faktor V, nämlich NAD bzw. NADP (Nikotinamid-Adenin-DinukleotidPhosphat), abhängig ist, brauchen andere Arten nur den einen oder den anderen Faktor. Ein üblicher bluthaltiger Nährboden enthält nicht genügend NAD oder NADP. Manche Bakterien jedoch, z. B. S. aureus, bilden bei ihrem Wachstum große Mengen NAD und sezernieren dies in das Nährmedium. Haemophilus influenzae kann deshalb in unmittelbarer Nachbarschaft von S.-aureus-Kolonien auch auf einfachem Blutagar wachsen. Dies wird als Ammen- oder Satellitenphänomen bezeichnet (Abb. D-2.68).

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D

⊙ D-2.68

437

2.12 Diverse gramnegative aerobe Stäbchenbakterien

⊙ D-2.68

Ammenphänomen In der Nähe von Staphylococcus aureus (Querstrich) wachsen auch auf einfachem Blutagar Satellitenkolonien von Haemophilus influenzae. Deutlich größere Kolonien in der Nähe der Amme. (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 126, Bakterielle Infektionen 1986)

Klassifikation: Wichtiges Klassifikationskriterium ist die biochemische Struktur der Polysaccharide, die die Kapsel bilden. Man unterscheidet die Serovare a bis f. Die größte Bedeutung hat Haemophilus influenzae Typ b, der für ca. 95 % aller schweren Hämophilusinfektionen bei Kindern verantwortlich ist. Seit Einführung der Impfung sind solche Stämme jedoch sehr selten geworden.

Klassifikation: Nach dem biochemischen Aufbau der Bakterienkapsel unterscheidet man die Serovare a–f. Die größte Bedeutung hat Haemophilus influenzae Typ b.

Epidemiologie: Unbekapselte H. influenzae gehören zur Normalflora des Menschen. In Abhängigkeit vom Lebensalter stellt der Keim zwischen 1,8 % (bei Kindern) und 0,15 % (bei Erwachsenen) der menschlichen Gesamtflora. Erkrankungen durch bekapselte Stämme werden durch Tröpfchenübertragung initiiert. Infektionsquellen sind kranke und gesunde Keimträger. Nach Einführung der Schutzimpfung ist die Zahl der schweren Infektionen bei Kleinkindern drastisch zurückgegangen.

Epidemiologie: Erkrankungen durch bekapselte Stämme erfolgen durch Tröpfchenübertragung von Kranken oder gesunden Keimträgern.

Pathogenese: H. influenzae ist ein Keim der Schleimhaut der oberen Luftwege, der bei Erwachsenen in bis zu 50 %, bei Kindern in bis zu 75 % nachgewiesen werden kann. Allerdings handelt es sich dabei meistens um unbekapselte und damit gering virulente Stämme. Auch unbekapselte Stämme können zumindest lokal in der Schleimhaut eitrige Infektionen hervorrufen. Über die Pathogenitätsmechanismen bestehen noch Unklarheiten, wobei aber diese Bakterien sich offensichtlich zwischen den Epithelzellen den Weg in die Submukosa bahnen (Abb. D-2.69). Begünstigt wird die Invasion der Hämophilusbakterien, wenn die Epithelbarriere vorgeschädigt ist, etwa durch Nikotin (Abb. D-2.70a und Abb. D-2.70b). Der „Raucherhusten“ wird überwiegend durch eine chronische Infektion der Bronchialschleimhaut mit H. influenzae bedingt, die zur natürlichen Flora gehören. Der wichtigste, aber nicht alleinige Pathogenitätsfaktor ist sicherlich die Kapsel, die das Bakterium nach Eindringen in das Gewebe vor der Phagozytose schützt und eine Rolle beim Invasionsverhalten spielt. Wichtig ist aber auch die Bildung einer IgA-Protease, was die lokale Immunabwehr auf der Schleimhaut schwächt.

Pathogenese: H. influenzae ist ein Keim der Schleimhaut der oberen Luftwege. Die Kapsel ist ein wichtiger, aber nicht der einzige Pathogenitätsfaktor. Auch unbekapselte Stämme können Infektionen hervorrufen. Von Bedeutung ist auch eine IgA-Protease.

⊙ D-2.69

Vergleich der Penetrationsmechanismen von Neisseria meningitidis bzw. Haemophilus influenzae in die Bronchialschleimhaut

Zilien, die z.T. aus dem Schleim herausragen Schleimschicht

⊙ D-2.69

Während Meningokokken (Diplokokken) nach Adhäsion an der Zelloberfläche eine Internalisierung induzieren und transzellulär diese Barriere passieren und bis ins Blut gelangen, kann Haemophilus (Stäbchen) sich zwischen den Epithelzellen hindurch einen Weg bahnen. Dort werden sie von Makrophagen attackiert.

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438 ⊙ D-2.70

D

2 Spezielle Bakteriologie

Respiratorisches Epithel der Bronchialschleimhaut

a

b (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 125, Bronchopulmonale Infektionen 1986)

a Normale Zilien. b Schleimhautbefund bei einem starken Raucher. Der Zilienapparat ist weitgehend zerstört, in der Mitte des Bildes fehlt das respiratorische Epithel völlig.

Klinik: Erkrankungen betreffen vor allem Kinder zwischen dem 6. Lebensmonat und dem 4. Lebensjahr. In 95 % ist dabei der Serotyp b der Erreger. Zwei Krankheitsbilder bestimmen das Infektionsgeschehen: ■ Meningitis ■ akute Epiglottitis (Larynxstenose).

Weitere Erkrankungen: Osteomyelitis, Perikarditis.

Bei Erwachsenen kommt es überwiegend zu Sekundärinfektionen (z. B. Bronchopneumonie nach Influenza und chronische Bronchitis bei Rauchern).

Klinik: H.-influenzae-Erkrankungen betreffen vor allem Kinder zwischen dem 6. Lebensmonat und dem 4. Lebensjahr. In 95 % ist dabei der Serotyp b der Erreger. Kinder unter 6 Monaten haben eine Leihimmunität der Mutter („Nestschutz“), Kinder über 4 Jahren entwickeln eigene Antikörper. Zwei Krankheitsbilder bestimmen das Infektionsgeschehen: ■ Meningitis: Sie lässt sich klinisch nicht von der Meningokokken-Meningitis unterscheiden und hat eine sehr hohe Letalität (unbehandelt mehr als 80 %, behandelt 10–20 %) oder hinterlässt schwere Folgeschäden. ■ akute Epiglottitis (Larynxstenose): Sie beginnt plötzlich mit hohem Fieber und kann innerhalb kürzester Zeit in ein fulminantes Stadium übergehen. Seit Einführung der Impfung treten solche Stämme mit der Kapsel b nur noch ganz selten auf. Bei Sinusitis und Otitis media findet man neben Pneumokokken und Moraxella auch H. influenzae, wobei auch unbekapselte Stämme gefunden werden. Weitere Erkrankungsmanifestationen sind unter anderem Osteomyelitis und Perikarditis. In den ersten Jahren nach einer Splenektomie sind die Patienten ernsthaft von einer „overwhelming postsplenectomy infection“ (OPSI) (S. 344) bedroht, da solche Bakterien (wie auch Pneumokokken, Klebsiellen u. a.) eine fulminante Sepsis hervorrufen können, wenn der „Filter“ für bekapselte Bakterien, die Milz, wegfällt. Splenektomierte Patienten müssen daher gegen Haemophilus influenza Typ B, Pneumokokken und Meningokokken regelmäßig geimpft werden. Bei Erwachsenen kommt es überwiegend zu Sekundärinfektionen, so z. B. wenn sich im Gefolge einer Influenza eine Bronchopneumonie entwickelt oder eine chronische Bronchitis akut exazerbiert. Bei Rauchern, bei denen durch Nikotin und andere Gifte im Rauch eine Schädigung der Zellen der Bronchialschleimhaut eingetreten ist, können solche parasitären Besiedler der Schleimhaut diese geschwächte Barriere leicht überwinden und eine chronische Bronchitis (Raucherhusten) erreichen (Abb. D-2.70). Dabei sind meist unbekapselte, körpereigene Stämme Verursacher. An der exazerbierten Chronic Obstructive Pulmonary Disease (COPD) sind neben Haemophilus noch andere Bakterien beteiligt.

Krankheitsfolgen: 30 % der Kinder mit Meningitis erleiden neurologische Folgeschäden.

Krankheitsfolgen: Bei Kindern, die eine hämophilusbedingte Meningitis überstanden haben, muss in ca. 30 % der Fälle mit neurologischen Folgeschäden gerechnet werden. Die chronischen Bronchitiden bei Rauchern führen zu einer zunehmenden Verschlechterung der Atmung.

Nachweis: Der Erregernachweis erfolgt kulturell auf Kochblutagar oder zusammen mit S. aureus als Amme.

Nachweis: Der Erregernachweis erfolgt kulturell aus Liquor, Blut, Sputum etc. Besonders geeignet zur Anzucht ist Kochblutagar. Dabei werden durch vorsichtiges Aufkochen des Blutagars (ca. 80 °C) die Wuchsfaktoren aus den Erythrozyten freigesetzt. Der rote Blutagar nimmt dabei eine mittelbraune Farbe an. Kochblutagar wird deshalb irreführend auch als Schokoladenagar bezeichnet. Nach 1–2-tägiger Bebrütung bei 37 °C entstehen kleine, durchscheinende, glatte Kolonien. Parallel dazu wird in der Regel auch eine Anzucht auf normalem Blutagar zusammen mit S. aureus als Amme versucht (Abb. D-2.68). ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

D

439

2.12 Diverse gramnegative aerobe Stäbchenbakterien

▶ Merke. Der Nachweis von H. influenzae in Liquor und Blut ist nach IfSG mel-

▶ Merke.

depflichtig. Eine Isolation des Erkrankten sollte erwogen werden, wenn sich Kleinkinder im Lebensbereich des Kranken infizieren können und nicht geimpft sind. Therapie: Therapeutikum der Wahl ist klassischerweise Ampicillin. Wichtig ist, dass die Behandlung so früh wie möglich begonnen wird. In letzter Zeit häufen sich Berichte aus den USA über plasmidcodierte Ampicillinresistenzen. In Deutschland werden bei 5 % der Isolate Ampicillinresistenzen beobachtet. Als Alternativtherapeutika kommen Cephalosporine der 3. Generation infrage oder Chinolone bzw. auch Makrolide (z. B. Clarithromycin).

Therapie: Mit der Therapie muss möglichst frühzeitig begonnen werden. Mittel der Wahl ist Ampicillin, alternativ Cephalosporine der 3. Generation.

Prophylaxe: Zur Sanierung von Keimträgern und zur Chemoprophylaxe von Kontaktpersonen hat sich die 4-tägige Gabe von Rifampicin oder die 1-malige Gabe von Ciprofloxacin bewährt. Splenektomierte und Kinder ab 3 Monaten sollten durch eine aktive Schutzimpfung immunisiert werden. Der Impfstoff besteht aus gereinigtem Polysaccharid der Kapsel von H. influenzae Typ b. Eine Immunität entsteht also ausschließlich gegen diese Stämme, die allerdings für die bedrohlichsten Krankheiten verantwortlich sind. Da dieses bakterielle Produkt jedoch nur ein Hapten darstellt, muss es an einen Träger gebunden werden, z. B. an Diphtherietoxoid. Da aber die Menge an Diphtherieantigen sehr klein ist, kommt dadurch keine messbare Immunität – selbst keine Boosterung – gegen Diphtherietoxin zustande. Dabei ist für Kinder unter 18 Monaten eine 3-malige Verabreichung des Impfstoffes nötig, um eine ausreichende Immunantwort zu erreichen. Bei älteren Kindern genügt eine Impfdosis.

Prophylaxe: Kinder sollten durch eine aktive Schutzimpfung immunisiert werden. Zur Sanierung von Keimträgern und zur Chemoprophylaxe bei Kontaktpersonen hat sich die Gabe von Rifampicin oder von Ciprofloxacin bewährt.

▶ Exkurs. Die Hib-Impfung kann als Kombination mit anderen Totimpfstoffen, z. B. Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Hepatitis B und Polio, verabreicht werden.

▶ Exkurs.

Haemophilus aegyptius

Haemophilus aegyptius

H. aegyptius ist der Erreger einer hauptsächlich im warmen Klima Nordafrikas auftretenden kontagiösen Konjunktivitis sowie des sogenannten brasilianischen Purpurafiebers (hämolytische Purpura), die als fulminante Sepsis imponiert. Diagnose und Therapie sind mit H. influenzae identisch, zumal man annimmt, dass H. aegyptius nur eine biologische Variante dieses Keimes ist.

H. aegyptius ist der Erreger der kontagiösen Konjunktivitis und des brasilianischen Purpurafiebers. Diagnose und Therapie sind mit H. influenzae identisch.

Haemophilus ducreyi

Haemophilus ducreyi

H. ducreyi ist nur entfernt mit Haemophilus verwandt. Er ist der Erreger des Ulcus molle, einer Geschlechtskrankheit (Abb. D-2.71), die in Mitteleuropa und Amerika selten, in Südafrika jedoch häufig anzutreffen ist. Die diagnostische Abgrenzung zum luetischen Primärstadium ist relativ einfach und in Tab. D-2.32 dargestellt. Die Anzüchtung des Erregers ist prinzipiell möglich, erfordert jedoch den Einsatz von Spezialmedien. Die Diagnose wird deshalb häufig nach der Anamnese, dem klinischen Befund, dem mikroskopischen Bild (bipolar gefärbte Stäbchen) sowie PCR gestellt. Als Therapeutika kommen Cotrimoxazol, Chinolone, Cephalosporine der 3. Generation und Makrolide infrage. Die Prognose der Krankheit ist gut.

H. ducreyi ist der Erreger des Ulcus molle, einer bei uns relativ seltenen Geschlechtskrankheit (Abb. D-2.71). Die Diagnose wird nach dem klinischen Befund und dem mikroskopischen Bild (bipolar gefärbte Stäbchen) gestellt. Die Therapie erfolgt mit Cotrimoxazol, Chinolonen und Makroliden, die Prognose ist gut.

⊙ D-2.71

Tief reichendes Ulkus im Bereich des Präputiums

⊙ D-2.71

(Röcken M, Schaller M, Sattler E et al. Taschenatlas Dermatologie. Thieme; 2010)

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440

D

2.13

2.13 Spirochäten

Spirochäten

2 Spezielle Bakteriologie

Dirk Schlüter ▶ Definition.

Klassifikation: Die Spirochaetales beinhalten 2 humanmedizinisch relevante Familien: ■

Spirochaetaceae mit den Gattungen Treponema und Borrelia

Leptospiraceae mit der Gattung Leptospira. Bedeutung: Von humanmedizinischem Interesse sind die Gattungen Treponema und Borrelia. ■

2.13.1 Treponema ▶ Definition.

▶ Definition. Die Ordnung der Spirochaetales beinhaltet 4 Familien, von denen die 2 Familien der Leptospiraceae und die Spirochaetaceae humanpathogene Bakterien beinhalten. Spirochäten sind spiralig gekrümmte, im Vergleich zu ihrem Durchmesser (0,1–3 μm) unproportional lange (bis 250 μm), gramnegative Bakterien. Sie sind in der Regel beweglich, wobei sie sich von den Spirillen dadurch unterscheiden, dass ihr Zellleib nicht starr, sondern als gewundener Zytoplasmaschlauch in sich beweglich ist.

Klassifikation: Die Spirochaetales beinhalten zwei Familien humanpathogener Bakterien: ■ Die Spirochaetaceae mit den humanmedizinisch wichtigen Gattungen Treponema (Tab. D-2.31) und Borrelia (Tab. D-2.34) und ■ die Leptospiraceae mit der Gattung Leptospira (S. 449) Bedeutung: Von humanmedizinischem Interesse sind die Gattungen Treponema und Borrelia aus der Familie der Spirochaetaceae. Daneben gibt es zahlreiche im Darm von Tieren, im Boden und Oberflächenwasser lebende Spirochäten, denen keine medizinische Bedeutung zukommt, darunter Spirochaeta plicatilis, eines der größten Bakterien überhaupt, mit einer Abmessung von 0,75 × 250 μm.

2.13.1 Treponema ▶ Definition. Treponemen sind dünne (ca. 0,2 μm), 5–20 μm lange Schraubenbakte-

rien mit 10–20 Windungen. Sie können sich in flüssigen Medien rotierend und gelegentlich undulierend fortbewegen. Klassifikation: Tab. D-2.31.

≡ D-2.31

Klassifikation: Tab. D-2.31 gibt einen Überblick über die humanmedizinisch interessanten Arten.

≡ D-2.31

Treponema-Arten von humanmedizinischem Interesse

Spezies

Vorkommen

Infektionskrankheit

pathogene Arten ■

T. carateum

Hautläsionen

Pinta



T. pallidum subspecies pallidum*

Hautläsionen und innere Organe

Lues



T. pallidum subspecies endemicum*

Hautläsionen

Bejel



T. pallidum subspecies pertenue*

Hautläsionen

Frambösie



T. vincentii

Mundhöhle

Plaut-Vincent-Angina

apathogene Arten ■

T. minutum

Genitalschleimhaut



T. phagedenis

Genitalschleimhaut



T. denticola

Mundhöhle



Brachyspira aalborgi

Darmschleimhaut

nur Kolonisierung

* Die 3 Subspezies unterscheiden sich genetisch kaum voneinander; sie werden vielmehr aufgrund von unterschiedlichen klinischen Verläufen getrennt.

Treponema pallidum subsp. pallidum

Treponema pallidum subsp. pallidum Geschichtliches: Der Ursprung der Syphilis liegt im Dunkeln. Während Anhänger der „präkolumbianischen Theorie“ immer wieder zu beweisen versuchen, dass die Syphilis schon im Altertum auch in der Alten Welt vorgekommen ist, geht die „kolumbianische Theorie“ davon aus, dass die Seeleute im Gefolge von Christoph Kolumbus die Erreger aus der Neuen Welt nach Europa brachten. Historisch eindeutig verbürgt ist die sehr schwer verlaufende Syphilisepidemie, die 1494/95 bei der Bela-

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D

441

2.13 Spirochäten

gerung Neapels durch den französischen König Karl VIII. ausbrach und sich von dort pandemisch über Europa ausbreitete (Französische Krankheit). Der Begriff „Syphilis“ wurde 1530 vom Veroneser Gerolamo Fracastoro, „Lues“ vom Franzosen Jean Fernel etwa zur gleichen Zeit geprägt. Sie werden seither synonym gebraucht. Die Darstellung der Erreger gelang 1905 dem Zoologen Fritz Schaudinn und dem Dermatologen Erich Hoffmann. 1910 gelang Paul Ehrlich mit der Entwicklung von Salvarsan der Durchbruch in der Behandlung der Lues. Wagner v. Jauregg erhielt 1927 den Nobelpreis für seine Empfehlung, die progressive Lues durch eine Fieberkur nach Injektion von Malariaerregern zu bekämpfen. Bedeutung: Treponema pallidum subspecies pallidum ist der Erreger der Geschlechtskrankheit Syphilis (Synonym: Lues).

Bedeutung: T. pallidum subsp. pallidum ist der Erreger der Syphilis (Lues).

Epidemiologie: Die Lues ist weltweit verbreitet. Der einzige bekannte Wirt ist der Mensch. Der Durchseuchungsgrad ist regional sehr unterschiedlich. In Deutschland steigen die Fallzahlen deutlich an, insbesondere in Ballungsräumen. Im Jahr 2016 wurden in Deutschland ca. 7 200 Fälle gemeldet, wobei überwiegend homosexuelle Männer im Alter von 25–50 Jahren betroffen sind. Nur 7 % der Infizierten sind Frauen.

Epidemiologie: Die Lues ist weltweit verbreitet. Einziger Wirt ist der Mensch.

Pathogenese: Die Übertragung erfolgt immer direkt durch Kontakt mit dem Erkrankten, in der Regel beim Geschlechtsverkehr, weil diese Erreger außerhalb des Körpers extrem empfindlich gegenüber physikalischen und chemischen Einflüssen sind. Eintrittspforte für die Ansteckung sind kleinste Läsionen der scheinbar gesunden Haut und Schleimhaut. Betroffen sind der Genital- und Analbereich; selten sind extragenitale Manifestationen, z. B. in der Mundhöhle. Die klinische Manifestation wird wesentlich durch unspezifische und immunspezifische Abwehrreaktionen des Körpers und weniger durch Virulenzfaktoren der Erreger beeinflusst. Eine Sonderform stellt die diaplazentare Übertragung der Erreger nach dem 4. Schwangerschaftsmonat mit Infektion des Feten dar (Lues connata). Sofern es nicht zum Absterben der Frucht kommt, erfolgt die Geburt eines – sowohl körperlich als auch geistig – schwer geschädigten Kindes. Wichtig für die Klinik der Erkrankung ist die sehr lange Generationszeit der Erreger von ca. 35 Stunden.

Pathogenese: Die Übertragung erfolgt immer direkt durch Kontakt mit dem Erkrankten, in der Regel beim Geschlechtsverkehr. Eintrittspforte für die Ansteckung sind kleinste Läsionen der scheinbar gesunden Haut und Schleimhaut. Eine Sonderform stellt die diaplazentare Übertragung der Erreger dar (Lues connata).

Klinik: Seit 1837 (Ricord) wird der Krankheitsverlauf der Lues in drei Stadien eingeteilt: ■ Lues I (Primärstadium): Nach einer Inkubationszeit von durchschnittlich 3 Wochen entwickelt sich an der Inokulationsstelle der Primäraffekt. Man versteht darunter eine schmerzlose Induration, die später geschwürartig zerfällt (sog. harter Schanker, Abb. D-2.72a). Dieses Ulcus durum (zur Differenzialdiagnose des Ulcus molle siehe Tab. D-2.32) ist hoch kontagiös. Aus ihm entsteht durch Streuung der Erreger auf dem Lymphweg der Primärkomplex, d. h., es kommt zum – ebenfalls nahezu schmerzlosen – Anschwellen des lokalen Lymphknotens. Nach ca. 4 Wochen verschwindet dieses Stadium I auch ohne Therapie, um nach weiteren 4– 8 Wochen in die ■ Lues II (Sekundärstadium) einzumünden. Trotz einer heftigen humoralen Immunantwort haben sich die Erreger in der Zwischenzeit auf dem Lymph- und Blutweg ausgebreitet, was für den Betroffenen teilweise unbemerkt, teilweise mit uncharakteristischen Beschwerden wie Fieber, Abgeschlagenheit und Kopfschmerz einhergeht. Hauptsymptom der Lues II ist neben einer Polyadenopathie ein nicht juckendes, makulöses, mit dem Glasspatel wegdrückbares Exanthem, das neben dem Rumpf und den Beugeseiten der Extremitäten auch die Handflächen und Fußsohlen befallen kann (Abb. D-2.72b). Enanthemische Formen sind die Plaques muqueuses, mit grauweißen, opaken Flecken auf den Schleimhäuten. In diesen sowie den nässenden Exanthemen finden sich reichlich Erreger. Das Sekundärstadium der Lues ist ebenfalls kontagiös. Das Exanthem klingt nach 2–3 Wochen auch ohne Behandlung ab. Es kann während der folgenden Jahre immer wieder rezidivieren, wobei neben dem „Halsband der Venus“, einer Leukodermie im Halsbereich, und dem „Stirnband der Venus“, einer Anreihung von papulösen Syphiliden an der Stirn-Haar-Grenze, auch Condylomata lata im Genital- und Analbereich auftreten können. Die Lues II kann aber auch als Lues latens klinisch stumm enden, um plötzlich nach Monaten oder Jahren die

Klinik: Der klinische Verlauf der Lues lässt sich in 3 Stadien unterteilen: ■

Lues I (Primärstadium): An der Eintrittspforte entwickelt sich ein Primäraffekt (Abb. D-2.72a) und nach Befall des regionalen Lymphknotens ein Primärkomplex. Das Stadium ist hoch kontagiös und verschwindet auch ohne Therapie nach ca. 4 Wochen, um in die



Lues II (Sekundärstadium) einzumünden. Klinisch dominieren Exanthem und Enanthem (Abb. D-2.72b). Die Infektion ist generalisiert, und die Effloreszenzen sind kontagiös. Die Hauterscheinungen klingen nach 2–3 Wochen auch ohne Therapie ab. Die Lues II kann immer wieder rezidivieren oder als Lues latens klinisch stumm bleiben. Sie kann schließlich nach Monaten oder Jahren in die

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442 ⊙ D-2.72

D

2 Spezielle Bakteriologie

Lues (Moll, I. Duale Reihe Dermatologie. Thieme; 2016)

a Ulcus durum als Primäraffekt beim Mann an Glans und Präputium. b Hauptsymptom des Sekundärstadiums ist ein papulöses Exanthem.

a ■

b

Lues III (Tertiärstadium) übergehen. Dieses Stadium ist nicht mehr infektiös. Gefährlich ist die Ausbildung von Gummen (Granulome gummiartiger Konsistenz) subkutan und in inneren Organen und die dadurch eintretende Gewebedestruktion. An der Haut entsteht das serpiginöse Syphilid, im kardiovaskulären System eine Mesaortitis luetica mit Gefahr einer Aneurysmaausbildung. Bei Manifestation am ZNS kann es zu einer progredienten Paralyse (chron. Enzephalitis, Demenz) und Tabes dorsalis (Hyporeflexie, Ataxie) kommen.

Eine Spontanheilung kann in jedem Stadium auftreten.

≡ D-2.32

Lues III (Tertiärstadium) zu begründen. Die Syphilis ist jetzt sowohl an der Haut als auch in fast allen Organen lokalisiert, in diesem Stadium aber nicht mehr infektiös. Die Immunreaktion hat zwar die allermeisten Erreger beseitigt; dennoch haben sich einige wenige Keime in Nischen versteckt, wodurch die Entzündungsreaktion aufrechterhalten wird. An der Haut dominiert das serpiginöse Syphilid, eine girlandenförmige Anordnung schmerzloser Granulome, die ulzerieren und dann vernarben. Subkutan und in den inneren Organen bilden sich Knoten von gummiartiger Konsistenz, die Gummen. Die Lues III ist durch eine starke Gewebedestruktion gekennzeichnet, die selbst Knochen einbezieht. Besonders gefürchtet ist u. a. die Mesaortitis luetica, die die Gefahr einer Aneurysmabildung und einer Aortenruptur mit nachfolgender Massenblutung beinhaltet. Eine weitere Gefahr liegt in der Beteiligung des Zentralnervensystems. Typische Symptome bei Infektionen des ZNS sind eine progrediente Paralyse und die Tabes dorsalis. Die luetische Meningitis kann bereits im Stadium II auftreten. Die progressive Paralyse ist psychisch durch einen zunehmenden Abbau der intellektuellen Fähigkeiten und physisch durch Ataxie und Sprachstörungen geprägt. Die Tabes dorsalis ist bedingt durch eine Degeneration der Rückenmarkshinterstränge mit den entsprechenden neurologischen Ausfällen (u. a. Hyporeflexie). Auch eine Atrophie des N. opticus kann auftreten. Der geschilderte, klassische Verlauf der Lues tritt aber bei Weitem nicht bei jedem Patienten auf. In jedem Stadium kann eine Spontanheilung eintreten, sodass etwa nur bei der Hälfte der Infizierten das Spätstadium erreicht wird.



≡ D-2.32

Differenzialdiagnose venerischer Ulzera klinische Erscheinung

Ulcus durum

Ulcus molle

Nachweis: ▶ Merke.



schmerzlos



primär erhaben



derbe Konsistenz



schmerzhaft



wie „ausgestanzt“



weiche Ränder

Erreger Trepomena pallidum subsp. pallidum

Haemophilus ducreyi

Nachweis: ▶ Merke. Treponema pallidum ist in vitro praktisch nicht kultivierbar. Ein direkter

Erregernachweis ist nur mikroskopisch im Dunkelfeld möglich. Erfolgreich ist dieses Verfahren nur während der hoch kontagiösen Phasen der Lues, also aus dem Ulcus durum des Stadiums I, aus Hautläsionen des Stadiums II, aus Lymphknotenpunktaten bei Lues connata etc. In Einzelfällen kann auch die PCR zum direkten Erregernachweis eingesetzt werden. Beim mikroskopischen Nachweis im Dunkelfeldmikroskop sind falsch positive Ergebnisse möglich, da auch apathogene Treponemen vorkommen können!

Es wird ein möglichst klares Reizsekret gewonnen und unmittelbar mikroskopiert. In erregerreichen Sekreten sind dann zahlreiche Treponemen pro Gesichtsfeld zu finden. In erregerarmen Sekreten müssen mehrere Gesichtsfelder durchmustert werden, um eine Treponema zu finden. Wie bei allen mikroskopischen Direktuntersuchungen sind falsch positive Ergebnisse möglich, da apathogene Treponemen in der Genital-, Anal- und Oralregion vorkommen können. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

D

443

2.13 Spirochäten

Die serologische Diagnostik ist bei Lues vielfältig (Tab. D-2.33):

≡ D-2.33

Standard-Lues-Serologie

TPHA (bzw. TPPA)

FTA-Abs

VDRL

Bewertung

negativ

negativ

negativ

keine Lues oder absolutes Frühstadium. Bei klinischem Verdacht nach 3 Wochen wiederholen, dann evtl. positiver TPHA und FTA-Abs (TPHA und FTA-Abs werden frühestens 3 Wochen post infectionem positiv)

positiv

positiv

negativ

behandelte Lues („syphilitische Narbe“). Neuinfektion kann nicht absolut ausgeschlossen werden. Bei klinischem Verdacht nach 3 Wochen wiederholen, dann VDRL evtl. positiv (VDRL wird frühestens 6 Wochen nach Infektion positiv)

positiv

positiv

positiv

behandlungsbedürftige Lues





TPHA-Test (TPHA = Treponema-pallidum-Hämagglutinationstest) bzw. der gebräuchlichere TPPA-Test (T.-pallidum-Partikel-Agglutinationstest): Als Antigen dienen hier Proteine und Polysaccharide vom Treponema-pallidum-Stamm Nichols. Dies ist der bisher einzige T.-pallidum-Stamm (aus dem Gehirn eines Syphilitikers), der in Kaninchenhoden fortgezüchtet werden konnte. Die Antigene sind an Schaferythrozyten bzw. Gelpartikel gekoppelt. Bei Kontakt mit antikörperhaltigem Patientenserum kommt es zur makroskopisch sichtbaren Hämagglutination (Abb. D-2.73). Auch nach erfolgreicher Therapie bleibt dieser Test positiv (Seronarbe). Er eignet sich deshalb als spezifischer Suchtest, nicht jedoch zur Therapiekontrolle. FTA-Abs-Test (FTA-Abs = Fluoreszenz-Treponema-Antikörper-Absorbens-Test): Als Antigene dienen abgetötete Treponemen, die auf einen Objektträger aufgebracht sind. Diese werden mit Patientenserum überschichtet. Vorhandene Antikörper binden an die Antigene. Serum und nicht gebundene Antikörper werden nun abgespült. In einem zweiten Schritt wird der Objektträger mit einer Lösung überschichtet, die mit Fluoreszein markierte Antikörper gegen Humangammaglobulin enthält. Diese binden an die bereits gebundenen Treponemen-Antikörper und machen sie durch den Fluoreszenzfarbstoff somit sichtbar (Abb. D-2.74). Der FTA-

⊙ D-2.73

Treponema-pallidum-Hämagglutinationstest (TPHA) 1

2

1 : 80

1 : 160

1 : 320

1 : 640

⊙ D-2.74



TPHA-Test bzw. TPPA-Test: Der Test ist spezifisch und geeignet als Suchtest (Abb. D-2.73). Eine positive Reaktion bleibt jedoch sehr lange Zeit erhalten, sodass eine Aussage, ob eine behandlungsbedürftige Infektion oder eine ausgeheilte Lues vorliegt, nicht gemacht werden kann.



FTA-Abs-Test: Dieser Test sichert die Diagnose bei positivem TPPA- bzw. TPHATest. Nachgewiesen werden Antikörper im Serum durch Fluoreszenzmarkierung (Abb. D-2.74).

⊙ D-2.73

In Reihe ① wurde ein negatives Serum (ohne spezifische Antikörper) getestet. Die antigenbeladenen Erythrozyten werden nicht agglutiniert und sedimentieren knopfförmig. In Reihe ② enthält das getestete Patientenserum Antikörper; in den Verdünnungsstufen 1:80 und 1:160 werden die antigenbeladenen Erythrozyten agglutiniert, sodass ein Netzwerk entsteht. Ähnlich zu bewerten ist der gebräuchlichere TPPA, wobei anstelle der Erythrozyten Gelatinepartikel als Träger der Treponemaantigene fungieren. (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 117, Bakterielle Infektionen 1985)

Fluoreszenz-Treponema-Antikörper-Absorptionstest (FTA-Abs-Test)

⊙ D-2.74

Spezifische Antikörper gegen Treponema pallidum aus dem Patientenserum binden sich an Kulturtreponemen. In einem weiteren Arbeitsgang kann sich nun fluoreszenzmarkiertes Antihumanglobulin an diesen Komplex anlagern und ihn damit (über die Fluoreszenz) sichtbar machen. (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 117, Bakterielle Infektionen 1985)

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444

D



19S-FTA-IgM-Test, mit dem spezielle IgMAntikörper gegen Treponema pallidum nachgewiesen und somit die Diagnose Neuinfektion (= Lues I) gesichert wird.





Western-Blot-IgM-Test: Er dient zum Nachweis von IgM-Antikörpern gegen Proteine der Luesbakterien mittels Western Blot (Abb. D-2.75).





VDRL-Mikroflockungstest: Der Test ist nicht spezifisch, da Reagine auch bei anderen Krankheiten mit Gewebedestruktion entstehen, er kann aber sehr gut zur Verlaufskontrolle einer Luestherapie dienen.



⊙ D-2.75

2 Spezielle Bakteriologie

Abs-Test sichert die Diagnose bei positivem TPPA- bzw. TPHA-Test. Eine Sonderform dieses Tests ist der 19S-FTA-IgM-Test: Es handelt sich um den FTA-Abs-Test, der jedoch speziell die Frage nach dem Vorkommen von Treponemaantikörpern der Immunglobulinklasse M (Indikator für frische Infektion Diagnose der Lues I) beantwortet. Zu diesem Zweck werden die IgM entweder aus dem Patientenserum abgetrennt (Ultrazentrifugation u. a.), oder die Markierung der gebundenen Antikörper wird mit einer speziellen Anti-IgM-Antikörper-Präparation durchgeführt. Western-Blot-IgM-Test: Antikörper vom Patienten reagieren mit mehreren verschiedenen Proteinen der Luesbakterien, die auf einem Nitrozellulosestreifen nach Molekülgröße aufgetrennt sind (Abb. D-2.75). Wenn diese Antikörper der Klasse IgM angehören, was mittels Anti-Human-IgM-Antikörper festgestellt werden kann, so ist dies ein Zeichen für eine frische, therapiebedürftige Infektion. VDRL-Mikroflockungsreaktion (VDRL = Venereal Disease Research Laboratory): Im Laufe verschiedener Erkrankungen, darunter auch der Lues, treten im menschlichen Organismus Antikörper auf, die gegen Phospholipide gerichtet sind, welche beim Zellzerfall (z. B. Gewebedestruktion bei Syphilis) freigesetzt werden. Diese Antikörper werden Reagine genannt. Als Antigen zum Nachweis dieser Antikörper wird Cardiolipin verwendet, ein Phospholipid, das aus der inneren Membran von Mitochondrien von Rinderherzen gewonnen werden kann. Falsch positive Ergebnisse sind möglich, da Reagine auch bei Tumor-, Autoimmun- und anderen Erkrankungen auftreten. Da dieser Test jedoch bei Vorliegen einer Lues im Zuge der Therapie negativ wird, eignet er sich in seiner quantitativen Ausführung zur Therapiekontrolle.

⊙ D-2.75

Western-Blot-IgM-Test Auf den Nitrozellulosestreifen sind mehrere Proteinantigene von T. pallidum nach Molekülgröße getrennt aufgetragen. Die Streifen werden in einem positiven Kontrollserum (K) und im Patientenserum (P) getränkt. Die spezifischen Antikörper können fest binden und können danach nicht mehr ausgewaschen werden. Wenn dann diese vorinkubierten Streifen mit einem Antihuman-IgM-Antikörper, der mit Peroxidase markiert ist, getränkt werden, kann man diese Sandwich-Beladung sichtbar machen. Offensichtlich hat dieser Patient IgM-Antikörper gegen mehrere Proteinbanden von T. pallidum.

▶ Merke.

▶ Merke. Jeder erstmalige Nachweis einer behandlungsbedürftigen Lues ist nach In-

fektionsschutzgesetz meldepflichtig (nicht namentlich). Therapie: Mittel der Wahl ist Benzylpenicillin. Dabei besteht die Gefahr einer JarischHerxheimer-Reaktion (anaphylaktische Reaktion des Organismus, hervorgerufen durch eine massive Antigenüberschwemmung aus zerfallenen Bakterien als Folge der Antibiotikagabe). Durch Verabreichung von Kortikosteroiden kann dieser Gefahr begegnet werden.

Therapie: Mittel der Wahl ist Penicillin, da Resistenzen unbekannt sind. Bei Lues I und II werden 2,4 Mio. I.E. z. B. Depotpenicillin 14 Tage lang verabreicht. Bei Lues III muss die Dosis erhöht werden. Alternativ stehen bei Penicillinunverträglichkeit Erythromycin oder Tetrazykline zur Verfügung. Eine besondere Gefahr bei der Luestherapie ist die Jarisch-Herxheimer-Reaktion. Sie tritt 1–2 Stunden nach der ersten Applikation der Chemotherapeutika auf. Durch das massenhafte Absterben der Bakterien im Organismus unter der Antibiotikatherapie wird dieser mit Antigenen überschwemmt, was eine anaphylaktische Reaktion nach sich zieht. Durch Verabreichung von Kortikosteroiden kann dieser Gefahr begegnet werden.

Prophylaxe: Die Quelle der primären Infektion ist unbedingt ausfindig zu machen.

Prophylaxe: Größte Bedeutung kommt dem Ausfindigmachen der primären Infektionsquelle zu. Blutspenden, Stillen fremder Kinder oder Abgabe von Frauenmilch ist für Infizierte untersagt. Vor allem bei Geschlechtsverkehr unter Männern wäre die Verwendung von Kondomen wichtig. Die serologische Untersuchung einer Schwanll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

D

445

2.13 Spirochäten

geren auf eine Lues gehört zur Schwangerenvorsorge und das Ergebnis des Testes wird im Mutterpass dokumentiert. ▶ Klinischer Fall. Ein junger Mann bemerkt 14 Tage nach einem längeren Auslandsaufenthalt an seinem Penis ein hartes, schmerzloses Knötchen, das er jedoch nicht weiter beachtet. Wochen später ist das Knötchen verschwunden. Dem jungen Mann kommen nun aber Bedenken, und er sucht einen Urologen auf, der ihn an einen Hautarzt überweist. Dieser veranlasst einen TPHA-Test, einen FTA-Abs-Test sowie einen VDRL-Test. Alle Tests sind positiv. Da der junge Mann angibt, auch früher schon „so was Ähnliches“ gehabt zu haben, was im Ausland auch mit „irgendwas“ behandelt wurde, bleibt unklar, ob eine Neuinfektion vorliegt oder eine „syphilitische Narbe“. Es schließt sich ein 19S-FTA-IgM-Test an, der ebenfalls positiv ausfällt. Damit steht eine Lues I fest. Unter der Therapie fällt der VDRL-Test um mehrere Titerstufen ab, was als Erfolg der Therapie zu werten ist.

▶ Klinischer Fall.

Treponema pallidum subsp. Endemicum

Treponema pallidum subsp. Endemicum

In bestimmten Gebieten Asiens und Afrikas wird in Bevölkerungsgruppen, die in niedrigem Hygienestatus leben, Treponema pallidum subsp. Endemicum als Erreger von Bejel gefunden. Die Hautläsionen ähneln denen der Lues II, aber es kommt nicht zu einer Erregerpersistenz. Diese Krankheit ist keine venerische Infektion, sondern wird durch eine Schmierinfektion über Gegenstände des täglichen Lebens übertragen. Die serologischen Luestests werden wegen Kreuzantigenen aber positiv.

T. pallidum subsp. Endemicum ist Erreger von Bejel, einer luesähnlichen Infektion, die in Gebieten Asiens und Afrikas bei niedrigem Hygienestandard auftritt. Im Gegensatz zu Lues erfolgt die Übertragung über Schmierinfektion. Es besteht keine Erregerpersistenz.

Treponema pallidum subsp. Pertenue

Treponema pallidum subsp. Pertenue

Treponema pallidum subsp. Pertenue ist Erreger der Frambösie („Himbeerseuche“, engl. Yaws). Auch diese Krankheit wird in tropischen, feuchtwarmen Gegenden extragenital (d. h. nicht beim Geschlechtsverkehr) durch Kontakt von Mensch zu Mensch übertragen. Oft sind ganze Bevölkerungsgruppen betroffen. Es entstehen zunächst Papillome auf der Haut, die geschwürig zerfallen. Auch bei dieser Infektion fallen die serologischen Luestests positiv aus.

Die in feuchtwarmen Regionen der Erde mit niedrigem Hygienestandard endemischen Keime sind Erreger der Frambösie. Es treten Epidermisproliferationen auf. Die Übertragung erfolgt extragenital von Mensch zu Mensch.

Treponema carateum

Treponema carateum

In ländlichen Gegenden von Mittelamerika kommt bei der armen Bevölkerung durch Schmierinfektion eine Übertragung von Treponema carateum vor. Bei der Pinta entstehen der Lues ähnliche Hautläsionen, die aber ausheilen und dann hyperpigmentierte Flecken hinterlassen. Die serologischen Tests auf Lues werden positiv.

Bei der durch T. carateum hervorgerufenen Pinta treten Hautflecken charakteristischen Aussehens auf. Innere Organe sind nicht betroffen. Vorkommen in Mittelamerika.

Treponema vincentii

Treponema vincentii

Schon normalerweise kann Treponema vincentii in der Mundhöhle eines gesunden Menschen vorkommen. Wenn sie sich stark vermehren können und gleichzeitig auch anaerob wachsende Fusobakterien hinzukommen, kann eine Gingivostomatitis oder auch eine – meist einseitige – ulzerös nekrotisierende Angina (Angina PlautVincent, Abb. D-2.76a auftreten. Diese gutartige Fusospirochätose spricht gut auf eine Penicillintherapie an, heilt aber auch spontan aus, wenn nicht eine Abwehrschwäche besteht. Dann kann allerdings eine Nekrose entstehen, die auch über anatomische Grenzen hinweg fortschreitet und schwere Destruktionen („Noma“) hinterlässt (Abb. D-2.76b). Da keiner der beiden Erreger unter den üblichen Laborbedingungen kultivierbar ist, bleibt allein der mikroskopische Nachweis, eben die gleichzeitige Präsenz von Treponemen und fusiformen Stäbchen).

Dies ist zusammen mit Fusobakterien der Erreger der Fusospirochätosen. Die Plaut-Vincent-Angina ist die Fusospirochätose der Mundhöhle (Abb. D-2.76a). Es handelt sich um eine meist einseitige, nekrotisierende Tonsillitis mit guter Prognose. Der Erregernachweis erfolgt direkt mikroskopisch. Mittel der Wahl zur Therapie ist Benzylpenicillin. Nicht behandelt können bei Abwehrschwäche die Nekrosen fortschreiten (Noma, Abb. D-2.76b).

⊙ D-2.76

Durch Treponema vincentii hervorgerufene Erkrankungen a Angina Plaut-Vincenti: Typisch sind ein massiver Foetor ex ore und ein nur geringes Krankheitsgefühl beim Patienten. (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 134, Tonsillenerkrankungen 1989)

a

b

b Noma (Wangenbrand) bei einem unterernährten Kind aus Tschad. Nach anfänglicher Tonsillitis breitete sich die nekrotisierende Infektion aus. Therapie der Wahl wäre Penicillin gewesen. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

446

D

2.13.2 Borrelia

2.13.2 Borrelia

▶ Definition.

2 Spezielle Bakteriologie

▶ Definition. Borrelien sind zarte (0,2–0,5 μm dicke), relativ lange Spirochäten (bis

20 μm), die 3–10 ungleichmäßige Windungen aufweisen und sich durch Rotation lebhaft bewegen. Bemerkenswert ist, dass diese Bakterien im Gegensatz zu allen anderen kein zirkuläres, sondern ein lineares Chromosom besitzen. Außerdem enthalten sie oft zusätzlich noch > 20 lineare, aber auch zirkuläre Plasmide, die zusammen fast so viel genetische Information tragen wie die Hälfte des Chromosoms. Klassifikation: Die humanmedizinisch wichtigsten Arten sind in Tab. D-2.34 dargestellt. Der eigentliche Wirt und das Reservoir der meisten Borrelien sind Nagetiere. Als Vektoren dienen verschiedene Ektoparasiten.

Klassifikation: Tab. D-2.34.

≡ D-2.34

Übersicht über die Spezies des Genus Borrelia, die von humanmedizinischem Interesse sind

Art

Vektor

Verbreitung

typ. klin. Bild

Pediculus humanus (Kleiderlaus)

„weltweit“ (in Europa sehr selten) system. Infektion

Lederzecke

Afrika

system. Infektion

Läuserückfallfieber ■

B. recurrentis

Zeckenrückfallfieber ■

B. duttonii

Lyme-Krankheit ■

B. burgdorferi

Schildzecke (Ixodes)

Europa, Nordamerika

Arthritis



B. garinii

Schildzecke (Ixodes)

Europa

Neuritis



B. afzelii

Schildzecke (Ixodes)

Europa

Dermatitis



B. spielmanii

Schildzecke (Ixodes)

Europa

variabel

Bedeutung: Die Übertragung erfolgt immer durch Vektoren (Zecken, Läuse). Borrelien sind die Verursacher von: ■ ■

Rückfallfieber Lyme-Krankheit.

Borrelia burgdorferi, garinii und afzelii

Bedeutung: Die Übertragung der Borrelien erfolgt immer über lebende Vektoren (Zecken, Läuse). Borrelien verursachen beim Menschen zwei Arten von Krankheiten: ■ Rückfallfieber ■ Lyme-Krankheit. Aus didaktischen Gründen wird beim Rückfallfieber unterschieden zwischen dem Läuse- und dem Zeckenrückfallfieber.

Borrelia burgdorferi, garinii und afzelii Geschichtliches: Borrelia burgdorferi ist der Erreger der Lyme-Krankheit. Diese Borreliose war 1975 in der Kleinstadt Lyme im US-Bundesstaat Connecticut erstmals beobachtet und als „Lyme-Arthritis“ beschrieben worden. Burgdorfer et al. konnten 1982 den klassischen Erreger isolieren.

Epidemiologie: weltweites Vorkommen.

Epidemiologie: Die Lyme-Borreliose ist eine weltweit vorkommende Krankheit (s. auch Tab. H-1.2).

Pathogenese: Die Übertragung erfolgt durch Stich einer Zecke (Abb. D-2.77). Die Übertragungswahrscheinlichkeit steigt nach einer Saugzeit der Zecke von 12 Stunden deutlich an. Proteine der äußeren Borrelienmembran dienen der Adhäsion und induzieren die Freisetzung proinflammatorischer Zytokine. Borrelien können extrazellulär durch Kollagenfasern geschützt oder intrazellulär in Phagozyten jahrelang im Wirt überleben.

Pathogenese: Die Übertragung erfolgt in der Regel durch den Stich einer Zecke (Ixodes spec. bzw. Dermacentor, Abb. D-2.77). Die Borrelien werden aber nicht sofort übertragen, sondern meist erst nach einer Saugzeit der Zecke von mehr als 12 Stunden. In der äußeren Membran exprimieren die Borrelien je nach Habitat verschiedene Proteine (Osp = outer surface protein), welche einerseits als Adhäsine dienen, aber andererseits auch proinflammatorische Zytokine induzieren. Im Menschen bilden sie vor allem OspC, das eine humorale Immunreaktion auslöst. Da dieses Antigen verschiedene Epitope besitzt, die von Stamm zu Stamm variieren, ist die Spezifität der gebildeten Antikörper in Patienten verschieden, was vor allem für eine serologische Diagnostik und die Impfstoffentwicklung Konsequenzen hat. Borrelien können im Blut überleben, weil sie Komplementinhibitoren (z. B. Faktor H) an ihre Oberfläche binden. Borrelien können extrazellulär von den Kollagenfasern geschützt liegen oder auch intrazellulär in Phagozyten überleben, sodass sie über lange Zeit (Jahre) hinweg im Wirt persistieren können. Auch durch eine Variation von Oberflächenantigenen können sie die Immunreaktion unterlaufen (Immunevasion). Während B. afzelii am ehesten mit Hautaffektionen korreliert, ist B. garinii eher für neurologische und B. burgdorferi mehr für arthritische Symptome verantwortlich. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

D

⊙ D-2.77

447

2.13 Spirochäten

Infestation der Haut mit einer Schildzecke (Ixodes spec.)

⊙ D-2.77

(Moll, I. (Hrsg.): Duale Reihe Dermatologie. Thieme; 2016)

▶ Merke. Zecken können neben Bakterien (Tab. H-1.3) und Protozoen (Tab. H-1.4)

▶ Merke.

auch Viren (Tab. H-1.2) übertragen, die zu Infektionskrankheiten, wie beispielsweise der FSME = Frühsommer-Meningoenzephalitis (S. 213) führen können. Diese virale Meningitis wird oft mit der Borreliose verwechselt, ist allerdings viel seltener, denn nur etwa jede 1000. Zecke ist in Endemiegebieten mit diesem Virus infiziert. Gegen FSME steht eine Schutzimpfung zur Verfügung, nicht aber für Borreliose. Klinik: Die Lyme-Borreliose verläuft im klassischen Fall in mehreren Stadien: 1. Stadium (lokal in der Haut): An der Erregereintrittspforte (Zeckenstich) entsteht nach 4–8 Wochen ein Erythema (chronicum) migrans als Primäraffekt (Abb. D-2.78a), das in Ausdehnung, Farbintensität und Dauer variieren kann. Dieses Stadium kann von Fieber, Myalgien, Kopfschmerzen und Lymphknotenschwellungen begleitet sein. Ein Erythema migrans kann, muss aber nicht, nach der Infektion mit Borrelien auftreten! ■ 2. Stadium (Dissemination): Die Generalisation der Erreger beginnt etwa nach weiteren 3 Wochen. Es bestehen grippeartige Symptome. Eine kardiale und neurologische Symptomatik wird beobachtet. 80 % der Patienten entwickeln eine Meningopolyneuritis (Bujadoux-Bannwarth-Syndrom) mit Nervenparesen bzw. radikulären Schmerzen. Andere Patienten entwickeln eine Karditis, z. T. mit AV-Block. Manchmal kommt es auch zu einer Lymphadenosis cutis benigna, das sind bläuliche, derbe Hautknötchen von mehreren Zentimetern Durchmesser. Das 1. Stadium endet nach durchschnittlich 6 Monaten auch ohne Behandlung. ■ 3. Stadium (chronisch, persistierend): Dieses Stadium zeigt regionale Unterschiede. Während in den USA rezidivierende Arthritiden („Lyme-Arthritis“) dominieren, stehen neben der Arthritis in Europa die neurologischen Erkrankungen (Enzephalomyelitis mit Para- und Tetraplegie) und die Hautatrophie (s. u.) an erster Stelle. In jedem Stadium kann auch ohne Therapie eine Spontanheilung eintreten. Die zeitlichen Abstände zwischen den Stadien können erheblich variieren.

Klinik: An der Eintrittspforte des Erregers (Zeckenstich) entsteht ein Erythema chronicum migrans, das bis zu 6 Monaten bestehen kann (1. Stadium, Abb. D-2.78a). Ein 2. Stadium äußert sich grippeartig mit neurologischen oder kardialen Symptomen. Die 3. Phase der Krankheit ist durch Arthritiden bzw. Hautatrophie gekennzeichnet.

Krankheitsfolgen: Es besteht die Möglichkeit eines chronischen Stadiums. Dieses ist gekennzeichnet durch chronisch-erosive Arthritiden, rezidivierende Neuritiden, eine progressive Enzephalomyelitis und den Morbus Herxheimer (Acrodermatitis chronica atrophicans, Abb. D-2.78b). Bei Letzterem handelt es sich um eine Atrophie der Haut in blaubrauner Verfärbung, die vor allem die Extremitäten betrifft.

Krankheitsfolgen: Ein chronisches Stadium der Krankheit ist durch chronische Arthritiden, neurologische Ausfälle und den Morbus Herxheimer geprägt (Abb. D-2.78b).

Nachweis: Mikroskopischer Direktnachweis des Erregers oder Kultur (z. B. in einer Hautbiopsie) sind möglich. Die Präsenz im Blut ist jedoch sehr gering. Da die Generationszeit recht lang ist (7–20 Stunden), eignet sich die Kultur für die Routinediagnostik kaum. Ein molekularbiologischer Nachweis mittels PCR ist in Speziallabors auch möglich. Grundsätzlich wird die Labordiagnose durch den Antikörpernachweis im Serum gestellt. Während der verschiedenen Stadien einer Infektion dominieren jeweils Antikörper gegen unterschiedliche bakterielle Antigene. Immunologisch relevante Proteinantigene sind auf den Geißeln (Flagellin, p41) oder auf der äußeren Membran (OspA, OspC) lokalisiert. Das Protein VlsE auf der äußeren Membran wird nur während der Vermehrung in einem Wirt (in vivo) gebildet. In der Regel wird eine Stufendiagnostik mit einem ELISA zum Antikörpernachweis und bei positivem Ergebnis

Nachweis: Die zuverlässigste Diagnostik ist der Nachweis von Antikörpern in Verbindung mit dem klinischen Befund. Ein direkter molekularbiologischer Erregernachweis ist mittels PCR möglich.



In jedem Stadium kann auch ohne Therapie eine Spontanheilung eintreten.

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448 ⊙ D-2.78

D

2 Spezielle Bakteriologie

Borreliose (Moll, I.: Duale Reihe Dermatologie. Thieme; 2016)

a An der Eintrittspforte entwickelt sich ein Erythema migrans als Primäraffekt. b Das chronische Stadium ist u. a. gekennzeichnet durch die Acrodermatitis chronica atrophicans (livide Verfärbung, hier insbesondere der rechten Hand).

a

b

ein Immunoblot (Western Blot), der zum Nachweis von Antikörper im Serum oder Liquor gegen Borrelienantigene geeignet ist, durchgeführt. Einzelne Stämme von Borrelia burgdorferi und speziell von B. garinii sind heterogen in ihrer Antigenausstattung; die Major Proteins sind jedoch immer vorhanden. Bei neurologischer Symptomatik kann als Zeichen einer intrathekalen Immunreaktion der IgM-Antikörper auch im Liquor nachgewiesen werden. Der Nachweis intrathekal gebildeter Antikörper gelingt durch die Berechnung des borrelienspezifischen Antikörperindex (Liquor/Serum). Bei Neuroborreliose finden sich im Liquor auch erhöhte Werte des Chemokins CXCL13. Allerdings ist ein positiver serologischer Befund allein noch keine Therapieindikation, denn nur in Zusammenhang mit der Klinik kann die Bedeutung eines Laborbefundes interpretiert werden! Es gibt aber auch Fälle, in denen die Serologie trotz Infektion stumm bleibt, vor allem in der Frühphase einer Infektion. Ebenso können nach einer ausgeheilten Infektion hohe Antikörpertiter persistieren. Deswegen ist es ratsam, einen Titerverlauf zu bestimmen und streng mit dem klinischen Krankheitsbild zu korrelieren. Ungeeignet sind Antikörpernachweise in Gelenkflüssigkeit. Auch der Versuch, eine Immunreaktion mittels Lymphozytentransformationstest nachzuweisen, bringt keine Klärung über die Therapiebedürftigkeit einer Infektion. Weiterhin wird vom Borreliennachweis in den Zecken mittels PCR abgeraten. Therapie: Tetrazykline sind die Mittel der Wahl für die Frühinfektion. Alternativ Ampicillin, Cefuroxim oder Makrolide. Bei Spätmanifestationen, speziell bei neurologischen Komplikationen, gilt Ceftriaxon als Mittel der Wahl.

Therapie: Behandelt wird die klinisch manifeste Borreliose. Der Nachweis einer Zecke auf der Haut stellt keine Therapieindikation dar. Tetrazykline sind Mittel der ersten Wahl zur Behandlung der Hautinfektion. Alternativ, vor allem bei Schwangeren und Kindern, kommen Cefuroxim (bei oraler Gabe aber geringe Resorption!) oder Makrolide infrage. Bei Spätmanifestationen und bei neurologischen Komplikationen ist Ceftriaxon das Mittel der Wahl. Eine antibiotische Therapie muss mindestens über 14 Tage verabreicht werden. Rezidive sind dennoch möglich, weil die Erreger sich in unzugänglichen Nischen verstecken.

Prophylaxe: Eine sichere Prophylaxe, speziell eine Impfung, gibt es nicht.

Prophylaxe: In den Jahreszeiten, in denen die Zecken am aktivsten sind, d. h. im Frühjahr und im Herbst, sollte man in Endemiegebieten bei Waldspaziergängen lange Hosen, evtl. mit geschlossenem Bund, und ein langärmeliges Hemd bzw. Bluse tragen. Die Zecken sollten möglichst sofort mechanisch entfernt werden, denn in Endemiegebieten sind 20 % der adulten Zecken, 10 % der Nymphen und 1 % der Larven mit Borrelien infiziert, wobei gleichzeitig auch mehrere Borrelia-Arten vorkommen können. Eine Impfung gegen Borrelien gibt es nicht.

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D

449

2.13 Spirochäten

2.13.3 Leptospira

2.13.3 Leptospira

▶ Definition. Leptospiren sind bewegliche, sehr feine Spirochäten von nur 0,1–

▶ Definition.

0,2 μm Dicke und 10–20 μm Länge. Sie besitzen 12–24 gleichförmige Windungen und sind an den Enden abgebogen (kleiderbügelförmig). Klassifikation: Bakterien der Gattung Leptospira, die humanmedizinische Bedeutung haben, werden als Leptospira interrogans (sensu lato) bezeichnet. Diese Art unterteilt sich in ca. 200 Serovare. Tab. D-2.35 gibt einen Überblick über die humanpathogenen Leptospira-interrogans-Serogruppen und die von ihnen hervorgerufenen Infektionskrankheiten.

≡ D-2.35

Klassifikation: Von medizinischem Interesse ist nur L. interrogans, die sich in zahlreiche Serovare unterteilt (Tab. D-2.35).

Übersicht (Auswahl) über die Serogruppen von Leptospira interrogans, soweit sie von humanmedizinischem Interesse sind, und die von ihnen hervorgerufenen Infektionskrankheiten

Serogruppe

Krankheit

Schweregrad der Infektion

L. icterohaemorrhagiae

Morbus Weil

schwerste, meist ikterische Verlaufsform

L. canicola

Canicolafieber

mittelschwere Leptospirose

L. bataviae

Feld-, Schlamm-, Erntefieber

benigne, meist anikterische Leptospirosen

Epidemiologie: Leptospirosen sind typische Anthropozoonosen, die weltweit vorkommen. Die Übertragung erfolgt immer direkt oder indirekt vom Tier auf den Menschen. Der erkrankte Mensch spielt als Infektionsquelle in der Regel keine Rolle. In Deutschland erkranken jährlich ca. 60 Personen, meistens Männer > 60 Jahre.

Epidemiologie: Anthropozoonose. Der erkrankte Mensch spielt in der Infektionskette keine Rolle.

Pathogenese: Sowohl die Beweglichkeit als auch das Enzym Hyaluronidase befähigen die Leptospiren, durch kleinste Hautverletzungen oder durch die intakte Konjunktivalschleimhaut in den Körper einzudringen. Die Infektionen erfolgen dabei nicht nur direkt durch Kontakt mit infizierten Tieren (Mäusen, Ratten, Kaninchen, Hunden, Schweinen u. a.), sondern auch indirekt, z. B. durch Wasser, das den Urin infizierter Tiere enthält. Kanal- und Klärwerkarbeiter, Wassersportler, die in natürlichen Oberflächengewässern ihren Sport ausüben, Reisfeldarbeiter, aber auch „Schweinehüter“ etc. sind besonders betroffen.

Pathogenese: Die Infektion erfolgt durch Tierkontakt oder indirekt durch Wasser, das mit erregerhaltigem Tierurin kontaminiert ist. Die Keime gelangen über kleinste Hautläsionen oder über die intakte Konjunktivalschleimhaut in den Organismus.

Klinik: Bei Leptospirosen gibt es keinen Primäraffekt (Entzündungszeichen an der Eintrittspforte der Erreger). Die Erreger streuen hämatogen und können alle Organe des Körpers befallen, einschließlich des Zentralnervensystems. Aus völligem Wohlbefinden heraus – plötzlich und völlig unerwartet – treten Schüttelfrost und Fieber bis 40 °C auf. Charakteristisch sind Myalgien, z. B. Wadenschmerzen, neben Konjunktivitis, Erbrechen und Diarrhö. Zu unterscheiden sind ikterische (schwere) und nicht ikterische (leichtere) Formen. Der Ikterus ist Ausdruck einer Dysfunktion der Leber ohne Nekrose. Leptospirosen verlaufen in zwei Phasen. Die 3–7 Tage dauernde Septikämie wird vom Immunstadium abgelöst, das bis zu 40 Tage währen kann. Während dieser Phase können Organbeteiligungen zu Meningitis, Leber-, Nierenstörungen und kardiovaskulären Symptomen führen. Die schwerste Form einer Leptospirose ist der Morbus Weil, bei dem das Immunstadium besonders ausgeprägt ist. Tödliche Verläufe kommen vor.

Klinik: Urplötzlich einsetzender Schüttelfrost und Fieber bis 40 °C stehen am Beginn einer Leptospirose. Die Septikämie geht nach ca. 1 Woche in ein Immunstadium über, das bis zu 40 Tage dauern kann und in dem Organbefälle dominieren. Man unterscheidet ikterische und anikterische Formen. Die schwerste Form ist der Morbus Weil, bei dem die Organbeteiligung besonders ausgeprägt ist.

Nachweis: Im septischen Stadium kann ein direkter mikroskopischer Erregernachweis im Dunkelfeld aus Blut, Urin und Liquor versucht werden. Die PCR ist zum Erregernachweis geeignet. Die Anzüchtung auf speziellen Nährmedien (z. B. in flüssigem Peptonmedium mit 10 % Serumzusatz) ist zeitaufwendig (3–4 Wochen unter aeroben Bedingungen bei 27–30 °C). In kommerziellen Blutkulturflaschen können Leptospiren nicht wachsen. Die Serotypisierung gewachsener Leptospiren ist nicht einfach. Im Immunstadium kann ein Antikörpernachweis geführt werden.

Nachweis: Im septischen Stadium kann ein direkter Nachweis in der Dunkelfeldmikroskopie versucht werden. Sonst PCR möglich. Kulturelle und serologische Nachweise sind möglich, jedoch kompliziert und werden nur in Speziallabors durchgeführt.

▶ Merke. Nach dem Infektionsschutzgesetz ist der Nachweis von Leptospira interro-

▶ Merke.

gans und Tod an Leptospirose meldepflichtig. Therapie: Mittel der Wahl sind Penicillin oder Tetrazykline, die hoch dosiert im Frühstadium der Krankheit gegeben werden müssen.

Therapie: Mittel der Wahl sind Penicillin oder Tetrazykline.

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450 ▶ Merke.

D

2 Spezielle Bakteriologie

▶ Merke. Eine Therapie, die nach dem 5. Krankheitstag eingeleitet wird, kann den

Krankheitsverlauf kausal kaum mehr beeinflussen. Prophylaxe: Tragen von Schutzkleidung bei Arbeiten mit flüssigen Abfällen.

▶ Exkurs.

2.14

Weitere gramnegative, gebogene und schraubenförmige Stäbchenbakterien

Prophylaxe: Schutzmaßnahmen für gefährdete Personengruppen (Kanal-, Klärwerkarbeiter, Tierpfleger etc.) ist die Vermeidung von Feuchtigkeitskontakt durch entsprechende Schutzkleidung. ▶ Exkurs. Blut, das zum Zwecke eines direkten Erregernachweises entnommen wird, darf nicht mit Citrat versetzt werden, da dieses für Leptospiren außerordentlich toxisch ist. Als Antigerinnungsmittel ist 0,2 % Heparin oder 0,1 % Natriumoxalat geeignet.

2.14 Weitere gramnegative, gebogene und

schraubenförmige Stäbchenbakterien Dirk Schlüter

2.14.1 Campylobacter ▶ Definition.

Klassifikation: Tab. D-2.36.

≡ D-2.36

Bedeutung: Aus der Gruppe der Enteritiserreger sind C. jejuni und C. coli am bedeutendsten. Campylobacter sind die häufigsten Erreger von lebensmittelbedingten Enteritiden; Kinder sind besonders gefährdet. C. fetus ssp. fetus kann bei abwehrgeschädigten Menschen zu Organinfektionen führen. ▶ Merke.

2.14.1 Campylobacter ▶ Definition. Campylobacter sind schlanke, spiralig gekrümmte, bewegliche, gramnegative, nicht sporenbildende Stäbchen (campylo = griech.: gebogen).

Klassifikation: Tab. D-2.36 gibt einen Überblick über die wichtigsten Arten der Gattung Campylobacter.

≡ D-2.36

Spezies der Gattung Campylobacter und ihre natürlichen Standorte

Spezies

Vorkommen

klinische Bedeutung

C. coli

Vögel und Schweine

Enteritiserreger, reaktives Guillain-Barré-Syndrom

C. jejuni

zahlreiche Säuger und Vögel

Enteritiserreger, reaktives Guillain-Barré-Syndrom

C. lari

Möwen

Enteritiserreger, Bakteriämie

C. fetus

Schaf und Rind

zahlreiche Organinfektionen bei Abwehrschwäche, Bakteriämie

Bedeutung: Aus der Gruppe der Enteritiserreger sind C. jejuni und C. coli am bedeutendsten. Da beide Keime eng miteinander verwandt sind, werden sie aus Praktibilitätsgründen zusammenfassend als C. jejuni diagnostiziert. Campylobacter sind heute die häufigste Ursache von lebensmittelbedingten Enteritiden. Diese Infektionen treten hauptsächlich im Sommer und Herbst auf, besonders bei Kindern. Dauerausscheider gibt es praktisch jedoch nicht. C. fetus ssp. fetus wurde bei abwehrgeschwächten Patienten als Erreger bei Meningitis, Salpingitis, Peritonitis, Endokarditis, Cholangitis, Sepsis u. a. isoliert. ▶ Merke. Campylobacter-Enteritiden sind nach Infektionsschutzgesetz meldepflich-

tig. Epidemiologie: Häufige Kontamination von Lebensmitteln tierischen Ursprungs, insbesondere von Geflügel.

Epidemiologie: Viele Lebensmittel tierischen Ursprungs sind kontaminiert; ganz besonders häufig ist Geflügel betroffen. Gelegentlich können Campylobacter auch durch Kontakt mit lebenden Tieren übertragen werden. Selten findet eine Menschzu-Mensch-Übertragung statt. Pro Jahr werden ca. 75 000 Fälle gemeldet, wobei die Zahl in den letzten Jahren stetig ansteigt. Von der Infektion sind alle Altersgruppen sowie Männer und Frauen ungefähr gleich betroffen.

Pathogenese: Der genaue Pathomechanismus der Enteritis ist noch ungeklärt. Als immunpathologische Reaktion kann ein Guillain-Barré-Syndrom auftreten.

Pathogenese: Der genaue Pathomechanismus der Infektionen ist nicht völlig geklärt. C. jejuni produziert ein hitzestabiles Enterotoxin, dem hier sicherlich eine Bedeutung zukommt. Infolge einer Immunreaktion gegen bestimmte Strukturen von C. jejuni, wie z. B. gegen Lipopolysaccharide der äußeren Membran der Bakterien, kommt es wegen ähnlicher Strukturmerkmale (antigenes Mimikry) der Ganglioside der peripheren Nerven des Patienten zu einer Kreuzreaktion. Diese postinfektiöse Entzündung manifestiert sich als ein Guillain-Barré-Syndrom. 30 % aller Fälle von Guillain-Barré-Syndrom treten nach einer Infektion mit Campylobacter auf!

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D

451

2.14 Weitere gramneg., gebogene, schraubenförmige Stäbchen

▶ Exkurs. Beim Guillain-Barré-Syndrom (GBS) handelt es sich um eine akute Entzündung peripherer Nerven und Nervenwurzeln, die mit progredienten, distal beginnenden Lähmungen der Arme und Beine einhergeht. Neben einer Infektion kommen ursächlich auch Impfungen oder eine idiopathische Entstehung infrage.

▶ Exkurs.

Klinik: Zahlreiche Infektionen verlaufen asymptomatisch. Bei klinisch manifesten Infektionen entwickelt sich nach einer Inkubationszeit von 2–5 Tagen zunächst eine Prodromalphase, die durch atypische Zeichen wie Kopf- und Rückenschmerzen, Myalgien und subfebrile Temperaturen gekennzeichnet ist. Die akute Infektion mit C. jejuni manifestiert sich in zahlreichen wässrigen, breiigen Darmentleerungen. Bis zu 20 Stuhlgänge pro Tag komen vor, die von Bauchkrämpfen begleitet sind. Häufig sieht man auch Blutbeimengungen im Stuhl. Anfangs tritt auch eine Fieberzacke auf. Die Erkrankung heilt innerhalb von 7 Tagen spontan aus. Eine asymptomatische Ausscheidungsphase über mehrere Wochen ist möglich. Selten entwickelt sich ein Megakolon oder auch eine Pseudoappendizitis. Bei Immunsupprimierten kommt es zu Bakteriämie und zu längeren Erkrankungen. Seltene Folgeerkrankungen sind das Guillain-Barré-Syndrom und Arthritiden. Rezidive treten in ca. 5–10 % der Fälle auf.

Klinik: Die Infektion äußert sich nach einer Inkubationszeit von 2–5 Tagen gefolgt von einem Prodromalstadium mit Kopf- und Rückenschmerzen, Myalgien und subfebrilen Temperaturen sowie in wässrigen Durchfällen (oft mit Blutbeimengungen) und Fieber.

Nachweis: Der Erregernachweis erfolgt aus frischem Stuhl. Campylobacter können auf Blutagar in einer mikroaerophilen Atmosphäre (5 % O2 und 10 % CO2) kultiviert werden. Das mikroaerophile Milieu wird in begasbaren Brutschränken oder in sogenannten Topfsystemen auf chemischem Wege erzeugt (teilweise Bindung von Luftsauerstoff und Erzeugung von CO2 in einem hermetisch verschließbaren Topf oder Plastikbeutel). C. fetus benötigt eine Wachstumstemperatur von 25 °C, C. jejuni eine von 42 °C (thermophil). Bei der Isolation aus Stuhl müssen dem Nährmedium Antibiotikamischungen zur Unterdrückung der Begleitflora zugesetzt werden. Direkte Erregernachweise mit PCR und Antigennachweisen sind möglich. Die Serodiagnostik mittels ELISA bzw. Western Blot ist allenfalls zur Klärung von postinfektiösen Komplikationen, z. B. Guillain-Barré-Syndrom, geeignet, aber nicht zur Klärung von akuter Diarrhö.

Nachweis: Campylobacter können auf Blutagar in einer mikroaerophilen Atmosphäre (5 % O2 und 10 % CO2) kultiviert werden. Die Wachstumstemperatur von C. fetus beträgt 25 °C, die von C. jejuni 42 °C.

Therapie: Bei Enteritiden erübrigt sich meistens eine gezielte Antibiotikatherapie, da die Infektion spontan ausheilt. Bei Immunsupprimierten, in klinisch schweren Fällen und bei systemischen Infektionen ist ein Makrolid (z. B. Azithromycin, Clarithromycin) das Mittel der Wahl. Chinolone sind in diesem Fall nur mäßig wirksam.

Therapie: Bei den Enteritiden erübrigt sich meist eine gezielte Antibiotikatherapie. In schweren Fällen Makrolide.

Prophylaxe: Gezielte prophylaktische Maßnahmen existieren in Europa nicht. (In der USA werden die Hühnchen mit Chlor behandelt und sind weitgehend frei von Campylobacter.) Da aber tiefgekühlte Geflügel, speziell auch Hühnerleber, ganz häufig kontaminiert sind, muss man damit rechnen, dass aufgetaute Hähnchen solche Erreger enthalten, die dann mit dem Fleisch selbst, aber auch mit den kontaminierten Gefäßen (Schüsseln) verbreitet werden. Das ausreichende Erhitzen (> 70 °C) von Nahrungsmitteln ist zu empfehlen. Da es zu Ausbrüchen durch kontaminierte Lebensmittel kommen kann, ist die namentliche Meldung einer Campylobacter-Infektion wichtig und in den §§ 6–9 des Infektionsschutzgesetzes geregelt.

Prophylaxe: Sorgfälige Küchenhygiene (aufgetaute Hähnchen sind häufig kontaminiert). Erhitzen der Speisen.

2.14.2 Helicobacter

2.14.2 Helicobacter

Geschichtliches: Die beiden australischen Wissenschaftler Marshall und Warren von der Universität in Perth hatten im Rahmen einer klinischen Studie 100 Magenbiopsate mikrobiologisch untersucht und dabei stets negative Ergebnisse erhalten. Eine dieser Proben war dann jedoch über die Osterfeiertage des Jahres 1983 im Brutschrank vergessen worden. Nach dieser zufällig 5 Tage langen Kulturzeit fand sich auf dem Nährmedium ein „neues“ Bakterium. Für den Nachweis von Helicobacter pylori als Erreger des Magenulcus erhielten die beiden Wissenschaftler 2005 jeweils hälftig den Medizinnobelpreis. ▶ Definition. Helicobacter ist ein schwierig zu isolierendes, gramnegatives, mikroaerophiles Stäbchenbakterium. Biochemisch ist die hohe Aktivität des Enzyms Urease bemerkenswert.

▶ Definition.

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452

D

2 Spezielle Bakteriologie

Klassifikation: Wichtigste Spezies ist H. pylori.

Klassifikation: Neben der wichtigsten Spezies Helicobacter pylori kommen beim Menschen noch H. cinaedi, H. fennelliae und noch weitere Arten vor. Bei Tieren sind noch viele weitere Arten beschrieben.

Bedeutung: H. pylori gilt als eine Ursache für die Antrumgastritis (Gastritis Typ B) und als Wegbereiter für die Ulcera duodeni und ventriculi. Die chronische Helicobacter-pylori-Infektion ist ein Risikofaktor für die Entstehung eines Magenkarzinoms und MALT-Lymphoms.

Bedeutung: Marshall postulierte einen pathogenetischen Zusammenhang zwischen der Besiedlung des Magens mit Helicobacter pylori und dem Auftreten von Gastritis und Ulkusleiden. Die zu diesem Zeitpunkt bestehende Vorstellung von der Genese der Gastritis sowie des Magen- und Duodenalulkus, die sich in der kurzen Formulierung „ohne Säure kein Ulkus“ wiederfindet, musste daraufhin von Grund auf neu überdacht werden. Heute wird Helicobacter pylori weltweit als eine Ursache für die chronische aktive Gastritis vom Typ B (Antrumgastritis) und als Wegbereiter für die Ulcera duodeni und ventriculi angesehen. Die chronische Besiedelung mit Helicobacter pylori ist ein wesentlicher Risikofaktor für die Entstehung eines Magenkarzinoms und MALT-Lymphoms. H. cinaedi, H. fennelliae und die anderen humanpathogegen Arten sind nicht im Magen, sondern in distalen Darmabschnitten als Enteritiserreger zu finden (z. B. Proktitis bei Homosexuellen).

Epidemiologie: Die Infektion mit H. pylori ist weit verbreitet (50 % der über 50-Jährigen). Sie führt aber nicht in allen Fällen zu manifesten Erkrankungen.

Epidemiologie: In den Industriestaaten ist die Infektion mit H. pylori weit verbreitet. Pro Altersjahrgang nimmt die Prävalenz um ca. 1 % zu, sodass etwa die Hälfte der 50-Jährigen diese Bakterien in der Magenschleimhaut hat, ohne dass dies immer gleich zu einer manifesten Erkrankung führt. In Ländern mit schlechtem Hygienestandard ist die Prävalenz noch höher. Offensichtlich wird der Erreger nur von Mensch zu Mensch übertragen.

Pathogenese: Virulenzfaktoren: ■ Urease dient dem Überleben der Erreger durch Neutralisation der Magensäure in deren Umgebung (Bildung basischer Ammoniumionen) und vermindert die Viskosität des Schleims. ■ Geißeln befähigen den Erreger, sich durch die Schleimschicht der Magenmukosa zu nähern. ■ Adhäsine ermöglichen die Anheftung an die Mukosazellen. ■ Zytotoxine (VacA) schädigt die Epithelzellen. ■ Lipid A (Endotoxin) wirkt ebenfalls inflammatorisch. Durch Immunevasion gelingt eine lange (lebenslange) Persistenz auf der Magenschleimhaut.

Pathogenese: Die Pathogenese der Helicobacter-pylori-assoziierten Gastritis und der peptischen Ulkuskrankheit ist noch teilweise ungeklärt. Ein entscheidender Virulenzfaktor beim Überleben auf der Magenschleimhaut ist die massive Produktion von Urease, wodurch basische Ammoniumionen gebildet werden, die im unmittelbaren Umkreis des Bakteriums die Magensäure neutralisieren. Dadurch wird auch in unmittelbarer Nähe des Bakteriums die Viskosität des Schleimes vermindert (Transition von Gel zu Sol), sodass Helicobacter mithilfe von 4–5 unipolaren Geißeln die Epithelzellen erreicht. Dort kann der Erreger mithilfe von Adhäsin (Bab A) an den Magenzellen andocken und über Jahre die Schleimhaut kolonisieren, wodurch zunächst allenfalls eine leichte, unterschwellige Entzündung entsteht. Eine Steigerung der Erkrankung kann durch die Bildung eines Zytotoxins (VacA) erfolgen, das die Epithelzellen schädigt. Dies führt zu einem entzündlichen Reiz, was eine Infiltration von Granulozyten und später Makrophagen bedingt. Die Virulenz eines Stammes wird noch gesteigert, wenn ein weiteres Gen (CagA) vorhanden ist. (Das Lipid A im Endotoxin von H. pylori ist aber 1000-fach weniger inflammatorisch als das von anderen gramnegativen Bakterien.) Auch das Immunsystem wird angeregt, und es entstehen spezifische Antikörper der Klassen IgA und IgG, ohne dass dadurch aber eine Ausheilung erreicht würde. Eine verstärkte Säureproduktion kann natürlich diese Entzündung der Magenschleimhaut aggravieren. Durch Immunevasion (hochgradige Antigenvariabilität, Mimikry zu menschlichen Blutgruppen, Suppression der T-Zell-vermittelten Immunreaktion) gelingt es den Bakterien, auch über lange Zeit (evtl. lebenslang) zu persistieren.

Klinik: Ulzerationen der Magen- und Duodenalschleimhaut mit epigastrischem Druckschmerz.

Klinik: Infektionen können lange Zeit asymptomatisch verlaufen. Bei Begünstigung durch Minderdurchblutung der Schleimhäute oder bei hoher Säureproduktion (Hyperazidität) können sich eine Gastritis und eine Ulzeration der Magen- (v. a. Antrum) und der Duodenalschleimhaut bilden, wobei der epigastrische Druckschmerz als Kardinalzeichen dominiert. Einige Zeit nach Nahrungsaufnahme kann er verstärkt werden („Nüchternschmerz“). Diese peptische Ulkuskrankheit geht auch mit Übelkeit und Brechreiz einher. Wenn das Corpus mitbetroffen ist und durch die chronische Entzündung eine Schleimhautatrophie entsteht, droht auch evtl. in späteren Jahren ein Adenokarzinom.

Nachweis: In der Regel erfolgt die Anzüchtung aus Gewebebiopsien.

Nachweis: Als Untersuchungsmaterial werden in der Regel Gewebebiopsien in das Labor angeliefert, aus denen dann die Anzüchtung erfolgt. ■ Kultur: Die Biopsate müssen in einem speziellen Transportmedium verschickt werden. Zur Anzüchtung ist ein Spezialnährboden erforderlich. Die Bebrütungstemperatur beträgt 37 °C in einem mikroaerophilen Milieu. Die Bebrütungsdauer für eine Primäranzüchtung beträgt bis zu 5 Tage.



Kultur: Wegen der Länge der Kulturdauer (5 Tage) ist dieses Verfahren nicht für die Routine geeignet.

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D



Die Kolonien sind klein (0,5–1 mm), glatt begrenzt, durchsichtig und zeigen eine diskrete Betahämolyse. Die endgültige Diagnose wird gestellt durch das Gram-Präparat, den positiven Ausfall von Oxidase, Katalase und Urease. Weiterhin sollte sich ein Agardiffusionstest mit 30-μg-Blättchen Nalixidinsäure (resistent) und Cefalotin (empfindlich) anschließen. Insgesamt muss festgestellt werden, dass die klassische mikrobiologische Diagnostik wegen der Länge der Kulturdauer, aber auch wegen der Unmöglichkeit der Materialeinsendung (Biopsat muss spätestens nach 4 Stunden im Labor sein) für die normale Patienten-Routineuntersuchung nicht ideal ist. Urease-Schnelltest: Eine spezifische Eigenheit von Helicobacter pylori ist die sehr große Aktivität des Enzyms Urease, das Harnstoff in Ammoniak und CO2 spaltet. Die dadurch bedingte pH-Verschiebung vom Neutralen ins Alkalische lässt sich mittels eines üblichen chemischen Farbindikators nachweisen (Abb. D-2.79). Ein mit Helicobacter pylori besiedeltes und mit bakterieller Urease förmlich „durchtränktes“ Gewebeteilchen eines Biopsiepartikels wird in ein Testmedium mit Harnstoff eingebracht und bei 37 °C für 20 Minuten inkubiert. In aller Regel fällt der Test bereits dann positiv aus. Bei negativem Ergebnis sollte eine nochmalige Ablesung nach ca. 3 Stunden erfolgen. Mit einer Sensitivität von ca. 90 % und einer Spezifität von etwa 95 % stellt dieser in mehreren Versionen handelsübliche Test ein praktisches Verfahren dar.

⊙ D-2.79

a

453

2.14 Weitere gramneg., gebogene, schraubenförmige Stäbchen

Urease-Schnelltest auf Helicobacter pylori



Urease-Schnelltest: Durch die Eigenheit von H. pylori, durch das Enzym Urease Harnstoff in Ammoniak und CO2 zu spalten (dadurch pH-Verschiebung), kann die Anwesenheit des Erregers meist innerhalb von 20 min durch einen Farbindikator nachgewiesen werden (Abb. D-2.79).

⊙ D-2.79

b

a Negatives Testergebnis. Kein Farbumschlag. b Positives Testergebnis, angezeigt durch die Rotfärbung, die durch die pH-Verschiebung entsteht. ■







PCR: Ein Nachweis spezifischer DNA-Sequenzen bringt in kürzester Zeit ein zuverlässiges Ergebnis. Auch Resistenz gegen Clarithromycin kann so identifiziert werden. Atemtest: Die bereits beschriebene extreme Ureaseaktivität kann auch für eine nicht invasive, ebenfalls indirekte Nachweismethode genutzt werden. Der Patient nimmt dabei markierten Harnstoff oral zu sich. Der Harnstoff enthält das Kohlenstoffisotop 13C oder 14C. Befindet sich Helicobacter pylori und damit eine entsprechend hohe Ureaseenzymaktivität im Magenepithel, wird dieser Harnstoff zu Ammoniak und CO2 abgebaut. Das Kohlenstoffisotop befindet sich im CO2 und verlässt den Magen mit diesem Gas über die Speiseröhre, um anschließend in der Ausatemluft aufzutauchen. Antigennachweis im Stuhl (mittels EIA): Dieser Test ist ähnlich empfindlich und spezifisch wie der Atemtest. Da er nicht belastend ist, eignet er sich besonders bei Kindern und als Therapiekontrolle. Serologie: Bei Helicobacter-Infektionen können hauptsächlich IgG- und seltener IgA-Antikörper nachgewiesen werden, während der IgM-Antikörpernachweis sich als nicht sinnvoll erwiesen hat. Die Serologie dient epidemiologischen Zwecken, nicht aber dem Nachweis einer aktiven Infektion.

Therapie: Bei einer manifesten Erkrankung muss zunächst die Hyperazidität durch Antazida, H2-Blocker oder Protonenpumpenhemmer bekämpft werden. Erfahrungsgemäß haben Wismutsalze eine starke antibakterielle Aktivität gegen H. pylori. Sie dürfen jedoch nicht länger als 4 Wochen verabreicht werden (zu erwähnen ist auch eine Verfärbung des Stuhls!). Heute wird diese Therapie oft kombiniert mit Antibiotika. Es stehen mehrere Therapieschemata zur Verfügung. Standard ist zuerst die Durchführung einer „Tripletherapie“, die aus einer Gabe von Amoxicillin oder Metronidazol in Kombination mit Clarithromycin und einem Protonenpumpeninhibitor besteht. Anwendung für 7 Tage zur Eradikationstherapie. Aufgrund zunehmender Clarithromycin-Resistenz von Helicobacter pylori wirkt die Tripletherapie nur noch



PCR: Zuverlässiger und schneller Nachweis spez. DNA-Sequenzen.



Atemtest: Die Ureaseaktivität kann auch für einen nicht invasiven Test genutzt werden. Nach Einnahme von radioaktiv markiertem Harnstoff spaltet H. pylori durch die Urease Harnstoff zu Ammoniak und CO2; das CO2 verlässt den Magen und wird in der Ausatemluft nachgewiesen.



Antigennachweis im Stuhl: empfindlicher und spezifischer Nachweis mittels EIA.



Serologie: Bestimmung von IgG-, seltener durch IgA-Antikörper. Nicht zur Diagnostik einer aktiven Infektion geeignet.

Therapie: Bei einer manifesten Erkrankung und Nachweis einer Helicobacter-pylori-Infektion muss zunächst die Hyperazidität durch Antazida, H2-Blocker oder Protonenpumpenhemmer bekämpft werden. Alternativ zur Antibiotikatherapie kann Wismut eingesetzt werden. Sehr gute Erfolge zeigt die Kombinationstherapie aus Antibiotika und Protonenpumpenhemmer. Bevorzugt werden Amoxicillin, Metronidazol und Makrolide, z. B. Clarithromycin für 7 Tage. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

454

D

2 Spezielle Bakteriologie

in ca. 70 % der Fälle. Im Falle eines Therapieversagens sollte eine Quadruple-Therapie mit Protonenpumpenhemmer, Tetrazyklin, Metronidazol und einem Bismutsalz durchgeführt werden. Diese Therapie ist in über 90 % effektiv, aber nebenwirkungsreicher. Der Therapieerfolg sollte labormedizinisch (s. o.) kontrolliert werden und bei zweimaligem Therapieversagen sollte eine kulturelle Resistenztestung des Erregers durchgeführt werden.

2.15

Bacteroidales, Fusobacteriaceae

2.15 Bacteroidales, Fusobacteriaceae Dirk Schlüter

▶ Definition.

Klassifikation: Es handelt sich um eine heterogene Gruppe, die in mehrere Genera unterteilt wird. Zu den Bacteroidales gehören die Familien der Bacteroidaceae inklusive Prevotellaceae, die Familie der Porphyromonadaceae und die Familie der Rikinellaceae. Verwandt sind die ebenfalls humanpathogenen Fusobactericeae (Tab. D-2.37).

≡ D-2.37

▶ Definition. Die Ordnung Bacteroidales und die Familie der Fusobacteriaceae besteht aus gramnegativen, nicht sporenbildenden, strikt anaerob wachsenden Stäbchenbakterien.

Klassifikation: Es handelt sich dabei um eine sehr umfangreiche heterogene Gruppe. Die Bacteriodales werden in mehrere Familien unterteilt von denen jedoch nur wenige Gattungen, nämlich Bacteroides, Porphyromonas, Prevotella, Alistipes und die Fusobakterien humanpathogene Erreger enthalten (Tab. D-2.37). Weitere Gattungen sind nur von geringem medizinischem Interesse.

≡ D-2.37

Humanmedizinisch relevante Arten der Familie Bacteroidaceae

Standort

Gattung

Spezies

Darm

Bacteroides



B. caccae



B. eggerthii



B. fragilis



B. stercoris



B. thetaiotaomicron



B. vulgatus



F. mortiferum



F. necrophorum

Alistipes



Alistipes putredinis

Bacteroides



B. splanchnicus



B. ureolyticus



F. gonidiaformans



F. necrophorum



P. bivia



P. disiens



B. capillosus



B. oralis



B. ureolyticus



P. buccae



P. denticola



P. intermedia



P. loescheii



P. melaninogenica



P. nigrescens



P. oris



F. necrophorum



F. nucleatum



F. sulci



P. asaccharolytica



P. endodontalis



P. gingivalis

Fusobacterium

Urogenitaltrakt

Fusobacterium Vagina Mundhöhle

Prevotella Bacteroides

Prevotella

Fusobacterium

Porphyromonas

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D

2.15 Bacteroidales, Fusobacteriaceae

455

Bedeutung: Während bei Säuglingen die Darmflora hauptsächlich von Laktobazillen geprägt ist, gewinnen nach der Nahrungsumstellung von Milch auf Vegetabilien und Fleisch die Bacteroides-Arten die Oberhand. Zusammen mit anderen anaeroben Bakterien (S. 22) stellen sie die führende Bakterienart im Kolon dar (1012 Keime/g Stuhl) und verdrängen dabei andere Bakterien (Statthalterfunktion). Sie sind hauptverantwortlich für die „Colonization resistance“. Ihre physiologische Rolle im Mikrobiom des Darms ist kaum zu überschätzen. Sie produzieren Butyrat (Buttersäure), welches für die Ernährung der Enterozyten des Darmepithels essenziell ist. Außerdem produzieren sie massenhaft Glukuronidasen, welche Medikamente, wie Östrogene und Herzglykoside, die in der Leber glukuronisiert und dadurch inaktiviert mit der Galle ausgeschieden werden, wieder deglukuronisieren und somit erneut resorbierbar machen. Sie ermöglichen damit den enterohepatischen Kreislauf von manchen Stoffen. Wird nun diese normale Darmflora gestört, z. B. durch Antibiotikatherapie, können Probleme durch Kolonisierung mit fremden, pathogenen, evtl. auch multiresistenten Bakterien und Pilzen entstehen. Aber nicht nur im Darm, sondern auch auf anderen Schleimhäuten, z. B. in Mund, Nasennebenhöhlen und Bronchialtrakt, kommen Bacteroidaceae in immenser Zahl vor.

Bedeutung: Zusammen mit anderen anaeroben Bakterien stellen die Bacteroides-Arten (S. 22) die führende Spezies im Kolon dar (1012 Keime/g Stuhl) und sind verantwortlich für die „Colonization resistance“.

Pathogenese: Infektionen mit gramnegativen Anaerobiern gehen praktisch immer von der eigenen Körperflora aus (endogene Infektionen). Sie sind häufig Mischinfektionen, an denen andere Anaerobier oder fakultativ anaerobe Bakterien beteiligt sind. Diese eitrigen Entzündungen entstehen, wenn Bacteroidaceae der Normalflora passiv in das Gewebe verschleppt werden und dort anaerobe Verhältnisse (niedriges Redoxpotenzial) vorfinden. Offensichtlich sind nicht alle Bacteroides-Arten gleichermaßen pathogen, denn im Darm findet man am häufigsten B. vulgatus, aber bei eitrigen Infektionen dominiert B. fragilis. Manche außergewöhnliche Stämme von B. fragilis, die Teil der Normalflora sein können, bilden ein extrazelluläres Enterotoxin, welches für Durchfälle verantwortlich sein kann.

Pathogenese: Infektionen mit gramnegativen Anaerobiern sind immer endogene Mischinfektionen unter Beteiligung weiterer Anaerobier oder fakultativ anaerober Bakterien.

Klinik: Der klinische Verlauf von Anaerobierinfektionen ist selten akut. Chronische und subakute Verlaufsformen dominieren. Häufigste Manifestationsform ist die Ausbildung stinkender nekrotisierender Abszesse. Bedeutendste Abszessbildner sind dabei B. fragilis, B. thetaiotaomicron, P. bivia, P. oralis, P. melaninogenica u. a. Die Infektionsherde können direkt von einer besiedelten Schleimhaut ausgehen oder erst sekundär durch septische Streuung entstehen. ■ Infektionen, die vom Darm ausgehen: Häufigster Erreger ist hier B. fragilis, der subphrenische, Peritoneal- und Retroperitonealabszesse verursacht. Auch an Infektionen im Beckenbereich kann er beteiligt sein. B. thetaiotaomicron steht ihm an pathogenetischer Bedeutung als Abszessbildner nicht nach. ■ Infektionen, die vom Urogenitalsystem (insbesondere der Vagina) ausgehen: Klassische klinische Manifestationen sind Tuben-, Ovarial- und Douglas-Abszesse. Aber auch fortschreitende Infektionen, wie Beckenbodenphlegmonen, Endometritis u. a., können auftreten. In der Geburtshilfe ist die Infektion mit Bacteroidaceae bei vorzeitigem Blasensprung gefürchtet (Puerperalsepsis!). Als Erreger wird auch hier häufig B. fragilis isoliert, aber auch Prevotella bivia, die zur Normalflora der Vagina gehört, und Prevotella disiens. ■ Infektionen, die von der Mundhöhle ausgehen: Die Infektionen werden hauptsächlich durch B. oralis, B. fragilis, P. melaninogenica sowie durch Porphyromonas gingivalis und P. buccalis verursacht. Neben unterschiedlichsten Infektionen in der Mundhöhle können auch tiefere Regionen des Respirationstraktes betroffen werden. Lungenabszesse und nekrotisierende Pneumonien werden häufig von P. melaninogenica und P. intermedia verursacht. ■ Durch septische Streuung können aber auch entfernte Organe betroffen sein. So sind Anaerobier oft auch bei Hirnabszessen beteiligt. Eine besondere Erkrankungsform ist die Fusospirochätose (S. 445), die typischerweise als stinkende, eitrige Angina tonsillaris abläuft, sog. Angina Plaut-Vincent (S. 445). Ursächlich beteiligt sind zwei miteinander vergesellschaftete Anaerobier, nämlich Fusobacterium nucleatum und Treponema vincentii.

Klinik: Häufigste Manifestation von Anaerobierinfektionen sind stinkende nekrotisierende Abszesse. Bedeutendste Abszessbildner sind dabei B. fragilis, B. thetaiotaomicron, P. bivia, P. oralis, P. melaninogenica u. a. Die Infektionen können ausgehen vom Darm, vom Urogenitaltrakt (hauptsächlich der Vagina) von der Mundhöhle oder durch septische Streuung entstehen.

An der Fusospirochätose (S. 445) sind Fusobacterium nucleatum und Treponema vincentii beteiligt.

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456 Nachweis: Die Kultur der Anaerobier ist wegen der Sauerstoffempfindlichkeit der Bakterien kritisch. Das Untersuchungsmaterial muss in speziellen Transportmedien dem Labor rasch zugeleitet werden.

▶ Merke.

D

2 Spezielle Bakteriologie

Nachweis: Die erste Verdachtsdiagnose stellt sich durch das fötide Abszesssekret. Die exakte Diagnose muss immer durch den Erregernachweis erfolgen, dabei ergeben sich mehrere Probleme: ■ Da alle für die Infektion angeschuldigten Erreger Bestandteil der normalen Schleimhautflora sind, müsste diese bei der Probennahme zuverlässig ausgeschlossen werden. Dies stellt in der Praxis ein sehr großes Problem dar. ■ Die entnommenen Proben müssen unbedingt in einem speziellen AnaerobierTransportmedium auf kürzestem Wege dem Labor zugeleitet werden. Die Fragestellung bzw. klinische Verdachtsdiagnose einer Anaerobierinfektion ist unbedingt zu nennen. ▶ Merke. Kein mikrobiologisches Labor betreibt eine Anaerobierdiagnostik, wenn

es dazu nicht aufgefordert wird (auch indirekt durch Angabe des klinischen Befundes!). Aber: bei bestimmten Infektionen ist es angeraten, gezielt nach Anaerobiern zu suchen, z. B. bei Verdacht auf Sepsis bei der Abnahme einer Blutkulturflasche für Anaerobier! Im mikroskopischen Bild sind Fusobakterien leicht zu erkennen (Abb. D-2.80).

Die Speziesdifferenzierung erfolgt biochemisch, massenspektrometrisch oder gaschromatografisch durch Nachweis bestimmter Fettsäuren.

⊙ D-2.80

Im mikroskopischen Bild relativ leicht zu erkennen sind Fusobakterien, die sich durch die zugespitzten Enden (spindelförmig, fusiform) zu erkennen geben (Abb. D-2.80). Bacteroides sind pleomorphe, kleine, gerade oder gebogene, meist unbewegliche Stäbchen, die sich oft ungleichmäßig anfärben und zentrale oder terminale Anschwellungen zeigen. Die Differenzierung der Spezies erfolgt teilweise durch das mikroskopische Bild, in der Regel jedoch biochemisch durch eine sog. „bunte Reihe“ oder mittels MALDITOF-Massenspektrometrie oder gaschromatografisch durch den Nachweis bestimmter Fettsäuren, die in protein- und kohlenhydrathaltigen Flüssigkulturen produziert werden (z. B. Butter-, Isobutter-, Isovaleriansäuren). Daneben spielen auch Essig-, Milch- und Propionsäuren eine große Rolle.

⊙ D-2.80

Fusobakterien Lange, schlanke, an den Enden spitz zulaufende gramnegative Stäbchen.

Therapie: Neben der chirurgischen Intervention (Abszessspaltung, Drainage und möglichst auch eine komplette Herdsanierung) kommt eine antibakterielle Chemotherapie mit Metronidazol in Betracht. Carbapeneme und Cephalosporine der 3. Generation haben eine ganz gute Aktivität. Anaerobier sind immer resistent gegen Aminoglykoside und häufig gegen Tetrazykline. Auch Aminopenicilline sind meist ungeeignet, weil viele Anaerobier Belataktamasen bilden, die Penicilline zerstören. Wenn allerdings ein Betalaktamaseinhibitor zusätzlich verabreicht wird, können auch Aminopeniclline helfen.

Therapie: Der chirurgischen Intervention, d. h. Spaltung und Drainage der Abszesse (Sauerstoffzuführung), ist die größte Bedeutung zuzumessen. Optimal wäre aber eine komplette Herdsanierung, d. h. auch eine chirurgische Entfernung der Abszesswand. Begleitend dazu sollte eine antibakterielle Chemotherapie durchgeführt werden. Alle Anaerobier sind gegen Aminoglykoside resistent. Eine hohe Resistenzquote besteht auch gegenüber Tetrazyklinen. Wegen einer Betalaktamaseproduktion sind diese Erreger zunehmend auch gegen Aminopenicilline (Ampicillin, Mezlocillin, Piperacillin) resistent. Wenn allerdings Kombinationen mit Betalaktamaseinhibitoren (wie Clavulansäure, Sulbactam und Tazobactam) verabreicht werden, können diese wirken. Gegen andere Chemotherapeutika, vor allem Metronidazol, Carbapeneme und Cephalosporine der 3. Generation, sind die Bacteroidaceae empfindlich. Resistenzen gegen Clindamycin nehmen zu. Chloramphenicol ist hervorragend gegen Anaerobier wirksam, wird aber heute aus Angst vor der möglichen Knochenmarkschädigung klinisch kaum noch eingesetzt. Resistenzprüfungen sind also sinnvoll, da die Anaerobierdiagnostik aber nicht selten 1–2 Wochen in Anspruch nimmt, kommt dieses Ergebnis für die klinische Entscheidung oft zu spät. Bei der Wahl der Antibiotika für Anaerobierinfektionen muss man jedoch immer auch die (z. T. fakultativ aerobe) Begleitflora berücksichtigt. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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2.16 Obligat intrazelluläre Bakterien

2.16 Obligat intrazelluläre Bakterien

2.16

Obligat intrazelluläre Bakterien

Dirk Schlüter

2.16.1 Chlamydiaceae ▶ Definition. Chlamydien sind unzweifelhaft Bakterien, da sie sowohl DNA als auch RNA besitzen. Sie unterscheiden sich jedoch von allen anderen Bakterienfamilien durch ihre geringe Größe (kleinste Einheit ca. 0,2 μm), einen speziellen Vermehrungszyklus, der nur innerhalb einer Wirtszelle stattfinden kann (obligater Zellparasitismus) und die Existenz von zwei verschiedenen zellmorphologischen Erscheinungsformen, den Elementar- und Initialkörperchen (s. u.).

▶ Merke. Chlamydien zeigen fast alle Strukturmerkmale von Bakterien, und zwar

2.16.1 Chlamydiaceae ▶ Definition.

▶ Merke.

von gramnegativen Bakterien. Was ihnen aber fehlt, ist ein Peptidoglykansacculus. Auffällig ist noch eine funktionelle Schwäche: Sie sind völlig abhängig von der Energielieferung durch ATP der Wirtszelle. Daher die obligat intrazelluläre Vermehrung. Klassifikation: Innerhalb der Familie der Chlamydaceae ist vor allem die Gattung der Chlamydia humanmedizinisch bedeutsam. Es werden unterschieden: ■ Chlamydia trachomatis, ■ Chlamydia pneumoniae, ■ Chlamydia psittaci. Alle Chlamydien besitzen ein zellwandständiges Antigen (Lipopolysaccharid), eine Tatsache, die diagnostisch verwertet werden kann.

Klassifikation: Die Chlamydia gehören zur Familie der Chlamydaceae undunterteilen sich in: ■ Chlamydia trachomatis, ■ Chlamydia pneumoniae, ■ Chlamydia psittaci.

Pathogenese: Chlamydien treten in zwei Erscheinungsformen auf: Elementarkörperchen: Sie sind die eigentlich infektiöse Form der Chlamydien. Es handelt sich um sehr kleine, kokkoide Zellen (ca. 0,2 μm), die das Überleben des Keimes außerhalb der Wirtszelle garantieren. Da Chlamydien kein ATP synthetisieren können, („Energieparasiten“), ist eine Vermehrung in dieser Form nicht möglich. Das Elementarkörperchen muss Kontakt mit der Wirtszelle gewinnen, an deren Membran es sich anheftet. Es lässt sich von der Wirtszelle phagozytieren, wo es sich dann innerhalb eines Phagosoms befindet. Das Elementarkörperchen wandelt sich nun, es wird ca. 1 μm groß und beginnt sich als ■ Initialkörperchen zu teilen. Die Phagosomenvakuole füllt sich mit Initialkörperchen und dominiert als sog. Einschlusskörperchen. Einige Initialkörperchen wandeln sich langsam wieder in Elementarkörperchen zurück (Kondensation); 2–3 Tage nach Infektion der Wirtszelle geht diese zugrunde, lysiert und setzt Chlamydien frei. Während die Initialkörperchen zugrunde gehen, können Elementarkörperchen erneut Zellen befallen.

Pathogenese: Es gibt zwei Erscheinungsformen: ■ Elementarkörperchen garantieren das Überleben außerhalb der Wirtszelle und sind die infektiöse Form dieser Bakterien. Nach Phagozytose durch die Wirtszelle liegen sie intrazellulär in einem Phagosom; dort ist ihre Vermehrung erst möglich. Sie beginnen sich als ■ Initialkörperchen zu teilen. Das dadurch gefüllte Phagosom dominiert als sog. Einschlusskörperchen. 2–3 Tage nach der Infektion lysiert die Wirtszelle und setzt die Elementarkörperchen frei, die erneut Zellen befallen.

Chlamydia psittaci

Chlamydia psittaci



▶ Definition. Chlamydia psittaci ist der Erreger der Psittakose („Papageienkrank-

▶ Definition.

heit“). Der Name ist historisch entstanden, da man ursprünglich nur Papageienvögel als Erregerreservoir kannte. Heute weiß man, dass auch andere Vögel Ausgangspunkt einer humanen Infektion sein können. Es ist deshalb sinnvoller, vom Krankheitsbild der Ornithose zu sprechen. Klassifikation: Die Spezies Chlamydia psittaci hat mehrere typspezifische antigene Biovare.

Klassifikation: Es existieren mehrere typspezifische Biovare.

Epidemiologie: Die Krankheit kommt weltweit vor, ist aber in Deutschland selten (nur ca. 20 Fälle pro Jahr).

Epidemiologie: weltweites Vorkommen, in Deutschland jedoch selten.

Pathogenese: Der Mensch infiziert sich durch Einatmung erregerhaltigen Staubes (Vogelkot), seltener durch Schmierinfektionen. Neben Vögeln sind auch Säugetiere (Katzen, Rinder, Schafe) als Infektionsquelle beschrieben. Die Bakterien befallen die Zellen des Respirationstraktes, die sie im Zuge ihres Vermehrungszyklus schwer schädigen. Dies führt zu einer akuten, entzündlichen Reaktion.

Pathogenese: Die Infektion erfolgt in der Regel durch Einatmen erregerhaltigen Staubes (Vogelkot). Durch Zellschädigung entsteht eine akute entzündliche Reaktion v. a. im Respirationstrakt.

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2.16 Obligat intrazelluläre Bakterien

2.16 Obligat intrazelluläre Bakterien

2.16

Obligat intrazelluläre Bakterien

Dirk Schlüter

2.16.1 Chlamydiaceae ▶ Definition. Chlamydien sind unzweifelhaft Bakterien, da sie sowohl DNA als auch RNA besitzen. Sie unterscheiden sich jedoch von allen anderen Bakterienfamilien durch ihre geringe Größe (kleinste Einheit ca. 0,2 μm), einen speziellen Vermehrungszyklus, der nur innerhalb einer Wirtszelle stattfinden kann (obligater Zellparasitismus) und die Existenz von zwei verschiedenen zellmorphologischen Erscheinungsformen, den Elementar- und Initialkörperchen (s. u.).

▶ Merke. Chlamydien zeigen fast alle Strukturmerkmale von Bakterien, und zwar

2.16.1 Chlamydiaceae ▶ Definition.

▶ Merke.

von gramnegativen Bakterien. Was ihnen aber fehlt, ist ein Peptidoglykansacculus. Auffällig ist noch eine funktionelle Schwäche: Sie sind völlig abhängig von der Energielieferung durch ATP der Wirtszelle. Daher die obligat intrazelluläre Vermehrung. Klassifikation: Innerhalb der Familie der Chlamydaceae ist vor allem die Gattung der Chlamydia humanmedizinisch bedeutsam. Es werden unterschieden: ■ Chlamydia trachomatis, ■ Chlamydia pneumoniae, ■ Chlamydia psittaci. Alle Chlamydien besitzen ein zellwandständiges Antigen (Lipopolysaccharid), eine Tatsache, die diagnostisch verwertet werden kann.

Klassifikation: Die Chlamydia gehören zur Familie der Chlamydaceae undunterteilen sich in: ■ Chlamydia trachomatis, ■ Chlamydia pneumoniae, ■ Chlamydia psittaci.

Pathogenese: Chlamydien treten in zwei Erscheinungsformen auf: Elementarkörperchen: Sie sind die eigentlich infektiöse Form der Chlamydien. Es handelt sich um sehr kleine, kokkoide Zellen (ca. 0,2 μm), die das Überleben des Keimes außerhalb der Wirtszelle garantieren. Da Chlamydien kein ATP synthetisieren können, („Energieparasiten“), ist eine Vermehrung in dieser Form nicht möglich. Das Elementarkörperchen muss Kontakt mit der Wirtszelle gewinnen, an deren Membran es sich anheftet. Es lässt sich von der Wirtszelle phagozytieren, wo es sich dann innerhalb eines Phagosoms befindet. Das Elementarkörperchen wandelt sich nun, es wird ca. 1 μm groß und beginnt sich als ■ Initialkörperchen zu teilen. Die Phagosomenvakuole füllt sich mit Initialkörperchen und dominiert als sog. Einschlusskörperchen. Einige Initialkörperchen wandeln sich langsam wieder in Elementarkörperchen zurück (Kondensation); 2–3 Tage nach Infektion der Wirtszelle geht diese zugrunde, lysiert und setzt Chlamydien frei. Während die Initialkörperchen zugrunde gehen, können Elementarkörperchen erneut Zellen befallen.

Pathogenese: Es gibt zwei Erscheinungsformen: ■ Elementarkörperchen garantieren das Überleben außerhalb der Wirtszelle und sind die infektiöse Form dieser Bakterien. Nach Phagozytose durch die Wirtszelle liegen sie intrazellulär in einem Phagosom; dort ist ihre Vermehrung erst möglich. Sie beginnen sich als ■ Initialkörperchen zu teilen. Das dadurch gefüllte Phagosom dominiert als sog. Einschlusskörperchen. 2–3 Tage nach der Infektion lysiert die Wirtszelle und setzt die Elementarkörperchen frei, die erneut Zellen befallen.

Chlamydia psittaci

Chlamydia psittaci



▶ Definition. Chlamydia psittaci ist der Erreger der Psittakose („Papageienkrank-

▶ Definition.

heit“). Der Name ist historisch entstanden, da man ursprünglich nur Papageienvögel als Erregerreservoir kannte. Heute weiß man, dass auch andere Vögel Ausgangspunkt einer humanen Infektion sein können. Es ist deshalb sinnvoller, vom Krankheitsbild der Ornithose zu sprechen. Klassifikation: Die Spezies Chlamydia psittaci hat mehrere typspezifische antigene Biovare.

Klassifikation: Es existieren mehrere typspezifische Biovare.

Epidemiologie: Die Krankheit kommt weltweit vor, ist aber in Deutschland selten (nur ca. 20 Fälle pro Jahr).

Epidemiologie: weltweites Vorkommen, in Deutschland jedoch selten.

Pathogenese: Der Mensch infiziert sich durch Einatmung erregerhaltigen Staubes (Vogelkot), seltener durch Schmierinfektionen. Neben Vögeln sind auch Säugetiere (Katzen, Rinder, Schafe) als Infektionsquelle beschrieben. Die Bakterien befallen die Zellen des Respirationstraktes, die sie im Zuge ihres Vermehrungszyklus schwer schädigen. Dies führt zu einer akuten, entzündlichen Reaktion.

Pathogenese: Die Infektion erfolgt in der Regel durch Einatmen erregerhaltigen Staubes (Vogelkot). Durch Zellschädigung entsteht eine akute entzündliche Reaktion v. a. im Respirationstrakt.

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458

D

2 Spezielle Bakteriologie

Klinik: Eine plötzlich oder allmählich beginnende atypische Pneumonie.

Klinik: Die Inkubationszeit beträgt 1–2 Wochen, dann entwickelt sich eine atypische Pneumonie. Diese geht mit plötzlichem Schüttelfrost oder aber auch mehrtägigem, langsamem Temperaturanstieg einher; manchmal treten Hauterscheinungen auf, die an Typhusroseolen erinnern. Durch hämatogene Streuung können in schweren Fällen auch Leber (Ikterus), Milz und ZNS (Bewusstseinstrübung) betroffen sein.

Nachweis: Der direkte molekularbiologische Erregernachweis aus Sputum und anderem Untersuchungsmaterial ist schnell und zuverlässig. Die serologische Diagnostik ist nicht spezifisch und auch bei anderen Chlamydieninfektionen positiv.

Nachweis: Der schnellste und sicherste Nachweis einer aktiven Chlamydia psittaciInfektion erfolgt durch direkten molekularbiologischen Erregernachweis mittels PCR. Obwohl der Erreger grundsätzlich aus Sputum und anderem Untersuchungsmaterial in Hühnerei- oder Zellkulturen angezüchtet werden kann, spielt dies in der Praxis aufgrund des Aufwandes keine Rolle. Ein Antigennachweis mittels ELISA, welcher das Gattungsantigen (das LPS) der Chlamydien erfasst, ist nicht speziesspezifisch. Positive Ergebnisse finden sich also auch bei diversen Chlamydieninfektionen. In der Praxis erfolgt die Diagnose häufig serologisch durch den Nachweis eines hohen Titers von Antikörpern gegen das Lipopolysaccharid (LPS) mittels ELISA.

Therapie: Tetrazykline, Makrolide.

Therapie: Tetrazykline und Makrolide sind wirksam. Sulfonamide sind absolut unwirksam, da Chlamydien keine Folsäuresynthese betreiben können, ebenso Betalaktamantibiotika, wegen des Fehlens von Peptidoglykan.

▶ Merke.

▶ Merke. Der Nachweis von Chlamydia psittaci ist nach Infektionsschutzgesetz mel-

depflichtig. ▶ Exkurs.

▶ Exkurs. Exotische Ziervögel müssen vor dem Verkauf veterinärmedizinisch untersucht werden. Befallene Bestände können durch Zusatz von Tetrazyklinen zum Futter saniert werden (mindestens 3 Monate therapieren!).

Chlamydia trachomatis

Chlamydia trachomatis

Klassifikation: Die Gattung C. trachomatis wird in die humanpathogenen Formen „trachoma“ und „lymphogranuloma venereum“ unterteilt (Tab. D-2.38).

Klassifikation: Die Gattung Chlamydia trachomatis wird in zwei humanpathogene Biovare unterteilt, nämlich „trachoma“ und „lymphogranuloma venereum“. Aufgrund von der Antigenität von Proteinen in der äußeren Membran der Zellwand lassen sich mehrere Serovare unterscheiden, die bei den einzelnen Infektionskrankheiten mit unterschiedlicher Häufigkeit gefunden werden. Einen Überblick gibt Tab. D-2.38.

≡ D-2.38

Klinik und Nachweis ■ Trachom: Die chronische follikuläre Keratokonjunktivitis kommt weltweit vor. 6 Millionen Menschen sind durch diese Infektion erblindet. Die Krankheit beginnt schleichend. Die akute Entzündung führt zu zellulären Infiltraten (Follikeln, Abb. D-2.81a), die zu Vaskularisierungen und Narbenbildungen auf der Kornea führen können und die Gefahr einer Erblindung mit sich bringen. Die Krankheit hinterlässt keine Immunität. Die Diagnose erfolgt klinisch und durch den Nachweis von „Einschlusskörperchen“ in Zellen der Konjunktiva.

≡ D-2.38

Durch C. trachomatis verursachte Infektionskrankheiten

Krankheit

Biovar

Trachom

trachoma

Serovare A–C

Einschlusskonjunktivitis

trachoma

D–K

Urogenitalinfektionen

trachoma

D–K

Lymphogranuloma venereum

lymphogranuloma venereum

L1–3

Klinik und Nachweis: ■ Trachom („Ägyptische Augenkrankheit“): Hierbei handelt es sich um eine chronische follikuläre Keratokonjunktivitis, die weltweit vorkommt, jedoch in Nordafrika, dem Vorderen Orient und Indien besonders häufig zu finden ist. 400 Millionen Menschen sollen weltweit betroffen sein, 6 Millionen Blinde gehen auf das Konto dieser Augeninfektion. Betroffen sind vor allem Menschen, die in schlechten hygienischen Verhältnissen leben und über Jahre hinweg exponiert sind. Die Infektion erfolgt sowohl direkt über die eitrig-schleimigen Sekretionen der Entzündung als auch indirekt über Bedarfsgegenstände des täglichen Lebens. Die Krankheit beginnt schleichend (Inkubationszeit 2–9 Jahre). Die akute Entzündung führt zu zellulären Infiltrationen, den sogenannten Follikeln (Abb. D-2.81a), die zu Vaskularisierungen und Narbenbildung auf der Kornea führen können und die Gefahr einer Erblindung nach sich ziehen. Alle Variationen von der völligen komplikationslosen Ausheilung bis zur Ausbildung schwerer Kornealnekrosen sind möglich. Die Krankheit hinterlässt keine Immunität, kann also wiederholt auftreten. Die Diagnose erfolgt klinisch und durch den Nachweis von „Einschlusskörperchen“ in Zellen der Konjunktiva (zytologischer Nachweis: Ausstreichen eines Abstriches aus dem Konjunktivalsack auf einem Objektträger und Färbung nach Giemsa). ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

D

⊙ D-2.81

459

2.16 Obligat intrazelluläre Bakterien

Infektionen durch Chlamydia trachomatis

a

b

(Arastéh, K. et al. Duale Reihe Innere Medizin. Thieme; 2018)

a Trachom: Leicht erhabene, gelblich-weiße Follikel an der Conjunctiva tarsi des Oberlides sowie Papillenhypertrophie. b Schwimmbadkonjunktivitis und Lidödem des rechten Auges durch Chlamydia trachomatis.





Prinzipiell kann der Erreger auch in Zellkulturen gezüchtet werden, was jedoch sehr aufwendig ist. Einschlusskonjunktivitis: Diese Erkrankung ist die „harmlose“ Variante des Trachoms. Sie gehört jedoch letztendlich zu den sexuell übertragenen Infektionen, weil die Serovare D–K beteiligt sind. Betroffen sind vor allem Neugeborene, die sich unter der Geburt in den Geburtswegen infizieren. Bis zu 6 % aller Neugeborenen erkranken. Erwachsene infizieren sich in Schwimmbädern, wo durch ungenügende Chlorung Chlamydien aus dem Genitalbereich der Badegäste im Wasser überleben können (Schwimmbadkonjunktivitis, Abb. D-2.81b). Nach einer Inkubationszeit von 2– 25 Tagen entwickelt sich eine akute eitrige Konjunktivitis, die mehr oder minder lange bestehen kann, dann aber komplikationslos ausheilt. Nur in seltenen Fällen kommt es zur Narbenbildung und Eintrübung der Kornea. Bei Neugeborenen ist die Gefahr eines Lungen- oder ZNS-Befalls nicht völlig auszuschließen. Genitalinfektionen: Bis zu 60 % der Nichtgonokokken-Urethritis (NGU) des Mannes wird durch C. trachomatis verursacht. Infektionsquelle ist fast immer der weibliche Sexualpartner, der gelegentlich keinerlei Symptome zeigt. Neben der Urethritis können beim Mann Epididymitis und Prostatitis, bei der Frau neben Urethritis auch Zervizitis, Endometritis und Salpingitis auftreten. Als postinfektiöse Komplikation kann bei dieser Infektion der Harnwege ein Reiter-Syndrom, ähnlich wie bei einer gonorrhoischen Urethritis (S. 387) auftreten. Komplikationen bei der Frau sind – durch die aus dem Genitalbereich aufsteigenden Infektionen – Peritonitis und Perihepatitis sowie Infertilität und ektopische Schwangerschaften als Folge von Tubenverklebungen, die nach Ausheilung der akut eitrigen Infektion der Schleimhaut durch Narbenbildung entstehen (Abb. D-2.82). Während der Geburt kann sich ein Kind bei einer infizierten Mutter anstecken. Es entwickelt sich dann eine Neugeborenenkonjunktivits oder Otitis media oder Pharyngitis oder Pneumonie. Als Folgekrankheit einer akuten NGU kann es als immunpathologische Komplikation zum Morbus Reiter kommen, also zu einer Trilogie von Urethritis, Konjunktivitis und Arthritis.

Nachweis: Zur Labordiagnose stehen molekularbiologische Methoden wie Gensonden und PCR zur Verfügung, um spezifisch, sensitiv und schnell die Infektion zu dokumentieren. Der Vorteil besteht darin, dass auch abgestorbene Bakterien erfasst werden, selbst noch nach längeren Transportzeiten. Der kritische Punkt ist, dass möglichst zellreiches Material – evtl. durch Kürettage oder im Abstrich zur Untersuchung kommt. Deutlich weniger sensitiv und spezifisch sind der mikroskopische Nachweis der Elementarkörperchen durch Immunfluoreszenz, unter Einsatz markierter monoklonaler Antikörper sowie der Antigennachweis mittels ELISA. Ein indirekter Nachweis wäre die Bestimmung von Antikörper im Serum gegen rekombinante Proteine aus der äußeren Membran der Bakterien, dem sog. Major outer Membrane Protein (MOMP), mittels ELISA.



Einschlusskonjunktivitis: Betroffen sind vor allem Neugeborene, die sich in den Geburtswegen der Mutter infizieren. Erwachsene infizieren sich in Schwimmbädern, wo durch ungenügende Chlorung Chlamydien aus dem Genitalbereich der Badegäste im Wasser überleben können (Schwimmbadkonjunktivitis, Abb. D-2.81b). Es entwickelt sich eine akute eitrige Konjunktivitis, die aber komplikationslos ausheilt.



Genitalinfektionen: Bis zu 60 % der Nichtgonokokken-Urethritis (GNU) des Mannes wird durch C. trachomatis verursacht. Infektionsquelle ist fast immer der weibliche Sexualpartner, der oft keinerlei Symptome zeigt.

Nachweis: erfolgt mikroskopisch (direkte Immunfluoreszenz), durch Antigennachweis mittels ELISA oder durch molekularbiologische Methoden, wie Gensonden und PCR.

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460 ⊙ D-2.82

▶ Exkurs.



Lymphogranuloma venereum: Geschlechtskrankheit, die bevorzugt in warmen Regionen der Welt bei Menschen mit niedrigem Sozialstatus vorkommt. An der Eintrittspforte bildet sich eine herpetiforme Primärläsion, die ulzerös zerfällt. Im weiteren Verlauf kommt es zu schmerzhafter, eitriger Einschmelzung des regionären Lymphknotens (Abb. D-2.83). Die Diagnose erfolgt durch Isolierung des Erregers in Hühnerei- oder Zellkulturen.

⊙ D-2.83

D

2 Spezielle Bakteriologie

⊙ D-2.82

Folgen einer Infektion mit Chlamydia trachomatis – Serovare D–K beim Mann, bei der Frau und beim Neugeborenen

▶ Exkurs. Oft besiedeln Chlamydien gleichzeitig die Urethra und die Genitalschleimhäute (z. B. Zervix). Da die PCR hochempfindlich ist, genügt oft schon die Untersuchung von Urin, selbst wenn dort nur einige wenige Chlamydien vorkommen. Jedoch sollte die 1. Portion („first void urine“) und nicht Mittelstrahlurin untersucht werden, weil in der ersten Portion noch eher einige Epithelzellen mit Chlamydien enthalten sind. Der Zervixabstrich ist viel aufwendiger; da die Portio und die Schleimhäute durch die Entzündung auch sehr gereizt und brüchig sind, führt ein Tupferabstrich von der Zervix nach Spekulumeinstellung oft zu blutenden Verletzungen. ■

Lymphogranuloma venereum (Lymphogranuloma inguinale): Es handelt sich um eine Geschlechtskrankheit (STD), s. Kap. „STD (sexually transmitted diseases)“ (S. 688), die bevorzugt in warmen Regionen bei Menschen mit niedrigem Sozialstatus vorkommt. Nach einer unbestimmten Inkubationszeit von 2–25 Tagen entwickelt sich an der Eintrittspforte des Erregers eine herpetiforme Primärläsion, die ulzerös zerfällt. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer schmerzhaften, eitrigen Einschmelzung des regionären Lymphknotens (Abb. D-2.83). Erfolgt keine Therapie, geht die Krankheit nunmehr in das chronische Stadium über, bei dem der fibröse Verschluss der Lymphbahnen und das Entstehen einer Elephantiasis der entsprechenden Körperregionen (Labien, Skrotum etc.) im Vordergrund stehen. Die Diagnose erfolgt durch Isolierung des Erregers in Hühnerei- oder Zellkulturen. Der serologische Nachweis von Antikörpern ist nicht spezifisch, er fällt auch bei anderen Chlamydieninfektionen positiv aus.

⊙ D-2.83

Lymphogranuloma venereum Einseitige Lymphknotenschwellung mit eitriger Einschmelzung.

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D

461

2.17 Rickettsiaceae ▶ Merke.

▶ Merke. Das Lymphogranuloma venereum ist nicht zu verwechseln mit Granulo-

ma inguinale (Erreger: Calymmatobacterium granulomatis)! Therapie: Während bei der Einschlusskonjunktivitis die lokale Applikation von Tetrazyklinen ausreicht, sollte beim Trachom eine 6-wöchige lokale Therapie durch eine systemische Gabe von Tetrazyklinen über 3 Wochen ergänzt werden. Auch bei den Genitalinfektionen und dem Lymphogranuloma venereum sind Tetrazykline und Makrolide – systemisch verabreicht – Mittel der Wahl.

Therapie: Bei Chlamydieninfektionen sind Tetrazykline und Makrolide die Mittel der Wahl. Beim Tracheom sollte zusätzlich und bei der Einschlusskonjunktivitis ausschließlich eine lokale Therapie durchgeführt werden. ▶ Merke.

▶ Merke. Betalaktamantibiotika sind gegen Chlamydien absolut unwirksam, da die-

se Bakterien kein Pektidoglykan synthetisieren.

Chlamydia pneumoniae

Chlamydia pneumoniae

Es handelt sich um Chlamydien, die gewisse Ähnlichkeiten mit Chlamydia psittaci aufweisen, jedoch als Besonderheit von Mensch zu Mensch übertragen werden. Sie werden heute noch teilweise als TWAR-Chlamydien bezeichnet (ein Kunstbegriff aus der Laborbezeichnung der Erstisolate TW 183 und AR 39). C. pneumoniae verursachen nach einer Inkubationszeit von 10–30 Tagen (ggf. auch nach einem längeren Intervall) relativ milde verlaufende Pneumonien, die sich mit Makroliden oder Tetrazyklinen therapieren lassen. C. pneumoniae kann epidemieartig (z. B. nach Langstreckenflügen) auftreten und möglicherweise Ursache der häufigsten Chlamydienerkrankungen des Menschen sein. Es wird vermutet, dass ein Viertel bis die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung schon einmal Kontakt mit diesen Erregern hatte (positiver Antikörpernachweis. Da diese Bakterien sich nicht nur in den Zylinderepithelien des Respirationstraktes, sondern auch in den Endothelzellen vermehren, kann man sie z. B. in atheromatösen Plaques nachweisen. Dies nährt die Theorie, dass diese Bakterien bei der Entstehung eines Herzinfarktes ursächlich beteiligt sein könnten.

Es handelt sich um eine Chlamydienspezies (TWAR-Chlamydien), die, durch direkten Kontakt von Mensch zu Mensch übertragen, eine milde Pneumonie verursachen können. Therapie: Tetrazykline, Makrolide.

2.17 Rickettsiaceae

2.17

Rickettsiaceae

Dirk Schlüter

2.17.1 Rickettsia

2.17.1 Rickettsia ▶ Definition.

▶ Definition. Das Genus Rickettsia (und Orientia) umfasst pleomorphe, kokkoide

oder kurze Stäbchenbakterien (0,5–1,5 μm). Ihr Zellwandaufbau entspricht dem von gramnegativen Bakterien. Sie vermehren sich ausschließlich intrazellulär im Zytoplasma von Endothelzellen und Makrophagen. Menschenpathogene Rickettsiaspezies werden von Arthropoden übertragen. Klassifikation: Die humanpathogenen Spezies der Gattung Rickettsia lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen. Einen Überblick gibt Tab. D-2.39.

≡ D-2.39

Klassifikation: Einen Überblick gibt Tab. D-2.39.

Humanmedizinisch wichtige Spezies des Genus Rickettsia

Spezies

Krankheit

Vektor

Erregerreservoir

Vorkommen

Fleckfiebergruppe R. prowazekii

klassisches Fleckfieber

Läuse

Mensch, Ziege, Schaf, Flughörnchen

heute nur noch in Mittel-, Südamerika und Afrika

R. typhi

murines Fleckfieber

Rattenfloh

Ratte

weltweit

Zeckenbissfiebergruppe R. akari

Rickettsienpocken

Milben

Mäuse, Ratten

Nordamerika (Ostküste), Afrika, Korea, Russland

R. australis

Queensland-Zeckenbissfieber

Zecken

kleine Beuteltiere

Australien

R. conorii

Fièvre boutonneuse, Mittelmeerfleckfieber

Zecken

wilde Nagetiere

Mittelmeerraum, Vorderer Orient, Indien, Afrika

R. rickettsii

Rocky Mountain spotted Fever Zecken

Nagetiere, Hunde

Amerika

Nagetiere, Vögel

Indien, Ostasien, Nordaustralien

Tsutsugamushi-Fieber-Gruppe Orientia tsutsugamushi

Japanisches Fleckfieber

Milben

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462

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2 Spezielle Bakteriologie

Pathogenese: Rickettsia wird von Arthropoden auf den Menschen übertragen. Hier befallen sie die Endothelzellen der kleinen Blutgefäße, in denen sie sich vermehren. Durch die Zerstörung der Wirtszellen gelangen die Erreger schubweise in den Blutstrom, wo sie von Makrophagen phagozytiert werden.

Pathogenese: Rickettsia wird mit den Fäzes von Arthropoden, bei Zecken auch durch den Speichel (Saugakt), auf den Menschen übertragen. Hier befallen sie die Endothelzellen der kleinen Blutgefäße, in denen sie sich vermehren. Nach Eindringen in die Wirtszelle liegen die Bakterien im Zytoplasma in einer Vakuole; über die Vakuolenmembran werden die intrazellulären Bakterien von den Wirtszellen mit den essenziellen Nährstoffen, wie Aminosäuren und ATP, versorgt. Nach Fusion der Lysosomen wird die Vakuole stark angesäuert. Dennoch können sich die Rickettsien darin halten und vermehren, sodass sich die Vakuole allmählich ausdehnt und den ganzen Zellleib einnimmt, bis schlussendlich die Wirtszelle abstirbt. Durch die Zerstörung gelangen die Erreger schubweise in den Blutstrom, wo sie von Makrophagen phagozytiert und verbreitet werden. Es resultieren zahlreiche kleine Läsionen, wobei das pathologische Geschehen durch Einwanderung von Entzündungszellen, Thrombosierungen von Kapillaren und Hyperplasien der Gefäßendothelien getragen wird. In der Folge dieser Vaskulitis entstehen Nekrosen, die als Eschar bezeichnet werden, und petechiale Blutungen.

Klinik: ■ Fleckfieber: Klassischer Erreger des Fleckfiebers ist R. prowazekii. Die Krankheit beginnt mit grippeartigen Symptomen. Die Körpertemperatur steigt bis auf 41 °C, um für mindestens 10 Tage als Kontinua so zu bleiben. Das makulöse Exanthem breitet sich vom Stamm schnell auf die Extremitäten aus, wobei das Gesicht ausgespart bleibt. Die Letalität liegt bei unbehandelter Krankheit zwischen 10 und 20 % und erhöht sich beim Auftreten von Sekundärinfektionen. Das klassische Fleckfieber kommt heute nur in Ostafrika und in Südamerika endemisch vor.

Klinik: ■ Fleckfieber: Klassischer Erreger des Fleckfiebers (auch als Läusefleckfieber und im angelsächsischen Schrifttum irreführend als „typhus“ oder „typhus fever“ bezeichnet) ist R. prowazekii. Nach einer Inkubationszeit von 10–14 Tagen beginnt die Krankheit mit grippeartigen Symptomen. Innerhalb von 2–4 Tagen steigt die Temperatur bis auf 41 °C, um für mindestens 10 Tage als Kontinua so zu bleiben. Zwischen dem 4. und 7. Krankheitstag tritt ein makulöses Exanthem auf, das sich vom Stamm schnell auf die Extremitäten ausbreitet, das Gesicht ausspart und sich als „buntes Bild“ (hochrote, livide, blassrosa Flecken, neben Petechien als Ausdruck der Gefäßschädigungen) darbietet. Charakteristisch sind schwere Kopfschmerzen sowie mehr oder minder ausgeprägte neurologische und psychiatrische Symptome (Unruhe, Gewalttätigkeit, Tremor, Sprachstörungen, Meningismus u. a.). Auf eine 4–5 Tage dauernde Entfieberung folgt die Phase der Rekonvaleszenz, die sich über mehrere Monate erstrecken kann. Die Letalität liegt bei unbehandelter Krankheit zwischen 10 und 20 % und erhöht sich beim Auftreten von Sekundärinfektionen, die vor allem bei älteren Menschen nicht selten sind (Meningitis, Pneumonien, Karditiden etc.). Das klassische Fleckfieber hat an Bedeutung heute verloren. Während in Europa zur Zeit der beiden Weltkriege noch Millionen Menschen an Fleckfieber verstarben, ist es heute infolge der Vernichtung der Kleiderlaus (Anwendung von Insektiziden) verschwunden. In Ostafrika und in Südamerika (Schwerpunkt Andentäler) tritt die Krankheit jedoch immer noch endemisch auf.

▶ Merke.

▶ Merke. Auch nach „Ausheilung“ der Krankheit können Erreger im Körper bis zu

30 Jahre unbemerkt persistieren, um dann irgendwann ein Rezidiv der Krankheit im Sinne endogener Zweitinfektion (Absinken des Antikörpertiters) zu bewirken. Dieses Rezidiv wird als Morbus Brill-Zinsser bezeichnet und verläuft sehr viel milder als die Ersterkrankung. ■

Murines Fleckfieber: Erreger ist R. typhi. Die Erkrankung kommt in Mitteleuropa nicht vor.





Rocky Mountain spotted Fever: Nach Übertragung des Erregers (R. rickettsii) durch Zeckenstich beginnt die Erkrankung sehr heftig mit Schüttelfrost, es entsteht ein sich ausbreitendes makulopapulöses Exanthem (Abb. D-2.84). Typisch sind ein Ulkus mit rotem Saum und schwarzer Zentralnekrose an der Stelle des Zeckenstiches („cigarette burn lesion“) sowie eine regionale Lymphadenopathie.



Murines Fleckfieber: Klassischer Erreger des murinen Fleckfiebers ist R. typhi. Die Krankheit kommt zurzeit in Mitteleuropa nicht vor. Sie ähnelt dem Fleckfieber, ist jedoch kürzer und weniger schwer. Erregerreservoir sind Ratten, die Übertragung auf den Menschen erfolgt durch Flöhe und Läuse. Rocky Mountain spotted Fever: Das Rocky Mountain spotted Fever, verursacht durch R. rickettsii, ist charakteristischer Vertreter der Zeckenbissfieber-Gruppe (Tab. D-2.39). Der Erreger wird durch Zecken-„Biss“ (eigentlich ein Stich) auf den Menschen übertragen. Nach ca. einer Woche Inkubationszeit beginnt die Krankheit sehr heftig mit Schüttelfrost. Ähnlich wie beim Fleckfieber kann ein sich ausbreitendes makulopapulöses Exanthem entstehen (Abb. D-2.84). Charakteristisch für das Zeckenbissfieber sind ein Ulkus mit rotem Saum und schwarzer Zentralnekrose an der Stelle des Zecken-„Bisses“ („cigarette burn lesion“) sowie eine regionale Lymphadenopathie. Der weitere Krankheitsverlauf ist mit dem Fleckfieber vergleichbar, die Fieberkontinua ist jedoch meist länger. Unbehandelt liegt die Letalität bei 20 %.

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⊙ D-2.84

463

2.17 Rickettsiaceae

⊙ D-2.84

Zeckenbissfieber Primärläsion an der Einstichstelle. Die Patientin hat zudem starke Kopfschmerzen und Fieber (Infektion im südlichen Afrika erworben). (Arastéh K, Baenkler H, Bieber C et al. Duale Reihe Innere Medizin. Thieme; 2018)







Fièvre boutonneuse: Dessen Erreger, R. conori, wird durch Hunde aus dem Mittelmeerraum eingeschleppt. Die Krankheit und andere Arten des Zeckenbissfiebers verlaufen unter der gleichen Symptomatik wie das Rocky Mountain spotted Fever (s. o.), jedoch insgesamt gutartiger. Rickettsienpocken: Infektionen mit R. akari rufen ein Exanthem hervor, dessen Effloreszenzen denen der Windpocken ähneln (daher der Name). Japanisches Fleckfieber: Das Tsutsugamushi-Fieber wird von O. tsutsugamushi verursacht. Die Übertragung erfolgt durch blutsaugende Larven verschiedener Milbenarten. Das Krankheitsbild entspricht weitgehend dem des klassischen Fleckfiebers. Das Exanthem ist lediglich großfleckiger und die regionalen Lymphknoten an der Eintrittspforte des Erregers sind schmerzhaft vergrößert. Das Japanische Fleckfieber ist auf Japan, Südostasien, nördliches Australien und einige Pazifikinseln beschränkt. Die Prophylaxe besteht im Einsatz milbenabtötender Substanzen, mit denen Bettwäsche und Kleidung imprägniert werden.



Fièvre boutonneuse: Die Krankheit verläuft milder als das Rocky Mountain spotted Fever. Erreger ist R. conori.



Rickettsienpocken: R. akari ist Erreger eines windpockenähnlichen Exanthems.



Japanisches Fleckfieber. Das Tsutsugamushi-Fieber wird von O. tsutsugamushi verursacht. Die Übertragung erfolgt durch blutsaugende Larven verschiedener Milbenarten. Das Krankheitsbild entspricht weitgehend dem des klassischen Fleckfiebers.

Nachweis: Mit speziellen Färbungen, z. B. auch Giemsa oder direkter Immunfluoreszenz, lassen sich die intrazellulären Erreger darstellen. Praktisch wichtiger ist der Nachweis von Serum-Antikörpern des Patienten gegen speziesspezifische Antigene mittels ELISA oder Immunfluoreszenz (IFT).

Nachweis: Methode der Wahl ist der Antikörpernachweis im Serum.

Therapie: Tetrazykline führen innerhalb von 1–2 Tagen zur Entfieberung und sind die Mittel der Wahl bei allen Rickettsiosen. Chinolone und Rifampicin haben ebenfalls eine gute Wirkung auf diesen Erreger.

Therapie: Tetrazykline.

Prophylaxe: Die Prophylaxe umfasst die Verhinderung von Zeckenstichen bzw. die frühzeitige Entfernung der Ektoparasiten. Der Nachweis von R. prowazekii ist nach Infektionsschutzgesetz meldepflichtig.

Prophylaxe: Verhinderung von Zeckenstichen bzw. frühzeitige Entfernung der Zecke. Der Nachweis von R. prowazekii ist meldepflichtig.

2.17.2 Ehrlichia

2.17.2 Ehrlichia

▶ Definition. Die Ehrlichien, Anaplasmen und Neorickettsien sind nahe verwandt mit den Rickettsien und können aufgrund ihres biologischen Verhaltens, nämlich ihrer Affinität für bestimmte hämatopoetische Wirtszellen, in denen sie sich obligat intrazellulär vermehren, in zwei Gruppen eingeteilt werden: ■ monozytär: humane monozytäre Ehrlichiose, hervorgerufen durch E. chaffeensis ■ granulozytär: humane granulozytäre Ehrlichiose, hervorgerufen durch Anaplasma phagocytophilum.

▶ Definition.

Bedeutung: Die von der Gattung Ehrlichia hervorgerufenen Ehrlichiosen spielen neben der FSME und der Borreliose eine Rolle bei den durch Zecken übertragenen Krankheiten des Menschen.

Bedeutung: Unter den durch Zecken übertragenen Krankheiten verdienen auch Ehrlichiosen Aufmerksamkeit.

Epidemiologie: A. phagocytophilum kommt in Europa und den USA vor, wo der Erreger von Haus- und Zuchttieren über Zecken der Art Ixodes übertragen wird. Betroffen sind also in erster Linie Waldarbeiter und evtl. Landwirte. E. chaffeensis dagen wird in südlichen Staaten der USA durch örtliche Schildzeckenarten verbreitet.

Epidemiologie: Erreger, die von infizierten Tieren über Zecken auf den Menschen übertragen werden.

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464

D

2 Spezielle Bakteriologie

Pathogenese: Die Erreger vermehren sich in Vakuolen der Phagozyten von retikuloendothelialen Organen.

Pathogenese: Nach der Inokulation durch einen Zeckenstich gelangen die Erreger hämatogen in die retikuloendothelialen Organe, wo sie die Phagozyten infizieren. Sie liegen intrazellulär im Zytoplasma der Wirtszelle innerhalb von Vakuolen, die von einer Membran der Wirtszelle umgeben sind, und vermehren sich dort zu Mikrokolonien (Morula). Die Erreger unterscheiden sich in ihrem Zelltropismus: während E. chaffeensis Monozyten befällt und sich in ihnen vermehrt, infiziert A. phagocytophilum die neutrophilen Granulozyten. Häufig kommt es zu einer Leukopenie.

Klinik: Ein Großteil der Infektionen verläuft klinisch inapparent. Als typische Opportunisten können diese Erreger aber im Alter oder bei Abwehrschwäche eine fieberhafte Allgemeininfektion auslösen. Schwere Komplikationen sind selten.

Klinik: Ein Großteil der Infektionen verläuft klinisch inapparent. Als typische Opportunisten können diese Erreger aber im Alter oder bei Abwehrschwäche eine fieberhafte Allgemeininfektion mit Schüttelfrost, Abgeschlagenheit (Myalgie), Arthralgie, Kopfschmerzen und Übelkeit auslösen. In 30 % tritt ein makulopapulöses Exanthem der Haut auf. Sogar schwere Komplikationen wie Pneumonie, Sepsis und ZNS-Symptome sind bei Anfälligkeit möglich. Obwohl meistens eine spontane Ausheilung innerhalb einer Woche erfolgt, gibt es letale Verläufe.

Nachweis: Eine Leukopenie und Thrombozytopenie, begleitet von erhöhtem CRP und Leberwerten, ist ein Hinweis. Indirekt und im Nachhinein lässt sich die Ehrlichiose durch Antikörper im Blut beweisen.

Nachweis: Eine Leukopenie und Thrombozytopenie, begleitet von erhöhtem CRP und Leberwerten, ist ein Hinweis. Im Buffy Coat sieht man intrazytoplasmatische Einschlüsse. Auch mit moleklularbiologischen Methoden kann man die Erreger identifizieren. Indirekt und im Nachhinein lässt sich die Ehrlichiose durch Antikörper im Blut beweisen.

Therapie: Mittel der Wahl sind Tetrazykline.

Therapie: Zur Therapie werden Tetrazykline über 10–14 Tage verwendet.

2.17.3 Coxiella

2.17.3 Coxiella

Coxiella burnetii

Coxiella burnetii

▶ Definition.

⊙ D-2.85

▶ Definition. Coxiella burnetii ist der Erreger des Q-Fiebers (Q = Query). Nach dem Aufbau der Zellwand handelt es sich um gramnegative Bakterien, denn sie besitzen eine äußere Membran mit LPS. Diese kommt in 2 Phasen vor, wovon Phase I, die nur in infizierten Organismen produziert wird, etwa 10-mal mehr LPS trägt. Sie vermehren sich innerhalb einer Vakuole im Zytoplasma von Wirtszellen (Abb. D-2.85).

⊙ D-2.85

Coxielleninfizierte Zelle In einem Wirt vermehren sich die Coxiellen obligat intrazellulär. b = coxiellengefüllte Vakuole N = Zellkern Z = Zytoplasma (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 127, Bakterielle Infektionen 1987)

Epidemiologie: Coxiella ist gegen Umwelteinflüsse resistent: Die Erreger können im trockenen Staub wochen- bis monatelang überleben und durch Inhalation des Staubes aufgenommen werden.

Epidemiologie: Die Erreger sind gegen Umwelteinflüsse resistent. Selbst gegenüber Formalin haben sie eine Tenazität von über 3 Tagen. Sie können im trockenen Staub wochen- bis monatelang überleben, denn sie können eine sporenähnliche Struktur ausbilden. Infektionsquelle ist deshalb die Inhalation erregerhaltigen Staubes. Reservoir sind Schafe, Ziegen, Rinder und kleine Beuteltiere, welche die Bakterein über lange Zeiträume hinweg – allerdings diskontinuierlich – ausscheiden. Katzen sind als asymptomatische Keimträger ebenfalls beschrieben. Die Bakterien gelangen über Kot, Urin und Milch infizierter Tiere an die Umwelt. Mit Amnionflüssigkeit und Plazenta können massive Keimmengen verbreitet werden. Ca. 300 Fälle pro Jahr werden gemeldet.

Klinik: Das Q-Fieber verläuft unter der Symptomatik einer atypischen Pneumonie (Abb. D-2.86) verbunden mit heftigen Kopfund Muskelschmerzen. Die Prognose ist gut. Myo- und Endokarditis sowie Hepatitis sind seltene Komplikationen.

Klinik: Da die Eintrittspforte des Erregers die Atemwege sind (Inhalation von erregerhaltigem Staub), verläuft das Q-Fieber unter der Symptomatik einer atypischen Pneumonie, verbunden mit heftigen Kopf- und Muskelschmerzen (Abb. D-2.86). Die Prognose ist gut. Die Letalität liegt unter 1 %. Myo- und Endokarditis sowie Hepatitis stellen relativ seltene, jedoch lebensbedrohliche Komplikationen dar. Auch eine Schwangerschaft kann bedroht sein. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

D

⊙ D-2.86

465

2.17 Rickettsiaceae

⊙ D-2.86

Atypische Pneumonie bei Q-Fieber Dichtes Infiltrat im linken Oberfeld, fleckig-streifige Zeichnungsvermehrung in beiden Unterfeldern. (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 131, Bronchopulmonale Infektionen 1988)

Erstaunlich ist, dass die Erreger bei manchen Menschen lange symptomlos persistieren und sich irgendwann schlagartig vermehren und die Krankheit erzeugen. Nachweis: Der Nachweis erfolgt serologisch durch IFT oder ELISA, wobei es durch geeignete Antigenpräparationen möglich ist, zwischen einer lokalisierten (= akuten) und einer generalisierten (= chronischen, d. h. Gefahr von Herz-, Leber- und anderem Organbefall) Infektion zu unterscheiden. Mit Kreuzreaktionen zu anderen Bakterien muss aber gerechnet werden. In Speziallaboren wird auch die PCR zum Erregernachweis durchgeführt.

Nachweis: Der Nachweis erfolgt serologisch durch IFT oder ELISA.

Therapie: Auch hier empfiehlt sich eine Therapie mit Tetrazyklinen, die jedoch mitunter nicht sofort anspricht, weshalb die Therapie über mehrere Wochen durchgeführt werden muss.

Therapie: Tetrazykline über mehrere Monate.

▶ Merke. Erkrankung sowie Tod sind meldepflichtig.

▶ Merke.

Prophylaxe: Für Arbeiten im Labor, was extrem kontagiös ist, braucht man eine spezielle Umgangsgenehmigung. Da auch gesunde Tiere Ausscheider sein können, sollte man Milch grundsätzlich nicht roh trinken. Bei Exposition, z. B. in Gerbereien, Schlachthöfen, Landwirtschaft, sollte ein Mundschutz getragen werden.

Prophylaxe: Bei Exposition (z. B. Schlachthöfe, Landwirtschaft) sollte ein Mundschutz getragen werden.

2.17.4 Bartonella und Afipia

2.17.4 Bartonella und Afipia

Klassifikation: Humanpathogene Bartonellen sind in Tab. D-2.40 dargestellt. Neben Bartonellen werden Afipia als Erreger der Katzenkratzkrankheit angesehen und werden deshalb häufig zusammen genannt, auch wenn sie sich genetisch unterscheiden. Beide Gruppen von Bakterien können sich nicht nur innerhalb von Endothelzellen, sondern auch innerhalb von Erythrozyten vermehren (Hämotropismus) (intraerythrozytäre Bakteriämie).

Klassifikation: Tab. D-2.40.

≡ D-2.40

Humanpathogene Spezies der Gattung Bartonella und die von ihnen verursachten Erkrankungen

Spezies

Erkrankung

Bemerkung

Bartonella quintana

Fünftage- oder Wolhynisches Fieber, Endokarditis

heute nahezu ausgestorben

Bartonella bacilliformis

Oroya-Fieber

in begrenzten Gebieten der Anden

Bartonella henselae

Katzenkratzkrankheit

Afipia felis

bazilläre Angiomatose Endokarditis, Myokarditis, Neuroretinitis, Enzephalitis

nur bei abwehrgeschwächten Patienten

Katzenkratzkrankheit

nur selten

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466 Klinik: ■ Oroya-Fieber: Der Erreger B. bacilliformis wird durch Sandfliegen übertragen. Nach 3 Wochen treten Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Bewusstseinsstörungen und eine hämolytische Anämie auf. Tödliche Verläufe sind bei Abwehrschwäche häufig. Bei persistierender Infektion kommt es zur Bildung warzenartiger Haut- und Schleimhauteffloreszenzen (Verruga peruviana).



Katzenkratzkrankheit: Diese durch B. henselae hervorgerufene Erkrankung tritt bei ansonsten Gesunden als lokale Hautinfektion mit Lymphknotenschwellung auf (Abb. D-2.87).

⊙ D-2.87

D

2 Spezielle Bakteriologie

Klinik: ■ Oroya-Fieber: Dessen Erreger Bartonella bacilliformis kommt in begrenzten Gebieten der Anden vor. Durch Sandfliegen (Lutzomyia) werden diese Erreger von Mensch zu Mensch übertragen. Nach einer Inkubationszeit von 3 Wochen tritt ganz plötzlich eine schwere Krankheit auf (Oroya-Fieber). Fieber, Schüttelfrost, Schweiß, Kopfschmerzen und Bewusstseinsstörungen werden von einer Anämie begleitet. Bei Abwehrschwäche verläuft diese Krankheit oft tödlich. Man findet im Blutausstrich Bakterien, die an den Erythrozyten hängen. Offensichtlich werden diese geschädigt, was zur Anämie führt. Nach Monaten kann sich eine persistierende Infektion durch warzenartige Hautund Schleimhauteffloreszenzen (Verruga peruviana) manifestieren, was vermutlich durch eine Induktion einer Neoangiogenese bedingt ist. ■ Katzenkratzkrankheit: Als Erreger gilt Bartonella henselae und in seltenen Fällen auch Afipia felis. Nach Kontakt mit einer infizierten jungen Katze (oder auch Hund) entwickelt sich innerhalb einer Woche eine Hautpapel oder -pustel (Abb. D-2.87). Möglicherweise wird der Erreger auch über Flöhe übertragen. Der regionale Lymphknoten vergrößert sich und schmilzt evtl. sogar eitrig ein. Fieber ist nicht immer vorhanden. In der Regel heilt diese Lymphknotenschwellung in 2– 4 Monaten spontan wieder ab. Nur gelegentlich können die Bakterien auch diese regionale Lymphstation überwinden und Endokarditis, Retinitis oder Enzephalitis erzeugen.

⊙ D-2.87

Durch Bartonella henselae hervorgerufene Krankheitsbilder Katzenkratzkrankheit. (White, G. M., Color Atlas of Dermatology, 3rd edition, © Mosby Ltd. [Elsevier] 2004)



bazilläre Angiomatose: Bei Abwehrschwäche führt B. henselae zu einer Neoangiogenese, was in der Haut als bazilläre Angiomatose bzw. in den inneren Organen als Peliosis abläuft.



bazilläre Angiomatose: Diese durch Bartonella henselae hervorgerufene Erkrankung tritt eigentlich nur bei abwehrgeschwächten Patienten, z. B. AIDS-Patienten, auf. Das klinische Bild ähnelt der Verruga peruviana. Solche neovaskulären Proliferationen, ausgelöst durch den Befall der Endothelien, betreffen nicht nur Haut und Schleimhaut, sondern auch innere Organe (z. B. Peliosis hepatis).

Nachweis: Gelegentlich gelingt es, die B. henselae im mikroskopischen Präparat mithilfe von Silberimprägnation zu erkennen. Vor allem der Nachweis aus Blut oder Biopsat mittels PCR sowie von Antikörpern im Serum mithilfe von Immunfluoreszenz sind eine Hilfe.

Nachweis: Gelegentlich gelingt es, die Bartonella henselae im mikroskopischen Präparat mithilfe von Silberimprägnation zu erkennen, doch erfordert diese Technik viel Übung, und auch die Bakteriendichte ist recht gering. Diese anspruchsvollen Erreger können aus Blut oder Lymphknoten nach langer Inkubationszeit (30 Tage) auf Spezialnähmedien isoliert werden. Praktisch gelingt der Erregernachweis in den meisten Fällen molekularbiologisch mittels PCR. Auch der Nachweis von Antikörpern im Serum mittels Immunfluoreszenztest kann hilfreich sein.

Therapie: Makrolide sind Mittel der Wahl, alternativ Tetrazykline.

Therapie: In der Regel ist bei einer Lymphadenitis eines sonst gesunden Menschen keine Antibiotikatherapie erforderlich. Bei Komplikationen jedoch sind Makrolide (z. B. Azithromycin) Mittel der ersten Wahl. Alternativ kommen Tetrazykline evtl. in Kombination mit Rifampicin infrage, um die letzten Erreger in intrazellulären Nischen zu eradizieren, weil sonst bei abwehrgeschwächten Personen ein Rezidiv droht.

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D

467

2.18 Mollicutes: Mycoplasmataceae

2.18 Mollicutes (zellwandlose Bakterien):

Mycoplasmataceae

2.18

Mollicutes (zellwandlose Bakterien): Mycoplasmataceae

Dirk Schlüter ▶ Definition. Mykoplasmen (Abb. D-2.88) sind mit 0,3–0,8 µm die kleinsten in zellfreien Nährmedien kultivierbaren Bakterien. Ihnen fehlt eine starre Zellwand; zu weiteren Besonderheiten s. Tab. D-2.41.

≡ D-2.41

Besonderheiten von Mykoplasmen



geringe Genomgröße (etwa nur ⅕ von E. coli)



Hauptlipidkörper der zytoplasmatischen Membran ist Cholesterin, was für Prokaryonten außergewöhnlich ist.



Sie haben nicht die genetische Information für die Bildung von Cholesterin; dieser Stoff muss von außen zugeführt werden.



Sie haben keine starre Zellwand und somit keine feste, charakteristische Form. Sie treten manchmal in Form von Kugeln, Tropfen, Ringen, Scheiben oder Fäden auf.



Sie gehen durch Bakterienfilter (Regelporengröße 0,45 µm) nicht nur wegen ihrer geringen Größe, sondern weil sie flexibel sind und beliebige Formen und Ausdehnungen annehmen können.



Sie haben keine eigene Nukleotidsynthese.



Sie haben keine eigene Aminosäuresynthese.



Sie haben keinen Zitronensäurezyklus.



Sie bilden weder Katalase noch Peroxidase.

Klassifikation: Zellwandlose Prokaryonten finden sich in der Klasse der „Weichhäutigen“: Mollicutes. Die Familie Mycoplasmataceae unterteilt sich in die Genera: ■ Mycoplasma, ■ Ureaplasma. Die humanmedizinisch interessanten Spezies sind in Tab. D-2.42 dargestellt.

≡ D-2.42

Humanmedizinisch relevante Spezies der Familie Mycoplasmataceae

Spezies

Vorkommen

Bedeutung

M. buccale

Mundhöhle

opportunistisch pathogen

M. salivarium

Mundhöhle

beteiligt an Periodontalkrankheiten

M. pneumoniae

Respirationstrakt

bedeutendster humanpathogener Vertreter der Mykoplasmen (Abb. D-2.88)

M. fermentans

Genitalbereich

selten Urethritis

M. genitalium

Genitalbereich

Urethritis

M. hominis

Genitalbereich

Urethritis

U. urealyticum

Genitalbereich

Urethritis

⊙ D-2.88

▶ Definition.

≡ D-2.41

Klassifikation: Die Familie Mycoplasmataceae unterteilt sich in ■ Mycoplasma, ■ Ureaplasma. Zu den humanmedizinisch wichtigen Arten s. Tab. D-2.42.

≡ D-2.42

⊙ D-2.88

Mykoplasmen Mykoplasmen sind infolge einer fehlenden starren Zellwand außerordentlich pleomorph. Hier die verzweigte filamentöse Struktur von M. pneumoniae. (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 127, Bakterielle Infektionen 1987)

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468 Nachweis: Mykoplasmen können auf cholesterolhaltigen Spezialnährböden kultiviert werden, sie wachsen dann nach unterschiedlich langen Kulturzeiten (2–20 Tagen) in „spiegeleiförmigen“ Kolonien (Abb. D-2.89).

⊙ D-2.89

D

2 Spezielle Bakteriologie

Nachweis: Mykoplasmen können Cholesterol nicht selbst synthetisieren. Um ein Wachstum zu ermöglichen, muss es im Kulturmedium enthalten sein. Auf festen Nährmedien wachsen Mykoplasmen als typische „spiegeleiförmige“ Kolonien (Abb. D-2.89). Mikroaerophiles oder anaerobes Milieu fördert das Wachstum. Die Kulturzeit liegt, je nach Spezies, bei 2–20 Tagen. Mykoplasmen sind im Lichtmikroskop gerade noch sichtbar. Mit der Gram-Färbung können sie gramnegativ dargestellt werden. Andere in der Mikrobiologie gebräuchliche Färbungen sind unbefriedigend. Die besten Möglichkeiten zur Betrachtung finden sich in der Phasenkontrast- oder Dunkelfeldmikroskopie.

⊙ D-2.89

Kultur von Mycoplasma hominis Typisch ist die „Spiegeleierform“ der Kolonien, die jedoch wegen der geringen Größe nur unter Lupenvergrößerung (1:25) beobachtet werden kann. (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 127, Bakterielle Infektionen 1988)

2.18.1 Mycoplasma

2.18.1 Mycoplasma

Mycoplasma pneumoniae

Mycoplasma pneumoniae

Bedeutung: Der Keim wird aerogen durch Tröpfchen übertragen. Die Kontagiosität von Mycoplasma pneumoniae ist sehr hoch.

Bedeutung: Mycoplasma pneumoniae gehört nicht zur normalen Flora des Menschen. Der Keim wird aerogen durch Tröpfchen, seltener durch Schmierinfektion übertragen. Die Kontagiosität von Mycoplasma pneumoniae ist sehr hoch: Bereits 100 Keime, deren Zielorgan der Respirationstrakt ist, können eine Infektionskrankheit verursachen.

Epidemiologie: Schulkinder und junge Erwachsene werden am häufigsten befallen.

Epidemiologie: Schulkinder und junge Erwachsene werden am häufigsten von M. pneumoniae befallen. Familiäre Häufungen und Ausbrüche in Gemeinschaftseinrichtungen erklären sich durch den Infektionsmodus und die hohe Kontagiosität.

Pathogenese: Der Erreger heftet sich an die Flimmerepithelzellen des Respirationstraktes und zerstört sie. Durch Superantigene stimuliert er auch nicht antigenspezifische T-Lymphozyten, Zytokine zu sezernieren. Antigene, die mit körpereigenen Strukturen verwandt sind, induzieren Antikörper, die dann für Autoimmunphänomene verantwortlich sind.

Pathogenese: Mycoplasma pneumoniae haftet sich über Neuraminsäurerezeptoren an die Flimmerepithelzellen an. Durch Produktion von H2O2 und andere bislang unbekannte Faktoren werden die Zellen zerstört. Diese Bakterien können auch indirekt durch gezielte Störung des Immunsystems Krankheitssymptome auslösen. So produzieren sie Superantigene, welche zahllose, nicht nur antigenspezifische, T-Lymphozyten stimulieren, Zytokine zu sezernieren. Weiterhin sind Antigene, die mit körpereigenen Strukturen verwandt sind, kreuzreagierend; sie induzieren Antikörper, die dann für Autoimmunphänomene verantwortlich sind; so werden häufig Kälteagglutinine bei Infizierten nachgewiesen.

Klinik: In ¾ aller Fälle kommt es zur Pharyngitis oder Tracheobronchitis mit Husten als dominierendem Symptom. Nur in 5–25 % entsteht eine atypische Pneumonie (Abb. D-2.90).

Klinik: Nach einer Inkubationszeit von durchschnittlich 3 Wochen kommt es in drei Viertel aller Fälle zu einer schweren „Erkältungskrankheit“ mit Pharyngitis oder Tracheobronchitis. Das dominierende Symptom ist Husten! Nur in 5–25 % entwickelt sich eine atypische Pneumonie, die mit Müdigkeit, Kopfschmerzen, Fieber und hartnäckigem Husten beginnt (Abb. D-2.90).

Krankheitsfolgen: Die Prognose ist im Allgemeinen gut. Immunpathologische Komplikationen können eventuell auftreten.

Krankheitsfolgen: Die Prognose ist im Allgemeinen gut. Es wird diskutiert, ob ein Zusammenhang zwischen einer Mykoplasma-Infektion und nachfolgenden immunpathologischen Folgeerkrankungen sowie zwischen bestimmten malignen Tumoren besteht.

Nachweis: Der kulturelle Nachweis von M. pneumoniae ist sehr aufwendig und gehört nicht zur Routinediagnostik jeden Labors. Gebräuchlich sind molekulare Nachweisverfahren wie PCR und DNA-Hybridisierung zum direkten Erregernachweis. Eine weitere Methode ist der Nachweis von Antikörpern.

Nachweis: Der kulturelle Nachweis von Mycoplasma pneumoniae ist sehr aufwendig und wird nicht routinemäßig durchgeführt. Untersuchungsmaterial ist in der Regel Nasopharyngealsekret oder ein Tupferabstrich aus dem Rachen. Dieser muss in einem Transportmedium gegen Austrocknung geschützt werden. Durch Zusatz von Penicillin zum Nährmedium wird die begleitende Rachenflora weitgehend eliminiert. Mykoplasmen sind wegen des Fehlens von Peptidoglykan (keine Zellwand!) immer gegen Penicillin unempfindlich. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

D

⊙ D-2.90

469

2.18 Mollicutes: Mycoplasmataceae

⊙ D-2.90

Mykoplasmenpneumonie Streifige Verschattung des Mittellappens rechts. (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 131, Bronchopulmonale Infektionen 1988)

Neben der Kultur besteht die Möglichkeit, über DNA-Hybridisierung oder PCR den Direktnachweis von Mykoplasmen zu führen. Eine weitere Methode ist der Nachweis von Antikörpern mittels ELISA (seltener durch andere Verfahren, z. B. Immunfluoreszenz), wobei der Nachweis von IgM für eine akute Infektion spricht. Auffällig ist die Bildung von Kälteagglutininen während einer akuten Infektion. Therapie: Die Therapie wird mit Tetrazyklinen oder Makroliden durchgeführt.

Therapie: Tetrazykline oder Makrolide.

Prophylaxe: Spezielle Prophylaxemaßnahmen können nicht durchgeführt werden.

Prophylaxe: besteht nicht.

▶ Merke. Die Diagnose ist schwierig. Differenzialdiagnostisch muss immer auch an

▶ Merke.

virusinduzierte Pneumonien, die Ornithose und das Q-Fieber gedacht werden.

Urogenitalmykoplasmen

Urogenitalmykoplasmen

Selbst bei gesunden Menschen können Ureaplasmen in der Urethra vorkommen (Tab. D-2.43). Unter Umständen, die noch nicht geklärt sind, können sie sich stark vermehren und eine lokale Entzündung induzieren. Angeblich sollen bis zu 40 % der nicht gonorrhoischen Urethritiden (NGU) dadurch bedingt sein. Der Beweis durch Kultur ist andererseits schwierig und gelingt nur selten.

Vermutlich werden ca. 40 % aller nicht gonorrhoischen Urethritiden (NGU) durch Urogenitalmykoplasmen verursacht (Tab. D-2.43).

▶ Exkurs. Trichomonas vaginalis (S. 545) kann M. hominis als Endosymbiont mittragen. Folglich kommen beide Erreger bei STD (S. 688) oft gemeinsam vor.

Auch eine Koloniserung der Vagina kommt bei ca. 50 % aller gesunden Frauen vor. In Gesellschaft mit anderen Erregern (Gardnerella, Mobiluncus, Atopobium, Neisseria gonorrhoeae) findet man sie bei bakterieller Vaginose (Aminkolpitis) bzw. auch bei Zervizits und Salpingitis. Diskutiert wird auch eine Beteiligung bei der Frühgeburtlichkeit durch chronische Endometritis bzw. Chorioamnionitis. Gelegentlich werden diese Keime auch als Meningitiserreger bei Neugeborenen isoliert. Der kulturelle Nachweis sollte versucht werden. Bei Mykoplasmeninfektionen im Urogenitalbereich spielt die serologische Diagnostik keine Rolle. Therapeutisch ist zu berücksichtigen, dass M. hominis resistent gegen Erythromycin und U. urealyticum resistent gegen Lincomycin ist.

≡ D-2.43

Im Urogenitalbereich vorkommende Mykoplasmen

Spezies

Vorkommen

Ureaplasma urealyticum

ca. 60 %

Mycoplasma hominis

ca. 20 %

Mycoplasma genitalium

ca. 15 %

Mycoplasma fermentans

ca. 3 %

▶ Exkurs.

Für die Diagnostik spielt die Serologie keine Rolle. M. hominis ist resistent gegenüber Erythromycin, U. urealyticum gegenüber Lincomycin.

≡ D-2.43

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Mykologie Herbert Hof

E

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1

Allgemeine Mykologie

1.1 1.2 1.3 1.4 1.5

Übersicht . . . . . . . . . . . . . Bedeutung . . . . . . . . . . . . Merkmale und Klassifikation . Diagnostik . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . .

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473 473 476 479 481 © iStockphoto

1.1

Übersicht

Pilze sind eukaryont, d. h. sie haben eine Zellkernmembran, welche das umfangreiche Genom einschließt, sie sind also höher entwickelt als Bakterien (und eigentlich nahe verwandt mit menschlichen Zellen). Sie sind eine recht heterogene Gruppe und grundsätzlich frei von Chlorophyll. Daher werden die Algen (Prototheca) nicht mehr zum Reich der Pilze gezählt. Die echten Pilze (Eumyceten) besitzen eine rigide Zellwand bestehend aus Chitin, Glukan und Mannan in variablen Verhältnissen. Im Gegensatz zu pflanzlichen Zellen enthalten sie keine Zellulose. Pilze können als Einzeller auftreten, aber auch im vielzelligen Verband, der gelegentlich auffällige Struktur bilden kann, z. B. einen Pilzkörper (Thallus) der Hutpilze. Man kann Pilze unter anderem nach der Art der Fortpflanzung einteilen. Pilze, deren sexuelle Form bekannt ist, werden als Fungi perfecti bezeichnet. Die nur in ihrer asexuellen Form bekannten Pilze nennt man Fungi imperfecti (Deuteromyzeten).

1.2

Bedeutung

Das Reich der Pilze ist sehr groß und umfasst > 1 Million verschiedene Arten. So besteht etwa ¼ der Biomasse der Erde aus Pilzen, die eine unersetzliche Rolle im ökologischen Gleichgewicht spielen. Sie leben in Symbiose mit den Wurzeln von mehrjährigen Pflanzen als sog. Mykorrhiza, und sorgen dabei für die Aufnahme von Nährstoffen aus dem Boden: ohne Pilze gibt es also kein Baumwachstum. Andererseits sind Pilze die einzigen saprotrophen Lebewesen, die Lignin, den wesentlichen Bestandteil von Pflanzen, abbauen können. Manche können aber auch lebende Pflanzen befallen und richten dann erhebliche Schäden in der Landwirtschaft an, was mancherorts Hungersnöte verursacht. Eine positive Rolle spielen Pilze dagegen bei der Herstellung und Verfeinerung von Lebensmitteln (z. B. Brot, Bier, Wein). In der Medizin haben Pilze eine große Bedeutung als Produzenten von bestimmten Medikamenten, wie z. B. Antibiotika, Statinen und Immunsuppressiva (Cyclosporin, Mycophenolsäure) oder bei der Herstellung von rekombinanten Impfstoffen z. B. dem Hepatitis-B-Surface-Antigen (s. Tab. J-4.2). Die meisten Pilze leben in der Umwelt. Aber auch beim Mensch findet man regelmäßig auf der Haut, auf den Atemwegen und vor allem im Darm eine Vielzahl von Pilzen, also ein Mykobiom. Es enthält nicht nur Sprosspilze (fast jeder Mensch trägt Candida albicans im Darm), sondern auch diverse Schimmelpilze. Klinische Bedeutung kommt den Pilzen zu als Auslöser von ■ Allergien, ■ Intoxikationen, ■ Infektionen (Mykosen).

1.1

Übersicht

Pilze sind hoch entwickelte, eukaryonte Zellen mit einer Zellwand, die Chitin und daneben auch Glukan und Mannan enthalten kann. Die Zellen leben als Einzeller oder im Verband.

1.2

Bedeutung

Die Bedeutung von Pilzen in der Umwelt, z. B. für das Pflanzenwachstum in Form der Symbiose mit den Wurzeln von Pflanzen (Mykorrhiza), ist immens. Andere sind aber auch Pflanzenschädlinge, die für den Hunger in der Welt mitverantwortlich sind. Andererseits sind sie bei der Verfeinerung von Nahrung geschätzt.

In der Pharmaindustrie werden Pilze als Produzenten von wichtigen Stoffen gebraucht.

Auf der Haut, den Atemwegen und im Darm ist der Mensch regelmäßig mit einer Vielzahl von Pilzen, dem Mykobiom, kolonisiert Beim Menschen können Pilze Allergien, Intoxikationen und Infektionen auslösen.

1.2.1 Allergie

1.2.1

Bestimmte Speisepilze, aber auch typische, in der Umwelt vorkommende Pilze wie Penicillium, Cladosporium, Alternaria und Stachybotrys, enthalten Antigene, die Immunreaktionen auslösen können. Bei erneutem Kontakt treten dann durch IgE-Antikörper-vermittelte allergische Reaktionen auf, z. B. Asthma bronchiale (S. 500). Vor allem Schimmelpilzantigene sind zahlenmäßig der häufigste Verursacher von Allergien – noch vor den Gräserpollen. Wegen einer starken Kreuzreaktion von Pilzantigenen ist es aber in der Praxis oft schwierig, einen bestimmten Pilz als Auslöser dingfest zu machen. In vielen Situationen des täglichen Lebens ist man diesen Pilzantigenen ausgesetzt, und nicht nur Krankheiten, sondern auch Befindlichkeitsstörungen, wie z. B. Kopfschmerzen, Konzentrationsschwächen, können davon ausgelöst werden.

Antigene von vielen Pilzen, vor allem von Speisepilzen und Schimmelpilzen, sind verantwortlich für Allergien, die sich z. B. als Asthma bronchiale oder auch nur als Kopfschmerzen äußern.

Allergie

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474 Maßnahmen zur Reduktion der Allergenexposition bei Schimmelpilzallergien sind in Tab. E-2.4 aufgeführt. ▶ Klinischer Fall.

1.2.2

Intoxikation

Mykotoxine sind sekundäre Metaboliten von Pilzen, die diverse toxische Reaktionen hervorrufen können.

Allgemein bekannt sind die Gifte mancher Speisepilze (z. B. Fliegenpilz, Abb. E-1.1).

Das Mutterkorn des Pilzes Claviceps purpurea wächst an Getreideähren (Abb. E-1.2). Es enthält Mykotoxine, z. B. Ergotamin

⊙ E-1.1

E

1 Allgemeine Mykologie

Maßnahmen zur Reduktion der Allergenexposition bei Schimmelpilzallergien sind in Tab. E-2.4 aufgeführt. ▶ Klinischer Fall. Eine 30-jährige Schreibkraft arbeitet seit 7 Jahren halbtags im Aktenlager eines Krankenhauses, das in einem feuchten Kellerraum untergebracht ist, der nur durch Oberlichter zu belüften ist. Während die Frau ihre Tätigkeit anfangs mit Zuverlässigkeit und Eifer ausführt, klagt sie nach einiger Zeit über zunehmende Unzufriedenheit und diffuse gesundheitliche Beschwerden wie Unwohlsein, verstopfte Nase und Hautjucken. Die Beschwerden treten nur bei der Arbeit auf und sistieren zu Hause und vor allem im Urlaub. Die Klage der Patientin führt zu Querelen mit dem Vorgesetzten, der ihr zunächst Arbeitsunwilligkeit vorwirft. Als zusätzlich asthmatische Beschwerden auftreten, stellt sich die Patientin in einer Umweltambulanz vor. Eine Analyse der Arbeitsplatzverhältnisse ergibt eine massive Belastung der Atemluft durch Alternaria und Cladosporium, verursacht durch feuchte, stark verschimmelte weil schlecht isolierte Wände. Im Blut der Patientin werden dann auch spezifische Antikörper gegen Alternaria-Antigene gefunden. Nach technischer Sanierung der Räume kann die Frau ihre Arbeit problemlos fortsetzen.

1.2.2 Intoxikation In den Pilzzellen (vor allem in Schimmelpilzen) werden am Ende der Wachstumsphase sekundäre Metaboliten ganz unterschiedlicher chemischer Natur gebildet. Wenn solche Stoffe für den Menschen toxisch sind, werden sie als Mykotoxine bezeichnet. Sie werden entweder nach außen abgegeben oder in den Myzelien, seltener in den Sporen, gespeichert. Folglich werden sie über Lebensmittel oder seltener aerogen von Mensch bzw. Tier aufgenommen. Allgemein bekannt sind einige Hutpilze, wie etwa der Fliegenpilz (Amanita muscaria, Abb. E-1.1) oder der Knollenblätterpilz (Amanita phalloides), die nach einer Latenzzeit von 8–22 Stunden nach Verzehr akute Vergiftungserscheinungen wie Erbrechen, Diarrhö und schmerzhafte Darmkoliken erzeugen. Nach einigen Tagen treten dann an verschiedenen Organen (Leber, Niere, Herz) durch Hemmung der Nukleinsäuresynthese Nekrosen auf. Nur für wenige dieser Gifte gibt es Antidots. Die Dauerform des Pilzes Claviceps purpurea, das sogenannte Mutterkorn, wächst an Getreideähren (Abb. E-1.2). Die Mykotoxine dieses Pilzes (z. B. Ergotamin) verursachen im Menschen Darmkrämpfe, Durchblutungsstörungen und Halluzinationen. Einige Hutpilze („magic mushrooms“), wie etwa Psilocybe spp., bilden stark

⊙ E-1.1

Hutpilze und Giftpilze Amanita muscaria „Fliegenpilz“.

⊙ E-1.2

⊙ E-1.2

Befallenes Getreide mit Mutterkorn Der Pilz Claviceps purpurea befällt die Blüte von Graminaceen, z. B. Secale cereale (Roggen). Das befallene Getreidekorn wächst stärker und übertrifft die natürliche Größe eines Korns. Die dicht bepackten Pilzelemente (Sklerotium) sind schwarz und ragen sichtbar heraus. Dieses „Mutterkorn“ enthält die pharmakologisch wirksamen Alkaloide, die beim Mahlen ins Mehl gelangen. Heute werden diese großen Körner mechanisch vor dem Mahlvorgang entfernt. (Hof, H.: Mykologie für Mediziner. Thieme; 2003)

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E

psychoaktive Toxine, wie Psilocybin (verwandt mit dem synthetischen LSD = Lysersäurediethylamid), das ähnlich wie Serotonin wirkt. Auch viele Schimmelpilze (z. B. Penicillium spp., Aspergillus spp.) können beim Wachstum auf organischen Substraten (z. B. Getreide, Kaffeebohnen, Obst, Käse) unter bestimmten Bedingungen Mykotoxine produzieren, deren akute Toxizität meist schwach ist, die aber unabsehbare Langzeitfolgen haben (s. u.). Je nach Produkt, Herstellungs- und Lagerungsbedingungen ist die Belastung von Lebensmitteln variabel. Der typische modrige Geruch, der von verschimmelten Gegenständen und Gebäuden ausgeht, wird durch kurzkettige, flüchtige Metaboliten (volatile organic compounds = VOC) ausgelöst (z. B. Geosmin). Während manche Menschen individuell recht empfindlich mit Rhinitis, Konjunktivitis, Pharyngitis, Kopfschmerzen, Konzentrationsschwäche und ähnlichen Befindlichkeitsstörungen reagieren, merken andere nichts davon. Sie sind die Ursache von „sick building syndrome“.

Mykotoxine

Viele Schimmelpilze, produzieren Mykotoxine (z. B. Ochratoxin und Aflatoxin B, s. u.).

Kleine, flüchtige Moleküle, die volatile organic compounds (VOC), z. B. das Geosmin, kann man riechen.

Mykotoxine

▶ Definition. Mykotoxine sind Metaboliten des Sekundärstoffwechsels von Schimmelpilzen. Es handelt sich um niedermolekulare Stoffe, die im Menschen keine Immunantwort induzieren. Durch Verzehr von Lebensmitteln oder über Luft gelangen sie in den Organismus und können akute oder chronische Organvergiftungen hervorrufen. Einige Mykotoxine haben außerdem psychedelische, teratogene, immunsuppressive und kanzerogene Wirkungen.

Nicht jeder Schimmelpilz hat die genetische Fähigkeit Mykotoxine zu produzieren, andererseits hängt die Produktion von Mykotoxinen von vielen äußeren Faktoren ab, z. B. von der Temperatur, vom Substrat, der Substratfeuchte, vom pH-Wert und von der Wachstumsphase, in der sich der Schimmel befindet. Die Belastung von Lebensmitteln ist also variabel; für manche der Mykotoxine sind bestimmte Grenzwerte festgelegt. In Tab. E-1.1 sind wichtige Mykotoxine und ihre möglichen Wirkungen im Organismus zusammengefasst.

≡ E-1.1

475

1.2 Bedeutung

▶ Definition.

Nicht jeder Stamm eines Schimmelpilzes kann Mykotoxine produzieren. Wenn er es kann, so hängt die Menge auch von äußeren Faktoren ab. Die Belastung eines Lebensmittels ist also kaum vorhersehbar.

Tab. E-1.1 zeigt wichtige Mykotoxine.

Gefahren durch Mykotoxine

Toxin

produzierender Pilz

Vorkommen

Folgen

Mutterkorn

Claviceps purpurea

Getreide

Gefäßkontraktion

Äthylalkohol

Saccharomyces cerevisiae

Bier, Wein

neurotoxisch, hepatotoxisch

Aflatoxin B

Aspergillus flavus

Nüsse, Getreide

karzinogen, immunsuppressiv

Ochratoxine

Aspergillus ochraceus

Getreide

hepatotoxisch, nephrotoxisch

Trichothecene (z. B. Nivalenon, Desoxynivalenon, T 2)

Fusarium graminearum

Getreide

neurotoxisch, teratogen, immunotoxisch

Fumonisine

Fusarium verticilloides

Mais

neurotoxisch, teratogen

Zearalenone

Fusarium spp.

Getreide

östrogenartig, immunotoxisch

Patulin

Penicillium spp.

Obst

mutagen, neurotoxisch

Gliotoxin

Aspergillus fumigatus

Gewebe

zytotoxisch, immunsuppressiv

Mycophenolsäure

Penicillium roqueforti

Käse

immunsuppressiv

Aflatoxin ist vor allem in Erdnüssen, aber auch im Tierfutter und somit in Milch und Milchprodukten nachweisbar. Der Mensch kann es weder riechen noch schmecken. Es wird in der Leber durch Oxygenasen in Epoxide mit kanzerogener Wirkung umgewandelt. Nur durch Autoklavieren, Backen und Braten, aber nicht durch Kochen oder Pasteurisierung kann Aflatoxin inaktiviert werden. Eine amtliche Verordnung legt den Höchstwert in Lebensmitteln für Aflatoxin B, dem gefährlichsten Derivat, auf 2 μg/kg Nahrungsmittel fest. Patulin ist ein Toxin, das häufig in verschimmeltem Obst nachweisbar ist („Braunfäule“ der Äpfel) und somit in Obstsäfte gelangen kann. Zusätze von Vitamin C bewirken die Neutralisation. Auch durch Vergärung wird dieses Toxin abgebaut. Ochratoxine sind in Getreide und in Getreideprodukten, wie z. B. Bier, aber auch in Kaffee, Kakao, Rotwein und sogar Fleisch von Schlachttieren (außer bei Rindern, weil Bakterien im Pansen der Tiere Ochratoxine abbauen) manchmal in hohen Konzentrationen vorhanden. Sie werden weder durch Röstvorgänge noch bei der alko-

Einige wichtige Mykotoxine sind Aflatoxin, Patulin, Ochratoxin und Trichothecene. Diese Stoffe sollten bestimmte Grenzkonzentrationen in Nahrungsmitteln nicht überschreiten. Mycophenolsäure wird als Medikament zur Suppression der T-Zell-vermittelten Immunreaktion nach Organtransplantation verwendet.

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476

E

1 Allgemeine Mykologie

holischen Gärung neutralisiert. Da sie im Körper nicht degradiert sondern gespeichert werden, sind sie regelmäßig im Blut und Gewebe von Menschen je nach Ernährungsgewohnheiten in jeweils unterschiedlicher Menge nachzuweisen. Trichothecene in Getreide sind sehr hitzeresistent und werden auch beim Backvorgang nicht immer zerstört. Sie sind außerdem stabil gegenüber Laugen und Säuren. Gliotoxin wird von Aspergillus fumigatus gebildet und dient dem Pilz als Virulenzfaktor, indem es die Abwehr des Körpers hemmt. Fumonisine, die vor allem in Mais vorkommen, sind kanzerogen, neurotoxisch und können bei einem Fetus eine Spina bifida verursachen. Zearalenone binden an den Östrogenrezeptor und haben somit Hormonwirkung. Mycophenolsäure wirkt stark hemmend auf die zellvermittelte Immunreaktion. Bei Organtransplantierten wird es als Medikament zur Unterdrückung der Abstoßungsreaktion eingesetzt. ▶ Merke.

▶ Merke. Das medizinisch wichtigste toxische Pilzprodukt ist jedoch der Ethylalkohol,

der von Hefepilzen durch Vergärung von zuckerhaltigen Lösungen gebildet wird. Da es aber kein sekundärer Metabolit ist, gilt es nicht als Mykotoxin sensu stricto.

1.2.3

Infektion

1.2.3 Infektion

Nur wenige Vertreter der Pilze können wie obligat pathogene Erreger einen gesunden Menschen infizieren; eine etwas größere Zahl gehört zu den Opportunisten, die zumindest beim abwehrgeschwächten Menschen eine fortschreitende Infektion lokal oder systemisch erzeugen können, s. Kap. „Medizinisch relevante Pilze“ (S. 485).

Die allermeisten Pilze sind nur harmlose Umweltkeime; ca. 150 Arten können allerdings den Menschen auch besiedeln und infizieren. Aber selbst potenziell pathogene Pilze haben nur wenige aggressive Virulenzfaktoren und können daher meist nur bei passenden Bedingungen als Opportunisten lokale oder sogar systemische Mykosen erzeugen. Bei ausgeprägter Immunsuppression können aber selbst harmlose Pilze zur tödlichen Gefahr für den Infizierten werden, siehe Kap. „Medizinisch relevante Pilze“ (S. 485).

1.3

Merkmale und Klassifikation

1.3

1.3.1

Nomenklatur

1.3.1 Nomenklatur

Die Biologen teilen die Pilze nach ihren Geschlechtsformen ein in Basidiomyzeten, Askomyzeten, Mucoraceen und Mikrosporidien. Daneben gibt es mit den Deuteromyzeten (Fungi imperfecti) noch eine weitere Gruppe, die keine Geschlechtsformen produziert.

≡ E-1.2

Merkmale und Klassifikation

Die biologisch richtige Einteilung der echten Pilze erfolgt nach den Regeln der Botanik (obwohl die Pilze näher mit den Tieren bzw. Menschen als mit Pflanzen verwandt sind). Diese beurteilen die Pilze nach deren geschlechtlicher Erscheinungsform, die von manchen Pilzen unter bestimmten Bedingungen in der Umgebung vorübergehend ausgebildet wird. Aufgrund der entstehenden Hauptfruchtform (perfekte Form), dem Ascus bzw. dem Basidium, unterscheidet man die Askomyzeten („Schlauchpilze“) von den Basidiomyzeten („Ständerpilze“, Tab. E-1.2) und außerdem Mucoraceen sowie Mikrosporidien.

≡ E-1.2

Zugehörigkeit von medizinisch relevanten Pilzen zu der Gruppe der Askomyzeten bzw. Basidiomyzeten

Askomyzeten

Basidiomyzeten

Candida spp.

Cryptococcus neoformans

Saccharomyces spp.

Rhodotorula glutinis

Pneumocystis jirovecii

Trichosporon asahii

Penicillium chrysogenum

Malassezia furfur

Aspergillus fumigatus

Amanita muscaria

Alternaria alternate

Boletus edulis

Coccidioides immitis Anm: „Sprosspilze” in fett

Diese Taxonomie hat jedoch in der Medizin keine große Bedeutung, da meist nur die asexuellen Nebenfruchtformen (imperfekte Formen) zu sehen sind. Verwirrend ist, dass unkonsequenterweise auch in der Medizin manchmal die Namen der sexuellen Vermehrungsform genannt werden (Tab. E-1.3). Zudem sind bei vielen medizinisch relevanten Pilzen (z. B. Candida albicans) die sexuellen Vermehrungsformen noch gar nicht bekannt, sodass diese Pilze eigentlich in die heterogene Gruppe der Deuteromyzeten (Fungi imperfecti) einzureihen wären. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

E

≡ E-1.3

477

1.3 Merkmale und Klassifikation

Derselbe Pilz trägt andere Namen je nach sexueller oder asexueller Form

Teleomorph (sexuelle Form)

Anamorph (asexuelle Form)

Issatchenkia orientalis

Candida krusei

Pichia guilliermondii

Candida guilliermondii

Saccharomyces cerevisiae

Candida robusta

Filobasidiella neoformans

Cryptococcus neoformans

Magnusiomyces capitatus

Geotrichum capitatum

Arthroderma benhamiae

Trichophyton interdigitale

Neosartorya fumigata

Aspergillus fumigatus

▶ Merke. In der Medizin ist die Einteilung in Dermatophyten, Hefe- und Schimmelpil-

≡ E-1.3

▶ Merke.

ze (DHS) viel gebräuchlicher. Daneben werden einzelne dieser Pilze noch in weiteren Gruppen zusammengefasst, z. B. dimorphe Pilze oder Schwärzepilze (Dematiazeen).

1.3.2 Strukturen

1.3.2

Zellulärer Aufbau

Zellulärer Aufbau

Pilze besitzen ein großes Genom mit mehreren Tausend Genen verteilt auf mehrere, lineare Chromosomen. Deren Zahl variiert von 6 bei Aspergillus niger bis zu 16 bei Saccharomyces (Bäckerhefe). Der Chromosomensatz kann haploid (z. B. Candida glabrata, Aspergillus fumigatus) oder diploid sein (z. B. Candida albicans). Kerne perfekter Pilze, die sich sexuell vermehren (z. B. Saccharomyces), durchlaufen einen Wechsel von Haplo- und Diplophase. Im Gegensatz zu den prokaryotischen Bakterien besitzen Pilze nur wenige Introns, und außerdem neben den Protein codierenden Genen auch noch Zentromere und Telomere. Zusätzliche DNA gibt es in Form von intrachromosomalen Transposons, extrachromosomalen Plasmiden und Mykoviren. Mucoraceen besitzen noch bakterielle Endosymbionten. Ebenso wie bei anderen hoch entwickelten, eukaryontischen Zellen grenzt eine Zellkernmembran das Erbmaterial vom Zytoplasma ab. Das Pilzgenom unterscheidet sich in einigen Eigenschaften vom menschlichen, z. B. im Codonusage. Andererseits sind einige Genabschnitte fast identisch, sodass einige Enzyme gemeinsam sind. Das Zytoplasma enthält die typischen Organellen wie Mitochondrien, Ribosomen, GolgiApparat und Peroxisomen. Im Gegensatz zu menschlichen Zellen sind Pilzzellen auch zu einer nicht ribosomalen Proteinsynthese befähigt. Die zytoplasmatische Membran, die wie jede andere Biomembran aus einer Lipiddoppelschicht besteht, unterscheidet sich grundsätzlich von tierischen und menschlichen Zellen dadurch, dass nicht Cholesterin, sondern das Steroid Ergosterin als hauptsächlicher Lipidkörper verwendet wird (Abb. E-1.3).

Pilze sind eukaryontische Zellen mit mehreren Chromosomen entweder in haploidem oder diploidem Satz. Sie besitzen Mitochondrien, Ribosomen und Peroxisomen.

⊙ E-1.3

Aufbau der Zellwand von Pilzen

Strukturen

Die Zytoplasmamembran der Pilze enthält kein Cholesterin, sondern Ergosterin.

⊙ E-1.3

Mannane Mannoproteine Chitin Glukan Phospholipid Ergosterin ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

478

E

1 Allgemeine Mykologie

Die Zellwand enthält Chitin, Glukane und Mannane (Abb. E-1.3).

Im Gegensatz zur animalischen Zelle ist die Pilzzelle von einer komplexen Zellwand umgeben. Vernetzte Fäden aus Chitin und Glukan bilden das Grundgerüst, in das dann noch Proteine, Mannane, Mannoproteine und gelegentlich auch Pigmente, wie etwa Melanin, eingewoben sind (Abb. E-1.3). Der Anteil der Bestandteile ist in verschiedenen Pilzgruppen unterschiedlich: Basidiomyzeten und Mucoraceen enthalten wenig Glucan. Mannane und Glukane sind PAMPs (pathogen associated molecular pattern), die von der körpereigenen Infektabwehr erkannt werden (S. 91). Sie binden an Rezeptoren (mannan-binding lectin; Dectin-1) auf Makrophagen und induzieren proinflammatorische Signalkaskaden (S. 108), vgl. auch Kap. „Dendritische Zellen“ (S. 119) und Kap. „Das Erkennen von fremd (S. 91)“. Glukane werden in Medikamenten als Immunstimulanzien (Lentinan etc.) verwendet.

Morphologische Grundformen

Morphologische Grundformen

Pilze können in verschiedenen morphologischen Formen auftreten, als runde Zelle (Blastospore) oder als filamentöse Form, der Hyphe.

Mehrere Hyphen können zu einem Myzel, einem Pilzgeflecht auswachsen (Abb. E-1.4, Abb. E-1.5).

Dimorphe Pilze können in Blastosporen und Hyphenform vorkommen.

⊙ E-1.4

Die morphologischen Variationen der Pilze sind vielfältig, lassen sich aber im Prinzip auf wenige Grundstrukturen zurückführen. Die Einzelzelle kann rund oder gestreckt sein. Bei der Vermehrung der Hefepilze stülpt sich die Zellwand der Mutterzelle, der Sprosszelle (Blastospore), nach außen und bildet eine Knospe (Sprossung, Abb. E-1.4a), in die eine Kopie des Zellkerns einwandert. Diese Tochterzelle wird dann allmählich größer und nabelt sich regelrecht ab. Wenn sich eine solche Sprossung nicht abnabelt sondern länglich streckt, entsteht eine Pseudohyphe, wo die Teile nicht durch ein Septum getrennt sind (Abb. E-1.5). Mehrere Pilzzellen können auch im Verband bleiben. Diese fadenförmig ausgebildeten Zellverbände werden als Hyphe oder Pilzfaden bezeichnet (Abb. E-1.4b). Solche Hyphen wachsen durch ungeschlechtliche, vegetative Vermehrung zu einem ganzen Geflecht von verzweigten Fäden, dem Myzel. Bei Mucoraceen sind die Fäden nur durch wenige Septen getrennt; diese vielkernigen Zellen bilden ein Coenocytium. Die Zellen im Myzel von ascomyzetischen und basidiomyzetischen Schimmelpilzen sind durch Septen getrennt und kommunizieren über Poren miteinander. Einige Pilze, die sog. dimorphen Pilze, wachsen nicht nur als Sprosspilze oder als Hyphenpilze, sondern kommen alternierend in beiden Formen vor. Der Phasenwechsel ist dabei von außen gesteuert, etwa durch die Nährstoffbedingungen oder durch die Temperatur. So wird die hefeartige, parasitäre Form von Histoplasma capsulatum

⊙ E-1.4

a

Grundformen der Pilze

b

a Sprosszellen. (nach Kayser, F.H. et al.: Medizinische Mikrobiologie. Thieme; 2014) b Myzel: spitzwinklig verzweigte Hyphen.

⊙ E-1.5

Sprosspilze und ihre Grundformen

Pseudohyphe

Sprossung

Aus einer rundlich-ovalen Mutterzelle (Blastospore) schnürt sich seitlich nach und nach durch Knospung (Sprossung) eine Tochterzelle ab. Manche Blastosporen haben sich gestreckt und bilden Pilzfäden, die septiert sind (Hyphe) oder nicht (Pseudohyphe). (Gram-Färbung eines Vaginalabstriches, große Plattenepithelzelle).

Hyphe

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479

E 1.4 Diagnostik

erst bei 37 °C – also im Wirt – ausgebildet, während die filamentöse, saprophytäre Variante bei Umweltbedingungen – also bei Zimmertemperatur – entsteht. Das Myzel dient der Nährstoffaufnahme, dem Stoffwechsel und der Vermehrung. Einzelne Zellen des Verbandes bilden einen spezialisierten Fruchtkörper, ein Sporangium, in dem sich dann durch Reduktionsteilung geschlechtliche Konidien (Sporen) entwickeln. Wenn sich die Sporen in einem Schlauch (Ascus) bilden, gehören die Pilze zu den Askomyzeten, darunter Candida spp., Aspergillus spp., Penicillium spp., Trichophyton spp. Entwickeln sich die geschlechtlichen Sporen an einem Ständer (Basidium), so handelt es sich um Basidiomyzeten, darunter findet man Cryptococcus spp., Trichosporon spp., Rhodotorula spp. und die Speisepilze Boletus edulis (Steinpilz). Die Zellen sind durch Septen voneinander getrennt und kommunizieren dann bei den höher entwickelten Pilzen über Poren miteinander. Die Mucoraceen bilden ein Joch zwischen zwei Hyphen, wo sich dann eine (geschlechtliche) Zygospore ausbildet. Von zahlreichen, medizinisch relevanten Pilzen sind bislang aber noch keine Geschlechtsformen beschrieben, sodass sie willkürlich den Deuteromyzeten (Fungi imperfecti) zugeteilt werden. Andere Zellen eines Myzels bilden ungeschlechtliche Konidien. Die Entstehungsweise (Konidiogenese) dieser Fruktifikationsorgane ist je nach Pilzart unterschiedlich und manchmal so charakteristisch, dass sie zur Arterkennung herangezogen werden kann (Abb. E-1.6). Außerdem werden Form und Farbe der Konidien bewertet. ■ Arthrokonidien bilden sich innerhalb von Hyphen, wobei sich eine ganze Zelle im Verband zu einer Konidie umwandelt (z. B. Geotrichum = Milchschimmel) ■ Phialokonidien werden von endständig an den Hyphen entstehenden Zellen, den Phialiden, abgesondert (z. B. Penicillium) ■ Blastokonidien entstehen durch Knospung (Sprossung) aus einer konidiogenen Zelle (z. B. Cladosporium) ■ Zystokonidien bilden sich innerhalb eines sackförmigen Gebildes, das sich endständig an einer Hyphe entwickelt (z. B. Mucor). ▶ Merke. Konidien – auch Pilzsporen genannt – sind ungeschlechtliche Vermeh-

In einen Sporangium entwickeln sich die geschlechtlichen Sporen (Konidien); davon gibt es 3 Grundformen: den Ascus, das Basidium und die Zygospore. Sind keine Geschlechtsformen bekannt, wird der Pilz der Gruppe der Deuteromyzeten zugerechnet.

Ungeschlechtliche Konidien entwickeln sich in diversen Schritten. Man kann folgende Formen unterscheiden (Abb. E-1.6): ■ Arthrokonidien ■ Phialokonidien ■ Blastokonidien ■ Zystokonidien.

▶ Merke.

rungsformen und entstehen oft nur unter ganz definierten Kulturbedingungen. Sie können als Differenzierungsmerkmale herangezogen werden. Es handelt sich um Dauerformen, die für die Verbreitung der Pilze wichtig sind. Im Vergleich zu den bakteriellen Sporen sind die „Pilzsporen“ jedoch nur relativ stabil gegen Temperatur und Desinfektionsmittel.

⊙ E-1.6

Verschiedene Typen asexuell gebildeter Pilzsporen (Konidien)

Arthrokonidien

1.4

Phialokonidien

Blastokonidien

⊙ E-1.6

Zystokonidien

Diagnostik

1.4

Diagnostik

1.4.1 Mikroskopischer Nachweis

1.4.1

Mikroskopischer Nachweis

Im Nativzustand werden Pilze leicht übersehen, wenn sie nicht stark pigmentiert sind. Ggf. müssen die Materialien daher vorbereitet werden, z. B. Haut, Haare und Nägel durch 30–40 %ige Natronlauge: tierische und menschliche Zellen werden aufgelöst, die Pilze überstehen dagegen die Behandlung. Günstig ist es, die Materialien z. B. mit Lactophenolblau oder Gram-Farbstoff anzufärben. Der Nachweis in Gewebeschnitten wird erleichtert durch Differenzialfärbung mit Perjodsäure-Schiff-Färbung (PAS-Reaktion), mittels Versilberung nach Grocott-Gomori (Abb. A-3.15) oder mit optischen Aufhellern, z. B. Calcofluor, das an Glucan und Chitin in der Zellwand bindet (Abb. E-1.7).

Ungefärbt werden die Pilzelemente leicht übersehen; mit diversen Färbetechniken kann man sie besser darstellen (Abb. E-1.7).

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480 ⊙ E-1.7

E

1 Allgemeine Mykologie

Histologischer Nachweis von Sprosspilzen im Gewebe

Hyphen mit Septen

Myzel

a

Blastosporen

b

a PAS-Färbung. b Calcofluor; Darstellung der Blastosporen und septierten Hyphen mit einem optischen Aufheller.

1.4.2

1.4.2 Kultureller Nachweis

Kultureller Nachweis

Pilze sind adaptationsfähig und können unter recht unterschiedlichen Bedingungen wachsen. Ein gängiger Nährboden ist der Sabouraud-Agar.

Die mikromorphologischen Unterschiede helfen bei der Identifizierung (Abb. E-1.8). Auch mittels biochemischer Leistungen können Pilze differenziert werden, z. B. enzymatische Spaltung von Zuckern. Siehe auch Kap. „Kultur von Bakterien und Pilzen“ (S. 44).

⊙ E-1.8

Mikromorphologie von Sprosspilzen

Pseudomyzel

a

b

Die Mehrzahl der medizinisch relevanten Pilze ist adaptationsfähig und stellt keine besonderen Ansprüche an die Nährbodenbedingungen; im Vergleich zu Bakterien vermehren sie sich jedoch meist langsamer. Dermatophyten brauchen oft mehrere Wochen, um eine sichtbare Kolonie zu bilden. Durch einige Manipulationen, etwa durch einen niedrigen pH, erhalten sie z. B. auf dem Sabouraud-Glukose-Agar oder dem Kimmig-Agar einen Wachstumsvorteil vor dieser Konkurrenz. Das Wachstum kann man dann mit dem bloßen Auge sehen, allerdings oft erst nach Tagen, bei Dermatophyten sogar erst nach Wochen. Unter solchen Bedingungen bilden sich mikromorphologische Merkmale heraus, die wertvolle Hinweise für die Artbestimmung liefern (Abb. E-1.8). Die endgültige Differenzierung von Sprosspilzen wird routinemäßig ergänzt durch die biochemische Differenzierung, d. h. durch die Messung artspezifischer Stoffwechselleistungen wie etwa der Assimilation von bestimmten Stickstoff- und Kohlenstoffquellen oder der enzymatischen Spaltung von Zuckern (Auxanogramm bzw. bunte Reihe). Auch MALDI-TOF-Massenspektrometrie (S. 47) ist hervorragend geeignet, nach Anzucht die verschiedenen Arten mit hoher diskriminatorischer Potenz voneinander zu unterscheiden. Bei Dermatophyten und Schimmelpilzen wird keine biochemische Differenzierung durchgeführt. Siehe auch Kap. „Kultur von Bakterien und Pilzen“ (S. 44).

(Hof, H.: Mykologie für Mediziner. Thieme; 2003)

Blastosporen

Chlamydospore

d

e

a Candida albicans: Blastosporen, Pseudomyzel und endständige Chlamydosporen (= doppelwandige Mantelsporen). b Candida tropicalis: runde Blastosporen, Pseudomyzel. c Candida glabrata: nur Blastosporen. d Candida krusei: verzweigtes Pseudomyzel, längliche Blastosporen. e Trichosporon cutaneum: Myzel zerfällt in Arthrosporen.

c ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

E

481

1.5 Therapie

1.4.3 Molekularbiologischer Nachweis

1.4.3

Der direkte Nachweis von spezifischen Gensequenzen im Untersuchungsmaterial mittels PCR ist bislang nur für einige Pilze etabliert, z. B. Pneumocystis, Aspergillus fumigatus, Candida albicans, Trichophyton rubrum und einige andere Dermatophyten. Zunehmend aber erfährt diese Methode Anwendung bei der exakten Keimdifferenzierung nach kultureller Anzüchtung, wobei verschiedene Genregionen (ITS Region der ribosomalen DNA, 28S-Region der Ribosomen, Topoisomerase, Tubulin oder mitochondriale Gene) amplifiziert und sequenziert werden.

Molekularbiologische Methoden zum Pilznachweis sind zunehmend im Einsatz.

1.4.4 Antigennachweis

1.4.4

Dem Nachweis von pilzspezifischen Antigenen im Blut bzw. in der BAL kommt ein gewisser Stellenwert in der Diagnostik zu. Sprosspilze setzen z. B. schon beim Wachstum aber auch beim Zerfall der Zellwand Mannane und Glukane frei, die sonst in der Natur nicht vorkommen. Schimmelpilze produzieren Galactomannane; das Kapselmaterial der Kryptokokken besteht aus Glucurono-Xylo-Mannanen. Daneben lässt sich aber auch der Nachweis von Glukanen als Hinweis für fast alle Pilze – außer Mucoraceen – werten. Da die Antigene z. B. durch Makrophagen im Grunde sehr effizient aus der Zirkulation eliminiert werden, fallen die Tests oft erst bei fortgeschrittener Infektion positiv aus.

Dem Nachweis von pilzspezifischen Antigenen, vor allem aus der Zellwand (Mannan und Glukan), kommt ein gewisser Stellenwert in der Diagnostik zu.

1.4.5 Serologischer Nachweis

1.4.5

Verschiedene Verfahren, wie etwa EIA oder Immundiffusion, werden eingesetzt, um den Nachweis von zirkulierenden, pilzspezifischen Antikörpern zu ermöglichen. In manchen Fällen, z. B. bei der Diagnose von Histoplasmose und Coccidioidomykose, liefert diese indirekte Methode wertvolle Hinweise. Kritisch beurteilen muss man jedoch immer, ob die gefundenen Antikörper nach aktueller Auseinandersetzung mit dem Pilz vom Immunsystem gebildet wurden oder vielleicht schon seit längerer Zeit bestehen. Manchmal werden spezifische Antikörper schon bei einer bloßen Besiedelung gebildet und sind somit nicht immer Hinweis für eine invasive Infektion. Im Gegensatz hierzu lassen sich beim Abwehrgeschwächten oft keine Antikörper nachweisen trotz Vorliegens einer Pilzinfektion.

Der Nachweis von zirkulierenden, pilzspezifischen Antikörpern ist von untergeordneter Bedeutung.

1.4.6 Klinische und bildgebende Verfahren

1.4.6

Der klinischen Diagnose durch Inspektion kommt vor allem bei Haut- und Schleimhautinfektionen eine entscheidende Rolle zu. Die typischen Manifestationen bei den Dermatomykosen (S. 485) bzw. dem Soor (S. 491) lassen zumindest eine vorläufige Diagnose zu. Bei invasiven Mykosen können auch bildgebende Verfahren entscheidende Hilfe leisten.

1.5

Therapie

Molekularbiologischer Nachweis

Antigennachweis

Serologischer Nachweis

Klinische und bildgebende Verfahren Manche Infektionen, vor allem der Haut und der Schleimhaut, verlaufen so typisch, dass schon die Inspektion hilft. Zusätzlich sind oft auch bildgebende Verfahren nützlich.

1.5

Therapie

1.5.1 Antimykotika

1.5.1

Antimykotika

Im Vergleich zur Zahl der Antibiotika ist die Zahl der angewandten Antimykotika relativ überschaubar (Abb. E-1.9). Dies liegt daran, dass antimikrobiell wirksame Medikamente normalerweise ganz spezifische Targets in der Mikrobenzelle aufsuchen und angreifen, die in der menschlichen Zelle nicht vorkommen. Da die eukaryonte Pilzzelle in Struktur und Stoffwechsel viel Ähnlichkeit mit einer animalischen Zelle hat, ist es hier sehr viel schwieriger, Substanzen mit selektiven Angriffsorten zu finden. Es gibt Antimykotika, die auf Pilze hemmend wirken (fungistatisch) und solche, die Pilze abtöten (fungizid).

Das Prinzip der Wirkung von Antimykotika beruht auf der Präsenz von speziellen Targets in der Erregerzelle, die in der menschlichen Zelle nicht vorkommen. Zum Spektrum der Antimykotika siehe Abb. E-1.9. Einige hemmen das Wachstum der Pilze (fungistatisch) und andere können die Pilze abtöten (fungizid).

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482

1 Allgemeine Mykologie

Spektrum der Antimykotika

Isa vu co na zo l

⊙ E-1.9

E

Polyene

Polyene

Amphotericin B, ein Polyen, hat ein breites Wirkspektrum und wirkt fungizid. Es bindet an Ergosterin und stört die Durchlässigkeit der Membran (Abb. E-1.3).

Zu den Polyenen zählen u. a. die Substanzen Amphotericin B, Nystatin und Natamycin. Ihre Affinität an Ergosterin, den dominierenden Fettbaustein in der zytoplasmatischen Membran von Pilzzellen, ist 1000-fach höher als an Cholesterin, dem Fettkörper der animalischen Zellen (Abb. E-1.3). Durch die Bindung an Ergosterin bilden sich Oligomere, die sich in die Lipiddoppelschicht der zytoplasmatischen Membran integrieren und Poren entstehen lassen, welche die Zielzelle zerstören können. Zusätzlich können noch Radikale, die intrazellulär durch Autooxidation von Amphotericin B entstehen, die Pilzzellen schädigen. Im Prinzip ist die Wirkung der Polyene also fungizid. Das Wirkspektrum ist sehr breit und umfasst Sprosspilze, Schimmelpilze und dimorphe Pilze, wobei nur ausnahmsweise einzelne Stämme resistent sind. Polyene werden zur topischen Behandlung von Pilzinfektion und -besiedelung von Haut und Schleimhäuten eingesetzt. Der Einsatz zur systemischen Therapie wird beeinträchtigt durch die Wasserunlöslichkeit der Substanzen, d. h. sie werden bei lokaler oder oraler Verabreichung praktisch nicht resorbiert. Erst nach mizellärer Emulsion in Desoxycholat ist es auch parenteral applizierbar. Die Gewebspenetration des recht großen Moleküls ist allerdings begrenzt und die Verträglichkeit ist nicht gut: bei hoher Konzentration werden auch die Membranen von Wirtszellen, die Cholesterin enthalten, attackiert. Die Schädigung von Niere und Innenohr wird noch durch den Lösungsvermittler Desoxycholat verstärkt. Die Metabolisierung von Polyenen ist nur gering, daher haben sie eine lange Halbwertszeit.

Präparate, welche Desoxycholat verwenden, um Amphotericin B in lösliche Form zu bringen, sind stark nephrotoxisch.

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E

483

1.5 Therapie

▶ Merke. Wegen der möglichen Nephro- und Ototoxizität kann Amphotericin B pa-

▶ Merke.

renteral nicht ausreichend hoch dosiert werden. Neue Zubereitungsformen, etwa liposomales Amphotericin B, sind nicht nur weitaus weniger toxisch, auch ihre Verteilung im Körper und ihre Pharmakokinetik sind günstiger als von konventionellem Amphotericin B.

Liposomale Präparate von Amphotericin B sind besser verträglich.

Azole

Azole

Angriffsort der Azole an der Pilzzelle ist das Zytochrom-P450-Isoenzym, das die Synthese von Ergosterin aus anderen Steroidvorstufen katalysiert. Die Hemmung des Enzyms führt zu einem Mangel dieses essenziellen Bausteines der zytoplasmatischen Membran, wodurch das Wachstum allmählich gestört wird und die Vulnerabilität durch äußere Einflüsse steigt. Die Wirkung der Azole ist also zunächst fungistatisch. Durch Akkumulation toxischer Vorstufen des Ergosterins wird die Pilzzelle irreversibel geschädigt und stirbt nach einiger Zeit ab. Die diversen Azole unterscheiden sich in ihrer chemischen Struktur und biologischen Wirksamkeit deutlich. Man unterscheidet Imidazole (z. B. Clotrimazol, Bifonazol, Miconazol, Ketokonazol) und Triazole (z. B. Fluconazol, Itraconazol, Voriconazol, Posaconazol, Isavuconazol). Vor allem die Triazole haben erheblich bessere therapeutische Eigenschaften aufgrund ihrer höheren Affinität zum Pilzenzym. Fluconazol hat eine gute Wirkung gegen fast alle Sprosspilze, außer Candida krusei (S. 492) und teilweise Candida glabrata (S. 492). Auch Dermatophyten sind meist recht empfindlich, dagegen bestehen Schwächen gegen Schimmelpilze. Wegen seiner guten pharmakologischen Eigenschaften (Verabreichung oral oder parenteral, hervorragende Gewebegängigkeit, ausgezeichnete Verträglichkeit) wurde es zu einem Basistherapeutikum in der Therapie sowie Prophylaxe von Pilzinfektionen. Itraconazol hat ein vergleichsweise breiteres Spektrum als Fluconazol, wobei vor allem die bessere Wirkung gegen einige Schimmelpilze hervorzuheben ist. Das fettlösliche Präparat wird jedoch kaum intestinal resorbiert, es muss erst in einem Träger, dem Cyclodextrin, gelöst werden. So kann es dann sogar parenteral appliziert werden. Voriconazol, Posaconazol und Isavuconazol übertreffen Fluconazol und Itraconazol noch in seiner Affinität zum Target, sodass die antimykotische Wirkung noch besser und auch breiter ist und nur noch wenige Lücken im Pilzspektrum existieren. Diese Substanzen sind zu einem Eckstein in der Therapie von schweren Pilzinfektionen, vor allem mit Schimmelpilzen, geworden. Posaconazol hat 2 Bindungsstellen am Target, dem Hauptenzym der Ergosterinsynthese; somit sind Resistenzen von Candida- und Aspergillus-Arten recht selten. Außerdem sind noch weitere Pilze, wie Fusarium und sogar Zygomyzeten, im Spektrum dieses Azolantimykotikums. Es kann oral oder i. v. (inkorporiert in Cyclodextrin) appliziert werden. In der Prophylaxe von Pilzinfektionen von Schwerstkranken spielt es eine zunehmende Rolle.

Azole hemmen die Ergosterinsynthese; der Mangel an diesem Baustein der Membran hat eine fungistatische Wirkung.

▶ Merke. Beim Einsatz von Azolen ist zu beachten, dass alle Azole mehr oder weni-

Die Triazole (z. B. Fluconazol) sind den alten Imidazol-Präparaten überlegen.

Fluconazol hat eine breite Wirkung auf viele Sprosspilze und Dermatophyten und ist sehr gut verträglich. Es ist somit ein Basistherapeutikum.

Itraconazol greift sogar manche Schimmelpilze an. Es muss jedoch durch Trägerstoffe in eine lösliche Form gebracht werden. Voriconazol, Posaconazol und Isavuconazol haben die stärkste antimykotische Wirkung und werden bei schweren Pilzinfektionen eingesetzt.

▶ Merke.

ger diverse Interaktionen mit solchen Medikamenten (z. B. Antiepileptika) haben können, die wie die Azole selbst über das Cytochrom-P450-System in der Leber abgebaut werden.

Allylamine

Allylamine

Obwohl sie eine ganz andere Struktur als Azole besitzen, hemmen auch die Allylamine, z. B. das Terbinafin, die Produktion von Ergosterin, wobei jedoch schon frühere Vorstufen gehemmt werden. Obwohl ihr Wirkspektrum beträchtlich ist, werden diese Substanzen praktisch nur zur Behandlung von Dermatomykosen eingesetzt.

Terbinafin hemmt die Ergosterinsynthese. Es wird überwiegend bei Dermatomykosen eingesetzt.

Echinocandine

Echinocandine

Echinocandine, z. B. Caspofungin, Anidulafungin und Micafungin, sind Lipopeptide, die spezifisch die Synthese von Glucan hemmen, welches eben nur in der Zellwand von manchen Pilzen vorkommt. Auf Sprosspilze wirken sie fungizid, auf askomykotische Schimmelpilze nur fungistatisch. Durch den selektiven Wirkmechanismus ist das breite Spektrum auf Sprosspilze und Schimmelpilze sowie die gute Verträglichkeit der Substanzen begründet. Resistenzen sind erst selten.

Echinocandine hemmen die Glucansynthese von Spross- und Schimmelpilzen.

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484 ▶ Merke.

E

1 Allgemeine Mykologie

▶ Merke. Da Basidiomyzeten (s. Tab. E-1.2) und Mucoraceen nur wenig Glukan in

der Zellwand besitzen, sind sie von vornherein resistent gegen Echinocandine.

Antimetabolite

Antimetabolite

5-Fluorocytosin (5-FC) ist ein Nukleosidanalogon. Nach Aktivierung durch die Pilzzelle hemmt es das Wachstum von Spross- und Schimmelpilzen. Es wird meist nur als Kombinationspartner (mit Amphotericin B) eingesetzt.

5-Fluorocytosin (5-FC) ist ein Nukleosidanalogon und hemmt die Nukleinsäuresynthese. Mithilfe pilzspezifischer Permeasen gelangt die Prodrug in die Pilzzelle, dort muss sie dann erst noch durch pilzspezifische Desaminasen in das aktive 5-Fluorouracil umgewandelt werden. Dadurch wird die Selektivität auf Pilzzellen gewährt. Wenn die Thymidylatsynthase einer betroffenen Pilzzelle diese metabolisierte Wirksubstanz fälschlicherweise in die entstehende DNA einbaut, so wird die weitere Synthese der Nukleinsäuren blockiert und die Pilzzelle stirbt. Im Prinzip ist 5FC gegen viele Spross- und Schimmelpilze wirksam, doch kommen primäre Resistenzen vor und unter einer Therapie entstehen leicht sekundäre Resistenzen. Obwohl es oral und parenteral anwendbar und gut gewebegängig ist, hat es nur einen begrenzten Stellenwert in der Therapie von Pilzinfektionen. Allenfalls in der Kombination mit anderen Antimykotika wird es noch eingesetzt, wobei es vor allem mit Amphotericin B einen synergistischen Effekt zeigt. Die Pyridone, z. B. das Ciclopiroxolamin, haben einen komplexen Wirkmechanismus, wobei durch Chelatbildung mit essenziellem Eisen verschiedene Enzymsysteme in der Pilzzelle blockiert werden. In der Praxis ist die Anwendung auf die lokale Anwendung bei Dermatomykosen begrenzt (bei parenteraler Gabe wird die Substanz sofort degradiert).

Pyridone hemmen den Eisenstoffwechsel. Sie werden nur lokal verwendet.

Griseofulvin

Griseofulvin

Griseofulvin hemmt die Mitose von Dermatophyten.

Griseofulvin hemmt die Mitose von Dermatophyten. Nach oraler Verabreichung lagert es sich bevorzugt in keratinhaltigem Gewebe ein, weshalb es für die Therapie von Infektionen der verhornten Haut und der Hautanhangsgebilde (Haare und Nägel) geeignet ist. Bis aber eine gesamte Nagelplatte getränkt ist, vergehen oft Monate. Die Heilungsraten von Onychomykosen liegen selbst dann auch nur bei etwa 50 %. Griseofulvin ist zurzeit nicht im Handel.

1.5.2

1.5.2 Resistenzen

Resistenzen

Mechanismen

Mechanismen

Im Prinzip gibt es 2 Resistenzmechanismen gegen Antimykotika: Änderung des Targets und erschwerter Zugang zum Target.

Einzelne Pilzstämme können eine erworbene Resistenz gegen ein Antimykotikum entwickeln, weil sie entweder das Target ändern oder den Zugang zum Target beschränken. Der dritte bei Bakterien übliche Weg, nämlich die enzymatische Attacke der antimikrobiellen Substanz, ist bei Pilzen bislang nicht bekannt. Ein weiterer Unterschied zu den Bakterien liegt darin, dass eine Kodierung von Resistenzen auf übertragbaren Gensequenzen, wie Plasmiden und Transposons, nicht vorkommt. Mit einer explosionsartigen Ausbreitung von Resistenzen ist also nicht zu rechnen.

▶ Merke.

▶ Merke. Im Gegensatz zu Bakterien sind Resistenzen bei Pilzen nicht durch mobile

genetische Elemente, z. B. Transposons bzw. Plasmide, codiert. Folglich ist die Ausbreitung nicht explosionsartig.

Resistenzbestimmung

Resistenzbestimmung

Die Bestimmung der Empfindlichkeit in vitro ist nicht in jedem Fall nötig, da das Spektrum der Wirksamkeit vorhersagbar ist.

Routinemäßig muss die Empfindlichkeit eines Isolates nicht geprüft werden, weil man mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund von Erfahrungen die Wirksamkeit vorhersagen kann (s. E-1.9). Im Einzelfall kann ein Antimykogramm erforderlich sein, wobei im Prinzip ähnliche Verfahren wie in der Bakteriologie angewendet werden, obwohl die Details weniger gut fundiert sind. Zwar kann man auf speziellen Pilznährböden MHK-Werte mittels Bouillondilution, Agardiffusion oder E-Test erstellen, doch sind die absoluten Werte solcher Ergebnisse stark vom Milieu abhängig. Die klinische Relevanz ist unklar, weil verbindliche Grenzwerte (break-points) nicht für alle Antimykotika existieren.

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2

Medizinisch relevante Pilze

2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6

Dermatophyten . . . . . . Sprosspilze . . . . . . . . . Schimmelpilze . . . . . . . Mucoraceen . . . . . . . . Dimorphe Pilze . . . . . . Außergewöhnliche Pilze.

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2.1

Dermatophyten

2.1

Bedeutung: Dermatophyten sind Fadenpilze, die Keratin verwerten und daher fast ausschließlich verhornte Haut, Haare und Nägel, sowie selten auch Dermis und Subkutis von Mensch und Tier befallen. Obwohl die exakte molekularbiologische Typisierung heute möglich ist, werden die Dermatophyten in der Praxis aufgrund der mikroskopisch unterscheidbaren Formen der ungeschlechtlichen Fortpflanzungsorgane (Makro- und Mikrokonidien) in folgende Gattungen unterteilt (Abb. E-2.1): ■ Trichophyton ■ Microsporum ■ Epidermophyton.

⊙ E-2.1

Mikroskopische Diagnostik der häufigsten Erreger von Dermatomykosen

Trichophyton interdigitale Makrokonidie

Dermatophyten

Bedeutung: Dermatophyten sind Fadenpilze. Sie verwerten Keratin und können somit nur in Haut, Haaren und Nägeln wachsen. Man unterscheidet 3 Gattungen (Abb. E-2.1): ■ Trichophyton ■ Microsporum ■ Epidermophyton.

⊙ E-2.1

Hyphen: 1–3 μm breit, septiert, gerade, gebogen, spiralig Makrokonidien: keulenförmig, 6–8 x 20–50 μm, dünn und glattwandig, mehrkammerig Mikrokonidien: überwiegend rund bis keulenförmig, 3–20 μm, traubenförmige Anordnung, polymorph gestaltet

Microsporum canis Makrokonidien: dickwandig, stachelige, spindelförmige Gebilde, bis 40 μm groß Mikrokonidien: rund bis elliptisch, ≤ 3–5 μm groß

Epidermophyton floccosum Makrokonidien: dünnwandig, 6–10 x 8–15 μm,mit abgerundeten distalen Enden, keine Mikrokonidien, bei älteren Kulturen zahlreiche Chlamydosporen (7–5 μm)

Hyphen: Pilzfäden Makrokonidien: große Sporen Mikrokonidien: kleine Dauersporen Chlamydospore

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486

E

Eine weitere Unterteilung erfolgt in geophile, zoophile bzw. anthropophile Dermatophyten (Tab. E-2.1).

Zur Typisierung können dann noch weitere mikromorphologische Merkmale und das Aussehen der Kolonie herangezogen werden. Eine weitere Unterteilung in geophile, zoophile bzw. anthropophile Dermatophyten berücksichtigt u. a. Eigenschaften wie Habitat, Erregerreservoir, Infektketten bzw. Anpassung an tierisches oder menschliches Keratin (Tab. E-2.1).

Pathogenese: Geophile Dermatophyten leben in der Erde. Die Kontamination führt jedoch nicht unweigerlich zur Infektion, prädisponierende Faktoren müssen hinzukommen. Zoophile Dermatophyten werden von Tier zu Mensch übertragen (Abb. E-2.3).

Die anthropophilen Dermatophyten werden direkt von Mensch zu Mensch übertragen.

▶ Exkurs.

≡ E-2.1

2 Medizinisch relevante Pilze

Pathogenese: Die geophilen Dermatophyten leben als Saprophyten in der Erde. Zur Kontamination kommt es z. B. bei Gartenarbeiten, was jedoch nicht unweigerlich zu einer Infektion führt. Lokale prädisponierende Faktoren, wie Durchblutungsstörungen („kalte Füße“), mechanische Belastung (enge Schuhe), Feuchtigkeit durch Schweiß etc. erleichtern das Angehen einer Infektion. Zoophile Dermatophyten haben ihren natürlichen Standort auf felltragenden Tieren und werden bei Kontakt übertragen, z. B. von einem infizierten Meerschweinchen (Abb. E-2.3a) auf ein Kind, das damit geschmust hat (Abb. E-2.3b). Manche Dermatophyten sind an bestimmte Tierarten adaptiert und für Menschen wenig infektiös. Andere Arten, etwa Trichophyton verrucosum, befallen Rinder („Rinderflechte“) und sind auch auf Menschen übertragbar. Die anthropophilen Dermatophyten, wie Trichophyton rubrum, Trichophyton interdigitale (früher: Trichophyton mentagrophytes) und Trichophyton tonsurans, sind an den Menschen angepasst und können direkt von Mensch zu Mensch, aber auch indirekt über kontaminierte Gegenstände, z. B. in Fitnessbereichen, übertragen werden. Ihre Infektiosität ist also von vornherein hoch, die Krankheitsfolgen sind jedoch meist nur gering. ▶ Exkurs. T. rubrum stammt aus Afrika. Offensichtlich haben Sklaven die Erreger nach Nordamerika eingeschleppt. Dort haben sich diese Pilze auch in der kaukasischen Bevölkerung ausgebreitet. Im 2. Weltkrieg wurden diese Dermatophyten dann in den Stiefeln der Soldaten nach Europa exportiert und heute ist T. rubrum mit Abstand der häufigste Dermatophyt. Er hat T. interdigitale (T. mentagrophytes) ziemlich verdrängt.

≡ E-2.1

Einteilung der Dermatophyten nach epidemiologischen Gesichtspunkten

Standort

Beispiel

Erdboden (geophil)



Microsporum gypseum



Trichophyton terrestre



Trichophyton gypseum



M. audouinii



Microsporum canis



Microsporum equinum



Microsporum gallinae



Epidermophyton floccosum



Trichophyton interdigitale



Trichophyton rubrum



Trichophyton tonsurans



Trichophyton benhamiae

Tier (zoophil)

Mensch (anthropophil)

Klinik: Tinea ist der Sammelbegriff für oberflächliche Dermatomykosen (Abb. E-2.2).

▶ Merke.

Infektkette Erde → Mensch

Tier → Mensch

Mensch → Mensch

Klinik: In der Dermatologie wird der Begriff Tinea als Sammelbegriff für oberflächliche Dermatomykosen verwendet, wobei die Lokalisation in die Beschreibung mit eingeht und unabhängig von der verursachenden Pilzspezies ist (Abb. E-2.2). ■ Tinea pedis: Mykose im Fußbereich. ■ Tinea capitis: Mykose im Kopfbereich. ■ Tinea inguinalis: Mykose in der Leistenbeuge. ■ Tinea corporis: Mykose des Stammbereiches. ■ Tinea barbae: Mykose im Bartbereich. ▶ Merke. Tinea pedis, der „Fußpilz“, ist die häufigste Dermatomykose in den Indus-

trienationen. 75 % der Bevölkerung leidet zeitweise an diesen juckenden Infektionen z. B. in den Zehenzwischenräumen (Abb. E-2.2a), wo es bei ungeeignetem Schuhwerk feucht, warm und dunkel ist. Gleichzeitig findet man auch oft einen Befall der Fußnägel, eine Onychomykose (Abb. E-2.2b). Eine traumatische Schädigung der Nägel durch Sport oder enge Schuhe begünstigt die Enstehung einer Nagelmykose. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

E

⊙ E-2.2

a

487

2.1 Dermatophyten

Verschiedene Dermatomykosen

b

a Tinea pedis („Fußpilz“, oberflächlich). (Moll, I.: Duale Reihe Dermatologie. Thieme; 2016) b Nagelmykose: Zum Pilznachweis Nägel erst kurz schneiden, Desinfektion mit 70 % Alkohol, mit scharfem Löffel Material abkratzen und in steriler Schale auffangen.

Die klinischen Erscheinungen hängen auch vom Erreger ab: ■ Trichophytie: Durch Trichophyton-Arten hervorgerufene Infektionen der Haut, Haare und Nägel (Abb. E-2.3). Die Infektion kann eine tiefe (Trichophytia profunda) oder oberflächliche (Trichophytia superficialis) entzündliche Reaktion der Haut auslösen. Die Symptome können sich entsprechend nur als trockene, schuppende, hyperkeratotische Areale zeigen oder als schwere, granulomatöse Entzündung der Haut imponieren. ■ Mikrosporie: Verschiedene Arten von Microsporum verursachen Haarinfektionen; dabei umgeben Massen von Pilzsporen außen mantelförmig den Haarschaft, der an Elastizität verliert und schließlich wenige Millimeter über der Kopfhaut abbricht (Zerstörung des Haares von außen = ektothrix). Die Haut darunter kann gerötet sein. ■ Epidermophytie: Der Pilz befällt nur die glatte, unbehaarte Haut und die Nägel (nicht die Haare). Der Krankheitswert der genannten Infektionen ist meistens gering, aber die kosmetischen Folgen können erheblich sein. Außerdem kann es zu einer bakteriellen Superinfektion kommen, da die infizierte Stelle die Eintrittspforte für andere Krankheitserreger bildet, z. B. Erysipel durch A-Streptokokken (S. 338) bei Tinea pedis. Dermatophyten können auch allergische Reaktionen hervorrufen; manche Infektionsverläufe werden durch allergische Reaktionen gegen die Pilze verstärkt, vgl. Kap. „Allergie“ (S. 473). Nachweis: Verdächtige Haare werden mit der Epilationspinzette herausgezupft. Nägel und Hautareale werden zunächst mit 70 %igem Alkohol gründlich abgerieben, um vorhandene Bakterien zu beseitigen. Dann werden von der befallenen Hautstelle mittels scharfem Löffel oder Skalpell Hautschuppen abgekratzt. Dies sollte möglichst am Übergang von gesunden zu infizierten Arealen geschehen, also in der Peripherie und nicht im Zentrum, da dort kaum lebende Pilze zu erwarten sind (Abb. E-2.3c). Infizierte Nägel sind aufgequollen und verdickt, sie werden zunächst kurz geschnitten (distale Anteile enthalten nur tote Pilze); dann erst wird Material zur Untersuchung gewonnen (Abb. E-2.2b). Die Hautschuppen bzw. Nagelstücke werden in sterilen Gefäßen aufgefangen. Für die mikroskopische Untersuchung der Proben werden die menschlichen Zellen und das Keratin mit 30 %iger Natronlauge aufgelöst (Abb. E-2.3d); danach kann man im Mikroskop die beständigen Pilzelemente erkennen (Abb. E-2.3f). Lactophenolblau oder Calcofluor können die Darstellbarkeit ggf. noch verbessern. Der kulturelle Nachweis gelingt auf Sabouraud-Agar und anderen Pilznährböden, die zur Selektion von Dermatophyten zusätzlich noch Antibiotika zur Unterdrückung der bakteriellen Begleitflora und Actidione zur Unterdrückung der Schimmelpilze enthalten; allerdings dauert es unter Umständen mehrere Wochen bis sichtbare Kolonien wachsen. Größe, Beschaffenheit und Farbe der Kolonien sowie mikromorphologische Kriterien der Form und Lagerung von Mikro- und Makrokonidien



Trichophytie: Durch Trichophyton-Arten hervorgerufene Infektionen der Haut, Haare und Nägel (Abb. E-2.3).



Mikrosporie: Auslöser von Haarinfektionen.



Epidermophytie: Befall von Nägeln und Haut.

Der Krankheitswert ist meist gering, aber die kosmetischen Folgen können gravierend sein. Außerdem kann die infizierte Stelle Eintrittspforte für andere Krankheitserreger sein. Dermatophyten können auch allergische Reaktionen induzieren.

Nachweis: Auf die mikroskopische Untersuchung von Hautschuppen, Haaren und Nagelmaterial folgt der kulturelle Nachweis, der allerdings einige Wochen dauert. Einige Dermatophyten können auch mittels PCR in den Proben innerhalb von 1–2 Tagen nachgewiesen werden. Da die Infektion zentrifugal fortschreitet, sollten Proben vom Rand der Läsion entnommen werden (Abb. E-2.3c).

Der kulturelle Nachweis gelingt auf speziellen Pilznährböden. Zur Selektion sind zusätzlich noch Antibiotika zur Unterdrückung der bakteriellen Begleitflora und Actidione zur Unterdrückung der Schimmelpilze enthalten (Abb. E-2.3e).

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488 ⊙ E-2.3

E

2 Medizinisch relevante Pilze

Hautpilz (Trichophyton interdigitale) bei einem 10-jährigen Kind

a

b

d

e

c

f

a Quelle: Das Meerschweinchen war frisch vom Händler gekauft und hatte am Auge eine schuppige Entzündung. b Klinisches Bild: Das Mädchen hatte engen Kontakt und entwickelte 3–4 Wochen später eine oberflächliche Tinea (amerikanischer Begriff: Ringworm). In der Mitte ist die Infektion schon beendet und die Rötung abgeblasst. Der rote Randsaum ist progressiv. c Probenentnahme: Mit einem scharfen Löffel wird im entzündeten Gebiet etwas Material ganz oberflächlich angekratzt, sodass es nicht blutet, und in einer sterilen Petrischale aufgefangen. Die Hautschuppen werden für 30 Minuten in 30 % KOH gelegt. So werden die Körperzellen fast vollständig lysiert. d Mikroskopisches Bild: Die (zellwandbildenden) Pilzelemente überstehen die Behandlung mit KOH. Man sieht im Mikroskop doppelbrechende Fäden. Eine Unterscheidung zwischen Dermatophyt und Sprosspilz ist so aber nicht möglich. e Pilzkultur: Von den Hautschuppen wurde eine Kultur auf Agarnährböden angelegt. Nach 4 Wochen wachsen flauschige, trockene Kolonien. f Mikroskopische Differenzierung der Isolate: Die mikroskopische Untersuchung der Kolonie zeigt feine Hyphen, aus denen sich nur ganz vereinzelt kleine, runde Mikrokonidien abschnüren und zwischen den Hyphen liegen. Weiterhin sieht man charakteristische Makrokonidien (keulenförmig, mehrkammerig). Diagnose: Trichophyton interdigitale (früher: mentagrophytes).

Im Prinzip ist der Nachweis im Untersuchungsmaterial der häufigsten Dermatophyten auch mittels PCR in 1–2 Tagen möglich.

▶ Merke.

werden zur Differenzierung der Pilze herangezogen (Abb. E-2.3e). Viel Erfahrung ist dazu notwendig! Neuerdings gibt es die Möglichkeit, direkt im Untersuchungsmaterial (Nagel, Haar, Hautschuppen) mittels PCR die wichtigsten Dermatophyten innerhalb von 1–2 Tagen zu detektieren. Die Differenzierung der Dermatophyten mittels MALDI-TOF ist noch nicht befriedigend. T. rubrum und T. interdigitale lassen sich allerdings recht gut unterscheiden. ▶ Merke. Die Nomenklatur der Dermatophyten ist im Umbruch. So werden neben

den anamorphen gelegentlich auch die telemorphen Namen geführt (z. B. Trichophyton benhamiae bzw. Arthroderma benhamiae). Zudem treten bei genetischer Differenzierung Diskrepanzen zu der bislang geübten phänotypischen Charakterisierung auf (so ist T. benhamiae leicht mit T. interdigitale zu verwechseln). Therapie: Nach einer mechanischen Entfernung des toten Materials kann man lokale oder auch systemische Antimykotika einsetzen, oft über längere Zeit. Alternativ oder auch zusätzlich kann eine systemische Gabe von Antimykotika nützlich sein. Mit Rezidiven muss gerechnet werden.

Therapie: Als lokale Therapie kommen neben Desinfektionsmitteln antimykotische Mittel als Lotio, Salbe oder Lack zum Einsatz. Bei Nagelmykosen ist eine mechanische oder chemische Vorbehandlung hilfreich, um das tote Material wegzuräumen und den Antimykotika, darunter Azole, Allylamine und Ciclopiroxolamin, den Zutritt zu erleichtern. Eine längere Behandlung von 4–6 Wochen ist erforderlich. Alternativ oder auch zusätzlich kann eine systemische Gabe von Antimykotika nützlich sein. Bis die Medikamente wie Griseofulvin in der Keratinschicht angereichert sind, vergehen allerdings Wochen. Folglich muss von vorneherein eine lange und regelmäßige Medikamenteneinnahme gewährleistet sein. Azole, wie Fluconazol und Itraconazol, müssen in der Regel nur 1–2 Wochen gegeben werden, was die Compliance erleichtert. Mit Rezidiven muss gerechnet werden. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

E

Prophylaxe: Dermatophytensporen sind in der Natur weit verbreitet, sodass eine sichere Expositionsprophylaxe nur schwer zu realisieren ist. Man sollte aber zur Primär- und Sekundärprophylaxe die Masse der Sporen reduzieren, indem z. B. Strümpfe und Schuhe gereinigt und ggf. desinfiziert werden. Umsichtiges Verhalten, z. B. in Schwimmbädern, Sauna und Fitnessbereichen, ist ratsam. Da Pilze auch ein geeignetes Milieu benötigen, bevor eine Besiedelung in eine Infektion übergeht, sollten Haut, Haare und Nägel gepflegt werden. Personen mit bestimmten Grunderkrankungen, z. B. periphere arterielle Verschlusskrankheit oder Diabetes mellitus, sind besonders anfällig und müssen entsprechend sorgfältig bei der Prophylaxe sein.

2.2

489

2.2 Sprosspilze

Sprosspilze

▶ Definition. Sprosspilze, von Laien auch Hefen genannt, sind im Prinzip einzellige

Prophylaxe: Wichtiges Ziel ist die Reduktion der Sporenlast in der Umgebung und die Verhinderung eines weiteren Pilzwachstums, z. B. durch sorgfältige Reinigung oder Desinfektion.

2.2

Sprosspilze

▶ Definition.

Eukaryonten, die primär in einer ovalen Form, der Blastospore, auftreten. Sie vermehren sich durch Sprossung, d. h. aus der Mutterzelle entwickelt sich durch Ausstülpung der Zellwand eine Knospe, in die eine Kopie des Zellkerns einwandert. Die Tochterzelle wächst heran und nabelt sich ab (Abb. E-1.5). Unter geeigneten Bedingungen können sich bei manchen Hefepilzen die Einzelzellen strecken und einen Keimschlauch bilden. Bleiben diese Zellen zusammen und bilden einen Verband, spricht man von einem Pseudomyzel, obwohl sie nicht – wie bei einem echten Myzel – miteinander über Septen kommunizieren. Bei einigen Sprosspilzen sind auch geschlechtliche Vermehrungsformen bekannt, z. B. wird Candida krusei zu den Askomyzeten (S. 476) gerechnet und heißt dann Issatchenkia orientalis (Tab. E-1.3). Die geschlechtlichen Sporen von Cryptococcus neoformans bilden sich an einem Basidium aus, sodass dieser Pilz eigentlich als Filobasidiella neoformans bezeichnet werden müsste. Auch Mucoraceen können gelegentlich in Sprosspilzform erscheinen. Hefepilze gehören also im Prinzip zu ganz unterschiedlichen Pilzgruppen. Hefe ist nicht gleich Hefe!

Bei einigen Sprosspilzen ist auch eine geschlechtliche Form bekannt (z. B. Candida krusei).

2.2.1 Askomyzetische Sprosspilze: Candida

2.2.1

Bedeutung: Pilze der Gattung Candida, wovon es ca. 200 Arten gibt, sind sehr heterogen. Nach rein wissenschaftlichen Regeln werden sie zu ganz verschiedenen Gattungen gerechnet. In der Umwelt sind sie weit verbreitet (z. B. Candida tropicalis, Candida krusei, Candida parapsilosis, Candida glabrata). Dagegen tritt Candida albicans, der wichtigste Erreger von opportunistischen Sprosspilzinfektionen, vorwiegend beim Menschen auf. ▶ Merke. In der Medizin spielen Sprosspilze der Gattung Candida die größte Rolle.

Askomyzetische Sprosspilze: Candida Bedeutung: Von den 200 verschiedenen Candida-Arten leben viele in der Umwelt. Die wichtigste Art, die beim Menschen vorkommt, ist Candida albicans.

▶ Merke.

Beim gesunden Menschen findet sich manchmal Candida albicans in der oralen, gastrointestinalen und vaginalen Flora in geringer Anzahl als bloßer Besiedeler ohne pathogenetische Bedeutung als Krankheitserreger und ohne therapeutische Konsequenz. Der Pilz kann aber auch oberflächige, lokale und systemische Infektion hervorrufen. Pathogenese: Viele Hefen der Gattung Candida, aber vor allem Candida albicans, sind fakultativ pathogene Keime, d. h. wenn in einem Wirt bestimmte Milieubedingungen erfüllt sind, können sich diese Opportunisten entweder superfiziell oder sogar invasiv in diverse Organe ausbreiten. Faktoren, welche die Infektion mit Sprosspilzen begünstigen, sind z. B.: ■ Verminderung oder Beseitigung der physiologischen Bakterienflora auf Haut und Schleimhäuten durch Antibiotika. ■ Erhöhung des pH-Wert in der Vagina oder Östrogenüberschuss durch hormonelle Kontrazeption bzw. Gravidität (Vaginalmykose). ■ Barriereschäden der Haut, etwa durch großflächige Verbrennungen (lokale Infektionen). ■ auf der zarten Haut von Säuglingen kann durch anhaltende Feuchtigkeit und/oder mechanisches Reiben der Windel eine Windeldermatitis entstehen. ■ Suppression der unspezifischen bzw. der spezifischen Infektabwehr durch krankhafte (z. B. Leukämie, AIDS) oder iatrogene Prozesse (Transplantation, Bestrahlung, zytostatische Therapie).

Pathogenese: Damit diese Opportunisten überhaupt eine Infektion erzeugen können, müssen bestimmte Milieufaktoren günstig sein, z. B. erhöhter pH, verminderte Konkurrenz der autochthonen Bakterienflora, Diabetes mellitus, Immunsuppression.

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490

Potenziell pathogene Sprosspilze produzieren einige Virulenzfaktoren, wie Oberflächenstrukturen, Zytotoxin (Candidalysin) und Proteinasen. Damit binden sie an Epithelzellen (Tab. E-2.2) und penetrieren ins Gewebe.

≡ E-2.2

E

2 Medizinisch relevante Pilze

Auch eine Stoffwechselentgleisung (z. B. Diabetes mellitus) fördert die Adhäsion von Pilzen (z. B. an die Wangenschleimhaut). Hyperglykämie und Ketoazidose vermindern die Abwehrfunktion der Phagozyten, wodurch sogar eine Disseminierung möglich wird. Potenziell pathogene Sprosspilze haben ein ganzes Repertoire an Genen, um sich an die jeweiligen Verhältnisse in den verschiedenen Organen anzupassen. Sie nutzen bestimmte Virulenzfaktoren (Tab. E-2.2): Über adhäsinähnliche Strukturen auf der Oberfläche, z. B. die Mannoproteine (Abb. E-1.3), zytotoxische Petide (Candidalysin), Proteinasemoleküle und andere Moleküle heften sich die Pilzzellen fest an Epithelzellen, wenn deren Rezeptoren frei zugänglich sind. Eine solche Besiedelung des Menschen ist nicht selten und findet – zumindest durch Candida albicans – nicht nur transient, sondern bei ca. 30 % auch permanent statt. Die Epithelbarriere kann mittels zytotoxischer Peptide (Candidalysin), Proteinasen und Phospholipasen überwunden werden, indem z. B. die Interzellularbrücken gespalten werden. Manche der dann einsetzenden Abwehrmaßnahmen (z. B. Komplementreaktion) werden unterlaufen. Auch eine Änderung des Phänotypus ist möglich, um der Immunreaktion auszuweichen.

≡ E-2.2

Bekannte Virulenzeigenschaften von Candida albicans

Kolonisation



kurze Regenerationszeiten



Resistenz gegenüber Milieuschwankungen (breiter pH- und Temperaturbereich)



Adhärenz an Epithel und Endothel (Mannoproteine)

Gewebeinvasion



Sekretion lytischer Enzyme (Zytotoxin, Proteinasen, Phospholipasen)



Ausbildung geeigneter morphologischer Strukturen (Keimschläuche)

Gewebepersistenz



Veränderung des Phänotyps („phenotypic switching“)



Maskierung mit körpereigenen Strukturen („antigenic mimicry“) um den körpereigenen Abwehrmechanismen zu entgehen

Bei der Abwehr spielen polymorphkernige Granulozyten und T-Lymphozyten eine wesentliche Rolle.

Bei der Abwehr von Sprosspilzinfektionen spielen die polymorphkernigen Granulozyten eine ganz entscheidende Funktion. Daneben können außerdem die T-Lymphozyten mittels Sekretion von Zytokinen (z. B. IFN-γ) Gewebemakrophagen aktivieren und deren Abwehrkapazität steigern. Die humorale Immunität spielt hier nur eine untergeordnete Rolle.

Klinik: Candida albicans kann mukokutane und systemische Mykosen verursachen (Tab. E-2.3, Abb. E-2.4).

Klinik: Abhängig von der jeweiligen Prädisposition bzw. der Grunderkrankung des Patienten verursacht Candida albicans mukokutane Infektionen und tiefe, systemische Mykosen (Tab. E-2.3, Abb. E-2.4).

≡ E-2.3

≡ E-2.3

Klinische Formen einer Infektion mit Candida albicans

mukokutane Formen

systemische Formen (isolierter Organbefall oder Dissemination; selten: meist bei Abwehrschwäche)

Candida kann diverse Krankheiten hervorrufen, wie Soor, Fluor vaginalis, Balanitis, Hautinfektionen und Organmykosen.



Haut- und Nagelinfektionen



Windeldermatitis



Vulvovaginitis



Balanitis



Soor



Ösophagitis



gastrointestinale Infektionen (selten)



Zystitis, Pyelitis, Nierenabszesse



Pneumonie



Meningitis



Uveitis



Perikarditis, Endokarditis



Arthritis



Osteomyelitis



Peritonitis



Infektionen von Leber und Milz



Fungämie, Septikämie

Da wo es feucht warm und dunkel ist, z. B. bei schlechtem Schuhwerk in den Zehenzwischenräumen oder in den Fingerzwischenräumen (Abb. E-2.4c) oder bei Adipositas in den Hautfalten (Abb. E-2.4a), entstehen entzündliche gerötete Läsionen, die mazerieren und einreißen können, wodurch sich Rhagaden bilden. Bei Säuglingen kann sich so eine Windeldermatitis entwickeln. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

E

C. albicans besitzt einen Rezeptor für Östrogen. Bei Frauen mit erhöhtem Östrogenspiegel, also unter einer hormonellen Kontrazeption oder in der Schwangerschaft, können Sprosspilze unter dem Hormoneinfluss ihre Virulenz steigern und eine vulvovaginale Kandidose auslösen. Typische Symptome sind Juckreiz und Brennen im Bereich von Vulva und Vagina, auch eine Dyspareunie kann bestehen. Es kommt zu einem weißlichen Ausfluss aus der Scheide, dem Fluor vaginalis. Beim Sexualpartner kann durch die erhöhte Exposition eine Balanitis induziert werden; umgekehrt kann ein Mann mit einer solchen Symptomatik die Partnerin anstecken. Bei Schwangeren besteht die Gefahr, dass das Neugeborene unter der Geburt infiziert wird. Bei Säuglingen, AIDS-Patienten, bei Schwerstkranken und nach Antibiotikabehandlung kann auf der Mundschleimhaut, aber auch auf der Ösophagusschleimhaut ein dichter, weißlicher Belag mit Pilzen entstehen (Soor) (Abb. E-2.4b). Sind viele Körperstellen besiedelt, steigt die Gefahr einer Streuung in andere Organe. Eine bloße Besiedelung von Haut und Schleimhäuten bedeutet allerdings nicht zwingend auch eine Mykose. So ist z. B. der Darm häufig besiedelt, die Darmmykose ist jedoch selten. Der Nachweis von Sprosspilzen, selbst in hoher Zahl, in Trachealsekreten ist häufig, vor allem bei schwerkranken Patienten, wenn die bakterielle Konkurrenz durch Breitspektrumantibiotika zurückgedrängt ist. Dies ist nicht zwingend ein therapiebedürftiger Befund, denn eine aszendierende Pneumonie durch Sprosspilze ist sehr selten. Harnwegsinfektionen sind ebenfalls selten, obwohl bei einer massiven Besiedlung häufig auch hohe Keimzahlen im Mittelstrahlurin gefunden werden. Dies ist meist nur Zeichen einer asymptomatischen Besiedelung der Harnblase. Katheterassoziierte Infektionen führen zu Sepsis und zu Leber- und Milzinfektionen, seltener zu Pilzpneumonie. Mit einer Pilzperitonitis (Abb. E-2.4e) muss nach anhaltender Leakage des Darmes gerechnet werden. Auch Pankreasnekrosen, die meist im Rahmen einer akuten Pankreatitis auftreten, sind häufig mit Candida albicans infiziert.

⊙ E-2.4

491

2.2 Sprosspilze

Typische Symptome einer vulvovaginalen Kandidose sind Juckreiz und Brennen im Bereich von Vulva und Vagina, Dyspareunie und weißer, krümeliger Fluor vaginalis. Bei Schwangeren besteht die Gefahr, dass das Neugeborene unter der Geburt infiziert wird.

Einen Befall der Mund- bzw. Ösophagusschleimhaut bezeichnet man als Soor (Abb. E-2.4b). Eine bloße Besiedelung von Haut und Schleimhäuten durch Sprosspilze bedeutet nicht zwingend auch eine Mykose. So ist z. B. der Darm häufig besiedelt (Mykobiom); die Darmmykose ist jedoch sehr selten. Bei Besiedelungen von Kathetern droht eine Pilzsepsis. Mit einer Pilzperitonitis (Abb. E-2.4e) muss nach anhaltender Leakage des Darmes gerechnet werden.

Beispiele für Candida-Mykosen

a

b

d

e

c

a Submammäre Kandidose mit tiefrot verquollener Haut und zahlreichen Papeln an der Peripherie bei einer Patientin mit Diabetes mellitus. (Moll, I.: Duale Reihe Dermatologie. Thieme; 2016)

b Orale Kandidose (Mundsoor). c Interdigitale Candida-Mykose mit grauweißlich mazerierter Haut und dunkelrot glänzender Fläche zwischen den Fingern.

(Moll, I.: Duale Reihe

Dermatologie. Thieme; 2016)

d Candida-Paronychie mit Anschwellen und Infiltration der Umgebung der Nagelplatte. e Candida-Peritonitis, Pilzrasen und eitrige Entzündung.

(Moll, I.: Duale Reihe Dermatologie. Thieme; 2016)

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492 Weitere Erreger systemischer Sprosspilzinfektionen: ■

Candida glabrata



Candida parapsilosis



Candida krusei

▶ Klinischer Fall.

Nachweis: Der Nachweis von Sprosspilzen gelingt mit der Mikroskopie und der Kultur (Abb. E-1.5, Abb. E-1.7). Antigennachweise sind zweitrangig. Die Serologie bringt wenig Klärung.

Typischerweise entwickeln sich in der Kultur cremefarbene, porzellanartige Kolonien (Abb. E-2.5).

Die Differenzierung der gezüchteten Sprosspilze ist sinnvoll.

⊙ E-2.5

E

2 Medizinisch relevante Pilze

Im Folgenden sind weitere klinisch bedeutsame Candida-Arten aufgeführt, die Verursacher systemischer Sprosspilzinfektionen bei Immunsupprimierten und von Nosokomialinfektionen sind. ■ Candida glabrata hat eine vergleichsweise niedrige Virulenz. Er ist häufig im Soor bei AIDS-Patienten unter Fluconazol-Therapie nachweisbar, weil diese Art oft resistent ist. Bei Patienten, vor allem bei Senioren, die wegenTumorkrankheiten unter Polychemotherapie stehen oder wegen Infektionen mit Breitspektrumantibiotika behandelt werden, werden sie in Blutkulturen gefunden. Der Dissemination geht oftmals eine massive Vermehrung des Pilzes auf Haut und Schleimhäuten des Patienten voraus. ■ Candida parapsilosis adhäriert gut an Plastikmaterialien (z. B. an Kathetern und Plastikimplantaten), daher besteht die Gefahr einer nosokomialen Infektion. Typische klinische Manifestationen einer Fungämie mit Candida parapsilosis sind deshalb Endokarditis, postoperative Endophthalmitis (Linsenimplantat) und septische Arthritis (Gelenkersatz). ■ Candida krusei (syn. Issatchenkia orientalis) ist ein Pilz mit geringer Virulenz, die Mortalitätsrate bei systemischen Infektionen von immunsupprimierten Patienten ist dennoch hoch, nicht zuletzt weil diese Pilze gegen viele Antimykotika resistent sind. ▶ Klinischer Fall. Eine 35-jährige Patientin stellt sich mit rezidivierenden Vaginalmykosen vor, die mit einem erheblichen Fluor vaginalis, Brennen und ausstrahlenden Bauchschmerzen einhergehen. Außerdem besteht eine ausgeprägte Dyspareunie, die die Ehe stark belastet. Beim Ehemann kommt es im Verlauf ebenfalls zum Auftreten einer Balanitis, die ihn allerdings nicht stark beeinträchtigt. Durch antimykotische Behandlung beider Partner kann nur eine kurzfristige Heilung erreicht werden, da die Patientin bereits kurz darauf wieder im Darm und am Perineum mit Pilzen kolonisiert ist. Als Folge treten die Beschwerden bald wieder auf. Bei mehr als 4 Rezidiven pro Jahr spricht man von einer chronischen Vaginalmykose. Eine Crux für Patientin wie für den behandelnden Arzt!

Nachweis: Sprosspilze der Gattung Candida lassen sich aus Abstrichen von Haut und Schleimhaut oft schon mikroskopisch im Nativpräparat oder im gefärbten (z. B. Gram-Färbung) Objekt nachweisen. Sie kommen entweder in der Blastosporenform oder in der filamentösen Form vor (Abb. E-1.5). Während die üblichen Färbemethoden, wie etwa die PAS-Färbung (Abb. E-1.7a) die Pilzelemente nur schwach darstellen, kann die Imprägnation nach Grocott-Gomori mit Silbersalzen oder noch besser mit optischen Aufhellern, wie Calcofluor (Abb. E-1.7b), die Kontraste besser darstellen. Der kulturelle Nachweis aus verschiedenen Untersuchungsproben, wie Blut, Sekreten, Abstrichen, Punktaten in Bouillon oder festen Nährböden ist auf manchen der üblichen bakteriologischen Nährböden, wie etwa einem Blutagar, möglich, wenn auch die Vermehrungsgeschwindigkeit vergleichsweise langsamer ist. Typischerweise entwickeln sich cremefarbene, porzellanartige Kolonien (Abb. E-2.5). Die exakte Differenzierung der gewachsenen Sprosspilzkolonien erfolgt durch mikroskopische Untersuchung speziestypischer morphologischer Formen und durch Prüfung biochemischer Leistungen (bunte Reihe) bzw. mittels Massenspektrometrie (MALDI-TOF). Ein molekularbiologischer Nachweis der Nukleinsäure ist im Prinzip möglich, hat aber keine praktische Bedeutung.

⊙ E-2.5

Candida albicans Weiße oder cremefarbene Kolonien auf verschiedenen Nährböden.

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E

493

2.2 Sprosspilze

▶ Merke. Die Diagnose einer systemischen Candida-Infektion ist oft schwierig, denn

▶ Merke.

die klinische Symptomatik ist uncharakteristisch und die Labordiagnostik lückenhaft. Gerade der Nachweis von Candida in Haut- und Schleimhautabstrichen, Sputum, Urin und Stuhl ist noch lange kein Beweis für eine Infektion, sondern vielleicht nur Ausdruck einer Besiedelung. Eine Quantifizierung kann weiterhelfen. Umgekehrt zeigt sich der Erreger nicht immer in den Untersuchungsproben. Wenn es nicht gelingt, die Pilze zu sehen bzw. sie anzuzüchten, besteht in einigen Fällen bei einer systemischen Mykose die Möglichkeit eines Pilzantigennachweises im Blut: Mannane kommen in der Zellwand eines Sprosspilzes (Abb. E-1.3) zahlreich vor und werden auch schon bei der lebenden Zelle in großer Menge freigesetzt. Diese pilzspezifischen Produkte werden von den Phagozyten normalerweise schnell aus der Zirkulation eliminiert. Ist ihre Kapazität überfordert, kann man Mannane im Blut oder in der Bronchiallavage nachweisen. Der Nachweis von Glukan im Blut ist möglich, aber nicht pathognomonisch für Candidainfektion, da viele andere Pilze ebenfalls Glukane bilden und diese Pilzbestandteile auch in diversen Materialien und Medikamenten enthalten sind, sodass falsch positive Ergebnisse entstehen. Auch der indirekte Nachweis einer Pilzinfektion durch Messung von spezifischen Antikörpern ist möglich, hat aber einen niedrigen Stellenwert, weil man damit kaum eine bloße lokale Besiedelung von einer systemischen Infektion unterscheiden kann. Weiterhin ist der Wert dieser immunologischen Methode dadurch eingeschränkt, dass sich eine Pilzinfektion gerade bei immunkompromittierten Personen entwickelt, die zu einer regelrechten Immunantwort nicht mehr in der Lage sind.

Ggf. besteht die Möglichkeit eines Antigennachweises (Mannan; Glukan) (Abb. E-1.3).

Therapie: Die kutane Kandidose kann durch topische Applikation von Desinfektionsmitteln, wie z. B. Äthylalkohol, Betaisodona, Octenisept, sowie von Antimykotika, wie Polyene und Azole, behandelt werden. Die oropharyngeale Infektion beim Säugling oder beim abwehrgeschwächten Wirt, etwa einem AIDS-Patienten, erfolgt entweder lokal mit Polyen und Azol oder auch zusätzlich durch systemisch wirksame Azole. Dies gilt auch für die vulvovaginale Kandidose. Eine Organ- bzw. systemische Mykose ist oft verursacht durch besiedelte Plastikimplantate, wobei die Sprosspilze einen Biofilm bilden. Da Azole gar nicht und Polyene sowie Echinocandine nur mäßig gut auf Pilze im Biofilm wirken, sollten diese Materialien möglichst entfernt werden. Zur Chemotherapie stehen neben den Polyenen (S. 482) (fungizid), evtl. auch in liposomaler Form, auch die Triazole (S. 483) (fungistatisch) sowie die Echinocandine (fungizid) zur Verfügung. Resistenzen gegen Polyene und Echinocandine sind eine Rarität; die allermeisten Stämme von Candida albicans sind auch hochempfindlich gegen Triazole. Bei Candida glabrata und vor allem bei Candida krusei muss man aber mit einer verminderten Wirksamkeit der Triazole rechnen. Stämme von C. parapsilosis sind a priori wegen einer Punktmutation im Gen der Glucansynthase nur eingeschränkt auf Echinocandine empfindlich.

Therapie: Ein erster Schritt in der Behandlung ist die lokale Gabe von Desinfektionsmittel oder von Antimykotika.

Saccharomyces

Saccharomyces

Saccharomyces cerevisiae (Bäckerhefe, Weinhefe) ist der klassische Hefepilz, der zum Brotbacken sowie zur Herstellung alkoholischer Getränke verwendet wird. Die pathogenetische Potenz ist gering. Allenfalls bei Immunsupprimierten kann damit eine Infektion erfolgen. Eine medizinische Bedeutung hat eine Variante, nämlich S. cerevisiae var. boulardii (oft nur S. boulardii genannt), als Probiotikum (S. 24) zur Prophylaxe bzw. zur Therapie von Enteritis (S. 67). Einerseits werden pathogene Bakterien sowie deren Toxine an die mannanhaltige Oberfläche der Pilze gebunden und so von der Schleimhaut ferngehalten und eliminiert. Andererseits können Enzyme der Pilze die Toxine degradieren. Außerdem können die Glukane das Immunsystem des Darmes aktivieren.

Saccharomyces cerevisiae ist bekannt als Bäckerhefe oder Weinhefe.

▶ Zusatzinfo. Neben ihrer pathogenen Rolle haben Pilze aber auch ganz andere medizinisch relevante Aspekte. So liegt z. B. die hauptsächliche Bedeutung von Sprosspilzen, zumal von Saccharomyces cerevisiae, darin, dass sie als klassischer Hefepilz (Bäckerhefe) von immenser Bedeutung für die Ernährung sind. Derselbe Pilz dient auch als Bierhefe

Die Messung von spezifischen Antikörpern ist möglich, man kann so aber nicht zwischen einer bloßen lokalen Besiedelung und einer systemischen Infektion unterscheiden.

Eine systemische Infektion erfordert auch eine systemische Antimykotikagabe.

Resistenzen gegen Polyene und Echinocandine sind eine Rarität.

bzw. Weinhefe zur Produktion von alkoholischen Getränken aus zuckerhaltigen Flüssigkeiten. Saccharomyces boulardii, eine Stammvariante von Saccharomyces cerevisiae, wird als Therapeutikum bei Diarrhöen eingesetzt (Handelsname: Perenterol). Die Mannane an der Pilzoberfläche können z. B. pathogene Bakterien und Bakterientoxine binden.

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494

E

2.2.2

2.2.2 Basidiomyzetische Sprosspilze

Basidiomyzetische Sprosspilze

2 Medizinisch relevante Pilze

Andere Sprosspilze können ebenfalls in Einzelfällen Krankheitserreger sein.

Sprosspilze aus der Gruppe der Basidiomyzeten, z. B. Cryptococcus, Trichosporon, Rhodotorula und Geotrichum („Milchschimmel“), können ebenfalls gelegentlich Bedeutung in der Medizin erlangen.

Geotrichum

Geotrichum

Geotrichum candidum und Geotrichum capitatum können als opportunistische Erreger bei abwehrgeschwächten Menschen Infektionen erzeugen.

Da dieser Sprosspilz auf der Oberfläche von Joghurt und Käse sowie auf festen Nährböden – ähnlich wie Schimmelpilze – ein Luftmyzel bilden kann, wird er auch als „Milchschimmel“ bezeichnet. Auf festen Nährböden bildet er Arthrokonidien. Die beiden Arten Geotrichum candidum (teleomorph: Galactomyces geotrichum) und Geotrichum capitatum (teleomorph: Magnusiomyces capitatum) (früherer Name Blastoschizomyces capitatum) besiedeln häufig den Darm (Mykobiom) und gelegentlich auch die Atemwege. Als opportunistische Erreger sind sie fähig, bei Abwehrschwäche Infektionen zu erzeugen.

Cryptococcus spp.

Cryptococcus spp.

In der Gattung Cryptococcus gibt es 3 Arten mit Bedeutung in der Medizin.

Klassifikation: Die Nomenklatur der Kryptokokken ist im Umbruch. In dieser Gattung Cryptococcus gibt es mehrere Arten, wovon 3 in der Medizin von Bedeutung sind: ■ Cryptococcus neoformans (früher C. neoformans var. grubii; Serovar A) ■ Cryptococcus deneoformans (früher C. neoformans Serovar D) ■ Cryptococcus gattii (früher C. neoformans var. gattii; Serovar B und C) Verwirrend ist, dass bei diesen diploiden Pilzen auch Hybride vorkommen, wobei eben das eine Allel von einer anderen Art stammt, sodass es z. B. Stämme gibt, welche die Oberflächenantigene A + D exprimieren. Filobasidiella neoformans ist die Bezeichnung für die geschlechtliche (telemorphe) Form von C. neoformans. Filobasidiella bacillispora ist der Name für die geschlechtliche Form von C. gattii.

■ ■ ■

Cryptococcus neoformans Cryptococcus deneoformans Cryptococcus gattii

Bedeutung: Cryptococcus spp. sind bekapselte Hefen und opportunistische Erreger bei abwehrgeschwächten Patienten (z. B. AIDS). C. gattii kann auch gesunde Menschen infizieren. Epidemiologie: C. neoformans und C. deneoformans kommen weltweit vor. Natürliches Habitat sind Erde, Gräser- und Getreidearten. C. gatti hat als natürlichen Standort Eukalyptusbäume und ist eben nur in tropischen und subtropischen Ländern (Südspanien; Vancouver/Kanada) präsent. Die Verbreitung erfolgt u. a. durch Vögel, vor allem Taubenkot ist eine wichtige Infektionsquelle.

Bedeutung: Die in der Natur verbreiteten Pilze C. neoformans und C. deneoformans haben in der heutigen Zeit als Erreger opportunistischer Infektionen bei AIDS-Patienten an Bedeutung gewonnen. C. gattii kann auch sonst gesunde Menschen infizieren.

Pathogenese: Pathogene Kryptokokken haben Virulenzfaktoren (Kapsel, Melanin), welche die Abwehrmechanismen des Wirtes überwinden.

Pathogenese: Pathogene Kryptokokken haben Virulenzfaktoren, welche die Abwehrmechanismen des Wirtes überwinden. Eine ganz wesentliche Funktion dabei haben die Polysaccharidkapsel und in die Pilzzellwand eingelagertes Melanin, ein Pigment. Mithilfe seines Enzyms Phenoloxidase können Kryptokokken aus aromatischen Aminosäuren, wie etwa Tyrosin, oder aus L-DOPA Melanin bilden. Dieses Pigment schützt vor dem UV-Licht der Sonne und hilft dem Pilz, in der Umgebung zu überleben. Die Kapsel behindert die Phagozytose durch Granulozyten und Makrophagen; das Melanin schützt den Pilz im Makrophagen vor freien Radikalen, weiteren Oxidanzien und vor Defensinen (S. 68), vgl. auch Kap. „Chemische Barrieren“ (S. 110).

Epidemiologie: C. neoformans und C. deneoformans kommen weltweit vor. Natürliches Habitat für Kryptokokken sind Erde, Gräser- und Getreidearten. C. gattii findet man auf Eukalyptusbäumen und somit ist die Verbreitung begrenzt auf bestimmte klimatische Regionen. In Europa tritt dieser Pilz in Südspanien auf. Begünstigte Areale finden sich auch in Vancouver/Kanada. Dort findet vermutlich auch die geschlechtliche Vermehrung in Form eines Basidiums (S. 479) auf Pflanzen (Eukalyptus) statt. Die Verbreitung der Kryptokokken erfolgt u. a. durch Vögel, vor allem Tauben. Sie nehmen die mit Pilzen besiedelten Gräser und Samen auf und scheiden über ihre Exkremente die infektionsfähigen ungeschlechtlichen Kryptokokken aus, nachdem diese sich im Verdauungstrakt vermehrt haben. Durch Aerosole werden sie auf den Menschen übertragen. Mit molekularbiologischen Methoden lassen sich Kryptokokken auch im Darm des Menschen nachweisen. Sie gehören also zum Mykobiom des Darmes.

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E

495

2.2 Sprosspilze

Die Infektion erfolgt aerogen durch Inhalation kontaminierten Staubes und manifestiert sich daher zuerst in der Lunge, in der Regel mit subklinischen Symptomen. Beim Abwehrgeschwächten, vor allem beim AIDS-Patienten, streut der Erreger von der Lunge in andere Organe, hauptsächlich ins ZNS. Da dort reichlich L-DOPA vorhanden ist, was als Substrat für die Phenoloxidase des Pilzes dient, kann Melanin produziert werden. Im Hirngewebe bleibt der bekapselte Pilz zunächst liegen, ohne eine akute entzündliche Reaktion hervorzurufen, und vermehrt sich so lange „unbemerkt“, bis größere Läsionen, dann auch mit Granulombildungen, entstanden sind.

Die Infektion erfolgt aerogen durch Inhalation kontaminierten Staubes und manifestiert sich daher zuerst in der Lunge. Bei Abwehrschwäche (v. a. beim AIDS-Patienten) streut der Erreger von der Lunge in andere Organe, hauptsächlich ins ZNS.

Klinik: Die Granulombildung in der Lunge ist passager und wird meist gar nicht registriert. Die Kryptokokkose manifestiert sich hauptsächlich als Meningoenzephalitis und Meningitis beim Abwehrgeschwächten. Heutzutage erkranken 5 % der AIDSPatienten an dieser lebensbedrohlichen Infektion. Die Kryptokokkose beginnt schleichend; anfangs zeigen sich nur subakute und uncharakteristische Beschwerden wie etwa Kopfschmerzen. In wenigen Fällen tritt eine kutane Kryptokokkose auf.

Klinik: Das dominierende Krankheitsbild der Kryptokokkose ist die Meningoenzephalitis.

Nachweis: Der direkte mikroskopische Nachweis ist besonders für die schnelle Differenzialdiagnose der Meningoenzephalitis wichtig. Dafür wird aus Liquorsediment ein Tusche-Präparat nach Burri hergestellt, worin sich die bekapselten Pilzzellen ganz typisch darstellen. Die Tuschepartikel werden von der Kapsel verdrängt, sodass der Pilz von einem hellen Hof umgeben ist (Abb. E-2.6) und sich von Entzündungszellen im Liquor eindeutig abgrenzen lässt. Neben dem mikroskopischen Präparat steht zur Schnelldiagnostik ein Antigen-Test (Glucurono-Xylo-Mannan) aus Liquor-, Serum- und Urinproben zur Verfügung, der auch zur Therapiekontrolle einsetzbar ist. Das Kapselantigen kann im Liquor über Monate hinweg nachgewiesen werden. Die Kultivierung von Kryptokokken ist problemlos möglich, benötigt aber 3–5 Tage. Zur Unterscheidung von anderen, apathogenen Kryptokokken in Umweltisolaten und menschlichen Untersuchungsmaterialien (z. B. Sputum) werden L-DOPA-haltige Spezialnährmedien verwendet (Neger-Saat), auf denen die Kryptokokken in dunkel pigmentierten Kolonien (bedingt durch Melanin) wachsen (Abb. E-2.7). Die Differenzierung erfolgt dann meistens mittels PCR. Die Antiseren für die Serotypisierung sowie die Spezialmedien für die biochemische Charakterisierung sind nur in wenigen Laboren vorrätig.

Nachweis: Ein Schnellnachweis im Liquor gelingt mit der Mikroskopie (Tuschepräparat) und dem Antigennachweis in Liquor und Blut (Abb. E-2.6).

▶ Klinischer Fall. Ein AIDS-Patient befand sich wegen verschiedener Komplikationen über 3 Monate in stationärer Behandlung. Dann fiel er wegen einer zunehmenden Müdigkeit auf, die sich innerhalb einer Woche zur Somnolenz verstärkte. Im Liquor waren stark erhöhte Entzündungsparameter nachweisbar, wobei vor allem lymphozytäre Entzündungszellen überwogen. Auch ein positiver Kryptokokken-Antigennachweis wurde durchgeführt. Nach 4 Tagen war dann auch die Kultur positiv, Diagnose: Cryptococcus neoformans. Die Quelle für diese nosokomiale Infektion war vermutlich der Taubenkot auf dem Balkongeländer vor dem Krankenzimmer. Aufgrund der starken Verschmutzung wurde ein Reinigungsunternehmen beauftragt, den Taubenkot mit Hochdruckgeräten zu entfernen. Der AIDS-Patient hat dieser Aktion vom Zimmer aus interessiert zugesehen und dabei pilzhaltige Aerosole eingeatmet. Nach einer Dreifachkombination von Antimykotika besserte sich der Zustand.

⊙ E-2.6

a

Die Kultivierung von Kryptokokken ist problemlos möglich, benötigt aber 3–5 Tage. In der Kultur sieht man braune, schleimige Kolonien (Abb. E-2.7).

▶ Klinischer Fall.

Mikroskopischer Nachweis von Cryptococcus spp. im Liquor

b

a In der Methylenblaufärbung kann man die Sprosspilzzellen kaum von Lymphozyten unterscheiden. Allenfalls die angedeutete Teilung (Sprossung) ist verdächtig. b Im Tusche-Präparat sieht man unter den vielen kleinen Aufhellungen (Verdrängung der Tuschepartikel durch korpuskuläre Elemente) durch Entzündungszellen zwei große Aussparungen. Darin erkennt man die Sprosspilze mit einer mehr oder weniger dicken Kapsel. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

496 ⊙ E-2.7

E

2 Medizinisch relevante Pilze

⊙ E-2.7

Kolonien von Cryptococcus neoformans und Candida tropicalis auf Negersaat-Agar (Staib-Agar) Oben: schleimige, braune Kolonien durch Cryptococcus neoformans. Unten: weiße, trockene Kolonien durch Candida tropicalis.

Therapie: Die optimale Therapie besteht in einerDreierkombination. Da eine endogene Reaktivierung z. B. aus der Prostata möglich ist, müssen männliche Patienten lebenslang eine Erhaltungstherapie mit Fluconazol durchführen.

▶ Merke.

Therapie: Die Therapie der Meningoenzephalitis erfolgt mit Amphotericin B. Sinnvoll ist die Kombination mit 5-Fluorocytosin und mit Fluconazol, weil diese Substanzen in wirksamen Konzentrationen auch in den Liquor gelangen. Eine mögliche Resistenz gegenüber 5-Fluorocytosin kann durch Empfindlichkeitstestung geprüft werden. Die Therapie muss über einen Zeitraum von 4–8 Wochen durchgeführt werden; für männliche Patienten schließt sich daran eine lebenslange Erhaltungstherapie, z. B. mit Fluconazol, um Reaktivierungen aus der Prostata zu vermeiden. Echinocandine sind bei diesen basidiomyzetischen Sprosspilzen unwirksam. ▶ Merke. Kryptokokken sind auch mit einer adäquaten Therapie meist nicht voll-

ständig aus dem Organismus zu eliminieren, da sich der Pilz in Regionen (z. B. Prostata) zurückziehen kann, wo er von Abwehrzellen und Antimykotika kaum erreichbar ist. Deshalb sind endogene Reinfektionen beim Abwehrgeschwächten immer möglich. Die Eindämmung der Taubenplage reduziert die Pilzbelastung.

Eine Möglichkeit der Prophylaxe besteht durch Eindämmung der Taubenplage. So kann das Infektionsrisiko reduziert werden.

Trichosporon

Trichosporon

Bedeutung: Trichosporon asahii ist potenziell pathogen.

Bedeutung: Unter den ubiquitär vorkommenden Trichosporon-Arten, die mit den Kryptokokken nahe verwandt sind, hat vor allem Trichosporon asahii Bedeutung in der Humanmedizin.

▶ Exkurs.

▶ Exkurs. Trichosporon mycotoxinivorans ist apathogen. Der Pilz kommt bei vielen Menschen im Darm vor. Durch die Produktion bestimmter Enzyme kann er diverse Mykotoxine abbauen und so vor der Entstehung von Karzinomen schützen.

Pathogenese und Klinik: Trichosporon cutaneum und T. asahii sind die Erreger der Piedra alba. Die Pilze befallen vorgeschädigte Haare (meist im Bartbereich). Eiterbildung und Sepsis sind bei Abwehrgeschwächten ebenfalls möglich.

Pathogenese und Klinik: Trichosporon cutaneum und Trichosporon asahii sind die Erreger der Piedra alba (weiße Piedra). Die Pilze befallen vorgeschädigte Haare (meist im Bartbereich), sodass am Haarschaft grau-weiße Knötchen sichtbar werden. Gesundes Haar wird nicht befallen, außerdem fehlen dem Pilz keratinolytische Eigenschaften. Er umlagert das Haar ohne einzuwachsen. Systemische Infektion mit Eiterbildung in diversen Organen sowie Sepsis sind bei Abwehrgeschwächten ebenfalls möglich.

Nachweis: Die Diagnose erfolgt durch kulturellen Nachweis der Pilze aus den Knötchen am Haarschaft oder aus anderem infizierten Material.

Nachweis: Die Diagnose erfolgt durch kulturellen Nachweis der Pilze aus den Knötchen am Haarschaft bzw. aus Eiter und Blut. Trichosporon wächst auf SabouraudGlukose-Agar in weißen, faltigen Kolonien mit strahlenförmigen, nicht-glatten Rändern. Mikroskopisch finden sich typischerweise sowohl Sprosszellen als auch Hyphen, die in Arthrosporen zerfallen (Abb. E-1.6). Die endgültige Differenzierung erfolgt biochemisch. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

E

497

2.2 Sprosspilze

Therapie: Piedra alba kann durch lokale Applikation von Azolen behandelt werden. Systemische Infektionen werden durch orale bzw. i. v.-Gabe von Triazolen behandelt.

Therapie: Lokale bzw. systemische Applikation von Triazolen.

Malassezia

Malassezia

Bedeutung: Pilze der Gattung Malassezia (am häufigsten M. furfur und M. globosa) gehören zum physiologischen Mykobiom der Haut (besonders auf der Kopfhaut und im Gehörgang). Man findet sie auch im Darm. In der parasitären Form sind sie die Erreger der Kleienflechte (Pityriasis versicolor). Auch das Symptom Kopfschuppen wird oft von diesen Pilzen ausgelöst.

Bedeutung: Pilze der Gattung Malassezia besiedeln bestimmte Hautregionen und den Darm als Saprophyten. In der parasitären Form verursachen sie die Pityriasis versicolor (Kleienflechte).

Pathogenese: Malassezia spp. bevorzugen als lipophile Pilze ein spezielles Milieu, welches von bestimmten Hautfetten geprägt wird. Die Pilze wachsen oberflächlich im Stratum corneum der Haut, wo sie sich in Nestern ansammeln. Dort können hyperkeratotische Veränderungen auftreten. Die Pilze produzieren außerdem zu ihrem Schutz Pigmente, die UV-Licht stark absorbieren. An den Stellen, wo der Pilz sich stark vermehrt, ist daher die Haut „abgeschirmt“ und wird nach Sonneneinstrahlung nicht braun. Diese Pigmente haben auch eine entzündungshemmende Wirkung, sodass die lokale Vermehrung der Pilze nicht zu einer Infiltration von Granulozyten, sondern allenfalls zu einer geringen lymphozytären Infiltration führt.

Pathogenese: Der Pilz wächst im Stratum corneum der Haut. Er produziert außerdem zu seinem Schutz Pigmente, die UV-Licht stark absorbieren (Haut wird an den befallenen Stellen nicht braun).

Klinik: Klinisch sieht man am Rumpf (nicht im Gesicht) hypopigmentierte, abgegrenzte oder konfluierende Makulae unterschiedlicher Größe, wobei eine Entzündungsreaktion der betroffenen Areale ausbleibt (Abb. E-2.8). Seltener entwickelt sich auch eine Follikulitis (besonders bei Immunsupprimierten).

Klinik: Klinisch sieht man hypopigmentierte, abgegrenzte oder konfluierende Makulae unterschiedlicher Größe ohne entzündliche Reaktion (Abb. E-2.8).

⊙ E-2.8

⊙ E-2.8

Pityriasis versicolor Hypopigmentierte Effloreszenzen unterschiedlicher Größe in reizloser, nicht entzündlicher Haut. (Moll, I.: Duale Reihe Dermatologie. Thieme; 2016)

Nachweis: Die klinischen Erscheinungsformen sind recht typisch, sodass eine Blickdiagnose oft genügt. Im mikroskopischen Direktpräparat von Hautschüppchen (z. B. auch im Tesafilmabklatsch) sieht man Gruppen von länglichen und ovalen Pilzzellen („Spaghetti + meat balls“). Wegen der Lipophilie des Pilzes wird zur kulturellen Anzucht der Agar mit Olivenöl überschichtet. Nach ca. 5 Tagen wachsen kleine, auf der Agarfläche verschiebbare Kolonien mit unregelmäßigem Rand. Man kennt mehrere Arten, wobei M. globosa, M. furfur und M. restricta die größte humanmedizinische Bedeutung haben.

Nachweis: Das klinische Bild plus mikroskopischem Nachweis gilt als ausreichend für die Diagnose. Die Kultur auf lipidhaltigen Spezialnährböden ist möglich.

Therapie: Als Therapie kommt die lokale Applikation von Tolnaftat oder Ketokonazol infrage. In schweren Fällen kann auch Itraconazol oder Fluconazol oral für 1–2 Wochen helfen. Eine vorsorgliche Gabe von 400 mg Fluconazol oral 1-mal monatlich kann das Auftreten verhindern.

Therapie: Topische oder systemische Azolantimykotika.

Rhodotorula

Rhodotorula

Diese Sprosspilze kommen in der Außenluft, im Boden, Oberflächenwasser, in Milchprodukten und vor allem auf Obst vor. Sie werden häufig über Luft verbreitet. Man findet sie regelmäßig im Stuhl von gesunden Menschen als Teil des Mykobioms. Sie sind nützliche Symbionten, da sie neben diversen Proteinen auch Karotinoide bilden, welche die Kolonien rötlich anfärben (Abb. E-2.9). Karotinoide sind Vorstufen von Vitamin A, das der Mensch selbst nicht bilden kann. Von den diversen Arten kommen R. glutinis und R. mucilaginosa beim Menschenn mit Abwehrschwäche, speziell unter Behandlung mit Kortikosteroiden, gelegentlich als Krankheitserreger vor.

Diese Sprosspilze kommen in der Außenluft, im Boden, Oberflächenwasser, in Milchprodukten und vor allem auf Obst vor. Sie sind nützliche Symbionten (Abb. E-2.9). R. glutinis und R. mucilaginosa kommen beim Menschenn mit Abwehrschwäche gelegentlich als Krankheitserreger vor.

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498

E

⊙ E-2.9

2 Medizinisch relevante Pilze

⊙ E-2.9

Wachstum von Rhodotorula auf festem Nährmedium (Sabouraud Agar) Rötlich pigmentierte Kolonien von Rhodotorula auf Sabaroud Agar durch Produktion von Karotinoiden. (Hof H.: Mykologie für Mediziner. Thieme; 2003)

2.3

2.3

Schimmelpilze

▶ Definition.

Schimmelpilze

▶ Definition. Schimmelpilze sind in vielen Gattungen in der Natur verbreitet. Sie le-

ben meist als Saprophyten auf abgestorbener organischer Substanz, können aber auch lebende Pflanzen (z. B. Getreide) schädigen und so zu erheblichen Ernteausfällen führen mit der Gefahr von Hungersnöten. Einige Schimmelpilze erlangen unter bestimmten Umständen auch direkt klinische Bedeutung als Erreger opportunistischer Infektionen, Mykotoxinbildner (S. 475) und Auslöser von Allergien. Einteilung: Hyalohyphomyzeten mit ungefärbten und Phäohyphomyzeten (Dematiazeen) mit pigmentierten Hyphen. Ggf. färben pigmentierte Sporen die Kolonien noch zusätzlich.

Einteilung: Bei der Gattung der Hyalohyphomyzeten sind die Hyphen ungefärbt (hyalin) und nur die Sporen (Konidien) sind pigmentiert. Andere Gattungen, die pigmentierte Hyphen besitzen, werden als Phaeohyphomyzeten oder als Dematiazeen („Schwärzepilze“) bezeichnet.

2.3.1

2.3.1 Aspergillus

Aspergillus

Bedeutung: Aufgrund der Form ihrer Fruktifikationsorgane werden Aspergillen auch als Gießkannenschimmel bezeichnet (Abb. E-2.10).

⊙ E-2.10

Bedeutung: Schimmelpilze der Gattung Aspergillus aus der Gruppe der Hyalohyphomyzeten kommen in mehr als 200 Arten ubiquitär als Saprophyten in der Umwelt vor. Ihr typisches mikromorphologisches Merkmal sind die in eine Vesicula (Blase) endenden Konidienträger, an denen die konidiogenen Zellen (Phialiden) ihre Konidien (Phialokonidien, Abb. E-1.6) ausbilden (Abb. E-2.10). Je nach Pilzart enthalten die Konidien verschiedene Farbstoffe, sodass die Kolonien auf Grund der Farbe erkannt werden können. In der Wand der Konidien ist auch Melanin vorhanden, was das UV-Licht absorbiert und so das Überleben in der Umwelt ermöglicht. Aufgrund der äußeren Ähnlichkeit dieser Strukturen mit einer Gießkanne werden Aspergillen auch als Gießkannenschimmel bezeichnet.

Mikromorphologie von Aspergillus („Gießkannenschimmel“) a Schematische Darstellung: Die Hyphe endet in einer aufgequollenen Vesikel, darauf sitzt eine Reihe von flaschenförmigen Phialiden (Sterigmen), aus diesen entstehen durch Knospung die Reihen von Konidien (Pilzsporen). b Hyphe mit Vesikel und Phialidenreihe (die Konidien sind abgerissen). c Hyphe mit Vesikel, Phialidenreihe (andeutungsweise) und Konidien.

Konidien

Vesikel

a

Phialiden

b

c

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E

499

2.3 Schimmelpilze

Nur wenige Arten von Aspergillen sind klinisch relevant. Eine Infektion des Menschen wird hauptsächlich von Aspergillus fumigatus (teleomorph: Neosartorya fumigata, Tab. E-1.3) verursacht, seltener sind Aspergillus niger, Aspergillus terreus, Aspergillus nidulans oder Aspergillus versicolor verantwortlich. Als Mykotoxinbildner (S. 475) haben vor allem die Arten Aspergillus parasiticus, Aspergillus flavus und Aspergillus ochraceus durch Lebensmittelbelastung eine Bedeutung. Das von Aspergillus flavus gebildete Aflatoxin B ist ein starkes Karzinogen und für das primäre Leberzellkarzinom, eines der häufigsten Karzinome in Afrika, verantwortlich. Da dieses Mykotoxin umweltstabil ist, gelangt es auf verschiedenen Wegen in die Nahrungskette. Aspergillussporen sind in der Luft in verschiedenen Konzentrationen vorhanden und stellen potenzielle Allergene dar, wobei die allergisierende Wirkung je nach Art unterschiedlich und auf das Vorhandensein bestimmter Proteine zurückzuführen ist. Sie sind auch Teil des Mykobioms des Darmes.

Von den vielen Arten von Aspergillus erlangen nur wenige medizinische Bedeutung als Infektionserreger (Aspergillus fumigatus) oder als Erzeuger von Mykotoxinen (S. 475) (Aspergillus flavus und Aspergillus ochraceus).

Pathogenese: Die natürliche Verbreitung von Aspergillen in der Umwelt des Menschen bedingt einen ständigen Kontakt von Haut und Schleimhäuten mit kleinen Mengen von Aspergillussporen. Bei intakter Oberfläche bzw. normaler, unbeeinträchtigter Abwehrlage werden sie stets problemlos eliminiert. Ist aber die Haut geschädigt, können die Sporen persistieren, sich vermehren und im Extremfall wie ein Rasen über die Wundfläche ausbreiten, z. B. in Form einer Otitis externa. Durch Inhalation gelangen die Pilze über den Respirationstrakt in den Organismus. Die inhalierten Pilzsporen (besser Konidien genannt) sind dabei so klein (2–4 μm im Durchmesser), dass sie ungehindert bis in die Alveolen vordringen (Abb. E-2.11). Sie werden von einem gesunden Menschen meist problemlos aus den Alveolen eliminiert, können aber, wenn sie in entsprechenden Mengen vorhanden sind, eine allergische Reaktion induzieren. Vor allem die Konidien von A. fumigatus, die in der Zellwand Melanin, ein Produkt des sekundären Stoffwechsels aus Phenolvorstufen (S. 494), enthalten, sind dadurch nach Phagozytose bis zu einem gewissen Grade vor Oxidation durch Sauerstoffradikale und vor Defensinen geschützt. Vor allem aber bei abwehrgeschwächten Personen können die Pilze überleben und eine manifeste Infektion der Lunge (Abb. E-2.12) mit möglicher Disseminierung in andere Organe auslösen. Solche prädisponierenden Faktoren sind neben Lungengewebeschäden (z. B. Kavernenbildung bei Tuberkulose) vor allem Störungen der zellulären und humoralen Infektabwehr, wobei – wie auch bei der systemischen Kandidose – Zahl und Funktion der neutrophilen Granulozyten von entscheidender Bedeutung sind. Die verschiedenen Aspergillus-Arten sind in dem Maße zur Etablierung einer Infektion befähigt, wie sie in der Lage sind, parasitäre Lebensformen anzunehmen. So ist der Pilz Aspergillus fumigatus bevorzugt dazu befähigt, an Wirtszellen zu adhärieren, dort zu kolonisieren und sich schließlich im Gewebe auszubreiten. Wenn er aufgrund der bestehenden Immunsuppression vom Immunsystem nicht eliminiert wird, wächst er sogar intravasal, was zu einer Aktivierung des Gerinnungssystems mit der Gefahr des Gefäßverschlusses führt. Der Pilz invadiert außerdem Endothel und Organgewebe.

Pathogenese: Bei Vorschädigung können sich die Aspergillen auf Haut oder Schleimhaut vermehren, z. B. als Otitis externa.

Klinik: Auf welche Weise sich eine Infektion manifestiert, ist abhängig von der Grunderkrankung des Patienten bzw. von den jeweils vorliegenden prädisponierenden Faktoren.

⊙ E-2.11

Aspergillussporen können bis in die Alveolen vordringen

Aspergillussporen können Allergien auslösen.

Nach Inhalation von Aspergillus fumigatus können sich bei Abwehrschwäche in der Lunge infektiöse Herde ausbilden. Gelegentlich kommt es von dort zu einer Disseminierung (Abb. E-2.11).

Die Pilze können sich unter bestimmten Voraussetzungen (Immunsuppression) in den Blutgefäßen vermehren und einen Verschluss herbeiführen.

Klinik: Eine Infektion kann sich auf verschiedene Arten manifestieren.

⊙ E-2.11

Spore Bronchien Surfactant

Alveole Alveolarmakrophage sehr kurze Wegstrecke für Antimykotika aus der Blutbahn in die Alveolen

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500

E

⊙ E-2.12

2 Medizinisch relevante Pilze

Lungenaspergillose

a

b

c

a Aspergillus-Pneumonie: Das Alveolargerüst ist nur noch schattenhaft erkennbar. Es sind umfangreiche Pilzmassen mit ausgeprägter Hyphenbildung (spitzwinklige Verzweigungen) zu erkennen. (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 128, Bronchopulmonale Infektionen 1987)

b Im Inneren einer Abszesshöhle finden sich reichlich Aspergillus-Konidiophoren. Voraussetzung für ihre Entwicklung ist die Belüftung der Höhle. (Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 128, Bronchopulmonale Infektionen 1987)

c Eitriges Sputum mit Pilzmyzelien.

(Klinische Visite, Thieme, Stuttgart, © Boehringer Ingelheim Pharma KG, KV 129, Bronchopulmonale Infektionen 1988)

Aspergillen können vorgeschädigte Haut infizieren (z. B. bei großflächigen Verbrennungen). Auch ekzematös veränderte Haut ist gefährdet (z. B. Otitis externa durch Aspergillus niger).

In einer vorbestehenden Lungenkaverne kann sich Aspergillus zu einem dichten Geflecht (Pilzball) vermehren (Aspergillom).

Zur hämatogenen Streuung in Niere, ZNS, Herz und andere Organe kommt es meist nur bei ausgeprägter Granulozytopenie (Abb. E-2.12). Nach Inhalation von Pilzsporen kann auch eine Immunreaktion in der Lunge ausgelöst werden, was sich als ABPA (allergische bronchopulmonale Aspergillose) , Asthma bronchiale oder Alveolitis bemerkbar macht. Bei Patienten mit Mukoviszidose kann eine Besiedelung die Sauerstoffversorgung stark beeinträchtigen. Nachweis: Schon mikroskopisch kann man Aspergillen in BAL erkennen. Aspergillen stellen wenig Ansprüche an die Nährbodenzusammensetzung (Abb. E-2.13). Aspergillus fumigatus wächst sogar bei > 42 °C. Die Anzucht gelingt aus Material der befallenen Organe (Abstrich, Sekret, Punktat), seltener aus Blut. ▶ Merke.

Aspergillen können vorgeschädigte Haut infizieren. Dies tritt vor allem bei Polytraumatisierungen nach Unfällen, großflächigen Verbrennungen, Ulzerationen und bei massiven peripheren Durchblutungsstörungen mit nachfolgender Gangrän auf. Auch ekzematös veränderte Haut bietet ein geeignetes Terrain für die Ausbreitung. Typisches Beispiel dafür ist die Mykose des äußeren Gehörganges (Otitis externa) durch Aspergillus niger. Auch die Schleimhaut der Nasennebenhöhlen können die Pilze besiedeln und eine Sinusitis verursachen. Dabei besteht die Gefahr der Ausbreitung in das ZNS. Ein Lungen-Aspergillom entwickelt sich vorzugsweise bei Schädigungen des Lungengewebes, beispielsweise bei vorbestehender Tuberkulose mit Kavernenbildungen, chronischer Bronchitis (COPD) und Bronchiektasen. Ein solches Aspergillom stellt sich röntgenologisch als kugelförmige Verschattung („Pilzball“) mit darüber liegender Luftsichel dar. Eine schwere Aspergillus-Pneumonie entwickelt sich fast ausschließlich auf dem Boden einer ausgeprägten Granulozytopenie (z. B. bei Patienten mit Leukämie und hämatopoetischer Stammzelltransplantation) und führt oft zu lebensbedrohlichen Komplikationen (Abb. E-2.12). Auch bei einer hämatogenen Streuung der Aspergillen in Niere, ZNS, Herz und andere Organe ist die Letalität sehr hoch. ABPA (allergische bronchopulmonale Aspergillose), Asthma bronchiale, allergische Alveolitis und chronische Lungenschäden werden begünstigt durch häufige Inhalation von stark mit Pilzsporen kontaminiertem Material, wie es beispielsweise bei der Verarbeitung von Getreide oder Heu der Fall ist (sog. Malzarbeiter- bzw. Farmerlunge). Bei chronisch verlaufenden Schimmelpilzallergien ist aufgrund einer möglichen IgE-Kreuzreaktivität mit humanen Proteinen eine autoimmune Komponente bei der Entstehung der Allergie denkbar. Bei Patienten mit Mukoviszidose kann eine solche entzündliche Reaktion die Sauerstoffversorgung stark behindern. Nachweis: Schon mikroskopisch kann man die typischen Strukturelemente oder zumindest septierte, spitzwinklig verzweigte Hyphen im Untersuchungsmaterial, etwa BAL, erkennen. Zu exakten Diagnosen benötigt man eine Kultur. Aspergillen können problemlos auf Sabouraud-Agar angezüchtet werden. Die Kulturen wachsen meist in einem Zeitraum von 2–7 Tagen (Abb. E-2.13) und können mikroskopisch aufgrund artspezifischer morphologischer Strukturen differenziert werden. Der mit Infektionen am häufigsten assoziierte Schimmelpilz Aspergillus fumigatus toleriert bei der Anzucht Temperaturen > 42 °C und kann bereits über dieses Charakteristikum erkannt werden. ▶ Merke. Wegen ihres ubiquitären Vorkommens ist der Nachweis von Aspergillen

im potenziell kontaminierten Untersuchungsmaterial (Sputum, bronchoalveoläre Lavage, Haut- und Schleimhautabstrich) nicht immer beweisend für eine Infektion. Nur selten gelingt bei einer disseminierten Mykose oder Organmykose eine Anzucht der Pilze aus dem Blut. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

E

⊙ E-2.13

501

2.3 Schimmelpilze

Kulturen verschiedener Aspergillus-Arten

a

b

c

d

Die Kolonien von verschiedenen Aspergillus spp. auf Sabouraud-Agar unterscheiden sich mehr oder weniger charakteristisch. Der Randsaum aus frischen Hyphen ist ungefärbt. Das Zentrum der Kolonie, wo sich im Laufe von 2–3 Tagen ungeschlechtliche Konidien (Pilzsporen) gebildet haben, ist je nach Art der Kolonie grünlich-grau, schwarz oder gelb gefärbt, was auf eine Einlagerung von jeweils verschiedenen Pigmenten in die Sporen bedingt ist. a Aspergillus fumigatus. b Aspergillus flavus. c Aspergillus niger. d Aspergillus ochraceus.

Der Nachweis von Aspergillus-Antigen (Galactomannan) im Blut beweist in einigen Fällen die Pilzinvasion. Der serologische Nachweis von Antikörpern gegen Aspergillen ist selten bei der Diagnostik chronischer Infektionen und allergischer Aspergillosen hilfreich. Meist findet man erst post mortem histologisch Pilzelemente (PAS-Reaktion, Versilberung, Calcofluor, Abb. E-1.7). ▶ Klinischer Fall. Ein Patient mit akuter myeloischer Leukämie hatte während einem ersten Zyklus einer stark immunsuppressiven Therapie mit Zytostatika in der lang anhaltenden Leukopeniephase eine schwere Lungeninfektion mit Aspergillus fumigatus erlebt, die nur durch eine intensive Therapie mit liposomalem Amphotericin B überwunden werden konnte. Nach zwei Monaten war wegen der Grundkrankheit ein zweiter Zyklus einer Zytostatikabehandlung notwendig. Der Patient wurde deswegen auf eine Station verlegt, wo eine Umkehrisolation möglich war, d. h. man brachte den Patienten in einem Raum unter, der mit gefilterter Luft versorgt wurde und in dem ein höherer Luftdruck herrschte als in der Umgebung. Auf diese Weise konnte die Belastung mit Luftkeimen, inklusive Schimmelpilzsporen, stark verringert werden. Anfangs verlief die Therapie komplikationslos, ab dem 10. Behandlungstag entwickelte der Patient jedoch Fieber, das auf eine Antibiotikatherapie nicht ansprach. Das Röntgenbild zeigte zunächst nur diskrete Lungenveränderungen, im HR-CT allerdings waren multiple Herde, meist pleuranah mit breiter Basis zu erkennen. Innerhalb weniger Tage entwickelten sich diffuse Schatten („Halo sign“) um diese Herde und nach 1 Woche war an einzelnen Stellen eine Luftsichel („Air crescent sign“) erkennbar. Diese Zeichen einer Aspergilluspneumonie werden noch durch einen positiven Aspergillus-Antigennachweis im Blut und durch den mikroskopischen Pilznachweis im Trachealsekret bestätigt. Offensichtlich war es bei der letzten Infektion zu keiner vollständigen Ausheilung gekommen und jetzt unter der erneuten Immunsuppression zu einer Exazerbation, die durch die Isolation nicht verhindert werden konnte. Die Einleitung einer antimykotischen Therapie mit Voriconazol führte zu einer Besserung, der Patient verstarb dennoch 7 Tage später unerwartet unter Krampfanfällen. Bei der Autopsie zeigte sich ein Aspergillus-Befall des ZNS: die Pilze hatten offensichtlich die Gefäße befallen, was zu einer Gefäßruptur mit tödlicher Hirnblutung geführt hatte.

Der Nachweis von Aspergillus-Antigen bzw. von spezifischen Antikörpern und die Histologie bringen zusätzliche Informationen.

▶ Klinischer Fall.

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502

E

2 Medizinisch relevante Pilze

Therapie: Wenn eine chirurgische Exstirpation nicht möglich ist, muss eine Chemotherapie (Amphotericin B, Triazole, Echinocandin) erfolgen. Die Prognose bleibt schlecht.

Therapie: Das isolierte, abgekapselte Lungenaspergillom lässt sich meist chirurgisch entfernen. Bei schwerer Pneumonie und invasiver Aspergillose ist Amphotericin B, gegebenenfalls kombiniert mit Voriconazol,Posaconazol, Isavuconazol bzw. Echinocandin, angezeigt. Amphotericin B wird aber aufgrund erheblicher Nebenwirkungen von den meist ohnehin schwerkranken Patienten oft sehr schlecht toleriert, weshalb in ausgewählten Fällen die Therapie mit nebenwirkungsarmem liposomalem Amphotericin B fortgesetzt wird. Einige der neuen Triazole und Echinocandine haben deutlich weniger Nebenwirkung aber ähnlich gute Effizienz. Eine Resistenz ist noch selten. Trotz gezielter Therapie bleibt die Prognose einer Organmykose dennoch schlecht; die Mortalität liegt über 40 %!

Prophylaxe: Risikopatienten sollten in Reinlufträumen untergebracht werden. Bei antibiotikaresistentem Fieber sollte an eine mögliche Pilzinfektion gedacht werden. Bei Hochrisikopatienten sollte Posaconazol oder Voriconazol gegeben werden.

Prophylaxe: Da die Aspergillose in den meisten Fällen durch Inhalation sporenhaltiger Luft entsteht, sollten Risikopatienten in Reinlufträumen untergebracht werden. Bei antibiotikaresistentem Fieber sollte bei Immunsupprimierten immer rechtzeitig an eine mögliche Pilzinfektion gedacht werden, um möglichst frühzeitig mit einer Therapie zu beginnen. Außerdem ist daran zu denken, dass Kompost und Bioabfälle in der Umgebung große Mengen von Schimmelpilzen enthalten können. Bei Hochrisikopatienten ist auch eine Chemoprophylaxe mit Posaconazol oder Voriconazol erfolgreich.

2.3.2

2.3.2 Penicillium

Penicillium

Bedeutung: In der Umwelt spielen Pilze der Gattung Penicillium eine große Rolle, z. B. beim Abbau von Pflanzen. Nutzen bringen sie bei der Produktion des Antibiotikums Penicillin und bei der Käseproduktion (Camembert, Roquefort).

Gefährlich sind die produzierten Mykotoxine und Allergene, Infektionen sind selten. Die Fruktifikationsorgane haben einen pinselförmigen Aufbau (Pinselschimmel) (Abb. E-2.14b, Abb. E-2.14c).

⊙ E-2.14

Bedeutung: Schimmelpilze der recht heterogenen Gattung Penicillium sind ubiquitär verbreitet und existieren in vielen verschiedenen Arten im Erdboden und auf Pflanzen. Da sie Zellulose abbauen, sind sie für „Aufräumungsarbeiten“, z. B. bei der Zersetzung abgestorbenen organischen Pflanzenmaterials, unentbehrlich. Das bekannteste Stoffwechselprodukt von bestimmten Penicillium-Arten ist das Antibiotikum Penicillin, welches auch heute noch von speziell gezüchteten Hochleistungsstämmen von P. chrysogenum (früher P. notatum) auf biologischem Wege produziert wird. Die Stoffwechselleistungen von Penicillium-Arten werden außerdem zur Lebensmittelveredelung genutzt (Käseherstellung mit Penicillium camemberti und Penicillium roqueforti). Diese Penicillium-Arten können diverse Mykotoxine – darunter auch Patulin und Mycophenolsäure – produzieren, dessen stark immunsuppressive Wirkung als Medikament zur Verhinderung von Transplantatabstoßungen verwendet wird. In der Humanmedizin sind Penicillium-Arten als Mykotoxinbildner, als Allergene und nur in ganz seltenen Fällen als Erreger einer Infektion von Bedeutung. Mikromorphologisch zeichnen sich Penicillium-Schimmel durch einen pinselförmigen Aufbau der Fruktifikationsorgane aus, wobei aus den Phialiden meist lange Ketten von Konidien entstehen (Abb. E-2.14b, Abb. E-2.14c). Man nennt die Penicillien deshalb auch Pinselschimmel.

Penicillium chrysogenum (früher P. notatum)

Phialiden Metulae

Hyphe a

b

c

a Nach 3–4 Tagen bilden sich auf Sabouraud-Agar grünlich-graue Kolonien mit weißem, flauschigem Saum. Diese Randzone besteht aus frischen Hyphen ohne Konidien. Im Zentrum der Kolonie mit den älteren Anteilen sind massenhaft Konidien gebildet worden, die Pigmente eingelagert haben. Mit der Zeit türmen sich die Hyphen in mehreren Lagen übereinander, wodurch sich Berge und rissige Täler bilden. Die Pilzzellen sezernieren Stoffe, darunter übrigens auch Penicillin, die als wässrige Tautröpfchen auf der hydrophoben Oberfläche der Kolonie erscheinen. b Mikroskopische Erscheinung von Penicillium spp.: Am Ende einer Hyphe differenzieren sich Sporenmutterzellen, zunächst in Metulae und dann in Phialiden, an denen die ungeschlechtlichen Pilzsporen sich abschnüren. c Schematische Darstellung der mikroskopischen Untersuchung.

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E

503

2.3 Schimmelpilze

Pathogenese und Klinik: Die Mykotoxine (S. 475) gelangen durch Verzehr verdorbener Lebensmittel in den Organismus und können toxische Krankheitsbilder hervorrufen. Nach Inhalation von Penicilliumsporen sind allergische Reaktionen beschrieben vor allem bei berufsbedingtem Umgang mit verschimmelten Materialien (z. B. Käsewäscherlunge). Die Sensibilisierung erfolgt bei regelmäßiger Einatmung großer Mengen an Pilzsporen, die nach dem Zerfall aus ihrem Zytoplasma Proteine mit allergisierender Wirkung freisetzen. Die allergische Reaktion kann in Form einer ■ Rhinitis, ■ Bronchitis, ■ Alveolitis in Erscheinung treten. Im Unterschied zu Aspergillus hat Penicillium kaum die Fähigkeit zum invasiven Wachstum und kann somit keine Organmykosen verursachen. Einzig bei der Art Penicillium marneffei sind Organmanifestationen (u. a. Lymphknoten, Lunge, Leber, Haut) bei immunsupprimierten Patienten in Südostasien beschrieben worden, die ohne adäquate Therapie letal verliefen.Differenzialdiagnostisch muss bei dieser Infektion an eine Hautmanifestation der Histoplasmose (S. 507), Kokzidioidomykose (S. 509) und an eine Lungentuberkulose (S. 374) gedacht werden.

Pathogenese und Klinik: Die Mykotoxine (S. 475) gelangen durch Verzehr verdorbener Lebensmittel in den Organismus. Auch allergische Reaktionen können auftreten. Gefährdet sind v. a. Personen, die mit verschimmelten Materialien Kontakt haben (z. B. Käsewäscherlunge). Die Sensibilisierung erfolgt durch Eintamung der Pilzsporen.

Nachweis: Penicillien wachsen oft schon bei Zimmertemperatur auf den verschiedensten Medien (Abb. E-2.14a). Auf Sabouraud-Glukose-Agar kann nach etwa einer Woche von der Pilzkolonie ein mikroskopisches Präparat angefertigt werden, worin nach dem typischen pinselförmigen Aufbau der Fruktifikationsorgane gesucht wird. Der Nachweis von Penicillium im Untersuchungsmaterial aus besiedelten Regionen ist ohne Bedeutung, in normalerweise sterilem Material wie Blut und Liquor handelt es sich fast immer um eine sekundäre Verunreinigung.

Nachweis: Penicillium wächst schnell auf üblichen Nährböden. Die Differenzierung erfolgt durch mikromorphologische Merkmale (Abb. E-2.14a).

Therapie: Der Nachweis von Penicillium im Untersuchungsmaterial hat meist keine therapeutische Konsequenz.

Therapie: Eine antimykotische Therapie ist nur selten nötig.

2.3.3 Phaeohyphomyzeten („Schwärzepilze“, Dematiaceen)

2.3.3

▶ Definition. Phaeohyphomyzeten, auch Schwärzepilze (Dematiaceen) genannt,

Da Penicillium nur geringe Fähigkeit zum invasiven Wachstum hat, kann es keine Organmykosen verursachen (Ausnahme: Penicillium marneffei in Südostasien).

Phaeohyphomyzeten („Schwärzepilze“, Dematiaceen)

▶ Definition.

sind Schimmelpilze, deren Zellwände aufgrund von Melanineinlagerungen dunkel pigmentiert sind (Abb. E-2.15). Sie sind Erreger von sog. Chromomykosen, die Hautinfektionen und Gewebemykosen verursachen. Bedeutung: Phaeohyphomyzeten sind an Stoffwechsel- und Abbauprozessen in der Natur beteiligt und können – meist durch Verletzung mit Materialien pflanzlichen Ursprungs (Dornen, Holzsplitter) – in den Organismus gelangen. Melanin spielt bei der Persistenz des Pilzes im Gewebe eine wesentliche Rolle, indem es den Pilz vor der Phagozytose und Abtötung durch Abwehrzellen schützt.

⊙ E-2.15

Bedeutung: Phaeohyphomyzeten können durch Verletzung mit Materialien pflanzlichen Ursprungs (Dornen) in den Organismus gelangen.

⊙ E-2.15

Mikromorphologie der Phaeohyphomyzeten Die Konidien sind aufgrund von Melanineinlagerungen dunkel pigmentiert (z. B. Alternaria).

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504 Klinik: Man unterscheidet oberflächliche, nur auf das Stratum corneum der Haut beschränkte Mykosen (Tinea nigra) von subkutanen und tiefen Phaeohyphomykosen. Zu den tiefen Mykosen zählen auch die sog. Myzetome (Abb. E-2.16). Scedosporium apiospermum lebt als Saprophyt in der Erde, im Abwasser und auf Dornengewächsen. Eine Verletzung der Haut kann zu einer subkutanen Mykose führen, die fortschreitet und nicht spontan ausheilt.

Cladosporium, Alternaria und Exophiala sind verantwortlich für die schwarzen Beläge auf den Wänden von feuchten Kellern, Fugen von Duschen und auf den Dichtungen von Waschmaschinen.

⊙ E-2.16

E

2 Medizinisch relevante Pilze

Klinik: Klinisch lassen sich oberflächliche, nur auf das Stratum corneum der Haut beschränkte Mykosen (Tinea nigra) von subkutanen und tiefen Phaeohyphomykosen unterscheiden. Zu den tiefen Mykosen zählen auch die so genannten Myzetome, eine chronische Infektion des Subkutangewebes und des angrenzenden Knochens nach Hautverletzung. Sie werden auch als Maduramykose oder Madurafuß bezeichnet (Abb. E-2.16). Myzetome können sich auch im ZNS manifestieren. Scedosporium apiospermum und Lomentospora leben als Saprophyten in der Erde, im Abwasser und auf Dornengewächsen. Eine entsprechende Verletzung der Haut kann eine subkutane Mykose bahnen, die progressiv fortschreitet und spontan nicht ausheilt. Auch hier bilden sich – ähnlich wie bei einer Aktinomykose (S. 358) – Fisteln, aus denen sich pilzdrusenhaltiges Sekret entleert. Außerdem sind lokale Infektionen der Lunge, z. B. nach Aspiration von Wasser bei Ertrinkungsunfällen und bei Patienten mit Mukoviszidose, aber auch bedrohliche Infektionen von ZNS sind beschrieben. Die Schimmel Cladosporium, Alternaria und Exophiala sind typische Umweltkeime; sie sind verantwortlich für die schwarzen Beläge auf den Wänden von feuchten Kellern; ebenso findet man sie in den Fugen zwischen den Kacheln von Duschen und auch auf den Gummidichtungen von Waschmaschinen; Infektionen sind ganz selten – und dann nur sehr schwer zu behandeln – dagegen haben sie eine stark allergisierende Wirkung. Bei Patienten mit Mukoviszidose verstärkt Exophiala die entzündlichen Reaktionen in der Lunge. Maßnahmen zur Reduktion der Allergenexposition bei Schimmelpilzallergien sind in Tab. E-2.4 aufgeführt.

⊙ E-2.16

Maduramykose Die chronische granulomatöse Infektion entsteht nach einer Verletzung der Haut. Keime aus der Umwelt, nämlich verschiedene Pilze (hauptsächlich Schwärzepilze) können ursächlich daran beteiligt sein.

≡ E-2.4

≡ E-2.4

Maßnahmen zur Reduktion der Allergenexposition bei Schimmelpilzen



Der Wohnraum sollte nicht als „Treibhaus“ verwendet werden.



Reduktion der Luftfeuchtigkeit > 50 % (Reduktion der Luftfeuchtigkeit, weil dies die Voraussetzung für Schimmelwachstum ist). Kurze „Stoßlüftungen“ führen die in den Wänden gespeicherte Wärme nicht ab, sodass der Wärmeverlust gering ist; dennoch wird eine hohe Feuchtigkeit der Innenluft, z. B. in Bad und Dusche, abgeführt. Selbst dauerhaft gekippte Fenster erreichen dies nicht. In der Nacht sowie bei längerer Abwesenheit sollte die Heizung nicht komplett abgestellt werden, weil beim Auskühlen von Räumen sich die Feuchtigkeit an den Wänden niederschlägt.



Möbel sollten in einem gewissen Abstand von Wänden aufgestellt werden, um die Zirkulation von Luft zu ermöglichen.



Auf Schimmelpilznester hinter Schränken, Verkleidungen sowie auf Kacheln sollte geachtet werden. Vor allem Fugenmaterial verschimmelt gern, spätestens dann, wenn die oft enthaltenen antimykotischen Wirkstoffe verdunstet sind; alle 5 Jahre sollten sie erneuert werden.



Sanierung von Wasserschäden.



Wärmedämmung von Außenwänden.



Keine Pflanzen im Schlafzimmer; Topfpflanzen sind oft Streuquelle von Schimmelpilzen; deswegen sollte man besser Granulat an Stelle von Erde verwenden.



Staubentfernung, was vor allem auf glatten Böden besser möglich ist (eben nicht Teppichböden).



Tragbare HEPA-Luftfilter.



Matratzen mit Naturstoffbezügen halten viele Sporen zurück; Plastikbezüge können die Sporenzahl senken.

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E

505

2.4 Mucoraceen

Nachweis: Im Nativpräparat sieht man unter dem Mikroskop typischerweise dunkel pigmentierte, septierte Hyphen. ▶ Merke. Schwärzepilze mit medizinischer Relevanz wachsen – im Gegensatz zu

Nachweis: Mikroskopisch dunkle, septierte Hyphen. ▶ Merke.

den ubiquitär in der Natur vorkommenden schwarz pigmentierten Saprophyten – in der Kultur bei 37 °C. Therapie: Die meisten Antimykotika sind gegenüber Schwärzepilzen unwirksam. Am besten wirkt noch Voriconazol.

2.4

Mucoraceen

▶ Definition. Mucoraceen sind recht primitive Fadenpilze mit unseptiertem Myzel. Gelegentlich differenzieren sich einzelne Hyphen geschlechtlich und die „männlichen“ bzw. „weiblichen“ Zellen verschmelzen zu einer Zygospore.

Therapie: Am besten wirkt Voriconazol.

2.4

Mucoraceen

▶ Definition.

Bedeutung: Mucorales (Mucormyzeten) sind ubiquitär verbreitet. Humanmedizinische Bedeutung haben nur wenige Arten: ■ Rhizopus arrhizus ■ Mucor circinelloides ■ Rhizomucor pusillus ■ Lichtheimia corymbifera. (früher : Absidia)

Bedeutung: Nur wenige Arten aus der Ordnung Mucorales haben medizinische Bedeutung.

Pathogenese: Mucormyzeten sind nur schwach pathogen. Als typische opportunistische Krankheitserreger können sie also nur bei entsprechender Disposition des Wirtsorganismus eine Infektion erzeugen, z. B. oberflächliche Mykosen durch Anflug und nachfolgender Kolonisierung auf geschädigter Haut (z. B. Verbrennungspatienten). Bei Patienten mit Immunsuppression oder Stoffwechselkrankheiten (z. B. Diabetes mellitus mit Ketoazidose) und bei Eisenüberladung können die Pilze über die Schleimhäute eindringen und sich im Gewebe vermehren. Bei Einbruch ins Gefäßsystem wachsen diese Pilze intravasal weiter und entwickeln dort „Pseudothromben“.

Pathogenese: Mucormyzeten sind opportunistische Keime, die Haut und Schleimhäute des Respirationstraktes besiedeln können. Gefährlich werden sie, wenn sie in die Gefäße einwachsen und sie verschließen.

Klinik: Je nach Grundkrankheit und Infektionsmodus manifestieren sich die Mucormykosen als: ■ kutane Mykose (bei großflächigen Verbrennungen) ■ rhinozerebrale Mykose: kann – ausgehend von einer Besiedelung der Schleimhäute des Respirationstraktes und der Nasennebenhöhlen – ins ZNS disseminieren (v. a. bei diabetischer Stoffwechsellage) ■ pulmonale Mykose: v. a. bei leukämischen Patienten nach aerogener Aufnahme der Pilzsporen. Der Pilz wächst in die Lungengefäße ein und verlegt durch Konglomeratbildung das Lumen. Folge sind Lungeninfarkte. ■ gastrointestinale Mykose (sehr selten): nach oraler Aufnahme der Pilzsporen, wächst ebenfalls in Gefäße ein und führt zu Infarkten des Darmes. ■ ZNS-Mykose: Wenn die Pilze ins ZNS eindringen und dort lokale Parenchyminfektionen erzeugen, besteht kaum mehr eine Möglichkeit zu überleben

Klinik: Folgende Manifestationen von Mucormykosen sind möglich: ■ kutane Mykose ■ rhinozerebrale Mykose ■ pulmonale Mykose ■ gastrointestinale Mykose (sehr selten) ■ ZNS-Mykose (extrem hohe Mortalität).

Nachweis: Histologisch lassen sich die groben, unregelmäßigen und unseptierten Myzelien mit PAS-Reaktion oder Versilberung nachweisen. Sie verzweigen sich rechtwinklig. Die Kultur der anspruchslosen Pilze (Abb. E-2.17a) aus dem Organbiopsat kann eine exakte Artdiagnose liefern, wenn man im Mikroskop die typischen Sporangien (Abb. E-2.17b, Abb. E-2.17c, Abb. E-2.17d) erkennt. Eine Differenzierung von Isolaten mittels MALDI-TOF kann versucht werden. Ein molekularbiologischer Nachweis mittels PCR im Blut ermöglicht eine frühzeitige Diagnose.

Nachweis: Im histologischen Präparat erkennt man das Myzel der Mucormyzeten. In der mikroskopischen Untersuchung von Kulturen lassen sich die Pilze typisieren (Abb. E-2.17).

Therapie: Isolierte Herde können in manchen Fällen chirurgisch entfernt werden. Andernfalls wird mit Amphotericin B kombiniert mit 5-Fluorocytosin bzw. mit Posaconazol behandelt.

Therapie: Oft hilft nur eine Kombination von Chirurgie und Chemotherapie.

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E

505

2.4 Mucoraceen

Nachweis: Im Nativpräparat sieht man unter dem Mikroskop typischerweise dunkel pigmentierte, septierte Hyphen. ▶ Merke. Schwärzepilze mit medizinischer Relevanz wachsen – im Gegensatz zu

Nachweis: Mikroskopisch dunkle, septierte Hyphen. ▶ Merke.

den ubiquitär in der Natur vorkommenden schwarz pigmentierten Saprophyten – in der Kultur bei 37 °C. Therapie: Die meisten Antimykotika sind gegenüber Schwärzepilzen unwirksam. Am besten wirkt noch Voriconazol.

2.4

Mucoraceen

▶ Definition. Mucoraceen sind recht primitive Fadenpilze mit unseptiertem Myzel. Gelegentlich differenzieren sich einzelne Hyphen geschlechtlich und die „männlichen“ bzw. „weiblichen“ Zellen verschmelzen zu einer Zygospore.

Therapie: Am besten wirkt Voriconazol.

2.4

Mucoraceen

▶ Definition.

Bedeutung: Mucorales (Mucormyzeten) sind ubiquitär verbreitet. Humanmedizinische Bedeutung haben nur wenige Arten: ■ Rhizopus arrhizus ■ Mucor circinelloides ■ Rhizomucor pusillus ■ Lichtheimia corymbifera. (früher : Absidia)

Bedeutung: Nur wenige Arten aus der Ordnung Mucorales haben medizinische Bedeutung.

Pathogenese: Mucormyzeten sind nur schwach pathogen. Als typische opportunistische Krankheitserreger können sie also nur bei entsprechender Disposition des Wirtsorganismus eine Infektion erzeugen, z. B. oberflächliche Mykosen durch Anflug und nachfolgender Kolonisierung auf geschädigter Haut (z. B. Verbrennungspatienten). Bei Patienten mit Immunsuppression oder Stoffwechselkrankheiten (z. B. Diabetes mellitus mit Ketoazidose) und bei Eisenüberladung können die Pilze über die Schleimhäute eindringen und sich im Gewebe vermehren. Bei Einbruch ins Gefäßsystem wachsen diese Pilze intravasal weiter und entwickeln dort „Pseudothromben“.

Pathogenese: Mucormyzeten sind opportunistische Keime, die Haut und Schleimhäute des Respirationstraktes besiedeln können. Gefährlich werden sie, wenn sie in die Gefäße einwachsen und sie verschließen.

Klinik: Je nach Grundkrankheit und Infektionsmodus manifestieren sich die Mucormykosen als: ■ kutane Mykose (bei großflächigen Verbrennungen) ■ rhinozerebrale Mykose: kann – ausgehend von einer Besiedelung der Schleimhäute des Respirationstraktes und der Nasennebenhöhlen – ins ZNS disseminieren (v. a. bei diabetischer Stoffwechsellage) ■ pulmonale Mykose: v. a. bei leukämischen Patienten nach aerogener Aufnahme der Pilzsporen. Der Pilz wächst in die Lungengefäße ein und verlegt durch Konglomeratbildung das Lumen. Folge sind Lungeninfarkte. ■ gastrointestinale Mykose (sehr selten): nach oraler Aufnahme der Pilzsporen, wächst ebenfalls in Gefäße ein und führt zu Infarkten des Darmes. ■ ZNS-Mykose: Wenn die Pilze ins ZNS eindringen und dort lokale Parenchyminfektionen erzeugen, besteht kaum mehr eine Möglichkeit zu überleben

Klinik: Folgende Manifestationen von Mucormykosen sind möglich: ■ kutane Mykose ■ rhinozerebrale Mykose ■ pulmonale Mykose ■ gastrointestinale Mykose (sehr selten) ■ ZNS-Mykose (extrem hohe Mortalität).

Nachweis: Histologisch lassen sich die groben, unregelmäßigen und unseptierten Myzelien mit PAS-Reaktion oder Versilberung nachweisen. Sie verzweigen sich rechtwinklig. Die Kultur der anspruchslosen Pilze (Abb. E-2.17a) aus dem Organbiopsat kann eine exakte Artdiagnose liefern, wenn man im Mikroskop die typischen Sporangien (Abb. E-2.17b, Abb. E-2.17c, Abb. E-2.17d) erkennt. Eine Differenzierung von Isolaten mittels MALDI-TOF kann versucht werden. Ein molekularbiologischer Nachweis mittels PCR im Blut ermöglicht eine frühzeitige Diagnose.

Nachweis: Im histologischen Präparat erkennt man das Myzel der Mucormyzeten. In der mikroskopischen Untersuchung von Kulturen lassen sich die Pilze typisieren (Abb. E-2.17).

Therapie: Isolierte Herde können in manchen Fällen chirurgisch entfernt werden. Andernfalls wird mit Amphotericin B kombiniert mit 5-Fluorocytosin bzw. mit Posaconazol behandelt.

Therapie: Oft hilft nur eine Kombination von Chirurgie und Chemotherapie.

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506 ⊙ E-2.17

E

2 Medizinisch relevante Pilze

Mucor

Sporangium Hyphe b

a

a Kultur: flauschige Kolonie mit einem stark ausgeprägten Luftmyzel. b Schematische Darstellung der Mikromorphologie,kaum Septen, rechtwinklige Verzweigung. c Nativpräparat: Hyphen mit Sporangien. d In der Mitte des Bildes ist ein Pilz bei der sexuellen Interaktion zu sehen: zwei Myzelien verschmelzen und bilden eine Zygospore. Links im Bild sieht man eine Zygospore im Entstehen. Zudem sind typischerweise rechtwinklige Verzweigungen der Hyphen und deren Kaliberschwankungen zu erkennen. (Hof, H.: Mykologie für Mediziner. Thieme; 2003)

c

2.4.1

d

Andere Schimmelpilze

Andere Schimmelpilze als Aspergillen, Dematiaceen und Mucoraceen verursachen beim Menschen nur selten Infektionen.

Folgende Arten können u. U. Infektionen auslösen: ■

Fusarien: Infektionen sind selten, die Mykotoxine sind jedoch gefährlich. In der Landwirtschaft, bei der Getreideproduktion, richten Fusarien großen Schaden an.

▶ Klinischer Fall.



Scopulariopsis brevicaulis kann die Nägel befallen.

2.4.1 Andere Schimmelpilze Andere Schimmelpilze als Aspergillen, Dematiaceen und Mucoraceen verursachen beim Menschen nur selten Infektionen. Meist handelt es sich dabei um Infektionen verletzter Haut, um Inokulation kontaminierten Materials bei Unfällen, um Infektionen nach Verwendung von unsauberem Fixerbesteck und um im Krankenhaus durch invasive Diagnostik und Therapie erworbene Infektionen (Katheter, implantiertes Material). Außerdem liegt meist eine Immunsuppression vor. Im Folgenden sind einige Schimmelpilzarten beschrieben, die unter Umständen Infektionen beim Menschen auslösen können: ■ Fusarien sind eine heterogene Gruppe von Schimmelpilzen, die oft auf Pflanzen parasitieren („Welkekrankheit“) und so großen Schaden in der Lebensmittelproduktion verursachen können. Fusarium graminearum ist auf Getreide spezialisiert, wogegen F. verticilloides hauptsächlich Mais befällt. Sie produzieren außerdem verschiedene Mykotoxine (z. B. Trichothecene, Tab. E-1.1) und spielen gelegentlich auch als Krankheitserreger beim Menschen eine Rolle. Sie wurden bislang von infizierter thermisch geschädigter Haut, von Hautulzera und von der Hornhaut des Auges isoliert. Außerdem wirken Bestandteile dieser Schimmel allergisierend. Fusarien werden auch zur Herstellung von künstlichem Fleisch (Quorn) verwendet. Hierzu werden sie auf organischen Materialien gezüchtet und bilden Strukturen, die aussehen wie Fleisch, schmecken wie Fleisch aber eben keine tierischen Eiweiße enthalten. ▶ Klinischer Fall. Bei drei Patienten, die alle an einem Tag von einem OP-Team wegen einer Katarakt operiert wurden, entstand wenige Tage im Anschluss an die Operation eine eitrige Endophthalmitis. Als Erreger konnte Fusarium aus dem Kammerwasser isoliert werden. Trotz einer gezielten antimykotischen Therapie mit Amphotericin B (intravitreal und systemisch) war letztendlich die Enukleation des Auges erforderlich. ■

Scopulariopsis brevicaulis befällt Nagelsubstanz. Da dieser Schimmelpilz im Gegensatz zu den Dermatophyten Keratin nur schlecht lysieren kann, infiziert er nur traumatisierte Nägel oder solche mit trophischen Störungen. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

E

2.5

507

2.5 Dimorphe Pilze

Dimorphe Pilze

2.5

Dimorphe Pilze

Als dimorph werden Pilze bezeichnet, die in ihrer parasitären Form als Hefen und in ihrer saprophytären Form als Fadenpilze wachsen. Bei den humanpathogenen dimorphen Pilzen wird der Wechsel zwischen Hefe- und Myzelphase durch Umweltbedingungen wie Temperatur und Nährstoffquellen induziert. Im Unterschied zu Sprosspilzen und Schimmelpilzen, die beim Menschen Erreger opportunistischer Infektionen sind, gehören dimorphe Pilze zu den obligat pathogenen Krankheitserregern. Sie sind Erreger der klassischen Systemmykosen.

Als dimorph werden Pilze bezeichnet, die in ihrer parasitären Form als Hefen und in ihrer saprophytären Form als Fadenpilze wachsen. Die humanpathogenen Arten sind die Erreger der klassischen Systemmykosen.

2.5.1 Histoplasma capsulatum

2.5.1

Bedeutung: Der natürliche Standort von Histoplasma capsulatum ist die Erde in trocken-heißen Gebieten von Lateinamerika, dem mittleren Westen der USA, Indien und Afrika, nachdem die Sporen durch Vogel- und Fledermauskot eingetragen wurden. In der Umgebung lebt der Pilz saprophytär in Form eines Myzels, an dem Makro- und Mikrokonidien entstehen. Die Mikrokonidien werden dann mit Staub auf den Menschen übertragen. Da sie hoch kontagiös sind, werden sie in die Risikogruppe III eingestuft.

Bedeutung: Histoplasma capsulatum ist der Erreger der Histoplasmose. Der Pilz lebt in Regionen mit trockenem, heißen Klima.

Pathogenese: Nach Inhalation werden die Mikrokonidien von den Alveolarmakrophagen phagozytiert, jedoch nicht mit Sicherheit inaktiviert. In diesen Zellen vermehren sie sich als Sprosspilze! Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist damit nicht möglich. Eine zellvermittelte Immunreaktion, gekennzeichnet durch eine granulomatöse Entzündung, kann die Infektion stoppen. In Einzelfällen jedoch, besonders bei Abwehrschwäche, vermehren sich die Pilze weiter und es kommt zu einer Verschleppung über infizierte Phagozyten in entfernte Organe, besonders in retikuloendotheliale Organe. Manchmal entstehen nach Kontakt granulomatöse Hautläsionen, die mit der Zeit ulzerieren.

Pathogenese: Die Infektion erfolgt durch Inhalation der Pilzsporen. In der Lunge werden sie von Makrophagen phagozytiert, in denen sie zu Hefezellen auswachsen und sich vermehren. Von hier aus kann der Pilz streuen.

Klinik: Die meisten Infektionen mit Histoplasma capsulatum verlaufen subklinisch bzw. inapparent. Wenn sich die Histoplasmose in der Lunge manifestiert, tritt sie zunächst als tuberkuloseähnliche Erkrankung in Erscheinung, die spontan ausheilen kann. Bei Inhalation großer Mengen infektiösen Staubes kann sich aber auch eine akute Pneumonie entwickeln. Ein chronischer Verlauf der Pneumonie ist ebenfalls möglich. Bei Primärinfektionen der Haut bzw. Schleimhäute kann es lokal zu Ulzerationen kommen. Vorrangig bei immunsupprimierten Patienten (z. B. AIDS-Patienten) besteht die Gefahr einer hämatogenen Streuung mit nachfolgendem Befall von Lymphknoten, Milz, Leber und Knochenmark. Wird bei dieser Verlaufsform nicht rechtzeitig therapiert, ist die Letalität sehr hoch.

Klinik: Viele Infektionen verlaufen inapparent. Beschränkt sich die Infektion auf die Lunge, sind Symptome und klinische Befunde einer Tbc ähnlich. Primäre Manifestationen der Histoplasmose sind außerdem in der Haut und im Knochen möglich. Bei Immunsupprimierten kann der Pilz in Milz, Leber und Knochenmark streuen.

Nachweis: Die akute Lungenhistoplasmose wird in der Regel klinisch als Ausschlussdiagnose gestellt, da sich der Erreger aus Sputum oder Bronchialsekret nur selten kulturell nachweisen lässt. Röntgenologisch stellen sich die Granulome in der Lunge oder auch im Knochen als Rundherde dar, die als Karzinommetastasen fehlgedeutet werden. Bei chronischen oder disseminierten Formen kann der mikroskopische Direktnachweis aus geeignetem Material (Sputum, Bronchialsekret, Eiter, Urin, Biopsiematerial) versucht werden. (Allerdings werden die typischen „Morgenstern“-förmigen Makrokonidien nur selten gefunden. Sehr viel häufiger sind die untypischen Mikrokonidien) (Abb. E-2.18b). Die Pilze lassen sich in histologischen Schnitten mit PAS oder mit Silberfärbung nach Grocott-Gomori leichter erkennen. Im Blutausstrich sieht man die intrazellulären Pilze in Granulozyten als Aussparung (s. Abb. E-2.18a). Molekularbiologische Methoden, wie etwa PCR, können Histoplasma in Biopsien, Blut oder Eiter detektieren.

Nachweis: Die akute Lungenhistoplasmose wird meist klinisch als Ausschlussdiagnose gestellt, da die Anzucht schwierig ist. Eine Erregeranzüchtung gelingt eher bei chronischen oder disseminierten Verläufen (Abb. E-2.18).

▶ Merke. Bei der kulturellen Anzucht ist zu beachten, dass die Kulturen sehr lange

Histoplasma capsulatum

▶ Merke.

bebrütet werden müssen (> 1 Woche) und dass der Pilz dann wieder als Fadenpilz wachsen kann, der Pilzsporen absondert (extreme Infektionsgefahr für das Laborpersonal).

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508 ⊙ E-2.18

E

2 Medizinisch relevante Pilze

Histoplasma capsulatum

a

b a Im peripheren Blut einer 17-Jährigen aus den Südstaaten der USA konnten Histoplasma-Zellen als Aussparungen im Zytoplasma von Granulozyten nachgewiesen werden. b Zahlreiche Histoplasmen in einem Makrophagen.

2–5 Wochen nach der Infektion können Antikörper nachgewiesen werden. Der Histoplasmin-Hauttest kann für die Diagnostik der Infektion außerhalb von Endemiegebieten eingesetzt werden.

2–5 Wochen nach der Infektion können mit serologischen Methoden (Komplementbindungsreaktion, EIA) Antikörper nachgewiesen werden. Diese Untersuchungen sind aber Speziallabors vorbehalten. Darüber hinaus steht ein Histoplasmin-Hauttest zur Verfügung (ähnlich dem Tuberkulintest bei Tuberkulose), der außerhalb von Endemiegebieten für die Diagnostik einer Histoplasmose hilfreich sein kann. In Endemiegebieten hilft er nur bei der Feststellung des Durchseuchungsgrades der Bevölkerung.

Therapie: Mittel der Wahl bei schweren Verläufen ist Amphotericin B. Triazole, wie Itraconazol, Posaconazol und Isavuconazol sind ebenfalls wirksam.

Therapie: Es gibt spontane Heilungen. Schwere und disseminierte Verlaufsformen der Histoplasmose werden mit Amphotericin B, alternativ mit Itraconazol, Isavuconazol oder Posaconazol über lange Zeit behandelt. Echinocandine sind wenig wirksam.

2.5.2

2.5.2 Blastomyces dermatitidis

Blastomyces dermatitidis

Bedeutung: Erreger der nordamerikanischen Blastomykose. Übertragungen von Mensch zu Mensch sind eine Rarität.

Bedeutung: Blastomyces dermatitidis ist der Erreger der nordamerikanischen Blastomykose. Er lebt im Erdboden als Fadenpilz. Die Blastomykose tritt vor allem im Mississippibecken sowie im Osten und Süden der USA auf. Einzelne Erkrankungen in Afrika und Mittelamerika sind beschrieben. Übertragungen von Mensch zu Mensch sind bisher nur in ganz wenigen Fällen berichtet worden.

Pathogenese: Die Infektion erfolgt entweder aerogen oder perkutan.

Pathogenese: Nach aerogener Aufnahme befällt Blastomyces dermatitidis zunächst die Lunge, wo sich der Pilz als Hefe vermehren kann. Eine Infektion kann aber auch transkutan bei Verletzung der Haut erfolgen.

Klinik: Es entwickelt sich eine Lungenmykose, die bevorzugt in Knochen und Haut disseminiert. Hautinfiltrationen können aber auch direkt durch Inokulation kontaminierter Erde entstehen. Die Letalität der unbehandelten Blastomykose ist hoch.

Klinik: Die pulmonale Form der Blastomykose beginnt mit uncharakteristischen grippalen Symptomen, im Anschluss daran kann sich eine tuberkuloseähnliche Symptomatik entwickeln. Obwohl es auch symptomlose Verläufe gibt, kommt es häufig zur Dissemination vor allem in die Knochen mit Ausbildung von Fisteln in die Haut. Auch in andere Organe wie ZNS und Urogenitalsystem kann der Erreger streuen. Die kutane Form kann entweder durch Erregeraussaat vom primären Herd in der Lunge oder durch direkte Erregerinokulation bei Verletzungen der Haut entstehen. Im Krankheitsverlauf schmelzen die kleinen, granulomartigen Knötchen ulzerös ein, vernarben zentral und hinterlassen ein charakteristisches Bild auf der Haut. Die Letalität der unbehandelten Blastomykose ist hoch.

Nachweis: Im Direktpräparat als dickwandige, runde Hefezellen oder in Kultur.

Nachweis: Blastomyces dermatitidis lässt sich aus dem Eiter der Hautläsionen, aus bioptischem Material und Sputum bzw. Bronchiallavage mikroskopisch im Direktpräparat als dickwandige, runde Hefezellen nachweisen und auf geeigneten Nährböden anzüchten. Die Kultur entwickelt sich dann nach ca. 3–4 Wochen Bebrütungszeit. Schnellere Ergebnisse liefert die PCR direkt aus den Untersuchungsproben.

Therapie: Mittel der Wahl ist liposomales Amphotericin B.

Therapie: Mittel der Wahl ist liposomales Amphotericin B, alternativ Itraconazol über lange Zeit.

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E

509

2.5 Dimorphe Pilze

2.5.3 Coccidioides immitis

2.5.3

Bedeutung: Coccidioides immitis ist der Erreger der Kokzidioidomykose, auch Wüstenrheumatismus genannt. Natürlicher Standort von Coccidioides immitis ist der Erdboden. Dort zerfallen die Hyphen in die infektiösen Arthrosporen. Die Kokzidioidomykose ist endemisch im Südwesten der USA (Wüstenregionen, z. B. Death Valley), ebenso in Süd- und Zentralamerika. Das Infektionsrisiko ist in diesen Gebieten während Sandstürmen besonders hoch. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch gibt es nicht.

Bedeutung: Erreger der Kokzidioidomykose, die im Südwesten der USA und in Süd- und Zentralamerika endemisch ist. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch gibt es nicht.

Pathogenese: Die Arthrosporen von Coccidioides immitis werden mit dem Staub eingeatmet. In der Lunge entwickelt sich dann bei ca. 40 % der exponierten Personen eine primäre Kokzidioidomykose, die entweder spontan ausheilt oder Herd für eine hämatogene Streuung wird. Aus den Sporen entwickeln sich im Gewebe Sphärulen. Diese sporangienartigen Pilzgebilde, die von einer dicken Wand umgeben sind und eine Größe von 30–60 μm erreichen, sind mit zahlreichen Endosporen gefüllt. Nach dem Aufplatzen der Sphärulen werden die Endosporen ins umgebende Gewebe freigesetzt, wo sich aus jeder Endospore wieder eine neue Sphärule entwickeln kann (Abb. E-2.19).

Pathogenese: Die Infektion erfolgt aerogen durch hoch kontagiösen Staub. Aus den Sporen entwickeln sich im Gewebe Sphärulen, die mit zahlreichen Endosporen gefüllt sind (Abb. E-2.19).

⊙ E-2.19

Coccidioides immitis

Sphaerulae bei Kokzidioidomykose (Grocott-Gomori-Färbung)

viele Pilzsporen liegen zusammen im Haufen

a

b

a Sekrekt. b Histologie (Lunge): Sphärulen mit dicker Wand und vielen – auch einzelnen – Endosporen.

Klinik: Ca. 60 % aller Infektionen verlaufen inapparent oder subklinisch unter den Symptomen einer banalen Erkältung. Bei klinisch manifesten Verläufen kommt es zu einer schweren Pneumonie mit begleitender Pleuritis und blutig-eitrigem Auswurf. Diese Pneumonie kann ausheilen oder in weniger als 5 % der Fälle einen chronischen Verlauf mit Lungengewebeuntergang und Kavernenbildung nehmen. Eine Dissemination ist als Komplikation der primären Lungenkokzidioidomykose oder als Reaktivierung einer primär subklinischen Infektion in der Folge einer Immunsuppression möglich und mit einer hohen Letalität behaftet. Häufigste Manifestationen bei hämatogener Streuung sind Läsionen der Haut und des subkutanen Gewebes, Osteomyelitis, Arthritis, aber auch Meningitis und Befall der Nebennieren. Bevorzugt bei Frauen findet sich in der Folge der primären Lungenmanifestation ein Erythema nodosum oder Erythema multiforme. In der Schwangerschaft treten disseminierte Verläufe der Kokzidioidomykose häufiger auf.

Klinik: Bei vielen Exponierten verläuft die Infektion klinisch unauffällig. Eine primäre klinische Manifestation in der Lunge ist die Pneumonie. Chronische Verläufe sind möglich (Differenzialdiagnose: Tuberkulose). Eine hämatogene Streuung in andere Organe ist als Komplikation der Pneumonie oder Reaktivierung subklinischer Verläufe (infolge Immunsuppression oder Schwangerschaft) zu werten und mit einer hohen Letalität einhergehend.

Nachweis: Die typischen Sphaerulae finden sich bei geeignetem Untersuchungsmaterial (Sputum, Bronchialsekret) bereits im mikroskopischen Direktpräparat (Abb. E-2.19). Auch histologisch lassen sich diese Pilzstrukturen in Biopsiematerial mit einfachen Färbetechniken eindeutig nachweisen. Der kulturelle Nachweis ist zwar problemlos möglich, die Kulturen sind aber hoch infektiös. Die PCR bringt schnelle Ergebnisse. Der serologische Antikörpernachweis ist möglich. In Endemiegebieten haben viele, gesunde Personen Antikörper als Zeichen einer früheren, inapparenten Infektion.

Nachweis: Das typische morphologische Erscheinungsbild im Untersuchungsmaterial sind die Sphaerulae (Abb. E-2.19).

Therapie: Das Anfangsstadium einer pulmonalen Kokzidioidomykose heilt oftmals spontan aus, weshalb eine spezifische Therapie meist nicht erforderlich ist. Bei einer klinisch symptomatischen pulmonalen Infektion wird am häufigsten Itraconazol verwendet (monatelange Gabe notwendig). Mittel der Wahl bei schweren und disseminierten Verlaufsformen ist Amphotericin B.

Therapie: Mittel der Wahl ist Itraconazol, bei schweren Verläufen auch Amphotericin B.

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510

E

2.5.4

2.5.4 Sporothrix

Sporothrix

Bedeutung: Weltweites Vorkommen von Sporothrix schenkii auf Holz und Pflanzen, Infektionen treten hauptsächlich in den (Sub-)Tropen auf. Daneben gibt es weitere Arten, die auch von erkrankten Tieren übertragen werden.

Sporothrix schenckii verursacht Verletzungsmykosen.

2 Medizinisch relevante Pilze

Bedeutung: Sporothrix schenckii ist ein weltweit verbreiteter Pilz, der auf Holz und Pflanzen lebt. Besonders häufig konnte er von Buchenholz und Schachtelhalm isoliert werden. Infektionen treten, von sporadischen Fällen in Südfrankreich und Spanien abgesehen, in der Regel nur in subtropischen und tropischen Regionen von China, Nord- und Südamerika auf. Daneben gibt es noch viele weitere Arten, wovon nur wenige pathogen sind. Einige davon werden über erkrankte Tiere, z. B. streunende Katzen, auf den Menschen übertragen. In manchen Gebieten treten diese Pilze endemisch auf. Sporothrix schenckii verursacht nach Inokulation kontaminierten Materials in die Haut eine sogenannte Verletzungsmykose.

Pathogenese: Über eine Verletzung mit Splittern und Dornen gelangt der Pilz in die Haut. Entlang der Lymphbahnen entwickeln sich geschwürige Herde mit der Tendenz zur Fistelbildung.

Pathogenese: Der Pilz gelangt durch Verletzung mit Holzsplittern (Buchenholz) und Dornen in die Haut. Nach einigen Wochen entwickelt sich an dieser Stelle subkutan ein Knoten, der ulzerös einschmilzt, Fisteln in benachbartes Gewebe ausbilden kann und Anschluss an das lokale Lymphsystem findet. Schließlich entstehen entlang der Lymphbahnen Ketten solcher geschwüriger Herde. Eine Dissemination des Pilzes über das Lymph- und Blutsystem in andere Organe ist möglich.

Klinik: Die kutane Form verläuft chronisch, ohne Spontanheilung. Die extrakutane Form nach hämatogener Aussaat manifestiert sich in der Regel als Arthritis.

Klinik: Die kutane Form der Sporotrichose ist eine chronisch verlaufende, fistelnde Infektion, die differenzialdiagnostisch von einer Aktinomykose (S. 358) abgegrenzt werden muss. Spontanheilungen sind selten. Eine extrakutane Manifestation der Sporotrichose entwickelt sich nach hämatogener Aussaat des Pilzes und betrifft bevorzugt Knochen und Gelenke, seltener auch innere Organe.

Nachweis: Asteroidkörper im Gewebe sind der Nachweis für eine Infektion mit Sporothrix schenckii. Bei Raumtemperatur wachsen die Pilze in Form von Schimmelpilzen (Abb. E-2.20). Eine molekularbiologische Typisierung von Isolaten ist sinnvoll.

Nachweis: Der direkte Nachweis des Erregers im eitrigen Exsudat aus den Läsionen oder im Gewebe gelingt selten aufgrund der geringen Erregerdichte und Unauffälligkeit des Erregers selbst. Dagegen gilt der Nachweis strahlenförmiger Rundkörper, sog. Asteroidkörper (Konglomerat aus Pilzzellen und körpereigenen Materialien), als beweisend für eine Infektion mit Sporothrix schenckii. Die kulturelle Anzucht gelingt auf Sabouraud-Glukose-Agar. Nach 3–7 Tagen und einer Bebrütungstemperatur von 37 °C werden Pilzkolonien sichtbar, die später ein dunkles Pigment produzieren. Bei Raumtemperatur wachsen diese dimorphen Pilze in Form von Schimmelpilzen (Abb. E-2.20). Eine molekularbiologische Typisierung von Isolaten kann die wirkliche Spezies (außer S. schenkii) definieren, um ggf. auch die Herkunft zu beweisen, denn die diversen Spezies sind ganz unterschiedlich in der Welt verteilt.

⊙ E-2.20

Sporothrix schenkii, ein dimorpher Pilz

a

b a Bei 37 °C Wachstum in Form von Hefe mit glatten, glänzenden Kolonien. b Bei Raumtemperatur Wachstum in Form von Schimmelpilzen mit flauschigen Kolonien.

Therapie: Die kutane Form wird lokal mit Kaliumjodid behandelt (systemische Ausbreitung: Amphotericin B).

Therapie: Die Chemotherapie der kutanen Sporotrichose erfolgt lokal mit Kaliumjodid oder systemisch mit Itraconazol oder Terbinafin über viele Monate, manchmal sind chirurgische Maßnahmen erforderlich. Eine hyperthermische Behandlung der befallenen Hautareale kann eine Ausheilung unterstützen. Bei extrakutaner Manifestation ist Amphotericin B Mittel der Wahl.

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E

2.6

511

2.6 Außergewöhnliche Pilze

Außergewöhnliche Pilze

2.6.1 Pneumocystis jirovecii ▶ Merke. Pneumocystis carinii findet sich, wie man inzwischen weiß, ausschließlich

2.6

Außergewöhnliche Pilze

2.6.1

Pneumocystis jirovecii

▶ Merke.

bei Ratten. Dagegen tritt beim Menschen Pneumocystis jirovecii auf, der nach seinem Entdecker Otto Jirovec benannt ist. Bedeutung: Pneumocystis jirovecii, weitläufig verwandt mit Askomyzeten, ist ein weltweit verbreiteter saprophytär lebender Organismus. Die Exposition ist demnach häufig und die Durchseuchungsrate sehr hoch. Im Alter von 2 Jahren haben schon > 80 % der Kinder Kontakt gehabt. Die Erkrankung dagegen ist relativ selten. Da aber die Zahl der anfälligen Personen durch moderne medizinische Maßnahmen, wie Immunsuppression, zunimmt, steigen auch die Erkrankungszahlen. Einerseits bildet Pneumocystis jirovecii in bestimmten Entwicklungsstadien Trophozoiten und Zysten, d. h. für Protozoen typische Strukturen. Andererseits finden sich auf der 16s-ribosomalen RNA in hohem Maße Sequenzhomologien mit Pilzen aus der Gruppe der Askomyzeten. Im Unterschied zur normalen Pilzzelle enthält die zytoplasmatische Membran aber kein Ergosterin, was erklärt, dass dieser Organismus gegenüber Antimykotika (Polyene, Azole) unempfindlich ist.

Bedeutung: Pneumocystis jirovecii ist ein besonderer Pilz, weil er keine Ergosterinbausteine in der Zytoplasmamembran besitzt. Er lebt in der Umwelt.

Klinik: Als typischer Opportunist kann Pneumocystis jirovecii bei einer bestehenden T-zellulären Abwehrschwäche (Frühgeborene, Organtransplantation, AIDS) eine interstitielle, atypische Pneumonie hervorrufen (Abb. E-2.21a), die mit einem starken Sauerstoffmangel wegen der Gasaustauschstörung in der Lunge einhergeht. Wenn die Erkrankung nicht rechtzeitig erkannt wird, ist die Prognose schlecht (Mortalität ca. 30 %). Durch fibrotischen Umbau der Lunge kann es bei heftiger und lang anhaltender Pneumonie auch zu Folgeschäden kommen.

Klinik: Bei Abwehrschwäche (z. B. AIDS) kann Pneumocystis jirovecii eine interstitielle, atypische Pneumonie erzeugen (Abb. E-2.21a).

Nachweis: Die Diagnose einer Infektion mit Pneumocystis jirovecii erfolgt durch eine mikroskopische Untersuchung von Trachealsekret oder Lungenbiopsat; z. B. können Zysten von Pneumocystis jirovecii mittels Immunfluoreszenz nachgewiesen werden (Abb. E-2.21b). Der Nachweis von Pilz-DNA mittels PCR ist sogar noch empfindlicher, sodass sogar eine bloße Kolonisierung detektiert wird. Eine hohe Keimzahl spricht für eine Infektion.

Nachweis: Mikroskopische Untersuchung von Trachealsekret oder Lungenbiopsat (Abb. E-2.21b) bzw. PCR.

Therapie: Zur Therapie und Prophylaxe werden in erster Linie antibakterielle Mittel, wie Cotrimoxazol (oral), aber auch antiparasitäre Mittel, wie etwa Pentamidin (i. v.) oder Atovaquon (oral), eingesetzt. Als Mittel der 2. Wahl gelten Echinocandine.

Therapie: Antibakterielle Mittel wie etwa Cotrimoxazol, aber auch antiparasitäre Mittel sind wirksam.

⊙ E-2.21

a

Pneumocystis jirovecii

b

a Histologisches Bild einer atypischen Pneumonie: In den Lungenalveolen ist ein entzündliches Exsudat mit schwarz angefärbten Zysten zu erkennen (Grocott-Gomori-Färbung: Versilberung). b Immunfluoreszenznachweis in BAL: Die runden Zysten werden durch spezifische Antikörper, die mit einem Fluoreszenzfarbstoff grün markiert sind, erkannt.

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512 ▶ Klinischer Fall.

2.6.2

Mikrosporidien

E

2 Medizinisch relevante Pilze

▶ Klinischer Fall. Ein 60-jähriger Patient mit Granulomatose mit Polyangiitis und seit 5 Jahren bestehender immunsuppressiver Therapie mit Endoxan und Steroiden wurde wegen einer atypischen Pneumonie mit Fieber, unproduktivem Husten und Thoraxschmerzen hospitalisiert. Bei dem Patienten war ein Jahr zuvor schon einmal eine solche Episode aufgetreten, ausgelöst durch eine Infektion mit dem Zytomegalievirus. Unter der gleichen Verdachtsdiagnose wurde der Patient entsprechend behandelt, jedoch ohne Erfolg. Auch die CMV-Diagnostik blieb stumm. Am 9. Tag konnten dann bei der Suche nach einem Erreger in der Bronchiallavage mittels Immunfluoreszenz Zysten von Pneumocystis jirovecii nachgewiesen werden. Die Therapie mit Echinocandin über 4 Wochen verlief erfolgreich. Auch ein Jahr nach der Infektion kam es – trotz weiter durchgeführter Immunsuppression – zu keinem Rezidiv.

2.6.2 Mikrosporidien

Bedeutung: Microsporidien, die bislang als Protozoen angesehen wurden, sind außergewöhnliche Pilze.

Bedeutung: Diese außergewöhnlichen, obligat intrazellulären Pilze, von denen es > 1200 Arten gibt, wurden früher zu den Protozoen gezählt, weil ihre Biologie der intrazellulärer Parasiten ähnelt. Aber die Präsenz von Chitin in der Zellwand von Sporen sowie genetische Struktur und Sequenzen dieser mitochondrienfreien Einzelzellen haben ihre Verwandtschaft mit Pilzen bestätigt. Als Krankheitserreger des Menschen treten nur wenige in Erscheinung, darunter Enterocytozoon bieneusi, Encephalitozoon cuniculi und Microsporidium africanum. Die Übertragung erfolgt vermutlich mittels umweltstabiler Sporen von Tier auf Mensch über Schmierinfektion.

Klinik: Beim AIDS-Patienten können einige Vertreter, wie die intrazellulär vermehrungsfähigen Encephalitozoon cuniculi und Enterocytozoon bieneusii, opportunistische Infektionen hervorrufen.

Klinik: Während die Vermehrung im gesunden Menschen kaum möglich ist, können sich diese Opportunisten speziell bei AIDS-Patienten (mit einer T-Helferzellzahl < 100/μl) intrazellulär in Darmepithelzellen (seltener in Konjunktivalzellen) vermehren. Eine chronisch-wässrige, profuse Diarrhö bei solchen Patienten ist ein typischer Hinweis. Gelegentlich kommt es auch zu einer Disseminierung, wobei eine Enzephalitis auftreten kann.

Nachweis: Die Diagnose erfolgt mikroskopisch oder mittels PCR.

Nachweis: Dieser erfolgt mikroskopisch; eine Kultur in Wirtszellen ist nur im Speziallabor möglich. Mittels PCR kann man die Erreger nicht nur schnell erfassen, sondern auch die verschiedenen Spezies ermitteln.

Therapie: Es gibt keine spezifische Therapie.

Therapie: Eine spezifische Therapie gibt es nicht. Hilfreich ist die Gabe von Albendazol, einem Antiparasitenmittel, oder Fumagillin, einem Mykotoxin den Polyenen ähnlich. Eine Reduktion der Immunsuppression ist zu erwägen.

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Protozoen Dirk Schlüter

F

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1

Einführung – Allgemeine Parasitologie

1.1 1.2 1.3

Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 Begriffsdefinitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516

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1.1

Einteilung

1.1

Einteilung

Hinweis: Bevor in diesem Buchteil F die Protozoen näher besprochen werden, wird zunächst ein kurzer Überblick über „Allgemeine Parasitologie“ vorangestellt. ▶ Definition.

▶ Definition. Parasiten sind eukaryontische Mikro- und Makroorganismen, die für

ihren Entwicklungszyklus temporär oder dauerhaft einen Wirtsorganismus benötigen. Der Entwicklungszyklus vieler Parasiten erfordert einen Wirtswechsel, der in vielen Fällen die unlimitierte Vermehrung des Parasiten im Wirt verhindert und dann die Koexistenz von Wirt und Parasit über einen längeren Zeitraum ermöglicht. Unterscheiden lassen sich ■ Endoparasiten, die innerhalb des Wirtes (Gewebe, Blut etc.) leben und die sich weiter in einzellige Protozoen (S. 517) und mehrzellige Würmer (Helminthen) (S. 553) einteilen lassen, und ■ Ektoparasiten (Spinnentiere, Insekten), die auf der Körperoberfläche des Wirtes leben, s. Kap. „Arthropoden“ (S. 593).

1.2

Endoparasiten (einzellige Protozoen, mehrzellige Helminthen) leben im Inneren des Wirtes. Ektoparasiten (Arthropoden) dagegen leben auf der Körperoberfläche des Wirtes.

Begriffsdefinitionen

1.2

In der Parasitologie wird eine Reihe von Begriffen verwendet, die das Verhältnis zwischen Parasit und Wirt beschreiben und daher aufgrund der unterschiedlichen Erregerbiologie in der Bakteriologie, Virologie und Mykologie nicht benutzt werden (Tab. F-1.1).

≡ F-1.1

Begriffsdefinitionen

Wichtige Begriffe, die das Verhältnis zwischen Parasit und Wirt beschreiben, zeigt Tab. F-1.1.

Wirte von Parasiten

Endwirt

In diesem Wirt findet eine sexuelle Vermehrung der Protozoen statt. Bei Helminthen gelangt der Parasit zur Geschlechtsreife und es treten adulte Würmer auf, die sexuelle Vermehrungsstadien (Eier, Mikrofilarien) produzieren.

Zwischenwirt

Hier vermehrt sich der Parasit asexuell oder reift nur heran. Bei Helminthen können Zwischen- und Larvenstadien auftreten.

Hauptwirt

Bevorzugter Wirt des Parasiten, in dem eine optimale Vermehrung stattfindet.

Nebenwirt

Möglicher Wirt des Parasiten, der aber keine optimalen Lebensbedingungen bietet (z. B. Mensch für Trichinen).

Fehlwirt

Es findet keine vollständige Entwicklung des Parasiten statt (Sackgasse).

Bevor Parasiten nach einer Infektion erfolgreich diagnostisch nachgewiesen werden können, muss eine geschlechtliche (z. B. Wurmeier) oder ungeschlechtliche Vermehrung (z. B. Malariatrophozoiten) des Parasiten im Wirt erfolgen. Daher wird als Besonderheit in der Parasitologie nicht nur der Zeitraum zwischen Infektion und Beginn von klinischen Symptomen (Inkubationszeit), sondern auch zwischen Infektion und dem ersten Auftreten von diagnostizierbaren Parasitenstadien, die Präpatenzzeit, unterschieden. Kenntnisse über Präpatenzzeiten helfen zu beurteilen, ob eine bestimmte Parasitose bei einem Patienten vorliegen kann bzw. bereits diagnostizierbar ist. So treten die ersten diagnostizierbaren Blutstadien von Plasmodium falciparum (Malaria tropica) frühestens 7 Tage nach Infektion auf. Da Blutstadien auch für die klinischen Symptome verantwortlich sind, kann eine klinisch manifeste Malaria nicht vor Ende der Präpatenzzeit auftreten.

Neben der Inkubationszeit (Zeitraum zwischen Infektion und ersten Symptomen) ist in der Parasitologie die sog. Präpatenzzeit, d. h. der Zeitraum zwischen Infektion und Auftreten von ersten diagnostizierbaren Parasitenstadien, von Bedeutung.

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516

F 1 Einführung – Allgemeine Parasitologie

1.3

1.3

Bedeutung

Neben einigen einheimischen Parasitosen (Echinokokkose, Toxoplasmose) sind Parasitosen in Mitteleuropa unter reisemedizinischen Gesichtspunkten (z. B. Amöbenund Lamblienruhr, Malaria) bedeutsam. Schwerere Verläufe bestimmter Parasitosen treten bei Immundefizienten auf (z. B. Toxoplasmose bei AIDS).

Bedeutung

Parasiten kommen weltweit vor, jedoch ist die geografische Verbreitung einzelner Parasitosen sehr unterschiedlich und häufig an bestimmte klimatische Voraussetzungen sowie das Vorhandensein bestimmter Vektoren gebunden, welche die Parasiten zwischen Wirten übertragen. In Mitteleuropa sind humanmedizinisch bedeutsame Parasitosen selten (Echinokokkose, Toxoplasmose). Viele der wichtigen Parasitosen treten jedoch aufgrund des schlechteren Hygienestandards vermehrt in Entwicklungsländern (Amöben- und Lamblienruhr) oder in Ländern mit anderen klimatischen Voraussetzungen (Malaria, Schistosomiasis, Leishmaniose) auf. Diese Erkrankungen sind also insbesondere unter reisemedizinischen Gesichtspunkten in Deutschland von Bedeutung. Eine weitere Gruppe von Parasitosen nimmt vor allem bei Immundefizienten einen schweren Verlauf und muss bei diesen besonders beachtet werden. Hierzu zählen fetale Infektionen (Toxoplasmose) und Infektionen bei AIDS-Patienten (zerebrale Toxoplasmose, Kryptosporidiose).

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2

Allgemeines zu Protozoen

2.1 2.2 2.3

Definition und Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 Nachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518

F © PhotoDisc

2.1

Definition und Klassifikation

2.1

Definition und Klassifikation

Siehe auch Kap. „Allgemeine Parasitologie“ (S. 515). ▶ Definition. Protozoen sind einzellige, eukaryonte Organismen, die bereits dem Tierreich zugeordnet werden.

Da fast alle Protozoen in irgendeiner Form beweglich sind, ist dies Grundlage für eine systematische Einteilung (Tab. F-2.1). Eine Revision dieser Einteilung basierend auf der genetischen Verwandschaft der Protozoen, die durch DNA-Sequenzanalysen ermittelt wird, ist sinnvoll.

≡ F-2.1

Klassifikation der Protozoen

Sporozoen (Sporentierchen)

Fortbewegung im freien Milieu gleitend und schlängelnd. Sporozoen leben jedoch vorwiegend intrazellulär

Ziliaten (Wimpertierchen)

Fortbewegung mittels eines die ganze Zelloberfläche bedeckenden Flimmerhärchenmantels

Rhizopoden (Wurzelfüßer, Amöben)

Fortbewegung mittels Pseudopodien unter ständiger Gestaltveränderung des Zellleibs

Flagellaten Geißeltierchen)

Fortbewegung mittels einer oder mehrerer Geißeln

2.2

Nachweis

Protozoen werden aufgrund ihrer Fortbewegungsart eingeteilt (Tab. F-2.1).

≡ F-2.1

2.2

Es ist zu unterscheiden zwischen ■ Protozoen, die sich in Stuhl, Urin oder Genitalsekret direkt mittels Mikroskopie, PCR oder Antigennachweis detektieren lassen, ■ Protozoen, die sich im peripheren Blut und/oder im Gewebe aufhalten und sich teils direkt (Mikroskopie, PCR, Antigennachweis) und/oder indirekt (Antikörpernachweis) nachweisen lassen, und ■ Protozoen, die sich nur im Gewebe aufhalten und sich in einer Gewebebiopsie direkt (Mikroskopie, PCR) oder indirekt mittels Antikörper im Serum nachweisen lassen. Manche Protozoen treten neben der vegetativen (ungeschlechtlichen) Form auch in einer Geschlechtsform auf. Deswegen erfordert die mikroskopische Untersuchung genaue Sachkenntnis über die zu erwartenden Zustandsformen des Erregers (Tab. F-2.2).

≡ F-2.2

▶ Definition.

Zustandsformen der Protozoen

Trophozoiten

vegetative, meist bewegliche Zustandsform

Gamonten

Anfangsstadien einer geschlechtlichen Entwicklung

Gameten

reife männliche oder weibliche Geschlechtszellen

Zysten oder Oozysten

Dauerformen mit erhöhter Resistenz gegenüber äußeren Einflüssen, Übertragungsform der Erreger von einem Wirt zum anderen

Nachweis

Protozoenerkrankungen werden entweder durch direkten Erregernachweis (Mikroskopie, PCR, Antigennachweis) oder indirekt (serologischer Antikörpernachweis) diagnostiziert.

Mikroskopische Untersuchungen setzen Kenntnisse über die Zustandsformen der Erreger voraus (Tab. F-2.2).

≡ F-2.2

Nicht alle Zustandsformen kommen bei allen Protozoen gleichermaßen vor. Manchmal findet zwischen den verschiedenen Erscheinungsformen ein Wirtswechsel statt. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

518 ▶ Merke.

F 2 Allgemeines zu Protozoen ▶ Merke. Die mikroskopische Untersuchung erfordert sehr viel Geduld. Wegen der

oft geringen Erregerdichte muss das Präparat mindestens 10 Minuten durchgemustert werden. Ein negativer Untersuchungsbefund schließt einen Befall nicht aus. Mikroskopische Untersuchungen müssen mindestens 1- bis 2-mal wiederholt werden, um eine negative Diagnose zu sichern.

2.3

Bedeutung

Unter klinischen Aspekten werden Protozoen eingeteilt in (Tab. F-2.3 bis Tab. F-2.6) in: ■ pathogene Blut- und Gewebeprotozoen ■ pathogene Darmprotozoen ■ „apathogene“ Darm- und Mundhöhlenprotozoen ■ pathogene Urogenitalprotozoen.

≡ F-2.3

2.3

Bedeutung

Unter klinischen Aspekten können die Protozoen in 4 Gruppen eingeteilt werden: ■ pathogene Blut- und Gewebeprotozoen (Tab. F-2.3) ■ pathogene Darmprotozoen (Tab. F-2.4) ■ „apathogene“ Mundhöhlen- und Darmprotozoen (Tab. F-2.5) ■ pathogene Urogenitalprotozoen (Tab. F-2.6). „Apathogen“ heißt, dass diese Protozoen keine spezifische Infektionskrankheit verursachen. Das schließt jedoch nicht aus, dass sie an pathologischen Prozessen beteiligt sein können.

≡ F-2.3

Humanpathogene Blut- und Gewebeprotozoen

Klasse

Erreger

Krankheit

Sporozoen

Plasmodium falciparum

Malaria tropica (S. 520)

Plasmodium vivax

Malaria tertiana (S. 520)

Plasmodium ovale

Malaria tertiana (S. 520)

Plasmodium malariae

Malaria quartana (S. 520)

Plasmodium knowlesi

weitere Malariaform (S. 520)

Babesia microti

Babesiose (S. 526)

Toxoplasma gondii

Toxoplasmose (S. 527)

Acanthamoeba

Meningoenzephalitis, Keratitis (S. 538)

Naegleria

Meningoenzephalitis (S. 538)

Leishmania donovani

Kala-Azar (S. 543)

Leishmania tropica minor

Orientbeule (S. 544)

Leishmania tropica major

Hautleishmaniose (S. 544)

Leishmania brasiliensis

Hautleishmaniose (S. 544)

Trypanosoma gambiense

Schlafkrankheit (S. 539)

Rhizopoden

Flagellaten

≡ F-2.4

≡ F-2.4

Trypanosoma rhodesiense

Schlafkrankheit (S. 539)

Trypanosoma cruzi

Chagas-Krankheit (S. 541)

Humanpathogene Darmprotozoen

Klasse

Erreger

Krankheit

Sporozoen

Sarcocystis suihominis

Sarkosporidose (S. 531)

Sarcocystis bovihominis

Sarkosporidose (S. 531)

Cystoisospora belli

Kokzidiose (S. 532)

Cryptosporidium

Kryptosporidiose (S. 533)

Blastocystis hominis Cyclospora cayetanensis

Diarrhö (S. 534) Diarrhö

Ziliaten

Balantidium coli

Balantidienruhr (S. 534)

Rhizopoden

Entamoeba histolytica

Amöbenruhr (S. 535)

Flagellaten

Giardia lamblia

Lambliasis, Giardiasis (S. 547)

Dientamoeba fragilis

Diarrhö

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518 ▶ Merke.

F 2 Allgemeines zu Protozoen ▶ Merke. Die mikroskopische Untersuchung erfordert sehr viel Geduld. Wegen der

oft geringen Erregerdichte muss das Präparat mindestens 10 Minuten durchgemustert werden. Ein negativer Untersuchungsbefund schließt einen Befall nicht aus. Mikroskopische Untersuchungen müssen mindestens 1- bis 2-mal wiederholt werden, um eine negative Diagnose zu sichern.

2.3

Bedeutung

Unter klinischen Aspekten werden Protozoen eingeteilt in (Tab. F-2.3 bis Tab. F-2.6) in: ■ pathogene Blut- und Gewebeprotozoen ■ pathogene Darmprotozoen ■ „apathogene“ Darm- und Mundhöhlenprotozoen ■ pathogene Urogenitalprotozoen.

≡ F-2.3

2.3

Bedeutung

Unter klinischen Aspekten können die Protozoen in 4 Gruppen eingeteilt werden: ■ pathogene Blut- und Gewebeprotozoen (Tab. F-2.3) ■ pathogene Darmprotozoen (Tab. F-2.4) ■ „apathogene“ Mundhöhlen- und Darmprotozoen (Tab. F-2.5) ■ pathogene Urogenitalprotozoen (Tab. F-2.6). „Apathogen“ heißt, dass diese Protozoen keine spezifische Infektionskrankheit verursachen. Das schließt jedoch nicht aus, dass sie an pathologischen Prozessen beteiligt sein können.

≡ F-2.3

Humanpathogene Blut- und Gewebeprotozoen

Klasse

Erreger

Krankheit

Sporozoen

Plasmodium falciparum

Malaria tropica (S. 520)

Plasmodium vivax

Malaria tertiana (S. 520)

Plasmodium ovale

Malaria tertiana (S. 520)

Plasmodium malariae

Malaria quartana (S. 520)

Plasmodium knowlesi

weitere Malariaform (S. 520)

Babesia microti

Babesiose (S. 526)

Toxoplasma gondii

Toxoplasmose (S. 527)

Acanthamoeba

Meningoenzephalitis, Keratitis (S. 538)

Naegleria

Meningoenzephalitis (S. 538)

Leishmania donovani

Kala-Azar (S. 543)

Leishmania tropica minor

Orientbeule (S. 544)

Leishmania tropica major

Hautleishmaniose (S. 544)

Leishmania brasiliensis

Hautleishmaniose (S. 544)

Trypanosoma gambiense

Schlafkrankheit (S. 539)

Rhizopoden

Flagellaten

≡ F-2.4

≡ F-2.4

Trypanosoma rhodesiense

Schlafkrankheit (S. 539)

Trypanosoma cruzi

Chagas-Krankheit (S. 541)

Humanpathogene Darmprotozoen

Klasse

Erreger

Krankheit

Sporozoen

Sarcocystis suihominis

Sarkosporidose (S. 531)

Sarcocystis bovihominis

Sarkosporidose (S. 531)

Cystoisospora belli

Kokzidiose (S. 532)

Cryptosporidium

Kryptosporidiose (S. 533)

Blastocystis hominis Cyclospora cayetanensis

Diarrhö (S. 534) Diarrhö

Ziliaten

Balantidium coli

Balantidienruhr (S. 534)

Rhizopoden

Entamoeba histolytica

Amöbenruhr (S. 535)

Flagellaten

Giardia lamblia

Lambliasis, Giardiasis (S. 547)

Dientamoeba fragilis

Diarrhö

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F

≡ F-2.5

≡ F-2.5

„Apathogene“ Darmprotozoen

Klasse

Erreger

Rhizopoden

Entamoeba coli

519

2.3 Bedeutung

Entamoeba hartmanni Entamoeba dispar Endolimax nana Flagellaten

Chilomastix mesnili Trichomonas hominis

≡ F-2.6

≡ F-2.6

Humanpathogene Urogenitalprotozoen

Klasse

Erreger

Krankheit

Flagellaten

Trichomonas vaginalis

Trichomoniasis (S. 545), Fluor vaginalis

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F

3

Medizinisch relevante Protozoen

3.1 3.2 3.3 3.4

Sporozoen . Ziliaten . . . Rhizopoden Flagellaten .

Sporozoen

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520 534 534 538

© Groß U.: KLB Medizinische Mikrobiologie. Thieme; 2013

3.1

Sporozoen

3.1

3.1.1

Plasmodien

3.1.1 Plasmodien

▶ Definition.

Entwicklungszyklus: Die weibliche Anophelesmücke ist Endwirt für Plasmodien. Hier findet die sexuelle Vermehrung statt (Abb. F-3.1).

⊙ F-3.1

▶ Definition. Plasmodien sind die Erreger der Malaria. Die Infektion mit unterschiedlichen Plasmodienarten führt zu unterschiedlichen Krankheitsverläufen und Prognosen. Folgende Erreger und Krankheitsbilder existieren beim Menschen: ■ Plasmodium falciparum (Malaria tropica) ■ Plasmodium vivax (Malaria tertiana) ■ Plasmodium ovale (P. ovale curtisi und Plasmodium ovale wallikeri) (Malaria tertiana) ■ Plasmodium malariae (Malaria quartana) ■ Plasmodium knowlesi (weitere Malariaform).

Entwicklungszyklus: Für die Entwicklung der klassischen, die Malaria verursachenden Plasmodien ist der Mensch Zwischenwirt, in dem ausschließlich asexuelle Vermehrung vorkommt. Endwirt ist die weibliche Anophelesmücke (S. 610), in der die sexuellen Vermehrungsvorgänge des Erregers stattfinden. Der Entwicklungszyklus ist somit mit einem Generationswechsel (asexuell/sexuell) und einem Wirtswechsel (Mensch/Mücke) verbunden (Abb. F-3.1).

⊙ F-3.1

Entwicklungszyklus der Malariaplasmodien

(Blum H, Müller-Wieland D. Klinische Pathophysiologie. Thieme; 2018.)

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F 3.1 Sporozoen

521

Sexuelle Entwicklung in der Mücke (f): Die weibliche Anophelesmücke nimmt aus dem Blut des Infizierten folgende Übertragungsformen auf: ■ Mikrogametozyten: Vorstufen männlicher Fortpflanzungszellen. Sie differenzieren sich innerhalb der Mücke zu Mikrogameten, den reifen männlichen Fortpflanzungszellen. ■ Makrogametozyten: Sie reifen zu Makrogameten, den weiblichen Fortpflanzungszellen. Beide Zellen – Mikro- und Makrogameten – verschmelzen und bilden eine Zygote. Nach der Transformation zu einem mobilen Ookinet nistet sich dieser in der Magenwand der Mücke ein. Dort reift er zur Oozyste heran, in der sich durch asexuelle Vermehrung Tausende von Sporozoiten entwickeln. Diese verteilen sich über die Zirkulation im Körper der Mücke und gelangen dabei auch in ihre Speicheldrüse. Von hier aus können die Sporozoiten bei der nächsten Blutmahlzeit der Mücke einen Menschen infizieren (a). Die ersten diagnostizierbaren Blutstadien treten bei einer Plasmodium-falciparum-Infektion (Malaria tropica) frühestens nach 7 Tagen auf, da die Blutstadien auch für die klinischen Symptome verantwortlich sind. Der geschilderte Entwicklungszyklus dauert 4–15 Tage und ist temperaturabhängig: Unter 16 °C findet keine Plasmodienvermehrung mehr statt. Dies erklärt, warum die Malaria nur in bestimmten klimatischen Regionen beheimatet ist bzw. einen jahreszeitabhängigen Entwicklungszyklus hat.

Sexuelle Entwicklung in der Mücke (f): Die Mücke infiziert sich am malariakranken Menschen; dabei nimmt sie weibliche Makrogametozyten und männliche Mikrogametozyten auf. Aus den Mikrogametozyten differenzieren sich geschlechtsreife männliche Mikrogameten, die die weiblichen Makrogameten befruchten und mit ihnen zur Zygote verschmelzen. Die Zygote nistet sich als Ookinet in die Magenwand der Mücke ein und reift zur Oozyste. Sie erzeugt Tausende von Sporozoiten, die bei der nächsten Blutmahlzeit der Mücke über deren Speicheldrüse in den Menschen injiziert werden.

Asexuelle Entwicklung im Menschen: Der Mensch ist Zwischenwirt in der Plasmodienentwicklung. Hier finden nur asexuelle Vermehrungsvorgänge statt, die sich in zwei Entwicklungszyklen aufteilen: ■ den exoerythrozytären Zyklus (b, e) in der Leber (löst keine klinischen Symptome aus!) und ■ den erythrozytären Zyklus (c, d) in den Erythrozyten (verantwortlich für klinische Symptome!). Mit dem Stich der Anophelesmücke gelangen die Sporozoiten in die menschliche Blutbahn, wo sie sich nur ca. 30 Minuten aufhalten, um dann die Leberparenchymzellen zu befallen. Hier differenzieren sich die Sporozoiten zu Schizonten (b). Aus diesen entstehen wiederum mehrere tausend Merozoiten. Artspezifisch nach 1–6 Wochen verlassen die Merozoiten die Leber und dringen in Erythrozyten ein, wo sie nunmehr als Trophozoiten bezeichnet werden (c). Während ihrer intraerythrozytären Vermehrung verbrauchen sie das Hämoglobin zu 80 %. Diese Degradation geschieht in sauren, lysosomalen Organellen (Verdauungsvakuolen) (c). Das dabei frei werdende Häm kann allerdings nicht abgebaut werden und würde für Plasmodien toxisch wirken, wenn es nicht zu einem unlöslichen Pigment, dem Hämozoin, kristallisiert würde. Das Antimalariamittel Chloroquin hemmt diese Kristallisation, als Folge werden die Parasiten durch das Häm vergiftet. Die Trophozoiten der einzelnen Plasmodienspezies unterscheiden sich in ihrer Morphologie. Damit ist ein wichtiges labordiagnostisches, mikroskopisches Kriterium zur Identifizierung der Erregerspezies gegeben. Einzige Ausnahme ist Plasmodium knowlesi, das sich morphologisch nicht von Plasmodium malariae unterscheidet. Abb. F-3.2 zeigt schematisch die Trophozoiten der einzelnen Plasmodienarten. Aus den Trophozoiten, die oft die Form eines Siegelringes haben (Ringformen), entwickeln sich Schizonten, die sich wiederum in mehrere Merozoiten teilen (8–32 bei Plasmodium falciparum, 12–24 bei Plasmodium vivax und 6–12 bei Plasmodium malariae). Diese Merozoiten befallen wiederum Erythrozyten und beginnen den erythrozytären Vermehrungszyklus von Neuem (d). Nach 2–3 solcher Schizogoniezyklen entwickeln sich auch weibliche Makrogametozyten und männliche Mikrogametozyten (e), die jedoch im menschlichen Organismus zugrunde gehen, es sei denn, sie werden von einer blutsaugenden Anophelesmücke aufgenommen. Der erythrozytäre Schizogoniezyklus (Merozoit – Trophozoit – Schizonten – Merozoiten) synchronisiert sich im Menschen bei Plasmodium malariae in einem 72Stunden-Rhythmus: Der Fieberschub erfolgt am 4. Tag, deswegen: Malaria quartana. Bei Plasmodium ovale und Plasmodium vivax ist es ein 48-Stunden-Rhythmus: Der Fieberschub erfolgt am 3. Tag, deswegen: Malaria tertiana. Bei Plasmodium knowlesi kommt es alle 24 Stunden zur einer synchronisierten Lyse der Erythrozyten. Der Entwicklungszyklus bei Plasmodium falciparum ist nicht synchronisiert.

Asexuelle Entwicklung im Menschen: Die Entwicklung im Zwischenwirt Mensch wird unterteilt in ■ den exoerythrozytären Zyklus (b, e) in der Leber und ■ den erythrozytären Zyklus (c, d) in den Erythrozyten (Symptome!).

Der Entwicklungszyklus ist temperaturabhängig (< 16 °C keine Vermehrung).

Die Sporozoiten verlassen innerhalb von 30 Minuten die Blutbahn und befallen die Hepatozyten, wo sie sich zu Schizonten differenzieren (b), aus denen Tausende von Merozoiten entstehen. Diese verlassen die Leber und befallen Erythrozyten (c). Von nun an heißen sie Trophozoiten und stellen wegen ihrer morphologischen Unterschiede ein wichtiges labordiagnostisches Kriterium dar (Abb. F-3.2).

Aus den Trophozoiten entwickeln sich Schizonten und daraus Merozoiten. Letztere befallen erneut Erythrozyten und beginnen den Vermehrungszyklus von Neuem (d). Daneben werden auch Makrogametozyten und Mikrogametozyten gebildet (e), die sich jedoch nur in der Anophelesmücke weiter entwickeln können. Der erythrozytäre Zyklus dauert bei Plasmodium malariae 72 Stunden, bei Plasmodium ovale bzw. vivax 48 Stunden (Malaria quartana, Malaria tertiana), bei Plasmodium knowlesi 24 Stunden.

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522 ⊙ F-3.2

F 3 Medizinisch relevante Protozoen

Erscheinungsformen der verschiedenen Plasmodiumarten im Blutausstrich

A: junger B: Schizont Trophozoit

C: Makrogametozyt

D: Mikrogametozyt

Plasmodium falciparum

kleine Ringe, häufig Doppelkerne, schmaler Plasmasaum, mehrere Ringformen

8–24 Merozoiten, manchmal mehr

12–24 Merozoiten, 1 – 2 Pigmentklumpen peripher oder zentral (SchüffnerTüpfelung)

C: Makrogametozyt

D: Mikrogametozyt

ähnlich wie bei Plasmodium vivax, selten in ovalen Erythrozyten

ähnlich wie bei Plasmodium vivax, selten in ovalen Erythrozyten

ähnlich P. vivax, aber kleiner

ähnlich P. vivax, aber kleiner

Plasmodium ovale

sichelförmig, Kern kompakt und zentral, Pigment um Kern angeordnet

sichelförmig, plumper als C, Kern größer und weniger kompakt

Ringe ähnlich wie bei Plasmodium vivax

8 Merozoiten, Pigment zentral (SchüffnerTüpfelung)

Plasmodium malariae

Plasmodium vivax

große Ringe, Plasmasaum schmal

A: junger B: Schizont Trophozoit

rundlich, Kern klein und exzentrisch, Pigment diffus verteilt

rundlich, Kern größer als bei C, zentral oder exzentrisch, Pigment feiner als bei C und diffus verteilt

Plasmaring breit

6–12 Merozoiten, oft in Rosettenform, Pigment meist zentral

Der exoerythrozytäre Zyklus endet bei P. falciparum, P. malariae und P. knowlesi mit dem Ausbrechen aus der Leber. Bei P. vivax und P. ovale verbleiben inaktive Schizonten (Hypnozoiten) in der Leber.

Bei Plasmodium falciparum, Plasmodium malariae und Plasmodium knowlesi wird der exoerythrozytäre Zyklus mit dem Ausbrechen der Merozoiten aus der Leber beendet. Bei Plasmodium vivax und Plasmodium ovale durchlaufen nicht alle Leberstadien die Entwicklung zu reifen Schizonten. Diese Stadien sind nicht aktiv und werden deshalb als Hypnozoiten bezeichnet.

Epidemiologie: Die Malaria ist eine der am meisten verbreiteten Infektionskrankheiten dieser Erde (Abb. F-3.4), deren geografische Verteilung einem regelmäßigen Wandel unterworfen ist.

Epidemiologie: Früher war die Malaria weiter verbreitet als heute. Durch verschiedene Faktoren, wie eine effiziente Vektorenkontrolle, konnte die Malaria in verschiedenen Regionen eliminiert werden. Heutzutage ist die Malaria in Gebieten unter 1500 m Höhe tropischer Länder (Abb. F-3.4) eine der am meisten verbreiteten Infektionskrankheiten, der weder durch Immunisierungsmaßnahmen, Chemoprophylaxe (Nebenwirkungen und Resistenzentwicklung) noch durch groß angelegte Ausrottungsversuche des Vektors (weibliche Anophelesmücke) bislang begegnet werden konnte. Die Zahl der Infizierten wird von der WHO weltweit auf über 200 Millionen, die Zahl der Malariatoten auf knapp 1 Million pro Jahr geschätzt. Einige Malariaformen sind regional begrenzt. So tritt die durch Plasmodium knowlesi ausgelöste Malaria nur in Südostasien auf. In der Regel erfolgt die Infektion durch den Stich der weiblichen Anophelesmücke in die Blutgefäße (männliche Mücken saugen nur Gewebeflüssigkeit). Bei tropischen Temperaturen braucht die Mücke alle 2 Tage eine Blutmahlzeit. Sie bricht in der Abenddämmerung auf und sucht bis nach Mitternacht. Übertragungen durch Blutkonserven und Blutprodukte sollten durch entsprechende Kontrollen nicht möglich sein. Infektionen durch gemeinsam benutzte Injektionskanülen (Drogenszene) sind beschrieben. Von den annähernd 400 Anophelesarten sind ca. 60 als Malariaüberträger von Bedeutung. Da die sexuelle Vermehrung der Erreger in der Mücke zwischen 16 und 33 °C erfolgen kann und Anophelesmücken auch in unseren Breiten keine Seltenheit sind, sind theoretisch auch bei uns Malariainfektionen denkbar (Malariaerkrankungen sind bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Deutschland belegt). Voraussetzung wäre allerdings, dass die einheimischen Anophelesmücken sich an einem malariakranken Menschen erst einmal selbst anstecken. In Deutschland besteht eine Meldepflicht nach § 7 des IfSG, wonach der Nachweis der Erreger nicht namentlich an das Robert-Koch-Institut zu melden ist. Pro Jahr werden rund 1000 Fälle gemeldet, wovon etwa ein Dutzend tödlich endet.

Die Infektion erfolgt meist durch den Stich der Anophelesmücke. Übertragungen durch Blutkonserven und -produkte werden durch Testung verhindert. Fixerbesteck ist eine mögliche Infektionsquelle.

In Deutschland ist Malaria gemäß § 7 IfSG meldepflichtig (Erkrankung und Tod).

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523

F 3.1 Sporozoen ▶ Merke. Hypnozoiten können jederzeit wieder aufleben und sind Ursache für Ma-

▶ Merke.

lariarezidive, die oft Jahre nach der Primärerkrankung entstehen können. Solche Rezidive entstehen also nur nach Infektion mit Plasmodium vivax und Plasmodium ovale; es gibt jedoch auch bei diesen Formen Spontanheilungen. Klinik: Die Inkubationszeit der Malaria ist variabel und richtet sich nach der Art des Erregers, einer medikamentösen Prophylaxe und anderen Faktoren. Bei P. falciparum liegt die Inkubationszeit zwischen 6 und 120 Tagen (Durchschnitt: 12 Tage), bei Plasmodium-malariae-Infektionen bei 4–5 Wochen und bei der Malaria tertiana bei 12–18 Tagen. Häufig treten zu Krankheitsbeginn grippeartige Prodromalerscheinungen auf. Das Fieber ist zu diesem Zeitpunkt bei der Malaria tertiana und quartana remittierend, aber unregelmäßig. Erst nach 1 Woche entwickelt sich der klassische Rhythmus für die Malaria tertiana und quartana. Die Fieberschübe mit Temperaturen bis 40,5 °C und heftigem Schüttelfrost treten jeweils am 3. oder 4. Tag auf. Das Fieber bei Plasmodium-knowlesiInfektion folgt einem täglichen Rhythmus (24-h-Zyklus). Klassischerweise beginnt der Fieberschub mit Schüttelfrost, der ca. 1 Stunde andauert und dann in das 2- bis 6-stündige Fieberstadium übergeht, nach dessen Ende sich der Patient wieder wohl fühlt. Neben dem Leitsymptom Fieber können weitere Symptome wie Kopf-, Glieder- und Muskelschmerzen oder eine Diarrhö bestehen. Da P. falciparum-Infektionen innerhalb weniger Stunden zu einer komplizierten lebensbedrohlichen Infektion voranschreiten können, stellen sie einen medizinischen Notfall dar! Die Malaria tropica ist nicht synchronisiert. Das Fieber besteht praktisch kontinuierlich. Es kommen Mischinfektionen mit unterschiedlichen Plasmodienarten – häufig Plasmodium falciparum und Plasmodium vivax – vor sowie auch Mehrfachinfektionen durch denselben Erreger. Der Fieberrhythmus ist dann unregelmäßig oder kontinuierlich. Gefährlichste Form der Malaria ist die Malaria tropica, die durch Plasmodium falciparum verursacht wird. Die Mehrheit aller Malariafälle (laut WHO 90 %) wird durch Plasmodium falciparum verursacht und es gehen fast alle Todesfälle und schweren Verläufe auf ihr Konto. Die infizierten Erythrozyten bilden an ihrer Oberfläche bestimmte Strukturen aus, sog. Knobs (Knöpfchen), die parasitäre Antigene wie das Plasmodium falciparum Erythrozyten-Membran-Protein-1 (PfEMP-1) enthalten, und neigen zu Aggregation und Anlagerung an die Gefäßendothelien, welche als Bindungspartner Zelladhäsionsmoleküle wie ICAM-1 exprimieren. Wichtigste Todesursachen bei Malaria tropica sind daher Mikrozirkulationsstörungen im Gehirn und in anderen Organen. Die schwere Malaria ist mit einer schlechten Prognose assoziiert. Die Hauptsymptome einer schweren Malaria nach WHO-Kriterien sind in Tab. F-3.1 zusammengefasst. Das Auftreten eines dieser Kriterien weist bereits auf eine schwere Malaria hin. Nicht immune Personen wie Kinder < 5 Jahren in Endemiegebieten und Reisende aus malariafreien Regionen sowie Schwangere und abwehrgeschwächte Personen sind besonders anfällig. Die unkomplizierte Malaria zeichnet sich durch das Fehlen der Kriterien einer schweren Malaria aus und fehlende Hinweise auf eine Störung vitaler Organe. Das Leitsymptom der unkomplizierten Malaria ist Fieber. Aufgrund von Mikrozirkulationsstörungen in der Darmwand kann es auch zur Translokation von Bakterien mit Sepsis und Pneumonie kommen. Daher ist bei der Malaria immer an die Möglichkeit einer bakteriellen Koinfektion zu denken. ▶ Merke. Die Malaria ist ein medizinischer Notfall! Ein Verdacht muss sofort abge-

Klinik: Die Inkubationszeit der Malaria ist variabel und beträgt bei P. falciparum 6–120 Tage (Durchschnitt: 12 Tage), bei Infektionen mit Plasmodium malariae 4–5 Wochen und bei der malaria tertiana 12–18 Tage. Klassischerweise tritt bei Malaria tertiana der Fieberschub mit Schüttelfrost am 3., bei Malaria quartana am 4. Tag auf.

Die Malaria tropica ist nicht synchronisiert, das Fieber besteht kontinuierlich. Auch fieberarme oder -freie Formen und Mischinfektionen (häufig P. falciparum und P. vivax) kommen vor. Malaria tropica ist mit hoher Letalität behaftet. Die infizierten Erythrozyten bilden an ihrer Oberfläche sog. Knobs (Knöpfchen) und neigen zu Aggregation und Anlagerung an die Gefäßendothelien. Mikrozirkulationsstörungen in Gehirn und anderen Organen (Lunge, Niere, Plazenta) sind die Folge. Die schwere Malaria ist klinisch nach WHOKriterien definiert (Tab. F-3.1) und mit einer schlechten Prognose (bis zu 20 % Letalität) assoziiert.

Bei der unkomplizierten Malaria fehlen die Kriterien der schweren Form. Klinisches Leitsymptom ist hier das Fieber.

▶ Merke.

klärt werden, selbst nachts.

≡ F-3.1

WHO-Kriterien für eine schwere Malaria (2010)

klinische Kriterien

Laborkriterien



Bewusstseinsstörung oder Koma



schwere normozytäre Anämie (Hb < 5 g/dl)



mehr als 2 Krampfanfälle in 24 h



Hypoglykämie (Serumglukose < 40 mg/dl)



kardiovaskulärer Kollaps mit Blutdruckabfall (< 70 mmHg bei Erwachsenen, < 50 mmHg bei Kindern)



Hyperparasitämie (> 5 % infizierte Erythrozyten in Hyperendemiegebieten, > 2 % in Gebieten mit geringer Transmission)



spontane Blutungen



metabolische Azidose (HCO3 < 15 mmol/l)



Ikterus in Kombination mit Dysfunktion anderer vitaler Organe



Nierenschädigung (Kreatinin > 265 μmol/l)



Atemnotsyndrom (acute respiratory distress syndrome, ARDS) mit azidotischer Atmung



Hyperlaktatämie (Laktat > 5 mmol/l)



Hämoglobinurie (auch klinisches Kriterium)



Lungenödem (radiologisch) ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

524

F 3 Medizinisch relevante Protozoen

Krankheitsverlauf: Das Malariafieber zieht sich unbehandelt über viele Wochen hin. Die Malaria tropica heilt unbehandelt nach einem Jahr oder mehr aus. Rezidive kommen nicht vor. Bei einer Infektion mit Plasmodium vivax kommen Rückfälle bis zu 3 Jahren nach der Infektion vor. Im Laufe der Malariainfektion setzen Immunitätsmechanismen ein, die jedoch nur begrenzten Schutz bieten. Aus diesem Grund sind schwere Malariaerkrankungen in den Endemiegebieten hauptsächlich auf das Kindesalter beschränkt, ab dem Jugendalter treten meist nur milde Verlaufsformen auf. Säuglinge haben durch mütterliche Antikörper einen bedingten „Nestschutz“. Touristen ohne diesen Immunschutz haben bei einer Infektion häufig einen schweren Verlauf. Bestimmte genetische Dispositionen schützen vor Malaria: ■ Personen mit Sichelzellenanämie (Bildung von Hämoglobin S) sind gegen Plasmodium falciparum widerstandsfähiger als die Normalpopulation ■ Glukose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel schützt vor Malaria tropica ■ Personen, denen die „Duffy“-Blutgruppenantigene fehlen, sind gegen Plasmodium vivax resistent.

Krankheitsverlauf: Die Malaria tropica kennt keine Rezidive. Bei Malaria tertiana können Rezidive innerhalb von 3 Jahren auftreten. Im Laufe der Malariaerkrankung setzen Immunitätsmechanismen ein, die jedoch nur einen begrenzten Schutz bieten. Die Menschen in den Endemiegebieten erkranken deshalb meist nur im Kindesalter schwer.

Vor Malaria geschützt sind Personen mit: ■ Sichelzellenanämie ■ Glukose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel ■ fehlenden „Duffy“-Blutgruppenantigenen.

Nachweis: Patienten mit Fieber, Anämie, Thrombozytopenie, den in Tab. F-3.1 genannten Kriterien und vergrößerter, druckempfindlicher Milz (die allerdings erst im späteren Verlauf der Erkrankung entsteht) müssen stets nach Aufenthalten in möglichen Malariagebieten befragt werden. Ergeben sich anamnestische Anhaltspunkte, muss eine Malariadiagnose eingeleitet werden. Diese besteht in der mikroskopischen Begutachtung mehrerer mit Giemsa gefärbter Blutausstriche bzw. „dicker Tropfen“ (Abb. F-3.3). Zum Ausschluss einer Malaria sind 2 dicke Tropfen an 3 aufeinander folgenden Tagen zu untersuchen!

Nachweis: Die Labordiagnose stützt sich bei akuten Fällen auf den direkten mikroskopischen Erregernachweis in den Erythrozyten (Blutausstrich, „dicker Tropfen“, Abb. F-3.3).

⊙ F-3.3

„Dicker Tropfen“ und Blutausstrich bei Malaria tropica

a

▶ Merke.

b

a „Dicker Tropfen“: Die übereinander gelagerten Erythrozyten sind durch osmotischen Schock lysiert. Übrig geblieben sind wenige Granulozyten und viele Ringformen, wobei deren Zellkern als gefärbter Punkt besonders stark imponiert. (CDC-DPDx) b Blutausstrich: Hier sind die Erythrozyten nebeneinander gelagert. Die Identifikation der Plasmodienspezies ist einfacher als im dicken Tropfen. Die typischen P.-falciparum-Ringformen sind gut zu erkennen.

▶ Merke. Bei einem Blutausstrich liegen die Erythrozyten nebeneinander, nur in

ganz wenigen von ihnen kommen Plasmodien vor und Leukozyten sind nur gelegentlich pro Blickfeld zu sehen. Beim „dicken Tropfen“ (er darf nicht zu dick sein!) werden die Erythrozyten, die vorher in mehreren Schichten übereinander lagen, durch destilliertes Wasser lysiert. Die Plasmodien liegen also jetzt nicht mehr in den Erythrozyten. Weiterhin sieht man jetzt mehrere Leukozyten pro Blickfeld als Zeichen für die Konzentration von Zellen auf kleiner Fläche. Der „dicke Tropfen“ eignet sich also zum Screening, zum Durchmustern von relativ großen Mengen Blut. Dagegen ist der Blutausstrich besser geeignet, um die Plasmodien-Spezies zu erkennen. Bei der Malaria tertiana und quartana sollte der Erregernachweis am besten vor dem Fieberschub erfolgen, da nur dann die sehr kleinen Merozoiten anzutreffen sind. Bei der Malaria tropica spielt der Zeitpunkt keine Rolle.

Zu beachten ist, dass bei der Malaria tertiana und quartana der Erregernachweis am besten vor dem Fieberschub erfolgen sollte, nicht jedoch während oder kurz danach, da nur dann die sehr kleinen Merozoiten anzutreffen sind. Bei der Malaria tropica spielt der Zeitpunkt keine Rolle, da die Erregerformen unsynchronisiert auftreten. Allerdings findet man im peripheren Blut meist nur Erythrozyten, die mit jungen Trophozoiten infiziert sind, da Erythrozyten mit späteren Formen aufgrund veränderter Oberflächen (Knobs) meist in den Kapillaren haften bleiben.

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525

F 3.1 Sporozoen

Für den Nachweis chronischer Infektionen können alternative Methoden (PCR) versucht werden. Die PCR eignet sich auch zur Unterscheidung von Plasmodium malariae und Plasmodium knowlesi, die mikroskopisch schwer auseinanderzuhalten sind. Für den Nachweis akuter Plasmodien-Infektionen stehen auch verschiedene einfache Schnelltests zur Verfügung, die entweder nur Plasmodium falciparum oder mehrere Plasmodienspezies erfassen. Diese sind jedoch im Vergleich zum mikroskopischen Nachweis und der Differenzierung von Plasmodien von geringerer Sensitivität und Spezifität und können daher die Mikroskopie nicht ersetzen.

Zum Nachweis akuter Plasmodien-Infektionen gibt es verschiedene Schnelltests, die Parasitenantigene detektieren. Sie eignen sich nicht für die Verlaufs- und Therapiekontrolle, da die Antigene länger persistieren. Antikörpernachweise spielen keine Rolle bei der Malariadiagnostik.

Therapie: Die Therapie ist von der Form der Malaria und dem Schweregrad der Erkrankung abhängig. Die Therapeutika zur Behandlung und Prophylaxe der Malaria richten sich gegen die Blutstadien, da sie die Symptome hervorrufen. Es stehen verschiedene Mittel zur Wahl, bei denen jedoch immer mit Resistenzen gerechnet werden muss. Teilweise können sie wegen Nebenwirkungen nur eingeschränkt eingesetzt werden (Tab. F-3.2), dies gilt insbesondere auch für Schwangere und Kleinkinder. Seit 2008 sind auch Resistenzen gegen Artemisinin bzw. dessen Derivate Artesunat, Dihydroartemisinin und Artemether beschrieben. Aktuelle Empfehlungen zur Therapie sowie zur Chemoprophylaxe und geografischen Verbreitung der Malaria finden sich z. B. auf der Homepage der Deutschen Tropenmedizinischen Gesellschaft (www.dtg.org). Praktisch wichtig ist eine notfallmäßige Selbstmedikation („Stand-by“-Therapie, Tab. F-3.2), wenn ein ärztlicher Beistand nicht möglich ist. Diese Therapie sollte möglichst frühzeitig beginnen, also nicht erst nach einer exakten Diagnose, sondern allein schon bei passender Reiseananamnese und typischen Zeichen wie Fieber, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen („eine komische, schwere Grippe“), evtl. Durchfall. Eine Entscheidungshilfe, aber nicht ganz zuverlässig, sind Schnellteste aus dem Blut (s. o.).

Therapie: Die Therapeutika richten sich gegen die Blutstadien, da sie die Symptome hervorrufen (Tab. F-3.2). Mit Resistenzen ist zu rechnen. Da die geografische Verbreitung der Malaria und die Resistenzen der Plasmodien einem steten Wandel unterworfen sind, müssen Infektionsrisiken, Therapie- und Prophylaxeempfehlungen ständig aktualisiert werden.

≡ F-3.2

Ist kein Arzt verfügbar, sollte schon bei Verdacht (erste Symptome wie Fieber, Kopf-, Gliederschmerzen) eine notfallmäßige Selbstmedikation („Stand-by“-Therapie) durchgeführt werden (Tab. F-3.2).

Malariamedikation für Erwachsene (in Anlehnung an www.dtg.org)

Substanz

Prophylaxe

„stand-by“ (notfallmäßige Selbstmedikation)

Therapie (spezielle Dosierungen beachten)

Besonderheiten

Chloroquin (Resochin)





bei Malaria tertiana und quartana aus Regionen ohne Chloroquinresistenzen

nicht bei Malaria tropica einsetzen, da zahlreiche Resistenzen Ausnahme: unkomplizierte M. tropica in Mittelamerika

Mefloquin (Lariam)

+++ – 2–3 Wochen vorher, während und 4 Wochen nach der Reise je 1 Tabl. pro Woche

++ nur bei unkomplizierter Malaria tropica

schwerwiegende psychische und neurologische Störungen möglich; 4 Wochen vor Reiseantritt austesten

Atovaquone + Proguanil (Malarone)

+++ 1 Tag vor der Reise, während und bis zu 7 Tagen nachher je 1 Tabl. pro Tag

+++ an 3 aufeinanderfolgenden Tagen je 4 Tabl.

nur bei unkomplizierter Malaria tropica, je nach Region auch bei Malaria tertiana und quartana

gut verträglich, aber teuer

Artemether + Lumefantrin (Riamet)



+++ 1. Dosis nach Diagnosestellung, danach 5 weitere Dosen nach 8, 24, 36, 48 und 60h

+++ kardiale Nebenwirkungen, nicht bei nur bei unkomplizierter QTc-Verlängerung Malaria tropica, bei Malaria tertiana und quartana



+++ gehäuft QTc-Verlängerungen, daher bei unkomplizierter Malaria EKG in ersten 24 h und ggf. absetzen tropica

Dihydroartemi– sinin + Piperaquin (Euartesim) Doxycyclin (Vibramycin)

+++ – 1 Tabl. pro Tag vor, während und 4 Wochen nach der Reise

+ nur in Kombination mit Chinin bei komplizierter Malaria tropica

Vorsicht: Lichtexposition; nicht für Kinder und Schwangere

Chinin





+

zur i. v. Behandlung von komplizierten Verläufen, meist in Kombination mit Doxycyclin bzw. Clindamycin

Artesunat





+++

nur zur i. v. Therapie der komplizierten Malaria tropica

Primaquin





+++ Komedikation bei Malaria tertiana

zur Eradikation von Gewebeschizonten (Hypnozoiten) bei P. vivax und P. ovale, Rezidivprophylaxe

+ schwache, + + mittelstarke, + + + starke Empfehlung – keine Empfehlung ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

526

F 3 Medizinisch relevante Protozoen

Die Therapie von Plasmodium knowlesi erfolgt wie bei Plasmodium falciparum, da auch hier schwere, komplizierte Verläufe auftreten können. Prophylaxe: Reisende sollten sich durch Chemo- und Expositionsprophylaxe schützen.

Die Expositionsprophylaxe besteht in der Vermeidung von Insektenstichen durch Fliegengitter, Moskitonetze, möglichst wenig „nackte Haut“ und Gebrauch von Repellents. Es gibt zurzeit keine verlässlich gegen eine Malaria schützende Impfung.

⊙ F-3.4

Prophylaxe: Reisende sollten sich durch Chemo- und Expositionsprophylaxe vor einer Infektion schützen. Für Reisende in Malariaendemiegebiete (Abb. F-3.4) ist eine Chemoprophylaxe dringend zu empfehlen, obwohl Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen werden können und eine absolute Sicherheit wegen der lokalen Resistenzsituationen nie gegeben werden kann. Neben der Chemoprophylaxe sollten auch individuelle expositionsprophylaktische Maßnahmen (S. 598) zum Zuge kommen: Vermeidung von Mückenstichen durch Fliegengitter, Moskitonetze, helle Bekleidung, die möglichst wenig nackte Haut präsentiert, und die Verwendung von Repellents (S. 599). Übrigens sind die Malariamücken nachtaktive Insekten und nur in der Abenddämmerung und ersten Nachthälfte unterwegs. Ein Impfstoff, der möglicherweise partiell gegen die Malaria schützt, ist derzeit in der klinischen Erprobung (RTS,S/AS 01-Vakzine).

⊙ F-3.4

Historische Entwicklung der Endemiegebiete für Malaria (nach WHO) World distribution of malaria, from mid-19th century to 2010

mid-19th century before 1946 1967 2010

(MAP OF WORLD MALARIA DISTRIBUTION FROM MID-19th CENTURY to 2010; From World Malaria Report 2011 Fact Sheet, Global malaria Action Plan (2008))

▶ Klinischer Fall.

3.1.2

Babesia

▶ Definition.

▶ Klinischer Fall. Zwei Belgier erkranken zur gleichen Zeit nachweislich an Malaria. Beiden ist gemeinsam, dass sie Belgien nie verlassen haben, dass ihnen keinerlei Blutkonserven und Medikamente aus Blutprodukten verabreicht wurden, dass sie nicht der Drogenszene angehören und dass sie beide als Transportarbeiter auf dem internationalen Flughafen Brüssel arbeiten. Dieser und andere ähnlich gelagerte Fälle lassen sich nur so erklären: Infizierte Anophelesmücken werden in den Frachträumen von Flugzeugen transportiert, gelangen am Zielflughafen in die Freiheit und stechen – bevor sie wegen der niedrigen Temperaturen wahrscheinlich verenden – einen Menschen, der nunmehr an Malaria erkrankt. Zur Verhütung dieser Flughafenmalaria wurden internationale Richtlinien erlassen, die dazu verpflichten, dass Flugzeuge aus Malariagebieten einer entsprechenden Desinfektion unterzogen werden müssen.

3.1.2 Babesia ▶ Definition. Babesien sind Blutprotozoen und werden von Schildzecken auf den

Menschen übertragen. Sie sind Erreger der Babesiose. Eine Infektion ist auch durch Blutkonserven möglich. Humane Infektionen werden ganz überwiegend durch Zecken-übertragene Babesia microti (Mäuse) verursacht.

Babesia-Arten hielt man lange Zeit für nicht humanpathogen. Inzwischen sind mehrere schwer, teilweise tödlich verlaufende Babesiosen publiziert worden. Die Zahl der leichten Infektionen ist vermutlich höher als bekannt. Für den Menschen ist vor allem Babesia microti (USA, Vorkommen bei Mäusen) und selten andere Babesien wie Babesia divergens (insbesondere Europa) und Babesia duncani (USA) pathogen.

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527

F 3.1 Sporozoen

Entwicklungszyklus: Im Menschen erfolgt eine asexuelle Vermehrung der Erreger in den Erythrozyten. Im Gegensatz zur Malaria findet jedoch nur eine Zweiteilung statt. Endwirt ist die Schildzecke (Tab. H-1.1, Tab. H-1.2). Klinik: Die Babesiose tritt vor allem in den USA (ca. 1000 Fälle pro Jahr) und selten in Europa auf. Sie äußert sich in uncharakteristischen, grippeartigen Symptomen, die einige Wochen andauern. In der Regel heilt sie aus, jedoch kann sie bei Immunschwäche, hohem Lebensalter oder nach Splenektomie tödlich enden, weil die infizierten Erythrozyten nicht mehr eliminiert werden können.

Entwicklungszyklus: Vektor ist die Schildzecke, in der auch die geschlechtliche Vermehrung stattfindet. Im Menschen erfolgt eine asexuelle Vermehrung der Erreger in den Erythrozyten. Klinik: Die Babesiose äußert sich in uncharakteristischen, grippeartigen Symptomen.

Nachweis: Die Diagnose wird mikroskopisch aus dem Blutausstrich oder mittels PCR aus Blut gestellt.

Nachweis: Die Diagnose wird mikroskopisch (Blutausstrich) oder mittels PCR gestellt.

Therapie: Die Therapie erfolgt durch die orale Gabe einer Kombination aus Chinin und Clindamycin. Leichte bis mittelschwere Fälle können auch durch Atovaquon und Azithromycin behandelt werden.

Therapie: Kombination von Chinin und Clindamycin.

3.1.3 Toxoplasma gondii

3.1.3

▶ Definition. Toxoplasma gondii ist ein intrazellulärer Gewebsparasit und der welt-

Toxoplasma gondii

▶ Definition.

weit vorkommende Erreger der Toxoplasmose. Endwirt des Erregers ist die Katze (sexuelle Vermehrung), Zwischenwirt ist der Mensch (asexuelle Vermehrung der Erreger). Man kennt weltweit über 200 Vogel- und Säugetierarten, die als Zwischenwirte auftreten können. Entwicklungszyklus: In den Darmepithelzellen einer infizierten Katze findet die geschlechtliche Vermehrung des Erregers statt. Die Katze scheidet mit ihrem Kot unreife Oozysten als Dauerformen von Toxoplasma gondii aus. In der Regel sind junge Kätzchen betroffen, da nach einer Erstinfektion durch Genuss einer infizierten Beute eine bleibende Immunität entsteht, d. h. alte Katzen sind in der Regel bereits immun. Die Ausscheidung hält allenfalls 14 Tage an, wobei pro Tag 10 Millionen Oozysten ausgeschieden werden Innerhalb von 48–72 Stunden reifen diese Oozysten außerhalb des Katzenorganismus zu infektiösen Einheiten heran (Überlebenszeit Monate bis 2 Jahre), die nach oraler Aufnahme den Menschen infizieren. Aus einer Oozyste werden zwei Sporozysten mit je vier bogenförmigen Sporozoiten freigesetzt (toxon = griech.: Bogen), die die Darmwand penetrieren (Abb. F-3.5), Zellen des retikuloendothelialen Systems befallen und sich dort durch Endodyogenie teilen. Man versteht darunter die Entstehung von zwei Tochterzellen in einer Mutterzelle. Werden diese freigesetzt, so sind sie in Blut, Lymphe und Liquor nachweisbar. Sie infizieren als Tachyzoiten (weil die Vermehrung zu diesem Zeitpunkt sehr schnell abläuft) weitere Körperzellen und beginnen den Vermehrungszyklus von vorne (Abb. F-3.6). Zellschädigungen im ZNS, Herz, Skelettmuskulatur, Leber, Plazenta etc. sind die Folge. Die Erreger werden diaplazentar übertragen. Mit dem Einsetzen der Immunantwort wird die Vermehrung von Toxoplasma gondii gedrosselt. Die Erreger – sie werden nunmehr Bradyzoiten genannt – werden jedoch nicht inaktiviert, sondern leben in den befallenen Zellen weiter, wo sie Zysten mit Tausenden von Bradyzoiten (Abb. F-3.7) bilden, die den Wirt jedoch nicht mehr schädigen. Diese intrazellulären Zysten persistieren wahrscheinlich lebenslang und bleiben infektiös. Wenn durch Nachlassen der Immunität (z. B. bei AIDS, Leukämie) die Bradyzoiten in den Zysten nicht mehr in Schach gehalten werden können, tritt eine endogene Reaktivierung der Infektion auf. Neben der Infektion mit Oozysten kann eine Infektion des Menschen auch mit Zysten erfolgen, die in Zwischenwirten persistieren. Von besonderer Bedeutung ist die Persistenz der Zysten in der Muskulatur von Nutztieren wie Schweinen und Schafen, welche Ausgangspunkt menschlicher Infektionen sind, wenn das Fleisch roh gegessen bzw. nicht ausreichend durchgebraten wird. Nach oraler Aufnahme sind Oozysten oder Zysten vor der Zerstörung durch die Magensäure geschützt, wandeln sich beide in Tachyzoiten um, welche im Dünndarm die Epithelzellen infizieren. Von dort verteilen sie sich hämatogen und lymphogen innerhalb von mononukleären Zellen.

Entwicklungszyklus: Die infizierte Katze scheidet unreife Oozysten mit dem Kot aus. Diese reifen innerhalb von 48–72 Stunden zu infektiösen Einheiten heran.

Werden diese Oozysten oral aufgenommen, so werden jeweils 8 bogenförmige Sporozoiten freigesetzt (Abb. F-3.5), welche die Darmwand penetrieren, Zellen des RES befallen und sich dort jeweils in 16–32 Tochterzellen teilen. Diese Tachyzoiten befallen weitere Körperzellen (Abb. F-3.6), was zu Gewebeschäden an Herz, Skelettmuskulatur, ZNS, Leber, Plazenta etc. führt.

Mit dem Einsetzen der Immunantwort wird die Vermehrung der Erreger unterbunden (Bradyzoiten). Sie leben aber noch Jahre im Gewebe, wo sie intrazelluläre Zysten bilden, die den Wirt nicht schädigen. Die orale Aufnahme von Zysten, die sich in der Muskulatur von Nutztieren (Zwischenwirt) befinden, stellt einen wichtigen Infektionsweg des Menschen dar (Abb. F-3.7). Die endogene Reaktivierung von Zysten ist noch nach Jahren möglich, v. a. wenn das Immunsystem geschwächt ist.

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528 ⊙ F-3.5

F 3 Medizinisch relevante Protozoen

Entwicklungszyklus von Toxoplasma gondii

ca. 10 × 4 μm)

kongenitale Toxoplasmose Abort möglich, insbesondere Schädigung von Auge (Chorioretinitis) und Gehirn (geistige Retardierung, Hydrozephalus, intrazerebrale Verkalkungen)

⊙ F-3.6

⊙ F-3.6

Vermehrung von Toxoplasma gondii in Makrophagen

Vierer-Stadium Kern der Wirtszelle

Zweier-Stadium

12 Stunden nach Infektion haben sich die Toxoplasmen nach Penetration 1-mal oder sogar 2mal verdoppelt.

▶ Merke.

▶ Merke. Toxoplasmen sind Spezialisten im Überwinden von Barrieren: sie können

die Darmwand, die Blut-Hirn-Schranke, die Blut-Retina-Schranke und die Plazenta durchdringen. Epidemiologie: Die Toxoplasma-Oozysten können über die kontaminierte Umwelt (Sandkasten, Salate, Gemüse) (Herbivorismus) und die Toxoplasma-Zysten durch infiziertes Fleisch (Carnivorismus) übertragen werden.

Epidemiologie: Toxoplasmen kommen weltweit vor und die Zahl Infizierter steigt mit zunehmendem Lebensalter. In Deutschland sind je nach Region und Alter (Spitzenwerte mit bis zu 80 % bei alten Menschen in Ostdeutschland) infiziert. Der Mensch kann sich auf verschiedenen Wegen mit Toxoplasmen infizieren. Wenn aus der kontaminierten Umwelt von Katzenkot stammende Oozysten roh verzehrt werden (z. B. Salate und Gemüse oder im kontaminierten Sandkasten) (Herbivorismus), kann dadurch eine ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

529

F 3.1 Sporozoen

⊙ F-3.7

Zyste im Gehirn einer Maus antikörpermarkierte Zyste (ohne entzündliche Reaktion)

a

Membran der Zyste (von der Wirtszelle)

massenhaft gebogene Bradyzoiten

b

178 Tage nach Infektion: Es finden sich Tausende von Bradyzoiten von Toxoplasma gondii. a Histologisches Präparat aus dem Gehirn einer Maus. b Natives Material, aus dem Gehirn präpariert.

Infektion ausgelöst werden. Die Infektion kann auch durch den Verzehr von rohem oder ungenügend erhitztem Fleisch (Carnivorismus ) von Tieren, die toxoplasmahaltige Zysten in ihrer Muskulatur und in inneren Organen tragen, ausgelöst werden. Die Exposition ist bei uns recht häufig, denn mit zunehmendem Alter steigt die Zahl der infizierten Personen stetig an. In manchen Regionen (Brasilien) sind bis zu 90 % der Erwachsenen durchseucht. Frauen im gebärfähigen Alter sind in Deutschland zu 20–40 % infiziert und dadurch geschützt vor einer Zweitinfektion. Bei einer Erstinfektion während einer Schwangerschaft – und nur dann – können die Toxoplasmen auch die Plazentabarriere überwinden und den Fetus in utero befallen, wo sie sich dann fast ungebremst vermehren können. Eine Infektion des Fetus tritt aber nicht immer ein, sondern nur in bis zu ca. 30 % der Fälle einer Erstinfektion der Schwangeren. Bei eineiigen Zwillingen kann also nur der eine Zwilling infiziert und der andere gesund geboren werden. In Deutschland werden pro Jahr etwa 25 Fälle von konnataler Toxoplasmose (nach § 7 IfSG nicht namentlich meldepflichtig) gemeldet. Es ist von einer erheblichen Dunkelziffer auszugehen. Klinik: Die 3 Erscheinungsformen der Toxoplasmose sind: ■ postnatale Toxoplasmose: Toxoplasma gondii ist ein typischer Opportunist. Beim immunkompetenten Menschen verläuft eine Infektion meist inapparent oder subklinisch mit unspezifischen Symptomen wie Lymphknotenschwellungen, Abgeschlagenheit, Gliederschmerzen und Fieber. Seltene schwere Fälle können eine Hepatitis, Myokarditis, Pneumonie oder Enzephalitis verursachen und mit Splenomegalie einhergehen. Selten kann sich eine okuläre Toxoplasmose entwickeln, die aufgrund der Chronizität der Infektion zu schweren, z. T. auch bilateralen Schäden bis hin zur Erblindung führen kann. ▶ Merke. Die Infektion mit Toxoplasma gondii ist weltweit häufig (> 50 % der

Die Exposition ist recht häufig, im Erwachsenenalter sind mehr als 50 % bereits infiziert. Frauen im gebärfähigen Alter haben allerdings nur in 20–40 % der Fälle diese Infektion bereits durchgemacht. Erleidet eine Mutter in der Schwangerschaft eine Erstinfektion, so tritt in bis zu 30 % der Fälle eine Infektion des Fetus in utero auf. Die konnatale Toxoplasmose ist nach § 7 IfSG nicht namentlich meldepflichtig.

Klinik: 3 Erscheinungsformen ■ postnatale Toxoplasmose: Beim Immunkompetenten meist inapparent oder subklinisch mit unspezifischen Symptomen (z. B. Lymphknotenschwellungen, Abgeschlagenheit, Fieber). Die Entwicklung einer okulären Toxoplasmose ist möglich.

▶ Merke.

Erwachsenen haben Antikörper). Die Toxoplasmose ist selten! Einmal infiziert – immer infiziert bis ans Lebensende; die Reaktivierung ist möglich. ■

reaktivierte Toxoplasmose: Eine latente, klinisch unauffällige Toxoplasmainfektion kann bei Immunsuppression (z. B. AIDS), aber auch aus anderen Ursachen als klinisch manifeste Erkrankung in Erscheinung treten (endogene Reinfektion; Abb. F-3.8). Enzephalitis, Pneumonie und Myokarditis sind die häufigsten Manifestationen. Ein Sonderfall ist die reaktivierte Toxoplasmose bei Transplantationen. Sie tritt meist auf, wenn ein toxoplasmainfiziertes Organ (Herz, Leber) in einen Patienten transplantiert wird, der noch nicht mit Toxoplasmen infiziert war und daher nicht immun ist. Aufgrund der zusätzlich notwendigen iatrogenen Immunsuppression des Empfängers können sich lebensbedrohliche Krankheitsverläufe entwickeln, wenn keine auseichende Chemoprophylaxe gegen Toxoplasmen eingeleitet wird.



reaktivierte Toxoplasmose: Klinisch stumme Toxoplasmosen können bei Immunschwäche (AIDS!) manifest werden (endogene Reinfektion; Abb. F-3.8).

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530

F 3 Medizinisch relevante Protozoen

⊙ F-3.8

⊙ F-3.8

Toxoplasmose bei einem AIDS-Kranken Im MRT zeigt sich eine ringförmige Kontrastmittelanreicherung im Kleinhirn (Pfeil). In der sich anschließenden histologischen Untersuchung wurde Toxoplasma gondii nachgewiesen. (Masuhr, K., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme; 2013)



konnatale Toxoplasmose: Im 1. Trimenon der Schwangerschaft kann eine Erstinfektion mit Toxoplasma zum Abort führen, im 2. oder 3. Trimenon je nach Schwere zum Abort, zur Frühgeburt und zur Fetopathie. Gefürchtet sind vor allem die Organmanifestationen, die besonders das ZNS (Hydrozephalus, geistige Retardierung etc.) und das Auge (Chorioretinitis, Katarakt, Optikusathropie etc.) betreffen. Hydrozephalus, intrazerebrale Verkalkungen und Chorioretinitis bilden die klassische Trias (Abb. F-3.9). Die konnatale Toxoplasmose ist eine der wichtigsten konnatalen Infektionen und meldepflichtig, s. Kap. „Infektionen während der Schwangerschaft/Geburt“ (S. 680).

⊙ F-3.9



konnatale Toxoplasmose: Bei der Erstinfektion der Schwangeren entwickelt sich bei der Mutter nur ein milder Krankheitsverlauf, während das ungeborene Kind von einer schweren Erkrankung bedroht ist. Mit zunehmender Schwangerschaftsdauer erhöht sich die Wahrscheinlichkeit des diaplazentaren Übertritts der Toxoplasmen von ca. 5 auf 30 %, jedoch nimmt der Schweregrad der konnatalen Infektion ab. Kommt es im 1. Trimenon einer Schwangerschaft zu einer Erstinfektion mit Toxoplasma, kann dies zum Abort führen. Erstinfektionen mit Toxoplasma gondii im 2. oder 3. Trimenon einer Schwangerschaft können ebenfalls zu Abort und auch Frühgeburt führen, sind aber auch Ursache schwerer Erkrankungen des Fetus. In ca. einem Drittel aller kongenitalen Toxoplasmainfektionen treten Fetopathien auf. Am häufigsten sind das ZNS und das Auge betroffen. Klassische Befunde sind ein Hydrozephalus, intrazerebrale Verkalkungen und eine Chorioretinitis. Häufig tritt eine geistige Retardierung auf. Am Auge können sich auch eine Katarakt oder eine Optikusatrophie entwickeln. Liegt die Primärinfektion der Mutter kurz vor dem Geburtstermin, wird das Kind scheinbar gesund geboren. Im Verlauf können sich aber eine chronische Chorioretinitis sowie zerebrale Störungen (z. B. eine Lernstörung) entwickeln. Seltene kindliche Symptome bei Geburt sind eine Pneumonie, Myokarditis, Nephritis, Hepatitis oder hämorrhagische Gastroenteritis. Die konnatale Toxoplasmose ist eine der wichtigsten konnatalen Infektionen (Abb. F-3.9) und meldepflichtig, s. auch Kap. „Infektionen während der Schwangerschaft/Geburt“ (S. 680).

Die konnatale Toxoplasmose gehört zu den wichtigsten konnatalen Infektionen

erweiterte Seitenventrikel

Kalkherde

a

b

c

d

a 2–4 Tage alter, oozystenhaltiger Katzenkot stellt eine wichtige Infektionsquelle dar. Eine Infektion ist auch durch Verzehr von zystenhaltigem rohem Fleisch möglich. (© Thieme Verlagsgruppe / Fotografie von greenworld) b 3-jähriges Kind mit einer erheblichen Vergrößerung des Schädels. Die Vergrößerung des Kopfes ist Folge eines Hydrozephalus bei dem jungen Kind, bei dem die Schädelnähte noch nicht geschlossen waren. c CT-Aufnahme des Schädels einer 38-jährigen Patientin mit pränataler zerebraler Toxoplasmose. Durch eine entzündliche Verklebung der Liquorabflusswege ist ein Hydrozephalus entstanden: Beide Seitenventrikel sind deutlich erweitert. Des Weiteren fallen typische Verkalkungen im Gehirnparenchym als Residuen der Enzephalitis auf. d Augenhintergrund: Chorioretinitis mit grauweißen, frischen Herden (langer Pfeil) und braunweißen Narben (kurzer Pfeil).

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531

F 3.1 Sporozoen ▶ Merke. Die klassische Trias als Spätfolge einer pränatal erworbenen Toxoplasmose

▶ Merke.

sind Hydrozephalus, intrazerebrale Kalkherde und chronisch rezidivierende Chorioretinitis. Eine Schädigung des ZNS kann zu geistiger Retardierung unterschiedlicher Schwere führen. Nachweis: Toxoplasmainfektionen werden überwiegend serologisch diagnostiziert. Toxoplasmaspezifische IgM-, IgG- und IgA-Antikörper können mit den routinemäßigen Tests Immunosorbent-Agglutinationsassay (ISAGA) und EIA (Enzymimmunoassay) nachgewiesen werden. KBR und „Sabin-Feldman-Test“ (antikörperbeladene Toxoplasmen lassen sich nicht mehr mit Methylenblau anfärben) werden heute nur noch selten eingesetzt. Die aktive Infektion kann auch durch den direkten Erregernachweis mittels PCR nachgewiesen werden. Der IgM-Nachweis kann eine akute Infektion aufzeigen. IgM treten ca. 1 Woche nach der Infektion auf, erreichen nach ca. 1 Monat Maximalwerte und sinken dann aber nicht rasch ab, sondern können über Monate persistieren. Dies bedeutet, dass ein positiver IgM-Wert bei einer Schwangeren noch kein Beweis für eine Infektion während der Schwangerschaft ist! In diesem Fall sind weitere Untersuchungen wie IgGund IgA-Bestimmungen sowie IgG- und IgA-Aviditätstests notwendig. Niedrige Aviditätswerte sprechen ebenso wie ein positiver IgM-Wert bei negativem IgG- und IgA-Nachweis für eine frische Infektion. Nach einer Infektion persistieren IgG über viele Jahre. Auch eine Toxoplasma-PCR kann eine konnatale Infektion (PCR aus Fruchtwasser), eine reaktivierte Toxoplasmaenzephalitis (aus Liquor) oder eine aktive systemische Infektion bei Organtransplantation (aus Blut) sichern.

Nachweis: Antikörper können mit verschiedenen Testverfahren (ISAGA, EIA) bestimmt werden.

Therapie: Mittel der Wahl zur Therapie aller Formen einer aktiven Toxoplasmose ist Pyrimethamin in Kombination mit einem Sulfonamid (Sulfadiazin, hemmt Folsäuresynthese des Parasiten), wobei jedoch Nebenwirkungen in Form von Blutbildungsstörungen und teratogene Wirkungen zu beachten sind. Zur Verhinderung der hämatologischen Nebenwirkungen wird Folinsäure verabreicht, die menschliche Zellen, aber nicht der Parasit verwerten können. Eine Folsäuremedikation der Schwangeren muss abgesetzt werden, da der Parasit Folsäure direkt verwenden kann und die Sulfadiazintherapie damit unterlaufen würde. In der Schwangerschaft dürfen Pyrimethamin/Sulfadiazin erst nach der 20. Woche eingesetzt werden. Aus diesem Grunde wird Spiramycin in den ersten 20 Schwangerschaftswochen eingesetzt. Spiramycin überwindet jedoch nicht die Plazenta. Bei einem durch Labordiagnostik begründeten Verdacht auf eine konnatale Toxoplasmose sollte die Therapie rasch erfolgen, da die Nebenwirkungen der Medikamente geringer sind als die Gefahr der fetalen Schädigung durch den Erreger.

Therapie: Pyrimethamin in Kombination mit Sulfonamiden (Sulfadiazin) plus Folinsäure. Cave: In der Schwangerschaft muss wegen der Nebenwirkungen Spiramycin vor der 20. Schwangerschaftswoche eingesetzt werden.

Prophylaxe: Schwangere und Immunsupprimierte sollten auf den Verzehr von rohem oder unvollständig gegartem Fleisch verzichten (s. u.). Als Ansteckungsquellen besonders zu beachten sind Schweine- und Schaffleisch (seltener Rindfleisch). Normales Braten oder Kochen tötet die Erreger zuverlässig ab. Auch Tiefgefrieren bei –20 °C über mindestens 3 Tage überstehen die Sporozoiten nicht. Nach Kontakt mit rohem Fleisch sollten schwangere Frauen die Hände sorgfältig waschen. Es ist aus ärztlicher und psychologischer Sicht nicht zu verantworten, Schwangeren, HIV-Infizierten, Malignompatienten u. a. die Freude an einer Katze als Haustier zu nehmen, zumal wenn diese schon alt ist und somit immun. Wenn junge Katzen mit abgekochter Nahrung gefüttert werden, besteht ebenfalls keine Gefahr. Auf alle Fälle sollten gefährdete Personen das Katzenklosett täglich (Oozysten müssen zur Infektiösität 2–4 Tage in der Umwelt reifen!) und nur mit Handschuhen reinigen.

Prophylaxe: Schwangere und Immunsupprimierte sollten kein rohes oder ungenügend gegartes Fleisch verzehren und sich im Umgang mit Katzen besonders hygienebewusst verhalten.

3.1.4 Sarcocystis

3.1.4

▶ Definition. Sarcocystis-Infektionen werden durch den Verzehr rohen oder ungenügend gegarten Schweine- oder Rindfleisches initiiert. Für den Menschen von Bedeutung sind einerseits Sarcocystis-Arten, die als Schleimhaut bewohnende Darmparasiten auftreten, andererseits der sehr seltene Erreger der Sarkozystose (oder auch Sarkosporidose), einer systemischen Infektion. Für die schleimhautbewohnenden Sarcocystis-Arten ist der Mensch Endwirt. Humanpathogene Sarcocystis-Arten und ihr Zwischenwirt (Infektionsquelle) sind:

Der IgM-Nachweis kann eine akute Infektion aufzeigen. Da toxoplasmaspezifische IgM-Antikörper aber über Monate nachweisbar sein können, ist ihr Nachweis bei einer Schwangeren kein Beweis für eine Infektion in der Schwangerschaft.

Sarcocystis

Sarcocystis suihominis: Schwein Sarcocystis hominis: Rind ■ Der Erreger infiziert den Darm. Zusätzlich kann der Mensch auch Zwischenwirt für einige der über 150 Sarcocystis-Spezies sein. In diesen Fällen kann es zur Infektion der Muskulatur des Menschen kommen. ■ ■

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532

F 3 Medizinisch relevante Protozoen

Entwicklungszyklus: Auch bei Sarcocystis liegt eine orale Infektion zugrunde, der Zwischenwirt ist jedoch unbekannt. In allen Fällen handelt es sich um Darmparasiten.

Entwicklungszyklus: In Schweinen (Sarcocystis suihominis) und Rindern (Sarcocystis hominis) findet eine ungeschlechtliche Vermehrung statt, die zum Entstehen von zahlreichen infektiösen Merozoiten führt. Die Merozoiten befinden sich in der Muskulatur der Tiere in Gewebezysten. Werden sie vom Menschen durch rohes oder unzureichend gegartes Fleisch aufgenommen, findet im Darm eine geschlechtliche Differenzierung statt (Gamogonie), aus der eine Oozyste resultiert. Platzt die Oozyste, werden Sporozysten frei, die ihrerseits jeweils vier Sporozoiten enthalten. Diese können Zwischenwirte infizieren. In seltenen Fällen können oral aufgenommene Sacrocystis ssp. auch extraintestinal in der Muskulatur replizieren.

Epidemiologie: Ca. 2 % der Deutschen sind Ausscheider.

Epidemiologie: Eine Studie belegt, dass ca. 2 % der deutschen Bevölkerung Ausscheider von Sarcocystis sind.

Klinik: Infektionen mit Sarcocystis verlaufen inapparent oder mit kurz dauernder Diarrhö, Übelkeit und Erbrechen.

Klinik: Nach dem Verzehr größerer Mengen rohen oder ungenügend gegarten Schweinefleisches, das mit Sarcocystis suihominis infiziert ist, treten kurzzeitig Symptome einer Darminfektion mit Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö und Fieber auf. Chronische Infektonsverläufe sind sehr selten. Die Aufnahme von Sarcocystis hominis bleibt in der Regel symptomlos. Sehr selten kommt es zu einer invasiven Infektion mit Vaskulitiden und Myositiden.

Nachweis: Oozysten und Sporozoiten im Stuhl.

Nachweis: Mikroskopischer Nachweis der Oozysten und Sporozoiten im Stuhl. Bei Verdacht auf eine muskuläre Sarcocystose kann eine Muskelbiopsie mit mikroskopischem Erregernachweis durchgeführt werden.

Therapie: ggf. Sulfonamide.

Therapie: Eine spezifische Therapie ist aufgrund des i. d. R. milden Infektionsverlaufs nicht notwendig. Soweit eine Therapie nötig ist, werden Sulfonamide (z. B. Cotrimoxazol) eingesetzt.

Prophylaxe: Verzicht auf rohes, ungenügend gegartes Fleisch.

Prophylaxe: Eine wichtige Prophylaxe besteht im Verzicht auf rohes oder ungenügend gegartes Fleisch.

3.1.5

3.1.5 Cystoisospora

Cystoisospora

▶ Definition.

▶ Definition. Cystoisospora belli ist der seltene Erreger der Isosporose, einer bevorzugt in tropischen Ländern auftretenden Dünndarminfektion (Abb. F-3.10).

Entwicklungszyklus: Orale Aufnahme von Oozysten, intestinale Vermehrung von Oozysten, die nach Ausreifung in der Umwelt wieder infektiös sind.

Entwicklungszyklus: Die Infektion erfolgt durch orale Aufnahme von Oozysten, die sich im Dünndarm sowohl sexuell wie asexuell vermehren. Es werden partiell ausgereifte Oozysten ausgeschieden, die nach Ausreifung in der Umwelt wieder infektiös sind. Für Cystoisospora belli ist der Mensch der einzige Wirt.

Klinik: Akute und -rezidivierende Diarrhöen.

Klinik: Immunkompetente können eine akute Infektion für 6–10 Tage entwickeln, die nach einigen Wochen i. d. R. komplett ausheilt. Immundefiziente, insbesondere AIDS-Patienten, können lebensbedrohliche akute und auch chronische Verläufe entwickeln.

Nachweis: Nachweis der Oozysten im Stuhl.

Nachweis: Mikroskopischer Nachweis der Oozysten und Sporozoiten im Stuhl. Da die Oozysten nur unregelmäßig ausgeschieden werden, sollten 3 Stuhlproben an aufeinander folgenden Tagen untersucht werden.

⊙ F-3.10

⊙ F-3.10

Cystoisospora belli (Oozysten in Stuhlaufschwemmung)

einkernige Oozyste

zweikernige Oozyste

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533

F 3.1 Sporozoen

Therapie: Zur Therapie eignen sich Cotrimoxazol (Trimethoprim plus Sulfamethoxazol) oder Pyrimethamin.

Therapie: Cotrimoxazol oder alternativ Pyrimethamin.

3.1.6 Cryptosporidium

3.1.6

Cryptosporidium

▶ Definition.

▶ Definition. Die humanmedizinisch wichtigsten Vertreter der Kryptosporidien sind

Cryptosporidium parvum, das sowohl bei Mensch und Tier vorkommt, sowie das nur beim Menschen auftretende Cryptosporidium hominis. Es ist ein obligat intrazelluläres Protozoon und ein Schleimhautparasit. Bei immunsupprimierten Patienten (z. B. AIDS) kann der Erreger schwere Diarrhöen auslösen. Entwicklungszyklus: Die Infektion erfolgt in der Regel fäkal-oral durch intestinal ausgeschiedene Oozysten, die sich z. B. im Wasser befinden. Cryptosporodium parvum wird auch durch Kontakt mit Tieren übertragen (Zoonose). Es sind jedoch auch Fälle bekannt, bei denen eine Ansteckung in den Geburtswegen oder beim Geschlechtsverkehr erfolgte. Nach der oralen Aufnahme werden aus den Oozysten im Verdauungstrakt jeweils vier Sporozoiten freigesetzt. Diese dringen in die Mikrovilli des Darmepithels ein, um sich dort asexuell und sexuell zu vermehren. Der sexuelle Entwicklungszyklus (Gamogonie) führt zur Bildung von Oozysten. Diese werden entweder im Darm freigesetzt und befallen neue Zellen, oder sie werden ausgeschieden und sind sofort (auch Autoinfektion) infektös. Sie sind sehr stabil und können in der Umwelt über Monate infektiös bleiben.

Entwicklungszyklus: Die Infektion erfolgt durch orale Aufnahme von Oozysten, aus denen im Verdauungstrakt jeweils vier Sporozoiten freigesetzt werden. Diese dringen in die Mikrovilli des Darmepithels ein, um sich dort asexuell und sexuell zu vermehren.

Epidemiologie: Man schätzt, dass weltweit ca. 1,5 % aller Durchfallerkrankungen durch Cryptosporidium verursacht werden. Die Infektion tritt vor allem in Entwicklungsländern auf. In Deutschland tritt die Infektion präferenziell im Sommer auf. Es werden ca. 900 Fälle pro Jahr gemeldet, die vor allem 1–2-jährige Kinder betreffen.

Epidemiologie: Die weltweit vorkommende Kryptosporidiose ist für ca. 1,5 % der Diarrhöen verantwortlich. In Deutschland sind vor allem 1–2-jährige Kinder betroffen.

Klinik: Nach einer Inkubationszeit, die bis zu 20 Tage dauern kann, kommt es zu Diarrhö und kolikartigen Abdominalkrämpfen. Während die Krankheit bei immunkompetenten Menschen leicht verläuft und spontan ausheilt, nimmt sie bei Immunschwäche (z. B. AIDS) einen schweren und chronischen Verlauf, der sich über Monate hinziehen kann. Klinisch dominiert ein hoher Flüssigkeitsverlust (bis zu 10 l pro Tag).

Klinik: Symptome sind Diarrhö und kolikartige Abdominalkrämpfe. Die Krankheit verläuft bei Immunkompetenten leicht und heilt spontan aus. Bei Immunschwäche kann sie einen schweren und chronischen Verlauf nehmen.

Nachweis: Die akute Infektion kann durch den mikroskopischen Direktnachweis der im Stuhl reichlich ausgeschiedenen Oozysten diagnostiziert werden (Abb. F-3.11). Enzymimmunoassays zum Nachweis von Kryptosporidienantigen sowie ein molekularbiologischer Nachweis des Parasiten kommen ebenfalls zum Einsatz. Ein Nachweis mittels PCR ist ebenfalls möglich.

Nachweis: Die Diagnose erfolgt mikroskopisch (Abb. F-3.11), serologisch durch Nachweis von Kryptosporidienantigen oder mittels PCR.

⊙ F-3.11

Oozysten von Kryptosporidien (Stuhlaufschwemmung nach Anreicherung)

Hefepilze

a

Oozysten

a Ungefärbtes Präparat: Man sieht die deutlich lichtbrechenden, runden Zysten mit scharfem Rand. b Modifizierte Ziehl-Neelsen-Färbung: Die Oozysten sind rot angefärbt (partielle Säurefestigkeit der wachshaltigen Zellwand), andere Bestandteile im Stuhl wie Bakterien und Sprosspilze werden hier blau gefärbt.

b

Therapie: In der Regel reicht bei leichten Fällen eine symptomatische Therapie. Bei schwereren Fällen bei Immunkompetenten kann die Behandlung mit Nitazoxanid erfolgen. Dies ist jedoch bei AIDS-Patienten nur begrenzt erfogreich, sodass die antiretrovirale Therapie bei Kyrptosporidiose von AIDS-Patienten von großer Bedeutung ist.

Therapie: Bei leichten Fällen reicht eine symptomatische Therapie. Bei schwereren Fällen Immunkompetenter erfolgt die Behandlung mit Nitazoxanid.

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534

F 3 Medizinisch relevante Protozoen

3.1.7

3.1.7 Blastocystis hominis

Blastocystis hominis

Blastocystis hominis ist ein anaerob lebender Darmparasit, der bei exzessiver Vermehrung zu Diarrhöen führen kann. Die Therapie erfolgt z. B. mit Metronidazol oder Iodoquinol.

Blastocystis hominis wurde lange Zeit als Pilz klassifiziert, ist jedoch ein fakultativer, strikt anaerob lebender Darmparasit, der bei ca. 15 % der Normalbevölkerung in geringer Anzahl nachgewiesen werden kann. Exzessive Vermehrung führt zu Diarrhö. Man schätzt, dass Blastocystis an 1 % aller Durchfallerkrankungen in irgendeiner Form beteiligt ist. Zur Therapie wird Metronidazol verwendet.

3.1.8

3.1.8 Cyclospora cayetanensis

Cyclospora cayetanensis

Epidemiologie und Bedeutung: Cyclospora cayetanensis ist ein weltweit, v. a. in Entwicklungsländern, vorkommendes Protozoon, das fäkal-oral übertragen wird und intestinale Infektionen auslöst.

Epidemiologie und Bedeutung: Cyclospora cayetanensis wurde 1993 als Erreger von intestinalen Infektionen entdeckt und kommt weltweit – vor allem in Entwicklungsländern – vor. Die Infektion erfolgt von Mensch zu Mensch über die orale Aufnahme fäkal ausgeschiedener Oozysten. Im Darm werden Sporozoiten freigesetzt, die sich als Merozoiten im Darmepithel vermehren und nach Differenzierung in Mikro- und Makrogametozyten wieder als Oozysten ausgeschieden werden.

Klinik: In Industrieländern verläuft die Infektion mit Diarrhöen und Bauchkrämpfen (1–2 Wochen).

Klinik: In Ländern mit endemischem Auftreten von Cyclospora cayetanensis wird die Infektion meist im Kindesalter erworben und löst nur geringe Symptome aus. In Industrieländern verläuft die Infektion oft für 1–2 Wochen symptomatisch mit Diarrhö und Bauchkrämpfen. Selten treten persistierende Diarrhöen auf.

Nachweis: mikroskopischer Oozysten-Nachweis im Stuhl oder PCR.

Nachweis: Die Diagnose erfolgt durch den mikroskopischen Nachweis von Oozysten im Stuhl oder mittels PCR.

Therapie: symptomatisch oder in schweren Fälle mit Cotrimoxazol.

Therapie: Die Therapie erfolgt bei leichten Fällen symptomatisch und bei schwereren Fällen mit Cotrimoxazol (Trimethoprim plus Sulfamethoxazol).

3.2

3.2

Ziliaten

Ziliaten

Einziges humanpathogenes Wimpertierchen (Ziliat) ist Balantidium coli.

Ziliaten oder Wimpertierchen sind frei in Meer- und Süßwasser, aber auch ektound endokommensal lebend in der Natur weit verbreitet. Einziger humanpathogener Ziliat ist Balantidium coli.

3.2.1

3.2.1 Balantidium coli

Balantidium coli

▶ Definition.

▶ Definition. Balantidium coli ist der Erreger der Balantidienruhr. Der natürliche Standort von Balantidium coli ist der Dickdarm von Schwein, Ratte und Affe. Menschen infizieren sich hauptsächlich bei niedrigem Hygienebewusstsein durch intensiven Kontakt mit Schweinen, selten durch erkrankte Menschen.

Klinik: Bei der akuten Form bestehen blutigschleimige Diarrhöen, die Infektion kann aber auch inapparent verlaufen.

Klinik: Der Mensch nimmt die infektiösen, kugelförmigen Zysten oral auf. Die akute Form der Krankheit ist durch ruhrartige, blutig-schleimige Diarrhöen bestimmt. Sie kann aber auch inapparent verlaufen. Extraintestinale Infektionen sind extrem selten, jedoch beschrieben (Peritonitis, Urogenitalinfektionen).

Nachweis: mikroskopisch.

Nachweis: Der Nachweis erfolgt mikroskopisch im Stuhl.

Therapie: Tetrazykline, Metronidazol und Iodoquinol.

Therapie: Empfohlen werden Tetrazykline, Metronidazol und Iodoquinol.

3.3

Rhizopoden

Man unterscheidet pathogene Darmamöben, pathogene frei lebende Amöben und „apathogene“ Schleimhautamöben.

3.3

Rhizopoden

Amöben sind primitive Eukaryonten, die noch keine Mitochondrien besitzen. Ihre Zellwand ist nicht starr, sondern ständig in Änderung. Eine solche Zelle hat also vielfältige Formen. Typisch sind lange Ausläufer (Wurzelfüßler = Rhizopoden), die urplötzlich aus der Zellmasse ausgestoßen werden. Der Rest der Zelle wandert dann zähfließend (amöboid) hinterher. Unter humanmedizinischen Gesichtspunkten können die Amöben in drei Gruppen eingeteilt werden: ■ pathogene Darmamöben ■ pathogene frei lebende Amöben ■ „apathogene“ Schleimhautamöben.

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535

F 3.3 Rhizopoden

3.3.1 Pathogene Darmamöben

3.3.1

Entamoeba histolytica

Entamoeba histolytica

▶ Definition. Die weltweit vorkommende Entamoeba histolytica ist der Erreger der Amöbenruhr, einer Infektion des Dickdarmes (Amöbiasis).

Morphologisch sind zwei Formen von Entamoeba histolytica zu unterscheiden (Abb. F-3.12): ■ Magnaform: Die vegetative Form ist mit 20–60 μm recht groß und wird auch als Gewebeform bezeichnet, weil sie in Gewebe eindringen und sich dort vermehren kann. Die Magnaform hat die Eigenschaft, Erythrozyten zu phagozytieren, was diagnostisch für den Nachweis einer invasiven Infektion genutzt wird. ■ Zysten: Sie entstehen aus der vegetativen Form, sind nur unwesentlich kleiner als diese, jedoch kugelig. Die Zysten enthalten ursprünglich einen Kern. Durch isolierte Kernteilung entstehen zwei, später vier Kerne innerhalb der Zelle. Vierkernige Zysten sind infektionsfähig.

⊙ F-3.12

Pathogene Darmamöben

▶ Definition.

Morphologisch wird bei Entamoeba histolytica unterschieden (Abb. F-3.12): ■ die Magnaform, die in das Gewebe eindringt und sich dort vermehren kann, und ■ Zysten, die die infektiöse Einheit der Amöbiasis darstellen.

⊙ F-3.12

Entamoeba histolytica

Vakuole Erythrozyt Kern

5 μm Magnaform

Zyste

Entwicklung: Im Dickdarm entwickelt sich aus der Zyste die vegetative Form der Amöbe, die sich vermehren und wiederum Zysten hervorbringen kann. Für die Initiierung dieses Vorgangs ist ein niedriges Redoxpotenzial notwendig, das im Dickdarm durch die Bakterienbesiedelung gegeben ist. Einige Stämme der Darmbakterien haben dadurch entscheidenden Einfluss auf die Virulenz der Amöben. Durch Ausbildung verschiedener Enzyme (Kollagenase, „pore forming protein“ u. a.) sind die Magnaformen in der Lage, in das Gewebe einzudringen und es aufzulösen (Name: histolytica!). Dadurch kommt es zur Auflagerung von hellrotem Blut auf dem Stuhl (Abb. F-3.13). Ein Infizierter scheidet pro Tag bis zu 45 Millionen Zysten aus, während die orale Infektionsdosis nur bei gut 1000 Zysten liegt. Neben den lokalen Gewebeschäden in der Darmwand, die sich als herdförmige Nekrosen und oft flaschenhalsähnliche Ulzerationen darstellen (Abb. F-3.13a), was heftige Schmerzen (Tenesmen) auslöst, können die Erreger auch Anschluss an Blutgefäße finden. Die Amöben haben damit auch Zugang zur Blutzirkulation und können sich in andere Organe absiedeln. Durch die anatomischen Verhältnisse ist hauptsächlich die Leber betroffen, jedoch können auch Milz, Gehirn, Haut u. a. befallen werden.

⊙ F-3.13

a

Entwicklung: Im Dickdarm entwickelt sich aus der Zyste die vegetative Form, die sich vermehren und wiederum Zysten hervorbringen kann. Die vegetative Amöbe besitzt die Fähigkeit, in das Gewebe einzudringen.

Neben den lokalen Gewebeschäden in der Darmwand, die sich als herdförmige Nekrosen und Ulzerationen darstellen (Abb. F-3.13a), kann Entamoeba histolytica durch hämatogene Streuung auch andere Organe besiedeln.

Amöbenruhr

b

a Histologisches Bild der Perforation der Dickdarmschleimhaut und der Lamina muscularis mucosae, die heftige Schmerzen (Tenesmen) auslöst. b Breiiger Durchfall mit Blutauflagerungen. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

536

F 3 Medizinisch relevante Protozoen

Epidemiologie: Infektionen mit Entamoeba histolytica werden hauptsächlich in tropischen und subtropischen Regionen beobachtet. Die in gemäßigten Zonen vorkommenden Formen der Amöbiasis sind meist nicht invasiver Natur.

Epidemiologie: In tropischen und subtropischen Regionen kommt die Infektion am häufigsten vor, hier können bis zu 70 % der jeweiligen Bevölkerung Träger von Entamoeba histolytica sein. In Mitteleuropa und Nordamerika beträgt die Rate ca. 1 %. Weltweit muss mit jährlich ca. 100 Millionen Darminfektionen durch Entamoeba histolytica gerechnet werden. Die Anzahl der Todesfälle wird auf mindestens 15 000 pro Jahr geschätzt. Die in den gemäßigten Zonen vorkommenden Formen der Amöbiasis sind in der Regel nicht invasiver Natur.

Klinik: Die Infektion erfolgt im Regelfall durch orale Aufnahme der Zysten.

Klinik: Die orale Aufnahme der vierkernigen Zysten führt in ca. 10 % der Fälle zu einer klinisch manifesten Infektion Auch die Übertragung des Erregers durch Analverkehr ist gelegentlich möglich. Die Inkubationszeit beträgt meist mehrere Monate (4 Tage–1 Jahr, meist 8–12 Wochen). Klinisch treten folgende Formen auf: ■ Die intestinale, invasive Form der Amöbiasis ist gekennzeichnet durch blutigschleimige himbeergeleeartige Durchfälle (Invasion von Magnaformen in die Dickdarmschleimhaut). Bei Kindern und körperlich geschwächten Menschen können infolge von Exsikkose und Elektrolytverschiebung rasch bedrohliche Komplikationen auftreten. Die Symptome können spontan sistieren, nicht selten entwickelt sich jedoch eine rezidivierende, über längere Zeit anhaltende Kolitis. In ca. 25 % der Krankheitsfälle verläuft die Infektion atypisch, mit Obstipation, Tenesmen, Übelkeit und Appetitlosigkeit. Männer sind 10-mal häufiger als Frauen betroffen. ■ Ungefähr 30 % der klinisch manifesten Infektionen bleiben (vor allem bei Europäern) nicht auf den Darm beschränkt. Extraintestinale Formen treten ebenfalls häufiger bei Männern als bei Frauen auf. Unmittelbare Folge einer Amöbeninvasion kann die Darmperforation mit anschließender Peritonitis sein, die mit einer sehr hohen Letalität behaftet ist. Häufigste Komplikation (bei ca. 20 % der Betroffenen) ist die hämatogene Streuung der Amöben in die Leber (Abb. F-3.14). Durch Befall der Leberparenchymzellen entstehen Nekroseherde. Im Inneren der Nekroseherde befindet sich eine bräunlich-gelbe Masse, die bakteriologisch steril ist und auch nicht als Eiter bezeichnet werden kann. Diese Leberabszesse verursachen meist nur geringe Entzündungsreaktionen im Gewebe; die Erreger sind oft nur im Randbereich zum gesunden Gewebe anzutreffen. Fieber, Oberbauchbeschwerden, Lebervergrößerung und Zwerchfellhochstand sind klinische Symptome. Die Diagnose wird dadurch erschwert, dass nur 9 % der Patienten gleichzeitig unter einer Amöbenkolitis leiden. Wird der Leberbefall nicht rechtzeitig erkannt und entsprechend behandelt, ist die Letalität hoch. Funktionsstörungen der Leber und eine Hepatitis werden meist nur durch sekundäre Einwirkungen leberschädigender Noxen verursacht. Ein Einbruch der Leberabszesse in die Pleurahöhle, Befall der Lunge oder hämatogene Absiedelung in andere Organe (Milz, Hirn) sind selten.

Klinisch treten folgende Formen auf: ■ intestinale, invasive Form: Charakteristisch ist die blutig-schleimige, himbeergeleeartige Diarrhö, die rasch zu bedrohlichen Situationen führen kann (Abb. F-3.13b). Nicht selten kommt es zu rezidivierenden, chronischen Verläufen. Bei ca. 25 % verläuft die Infektion atypisch (Obstipation, Tenesmen, Übelkeit). ■

Extraintestinale Formen treten nach Darmperforation als Peritonitis auf oder betreffen nach hämatogener Streuung hauptsächlich die Leber. Dort entwickeln sich Gewebsnekrosen, die als Leberabszesse dominieren (Abb. F-3.14). Unbehandelt sind sie mit hoher Letalität behaftet. Die Diagnose wird dadurch erschwert, dass in den überwiegenden Fällen keine Darmbefunde vorliegen. Der Befall anderer Organe (Pleura, Lunge, Milz, Hirn oder Haut) ist selten.

⊙ F-3.14

a

Amöbenleberabszess

b (Tannich E., Burchard G.-D. Amöbiasis und andere Amöbeninfektionen. In: Löscher, T., Burchard, G.-D.: Tropenmedizin in Klinik und Praxis. Thieme; 2010)

a Multiple Leberabszesse im CT. b Singulärer Leberabszess. Hier besteht die Gefahr der Ruptur mit nachfolgender subphrenischer Ausbreitung des Abszessinhalts.

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537

F 3.3 Rhizopoden

Nachweis: Die intestinale, invasive Amöbiasis wird am besten durch den mikroskopischen Direktnachweis von Magnaformen im Stuhl diagnostiziert. Zu diesem Zweck muss körperwarmer Stuhl (spätestens 10 Minuten nach Absetzen), besser noch Schleimflocken untersucht werden. Da Magnaformen der Amöben die Eigenschaft haben, Erythrozyten zu phagozytieren (), ist das Auffinden von erythrozytenbeladenen großen Zellen, die lebhafte amöboide Fließbewegungen vollführen, pathognomonisch für die Amöbiasis vom invasiven Typ. In einem Teil der Fälle gelingt der Nachweis erst nach wiederholten Untersuchungen. Das Auffinden von Zysten bei symptomlosen Patienten spricht für das Vorliegen einer nicht invasiven Darmamöbiasis (Abb. F-3.15). Das exakte Erkennen der charakteristischen Formen ist extrem schwierig und sollte erfahrenen Untersuchern überlassen werden. Zur direkten Erregerdetektion werden auch Antigennachweise und die PCR eingesetzt. Serologische Untersuchungen sind vor allem bei Verdacht auf invasive Verlaufsformen wichtig. Bei extraintestinalem Amöbenbefall findet sich fast immer eine positive Serologie, die hier neben klinischen Untersuchungsmethoden (Ultraschall, Computertomogramm der Leber etc.) einen wertvollen Beitrag zur Diagnose leisten kann. Zum Vergleich: Bei akuter invasiver Darmamöbiasis findet nur in ca. 50 % eine nachweisbare Antikörperbildung statt, bei nicht invasiver Darmamöbiasis nur in ca. 10 %.

⊙ F-3.15

Nachweis: Die intestinale, invasive Amöbiasis wird durch den mikroskopischen Direktnachweis von Magnaformen im körperwarmen Stuhl diagnostiziert. Die Magnaform phagozytiert Erythrozyten und ist daher durch die intrazelluläre Erythrozytenbeladung zu erkennen. Bei intestinalen, nicht invasiven Erkrankungen finden sich nur Zysten (Abb. F-3.15).

Serologische Untersuchungen sind bei der extraintestinalen Amöbiasis angezeigt. Es finden sich fast immer spezifische Antikörper, die bei reinen Darminfektionen nicht immer nachgewiesen werden können.

⊙ F-3.15

Zyste von Entamoeba histolytica

mehrkernige Zyste von E. histolytica

▶ Exkurs. Ist die unmittelbare mikroskopische Untersuchung körperwarmen Stuhls nicht möglich, so kann dieser auch konserviert einem Labor zugeführt werden. Für die Konservierung eignen sich: ■ Mittel der 1. Wahl: Sublimatalkohol (1 Teil 96 %iger Ethylalkohol auf 2 Teile 5,7 %iger wässriger HgCl2-Lösung) ■ Mittel der 2. Wahl: 4 %ige Formaldehydlösung Die Dauerformen (Zysten) sind auch ohne Konservierung nach dem Transport immer noch nachweisbar.

▶ Exkurs.

Therapie: Mittel der Wahl für alle klinisch manifesten Formen von Amöbiasis ist ein 5-Nitroimidazol (S. 309), z. B. Metronidazol, weil sie einen anaeroben Stoffwechsel besitzen. Paronomycin wird zur Therapie asymptomatischer Träger (verhindert spätere invasive Infektion) und im Anschluss an eine Metronidazoltherapie bei invasiver Infektion eingesetzt, um die im Darmlumen verbliebenen Zysten zu eliminieren.

Therapie: Mittel der Wahl bei allen klinisch manifesten Erkrankungen ist Metronidazol. Anschließend sollte Paronomycin verabreicht werden (entfernt Amöbenzysten im Darm).

Prophylaxe: Die Infektion erfolgt in klassischer Weise fäkal-oral. Erregerreservoir ist vor allem der befallene Mensch. Die Infektionskette beinhaltet kontaminierte Lebensmittel, vor allem solche, die vor dem Verzehr nicht gegart werden (Obst, Salat, Speiseeis etc.) und Trinkwasser (inklusive Eiswürfel zum Kühlen von Getränken). Fliegen, Schaben und kontaminierte Hände sind eine weitere Möglichkeit, mit den Zysten in Kontakt zu kommen. Diese besitzen eine beachtliche Tenazität und überleben bei Raumtemperatur etwa 1 Woche, bei Kühlschranktemperatur etwa 1 Monat! Sie werden durch die übliche Trinkwasserchlorierung nicht sicher inaktiviert, wohl aber durch Erhitzen (mindestens 60 °C).

Prophylaxe: Die Infektion erfolgt fäkal-oral. Die in solchen Fällen üblichen Verhaltensweisen bei Lebensmitteln und Trinkwasser sind die beste Prophylaxe.

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538 ▶ Merke.

F 3 Medizinisch relevante Protozoen ▶ Merke. Für Tropenreisende bewahrheitet sich auch hier die alte Hygieneregel:

Koch es, schäl es oder vergiss es! Im Klartext: keinen Salat, kein Speiseeis, keine eisgekühlten Drinks, keine „einheimischen“ Mixgetränke, kein Obst, das nicht geschält wurde, Trinkwasser nur nach „Behandlung“ (Abkochen, Filtrieren, chemisches oder physikalisches Desinfizieren).

3.3.2

Pathogene frei lebende Amöben

▶ Definition.

3.3.2 Pathogene frei lebende Amöben ▶ Definition. Zu den pathogenen frei lebenden Amöben gehören Amöben der Gattungen Naegleria, Acanthamoeba und Balamuthia mandrillaris. Sie verursachen nur selten Infektionen. Außerdem können sie als Reservoir für Legionellen (S. 433) dienen, weil sich diese intrazellulär in den Amöben vermehren.

Epidemiologie: Weltweit kommen pathogene frei lebende Amöben in feuchter Erde und im Wasser vor. Die Zysten können lange im Staub überleben.

Epidemiologie: Weltweit kommen pathogene frei lebende Amöben in feuchter Erde und im Wasser vor, z. B. in Biofilmen von maroden Wasserleitungen oder in Baggerseen und Teichen bzw. in Whirlpools (nicht jedoch in salzhaltigem Meerwasser!). Vorübergehend können sie sich sogar in Nasen- und Mundschleim von Tier und Mensch aufhalten, sind aber nicht auf den Menschen als Teil ihres Entwicklungszyklus angewiesen. Unter schlechten Umweltbedingungen können sie in Form von Zysten lange Zeit im Staub überleben und damit übertragen werden.

Klinik: Akanthamöben können eine sklerosierende Keratitis hervorrufen.

Klinik: Durch kontaminierte Reinigungslösungen von Kontaktlinsen oder durch Speichel können Akanthamöben eine sklerosierende Keratitis hervorrufen, die sich klinisch nur schwer von einer bakteriellen Keratitis unterscheidet. Beim Baden in stehendem Süßwasser werden solche Amöben aufgenommen und in wenigen Fällen können sie dann über die Nasenschleimhaut entlang der Nervenbahnen in das ZNS eindringen und innerhalb von wenigen Tagen eine eitrige (Naegleria fowleri) oder granulomatöse (Acanthamoeba, Balamuthia mandrillaris) Meningoenzephalitis auslösen, die eine schlechte Prognose hat.

Acantamoeba, Naegleria fowleri und Balamuthia mandrillaris können auch über die Nasenschleimhaut eindringen und eine schwere Meningoenzephalitis auslösen.

Nachweis: mikroskopischer Nachweis der Amöben.

Nachweis: Wichtig ist eine Verdachtsdiagnose des Klinikers, damit eine direktmikroskopische Untersuchung von Patientenmaterialien (Liquor, Biopsien, Abstriche) oder Umweltproben (Wasser) auf Amöben erfolgt. Eine Anzüchtung auf Spezialnährböden ist nur in wenigen Laboren möglich.

Therapie: Es gibt keine kausale Therapie. Ein Versuch, mit Amphotericin B i. v. oder sogar intrathekal ist möglich.

Therapie: Eine kausale Therapie existiert nicht. Ein Versuch mit Amphotericin B i. v. oder sogar intrathekal bei Meningoenzephalitis ist bei der schlechten Prognose erlaubt. Eine Keratitis kann mit Natamycin behandelt werden oder mittels einer Spülung mit einem Desinfektionsmittel wie etwa Polyhexanid (Lavasept).

3.4

Flagellaten

Alle Flagellaten haben die Fähigkeit, eine oder mehrere Geißeln zu bilden. Humanmedizinisch relevant: Trypanosomen ■ Leishmanien ■ Trichomonaden ■ Giardien. ■

3.4

Flagellaten

Alle Flagellaten haben die Fähigkeit, eine oder mehrere Geißeln zu bilden, was ihnen eine starke Beweglichkeit verschafft. Manchmal sind diese Fortsätze jedoch nicht exprimiert (z. B. bei Leishmanien im Gewebe). Humanmedizinisch wichtige Flagellaten gibt es in der Gruppe der: ■ Trypanosomen ■ Leishmanien ■ Trichomonaden ■ Giardien. In tropischen Gewässern (z. B. Karibik) leben Dinoflagellaten, die das sog. Ciguatoxin produzieren. Bestimmte Fische, wie Muränen oder Red Snapper, fressen diese Protozoen und reichern das Toxin an. 5–7 Stunden nach dem Verzehr solcher Fische, die selbst völlig unauffällig bleiben, entsteht Ciguatera, die Fischesserkrankheit. Neben Schwindel, Übelkeit und Diarrhö fällt eine Umkehr der Sinnesempfindung von heiß und kalt auf. Durch Mannitolinfusionen können die neurologischen Symptome gebessert werden.

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538 ▶ Merke.

F 3 Medizinisch relevante Protozoen ▶ Merke. Für Tropenreisende bewahrheitet sich auch hier die alte Hygieneregel:

Koch es, schäl es oder vergiss es! Im Klartext: keinen Salat, kein Speiseeis, keine eisgekühlten Drinks, keine „einheimischen“ Mixgetränke, kein Obst, das nicht geschält wurde, Trinkwasser nur nach „Behandlung“ (Abkochen, Filtrieren, chemisches oder physikalisches Desinfizieren).

3.3.2

Pathogene frei lebende Amöben

▶ Definition.

3.3.2 Pathogene frei lebende Amöben ▶ Definition. Zu den pathogenen frei lebenden Amöben gehören Amöben der Gattungen Naegleria, Acanthamoeba und Balamuthia mandrillaris. Sie verursachen nur selten Infektionen. Außerdem können sie als Reservoir für Legionellen (S. 433) dienen, weil sich diese intrazellulär in den Amöben vermehren.

Epidemiologie: Weltweit kommen pathogene frei lebende Amöben in feuchter Erde und im Wasser vor. Die Zysten können lange im Staub überleben.

Epidemiologie: Weltweit kommen pathogene frei lebende Amöben in feuchter Erde und im Wasser vor, z. B. in Biofilmen von maroden Wasserleitungen oder in Baggerseen und Teichen bzw. in Whirlpools (nicht jedoch in salzhaltigem Meerwasser!). Vorübergehend können sie sich sogar in Nasen- und Mundschleim von Tier und Mensch aufhalten, sind aber nicht auf den Menschen als Teil ihres Entwicklungszyklus angewiesen. Unter schlechten Umweltbedingungen können sie in Form von Zysten lange Zeit im Staub überleben und damit übertragen werden.

Klinik: Akanthamöben können eine sklerosierende Keratitis hervorrufen.

Klinik: Durch kontaminierte Reinigungslösungen von Kontaktlinsen oder durch Speichel können Akanthamöben eine sklerosierende Keratitis hervorrufen, die sich klinisch nur schwer von einer bakteriellen Keratitis unterscheidet. Beim Baden in stehendem Süßwasser werden solche Amöben aufgenommen und in wenigen Fällen können sie dann über die Nasenschleimhaut entlang der Nervenbahnen in das ZNS eindringen und innerhalb von wenigen Tagen eine eitrige (Naegleria fowleri) oder granulomatöse (Acanthamoeba, Balamuthia mandrillaris) Meningoenzephalitis auslösen, die eine schlechte Prognose hat.

Acantamoeba, Naegleria fowleri und Balamuthia mandrillaris können auch über die Nasenschleimhaut eindringen und eine schwere Meningoenzephalitis auslösen.

Nachweis: mikroskopischer Nachweis der Amöben.

Nachweis: Wichtig ist eine Verdachtsdiagnose des Klinikers, damit eine direktmikroskopische Untersuchung von Patientenmaterialien (Liquor, Biopsien, Abstriche) oder Umweltproben (Wasser) auf Amöben erfolgt. Eine Anzüchtung auf Spezialnährböden ist nur in wenigen Laboren möglich.

Therapie: Es gibt keine kausale Therapie. Ein Versuch, mit Amphotericin B i. v. oder sogar intrathekal ist möglich.

Therapie: Eine kausale Therapie existiert nicht. Ein Versuch mit Amphotericin B i. v. oder sogar intrathekal bei Meningoenzephalitis ist bei der schlechten Prognose erlaubt. Eine Keratitis kann mit Natamycin behandelt werden oder mittels einer Spülung mit einem Desinfektionsmittel wie etwa Polyhexanid (Lavasept).

3.4

Flagellaten

Alle Flagellaten haben die Fähigkeit, eine oder mehrere Geißeln zu bilden. Humanmedizinisch relevant: Trypanosomen ■ Leishmanien ■ Trichomonaden ■ Giardien. ■

3.4

Flagellaten

Alle Flagellaten haben die Fähigkeit, eine oder mehrere Geißeln zu bilden, was ihnen eine starke Beweglichkeit verschafft. Manchmal sind diese Fortsätze jedoch nicht exprimiert (z. B. bei Leishmanien im Gewebe). Humanmedizinisch wichtige Flagellaten gibt es in der Gruppe der: ■ Trypanosomen ■ Leishmanien ■ Trichomonaden ■ Giardien. In tropischen Gewässern (z. B. Karibik) leben Dinoflagellaten, die das sog. Ciguatoxin produzieren. Bestimmte Fische, wie Muränen oder Red Snapper, fressen diese Protozoen und reichern das Toxin an. 5–7 Stunden nach dem Verzehr solcher Fische, die selbst völlig unauffällig bleiben, entsteht Ciguatera, die Fischesserkrankheit. Neben Schwindel, Übelkeit und Diarrhö fällt eine Umkehr der Sinnesempfindung von heiß und kalt auf. Durch Mannitolinfusionen können die neurologischen Symptome gebessert werden.

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539

F 3.4 Flagellaten

3.4.1 Trypanosoma

3.4.1

Protozoen der Gattung Trypanosoma gehören zur Familie der Trypanosomatidae; zu dieser Gruppe gehören auch die Leishmanien (S. 542). Es handelt sich dabei um Blut- und Gewebeparasiten, die in einigen Entwicklungsformen eine Geißel besitzen. Die Geißel hat ihren Ursprung im Basalkörper, der in der Zelle nahe dem DNAhaltigen Kinetoplasten lokalisiert ist. Sie flottiert nicht frei, sondern zieht sich am Zellkörper entlang, wo sie sich stellenweise auch anheften kann. Im lichtmikroskopischen Bild entsteht dabei der Eindruck einer undulierenden (= gewellten) Membran (Abb. F-3.16). Während des Entwicklungszyklus der Erreger treten amastigote, promastigote, epimastigote und trypomastigote Formen auf (Abb. F-3.17). Weitere Einzelheiten zu den verschiedenen Formen sind den folgenden Unterkapiteln zu entnehmen.

Protozoen der Gattung Trypanosoma gehören zur Familie der Trypanosomatidae; zu dieser Gruppe gehören auch die Leishmanien (S. 542) (Abb. F-3.16).

⊙ F-3.16

Trypanosoma

Während des Entwicklungszyklus treten verschiedene Formen auf (Abb. F-3.17).

⊙ F-3.16

Trypanosomen im Blutausstrich Typanosoma brucei. (Poeggel G. Kurzlehrbuch Biologie. Thieme; 2013)

⊙ F-3.17

Entwicklungsformen der Trypanosomatidae (Trypanosoma und Leishmania)

⊙ F-3.17

Amastigot (ohne Geißel, a), promastigot (b), epimastigot (c), trypomastigot (d). (nach Kayser, F.H. et al.: Medizinische Mikrobiologie. Thieme; 2014)

Trypanosoma brucei ▶ Definition. Trypanosoma brucei rhodesiense und Trypanosoma brucei gambiense sind Verursacher der afrikanischen Trypanosomiasis (Schlafkrankheit). Beide Erreger (Abb. F-3.16) unterscheiden sich weder untereinander noch von anderen Trypanosoma-brucei-Spezies, die für Haustiere, nicht jedoch für den Menschen, infektiös sind, weil sie von menschlichem Serum abgetötet werden.

▶ Merke. Reservoir für Trypanosoma brucei gambiense ist hauptsächlich der kranke

Trypanosoma brucei ▶ Definition.

▶ Merke.

Mensch. Zwar wurden die Erreger auch aus Tieren isoliert, die epidemiologische Bedeutung dieser Befunde ist jedoch umstritten. Trypanosoma brucei rhodesiense kann hingegen auch über infizierte Haus- und Wildtiere (Rinder, Schweine, Ziegen, Antilopen, Giraffen, Warzenschweine, Löwen, Hyänen) übertragen werden. Entwicklungszyklus: Vektor ist die blutsaugende männliche und weibliche TsetseFliege (Glossina). Diese treten als sogenannte Savannen- oder Uferglossinen auf. Typisch sind die zungenförmigen Deckflügel (Name! glossa = Zunge) der tagaktiven Insekten. Sie stechen bevorzugt im Freien an schattigen Orten (gern aber auch in schattigen Fahrzeugen!).

Entwicklungszyklus: Vektor ist die blutsaugende männliche und weibliche tagaktive Tsetse-Fliege (Glossina).

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540 Die bei Blutmahlzeiten dieser Fliegen aufgenommenen Erreger durchlaufen in den Insekten einen temperaturabhängigen Entwicklungszyklus, an dessen Ende eine infektiöse Form steht, die sich im Speichel der Stechfliege findet und von dort aus beim Stich in den Menschen gebracht wird.

Die Erreger vermehren sich zunächst lokal an der Einstichstelle, werden dann in einer 2. Phase hämatogen und lymphogen gestreut und befallen im Finalstadium das ZNS. Auffällig ist die oft jahrelange Persistenz der Erreger im Blut, was auf einer Immunevasion durch Antigenwechsel beruht: Hat eine spezifische Antikörperantwort den entsprechenden Klon eliminiert, wird ein neuer Klon mit neuen Epitopen gebildet.

F 3 Medizinisch relevante Protozoen

Die bei Blutmahlzeiten aufgenommenen Erreger durchlaufen in den Tsetse-Fliegen einen temperaturabhängigen, 2–4 Wochen dauernden Entwicklungszyklus. Zunächst wandeln sie sich im Mitteldarm der Fliegen in nicht infektiöse, sogenannte prozyklische Formen um, die sich durch Längsteilung vermehren. Nach Durchdringen der Darmwand gelangen diese Formen über die Hämolymphe des Insekts in dessen Speicheldrüsen. Hier verändert sich ihre Form (epimastigote Form). Es schließt sich ein weiteres Entwicklungsstadium an, in dem sich die Erreger als kleine, plumpe, metazyklische Form präsentieren. Diese gelangen mit dem nächsten Stich der Fliege in den Menschen und sind infektiös. Nach der Inkorporation der Erreger in den Menschen vermehren sich diese lokal an der Einstichstelle. Von hier aus streuen sie hämato- und lymphogen. Nach dieser hämolymphatischen Phase dringen die Trypanosomen in das ZNS ein, wo sie die typischen Symptome der mit hoher Letalität behafteten Schlafkrankheit verursachen. Auffällig ist die oft jahrelange Persistenz der Erreger im Blut, was durch eine Immunevasion im Rahmen eines Antigenwechsels (variantenspezifisches Oberflächenantigen) erklärt werden kann: An der Oberfläche der Trypanosomen sind die entscheidenden Antigene in Form von Glykoproteinen lokalisiert. Während Teile dieser Antigene ziemlich konstant sind, liegen für manche Abschnitte variable Gensequenzen vor. Auf diesen variablen Abschnitten befinden sich die immundominanten Epitope. Die Konsequenz ist ähnlich der Geschichte vom Wettlauf zwischen Hase und Igel: Kaum hat eine spezifische Antikörperantwort den entsprechenden Klon eliminiert, wird ein neuer Klon mit neuen Epitopen gebildet. Folge ist eine Hypergammaglobulinämie bei gleichzeitiger Suppression von T-Zellen und Makrophagen sowie eine daraus resultierende Infektanfälligkeit.

Epidemiologie: Infektionen mit T. gambiense kommen überwiegend in West- und Zentralafrika, mit T. rhodesiense in Ostafrika vor. 95 % aller Fälle von Schlafkrankheit werden durch T. gambiense, vor allem im Kongo, verursacht.

Epidemiologie: Die Schlafkrankheit tritt in 36 Ländern Afrikas auf. Infektionsgefährdet sind etwa 60 Millionen Menschen. Infektionen mit Trypanosoma brucei gambiense kommen vor allem in West- und Zentralafrika vor, Infektionen mit Trypanosoma brucei rhodesiense überwiegen in ostafrikanischen Ländern. Laut WHO ist in den letzten Jahren die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro Jahr von 300 000 (1995) auf 3 700 (2014) gesunken. Die Zahl der tatsächlichen Neuinfektionen wird aktuell auf ca. 15 000 pro Jahr geschätzt. Die große Mehrzahl der Infektionen (95 %) wird durch T. gambiense verursacht.

Klinik: Die Schlafkrankheit manifestiert sich in 2 Stadien: ■ 1. Stadium: lokale Vermehrung an der Stichstelle der Insekten, ödematöse Schwellung (Trypanosomenschanker). Danach hämatogene und lymphogene Streuung der Trypanosomen mit Fieber, Lymphknotenschwellung und neurologischer Symptomatik (verlangsamte Extremitätenreflexe bei gesteigertem Schmerzempfinden) neben anderen klinischen Zeichen (u. a. Dyspnoe, Anämie, Tachykardie).

Klinik: Die Schlafkrankheit manifestiert sich in 2 Stadien: ■ 1. Stadium: Nach einer Inkubationszeit von 1–2 Wochen entwickelt sich an der Insektenstichstelle eine ödematöse Schwellung (Trypanosomenschanker). Diese Phase der Krankheit ist gekennzeichnet durch die lokale Vermehrung der Erreger an der Eintrittspforte in den Körper. Nur dort sind Trypanosomen nachweisbar. Afrikaner erleben dieses Initialstadium meist symptomlos; Nichtafrikaner klagen über lokale Schmerzen, Fieber und Appetitlosigkeit. Danach tritt eine hämatogene und lymphogene Streuung der Erreger im Organismus auf. 2–3 Wochen nach der Infektion sind sie im Blut nachweisbar. Klinisch sind eine ca. 1-wöchige Fieberphase zu Beginn und eine Lymphknotenschwellung im hinteren Halsdreieck (Winterbottom-Zeichen) auffällig. Später können weitere Schwellungen von Lymphknoten und eine Vergrößerung von Leber und Milz beobachtet werden. Weitere unspezifische Symptome dieser Krankheitsphase sind neurologische Auffälligkeiten, wie Polyneuritis, zerebrale Krampfanfälle, gesteigertes Schmerzempfinden bei verlangsamten Reflexen in den Extremitäten sowie Dyspnoe, Anämie, Thrombozytopenie, Pulsanstieg auf über 100/min, stenokardische Beschwerden, Nephritis und bei Frauen Dysmenorrhö. Auch die hämatogene und lymphogene Streuung kann bei Afrikanern unbemerkt, weil symptomarm verlaufen. ■ 2. Stadium: Die meningoenzephalitische Phase wird bei Trypanosoma rhodesiense bereits nach einigen Wochen, bei Trypanosoma gambiense frühestens nach einem halben Jahr erreicht. Die Patienten leiden unter Schlafstörungen und Kopfschmerzen. Sie sind außerordentlich reizbar; die Hände zittern, neurologische Symptome wie Koordinations- und Reflexstörungen gehen einer fortschreitenden Lethargie voraus. Die terminale Schlafphase geht in das letal endende Koma über.



2. Stadium: Meningoenzephalitische Phase u. a. mit Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Reizbarkeit. Im Finalstadium bestehen Lethargie, erhöhtes Schlafbedürfnis. Schließlich kommt es zum letalen Koma.

Nachweis: Besonders wichtig ist der direkte mikroskopische Nachweis der Trypanosomen im Blut (Abb. F-3.16), Lymphknotenpunktat oder Liquor. Die Serologie ist nachrangig.

Nachweis: Besonders wichtig ist der direkte mikroskopische Erregernachweis im Blut (dicker Tropfen, Blutausstrich, Abb. F-3.16), Lymphknotenpunktat oder Liquor. Die klinische Diagnose kann noch durch serologische Methoden (EIA und Immunfluoreszenz) ergänzt werden. Diese haben jedoch nicht dieselbe Bedeutung wie der ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

541

F 3.4 Flagellaten

Direktnachweis, da die Infektion im Menschen durch eine Aufeinanderfolge von Trypanosomengenerationen mit jeweils unterschiedlichen Antigenmustern gekennzeichnet ist. Therapie: Die Therapie der Schlafkrankheit gehört in die Hände des Spezialisten. Heute kommt zur Therapie von Stadium 2 am ehesten Eflornithin infrage, eventuell in Kombination mit Nifurtimox (Lampit). Arsenverbindungen (Melarsoprol) sind weniger geeignet, nicht zuletzt wegen toxischen Nebenwirkungen. Das Stadium 1 kann mit Suramin oder Pentamidin behandelt werden. 2–3 Jahre nach einer erfolgreichen Therapie sollte sicherheitshalber eine Kontrolle durchgeführt werden.

Therapie: Am besten geeignet ist bei Stadium 2 Eflornithin und bei Stadium 1 Suramin oder Pentamidin. Kontrolluntersuchung nach 2–3 Jahren nach erfolgreicher Therapie zu empfehlen.

Trypanosoma cruzi

Trypanosoma cruzi

▶ Definition. Trypanosoma cruzi ist der Erreger der Chagas-Krankheit (nach dem Erstbeschreiber Chagas 1908) oder amerikanischen Trypanosomiasis.

▶ Definition.

Entwicklungszyklus: Erregerreservoir sind Haus- (Hund, Katze) und Wildtiere (Affen, Fledermäuse, Füchse, Gürteltiere, Ratten, Opossums, Waschbären). Vektoren sind Raubwanzen (z. B. Triatoma infestans). Das Verbreitungsgebiet reicht vom Süden der USA bis Argentinien und Chile. Die Raubwanzen leben in dunklen Schlupfwinkeln in den Elendshütten der einheimischen Bevölkerung und nehmen den Erreger nachts mit ihrer Blutmahlzeit auf. In der Wanze durchlaufen die Trypanosomen einen Formenwechsel, der sich von dem der Schlafkrankheit dadurch unterscheidet, dass die im Mittel- und Enddarm gebildeten epimastigoten Stadien nach ihrer Wandlung als metazyklische Formen mit dem Kot (und nicht mit dem Speichel wie bei der Trypanosoma-brucei-Infektion) des Insekts ausgeschieden werden. Der eigentliche Infektionsakt für den Menschen ist somit der Kontakt mit dem Kot der Wanze und nicht deren Biss. Seltene Infektionswege sind Bluttransfusionen und Organtransplantationen. Die Trypanosomen können von hier aus durch kleine Hautläsionen, Schleimhäute oder das Auge eindringen und Anschluss an das Blutgefäßsystem des Menschen erlangen. Dort vermehren sie sich nicht, sondern dringen in Körperzellen ein, vor allem in die glatte Muskulatur des Herzens, in Zellen des retikuloendothelialen Systems und der Neuroglia („Pseudozysten“ sind befallene Körperzellen). Hier wandeln sie sich in amastigote Formen und vermehren sich durch Zweiteilung. Nach ungefähr 5 Tagen nehmen die Erreger über eine Zwischenform (epimastigotes Stadium) wieder ihre Trypanosomenform an und infizieren auf dem Blutweg weitere Zellen. Werden die befallenen Zellen vorher zerstört, gehen die darin enthaltenen amastigoten Formen zugrunde, sofern sie es nicht schaffen, neue Zellen zu infizieren.

Entwicklungszyklus: Reservoir von Trypanosoma cruzi sind Haus- und Wildtiere. Vektoren sind Raubwanzen, die die Erreger bei der Blutmahlzeit aufnehmen.

Epidemiologie: Hauptendemiegebiete für die Chagas-Krankheit sind Mittel- (insbesondere Mexiko) und Lateinamerika (v. a. Brasilien, Argentinien). Die Zahl der Infizierten wird auf 8 Millionen geschätzt, mit steigender Tendenz. Etwa 10 000 Infizierte sterben pro Jahr an der Chagas-Krankheit, vornehmlich in Lateinamerika. Die Infektion tritt sowohl in ländlichen Regionen als auch Großstädten, insbesondere bei Kindern in den Slums der Großstädte, auf, wo auf dem Boden Schlafende leicht mit dem Kot der Raubwanzen in Kontakt kommen.

Epidemiologie: Hauptendemiegebiete für die Chagas-Krankheit sind Mittelamerika (insbesondere Mexiko) und Lateinamerika (vor allem Brasilien und Argentinien).

Klinik: Nach einer Inkubationszeit von ca. 3 Wochen kommt es an der Eintrittspforte zu einer lokalen Hautreaktion (Chagom). In ca. 30–50 % erfolgt die Infektion transkonjunktival. Dann kommt es zur Konjunktivitis mit ein- oder beidseitigem Lidödem (Romaña-Zeichen). Nach weiteren 1–2 Wochen ist das Stadium der hämatogenen und lymphogenen Streuung erreicht und die Symptomatik verstärkt sich durch kontinuierliches oder remittierendes Fieber, generalisierte Lymphadenitis und urtikariaartige Hauteffloreszenzen mit subkutanen Knötchen (Lipochagome). Diese Phase wird auch als akute Chagas-Krankheit bezeichnet und dauert ca. 8–12 Wochen an. Das chronische Chagas-Leiden schließt sich 10–30 Jahre nach der akuten Phase als Folge der Organmanifestation der Erreger an. Nach Eindringen in die Muskulatur innerer Organe kommt es zu massiven Vergrößerungen der betroffenen Organe (Megakor, Megaösophagus, Megakolon u. a.). Hepatosplenomegalie, Anämie und neurologische Symptome beherrschen das Krankheitsbild. Eine Myokarditis mit AV-Block und Adam-Stokes-Anfällen ist häufig und kann bei körperlicher Anstrengung den plötzlichen Herztod verursachen.

Klinik: Nach einer Inkubationszeit von ca. 3 Wochen entsteht eine lokale Hautreaktion (Chagom). Konjunktivitis und Lidödeme sind häufig (Romaña-Zeichen). Nach weiteren 1–2 Wochen setzt die akute Chagas-Krankheit mit Fieber, Lymphadenitis und Hauterscheinungen ein.

In der Wanze durchläuft der Mikroorganismus einen Entwicklungszyklus, an dessen Ende eine infektiöse Form steht, die mit dem Kot der Raubwanze ausgeschieden wird. Diese Form gelangt über Mikroläsionen der Haut oder Schleimhäute in den Menschen und erreicht die Blutbahn, wo jedoch keine Vermehrung stattfindet. Die Trypanosomen befallen Körperzellen der glatten Muskulatur, Zellen des RES und der Neuroglia, wo sie sich in einem neuen Entwicklungszyklus vermehren.

Am Ende stehen wiederum infektiöse Trypanosomen, die erneut Körperzellen befallen.

Das chronische Chagas-Leiden manifestiert sich 10–30 Jahre nach der Infektion an inneren Organen, die massive Vergrößerungen erfahren (Megakor, Megaösophagus, Megakolon etc.). Der Befall des Herzens kann zum plötzlichen Herztod führen.

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542

F 3 Medizinisch relevante Protozoen

Nachweis: Im akuten Stadium können die Erreger mikroskopisch im gefärbten Blutausstrich oder molekularbiologisch (PCR) nachgewiesen werden. Im chronischen Stadium können Antikörperteste kombiniert mit Röntgen-Thorax (Kardiomegalie), EKG (AV-Block) und Abdomen-Sonografie/CT (Megakolon) die Infektion nachweisen.

Nachweis: Im akuten Stadium können die Erreger im gefärbten Blutausstrich (Giemsa-Färbung) mikroskopisch oder molekularbiologisch (PCR) nachgewiesen werden. In der chronischen Phase ist die Parsitämie für einen direkten Erregernachweis aus dem Blut zu gering. Stattdessen lässt sich eine chronische Infektion durch Antikörpernachweis für Trypanosoma cruzi im Serum sowie durch Röntgen-Thorax (Kardiomegalie), EKG (AV-Block) und Sonografie/CT (Megakolon) diagnostizieren. Diese ist auch zum Screenen von Blutspendern in Süd- und Mittelamerika einsetzbar.

Therapie: Akute Phase: Nifurtimox (Lampit), Benznidazol. Chronische Phase: supportive Therapie zur Begrenzung der Organschäden.

Therapie: Für die Behandlung wird Nifurtimox (Lampit) oder Benznidazol empfohlen. Die Erfolgsrate liegt bei der akuten Infektion bei 80 %. Die Therapie ist ohne Effekt auf Amastigote. In der chronischen Phase bleiben nur noch supportive Therapien zur Begrenzung der Organschäden.

Prophylaxe: Einzige Möglichkeit ist die Bekämpfung der Raubwanzen, z. B. durch insektizide Wandanstriche.

Prophylaxe: Chemoprophylaxe und Impfung existieren nicht. Einzige prophylaktische Möglichkeit ist die Bekämpfung der Vektoren (Raubwanzen). Zu diesem Zweck wurden sprühfähige, insektizide Farbstoffe entwickelt, die in den Elendsquartieren als Wandfarbe eingesetzt werden und die Raubwanzen dezimieren sollen. Besser wäre natürlich eine Veränderung der Wohnverhältnisse.

3.4.2

3.4.2 Leishmanien

Leishmanien

Leishmanien gehören zu den Flagellaten und zählen ebenfalls zur Familie der Trypanosomatidae. Sie sind die Erreger der Leishmaniosen (Klassifikation Tab. F-3.3).

≡ F-3.3

Entwicklungszyklus: Vektoren sind weibliche Schmetterlingsmücken („Sandmücken“, „sand flies“), die nachts stechen und dabei die Erreger inkorporieren. Nach der Vermehrung des Erregers in der Mücke erfolgt die Übertragung auf den Menschen mit dem Stich des Insekts oder durch Mikroläsionen der Haut, wenn die Mücke zerdrückt wird. Natürliche Reservoire der Leishmanien sind je nach Spezies (Nagetiere, Hunde etc.) oder auch Reptilien. Eine Übertragung von Mensch-zu-Mensch (Bluttransfusion, Organtransplantation) ist möglich. Im Menschen werden die Leishmanien hauptsächlich von Makrophagen aufgenommen, wo sie sich vermehren können. Durch Zerstörung der Wirtszellen werden Erreger frei und können neue Zellen befallen.

Die 1903 von Leishman und Donovan entdeckten Flagellaten zählen zur Familie der Trypanosomatidae. Sie sind die Erreger der Leishmaniosen. Es treten ca. Millionen Neuerkrankungen und 7 0000 Todesfälle pro Jahr auf. Die Zahl chronischer Erkrankungen wird auf 15–20 Millionen geschätzt. Bei den Leishmaniosen handelt es sich jedoch um mehrere Krankheitsbilder, die sich bezüglich ihres Manifestationsortes, ihrer Prognose und ihres geografischen Auftretens erheblich voneinander unterscheiden. Die Klassifikation berücksichtigt die auftretenden Manifestationsorte der Leishmaniose (systemisch/viszeral, kutan oder mukokutan) und ihre geografische Verbreitung. Wichtige Leishmanien sind in Tab. F-3.3 dargestellt.

≡ F-3.3

Humanmedizinisch relevante Leishmanien

Spezies

geografische Verbreitung

Infektlokalisation

Leishmania donovani

Afrika, Asien, Europa

systemisch/viszeral

Leishmania infantum

Mittelmeergebiet

systemisch/viszeral

Leishmania chagasi

Mittel- und Südamerika

systemisch/viszeral

Leishmania amazonensis

Südamerika

systemisch/viszeral

Leishmania tropica

Afrika, Asien, Europa

kutan

Leishmania major

Afrika, Asien, Europa

kutan

Leishmania aethiopica

Afrika, Asien, Europa

kutan

Leishmania mexicana

Mittel- und Südamerika

kutan

Leishmania peruviana

Südamerika

kutan

Leishmania brasiliensis

Mittel- und Südamerika

mukokutan

Leishmania mexicana

Mittelamerika

mukokutan

Entwicklungszyklus: Die in Abb. F-3.17 dargestellten Entwicklungsformen gelten auch für Leishmanien. Zahlreiche Tierarten und infizierte Menschen können Leishmanien beherbergen. Vektoren sind weibliche Schmetterlingsmücken, hauptsächlich der Gattung Phlebotomus und Lutzomyia („Sandmücken“, „sand flies“), die nur im tropischen und subtropischen Klima vorkommen. Sie stechen nachts und nehmen dabei die Erreger auf, die im Darm der Mücken einen temperaturabhängigen Entwicklungszyklus durchmachen. Am Ende stehen promastigote Formen, die sich im Stechrüssel der Mücke sammeln, diesen verstopfen und die Nahrungsaufnahme stören. Die natürlichen Reservoire der Leishmanien sind z. T. speziesspezifisch und beinhalten verschiedene Säugetiere (Nagetiere, Hunde etc.) oder auch Reptilien. In seltenen Fällen ist eine Übertragung von Mensch-zu-Mensch durch Bluttransfusionen oder Organtransplantationen möglich. Die solchermaßen in eine Hungersituation gebrachte Mücke wird immer wieder Stichversuche unternehmen und dabei die Erreger auf Säugetiere wie den Menschen übertragen. Auch beim Zerdrücken der Insekten auf der Haut werden Erreger freigesetzt und können über Mikroläsionen in den Organismus eindringen. Dort werden sie inll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

543

F 3.4 Flagellaten

⊙ F-3.18

Nachweis von Leishmanien in einem Makrophagen im giemsagefärbten Knochenmarkausstrich

⊙ F-3.18

nerhalb von Stunden von Gewebemakrophagen, Histiozyten und Endothelzellen aufgenommen. Hier wandeln sie sich in amastigote Formen, vermehren sich durch Zweiteilung und zerstören damit die Wirtszelle, nach deren Platzen sie freigesetzt werden. Nachweis: Die Diagnose der viszeralen Leishmaniose erfolgt durch direkten mikroskopischen Erregernachweis im gefärbten Blutausstrich (Giemsa-Präparat), besser noch histologisch aus Organbiopsaten (Knochenmark, Leber, Milz), wobei die Erreger innerhalb von Makrophagen liegen (Abb. F-3.18). Die PCR ist eine wichtige Methode zum direkten Erregernachweis und Speziesdifferenzierung, die auch bei klinischem Verdacht auf eine viszerale Leishmaniose und negativer Mikroskopie eingesetzt wird. Ergänzend können der Nachweis von Antikörpern mittels EIA, indirekter Hämagglutination oder Immunfluoreszenz eingesetzt werden, sind aber mit Fehlerquoten behaftet. Die Diagnose der kutanen und mukokutanen Leishmaniose wird meist klinisch gestellt. Ein Erregernachweis aus der Peripherie der Hautläsionen durch Mikroskopie oder ergänzend PCR kann versucht werden. Indirekte Leishmanien-Nachweise mit serologischen Methoden sind meist entbehrlich.

Nachweis: Größte Bedeutung kommt dem direkten mikroskopischen Nachweis der Erreger im histologischen Präparat aus Organbiopsaten oder im Blutausstrich zu (Abb. F-3.18). Der molekularbiologische Nachweis (PCR), auch zur Speziesdifferenzierung, ist von zunehmender Bedeutung. Zusätzliche serologische Methoden können hilfreich sein.

Prophylaxe: Einzige Prophylaxe besteht in der Bekämpfung der Vektoren durch Beseitigung ihrer Brutstätten oder durch Verwendung von Repellents (Tab. H-1.6).

Prophylaxe: Bekämpfung der Vektoren (Beseitigung der Brutstätten).

Viszerale Leishmaniose: Leishmania donovani, Leishmania infantum, Leishmania chagasi

Viszerale Leishmaniose: Leishmania donovani, Leishmania infantum, Leishmania chagasi

▶ Definition. Leishmania donovani (vorwiegend in Indien und Ost-Afrika), L. infan-

Kutane und mukokutane Leishmaniosen werden meist klinisch diagnostiziert.

▶ Definition.

tum (vorwiegend im Mittelmeerraum und bei Kindern) und L. chagasi (vorwiegend in Südamerika) sind Verursacher der viszeralen Leishmaniose oder Kala-Azar („schwarze Krankheit“). Klinik: Nach einer Inkubationszeit von unbestimmter Dauer (meist 3–8 Monate) entwickelt sich die Krankheit langsam. Die Leishmanien vermehren sich in Makrophagen des retikuloendothelialen Systems. Unspezifische Symptome, wie Müdigkeit, gastrointestinale Störungen und Kopfschmerzen, verdichten sich schließlich mit remittierenden Fieberschüben, Hepatosplenomegalie und Lymphadenitis. Die Infektion des Knochenmarkes, der Milz und der Leber kann zu Veränderungen des Blutbildes mit Anämie, Leukopenie, Thrombopenie oder Panzytopenie sowie zu einer Ferritinerhöhung und einer Hypogammglobulinämie führen.Charakteristischerweise ist die Haut fahlgrau und teilweise schwärzlich pigmentiert, was der Krankheit ihren Namen gab. Sekundärinfektionen und Kachexie führen in der Regel zum Tod. Spontanheilungen sind belegt. Das Vollbild der Erkrankung entwickelt sich vor allem bei Immunsupprimierten (AIDS-Patienten!), Kindern und Mangelernährten. Die klinisch manifeste Form der Krankheit ist selbst in Endemiegebieten selten.

Klinik: Innerhalb eines Jahres nach Infektion beginnt die Krankheit schleichend mit unspezifischen Symptomen (Müdigkeit, Fieberschübe, Hepatosplenomegalie, Lymphadenitis). Die Haut ist fahlgrau und stellenweise schwärzlich pigmentiert. Sekundärinfektionen und fortschreitende Kachexie führen zum Tod. Das klinische Vollbild der viszeralen Leishmaniose entwickelt sich bevorzugt bei Immunsupprimierten (AIDS!).

Therapie: Die Therapie der viszeralen Leishmaniose erfolgt mit liposomalem Amphotericin B. Mittel der 2. Wahl ist Miltefosin. Früher wurden 5-wertige Antimonpräparate eingesetzt, die heutzutage aufgrund ihrer Toxozität nur noch selten zum Einsatz kommen.

Therapie: Mittel der 1. Wahl ist liposomales Amphotericin B. Mittel der 2.Wahl ist Miltefosin.

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544 ▶ Klinischer Fall.

Kutane Leishmaniose: Leishmanien des Subgenus Viannia und des Subgeneus Leishamania ▶ Definition.

F 3 Medizinisch relevante Protozoen ▶ Klinischer Fall. Ein Kind macht mit seinen Eltern im August Strandurlaub in Kroatien. Während die Eltern meistens auf Strohmatten ruhen, liegt das Kind oft direkt im Sand. Nach Rückkehr und nach Schulbeginn treten im Oktober Fieber, Müdigkeit, Leistungsunfähigkeit auf, die der Hausarzt zunächst erfolglos symptomatisch behandelt. Im November wird das Kind zur Abklärung von Splenomegalie und Fieber stationär aufgenommen. Sowohl eine bakterielle Sepsis als auch eine Brucellose werden ausgeschlossen, eine antibiotische Therapie hat keinen Erfolg. Im Dezember werden bei dem schwerkranken Kind vom Pathologen in den aktivierten Makrophagen einer Knochenmarkbiopsie Parasiten nachgewiesen (z. T. auch extrazellulär, nachdem die vollen Makrophagen geplatzt waren). Die Serologie bestätigt den Verdacht einer Infektion mit Leishmania donovani. Nach Therapie mit liposomalem Amphotericin B kann das Kind an Weihnachten geheilt entlassen werden.

Kutane Leishmaniose: Leishmanien des Subgenus Viannia und des Subgeneus Leishamania ▶ Definition. L. braziliensis, L. peruviania, L. panamensis u. a. (= Leishmanien des Sub-

genus Viannia) sowie L. tropica, L. major, L. aethiopica und der L. mexicana-Komplex (= Leishmanien des Subgenus Leishmania) erzeugen die kutane Leishmaniose. Es wird zwischen einer lokalisierten und diffusen kutanen Leishmaniose unterschieden. Epidemiologie: Das Erregerreservoir bilden verschiedene Säugetiere (Nagetiere, Hunde).

Epidemiologie: Verschiedene Säugetiere, vor allem Nagetiere und Hunde, bilden das Reservoir. Beim Stechen der Tiere nehmen Phlebotomusmücken (Sandfliegen) mit der Blutmahlzeit solche Erreger auf und übertragen sie auf den Menschen.

Klinik: An der Eintrittsstelle der Erreger bilden sich ulzerierende Papeln mit entzündetem Randwall (Abb. F-3.19). Der Krankheitsverlauf ist von der Virulenz des Erregers und der Immunantwort des Infizierten abhängig. Meist heilen die Hautläsionen nach einigen Monaten spontan ab, aber es kommt in bis zu 30 % zu lokalen Rezidiven.

Klinik: Die Vermehrung der Erreger bleibt auf die Haut beschränkt, zumindest beim abwehrtüchtigen Patienten. Die einzelnen Papeln (Größe: 1–10 mm), deren Zahl abhängig von der Zahl der Mückenstiche ist, werden langsam größer und ulzerieren im Verlauf von Wochen und Monaten. Das Ulkus ist verschorft und mit einem entzündeten Randwall abgegrenzt (Abb. F-3.19). Durch bakterielle Superinfektionen kann es verschlimmert werden. Der Krankheitsverlauf ist von der Virulenz des Erregers und der Immunantwort des Infizierten abhängig. Über Monate heilt es auch spontan ab und vernarbt. Lokalrezidive treten in ca. 30 % der Fälle auf. Die Infektion hinterlässt eine andauernde Immunität.

⊙ F-3.19

⊙ F-3.19

„Orientbeule“ Schmerzlose, rötliche Schwellung mit zentraler Ulzeration bei kutaner Leishmaniose. (Moll, I.: Duale Reihe Dermatologie. Thieme; 2016)

Nachweis: In giemsagefärbten Biopsaten sind intrazelluläre Erreger zu sehen.

Nachweis: Die histologische Untersuchung von Biopsien zeigt in giemsagefärbten Proben intrazelluläre Protozoen. Der direkte Erregernachweis kann zusätzlich mit durchgeführt werden.

Therapie: Lokale Behandlung mit Paromomycin.

Therapie: Wenn nötig, kann eine lokale Behandlung mit Paromomycin, einem nicht resorbierbaren Aminoglykosid, helfen.

Mukokutane Leishmaniose: Leishmania brasiliensis-Komplex

Mukokutane Leishmaniose: Leishmania brasiliensis-Komplex

▶ Definition.

▶ Definition. Leishmania brasiliensis und noch andere Arten erzeugen die mukoku-

tane Leishmaniose (Chiclerogeschwür, Espundia). Sie tritt zu 90 % in Brasilien, Peru und Bolivien auf. Epidemiologie: Bei 1–10 % der Patienten mit kutaner Leishmaniose durch Leishmanien des L. brasiliensis-Komplexes (L. brasiliensis, L. guyanensis, L. panamensis) entwickelt sich nach initialer Abheilung der Läsionen innerhalb von 5 Jahren eine mukokutane Leishmaniose.

Epidemiologie: Die mukokutane Leishmaniose tritt vor allem in Brasilien, Peru und Bolivien auf (90 % der Fälle) und wird durch Leishmanien des L. brasiliensis-Komplexes, zu dem L. brasiliensis, L. guyanensis und L. panamensis gehören, verursacht. Bei 1–10 % der Patienten mit kutaner Leishmaniose entwickelt sich nach initialer Abheilung der Läsion innerhalb von 5 Jahren eine mukokutane Leishmaniose. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

545

F 3.4 Flagellaten

Klinik: Die Erreger bleiben nach dem Stich nicht auf die Haut beschränkt, sondern disseminieren und befallen auch die Schleimhäute, insbesondere die nasopharyngeale Mukosa. Die sich lokal ausbreitenden Destruktionen schreiten voran, wenn die Immunantwort die Infektion nicht kontrollieren kann. Die Zahl der Läsionen steht also nicht mit der Anzahl der Stiche im Zusammenhang. Je nach Ausdehnung sind die Folgen viel schwerer als bei der kutanen Leishmaniose und die fortschreitenden Destruktionen führen zu Beschwerden.

Klinik: Die Erreger bleiben – insbesondere bei abwehrgeschwächten Patienten – nicht auf ihren Eintrittsort beschränkt und rufen lokal fortschreitende mukokutane Destruktionen, insbesondere im Nasen/Rachenraum, hervor.

Nachweis: Der Nachweis erfolgt analog zur kutanen Leishmaniose.

Nachweis: wie bei der kutanen Leishmaniose.

Therapie: Da Selbstheilungen kaum zu erwarten sind, muss eine Therapie z. B. mit liposomalem Amphotericin B versucht werden.

Therapie: liposomales Amphotericin B.

3.4.3 Trichomonaden

3.4.3

Trichomonaden sind mehrgeißelige, birnenförmige Protozoen. Am Vorderpol treten fünf Geißeln aus, die aus einem Parabasalapparat in der Nähe des ovalen Zellkerns entspringen. Vier Geißeln flottieren frei, die fünfte schmiegt sich dem Zellkörper an und bildet den Rand einer undulierenden Membran. Ein Achsenstab tritt am entgegengesetzten Zellende als Spitze hervor (Abb. F-3.20). Mitochondrien kommen in diesen primitiven Eukaryonten nicht vor. Dafür besitzen sie ein Hydrogenosom, eine spezielle Organelle, in dem die Energiegewinnung auf anaeroben Stoffwechselwegen erfolgt. Die Vermehrung erfolgt durch einfache Längsteilung. Entwicklungsformen wie bei anderen Protozoen kommen nicht vor. Bei den sogenannten Rundformen (bewegungslosen Zellen) handelt es sich um Alters- oder Degenerationsstadien, die bei manchen Protozoen, wie z. B. Ziliaten, häufig anzutreffen sind und keine Bedeutung bei der Übertragung und Pathogenese von Infektionskrankheiten haben. Von humanmedizinischer Bedeutung sind die in Tab. F-3.4 aufgeführten Arten.

Trichomonaden sind mehrgeißelige, birnenförmige Protozoen. Am Vorderpol treten fünf Geißeln aus. Vier Geißeln flottieren frei, die fünfte schmiegt sich dem Zellkörper an und bildet den Rand einer undulierenden Membran (Abb. F-3.20).

≡ F-3.4

Trichomonaden

Trichomonaden vermehren sich durch Längsteilung. Entwicklungsformen wie bei anderen Protozoen kommen nicht vor.

Wichtige Arten zeigt Tab. F-3.4.

≡ F-3.4

Humanmedizinisch wichtige Trichomonaden

Art

Standort

Bedeutung

Trichomonas vaginalis

Urogenitalbereich

pathogen

Trichomonas hominis

Darm

„apathogen“*

Trichomonas tenax

Mundhöhle

„apathogen“*

* „Apathogen“ heißt, dass diese Protozoen keine spezifische Infektionskrankheit verursachen. Das schließt jedoch nicht aus, dass sie an pathologischen Prozessen beteiligt sein können.

⊙ F-3.20

⊙ F-3.20

Trichomonas vaginalis

Achsenstab

vier frei flottierende Geißeln

fünfte Geißel (undulierende Membran)

(nach Kayser, F.H. et al.: Medizinische Mikrobiologie. Thieme; 2014)

Trichomonas vaginalis ▶ Definition. Trichomonas vaginalis ist der Verursacher entzündlicher Urogenitalinfektionen, die hauptsächlich Frauen betreffen und unter dem unspezifischen Begriff „Trichomonadenkolpitis“ bekannt sind. Männer sind evtl. Träger.

Epidemiologie: Die Übertragung erfolgt fast immer direkt von Mensch zu Mensch durch Sexualkontakt. Da der Erreger sehr temperaturempfindlich ist, kommen andere Ansteckungsquellen nur selten und ausnahmsweise in Betracht. Am wahrscheinlichsten sind noch Infektionen in ungechlortem Thermalbadewasser. Sonstige angeschuldigte Infektionsherde, wie ungechlortes Schwimmbadwasser, feuchte

Trichomonas vaginalis ▶ Definition.

Epidemiologie: Die Übertragung erfolgt meist durch Sexualkontakt. Andere Infektionswege (ungechlortes Thermalbadewasser etc.) können nicht völlig ausgeschlossen werden, sind jedoch sicherlich die große Ausnah-

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546

F 3 Medizinisch relevante Protozoen

me. Weltweites Vorkommen mit ca. 170 Mio. Neuinfektionen/Jahr sowie 275 Mio. klinisch manifesten Fällen/Jahr (Schätzungen der WHO). Trichomonas vaginalis ist der häufigste Erreger nicht viraler sexuell übertragbarer Infektionen.

Schwämme, Handtücher, Badekleidung und Ähnliches dürften nur sehr selten wirklicher Ausgangspunkt einer Genitalinfektion sein, z. B. auch bei Neugeborenen und Kleinkindern. Trichomonas vaginalis kommt weltweit vor. Die WHO schätzt die Zahl der jährlichen Neuinfektionen auf 170 Millionen pro Jahr und die Zahl klinisch manifester Infektionen auf 275 Millionen pro Jahr. Damit verursacht Trichomonas vaginalis die häufigste nicht virale sexuell übertragbare Infektionserkrankung.

Klinik: Das akute Krankheitsbild äußert sich bei der Frau durch eine akute Vulvovaginitis sowie durch einen schaumigen weißlichen bis gelbgrünen Fluor (Abb. F-3.21). Durch die Schädigung des Vaginalepithels begünstigt Trichomonas vaginalis sowohl die Übertragung auf einen Sexualpartner als auch die Aufnahme von HIV beim Geschlechtsverkehr.

Klinik: Etwa 1 Woche nach der Infektion entwickelt sich bei der Frau eine akute Vulvovaginitis mit schaumigem, weißlichem bis gelbgrünem, faulig riechendem Fluor, brennenden Schmerzen und Pruritus und zwar zyklusbegleitend mit der intensivsten Symptomatik kurz vor der Menstruation. Das akute Krankheitsbild geht unbehandelt nach 1–4 Wochen in ein chronisches Stadium über, das jederzeit exazerbieren kann (Abb. F-3.21). Durch die Schädigung des Vaginalepithels begünstigen klinisch manifeste Trichomonas vaginalis-Infektionen sowohl die Übertragung von HIV auf einen Sexualpartner als auch die Infektion der Trichomonas-Infizierten.

▶ Merke.

▶ Merke. Dysplasien der Vaginalschleimhaut und Präkanzerosen kommen bei Frau-

en mit chronischem, unbehandeltem Trichomonadeninfekt 3-mal häufiger vor als bei nicht infizierten Frauen. Beim Mann verläuft die Infektion meist inapparent.

⊙ F-3.21

Beim Mann verläuft die Infektion meist inapparent, sehr selten verursacht Trichomonas vaginalis eine Urethritis, Epididymitis oder Prostatitis.

⊙ F-3.21

Verlauf und klinisches Bild bei Infektion mit Trichomonas vaginalis

Verlauf: Die Trichomoniasis verläuft bei der Frau zyklusabhängig. Im Anfangsstadium der Infektion sind viele Granulozyten zu finden, später ist ihre Zahl geringer und sie liegen in ganzen Verbänden. Leukozyten

Zahl der Trichomonaden

früh

purulent

chronisch

spät chronisch

Klinisches Bild:

initial: Fleckige Ecchymosen der Scheidenhaut und der Portiooberfläche

subchronisch: Granulöse Entzündungsherde der Vaginalhaut

chronisch: Ausgedehnte Leukoplakien der gesamten Portiooberfläche

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547

F 3.4 Flagellaten

Neutrophile Granulozyten sind wesentlich für die Kontrolle und das Abtöten von Trichomonas vaginalis. Sie bekämpfen Trichomonaden durch die Ausschüttung toxischer Granula, die u. a. reaktive Sauerstoffradikale und porenbildende Toxine enthalten, durch Phagozytose und durch das Einfangen in DNA-haltige Netze. Zusätzlich töten sie Trichomonaden durch Trogozytose ab, d. h. durch das „Herausbeißen“ von Membranstücken des Parasiten.

Neutrophile Granulozyten sind wesentlich für die Kontrolle und das Abtöten von Trichomonas vaginalis.

Nachweis: Der Erregernachweis erfolgt im ungefärbten Direktpräparat aus Genitalsekreten. In der akuten Phase sind im mikroskopischen Präparat, welches meistens der Frauenarzt direkt neben dem Untersuchungsstuhl durchmustert (40er Objektiv; Blende ziemlich geschlossen), neben vielen einzelnen Granulozyten zahlreiche Trichomonaden zu sehen, welche – bedingt durch die Geißeln – an einer charakteristischen zappelnden Bewegung erkennbar sind. Nach dem Transport des Materials ins Labor sind die Trichomonaden meist tot. Im chronischen Stadium nimmt die Zahl der Granulozyten ab und sie liegen zunehmend in ganzen Verbänden. Die Zahl der zappelnden Trichomonaden wird zunehmend kleiner. In solchen Fällen ist eventuell nur noch nach Anzüchtung oder mittels PCR ein Nachweis von Trichomonaden möglich.

Nachweis: Der Erregernachweis erfolgt im ungefärbten Direktpräparat aus Genitalsekreten. Unter dem Mikroskop erkennt man die Trichomonaden in der akuten Phase an zappelnden Bewegungen.

Therapie: Da es sich um anaerobe Protozoen handelt, ist Metronidazol (Halbwertszeit 6 h) Mittel der Wahl. Alternativ können andere Nitroimidazole, wie Ornidazol oder Tinidazol (Halbwertszeit 12 h) zur Anwendung kommen. Wichtig ist stets die Mitbehandlung des Sexualpartners. Während der ersten Schwangerschaftsmonate ist eine Lokaltherapie mit einem Nitroimidazol oder Natamycin empfehlenswert.

Therapie: Mittel der Wahl sind Nitroimidazolpräparate (Metronidazol). Wichtig ist die Mitbehandlung des Sexualpartners.

▶ Exkurs. Oftmals sind neben Trichomonaden auch andere Erreger an der Fluorbildung beteiligt, z. B. Pilze und Gardnerella vaginalis (S. 356). Ggf. müssen gleichzeitig auch diese Erreger therapiert werden.

Im chronischen Stadium nimmt die Zahl der zappelnden Trichomonaden ab. Der Nachweis ist evtl. nur durch Anzüchtung oder mittels PCR möglich.

▶ Exkurs.

Prophylaxe: Da die Trichomoniasis zu den sexuell übertragbaren Krankheiten gehört, entsprechen die Vorbeugemaßnahmen denen bei anderen venerischen Infektionen (safer sex!).

Prophylaxe: Safer Sex.

Trichomonas hominis

Trichomonas hominis

Trichomonas hominis kommt besonders in warmen Ländern vor, wo er mit einer Häufigkeit um 10 % im Kolon vor allem bei Kindern nachgewiesen werden kann. Klinische Symptome bestehen nicht.

Trichomonas hominis kommt v. a. in warmen Ländern vor und besiedelt das Kolon. Der Erreger ist apathogen.

Trichomonas tenax

Trichomonas tenax

Trichomonas tenax wird nur bei Menschen mit natürlichen Zähnen und nicht optimaler Mundhygiene beobachtet. Bei zahnlosen Säuglingen, Totalprothesenträgern etc. ist kein Nachweis möglich. Eine Mitbeteiligung bei Gingivitis und Parodontitis wird diskutiert. Weltweit sind einige Dutzend Berichte von Lungenbefall durch Trichomonas tenax bei abwehrgeschwächten Patienten bekannt, sodass die Klassifizierung „apathogen“ nur bedingt gilt.

Trichomonas tenax wird nur bei Menschen mit natürlichen Zähnen und schlechter Mundhygiene beobachtet. Selten kann der Erreger die Lunge befallen.

3.4.4 Giardia duodenalis

3.4.4

▶ Synonym. Giardia lamblia, Giardia intestinalis, Lamblia intestinalis.

▶ Definition. Giardia duodenalis ist ein Dünndarmparasit und beim Menschen Erreger einer Enteritis.

Die vegetative Form (Trophozoit) von Giardia duodenalis hat eine birnenförmige Gestalt mit 2 Kernen, 2 median gelegenen Achsenstäben und 8 Geißeln (Abb. F-3.22a, Abb. F-3.22c). Charakteristischerweise besitzen Giardien auf der ventralen Seite eine Saugplatte. Giardien besitzen einen haploiden Chromosomensatz mit 5 verschiedenen Chromosomen. Eigentümlicherweise besitzt die rRNA sowohl Charakteristika von Prokaryonten als auch von Eukaryonten. Damit stellt Giardia lamblia das fehlende Glied in der entwicklungsgeschichtlichen Kette der Lebewesen dar. Weiterhin ist auffallend, dass sie keine Mitochondrien besitzen und anaeroben Stoffwechsel betreiben.

Giardia duodenalis

▶ Synonym.

▶ Definition.

Der Trophozoit, d. h. die vegetative Form, ist erkennbar an den 8 Geißeln und der ventralen Saugplatte (Abb. F-3.22a, Abb. F-3.22c). Giardien haben einen haploiden Chromosomensatz mit 5 Chromosomen. Sie besitzen keine Mitochondrien und betreiben anaeroben Stoffwechsel.

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548

F 3 Medizinisch relevante Protozoen

Entwicklungszyklus: Die Infektion erfolgt durch orale Aufnahme von Zysten im Wasser oder in Lebensmitteln. Die Trophozoiten können nur im Dünndarm überleben. Im Milieu des Dünndarmes bei Anwesenheit von Gallensäure (Lamblien fressen Gallensalze) vermehren sich die Trophozoiten rasch durch Zweiteilung, wobei sie Phospholipide und Sterole als Vorstufen für die Synthese ihrer eigenen zytoplasmatischen Membran aus dem Darminhalt verwenden. Nimmt z. B. die Konzentration von konjugierten Gallensalzen im distalen Darm zu, wird eine dichte, beständige Zellwand ausgebildet. Die so entstehenden vierkernigen Zysten erscheinen dann im Dickdarm und sind direkt infektiös als auch in der Umwelt überlebensfähig (Abb. F-3.22b). Die massive Vermehrung hat Folgen: ■ Eine konfluierende Schicht von Trophozoiten entsteht auf der Oberfläche der Dünndarmzotten. Diese wirkt wie eine mechanische Barriere und stört die Resorption von Nahrungsbestandteilen (Malabsorption). Folge sind voluminöse, speckig glänzende Fettstühle (Steatorrhö). (Da eine Invasion in die Schleimhaut oder sogar eine Dissemination nicht stattfindet, kann man im Grunde nicht von einer wirklichen Infektion sprechen.) ■ Durch die Anheftung der Lamblien mithilfe ihrer Saugplatte (Abb. F-3.22c) an die Oberfläche der Enterozyten kommt es nach einigen Tagen zu einer Atrophie der Mikrovilli. Diese morphologische Änderung, die mit einer gröberen Oberflächenfelderung einhergeht, bedingt eine Verminderung der Resorptionsoberfläche und verstärkt die Malabsorption. Auch die Funktion der Enterozyten, speziell die Bildung von Laktase, wird eingeschränkt. Die Alteration der Enterozyten induziert die Zytokinproduktion, welche wiederum Entzündungen fördert. ■ Lamblien fressen konjugierte Gallensalze. Wenn nun ihre Zahl im Dünndarm stark erhöht ist, kommt es zu einem Mangel an diesen Emulgatoren, sodass die Verdauung der Nahrung erschwert und so die Malabsorption und speziell die Steatorrhö verstärkt wird. Die Stoffwechselprodukte der Lamblientrophozoiten hemmen zusätzlich die Funktion der Verdauungsenzyme im Dünndarm. Dieses veränderte Milieu ist wiederum günstig für eine bakterielle Besiedelung, und es kommt als Folge der Lamblienvermehrung zu einer Vermehrung der Bakterien in diesem Darmabschnitt („bacterial overgrowth“), der sonst nur geringe Bakterienzahlen enthält. Dies verstärkt den entzündlichen Prozess. ■ Die entzündliche Reaktion der betroffenen Schleimhautareale wird durch humorale wie auch zelluläre Immunreaktionen gegen einzelne, lösliche Antigene der intraluminalen Lamblien unterhalten. Andererseits vermittelt diese Immunität zumindest einen partiellen Schutz vor einem Fortschreiten und auch vor einer Reinfektion: Menschen, die häufig exponiert sind, besitzen erhöhte Resistenz gegen den Erreger.

Entwicklungszyklus: Die Trophozoiten leben nur im Dünndarm. Dort vermehren sie sich rasch durch Zweiteilung. Die dickwandige Zyste ist als Dauerform im Dickdarm zu finden (Abb. F-3.22b).

Die rasche Vermehrung hat Folgen: Die konfluierende Schicht von Trophozoiten kann die Resorption von Nahrung stören; Folgen sind Malabsorption und Steatorrhö.





Die Besiedelung der Dünndarmoberfläche führt nach Tagen zu einer Atrophie der Mikrovilli und einer Störung der Enterozytenfunktion. Die Malabsorption verstärkt sich.



Die Trophozoiten leben von den konjugierten Gallensalzen im Dünndarm. Diese fehlen dann als Emulgatoren der fetthaltigen Nahrung, wodurch die Steathorrhö verstärkt wird. Durch das veränderte Milieu kommt es zu einer Vermehrung der Bakterien im Dünndarm („bacterial overgrowth“).



Eine Immunreaktion unterhält die leichte Entzündung der Dünndarmschleimhaut, vermittelt aber auch einen partiellen Schutz vor dem Fortschreiten der Erkrankung.

⊙ F-3.22

Giardia duodenalis a Vegetative Form (Trophozoit). (nach Kayser, F.H. et al.: Medizinische Mikrobiologie. Thieme; 2014)

b Zyste.

(nach Kayser, F.H. et al.: Medizi-

nische Mikrobiologie. Thieme; 2010)

c Auf der Ventralseite besitzt dieser Flagellat eine Saugplatte, mit der er sich an den Zellen des Dünndarmepithels festsaugt.

a

b

c

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549

F 3.4 Flagellaten

Epidemiologie: Die Erreger sind weltweit verbreitet. Im Kindesalter werden sie durch Schmierinfektion direkt von Mensch zu Mensch übertragen, sonst nur noch bei oroanalem Geschlechtsverkehr. Erwachsene erwerben die Zysten durch Lebensmittel, Trinkwasser und selten durch Oberflächenwasser, wenn diese durch infizierte Tiere kontaminiert sind. Aufgrund dieser Übertragungswege treten auch regelmäßig Epidemien auf. Reisende, die aus Gebieten mit hohem sanitärem Standard in Gebiete mit schlechteren Verhältnissen (Campingreisen) kommen und somit noch keine stille Feiung mitbringen, sind besonders gefährdet. Der direkte und indirekte Nachweis von Gardia lamblia ist nach § 7 IfSG namentlich meldepflichtig, wenn ein Hinweis auf eine akute Infektion besteht. Es werden ca. 3 500 Fälle/Jahr gemeldet, jedoch ist die Zahl der tatsächlichen Fälle wesentlich höher.

Epidemiologie: Die Infektion erfolgt über Zysten im Wasser und in Nahrungsmitteln. Bei schlechten sanitären Verhältnissen ist das Infektionsrisiko entsprechend hoch. Ca. 50 % der in Deutschland auftretenden Infektionen sind im Ausland erworben worden. Nach § 7 IfSG namentlich meldepflichtig.

Klinik: Die mit dem Stuhl ausgeschiedenen, infektiösen Zysten werden mit Lebensmitteln oder Trinkwasser verbreitet. Meistens sind Kinder betroffen, während der ersten 6 Lebensmonate – zumal bei Brustmilchernährung – ist die Infektion jedoch selten. Etwa 40 % der Infektionen werden klinisch symptomatisch. Nach einer Inkubationszeit von ca. 1 Woche treten Symptome im rechten Oberbauch auf. Die Betroffenen klagen über Druckgefühl und leichte Übelkeit. Der Stuhl ist voluminös und fettreich (keine Blutbeimengung). Komplikationen vonseiten der Gallenwege sind selten. Nur wenn die Krankheit lange persistiert, kommt es wegen der Malabsorption zu einem Gewichtsverlust bzw. bei Kindern zu Gedeihstörungen. Spontane Heilungen sind häufig, und nicht jede Besiedelung führt zu auffälligen Symptomen. Fieber fehlt meistens, da ja keine Invasion der Schleimhaut erfolgt.

Klinik: Meist sind Kinder betroffen, die über unklare Beschwerden im rechten Oberbauch klagen mit Übelkeit, Diarrhö, Malabsorption, Steatorrhö. Der Verlauf ist meist gutartig und spontane Heilungen sind häufig.

Nachweis: Im nativen Duodenalsekret lassen sich die begeißelten Trophozoiten an ihren zappelnden Bewegungen leicht mikroskopisch identifizieren. Meist steht jedoch nur Stuhl zur Untersuchung zur Verfügung. Allenfalls im akuten Stadium bei beschleunigter Darmpassage gelangen noch einige lebende, bewegliche Trophozoiten in den Dickdarm. Im Allgemeinen werden aber die Zysten im Stuhl gesucht, meist nach Anreicherung, wobei die partikulären Anteile zuerst ausgewaschen und dann zentrifugiert werden. Die Suche kann durch Verwendung von fluoreszenzmarkierten monoklonalen Antikörpern erleichtert werden. Zunehmend werden auch molekularbiologische Methoden zum direkten Erregernachweis verwendet. Der Nachweis von Antikörpern im Serum, z. B. mithilfe von EIA, KBR oder IFT, ist wenig aussagekräftig.

Nachweis: Da der Nachweis von zappelnden Trophozoiten in Dünndarmflüssigkeit nur schwer zu bekommen ist, bleiben der mikroskopische Nachweis von Zysten im Stuhl sowie Antigennachweise und molekularbiologische Methoden.

▶ Exkurs. Der Nachweis von Giardiazysten im Stuhl muss nicht unbedingt für eine Darmsymptomatik beweisend sein. Da die Zahl der symptomlos Infizierten relativ groß ist, muss ein positiver Befund kritisch mit dem klinischen Erscheinungsbild in Einklang gebracht werden. Negative Befunde sind nur aussagekräftig, wenn sie mehrfach erstellt werden.

▶ Exkurs.

Therapie: Eine Behandlung erfolgt nur bei entsprechenden klinischen Beschwerden und nicht bei zufälligem Zystennachweis ohne klinische Symptome. Da Lamblien einen anaeroben Stoffwechsel besitzen, werden Nitroimidazole (Metronidazol, Ornidazol, Tinidazol) durch Reduktion der Nitrogruppe in die aktive Form überführt, welche tödlich für Lamblien ist.

Therapie: Bei klinischen Beschwerden sind Nitroimidazole für die anaeroben Lamblien das Mittel der Wahl.

Prophylaxe: Da die Übertragung oral erfolgt, wobei geringe Erregermengen (103) ausreichen, eine Infektion zu erzeugen, vor allem bei Kleinkindern, sind meistens Fehler bei der Lebensmittelhygiene die Ursache. Eine Sanierung der Trinkwasserversorgungsanlagen ist ebenfalls angezeigt.

Prophylaxe: Sanierung der Trinkwasserversorgungsanlagen.

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Helminthen Dirk Schlüter

©

G

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G

1

Allgemeines

1.1 1.2 1.3

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 Diagnose von Wurminfestationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 Anthelminthika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555

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1.1

Einführung

1.1

Einführung

Siehe auch Kap. „Allgemeine Parasitologie“ (S. 515). ▶ Definition. Als Helminthen bezeichnet man parasitisch lebende Würmer (helmis = gr.: Wurm). Würmer sind vielzellige (Metazoen), eindeutig dem Tierreich zugeordnete Organismen.

Neben der klassischen intestinalen Manifestation können manche Würmer auch extraintestinale Infestationen zeigen. Die Präpatenzzeit, d. h. die Zeitspanne zwischen Infektion (Infestation) und der Geschlechtsreife der Würmer, ist wichtig für die Diagnose (Eiernachweis im Stuhl). Die Präpatenzzeit darf aber nicht im Sinne der Inkubationszeit verstanden werden, da auch die nicht geschlechtsreifen Wurmformen Krankheitssymptome verursachen können. Die Klassifikation der humanpathogenen Vertreter der Würmer ist in Tab. G-1.1 dargestellt.

≡ G-1.1

Klassifikation humanpathogener Helminthen

Stamm

Klasse

Nemathelminthes (= Rund- oder Schlauchwürmer)



Nematoda (= Fadenwürmer)



Acanthocephala (= Kratzer)

Plathelminthes (= Plattwürmer)



Trematodes (= Saugwürmer)



Cestodes (= Bandwürmer)

▶ Definition.

Zur Klassifikation humanpathogener Stämme s. Tab. G-1.1.

≡ G-1.1

Würmer durchlaufen in ihren Vermehrungszyklen verschiedene Stadien, wobei sie dabei oft auch den Wirt wechseln. Wirte können diverse Wirbeltiere, aber auch andere Lebewesen sein. Dadurch wird die Biologie mancher Würmer recht vielfältig und komplex. Für präventive Maßnahmen ist die Kenntnis dieser Besonderheiten von Bedeutung. Wichtige Begriffe, die das Verhältnis zwischen Parasit (Wurm) und Wirt beschreiben zeigt Tab. F-1.1.

1.2

Diagnose von Wurminfestationen

Die Diagnose einer Wurminfestation wird beim Menschen durch den Nachweis des vollständigen Wurmes oder seiner Teile (Glieder) bzw. der Larve gesichert. Auch ein mikroskopischer Einachweis kann zur Diagnose dienen (Abb. G-1.1). Eine Übersicht der Diagnosemöglichkeiten für die in diesem Kapitel besprochenen Helminthen gibt Tab. G-1.2. Zusätzlich gelingt in einigen Fällen der Nachweis von spezifischen Antikörpern. Als Hinweis für Wurminfestationen gelten Eosinophilie und eine globale IgE-Erhöhung im Blut.

1.2

Diagnose von Wurminfestationen

Die definitive Diagnose humaner Wurminfestationen kann mithilfe des Nachweises von vollständigen Würmern, Teilen, Larven oder auch Eiern gestellt werden (Tab. G-1.2, Abb. G-1.1). Eine Eosinophilie und IgE-Erhöhung sind allgemeine Hinweise auf eine Wurminfestation.

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554

≡ G-1.2

G

1 Allgemeines

≡ G-1.2

Übersicht zur Diagnose von Wurminfestationen

Wurm

Nachweis von Wurm bzw. Larve

Einachweis

Enterobius

Stuhl, Vaginalsekret

im Abklatsch von Perianalhaut

Ascaris

Stuhl, Erbrochenes

Stuhl

Anisakis

bei Gastroskopie in der Magenwand sichtbar

entfällt

Ancylostoma

bei Endoskopie in der Dünndarmwand sichtbar

Stuhl

Strongyloides

evtl. Larven im Stuhl

Stuhl (Larven oft schon geschlüpft!)

Trichuris

bei Endoskopie in der Darmwand sichtbar

Stuhl

Trichinella

abgekapselte Larven im Muskelbiopsat

entfällt

Filarien

Larven evtl. in der Blutbahn (Wuchereria und Brugia nachts, Loa mittags) Onchocercanachweis im „skin snip“

entfällt

Dracunculus

Austritt des adulten Wurms aus Hautwunde

entfällt

Nematoden

Trematoden Schistosoma

Stuhl, Urin

Opisthorchis

theoretisch durch Biopsie möglich (wird in der Praxis nicht durchgeführt)

Fasciola Paragonimus

Stuhl, Duodenalsaft Stuhl, Duodenalsaft Sputum

Zestoden

⊙ G-1.1

Diphyllobothrium

Wurm bzw. Proglottiden im Stuhl

Stuhl

Taenia

Wurm bzw. Proglottiden im Stuhl (viele Uterusverzweigungen bei T. saginata, wenige bei T. solium)

Stuhl (keine artspez. Unterschiede)

Echinococcus

Finnen in Biopsie bzw. in OP-Material

entfällt

Hymenolepis

entfällt

Stuhl

⊙ G-1.1

Mikroskopischer Einachweis

90 μm 60 μm 30 μm Clonorchis sinensis

Hymenolepis nana

Taenia

Trichuris trichiura

Enterobius vermicularis

Hakenwurm

Ascaris lumbricoides

Diphyllobothrium latum

150 μm 120 μm 90 μm 60 μm 30 μm Fasciola hepatica

Schistosoma haematobium Schistosoma japonicum

Schistosoma mansoni

Fasciolopsis buski

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555

G 1.3 Anthelminthika

1.3

Anthelminthika

1.3

Bei einer Infestation des Darmes liegen die Würmer zumeist im Darmlumen, wo sie für oral aufgenommene Anthelminthika leicht zugänglich sind, selbst wenn diese gar nicht resorbierbar sind. Einige diese Medikamente lähmen den Energiestoffwechsel, die Muskulatur oder die Nerven der adulten Würmer im Darmlumen. Die inaktivierten Würmer werden dann mit dem Kot ausgeschieden. Bei einer systemischen Infestation ist dagegen nur die Verabreichung resorbierbarer Medikamente sinnvoll, welche die Würmer abtöten. Das Wirkspektrum verschiedener Anthelminthika zeigt Tab. G-1.3.

≡ G-1.3

Wirkspektrum

Pyrantel

Nematoden

Mebendazol

Albendazol

Diethylcarbamazin Ivermectin Praziquantel

Niclosamid



Enterobius



Ascaris



Enterobius



Ascaris



Trichuris



Ancylostoma

Zestoden



Echinococcus

Nematoden



Ascaris

Zestoden



Echinococcus

Nematoden



Toxocara



Filarien



Filarien



Strongyloides

Trematoden



Alle

Zestoden



Taenia



Diphyllobothrium



Hymenolepis



Taenia



Diphyllobothrium

Nematoden

Nematoden

Zestoden

Nicht resorbierbare Anthelminthika eignen sich nur für Darminfestationen, bei systemischen Infestationen müssen resorbierbare Wirkstoffe eingesetzt werden (s. auch Tab. G-1.3).

≡ G-1.3

Wirkspektrum verschiedener Anthelminthika

Wirkstoff

Anthelminthika

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555

G 1.3 Anthelminthika

1.3

Anthelminthika

1.3

Bei einer Infestation des Darmes liegen die Würmer zumeist im Darmlumen, wo sie für oral aufgenommene Anthelminthika leicht zugänglich sind, selbst wenn diese gar nicht resorbierbar sind. Einige diese Medikamente lähmen den Energiestoffwechsel, die Muskulatur oder die Nerven der adulten Würmer im Darmlumen. Die inaktivierten Würmer werden dann mit dem Kot ausgeschieden. Bei einer systemischen Infestation ist dagegen nur die Verabreichung resorbierbarer Medikamente sinnvoll, welche die Würmer abtöten. Das Wirkspektrum verschiedener Anthelminthika zeigt Tab. G-1.3.

≡ G-1.3

Wirkspektrum

Pyrantel

Nematoden

Mebendazol

Albendazol

Diethylcarbamazin Ivermectin Praziquantel

Niclosamid



Enterobius



Ascaris



Enterobius



Ascaris



Trichuris



Ancylostoma

Zestoden



Echinococcus

Nematoden



Ascaris

Zestoden



Echinococcus

Nematoden



Toxocara



Filarien



Filarien



Strongyloides

Trematoden



Alle

Zestoden



Taenia



Diphyllobothrium



Hymenolepis



Taenia



Diphyllobothrium

Nematoden

Nematoden

Zestoden

Nicht resorbierbare Anthelminthika eignen sich nur für Darminfestationen, bei systemischen Infestationen müssen resorbierbare Wirkstoffe eingesetzt werden (s. auch Tab. G-1.3).

≡ G-1.3

Wirkspektrum verschiedener Anthelminthika

Wirkstoff

Anthelminthika

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G

2

Nematoda (Fadenwürmer)

2.1 2.2 2.3

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nematoden mit Darminfestationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nematoden mit extraintestinalen Infestationen . . . . . . . . . . . . . .

2.1

Allgemeines

556 557 566

© sonnenlicht - Fotolia.com

2.1

Allgemeines

▶ Definition.

▶ Definition. Nematoden (nema = gr.: Faden) sind lang gestreckte, fadenförmige, im

Querschnitt runde Würmer von wenigen Millimetern bis zu 1 Meter Länge. Nematoden können sich mithilfe ihrer Längsmuskulatur schlängelnd fortbewegen. Sie besitzen einen kompletten Intestinaltrakt mit Exkretionsorgan und ein primitives Nervensystem. Nematoden sind getrenntgeschlechtlich und besitzen charakteristische Begattungsorgane. Die Vermehrung erfolgt vom Ei über ein einheitliches Prinzip von 4 Larvenstadien (L 1 bis L 4). Erfolgt im Entwicklungszyklus ein Wirtswechsel, so findet dieser in der Regel zwischen L 1 und L 2 oder L 3 und L 4 statt. Klassifikation: Tab. G-2.1.

≡ G-2.1

Klassifikation: Tab. G-2.1 gibt einen Überblick über die humanmedizinisch relevanten Familien der über 30 000 Arten enthaltenden Würmerklasse der Nematoden. Die Einteilung der Nematoden in solche mit hauptsächlich intestinaler und solche mit hauptsächlich extraintestinaler Manifestation ist fließend. Obwohl extraintestinale Larvenbewegungen bei sehr vielen Nematodenarten Ursache klinischer Symptome sind, ist für diagnostische Überlegungen die Zuordnung „Darmbefall – Gewebemanifestation“ jedoch von entscheidender Bedeutung (Stuhluntersuchung? Blutuntersuchung? Histologie? etc.).

≡ G-2.1

Klinisch wichtige Nematoden mit intestinaler und extraintestinaler Infestation

Familie*

Ort der Infestation

Vorkommen in Europa

Ancylostomatidae ■

Ancylostoma duodenalis

Haut, Lunge, Darm

selten



Necator americanus

Haut, Lunge, Darm

nein

Ascarididae ■

Ascaris lumbricoides

Lunge, Darm

ja



Anisakis simplex

Darm

ja



Toxocara canis, Toxocara cati

Haut, Auge, ZNS, Lunge, Leber, Muskulatur

ja

Filariidae ■

Wuchereria, Brugia

Lymphgefäße

nein



Loa loa

Haut, Auge

nein



Onchocerca volvulus

Haut, Auge

nein

Darm, perianale Haut

ja

Haut, Lunge, Darm, disseminierte Infektion

ja

Darm, Muskulatur, Auge, ZNS

ja

Darm

ja

Oxyuridae ■

Enterobius vermicularis

Rhabditidae ■

Strongyloides stercoralis

Trichinella ■

Trichinella spiralis

Trichuridae ■

Trichuris trichiura

* nicht alle Arten werden im Text besprochen

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G

2.2

557

2.2 Nematoden mit Darminfestationen

Nematoden mit Darminfestationen

2.2.1 Oxyuridae

2.2

Nematoden mit Darminfestationen

2.2.1

Oxyuridae

▶ Definition.

▶ Definition. Oxyuren sind kleine, madenartige Würmer und werden deshalb auch so bezeichnet (Madenwürmer). Die männlichen Individuen sind maximal 5 mm lang, die Weibchen 9–12 mm. Typisch sind die dünnen, spitz auslaufenden hinteren Körperenden („Pfriemenschwänze“) und die auffallend weiße Färbung.

Klassifikation: Es existieren zahlreiche Arten. Für den Menschen von Bedeutung ist hauptsächlich Enterobius vermicularis.

Klassifikation: Von humanmedizinischem Interesse ist nur die Art Enterobius vermicularis.

Enterobius vermicularis

Enterobius vermicularis

Bedeutung und Epidemiologie: Der weltweit verbreitete Madenwurm (Abb. G-2.1) ist einer der häufigsten Infektionserreger. Man schätzt, dass ca. 1 Milliarde Menschen betroffen sind. Er ist auch in den Industrienationen weit verbreitet und Verursacher der Enterobiose (Madenwurmbefall). Frauen sind häufiger betroffen als Männer, Kinder und Jugendliche mehr als ältere Menschen.

Bedeutung und Epidemiologie: Der weltweit verbreitete Madenwurm ist der Erreger der Enterobiose (auch Oxyurose oder schlicht Madenwurmbefall, Abb. G-2.1).

Entwicklungszyklus: Der Mensch ist End- und Hauptwirt. Die adulten Würmer leben auf der Dickdarmschleimhaut sowie im Bereich des Zäkums. Nach der Kopulation sterben die männlichen Würmer ab, während das Weibchen zum Anus wandert. Nachts überwindet es den Sphinkter und legt mehr als 10 000 Eier auf die Perianalhaut. Die Eier sind mit einer klebrigen Eiweißhülle versehen, die dafür sorgt, dass sie auf der Haut und anderen Gegenständen fest haften. In den Eiern kann sich bei Hauttemperatur innerhalb von 4–6 Stunden aus der infektionsfähigen Erstlarve die Zweitlarve entwickeln (Abb. G-2.1). Die Eier bleiben in feuchter Umgebung 2–3 Wochen lebensfähig. Aus den oral aufgenommenen Eiern (auch fäkal-oraler Kurzschluss möglich) schlüpfen die Larven im Wirtsdarm. Sie machen mehrere Häutungsstadien (Larvenstadien 3 und 4) durch und erreichen so innerhalb von 5–6 Wochen die Geschlechtsreife. Möglicherweise können die auf der Perianalhaut freigesetzten ersten Larven auch retrograd vom Anus in den Darm zurückwandern und damit das Infektionsgeschehen unterhalten.

Entwicklungszyklus: Die adulten Würmer leben auf der Dickdarmschleimhaut des Menschen, der End- und Hauptwirt ist. Die befruchteten Weibchen wandern zum Anus. Nachts überwinden sie den Sphinkter und legen Eier ab, in denen sich die infektiösen Zweitlarven entwickeln (Abb. G-2.1). Nach oraler Aufnahme der Eier reifen diese im Darm durch mehrfache Häutung zum geschlechtsreifen Wurm.

Transmission: Die auf der Perianalschleimhaut herumkriechenden, eiablegenden Würmer erzeugen einen heftigen Pruritus, der zu unbewusstem Kratzen im Schlaf führt. Bei jüngeren Kindern erfolgt die Übertragung noch in derselben Nacht durch den digitalen Transfer (Fingerlutschen) vom Anus zum Mund. Bei älteren Kindern und Erwachsenen spielt die Kontaktinfektion eine wichtige Rolle. Die klebrigen Wurmeier bleiben auf Spielzeug und Bedarfsgegenständen (z. B. Bettwäsche) haften oder werden selbst auf dem Luftweg via Staubaufwirbelung (z. B. Bettenmachen) verbreitet.

Transmission: Die auf der Perianalhaut kriechenden Würmer verursachen einen Pruritus, der zu unbewusstem Kratzen im Schlaf mit nachfolgender fäkal-oraler Übertragung führt. Auch Kontaktinfektionen durch kontaminierte Gegenstände spielen eine Rolle.

⊙ G-2.1

Enterobius vermicularis (Madenwurm)

Hülle

Größe Lebenserwartung Präpatenzzeit Eier

♂ 2 – 5 mm ♀ 9 – 12 mm ca. 100 Tage ca. 2 Wochen ca. 30 × 50 μm Embryo

a a Steckbrief. b Schema: Ei mit Embryo. c Lichtmikroskopische Aufnahme.

b

c

(Groß U.: Kurzlehrbuch Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Thieme; 2013)

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558

G

2 Nematoda (Fadenwürmer)

Klinik: Gedeih- und Verhaltensstörungen sind bei Kleinkindern mögliche Folgen des Analpruritus. Der Befall der weiblichen Genitalorgane führt zu Entzündungen. Nur bei massivstem Wurmbefall sind Darmentzündungen, Appendizitis und Peritonitis zu befürchten. Im Regelfall ist die Enterobiose harmlos.

Klinik: Der durch den Wurmbefall hervorgerufene starke Juckreiz führt den Patienten in der Regel zum Arzt. Bei Kleinkindern kann er Gedeih- und Verhaltensstörungen, z. B. indirekt durch Schlafstörung, bewirken. Bei Mädchen und Frauen besteht die Gefahr, dass die Würmer die Genitalorgane befallen und dort Entzündungsreaktionen verursachen. Bei massivstem Befall können die Würmer auch entzündliche Läsionen in der Darmwand, Appendizitis und in schlimmsten Fällen auch Darmperforationen mit letal endender Peritonitis verursachen. Im Regelfall ist die Enterobiose aber eine harmlose Erkrankung.

Nachweis: Im Blutausstrich ist eine Eosinophilie oft schon ein erster Hinweis für einen Wurmbefall. Auch Gesamt-IgE kann im Serum deutlich erhöht sein. Methode der Wahl ist der mikroskopische Nachweis der Wurmeier auf der Perianalhaut durch Klebestreifenabklatsch. Die Wurmeier sind dünnschalig und lassen die Larve erkennen (Abb. G-2.1).

Nachweis: Im Blutausstrich kann eine Eosinophilie schon ein erster Hinweis für einen Wurmbefall sein. Auch Gesamt-IgE kann im Serum deutlich erhöht sein. Bei sehr starkem Befall können die adulten Madenwürmer im Stuhl nachgewiesen werden. Auf dem Kot erkennt man bereits ohne Hilfsmittel die kleinen weißlichen Würmchen, die sich peitschenartig hin- und herbewegen. Methode der Wahl ist der mikroskopische Eiernachweis auf der Perianalhaut, wobei frühmorgens die Chance am größten ist, Eier zu finden. Die Perianalhaut wird mit einem durchsichtigen Klebefilm kurz beklebt. Der Film wird dann abgezogen und auf einen Objektträger gebracht (Abklatsch). Die Eier von Enterobius vermicularis sind längsoval und dünnschalig. Die Larve ist im Ei erkennbar (Abb. G-2.1).

Therapie: Albendazol, Mebendazol, Pyrantel.

Therapie: Zur Therapie eignen sich Mebendazol, Albendazol oder Pyrantel. Nahe Angehörige sollten mitbehandelt werden. Eventuell sollte die Therapie nach 14-tägiger Pause wiederholt werden.

Prophylaxe: Eine Streuung der infektiösen Wurmeier muss verhindert werden. Als Hygienemaßnahme empfehlen sich eng anliegende Unterhosen, Auskochen von Wäsche, Kürzen der Fingernägel, sorgfältigste Händehygiene und Abwaschen von möglicherweise kontaminierten Gegenständen mit heißem Wasser.

Prophylaxe: Wurmbefall innerhalb einer Familie und in Kinderkollektiven sollte zu besonderen Hygienemaßnahmen führen, um eine Ausstreuung der Eier zu unterbinden. Hierzu zählen: ■ Behandlung der Analhaut sowie der Vaginalhaut mit Skinsept mucosa, ■ Tragen eng anliegender Unterhosen, um das nächtliche Kratzen zu unterbinden und um das Eintragen der Wurmeier in die Bettwäsche zu verhindern, ■ Kürzen der Fingernägel, ■ Auskochen von Unter- und Bettwäsche, Handtüchern, Waschlappen etc., ■ Reinigung von Spielzeug und möglichen kontaminierten Gegenständen mit heißem Wasser, ■ strengste Händehygiene, wobei in diesem Falle nur chlorhexidinhaltige Mittel wirksam sind. Der Einsatz von Flächendesinfektionsmitteln wie Biguanide und Phenole ist effektiv. Gewöhnliche Haushaltsstaubsauger dagegen verteilen nur die Eier!

2.2.2

2.2.2 Ascarididae

Ascarididae

▶ Definition.

▶ Definition. Askariden oder Spulwürmer sind große Rundwürmer. Die männlichen

Individuen können bis zu 25 cm, die weiblichen bis zu 40 cm lang werden. Klassifikation: Tab. G-2.2.

≡ G-2.2

Klassifikation: Tab. G-2.2 gibt einen Überblick über die humanmedizinisch relevanten Askaridenarten.

≡ G-2.2

Humanmedizinisch relevante Arten der Askariden*

Art

Hauptwirt

klinische Bedeutung

Ascaris lumbricoides

Mensch

sehr groß

Ascaris suum

Schwein

gering

Anisakis simplex

Meerestiere

nicht unerheblich

Toxocara canis

Hund

nicht unerheblich

Toxocara cati

Katze

nicht unerheblich

* nicht alle werden im Folgenden besprochen

Bedeutung: Hauptvertreter mit der größten humanmedizinischen Relevanz ist Ascaris lumbricoides.

Bedeutung: Obwohl sicherlich Ascaris lumbricoides die größte humanmedizinische Bedeutung zukommt, da dieser Askaride der einzige ist, bei dem der Mensch als End- und Hauptwirt auftritt, dürfen die anderen in Tab. G-2.2 aufgeführten Arten nicht völlig außer Acht gelassen werden. Zwar werden diese Askariden im Menschen nicht geschlechtsreif, sie können jedoch auch als Larven in verschiedenen Organen nicht unerhebliche Schäden verursachen. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

G

559

2.2 Nematoden mit Darminfestationen

Ascaris lumbricoides

Ascaris lumbricoides

Bedeutung und Epidemiologie: Ascaris lumbricoides ist mit ca. 1 Milliarde Infestationen einer der weltweit häufigsten Erreger von Infektionskrankheiten. Hauptendemiegebiete finden sich in Ländern Ostasiens, Afrikas und Lateinamerikas. In diesen Ländern werden – besonders bei Kindern – hohe Raten an wurmbedingten Pneumonien beobachtet (Ascarislarven plus bakterielle Superinfektion bei reduziertem Allgemeinzustand!). Die Zahl der Todesfälle wird auf ca. 20 000 geschätzt. In Mitteleuropa ist seit den 50er Jahren der Spulwurmbefall deutlich zurückgegangen.

Bedeutung und Epidemiologie: Ascaris lumbricoides ist weltweit verbreitet. In den Entwicklungsländern muss mit hoher Letalität gerechnet werden, die vor allem durch den Larvenbefall der Lunge verursacht wird. In Mitteleuropa ist der Spulwurmbefall rückläufig.

Entwicklungszyklus: Die geschlechtsreifen getrenntgeschlechtlichen Spulwürmer (Abb. G-2.2 und Abb. G-2.3) sind bleistiftdick, von gelblich rosa Färbung und leben im Dünndarm (ascaris = Eingeweidewurm). Die weiblichen Individuen produzieren täglich bis zu 200 000 Eier, die mit den Fäzes an die Umwelt verbracht werden. Im feuchten, sauerstoffhaltigen und warmen Milieu (ca. 25 °C) entwickelt sich in den Eiern (ca. 50 μm) innerhalb von 2–6 Wochen die infektionsfähige L 2-Generation. Werden die Eier oral aufgenommen, schlüpfen diese Larven (260 μm) im oberen Dünndarm. Sie dringen in die Darmwand ein, finden Anschluss an das venöse Blutgefäßsystem und gelangen über die Leber (dort Häutung zum Larvenstadium 3) in die Lunge. Für diesen Weg benötigen sie 4–7 Tage. In der Lunge verlassen sie das Gefäßsystem und häuten sich in den Alveolen zum Larvenstadium 4 (Länge 1,4 mm). Diese Larve wandert in den luftführenden Systemen der Lunge zur Trachea und gelangt über den Pharynx nach reflektivem Verschlucken (nachts, im Schlaf) wiederum in den Dünndarm, wo die Reifung zum adulten Wurm erfolgt. Etwa 10– 12 Wochen nach der Infestation werden Spulwürmer im Stuhl ausgeschieden. Adulte Askariden werden ca. 18 Monate alt.

Entwicklungszyklus: Die adulten Spulwürmer sind bleistiftdick, gelblich rosa und leben im Dünndarm (Abb. G-2.2 und Abb. G-2.3). In den mit den Fäzes an die Umwelt verbrachten Eiern entwickelt sich eine infektionsfähige Larve. Nach oraler Aufnahme der Eier schlüpft diese Larve im oberen Dünndarm, durchdringt die Darmwand und findet Anschluss an das Blutgefäßsystem und gelangt über die Leber in die Lunge. In der Lunge häuten sich die Larven in den Alveolen und wandern zur Trachea, durch Verschlucken wiederum in den Darm, wo die Reifung zum adulten Wurm erfolgt.

⊙ G-2.2

Ascaris lumbricoides gebuckelte Hülle

Größe Lebenserwartung Präpatenzzeit Eier

a

Membran

Embryo

♂ 25 cm lang, ca. 6 mm dick ♀ 40 cm lang, ca. 6 mm dick 1 – 1,5 Jahre ca. 3 Monate 45 × 60 μm, dickschalig

b

c

a Steckbrief. b Ei. c Adulter Wurm.

Transmission: Die Eier von Spulwürmern sind außerordentlich widerstandsfähig. Sie können im feuchten Erdmilieu monatelang überleben. Eine klebrige, äußere Proteinhülle verschafft ihnen eine gute Haftungsfähigkeit. Klassischer Weg einer Infestation ist der Verzehr von mit Fäkalien „kopfgedüngtem“ Salat. Die Salatpflanzen werden mit Jauche zum Zwecke der Düngung übergossen. Wurmeier haften auf den Salatblättern und werden durch den sanften Reinigungsprozess bei der Zubereitung weder entfernt noch inaktiviert. Eine Kontamination ist auch möglich, wenn Anpflanzungen mit fäkalienhaltigem Oberflächenwasser (Flusswasser) bewässert werden.

Transmission: Klassischer Weg der Wurminfestation ist der Genuss kopfgedüngten Salates. Die mit einer klebrigen Proteinschicht versehenen Wurmeier haften an der Pflanze, die mit Fäkalien gedüngt wurde. Die Wurmeier sind sehr widerstandsfähig und können monatelang überleben.

Klinik: Die Infestation führt zur Askariose (Spulwurmbefall), einer meist latent verlaufenden Krankheit. Die wandernden Larven können zu entzündlichen, eosinophilen Infiltrationen in der Lunge führen (Löffler-Infiltrat) und Ursache von Husten, Dyspnoe und leichtem Fieber sein. Konglomerate adulter Würmer (Abb. G-2.3a) bewirken einen Darmverschluss (Wurmileus), der einer dringlichen chirurgischen Intervention bedarf. Wandern die Würmer in die Gallenwege (Abb. G-2.3b), ins Prankreas oder in den Magen, resultieren entsprechende klinische Erscheinungsbilder (z. B. Ikterus durch Abflussstörungen der Gallenwege etc.).

Klinik: Die Askariosen verlaufen meist latent. Wandernde Larven führen zu Lungeninfiltraten. Würmerkonglomerate im Darm (Abb. G-2.3a) können Ursache eines Ileus sein. Der Befall von Gallengang (Abb. G-2.3b), Pankreas oder Magen, führt zu entsprechenden klinischen Erscheinungsbildern.

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560

G

⊙ G-2.3

2 Nematoda (Fadenwürmer)

Ascaris lumbricoides - adulte Formen

a

b a Mehrere adulte Spulwürmer können bei einem Patienten gleichzeitig vorkommen. Sie bewirken dann als Bezoar eine mechanische Blockade der Darmpassage, was zu einem Ileus führen kann. b Endoskopische Aufnahme eines adulten Ascaris lumbricoides. (Beglinger C. Gastrointestinale und biliäre Parasitosen – Update. Gastroenterologie up2date 2015; 11 (02): 101–117)

Allergien gegen Wurmantigene oder Stoffwechselmetaboliten erzeugen Abdominalbeschwerden.

Ob die Würmer im Darm als „Mitesser“ einen Einfluss auf die Nahrungsbilanz haben, ist umstritten. Gewichtsverlust bei Wurminfestation ist meist eine Sekundärerscheinung, die durch Abdominalbeschwerden, Übelkeit oder Erbrechen erklärt werden kann. Diese Symptome sind häufig Ausdruck einer Allergie gegen Wurmantigene oder gegen von Würmern ausgeschiedene Stoffwechselmetaboliten.

Nachweis: Die mikrobiologische Diagnose beruht auf dem Nachweis der Wurmeier im Stuhl. Diese sind zitronenförmig, höckerig und von dunkelbrauner Färbung.

Nachweis: Die mikrobiologische Diagnostik beruht hauptsächlich auf dem Nachweis der Wurmeier im Stuhl. Diese sind dickschalig, von höckerigem, zitronenförmigem Aussehen. Durch den Stuhl sind die Eier in der Regel dunkelbraun angefärbt. Eine Infektion mit ausschließlich männlichen oder weiblichen Würmern ist so aber nicht zu erfassen. Der Abgang ganzer Würmer ist auch möglich. Nicht selten werden Askariosen bei der Röntgenaufnahme des Darmes oder bei Endoskopien diagnostiziert. Gleiches gilt für den Larvenbefall der Lunge, wo sich im Röntgenbild wolkenartige Verschattungen zeigen. Im Blutbild fällt eine Eosinophilie auf. Der Befall mit Larven führt zur Produktion spezifischer IgE-Antikörper. Zusätzlich kommt es jedoch auch zu einer polyklonalen IgE-Produktion und folglich zu hohen IgE-Titern im Serum. Solche begleitenden Immunreaktionen können erstaunliche immunpathologische Komplikationen auslösen, die sich an Haut (Urtikaria), Gelenken oder inneren Organen manifestieren.

Bei der Blutuntersuchung fallen eine Eosinophilie und hohe IgE-Titer auf.

Therapie: Albendazol, Mebendazol oder Ivermectin. ▶ Merke.

Therapie: Mebendazol oder alternativ Albendazol und Ivermectin können zur Behandlung verwendet werden. ▶ Merke. Pyrantelverbindungen sowie Mebendazol sind als Mittel der Wahl nur darm-

wirksam. Die Larvenstadien während der Körperwanderung werden nicht erfasst. Eine Wiederholung der Behandlung nach ca. 3 Wochen ist deshalb dringend zu empfehlen. Prophylaxe: Pflanzliche Nahrungsmittel, die in ungegartem Zustand verzehrt werden, sollten einer sorgfältigen Reinigung unterzogen werden.

Prophylaxe: Als generelle Hygienemaßnahme kann nur die sorgfältige Reinigung von pflanzlichen Lebensmitteln empfohlen werden, die im rohen Zustand verzehrt werden (Salate, Gemüse, Obst). Besondere Vorsicht ist angezeigt in Regionen, in denen Abwasserverrieselung, Kopfdüngung („biologische“ Düngung) und Bewässerung von Pflanzungen mit Oberflächenwasser praktiziert wird. Reisende sollten auch hier den Spruch beherzigen: Koch es, schäl es oder vergiss es!

Anisakis simplex

Anisakis simplex

Bedeutung: Anisakisspezies und andere Spulwurmgattungen sind Erreger der Heringswurmerkrankung (Anisakiasis). Die Larven finden sich in den Bauchlappen von Salzwasserfischen.

Bedeutung: Anisakisspezies und andere Spulwurmgattungen (Contracaecum, Phocanema, Terranova) sind Erreger der Anisakiasis oder Heringswurmerkrankung, die in Deutschland aber selten vorkommt. Endwirte dieser Spulwürmer sind Meeressäugetiere (Robben, Wale, Delphine). Ihre Larven besiedeln auf noch nicht völlig geklärten Wegen Salzwasserfische, in deren Bauchlappen sie sich einnisten. Bis zu 50 % der Heringe können Träger sein. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

G

561

2.2 Nematoden mit Darminfestationen

Pathogenese: Werden die Larven vom Menschen aufgenommen, was ausschließlich über rohen (z. B. Sushi) oder ungenügend gesalzenen, geräucherten oder erhitzten Fisch (hauptsächlich Hering) möglich ist, bohren sie sich in die Darmwand, wo sie entzündliche Granulome erzeugen, wodurch diese Parasiten zugrunde gehen (Mensch = Fehlwirt).

Pathogenese: Nach oraler Aufnahme dringen die Larven in die Darmwand ein und erzeugen Granulome, in denen sie absterben.

Klinik: Im Vordergrund stehen die Beschwerden, die durch die entzündliche Reaktion in der Magenwand hervorgerufen werden. In seltenen Fällen kommt es zu einer Perforation mit nachfolgender Peritonitis.

Klinik: Im Vordergrund stehen gastrointestinale Beschwerden. Selten kommt es zu einer Perforation der Magenwand mit anschließender Peritonitis. Nachweis: direkter Wurmnachweis mittels Gastroskopie.

Nachweis: Bei der Gastroskopie fallen die Würmer auf, die in die Schleimhaut eingedrungen sind. Der Nachweis von Serumantikörpern ist erst spät möglich, sodass er nicht zur Klärung der akuten Beschwerden herangezogen werden kann. Therapie: Neben der chirurgischen Intervention, die aufgrund der klinischen Symptomatik manchmal notwendig ist, kann Albendazol eingesetzt werden.

Therapie: Albendazol.

Prophylaxe: Eine Fisch-Hygieneverordnung schützt den Verbraucher: Entfernung der Bauchlappen und Einfrieren von Heringen über 24 Stunden bei –20 °C töten die Larven ab. Süßwasserfische und gegarte Seefische sind generell unbedenklich.

Prophylaxe: Eine Fisch-Hygieneverordnung sieht als Schutzmaßnahme das 24-stündige Tieffrieren (–20 °C) des Fisches und die Entfernung der Bauchlappen vor.

Toxocara canis und Toxocara cati

Toxocara canis und Toxocara cati

Bedeutung und Epidemiologie: Toxocara canis und Toxocara cati sind weltweit verbreitete Spulwürmer der Hunde und Katzen. Befallen ihre Larven den Menschen, entwickelt sich das Larva-migrans-visceralis-Syndrom. Serologische Untersuchungen belegen, dass ca. 10 % der europäischen Bevölkerung Kontakt hatten. Damit ist die Toxocariasis nach der Toxoplasmose die häufigste Gewebeparasitose. Durch die Unsitte, Spielplätze als Hunde- und Katzenklosetts zu missbrauchen, stellen diese eine wichtige Infektionsquelle dar.

Bedeutung und Epidemiologie: Toxocarae canis et cati sind die weltweit verbreiteten Spulwürmer von Hunden und Katzen. Der Befall mit ihren Larven ruft beim Menschen das Larva-migrans-visceralis-Syndrom hervor.

Pathogenese: Die Infektion wird durch die orale Aufnahme von Wurmeiern initiiert, die mit dem Kot von Hunden oder Katzen ausgeschieden werden, dann allerdings ca. 1 Monat an der Umwelt reifen müssen. Die Larven können die Darmwand durchbrechen und sich praktisch in allen Organen des Menschen (Fehlwirt) absiedeln. Klinische Symptome entstehen allerdings nur, wenn mehrere hundert Larven ein Organ befallen.

Pathogenese: Nach oraler Aufnahme der Eier, durchbrechen die geschlüpften Larven die Darmwand. Die Larven können alle Organe des Menschen besiedeln, der einen Fehlwirt darstellt. Die absolute Mehrheit der Infestationen verläuft inapparent.

Transmission: Ein direkter Übertragungsweg besteht im intensiven Kontakt zu Hunden und Katzen, in deren Fell die Eier persistieren können. Eine besondere Infektionsquelle stellen Sandkästen auf Kinderspielplätzen dar.

Transmission: Übertragungsquellen sind der intensive Kontakt zu Hunden und Katzen, in deren Fell die Eier persistieren können, und Sandkästen auf Kinderspielplätzen. Klinik: In ca. 50 % der klinischen Fälle ist das Auge betroffen (Visusverlust).

Klinik: Etwa die Hälfte aller klinisch manifesten Fälle betrifft das Auge. Ein Visusverlust führt den Patienten zum Augenarzt. Lunge, Leber, ZNS und Muskulatur sind weitere Lokalisationsorte. Nachweis: Der Nachweis von Eiern bzw. adulten Würmern ist nicht möglich, da im Menschen als Fehlwirt diese Stadien nicht gebildet werden. Serologische Untersuchungen können die klinische Diagnose stützen.

Nachweis: Serologische Untersuchungen können die klinische Diagnose stützen.

Therapie: Albendazol und Mebendazol sind die Mittel der Wahl.

Therapie: Albendazol und Mebendazol.

Prophylaxe: Neben der regelmäßigen Entwurmung von Hund und Katze muss vor allem sichergestellt werden, dass diese Haustiere nicht die Sandkästen auf Kinderspielplätzen als Klosett benutzen. Da dies nur unzureichend durchgesetzt werden kann, ist der regelmäßige Austausch des Sandes in den Spielkästen unabdingbar.

Prophylaxe: Hund und Katze müssen deshalb regelmäßig entwurmt werden. Der regelmäßige Austausch des Sandes auf Spielplätzen ist aus hygienischer Sicht unabdingbar.

2.2.3 Ancylostomatidae

2.2.3

▶ Definition. Ancylostomatidae oder Hakenwürmer sind 0,7–1,8 cm lange Fadenwürmer, deren Vorderende hakenartig abgebogen ist (ankylos = krumm). Charakteristisch für die Würmer ist weiterhin eine Mundkapsel mit zahnartigen Strukturen (stoma = Mund).

Klassifikation: Von humanmedizinischer Bedeutung sind Ancylostoma duodenale und Necator americanus.

Ancylostomatidae

▶ Definition.

Klassifikation: Von Bedeutung sind Ancylostoma duodenale und Necator americanus.

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562

G

2 Nematoda (Fadenwürmer)

Bedeutung: Ancylostomatidose und Larvamigrans-cutanea-Syndrom (Abb. G-2.5) sind Krankheitsbilder, die von Hakenwürmern verursacht werden.

Bedeutung: Ancylostomatidae können beim Menschen zwei Krankheitsbilder initiieren: Ancylostoma duodenale und Necator americanus sind Ursache der Ancylostomatidose bzw. Hakenwurmkrankheit; die primär tierpathogenen Arten können beim Befall des Menschen das Larva-migrans-cutanea-Syndrom erzeugen (Abb. G-2.5).

Ancylostoma duodenale, Necator americanus Bedeutung und Epidemiologie: Ancylostoma duodenale (Abb. G-2.4) und Necator americanus sind die Verursacher der Ancylostomatidose (Hakenwurmerkrankung). Ihre Verbreitung beschränkt sich auf tropische und subtropische Regionen. Häufigste Eintrittspforte sind die Füße (Arbeiten auf kontaminierten Böden bei unzureichendem Schuhwerk).

Ancylostoma duodenale, Necator americanus

⊙ G-2.4

Bedeutung und Epidemiologie: Ancylostoma duodenale (Abb. G-2.4) und Necator americanus sind die Verursacher der Ancylostomatidose (Hakenwurmerkrankung). Klassischerweise ist das Verbreitungsgebiet von Ancyclostoma duodenale die Alte Welt, das von Necator americanus die Neue Welt. Ancylostoma duodenale war früher in Bergwerken, bei Großtunnelbauten u. ä. Untertagebauten wegen der schlechten hygienischen Verhältnisse und der erhöhten Temperatur weit verbreitet („Grubenwurmerkrankung“). Heute beschränkt sich seine Verbreitung, ebenso wie bei Necator americanus, auf tropische und subtropische Regionen. Die Zahl der Infizierten wird auf ca. 500 bis 900 Millionen geschätzt. Endemiegebiete sind Afrika, Asien, Südeuropa, Zentral- und Südamerika sowie der Süden der USA. Die Wurminfestation erfolgt hauptsächlich bei Arbeiten in Reisfeldern und beim Barfußgehen auf anderen kontaminierten, d. h. abwässerbelasteten Böden. Häufigste Eintrittspforte der infektiösen dritten Larven ist die untere Extremität bzw. Fußsohle.

Ancylostoma duodenale Hülle

Größe Mundwerkzeug Lebenserwartung Präpatenzzeit Eier

♂ 8 – 10 mm lang ♀ 10 – 12 mm lang zahnähnlich 4 – 7 Jahre ca. 6 Wochen 40 × 60 μm, dünnschalig

a

b

mehrzelliger Embryo

c

a Steckbrief. b Schema: Ei. c Lichtmikroskopische Aufnahme.

Entwicklungszyklus: Aus den mit den Fäzes des Menschen in die Umwelt gelangten Eiern schlüpfen nach 1–2 Tagen erste Larven, die sich zu den Stadien L 2 und L 3 weiterentwickeln. Letzteres kann perkutan in den menschlichen Körper eindringen. Über Lymphe und Blut gelangt die L 3 in die Lunge, wo sie das Gefäßsystem verlässt, den Luftwegen folgend den Pharynx erreicht, um nach Verschlucken in den Dünndarm zu gelangen, wo sie zur Geschlechtsreife heranwächst.

Entwicklungszyklus: Die weiblichen Hakenwürmer geben täglich ca. 20 000 Eier ab, die mit den Fäzes des Menschen an die Umwelt gelangen. Die Eier brauchen zur Reifung Temperaturen von mindestens 20 °C, Feuchtigkeit und Sauerstoff. Bei Temperaturen um 28 °C entstehen bereits nach 1–2 Tagen erste Larven, die das Ei verlassen und sich über eine Zwischenhäutung (L 2) zur infektionsfähigen dritten Larve ausbilden. Diese dritte Larve ist zwar gehäutet, hat die Kutikula aber nicht abgeworfen, d. h., sie wird von einer Hülle oder „Scheide“ umgeben. Diese Larven können im feuchtwarmen Milieu ca. 1 Monat überdauern. Die Infektion erfolgt klassischerweise perkutan. Während des Eindringens in den Körper entledigen sich die Larven endgültig ihrer Haut. Über Lymphe und Blut gelangen sie in die Lunge, wo sie das Gefäßsystem verlassen, den Luftwegen folgend den Pharynx erreichen, um nach Verschlucken in den Dünndarm zu gelangen, wo sie zur Geschlechtsreife heranwachsen. Der gesamte Vorgang dauert ca. 5 Wochen und ist offensichtlich auch nach oraler Aufnahme der Larven (kontaminierte Lebensmittel) ohne Körperwanderung möglich.

Klinik: Lokale Reaktionen an der Eintrittspforte der Larven sind häufige klinische Befunde. Die Besiedelung der Rachenschleimhaut führt zu Heiserkeit, Husten, Brechreiz u. a. Die im Darm lebenden Würmer saugen Blut, was langfristig zur Eisenmangelanämie führt. Zudem können Bauschmerzen, Blähungen, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust auftreten.

Klinik: Beim kutanen Eintritt der Larven (ca. 0,6 mm) in die Haut treten Juckreiz, Rötung und Hauteffloreszenzen auf. Besonders Necator americanus wandert oft tagelang in der Haut, bevor er Anschluss an das Lymph- oder Blutgefäßsystem findet. Die Lungenpassage zeigt sich in einem eosinophilen, röntgenologisch wolkenartigen Infiltrat. Werden die im Pharynx befindlichen Larven nicht verschluckt, besiedeln sie die Rachenschleimhäute und verursachen Heiserkeit, Brechreiz, Speichelfluss, Husten, Dyspnoe etc. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

G

563

2.2 Nematoden mit Darminfestationen

Die im Jejunum und Ileum lebenden adulten Würmer (der Name „duodenalis“ ist absolut irreführend!) beißen sich in die Darmwand und saugen täglich bis zu 0,2 ml Blut. Die Anwesenheit der Würmer erzeugt Bauchschmerzen, Blähungen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, vor allen Dingen jedoch im Lauf der Zeit bei massivem Befall eine Eisenmangelanämie, was die Leistungsfähigkeit der meist unterernährten Menschen weiter beeinträchtigt. Nachweis: Die mikrobiologische Untersuchung beschränkt sich auf den Nachweis der Wurmeier im Stuhl. Diese sind dünnschalig und enthalten im frisch abgesetzten Stuhl nur wenige (2–8) Furchungszellen (Abb. G-2.4).

Nachweis: Methode der Wahl ist der mikroskopische Nachweis der Wurmeier im Stuhl (Abb. G-2.4).

Therapie: Neben der Behandlung der Anämie empfehlen sich Mebendazol, Albendazol oder Pyrantel.

Therapie: Mebendazol, Albendazol, Pyrantel.

Prophylaxe: Wenn in den tropischen Ländern einer breiten Bevölkerungsschicht die Benutzung von Wasserklosetts möglich wäre, könnte man dadurch die Verbreitung der Wurmeier stoppen. Neben der Individualhygiene ist hier vor allem das Tragen festen Schuhwerkes bei Arbeiten auf kontaminierten Böden zu empfehlen.

Prophylaxe: Individualhygiene, Tragen von festen Schuhen.

Sonstige humanpathogene Hakenwurmlarven

Sonstige humanpathogene Hakenwurmlarven

▶ Definition. Es handelt sich um prinzipiell verschiedene tierpathogene Ancylostomatidae, für die der Mensch ein Fehlwirt ist. Die Larven dieser Hakenwürmer rufen beim Menschen an der Eintrittspforte lokale Krankheitserscheinungen hervor.

Klinik: Nach Eindringen der Larven bohren diese über Wochen und Monate hinweg serpiginöse Gänge in die Haut (einige Millimeter pro Tag). Diese entzünden sich und verursachen einen starken Juckreiz. Die älteren Teile verkrusten und trocknen ein. Diese lokalen Hauterscheinungen werden unter dem Namen Larva-migrans-cutanea-Syndrom (auch: Larva migrans externa, „Hautmaulwurf“) zusammengefasst (Abb. G-2.5).

⊙ G-2.5

Larva migrans cutanea („Hautmaulwurf“) an der Fußsohle

▶ Definition.

Klinik: Nach Eindringen der Larven bohren sie Gänge in die Haut, die sich entzünden und stark jucken. Diese lokalen Hauterscheinungen werden unter Larva-migrans-cutaneaSyndrom zusammengefasst (Abb. G-2.5).

⊙ G-2.5

Kurz nach der Rückkehr von der ostafrikanischen Küste entwickelte sich bei diesem Patienten die charakteristische, langsam fortschreitende, mäandrierende Rötung, hervorgerufen durch eine im Hautgewebe wandernde Hakenwurmlarve. (Moll, I.: Duale Reihe Dermatologie. Thieme; 2016)

Nachweis: Die Diagnose erfolgt aufgrund des typischen Erscheinungsbildes in der Haut.

Nachweis: Die Diagnose erfolgt durch das klinische Bild.

Therapie: Lokale Applikation von Albendazol ist das Mittel der Wahl. Bei Einfachbefall und Lokalisierbarkeit – die Larve befindet sich meistens 5–10 mm vor der Entzündungsstelle in der Haut – empfiehlt sich die schlichte Vereisung mit Ethylchloridspray.

Therapie: Mittel der Wahl ist lokal Albendazol oder die Vereisung der Larven (5–10 mm vor der Entzündungsstelle in der Haut).

Prophylaxe: Eine wirkliche Prophylaxe ist nicht möglich. Badestrände, die mit Hundekot verunreinigt sind, sollten gemieden werden.

Prophylaxe: Hundekotverschmutzte Badestrände sollten gemieden werden.

▶ Merke. Das Larva-migrans-cutanea-Syndrom ist nicht spezifisch für Hakenwurm-

▶ Merke.

larvenbefall, auch die Larven anderer Parasiten können die Ursache sein.

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564

G

2.2.4

2.2.4 Rhabditidae

Rhabditidae

▶ Definition.

2 Nematoda (Fadenwürmer)

▶ Definition. Rhabditidae (Zwergfadenwürmer) sind kleine Nematoden (ca. 2 mm

lang), die zeitweise auch saprophytär in der Umwelt leben können. Klassifikation: Einige Vertreter dieser Wurmfamilie sind humanpathogen (Tab. G-2.3).

Klassifikation: Tab. G-2.3.

≡ G-2.3

≡ G-2.3

Arten, Hauptwirt und medizinische Bedeutung der Rhabditiden

Art

Hauptwirt

Bedeutung

Strongyloides stercoralis

Mensch

sehr groß

Strongyloides fuelleborni

Mensch

groß, kommt in Afrika und Papua-Neuguinea, aber nicht in Europa vor

Bedeutung und Epidemiologie: Zwergfadenwürmer – v. a. Strongyloides stercoralis – haben in den feuchtwarmen Regionen der Erde ca. 80 Millionen Menschen infiziert.

Bedeutung und Epidemiologie: Die Zwergfadenwürmer der Gattung Strongyloides kommen hauptsächlich in den feuchtwarmen Regionen der Erde vor, wo sie ca. 80 Millionen Menschen infiziert haben. Hauptvertreter sind Strongyloides stercoralis und Strongyloides fuelleborni, wobei Letzterer in Europa primär nicht auftritt.

Strongyloides stercoralis

Strongyloides stercoralis

Entwicklungszyklus: Die in die Haut eingedrungenen Larven (L 3) erreichen über die Blutgefäße die Lunge, von wo aus sie den Atemwegen folgend den Pharynx und nach Verschlucken den Darm erreichen. Im menschlichen Darm leben ausschließlich weibliche Würmer (Abb. G-2.6), die täglich ca. 1000 parthenogenetisch erzeugte Eier produzieren. Bereits im Darm schlüpfen infektionsfähige Larven, welche entweder sofort in die Darmwand eindringen (Endoautoinvasion) oder nach Verlassen des Darms die Analschleimhaut und umliegende Hautareale befallen (Exoautoinvasion) können. Gelangen sie ins Freie, entwickeln sich getrenntgeschlechtliche Würmer, die wiederum Eier und infektionsfähige Larven hervorbringen.

Entwicklungszyklus: Strongyloides stercoralis (Abb. G-2.6) kann sowohl parasitieren wie auch frei im Boden vorkommen. Die Larven (L 3) bohren sich perkutan in das Gewebe des Wirts, finden Anschluss an das Blutgefäßsystem und erreichen auf diesem Wege die Lunge. Hier verlassen sie die Blutbahn in die Alveolen. Von hier aus folgen sie den Luftwegen kranial, um nach Verschlucken endlich den Darm des Menschen zu erreichen. Dort entwickeln sich ausschließlich weibliche Individuen. Sie sind ca. 2,5 mm lang und legen täglich 1000 Eier, die parthenogenetisch (Parthenogenese: spontane Embryobildung aus einer nicht befruchteten Eizelle) erzeugt wurden. Da die Larvenbildung in diesen Eiern sauerstoffunabhängig abläuft, schlüpft bereits im Darm die erste Larvengeneration. Dieser stehen zwei Entwicklungsmöglichkeiten zur Verfügung (Abb. G-2.6). ■ Autoinvasion: Durch weitere Häutung entstehen infektionsfähige dritte Larven, die entweder sofort in die Darmwand eindringen (Endoautoinvasion) oder den Darm verlassen, um sich in der Analschleimhaut oder in angrenzende Hautareale einzubohren (Exoautoinvasion). ■ Entwicklung im Freien: Im Freien entwickeln sich aus den Larven getrenntgeschlechtliche Würmer, die mit ca. 1 mm Länge bedeutend kleiner sind als die parasitierenden Formen im menschlichen Darm. Die befruchteten Eier können infektionsfähige dritte Larven hervorbringen.

⊙ G-2.6

Strongyloides stercoralis Hülle

Embryo

Darmtrakt Größe Präpatenzzeit Larven Eier

♀ 2 – 2,5 mm lang (nur weibliche Individuen besiedeln den Dünndarm) > 17 Tage 0,5 mm lang 50 × 30 μm

b Haut

c

a a Steckbrief. b Schema: Ei mit Larve. c Lichtmikroskopische Aufnahme: Ei mit Larve.

d

e

(Thienpont, D., Rochette, F., Vanparijs, O. F. J.: Diagnose von Helminthosen durch koproskopische Untersuchung, © Janssen

Pharmaceutics, 1999)

d Schema: Im Stuhl befinden sich häufiger rhabditiforme Larven. e Lichtmikroskopische Aufnahme einer rhabditiformen Larve. (Thienpont, D., Rochette, F., Vanparijs, O. F. J.: Diagnose von Helminthosen durch koproskopische Untersuchung, © Janssen Pharmaceutics, 1999)

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G

565

2.2 Nematoden mit Darminfestationen

Klinik: Das Eindringen der Larven in die Haut verursacht eine Larva-migrans-cutaneaSymptomatik (S. 563). Strongyloideslarven dringen in der Haut mit ca. 10 cm/h sehr rasch voran. Man spricht deshalb auch von der „racing larva“ oder „Larva currens“. Die Lungenpassage verursacht bei massivem Befall eine Pneumonie, chronische Bronchitis oder akute Atemnotanfälle. Die Schwere des Darmbefalls und die daraus resultierenden Autoinfektionen sind abhängig von der Gesamtabwehrlage des Körpers. Bei Immunschwäche (AIDS, Kortikoidund anderen immunsuppressiven Therapien) können chronische Verlaufsformen in Hyperinfektionen münden. Bei den Autoinfektionen können sich dann zahlreiche Larven in Darmwand, Mesenterialgefäße, Gallengänge und andere Organe absiedeln und entsprechende Beschwerden hervorrufen, zumal mit den Larven auch Darmbakterien in diese Körperregionen verschleppt werden können. Durch den Befall der Milchgänge konnte auch eine Übertragung von Larven über die Muttermilch beobachtet werden.

Klinik: Die Larven wandern in der Haut sehr schnell („racing larva“) und erzeugen eine Larva-migrans-cutanea-Symptomatik (S. 563). Die Lungenpassage verursacht eine Pneumonie, chronische Bronchitis oder akute Atemnotanfälle. Der Befall des Darms ist abhängig von der Abwehrlage des Patienten. Bei Immunschwäche können zahlreiche Larven und mit ihnen auch Darmbakterien in andere Organe verschleppt werden und entsprechende klinische Befunde erzeugen.

Nachweis: Die Diagnose erfolgt durch mikroskopischen Direktnachweis der Larven im Stuhl oder anderen Körpersekreten (Liquor, Bronchialsekret, Sputum, Aszitesflüssigkeit etc.). Die Larven sind ca. 0,5 mm groß und stark beweglich. Bei der üblichen Stuhlanreicherung, wobei die groben Bestandteile durch Gazefilter zurückgehalten werden sollen, verbleiben auch die Larven in der Gaze! Damit entgehen sie der mikroskopischen Untersuchung des Sediments. Strongyloideseier sind sehr selten zu finden, weil die Larven schon vorher geschlüpft sind.

Nachweis: Die Diagnose erfolgt durch den mikroskopischen Direktnachweis der lebhaft beweglichen Larven in den entsprechenden Untersuchungsmaterialien.

Therapie: Mittel der Wahl ist Ivermectin. Altenativ kann Albendazol verwendet werden.

Therapie: Ivermectin oder Albendazol.

▶ Merke. Vor einschneidenden immunsuppressiven Maßnahmen, z. B. vor Organ-

▶ Merke.

transplantationen, sollten Patienten mit Tropenreisen in der Anamnese auf Strongyloidesbefall untersucht werden, da chronische Infektionen in eine Hyperinfektion übergehen können.

2.2.5 Trichuridae

2.2.5

▶ Definition. Trichuridae (Peitschenwürmer) sind aphasmidische Würmer (Adenophorea); ihnen fehlen die Phasmiden, das sind drüsenartige Sinnesorgane.

Klassifikation: Tab. G-2.4 gibt einen Überblick über die humanmedizinisch relevanten Spezies der Trichuridae.

≡ G-2.4

Trichuridae

▶ Definition.

Klassifikation: Tab. G-2.4.

≡ G-2.4

Humanmedizinisch relevante Trichuridae-Arten

Art

Hauptwirt

klinische Bedeutung

Trichuris trichiura

Mensch

groß

Trichuris suis

Schwein

gering

Trichuris vulpis

Hund

gering

Bedeutung und Epidemiologie: Trichuris trichiura (Abb. G-2.7), Trichuris suis, Trichuris vulpis sind die Erreger der Trichuriose, einer weltweit verbreiteten Wurmerkrankung mit ca. 500 Millionen Infestationen. Obwohl Trichuris ubiquitär vorkommt, sind die tropisch und subtropisch (Türkei) feuchtwarmen Regionen der Erde die Hauptendemiegebiete. Morphologisch charakteristisch ist das peitschenförmige Aussehen der Würmer: sehr dünnes Vorderteil, dickes (peitschenstielartiges) Hinterteil.

Bedeutung und Epidemiologie: Trichuris trichiurae (Abb. G-2.7) suis und vulpis sind die Erreger der Trichuriose, einer weltweit vorkommenden Wurmerkrankung.

Trichuris trichiura

Trichuris trichiura

Entwicklungszyklus: Die Infektion des Menschen erfolgt durch die orale Aufnahme von Eiern von T. trichiura, die sich vor allem auf Nahrungsmitteln (Salat, Feldfrüchte etc.) befinden. Aus den Eiern schlüpfen die Larven und dringen in das Dickdarmepithel ein. Nach etwa 6 Wochen, in denen sich die Reifung der Larven durch mehrmalige Häutung vollzieht, sind die Würmer geschlechtsreif. Sie sind nunmehr mit ihrem hauchdünnen, blutsaugenden Vorderteil in der Darmmukosa verankert, während das dicke Hinterteil im Darmlumen freiliegt. Die ca. 4 cm langen geschlechtsreifen Würmer leben bevorzugt im Zäkum des Menschen, können jedoch auch im unteren Ileum, Appendix, Kolon und Rektum angetroffen werden. Die weiblichen Tiere scheiden pro Tag ca. 10 000 Eier aus (Abb. G-2.7).

Entwicklungszyklus: Die adulten Würmer leben bevorzugt im Zäkum des Menschen. Die Larvenentwicklung findet an der Umwelt statt (Sauerstoffzutritt). Wird das Ei mit infektiöser Larve oral aufgenommen, schlüpft diese und dringt in das Darmepithel ein. Nach 6 Wochen ist der Wurm geschlechtsreif. Er ist mit dem dünnen, blutsaugenden Vorderende in der Darmmukosa verankert (Abb. G-2.7).

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566 ⊙ G-2.7

G

2 Nematoda (Fadenwürmer)

Trichuris trichiura Pfropf

Größe Lebenserwartung Präpatenzzeit Eier

♂ 4 cm lang, 0,1 – 0,2 mm dick ♀ 4 cm lang, 0,1 – 0,2 mm dick 3 Jahre 6 Wochen 25 × 55 μm, dickschalig

Hülle

Embryo a

b

c

a Steckbrief. b Schema: Zitronenförmiges Ei mit bipolaren Schleimpfröpfen. c Lichtmikroskopische Aufnahme.

Klinik: Nur der Massenbefall führt zu Koliken, hämorrhagischen Diarrhöen und Anämien.

Klinik: Nur der Massenbefall führt zu klinischen Symptomen. Die Schäden entstehen an der Darmschleimhaut durch die Wurmenzyme. Als Folge treten hämorrhagische Diarrhöen und Koliken auf. Hohe Besiedelungszahlen führen zur Anämie und bei Kindern zu Gedeihstörungen.

Nachweis: Trichuriseier können im Stuhl leicht nachgewiesen werden.

Nachweis: Die Diagnose wird durch den Einachweis im Stuhl gestellt. Trichuriseier sind unverwechselbar durch ihre zitronenförmige Gestalt, der bipolar Schleimpfröpfchen aufgelagert sind (Abb. G-2.7).

Therapie: Mebendazol, Albendazol, Ivermectin.

Therapie: Mebendazol, Albendazol und Ivermectin sind geeignete Mittel. Die Totalsanierung gelingt jedoch nicht immer (ca. 10 % Therapieversager).

2.3

Nematoden mit extraintestinalen Infestationen

2.3

2.3.1

Trichinella

Nematoden mit extraintestinalen Infestationen

2.3.1 Trichinella

Trichinella spiralis

Trichinella spiralis

Bedeutung und Epidemiologie: Trichinella spiralis (Abb. G-2.8a, Abb. G-2.8b) ist der Erreger der bevorzugt in gemäßigten Klimazonen vorkommenden Trichinose. Die meisten menschlichen Infektionen stammen vom Schwein.

Bedeutung und Epidemiologie: Trichinella spiralis (Abb. G-2.8a, Abb. G-2.8b), der Erreger der Trichinose, ist weltweit verbreitet, tritt jedoch bevorzugt in gemäßigten Klimazonen auf. Das Wirtsspektrum von Trichinella ist sehr weit und umfasst in erster Linie Fleisch- und Allesfresser, kann aber auch Pflanzenfresser, z. B. Rinder, Kamele, Pferde, Rehe, Hirsche etc. betreffen. Die meisten menschlichen Infektionen stammen von Schweinen. Mit Einführung der amtlichen Fleischbeschau in Deutschland (seit 1877) sind die Erkrankungen drastisch zurückgegangen. Die letzte große Epidemie ereignete sich im Februar 1977 in Nordbayern durch Wildschweinwurst. In den USA, wo es keine Trichinenschau gibt, liegt die Infektionshäufigkeit bei 4 % der Einwohner. Hohe Infektionsraten werden auch aus Osteuropa gemeldet.

Entwicklungszyklus: Wird Fleisch mit verkapselten Trichinenlarven verzehrt, besiedeln diese Larven das Dünndarmepithel, wo sie Geschlechtsreife erlangen (Darmtrichinen). Die weiblichen adulten Würmer setzen Larven ab, die Anschluss an das Blut-Lymph-System finden und so die quergestreifte Muskulatur erreichen. Die Trichinenlarven dringen in die Muskelzelle ein, diese kapselt den Parasiten durch Ablagerungen hyalinen und fibrillären Materials ab. Allmählich verkalkendes Granulationsgewebe gibt der Kapsel Stabilität (Muskeltrichinen, Abb. G-2.8c). Mit der oralen Aufnahme dieser verkapselten Larve beginnt der Infektionszyklus erneut.

Entwicklungszyklus: Ausgangspunkt der Infestation sind eingekapselte infektiöse Larven, welche sich in der quergestreiften Skelettmuskulatur von Tieren finden. Wird solches Fleisch im rohen oder ungenügend erhitzten Zustand verzehrt, werden diese Larven im Zuge der Verdauung freigesetzt und besiedeln das Dünndarmepithel. Innerhalb von 1–2 Tagen häuten sich die Larven und sind dann geschlechtsreif (Darmtrichinen). Nach der Kopulation sterben die Männchen, die Weibchen werden 4–6 Wochen alt und setzen täglich ca. 1000 Larven ab (Vivipara). Diese dringen im selben Wirt in die Lamina propria ein, wo sie Anschluss an das Blut-Lymph-System finden. Auf diesem Weg erreichen sie die quergestreifte Muskulatur. Die Trichinenlarven dringen in die Muskelzelle ein, die dadurch meistens nicht zerstört wird. Die Larve liegt zunächst gestreckt in der Zelle, um sich dann spiralförmig aufzurollen. Die Muskelzelle kapselt den Parasiten während dieser Zeit durch Ablagerungen hyalinen und fibrillären Materials ab. Allmählich verkalkendes Granulationsgewebe gibt der Kapsel Stabilität und eine ovale, zitronenförmige Gestalt (Muskeltrichinen, Abb. G-2.8c). Mit der oralen Aufnahme dieser verkapselten Larve beginnt der Infektionszyklus erneut. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

G

⊙ G-2.8

Trichinella spiralis

Größe Lebenserwartung Präpatenzzeit Larven Zysten Lebenszeit a

567

2.3 Nematoden mit extraintestinalen Infestationen

♂ 1,2 – 1,6 mm ♀ 2,2 – 3,5 mm (vivipar) 1 Monat 2 Tage 100 μm lang, 6 μm dick 0,25 × 0,5 mm bis 30 Jahre b

c

a Steckbrief. b Schema: adulter Wurm. c Lichtmikroskopische Aufnahme: in der Herzmuskulatur in einer Bindegewebskapsel (Zyste, im Präparat bläulich gefärbt) aufgerollte Larven („Muskeltrichinen“).

Klinik: Der klinische Verlauf der Trichinose ist abhängig von der Anzahl der inkorporierten Trichinenlarven. Schon 50 solcher Larven können Symptome verursachen, jedoch ist bei schweren und tödlich verlaufenden Trichinosen eine große Anzahl von Larven (> 2000) notwendig. Die Krankheit beginnt mit den Symptomen einer Lebensmittelvergiftung: Innerhalb von 24 Stunden nach Nahrungsaufnahme kommt es zu Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö und kolikartigen Abdominalbeschwerden; Fieber tritt jedoch nicht auf. Vom 7. bis 11. Tag nach der Infektion beginnt die Aussaat der Larven in das Gewebe. Typisch sind Gesichtsödeme, Schwellung der Augenlider und Konjunktivitis. Muskelschmerzen, Lymphknotenschwellungen und Fieber bis 41 °C kennzeichnen die Schwere der Infektion. Gefürchtete Komplikationen sind eine häufig letal endende Myokarditis, Pneumonie, Enzephalitis oder Meningitis. Die akute Phase der Trichinose dauert 4–6 Wochen. Innerhalb dieses Zeitraums enden auch die letalen Verläufe. Völlig Genesung oder über längere Zeiten bestehende rheumatoide Beschwerden sind möglich.

Klinik: Die Krankheit beginnt mit den Symptomen einer Lebensmittelvergiftung. Mit der Aussaat der Larven in das Gewebe kommt es dann zu Fieber, Gesichtsödem, Schwellung der Augenlider und Lymphknoten, Konjunktivitis und Myalgien. Gefürchtete Komplikationen sind eine letal endende Myokarditis, Pneumonie, Enzephalitis und Meningitis. Neben letalen Verläufen kommen auch die völlige Genesung oder chronische Verläufe mit rheumatoiden Beschwerden vor.

Nachweis: Der Nachweis von Trichinen und ihren Larven im Stuhl gelingt nur selten. Auch im peripheren Venenblut lassen sich Larven nur im Invasionsstadium finden. Die sicherste Diagnose ist der histologische Nachweis der Larven in Muskelbiopsaten (Abb. G-2.8c). Daneben ist eine Reihe biochemischer Marker für die Diagnosefindung von Bedeutung: Kreatinurie, Erhöhung der Kreatinphosphokinase, Myokinase und Laktatdehydrogenase. IgE-Erhöhung und Eosinophilie lenken den Verdacht auf eine parasitäre Infektion. Ab der 3. Infektionswoche treten auch Serumantikörper auf, deren Nachweis jedoch wegen Kreuzreaktionen nicht unbedingt beweisend sein muss.

Nachweis: Neben der klinischen Symptomatik und einer Reihe charakteristischer biochemischer Marker ist der histologische Nachweis der Muskeltrichinen aus Biopsiematerial beweisend (Abb. G-2.8c).

Therapie: Trichinen werden mit Mebendazol oder Albendazol in Kombination mit Kortikosteroiden behandelt.

Therapie: Mebendazol oder Albendazol in Kombination mit Kortikosteroiden.

▶ Merke. Nach § 7 Infektionsschutzgesetz ist der direkte und indirekte Erregernach-

▶ Merke.

weis von T. spiralis namentlich meldepflichtig, wenn es sich um eine akute Infektion handelt. Prophylaxe: Eingekapselte Trichinenlarven (Muskeltrichinen) sind im lebenden Gewebe 10–30 Jahre infektionsfähig. In Lebensmitteln werden sie bei Garungstemperaturen > 65 °C zuverlässig inaktiviert. Es existieren genaue Vorschriften der Europäischen Gemeinschaft, wie durch Tiefgefrieren, Trocknen, Pökeln und Räuchern Trichinen abgetötet werden können. Entscheidend ist die Einhaltung bestimmter Temperaturen, Einwirkzeiten und Konzentrationen. Diese Maßnahmen können dann die ansonsten obligate amtliche Fleischbeschau ersetzen. Da die Trichinenschau von Schlachttieren außerhalb der EU nicht überall vorgeschrieben ist, ist in diesen Ländern Vorsicht beim Verzehr von rohem Fleisch geboten.

Prophylaxe: Im lebenden Gewebe können die Trichinen 10–30 Jahre überleben. Hitze > 65 °C inaktiviert sie zuverlässig. Tieffrieren, Trocknen und Pökeln sind nur dann sicher, wenn die entsprechenden EU-Vorschriften eingehalten werden.

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568

G

2.3.2

2.3.2 Filariidae

Filariidae

▶ Definition.

2 Nematoda (Fadenwürmer)

▶ Definition. Filarien oder Fadenwürmer (filum = lat.: Faden) sind sehr dünne 2–

50 cm lange Parasiten, deren Larven als Mikrofilarien bezeichnet werden und in der Regel von blutsaugenden Arthropoden auf den Menschen übertragen werden. Sie sind die Ursache einer Reihe spezifischer und unspezifischer Symptome. Klassifikation: Tab. G-2.5.

Klassifikation: Tab. G-2.5 gibt einen Überblick über jene wichtigen Filarienarten, für die der Mensch End- und Hauptwirt ist.

Nachweis: Neben dem klinischen Bild ist der Nachweis der Mikrofilarien von Bedeutung. Als diagnostische Kriterien dienen die jeweilige Lokalisation, die Periodizität (Auftreten im peripheren Blut zu bestimmten Tageszeiten) und die Frage, ob die Mikrofilarien noch Reste der Eihäute aufweisen (gescheidete und ungescheidete Mikrofilarien). Tab. G-2.5 gibt einen Überblick.

Nachweis: Die Diagnostik aller Filariosen erfolgt durch das klinische Bild (hier kann unter Umständen auch der adulte Wurm makroskopisch zutage treten) und in der Regel durch den Nachweis der jeweils charakteristischen Mikrofilarien. Ein besonderes Phänomen besteht darin, dass die Mikrofilarien einer Filarienspezies die tageszeitlichen Stechgewohnheiten ihrer Vektoren angenommen haben und periodisch entweder am Tag (tagesperiodisch) oder in der Nacht (nachtperiodisch) im peripheren Blut des Infizierten auftauchen. Während der übrigen Zeit halten sie sich in den zentralen Blutgefäßen innerer Organe auf. Die Mikrofilarien einiger Filarienarten sind zum Teil noch von der dünnen Eihülle umgeben. Diese werden als „gescheidete Mikrofilarien“ bezeichnet und differenzialdiagnostisch von den „ungescheideten Mikrofilarien“ unterschieden. Tab. G-2.5 gibt einen Überblick über die diagnostisch verwertbaren Unterschiede der einzelnen Erreger.

Prophylaxe: Verhinderung der Infektion durch expositionsprophylaktische Maßnahmen (Moskitonetz, Repellents, hautbedeckende Bekleidung).

Prophylaxe: Die Vorbeugemaßnahmen gegen Filariosen sind in erster Linie expositionsprophylaktischer Natur: Verhinderung der Infektion durch Moskitonetze, Repellents und hautbedeckende Bekleidung.

≡ G-2.5

Durch Filarien verursachte Erkrankungen; Vektoren und Vorkommen der Erreger

Art

Vorkommen

Klinik

Vektor

Würmer

Mikrofilarien

Wuchereria bancrofti*

Asien, Afrika Pazifik, Mittelund Südamerika

Elephantiasis Lymphangitis/-adenitis

Culex, Anopheles, Aedes

Lymphsystem

Blut

überwiegend nachtperiodisch

Brugia malayi*

Südostasien

Elephantiasis Lymphangitis/-adenitis

Anopheles, Aedes, Mansonia

Lymphsystem

Blut

nachtperiodisch

Brugia timori*

Indonesien

Elephantiasis Lymphangitis/-adenitis

Anopheles

Lymphsystem

Blut

nachtperiodisch

Loa loa*

Zentralafrika

Befall der Konjunktiven Chrysops (Fliegen) Hautschwellungen

subkutanes Binde- Blut gewebe

tagperiodisch

Onchocerca volvulus

Mittel- und Südamerika, Afrika

„Flussblindheit“ Dermatitis

subkutanes Binde- Haut gewebe

keine Periodizität

Simulium (Kriebelmücken)

Lokalisation der

Periodizität

* gescheidete Mikrofilarien

Wuchereria bancrofti, Brugia malayi, Brugia timori Bedeutung: Die Erreger, obwohl morphologisch unterschiedlich (Abb. G-2.9 und Abb. G-2.10), sind Ursache der „lymphatischen Filariose“.

Wuchereria bancrofti, Brugia malayi, Brugia timori

Entwicklungszyklus: Die Mikrofilarien werden durch verschiedene Stechmücken übertragen (Tab. G-2.5). Im Körper werden sie nach ca. 9 Monaten geschlechtsreif. Die adulten Würmer leben in den Lymphgefäßen, die sie durch Knäuelbildung verstopfen.

Enwicklungszyklus: Die gescheideten Mikrofilarien werden von unterschiedlichen Stechmücken übertragen (Tab. G-2.5, Tab. H-1.4). Aus diesem Grunde ist die Periodizität, d. h. das Vorkommen der Erreger im peripheren Blut, variabel. Bei den meisten Infektionen findet sich eine Nachtperiodizität. Die saugende Mücke nimmt diese zirkulierenden Mikrofilarien bei einem infizierten Menschen auf und injiziert sie in ein anderes Opfer. Die mikroskopisch kleinen Erreger wandern in die Lymphknoten, wo sie nach etwa 9 Monaten zu den adulten, geschlechtsreifen Stadien heranwachsen. Dies löst lokal eine heftige Entzündungsreaktion aus, wodurch allmählich eine Stenose der afferenten Lymphbahnen entstehen kann. Wuchereria ist etwas größer

Bedeutung: Obwohl es sich um morphologisch unterschiedliche Filarien handelt, ist die von ihnen hervorgebrachte klinische Symptomatik so ähnlich, dass sie hier gesammelt besprochen werden können. Wuchereria bancrofti (Abb. G-2.9), Brugia malayi und Brugia timori (Abb. G-2.10) sind Verursacher der „lymphatischen Filariose“, die sich u. a. als Elephantiasis manifestieren kann. Der wichtigste Erreger der lymphatischen Filariose ist Wucheria bancrofti (ca. 120 Millionen Infizierte).

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G

⊙ G-2.9

569

2.3 Nematoden mit extraintestinalen Infestationen

Wuchereria bancrofti Scheide

Größe Lebenserwartung Präpatenzzeit Mikrofilarien

Kerne

♂ 2,4 – 4 cm lang, 0,1 – 0,3 mm dick ♀ 5 – 10 cm lang, 0,1 – 0,3 mm dick 8 Jahre ca. 9 Monate 250 – 300 μm, gescheidet

Schwanzspitze (kernlos)

Gescheidete Mikrofilarien mit kernlosem Schwanzende. a

b

a Steckbrief. b Gescheidete Mikrofilaria mit kernlosem Schwanzende.

⊙ G-2.10

Brugia malayi/timori Scheide

Größe Lebenserwartung Präpatenzzeit Mikrofilarien

♂ 2,2 – 2,5 cm lang, 0,1 – 0,3 mm dick ♀ 4 – 6 cm lang, 0,1 – 0,3 mm dick 8 Jahre ca. 9 Monate 180 – 240 μm, gescheidet

a

Schwanzspitze (mit Kern)

Kerne

b

a Steckbrief. b Gescheidete Mikrofilaria.

als Brugia. Die weiblichen Würmer – die wie üblich größer sind als die männlichen – können bis zu 10 cm lang und 0,3 mm dick werden. Ihre Lebenserwartung beträgt 5 Jahre. In dieser Zeit produzieren sie ständig Millionen von Mikrofilarien, die ins Blut gelangen, wo sie von Mücken aufgenommen werden. Klinik: Im Anfangsstadium der Infektion stehen die immunologischen Prozesse beim Versuch, die Mikrofilarien zu eliminieren, im Vordergrund. Unspezifische allergische Reaktionen, die sich in Fieber, Kopfschmerzen und Arthralgien äußern, sowie Lymphangitis und -adenitis dominieren. Im späteren Verlauf der Infektion dominiert der Lymphstau durch Verlegung der Abflussbahnen infolge der Entzündung. Im Extremfall entwickelt sich eine Elephantiasis, die durch bakterielle Superinfektion kompliziert werden kann. Betroffen sind häufig die untere Extremität und die Leistenregion (Hydrozele im Skrotum).

Klinik: Unspezifische allergische Reaktionen stehen am Anfang der Infektion und äußern sich in Fieber, Kopf- und Gelenkschmerzen. Im Spätstadium dominiert der Lymphstau, der im Extremfall die Formen der Elephantiasis annehmen kann. Die untere Extremität ist am häufigsten betroffen.

Nachweis, Epidemiologie und Prophylaxe: siehe Kap. „Filariidae“ (S. 568).

Nachweis, Epidemiologie, Prophylaxe: siehe Kap. „Filariidae“ (S. 568). Therapie: Bei Filariosen wird Ivermectin eingesetzt, das die Mikrofilarien abtötet. Zusätzlich wird Doxycyclin gegeben, das gegen bestimmte, mit dem adulten Wurm symbiotische Bakterien wirkt. Da der Wurm von deren Stoffwechselprodukten abhängig ist, stirbt auch er.

Therapie: Für alle Filariosen war lange Zeit Diethylcarbamazin das Mittel der Wahl. Heute hat aber Ivermectin den ersten Rang inne. Diese Medikamente töten in erster Linie nur die Mikrofilarien, nicht aber die langlebigen, adulten Würmer ab, welche für Nachschub sorgen. Die adulten Würmer sind aber ihrerseits von Stoffwechselprodukten bestimmter symbiontischer Bakterien, die übrigens für den Menschen völlig apathogen sind, abhängig. Doxycyclin tötet diese für die Würmer essenziellen Bakterien ab und nachfolgend auch den adulten Wurm. So kommt es dann zu einer vollständigen Ausheilung der Infektion.

Loa loa

Loa loa

Bedeutung: Der westafrikanische Augenwurm (Abb. G-2.11) ist eine Wanderfilarie, aber auch die adulten Würmer wandern ihr Leben lang (Lebenserwartung 17 Jahre) im subkutanen Bindegewebe ihres Wirtes. Loa loa ist der Erreger der Loiasis, Kalabarschwellung oder Kamerunbeule, von der ca. 12 Millionen Menschen betroffen sind.

Bedeutung: Der westafrikanische Augenwurm (Abb. G-2.11) ist der Erreger der Loiasis, Kalabarschwellung oder Kamerunbeule. Es sind ca. 12 Millionen Infizierte betroffen.

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570 ⊙ G-2.11

G

2 Nematoda (Fadenwürmer)

Loa loa

Scheide

Größe Lebenserwartung Präpatenzzeit Mikrofilarien

Kerne

♂ 30 – 35 cm lang, 0,4 mm dick ♀ 40 – 70 cm lang, 0,5 mm dick 17 Jahre ca. 6 Monate 220 – 300 μm, gescheidet

a

b

c

a Steckbrief. b Schematische Darstellung. c Lichtmikroskopische Aufnahme: Mikrofilarie (blau gefärbt) von Loa loa im dicken Blutausstrich eines Patienten (20er-Objektiv).

Entwicklungszyklus: Die Übertragung erfolgt durch Stechfliegen. Die Mikrofilarien sind gescheidet und tagperiodisch. Die adulten Würmer leben im subkutanen Bindegewebe.

Entwicklungszyklus: Die Übertragung erfolgt durch Stechfliegen der Gattung Chrysops („Bremsen“) (S. 613). Die tagperiodischen, gescheideten Mikrofilarien werden nach ca. 6 Monaten geschlechtsreif. Die männlichen adulten Würmer sind 35 mm, die weiblichen 70 mm lang. Sie leben im Unterhautbindegewebe und produzieren viele Mikrofilarien, die um die Mittagszeit im zirkulierenden Blut erscheinen.

Klinik: Die Wanderung der Würmer führt zu juckenden Beulen in der Haut (Kalabarschwellung, Kamerunbeule). Wandert der Wurm durch Sklera oder Konjunktiva, wird er sichtbar (Augenwurm). Die Prognose ist insgesamt gut.

Klinik: Die Wanderung der adulten Würmer führt zu hühnereigroßen, juckenden Entzündungsherden in der Haut – meist der unteren Extremität –, die nach wenigen Tagen wieder verschwinden und an anderer Stelle erneut auftreten (Kalabarschwellung, Kamerunbeule). Wandert der Wurm durch die Sklera oder Konjunktiva, so wird er sichtbar (Augenwurm). Die Prognose der Erkrankung ist gut, lediglich bei Befall des Kehlkopfes können schwere Verläufe mit lebensbedrohlichem Glottisödem auftreten.

Therapie: Chirurgische Entfernung des Wurmes am Auge. Antihelminthische Chemotherapie mit Diethylcarbamazin in Kombination mit Kortikosteroiden zur Unterdrückung einer allergischen Reaktion auf die freigesetzten parasitären Antigene.

Therapie: Tritt der Wurm am Auge sichtbar zutage, sollte er durch einen kleinen chirurgischen Eingriff entfernt werden. Bei der antihelminthischen Chemotherapie ist zu beachten, dass die Behandlung mit Diethylcarbamazin mit geringer Dosierung begonnen werden muss, um eine allergische Herxheimer-Reaktion zu verhindern. Die Gabe von Kortikosteroiden zur Unterdrückung der Immunantwort gegen freigesetzte Antigene des Helminthen ist sinnvoll.

Nachweis, Epidemiologie und Prophylaxe: siehe Kap. „Filariidae“ (S. 568).

Nachweis, Epidemiologie und Prophylaxe: siehe Kap. „Filariidae“ (S. 568).

Onchocerca volvulus

Onchocerca volvulus

Bedeutung: Onchocerca volvulus (Abb. G-2.12), eine Knäuelfilarie, ist der Erreger der Onchozerkose, die besonders als „Flussblindheit“ in Erscheinung tritt.

Bedeutung: Onchocerca volvulus (Abb. G-2.12) ist der Erreger der Onchozerkose. Eine spezielle Form ist die Flussblindheit. Onchocerca ist eine Knäuelfilarie, d. h. die Erreger bilden im subkutanen Bindegewebe Konglomerate. Etwa 40 Millionen Menschen sind im tropischen Afrika infiziert und mehr als 1 Milliarde exponiert.

⊙ G-2.12

⊙ G-2.12

Onchocerca volvulus – Steckbrief

Größe Lebenserwartung Präpatenzzeit Mikrofilarien

Entwicklungszyklus: Die Mikrofilarien werden durch Kriebelmücken (S. 612) übertragen. Die adulten Würmer siedeln sich in Knäueln im subkutanen Bindegewebe an.

♂ 2 – 4,5 cm lang, 0,2 – 0,4 mm dick ♀ 23 – 50 cm lang, 0,2 – 0,4 mm dick 15 Jahre ca. 1 Jahr 220 – 360 μm, ungescheidet

Entwicklungszyklus: Die Mikrofilarien werden durch Mücken der Gattung Simulium (Kriebelmücken) (S. 612) übertragen. Sie unterliegen keiner Periodizität. Nach ca. 1 Jahr sind die Würmer geschlechtsreif. Die adulten Würmer siedeln sich in Knäueln im subkutanen Bindegewebe an und produzieren massenhaft Mikrofilarien, die in die Kutis (nicht ins Blut) eindringen, zuerst in den unteren Extremitäten. Nach ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

G

⊙ G-2.13

571

2.3 Nematoden mit extraintestinalen Infestationen

Dermatitis bei Onchozerkose Dermatitis mit Pigmentstörungen (Übersicht und Detailaufnahme). (Röcken M., Schaller M., Sattler E. et al. Taschenatlas Dermatologie. Thieme; 2010)

Jahren steigt die Infektion mit Mikrofilarien im Körper auf; einige gelangen in den Kopf und dort sogar ins Auge, wo es zur heftigen entzündlichen Reaktion kommt. Klinik: Typisch für die Erkrankung sind schmerzlose Knoten in der Subkutis. Später entwickeln sich juckende, ekzematöse, hyperpigmentierte, hypertrophische, lichenifizierte Dermatitiden an den Stellen, wo die Mikrofilarien Entzündungen induzieren. Im Laufe der Zeit entsteht eine Papier- oder Greisenhaut (Abb. G-2.13). Ursache hierfür sind Zerstörungen im Bereich der elastischen Bindegewebsbestandteile und chronische allergische Reaktionen, die durch die Antigene abgestorbener Würmer unterhalten werden. Hypopigmentierungen der Haut manifestieren sich gelegentlich als Leopardenfellmuster. Die Entzündung im Auge, die durch wandernde Mikrofilarien ausgelöst wird, führt zur Erblindung („Flussblindheit“, da die Erkrankung in den Endemiegebieten herdförmig entlang von Flussläufen auftritt – Lebensraum der Kriebelmücken). Die Erblindung kündigt sich durch „schneeflockenartige“ Hornhauttrübungen und eine von den Seiten her fortschreitende sklerosierende Keratitis an.

Klinik: Typisch für die Erkrankung sind schmerzlose Knoten in der Subkutis sowie Dermatitiden, die die Haut zerstören. Papieroder Greisenhaut (Abb. G-2.13) und Leopardenfellmuster (d. h. hypo- und hyperpigmentierte Hautareale nebeneinander) sind Ausdruck der Infektion.

Nachweis: Neben dem klinischen Bild wird die Diagnose durch den Nachweis der adulten Würmer oder der Mikrofilarien gestellt. Die Würmer werden histologisch nach chirurgischer Entfernung von Hautknoten nachgewiesen. Mikrofilarien können auch in Hautbiopsaten gesehen werden. Bei diesen oberflächlichen „skin snips“ sollten möglichst keine Blutungen auftreten. Aus 1 cm2 Haut, die in physiologische NaCl-Lösung gelegt wird, wandern in wenigen Minuten bis zu 1 Dutzend Mikrofilarien aus, die man unter dem Mikroskop sehen kann. Bei Augenbefall können Mikrofilarien mit der Spaltlampe in der vorderen Augenkammer direkt gesehen werden (16–25-fache Vergrößerung).

Nachweis: Neben dem klinischen Bild erfolgt die Diagnose anhand des histologischen Nachweises adulter Würmer aus Operationspräparaten (Hautknoten) oder dem direkten Nachweis von Mikrofilarien mit der Spaltlampe am Auge oder im „skin snip“ (Hautbiopsat).

Therapie: Die Mikrofilarien werden mit Diethylcarbamazin oder besser mit Ivermectin bekämpft. Beim Zerfall der Massen von Mikrofilarien wird mit einem Mal so viel Antigen bei den immunisierten Patienten frei, dass eine heftige immunologisch ausgelöste Entzündung in der Haut abläuft; dabei wird der Juckreiz unerträglich. Deswegen muss während der antimikrobiellen Therapie zusätzlich Cortison verabreicht werden, um die Überreaktion zu hemmen. Gegen adulte Würmer kommt Suramin zum Einsatz, das jedoch toxisch ist und Nebenwirkungen hat. Der operativen Entfernung von Hautknoten mit den adulten Würmern wird deshalb der Vorzug gegeben, da nur das eine wirkliche Ausheilung bringt. Eine neue, intelligente Strategie ist die Vernichtung der Endosymbionten der Gattung Wolbachia durch Antibiotika, z. B. Doxycyclin. Das Fehlen dieser Bakterien führt zur Sterilität der Mikrofilarien und die Infektion wird danach beendet.

Therapie: Ivermectin ist neben chirurgischen Interventionen das Mittel der Wahl. Ein neuer Therapieansatz ist die Gabe von Doxycyclin, welches die endosymbiontische Bakteriengattung Wolbachia abtötet. Dies führt zur Sterilität der Mikrofilarien und somit zu einer Beendigung der Infektion.

2.3.3 Spiruridae

2.3.3

▶ Definition. Die Spiruridae sind Nematoden, deren Entwicklung eines Zwischenwirtes – häufig Kleinkrebse der Gattung Cyclops – bedarf. Die Infektion erfolgt teils direkt über die Zwischenwirte, z. B. Flohkrebs, teils über „Transportwirte“, z. B. Fische.

Bedeutung: Humanmedizinisch relevanter Vertreter ist Dracunculus medinensis.

Manifestationen am Auge führen zur „Flussblindheit“ (Endemiegebiete entlang von Flussläufen, da dort der Lebensraum des Vektors ist).

Spiruridae

▶ Definition.

Bedeutung: Humanmedizinisch relevant ist Dracunculus medinensis.

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572

G

Dracunculus medinensis

Dracunculus medinensis

Bedeutung und Epidemiologie: Infektionen mit Dracunculus medinensis (Abb. G-2.14), dem Erreger der Drakunkulose, sind durch gezielte Bekämpfungsmaßnahmen erheblich zurückgegangen und beschränken sich heute auf wenige afrikanische Länder.

Bedeutung und Epidemiologie: Dracunculus medinensis (Abb. G-2.14), auch Medina-, Guinea- oder Drachenwurm genannt, ist der Erreger der Drakunkulose. Durch Vorbeugungs- und Behandlungsmaßnahmen konnte die Zahl von 3,5 Millionen neuen Fällen von Drakunkulose pro Jahr auf ca. 500 Fälle im Jahr 2012 reduziert werden. Die Infektion kommt praktisch nur noch im Südsudan vor. Das Ziel der WHO, die Drakunkulose in naher Zukunft auszurotten, erscheint realistisch.

Entwicklungszyklus: Die weiblichen, im subkutanen Bindegewebe des Wirts wandernden Würmer werden durch einen Kältereiz veranlasst, die Haut zu penetrieren und ihre Larven in das Wasser abzugeben. Dort reifen sie im Flohkrebs Cyclops (Zwischenwirt). Der Mensch infiziert sich durch kontaminiertes Trinkwasser. Im Duodenum werden die infektiösen Larven freigesetzt. Sie durchbohren die Darmwand und wandern im Wirt umher, um sich nach der Geschlechtsreife und Befruchtung im Unterhautbindegewebe zu manifestieren. Klinik: Typisch sind die Ulzera mit dem makroskopisch sichtbaren Wurm. Die eigentliche Gefahr liegt in der bakteriellen Superinfektion inklusive Tetanus.

Entwicklungszyklus: Der weibliche Wurm wandert im subkutanen Bindegewebe seines Wirtes. Durch eine lokale Abkühlung angelockt – in der Regel steht der Wirt im Wasser – penetriert der Wurm die Haut und entlässt seine Nachkommen direkt in das Gewässer. Dort erreichen sie den Flohkrebs Cyclops (Zwischenwirt). Der Mensch infiziert sich durch orale Aufnahme der Flohkrebse, vor allem mit kontaminiertem Trinkwasser. Im Duodenum werden die infektiösen Larven freigesetzt, durchbrechen die Darmwand und wandern im Körper des Wirtes. Die nur 2 cm langen Männchen sterben nach der Begattung ab, die Weibchen wandern in das subkutane Bindegewebe der unteren Extremität, da hier die Wahrscheinlichkeit eines Wasserkontaktes am größten ist.

Nachweis: Die Diagnose erfolgt durch den klinischen Befund.

Nachweis: Der Befund stellt sich aus der klinischen Gegebenheit durch Erkennen des Wurmes. Serologische Untersuchungen sind möglich, bleiben jedoch Speziallabors vorbehalten.

Therapie: Die klassische Therapie besteht im langsamen Aufrollen des Wurmes auf ein Holzstäbchen und einer Antibiotikaprophylaxe zur Verhinderung bakterieller Superinfektionen. Prophylaxe: Abkochen oder Filtern des Trinkwassers.

Therapie: Die klassische Therapie besteht in der Entfernung des Wurmes (Abb. G-2.14). Reißt der Wurm ab, kommt es leicht zu septischen Prozessen. Um einer bakteriellen Superinfektion vorzubeugen, sollten Antibiotika parallel verabreicht werden.

⊙ G-2.14

Klinik: Der erste Temperaturreiz, der den Wurm anlockt, führt zu einer Bläschenbildung, die mit Erythem und Hypersensibilität der betroffenen Hautregionen verbunden sein kann. Klassisches Symptom ist das sich nun bildende Ulkus, das Markstückgröße erreichen kann. Der Wurm ist einige Tage nach der Ausbildung makroskopisch sichtbar. Die eigentliche Gefahr besteht in der bakteriellen Superinfektion einschließlich Clostridium tetani (S. 364).

Prophylaxe: Abkochen, Filtern oder die Behandlung mit Larviziden zur Elimination des Flohkrebses aus dem Trinkwasser sind die besten vorbeugenden Maßnahmen und haben zur massiven Reduktion dieser Infektionserkrankung geführt.

Dracunculus medinensis

Größe Lebenserwartung Präpatenzzeit Larven

a

2 Nematoda (Fadenwürmer)

♂ 2 – 4 cm lang, 1 – 2 mm dick ♀ 70 – 120 cm lang, 1 – 2 mm dick 6 – 12 Monate ca. 1 Jahr 650 μm lang, 20 μm dick

b

a Steckbrief. b Traditionelle Methode der Wurmextraktion. Das adulte Weibchen wird aus einer Wunde am Fuß langsam herausgezogen und auf ein Hölzchen aufgerollt.

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3

Trematoda (Saugwürmer)

3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . Schistosomatidae . . . . . . . . . . Leberegel . . . . . . . . . . . . . . . Darmegel der Familie Fasciolidae Lungenegel . . . . . . . . . . . . . . Blutegel . . . . . . . . . . . . . . . .

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G . . . . . .

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573 574 578 581 581 582 © Gerhard Seybert - Fotolia.com

3.1

Allgemeines

3.1

▶ Definition. Trematoden (Saugwürmer oder Egel) sind mit wenigen Ausnahmen

Allgemeines

▶ Definition.

dorsoventral abgeplattete Würmer. Sie zählen neben den Cestodes (Bandwürmern) deshalb zu den Plathelminthes (Plattwürmern). Alle Trematoden besitzen eine Mundöffnung in Form eines Saugnapfes, der in ein blind endendes Darmsystem übergeht, sowie oft einen ventral gelegenen Bauchsaugnapf (trema = lat.: Loch, Öffnung!) ■ weisen zwittrige Geschlechtsorgane auf (Ausnahme: Schistosoma), ■ sind digen, d. h. neben dem Endwirt, der in der Regel nicht unbedingt der Mensch ist (Ausnahme: Schistosoma), muss es mindestens einen Zwischenwirt geben, in dem sich der Erreger entwickeln kann, ■ leben ausschließlich parasitär. Entwicklungszyklus: Die von adulten Trematoden im Endwirt abgegebenen Eier gelangen über dessen Ausscheidungen an die Umwelt. Aus den Eiern entwickelt sich – in der Regel im Wasser – eine Wimperlarve (Mirazidium). Diese dringt in eine (Wasser-)Schnecke ein, wo sie sich ungeschlechtlich vermehren kann. Diese Formen werden Zerkarien (Ruderschwanzlarven) genannt. Sie können entweder direkt in den Endwirt eindringen oder einen Zwischenwirt aufsuchen. Dann kapseln sie sich gewöhnlich unter Verlust ihres Ruderschwanzes ein (Metazerkarien). Der Endwirt infiziert sich durch orale Aufnahme dieses zweiten Zwischenwirtes. Humane Infektionen mit Trematoden sind aufgrund dieser Eigenheit geografisch auf solche Gebiete begrenzt, in denen der Zwischenwirt Lebensraum findet. Für die Prophylaxe und Bekämpfung der Infektionen ist die Ausschaltung des Zwischenwirtes von entscheidender Bedeutung.

Entwicklungszyklus: Aus den an die Umwelt abgegebenen Eiern schlüpfen Mirazidien (Wimperlarven). Diese infizieren den Zwischenwirt, in welchem sie sich ungeschlechtlich vermehren. Die so entstandenen Zerkarien (Ruderschwanzlarven) können entweder direkt in ihren Endwirt eindringen oder als Metazerkarien einen zweiten Zwischenwirt aufsuchen. Die Infektion erfolgt dann durch orale Aufnahme dieses 2. Zwischenwirtes.

Klassifikation: Tab. G-3.1 gibt einen Überblick über jene Trematoden, die bislang als Erreger humaner Infektionen bekannt geworden sind.

Klassifikation: Tab. G-3.1.

≡ G-3.1

Übersicht über Trematoden mit humanmedizinischer Bedeutung

Familie

Gattung

Organmanifestation Übertragung durch

Schistosomatidae

Schistosoma

Mesenterial-, Süßwasserschnecken Becken-, Blasenvenen

Opisthorchiidae

Opisthorchis Clonorchis

Leber Leber

≡ G-3.1

Fische Fische

Dicrocoeliidae

Dicrocoelium

Leber

Ameisen

Fasciolidae

Fasciola Fasciolopsis

Leber Darm

Wasserpflanzen Wasserpflanzen

Paragonimidae

Paragonimus

Lunge

Schalentiere, Krabben, Krebse

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574

G

3.2

3.2

Schistosomatidae

▶ Definition.

3 Trematoda (Saugwürmer)

Schistosomatidae

▶ Definition. Schistosomen sind getrenntgeschlechtliche Saugwürmer, die primär

einen runden Querschnitt aufweisen. Das sehr viel dickere Männchen (1 mm Durchmesser) formt durch Ausstülpung und Faltung seiner Seiten eine ventrale Rinne, in die er das dünnere (0,25 mm Durchmesser), aber längere (bis 25 mm) Weibchen aufnimmt (Pärchenegel). Der Körper des männlichen Wurmes erscheint längsgespalten (schizein = spalten; soma = Körper). Bedeutung: Schistosomen sind Erreger der Schistosomiasis oder Bilharziose, einer der schweren, weltweiten Infektionskrankheiten.

Bedeutung: Schistosomen sind die Erreger der Schistosomiasis oder Bilharziose (nach dem deutschen Arzt Theodor Bilharz, der 1851 als Leibarzt des ägyptischen Khediven Schistosoma haematobium entdeckte). Es handelt sich dabei um eine schwere Erkrankung, von der weltweit mehr als 200 Millionen Menschen betroffen sind.

Klassifikation: Tab. G-3.2.

Klassifikation: Tab. G-3.2 gibt einen Überblick über Vorkommen und Nomenklatur der wichtigsten Schistosoma.

≡ G-3.2

≡ G-3.2

Entwicklungszyklus: Aus den Eiern schlüpfen Mirazidien, die eine Wasserschnecke als Zwischenwirt aufsuchen und sich dort ungeschlechtlich vermehren (Abb. G-3.1). Die so entstandenen Gabelschwanzzerkarien können die menschliche Epidermis unter Abwerfen ihres Schwanzes durchdringen und als Schistosomulum Anschluss an eine Vene finden. Nach Reifung im Pfortadersystem wandern diese Larven in die Venen ihres Zielorgans, wo sie die Geschlechtsreife erlangen. Sie entziehen sich der Körperabwehr, indem sie sich dem Antigenmuster ihres Wirtes anpassen.

⊙ G-3.1

Humanpathogene Schistosomaarten und ihr geografisches Vorkommen

Art

Vorkommen

Schistosoma haematobium

Gesamtafrika, Vorderer Orient, Indien, Korsika

Schistosoma mansoni

Gesamtafrika, Vorderer Orient, Zentral- und Südamerika

Schistosoma japonicum

Ostasien

Schistosoma mekongi

Südostasien

Schistosoma intercalatum

Zentralafrika

Entwicklungszyklus: Aus den vom befallenen Endwirt (z. B. Mensch) ausgeschiedenen Eiern – die je nach Schistosomaart ein charakteristisches Aussehen haben – schlüpfen im Wasser Mirazidien, die sich in verschiedenen Wasserschnecken ungeschlechtlich vermehren und entwickeln. Sie verlassen als Gabelschwanzzerkarien die Schnecke. Diese Larven können innerhalb weniger Minuten die Epidermis des Menschen durchdringen, die sie mittels Chemorezeptoren im Wasser aufspüren (Abb. G-3.1). Bei der Penetration werfen die Zerkarien ihren Schwanz ab und werden nunmehr als Schistosomulum bezeichnet. Diese suchen Anschluss an eine periphere Vene (was jedoch oft nicht gelingt), gelangen von hier aus in das Pfortadersystem, wo sie mehrere Wochen verbleiben und heranwachsen. Dann wandern die Larven in die Venen ihrer Zielorgane, wo sie sich festsaugen und geschlechtsreif werden. Sie entziehen sich der Körperabwehr, indem sie ihre Oberfläche dem

Entwicklungszyklus der Schistosomen Aus den Schistosomeneiern schlüpfen im Wasser Mirazidien, die sich Süßwasserschnecken als Zwischenwirt suchen. Nach ungeschlechtlicher Vermehrung in der Schnecke schlüpfen Zerkarien, die durch die menschliche Haut eindringen können.

Ei

Zerkarie

Mirazidium

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G

575

3.2 Schistosomatidae

Antigenmuster des Wirtsorganismus anpassen („surface coat“ mit Blutgruppenantigenen). Die Lebenserwartung der adulten Würmer beträgt 20–30 Jahre. Zur Eiablage verlassen die Weibchen die Bauchfalte der männlichen Tiere und kriechen in die Endkapillaren, z. B. der Arteria mesenterica inferior, die den Mastdarm und die Harnblase versorgt. Die Eier gelangen also vorzugsweise in diese Organe. Nur ein geringer Teil davon erreicht das Lumen und kann dann mit Urin oder Kot ausgeschieden werden, womit sich der Zyklus schließt. Die meisten Eier verbleiben im Gewebe und verursachen eine Entzündung, die durch eine zellvermittelte Immunreaktion unterhalten wird. Klinik: Die Klinik verläuft bei allen menschlichen Bilharziosen ähnlich. Zu unterscheiden sind drei Stadien: ■ Penetrationsphase: Innerhalb weniger Stunden nach dem Eindringen der Zerkarien entsteht eine lokale, flohstichartige Dermatitis, die nach wenigen Tagen wieder verschwindet. ■ akute Phase (Katayama-Syndrom): Gewöhnlich nach 4 Wochen tritt eine generalisierte Urtikaria auf. Fieber, Ödeme, Diarrhö, Bronchitis, akute Hepatitis, eosinophile Lungeninfiltrate können je nach Schistosomaart dominieren. Klinisch finden sich eine vergrößerte Leber, Milz und Lymphknoten. ■ chronische Phase: Mit dem Auftreten der adulten Würmer beginnt die Streuung der Eier. Diese werden sowohl im umgebenden Gewebe als auch über den Blutstrom in entfernteren Organen abgelagert. Die Eier sind Grundlage granulomartiger Wucherungen, die als „Pseudotuberkel“ bezeichnet werden. Die Eier sterben ab und verkalken; der granulomatöse Herd wird durch Bindegewebe ersetzt. In den befallenen Organen entstehen dadurch fibrös-zirrhotische Veränderungen, die das Lumen von Gefäßen und Hohlorganen einengen. Betroffen sind häufig Leber, Harnblase und Mastdarm. Prophylaxe: Als individuelle Schutzmaßnahmen in Schistosoma-Endemiegebieten sind der Verzicht auf Baden in natürlichen Gewässern und eine strenge Trinkwasserhygiene (wenigstens filtrieren, besser abkochen) sinnvoll. Bei unvermeidlichem Kontakt mit Oberflächenwasser sollte eine entsprechende Schutzkleidung, z. B. lange Gummistiefel, getragen werden. Eine wirksame Vorbeugung gegen Bilharziose könnte erreicht werden, wenn durch Erziehung („Nicht ins Wasser pinkeln“) und durch hygienische Maßnahmen eine Kontamination von Gewässern mit Schistosomaeiern verhindert würde (Bau von Toiletten, Anlegen einer Kanalisation etc.). Der häufig beschrittene zweite Weg, nämlich die Vernichtung der Zwischenwirte (Wasserschnecken) auf chemischem Wege (Molluskiziden), ist zwar sehr wirksam, aber ökologisch nicht vertretbar, da von solchen Methoden auch andere Wassertiere – einschließlich Fische – betroffen werden.

Klinik: Die Bilharziosen verlaufen in drei Phasen: ■

Penetrationsphase: Entstehung einer lokalen, flohstichartigen Dermatitis



akute Phase (Katayama-Syndrom): Generalisierte Urtikaria, Fieber, Diarrhö, Bronchitis, Hepatitis, u. a. können auftreten.



chronische Phase: Ausscheiden und Streuung der Wurmeier in andere Organe, wo sie Grundlage granulomatöser „Pseudotuberkel“ sind. Die Granulome führen zu fibrös-zirrhotischen Gewebsveränderungen und engen Hohlsysteme ein.

Prophylaxe: Verzicht auf Baden in Oberflächengewässern und strenge Trinkwasserhygiene in den Schistosoma-Endemiegebieten. ■ Verhinderung der Kontamination von Gewässern mit Schistosomaeiern durch hygienische Maßnahmen. ■ Bekämpfung der Wasserschnecken als Zwischenwirte (ökologisch nicht vertretbar). ■

3.2.1 Schistosoma haematobium

3.2.1

Bedeutung: Schistosoma haematobium (Abb. G-3.2) ist der Erreger der Blasenbilharziose. Diese Erkrankung findet sich bei ca. 80 Millionen Menschen. Besonders Kinder zwischen 10 und 14 Jahren sind betroffen.

Bedeutung: Schistosoma haematobium (Abb. G-3.2) ist der Erreger der Blasenbilharziose.

⊙ G-3.2

Schistosoma haematobium

Schistosoma haematobium

Größe Lebenserwartung Präpatenzzeit Eier

♂ 0,4 – 1 mm dick, bis 15 mm lang ♀ 0,25 mm dick, bis 20 mm lang ca. 20 – 30 Jahre ca. 12 Wochen 50 × 170 μm (groß!) großer, endständiger Sporn Nachweis im Urin

a

Mirazidienlarve b

Sporn (endständig)

c

a Steckbrief. b Pärchenegel. c Ei mit großem, endständigem Sporn.

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576

G

Pathogenese: Zielorgan von Schistosoma haematobium sind die Venen der harnableitenden Organe. Die Eier werden mit dem Urin ausgeschieden.

Pathogenese: Zielorgan von Schistosoma haematobium sind die Venen der harnableitenden Organe, besonders der Blase und der Ureteren. Die abgelegten Eier können mithilfe eines Sporns und wahrscheinlich unter Absonderung lytischer Enzyme in die Hohlorgane eindringen und gelangen allderdings nur z. T. mit dem Urin an die Umwelt.

Klinik: Ca. 3 Monate nach der Infektion treten unspezifische Symptome auf, von denen eine schmerzhafte Pollakisurie und Hämaturie am ausgeprägtesten sind. Fibrosierungen, Hydronephrose, Lymphstau. Hyperplasien und kanzerogene Entartungen können die Urogenitalbilharziose komplizieren.

Klinik: Ca. 3 Monate nach der Infektion – manchmal auch erst viel später – treten unspezifische Symptome wie leichtes Fieber, Nachtschweiß, Übelkeit, Kopf- und Gliederschmerzen, jedoch kein voll ausgeprägtes Katayama-Syndrom auf. Nach Monaten und Jahren führen schmerzhafte Pollakisurie und Hämaturie, später eitriger Ausfluss aus der Harnröhre den Patienten zum Urologen. Zystoskopisch finden sich an der Blasenwand Eigranulome (1–2 mm große, weiße Knötchen, „Sandkornzystitis“, Abb. G-3.3) und Mikroabszesse, Fibrosierungen, Hydronephrose, Lymphstau und Hyperplasien nach 10 Jahren und mehr. Kanzerogene Entartungen sind als Spätkomplikationen der Urogenitalbilharziose beschrieben.

⊙ G-3.3

3 Trematoda (Saugwürmer)

⊙ G-3.3

Zytoskopischer Befund bei Schistosoma haematobia Die Blasenwand ist nicht glatt. Man sieht 1– 2 mm große, weißliche Knötchen. (Richter J., Ruppel A. Schistosomiasis und Bilharziose. In: Löscher, T., Burchard, G.-D.: Tropenmedizin in Klinik und Praxis. Thieme; 2010)

Nachweis: Serologischer Antikörpernachweis zum Screening. Direkter Erregernachweis mit Eiern in Urin oder Biopsaten bei symptomatischen Patienten. Therapie: Praziquantel.

Nachweis: Als Screening-Untersuchung kann der serologische Antikörpernachweis verwendet werden. Bei symptomatischen Patienten ist der direkte Nachweis der charakteristischen Eier, die im Urin oder in Biopsaten gefunden werden können, beweisend.

3.2.2

Schistosoma japonicum, Schistosoma mekongi Bedeutung: Beide in Ostasien vorkommenden Erreger (Abb. G-3.4) verursachen die asiatische Darmbilharziose.

3.2.2 Schistosoma japonicum, Schistosoma mekongi

Entwicklungszyklus: Zielorgan sind die Mesenterialvenen des unteren Dünndarms. Ein Teil der Eier wird mit den Fäzes ausgeschieden, der andere Teil hämatogen in andere Organe (Leber, Lunge, ZNS) verschleppt.

Entwicklungszyklus: Zielorgan für die adulten Würmer sind Mesenterialvenen des unteren Dünndarms. Nur ein Teil der abgesetzten Eier kann die Darmwand durchwandern und gelangt mit den Fäzes an die Umwelt, wo sie ihren Zwischenwirt (dies sind Wasserschnecken) infizieren. Die übrigen Eier gelangen über die Mesenterialvenen in die Leber und von hier aus in Lunge und Hirn, wo sie Ursache vielgestaltiger pathologischer Prozesse sind.

⊙ G-3.4

Therapie: Praziquantel ist das Mittel der Wahl.

Bedeutung: Obwohl sich die Erreger (Abb. G-3.4) morphologisch unterscheiden, können sie gemeinsam besprochen werden. Beide kommen in Ostasien vor und verursachen die klinisch oft schwer verlaufende asiatische Darmbilharziose. Ca. 50 Millionen Menschen sind betroffen.

Schistosoma japonicum

Größe Lebenserwartung Präpatenzzeit Eier

♂ 0,4 – 1 mm dick, bis 20 mm lang ♀ 0,25 mm dick, bis 22 mm lang (größte Schistosoma-Art) ca. 20 – 30 Jahre ca. 10 Wochen 50 × 90 μm (groß) kleiner, seitlicher, knopfartiger Sporn Nachweis im Stuhl

a

Mirazidienlarve Stachel (angedeutet)

b

c

a Steckbrief. b Schema: Pärchenegel. c Schema: Ei mit sehr kleinem Seitenstachel.

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G

577

3.2 Schistosomatidae

Klinik: Die akute Phase der Schistosomiasis ist als Katayama-Syndrom voll ausgeprägt. Die chronische Phase äußert sich zunächst in unspezifischen Darmbeschwerden wie Diarrhö, Flatulenz und leichten Blutungen. Der Befall der Leber führt zu einer Hepatosplenomegalie und manifestiert sich klinisch in Leberzirrhose, Aszites und Ösophagusvarizenblutungen. In 20 % der Krankheitsfälle ist die Lunge befallen. Neben Bronchitis treten dann Rechtsherzinsuffizienz und Eiembolien auf. Selten (ca. 3 %) wird das ZNS betroffen. Lähmungen, Psychosen, Krämpfe und epileptische Anfälle sind die Folge.

Klinik: In der akuten Phase ist das KatayamaSyndrom voll ausgeprägt. Organmanifestationen an Leber, Lunge und ZNS komplizieren die Erkrankung und führen zu einem vielgestaltigen klinischen Bild.

Nachweis: Der Nachweis der charakteristischen Eier in den Fäzes, seltener aus Sputum oder Biopsiematerial sind beweisend für eine Darmschistosomiasis.

Nachweis: Nachweis der charakteristischen Eier im Stuhl.

Therapie: Mittel der Wahl ist Praziquantel.

Therapie: Praziquantel.

3.2.3 Schistosoma mansoni, Schistosoma intercalatum

3.2.3

Bedeutung: Beide Erreger (Abb. G-3.5 und Abb. G-3.6) verursachen die afrikanische Darmbilharziose. Allerdings kommt Schistosoma mansoni als einziger direkter Bilharzioseerreger (d. h. Mensch als End- und Hauptwirt) auch in Mittel- und Südamerika vor. Etwa 80 Millionen Menschen sind weltweit betroffen. Ein deutlicher Erkrankungsgipfel liegt bei jungen Menschen zwischen 10 und 24 Jahren.

Schistosoma mansoni, Schistosoma intercalatum Bedeutung: Beide Erreger (Abb. G-3.5 und Abb. G-3.6) sind Verursacher der afrikanischen Darmbilharziose. Allerdings kommt Schistosoma mansoni auch in Mittel- und Südamerika vor.

Entwicklungszyklus: Zielorgan der adulten Erreger sind die Mesenterialvenen des (oberen) Dünndarms. Zwischenwirte sind für Schistosoma mansoni Biomphalaria-, für Schistosoma intercalatum Bulinusarten.

Entwicklungszyklus: Zielorgan der Würmer sind die Mesenterialvenen des (oberen) Dünndarms.

Klinik: Im Gegensatz zur asiatischen Darmbilharziose dominiert hier im klinischen Bild die akute Phase. Diese verläuft im Sinne eines anaphylaktischen Schocks. Die chronische Phase ist hingegen bei Schistosoma mansoni weniger schwer ausgeprägt. Bei Schistosoma intercalatum muss mit prognostisch ungünstigeren Verläufen gerechnet werden.

Klinik: Die akute Phase verläuft sehr heftig, im Sinne eines anaphylaktischen Schocks. Die chronische Phase ist weniger schwer ausgeprägt als bei der asiatischen Bilharziose.

⊙ G-3.5

Schistosoma mansoni

Größe

Lebenserwartung Präpatenzzeit Eier

♂ 0,4 – 1 mm dick, bis 10 mm lang ♀ 0,25 mm dick, bis 15 mm lang ca. 20 – 30 Jahre ca. 7 Wochen 50 × 60 μm (groß!) großer, seitlicher Sporn Nachweis im Stuhl

Seitenstachel

b

a a b c d

c

d

Steckbrief. Schema: Pärchenegel. Schema: Ei mit großem Seitenstachel. Lichtmikroskopische Aufnahme.

⊙ G-3.6

Schistosoma intercalatum

Größe

Lebenserwartung Präpatenzzeit Eier

♂ 0,4 – 1 mm dick, bis 15 mm lang ♀ 0,25 mm dick, bis 25 mm lang ca. 20 – 30 Jahre ca. 7 Wochen 35 × 200 μm (groß!) großer, endständiger Sporn Nachweis im Stuhl

b Sporn Merazidienlarve c

a a b c d

Mirazidienlarve

d

Steckbrief. Schema: Pärchenegel. Schema: Ei mit großem, endständigen Sporn. Lichtmikroskopische Aufnahme. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

578

G

Nachweis: Nachweis der charakteristischen Eier im Stuhl.

Nachweis: Nachweis der charakteristischen Eier im Stuhl, seltener in Biopsaten oder Sputum.

Therapie: Praziquantel.

Therapie: Mittel der Wahl ist Praziquantel.

3.2.4

3.2.4 Schistosomatidae als Erreger der Zerkariendermatitis

Schistosomatidae als Erreger der Zerkariendermatitis Die in Wasservögeln parasitierenden Schistosomen belasten Oberflächengewässer mit Zerkarien, die beim Eindringen in die menschliche Epidermis absterben und dort eine Allergisierung hervorrufen, die vor allem bei erneutem Kontakt zu einer heftig verlaufenden Dermatitis führt (Schwimmbaddermatitis, „swimmer’s itch“ usw.).

3.3

Etliche Schistosomatidae (z. B. Giganto-, Hetero-, Oriento-, Ornitho- oder Trichobilharzia spp.) haben ihren Hauptwirt in Wasservögeln. Die von diesen abgesonderten Zerkarien befallen den Menschen als Fehlwirt, wenn er in belasteten Gewässern badet. Die Zerkarien sterben in der Epidermis ab und verursachen eine Dermatitis. Besonders bei wiederholtem Kontakt mit den Zerkarien (Sensibilisierung) kann diese sehr heftig verlaufen. Die Therapie ist unspezifisch und besteht in der Applikation von Antihistaminika. Diese Schwimmbaddermatitis oder „swimmer’s itch“ wird regional auch als Weiherhippel bezeichnet.

Leberegel

3.3

Leberegel

▶ Definition.

3.3.1

3 Trematoda (Saugwürmer)

▶ Definition. Die Gruppe der Leberegel ist inhomogen. Das einzige Charakteristikum, das sie verbindet, ist der Befall der Leber oder der Gallenwege. Von humanmedizinischem Interesse sind Vertreter der Familien Opisthorchiidae, Dicrocoeliidae und Fasciolidae.

3.3.1 Opisthorchiidae

Opisthorchiidae

▶ Definition.

▶ Definition. Mitglieder dieser Familie sind lanzettförmige Würmer, ca. 2 mm breit und ca. 10–25 mm lang. Es handelt sich um Zwitter. Anhand der Lage und Form des Hodens (orchis = lat.: Hoden) lassen sich unterscheiden: ■ Opisthorchis (opisten = hinten) und ■ Clonorchis (clon = Zweig, Abb. G-3.7).

Klassifikation: Tab. G-3.3.

Klassifikation: Tab. G-3.3 zeigt die verschiedenen humanpathogenen Spezies und ihr Verbeitungsgebiet.

Bedeutung und Epidemiologie: Ca. 40 Millionen Menschen leiden unter Opisthorchis und Clonorchis.

Bedeutung und Epidemiologie: Ca. 9 Millionen Menschen, davon gut 7 Millionen in Thailand, sind mit Opisthorchis viverrini befallen. 40 Millionen Menschen in Ostasien leiden unter Clonorchis sinensis.

≡ G-3.3

⊙ G-3.7

≡ G-3.3 Art

Verbreitungsgebiet

Opisthorchis felineus (Katzenleberegel)

Osteuropa, Asien

Opisthorchis viverrini

Südostasien (Thailand, Laos, Malaysia)

Clonorchis sinensis (chinesischer Leberegel)

Ostasien (Japan, Korea, China, Taiwan)

Clonorchis sinensis (chinesischer Leberegel)

Größe Lebenserwartung Präpatenzzeit Eier

a

Humanpathogene Opisthorchiidae und ihr Verbreitungsgebiet

ca. 4 mm breit, bis 25 mm lang, lanzettförmig ca. 15 – 20 Jahre ca. 4 Wochen birnenförmig 50 × 30 μm Mirazidium sichtbar charakteristisch ist das Operculum, ein deckelförmiges Gebilde am schlanken Pol

Operculum Mundsaugnapf

b

Bauchsaugnapf

Ovar

Dottersack Hoden

2 mm

c

a Steckbrief. b Schematische Darstellung: adulter Wurm. c Lichtmikroskopische Aufnahme: Ei. (Thienpont, D., Rochette, F., Vanparijs, O. F. J.: Diagnose von Helminthosen durch koproskopische Untersuchung, © Janssen Pharmaceutics, 1999)

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G

579

3.3 Leberegel

Entwicklungszyklus: Die Erreger parasitieren neben dem Menschen in fischfressenden Säugetieren, von denen vor allem Hunde und Katzen bedeutende Glieder in der Infektionskette sind. Die Eier, aus denen die Mirazidien schlüpfen, werden fäkal ausgeschieden. Erster Zwischenwirt sind Wasserschnecken der Familie Hydrobiidae. Die dort entstehenden Zerkarien suchen einen Süßwasserfisch als zweiten Zwischenwirt auf. Die mit dem zweiten Zwischenwirt aufgenommenen Zerkarien besiedeln über den Ductus choledochus die Gallengänge, wo sie nach ca. 4 Wochen geschlechtsreif werden.

Entwicklungszyklus: Die Eier, aus denen die Mirazidien schlüpfen, werden fäkal ausgeschieden. 1. Zwischenwirt ist eine Wasserschnecke, 2. Zwischenwirt ein Süßwasserfisch. Die aufgenommenen Zerkarien besiedeln die Gallenwege.

Transmission: Die Infektion des Menschen erfolgt durch den Verzehr von rohem oder ungenügend gegartem Fisch (z. B. gepökeltem Karpfen, Sushi).

Transmission: Der Mensch infiziert sich über den Verzehr von rohem Fisch.

Klinik: Klinische Symptome treten nur bei massivem Befall (mehrere hundert Würmer) auf. In den Gallengängen kommt es zu eosinophilen Entzündungsreaktionen, die Ursache für Cholezystitis, Hepatitis, Zirrhose und bösartige Neubildungen sein können. Verschlussikterus, Hepatosplenomegalie, Diarrhö u. a. sind klinische Zeichen.

Klinik: Klinische Symptome treten nur bei massivem Befall auf. Cholezystitis, Hepatitis, Zirrhose und bösartige Neubildungen sind dann möglich.

Nachweis: Nachweis der charakteristischen Eier im Stuhl oder im Duodenalsekret. Therapie: Mittel der Wahl ist Praziquantel.

Nachweis: Nachweis der Eier in Stuhl oder Duodenalsekret. Therapie: Praziquantel.

Prophylaxe: Fische nur im gut gegarten Zustand verzehren.

Prophylaxe: Keinen rohen Fisch essen!

3.3.2 Dicrocoeliidae

3.3.2

▶ Definition. Dicrocoeliidae werden wegen ihrer Form auch als Lanzettegel bezeichnet. Der Wurm hat zwei Saugnäpfe und ist mit ca. 15 mm Länge relativ klein (Kleiner Leberegel).

Klassifikation: Wichtigster Vertreter ist Dicrocoelium dentriticum (Abb. G-3.8).

⊙ G-3.8

Dicrocoeliidae

▶ Definition.

Klassifikation: Wichtigster Vertreter ist Dicrocoelium dentriticum (Abb. G-3.8).

Dicrocoelium dentriticum (Kleiner Leberegel)

Größe Präpatenzzeit Eier

a

ca. 2 mm breit, bis 15 mm lang ca. 10 Wochen 25 × 40 μm typisch sind zwei „Keimkerne“, die durch die Schale sichtbar sind, und ein Deckel (Operculum)

Saugnapf

Hoden

Dottersack Ovar

Uterus

b

Exkretionskanal Deckel

c

Keimkerne

Mirazidium

1 mm

a Steckbrief. b Schema: Wurm. c Schema: Ei.

Entwicklungszyklus: Die mit den Fäzes ausgeschiedenen Eier werden von Landschnecken gefressen. In diesen vollzieht sich die ungeschlechtliche Vermehrung der Zerkarien, die mit dem Schneckenschleim ausgeschieden werden. Zweiter Zwischenwirt sind Ameisen, die die Zerkarien zusammen mit dem Schneckenschleim fressen. Die aufgenommenen Zerkarien werden alle – bis auf eine – zu Metazerkarien verkapselt. Diese eine dringt in das Unterschlundganglion der Ameise („Hirnwurm“) ein und verändert deren Verhalten. Die Ameise kehrt nicht mehr in ihren Bau zurück, sondern klettert an die äußerste Spitze eines Grashalmes, wo sie sich festbeißt und darauf wartet, von einem Grasfresser verspeist zu werden. Auf diese Weise gelangt Dicrocoelium dentriticum in seinen Endwirt. Im Dünndarm werden die Larven der Erreger freigesetzt und wandern über den Ductus choledochus in die Gallenwege, wo sie nach ca. 10 Wochen geschlechtsreif werden.

Entwicklungszyklus: Die mit den Fäzes ausgeschiedenen Eier werden von einer Landschnecke (1. Zwischenwirt) gefressen. Hier entwickeln sich die Zerkarien, die mit dem Schneckenschleim von Ameisen (2. Zwischenwirt) aufgenommen werden. Eine dieser Zerkarien befällt das Unterschlundganglion und verändert das Verhalten der Ameise: Sie klettert an die Spitze eines Grashalmes und lässt sich von einem Grasfresser (Endwirt) verspeisen. Die Larven des Erregers wandern über den Ductus choledochus in die Gallenwege.

Transmission: Der Mensch infiziert sich durch die orale Aufnahme von Ameisen, z. B. beim Verzehr von Salat.

Transmission: Die Infektion erfolgt über die orale Aufnahme von Ameisen (z. B. über Salat). ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

580

G

3 Trematoda (Saugwürmer)

Klinik: geringe Oberbauchsymptomatik.

Klinik: Da der Wurmbefall in der Regel zahlenmäßig gering ist, treten entweder keine oder nur geringe Oberbauchbeschwerden auf.

Nachweis: Wurmeier in Stuhl oder Duodenalsekret.

Nachweis: Nachweis der charakteristischen Wurmeier in Fäzes oder Duodenalsekret.

Therapie: Praziquantel.

Therapie: Mittel der Wahl ist Praziquantel.

3.3.3

3.3.3 Leberegel der Familie Fasciolidae

Leberegel der Familie Fasciolidae

Arten dieser Familie sind teilweise Leber-, teilweise Darmegel (S. 581). Hier soll nur Fasciola hepatica als bedeutendster Vertreter besprochen werden.

Fasciola hepatica

Fasciola hepatica ▶ Definition.

⊙ G-3.9

▶ Definition. Der Große Leberegel (Abb. G-3.9) ist abgeplattet und hat die Form eines Lorbeerblattes. Die verwandte, in Afrika heimische Art Fasciola gigantea bringt es sogar auf 7 cm.

Fasciola hepatica (Großer Leberegel)

Größe Lebenserwartung Präpatenzzeit Eier

Deckel

2 – 4 cm lang, blattförmig ca. 10 Wochen ca. 10 Stunden 80 × 140 μm goldgelb, gedeckelt

a

b

Hoden

Uterus

c

mehrkernige Larve

a Steckbrief. b Schema: adultes Stadium. c Schema: Ei.

Entwicklungszyklus: Die aus den fäkal ausgeschiedenen Eiern ausgeschlüpften Mirazidien haben eine Wasserschnecke als 1. Zwischenwirt. Von diesen freigesetzte Metazerkarien werden oral vom Endwirt aufgenommen. Die Erreger durchdringen die Darmwand, erreichen die Leber und setzen sich im Parenchym und in den Gallenwegen fest. Transmission: Hauptinfektionsquelle für den Menschen sind Wasserkresse und rohe Leber.

Entwicklungszyklus: Aus den mit den Fäzes ausgeschiedenen Eiern schlüpfen Mirazidien, welche eine Süßwasserschnecke als Zwischenwirt aufsuchen. Dort entwickeln sich aus dem Mirazidium Zerkarien, die sich als Metazerkarien auf Wasserpflanzen festsetzen, um von ihrem Endwirt oral aufgenommen zu werden. Die im Dünndarm freigesetzten Erreger durchdringen die Darmwand und erreichen über das Peritoneum die Leber. Nach mehrwöchiger Wanderung durch das Leberparenchym gelangen sie in die Gallenwege, wo sie geschlechtsreif werden. Transmission: Hauptinfektionsquelle für den Menschen ist neben dem Verzehr von Wasserkresse auch rohe, egelhaltige Leber von Schaf oder Ziege.

Werden die adulten Würmer direkt aufgenommen (rohe Leber), kommt es zu akuten Pharynxerkrankungen.

Klinik: Zwei Krankheitsbilder können auftreten: Bei Befall der Gallengänge kann es zur Cholangitis und zum Verschlussikterus kommen. Eosinophilie, Fieber, Diarrhö und Urtikaria sind klinische Zeichen. ■ Werden adulte Leberegel direkt aufgenommen (rohe Leber), so siedeln sich diese im Pharynx an, wo sie für Schluckbeschwerden und Dyspnoe bis zur akuten Atemnot verantwortlich zeichnen.

Nachweis: Einachweis aus Gallensaft oder Duodenalsekret.

Nachweis: Nur der Einachweis aus Gallensaft oder Duodenalsekret ist für das Vorkommen von Fasciola hepatica beweisend.

Klinik: Bei Befall der Gallengänge resultiert eine entsprechende Symptomatik mit Verschlussikterus u. a.

▶ Merke.



▶ Merke. Da die Eier dem zur gleichen Familie gehörenden Darmegel Fasciolopsis

buski sehr ähnlich sind, sichert ein Einachweis in den Fäzes die Diagnose nicht. Therapie: Triclabendazol.

Therapie: Mittel der Wahl ist Triclabendazol.

Prophylaxe: Verzicht auf rohe Wasserkresse und rohe Leber.

Prophylaxe: Verzicht auf den Genuss roher Wasserkresse und roher Tierleber.

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G

3.4

581

3.5 Lungenegel

Darmegel der Familie Fasciolidae

3.4

Darmegel der Familie Fasciolidae

Ebenso wie die Leberegel stellen die Darmegel eine inhomogene Gruppe von Trematoden dar. Medizinisch wichtig sind Vertreter der Familien Fasciolidae, Heterophyidae, Echinostomatidae und Paraamphistomatidae. Hier soll nur der Darmegel Fasciolopsis buski besprochen werden.

Bedeutender Vertreter dieser Familie ist Fasciolopsis buski.

3.4.1 Fasciolopsis buski

3.4.1

Fasciolopsis buski

▶ Definition.

▶ Definition. Der Riesendarmegel (Abb. G-3.10) ist mit 7,5 cm Länge der größte hu-

manpathogene Egel. Er kommt nur in Südostasien vor. Sein Zielorgan ist der Dünndarm des Wirtes.

⊙ G-3.10

Fasciolopsis buski (Riesendarmegel)

Größe Lebenserwartung Präpatenzzeit Eier

bis zu 7,5 cm lang, lorbeerblattförmig ca. 10 Jahre ca. 6 Wochen ca. 80 × 135 μm goldgelb, gedeckelt

mehrkernige Larve Deckel (Operculum) b

a

c

a Steckbrief. b Schema: adulter Wurm (Originalgröße). c Schema: Ei.

Entwicklungszyklus: Der Entwicklungszyklus entspricht dem von Fasciola hepatica (S. 580). Die mit der Nahrung aufgenommenen Larven werden nach ca. 6 Wochen geschlechtsreif und saugen sich im oberen Duodenum fest. Transmission: Die Infektion des Menschen erfolgt durch roh verzehrte metazerkarienhaltige Wasserpflanzen, wie z. B. der Wasserbambus, die Lotuswurzel oder die Wassernuss. Dies sind in Asien beliebte Speisen und in den betroffenen Ländern wird mit ca. 10 Millionen Wurminfestationen gerechnet.

Entwicklungszyklus: Nach ca. 6 Wochen werden die oral aufgenommenen Larven geschlechtsreif und saugen sich im oberen Duodenum fest. Transmission: Die Infektion des Menschen erfolgt durch Genuss von rohem Salat oder Gemüse.

Klinik: Der Wurmbefall löst primär Diarrhö, Hämorrhagien und Schleimhautulzera aus. Sekundär kommt es durch abgesonderte Toxine zu allergischen Reaktionen, die sich als Gesichtsödeme, Aszites und starke Abdominalschmerzen manifestieren. Der Stuhl ist gelbgrün und enthält unverdaute Nahrung. Bei starkem Wurmbefall sind Todesfälle möglich.

Klinik: Neben Darmbeschwerden allgemeiner Art können die durch die Würmer erzeugten Toxine systemische allergische Reaktionen mit Todesfällen hervorrufen.

Nachweis: Der Nachweis der Eier im Stuhl und die darmbezogenen klinischen Symptome, verbunden mit einer entsprechenden Anamnese (Nahrungsgewohnheiten, Aufenthalt in Südostasien etc.), sichern den Befund.

Nachweis: Durch Nachweis der Eier im Stuhl, die klinische Symptomatik und Anamnese.

Therapie: Mittel der Wahl ist Praziquantel.

Therapie: Praziquantel.

3.5

Lungenegel

3.5.1 Paragonimidae ▶ Definition. Paragonimidae sind dickleibige (kaffeebohnenförmig), abgeplattete Trematoden, die beim Menschen die Lunge befallen und deshalb generell als „Lungenegel“ bezeichnet werden.

3.5

Lungenegel

3.5.1

Paragonimidae

▶ Definition.

Klassifikation: Unter den humanpathogenen Spezies der Paragonimidae ist der wichtigste Vertreter Paragonimus westermani, der in Ost-Südostasien verbreitet ist.

Klassifikation: Wichtigster Vertreter ist Paragonimus westermani.

Entwicklungszyklus: Die Eier der in der Lunge der Endwirte (Fleischfresser) lebenden Parasiten werden teils über das Sputum, teils über die Fäzes ausgeschieden. Im Wasser schlüpfen die Mirazidien, die eine Wasserschnecke als ersten Zwischenwirt aufsuchen. Die entstehenden Zerkarien besiedeln Süßwasserkrabben und Krebse als zweiten Zwischenwirt. Der Mensch infiziert sich durch den Genuss roher Krabben und Krebse. Die im Darm freigesetzten Larven wandern primär in die Lunge, aber auch in andere Organe.

Entwicklungszyklus: Eier der Würmer werden teils mit dem Sputum, teils mit den Fäzes ausgeschieden. 1. Zwischenwirt ist eine Wasserschnecke, 2. Zwischenwirt sind Krebse und Krabben. Bei Aufnahme des 2. Zwischenwirtes wandern die freigesetzten Larven über den Darm in die Lunge oder in andere Organe. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

582

G

3 Trematoda (Saugwürmer)

Klinik: Bei Befall der Lunge finden sich Tbcähnliche Symptome. Ein Darmbefall äußert sich in Diarrhö und Tenesmen. Besiedelung des ZNS führt zu Meningitis, Enzephalitis, epileptischen Anfällen oder zur spinalen Paragonimiasis. Kardiale Manifestationen enden häufig tödlich.

Klinik: Bei Befall der Lunge dominiert eine tuberkuloseähnliche Symptomatik mit Nachtschweiß, Hämoptoe und Brustschmerz. Klinisch finden sich eine Pleuritis mit Erguss, eine Bronchopneumonie, Bronchiektasen u. a. Der Darmbefall äußert sich relativ unspezifisch mit Diarrhö und Tenesmen. Der Befall des ZNS bewirkt Enzephalitis, Meningitis und epileptische Anfälle. Spastische Paraplegie stellt sich als Folge einer spinalen Paragonimiasis ein. Gefürchtet ist die Beteiligung des Herzens, die häufig mit dem Exitus endet. In der Haut sind die Würmer für subkutane Granulome verantwortlich.

Nachweis: Durch Einachweis im Sputum und serologische Methoden.

Nachweis: Nachweis der charakteristischen Eier im Sputum, seltener aus anderen Körpersekreten. Serologische Untersuchungen im Sinne der indirekten Hämagglutination oder eines EIA sind bei extrapulmonaler Infestation in Erwägung zu ziehen.

Therapie: Praziquantel.

Therapie: Mittel der Wahl ist Praziquantel.

Prophylaxe: Verzicht auf rohes Krebsfleisch und ungenügend gegarte Krabben.

Prophylaxe: Verzicht auf rohes Krebsfleisch und ungenügend gegarte Krabben.

3.6

Blutegel

Hirudo medicinalis wird seit dem Altertum zur Behandlung diverser Leiden eingesetzt. Blutegel können jedoch auch den Menschen äußerlich und innerlich befallen. Durch Blutungen aus Nase und Mund können sie auf sich aufmerksam machen.

3.6

Blutegel

Die Blutegel (Hirudinea) gliedern sich in mehrere Familien. Hirudo medicinalis wird seit dem Altertum in der Volksmedizin zur Behandlung diverser Leiden eingesetzt. Blutegel sind jedoch auch noch heute als schädliche Parasiten von medizinischem Interesse. Wichtig sind vor allem die im Wasser lebenden Arten, da diese den Menschen sowohl äußerlich wie auch innerlich befallen können. Beim Trinken von Oberflächenwasser können die sehr kleinen Egel in den Nasen-Rachen-Raum, das Bronchialsystem und den Ösophagus gelangen, wo sie sich festsetzen, sehr schnell wachsen und entsprechende Beschwerden verursachen. Der Befall der Atemwege kann lebensbedrohend sein. Klinische Leitsymptome sind Blutungen aus Nase und Mund. Die Therapie besteht in der endoskopischen Entfernung der Parasiten, wobei jedoch darauf zu achten ist, dass die Würmer nicht zerrissen werden. Der Egel saugt auch noch im zertrennten Zustand und kann dabei starke Blutungen verursachen.

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4

Cestoda (Bandwürmer)

4.1 4.2 4.3

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 Cyclophyllidae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 Pseudophyllidae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589

G © Mirko - Fotolia.com

4.1

Allgemeines

4.1

▶ Definition. Bei Zestoden oder Bandwürmern, die den menschlichen Darm besie-

Allgemeines

▶ Definition.

deln, werden die niederen (Pseudophyllidae) und die höheren Formen (Cyclophyllidae) unterschieden. Alle Bandwürmer haben gemeinsam: ■ Endoparasitäre Lebensweise: Bandwürmer besitzen keinen Darm, sondern nehmen Nährstoffe direkt über ihre Körperoberfläche auf. ■ Zwittrige Geschlechtsorgane. ■ Aufbau: Bandwürmer besitzen einen Kopf (Skolex) mit Saugnäpfen und teilweise einem Hakenkranz (Rostellum) und bestehen aus einer Reihe von Proglottiden (Bandwurmgliedern), die bis zu mehreren Tausend eine Kette (Strobila) bilden. Diese ist je nach Art zwischen 2 mm und 20 m lang. ■ Farbe: Bandwürmer sind weiß bis leicht gelblich. ■ Zwischenwirte: Bandwürmer benötigen für ihren Entwicklungszyklus einen oder zwei Zwischenwirte. Klassifikation: In Tab. G-4.1 sind humanpathogene Vertreter zusammengestellt, auch solche, die im Text nicht ausführlich behandelt werden können.

≡ G-4.1

Übersicht über die wichtigsten humanpathogenen Cestoda

Art

Länge

Vorkommen

Übertragung durch

Klassifikation: Tab. G-4.1 gibt einen Überblick über humanpathogene Vertreter.

≡ G-4.1

Cyclophyllidae ■

Taenia solium

2–7 m

weltweit

Schwein



Taenia saginata

6–10 m

weltweit

Rind



Echinococcus granulosus

ca. 5 mm

weltweit

Hund



Echinococcus multilocularis

ca. 2 mm

Europa

Fuchs



Hymenolepis nana

ca. 4 cm

weltweit

Insekten



Hymenolepis diminuta

ca. 50 cm

weltweit

Insekten

bis 20 m

weltweit

Fische

Pseudophyllidae ■

Diphyllobothrium latum



andere Diphyllobothrium spp.

4.2

Cyclophyllidae

4.2.1 Taeniidae

4.2

Cyclophyllidae

4.2.1

Taeniidae

Die Cyclophyllidaefamilie Taeniidae enthält die meisten und bedeutendsten humanpathogenen Bandwurmarten. Zwischenwirte sind hier ausschließlich Säugetiere.

Taenia saginata ▶ Definition. Taenia saginata (Abb. G-4.1) ist der weltweit verbreitete Rinderbandwurm (taenia = Band; saginatus = gemästet). 50 Millionen Infestationen werden weltweit angenommen. Der adulte Wurm im Menschen wird in der Regel 6–10 m, in Ausnahmefällen auch bis zu 25 m lang. Er hat dann 1000–2000 Proglottiden. Sein Skolex hat vier Saugnäpfe (aus der Türkei und Korea sind Formen mit sechs Saugnäpfen beschrieben) und keinen Hakenkranz.

Taenia saginata ▶ Definition.

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584

G

⊙ G-4.1

Taenia saginata (Rinderbandwurm)

Größe

Lebenserwartung Präpatenzzeit Proglottiden Eier

Skolex: 2 mm breit mit 4 Saugnäpfen 1000 – 2000 Proglottiden Länge 6 – 10 m, maximal 25 m bis 20 Jahre 5 – 12 Wochen 12 mm breit, bis zu 2 cm lang Uterus 15 – 30 Ausstülpungen 30 × 35 μm, dickwandig

a a b c d

4 Cestoda (Bandwürmer)

radiäre Wand Larve

b

c

d

Steckbrief. Schema: Skolex mit 4 Saugnäpfen, ohne Hakenkranz. Schema: Proglottide. Der Uterus hat mehr Seitenäste als der von Taenia solium. Jede Uterusverzweigung ist gefüllt mit Eiern. Lichtmikroskopische Aufnahme: Ei mit dicker, radiär strukturierter Membran.

⊙ G-4.2

Proglottiden (a) und Finne (b) bei Rinderbandwurmbefall a Uterusverzweigungen in Proglottiden. b Rindfleisch mit Finnenblasen.

a

b

Entwicklungszyklus: Die mit dem Stuhl ausgeschiedenen Eier (frei oder innerhalb von Proglottiden) müssen von einem Rind als Zwischenwirt oral aufgenommen werden. Hier entwickeln sich im Darm die Sechshakenlarven (Onkosphären), aus denen nach Durchdringen der Darmwand in der quergestreiften Muskulatur die infektiöse Finne oder Blasenlarve (Cysticercus bovis) entsteht (Abb. G-4.2b). Die Larve besiedelt den Dünndarm, wo der Wurm nach ca. 9 Wochen geschlechtsreif wird.

Entwicklungszyklus: Ungefähr das letzte Fünftel des Bandwurmes besteht aus reifen Proglottiden, die jeweils ca. 105 Eier in Uterusverzweigungen enthalten (Abb. G-4.2a). Täglich werden bis zu sieben Endglieder abgestoßen und überwinden sowohl mit dem Stuhl als auch durch aktive Beweglichkeit den Anus. Die so teils bereits im Darm, teils an der Umwelt freigesetzten Eier müssen von Rindern als Zwischenwirt aufgenommen werden. Die Tenazität der Eier ist erheblich. Sie können monatelang in Feuchtmilieu überdauern. Im Darm des Rindes schlüpfen die Sechshakenlarven (Onkosphären), die die Darmwand durchwandern und über die Pfortadergefäße in den großen Körperkreislauf gelangen. Von hier aus befallen sie die quergestreifte Muskulatur, wo sich nach ca. 5 Monaten eine infektionsfähige Blasenlarve oder Finne (Abb. G-4.2b), die im Fall von Taenia saginata Cysticercus bovis genannt wird, bildet. Dies ist ein in das Innere einer Blase eingestülpter Bandwurmkopf (Skolex). Im Dünndarm des Menschen stülpt sich der Skolex aus seiner Blase nach außen und heftet sich an die Darmwand an. Anschließend setzt das Längenwachstum des Wurmes ein. Nach 9 Wochen können die ersten eiertragenden Proglottiden abgehen.

Transmission: Durch den Verzehr rohen, finnenhaltigen Rindfleisches (Tatar).

Transmission: Der Mensch als Endwirt infiziert sich durch die orale Aufnahme rohen, finnenhaltigen Rindfleisches (Tatar).

Klinik: In der Regel bleibt die Infestation symptomlos.

Klinik: Lediglich in der Phase, in der der Wurm zur Geschlechtsreife auswächst, kommt es zu starkem Hungergefühl, Gewichtsabnahme und Diarrhö. Dann verläuft die Wurminfestation symptomlos. Nur sehr selten ist eine Appendizitis aufgrund von Proglottiden beschrieben, die es in den Blinddarm verschlagen hatte.

Nachweis:

Nachweis: Der Nachweis der Eier im Stuhl gestattet nur die Diagnose „Taenia-Infestation“.

▶ Merke.

▶ Merke. Eine Speziesdiagnostik durch Einachweis ist nicht möglich, da sich die Ei-

er aller Taeniaspezies gleichen. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

G

585

4.2 Cyclophyllidae

Eine Artdiagnostik kann nur über die Proglottiden erreicht werden, die jedoch der Patient nur selten beobachtet, weil sie in einer modernen Toilette schnell weggespült werden. Makroskopisch stellen sich die Proglottiden wie Stücke einer Bandnudel dar. Nach Aufschwemmung des Stuhles oder auch direkt durch Auffinden in der Nachtwäsche werden Proglottiden isoliert und zwischen zwei Objektträger gelegt. Diese werden leicht zusammengedrückt (Quetschpräparat) und dann im Mikroskop begutachtet. Entscheidend ist die Uterusform.

Die sichere Diagnose wird durch mikroskopische Begutachtung der Proglottiden gestellt.

▶ Merke.

▶ Merke. Der Uterus des Rinderbandwurms hat viele (15–30) Ausstülpungen, der

differenzialdiagnostisch infrage kommende Schweinebandwurm nur wenige (9–13). Therapie: Mittel der Wahl sind Praziquantel und Niclosamid. Die Therapie kann als erfolgreich beendet betrachtet werden, wenn der Skolex des Bandwurmes nachweislich abgegangen ist (eine Forderung, deren Überprüfung in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten hervorruft. Schon das Beibringen einer einfachen Stuhlprobe ist in Anbetracht der Verbreitung von Tiefspülklosetts problematisch).

Therapie: Praziquantel und Niclosamid.

Prophylaxe: Veterinärmedizinisch ist durch serologische Untersuchungen der Schlachttiere ein Finnenbefall feststellbar. Durch Tieffrieren des Fleisches (–20 °C über 24 Stunden) kann eine Inaktivierung der Finnen erfolgen. Verzicht auf den Genuss rohen Rindfleisches (Tatar) ist auch aus anderen infektionshygienischen Gründen anzuraten.

Prophylaxe: Tieffrieren des Fleisches (–20 °C über 24 h) oder Kochen inaktiviert die Finnen. Verzicht auf den Genuss rohen Fleisches.

Taenia solium

Taenia solium ▶ Definition.

▶ Definition. Der Schweinebandwurm Taenia solium (Abb. G-4.3) ist weltweit ver-

breitet. Er ist in Deutschland heute nicht mehr endemisch. Hauptverbreitungsgebiet ist Südamerika. Taenia solium ist im Darm des Menschen mit 3–7 m Länge kürzer als der Rinderbandwurm. Auch die Proglottiden sind kleiner, und der Uterus weist weniger als 15 Verzweigungen auf. Der Skolex trägt neben den vier Saugnäpfen ein Rostellum mit 22–36 kleinen Haken. Entwicklungszyklus:

Entwicklungszyklus: ▶ Merke.

▶ Merke. Im Gegensatz zu Taenia saginata kann bei Taenia solium auch der Mensch

als Zwischenwirt fungieren! Da die Larve im Ei von T. solium rasch reift, kann eine infektiöse Larve noch während der Zeit im Menschen entstehen und eine endogene Autoinfektion auslösen. Dann ist dasselbe Individuum nicht nur Endwirt, sondern auch gleichzeitig Zwischenwirt. Innerhalb von zwei Monaten nach Aufnahme der Bandwurmeier kann es so nach Wanderung der Larven zur Ausbildung von Zystizerken und zum Krankheitsbild der Zystizerkose kommen. Bei den Zystizerken unterscheidet man: ■ Cysticercus cellulosus: Dieses erbsengroße Finnenbläschen kann sich zu Hunderten oder Tausenden in der Haut, der Skelettmuskulatur, im Auge oder ZNS absiedeln. Die Finnen sterben nach einigen Jahren ab, verkalken und werden im Röntgenbild sichtbar. ■ Cysticercus racemosus: Er wird hauptsächlich im Gehirn und anderen Teilen des ZNS gefunden. Es handelt sich um eine traubenähnliche Ansammlung von Finnenbläschen, die erhebliche Größe (mehr als 60 ml) annehmen kann.

⊙ G-4.3

Taenia solium (Schweinebandwurm)

Größe

Lebenserwartung Präpatenzzeit Proglottiden Eier

Skolex: 2 mm breit, Rostellum mit 22 – 36 Haken, 4 Saugnäpfe < 1000 Proglottiden Länge 2 – 7 m bis 20 Jahre 8 – 12 Wochen 12 mm breit, bis zu 1,5 cm lang Uterus < 15 Ausstülpungen 30 × 35 μm, dickwandig, infektiös!

a a b c d

Die Larve von Taenia solium reift innerhalb kurzer Zeit im Ei heran. Sie kann schon im Zwischenwirt schlüpfen und nach Wanderung zur Ausbildung von Zystizerken führen. Der Zwischenwirt ist dann zugleich Endwirt. Bei der Zystizerkose sind zu unterscheiden: ■ Zystizerkosen mit Cysticercus cellulosus, erbsengroßen solitären Finnenbläschen, die verkalken können. ■ Zystizerkosen mit Cysticercus racemosus, einem traubenförmigen Gebilde, das vor allem im ZNS eine erhebliche Raumforderung hervorruft.

b

c

d

Steckbrief. Schema: Skolex mit 4 Saugnäpfen und Häkchenkranz. Schema: Proglottide mit wenig verzweigtem Uterus. Schema: Parasitenei mit dicker, radiär strukturierter Membran. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

586

G

4 Cestoda (Bandwürmer)

Transmission: Infektionen sind möglich durch: ■ Verzehr finnenhaltigen Schweinefleisches (Bandwurmbefall) ■ orale Aufnahme der Eier (Zystizerkose ohne Bandwurmbefall) ■ Reifung der Eier im Menschen (Zystizerkose bei bestehendem Bandwurmbefall).

Transmission: Je nach aufgenommenem Stadium resultieren unterschiedliche Formen der Infestation: ■ Bandwurmbefall nach Fremdinfektion durch Verzehr finnenhaltigen Schweinefleisches, ■ Zystizerkose ohne Bandwurmbefall nach Fremdinfektion oder exogene Autoinfektion durch orale Aufnahme der Bandwurmeier, ■ Zystizerkose bei bestehendem Bandwurmbefall nach endogener Autoinfektion durch frühzeitige Reifung der Larve im Ei noch im Hauptwirt.

Klinik: Der Wurmbefall im Darm bleibt symptomlos. Cysticercus cellulosus verursacht rheumatoide Beschwerden. Cysticercus racemosus führt zu neurologischen Symptomen und endet nicht selten letal.

Klinik: Der Bandwurmbefall selbst bleibt in der Regel klinisch stumm. Bei der Zystizerkose bestimmt der Organbefall die Symptomatik. Kopfschmerzen, Schwindel und Erbrechen sprechen für einen Cysticercus. Der Befall des ZNS mit Cysticercus racemosus endet nicht selten letal. Der Haut- und Muskelbefall mit Cysticercus cellulosus führt zu rheumatoiden Beschwerden.

Nachweis: Die Uterusform der Proglottiden (weniger als 15 Ausstülpungen) ist für den Schweinebandwurm beweisend. Bildgebende Verfahren und serologische Untersuchungen zeigen Zystizerkosen auf.

Nachweis: Der Bandwurmbefall wird analog wie bei Taenia saginata diagnostiziert (mikroskopische Begutachtung eines Quetschpräparates mit Proglottiden). Die Zystizerkose kann in der Regel endgültig erst nach Exzision der Larve diagnostiziert werden. Bildgebende Verfahren, vor allem die Computertomografie, sowie serologische Untersuchungen (EIA, Western Blot) sind wertvolle Hilfsmittel, um den klinischen Verdacht einer Zystizerkose zu erhärten. Die Eosinophilie lenkt den Verdacht auf diese Diagnose.

▶ Merke.

▶ Merke. Die Differenzialdiagnose von T. saginata und T. solium ist sehr wichtig, da

bei Infektion mit T. solium eine Spätfolge in Form einer Zystizerkose auftreten kann. Deswegen sollte man den Patienten auf diese Komplikationsmöglichkeit hinweisen und evtl. eine Nachuntersuchung nach einigen Monaten empfehlen. Therapie: Wenn möglich chirurgische Entfernung der Finne und Praziquantel mit Kortikosteroiden.

Therapie: Die chirurgische Entfernung lebender Finnen, soweit möglich, und eine antihelminthische Chemotherapie mit Praziquantel in Kombination mit Kortikosteroiden haben sich bewährt.

Prophylaxe: Kochen oder Tieffrieren (–20 °C über 24 h) inaktivieren die Finnen.

Prophylaxe: Kochen oder Tieffrieren (–20 °C über mindestens 24 Stunden) von Schweinefleisch verhindert die Wurminfestation. Gegen die Zystizerkose können nur individuelle Hygienemaßnahmen wirksam werden.

4.2.2

4.2.2 Echinococcus

Echinococcus

▶ Definition.

Klassifikation: Von humanmedizinischer Bedeutung sind E. granulosus (Hundebandwurm) und E. multilocularis (Fuchsbandwurm). Echinococcus granulosus ▶ Definition.

Epidemiologie: Meist sind streunende Hunde infiziert.

▶ Definition. Bandwürmer der Gattung Echinococcus sind sehr klein (maximal 6 mm Länge) und haben nur wenige Proglottiden, die vom Uterus mit mehreren Verzweigungen ausgefüllt sind, die Tausende Eier enthalten. Sie sind in ihrem Endwirt in sehr großer Zahl (100000 und mehr) anzutreffen.

Klassifikation: Folgende Arten sind von humanmedizinischer Bedeutung: Echinococcus granulosus (Hundebandwurm), ■ Echinococcus multilocularis (Fuchsbandwurm). ■

Echinococcus granulosus ▶ Definition. Der weltweit verbreitete Hundebandwurm ist 3–6 mm lang und hat nur 3–4 Proglottiden (Abb. G-4.4a). Sein Skolex hat vier Saugnäpfe und ein Rostellum. In Europa sind Griechenland und die dalmatinische Küste Endemiegebiete. Endwirt ist der Hund (selten die Katze). Ausnahmsweise kann ein Mensch als Zwischenwirt bzw. Nebenwirt fungieren, d. h. im Menschen kommt nur die Finne, nicht der adulte Wurm vor.

Epidemiologie: Da die Haustiere regelmäßig entwurmt werden, ist der Befall selten. Streunende Hunde dagegen können infiziert sein.

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G

587

4.2 Cyclophyllidae

Entwicklungszyklus: Die Eier werden mit dem Kot des Hundes (Hauptwirt) ausgeschieden. Zwischenwirte sind normalerweise Rinder, Schafe, Schweine und andere Hufnutztiere des Menschen. Der Zwischenwirt nimmt die Eier über kontaminiertes Futter auf. Im Darm schlüpfen die Sechshakenlarven (Onkosphären), durchdringen die Darmwand und gelangen über die Mesenterialgefäße in andere Organe. Hier entwickelt sich ein blasenförmiger Herd, die Hydatide (hydatis = lat.: Wasserblase), die immer größer wird und das umliegende Gewebe verdrängt. Sie ist mit klarer, als Antigen wirkender Flüssigkeit gefüllt und mit einer Keimschicht ausgekleidet, von der aus sich Finnen bilden, die eigentlich infektiösen Larven (Protoskolizes). Der Infektionszyklus schließt sich, wenn Hunde infizierte Schlachtabfälle dieser Tiere fressen.

Entwicklungszyklus: Zwischenwirte sind normalerweise Hufnutztiere des Menschen, deren Innereien als Schlachtabfälle von Hunden gefressen werden. Aus den vom Hund ausgeschiedenen Eiern schlüpfen im Zwischenwirt die Sechshakenlarven und gelangen über die Mesenterialgefäße in andere Organe, wo sie die Hydatide bilden, eine mit Flüssigkeit und zahlreichen infektiösen Protoskolizes gefüllte Blase.

Pathogenese: Der Mensch infiziert sich durch die orale Aufnahme der Eier. Befallen werden dann zu 60 % die Leber, zu 30 % die Lunge und zu 5 % das Peritoneum. Die restlichen 5 % verteilen sich auf Milz, Nieren, Muskulatur, Knochen und ZNS (in dieser Reihenfolge). In der überwiegenden Mehrzahl ist nur ein Organ betroffen.

Pathogenese: Der Mensch infiziert sich durch orale Aufnahme der Eier. Befallen werden neben anderen Organen zu 60 % die Leber, zu 30 % die Lunge.

Klinik: Die raumfordernde Hydatide entwickelt sich beim Menschen meist sehr langsam über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Die Symptomatik ist dabei relativ unspezifisch. Beim Befall der Leber (typischer Lokalisationsort: rechter Leberlappen) kommt es zu Oberbauchbeschwerden und eventuell zum Verschlussikterus bei Kompression der großen Gallengänge. Der Befall der Lunge bleibt ebenfalls in vielen Fällen symptomlos oder äußert sich in Reizhusten, Hämoptysis und Druckschmerzen. Oft sterben die Parasiten ab, und die Echinokokkusblase verkalkt.

Klinik: Da sich die Hydatide nur langsam entwickelt (mehrere Jahre), sind die klinischen Zeichen gering und unspezifisch. Bei Befall der Leber kann es durch Kompression der Gallenwege zum Verschlussikterus kommen. Die Lungenmanifestation äußert sich in Druckschmerzen, (Blut-)Husten.

▶ Merke. Gefährlich ist die Ruptur der Hydatide, da die austretende Flüssigkeit zum

▶ Merke.

anaphylaktischen Schock und ohne sofortige Therapie zum Tode führen kann. Außerdem kommt es zur massiven Ausschwemmung der Larven mit entsprechenden Neubildungen von Hydatiden. Rupturen können aber auch zur Spontanheilung führen. Insgesamt wird das Krankheitsbild als zystische Echinokokkose bezeichnet. Nachweis: Bildgebende Verfahren führen häufig zu einer Verdachtsdiagnose (Abb. G-4.4b), die dann durch gezielte serologische Untersuchungen bestätigt werden kann (EIA, indirekte Immunfluoreszenz, WesternBlot, Nachweis parasitenspezifischer IgE). Zum Ausschluss von Kreuzreaktionen sollten dabei zwei unterschiedliche serologische Methoden parallel zum Einsatz kommen. Biopsien sind wegen der Gefahr der Blasenruptur und ihrer Folgen nicht angezeigt.

Nachweis: Bildgebende Verfahren führen zu einer Verdachtsdiagnose (Abb. G-4.4b), die dann durch serologische Tests (immer ein Such- und ein Bestätigungstest!) erhärtet werden kann.

Therapie: Die Therapie der zystischen Echinokokkose ist vom Zystenstadium, Zystengröße, Organlokalisation und Zystenkomplikationen abhängig. Neben einer primär medikamentösen Behandlung mit Albendazol, kommen auch eine chirurgische Behandlung (Abb. G-4.4c), perkutane Verfahren wie Aspiration und ein abwartendes Beobachten in Frage.

Therapie: Je nach klinischem Befund sind radikale operative Entfernung der Hydatide (Abb. G-4.4c), Albendazol-Behandlung, perkutane Verfahren und Abwarten Behandlungsoptionen.

⊙ G-4.4

Echinococcus granulosus a Adulter Wurm.

(Kayser, F.H. et al.: Medizi-

nische Mikrobiologie. Thieme; 2014)

b CT einer Echinokokkose: Zysten von E. granulosus in der Leber (Pfeile). (Hirner, A., Weise, K.: Chirurgie. Thieme; 2008)

c Operativ entfernte und eröffnete Zyste. (Hirner, A., Weise, K.: Chirurgie. Thieme; 2008)

a

b

c

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588

G

Prophylaxe:

Prophylaxe:

▶ Merke.

4 Cestoda (Bandwürmer)

▶ Merke. Innereien von Schlachttieren, die als Hundefutter verwendet werden sol-

len, müssen gekocht oder für mindestens 3 Tage bis –18 °C tiefgefroren werden. Die Eier sind gegen chemische Desinfektionsmittel resistent. Nur Austrocknung und Erhitzen (> 75 °C) inaktivieren sicher!

▶ Merke.

Echinokokkuseier (Infektionsquelle für den Menschen) sind im feuchten Milieu der Umwelt monatelang haltbar und können auch überwintern. Herkömmliche chemische Desinfektionsmittel sind wirkungslos. Nur Austrocknung und Erhitzen auf mindestens 75 °C inaktivieren die Eier sicher. Eine regelmäßige Entwurmung der Hunde im Haushalt sowie Füttern mit gekochtem Fleisch reduziert die Infektionsgefahr. ▶ Merke. Ein direkter oder indirekter Nachweis ist nach § 7 Infektionsschutzgesetz

nicht namentlich meldepflichtig.

Echinococcus multilocularis ▶ Definition.

Echinococcus multilocularis ▶ Definition. Echinococcus multilocularis, der Fuchsbandwurm, ist mit 1–3 mm Länge und 3–5 Proglottiden ein sehr kleiner Bandwurm. Sein Vorkommen ist auf die nördliche Hemisphäre beschränkt. Er ist in Deutschland in der Rhön und südlich des Mains, z. B. Schwarzwald, verbreitet. Daneben findet man ihn häufig in Ostfrankreich, der Schweiz und in Teilen Österreichs.

Epidemiologie: Die Durchseuchung der Füchse nimmt zu, die der Menschen ist noch konstant.

Epidemiologie: Die Durchseuchung der Füchse – zumindest im Schwarzwald – nimmt in den letzten 10 Jahren ständig zu. Noch ist die Zahl der Erkrankungen des Menschen nicht angestiegen.

Entwicklungszyklus: Zwischenwirte sind Kleinnager.

Entwicklungszyklus: Der Entwicklungszyklus unterscheidet sich von dem des Hundebandwurms dadurch, dass als Zwischenwirte Mäuse und andere Kleinnager fungieren. Neben dem Fuchs können gelegentlich auch Hunde als Endwirte befallen werden.

Pathogenese: Hauptinfektionsquelle für den Menschen sind kontaminierte Waldbeeren. Im Gegensatz zum Hundebandwurm entsteht keine Blase, sondern ein schlauchförmiges, alveoläres Gebilde, das das befallene Organ infiltriert und zerstört und auch auf Nachbarorgane übergreifen kann (alveoläre Echinokokkose). (Abb. G-4.5).

Pathogenese: Der Mensch infiziert sich mit den vom Fuchs ausgeschiedenen Eiern durch orale Aufnahme. Hauptinfektionsquelle sind kontaminierte Waldbeeren. Im Gegensatz zum Hundebandwurm entsteht keine geschlossene Blase, sondern die sich vermehrenden Larven infiltrieren das befallene Organ (nicht Verdrängung, sondern Invasion). Es entstehen Konglomerate von haselnussgroßen Zysten, die von Binde- und Granulationsgewebe umschlossen und miteinander verbunden werden. Dieses schlauchförmige, alveoläre Gebilde zerstört das Organ und macht auch vor Nachbarorganen nicht halt; auch entfernte Organe können durch Metastasierung betroffen sein. Man spricht beim Krankheitsbild von der alveolären Echinokokkose (Abb. G-4.5).

Klinik: ähnlich der eines langsam wachsenden Karzinoms.

Klinik: Das klinische Bild und die Prognose gleichen dem eines langsam, aber unaufhaltsam wachsenden Karzinoms.

Diagnose, Therapie und Meldepflicht: wie bei Echinococcus granulosus.

Diagnose, Therapie und Meldepflicht: wie bei Echinococcus granulosus.

⊙ G-4.5

⊙ G-4.5

Echinococcus multilocularis, Leberbefall Der Befall mit Echinococcus multilocularis führt durch kleinzystische Veränderungen zu einer Destruktion des Lebergewebes (formaldehydfixiertes Präparat). (Hirner, A., Weise, K.: Chirurgie. Thieme; 2008)

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G

589

4.3 Pseudophyllidae

4.2.3 Hymenolepidae

4.2.3

Die Familie Hymenolepidae (Zwergbandwürmer) umfasst zahlreiche Spezies. Für den Menschen ist nur Hymenolepis nana von Bedeutung.

Für Menschen ist nur Hymenolepsis nana von Bedeutung.

Hymenolepis nana

Hymenolepis nana

▶ Definition. Der Zwergbandwurm (9 cm lang) ist weltweit verbreitet, findet sich jedoch bevorzugt in warmen Regionen.

Hymenolepidae

▶ Definition.

Entwicklungszyklus: Der Entwicklungszyklus von Hymenolepis nana ist insofern bemerkenswert, als der Mensch sowohl Zwischenwirt als auch Endwirt sein kann. Folgende Möglichkeiten sind zu unterscheiden: ■ orale Aufnahme der Eier (häufig): Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch oder als Autoinfektion (Anus – Finger – Mund, besonders bei Kindern). Die Eier entwickeln sich in den Dünndarmzotten zu Larven, die in das Darmlumen zurückkehren und dort nach 2–3 Wochen geschlechtsreif werden. ■ orale Aufnahme der Larven (selten): Die aus dem Darm freigesetzten Eier werden von Insekten als Zwischenwirt aufgenommen. Hier entwickeln sich Larven, die der Mensch oral aufnimmt (z. B. über pflanzliche Trockennahrung wie Müsli, Cornflakes etc.). Bei Aufnahme der Larven entwickeln sich diese direkt im Darmlumen zu adulten Würmern.

Entwicklungszyklus: Der Mensch kann sowohl Zwischen- als auch Endwirt sein. Die orale Infektion erfolgt durch: ■ Eier (häufig): Übertragung von Mensch zu Mensch inklusive Autoinfektion (besonders bei Kindern, Anus – Finger – Mund). ■ Larven (selten): Insekten fungieren als Zwischenwirt. Der Mensch infiziert sich durch die orale Aufnahme dieser larvenhaltigen Insekten. Eier und Larven werden im Darm geschlechtsreif.

Klinik: Die meisten Infestationen verlaufen latent oder unter den Symptomen uncharakteristischer gastrointestinaler Beschwerden.

Klinik: uncharakteristische gastrointestinale Beschwerden.

Nachweis: Die Infektion wird durch den Nachweis von Eiern im Stuhl gestellt (Abb. G-4.6).

Nachweis: Nachweis der Eier im Stuhl (Abb. G-4.6).

⊙ G-4.6

Ei von Hymenolepis nana mit Sechshakenlarve (Oncosphaera) und Polfäden

⊙ G-4.6

Polfaden

Hakenkranz der Oncosphaera

a

b

a Schematische Darstellung. b Ei im Stuhl eines Patienten.

(Thienpont, D., Rochette, F., Vanparijs, O. F. J.: Diagnose von Helminthosen durch

koproskopische Untersuchung, © Janssen Pharmaceutics, 1999)

Therapie: Niclosamid, Nitazoxanide und Praziquantel sind wirksam, müssen jedoch höher dosiert werden als bei Taenienbefall. Eine Wiederholung nach 3 Wochen ist ratsam.

Therapie: Niclosamid, Nitazoxanide, Praziquantel.

Prophylaxe: Eine spezifische Vorbeugung ist nicht möglich.

Prophylaxe: nicht möglich.

4.3

Pseudophyllidae

4.3.1 Diphyllobothrium latum ▶ Definition. Diphyllobothrium latum (Abb. G-4.7) ist der Fischbandwurm. Er

4.3

Pseudophyllidae

4.3.1

Diphyllobothrium latum

▶ Definition.

kommt weltweit vor und ist mit bis zu 20 m Länge der größte Parasit des Menschen. Seinen Namen verdankt er einerseits der Tatsache, dass menschliche Infektionen durch den Genuss ungenügend gegarter Fische zustande kommen, andererseits den beiden schlitzförmigen Sauggruben am Skolex. Typisch ist auch das Aussehen der mehr als 3 000 Proglottiden, die breiter als lang sind).

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590 ⊙ G-4.7

G

4 Cestoda (Bandwürmer)

Diphyllobothrium latum (Fischbandwurm)

Hülle Größe Lebenserwartung Präpatenzzeit Eier

mehrkernige Larve

Skolex: 1 × 1 × 2,5 mm ca. 3000 Proglottiden Länge bis 20 m 10 Jahre 18 Tage 70 × 50 μm gedeckelt

a a Steckbrief. b Schema: Ei. c Proglottiden mit Uterus.

Uterus

b

c

(Kayser, F.H. et al.: Medizinische Mikrobiologie. Thieme; 2014)

Epidemiologie: Infektionen in Mitteleuropa sind heute sehr selten.

Epidemiologie: Betroffen ist vor allem die nördliche Hemisphäre inklusive Skandinavien und Rußland. Infektionen in Mitteleuropa sind heute jedoch eine Rarität.

Entwicklungszyklus: Aus den Eiern schlüpfen Larven. 1. Zwischenwirt ist ein Kleinkrebs, 2. Zwischenwirt ein Süßwasserfisch. Infektionsform ist das Plerozerkoid.

Entwicklungszyklus: Die Eier werden mit dem Stuhl ausgeschieden und entwickeln sich im Süßwasser zu Larven, die Kleinkrebse (1. Zwischenwirt) befallen. Nach Aufnahme in den 2. Zwischenwirt (einen Süßwasserfisch) entwickelt sich dort der Plerozerkoid.

Transmission: Der Mensch infiziert sich durch ungenügend gegarte Süßwasserfische.

Transmission: Der Mensch infiziert sich durch den Genuss ungenügend gegarter Süßwasserfische, wie Hechte, Forellen, Aale u. a.

Klinik: Die meisten Infektionen bleiben symptomlos. Ca. 2 % der Bandwurmträger zeigen eine Vitamin-B12-Mangel-Anämie.

Klinik: Der Befall mit Diphyllobothrium bleibt klinisch oft stumm oder äußert sich in leichten, unspezifischen, gastrointestinalen Beschwerden, die sich bei Infestation mehrerer Bandwürmer bis zum mechanischen Ileus steigern. Durch den Entzug von Vitamin B12 entwickelt sich bei ca. 2 % der Bandwurmträger eine Anämie.

Nachweis: Die Diagnose erfolgt durch den Einachweis im Stuhl.

Nachweis: Die Diagnose erfolgt durch den Ei- oder seltener durch den Proglottidennachweis im Stuhl. Die Eier können leicht mit denen von Trematoden verwechselt werden.

Therapie: Praziquantel, Niclosamid.

Therapie: Zur Therapie werden Praziquantel und Niclosamid eingesetzt.

Prophylaxe: Tieffrieren (–18 °C über 24 h) und Kochen der Fische.

Prophylaxe: Tieffrieren der Fische bei –18 °C über 24 Stunden sowie Kochen tötet die Plerozerkoide.

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Arthropoden Gernot Geginat

H

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1

Allgemeines zu Arthropoden

1.1 1.2

Biologie der Arthropoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 Medizinische Bedeutung der Arthropoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595

H © Martin Kreutz - Fotolia.com

1.1

Biologie der Arthropoden

1.1

Biologie der Arthropoden

Siehe auch Kapitel „Allgemeine Parasitologie“ (S. 515). ▶ Definition. Die Arthropoda (Gliederfüßler) gehören zum Tierstamm der Gliedertiere (Articulata, Arthros: Gelenk) mit starrem Ektoskelett. Sie beinhalten als artenreichste Klassen die Arachnida (Spinnentiere) und Hexapoda (Insekten). Bisher wurden mehr als 1 Million Arten beschrieben. Eine Bedeutung als Krankheitserreger oder Krankheitsüberträger besitzen nur sehr wenige Arten.

▶ Definition.

Der große Artenreichtum der Arthropoden wurde durch die erfolgreiche Adaptation an sehr verschiedene Umweltbedingungen ermöglicht. Während die wichtigsten Merkmale des Grundbauplans, wie die Gliederung von Körper und Körperanhängen, meist ohne weiteres zu erkennen sind, geht die hochgradige Anpassung an sehr spezielle Lebensbedingungen mit erheblichen Modifikationen der normalen Morphologie und Entwicklung einher.

Die hochgradige Anpassung der Arthropoden an die parasitäre Lebensweise geht mit erheblichen Modifikationen der normalen Morphologie und Entwicklung einher.

Entwicklungszyklus: Die meisten Arthropoden legen Eier. In einigen Fällen reifen die Eier jedoch bereits im Weibchen heran und werden dann als Larve (z. B. TsetseFliege) oder Nymphe (viele Spinnentiere) lebend geboren. Das allen Arthropoden gemeinsame, mehr oder weniger starre, chitinisierte Ektoskelett erfordert während der Entwicklung zum adulten Tier (Imago) eine Reihe von Häutungen. ■ Bei holometabolen Insekten (z. B. Käfer, Flöhe, Zweiflügler) besitzen die juvenilen Wachstumsstadien (Larve, Raupe) keine Ähnlichkeit mit der Imago und zur Häutung wird ein Ruhestadium (Puppe) eingenommen (Abb. H-1.1a). ■ Hemimetabole Insekten (z. B. Wanzen, Schaben, Läuse) hingegen besitzen Wachstumsstadien (Nymphen), die der Imago ähneln (Abb. H-1.1b). Bei der Mehrzahl der Spinnentiere geht aus dem Ei direkt eine der Imago ähnliche Nymphe hervor (Abb. H-1.1c). Milben und Zecken weisen eine komplexere Abfolge der Wachstumsstadien auf. Hier schlüpft aus dem Ei ein Larvenstadium mit 3 Beinpaaren (sog. 6-Bein-Larve). Nach der ersten Häutung geht aus der Larve eine Nymphe mit 4 Beinpaaren hervor. Aus der Nymphe entwickelt sich nach einer (Schildzecken) oder mehreren Häutungen (Lederzecken) die Imago (Abb. H-1.1c). Für den Übergang zum nächsten Entwicklungsstadium bzw. zur Eiablage benötigen die Zecken weitere Blutmahlzeiten.

Entwicklungszyklus: Das starre Ektoskelett der Arthropoden erfordert während der Entwicklung vom Ei über die Larve zum adulten Tier (Imago) eine Reihe von Häutungen.



Die Wachstumsstadien der holometabolen Insekten haben keine Ähnlichkeit mit der Imago (Abb. H-1.1a).



Hemimetabole Insekten (z. B. Wanzen, Läuse) haben Nymphenstadien, die der Imago ähneln (Abb. H-1.1b). Bei den Spinnentieren schlüpft beim normalen Entwicklungsgang aus dem Ei eine der Imago ähnliche Nymphe. Bei den Milben und Zecken (Abb. H-1.1c) hat das erste Larvenstadium nur 3 Beinpaare; diese 6-Bein-Larve häutet sich dann zur Nymphe mit 4 Beinpaaren.

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594 ⊙ H-1.1

H 1 Allgemeines zu Arthropoden

⊙ H-1.1

Holometaboler und hemimetaboler Entwicklungsgang

a Holometabole Entwicklung bei Insekten Beispiel Stubenfliege (Musca domestica)

Eipaket

Larve

Puppe

Imago

b Hemimetabole Entwicklung bei Insekten Beispiel Schabe (Blatta germanica)

Ei

c

Larve (3 Beinpaare)

Imago

Hemimetabole Entwicklung bei Spinnentieren Beispiel Schildzecke (Ixodes ricinus)

Eipaket

Larve (3 Beinpaare)

Nymphe (4 Beinpaare) gravides Weibchen mit Eiern

Die Entwicklungsgänge sind vereinfacht dargestellt, in der Regel werden mehrere Larvenbzw. Nymphenstadien durchlaufen. a Holometabole Entwicklung bei Insekten. b Hemimetabole Entwicklung bei Insekten. c Hemimetabole Entwicklung bei Spinnentieren.

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H

1.2

595

1.2 Medizinische Bedeutung der Arthropoden

Medizinische Bedeutung der Arthropoden

Giftige oder parasitäre Arthropoden können den Menschen direkt schädigen. Von größerer Bedeutung ist aber eine indirekte Schädigung durch die Übertragung von Infektionserregern. Zu den möglichen indirekten Schädigungen kann ebenfalls die Auslösung von allergischen oder phobischen Reaktionen beim Menschen gerechnet werden.

1.2

Medizinische Bedeutung der Arthropoden Schädigung des Menschen: ■ direkt durch Gift oder Parasitismus, ■ indirekt durch die Übertragung von Infektionserregern oder Auslösen von allergischen Reaktionen.

1.2.1 Giftwirkung

1.2.1

Die meisten der ca. 25 000 Spinnenarten sowie der ca. 700 Skorpionarten sind aktiv giftig. In den weitaus meisten Fällen sind Aktivität und Menge des Giftes aber zu gering, um beim Menschen ernsthafte medizinische Komplikationen hervorzurufen. Im Gegensatz zu den Tropen und Subtropen kommt Giftspinnen und Skorpionen in Mitteleuropa keine medizinische Bedeutung zu. In Mitteleuropa verursachen Bienen, Wespen und Hornissen (Ordnung Hautflügler, Hymenoptera) die meisten Todesfälle. Zahlreiche Bienen- und Wespenarten besitzen einen hoch entwickelten Giftapparat für die Produktion, Aufbewahrung und Ejektion des Giftes. Besonders gefährlich können Hymenopterenstiche durch die Auslösung einer anaphylaktischen Reaktion werden.

Aktiv giftige Arthropoden: ■ Spinnen ■ Skorpione ■ Hautflügler (Hymenoptera). In Mitteleuropa sind nur die zu den Hymenoptera zählenden Bienen-, Wespen- und Hornissenarten von medizinischer Bedeutung.

Arthropodengifte: Die Zusammensetzung und die Wirkung der Arthropodengifte ist heterogen. Die Gifte der Skorpione besitzen meist eine neurotoxische Wirkung. Die speziesspezifische Struktur der verantwortlichen neurotoxischen Polypeptide ist zum Teil aufgeklärt, und es stehen für die Behandlung teilweise spezifische Antisera zur Verfügung. Spinnengifte enthalten neben neurotoxischen und kardiotoxischen Polypeptiden zusätzlich hämolytische Enzyme und biogene Amine wie Histamin und Serotonin. Hymenopteren-Gifte bestehen überwiegend aus biogenen Aminen und Kininen. Die ausgeprägte Wirkung der biogenen Amine und Kinine auf die glatte Muskulatur der Blutgefäße ist für die Lokalsymptome eines Wespen- oder Bienenstichs verantwortlich.

Arthropodengifte: Skorpiongifte wirken meist neurotoxisch, Spinnengifte daneben auch kardiotoxisch und hämolytisch. Hymenopterengifte bestehen vorwiegend aus biogenen Aminen und Kininen, die eine ausgeprägte Wirkung auf die glatte Muskulatur der Blutgefäße haben.

1.2.2 Parasitismus

1.2.2

Nach der Verweildauer und der Lokalisation des Parasiten auf einem Wirt kann zwischen temporären oder stationären bzw. zwischen Ekto- oder Endoparasiten unterschieden werden (Tab. H-1.1): ■ temporäre Ektoparasiten: Parasitäre Arthropoden sind meist temporäre Ektoparasiten, die für ihre Entwicklung Blutmahlzeiten benötigen, so z. B. die Stechmücken. Die Parasiten verlassen den Wirt nach der Blutmahlzeit sofort wieder; die Entwicklung findet nicht im oder am Wirt statt. Die Schädigung des Wirtes durch die einzelne Blutmahlzeit ist minimal. In Abhängigkeit von der Stärke der Stichreaktion können sich lokal Juckreiz und Hautsymptome entwickeln. Aufgrund des häufigen Wirtswechsels sind temporäre Ektoparasiten die idealen Vektoren für verschiedene Infektionserreger (Tab. H-1.2, Tab. H-1.3, Tab. H-1.4 und Tab. H-1.5). ■ stationäre Ektoparasiten: Sie durchlaufen ihre ganze Entwicklung auf dem Wirt und rufen so einen anhaltenden Befall (Infestation) hervor. Die wichtigsten stationären Ektoparasiten des Menschen sind die Läuse (Kopflaus, Kleiderlaus und Filzlaus) und Grabmilben, wobei Letztere schon den Übergang zum Endoparasitismus darstellen. ■ stationäre Endoparasiten: Nur sehr wenige parasitäre Arthropoden sind stationäre Endoparasiten des Menschen. Das Weibchen des tropischen Sandflohs (Tunga penetrans) persistiert in der Haut des Menschen. Die Haarbalgmilbe (Demodex folliculorum) ist ein weiterer obligater Endoparasit der menschlichen Haut, dessen medizinische Bedeutung nicht vollständig geklärt ist. In seltenen Fällen kann es zu der als Myiasis (Madenfraß) genannten Besiedlung des Lebenden mit Fliegenlarven (Ordnung Diptera) kommen. ■ Pseudoparasitismus: Gelegentlich werden Insektenlarven in frischen Stuhlproben gefunden. Hierbei handelt es sich um einen Pseudoparasitismus nach sekundärer Besiedlung der Stuhlprobe oder nach dem Ausscheiden einer verschluckten Insektenlarve.

Nach Verweildauer und Lokalisation unterscheidet man (Tab. H-1.1):

Giftwirkung

Parasitismus



temporäre Ektoparasiten, die den Wirt nach der Blutmahlzeit wieder verlassen, wie z. B. die Stechmücken. Durch den häufigen Wirtswechsel sind sie ideale Vektoren für Infektionserreger (Tab. H-1.2, Tab. H-1.3, Tab. H-1.4 und Tab. H-1.5).



stationäre Ektoparasiten, die den Wirt anhaltend befallen (= Infestation), z. B. Läuse.



stationäre Endoparasiten des Menschen sind z. B. das Weibchen des Sandflohs und die Haarbalgmilbe.



Pseudoparasitismus: Insektenlarven in frischen Stuhlproben finden sich gelegentlich nach sekundärer Besiedlung.

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596

≡ H-1.1

H 1 Allgemeines zu Arthropoden

Parasitäre Arthropoden (Auswahl)

Gruppe/Art

Krankheitsbild

Art und Dauer des Parasitismus

Hauptwirte

Verbreitung

Arachnida (Spinnentiere) Metastigmata (Zecken) ■

Ixodes ricinus (Holzbock)

Stich

obligat, temporär

Nager, Wild, Nutztiere

Europa



Dermacentor reticulatus (Auwaldzecke)

Stich

obligat, temporär

Nager, Wild, Nutztiere

Europa



Argas persicus (Vogelzecke)

Stich (Mensch Fehlwirt)

obligat, temporär

Vögel

weltweit

Acari (Milben) ■

Sarcoptes scabiei (Krätzemilbe)

Krätze

obligat, stationär

Mensch

weltweit



Demodex folliculorum (Haarbalgmilbe)

Rosacea (?)

obligat, stationär

Mensch

weltweit



Neotrombicula autumnalis (Herbstmilbe)

Gebüsch-Krätze

obligat, temporär

Säuger, Vögel

weltweit

Insecta (Insekten) Anoplura (Läuse) ■

Pediculus humanus capitis (Kopflaus)

Dermatitis

obligat, stationär

Mensch

weltweit



Pediculus humanus corporis (Kleiderlaus)

Dermatitis

obligat, stationär

Mensch

weltweit



Phthirus pubis (Filzlaus)

Dermatitis

obligat, stationär

Mensch

weltweit

Diptera (Zweiflügler) ■

Musca spp. (Stubenfliegen)

Myiasis durch Larven

fakultativ, stationär

verschieden

weltweit



Gasterophilus spp. (Magendasselfliege)

Hautmaulwurf (Mensch als Fehlwirt)

obligat, stationär

Rinder, Schafe

weltweit



Hypoderma lineatum, H. bovis (Rinderdasselfliegen)

Hautmaulwurf (Mensch als Fehlwirt)

obligat, stationär

Rinder

weltweit



Cordylobia anthropophaga

Myiasis

obligat, stationär

Mensch, Haustiere

Afrika



Dermatobia hominis

Myiasis

obligat, stationär

Mensch, Haustiere

Südamerika



Culex, Anopheles, Simulium, Aedes etc. (Stechmücken), Stomoxys calcitrans (Wadenstecher)

Stich

obligat, temporär

Mensch, Säugetiere

weltweit

Hemiptera (Wanzen) ■

Reduviidae (Raubwanzen)

Quaddel

obligat, temporär

Mensch, Säugetiere

Südamerika



Cimex lectularius (Bettwanze)

Quaddeln, Juckreiz

obligat, temporär

Mensch

weltweit

Siphonaptera (Flöhe) ■

Pulex irritans (Menschenfloh)

Flohstich

obligat, temporär

Mensch

weltweit



Tunga penetrans (Sandfloh)

Tungiasis, Hautulzeration

obligat, stationär

Mensch, Haustiere

Tropen

1.2.3

Vektorfunktion

Die regionale Beschränkung (Naturherde) vieler Infektionskrankheiten beruht auf dem Verbreitungsgebiet des Vektors und dem natürlichen Erregerreservoir, die beide von bestimmten Klimaverhältnissen abhängen.

Die Übertragung der Erreger kann erfolgen durch: ■ aktive Übertragung: Während der Blutmahlzeit kann es zur aktiven Übertragung von Infektionserregern kommen (Tab. H-1.2, Tab. H-1.3, Tab. H-1.4 und

1.2.3 Vektorfunktion Zahlreiche Infektionskrankheiten, deren Erreger durch Arthropoden auf den Menschen übertragen werden, kommen in geografisch eng begrenzten Arealen, sogenannten Naturherden vor. Diese regionale Beschränkung wird durch mehrere Faktoren bedingt. Da – mit Ausnahme der Malaria – die wichtigsten durch Arthropoden übertragenen Infektionen Zoonosen sind, muss neben einem geeigneten Vektor immer auch ein natürliches Erregerreservoir vorhanden sein. Das Erregerreservoir kann durch den Vektor selbst und/oder andere Tiergruppen gebildet werden. Zusätzlich müssen die Klimaverhältnisse die Weiterentwicklung des Erregers im Vektor zulassen. Den Vektoren kommt damit eine entscheidende Rolle bei der Übertragung von zoonotischen Infektionserregern auf den Menschen zu. Insbesondere bei der Besiedlung von bisher naturnahen Lebensräumen durch den Menschen (z. B. Plantagen in tropischen Urwäldern) können „neue“ Erreger auf den Menschen übertragen werden. Die Übertragung der Infektionserreger kann auf unterschiedlichen Wegen erfolgen: ■ aktive Übertragung: Während die direkte Schädigung durch den Ektoparasiten meist gering ist, können während der Blutmahlzeit des Parasiten Krankheitserreger auf den Menschen (oder umgekehrt) übertragen werden. Bedingt durch den häufigen Wirtswechsel und die hohe Beweglichkeit kommt den temporären Ektoparasiten als sogenannten Vektoren eine große Bedeutung bei der Übertragung ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

H

597

1.2 Medizinische Bedeutung der Arthropoden

und Verbreitung von Infektionserregern zu (Tab. H-1.2, Tab. H-1.3, Tab. H-1.4 und Tab. H-1.5). Vektoren zeichnen sich dadurch aus, dass der Erreger im Vektor einen Teil seiner Entwicklung durchmacht, wobei der Wirt nicht oder allenfalls gering beeinträchtigt wird. Der infizierte Vektor bleibt nach der Aufnahme meist lebenslang infektiös. Bei einigen Arten ist zusätzlich eine vertikale Transmission auf die Nachkommenschaft möglich. In diesem Falle ist der Vektor gleichzeitig Erregerreservoir. Da die tierischen Wirte bei viralen Infektionen nur während der kurzen virämischen Periode infektiös sind, kommt diesem permanenten Erregerreservoir eine wichtige Bedeutung für die Verbreitung des Erregers zu. In Mitteleuropa werden nur zwei Infektionserreger regelmäßig durch Arthropoden (Zecken) auf den Menschen übertragen: Borrelia burgdorferi (S. 446), Erreger der Borreliose, und das FSME-Virus (S. 213), Erreger der Frühsommer-Meningoenzephalitis.

≡ H-1.2

Tab. H-1.5). Bei manchen Vektoren ist eine vertikale Transmission auf die Nachkommen möglich. In diesen Fällen ist der Vektor gleichzeitig Erregerreservoir. In Mitteleuropa werden Borrelia burgdorferi (S. 446) und das FSME-Virus (S. 213) durch Arthropoden (Zecken) auf den Menschen übertragen.

Arthropoden als Vektoren für Viren (Auswahl)

Vektor

Erreger

Krankheit

Natürliches Reservoir

Arachnida (Spinnentiere) Ixodidae (Schildzecken) ■

Ixodes ricinus

westliches FSME-Virus (Flavivirus)

Frühsommer-Meningo-Enzephalitis

Nager, Vögel



Dermacentor reticulatus

westliches FSME-Virus (Flavivirus)

Frühsommer-Meningo-Enzephalitis

Nager, Vögel



Ixodes persulcatus

östliches FSME-Virus

russische Frühsommer-MeningoEnzephalitis

Nager, Vögel

Stechmücken (Aedes, Haemagogus, Anopheles, Culex)

Dengue-Virus, Gelbfiebervirus

Dengue-Fieber, Gelbfieber

Mücken, Affen, Mücken, Affen

Equines Enzephalitis-Virus

Equine Enzephalitis

Nager, Pferde

Japanisches Enzephalitis-Virus

Japanische Enzephalitis

Vögel, Schweine

West-Nil-Virus

West-Nil-Fieber

Vögel

Sandfliegen (Phlebotomus)

Phlebovirus

Pappataci-Fieber

Kleinsäuger: Gerbils, Mäuse, Ratten

Insecta (Insekten) Diptera (Zweiflügler) ■



≡ H-1.3

Arthropoden als Vektoren für Bakterien (Auswahl)

Vektor

Erreger

Krankheit

natürliches Reservoir

Borrelia burgdorferi u. a.

Lyme-Borreliose

Nager, Wild

Arachnida (Spinnentiere) Ixodidae (Schildzecken) ■

Ixodes ricinus

Ehrlichia granulocytophaga

humane granulozytäre Ehrlichiose

Nager, Rotwild, Schafe



Dermacentor reticulatus

Borrelia burgdorferi u. a. Coxiella burnetii, Babesia Rickettsia slovaca, R. raoulti

Lyme-Borreliose Q-Fieber Zecken-Lymphadenopathie

Nager, Wild Kleinsäuger, Haustiere unbekannt



Rhipicephalus sanguineus

Rickettsia conorii

Mittelmeerfleckfieber („Fièvre boutonneuse“)

Zecken, Nager

Borrelia duttoni

afrikanisches Zecken- Rückfallfieber

Zecken

Borrelia spp.

Zecken-Rückfallfieber

Kleinsäuger, Vögel

Rickettsia tsutsugamushi

Japanisches Fleckfieber

Kleinsäuger, Vögel, Milben

Rickettsia prowazekii

epidemisches Fleckfieber

nur Mensch

Bartonella quintana

Fünf-Tage-Fieber

nur Mensch

Borrelia recurrentis

Läuse-Rückfallfieber

nur Mensch

Bartonella bacilliformis

Bartonellose

unbekannt

Yersinia pestis

Pest

Ratte

Rickettsia typhi

murines Fleckfieber

Ratte

Argasidae (Lederzecken) ■

Ornithodorus

Acari (Milben) ■

Leptotrombidium

Insecta (Insekten) Anoplura (Läuse) ■

Pediculus humanus corporis (Kleiderlaus)

Diptera (Zweiflügler) ■

Sandfliegen (Lutzomyia)

Siphonaptera (Flöhe) ■

Xenopsylla cheopis (Pestfloh)

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598

≡ H-1.4

H 1 Allgemeines zu Arthropoden

Arthropoden als Vektoren für Protozoen

Vektor

Erreger

Krankheit

natürliches Reservoir

Arachnida (Spinnentiere) Ixodidae (Schildzecken) ■

Ixodes ricinus

Babesia divergens

Babesiose

Mäuse



Dermacentor reticulatus

Babesia divergens

Babesiose

Mäuse

Insecta (Insekten) Diptera (Zweiflügler) ■

Stechmücken (nur Anopheles)

Humanpathogene Plasmodien

Malaria

Mensch



Tsetsefliegen (Glossina)

Trypanosoma brucei

Schlafkrankheit (Afrika)

Antilopen, Schweine, Mensch



Sandfliegen (Plebotomus, Lutzomyia)

Leishmanien

kutane und viszerale Leishmaniasis Hunde, Nager (Tropen, Subtropen)

Trypanosoma cruzi

Chagas-Krankheit (Südamerika)

Mensch, Hunde, Haustiere

Erreger

Krankheit

natürliches Reservoir

Wuchereria bancrofti

lymphatische Filariasis

Mensch, Affen?

Brugia malayi

lymphatische Filariasis

Mensch, Affen?

Raubwanzen (Reduviidae)

≡ H-1.5

Athropoden als Vektoren für Helminthen

Vektor Insecta (Insekten) Diptera (Zweiflügler) ■



Aedes, Anopheles, Culex (Stechmücken)



Chrysops

Loa Loa

Loasis

nur Mensch



Kriebelmücken (Simulium)

Onchocerca volvulus

Onchozerkose

nur Mensch

passiv-mechanische Übertragung: Die Erreger werden nur verschleppt, eine Weiterentwicklung von Erregern findet im Transportwirt nicht statt.

1.2.4

Allergische Reaktion



passiv-mechanische Übertragung: In diesem Fall werden die Erreger – häufig Fäkal- oder Wundkeime – nur passiv mechanisch übertragen und es findet nicht unbedingt eine Weiterentwicklung im Transportwirt statt. Beispiele für Arthropoden, die eine hygienische Bedeutung als passive Überträger von Erregern haben, sind z. B. die Stubenfliegen oder Hausschaben.

1.2.4 Allergische Reaktion

Hierzu gehören: ■ Hymenopteren-Allergie ■ Hymenopteren-Anaphylaxie ■ Hausstaubmilben-Allergie ■ Vorratsmilben-Allergie (z. B. als Bäckerkrätze)

Eine allergische Reaktion auf Bestandteile des Wespen- oder Bienengiftes kann nach einem Stich als akuter anaphylaktischer Schock lebensbedrohlich sein. Eine besondere Rolle als chronische Allergenquelle kommt den Hausstaubmilben und verschiedenen Vorratsmilben zu. Die Allergie gegen Vorratsmilben ist in bestimmten Berufsgruppen (z. B. die Bäckerkrätze) als Berufskrankheit anerkannt.

1.2.5

1.2.5 Psychische Reaktionen

Psychische Reaktionen

Entomophobie ist die nicht kontrollierbare Angst vor Spinnen oder Insekten. Beim „Parasitenwahn“ ist in der Regel kein „Auslöser“ der Phobie festzustellen.

Die „normale“ Reaktion auf Spinnen oder Insekten beinhaltet einen gewissen Respekt. Kommt es in dieser Situation jedoch zu einer nicht kontrollierbaren Angst, wird diese Reaktion als Entomophobie bezeichnet. Im Gegensatz zur Entomophobie, die durch ein Vermeidungsverhalten kontrolliert werden kann, ist es beim „Parasitenwahn“ meist nicht möglich, einen „Erreger“ festzustellen. Beispielhaft werden unspezifische Hautveränderungen mit nachtaktiven Schaben oder Spinnen assoziiert. Die Betroffenen können meist nicht vom Gegenteil überzeugt werden.

1.2.6

1.2.6 Prophylaktische Maßnahmen und Bekämpfung

Prophylaktische Maßnahmen und Bekämpfung Moskitonetz: Ein feinmaschiges, evtl. zusätzlich mit Repellents imprägniertes Moskitonetz ist besonders in malariagefährdeten Gebieten unabdingbar. Vor Sandfliegen (Phlebotomus) schützen ohne Imprägnierung nur sehr feinmaschige Netze (< 1 mm).

Moskitonetz: Die Bedeutung physikalischer Schutzmaßnahmen zur Expositionsprophylaxe wird vielfach unterschätzt. Insbesondere in malariagefährdeten Gebieten muss das Moskitonetz für Reisende und ständige Bewohner zur Grundausstattung gehören. Auf ein Moskitonetz kann nur in klimatisierten Räumen mit niedrigen Temperaturen verzichtet werden, die von den meisten Arthropoden gemieden werden. Das Moskitonetz muss – in ausreichendem Abstand zum Schlafenden – dicht mit der Matratze abschließen. Da Stechmücken sich auch durch kleinste Öffnungen

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H

599

1.2 Medizinische Bedeutung der Arthropoden

durchzwängen, muss das Netz feinmaschig sein und regelmäßig auf Risse kontrolliert werden. Ein zusätzliches Imprägnieren mit Repellents oder Insektiziden verbessert die Schutzwirkung. Dazu eignet sich eine Lösung von 1–4 % Permethrin in Wasser. Vor Sandfliegen schützen ohne Imprägnierung nur sehr feinmaschige Netze (< 1 mm). Kleidung: Zahlreiche Insekten (Stechmücken, Tsetsefliegen, Kriebelmücken) fliegen warme, d. h. bevorzugt dunkle Flächen an. Lange, helle, nicht anliegende, geschlossene Kleidung gewährleistet den besten Schutz. Zusätzlich kann die Kleidung mit Repellents imprägniert werden.

Kleidung: Sie sollte hell, geschlossen und nicht anliegend sein, da zahlreiche Insekten warme und daher bevorzugt dunkle Flächen anfliegen.

Repellents: Repellents werden extern auf Kleidung oder unbedeckte Hautstellen aufgetragen und können bei einer geringen bis mittelgradigen Exposition gut vor verschiedensten Insekten und Arachniden schützen. Grundsätzlich beträgt die Wirkdauer auf der Haut nur wenige Stunden. Einen über Monate anhaltenden Schutzeffekt bietet das Imprägnieren von Moskitonetzen oder Kleidungsstücken mit Permethrin, das sowohl als Repellent als auch als Insektizid wirkt. Bei der großflächigen Verwendung von Repellents können jedoch – insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern – Vergiftungen auftreten. Von den zur Verfügung stehenden Substanzen mit gesicherter Wirksamkeit besitzt Icaridin die geringste Toxizität. Die wichtigsten Präparate sind in Tab. H-1.6 angegeben.

Repellents: Die meisten Präparate (Tab. H-1.6) haben nur eine geringe Wirkdauer. Bei großflächiger Anwendung können – insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern – Vergiftungen auftreten.

≡ H-1.6

≡ H-1.6

Repellents

Substanz

Zubereitung

Diethylbenzamid (DEET)

Lotion

Icaridin

Lotion

Dimethylphthalat

Lotion

Permethrin (auch insektizid wirksam)

1–4 %ige Lösung zum Imprägnieren von Kleidung und Moskitonnetzen

Öle: Aufgrund der Toxizität vieler antiparasitärer Insektizide, die eine Anwendung in Schwangerschaft, Stillperiode und bei Säuglingen verbietet, sind Kokos- bzw. Silikonöle eine interessante therapeutische Option zur Behandlung des Kopflausbefalls. Die Wirkung dieser Öle ist rein physikalisch und beruht auf dem Verschluss der Atemöffnungen der Läuse, die dann ersticken. Aufgrund des rein physikalischen Wirkmechanismus ist eine Resistenzentwicklung nicht zu erwarten.

Öle: Kokos- bzw. Silikonöle verschließen die Atemöffnungen der Läuse, was zur Erstickung führt.

Insektizide: Die eingehende Kenntnis von Ökologie, Entwicklung und Verbreitung eines Arthropoden sind notwendige Voraussetzungen für die Einleitung von gezielten Schutz- und Bekämpfungsmaßnahmen in der Umwelt. Neben der Beseitigung von Brutstätten, z. B. durch die Trockenlegung von Sümpfen kommen verschiedene Kontaktinsektizide sowie Bacillus-thuringiensis-Toxine zur Anwendung. Das grampositive Bakterium Bacillus thuringiensis produziert Toxine, die den Insektendarm schädigen und sich durch eine sehr hohe Wirtsspezifität für einzelne Insektengruppen auszeichnen. Einige Insektizide können bei Parasitenbefall zur äußerlichen Behandlung direkt am Menschen angewendet werden. Eine Übersicht der in Deutschland zur Behandlung der Skabies (Milbenbefall) und Pediculosis (Läusebefall) zugelassenen Wirkstoffe findet sich in Tab. H-1.7.

Insektizide: Die wichtigsten zur Behandlung am Mensch zugelassenen Insektizide sind in Tab. H-1.7 aufgeführt.

≡ H-1.7

Insektizide zur Anwendung am Menschen

Substanz

Anwendung

Benzylbenzoat

Skabies

Pyrethrum

Pedikulosis

Malathion

Pedikulosis

Permethrin

Skabies, Pedikulosis

Allethrin + Piperonylbutoxid

Skabies, Pedikulosis

≡ H-1.7

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600

H 1 Allgemeines zu Arthropoden

Insektizidresistenzen: stellen ein zunehmendes Problem dar. Krätzmilben, die Erreger der Skabies und Kopfläuse sind zunehmend resistent gegen einzelne oder multiple Insektizide. Bei Therapieversagen: weiterer Therapieversuch mit einem Insektizid aus einer anderen Substanzklasse.

Insektizidresistenzen: Resistenzen gegen verschiedene Insektizide stellen ein zunehmendes Problem dar. Krätzmilben und auch Kopfläuse sind zunehmend resistent gegen einzelne oder multiple Insektizide. Bei Therapieversagen sollte daher ein weiterer Therapieversuch mit einem Insektizid aus einer anderen Substanzklasse durchgeführt werden.

Therapie: Juckreiz nach Insektenstichen kann mit Crotamiton oder Isoprenalinsulfat behandelt werden.

Symptomatische Lokaltherapie: Crotamiton oder Isoprenalinsulfat sind zur lokalen Behandlung des oftmals quälenden Juckreizes nach Insektenstichen oder bei Skabiesbefall geeignet.

Ungeeignete Maßnahmen: Die Wirksamkeit von Ultraschall-Mückenscheuchen ist fraglich. Die Einnahme von Vitamin B6 führt mit Sicherheit nicht zu einer signifikanten Reduktion von Insektenstichen.

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2

Wichtige, medizinisch relevante Arthropoden

2.1 2.2

Klasse Arachnida (Spinnentiere) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601 Klasse Hexapoda (Insekten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606

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2.1

Klasse Arachnida (Spinnentiere)

2.1

Klasse Arachnida (Spinnentiere)

Klassifikation: Die Spinnentiere sind mit rund 60 000 Arten die größte und wichtigste Gruppe der Überklasse Chelicerata (Scherenträger). Die Bezeichnung leitet sich vom Bau der scherenartigen Mundwerkzeuge (Chelicera: Schere) ab. Die Klasse Arachnida beinhaltet 10 Ordnungen, wobei den Milben und Zecken (Ordnung Acari) – mit über 40 000 Arten die mannigfaltigste und ökologisch erfolgreichste Arachnidenordnung – bedingt durch ihre Lebensweise die größte medizinische Bedeutung zukommt. Während echte Spinnen (Ordnung Araneae) und Skorpione (Ordnung Scorpiones) meist räuberisch leben, finden sich unter den Milben und Zecken zahlreiche Ektoparasiten und sogar einige obligate Endoparasiten.

Klassifikation: Mit ca. 60 000 Arten sind die Spinnentiere die wichtigste Gruppe der Überklasse Chelicerata (Scherenträger). Medizinisch relevant sind die Ordnungen Acari, Araneae und Scorpiones.

2.1.1 Schildzecken

2.1.1

Bedeutung: Die Schildzecken sind in den gemäßigten Zonen die wichtigsten Überträger von Infektionserregern unter den Arthropoden. Ihnen kommt neben Kleinsäugern (Mäuse, Ratten etc.) eine wichtige Rolle als Erregerreservoir für B. burgdorferi und das FSME-Virus zu, da beide Erreger transovariell auf die Nachkommenschaft übertragen werden können. In Mitteleuropa überträgt der gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) die Erreger der Lyme-Borreliose (Borrelia burgdorferi, B. afzelii, B. garinii), der Frühsommer-Meningoenzephalitis (westl. Typ des FSME-Virus), der humanen Babesiose (Babesia divergens) und der humanen granulozytären Ehrlichiose (Ehrlichia granulocytophaga). Ixodes persulcatus, eine nahe verwandte Art, grenzt an das Verbreitungsgebiet von I. ricinus im Osten an und überträgt dort den östlichen Typ des FSME-Virus, dem Erreger der russischen Frühsommer-Meningoenzephalitis. Als weitere wichtige Schildzeckenart hat sich in den letzten Jahren die Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus) in Deuschland ausgebreitet, die ebenfalls das FSME-Virus und humanpathogene Babesien übertragen kann. Des Weiteren können Auwaldzecken verschiedene Rickettsienarten übertragen, die beim Menschen das Kranheitsbild der Zecken-Lymphadenopathie verursachen.

Bedeutung: Der gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) besitzt als Erregerreservoir für B. burgdorferi und das FSME-Virus eine wichtige Vektorfunktion bei der Übertragung der Lyme-Borreliose, der Frühsommer-Meningoenzephalitis und der humanen granulozytären Ehrlichiose. Als weitere wichtige Schildzeckenart hat sich in den letzten Jahren die Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus) in Deuschland ausgebreitet, die ebenfalls das FSME-Virus überträgt.

Epidemiologie: Das FSME-Virus wird nur in lokal begrenzten FSME-Naturherden in Schildzecken gefunden und kann dort nach einem Zeckenstich auf den Menschen übertragen werden. In Deutschland befinden sich die wichtigsten Naturherde in Bayern und Baden-Württemberg (https://www.rki.de/fsme.html). In den FSME-Naturherden im Bayerischen Wald und Kärnten sind bis zu 5 % der Zecken infiziert. Für die Persistenz eines Naturherdes ist wichtig, dass Zecken ohne Blutmahlzeiten mehrere Jahre überleben können, ohne ihre Infektiosität zu verlieren. Das Infektionsrisiko wird in Hochendemiegebieten auf ca. 1:1000 geschätzt. In den Endemiegebieten der russischen FSME kann die Durchseuchung des Vektors 50–100 % betragen. Die Borrelien (S. 446) sind nicht auf die FSME-Naturherde begrenzt, sondern weiter verbreitet. Auch ist die Durchseuchung der Zecken mit bis zu 30 % weitaus höher. Für das Infektionsrisiko im Freiland ist die saisonale Zeckenaktivität ausschlaggebend. In Mitteleuropa besitzen I. ricinus und D. reticulatus eine zweigipflige saisonale Aktivität mit einem Gipfel im Frühjahr und in den Monaten September/Oktober. Dermacentor reticulatus kann bereits im zeitigen Frühjahr bei Temperaturen um 5 °C aktiv sein.

Epidemiologie: Die FSME-Naturherde sind lokal begrenzt. Die FSME-Virus-Durchseuchung von I. ricinus beträgt bis 5 %, das Infektionsrisiko in Hochendemiegebieten liegt bei ca. 1:1000.

Schildzecken

Die Durchseuchung von I. ricinus mit B. burgdorferi ist weit verbreitet und beträgt bis 30 %. Die saisonalen Aktivitätsgipfel von I. ricinus und D. reticulatus liegen im Frühjahr und in den Monaten September/Oktober.

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602

H 2 Wichtige, medizinisch relevante Arthropoden

⊙ H-2.1

Ixodes ricinus (Gemeiner Holzbock) und Dermacentor reticulatus (Auwaldzecke)

Pedipalpen Hypostom Idiosoma Capitulum

1

2

3 4 Rückenschild

a

b

c

Die Größe der Imago von I. ricinus beträgt ca. 3 mm. Der Körper ist zweigegliedert in Capitulum und Idiosoma. Das Hypostom, der eigentliche Stechapparat, wird in Ruhestellung durch die Pedipalpen verdeckt. Adulte Zecken und Nymphen besitzen 4 Beinpaare, nutzen das vorderste Beinpaar aber nicht zur Fortbewegung, sondern als Tastorgan. Die Vordertarsen besitzen ein spezielles sensorisches Organ, das HallerscheOrgan, das Chemo- und Mechanorezeptoren enthält. Bei der Wirtssuche erklimmen die Zecken niedere Vegetation (z. B. Grashalme) und klammern sich mit den zu einem Klammerapparat ausgebildeten Klauen an ein vorbeistreifendes Opfer an. Dermacentor reticulatus ist mit ca. 5 mm größer als I. ricinus. Im Gegensatz zum Holzbock ist bei der Auwaldzecke das Rückenschild gelblich marmoriert. Die Auwaldzecke lauert wie der Holzbock auf der niederen Vegetation, begibt sich aber auch aktiv auf Wirtssuche, weshalb Auwaldzecken auch als Laufzecke bezeichnet werden. a Schematische Darstellung von Ixodes ricinus. b Holzbock (Ixodes ricinus) in Lauerstellung auf Vegetation. c Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus) auf Holzplanke laufend.

Merkmale: Ixodes ricinus ist in Mitteleuropa die häufigste am Menschen saugende Zecke. Sie ist weit verbreitet und besiedelt v. a. Wegund Waldränder, Flussufer und Hecken (Abb. H-2.1).

Merkmale: Ixodes ricinus und D. reticulatus unterscheiden sind anhand der Körpergröße und der Färbung des Rückenschildes deutlich (Abb. H-2.1). In Mitteleuropa ist Ixodes ricinus die häufigste am Menschen saugende Zecke. Die Größe der Imago beträgt ca 3 mm, vollgesogen bis 15 mm, das Rückenschild ist schwarzbraun (Abb. H-2.1b). Die Auwaldzecke hingegen ist mit ca. 5 mm größer und das Rückenschild ist gelblich marmoriert (Abb. H-2.1c). Zecken besiedeln bevorzugt tierreiche, gemischte offene Biotope wie Wegränder, Waldränder, Flussufer und Hecken. Die Verbreitung ist nicht auf die Naturherde beschränkt. Schildzecken stechen bei der Blutmahlzeit nicht wie andere Blutsauger kleine Adern an, sondern erzeugen mit ihrem Stechapparat eine Grube, die mit Blut vollläuft und über Stunden oder Tage ausgesaugt wird („pool feeder“). Larven, Nymphen sowie adulte weibliche Schildzecken benötigen jeweils eine Blutmahlzeit für die Fortsetzung des Entwicklungszyklus bzw. für die Eiablage. Adulte männliche Zecken saugen nicht.

Entwicklungszyklus: Schildzecken sind nur wenig wirtsspezifisch. Bei I. ricinus kommt für die Erregerübertragung dem Nymphenstadium die größte Bedeutung zu.

Entwicklungszyklus: Schildzecken sind in der Wirtswahl relativ unspezifisch. Grundsätzlich gilt jedoch, dass spätere Entwicklungsstadien größere Wirte bevorzugen als frühere Stadien. Ein typischer dreiwirtiger Zyklus für Ixodes wäre z. B. Maus (Larve) → Kaninchen (Nymphe) → Rind (Imago). Eine Zecke, die als Larve infiziert wurde, kann die Infektion im aufsteigenden Wirtswechsel als Nymphe oder Imago an den Menschen weitergeben, wobei den Nymphen die größte Bedeutung zukommt. Im Freiland kommen bei I. ricinus auf eine adulte Zecke 50–100 Nymphen.

Klinik: Unabhängig von der Übertragung eines Infektionserregers kann es nach einem Zeckenstich zu einer akuten Intoxikation mit aufsteigender schlaffer Paralyse kommen, die nach Entfernung der Zecke rasch reversibel verläuft. In Europa wurde die Zeckenparalyse bislang nicht beobachtet. Vgl. auch die Klinik der Borreliose (S. 446), der FSME (S. 213) und der humanen granulozytären Ehrlichiose (S. 463).

Klinik: Vgl. auch die Klinik der Borreliose (S. 446), der FSME (S. 213) und der humanen granulozytären Ehrlichiose (S. 463). Unabhängig von der Übertragung eines Infektionserregers kann es nach einem Zeckenstich zu einer akuten Intoxikation mit aufsteigender schlaffer Paralyse kommen, die als Zeckenparalyse bezeichnet wird. Nach der vollständigen Entfernung der Zecke kommt es zu einer raschen und vollständigen Rückbildung der Symptomatik. Eine Zeckenparalyse kann durch verschiedene Zeckenarten ausgelöst werden, tritt aber nur in der Spätphase des Stechaktes eines adulten Zeckenweibchens auf. In Europa wurde die Zeckenparalyse bisher nicht beobachtet. Zahlreiche Fälle sind jedoch aus Nord- und Südamerika, Afrika und Australien beschrieben worden.

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H

603

2.1 Klasse Arachnida (Spinnentiere)

Therapie und Prophylaxe: Um das Risiko einer Wundinfektion bzw. der Übertragung von Infektionserregern zu minimieren, muss die Zecke möglichst rasch entfernt werden. Zur Entfernung sollte die Zecke daher mit einer spitzen Pinzette möglichst hautnah an der Basis des Stechapparates erfasst und durch vorsichtiges Ziehen entfernt werden. Neben der Entfernung der Zecke kann in FSME-Endemiegebieten eine Prophylaxe mit aktivem FSME-Impfstoff (S. 214) sinnvoll sein. Die postexpositionelle passive Immunisierung gegen das FSME-Virus ist hingegen umstritten und wird in Deutschland nicht durchgeführt. Ein sich um die Stichstelle ausbreitendes Erythema migrans als Primärmanifestation einer Borrelieninfektion (S. 446) muss antibiotisch behandelt werden.

Therapie und Prophylaxe: Entfernung der Zecke, in FSME-Endemiegebieten evtl. aktive Immunisierung.

2.1.2 Milben

2.1.2

Die Übertragung von Infektionserregern steht bei den Milben im Hintergrund. Die Schädigung des Menschen durch Milben geschieht direkt durch den Milbenbefall oder indirekt durch allergische Reaktionen.

Milben haben als Ektoparasiten und durch Auslösen von Milbenallergien eine Bedeutung.

Sarcoptidae (Grabmilben)

Sarcoptidae (Grabmilben)

Zur Familie Sarcoptidae zählen neben Sarcoptes scabiei (Krätzmilbe), dem Erreger der Skabies (Abb. H-2.2), zahlreiche veterinärmedizinisch bedeutsame Arten. Bei Tieren wird das durch diese Milben hervorgerufene Krankheitsbild als Räude bezeichnet. Der Befall des Menschen mit Räudeerregern der Tiere führt zu einer zwar ähnlichen, aber schwächer ausgeprägten und selbstlimitierenden Symptomatik.

Sarcoptes scabiei verursacht beim Menschen Skabies (Krätze). Beim Tier wird das Krankheitsbild als Räude bezeichnet.

Merkmale und Entwicklungszyklus: S. scabiei ist eine 0,3–0,4 mm große Milbe mit charakteristischem Habitus. Die beiden vorderen und das hintere Beinpaar tragen spezielle Saugnäpfe. Das Weibchen legt in der Hornschicht der Haut waagrechte, gewundene, bis 1 cm lange Gänge an. Am Ende der Gänge werden zahlreiche Eier abgelegt (Abb. H-2.2b). Die Entwicklung geht über ein Larvenstadium und zwei Nymphenstadien und dauert 10–14 Tage.

Merkmale und Entwicklungszyklus: S. scabiei ist 0,3–0,4 mm groß (Abb. H-2.2b). Das Weibchen gräbt waagerechte Gänge in der Hornschicht und legt dort Eier ab, die sich über ein Larven- und zwei Nymphenstadien zur Imago entwickeln.

⊙ H-2.2

⊙ H-2.2

Skabies

Nymphe

Larve

Kot

Haut Krätzmilbe a

Milben

Eier Stratum corneum

b

Krätzmilbe mit Ei

c

d

a Habitus der Krätzmilbe. b Schematische Darstellung des Entwicklungszyklus von Sarcoptes scabiei. Das Weibchen legt im Stratum corneum waagrechte Gänge an, in die es zahlreiche Eier ablegt. c Krätzmilbe mit Ei. d Das klinische Bild bei Skabies ist charakterisiert durch gangartige Effloreszenzen, hier in den Interdigitalfalten. (Moll, I.: Duale Reihe Dermatologie. Thieme; 2016)

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604 Klinik: Dispositionsstellen sind Intergiditalräume der Hände (Abb. H-2.2d), Streckseiten der Handgelenke, Axillen, Periumbilikalregion und das Genitale (Abb. H-2.3). Leitsymptom ist ein sich wärmeabhängig verstärkender Juckreiz. Sekundär kann es zur Allergisierung mit generalisiertem Erythem oder auch zu bakteriellen Superinfektionen kommen. Insbesondere bei immunsupprimierten Patienten kann sich durch eine hohe Parasitenzahl mit bakterieller Superinfektion eine hoch kontagiöse Erkrankungsform ausbilden (norwegische oder krustöse Skabies).

Skabies führt zur partiellen Immunität.

⊙ H-2.3

H 2 Wichtige, medizinisch relevante Arthropoden

Klinik: Dispositionsstellen sind die Interdigitalräume der Hände (Abb. H-2.2d), Streckseiten der Handgelenke, Axillen, Periumbilikalregion sowie die Genitalien (Abb. H-2.3), insbesondere das Skrotum. Das Gesicht ist nie betroffen. Im Vordergrund der Symptomatik steht meist starker Juckreiz. Die Bettwärme verstärkt den Bewegungstrieb der Milben, wodurch der Juckreiz noch größer wird. Nach einer sekundären Allergisierung kann ein generalisiertes urtikarielles Erythem hinzukommen. In diesen Sekundäreffloreszenzen können Erreger aber nicht mehr nachgewiesen werden, was die richtige Diagnose erschwert. Zusätzlich können bakterielle Superinfektionen das Bild komplizieren. Grundsätzlich hängt die Stärke der Ausprägung des Krankheitsbildes von der Parasitenzahl ab. Bei alten, vernachlässigten und insbesondere dauerhaft immunsupprimierten Patienten (AIDS) kann die Parasitenzahl sehr groß sein. Dies führt dann zusammen mit bakteriellen Superinfektionen zu einer starken Entzündung der befallenen Hautareale. Diese Form wird als norwegische oder krustöse Skabies bezeichnet und ist hochgradig kontagiös. Skabies führt zu einer partiellen Immunität. Auf diese Immunität wird der periodische Verlauf der Skabiesinzidenz mit einem verstärkten Auftreten alle 10–20 Jahre zurückgeführt.

⊙ H-2.3

Typische Effloreszenzen am Penis bei Skabies (White, G. M., Color Atlas of Dermatology, 3rd edition, © Mosby Ltd. (Elsevier) 2004)

Nachweis: Direkter Milbennachweis. ▶ Merke.

Nachweis: Die Diagnose erfolgt durch den direkten Milbennachweis in der Haut. ▶ Merke. Nach dem Infektionsschutzgesetz besteht Meldepflicht beim Auftreten

von Skabies in Schulen, Kindergärten und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen. Transmission: Die Übertragung erfolgt durch gravide Weibchen und ist abhängig von der Zahl der Parasiten (geringe Kontagiosität bei geringer Anzahl, hohe Kontagiosität bei hoher Anzahl).

Transmission: Die Übertragung erfolgt durch gravide Weibchen, am leichtesten, aber keinesfalls ausschließlich in der Bettwärme. Die Kontagiosität der Skabies hängt grundsätzlich von der Parasitenzahl ab und ist bei der „gepflegten Skabies“, die mit einer geringen Parasitenzahl einhergeht sehr gering, bei der krustösen Skabies mit hohen Parasitenzahlen hingegen sehr groß. Zunehmend treten Skabiesausbrüche in Altenpflegeheimen und AIDS-Hospizen aber auch Schulen auf. Die Kontrolle dieser Ausbrüche ist schwierig. Meist wird die Diagnose Skabies erst verzögert gestellt. Wichtig ist dann die Suche nach einzelnen Indexpatienten, die eine hohe Parasitenzahl beherbergen und hoch kontagiös sind.

Therapie: Permethrin, Benzylbenzoat oder Allthrin (Tab. H-1.7) am ganzen Körper über mindestens 3 Tage und Wiederholung nach 10 Tagen. Ggf. ist auch eine Behandlung von Kontaktpersonen angezeigt.

Therapie: Die Behandlung erfolgt mit Permethrin, Benzylbenzoat oder Allethrin (Tab. H-1.7) über mindestens 3 Tage. Die Behandlung sollte nach ca. 10 Tagen wiederholt werden um einen 100 % Behandlungserfolg sicherzustellen. Partner und Familienangehörige müssen auf Symptome kontrolliert und ggf. mitbehandelt werden. Bei mangelnder Compliance oder sehr schweren Formen (Scabies norvegica) werden gute Erfolge mit der oralen Einmaltherapie mit 0,2 mg/kg KG Ivermectin erzielt. Zusätzlich sind hygienische Maßnahmen (Wechsel der Bett- und Körperwäsche etc.) erforderlich. Die Therapie wird dadurch erschwert, dass Krätzmilben zunehmend eine Insektizidresistenz entwickeln.

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H

605

2.1 Klasse Arachnida (Spinnentiere)

Trombiculidae

Trombiculidae

Ein bekannter Vertreter dieser Familie ist die Neotrombicula autumnalis (Herbstmilbe). Merkmale: Die nur 0,25 mm großen Milbenlarven erklimmen die niedrige Vegetation und warten dort auf einen geeigneten Wirt. Da in den gemäßigten Klimazonen Larven im Spätsommer und Herbst am häufigsten sind, werden die Milben als Ernte- oder Herbstmilben bezeichnet. Sie saugen kein Blut, sondern Gewebeflüssigkeit. Erschwerend für die Diagnose ist, dass die Milbenlarven nur kurz am Wirt verbleiben und beim Auftreten von Symptomen nicht mehr nachweisbar sind.

Merkmale: Die Larven der Ernte- oder Herbstmilbe Neotrombicula autumnalis sind im Spätsommer sehr häufig. Die Milbenlarven saugen Gewebsflüssigkeit und verbleiben nur kurz am Wirt.

Klinik: Das Krankheitsbild wird auch als Gebüschkrätze bezeichnet. Milbenbisse treten gruppiert auf, insbesondere im Bereich eng anliegender Kleidungsstücke (Gürtellinie, Achseln). Der Biss ist primär symptomlos, führt aber zu Quaddeln, die von einem ausgeprägten Juckreiz begleitet werden, der länger anhalten kann. Ähnlich wie bei der Skabies kann sich der Juckreiz in der Bettwärme noch verstärken. Eine Übertragung von Infektionserregern ist in Mitteleuropa nicht bekannt geworden.

Klinik: Bei Befall des Menschen lösen sie Gebüschkrätze aus. Typisch sind gruppierte Bisse, die zu Quaddeln und längerem Juckreiz führen.

Therapie: Da die Milbenlarven nach der Blutmahlzeit nicht am Körper persistieren, ist eine spezifische insektizide Therapie nicht indiziert. Der Juckreiz verschwindet ohne Behandlung nach spätestens 1–2 Wochen.

Therapie: Eine insektizide Therapie ist nicht indiziert. Der Juckreiz sistiert innerhalb von 1– 2 Wochen.

Staubmilben

Staubmilben

Bedeutung: Hausstaubmilben sind weltweit verbreitete, 0,1–0,5 mm große, blass durchscheinende Milben (Abb. H-2.4b). In Europa ist Dermatophagoides pteronyssinus, die europäische Hausstaubmilbe, die wichtigste Art. Teile der Milbe und Milbenexkremente werden als Hauptallergene des Hausstaubs angesehen.

Bedeutung: Dermatophagoides pteronyssinus ist die wichtigste Art in Europa (Abb. H-2.4b). Teile der Milbe und Milbenexkremente werden als Hauptallergene des Hausstaubs angesehen. Epidemiologie: Matratzen, Teppichböden, besonders bei feuchtem Klima. Bei andauernder Trockenheit werden Dauerstadien ausgebildet.

Epidemiologie: Das wichtigste anthropogene Biotop der Hausstaubmilbe ist das Bett. Die Milben ernähren sich von Pilzen, die auf abgelösten Hautschuppen wachsen. Für die Hausstaubmilben ist ein feuchtes Raumklima günstig. Entsprechend treten sie in den Wintermonaten zahlreicher auf. Die Milben können nichtfressende, bewegungslose Dauerstadien ausbilden, die länger andauernde Trockenheit überstehen können. Klinik: Symptome der Hausstauballergie sind allergische Rhinitis, Dermatitis und Asthma bronchiale. Da Milbenantigene in den infestierten Wohnungen ganzjährig vorhanden sind, ist die Symptomatik der Hausstauballergie im Gegensatz zur Pollenallergie nicht saisonal.

Klinik: Symptome der Hausstauballergie sind allergische Rhinitis, Dermatitis und allergisches Asthma.

Nachweis: Milbenantigene können im Hausstaub mittels eines EIA-Tests (AcarexTest) und milbenspezifische IgE-Antikörper im Serum des Patienten nachgewiesen werden. Die Allergie kann durch Intrakutantestung festgestellt werden.

Nachweis: Nachweis der Antigene mit EIA. Die Allergie kann durch Intrakutantestung festgestellt werden.

Therapie: Es besteht die Möglichkeit einer Hyposensibilisierung. Hygienische Maßnahmen können die Milbenzahl und die Antigenbelastung reduzieren. Teppiche, Matratzen und Polstermöbel können mit Benzylbenzoat-Schaum (Acarosan-Schaum) behandelt werden.

Therapie: Hyposensibilisierung, hygienische Maßnahmen zur Reduktion der Antigenbelastung durch Benzylbenzoat-Schaum, Behandlung von Möbeln.

Vorratsmilben

Vorratsmilben

Vertreter der Acaridae (Vorratsmilben) finden sich auf allen Vorräten pflanzlicher Herkunft (Tab. H-2.1). Sie zeichnen sich durch einen langovalen Körperumriss und deutliche Behaarung aus. Die Generationsdauer beträgt lediglich 1–4 Wochen. Der Kontakt mit infestierten Materialien führt bei sensibilisierten Personen zu einer allergischen Akrodermatitis (Scheinkrätze), die bei beruflich bedingter Exposition als Berufskrankheit anerkannt werden kann, z. B. die Bäckerkrätze, verursacht durch die Mehlmilbe Tyrophagus putrescentiae (Abb. H-2.4a). Die Symptome werden durch eine lokale Kortikoidtherapie gelindert. Prophylaxe durch das Tragen von Schutzhandschuhen bzw. Mundschutz.

Der Kontakt mit infestierten Materialien führt bei sensibilisierten Personen zu einer allergischen Acrodermatitis (Scheinkrätze) die bei beruflich bedingter Exposition als Berufskrankheit anerkannt werden kann, z. B. Bäckerkrätze, verursacht durch die Mehlmilbe Tyrophagus putrescentiae (Abb. H-2.4a).

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606

H 2 Wichtige, medizinisch relevante Arthropoden

⊙ H-2.4

⊙ H-2.4

Allergien auslösende Milben a Mehlmilbe (Tyrophagus putrescentiae), Ventralansicht. b Hausstaubmilbe (Dermatophagoides pteronyssinus), Ventralansicht.

a

≡ H-2.1

b

≡ H-2.1

Allergene Vorrats- und Staubmilben

Art

Vorkommen auf

Symptome

Tyrophagus putrescentiae

Mehl

Akrodermatitis

Tyrophagus casei

Käse

Akrodermatitis

Acarus siro

Mehl

Akrodermatitis

Carpoglyphus lactis

Backobst

Akrodermatitis

Hausstaub

Allergie, Rhinitis, Asthma

Acarida (Vorratsmilben)

Pyroglyphidae (Staubmilben) Dermatophagoides pteronyssinus

Klasse Hexapoda (Insekten)

2.2

Klasse Hexapoda (Insekten)

2.2

2.2.1

Ordnung Heteroptera (Wanzen)

2.2.1 Ordnung Heteroptera (Wanzen)

Medizinische Bedeutung haben die Raubwanzen (Reduviidae) und die Bettwanzen (Cimicidae). In Mitteleuropa spielt die Bettwanze Cimex lectularius (Abb. H-2.5a) eine Rolle als Verursacher juckender Stiche. Südamerikanische Arten (Triatoma sp., Abb. H-2.5b) sind Vektoren für Trypanosoma cruzi, dem Erreger der Chagas-Krankheit (S. 541).

⊙ H-2.5

Von den zahlreichen Wanzenarten haben nur zwei Gruppen von blutsaugenden Formen – die Raubwanzen (Reduviidae) und Bettwanzen (Cimicidae) – medizinische Bedeutung. Die auch in Mitteleuropa heimische gemeine Bettwanze Cimex lectularius (Abb. H-2.5a) ist nachtaktiv und tagsüber in Ritzen und Spalten versteckt. Die Stiche treten bevorzugt an unbedeckten Körperpartien auf, sind meist linear gruppiert und rufen einen deutlichen Juckreiz hervor. Eine Übertragung von Infektionserregern ist bisher nicht beobachtet worden. Raubwanzen (v. a. Gattung Triatoma, Abb. H-2.5b) besitzen in Südamerika als Vektoren von Trypanosoma cruzi, dem Erreger der Chagas-Krankheit (S. 541), eine große medizinische Bedeutung.

Wanzen

a Cimex lectularius (Bettwanze)

b Triatoma sp. (Raubwanze)

Ei

Imago

Larve

a Cimex lectularius (Bettwanze): Die Imago ist hellbraun bis dunkelbraun gefärbt, 4–5 mm lang, 2,5–3,5 mm breit und dorsoventral abgeflacht. b Triatoma sp. (Raubwanze): Diese Raubwanze ist einer der wichtigsten Vektoren von Trypanosoma cruzi, dem Erreger der Chagas-Krankheit. Die Raubwanzen erreichen eine Länge von bis zu 2,5 cm und sind bevorzugt nachtaktiv.

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607

H 2.2 Klasse Hexapoda (Insekten)

2.2.2 Ordnung Siphonaptera (Flöhe)

2.2.2

Merkmale: Flöhe sind seitlich abgeflachte, 2–6 mm große, flügellose, bräunlich gefärbte Insekten (Abb. H-2.6). Die Imagines besitzen durch das zu Springbeinen ausgebildete dritte Beinpaar eine enorme Sprungfähigkeit. Alle Arten sind obligate, temporäre Ektoparasiten von Säugern und Vögeln. Die Wirtsspezifität der Flöhe ist bei Nahrungsmangel gering. Flöhe werden bis zu zwei Jahre alt. Die Entwicklung ist holometabol und findet bei allen Arten nicht auf dem Wirt statt.

Merkmale: Der Körper der Flöhe ist seitlich abgeflacht und flügellos (Abb. H-2.6). Alle Arten sind obligate temporäre Ektoparasiten, die Wirtsspezifität ist nur gering. Die holometabole Entwicklung findet nicht auf dem Wirt statt.

Bedeutung und Epidemiologie: Der Hundefloh und der Katzenfloh (Ctenocephalides canis und felis) sind häufige Parasiten von Hunden und Katzen und sind die in Mitteleuropa am häufigsten am Menschen nachgewiesenen Flöhe (Abb. H-2.6). In ganzjährig warmen Wohnungen können sich die Flöhe zeitweise auch in Abwesenheit der Hauptwirte fortpflanzen. Die Kontrolle dieser Flöhe ist daher schwierig. Der Menschenfloh (Pulex irritans) ist weltweit über die Tropen bis in die gemäßigten Zonen verbreitet. Hauptwirte sind schwächer behaarte Haustiere, insbesondere Hunde und Schweine. Eine Übertragung von Infektionserregern ist nicht bekannt. Hauptwirt des Pestflohs (Xenopsylla cheopis) ist die Wanderratte (Rattus rattus). Menschen werden in ratteninfestierten Gebäuden befallen. In Europa ist Xenopsylla cheopis heute selten. Xenopsylla cheopis ist der Haupüberträger des Pesterregers Yersinia pestis (S. 415).

Bedeutung und Epidemiologie: Der Hundeund der Katzenfloh (Ctenocephalica canis bzw. felis) sind die in Mitteleuropa am häufigsten beim Menschen angetroffenen Flöhe.

Klinik und Therapie: Flohstiche treten meist mehrfach, in asymmetrischer Gruppierung auf (Abb. H-2.7). Der antikoagulierend wirkende Speichel bedingt Juckreiz und Hautreaktionen. Bei zahlreichen Stichen kann eine antipruriginöse Lokaltherapie der Flohstiche z. B. mit Crotamiton notwendig sein. Entscheidend ist die Prophylaxe durch Behandlung der Hauptwirte (Haustiere) sowie die Populationskontrolle von Ratten und Mäusen. Ganze Räume können durch Verneblung eines geeigneten Insektizids (z. B. Permethrin) mit einem Sprühautomaten („Fogger“) behandelt werden.

Klinik und Therapie: Typisch für Flohstiche ist die asymmetrische Gruppierung (Abb. H-2.7). Der antikoagulierend wirkende Speichel bedingt Juckreiz und Hautreaktionen. Entscheidend ist die Prophylaxe durch Behandlung der Haustiere.

⊙ H-2.6

⊙ H-2.7

Der Pestfloh (Xenopsylla cheopis) ist der Hauptüberträger von Yersinia pestis (S. 415), dem Erreger der Pest.

Katzenfloh (Ctenocephalides felis) mit Entwicklungsstadien Die Entwicklungsstadien der Flöhe sind nicht parasitär, sie werden deshalb nie auf einem Wirt gefunden. Katzen- und Hundeflöhe sind bei uns in Wohnungen die am häufigsten anzutreffenden Flöhe. Sie sind durch das Vorhandensein von zwei charakteristischen Zahnkränzen an Kopf und Hals (Pfeile) gekennzeichnet.

Ei

Larve

Ordnung Siphonaptera (Flöhe)

Puppe

Imago

⊙ H-2.7

Flohstiche am Unterschenkel Charakteristisch ist das gruppierte Auftreten an bedeckten Körperstellen. (Moll, I.: Duale Reihe Dermatologie. Thieme; 2016)

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608

H 2 Wichtige, medizinisch relevante Arthropoden

Tungidae (Sandflöhe)

Tungidae (Sandflöhe)

Bedeutung und Epidemiologie: Auf Tropen begrenzte, stationäre Parasiten an Warmblütern. Häufigste am Menschen zu beobachtende Art ist Tunga penetrans.

Bedeutung und Epidemiologie: Die Verbreitung der Sandflöhe ist auf tropische Regionen Afrikas, Süd- und Mittelamerikas und des indischen Subkontinents beschränkt. Tunga penetrans ist die häufigste am Menschen beobachtete Art. In der direkten Umgebung des Menschen sind Haustiere wie Schweine und Hunde das wichtigste tierische Reservoir.

Merkmale: Die Weibchen bohren sich in die Haut ein, schwellen bei Geschlechtsreife an und geben regelmäßig Eier nach außen (Abb. H-2.8). Die Männchen leben als temporäre Ektoparasiten.

Merkmale: Der Sandfloh (engl. jigger) ist im Gegensatz zu den meisten Floharten ein stationärer Parasit an verschiedenen Warmblütern. Die ca. 1 mm langen Männchen leben als temporäre Ektoparasiten, die Weibchen dagegen bohren sich meist an den Fußsohlen ein und verbleiben dann permanent in der Haut des Wirtes. Dort entwickeln sich die Ovarien und die Tiere schwellen bis zur Erbsengröße an. Das Weibchen gibt dann regelmäßig Eier nach außen ab (Abb. H-2.8).

Klinik und Nachweis: Einzelne hyperkeratotische Herde an den Fußsohlen (DD: Plantarwarzen). Diagnose durch Nachweis der Floheier im Exprimat. Therapie und Prophylaxe: Entfernen des Flohs und Tragen von geschlossenen Schuhen. Tetanusschutz überprüfen!

Klinik und Nachweis: Sandflöhe imponieren an der Fußsohle als einzeln stehende, runde hyperkeratotische Herde. Verwechslungsmöglichkeit besteht mit Plantarwarzen. Im Exprimat lassen sich aber die typischen Eier nachweisen.

⊙ H-2.8

Therapie und Prophylaxe: Die Therapie besteht in der stumpfen Entfernung des Flohweibchens, die Prophylaxe im Tragen von geschlossenen Schuhen. Der Tetanusimpfschutz sollte überprüft werden, da die nach der Extraktion des Flohs verbleibende Wunde am Fuss schnell kontaminiert und eine mögliche Eintrittspforte für Tetanussporen darstellt.

⊙ H-2.8

Tunga penetrans Das Weibchen des Sandflohs ist ein obligater Endoparasit. Kopf und Körper des aufgeblähten erbsengroßen graviden Weibchens liegen im UnterhautAbdominal- fettgewebe. Atmung und Eiabgabe erfolgen über öffnung die Abdomenspitze durch eine Öffnung in der Haut. Die Larvenentwicklung findet wie bei allen Flöhen außerhalb des Wirts statt.

Kopf

Haut

Subkutis

2.2.3

Ordnung Anoplura (Läuse)

2.2.3 Ordnung Anoplura (Läuse)

Merkmale: Obligate stationäre ungeflügelte Ektoparasiten mit hemimetaboler Entwicklung. Alle Stadien (Ei, Nymphe, Imago) finden sich am Wirt. Die zahlreichen bekannten Arten besitzen eine ausgesprochene Wirtsspezifität, sodass der Befall des Menschen mit Tierläusen nur sehr selten vorkommt.

Merkmale: Die humanparasitären Läuse sind obligate stationäre Ektoparasiten. Sie lassen sich von den ähnlichen Tierläusen der Ordnung Mallophaga an den saugenden Mundwerkzeugen unterscheiden. Sie sind ungeflügelt, besitzen Punktaugen und eine Klammereinrichtung an den Beinen (Abb. H-2.9). Die Entwicklung ist hemimetabol. Alle Stadien finden sich am Wirt, Nymphe und Imago sind hämatophag. Die zahlreichen bekannten Arten besitzen eine ausgesprochene Wirtsspezifität, sodass der Befall des Menschen mit Tierläusen nur sehr selten vorkommt. Da sich Läuse ausschließlich in der Körperwärme aufhalten, sind sie von der Außentemperatur weitgehend unabhängig und treten weltweit ganzjährig auf.

Bedeutung: Humanmedizinisch wichtige Arten sind (Abb. H-2.9): ■ Kopflaus (Pediculus humanus capitis): Bevorzugt am behaarten Kopf, epidemisches Auftreten. Die Übertragung erfolgt aktiv beim Körperkontakt oder passiv, z. B. beim gemeinsamen Benutzen von Kämmen.

Bedeutung: Humanmedizinisch wichtige Arten sind die ■ Kopflaus (Pediculus humanus capitis): Die 2–4 mm große Laus befällt den behaarten Kopf (Abb. H-2.9b). Die Übertragung erfolgt aktiv beim Körperkontakt oder passiv, z. B. beim gemeinsamen Benutzen von Kämmen. Kopflausbefall kann infolge von Kratzen und Sekundärinfektionen zu großflächigen, nässenden Ekzemen mit begleitender Lymphangitis führen. Epidemisches Auftreten – z. B. in Kindergärten und Schulen – ist häufig.

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609

H 2.2 Klasse Hexapoda (Insekten)

⊙ H-2.9

Läuse des Menschen Läuse

Nissen

d der Kleiderlaus

a

Filzlaus

b

Kopflaus

c

e der Kopflaus

Kleiderlaus

Phthiris pubis (Filzlaus, a), Pediculus humanus capitis (Kopflaus, b) und Pediculus humanus corporis (Kleiderlaus, c). Die sicherste Methode zur Unterscheidung eines Befalls mit Kopf- bzw. Kleiderläusen ist der Nachweis von zahlreichen Nissen im an der Kleidung (d) bzw. im Kopfhaar (e). Die Unterscheidung zwischen Kopf- und Kleiderläusen nach den Imagines ist unsicher.





Kleiderlaus (Pediculus humanus corporis): Die im Vergleich zur Kopflaus heute seltene Kleiderlaus (3–5 mm, Abb. H-2.9c) lebt an Säumen, Nähten und Falten der Kleider. 50 % der Patienten beherbergen weniger als 10 Tiere. Die ca 0,5–0,8 mm großen Eier (Nissen) werden ebenfalls auf der Kleidung abgelegt. Der Befall mit Kleiderläusen kann am einfachsten durch den Nachweis der Nissen (Abb. H-2.9d) an Kleidungsstücken nachgewiesen werden. Der Stich der Kleiderlaus führt zu einem starken Juckreiz im Bereich der Stichstellen. Die Kleiderlaus ist ein Vektor für Rickettsia prowazekii (S. 461), Bartonella quintana (S. 465), Borrelia recurrentis (S. 446) und Francisella tularensis (S. 429). Die Erreger werden mit dem Kot ausgeschieden. Die eigentliche Infektion erfolgt dann durch Kratzen und Reiben über Hauterosionen oder die Konjunktiven. Filzlaus (Phthiris pubis): Filzläuse sind im Vergleich zur Körper- und Kopflaus kleiner (1,3–1,6 mm) und gedrungen gebaut (Abb. H-2.9a) Sie besiedeln den Schambereich, sowie Augenbrauen und Augenlider, wo Larven, Imagines und die ca. 1 mm großen Nissen zu finden sind. Die Übertragung findet überwiegend beim Geschlechtsverkehr statt. Die Stiche führen zu blauunterlaufenen, stark juckenden Stichstellen im Schambereich. Im Vergleich zur Körperlaus spielen Kopflaus und Filzlaus als Überträger von Infektionserregern nur eine untergeordnete Rolle.

▶ Merke. Ein gesicherter Läusebefall in öffentlichen Gemeinschaftseinrichtungen



Kleiderlaus (Pediculus humanus corporis): Heute selten. Die Übertragung von Mensch zu Mensch geschieht durch engen Körperkontakt oder gemeinsam genutzte Kleidungsstücke. Der Stich der Kleiderlaus führt zu einem starken Juckreiz im Bereich der Stichstellen. Die Kleiderlaus ist Vektor für Rickettsia prowazekii (S. 461), Bartonella quintana (S. 465), Borrelia recurrentis (S. 446) und Francisella tularensis (S. 429).



Filzlaus (Phthiris pubis): Gedrungen gebaut, bevorzugt im Schambereich und an den Augenbrauen. Übertragung beim Geschlechtsverkehr.

▶ Merke.

(z. B. Schulen, Heimen) ist nach Infektionsschutzgesetz durch die Leiter der Einrichtung meldepflichtig. Therapie und Prophylaxe: Personen, von denen eine Weiterverbreitung der Verlausung zu befürchten ist, sind vom Besuch dieser Einrichtungen auszuschließen. Kontaktpersonen müssen grundsätzlich untersucht und mitbehandelt werden. Kleider müssen gewechselt werden. Alte Kleider, Wäsche und Matratzen müssen durch Kochen bzw. Dampfsterilisation desinfiziert werden. Nicht desinfizierte Gegenstände sollten mit Lindan behandelt und mindestens eine Woche an einem kalten Ort unter Quarantäne aufbewahrt werden. Eine zusätzliche Behandlung des Patienten mit Pyrethrum, Permethrin oder Allethrin (Tab. H-1.7) in Form von Shampoo ist bei Kopfund Filzlausbefall angezeigt. Die Behandlung sollte nach 8–10 Tagen unbedingt wiederholt werden, da über diesen Zeitraum in den Nissen noch Larvenembryos überdauern können. Zunehmend wird bei Kopfläusen eine Resistenz gegen einzelne oder multiple Insektizide beobachtet. Bei Therapieversagen sollte daher der zweite Therapieversuch mit einem zu einer anderen Wirkgruppe zugehörigen Mittel unternommen werden. Eine weitere therapeutische Option bei Kopflausbefall ist die Behandlung mit Silikon- oder Kokosölen (S. 599).

Therapie und Prophylaxe: Die Mitbehandlung von Kontaktpersonen ist grundsätzlich nötig. Kleider müssen gewechselt werden. Alte Kleider, Wäsche und Matratzen müssen desinfiziert werden. Nicht desinfizierte Gegenstände sollten mit Lindan behandelt und mindestens eine Woche an einem kalten Ort aufbewahrt werden. Eine zusätzliche Behandlung des Patienten mit Pyrethrum oder Permethrin (Tab. H-1.7) ist bei Kopf- und Filzlausbefall angezeigt. Eine Wiederholung der Behandlung nach 8–10 Tagen ist obligat!

Eine weitere Therapieoption ist die Behandlung mit Ölen.

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610

H 2 Wichtige, medizinisch relevante Arthropoden

2.2.4

2.2.4 Ordnung Diptera (Zweiflügler)

Ordnung Diptera (Zweiflügler)

Als Vektoren für Viren, Bakterien, Protozoen und Helminthen besitzen die Diptera große humanmedizinische Bedeutung (Tab. H-1.2, Tab. H-1.3 und Tab. H-1.4).

Den Diptera kommt als Vektoren von Viren, Bakterien, Protozoen und Helminthen eine große medizinische Bedeutung zu (Tab. H-1.2, Tab. H-1.3 und Tab. H-1.4). Gemeinsames Merkmal der ca. 120 000 Arten sind die zu Schwingkölbchen (Halteren) reduzierten Hinterflügel.

Phlebotominae (Sandfliegen)

Phlebotominae (Sandfliegen)

Epidemiologie: Tropen und Subtropen, nur wenige Arten im südlichen Mitteleuropa.

Epidemiologie: Sandfliegen kommen in den Tropen und Subtropen weltweit vor; nur einige Arten dringen bis in das südliche Mitteleuropa vor. Sandfliegen stellen artspezifische Habitatanforderungen. Über die Brutstätten und den Entwicklungszyklus der meisten Arten ist wenig bekannt. Die Larvenentwicklung findet bei einigen Arten in Tierhöhlen und bei Fledermäusen statt.

Bedeutung: Sandfliegen dienen als Vektor für Leishmania sp. (S. 542), Phlebovirus (Pappataci-Fieber) (S. 241) und Bartonella bacilliformis (S. 465). Merkmale: Sandfliegen sind klein und stark behaart mit V-Haltung der Vorderflügel (Abb. H-2.10).

Bedeutung: Sandfliegen übertragen verschiedene Leishmania-Arten (S. 542), ein Phlebovirus (S. 241), das das im Mittelmeerraum vorkommende Pappataci-Fiebers verursacht, sowie in Südamerika das Bakterium Bartonella bacilliformis (S. 465).

Prophylaxe: Der Schutz durch einfache Moskitonetze ist unzureichend. Es werden feinere Spezialnetze (S. 598) empfohlen.

Prophylaxe: Aufgrund der geringen Größe werden Sandfliegen durch übliche Moskitonetze nicht sicher abgehalten. Zum Schutz sollten daher feine Spezialnetze (S. 598) oder mit chemischen Repellents imprägnierte Netze verwendet werden.

⊙ H-2.10

Merkmale: Sandfliegen (Phlebotomus spp., Lutzomyia spp.) sind kleine, 1,5–3 mm lange, stark behaarte Zweiflügler. Von kleinen Moskitos lassen sie sich im Freiland durch die Haltung der Vorderflügel unterscheiden, die in Ruhe ein nach oben geöffnetes V formen (Abb. H-2.10).

⊙ H-2.10

Phlebotomus sp.

Die Sandfliegen der Gattungen Phlebotomus und Lutzomya sind die Vektoren der verschiedenen Formen der Leishmaniose. Im Mittelmeerraum wird der Erreger des Sandfliegenfiebers (Pappataci-Fieber) durch diese Insekten übertragen. Von kleinen Moskitos lassen sich Sandfliegen durch die V-förmige Haltung der Vorderflügel unterscheiden. (Foto: Kayser, F.H. et al.: Medizinische Mikrobiologie. Thieme; 2014)

Culicidae (Stechmücken, Moskitos)

Culicidae (Stechmücken, Moskitos)

Bedeutung und Epidemiologie: In Mitteleuropa nur Lästlinge, in den Tropen als Vektoren von Viren, Protozoen und Helminthen von großer Bedeutung. Von humanmedizinischem Interesse sind die Gattungen: ■ Anopheles: Sie sind Überträger von humanpathogenen Plasmodium-Arten (S. 520), Wuchereria bancrofti und Brugia malayi.

Bedeutung und Epidemiologie: Stechmücken sind die häufigsten Ektoparasiten unserer Breiten. Während in Mitteleuropa Stechmücken nur als Lästlinge einzustufen sind, kommt ihnen in den Tropen als Vektoren von humanpathogenen Viren, Protozoen und Helminthen eine eminente Bedeutung zu. Folgenden Gattungen sind von humanmedizinischem Interesse: ■ Anopheles: Die Gattung Anopheles der Unterfamilie Anophelinae beinhaltet mehr als 400 Arten. Die humanpathogenen Plasmodium-Arten (S. 520) werden weltweit nur von Anopheles-Mücken übertragen. Der Übertragung von Arboviren durch Anopheles-Mücken kommt nur eine geringe Bedeutung zu. Die als Vektoren bedeutsamen Arten sind lokal verschieden (Tab. H-1.2, Tab. H-1.3, Tab. H-1.4 und Tab. H-1.5). Wuchereria bancrofti und Brugia malayi werden von Anopheles-Mücken und von Mücken der Unterfamilie Culicinae (s. u.) übertragen.

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611

H 2.2 Klasse Hexapoda (Insekten) ▶ Exkurs. Anopheles-Mücken werden regelmäßig mit dem Flugverkehr verschleppt. Dies führte sogar schon zu gesicherten autochthonen Malaria-tropica-Infektionsfällen in mitteleuropäischen Großstädten! Vgl. Kap. „Plasmodien“ (S. 520). ■



Aedes: Aedes ist die wichtigste und größte Gattung der Unterfamilie Culicinae. Einige der über 1000 bekannten Aedes-Arten sind Vektoren von Arboviren, insbesondere des Gelbfiebervirus (S. 214) und des Dengue-Virus (S. 215). Experimentell konnte z. B. A. albopictus mit mehr als 30 verschiedenen Arboviren infiziert werden. Zusätzlich werden von einigen Arten die Filarien Wuchereria bancrofti (S. 568) oder Brugia malayi (S. 568) übertragen. Im Gegensatz zu den AnophelesArten ist eine Reihe von Arten der Gattung tagaktiv. Die Kontrolle der Aedes-Arten und der durch Aedes übertragenen Erreger wird durch einige spezifische Eigenschaften erschwert. Aedes-Mücken stellen sehr geringe Ansprüche an die Brutstätten. Larven entwickeln sich z. B. in Trinkwassertanks, Latrinen oder in kurzzeitigen Wasseransammlungen, die sich nach Regenfällen (z. B. in Reifenspuren, ausrangierten Autoreifen, Astlöchern oder Kokosnussschalen) bilden können. Zusätzlich sind Aedes-Eier widerstandsfähig gegen Austrocknung und können so nach der Eiablage den nächsten Regen abwarten. Aedes-Mücken sind für viele Arboviren (z. B. Gelbfiebervirus) nicht nur Vektoren, sondern bilden, da die Viren transovariell auf die Nachkommenschaft übertragen werden, ein zusätzliches Erregerreservoir. Culex: Culex-Mücken gehören ebenfalls zur Unterfamilie Culicinae und übertragen neben verschiedenen Arboviren auch die Filarie Wuchereria bancrofti (S. 568). Sie stellen ähnlich geringe Umweltansprüche wie Aedes, die Eier können aber nicht längere Zeiträume überdauern. Culex pipiens ist verantwortlich für die derzeitige explosionsartige Ausbreitung des West-Nil-Virus in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Ursache für die häufige Übertragung auf den Menschen sind dort Culex-pipiens-Hybriden, die sowohl am Menschen wie auch an Vögeln, dem wichtigsten Reservoir des Erregers, Blut saugen. Da die in Europa vorkommenden Culex-Mücken einen strengen Wirtstropismus zeigen, kommt es hier vergleichsweise selten zur Übetragung des Virus auf den Menschen.

Merkmale: Stechmücken sind 4–18 mm lange Mücken (mitteleuropäische Arten maximal bis 5 mm lang), die sich durch einen langen Stechrüssel und deutliche Behaarung von Körper, Beinen und Flügelgeäder auszeichnen. Die meisten Moskitoweibchen benötigen für die Eiablage Blut. Die meisten Moskitos – u. a. alle Arten der Gattung Anopheles – sind nachtaktiv, nur einige Arten insbesondere der Gattung Aedes stechen tagsüber. Stechmücken besitzen olfaktorische Sinnesorgane zur Lokalisierung eines potenziellen Wirtes. ▶ Merke. Anopheles-Mücken können im Freiland durch die typische Ruhehaltung

▶ Exkurs.



Aedes: Sie sind für viele Arboviren (z. B. Gelbfiebervirus) nicht nur Vektoren, sondern bilden, da die Viren transovariell auf die Nachkommenschaft übertragen werden, ein zusätzliches Erregerreservoir. Außerdem sind sie Überträger von Wuchereria bancrofti und Brugia malayi. Einige Arten sind tagaktiv.



Culex: Culex-Mücken übertragen Arboviren (z. B. das West-Nil-Virus und Filarien (W. bancrofti).

Merkmale: Bei einer Körperlänge von 4– 18 mm sind Stechmücken an Körper und Flügeladern behaart und besitzen einen Stechrüssel. Sie sind meist nachtaktiv, Aedes-Arten teilweise tagaktiv.

▶ Merke.

von Arten der Unterfamilie Culicinae unterschieden werden. Während letztere das Abdomen parallel zur Oberfläche halten, steht das Abdomen bei Anopheles-Arten meist in einem spitzen bis rechten Winkel zur Oberfläche und der Stechrüssel liegt in der Körperlängsachse. Weitere typische Unterschiede zwischen den Unterfamilien finden sich an Eiern und Larven (Abb. H-2.11).

Zu Unterschieden zwischen den Unterfamilien s. Abb. H-2.11.

Prophylaxe: Da die meisten Stechmücken nachtaktiv sind, ist die Verwendung eines Moskitonetzes über dem Bett in den Tropen die wichtigste persönliche Schutzmaßnahme. Nur in klimatisierten Räumen, die schon wegen der relativen Kälte von den Mücken gemieden werden, kann auf ein Moskitonetz verzichtet werden. Um das Durchschlüpfen der Mücken durch kleine Schadstellen im Netz zu vermeiden, kann zusätzlich eine Imprägnierung mit einem chemischen Repellent (S. 599) vorgenommen werden. Repellents auf der Haut wirken nur wenige Stunden. Zusätzlich sollte nach Einbruch der Dämmerung geschlossene, helle Kleidung getragen werden.

Prophylaxe: Moskitonetz, Repellents, geschlossene Kleidung nach Einbruch der Dämmerung. Um das Durchschlüpfen der Mücken durch kleine Schadstellen im Netz zu vermeiden, kann zusätzlich eine Imprägnierung mit einem chemischen Repellent (S. 599) vorgenommen werden.

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612 ⊙ H-2.11

H 2 Wichtige, medizinisch relevante Arthropoden

Charakteristische Unterschiede der Eier, Larvenstadien, Puppen und Imagines der Unterfamilien Anophelinae und Culicinae

Anophelinae Anopheles Eier

Larven

Puppen

Imago

Aedes Culicinae

Culex

Simuliidae (Kriebelmücken)

Simuliidae (Kriebelmücken)

Bedeutung: Simulium sp. überträgt den Erreger der Flussblindheit (Onchocerca volvulus).

Bedeutung: In Afrika, Mittel- und Südamerika wird der Erreger der Flussblindheit (Onchocerca volvulus) (S. 570) durch Kriebelmücken der Gattung Simulium übertragen. Die Bindung der Larven an Flusskrebse in sauerstoffreichen Fließgewässern bestimmt die Verbreitung der Flussblindheit in den betroffenen Ländern.

Merkmale: Thorax mit typischem Buckel (Abb. H-2.12), ausschließlich tagaktiv. Sie können im Frühjahr und Herbst entlang von Flussläufen sehr häufig sein und besitzen hier eine veterinärmedizinische Bedeutung (Todesfälle von Vieh nach zahlreichen Stichen).

Merkmale: Kriebelmücken sind 2–6 mm lange, dunkel gefärbte Mücken mit einem charakteristischen buckligen Thorax (Abb. H-2.12). Die Weibchen attackieren ihre Opfer nur im Freien und sind ausschließlich tagaktiv. Ca. 30 Arten dringen bis nach Mitteleuropa vor und können im Frühjahr und Herbst entlang von Flussläufen außerordentlich häufig sein. Sie besitzen hier eine veterinärmedizinische Bedeutung, da nach sehr zahlreichen Stichen Todesfälle von Vieh auftreten können.

⊙ H-2.12

⊙ H-2.12

Schematische Darstellung einer Kriebelmücke (Simuliidae) Der bucklige Thorax ist charakteristisch für diese nur 2–6 mm großen Mücken, die auch in den gemäßigten Breiten zahlreich in der Nähe von Fließgewässern vorkommen können. Der Stich dieser Mücken ist nach dem Bau der Mundwerkzeuge mehr ein Biss und im Verhältnis zur Körpergröße des Tieres recht schmerzhaft.

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613

H 2.2 Klasse Hexapoda (Insekten)

Tabanidae (Bremsen)

Tabanidae (Bremsen)

Bedeutung: Bremsenarten sind als passive Überträger von Viren, Bakterien und Protozoen bekannt. Ca. 20 der über 3 000 bekannten Arten kommen auch in Mitteleuropa vor. Dort können gelegentlich Francisella tularensis (S. 429) und Bacillus anthracis (S. 361) übertragen werden. Die Übertragung dieser Erreger erfolgt passiv mechanisch und es findet keine Vermehrung oder längere Persistenz des Erregers in den Bremsen statt. Afrikanische Chrysops-Arten übertragen die Wanderfilarie Loa loa (S. 569). Die Mikrofilarien finden sich am Tage in der Lymphflüssigkeit, sodass der Zyklus der Mikrofilarie mit der Aktivitätsphase der tagaktiven Chrysops korrespondiert. C. silaceus ist der wichtigste Vektor für Loa loa in den westafrikanischen Regenwäldern. Diese Art hält sich meist in den Baumkronen auf, wird jedoch durch Rauch angelockt und dringt dann auch in Häuser ein.

Bedeutung: Passiv mechanische Übertragung von Viren, Bakterien und Protozoen. In Europa werden gelegentlich Francisella tularensis (S. 429) und Bacillus anthracis (S. 361) übertragen.

Merkmale: Zu den Bremsen gehören die größten blutsaugenden Fliegen. Die bis zu 25 mm langen Imagines erreichen eine Flügelspannweite von bis zu 60 mm. Bremsenweibchen sind obligate temporäre Ektoparasiten und können mit ihren kurzen stechenden Mundwerkzeugen Mensch und Vieh Stiche zufügen. Da der Bremsenstich sehr schmerzhaft ist, wird das Insekt sofort in seiner Blutmahlzeit unterbrochen und es finden zahlreiche Wirtswechsel statt. Die meisten Bremsenarten sind tagaktiv.

Merkmale: Die tagaktiven Bremsen erreichen eine Länge von bis zu 25 mm. Weibchen sind obligate temporäre Ektoparasiten und können mit ihren kurzen stechenden Mundwerkzeugen Mensch und Vieh sehr schmerzhafte Stiche zufügen.

Glossinidae (Tsetsefliegen)

Glossinidae (Tsetsefliegen)

Bedeutung: Die ca. 30 bekannten Arten kommen ausschließlich im tropischen Afrika zwischen 30° südlicher und 15° nördlicher Breite vor. Glossina-Arten sind die einzigen Vektoren der zentralafrikanischen Trypanosoma brucei (S. 539), dem Erreger der Schlafkrankheit. Neben diesen humanpathogenen Trypanosomen besitzen die tierpathogenen Arten T. vivax und T. congolense eine enorme wirtschaftliche Bedeutung. Die Übertragung dieser Trypanosomen macht in weiten Teilen Zentralafrikas die Rinderzucht unmöglich. Die Durchseuchung der Fliegen mit T. brucei beträgt meist nur 0,1 %. Bei den tierpathogenen Arten können hingegen bis 75 % der Fliegen infiziert sein.

Bedeutung: Die ausschließlich im tropischen Afrika vorkommenden Glossina-Arten sind die einzigen Vektoren für Trypanosoma brucei, den Erreger der Schlafkrankheit. Die Übertragung von tierpathogenen Trypanosoma-Arten macht in weiten Teilen Zentralafrikas die Rinderzucht unmöglich.

Merkmale: Die 6–15 mm langen Fliegen besitzen einen charakteristischen, gerade nach vorn gerichteten Stechrüssel (Abb. H-2.13). Beide Geschlechter ernähren sich von Blut. Die Weibchen sind vivipar und gebären eine einzelne, lebende Larve. Tsetsefliegen sind ausschließlich tagaktiv und ziehen sich nachts in geschützte Verstecke zurück.

Merkmale: Stechrüssel gerade nach vorn gerichtet (Abb. H-2.13). Beide Geschlechter saugen Blut. Die Weibchen sind vivipar. Tsetsefliegen sind ausschließlich tagaktiv.

Prophylaxe: Ein Infektionsrisiko besteht in Westafrika und in Teilen Ostafrikas, insbesondere in wildreichen Gebieten (Tierparks). Repellents reduzieren die Stichhäufigkeit um bis zu 90 %.

Prophylaxe: Repellents reduzieren die Stichhäufigkeit. Ein Infektionsrisiko besteht in Westafrika und in Teilen Ostafrikas.

⊙ H-2.13

Tsetsefliege: Imago und Larve

In Afrika fungieren Chrysops-Arten als Vektoren für Loa loa (S. 569).

⊙ H-2.13

Den Tsetsefliegen der Gattung Glossina kommt als Vektor der afrikanischen Schlafkrankheit erhebliche medizinische und wirtschaftliche Bedeutung zu. Die natürliche Größe der Imago beträgt 6–14 mm. Charakteristisch für die Tsetsefliegen sind der gerade nach vorne gerichtete Stechrüssel sowie die in Ruheposition vollständig scherenartig übereinanderliegenden Flügel. Die Weibchen gebären eine einzelne Larve, die sich nach der Geburt sofort in der Erde verpuppt. Nach nur 4–5 Tagen Puppenruhe schlüpft die Imago. Imago

Larve

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614

H 2 Wichtige, medizinisch relevante Arthropoden

Muscidae (echte Fliegen)

Muscidae (echte Fliegen)

Viele Fliegenlarven gehören zu den fakultativen Myiasis-Erregern (Madenfraß).

Die echten Fliegen besitzen nur eine untergeordnete medizinische Bedeutung. Einige Arten wie die „gemeine Stechfliege“ (Stomoxys calcitrans) sind temporäre Ektoparasiten des Menschen. S. calcitrans und auch die Stubenfliege (Musca domestica) sowie viele weitere Arten können als passive Überträger von Infektionserregern fungieren und gehören zu den fakultativen Myiasis-Erregern.

Erreger der Myiasis (Madenfraß)

Erreger der Myiasis (Madenfraß)

Bedeutung: Einige Dipterenlarven können zum Krankheitsbild der Myiasis (Madenfraß) führen. Man unterscheidet: ■

Obligate Myiasis-Erreger sind hochangepasste Fliegenlarven, die ihre Entwicklung nur in einem geeigneten Wirt vollenden können. In Mitteleuropa ist der Mensch lediglich Fehlwirt für die heimischen Dasseloder Biesfliegen, deren Larven in Haustieren parasitieren. Wichtige Arten sind die Rinderdasselfliege (Gattung Hypoderma) und die Magendasselfliege (Gattung Gasterophilus).



Fakultative Myiasis-Erreger entwickeln sich in Aas, besiedeln ggf. auch Wunden oder Körperhöhlen (Kavitarmyiasis) besiedeln. Nekrophage Dipterenlarven können auch zur Wundtherapie eingesetzt werden. Der Larvennachweis dient zur Feststellung des Todeszeitpunktes (Gerichtsmedizin). Akzidentielle Myiasis-Erreger gelangen nach Verschlucken in den Wirt.

Bedeutung: Einige Dipterenlarven besiedeln den Menschen und führen dann zu dem Krankheitsbild der Myiasis (Madenfraß). Da die Myiasis-Erreger verschiedenen Dipterenfamilien angehören, werden sie hier zusammengefasst abgehandelt. Aus parasitologischer Sicht können unterschieden werden: ■ Obligate Myiasis-Erreger: Hierbei handelt es sich um hochangepasste Fliegenlarven, die ihre Entwicklung nur in einem geeigneten Wirt vollenden können. In Mitteleuropa und weltweit ist die Dermalmyiasis durch obligat parasitäre Dipterenlarven die häufigste Form der Myiasis. Spezialisierte humanparasitäre Myiasis-Erreger kommen nicht in Mitteleuropa vor. Allerdings können die heimischen Dassel- oder Biesfliegen, deren Larven in Schafen, Rindern, Pferden und anderen Säugetieren parasitieren, den Menschen befallen. Im natürlichen Wirt machen die Larven komplizierte Wanderungen durch und können erhebliche Schäden – z. B. beim Durchqueren von Hirnstrukturen – verursachen. Die Entwicklung der Larve verläuft im Fehlwirt Mensch aber nur bis zum ersten oder zweiten Larvenstadium und bleibt auf die Haut beschränkt. In Mitteleuropa werden am Menschen am häufigsten Larven der Rinderdasselfliegen (Gattung Hypoderma) und der Magendasselfliegen (Gattung Gasterophilus) festgestellt. ■ Fakultative Myiasis-Erreger: Sie entwickeln sich in Aas, können aber gelegentlich Wunden oder Körperhöhlen (Kavitarmyiasis) besiedeln. Besonders gefährdet sind zerfallende Tumormassen im Nasen-Rachen-Raum. Da die Maden bevorzugt im nekrotischen Gewebe fressen, können bestimmte Larven auch gezielt zur Wundtherapie eingesetzt werden. Ihr Nachweis wird außerdem in der Gerichtsmedizin zur Feststellung des Todeszeitpunktes verwendet. ■ Akzidentielle Myiasis-Erreger: Bei der akzidentiellen Myiasis handelt es sich um einen Pseudoparasitismus nach dem versehentlichen Verschlucken von Insektenlarven.

Merkmale: Die Larven sind madenförmig. Kopf und Beine sind reduziert (Abb. H-2.14b).

Merkmale: Die Larven der Myiasis-Erreger besitzen Madenform. Der Kopf ist im Vorderende der Made eingewachsen (Abb. H-2.14b).

Klinik: Bleibt die Larve stationär, bildet sich ein furunkulöses Geschwür (Abb. H-2.14a). Bei beweglichen Larven kommt es zum sog. Hautmaulwurf. DD: Larva migrans (S. 563).

Klinik: Bleibt die Larve stationär, kommt es zur Bildung eines furunkulösen Geschwürs (Abb. H-2.14a). Bei beweglichen Larven kann es zum Bild der wandernden furunkulösen Dermalmyiasis („creeping“ Myiasis, „Hautmaulwurf“) kommen. Dieses Krankheitsbild muss von der Larva migrans (S. 563) durch Nematodenlarven unterschieden werden. Die Diagnose wird meist erst nach der Inzision durch den Larvennachweis gestellt (Abb. H-2.14b).



⊙ H-2.14

a

Myiasis

b a Furunkelartiger Knoten. (Wassilew, S.W. Differenzialdiagnose von Hautbeschwerden. In: Jelinek, T.: Kursbuch Reisemedizin. Thieme 2012) b Nach Inzision können die Larven nachgewiesen werden. (White, G. M., Color Atlas of Dermatology, 3 rd edition, © Mosby Ltd. (Elsevier) 2004)

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Klinische Infektiologie Oliver A. Cornely, Herbert Hof

I

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1

I

Einführung

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Die Beziehungen zwischen Wirt und Parasit sind komplex. Das von einem Erreger ausgelöste Krankheitsbild ist variabel und hängt ab von der ■ Menge, Pathogenität und Virulenz des Erregers und der ■ Abwehrtüchtigkeit des Wirtes; diese wird wiederum beeinflusst von genetischer Disposition, Alter, individueller Krankheitsvorgeschichte, Impfstatus, sozialem Status, Begleitkrankheiten und individuellen Umweltbedingungen. Ein Erreger befällt nicht immer die gleichen Organe und löst nicht immer die gleichen Symptome aus. Die Lokalisation und Manifestation einer Infektion mit demselben Erreger variiert deshalb von Patient zu Patient. Ein Erreger kann bei einem Patienten auch mehrere Organe gleichzeitig in Mitleidenschaft ziehen. ▶ Merke. In der Praxis führt eine erregerbezogene Betrachtungsweise, wie in den

Das klinische Erscheinungsbild einer Infektionskrankheit hängt ab von der ■



Gefährlichkeit (Menge, Pathogenität, Virulenz) des Erregers und von der Abwehrtüchtigkeit des Wirtes; diese ist beeinflusst durch die genetische Prädisposition, den sozialen Stand, das Alter, die Vorgeschichte sowie die Umweltbedingungen.

▶ Merke.

vorausgegangenen Kapiteln dargestellt, nicht unmittelbar zum Ziel. In der Klinik geht man deshalb meist von den betroffenen Organen aus, wobei ein spezielles Krankheitsbild, wie etwa eine Meningitis, durch mehrere unterschiedliche Erreger verursacht sein kann. Die ersten Hinweise für die Ätiologie einer Infektionskrankheit ergeben sich aus der Anamnese (Tab. I-1.1).

≡ I-1.1

Wegweisende Fragen bei Verdacht auf eine Infektionskrankheit

≡ I-1.1

Symptome? Fieber? Fieberverlauf? Lokalisation? Welche Organe? Akut oder chronisch? Erstmalig oder Rezidiv? Alter des Patienten? Soziale Situation? Gehäuftes Auftreten in der Umgebung? Berufliche Exposition? Tierkontakt? Reisen Ernährung Familiäre Disposition? Prädisponierende Grundkrankheiten? Mukoviszidose, Diabetes oder andere Stoffwechselerkrankungen, Tumorleiden, Immunsuppression? Anatomische Besonderheiten? Impfstatus?

Darüber hinaus sind Kenntnisse aus der gesamten Medizin und von der Natur sowie den biologischen Eigenschaften der Erreger erforderlich, um die zahlreichen unterschiedlichen Auswirkungen von Mikroorganismen zu begreifen. Die Infektion ist neben der Intoxikation und der allergischen Reaktion gegen mikrobielle Bestandteile nur eine Konsequenz der Interaktion mit Mikroorganismen. Eine Besonderheit der Infektionen liegt darin, dass von ihnen nicht nur für das betroffene Individuum eine Gefahr ausgeht. Da viele dieser Krankheiten ansteckend sind, besteht die Möglichkeit, dass Personen aus der Umgbung oder sogar ganze Bevölkerungsgruppen erfasst werden. Somit besteht ein großes Interesse der Allgemeinheit, diese Risiken zu erfassen und einzudämmen, s. Kap. „Infektionsschutzgesetz“ (S. 711).

Kenntnisse der Epidemiologie und der Pathophysiologie sind Grundvoraussetzungen. Individuelle Gegebenheiten sind aber immer zu berücksichtigen.

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618 Für die Diagnose einer Erkrankung sind einerseits viel klinische Erfahrung und andererseits großer technischer Aufwand nötig. Hierzu gehören u. a. Blutbild, Bildgebung, Histologie, Nukleinsäure-, Antigennachweis und die Kultur. Möglich sind auch Rückschlüsse aus indirekten Hinweisen (z. B. spezifische Immunreaktionen).

Bei der Therapiewahl müssen die direkte antimikrobielle Wirkung, die pharmakologischen Eigenschaften und die möglichen Interaktionen und Toxizitäten der jeweiligen Substanz berücksichtigt werden. Die Prävention durch Unterbrechung der Infektionskette und andere Schutzmaßnahmen (z. B. Impfung) spielt eine große Rolle bei der Eindämmung von Infektionskrankheiten.

I 1 Einführung

Die Diagnose einer Infektionskrankheit ist im Rahmen einer Epidemie relativ leicht zu stellen; Einzelerkrankungen erfordern jedoch viel klinische Erfahrung und auch technischen Aufwand. Während in einigen Fällen subjektive Beschwerden des Patienten, Anamnese und objektive Befunde der klinischen Untersuchung charakteristisch sein können, muss in vielen anderen Fällen der Beweis durch zusätzliche Untersuchungen der klinischen Chemie, der Radiologie, der Pathologie und der Mikrobiologie erbracht werden. Wenn es nicht gelingt, direkte Hinweise durch Nukleinsäurenachweise, Antigennachweis oder Kultur zu erbringen, müssen ggf. auch indirekte Hinweise hinzugezogen werden; z. B. der Nachweis spezifischer Immunreaktionen (z. B. Antikörperproduktion). Bei der Wahl der besten Therapie muss man neben der direkten antimikrobiellen Wirkung einer Substanz auch ihre Pharmakologie, Verträglichkeit, Interaktionen mit Begleitmedikamenten und Toxizitäten berücksichtigen. Zusätzlich gelten allgemeine Grundregeln wie „Antimicrobial Stewardship“ (AMS) (S. 71). Trotz großer Erfolge der antimikrobiellen Chemotherapie kommt der Prävention übertragbarer Krankheiten eine unüberschätzbare Rolle zu. Durch gezielte Intervention in der Umgebung von Gesunden, z. B. durch Hygienemaßnahmen wie Flächendesinfektion, Händedesinfektion, Tragen von Handschuhen, Kitteln bzw. Atemmasken können Infektionsketten unterbrochen werden, sodass es erst gar nicht zur Erregerübertragung kommt. Auch Maßnahmen wie z. B. Impfungen sind wenig belastend, effizient und kostengünstig.

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2

I

Infektionen des ZNS

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▶ Definition.

▶ Definition. ■







Meningitis: Entzündung der Hirnhäute. Leitsymptome: Fieber, Kopfschmerz und Nackensteifigkeit. Enzephalitis: Entzündung von Hirnparenchym. Leitsymptom: Störung der Hirnfunktion (Bewusstseinsstörung; Nervenausfälle). Meningoenzephalitis: Oft besteht eine Kombination aus Meningitis und Enzephalitis. Hirnabszess: Umschriebene bzw. abgekapselte eitrige Infektion des Hirnparenchyms.

Erreger: Tab. I-2.1.

Erreger: Tab. I-2.1.

▶ Merke. Bakterien induzieren ganz überwiegend eine Meningitis und keine Enze-

▶ Merke.

phalitis (Ausnahme: Listeria, die sowohl Meningitis als auch Enzephalitis erzeugt). Viren können beides hervorrufen. Eine Sonderform ist die bakterielle Herdenzephalitis, die bei hämatogener Aussaat von Bakterien (meist vergrünende Streptokokken oder Staphylococcus aureus) entstehen kann.

≡ I-2.1

≡ I-2.1

Erreger von Enzephalitis bzw. Meningitis

Erreger

Meningitis

Enzephalitis

Prionen: ■

BSE

++

Viren: ■

Enteroviren

+++1



Varizella-zoster-Virus

+++1



Mumpsvirus

+++1



Masernvirus

+++1

+2



Herpes-simplex-Virus

+

+++



Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)



West-Nil-Virus

++

+++



Japanisches B-Enzephalitis-Virus

++

+++



JC-Virus

+++



HIV

+++



Coronavirus

+++



Zytomegalievirus (CMV)

++



Bunya-Virus

+++



Rabies-Virus

+++

+

++

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620

≡ I-2.1

I 2 Infektionen des ZNS

≡ I-2.1

Erreger von Enzephalitis bzw. Meningitis (Fortsetzung)

Erreger

Meningitis

Enzephalitis

Bakterien: ■

Meningokokken

+++



Pneumokokken

+++



Streptococcus agalactiae

++



Haemophilus influenzae

+++3



Borrelia burgdorferi

+



Mycobacterium tuberculosis

+ + + (chronisch)



Staphylococcus aureus

+ + (postoperativ)

+ + (Herdenzephalitis)



Listeria monocytogenes

+++

+++



Treponema pallidum

+

++



Mycoplasma pneumoniae

+

++



Anaerobier (oft als Mischinfektion)



Brucella melitensis

+



Leptospira icterohaemorrhagica

++



E. coli (K1)

++

+ + + (Hirnabszess)

Pilze: ■

Cryptococcus neoformans



Histoplasma capsulatum

++

++

++



Coccidioides immitis

++



Aspergillus (bei Abwehrschwäche)

+



Mukormykose

+



Encephalitozoon bieneusii

+

Protozoen: ■

Toxoplasma gondii

++



Plasmodium falciparum



Trypanosoma

+

++



Naegleria fowleri

+

++



Acanthamoeba

+

+

+

++

Würmer: ■ ■ 1 2

3

Taenia solium (Zystizerkose)

+ (chronisch)

Toxocara canis

+ (chronisch)

Gehören zu den häufigsten Erregern von Meningitis; die Verläufe sind aber meist blande. Bei Masern kann gelegentlich bei akuter Infektion ein schwerer Verlauf beobachtet werden; Jahre später kann die gefürchtete SSPE (subakut sklerosierende Panenzephalitis) auftreten. Seit Einführung der Impfung von Kleinkindern ist diese Infektion fast verschwunden.

Klinik: Kopfschmerzen, Erbrechen, Fieber, bei Enzephalitis ggf. Bewusstseinsstörungen.

Klinik: Kopfschmerzen, Erbrechen, Fieber, bei Enzephalitis ggf. zusätzlich Orientierungs- und Bewusstseinsstörungen, neurologische Ausfälle.

Allgemeine Diagnostik: ■ Klinisch: Fieber, Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit sind typische Zeichen einer Meningitis; Nervenausfälle, Desorientierung bis hin zu Bewusstlosigkeit sind Hinweise auf eine Enzephalitis. Beim Hirnabszess kommt es zu neurologischen Ausfällen, in Abhängigkeit von der Abszesslokalisation; ursächlich sind fortgeleitete Entzündungen (z. B. Sinusitis, odontogen), hämatogene Streuungen oder Traumen.

Allgemeine Diagnostik: ■ Klinisch: Bei Meningitis: Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, positives Lasègue- und Bragard-Zeichen. Bei tuberkulöser Meningitis ist der Verlauf schleichend und betrifft in erster Linie die Hirnbasis. Bei Enzephalitis: Ausfälle je nach Lokalisation, z. B. Ataxie bei Kleinhirnbefall, Orientierungsstörungen, Bewusstlosigkeit; in einigen Fällen (z. B. Toxoplasmose, CMV-Infektion) kann man auch eine Beteiligung der Retina, die entwicklungsgeschichtlich zum Gehirn gehört, in Form von Entzündungsherden erkennen. Bei Hirnabszess: Der neurologische Ausfall ist abhängig von Lokalisation und Ausdehnung des Abszesses. Als Ursache kann eine hämatogene Streuung (Staphylococcus aureus, Enterobacterales) vorliegen. Weitaus häufiger sind fortgeleitete Entzündungen (z. B. bei Otitis, Mastoiditis, Sinusitis

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I



oder odontogen). Bei odontogener Herkunft sind zumeist Anaerobier (Porphyromonas, Prevotella, Bacteroides) sowie Streptokokken (auch als Mischinfektion) nachweisbar. Weiterhin kommen traumatische Ereignisse (Schädelverletzungen) als Ursache infrage, durch die eine Einschleppung von Keimen ermöglicht wird; gelegentlich können sich auch sog. Spätabszesse (noch Monate bis Jahre nach dem Ereignis) entwickeln. Die Anamnese kann Hinweise auf die Erreger bringen, z. B. Auslandsaufenthalt, Epidemien oder Kontakt mit Erkrankten, Grundkrankheiten (z. B. Malignom bei Listerien oder Immunschwäche durch HIV bei Toxoplasmose). Die typische Altersverteilung bei Meningitis zeigt Tab. I-2.2.

≡ I-2.2

Typische Altersverteilung bei Meningitis

Erreger

typisches Alter

B-Streptokokken

Neugeborene

Listeria

Neugeborene, alte Menschen > 60 Jahre

Meningokokken

1–4 Jahre, ein zweiter Gipfel 14–20 Jahre

Masern, Mumps, Varizellen

Kinder (ungeimpft)







Bildgebende Verfahren: CT und MRT können auch kleine, lokale Veränderungen erfassen, ohne jedoch die Ätiologie zu klären. Als Differenzialdiagnose kommt immer auch ein Hirntumor infrage. Labor: Im Blut findet man die charakteristischen Entzündungszeichen wie erhöhtes CRP (bei bakteriellen Infektionen evtl. auch Procalcitonin), niedriges Eisen und Leukozytose. Weitere unspezifische Surrogatparameter, wie etwa die neuronenspezifische Enolase (NSE), sind als Zeichen von Neuronenschaden im Serum wie im Liquor erhöht. Bei einer Zystizerkose wäre nach einer Eosinophilie im Blutbild zu suchen. Liquordiagnostik: Befunde bei Meningitis zeigt Tab. I-2.3. Bei enzephalitischen Herden tritt – wenn überhaupt – meist nur eine leichte mononukleäre, lymphozytäre Reaktion auf.

▶ Klinischer Fall. Ein 73-jähriger Diabetiker mit membranöser Glomerulonephritis erhält eine immunsuppressive Therapie mit Ciclosporin und Prednisolon und stellt sich wegen Fiebers bis 38, 8 °C in der Notaufnahme vor. Noch während des Anamnesegesprächs erleidet er einen generalisierten Krampanfall. In der Bildgebung zeigt sich eine rechts präzentrale Läsion mit perifokalem Ödem (Abb. I-2.1). Es wird eine empirische Therapie mit Ceftriaxon, Metronidazol und Vancomycin begonnen. In Blutkulturen und Liquor (Zellzahl 226, überwiegend Granulozyten) wird Listeria monocytogenes nachgewiesen. Die Therapie wird angepasst auf hochdosiertes Ampicillin.

⊙ I-2.1

621

2 Infektionen des ZNS



Anamnese: Reisen, Ernährung, Epidemien, Kontakt mit Kranken oder Tieren, Grundkrankheiten?

≡ I-2.2



Bildgebende Verfahren: Bereits kleine, lokale Veränderungen können mit CT und MRT dargestellt werden.



Labor: Erhöhtes CRP, niedrige Eisenkonzentration und Leukozytose, bei Zystizerkose auch Eosinophilie.



Liquordiagnostik: Tab. I-2.3.

▶ Klinischer Fall.

⊙ I-2.1

Hirnabszess durch Listerien Das MRT (Flair-Sequenz) zeigt eine Raumforderung rechts präzentral mit angrenzendem Ödem.

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622

≡ I-2.3

I 2 Infektionen des ZNS

Typische Liquorbefunde bei bakterieller und viraler Meningitis

Parameter

bakterielle Meningitis

virale Meningitis

Zellzahl

↑↑↑ In der akuten Phase überwiegen die polymorphkernigen Granulozyten; nach einigen Tagen und vor allem nach Überwindung der Infektion erscheinen Makrophagen. Bei der chronisch verlaufenden tuberkulösen Meningitis sind weniger Granulozyten und dafür relativ mehr Makrophagen vorhanden.

↑ überwiegend Lymphozyten

Eiweiß





Glukose





Laktat





Die mikroskopische Untersuchung von Liquor bringt in vielen Fällen eine rasche Klärung, die dann noch durch die Kultur bestätigt wird. PCR und Serologie sind hilfreich.

Mikrobiologische Diagnostik: Die mikroskopische Erkennung von manchen Erregern im Liquor (Meningokokken, Pneumokokken, Listerien, Haemophilus, Kryptokokken, Amöben) bringt eine schnelle Hilfe; der Nachweis von Antigen ist in einigen solcher Fälle (Meningokokken, Pneumokokken, Kryptokokken) möglich, ist aber der sorgfältigen mikroskopischen Diagnose kaum überlegen. Der kulturelle Befund ist für die Bestätigung wichtig. Der PCR (z. B. Multiplex-PCR) kommt zunehmend Bedeutung zu, vor allem bei viralen Infektionen. Mit Monoplex-PCR können gezielt einzelne Erreger identifiziert werden. Eine Multiplex-PCR kann gleichzeitig eine Vielzahl von Erregern (Viren: CMV, Enteroviren, HSV 1 + 2, VZV, HHV6; Bakterien: B-Streptokokken, E.coli K1, Haemophilus, Listerien, Meningokokken, Pneumokokken; Pilze: Kryptokokken) erfassen. Der Quotient aus spezifischen Antikörpern in Liquor und Serum (bei gleichzeitigem Vergleich von Albumin in beiden Kompartimenten) (sog. Reiber-Schema) ist hilfreich für die Erkennung intrazerebraler Infektionsprozesse.

Differenzialdiagnose: Als DD für eine infektiöse Meningitis bzw. Enzephalitis kommen degenerative Erkrankungen und Malignome infrage.

Differenzialdiagnose: Neben den klassischen Erregern von ZNS-Infektionen kommt es bei mehreren anderen Infektionen im Rahmen einer Disseminierung zu Meningismus und zu zentralnervösen Ausfallserscheinungen. Verwirrend ist auch die Tatsache, dass bei einigen Patienten chronische, aseptische, idiopathische Meningitiden, z. B. die Mollaret-Meningitis, auftreten, deren pathophysiologische Ursachen ungeklärt sind. Auch Metastasen von Malignomen erzeugen oft ähnliche Symptome wie eine Enzephalitis. Degenerative Erkrankungen, wie etwa die multiple Sklerose, müssen abgegrenzt werden.

Therapie: ■ Für virale Infektionen stehen einige wirksame Präparate zur Verfügung, z. B. Aciclovir bei Herpes-simplex- oder Varizella-zoster-Enzephalitis.

Therapie: ■ Virale Infektionen: Hier stehen nur wenige Medikamente zur Verfügung. Bei einer Herpes-simplex-Enzephalitis kann Aciclovir lebensrettend sein. Die gut wirksamen antiretroviralen Medikamente penetrieren z. T. schlecht in das ZNS, sodass sich trotz einer guten systemischen Wirkung während einer rationalen Therapie eine HIV-Enzephalitis entwickeln kann. ■ Bakterielle Infektionen: Bei der Auswahl der Medikamente muss neben der direkten antibakteriellen Wirkung auch die Liquorgängigkeit berücksichtigt werden. Zur kalkulierten Therapie der bakteriellen Meningitis wird Ceftriaxon empfohlen. Sollen in der kalkulierten Therapie auch Listerien mit erfasst werden, so wird zusätzlich mit Ampicillin kombiniert. Die Betalaktamantibiotika gehen im Prinzip nur schlecht über eine intakte Blut-Hirn-Schranke. Bei einer Schrankenstörung dagegen – erkennbar an einem hohen Albumingehalt im Liquor – ist die Penetration deutlich besser. ■ Die Therapie von ZNS-Mykosen ist schwierig, da die Wenigsten der Antimykotika ins ZNS penetrieren. Voriconazol ist noch am ehesten dazu in der Lage. Oft muss deswegen eine Kombination von Antimykotika gegeben werden. ■ Bei ganz akuten, schweren Entzündungen des ZNS werden additiv Kortikoide zur Senkung von überschießenden, zytokinbedingten Reaktionen verordnet, weil dadurch auch die Spätfolgen in Form von narbigen Verklebungen reduziert werden. Dies stellt eine Gratwanderung dar, denn die körpereigene Infektabwehr wird dadurch behindert. ■ Bei Hirnabszess kann eine chirurgische Herdsanierung eine schnelle Heilung bringen. Erstaunlicherweise bilden sich danach auch große entzündete Areale ohne wesentliche Defekte rasch zurück.



Bei der kalkulierten Antibiotikatherapie von bakteriellen Infektionen des ZNS wird oft eine Kombination verwendet. Eine Standardkombination ist Ceftriaxon + Ampicillin.



Pilzinfektionen: Voriconazol erreicht recht gute Wirkspiegel im ZNS.



Kortikoide tragen dazu bei, eine überschießende entzündliche Reaktion zu drosseln.



Die chirurgische Herdsanierung kann bei Hirnabszess helfen.

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I

623

2 Infektionen des ZNS

Prophylaxe: ■ Medikamentös: Patienten mit einer manifesten Meningokokkenerkrankung scheiden mit ihrem Trachealsekret große Mengen von Bakterien in Form von Tröpfchen aus. Personen, die damit Kontakt haben, etwa Angehörige und medizinisches Personal, haben ein etwa 1000-fach höheres Risiko an einer Meningitis zu erkranken und können als Träger die Erreger auf weitere Personen übertragen. (Eine Krankenschwester, die Kontakt hatte, kann die Meningokokken mit nach Hause bringen und als asymptomatische Trägerin ihre Kinder, die ja weitaus anfälliger sind, damit gefährden.) Eine frühzeitige, kurzfristige Antibiotikabehandlung kann schon die Besiedelung der Schleimhäute effektiv unterbinden und eine Infektion, ein Trägerstadium und eine Übertragung verhindern. Obwohl Penicillin gut gegen Meningokokken wirkt, ist es als Prophylaktikum nicht geeignet, da es bei Gesunden nicht in den Schleim der oberen Luftwege penetriert und somit ein Trägerstadium nicht unterbindet. Dagegen ist eine einmalige Gabe von Ciprofloxacin ausreichend, weil dieses Medikament sehr niedrige MHK-Werte gegen Meningokokken hat und in hoher Konzentration die „epithelial lining fluid“ der Trachea erreicht. Alternativ wäre die Gabe von Rifampicin über 2 Tage möglich. ■ Impfung: Impfungen gegen Mumps, Masern sowie Poliomyelitis und auch gegen Haemophilus influenzae b (Hib) gehören heute zur Standardversorgung von Kindern, sodass die zentralnervösen Folgen vermieden werden können. Die FSMEImpfung ist zumindest sinnvoll vor Aufenthalten in Hochrisikogebieten. In bestimmten Situationen verhindert auch eine Impfung gegen Meningokokken (Serogruppe A, B, C, W135 und Y) und Pneumokokken eine kritische Situation. Vor Reisen in ostasiatische Länder wäre auch eine Impfung gegen Rabies sowie Japanische-B-Enzephalitis sinnvoll.

Prophylaxe: ■ Die medikamentöse Prophylaxe einer Meningokokkenmeningitis, z. B. mittels Ciprofloxacin, ist für Kontaktpersonen essenziell.

Prognose: Die hohe Sterblichkeit, die früher bei bakteriellen Meningitiden beobachtet wurde, ist heute wegen Impfungen und antimikrobieller Therapie deutlich gesunken. Andererseits bleibt diese Lokalisation eine schwere Bedrohung und in vielen Fällen, z. B. Malaria, fatal. Die meisten viralen ZNS-Infektionen, wie durch Mumps, Masern und Varizellen und auch FSME, verlaufen dagegen vor allem im Kindesalter blande. Eine manifeste Rabiesinfektion endet fast immer tödlich.

Prognose: Trotz gut wirksamer antimikrobieller Medikamente gegen manche Erreger bleibt die Bedrohung vieler manifester Erkrankungen ernst. Einige virale Infektionen verlaufen dagegen meist blande.



Impfungen gegen Mumps-/Masern-Viren, FSME, Rabies, Pneumokokken, Haemophilus und Meningokokken schützen vor Meningitiden.

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I © PhotoDisc

3.1

Allgemeines

Je nach Lokalisation verlaufen die Infektionen des Auges unterschiedlich.

3.2

Infektionen der Augenlider

▶ Definition.

Infektionen des Auges

3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7

Allgemeines . . . . . . . . . . . . Infektionen der Augenlider . . Infektionen der Bindehaut . . . Infektionen der Hornhaut . . . Intraokuläre Infektionen . . . . Infektionen der Orbita . . . . . Infektionen der Tränenorgane

3.1

Allgemeines

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624 624 625 626 627 628 629

Die Infektionen des Auges verlaufen in Abhängigkeit von der Lokalisation ganz unterschiedlich. Die einzelnen Strukturen können isoliert, häufig jedoch auch in Kombination betroffen sein.

3.2

Infektionen der Augenlider

▶ Definition. Infektiöse Erkrankungen der Augenlider können die Lidhaut, vor allem die Lidränder (Blepharitis) und die Liddrüsen betreffen (Tab. I-3.1).

Diagnostik: klinischer Befund (Inspektion, Tab. I-3.1).

≡ I-3.1

3

Diagnostik: Die Diagnose ergibt sich meist aus dem klinischen Befund (Inspektion, Tab. I-3.1); in Zweifelsfällen wird ein Abstrich zur mikrobiologischen Diagnose entnommen.

Infektionen der Augenlider

Lokalisation

Erkrankung

Klinik

Therapie

Lidhaut

Zoster VZV ophthalmicus

Ätiologie/Erreger

starke neuralgiforme Schmerzen und wenige Tage später einsetzende Bläschenbildung in Gruppen angeordnet mit Hautrötung

Aciclovir (systemisch)

Lidherpes

HSV

kleine schmerzende Bläschen umschriebene Rötung und Schwellung

Aciclovir (lokal)

Lidabszess/phlegmone

nach lokaler Infektion im Zusammenhang mit Verletzungen, Insektenstich oder fortgeleitet, z. B. bei Sinusitis

starke Rötung und Schwellung Fieber

antibakterielle Therapie (systemisch und lokal) nach Antibiogramm

Lidrand

Blepharitis

meist Staphylokokken, aber z. B. entzündlich veränderte und schuppende auch Läuse (Phthiriasis) und Lidränder, gelbliche Krusten und ggf. Haarbalgmilben (Demodex) Nissen/Läuse am Wimpernschaft, z. T. Juckreiz

Liddrüsen

Hordeolum meist staphylokkokken-, schmerzhafte, gerötete Schwellung mit trockene Wärme, desinfizie(Gerstenkorn) seltener streptokokkenbedingte zentralem Eiterpunkt (DD: druckindolentes rende und antibiotische Salben (Abb. I-3.1) Entzündung von: Chalazion = granulomatöse chronische Entzündung der Meibom-Drüsen bei ■ externum ■ Zeis- oder Moll-Drüsen am Sekretstau) äußeren Lidrand Spannungs- und Druckgefühl ■ internum ■ Meibom-Drüsen an der Lidinnenseite

Lidrandhygiene und je nach Erreger lokale antiinfektiöse Therapie

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625

I 3.3 Infektionen der Bindehaut

⊙ I-3.1

⊙ I-3.1

Hordeolum (Hahn G-A. Kurzlehrbuch Augenheilkunde. Stuttgart: Thieme; 2012)

3.3

Infektionen der Bindehaut

▶ Definition. Konjunktivitis ist eine Entzündung der Bindehaut (Konjunktiva), eine durchsichtige, gefäßreiche Schleimhaut, die sich auf der Innenseite der Augenlider und dem anliegenden Augapfel befindet.

3.3

Infektionen der Bindehaut

▶ Definition.

Epidemiologie und Ätiologie: Die Konjunktivitis ist insgesamt eine der häufigsten Augenerkrankungen. Neben zahlreichen infektiösen Ursachen (Tab. I-3.2) muss differenzialdiagnostisch auch an ein nicht-infektiöses Geschehen gedacht werden, z. B. bei permanentem Reizzustand, Exposition zu mykotischen volatile organic compounds (VOCs), Allergien oder im Rahmen anderer Erkrankungen bzw. als Zweiterkrankung; z. B. Reiter-Syndrom (S. 409). Die bakterielle Entzündung kann durch physiologisch vorkommende Keime entstehen, speziell bei Schwächung der körpereigenen Abwehr oder nach mechanischen Schädigungen, aber auch durch Neuinfektion mit pathogenen Keimen von außen. Die Erreger werden meist durch Schmier- oder Tröpfcheninfektion übertragen. Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch über das Augensekret oder über kontaminierte Gegenstände. Insbesondere bei epidemischer Ausbreitung muss an hoch kontagiöse Erreger, wie z. B. Adenoviren (Keratoconjunctivitis epidemica), gedacht werden. Chlamydieninfektionen werden okulogenital übertragen; bei Erwachsenen entweder durch sexuelle Kontakte oder über kontaminiertes Wasser (z. B. in Schwimmbädern), bei Neugeborenen während der Geburt. Das Trachom, eine der häufigsten Augenerkrankungen und Hauptursache von Erblindung weltweit, ist vorwiegend in Ländern mit schlechten hygienischen Verhältnissen anzutreffen und wird dort hauptsächlich durch Fliegen verbreitet. Konjunktivitiden bei Neugeborenen (Ophthalmia neonatorum, z. B. durch Gonokokken, Chlamydien, Haemophilus, Staph. aureus, HSV) sind Folge einer Übertragung von der Mutter während der Geburt. Allerdings kann auch durch die postpartale Credé-Prophylaxe (S. 388) mit Silbernitrat passager eine toxische Konjunktivitis entstehen.

Epidemiologie und Ätiologie: Die häufige Augenerkrankung kann infektiöse Ursachen (Tab. I-3.2) haben, aber auch nicht-infektiös bedingt sein.

Klinik: Akut auftretende Rötung (Hyperämie) und schmerzhafte Reizung mit Brennen und verstärktem Tränenfluss sind typisch. Die Keratokonjunctivitis epidemica sowie die Einschluss- bzw. Schwimmbadkonjunktivitis sind hoch kontagiös, heilen aber im Allgemeinen folgenlos aus. Während die vorgenannten Entzündungen meistens serös verlaufen, tritt bei einer gonokokkenbedingten Neugeborenen-Blennorrhö (S. 388) eine eitrige Entzündung in Erscheinung. Chronische, granulomatöse Infektionen, bei denen viele kleine follikuläre Herde an der Konjunktiva entstehen, sind typisch für das Trachom.

Klinik: Es kommt zur akuten Rötung, schmerzhaften Reizung und verstärktem Tränenfluss. Eiteraustritt ist typisch für die gonokokkenbedingten Neugeborenen-Blennorrhö. Das Trachom ist charakterisiert durch chronische, granulomatöse Entzündung, mit kleinen, follikulären Herden an der Konjunktiva.

Diagnostik: Bei sporadischen Fällen von hyperämischen Infektionen ist eine mikrobiologische Klärung der Ursachen meist nicht notwendig, da die Infektionen selbstlimitierend verlaufen. Bei epidemisch auftretenden Fällen sollte eine mikrobiologische Verifizierung durch mikroskopische, kulturelle oder molekularbiologische Untersuchung von Abstrichen versucht werden. Auch bei eitrigen Infektionen sollte ein Abstrich ins Labor eingeschickt werden.

Diagnostik: Eine mikrobiologische Abklärung ist bei epidemischen und eitrigen Infektionen notwendig.

Bakterielle Infektionen sind endogen oder exogen. Die Erreger werden meist durch Schmieroder Tröpfcheninfektion übertragen.

Konjunktivitiden bei Neugeborenen (Ophthalmia neonatorum) sind Folge einer Übertragung von der Mutter während der Geburt.

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626

I 3 Infektionen des Auges

Therapie: Tab. I-3.2.

Therapie: Tab. I-3.2.

≡ I-3.2

Infektiöse Ursachen der Konjunktivitis

Erregergruppe

Erreger

Bakterien (am häufigsten)

meist Staphylokokken, Pneumokokken akute oder subakute bakterielle und andere Streptokokken Konjunktivitis, z. T. bei Neugeboredaneben auch andere, wie Pseudonen: Blennorrhö* monas, Haemophilus oder Moraxella

Viren

Krankheitsbild

Therapie lokale Antibiotika (Breitbandantibiotikum), evtl. in Kombination mit einem Kortikosteroid

Neisseria gonorrhoeae

Gonokokken-Konjunktivitis lokale (Gentamicin) und systemische bei Neugeborenen: Gonoblenorrhö* (Cephalosporin der 3. Generation) (klassische Blennorrhoea neonatorum) Antibiotika

Chlamydia trachomatis Serovare A–C

Trachom (granulomatös)

lokale und systemische Antibiotika (Tetrazyklin, Erythromycin)

Chlamydia trachomatis Serovare D–K

Einschluss- oder Schwimmbadkonjunktivitis

meist selbstlimitierend, evtl. supportive, antientzündliche Therapie, ggf. lokale und systemische (!) Antibiotika (Tetrazyklin, Erythromycin)

Adenoviren 7, 8 und 19

Keratokonjunctivitis epidemica (hoch kontagiös)

symptomatisch: Tränenersatzmittel, kalte Auflagen Hygienemaßnahmen (!) operative Korrekturen von Folgeerscheinungen

Rubulaviren, Enteroviren, ECHO-Viren, unspezifische Konjunktivitis, z. T. Coxsackieviren, HSV, VZV, Masern- und Mitbeteiligung anderer okulärer Mumpsviren Strukturen

symptomatisch HSV: lokal Aciclovir VZV: systemisch und lokal Aciclovir

Pilze (selten)

Candida und andere Hefepilze

mykotische Konjunktivitis, häufig in Verbindung mit Keratitis

lokale Antimykotika (Nystatin, Amphotericin B)

Parasiten

Onchocerca volvulus Loa loa

chronische Konjunktivitis, z. T. als konjunktivale Mitbeteiligung bei Skleritis/Keratitis

Onchocerca volvulus: systemisch mit Ivermectin Loa loa: chirurgische Entfernung des Fadenwurms

* Blennorrhö = Eiterabsonderung aus der Lidspalte, meist im Zusammenhang mit Neugeborenen verwendeter Begriff

3.4

Infektionen der Hornhaut

▶ Definition.

3.4

Infektionen der Hornhaut

▶ Definition. Keratitis ist eine Entzündung der Hornhaut des Auges (Cornea). Aufgrund

der ausgeprägten Innervation der Hornhaut verläuft sie meist sehr schmerzhaft. Ätiologie: Eine Schädigung der Hornhaut entsteht durch Trauma, Operation oder Tragen von Kontaktlinsen und geht dem Eintritt von Bakterien und Amöben voraus. Auch ein Übergreifen einer viralen Konjunktivitis auf die Hornhaut ist möglich. Hinzu kommt eine direkte Infektion der Hornhaut durch HSV oder VZV. Keratitiden durch Pilze werden durch Langzeittherapien mit Antibiotika oder Kortikosteroiden begünstigt.

Ätiologie: Nach Trauma und Operation oder durch Tragen von Kontaktlinsen kann es zu einer mechanischen Schädigung der Hornhaut kommen, was dann eine Eintrittspforte für diverse bakterielle Erreger, sowohl grampositive wie gramnegative, aber auch für frei lebende Ämoben (Akanthamöben) sein kann. Die sog. Akanthamöben-Keratitis ist meistens auf eine mangelhafte Hygiene im Umgang mit Kontaktlinsen zurückzuführen. Virusinfektionen der Konjunktiva, meistens bedingt durch Adenoviren, können auf die Kornea übergreifen. Herpes-simplex-Virus (S. 249) und seltener Varicella-ZosterVirus (S. 252), der sog. Zoster ophthalmicus, können direkt und solitär – meist einseitig – die Hornhaut befallen. Keratitiden durch Pilze werden heute neben einer Immunschwäche insbesondere durch lang andauernde Therapien mit Antibiotika oder Kortikosteroiden begünstigt.

Klinik: Fremdkörpergefühl, Schmerzen, Photophobie, evtl. Rötung und Sehverschlechterung.

Klinik: Fremdkörpergefühl, Schmerzen, Photophobie, evtl. Rötung des Auges und Sehverschlechterung sind die Klagen des Betroffenen, was dann zu einer augenärztlichen Untersuchung veranlassen sollte.

Diagnostik: Mit der Spaltlampe können nachgewiesen werden: ■ oberflächliche Ulzerationen ■ bei Zerstörung der Bowman-Schicht, ggf. Hypopyon (Abb. I-3.2) ■ bei lang anhaltendem Defekt Narben. Bei viralen Infektionen findet man eine herabgesetzte Hornhautsensibilität.

Diagnostik: An der Spaltlampe sind die typischen Läsionen erkennbar: ■ Der Befall der Hornhaut kann zu einer oberflächlichen Ulzeration führen, ohne die Bowman-Schicht zu zerstören. ■ Wenn allerdings auch diese letzte Barriere durchbrochen ist, droht eine Invasion mit Hypopyonbildung (Eiteransammlung am Boden der vorderen Augenkammer, Abb. I-3.2). ■ Bei lang anhaltendem Defekt kann eine narbige Ausheilung sichtbar sein. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

627

I 3.5 Intraokuläre Infektionen

⊙ I-3.2

Bakterielles Hornhautulkus mit Hypopyon (→)

⊙ I-3.2

(Lang, G.K.: Augenheilkunde. Thieme; 2014)

Bei der Überprüfung der Hornhautsensibilität zeigt sich insbesondere bei viralen Entzündungen (HSV, VZV) eine stark herabgesetzte Sensibilität. Zur Erregerbestimmung ist ein Abstrich oder eine Gewebeprobe (Abkratztechnik insbesondere bei V. a. Mykosen oder Akanthamöben, ggf. von Kontaktlinsen) erforderlich.

Zur Erregerbestimmung sollte ein Abstrich genommen werden.

Therapie: Bei oberflächlichen Hornhautläsionen muss je nach Verdacht umgehend mit einer topischen antimikrobiellen Therapie begonnen werden (Antibiotika, Virustatika, Antimykotika). Bei Hornhautperforation oder bei Narbenbildung mit schwerem Visusverlust bleibt schließlich nur noch die Transplantation (Keratoplastik).

Therapie: Bei oberflächlicher Schädigung topische antiinfektiöse Behandlung; bei Perforation und Narbenbildung: Transplantation.

3.5

Intraokuläre Infektionen

3.5.1 Uveitis ▶ Definition. Die Uvea setzt sich zusammen aus Iris (Regenbogenhaut), Ziliarkörper

3.5

Intraokuläre Infektionen

3.5.1

Uveitis

▶ Definition.

und Choroidea (Aderhaut). Je nach Lokalisation der Entzündung unterscheidet man: Uveitis anterior: Entzündung der Iris (Iritis), auch in Kombination mit dem Ziliarkörper (Iridozyklitis) ■ Uveitis intermedia: Entzündung des Ziliarkörpers (Zyklitis) ■ Uveitis posterior: Entzündungen der Choroidea (Choroiditis) unter Mitbeteiligung der Netzhaut (Chorioretinitis) oder Entzündung primär der Netzhaut mit Ausbreitung auf die Uvea (Retinochorioiditis). Eine Entzündung der gesamten Uvea heißt Panuveitis. ■

Ätiopathogenese: Eine infektiöse Genese ist bei Uveitis eher selten. Diverse Erreger können jedoch entweder durch direkte Inokulation (z. B. perforierende Verletzungen) oder im Rahmen von systemischen Infektionen hämatogen in die Uvea gelangen und dort infektiöse Absiedlungen setzen. Häufige Erreger sind: ■ Viren: z. B. VZV, CMV (CMV-Retinitis, insbesondere bei AIDS-Patienen) ■ Bakterien: z. B. Borrelia, Treponema ■ Candida-Arten (Candida-Retinitis mit typischen „Cotton wool“-Herden) ■ Protozoen: Toxoplasma gondii (Retinochorioiditis nach angeborener Infektion).

Ätiopathogenese: Eine infektiöse Genese ist selten. Die Erreger können entweder durch direkte Inokulation oder hämatogene Streuung in die Uvea gelangen. Häufige Erreger sind u. a. Viren (z. B. VZV, CMV), Bakterien (z. B. Borrelia, Treponema), Candida-Arten, Toxoplasma gondii.

Klinik: Klinisch von Bedeutung ist, dass eine Iritis/Iridozyklitis schmerzhaft, eine Chorioiditis dagegen schmerzfrei verläuft, da die Aderhaut keine sensiblen Nervenfasern enthält. Das Ausmaß der Sehstörung ist von der Lokalisation bzw. der Ausdehnung der entzündlichen Läsion abhängig. Oft wird die Erkrankung erst manifest, wenn die Fovea centralis betroffen ist.

Klinik: Die Iritis/Iridozyklitis ist schmerzhaft, die Chorioiditis dagegen schmerzfrei. Die Sehstörungen können je nach Manifestation unterschiedlich ausfallen.

Diagnostik: Bei Untersuchungen mit der Spaltlampe und dem Ophthalmoskop sind häufig typische Erscheinungen erkennbar, die bereits eine grobe Einordnung des Krankheitsbildes zulassen. Mittels einer Blutkultur kann man die ursächliche, systemische Infektion durch Bakterien und Pilze eruieren. Eine Toxoplasma-Infektion wird serologisch bestätigt, wobei der lokale Herd so minimal sein kann, dass ein Titeranstieg im Serum dadurch nicht immer erfolgt. Eine CMV-Infektion wird mittels PCR erkannt.

Diagnostik: Untersuchung mit der Spaltlampe und dem Ophthalmoskop, Blutkultur, Serologie.

Therapie: Je nach zugrunde liegender Ursache wird eine gezielte antimikrobielle Therapie eingeleitet, nicht zuletzt wegen der drohenden bleibenden Sehstörung. Zur Ruhigstellung und Erweiterung der Pupille sowie als Maßnahme zur Vorbeugung von Verklebungen zwischen Iris und Linse werden vorwiegend bei vorderer Uveitis Mydriatika verabreicht.

Therapie: gezielte antimikrobielle Therapie, ggf. Mydriatika zur Ruhigstellung der Pupille.

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628

I 3 Infektionen des Auges

3.5.2

3.5.2 Endophthalmitis

Endophthalmitis

▶ Definition.

▶ Definition. Akut oder chronisch verlaufende Entzündungen in den Augeninnen-

räumen einschließlich des Ziliarkörpers und des Glaskörpers (Corpus vitreum) werden Endophthalmitis genannt. Ätiologie: Sie entsteht entweder durch direkte Inokulation von Erregern (lokale Infektion, Trauma, Operation), fortgeleitet oder durch hämatogene Streuung. Erreger können bakteriell (häufig), viral, mykotisch oder parasitär sein.

Ätiologie: Diese Entzündungen können entweder durch direkte Inokulation von Erregern (z. B. durch lokale Infektion, perforierende Verletzung, Operation, z. B. Katarakt-OP), fortgeleitet oder durch hämatogene Streuung bei immungeschwächten Patienten (z. B. Diabetes, Neutropenie) entstehen. Als Erreger finden sich meist Bakterien (Staphylococcus epidermidis/aureus, Proteus, Pseudomonas), aber auch Viren (HSV, VZV, CMV), Pilze (meist Candida) oder Parasiten (Toxoplasma, Onchocerca).

Klinik: Symptome der Endophthalmitis sind ein akut rotes Auge, Schmerzen und eine akute Sehverschlechterung. Bei Bakterien und Viren setzt die Symptomatik meist akut ein, bei Pilzen ist ein milderer, chronischer Verlauf typisch.

Klinik: Symptome der Endophthalmitis sind ein akut rotes Auge, Schmerzen und eine akute Sehverschlechterung. Während die Symptomatik bei bakteriellen und viralen Erregern akut einsetzt und z. T. foudroyant verläuft, ist bei mykotisch bedingter Endophthalmitis meist ein milderer, chronischer Verlauf mit schleichendem Beginn zu beobachten. Es handelt sich um eine sehr ernste Erkrankung, die den Verlust des Sehvermögens oder sogar des gesamten Auges nach sich ziehen kann.

▶ Merke.

▶ Merke. Insbesondere die akut bakterielle Endophthalmitis ist ein ophthalmolo-

gischer Notfall, der einer sofortigen Behandlung bedarf! Diagnostik: Die Erreger werden direkt kulturell bzw. molekularbiologisch (PCR) oder indirekt serologisch nachgewiesen. Bei der Spaltlampenuntersuchung und der Funduskopie finden sich Zeichen einer schweren Entzündung (Chemosis, Hypopyon, Glaskörpertrübungen).

Diagnostik: Die Anamnese oder bestimmte Begleitkrankheiten können Hinweise auf eventuelle Ursachen erbringen. Die Erreger werden aus Glaskörper oder Vorderkammer durch direkten kulturellen Nachweis bzw. molekularbiologisch (z. B. PCR) oder durch serologische Methoden nachgewiesen. Bei der Spaltlampenuntersuchung finden sich Zeichen einer schweren Entzündung (Lidödem, Chemosis, Bindehauthyperämie, Hypopyon etc.), bei der Funduskopie zeigen sich Glaskörpertrübungen (evtl. mit fehlendem Rotreflex).

Therapie: Erregerspezifische antimikrobielle Therapie (lokal, systemisch, intravitreal), ggf. Entfernung des Glaskörpers (Vitrektomie).

Therapie: Die Therapie richtet sich nach dem spezifischen Erreger. Die Antiinfektiva werden lokal, systemisch und auch intravitreal verabreicht. Bei ausgeprägter Entzündung kann eine Entfernung des Glaskörpers (Vitrektomie) oder sogar eine Enukleation notwendig werden.

Prävention: Perioperative Gabe von Antibiotika.

Prävention: Die postoperative Endophthalmitis kann durch perioperative Gabe von Antibiotika, z. B. Cefuroxim, z. T. verhindert werden.

3.6

3.6

Infektionen der Orbita

▶ Definition.

Infektionen der Orbita

▶ Definition. Die wichtigste und schwerste Infektion im Orbitabereich ist die Orbi-

taphlegmone. Es handelt sich um eine akute Entzündung der Weichteilgewebe in der Augenhöhle. Ätiologie: Die Orbitaphlegmone entsteht meist durch eine fortgeleitete Entzündung (Sinusitis). Verursacher sind Bakterien oder Schimmelpilze.

Ätiologie: Die Orbitaphlegmone entsteht meist durch eine fortgeleitete Entzündung aus der Umgebung (oft aus den Nasennebenhöhlen bei Sinusitis); sie kann aber auch infolge einer iatrogenen bzw. traumatischen Inokulation auftreten. Häufig ist sie bakteriell bedingt (z. B. Staphylococcus aureus), seltener durch Schimmelpilze (z. B. Aspergillus fumigatus, Abb. I-5.1).

Klinik: Die Orbitaphlegmone ist durch schweres Krankheitsgefühl, eingeschränkte Bulbusbeweglichkeit und Exophthalmus gekennzeichnet. Lebensbedrohliche Komplikationen können durch Fortleitung nach zerebral entstehen.

Klinik: Die Orbitaphlegmone ist gekennzeichnet durch ein schweres Krankheitsgefühl mit Fieber und Schmerzen, die durch Augenbewegungen verstärkt werden. Die Bulbusbeweglichkeit ist deutlich eingeschränkt und neben einem Exophthalmus sind Bindehaut (Chemosis) und Augenlider geschwollen. Durch eine Fortleitung der Entzündung ins ZNS kann es zu lebensbedrohlichen Komplikationen kommen (Sinus-cavernosus-Thrombose, Meningitis, Hirnabszess, Sepsis).

Diagnostik: Bestimmung von Körpertemperatur, Entzündungsparametern und Blutbild; ggf. Blutkultur und CT.

Diagnostik: Bestimmung von Körpertemperatur, Entzündungsparametern (CRP, BSG) und Blutbild, ggf. auch Anfertigung einer Blutkultur bei fehlendem Ansprechen der Therapie. Zur Erfassung der Entzündungsausdehnung (prä- oder postseptal) und der Ursache (Sinusitis) können CT und MRT hilfreich sein.

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I

629

3.7 Infektionen der Tränenorgane ▶ Merke.

▶ Merke. Aufgrund der möglichen intrakraniellen Komplikationen sollte eine sofor-

tige Antibiotikatherapie eingeleitet werden. Therapie: Eine sofortige stationäre Aufnahme für eine systemische antimikrobielle Therapie ist angezeigt; ggf. muss eine operative Sanierung des Entzündungsherdes (Nasennebenhöhlen) erfolgen.

3.7

Therapie: Wichtig ist eine sofortige stationäre antimikrobielle Therapie.

Infektionen der Tränenorgane

3.7

Infektionen der Tränenorgane

▶ Definition.

▶ Definition. Entzündungen der Tränenwege können die Tränendrüse (Dakryoade-

nitis), die Tränenkanälchen (Kanalikulitis) oder den Tränensack (Dakryozystitis) betreffen (Tab. I-3.3).

≡ I-3.3

Infektionen der Tränenorgane Ätiologie

Klinik

Therapie

Dakryoadenitis

akut: Virusinfektionen (z. B. Masern, Mumps, Röteln), Pneumokokken, Staphylokokken chronisch: Lues, Tbc

akut: schmerzhafte Rötung und Schwellung des Oberlids chronisch: geringere Symptomatik

symptomatisch (desinfizierende Umschläge) ggf. Antibiotika oder Behandlung der Grunderkrankung

Kanalikulitis

häufig Aktinomyzeten (Konkrementbildung), auch Chlamydien, Candida und Aspergillus

Rötung und Schwellung im Bereich des lokale Antibiotika Kanals, evtl. Eiteraustritt am Tränenggf. Entfernung von Konkrementen pünktchen

Dakryozystitis

akut: Tränenwegsstenose mit nachfolgender bakterieller Superinfektion (Staphylokokken, Pneumokokken, Pseudomonas) chronisch: Folge der akuten Dakryozystitis

akut: nasale schmerzhafte Rötung und akut: lokale und systemische AntiSchwellung biotika, ggf. Inzision (Eiterabfluss), chronisch: Tränenträufeln (Epiphora) nach akuter Phase: Operation chronisch: ggf. lokale Antibiotika, Operation

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I

4

Infektionen des Ohres

4.1 4.2

Infektionen des äußeren Gehörgangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Infektionen des Mittelohrs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.1

Infektionen des äußeren Gehörgangs

630 631

© petrovit - Fotolia.com

4.1

Infektionen des äußeren Gehörgangs

▶ Definition.

▶ Definition. Infektionen des äußeren Gehörgangs werden als Otitis externa be-

zeichnet. Sie können lokal begrenzt sein (Gehörgangfurunkel, sog. Otitis externa circumscripta) oder den gesamten Gehörgang betreffen (Otitis externa diffusa). ▶ Merke.

▶ Merke. Eine besonders schwer verlaufende Form ist die Otitis externa maligna,

die meist durch eine Infektion mit Pseudomonas aeruginosa verursacht wird. Sie tritt oft bei Diabetikern oder bei Immusuppression auf. Eine Gewebsinvasion führt zu Knorpel- und Knochendestruktion ggf. sogar zu Sepsis, Meningitis, Hirnabszess. Ätiologie: Durch Störung der Schutzbarriere (mechanische Manipulation, Chlorwasser, Diabetes) können Infektionen durch Keime der Umwelt bzw. der menschlichen Flora auftreten. Hinzu kommen virale Infektionen.

Ätiologie: Im Prinzip ist der äußere Gehörgang durch die dicke Epithelbarriere sowie durch humorale Schutzfaktoren, wie etwa das Cerumen (Ohrenschmalz), vor Infektionen weitgehend geschützt. Kommt es zu einer Störung dieser Schutzbarriere, z. B. durch mechanische Manipulation (Wattestäbchen, Kratzspuren), können Infektionen durch Umweltkeime (Pseudomonas aeruginosa, Aspergillus niger) oder Keime der menschlichen Flora (Staphylococcus aureus, Enterobacterales) auftreten. Auch häufiges Schwimmen in Chlorwasser (Austrocknung der Gehörgangshaut), anhaltende Feuchtigkeit (häufiges Baden) oder insbesondere das Vorliegen eines Diabetes mellitus können eine Infektion begünstigen. Schließlich kann auch im Rahmen einer Reaktivierung von VZV (Herpes zoster oticus) und HSV die Gehörgangshaut beschädigt sein.

Klinik: Oberflächliche Infektionen verlaufen blande. Tiefere Infektionen führen zu Juckreiz und brennenden Schmerzen, evtl. mit Ausfluss.

Klinik: Oberflächliche Infektionen können unbemerkt verlaufen. Wenn die Entzündung tiefer in die Haut vordringt und stärker wird, spürt der Patient Juckreiz und brennende Schmerzen. Außerdem kann es zu einem verstärkten Ausfluss („nässendes Ohr“) und evtl. einer Minderung der Hörleistung kommen.

Diagnostik: Bei der Inspektion sieht man je nach Intensität Rötung und Eiterung, bei einer Otomykose evtl. einen Pilzrasen. Eine mikrobiologische Untersuchung (mikroskopisch, kulturell, molekularbiologisch) kann die Ätiologie klären.

Diagnostik: Bei der Inspektion sieht man abhängig von der Intensität der Entzündung eine Rötung und evtl. Eiterung. Bei einer Otomykose ist häufig ein regelrechter „Pilzrasen“ auf der Haut des Gehörgangs zu erkennen; bei Aspergillus niger als Ursache erscheinen die betroffenen Areale schwarz. Eine mikrobiologische Untersuchung (mikroskopisch, kulturell und ggf. molekularbiologisch mittels PCR) von Abstrichen der Gehörgangshaut ist zur Klärung der Ätiologie sinnvoll. Bei der malignen Otitis externa kann zur Erfassung der Knochendestruktion eine CT hilfreich sein.

Therapie: Reinigung des Gehörgangs, lokale Desinfektion ist oft ausreichend, ggf. lokale antimikrobielle Therapie je nach Ursache. Systemische Therapie ist selten indiziert (z. B. Diabetiker).

Therapie: Oft reicht eine Reinigung des Gehörgangs und die Anwendung von lokalen Desinfektionsmitteln (z. B. Jodophoren, Octenisept bzw. Polyhexanid, Kap. „Arten der Desinfektion“ (S. 719)) aus. Die lokale antimikrobielle Behandlung richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache; selten ist eine systemische Therapie indiziert (z. B. bei Diabetikern). Die Therapie der Otitis externa maligna muss stationär erfolgen (u. a. mit lokaler und hoch dosierten systemischen Antibiotika, ggf. operative Therapie mit Abtragung des betroffenen Knochens).

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631

I 4.2 Infektionen des Mittelohrs

4.2

Infektionen des Mittelohrs

▶ Definition. Die akute Mittelohrentzündung (Otitis media acuta) ist eine der häu-

4.2

Infektionen des Mittelohrs

▶ Definition.

figsten Erkrankungen im Kindesalter; sie tritt aber auch bei Jugendlichen und Erwachsenen auf. Bis zum 3. Lebensjahr haben etwa ⅔ aller Kinder eine Erkrankung durchgemacht. Ätiopathogenese: Die akute Mittelohrentzündung entsteht meist im Rahmen eines viralen Infekts der oberen Luftwege (Rhinitis) unter Beteiligung der Schleimhaut der Tuba auditiva Eustachii, selten infolge eines Trommelfelldefekts. Gerade bei Kindern, bei denen die Tuba mehr horizontal gestellt ist, führt die Schwellung der Schleimhaut zu einer Obstruktion, welche durch vergrößerte Rachenmandeln begünstigt wird. Die Belüftung des Mittelohrs und der Sekretabfluss sind dadurch empfindlich gestört, was eine bakterielle Infektion begünstigt. Zu den häufigsten Erregern zählen Pneumokokken, Staphylococcus aureus, Streptococcus pyogenes, Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis und gelegentlich auch Enterobacterales (z. B. Klebsiella pneumoniae). Auch mit anaeroben Bakterien muss gerechnet werden (u. a. Peptostreptococcus, Fusobacterium, Prevotella und Porphyromonas). Seltener sind Viren für die Entzündung des Mittelohres direkt verantwortlich (z. B. Masernvirus, Enteroviren, RSV, Rhinoviren, Influenza- und Parainfluenza- sowie Adenoviren).

Ätiopathogenese: Durch die Schleimhautschwellung bei Rhinitis wird das Mittelohr nicht ausreichend belüftet und das Sekret kann nicht abfließen. Dies begünstigt eine Infektion mit Bakterien (meist Pneumokokken, Staphylococcus aureus, Streptococcus pyogenes, Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis, selten mit anaeroben Bakterien). Auch virale Infektionen können direkt für die Mittelohrentzündung verantwortlich sein.

Klinik und Komplikationen: Typische Symptome der akuten Otitis media sind starke Ohrenschmerzen, Druckgefühl, Fieber und Allgemeinbeschwerden (Kopf- und Gliederschmerzen), evtl. auch Hörminderung. Charakteristisch ist auch ein sog. Tragusschmerz bei Druck auf diesen Ohrknorpel. Insbesondere bei kleinen Kindern stehen häufig nicht die Ohrenbeschwerden, sondern unspezifische Symptome wie Appetitlosigkeit und Bauchschmerzen im Vordergrund. Komplikationen entstehen durch eine Fortleitung der eitrigen Infektion auf benachbarte Strukturen. Es kann zu Mastoiditis, Labyrinthitis (Innenohrbeteiligung mit Drehschwindel, Übelkeit, Gleichgewichtstörungen) und zu lebensbedrohlichen endokraniellen Komplikationen (Meningitis, Hirnabszess) kommen. Heilt eine akute Mittelohrentzündung nicht vollständig aus, kann sich eine chronische Otitis media entwickeln.

Klinik und Komplikationen: Typische Symptome sind starke Schmerzen, Druckgefühl, Fieber und Allgemeinbeschwerden.

▶ Merke. Die chronische Otitis media ist im Vergleich zur akuten Form auf einen

Komplikationen entstehen durch eine Fortleitung der Entzündung auf benachbarte Strukturen (Mastoiditis, Labyrinthitis, Meningitis, Hirnabszess).

▶ Merke.

permanten Defekt des Trommelfells zurückzuführen. Auch das Erregerspektrum sieht hier etwas anders aus (häufig Pseudomonas aeruginosa, aber auch Staphylococcus aureus, Enterobacteriaceae). Klinisch steht die Hörminderung im Vordergrund. Diagnostik: Bei der Otoskopie (Abb. I-4.1) zeigt sich ein gerötetes und vorgewölbtes Trommelfell, evtl. ist auch eine Spontanperforation mit Eiterentleerung in den Gehörgang sichtbar (Abstrich). Eine Parazentese (Einschnitt des Trommelfells), um gezielt Material für eine mikrobiologische Untersuchung zu gewinnen, ist nur bei schweren Verlaufsformen, z. B. einem stark eitrigen Erguss, sinnvoll. Der Hörverlust kann ggf. im Rahmen einer Hörprüfung quantifiziert werden.

⊙ I-4.1

Otoskopischer Befund bei akuter Otitis media

Diagnostik: Charakteristisch ist der sog. Tragusschmerz. Bei der Otoskopie (Abb. I-4.1) sieht man eine Rötung und Vorwölbung des Trommelfells.

⊙ I-4.1

(Kochen M. Duale Reihe Allgemeinmedizin. Thieme; 2017)

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632

I 4 Infektionen des Ohres

Therapie: Aufgrund der hohen Spontanheilungsrate sind Maßnahmen wie Bettruhe, analgetische/antientzündliche Therapie, abschwellende Nasentropfen oder auch feuchte Ohrwickel oft ausreichend. Bei bakterieller Infektion kann eine Antibiotikatherapie in Erwägung gezogen werden.

Therapie: Die Spontanheilungsrate ist insbesondere bei Kindern relativ hoch. Daher sind bei geringer Beeinträchtigung Maßnahmen wie Bettruhe, analgetische/antientzündliche Therapie (NSAR), abschwellende Nasentropfen oder auch feuchte Ohrwickel oft ausreichend. Bei Verdacht auf eine bakterielle Infektion kann eine Antibiotikatherapie, z. B. Ampicillin (evtl. kombiniert mit einem Betalaktamaseinhibitor, Cephalosporine der 2. Generation oder Makrolide), den Heilungsprozess beschleunigen und evtl. eine Chronifizierung verhindern. Der seröse Erguss kann nicht auf natürlichem Wege drainiert werden, solange die Abflussstörung anhält. Vielmehr muss dann eine Trommelfellperforation Entlastung bringen und Schmerz und Druckgefühl vermindern.

Prophylaxe: Impfungen gegen Pneumokokken und H. influenzae verhindern Großteil der Infektionen.

Prophylaxe: Impfungen gegen Pneumokokken und Haemophilus influenzae können einen Großteil der Infektionen bei Kindern verhindern.

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5

Infektionen der oberen Luftwege

5.1 5.2

Infektionen von Nase und Nasennebenhöhlen . . . . . . . . . . . . . . . . 633 Infektionen von Rachen und Larynx . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634

I Kirsten Oborny - Thieme Gruppe

5.1

Infektionen von Nase und Nasennebenhöhlen

Ätiologie: Vor allem virale Erreger (Tab. I-5.1) können akute, seröse Entzündungen der Nasenschleimhaut (Rhinitis) und der Nebenhöhlen (Sinusitis) hervorrufen. Differenzialdiagnostisch muss an eine allergische Ursache der Rhinitis oder an eine Reizung durch Toxine, z. B. mycotic volatile organic compounds (VOCs) als Zeichen eines sick building syndrome gedacht werden, was durch gezielte Anamnese und ggf. Allergietestung geklärt werden sollte. Bakterielle Superinfektion (z. B. mit Pneumokokken, Haemophilus influenzae oder Staphylokokken) sind möglich. Bei Chronifizierung können ganz verschiedene Bakterien beteiligt sein. Ein spezielles Problem können Schimmelpilze (v. a. Aspergillus fumigatus) erzeugen: Wenn die Pilzsporen eingeatmet werden, können sie bei vorgeschädigter Schleimhaut der unspezifischen Abwehr entgehen und die Nebenhöhlen kolonisieren, wobei sich lokal ein dichtes Pilzgeflecht („fungus ball“, Abb. I-5.1) entwickelt, das dann weder von der körpereigenen Abwehr noch von Antimykotika beseitigt werden kann. Dentogene Infektionen der Kieferhöhlen sind ebenfalls möglich.

≡ I-5.1

Typische Erreger von katarrhalischen Entzündungen der oberen Luftwege („common cold“)



Adenoviren



Influenzavirus



Coronaviren



Rhinoviren



Coxsackieviren



RSV



ECHO-Viren



Pneumovirus



Enteroviren



Paramyxovirus

Klinik: Bei Rhinitis und Sinusitis kommt es zur vermehrten Sekretproduktion. Die Atmung, das Riechvermögen und die Belüftung der Nasennebenhöhlen sowie des Mittelohres sind mehr oder weniger stark betroffen. Andere Schleimhautareale (z. B. Rachen und Konjunktiven) sind meistens gleichzeitig betroffen. Schnupfen, Heiserkeit, Husten und Augenträufeln sind also die klassischen Symptome bei diesen katarrhalischen Infekten (im Volksmund auch Erkältung = „common cold“ genannt). Wenn die Blockade der Belüftung der Nebenhöhlen anhält, steigt die Gefahr, dass mehrere Nebenhöhlen in Mitleidenschaft gezogen werden (Pansinusitis) und durch bakterielle Superinfektion die Entzündung aggraviert und eitrig wird. Dann verstärken sich auch die Beschwerden des Patienten wie Kopfschmerzen, Unwohlsein und Fieber. Bei ineffizienter antibiotischer Therapie können die Schleimhäute geschädigt werden. Es kommt zu narbigen Veränderungen, welche eine Chronifizierung bahnen, wobei auch eine Invasion in die umgebenden Knochen droht. Liegt eine Infektion durch Schimmelpilze vor, kann es zu dramatischen Konsequenzen kommen, wenn die Pilze in die Umgebung auswandern. Die Orbita (S. 628) oder sogar das ZNS können befallen werden. Abwehrgeschwächte Patienten (z. B. mit Neutropenie bei Leukämie oder unter chemotherapeutischer Behandlung oder schlecht eingestellte Diabetiker) sind in hohem Maße bedroht.

5.1

Infektionen von Nase und Nasennebenhöhlen

Ätiologie: Meist sind Viren Erreger von Rhinitis oder Sinusitis (Tab. I-5.1). Eine bakterielle Superinfektion (z. B. mit Pneumokokken, Haemophilus influenzae oder Staphylokokken) ist möglich. Auch Schimmelpilze können bei vorgeschädigter Schleimhaut die Nebenhöhlen kolonisieren und ein Pilzgeflecht („fungus ball“, Abb. I-5.1) hervorrufen. Die Entzündung der Kiefernhöhlen kann auch dentogen bedingt sein.

≡ I-5.1

Klinik: Typisch für Rhinitis und Sinusitis sind die vermehrte Sekretproduktion, das eingeschränkte Riechvermögen und die mangelnde Belüftung der Nebenhöhlen und des Mittelohres. Das Auftreten von Heiserkeit, Husten, Schnupfen und Augenträufeln ist charakteristisch für einen katarrhalischen Infekt. Wenn mehrere Nebenhöhlen betroffen sind (Pansinusitis), kann die Entzündung durch bakterielle Superinfektion aggravieren und eitrig werden. Kopfschmerzen, Unwohlsein und Fieber nehmen zu. Narbige Veränderungen der Schleimhäute führen zur Chronifizierung. Eine Schimmelpilzinfektion kann Orbita oder ZNS befallen.

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634 ⊙ I-5.1

I 5 Infektionen der oberen Luftwege

⊙ I-5.1

Schädel-CT einer 18-jährigen Patientin mit Aspergillusinfektion der linken Kieferhöhle

Man sieht eine kompakte Masse in den Nasennebenhöhlen (Pfeile), die bereits den Knochen zur Orbita und zur Schädelbasis durchbrochen hat.

Diagnostik: Die akute Rhinosinusitis ist meist eine klinische Diagnose. Bildgebende Verfahren und eine Erregerbestimmung können bei komplizierten Fällen oder bei Chronifizierung indiziert sein.

Diagnostik: Die Diagnostik der akuten Rhinosinusitis stützt sich auf den typischen klinischen Befund; bei Unklarheit oder zur Erfassung von Komplikationen können bildgebende Verfahren (Endoskopie, Röntgen, CT) hilfreich sein. Eine Erregerbestimmung (Punktion der Nasennebenhöhlen) ist meist nur bei Chronifizierung oder komplizierten Fällen indiziert.

Therapie: Schleimhautabschwellende Mittel sind hilfreich. Die Gabe von Antibiotika (Aminopenicilline, Oralcephalosporine, Makrolide oder Chinolone) ist bei bakterieller Superinfektion angebracht. Bei Schimmelpilzinfektion sollte chirurgisch debridiert werden und zusätzlich eine antimykotische Therapie erfolgen.

Therapie: Schleimhautabschwellende Mittel können Linderung bringen. Bei bakterieller Superinfektion muss eine kalkulierte antibiotische Therapie mit Aminopenicillinen (evtl. in Kombination mit Betalaktamase-Inhibitoren), Oralcephalosporinen, Makroliden oder Chinolonen verordnet werden. Bei einer Infektion der Nebenhöhlen durch Schimmelpilze kann nur die rechtzeitige chirurgische Intervention verhindern, dass die Pilze in die Umgebung invadieren. Eine Ausbreitung der Infektion auf andere Organe muss durch die Gabe systemischer Antimykotika (z. B. Voriconazol) verhindert werden.

▶ Klinischer Fall.

5.2

Infektionen von Rachen und Larynx

Ätiopathogenese und Klinik: Bei bakterieller Superinfektion einer viral (Tab. I-5.1) verursachten „common cold“ kommt es zur eitrigen Angina tonsillaris (Tab. I-5.2). Es entsteht eine Tonsillopharyngitis oder als lokale Komplikation ein Peritonsillarabszess bzw. eine Seitenstrangangina. Auch systemische Folgen sind möglich.

▶ Klinischer Fall. Eine 18-jährige Patientin klagt schon seit geraumer Zeit über eine „blockierte Nase“. Sonst fühlt sie sich allerdings völlig gesund. Am Freitagnachmittag bemerkt sie unter dem linken Auge eine Rötung und Schwellung, die innerhalb von Stunden zunimmt. Der Notarzt überweist sie in die Klinik; das Schädel-CT zeigt in der Kieferhöhle eine Verschattung, die bereits den Knochen zur Orbita und zur Schädelbasis durchbrochen hat (Abb. I-5.1). Deswegen wird noch in derselben Nacht der „Tumor“ operativ entfernt, wobei die weiche Konsistenz des Probenmaterials auffällt. Eine mikroskopische Untersuchung zeigt Pilzhyphen und am nächsten Tag ist in der Kultur Aspergillus fumigatus gewachsen. Die Patientin erhält zusätzlich intravenös Voriconazol.

5.2

Infektionen von Rachen und Larynx

Ätiopathogenese und Klinik: Die Tonsillen, die zum lymphatischen System zählen, spielen einerseits eine wichtige Rolle bei der lokalen Abwehr. Andererseits ist die Angina tonsillaris eine häufige Komplikation bei Infektionen mit Viren (Tab. I-5.1), die meist eine seröse Entzündung induzieren (Ausnahme Herpangina, d. h. Bläschenbildung durch Coxsackie A), und Bakterien (Tab. I-5.2), die eine eitrige Entzündung hervorrufen. Häufig besteht nicht nur eine Tonsillitis, sondern auch eine Tonsillopharyngitis, weil das umliegende weiche Gewebe, das leicht zu Ödembildung neigt, mitbetroffen ist und die Symptome verstärkt. Lokale Komplikationen können entstehen, wenn sich ein Peritonsillarabszess bzw. eine Seitenstrangangina entwickeln, wobei man dann auch an Mischinfektion, möglicherweise mit Anaerobiern denken muss. Da auch systemische Folgen (z. B. durch Diphtherietoxin oder durch eine Immunreaktion gegen Streptokokkenantigen wie z. B. in Form des akuten rheumatischen Fiebers) auftreten können, ist eine Diagnose und baldige Therapie dringend.

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635

I 5.2 Infektionen von Rachen und Larynx

≡ I-5.2

Spezifische Ursachen von eitriger Angina tonsillaris

Erreger

Klinik

Streptococcus pyogenes

einige, kleine, weiche, schmierige Eiterherde auf den Tonsillen (Stippchen) mit starker Rötung ggf. Scharlachexanthem (Abb. D-2.11) der Haut (bei Produktion erythrogener Toxine durch die Streptokokken, Tab. D-2.7)

Corynebacterium diphtheriae

Diphtherie mit großflächigen Eiterherden auf den Tonsillen, die hart sind und bei Entfernung bluten; starke, ausgedehnte Rötung; Foetor

Fusobacterium/Borrelia

Angina Plaut Vincenti (ulzeröse Angina), einseitig

gelegentlich auch: Neisserien, Haemophilus, Bordetella, Chlamydien, Mycoplasmen, Anaerobier

kleine, weiche, eitrige Herde auf den Tonsillen

Eine akute Laryngitis, die meistens durch Viren (Tab. I-5.1), seltener durch Bakterien (Pneumokokken, Moraxella, Haemophilus) bedingt ist, greift meistens auf die Trachea über, was den Hustenreiz noch verstärkt. Vor allem Patienten mit Begleiterkrankungen wie COPD, Asthma und Herzinsuffizienz leiden darunter stark. Eine isolierte akute, ödematöse Entzündung der Epiglottis (Epiglottitis, v. a. durch Haemophilus influenzae Serotyp b) kann zum Ersticken führen.

Bei akuter Laryngitis ist zudem die Trachea betroffen, was zu verstärktem Hustenreiz führt.

Diagnostik: Zur Diagnose der eitrigen Tonsillitis eignet sich die Mikroskopie (die Angina Plaut Vincenti ist ausschließlich mikroskopisch nachweisbar, weil die anaeroben Bakterien schlecht anzüchtbar sind) und die Kultur. Das Material gewinnt man durch einen Abstrich.

Diagnostik: Mikroskopie und Kultur. Das Material gewinnt man durch einen Abstrich.

Therapie: Zur antimikrobiellen Therapie geeignet sind Penicillin, Cephalosporine der 2. Generation und Makrolide. Evtl. kann die Therapie noch unterstützt werden durch lokale Gabe von Gramicidin (z. B. Lemocin Lutschtabletten) und Gurgeln mit schleimhautverträglichen Antiseptika (jodhaltige Verbindungen, Chlorhexidin oder Cetylpyridiniumchlorid). Eine Epiglottitis erfordert eine rasche Intubation ggf. eine Tracheotomie gefolgt von einer kalkulierten Antibiotikatherapie (z. B. Ampicillin).

Therapie: Bei bakterieller Infektion sollten Penicillin, Cephalosporine der 2. Generation oder Makrolide gegeben werden; unterstützend lokal Gramicidin und zum Gurgeln schleimhautverträgliche Antiseptika. Bei Epiglottitis muss vor Antibiotikagabe sofort intubiert werden.

Die Epiglottitis kann durch ödematöse Entzündung zum Ersticken führen.

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I

6

Infektionen der unteren Luftwege

6.1 6.2

Infektionen von Trachea und Bronchien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Infektionen des Lungenparenchyms und der Pleura . . . . . . . . . . . .

6.1

Infektionen von Trachea und Bronchien

636 638

© Digital Vision

6.1

Infektionen von Trachea und Bronchien

6.1.1

Akute Tracheobronchitis

6.1.1 Akute Tracheobronchitis

Ätiologie: Verursacher sind Viren (Tab. I-5.1) oder Bakterien (auch als Superinfektion). Differenzialdiagnostisch kommen eine akute Exazerbation obstruktiver Lungenerkrankungen und andere nichtinfektiöse Ursachen (Gase, Allergene) in Betracht.

Ätiologie: Die akute Tracheitis und Bronchitis werden durch diverse Viren (Tab. I-5.1), die das Flimmerepithel schädigen, verursacht. Möglich sind auch bakterielle Infektionen bzw. Superinfektionen, die typischerweise nach anfänglicher Besserung der Symptome auftreten. Differenzialdiagnostisch muss an eine akute Exazerbation einer obstruktiven Lungenerkrankung wie Asthma und COPD und andere nichtinfektiöse Ursachen (z. B. Reizung durch Gase oder Allergene) gedacht werden.

Klinik: Husten mit Auswurf unterschiedlicher Konsistenz und Farbe ist typisch.

Klinik: Bei der akuten Tracheitis und Bronchitis dominiert das Symptom Husten mit Auswurf unterschiedlicher Farbe und Konsistenz. Zunächst ist die Farbe weiß und kann bei Hämoptysen rötlich eingefärbt sein. Bei bakterieller Infektion wird der Auswurf eitrig und gelb-grünlich.

Diagnostik: Bei der Auskultation sind verschärfte Atemgeräusche, mittel- bis grobblasige Rasselgeräusche und evtl. obstruktive Atemnebengeräusche zu hören. Das Sputum sollte auf Bakterien untersucht werden.

Diagnostik: Bei der Auskultation hört man neben einem verschärften Atemgeräusch auch mittel- bis grobblasige Rasselgeräusche. Oft kommen noch obstruktive Atemnebengeräusche, wie Giemen und Pfeifen, dazu. Röntgenologisch kann man die Veränderungen nicht erfassen. Eine kulturelle Untersuchung von Sputum auf Bakterien ist sinnvoll. Enterokokken sind zwar öfters im Sputum nachweisbar, kommen aber praktisch nie als Erreger infrage.

▶ Merke.

▶ Merke. Bei der Gewinnung von Sputum ist streng darauf zu achten, dass Sputum

und nicht Speichel abgeliefert wird. Ein Antigennachweis dient zur Erfassung von Influenzaviren. Mit PCR können Erreger von Infektionen der oberen Luftwege nachgewiesen werden. Sonst ist der indirekte Nachweis spezifischer Antikörper im Blut möglich (auch bei V. a. auf Pertussis).

Influenzaviren können mittels eines Antigennachweises erfasst werden. Mehrere Erreger von Infektionen der oberen Luftwege – inklusive des humanen Metapneumovirus (S. 231), das vor allem bei Kindern recht häufig ist – können in einigen Labors mittels PCR nachgewiesen werden. Sonst bleibt der indirekte Nachweis durch spezifische Antikörper im Blut. Dies sollte auch bei V. a. auf Bordetella pertussis (S. 430) gemacht werden, da der Erreger im Stadium convulsivum nicht mehr kulturell nachweisbar ist.

Therapie: Bakterielle Infektionen werden mit Aminopenicillin (+ Belataktamase-Inhibitor), Cephalosporinen der 2. Generation, Makroliden oder Tetrazyklin behandelt. In schweren Fällen können Chinolone gegeben werden.

Therapie: Die kalkulierte Therapie einer bakteriellen Infektion bzw. Superinfektion kann mit Aminopenicillin (kombiniert mit einem Belataktamaseinhibitor), einem Cephalosporin der 2. Generation, Makroliden oder Tetrazyklin erfolgen. Chinolone sind ebenfalls meistens wirksam, sollten aber für besonders schwere Fälle und Begleiterkrankungen vorbehalten bleiben.

6.1.2

6.1.2 Chronische Bronchitis bzw. akute Exazerbation/ Infektexazerbation der COPD

Chronische Bronchitis bzw. akute Exazerbation/Infektexazerbation der COPD

▶ Definition.

Ätiopathogenese und Klinik: Bei chronischer Bronchitis kommen eine obstruktive Lungenerkrankung, Neoplasien oder eine Tuberkulose in Betracht.

▶ Definition. Die Rekonvaleszenz einer akuten Tracheobronchitis kann sich – je nach Abwehrlage – lange hinziehen. Von einer chronischen Bronchitis spricht man bei Husten und produktivem Auswurf an den meisten Tagen innerhalb von mindestens 3 Monaten in 2 aufeinander folgenden Jahren.

Ätiopathogenese und Klinik: Bei einer chronischen Bronchitis, muss nach einer obstruktiven Lungenerkrankung (meist durch langjähriges Zigarettenrauchen), nach Neoplasien und auch nach Tuberkulose gesucht werden.

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I

Im Prinzip sollte man die einfache chronische Bronchitis (ohne Obstruktion) von der obstruktiven Verlaufsform (COPD) unterscheiden (Tab. I-6.1).

≡ I-6.1

637

6.1 Infektionen von Trachea und Bronchien

Unterschiede zwischen chronischer Bronchitis und COPD chronische Bronchitis

COPD

Lokalisation der Erkrankung

zentrale Atemwege

periphere Atemwege

Obstruktion

nein

ja

Reversibilität

ja

nein

produktiver Auswurf

ständig

intermittierend

Emphysem

nein

häufig

Man unterscheidet zwischen chronischer Bronchitis und COPD (Tab. I-6.1).

≡ I-6.1

Ursachen für eine Exazerbation einer COPD, die durch Zunahme der Dyspnoe, der Auswurfmenge und der Purulenz des Auswurfs gekennzeichnet ist, sind meistens Bakterien, die auch normalerweise diese Areale besiedeln (z. B. Haemophilus influenzae und Pneumokokken). Bei vorgeschädigten Flimmerepithelien (z. B. durch Rauchen) ist die Barrierefunktion nicht mehr intakt (Abb. D-2.69 und Abb. D-2.70 zeigen das Eindringen der Erreger bzw. den Epitheldefekt). Solche Schwachstellen können von den kolonisierenden Bakterien leicht penetriert werden. Durch abgelaufene Infektionen können weitere lokale Narben im Epithel entstehen. Es entsteht so ein Teufelskreis. Vor allem nach wiederholter Hospitalisation muss mit einer Beteiligung von Pseudomonas aeruginosa gerechnet werden.

Die Exazerbation einer COPD wird meist durch Haemophilus influenzae und Pneumokokken verursacht. Sie dringen bei vorgeschädigten Flimmerepithelien leichter in die Schleimhaut ein. Abgelaufene Infektionen verursachen zudem weitere Narben.

Diagnostik: Dyspnoe, Sputummenge, Purulenz des Sputums und Temperaturerhöhung sind zu bewerten. Eine mikrobiologische Untersuchung des Sputums ist nur dann sinnvoll, wenn das Material zügig verarbeitet werden kann, weil sich sonst die Bakterienflora rasch ändert. Eine vorangegangene Antibiotikatherapie kann die Erkennung der eigentlichen bakteriellen Ursachen verschleiern; ggf. können sich bei fehlender Konkurrenz harmlose Keime (Enterokokken, Sprosspilze) verstärkt ausbreiten. Eine Tuberkulose sollte ausgeschlossen werden.

Diagnostik: Dyspnoe, Sputummenge, Purulenz des Sputums und Temperaturerhöhung sind wichtige Kriterien. Die mikrobiologische Untersuchung von Sputum ist zweitrangig.

Therapie: Die symptomatische Therapie der chronisch obstruktiven Bronchitis besteht, je nach Schweregrad, aus der Gabe von Bronchodilatatoren, Kortikosteroiden und ggf. Sauerstoff. Die antimikrobielle Therapie hat bei allen Formen der Exazerbation in Verbindung mit purulentem Sputum entsprechend dem COPD-Stadium zu erfolgen, wobei im Prinzip ähnliche Antibiotika wie bei der akuten Bronchitis eingesetzt werden. Beim Nachweis von P. aeruginosa müssen je nach Empfindlichkeit andere Anibiotika, wie Ureidopenicilline + Betalaktamaseinhibitor oder Ceftazidim oder ein Carbapenem, eingesetzt werden. Obwohl bei der mikrobiologischen Untersuchung häufig Enterokokken und Sprosspilze gefunden werden, ist deren pathogenetische Bedeutung gering, sodass sie bei einer Therapie nicht zu berücksichtigen sind.

Therapie: Symptomatische Therapie je nach Schweregrad der COPD (Bronchodilatatoren, Steroide, Sauerstoff). Bei Hinweis auf bakteriell bedingte Exazerbation wird mit ähnlichen Antibiotika wie bei der akuten Form behandelt.

Prophylaxe: Ratsam ist eine Impfung von Kindern sowie von Risikopatienten (Personen > 60 Jahre, Splenektomierte, Herz-Kreislauf-Patienten, Diabetiker, Immungeschwächte) und deren Kontaktpersonen gegen Pneumokokken mittels Konjugatimpfstoff (Tab. J-4.2 Pneumokokken), nicht zuletzt, um auch schwerwiegende Komplikationen (Pneumonie, Sepsis) zu verhindern.

Prophylaxe: Pneumokokkenimpfung.

6.1.3 Bronchiolitis

6.1.3

▶ Definition. Akute obstruierende Entzündung in den terminalen luftleitenden Bronchiolen sowie der Übergangszone zu den gasaustauschenden Bronchiolen.

Bronchiolitis

▶ Definition.

Ätiopathogenese: Ursächlich sind Infektionen z. B. mit RSV, Parainfluenzaviren, Masernviren, seltener auch mit Mykoplasmen oder Chlamydien, die meistens Säuglinge und Kleinkinder betreffen und gehäuft in den Wintermonaten auftreten. Die Infektion in den Bronchiolen kann zu einer proliferativen, fibroblastenreichen Entzündung führen, sodass die nachgeschalteten Lufträume kollabieren.

Ätiopathogenese: Im Säuglings- und Kleinkindalter kommt es zu Infektionen durch RSV, Parainfluenzaviren, Masernviren (selten: Mykoplasmen, Chlamydien). Es droht eine proliferative, fibroblastenreiche Entzündung mit Kollaps der nachgeschalteten Luftwege.

Klinik: Während anfangs die Beschwerden wie Schnupfen, Husten mit Auswurf und leichte Dyspnoe noch wenig typisch sind, kommt es zunehmend zu Obstruktion und Hypoxämie.

Klinik: Obstruktion und Hypoxämie nehmen mit Fortschreiten der Krankheit zu.

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638

I 6 Infektionen der unteren Luftwege

Diagnostik: Die klinische Beurteilung ist primär. Eine mikrobiologische Untersuchung von Trachealsekret kann versucht werden.

Diagnostik: Die Beurteilung der Einschränkung der Atemfunktionen und deren Folgen steht im Vordergrund. Eine mikrobiologische Klärung gelingt durch Virusnachweis im Trachealsekret.

Therapie: Es sollte symptomatisch und evtl. mit Steroiden therapiert werden. Bei bakteriellem Erregernachweis werden Antibiotika gegeben.

Therapie: Neben symptomatischer Therapie (Sauerstoffgabe, evtl. inhalative Gabe von β2-Sympathomimetika) kann die orale Gabe von Steroiden die Intensität der entzündlichen Reaktion hemmen und somit den Heilungsprozess begünstigen. Nur bei Nachweis eines bakteriellen Erregers werden ggf. Antibiotika gegeben.

6.2

Infektionen des Lungenparenchyms und der Pleura

6.2

6.2.1

Pneumonie

Infektionen des Lungenparenchyms und der Pleura

6.2.1 Pneumonie

▶ Definition.

▶ Definition. ■



Ambulant erworbene Pneumonie (community acquired pneumonia, CAP), auch eine innerhalb von < 48 Stunden nach stationärer Aufnahmen auftretende Pneumonie. Nosokomiale Pneumonie: Im Krankenhaus erworbene Pneumonie (hospital acquired pneumonia, HAP), die > 48 Stunden nach Aufnahme auftritt.

Epidemiologie: Die Pneumonie ist laut WHO weltweit eine der häufigsten Todesursachen. Meist tritt sie nur sporadisch auf. Von zunehmender Bedeutung sind Aspirationspneumonien und nosokomiale Pneumonien nach künstlicher Beatmung.

Epidemiologie: Nach Angaben der WHO ist die Pneumonie eine der häufigsten Todesursachen weltweit. In den industrialisierten Ländern ist die Sterblichkeit gering außer in Zeiten von Epidemien, z. B. der Influenzaepidemie von 1957, bei der in den USA ca. 70 000 Personen verstarben. Meistens treten aber solche Infektionen sporadisch auf oder allenfalls in Clustern. Bei uns gewinnt das Risiko einer Aspirationspneumonie bzw. einer nosokomialen Pneumonie postoperativ bei künstlicher Beatmung zunehmend an Bedeutung.

Erreger und Pathophysiologie: Die entzündliche Reaktion führt zu einer Verschlechterung des Gasaustausches in der Lunge. Das Erregerspektrum ist bei der ambulant erworbenen Pneumonie (community acquired pneumonia) anders als bei der im Krankenhaus erworbenen (nosokomialen) Pneumonie.

Erreger und Pathophysiologie: Bei den unterschiedlichen Pneumonie-Arten sind auch ganz unterschiedliche Erreger beteiligt (Tab. I-6.2, Tab. I-6.3). Im klassischen Fall führt die entzündliche Reaktion zu einer Invasion von Entzündungszellen – je nach Erregerart können Granulozyten oder Lymphozyten überwiegen. Ein gleichzeitig bestehendes variabel ausgeprägtes Ödem erschwert die Diffusion von Sauerstoff aus den Lungenalveolen in die Arterien. Außerdem entwickelt sich zusätzlich noch ein seröses oder mehr eitriges Exsudat in den Lungenalveolen, was die Hyperkapnie und die Hypoxämie noch verstärkt. Im fortgeschrittenen Stadium enthält die Lunge kaum mehr luftgefüllte Alveolen, sondern erscheint als massives Organ; man spricht deshalb auch von einer „Hepatisation“.

≡ I-6.2 Bakterien

Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie ■

sehr häufig: Streptococcus pneumoniae



häufig: Mycoplasma pneumoniae (Erwachsene sind dagegen oft bereits immun), Chlamydia pneumoniae



mäßig: Klebsiella pneumoniae (bei Alkoholikern!), Staphylococcus aureus (meist nach vorausgegangener Virusinfektion), Legionella pneumophila



selten: Mycobacterium tuberculosis, NTM*, B. catarrhalis, H. influenzae, Francisella tularensis, Chlamydia psittaci, Coxiella burnetii, Nocardia spp.

Pilze



Pneumocystis jirovecii und Aspergillus fumigatus (bei Abwehrschwäche), nach Auslandsaufenthalt: Cryptococcus neoformans var. gattii, Coccidioides immitis, Histoplasma capsulatum

Viren



Influenza, Masern, RSV, CMV*, Coronaviren (SARS), humanes Metapneumovirus

Parasiten



Amöbenabszesse

Würmer



Ascaris lumbricoides (passager), Echinococcus multilocularis (zystische Veränderungen), Paragonimus westermani

* nur bei Abwehrschwäche

≡ I-6.3

Erreger der nosokomialen Pneumonie

gramnegative Bakterien grampositive Bakterien Pilze



Enterobacterales, Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter baumannii, Stenotrophomonas maltophilia



bei Aspirationspneumonie muss mit Anaerobiern gerechnet werden



Staphylococcous aureus (darunter auch MRSA)



Anm.: Enterokokken werden oft gefunden, haben aber fast nie Krankheitswert



Aspergillus fumigatus, Mucorazeen, Pneumocystis jirovecii (bei Abwehrschwäche)

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639

I 6.2 Infektionen des Lungenparenchyms und der Pleura

Manche dieser Erreger, wie z. B. Haemophilus, Branhamella, S. aureus und Pneumocystis, sind schon als Kommensalen auf den Schleimhäuten der Luftwege vorhanden und können sich bei günstiger Gelegenheit, d. h. bei Vorschädigung, zunächst lokal z. B. eine Bronchitis induzieren und sich dann ausbreiten. Die akute Exazerbation einer COPD (chronic obstructive pulmonary disease) durch H. influenzae ist geradezu klassisch. Andere Erreger, wie Influenza, Mycoplasma und M. tuberculosis werden bei Exposition aus der Umgebung aufgenommen („community acquired“, Tab. I-6.2). Bei Patienten mit Abwehrschäche drohen auch Pilzinfektionen, z. B. mit Aspergillus fumigatus und Pneumocystis jirovecii. Bei stationärem Aufenthalt eines Patienten, speziell bei der Verwendung von Beatmungshilfen, ist besonders damit zu rechnen, dass Keime aus der Flora des Menschen, sogar aus der Darmflora, mechanisch in die Atemwege verschleppt werden. Daneben sind aber bei diesen nosokomialen Pneumonien auch Keime aus der Flora von benachbarten Patienten oder aus der unbelebten Umgebung, besonders aus Feuchtbereichen, beteiligt (Tab. I-6.3). Neben der aszendierenden Infektion, bei der der Erregereintritt nach Aspiration über die Atemwege erfolgt, gibt es auch eine Absiedelung von Erregern in der Lunge während einer hämatogenen Aussaat.

Die Erreger erreichen die Lunge entweder hämatogen oder durch Aszension nach Einatmen, wobei zunächst meist eine Bronchitis vorausgeht. Manche gehören zur physiologischen Flora der Atemwegsschleimhaut und können exazerbieren, wie bei der akuten Exazerbation einer COPD.

Klinik: Die typischen Symptome einer Pneumonie sind Husten und Auswurf begleitet von hohem Fieber und Tachypnoe (Abb. I-6.1). Gelegentlich klagt der Patient über Pleuraschmerzen.

Klinik: Typisch sind Husten, Auswurf, hohes Fieber und Tachypnoe (Abb. I-6.1).

▶ Klinischer Fall. Ein 36-jähriger Mann stellt sich wegen trockenen Hustens und Leistungsknick vor, besonders das Treppensteigen falle ihm bereits nach einer Etage wegen ausgeprägter Dyspnoe sehr schwer. Im Röntgenbild des Thorax bestehen perihiläre Infiltrate. Das Bild ist typisch für eine Pneumocystis-Pneumonie. Es wird umgehend eine Therapie mit hochdosiertem Cotrimoxazol eingeleitet. Eine bronchoalveoläre Lavage wird am nächsten Tag durchgeführt und bestätigt die Verdachtsdiagnose. Im weiteren Gespräch stimmt der Patient einem HIV-Test zu. Er ist HIV-positiv, die Helferzellzahl beträgt 40/µl. Nach 2-wöchiger Therapie ist die Pneumonie ausgestanden und eine antiretrovirale Therapie wird begonnen.

Allgemeine Diagnostik: ■ Klinisch: Der hochfieberhafte Patient klagt über Atemnot evtl. begleitet von schmerzhaften Atembewegungen. Beim tachypnoischen Patienten sind verstärkte Atemgeräusche zu hören und bei der Auskultation sind feuchte Rasselgeräusche zu vernehmen (ein Zeichen für Flüssigkeit in den Alveolen). Die Schwere einer Infektion wird in der Praxis oft nach dem CRB-65-Score taxiert, wobei jeweils 1 Punkt für folgende, erschwerende Parameter verteilt werden: Bewusstseinseintrübung, diastolischer Druck ≤ 60 mmHg bzw. systolischer Druck < 90 mmHg, Atemfrequenz > 30, Alter > 65 Jahre. Bei einem Score > 1 sollte eine stationäre Behandlung erwogen werden. Prädisponierende Begleitkrankheiten, wie etwa ein Malignom, kommen erschwerend hinzu. ▶ Merke. Häufig kommt es während einer fieberhaften Pneumonie zu einer Reakti-

▶ Klinischer Fall.

Allgemeine Diagnostik: ■ Klinisch: Der Patient klagt über Atemnot. Bei der Auskultation sind feuchte Rasselgeräusche typisch.

▶ Merke.

vierung von Herpes-simplex-Viren in Form von Herpesbläschen an den Lippen, den sog. „Fieberbläschen“. ■

Bildgebende Verfahren: Röntgenbilder und besser noch computertomografische Aufnahmen zeigen klassische Bilder von sog. typischer bzw. atypischer Pneumonie (Abb. I-6.1). In Spezialfällen, etwa einer Aspergilluspneumonie (Abb. I-6.2), kann man mithilfe der CT (Computertomografie) genauere Hinweise über die Ausdehnung erhalten.



Bildgebende Verfahren zeigen das Ausmaß der Infiltration der Lunge. Neben der „typischen“, zumeist bakteriellen Pneumonie, wird die „atypische“ Pneumonie beschrieben (Abb. I-6.1 und Abb. I-6.2).

Labor: Wie bei Sepsis sind die Entzündungsparameter (CRP, Procalcitonin, Interleukin 6) je nach Schwere der Erkrankung deutich erhöht.

Labor: CRP, Procalcitonin, Interleukin 6 sind je nach Schwere der Erkrankung erhöht.

Mikrobiologische Diagnostik: Sputum oder besser Trachealsekret, bronchoalveoläre Lavage oder Materialgewinnung mittels geschützter Bürste sind zur mikroskopischen und kulturellen Untersuchung geeignet. Jedoch ist der Nachweis von Erregern nicht immer ein Zeichen ihrer Beteiligung am infektiösen Prozess; eine Kontamination durch Keimflora im Mund kann irreführen. Nach einer Antibiotikatherapie, vor allem mit Breitspektrumantibiotika, d. h. wenn die normale Standortflora vernichtet ist, können sich Opportunisten, wie etwa Enterokokken oder Candida spp., vermehren, die allerdings nicht Ursache einer Pneumonie sind. Für einzelne Erreger, wie

Mikrobiologische Diagnostik: Der Nachweis der bakteriellen Erreger gelingt kulturell aus Blut und Bronchialsekret. Der mikroskopische Nachweis ist nur supportiv. Manchmal gelingt ein Antigennachweis oder die Diagnose beruht indirekt auf dem Nachweis von Antikörpern. Die häufigsten Viren und Bakterien können auch mittels Multiplex-PCR identifiziert werden. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

640 ⊙ I-6.1

I 6 Infektionen der unteren Luftwege

Typische und atypische Pneumonie

Symptome Beginn Fieber Husten Dyspnoe Auswurf Leukozytose BSG Krankheitsgefühl Diagnostik Röntgen Histologie

⊙ I-6.2

typische Pneumonie (meist Bakterien)

atypische Pneumonie (Viren, Mykoplasmen, Chlamydien, Pneumocystis, Protozoen)

schlagartig hoch stark deutlich rostfarben stark hoch ausgeprägt

schleichend mäßig mäßig mäßig mäßig mäßig mäßig mäßig

lobäre Verschattung (a) alveoläre, leukozytäre mononukleäre Infiltration

streifige Verschattung (broncholobulär) (b) interstitielle, plasmazelluläre Infiltration

a

b

Aspergillus-Pneumonie CT einer Aspergillus-fumigatus-Pneumonie bei einem Leukämie Patienten. (Quelle: Abbildungen mit freundlicher Genehmigung von Prof. C.P. Heußel, Thoraxklinik Heidelberg gGmbH am Universitätsklinikum Heidelberg)

a Anfangs sieht man eine pleuranahe Verschattung mit milchglasartigem Randsaum („Halo“), der auf eine Infarzierung des Gewebes durch Penetration der Pilze in die Gefäße zurückzuführen ist. b Später entsteht als Restfolge nach Nekrosenresorption ein Aspergillom mit einer Luftsichelbildung („air crescent sign“).

a

b

etwa Influenza, RSV, Mycoplasma, Legionella, Pneumokokokken und Pneumocystis, gibt es auch Antigennachweise in diesen Untersuchungsproben (Legionella-Antigen und Pneumokokkenantigen lässt sich im Urin eines Erkrankten feststellen). Molekularbiologische Techniken (PCR) ermöglichen den Nachweis von speziellen Pneumonieerregern. Mit Monoplex PCR kann man bei Verdacht einzelne Erreger gezielt verifizieren, z. B. Chlamydien, Mycoplasmen, Mykobakterien, Aspergillus, Pneumocystis, Influenza. Für die häufigsten viralen Erreger (Adenoviren, Bocavirus, Coronaviren, Influenza A + B, Metapneumovirus, Parainfluenzaviren, Rhino- bzw. Enteroviren) sowie für einige bakterielle Erreger (Pneumokokken, Hämophilus, Mycoplasma) gibt es Multiplex-PCR. Da es im Rahmen einer Pneumonie oft zu einer Bakteriämie kommt, gehört eine Blutkultur unbedingt zur Abklärung einer Pneumonie. Ein Antikörpernachweis spielt eine additive Rolle, z. B. bei Infektionen mit Chlamydien oder Mykoplasmen.

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641

I 6.2 Infektionen des Lungenparenchyms und der Pleura ▶ Merke. Einige Erreger sind so anspruchsvoll, dass ihr Nachweis nicht gelingt und

▶ Merke.

die Ursache der Pneumonie unerkannt bleibt. Andererseits findet man beim schwerkranken Patienten – vor allem nach Breitspektrumantibiotikatherapie – im Trachealsekret oft Enterokokken und Candida spp. Diese Keime haben praktisch keine pathogenetische Bedeutung für die Entstehung einer Pneumonie und sind nicht therapiebedürftig! Therapie: ■ Allgemein: Die symptomatische Therapie versucht den Sauerstoffmangel zu beheben, was durch pflegerische oder durch maschinelle Assistenz bis hin zur ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung) erfolgt. Ohne eine antimikrobielle Therapie verläuft eine schwere Pneumonie oft tödlich, vor allem beim vorgeschädigten Patienten. Deswegen ist eine exakte Erregerdiagnose wichtig für eine gezielte Therapie. ■ Ambulant erworbene Pneumonie: Die Therapie richtet sich nach dem Alter, den Begleitumständen (ggf. Hinweis auf eine bestimmte Ätiologie, Reiseanamnese), dem Schweregrad, der nach dem CRB-65 Score taxiert wird, und den komplizierenden Begleitkrankheiten (Tumor, Organinsuffizienz). Als Mittel der 1. Wahl gilt ein Aminopenicillin (z. B. Amoxicillin), ggf. mit einem Betalaktamaseinhibitor. Als Alternativen gelten Makrolide (Azithromycin, Clarithromycin, Roxithromycin) und bei Therapieversagen Chinolone (Levofloxacin, Moxifloxacin). Schwere Formen sollten stationär behandelt werden – dann muss die Therapie auch an evtl. spezielle Erreger wie Pseudomonas angepasst werden. Bei einer Kombination von Makroliden und Chinolonen droht eine Addition der jeweiligen Gefahr einer QTZeitverlängerung. ■ Nosokomiale Pneumonie: Eine initiale, kalkulierte Therapie muss die Umstände der Erkrankung berücksichtigen und evtl. auch Resistenzdaten der jeweiligen Klinik. ■ Ein zuverlässiger Laborparameter für das Ansprechen einer Therapie ist das Procalcitonin. ■ Bei Infektion mit P. jirovecii ist Cotrimoxazol Mittel der 1. Wahl.

Therapie: Zunächst muss der Sauerstoffmangel behoben werden. Für die ambulant erworbene und nosokomiale Pneumonie gibt es je nach Erreger jeweils unterschiedliche Strategien für die kalkulierte Antibiotikatherapie. Ein sinkender Spiegel von Procalcitonin im Serum ist ein zuverlässiges Maß für eine erfolgreiche Antibiotikatherapie.

Prophylaxe: Die sozio-ökonomische Situation beeinflusst die Exposition mit Erregern. In Ballungsgebieten wird sich die Influenza eher ausbreiten, eine Fahrt in öffentlichen Transportmitteln oder das Arbeiten in einem Großraumbüro erhöht das Risiko der Aufnahme von aerogen übertragenen Erregern. Dagegen schützt die Separation von solchen Quellen oder auch das Tragen von Atemschutz, vgl. Kap. „Hygiene“ (S. 709). Eine individuelle Impfung, z. B. gegen Influenza oder gegen Pneumokokken, ist für Risikogruppen angebracht. Ein Hygienekonzept mit einer Optimierung der baulichen Situation und Aufbereitung und Handling von Intubationsmaterialien, evtl. Verwendung von Beatmungsfiltern, reduziert die Häufigkeit für nosokomiale Pneumonien. Auch der Pflege kommt eine erhebliche Bedeutung zu; Maßnahmen wie Händedesinfektion, eine frühzeitige enterale Ernährung oder eine aufrechte Lagerung bzw. Bauchlagerung des Patienten helfen, Atemwegsinfektionen zu verhindern. Dagegen sind Maßnahmen wie die orale Dekontamination oder selektive Darmdekontamination nur in einzelnen Zentren erfolgreich.

Prophylaxe: Die Expositionsprophylaxe, z. B. Tragen von Atemschutzmasken, schützt vor einer aerogenen Infektion. Eine Impfung ist in wenigen Fällen möglich (z. B. Influenza, Pneumokokken).

▶ Exkurs. Die Mukoviszidose (auch zystische Fibrose genannt) ist eine angeborene Stoffwechselerkrankung, die sich zumeist schon im Kindesalter bemerkbar macht. Da der zähe Schleim aus der Lunge nur schwer abgehustet werden kann, kommt es im Laufe der Zeit zu einer Veränderung der Mikrobiota der Lunge, wobei einige Bakterien wie z. B. Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa und Haemophilus influenzae am häufigsten vermehrt sind. Burkholderia, Stenotrophomonas und NTM sind seltener. Bei manchen Patienten kommt es auch zu einer Besiedelung mit Aspergillus fumigatus. Diese Erreger induzieren immer wieder eine entzündliche Reaktion in den Bronchien, welche zunehmend die Lungenfunktion behindern. Bei solchen Exazerbationen versucht man eine antibiotische Eradikation der Erreger, z. B. durch orale Gabe von Ciprofloxacin oder durch Inhalation von Tobramycin, Colistin oder Levofloxacin.

Zur Verhinderung der nosokomialen Pneumonie kommt der Pflege eine besondere Bedeutung zu. Aufbereitung und Handling von Intubationsmaterialien, evtl. Verwendung von Beatmungsfiltern, reduziert die Häufigkeit für nosokomiale Pneumonien.

▶ Exkurs.

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642 ▶ Exkurs.

6.2.2

Lungenabszess

▶ Definition.

I 6 Infektionen der unteren Luftwege ▶ Exkurs. Vor allem bei Patienten mit Mukoviszidose und Asthma kann eine permanente Kolonisierung der Atemwege mit Aspergillus fumigatus eine allergische bronchopulmonale Aspergillose (ABPA) induzieren. Dabei kommt es nicht zu einer Invasion des Lungengewebes, aber die Immunreaktion gegen die Pilzantigene führt zu Schmerzen in der Brust, zu Fieber, Gewichtsverlust und zur Bildung von vermehrtem, braunem Auswurf sowie zur Bildung von Bronchiektasen. Im Sputum ist A. fumigatus nachweisbar und im Blut findet man neben einer Eosinophilie auch spezifische IgE-Antikörper gegen diverse Pilzantigene.

6.2.2 Lungenabszess ▶ Definition. Eitrige Infektion durch bakterielle Besiedelung vorgeschädigter Lungenareale mit oder ohne Anschluss zum Bronchialsystem.

Ätiopathogenese: Nach diversen Vorschädigungen können Bakterien die betroffenen Areale besiedeln und eine eitrige Infektion erzeugen.

Ätiopathogenese: Nach diversen Vorschädigungen (tumorös, traumatisch, hämorrhagisch, infektiös [z. B. Aspirationspneumonie]) können Bakterien die betroffenen Areale besiedeln und an diesem Locus minoris resistentiae eine eitrige Infektion erzeugen. Charakteristisch ist die Ausbildung einer Abszessmembran.

Klinik: Schüttelfrost, intermittierendes Fieber, schmerzhafte Dyspnoe und blutiger, „maulvoller“ Auswurf. Diagnostik: Lokalisation und Ausbreitung sowie Darstellung der Abszessmembran durch CT. Feinnadelbiopsie zur Klärung der infektiösen Ursache. Bei Anschluss an das Bronchialsystem können Erreger im Trachealsekret enthalten sein.

Klinik: Charakteristische Symptome sind Schüttelfrost, intermittierendes Fieber, schmerzhafte Dyspnoe und blutiger, „maulvoller“ Auswurf. Diagnostik: Die Lokalisation und Ausbreitung sowie die Bildung einer Abszessmembran lassen sich am besten im CT bestimmen. Eine Feinnadelbiopsie kann die infektiöse Ursache klären. Ggf. kann auch Trachealsekret die Erreger enthalten, wenn Anschluss an das Bronchialsystem besteht. Als mikrobiologische Ursachen findet man im Punktat je nach Ätiopathogenese Staphylococcus aureus (speziell an besonders virulente S. aureus, z. B. cMRSA mit dem PVL-Toxin, denken), Streptokokken, Pseudomonas aeruginosa und Anaerobier.

Therapie: Bei Staphylokokken- und Streptokokkeninfektion antibiotische Therapie nach Antibiogramm.

Therapie: Als antibiotische Therapie kommt bei Staphylokokken- und Streptokokkeninfektion als Erstlinientherapie Linezolid infrage. Weiterhin können ggf. Imipenem oder eine Kombination von Cefotaxim + Metronidazol oder Levofloxacin + Metronidazol gegeben werden.

6.2.3

6.2.3 Pleuritis und Pleuraempyem

Pleuritis und Pleuraempyem

▶ Definition.

Ätiopathogenese: Die infektiöse Pleuritis entsteht meist sekundär im Rahmen bakterieller Pneumonien; ggf. bildet sich ein Pleuraerguss, der im weiteren Verlauf „eitrig“ werden kann (Pleuraempyem).

▶ Merke.

▶ Definition. Unter Pleuritis versteht man eine entzündliche Veränderung der Pleura, das Pleuraempyem dagegen ist eine Eiteransammlung in der Pleurahöhle.

Ätiopathogenese: Die infektiöse Pleuritis entsteht meist sekundär im Rahmen bakterieller Pneumonien (parapneumonische Pleuritis), wenn sich das entzündliche Geschehen vom Lungenparenchym auf die Pleura ausbreitet. Im weiteren Verlauf bildet sich häufig ein Pleuraerguss (zunächst exsudativ), der durch die massive Einwanderung von Granulozyten in ein Empyem übergehen kann. Es droht die Gefahr, dass solche Prozesse narbig abheilen und sich Schwarten bilden, welche die Entfaltung der Lunge beim Atmen stören. ▶ Merke. Das Pleuraempyem ist eine schwerwiegende Komplikation der Pleuritis

und tritt meist nach bakteriellen Pneumonien und Lungenabszess auf. Seltener wird das Empyem durch eine Sepsis oder thoraxchirurgische Eingriffe verursacht. Häufige Erreger insbesondere des parapneumonischen Empyems sind S. pneumoniae, S. aureus und S. pyogenes. Primäre infektiöse Entzündungen der Pleura sind selten und kommen z. B. im Rahmen von Virusinfektionen (z. B. Coxsackie-B-VirusInfektion) vor.

Primäre infektiöse Entzündungen der Pleura sind selten und können zum Beispiel im Rahmen von Virusinfektionen (z. B. Coxsackie-B-Virus-Infektion) auftreten. Sie verlaufen meist recht mild, sodass die entzündliche Reaktion gering ist und nur eine trockene Pleuritis (ohne Ergussbildung) entsteht. Gelegentlich kommt es auch bei einer bakteriellen Pneumonie, z. B. mit Mycobacterium tuberculosis (S. 374), primär zu einer Pleuritis. Häufig findet man vergrünende Streptokokken im Pleuraerguss. Bei wiederholter Punktion droht die Gefahr einer sekundären Infektion mit Hautkeimen, z. B. S. epidermidis und Propionibakterien.

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I 6.2 Infektionen des Lungenparenchyms und der Pleura

643

Klinik: Zu starken atemabhängigen Thoraxschmerzen (Pleurodynie) kommt es insbesondere bei Pleuritis ohne ausgeprägten Begleiterguss, sie können aber auch beim Pleuraempyem auftreten. Je nach Größe des Empyems geht es mit zunehmender Dyspnoe einher. Weitere Symptome (u. a. Fieber, Schüttelfrost, Husten) unterscheiden sich nicht von denen bei einer Pneumonie.

Klinik: Es kommt zu Fieber und starken atemabhängigen Schmerzen (Pleurodynie), ggf. begleitet von Dyspnoe.

Diagnostik: Der Pleuraerguss kann durch Perkussion und Auskultation (abgeschwächtes Atemgeräusch, Klopfschalldämpfung) erfasst sowie im Röntgenbild (Abb. I-7.1) bzw. mittels der Sonografie (bereits geringe Ergussmengen erkennbar) nachgewiesen werden. Zur Klärung der Ätiologie ist ggf. eine Pleurapunktion indiziert. Das Exsudat ist sehr eiweißreich (enthält LDH) und ggf. – bei bakterieller Genese – sind auch vermehrt Leukozyten nachweisbar.

Diagnostik: Durch Perkussion, Auskultation, Röntgen (Abb. I-7.1) oder Sonografie kann ein Pleuraerguss erfasst werden. Im Pleurapunktat sind ggf. Entzündungsparameter und mikrobielle Erreger nachzuweisen.

Therapie: Bei der Pleuritis steht die Therapie der Grunderkrankung im Vordergrund. Bei gleichzeitiger Pneumonie ist eine antibiotische Therapie angebracht (z. B. Amoxicillin + Clavulansäure, Cephalosporine der 2. Generation, Moxifloxacin oder Levofloxacin); bei Ergussbildung kann ggf. eine Drainage Entlastung bringen. Bei Vorliegen eines Pleuraempyems muss eine Drainage angelegt werden und eine möglichst gezielte Antibiotika-Therapie erfolgen.

Therapie: Bei der parapneumonischen Pleuritis ist eine Antibiotika-Therapie angebracht, bei Ergussbildung kann ggf. eine Drainage Entlastung bringen. Das Pleuraempyem wird mit Drainage und möglichst gezielt mit Antibiotika therapiert.

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I

7

Infektionen des Herzens

7.1 7.2 7.3

Perikarditis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Myokarditis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endokarditis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.1

Perikarditis

644 645 645

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7.1

Perikarditis

▶ Definition.

▶ Definition. Als Perikarditis wird die Entzündung des Herzbeutels bezeichnet. Bei

einer Mitbeteiligung der subepikardialen Myokardschichten spricht man von Perimyokarditis. Ätiopathogenese: Diese bleibt oft ungeklärt. Verursacher können Viren, aber auch diverse Bakterien sein (Abb. I-7.1). Seröse oder fibrinöse Entzündungen sind auch bei immunpathologischen Reaktionen möglich, z. B. postinfektiös nach Yersinieninfektionen. Meist entsteht ein Erguss, bei chronischem Verlauf kann eine konstriktive Perikarditis eintreten.

Ätiopathogenese: Die Ätiologie einer akuten Perikarditis bleibt oft ungeklärt („idiopathisch”). Vermutlich sind häufig Viren (z. B. Coxsackie-, ECHO- und Myxoviren) beteiligt, wobei dann oft gleichzeitig auch eine Myokarditis besteht (Perimyokarditis). Gelegentlich können auch Bakterien wie Pneumokokken, andere Streptokokken, Staphylokokken oder Meningokokken ursächlich sein (Abb. I-7.1). Meistens entsteht ein Perikarderguss (Cave: Herzbeuteltamponade), der bei bakteriellen Infektionen eitrig ist. Im Rahmen von immunpathologischen Reaktionen wie Lupus erythematodes und rheumatoider Arthritis, aber auch postinfektiös nach Yersinieninfektionen kann es zu serösen oder fibrinösen Entzündungen kommen. Chronische Verläufe mit Narbenbildungen können zu einer konstriktiven Perikarditis, evtl. mit Kalkeinlagerungen, führen.

Klinik: Neben Fieber klagt der Patient über thorakale Schmerzen. Die Herzleistung ist mehr oder weniger stark eingeschränkt.

Klinik: Der Patient klagt über thorakale Schmerzen und Fieber. Je nach Volumen des Perikardergusses ist die Herzleistung mehr oder weniger stark eingeschränkt. Eine chronische, konstriktive oder sogar verkalkende Entzündung hat massive Auswirkung auf den Kreislauf mit verminderter Auswurfmenge und Rechtsherzinsuffizienz (Stauung der Jugularvenen).

Diagnostik: Auskultation (abgeschwächte Herztöne, ggf. Perikardreiben), EKG, Echokardiografie (Exsudatnachweis), ggf. mikrobiologische Untersuchung des Punktats.

Diagnostik: Die Herztöne sind abgeschwächt, bei fehlendem oder geringem Erguss kann ein Perikardreiben auskultiert werden. Das EKG zeigt typische Veränderungen. Bildgebende Verfahren (Echokardiografie) zeigen die Exsudatmenge und die Veränderungen der Wandschichten des Perikards. Im Punktat können ggf. bakterielle Erreger kultiviert werden.

Therapie: Wichtig ist die mechanische Entlastung durch Punktion. Bei eitrigem Exsudat gezielte Antibiotikagabe.

Therapie: Die Punktion des Exsudats entlastet den Kreislauf. Bei bakterieller Infektion ist eine gezielte Antibiotikagabe notwendig. Eine konstruktive Perikarditis kann nur operativ (Perikardektomie) kuriert werden.

⊙ I-7.1

⊙ I-7.1

Perikarditis durch Meningokokken

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I

7.2

Myokarditis

7.2

▶ Definition. Entzündung des Herzmuskelgewebes (Myokard).

Ätiopathogenese: Die Ursachen sind zumeist viraler Natur und nur in Ausnahmefällen durch Bakterien, Pilze oder Parasiten bedingt (Tab. I-7.1). Infiltrationen des Myokards mit Entzündungszellen können herdförmig oder auch diffus auftreten.

≡ I-7.1

645

7.3 Endokarditis

Myokarditis

▶ Definition.

Ätiopathogenese: Die meist virale Infektion (Tab. I-7.1) führt zu herdförmiger oder diffuser entzündlicher Infiltration des Myokards.

Infektiöse Ursachen einer Myokarditis

Viren (am häufigsten)

Enteroviren (v. a. Coxsackie-B-Viren und Echoviren), seltener Myxoviren, Paramyxoviren, Togaviren, Adenoviren, Viren der Herpesgruppe (inkl. CMV, VZV), Parvovirus B19

Bakterien

Salmonella, Chlamydia, Borrelia, Rickettsia, Mycoplasma

Pilze (selten)

Histoplasma, Coccidioides, Cryptococcus, Candida, Aspergillus

Protozoen (exotisch)

Trypanosoma cruzi, Toxoplasma gondii, Plasmodium falciparum

Würmer (selten)

Trichinella, Echinococcus

Klinik: In vielen Fällen verläuft eine solche Infektion inapparent und wird im Rahmen der Allgemeinerkrankung (Müdigkeit, Schwäche, Gliederschmerzen, Leistungsminderung) nicht registriert. Allenfalls weisen Herzklopfen (Palpitationen), Tachykardie und Herzrhythmusstörungen darauf hin. Selten treten schwere Verläufe mit fortschreitender Herzinsuffizienz und Herzversagen auf. Bei längerem und ausgedehntem Verlauf kann sich eine dilatative Kardiomyopathie entwickeln.

Klinik: Oft verläuft die Infektion inapparent, ggf. treten Herzklopfen (Palpitationen), Tachykardie und Herzrhythmusstörungen auf. Schwere und chronische Verläufe entwickeln sich eher selten.

Diagnostik: Anamnestisch tritt die Erkrankung einige Tage nach einer viralen Infektion auf. Im EKG sind häufig pathologische Veränderungen erkennbar (z. B. Arrhythmien, v. a. Extrasystolen, Sinustachykardie, AV-Block). Die virale Ätiologie kann durch eine molekularbiologische Untersuchung (PCR) einer Myokardbiopsie und ggf. durch serologische Untersuchungen erhärtet werden. Auch Borrelien und Trypanosomen sind serologisch nachweisbar. Wenn bei einer bestehenden, geklärten Infektion die Myokarditis nur begleitend auftritt, wird meistens auf den Erreger lediglich rückgeschlossen.

Diagnostik: Im EKG sind häufig pathologische Veränderungen erkennbar. Die virale Ätiologie kann durch eine Myokardbiopsie und ggf. durch serologische Untersuchungen erhärtet werden (nur bei schweren Fällen indiziert).

Therapie: Neben symptomatischer Therapie (v. a. körperliche Schonung) können antivirale und antientzündliche Medikamente den Schweregrad beeinflussen. Antibiotika sind nur selten (z. B. bei Borreliose) indiziert.

Therapie: symptomatisch (v. a. körperliche Schonung), ggf. antiviral und antientzündlich.

7.3

Endokarditis

7.3

▶ Definition. Akute oder subakute infektiöse Entzündung des Endokards, vorwie-

Endokarditis

▶ Definition.

gend von vorgeschädigten oder künstlichen Klappen. Historisches: Abb. I-7.2.

⊙ I-7.2

⊙ I-7.2

Opfer einer Endocarditis lenta Der Komponist Gustav Mahler ist 1911 im Alter von 51 Jahren vermutlich an einer Endocarditis lenta verstorben.

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I

7.2

Myokarditis

7.2

▶ Definition. Entzündung des Herzmuskelgewebes (Myokard).

Ätiopathogenese: Die Ursachen sind zumeist viraler Natur und nur in Ausnahmefällen durch Bakterien, Pilze oder Parasiten bedingt (Tab. I-7.1). Infiltrationen des Myokards mit Entzündungszellen können herdförmig oder auch diffus auftreten.

≡ I-7.1

645

7.3 Endokarditis

Myokarditis

▶ Definition.

Ätiopathogenese: Die meist virale Infektion (Tab. I-7.1) führt zu herdförmiger oder diffuser entzündlicher Infiltration des Myokards.

Infektiöse Ursachen einer Myokarditis

Viren (am häufigsten)

Enteroviren (v. a. Coxsackie-B-Viren und Echoviren), seltener Myxoviren, Paramyxoviren, Togaviren, Adenoviren, Viren der Herpesgruppe (inkl. CMV, VZV), Parvovirus B19

Bakterien

Salmonella, Chlamydia, Borrelia, Rickettsia, Mycoplasma

Pilze (selten)

Histoplasma, Coccidioides, Cryptococcus, Candida, Aspergillus

Protozoen (exotisch)

Trypanosoma cruzi, Toxoplasma gondii, Plasmodium falciparum

Würmer (selten)

Trichinella, Echinococcus

Klinik: In vielen Fällen verläuft eine solche Infektion inapparent und wird im Rahmen der Allgemeinerkrankung (Müdigkeit, Schwäche, Gliederschmerzen, Leistungsminderung) nicht registriert. Allenfalls weisen Herzklopfen (Palpitationen), Tachykardie und Herzrhythmusstörungen darauf hin. Selten treten schwere Verläufe mit fortschreitender Herzinsuffizienz und Herzversagen auf. Bei längerem und ausgedehntem Verlauf kann sich eine dilatative Kardiomyopathie entwickeln.

Klinik: Oft verläuft die Infektion inapparent, ggf. treten Herzklopfen (Palpitationen), Tachykardie und Herzrhythmusstörungen auf. Schwere und chronische Verläufe entwickeln sich eher selten.

Diagnostik: Anamnestisch tritt die Erkrankung einige Tage nach einer viralen Infektion auf. Im EKG sind häufig pathologische Veränderungen erkennbar (z. B. Arrhythmien, v. a. Extrasystolen, Sinustachykardie, AV-Block). Die virale Ätiologie kann durch eine molekularbiologische Untersuchung (PCR) einer Myokardbiopsie und ggf. durch serologische Untersuchungen erhärtet werden. Auch Borrelien und Trypanosomen sind serologisch nachweisbar. Wenn bei einer bestehenden, geklärten Infektion die Myokarditis nur begleitend auftritt, wird meistens auf den Erreger lediglich rückgeschlossen.

Diagnostik: Im EKG sind häufig pathologische Veränderungen erkennbar. Die virale Ätiologie kann durch eine Myokardbiopsie und ggf. durch serologische Untersuchungen erhärtet werden (nur bei schweren Fällen indiziert).

Therapie: Neben symptomatischer Therapie (v. a. körperliche Schonung) können antivirale und antientzündliche Medikamente den Schweregrad beeinflussen. Antibiotika sind nur selten (z. B. bei Borreliose) indiziert.

Therapie: symptomatisch (v. a. körperliche Schonung), ggf. antiviral und antientzündlich.

7.3

Endokarditis

7.3

▶ Definition. Akute oder subakute infektiöse Entzündung des Endokards, vorwie-

Endokarditis

▶ Definition.

gend von vorgeschädigten oder künstlichen Klappen. Historisches: Abb. I-7.2.

⊙ I-7.2

⊙ I-7.2

Opfer einer Endocarditis lenta Der Komponist Gustav Mahler ist 1911 im Alter von 51 Jahren vermutlich an einer Endocarditis lenta verstorben.

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646 Ätiopathogenese: Durch transitorische Bakteriämie kann es zur Endokarditis kommen. Bei vorliegender Prädisposition (Tab. I-7.2) können die Bakterien die Endokardklappen besiedeln, dort einen Biofilm bilden und immer wieder in die Blutbahn geschwemmt werden.

≡ I-7.2

I 7 Infektionen des Herzens

Ätiopathogenese: Eine transitorische Bakteriämie steht in den meistens Fällen am Anfang einer Endokarditis. Dieses Ereignis kann nach Verletzungen der Schleimhäute sowie der Haut geschehen, die oftmals unbeachtet bleiben, z. B. nach dem Zähneputzen bzw. Kauen von harten Gegenständen, im Verlauf von zahnärztlichen, bauchchirurgischen, gynäkologischen oder urologischen Eingriffen; Risiken bestehen auch bei Dialysepatienten und bei i. v.-Drogenabhängigen. Eingeschwemmte Bakterien werden im Normalfall durch die unspezifische Infektabwehr innerhalb von wenigen Minuten eliminiert; bei vorliegender Prädisposition (Tab. I-7.2) dagegen können die Endokardklappen kolonisiert werden. An dieser Oberfläche kann sich ein Biofilm (S. 299) bilden, in dem sich die Bakterien vermehren und einen Thrombus bilden. Bei großen Auflagerungen können immer wieder Anteile mit vielen Bakterien (sog. Vegetationen) abreißen und schubweise in die Blutbahn geschwemmt werden.

≡ I-7.2

Lokale Faktoren für ein erhöhtes Endokarditisrisiko

Herzklappenprothesen angeborene Herzfehler, vor allem kongenitale, zyanotische Vitien erworbene Herzklappenfehler (z. B. rheumatische Veränderungen durch z. B. rheumatisches Fieber, Verkalkungen) frisch operierte Herzfehler (< 1 Jahr) hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie Je nach Ausgangsort dominieren vergrünende Streptokokken, Enterokokken oder Staphylokokken. Je nach Keimspektrum entwickelt sich eine akute oder subakute Verlaufsform.

▶ Merke.

Je nach Ausgangsort dominieren vergrünende Streptokokken (aus dem Oropharynx), Enterokokken (aus dem Darm- und Urogenitaltrakt) oder Staphylokokken (von der Haut). Während die akute Endokarditis durch Bakterien mit hoher Virulenz ausgelöst wird (z. B. Staphylococcus aureus), findet man bei der subakuten Form (Endokarditis lenta) häufig Infektionen mit vergrünenden Streptokokken oder koagulasenegativen Staphylokokken. ▶ Merke. HACEK, eine heterogene Gruppe von gramnegativen Bakterien, kommen

gelegentlich als Erreger der Endokarditis vor: Haemophilus parainfluenzae und aphrophilus, Actinobacillus actinomycetemcomitans, Cardiobacterium hominis, Eikenella corrodens und Kingella kingae. Klinik: Beim Einschwemmen der Bakterien in die Blutbahn kommt es zu Fieberschüben und septischen Metastasen. Betroffene Organsysteme sind u. a. Haut (Petechien), Niere (Löhlein-Herdnephritis), Gehirn (embolische Herdenzephalitis) und Milz (Splenomegalie).

Klinik: Beim Einschwemmen der Bakterien in die Blutbahn werden durch die bakteriellen Pyrogene Fieberschübe ausgelöst und in der Gefäßperipherie entstehen septische Metastasen. Diese werden z. B. in der Haut oder unter den Fingernägeln als Punktblutungen erkennbar (u. a. Petechien, Janeway-Läsionen, Osler-Knötchen). Auch Organe wie Niere (Löhlein-Herdnephritis), Gehirn (embolische Herdenzephalitis) und Milz (Splenomegalie; spodogener Milztumor: ganz weich) können beteiligt sein. Durch diese sich ständig wiederholenden septischen Schübe sind das Allgemeinbefinden und die Leistungskraft auf Dauer stark in Mitleidenschaft gezogen.

Diagnostik: Neben o. g. klinischen Befunden ist ein neu aufgetretenes oder verändertes Herzgeräusch wegweisend. Im TTE oder TEE sind Endokardauflagerungen zu sehen. Keime werden in Blutkulturen nachgewiesen und im peripheren Blut sind Entzündungsmarker erhöht.

Diagnostik: Neben den genannten charakteristischen klinischen Befunden ist auskultatorisch ein neu aufgetretenes oder bei bekanntem Klappenfehler gegenüber dem Vorbefund verändertes Herzgeräusch wegweisend. Große Auflagerungen auf dem Endokard sind im transösophagealen Echokardiogramm (TTE, ggf. TEE) gut erkennbar. Der Erregernachweis erfolgt aus Blutkulturen, die vor Beginn der Antibiotikatherapie mehrfach abgenommen werden müssen (wenn möglich zu Beginn eines Fieberschubes), weil die Keime nur intermittierend in der Blutbahn sind. Weiterhin sind labordiagnostisch unspezifische Parameter zu erfassen (Procalcitonin, CRP- und BSG-Erhöhung sowie Blutbildveränderungen).

Therapie: Penicillin sollte hoch dosiert (bis zu 30 Millionen I.E./Tag) und längerfristig gegeben werden. Eine Kombination mit bakteriziden Aminoglykosiden ist möglich. Alternativen sind Linezolid oder Glykopeptide (z. B. Daptomycin).

Therapie: Eine Antibiotikatherapie sollte möglichst erst nach erfolgtem Erregernachweis begonnen werden und nach Antibiogramm erfolgen; in vielen Fällen kann Penicillin (z. B. Benzylpenicillin; hoch dosiert [bis zu 30 Mio. I.E./Tag] und längerfristig [für ca. 6 Wochen]) verabreicht werden. Eventuell kann eine Kombination mit bakteriziden Aminoglykosiden den Therapieerfolg verbessern. Linezolid oder Glykopeptide können als Alternative bei Vorliegen von resistenten Keimen verwendet werden. Bei der Kunstklappenendokarditis ist eine Kombinationstherapie mit Ri-

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I

7.3 Endokarditis

fampicin bzw. Daptomycin von Vorteil, welche auch auf ruhende Keime in einem Biofilm wirken. Unbehandelt endet diese Infektion zumeist tödlich. Kann das Ergebnis des Antibiogramms nicht abgewartet werden, sollte eine kalkulierte Therapie begonnen werden (bei Infektion von Nativklappen: Kombination von Aminopenicillin/Betalaktamaseinhibitor + Gentamicin; bei Klappenprothesen: Kombination von Glykopeptid + Gentamicin + Rifampicin, wobei allerdings die Nephrotoxizität beachtet werden muss). Eine medikamentöse Ausheilung ist nicht immer möglich, sodass dann ein kardiochirurgischer Klappenersatz erfolgt. Bei Risikopersonen (z. B. bei Personen mit Herzklappenprothese oder angeborenen Herzfehlern) einer infektiösen Endokarditis ist eine kurzzeitige Antibiotikaprophylaxe bei bestimmten diagnostischen und operativen Eingriffen im Mund-RachenRaum oder am Gastrointestinal- und Urogenitaltrakt notwendig. Empfohlen werden z. B. Aminopenicilline, ggf. auch Cefazolin, Clindamycin oder Vancomycin.

647 Im Rahmen einer kalkulierten Therapie wird je nach Ausgangsituation mit unterschiedlichen Antibiotikakombinationen behandelt.

Bei Prädisposition sollten bei bestimmten diagnostischen und operativen Eingriffen Antibiotika prophylaktisch gegeben werden.

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I

8

Infektionen des Verdauungstraktes

8.1 8.2 8.3 8.4

Infektionen von Mund und Zähnen Ösophagitis . . . . . . . . . . . . . . . Enteritis . . . . . . . . . . . . . . . . . Peritonitis . . . . . . . . . . . . . . . .

8.1

Infektionen von Mund und Zähnen

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8.1

Infektionen von Mund und Zähnen

Ätiologie: Oralstreptokokken verursachen Karies, Herpes- oder Coxsackieviren rufen Gingivitis hervor. Die Infektion mit mehreren anaeroben Bakterien führt zur Parodontitis. Bei systemischen Infektionen kann die Mundschleimhaut befallen sein, z. B. das pathognomonische Enanthem bei Masern (Koplik-Flecken) oder die Mund-Hand-Fuß-Krankheit (Abb. C-2.2) bei Infektion mit Coxsackie-Aund Enteroviren. Soor entsteht durch Befall mit Hefepilzen. Mehrere Bakterien verursachen eine Papillitis der Zunge. Wenn sich Bakterien in den blockierten Ausführungsgängen vermehren, kommt es zur Sialadenitis.

Ätiologie: Karies wird durch eine Symbiose von verschiedenen Oralstreptokokken (darunter Streptococcus mutans) hervorgerufen und ist in den industrialisierten Ländern mit hohem Zuckerverbrauch eine der häufigsten Infektionen. Die Gingivitis kann beispielsweise durch Herpes- oder Coxsackieviren bedingt sein. Die akute Parodontitis wird durch mehrere anaerobe Bakterien (darunter als Leitkeim Porphyromonas) hervorgerufen. Die Mundschleimhaut ist oft bei systemischen Infektionen mitbefallen. Geradezu klassisch ist das pathognomonische Enanthem bei Masern (Koplik-Flecken). Aber auch viele andere Viren (Herpes, Coxsackie) können zu serösen oder auch ulzerösen (aphthösen) Veränderungen führen. Ganz typisch ist die Mund-Hand-Fuß-Krankheit (Abb. C-2.2); nicht zu verwechseln mit dem Begriff Maul- und Klauenseuche bei Tieren) bei Kleinkindern bedingt durch Coxsackie-A-Viren (mehrere Serotypen), ECHO-Viren (Typ 6) und Enterovirus 71. Hefepilze, in erster Linie Candida albicans, erzeugen den Soor. Begünstigt wird das Auftreten durch bestimmte lokale Veränderungen (z. B. schlecht sitzende Zahnprothesen), aber auch durch generelle Abwehrschwäche (z. B. bei Neugeborenen, bei HIV-Infektion oder bei Leukämie). Durch mehrere Bakterien kann an einzelnen Stellen der Zunge eine Papillitis entstehen. Eine Sialadenitis wird durch eine akute bakterielle Vermehrung in blockierten Ausführungsgängen der Speicheldrüsen verursacht.

Klinik: Karies kann zur Invasion der umliegende Weichteile und Knochen führen. Eine chronische Gingivitis kann Parodontose verursachen. Die Parodontitis gefährdet als Infektionsherd die Zähne. Keime können sogar ins ZNS verschleppt werden. Bei der Mund-Hand-Fuß-Krankheit kommt es zu Bläschen an Mund, Hand und Fuß. Diese platzen und hinterlassen Ulzera. Flächenhafte, weiße Beläge auf der Schleimhaut und der Zunge sind typisch für den Soor. Bei der Sialadenitis kommt es zur heftigen, schmerz-haften Entzündung, die bei mangelnder Behandlung zur Ausbildung einer Mundbodenphlegmone führt.

Klinik: Bei Karies droht eine Invasion der umliegenden Weichteile und des Knochens, was bedrohliche Folgen haben kann. Die Gingivitis kann als Begleiterscheinung einer Karies, aber auch unabhängig davon auftreten und ihrerseits wieder die Karies begünstigen. Ein chronischer Verlauf kann zu einer Parodontose führen, wobei früher oder später mit einem Zahnverlust gerechnet werden muss. Gelegentlich – auch bei jungen, sonst gesunden Menschen – kann eine Parodontitis die Zähne gefährden. Weiterhin besteht ein Risiko, dass von diesen Infektionsherden Keime verschleppt werden. Ein Hirnabszess (S. 619) kann zum Beispiel davon ausgehen. Bei der Mund-Hand-Fuß-Krankheit entstehen zunächst an den 3 Orten gleichzeitig Bläschen, die später platzen und Ulzera hinterlassen. Auch eine Lues im 2. Stadium kann solche Aphthen verursachen. Durch sekundäre bakterielle Infektion werden die Beschwerden wie Brennen beim Essen von kalten, heißen, sauren und salzigen Speisen noch verstärkt. Soor ist charakterisiert durch flächenhafte, weiße Beläge auf der Schleimhaut, die gerötet ist. Auch auf der Zunge kann sich der Soor ausbreiten. Im Rahmen vieler Krankheiten kann die Schleimhaut der Zunge mitreagieren, z. B. bei Masern und bei Scharlach. Eine Sialadenitis führt zu einer heftigen, schmerzhaften Entzündung. Wenn diese nicht rechtzeitig durch gleichzeitige operative und antibiotische Therapie behoben wird, kann sich eine Mundbodenphlegmone ausbilden.

Diagnostik: An erster Stelle steht die Inspektion; ggf. mikrobiologische Untersuchung.

Diagnostik: Neben der Inspektion kommt der mikrobiologischen Untersuchung (Mikroskopie und Kultur von Abstrichen) ein gewisser Stellenwert zu.

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I

Therapie: Bei der Karies ist allein die mechanische Beseitigung der Läsion hilfreich. Nur durch eine chirurgische und antibakterielle Therapie bei Parodontitis kann eine fulminante Entzündung gestoppt werden. Bei einem fulminanten Verlauf einer Parodontose ist neben der chirurgischen Intervention auch eine kalkulierte antibakterielle Therapie, z. B. mit Amoxicillin plus Clavulansäure oder Moxifloxacin, notwendig, um die Progression zu stoppen und um eine Streuung von Keimen zu verhindern. Ähnlich gilt bei einer Sialadenitis, zuerst die Beseitigung der Obstruktion und dann ggf. – bei eitriger Entzündung – eine Antibiotikatherapie, wobei die gleichen Mittel wie bei der Paradontose verabreicht werden können. Ein Soor kann mit lokal applizierten Polyenen oder mit oraler Gabe von Fluconazol behandelt werden. Begleitend sollte möglichst auch die prädisponierende Ursache behoben werden. Da für Infektionen mit Coxsackie- und Enteroviren keine ursächliche Therapie existiert, erfolgt die Therapie symptomatisch mit Bekämpfung der Entzündung und der Schmerzen.

8.2

649

8.3 Enteritis

Ösophagitis

Therapie: Bei Karies, Parodontose und Sialadenitis spielt die mechanische Beseitigung der Ursachen die größte Rolle; eine Antibiotikatherapie soll Fortschreiten und Komplikationen verhindern. Den Soor kann man lokal mit Polyenen oder systemisch mit Fluconazol behandeln.

8.2

Ösophagitis

Ätiopathogenese: Durch das mehrschichtige Plattenepithel ist die Speiseröhre relativ gut vor Infektionen geschützt. Letztere treten daher meist auf dem Boden lokaler Störungen (Verletzungen, Reizungen und Veränderungen des lokalen Milieus; die Herde können dann sekundär infiziert werden und lokal umschrieben bleiben) oder bei allgemeiner Abwehrschwäche auf (z. B. im Rahmen von AIDS, Tumorerkrankungen oder unter immunsuppressiver Therapie; die Entzündungen können dann ausgedehnt sein). Die Soorösophagitis (S. 491) ist eine häufige Komplikation solcher Systemerkrankungen.

Ätiopathogenese: Infektionen wie z. B. die relativ häufige Soorösophagitis entstehen meist auf dem Boden lokaler Veränderungen oder allgemeiner Abwehrschwäche.

Klinik: Während leichte Infektionen asymptomatisch bleiben können, ist bei subjektiven Beschwerden die Dysphagie (Schluckbeschwerden) das Hauptsymptom ggf. begleitet von retrosternalen Schmerzen (Odynophagie).

Klinik: Dysphagie (Schluckbeschwerden) steht im Vordergrund evtl. begleitet von retrosternalen Schmerzen.

Diagnostik: Mittels Ösophagoskopie können Ausdehnung und Intensität der Erkrankung festgestellt und Materialien (Biopsie, Abstrich) für die histologische und mikrobiologische Untersuchung abgenommen werden. Bakterien und Hefepilze lassen sich daraus anzüchten. Eine Infektion mit dem Zytomegalievirus oder Herpes-simplex-Virus lässt sich auch durch eine PCR-Untersuchung erkennen.

Diagnostik: Die Ösophagoskopie dient der Feststellung der Ausdehnung und der Entnahme von Proben. Kultur von Candida und Bakterien sichern die Ätiologie. Ein PCR-Nachweis von Herpes- und Zytomegalieviren ist ggf. angebracht.

Therapie: Die Beseitigung der eigentlichen Ursache steht im Vordergrund. Leichte Formen heilen spontan aus. Eine systemische antimikrobielle Therapie bei Soorösophagitis mit Azolen ist wirksam; dagegen ist die lokale Behandlung mit Amphotericin B Lutschtabletten allenfalls zusätzlich hilfreich. Bei einer Herpes simplex-Infektion ist die Gabe von Aciclovir, bei einer Zytomegalievirus-Infektion ist Ganciclovir indiziert.

Therapie: Die Candida-Infektion wird systemisch mit Azolen behandelt, unterstützt durch Amphotericin B Lutschtabletten. Eine Herpesinfektion wird mit Aciclovir, eine Zytomegalievirus-Infektion mit Ganciclovir behandelt.

8.3

Enteritis

▶ Definition. Durch eine Infektion hervorgerufene akute (< 14 Tage) oder chronische

8.3

Enteritis

▶ Definition.

(> 4 Wochen) Durchfallerkrankung. Mehr als 3 ungeformte Stuhlentleerungen täglich gelten als Durchfall (Diarrhö). Epidemiologie: Schon die Anamnese klärt, ob diese Erkrankung von einer Auslandsreise, etwa unter eingeschränkten hygienischen Verhältnissen, mitgebracht wurde oder ob sie zu Hause entstanden ist. Dann könnte sie akut, evtl. nach einem Essen oder auch Kontakt mit Erkrankten, aufgetreten sein oder auch evtl. schon länger andauern, wobei in diesem Fall verstärkt nach nicht infektiösen Ursachen gesucht werden muss.

Epidemiologie: Der Infektionsort (Reise), die mögliche Infektionsquelle (Essen, Kontakt mit Erkrankten) und die bisherige Dauer (akut/ chronisch) sollten anamnestisch erfragt werden.

Formen: Prinzipiell müssen folgende Formen unterschieden werden: Intoxikation: Nur die Toxine werden aufgenommen. ■ Infektion: Die Erreger vermehren sich im Intestinalrakt. In Einzelfällen, etwa bei Infektion mit EHEC, C. botulinum und C. perfringens, besteht eine Kombination aus beiden Phänomenen. Je nach Art der Erreger sind jeweils unterschiedliche Darmabschnitte betroffen (Tab. I-8.1).

Formen: ■ Intoxikation (durch von den Erregern produzierte Toxine). ■ Infektion (Vermehrung der Erreger im Intestinaltrakt). Je nach Art des Erregers sind unterschiedliche Darmabschnitte betroffen (Tab. I-8.1).

Ätiologie: Ursachen sind meist Lebensmittel und Wasser, seltener Fäkalien von Mensch und Tier.

Ätiologie: Meist diverse Lebensmittel und Wasser.



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I

Therapie: Bei der Karies ist allein die mechanische Beseitigung der Läsion hilfreich. Nur durch eine chirurgische und antibakterielle Therapie bei Parodontitis kann eine fulminante Entzündung gestoppt werden. Bei einem fulminanten Verlauf einer Parodontose ist neben der chirurgischen Intervention auch eine kalkulierte antibakterielle Therapie, z. B. mit Amoxicillin plus Clavulansäure oder Moxifloxacin, notwendig, um die Progression zu stoppen und um eine Streuung von Keimen zu verhindern. Ähnlich gilt bei einer Sialadenitis, zuerst die Beseitigung der Obstruktion und dann ggf. – bei eitriger Entzündung – eine Antibiotikatherapie, wobei die gleichen Mittel wie bei der Paradontose verabreicht werden können. Ein Soor kann mit lokal applizierten Polyenen oder mit oraler Gabe von Fluconazol behandelt werden. Begleitend sollte möglichst auch die prädisponierende Ursache behoben werden. Da für Infektionen mit Coxsackie- und Enteroviren keine ursächliche Therapie existiert, erfolgt die Therapie symptomatisch mit Bekämpfung der Entzündung und der Schmerzen.

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8.3 Enteritis

Ösophagitis

Therapie: Bei Karies, Parodontose und Sialadenitis spielt die mechanische Beseitigung der Ursachen die größte Rolle; eine Antibiotikatherapie soll Fortschreiten und Komplikationen verhindern. Den Soor kann man lokal mit Polyenen oder systemisch mit Fluconazol behandeln.

8.2

Ösophagitis

Ätiopathogenese: Durch das mehrschichtige Plattenepithel ist die Speiseröhre relativ gut vor Infektionen geschützt. Letztere treten daher meist auf dem Boden lokaler Störungen (Verletzungen, Reizungen und Veränderungen des lokalen Milieus; die Herde können dann sekundär infiziert werden und lokal umschrieben bleiben) oder bei allgemeiner Abwehrschwäche auf (z. B. im Rahmen von AIDS, Tumorerkrankungen oder unter immunsuppressiver Therapie; die Entzündungen können dann ausgedehnt sein). Die Soorösophagitis (S. 491) ist eine häufige Komplikation solcher Systemerkrankungen.

Ätiopathogenese: Infektionen wie z. B. die relativ häufige Soorösophagitis entstehen meist auf dem Boden lokaler Veränderungen oder allgemeiner Abwehrschwäche.

Klinik: Während leichte Infektionen asymptomatisch bleiben können, ist bei subjektiven Beschwerden die Dysphagie (Schluckbeschwerden) das Hauptsymptom ggf. begleitet von retrosternalen Schmerzen (Odynophagie).

Klinik: Dysphagie (Schluckbeschwerden) steht im Vordergrund evtl. begleitet von retrosternalen Schmerzen.

Diagnostik: Mittels Ösophagoskopie können Ausdehnung und Intensität der Erkrankung festgestellt und Materialien (Biopsie, Abstrich) für die histologische und mikrobiologische Untersuchung abgenommen werden. Bakterien und Hefepilze lassen sich daraus anzüchten. Eine Infektion mit dem Zytomegalievirus oder Herpes-simplex-Virus lässt sich auch durch eine PCR-Untersuchung erkennen.

Diagnostik: Die Ösophagoskopie dient der Feststellung der Ausdehnung und der Entnahme von Proben. Kultur von Candida und Bakterien sichern die Ätiologie. Ein PCR-Nachweis von Herpes- und Zytomegalieviren ist ggf. angebracht.

Therapie: Die Beseitigung der eigentlichen Ursache steht im Vordergrund. Leichte Formen heilen spontan aus. Eine systemische antimikrobielle Therapie bei Soorösophagitis mit Azolen ist wirksam; dagegen ist die lokale Behandlung mit Amphotericin B Lutschtabletten allenfalls zusätzlich hilfreich. Bei einer Herpes simplex-Infektion ist die Gabe von Aciclovir, bei einer Zytomegalievirus-Infektion ist Ganciclovir indiziert.

Therapie: Die Candida-Infektion wird systemisch mit Azolen behandelt, unterstützt durch Amphotericin B Lutschtabletten. Eine Herpesinfektion wird mit Aciclovir, eine Zytomegalievirus-Infektion mit Ganciclovir behandelt.

8.3

Enteritis

▶ Definition. Durch eine Infektion hervorgerufene akute (< 14 Tage) oder chronische

8.3

Enteritis

▶ Definition.

(> 4 Wochen) Durchfallerkrankung. Mehr als 3 ungeformte Stuhlentleerungen täglich gelten als Durchfall (Diarrhö). Epidemiologie: Schon die Anamnese klärt, ob diese Erkrankung von einer Auslandsreise, etwa unter eingeschränkten hygienischen Verhältnissen, mitgebracht wurde oder ob sie zu Hause entstanden ist. Dann könnte sie akut, evtl. nach einem Essen oder auch Kontakt mit Erkrankten, aufgetreten sein oder auch evtl. schon länger andauern, wobei in diesem Fall verstärkt nach nicht infektiösen Ursachen gesucht werden muss.

Epidemiologie: Der Infektionsort (Reise), die mögliche Infektionsquelle (Essen, Kontakt mit Erkrankten) und die bisherige Dauer (akut/ chronisch) sollten anamnestisch erfragt werden.

Formen: Prinzipiell müssen folgende Formen unterschieden werden: Intoxikation: Nur die Toxine werden aufgenommen. ■ Infektion: Die Erreger vermehren sich im Intestinalrakt. In Einzelfällen, etwa bei Infektion mit EHEC, C. botulinum und C. perfringens, besteht eine Kombination aus beiden Phänomenen. Je nach Art der Erreger sind jeweils unterschiedliche Darmabschnitte betroffen (Tab. I-8.1).

Formen: ■ Intoxikation (durch von den Erregern produzierte Toxine). ■ Infektion (Vermehrung der Erreger im Intestinaltrakt). Je nach Art des Erregers sind unterschiedliche Darmabschnitte betroffen (Tab. I-8.1).

Ätiologie: Ursachen sind meist Lebensmittel und Wasser, seltener Fäkalien von Mensch und Tier.

Ätiologie: Meist diverse Lebensmittel und Wasser.



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650

≡ I-8.1

I 8 Infektionen des Verdauungstraktes

Enteritis

Lokalisation

Erreger

Ösophagus

Candida

Magen

Helicobacter

Dünndarm

Salmonella, Yersinia, Plesiomonas, ETEC, EPEC, Vibrio, Rotaviren, Norovirus, Astrovirus, Enteroviren (Coxsackievirus, ECHO-Virus), Lamblia, Ankylostoma, Ascaris

Kolon

Shigella, EHEC, Campylobacter, Clostridium difficile, Amoeba, Balantidium, Cryptosporidium, Enterobius

Appendix

vergrünende Streptokokken (!), Pneumokokken, Enterobacterales, Anaerobier, Mischinfektion

Durchfälle treten auch bei einer Vielzahl von extraintestinalen Infektionen (Otitis, Pyelonephritis, ZNS) auf. Erreger

typische Quellen

Enteroviren, Coxsackie, ECHO-Viren

Fäkalien, seltener Lebensmittel bzw. Wasser

Rotaviren, Noroviren, Adenoviren, Astroviren

Fäkalien, Erbrochenes

Salmonella

Eier, Fleisch, Wurst, andere Lebensmittel, selten Fäkalien von Mensch und Echsentieren

Campylobacter

Geflügelleber, Fleisch, Haustiere

Yersinia

Fleisch, Gemüse

Vibrio

Wasser, Lebensmittel

Shigella

Fäkalien

Clostridium

Staub, Fäkalien

Escherichia

Milch, Lebensmittel, Fäkalien

Helicobacter

Kontakt mit anderen Menschen

Candida (selten)

endogen

Lamblia

Wasser

Amoeba

Wasser, Lebensmittel

Cryptosporidium

Fäkalien von Tieren

Balantidium

Fäkalien von Schweinen

Ascaris

Salat

Taenia

Fleisch (Rind, Schwein)

Klinik: Tab. I-8.2.

≡ I-8.2

Klinik: Tab. I-8.2.

Klinische Manifestationen bei Enteritis

Symptome, Befunde

typische Erreger

Fieber, Bauchkrämpfe (Tenesmen) Übelkeit Dehydratation (Wasser- und Elektrolytverluste): Hypokaliämie mit Muskelhypotonie, Somnolenz, Krampfanfall, Rhythmusstörungen

Symptome bei Infektionen mit allen unten aufgeführten Erregern

Diarrhö ■

wässrig

Cholera, ETEC



breiig

Salmonella, Yersinia



schleimig

Clostridium difficile



blutig

Amöben, Balantidium, Shigella, Campylobacter (Salmonella)



voluminös, fettglänzend, stinkend

Lamblien

extraintestinale Manifestationen ■

mesenteriale Lymphadenitis

Yersinia, Salmonella



Osteomyelitis

Salmonella



Leberabszesse

Amoeba



perniziöse Anämie

Taenia



Arthritis

Yersinia, Campylobacter, Shigella



Guillain-Barré-Syndrom

Campylobacter



Erythema nodosum

Yersinia, Campylobacter



Nierenversagen

EHEC



hämolytische Anämie

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I

651

8.3 Enteritis

Selbst bei einer transienten Entzündung während einer bakteriellen Gastroenteritis kann es zu einer Schädigung des enteralen Nervensystems kommen, die zu einer anhaltenden Funktionsstörung führen kann – bei 14 % der Patienten tritt danach das sog. Reizdarmsyndrom auf.

Nach einer akuten Gastroenteritis kann als Folgeschaden ein Reizdarmsyndrom bleiben.

Allgemeine Diagnostik:

Allgemeine Diagnostik:

▶ Merke. Aufgrund der zahlreichen möglichen Ursachen dieses Symptomenkom-

▶ Merke.

plexes muss man vorab überlegen, um die ökonomisch vertretbaren und die richtigen diagnostischen und therapeutischen Schritte einzuleiten. Anamnese und klinische Untersuchung: Tab. I-8.3.

≡ I-8.3

Klinische Diagnostik bei Enteritis

Anamnese



Auslandsaufenthalt, Vorliegen einer Epidemie, ähnliche Erkrankungen in der Umgebung



Verzehr bestimmter Speisen, Essgewohnheiten, Trinkwasserversorgung, soziale Verhältnisse, Jahreszeit (Grillfeste)



Zeitpunkt des Auftretens der Erkrankung nach Exposition



vorangegangene Antibiotikatherapie



Art der Beschwerden (z. B. Brechdurchfall, Übelkeit, Krämpfe)



Aussehen von Erbrochenem



Häufigkeit des Stuhlgangs, Schmerzen beim Stuhlgang (Tenesmen), Flatulenz



Aussehen des Stuhls:

Anamnese und klinische Untersuchung: Tab. I-8.3.

≡ I-8.3

– Konsistenz: dünnflüssig, wässrig, trüb, breiig, schaumig, geformt, mit Schleim, mit Schleimhautfetzen, mit Blut auf bzw. im Kot – Farbe: weiß, hell, grau, braun, schwarz – Geruch: ekelhaft, stinkend, aromatisch klinische Untersuchung



Allgemeinzustand, Fieber, Bewusstseinslage (unauffällig, somnolent, soporös, Koma?)



gespanntes Abdomen, geblähter Bauch



Austrocknung, Hautturgor

Mikrobiologische Diagnostik: ■ Erregersuche, wobei verschiedene Herangehensweisen zur Anwendung kommen: Tab. I-8.4. ▶ Exkurs. Mittels Multiplex-PCR können gleichzeitig diverse Erreger erkannt werden, nämlich Viren (Adeno Typ 40/41, Noro, Rota), Bakterien (Campylobacter, Clostridium difficile, EHEC, EIEC, ETEC, Salmonella, Yersinia enterocolitica, Vibrio cholerae) sowie Parasiten (Cryptosporidien, Entamoeben, Giardia).

≡ I-8.4

Erregersuche bei Enteritis

Methode

Beispiele

Makroskopische Inspektion

adulte Würmer bzw. Proglottiden

mikroskopisch

Wurmeier, vegetative Parasitenformen bzw. Zysten

elektronenmikroskopisch

(kaum routinemäßig, eher in der Forschung: Viren)

Mikrobiologische Diagnostik: Erregersuche Tab. I-8.4.

▶ Exkurs.

≡ I-8.4

Antigennachweise mittels IFT Amöben, Lamblien, Rotaviren, Helicobacter bzw. ELISA Toxinnachweise mittels ELISA Clostridium difficile molekularbiologisch/PCR

Norovirus, Rotavirus

kulturell



Verwendung von Elektivnährböden für Salmonellen, Shigellen, E.coli, etc. bzw. Selektivnährböden z. B. für Choleravibrionen oder Campylobacter oder Helicobacter oder E.coli O157H7 (EHEC)



Toxinnachweis: im Stuhl (z. B. C.-difficile-Toxin), in Lebensmitteln (z. B. EHEC-Toxin), im Erbrochenen (z. B. Botulinumtoxin)

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652

I 8 Infektionen des Verdauungstraktes

Differenzialdiagnose: Tab. I-8.5.

Differenzialdiagnose: Tab. I-8.5.

≡ I-8.5

⊙ I-8.1

≡ I-8.5

Differenzialdiagnose bei Enteritis

mögliche Ursache

wegweisende Befunde/Diagnostik

Colitis ulcerosa, Morbus Crohn (chronisch entzündliche Darmerkrankungen)

chronische Diarrhö (bei Kolitis häufig blutig), Bauchschmerzen, Endoskopie, Biopsie (Histologie)

Reizdarmsyndrom

Wechsel von Obstipation und Diarrhö, Bauchschmerzen, Anamnese

Sprue (tropisch; heimisch = Zöliakie)

voluminöse Durchfälle, Fettstühle (Steatorrhö), Mangelerscheinungen, Anamnese, Serologie, Biopsie

Clostridium difficile

vorangegangene Antibiotiktherapie; Megakolon (Abb. I-8.1)

Lebensmittelvergiftungen

Anamnese

Hyperthyreose

Anamnese, Labor (TSH)

Karzinoid

chronische wässrige Durchfälle

Laxanzienabusus

Anamnese

⊙ I-8.1

Toxisches Megakolon CT-Abdomen mit i. v.-Kontrastmittel: orale und rektale Kontrastierung. Ausgedehnte Dilatation bei toxischem Megakolon (Pfeil).

Die symptomatische Therapie wie etwa die Ruhigstellung des Darmes oder der Ausgleich des Wasserverlustes (Rehydratation) stehen meist im Vordergrund.

Kausale Therapie: Gegen die meisten bakteriellen Infektionserreger hilft Ciprofloxacin, gegen Anaerobier und manche Parasiten Metronidazol. Bei C. difficile hilft Metronidazol oder Vancomycin (oral). Evtl. Wurmmittel.

Prävention: Quellen für Enteritiserreger, d. h. hauptsächlich Nahrungsmittel inklusive Wasser, seltener infizierte Menschen oder Tiere, sollten gemieden werden.

Symptomatische Therapie: ■ Allgemein: Antiemetika, Peristaltikhemmer (z. B. Loperamid; Vorsicht: eine längere Verweildauer von Darminhalt kann eher schädlich sein; Gefahr von Ileus), Adstringenzien, Perenterol. Adsorbierende Präparate, die Toxine binden sollen (z. B. Pektin, Carbo medicinalis [Aktivkohle], Kaolin) sind wenig wirksam. Eine Hypokaliämie sollte behoben werden. ■ Rehydratation (oral oder ggf. parenteral): Für die orale Rehydratation empfiehlt die WHO eine Lösung mit 2,6 g/l NaCl, 1,5 g/l KCl, 13,5 g/l Glukose und 2,9 g/l Natriumcitrat. Für die Praxis gibt es entsprechende vorgefertigte Präparate, die in Wasser aufgelöst werden (z. B. Oralpädon 240 bzw. Elotrans-Beutel). Im Notfall hilft gesüßter Tee oder Coca Cola (classic), da die Glukose im Dünndarm resorbiert wird und Wasser nachströmt. Wasser alleine (ohne Zucker) wird nicht gut resorbiert und verstärkt sogar das Durchfallvolumen. Bei schwerer Dehydratation muss eine intravenöse Zufuhr von Volumen und Elektrolyten erfolgen. Nach erreichter Rehydratation wird unverzüglich auch eine Realimentation begonnen. Kausale Therapie: Antibiotika: Antibiotikatherapie mit Ciprofloxacin (nicht bei Kindern) ist bei der Shigellenruhr sowie bei schweren Enteritiden durch Salmonellen und Yersinien indiziert. Makrolide sind ggf. bei Campylobacter angebracht. Metronidazol ist bei Amöben und C. difficile wirksam. Vancomycin (oral) ist bei C. difficile wirksam. ■ Antihelminthika ■ Antiparasitär: Metronidazol. ■

Prävention: In vielen Fällen, bei denen die Erreger über Fäkalien bzw. Lebensmittel übertragen werden, hängt das Risiko vom Hygieneverhalten bzw. den Essgewohnheiten ab (z. B. „blutiges“ Steak, Tartar). Die wichtigste Prophylaxe liegt in der strikten Vermeidung ungekochter Nahrung, die mit fremden Händen in Berührung gekommen ist („cook it, peel it or forget it“). Hierzu gehören Salate, Eis (auch Eiswürfel zur Kühlung von Getränken!), ungeschältes Obst, Süßspeisen etc. Trinkwasser sollte ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

I

653

8.4 Peritonitis

nur nach entsprechender Aufbereitung durch Erhitzen, Filtrieren oder chemische Desinfektion (z. B. mit Micropur) verwendet werden. Ein Aperitif oder eine heiße Suppe kann die Magensäureproduktion anregen, wodurch einige Erreger abgetötet werden, bevor sie in den Darm gelangen. Vor dem Essen sollte man nicht allzu viel trinken, weil dadurch die Magensäure verdünnt wird und damit die Anfälligkeit gegenüber oralen Infektionen steigt. Der Kontakt zu infizierten Menschen und Tieren sollte vermieden werden bzw. sollte nach Kontakt zumindest eine intensive Reinigung (besser Desinfektion) der Hände erfolgen. Eine antibakterielle Chemoprophylaxe der Reisediarrhö ist nicht sinnvoll. Probiotika, z. B. Saccharomyces cerevisiae (Perenterol), können den Verlauf mindern.

8.4

Peritonitis

▶ Definition. Eitrige Entzündung des Bauchfells und damit der Bauchhöhle. ■ ■ ■

8.4

Peritonitis

▶ Definition.

primäre Peritonitis: ohne Perforation eines intraabdominellen Hohlorgans. sekundäre Peritonitis: nach Perforation eines intraabdominellen Hohlorgans. tertiäre Peritonitis: Verselbstständigung der Inflammation in der Peritonealhöhle.

Ausdehnung: Eine Peritonitis kann diffus die gesamte Fläche betreffen („4-Quadranten-Peritonitis“) oder durch das Omentum lokal begrenzt sein. Im Prinzip ist auch der Douglas-Abszess eine lokale Peritonitis.

Ausdehnung: Die Peritonitis kann diffus auftreten oder lokal begrenzt sein.

Einteilung: Eine geläufige Einteilung beruht auf der Pathogenese (Tab. I-8.6).

Einteilung: nach der Pathogenese (Tab. I-8.6).

≡ I-8.6

Einteilung der Peritonitis nach der Pathogenese

Form

mögliche Ursachen

spontan



Leberzirrhose mit portaler Hypertension und Aszites



Tuberkulose



Salpingitis (z. B. Gonokokken, Chlamydien)



Durchwanderungsperitonitis



perforierte Appendizitis, Divertikulitis, Cholezystitis



postoperative Peritonitis nach Anastomosen-Insuffizienz



chronisch ambulante Peritonealdialyse (CAPD)



perforierende Verletzung

traumatisch

≡ I-8.6

Spontan: ■ Als Folge einer perforierten Appendizitis, Divertikulitis oder Cholezystitis können massenhaft Keime der gesamten Darmflora in großer Menge in die Bauchhöhle gelangen, wenn der Defekt nicht durch das Omentum gedeckt werden kann. Zumeist findet man also eine Mischinfektion aus vorwiegend Enterobacterales, Enterokokken und Anaerobiern. Im Laufe der Infektion setzen sich die virulentesten Keime durch und andere werden verdrängt. ■ Bei Durchblutungsstörungen (Ischämie), z. B. im Rahmen einer Mesenterialvenenthrombose, kann die Barrierenfunktion der Darmwand gestört sein und eine Translokation von Keimen der Darmflora nicht nur in die Zirkulation sondern auch in die Bauchhöhle geschehen (Durchwanderungsperitonitis). ■ Die Erreger einer Salpingitis, also hauptsächlich Neisseria gonorrhoeae oder Chlamydia trachomatis, können die anatomischen Strukturen zerstören und in die Bauchhöhle gelangen. ■ In ganz seltenen Fällen findet man heute noch bei einer Disseminierung von Mycobacterium tuberculosis eine Peritonealtuberkulose. Traumatisch: ■ Bei einer penetrierenden Verletzung der Bauchwand können Keime aus der Hautflora (v. a. S. aureus) sowie Umweltkeime in die Bauchhöhle gelangen; während die meisten apathogen sind und nach kurzer Zeit durch das unspezifische Abwehrsystem eliminiert sind, können andere Erreger eine Infektion auslösen. Bei einer zusätzlichen Verletzung der Darmwand muss man mit einer breiten Anzahl von Keimen der Darmflora rechnen.

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8.4 Peritonitis

nur nach entsprechender Aufbereitung durch Erhitzen, Filtrieren oder chemische Desinfektion (z. B. mit Micropur) verwendet werden. Ein Aperitif oder eine heiße Suppe kann die Magensäureproduktion anregen, wodurch einige Erreger abgetötet werden, bevor sie in den Darm gelangen. Vor dem Essen sollte man nicht allzu viel trinken, weil dadurch die Magensäure verdünnt wird und damit die Anfälligkeit gegenüber oralen Infektionen steigt. Der Kontakt zu infizierten Menschen und Tieren sollte vermieden werden bzw. sollte nach Kontakt zumindest eine intensive Reinigung (besser Desinfektion) der Hände erfolgen. Eine antibakterielle Chemoprophylaxe der Reisediarrhö ist nicht sinnvoll. Probiotika, z. B. Saccharomyces cerevisiae (Perenterol), können den Verlauf mindern.

8.4

Peritonitis

▶ Definition. Eitrige Entzündung des Bauchfells und damit der Bauchhöhle. ■ ■ ■

8.4

Peritonitis

▶ Definition.

primäre Peritonitis: ohne Perforation eines intraabdominellen Hohlorgans. sekundäre Peritonitis: nach Perforation eines intraabdominellen Hohlorgans. tertiäre Peritonitis: Verselbstständigung der Inflammation in der Peritonealhöhle.

Ausdehnung: Eine Peritonitis kann diffus die gesamte Fläche betreffen („4-Quadranten-Peritonitis“) oder durch das Omentum lokal begrenzt sein. Im Prinzip ist auch der Douglas-Abszess eine lokale Peritonitis.

Ausdehnung: Die Peritonitis kann diffus auftreten oder lokal begrenzt sein.

Einteilung: Eine geläufige Einteilung beruht auf der Pathogenese (Tab. I-8.6).

Einteilung: nach der Pathogenese (Tab. I-8.6).

≡ I-8.6

Einteilung der Peritonitis nach der Pathogenese

Form

mögliche Ursachen

spontan



Leberzirrhose mit portaler Hypertension und Aszites



Tuberkulose



Salpingitis (z. B. Gonokokken, Chlamydien)



Durchwanderungsperitonitis



perforierte Appendizitis, Divertikulitis, Cholezystitis



postoperative Peritonitis nach Anastomosen-Insuffizienz



chronisch ambulante Peritonealdialyse (CAPD)



perforierende Verletzung

traumatisch

≡ I-8.6

Spontan: ■ Als Folge einer perforierten Appendizitis, Divertikulitis oder Cholezystitis können massenhaft Keime der gesamten Darmflora in großer Menge in die Bauchhöhle gelangen, wenn der Defekt nicht durch das Omentum gedeckt werden kann. Zumeist findet man also eine Mischinfektion aus vorwiegend Enterobacterales, Enterokokken und Anaerobiern. Im Laufe der Infektion setzen sich die virulentesten Keime durch und andere werden verdrängt. ■ Bei Durchblutungsstörungen (Ischämie), z. B. im Rahmen einer Mesenterialvenenthrombose, kann die Barrierenfunktion der Darmwand gestört sein und eine Translokation von Keimen der Darmflora nicht nur in die Zirkulation sondern auch in die Bauchhöhle geschehen (Durchwanderungsperitonitis). ■ Die Erreger einer Salpingitis, also hauptsächlich Neisseria gonorrhoeae oder Chlamydia trachomatis, können die anatomischen Strukturen zerstören und in die Bauchhöhle gelangen. ■ In ganz seltenen Fällen findet man heute noch bei einer Disseminierung von Mycobacterium tuberculosis eine Peritonealtuberkulose. Traumatisch: ■ Bei einer penetrierenden Verletzung der Bauchwand können Keime aus der Hautflora (v. a. S. aureus) sowie Umweltkeime in die Bauchhöhle gelangen; während die meisten apathogen sind und nach kurzer Zeit durch das unspezifische Abwehrsystem eliminiert sind, können andere Erreger eine Infektion auslösen. Bei einer zusätzlichen Verletzung der Darmwand muss man mit einer breiten Anzahl von Keimen der Darmflora rechnen.

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654

I 8 Infektionen des Verdauungstraktes ■



Klinik, allgemeine Diagnostik: ■ Klinisch: lokaler Schmerz, Abwehrspannung, oft hohes Fieber und Hypotension. Darüber hinaus kommt es zu einer Darmatonie. ■ Labor: Infektionsparameter im Blut (CRP ↑ Serumeisen ↓ Leukozytenzahl ↑)

Mikrobiologische Diagnostik: Die mikroskopische Untersuchung bringt schnell wertvolle Hinweise über die Art und Menge der beteiligten Erreger. Die Kultur (auch von Blut), wobei man an Anaerobier und Sprosspilze denken muss, bringt die exakte Klärung. Mit einer Mischinfektion muss gerechnet werden. Bei sekundärer Peritonitis muss auch mit Sprosspilzen gerechnet werden.

CAPD-assoziiert: Bei der chronisch ambulante Peritonealdialyse besteht das Risiko, dass durch Hygienefehler Hautkeime vom Patienten selbst oder vom Pflegepersonal über den Katheter in die Bauchhöhle gelangen. In erster Linie ist mit S. aureus zu rechnen, seltener mit Umweltkeimen, darunter auch Schimmelpilzen. Postoperativ: Bei Dehiszenzen nach abdominalchirurgischen oder auch gynäkologischen Operationen kann Kot mit diversen Bakterien – darunter Enterobacterales, Enterokokken sowie Anaerobier – in die Bauchhöhle gelangen und eine Peritonitis verursachen, sog. „kotige Peritonitis“. Bei persistierenden Nahtinsuffizienzen oder wiederholten Leckagen entwickeln sich sekundäre oder tertiäre Peritonitiden, die dann oft nicht mehr durch ein Potpourri von diversen Erregern bedingt sind, da sich einige wenige selektionierte Keime, darunter auch Sprosspilze, durchsetzen.

Klinik, allgemeine Diagnostik: Die Art und Menge der eingeschleppten bakteriellen Produkte und die Dauer des anschließenden inflammatorischen Geschehens bestimmen die Symptomatik. ■ Klinisch imponiert eine Peritonitis durch lokalen Schmerz und eine Abwehrspannung bei Druck auf die Bauchdecken. Da in den meisten Fällen bakterielle Pyrogene (Endotoxin, Peptidoglykan, Teichonsäuren und Lipoteichonsäuren) in den Organismus gelangen bestehen oft hohes Fieber und Hypotension. Darüber hinaus kommt es zu einer Darmatonie bzw. einem Subileus. Durch Translokation gelangen noch mehr Keime in das Kreislaufsystem, wodurch eine Sepsis entsteht. ■ Labor: Selbst bei einer lokalisierten Peritonitis sind im Blut die Infektionsparameter wie hohes CRP, niedriges Serumeisen und Leukozytose zu erheben. Mikrobiologische Diagnostik: Die mikroskopische Untersuchung von Abstrichen ergibt schnell einen wertvollen Hinweis auf das Vorliegen von Eiterzellen (deren Zusammensetzung sagt etwas aus über die Dauer der Infektion) und von Mikroorganismen, darunter Bakterien (Form, Färbbarkeit) und ggf. Sprosspilze. ■ Die Kultur (auch von Blut), wobei man auch an Anaerobier und Sprosspilze denken muss, bringt die eigentliche Aufklärung. Ein Antibiogramm gibt Aufschluss über die Wirksamkeit der Antibiotika. Allerdings liegt das Ergebnis erst nach 2–3 Tagen vor. ■ Der Nachweis von Candida im Blut ist in einigen Fällen ein frühzeitiger Beleg für eine Komplikation durch Pilze, speziell bei sekundärer und tertiärer Peritonitis. ■

Therapie: Im Vordergrund steht die chirurgische Sanierung. Die kalkulierte Antibiotikatherapie besteht oft in einer Kombination von verschiedenen Medikamenten.

Therapie: Wichtigstes Ziel ist eine möglichst kausale Therapie, d. h. eine chirurgische Sanierung, um die „Erregerzufuhr“ zu stoppen. Eine zunächst kalkulierte Antibiotikatherapie muss breit angelegt sein, damit möglichst alle denkbaren Bakterien erreicht werden. Enterokokken und Anaerobier sind zwar häufig beteiligt, ihre „Durchsetzungskraft“ ist jedoch begrenzt. Deshalb müssen vor allem die Enterobacterales bekämpft werden, z. B. Imipenem oder eine Kombination von Cefotaxim bzw. Ciprofloxacin mit Metronidazol wären Möglichkeiten. Bei Sprosspilzinfektionen wäre zunächst Fluconazol Mittel der Wahl.

Prognose: Wenn die Ausheilung nicht gelingt, droht entweder eine schwere lokale Nekrose oder auch eine Sepsis. Die resorbierten Bakterienprodukte können den Kreislauf schwer belasten und Allgemeinreaktionen hervorrufen.

Prognose: Die lokale entzündliche Reaktion kann schwere Nekrosen auslösen, die zu lokalen Komplikationen führen. In vielen Fällen kommt es auch zu einer septischen Ausbreitung, was die Mortalität deutlich steigert. Allein die großen Mengen von anfallenden Bakterienprodukten verursachen hohes Fieber und belasten den Kreislauf, was mit SIRS (systemic inflammatory response syndrome), s. Kap. „Sepsis“ (S. 678), beantwortet wird, sodass oft eine intensivmedizinische Überwachung nötig ist, vor allem wenn die Erregerquellen nicht schnell beseitigt werden. Als Spätfolge können sich Briden ausbilden, die dann narbig schrumpfen und Störungen der Peristaltik nach sich ziehen.

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9

Infektionen von Leber, Galle und Pankreas

9.1 9.2 9.3

Hepatitis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 Bakterielle Cholezystitis und Cholangitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657 Akute Pankreatitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 658

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9.1

Hepatitis

9.1

Hepatitis

▶ Definition.

▶ Definition. Entzündung des Lebergewebes.

Ätiologie: Neben den eigentlichen „Hepatitisviren“, von denen derzeit 5 (Typ A–E) charakterisiert sind (Tab. I-9.1), können noch viele andere Viren und andere Mikroorganismen eine Entzündung der Leber hervorrufen (Tab. I-9.2). Während die Hepatitisviren primär die Leber befallen, ist die Hepatitis durch andere Erreger eher eine Begleiterscheinung. Auch manche Autoimmunerkrankungen sowie Intoxikationen können unter dem Bild einer Hepatitis verlaufen.

Ätiologie: Neben den eigentlichen Hepatitisviren A–E (Tab. I-9.1) gibt es noch andere Ursachen für eine Begleithepatitis (Tab. I-9.2).

▶ Merke.

▶ Merke. Die Hepatitisviren gehören in ganz verschiedene Virusgruppen und un-

terscheiden sich in Übertragungsweg, Inkubationszeit, Verlauf und Prognose (Tab. I-9.1).

≡ I-9.1

Charakteristika der Hepatitis-Viren

Virus

Gruppe (Genom)

Transmission

Inkubationszeit

Verlauf

Prognose

Risikogruppen

A

Picorna (RNA)

fäkal-oral

4(–6) Wochen

akut

gut

B

Hepadna (DNA)

parenteral, vertikal

(2–)3 Monate

ca. 10 % chronisch kritisch

Drogenabusus, HWG, Touristen, Heilberufe

C

Flavi (RNA)

parenteral, vertikal

2 Monate

ca. 30–50 % chronisch

kritisch

Drogenabusus, Heilberufe

D

Viroid (RNA)

parenteral, vertikal

3 Monate

chronisch

kritisch

Hämophile

E

Calici (RNA)

fäkal-oral

1 Monat

akut

meist gut, außer während Schwangerschaft

Touristen (Indien) Kontakt mit Schweinen

Touristen

akut = 0–6 Monate; chronisch = länger als 6 Monate

≡ I-9.2

Weitere, unkonventionelle Hepatitis-Erreger

Viren

CMV, EBV, Gelbfieber, Enterovirus

Bakterien

Listerien, Mykobakterien, Leptospiren, Treponemen, Aktinomyzeten, Anaerobier

Pilze

Candida, Histoplasma, selten Aspergillus

Protozoen

Amöben, Toxoplasmen, Plasmodien, Leishmanien

Würmer

Echinokokken, Ascaris (Gallengänge), Schistosomen, Toxocara

Pathophysiologie: In einigen Fällen kommt es zu einer direkten Schädigung der Leberzellen durch den Erreger. Bei den typischen Hepatitisviren ist es die Immunreaktion gegen die Viren, gekennzeichnet durch eine Invasion von Lymphozyten, die zur eigentlichen Leberzellschädigung führt (dabei kommt es zur Freisetzung von intrazellulären Enzymen – vor allem ALT und AST – die für diagnostische Zwecke gemessen werden können). Während es meistens zu einer Regeneration der Leberzellen kommt, sind schwere Verläufe bis zum Leberversagen möglich. Dabei sind die wichtigen Syntheseleistungen der Leber reduziert, z. B. die Produktion der Gerinnungs-

≡ I-9.2

Pathophysiologie: Meistens erfolgt die Schädigung der Leberzellen nicht durch eine direkte Attacke, sondern durch die Immunreaktion gegen den Erreger. Bei einer anhaltenden Entzündung erfolgt ein bindegewebiger Umbau, eine Leberzirrhose.

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656

I 9 Infektionen von Leber, Galle und Pankreas

faktoren mit erhöhter Blutungsgefahr. Die Hyperbilirubinämie ist ein frühes Zeichen einer Leberschädigung; diese Gallenfarbstoffe werden dann vermehrt in die Haut und Schleimhäute (speziell im weichen Gaumen) abgelagert und führen zum Ikterus. Bei Beeinträchtigung des intrahepatischen Galleflusses kommt es zur sog. Cholestase, wobei auch Gallensalze nicht mehr in den Darm ausgeschieden, sondern in der Haut abgelagert werden, was Juckreiz (Pruritus) auslöst. Der Mangel an Gallensalzen im Dünndarm führt zu einer verminderten Aufschlüsselung der Nahrungsbestandteile (Maldigestion). Eine chronische Hepatitis (länger als 6 Monate) kann durch den anhaltenden entzündlichen Reiz zu einem narbigen Umbau des Organs bis hin zur Leberzirrhose führen. ▶ Merke.

▶ Merke. Die Hepatitisviren besitzen charakteristischerweise einen Tropismus für

Leberzellen. Das Hepatitis-E-Virus (S. 206) hat darüber hinaus auch die Fähigkeit, sich in der Plazenta zu vermehren. Dadurch entwickelt sich bei Schwangeren eine sehr starke Virämie, sodass diese eigentliche blande Infektion tödlich verlaufen kann. Klinik: Ikterus (Abb. I-9.1a) ist nicht immer das führende Zeichen; oft bestimmen nur uncharakteristische Oberbauchbeschwerden das Bild. Bei Cholestase: der Stuhl wird weiß (Abb. I-9.1b) und der Urin dunkel.

⊙ I-9.1

Klinik: Bereits in der Inkubationszeit können Prodromalerscheinungen, wie Fieber, Inappetenz, Druckgefühl im Oberbauch, Übelkeit und Durchfall auftreten, oft auch Gelenkbeschwerden. Bei der akuten Erkrankung ist der Ikterus das klassische Zeichen (Abb. I-9.1a), das jedoch nicht immer auftritt – anikterische Verläufe sind vor allem im Kindesalter nicht selten. Ein starker Pruritus spricht für eine Cholestase. Durch den Mangel an Gallenfarbstoffen verliert der Stuhl an Farbe und wird grau bis weiß (Abb. I-9.1b). Der Urin dagegen wird dunkel, weil diese Pigmente vermehrt über die Niere eliminiert werden müssen. Die reduzierte Leberfunktion kann verschiedene Folgeschäden haben (z. B. Gerinnungsstörung).

⊙ I-9.1

Typische klinische Befunde bei akuter Hepatitis

a

b

(Füeßl, H. S., Midekke, M.: Duale Reihe Anamnese und Klinische Untersuchung. Thieme; 2018)

a Ikterus. b Acholischer Stuhl.

Allgemeine Diagnostik: Entscheidend ist der Nachweis von Enzymen (ALT und AST) und Bilirubin im Blut.

Allgemeine Diagnostik: ■ Bei der klinischen Untersuchung findet man in der akuten Phase eine vergrößerte Leber und eine leichte Splenomegalie. (Bei einem chronischen Umbau ist die Leber hart und verkleinert.) ■ Labor – erhöhte Serumenzyme: leberspezifische ALT (früher GPT) und AST (früher GOT), Bilirubin. ■ Eine Leberbiopsie mit histologischer Untersuchung ist im Allgemeinen nicht erforderlich; im Einzelfall können aber die entzündlichen Infiltrate sowie die Leberzellnekrosen die ätiologische Einteilung und die Prognoseschätzung erleichtern.

Mikrobiologische Diagnostik: Die Bestimmung von viralen Antigenen und spezifischen Antikörpern beweist die Ätiologie.

Mikrobiologische Diagnostik: Der Nachweis von viralen Antigenen und spezifischen Antikörpern erlaubt in vielen Fällen eine exakte Diagnose. Zusätzlich kann bei Hepatitis B und C eine quantitative Bestimmung der Viruslast mittels PCR (S. 50) zur Therapiesteuerung verwendet werden.

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657

I 9.2 Bakterielle Cholezystitis und Cholangitis

Therapie: ■ Hepatitis A und E: Eine gezielte antivirale Therapie ist nicht möglich und auch nicht (unbedingt) erforderlich, weil sie fast immer spontan ausheilt. ■ Hepatitis B und D: Es stehen verschiedene Nukleosid- und Nukleotidanaloga sowie Interferon α zur Therapie zur Verfügung. Ziel der Therapie ist die Senkung der Viruslast, eine Heilung ist nicht möglich. Resistenzentwicklung unter Therapie kommt vor. ■ Hepatitis C: Die konventionelle Kombination von Ribavirin mit pegyliertem Interferon ist inzwischen durch Kombinationen neuer Substanzklassen (Proteaseinhibitoren, NS 5A-Inhibitoren, NS 5B-Inhibitoren) für alle Genotypen abgelöst worden. Überwiegend kann die Hepatitis C geheilt werden. Während Ribavirin weiterhin ein Kombinationspartner in vielen Therapien ist, spielt Interferon kaum mehr eine Rolle. ■ Bei nicht durch Viren hervorgerufenen infektiösen Hepatitiden muss gezielt eine antibakterielle, antimykotische oder antiparasitäre Therapie eingeleitet werden. Ansonsten zielt die Therapie auf die Milderung der Symptome, z. B. durch körperliche Schonung und ggf. Bettruhe und die Behebung von Schäden, z. B. Bekämpfung von Gerinnungsdefiziten.

Therapie: Bei Hepatitis B und C gibt es spezifische Therapiemöglichkeiten. Zur Therapiesteuerung eignet sich die Kontrolle der Viruslast.

Prognose: Eine Hepatitis A heilt normalerweise immer aus und hinterlässt dann eine lebenslange Immunität. Nur wenn große Teile der Leber ausgefallen sind, droht ein Koma. Bei lang anhaltenden entzündlichen Reizen, etwa bei einer Erregerpersistenz von Hepatitis-B-, -D- und -C-Viren, kommt es im Laufe von Jahren zu einem narbigen Umbau des Parenchyms. Das Endstadium ist eine Leberzirrhose. Nach vielen (> 20) Jahren, vor allem wenn zusätzliche Belastungen wie Alkohol oder Toxine dazukommen, kann auf dem Boden einer chronischen Hepatitis auch ein primäres Leberzellkarzinom entstehen. Die gezielte antivirale Therapie führt nicht in allen Fällen zu einer kompletten Ausheilung, aber doch häufig zumindest zu einer Remission.

Die Prognose kann je nach Ätiologie recht unterschiedlich sein. Fulminante Verläufe mit Leberversagen sind eher selten. Manche Erreger neigen zur Induktion von chronischen Verläufen, was dann zu einem Gewebsumbau führt bis hin zur Leberzirrhose. Auf einem solchen Boden kann dann auch nach Jahren sogar ein primäres Leberzellkarzinom entstehen.

Prophylaxe: Da die verschiedenen Hepatitiden unterschiedliche Entstehungsweisen haben, ist auch die Prävention von Fall zu Fall unterschiedlich. Aufgrund der fäkaloralen Übertragung von Hepatitis A und E verhindert die strikte Einhaltung der Hygieneregeln (z. B. Händedesinfektion, kein direkter körperlicher Kontakt, getrennte Toiletten) eine Ausbreitung. Bei Übertragung durch Lebensmittel gilt der Spruch „cook it, peel it or forget it“. Bei anderen Infektionswegen ist die Expositionsprophylaxe entscheidend, z. B. die Verwendung eines Kondoms bei Sexualkontakten bzw. neuer Injektionskanülen durch i. v. Drogenabhängige (kein „needle-sharing“). Der aktiven bzw. passiven Impfung gegen Hepatitis A und B kommt eine ganz entscheidende Rolle zu (zu Details siehe auch www.rki.de).

Prophylaxe: Die Prävention richtet sich nach den Übertragungswegen. Gegen Hepatitis A und B gibt es die Möglichkeit der Impfprophylaxe.

9.2

Bakterielle Cholezystitis und Cholangitis

Ätiopathogenese: Ursache einer akuten Cholezystitis bzw. Cholangitis ist in den meisten Fällen ein bestehendes Galleabflusshindernis bedingt durch ein Steinleiden in Verbindung mit einer sekundär ablaufenden bakteriellen Infektion. Seltene prädisponierende Faktoren sind Tumore, postoperative Strikturen, entzündliche Veränderungen in Leber und Pankreaskopf oder Parasiten (speziell Askariden, Clonorchis sinensis). Betroffen sind vor allem Menschen im mittleren Lebensalter, insbesondere Frauen und Adipöse. Verantwortliche Erreger der akuten Entzündungsreaktion sind zumeist Darmkeime (Enterobacterales und Anaerobier), die durch Aszension in diese Region gelangen. ▶ Exkurs. Clonorchis sinensis (s. Abb. G-3.7), ein Wurm aus der Gruppe der Trematoden (Saugwürmer), besiedelt die Gallengänge und kann bei chronischem Befall entzündliche Reaktionen auslösen, die später sogar zu einem Gallengangskarzinom führen.

9.2

Bakterielle Cholezystitis und Cholangitis Ätiopathogenese: In den meisten Fällen sind Gallensteine und sekundär aszendierende Darmkeime Auslöser.

▶ Exkurs.

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658 Klinik: Typisch sind plötzlich auftretende Schmerzen im rechten Oberbauch mit Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit und Erbrechen sowie Ikterus (v. a. bei Cholangitis).

▶ Merke.

I 9 Infektionen von Leber, Galle und Pankreas

Klinik: Eine akute Entzündung der Gallenblasenwand (Cholezystitis) bzw. der Gallengangswege (Cholangitis) äußert sich durch plötzlich auftretende Schmerzen im rechten Oberbauch (die bei der akuten Gallenkolik in die rechte Schulter ausstrahlen können) und von Fieber mit Schüttelfrost, Juckreiz, Übelkeit und Erbrechen sowie Ikterus (v. a. bei Cholangitis) begleitet werden. Nur bei alten Menschen ist die Symptomatik oft verschleiert, sodass erst Komplikationen (z. B. Perforation und eine nachfolgende gallige Peritonitis) auffallen. ▶ Merke. Für die Cholangitis ist die sog. Charcot-Trias kennzeichnend: Schmerzen

im rechten Oberbauch, Ikterus und Fieber. Diagnostik: Entzündungswerte und ggf. Cholestaseparameter wie auch Leberwerte sind erhöht. Eine kulturelle Untersuchung von Galle bzw. von Blut kann die bakteriologische Ursache klären; meistens sind Darmkeime (vor allem E. coli) beteiligt. Sonografie und ERCP sichern meist die Diagnose (bei Cholangitis ist die ERCP auch therapeutisch einsetzbar).

Diagnostik: Laborchemisch finden sich erhöhte Entzündungsparameter (CRP, Leukozytose), bei Verschluss des Ductus choledochus bzw. bei Cholangitis steigen die cholestaseanzeigenden Enzyme (Gamma-GT, Bilirubin, AP) sowie die Transaminasen an. Oberbauchsonografie und ERCP (endoskopische retrograde Cholangio-Pankreatikografie) sichern meist die Diagnose. Bei Vorliegen einer Choledocholithiasis kann ggf. gleich eine therapeutische Sphinkterotomie mit Steinextraktion erfolgen. Die mikrobielle Ätiologie lässt sich durch endoskopisch gewonne Galle klären; da oft eine septische Ausbreitung erfolgt, ist auch eine Blutkultur sinnvoll, vgl. Kap. „Sepsis“ (S. 678). Am häufigsten werden Kolibakterien gefunden. Auch andere Enterobacterales und Enterokokken können ursächlich oder auch nur zusätzlich beteiligt sein.

Therapie: Neben der symptomatischen Therapie (Nahrungskarenz, Analgesie) ist die Gabe von Breitspektrumantibiotika nötig (die mit der Galle ausgeschieden werden können, z. B. Ceftriaxon und Ciprofloxacin). Symptomatische Steine müssen entfernt werden.

Therapie: Neben symptomatischer Therapie (Analgesie, Nahrungskarenz) müssen die aufsteigenden Erreger durch Breitspektrumantibiotika (evtl. Kombinationstherapie) bekämpft werden, da ansonsten eine septische Ausbreitung droht. Für eine kalkulierte Therapie stehen primär solche Antibiotika zur Wahl, welche einerseits ein breites Spektrum haben und gegen die vermutlich beteiligten Darmbakterien wirken und andererseits in der Galle ausgeschieden werden, z. B. Ceftriaxon und Ciprofloxacin. Sobald die akute Symptomatik einer akuten Cholezystitis abgeklungen ist, steht eine operative (in der Regel laparoskopische) Steinentfernung an. Die Steinentfernung als Ursache einer Cholangitis erfolgt i. d. R. mittels ERCP (s. o.).

9.3

Akute Pankreatitis

9.3

Akute Pankreatitis

Ätiopathogenese: Primär infektiöse Ursachen sind selten. Eine Sekundärinfektion von Pankreasläsionen mit Enterobacterales, Pseudomonaden und Sprosspilzen verschlimmert den Verlauf.

Ätiopathogenese: Die Pankreatitis ist nur selten primär infektiös bedingt (z. B. durch Mumps- und Enteroviren). Sekundäre mikrobielle Besiedelungen von primär sterilen Läsionen wie Nekrosen, Pseudozysten und peripankreatischen Verschorfungen können jedoch den Verlauf einer Pankreatitis erheblich beeinträchtigen. Neben Enterobacterales sind – vor allem bei langwierigen Verläufen – speziell Pseudomonaden und Sprosspilze beteiligt, was dann eine gezielte antimikrobielle Therapie erfordert.

Klinik: Schwere Verläufe sind durch gürtelförmige Oberbauchschmerzen charakterisiert. Übelkeit, Erbrechen und Meteorismus kommen hinzu. Akute Verläufe können lebensbedrohlich sein.

Klinik: Viele sog. Begleitpankreatitiden sind asymptomatisch und heilen auch wieder spontan ab. Ansonsten stehen diffuse Oberbauchschmerzen, die gürtelförmig ausstrahlen können, im Vordergrund. Zusätzlich kommen noch Übelkeit, Erbrechen, abgeschwächte Darmperistaltik und Meteorismus hinzu. Akute Verläufe können dramatische Folgen wie akutes Abdomen, respiratorische Insuffizienz und Schock zur Folge haben. Vor allem wenn eine mikrobielle Superinfektion erfolgt, kann sich eine fortschreitende Pankreasnekrose entwickeln, die evtl. nach außen dräniert.

Diagnostik: Oberbauchsonografie. Im Blut sind Lipase- und Amylasewerte erhöht, bei bakterieller Infektion auch die Entzündungsparameter. Aus Nekrosematerial können Bakterien bzw. Sprosspilze angezüchtet werden. Therapie: Im Vordergrund steht die symptomatische Therapie. Antimikrobielle Wirkstoffe sind nur bei Superinfektion angezeigt.

Diagnostik: Eine Oberbauchsonografie kann entzündliche Schwellungen objektivieren. Im Blut sind erhöhte Lipase- und Amylasewerte festzustellen. Bei bakterieller Superinfektion steigen auch die Entzündungsparameter an. In Biopsien von den Nekrosegebieten können Bakterien bzw. Hefepilze nachgewiesen werden. Therapie: Symptomatische Therapie bestehend aus Schmerzmitteln, Nahrungskarenz, und Volumensubstitution. Antibiotika bzw. Antimykotika sind nur bei Superinfektion angezeigt.

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658 Klinik: Typisch sind plötzlich auftretende Schmerzen im rechten Oberbauch mit Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit und Erbrechen sowie Ikterus (v. a. bei Cholangitis).

▶ Merke.

I 9 Infektionen von Leber, Galle und Pankreas

Klinik: Eine akute Entzündung der Gallenblasenwand (Cholezystitis) bzw. der Gallengangswege (Cholangitis) äußert sich durch plötzlich auftretende Schmerzen im rechten Oberbauch (die bei der akuten Gallenkolik in die rechte Schulter ausstrahlen können) und von Fieber mit Schüttelfrost, Juckreiz, Übelkeit und Erbrechen sowie Ikterus (v. a. bei Cholangitis) begleitet werden. Nur bei alten Menschen ist die Symptomatik oft verschleiert, sodass erst Komplikationen (z. B. Perforation und eine nachfolgende gallige Peritonitis) auffallen. ▶ Merke. Für die Cholangitis ist die sog. Charcot-Trias kennzeichnend: Schmerzen

im rechten Oberbauch, Ikterus und Fieber. Diagnostik: Entzündungswerte und ggf. Cholestaseparameter wie auch Leberwerte sind erhöht. Eine kulturelle Untersuchung von Galle bzw. von Blut kann die bakteriologische Ursache klären; meistens sind Darmkeime (vor allem E. coli) beteiligt. Sonografie und ERCP sichern meist die Diagnose (bei Cholangitis ist die ERCP auch therapeutisch einsetzbar).

Diagnostik: Laborchemisch finden sich erhöhte Entzündungsparameter (CRP, Leukozytose), bei Verschluss des Ductus choledochus bzw. bei Cholangitis steigen die cholestaseanzeigenden Enzyme (Gamma-GT, Bilirubin, AP) sowie die Transaminasen an. Oberbauchsonografie und ERCP (endoskopische retrograde Cholangio-Pankreatikografie) sichern meist die Diagnose. Bei Vorliegen einer Choledocholithiasis kann ggf. gleich eine therapeutische Sphinkterotomie mit Steinextraktion erfolgen. Die mikrobielle Ätiologie lässt sich durch endoskopisch gewonne Galle klären; da oft eine septische Ausbreitung erfolgt, ist auch eine Blutkultur sinnvoll, vgl. Kap. „Sepsis“ (S. 678). Am häufigsten werden Kolibakterien gefunden. Auch andere Enterobacterales und Enterokokken können ursächlich oder auch nur zusätzlich beteiligt sein.

Therapie: Neben der symptomatischen Therapie (Nahrungskarenz, Analgesie) ist die Gabe von Breitspektrumantibiotika nötig (die mit der Galle ausgeschieden werden können, z. B. Ceftriaxon und Ciprofloxacin). Symptomatische Steine müssen entfernt werden.

Therapie: Neben symptomatischer Therapie (Analgesie, Nahrungskarenz) müssen die aufsteigenden Erreger durch Breitspektrumantibiotika (evtl. Kombinationstherapie) bekämpft werden, da ansonsten eine septische Ausbreitung droht. Für eine kalkulierte Therapie stehen primär solche Antibiotika zur Wahl, welche einerseits ein breites Spektrum haben und gegen die vermutlich beteiligten Darmbakterien wirken und andererseits in der Galle ausgeschieden werden, z. B. Ceftriaxon und Ciprofloxacin. Sobald die akute Symptomatik einer akuten Cholezystitis abgeklungen ist, steht eine operative (in der Regel laparoskopische) Steinentfernung an. Die Steinentfernung als Ursache einer Cholangitis erfolgt i. d. R. mittels ERCP (s. o.).

9.3

Akute Pankreatitis

9.3

Akute Pankreatitis

Ätiopathogenese: Primär infektiöse Ursachen sind selten. Eine Sekundärinfektion von Pankreasläsionen mit Enterobacterales, Pseudomonaden und Sprosspilzen verschlimmert den Verlauf.

Ätiopathogenese: Die Pankreatitis ist nur selten primär infektiös bedingt (z. B. durch Mumps- und Enteroviren). Sekundäre mikrobielle Besiedelungen von primär sterilen Läsionen wie Nekrosen, Pseudozysten und peripankreatischen Verschorfungen können jedoch den Verlauf einer Pankreatitis erheblich beeinträchtigen. Neben Enterobacterales sind – vor allem bei langwierigen Verläufen – speziell Pseudomonaden und Sprosspilze beteiligt, was dann eine gezielte antimikrobielle Therapie erfordert.

Klinik: Schwere Verläufe sind durch gürtelförmige Oberbauchschmerzen charakterisiert. Übelkeit, Erbrechen und Meteorismus kommen hinzu. Akute Verläufe können lebensbedrohlich sein.

Klinik: Viele sog. Begleitpankreatitiden sind asymptomatisch und heilen auch wieder spontan ab. Ansonsten stehen diffuse Oberbauchschmerzen, die gürtelförmig ausstrahlen können, im Vordergrund. Zusätzlich kommen noch Übelkeit, Erbrechen, abgeschwächte Darmperistaltik und Meteorismus hinzu. Akute Verläufe können dramatische Folgen wie akutes Abdomen, respiratorische Insuffizienz und Schock zur Folge haben. Vor allem wenn eine mikrobielle Superinfektion erfolgt, kann sich eine fortschreitende Pankreasnekrose entwickeln, die evtl. nach außen dräniert.

Diagnostik: Oberbauchsonografie. Im Blut sind Lipase- und Amylasewerte erhöht, bei bakterieller Infektion auch die Entzündungsparameter. Aus Nekrosematerial können Bakterien bzw. Sprosspilze angezüchtet werden. Therapie: Im Vordergrund steht die symptomatische Therapie. Antimikrobielle Wirkstoffe sind nur bei Superinfektion angezeigt.

Diagnostik: Eine Oberbauchsonografie kann entzündliche Schwellungen objektivieren. Im Blut sind erhöhte Lipase- und Amylasewerte festzustellen. Bei bakterieller Superinfektion steigen auch die Entzündungsparameter an. In Biopsien von den Nekrosegebieten können Bakterien bzw. Hefepilze nachgewiesen werden. Therapie: Symptomatische Therapie bestehend aus Schmerzmitteln, Nahrungskarenz, und Volumensubstitution. Antibiotika bzw. Antimykotika sind nur bei Superinfektion angezeigt.

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I

10 Infektionen der Niere und der ableitenden Harnwege 10.1 10.2 10.3

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659 Harnwegsinfektion – Zystitis und Pyelonephritis . . . . . . . . . . . . . . 659 Urethritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 662 © Digital Vision

10.1 Allgemeines

10.1

Die mit Abstand häufigste Infektion im Bereich des harnproduzierenden und -ableitenden Systems ist die „klassische“ Harnwegsinfektion. Da es sich hierbei in den meisten Fällen um eine aszendierende Infektion von Keimen der Darm- und Hautflora handelt, bei der z. B. eine Zystitis in eine Pyelonephritis übergehen kann, werden diese beiden Hauptformen hier gemeinsam abgehandelt. Einzelne Abschnitte der ableitenden Harnwege können durch spezielle andere Erreger infiziert werden. So kommen als Ursache der Urethritis verschiedene Bakterien oder Viren infrage, die hauptsächlich sexuell übertragen werden, s. Kap. „Urethritis“ (S. 662). Für eine Zystitis können z. B. Schistosomen (S. 574) oder BK-Viren (S. 264) verantwortlich sein, und lokale entzündliche Veränderungen in den Ureteren treten z. B. infolge von bakteriellen Infektionen nach Nierensteinen oder interventionellen Eingriffen auf. An den Nieren können einzelne Viren zum Nierenversagen führen, s. Hantavirus, Kap. „Bunyaviridae“ (S. 241), oder es kommt v. a. unter Immunsuppression nach Nierentransplantation zu einer Reaktivierung von BKV oder CMV mit lokalen Infektionen, die sekundär die Bildung von Nierensteinen fördern können. Abzugrenzen von direkt infektiösen Erkrankungen ist z. B. die Glomerulonephritis als immunpathologische Reaktion nach Streptokokkeninfektion (S. 338).

10.2 Harnwegsinfektion – Zystitis und

Pyelonephritis

Ätiopathogenese und Epidemiologie: In der überwiegenden Mehrzahl entsteht eine Harnwegsinfektion durch Aszension von Keimen meist aus dem Darm (Tab. I-10.1) oder von der Haut, nur selten geht eine solche Infektion von einer hämatogenen Streuung aus.

≡ I-10.1

Allgemeines

Die mit Abstand häufigste Infektion im Bereich des harnproduzierenden und -ableitenden Systems ist die „klassische“ Harnwegsinfektion. Einzelne Abschnitte der ableitenden Harnwege können durch spezielle andere Erreger infiziert werden; s. Urethritis, Kap. „Urethritis“ (S. 662). Für eine Zystitis können z. B. Schistosomen (S. 574) oder BK-Viren (S. 264) verantwortlich sein. An den Nieren können einzelne Viren zum Nierenversagen führen; s. Hantavirus, Kap. „Bunyaviridae“ (S. 241) oder es kommt v. a. unter Immunsuppression nach Transplantation zu einer Reaktivierung von BKV oder CMV mit lokalen Infektionen.

10.2

Harnwegsinfektion – Zystitis und Pyelonephritis

Ätiopathogenese und Epidemiologie: Die häufigste Ursache ist die Aszension von Keimen aus dem Darm (Tab. I-10.1).

≡ I-10.1

Erreger von Harnwegsinfektionen

Erreger

Anteil in %

Quelle/Infektionsweg

Escherichia coli

50–70

aus der Darmflora

andere Enterobacterales

10

aus der Darmflora

Enterokokken

20

aus der Darmflora

Pseudomonas aeruginosa

5

aus Wasser

Staphylococcus aureus

5

von der Hautflora; hämatogen

Pilze*

2 Liter täglich) kann der Heilungsprozess begünstigt und durch Ansäuerung des Urins (z. B. durch Gabe von Vitamin C oder besser Methionin) das Bakterienwachstum gehemmt werden. Zur Besserung der Symptomatik kann eine kurzfristige, 1- bis 3-tägige antibiotische Therapie verabreicht werden, z. B. Fosfomycin-Trometanol, Niroxolin oder Pivmecillinam. Mit Resistenzen der Erreger gegen Amoxicillin, Chinolon und Cotrimoxazol muss gerechnet werden, vor allem bei älteren Menschen und bei hospitalisierten Patienten (Tab. I-10.3). Die asymptomatische Bakteriurie ist nur ausnahmsweise behandlungspflichtig z. B. in der Schwangerschaft.

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661

I 10.2 Harnwegsinfektion – Zystitis und Pyelonephritis

≡ I-10.3

Überlegungen zur kalkulierten Antibiotikatherapie einer Harnwegsinfektion

Antibiotikum

Überlegung

Cotrimoxazol

30–40 % aller E.-coli-Stämme sind bereits von vornherein resistent, v. a. bei Patienten, die schon zuvor im Krankenhaus waren. Enterokokken sind teilweise resistent. Cotrimoxazol wird zum Großteil renal ausgeschieden.

Chinolone

20–40 % aller Stämme von E. coli sind bereits von vornherein resistent (bei Personen > 50 Jahre steigt die Resistenzrate auf > 40 %). Enterokokken sind z. T. resistent. Norfloxacin wird nur zu 25 % resorbiert. Ciprofloxacin wird zu einem Großteil über Darm und Galle ausgeschieden, während Levofloxacin überwiegend renal eliminiert wird. Vor allem ältere Patienten haben ZNS-Nebenwirkungen.

Aminopenicilline 60 % aller E.-coli-Stämme sind bereits von vornherein resistent. Enterococcus faecalis ist noch immer zu 90 % empfindlich. Dagegen ist Enterococcus faecium zu 90 % resistent. Mecillinam

breites Spektrum; wird überwiegend renal ausgeschieden

Cephalosporine 90 % aller E.-coli-Stämme sind empfindlich (aber ESBL-bildende Enterobacterales nehmen zu). Jedoch sind Enterokokken der 3. Generation intrinsisch resistent. Während Ceftriaxon über den Darm ausgeschieden wird, was die Darmflora erheblich stören kann, erreichen Cefotaxim und orale Cephalosporine hohe Urinkonzentrationen. Fosfomycin

Der Trometanolester von Fosfomycin hat eine gute Bioverfügbarkeit. Bereits mit einer einzigen Gabe (single dose!) können unkomplizierte Harnwegsinfektionen mit E. coli und Enterokokken kuriert werden. Eine länger andauernde Monotherapie ist wegen der raschen Reistenzentwicklung nicht sinnvoll. Auch noch bei mäßiger Nierenfunktionseinschränkung verwendbar

Nitroxolin

breites Spektrum (speziell E.coli, hemmt sogar Sprosspilze); wirkt auch auf Keime im Biofilm

Nitrofurantoin

breites Spektrum; da aber Nebenwirkungen – speziell bei längerer Gabe – auftreten „nur wenn andere Antibiotika nicht indiziert sind“

Bei akuter Pyelonephritis und rezidivierenden Harnwegsinfektionen ist eine längere Antibiotikatherapie angebracht. Da die Erregerdiagnose und die Resistenzbestimmung meist erst verzögert vorliegen, muss zunächst mit einer kalkulierten Therapie begonnen werden. ▶ Merke. Ein ideales Antibiotikum für die kalkulierte Therapie bei Harnwegsinfek-

Bei akuter Pyelonephritis und Rezidiven ist eine längere Antibiotikatherapie indiziert.

▶ Merke.

tion gibt es nicht. Man sollte die Wahl gut begründen (Tab. I-10.3). ▶ Exkurs. Die Ergebnisse des Antibiogramms sind nicht immer voll auf die Wahl der geeigneten Antibiotika für eine Harnwegsinfektion übertragbar. Die Festlegung der Breakpoints (S. 317) ist eigentlich nur für die Therapie von systemischen Infektionen zutreffend, denn sie richtet sich nach den zu erreichenden Antibiotikakonzentrationen im Serum. Da aber manche Antibiotika mit renaler Ausscheidung im Urin deutlich höhere Spiegel erreichen als im Serum (z. B. Fosfomycin erreicht nach einer einzigen Gabe über 3 Tage Urinspiegel bis zu 4 000 mg/l, wobei der Breakpoint bei 32 mg/l festgelegt ist), können also im Prinzip auch noch sog. resistente Bakterien auf die Therapie ansprechen.

▶ Exkurs.

Prognose: Während eine unkomplizierte Zystitis wenig Beschwerden macht und meist spontan wieder ausheilt, droht bei einer Pyelonephritis eine septische Streuung (sog. Urosepsis), besonders häufig bei alten Menschen. Bei Rezidivneigung muss nach anatomischen bzw. funktionellen Ursachen gefahndet werden. Bei einer Pyelonephritis ist mit einer Defektheilung zu rechnen. Chronische Grunderkrankungen wie z. B. eine chronische Entzündung durch Schistosoma oder eine Querschnittlähmung führen oft zu einer fortschreitenden, destruierenden Entzündung mit Gefahr einer narbigen Schrumpfblase bzw. -niere.

Prognose: Es kann sich eine Urosepsis entwickeln. Eine chronisch entzündliche Reaktion kann zu Narbenbildungen führen, was schlussendlich zu einem bindegewebigen Umbau der Blase und Niere führen kann.

Prophylaxe: In jedem Fall ist eine Behebung der prädisponierenden Faktoren, speziell einer Abflussstörung, wichtig, um rekurrierende Harnwegsinfektionen zu unterbinden. Die Restharnmenge sollte nach der Miktion so gering wie möglich sein („Die Blase immer vollständig leeren!“) Da die meisten Erreger von Harnwegsinfektionen aus der Darmflora stammen, sollte nach dem Stuhlgang von vorne nach hinten gewischt werden, um die Darmflora nicht in die Nähe des Orificium urethrae zu bringen. Darüber hinaus tragen auch eine regelmäßige Körperhygiene und das Tragen von sauberer Unterwäsche zu einer Verhinderung der Keimvermehrung bei. Während einer Infektion, aber auch zur Verhinderung von Rezidiven, gilt der Rat: viel trinken! Oft ist gerade in der heißen Jahreszeit die Urinmenge aufgrund anderweitiger Feuchtigkeitsabgabe vermindert. Auch die Ansäuerung des Harns mittels oraler Gabe von Methionin trägt dazu bei, die Keimvermehrung zu stoppen. Durch orale Gabe von D-Mannose können die Fimbrien der Kolibakterien neutralisiert

Prophylaxe: Prädisponierende Faktoren sollten soweit möglich beseitigt werden. Körperhygiene verhindert die Aszension; ein großes Harnvolumen sowie eine Ansäuerung des Urins verhindern eine massive Keimvermehrung. Nitrofurantoin sowie Nitroxolin können über Monate zur Rezidivprophylaxe eingenommen werden.

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662

I 10 Infektionen der Niere und der ableitenden Harnwege

werden, was die Adhäsion der Erreger an das Blasenepithel verhindert. Nitrofurantoine können über 6 Monate zur Rezidivprophylaxe gegeben werden. Auch Nitroxolin ist für diese Indikation zugelassen. Dagegen erscheint die angebotene Impfung mit toten Kolibakterien (z. B. Uro-Vaxom) wenig aussichtsreich, Rezidive zu verhindern. 10.3

Urethritis

10.3 Urethritis

Ätiopathogenese: Neben einer Mitbeteiligung bei Infektionen der übrigen Harnwege gibt es spezifische, sexuell übertragbare Infektionen durch Gonokokken, Chlamydien, Mycoplasma bzw. Ureaplasma, Trichomonaden oder Viren (HSV Typ 2). Durch eine starke Entzündung der urethralen Schleimhaut kommt es zu Arrosionen.

Ätiopathogenese: Eine akute Entzündung kann im Rahmen einer Infektion der übrigen Harnwege auftreten aber auch unabhängig davon, z. B. bei der Frau nach Geschlechtsverkehr (postkoitale Infektion). Daneben gibt es aber auch spezifische Infektionen, die durch Gonokokken, Chlamydien, Mycoplasma bzw. Ureaplasma, Trichomonaden oder Viren (HSV Typ 2) hervorgerufen und sexuell übertragbar sind. Die genaue Ursachenfindung ist für die Therapie erforderlich. Eine nichtbakterielle Ursache (z. B. Morbus Reiter beim Mann) muss differenzialdiagnostisch bedacht werden. Auch Verletzungen, z. B. nach Katheterisierung, führen zu lokalen Entzündungen. Eine starke Entzündung der Schleimhaut der Urethra erzeugt Arrosionen, die durch Blut im Urin erkennbar werden.

Klinik: Schmerzen beim Wasserlassen, Ausfluss und Juckreiz.

Klinik: Typischerweise kommt es zu brennenden Schmerzen beim Wasserlassen, schleimigem oder eitrigem Ausfluss und Juckreiz, aber auch asymptomatische Verläufe sind möglich.

Diagnostik: Eiter bzw. Sekret werden mikroskopisch bzw. kulturell untersucht. Der „first void urine“ kann durch PCR auf Chlamydien getestet werden.

Diagnostik: Zur ätiologischen Klärung kann eine mikroskopische bzw. kulturelle Untersuchung von Eiter bzw. Sekret dienen. Eine Untersuchung von „first void urine“, d. h. der ersten Portion beim Wasserlassen, wo noch Eiter und Epithelzellen der Urethra enthalten sind (also nicht Mittelstrahlurin!) mittels PCR oder mittels Gensonden kann den Beweis einer Chlamydieninfektion bringen.

▶ Merke.

▶ Merke. Da die spezifischen Erreger einer Urethritis meistens nur beim Ge-

schlechtsverkehr übertragen werden, sollten auch die Partner untersucht und ggf. behandelt werden. Therapie: Die Behandlung erfolgt erregerspezifisch.

Therapie: Jeder der Erreger benötigt eine spezifische Therapie, z. B. Cefixim für Gononokken, Makrolide, Tetrazykline (Doxycyclin) bzw. Chinolone für Chlamydien und Mykoplasmen und Metronidazol für Trichomonaden. Zur kalkulierten Einmaltherapie der Urethritis wird die Kombination aus Cefixim und Azithromycin verwendet, die bis auf Trichomonaden alle relevanten Erreger erfasst.

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I

11 Infektionen der Geschlechtsorgane 11.1 11.2

Infektionen der männlichen Geschlechtsorgane . . . . . . . . . . . . . . . 663 Infektionen der weiblichen Geschlechtsorgane . . . . . . . . . . . . . . . 664

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11.1 Infektionen der männlichen

Geschlechtsorgane

11.1

Infektionen der männlichen Geschlechtsorgane

11.1.1 Orchitis

11.1.1 Orchitis

Ätiopathogenese: Meist sind Virusinfektionen die Ursache einer Orchitis. Mumpsviren (S. 226) und Enteroviren können im Rahmen einer disseminierten Infektion auch die Hoden (einseitig oder beidseitig) infizieren. Bakterielle Infektionen, z. B. durch Gonokokken oder Mykobakterien, kommen seltener vor. Gelegentlich sollte man mit exotischen Infektionen durch Pilze, wie Coccidioides und Histoplasma rechnen, wenn ein Aufenthalt in Endemiegebieten stattgefunden hat.

Ätiopathogenese: Meist führen Virusinfektionen (Mumps- oder Enteroviren) zu einer Orchitis. Bakterielle Infektionen sind selten.

Klinik: Häufig kommt es in Verbindung mit Fieber akut zu einer Schwellung und Rötung des Hodensacks. Als eine mögliche Konsequenz von Vernarbungen nach der akuten Infektion kann es zu einer Störung der Spermatogenese und damit zur Sterilität des Mannes kommen.

Klinik: Typisch ist ein geschwollener und geröteter Hodensack in Verbindung mit Fieber. Vernarbungen nach Infektion können zu Sterilität führen.

Diagnostik: Die Diagnostik erfolgt serologisch (Antikörpernachweis im Serum) und kulturell aus Biopsien oder Ejakulat. Die eigentliche Ursache bleibt oft ungeklärt.

Diagnostik: serologisch und kulturell.

Therapie: Als symptomatische Therapie sind eine Hochlagerung des Hodens und Bettruhe zu empfehlen. Bei bakterieller Infektion wird antibiotisch behandelt. Eine spezifische antivirale Therapie ist nicht möglich.

Therapie: symptomatisch (Hochlagerung des Hodens und Bettruhe), antibiotisch bei bakterieller Infektion.

11.1.2 Epididymitis

11.1.2 Epididymitis

Ätiopathogenese: Die meist einseitige Infektion des Nebenhodens tritt oft bei risikohaftem Sexualverhalten (z. B. häufig wechselnden Partnern) auf. In vielen Fällen sind gleichzeitig auch die Hoden bzw. die Prostata mitbetroffen. Neisserien und Chlamydien sind die häufigsten Erreger; aber Darmkeime und uropathogene Erreger sind ebenfalls möglich.

Ätiopathogenese: Ursächlich sind meist Infektionen mit Neisserien, Chlamydien, selten mit Darmkeimen oder uropathogenen Erregern.

Klinik: Es kommt typischerweise zu einer akut eitrigen Entzündung, bei der die schmerzhafte Nebenhodenschwellung im Vordergrund steht und evtl. durch Fieber begleitet wird. Ohne Behandlung neigt die Erkrankung zu chronischen Verläufen. Es kann zu Abszessen oder zu ausgedehntem narbigen Umbau mit nachfolgender Funktionsstörung kommen.

Klinik: Die akute eitrige Entzündung ist v. a. durch schmerzhafte Schwellung gekennzeichnet. Es kann zu chronischen Verläufen mit Abszessen oder narbigem Umbau kommen.

Diagnostik: Die Ursachenfindung ist schwierig. Man kann versuchen aus dem Ejakulat die bakteriellen Erreger zu züchten.

Diagnostik: ggf. Erregernachweis im Ejakulat.

Therapie: Es sollte eine sofortige antibiotische Behandlung (Notfall!) z. B. mit einem Fluorchinolon erfolgen. Maßnahmen wie Bettruhe sowie Kühlung und Hochlagerung des Hodens unterstützen den Heilungsprozess.

Therapie: sofortige Antibiotika-Therapie (z. B. mit einem Fluorchinolon), Bettruhe, Kühlung und Hochlagerung des Hodens.

11.1.3 Prostatitis

11.1.3 Prostatitis

Ätiologie: Als Ursache einer Infektion der Prostata kommen in erster Linie E. coli, Enterokokken, und Staphylokokken infrage. In zweiter Linie können auch Chlamydien und Mykoplasmen bzw. Ureaplasmen beteiligt sein.

Ätiologie: Erreger sind meist E. coli, Enterokokken, und Staphylokokken evtl. auch Chlamydien, Mykoplasmen bzw. Ureaplasmen.

Klinik: Die akute bakterielle Prostatitis geht mit Fieber, Schmerzen im Bereich von Becken und Rektum sowie mit Blasenentleerungsstörungen einher. Zusätzlich kommt es zu einer sexuellen Funktionsstörung (Libidoverlust, Erektions- und Ejaku-

Klinik: Es kommt zu Fieber, Schmerzen im Bereich von Becken und Rektum, Blasenentleerungsstörungen und einer sexuellen Funktionsstörung. Die Prostatitis verläuft oft chronisch. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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I 11 Infektionen der Geschlechtsorgane

lationsstörungen sowie Schmerzen nach dem Orgasmus). Eine Neigung zu chronischen Verläufen besteht häufig, da aufgrund der schweren Erreichbarkeit des Prostatagewebes selbst bei sofortiger und gezielter Antibiotikatherapie eine Ausheilung manchmal nicht möglich ist. Diagnostik: Mittels rektaler Untersuchung ist die geschwollene, schmerzhafte Prostata tastbar. Im Prostatasekret finden sich Leukozyten und Bakterien, ggf. Biopsie.

Diagnostik: Bei der rektalen Untersuchung tastet man eine geschwollene Prostata, die infolge der Entzündung druckschmerzhaft ist. Bei der Laboruntersuchung findet man im Prostatasekret Leukozyten und Bakterien. Ggf. ist eine Biopsie zur histologischen und mikrobiologischen Klärung angezeigt.

Therapie: Chinolone oder Ampicillin + Aminoglykosid oder Fosfomycin.

Therapie: Geeignet sind Chinolone (speziell Levofloxacin) oder Ampicillin in Kombination mit Aminoglykosiden. Allerdings ist die Penetration vieler Antibiotika in dieses derbe Gewebe erschwert. Fosfomycin, welches wegen seiner geringen Molekülgröße gut gewebegängig ist, kann ebenfalls verwendet werden, wenn es wiederholt eingenommen wird.

Prophylaxe: Levofloxacin zur perioperativen Prophylaxe bei Eingriffen in eine entzündete Prostata.

Prophylaxe: Zur perioperativen Prophylaxe bei Eingriffen in eine entzündete Prostata ist ausnahmsweise eine Gabe von Levofloxacin bereits schon am Vorabend der geplanten Operation sinnvoll, damit zum Zeitpunkt der Eröffnung bereits Antibiotika in dem derben Gewebe vorhanden sind.

11.2

Infektionen der weiblichen Geschlechtsorgane

11.2.1 Vulvitis ▶ Definition.

11.2 Infektionen der weiblichen

Geschlechtsorgane 11.2.1 Vulvitis ▶ Definition. Entzündliche Veränderungen am äußeren Genitale der Frau.

Ätiopathogenese: Die Erreger werden sexuell oder über Schmierinfektion übertragen. Ursachen sind meist Bakterien (Staphylokokken, Streptokokken), aber auch Pilze, Parasiten und Viren.

Ätiopathogenese: Das äußere Genitale der Frau ist häufig bei einer Vaginitis mitbetroffen (Vulvovaginitis). Gelegentlich dehnt sich auch eine Bartholinitis auf die Vulva aus. Während einige Erreger sexuell übertragen werden, entstehen andere über Schmierinfektionen. Ursachen sind meistens Bakterien (Staphylococcus aureus, Streptokokken, Enterobacterales, selten: Haemophilus ducreyi, Treponema pallidum), aber auch Hefepilze (Candida spp.), Parasiten (Phthirus pubis, Scabies) sowie Viren, z. B. Herpes-simplex-Viren (v. a. Typ 2) und humane Papilloma-Viren (HPV).

Klinik: Typisch sind Juckreiz und Brennen.

Klinik: Subjektive Beschwerden sind Juckreiz und Brennen im Genitalbereich.

Diagnostik: Bei der Inspektion ist eine Rötung (evtl. Knötchen, Bläschen) erkennbar. Mikroskopische bzw. kulturelle Untersuchung eines Abstrichs, Serologie, PCR.

Diagnostik: Bei der Inspektion dominiert zunächst eine Rötung, die sich je nach Erreger in Knötchen, Bläschen oder Ulzera weiterentwickeln kann. Die ätiologische Klärung erfolgt durch mikroskopische bzw. kulturelle Untersuchung eines Abstrichs oder durch Serologie. HSV kann durch PCR nachgewiesen werden, wobei auch der Typ bestimmt werden kann.

Therapie: Antientzündliche und antiseptische Therapie, Antibiotika je nach Ätiologie.

Therapie: Eine antientzündliche Therapie und eine lokale Gabe von Antiseptika können helfen. Eine gezielte antimikrobielle Therapie richtet sich nach der Ätiologie. Gegen Scabies und Läuse wirken Lindan oder Pyrethrum.

11.2.2 Vaginitis (Kolpitis)

11.2.2 Vaginitis (Kolpitis)

▶ Definition.

Ätiopathogenese: Bei einer Störung der normalen Scheidenflora kann eine Kolpitis entstehen (primär oder sekundär). Begünstigende Faktoren sind Östrogenmangel, Antibiotikatherapie, übertriebene Genitalhygiene.

▶ Definition. Entzündliche Veränderungen in der Scheide.

Ätiopathogenese: Laktobazillen (Döderlein-Bakterien) sorgen in der gesunden Vagina für einen sauren pH-Wert, der einen weitgehenden Schutz vor der Invasion pathogener Mikroorganismen bietet, s. Kap. „Physiologie und Kultur der Bakterien“ (S. 298). Bei einer Störung der normalen Scheidenflora kann es daher zu einer Kolpitis kommen, entweder primär (große Menge pathogener Keime dringt in die Scheide ein und stört dort das physiologische Scheidenmilieu) oder sekundär (pathogene Keime entwickeln sich auf dem Boden eines bereits gestörten Scheidenmilieus). Faktoren, welche die protektive Laktobazillenflora stören (Anstieg des pH-Wertes), sind z. B. Östrogenmangel (z. B. Wechseljahre), Antibiotikatherapie, übertriebene Genitalhygiene (Seife). Auch häufig wechselnde Geschlechtspartner führen zu einer Inzidenzsteigerung.

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I 11 Infektionen der Geschlechtsorgane

lationsstörungen sowie Schmerzen nach dem Orgasmus). Eine Neigung zu chronischen Verläufen besteht häufig, da aufgrund der schweren Erreichbarkeit des Prostatagewebes selbst bei sofortiger und gezielter Antibiotikatherapie eine Ausheilung manchmal nicht möglich ist. Diagnostik: Mittels rektaler Untersuchung ist die geschwollene, schmerzhafte Prostata tastbar. Im Prostatasekret finden sich Leukozyten und Bakterien, ggf. Biopsie.

Diagnostik: Bei der rektalen Untersuchung tastet man eine geschwollene Prostata, die infolge der Entzündung druckschmerzhaft ist. Bei der Laboruntersuchung findet man im Prostatasekret Leukozyten und Bakterien. Ggf. ist eine Biopsie zur histologischen und mikrobiologischen Klärung angezeigt.

Therapie: Chinolone oder Ampicillin + Aminoglykosid oder Fosfomycin.

Therapie: Geeignet sind Chinolone (speziell Levofloxacin) oder Ampicillin in Kombination mit Aminoglykosiden. Allerdings ist die Penetration vieler Antibiotika in dieses derbe Gewebe erschwert. Fosfomycin, welches wegen seiner geringen Molekülgröße gut gewebegängig ist, kann ebenfalls verwendet werden, wenn es wiederholt eingenommen wird.

Prophylaxe: Levofloxacin zur perioperativen Prophylaxe bei Eingriffen in eine entzündete Prostata.

Prophylaxe: Zur perioperativen Prophylaxe bei Eingriffen in eine entzündete Prostata ist ausnahmsweise eine Gabe von Levofloxacin bereits schon am Vorabend der geplanten Operation sinnvoll, damit zum Zeitpunkt der Eröffnung bereits Antibiotika in dem derben Gewebe vorhanden sind.

11.2

Infektionen der weiblichen Geschlechtsorgane

11.2.1 Vulvitis ▶ Definition.

11.2 Infektionen der weiblichen

Geschlechtsorgane 11.2.1 Vulvitis ▶ Definition. Entzündliche Veränderungen am äußeren Genitale der Frau.

Ätiopathogenese: Die Erreger werden sexuell oder über Schmierinfektion übertragen. Ursachen sind meist Bakterien (Staphylokokken, Streptokokken), aber auch Pilze, Parasiten und Viren.

Ätiopathogenese: Das äußere Genitale der Frau ist häufig bei einer Vaginitis mitbetroffen (Vulvovaginitis). Gelegentlich dehnt sich auch eine Bartholinitis auf die Vulva aus. Während einige Erreger sexuell übertragen werden, entstehen andere über Schmierinfektionen. Ursachen sind meistens Bakterien (Staphylococcus aureus, Streptokokken, Enterobacterales, selten: Haemophilus ducreyi, Treponema pallidum), aber auch Hefepilze (Candida spp.), Parasiten (Phthirus pubis, Scabies) sowie Viren, z. B. Herpes-simplex-Viren (v. a. Typ 2) und humane Papilloma-Viren (HPV).

Klinik: Typisch sind Juckreiz und Brennen.

Klinik: Subjektive Beschwerden sind Juckreiz und Brennen im Genitalbereich.

Diagnostik: Bei der Inspektion ist eine Rötung (evtl. Knötchen, Bläschen) erkennbar. Mikroskopische bzw. kulturelle Untersuchung eines Abstrichs, Serologie, PCR.

Diagnostik: Bei der Inspektion dominiert zunächst eine Rötung, die sich je nach Erreger in Knötchen, Bläschen oder Ulzera weiterentwickeln kann. Die ätiologische Klärung erfolgt durch mikroskopische bzw. kulturelle Untersuchung eines Abstrichs oder durch Serologie. HSV kann durch PCR nachgewiesen werden, wobei auch der Typ bestimmt werden kann.

Therapie: Antientzündliche und antiseptische Therapie, Antibiotika je nach Ätiologie.

Therapie: Eine antientzündliche Therapie und eine lokale Gabe von Antiseptika können helfen. Eine gezielte antimikrobielle Therapie richtet sich nach der Ätiologie. Gegen Scabies und Läuse wirken Lindan oder Pyrethrum.

11.2.2 Vaginitis (Kolpitis)

11.2.2 Vaginitis (Kolpitis)

▶ Definition.

Ätiopathogenese: Bei einer Störung der normalen Scheidenflora kann eine Kolpitis entstehen (primär oder sekundär). Begünstigende Faktoren sind Östrogenmangel, Antibiotikatherapie, übertriebene Genitalhygiene.

▶ Definition. Entzündliche Veränderungen in der Scheide.

Ätiopathogenese: Laktobazillen (Döderlein-Bakterien) sorgen in der gesunden Vagina für einen sauren pH-Wert, der einen weitgehenden Schutz vor der Invasion pathogener Mikroorganismen bietet, s. Kap. „Physiologie und Kultur der Bakterien“ (S. 298). Bei einer Störung der normalen Scheidenflora kann es daher zu einer Kolpitis kommen, entweder primär (große Menge pathogener Keime dringt in die Scheide ein und stört dort das physiologische Scheidenmilieu) oder sekundär (pathogene Keime entwickeln sich auf dem Boden eines bereits gestörten Scheidenmilieus). Faktoren, welche die protektive Laktobazillenflora stören (Anstieg des pH-Wertes), sind z. B. Östrogenmangel (z. B. Wechseljahre), Antibiotikatherapie, übertriebene Genitalhygiene (Seife). Auch häufig wechselnde Geschlechtspartner führen zu einer Inzidenzsteigerung.

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665

I 11.2 Infektionen der weiblichen Geschlechtsorgane

Häufige Erreger sind Bakterien (Gardnerella, Mobiluncus, andere Anaerobier, Atopobium vaginae), Pilze (Candida albicans und C. glabrata), Protozoen (Trichomonas), Würmer (Enterobius) und Viren (HSV Typ 2).

Häufige Erreger sind Bakterien (Gardnerella), Pilze (Candida), Protozoen (Trichomonas), Würmer (Enterobius) und Viren.

Klinik: Typisch sind Juckreiz und ein vermehrter Ausfluss (Fluor vaginalis).

Klinik: Juckreiz und vermehrter Ausfluss.

Diagnostik: Sie besteht in einer Untersuchung des Fluor vaginalis (Menge, Konsistenz, Farbe und Geruch). Bei Infektion mit Gardnerella entsteht durch Zugabe von 10 % KOH-Lösung zum Fluor ein fischartiger Geruch (sog. Aminkolpitis). Unter dem Mikroskop können bereits einige Erreger identifiziert werden, z. B. Hefepilze, Trichomonaden und auch sog. „Clue cells“ (Plattenepithelzellen), an denen sehr viele Stäbchenbakterien hängen (typisch für bakterielle Vaginitis durch Gardnerella, Abb. I-11.1). Die lokale Infektion führt nicht zu einer Erhöhung von BSG, CRP bzw. zu Leukozytose im Blut. Die verschiedenen Erreger lassen sich mittels Kultur oder PCR verifizieren.

Diagnostik: Der Fluor vaginalis muss hinsichtlich Menge, Konsistenz, Farbe und Geruch untersucht werden. Durch mikroskopische (Abb. I-11.1) und kulturelle Untersuchungen sowie PCR können die Erreger identifiziert werden.

⊙ I-11.1

„Clue cells“ bei bakterieller Vaginitis (Nativpräparat)

⊙ I-11.1

Die Plattenepithelzellen sind dicht mit Stäbchenbakterien (vermutlich Gardnerella) belegt. (Quelle: Abbildung mit freundlicher Genehmigung Prof. K. Friese, München)

Therapie: Die antimikrobielle Therapie richtet sich nach der Ursache. Die Vaginalmykose wird lokal mit Polyenen (Amphotericin B oder Nystatin) oder mit Azolen (Clotrimazol, Miconazol) behandelt; bei schweren Fällen kann auch eine orale Therapie erfolgen (z. B. Fluconazol; meist reicht eine Einzelgabe). Bei bakterieller Infektion und gegen Trichomonas wirkt Metronidazol (oral), bei Herpesviren Aciclovir. Auch eine lokale Anwendung von Antiseptika (Jodverbindungen, Polihexanid, Octenisept) ist hilfreich. Eine lokale Ansäuerung durch Laktobazillen-, Milchsäure- und VitaminC-Präparate wirkt supportiv.

Therapie: Die antimikrobielle Therapie richtet sich nach der Ursache. Lokale Maßnahmen wie Antiseptika oder Ansäuerung durch Laktobazillen-, Milchsäure- und Vitamin-CPräparate sind allenfalls supportiv.

11.2.3 Infektionen des inneren Genitales

11.2.3 Infektionen des inneren Genitales

▶ Definition. Infektionen des Uterus werden in Infektionen der Zervix (Zervizitis) und des Endometriums (Endometritis) unterteilt. Als Adnexitis wird eine ein- oder beidseitige Entzündung des oberen Genitaltrakts mit Beteiligung der Eileiter (Salpingitis) und der Eierstöcke (Oophoritis) einschließlich der umgebenden Gewebe bezeichnet.

▶ Merke. Da Zervizitis, Endometritis und Adnexitis oft kombiniert vorkommen und

▶ Definition.

▶ Merke.

auch auf die umgebenden Strukturen/Organe (Peritoneum, Douglasraum, Darm) im Becken übergreifen können, wird dafür international der Begriff Pelvic inflammatory disease (PID) verwendet.

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666

I 11 Infektionen der Geschlechtsorgane

Ätiopathogenese: Meist handelt es sich um eine aszendierende Infektion; die Erreger werden sexuell übertragen (häufig Chlamydia trachomatis, Gonokokken). Auch puerpale oder postoperative Infektionen sind möglich. Selten treten hämatogene oder deszendierende Infektionen auf.

Ätiopathogenese: In vielen Fällen entsteht die Erkrankung durch Aszension von Erregern, die beim Geschlechtsverkehr übertragen werden (sog. STD = Sexually transmitted disease), z. B. Chlamydia trachomatis, Gonokokken, Streptococcus pyogenes (Serogruppe A), Herpes-simplex-Viren (Typ 2), humane Papilloma-Viren (HPV), Zytomegalievirus (CMV). Weitere Ursachen können eine puerperale (im Wochenbett) oder postoperative Infektion mit Staphylococcus aureus oder Enterobacterales sein. In seltenen Fällen treten hämatogene (z. B. durch Mykobakterien) oder deszendierende (z. B. bei einer Appendizitis) Infektionen auf.

Klinik: ■ Zervizitis: meist symptomlos, ggf. Ausfluss ■ Endometritis: Ausfluss, evtl. Fieber, Schmerzen, Blutungsstörungen ■ Adnexitis: plötzlicher Beginn mit starken Schmerzen und Fieber.

Klinik: Eine Zervizitis verläuft meist symptomlos, manchmal wird ein gelblicher, klebriger Ausfluss bemerkt. Bei der Endometritis können Blutungsstörungen (z. B. Zwischenblutungen) auftreten, evtl. auch unspezifische Unterbauchschmerzen, Fieber und abnormer Ausfluss. Typische Symptome einer akuten Adnexitis sind ein plötzlicher Beginn mit z. T. starken Unterbauchschmerzen (v. a. bei gonorrhoischer Infektion), Fieber, Übelkeit und Erbrechen. In manchen Fällen bestehen Regelblutungsstörungen und Ausfluss.

Komplikationen: bei Adnexitis: Tuboovarialabszess, Peritonitis, Sterilität, Extrauteringravidität.

Komplikationen: Bei der Adnexitis kann sich der Entzündungsprozess auf die umliegenden Strukturen/Organe ausdehnen (z. B. Parametritis, Tuboovarialabszess, Peritonitis). Gefürchtete Spätkomplikationen sind Sterilität (Verklebung der Eileiter), die Entstehung einer Extrauteringravidität und chronische Unterbauchschmerzen durch Verwachsungen.

Diagnostik: ■ Zervizitis: vulnerable, gerötete Zervix mit Ausfluss ■ Endometritis: Ausfluss, druckdolenter Uterus ■ Adnexitis: Druck- und Schiebeschmerz des Uterus (ggf. Peritonealreizung), erhöhte Entzündungsparameter, Sonografie. Zum Erregernachweis wird ein Abstrich der Zervix entnommen (Nativpräparat, Kultur, PCR).

Diagnostik: Im Rahmen der gynäkologischen Untersuchung imponieren bei Zervizitis eine vulnerable (Kontaktblutung), gerötete Zervix mit gelblich, eitrigem Ausfluss. Auch bei Endometritis zeigt sich ein eitriger Ausfluss, zudem ist der Uterus häufig druckdolent. Zur Bestimmung des verursachenden Erregers wird ein Abstrich aus der Zervix entnommen. Neben Untersuchung des Nativpräparats und Kultur ist auch eine PCR geeignet (speziell für den Nachweis von Chlamydien, HSV und CMV). Typisch für die Adnexitis ist ein Druck- und Schiebeschmerz des Uterus, je nach Ausmaß mit Peritonealreizung. Laborchemisch zeigen sich erhöhte Entzündungsparameter (Leukozyten↑, BSG↑, CRP↑). Weitere diagnostische Maßnahmen sind Erregernachweis (Abstrich aus Zervix), Sonografie und ggf. Laparoskopie (Beurteilung der Adnexe, Erregernachweis).

Therapie: Die Behandlung erfolgt antibiotisch (Chinolone, Makrolide, Doxycyclin) je nach Erreger. Bei Fortschreiten der Entzündung kann eine operative Intervention notwendig werden.

Therapie: Hat sich der Verdacht auf eine Infektion bestätigt, wird eine AntibiotikaTherapie eingeleitet. Chinolone (Moxifloxacin, Levofloxacin), Makrolide (z. B. Azithromycin), und Doxycyclin sind gegen die meisten bakteriellen Erreger wirksam. Nach Erhalt der Abstrichresultate kann die Therapie ggf. angepasst werden. Bei Infektion mit Gonokokken ist primär Cefixim, Cefotaxim bzw. Ceftriaxon indiziert. Bei Tbc müssen spezielle Kombinationen eingesetzt werden (s. Tab. D-2.19). Gegen HSV hilft Aciclovir. Bei Fortschreiten der Entzündung kann eine operative Intervention notwendig werden.

▶ Merke.

▶ Merke. Bei Gonokokken- und Chlamydieninfektion ist auch eine Partnerbehand-

lung notwendig. Prävention: „Safer Sex“ (Kondome), Genitalhygiene.

Prävention: „Safer Sex“ (Kondome) und eine Genitalhygiene wirken vorbeugend gegen Infektionen im Genitalbereich.

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I

12 Infektionen von Knochen und Gelenken 12.1 12.2

Osteomyelitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667 Arthritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 669

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12.1 Osteomyelitis ▶ Definition. Entzündung des Knochenmarks, in den meisten Fällen verbunden mit

12.1

Osteomyelitis

▶ Definition.

einer Ostitis bzw. Periostitis. Ätiologie: Die Entstehungsweise ermöglicht Rückschlüsse auf die Ätiologie (Tab. I-12.1).

Ätiologie: Die Entstehungsweise ermöglicht Rückschlüsse auf die Ätiologie (Tab. I-12.1).

Klinik: Fieber, Schmerzen (v. a. wenn das Periost befallen ist), Funktionseinschränkungen.

Klinik: Fieber, Schmerzen.

≡ I-12.1

≡ I-12.1

Osteomyelitis

Entstehungsweise

Ätiologie (Erreger)

traumatisch

Staphylokokken, Enterokokken, Enterobacterales, Pseudomonas, Anaerobier, Mischinfektionen

septisch

Staphylococcus aureus, Tbc, Salmonella, Brucella, Aggregatibacter, Pasteurella, Eikenella, Candida

per continuitatem

Staphylokokken, Enterobacterales, Anaerobier, Mischinfektionen

iatrogen/postoperativ

Staphylococcus aureus, Mischinfektionen

▶ Klinischer Fall. Ein 43-jähriger Polizeibeamter stellte sich zunächst beim Hausarzt wegen Rückenschmerzen vor. Da diese Symptome im Laufe von wenigen Tagen ständig zunahmen und auch noch Fieber, Schüttelfrost und Gewichtsabnahme hinzukamen, wurde er stationär aufgenommen. Im Röntgenbild zeigten sich im Bereich der Lendenwirbelsäule osteolytische Herde. Bei der Operation konnte daraus Eiter entnommen werden, der Aggregatibacter aphrophilus enthielt. Es wurde anamnestisch geklärt, dass der Polizist 4 Wochen zuvor bei der Festnahme eines Kriminellen von diesem an der Hand gekratzt und gebissen worden war. Die oberflächlichen Entzündungen wurden damals nicht ernst genommen.

▶ Klinischer Fall.

▶ Exkurs. Spondylitis, Spondylodiszitis Die Spondylitis ist die Osteomyelitis der Wirbelkörper, von Spondylodiszitis spricht man bei einem Befall der Bandscheiben. Beide Formen können primär auftreten und sekundär ineinander übergehen. Im klinischen Alltag sind sie meist nicht sicher zu unterscheiden. Der Befall des Wirbelkörpers bzw. der Bandscheiben erfolgt meist durch endogene Streuung von einem entfernten, lokalen Entzündungsherd (z. B. einer Wunde). Das Erregerspektrum entspricht dem der Osteomyelitis. Klinisch stehen hier neben Fieber und Einschränkung des Allgemeinbefindens insbesondere Rückenschmerzen im Vordergrund. Im weiteren Verlauf der Infektion kann es zu Destruktion der Wirbelkörper (Abb. I-12.1) und ausgedehnter Abszessbildung kommen. Bei Einbruch in den Wirbelkanal zeigen sich neurologische Ausfälle bis hin zur Querschnittslähmung.

▶ Exkurs.

Allgemeine Diagnostik: ■ Klinisch: Fieber, evtl. Destabilisierung und Funktionseinschränkung mit neuronalen Schäden, evtl. Fistelung nach außen. ■ Labor: Entzündungsparameter wie CRP bzw. BSG sind erhöht, evtl. besteht auch eine Leukozytose und Hyposiderinämie. ■ Bildgebende Verfahren: Im Röntgenbild, CT, MRT (Abb. I-12.1) oder in der Szintigrafie mit 99mTc kann man einen knöchernen Umbau der Knochenstruktur, Fistelgänge oder Sequester erkennen, die sich bei chronischen Prozessen bilden.

Allgemeine Diagnostik: Zur Diagnose tragen vor allem der klinische Befund, Laboruntersuchungen und bildgebende Verfahren (Abb. I-12.1) bei.

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668 ⊙ I-12.1

I 12 Infektionen von Knochen und Gelenken

MRT einer frischen bakteriellen Spondylodiszitis im Segment LWK 1/2

a

b

c

Bei einem 1½-jährigen Jungen mit einer bakteriellen Infektion – ausgehend von der Wirbelzwischenscheibe – kam es zu einer Destruktion der Bandscheibe LWK 1/2 unter Beteiligung der angrenzenden Grund- und Deckplatten. (Quelle: Abbildungen mit freundlicher Genehmigung von Prof. C. Düber, Mainz)

a T 1-gewichtete Sequenz vor Gabe eines MRT-Kontrastmittels. b T 1-gewichtete Sequenz nach Gabe eines MRT-Kontrastmittels (Zunahme der Signalintensität in den angrenzenden Wirbelkörpern als Zeichen der entzündungsbedingten Hyperämie). c T 2-gewichtete Sequenz (wasserhaltige Bandscheibenscheiben stellen sich signalreich = weiß dar).

Mikrobiologische Diagnostik: Erregernachweis.

Mikrobiologische Diagnostik: ■ Erregernachweis durch Blutkultur, evtl. Abstrich bzw. Punktion (Biopsien sind auch sinnvoll, um Differenzialdiagnosen, z. B. Sarkom, abzuklären).

Therapie: Neben der operativen Behandlung kommt der richtigen Antibiotikatherapie ein hoher Stellenwert zu.

Therapie: Operativ: Entlastung, Entfernung von Sequestern soweit möglich, Stabilisierung. ■ Antimikrobiell: Am besten ist eine gezielte Antibiotikatherapie nach Erreger und Austestung der Empfindlichkeit; ansonsten kalkulierte Therapie, wobei Staphylococcus aureus bei weitem der häufigste Erreger ist. Diese Bakterien können im Prinzip mit Flucloxacillin oder einem Cephalosporin der 1. Generation (z. B. Cefazolin) behandelt werden; ausreichende Gewebespiegel werden aber erst nach längerer Gabe und nach Applikation hoher Dosen erreicht; außerdem sollte man bedenken, dass die Gesamtdosis auf mehrere Applikationen zu verteilen sind, weil bei Betalaktamen nicht die Spitzenspiegel für den therapeutischen Erfolg entscheidend sind, s. Kap. „Pharmakokinetik“ (S. 320). Da Fosfomycin hervorragend in den Knochen penetriert, wäre es als Kombinationspartner mit einem der Betalaktamantibiotika gut geeignet. Alternativ käme Clindamycin oder ein Makrolid infrage. Bei resistenten Erregern, z. B. MRSA, evtl. Glykopeptide oder Lipopeptide. Vancomycin ist zwar nominell gut gegen Staphylokokken wirksam, aber das „sperrige“ Molekül penetriert nur schlecht ins Gewebe und speziell in den Knochen.

▶ Merke.



▶ Merke. Insgesamt muss eine lange Behandlungszeit eingehalten und mit einer re-

lativ großen Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs gerechnet werden. Kontrollen sind also erforderlich. Bei spezieller Genese, z. B. nach Menschenbiss, muss mit anderen Keimen, etwa Pasteurella oder Haemophilus, gerechnet werden und entsprechend auch die Therapie angepasst werden, z. B. Ciprofloxacin bzw. Doxycyclin bei Brucella. Bei Annahme oder Beleg einer Mischinfektion müssen Antibiotika kombiniert werden, um das Spektrum zu erweitern, z. B. Cephalosporin der 2. Generation (z. B. Cefuroxim) plus Clindamycin oder Levofloxacin plus Clindamycin. Die Einlage von antibiotikagetränkten Kugeln/Fäden in das infizierte Gebiet ist wenig wirksam, weil die Diffusionsstrecke von Antibiotika nur sehr kurz ist. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

669

I 12.2 Arthritis

Prognose: Vor allem bei chronischen Verläufen muss mit einer Defektheilung gerechnet werden. ▶ Exkurs. Ausgehend von einer Osteomyelitis kommt es gelegentlich zu einer Entzündung der benachbarten Gelenke.

12.2 Arthritis

Prognose: v. a. bei chronischen Verläufen drohen Defektheilungen. ▶ Exkurs.

12.2

▶ Definition. Eine Arthritis ist die Entzündung eines Gelenks und beruht entweder auf einer Infektion (meist eine akut eitrige, bakterielle Entzündung, Tab. I-12.2) oder auf einer immunpathologischen Ursache, die meist chronisch verläuft und mit einem serösen Infiltrat einhergeht (Tab. I-12.4).

▶ Merke. Im Gegensatz dazu ist die Arthrose Folge einer degenerativen Verände-

Arthritis

▶ Definition.

▶ Merke.

rung eines Gelenks. Epidemiologie: Das Geschlecht hat einen ganz erheblichen Einfluss auf solche Immunreaktionen; besonders Frauen im Alter > 40 Jahre sind betroffen. Im Norden Europas (Finnland) sind manche dieser Komplikationen viel häufiger als in den Mittelmeerländern. Die Inzidenz beträgt etwa 2–10/100 000 Einwohner jährlich. Bei Männern mit einer genetisch definierten HLA-Klasse I (HLA B27) im Alter von 20– 30 Jahren tritt wenige Wochen nach einer Darm- bzw. Harnwegsinfektionen das Reiter-Syndrom auf, eine seronegative, postinfektiöse Komplikation typischerweise in Form einer Trias mit Arthritis, Konjunktivitis und Urethritis.

Epidemiologie: Besonders Frauen im Alter > 40 Jahre sind von immunpathologischer Arthritis betroffen.

Ätiologie: Für die akute eitrige Arthritis sind meist Bakterien verantwortlich. Mögliche Erregerquellen sind vorausgegangene Infektionen des Gastrointestinal-, Urogenital- und Respirationstraktes sowie der Haut, wobei jeweils charakteristische Erreger als Auslöser infrage kommen (Tab. I-12.2). Ca. 60 % entstehen hämatogen, 30 % postoperativ und 10 % posttraumatisch. Eine infektiöse Komplikation nach Gelenkersatz kann durch ganz verschiedene Erreger bedingt sein und sich unterschiedlich manifestieren (Tab. I-12.3). Erschwert wird hier die Therapie, da sich ein Biofilm an dem Fremdkörper bilden kann. Bei der reaktiven, serösen Arthritis ist die Gelenkkapsel Ort einer Immunreaktion mit kreuzreagierenden Antigenen zwischen Erregern und humanem Gewebe. Mögliche Ursachen sind in Tab. I-12.4 aufgeführt; darüber hinaus gibt es noch viele andere Ursachen z. B. Autoimmunkrankheiten aus dem „rheumatischen Formenkreis“: Morbus Still, chronische Polyarthritis, Psoriasis, Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew), Kollagenose, Granulomatose mit Polyangiitis.

Ätiologie: Eine Entzündung der Gelenke kann durch eine zumeist bakterielle Infektion oder durch eine kreuzreagierende Immunreaktion bedingt sein.

≡ I-12.2

Akute, eitrige Arthritis (Arthritis purulenta)

Erreger

Ursachen

S. aureus

posttraumatisch, postoperativ, fortgeleitet von Osteomyelitis bzw. Weichteilinfektion

koagulasenegative Staphylokokken

postoperativ

Borrelia burgdorferi

Zeckenstich

Pasteurella

Menschen- und Tierbiss

Haemophilus

Menschen- und Tierbiss

N. gonorrhoeae

septische Streuung

Enterobacterales

posttraumatisch, postoperativ

Pseudomonas

posttraumatisch, postoperativ

Streptococcus pneumoniae

(nach) Sinusitis, Otitis media, Pneumonie

Mischinfektion (Anaerobier)

posttraumatisch

Candida

postoperativ, i. v. Drogenabusus

≡ I-12.2

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669

I 12.2 Arthritis

Prognose: Vor allem bei chronischen Verläufen muss mit einer Defektheilung gerechnet werden. ▶ Exkurs. Ausgehend von einer Osteomyelitis kommt es gelegentlich zu einer Entzündung der benachbarten Gelenke.

12.2 Arthritis

Prognose: v. a. bei chronischen Verläufen drohen Defektheilungen. ▶ Exkurs.

12.2

▶ Definition. Eine Arthritis ist die Entzündung eines Gelenks und beruht entweder auf einer Infektion (meist eine akut eitrige, bakterielle Entzündung, Tab. I-12.2) oder auf einer immunpathologischen Ursache, die meist chronisch verläuft und mit einem serösen Infiltrat einhergeht (Tab. I-12.4).

▶ Merke. Im Gegensatz dazu ist die Arthrose Folge einer degenerativen Verände-

Arthritis

▶ Definition.

▶ Merke.

rung eines Gelenks. Epidemiologie: Das Geschlecht hat einen ganz erheblichen Einfluss auf solche Immunreaktionen; besonders Frauen im Alter > 40 Jahre sind betroffen. Im Norden Europas (Finnland) sind manche dieser Komplikationen viel häufiger als in den Mittelmeerländern. Die Inzidenz beträgt etwa 2–10/100 000 Einwohner jährlich. Bei Männern mit einer genetisch definierten HLA-Klasse I (HLA B27) im Alter von 20– 30 Jahren tritt wenige Wochen nach einer Darm- bzw. Harnwegsinfektionen das Reiter-Syndrom auf, eine seronegative, postinfektiöse Komplikation typischerweise in Form einer Trias mit Arthritis, Konjunktivitis und Urethritis.

Epidemiologie: Besonders Frauen im Alter > 40 Jahre sind von immunpathologischer Arthritis betroffen.

Ätiologie: Für die akute eitrige Arthritis sind meist Bakterien verantwortlich. Mögliche Erregerquellen sind vorausgegangene Infektionen des Gastrointestinal-, Urogenital- und Respirationstraktes sowie der Haut, wobei jeweils charakteristische Erreger als Auslöser infrage kommen (Tab. I-12.2). Ca. 60 % entstehen hämatogen, 30 % postoperativ und 10 % posttraumatisch. Eine infektiöse Komplikation nach Gelenkersatz kann durch ganz verschiedene Erreger bedingt sein und sich unterschiedlich manifestieren (Tab. I-12.3). Erschwert wird hier die Therapie, da sich ein Biofilm an dem Fremdkörper bilden kann. Bei der reaktiven, serösen Arthritis ist die Gelenkkapsel Ort einer Immunreaktion mit kreuzreagierenden Antigenen zwischen Erregern und humanem Gewebe. Mögliche Ursachen sind in Tab. I-12.4 aufgeführt; darüber hinaus gibt es noch viele andere Ursachen z. B. Autoimmunkrankheiten aus dem „rheumatischen Formenkreis“: Morbus Still, chronische Polyarthritis, Psoriasis, Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew), Kollagenose, Granulomatose mit Polyangiitis.

Ätiologie: Eine Entzündung der Gelenke kann durch eine zumeist bakterielle Infektion oder durch eine kreuzreagierende Immunreaktion bedingt sein.

≡ I-12.2

Akute, eitrige Arthritis (Arthritis purulenta)

Erreger

Ursachen

S. aureus

posttraumatisch, postoperativ, fortgeleitet von Osteomyelitis bzw. Weichteilinfektion

koagulasenegative Staphylokokken

postoperativ

Borrelia burgdorferi

Zeckenstich

Pasteurella

Menschen- und Tierbiss

Haemophilus

Menschen- und Tierbiss

N. gonorrhoeae

septische Streuung

Enterobacterales

posttraumatisch, postoperativ

Pseudomonas

posttraumatisch, postoperativ

Streptococcus pneumoniae

(nach) Sinusitis, Otitis media, Pneumonie

Mischinfektion (Anaerobier)

posttraumatisch

Candida

postoperativ, i. v. Drogenabusus

≡ I-12.2

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670

≡ I-12.3 Einteilung

I 12 Infektionen von Knochen und Gelenken

Einteilung und typische Mikroorganismen von Protheseninfektionen Beginn der Infektion nach Pathogenese prothetischer Operationen

typische Mikroorganismen

frühe Infektion < 3 Monate

während OP od. 2–4 Tage später

hochvirulente Bakterien wie S. aureus od. gramnegative Stäbchen, Streptokokken

verzögerte Infektion

während OP mit verzögerter Manifestation

koagulaseneg. Staphylokokken, Propionibacterium acnes, vergr. Streptokokken, Enterokokken, Anaerobier

meist hämatogen von anderen Infektionsherden

meist virulente Bakterien wie S. aureus, hämolysierende Streptokokken, gramnegative Stäbchen, vergr. Streptokokken

3–24 Monate

späte Infektion > 24 Monate

≡ I-12.4

≡ I-12.4

Reaktive, seröse Arthritis als häufige postinfektiöse Komplikation

Erreger

asoziierte Erkrankung

Diagnose

S. pyogenes

Rheumatisches Fieber

Serologie

Yersinia

Frauen > 40 Jahre, Erythema nodosum

Serologie

Shigella

frühere Enteritis

Anamnese

Salmonella

frühere Enteritis

Anamnese, Serologie

Campylobacter

frühere Enteritis, Guillain-Barré-Syndrom

Anamnese

Borrelia

Erythema migrans

Anamnese, Serologie

Mycoplasma

Urethritis, Uveitis

Anamnese, Serologie

Chlamydia

Urethritis, Uveitis

Anamnese, PCR

Arboviren

Meningitis

Anamnese, PCR

Coxsackievirus

Herpangina

Anamnese, Serologie

Parvovirus B19

Exanthem

Anamnese, Serologie

Rötelvirus

Exanthem

Anamnese, Serologie

Mumps

Parotitis, Meningitis

Anamnese, Serologie

EBV

Angina, Hepatitis

Anamnese, Serologie

Alphaviren

Enzephalitis, Exanthem

Anamnese, Serologie

Klinik: v. a. Schmerzen, Funktionseinschränkung, Schwellung, Rötung.

Klinik: Schmerzen, Funktionseinschränkung, Rötung, Schwellung, Überwärmung, ggf. Fieber.

Allgemeine Diagnostik: ■ Anamnese: z. B. Anzahl der Gelenke, Verlauf, Vorerkrankungen? ■ Klinisch: typische Symptomatik (s. o.). ■ Radiologisch: Im Röntgenbild sieht man einen verbreiterten Gelenkspalt als Folge der Ergussbildung, später Arrosionen des Knorpels und knöcherne Veränderungen (Abb. I-12.2).

Allgemeine Diagnostik: ■ Anamnese: Ist nur ein Gelenk (Monarthritis) oder sind mehrere Gelenke (Polyarthritis) gleichzeitig betroffen (gelegentlich „springt“ die Entzündung von einem zum anderen Gelenk)? Sind die großen oder die kleinen Gelenke entzündet? Auch die zeitlichen Verhältnisse (chronisch/akut) müssen eruiert werden. Begleitumstände (Erkrankungen/Eingriffe wie etwa Gelenkersatz, Punktion, vorangegangene Infektionen), Alter, Beruf und Lebensverhältnisse? ■ Klinisch: s. Symptomatik; das Gelenk ist gerötet und geschwollen; evtl. ist ein Gelenkerguss tastbar. ■ Röntgenologisch: Der Gelenkspalt erscheint verbreitert und evtl. ist bereits eine Arrosion der Knorpel und angrenzenden Knochen festzustellen (Abb. I-12.2).

⊙ I-12.2

Akute eitrige Arthritis (Niethard, F.U., Pfeil, J., Biberthaler, P.: Duale Reihe Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme; 2017)

a Röntgenbild eines arthritisch veränderten Kniegelenks nach postoperativer Infektion. b Zum Vergleich das gleiche Kniegelenk präoperativ.

a

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671

I 12.2 Arthritis

Mikrobiologische Diagnostik: Insbesondere bei der fremdkörperassoziierten Arthritis ist der Erregernachweis für die gezielte Antibiotikatherapie essenziell. Beim Prothesenwechsel werden multiple Biopsien gewonnen und kulturell untersucht. ■ Mikroskopische Untersuchung: Bei der mikroskopischen Untersuchung von Gelenkpunktat erkennt man Entzündungszellen (entweder polymorphkernige Granulozyten bei einer akut eitrigen Infektion bzw. Lymphozyten bei immunologischer Genese) und ggf. im Gram-Präparat auch Bakterien. ■ Kulturelle Nachweisverfahren: Zum kulturellen Nachweis von Borrelien, Gonokokken und Anaerobiern, z. B. Propionibakterien, müssen ggf. Spezialnährböden verwendet werden; sonst reichen die Standardverfahren aus. Da zumindest bei den Infektionen nach Gelenkimplantaten oft nur eine geringe Bakteriendichte vorliegt, muss mindestens 14 Tage bebrütet werden. Evtl. kann auch die Blutkultur positiv sein. ■ Serologische Nachweisverfahren: Serologische Tests gibt es für den Nachweis von früheren Infektionen mit Streptokokken („Rheuma-Serologie“), Yersinia, Mycoplasma, Shigella, Salmonella, Campylobacter, Chlamydien und virale Erreger. ▶ Merke. In vielen Fällen bleibt die mikrobielle Ursache ungeklärt, vor allem wenn

Mikrobiologische Diagnostik: ■ Bei der mikroskopischen Untersuchung sieht man die für eine akute Entzündung typischen Granulozyten und ggf. auch Bakterien. Bei chronischen Entzündungen und bei immunpathologischen Reaktionen dominieren die Lymphozyten. ■ Die Kultur von Bakterien erlaubt eine exakte Diagnose. ■ Die Bestimmung von spezifischen Antikörpern im Serum gibt indirekte Hinweise auf die Ätiologie.

▶ Merke.

durch vorangegangene Antibiotikatherapie die Erreger vorgeschädigt sind und nicht mehr in der Kultur anwachsen. Auch andere Ursachen von Arthritis, etwa im Rahmen von Krankheiten des rheumatischen Formenkreises, sollten ausgeschlossen werden. Dafür stehen diverse serologsche Verfahren, etwa der Nachweis von Rheumafaktor (S. 29), zur Differenzialdiagnose zur Verfügung. Therapie: Bei der akuten eitrigen Arthritis ist die Kombination aus chirurgischer und antibiotischer Therapie wesentlich. Eine geeignete kalkulierte parenterale Therapie bei einer akuten eitrigen Arthritis, die vor allem auf grampositive Erreger abzielt, wäre z. B. Cefuroxim oder Amoxicillin plus Clavulansäure. Oft werden auch Antibiotika-Kombinationen verabreicht – vor allem bei der fremdkörperassoziierten infektiösen Arthritis – z. B. ein Chinolon (Moxifloxacin) plus Rifampicin oder Vancomycin plus Rifampicin, um ruhende Keime im Biofilm zu eliminieren. Auch ein Glykopeptid (z. B. Linezolid) oder ein Lipopeptid (z. B. Daptomycin) wären gut geeignet. Sonst muss die Wahl gezielt nach Empfindlichkeit der Erreger getroffen werden. Die lokale Instillation von Antibiotika ist nicht sinnvoll. Operative Maßnahmen sind – abhängig vom Schweregrad der Infektion – die arthroskopische Spülung, SpülSaug-Drainage, u. U. Synovektomie. Meist reicht eine antibiotische Therapie über 4– 6 Wochen aus. Bei infizierten Gelenkprothesen muss eine Therapie über viele Wochen und selbst Monate erfolgen, ggf. wird ein prothesefreies Intervall eingelegt. Die Antibiotikatherapie sollte daher erst nach Gewinnung von ausreichenden Materialien für die mikrobiologische Diagnostik erfolgen. Bei einer reaktiven serösen Arthritis ist eine Antibiotikatherapie nicht hilfreich.

Therapie: Bei der akuten eitrigen Arthritis erfolgt immer die Kombination aus chirurgischer (Gelenkspülung, Drainage) und antibiotischer Therapie (zunächst kalkuliert, dann gezielt)! Bei einer reaktiven serösen Arthritis sind Antibiotika nutzlos.

Prognose: Frühzeitig muss eine kausale Therapie einsetzen, damit nicht eine Destruktion von Knorpelgewebe und ein Umbau von Knochen eintritt; Folge ist sonst eine dauerhafte Funktionseinschränkung.

Prognose: Bei chronischen Verläufen kommt es zu irreversiblen Schäden an Knorpel und Knochen.

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I © Gortner L. et al: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme; 2018

13.1

13.1 13.2 13.3 13.4 13.5 13.6 13.7

Allgemeines . . . . . . . . . Wundinfektionen . . . . . Phlegmone/Abszess . . . . Diabetisches Fußsyndrom Nekrotisierende Fasziitis . Bissverletzungen . . . . . . Dermatomykosen . . . . .

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13.1 Allgemeines

Allgemeines

Die Haut stellt eine effektive Barriere dar und verhindert das Eindringen von Keimen (Tab. I-13.1).

≡ I-13.1

13 Infektionen der Haut und der Weichteile

Die Haut ist eine anatomische, physikalische, chemische und immunologische Barriere, die einen wirksamen Schutz vor dem Eindringen von Umweltkeimen und Keimen der körpereigenen Flora bietet (Tab. I-13.1).

Barrierefunktion der Haut

physikalisch

verhorntes, mehrschichtiges Plattenepithel der Epidermis als mechanisches Hindernis

chemisch

Sekrete auf der Haut (z. B. Talg und Schweiß) verhindern die übermäßige Vermehrung vieler Keime auf der Haut, entweder durch einen niedrigen pH-Wert (Säuremantel der Haut) oder durch antimikrobielle Oligopeptide (z. B. Dermcidin) und Proteine (z. B. Lysozym); manche Keime (z. B. Staphylococcus aureus) sind jedoch dagegen geschützt

immunologisch

Abwehrzellen in der Subkutis (Granulozyten, dendritische Zellen, Lymphozyten)

Die normale Keimflora der Haut bietet einen Schutz gegenüber pathogenen Keimen (Tab. I-13.2).

≡ I-13.2

Die Haut ist von einer dichten Keimflora aus apathogenen und fakultativ pathogenen Keimen besiedelt (sog. Kommensalen, Tab. I-13.2), welche das Mikrobiom der Haut bedingen. Im Normalfall hat diese residente Flora keinen Krankheitswert, sondern sogar einen protektiven Effekt gegenüber pathogenen Keimen. Unter entsprechenden Voraussetzungen (z. B. verminderte Infektabwehr) können die residenten Keime aber auch zu Infektionen der Haut führen.

Normalflora der Haut

residente Flora

Diese Keime leben permanent auf der Haut (im Gleichgewicht mit dem Organismus); sie bilden das Mikrobiom (S. 22) der Haut und wehren pathogene Keime ab. v. a. Staphylococcus epidermidis, Staphylococcus aureus (bei manchen Menschen), koryneforme Bakterien, auch Mikrokokken, Malassezia spp. (Pilze)

transiente Flora Sie besteht aus Keimen der Umwelt und von anderen Körperteilen (Anflugkeime), die sich aufgrund der residenten Flora nur für kurze Zeit auf der Hautoberfläche behaupten können. z. B. Staphylococcus aureus (bei manchen Menschen), Streptococcus pyogenes, Enterobakterien, Pseudomonas, Clostridien, Sprosspilze, Dermatophyten, Schimmelpilze, Viren Infektionen der Haut können durch Störungen der Hautbarriere (Verletzung, Immunschwäche) begünstig werden oder auch im Rahmen systemischer Infektionskrankheiten (z. B. Masern, Röteln) auftreten.

Wegweisend für die Diagnose sind die pathologischen Hautveränderungen (Effloreszenzen, Abb. I-13.1). Manche Erreger können z. T. typische Effloreszenzen erzeugen (z. B. Bläschen bei HSV und VZV).

Man unterscheidet oberflächliche (Epidermis, Dermis) und tiefe (Subkutis und tiefer) Infektionen (Tab. I-13.3).

Störungen der physiologischen Hautbarriere können zu Infektionen der Haut- und Weichteile führen. Die meisten Infektionen entstehen durch Verletzungen der Haut (Mikro- oder Makrotraumen). Auch mangelnde oder übermäßige Hygiene, Störung der Immunabwehr (z. B. bei Diabetes mellitus, Kinder) oder chronische Ekzeme (v. a. atopische Dermatitis) können ein Ausbreiten der Keime begünstigen. Darüber hinaus kann bei vielen systemischen Infektionskrankheiten (z. B. Masern, Röteln) die Haut unter Ausbildung eines Hautausschlags (Exanthem) mitbeteiligt sein. Wegweisend für die Diagnose einer Hautinfektionen (bzw. auch aller dermatologischer Erkrankungen) ist die sichtbare pathologische Hautveränderung, die je nach vorliegender Effloreszenz (Abb. I-13.1) oder auch deren Größe, Lokalisation und Anordnung typisch sein kann. So induzieren einige Viren spezifische Effloreszenzen, z. B. Masern- und Rötelnviren erythematöse/papulöse Reaktionen, Herpes-simplexVirus typischerweise Bläschen. Bei Windpocken (Varicellavirus) dagegen ist ein polymorphes Bild charakteristisch (Flecken, Papeln, Bläschen, Krusten). Entsprechend dem Aufbau der Haut aus Epidermis, Dermis (Corium) und Subkutis lassen sich die Infektionen in oberflächliche (Epidermis, Dermis) und tiefe (zusätzlich Subkutis, Faszie und darunter liegende Weichteile) Infektionen einteilen (Tab. I-13.3).

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I © Gortner L. et al: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme; 2018

13.1

13.1 13.2 13.3 13.4 13.5 13.6 13.7

Allgemeines . . . . . . . . . Wundinfektionen . . . . . Phlegmone/Abszess . . . . Diabetisches Fußsyndrom Nekrotisierende Fasziitis . Bissverletzungen . . . . . . Dermatomykosen . . . . .

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13.1 Allgemeines

Allgemeines

Die Haut stellt eine effektive Barriere dar und verhindert das Eindringen von Keimen (Tab. I-13.1).

≡ I-13.1

13 Infektionen der Haut und der Weichteile

Die Haut ist eine anatomische, physikalische, chemische und immunologische Barriere, die einen wirksamen Schutz vor dem Eindringen von Umweltkeimen und Keimen der körpereigenen Flora bietet (Tab. I-13.1).

Barrierefunktion der Haut

physikalisch

verhorntes, mehrschichtiges Plattenepithel der Epidermis als mechanisches Hindernis

chemisch

Sekrete auf der Haut (z. B. Talg und Schweiß) verhindern die übermäßige Vermehrung vieler Keime auf der Haut, entweder durch einen niedrigen pH-Wert (Säuremantel der Haut) oder durch antimikrobielle Oligopeptide (z. B. Dermcidin) und Proteine (z. B. Lysozym); manche Keime (z. B. Staphylococcus aureus) sind jedoch dagegen geschützt

immunologisch

Abwehrzellen in der Subkutis (Granulozyten, dendritische Zellen, Lymphozyten)

Die normale Keimflora der Haut bietet einen Schutz gegenüber pathogenen Keimen (Tab. I-13.2).

≡ I-13.2

Die Haut ist von einer dichten Keimflora aus apathogenen und fakultativ pathogenen Keimen besiedelt (sog. Kommensalen, Tab. I-13.2), welche das Mikrobiom der Haut bedingen. Im Normalfall hat diese residente Flora keinen Krankheitswert, sondern sogar einen protektiven Effekt gegenüber pathogenen Keimen. Unter entsprechenden Voraussetzungen (z. B. verminderte Infektabwehr) können die residenten Keime aber auch zu Infektionen der Haut führen.

Normalflora der Haut

residente Flora

Diese Keime leben permanent auf der Haut (im Gleichgewicht mit dem Organismus); sie bilden das Mikrobiom (S. 22) der Haut und wehren pathogene Keime ab. v. a. Staphylococcus epidermidis, Staphylococcus aureus (bei manchen Menschen), koryneforme Bakterien, auch Mikrokokken, Malassezia spp. (Pilze)

transiente Flora Sie besteht aus Keimen der Umwelt und von anderen Körperteilen (Anflugkeime), die sich aufgrund der residenten Flora nur für kurze Zeit auf der Hautoberfläche behaupten können. z. B. Staphylococcus aureus (bei manchen Menschen), Streptococcus pyogenes, Enterobakterien, Pseudomonas, Clostridien, Sprosspilze, Dermatophyten, Schimmelpilze, Viren Infektionen der Haut können durch Störungen der Hautbarriere (Verletzung, Immunschwäche) begünstig werden oder auch im Rahmen systemischer Infektionskrankheiten (z. B. Masern, Röteln) auftreten.

Wegweisend für die Diagnose sind die pathologischen Hautveränderungen (Effloreszenzen, Abb. I-13.1). Manche Erreger können z. T. typische Effloreszenzen erzeugen (z. B. Bläschen bei HSV und VZV).

Man unterscheidet oberflächliche (Epidermis, Dermis) und tiefe (Subkutis und tiefer) Infektionen (Tab. I-13.3).

Störungen der physiologischen Hautbarriere können zu Infektionen der Haut- und Weichteile führen. Die meisten Infektionen entstehen durch Verletzungen der Haut (Mikro- oder Makrotraumen). Auch mangelnde oder übermäßige Hygiene, Störung der Immunabwehr (z. B. bei Diabetes mellitus, Kinder) oder chronische Ekzeme (v. a. atopische Dermatitis) können ein Ausbreiten der Keime begünstigen. Darüber hinaus kann bei vielen systemischen Infektionskrankheiten (z. B. Masern, Röteln) die Haut unter Ausbildung eines Hautausschlags (Exanthem) mitbeteiligt sein. Wegweisend für die Diagnose einer Hautinfektionen (bzw. auch aller dermatologischer Erkrankungen) ist die sichtbare pathologische Hautveränderung, die je nach vorliegender Effloreszenz (Abb. I-13.1) oder auch deren Größe, Lokalisation und Anordnung typisch sein kann. So induzieren einige Viren spezifische Effloreszenzen, z. B. Masern- und Rötelnviren erythematöse/papulöse Reaktionen, Herpes-simplexVirus typischerweise Bläschen. Bei Windpocken (Varicellavirus) dagegen ist ein polymorphes Bild charakteristisch (Flecken, Papeln, Bläschen, Krusten). Entsprechend dem Aufbau der Haut aus Epidermis, Dermis (Corium) und Subkutis lassen sich die Infektionen in oberflächliche (Epidermis, Dermis) und tiefe (zusätzlich Subkutis, Faszie und darunter liegende Weichteile) Infektionen einteilen (Tab. I-13.3).

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673

I 13.2 Wundinfektionen

⊙ I-13.1

Typische Effloreszenzen bei Hautinfektionen

≡ I-13.3

Wichtige Hautinfektionen Erkrankung

oberflächliche Infektionen

tiefe Infektionen

⊙ I-13.1

Erreger

Follikulitis, Furunkel, Karbunkel (Abb. D-2.4), Abszess Staphylokokken, Streptokokken Impetigo Impetigo follicularis Impetigo contagiosa (Abb. D-2.12a)

Staphylokokken Streptokokken

Erysipel (Abb. D-2.12c)

Streptococcus pyogenes

Erythrasma

Korynebakterien

Abszess, Phlegmone (Abb. D-2.12b)

meist Staphylokokken und/oder Streptokokken, auch Mischinfektionen

diabetisches Fußsyndrom (S. 674)

Mischinfektion aus aeroben (grampositiv und gramnegativ) und anaeroben Keimen

nekrotisierende Fasziitis (Abb. D-2.13)

meist Mischinfektion, auch Streptococcus pyogenes

Gasbrand (S. 369)

Clostridium perfringens

13.2 Wundinfektionen ▶ Definition. Epitheldefekte begünstigen das Eindringen von Erregern, sodass sekundär Infektionen mit diversen Bakterien und Pilzen auftreten. Die Ausdehnung kann je nach Vorschädigung variieren.

Ätiopathogenese: Einerseits sind die normalen Hautkeime häufig Erreger von Wundinfektionen, andererseits können andere körpereigene Keime, z. B. aus der Flora des Darms oder der oberen Luftwege, übertragen werden (Tab. I-13.4). Eine weitere Quelle für Wundinfektionen ist die Umgebung (z. B. Krankenhaus, Tab. I-13.4).

≡ I-13.4

Erreger von Wundinfektionen

endogen

Keime der Hautflora: Staphylococcus aureus, Staphylococcus epidermidis, Korynebakterien andere körpereigene Keime: Enterobacteriaceae (E. coli, Klebsiella spp., Enterobacter spp., Proteus spp., Morganella spp.), Enterokokken (darunter auch VRE), Anaerobier, Streptococcus pyogenes (Serogruppe A), Streptococcus agalactiae (Serogruppe B), andere Streptokokken, Candida spp.

exogen

Keime aus der Umgebung: Staphylococcus aureus (speziell auch MRSA), Escherichia coli (speziell auch ESBL), Klebsiella spp. (speziell auch ESBL), Pseudomonas aeruginosa, Stenotrophomonas maltophilia, Acinetobacter baumannii, Clostridium tetani, Clostridium perfringens, Schimmelpilze

13.2

Wundinfektionen

▶ Definition.

Ätiopathogenese: Es kommen endogene (körpereigene) und exogene (Umgebung) Erreger infrage (Tab. I-13.4).

≡ I-13.4

Klinik: Die Schwere hängt von der Ausdehnung in die Fläche und Tiefe ab. Oft kommt zur Rötung eine Eiterung hinzu.

Klinik: Rötung und Eiterung sind die hauptsächlichen Merkmale.

Diagnostik: Farbe, Konsistenz und Geruch des Eiters geben Hinweise auf die ursächlichen Erreger. Zur mikrobiologischen Untersuchung sollten Abstriche oder Biopsien entnommen werden.

Diagnostik: Inspektion und mikrobiologische Untersuchung (Abstrich, Biopsie).

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674

I 13 Infektionen der Haut und der Weichteile

Therapie: Die Therapie beinhaltet ein chirurgisches Wunddebridement, eine lokale Applikation von Antiseptika sowie eine systemische Antibiotikagabe.

Therapie: Das chirurgische Wunddebridement steht an erster Stelle, um eine primäre Heilung zu erreichen. Eine lokale Desinfektion mit gewebeverträglichen Antiseptika (Polihexanid, PVP-Jod oder Octenidin) ist wichtig, um eine Reduktion der Keimlast zu erreichen. Außerdem muss eine systemische Antibiotikatherapie erfolgen. Die Wahl des Antibiotikums/Antimykotikums richtet sich nach dem antimikrobiellen Spektrum sowie der Penetrationsfähigkeit der Substanz. Für eine kalkulierte Therapie eignen sich z. B. Amoxicillin plus Clavulansäure oder ein Cephalosporin der 2. Generation. Chinolone, wie Moxifloxacin oder Levofloxacin, sind im Prinzip wirksam, wegen der Gefahr einer QT-Zeit-Verlängerung wird aber davor abgeraten.

Prävention: Wundschutz (Verband), Hygiene, ggf. Tetanusprophylaxe.

Prävention: Die Keimverschleppung kann durch einen Verband verhindert werden. Beim Verbandswechsel und bei der Wundreinigung sollten hygienische Aspekte berücksichtigt werden. Da Wunden Eintrittspforte für Sporen von Anaerobiern (z. B. von Clostridium tetani) sein können, sollte der Impfstatus bezüglich Tetanus überprüft werden.

13.3

Phlegmone/Abszess

▶ Definition.

13.3 Phlegmone/Abszess ▶ Definition. Die Phlegmone ist eine akute, abszedierende Entzündung der Dermis und Subkutis. Im Gegensatz zum Abszess ist die Phlegmone aber nicht durch eine Kapsel begrenzt, sondern durch eine diffuse Ausbreitung (auch über Organgrenzen hinweg) charakterisiert.

Klassische Erreger sind v. a. Staphylokokken und Streptokokken. Auch Mischinfektionen kommen vor.

Ätiopathogenese: Eintrittspforte sind meist kleine Verletzungen, insbesondere bei vorliegender Immunschwäche (z. B. Diabetes mellitus). Klassische Erreger sind v. a. Staphylokokken und Streptokokken, aber auch Enterokokken, Enterobacterales, Pseudomonas aeruginosa, Anaerobier, Mycobacterium tuberculosis, Candida spp. Auch Mischinfektionen kommen vor.

Klinik: Reduzierter Allgemeinzustand mit Fieber; schmerzhaft geschwollene, überwärmte, gerötete Haut.

Klinik: Häufig zeigt sich ein reduzierter Allgemeinzustand mit Fieber und Schüttelfrost. Die Haut ist schmerzhaft geschwollen, überwärmt und flächenhaft gerötet (Abb. D-2.12b). Die Extremitäten sind bei Erwachsenen besonders häufig betroffen.

Diagnostik: Neben der typischen Klinik, können im Blut die Entzündungsparameter erhöht sein. Erregerbestimmung durch Hautbiopsie (mikroskopisch, kulturell).

Diagnostik: Die Diagnose wird meist klinisch gestellt. Zusätzlich zeigen sich typische Entzündungszeichen im Blut (Leukozytose, erhöhte BSG), ggf. können auch Streptokokkenantikörper nachgewiesen werden. Zur Bestimmung des Erregers kann Biopsiematerial entnommen sowie mikroskopisch und kulturell untersucht werden.

Therapie: Eine chirurgische Herdsanierung sollte versucht werden. Die Kombination von Amoxicillin plus Clavulansäure ist zur kalkulierten Therapie geeignet. Bei vermuteten oder bekannten Problemkeimen müssen noch zusätzliche Antibiotika verabreicht werden.

Therapie: Nur eine Kombination von chirurgischer Herdsanierung und systemisch verabreichten Antibiotika kann zum Erfolg führen. Der Lehrspruch „ubi pus, ibi evacua!“ gilt bei einem Abszess, aber nur bedingt, denn dabei muss auch die Abszesswand entfernt werden, weil sonst die Erreger dort überleben. Die Kombination von Amoxicillin plus Clavulansäure hat ein breites Wirkspektrum inklusive Anaerobier (häufig Produktion von Betalaktamasen) und ist daher zur kalkulierten Therapie geeignet. Cefotaxim plus Metronidazol erfassen die Enterobacterales und Anaerobier; die Kombination hat aber eine Lücke bei Enterokokken und eine Schwäche bei Staphylokokken und Streptokokken

Ätiopathogenese: Eintrittspforte sind meist kleine Verletzungen.

13.4

Diabetisches Fußsyndrom

▶ Definition.

13.4 Diabetisches Fußsyndrom ▶ Definition. Als Folge einer diabetischen Angiopathie und Neuropathie können be-

sonders häufig am Fuß Gewebedefekte auftreten, die dann leicht durch diverse Bakterien der Haut- und Darmflora, aber auch durch Wasserkeime infiziert werden können. Ätiopathogenese: Durch Angiopathie, Neuropathie und Einschränkungen des Immunsystems können Hautläsionen entstehen, die leicht sekundär infizieren.

Ätiopathogenese: Ein lang bestehender, schlecht eingestellter Diabetes geht oft mit Angiopathien (Mikro- und Makroangiopathie) und/oder Neuropathien einher. Dies hat zur Folge, dass aufgrund der verminderten Sensibilität Verletzungen am Fuß nicht oder zu spät bemerkt werden und Keime in die Wunden eindringen können. Die Einschränkung des Immunsystems und die Durchblutungsstörungen wiederum führen dazu, dass Verletzungen nur schlecht heilen und dann superinfizieren. Es entstehen mehr oder weniger ausgedehnte (Einteilung der Ausdehnungsgrade nach Wagner und Armstrong), entzündete Wundflächen, die auch den Knochen betreffen können und eine Gefährdung der gesamten Extremität darstellen. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

675

I 13.5 Nekrotisierende Fasziitis

Oft besteht eine Mischinfektion aus grampositiven Bakterien der Hautflora (Staphylokokken, darunter evtl. auch MRSA; Streptokokken, Korynebakterien), aus Keimen der Darmflora (Escherichia coli, Klebsiella, Proteus), Umweltkeimen (Pseudomonas, Acinetobacter) und Anaerobiern.

Oft besteht eine Mischinfektion aus aeroben und anaeroben Keimen.

Klinik: Ein- oder beidseitig treten meistens in der Knöchelgegend ausgedehnte nekrotische Hautareale auf, die stark gerötet und eitrig belegt sind. An der Fußsohle kommt es oft zu tiefen Läsionen der Haut, die bis auf den Knochen reichen können (Malum perforans) (Abb. I-13.2).

Klinik: ausgedehnte, eitrig belegte Wundflächen meistens in der Knöchelgegend bzw. an der Fußsohle (Malum perforans) (Abb. I-13.2).

⊙ I-13.2

⊙ I-13.2

Diabetisches Fußsyndrom (Baenkler, H.W. et al.: Kurzlehrbuch Innere Medizin. Thieme; 2015)

Diagnostik: Die Intensität und die Ausdehnung der entzündlichen Prozesse muss erfasst und dokumentiert werden. Dazu gehören regelmäßige Inspektion, Erfassung des Gefäß- und Neuropathiestatus (Doppler, Angiografie, Vibrationsempfinden etc.), Abklärung einer ossären Beteiligung (Röntgen, CT/MRT). Eine Klärung der Erregernatur durch Kultur ist anzuraten.

Diagnostik: Die Intensität und Ausdehnung der entzündlichen Prozesse muss erfasst und dokumentiert werden (Einteilung nach Wagner). Eine bakteriologische Abklärung (Kultur) ist sinnvoll.

Therapie: Ziel der Behandlung ist, die Wunden zur kompletten Abheilung zu bringen und die drohenden (Teil)Amputationen zu vermeiden. Dazu müssen die Wunden regelmäßig gereinigt (ggf. chirurgisches Débridement), desinfiziert und ggf. drainiert werden. Zusätzlich ist die Infektion mit Antibiotika zu bekämpfen. Moxifloxacin und Levofloxacin (beide i. v. oder oral) haben ein breites Wirkspektrum gegenüber den meisten der möglichen Erreger; sie wirken bakterizid und haben eine relativ gute Gewebegängigkeit, obwohl bei der Angiopathie generell die Penetration von Stoffen aus der Blutbahn erschwert ist. Eine evtl. QT-Zeit-Verlängerung sollte beachtet werden. Cefotaxim plus Metronidazol (i. v.) oder Cotrimoxazol (oral) oder Doxycyclin (oral) können alternativ eingesetzt werden (Resistenzen gegen Clindamycin sind bei Staphylokokken und Anaerobiern häufig zu finden). Bei MRSA wäre Linezolid (i. v. oder oral) eine Option.

Therapie: Neben der lokalen Wundbehandlung sollte eine Antibiotikatherapie durchgeführt werden.

Prävention: Wichtigste Präventivmaßnahmen sind Druckentlastung (Hochlagerung; geeignetes Schuhwerk!), regelmäßige Fußkontrollen durch den Patienten und eine optimale Blutzuckereinstellung. Der Impfstatus bezüglich Tetanus sollte überprüft werden.

Prävention: Druckentlastung, regelmäßige Fußkontrollen, optimale Blutzuckereinstellung und Tetanusprophylaxe.

13.5 Nekrotisierende Fasziitis ▶ Definition. Eine lebensbedrohliche Weichteilinfektion entsteht, wenn Erreger progrediente Nekrosen der Faszien und der umliegenden Gewebe (Muskulatur nur wenig mitbeteiligt) verursachen, was von einer schweren Systemintoxikation begleitet wird. Eine Sonderform stellt die Fournier-Gangrän der Faszien des Beckens dar.

Ätiopathogenese: Meistens ist die Haut die Eintrittspforte. Ausgangspunkt können schon banale Verletzungen sein, aber auch Operationswunden kommen infrage. Erreger können ausschließlich hämolysierende Streptokokken der Serogruppe A (Streptococcus pyogenes) sein. Meistens ist die Erkrankung aber Folge von Mischinfektionen mit aeroben und anaeroben Bakterien.

13.5

Nekrotisierende Fasziitis

▶ Definition.

Ätiopathogenese: Banale Verletzungen, auch Operationswunden. Erreger sind hämolysierende Streptokokken; meist liegen aber Mischinfektionen vor.

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676 ⊙ I-13.3

I 13 Infektionen der Haut und der Weichteile

⊙ I-13.3

Nekrotisierende Fasziitis

Klinik: Zu Beginn kommt es zu starken Schmerzen und einem Erythem, das sich im weiteren Verlauf livide verfärbt (Hautnekrosen und Blasen, Abb. I-13.3). Zunehmende Somnolenz.

Klinik: Zu Beginn zeigen sich starke Schmerzen (lassen nach, wenn das Nervengewebe zerstört ist) und ein sich diffus ausbreitendes Erythem. Im weiteren Verlauf entwickeln sich livide bis bräunliche Hautveränderungen mit Hautnekrosen und Blasen (Abb. I-13.3). Eine Lymphknotenschwellung fehlt oft. Zusätzlich ist der Patient zunehmend desorientiert bis somnolent.

Diagnostik: Bildgebende Verfahren (Ausdehnung des Prozesses), chirurgische Exploration und Mikrobiologie (Nachweis des Erregers).

Diagnostik: Bildgebende Verfahren (Sonografie, Röntgen, MRT) lassen die Ausdehnung des Prozesses erkennen. Auch eine chirurgische Exploration ist angebracht. Mikrobiologische Untersuchungen (Mikroskopie und Kultur) können die Ätiologie klären, wobei vor allem Gasbranderreger (Clostridium perfringens) ausgeschlossen werden müssen.

Therapie: Neben der chirurgischen Intervention (Faszienspaltung, Débridement) ist eine antibiotische Therapie notwendig.

Therapie: Neben der frühzeitigen, radikalen Exzision der Faszie sollte ein gründliches chirurgisches Débridement erfolgen. Zur kalkulierten antibiotischen Therapie wird primär Piperacillin/Tazobactam oder Imipenem jeweils in Kombination mit Clindamycin verwendet.

13.6

Bissverletzungen

▶ Definition.

Ätiopathogenese: In der Mundhöhle von Mensch und Tier sind viele pathogene Keime, die sich nach einem Biss in der Wunde vermehren können. Leitkeime sind: ■ Mensch: Haemophilus, Capnocytophaga, Eikenella ■ Tiere: Pasteurella multocida (Hund und Katze), Rabiesvirus, Spirillum minus und Leptospiren (Ratte). Oft bestehen auch Mischinfektionen.

13.6 Bissverletzungen ▶ Definition. Spitze Zähne von Mensch oder Tier können Stich- und Risswunden verursachen, Mahlzähne dagegen eher Quetschwunden.

Ätiopathogenese: In der Mundhöhle von Mensch und Tier sind potenzielle Erreger, die sich in der Bisswunde bei niedriger Sauerstoffversorgung rasch vermehren können. Das Risiko einer Infektion hängt von der Tiefe und dem Ausmaß der Verletzung ab. Zusätzlich muss an die Gefahr von Tollwut und Tetanus gedacht werden. Bei Menschenbiss dominieren Haemophilus aphrophilus, Capnocytophaga und Eikenella corrodens. Auch die Übertragung viraler Infektionen, z. B. Hepatitis B und C bzw. HIV ist möglich. Pasteurella multocida ist der Leitkeim bei Hund- und Katzenbiss. Bei auffälligen Tieren sowie in Tollwut gefährdeten Gebieten (speziell Indien, Ecuador) muss man an die Übertragung dieser tödlichen Viren (Rabiesvirus) denken. Bei Rattenbiss ist Streptobacillus moniliformis oder Spirillum minus zu erwarten, aber auch Leptospiren können übertragen werden. Oft bestehen Mischinfektionen mit diversen Keimen: Streptokokken und vor allem Anaerobiern, darunter auch Clostridium tetani.

Klinik: Das Ausmaß der Verletzung und die Art der Erreger bestimmen den Schweregrad. Eine Verschleppung der Erreger in andere Organe ist möglich (Osteomyelitis).

Klinik: Die lokale Manifestation hängt einerseits von dem Ausmaß der Verletzung ab und andererseits von der Art der Erreger. Eine Verschleppung der Erreger in andere, entfernte Organe ist möglich, wobei insbesondere Osteomyelitis (S. 667) und Spondylodiszitis drohen.

Diagnostik: Zunächst muss bei der Inspektion das Ausmaß der Verletzung festgestellt werden. Die Erreger sollten möglichst aus Abstrichen angezüchtet werden.

Diagnostik: Bei der Inspektion bzw. bei der chirurgischen Revision muss das Ausmaß der Schädigung festgestellt und evtl. Läsionen der Nerven, Sehnen und Knochenstrukturen ausgeschlossen werden. Aus Abstrichen sollte eine Anzüchtung versucht werden, um eine gezielte Therapie zu ermöglichen.

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I

677

13.7 Dermatomykosen

Therapie: Die Bisswunde sollte sofort antiseptisch gespült werden. Je nach Ausmaß der Verletzung erfolgt eine gründliche chirurgische Revision. Der primäre Verschluss von Bisswunden wird immer noch kontrovers diskutiert und sollte nur nach gründlicher Risikoabschätzung in Erwägung gezogen werden. Eine antibiotische Therapie bei manifester Entzündung ist dringend geraten, um eine Verschleppung zu verhindern. Bei kalkulierter Therapie sind für wenige Tage Amoxicillin plus Clavulansäure, Cephalosporine, Makrolide, Moxifloxacin oder Levofloxacin möglich. Bei bekanntem Erreger ist eine gezielte Therapie sinnvoll. P. multocida (obwohl gramnegatives Stäbchenbakterium) ist sogar gegen Penicillin empfindlich.

Therapie: Neben der antiseptischen Spülung und der chirurgischen Versorgung sollte man eine kurzzeitige antibiotische Therapie (Amoxicillin + Clavulansäure) verabreichen.

Prävention: Da eine Bisswunde immer als potenziell kontaminiert angesehen werden muss, ist auch eine Prophylaxe mit Amoxicillin plus Clavulansäure zur Verhinderung nachfolgender Entzündungen anzuraten. Alternativ kann auch Moxifloxacin oder Levofloxacin zum Einsatz kommen. Zusätzlich sollte man eine Tetanus- und ggf. Tollwutimpfung überdenken.

Prävention: Antibiotikaprophylaxe, ggf. Tetanus- und Tollwutimpfung.

13.7 Dermatomykosen

13.7

Dermatomykosen

Die Haut und die Hautanhangsgebilde (Haare, Nägel) enthalten Keratin, welches von Dermatophyten (S. 485) verstoffwechselt werden kann. Sie können also in diese Gewebe eindringen, sich dort vermehren und Störungen hervorrufen. Die Dermatomykosen verlaufen meist chronisch. Eine antifungale Therapie ist nicht immer erfolgreich.

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14.1

Sepsis

▶ Definition.

14 Weitere Infektionen 14.1 14.2 14.3 14.4 14.5 14.6 14.7





≡ I-14.2

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678 680 683 686 688 689 692

▶ Definition.



≡ I-14.1

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14.1 Sepsis ■

Erreger: Je nach Lokalisation der Infektionsquelle sind bestimmte Keime beteiligt (Tab. I-14.1 und Tab. I-14.2).

Sepsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Infektionen während der Schwangerschaft/Geburt Infektionen im Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Infektionen bei Abwehrschwäche . . . . . . . . . . . STD (sexually transmitted diseases) . . . . . . . . . . Importierte Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . Postinfektionssyndrome . . . . . . . . . . . . . . . . .

lebensbedrohliche Organdysfunktion, die durch eine fehlregulierte Wirtsantwort auf eine Infektion hervorgerufen wird Prognoseabschätzung anhand des SOFA(sequential organ failure assessment)-Score qSOFA (quickSOFA) zur Einschätzung vor Eintreffen von Laborbefunden – Atemfrequenz ≥ 22/min – verändertes Bewusstsein (Glasgow-Coma-Scale < 15) – systolischer Blutdruck ≤ 100 mm Hg qSOFA positiv, wenn mind. 2 Kriterien erfüllt sind.

Erreger: Solange die Erregernatur noch nicht bekannt ist, kann man je nach Lokalisation der Infektionsquelle mit bestimmten Keimen rechnen. Die Prävalenz bestimmter Keime hängt auch von der Art der Grundkrankheit bzw. der Aufgabenstellung des Krankenhauses ab (Tab. I-14.1 und Tab. I-14.2).

≡ I-14.1

Sepsis-„Herde“ und Erregerspektrum

Ursprung

Erreger

Lunge

Pneumokokken, S. aureus, Klebsiella, P. aeruginosa, Anaerobier

Darm

E. coli, Salmonella, andere Enterobacteriaceae, Enterokokken, Anaerobier, Listeria, Candida

Gallenwege

E. coli, andere Enterobacteriaceae, Enterokokken, Candida

Harnwege

E. coli, andere Enterobacteriaceae, P. aeruginosa, Enterokokken

Katheter

koagulasenegative Staphylokokken, S. aureus, Enterobacteriaceae, Enterokokken, Candida, Korynebakterien

Haut

S. aureus, S. pyogenes, S. agalactiae

Herz (Endokarditis)

„vergrünende“ Streptokokken, S. aureus, HACEK

Eiterherd

entsprechende Eitererreger

Fremdkörper

Mischinfektion

≡ I-14.2

Häufigkeit von Sepsis-Erregern

Erreger

Anteil in %

Escherichia coli

15–20

Staphylococcus aureus

10–15

Pseudomonas aeruginosa

5–10

Streptococcus pneumoniae

5–10

Enterokokken

5–10

sonstige Enterobacterales

5

koagulasenegative Staphylokokken

5

Meningokokken

3

Anaerobier

3

Pilze

2

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I

679

14.1 Sepsis

▶ Merke. Das sog. OPSI (overwhelming post splenectomy infection) stellt eine spe-

▶ Merke.

zielle Situation dar: Wenn ein Teil des phagozytierenden Systems nach Splenektomie ausfällt, so sind die Personen in den ersten Jahren danach sehr anfällig gegen bekapselte Bakterien, vor allem gegen Pneumokokken, Klebsiella pneumoniae, und Haemophilus influenzae und auch Neisseria meningitidis. Es kann sich eine fulminante Sepsis entwickeln. Deshalb sollte man rechtzeitig an eine Impfung gegen Pneumokokken, Meningokokken und H. influenzae denken, d. h. erstmals zum Zeitpunkt der Splenektomie! Klinik: s. o. Definition Sepsis.

Klinik: s. Definition Sepsis.

Allgemeine Diagnostik: ■ Klinisch: Regelmäßig Blutdruck und Herzrhythmus messen; ggf. APACHE-Score bestimmen. ■ Labor: CRP quantitativ, Procalcitonin, Laktat, pH, pO2, Zytokine.

Allgemeine Diagnostik: Klinische Untersuchung und Labor.

Mikrobiologische Diagnostik: Blutkulturen (s. folgendes „Merke“), Endotoxinmessungen (nicht Standard).

Mikrobiologische Diagnostik: Blutkulturen.

▶ Merke. Eine venöse Blutentnahme ist genauso gut wie eine arterielle. Die Punkti-

▶ Merke.

onsstelle muss sorgfältig desinfiziert werden – Einwirkzeit der Desinfektionsmittel beachten! Es sollten gleichzeitig mindestens 2–3 Blutkultursets, je bestehend aus aerober, anaerober und ggf. Pilzflasche, abgenommen werden. Eins der Sets soll aus einem ggf. liegenden zentralen Venenkatheter abgenommen werden. Am besten untersucht man das Blut bei Beginn eines Fieberschubes. Pro Kultur sollte man 5– 10 ml verwenden (bei Kindern, wo die Bakteriendichte meist höher ist, reichen 2 ml). Wenn ein Transport ins Labor nicht unmittelbar möglich ist, sollten die Flaschen zwischenzeitlich bei Zimmertemperatur gelagert werden. ■





Die Standardverfahren sind für sehr anspruchsvolle Bakterien nicht geeignet; u. U. kann man durch Verlängerung der Bebrütungsdauer über die üblichen 7 Tage hinaus noch Erfolg haben, indem z. B. vorgeschädigte Bakterien „aufgeweckt“ werden. Auch Mykobakterien können in den üblichen Nährmedien nicht wachsen – dafür stehen Spezialflaschen zur Verfügung. Pilze können auch in den bakteriellen Nährböden angezüchtet werden. Die Anzucht wird durch Antibiotika im Blut behindert. Zwar wird durch Verdünnung mit dem Nährmedium eine Reduktion der Konzentration erzielt, aber die Zugabe von Kunstharzen, welche eine Reihe von Antibiotika – aber nicht alle – binden, erhöht die Ausbeute. Wenn klinisch vertretbar, sollte deswegen die antibiotische Therapie vor Blutentnahme eine Zeit lang ausgesetzt werden. Das Lysis-Zentrifugationssystem (Isolator) hat den Vorteil, dass in einem ersten Schritt die partikulären Bakterien von den Flüssigkeiten getrennt werden; danach können die Bakterien dann ohne Antibiotika auf entsprechende Nährböden – auch auf Spezialnährböden – aufgebracht werden. Nach Anwachsen ist sogar eine Quantifizierung möglich.

▶ Merke. Ein negativer Befund schließt eine Sepsis nicht aus, weil die Streuung in

▶ Merke.

die Blutbahn nicht kontinuierlich, sondern intermittierend sein kann und die Keimdichte variiert. Ein positiver Befund muss kritisch interpretiert werden: der Nachweis von koagulasenegativen Staphylokokken, Propionibakterien, Korynebakterien, vergrünenden Streptokokken sowie von Mischinfektionen ist zunächst verdächtig auf eine Kontamination durch Keime der Hautflora. Therapie: Neben intensivmedizinischen Maßnahmen zur Sicherung der Vitalfunktionen ist eine sofortige hoch dosierte kalkulierte Antibiotikatherapie essenziell. Verwendet werden primär Breitspektrumantibiotika wie Piperacillin/Tazobactam oder Meropenem. Eine kalkulierte Antibiotikatherapie muss die Infektionsquelle und Umstände berücksichtigen. Sowohl die kalkulierte wie auch die gezielte Therapie nach Erreger und Antibiogramm müssen hoch dosiert werden. Bei Sepsis und dadurch bedingten Kreislauf- und Organschäden ist die Pharmakokinetik der Antibiotika oft verändert, sodass zur Optimierung der Antibiotikatherapie ein therapeutisches Drug-monitoring (TDM) (S. 322) sinnvoll ist.

Therapie: Sicherung der Vitalfunktionen durch intensivmedizinische Maßnahmen unter antibiotischer Therapie.

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680 Prognose: Ein septischer Schock ist eine gefürchtete Komplikation und vital gefährdend.

▶ Klinischer Fall.

14.2

Infektionen während der Schwangerschaft/Geburt

Veränderungen, Risiko: Das Risiko für manche Infektionskrankheiten – aber nicht generell für alle – ist in der Schwangerschaft erhöht.

I 14 Weitere Infektionen

Prognose: Der septische Schock – ausgelöst durch mikrobielle Bestandteile, wie Endotoxin, Peptidoglykan, Teichonsäuren, Lipoteichonsäuren und Toxine – ist die gefürchtete Folge und entscheidet oft über Leben und Tod. Multiorganversagen kann mit aufwendigen, modernen Verfahren der Intensivmedizin überbrückt werden. ▶ Klinischer Fall. Eine 42-jährige Augenärztin kommt sonntagabends wegen akuter Unterbauchbeschwerden ins Krankenhaus. Der Frauenarzt entfernt die intrauterine Spirale, findet dabei eine starke Eiterbildung und ordnet eine bakteriologische Untersuchung an. Das Ergebnis der mikroskopischen Untersuchung liegt am Montag um 12.00 Uhr vor, das der kulturellen Untersuchung erst am Dienstag um 12.00 Uhr. Es handelt sich um Streptococcus pyogenes. (14 Tage später liegt die Typisierung aus dem Referenzlabor vor: Der Keim bildet M-Protein Typ 1 – welches sehr wirksam vor Phagozytose schützt – und STSS-Toxin, ein Streptokokken-ToxicShock-Syndrome-Toxin (Superantigen), das eine intensive Zytokinstimulierung induziert.) Am nächsten Morgen sind mehrere periphere Blutgefäße thrombotisch verschlossen und es bilden sich blutige, gangränöse Flecken auf der Haut, speziell an den Akren, die sich schwarz verfärben. Die Patientin entwickelt einen septischen Schock mit Multiorganversagen. Bakterien können aus dem Blut, aus dem Peritonealexsudat und den peripheren Nekrosen kultiviert werden. Unter einer massiven Antibiotikatherapie mit Penicillin G, Imipenem und Linezolid gelingt erst nach 8 Tagen eine allmähliche Entfieberung. Die Patientin ist so geschwächt, dass sie intensive Rehabilitationsmaßnahmen benötigt.

14.2 Infektionen während der

Schwangerschaft/Geburt Veränderungen, Risiko: Die Infektanfälligkeit von Schwangeren ist nicht generell erhöht. Die Auseinandersetzung mit den meisten Krankheitserregern, z. B. mit Staphylokokken und Streptokokken, verläuft regelrecht. Die Einschränkungen der Infektabwehr sind eher dezent und werden nur in manchen Situationen relevant: ■ Mit Fortschreiten der Schwangerschaft kommt es durch Kompression der Ureteren zu einer rein mechanischen Behinderung des Harnabflusses. Darüber hinaus führt die hormonelle Umstellung dazu, dass die glatte Muskulatur erschlafft und Hohlorgane (z. B. die Harnblase) sich nicht mehr kräftig entleeren können; es entsteht eine erhöhte Restharnmenge und damit das Risiko einer Harnwegsinfektion. ■ Auch die spezifische, zelluläre Abwehr wird durch die hormonellen Veränderungen während der Gravidität geschwächt, was von bestimmten Erregern ausgenutzt wird. Gefahren für die Schwangere: Harnwegsinfektionen treten gehäuft auf, verlaufen schwerer und sind schwer zu therapieren, weil sie zu Rezidiven neigen. ■ Malaria verläuft sehr viel schwerer, oft tödlich. ■ Hepatitis E: fulminante Verläufe mit tödlichem Ausgang sind beschrieben worden, weil das hepatotrope Virus sich auch in der Plazenta vermehren kann, was die Viruslast stark erhöht. ■ Amnioninfektionen und auch manche Keimbesiedelungen mit potenziell pathogenen Bakterien führen zu Infektionen intra partum.

Gefahren für die Schwangere: Vor allem Harnwegsinfektionen treten gehäuft auf.



Gefahren für das Kind: ■ Frühgeburtlichkeit.





Intrauterine Infektionen (Tab. I-14.3).



Perinatale Infektionen (Tab. I-14.3).

Gefahren für das Kind: Die Frühgeburtlichkeit ist ein sehr ernstes Problem, weil Frühgeborene aus vielerlei Gründen ein erhöhtes Krankheitsrisiko haben. Eine veränderte Scheidenflora – wenn die physiologischen Laktobazillen von Gardnerella, Mobiluncus, Bacteroides und anderen Bakterien zurückgedrängt und evtl. lokal Entzündungen ausgelöst werden – führt zu einem erhöhten Frühgeburts-Risiko. Auch schwere Allgemeininfektionen mit Sepsis und Fieber können eine frühzeitige Wehentätigkeit auslösen. ■ Intrauterine Infektionen: Verschiedene Mikroorganismen (Tab. I-14.3) können über die Plazenta hinweg in den Fetus eindringen und sich in diesem immunkompromittierten Wirt vermehren, wodurch je nach Entwicklungszustand Defekte drohen. ■ Perinatale Infektionen: Wenn ein Kind direkt während der Geburt bzw. kurz danach („peri-natal“) gegenüber potenziell pathogenen Keimen (Tab. I-14.3) exponiert wird und keine Leihimmunität durch vorausgegangene Immunreaktionen der Mutter besteht, so verlaufen solche Infektionen bei dem Neugeborenen möglicherweise viel schwerer.

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680 Prognose: Ein septischer Schock ist eine gefürchtete Komplikation und vital gefährdend.

▶ Klinischer Fall.

14.2

Infektionen während der Schwangerschaft/Geburt

Veränderungen, Risiko: Das Risiko für manche Infektionskrankheiten – aber nicht generell für alle – ist in der Schwangerschaft erhöht.

I 14 Weitere Infektionen

Prognose: Der septische Schock – ausgelöst durch mikrobielle Bestandteile, wie Endotoxin, Peptidoglykan, Teichonsäuren, Lipoteichonsäuren und Toxine – ist die gefürchtete Folge und entscheidet oft über Leben und Tod. Multiorganversagen kann mit aufwendigen, modernen Verfahren der Intensivmedizin überbrückt werden. ▶ Klinischer Fall. Eine 42-jährige Augenärztin kommt sonntagabends wegen akuter Unterbauchbeschwerden ins Krankenhaus. Der Frauenarzt entfernt die intrauterine Spirale, findet dabei eine starke Eiterbildung und ordnet eine bakteriologische Untersuchung an. Das Ergebnis der mikroskopischen Untersuchung liegt am Montag um 12.00 Uhr vor, das der kulturellen Untersuchung erst am Dienstag um 12.00 Uhr. Es handelt sich um Streptococcus pyogenes. (14 Tage später liegt die Typisierung aus dem Referenzlabor vor: Der Keim bildet M-Protein Typ 1 – welches sehr wirksam vor Phagozytose schützt – und STSS-Toxin, ein Streptokokken-ToxicShock-Syndrome-Toxin (Superantigen), das eine intensive Zytokinstimulierung induziert.) Am nächsten Morgen sind mehrere periphere Blutgefäße thrombotisch verschlossen und es bilden sich blutige, gangränöse Flecken auf der Haut, speziell an den Akren, die sich schwarz verfärben. Die Patientin entwickelt einen septischen Schock mit Multiorganversagen. Bakterien können aus dem Blut, aus dem Peritonealexsudat und den peripheren Nekrosen kultiviert werden. Unter einer massiven Antibiotikatherapie mit Penicillin G, Imipenem und Linezolid gelingt erst nach 8 Tagen eine allmähliche Entfieberung. Die Patientin ist so geschwächt, dass sie intensive Rehabilitationsmaßnahmen benötigt.

14.2 Infektionen während der

Schwangerschaft/Geburt Veränderungen, Risiko: Die Infektanfälligkeit von Schwangeren ist nicht generell erhöht. Die Auseinandersetzung mit den meisten Krankheitserregern, z. B. mit Staphylokokken und Streptokokken, verläuft regelrecht. Die Einschränkungen der Infektabwehr sind eher dezent und werden nur in manchen Situationen relevant: ■ Mit Fortschreiten der Schwangerschaft kommt es durch Kompression der Ureteren zu einer rein mechanischen Behinderung des Harnabflusses. Darüber hinaus führt die hormonelle Umstellung dazu, dass die glatte Muskulatur erschlafft und Hohlorgane (z. B. die Harnblase) sich nicht mehr kräftig entleeren können; es entsteht eine erhöhte Restharnmenge und damit das Risiko einer Harnwegsinfektion. ■ Auch die spezifische, zelluläre Abwehr wird durch die hormonellen Veränderungen während der Gravidität geschwächt, was von bestimmten Erregern ausgenutzt wird. Gefahren für die Schwangere: Harnwegsinfektionen treten gehäuft auf, verlaufen schwerer und sind schwer zu therapieren, weil sie zu Rezidiven neigen. ■ Malaria verläuft sehr viel schwerer, oft tödlich. ■ Hepatitis E: fulminante Verläufe mit tödlichem Ausgang sind beschrieben worden, weil das hepatotrope Virus sich auch in der Plazenta vermehren kann, was die Viruslast stark erhöht. ■ Amnioninfektionen und auch manche Keimbesiedelungen mit potenziell pathogenen Bakterien führen zu Infektionen intra partum.

Gefahren für die Schwangere: Vor allem Harnwegsinfektionen treten gehäuft auf.



Gefahren für das Kind: ■ Frühgeburtlichkeit.





Intrauterine Infektionen (Tab. I-14.3).



Perinatale Infektionen (Tab. I-14.3).

Gefahren für das Kind: Die Frühgeburtlichkeit ist ein sehr ernstes Problem, weil Frühgeborene aus vielerlei Gründen ein erhöhtes Krankheitsrisiko haben. Eine veränderte Scheidenflora – wenn die physiologischen Laktobazillen von Gardnerella, Mobiluncus, Bacteroides und anderen Bakterien zurückgedrängt und evtl. lokal Entzündungen ausgelöst werden – führt zu einem erhöhten Frühgeburts-Risiko. Auch schwere Allgemeininfektionen mit Sepsis und Fieber können eine frühzeitige Wehentätigkeit auslösen. ■ Intrauterine Infektionen: Verschiedene Mikroorganismen (Tab. I-14.3) können über die Plazenta hinweg in den Fetus eindringen und sich in diesem immunkompromittierten Wirt vermehren, wodurch je nach Entwicklungszustand Defekte drohen. ■ Perinatale Infektionen: Wenn ein Kind direkt während der Geburt bzw. kurz danach („peri-natal“) gegenüber potenziell pathogenen Keimen (Tab. I-14.3) exponiert wird und keine Leihimmunität durch vorausgegangene Immunreaktionen der Mutter besteht, so verlaufen solche Infektionen bei dem Neugeborenen möglicherweise viel schwerer.

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681

I 14.2 Infektionen während der Schwangerschaft/Geburt

≡ I-14.3

Intrauterine und perinatale Infektionen

Erreger

Quelle

Zeitpunkt

Folgen

Röteln

erkrankte Menschen

1. Trimenon

Embryopathien

Parvovirus

erkrankte Menschen

jederzeit

Hydrops fetalis, Abort

Varizellen

erkrankte Menschen

1. Trimenon

Embryopathien

Zytomegalie

erkrankte Menschen, Träger

1. Trimenon

Embryopathien

Zikavirus

Mücken

jederzeit

Mikroenzephalie

Lues

Geschlechtsverkehr

jederzeit

Abort, konnatale Infektion

Listeria

Lebensmittel

jederzeit

Abort, konnatale Infektion

Coxiella

Tierkontakt

jederzeit

Abort

Toxoplasma

Lebensmittel, Tierkontakt

jederzeit

Abort, konnatale Infektion

Hepatitis B

Mutter

unter der Geburt

chronische Hepatitis

Hepatitis C

Mutter (sehr selten)

unter und nach der Geburt

chronische Hepatitis

Hepatitis E

Lebensmittel

jederzeit

Abort; oft für Mutter fatal

HIV

Mutter

unter der Geburt, ggf. durch Stillen

systemische Infektion

Herpes

erkrankte Menschen

variabel

Meningitis, Enzephalitis

Varizellen

erkrankte Menschen

kurz nach Geburt

Meningitis, systemisch

Zytomegalie

erkrankte Menschen, Träger

unter der Geburt

diverse Manifestationen

Tetanus

Umwelt

Nabelinfektion

Tetanus neonatorum

Listeria

Mutter, nosokomial

kurz nach Geburt

Sepsis, Meningitis

B-Streptokokken

Mutter

unter der Geburt

Sepsis, Meningitis

E. coli (K1*)

Mutter

unter der Geburt

Meningitis

Gonokokken

Mutter

unter der Geburt

Blennorrhö

Chlamydia

Mutter

unter der Geburt

Blennorrhö

Salmonellen

Unterwassergeburt

unter der Geburt

Enteritis

Candida

Mutter

unter der Geburt

Soor

intrauterine Infektionen

perinatale Infektionen

* K1 = Kapselantigen 1

Einige dieser – eher seltenen – konnatalen Infektionen sind meldepflichtig (Tab. I-14.4).

≡ I-14.4

Häufigkeit und Meldepflicht einiger konnataler Infektionen in Deutschland

Erreger/Erkrankung

Häufigkeit pro Jahr

Meldepflicht

Listerien

30–40

ja

Toxoplasmose

18–33

ja

Zytomegalie

15–30

nein

Lues

3–7

ja

Röteln

1–7

ja

Zur Meldepflicht Tab. I-14.4.

≡ I-14.4

Mikrobiologische Diagnostik: Vorsorgeuntersuchungen der Schwangeren schließen den Nachweis von Antikörpern gegen Röteln, Treponema pallidum sowie Hepatitis B ein. Darüber hinaus kann bei Verdacht eine serologische Untersuchung auf Toxoplasma, Parvoviren, HIV und Hepatitis C sinnvoll sein. Antikörperbestimmungen gegen Listerien (S. 349) sind unsinnig! Der Nachweis von Antigen bzw. Nukleinsäure von Chlamydia trachomatis ist ebenfalls in den Mutterschaftsrichtlinien vorgesehen. Surveillance-Kulturen von B-Streptokokken und Candida im Vaginalabstrich am Ende der Schwangerschaft erscheinen ebenfalls sinnvoll, um ein Risiko der Infektion des Kindes unter der Geburt bzw. kurz danach abzuschätzen. Bei Verdacht auf eine Gonorrhö ist ein direkter Nachweis der Erreger durch PCR oder Kultur nötig.

Mikrobiologische Diagnostik: In den Mutterschaftsrichtlinien sind bestimmte Vorsorgeuntersuchungen empfohlen.

Prophylaxe: Am wichtigsten ist die Expositionsprophylaxe, indem man durch richtiges Verhalten bzw. Ernährung das Risiko z. B. einer Toxoplasmose und Listeriose (Tab. I-14.5) reduziert.

Prophylaxe: Der Expositionsprophylaxe kommt eine entscheidende Rolle zu (Tab. I-14.5).

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682

≡ I-14.5

I 14 Weitere Infektionen

Maßnahmen zur Vermeidung intrauteriner Infektionen

Toxoplasma gondii

Listeria monocytogenes möglicherweise mit Listerien kontaminierte Lebensmittel meiden: Frischwurst, Aufschnitt, Fleischpasteten, Sandwich

Umgang mit Katzen meiden (v. a. junge Kätzchen, denn alte Katzen sind meist immun, ggf. den Immunstatus beim Tierarzt prüfen lassen)

■ ■

rohes Fleisch (Tartar), speziell Hühnerfleisch



Katzentoilette mit Handschuhen leeren



grüner Salat, rohe Pilze



Katzen nur mit Dosenfutter bzw. gekochtem Fleisch füttern (nicht mausen lassen)



angebrochene Proben von Mayonnaise und Salatdressing



Speisen, die nach dem Kochen lange (> 24 h) aufbewahrt wurden



rohe Milch und deren Produkte



Weichkäse wie Romadur, Münster, Roquefort, Camembert, Brie (v. a. die Rinde davon)



Muscheln und andere Meeresfrüchte, Räucherlachs





kein rohes Fleisch essen oder das Fleisch vorher bei –18 °C einfrieren (Schweine sind heute nur noch selten mit Toxoplasma infiziert, weil sie nicht freilaufend sind, sondern im Stall mit industriell gefertigter Nahrung gefüttert werden)

weitgehend listerienfreie Lebensmittel bevorzugen: ■ frisch geöffnete Konserven

Die Impfprophylaxe schützt vor einigen, gefährlichen Krankheiten, darunter Röteln und Tetanus.

Eine Frühdiagnostik hilft Komplikationen zu minimieren.

Eine konsequente Therapie chronischer Infektionen mit HI- bzw. Hepatitis-Viren reduziert das Risiko einer Übertragung, vor und nach der Geburt. Eine Sectio caesarea kann die Übertragung mancher Erreger von der Mutter auf das Kind verhindern. Die Grundregeln der Hygiene müssen während der Geburt strikt eingehalten werden.

Therapie: Die Wahl eines Antibiotikums unterliegt während einer Schwangerschaft besonderen Überlegungen bezüglich Nebenwirkungen und Wirksamkeit (Tab. I-14.6).



frisch abgekochte und erhitzte Speisen



frisch pasteurisierte Milch



Hartkäse



Joghurt (aus Industrieproduktion)



Schokolade, Kekse, Marmelade



rohe Karotten, Tomaten, Äpfel

Durch rechtzeitige Impfungen der Mutter gegen Röteln kann eine intrauterine Infektion und eine Embryopathie mit Sicherheit verhindert werden. Der Tetanus neonatorum, der in Afrika immer noch an erster Stelle der Todesursachen von Neugeborenen steht, kann durch die Tetanusimpfung der Mutter (Leihimmunität durch mütterliche Antikörper) verhindert werden. Eine weitere Maßnahme ist die frühzeitige Diagnose, damit eine Ausbreitung der Infektion durch antimikrobielle Medikamente unterbunden werden kann, wie z. B. bei der Toxoplasmose (auch ein Abbruch der Schwangerschaft muss u. U. in Betracht gezogen werden). Bei einer Besiedelung der Geburtswege mit B-Streptokokken oder Candida kann eine entsprechende antimikrobielle Chemotherapie die Gefahr beseitigen. Bei Varizellenverdacht kann die Geburt verzögert werden bis die Mutter Antikörper entwickelt hat, die dann das Kind passiv schützen. Eine konsequente antimikrobielle Therapie chronischer Infektionen der Mutter, wie etwa HIV-Infektion oder Hepatitis A und C, reduziert die Erregerlast, wodurch das Risiko einer Übertragung von der Mutter auf das Kind sowohl in utero als auch postpartal (z. B. während der Stillzeit) gesenkt wird. Durch eine Sectio caesarea (Kaiserschnitt) kann die Übertragung von HI-, HepatitisB-, Hepatitis-C-Virus sowie von Salmonella von der Mutter auf das Kind während der Geburt vermieden werden. Die Einhaltung der Grundregeln der Hygiene kann die Übertragung von potenziell pathogenen Keimen (z. B. Listerien, Hospitalkeime wie MRSA) auf das Kind im Kreißsaal bzw. in der neonatologischen Station weitgehend verhindern. Therapie: Die Auswahl eines geeigneten Antibiotikums zur Anwendung bei einer Schwangeren ist erschwert: ■ Einige Wirkstoffe sind aufgrund evtl. embryotoxischer Nebenwirkungen kontraindiziert (Tab. I-14.6) ■ Normalerweise tolerierte Nebenwirkungen können während der Schwangerschaft zu einer Gefährdung des Kindes führen. So kann es z. B. bei einer durch Ampicillin gestörten Scheidenflora (Lactobazillen) zu einer Vermehrung von Sprosspilzen kommen, die das Kind bei der Geburt gefährden können. ■ Das Antibiotikum muss transplazentar übertragen werden können, damit es überhaupt für die Therapie einer kindlichen Infektion angewendet werden kann.

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I

≡ I-14.6

Antibiotika in der Schwangerschaft

möglich

683

14.3 Infektionen im Alter

≡ I-14.6

kontraindiziert



Penicillin



Aminoglykosid



Ampicillin/Pivmecillinam



Cotrimoxazol



Tazobactam



Chinolone



Cephalosporine



Tetrazykline



Meropenem



Metronidazol



Makrolide



INH, Pyrazinamid

14.3 Infektionen im Alter

14.3

Infektionen im Alter

Grundlagen: Die Lebenserwartung ist zumindest in den industrialisierten Ländern stark angestiegen, folglich wird in den nächsten Jahrzehnten die Zahl der alten Menschen weiter zunehmen. Damit wird die Konstellation „Infektion im Alter“ an Bedeutung gewinnen. Im Laufe des Lebens verändern sich viele Parameter im Körper, die Einfluss nehmen auf die Körperabwehr und damit auf die Infektanfälligkeit und den Verlauf von Infektionen.

Grundlagen: Häufigkeit, Symptome, Verlauf und Prognose von Infektionskrankheiten können mit dem Alter variieren.

Altersabhängige Veränderungen des Immunsystems: Die Infektionsabwehr besteht aus einem komplexen, gestaffelten System aus vielen Einzelkomponenten. Nicht alle, aber zumindest einzelne davon unterliegen einem Alterungsprozess, der in individuell unterschiedlicher Ausprägung zumeist eine Deaktivierung der unspezifischen und spezifischen Abwehr beinhaltet (Immunoseneszenz): ■ Einschränkung der zellulären Infektabwehr, z. B. die Phagozytoseleistung der Granulozyten oder die Zytokinproduktion der Makrophagen. ■ Veränderte humorale Immunreaktion im Sinne einer veränderten Zusammensetzung der Immunglobulinklassen im Serum, z. B. erhöhte IgA-Spiegel. ■ Die Reagibilität der peripheren Lymphozyten gegenüber primären und auch sekundären Antigenexpositionen kann reduziert sein, obwohl deren Gesamtzahl sowie die Relationen von Untergruppen, wie etwa CD4- und CD8-T-Lymphozyten, normalerweise nicht auffällig verändert ist. Darüber hinaus gibt es weitere körperliche und soziale Faktoren mit Einfluss auf die Infektionsabwehr: ■ reduzierte Sekretproduktion, erhöhter pH im Magen. ■ eingeschränkte Integrität der Epithelien, die normalerweise eine wesentliche Infektbarriere darstellen. ■ zunehmende Komorbidität. ■ familiäre und soziale Situation: Armut, Vernachlässigung und nicht zuletzt eine Fehl- und Mangelernährung, etwa Protein-, Zink- oder Selenmangel, fördern oft die Entstehung bzw. Ausbreitung von Infektionen.

Altersabhängige Veränderungen des Immunsystems: Komorbidität und veränderte Körperabwehr (Immunoseneszenz) begünstigen in vielen Fällen den Verlauf von Infektionen bei alten Menschen.

▶ Merke. Eine generelle Verschlechterung der Abwehrleistung im Alter kann nicht

▶ Merke.

konstatiert werden; zum einen hängt die individuelle Situation nicht nur vom kalendarischen Alter ab, zum anderen kann das Alter in Bezug auf einzelne Infektionskrankheiten sogar von Vorteil sein: dann nämlich, wenn durch eine vorausgegangene Exposition bereits eine tragfähige Immunität erworben wurde. In vielen Fällen ist jedoch eine deutliche Risikosteigerung zu beobachten, weil z. B. eine frühere Exposition zu einer latenten Erkrankung geführt hat, die erst im Alter ausbricht. Symptomatik, Verlauf und Prognose können unterschiedlich sein – mit entsprechenden Konsequenzen für Diagnostik und Therapie. Beispiel Salmonellainfektion: Bei Kindern und jungen Menschen manifestiert sie sich meistens als banale Enteritis mit Spontanheilung. Bei alten Menschen jedoch, wo durch Mangel an Magensäure die Anfälligkeit gegenüber oral aufgenommenen Salmonellen steigt, entwickelt sich häufig eine systemische Ausbreitung mit einem typhösen Verlauf (Abb. I-14.1), der oft tödlich endet. Bei der Indikationsstellung für eine Antibiotikatherapie müssen diese Veränderungen berücksichtigt werden: während junge Menschen nach kurzzeitigem Brechdurchfall die Infektion spontan überwinden, sodass eine Antibiotikatherapie nicht immer indiziert ist, benötigen alte Menschen diese externe Hilfe. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

684 ⊙ I-14.1

I 14 Weitere Infektionen

⊙ I-14.1

Häufigkeit von Todesfällen an Salmonellose abhängig vom Alter

35

Anzahl der Todesfälle

30 25 20 15 10 5 0

▶ Klinischer Fall.

0–20 20–40 40–60 60–80 80 Jahre und mehr

▶ Klinischer Fall. In einem Altenheim erkrankten fast alle Bewohner nach einem sommerlichen Grillfest an einer akuten Gastroenteritis, während das Pflegepersonal fast ganz verschont blieb, obwohl auch dieses von den nicht ausreichend erhitzten Bratwürsten gegessen hatte. Etwa die Hälfte der über 70-Jährigen musste hospitalisiert werden. Mehrere der Erkrankten starben an einer Sepsis – bedingt durch Salmonella enteritidis Serovar Hadar –, da eine gezielte Antibiotikatherapie zu spät begonnen wurde. Dagegen überlebten alle Erkrankten, wenn sofort mit einer parenteralen Therapie mit Ciprofloxacin die Disseminierung unterbunden wurde.

Im Alter besonders häufige Infektionen: ■ Haut- und Weichteilinfektionen ■ Infektionen im Mund und an Zähnen ■ Infektionen der Atemwege, problematisch sind v. a. die chronische Bronchitis und Pneumonie ■ Enteritis ■ Harnwegsinfektionen ■ Entwicklung einer Sepsis ■ Listeriose ■ Katheterinfektionen.

Im Alter besonders häufige Infektionen: ■ Haut- und Weichteilinfektionen, besonders bei Altersdiabetes, verlaufen oft chronisch und sind therapieresistent, weil die Durchblutung vermindert und somit die lokale Infektabwehr geschwächt ist. Nicht zuletzt weil alte Menschen sich nicht mehr gut bücken können und das Sehvermögen nachlässt, ist die Nagelmykose der Zehen eine häufige Erkrankung. ■ Infektionen im Mund und an Zähnen sind vor allem bei unterernährten, verwahrlosten Menschen häufig und können zu Komplikationen führen. Zahninfektionen werden häufig erst in fortgeschrittenem Stadium bemerkt. ■ Die Funktion der Atemwege ist physiologischerweise im Alter zunehmend eingeschränkt, stark beeinflusst durch einen evtl. langjährigen Nikotinabusus. Chronische Bronchitis und Pneumonie (speziell eine Pneumokokken-Pneumonie) sind im Alter problematisch. Speziell die Tuberkulose ist heute ein Problem der alten Menschen. ■ Enteritiden durch pathogene Darmkeime sind häufiger und vor allem auch schwerwiegender. Daneben sind Cholangitis und Divertikulitis – ausgelöst durch die residente Flora des Darmes – oft gravierend, nicht zuletzt wegen atypischer Verläufe. Die Appendizitis beginnt oft schleichend mit der Gefahr einer Perityphlitis, bei der die Entzündung auch noch auf das Zökum und Colon ascendens übergreift und sich ggf. eine Peritonitis entwickeln kann. ■ Harnwegsinfektionen zeigen häufig einen atypischen Verlauf mit Neigung zur Urosepsis. ■ Da Infektionserreger offensichtlich von alten Menschen nicht effektiv eingedämmt werden, entwickelt sich schnell eine Sepsis, gegen die dann die Abwehr versagt (Beispiel: Pneumokokkensepsis). ■ Die Listeriose ist eine typische Erkrankung im hohen Alter (Abb. I-14.2). ■ Nicht zuletzt eben wegen der Multimorbidität und der dadurch bedingten häufigen Hospitalisation sind natürlich auch Katheterinfektionen relativ häufig. ■ Andere Krankheiten, wie etwa Tetanus, treten heute fast nur noch bei alten Menschen auf.

Klinik und Diagnostik: Das klinische Erscheinungsbild einer Infektion im Alter kann atypisch sein. Die Diagnose ist dadurch erschwert.

Klinik und Diagnostik: Aufgrund der im Alter veränderten Reaktion des Körpers auf die Herausforderung durch Keime treten oft asymptomatische oder atypische Verläufe auf. So ist oftmals z. B. trotz ausgedehnter mikrobieller Infiltrationen, z. B. bei

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I

⊙ I-14.2

685

14.3 Infektionen im Alter

Inzidenz der Listeriose in Deutschland in Abhängigkeit vom Alter (nach RKI, 2016)

5,0

Erkrankungen/100.000 Einwohner

4,5 4,0 3,5 3,0 männlich

2,5

weiblich 2,0 1,5 1,0 0,5 0

79

Altersgruppe

nekrotisierender Cholezystitis oder Typhlitis, kein Fieber als Warnhinweis auf eine Infektion zu beobachten. Man darf also Zeichen des veränderten Allgemeinzustandes nicht als eine Alterserscheinung abtun, sondern muss u. U. gezielt nach Infektionserregern suchen. ▶ Merke. Fieber als Leitsymptom für Infektionen kann im Alter fehlen.

Therapie: Einerseits ist der alte Mensch in erhöhtem Maße von therapeutischen Eingriffen abhängig, wenn sein körpereigenes Abwehrsystem schwächer ist, und andererseits muss man mit einem anderen Wirkungsgrad der antimikrobiellen Chemotherapie rechnen. Die allgemein verfügbaren pharmakologischen Daten basieren auf Untersuchungen an jungen Probanden. Die Bioverfügbarkeit z. B. von oral verabreichten Medikamenten ist bei den physiologischen Veränderungen des pH und der Schleimhautaktivitäten möglicherweise modifiziert. Die Menge des Körperfetts und die intra-/extrazelluläre Wasserverteilung ist im Alter oft verschoben, sodass die Pharmakologie von fett- bzw. wasserlöslichen Medikamenten betroffen ist. Auch der Metabolismus von Antibiotika in Leber und Niere ist von der Organfunktion abhängig. ▶ Merke. ■



▶ Merke.

Therapie: Bei der Antibiotikatherapie im Alter ist bereits schon die Indikationsstellung anders, dann kommt noch die veränderte Pharmakologie (Resorption, Verteilung, Metabolisierung) und Verträglichkeit dazu, wobei vor allem die Überlegungen wegen möglicher Interaktionen mit anderen Medikamenten bei diversen Begleiterkrankungen komplex sind.

▶ Merke.

Da evidenzbasierte Angaben zur optimalen Dosierung bei alten Menschen weitgehend fehlen, muss man die Therapie individuell und mit „Fingerspitzengefühl“ steuern! Auch auf die Verträglichkeit von Antibiotika, nicht zuletzt wegen der Interaktion mit anderen Medikamenten bei Multimorbidität, muss besonders geachtet werden.

Prophylaxe: Eine ausgewogene Ernährung mit qualitativ hochwertigen Produkten wäre wünschenswert, denn Mangelernährung, etwa Zink- und Selenmangel, erhöht die Anfälligkeit. Verdorbene Nahrungsmittel, die z. B. zu lange oder falsch gelagert sind, können gefährliche Krankheitserreger oder deren Toxine enthalten. Eine adäquate Körperpflege inklusive der Haut und der Mundschleimhaut verhindert diverse Infektionen. Die gesamten sozialen Umstände, vor allem die Wohnverhältnisse, haben einen entscheidenden Einfluss auf das Infektionsrisiko.

Prophylaxe: Das gesamte Repertoire der Infektionsprophylaxe sollte genutzt werden. Dennoch greifen manche Maßnahmen, wie etwa Impfung, nicht immer mit der gewohnten Zuverlässigkeit.

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686 ⊙ I-14.3

I 14 Weitere Infektionen

⊙ I-14.3

Altersabhängiges Risiko für eine bedrohliche Pneumokokkensepsis

0,14 männlich

in % der Bevölkerung der jeweiligen Altersdekade in Deutschland

0,12

weiblich

0,1 0,08 0,06 0,04 0,02 0

1.

2.

3.

4.

5. 6. Altersdekaden

7.

8.

9.

10.

(Quelle: Hof, A., Fahr, A., Holfelder, M., Schwarz, R., Oberdorfer, K.: Schwere Pneumokokkeninfektionen im Alter – impfpräventabel. Z Gerontol Geriat 2013, 46 (2):160-166; mit freundlicher Genehmigung von Springer Science+Business Media)

Auch Impfungen haben einen besonderen Stellenwert. Während bei jungen Menschen eine Pneumokokkeninfektion meist glimpflich verläuft, sind alte Menschen stark gefährdet (Abb. I-14.3); aus diesem Grund wäre eine entsprechende Impfung im höheren Lebensalter besonders wichtig. Dasselbe gilt für die jährliche Grippeimpfung. Die Tetanusimpfung wäre einerseits ganz wichtig, weil gerade im hohen Alter die Mortalität und auch die Letalität am größten ist, aber andererseits ist die Immunantwort von alten Menschen auf diesen Impfstoff deutlich reduziert, sodass man wiederholt impfen muss, ggf. mit einer Überprüfung des Impferfolges mittels Antikörperbestimmung.

14.4

Infektionen bei Abwehrschwäche

Grundlagen: Bei einer angeborenen oder erworbenen Abwehrschwäche nutzen opportunistische Keime die Chance, sich in einem solchen Wirt zu vermehren (Tab. I-14.7).

14.4 Infektionen bei Abwehrschwäche Grundlagen: Neben den wenigen obligat pathogenen Keimen, die schon im normalen, abwehrtüchtigen Wirt eine Infektion auslösen können, gibt es noch die große Gruppe der Opportunisten, die sich bei „passender Gelegenheit“ ausbreiten und Schaden anrichten können. Angeborene, genetisch determinierte Immundefekte sind eher selten (Tab. I-14.7). Dagegen gibt es mehrere klinische Situationen mit erworbener Abwehrschwäche: Gefährdet sind vor allem Frühgeborene und Alte, aber auch durch Krankheit (z. B. Leukämie) bzw. moderne immunsuppressive Therapieverfahren (Kortisontherapie von Autoimmunkrankheiten, zytostatische, strahlentherapeutische oder immunmodulatorische Therapie bei onkologischen Erkrankungen, Immunsuppression von Organtransplantierten) geschwächte Personen. Auch im Verlauf von Infektionen, z. B. mit HIV, EBV oder Tbc, kann sich eine Immunschwäche entwickeln. Weiterhin können bestimmte Verhaltensweisen (Alkoholkonsum, Rauchen) eine Infektanfälligkeit steigern. Der Grad der Abwehrschwäche kann stark variieren – von einer selektiven Schwäche einer einzelnen Infektabwehrfunktion, z. B. ein Defekt im Komplementfaktor C 3 oder eine lokale Störung der Barriere, bis hin zu einer generellen Schwäche, die mehrere Mechanismen der unspezifischen wie der spezifischen Abwehr gleichzeitig betrifft. Selbst prinzipiell völlig harmlose Erreger können dann den Körper befallen („wie einen lebenden Nährboden“).

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687

I 14.4 Infektionen bei Abwehrschwäche

≡ I-14.7

Ursachen von Immundefekten

angeborene, primäre Defekte unspezifische Abwehr

spezifische Abwehr



Defekte in der Schleimproduktion: bei Mukoviszidose ist die lokale Abwehr von diversen bakteriellen Erregern vermindert



Mängel in der „innate immunity“: Fehlen, Verminderung oder Funktionsuntüchtigkeit z. B. von Defektvarianten: Defensine können bei Mukovisziose ihre Wirkung nicht entfalten.



Komplementdefekte: erhöhte Anfälligkeit gegen Meningokokken und bekapselte Erreger



Phagozytendefekte, z. B. Chédiak-Higashi und chronische Granulomatose: erhöhte Anfälligkeit gegenüber intrazellulären Erregern, z. B. S. aureus.



B-Zell-Mangel, z. B. IgA-Mangel: erhöhte Anfälligkeit gegenüber Schleimhautinfektionen



T-Zell-Mangel, severe immunodeficiency syndrome: erhöhte Anfälligkeit gegenüber diversen Erregern

erworbene, sekundäre Störungen unspezifische Abwehr

spezifische Abwehr



Epitheldefekte: bei Rauchern ist die Penetrationsbarriere in den Bronchien vermindert (s. Abb. D-2.70). Verbrennungspatienten neigen zu großflächigen Hautinfektionen



vor allem nach Bestrahlung und zytostatischer Chemotherapie tritt häufig eine Neutropenie (< 500 Granulozyten/mm3) auf. Vor allem bakterielle und mykotische Infektionen treten dann gehäuft auf.



auch andere Medikamente (z. B. hoch dosierte und lang anhaltende Steroidtherapie) erzeugen eine iatrogene Abwehrschwäche.



nach Splenektomie fehlt ein Teil der phagozytierenden Kapazität, sodass eine hohe Anfälligkeit gegenüber bekapselten Bakterien auftritt (Gefahr der OPSI*).



Defizienz humoraler Abwehrstoffe: medikamentöse Verminderung von Zytokinen steigert die Infektgefahr.



in bestimmten Lebensabschnitten (Frühgeborene, Alter) sowie im Verlauf verschiedener Krankheiten (z. B. konsumierende Tumorleiden, Diabetes, Leberzirrhose, Niereninsuffizienz oder chronische Infektionen) kommt es zum Verlust mehrerer unspezifischer Abwehrmechanismen, der kaum noch kompensiert werden kann. Patienten mit Leukämie etwa haben trotz erhöhter Zahl an Granulozyten oft eine funktionelle Schwäche dieser Infektabwehr und sind somit anfällig gegen verschiedene Erreger (Viren: z. B. Herpesviren und Zytomegalievirus, Bakterien: grampositive und gramnegative, Pilze: z. B. Cryptococcus, Candida, Aspergillus, Pneumocystis).



vor allem nach allogener Transplantation, wenn eine Abstoßungsreaktion durch Immunsuppressiva gedrosselt wird, oder bei einer Autoimmunkrankheit das Abwehrsystem lahmgelegt wird, ist auch die Infektabwehr betroffen.



als Folge von Infektionen mit lymphotropen Viren, z. B. HIV und EBV, kommt es zu einer Funktionsschwäche der Lymphozyten.

* OPSI = overwhelming post-splenectomy infection

Ätiologie: Verschiedene opportunistische Keime – Viren (Herpes simplex, EBV, CMV, VZV), Bakterien (Legionellen, Listerien, Nocardien), Pilze (Aspergillen, Pneumocystis, Zygomyzeten), Protozoen (Toxoplasmen) und Würmer (Strongyloides) – sind eine Bedrohung für abwehrgeschwächte Patienten. Der Zeitpunkt des Erscheinens von infektiösen Komplikationen ist von Erreger zu Erreger verschieden (Abb. I-14.4).

Ätiologie: Erreger aus allen Gruppen von Mikroorganismen stellen eine Bedrohung dar. Auch solche, die sonst als apathogen gelten (Abb. I-14.4).

Diagnostik: Einer breiten Palette von Erregern ist es möglich, in den abwehrgeschwächten Patienten eine Infektion auszulösen, sodass auch die anzufordernden Tests aus ganz unterschiedlichen Untersuchungsmaterialien umfangreich sind.

Diagnostik: Durch die große Vielfalt der infrage kommenden Erreger kommen die verschiedensten Tests und Untersuchungsmaterialien zum Einsatz.

⊙ I-14.4

Fälle (in %)

100

Häufigkeit und Zeitpunkt des Auftretens von Infektionen nach allogener Stammzelltransplantation

Herpes simplex Bakteriämien Cytomegalie invasive Mykosen

Varizella zoster 50

0

⊙ I-14.4

Hepatitis C Pneumokokken-Bakteriämie 30

60

90

150 180 270 Tage nach Transplantation

360

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688 Therapie: ■ Die empirische (kalkulierte) Therapie beruht auf einer generellen Erfahrung. ■ Die präemptive Therapie hat das Ziel, eine Infektion im Keim zu ersticken. ■ Die gezielte Therapie wäre die optimale Behandlung.

Prophylaxe:

I 14 Weitere Infektionen

Therapie: ■ Empirische (kalkulierte) Therapie: Schon bei den ersten, oft uncharakteristischen Zeichen einer Infektion und noch vor einer endgültigen Diagnose werden antimikrobielle Medikamente verabreicht. Ziel ist, eine Infektion im „Keime zu ersticken“, die Auswahl der Wirkstoffe erfolgt entsprechend der klinischen Erfahrung. Die Indikation für eine solche aufwendige und möglicherweise auch nebenwirkungsreiche Maßnahme muss jedoch gut abgewogen werden. (In der Praxis gehen die präemptive und empirische Therapie sowie die Chemoprophylaxe [s. u.] fließend ineinander über). ■ Präemptive Therapie: Ziel ist, das Aufflackern von Infektionen frühzeitig zu bekämpfen, d. h. noch bevor überhaupt Symptome voll ausgeprägt sind, aber schon einige Laborergebnisse Hinweise für einen bestimmten Erreger bringen, oder die Reaktivierung einer Infektion zu verhindern. ■ Gezielte Therapie: bei exakter Klärung der Ätiologie und beim Vorliegen eines Antibiogramms kann man die Therapie optimieren; wenn das Risiko, das von einer bestimmten Infektion ausgeht, abschätzbar ist, so kann eine nebenwirkungsreiche, belastende und teure Therapie gerechtfertigt sein. Prophylaxe: Eine aufwendige Umkehrisolation schützt den abwehrgeschwächten Patienten nicht vor der eigenen Flora, aber vor der Umwelt. Auch einfache aber hilfreiche Maßnahmen, wie etwa die Entfernung von Topfpflanzen, sollten ergriffen werden.

■ ■

Umkehrisolation

▶ Definition.

■ ■ ■ ■

„barrier isolation“ Chemoprophylaxe Impfungen Immunmodulatoren.

▶ Definition. Gesunde Menschen müssen durch Isolation eines infizierten, kontagiösen Patienten vor einer Krankheit geschützt werden. Eine Umkehrisolation hat das Ziel, gesunde aber infektanfällige Personen vor den Gefahren durch Umweltkeime und Mikroorganismen von Mitmenschen zu bewahren. ■







14.5

STD (sexually transmitted diseases)

▶ Merke.

Eine „barrier isolation“, d. h. Kittelpflege, Mundschutz bei Kontaktpersonen, ist gedacht als Schutz vor resistenten Keimen. Eine antimikrobielle Prophylaxe (Chemoprophylaxe) zielt darauf ab, eine Infektion von vornherein zu verhindern, indem die Anflugkeime – aber auch Keime der endogenen Flora – in Schach gehalten werden. Einerseits werden zur Darmdekontamination nicht absorbierbare Antibiotika (z. B. Aminoglykoside, Vancomycin, Polymyxin) oral verabreicht, andererseits werden auch systemisch wirksame Präparate (z. B. Cotrimoxazol und Chinolone) zur Unterdrückung von Infektionen im Anfangsstadium eingesetzt. Auch Antimykotika und antivirale Mittel kommen zum Einsatz. Impfungen sollten – soweit möglich – immer rechtzeitig aufgefrischt werden. Einzelne Impfstoffe sind speziell bei Abwehrgeschwächten zu empfehlen z. B. eine aktive Impfung gegen Pneumokokken oder auch passive Impfungen mit Gammaglobulin als Ersatz bzw. Hyperimmunglobuline. Die Gabe von Immunmodulatoren (z. B. Zytokine) zur Stärkung des Immunsystems hat allenfalls supportiven Charakter.

14.5 STD (sexually transmitted diseases) ▶ Merke. Mit Einführung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) wurde das Gesetz zur

Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten abgeschafft, in dem 4 Krankheiten aufgeführt waren. Seitdem trifft der Begriff „Geschlechtskrankheiten“ eigentlich nicht mehr zu. Dagegen gibt es zahlreiche „beim Geschlechtsverkehr übertragene Krankheiten“. Da nicht nur die Geschlechtsorgane betroffen sind, entstehen jeweils recht unterschiedliche Krankheitssymptome. Erreger: Tab. I-14.8.

Erreger: Tab. I-14.8.

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688 Therapie: ■ Die empirische (kalkulierte) Therapie beruht auf einer generellen Erfahrung. ■ Die präemptive Therapie hat das Ziel, eine Infektion im Keim zu ersticken. ■ Die gezielte Therapie wäre die optimale Behandlung.

Prophylaxe:

I 14 Weitere Infektionen

Therapie: ■ Empirische (kalkulierte) Therapie: Schon bei den ersten, oft uncharakteristischen Zeichen einer Infektion und noch vor einer endgültigen Diagnose werden antimikrobielle Medikamente verabreicht. Ziel ist, eine Infektion im „Keime zu ersticken“, die Auswahl der Wirkstoffe erfolgt entsprechend der klinischen Erfahrung. Die Indikation für eine solche aufwendige und möglicherweise auch nebenwirkungsreiche Maßnahme muss jedoch gut abgewogen werden. (In der Praxis gehen die präemptive und empirische Therapie sowie die Chemoprophylaxe [s. u.] fließend ineinander über). ■ Präemptive Therapie: Ziel ist, das Aufflackern von Infektionen frühzeitig zu bekämpfen, d. h. noch bevor überhaupt Symptome voll ausgeprägt sind, aber schon einige Laborergebnisse Hinweise für einen bestimmten Erreger bringen, oder die Reaktivierung einer Infektion zu verhindern. ■ Gezielte Therapie: bei exakter Klärung der Ätiologie und beim Vorliegen eines Antibiogramms kann man die Therapie optimieren; wenn das Risiko, das von einer bestimmten Infektion ausgeht, abschätzbar ist, so kann eine nebenwirkungsreiche, belastende und teure Therapie gerechtfertigt sein. Prophylaxe: Eine aufwendige Umkehrisolation schützt den abwehrgeschwächten Patienten nicht vor der eigenen Flora, aber vor der Umwelt. Auch einfache aber hilfreiche Maßnahmen, wie etwa die Entfernung von Topfpflanzen, sollten ergriffen werden.

■ ■

Umkehrisolation

▶ Definition.

■ ■ ■ ■

„barrier isolation“ Chemoprophylaxe Impfungen Immunmodulatoren.

▶ Definition. Gesunde Menschen müssen durch Isolation eines infizierten, kontagiösen Patienten vor einer Krankheit geschützt werden. Eine Umkehrisolation hat das Ziel, gesunde aber infektanfällige Personen vor den Gefahren durch Umweltkeime und Mikroorganismen von Mitmenschen zu bewahren. ■







14.5

STD (sexually transmitted diseases)

▶ Merke.

Eine „barrier isolation“, d. h. Kittelpflege, Mundschutz bei Kontaktpersonen, ist gedacht als Schutz vor resistenten Keimen. Eine antimikrobielle Prophylaxe (Chemoprophylaxe) zielt darauf ab, eine Infektion von vornherein zu verhindern, indem die Anflugkeime – aber auch Keime der endogenen Flora – in Schach gehalten werden. Einerseits werden zur Darmdekontamination nicht absorbierbare Antibiotika (z. B. Aminoglykoside, Vancomycin, Polymyxin) oral verabreicht, andererseits werden auch systemisch wirksame Präparate (z. B. Cotrimoxazol und Chinolone) zur Unterdrückung von Infektionen im Anfangsstadium eingesetzt. Auch Antimykotika und antivirale Mittel kommen zum Einsatz. Impfungen sollten – soweit möglich – immer rechtzeitig aufgefrischt werden. Einzelne Impfstoffe sind speziell bei Abwehrgeschwächten zu empfehlen z. B. eine aktive Impfung gegen Pneumokokken oder auch passive Impfungen mit Gammaglobulin als Ersatz bzw. Hyperimmunglobuline. Die Gabe von Immunmodulatoren (z. B. Zytokine) zur Stärkung des Immunsystems hat allenfalls supportiven Charakter.

14.5 STD (sexually transmitted diseases) ▶ Merke. Mit Einführung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) wurde das Gesetz zur

Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten abgeschafft, in dem 4 Krankheiten aufgeführt waren. Seitdem trifft der Begriff „Geschlechtskrankheiten“ eigentlich nicht mehr zu. Dagegen gibt es zahlreiche „beim Geschlechtsverkehr übertragene Krankheiten“. Da nicht nur die Geschlechtsorgane betroffen sind, entstehen jeweils recht unterschiedliche Krankheitssymptome. Erreger: Tab. I-14.8.

Erreger: Tab. I-14.8.

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I

≡ I-14.8

689

14.6 Importierte Infektionen

Erreger von STD

Viren

Papilloma, Herpes simplex, Hepatitis B, HCV, HIV, Molluscum contagiosum

Bakterien

Treponema pallidum, Neisseria gonorrhoeae, Haemophilus ducreyi, Gardnerella vaginalis, Calymmatobacterium granulomatis, Chlamydia trachomatis Serovar D–L, Ureaplasma, Mycoplasma

Pilze

Candida

≡ I-14.8

Protozoen Trichomonas vaginalis

Allgemeine Diagnostik: ■ Anamnese: Angaben über Familienstand, Sexualverhalten, Reisegewohnheiten, etc. zeigen auf Risiken hin. ■ Klinisch: Die Manifestationen sind sehr variabel und nicht immer auf die Geschlechtsorgane beschränkt.

Allgemeine Diagnostik: Anamnese, klinischer Befund.

Mikrobiologische Diagnostik: Direktnachweis: Tab. I-14.9.

Mikrobiologische Diagnostik ■ Direktnachweis: Tab. I-14.9.



≡ I-14.9

Direktnachweis von Erregern bei STD

mikroskopisch

Candida und Trichomonas erkennt man meist schon bei der mikroskopischen Untersuchung der Nativpräparate; in gefärbten Präparaten lassen sich dann auch Gonokokken, Haemophilus, Gardnerella und Calymmatobacterium vermuten

kulturell

Im Routinelabor ist der kulturelle Nachweis von Viren nur selten möglich; auch Trichomonaden, die zwar prinzipiell gut anzüchtbar sind, werden im Routinelabor so kaum nachgewiesen. Candida und die Bakterien außer Treponema und Calymmatobacterium sind gut zu erfassen

molekularbiologisch

zunehmend gibt es PCR-Verfahren zum Nachweis einzelner oder auch von Gruppen der Erreger



Serologisch: Der Nachweis von Infektionen vor allem mit Treponemen, HIV, Hepatitis-B-Virus und Herpes-simplex-Virus erfolgt über den Nachweis von spezifischen Antikörpern im Blut.

Therapie: Je nach Erregerart erfolgt eine entsprechende Therapie, soweit möglich. Prävention: Vor allem bei außergewöhnlichen Sexpraktiken und bei unbekannten und wechselnden Partnern muss man mit einem erhöhten Risiko rechnen. Information ist ein erster Schritt zur Vermeidung solcher Situationen. Bei sachgemäßer Verwendung von Kondomen kann das Risiko deutlich minimiert werden. Manche spermizide Chemikalien haben auch eine zumindest mäßige antimikrobielle Wirkung,

14.6 Importierte Infektionen

≡ I-14.9



serologisch.

Therapie: Sie ist je nach Erregerart unterschiedlich. Prävention: Information und Erziehung können helfen, das Risiko zu meiden. Kondome und manche Chemikalien können die Übertragung von Erregern verhindern.

14.6

Importierte Infektionen

▶ Definition. Einige Infektionserreger werden durch Reiserückkehrer (Berufsreisende, Touristen), Durchreisende, Flüchtlinge und Asylsuchende aus dem Ausland „importiert“. Daneben können auch Materialien (u. a. Lebensmittel, Gegenstände), die aus fremden Ländern importiert werden, mit exotischen Infektionserregern kontaminiert sein.

▶ Definition.

▶ Exkurs. Die „Flughafenmalaria“ betrifft Personen, die selbst nie im tropischen Ausland waren, s. klinischer Fall (S. 526).

▶ Exkurs.

▶ Merke. Reiserückkehrer sollten nicht nur auf „importierte Erreger“, sondern auch

▶ Merke.

auf heimische und auf ubiquitär vorkommende (kosmopolitäre) Krankheitserreger hin untersucht werden. Kardinalsymptome: Symptome wie Fieber, Durchfall, Erbrechen oder auch diverse Hauterscheinungen sind die Zeichen, welche den Patienten veranlassen nach der Reise einen Arzt aufzusuchen.

Kardinalsymptome: Fieber, Durchfall, Hauterscheinungen

Erreger: Tab. I-14.10.

Erreger: Tab. I-14.10. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

690

≡ I-14.10

I 14 Weitere Infektionen

Typische Erreger importierter Infektionen

Erreger

klinische Manifestationen

Viren Hepatitis A

Ikterus (4 Wochen nach Aufenthalt)

Dengue

Fieber, „Grippe“, Exanthem

Gelbfieber

Fieber, Ikterus, Enzephalitis

Bunyaviren

Fieber, Enzephaltis

hämorrhagisches Fieber (Filo-, Bunya- und Arenaviren)

Fieber, schlechter AZ, hämorraghische Blutungen

Japan-Enzephalitis-Virus

Fieber, Enzephalitis

Hepatitis C

Ikterus (mehrere Monate nach Aufenthalt), dunkler Urin, heller Stuhl, Appetitlosigkeit

Hepatitis E

Ikterus (4 Wochen nach Aufenthalt), dunkler Urin, heller Stuhl, Appetitlosigkeit

Hantavirus

Fieber, Muskelschmerzen, Dyspnoe, Nierenversagen

Poliomyelitis

Durchfall, Meningitis, Paralysen

Coronaviren

schweres akutes respiratorisches Syndrom (SARS)

Affenpocken

Fieber, vesikuläres Exanthem

Zikavirus

asymptomatisch oder Exanthem, Kopfschmerzen, Gelenk- und Muskelschmerzen, Konjunktivitis, Fieber; bei Schwangerschaft: Gefahr der Embryopathie (Mikroenzephalopathie)

Bakterien Salmonella typhi und paratyphi

Husten (!), Obstipation, Durchfall erst später, Fieber (Continua), Benommenheit, relative Bradykardie, Leukopenie, Hepatosplenomegalie

Shigellen

Fieber, Tenesmen, blutige Stühle (Ruhr)

Brucellen

lange Inkubationszeit; Fieber, Hepatosplenomegalie, Osteomyelitis

Vibrio cholerae

massive wässrige Stühle, Dehydratation

Tbc

nach Exposition (im Flugzeug, bei Umgang mit Erkrankten), monatelange Inkubationszeit, Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsabnahme, Lungenherde (Vorsicht: Multiresistenz!)

Meningokokken A und C

hohes Fieber, Meningitis, Sepsis, Schock (nach Aufenthalt im „Meningitisgürtel“ oder nach Mekkapilgerreise)

Rickettsien

Fieber, Hautausschlag

Pilze Histoplasma

Hautgranulome, Organmanifestationen ähnlich Tbc, nur nach Reisen in bestimmte Länder

Coccidioides

Hautgranulome, Organmanifestationen ähnlich Tbc, nur nach Reisen in bestimmte Länder

Cryptococcus neoformans var. gattii

Lungenherde nach Tropenaufenthalt, Meningitis, Enzephalitis

Protozoen Plasmodium spp.

Malaria, Fieberanfälle, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, („komische, schwere Grippe“), ggf. Durchfall

Entamoeba histolytica

Amöbenruhr, ähnlich Shigellenruhr

Lamblia intestinalis

voluminöse, fettreiche, stinkende Stühle, Bauchgrimmen, Gewichtsverlust

Leishmania donovani

Fieber, Hepatosplenomegalie, Panzytopenie; Monate nach Aufenthalt.

Würmer Ankylostoma

Enteritis, allmählich Gewichtsverlust, Anämie

Strongyloides

wie Ankylostomiasis, bei Abwehrschwäche (z. B. HIV) droht Disseminierung

Schistosoma

lange nach Aufenthalt: Blut im Urin, Darmentleerungsstörungen, erhöhte Leberwerte

Trichinella

Schluckbeschwerden, Atembeschwerden, Muskelschmerzen

Taenia

leichte Beschwerden, später perniziöse Anämie; ggf. Zystizerkose

Ascaris

anfangs Fieber und Husten, später Darmbeschwerden. Evtl. Komplikationen als Gallenstau und/oder Pankreatitis

Paragonimus

akut: Urtikaria, Bauch- und Thoraxschmerzen; chronisch: Husten, Auswurf, Pleuraerguss

Ektoparasiten Tunga

Maden in Haut

Dasselfliege

Maden in Haut und Schleimhaut (z. B. Konjunktiva)

Diagnostik: Wenn ein Verdacht vorliegt, kann eine gezielte Untersuchung speziell von Blut, Sputum und Stuhl einsetzen. Eine gezielte Anamnese trägt hier wesentlich zur Klärung bei.

Diagnostik: Auf Grund der Anamnese und mancher klinischer Zeichen können Verdachtsdiagnosen gestellt werden, die dann durch Laboruntersuchungen bestätigt werden müssen. Vor allem aus Blut, Sputum und Stuhl können die relevanten Erreger identifiziert werden. Auch die Inspektion der Haut gibt wichtige Hinweise z. B. auf eine Zerkariendermatitis, eine kutane Leishmaniose oder eine Larva migrans. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

I

691

14.6 Importierte Infektionen

Am Augenbulbus kann man evtl. Loa loa erkennen. Die Reiseanamnese wird oft vernachlässigt; dabei können allein schon Angaben über den Aufenthaltsort und die Jahreszeit Klarheit über den Erreger verschaffen, da die geografische Verteilung bzw. die Klimaabhängigkeit von manchen Vektoren bzw. Mikroorganismen ganz charakteristisch sind. Darüber hinaus sind der zeitliche Abstand zur Reise, die Dauer des Aufenthaltes, die „Luxuskategorie“ sowie das Verhalten (Essgewohnheiten) zu erfragen. ▶ Merke. Sowohl für die gezielte Therapie als auch für die Prognose und evtl. auch

▶ Merke.

für die Abschätzung des Risikos für die Umgebung ist die rechtzeitige Erkennung dieser außergewöhnlichen Krankheiten von großer Bedeutung. Therapie: Neben einer symptomatischen Behandlung der Beschwerden gibt es bei einer Reihe von Infektionen auch gezielte kausale Therapiemöglichkeiten.

Therapie: Eine effektive Therapie hängt von einer exakten Diagnose ab.

Prophylaxe: Eine gute Reisevorbereitung beinhaltet eine Risikoabschätzung; wenn das Problem erkannt ist, kann eine Expositionsprophylaxe die Akquirierung verhindern. Für die Vermeidung von lebensmittelbedingten Infektionen gilt: „cook it, peel it or forget it.“ Die Verwendung von Repellents sowie die medikamentöse Malariaprophylaxe oder die Mitnahme von Medikamenten zur Selbstbehandlung bei Malariaverdacht sind üblich. Die Mitnahme von Antibiotika zur Früh- bzw. Selbstmedikation ist nicht uneingeschränkt zu empfehlen. Ciprofloxacin kann gegen manche Durchfallerreger wirken. Azithromycin kann bei einigen Lungeninfektionen und bei Zahninfektionen helfen. Eine Reiseapotheke (Tab. I-14.11) sollte darüberhinaus auch noch weitere Gegebenheiten berücksichtigen.

Prophylaxe: Solche exotischen Infektionen können durch Expositionsprophylaxe, Impfprophylaxe, Chemoprophylaxe und Quarantäne verhindert werden.

≡ I-14.11

Reiseapotheke (Basismodul)

Symptom

Medikament

Übelkeit/Erbrechen

Metoclopramid (z. B. Paspertin), Dimenhydrinat (z. B. Vomex)

Schmerzen/Fieber

Ibuprofen (z. B. Ibuflam)

Durchfall

Loperamid (z. B. Imodium), Racecadrotil (z. B. Vaprino), Tanninalbuminat/Ethacridinlactat (z. B. Tannacomp)

Kompensation von Flüssigkeitsverlust

Elektrolyt-Glukose-Mischung (z. B. Elotrans)

Verstopfung

Natriumpicosulfat (z. B. Laxoberal)

Husten

Dextromethorphan (z. B. Silomat)

Ohren- bzw. Nasentropfen

Xylometazolinhydrochlorid (z. B. Otriven)

Schlafmittel/Beruhigung

Lormetazepam (z. B. Noctamid)

Mückenstich

Dimentiden (z. B. Fenistil Creme)

Sonnenbrand

Hydrocortisonsalbe

Hautdesinfektion

Antiseptikum (z. B. Octenisept)

Antibiotika

Makrolidantibiotikum (z. B. Zithromax), Ciprofloxacin (z. B. Ciprobay)

≡ I-14.11

Verbandsmaterialien Fieberthermometer Trinkwasseraufbereitung

Filter; Silberpräparate (z. B. Micropur)

Mückenschutz

Moskitonetz; Repellents (z. B. Nobite Haut)

Anmerkung: Selbstverständlich ist bei bestimmten Krankheiten an eine ausreichende Versorgung mit den entsprechenden Medikamenten zu denken; für Langstreckenflüge, Bergsteiger, Taucher und Expeditionsteilnehmer sind ggf. weitere Spezialpräparate sinnvoll.

An erster Stelle steht jedoch die Impfprophylaxe (S. 736). Neben den Standardimpfungen, wie Tetanus, Diphtherie und Poliomyelitis (bei Kindern auch noch Mumps, Masern, Röteln), sollten Reisende aus den Industrieländern noch gegen Hepatitis A und ggf. auch gegen Hepatitis B geimpft sein. Bei Reisen in bestimmte Länder von Zentralafrika und Lateinamerika ist die Gelbfieberimpfung vorgeschrieben (eine Lebendvakzine, die nur in ermächtigten Impfzentren vorgehalten wird) und muss im gelben, internationalen Impfbuch dokumentiert sein. Die Indikation für andere Impfungen gegen Typhus, Cholera, Meningokokken, Japanische Enzephalitis müssen im Einzelfall besprochen bzw. gestellt werden. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

692

I 14 Weitere Infektionen

Darüber hinaus sollten in einer Reiseapotheke essenzielle Medikamente mitgeführt werden, um evtl. auch eine Chemoprophylaxe durchzuführen oder eine Infektion frühzeitig behandeln zu können. Bei „pressewirksamen“ Epidemien wird von den Behörden gelegentlich eine Einschränkung der Reisemöglichkeiten empfohlen oder auch verordnet. Zumindest aber das individuelle Verhalten, wie etwa Tragen von Mundschutz oder das Meiden bestimmter Getränke und Speisen, sollte die möglichen Gefahren berücksichtigen.

14.7

Postinfektionssyndrome

Autoimmunkrankheiten können als Postinfektionssyndrome entstehen.

⊙ I-14.5

14.7 Postinfektionssyndrome Banale Infekte heilen nach einer akuten Phase meist vollständig aus. Die Rekonvaleszenz nach schweren, anhaltenden Infektionssymptomen kann sich allerdings lange hinziehen, vor allem bei alten Menschen. So können Infektionen, die zu einer längeren Bettlägerigkeit geführt hatten, sekundäre Folgen haben, etwa Sarkopenien, die eine längere Betreuung und Pflege erfordern. Nach einer überstandenen akuten Enteritis können sich zumindest bei manchen Patienten mehr oder weniger anhaltend diverse Darmbeschwerden manifestieren, die mehr als nur eine Befindlichkeitsstörung darstellen. Bei schweren, vor allem chronischen Entzündungen, ausgelöst durch mikrobielle Erreger, kommt es aber gelegentlich nur zu Defektheilungen, die unterschiedliche Folgen haben. Eine Lungenkaverne nach überstandener Tuberkulose kann weitere Erkrankungen zur Folge haben, etwa ein Aspergillom (S. 500) (Abb. I-14.5). Die heftige Auseinandersetzung des Immunsystems mit Antigenen kann bei manchen Menschen zu Autoimmunkrankheiten führen. Typisch ist das akute rheumatische Fieber nach einer Infektion mit Streptococcus pyogenes (AStreptokokken), weil bestimmte Antigene des Erregers Antigengemeinschaften mit körpereigenen Strukturen aufweisen. Chronische Infektionen, wie etwa eine unerkannte oder nicht ausreichend behandelte Lues, oder auch Malaria, HIV-Infektion oder Hepatitis C, können – neben anderen Ursachen – das Antiphospholipidsyndrom (APS) induzieren. Dabei treten Antikörper der Klasse IgM und IgG gegen Komplexe von Cardiolipin und β2-Glykoprotein sowie gegen Prothrombin auf, die eine Thrombophilie und eine erhöhte Neigung zur Blutgerinnung (Hyperkoagulabilität) bedingen, was eine vielfältige Symptomatik verursachen kann, etwa vermehrte Thrombosen, Embolien, sterile Endokarditiden, Myokardinfarkte und rezidivierende Aborte.

⊙ I-14.5

a

Aspergillom

b

Frei bewegliches Aspergillom in einer Kaverne nach Defektheilung einer Tuberkulose. a CT in Rückenlage. b CT in Bauchlage.

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I

15 Biologische Kriegführung bzw. Bioterrorismus 15.1

Potenzielle mikrobielle Kampfmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 693

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15.1 Potenzielle mikrobielle Kampfmittel

15.1

Neben Explosionsstoffen und chemischen Kampfmitteln können im Prinzip auch Mikroorganismen als Mittel zur Bedrohung des Lebens von ganzen Bevölkerungskollektiven willkürlich eingesetzt werden. Vor allem solche Erreger, die in kurzer Zeit zu einer hohen Mortalität führen und die nur schwer zu behandeln sind, würden in erster Linie dafür in Betracht kommen (Tab. I-15.1).

Verschiedene Mikroorganismen könnten theoretisch als Waffe gebraucht werden; die praktische Anwendung ist jedoch kompliziert und auch für den Anwender gefährlich (Tab. I-15.1).

≡ I-15.1

Potenzielle mikrobielle Kampfmittel

Potenzielle mikrobielle Kampfmittel Übertragungswege

Manifestation

„Praktikabilität“

Pocken

Aerosole

Exanthem, Enzephalitis, Hämorrhagien

weltweit ausgerottet; steht nicht zur Verfügung

Ebola

Nagetiere, direkter Kontakt

Exanthem, Thrombozytopenie

extreme Gefahr für Hersteller, nicht umweltstabil; UV-anfällig

Lassa

Ratten, Aerosole

Hämorrhagien

nicht umweltstabil; wird durch Desinfektionsmittel schnell inaktiviert

Yersinia pestis

Ratten, Aerosole

Pneumonie, Lymphadenitis

mäßige Kontagiosität; Therapie mit Antibiotika möglich

Francisella tularensis

Kontakt → Hautpenetration, Aerosole

Pneumonie, Sepsis

Therapie mit Antibiotika möglich

Bacillus anthracis

Sporen, Aerosole

Hautulkus, Sepsis

Ausbreitung gering; Therapie mit Antibiotika möglich

Rickettsia prowazeki

Läuse

Exanthem, Enzephalitis

Vektor ist zu wenig verbreitet

Erreger Viren

Bakterien

Einerseits sind solche Kampfmittel international geächtet. Anderseits dürften diese Mittel in der praktischen Anwendung aus ganz verschiedenen Gründen scheitern – nicht zuletzt, weil auch für den Anwender eine unabschätzbare Gefahr droht. Auch mikrobielle Toxine von Bakterien und Pilzen erscheinen für den Einsatz als Massenvernichtungsmittel wenig geeignet. Das Botulinumtoxin, das im Einzelfall recht schwere, leicht fehldeutbare klinische Symptome hervorruft, ist kaum einsetzbar, um damit das Leben größerer Bevölkerungsgruppen akut zu bedrohen. Anders ist der Einsatz von solchen Mitteln zu bewerten, wenn dadurch nicht der Tod, sondern nur eine kurz- oder langfristige Beeinträchtigung der Gesundheit oder des Wohlbefindens von Bevölkerungsgruppen erreicht werden soll.

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Hygiene und Impfungen Constanze Wendt, Herbert Hof

J

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1

Einführung

1.1 1.2 1.3

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 697 Grundvoraussetzungen für eine hohe Lebenserwartung . . . . . . . . . 698 Aktueller Stellenwert der Hygiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 699

J © PhotoDisc

1.1

Grundlagen

▶ Definition. Die Hauptaufgabe der Feuerwehr ist nicht, Feuer zu löschen, sondern

1.1

Grundlagen

▶ Definition.

Vorbereitungen zu treffen, dass es erst gar nicht ausbricht. Der Mediziner sieht heute seine eigentliche Aufgabe in der Diagnostik und Behandlung von Krankheit. Ziel der Hygiene ist es dagegen, die Gesundheit zu erhalten und Krankheit zu verhüten. Die Prävention setzt dabei nicht nur am Menschen selbst an, sondern auch in seiner Umgebung. Durch die Behebung von Risiken werden nicht nur Einzelne profitieren, sondern auch ganze Kollektive. Im engeren Sinne kümmert sich die Hygiene um die Prävention von übertragbaren Krankheiten, d. h. Infektionskrankheiten. Im weiteren Sinne ist diese Grundhaltung anwendbar auf andere Gebiete der Medizin, z. B. Verhinderung von Asthma oder Leberkrebs durch Verminderung der Exposition gegen Allergene bzw. Mykotoxin, Schadstoffen etc. (sog. Umwelthygiene). Hygiene ist also eine interdisziplinäre Aufgabe. ▶ Exkurs. Eigentlich ist es die vornehmliche Aufgabe eines Arztes, die Gesundheit der Menschen zu erhalten und zu pflegen. In der Praxis jedoch kümmert sich ein Arzt in erster Linie um die Diagnostik und Therapie von Krankheiten.

▶ Exkurs.

▶ Merke. Die Hauptaufgabe der Hygiene ist die Prävention von Infektionskrankhei-

▶ Merke.

ten (Abb. J-1.1). Insofern unterscheidet sich dieses Fachgebiet von den meisten anderen Gebieten in der medizinischen Ausbildung.

⊙ J-1.1

Chinesischer Leitspruch

⊙ J-1.1

Tsao-Tschuan (China) 450 v. Chr.

Formen der Prävention: (hier angewendet auf die Hygiene): Primäre Prävention: Verhinderung des erstmaligen Auftretens von Krankheiten, z. B. von Infektionskrankheiten. ■ Sekundäre Prävention: Verhinderung des erneuten Auftretens von Krankheiten, z. B. von Infektionskrankheiten. ■ Tertiäre Prävention: (zumindest) Unterbindung weiterer Risiken, um eine Verschlimmerung zu vermeiden. Während sich ein Medizinstudent in den anderen Fächern in erster Linie Fachwissen („knowledge“) und erst nachgeordnet Fertigkeiten („skills“) und eine innere Einstellung/Haltung („attitude“) aneignet, hängt der Erfolg der Hygiene vor allem von der Einsicht des Arztes in die Notwendigkeit des präventiven Denkens ab. Die ■

Formen der Prävention: ■ primäre Prävention. ■ sekundäre Prävention. ■ tertiäre Prävention.

Die Hygiene vermittelt vornehmlich eine Haltung („attitude“), weniger dagegen Fähigkeiten („skills“) und Wissen („knowledge“).

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698

J 1 Einführung

hierfür zu erlernenden Fakten erscheinen gegenüber anderen Fächern, darunter auch der Medizinischen Mikrobiologie, wenig umfangreich. „Die Hygiene ist die Anwendung des gesunden Menschenverstandes“ (Kantz, München). Man muss nicht viel lernen, aber man muss sich an die Grundregeln halten und diese auch umsetzen! Erfolge durch Hygiene: Während in den Tropen Infektionen die führenden Todesursachen sind, spielen Infektionen bei uns als Todesursache heute eine untergeordnete Rolle, weil viele Ziele der Hygiene verwirklicht sind (Tab. J-1.1).

≡ J-1.1

Erfolge durch Hygiene: Die Erfolge durch hygienische Maßnahmen sind kaum zu überbieten. Die Bedeutung von Infektionskrankheiten als Todesursache ist in den modernen Industrienationen deutlich zurückgegangen – noch vor 100 Jahren standen sie an erster Stelle der Todesursachen, wie noch heute in Entwicklungsländern (Tab. J-1.1). Neben der Politik, den Ingenieur- und den Agrarwissenschaften ist diese Entwicklung zu einem Großteil der Hygiene zu verdanken – der Rückgang war nämlich schon lange vor den Fortschritten der Medizin im Wissen um die Pathogenese von Infektionen und deren medikamentöser Bekämpfung eingeleitet.

≡ J-1.1

Anteil von ausgewählten Todesursachen Entwicklungsländer (in %)

Industrienationen (in %)

Gefäßerkrankungen*

5

45

Tumoren

5

25

Verkehr/Unfälle

3

5

Unterernährung

40

ca. 1

Infektionen

40

ca. 1

* Bei vielen dieser Krankheiten spielt Überernährung (Hypercholesterinämie) eine Rolle.

1.2

Grundvoraussetzungen für eine hohe Lebenserwartung

1.2

Grundvoraussetzungen für eine hohe Lebenserwartung

Die Hygiene hat durch die Reduktion der Morbidität von Infektionskrankheiten wesentlich zur höheren Lebenserwartung in den industrialisierten Ländern beigetragen (Tab. J-1.1).

Die hohe Lebenserwartung in den hoch entwickelten Industrienationen von ca. 70 Jahren ist wesentlich auf den Rückgang der Infektionskrankheiten (Tab. J-1.1) zurückzuführen. Neben der Hygiene haben dazu aber auch Leistungen außerhalb der Medizin beigetragen; der hohe Lebensstandard in diesen privilegierten Ländern beruht auch auf klimatischen und geografischen Gegebenheiten sowie auf gesellschaftlichen und technischen Errungenschaften.

Lebensmittel: Ein wesentlicher Faktor für Gesundheit ist ausreichende, hochwertige und hygienisch einwandfreie Nahrung. Trinkwasser ist das wichtigste Lebensmittel!

Lebensmittel: Die Versorgung mit ausreichend qualitativ und hygienisch einwandfreier Nahrung ist eine Grundvoraussetzung für diesen Erfolg, wobei Trinkwasser das wichtigste Nahrungsmittel darstellt. Nicht nur bei der Herstellung, sondern auch bei einer unsachgemäßen Lagerung von Lebensmitteln kommt es zu einer mikrobiellen Kontamination und zur Belastung mit gesundheitsschädigenden Giften, darunter solche mikrobiellen Ursprungs, Schwermetallen oder Pestiziden.

▶ Klinischer Fall.

▶ Klinischer Fall. Im Sommer 1892 erkrankten in Hamburg während einer verheerenden Epidemie mehr als 17 000 Menschen an der Cholera und 8 605 verstarben. Das Elbwasser, das in Hamburg – als einziger Großstadt in Europa – aus Gründen der Kostenersparnis ohne vorherige Aufbereitung über Sandfilter in die öffentliche Versorgung eingespeist wurde, war durch russische Emigranten, die auf Schiffen in der Elbe auf die Überfahrt nach Amerika warteten, mit Choleravibrionen verseucht worden. In den Stadtteilen mit niedriger sozialer Struktur, etwa in der Altstadt, Billwärder Ausschlag, St. Georg, Hamm und Barmbek traten die meisten Fälle auf, weil die Menschen dort dieses Oberflächenwasser aus der städtischen Wasserleitung als Trinkwasser nutzten. In den vornehmen Stadtgebieten wie Harvestehude und Rotherbaum waren dagegen deutlich weniger Opfer zu beklagen. Diese Haushalte verwendeten das Leitungswasser allenfalls als Brauchwasser, als Trinkwasser wurde einwandfreies Mineralwasser zugekauft.

▶ Merke.

▶ Merke. In Afrika ist das primäre Leberzellkarzinom – hervorgerufen durch Aflato-

xin B – die häufigste Karzinomart. Aflatoxin kann z. B. in verschimmelten Erdnüssen und Pistazien in hoher Konzentration vorkommen, weil die Lebensmittel vor Verbrauch nicht sachgerecht (d. h. gekühlt) gelagert werden können und diese Menschen auf den Verzehr selbst von verschimmelten Nahrungsmitteln angewiesen sind.

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699

J 1.3 Aktueller Stellenwert der Hygiene

Wohnverhältnisse: Die Bereitstellung von ausreichend und geeignetem Wohnraum trägt ganz wesentlich zu einer gehobenen Lebensqualität bei. ▶ Klinischer Fall. Friedrich Ebert, als Sohn eines Schneidermeisters 1871 geboren, lebte in ganz beengten Wohnverhältnissen in der Heidelberger Altstadt, nämlich mit seinen Eltern, seinen 5 Geschwistern und 3 Gesellen in einer Wohnung mit 46 m2 und einer Raumhöhe von nur 2 m, die nur über einen Hinterhof erreichbar war.

Bei solchen Wohnverhältnissen können sich aerogen übertragene Erreger (z. B. Mycobacterium tuberculosis) rasch ausbreiten. Wenn die Eltern an einer offenen Tuberkulose erkrankten und – wie früher üblich – im selben Zimmer schliefen wie die Kinder, dann wurden diese meist ebenfalls infiziert. Heute treten andere Probleme auf, wenn z. B. über eine Klimaanlage mikrobielle Erreger (z. B. Legionella pneumophila) oder nur Antigene (z. B. von Schimmelpilzen) aerogen verstreut werden und zu Pneumonien bzw. Asthma führen.

Wohnverhältnisse: bestimmen das Risiko für Infektionskrankheiten, z. B. Tuberkulose. ▶ Klinischer Fall.

Technisch nicht einwandfreie Klimaanlagen können ein Risiko für aerogene Infektionen und starke Antigenexposition sein.

Öffentliche Gesundheit: Die Lebensverhältnisse sowie der Zugang zu medizinischer Versorgung sind in starkem Maße abhängig von Arbeit, Verdienst und sozialer Sicherheit („public health“). Die soziale Verelendung, das Leben in Slums und Arbeitslosigkeit gehen in vielen Fällen den Infektionen voraus und bahnen sie.

Öffentliche Gesundheit: Die Lebensverhältnisse im sozialen Umfeld sind entscheidend für die Erhaltung der Gesundheit.

Katastrophen und Kriege: Die etablierten Standards der Hygiene sind unter chaotischen äußeren Verhältnissen gefährdet; Infektionserreger können dann wieder ihre wahre Gefährlichkeit zurückerlangen.

Katastrophen und Kriege: In diesen Situationen gehen die Errungenschaften der Hygiene verloren.

1.3

Aktueller Stellenwert der Hygiene

Die wichtigsten Erkenntnisse und Regeln der Hygiene werden heute in den entwickelten Industrienationen schon routinemäßig umgesetzt. In Standardsituationen sind Mediziner bzw. Hygieniker meist nicht mehr involviert – hier entscheiden Handwerker, Ingenieure und Verwaltungen über die praktische Anwendung. Es gibt aber immer noch mehrere Bereiche, in denen durch neue Entwicklungen Fortschritte zu erwarten sind oder eine Nichteinhaltung der Regeln zu Komplikationen führt, sodass dann auch Hygieniker gefordert sind. Die Effizienz von Hygienemaßnahmen ist auch in solchen Situationen immer noch unübertroffen, weil diese Aufwendungen eben nicht nur Einzelnen zugute kommen, sondern ganzen Bevölkerungsgruppen (Kollektiven). ▶ Merke. Ein guter Teil der öffentlichen Gesundheitsvorsorge („public health“) be-

1.3

Aktueller Stellenwert der Hygiene

Viele Erkenntnisse und Forderungen der Hygiene sind bei uns schon längst umgesetzt.

Dieses hohe Niveau muss ständig aufrechterhalten werden, um nicht nur dem Einzelnen damit zu helfen, sondern ganzen Bevölkerungskollektiven.

▶ Merke.

steht in der Anwendung von Hygienegrundsätzen. Die Akzeptanz der Hygiene leidet darunter, dass die Präventionsmaßnahmen zunächst Kosten verursachen, ohne dass sich die positiven Auswirkungen unmittelbar zeigen. Eine erfolgreiche Prävention wird aber nicht automatisch auf die Hygienemaßnahmen zurückgeführt, weil – so das Argument – das Risiko ja auch ohne diese Aufwendungen gar nicht reell geworden wäre. Darüber hinaus macht sich der Erfolg häufig erst spät bemerkbar, sodass der kausale Zusammenhang nicht mehr erkannt wird. (Die vornehmliche Aufgabe der Feuerwehr ist es, einen Brand zu verhüten; wenn es jedoch zum Brand kommt, so kann man doch der Feuerwehr dies nicht anlasten.)

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J © MEV

2.1

Gesundheitserziehung

Gesundheitserziehung hat das Ziel, Verhaltensweisen zu erlernen, die der Gesundheit zuträglich sind. Dies ist bei Erwachsenen schwierig; unter einem Leidensdruck besteht jedoch oft erhöhte Bereitschaft zur Verhaltensänderung. Erziehung beinhaltet neben der reinen Sachinformation auch noch die Notwendigkeit der Überzeugungskraft (Tab. J-2.1).

≡ J-2.1

2

Aufgabengebiete der Hygiene

2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8

Gesundheitserziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebensmittelhygiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trinkwasserhygiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hygiene von Badewasser und Abwasser . . . . . . . . Umwelthygiene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epidemiologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Infektionsschutzgesetz (IfSG) . . . . . . . . . . . . . . . Krankenhaushygiene bzw. nosokomiale Infektionen

2.1

Gesundheitserziehung

≡ J-2.1

Lebensmittelhygiene

Lebensmittel können schon bei der Entstehung, der Prozessierung oder der Lagerung mit Mikroorganismen kontaminiert werden, darunter können auch potenziell pathogene Erreger sein (Tab. J-2.2).

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

700 700 702 705 706 706 711 714

Phasen der Gesundheitserziehung

emotional-affektiv

2.2

. . . . . . . .

Erziehung gelingt am leichtesten bei Kindern, deshalb sollte die Gesundheitserziehung möglichst frühzeitig in Familie oder Schule beginnen. Erwachsene stellen ihr Verhalten nur noch selten um, bei Krankheit und Leid jedoch öffnen sich Menschen selbst im Erwachsenenalter noch solchen Anliegen. Diese Notlage sollten Ärzte im Sinne des Patienten nutzen! Gerade Mediziner sind am besten dafür geeignet, weil vor allem sie die richtige Sachinformation als ersten wesentlichen Schritt jeder Erziehung liefern können (Tab. J-2.1). Dieser ersten kognitiven Phase sollte immer eine Phase der Vertiefung folgen, indem der Patient auch emotional gefordert wird.

kognitiv-intellektuell

Manche Gesellschaftsformen schreiben auch allgemeinverbindliche Normen vor und verhängen sogar Sanktionen.

. . . . . . . .



Interesse wecken



informieren: aufklären (allgemeine Information)



beraten (individuelle Information)



überzeugen (Einsichten und Einstellungen erzeugen)



motivieren zum Handeln



stabilisieren (Gewohnheiten prägen)

Durch Darstellung der Biologie und Epidemiologie von Krankheitserregern sowie durch Schilderung der Vorteile, die eine rationale Unterbindung der Ausbreitung erbringen, können Einzelpersonen, Organisationen aber auch ganze Bevölkerungsgruppen zu Verhaltensänderungen gebracht werden. Eine dauerhafte Veränderung von Verhaltensweisen ist aber mitunter nur sehr schwierig zu erreichen. In einer liberalen Gesellschaft ist das Verhalten weitgehend von der Wertung des Individuums abhängig, obwohl dies durchaus Konsequenzen für andere oder sogar für Kollektive haben kann. Beispiel: Die Solidargemeinschaft einer Krankenversicherung erzwingt keine erhöhten Beitragsleistungen für Mitglieder mit erkennbarem Risikoverhalten, z. B. bei längeren Rucksackreisen durch malariagefährdete Urwaldgebiete ohne medikamentöse Prophylaxe. In anderen Gesellschaftsformen gibt es häufig stringente Normen für gesundheitsrelevantes Verhalten und ggf. Sanktionen bei Verstoß gegen diese Regeln.

2.2

Lebensmittelhygiene

Schon bei der Entstehung, Prozessierung oder Lagerung eines Lebensmittels kann über die Umwelt, über Tiere oder über Menschen ein Eintrag von Mikroorganismen erfolgen. Bei manchen Produkten muss man immer mit einer mehr oder weniger starken Kontamination rechnen (Tab. J-2.2). Manche Produkte, z. B. Sauerkraut, Blauschimmelkäse etc., sind typischerweise mit Mikroorganismen vergesellschaftet, und diese verfeinern die Qualität und den Geschmack. In manchen Fällen können Mikroorganismen allerdings das Produkt verderben (Lebensmittelverderb). Zumeist sind Mirkroorganismen jedoch nur apathogene, harmlose Besiedler. Bei Unachtsamkeit und Fehlern können sich jedoch ausnahmsweise Krankheitserreger darunter mischen.

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J

701

2.2 Lebensmittelhygiene

Weitere mögliche Ursachen für den Verderb von Lebensmitteln sind chemische Prozesse (z. B. Oxidation – „ranziges Fett“), physikalische Vorgänge (z. B. Austrocknung), biologische Vorgänge (z. B. Fraß von Insekten, Ratten). Durch Wachstumsbedingungen oder durch nachträgliche Behandlung können Schadstoffe (Kadmium, Blei, Pflanzenschutzmittel, Konservierungsstoffe) eingetragen werden.

≡ J-2.2

≡ J-2.2

Natürliche Keimbelastung im Lebensmittelbereich

Lebensmittel

Keimzahl/cm2

Kopfsalat (ungewaschen)

104–106

Kopfsalat (gewaschen)

103–105

Frischfleisch

ca. 105

Fleisch abgehangen

ca. 108 (!)

Waagschale in Metzgerei

ca. 103 Keimzahl/g

Pfeffer, gemahlen

104–107

Currypulver

ca. 106

Zwiebel, gehackt

ca. 104

Milch (pasteurisiert)

< 103 ▶ Merke.

▶ Merke. Von kontaminierten Lebensmitteln können ganz unterschiedliche Gefah-

ren ausgehen: ■ Intoxikation: Nicht die Erreger selbst, sondern nur ihre giftigen Produkte sind präsent und stellen eine Gefahr dar, z. B. Mykotoxine von diversen Schimmelpilzen oder bakterielle Toxine von Clostridium botulinum, Staphylococcus aureus, Bacillus cereus, Escherichia coli. ■ Infektion: Die Erreger sind in vermehrungsfähigem Zustand präsent, z. B. Hepatitis A, Hepatitis E, Noroviren, Salmonella, Listeria, Yersinia, Vibrio cholerae, Brucella, Tuberkelbakterien, Toxoplasma, Taenia, Ascaris, Anisakis. Methoden zur Lebensmittelkonservierung: Schon die Naturvölker haben Methoden entwickelt, Nahrung zu konservieren. Heute stehen darüber hinaus moderne, industrielle Verfahren zur Verfügung (Tab. J-2.3). In erster Linie soll dadurch der Verderb durch ein Überwuchern der Kontaminanten verhindert, außerdem auch die Vermehrung von gesundheitsschädlichen Keimen unterdrückt werden.

≡ J-2.3

Methoden zur Lebensmittelkonservierung: Verschiedene Konservierungsmethoden bewahren die Lebensmittel vor Kontamination oder Vermehrung unerwünschter Mikroorganismen (Tab. J-2.3).

Methoden zur Lebensmittelkonservierung

Technik

Wirkungsweise

Vorteil/Nutzen

Pasteurisierung (60–100 °C)

Schäden an Membran, Enzymen und DNA

geringe Veränderung des Lebens- nicht steril, Sporen überleben, mittels Produkt muss gekühlt gelagert werden; Verfallsdatum!

Nachteile/Beschränkung

Sterilisation (100–140 °C)

Schäden an Membran, Enzymen und DNA

tötet auch Sporen, lange Haltbar- Qualitätsänderung keit des Lebensmittels

Ansäuerung

pH, Homöostase

kostengünstig, gewünschte Geschmacksänderung

nicht für alle Lebensmittel geeignet

Einsalzen

Osmoregulation

ohne technischen Aufwand

geschmackliche Veränderung

Zugabe von Chemikalien

unterschiedlich

oft lange Haltbarkeit

geschmackliche Veränderung, Toxizität, gesetzliche Grenzwerte

Trocknung, Räuchern

Osmoregulation, Homöostase

ohne technischen Aufwand

Qualitätsänderung, manche Erreger überleben; Mykotoxin verbleibt

Kühlen

reduzierter Stoffwechsel

weit verfügbar; kaum Qualitätsänderungen des Lebensittels

Kurzfristig; manche Erreger können sich weiter vermehren.

Gefrieren

Unterbindung des Stoffwechsels

wenig Qualitätsänderung, lange Haltbarkeit

Manche Produkte werden durch Eiskristalle verändert.

Bestrahlung

DNA-Schäden

keine Qualitätsänderung

technisch aufwendig, gesetzliche Beschränkungen

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702 Für einzelne Lebensmittel, wie etwa Hühnereier, gibt es spezielle amtliche Verordnungen.

Großküchen, von denen im Prinzip für breite Bevölkerungsschichten potenzielle Risiken ausgehen, unterliegen strengen Auflagen. Bei der Risikokontrolle von Lebensmitteln wird nicht nur das Endprodukt untersucht, sondern auch verschiedene, kritische Punkte im Herstellungsprozess (HACCP).

2.3

Trinkwasserhygiene

J 2 Aufgabengebiete der Hygiene

Sonstige Hygienemaßnahmen: Für einzelne Lebensmittel, von denen in besonderem Ausmaß Gefahren ausgehen könnten, sind detaillierte Verordnungen für Herstellung, Umgang und Handel erlassen worden. Beispielsweise fordert die Hühnereiverordnung eine Kennzeichnung mit dem Legedatum und eine Lagerung bei Zimmertemperatur allenfalls bis zum 18. Tag, danach muss eine Kühllagerung erfolgen. Aufgrund der Möglichkeit einer Salmonellenkontamination (hier liegen die Bakterien hauptsächlich unter der Schale) sollte die Eischale nicht mit dem Finger ausgewischt werden, die Eier sollten in Kantinen in einem separaten Raum getrennt von anderen Prozessen aufgeschlagen werden, die Schalen müssen sorgfältig entsorgt und die Hände müssen nach Kontakt gründlich gewaschen werden. Großküchen, speziell auch in Krankenhäusern, unterliegen rigorosen Auflagen im Umgang mit Lebensmitteln. Sogenannte Rückstellproben von den angebotenen Speisen sollen im Falle eines Ausbruchs die Ursachenklärung ermöglichen. Zum Schutz der Verbraucher kontrollieren Hersteller regelmäßig die Lebensmittel und zwar nicht nur in Form von Stichproben des Endprodukts, sondern mittels der HACCP (hazard analysis of critical care points) bereits während des Herstellungsprozesses. Dabei werden an kritischen Punkten der Verarbeitung des Lebensmittels Kontrollen durchgeführt (z. B. Temperaturmessungen), um mögliche Risiken zu erkennen. Auch das mit den Lebensmitteln in Kontakt tretende Personal wird regelmäßig hinsichtlich hygienischer Risiken geschult.

2.3

Trinkwasserhygiene

Nur ein kleiner Anteil des täglich verbrauchten Wassers wird als Nahrungsmittel verwendet.

Der allergrößte Teil des Trinkwassers wird in Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft sowie für Reinigungszwecke im privaten Haushalt verwendet. Nur ein kleiner Anteil wird wirklich als Trinkwasser, d. h. also als Nahrungsmittel, aufgenommen. Der tägliche Bedarf (Minimum zwischen 1,5 und 2,5 l pro Person) ist abhängig vom Alter und von den gesundheitlichen Bedingungen sowie vom Klima.

2.3.1

2.3.1 Natürliche Wasserquellen

Natürliche Wasserquellen

▶ Merke.

▶ Merke. Natürliche Wasserquellen sind nicht automatisch als Trinkwasserquellen

geeignet. Regenwasser kann Mikroorganismen enthalten.

Grundwasser ist im Allgemeinen durch Filtration keimarm. Bei Brunnenwasser muss sorgfältig darauf geachtet werden, dass nicht nachträglich von außen ein Eintrag von Mikroorganismen oder Fremdstoffen erfolgt. ▶ Exkurs.

Regenwasser ist mikrobiologisch nicht immer einwandfrei, denn es kann Staub aus der Luft mitnehmen und mit dem Staub eben auch Mikroorganismen. Wenn es dann im Boden versickert, so werden je nach Bodenbeschaffenheit die Mikroorganismen und gelösten Stoffe mehr oder weniger schnell absorbiert. In tieferen Schichten, im Bereich des Grundwassers, sind die Problembestandteile weitgehend entfernt und gegen andere Mineralstoffe ausgetauscht. Auf dem Weg zu einer natürlichen Quelle kann das Wasser wieder verkeimen. Durch künstlich angelegte Brunnen droht die Gefahr der nachträglichen Kontamination – (pathogene) Mikroorganismen oder Fremdstoffen können von oben (bei einer defekten Abdeckung) oder von der Seite (Sickerwasser bei defekter Anlage) eindringen. ▶ Exkurs. In Afrika gibt es noch viele Dorfbrunnen. Wenn diese nicht ganz dicht mit einem Deckel verschlossen sind, können sich die Agamen (Eidechsen) auf der Suche nach Feuchtigkeit darunter zwängen; sie fallen in den Brunnen und kommen nicht mehr heraus. Da solche Echsentiere in ihrem Darm immer (!) Träger von Salmonellen sind, gelangen auf diese Weise pathogene Keime in das Brunnenwasser.

Oberflächenwasser aus Seen und Flüssen gelten prinzipiell nicht als sicher.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit kommen unter natürlichen Bedingungen im Oberflächenwasser von Flüssen und Seen Krankheitserreger vor.

2.3.2

2.3.2 Trinkwasser

Trinkwasser

Nach Trinkwasserverordnung (TVO) gelten für Bakterien wie für chemische Stoffe bestimmte Grenzwerte (Tab. J-2.4).

Die oben beschriebenen natürlichen Wasserquellen genügen also unseren heutigen Ansprüchen nach einer zuverlässigen, konstant risikoarmen Wasserversorgung nicht. In aufwendigen, mehrstufigen Aufbereitungsschritten wird unser Trinkwasser heute im Wasserwerk an den geforderten Qualitätsstandard angepasst, welcher in der Trinkwasserverordnung (TVO) festgelegt ist (Tab. J-2.4).

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702 Für einzelne Lebensmittel, wie etwa Hühnereier, gibt es spezielle amtliche Verordnungen.

Großküchen, von denen im Prinzip für breite Bevölkerungsschichten potenzielle Risiken ausgehen, unterliegen strengen Auflagen. Bei der Risikokontrolle von Lebensmitteln wird nicht nur das Endprodukt untersucht, sondern auch verschiedene, kritische Punkte im Herstellungsprozess (HACCP).

2.3

Trinkwasserhygiene

J 2 Aufgabengebiete der Hygiene

Sonstige Hygienemaßnahmen: Für einzelne Lebensmittel, von denen in besonderem Ausmaß Gefahren ausgehen könnten, sind detaillierte Verordnungen für Herstellung, Umgang und Handel erlassen worden. Beispielsweise fordert die Hühnereiverordnung eine Kennzeichnung mit dem Legedatum und eine Lagerung bei Zimmertemperatur allenfalls bis zum 18. Tag, danach muss eine Kühllagerung erfolgen. Aufgrund der Möglichkeit einer Salmonellenkontamination (hier liegen die Bakterien hauptsächlich unter der Schale) sollte die Eischale nicht mit dem Finger ausgewischt werden, die Eier sollten in Kantinen in einem separaten Raum getrennt von anderen Prozessen aufgeschlagen werden, die Schalen müssen sorgfältig entsorgt und die Hände müssen nach Kontakt gründlich gewaschen werden. Großküchen, speziell auch in Krankenhäusern, unterliegen rigorosen Auflagen im Umgang mit Lebensmitteln. Sogenannte Rückstellproben von den angebotenen Speisen sollen im Falle eines Ausbruchs die Ursachenklärung ermöglichen. Zum Schutz der Verbraucher kontrollieren Hersteller regelmäßig die Lebensmittel und zwar nicht nur in Form von Stichproben des Endprodukts, sondern mittels der HACCP (hazard analysis of critical care points) bereits während des Herstellungsprozesses. Dabei werden an kritischen Punkten der Verarbeitung des Lebensmittels Kontrollen durchgeführt (z. B. Temperaturmessungen), um mögliche Risiken zu erkennen. Auch das mit den Lebensmitteln in Kontakt tretende Personal wird regelmäßig hinsichtlich hygienischer Risiken geschult.

2.3

Trinkwasserhygiene

Nur ein kleiner Anteil des täglich verbrauchten Wassers wird als Nahrungsmittel verwendet.

Der allergrößte Teil des Trinkwassers wird in Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft sowie für Reinigungszwecke im privaten Haushalt verwendet. Nur ein kleiner Anteil wird wirklich als Trinkwasser, d. h. also als Nahrungsmittel, aufgenommen. Der tägliche Bedarf (Minimum zwischen 1,5 und 2,5 l pro Person) ist abhängig vom Alter und von den gesundheitlichen Bedingungen sowie vom Klima.

2.3.1

2.3.1 Natürliche Wasserquellen

Natürliche Wasserquellen

▶ Merke.

▶ Merke. Natürliche Wasserquellen sind nicht automatisch als Trinkwasserquellen

geeignet. Regenwasser kann Mikroorganismen enthalten.

Grundwasser ist im Allgemeinen durch Filtration keimarm. Bei Brunnenwasser muss sorgfältig darauf geachtet werden, dass nicht nachträglich von außen ein Eintrag von Mikroorganismen oder Fremdstoffen erfolgt. ▶ Exkurs.

Regenwasser ist mikrobiologisch nicht immer einwandfrei, denn es kann Staub aus der Luft mitnehmen und mit dem Staub eben auch Mikroorganismen. Wenn es dann im Boden versickert, so werden je nach Bodenbeschaffenheit die Mikroorganismen und gelösten Stoffe mehr oder weniger schnell absorbiert. In tieferen Schichten, im Bereich des Grundwassers, sind die Problembestandteile weitgehend entfernt und gegen andere Mineralstoffe ausgetauscht. Auf dem Weg zu einer natürlichen Quelle kann das Wasser wieder verkeimen. Durch künstlich angelegte Brunnen droht die Gefahr der nachträglichen Kontamination – (pathogene) Mikroorganismen oder Fremdstoffen können von oben (bei einer defekten Abdeckung) oder von der Seite (Sickerwasser bei defekter Anlage) eindringen. ▶ Exkurs. In Afrika gibt es noch viele Dorfbrunnen. Wenn diese nicht ganz dicht mit einem Deckel verschlossen sind, können sich die Agamen (Eidechsen) auf der Suche nach Feuchtigkeit darunter zwängen; sie fallen in den Brunnen und kommen nicht mehr heraus. Da solche Echsentiere in ihrem Darm immer (!) Träger von Salmonellen sind, gelangen auf diese Weise pathogene Keime in das Brunnenwasser.

Oberflächenwasser aus Seen und Flüssen gelten prinzipiell nicht als sicher.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit kommen unter natürlichen Bedingungen im Oberflächenwasser von Flüssen und Seen Krankheitserreger vor.

2.3.2

2.3.2 Trinkwasser

Trinkwasser

Nach Trinkwasserverordnung (TVO) gelten für Bakterien wie für chemische Stoffe bestimmte Grenzwerte (Tab. J-2.4).

Die oben beschriebenen natürlichen Wasserquellen genügen also unseren heutigen Ansprüchen nach einer zuverlässigen, konstant risikoarmen Wasserversorgung nicht. In aufwendigen, mehrstufigen Aufbereitungsschritten wird unser Trinkwasser heute im Wasserwerk an den geforderten Qualitätsstandard angepasst, welcher in der Trinkwasserverordnung (TVO) festgelegt ist (Tab. J-2.4).

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J

≡ J-2.4

≡ J-2.4

Qualitätsmerkmale für Trinkwasser

Parameter

703

2.3 Trinkwasserhygiene

Grenzwerte

mikrobiologisch: Gesamtkeimzahl (bei 22 °C und 37 °C Bebrütungstemperatur untersucht)

100 KBE/ml

Escherichia coli

in 100 ml nicht vorhanden

Pseudomonas aeruginosa

in 100 ml nicht vorhanden

Enterokokken

in 100 ml nicht vorhanden

Legionella pneumophila

Zielwert < 100 KBE/100 ml *

chemisch: Nitrat

50 mg/l

Nitrit

0,1 mg/l

polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe

0,0001 mg/l

organische Chlorverbindungen

0,01 mg/l

Fluorid

1,5 mg/l

Cadmium

0,005 mg/l

Pflanzenschutzmittel insgesamt

0,0005 mg/l

* für Risikobereiche, z. B. Intensiv-, Transplantations- und Verbrennungseinheiten, gelten niedrigere Grenzwerte: in 100 ml nicht vorhanden KBE = koloniebildende Einheit

Für die Beurteilung der technischen Qualität von Wasser werden noch weitere Eigenschaften bestimmt, wie etwa der pH (Sollwert 6,5–9,5), Eisengehalt (Grenzwert 0,2 mg/l) und die Härte (bedingt durch den Gehalt an Ca- und Mg-Salzen von Kohlenund Schwefelsäure). Durch besondere Aufbereitungsmethoden wie Entsäuerung, Enteisung, Enthärtung kann die Qualität verbessert werden. Wenn z. B. durch Ionenaustauscher die Ca-Ionen gebunden und durch Na-Ionen ersetzt werden, so steigt dabei der NaCl-Gehalt an, sollte aber den Wert von 200 mg/l nicht überschreiten.

Für die Beurteilung der technischen Wasserqualität werden außerdem noch der pH (Sollwert 6,5–9,5), der Eisengehalt (Grenzwert 0,2 mg/l) und die Wasserhärte bestimmt.

Trinkwasserquellen

Trinkwasserquellen

Die Herkunft des Trinkwassers ist je nach Standort verschieden. ■ Quellwasser steht heute kaum mehr in ausreichender Menge zur Verfügung, zumindest nicht in den Ballungsgebieten. ■ Alternativen sind Grundwasser und Oberflächenwasser (z. B. aus Flüssen, natürlichen Seen, Stauseen), die in mehreren Schritten aufbereitet werden (Tab. J-2.5). ■ Mineralwasser ist ein Grundwasser mit einem erhöhten Gehalt an gelösten geogenen Stoffen, nämlich > 1 g/kg. ■ Tafelwasser ist Trinkwasser, welches noch Zutaten enthält, z. B. Carbonate oder Kohlenstoffdioxid.



Erreger im Trinkwasser

Erreger im Trinkwasser



■ ■

Quellwasser Grundwasser und Oberflächenwasser (Tab. J-2.5) Mineralwasser Tafelwasser.

In den Industriestaaten ist das Trinkwasser, das in den öffentlichen Leitungen verteilt wird, stets kontrolliert und einwandfrei; nur gelegentlich, bei Pannen, wird diese Sicherheit durchbrochen. Nur durch hohen technischen Aufwand, durch ständige Aufsicht und Qualitätskontrolle ist dieser Standard zu halten! ▶ Klinischer Fall. Kurz vor Pfingsten kommt ein Ehepaar von einer Indonesienreise mit schwerem Durchfall nach Deutschland zurück; wie sich später herausstellte, war Shigella dysenteriae die Ursache. Aus Versehen hatte ein Techniker im Wasserwerk einen Schieber geöffnet, der Abwasser vom Trinkwasser trennt; so konnte für kurze Zeit bakterienhaltiges Abwasser in die Trinkwasserversorgung gelangen. Wenige Stunden später erkrankten schlagartig 1324 Bürger an Ruhr.

Vor allem nachträgliche fäkale Verunreinigungen müssen verhindert werden. Bei den regelmäßigen Kontrolluntersuchungen gilt dafür vor allem Escherichia coli als Indikatorkeim, aber auch Enterokokken und Clostridien können auf fäkale Verunreinungen hinweisen. Wenn eine solche Gefahr droht, dann muss z. B. durch Chlorierung oder Ozonisierung in den Wasserleitungen eine Keimarmut erzwungen werden.

▶ Klinischer Fall.

Escherichia coli im Wasser gelten als Indikator für die Verunreinigung mit Fäkalien. Wasser mit möglicher fäkaler Verunreinigung muss vor der Nutzung durch Ozon oder Chlor aufbereitet werden.

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704 ▶ Exkurs.

In stehendem Wasser können sich nachträglich manche Keime vermehren, vor allem sog. Pfützenkeime, wie z. B. Pseudomonas (Abb. J-2.1).

⊙ J-2.1

J 2 Aufgabengebiete der Hygiene ▶ Exkurs. Im Einzelfall, z. B. während eines Urlaubs in einem Entwicklungsland oder beim Camping, ist u. U. eine Desinfektion des Trink- und Brauchwassers sinnvoll. Abkochen ist immer richtig; aber auch eine Filtrierung mit geeigneten Geräten ist möglich, aber aufwendig und es droht die Gefahr der Verkeimung der Filter! Mithilfe von chemischen Zusätzen wie Chlor (Clorina) oder Silbersalzen (Micropur) ist eine Gefahrenabwehr möglich – vorausgesetzt, dass das Wasser nicht allzu stark mit organischen Stoffen belastet ist. Chlor wirkt schnell, die Wirkung lässt aber auch wieder schnell nach. Silber benötigt eine Einwirkzeit von > ½ Stunde, wirkt dann aber 1 Woche. Deswegen ist die Kombination (Certisil Argento) vorteilhaft.

In der Endstrecke von Wasserversorgungssystemen droht in stagnierendem Wasser in selten oder nicht genutzen Wasserleitungen, sog. Totleitungen, oder in verrosteten Rohren (Abb. J-2.1) oder bei verkalkten Wasserhähnen die Bildung von Biofilmen. Dort sind Mikroorganismen, wie Pseudomonas oder Burkholderia, typische sog. Feuchtkeime, vor widrigen Umwelteinflüssen geschützt. In Biofilmen von Warmwasserleitungen verbreiten sich zudem Legionellen (S. 433), die sich intrazellulär in Amöben vermehren. Bakterien vermehren sich aber nicht nur in Biofilmen, sondern sie können in Suspension, also planktonisch verbreitet werden. Die Trinkwasserverordnung (TVO) enthält Vorschriften, die die Risiken der Vermehrung und Verbreitung von Mikroorganismen in Trinkwassernetzen verhindern sollen.

⊙ J-2.1

Wasserrohr Dieses Wasserrohr aus verzinktem Eisen war wenige Jahre nach Installation bereits ziemlich verrostet und hat das Lumen fast verschlossen. Aus dem Wasserhahn floss braunes, rostiges Wasser, in dem Pseudomonas und Legionella gezüchtet wurden, denn in diesen zerklüfteten Oberflächen bilden sich leicht Biofilme. Wasserrohre aus Kupfer oder Edelstahl sind dagegen weniger anfällig.

Schadstoffe im Trinkwasser

Schadstoffe im Trinkwasser

Die Qualität von Trinkwasser hängt neben den mikrobiellen Belastungen auch noch von dem Gehalt an chemischen Schadstoffen ab (Tab. J-2.4). Die TVO sieht dafür jeweils Grenzwerte vor.

Schadstoffe im Trinkwasser lassen sich nicht ganz vermeiden; allerdings sind bestimmte Grenzwerte für viele einzelne Stoffe festgelegt, darunter Nitrat, Schwermetalle, Tenside. Gerade umweltstabile Verbindungen, wie polyzyklische bzw. halogenierte Kohlenwasserstoffe, können über Luft und Boden ins Trinkwasser gelangen (Tab. J-2.4). Nitrate, die entweder aus natürlicher Produktion im Boden, meistens aber aus übermäßiger Düngung der Felder stammen, sind vor allem für Säuglinge schädlich. Nach Umwandlung in Nitrit, welche spontan oder durch Bakterien in der Nahrung oder im Körper selbst erfolgt, entsteht Methämoglobin, sodass die Sauerstoffversorgung der Gewebe abnimmt. Darüber hinaus stehen Nitrat bzw. Nitrit im Verdacht, im Magen eines Menschen in Nitrosamin, einem starken Kanzerogen, umgewandelt zu werden.

▶ Merke.

▶ Merke. In gefährdeten Gebieten sollte die Nahrung für Säuglinge und Kleinkinder

besser mit Mineral- oder Tafelwasser zubereitet werden, wofür geringere Grenzwerte (0,02 mg/l) für Nitrat gelten. Die anderen Schadstoffe haben vor allem bei längerfristiger Aufnahme – selbst bei nur geringen Mengen – vor allem Spätfolgen an unterschiedlichen Organen. Zudem besteht die Gefahr, dass solche Stoffe über Tiere in die Nahrungskette gelangen, z. B. in die Milch.

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J

Aufbereitungsmethoden

≡ J-2.5

Aufbereitungsmethoden

Trinkwasseraufbereitungsverfahren

Verfahren

Merkmale

Flockung

Nach Einleitung von Aluminium- oder Eisensalzen bilden sich Flocken aus organischen bzw. anorganischen Trübstoffen; diese können als Schlamm entfernt werden.

Filtration

Trennung von festen (z. T. auch gelösten) Stoffen mit Sandfiltern, Aktivkohlefiltern

Desinfektion

mit Chlor, Ozon, UV-Bestrahlung

Ionenaustauschverfahren

zur Enthärtung des Wassers

2.4

705

2.4 Hygiene von Badewasser und Abwasser

Hygiene von Badewasser und Abwasser

≡ J-2.5

2.4

Hygiene von Badewasser und Abwasser

2.4.1 Badewasserhygiene

2.4.1

Badewasserhygiene

In den Richtlinien über die Qualität von Badegewässern sind Leitwerte bezüglich der mikrobiellen und chemischen Beschaffenheit festgelegt, um eine Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung auszuschließen.

Auch für Badewasser gibt es Qualitätsstandards

▶ Exkurs. Über den Rundfunk wird alljährlich davor gewarnt, in Baggerseen zu baden, wo bei routinemäßigen Kontrollen durch das Gesundheitsamt eine erhöhte E.-coli-Konzentration oder sogar pathogene Keime, wie etwa Salmonellen und Noroviren, festgestellt wurden. In der Tat können sich in den warmen Jahreszeiten bei erheblicher organischer Belastung der Oberflächengewässer Fäkalkeime, die durch Mensch oder Tier ins Wasser gelangt sind, rasch vermehren und dann beim Baden übertragen werden.

Für Schwimmbäder sowie für Therapiebäder werden höhere Ansprüche als an Badeseen gestellt. Um eine Vermehrung von Bakterien zu unterbinden, wird das Wasser durch Ozon und Chlor vorbehandelt. Jedoch muss ggf. mehrmals am Tag kontrolliert werden, dass das Ozon vollständig wieder entfernt ist und der Gehalt an freiem und gebundenem Chlor innerhalb einer Untergrenze von 0,2/0,3 mg/l und einer Höchstgrenze von 0,5/0,6 mg/l liegt. Speziell in den Warmsprudelbecken (Whirlpool, Jaccuzzi) droht bei mangelnder Desinfektion die Gefahr, dass sich pathogene Keime, wie etwa Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa oder Legionella pneumophila, gut vermehren und dann per Kontakt oder Aerosol auf die Benutzer übertragen werden. Sogenannte Thermalbäder werden aus Quellen gespeist, die schon natürlicherweise eine Temperatur > 20 °C haben. ▶ Merke. In Wasser von Schwimm- und Therapiebädern dürfen Pseudomonas

▶ Exkurs.

In Schwimm- und Therapiebädern muss der Chlorgehalt zwischen 0,2 und 0,6 mg/l liegen.

▶ Merke.

aeruginosa, E. coli und Legionella pneumophila nicht nachweisbar sein.

2.4.2 Abwasserhygiene

2.4.2

Eine weitere Quelle für Infektionen kann das Abwasser werden, wenn es durch pathogene Keime wie etwa Salmonellen kontaminiert ist. Mögliche Quellen sind neben menschlichen Fäkalien Abfälle z. B. aus Schlachthöfen. In Kläranlagen erfolgt keine gezielte Abtötung von Mikroorganismen. Mit der Entfernung organischer Materialien, an die die Mikroorganismen gebunden sind, gelingt jedoch eine Reduktion von pathogenen Mikroorganismen, bevor dieses Abwasser in natürliche Oberflächengewässer, die sog. Vorfluter, eingeleitet wird. Viele Schadstoffe wie Schwermetalle und Pestizidrückstände gelangen mit Abwasser in den Wasserkreislauf und sollten deswegen vorsorglich eliminiert werden.

Auch im Abwasser können pathogene Keime verbreitet werden. Die Aufbereitung in einer Kläranlage dient jedoch vorwiegend der Reduktion der chemischen und organischen Belastungen, bevor es in Oberflächengewässer eingeleitet wird.

Abwasserhygiene

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706

J 2 Aufgabengebiete der Hygiene

2.5

2.5

Umwelthygiene

▶ Definition.

Umwelthygiene

▶ Definition. Die Umwelthygiene beschäftigt sich mit den physikalischen, che-

mischen und biologischen Umweltfaktoren, die von außen über die Luft, das Wasser, die Nahrungsmitteln und die Strahlungen auf den Menschen einwirken können. Während die Gesundheitsrisiken durch Mikroorganismen aus der Umwelt vermindert sind, wachsen die Belastungen durch physikalische und chemische Faktoren. Selbst harmlose, d. h. nicht-infektiöse Umweltkeime können wegen ihrer toxigenen und allergenen Wirkung der Gesundheit Schaden zufügen (Tab. J-2.6).

≡ J-2.6

Sick-building-Syndrom

Symptome ■

Bei uns werden heutzutage die meisten Umweltprobleme durch chemische und physikalische (Lärm, Strahlung) Faktoren verursacht. In Deutschland regelt das Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) das Genehmigungsrecht für Industrie- und Gewerbeanlagen. Viele Mikroorganismen, und zwar nicht nur pathogene Keime, sondern manchmal auch ganz harmlose Arten, können durch ihre antigene Wirkung Folgen für die Gesundheit haben. Bakterien und Pilze finden speziell in den Befeuchtungsanlagen von Klimaanlagen günstige Bedingungen, wodurch hohe Belastungen auftreten, die dann zusammen mit anderen Schadstoffen das Sick-building-Syndrom (Tab. J-2.6) auslösen können.

Irritationen der Schleimhäute von Mund, Rachen, Nase und Auge

Ursachen/Begleitumstände ■

allergische Reaktion gegen Milben, Bakterien- und Pilzantigene



Intoxikation durch Gase, Lösungsmittel, Aldehyde, Zigarettenrauch, flüchtige Stoffe von Mikroorganismen



Kopfschmerzen, Müdigkeit



Irritationen durch physikalische Einflüsse wie Lärm, Vibrationen, Licht, Zugluft



Konzentrationsschwäche



psychogen durch Stress, Unzufriedenheit, Überforderung

Epidemiologie

2.6

Epidemiologie

2.6

2.6.1

Grundlagen

2.6.1 Grundlagen ▶ Definition. ■



Endemie: geografisch, nicht aber zeitlich begrenzt auftretende Infektionskrankheit (Abb. J-2.2).

⊙ J-2.2

Die Epidemiologie beschäftigt sich als wissenschaftliche Disziplin mit den Ursachen und Folgen sowie der Verbreitung von gesundheitsbezogenen Zuständen und Ereignissen in Populationen. Die Infektionsepidemiologie (Seuchenlehre) beschäftigt sich mit den geografischen und zeitlichen Ausbreitungen von Infektionskrankheiten. Neben dem sporadischen Auftreten von Infektionskrankheiten können diese als Endemie, Epidemie oder Pandemie in Erscheinung treten.

Endemie: Eine Infektionskrankheit ist endemisch, wenn sie innerhalb einer Region dauernd anzutreffen ist (nur örtlich begrenzt, nicht aber zeitlich). Durch nachträgliche Bestimmung von Antikörpern lässt sich die Durchseuchung einer Bevölkerung feststellen (z. B. Masern, Toxoplasma, Chlamydia pneumoniae, Abb. J-2.2).

⊙ J-2.2

Durchseuchung der Bevölkerung mit einigen Krankheitserregern

90 80 70 Toxoplasma 60 Masern

50 Prozent

▶ Definition.

40 30 Chlamydia pneumoniae

20 10 0

2

4

Masernviren sind hoch kontagiös; sie werden schon im Kindergarten oder spätestens in der Schule übertragen. Deswegen sind Erwachsene zum Großteil immun. Chlamydia pneumoniae wird weitaus weniger effektiv übertragen. Die Durchseuchung beginnt im Kindesalter und steigt mit zunehmendem Alter stetig an. Toxoplasma gondii wird vor allem durch rohes Fleisch übertragen. Folglich sind Kinder nur wenig betroffen, und selbst unter Erwachsenen ist der Verzehr von rohem Fleisch nicht allgemein üblich, sodass ein Teil der Bevölkerung keinen Kontakt mit diesen Erregern hat.

6 10 20 30 40 50 60 Jahre ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

706

J 2 Aufgabengebiete der Hygiene

2.5

2.5

Umwelthygiene

▶ Definition.

Umwelthygiene

▶ Definition. Die Umwelthygiene beschäftigt sich mit den physikalischen, che-

mischen und biologischen Umweltfaktoren, die von außen über die Luft, das Wasser, die Nahrungsmitteln und die Strahlungen auf den Menschen einwirken können. Während die Gesundheitsrisiken durch Mikroorganismen aus der Umwelt vermindert sind, wachsen die Belastungen durch physikalische und chemische Faktoren. Selbst harmlose, d. h. nicht-infektiöse Umweltkeime können wegen ihrer toxigenen und allergenen Wirkung der Gesundheit Schaden zufügen (Tab. J-2.6).

≡ J-2.6

Sick-building-Syndrom

Symptome ■

Bei uns werden heutzutage die meisten Umweltprobleme durch chemische und physikalische (Lärm, Strahlung) Faktoren verursacht. In Deutschland regelt das Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) das Genehmigungsrecht für Industrie- und Gewerbeanlagen. Viele Mikroorganismen, und zwar nicht nur pathogene Keime, sondern manchmal auch ganz harmlose Arten, können durch ihre antigene Wirkung Folgen für die Gesundheit haben. Bakterien und Pilze finden speziell in den Befeuchtungsanlagen von Klimaanlagen günstige Bedingungen, wodurch hohe Belastungen auftreten, die dann zusammen mit anderen Schadstoffen das Sick-building-Syndrom (Tab. J-2.6) auslösen können.

Irritationen der Schleimhäute von Mund, Rachen, Nase und Auge

Ursachen/Begleitumstände ■

allergische Reaktion gegen Milben, Bakterien- und Pilzantigene



Intoxikation durch Gase, Lösungsmittel, Aldehyde, Zigarettenrauch, flüchtige Stoffe von Mikroorganismen



Kopfschmerzen, Müdigkeit



Irritationen durch physikalische Einflüsse wie Lärm, Vibrationen, Licht, Zugluft



Konzentrationsschwäche



psychogen durch Stress, Unzufriedenheit, Überforderung

Epidemiologie

2.6

Epidemiologie

2.6

2.6.1

Grundlagen

2.6.1 Grundlagen ▶ Definition. ■



Endemie: geografisch, nicht aber zeitlich begrenzt auftretende Infektionskrankheit (Abb. J-2.2).

⊙ J-2.2

Die Epidemiologie beschäftigt sich als wissenschaftliche Disziplin mit den Ursachen und Folgen sowie der Verbreitung von gesundheitsbezogenen Zuständen und Ereignissen in Populationen. Die Infektionsepidemiologie (Seuchenlehre) beschäftigt sich mit den geografischen und zeitlichen Ausbreitungen von Infektionskrankheiten. Neben dem sporadischen Auftreten von Infektionskrankheiten können diese als Endemie, Epidemie oder Pandemie in Erscheinung treten.

Endemie: Eine Infektionskrankheit ist endemisch, wenn sie innerhalb einer Region dauernd anzutreffen ist (nur örtlich begrenzt, nicht aber zeitlich). Durch nachträgliche Bestimmung von Antikörpern lässt sich die Durchseuchung einer Bevölkerung feststellen (z. B. Masern, Toxoplasma, Chlamydia pneumoniae, Abb. J-2.2).

⊙ J-2.2

Durchseuchung der Bevölkerung mit einigen Krankheitserregern

90 80 70 Toxoplasma 60 Masern

50 Prozent

▶ Definition.

40 30 Chlamydia pneumoniae

20 10 0

2

4

Masernviren sind hoch kontagiös; sie werden schon im Kindergarten oder spätestens in der Schule übertragen. Deswegen sind Erwachsene zum Großteil immun. Chlamydia pneumoniae wird weitaus weniger effektiv übertragen. Die Durchseuchung beginnt im Kindesalter und steigt mit zunehmendem Alter stetig an. Toxoplasma gondii wird vor allem durch rohes Fleisch übertragen. Folglich sind Kinder nur wenig betroffen, und selbst unter Erwachsenen ist der Verzehr von rohem Fleisch nicht allgemein üblich, sodass ein Teil der Bevölkerung keinen Kontakt mit diesen Erregern hat.

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707

J 2.6 Epidemiologie ▶ Merke. Das Wissen um Endemiegebiete (z. B. Malariagebiete) ist im Zuge des in-

▶ Merke.

ternationalen Tourismus von entscheidender hygienischer Bedeutung geworden – Expositionsrisiko! Epidemie: Bei einer Epidemie tritt eine Infektionskrankheit innerhalb einer begrenzten geografischen Region in einem begrenzten Zeitraum auf. Zwei Arten der Epidemie werden unterschieden: ■ Explosivepidemie: Der Krankheitserreger wird so gestreut, dass ihn eine große Bevölkerungsgruppe zur gleichen Zeit aufnimmt (z. B. Choleraerreger im Trinkwasser) und die Erkrankung explosionsartig bemerkbar wird. ■ Tardivepidemie: Der Krankheitserreger wird durch persönlichen Kontakt des Infizierten mit anderen Menschen gestreut, sodass die Erkrankungen längere Zeit als sporadisch angesehen werden, bevor der Epidemiecharakter erkannt wird.

Epidemie: geografisch und zeitlich begrenzt auftretende Infektionskrankheit.

Pandemie: Weitet sich eine Epidemie weltweit aus, so spricht man von einer Pandemie. Es handelt sich um das zwar zeitlich, nicht aber örtlich begrenzte Auftreten einer bestimmten Infektionskrankheit. Unabhängig von diesen Einteilungen kann man Seuchen dadurch charakterisieren, mit welcher Extensität (wie viele Menschen erkranken) und mit welcher Intensität (wie viele Erkrankte sterben) sie auftreten. Bei der Beobachtung von Seuchen ist weiterhin die jahreszeitliche Häufung von großem Interesse (Frühsommer-Meningoenzephalitis etc.). Ein besonderes Phänomen stellen säkulare Schwankungen beim Auftreten von Seuchen dar. Das „Kommen und Gehen“ von Infektionskrankheiten über Jahre hinweg kann dabei nicht durch ärztliche oder allgemeinhygienische Maßnahmen allein erklärt werden; so spielen z. B. klimatische Veränderungen eine Rolle. Zur Beschreibung der epidemiologischen Situation einer Krankheit werden folgende Termini verwendet:

Pandemie: weltweit, aber zeitlich begrenzt auftretende Infektionskrankheit.

Kontagiosität (contingere = berühren): Die Ansteckungsfähigkeit eines Erregers hängt von mehreren, verschiedenen biologischen Eigenschaften ab, wie etwa die Beständigkeit in der Umwelt („Fitness“), Übertragungswege, Virulenz (Aggressivität). Kontagiosität ist also ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Krankheit bei Exposition übertragen wird.

Kontagiosität: Maß für die Ansteckungsfähigkeit.

Morbidität (morbus = die Krankheit): Anzahl der an einer bestimmten Erkrankung leidenden Personen einer Bevölkerung innerhalb eines definierten Zeitraumes (z. B. innerhalb eines Kalenderjahres) bezogen auf 10 000 oder 100 000 Personen dieser Bevölkerung. Es können zusätzliche Kriterien eingeführt werden, etwa Geschlecht und bestimmte Altersgruppen. Morbidität ist also ein Maß für die Häufigkeit und Bedeutung einer Krankheit.

Morbidität: Anzahl der an einer bestimmten Krankheit leidenden Personen pro Bevölkerung in einem bestimmten Zeitraum.

Prävalenz: Anzahl aller von einer bestimmten Erkrankung Betroffenen an einem festgelegten Stichtag (in der Praxis bezogen auf 10 000 oder 100 000 Einwohner).

Prävalenz: Anzahl an einer definierten Krankheit leidenden Personen an einem Stichtag.

Inzidenz: Anzahl der Personen, die innerhalb des Beobachtungszeitraumes eine bestimmte Erkrankung erstmals erlitten (wird in der Praxis oftmals auf 1000, 10 000 oder 100 000 Einwohner bezogen).

Inzidenz: Anzahl an Personen, die innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens erstmals eine bestimmte Krankheit erlitten.

Mortalität (mortalitas = die Sterblichkeit): Anzahl der an einer bestimmten Erkrankung verstorbenen Personen einer Bevölkerung innerhalb eines definierten Zeitraums (z. B. innerhalb eines Kalenderjahres), bezogen auf 10 000 oder 100 000 Personen dieser Bevölkerung. Es können zusätzliche Kriterien eingeführt werden, etwa Geschlecht und bestimmte Altersgruppen. Eine Untergruppe der Mortalität stellt die Säuglingssterblichkeit dar. Man versteht darunter die Mortalität der Säuglinge innerhalb des ersten Lebensjahrs, bezogen auf 1000 Lebendgeborene einer Bevölkerung innerhalb des Beobachtungszeitraumes (z. B. verstarben 1950 von 1000 Lebendgeborenen innerhalb des ersten Lebensjahres in Baden-Württemberg im statistischen Mittel 50,9, im Jahr 1975 nur 16,9 und im Jahr 2000 nur noch 3,9).

Mortalität: Zahl der an einer bestimmten Krankheit gestorbenenen Personen einer Bevölkerung innerhalb eines bestimmten Zeitraumes. Die Säuglingssterblichkeit, d. h. die Zahl der innerhalb des ersten Lebensjahres verstorbenen Kinder, bezogen auf 1000 Lebendgeborene.



Explosivepidemie: Explosionsartiges Auftreten einer Infektionskrankheit in einer Bevölkerung



Tardivepidemie: schleichende Vermehrung augenscheinlich sporadischer Krankheitsfälle.

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708

J 2 Aufgabengebiete der Hygiene

Letalität: Sterberate (in %) der von einer bestimmten Krankheit betroffenen Personen.

Letalität (letalis = tödlich): Dieser Begriff beinhaltet die Sterberate (in Prozent) der von einer bestimmten Erkrankung betroffenen Personen. Beispiel: Die Mortalität der Listeriainfektion ist niedrig, denn weit unter 0,1 % der Bevölkerung sterben an dieser Infektionskrankheit, weil selbst nach Exposition nur wenige Individuen wirklich krank werden. Die Listeriose ist also keine Volksseuche. Aber eine Listeriose ist sehr gefährlich, d. h. die Letalität ist sehr hoch, immerhin erliegen 30 % derjenigen Personen, die eine manifeste Krankheit entwickeln, dieser Infektion.

2.6.2

2.6.2 Persistenz von Erregern in der Umwelt und spezielle Reservoire

Persistenz von Erregern in der Umwelt und spezielle Reservoire

Die Biodiversität der Mikroorganismen ist gewaltig. Manche der unzähligen Bakterien haben sich an spezielle, auch extreme Bedingungen angepasst. Die meisten dieser Mikroorganismne der unbelebten Umwelt sind für den Menschen apathogen. Abhängig von ihrer Tenazität (Adaptationsfähigkeit gegenüber bestimmten Umweltbedingungen) können auch pathogene Keime in der unbelebten Umwelt persistieren.

▶ Exkurs.

2.6.3

Infektionsquellen bzw. Übertragungswege Mikroorganismen können, ausgehend von ihrer Quelle (Umwelt, Tiere, Menschen), auf den Menschen übertragen werden (exogene Infektion).

Auch von der körpereigenen Flora kann Gefahr für das Individuum selbst ausgehen (endogene Infektion).

Infektionen gehen also von verschiedenen Quellen der unbelebten wie der belebten Umwelt sowie von anderen Menschen wie auch vom Individuum selbst aus (Tab. J-2.7). Gelegentlich werden Infektionen von Vektoren übertragen, die selber gar nicht primär die Quelle darstellen.

Das Überleben von lebenden Mikroorganismen in der unbelebten Umwelt ist begrenzt und hängt ganz wesentlich von den Bedingungen ab. Die Biodiversität ist immens groß. Einige Spezialisten haben sich selbst an extreme Situationen angepasst: so gibt es Bakterien, die im siedenden Wasser eines Geysirs überleben und sich vermehren können, und andere, die im Gletschereis leben. Solche Umweltspezialisten sind jedoch praktisch immer apathogen. Unter für Bakterien günstigen Verhältnissen können aber auch pathogene Keime, abhängig von ihrer Tenazität, in der unbelebten Umwelt, z. B. in Wasser, Lebensmitteln, Staub, Erde oder Luft persistieren. Dies hängt von der Adaptationsfähigkeit der Bakterien gegenüber bestimmten Umweltbedingungen ab. So sind z. B. Mykobakterien, die ein Erkrankter mit seinem Sputum ausgeworfen hat, in der Umgebung lange stabil. Salmonellen halten sich lange im Stuhl und in diversen Lebensmitteln. Coxiella burneti kann im Fell von Schafen lange überleben. Auch Polioviren, HepatitisA-Viren und die Oozysten von Toxoplasma gondii sind sehr widerstandsfähig gegenüber Umwelteinflüssen. ▶ Exkurs. Ob wirklich manche pathogene Keime in den Pharaonengräbern auch über Jahrtausende überleben, wie von manchen Romanschreibern propagiert, ist nicht objektiv belegt.

2.6.3 Infektionsquellen bzw. Übertragungswege Als Quelle eines Mikroorganismus bezeichnet man gewöhnlich seinen Standort, an dem er typischerweise auftritt und an dem er sich vermehren kann. Einige Mikroorganismen entstammen der Umwelt und vermehren sich dort, andere haben sich an Tiere adaptiert und können ggf. auch bei Menschen zu Erkrankungen führen. Einige Erreger, wie etwa VZV, T. pallidum und N. gonorrhoeae, kommen ausschließlich nur beim Menschen vor. Ausgehend von ihrer Quelle können die Mikroorganismen auf den Menschen übertragen werden. Ein solcher Infektionsweg wird als exogene Infektion bezeichnet. Auf der Haut und auf den Schleimhäuten des Menschen existiert eine für das Individuum recht typische Flora, die normaler Weise keinen Schaden anrichtet und sogar eine Reihe von wichtigen, physiologischen Funktionen erfüllt, solange sie nur am autochthonen Standort residieren. Aber wenn die Mikroorganismen dieser körpereigenen Flora in andere, sterile Körperregionen verschleppt werden, können sie Quelle für eine endogene Infektion werden. Aus Ihren Quellen können die Erreger auf unterschiedlichem Wege übertragen werden, zum Beispiel durch die Luft, über Wasser und Lebensmittel oder durch Kontakte (Tab. J-2.7). Eine spezielle Situation besteht bei Aufenthalten in Gemeinschaftseinrichtungen (Kindergärten, Schulen, Kasernen, Heimen, Gefängnissen, Camping, öffentlichen Verkehrsmitteln, Kneipen, Diskotheken), wo zwangsweise ein enger Kontakt zwischen vielen Menschen besteht. Dabei können oft Krankheitserreger übertragen werden, was dann zu gehäuften Fällen einer Infektion führt. Gelegentlich sind nicht die ursprünglichen Quellen direkt Ausgangspunkt für Infektionen, manchmal schalten sich noch belebte oder unbelebte Vektoren bzw. Vehikel dazwischen. In anderen Fällen ist dagegen der Mensch selbst oder sein Mitmensch die hauptsächliche Infektquelle.

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709

J 2.6 Epidemiologie

≡ J-2.7

Beispiele für bevorzugte Übertragungswege einiger Infektionserreger

aerogen/Tröpfchen

Kontakt

Lebensmittel

Wasser

Tier



Influenza



Herpesviren



Hepatitis A



Enteroviren



Rabies



Mykobakterien



HIV



Salmonella



Vibrio



Ch. psittaci



Meningokokken



Gonokokken



Campylobacter



Pseudomonas



Bartonella



Bordetella



Treponema



Listeria



Legionella



Borrelia



Aspergillus



Staphylokokken



Toxoplasma



Leptospira



Toxoplasma



Coccidioides



C. trachomatis



Taenia



Lamblia



Plasmodium

Infektionswege und Infektionsketten ▶ Merke. Die genaue Kenntnis der Infektionswege ist der erste Schlüssel für eine

Infektionswege und Infektionsketten ▶ Merke.

sinnvolle Bekämpfung von Infektionskrankheiten. ▶ Definition. Unter einem Infektionsweg versteht man die Übertragung von der Infektionsquelle auf den Patienten, der Begriff Infektionskette beinhaltet daneben noch weitere Übertragungsstationen. ■ Homogener Infektionsweg: Ein Infektionsweg wird als homogen bezeichnet, wenn an der Ausbreitung der Infektion nur Wirbeltiere und Menschen beteiligt sind, keine Insekten oder Spinnentiere. ■ Heterogener Infektionsweg: Wirken auch Insekten oder Spinnentiere bei der Ausbreitung einer Infektionskrankheit mit, bezeichnet man dies als einen heterogenen Infektionsweg. ■ Homonome Infektionskette: Sind von der Infektionskrankheit nur Menschen betroffen, spricht man von einer homonomen Infektionskette. ■ Heteronome Infektionskette: Sind von der Infektion neben dem Menschen auch noch Tiere betroffen, so liegt eine heteronome Infektionskette vor.

▶ Definition.

Aus der Kombination dieser vier Definitionen lässt sich eine Zuordnung der bekannten Infektionskrankheiten zu folgenden vier Infektionsketten vornehmen: Homogen-homonome Infektionskette: Übertragung von Mensch zu Mensch: Nur der Mensch ist betroffen. Beispiele: alle sexuell übertragbaren Krankheiten, alle durch Tröpfcheninfektion übertragbaren Krankheiten, aber auch viele Infektionskrankheiten, die durch kontaminierte Lebensmittel oder Trinkwasser verbreitet werden. Auch nosokomiale Infektionen durch infizierte Blutprodukte oder Instrumente (Endoskope) zählen dazu.

Homogen-homonome Infektionskette: Übertragung von Mensch zu Mensch, nur der Mensch ist betroffen (z. B. sexuell übertragbare Krankheiten).

Homogen-heteronome Infektionskette: Übertragung von Tier zu Mensch (ohne Insektenbeteiligung). Von der Krankheit betroffen sind Mensch und Tier. Beispiel: Tollwut; Wildtier (z. B. Fuchs) infiziert Haustier (z. B. Hund). Dieses infiziert den Menschen. Alle Beteiligten (Mensch und Tier) erkranken.

Homogen-heteronome Infektionskette: Übertragung von Tier zu Mensch, beide sind betroffen (z. B. Tollwut).

Heterogen-homonome Infektionskette: Übertragung einer Infektionskrankheit von Mensch zu Mensch, wobei ein Insekt oder Spinnentier, das selbst nicht erkrankt, als Überträger (Vektor) fungiert. Beispiel: Malaria, FSME.

Heterogen-homonome Infektionskette: Übertragung von Mensch zu Mensch mit Zwischenschaltung eines Insekts, das als Vektor nicht selbst erkrankt (z. B. Malaria). Heterogen-heteronome Infektionskette: Übertragung von Tier zu Mensch unter Einschaltung eines Insekts als Vektor (z. B. Pest).

Heterogen-heteronome Infektionskette: Übertragung einer Infektionskrankheit von Tier zu Mensch unter Einschaltung eines Insekts. Beispiel: Pest. An einer erkrankten Ratte infiziert sich der Rattenfloh, der seinerseits als Vektor einen Menschen infizieren kann. ▶ Merke. Ein wichtiger Schritt in der Prävention von Epidemien ist die Unterbre-

▶ Merke.

chung der Infektionskette.

Aerogen ▶ Definition. Übertragung von Erregern über in der Luft schwebende Staubpartikel, Dunst- oder Sekrettröpfchen (Abb. J-2.3).

Aerogen ▶ Definition.

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710 ⊙ J-2.3

J 2 Aufgabengebiete der Hygiene

⊙ J-2.3

Tröpfcheninfektion

2m

Hygienemaßnahmen: Aerogene Infektionen werden durch Isolation der Infizierten (Quarantäne) oder durch Fernbleiben vom Infektionsherd vermieden. Raumlufttechnische (RLT-)Anlagen schaffen in bestimmten Bereichen (z. B. OP-Saal) günstige Verhältnisse.

Während beim Kehren und Staubsaugen der bakterienhaltige Staub nur aufgewirbelt wird, werden beim feuchten Wischen potenzielle Erreger entfernt, was durch Zugabe von Desinfektionsmittel noch verstärkt wird.

Atemschutzmasken, sofern sie richtig eingesetzt werden, sind hilfreich (Abb. J-2.4).

Kontakt ▶ Definition.

Kontakt-(Schmier-)infektionen gehen von verschiedenen Quellen aus: ■ kontaminierte, unbelebte Gegenstände ■ besiedelte Körperteile von Mensch und Tier ■ speziell Hände (Abb. J-2.5) ■ Geschlechtsverkehr.

Beim Husten (aber auch beim Niesen und Sprechen) werden infektionserregerhaltige Sekrettröpfchen meterweit verbreitet. Die größeren Tröpfchen fallen schnell zu Boden, die kleineren (Durchmesser < 4 μm) halten sich stundenlang in der Schwebe.

Hygienemaßnahmen: Eine aerogene Übertragung kann primär dadurch verhindert werden, dass gar keine Ausbreitung stattfindet, indem man die Quelle von der Umgebung trennt. Eine Quarantäne, d. h. die räumliche Trennung (Isolation oder Absonderung) der Infizierten von anderen Menschen einerseits oder die Flucht vor der Gefahr andererseits sind erste wichtige Schritte. Eine aerogene Keimverbreitung kann durch raumlufttechnische (RLT-)Anlagen unterbunden werden. Mit großem technischem Aufwand wird die Luft gefiltert und dann mit Überdruck in OP-Säle bzw. Isolierstationen für infektgefährdete Patienten abgegeben. Dadurch wird der Zustrom von erregerhaltiger Luft verhindert. Umgekehrt kann ein Unterdruck in den Patientenzimmern auf Infektionsstationen erzeugt und die Abluft gefiltert werden, um das Entweichen von gefährlichen Infektionserregern zu vermeiden. Im Krankenhaus sind Kehren und Staubsaugen grundsätzlich verpönt, denn normalerweise findet dabei nur eine Verwirbelung statt – die enthaltenen Mikroorganismen werden nicht beseitigt, sondern nur verteilt. Besser ist feuchtes Wischen, weil hier die Mikroorganismen mit dem Wischwasser beseitigt werden. In kritischen Bereichen, wie etwa Intensiv- und Infektionsstationen, ist zusätzlich noch die Zugabe von Desinfektionsmittel in ausreichender Konzentration nach VAH- bzw. RKI-Liste (www.rki.de) sinnvoll, um vegetative Keime zu eliminieren. Eine weitere wirksame Maßnahme zur Prävention von aerogenen Infektionen ist der Atemschutz für Personal und Patienten. Das Tragen von Mund-Nasen-Schutz, im Chargon oft „OP-Maske“ genannt, ist kein sicherer Schutz, denn bis zu 80 % der Atemluft gehen im Bypass am Filter vorbei (Abb. J-2.4). Und auch der Filter selbst ist kein unüberwindliches Hindernis für Bakterien und Viren, vor allem wenn der Stoff mit der Zeit durchfeuchtet ist. Der relativ beste Schutz ist eine sog. „high risk“-Maske. Ein Äquivalent ist die Feinstaubmaske, die primär von der Industrie entwickelt wurde, wobei es Masken mit verschiedenen Abscheidegraden gibt, nämlich die FFP-1-, -2- und -3-Masken. Voraussetzung ist aber immer, dass sie dicht auf der Haut aufsitzen. Ein Nachteil dieser Masken ist ein starker Atemwiderstand, insbesondere der FFP-3-Masken. Das Tragen eines FFP-3-Atemschutzes über längere Zeiträume kann gesunden Personen deshalb nur nach vorausgegangener betriebsärztlicher Prüfung zugemutet werden. Normalerweise werden die eingeatmeten Erreger durch die unspezifischen Abwehrmechanismen der Schleimhäute der oberen Luftwege eliminiert. Bei Vorschädigung aber, z. B. bei Rauchern, gelingt dies weniger gut.

Kontakt ▶ Definition. Keimübertragung durch direkten Kontakt mit dem Erreger.

Ursachen: Kontaminierte Gegenstände der Umwelt, darunter auch medizinische Instrumente, sind eine bedeutende Infektionsquelle. Die Finger der Hände sind die „10 wichtigsten Risikofaktoren“ bei der Verbreitung von Mikroorganismen, z. B. von Staphylococcus aureus, von einem Menschen auf den anderen, speziell bei nosokomialen und iatrogenen Infektionen (Abb. J-2.5). Manche Erreger haben sich so spezialisiert, dass sie praktisch nur bei engem körperlichem Kontakt, also z. B. beim Geschlechtsverkehr, von einem Menschen auf einen nächsten übertragen werden, z. B. Treponema pallidum, Neisseria gonorrhoeae, HIV, Trichomonas vaginalis. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

J

⊙ J-2.4

711

2.7 Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Atemschutzmaske (Kirsten Oborny - Thieme Gruppe)

a

a Beim Tragen von Atemschutzmasken, die nur leicht hängen, selbst wenn Mund und Nase bedeckt sind, geht bis zu 80 % der Atemluft am Filter vorbei! b Die Filterwirkung ist wesentlich besser, wenn die Maske fest aufsitzt und den Konturen angepasst ist. c Noch besser ist das Tragen von FFP2Masken (hier im Bild) um Bakterien, Pilze und Sporen oder FFP3-Masken um sogar Viren zurückzuhalten.

b

c

⊙ J-2.5

Die 10 wichtigsten Risikofaktoren für nosokomiale Infektionen

⊙ J-2.5

Auch „gepflegte“ Hände können eine wichtige Infektionsquelle sein.

Von Körperteilen, die normalerweise mit einer mikrobiellen Flora besiedelt sind, kann bei einem Individuum eine Verschleppung von Krankheitserregern auf andere, nicht besiedelte Gebiete erfolgen. Vor allem die fäkal-orale Schmierinfektion spielt eine immense Rolle, häufig bei Kindern und alten Menschen. Manche Erreger residieren primär in der Tierwelt und werden von dort bei passender Gelegenheit auf den Menschen übertragen. Hygienemaßnahmen: Von entscheidender Bedeutung, vor allem zur Prävention von Infektionen durch Gegenstände und Hände, sind die Desinfektion und ggf. die Sterilisation (S. 730).

2.7

Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Zur Verhütung bzw. Bekämpfung von Epidemien, die die Gesundheit ganzer Bevölkerungskollektive bedrohen, gibt es eine Reihe von Regelungen, die in ihrer Stringenz und Bedeutung stark differieren (Tab. J-2.8). Das alte Bundesseuchengesetz von 1962 sowie das Gesetz zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten von 1953 wurden am 1. Januar 2001 durch das neue IfSG abgelöst, welches mehrfach überarbeitet und ergänzt wurde. Ziel ist die Verhinderung der Verbreitung von übertragbaren Krankheiten.

2.7

Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Zur Definition der unterschiedlichen Regelungen s. Tab. J-2.8.

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712

J 2 Aufgabengebiete der Hygiene

▶ Definition.

≡ J-2.8

▶ Definition. Das Infektionsschutzgesetz ist ein bundesweit geltendes Gesetz mit dem Ziel, die Verbreitung von übertragbaren Krankheiten zu verhindern.

Übersicht über Regelungen

Gesetze

gehen vom Staatssouverän aus; Pflicht; strafbewehrt

Verordnungen

amtliche Verfügungen; Überschreitungen werden geahndet

Richtlinien

Gehen von Behörden oder Institutionen aus; müssen nicht unbedingt eingehalten werden, wenn man eine Alternative gut begründen kann.

Empfehlungen

Z. B. Leitlinien; gehen von Expertengruppen aus; sind evidenzbasiert; sollen Richtschnur sein, sind aber rechtlich nicht verbindlich.

Lehrmeinungen

Gehen von Einzelnen aus; sind zunächst plausibel, aber ändern sich, müssen kritisch hinterfragt werden; „auch Experten können sich täuschen“.

Diesbezügliche Internetadressen: www.gesetze-im-internet.de/ifsg und www.rki.de

Im Internet ist der gesamte Gesetzestext nachlesbar unter www.gesetze-im-internet. de/ifsg. Details und Formulare sind unter www.rki.de zusammengestellt. Durch die Überarbeitung des IfSG ergibt sich für die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) ein besonderer Stellenwert, da nach Gesetzestext dann vermutet wird, dass nach dem Stand des Wissens vorgegangen wird, wenn die Empfehlungen umgesetzt werden (Vermutungswirkung der Empfehlung).

2.7.1

2.7.1 Meldepflicht

Meldepflicht

Die Meldepflicht soll helfen, die Häufigkeit von bestimmten Infektionen und ihre Verbreitung zu erfassen und in Einzelfällen gezielt zu intervenieren. Zu Begriffen s. Tab. J-2.9.

≡ J-2.9

Die frühzeitige Erkennung von Risiken soll durch die Zusammenarbeit von Behörden und Einrichtungen des Gesundheitswesens verbessert werden. Die Meldepflicht soll helfen, die Häufigkeit von bestimmten Infektionen und ihre Verbreitung zu erfassen und in Einzelfällen gezielt zu intervenieren. Um Missverständnissen vorzubeugen, sind Begriffsbestimmungen eingeführt worden (Tab. J-2.9).

Begriffsbestimmungen im IfSG

Krankheitserreger

Ein vermehrungsfähiges Agens (Virus, Bakterium, Pilz, Parasit) oder ein sonstiges biologisches transmissibles Agens, das bei Menschen eine Infektion oder übertragbare Krankheit verursachen kann.

Infektion

die Aufnahme eines Krankheitserregers und seine nachfolgende Entwicklung und Vermehrung im menschlichen Organismus

übertragbare Krankheit

Eine durch Krankheitserreger oder deren toxische Produkte, die unmittelbar oder mittelbar auf den Menschen übertragen werden, verursachte Krankheit.

bedrohliche übertragbare Krankheit

Eine übertragbare Krankheit, die auf Grund klinisch schwerer Verlaufsformen oder ihrer Ausbreitungsweise eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit verursachen kann.

Kranker

Eine Person, die an einer übertragbaren Krankheit erkrankt ist.

Krankheitsverdächtiger

Eine Person, bei der Symptome bestehen, welche das Vorliegen einer bestimmten Krankheit vermuten lassen.

Ausscheider

Eine Person, die Krankheitserreger ausscheidet und dadurch eine Ansteckungsquelle für die Allgemeinheit sein kann, ohne krank oder krankheitsverdächtig zu sein.

Ansteckungsverdächtiger

Eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein.

nosokomiale Infektion

Eine Infektion mit lokalen oder systemischen Infektionszeichen als Reaktion auf das Vorhandensein von Erregern oder ihrer Toxine, die in zeitlichem Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt oder einer ambulanten medizinischen Maßnahme steht, soweit die Infektion nicht bereits schon vorher bestand.

Schutzimpfung

Die Gabe eines Impfstoffes mit dem Ziel, vor einer übertragbaren Krankheit zu schützen.

andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe

Die Gabe von Antikörpern (passive Immunprophylaxe) oder die Gabe von Medikamenten (Chemoprophylaxe) zum Schutz vor Weiterverbreitung bestimmter übertragbarer Krankheiten.

Impfschaden

Die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung; ein Impfschaden liegt auch vor, wenn mit vermehrungsfähigen Erregern geimpft wurde und eine andere als die geimpfte Person geschädigt wurde.

Gesundheitsschädling

Ein Tier, durch das Krankheitserreger auf Menschen übertragen werden können.

Die ärztliche Schweigepflicht (§ 203 StGB) wird durch die Bestimmungen des IfSG aufgehoben und in eine Offenbarungspflicht umgewandelt!

Die ansonsten übliche Schweigepflicht des Arztes (§ 203 StGB) wird durch dieses Gesetz punktuell aufgehoben und in eine Offenbarungspflicht umgewandelt, weil das Recht der Allgemeinheit auf Schutz vor übertragbaren Krankheiten höher gewertet wird als das Interesse des Einzelnen an der Geheimhaltung seines Gesundheitszustandes. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

J ▶ Merke. Das Meldesystem basiert auf 3 Säulen: ■





713

2.7 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ▶ Merke.

Meldung von Krankheiten, die in § 6 IfSG aufgeführt sind (einschließlich Verdachtsfällen bzw. Tod oder z. B. eine Verletzung durch ein tollwutverdächtiges Tier oder Verdacht auf einen Impfschaden), durch den feststellenden Arzt oder sonstige meldepflichtige Personen. Diese Meldungen erfolgen namentlich an das zuständige Gesundheitsamt innerhalb von 24 Stunden auf einem speziellen Formular. Meldung von direktem oder auch indirektem Nachweis von Krankheitserregern, die in § 7 IfSG aufgeführt sind, in bestimmten Materialien durch das Laboratorium. Auch das gehäufte Auftreten von nicht gelisteten Erregern ist zu melden. Diese Meldungen erfolgen in den meisten Fällen namentlich an das Gesundheitsamt, bei einigen Infektionen, wie z. B. mit HIV oder konnatal erworbenen Röteln oder Toxoplasmen, jedoch nicht namentlich an das Robert-Koch-Institut (RKI). Meldung von gehäuft auftretenden, nosokomialen Infektionen, bei denen ein epidemiologischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird. Diese Information soll unverzüglich nicht namentlich dem Gesundheitsamt mitgeteilt werden.

Meldepflichtige Infektionskrankheiten und Erregernachweise nach dem IfSG sowie Anleitungen für die Meldung und aktuelle Berichte über die gemeldeten Infektionskrankheiten sind detailliert unter www.rki.de zu finden.

Meldepflichtige Infektionskrankheiten nach dem IfSG sind unter www.rki.de zu finden.

2.7.2 Zuständigkeit bei der Behandlung von übertragbaren Krankheiten

2.7.2

Im § 24 des IfSG ist festgehalten, dass nur approbierte Ärzte (also z. B. keine Heilpraktiker) die Erlaubnis haben, übertragbare Krankheiten, die nicht nur das Individuum, sondern ganze Bevölkerungsgruppen bedrohen, zu behandeln.

Nur Ärzte haben die Erlaubnis, übertragbare Krankheiten zu behandeln.

2.7.3 Gemeinschaftseinrichtungen

2.7.3

Bei Verdacht bzw. Nachweis bestimmter Infektionskrankheiten (Tab. J-2.10) bei Betreuern oder Betreuten in Gemeinschaftseinrichtungen besteht nach § 33 des IfSG Meldepflicht. Das Gesundheitsamt kann notwendige Schutzmaßnahmen, z. B. Verbote, anordnen. Somit können bürgerliche Grundrechte eingeschränkt werden.

Das Auftreten von bestimmten Infektionserregern bzw. -krankheiten in Gemeinschaftseinrichtungen ist meldepflichtig (Tab. J-2.10); das Gesundheitsamt kann einschneidende Schutzmaßnahmen anordnen.

≡ J-2.10

Beispiele für Infektionserreger bzw. -krankheiten mit Meldepflicht beim Auftreten in Gemeinschaftseinrichtungen



Läuse



Skabies



Lungentuberkulose



Scharlach



Keuchhusten



Hepatitis A



Masern



Windpocken



Meningokokken

2.7.4 Umgang mit und Transport von infektiösem Material Da bei unsachgemäßem Umgang mit infektiösem Material – vor allem bei der Kultivierung – riesige Mengen von hoch pathogenen Keimen produziert werden können, ist eine behördliche Anmeldung bzw. Genehmigung erforderlich. Die Behörde erteilt dann eine Umgangsgenehmigung (§ 44 IfSG). Da im Falle eines Missgeschickes beim Transport von menschlichem Untersuchungsmaterial eine Gefahr für die Umgebung durch vorhandene Infektionserreger entstehen kann, gibt es genaue postalische Vorschriften für den Versand; sowohl die Verpackung als auch die Kennzeichnung müssen dieser möglichen Gefahr Rechnung tragen.

Zuständigkeit bei der Behandlung von übertragbaren Krankheiten

Gemeinschaftseinrichtungen

≡ J-2.10

2.7.4

Umgang mit und Transport von infektiösem Material Wer mit pathogenen Keimen arbeiten will, braucht eine behördliche Umgangsgenehmigung. Um versehentliche Verschleppung von pathogenen Keimen zu verhindern, müssen beim Transport von potenziell infektiösen Proben bestimmte Vorschriften über Kennzeichnung und Verpackung eingehalten werden.

2.7.5 Quarantänekrankheiten

2.7.5

Seit Juni 2007 gelten völkerrechtsverbindlich die neuen Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV), welche Aufgaben und Rechte der Gesundheitsbehörden, z. B. bei einer Influenzapandemie, beschreiben. Der Begriff „Quarantäne“ ist im § 30 des IfSG geregelt. Danach kann in der Regel der für den Aufenthaltsort zuständige Amts-

Die internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) regeln die Maßnahmen bei Pandemien. Der § 30 des IfSG regelt die Quarantäne bei Pest und hämorrhagischem Fieber.

Quarantänekrankheiten

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714

J 2 Aufgabengebiete der Hygiene

arzt vom Gesundheitsamt auf Beschluss der Gesundheitsbehörden bei bestimmten Erkrankungen die zwangsweise Absonderung einer Person anordnen. Das bedeutet also praktisch Freiheitsentzug ohne gerichtliche Verurteilung! In der Regel kommt ein solches Verfahren bei Patienten mit Tuberkulose durch multiresistente Stämme zur Anwendung, die eine Therapie nicht durchführen können oder wollen. 2.7.6

2.7.6 Weitere Bestimmungen

Weitere Bestimmungen

Das IfSG enthält auch Ausführungen zu Impfungen und zur Regulation von Impfschäden. Die Behörde kann außerdem auch ein berufliches Tätigkeitsverbot erlassen (§ 31 IfSG), wenn eine Person z. B. Salmonellenausscheider ist und im Gaststättengewerbe arbeitet oder Hepatitis-B-Träger ist und als Zahnarzt arbeitet.

Wer selbst Träger von pathogenen Keimen ist, muss mit einem beruflichen Tätigkeitsverbot rechnen.

2.8

Krankenhaushygiene bzw. nosokomiale Infektionen

2.8.1

Grundlagen

2.8

Krankenhaushygiene bzw. nosokomiale Infektionen

2.8.1 Grundlagen

▶ Definition.

▶ Definition. Nosokomiale Infektionen sind Infektionen mit lokalen oder systemi-

schen Infektionszeichen als Reaktion auf das Vorhandensein von Erregern oder ihrer Toxine, die in zeitlichem Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt oder einer ambulanten medizinischen Maßnahme steht, soweit die Infektion nicht bereits schon vorher bestand. Geschätzte 380 000 Fälle nosokomialer Infektionen treten in Deutschland pro Jahr auf, wobei angenommen wird, dass etwa 30 % durch hygienische Maßnahmen vermeidbar wären.

Etwa 30 % der jährlich ca. 380 000 Fälle in Deutschland wären vermeidbar.

Erregerquellen: Exogen: Die Erreger stammen aus der Umgebung und zwar aus der unbelebten Umwelt, aber auch von Keimträgern (Tab. J-2.11). ■ Endogen: Quelle ist hier die körpereigene Flora. Da gerade im Krankenhaus häufig Antibiotika verwendet werden, existiert dort ein Selektionsdruck, bei dem die empfindlichen Bakterien vernichtet werden, die resistenten aber überleben. Deshalb muss im Krankenhaus mit solchen, oft multiresistenten Keimen gerechnet werden.

Erregerquellen: Entweder die körpereigene Flora des Menschen (endogen) oder exogen erworben (Tab. J-2.11).

≡ J-2.11



Häufigste nosokomiale Infektionen

Manifestation

Erreger

Risikofaktor

Harnwegsinfektion

E. coli, Enterokokken, P. aeruginosa

Harnwegskatheter

Wundinfektion

S. aureus, Enterobacterales, P. aeruginosa, Acinetobacter, Enterokokken

Operationen, Operationstechnik und -dauer

Pneumonie

S. aureus, Enterobacterales, P. aeruginosa

mechanische Beatmung über Tuben

Katheterinfektion/Sepsis

S. epidermidis, S. aureus, Enterokokken

Venenkatheter

Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhö

C. difficile

vorausgegangene Antibiotikatherapie

▶ Klinischer Fall.

▶ Klinischer Fall. Nach einem Autounfall kommt ein 67-jähriger Mann mit einer Rippenserienfraktur, Lungenkontusion und einer offenen Unterschenkelfraktur zunächst auf die Intensivstation eines Krankenhauses der Maximalversorgung, wo er 4 Tage behandelt wird, bevor er auf eine chirurgische Allgemeinstation verlegt werden kann. Dort wird eine eitrige Wundheilungsstörung am Unterschenkel festgestellt; die mikrobiologische Untersuchung ergibt eine Besiedlung mit einem methicillinresistenten Staphylococcus aureus (MRSA), der gleichzeitig auch gegen viele andere Antibiotika unempfindlich ist und dasselbe Resistenzmuster aufweist wie der typische Hospitalkeim auf der Intensivstation. Als der Patient dann wenige Tage später ein septisches Krankheitsbild entwickelt, kann dieser MRSA auch aus mehreren Blutkulturen isoliert werden. Obwohl der Patient bereits Einschränkungen der Nierenfunktion und eine geringgradige Schwerhörigkeit hat, wird eine Antibiotikatherapie mit Vancomycin begonnen. Als sich nach 14 Tagen die Nierenwerte deutlich verschlechtern und im Röntgenbild auch eine Osteomyelitis erkennbar ist, wird auf Linezolid umgestellt, was nach 20-tägiger Behandlung schließlich zu einer klinischen Heilung führt. Allerdings wird auch danach in einzelnen Abstrichen von Nase und Rachen MRSA isoliert. Wegen dieser Besiedlung lehnen zunächst viele Pflegeheime ab, diesen Keimträger zu übernehmen. Insgesamt entstehen dem Krankenhaus erhebliche Kosten durch diese nosokomiale Infektion.

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J

715

2.8 Krankenhaushygiene bzw. nosokomiale Infektionen

2.8.2 Prophylaxe

2.8.2

Hygiene ist die Anwendung des gesunden Menschenverstandes, viele Probleme sind recht banal und eigentlich leicht einsichtig. Wenn man sich der Gefahr bewusst ist und die Infektketten kennt, kann man – mit dem Willen zur Umsetzung – wirkungsvoll intervenieren. Dabei untergliedern sich mögliche Präventionsmaßnahmen in Maßnahmen der Basishygiene, durch die generell eine Übertragung oder Verbreitung von Mikroorganismen verhindert werden soll, und in gezielte Maßnahmen zur Prävention jeweils einzelner Arten nosokomialer Infektionen. Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert-Koch-Institut hat den gesetzlichen Auftrag, Empfehlungen zur Prävention der Übertragung von Mikroorganismen im Krankenhaus und zur Prävention von Infektionen zu erarbeiten (www.rki.de).

Die wirksamen Maßnahmen zur Vermeidung nosokomialer Infektion müssen umgesetzt werden.

▶ Merke. Die Reduktion der Raten nosokomialer Infektionen hängt von der Compli-

Prophylaxe

Empfehlungen von Maßnahmen der Basishygiene und spezielle Maßnahmen zur Prävention einzelner Arten nosokomialer Infektionen werden durch die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert-Koch-Institut herausgegeben (www.rki.de).

▶ Merke.

ance ab, bestehende Richtlinien umzusetzen.

Strukturelle Basismaßnahmen

Strukturelle Basismaßnahmen

Bauliche Maßnahmen: Durch geeignete bauliche Maßnahmen muss die Krankenhausumgebung so gestaltet werden, dass keine Streuquellen für Mikroorganismen entstehen, wie sie z. B. Teppiche oder Polstermaterialien sein können. Zudem muss der Bau so gestaltet werden, dass die Umgebung leicht gereinigt und ggf. desinfiziert werden kann. So sind Holzoberflächen, z. B. Parkettböden in Bereichen, in denen häufig desinfiziert werden muss, ungeeignet. Auf der anderen Seite sollen die Bedingungen aber derart sein, dass Patienten sich wohlfühlen.

Bauliche Maßnahmen: Bereits bei der Planung von Krankenhäusern soll berücksichtigt werden, dass es möglichst selten zur Kontamination reiner Materialien kommt (Trennung von Lagerflächen) und dass die Umgebung leicht zu reinigen und desinfizieren ist.

Räumliche Unterbringung der Patienten: Früher waren die Krankenzimmer große Säle, in denen Patienten mit ganz unterschiedlichen, auch infektiösen Krankheiten auf engem Raum zusammen untergebracht waren, sodass Krankheitserreger leicht durch direkten Kontakt oder über die Luft übertragen werden konnten. Die räumliche Unterbringung beeinflusst also wesentlich das Übertragungsrisiko. Heute sollten kontagiöse Patienten isoliert werden, allein oder in Kohorten (mehrere Patienten mit gleicher Erkrankung oder Besiedelung mit gleichem Erreger). Auch die sanitären Einrichtungen sollten – je nach Risiko – individuell nutzbar sein. Bei besonders gefährdeten Patienten, wie z. B. Knochenmarktransplantierten, muss ggf. auch die Luft durch Filter von pathogenen Keimen weitgehend befreit werden.

Der räumlichen Unterbringung kommt ebenfalls Bedeutung zu. So steigt das Risiko einer Übertragung von Mikroorganismen mit der Zahl der Patienten pro Zimmer.

Funktionsräume, Eingriffräume und OP-Säle: Nicht nur die Krankenzimmer, sondern auch die Funktionsräume, in denen therapeutische oder diagnostische Maßnahmen durchgeführt werden (z. B. Endoskopieräume), unterliegen hohen Anforderungen an die Bausubstanz sowie an die organisatorische Verwendung. Ganz speziell ist in Bereichen, in denen operiert wird, ein erheblicher baulicher Aufwand erforderlich, um postoperative Infektionen zu verhüten. Für kleinere Operationen mit geringem Infektionsrisiko, z. B. Entfernung der Tonsillen, reicht oft ein spezieller Eingriffsraum, z. B. in der HNO-Ambulanz, aus. Größere Operationen mit höherem Infektionsrisiko müssen jedoch in der OP-Abteilung durchgeführt werden. Diese Sterilbereiche müssen klar von den anderen Hospitalräumen abgetrennt sein. Neben dem eigentlichen Operationssaal sind noch andere Räume notwendig, z. B. Räume in denen das Personal sich einschleusen und vorbereiten kann, die Patienten umgelagert werden und die OP-Tische wieder aufbereitet werden. Für Operationen, die nicht nur ein geringes Infektionsrisiko haben, soll die Luft keimarm sein. Daher werden raumlufttechnische Anlagen (RLT-Anlagen) verwendet, die einen endständigen Filter, direkt an den Auslässen in der OP-Decke haben. Die Luftqualität kann jedoch nur aufrecht erhalten werden, wenn wenig Bewegung im Raum ist, wenig gesprochen wird und die Türen geschlossen gehalten werden.

Neben der Gestaltung der Krankenzimmer sind die bauliche Struktur sowie die Organisation der Funktionsräume wichtig. Manche operative Eingriffe sollen in einem OP-Saal erfolgen, der besondere gut zu reinigende und desinfizierende Oberflächen aufweist und eine spezielle Lüftung hat, während andere auch in sog. Eingriffsräumen ausgeführt werden dürfen.

Wasserqualität: Die Qualität des Wassers hängt stark vom technischen Zustand des Leitungssystems in einem Krankenhaus ab. Die Materialbeschaffenheit der Rohre, die Zusammensetzung des Leitungswassers sowie die Nutzung haben Einfluss auf die Qualität. Rostige und verkalkte Rohre (Abb. J-2.1) neigen zur bakteriellen Besiedlung. Auch stagnierendes Wasser, z. B. in selten benutzten Rohrstrecken oder gar in

Der Qualität des Wassers im Krankenhaus kommt ein hoher Stellenwert zu.

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716

J 2 Aufgabengebiete der Hygiene

Totleitungen, sind besonders anfällig. Nach der Trinkwasserverordnung (aus dem Jahr 2001) muss das Brauchwasser, egal ob es zum Trinken oder zu sonstigem Gebrauch im Krankenhaus, wie Duschen oder Toilettenspülen, verwendet wird, gewissen Ansprüchen genügen und regelmäßig daraufhin kontrolliert werden. Bei Überschreiten bestimmter Grenzwerte von mikrobiellen und chemischen Parametern muss entsprechend reagiert werden. Speziell geachtet wird auf die Indikatorkeime oder gefährliche Hospitalerreger E. coli, Enterokokken, Pseudomonas aeruginosa und Legionella pneumophila. Abfall: Müll im Krankenhaus wird in verschiedene Kategorien eingeteilt. Die Beseitigung des infektiösen Mülls erfordert besondere Aufmerksamkeit.

Abfall: Eine spezielle Situation ist beispielsweise die Beseitigung des infektiösen Mülls. Papier, Verpackungsmaterialien und Küchenabfälle sind wie Hausmüll zu entsorgen. Verbandsmaterial und z. B. blutige Tupfer können mit der städtischen Müllabfuhr entsorgt werden, weil davon kaum eine Infektionsgefahr ausgeht; Voraussetzung ist allerdings, dass vor allem auch innerhalb des Krankenhauses sorgfältig damit umgegangen wird – die Entsorgung z. B. in geschlossenen Behältnissen und nicht über den Papierkorb des Patientenzimmers erfolgt. Dagegen muss infektiöser Müll, zu dem z. B. hoch kontagiöse Tuberkuloseerreger gehören, in speziellen Sicherheitsbehältern als Gefahrgut transportiert und danach verbrannt werden.

Organisatorische Basismaßnahmen

Organisatorische Basismaßnahmen

Organisatorische Maßnahmen der Krankenhaushygiene sind in den medizinischen Hygieneverordnungen der Länder geregelt.

Rechtlicher Hintergrund: Die Länder haben Hygieneverordnungen erlassen, in denen Durchführung und Umsetzungen von Maßnahmen aufgeführt sind, die das Auftreten nosokomialer Infektionen reduzieren sollen. Die wichtigsten Regelungen umfassen das Einrichten einer Hygienekommission, die Beschäftigung von Hygienefachpersonal, die Schulung des Personals und die Durchführung der Infektions-Surveillance. Daneben sind in den Hygieneverordnungen auch Regelungen zur Antibiotikaverbrauchssurveillance enthalten.

Wichtig ist ein günstiges Verhältnis zwischen Anzahl des Personals und Anzahl der Patienten.

Ausreichend Personal: Es wurde gezeigt, dass bei einem ungünstigen Verhältnis zwischen Anzahl des Personals und Anzahl der Patienten die Zahl nosokomialer Infektionen zunimmt. Dabei spielt auf der einen Seite der Ausbildungsstand des Personals und auf der anderen Seite auch die Pflege- und Behandlungsbedürftigkeit der Patienten eine Rolle.

Ein Bestandteil der organisatorischen Maßnahmen der Infektionsverhütung im Krankenhaus ist der Hygieneplan.

Schulung des Personals: Ständige Schulungsmaßnahmen erhöhen die Aufmerksamkeit, wodurch Gefahren frühzeitig erkannt werden. Entscheidend sind verbindliche Standards, wie sie im Hygieneplan (s. u.) festgelegt sind. Deren Einhaltung muss kontrolliert werden, denn das Wissen allein ist noch kein Garant für richtiges Handeln. Die technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA 250 vom März 2014), die vom Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit aufgestellt wurden, sowie die Vorschriften der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für nichtstaatliche Einrichtungen im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege, nämlich die BGV A1 (Grundsätze der Prävention) vom 1. 1. 2004 enthalten Anweisungen, die befolgt werden sollten, um Infektionen des Personals im Labor, in der Arztpraxis sowie auf Station zu verhüten.

TRBA 250 und BGV A1 enthalten Vorschriften zur Verhütung von Infektionen beim medizinischen Personal.

Die Hygienekommission ist ein wesentlicher Teil des Qualitätsmanagements.

Hygienekommission: Diese Kommission als Teil des Qualitätsmanagements in der Klinik ist für die Struktur der Hygiene im Krankenhaus unablässig. Sie besteht aus dem ärztlichen Direktor, dem Krankenhaushygieniker, den Hygienebeauftragten der einzelnen Klinikbereiche, den Hygienefachkräften und der Verwaltung. Ihre Aufgabe ist es, einen maßgeschneiderten Hygieneplan zu entwerfen, worin festgelegt wird, wie im Einzelnen mit der Umsetzung der Maßnahmen verfahren werden soll – im Normalfall wie in speziellen Situationen.

Surveillance nosokomialer Infektionen: Die systematische Erfassung und Bewertung des Auftretens nosokomialer Infektionen ist ein Instrument zur Senkung der Infektionsraten.

Surveillance nosokomialer Infektionen: Durch mangelnde Aufmerksamkeit werden Hygieneprobleme oft übersehen. Durch regelmäßige Aufzeichnung des Auftretens nosokomialer Infektionen entsteht eine fortlaufende Aufmerksamkeit für die Hygiene und Veränderungen können beobachtet werden. Wenn die Erfassung von Hospitalinfektionen systematisch und nach allgemein verbindlichen Vorgaben betrieben wird, können die Ergebnisse des Hauses mit denen anderer Häuser verglichen werden. In Deutschland stellt das Nationale Referenzzentrum für Surveillance nosokoll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

717

J 2.8 Krankenhaushygiene bzw. nosokomiale Infektionen

mialer Infektionen Erfassungssysteme zur Verfügung, an denen sich Krankenhäuser freiwillig beteiligen können. Vergleichsdaten können im Internet eingesehen werden: www.nrz-hygiene.de Surveillance multiresistenter Erreger: Bakterien mit multiplen Antibiotikaresistenzen haben in den letzten 20 Jahren erheblich zugenommen. Bei grampositiven Bakterien handelt es sich um methicillinresistente S. aureus (MRSA) und vancomycinresistente Enterokokken (VRE). Bei den gramnegativen Bakterien sind es sog. 4MRGN, d. h. multiresistente gramnegative Stäbchen, die gegen die 4 wichtigsten Antibiotikagruppen (Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme und Chinolone) resistent sind. Diese multiresistenten Erreger breiten sich nahezu ausschließlich innerhalb und über das Gesundheitssystem aus. ▶ Klinischer Fall. Eine 42-jährige Frau aus Kuweit wurde zur strahlentherapeutischen Behandlung eines Mammakarzinoms in ein Universitätsklinikum nach Deutschland verlegt. Da sie bei Aufnahme eine manifeste Harnwegsinfektion hatte, wurde der Mittelstrahlurin mikrobiologisch untersucht, wobei Escherichia coli und Enterococcus faecium als Ursache dingfest gemacht wurden. In der Resistenzbestimmung zeigten diese Keime ein ganz auffälliges Muster: die Kolibakterien waren resistent gegen Cefotaxim – bedingt durch ESBL (extended spectrum betalactamase) – und die Enterokkoken vancomycinresistent (VRE). Solche Erreger, die in Deutschland im Gegensatz zu manchen anderen Ländern noch relativ selten sind, neigen zur raschen Ausbreitung in einem Hospital. Aus diesem Grund ist ein Screening auf nosokomiale Keime bei Patienten, die aus dem Ausland verlegt werden, angebracht, um gegebenenfalls strenge Isolierungen anzuordnen.

Surveillance multiresistenter Erreger: Aufgrund ihrer schlechten Therapierbarkeit, die mit einer erhöhten Sterblichkeit der von Infektionen betroffenen Patienten einhergeht, müssen multiresistente Erreger besonders beobachtet werden.

▶ Klinischer Fall.

Da Patienten, insbesondere nach verschiedenen Krankenhausaufenthalten unerkannt mit multiresistenten Erregern besiedelt sein können, muss durch aktives Screening nach solchen Trägern gesucht werden. Werden Träger identifiziert, können diese besser vor Infektionen durch die Erreger geschützt werden. Zudem ist es möglich, durch geeignete Isolierungsmaßnahmen eine weitere Verbreitung der Erreger im Krankenhaus zu verhindern. Die Isolierung der Patienten erfolgt durch Unterbringung in einem Einzelzimmer mit eigener Nasszelle, welches der Patient nur nach Rücksprache mit dem medizinischen Personal verlassen darf. Sind mehrere Patienten mit dem gleichen multiresistenten Erreger besiedelt oder infiziert, so ist es möglich, sie zusammen in einem Zimmer zu isolieren (sog. Kohortenisolierung). Für MRSA kann durch geeignete Maßnahmen eine Eradikation des Erregers versucht werden.

Patienten, die mit multiresistenten Erregern besiedelt oder infiziert sind, müssen frühzeitig erkannt und die Weiterverbreitung der Erreger durch Isolierungsmaßnahmen verhindert werden. Sind mehrere Patienten mit dem gleichen multiresistenten Erreger besiedelt oder infiziert, so ist es möglich, sie zusammen in einem Zimmer zu isolieren (sog. Kohortenisolierung).

Prävention spezieller Infektionen

Prävention spezieller Infektionen

Harnwegsinfektionen: Bei liegendem Harnwegskatheter können Mikroorganismen über die mukopurulente Membran zwischen Katheter und Harnröhre gelangen und zu Zystitis und weiter aufsteigenden Infektionen führen. Die wichtigsten Präventionsmaßnahmen sind zunächst eine kritische Indikationsstellung sowie das regelmäßige Hinterfragen, ob die Indikation noch besteht. Weiterhin sind strenge Antisepsis beim Legen des Katheters, Händehygiene vor allen Manipulationen am Katheter und Verwendung eines geschlossenen Urindrainagesystems notwendige Präventionsmaßnahmen. Geschlossene Urindrainagesysteme haben ein Ablassventil, sodass die Verbindung zwischen Urinkatheter und Drainagesystem nicht unterbrochen werden muss. Zudem sind sie mit Vorrichtungen ausgestattet, die das Rückfließen des Urins in die Blase verhindern (Rückschlagventil und Tropfkammer).

Nosokomiale Harnwegsinfektionen sind zumeist durch Harnwegskatheter bedingt.

Postoperative Wundinfektionen: Postoperative Wundinfektionen werden endogen durch Standortwechsel der Hautflora oder ggf. der Darmflora oder exogen durch Brüche in der Asepsis verursacht. Das endogene Infektionsrisiko hängt hierbei vom Kontaminationsgrad der betroffenen Körperregion ab: ■ nicht kontaminierte Region (Grad I) ■ sauber kontaminierte Region (Grad II) ■ kontaminierte Region (Grad III) ■ manifest infizierte Region (Grad IV). Zur operativen Vorbereitung des Patienten soll seine Haut gut gereinigt sein. Eine Rasur kann zu Mikroläsionen der Haut führen, die das Infektionsrisiko erhöhen, und soll daher nicht durchgeführt werden. Durch eine geeignete und zeitgerecht ver-

Postoperative Wundinfektionen werden in den meisten Fällen intraoperativ verursacht.

Sie können durch kritische Indikationsstellung, strenge Antisepsis beim Legen des Katheters, Händehygiene vor allen Manipulationen am Katheter und Verwendung eines geschlossenen Urindrainagesystems verhindert werden.

Sie können durch richtige Vorbereitung des Patienten, geeignete perioperative Antibiotikaprophylaxe, gute OP-Techniken und konsequente Asepsis vermieden werden. ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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J 2 Aufgabengebiete der Hygiene

abreichte perioperative Antibiotikaprophylaxe, eine sorgfältige Hautdesinfektion und eine zügige und möglichst atraumatische Operationstechnik sowie das konsequente Einhalten der Asepsis während der Operation kann die Zahl der postoperativen Infektionen gesenkt werden. Beatmungsassoziierte (ventilatorassoziierte) Pneumonien treten im Zusammenhang mit Intubation und Beatmung auf. Zu den wichtigsten Maßnahmen der Prävention gehören eine rasche Entwöhnung von der Beatmung, Händehygiene vor Manipulationen am Beatmungszubehör und eine sorgfältige Mundpflege.

Die katheterassoziierte Sepsis ist zumeist mit zentralen Venenkathetern assoziiert und entsteht extraluminär durch Entlangwandern von Hautkeimen an der Katheteraußenseite, intraluminär durch kontaminierte Parenteralia oder hämatogen.

Die Prävention gelingt durch strikte Asepsis bei der Anlage des Katheters, durch Händedesinfektion vor jeder Manipulation am Katheter und durch regelmäßige Überprüfung, ob die Notwendigkeit weiterhin besteht.

Beatmungsassoziierte (ventilatorassoziierte) Pneumonien: Sie entstehen endogen durch Absteigen der Erreger entlang des Tubus in die Lunge oder exogen durch Kontamination des Beatmungszubehörs. Durch Beenden der Beatmung fällt der wichtigste Risikofaktor für das Entstehen einer Pneumonie, der Tubus, weg. Verschiedene Maßnahmen, wie eine Lagerung mit leicht angehobenem Oberkörper, eine gute Mundpflege mit antiseptischen Substanzen und regelmäßige Kontrolle des Drucks, mit dem der Tubus-Cuff die Luftröhre verschließt, können das Entlangwandern von Mikroorganismen aus dem MagenDarm-Trakt oder dem Rachen zwischen Tubuswand und Luftröhre verhindern. Manipulationen am Beatmungssystem erfolgen nur nach Händedesinfektion. Katheterassoziierte Sepsis: Mikroorganismen können auf der Oberfläche von Kunststoffen Biofilme (S. 299) bilden (s. auch Abb. D-1.15). Dabei gelangen die Mikroorganismen (zumeist Staphylococcus epidermidis) von der Haut des Patienten über die Einstichstelle entlang des Katheters zur Katheterspitze (extraluminär). Über kontaminierte Anschlussstücke oder kontaminierte Lösung gelangen Mikroorganismen intraluminär zum Katheter. Im Rahmen von Bakteriämien kommt es zur hämatogenen Besiedelung des Katheters. Bereits beim Legen eines zentralen Venenkatheters muss neben einer korrekten Hautdesinfektion für strikte Asepsis gesorgt werden: durch Tragen eines sterilen Kittels, steriler Handschuhe und eines Mund-Nasen-Schutzes und Verwendung eines großen sterilen Abdecktuches. Es soll regelmäßig überprüft werden, ob die Indikation für den Katheter noch besteht, um ihn so bald wie möglich wieder zu entfernen. Jede Manipulation am Katheter und am Infusionszubehör muss mit desinfizierten Händen erfolgen.

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3

Desinfektion und Sterilisation

3.1 3.2

Desinfektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 719 Sterilisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 730

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3.1

Desinfektion

3.1

▶ Definition. Desinfizieren ist eine gezielte Dekontamination mit dem Zweck, die

Desinfektion

▶ Definition.

Übertragung von Krankheitserregern zu verhindern bzw. eine Reduktion der Keimzahl auf dem Objekt um mindestens 5 log-Stufen zu erreichen, sodass von dort keine Infektion mehr ausgehen kann. Im Gegensatz zur Sterilisation beschränkt sich die Desinfektion in der Regel auf vegetative Krankheitserreger. Das Abtöten von Bakteriensporen ist durch Desinfektion kaum möglich.

Die Desinfektion hat die Reduktion der Zahl der vegetativen Keime zum Ziel. Sporen werden nicht zuverlässig eliminiert.

3.1.1 Arten der Desinfektion

3.1.1

Desinfektionsmaßnahmen am Patienten

Desinfektionsmaßnahmen am Patienten

Bei ärztlichen Eingriffen in natürlicherweise unsterile Körperregionen, wie Mundhöhle, Nasen-Rachen-Bereich, Magen-Darm-Trakt, Genitale und unverletzte Haut, ist eine Sterilität nicht zu erreichen und auch nicht zwingend erforderlich. Es genügt, dass die patienteneigene Flora reduziert wird und dass nicht Krankheitserreger von außen auf den Patienten übertragen werden. Eine Waschung bzw. Spülung mit Wasser kann schon eine Verminderung der Dichte der Hautflora erreichen. Aber wirkungsvoller ist die Antisepsis unter Verwendung von Haut- bzw. Schleimhautdesinfektionsmitteln (Tab. J-3.1).

Die Antisepsis hat als Ziel, die Besiedelung von Haut und Schleimhaut zu reduzieren, damit von dort eine verringerte Infektionsgefahr ausgeht.

≡ J-3.1

Desinfektionsmittel für Hände, Haut bzw. Schleimhaut und Wunden

Region

geeignete Desinfektionsmittel

Haut und Hände



Alkohole



Jodverbindungen



Guanidinderivate



quaternäre Ammoniumverbindungen



NaOH 0,4 % (bei Verdacht auf CJD)



Pyridinderivate



Jodverbindungen



Benzalkonium



Ethacridinlactat



Chloramin (in Ausnahmefällen)



Polyhexanid



Octenidin

Schleimhaut und Wunden

Arten der Desinfektion

Für die Haut- bzw. Schleimhautdesinfektion werden z. T. andere Mittel verwendet als zur Flächen- und Instrumentendesinfektion (Tab. J-3.1).

≡ J-3.1

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720

J 3 Desinfektion und Sterilisation

Je nach Situation muss man differenziert vorgehen: ▶ Exkurs.

▶ Exkurs. Vorgehen bei Hautantiseptik bei Venenpunktion: Der Ausführende soll sich die Hände desinfizieren, und zwar in Form einer hygienischen Händedesinfektion, und Handschuhe anlegen. Die Punktionsstelle mit einem mit Alkohol getränkten keimarmen Zellstofftupfer unter leichtem Druck abreiben. Einwirkzeit von 15 s abwarten und Punktionsstelle nicht erneut berühren. ■ vor Punktionen von sterilen Körperhöhlen: Der Ausführende trägt sterile Handschuhe. Punktionsstelle mit einem mit Alkohol getränkten sterilen Zellstofftupfer unter leichtem Druck abreiben. Einwirkzeit von 60 s abwarten und Punktionsstelle nicht erneut berühren. ■ vor operativen Eingriffen: Das Desinfektionsmittel wird mit steriler Klemme und sterilem Tupfer oder Kompresse in der Regel mit kreisenden Bewegungen von innen nach außen auftragen. Die Einwirkzeit ist vom Hauttyp abhängig und beträgt bei talgdrüsenarmer Haut meist 60 s, bei talgdrüsenreicher Haut mehrere Minuten. Eine Entfernung der Haare des Patienten sollte unterbleiben und nur, wenn nötig, durch kürzen erfolgen. ■

Die meisten Fremdkörperinfektionen (z. B. Venenkatheter) gehen von Keimen der Haut aus. Eine Verringerung dieser Flora ist ein wichtiger Schritt in der Prävention.

Die Fremdkörperinfektion (z. B. Venenkatheter, Kunststoffimplantate) geht meistens von Keimen der Haut aus. Deswegen ist eine Verhinderung des Eintritts durch sorgfältige Desinfektion der Haut des Patienten eine wichtige präventive Maßnahme.

Desinfektionsmaßnahmen am medizinischen Personal Waschen der Hände mit warmem Wasser und Seife hat nur einen mäßigen Effekt auf die physiologische Standortflora. Eine Vorschädigung der Haut erhöht noch die Infektionsgefahr.

Desinfektionsmaßnahmen am medizinischen Personal

Die hygienische Händedesinfektion ist die wichtigste Maßnahme zur Infektionsprävention im Krankenhaus. Meistens verwendet man 60–70 % Ethanol oder Propanol (Einwirkzeit ca. 30 s). Es gibt 5 Indikationen für die hygienische Händedesinfektion (Abb. J-3.1).

Hygienische Händedesinfektion: Die hygienische Händedesinfektion ist die wichtigste Maßnahme zur Prävention der Erregerübertragung und damit zur Infektionsprävention im Krankenhaus. Es gibt 5 Indikationen für die hygienische Händedesinfektion: Sie wird durchgeführt ■ vor Kontakt mit dem Patienten ■ vor aseptischen Maßnahmen ■ nach Kontakt mit dem Patienten ■ nach Kontamination ■ nach Kontakt mit der patientennahen Umgebung (Abb. J-3.1). Am allerbesten ist dafür ein alkoholisches Mittel geeignet, womit die trockene Haut benetzt wird. Meistens verwendet man 60–70 % Ethanol oder Propanol. Die Einwirkzeit beträgt ca. 30 s. Das Händedesinfektionsmittel soll nicht nur die Handinnenfläche, sondern immer auch die Fingerzwischenräume, den Nagelfalz, den Daumen und ggf. auch das Handgelenk erreichen (Abb. J-3.2). Wenn diese Routinemaßnahme richtig ausgeführt wird, kann man die Hautbesiedelung sehr deutlich reduzieren (Abb. J-3.3). Da aber der Alkohol nicht in die Hautkrypten eindringt, ist also nur mit einer vorübergehenden Keimreduktion zu rechnen. Eine Kombination der hygienischen Händedesinfektion mit Händewaschen ist nicht erforderlich. Auf Waschen der Hände soll verzichtet werden, da es dadurch leichter zu Hautschäden kommt. Lediglich bei möglicher Kontamination mit Sporen, z. B. von Clostridium difficile (Erreger der pseudomembranösen Kolitis), sollten die Hände nach der Desinfektion gewaschen werden. Alkohole wirken nicht gegen Sporen, nur durch Waschen erfolgt eine Reduktion von Sporen durch Abspülen.

Mit der richtigen Technik der Händedesinfektion (Abb. J-3.2) kann man die Hautbesiedelung deutlich reduzieren (Abb. J-3.3).

▶ Merke.

Waschen der Hände: Waschen der Haut mit warmem Wasser und Seife hat einen abspülenden Effekt auf die transiente Flora (zufällig von außen eingetragene Keime). Die residente Flora (ständige körpereigene Standortkeime), die bei jedem Menschen physiologischerweise in mehr oder weniger großer Zahl vorhanden ist, wird durch diese Maßnahme kaum getroffen. Wenn die Haut vorgeschädigt ist, z. B. durch eine Neurodermitis oder durch Piercing, erhöht sich das Risiko einer Besiedelung mit pathogenen und evtl. auch mit nosokomialen Erregern, z. B. S. aureus.

▶ Merke. Fingerringe, Schmuck und Armbanduhren sowie Nagellack behindern die

Desinfektion und dürfen daher in Bereichen, in denen eine Desinfektion der Hände erforderlich ist, nicht getragen werden (TRBA 250).

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721

J 3.1 Desinfektion

⊙ J-3.1

⊙ J-3.1

Indikationen zur Händedesinfektion (nach WHO) erweiterte Patientenumgebung

direkte Patientenumgebung 2 vor einer aseptischen Tätigkeit 1 vor Patientenkontakt

4 nach Patientenkontakt

3 nach Kontakt mit potenziell infektiösem Material 5 nach Kontakt mit der unmittelbaren Patientenumgebung

⊙ J-3.2

Händedesinfektion

Richtige Technik der Händedesinfektion: sorgfältiges Benetzen nicht nur der Handinnenfläche, sondern auch der Interdigitalfalten, der Fingerkuppen mit Nagelfalz, des Daumens und des Handgelenkes (s. auch Film: Hygienische Händedesinfektion).

⊙ J-3.3

Durchschlagender Erfolg der Händedesinfektion mit einem alkoholischen Mittel bei einem Arzt (Einwirkzeit 30 s)

⊙ J-3.3

Keimbelastung der Finger (Abklatsche) vorher (a) und nachher (b).

a

b

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722

J 3 Desinfektion und Sterilisation

Die chirurgische Händedesinfektion dient der stärkeren und anhaltenderen Reduktion der Keimzahl. Die Hände werden zu Dienstbeginn, spätestens aber vor Anlegen der OPBereich-Kleidung in der OP-Schleuse, einmal gewaschen und abgetrocknet. Die Zeitspanne zwischen der Händewaschung und Händedesinfektion vor OP-Beginn gewährleistet eine ausreichende Abtrocknung der Restfeuchte der Haut, sodass die Wirkung der alkoholischen Händedesinfektion nicht mehr beeinträchtigt wird. Im Vergleich zur hygienischen Händedesinfektion ist bei der chirurgischen Händedesinfektion die Einwirkzeit von Alkohol verlängert. Auch sollte das Mittel die Unterarme benetzen.

Chirurgische Händedesinfektion: Vor Eingriffen am Patienten muss eine erweiterte Händedesinfektion erfolgen – die chirurgische Händedesinfektion (siehe auch Film: Chirurgische Händedesinfektion). Ziel dieser Maßnahme ist, nicht nur die transiente Flora zu vernichten, sondern auch die residente Flora nachhaltig zu reduzieren. Um Hautschäden zu vermeiden und zu gewährleisten, dass die Haut trocken ist, bevor das Händedesinfektionsmittel verwendet wird, soll das Waschen der Hände bei Dienstbeginn oder spätestens in der OP-Schleuse erfolgen. Bürsten der Hände und Arme birgt die Gefahr der Reizung und Verletzungen und sollte deswegen unterbleiben. Nägel und Nagelfalz können ggf. bei der ersten chirurgischen Händedesinfektion gereinigt werden. Die chirurgische Händedesinfektion erfolgt vor OP-Beginn. Dabei müssen alle Hautareale bis zum Ellenbogen für die vom Hersteller deklarierte Mindesteinwirkzeit benetzt werden. Unter praktischen Gesichtspunkten werden daher zunächst Unterarme und Hände mit dem alkoholischen Präparat benetzt. Das Hauptaugenmerk beim Einreiben soll dann auf die Fingerkuppen, Nagelfalze und Fingerzwischenräume gelegt werden. Dann erst Handschuhe anlegen!

▶ Exkurs.

Desinfektionsmaßnahmen in der Umgebung Instrumente: Die Instrumentendesinfektion hat als Ziel, die Übertragung von Keimen bei Mehrfachbenutzung zu verhindern. ▶ Merke.

▶ Exkurs. Verhalten bei Nadelstichverletzungen oder Haut- bzw. Schleimhautkontakt mit HIV und anderen hoch kontagiösen Erregern: Als Sofortmaßnahme sollte bei blutenden Verletzungen der Blutfluss sogar noch gefördert werden, um so die infektiösen Erreger mechanisch zu entfernen. Anschließend sollte man möglichst mit einem Tupfer, der mit einem alkoholischen Desinfektionsmittel getränkt ist, die Wunde abwischen. Der Mund sollte mit 20 ml 80 % Alkohol gespült werden, ggf. mehrmals. Am Auge kann man PVP-Jod zum Spülen verwenden. Danach sollten evtl. beim D-Arzt eine Unfalldokumentation erfolgen und diagnostische Maßnahmen beim Patienten wie beim Personal vorgenommen werden. Je nach Situation kann eine vorsorgliche Therapie, z. B. der PEP (postexpositionelle Prophylaxe) bei HIV oder Hyperimmunglobulin gegen Hepatitis B bei Nichtgeimpften eingeleitet werden.

Desinfektionsmaßnahmen in der Umgebung Instrumente: Medizinische Instrumente – darunter auch Endoskope –, die mehrfach am Patienten zur Anwendung kommen, müssen ebenfalls manuell oder besser noch maschinell desinfiziert werden (Mittel aus der VAH-Liste, s. u.). ▶ Merke. Für Medizinprodukte, die am Menschen zum Einsatz kommen, muss eine

Risikoabwägung vorgenommen werden: ■ Unkritische Produkte sind Medizinprodukte, die lediglich mit intakter Haut in Berührung kommen. ■ Semikritische Produkte sind Medizinprodukte, die mit Schleimhaut oder krankhaft veränderter Haut in Berührung kommen. ■ Kritische Produkte sind Medizinprodukte, die bestimmungsgemäß die Haut oder Schleimhaut durchdringen und dabei in Kontakt mit Blut bzw. an inneren Geweben oder Organen zur Anwendung kommen, einschließlich Wunden. Kritische Medizinprodukte müssen steril sein und somit einem kompletten Aufbereitungsprozess unterzogen werden. Semikritische Instrumente kommen mit potenziell virushaltigen Sekreten in Kontakt, sodass die Aufbereitung so erfolgen muss, dass Viren sicher abgetötet werden. Für unkritische Instrumente muss sichergestellt sein, dass sie desinfiziert zum Einsatz kommen. Bei Materialien, die bewusst nur desinfiziert werden, kann auf eine Verpackung verzichtet werden. Bei der anschließenden Lagerung muss jedoch eine Kontamination mit Krankheitserregern ausgeschlossen sein. ▶ Merke.

▶ Merke. Alles, was kontaminiert ist oder vermutlich kontaminiert sein könnte,

muss entweder sofort desinfiziert oder so verpackt und transportiert werden, dass keine Gefahr davon ausgeht. Jede Verzögerung bringt die Gefahr einer Verschleppung von Mikroorganismen mit sich. Durch das Antrocknen von biologischem Material (Blut, Serum, Sekret, Stuhl etc.) kann die Desinfektion erschwert und unter Umständen unmöglich gemacht werden.

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723

J 3.1 Desinfektion

Flächen: Viele potenziell pathogene Keime können sich mehr oder weniger lang auf Flächen in der Umgebung des Patienten halten. Selbst wenn der Patient nicht direkten Kontakt damit hat, kann doch indirekt über Gegenstände oder über Kontakte mit den Händen des Personals eine Übertragung erfolgen. Daher muss eine regelmäßige Reinigung – in kritischen Bereichen mit einem geeigneten Flächendesinfektionsmittel (Tab. J-3.2) – erfolgen. Bei jedem Patientenwechsel muss zudem das Bett des Patienten und die patientennahe Umgebung (z. B. der Nachttisch) aufbereitet werden. Hatte der Patient eine infektiöse Erkrankung oder war er mit einem multiresistenten Erreger besiedelt, so erfolgt immer eine Desinfektion der Umgebung. Die verwendeten Mittel sollten nach standardisierten Prüfbedingungen getestet und in der VAH-Liste aufgeführt sein. Zu beachten ist eine exakte Einhaltung der jeweiligen Konzentration und Einwirkzeit.

≡ J-3.2

Flächen: Alle Gegenstände in der Umgebung eines Patienten, darunter auch die Kontaktflächen, müssen von Infektionserregern entlastet werden. Für die Instrumenten- bzw. Flächendesinfektion sollten geprüfte Präparate aus der VAHListe verwendet werden, wobei die vorgeschriebene Konzentration und Einwirkzeit eingehalten werden muss (Tab. J-3.2).

≡ J-3.2

Flächendesinfektionsmittel

chemische Struktur

Wirkungsbereich* (Tab. J-3.3)

Versagensgründe

Aldehyde

A, B, (C)

wenige, z. B. Eiweißfehler

quaternäre Ammoniumverbindungen

A, für gramnegativen Bakterien höhere Konzentrationen erforderlich, (B)

Seifenfehler, Eiweißfehler

Alkylamine

A, (B)

Wenige

Guanidinderivate

A, (B)

Wenige

sauerstoffabspaltende Verbindungen (Peroxide)

A, B, (C)

Eiweißfehler, korrosiv

Phenole

A, (B)

wenige, aber Geruch

Alkohole

A, (B)

Eiweißfehler, Verdünnung

* in Klammer: jeweils nur Teile der Erregergruppen

Die Erfahrung lehrt, dass die Desinfektionsmittel jeweils unterschiedliche Wirkbereiche haben, d. h. dass einzelne Gruppen von Mikroorganismen dagegen relativ stabil sind. Wirkungsbereiche chemischer Desinfektionsmittel werden in A bis D eingeteilt (Tab. J-3.3).

≡ J-3.3

Wirkungsbereiche von Desinfektionsmitteln und Verfahren

A

Zur Abtötung von vegetativen Bakterien einschließlich Mykobakterien sowie von Pilzen einschließlich Pilzsporen geeignet.

B

Zur Inaktivierung von Viren geeignet.

C

Zur Abtötung von Sporen des Erregers des Milzbrandes geeignet.

D

Zur Abtötung von Sporen der Erreger von Gasödem und Wundstarrkrampf geeignet (zur Abtötung dieser Sporen müssen Sterilisationsverfahren angewendet werden).

Die Wirkung kann im Einzelfall auch noch durch die bestehende Situation negativ beeinflusst sein, wenn z. B. Eiweißreste auf den Instrumenten bzw. Flächen die Wirksubstanz binden, sodass die Mikroorganismen selbst unbeschädigt bleiben (Eiweißfehler) oder dass die physikochemischen Eigenschaften der Mittel verändert werden, z. B. durch Seifen (Seifenfehler) oder pH-Wert. Es ist praktisch sinnvoll, stets Desinfektionsmittel zur Haut- und Flächendesinfektion in gebrauchsfertiger Lösung mit exakter Konzentration griffbereit, z. B. in wandmontierten Spendern (Desinfektionsmittelspender oder -zumischanlage), anzubieten. ▶ Merke. Um einer Verbreitung von Mikroorganismen in Klinik und Praxis vor-

Die Desinfektionsmittel und -verfahren sind jeweils für bestimmte Wirkungsbereiche geeignet (Tab. J-3.3).

≡ J-3.3

Die Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln kann durch die Anwesenheit von Proteinen, die die Wirksubstanz binden (Eiweißfehler) oder durch Veränderung ihrer physikochemischen Eigenschaften, z. B. durch Seifen (Seifenfehler), vermindert sein.

▶ Merke.

zubeugen, sind bestimmte Desinfektionsmaßnahmen, z. B. der Flächen und bestimmter Instrumente, laufend vorzunehmen (= laufende Desinfektion).

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724

J 3 Desinfektion und Sterilisation

Eine Schlussdesinfektion von Zimmern ist nur nach Belegung mit kontagiösen Patienten sinnvoll, wobei im Allgemeinen die Scheuerwisch-Desinfektion ausreicht.

Als Schlussdesinfektion wird eine ausgedehnte Desinfektion bezeichnet, bei der ein Bereich so aufbereitet wird, dass er wieder ohne Infektionsgefährdung zur Pflege und Behandlung eines Patienten genutzt werden kann. Eine Schlussdesinfektion ist also immer erforderlich nach der Behandlung oder Pflege eines Patienten mit kontagiösen Erregern. Zumeist reicht dazu eine Scheuer-wisch-Desinfektion aus. Nur ganz selten muss eine Vernebelung von bestimmten Desinfektionsmitteln, z. B. Aldehyden, durchgeführt werden, wozu aber speziell geschultes Personal erforderlich ist.

3.1.2

3.1.2 Desinfektionsverfahren

Desinfektionsverfahren

Thermische Desinfektionsverfahren

Thermische Desinfektionsverfahren

Der thermischen Desinfektion sollte – wo immer möglich – der Vorzug gegeben werden. Sie ist die sicherste, billigste und umweltschonendste Technik. In der Klinik werden so Instrumente sowie kochfeste Wäsche und Geschirr desinfiziert.

Die zu inaktivierenden Mikroorganismen der Wirkungsbereiche A–C können mit 100 °C heißem Dampf innerhalb kürzester Zeit irreversibel geschädigt werden. Die thermische Desinfektion mit strömendem Wasserdampf oder heißem Wasser ist auch die sicherste, billigste und umweltschonendste Möglichkeit. Im klinischen Bereich werden Instrumente, Wäsche, Essgeschirr, Steckbecken u. Ä. auf diese Weise desinfiziert. Die Aufbereitung von Instrumenten oder Anästhesiezubehör erfolgt in speziellen Waschmaschinen, sog. Reinigungs- und Desinfektionsgeräten (RDG). Infektiöse Abfälle, die ausreichend Flüssigkeit enthalten, können mithilfe von Mikrowellen so stark erhitzt werden, dass zumindest vegetative Keime und Viren abgetötet werden. Thermische Desinfektionsverfahren können je nach Verfahren die Wirkungsbereiche A, B und C (Tab. J-3.3) umschließen.

Chemische Desinfektionsverfahren

Chemische Desinfektionsverfahren

Vor jeder Desinfektionsmaßnahme sollte man folgende Fragen klären:

Der Einsatz der chemischen Desinfektion setzt erhebliche Sachkenntnisse voraus, wenn sie effektiv sein soll. Prinzipiell sollten vor jeder Desinfektionsmaßnahme folgende Fragen abgeklärt sein: Ist die angestrebte Desinfektionsmaßnahme überhaupt sinnvoll? Eine Fußbodendesinfektion im viel begangenen Verwaltungstrakt einer Klinik ist sicherlich nicht sinnvoll, da von einer solchen Fläche keine höhere Infektionsgefahr ausgeht als von jedem anderen Fußboden. Der Einsatz von Desinfektionsmitteln im häuslichen Bereich (z. B. Küche oder Toilette) kann nur sinnvoll sein, wenn ein Familienmitglied als Keimausscheider erkannt ist oder sonstige besondere Umstände dies gerechtfertigt erscheinen lassen (z. B. Abwehrschwäche eines Familienmitgliedes). Die totale Raumdesinfektion (Vernebelung) ist nur sinnvoll, wenn einer Infektionsgefahr nicht durch Scheuer-wisch-Desinfektion begegnet werden kann. Was soll desinfiziert werden? Für die menschliche Haut müssen andere chemische Bedingungen erfüllt sein als für eine Arbeitsfläche. Ein ärztliches Instrument aus Kunststoff und optischen Teilen (z. B. Endoskop) muss anders behandelt werden als ein Instrument aus Metall (z. B. Scheidenspekulum). Wogegen soll das Desinfektionsmittel wirken? Ist das Desinfektionsmittel überhaupt in dieser Situation wirksam? Sollen besondere Krankheitserreger, etwa Hepatitis-A-Viren oder Tuberkulosebakterien, inaktiviert werden, so kann nur ein Mittel eingesetzt werden, das solche Keime nachweisbar zu inaktivieren vermag. Viele unbehüllte Viren, wie etwa Rotaviren, Noroviren und Adenoviren, sind z. B. gegen den üblichen 60–70 %igen Alkohol resistent. Bei Infektionen mit solchen Viren muss 80 %iger Ethanol für die Händedesinfektion verwendet werden. Darf das Desinfektionsmittel behördlich eingesetzt werden? Bei behördlich angeordneten Desinfektionsmaßnahmen, welche sich auf das Infektionsschutzgesetz (§ 18) stützen, dürfen nur solche Desinfektionsmittel und -verfahren eingesetzt werden, die in der Liste des Robert-Koch-Instituts (RKI), siehe auch www.rki.de, aufgeführt sind. Diese Liste wird regelmäßig aktualisiert. Die Liste ist untergliedert in Verfahren zur Hände-, Wäsche- und Flächendesinfektion sowie zur Desinfektion von Auswurf, Stuhl, Harn und Abwasser. Im Vergleich zu den Angaben der VAH-Liste sind hier z. T. andere Konzentrationen und Einwirkzeiten vorgegeben. Für alle anderen – besonders chemische – Desinfektionen, welche in Klinik und Praxis durchgeführt werden, bleibt es dem Verantwortlichen überlassen, zu wählen, welches der zahlreichen im Handel erhältlichen Präparate er einsetzen möchte. Es

Ist die angestrebte Desinfektion überhaupt sinnvoll? Im häuslichen Bereich (Küche, Toilette) ist nur selten eine Desinfektion sinnvoll, z. B. wenn ein Dauerausscheider im Haushalt lebt.

Was soll desinfiziert werden? Unterscheidung zwischen Hände-, Haut-, Schleimhaut-, Instrumenten- und Flächendesinfektion. Wogegen soll das Mittel wirken? Beispielsweise Tuberkulosebakterien und Rota-, Norwalk- und Adenoviren erfordern spezielle Mittel und Konzentrationen.

Darf das Desinfektionsmittel behördlich eingesetzt werden? Im Seuchenfall darf nicht die VAH-Liste, sondern muss die RKI-Liste zur Anwendung kommen.

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J

725

3.1 Desinfektion

ist dringend zu empfehlen, nur solche Mittel zu verwenden, deren Wirksamkeit durch eine unabhängige Begutachtung festgestellt wurde. Der Verbund für angewandte Hygiene (VAH) hat Richtlinien erarbeitet, die Einzelheiten solcher Prüfungen enthalten. Die vom VAH geprüften und als wirksam befundenen Präparate werden in einer regelmäßig aktualisierten Liste (https://vah-online.de/de/vah-liste) aufgeführt. Sie ist unterteilt in Hände-, Haut-, Flächen-, Instrumenten- und Wäschedesinfektion. Auch beim Einsatz dieser „gelisteten Desinfektionsmittel“ muss sich der Anwender jedoch informieren: Desinfektionsmittel, die beim Menschen zur Anwendung kommen, gelten juristisch als Arzneimittel. Mittel, die zur Instrumentendesinfektion verwendet werden, unterliegen dem Medizinproduktegesetz. Flächendesinfektionsmittel werden nach dem Biozidgesetz beurteilt. Im Lebensmittelbereich gilt die Desinfektionsmittelliste der DVG (Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft). In welcher Konzentration ist das Mittel wirksam? Liegt das Mittel gebrauchsfertig vor oder muss die Gebrauchslösung aus einem Konzentrat erst hergestellt werden (z. B. 0,5 % oder 1 %)? Wie lange muss das Mittel einwirken? Die zur Abtötung von Mikroorganismen notwendige Zeit kann von Sekunden bis zu mehreren Stunden reichen. Es ist zu berücksichtigen, dass Flächen auch vor Ablauf der Einwirkzeiten wieder genutzt werden können, wenn es sich um eine prophylaktische Desinfektion handelt. Bei Instrumenten- oder Hautdesinfektionsmitteln sind die Einwirkzeiten jedoch einzuhalten. Welche Maßnahmen der Arbeitssicherheit sind beim Umgang zu beachten? Beispielsweise aufgrund von möglichen Dämpfen, Hautreizungen, Feuergefahr.

In welcher Konzentration ist das Mittel wirksam? Wie lange muss das Mittel einwirken?

Welche Maßnahmen der Arbeitssicherheit sind beim Umgang zu beachten?

3.1.3 Substanzen zur Desinfektion

3.1.3

Alkohole

Alkohole

Verwendete Substanzen: Ethanol, Isopropanol und N-Propanol besitzen starke antimikrobielle Wirkung. Sie werden bevorzugt zur Händedesinfektion und Hautantiseptik eingesetzt. Reiner Alkohol (99 %ig) ist wirkungslos (s. u.). Da 80 %iger Alkohol die Haut stark austrocknet, wird diese Konzentration nicht regelmäßig verwendet, sondern allenfalls kurzfristig beim Auftreten von stabilen Erregern wie z. B. Rotaund Noroviren. Ansonsten werden 60–70 %ige Alkohole verwendet. Oft werden noch andere Desinfektionsmittel kombiniert.

Verwendete Substanzen: Ethanol, Isopropanol und N-Propanol besitzen starke antimikrobielle Wirkung. Reiner Alkohol (99 %ig) ist wirkungslos. Meist werden 60–70 %ige Alkohole verwendet.

Wirkmechanismus: Entscheidend sind die Eiweißfällung und die Lösung von Fett, wodurch die Erreger irreversibel geschädigt werden. Reiner Alkohol schafft durch Gerbung undurchlässige Zellwände, die sogar eine Desinfektion verhindern.

Wirkmechanismus: Eiweißfällung und die Lösung von Fett.

Einsatzgebiete: Die klassische Domäne der Alkohole ist die Hände- und Hautdesinfektion. Alkohole besitzen ein breites Wirkungsspektrum und können im Prinzip auch Hepatitis-B-Viren und HIV inaktivieren, jedoch keine Bakteriensporen. Normaler Alkohol, der z. B. zur Hautdesinfektion vor Injektionen eingesetzt wird, könnte also Gasbrand- oder Tetanussporen enthalten. Alkohol, der für solche Zwecke verwendet wird, muss deshalb durch Filtration sterilisiert werden. Alkohole wirken sehr schnell, was für die Händedesinfektion vorteilhaft ist. Auf Hautarealen mit starkem Talgdrüsenbesatz, etwa Stirn, Rücken, Perineum, ist die Wirkung verzögert, sodass das Desinfektionsmittel bis zu 10 Minuten einwirken muss (Abb. J-3.4). Die schnelle Wirkung des Alkohols kann man sich für die Desinfektion von kleinen Flächen zunutze machen, die schnell zur Verfügung stehen müssen (z. B. Flächen zum aseptischen Aufziehen von Medikamenten).

Einsatzgebiete: Hände- und Hautdesinfektion. Auf Hautarealen mit starker Talgproduktion muss die Einwirkzeit auf bis zu 10 Minuten verlängert werden (Abb. J-3.4).

Nachteile: Alkohole haben keine allergisierende Wirkung, sie entfetten jedoch die Haut und können sie dadurch schädigen. Durch Zusatz sogenannter rückfettender Substanzen in den Desinfektionspräparaten soll dieser Effekt umgangen werden. Wegen der leichten Entflammbarkeit sind Alkohole nicht zur Flächen- oder Instrumentendesinfektion in größerem Umfang ungeeignet. Kleinere Flächen, z. B. die Fläche eines Stethoskops oder eines Schallkopfes, können dagegen gut damit desinfiziert werden.

Nachteile: Entfettung/Austrocknung der Haut.

Substanzen zur Desinfektion

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726 ⊙ J-3.4

J 3 Desinfektion und Sterilisation

⊙ J-3.4

Lokalisation der Hautflora, die nur schwer einer Hautdesinfektion zugänglich ist An diesen Stellen sind die Keime durch starke Talgproduktion relativ geschützt. Während Hände bereits nach 30 Sekunden desinfiziert sind, müssen diese Hautdesinfektionsmittel an den markierten Stellen vor einer Punktion bis zu 10 Minuten einwirken, um eine starke Keimreduktion zu erreichen.

Aldehyde

Aldehyde

Verwendete Substanzen: Formaldehyd, Glutaraldehyd und Glyoxal.

Verwendete Substanzen: Formaldehyd, Glutaraldehyd und Glyoxal sind diejenigen Aldehyde, die als Desinfektionsstoffe eingesetzt werden.

Wirkmechanismus: Chemische Wechselwirkungen mit Zelleiweißen. Bei proteinhaltigem Material kann es zum „Eiweißfehler“ kommen.

Wirkmechanismus: Die Wirkung beruht auf chemischen Wechselwirkungen mit den Zelleiweißen. Dieser Wirkungsmechanismus ist jedoch störanfällig. Proteinhaltiges Material (Blut, Sekrete) behindert den Desinfektionsvorgang. Man spricht vom „Eiweißfehler“ (S. 723).

Einsatzgebiete: Haupteinsatzgebiet der Aldehyde ist die Instrumentendesinfektion; darüber hinaus in Flächen- und Wäschedesinfektionsmitteln enthalten.

Einsatzgebiete: Das Wirkspektrum der Aldehyde ist sehr groß und umfasst auch Viren und Bakteriensporen (bei hoher Konzentration und langer Einwirkzeit). Aus diesem Grunde kann vor allem auf Formaldehyd nicht verzichtet werden, obwohl es als potenzielles Karzinogen eingestuft ist und als starkes Allergen gilt. Das Haupteinsatzgebiet der Aldehyde ist die Instrumentendesinfektion. Sie werden jedoch auch Flächen- und Wäschedesinfektionsmitteln zugesetzt.

Nachteile: Langsamer Wirkungseintritt und allergisierende, schleimhautreizende Wirkung.

Nachteile: Aldehyde haben einen langsamen Wirkungseintritt und können Eiweiße fixieren. Letzteres erschwert die Reinigung. Zudem sind sie allergisierend und schleimhautreizend mit Langzeitgefährdung bei chronischer Exposition. Es entsteht eine starke Geruchsbelästigung beim Einsatz von Aldehyden, die allerdings schon deutlich unterhalb der MAK auftritt.

Phenole

Phenole

Verwendete Substanzen: Derivate des Phenols.

Verwendete Substanzen: Abkömmlinge des Phenols, das als Carbolsäure bereits 1867 von Lister zur Desinfektion eingeführt wurde.

Wirkmechanismus: Eindringen in die Bakterienzelle und Wirkung als Protoplasmagift.

Wirkmechanismus: Nach Bindung an die Bakterienzelle können Phenole rasch in die Zelle eindringen, wo sie als Protoplasmagift bakterizid wirken.

Einsatzgebiete: Flächendesinfektion und Desinfektion von Ausscheidungen; heute nur noch von untergeordneter Bedeutung.

Einsatzgebiete: Breites Wirkungsspektrum, inaktivieren jedoch behüllte Viren und Mykobakterien schlecht und haben keine Wirkung gegenüber Bakteriensporen. Phenole sind toxisch und können durch die Haut aufgenommen werden. Ihre Anwendung am Menschen verbietet sich dadurch. Ihr Einsatz ist heute nur noch von untergeordneter Bedeutung. Da die Phenolderivate (es handelt sich um halogenierte Verbindungen) durch Eiweiße nicht behindert werden, können sie als Bestandteil von Flächendesinfektionsmitteln und zur Desinfektion von Ausscheidungen eingesetzt werden, wegen des toxischen Effekts jedoch nicht im Umfeld von Früh- und Neugeborenen.

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727

J 3.1 Desinfektion

Halogene

Halogene

Von den Halogenen werden in der Regel Chlor- und Jod-Verbindungen zur Desinfektion eingesetzt.

Chlor

Chlor

Verwendete Substanzen: Chlor wird entweder gasförmig (Cl2 = Chlorgas – oder ClO2 = Chlordioxid) oder in Form chlorabspaltender Verbindungen (Chlorkalk, Chloramine, Hypochlorit) eingesetzt.

Verwendete Substanzen: Chlorgas oder chlorabspaltende Verbindungen.

Wirkmechanismus: Der Wirkmechanismus besteht sowohl in der Denaturierung von Proteinen als auch in einer starken oxidierenden Wirkung in wässrigen Lösungen (Entstehung von unterchloriger Säure = HOCl, die in HCl und O zerfällt).

Wirkmechanismus: Denaturierung von Proteinen, starke oxidierende Wirkung.

Einsatzgebiete: Chlor hat ein weites Wirkungsspektrum, eingeschlossen Viren und Bakteriensporen, bindet jedoch an organische Substanzen (Chlorzehrung), was zu Wirkungsverlusten führt. ■ Gasförmiges Chlor wird zur Desinfektion von Trink-, Bade- und Abwasser eingesetzt. ■ Chlorkalk (eine Mischung aus Calciumhypochlorit, Calciumchlorid und Calciumhydroxid) kann für die Desinfektion von Ausscheidungen verwendet werden. ■ Andere chlorabspaltende Desinfektionsmittel wie Chloramine und Hypochlorid, werden hauptsächlich bei der Wäschedesinfektion eingesetzt. Selten sind sie Bestandteile von Instrumenten- oder Flächendesinfektionsmitteln. Da Chlor zu Hautschäden führt, ist der regelmäßige Einsatz in der Haut- und Schleimhautdesinfektion nicht zu empfehlen. Dies gilt nicht für Chlorhexidin (S. 729), das nicht zu den chlorabspaltenden Verbindungen zählt.

Einsatzgebiete: Desinfektion von Trink-, Bade- und Abwasser, Wäschedesinfektion.

Jod-Verbindungen

Jod-Verbindungen

Verwendete Substanzen: Jodophore sind komplexe Verbindungen des Jods mit Polyvinylpyrrolidon (PVP-Jod). Durch Freisetzung von elementarem Jod aus der Verbindung wird die Wirkung erzielt.

Verwendete Substanzen: Polyvinylpyrrolidon-Jod (PVP-Jod).

Wirkmechanismus: Die Wirkungsweise von Jod ist ähnlich wie die von Chlor.

Wirkmechanismus: ähnlich dem von Chlor.

Einsatzgebiete: Jod hat eine sehr gute bakterizide, sporozide, fungizide und viruzide Wirkung. Wegen der färbenden Wirkung beschränkt sich der Einsatz von Jod auf die Haut-, Hände- und Schleimhautdesinfektion.

Einsatzgebiete: Haut-, Hände- und Schleimhautdesinfektion.

Nachteile: Jodtinktur (Jod + Jodkalium + Alkohol) allergisiert jedoch und erzeugt auf Wunden den bekannten brennenden Schmerz. Toxische Reaktionen sind in der Literatur beschrieben. Der Eiweißfehler ist sehr groß. Vor dem Einsatz bei großflächigen Hautläsionen (z. B. Verbrennungen), an Neugeborenen und bei Patienten mit Jodstoffwechselstörungen (z. B. Struma) wird gewarnt.

Nachteile: Jodtinktur (Jod + Jodkalium + Alkohol) allergisiert und „brennt“. Jod wird stark resorbiert (Gefahr der Thyreotoxikose).

Sauerstoffabspaltende Verbindungen (Oxidanzien)

Sauerstoffabspaltende Verbindungen (Oxidanzien) Wirkmechanismus: Durch Freisetzung von Sauerstoffradikalen werden irreversible Schäden an Strukturen der Mikroorganismen hervorgerufen.

Wirkmechanismus: Diese Substanzen setzen spontan hoch aktive Sauerstoffradikale frei, die dann mit diversen Zielsubstanzen der Mikroorganismen, z. B. DNA und Proteine, reagieren und dadurch irreversible Veränderungen herbeiführen, die sich toxisch auswirken. Im Krankenhausbereich kommen vorrangig Peroxicarbonsäuren zur Anwendung. Einsatzgebiete: Ihr Wirkspektrum ist außerordentlich breit und umfasst neben Viren, Pilzen, Pilzsporen und Bakterien auch Bakteriensporen. Vegetative Bakterien werden bereits in sehr niedrigen Konzentrationen (0,05–0,005 %) abgetötet, Hepatitis-B-Viren in 5 %igen Lösungen. Organisches Material und pH-Wert-Verschiebungen beeinträchtigen die Desinfektionswirkung nur unbedeutend. Von Nachteil ist die chemische Instabilität der Lösungen, die bei Raumtemperatur zerfallen, sodass frisches Ansetzen erforderlich ist. Hoch konzentrierte Lösungen sind brennbar und explosibel. Korrodierende Eigenschaften beschränken das Anwendungsspektrum.

Einsatzgebiete: Desinfektion von Instrumenten, Flächen und Wäsche.

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728

J 3 Desinfektion und Sterilisation

Oberflächenaktive Substanzen

Oberflächenaktive Substanzen

Wirkmechanismus: Tenside bewirken eine Abnahme der Grenzflächenspannung. Eine antimikrobielle Wirkung haben ■ kationische Tenside und ■ amphotere Tenside.

Wirkmechanismus: Oberflächenaktive Stoffe (= Tenside) bewirken durch Anreicherung an den Grenzflächen zwischen zwei Medien eine Verminderung der Grenzflächenspannung. Lipidhaltige Biomembranen, wie etwa die zytoplasmatische Membran einer Bakterienzelle oder eine lipidhaltige Virushülle, werden dadurch destabilisiert und ggf. sogar lysiert. Prinzipiell lassen sich unterscheiden: ■ anionische Tenside ■ kationische Tenside ■ nicht ionogene Tenside. ■ amphotere Tenside. Nur bei kationischen und amphoteren Tensiden kann eine, wenn auch mittelmäßige, antimikrobielle Wirkung beobachtet werden.

Amphotere Substanzen

Amphotere Substanzen

Verwendete Substanzen: Alkyliminodipropionat, Dodecyl-di-(aminoäthyl-)glycin.

Verwendete Substanzen: Tenside, die als sog. Zwittermoleküle elektropositive und elektronegative Gruppen in ihrem Molekül vereinigen, heißen Amphotenside. Gebräuchlich sind Alkyliminodipropionat und Dodecyl-di-(aminoäthyl-)glycin.

Einsatzgebiete: Lebensmittelindustrie, Fußpilzprophylaxe in Bädern und Wäschedesinfektion.

Einsatzgebiete: Wegen der geringen Toxizität werden Amphotenside in der Lebensmittelindustrie und im Küchenbereich eingesetzt, außerdem zur Fußpilzprophylaxe im Schwimmbad und zur Wäschedesinfektion.

Nachteile: schmales Wirkungsspektrum, lange Einwirkzeiten, Eiweißfehler, Seifenfehler.

Nachteile: Ihr Wirkungsspektrum ist schmal; Bakteriensporen und viele Virusarten werden nicht erfasst. Die Einwirkzeiten sind lang, und der Eiweißfehler ist beträchtlich. Auch die Anwesenheit von Seife stört (Seifenfehler).

Quaternäre Verbindungen

Quaternäre Verbindungen

Verwendete Substanzen: Benzalkoniumchlorid

Verwendete Substanzen: Eine der wichtigsten quaternären Verbindungen ist das Benzalkoniumchlorid.

Einsatzgebiete: Flächendesinfektion.

Einsatzgebiete: Wegen ihrer Waschwirkung werden diese kationenaktiven Substanzen (Invertseifen, Quats) fast allen Flächendesinfektionsmitteln zugesetzt. Der Eiweiß- und Seifenfehler ist groß und die Einwirkzeit lang. Wegen ihrer geringen Toxizität und ihrer Geruchsneutralität werden quaternäre Ammoniumverbindungen als Konservierungs- und Desinfektionsmittel in der Lebensmittel-, Pharma- und Kosmetikindustrie eingesetzt.

Nachteile: Sehr schmales Wirkspektrum, großer Eiweiß- und Seifenfehler, lange Einwirkzeit.

Nachteile: Ihr Wirkspektrum ist sehr schmal, besonders im Bereich der gramnegativen Bakterien, die sich in solchen Lösungen teilweise sogar vermehren können. Viele Viren (z. B. Polioviren), Bakteriensporen und Mykobakterien werden überhaupt nicht inaktiviert. Der Eiweiß- und Seifenfehler ist groß und die Einwirkzeit lang.

Guanidine, Biguanide, Polyhexanid

Guanidine, Biguanide, Polyhexanid

Verwendete Substanzen: Biguanid, Polyhexamid. Einsatzgebiete: Flächen- und Instrumentendesinfektion sowie Haut- und Schleimhautdesinfektion.

Verwendete Substanzen: Biguanid, Polyhexamid, Octenidin.

Nachteile: enges Wirkungsspektrum.

Nachteile: Das Wirkungsspektrum der Biguanidine (oder Diguanide), die ebenfalls zu den kationenaktiven Oberflächensubstanzen gerechnet werden, ist sehr eng. Besonders gegenüber Viren, Mykobakterien und Bakteriensporen ist die Desinfektionskraft schwach.

Metalle und Metallsalze

Metalle und Metallsalze

Verwendete Substanzen: Quecksilbersalz, Silbersalz, seltener Zinn- oder Kupfersalz. Kolloidales Silber (Micropur) wird zur Wasserentkeimung eingesetzt.

Verwendete Substanzen: Metallsalze finden in Form von Quecksilbersalz (z. B. Phenylquecksilberborat), Silbersalz (Silberacetat, -nitrat) und seltener als Zinn- oder Kupfersalz als Desinfektionsstoffe Verwendung. Auch kolloidales Silber (Micropur) hat eine zuverlässige Wirkung. 1 g entkeimt 100 l Trinkwasser.

Einsatzgebiete: In Kombination mit anderen Wirkstoffen, hauptsächlich Aldehyden, finden sie Anwendung in Flächen- und Instrumentendesinfektionsmitteln. Einige Biguanide, wie Octenidin und Polyhexanid, werden außerdem zur Haut- und Schleimhautdesinfektion verwendet und sind auch zur Wunddesinfektion geeignet.

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J

729

3.1 Desinfektion

▶ Exkurs. 1881 wurde die Credé-Prophylaxe eingeführt, bei der eine 1%ige Silbernitratlösung in die Augen des Neugeborenen geträufelt wurde, um der Ophthalmia neonatorum (speziell der gonorrhoischen Blennorrhö) vorzubeugen. Diese hochwirksame Maßnahme wird heute in dieser Form aber nicht mehr gesetzlich gefordert, da die verwendete Lösung reizende/toxische Eigenschaften hat und eine starke Konjunktivitis hervorrufen kann und zudem die Inzidenz einer Gonokokken-Konjunktivitis deutlich rückläufig ist. Alternativ kommen heute prophylaktisch antibiotikahaltige Salben oder Tropfen (Erythromycin oder Tetrazyklin) zum Einsatz.

▶ Exkurs.

Wirkmechanismus: Einige elementare Metalle (z. B. Cadmium, Silber, Kupfer, Quecksilber) oder Metalllegierungen, wie Messing (Kupfer und Zink), zeigen in wässrigem Milieu einen mikrobiziden Effekt, der als Oligodynamie bezeichnet wird. Wahrscheinlich kommt er durch winzigste Konzentrationen an Metallionen zustande, welche essenzielle Proteine blockieren.

Wirkmechanismus: mikrobizider Effekt in wässriger Lösung (Oligodynamie).

Einsatzgebiete: In der Praxis nützt man diesen Effekt durch Anwendung von dünnen Silberfolien zur Wundabdeckung, durch Einsatz von kolloidalem Silber zur Trinkwasserdesinfektion oder zur Spülung von Hohlorganen. Kupfersalze werden besonders wegen ihrer fungistatischen Wirkung geschätzt. Türklinken, Haltestangen oder Toilettenspülgriffe aus Messing zeigen stets geringere Keimzahlen als solche aus Kunststoff oder Holz.

Einsatzgebiete: dünne Silberfolien zur Wundabdeckung, Trinkwasserdesinfektion, Spülung von Hohlorganen.

Nachteile: Sie haben ein eingeschränktes Wirkspektrum und der Wirkungseintritt ist erst nach 1–2 Stunden zu beobachten.

Nachteile: eingeschränktes Wirkspektrum, später Wirkungseintritt.

Säuren und Laugen (Alkalien)

Säuren und Laugen (Alkalien)

Verwendete Substanzen: Praktisch alle Säuren, die einen pH < 4,5 erzeugen, hemmen das Wachstum von Bakterien. In hoher Konzentration hat Natronlauge eine desinfizierende Wirkung, besonders gegen gramnegative Bakterien. Wenn „gelöschter Kalk“, d. h. Ca(OH)2 mit Wasser vermischt wird, entsteht Kalkmilch. Soda (Na2CO3) hat allein nur eine schwache Wirkung.

Verwendete Substanzen: Natronlauge in hoher Konzentration, Kalkmilch, Soda (nur schwache Wirkung).

Wirkmechanismus: Essenzielle Proteine werden irreversibel denaturiert.

Wirkmechanismus: Denaturierung essenzieller Proteine. Einsatzgebiete: Desinfektion von Ausscheidungen oder Abfallstoffen oder als Zusatzkomponenten bei Hände-, Instrumenten- und Flächendesinfektoinsmittel.

Einsatzgebiete: Diese Stoffe sind zwar prinzipiell geeignet, Mikroorganismen zu inaktivieren, sie schädigen jedoch in der Regel das Desinfektionsgut, sodass sie nur in den seltenen Fällen Verwendung finden, in denen dieser Effekt erwünscht ist (z. B. Desinfektion von Ausscheidungen oder Abfallstoffen). Organische Säuren werden in entsprechenden Konzentrationen zur Konservierung eingesetzt (z. B. mikrobistatische Eigenschaften der Ameisensäure).

Alkylamine

Alkylamine

Verwendete Substanzen: u. a. Glucoprotamin. Wirkmechanismus: Der Mechanismus ist noch nicht exakt geklärt.

Verwendete Substanzen: u. a. Glucoprotamin. Wirkmechanismus: noch nicht exakt geklärt.

Einsatzgebiete: Glucoprotamin hat ein breites Wirkspektrum, was auch Problemkeime, wie TBC-Bakterien und Rotaviren, einschließt. Dabei hat es keine allergenen Eigenschaften und auch eine gute Materialverträglichkeit, sodass es bei der Instrumenten- und Flächendesinfektion eingesetzt wird.

Einsatzgebiete: sehr breites, Spektrum, zuverlässige Wirkung, sehr gute Materialverträglichkeit; eignet sich für Instrumenten- und Flächendesinfektion.

Verschiedene

Verschiedene

Eine Besonderheit stellt das Chlorhexidin aus der Gruppe der Guanidinderivate dar, das als Schleimhautantiseptikum oder als Hautdesinfektionsmittel eingesetzt wird. Neuerdings wird wegen der breiten antimikrobiellen Wirkung und der guten Gewebeverträglichkeit Octenidin (ein Pyridinderivat) zur Wund- und Schleimhautdesinfektion propagiert.

Chlorhexidin zur Schleimhautantiseptik und Hautdesinfektion; Octenidin zur Wund- und Schleimhautdesinfektion.

Wirkspektrum der Desinfektionsmittel

Wirkspektrum der Desinfektionsmittel

Die diversen Desinfektionsmittel haben unterschiedliche Einsatzbereiche, weil das Wirkspektrum der Substanzen unterschiedlich ist (Abb. J-3.5).

Abb. J-3.5

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730 ⊙ J-3.5

J 3 Desinfektion und Sterilisation

⊙ J-3.5

Wirkspektrum der Desinfektionsmittel

Aktivsauerstoff

3.2

Sterilisation

▶ Definition.

Selbst wenn alle infektiösen Agenzien inaktiviert sind, so können evtl. Bestandteile biologisch aktiv bleiben, z. B. als Pyrogene.

▶ Merke.

3.2

Sterilisation

▶ Definition. Sterilisation ist die irreversible Inaktivierung aller vermehrungsfähigen Mikroorganismen.

„Irreversible Inaktivierung“ ist im einfachen Sprachgebrauch gleichbedeutend mit Abtötung. Da allerdings nur etwas Lebendes abgetötet werden kann, würden streng genommen Viren und Bakteriensporen, beides Lebensformen ohne eigenen Stoffwechsel und damit nicht lebend im biologischen Sinn, von dieser Definition nicht erfasst werden. Besonders Viren und Bakteriensporen sind jedoch bei einer Sterilisation zuverlässig zu inaktivieren, und zwar „irreversibel“. Ein Wiederaufleben muss absolut ausgeschlossen werden, was vor allem für die sporenbildenden Bakterien von Bedeutung ist. Die manchmal verwendete Formulierung „Sterilisieren heißt keimfrei machen“ ist falsch. Im Regelfall werden vorhandene Mikroorganismen nicht entfernt (Ausnahme bei Filtration), sondern meist nur inaktiviert, d. h. die „Leichen“ dieser Mikroorganismen sind immer noch vorhanden. Solche abgetöteten Bakterien oder deren Stoffwechselprodukte werden als Pyrogene (fiebererzeugende Stoffe) bezeichnet (Abb. D-1.10). ▶ Merke. Gelangen Pyrogene in größeren Mengen in den menschlichen Körper,

dann reagiert dieser auf diese Stoffe mit einer Kaskade von Entzündungsmediatoren, die über das ZNS Fieber und in anderen Organen dramatische Veränderungen auslösen. Alles Material, das direkt oder indirekt in den Körper gelangt, muss deshalb nicht nur steril, sondern auch pyrogenfrei sein (z. B. Implantate, Infusionsund Injektionslösungen, aber auch Spritzen, Kanülen, Venenkatheter, Infusionsschläuche etc.).

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731

J 3.2 Sterilisation

3.2.1 Sterilisationstechniken

3.2.1

Thermische Sterilisation mit trockener Luft (Heißluftsterilisation)

Thermische Sterilisation mit trockener Luft (Heißluftsterilisation) Methode: trockene Hitze bei 180 °C für 30 Minuten.

Methode: Heißluft von 180 °C kann innerhalb von 30 Minuten die Inaktivierung aller Mikroorganismen herbeiführen. Das Verfahren sollte jedoch nicht mehr angewandt werden, weil eine Wärmeübertragung auf das Sterilgut nur langsam erfolgt, die Bildung von Kälteinseln möglich ist und die Beladung des Sterilisators das Ergebnis ungünstig beeinflussen kann.

Sterilisationstechniken

Geeignetes Material: Die Heißluftsterilisation ist ein technisch einfaches Verfahren, kann aber nur dort eingesetzt werden, wo hitzestabile Materialien behandelt werden sollen, also Glas-, Keramik- und Metallartikel. Flüssigkeiten, Textilien und Kunststoffe sind einer solchen Prozedur nicht zugänglich.

Geeignetes Material: nur thermostabiles Material kann so sterilisiert werden.

Verpackung: Das Sterilgut muss in ebenfalls hitzestabilen Behältnissen verpackt werden – Metallbehälter und Metallfolien (Alufolie). Glaswaren (Messzylinder, Flaschen etc.), bei denen nur der Innenraum steril sein soll, werden nicht eingepackt, sondern mit Metallkappen oder Metallfolien abgedeckt.

Verpackung: hitzebeständig.

Thermische Sterilisation mit feuchter Luft (Wasserdampf): Autoklavieren

Thermische Sterilisation mit feuchter Luft (Wasserdampf): Autoklavieren Methode: Thermische Sterilisation mit feuchter Luft (Wasserdampf) ist wesentlich wirksamer als trockene Wärme gleicher Temperatur.

Methode: Heißer Wasserdampf ist wesentlich wirksamer als trockene Wärme gleicher Temperatur, weil sein Energiegehalt (Wärmekapazität) größer ist. Diese physikalischen Phänomene hat sicherlich schon jeder erfahren. Es ist ohne Weiteres möglich, in die Backröhre eines Heißluftherdes mit 250 °C zu fassen, ohne die geringste Verletzung und den kleinsten Schmerz zu erfahren (natürlich darf man nicht berühren, was sich durch die Hitze erwärmt hat!). Der Energiegehalt der heißen Luft ist zu gering, um die menschliche Haut zu verletzen. Eine kurze Berührung mit heißem Wasserdampf, etwa beim Anheben eines Kochtopfdeckels, ist hingegen eine äußerst schmerzhafte Angelegenheit. Um die Temperatur des gesättigten Wasserdampfes auf die erforderliche Sterilisationstemperatur von mehr als 100 °C zu bringen, muss er unter Druck gesetzt werden. Hierzu bedarf es eines Druckkessels, eines Autoklaven: ■ Bei einem Druck von ca. 2 bar (= 1 atü) erhitzt sich der Dampf auf 121 °C. Die notwendige Einwirkzeit im Sterilisator beträgt 10–20 Minuten. ■ Wird der Druck auf 3 bar erhöht (134 °C), verkürzt sie sich auf 5 Minuten. Resistenzstufen: Nicht alle Mikroorganismen sind jedoch gleichermaßen empfindlich. Man unterscheidet die Mikroorganismen nach ihrer Thermoresistenz, eingeteilt in 4 Resistenzstufen gegen Wasserdampf (Tab. J-3.4). Man versteht darunter kochendes Wasser, das unter Normalbedingungen bei 100 °C in die Dampfphase übergeht. Der Dampf ist gesättigt, wenn noch Wasser (als Flüssigkeit) vorhanden ist, das verdampfen kann.

≡ J-3.4

Im Autoklaven wird der Wasserdampf unter Druck auf höhere Temperaturen gebracht: ■

2 bar, 121 °C, 10–20 min



3 bar, 134 °C, 5 min

Resistenzstufen: Gesättigter Wasserdampf erreicht 100 °C. Damit können vegetative Keime (Viren, Bakterien, Protozoen) abgetötet werden. Für das Abtöten von Sporen wären extrem lange Einwirkzeiten erforderlich. Man unterscheidet 4 Resistenzstufen (Tab. J-3.4).

Resistenzstufen von Mikroorganismen gegen Wasserdampf

Resistenzstufe

Mikroorganismen

Resistenzstufe I



alle Viren



alle vegetativen Bakterien, also alle Keime, die nicht zur Sporenbildung befähigt sind und in dieser Form vorliegen



alle Pilze inklusive ihrer Sporen



alle Protozoen und höhere Organismen

Resistenzstufe II



Resistenzstufe III



Resistenzstufe IV



Inaktivierung ■

bei 100 °C in Sekunden bis Minuten

Milzbrandsporen



bei 100 °C in 5 Minuten

mesophile native Erdsporen inklusive pathogener anaerober Sporenbildner (Clostridien der Gasbrandgruppe, Tetanuserreger)



bei 100 °C, 1 bar, nach 10 Stunden



bei 121 °C, 2 bar, in 10–20 Minuten



bei 134 °C, 3 bar, in 5 Minuten



bei 100 °C, 1 bar, nach 2 Tagen



bei 134 °C, 3 bar, in 30 Minuten

thermophile native Erdsporen

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732 ▶ Merke.

J 3 Desinfektion und Sterilisation ▶ Merke. ■



Die Bakterien der Resistenzstufe IV (thermophile) werden für die Praxis der Sterilisation außer Betracht gelassen, weil sie für den Menschen apathogen sind. Ganz besondere Resistenzeigenschaften besitzen die Prionen, für die längere Einwirkzeiten des Wasserdampfes erforderlich sind.

Von einer Sterilisation kann nur dann gesprochen werden, wenn Bakterien der Resistenzstufe III – und hier konkret die humanpathogenen Gasbrand- und Tetanuserregersporen – irreversibel inaktiviert werden. Praktisch bedeutet dies, dass es unmöglich ist, durch Auskochen bei 100 °C Sterilität zu erzielen (Tab. J-3.4). Das Autoklavieren ist ein technisch relativ einfaches Verfahren, allerdings müssen die Vorschriften der Arbeitssicherheit eingehalten und die Geräte regelmäßig technisch kontrolliert werden. Geeignete Materialien: manche Textilien, Kunststoffe und Flüssigkeiten, Glas und Metall (Abb. J-3.6).

⊙ J-3.6

Geeignete Materialien: Autoklavieren ist die Methode der Wahl bei Flüssigkeiten, vielen Kunststoffartikeln und Textilien. Natürlich können auch Metalle und Glaswaren autoklaviert werden (Abb. J-3.6).

⊙ J-3.6

Autoklaviertes OP-Besteck (Fotografie: W. Krüper, Thieme)

Verpackung: Metallbehälter mit Dampfausund -einlassöffnungen sowie dampfdurchlässige Papiere, Folien oder Tücher.

Verpackung: Es eignen sich Metallbehälter, die allerdings Öffnungen zum Auslass der Luft und zum Einlass des Dampfes haben müssen (Ventile bzw. durch Filter oder dichte Einlagen gesicherte Löcher) sowie dampfdurchlässige Papiere, Folien oder Tücher.

Phasen des Sterilisierungsprozesses: Zunächst muss in der Anheizzeit die Solltemperatur erreicht werden. Dann muss die Ausgleichszeit abgewartet werden, bis diese Temperatur wirklich an allen Stellen vorhanden ist. Jetzt erst beginnt die eigentliche Einwirkzeit, in der die Keime vernichtet werden. Bis das Sterilgut genutzt werden kann vergeht noch eine Kühlzeit (Abb. J-3.7).

Phasen des Sterilisierungsprozesses: Abb. J-3.7 ■ Anheizzeit: Zeit zum Aufheizen der Luft auf die Solltemperatur. ■ Ausgleichszeit: Bei allen thermischen Sterilisationsverfahren muss berücksichtigt werden, dass der thermische Zustand des Sterilisationsraumes, der durch ein Thermometer am Gerät angezeigt wird, nicht unbedingt mit der thermischen Situation unmittelbar am Sterilgut identisch sein muss. Die Hitze muss beim Heißluftsterilisator erst die Verpackung durchdringen, und beim Autoklaven muss der Dampf durch die Verpackung an das Sterilgut gelangen. Die unbekannte Ausgleichszeit muss durch einen Sicherheitszuschlag abgeglichen werden. ■ Einwirkzeit: In dieser Phase werden die Keime vernichtet. ■ Kühlzeit: Abkühlen des Sterilgutes auf Raumtemperatur.

⊙ J-3.7

⊙ J-3.7 Einschalten

Teilabschnitte der Betriebszeit von Sterilisatoren

Solltemperatur (Gerätethermometer)

Solltemperatur (Kern des Gutes)

Abschalten des Gerätes

Sterilgutentnahme

Abtötungs- Sicherheitszeit zuschlag Anheizzeit bzw. Entlüftungszeit bzw. Steigzeit

Ausgleichszeit

Einwirkungszeit

Kühlzeit

Sterilisierzeit Betriebszeit ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

733

J 3.2 Sterilisation ▶ Merke. Ein Sterilisationseffekt ist nur zu erwarten, wenn keine Luft (oder nur in

▶ Merke.

ganz geringer Menge) vorhanden ist. Die Entfernung der Luft aus dem Sterilisationsbereich durch Absaugen oder Austreiben gehört zum technischen Vorgang des Autoklavierens. Ein häufiger Fehler ist eine Überladung des Apparates. Nachteil des Autoklavierens: Das Sterilgut wird durch den Wasserdampf feucht und muss unbedingt vor der Lagerung getrocknet werden.

Nachteil beim Autoklavieren: Die Materialien werden feucht und müssen danach getrocknet werden.

Gassterilisation

Gassterilisation

Methode: Thermolabiles Material kann mit Ethylenoxid (EO) sterilisiert werden. Ethylenoxid (C 2H4O) ist ein sehr starkes Gift und reaktives Gas, das mit Luft explosive Gemische bildet. Größte Vorsicht, entsprechende Spezialausrüstung und Kompetenz im Umgang mit dieser Substanz sind deshalb angezeigt. Eine Temperatur von 25–55 °C und eine relative Luftfeuchtigkeit von 20–90 % sind Voraussetzung für einen Sterilisationserfolg. Die Einwirkzeit kann materialabhängig bis zu 6 Stunden betragen. Bemerkenswert ist, dass Kokken diesem Verfahren weitaus resistenter gegenüberstehen als sporenbildende Bakterien.

Methode: Zur Gassterilisation wird das hoch toxische Ethylenoxid verwendet (bei 25– 55 °C und 20–90 % Luftfeuchtigkeit). Vorteil: Auch thermolabiles Material kann sterilisiert werden.

Nachteile: Es muss unbedingt sichergestellt sein, dass das Ethylenoxid nach der Sterilisation restlos aus dem Sterilgut entfernt wird, da es sonst ein erhebliches Risiko für den Patienten darstellt. Diese Entlüftung (= Desorption) beträgt je nach Material bis zu 2 Wochen! Für die Klinik ist dieses Verfahren nur geeignet, wenn eine entsprechende Anzahl von Geräten bzw. Materialien vorhanden ist, mit denen die Desorptionszeit der aufbereiteten Geräte überbrückt werden kann. Für die ärztliche bzw. zahnärztliche Praxis ist das Verfahren zu aufwendig. Es wird großtechnisch in der Industrie für die Sterilisation von Einmalartikeln eingesetzt.

Nachteile: Gefahr durch das Gift und lange Desorptionszeit.

Verpackung: Geeignet sind gas- und wasserdampfdurchlässige Folien.

Verpackung: Folien.

Sterilisation mittels energiereicher Strahlung

Sterilisation mittels energiereicher Strahlung Methode: Kathoden-, Röntgen-, Gammaund Betastrahlen.

Methode: Prinzipiell lassen sich Mikroorganismen durch Kathoden-, Röntgen-, Gamma- und Betastrahlen inaktivieren. In der Praxis werden Kathodenstrahlen und 60Co-Quellen benutzt. Als eingesetzte Strahlendosis werden 25 kGy (1 Gray [Gy] = 1 Joule/kg) empfohlen. Geeignete Materialien: Diese Form der Sterilisation wird ausschließlich großtechnisch eingesetzt, z. B. zur Sterilisation von Verbandsmaterial, chirurgischem Nahtmaterial, Kunststoffartikeln etc.

Vorteil und Nachteil: keine erhöhten Temperaturen; nur großtechnisch einsetzbar.

Verpackung: Bei diesem Verfahren bestehen keine Probleme.

Verpackung: keine Einschränkung.

3.2.2 Sonstige Verfahren mit eingeschränktem Einsatzbereich

3.2.2

Niedrigtemperatur-Plasmasterilisation: In geeigneten Apparaturen können bei niedriger Temperatur (44 °C) und Trockenheit bestimmte thermolabile Materialien, wie Kunststoffe (nicht jedoch Papier, Zellstoff, Watte, Leintücher) sterilisiert werden, indem in einem hoch energetischen elektrischen Feld H2O2 in die Plasmaphase überführt wird. Hydroperoxidradikale, die dabei entstehen, haben eine breite mikrobizide Wirkung. Allerdings gehört Erfahrung dazu, die geeigneten Instrumente zu definieren. Englumige, lange Katheter werden z. B. nicht mit Sicherheit sterilisiert, da das Plasma die entfernten Streckenabschnitte möglicherweise nicht erreicht.

Niedrigtemperatur-Plasmasterilisation: In einem hoch energetischen Feld wird H2O2 in die Plasmaphase überführt. Bei den dabei entstehenden Hydroperoxidradikalen lassen sich thermolabile Materialien (Kunststoffe) sterilisieren.

Filtration: Durch Verwendung von Filtern mit kleinen Porengrößen (0,45–0,22 μm) können Bakterien, Bakteriensporen, Pilze, Pilzsporen und größere Partikel aus Flüssigkeiten (z. B. Infusionen) und Gasen (Anästhesie) entfernt werden. Im Gegensatz zu den anderen Verfahren werden hierbei die Keime nicht inaktiviert, sondern beseitigt; sogar tote Partikel werden damit entfernt, sodass auch Pyrogene verschwinden. Ein Problem stellen jedoch Viren dar, die wegen ihrer geringen Abmessungen in der Regel nicht erfasst werden können. Da alle Viren jedoch der Resistenzstufe I angehören, kann die Filtration, die für sich alleine wohl kein Sterilisationsverfahren darstellt, in Verbindung mit einer nachfolgenden Hitzebehandlung (die dann nur

Filtration: Bakterien, Pilze und Partikel (auch tote Keime) nicht aber Viren können aus Flüssigkeiten und Gasen entfernt werden.

Sonstige Verfahren mit eingeschränktem Einsatzbereich

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734

J 3 Desinfektion und Sterilisation

bei relativ geringen Temperaturen zu erfolgen braucht) für bestimmte Materialien, wie Medikamente etc., eingesetzt werden. Ausglühen – Abflammen – Verbrennen: Mikroorganismen werden irreversibel inaktiviert.

Ausglühen – Abflammen – Verbrennen: Durch die Behandlung mit der Flamme werden Mikroorganismen selbstverständlich irreversibel inaktiviert. Im mikrobiologischen Labor ist das Arbeiten mit der zur Rotglut erhitzten und damit sterilisierten Öse die Methode der Wahl.

Tyndallisieren: (= fraktioniertes Sterilisieren): Mehrfaches Erhitzen auf 65–110 °C von Lösungen zur Abtötung von vegetativen Keimen. In den Zwischenzeiten wird wieder bei 37 °C bebrütet, um evtl. vorhandene Sporen zum Auskeimen zu bringen.

Tyndallisieren: (= fraktioniertes Sterilisieren): Hitzelabile Materialien (z. B. Nährlösungen) werden über 60 Minuten auf 65–110 °C erhitzt und damit die vegetativen Keime inaktiviert. Anschließend wird das Material mikrobiologisch bebrütet, um die evtl. vorhandenen Bakteriensporen zur Auskeimung zu bringen. Dann wird das Sterilgut abermals auf 65 °C erwärmt und die nunmehr vegetativen Formen der ehemaligen Bakteriensporen werden abgetötet. Der ganze Vorgang wird dann aus Sicherheitsgründen nochmals wiederholt. Das Verfahren ist aufwendig und zeitintensiv, oftmals aber die einzige Möglichkeit, empfindliche Materialien zu sterilisieren.

„Kaltsterilisation“, bei der das Material nur in Desinfektionslösungen eingelegt wird, erfüllt nicht das Kriterium der Sterilisation.

„Kaltsterilisation“: Das Sterilgut (meistens handelt es sich um Instrumente) wird langzeitig in eine hochprozentige Desinfektionsmittellösung eingelegt. Eine keiminaktivierende Wirkung kann selbstverständlich nur ohne Verpackung erfolgen, und das Sterilgut muss nach der Prozedur vom Desinfektionsmittel befreit werden (Abspülen); damit ist die Sterilität immer aufgehoben. Solche Verfahren stellen eine sehr gute Möglichkeit einer außerordentlich effektiven Desinfektion (s. u.) dar. Es wäre ein absoluter Kunstfehler, ein solches »kaltsterilisiertes« Instrument im wirklichen Sterilbereich einzusetzen.

3.2.3

3.2.3 Kontrolle der Sterilisiervorgänge

Kontrolle der Sterilisiervorgänge

Der Erfolg der Sterilisationsmaßnahme lässt sich nicht am sterilisierten Produkt kontrollieren. Daher muss der Prozess der Sterilisation ständig kontrolliert werden. Dazu werden die Prozessparameter Temperatur und Druck bei jedem Sterilisationsvorgang aufgezeichnet. Darüber hinaus muss 1-mal pro Jahr eine Gerätekontrolle erfolgen (physikalische und ggf. mikrobiologische Überprüfung).

Überprüfung des Sterilisierguts: Mit jeder Verpackungseinheit wird ein Behandlungsindikator mitgeführt, der gewöhnlich direkt auf der Verpackung angebracht ist. Am Farbumschlag des Indikators ist erkennbar, dass die Verpackung einen Sterilisationsprozess durchgemacht hat. Überprüfung des Prozesses: Regelmäßig mit jedem Sterilisiervorgang sollen die Prozessparameter Temperatur und Druck gemessen und aufgezeichnet werden. Eine Charge darf nur freigegeben werden, wenn die vorgesehene Temperatur und die Druckverhältnisse über eine vorgegebene Dauer eingehalten wurden. Zusätzliche Prozess- oder Farbindikatoren zeigen über einen Farbumschlag an, ob die geforderte Temperatur über einen ausreichend langen Zeitraum hinweg im Sterilisiergut vorhanden war. Überprüfung der Apparate: Die Sterilisatoren müssen 1-mal pro Jahr und auch nach jeder größeren Reparatur validiert werden. Hierbei werden in die typische Beladung des Sterilisationsgerätes temperatur- und druckempfindliche Sonden so verteilt, dass möglichst der schwierigste Punkt der Sterilisation getroffen wird (z. B. im Inneren von Instrumenten mit engem Lumen). An allen Punkten müssen alle Parameter eingehalten werden. Zusätzlich zur technischen Validierung kann eine mikrobiologische Überprüfung erfolgen, wobei Sporenstreifen (Sporenpäckchen) mitgeführt werden, die Bacillus atrophaeus (für Heißluft- und Ethylenoxid) bzw. Geobacillus stearothermophilus (für Dampfsterilisatoren und Plasmasterilisatoren) enthalten. Bei einem ordentlichen Prozess müssen die enthaltenen Sporen vollständig abgetötet sein, sodass bei einem nachfolgenden Kulturversuch kein Wachstum dieser Bioindikatoren mehr beobachtet wird.

3.2.4

Verpackung des sterilisierten Materials Da nach der Sterilisierung und bei der Lagerung eine Rekontamination droht, muss das Sterilgut sicher verpackt werden.

3.2.4 Verpackung des sterilisierten Materials Der technische Vorgang der Sterilisation und der Einsatz des sterilisierten Materials (Sterilguts) sind sowohl räumlich wie zeitlich getrennt. Im Regelfall wird das Material in einer zentralen Sterilisationseinheit (die in der ärztlichen oder zahnärztlichen Praxis auch klein sein kann, bei industrieller Ware [Einmalartikeln] riesig dimensioniert sein muss) aufbereitet, dann gelagert und irgendwann später an einem anderen Ort zum Einsatz kommen. Die unverzichtbare Folge dieser Überlegung ist, dass ll rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

735

J 3.2 Sterilisation

das Sterilgut immer verpackt sein und diese Verpackung bereits vor der Sterilisation erfolgen muss, weil jede Manipulation nach der Sterilisation (Einpacken, Abspülen etc.) diese wieder aufhebt. Angebliche Sterilisationsgeräte oder -verfahren, die diese Forderung nicht erfüllen können, die also eine Verpackung des Sterilisationsgutes nicht zulassen, sind als Sterilisationsmöglichkeiten unbrauchbar.

3.2.5 Dokumentation

3.2.5

Die Aufbereitung von Medizinprodukten gilt als technisch voll beherrschbarer Bereich und es muss dokumentiert werden, dass jeder Patient mit korrekt aufbereiteten Instrumenten behandelt wurde. Daher muss jeder Aufbereitungsschritt protokolliert und so dokumentiert werden, dass eine Rückverfolgung der Instrumente zu den entsprechenden Aufbereitungsvorgängen möglich ist.

Zur Sicherheit der Patienten wird gefordert, dass jeder Schritt der Aufbereitung dokumentiert und rückverfolgbar ist.

Dokumentation

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4.1

Allgemeines

▶ Definition.

4

Impfungen

4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Passive Immunisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktive Immunisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Individueller versus kollektiver Gewinn durch Impfungen . Impfpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Impfempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Impfstrategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Impfdokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zukünftige Entwicklungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.1

Allgemeines

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

736 737 739 745 746 746 746 747 748

▶ Definition. Nach IfSG besteht eine Schutzimpfung in der Gabe eines Impfstoffes

mit dem Ziel, vor einer übertragbaren Krankheit zu schützen. Geschichtliches: Die Vakzinierung als prophylaktische Maßnahme wurde schon vor etwa 2000 Jahren im Nahen und Fernen Osten praktiziert, um die Folgen einer Infektion mit dem damals gefürchteten Pockenvirus zu mildern. Dies war natürlich eine empirische Maßnahme, ohne dass über die Natur des Erregers oder über die Wirkungsweise der Impfmaßnahme Klarheit bestand. Immerhin können diese Impfungen als eine der ersten uns bekannten aktiven Impfungen mit Lebendimpfstoff verstanden werden. Es wurde nämlich Wildtyp-Pockenvirus in Form von eingetrocknetem Pustelmaterial von Erkrankten auf den Impfling übertragen. Die sogenannte „Variolation“ wurde Anfang des 18. Jahrhunderts auch an Europäern praktiziert und 1725 in Deutschland eingeführt. Wegen einer hohen Zahl von Impfzwischenfällen hatte die Impfung mit dem virulenten Stamm keine allgemeine Akzeptanz mehr. Ein wesentlicher Schritt wurde durch Edward Jenner (Abb. J-4.1) getan, der 1796 von der an Kuhpocken erkrankten Magd Sarah Nelmes den Inhalt einer Pustel entnahm und dem Jungen James Phipps in die Haut applizierte. Dieser Impfstoff von der Kuh (lat. vacca = Vakzinierung) enthielt einen Lebendimpfstoff, nämlich die wenig pathogenen Vacciniaviren, die nach einer leichten Impferkrankung des Impflings eine Kreuzimmunität gegen die Pocken hinterließen. Nach Abheilen der Kuhpocken wurde James Phipps einer Infektion mit dem Wildtyp-Pockenvirus ausgesetzt und erkrankte nicht.

⊙ J-4.1

⊙ J-4.1

Wohltäter 1796 legte Edward Jenner den Grundstein zur Pockenimpfung (Portrait von William Pearce, 1801). (Dr. Jenner's House & Garden, Berkeley, Gloucestershire, United Kingdom)

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J

737

4.2 Passive Immunisierung

In den darauffolgenden 100 Jahren wurden parallel zu den rasch fortschreitenden Entdeckungen in den Grundlagen der Mikrobiologie ständig weitere Impfstoffe entwickelt. Wie kaum eine andere medizinische Maßnahme hat die Immunprophylaxe von Infektionskrankheiten die größten Erfolge in der Geschichte der Medizin erzielt. Besonders bei viralen Infektionen, für die es noch keine wirksamen Gegenmittel gibt, kommt der Immunprophylaxe ein erhöhter Stellenwert zu. Nicht nur einzelne Personen profitieren von dieser Maßnahme (Individualschutz); wenn hohe Durchimpfungsraten erreicht werden, ist es manchmal möglich, ein ganzes Kollektiv (Kollektivschutz) davor zu bewahren, selbst wenn darunter einige Personen nicht geimpft sind. Wenn aber immer noch breite Impflücken bestehen, wie etwa gegen Masern, so droht immer wieder ein Ausbruch, denn nur wenn eine Herdimmunität etabliert ist, wird die epidemische Ausbreitung von Erregern unterbrochen. ▶ Exkurs. Als am 22.10.1977 Ali Maow Maalin geheilt aus dem Krankenhaus entlassen wurde, war damit die Welt für immer befreit von der schlimmsten Geißel der Menschheit, nämlich den Pocken. Mit dem von Edward Jenner entwickelten Impfstoff (s. o.) wurden praktisch in allen Ländern der Welt Menschen geimpft, wodurch diese Virusinfektion, die ausschließlich nur von Mensch zu Mensch übertragen wird, nach und nach ausgerottet wurde, weil es keine empfänglichen Wirte mehr gab. In einem entlegenen Teil der Erde – im Dorf Merka in Somalia – war Ali Maow Maalin nicht geimpft worden und erkrankte als letzter Mensch. Heute existieren in der Natur keine infektiösen Pockenviren mehr, nur noch in zwei Laboratorien der Welt werden lyophilisierte Pockenviren aufbewahrt.

Weitere spektakuläre Erfolge sind demnächst zu erwarten, wenn mithilfe der Impfung die Poliomyelitis weltweit ausgerottet sein wird (diese Infektion tritt nur noch in wenigen Ländern endemisch auf). Andere schwere Infektionskrankheiten wie Masern werden folgen.

Impfungen verleihen einen Individualschutz oder auch einen Kollektivschutz.

▶ Exkurs.

Auch Polio und Masern könnten im Prinzip durch weltweite Impfkampagnen ausgerottet werden.

▶ Exkurs. Neuerdings werden auch Tumorvakzine propagiert, wobei nicht mikrobielle Antigene, sondern Tumorantigene appliziert werden.

▶ Exkurs.

▶ Merke. Alle biologischen Produkte – speziell Impfstoffe – sollten nicht in der Tür

▶ Merke.

des Kühlschranks, sondern hinten im Fach gelagert werden, weil die ständigen Temperaturschwankungen evtl. die Aktivität des Impfstoffes vermindern.

4.2

Passive Immunisierung

▶ Definition. Die passive Immunisierung besteht in der Injektion von Gammaglobulin – also von Antikörpern, die von Spendern gewonnen wurden und überwiegend der Klasse IgG angehören.

Bei menschlichen Spendern handelt es sich um homologe Antikörper, bei tierischen Spendern um heterologe Antikörper. Die heterologen Antikörper enthalten artfremdes Eiweiß und sind somit selbst immunogen: es droht die Gefahr, dass bei Geimpften Antikörper gegen tierische Antikörper und weitere Eiweiße entstehen, die eine Serumkrankheit auslösen können; diese kann mit Fieber, Kreislaufreaktionen, Exanthem (exanthème du 9ième jour), Konjunktivitis und Arthritis einhergehen. Aus diesem Grund wird heute – wenn möglich – nur noch homologes Immunglobulin verwendet. ▶ Exkurs. In der Tumortherapie sowie bei der Immunsuppression werden zunehmend auch rekombinante, monoklonale Antikörper verwendet, die biotechnologisch hergestellt werden.

Der Vorteil der passiven Immunisierung ist, dass der Schutz sofort nutzbar ist; allerdings ist eine humorale Immunität gegen viele Infektionserreger nicht protektiv. In der Praxis gibt es nur noch wenige Beispiele, wo eine solche Impfung angebracht ist (Tab. J-4.1). In einigen Fällen ist jedoch eine Simultanimpfung notwendig. Mit Beginn einer aktiven Impfung wird ein Immunglobulinpräparat verabreicht, um die Zeit bis zum Aufbau einer eigenen Immunantwort durch den Infizierten zu überbrücken. Beispiele dafür sind die Tollwutimpfung oder die HBV-Impfung bei Säuglingen HBV-infizierter Mütter.

4.2

Passive Immunisierung

▶ Definition.

Bei der passiven Impfung werden die humoralen Immunprodukte, d. h. die Antikörper aus der Gammaglobulinfraktion des Serums von Spendern, übertragen. Homologe Antikörper sind gut verträglich; dagegen kann nach Gabe von heterologen (tierischen) Antikörpern eine Serumkrankheit auftreten. ▶ Exkurs.

Vorteil ist die sofortige Schutzwirkung, Nachteil die nur kurze Wirkdauer.

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738

Der Hersteller gewährleistet eine hohe Virussicherheit der Gammaglobuline. Normale Gammaglobuline enthalten eine durchschnittliche Mischung von verschiedenen Antikörpern; Hyperimmunglobuline dagegen sind ausgesucht von Spendern mit hohem Antikörpertiter gegen einen bestimmten Infektionserreger.

Eine passive Übertragung einer zellvermittelten Immunität ist routinemäßig nicht möglich. ▶ Exkurs.

≡ J-4.1

▶ Exkurs.

J 4 Impfungen

Ein Nachteil der passiven Immunisierung ist der nur kurze Zeitraum, für den sie schützt. Mit einer Halbwertszeit von 21 Tagen sind die IgG-Antikörper bald eliminiert. Darüber hinaus müssen diese Präparate parenteral appliziert werden, wobei darauf geachtet werden sollte, dass sie körperwarm injiziert werden. Die Hersteller achten bei der Gewinnung und bei der Prozessierung durch ausgefeilte Verfahren auf eine hohe Virussicherheit dieser natürlichen Produkte. Dennoch sollte man aus Prinzip die Indikation für solche Medikamente immer kritisch überdenken. Im Prinzip enthalten diese Gammaglobulinpräparate neben den gewünschten Antikörpern auch solche, die gegen viele und ganz andere Antigene gerichtet sind. Die enthaltene Menge des gewünschten Antikörpers kann gering sein, vor allem, wenn ein Pool von diversen Spendern verwendet wird. Besser ist daher ein Hyperimmunserum zu verwenden, welches von ausgewählten Spendern stammt, die alle einen hohen Titer gegen den bestimmten Erreger entwickelt haben. In großen Mengen sind solche Impfstoffe nicht verfügbar. Eine passive Übertragung einer zellvermittelten Immunität durch Transfer von Lymphozyten ist wegen des komplexen Antigenaufbaus der Spenderzellen routinemäßig nicht möglich. Experimentelle Ansätze dafür gibt es jedoch. ▶ Exkurs. Transfer von lebenden, aktiven Immunzellen Zum Beispiel werden spezifisch gegen ein bestimmtes Epitop von CMV gerichtete T-Zellen von einem Donor auf einen immunsupprimierten Patienten übertragen, was z. T. therapeutischen, aber z. T. auch präventiven Charakter haben kann.

≡ J-4.1

Beispiele für Anwendungen von passiver Immunisierung

Erkrankung

Anwendung

Tetanus

Direkt nach einer Verletzung gegeben kann das humane Hyperimmunglobulin (Tetagam) die Toxinmoleküle neutralisieren.

Diphtherie

Schon bei Verdacht auf Diphtherie muss eine passive Impfung erfolgen, um die Toxine zu neutralisieren; leider ist das humane Antiserum nicht mehr generell verfügbar.

Hepatitis A

Es gibt auf dem Markt sowohl humane Gammaglobuline, die eben einen mehr oder weniger hohen Anteil an spezifischen Antikörpern enthalten, als auch ein humanes Hyperimmunglobulin. Kurz vor einer Auslandsreise ist eine Injektion bei fehlender natürlicher Immunität sinnvoll (Personen > 65 Jahre haben in hohem Prozentsatz eine Infektion bereits früher durchgemacht und sind lebenslang immun).

Hepatitis B

Innerhalb von 48 Stunden nach Exposition mit dem Hepatitis-B-Virus kann ein Nichtimmuner durch die Injektion von Hyperimmunserum vor einer Erkrankung geschützt werden. Also nach einem Nadelstich behaftet mit Blut eines verdächtigen Patienten oder bei einem Neugeborenen einer Hepatitis-B-positiven Mutter ist die Gabe sinnvoll.

Varicella-ZosterVirus

Bei einer Schwangeren, die selbst noch keine Antikörper hat, kann nach Exposition ein humanes Hyperimmunglobulin eine Erkrankung des Kindes verhindern. Auch Abwehrgeschwächte können bei Exposition durch die rechtzeitige passive Impfung geschützt werden.

Zytomegalie

Für Organ- und Knochenmarktransplantierte stehen solche Antiseren zur Verfügung.

Tollwut

Nach einem Biss durch ein auffälliges Tier sollte die passive Impfung innerhalb von 72 Stunden zusammen mit einer aktiven Impfung erfolgen. Das Hyperimmunglobulin wird lokal um die Bisswunde injiziert.

Masern

Ein Hyperimmunglobulin des Menschen steht derzeit nicht zur Verfügung; da aber die meisten Blutspender Antikörper gegen Masernvirus besitzen, ist auch ein normales Gammaglobulin wirksam.

Botulismus

Ein polyvalentes Gammaglobulin vom Pferd mit einem gewissen Anteil an Antikörpern gegen die Botulinumtoxine A, B und E.

▶ Exkurs. Rh-Inkompatibilität Eine nicht infektiöse Indikation für eine passive Impfung liegt bei einer Rh-Inkompatibilit vor. Wenn die Mutter Rh– und das Kind Rh+ ist, sollte die Mutter sofort nach der Geburt mit Anti-D geimpft werden, um eine Immunreaktion gegen diese fremden Erythrozyten des Kindes, die unter der Geburt in den Kreislauf der Mutter gelangt sein konnten, zu unterbinden (damit eine etwaige 2. Schwangerschaft mit einem Rh+-Kind nicht gefährdet wird).

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739

J 4.3 Aktive Immunisierung

4.3

Aktive Immunisierung

▶ Definition. Im Gegensatz zur passiven Immunisierung, bei der der Impfling das

4.3

Aktive Immunisierung

▶ Definition.

Immunprodukt schon fertig erhält, wird bei der aktiven Immunisierung das Antigen (Impfstoff) appliziert und das körpereigene Immunsystem dadurch stimuliert. Der Aufbau einer messbaren und belastbaren Immunität dauert mindestens 7– 10 Tage und manchmal erfolgt eine effiziente Immunreaktion erst nach 2-maliger oder mehrfacher Gabe. Die Impfung muss ggf. noch als sog. Auffrischimpfung in größeren Abständen wiederholt werden. Der Vorteil liegt darin, dass dann der Impfschutz meist längere Zeit anhält, in Einzelfällen sogar lebenslang. Voraussetzung ist jedoch, dass der Geimpfte (sog. Impfling) immunkompetent ist; die aktive Impfung versagt z. B. bei iatrogener Immunsuppression, bei Leukämie oder auch nach einer akuten EBV-Infektion sowie bei HIV-Infektion. Auch alte Menschen reagieren wegen einer Immunoseneszenz oft nicht mehr regelrecht.

Die aktive Impfung hat als Voraussetzung ein funktionstüchtiges Immunsystem des Impflings. Es muss gegen Tot- bzw. Lebendimpfstoff reagieren.

4.3.1 Totimpfstoffe

4.3.1

▶ Definition. Totimpfstoffe sind durch verschiedene Maßnahmen inaktiviert und nicht mehr vermehrungsfähig (Tab. J-4.2).

Da ein Teil des injizierten Totimpfstoffes rasch abgebaut werden kann, reicht oft die Erstimpfung nicht aus, um eine starke Immunreaktion zu stimulieren. Vielmehr müssen zur Grundimmunisierung die Antigene wiederholt und in bestimmten Abständen appliziert werden. Um einen bleibenden Erfolg zu erzielen, sind in bestimmten Abständen nach erfolgter Grundimmunisierung erneut Auffrischimpfungen erforderlich. Bei der Erstimpfung bilden die B-Lymphozyten mithilfe von T-Helferzellen (CD4+-TZellen) zunächst Antikörper der Klasse IgM niedriger Affinität. Nach Tagen entstehen immer mehr IgG mit zunehmender Affinität. Die T-Zellen erwerben ein immunologisches Gedächtnis (memory), sodass sie bei wiederholter Antigengabe eine sog. Booster-Reaktion ermöglichen (Abb. B-4.24). Ziel ist der Aufbau eines immunologischen Gedächtnisses (sowohl T- als auch B-Zellen), um bei einer erneuten Infektion mit dem gleichen Antigen die klinische Erkrankung zu verhindern. ▶ Merke. Totimpfstoffe erzeugen durch Aktivierung von B-Lymphozyten und T-Hel-

Totimpfstoffe

▶ Definition.

Die Intensität der Immunreaktion ist limitiert. Oft muss eine Mehrfachgabe erfolgen, um eine messbare Antwort zu erzielen (Grundimmunisierung). Später müssen dann Auffrischimpfungen erfolgen, um den Erfolg zu erhalten. Bei Erstimpfung kommt es zur Produktion niedrig affiner IgM-Antikörper, erst nach Tagen entstehen IgG. Die wiederholte Gabe des Impfstoffes führt zu einer stark beschleunigten Immunantwort (sog. Booster-Reaktion) (Abb. B-4.24).

▶ Merke.

ferzellen eine humorale Immunität mit Antikörperbildung. Im Gegensatz zur Lebendimpfung erfolgt aber keine Stimulierung von CD8+-T-Lymphozyten (zytotoxische T-Zellen) und damit auch keine zellvermittelte Immunität. Als Totimpfstoffe werden entweder inaktivierte ganze Erreger (partikuläre Impfstoffe) eingesetzt oder nur wichtige antigene Bestandteile (Proteine, Polysaccharide), die aus natürlichen Erregern extrahiert oder rekombinant (d. h. mittels Gentechnik) hergestellt werden. Meist handelt es sich um antigene Strukturen, die in der Regel aus Erregern isoliert, gereinigt und ggf. modifiziert werden. So müssen z. B. die Partikel von Influenzaviren gespalten (Spaltimpfstoffe) werden, um die antigenen Proteine in der Hülle (Hämagglutinin und Neuraminidase) zu extrahieren. Die Lipide in der Virushülle müssen entfernt werden, um die Verträglichkeit zu verbessern. Das Tetanustoxin sowie das Diphtherietoxin (beides Proteinantigene) müssen durch Formalin noch inaktiviert werden, denn die letale Menge der Toxine ist weitaus niedriger als die für eine Immunreaktion notwendige Dosis. Das daraus entstehende Toxoid ist nicht mehr toxisch, behält aber seine Antigenität – zumindest teilweise. Spuren von Formalin sind oft noch in solchen Impfstoffen nachweisbar und können bei einzelnen Impflingen Nebenwirkungen bedingen. ▶ Merke. Toxoidimpfstoffe stellen eine Sonderform der Totimpfstoffe dar. Sie ent-

Totimpfstoffe bestehen entweder aus inaktivierten ganzen Erregern oder nur aus antigenen Bestandteilen (Proteine, Polysaccharide), die aus Erregern extrahiert (Spaltimpfstoffe) oder gentechnologisch hergestellt werden.

▶ Merke.

halten durch Formalin inaktiviertes Toxin (Toxoid); die dadurch erzeugten Antikörper sind nicht gegen den Erreger selbst, sondern gegen sein schädigendes Toxin (z. B. Tetanustoxin, Diphtherietoxin) gerichtet.

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739

J 4.3 Aktive Immunisierung

4.3

Aktive Immunisierung

▶ Definition. Im Gegensatz zur passiven Immunisierung, bei der der Impfling das

4.3

Aktive Immunisierung

▶ Definition.

Immunprodukt schon fertig erhält, wird bei der aktiven Immunisierung das Antigen (Impfstoff) appliziert und das körpereigene Immunsystem dadurch stimuliert. Der Aufbau einer messbaren und belastbaren Immunität dauert mindestens 7– 10 Tage und manchmal erfolgt eine effiziente Immunreaktion erst nach 2-maliger oder mehrfacher Gabe. Die Impfung muss ggf. noch als sog. Auffrischimpfung in größeren Abständen wiederholt werden. Der Vorteil liegt darin, dass dann der Impfschutz meist längere Zeit anhält, in Einzelfällen sogar lebenslang. Voraussetzung ist jedoch, dass der Geimpfte (sog. Impfling) immunkompetent ist; die aktive Impfung versagt z. B. bei iatrogener Immunsuppression, bei Leukämie oder auch nach einer akuten EBV-Infektion sowie bei HIV-Infektion. Auch alte Menschen reagieren wegen einer Immunoseneszenz oft nicht mehr regelrecht.

Die aktive Impfung hat als Voraussetzung ein funktionstüchtiges Immunsystem des Impflings. Es muss gegen Tot- bzw. Lebendimpfstoff reagieren.

4.3.1 Totimpfstoffe

4.3.1

▶ Definition. Totimpfstoffe sind durch verschiedene Maßnahmen inaktiviert und nicht mehr vermehrungsfähig (Tab. J-4.2).

Da ein Teil des injizierten Totimpfstoffes rasch abgebaut werden kann, reicht oft die Erstimpfung nicht aus, um eine starke Immunreaktion zu stimulieren. Vielmehr müssen zur Grundimmunisierung die Antigene wiederholt und in bestimmten Abständen appliziert werden. Um einen bleibenden Erfolg zu erzielen, sind in bestimmten Abständen nach erfolgter Grundimmunisierung erneut Auffrischimpfungen erforderlich. Bei der Erstimpfung bilden die B-Lymphozyten mithilfe von T-Helferzellen (CD4+-TZellen) zunächst Antikörper der Klasse IgM niedriger Affinität. Nach Tagen entstehen immer mehr IgG mit zunehmender Affinität. Die T-Zellen erwerben ein immunologisches Gedächtnis (memory), sodass sie bei wiederholter Antigengabe eine sog. Booster-Reaktion ermöglichen (Abb. B-4.24). Ziel ist der Aufbau eines immunologischen Gedächtnisses (sowohl T- als auch B-Zellen), um bei einer erneuten Infektion mit dem gleichen Antigen die klinische Erkrankung zu verhindern. ▶ Merke. Totimpfstoffe erzeugen durch Aktivierung von B-Lymphozyten und T-Hel-

Totimpfstoffe

▶ Definition.

Die Intensität der Immunreaktion ist limitiert. Oft muss eine Mehrfachgabe erfolgen, um eine messbare Antwort zu erzielen (Grundimmunisierung). Später müssen dann Auffrischimpfungen erfolgen, um den Erfolg zu erhalten. Bei Erstimpfung kommt es zur Produktion niedrig affiner IgM-Antikörper, erst nach Tagen entstehen IgG. Die wiederholte Gabe des Impfstoffes führt zu einer stark beschleunigten Immunantwort (sog. Booster-Reaktion) (Abb. B-4.24).

▶ Merke.

ferzellen eine humorale Immunität mit Antikörperbildung. Im Gegensatz zur Lebendimpfung erfolgt aber keine Stimulierung von CD8+-T-Lymphozyten (zytotoxische T-Zellen) und damit auch keine zellvermittelte Immunität. Als Totimpfstoffe werden entweder inaktivierte ganze Erreger (partikuläre Impfstoffe) eingesetzt oder nur wichtige antigene Bestandteile (Proteine, Polysaccharide), die aus natürlichen Erregern extrahiert oder rekombinant (d. h. mittels Gentechnik) hergestellt werden. Meist handelt es sich um antigene Strukturen, die in der Regel aus Erregern isoliert, gereinigt und ggf. modifiziert werden. So müssen z. B. die Partikel von Influenzaviren gespalten (Spaltimpfstoffe) werden, um die antigenen Proteine in der Hülle (Hämagglutinin und Neuraminidase) zu extrahieren. Die Lipide in der Virushülle müssen entfernt werden, um die Verträglichkeit zu verbessern. Das Tetanustoxin sowie das Diphtherietoxin (beides Proteinantigene) müssen durch Formalin noch inaktiviert werden, denn die letale Menge der Toxine ist weitaus niedriger als die für eine Immunreaktion notwendige Dosis. Das daraus entstehende Toxoid ist nicht mehr toxisch, behält aber seine Antigenität – zumindest teilweise. Spuren von Formalin sind oft noch in solchen Impfstoffen nachweisbar und können bei einzelnen Impflingen Nebenwirkungen bedingen. ▶ Merke. Toxoidimpfstoffe stellen eine Sonderform der Totimpfstoffe dar. Sie ent-

Totimpfstoffe bestehen entweder aus inaktivierten ganzen Erregern oder nur aus antigenen Bestandteilen (Proteine, Polysaccharide), die aus Erregern extrahiert (Spaltimpfstoffe) oder gentechnologisch hergestellt werden.

▶ Merke.

halten durch Formalin inaktiviertes Toxin (Toxoid); die dadurch erzeugten Antikörper sind nicht gegen den Erreger selbst, sondern gegen sein schädigendes Toxin (z. B. Tetanustoxin, Diphtherietoxin) gerichtet.

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740 Um die Immunreaktion zu verstärken, werden den Totantigenen oft noch Adjuvanzien (wie Aluminiumhydroxid) hinzugefügt. Am Ort der Injektion kann es dadurch zu einer entzündlichen Lokalreaktion kommen.

▶ Merke.

J 4 Impfungen

Um eine befriedigende Immunreaktion gegenüber den Totantigenen zu erhalten, ist oft eine zusätzliche Gabe von Adjuvanzien erforderlich. In der Praxis werden die Antigene meist an Aluminiumhydroxid oder -phosphat adsorbiert. Bei intramuskulärer Injektion solcher Adsorbatimpfstoffe kommt es zu einer lokalen Entzündung, wobei die antigenpräsentierenden Zellen vermehrt angelockt werden. So kommt es zu einer mengenmäßig verstärkten Produktion von Antikörpern mit erhöhter Affinität. Beim Geimpften kann sich am Ort der Injektion vorübergehend eine entzündliche Lokalreaktion (schmerzhafter und geröteter Herd) bilden. ▶ Merke. Adsorbatimpfstoffe sollten intramusklär injiziert werden, da es bei sub-

kutaner Applikation zu einer verstärkten Lokalreaktion (u. a. schmerzhafte Granulome) kommen kann. ▶ Exkurs.

⊙ J-4.2

Als Adjuvans wirken auch Öl-in-WasserEmulsionen.

▶ Exkurs.

▶ Exkurs. Adsorbatstoffe können für eine überschießende lokale Entzündung verantwortlich sein. Die unerwünschte Nebenreaktion, wie Rötung, Schwellung und Schmerz an der Einstichstelle, ist umso stärker, je mehr von dem Impfmaterial in den Stichkanal der Haut gelangt. Folglich gilt, dass man nach dem Aufziehen des Impfstoffes aus einer Ampulle die Nadel wechseln oder gleich eine Fertigspritze verwenden soll. Die Durchgängigkeit der Nadel sollte nicht überprüft werden, auch evtl. vorhandene minimale, irrelevante Luftmengen müssen nicht vorher ausgespritzt werden (wie oft standardmäßig praktiziert), da dabei meist eine gewisse Menge des Impfstoffes an der Außenseite der Nadel herunterfließt und in den Stichkanal gelangen kann (Abb. J-4.2).

⊙ J-4.2

Adsorbatimpfstoff nicht mit derselben Nadel aufziehen und spritzen!

Eine Steigerung der Immunreaktion erreichen auch Öl-in-Wasser-Emulsionen der Antigene mit speziellen Fettstoffen (wie MF59) und Inkorporation in Virosome. Virosome sind artefizielle Partikel, die mit ihren viralen Komponenten die Fusion mit den antigenpräsentierenden Zellen fördern. Solche Adjuvanzien sind besser verträglich als Aluminiumhydroxid. ▶ Exkurs. Heterogenität von Antikörperspezifitäten bei Geimpften Auf dem großen Molekül eines Antigens befinden sich normalerweise mehrere, ganz unterschiedliche antigene Epitope, die jeweils unterschiedliche B-Zell-Klone anregen. So finden sich z. B. auf einem Diphtherietoxoid (ein Proteinantigen) auf der A- und der B-Untereinheit verschiedene antigene Epitope, gegen die jeweils verschiedene Antikörper produziert werden, obwohl für eine Neutralisation des Toxins Antikörper gegen Epitope auf der Untereinheit B ausreichen würden. Bei einer natürlichen Immunreaktion werden also immer Mischungen von verschiedenen, polyklonalen Antikörpern gegen diverse Epitope beobachtet. Die Intensität der Reaktion gegen ein Epitop ist abhängig von der genetischen Ausstattung eines Geimpften und zwar vom Polymorphismus der MHC-Moleküle (S. 102). Daher werden diverse Epitope von einzelnen Individuen jeweils unterschiedlich stark als fremd erkannt. Jeder Geimpfte entwickelt also ein spezielles, individuelles Mosaik von Antikörpern gegen ein Antigen! Die Heterogenität trifft für Proteinantigene zu, während Polysaccharidantigene meist nur 1 Epitop repetitiv mehrfach hintereinander enthalten.

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741

J 4.3 Aktive Immunisierung

Als Impfstoffe kommen auch rekombinant hergestellte Proteinantigene zum Einsatz, z. B. für den Hepatitis-B-Impfstoff. Mittels gentechnologischer Methoden wird der Genabschnitt des Virus, der für das gewünschte Oberflächengen (bei HBV: HBsAntigen) codiert, in die eine Wirtszelle verbracht, die dann dieses fremde Antigen produziert. Als Wirtszelle wird der Sprosspilz Saccharomyces cerevisiae („Bäckerhefe“) oder verwandte Sprosspilze herangezogen, weil diese eukaryontischen Zellen die Proteinantigene in ähnlicher Weise falten und prozessieren wie menschliche Zellen. Antikörper gegen rekombinant hergestellte Impfstoffe erweisen sich als ausreichend protektiv und können die Antigene neutralisieren. Früher wurden noch häufig partikuläre Antigene, d. h. ganze Erreger, mit vielen diversen Antigenen eingesetzt, darunter auch durchaus Komponenten (z. B. die Lipide aus einer Virushülle oder Endotoxin, Peptidoglykan, Teichonsäuren und Lipoteichonsäuren aus Bakterienzellen) mit proinflammatorischen oder toxischen Eigenschaften, welche die Verträglichkeit beeinträchtigten. Heute gibt es meist gereinigte Antigene, die besser verträglich sind. In einigen Fällen werden nicht Proteine, sondern Polysaccharide als Impfstoff verwendet, z. B. bei der Pneumokokkenimpfung. Solche Antigene stimulieren also nur ganz wenige epitopspezifische B-Zellen und binden gleich mehrfach (> 2) an der Oberfläche einer B-Zelle. Im Gegensatz zur Immunantwort auf Proteine, wo die 2 Signale einerseits vom Epitop und andererseits von der T-Zelle ausgehen, stammen die beiden Signale nur von den Epitopen, s. Kap. „Die Induktionsphase“ (S. 122). Es erfolgt also eine T-Zell-unabhängige Immunantwort der B-Zelle, die zur Antikörperproduktion der Klasse IgM angeregt wird. Da IgM als pentamere Molküle sehr sperrig sind, können sie die Blutbahn nicht verlassen. Sie verhindern somit, dass sich Erreger über die Blutbahn ausbreiten, aber dafür nicht deren Vermehrung in parenchymalen Organen. Bei einer solchen T-Zell-unabhängigen Immunreaktion kommt es nicht zur Produktion von Antikörpern der Klasse IgG mit steigender Affinität und auch nicht zu einem Immungedächtnis. ▶ Merke. Kleinkinder (< 2 Jahre) sind nicht in der Lage, eine solche T-Zell-unabhän-

Gelegentlich werden auch rekombinant hergestellte Antigene verwendet. So werden z. B. für die Hepatitis-B-Impfung Antigene von dem Oberflächenprotein der Viren verwendet, die von einem gentechnisch veränderten Sprosspilz produziert werden.

Partikuläre Impfstoffe aus ganzen Bakterien bzw. Viren enthalten oft proinflammatorische Komponenten, welche die Verträglichkeit mindern.

Reine Polysaccharidimpfstoffe erzeugen eine T-Zell-unabhängige Immunreaktion, wobei von den B-Zellen nur Antikörper der Klasse IgM entstehen; ein Immungedächtnis wird nicht gebildet.

▶ Merke.

gige Immunreaktion gegenüber Polysacchariden zu vollziehen. Sie reagieren also nicht auf reine Polysaccharidimpfstoffe. Wenn solche Polysaccharidepitope aber an einen Proteinträger (als Haptene) gekoppelt werden, wird eine normale T-Zell-abhängige Immunreaktion vollzogen. Als Proteinträger werden in der Praxis entweder Tetanustoxoid oder Diphtherietoxoid verwendet. Nach Impfung mit solchen Konjugatimpfstoffen, z. B. bei der Pneumokokken- und Meningokokkenimpfung können schon bei Kleinkindern sowie im höheren Alter IgG-Antikörper gebildet werden. Zusätzlich wird ein Immungedächtnis (memory) etabliert. Beispiele für Impfungen mit Totimpfstoff zeigt Tab. J-4.2. Daneben gibt es noch viele Impfstoffe mit Spezialindikation; so werden manche Soldaten und andere Personen mit einem relativ hohen Expositionsrisiko gegen Milzbrand geimpft. Auch in der Veterinärmedizin gibt es eine Reihe von weiteren Impfstoffen.

≡ J-4.2

Wenn Polysaccharide an Proteine gebunden werden, können solche Konjugatimpfstoffe eine T-Zell-abhängige Immunreaktion auslösen, wobei nicht nur Antikörper der Klasse IgM, sondern auch der Klasse IgG sowie ein Immungedächtnis entstehen.

Eine Übersicht über gebräuchliche Totimpfstoffe zeigt Tab. J-4.2.

Beispiele für Impfungen mit Totimpfstoff

Erkrankung/Erreger

Impfstoff

Tetanus

Der Schutz richtet sich nicht gegen das Bakterium, sondern gegen sein Toxin; folglich besteht der Impfstoff aus dem Toxin; da aber die immunogene Dosis höher ist als die letale, muss das Toxin vorher mithilfe von Formalin zu einem Toxoid inaktiviert werden. Dies ist aber wenig immunogen, sodass es mit einem Adjuvans zu einem Adsorbatimpfstoff vermischt wird.

Diphtherie

Ganz ähnlich wie beim Tetanus (s. o.) wird auch hier das Toxin zuerst inaktiviert und dann mit Adsorbat kombiniert. Erwachsene erhalten nur eine niedrige Impfdosis (d), etwa 1/10 der Dosis für Kinder (D).

Pertussis (Keuchhusten)

Heute werden keine partikulären Impfstoffe mehr verwendet, die aus ganzen, toten Bakterien inklusive Endotoxin der Zellwand bestehen; vielmehr werden heute mehrere gereinigte Bakterienprodukte vermischt, die an und für sich wenig toxisch sind – aber immunogen. Besonders Kleinkinder bedürfen des Impfschutzes. Da der Impfschutz nicht lebenslang anhält, sollten Erwachsene eine Auffrischimpfung erhalten.

Haemophilus influenzae Typ b (Hib)

Seit Einführung dieser Impfung im Kleinkindesalter kommt die Meningitis mit H. influenzae praktisch nicht mehr vor. Der Impfstoff besteht aus einem gereinigten Kapselpolysaccharid des Serovars b, das aber an einen Proteinträger (als Hapten) gebunden sein muss. Meistens als Kombinationsimpfung angeboten.

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742

≡ J-4.2

J 4 Impfungen

Beispiele für Impfungen mit Totimpfstoff (Fortsetzung)

Erkrankung/Erreger

Impfstoff

Pneumokokken

Reiner Polysaccharidimpfstoff: Der Impfstoff besteht aus gereinigtem Polysaccharid aus der Kapsel von Pneumokokken. Allerdings gibt es 80 verschiedene Antigenvariationen, von denen aber nur die 24 epidemiologisch wichtigsten in dem polyvalenten Impfstoff enthalten sind. Er ist gut verträglich, induziert allerdings nur eine B-ZellReaktion mit ausschließlicher IgM-Produktion. Die IgM-Antikörper können die Blutbahn nicht verlassen und schützen folglich nur vor der Ausbreitung (Sepsis), nicht vor Pneumonie und Otitis media. Vor allem alte Menschen und Personen nach Splenektomie sollen geimpft werden. Alle 6 Jahre erfolgt eine Auffrischung. Konjugatimpfstoff: Da hier entweder 10 oder sogar 13 der wichtigsten Polysaccharidantigene an einen Proteinträger gebunden sind, erzeugt der Impfstoff eine stärkere Immunreaktion. Neben IgM entstehen auch noch IgG und IgA, sodass die Geimpften auch vor parenchymalen Infektionen der Atemwege und durch die lokale Immunität sogar vor einer Kolonisierung geschützt sind.

Meningokokken

Reiner Polysaccharidimpfstoff: Dieser gut verträgliche und wirksame Impfstoff besteht aus dem Polysaccharid der Kapsel von Neisseria meningitidis. Das Kapselantigen B ist allerdings nicht immunogen; somit wirkt der Impfstoff hauptsächlich gegen die Serotypen A und C, die in bestimmten Gebieten (Meningitisgürtel) der Erde prävalent sind. Auch die Polysaccharide W135 und Y können enthalten sein. Erwachsene Touristen sollten geimpft sein, wenn sie bestimmte Länder bereisen. Konjugatimpfstoff: Wenn die Polysaccharidantigene A,C, W135 und Y an einen Proteinträger gebunden sind, kann dieser Impfstoff eine stärkere Immunität (auch bei Kleinkindern) erzeugen. Ganz neu ist ein Impfstoff gegen Meningokokken B, der nicht aus Kapselpolysaccharid besteht, sondern antigene, bakterielle Proteine beinhaltet. Kinder und Erwachsene können damit geimpft werden.

Typhus

Ein gereinigtes Kapselpolysaccharid von Typhusbakterien, das Vi-Antigen, ist gut verträglich; es ist auch immunogen; aber diese humorale Immunreaktion hat nur einen geringen protektiven Effekt (ausschließlich gegen S. enterica typhi, nicht gegen die vielen Enteritissalmonellen!)

Cholera

Inaktivierte Cholerabakterien der Serogruppe O1 und die rekombinant hergestellte, nicht toxische B-Untereinheit des Choleratoxins werden oral verabreicht. Der Impfstoff wird zusammen mit einer Bikarbonat-Pufferlösung eingenommen, die das säurelabile Choleratoxin vor der Magensäure schützen soll. Der Schutz ist nicht zuverlässig. Wegen der Antigengemeinschaft von Choleratoxin mit Shigatoxin wird auch ein partieller Schutz gegen EHEC erzeugt! Gegen Infektionen mit Choleravibrionen der Serogruppe O139, die seit 1992 in Südostasien auftreten, wirken die Vakzine nicht.

FSME

Nur bei Aufenthalt in Hochrisikogebieten ist ein Impfschutz empfehlenswert. Der Impfstoffe besteht aus toten, kompletten Viren.

Poliomyelitis

Heute wird die Totimpfung (nach Salk) bevorzugt, weil die Verträglichkeit deutlich besser ist. Der Impfstoff besteht aus einer Mischung von abgetöteten, ganzen Polioviren der 3 Serotypen der Polioviren, die in Zellkulturen angezüchtet wurden. Solange auf der Welt noch irgendwo Poliomyelitis vorkommt und die Gefahr der Einschleppung von Wildviren droht, sollte regelmäßig geimpft werden. Erwachsene sind weitaus gefährdeter als Kleinkinder, nach Infektion mit Wildviren manifeste Lähmungen zu entwickeln!

Influenza

Da ganze Influenzaviren auch Lipide aus der Membran der Wirtszelle (das sind meist Hühnerzellen) enthalten, die toxische Reaktionen auslösen könnten, werden Spaltvakzine verwendet. Die wichtigen Immunogene, nämlich das Hämagglutinin und die Neuraminidase, werden gereinigt; eine Spur von Hühnereiweiß ist jedoch noch im Impfstoff und kann bei allergischen Personen akute Reaktionen hervorrufen. Da die Wildviren bestimmte immunogene Epitope ständig durch Antigen-Shift und Antigen-Drift (S. 243) ändern, muss der aktuell wirksame Impfstoff immer dem Muster der neusten Epidemiestämme angepasst werden. Vor allem Alte und Kranke sollten von dieser Impfung profitieren und jedes Jahr geimpft werden. Adjuvanzien verstärken die Immunreaktion. In dem Impfstoff sind Antigene von A-Stämmen und von B-Stämmen enthalten.

Hepatitis A

Die abgetöteten Viren sind stark immunogen, sodass schon nach einer Injektion ein tragfähiger Schutz entsteht. Aber erst nach einer weiteren Injektion hält der Schutz auch über Jahre an. Für Reisende und für medizinisches Personal wird diese Impfung dringlich empfohlen, wenn vorher keine natürliche Immunität erworben wurde.

Hepatitis B

Dieser rekombinante Impfstoff, der in einem Hefepilz produziert wird, enthält Teile des Surface-Antigens. Antikörper gegen diese Strukturen neutralisieren das Virus. Dieser gut verträgliche Impfstoff kann Kindern wie Erwachsenen appliziert werden. Auf jeden Fall sollten Personen mit Risikoverhalten (Drogenabhängige, Prostituierte, Freier) sowie Angehörige von Infizierten und Personal geimpft werden. Schützende Antikörper entstehen erst nach Mehrfachgabe. Ggf. muss nach Jahren eine Auffrischung erfolgen. Etwa 5 % der Bevölkerung sind Nonresponder.

Tollwut

Die Impfstoffe gegen Tollwut, die derzeit in Europa auf dem Markt angeboten werden, sind in humanen diploiden Zelllinien (HDC) gezüchtet und dann inaktiviert; sie überzeugen durch ihre gute Verträglichkeit. Sie eignen sich sowohl für die prä- als auch für die postexpositionelle Impfung, Letztere muss allerdings in einem schnelleren Rhythmus erfolgen und wird evtl. gleichzeitig von einer passiven Impfung begleitet.

HPV

Es handelt sich um rekombinant in Hefezellen hergestellte Proteine von Papillomaviren der Serovare 6, 11, 16 und 18 (ein Präparat enthält sogar neun Serovare), welche mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Uteruskarzinom erzeugen können. Die rekombinanten Proteine sind an Aluminiumhydroxid adsorbiert, um die Immunogenität zu steigern. Bei Mädchen im Alter von 12–17 Jahren (vor dem 1. Geschlechtsverkehr) und bei jungen Frauen kann die Induktion von humoralen Antikörpern mittels 3 Impfdosen vor einer späteren Karzinomentstehung schützen.

Japanische Enzephalitis (JE)

JE-Viren werden in Zellkultur gezüchtet, gereinigt und inaktiviert. Nach mehrfacher, parenteraler Impfung entstehen Antikörper, die vor der mückenübertragenen Infektion schützen. Sinnvoll für Reisende, die sich längere Zeit in Südostasien aufhalten wollen.

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J

743

4.3 Aktive Immunisierung

4.3.2 Lebendimpfstoffe ▶ Definition. Praktisch handelt es sich um attenuierte, d. h. in ihrer Virulenz ge-

4.3.2

Lebendimpfstoffe

▶ Definition.

schwächte Erreger, die aber durchaus noch vermehrungsfähig sind (Tab. J-4.3). Diese genetischen Veränderungen sind zumeist durch spontane Mutationen entstanden, z. B. durch mehrfache Passagen unter speziellen Bedingungen. Im Prinzip könnten es aber auch gentechnisch veränderte Erreger sein, bei denen gezielt Genabschnitte eliminiert sind oder die fremde Genabschnitte durch Rekombination erhalten haben. Der Vorteil der Lebendimpfstoffe liegt darin, dass sie eine natürliche Infektion imitieren und ggf. eine lokale Immunität und eine generelle Immunität induzieren können; diese Immunreaktion kann eine humorale oder auch eine zellvermittelte sein. Meistens ist die Reaktion so stark, dass eine lange, vielleicht sogar lebenslange Immunität folgt. Der Nachteil besteht darin, dass der Immunschutz erst nach einer Zeit, in der das körpereigene Immunsystem reagiert hat, verfügbar ist. Und dieses Immunsystem muss reagieren können, denn bei Abwehrschwäche könnten sich die Impferreger explosionsartig vermehren. Im Allgemeinen sind die Impfstoffe zwar stark attenuiert gegenüber den eigentlichen Krankheitserregern, indem einige Virulenzfaktoren ausgeschaltet sind, sodass die Reaktion auf den Impfstoff zumeist blande ist – aber gelegentlich doch symptomatisch wird. Wenn das Gleichgewicht verschoben ist, also bei Abwehrschwäche, können diese eigentlich gutartigen Erreger sogar auch eine fortschreitende, schwere Infektion auslösen. Vor der Impfung muss also eine krankhafte Abwehrschwäche ausgeschlossen werden. Andererseits droht bei manchen dieser Impfstoffe eine Rückmutation, sodass diese wenig gefährlichen Varianten wieder an Aggressivität gewinnen und dann auch für jeden Menschen gefährlich werden.

≡ J-4.3

Lebendimpfstoffe sind attenuiert, d. h. sie haben manche Virulenzeigenschaften verloren. Aber solche Defekte sind manchmal nicht stabil; dann sind Rückmutationen denkbar. Es besteht die prinzipielle Gefahr, dass bei Abwehrschwäche schon die attenuierten Impfstoffe eine schwere Infektionskrankheit erzeugen.

Beispiele für Impfungen mit Lebendimpfstoff

Erkrankung/ Erreger

Applikationsform

Name des Impfstoffs

Salmonellose

Die lebenden Typhusbakterien werden in Kapseln oral aufgenommen; entsprechend p. o. dem natürlichen Infektionsweg infizieren sie die Dünndarmschleimhaut. Da sie aber 2 genetische Defekte haben, können sie nur kurzfristig überleben. Einerseits haben sie eine raue Zellwand und können somit anstandslos von der unspezifischen Abwehr eliminiert werden und anderseits können sie Laktose, die sie im menschlichen Körper immer vorfinden, nicht abbauen. Die Massen an gespeicherter Laktose bringen die Bakterien um. Der Impfstoff ist also auch im abwehrgeschwächten Wirt ungefährlich; aber die Immunreaktion ist nicht protektiv, denn selbst nach Infektion mit virulenten Typhusbakterien entwickelt sich keine sichere Immunität.

Thyphoral

Cholera

Diese lebenden Cholerabakterien werden oral aufgenommen und imitieren eine p. o. natürliche Infektion. Im Darm entsteht eine lokale Immunität gegen die Untereinheit B des Choleratoxins, denn nur dieses nicht toxische Teilfragment wird von diesen Impfstämmen gebildet. Weil sie die Untereinheit A nicht bilden, sind sie nicht in der Lage, eine wässrige Enteritis auszulösen. Die Antikörper gegen Untereinheit B, die für die Bindung des Gesamtmoleküls an die Wirtszellen verantwortlich ist, verhindern die Penetration des Toxins von den Wildstämmen in die Wirtszelle.

Orochol Berna

Tuberkulose

Bacille-Calmette-Guérin ist ein Stamm von Mycobacterium bovis, der an und für sich intradermal schon wenig pathogen für den Menschen ist. Zusätzlich ist dieser Stamm noch weiter durch Laborpassagen attenuiert. Auf dem Markt sind Varianten mit unterschiedlicher Restvirulenz, manche davon sind fast apathogen, andere sind durchaus noch gefährlich. Die Effizienz, eine Immunreaktion auszulösen, hängt sehr stark von der Restvirulenz ab und je nachdem variieren die Ergebnisse. Nach lokaler Injektion intradermal zumeist über dem Trochanter kommt es lokal zu einer Vermehrung, Eiterung, Einschmelzung, Narbenbildung und Immunreaktion, die partiell protektiv ist. Ist die Virulenz weitgehend verschwunden, treten keine Komplikationen auf, aber es entsteht auch keine Immunität. Bei Abwehrschwäche und auch bei falscher Injektion, z. B. subkutan, kann sich eine mehr oder weniger progressive BCGitis entwickeln. Der Schutz ist unbefriedigend und wird nicht mehr empfohlen.

derzeit nicht mehr im Handel erhältlich

Allenfalls zur lokalen Instillation in die Harnblase bei Blasenkarzinom wird der Impfstoff noch eingesetzt.

intravesikulär

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744

≡ J-4.3

J 4 Impfungen

Beispiele für Impfungen mit Lebendimpfstoff (Fortsetzung)

Erkrankung/ Erreger

Applikationsform

Name des Impfstoffs

Pocken

Heute würde dieser Impfstoff aus attenuierten Vacciniaviren sicher nicht mehr Skarifikation zugelassen werden, denn selbst wenn man in der Anamnese schon Risikopersonen von der Erstimpfung ausgeschlossen hat, sind immer wieder Einzelne an einer Disseminierung und Pockenenzephalitis verstorben. Da die Krankheit ausgerottet ist, besteht auch keine Notwendigkeit mehr.

nicht im Handel erhältlich

Poliomyelitis

Sabin hat bei den Wildviren der Typen 1–3 spontane Mutationen induziert, die zu oral einer Attenuierung geführt haben, sodass diese Impfviren nicht mehr in der Lage sind, das ZNS zu infizieren aber durchaus noch den Darm. Nach Schluckimpfung vermehren sie sich dort massenhaft und induzieren eine Immunreaktion, die dann vor den Wildviren schützt. Aber in einem bedenklichen Maße kommt es dabei zu Rückmutationen, sodass Kontaktpersonen Gefahr laufen, mit virulenten Viren aus dem Darm von Geimpften infiziert zu werden und zu erkranken. Nachdem mithilfe der Impfung die Polio in Europa weitgehend ausgerottet war, gab es schlussendlich mehr solcher impfassoziierten Poliomyelitisfälle als eigentliche Polio. Folglich ist es richtig, dass heute die Impfung mit diesen attenuierten Polioviren nicht mehr empfohlen wird.

nicht im Handel erhältlich

Gelbfieber

Manche Länder in Afrika und Südamerika schreiben diese Impfung für Einreisende i. m. oder s. c. vor; sie ist andererseits auch sinnvoll für Aufenthalte in endemischen Gebieten, denn die Impfung schützt vor der sonst oft tödlichen Infektion. Die attenuierten Viren werden injiziert und erzeugen eine passagere Infektion der Leber mit gelegentlich fieberhaften, grippeähnlichen Beschwerden. Bei gesunden Personen wird die Virusvermehrung durch das Immunsystem innerhalb von 7–10 Tagen beendet; bei abwehrgeschwächten Personen jedoch droht eine ungebremste Ausbreitung mit schweren Folgen. Die Lebendimpfung ist eigentlich lebenslang wirksam, wird aber von manchen Staaten nur bis zu 10 Jahre anerkannt, vorausgesetzt, dass sie von einem Arzt durchgeführt wurde, der von der WHO für diese Aufgabe akkreditiert ist (siehe folgendes Merke).

Stamaril

Masern, Die Viren von Mumps, Masern und Röteln sind so stark attenuiert, dass sie von fast i. m. oder s. c. Mumps, Röteln allen Menschen gut vertragen werden. Selbst bei einer Schwangeren dürften die (MMR) Rötelnviren keine intrauterine Infektion mehr verursachen. Anderseits induzieren sie eine heftige Immunreaktion, die lange persistiert.

MMR Triplovax

Varizellen

Diese Impfung mit attenuierten Viren ist für Kinder eine Standardimpfung sowie für s. c. bestimmte Populationen mit besonderen Gesundheitsrisiken empfohlen, z. B. für seronegative Personen, die anfällig sind (Leukämie) oder deren Angehörige bzw. Personen, die Kontakt mit Erkrankten hatten.

Varilix

Rotaviren

Ab dem Alter von 6 Wochen können Kleinkinder mit diesen lebenden Viren oral oral geimpft werden. Ein monovalenter Impfstoff wird nach frühestens 4 Wochen ein zweites Mal gegeben. Ein pentavalenter Impfstoff soll 3-mal im jeweiligen Abstand von mindestens 4 Wochen verabreicht werden. Vor dem Alter von 2 Jahren soll die Impfung abgeschlossen sein.

Rotarix (monovalent), RotaTec (pentavalent)

Influenza

Gentechnisch hergestellte Temperaturmutanten von Influenza A (H1N1, H3N2) und nasal (re, li) B sind ungefährlich, weil sie nur in der Nasenschleimhaut, aber nicht bei 37 °C replizieren können. Sie erzeugen eine lokale Immunität der Nasenschleimhaut (IgA) und eine generelle Immunität (IgG). Bislang nur für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre zugelassen. Voraussetzung ist ein potentes Immunsystem.

Fluenz

▶ Merke.

▶ Merke. Die Gelbfieberimpfung ist die einzige Impfung, die nicht von jedem ap-

probierten Arzt durchgeführt werden darf! Die Anerkennung durch die Gesundheitsbehörden muss beantragt werden, um eine weltweit gültige Impfbescheinigung ausstellen zu dürfen.

4.3.3

Kombinationsimpfstoffe

Kombinationen von Impfstoffen sind möglich und üblich; Lebend- und Totimpfstoffe können gleichzeitig verabreicht werden.

4.3.3 Kombinationsimpfstoffe Aus verschiedenen praktischen Gründen ist es sinnvoll, die Zahl der Impfungen zu reduzieren, indem man mehrere Impfstoffe kombiniert, z. B. Tetanus, Diphtherie, Hib, Pertussis, Polio und Hepatitis B. Die Angst, das Immunsystem könnte bei gleichzeitiger Herausforderung überfordert sein, ist völlig unberechtigt. Dennoch gibt es gegenseitige Beeinflussungen der Immunreaktionen, sodass nicht grundsätzlich jede beliebige Kombination ohne Überprüfung möglich ist. Die gleichzeitige Gabe von Lebend- und Totimpfstoff stellt kein Problem dar.

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J

745

4.4 Gewinn durch Impfungen

Lebendimpfstoffe, speziell die viralen, induzieren jedoch Interferon, was das Angehen einer weiteren Infektion unterdrückt (Interferenz). Deshalb sollten solche Impfungen gleichzeitig erfolgen, damit alle gleiche Startbedingungen haben.

4.4

Individueller versus kollektiver Gewinn durch Impfungen

4.4

Selbst wenn eine Infektionskrankheit durch moderne Medizin und mithilfe von Antibiotika in vielen Fällen geheilt werden kann, so ist doch das Risiko für schwerere Komplikationen u. U. groß. Außerdem entsteht durch den Ausfall der Arbeitsfähigkeit, durch einen stationären Aufenthalt und die Kosten der Medikamente eine hohe finanzielle Belastung für das Gesundheitssystem. Impfungen dagegen sind für den Einzelnen vergleichsweise kostengünstig und darüber hinaus außergewöhnlich gut verträglich.

Impfungen sind aus ökonomischer Sicht eine kosteneffektive Maßnahme.

▶ Merke.

▶ Merke. Vorbeugen ist besser als Heilen.

Nur durch konsequentes Impfen, auch von Personen, die womöglich nie eine solche Infektion natürlicherweise erlebt hätten, können Infektionserkrankungen eradiziert („ausgerottet“) werden. Dies gilt natürlich nur, wenn die Erreger ausschließlich von Mensch zu Mensch übertragen werden. Sind alle möglichen Empfänger geimpft und geschützt, wird das Reservoir für den Erreger somit ausgetrocknet. Die ganze Welt konnte von der WHO 1979 für Pockenfrei erklärt werden (Abb. J-4.1). Die Eradikation der Pockenviren ist ein einmaliger, sonst unerreichter Erfolg der Medizin; diese gefährliche Krankheit, die vermutlich die meisten Todesfälle in der Menschheitsgeschichte bewirkt hat, ist ein für alle Mal besiegt. Auch der Poliomyelitisvirus ist durch gezielt durchgeführte Impfprogramme nahezu verschwunden, Masern sollen nun folgen. Anderseits gibt es Infektionskrankheiten, z. B. Tetanus, die über die Umwelt verbreitet werden. Selbstverständlich muss jeder Mensch immer gegen diese Gefahr durch Impfung geschützt werden, weil die Quelle (die Sporen in der Erde) trotz Impfungskampagnen niemals versiegen wird. Diese Impfung wird also für die nächsten Generationen noch eine ständige Aufgabe sein. Bei egoistischen Impfungen profitiert nur der Geimpfte selbst von der prophylaktischen Maßnahme einer Impfung (Tab. J-4.4). Nach einer Tetanusimpfung ist das Individuum zum Beispiel vor dieser lebensgefährlichen Folge des Bakteriumtoxins geschützt, aber auf die Verbreitung der Sporen von Clostridium tetani im Boden hat der Schutz Einzelner keinen Einfluss. Im Gegensatz zu den meisten medizinischen Maßnahmen gibt es bei manchen Impfungen, den sog. altruistischen Impfungen, noch weitreichendere Folgen für das gesamte Kollektiv (Tab. J-4.4). Wenn beispielsweise durch eine breite Anwendung des Pneumokokkenkonjugatimpfstoffes eine Herdimmunität entsteht, so wird der Erreger aus dem Nasen-Rachen-Raum verdrängt und durch die Reduktion der Trägerzahl die Gefahr einer Infektion auch für Nichtgeimpfte verringert.

≡ J-4.4

Individueller versus kollektiver Gewinn durch Impfungen

Impfungen können extrem effizient sein: Es hat sich gezeigt, dass bei konsequenter Durchführung selbst gefährliche Infektionskrankheiten wie die Pocken ein für alle Mal eradiziert werden können.

Es gibt neben egoistischen Impfungen, von denen nur der Geimpfte allein profitiert (z. B. Tetanus), auch altruistische Impfungen, von denen zusätzlich auch die ganze Gesellschaft Nutzen hat. So induziert z. B. der Pneumokokkenkonjugatimpfstoff eine lokale Immunität der Nasenschleimhaut, sodass die Kolonisierung mit den pathogenen Pneumokokken unterbunden wird (Tab. J-4.4).

Individueller und kollektiver Gewinn von Impfungen

egoistische Impfungen

altruistische Impfungen

„Egoistische“ Impfstoffe sind Vakzine, mit deren Gabe ausschließlich oder überwiegend nur der Schutz des Impflings selbst erreicht werden soll (Individualschutz).

„Altruistische“ Impfstoffe sind Vakzine, mit deren Gabe nicht nur der Schutz des Impflings selbst, sondern auch der Drittschutz nicht geimpfter oder nicht impfbarer Personen verfolgt wird (Kollektivschutz).



Typhus inaktiviert



Hepatitis A



FSME



Hepatitis B



Haemophilus influenzae Typ b



Influenza (Tot- und Lebendimpfstoff)



Tollwut



Masern



Pneumokokken (Polysaccharidimpfstoff)



Mumps



Polio inaktiviert (IPV)



Polio lebend



Diphtherie



Röteln



Tetanus



Varizellen



Pneumokokken (Konjugatimpfstoff)



Pertussis

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J

745

4.4 Gewinn durch Impfungen

Lebendimpfstoffe, speziell die viralen, induzieren jedoch Interferon, was das Angehen einer weiteren Infektion unterdrückt (Interferenz). Deshalb sollten solche Impfungen gleichzeitig erfolgen, damit alle gleiche Startbedingungen haben.

4.4

Individueller versus kollektiver Gewinn durch Impfungen

4.4

Selbst wenn eine Infektionskrankheit durch moderne Medizin und mithilfe von Antibiotika in vielen Fällen geheilt werden kann, so ist doch das Risiko für schwerere Komplikationen u. U. groß. Außerdem entsteht durch den Ausfall der Arbeitsfähigkeit, durch einen stationären Aufenthalt und die Kosten der Medikamente eine hohe finanzielle Belastung für das Gesundheitssystem. Impfungen dagegen sind für den Einzelnen vergleichsweise kostengünstig und darüber hinaus außergewöhnlich gut verträglich.

Impfungen sind aus ökonomischer Sicht eine kosteneffektive Maßnahme.

▶ Merke.

▶ Merke. Vorbeugen ist besser als Heilen.

Nur durch konsequentes Impfen, auch von Personen, die womöglich nie eine solche Infektion natürlicherweise erlebt hätten, können Infektionserkrankungen eradiziert („ausgerottet“) werden. Dies gilt natürlich nur, wenn die Erreger ausschließlich von Mensch zu Mensch übertragen werden. Sind alle möglichen Empfänger geimpft und geschützt, wird das Reservoir für den Erreger somit ausgetrocknet. Die ganze Welt konnte von der WHO 1979 für Pockenfrei erklärt werden (Abb. J-4.1). Die Eradikation der Pockenviren ist ein einmaliger, sonst unerreichter Erfolg der Medizin; diese gefährliche Krankheit, die vermutlich die meisten Todesfälle in der Menschheitsgeschichte bewirkt hat, ist ein für alle Mal besiegt. Auch der Poliomyelitisvirus ist durch gezielt durchgeführte Impfprogramme nahezu verschwunden, Masern sollen nun folgen. Anderseits gibt es Infektionskrankheiten, z. B. Tetanus, die über die Umwelt verbreitet werden. Selbstverständlich muss jeder Mensch immer gegen diese Gefahr durch Impfung geschützt werden, weil die Quelle (die Sporen in der Erde) trotz Impfungskampagnen niemals versiegen wird. Diese Impfung wird also für die nächsten Generationen noch eine ständige Aufgabe sein. Bei egoistischen Impfungen profitiert nur der Geimpfte selbst von der prophylaktischen Maßnahme einer Impfung (Tab. J-4.4). Nach einer Tetanusimpfung ist das Individuum zum Beispiel vor dieser lebensgefährlichen Folge des Bakteriumtoxins geschützt, aber auf die Verbreitung der Sporen von Clostridium tetani im Boden hat der Schutz Einzelner keinen Einfluss. Im Gegensatz zu den meisten medizinischen Maßnahmen gibt es bei manchen Impfungen, den sog. altruistischen Impfungen, noch weitreichendere Folgen für das gesamte Kollektiv (Tab. J-4.4). Wenn beispielsweise durch eine breite Anwendung des Pneumokokkenkonjugatimpfstoffes eine Herdimmunität entsteht, so wird der Erreger aus dem Nasen-Rachen-Raum verdrängt und durch die Reduktion der Trägerzahl die Gefahr einer Infektion auch für Nichtgeimpfte verringert.

≡ J-4.4

Individueller versus kollektiver Gewinn durch Impfungen

Impfungen können extrem effizient sein: Es hat sich gezeigt, dass bei konsequenter Durchführung selbst gefährliche Infektionskrankheiten wie die Pocken ein für alle Mal eradiziert werden können.

Es gibt neben egoistischen Impfungen, von denen nur der Geimpfte allein profitiert (z. B. Tetanus), auch altruistische Impfungen, von denen zusätzlich auch die ganze Gesellschaft Nutzen hat. So induziert z. B. der Pneumokokkenkonjugatimpfstoff eine lokale Immunität der Nasenschleimhaut, sodass die Kolonisierung mit den pathogenen Pneumokokken unterbunden wird (Tab. J-4.4).

Individueller und kollektiver Gewinn von Impfungen

egoistische Impfungen

altruistische Impfungen

„Egoistische“ Impfstoffe sind Vakzine, mit deren Gabe ausschließlich oder überwiegend nur der Schutz des Impflings selbst erreicht werden soll (Individualschutz).

„Altruistische“ Impfstoffe sind Vakzine, mit deren Gabe nicht nur der Schutz des Impflings selbst, sondern auch der Drittschutz nicht geimpfter oder nicht impfbarer Personen verfolgt wird (Kollektivschutz).



Typhus inaktiviert



Hepatitis A



FSME



Hepatitis B



Haemophilus influenzae Typ b



Influenza (Tot- und Lebendimpfstoff)



Tollwut



Masern



Pneumokokken (Polysaccharidimpfstoff)



Mumps



Polio inaktiviert (IPV)



Polio lebend



Diphtherie



Röteln



Tetanus



Varizellen



Pneumokokken (Konjugatimpfstoff)



Pertussis

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746 ▶ Exkurs.

4.5

Impfpflicht

In Deutschland gibt es keine generelle Impfpflicht. Es gibt jedoch eine ganze Reihe von öffentlich empfohlenen Impfungen.

In speziellen Situationen gibt es eine Impfpflicht.

4.6

Impfempfehlungen

▶ Merke.

J 4 Impfungen ▶ Exkurs. Impfgegner Objektiv gibt es kaum stichhaltige Argumente gegen die vernünftige Umsetzung von Impfempfehlungen der STIKO, auch wenn es gelegentlich Impfzwischenfälle gibt, die für das Individuum mehr oder weniger stark und nachhaltig nachteilig sind. Vor der Zulassung eines Impfstoffes werden von den Behörden (Paul-Ehrlich-Institut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel in Langen) Belege über die Effektivität und Verträglichkeit verlangt. Dennoch gibt es immer wieder Personen, die aus weltanschaulichen Gründen solche effektiven, vorsorglichen Maßnahmen strikt und z. T. auch vehement ablehnen.

4.5

Impfpflicht

In Deutschland gibt es im Gegensatz zu fast allen Industrienationen keine generelle Impfpflicht; vielmehr ist jeder mündige Bürger aufgefordert, sich zu informieren und für sich und für andere Familienmitglieder die geeigneten Impfungen im Gespräch mit dem Hausarzt zu definieren. Leider gibt es in der Laienpresse einige Unruhestifter, die in unobjektiver Weise die Impfprophylaxe verteufeln. Dabei ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis der sogenannten „öffentlich empfohlenen Impfungen“ unbestreitbar günstig. Als Folge der fehlenden Impfpflicht ist die Rate der geschützten Personen in manchen Bereichen niedrig. Ausnahmsweise gibt es eine Impfpflicht nach § 17, Abs. 4 des Soldatengesetzes; bei Fernreisen greift ggf. die Vorschrift des Internationalen Sanitätsreglements, wonach eine Impfung gegen Gelbfieber (und Cholera) von manchen Staaten bei der Einreise verlangt werden darf. Im Falle einer drohenden Gefahr für die Volksgesundheit kann aber auch nach Vorgaben des IfSG durch die Behörde eine selektive Impfpflicht erlassen werden. Somit wäre die persönliche Entscheidung eingeschränkt.

4.6

Impfempfehlungen

▶ Merke. Die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim RKI wer-

den regelmäßig aktualisiert (www.rki.de). Vom RKI wird regelmäßig ein Impfkalender aktualisiert.

▶ Exkurs.

4.7

Weitere Impfstrategien

Personen in medizinischen Berufen sollten gegen eine Reihe von Infektionen geimpft sein (Tab. J-4.5).

Vom RKI wird ein detaillierter Impfkalender für Kinder und Erwachsene vorgestellt (www.rki.de). Außerdem werden Begründungen sowie die günstigsten Zeitpunkte der Indikationsimpfungen und der Auffrischimpfungen genannt. Ist einmal eine Grundimmunisierung im Kindesalter erfolgt, so muss bei den Auffrischimpfungen von Td, die bis ins hohe Alter regelrecht alle 10 Jahre stattfinden soll, nur noch 1 Injektion erfolgen – selbst wenn die letzte Impfung mehr als 10 Jahre zurückliegt. Als Arzt sollte man die „öffentlich empfohlenen Impfungen“ der zuständigen Landesbehörde der einzelnen Bundesländer entsprechend den Angaben im § 60 Abs. 1 Nummer 1 des IfSG kennen und anwenden. Einige dieser öffentlich empfohlenen Impfungen sind auch Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), andere dagegen, wie etwa Hepatitis und Typhus, werden privat berechnet. ▶ Exkurs. Neben den anerkannten und öffentlich empfohlenen Impfungen gibt es noch eine Reihe von Impfstoffen, die in Deutschland nicht zugelassen sind und nur für ganz selektionierte Fälle infrage kommen, wie etwa die Impfung gegen die Pest.

4.7

Weitere Impfstrategien

Zwar sollte man sich an den generellen Impfplan halten, doch je nach Alter, Umständen, Beruf oder Reiseziel kann man durchaus auch individuelle Anpassungen vornehmen. So sind Impfungen aus beruflichen Gründen, insbesondere bei Personen in medizinischen Berufen, angezeigt (Tab. J-4.5), Nicht nur für Ärzte und Pflegepersonal auf Station, sondern auch im Labor, in der Krankengymnastik, im technischen Dienst, in der Reinigung und Küche sowie im Rettungsdienst gilt eine Empfehlung nach Biostoffverordnung bzw. der TRBA 250 der Berufsgenossenschaft, wonach bestimmte Impfungen angeraten sind. Dies ist einerseits wichtig, um sich selbst bei erhöhtem Expositionsrisiko zu schützen, aber andererseits auch, um die Weitergabe an einen womöglich abwehrgeschwächten Patienten zu unterbinden.

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J

≡ J-4.5

Impfungen für medizinisches Personal

für alle

Tetanus, Diphtherie, Infuenza, Masern, Hepatitis A, Hepatitis B

für speziell Exponierte

Pertussis, Meningokokken, Poliomyelitis, Mumps, Röteln (Kontakt mit Kindern und Schwangeren), Varizella (Kontakt mit Kindern, Schwangeren, Immunsupprimierten)

In der Arbeitsmedizin gibt es verschiedene Vorschriften und Verordnungen, wonach der Arbeitgeber verpflichtet ist, Impfungen zur Gesundheitsvorsorge anzubieten oder zu veranlassen. Bei Tierärzten ist sicherlich eine Impfung gegen Tollwutvirus sinnvoll. Diese Impfung empfiehlt sich im Übrigen auch für Berufe im Forstwesen, wie Waldarbeiter oder Förster. Sie sollte in den Naturherden für die durch Zecken übertragene Frühsommer-Meningoenzephalitis noch durch eine FSME-Impfung ergänzt werden. Außerdem gibt es noch die sog. Indikationsimpfungen, wenn eine spezielle Exposition zu erwarten ist (z. B. bei Reisen in Endemiegebiete, vor allem in exotische Länder) bzw. schon stattgefunden hat (Impfung während einer langen Inkubationszeit noch möglich) oder wenn während eines Ausbruchs das Risiko einer Keimübertragung besteht. Ziel einer solchen Riegelimpfung (Syn.: Riegelungsimpfung), die regional begrenzt nach Ausbruch einer Erkrankung eingeleitet wird, ist die Unterbindung einer weiteren Verbreitung des Erregers. Eine Riegelimpfung ist vor allem dann sinnvoll, wenn die lokale Herdenimmunität in einer Bevölkerungsgruppe einen gewissen Grad unterschreitet, z. B. bei Masern, Mumps, Hepatitis A, Poliomyelitis, Pertussis und Meningokokken. Im Falle von schweren Epidemien, wie etwa mit Ebolaoder Zikavirus, werden Impfstoffe produziert, die punktuell eingesetzt werden. ▶ Exkurs. Reisemedizin Bei allen Reisen, besonders aber vor Reisen in Länder mit schlechter medizinischer Versorgung und Infektionskrankheiten, die bei uns durch Impfungen bereits ausgerottet sind (wie Poliomyelitis), sollten die Standardimpfungen überprüft (Kontrolle des Impfpasses) und bei Bedarf aufgefrischt werden. Reisespezifische Impfungen, wie z. B. Hepatitis A, FSME, Typhus oder Tollwut, richten sich zum einen nach den Anforderungen des Reiselandes bzw. der dort vorkommenden Infektionskrankheiten und zum anderen auch nach der Art der Reise (Rucksacktourismus, Entwicklungshilfsdienst oder Luxusreise). So wäre z. B. bei Wandern durch abgelegene Gebiete evtl. eine Tollwutimpfung angeraten. Bei Aufenthalten in Endemiegebieten für Gelbfieber (Südamerika, Äquatorialafrika) bzw. für Japanische Enzephalitis (ländliche Gebiete von Südostasien mit Reisfeldern) wäre jeweils eine Impfung dringend zu empfehlen. Manche Länder schreiben sogar eine Gelbfieberimpfung zwingend vor. Vor Reisen in Endemiegebiete der FSME in Deutschland und Europa (v. a. Osteuropa) ist eine aktive Grundimmunisierung gegen FSME sinnvoll. Im Rahmen einer reisemedizinischen Beratung sollten neben den Impfungen auch die Vermeidung anderer Risiken (Malariaprophylaxe, Höhenkrankheit, Essgewohnheiten etc.) angesprochen werden. Dazu gehört evtl. auch die Ausstattung einer Notfallapotheke (Malariaselbstmedikation, Behandlung von Mückenstichen, Verbandsmaterial, Antipyretika, Antiemetika, Antidiarrhoika, Beruhigungsmittel bzw. Schlafmittel, Trinkwasseraufbereitung etc.), vgl. auch Reiseapotheke (S. 691).

4.8

747

4.8 Impfdokumentation

Impfdokumentation

Mündige Patienten fordern heute auch eine ausführliche Aufklärung über Hintergründe und evtl. Nebenwirkungen sowie weitere Impfungen, z. B. Auffrischimpfungen. Diese Aufklärungspflicht des Arztes kann in Schriftform erfolgen; Info-Broschüren und Merkblätter mit den wichtigsten Hinweisen für die gängigen Impfungen, die der Patient ggf. auch signieren soll, liefert das Grüne Kreuz (Marburg). Jede Impfung muss von dem impfenden Arzt in ein Impfbuch eingetragen werden oder es muss eine formlose Impfbescheinigung ausgestellt werden. Aber kein anderer Arzt darf die Daten über Impfungen, die er selbst nicht durchgeführt hat, einfach in ein neues Impfbuch übertragen. Diese Impfdokumentation ist auch wichtig für den Fall von Regressen nach Impfschäden (Folgen, die über eine leichte, vorübergehende, lokale Reaktion hinausgehen), weil das jeweilige Bundesland diese finanziellen Forderungen übernimmt, sofern eben die Impfung lege artis erfolgte.

≡ J-4.5

Sog. Riegelimpfungen sind dann indiziert, wenn im Rahmen eines Ausbruchs die weitere Verbreitung des Erregers in einer nicht geimpften Population eigedämmt werden soll.

▶ Exkurs.

4.8

Impfdokumentation

Vor der Impfung sollte eine Aufklärung erfolgen. Die Impfung muss formal richtig dokumentiert werden.

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748

J 4 Impfungen

4.9

4.9

Zukünftige Entwicklungen

Zukünftige Entwicklungen

Zukünftig werden bei der Entwicklung neuer viraler Impfstoffe gentechnologische Verfahren in den Vordergrund rücken. Durch gentechnische Methoden werden auch Kombinationsimpfstoffe möglich sein („Designervakzine“), in denen von verschiedenen infektiösen Erregern immunogene Teile enthalten sind, sodass sich mit einer einzigen Impfung ein Schutz gegen eine Vielzahl von Erregern erreichen lässt.

Nachdem schon heute rekombinante Totimpfstoffe in der täglichen Impfpraxis verwendet werden, ist absehbar, dass zukünftig bei der Entwicklung neuer viraler Impfstoffe gentechnologische Verfahren in den Vordergrund rücken. Ein Grund dafür ist sicherlich die sehr viel bessere Kontrolle der Kontaminationen von Impfstoffen durch Fremdsubstanzen, wie zellulären Proteinen, aber auch Verunreinigungen mit anderen unbekannten Viren, wie es bei der Herstellung der ersten Poliovirusvakzine geschah. Das Impfvirus wurde in Affenzellen attenuiert, wobei ein bis dahin nicht gekanntes Affenvirus, das Polyomavirus SV40, in die Impfchargen gelangte. Weiterhin lassen sich durch gentechnische Methoden auch Kombinationsimpfstoffe gezielt zusammenbauen („Designervakzine“), in denen von verschiedenen infektiösen Erregern immunogene Teile enthalten sind, sodass sich mit einer einzigen Impfung ein Schutz gegen mehrere Erreger erreichen lässt. Vielversprechende experimentelle Ansätze sind zurzeit auf folgenden Gebieten zu verzeichnen:

Rekombinante Lebendvakzine als Vektor: Ziel bei der Herstellung einer rekombinanten Lebendvakzine, die als Vektor genutzt werden kann, ist es, ein Virus mit möglichst geringer Pathogenität als lebenden Vektor zum Einbringen eines immunogenen Teilprodukts eines anderen Virus zu nutzen.

Rekombinante Lebendvakzine als Vektor: Ziel dieser Versuche ist es, ein Virus mit möglichst geringer Pathogenität als lebenden Vektor zum Einbringen eines immunogenen Teilprodukts eines anderen Virus zu nutzen. Die Konstruktion solcher Chimärenviren ist vielfach gelungen, und experimentelle Untersuchungen in Tiermodellen haben ihren immunisierenden Charakter erwiesen. So wurde z. B. in das Virusprotein VP1 des Polioimpfvirus eine Sequenz des HIV-env-Proteins kloniert, von der bekannt war, dass sie neutralisierende Antikörper gegen HIV induziert. Andere Viren, die als Vektoren zur Diskussion stehen, sind das Adenovirus und das Vacciniavirus. Diese Viren haben gegenüber Poliovirus den Vorteil, dass sie größere Insertionen von fremden Nukleotidsequenzen ohne Verlust ihrer Infektiosität verkraften. Auch der Gedanke, den Organtropismus eines Virus als Vektor zu nutzen, um z. B. eine besonders gute Schleimhautimmunität im Respirationstrakt gegen ein anderes Virus zu erzielen, spielt zunehmend beim Entwurf solcher potenziellen Vakzine eine Rolle.

DNA-Vakzine: Ein völlig neuer Weg der Vakzineentwicklung wurde mit dem Weg des DNA-Impfstoffes beschritten, bei der Plasmide als Vehikel benutzt werden, um die Expression bestimmter Virusproteine im immunisierten Tier hervorzurufen.

DNA-Vakzine: Ein völlig neuer experimenteller Weg wurde mit der DNA-Vakzinierung beschritten, bei der Plasmide als Vehikel benutzt werden, um die Expression bestimmter Virusproteine im immunisierten Tier hervorzurufen. Das bekannteste Beispiel ist die Klonierung des Hämagglutinins von Influenzavirus in ein Plasmid und seine Expression durch einen starken viralen Promotor. Solche in die Haut von Mäusen applizierten Plasmide werden offensichtlich von Muskelzellen endozytiert, und es kommt zur Expression des Hämagglutiningens. In der Folge entsteht eine starke humorale und zelluläre Immunantwort gegen das Hämagglutinin, die sogar bei der Exposition der Tiere mit einer letalen Dosis von Influenzavirus protektiv ist.

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J 4 Impfungen

4.9

4.9

Zukünftige Entwicklungen

Zukünftige Entwicklungen

Zukünftig werden bei der Entwicklung neuer viraler Impfstoffe gentechnologische Verfahren in den Vordergrund rücken. Durch gentechnische Methoden werden auch Kombinationsimpfstoffe möglich sein („Designervakzine“), in denen von verschiedenen infektiösen Erregern immunogene Teile enthalten sind, sodass sich mit einer einzigen Impfung ein Schutz gegen eine Vielzahl von Erregern erreichen lässt.

Nachdem schon heute rekombinante Totimpfstoffe in der täglichen Impfpraxis verwendet werden, ist absehbar, dass zukünftig bei der Entwicklung neuer viraler Impfstoffe gentechnologische Verfahren in den Vordergrund rücken. Ein Grund dafür ist sicherlich die sehr viel bessere Kontrolle der Kontaminationen von Impfstoffen durch Fremdsubstanzen, wie zellulären Proteinen, aber auch Verunreinigungen mit anderen unbekannten Viren, wie es bei der Herstellung der ersten Poliovirusvakzine geschah. Das Impfvirus wurde in Affenzellen attenuiert, wobei ein bis dahin nicht gekanntes Affenvirus, das Polyomavirus SV40, in die Impfchargen gelangte. Weiterhin lassen sich durch gentechnische Methoden auch Kombinationsimpfstoffe gezielt zusammenbauen („Designervakzine“), in denen von verschiedenen infektiösen Erregern immunogene Teile enthalten sind, sodass sich mit einer einzigen Impfung ein Schutz gegen mehrere Erreger erreichen lässt. Vielversprechende experimentelle Ansätze sind zurzeit auf folgenden Gebieten zu verzeichnen:

Rekombinante Lebendvakzine als Vektor: Ziel bei der Herstellung einer rekombinanten Lebendvakzine, die als Vektor genutzt werden kann, ist es, ein Virus mit möglichst geringer Pathogenität als lebenden Vektor zum Einbringen eines immunogenen Teilprodukts eines anderen Virus zu nutzen.

Rekombinante Lebendvakzine als Vektor: Ziel dieser Versuche ist es, ein Virus mit möglichst geringer Pathogenität als lebenden Vektor zum Einbringen eines immunogenen Teilprodukts eines anderen Virus zu nutzen. Die Konstruktion solcher Chimärenviren ist vielfach gelungen, und experimentelle Untersuchungen in Tiermodellen haben ihren immunisierenden Charakter erwiesen. So wurde z. B. in das Virusprotein VP1 des Polioimpfvirus eine Sequenz des HIV-env-Proteins kloniert, von der bekannt war, dass sie neutralisierende Antikörper gegen HIV induziert. Andere Viren, die als Vektoren zur Diskussion stehen, sind das Adenovirus und das Vacciniavirus. Diese Viren haben gegenüber Poliovirus den Vorteil, dass sie größere Insertionen von fremden Nukleotidsequenzen ohne Verlust ihrer Infektiosität verkraften. Auch der Gedanke, den Organtropismus eines Virus als Vektor zu nutzen, um z. B. eine besonders gute Schleimhautimmunität im Respirationstrakt gegen ein anderes Virus zu erzielen, spielt zunehmend beim Entwurf solcher potenziellen Vakzine eine Rolle.

DNA-Vakzine: Ein völlig neuer Weg der Vakzineentwicklung wurde mit dem Weg des DNA-Impfstoffes beschritten, bei der Plasmide als Vehikel benutzt werden, um die Expression bestimmter Virusproteine im immunisierten Tier hervorzurufen.

DNA-Vakzine: Ein völlig neuer experimenteller Weg wurde mit der DNA-Vakzinierung beschritten, bei der Plasmide als Vehikel benutzt werden, um die Expression bestimmter Virusproteine im immunisierten Tier hervorzurufen. Das bekannteste Beispiel ist die Klonierung des Hämagglutinins von Influenzavirus in ein Plasmid und seine Expression durch einen starken viralen Promotor. Solche in die Haut von Mäusen applizierten Plasmide werden offensichtlich von Muskelzellen endozytiert, und es kommt zur Expression des Hämagglutiningens. In der Folge entsteht eine starke humorale und zelluläre Immunantwort gegen das Hämagglutinin, die sogar bei der Exposition der Tiere mit einer letalen Dosis von Influenzavirus protektiv ist.

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Sachverzeichnis

Sachverzeichnis Halbfette Seitenzahl: Sind mehrere Seitenzahlen unter einem Stichwort angegeben, wird das Stichwort auf der halbfett markierten Seite ausführlicher besprochen.

A Abacavir 194 Abfallhygiene, Krankenhaus 716 Abflammen 734 Abklatsch 36 ABPA = allergische bronchopulmonale Aspergillose 500 ABS = antibiotic stewardship 71, 323, 373 ABS-Programm 71 Abschnürung, virale 179 Abszess 673 Abwasserhygiene 705 Abwehr – spezifische 186 – unspezifische 185 Abwehrschwäche, Infektionen 686 Abwehrspannung 654 Acanthamoeba 538 Acarex-Test 605 Acarosan-Schaum 605 Aciclovir 192, 252 Aciclovirmonophosphat = Ac-MP 192 ACID = activation-induced cell death 157 Acinetobacter 394 Ac-MP = Aciclovirmonophosphat 192 Acne vulgaris 357 Acrodermatitis chronica atrophicans 447 Actinobaculum 358 Acylureidopenicilline 305 ADA = Adenosindeaminase 147 ADCC = antikörperabhängige zelluläre Zytotoxizität; antibody-dependent cell-mediated cytotoxicity 96, 118, 140 Adefovir 276 Adenosindeaminase = ADA 147 Adenoviridae 173, 267 Adenovirus 268 – Infektion, persistente 190 – Interferonblockade 188 – Struktur 267 Adenylatzyklasetoxin 430 Adhäsin, intrazelluläres 330 Adhäsionsprotein, extrazelluläres (Eap) 330 Adnexitis 388, 665 Adsorbatimpfstoffe 740 Adsorption, virale 173 Aedes-Mücken 611 Affenpocken 690 Affinitätsreifung 127 Aflatoxin 475 – B 475, 499 Agammaglobulinämie, X-linked 145 Agar 299 Agardiffusionstest 318 Agglutination 47 Agglutinationsreaktionen 61 Aggregatibacter 359 AIDS = acquired immunodeficiency syndrome 221 AIDS-related complex = ARC 222

AIRE = autoimmune regulator – Gen, Mutation 159 – Transkriptionsfaktor 159 Akanthamöben-Keratitis 626 Akrodermatitis, allergische 605 Aktinomykose 359 Aktinomyzeten 358 Akute-Phase-Protein 29, 115 Alastrimvirus 271 Albendazol 555 Aldehyde, zur Desinfektion 726 Alginat 396 Alkohole, zur Desinfektion 725 Alkylamine, zur Desinfektion 729 Allergen 151 Allergie 25, 151 – Pilze 473 Allergische bronchopulmonale Aspergillose = ABPA 500 Allicin 302 Allylamine 483 Alphacoronavirus 208 Alphaherpesvirinae 248, 249 Alphavirus 209, 212 ALPS = Autoimmunes lymphoproliferatives Syndrom 160 Alter – Infektionen 683 – – häufige 684 – Veränderungen des Immunsystems 683 Alternaria 473, 504 Altweltarenavirus 238 Amanita – muscaria 474 – phalloides 474 Ameisensäurederivat 196 Amikacin 306, 382 Aminkolpitis 665 Aminoglykosidantibiotika, Wirkmechanismus 309 Aminoglykosidasen 312 Aminoglykoside 306 Aminopenicilline 305 – bei Harnwegsinfektion 661 Ammenphänomen 436 Ammoniumverbindungen 719 Amöben 517, 535 Amöbenruhr 535 Amöbiasis 535 Amoxicillin 305 AmpC-Betalaktamasen 311 Amphotericin B 482 Ampicillin 305 Amplicon 51 AMS = antimicrobial stewardship 618 Analytik 37 Anämie – autoimmune hämolytische 161 – hämolytische 162 – – nach Medikamentengabe 152 – perniziöse 650 Anamnese 27 Ancylostoma duodenale 562 Ancylostomatidae 561 Ancylostomatidose 562 Anergie 156 – periphere 157

Angina – Plaut-Vincent 445, 635 – tonsillaris 338, 634 Angiomatose, bazilläre 466 Anheizzeit 732 Anisakiasis 560 Anisakis simplex 560 Ankerposition 103 Ankylostoma 690 (RLT-)Anlagen = raumlufttechnische Anlagen 710 Anopheles-Mücke 520, 610 Anoplura 608 Ansäuerung, Lebensmittel 701 Ansteckungsverdächtiger 712 Anthelminthika 555 Anthrax 361 Antibiogramm 317 Antibiotic Stewardship = ABS 71, 323, 373 Antibiotika 67 – Angriffspunkte 308 – Antagonismus 319 – Applikationsart 69 – Applikationsintervall 70 – bakteriostatisch 307 – bakterizid 307 – Betalaktam- 304 – Bioverfügbarkeit 68, 73 – Breakpoints 317 – Breitspektrum- 304 – Definition 303 – Diffusionstest 318 – Dosierung 70 – endogene 68, 303 – Gewebegängigkeit 320 – Grundregeln für den Einsatz 68 – Hemmkonzentration 317 – intermediäre 318 – Kriterien 315 – Penicillinderivate 304 – Pharmakokinetik 320 – pleiotrope Effekte 68 – Prophylaxe – – lokale 325 – – perioperative 324 – Reevaluierung 72 – resistente 318 – Resistenzen 310 – Resistenzmechanismen 67 – Resistenztestung 317 – Schmalspektrum 304 – Second-line- 380 – sensible 318 – Spiegelbestimmung 321 – Synergismus 319 – Therapie, orale 72 – Tuberkulostatika 382 – Verbrauch 71 – Wechselwirkungen 322 – Wirkmechanismen 308 – Wirkspektrum 304 – Wirkungen – – allergische 322 – – biologische 323 – – toxische 322 Antibiotikatherapie – Auswahl des Antibiotikums 316 – Auswahlkriterien 323 – Fehler 326

– gezielte 315 – Grundkonzept 320 – kalkulierte 315 – orale 72 – Wechselwirkungen 322 Antibiotikavisite 72 antibody-dependent cellmediated cytotoxicity = ADCC 96 Antigen 78 – allergisches 151 – Aufnahme 119 – Prozessierung 86 – thymusunabhängiges 130 Antigenbindung, Signaltransduktion 108 Antigenbindungsstelle 99 – Hypermutation 127 Antigen-Drift, virale 244 Antigenerkennung – B-Lymphozyten 99 – CD8+-T-Lymphozyten 135 – T-Lymphozyten 102 Antigenic Mimicry 341 Antigennachweis 47 Antigenprozessierung 105 Antigenrezeptor 87 – autospezifischer 157 – B-Lymphozyten 88 – T-Lymphozyten 88 Antigen-Shift, viraler 243 Antihistaminikum, Allergie 152 Antiinfektivaliste 72 Antikörper = AK – Antigenbindungsstelle 99 – Autoimmunreaktion 162 – autoreaktiver 162 – – Procainamid 161 – HBV-Infektion 275 – neutralisierender 137 Antikörper-Antigen-Bindung 100 Antikörperbildung 88 Antikörpermangelsyndrom 146 – Therapie 147 Antikörpernachweis, EBV 259 Antikörper-Postulat 17 Antikörperüberschuss 153 Antimetabolite 484 antimicrobial stewardship = AMS 618 Antimikrobielle Naturstoffe – Apidaecin 302 – Magainin 302 Antimikrobielle Therapie, Grundregeln 68 Anti-mRNA-Polarität 169 Antimykotika 481 – Resistenzen 484 Antiphospholipidsyndrom = APS 29, 692 Antisepsis 17, 719 Anti-Streptolysin O 342 α-Antitrypsin 29 Antrumgastritis 452 APC = antigenpräsentierende Zelle 221 APECED = Autoimmunes-Polyendokrinopathie-Kandidiasisektodermales-DystrophieSyndrom 159 Apidaecin 302

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750 Apoptose 114 – Induktion 157 – rezeptorvermittelte 136 – Thymozyt 157 Appendizitis 653 Appendizitiserreger 346 APS = Antiphospholipidsyndrom 29, 692 APS-1 = Autoimmun-Polyendokrinopathie Typ 1 159 Arachnida 593, 601 ARC = AIDS-related complex 222 Arcanobacterium 358 Archaebakterien 19 Area under the curve = AUC 320 Arenaviridae 172, 237 Arenavirus 237 Armadillo 385 Art, virale 172 Artemether 525 Artesunat 525 Arthritis 388, 669 – akute eitrige 669 – mikrobiologische Diagnostik 671 – postenteritische 162 – Protheseninfektion 669 – reaktive 417 – – seröse 669 – rheumatoide 164 – – Pathogenese 164 – Therapie 671 Arthritis purulenta 669 Arthrokonidien 479, 494 Arthropoden 19, 593 – Giftwirkung 595 – Parasitismus 595 – Reaktion – – allergische 598 – – psychische 598 – Vektorfunktion 596 Arthrose 669 Arthus-Reaktion 154 Arzneimittelexanthem 150 Ascarididae 558 Ascaris 690 – lumbricoides 559 Ascus 476 Asepsis 17 Askariasis 559 Askariose 559 Askomyzeten 476, 479 ASL-O = Anti-Streptolysin O 342 Aspergillom 500, 692 Aspergillus 498 – flavus 499 – fumigatus 499, 642 – niger 501, 630 – ochraceus 499, 501 – parasiticus 499 – Pneumonie 500, 640 Atazanavir 196 Atemlähmung 368 Atemschutz 710 Atemschutzmaske 711 Atemtest, Helicobacter pylori 453 Atemwegsinfektion, virale 208, 268 Atopie 151 Atovaquone 525 AUC = area under the curve 320 Auffrischimpfung 142, 276, 739 Augeninfektion, virale 202, 268 Augenwurm 569 Ausbreitung, virale 182 Ausgleichszeit 732 Auskultation, bei Pneumonie 639 Ausscheider 712 Ausscheidung, virale 184

Sachverzeichnis Ausschleusung, virale 179 – Blockierung 197 Ausstreichen, fraktioniertes 300 Australia-Antigen 275 Autoantigen, sequestriertes 158 Autoantikörper 163 Autoimmunantwort, kreuzreaktive 162 Autoimmunerkrankung 155156 – ALPS 160 – APECED 159 – Infektion 161 – IPEX 160 – Medikamente 161 – MHC-Antigen 160 – Umweltfaktoren 161 – Vererbung 159 Autoimmunes lymphoproliferatives Syndrom = ALPS 160 Autoimmunes-Polyendokrinopathie-Kandidiasis-ektodermales-Dystrophie-Syndrom = APECED 159 Autoimmunität – Medikamente 161 – Toxine 161 Autoimmun-Polyendokrinopathie Typ 1 = APS-1 159 Autoimmunreaktion – Antikörper 162 – Immunkomplexe 163 – Pathomechanismus 162 – T-Lymphozyt 163 Auxanogramm 480 Avibactam 310, 312 Aviditätsbestimmung 64 Azidothymidin = AZT 194 Azithromycin 306 Azole 483 AZT = Azidothymidin 194 Aztreonam 305

B Babesia 526 – microti 526 Bacille-Calmette-Guerin 743 Bacillus – anthracis 361 – – Nachweis 362 – cereus 363 – Klassifikation 360 Bäckerkrätze 605 Bacteriozine 302 Bacterium pyocyaneum 395 Bacteroidales 454 Bacteroides 454 Bacteroidestyp 24 Badewasserhygiene 705 Bakterien – anaerobe 298 – antibakterielle Chemotherapie 301 – Aufbau 283 – äußere Membran bei gramnegativen B. 293 – auxotroph 298 – Biofilm 299 – Definition 19 – Differenzierung 46 – Energieproduktion 288 – extrazelluläre Toxine 297 – fakultativ anaerobe 298 – Fimbrien 295 – Flagellen 296 – Formen 292 – Geißeln 296 – genetische Struktur 283 – Gram-Negativität 291 – Gram-Positivität 291

– – – –

kapnophile 298 Kapseln 296 Kultur 44 multiresistente gramnegative = MRGN 314, 315 – Mutation 285 – Pili 295 – Plasmide 287 – Proteinsynthese 287 – prototroph 298 – Sporen 297 – Zellwand 289 – Zellwanddefekte 295 Bakteriologie – allgemeine 283 – spezielle 327 Bakteriophagen 286 – lytische 286 – temperente 286 Bakteriostase 307 Bakteriozine 67, 355 Bakteriurie 660 Bakterizidie 307, 319 – primäre 307 – sekundäre 307 BAL = bronchoalveoläre Lavage 33 Balamuthia 538 Balanitis 491 Balantidium coli 534 BALT = bronchus-associated lymphoid tissue 83 Bandwürmer 573, 583 – Fisch 589 – Fuchs 588 – Hund 586 – Rind 583 – Schwein 585 Bang, Morbus 427 bare lymphocyte syndrome = BLS 145, 148 barrier isolation 688 Barriere, mikrobiologische 110 Bartholinitis 388 Bartonella 465 – Hämotropismus 465 Basensequenzbestimmung 52 Basidiomyzeten 476, 479 Basidium 476 Basophile 85-86 Bauchfellentzündung 653 Bayes-Theorem 37 Bazillen siehe Bacillus 360 BCR = B-Zell-Rezeptor 77, 96 B-Effektorzelle 137 Begeißelungstypen 296 Behandlungsleitlinie 72 Bejel 445 Benzalkonium 719 Benzalkoniumchlorid 728 B-Enzephalitis-Virus, japanisches 216 Benznidazol 542 Benzylbenzoat 599 Benzylpenicillin 305 Bestrahlung, Lebensmittel 701 Betacoronavirus 208 Betaherpesvirinae 248, 249 Betalaktamantibiotika 304 – Wirkmechanismus 289, 308 Betalaktamaseinhibitoren = BLI 310, 312 Betalaktamasen 311 Bettwanzen 606 B-Gedächtniszellen 142 Bifidobacterium 356 Bifonazol 483 Biguanide 728 Bildgebende Verfahren 32 Bilharziose 574 Bilirubinurie 204

Binäre Teilung 300 Bindegewebe, retikuläres 83 Biofilm 298, 299, 336, 493, 646, 704 Biopsie, transbronchiale 33 Bioverfügbarkeit 304 Biowissenschaft, moderne 167 Bissverletzung 676 BK-Virus 264 Blasenentzündung 660 Blastocystis hominis 534 Blastokonidien 479 Blastomyces dermatitidis 508 Blastospore 478 Blattern 270 Blennorrhö 388 Blepharitis 624 BLI = Betalaktamaseinhibitoren 312 BLS = bare lymphocyte syndrome 145, 148 Blutegel 582 Blutgefäßendothel, Aktivierung 114 Blutgefäßpermeabilität 113 Blutkultur 33, 679 Blutzellen, weiße 78 B-Lymphoproliferatives Syndrom 259 B-Lymphozyt 88 – Aktivierung, antigenspezifische 125 – Effektorzelle 137 – Gedächtniszellen 142 – immunologisch ignoranter 156 – Plasmazelle 128 – Stimulation 124 – Stimulator = Blys 116 Blys = B-LymphozytenStimulator 116 B7-Molekül 120 Bombage 367 bone marrow dependent 79 Bonjour-Tröpfchen 388 Booster-Immunisierung 142 Booster-Reaktion 739 Bordetella 430 – bronchiseptica 430 – parapertussis 430 – pertussis 430 Bornholm-Krankheit 202 Borrelia – afzelii 446 – burgdorferi 446 – garinii 446 Borreliose 446 Boston-Exanthem 202 Botulinumtoxine 367 Botulismus 367 – lebensmittelbedingter 367 – passive Immunisierung 738 – Säuglings- 368 – Wunden 368 bovine spongioform encephalopathy = BSE 278 Bradyzoiten 527 Breakpoints 317 Brechdurchfall, virusbedingter 205 Breitspektrumantibiotika 304 Bremsen 613 Brill-Zinsser, Morbus 462 Bronchialspülung 33 Bronchiolitis 637 Bronchitis – akute 636 – chronische 636 – – DD COPD 637 bronchus-associated lymphoid tissue = BALT 83

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Sachverzeichnis Brucella 427 – abortus 427 – canis 427 – melitensis 427 – suis 427 Brucellen 690 Brucellose 427 Brugia – malayi 568 – timori 568 Brunnenwasser 702 Bruton, Morbus 145 Brutons-Tyrosinkinase = BTK 145 BSE = bovine spongioform encephalopathy 278 BTK = Brutons-Tyrosinkinase 145 Bubonenpest 415 Budding, virales 179 Bujadoux-Bannwarth-Syndrom 447 Bunte Reihe 45 Bunyaviridae 172, 240 Bunyavirus 690 – Übertragung 184 Burkitt-Lymphom 258 Burst, respiratorischer 113 Buruli-Ulkus 384 Buschke-Löwenstein-Kondylom 262 Buttiauxella 398 Bystander-Aktivierung, 161 B-Zell-Aktivierung – späte 126 – T-Zell-unabhängige 130 B-Zell-Lymphom, transplantationsassoziiertes 259 B-Zell-Mangel 687 B-Zell-Rezeptor = BCR 77, 96 – C-Region 96 – V-Region 97

C Caliciviridae 172, 204 California-Enzephalitis-Virus 241 Calnexin 106 Calor 29 Calprotectin 134 Calreticulin 106 Campylobacter 450 Candida 489 – albicans 489, 648 – – Grocott-Gomori-Färbung 41 – glabrata 489, 492 – krusei 489, 492 – parapsilosis 489, 492 – – Biofilm 299 – tropicalis 489 Candida-Mykose 490 – vulvovaginale 491 CAP = community acquired pneumonia 638 Cap-Bildung, Ribavirin 195 Capreomycin 382 Carbapenemasen 312 carbohydrate recognition domain = CRD 92 Carbolsäure 726 Cardiolipin 444 Carnivorismus 529 Cäsarenhals 352 Cathelizidine 110 CCL 21 120 CCR7 = Chemokinrezeptor 7 120, 143 CD = cluster of differentiation 85 CD4+-TFH-Zelle 133 – Antigenerkennung 126

CD4+-TREG-Zelle 134 CD4+-T-Zelle 89, 122, 130 – myelinspezifische, Multiple Sklerose 163 – rheumatoide Arthritis 164 CD4+-TH1-Zelle 131 CD4+-TH2-Zelle 132 CD8+-T-Effektorzelle 135 CD8+-T-Lymphozyt, Antigenerkennung 135 CD8+-T-Zelle 89, 123 – zytotoxische, β-Zellstörung 163 CDR = Complementary determining Region 100 Cefazolin 305 Cefotaxim 305 Cefotiam 305 Ceftriaxon 305 Cefuroxim 305 Cephalosporine 305 – bei Harnwegsinfektion 661 – Wirkmechanismus 308 Cestoda 583 cGAS = cyclic guanosine monophosphate-adenosine monophosphate synthetase 95 Chagas-Krankheit 541 Chagom 541 Chalazion 624 Chaperonprotein 106 Charcot-Trias 658 Chelicerata 601 Chemerin 116 Chemokin 86 – Homologe, virale 188 – IL-8 133 Chemoprophylaxe 688 Chemotherapie – antibakterielle 301 – antimikrobielle, Grundlagen 67 – antivirale 192 chicken pox 252 Chiclerogeschwür 544 Chinin 525 Chinolone 307 – bei Harnwegsinfektion 661 – Wirkmechanismus 309 Chitin 473, 478 Chlamydia – pneumoniae 457, 461 – psittaci 457 – trachomatis 457, 458 Chlamydien, siehe auch Chlamydia 457 – Einschlusskörperchen 457 – Elementarkörperchen 457 – Initialkörperche 457 – TWAR- 461 – Zellwand 295 Chlor, zur Desinfektion 727 Chloramin 719, 727 Chlordioxid 727 Chlorgas 727 Chlorhexidin 729 Chlorkalk 727 Cholangitis 657 Cholera 423 – aktive Immunisierung 742, 743 Cholezystitis 653, 657 Choriomeningitis, lymphozytäre = LCM 238 Chorioretinitis 222, 627 Choroiditis 627 Chromomykosen 503 Chromosom, ringförmiges 283 Chrysops-Arten 613 Ciclopiroxolamin 484 Cidofovir 194

cigarette burn lesion 462 Ciguatera 538 Ciguatoxin 538 Cimex lectularius 606 Cimicidae 606 CIN = zervikale intraepitheliale Neoplasien 262 Ciprofloxacin 307 Citrobacter 398 CJK = Creutzfeldt-Jakob-Krankheit 278 Cladosporium 473, 504 Clarithromycin 306 class II-associated invariant chain peptide = CLIP 107 Claviceps purpurea 474 Clavulansäure 305, 310 Clindamycin 306 CLIP = class II-associated invariant chain peptide 107 Clonorchis 578 Clostridienzellulitis 369 Clostridioides difficile 371 Clostridium 364 – botulinum 367 – difficile 110, 371 – – Erkrankungsrisiko 73 – – Infektionsvermeidung 73 – perfringens 369 – tetani 364 – – endständige Sporen 297 Clotrimazol 483 CLR = C-Typ-Lektin-Rezeptor 9293 clue cells 356, 665 Clumping-Faktor 329-330 cluster of differentiation = CD 85 CMV = Zytomegalievirus 254 Coccidioides 690 – immitis 509 Coenocytium 478 Coeruloplasmin 29 Colitis ulcerosa 652 colonization resistance 23, 455 common cold 201, 633 common variable immunodeficiency = CVID 145 complementary determining region = CDR 100 Condylomata – acuminata 263 – lata 441 – planum 262 Coombs-Gell-Klassifikation 150 COPD – DD chronische Bronchitis 637 – Exazerbation 636, 639 Core, virales 170 Coronaviridae 172, 208 Coronavirus 690 – humanes, Struktur 208 Corynebacterium diphtheriae 351, 635 – aktive Impfung 353 – Klassifikation 351 – Nachweis 353 – Pseudomembran 352 – Therapie 353 Corynebacterium ulcerans 352 Corynebakterien 350 Cotrimoxazol 307, 309 – bei Harnwegsinfektion 661 Coxiella burnetii 464 Coxsackie-A-Virus-Infektion 203 CPE = zytopathogener Effekt 44 CR = Komplementrezeptor 96 CRB-65-Score 639 CRD = carbohydrate recognition domain 92 C-reaktives Protein 29

Credé-Prophylaxe 388, 729 C-Region 96 Creutzfeldt-Jakob-Krankheit = CJK 278 Crohn, Morbus 652 Cronobacter 398 cross presentation 107 cross priming 107 CRP = C-reaktives Protein 29 Cryptdin 68 Cryptococcus – deneoformans 494 – gattii 494 – spp. 494 Cryptosporidium 533 C-Substanz 337 Ctenocephalides – canis 607 – felis 607 C-Typ-Lektin 92 C-Typ-Lektin-Rezeptor = CLR 92, 93 Culex-Mücken 611 Culicidae 610 Cutibacterium 357 CVID = common variable immunodeficiency 145 CXCL 8 (Chemokin) 114, 116, 133 CXCR5-Chemokinrezeptor 133 cyclic guanosine monophosphate-adenosine monophosphate synthetase = cGAS 95 Cyclodextrin 483 Cyclophyllidae 583 Cyclops 572 Cyclospora cayetanensis 534 Cysticercus – bovis 584 – cellulosus 585 – racemosus 585 Cystoisospora 532 Cytosinanalogon 194

D DAEC = diffus adhärierende E. coli 411 Dakryoadenitis 629 Dakryozystitis 629 DAMP = Danger-associated molecular patterns 95 DANE-Partikel 275 Danger-associated molecular patterns = DAMP 95 Darmamöben, pathogene 535 Darmatonie 654 Darmbilharziose – afrikanische 577 – asiatische 576 Darmegel 581 Darmerkrankungen, Leitkeime 24 Darmmilzbrand 362 Darmmykose 491 Darmstreptokokken 346 Darmtrichinen 566 Darunavir 196 Dasselfliege 690 DC = dendritische Zelle 86, 119 Dectin-1 478 Defensine 68, 110, 303 delayed type hypersensitivity = DTH 154 Deletion, periphere 157 Dellwarze 272 Deltaretrovirus 220 Deltavirus 235 Dematiaceen 503 Dendritische Zelle = DC 86, 119

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752 Dengue-Fieber 215 – hämorrhagisches 215 Dengue-Schock-Syndrom 215 Dengue-Virus 213, 690 Dermacentor reticulatus 601 Dermalmyiasis 614 Dermatitis – bei Onchozerkose 571 – Pigmentstörung 571 Dermatitis exfoliativa 333 Dermatophagoides pteronyssinus 605 Dermatophyten 485 Designervakzine 748 Desinfektion 719 – Aldehyde 726 – Alkohol 725 – Alkylamine 729 – am medizinischen Personal 720 – am Patienten 719 – amphotere Substanzen 728 – chemische 191, 724 – Chlor 727 – Flächen 723 – Halogene 727 – Haut 719 – Instrumente 722 – Jod 727 – laufende 723 – Laugen 729 – Metalle/Metallsalze 728 – mit sauerstoffabspaltenden Verbindungen 727 – oberflächenaktive Substanzen 728 – Oxidanzien 727 – Phenole 726 – quaternäre Verbindungen 728 – Säuren 729 – Scheuer-wisch 724 – Schleimhaut 719 – Substanzen 725 – Tenside 728 – thermische 724 – Umgebung 722 – Verfahren 724 Desinfektionsmittel 719 Desorption 733 Desoxycholat 482 Deuteromyzeten 473 DH = Deltaantigen 236 Diabetes mellitus, jugendlicher 202 Diabetisches Fußsyndrom 673 Diagnostische Applikationen 53 Diaminopyrimidin/Sulfamethoxazol 307 Diaminopyrimidine 307 Diarrhö, Erreger 650 Dicker Tropfen 524 Dicrocoeliidae 579 Diethylbenzamid = DEET 599 Diethylcarbamazin 555 Differenzialblutbild 31 Diffusionstest 318 Dihydroartemisinin 525 Dimethylphthalat 599 Dimorphe Pilze 507 Dinoflagellaten 538 Diphtherie 351, 635 – aktive Immunisierung 741 – dermale 352 – passive Immunisierung 738 Diphyllobothrium latum 589 Diplokokken, Gonokokken 387 Diptera 610 Divertikulitis 653 D-J-Umlagerung – BCR 98 – TCR 101

Sachverzeichnis DNA, virale 169 DNA-Genom, virales 248 DNA-Sequenzierung 52 DNA-Synthese-Apparat, viraler 180 DNA-Synthese-Inhibitor – nichtnukleosidischer 196 – nukleosidischer 192 DNA-Vakzine 748 DNA-Virus – Infektion, persistente 190 – Replikation 177 Döderlein-Stäbchen 355 Dolor 29 Dolutegravir 196 Donovan-Körperchen 421 Doppelstrang-RNA, virale 169 Doppelbilder 368 Douglas-Abszess 653 Doxycyclin 306, 569 Dracunculus medinensis 572 Drakunkulose 572 Drug-Monitoring, therapeutisches = TDM 322 Drusen 359 ds(±)-DNA-Genom, virales 177 ds(±)-RNA-Genom, virales 177 Dschungelgelbfieber 214 dsDNA, virale 169 DTH = delayed type hypersensitivity 154 Durchwanderungsperitonitis 653 Dysbiose 24 Dysenterie 408 Dysgammaglobulinämie, IgA 146 Dysurie 660

E EA = early antigen 259 EAEC = enteroaggregative E. coli 411 early antigen = EA 259 Early-(E)Gen 248 EBNA = Epstein-Barr nuclear antigen 259 Ebola-Virus 234, 235 EBV = Epstein-Barr-Virus 256 Echinocandine 483 Echinococcus 586 – granulosus 586 – multilocularis 588 Echinokokkose – alveoläre 588 – zystische 587 ECMO = extrakorporale Membranoxygenierung 641 Eczema – herpeticatum 250 – vaccinatum 271 Efavirenz 196 Effekt, zytopathogener viraler 180 Effektor-Lymphozyt 82 Effektorproteine 132 Effektorsystem, induzierbares 115 Effektorzelle 81 – CD4+-T 130 – Homing 130 – TH1 131 Effloreszenzen, bei Hautinfektionen 673 Efflux, aktiver 311 Effluxpumpen 313 Eflornithin 541 Egel 573 EHEC = enterohämorrhagische E. coli 411

Ehrlichia 463 Ehrlichiose 463, 601 EIA = Enzymimmunoassay 47, 64 – Antigennachweis 48 – Antikörpernachweis 64 EIEC = enteroinvasive E. coli 411 Eikenella corrodens 393 Einsalzen 701 Einschlusskonjunktivitis 459, 626 Einschlusskörper, virale 232 Einschlusskörperchen, Chlamydien 457 Eintrittspforte, virale 181 Einwirkzeit 732 Einzelkolonien 300 Einzelstrang-DNA, virale 169 Eisenspiegel 29 Eiter 31 Eiweißfehler 723 Ektoparasiten 515 – stationäre 595 – temporäre 595 Elektivnährmedien 44 Elektronenmikroskopie 42 Elementarkörperchen, Chlamydien 457 Elephantiasis 569 Elotrans 652 Elvitegravir 196 EM-Vorläufer 85 Embryopathie, Röteln 210 Empfehlungen 712 Endemie 706 Endo-Agar 44 Endocarditis lenta 346 Endodyogenie 527 Endokarditis 645 – bakterielle 346 Endokarditis lenta 646 Endokarditisprophylaxe 647 Endometritis 665 Endoparasiten 515 – stationäre 595 Endophthalmitis 628 endoplasmic reticulium aminopeptidase associated with antigen processing = ERAAP 105 Endosom, saures 107 Endosymbiont 25 Endotoxin – Gonokokken 387 – Meningokokken 391 – Pseudomonas aeruginosa 396 Endwirt 515 Energieproduktionsapparat, Bakterien 288 Enolase, neuronenspezifische = NSE 279 Entamoeba histolytica 535, 690 Entecavir 276 Enteritis 649 – Diagnostik – – klinische 651 – – mikrobiologische 651 – Differenzialdiagnose 652 – Erregersuche 651 – Infektion 649 – Intoxikation 649 – Rehydratation 652 – Salmonellen- 406 – Therapie 652 Enterobacter 398, 421 Enterobacterales 398 – Klassifikation 398 – Nachweis 399 Enterobacteriaceae 398 – Antigenstrukturen 399 Enterobiose 557 Enterobius vermicularis 557

Enterococcus – casseliflavus 347 – durans 347 – faecalis 347 – faecium 347 Enterokokken 347 – vancomycinresistente = VRE 348 Enterotoxin 330 – Vibrio cholerae 425 Enterotyp 24 – Mikrobiom 24 Enterovirus 172, 199, 200 – Typ A 203 – Übertragung 184 Entomophobie 598 Entzündung, katarrhalische 633 Entzündungsreaktion 113 – Regulation 131 Entzündungszeichen 29 enveloped virus = EV 269 Envelope-Protein, virales 208 Enzephalitis 619 – Symptomatik 620 – virale 198, 213 – – California 241 – – Herpesviren 250 – – postvakzinale 271 Enzephalopathie, übertragbare spongiforme 278 Enzym – antimikrobielles 110 – virales 169 Enzymimmunoassay = EIA 64 EO = Ethylenoxid 733 Eosinophile 85, 86 – Degranulation 151 EPEC = enteropathogene E. coli 411 Epidemie 707 – Explosiv- 707 – Tardiv- 707 Epidemiologie 706 – Erregerpersistenz 708 – Infektionsketten 709 – Infektionswege 709 Epidermolysis verruciformis 262 Epidermophytie 487 Epidermophyton 485 – floccosum 486 Epididymitis 388, 663 Epiglottitis 226, 635 – akute 438 Epilationspinzette 487 Epitheloidzellen 376 Epitop 100 – antigenes 96, 100, 162 – autologes 162 epitope spreading 155 Epstein-Barr nuclear antigen = EBNA 259 Epstein-Barr-Virus = EBV 256 – Infektion, persistente 190 – Interferonblockade 188 – Übertragung 184 – Zytokin-Homologe 188 ER = endoplasmatisches Retikulum 102 ERAAP = endoplasmic reticulium aminopeptidase associated with antigen processing 105 Eradikationstherapie, Helicobacter pylori 453 Erdbeerzunge 339 Ergotamin 474 Erkältung 633 ERp57 106 Erreger – extrazellulärer 105 – intrazellulärer 105 – persistierender 17

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753

Sachverzeichnis Erstimmunisierung 142 Erysipel 340, 673 Erythem, schmetterlingsförmiges 266 Erythema – chronicum migrans 447 – infectiosum 266 – multiforme 250 – nodosum 417-418 – – assoziierte Erreger 650 Erythrasma 673 Erythromycin 306 Erythrovirus 265 ESBL = extended spectrum betalactamase 311, 312, 717 Escherichia 398 Escherichia coli 410 – extraintestinal 412 – intestinal 413 – Klassifikation 410 – Nachweis 413 – serologische Typisierung 413 – Subtypen 411 – Therapie 414 Espundia 544 ETEC = enterotoxinbildende E. coli 411 Ethacridinlactat 719 Ethambutol 306, 382 Ethanol 725 Ethidiumbromid 51 Ethionamid 382 Ethylenoxid 733 Etravirin 196 Euartesim 525 Eubakterien 19 Eukaryonten 19 Eulenaugenzellen 32, 254 Eumyceten 473 EV = enveloped virus 269 Exanthem, makulopapulöses 211 Exanthema subitum 255 Exfoliatin 333 Exfoliatintoxine 330 Exophiala 504 Explosivepidemie 707 Expositionsprophylaxe (Allergie) 152 Expression, virale 175 Extensität 707 extensively drug resistance = XDR 382 Extravasation – Leukozyten 114 – Lymphozyten, naive 81 – T-Lymphozyten 121 Extrazelluläre Toxine 297

F Fab = fragment antigen binding 99 Fadenpilze 485 Fadenwürmer 556, 568 Faget-Syndrom 214 Fäkalindikator 410 Familie, virale 171 F-Antigene, Enterobacteriaceae 399 Färbemethoden (mikroskopische Präparate) 38 – Fuchsinfärbung 38 – Giemsa-Färbung 41 – Gram-Färbung 39 – Grocott-Gomori-Färbung 41 – Immunfluoreszenz 41 – Methylenblaufärbung 38 – Neisser-Färbung 39 – Warton-Starr-Färbung 41 – Ziehl-Neelsen-Färbung 39

Farbindikatoren, Sterilisation 734 Farmerlunge 500 Fasciola – gigantea 580 – hepatica 580 Fasciolopsis buski 581 Fasziitis, nekrotisierende 673, 675 Fc-Rezeptor 96 Febris undulans 428 Fehlwirt 515 Ferritin 29 Feuchtkeime 704 Fibrinogen 29 Fibrinolysin 330, 338 Fibronektinbindeprotein 330 Fieber – rheumatisches 162, 341 – undulierendes 427 – virales 199 Fieberkurve 28 Fiebertypen 28 Fièvre boutonneuse 461, 463 Filariidae 568 Filariose 568 Filoviridae 172, 234 Filtration, zur Sterilisation 733 Filzlaus 609 Fimbrien 295 Fimbrienantigene 399 Firmicutes 290 Fischesserkrankheit 538 Flächendesinfektionsmittel 723 – Eiweißfehler 723 – Seifenfehler 723 Flachwarze 262 Flagellaten 517, 538 Flagellen 296 Flagellin 296 Flaviviridae 172, 212 – humanpathogene Gattungen 212 Flavivirus 212 Fleckfieber 461 – japanisches 463 – klassisches 462 – murines 462 flesh eating bacteria 340 Fliegen, echte 614 Fliegenpilz 474 Flockung 705 Flöhe 607 Flora – körpereigene 22 – – physiologische Störung 71 – residente 672, 720 – transiente 672, 720 Flucloxacillin 305 – Stamm, penicillinresistenter 331 Fluconazol 483 Fluor vaginalis 356, 491 Fluoreszein 396 5-Fluorocytosin (5-FC) 484 Flussblindheit 571, 612 Follikel – kortikale lymphatische 83 – lymphatischer 82 Follikuläre dendritische Zelle = FDC 124 Follikulitis 673 Formaldehyd 726 Foscarnet 196 Fosfomycin 306, 319 – bei Harnwegsinfektion 661 Fosfomycin-Trometanol 315 Fournier-Gangrän 675 Foxp3 – Gen 160 – Transkriptionsfaktor 160

fragment antigen binding = Fab 99 Frambösie 445 Francisella 429 – tularensis 429 Freund-Adjuvans 375 Frosch, Paul 167 Frühantigen 259 Frühgeburtlichkeit 680 Frühsommer-Meningo-Enzephalitis = FSME 213 FSME = Frühsommer-MeningoEnzephalitis 213 – aktive Immunisierung 742 – Naturherde (Übersicht) 601 FSME-Virus 213 – Struktur 212 – Übertragung 184 19S-FTA-IgM-Test 444 FTA-Abs = Fluoreszenz-Treponema-Antikörper-AbsorbensTest 443 Fuchsbandwurm 588 Fuchsinfärbung 38 Fumonisin 476 Functio laesa 29 Fungi, siehe auch Pilze 19 – imperfecti 473, 479 – perfecti 473 fungistatisch 481 fungizid 481 fungus ball 633 Furunkel 332, 673 Fusarien 506 Fusidinsäure 306 Fusobacteriaceae 454 Fusobacterium 454 Fusobakterien 445, 456 Fusospirochätose 445 Fußpilz 486 Fußsohlenwarze, tiefe 262

G Galactomannan 501 Gallenbrechruhr 423 GALT = gut-associated lymphoid tissue 83 Gameten 517 Gammaglobulinpräparate 738 Gammaherpesvirinae 248, 249 Gamonten 517 Ganciclovir 194 Gardnerella vaginalis 356 Gasbrand 370, 673 Gasgangrän 370 Gasödem 370 Gassterilisation 733 Gastritis 452 Gastroenteritis, virale 202, 205, 247 Gattung, virale 172 Geburt, Infektionen 680 Gebüschkrätze 605 Gedächtnis, immunologisches 77, 142 Gehörgang, äußerer, Infektion 630 Gehörgangfurunkel 630 Geißelantigene 399 Geißeln 296 Geißeltierchen 517 Gelbfieber 690 – aktive Immunisierung 744 Gelbfiebervirus 213, 214 – Übertragung 184 Gelenkpunktat 671 Gemeinschaftseinrichtungen 708 GEMM-Vorläufer 85 Gen, nicht essenzielles 187

genetic fingerprinting 46 Genom, virales 168 Genom-Replikation, fehlerhafte 171 Gensonde 49 Gentamicin 306 Gentechnik, veränderte Organismen 66 Gentianaviolett 292 Geosmin 475 Geotrichum 494 german measles 210 Gerstenkorn 624 Geschlechtskrankheiten siehe STD 688 Gesichtserythem, schmetterlingsförmiges 266 Gesundheitserziehung 700 Gesundheitsschädling 712 Gewebe, schleimhautassoziiertes lymphatisches 83 Gewebemakrophagen 86 Gewebeprotozoen 518 Gewebespiegel 70 Giardia – duodenalis 547 – intestinalis 547 Giemsa-Färbung 41 Gießkannenschimmel 498 Giftpilze 474 Gingivitis 648 Gingivostomatitis herpetica 250 Gliederfüßler 593 Gliotoxin 475, 476 Glomerulonephritis, Poststreptokokken- 341 Glossina 539 Glossinidae 613 Glukan 473, 478, 481 Glukokortikoide, Allergie 152 Glukose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel 524 Glutaraldehyd 726 Glycylcycline 306 Glykopeptide 306 Glykoprotein, virales 169 Glyoxal 726 GM-Vorläufer 85 Gonoblenorrhö 626 Gonokokken 387 – Virulenzfaktoren 387 Gonokokken-Blennorrhö 388 Gonokokken-Konjunktivitis 626 Gonorrhö 387 – aszendierende, disseminierende 388 – Mann, Frau 388 Grabmilben 603 Gram-Färbung 39, 292 – Gram-Negativität 291 – Gram-Positivität 291 – gramnegativ (= rot) 39 – grampositiv (= blau) 39 Grampositive, mikroaerophile/ anaerobe, nicht sporenbildende Stäbchen 354 Granulom, tuberkulöses 376 Granuloma inguinale 420, 461 Granulomatose – infantile septische = Granulomatosis infantiseptica 145, 349 – mit Polyangiitis 156 Granulome 31 Granulozyt 86 – basophiler 86 – eosinophiler 86 – neutrophiler 86 Granulozytose, infantile septische 149 Granulysin 135 Granzyme 135

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754 Gregg-Syndrom 210 Grippe, virale 245 Griseofulvin 484 Grocott-Gomori-Färbung 41 Grubenwurmerkrankung 562 Gruber-Agglutinationsreaktion 400 Grundimmunisierung 142, 739 Grundwasser 702 Guanidinderivate 719 Guanidine 728 Guanosinanalogon 192 Guanylyltransferase 196 Guillain-Barré-Syndrom 450 – mögliche Erreger 650 Gummen 442 Gürtelrose 252 Gürteltier 385 gut-associated lymphoid tissue = GALT 83 GVO = gentechnisch veränderte Organismen 66 G-Vorläufer 85 Gyrasehemmer 309

H HACCP = Hazard Analysis of Critical Care Points 702 HACEK 646, 678 Haemophilus 436 – aegyptius 439 – Chemoprophylaxe 439 – influenzae 436 – – Typ b, aktive Immunisierung 741 Hafniaceae 398 Haftpili 387 HAH = Hämagglutinationshemmtest 62 Hakenwürmer 561 Halogene, zur Desinfektion 727 Halo sign, Lungenaspergillose 501 HAM = HTLV-1-assoziierte Myelopathie 220 Hämagglutinationshemmtest 62 Hämatopoese 84 α-Hämolyse 337 β-Hämolyse 337 γ-Hämolyse 337 Hämolysine 330 Hämorrhagisches Fieber – Bunyaviridae 240 – Dengue 215 – Ebola 235 – Hantaan-Virus 241 – Krim-Kongo- 241 – Marburg 235 – Puumala-Virus 241 Händedesinfektion – chirurgische 722 – hygienische 720 Hand-Fuß-Mund-Krankheit 202-203 Hantaan-Virus 241 Hantavirus 241, 690 – Struktur 240 H-Antigen 296 – Enterobacteriaceae 399 HAP = hospital acquired pneumonia 638 Haptoglobin 29 Harnwegsinfektion 659 – Antibiotikatherapie 661 Haufenkokken 328 Hauptwirt 515 Hausstaubmilben 605 Haut – Barrierefunktion 672 – Normalflora 672

Sachverzeichnis Hautantiseptik 720 Hautbarriere 109 Hautdesinfektion 719 Hautflora 726 Hautinfektion 672 – Effloreszenzen 673 Hautläsion – makulopapulöse 202, 252 – virale 198 Hautmaulwurf 614 Hautmilzbrand 362 HAV = Hepatitis-A-Virus 203 HBcAG = Hepatitis-B-CoreAntigen 275 HBeAG = Hepatitis-B-e-Antigen 275 HBsAG = Hepatitis-B-SurfaceAntigen 275 HBV = Hepatitis-B-Virus 136, 178 – Struktur 273 HBV-Infektion, Schwangerschaft 275 HCC = hepatozelluläres Karzinom 217 HCV = Hepatitis-C-Virus 190, 217 HDC = humane diploide Zelllinie 742 HDV = Hepatitis-D-Virus 169, 235, 236 Heck-Hyperplasie, fokale, epitheliale 262 Hefepilze 478, 489 Heißluftsterilisation 731 Helicobacter 451 – pylori 452 Helminthen 19 – Klassifikation 553 Hemimetabolie 593 Hemmhofdurchmesser 318 Hemmkonzentration, minimale = MHK 317 Hendravirus 225, 231 Henipavirus 225, 231 Henle-Koch-Postulat 16 Hepacivirus 212, 217 Hepadnaviridae 173, 273 Hepatitis 655 – chronische 218 – Diagnostik 656 – epidemica 203 – Erreger, unkonventionelle 655 – Pathophysiologie 655 – Symptomatik 656 – Typ A 203 – – Serologie 204 – virale 198 – Viren, Übersicht 655 Hepatitis A – aktive Immunisierung 742 – passive Immunisierung 738 – Therapie 657 Hepatitis-A-Virus = HAV 203 Hepatitis B – aktive Immunisierung 742 – passive Immunisierung 738 – Therapie 657 Hepatitis-B-Core-Antigen = HBcAG 275 Hepatitis-B-e-Antigen = HBeAG 275 Hepatitis-B-Surface-Antigen = HBsAG 275 Hepatitis-B-Virus = HBV 136 – Infektion, persistente 190 – Replikation 178 – Struktur 273 Hepatitis C, Therapie 657 Hepatitis-C-Virus = HCV 217 – Infektion, persistente 190

Hepatitis D, Therapie 657 Hepatitis-D-Virus = HDV 169, 235, 236 Hepatitis E, Therapie 657 Hepatitis-E-Virus = HEV 206, 656 Hepatitismarker 275 Hepatitis-Virus, Übertragung 184 Hepatovirus 172, 199, 203 – Übertragung 184 Hepcidin 29 Hepeviridae 172, 206 Hepevirus 206 Herbivorismus 528 Herbstmilbe 605 Herdimmunität 737 Heringswurmerkrankung 560 Herpangina 202, 203 Herpes – genitalis 250 – gladiatorum 250 – labialis 249-250 – neonatorum 250-251 – zoster 252 Herpes-Enzephalitis 250 Herpes-simplex-Virus = HSV 248 – Infektion, persistente 190 – Typ 1 249 – Typ 2 250 – Übertragung 184 Herpesviridae 173, 248 – Replikation 177 Herpesvirus, humanes = HHV 249 – Infektion, persistente 190 – Komplementsystem 187 – simiae 252 – Typ 1 249 – Typ 2 250 – Typ 3 252 – Typ 4 256 – Typ 5 254 – Typ 6 255 – Typ 7 256 – Typ 8 260 – Übertragung 184 – Vermehrungszyklus 175 Herxheimer, Morbus 447 Heteroptera 606 HEV = Hepatitis-E-Virus 206, 656 Hexapoda 593, 606 HHV = humanes Herpesvirus 249, 250 – Infektion, persistente 190 – Komplementsystem 187 – Typ 1 249 – Typ 2 250 – Typ 3 252 – Typ 4 256 – Typ 5 254 – Typ 6 255 – Typ 7 256 – Typ 8 260 – Übertragung 184 – Vermehrungszyklus 175 High-Risk(HR)-Virus 262 Himbeerseuche 445 Himbeerzunge 339 Hirnabszess 620 Hirnwurm 579 Hirudo medicinalis 582 Histamin 141 Histatine 110 Histoplasma 690 – capsulatum 507 Histoplasmin-Hauttest 508 Histoplasmose 507 Hitzedenaturierung, virale 191 HIV = humanes Immundefizienzvirus 170, 218, 221

HIV-Infektion – Erkrankungen, assoziierte 222 – Kategorien, klinische 223 – Klassifikation 224 – Laborkategorien 224 hMPV = humanes Metapneumovirus 231 Hochdurchsatz-Sequenzierung 53 Hodgkin, Morbus 259 Holobiont 22 Holometabolie 593 Holzbock 601 Homologe, virale 188 Hordeolum 624 Hospitalkeim 314 Hostienwunder 422 Hot Spots 100 H-Polypeptidkette, schwere 97 HPV = humanes Papillomavirus 261 HR(High-Risk)-Virus 262 HSV = Herpes-simplex-Virus 248-250 HSV-Enzephalitis 252 HTLV = humanes-T-Zell-Leukämievirus 218, 220 HTLV-1-assoziierte Myelopathie = HAM 220 humanes Immundefizienzvirus = HIV 218, 221 – Infektion, persistente 190 – Interferonblockade 188 – Struktur 170 humanes Metapneumovirus = hMPV 231 humanes Papillomavirus = HPV 261 – Struktur 261 humanes Parechovirus 201 humanes Parvovirus-B19 265 – Struktur 265 humanes T-Zell-Leukämievirus = HTLV 218, 220 – Infektion, persistente 190 Hundebandwurm 586 Hundebiss 676 Hundefloh 607 Hutpilze 474 Hyalohyphomyzeten 498 Hyaluronidase 330 Hydatide 587 Hydrops fetalis, Parvovirus-B19 266 Hygiene 697 – Abwasser 705 – Aufgabengebiete 700 – Badewasser 705 – Krankenhaus siehe Krankenhaushygiene 714 – Lebensmittel 700 – Trinkwasser 702 – Umwelt 706 Hygienekommission 716 Hygienemaßnahme, prophylaktische 191 Hygieneplan 716 Hymenolepidae 589 Hymenolepis nana 589 Hymenopteren-Gifte 595 Hyper-IgM-Syndrom 145-146 Hyperimmunserum 738 Hypermutationsaktivität 100 Hyperplasie, fokale, epitheliale 262 Hypersensitivitätsreaktion 150 – Typ I 151 – Typ II 152 – Typ III 153 – Typ IV 154

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755

Sachverzeichnis Hyphe 478 Hypnozoiten 522 Hypochlorit 727 Hypopyon 626 Hyposensibilisierung 152

I Icaridin 599 ICTV = International Committee on Taxonomy of Viruses 171, 235 IE-(immediate early-)Protein 248 IFN = Interferon 116 IfSG = Infektionsschutzgesetz 711 IFT = Immunfluoreszenztest 41 – indirekter 65 Ig = Immunglobuline 129 IgA-Antikörper 129, 138 IgA-Defizienz, selektive 146 IgA-Mangel 139 IgA-Protease 387 IgD-Antikörper 129 IgE-Antikörper 129 IgE-Antwort 151 IgG-Antikörper 129, 138 IgM-Antikörper 128 IGRA = interferon gamma release assay 229, 381 Ikosaeder, viraler 170 Ikterus 656 – Hepatitis-B-Infektion 274 IL = Interleukine 115 ILC = innate lymphoid cells 89, 115, 116 – Typ 1 119 Imidazole 483 Imipenem 305 Immediate-early-(IE-)Protein 248 Immersionsöl 37 Immortalisierung, zelluläre 181 Immunabwehr – adaptive 77 – angeborene 77, 109 – erworbene 77, 119 – Manipulation 187 – natürliche 77 – spezifische 77, 186 – unspezifische 77, 185 – Virusinfektion 185 Immunadsorption, extrakorporale 153 Immunaktivierung, Bystander161 Immunantwort – adaptive 80 – – Gedächtnis 142 – – Suppression 158 – autoreaktive 155 – autospezifische 155 – Coombs-Gell-Klassifikation 150 – defekte 144 – Phasen 109 – spezifische 119 – – Ablauf 81 – – Induktionsphase 122 – – Phase, afferente 119 – – Phase, efferente 130 – überschießende 150 Immundefekt 686, 687 – primärer 144, 145 – sekundärer 144 – zellulärer, Therapie 149 Immundefektsyndrom 145 – schweres kombiniertes = SCID 145 – variables 145

Immundefizienz 144 Immundefizienzvirus, humanes = HIV 218, 221 – Infektion, persistente 190 – Interferonblockade 188 – Struktur 170 Immun-Dysregulation-Polyendokrinopathie-Enteropathie-Syndrom, X-chromosomal = IPEX 160 immune escape 104 Immunevasion, virale 187 Immunexklusion 139 Immunfluoreszenz 41 Immunfluoreszenztest = IFT 42 – indirekter 65 Immunglobulin = Ig 129 – Klassen 97, 129 Immunglobulindomäne 97 Immunglobulinmangel, selektiver 145-146 Immunglobulinpräparat 147 Immunglobulinrezeptor, polymerer = plgR 138 Immunisierung 277 – aktive 739 – passive 737 Immunität 78 – angeborene 109 – erworbene 109 Immunkomplexe, Autoimmunreaktion 163 Immunkomplexerkrankung Typ III 163 Immunoblot 65 Immunologie 77 Immunoseneszenz 739 Immunpräzipitation 62 Immunreaktion, autoaggressive 78 Immunsuppression – Infektionen 686 – virale 187 Immunsuppressivum 144 Immunsystem 77 – angeborenes 91 – Barrieren, chemische 110 – dendritische Zellen 86 – dereguliertes 144 – Granulozyten 86 – Hautbarriere 109 – Immunantwort-Phasen 109 – Knochenmark 79 – Lymphknoten 83 – Lymphozyten 87 – Makrophagen 86 – MALT 83 – Mastzellen 87 – Milz 82 – Monozyten 86 – Schleimhautbarriere 109 – Strukturelemente 79 – Thymus 80 Immuntherapie – subkutane = SCIT 152 – sublinguale = SLIT 152 Impetigo – contagiosa 340, 673 – follicularis 332, 673 Impfbuch 747 Impfdokumentation 747 Impfempfehlungen 746 Impfkalender, für Kinder 746 Impfkommission, ständige = STIKO 201 Impfpflicht 746 Impfschaden 712 Impfstoffe – Lebend- 743 – rekombinante 741

Impfung, siehe auch Immunisierung 736 – aktive 739 – altruistische 745 – Auffrischimpfung 142 – Aufklärung 747 – Diphtherie 353 – Dokumentation 747 – egoistische 745 – Empfehlungen 746 – Erstimmunisierung 142 – FSME 214 – Gelbfieber 214 – Grundimmunisierung 142 – Haemophilus influenzae Typ b 439 – Hepatitis A 204 – Hepatitis B 276 – Influenza 245 – Lebendimpfstoffe 743 – Masern 229 – medizinische Berufe 747 – Meningokokken 392 – Nachimpfzeitpunkt 276 – passive 737 – Pertussis 433 – Pneumokokken 345 – Röteln 211 – Schäden 747 – Sekundärantwort 142 – Simultan- 737 – Tetanus 366 – Titerkontrolle 276 – Tollwut 234 – Totimpfstoff 142 – Typhus 403 – Varizellen 254 – Virussicherheit 738 – Zweitimmunisierung 142 Importierte Infektionen 689 In-vitro-Nukleinsäure-Amplifikationssysteme 50 Indikationsimpfungen 747 Indikatorkeim, Trinkwasser 703 Indinavir 196 Individualschutz 737 Indolbildung, P. vulgaris 422 Infantile septische Granulomatose 145 Infantile septische Granulozytose 149 Infektiologie 617 Infektion 25 – allgemeine, in Gemeinschaftseinrichtungen 713 – Autoimmunerkrankung 161 – des ZNS 619 – importierte 689 – intrauterine 680 – nosokomiale siehe Krankenhaushygiene 714 – perinatale 680 – Pilze 476 – tuberkulöse 377 – virale – – akute 189 – – Atemwege 268 – – Auge 268 – – Gastrointestinaltrakt 202 – – Manifestation, klinische 198 – – persistierende 189 – – Rachenraum 202 – – Respirationstrakt 202, 208 – – Urogenitalbereich 268 – – Verlaufsform 189 – – zentralnervöse 202 – – zytolytische 181 Infektionsepidemiologie 706 Infektionserregererkennung – Immunzellen, angeborene 91 – Lymphozyten 96

Infektionskette 709 – heterogen-heteronome 709 – heterogen-homonome 709 – heteronome 709 – homogen-heteronome 709 – homogen-homonome 709 – homogene 709 Infektionskrankheit 17 Infektionslehre, allgemeine 20 Infektionsprophylaxe – Möglichkeiten 688 – virale 191 Infektionsquellen 708 Infektionsschutzgesetz (IfSG) 71, 711 – Begriffsbestimmungen 712 – Meldepflicht 712 – Meldesystem 713 – Umgang mit infektiösem Material 713 Infektionsweg 709 – heterogener 709 – homogener 709 Infektiöse Mononukleose, Milzriss 258 Inflammasom 95 Influenza, aktive Immunisierung 742, 744 Influenzavirus 243 – Struktur 242 – Übertragung 184 – Vermehrungszyklus 174 INH = Isoniazid 307 INH = Isonikotinsäurehydrazid 382 Inhibitor – nichtnukleosidischer (DNA-Synthese) 196 – nukleosidischer (DNA-Synthese) 192 Initialkörperchen, Chlamydien 457 Inkoo-Virus 241 Inkubationszeit 515 innate lymphoid cells = ILC 89, 115, 116 – Typ 1 119 Insekten 593 – hemimetabole 593 – holometabole 593 Insektizide 599 Insertionssequenzen 285 Integrase, virale 219 Integrasehemmer 196 Integron 286 Intensität 707 Interferon = IFN 116, 185 – Typ-I-, antivirales 95 – Wirkblockade 188 Interferon-α 197 interferon gamma release assay = IGRA 229, 381 interferon stimulated gene = ISG 117 Interleukin = IL 115 – Typ 1β 115 – Typ 2, Entzug 159 – Typ 6 115 – Typ 8 116, 133 – Typ 12 116 internal ribosomal entry sites = IRES 180 international committee on taxonomy of viruses = ICTV 171, 235 Intoxikation 25 – Pilze 474 Invasionsweg, viraler 182 Inzidenz 707 Ionisierende Strahlen, zur Sterilisation 733

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756 IPEX = Immun-DysregulationPolyendokrinopathie-Enteropathie-Syndrom, X-chromosomal 160 IRES = internal ribosomal entry sites 180 Iridozyklitis 627 Iritis 627 Isavuconazol 483 ISG = interferon stimulated gene 117 Isolator 679 Isoniazid = INH 307 Isonicotinamid 307 Isonikotinsäurehydrazid= INH 382 Isopropanol 725 Isotypenwechsel 128, 132 – Hyper-IgM-Syndrom 146 Issatchenkia orientalis 492 Itraconazol 483 Ivermectin 555, 569 Ixodes – persulcatus 601 – ricinus 601

J Jamestown-Canyon-Virus 241 Japanische Enzephalitis 742 Japanisches Enzephalitis-Virus 213, 216, 690 Jarisch-Herxheimer-Reaktion 444 JC-Virus 264 Jenner Edward 17, 736 Jodophore 727 Jodverbindungen 719 – zur Desinfektion 727 Juanaritovirus 239 Juckreiz 656 junctional diversity 99 Juninvirus 239

K Kahmhautbildung 396 Kahnbauch 425 Kaiserschnitt 682 Kala-Azar 543 Kaltsterilisation 734 Kampfmittel, mikrobielle, potenzielle 693 Kanagawa-Hämolysin 426 Kanalikulitis 629 Kanamycin 306 K-Antigene, Enterobacterales 399 Kaposi-Sarkom = KS 222, 260 Kapselantigene 399 Kapseln 296 Kapsid, virales 170 Kapsomer, virales 170 Karbunkel 332, 673 Karies 648 Karzinoid 652 Karzinom, hepatozelluläres = HCC 217 Käsewäscherlunge 503 Katayama-Syndrom 575 Katheterinfektionen 336 Katheterurin, transurethraler 34 Katzenbiss 676 Katzenfloh 607 Katzenkratzkrankheit 466 Katzenleberegel 578 Kauffmann-White-Schema 400 KBE = Kolonie-bildende Einheit 703 Kbp = Kilobasenpaar 169

Sachverzeichnis KBR = Komplementbindungsreaktion 64 Keimzentrum 82, 124 – Aufbau 126 – Bildung 126 Keratitis 626 – dendritica 250 – disciformis 250 Keratokonjunctivitis epidemica 626 Keratokonjunktivitis, chronische follikuläre 458 Kern, viraler 170 Ketokonazol 483 Kette, invariante 107 Keuchhusten, siehe Pertussis 430 Killerbakterien 340 Killerzelle, natürliche = NK-Zelle 89, 117, 185 Kilobasenpaar = Kbp 169 Kingella kingae 394 kissing disease 257 Klasse-I-Präsentationsweg 105 Klasse-II-Präsentationsweg 106 Klebsiella 398, 419 – granulomatis 419, 420 – oxytoca 419 – pneumoniae 419 Kleiderlaus 609 Kleienflechte 497 Klinischer Fall – 4-MRGN-Infektion 314 – Aspergillose 501 – Botulismus 369 – Clostridium-difficile-Infektion 73 – Dengue-Fieber 215 – Erysipel 341 – Fusarien-Infektion 506 – Gonorrhö 390 – Hantavirusinfektion 242 – HHV 4-Infektion 258 – Kryptokokkose 495 – Leishmaniose 544 – Listerien-Infektion 350, 621 – Lues 445 – Malaria 526 – MRSA-Infektion 314, 325 – NTM-Infektion 384 – Pilzallergie 474 – Plasmodien 526 – Pneumocystis-Pneumonie 512 – Pneumonie, schwere hämorrhagische 246 – Pseudomonas-Infektion 397 – S.-enterica-Enteritidis 407 – Salmonella-Typhi-Infektion 403 – Scharlach 339 – Schock, septischer mit ARDS 333 – SFTOS 241 – Syphilis 445 – Tollwut 233 – Toxoplasma gondii 64 – Typhusinfektion 404 – Vaginalmykose, chronische 492 – West-Nil-Fieber-Erkrankung 217 Kluyvera 398 Knäuelfilarie 570 Knobs 523 Knochenmark 79 – Infektion 667 Knollenblätterpilz 474 Koagulase 329 Kochblutagar 438 Koch-Postulat 16 Kocuria 348 Kohortenisolierung 717

Kokken – anaerobe 348 – gramnegative aerobe 386 – grampositive 328 Kokzidioidomykose 509 Kollagenbindeprotein 330 Kollektine 95 Kollektivschutz 737 Koloniemorphologien 300 Kolpitis 545, 664 Kombinationsimpfstoffe 744 Komedonen 357 Komplement 92 Komplementbindungsreaktion = KBR 64 Komplementdefekte 687 Komplementrezeptor = CR 96 Komplementsystem 111 – Antikörper-aktiviertes 139 – Beeinflussung, virale 187 – MBL-Weg 140 – Weg, klassischer 139-140 Kondylom, flaches 262 Konidien (Pilzsporen) 479 Konidiogenese 479 Konjugatimpfstoff 393, 741 Konjugation 286 Konjunktivalpapillom 262 Konjunktivitis 625 – bakterielle 626 – chronische 626 – kontagiöse 439 – mykotische 626 – virale 198 Kontagiosität 26, 707 Kontaktdermatitis 150 – Efeu 155 – Nickel 154 Kontaktinfektion 710 Kopflaus 608 Kopfschuppen 497 Kopftetanus 365 Koplik-Flecken 228, 648 Korezeptor – CD4-Molekül 108 – CD8-Molekül 108 Korynebakterien, siehe Corynebacterium Kostimulation 157 – Blockade 159 Krankenhaushygiene 714 – Abfall 716 – bauliche Maßnahmen 715 – Hygienekommission 716 – Hygieneplan 716 – strukturelle Maßnahmen 715 – Surveillance 716-717 Krankheitserreger – extrazelluläre 105 – intrazelluläre 105 Krankheitsverdächtiger 712 Krätzmilbe 603 Krepitus-Zeichen 370 Kreuzaktivierung 107 Kreuzpräsentation 107 Kreuzreaktion, autoimmune 162 Kreuzresistenz 315 Kriebelmücken 570, 612 Krim-Kongo-hämorrhagischesFieber-Virus 241 Kryptokokkose 495 Kryptosporidien 533 KS = Kaposi-Sarkom 222, 260 Kugelbakterien 328 Kühlzeit 732 Kuhpocken 736 Kuhpockenvirus 271 Kupffer-Sternzelle 86 Kuru 279 Kurzstäbchen, kokkoide, aerobe 394

L Laborwerte 29 – Akute-Phase-Proteine 29 – Eisen 29 La-Crosse-Virus 241 Lactamantibiotika, β-Lactamantibiotika 305 Lactobacillus 354 Lactoferrin 114 Lake-Victoria-Marburg-Virus 235 Lamblia intestinalis 547, 690 Lampit 542 Lancefield-Einteilung 337 Langhans-Riesenzelle 376 Lariam 525 Larva-migrans-cutaneaSyndrom 562 Larva-migrans-visceralisSyndrom 561 Laryngitis, akute 635 Larynxpapillom 262 Larynxstenose 438 LAS = Lymphadenopathiesyndrom 222 Lassavirus 238 – Struktur 237 – Übertragung 184 Late-(L)Gen 248 latency associated transcripts = LATs 190 Latexagglutination 48 Latex-Objektträger-Test 337 LATs = latency associated transcripts 190 Laugen, zur Desinfektion 729 Läuse 608 Läuserückfallfieber 446 Lavage, bronchoalveoläre 33 Laxanzienabusus 652 LCM = lymphozytäre Choriomeningitis 238 Lebendimpfstoffe 743 Lebenserwartung 18, 698 Lebensmittel – Infektion 701 – Intoxikation 701 – Konservierung 701 – natürliche Keimbelastung 701 Lebensmittelhygiene 700 Lebensmittelverderb 700 Lebensmittelvergiftung 107 – Staph. aureus 334 – Übersicht 334 Leberabszess 536, 650 Leberegel 578 – großer 580 Leclercia 398 Legionärskrankheit 433 Legionella 433 – pneumophila 434 Leishmania – aethiopica 544 – brasiliensis 544 – chagasi 543 – donovani 543, 690 – infantum 543 – major 544 – mexicana 544 – panamensis 544 – peruviana 544 – tropica 544 Leishmanien 542 Leishmaniose 542 – kutane 544 – mukokutane 544 – viszerale 543 Leistenlymphknoten, geschwollener 251

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Sachverzeichnis Lektin 92 – mannosebindendes = MBL 92 Lentivirus 221 Lepra – Borderline- 385 – Diagnostik 386 – indeterminata 385 – lepromatöse 385 – tuberkuloide 385 Letalität 708 Leukocidin 330 – Pantoin-Valentin-Toxin 330 Leukoenzephalopathie, progressive multifokale = PML 264 Leukozyten 78 – Extravasation 114 Leukozytopenie 31 Leukozyturie 35 Levofloxacin 307 LFA-1–/ICAM-1-Interaktion 136 L-Form 295 Lichtheimia corymbifera 505 Lichtmikroskop 37 Lidabszess 624 Lidherpes 624 Lidphlegmone 624 Lignin 473 Lincomycin 306 Linezolid 306 Linksverschiebung 31 Lipidhülle, virale 169 Lipocalin 114 Lipocalin-2 134 Lipopeptide 306 – Wirkmechanismus 309 Lipopolysaccharide 291 Lipoteichonsäuren 290 Liquordiagnostik 621 Listeria monocytogenes 348 – Granulomatosis infantiseptica 349 – konnatale Listeriose 349 – Nachweis 349 – Vermeidung intrauteriner Infektionen 682 Listerien 348 Listeriose, konnatale 349 L-Ketten 97 Loa loa 569 Loading dose 70 Lobärpneumonie 344 – Röntgenbefund 32 Löffler, Friedrich 167 Löffler-Serum 353 Lomentospora 504 Lopinavir 196 Louping-III-Virus 213 Low-Risk(LR)-Virus 262 L-Polypeptidkette, leichte 97 LPS = Lipopolysaccharide 291 LR(Low-Risk)-Virus 262 LSD = Lysergsäurediethylamid 475 LTBI = Latente Tuberkuloseinfektion 378 Lues – connata 441 – Gummen 442 – latens 441 – Meningitis 442 – Mesaortitis luetica 442 – Plaques muqueuses 441 – progradiente Paralyse 442 – Serologie 443 – Stadium I 441 – Stadium II 441 – Stadium III 442 – Suchtest 443 – Tabes dorsalis 442 – Therapie 444 – Ulcus durum 441

Lumefantrin 525 Lungen-Aspergillom 500 Lungenabszess 642 Lungenaspergillose 500 – Air crescent sign 501 – Halo sign 501 Lungenegel 581 Lungenmilzbrand 362 Lungenpest 415 Lupus erythematodes, systemischer = SLE 156, 161, 163 Lutzomyia sp. 610 L-Vorläufer 85 Lyme-Arthritis 162, 446 Lyme-Krankheit 446 Lymphadenitis mesenterialis 417, 650 Lymphadenopathiesyndrom = LAS 222 Lymphknoten 83 lymphocytosis-promotin-factor 430 Lymphogranuloma venereum = inguinale 460 Lymphokryptovirus 256 Lymphozyt 87 – Antigenrezeptor 87 – autoreaktiver 156, 157 – B-Lymphozyten 88 – Infektionserregererkennung 96 – Killerzellen, natürliche 89 – naiver 80 – Rezirkulation 81 – T-Lymphozyt 88 lymphozytäre Choriomeningitis = LCM 238 Lymphozytentransformationstest 66 Lymphozytose 31 Lysergsäurediethylamid = LSD 475 Lysis-Zentrifugationssystem 679 Lysogenotypie 46 Lysozym 110, 114 Lyssavirus 232-233

M MAC = membrane attack complex 140, 152 Machupovirus 239 Madenfraß 614 Madenwürmer 557 Madurafuß 504 Maduramykose 504 Magainin 302 Magnaform 535 MAIT = mukosaassoziierte invariante T-Zelle 90 major histocompatibility complex = MHC 86 Makrogametozyten 521 Makrolide 306, 321 – Wirkmechanismus 309 Makrophagen 86, 115 – zirkulierende 86 Makropinozytose 119 Malaria – Epidemiologie 522 – Medikamente 525 – Prophylaxe 526 – quartana 521 – tertiana 521 – tropica 523 Malarone 525 Malassezia 497 – furfur 497 Malathion 599 Maldigestion 656 MALDI-TOF 46-47

MALT = mucosa-associated lymphoid tissue 80, 83 Maltafieber 427 Malum perforans 675 Mannane 473, 478, 481 Mannheimia 435 Maraviroc 192 Marburgvirus 235 – Struktur 234 Markergene 58 Markstränge (Lymphknoten) 83 Masern – aktive Immunisierung 744 – passive Immunisierung 738 Masernenzephalitis 228 Masernexanthem, makulopapulöses 228 Masernvirus 225, 227 – Infektion, persistente 190 – Replikation 176 – Struktur 170, 225 Massenspektrometrie 44, 47 Mastadenovirus 268 Mastitis puerperalis 332 Mastzelle 87 – Aktivierung 132 – Quervernetzung 140 Matrixprotein, virales 208 mature virus = MV 269 MBL = mannosebindendes Lektin 92, 95 McConkey-Agar 44 MDR = multi drug resistance 382 Mebendazol 555 Mediator – humoraler 77 – proinflammatorischer 87 – zellulärer 77 Medikamente – Autoimmunerkrankung 161 – Autoimmunität 161 Mefloquin 525 Mehrfachresistenz 314 Meldepflicht 712 Melkerknotenvirus 271 membrane attack complex = MAC 140, 152, 187 Membranoxygenierung, extrakorporale 641 Meningitis 619 – Cryptococcus neoformans 495 – epidemica 390 – Haemophilus influenzae 438 – Liquorbefunde 622 – luetische 442 – Symptomatik 620 – virale 198 Meningoenzephalitis 619 – Cryptococcus neoformans 495 Meningokokken – aktive Immunisierung 742 – Chemoprophylaxe 393 – Meningitis 390, 392 – Mikroskopie (Methylenblaufärbung) 39 – Nachweis 392 – Virulenzfaktoren 391 – Waterhouse-FriderichsenSyndrom 391 Menschenfloh 607 Meropenem 305 Merozoiten 521 MERS-CoV = middle east respiratory syndrome coronavirus 209 Mesaortitis luetica 442 Mesenterialvenenthrombose 653 Metabolom 23

Metalle/Metallsalze, zur Desinfektion 728 Metallobetalaktamasen 312 Metapneumovirus, humanes = hMPV 225, 231 Metazerkarien 573 Methämoglobin 704 Methicillin 305 – methicillinresistente Staph. aureus 314, 331 Methylenblaufärbung 38 Metronidazol 307 Mezlocillin 305 MHC = major histocompatibility complex 86, 102 MHC-Antigen, Autoimmunerkrankung 160 MHC-Defizienz 145, 148 MHC-Klasse-I-Defizienz 149 MHC-Klasse-II-Defizienz 148 MHC-Moleküle 102 – Antigenprozessierung 105 – Klasse I 102 – – Präsentationsweg 105 – Klasse II 104 – – Beladung 107 – – Präsentationsweg 106 – Variabilität 104 MHK = minimale Hemmkonzentration 317, 320 Miasmenlehre 15 Miconazol 483 microfold cell 84 Micropur 704, 728 Microsporum 485 – canis 486 – equinum 486 – gallinae 486 – gypseum 486 middle east respiratory syndrome coronavirus = MERS-CoV 209 mikroaerophil 354 Mikrobiom 17, 22, 110 Mikrofibrillen 295 Mikrofilarien 568 Mikrogametozyten 521 Mikroglia-Zelle 86 Mikrokokken 348 Mikroorganismus 17 – Einteilung 18 – kommensaler 110 – Krankheitserreger 25 Mikroskopie 37 – gefärbte Präparate 38 – Nativpräparate 38 Mikrosporidien 512 Mikrosporie 487 Milben 603 Miliartuberkulose 378 Milleri-Gruppe 346 Milz 82 Milzbrand 361 – Darm 362 – Haut 362 – Lunge 362 Mimikry, antigenes 450 Mineralwasser 703 Minocyclin 306 Mirazidium 573 Miscoding 309 Mittelmeerfleckfieber 461 Mittelohrentzündung, akute 631 Mittelstrahlurin 34 MLST = Multi-Locus-SequenzTypisierung 59 MMR Triplovax 744 molecular fingerprinting 59 molecular mimicry 162

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758 Molekulare Diagnostik – Infektionserreger 57 – Nukleinsäuren 48 – Pathogenitätsfaktoren 57 – Resistenzgene 57 Molekulare Genotypisierung 55 – molecular fingerprinting 55 Mollicutes 467 Molluscipoxvirus 269, 272 Molluscum-contagiosum-Virus 272 Monarthritis 670 Monobactame 305 – Wirkmechanismus 308 Mononukleose, infektiöse 257 Monozyt 86 – inflammatorischer 114 Moraxella 386 – catarrhalis 393 Morbillivirus 225, 227 Morbus – Bruton 145 – Hodgkin 259 – Wegener siehe Granulomatose mit Polyangiitis 156 Morganellaceae 398 Morphogenese, virale 175, 179 Mortalität 707 Mosaikwarze 262 Moskitonetz 598 Moskitos 610 MOTT = mycobacteria other than tubercle bacilli 383 Moxifloxacin 307 M-Protein 338 MRGN = multiresistente gramnegative Bakterien 314, 315 mRNA – genomische 178 – monocistronische 287 – polycistronische 287 – subgenomische 178 MRSA = methicillinresistente Staph. aureus 314, 331 Mucor 506 – circinelloides 505 Mucoraceen 476, 479, 505 Mucorales 505 Mucormykose 505 Mucormyzeten 505 mucosa-associated lymphoid tissue = MALT 80 Mukoviszidose 641 multi drug resistance = MDR 382 Multi-Locus-Sequenz-Typisierung = MLST 59 Multiple Sklerose 163 – Pathogenese 163 Multiplex-PCR-Konzepte 57 Multiplex-PCR-Testsysteme 57 Multiresistenz 310, 314 Mumps, aktive Immunisierung 744 Mumpsvirus 225-226 – Struktur 170 – Übertragung 184 Mundbodenphlegmone 648 Mund-Hand-Fuß-Krankheit 648 Mupirocin 335 Murein 289 Musca domestica 614 Muscidae 614 Muskeltrichinen 567 Mustererkennungsrezeptor = PRR 91 – löslicher 92 – membranständige 93 – zytoplasmatischer 95 Mutansgruppe 346

Sachverzeichnis Mutation – Bakterien 285 – virale 187 Mutterkorn (Claviceps purpurea) 474 Mutterkornalkaloide (Claviceps purpurea) 475 Mutterschaftsrichtlinien 681 MV = mature Virus 269 Myalgie, epidemische 202 Myasis 614 Mycobacterium – avium 383 – intracellulare 383 – kansasii 383 – leprae, siehe Lepra – marinum 384 – tuberculosis 144, 374 – – Ziehl-Neelsen-Färbung 40 – ulcerans 383 Mycophenolsäure 475, 476 Mycophyta 19 Mycoplasma – hominis 468 – pneumoniae 468 Mycoplasmataceae 467 Mykobakterien, siehe Mycobacterium und Tuberkulose 373 – Antibiotika 382 – atypische 383 – Klassifikation 374 – Löwenstein-Jensen-Agar 380 – Nachweis 379 – nicht tuberkulöse = NTM 383 Mykobiom 473 Mykologie, siehe Pilze 473 Mykoplasmen – Aufbau der Zellwand 295 – urogenital 469 Mykorrhiza 21, 473 Mykotoxin 474, 499 Myokarditis 645 – virale 198 Myonekrose 370 Myzel 478, 479 Myzetome 504 M-Zelle 84

N Nadelstichverletzungen, Vorgehen 722 Naegleria 538 NAG-Vibrionen 424 Nährmedien 44 – Elektiv- 44 – Selektiv- 44 – Spezial- 44 – Universal- 44 Nairovirus 240-241 Nalidixinsäure 307 NALT = nasal-associated lymphoid tissue 83 nasal-associated lymphoid tissue = NALT 83 Nasopharynxkarzinom = NPC 258 NAT = Nukleinsäure-Amplifikations-Techniken 50 Natamycin 482 Nativpräparate 38 Natürliche Killerzelle = NK-Zelle 117, 185 NDM = Neu-Delhi-Metallocarbapenemase 312 Nebenfruchtformen, asexuelle 476 Nebenwirt 515 Necator americanus 562 Negersaat-Agar 496

Negri-Körperchen 32 – virale 234 Neisser-Färbung 39 Neisseria 386 – gonorrhoeae siehe Gonokokken 387 – meningitidis siehe Meningokokken 390 Nekrose, verkäsende 376 Nelfinavir 196 Nemathelminthes 553 Nematoda 556 Neomycin 306 Neoplasie, zervikale intraepitheliale = CIN 262 Neotrombicula autumnalis 605 NET = neutrophil extracellular traps 114 Netilmicin 306 Neu-Delhi-Metallocarbapenemase = NDM 312 Neugeborenen-Blennorrhö 388 Neugeborenenlisteriose 350 Neugeborenentetanus 365 Neutralisation, virale 186 Neutralisationstests 61 neutrophil extracellular trap = NET 114 Neutrophile 86, 114, 116 Neuweltarenavirus 238 Nevirapin 196 next generation sequencing = NGS 53 NGS = next generation sequencing 53 NGU = Nichtgonokokken-Urethritis 459 Nichtgonokokken-Urethritis = NGU 459 Nicht tuberkulöse Mykobakterien = NTM 374 Nicht-nukleosidischer RT-Inhibitor = NNRTI 196, 224 Nickelallergie 154 Niclosamid 555 Niedrigtemperatur-Plasmasterilisation 733 Nifurtimox 542 NIG = Normalimmunglobulin 204 Nipahvirus 225, 232 Nitrat – Grenzwert Trinkwasser 703 – im Trinkwasser 704 Nitrit – Grenzwert Trinkwasser 703 – im Trinkwasser 704 Nitritprobe 35 Nitrofurane 307 Nitrofurantoin 307 Nitrofurazon 307 Nitroimidazole 307 Nitroxolin 306, 315 NKT-Zelle, invariante 90 NK-Zelle = natürliche Killerzelle 89, 117, 185 NLR = NOD-like-Rezeptor 92, 95 NLR-Protein = NLRP 95 NLRP = NLR-Protein 95 NNRTI = nicht-nukleosidischer RT-Inhibitor 196, 224 Nocardia 354 – asteroides 354 – brasiliensis 354 – farcinica 354 NOD = nucleotide and oligomerization domain 95 NOD-like-Rezeptor = NLR 92, 95 Nokardien siehe Nocardia 354 Noma 445 Non-A-non-B-Hepatitis 206

Nonfermenter 394 Norfloxacin 307 Normalimmunglobulin = NIG 204 Norovirus 204, 205 Norwalkvirus 205 Novovirus 28 NPC = Nasopharynxkarzinom 258 N-Propanol 725 NRTI = nukleosidähnlicher RT-Inhibitor 194, 224 NSE = neuronspezifische Enolase 279 NT = Neutralisationstests 62 nTREG = natürliche regulatorische T-Zelle 89 NTM = nicht tuberkulöse Mykobakterien 374, 383 nucleoside reverse transkriptase inhibitor = NRTI 194 nucleotide and oligomerization domain = NOD 95 Nukleinsäure, virale 168 Nukleinsäureamplifikationstechniken = NAT 50 – Nachteile 54 – Vorteile 54 Nukleinsäure-Hybridisierung 49 Nukleokapsid, virales 170 nukleosidähnlicher RT-Inhibitor = NRTI 224 Nukleosidanaloga 192 Nystatin 482

O O-Antigen 294 – Enterobacteriaceae 399 Oberflächenwasser 702 Ochratoxine 475 Octenidin 719, 729 Ödem 31 Ödembildung, Mechanismus 113 Offenbarungspflicht 712 Öffentliche Gesundheit 699 Ohrspeicheldrüse, infizierte 227 OMP = outer membrane protein 293, 399 OMP-Antigene, Enterobacteriaceae 399 Onchocerca volvulus 570 Onchozerkose 570 Onkosphären 584 Onychomykose 486 Oophoritis 665 Oozysten 527 Opaque-Protein 387 open reading frame = ORF 206 Operon 285 Ophthalmia neonatorum 625 Ophthalmie, sympathische 161 Opisthorchiidae 578 Opisthorchis 578 Opisthotonus 365 Opportunist 26, 686 OPSI = overwhelming post splenectomy infection 344, 438, 679 Opsonin 95 – Rezeptoren 112 Opsonisierung 92, 110, 140 Optochintest 345 Oralisgruppe 346 Oralpädon 240 652 Oralstreptokokken 346 Orbitaphlegmone 628 Orchitis 199, 663 – schmerzhafte 227 ORF = open reading frame 206

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Sachverzeichnis Orf, viraler 272 Orfvirus 272 Organ – primäres lymphatisches 79, 156 – sekundäres lymphatisches 80 Organmanifestation, virale 184 Orientia 461 Ornithose 457 Orochol Berna 743 Oropouche-Virus 241 Oroya-Fieber 466 Orthobunyavirus 240-241 Orthohepadnavirus 273 Orthomyxoviridae 172, 242 Orthopoxvirus 269-270 Oseltamivir 197, 245 Ösophagitis 649 Osteomyelitis 333, 650 – Therapie 668 – Ursachen 667 Ostitis 333 Otitis – externa 630 – – Aspergillus 500 – – maligna 630 – media 344 – – acuta 631 – – chronische 631 Otomykose 630 Ouchterlony-Technik 61 Overwhelming post splenectomy infection = OPSI 344, 438, 679 Oxacillin 305 Oxalactame 305 Oxazolidinone 306 Oxytetracyclin 306 Oxyuridae 557

P PAE = post antibiotic effect 307 Palivizumab 230 PALS = periarteriolar lymphoid sheath 82 p-Amino-Salicylsäure 382 PAMPs = pathogen-associated molecular patterns 91, 290, 291, 293, 478 Pandemie 707 Panenzephalitis, subakute sklerosierende = SSPE 190, 229 Pankreatitis 658 Pantoin Valentin Toxin siehe Leukocidin 330 Panzytopenie 79 PAP = pyelonephritisassoziierte Pili 411 Papageienkrankheit 457 Papataci-Fieber 610 Papillitis 648 Papillomaviridae 173, 261 Papillomavirus, humanes = HPV 261, 742 – Infektion, persistente 190 – Struktur 261 – Übertragung 184 Pappataci-Fieber 241 Papulose, bowenoide 262 Paraaminosalicylsäure 307 Paragonimidae 581 Paragonimus 690 Parainfluenzavirus 225-226 Parallelresistenz 314-315 Paralyse, progrediente 442 Paramyxoviridae 172, 225, 231 Paraparese, tropische spastische = TSP 220 Parapoxvirus 269, 271 Parasitenwahn 598

Paratyphus siehe Typhus 401 Parechovirus 172 – humanes 199, 201 Parodontitis 648 Paromomycin 306 Parotitis 199 – epidemica 226 Parvoviridae 173, 265 Parvovirus B19 265 – Infektion, persistente 190 – Struktur 265 PAS = Paraaminosalicylsäure 307 Pasteurella 435 Pasteurisierung 701 pathogen-associated molecular patterns = PAMPs 91, 290, 291, 293, 478 Pathogenität 25 pattern recognition receptor = PRR 77, 91 – löslicher 92 – membranständige 93 Patulin 302, 475 PavA 344 PBP = Penicillinbindeprotein 289 PCR = Polymerasenkettenreaktion 50 – broad-range PCR 57 – diagnostische Wertigkeit 55 – Ethidiumbromid 51 – Indikation 54, 55 – Präanalytik 56 – quantitative 52 – Template 50 PCR-Testsysteme, geschlossene 58 Pediculus humanus – capitis 608 – corporis 609 Peitschenwürmer 565 Peliosis hepatis 466 pelvic inflammatory disease 388, 665 Pemphigus vulgaris 156 Peneme 305 – Wirkmechanismus 308 Penetration – Stoff, antimikrobieller 299 – virale 173 Penicillin G 305 Penicillin V 305 Penicillinbindeproteine 289 Penicillinderivate 304 Penicilline 305 – Stoffwechselprodukt von Penicillium 502 – Wirkmechanismus 308 Penicillium 502 – camemberti 502 – marneffei 503 – roqueforti 502 PEP = postexpositionelle Prophylaxe 722 Peptid – antimikrobielles 110 – autologes 162 – bindender Spalt 103 Peptidbeladungskomplex 105 peptide-loading complex = PLC 106 Peptidoglykan 289 Perforine 135 Perikarditis 644 – virale 198 Perimyokarditis 644 Peristaltikhemmer 652 Peritonealtuberkulose 653 Peritonitis 653 – Candida-Mykose 491 – Diagnostik 654

– spontane 653 – Symptomatik 654 – traumatisch 653 Peritonsillarabszess 634 Permeabilitätsbarriere 311 Permethrin 599 Persistenz, virale – chronische 189 – latente 189 Pertactin 430 Pertussis 430 – aktive Immunisierung 741 – Hyposphagma 431 – Impfung 433 – Stadium catarrhale 431 – Stadium convulsivum 431 – Stadium decrementi 431 – Therapie 432 Pest 415 – Bubonen 416 – Lungen- 416 – Primäraffekt 415 – Sepsis 416 Pestfloh 607 Pettenkofer, von 17 Peyer-Plaques 83-84 Pfeiffer-Zelle 260 P-Fimbrien 411 Pfriemenschwänze 557 Phaeohyphomyzeten 503 Phage siehe Bakteriophagen 286 Phagentypisierung 46 Phagolysosom 113 Phagozyt 112 – Quervernetzung 140 Phagozytendefekte 687 Phagozytose 86, 113 Phäohyphomykosen 504 Pharmakokinetik, Antibiotika 320 – Eskalation 74 Phenole, zur Desinfektion 726 Phenoxymethylpenicillin 305 Phialokonidien 479 Phlebotominae 610 Phlebotomus sp. 610 Phlebotomus-Fieber-Virus 241 Phlebovirus 240-241 Phlegmone 340, 673, 674 Phospholipase A2, sekretorische 110 Phthiris pubis 609 pH-Wert 298 – Antibiotikawirksamkeit 317 Phytoalexine 302 PI = Proteaseinhibitor 196 Picornaviridae 172, 180, 199 Picornavirus, Replikation 175 PID = pelvic inflammatory disease 665 Piedra alba 496 pIgR = polymerer Immunglobulinrezeptor 138 Pili 295 Pilze 473 – Allergie 473 – Antigennachweis 481 – Antimykotika 481 – Definition 19 – Dematiaceen 503 – Dermatophyten 485 – Diagnostik 479 – dimorphe 478, 507 – Hefen 489 – Infektion 476 – Intoxikation 474 – Klassifikation 476 – Kultur 44 – kultureller Nachweis 480 – Merkmale 476 – Mikroskopie 479

– morphologische Grundformen 478 – Mucoraceen 505 – Nomenklatur 476 – Schimmelpilze 498 – Schwärzepilze 503 – Serologie (allgemein) 481 – Sporen (Konidien) 479 – Sprosspilze 489 – zellulärer Aufbau 477 Pilzfaden 478 Pinselschimmel 502 Pinta 445 Piperacillin 305, 310 Piperaquin 525 Pittsburgh-Pneumonie 434 Pityriasis versicolor 497 Pivmecillinam 304, 315 Plaques muqueuses 441 Plasmakoagulase 335 Plasmazelle 124, 128 – antikörperproduzierende 82 Plasmide 287, 310 Plasmodien siehe Plasmodium 520 Plasmodium – falciparum 144, 520 – knowlesi 520 – malariae 520 – ovale 520 – Prophylaxe 526 – spp. 690 – vivax 520 Plastikinfektionen 333 Plathelminthes 553 Plattwürmer 553, 573 PLC = peptide-loading complex 106 Plerozerkoid 590 Pleuraempyem 642 Pleuritis 642 Pleurodynie 202 PML = progressive multifokale Leukoenzephalopathie 264 Pneumocystis – carinii 511 – jirovecii 511 Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie 222, 511 Pneumokokken 343 – aktive Immunisierung 742 Pneumonie 638 – ambulant erworbene 638 – Aspergillus 500, 640 – atypische 434, 458, 464 – Diagnostik 639 – Erreger 638 – nosokomiale 638 – Pittsburgh- 434 – Pneumocystis jirovecii 511 – Symptomatik 639 – Therapie 641 Pneumoviridae 172, 225 Pneumovirus 225, 230 PNP = Purinnukleosidphosphatase 147 PNP-Defizienz 147 Pocken 270 – aktive Immunisierung 744 Pockenimpfung 17 Pockenvirus, Struktur 170, 269 POCT = Point-of-care-Testung 59 Point-of-care-Testung = POCT 59 poison ivy 155 Poliomyelitis 202, 690 – aktive Immunisierung 742, 744 – enzephalitische Form 202 – Impfstoff 200 – spinale Form 202

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760 Poliovirus – IRES 180 – Struktur 170, 199 Polkörperchen 351 Pollakisurie 660 Polyarthritis 670 Polyene 482 Polygenie, MHC-Moleküle 104 Polyhexanid 719, 728 Polymerasekettenreaktion = PCR 34, 50 – Real-Time-PCR 51 Polymorphismus, MHC-Moleküle 104 Polyomaviridae 173, 263 Polyomavirus 264 – Infektion, persistente 190 – Struktur 263 Polypeptidabbau – Endosom 107 – Proteasom 105 Polypeptide 306 Polypeptidkette – H-Kette, schwere 97 – L-Kette, leichte 97 Polysaccharidimpfstoffe 741 Polysaccharidkapsel – Meningokokken 391 – Staph. aureus 330 Polyvinylpyrrolidon-Jod = PVPJod 727 Pontiac-Fieber 434 Porine 293 Porphyromonas 454 Posaconazol 483 post-antibiotic effect 319 Postinfektionssyndrom 692 Postprimärtuberkulose 378 posttransplantation lymphoproliferative disorder = PTLD 259 Poxviridae 173, 269 Präanalytik 33 Präbiotika 24 Prädiktivwert 37 Präparatefärbungen 38 Präpatenzzeit 515 Prävalenz 707 Prävention 697 – Harnwegsinfektionen 717 – katheterassoziierte Sepsis 718 – nosokomiale Pneumonie 718 – postoperative Wundinfektionen 717 – primäre 697 – sekundäre 697 – tertiäre 697 Präzipitationsreaktionen 61 Praziquantel 555 Prevotella 454 Prevotellatyp 24 Primaquin 525 Primärfokus 126 Primärkomplex 377 – Lues 441 Primärreplikation, virale 182 Primärstadium, Lues 441 Primärtuberkulose 377 Prion = proteinaceous infectious agents 18, 278 Prionprotein = PrPc 278 Probenentnahme 33 Probentransport 36 Probiotika 24, 67 – Lactobacillus 24 – Saccharomyces 24 Procainamid 161 Procalcitonin 30, 621 Prodigiosin 422 Proglottiden 583 Proguanil 525

Sachverzeichnis Prokaryonten 19, 285 Promotorbereich 285 Prophage 286 Prophylaxe, perioperative 69 Propionibacterium 357 Prostatitis 388, 663 Proteaseinhibitor = PI 196 Proteasom 105 Protegrine 303 Protein A, Staph. aureus 330 Protein, virales 169 – nichtstrukturelles 200 – p130 279 – regulatorisches 169 – strukturelles 200 Proteinmodifikation, zelluläre 180 Proteinsyntheseapparat, Bakterien 287 Proteotoxin 430 Proteus 422 – mirabilis 422 – penneri 422 – vulgaris 422 Protheseninfektion 669 Protionamid 382 Protisten 19 Protoskolizes 587 Protozoen 517 – Bedeutung 518 – Darm- 518 – Definition 19 – Gewebe- 518 – Klassifikation 517 – Urogenital- 519 Provirus 176 – Retroviridae 219 Prozessierung 86 PrPc = Prionprotein 278 PRR = pattern recognition receptor 77, 91 – löslicher 92 – membranständiger 93 Pruritus 656 Pseudoappendizitis 417 Pseudohyphe 478 Pseudomembran 352 Pseudomonadaceae 394 Pseudomonaden 395 Pseudomonas aeruginosa 395 Pseudoparasitismus 595 Pseudophyllidae 583 Psilocybin 475 Psittakose 457 PTLD = transplantationsassoziiertes B-Zell-Lymphom, posttransplantation lymphoproliferative disorder 259 public health 699 Puerperalsepsis 340 Pulex irritans 607 Pulpa – rote 82 – weiße 82 Punktionsurin, suprapubischer 34 Purinnukleosidphosphatase = PNP 147 Purpura – fulminans 391 – Schoenlein-Henoch 341 Purpurafieber, brasilianisches 439 Pustula maligna 362 Puumala-Virus 241 PVP-Jod = PolyvinylpyrrolidonJod 727 Pyelonephritis 660 Pyocyanin 396 Pyrantel 555 Pyrazinamid 382

Pyrethrum 599 Pyridinderivate 719 Pyridone 484 Pyrogen 294 – exogenes 291 – Fieber 293-294 – Lipoteichonsäuren 291 – Teichonsäuren 291 Pyroptose 95

Q Q-Fieber 464 Quadruple-Therapie, H. pylori 454 Qualitätsindikator 72 Quecksilbersalz, zur Desinfektion 728 Queensland-Zeckenbissfieber 461 Quellwasser 703 Quetschpräparat 585 Quorn 506 quorum sensing 299

R Rabiesvirus 233 – Struktur 232 Racheninfektion, virale 202 Raltegravir 196 Randsinus (Lymphknoten) 83 Raoultella 398 Rattenbiss 676 Raubwanzen 541, 606 Raucherhusten 437 Räuchern 701 Räude 603 Real-Time-PCR 51 Reassortment, virales 171, 243 Reduplikation 300 Reduviidae 606 Reed-Sternberg-Zelle 259 Referenzdatenbank 59 Regenwasser 702 Rehydratation 426, 652 Reisemedizin 747 Reiter-Syndrom 409, 459, 669 Reizdarmsyndrom 652 Rekombination, somatische – BCR 98 – TCR 101 Rekrudeszenz, virale 191, 249 Rekurrenz, virale 191, 249 Relebactam 310 Reoviridae 172, 246 Reovirus, Interferonblockade 188 Repellents 599 Replikation, virale 175 – Blockierung 192 Reservoir, virales 185 Resistenz – Efflux 313 – inaktivierende Enzyme 311 – induzierte 311 – Mechanismen 311 – natürliche 310 – Permeabilitätsbarrieren 313 – sekundäre 310 Resistenzbestimmung, virale – genotypische 224 – phänotypische 224 Resistenzbildung, virale 224 Resistenzmechanismen 67 Resistenzstufen, gegen Wasserdampf 731 Resistenztestung 317 respiratorischer Burst 113

Respiratory Syncytial Virus = RSV 225, 230 Respirovirus 225, 226 Retikulum, endoplasmatisches = ER 102 Retinochorioiditis 627 retinoic-acid inducible gene = RIG 95 Retroviridae 172, 218 – humanpathogene Gattungen 218 Retrovirus 185 – Replikation 175 – Übertragung 184 Reverse Transkriptase = RT 50, 194, 219 Reverse-Transkriptase-Hemmer, HBV-Infektion 276 Rezeptor – aktivierender 118 – Antigenerkennung 97 – inhibierender 118 – Killerzellen, natürliche 89 – NOD-like- 95 – phagozytosevermittelnder 119 – RIG-like- 95 – TOLL-ähnlicher = TLR 120 RFLP = restriction fragment length polymorphism 46 Rh-Inkompatibilität, Anti-DProphylaxe 738 Rhabditidae 564 Rhabdoviridae 172, 232 Rhadinovirus 260 Rheumafaktor 29, 671 Rheuma-Serologie 671 Rheumatisches Fieber 341 Rhinitis 633 – allergische 150 – virale 202, 209 Rhinovirus 199, 201 – Übertragung 184 Rhizomucor pusillus 505 Rhizopoden 517, 534 Rhizopus arrhizus 505 Rhodotorula 494, 497 Riamet 525 Ribavirin 196 – Cap-Bildung 195 Ribitol 290 Ribosomen 287 Richtlinien 712 Rickettsia 461 Rickettsiaceae 461 Rickettsienpocken 463 Riegelimpfung 747 Riesendarmegel 581 Riesenkondylom 262 Rifabutin 306, 382 Rifampicin 306, 382 – Wirkmechanismus 309 Rifamycine 306 Rift-Valley-Fieber-Virus 241 RIG = retinoic-acid inducible gene 95 RIG-like-Rezeptor = RLR 92, 95 Rinderbandwurm 583 Ringelröteln 266 Ringformen 521 Risikogruppen, Umgang mit Mikroorganismen 66 Risus sardonicus 365 Ritonavir 196 RKI = Robert-Koch-Institut 201 RLR = RIG-like-Rezeptor 92, 95 RNA, virale 169 RNA-Genom – doppelsträngiges 246 – negativsträngiges 225

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761

Sachverzeichnis RNA-Prozessierung, zelluläre 180 RNA-Virus – Infektion, persistente 190 – Replikation 175 Robert-Koch-Institut = RKI 201 Rocky Mountain spotted Fever 461, 462 Roseolen 401 Roseolovirus 255 Rostellum 583 Rotavirus 247, 744 – Replikation 177 – Struktur 246 – Übertragung 184 Röteln, aktive Immunisierung 744 Rötelninfektion 210 – Embryopathien 210 – Schwangerschaft 210 Rötelnvirus – Impfung 211 – Struktur 170 Rous-Sarkom-Virus 167 Roxithromycin 306 RSV = respiratory syncytial virus 225, 230 RT = reverse Transkriptase 50, 194, 219 RT-Inhibitor – nicht-nukleosidischer = NNRTI 196, 224 – nukleosidähnlicher = NRTI 224 Rubellavirus 210 – Infektion, persistente 190 – Struktur 209 Rubivirus 209, 210 Rubor 29 Rubulavirus 225, 226 Ruderschwanzlarven 573 Ruhr 408 – Amöben 535 – rote 409 – weiße 409 Ruminococcustyp 24 Rundwürmer 553

S Sabiavirus 239 Sabin-Feldman-Test 531 Sabin-Impfstoff 200 Sabin-Impfung 744 Sabouraud-Agar 487 Saccharomyces – boulardii 493 – cerevisiae 493 Sacculus 290 Salk-Impfstoff 200 Salmonella 398, 400 – Dauerausscheider 402 – H-Antigene 400 – K-Antigene 400 – Kauffmann-White-Schema 400 – Klassifikation 400 – Nachweis 401 – O-Antigene 400 – paratyphi 401 – typhi 401 – Vi-Antigene 400 Salmonellainfektion, im Alter 683 Salmonellose – aktive Immunisierung 743 – enteritische 404 – typhöse 401 Salpingitis 653, 665 Salvarsan 441 Sandfliegen 610

Sandfliegenfieberinfektion vom Serotyp Toskana = SFTOS 241 Sandfloh 608 sandfly fever 241 Sandkornzystitis 576 Sanger-Methode, Kettenabbruchmethode 52 Sapovirus 204, 206 saprotroph 473 Saquinavir 196 Sarcocystis 531 Sarcoptes scabiei 603 Sarcoptidae 603 SARS = schweres akutes respiratorisches Syndrom 209 SARS-CoV 209 Satellitenphänomen 436 Sauerstoff 298 Sauerstofftherapie, hyperbare 371 Säuglingsbotulismus 368 Säuglingsenteritis 268 Säuglingssterblichkeit 707 Saugwürmer 573 Säuren, zur Desinfektion 729 Scavenger-Rezeptor = SR 92-93 Scedosporium apiospermum 504 SCFAs = short-chain fatty acids 23 Schanker – harter 441 – weicher 439 Scharlach 339 Scheinkrätze 605 Scheuer-wisch-Desinfektion 724 Schildzecke 446 Schimmelpilze 498 – Aspergillus 498 – Fusarien 506 – Penicillium 502 – Scopulariopsis brevicaulis 506 Schistosoma 690 – intercalatum 577 – japonicum 576 – mansoni 577 – mekongi 576 Schistosomatidae 574 Schistosomiasis 574 Schistosomulum 574 Schizonten 521 Schlafkrankheit 539 Schlauchpilze 476 Schlauchwürmer 553 schleimhautassoziiertes lymphatisches Gewebe 83 Schleimhautbarriere 109 Schleimhautdesinfektion 719 Schlüssel-Schloss-Prinzip 173 Schmalspektrumantibiotika 304 Schnupfen, banaler 201 Schock, septischer 116 Schocksyndrom, toxisches 107, 333 Schokoladenagar 389, 438 Schraubenbakterien 440 Schutzimpfung 276 Schwangerschaft – Antibiotika 683 – HBV-Infektion 275 – Infektion 680 – – intrauterine 680 – – perinatale 680 Schwärm-Phänomen 422 Schwärzepilze 503 Schwarzer Tod 415 Schweinebrucellose 427 Schwimmbaddermatitis 578 Schwimmbäder, Hygiene 705

Schwimmbadgranulom 384 Schwimmbadkonjunktivitis 459, 626 SCID = schweres kombiniertes Immundefektsyndrom, severe combined immunodeficiency syndrome 145, 147 SCIT = subkutane Immuntherapie 152 Scopulariopsis brevicaulis 506 Scrapie 278 Sectio caesarea 682 Seifenfehler 723 Seitenstrangangina 634 Sekundärantwort (Impfung) 142 Sekundärstadium, Lues 441 Selbsttoleranz 156 – immunologische 157 – Verlust 159 Selektion – Erreger, resistenter 71 – – Reduktion 73 – klonale 88 – negative 127 – – Thymozyt 157 – positive 127 – – Thymozyt 157 Selektionsdruck 69 Selektiver Immunglobulinmangel 146 Selektivnährmedien 44 Semmelweis 17 Sensitivität 37 Sepsis 678 – Diagnostik 679 – Erreger 678 – Therapie 679 Septen 478 Sequenzbestimmung 52 Sequenzierung 52 Sequenztyp = ST 59 Serinbetalaktamase 312 Serologie 34, 60 – Agglutinationsreaktionen 61 – Neutralisationstests 61 – Präzipitationsreaktionen 61 Seronarbe 61 Seroreplacement 344 Serratia 421 – liquefaciens 421 – marcescens 421 Serumamyloid A 29 Serumkrankheit 154, 737 Serumspiegel 70 Seuchenlehre 706 severe combined immunodeficiency syndrome = SCID 145 147 sexually transmitted disease 666 Sexualpili 295 SFTOS = Sandfliegenfieberinfektion vom Serotyp Toskana 241 Shewanella 395 Shigatoxin 408, 409 Shigella 398, 407 – Klassifikation 408 – Nachweis 409 – Ruhr 408 – Shigatoxin 408, 409 – Verotoxine 408 Shigellen 690 short-chain fatty acid = SCFA 23 Sialadenitis 648 Sichelzellenanämie 524 sick building syndrome 475, 633, 706 Signaltransduktion, Antigenbindung 108 Silbernitratlösung 388

Silbersalz, zur Desinfektion 728 Simplexvirus 249 Simuliidae 612 Simultanimpfung 737 Sin-Nombre-Virus 242 Sindbis-Virus 212 Sinusitis 633 – Aspergillus 500 Siphonaptera 607 Skabies 603 – Diagnostik 604 – Klinik 604 – Therapie 604 – Transmission 604 skin snips 571 Skorpione, Giftwirkung 595 SLE = systemischer Lupus erythematodes 156, 161 SLIT = sublinguale Immuntherapie 152 slow virus infection 190, 229 small colony variants 333 Snowshoe-hare-Virus 241 Soda 729 Sommergrippe, virale 202 Soor 491, 648 Soorösophagitis 649 SOS-Repair-System 285 SP = Surfactant-Protein 95 spa-Typisierung 334 Spalt, peptidbindender 103 Spaltimpfstoffe 739 Spectinomycin 306 Spezialnährböden 44 Speziesidentifizierung, molekulare 58 Spezifität 37 Sphaerulae, Kokzidioidomykose 509 Sphingomonas 395 Spiegelbestimmung, Antibiotika 321 Spike-Protein, virales 208 Spinnen, Gifte 595 Spinnentiere 593, 601 Spirochäten 440 – Borrelien 446 – Leptospiren 449 – Treponemen 440 Spiruridae 571 Spitzenkondylom 262 Splenektomie 438 Spondylitis 667 Spondylodiszitis 667-668 Spontanurin 34 Sporangium 479 Sporen 297, 360 Sporenpäckchen 734 Sporenstreifen 734 Sporentierchen 517 Sporothrix schenkii 510 Sporotrichose 510 Sporozoen 517, 520 Sporozoiten 521 Sporozysten 527 Sprosspilze 489 – askomyzetische 489 – basidiomyzetische 494 – Candida 489 – Cryptococcus spp. 494 – Malassezia 497 – Trichosporon 496 Sprosszelle 478 Sprue 652 Spulwürmer 558 Sputum 33 SR = Scavenger-Rezeptor 93 SS = staphylococcal scalded skin syndrome 333 ss(+)-RNA-Genom, virales 175 ss(–)-RNA-Genom, virales 176

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762 ssDNA, virale 169 SSPE = subakute sklerosierende Panenzephalitis 190, 229 ssRNA, virale 169 St.-Louis-Enzephalitis-Virus 213 Stäbchenbakterien – gramnegative – – aerobe 427 – – aerobe, nicht fermentierende 394 – – gebogene 450 – grampositive – – aerobe, nicht sporenbildende 348 – – aerobe, sporenbildende 360 – – anaerobe, sporenbildende 364 – – mikroaerophile bis anaerobe, nicht sporenbildende 354 Stadtgelbfieber 214 Stamaril 744 Stammbaum, phylogenetischer 21 Stammzelle – hämatopoetische 85 – lymphoide 84, 87 – myeloische 84, 85 – pluripotente 79 Stammzelltransplantation, Immundefekte, zelluläre 149 Ständerpilze 476 staphylococcal scalded skin syndrome 333 Staphylococcus aureus 329 – Abszess 332 – Clumping-Faktor 329 – Dermatitis exfoliativa 333 – Enteritis 334 – Enterokolitis 334 – Exfoliatin 333 – Furunkel 332 – Impetigo follicularis 332 – Karbunkel 332 – Koagulase 329 – Lebensmittelvergiftungen 334 – Mastitis puerperalis 332 – Nachweismethoden 334 – Osteomyelitis 333 – Toxine 334 – Virulenzfaktoren 330 Staphylococcus epidermidis 336 Staphylococcus saprophyticus 336 Staphylokokken 328 – koagulasenegative 329, 336 – koagulasepositive 329 Staphylokokken-Enterotoxin (SE) 107 Staubmilben 605 Staubsaugen 710 STD = sexually transmitted disease 666, 688 – Diagnostik 689 – Erreger 689 STEC = Shiga-like-Toxin produzierende E. coli 411 Stechfliege, gemeine 614 Stechmücken 610 Stenotrophomonas 395 Sterilisation 730 – Ausglühen 734 – energiereiche Strahlung 733 – Farbindikatoren 734 – Filtration 733 – Gas- 733 – Heißluft- 731 – Kalt- 734 – Niedrigtemperatur-Plasma733

Sachverzeichnis – Phasen beim Autoklavieren 732 – Techniken 731 – thermische 731 – Tyndallisieren 734 – Verbrennen 734 – Verpackung des Materials 734 STIKO = ständige Impfkommission 201, 746 Stimulation, antigenspezifische 122 stimulator of interferon genes = STING 95 STING = stimulator of interferon genes 95 Stomatitis aphthosa 250 Stomoxys calcitrans 614 Strahlenpilz 359 streptococcal toxic shock syndrome 340 Streptococcus agalactiae 343 Streptococcus anginosus 346 Streptococcus bovis 346 Streptococcus constellatus 346 Streptococcus cricetus 346 Streptococcus intermedius 346 Streptococcus mitis 346 Streptococcus mutans 346 Streptococcus pneumoniae 343 – aktive Impfung 345 – Hämolysin 344 – IgA-Protease 344 – Lobärpneumonie 344 – Meningitis 344 – Nachweis 345 – Polysaccharidkapsel 344 – Therapie 345 – Virulenzfaktoren 344 Streptococcus pyogenes 338 – Erysipel 340 – erythrogene Toxine 338, 339 – Folgekrankheiten 341 – Impetigo contagiosa 340 – M-Protein 338 – Nachweis 342 – Pharyngitis 338 – Phlegmone 340 – Puerperalsepsis 340 – Scharlach 339 – Streptolysin 338 – Therapie 342 – Virulenzfaktoren 338 Streptococcus salivarius 346 Streptococcus sanguis 346 Streptokinase 338 – Streptococcus 338 Streptokokken 336 – Hämolysearten 337 – Klassifikation 337 – Lancefield-Einteilung 337 – Latex-Objektträger-Test 337 – Nachweis 338 – Oral- 346 – Serogruppe A 338 – Serogruppe B 343 – Serogruppen 337 Streptolysin O 338 Streptolysin S 338 Streptomycin 306, 382 Strobila 583 Strongyloides 690 – stercoralis 564 Strukturprotein, virales 169, 210 STSS-Toxin = StreptokokkenToxic-Shock-Syndrome-Toxin 680 Stubenfliege 614 Stufendiagnostik 372

Stuhldiagnostik 651 – acholischer Stuhl 656 – Farbe 651 – Geruch 651 – Konsistenz 651 Stuhlprobe, Entnahme 35 Stuhltransplantation 24 Subfamilie, virale 172 Sulbactam 305, 310 Sulfadiazin 307 Sulfamethoxazol 307 Sulfanilamid 307 Sulfonamide 307 – Wirkmechanismus 309 Superantigen 107, 333, 334 Surfactant-Protein = SP 92, 111 – Rezeptoren 95 – SP-A 93 – SP-B 93 Surveillance 717 Surveillance-Kulturen 681 Suszeptibilität 25 Svedberg-Einheiten 287 swimmer’s itch 578 SYBR Green 51 Synapse, immunologische 136 Syndrom – B-lymphoproliferatives 259 – schweres akutes respiratorisches = SARS 209 Synzytienbildung, virale 181 Syphilid, serpiginöses 442 Syphilis siehe Lues 440 systemischer Lupus erythematodes = SLE 156, 161, 163

T Tabakmosaikvirus 168 – Struktur 170 Tabanidae 613 Tabes dorsalis 442 Tachyzoiten 527 Taenia 690 – saginata 583 – solium 585 Taeniidae 583 Tafelwasser 703 Tahyna-Virus 241 Tanapoxvirus 272 TAP = transporters associated with antigen processing 105 Tap-and-drain-Hypothese 222 Tapasin 106 Tardivepidemie 707 Tarragona-Strategie 323 Tatar 584 Tazobactam 305, 310 TCR = T-Zell-Rezeptor 77, 100 TDM = therapeutisches DrugMonitoring 322 TDR = totally drug resistance 382 Tedizolid 306 TFH-Effektorzelle 133 Teichonsäuren 290 Teichuronsäure 290 Temperaturoptimum 298 Templat, PCR 50 Tenazität 335 Tenovir 276 Tenside, zur Desinfektion 728 Terbinafin 483 Tertiärstadium, Lues 442 Tesafilmabklatsch 36 Teststreifen, Urin 35 Tetagam 366 Tetanospasmin 365 Tetanus 365 – aktive Immunisierung 741 – generalisierter 365

– lokalisierter 365 – Neugeborenen- 365 – passive Immunisierung 738 Tetrazykline 306 – Wirkmechanismus 309 T-Gedächtniszelle 143 – Effektor- 143 – geweberesidente 143 – zentrale 143 TH1-Zelle 131 TH2-Zelle 132 TH17-Effektorzelle 133 Thayer-Martin-Agar 389 T-Helferzelle 130 – siehe auch CD4+-T-Zelle Therapeutisches Drug Monitoring = TDM 322 Therapie – empirische = kalkulierte 688 – gezielte 315, 688 – kalkulierte 315 – präemptive 688 Therapiebäder, Hygiene 705 Thermalbäder 705 Thermoresistenz 731 thymic stromal lymphopoietin = TSLP 90 Thymidinanalogon 194 Thymidinkinase = TK 192 Thymozyt 157 Thymus 80 thymus dependent 80 Thyphoral 743 TI = thymus independent 130 TI-1-Antigen 130 TI-2-Antigen 130 Tinea 486 – nigra 504 Tipranavir 196 Titerverlauf 60 TK = Thymidinkinase 192 TLR = TOLL-ähnlicher Rezeptor 92, 94, 120 T-Lymphozyt 88 – Antigenerkennung 102 – Autoimmunreaktion 163 – Phase, afferente 121 – Stimulation 122 γ/δ-T-Lymphozyten 101 TNF-(Tumornekrosefaktor-)α 115 TNF-Hemmer 144 Tobramycin 306 Todesursachen, Häufigkeit 18 Togaviridae 172, 209 – Struktur 209 Togavirus 212 Toleranz (Immunsystem) – periphere 157 – – Deletion 157 – – Störung 160 – zentrale 156 – – Störung 159 TOLL-ähnlicher Rezeptor = TLR 92, 94, 120 Tollwut – aktive Immunisierung 742 – passive Immunisierung 738 Tollwutvirus – Replikation 176 – silvatisches 233 – Übertragung 184 – urbanes 233 Tonsillitis 338 Tonsillopharyngitis 634 totally drug resistance = TDR 382 Totimpfstoff 142 Totleitungen 704 toxic shock syndrome toxin = TSST 330

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763

Sachverzeichnis Toxic-Shock-Syndrom-Toxin-1 (TSST-1)-Protein 107 Toxin, Autoimmunität 161 Toxisches Schocksyndrom 107, 333 Toxocara – canis 561 – cati 561 Toxocariasis 561 Toxoidimpfstoffe 739 Toxoplasma gondii 527 – Vermeidung intrauteriner Infektionen 682 Toxoplasmose 527 – Diagnostik 531 – konnatale 530 – okuläre 529 – postnatale 529 – reaktivierte 529 – Therapie 531 TPHA = Treponema-pallidumHämagglutinationstest 443 TPHA-Test 443 TPPA = Treponema-pallidumPartikel-Agglutinationstest 61, 443 Trabekel – Lymphknoten 83 – Milz 82 Trachealsekret 33 Tracheitis 636 Tracheobronchitis, akute 636 Trachom 458, 626 TRAIL = tumor necrosis factorrelated apoptosis-inducing ligand 118 Transduktion 286 Transformation 286 Transkriptase, reverse = RT 194, 219 Transkriptionsapparat, viraler 180 Translationsapparat, viraler 180 transmissible spongioform encephalopathy = TSE 278 Transmission, virale 184 Transpeptidasen 289 Transplantationsassoziiertes BZell-Lymphom = PTLD 259 transporters associated with antigen processing = TAP 105 Transposon 286 T-Regulatorzelle = TREG, induzierbare 134 Trematoda 573 Treponema – carateum 445 – pallidum subsp. – – Endemicum 445 – – pallidum 440 – – Pertenue 445 – Übersicht 440 – vincentii 445 – Western-Blot-IgM-Test 444 Triatoma 606 Triazole 483 Trichinella 690 – spiralis 566 Trichinose 566 Trichomonaden 545 Trichomonadenkolpitis 545 Trichomonas – hominis 547 – tenax 547 – vaginalis 545 Trichophytia 487 – profunda 487 – superficialis 487 Trichophytie siehe Trichophytia 487

Trichophyton 485 – gypseum 486 – interdigitale 486 – rubrum 486 – terrestre 486 – tonsurans 486 Trichosporon 496 – asahii 496 – cutaneum 496 – mycotoxinivorans 496 Trichothecene 475, 476, 506 Trichuridae 565 Trichuriose 565 Trichuris trichiura 565 Trimethoprim 307 – Wirkmechanismus 309 Trimming 104 Trinkwasser 702 – Aufbereitungsmethoden 705 – Erreger 703 – Hygiene 702 – Indikatorkeim 703 – Nitrat 704 – Nitrit 704 – Qualitätsmerkmale 703 – Quellen 703 – Schadstoffe 704 – Verordnung = TVO 702, 704 Tripletherapie, H. pylori 453 Tripper 387 Trismus 365 Trocknung, Lebensmittel 701 Trogozytose 547 Trombiculidae 605 Tröpfcheninfektion 710 Tropheryma 358 Trophozoiten 517, 521 Trypanosoma – brucei gambiense 539 – brucei rhodesiense 539 – cruzi 541 Trypanosomen 539 Trypanosomenschanker 540 TSE = transmissible spongioform encephalopathy 278 Tsetsefliegen 613 TSLP = Thymic stromal Lymphopoitin 90 TSP = tropische spastische Paraparese 220 TSS = Toxisches Schocksyndrom 333 TSST = toxic shock syndrome toxin 330 Tsutsugamushi-Fieber 461, 463 Tuberkel 376 Tuberkulintest 154 Tuberkulose 374 – aktive Immunisierung 743 – Erreger 374 – Infektion, latente = LTBI 378 – Löwenstein-Jensen-Agar 380 – Lymphknoten 376 – Meningitis 378 – Miliar- 378 – offene 377 – Pathogenese 375 – postprimäre 378 – Primär- 377 – Primärkomplex 377 – reaktivierte 378 – Therapie 381 – Tuberkel 376 Tuberkulöse Infektion 377 Tuberkulostatika 382 Tuboovarialabszess 666 Tumor 29 tumor necrosis factor-related apoptosis-inducing ligand = TRAIL 118

Tumornekrosefaktor-(TNF-)α 115 Tunga 690 – penetrans 608 Tungidae 608 Tupferabstriche, Entnahme 33 Tusche-Präparat 495 TVO = Trinkwasserverordnung 702, 704 TWAR-Chlamydien 461 Tyndallisieren 734 Typhim 403 Typhoral L 403 Typhus 401 – aktive Immunisierung 742 – Impfung 403 – Relaps 402 – Roseolen 401 – Stadium acmes 402 – Stadium decrementi 402 – Stadium incrementi 401 – Therapie 403 Tyrophagus putrescentiae 605 Tyrosinkinase, defekte 145 T-Zell-Antigenrezeptor = TCR 100 T-Zell-Leukämievirus, humanes = HTVL 218, 220 – Infektion, persistente 190 T-Zell-Mangel 687 T-Zell-Rezeptor = TCR 77 T-Zell-Subklassen 89 T-Zelle – autoreaktive 157 – mukosaassoziierte invariante = MAIT 90 – natürliche regulatorische (nTREG) 89 – regulatorische 158 – unkonventionelle 90 – zytotoxische 135 TREG-Zelle 158 – induzierbare 134 – induzierte 158 – natürliche 158 – – Immunregulation 158 γδ-T-Zelle 90

U Überempfindlichkeitsreaktion, allergische siehe Allergie 151 Übertragung, virale – aerogene 191 – fäkal-orale 191 – horizontale 184 – vertikale 184 Ulcus – duodeni et ventriculi 452 – durum 441 – molle 439 – serpens corneae 344 – tropicum = Ulcus Buruli 384 Ulzeration, Herpes genitalis 251 Umgangsgenehmigung 713 Umkehrisolation 688 Umweltfaktoren, Autoimmunerkrankung 161 Umwelthygiene 706 Uncoating, virales 174 Universalnährmedien 44 30S-Untereinheit 288 50S-Untereinheit 288 Untereinheiten, ribosomale 288 Ureaplasma 467 Urease 452 Urease-Schnelltest 453 Urethritis 388, 662 – gonorrhoica 388

Urin 34 – Inspektion 35 – Katheterurin, transurethraler 34 – Keimzahlbestimmung 35 – Koloniezahl 34 – Kultur 35 – Mikroskopie 35 – Nitritprobe 35 – Punktionsurin, suprapubischer 34 – Teststreifen 35 Urindiagnostik 35 Uringewinnung 34 Urogenitalinfektion, virale 268 Urosepsis 661 Uta 544 UV-Desinfektion 191 Uveitis 627

V Vaccinata generalisata 271 Vacciniavirus 187, 271 – Interferonblockade 188 Vaginitis 664 Vaginose 356 Valaciclovir 194 Varibaculum 358 Varicella-Zoster-Virus = VZV 252 – Infektion, persistente 190 Varilix 744 Variola – major 271 – minor 271 – mitigata 271 Variolation 736 Variolavirus 270 Variolois 271 Varizellavirus 252 Varizellen – aktive Immunisierung 744 – passive Immunisierung 738 Varizellen-Exanthem 253 Varizelleninfektion 148 VCA = Viruskapsidantigen 259 V-DJ-Umlagerung – BCR 98 – TCR 101 VDRL = venereal disease research laboratory 444 VDRL-Mikroflockungsreaktion 444 Vektor – für Bakterien 597 – für Helminthen 598 – für Protozoen 598 – für Viren 597 – virusinfizierter 181 Verbrennen 734 Vergrünung 337 Vermehrungszyklus, viraler 173 Verordnungen 712 Verordnungsanalyse, proaktive 72 Verotoxine 408 Verpackung – Sterilgut 734 – virale 179 Verrucae – planae juveniles 263 – vulgares 263 Verruga peruviana 466 Vibrio 423 – cholerae 423, 690 – eltor 424 – parahaemolyticus 426 – vulnificus 427 Vibrionen 423 – NAG- 424

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764 Virämie – primäre 182 – sekundäre 183 Viridans-Streptokokken 346 Virion 168 Viroide 277 – Definition 18 Virologie – allgemeine 167 – spezielle 198 Virosomen 740 Virostatika – Strukturformeln 194 – Zytokine 197 Virulenzfaktoren 26 Virus 89, 168 – Adsorption 173 – Aufbau 168 – – Abbildung 170 – Ausbreitung 182 – Ausscheidung 184 – Ausschleusung 179 – behülltes 170 – – Penetration 174 – – Umweltresistenz 191 – Budding 179 – Definition 18 – DNA-Genom 248 – DNA-haltiges, Vermehrungszyklus 174 – ds(±)-DNA-Genom 177 – ds(±)-RNA-Genom 177 – Effekt, zytopathogener 180 – Größe 169 – immunsuppressives 187 – Klassifikation 171 – lymphotropes 228 – Morphogenese 179 – Mutation 187 – Nachweis der Infektiosität 43 – nacktes 170 – – Penetration 173 – – Umweltresistenz 191 – neurotropes 183 – Neutralisation 186 – Organmanifestation 184 – Penetration 173 – RNA-Genom – – doppelsträngiges 246 – – negativsträngiges 225 – ss(+)-RNA-Genom 175 – ss(–)-RNA-Genom 176 – Synzytienbildung 181 – Transkriptionsapparat 180 – Translationsapparat 180 – Transmission 184 – Uncoating 174 – Vermehrungszyklus 173 – Wirtsbefall 181 – Wirtszelle 173 virus like particle = VLP 263 Virusgrippe 245 Virushepatitis 655

Sachverzeichnis Virusinfektion – akute 189 – Autoimmunreaktion 162 – chronische 189 – Immunabwehr 185 – – spezifische 186 – – unspezifische 185 – Immunevasion 187 – Manifestation, klinische 198 – persistierende 189 – Prophylaxe 191 – slow virus 190 – Therapie 191 – Verlaufsform 189 Viruskapsidantigen = VCA 259 Virusreplikation, Behinderung 138 Virussicherheit 738 V-J-Umlagerung, TCR 101 VLP = virus like particle 263 VOC = volatile organic compound 475, 625, 633 Vogelgrippevirus 243 volatile organic compound = VOC 475, 625, 633 Von Pettenkofer 17 Voriconazol 483 Vorratsmilben 605 Vox cholerica 425 VRE = vancomycinresistente Enterokokken 348 V-Region, TCR 101 VTEC = verotoxinproduzierende E. coli 411 Vulvitis 664 Vulvovaginitis 356, 664 – akute 546 VZV = Varicella-Zoster-Virus 252

W Wangenbrand 445 Wanzen 606 Warton-Starr-Färbung 41 Warze, virale 261 – filiforme 262 – vulgäre 262 Waschfrauenhände 425 Wasserhygiene 17 Wasserquellen, natürliche 702 Waterhouse-Friderichsen-Syndrom 391 Wegener, Morbus siehe Granulomatose mit Polyangiitis 156 Weichselbaum Anton 390 Weichteilinfektion 672 Weil, Morbus 449 Western Blot 65 West-Nil-Virus = WNV 213, 216 Wimperlarve 573 Wimpertierchen 517 Windpocken 252 Winterbottom-Zeichen 540

Wirtsbefall, viraler 181 Wirtsprotein – funktionell analoges 169 – immunregulatorisches 188 Wirtszelle, virale 173 – Morphologie 181 WNV = West-Nil-Virus 213, 216 wrapped virus = WV 269 Wuchereria bancrofti 568 Wundbotulismus 368 Wundinfektion 673 Wundrose 340 Wundstarrkrampf 364 Würmer 553 Wurminfestationen 553 – Anthelminthika 555 – Diagnostik 553 Wurzelfüßer 517 WV = wrapped virus 269

X XDR = extensively drug resistance 382 Xenopsylla cheopis 607 XLA = X-linked Agammaglobulinämie 145 X-linked Agammaglobulinämie = XLA 145 X-linked Hyper-IgM-Syndrom 145

Y Yatapoxvirus 269, 272 Yersinia 414 – enterocolitica 418 – pestis, siehe Pest – pseudotuberculosis 417 Yersinia outer protein = YOP 418 Yersiniaceae 398 YOP = Yersinia outer protein 418

Z Zahnkaries 346 Zaire-Virus 235 Zanamivir 197, 245 Zearalenon 475, 476 Zecken 601 – Entfernung 603 – Entwicklungszyklus 602 – Epidemiologie 601 – übertragene Krankheiten 601 Zeckenbissfieber 461 Zeckenparalyse 602 Zeckenrückfallfieber 446 Zelle – akzessorische 85, 96, 113 – antigenpräsentierende = APC 221

– dendritische = DC 86, 119 – – follikuläre = FDC 124 – – Kreuzpräsentation 107 – – plasmazytoide 117 – nicht phagozytische 96 Zelllinie – lymphoide 87 – myeloische 85 Zellwand – Bakterien 289 – Defekte, Bakterien 295 – Pilze 478 Zentroblast 127 Zentrozyt 127 Zerkarien 573 zervikale intraepitheliale Neoplasie = CIN 262 Zervizitis 665 Ziegenpeter 226 Ziehl-Neelsen-Färbung 39 ZIG = Zosterimmunglobulin 254 Zikavirus 217 Ziliaten 517, 534 Zöliakie 652 Zoonose 184 Zoster 252 – ophthalmicus 253, 624 – oticus 254 Zosterimmunglobulin = ZIG 254 Zustand, antiviraler 117 Zuständigkeit bei der Behandlung von übertragbaren Krankheiten 713 Zweiflügler 610 Zweitimmunisierung 142 Zweitlinienantibiotika 381 Zwergbandwürmer 589 Zwergfadenwürmer 564 Zwischenwirt 515 Zygospore 505 Zyklitis 627 Zystitis 660 Zystizerkose 585 Zystokonidien 479 Zytokin 115 – chemoattraktives 141 – Differenzierungshilfe 157 – immunsuppressives 158 – proinflammatorisches 90 – Sekretion 136 – virostatisches 197 Zytokin-Homologe, virale 188 Zytomegalie, passive Immunisierung 738 Zytomegalievirus = CMV 254 – Infektion, persistente 190 – Übertragung 184 Zytotoxin, tracheales = TCT 430 Zytotoxizität 159 – antikörperabhängige zelluläre = ADCC 118, 140

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