Max Weber-Gesamtausgabe, Band II/6: Briefe 1909-1910 3161463080, 9783161463082

Die Korrespondenz Max Webers 1909-1910 vertieft und verdeutlicht das Bild seiner Personlichen und seiner wissenschaftlic

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German Pages 854 [879] Year 1994

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Max Weber-Gesamtausgabe, Band II/6: Briefe 1909-1910
 3161463080, 9783161463082

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Chronologisches Verzeichnis der Briefe 1909—1910
Siglen, Zeichen, Abkürzungen
Einleitung
Briefe 1909—1910
Anhang
Stoffverteilungsplan für das „Handbuch der politischen Ökonomie“ von 1910
Verzeichnisse und Register
Personenverzeichnis
Verwandtschaftstafeln der Familien Fallenstein und Weber
Register der Briefempfänger
Personenregister
Ortsregister
Aufbau und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe, Abteilung II: Briefe
Bandfolge der Abteilung I: Schriften und Reden

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Max Weber Gesamtausgabe Im Auftrag der Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Herausgegeben von

Horst Baier, M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schluchter, Johannes Winckelmann t

Abteilung II: Briefe Band 6

ARTIBUS

J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen

Max Weber Briefe 1909-1910

Herausgegeben von

M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit

Birgit Rudhard und Manfred Schön

J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen

Redaktion: Karl-Ludwig Ay - Edith Hanke Die Herausgeberarbeiten wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Werner-Reimers-Stiftung gefördert.

Die Deutsche Bibliothek Weber,

-

CIP-Einheitsaufnahme

Max:

Gesamtausgabe / Max Weber. Im Auftr. der Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Hrsg. von Horst Baier. . . Tübingen: Mohr. Abt. 2, Briefe. NE: Baier, Horst [Hrsg.]; Weber, Max: [Sammlung] Bd. 6. Briefe 1909—1910 / hrsg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön. -1994 ISBN 3-16-146308-0 Gewebe ISBN 3-16-146310-2 Hldr. NE: Lepsius, Mario Rainer [Hrsg.] 978-3-16-158147-2 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019 © 1994 J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde gesetzt und gedruckt von der Druckerei Guide in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier der Papierfabrik Gebr. Buhl in Ettlingen. Den Einband besorgte die Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen nach einem Entwurf von Alfred Krugmann in Stuttgart.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort Chronologisches Verzeichnis der Briefe 1909—1910 Siglen, Zeichen, Abkürzungen Einleitung Briefe 1909-1910

VII IX XIX 1 13

Anhang: Stoffverteilungsplan für das „Handbuch der politischen Ökonomie" von 1910 766 Personenverzeichnis

777

Verwandtschaftstafeln der Familien Fallenstein und Weber . . 824 Register der Briefempfänger

829

Personenregister

832

Ortsregister

843

Aufbau und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe, Abteilung II: Briefe

847

Bandfolge der Abteilung I: Schriften und Reden

853

Vorwort

Der hier vorgelegte Band des Briefwerks schließt unmittelbar an den 1990 erschienenen Band ( M W G II/5) an, der Korrespondenz der Jahre 1 9 0 6 - 1 9 0 8 umfaßt. A u c h diesmal mußte der Veröffentlichung angesichts der schwierigen Überlieferungslage eine vergleichsweise lange Vorbereitungszeit vorausgehen. Die Transkription der Briefe war w e g e n der überaus schwer lesbaren Handschrift wiederum sehr arbeitsaufwendig. E b e n s o erforderte die Kommentierung der Briefe erneut umfangreiche Recherchen in zahlreichen privaten und öffentlichen Archiven. Im Rahmen der Edition des Briefwerks ist M. Rainer Lepsius für die Briefe an Familienangehörige sowie an Marie Baum, Else Jaffe und Mina Tobler, Wolfgang J. M o m m s e n für die Korrespondenz wissenschaftlichen und politischen Inhalts, einschließlich der Briefe an Alfred Weber, zuständig. Die wissenschaftliche und politische K o r r e s p o n d e n z stellt in diesem Bande den weitaus größeren Bestand dar. Die Editionsarbeiten wurden von zwei Arbeitsstellen durchgeführt, die eine am Historischen Seminar der HeinrichHeine-Universität Düsseldorf unter der Leitung von Wolfgang J. M o m m s e n in Zusammenarbeit mit Manfred Schön, die andere am Institut für Soziologie der Universität Heidelberg unter der Leitung von M. Rainer Lepsius in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard. Die Transkription der handschriftlichen Texte wurde für die Briefe wissenschaftlichen und politischen Inhalts von Manfred Schön, für die Briefe an die Familienangehörigen sowie von Marianne Weber und Helene Weber von Diemut M o o s m a n n v o r g e n o m m e n . Die Herausgabe dieses B a n d e s war nur möglich dank der Unterstützung, die den Herausgebern von zahlreichen Institutionen sowie den Eigentümern zahlreicher Privatnachlässe zuteil wurde. Sie können hier nicht alle namentlich genannt werden, obgleich ihnen allen großer Dank gebührt. B e s o n d e r s genannt zu werden verdienen Dr. Max Weber-Schäfer, Konstanz, sowie Prof. Eduard Baumgarten (f) und seine Erben, die uns die in ihrem Besitz befindlichen Bestände bereitwillig zur Verfügung gestellt haben, femer G e o r g Siebeck, Verlag J . C . B . Mohr (Paul Siebeck), der uns die Bestände des Verlagsarchivs öffnete, sowie Prof. Mario Einaudi (t), der uns die Briefe an Robert Michels zugänglich machte, die sich heute in der Fondazione Luigi Einaudi, Turin, befinden, und schließlich Dietrich Rickert und Marianne Verbürg. Wir danken ferner zahlreichen Archiven und Bibliotheken sowie deren Mitarbeitern, von denen ausdrücklich genannt seien das G e h e i m e Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, das heute auch die Bestände des ehemali-

VIII

Vorwort

gen Zentralen Staatsarchivs der DDR Merseburg verwaltet, das Bundesarchiv Koblenz, das heute auch die Bestände des ehemaligen Zentralen Staatsarchivs der DDR Potsdam übernommen hat, die Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz - (ehemals Deutsche Staatsbibliothek Berlin/DDR), die Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek Kiel, die Universitätsbibliothek Leipzig, das Generallandesarchiv Karlsruhe, das Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, das Universitätsarchiv der Universität Heidelberg, die Landes- und Universitätsbibliothek Düsseldorf, die Universitätsbibliothek Heidelberg, die Universitätsbibliothek Freiburg i.Br., das Stadtarchiv Heidelberg, die Bayerische Staatsbibliothek München und das Universitätsarchiv der Universität München. Ohne die Großzügigkeit, mit der sie ihre Bestände zur Verfügung gestellt und mit Rat und zahlreichen Auskünften geholfen haben, hätte dieser Band nicht erstellt werden können. Die Arbeiten an diesem Bande wurden gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie der Werner-Reimers-Stiftung. Wesentliche Unterstützung erhielten die Herausgeber wiederum von der HeinrichHeine-Universität Düsseldorf, von der Universität Heidelberg sowie von der Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften unter dem Vorsitz von Knut Borchardt. Großen Dank schulden die Herausgeber Karl-Ludwig Ay und Edith Hanke von der Arbeitsstelle der Max Weber-Gesamtausgabe bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, die die Herausgeber in vielfacher Weise unterstützt und beraten haben, sowie Horst Baier, der das Manuskript des Bandes mit großer Sorgfalt durchgesehen und zahlreiche Hinweise gegeben hat. Margret S c h ö n gebührt Dank für die Mithilfe an den Korrekturarbeiten, Stephanie Merkenich, Susann Damati, Eva Quadbeck und Alexander Hoffmann für die Erstellung der Druckvorlagen der Briefe wissenschaftlichen und politischen Inhalts, Hannelore Chaluppa für die Erstellung der Druckvorlagen der Briefe an die Familienangehörigen, schließlich Ingrid Pichler für die Erstellung der Register. Heidelberg und Düsseldorf im August 1994

M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. M o m m s e n

Chronologisches Verzeichnis der Briefe 1909-1910

Datum

Ort

Empfänger

Seite

Düsseldorf Düsseldorf Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Helene Weber Paul Siebeck Paul Siebeck Georg Müller Paul Siebeck

13 15 19 20 24

o.O. o.O. Heidelberg Oerlinghausen Oerlinghausen Oerlinghausen Oerlinghausen Oerlinghausen Oerlinghausen Oerlinghausen Oerlinghausen Leipzig Mönchengladbach

Edgar Jaffé Paul Siebeck Karl Bücher Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber

25 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38

o.O.

Marie Bernays

39

o.O. Heidelberg Heidelberg

Edgar Jaffé Karl Bücher Robert Michels

44 46 51

o.O. Heidelberg

Edgar Jaffé Paul Siebeck

52 55

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Edgar Jaffé Heinrich Herkner Robert Michels Ferdinand TönnieS Heinrich Herkner Ferdinand Tönnies Heinrich Herkner Heinrich Herkner

56 57 60 63 67 69 71 73

1909 1. Januar 1909 3.Januar 1909 8. Januar 1909 10.Januar 1909 10.Januar 1909 vor dem 12. Januar 1909 12. Januar 1909 13. Januar 1909 16. Januar 1909 17. Januar 1909 18. Januar 1909 19. Januar 1909 20. Januar 1909 21. Januar 1909 22. Januar 1909 24. Januar 1909 25.Januar 1909 27. Januar 1909 nach dem 27. Januar 1909 Anfang Februar 1909 1. Februar 1909 9. Februar 1909 vor dem 11. Februar 1909 15. Februar 1909 nach dem 15. Februar 1909 17. Februar 1909 19. Februar 1909 19. Februar 1909 24. Februar 1909 2. März 1909 11. März 1909 16. März 1909

X

Chronologisches

Verzeichnis der Briefe

Datum

Ort

Empfänger

Seite

16. März 1909 25. März 1909 28. März 1909 29. März 1909 um den 4. April 1909 7. April 1909 11. April 1909 13. April 1909 13. April 1909 13. April 1909 20. April 1909 oder davor nach dem 20. April 1909 Zweite Aprilhälfte 1909 vor Mai 1909 3. Mai 1909 6. Mai 1909 7. Mai 1909 8. Mai 1909 9. Mai 1909 9. Mai 1909 11. Mai 1909 12. Mai 1909 nach dem 12. Mai 1909 15. Mai 1909 nach dem 15. Mai 1909 23. Mai 1909 26. Mai 1909 oder davor 27. Mai 1909 27. Mai 1909 31. Mai 1909 Juni 1909 5. Juni 1909 5. Juni 1909 11. Juni 1909 15. Juni 1909 19. Juni 1909 oder davor 22. Juni 1909

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Helene Weber Heinrich Herkner Friedrich Naumann Heinrich Herkner

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Friedrich Naumann Heinrich Herkner Heinrich Herkner Lujo Brentano Gustav von Schmoller Helene Weber

89 90 92 93 97 100

Pallanza

Paul Siebeck

102

Pallanza

Paul Siebeck

103

Pallanza o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Lujo Brentano Hans Gruhle Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Heinrich Herkner Hermann Beck Ferdinand Tönnies Heinrich Herkner Robert Michels

107 109 110 111 112 113 118 120 121 124

o.O. Heidelberg

Robert Michels Heinrich Herkner

127 128

o.O. Heidelberg

Heinrich Herkner Paul Siebeck

131 132

Heidelberg Stuttgart Stuttgart Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Paul Siebeck Paul Siebeck Paul Siebeck Paul Siebeck Lujo Brentano Johann Plenge Lili Schäfer Carl Johannes Fuchs Paul Siebeck

133 134 135 136 138 139 143 145 146

o.O. Seebach

Paul Siebeck Marianne Weber

147 148

76 81 84 86

Chronologisches Verzeichnis der Briefe

XI

Datum

Ort

Empfänger

23. Juni 1909 24. Juni 1909 25. Juni 1909 26. Juni 1909 27. Juni 1909 28. Juni 1909 28. Juni 1909 29. Juni 1909 29. Juni 1909 30. Juni 1909 30. Juni 1909 l.Juli 1909 2. Juli 1909 nach dem 2. Juli 1909 6. oder 7. Juli 1909 nach dem 12. Juli 1909 15. Juli 1909

Ruhestein Seebach Seebach Seebach Achern-Ottenhöfen Ruhestein Seebach Ruhestein Seebach Seebach Seebach Seebach Seebach

Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Georg von Below Marianne Weber Friedrich Meinecke Marianne Weber Edgar Jaffé Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber

149 150 151 152 153 154 156 158 161 162 164 165 167

o.O. Heidelberg

Lujo Brentano Hermann Oncken

168 170

o.O. Heidelberg

172

15. Juli 1909 15. Juli 1909 16. Juli 1909 16. Juli 1909 17. Juli 1909 19. Juli 1909 20. Juli 1909 23. Juli 1909 25. Juli 1909 um den 25. Juli 1909 vor dem 26. Juli 1909 30. Juli 1909

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Franz Eulenburg Elisabeth GnauckKühne Georg Jellinek Paul Siebeck Hermann Beck Georg Jellinek Paul Siebeck Paul Siebeck Edgar Jaffé Hermann Beck Georg Jellinek

o.O.

Heinrich Rickert

202

Heidelberg Heidelberg

205

31. Juli 1909 7. August 1909 7. August 1909 11. August 1909 19. August 1909 20. August 1909 21. August 1909 vor dem 26. August 1909 26. August 1909

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Lili Schäfer Leo Königsberger und Wilhelm Windelband Paul Siebeck Leo Königsberger Paul Siebeck Paul Siebeck Georg Jellinek Paul Siebeck Paul Siebeck

o.O. Heidelberg

Georg Jellinek Ferdinand Tönnies

233 235

Seite

176 179 183 186 189 191 194 195 196 198

206 210 212 222 223 226 229 231

XII

Chronologisches

Verzeichnis der Briefe

Datum

Ort

Empfänger

29. August 1909 31. August 1909 31. August 1909 1. September 1909 1. September 1909 3. September 1909 5. September 1909 5. September 1909 8. September 1909 11. September 1909 vor dem 12. September 1909 12. September 1909 13. September 1909 13. September 1909 14. September 1909 nach dem 14. September 1909 20. September 1909 20. September 1909 21. September 1909 24. September 1909 26. September 1909 oder davor 3. Oktober 1909 9. Oktober 1909 12. Oktober 1909 13. Oktober 1909 13. Oktober 1909 14. Oktober 1909 26. Oktober 1909 27. Oktober 1909 27. Oktober 1909 8. November 1909 8. November 1909 19. November 1909

Heidelberg Heidelberg o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Ferdinand Tönnies Hermann Beck Franz Eulenburg Hermann Beck Paul Siebeck Paul Siebeck Georg Jellinek Paul Siebeck Marianne Weber Lujo Brentano

237 240 242 243 246 248 251 253 254 256

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Georg Jellinek Georg Jellinek Paul Siebeck Marianne Weber Marianne Weber

258 261 263 264 268

o.O. o.O. Heidelberg Heidelberg Wien

Paul Siebeck Bernhard Harms Wilhelm Windelband Helene Weber Wilhelm Windelband

271 272 273 275 278

Wien Miramar Venedig Leipzig Leipzig Leipzig Leipzig Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

280 281 283 285 288 290 292 293 295 302 304 305

19. November 1909 20. November 1909 1. Dezember 1909 vor dem 3. Dezember 1909 3. Dezember 1909 6. Dezember 1909 oder davor

Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Paul Siebeck Paul Siebeck Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Wilhelm Windelband Marianne Weber Lujo Brentano Leo Königsberger Wilhelm Windelband Hermann Beck Paul Siebeck Ludo Moritz Hartmann Paul Siebeck Hermann Kantorowicz Gustav von Schmoller

o.O. Heidelberg

Georg Jellinek Edgar Jaffe

324 326

o.O.

Paul Siebeck

329

Seite

315 318 319 322

Chronologisches Datum

vor dem 11. Dezember 1909 vor dem 11. Dezember 1909 12. Dezember 1909 oder danach 16. Dezember 1909 16. Dezember 1909 oder danach 20. Dezember 1909 vor dem 25. Dezember 1909 vor dem 25. Dezember 1909 vor dem 25. Dezember 1909 25. Dezember 1909 28. Dezember 1909

Verzeichnis der Briefe

XIII

Ort

Empfänger

o.O.

Heinrich Rickert

332

o.O.

Heinrich Rickert

334

o.O.

Heinrich Rickert Heinrich Rickert

336 337

Heinrich Rickert Paul Siebeck

339

o.O. Heidelberg

Edgar Jaffé

o.O.

Georg Jellinek

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Lili Schäfer Gisela MichelsLindner Paul Siebeck

o.O.

Paul Siebeck

354

Heidelberg Heidelberg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg

Georg Jellinek Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Edgar Jaffé Marianne Weber

355 356 357 358 359 361

Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg

Edgar Jaffé Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber

362 364 366 367 371 372 375

Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Heidelberg Heidelberg

Edgar Jaffé Marianne Weber Marianne Weber Anton Bettelheim Ludwig Darmstaedter

376 377 379 382 383

Seite

Heidelberg 340 343 345 346 347 351

1910 7. Januar 1910 oder davor 11. Januar 1910 oder davor 11. Januar 1910 12. Januar 1910 13. Januar 1910 14. Januar 1910 14. Januar 1910 nach dem 14. Januar 1910 15. Januar 1910 16. Januar 1910 17. Januar 1910 19.Januar 1910 20. Januar 1910 21. Januar 1910 21. Januar 1910 oder danach 22.Januar 1910 24.Januar 1910 27. Januar 1910 31. Januar 1910

XIV

Chronologisches Verzeichnis der Briefe

Datum

Ort

Empfänger

2. Februar 1910 6. Februar 1910 oder davor 6. Februar 1910 6. Februar 1910 nach dem 6. Februar 1910 7. Februar 1910 8. Februar 1910 9. Februar 1910 11. Februar 1910 11. Februar 1910 13. Februar 1910 15. Februar 1910 18. Februar 1910 nach dem 18. Februar 1910 19. Februar 1910 22. Februar 1910 27. Februar 1910 28. Februar 1910 Anfang März 1910 1. März 1910 2. März 1910 3. März 1910 8. März 1910 9. März 1910 oder davor 11. März 1910 13. März 1910 oder davor 17. März 1910 nach dem 18. März 1910 20. März 1910 vor dem 23. März 1910

Heidelberg

Robert Michels

384

o.O. Heidelberg Heidelberg

Lujo Brentano Gustav Radbruch Paul Siebeck

386 389 393

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Lujo Brentano Robert Michels Hermann Beck Paul Siebeck Hermann Beck Robert Michels Robert Michels Paul Siebeck Paul Siebeck

394 396 397 400 401 402 403 404 408

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Edgar Jaffé Robert Michels Gustav von Schmoller Paul Siebeck Paul Siebeck Hans Gruhle Paul Siebeck Paul Siebeck Karl Bücher Hermann Beck

410 411 412 414 416 417 418 419 421 422

o.O. Heidelberg

Paul Siebeck Marianne Weber

424 426

Heidelberg Heidelberg

Heinrich Rickert Robert Michels

428 432

o.O. Heidelberg

Martin Rade Heinrich Rickert

433 434

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Otto von ZwiedineckSüdenhorst Paul Siebeck Sophie Rickert Paul Siebeck

437 439 440 441

o.O. Heidelberg

Edgar Jaffé Paul Siebeck

443 445

23. März 1910 24. März 1910 24. März 1910 vor dem 26. März 1910 26. März 1910

Seite

Chronologisches Verzeichnis der Briefe Datum 28. März 1910 oder davor 29. März 1910 31. März 1910 1. April 1910 2. April 1910 3. April 1910 4. April 1910 5. April 1910 6. April 1910 7. April 1910 8. April 1910 9. April 1910 14. April 1910 nach dem 14. April 1910 16. April 1910 oder davor 17. April 1910 20. April 1910 20. April 1910 25. April 1910 oder davor 25. April 1910 1. Mai 1910 2. Mai 1910 3. Mai 1910 4. Mai 1910 5. Mai 1910 6. Mai 1910 7. Mai 1910 7. Mai 1910 8. Mai 1910 9. Mai 1910 10. Mai 1910 11. Mai 1910 12. Mai 1910 13. Mai 1910 14. Mai 1910 vor dem 15. Mai 1910 16. Mai 1910 16. Mai 1910 16. Mai 1910

XV Seite

Ort

Empfänger

o.O. Heidelberg Sarzana Lerici Lerici Lerici Lerici Lerici Lerici Lerici Lerici Lerici Heidelberg

Paul Siebeck Hermann Beck Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Edgar Jaffé

446 448 451 452 454 455 457 460 462 463 465 468 471

Heidelberg

Edgar Jaffé

472

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Paul Siebeck Bogdan A. Kistjakovskij Bogdan A. Kistjakovskij Heinrich Sieveking

474 475 476 477

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Freudenstadt Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Charlottenburg Charlottenburg

Edgar Jaffé Marianne Weber Paul Siebeck Paul Siebeck Heinrich Sieveking Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Paul Siebeck Marianne Weber Marianne Weber Wilhelm Windelband Helene Weber Karl Bücher Paul Siebeck Marianne Weber Marianne Weber

480 481 484 486 487 489 492 495 496 497 499 501 505 506 508 509 511

o.O. Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg

Alfred Weber Marianne Weber Franz Eulenburg Karl Bücher

514 516 518 520

XVI

Chronologisches

Verzeichnis der Briefe

Datum

Ort

Empfänger

Seite

16. Mai 1910 nach dem 17. Mai 1910 18. Mai 1910 19. Mai 1910 19. Mai 1910 20. Mai 1910 21. Mai 1910 21. Mai 1910 22. Mai 1910 25. Mai 1910 27. Mai 1910 27. Mai 1910 28. Mai 1910 29. Mai 1910 29. Mai 1910 31. Mai 1910 4. Juni 1910 8. Juni 1910 9. Juni 1910 10. Juni 1910 19. Juni 1910 20. Juni 1910 24. Juni 1910 30. Juni 1910 2. Juli 1910 2. Juli 1910 9. Juli 1910 9. Juli 1910 10. Juli 1910 10. Juli 1910 11. Juli 1910 17. Juli 1910 25. Juli 1910 2. August 1910 2. August 1910 6. August 1910 6. August 1910 7. August 1910 11. August 1910 zwischen 13. und 21. August 1910 vor dem 20. August 1910

Charlottenburg

Paul Siebeck

525

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Brügge Brügge Brügge Brügge

Helene Weber Heinrich Sieveking Paul Siebeck Paul Siebeck Heinrich Sieveking Franz Eulenburg Paul Siebeck Heinrich Herkner Paul Siebeck Marianne Weber Heinrich Herkner Marianne Weber Franz Eulenburg Wilhelm Windelband Paul Siebeck Paul Siebeck Hermann Beck Dora Jellinek Wilhelm Windelband Oskar Siebeck Else Jaffe Sophie Rickert Helene Weber Friedrich Gundolf Paul Siebeck Friedrich Gundolf Wilhelm Windelband Hermann Beck Gustav von Schmoller Edgar Jaffe Oskar Siebeck Lili Schäfer Arthur Salz Oskar Siebeck Arthur Salz Marianne Weber Marianne Weber Arthur Salz

526 527 529 531 533 534 536 537 539 540 542 543 546 547 554 555 556 559 564 566 567 571 572 576 579 580 581 583 585 587 588 589 592 593 594 595 597 599

o.O.

Hermann Beck

600

o.O.

Paul Siebeck

601

Chronologisches Datum

vor dem 5. September 1910 10. September 1910 11. September 1910 12. September 1910 16. September 1910 17. September 1910 18. September 1910 18. September 1910 18. September 1910 20. September 1910 20. September 1910 22. September 1910 23. September 1910 24. September 1910 25. September 1910 September 1910 1. Oktober 1910 4. Oktober 1910 4. Oktober 1910 4. Oktober 1910 5. Oktober 1910 5. Oktober 1910 vor dem 9. Oktober 1910 9. Oktober 1910 11. Oktober 1910 11. Oktober 1910 12. Oktober 1910 14. Oktober 1910 14. Oktober 1910 16. Oktober 1910 17. Oktober 1910 18. Oktober 1910 18. Oktober 1910 26. Oktober 1910 27. Oktober 1910 27. Oktober 1910 27. Oktober 1910 27. Oktober 1910 nach dem 27. Oktober 1910 29. Oktober 1910 30. Oktober 1910

Verzeichnis der Briefe

XVII

Ort

Empfänger

Warwick „Prince Albert" Aachen Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Oskar Siebeck Max Sering Oskar Siebeck Hermann Beck Robert Michels Friedrich Gundolf Hermann Beck Hermann Beck Hermann Kantorowicz Lili Schäfer Paul Siebeck Oskar Siebeck Robert Michels Oskar Siebeck Hermann Beck Sophie Rickert Edgar Jaffe Hermann Beck Hermann Beck Oskar Siebeck Robert Michels Oskar Siebeck

602 603 605 606 608 609 610 612 613 615 618 619 620 621 622 629 630 632 634 636 637 638

o.O. Heidelberg o.O. Heidelberg o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Robert Michels Robert Michels Franz Eulenburg Oskar Siebeck Franz Eulenburg Oskar Siebeck Oskar Siebeck Oskar Siebeck Hermann Kantorowicz Oskar Siebeck Ferdinand Tönnies Ferdinand Tönnies Franz Eulenburg Max Nettlau Vorstand derDGS Wilhelm Windelband

639 640 641 642 644 646 647 648 649 650 651 653 655 657 659 663

o.O. Heidelberg Wilhelmshöhe

Robert Michels Martin Spahn Marianne Weber

664 666 667

Seite

XVIII

Chronologisches Verzeichnis der Briefe

Datum

Ort

Empfänger

Seite

31. Oktober 1910 31. Oktober 1910 31. Oktober oder 1. November 1910 1. November 1910 4. November 1910 7. November 1910 7. November 1910 8. November 1910 8. November 1910 11. November 1910 19. November 1910 21. November 1910 21. November 1910 22. November 1910 26. November 1910 26. November 1910 29. November 1910 30. November 1910 1. Dezember 1910 oder davor 1. Dezember 1910 5. Dezember 1910 11. Dezember 1910 13. Dezember 1910 13. Dezember 1910 13. Dezember 1910 oder danach 14. Dezember 1910 14. Dezember 1910 14. Dezember 1910 11. und 14. Dezember 1910 15. Dezember 1910 17. Dezember 1910 nach dem 17. Dezember 1910 18. Dezember 1910 20. Dezember 1910 21. Dezember 1910 Dezember 1910

o.O. Wilhelmshöhe

Franz Eulenburg Hermann Kantorowicz

669 671

Wilhelmshöhe Wilhelmshöhe Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Lili Schäfer Marianne Weber Helene Weber Vorstand der D G S Helene Weber Hermann Kantorowicz Ferdinand Tönnies Marie Baum Marie Baum Paul A. von Klenau Oskar Siebeck Robert Michels Paul A. von Klenau Paul A. von Klenau Oskar Siebeck Paul A. von Klenau

673 674 676 679 683 685 687 689 690 691 693 694 695 697 699 700

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Edgar Jaffe Ferdinand Tönnies Hermann Beck Vorstand der D G S Arnold Rüge Friedrich Blanck

701 703 705 712 715 718

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Friedrich Blanck Hermann Beck Friedrich Gundolf Robert Michels

721 724 725 726

Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Karl Vossler Friedrich Gundolf Friedrich Blanck

727 741 743

o.O. Heidelberg Heidelberg o.O. o.O.

Friedrich Blanck Edgar Jaffe Hermann Beck Robert Michels Arthur Weber

746 748 751 754 762

Siglen, Zeichen, Abkürzungen

|: :| > ( } [ ]

Einschub Max Webers Textersetzung Max Webers Von Max Weber gestrichene Textstelle Im edierten Text: Hinzufügung des Editors. Im textkritischen Apparat: unsichere oder alternative Lesung im Bereich der von Max Weber getilgten oder geänderten Textstelle. Im Kopfeintrag: erschlossene Angabe. Ein Wort oder mehrere Wörter nicht lesbar. und Paragraph siehe

[??] & § ->• 2 , 1 2 3

O O-i, 0 2 , 0 3 a b c , , a - a,b ' b

Indices bei Anmerkungen Max Webers Indices bei Sachanmerkungen des Editors Original der edierten Textvorlage Originale der edierten Textvorlagen bei paralleler Überlieferung Indices für Varianten oder textkritische Anmerkungen Beginn und Ende von Varianten oder Texteingriffen

a.a.O. Ab. Bl. Abh. Abs. Abt. AdW allg. AFLE AfSSp A.G., A.-G. a.M., a. Main Anm. a.o. M. a.o. Prof. Art. Aufl. Aug.

am angegebenen Ort Abendblatt, Abendausgabe Abhandlung Absatz Abteilung Akademie der Wissenschaften allgemein, allgemeine Archivio della Fondazione Luigi Einaudi Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik Aktiengesellschaft am Main Anmerkung außerordentliches Mitglied außerordentlicher Professor Artikel Auflage August

b

bei Berlin Bundesarchiv Bayerisches Hauptstaatsarchiv Band, Bände beantwortet Bearbeiter, bearbeitet Beilage

1)

\

3)

/Berlin BA BayHStA Bd., Bd, Bde. beantw. Bearb., bearb. Beil.

XX

Siglen, Zeichen,

Abkürzungen

Bernays, Marie, Auslese Bernays, Marie, Auslese und Anpassung der Arbeiterschaft der und Anpassung geschlossenen Großindustrie. Dargestellt an den Verhältnissen der „Gladbacher Spinnerei und Weberei" A.-G. zu MünchenGladbach im Rheinland (Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd. 133: Untersuchungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiter in den verschiedenen Zweigen der Großindustrie, Bd.1). - Leipzig: Duncker & Humblot 1910 betreffend, betrifft betr. bezüglich beziigl., bzgl. beziehungsweise bezw., bzw. bibliographisch bibliogr. Briefkopf BK Blatt Bl. BSB

Bayerische Staatsbibliothek

ca, ca., er. cf. Charl. Ciff. C°, Co. cts.

circa confer (vergleiche) Charlottenburg Ziffer Compagnie currentis

d. D„ Dr, Dr. Darmst. das. DDP dergl., dgl. ders. Dez. D.G.f.S., D G S dgl. d.h. Di. d.J. DLA d.M., d.Mts., ds.M. DNVP Do. dt., dtsch. durchges. DVP d.Z. D-Zug

der, die, den Doktor Darmstaedter daselbst Deutsche Demokratische Partei dergleichen derselbe Dezember Deutsche Gesellschaft für Soziologie dergleichen das heißt Dienstag des Jahres, dieses Jahres Deutsches Literaturarchiv dieses Monats Deutschnationale Volkspartei Donnerstag deutsch durchgesehen Deutsche Volkspartei derZeit Durchgangszug, Schnellzug

ebd. ediz. erg., Erg. erg. erw. etc, etc.

ebenda edizione ergänzt, Ergänzung ergebener, ergebenster erweitert et cetera

Siglen, Zeichen, Abkürzungen ev., event., evtl., evt, evt. Ew. Ex excl., exkl. Expl.

eventuell

f., ff. f. fase., Fase. FDP Febr. Fr. Fr. freundsch., freundschaftl. Frl., Fri FZ, Frkf. Zeitung

folgende für Faszikel Freie Demokratische Partei Februar Freund Freitag

gänzl. GdS geb. gedr. gefl. geh. Geh. Rath, Geh. R., G. R getr. gez. GLA G. m. b. H. GNM Großh. GStA GStAPK

Frankfurter Zeitung

H „ Hbg, Hbg. H „ Hm, Hrn. Halbbd. Heid. Hs. herzl. Hg., hg. HStA HWbStW HZ '/B, i. Br, i. Br. '/Eis. i. e. S. IISG ¡nel., inkl. insbes. Inst. S.

Euer, Eure Exodus exclusive Exemplar, Exemplare

freundschaftlich Fräulein

gänzlich Grundriß der Sozialökonomik geborene gedruckt gefällig, gefälligst gehalten Geheimer Rath getreuer gezeichnet Generallandesarchiv Gesellschaft mit beschränkter Haftung Germanisches Nationalmuseum Großherzoglich Geheimes Staatsarchiv Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Heidelberg Herr, Herrn Halbband Heidelberger Handschrift herzlich, herzlichst Herausgeber, herausgegeben Hauptstaatsarchiv Handwörterbuch der Staatswissenschaften Historische Zeitschrift im Breisgau im Elsaß im engeren Sinn Internationales Institut für Sozialgeschichte, Amsterdam inclusive insbesondere Institut Solvay

XXII

Siglen, Zeichen,

Abkürzungen

Jahrh.,Jh. Jan. Jb.,Jbb JbbNSt Jg. jun.

Jahrhundert Januar Jahrbuch, Jahrbücher Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik Jahrgang junior

Kap. kgl., kgl, königl. k. u. k. k. W.

Kapitel königlich kaiserlich und königlich kommende Woche

L., I. Landstr. L. F. E. LH Lk

liebe, lieber, liebster Landstraße Liebe Freundin/Frau Else Landwirtschaftliche Hochschule Lukas

M. M. M, M., Mk, Mk. masch. m.a.W. MdL MdprAH MdprL MdR m.E. Mi. Min. Mise., Misz. MNN Mo. Mo.BI. Mr. Mscr. M. St. P. Mt M.W., MW m.W. MWG M W G 11/5

Max Mitglied Mark maschinenschriftlich mit anderen Worten Mitglied des Landtags Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses Mitglied des preußischen Landtags Mitglied des Reichstags meines Erachtens Mittwoch Minute Miscellanea Münchner Neueste Nachrichten Montag Morgenblatt, Morgenausgabe Mister Manuscript Mittelstandspolitik Matthäus Max Weber meines Wissens Max Weber-Gesamtausgabe Max Weber-Gesamtausgabe, Abt. II, Band 5: Briefe 1 9 0 6 - 1 9 0 8 , hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred S c h ö n . - T ü b i n g e n : J . C . B . Mohr (Paul Siebeck) 1990

NB, N.B, N.B. neubearb. Nl. N°, No., Nr., Nro. not. Nov.

notabene neubearbeitete Nachlaß Nummer, Numero notiert November

Siglen, Zeichen,

Abkürzungen

O offeriti. Oerl., Örl., Örlingh. o.J. Okt. o.O. o. Prof., ord. Prof. Orig. Ausg. o/T

Original öffentlich Oerlinghausen ohne Jahr Oktober ohne Ort ordentlicher Professor Originalausgabe ob der Tauber

p. p. p.A., P.A. phil., Phil., philos. Phil. Diss. Phil. Fak. pp, pp. PrJbb Prof. P.S. PSt

pagina per per Adresse; Postanweisung philosophisch, Philosophie Philosophische Dissertation Philosophische Fakultät pergite (und so weiter) Preußische Jahrbücher Professor postscriptum Poststempel

Red. Rep. resp. rev. Rez.

Redaktion Repertorium respektive revidierte Rezension

S. s. S.A., S.-A. SBPK Sch..d's SchmJb

XXIII

Seite siehe Sonderausgabe, Separatausgabe Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Schweinehunds (Schmollers) Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich Sehn. Abkürzung für den Kosenamen von Marianne Weber sen. senior Sept. September SHLB Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek S. K. H. Seiner Königlichen Hoheit Slg. Sammlung So. Sonnabend So. Sonntag sog. sogenannt Sozialw. Sozialwissenschaft Sp. Spalte SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands Sl Saint St. Stunden stellv. stellvertretender s.Z., s. Zeit, s.Zt., sr. Zt. seinerzeit, seinerzeit

XXIV

Siglen, Zeichen,

Abkürzungen

T. TH

Teil Technische Hochschule

u. u.a., u.A. UA u.a. ÜB Übers. umgearb. undat. Univ. unveränd. usf. u. s.w., usw.

und und andere, und Andere, unter anderem, unter Anderem Universitätsarchiv und ähnliches Universitätsbibliothek Übersetzung umgearbeitet undatiert Universität unverändert und so fort und so weiter

v. VA v.Chr. verb, verfl... verh. Verhandlungen

von, vom Verlagsarchiv vor Christus verbessert verflucht verheiratete Verhandlungen des ersten deutschen Soziologentages vom 19.-22. Oktober 1910 in Frankfurt a. M. Reden und Vorträge von Georg Simmel, Ferdinand Tönnies, Max Weber, Werner Sombart, Alfred Ploetz, Ernst Troeltsch, Eberhard Gothein, Andreas Voigt, Hermann Kantorowicz und Debatten. - Tübingen: J . C . B . Mohr (Paul Siebeck) 1911 vermehrt Verein für Sozialpolitik vergleiche von Haus zu Haus Volume, volumes

verm. VfSp vgl., vergi. v.H.z.H. Vol., vols. W. w. Weber, Marianne, Lebensbild 3 wiss.

Weber wertes Weber, Marianne, Max Weber. Ein Lebensbild. - Tübingen: J . C . B . Mohr (Paul Siebeck) 1926 (Nachdruck = 3. Aufl. Tübingen 1984) wissenschaftlicher

Z. z.B. Zeitschr., Ztschr. ZGS z.H. Ziegelh. Landstr. zit. z.T.,z.Th. z.Z., z.Zeit

Zeile zum Beispiel Zeitschrift Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft zu Händen Ziegelhäuser Landstraße zitiert zum Teil zurZeit

Einleitung

1. Allgemeine

Bemerkungen

Über die Grundsätze, die die Herausgeber bei der Edition des Briefwerks geleitet haben, sei hier auf die Einleitung zu Band II/5 der Max WeberGesamtausgabe verwiesen. 1 Dort ist auch dargelegt worden, welche Konsequenzen sich für die Edition aus der fragmentarischen Überlieferung des Briefwerks ergeben, einschließlich des Verzichts auf die Mitteilung der nur im Ausnahmefall überlieferten Korrespondenda. Die Herausgeber und ihre Mitarbeiter waren bemüht, alle systematischen Wege, die zur Auffindung oder Erschließung von Briefen Max Webers führen konnten, zu verfolgen. Es darf davon ausgegangen werden, daß die erhaltenen Briefe nahezu vollständig in die Edition eingegangen sind. Briefe, die sich noch nach der Drucklegung finden mögen, werden in einem Anhang zum letzten Band dieser Edition mitgeteilt. Dennoch ist das hier vorgelegte Briefwerk Max Webers lückenhaft. Beispielsweise ist die Korrespondenz mit Georg Simmel oder Werner Sombart nicht oder nur in Einzelfällen überliefert. Auch von der umfangreichen Korrespondenz, die Weber im Zusammenhang mit der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, der Vorbereitung des Ersten Deutschen Soziologentages und der von ihm geplanten Untersuchung des Zeitungswesens führte, haben sich nur Teile erhalten. Die hier mitgeteilten Briefe vermitteln aber einen guten Eindruck von diesen Bemühungen Max Webers. Auch die weitverzweigte Korrespondenz für das von ihm und Paul Siebeck geplante „Handbuch der politischen Ö k o n o m i e " ist nur unvollständig überliefert, doch gibt sie ein eindrucksvolles Bild seiner Aktivitäten in diesem Zusammenhang. Die Herausgeber waren bemüht, durch eine angemessene Kommentierung die Lücken der Überlieferung nach Möglichkeit zu schließen und dem Leser den jeweiligen Kontext bzw. Hintergrund, dessen Kenntnis zum Verständnis der Briefe erforderlich ist, aufzuschlüsseln. Dies erwies sich im vorliegenden Falle nicht immer als leicht. Insbesondere die vielfach verwickelten Vorgänge im Zusammenhang mit der Deutschen Gesellschaft für Soziologie ließen sich nur mit einiger Mühe transparent machen. Gleiches gilt für die Präsentation der zahlreichen, immer wieder geänderten Vereinbarungen bezüglich der Beiträge zum „Grundriß der Sozialökonomik".

1 MWGII/5, S . 1 0 - 1 4 .

2

Einleitung

2. Zum Kontext des Briefwerks der Jahre 1909 und 1910 Auch in den Jahren 1909 und 1910 war Max Weber kontinuierlich als Mitherausgeber des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik tätig. Ungeachtet immer wieder auftretender Differenzen mit seinem Mitherausgeber Edgar Jaffe und gelegentlicher Neigungen, zugunsten eines weiteren Herausgebers künftig ganz in den Hintergrund zu treten, beschäftigte er sich weiterhin intensiv mit der Einwerbung von Beiträgen und der Begutachtung zahlreicher Manuskripte für das Archiv für Sozialwissenschaft. In diesem Zusammenhang knüpfte Max Weber ein ungewöhnlich weitgespanntes Netz von wissenschaftlichen Beziehungen zu zahlreichen Gelehrten der Kultur- und Sozialwissenschaften vornehmlich des deutschen Sprachraums. Er war dabei bemüht, die jeweils neuesten Forschungsdiskurse auch im Archiv zu berücksichtigen. Die diesbezüglichen Korrespondenzen geben insofern ein faszinierendes Abbild der Entwicklungen in den Geistesund Sozialwissenschaften jener Jahre. Im Mittelpunkt der Arbeit Max Webers standen jedoch zwei große wissenschaftspolitische Projekte. Beide hat er mit Engagement betrieben, ihnen widmete er einen erheblichen Teil seiner Arbeitskraft. Das eine Projekt war die Planung und Organisation eines umfassenden Handbuchs der politischen Ökonomie, das später unter dem Titel „Grundriß der Sozialökonomik" veröffentlicht wurde, das andere war die Organisation und inhaltliche Ausrichtung einer Vereinigung zur Förderung sozialwissenschaftlicher Forschung, die Deutsche Gesellschaft für Soziologie. Beide Projekte waren Ende 1908 an ihn herangetragen worden, beide griff er zu Beginn des Jahres 1909 mit großer Tatkraft auf. Paul Siebeck, der Verleger des von Gustav von Schönberg 1882 begründeten „Handbuchs der Politischen Ökonomie", wollte seit längerem dieses Werk in gründlich erneuerter Form wieder auflegen und gewann nach dem Tode Schönbergs 1908 dafür freie Hand. Nachdem er schon vorher Webers Rat in dieser Angelegenheit gesucht hatte, bot er ihm im August 1908 die Redaktion an.2 Nach einer Bedenkzeit entschloß sich Weber, diese Aufgabe anzunehmen und besprach die Angelegenheit ausführlich mit Paul Siebeck Anfang Januar 1909. In rascher Folge begann er, Autoren zu suchen und entwarf bis Ende Mai eine erste inhaltliche Gliederung, die uns nicht überliefert ist. Weber wollte eine Gesamtdarstellung der Nationalökonomie bieten, die sowohl die theoretische wie die historische Richtung in der zeitgenössischen Ökonomie zusammenbinden und in den Zusammenhang mit Gesell-

2 Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 27. Aug. 1908, MWG II/5, S.648.

Einleitung

3

schaft, Staat, Recht, Technik und Kultur stellen sollte. Für diese Konzeption wählte er den Ausdruck Sozialökonomik. In enger Zusammenarbeit mit dem Verleger Paul Siebeck bemühte sich Max Weber, etwa vierzig Autoren, nach Möglichkeit die besten verfügbaren Fachgelehrten der deutschsprachigen Forschergemeinschaft, dafür zu gewinnen, jeweils thematisch vorgegebene Beiträge zu verfassen. Ein großer Teil der nachstehend abgedruckten Korrespondenzen, einschließlich jener mit dem Verleger selbst, bezieht sich auf diese Bemühungen. Nicht selten bedurfte es schwieriger Verhandlungen, um die prominenteren Autoren zur Mitarbeit zu gewinnen. Dies erforderte Modifikationen der ursprünglichen Planung und zuweilen die Einräumung von Sonderkonditionen für die Autoren; Max Weber nahm denn auch vielfach unmittelbar Einfluß auf die Gestaltung der betreffenden Verlagsverträge. Die Schwierigkeit, daß für einige Themenbereiche geeignete Autoren nicht gefunden werden konnten, suchte Max Weber dadurch zu überwinden, daß er in Betracht zog, manche der Beiträge gegebenenfalls selbst zu übernehmen. Daraus erwuchs am Ende der Plan, selbst eine umfassende Synthese der zeitgenössischen sozialwissenschaftlichen Forschungen in Angriff zu nehmen. Insofern gehören die Korrespondenzen über den „Grundriß der Sozialökonomik" zugleich in die Vorgeschichte des unvollendeten Hauptwerks „Wirtschaft und Gesellschaft" . Auch für die Anordnung und die systematische Absicht der nachgelassenen Manuskripte ergeben sich Anhaltspunkte. Darüber hinaus aber gewähren die Korrespondenzen hinsichtlich des „Grundriß der Sozialökonomik", die in diesem Bande enthalten sind bzw. in den nachfolgenden Bänden des Briefwerks enthalten sein werden, reichen Aufschluß über die Arbeitsweise und die wissenschaftlichen Pläne Max Webers und deren Veränderungen im Laufe der Jahre. Weber lehnte es zwar ab, als Herausgeber des „Grundriß der Sozialökonomik" aufzutreten, doch eben diese Funktion übernahm er mit großer Energie. Schon Ende Mai 1909 glaubte er, das Unternehmen auf einen guten Weg gebracht zu haben. Er kalkulierte den Umfang auf 164 Bögen in drei Bänden 3 und wollte als Ablieferungsdatum den November 1911 festgesetzt sehen, rechnete also mit dem Erscheinen des Werkes im Laufe des Jahres 1912. 4 Diese optimistischen Pläne ließen sich indes nicht verwirklichen. Zahlreiche Komplikationen, die die Korrespondenz eindrücklich schildert, traten ein, so daß sowohl inhaltliche Umdispositionen als auch zeitliche Verzögerungen unvermeidlich wurden. Erst ein Jahr später im Mai 1910 konnte ein verbindlicher „Stoffverteilungsplan" erstellt werden, der dann vom Verlag als Manuskript gedruckt wurde. Da sich die jeweils getroffenen 3 Vgl. Brief an Paul Siebeck vor oder am 26. Mal 1909, unten, S. 133. 4 Vgl. Brief an Paul Siebeck vom 17. Juli 1909, unten, S. 1 9 1 - 1 9 3 .

4

Einleitung

Vereinbarungen über die Zeit beständig änderten, ist dieser „Stoffverteilungsplan" zur leichteren Orientierung des Lesers im Anhang beigefügt. 5 Auch dieser Plan mußte allerdings immer wieder umgestaltet werden. Nach der Unterbrechung, die durch den Ersten Weltkrieg verursacht wurde, hat Max Weber bis zu seinem Tode im Jahre 1920 an der Verwirklichung dieses Projektes gearbeitet. Das zweite große Projekt, das Weber in diesen Jahren intensiv beschäftigte, war die Gründung und Organisation der Deutschen Gesellschaft für Soziologie sowie die inhaltliche Ausrichtung ihrer Tätigkeit. Die Gründungsinitiative lag nicht bei ihm, und auch an der Gründungsversammlung am 3. Januar 1909 in Berlin nahm er nicht teil. Doch schon im Februar nahm er direkten Einfluß und am 7. März 1909, inzwischen zum Vorsitzenden des Ausschusses gewählt, der den Vorstand kontrollieren, dessen Rechenschaftsbericht prüfen und gemeinsam mit dem Vorstand über die wissenschaftlichen Angelegenheiten beschließen sollte, hat er an der ersten gemeinsamen Sitzung von Vorstand und Ausschuß teilgenommen. Von da an gehörte er zum Leitungsgremium der Gesellschaft. Er klagte über die mangelnde Entscheidungsfähigkeit des Vorstandes, dem zunächst Ferdinand Tönnies, Georg Simmel, Heinrich Herkner, Alfred Vierkandt und nach der ersten Mitgliederversammlung am 14. Oktober 1909 in Leipzig Ferdinand Tönnies, Georg Simmel und Werner Sombart angehörten. In zahlreichen Briefen insbesondere an den Geschäftsführer Hermann Beck versuchte er, sowohl organisatorisch wie auch inhaltlich auf die Gesellschaft Einfluß zu nehmen; insbesondere machte er zahlreiche Vorschläge für die Gestaltung der Satzung der Gesellschaft. Max Weber ging es primär darum, eine Vereinigung von Gelehrten zu schaffen, die als Träger für große und nur arbeitsteilig zu bewerkstelligende Forschungsprojekte dienen und weder weltanschaulichen noch politischen Zielen verpflichtet sein sollte. Er fürchtete, daß sich unter dem Namen der Soziologie höchst heterogene Interessen präsentieren würden. Er verfaßte die „Einladung zum Beitritt in die Deutsche Gesellschaft für Soziologie" 6 im Juni 1909 und beteiligte sich intensiv an der Rekrutierung geeigneter Mitglieder. Er wollte „durch eventuell künstliche Mittel und Schranken der Diskussion dafür sorgen, daß nicht .gequatscht' wird und nur Berufene reden und diskutieren"7 Um dies zu erreichen, ließ er in §1 der Satzung im Oktober 1909 das Postulat der Werturteilsfreiheit aufnehmen: Die Gesellschaft „gibt allen wissenschaftlichen Richtungen und Methoden der Soziologie gleichmäßig Raum und lehnt die Vertretung irgendwelcher praktischen (ethischen, religiösen, poli-

5 Vgl. unten, S. 766-774. 6 Vgl. MWG 1/13. 7 Vgl. Brief an Heinrich Herkner vom 8. Mai 1909, unten, S. 113-117.

Einleitung

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tischen, ästhetischen usw.) Ziele ab". 8 Diese Bestimmung führte auf dem Ersten Deutschen Soziologentag in Frankfurt 1910 dann zu einem Eklat, über den die Korrespondenz Webers Auskunft gibt. Inhaltlich wollte Max Weber die Tätigkeit der Gesellschaft von vornherein auf die Förderung bestimmter Forschungsprojekte festlegen. Schon auf der Sitzung am 7. März 1909 hatte er zwei große Forschungsprojekte vorgeschlagen, die Untersuchung des Zeitungswesens und des Vereinswesens, zwei Themen, die noch heute unter den Begriffen Massenkommunikation und Öffentliche Meinung einerseits und intermediäre Gruppen andererseits Aktualität besitzen. Max Weber selbst engagierte sich sofort für die „Presse-Enquete", für die er Mitarbeiter suchte und Drittmittel einzuwerben suchte. Er kalkulierte einen Bedarf von 25.000 Mark und mußte feststellen, daß er bei seinen Kollegen nur sehr geringe Bereitschaft fand, für diesen Zweck bedeutendere Beiträge zu spenden. Um die Angelegenheit überhaupt ins Rollen zu bringen, stellte er das ihm von Paul Siebeck in Aussicht gestellte Honorar für die Arbeit am „Grundriß der Sozialökonomik" für diesen Zweck zur Verfügung. Zahlreiche Briefe dokumentieren seine Anstrengungen und auch seine Enttäuschungen. Schließlich zog er sich im Jahre 1911 aus dieser Unternehmung ganz zurück, als er im Zusammenhang mit dem Prozeß gegen die Dresdner Neuesten Nachrichten glaubte, gegenüber der Presse kein Vertrauensverhältnis mehr beanspruchen zu können. Auch auf das Programm des Ersten Deutschen Soziologentages im Oktober 1910 nahm Weber durch die Auswahl der Referenten und die Reihenfolge der Referate direkten Einfluß. Persönliche Eitelkeiten, mangelnde Kooperation und schleppende Entscheidungen im Vorstand ließen ihm mit der Zeit sein Engagement als vergeblich erscheinen, so daß er im Oktober 1910 sein Ausscheiden aus dem Vorstand zum I.Januar 1911 erklärte. Webers wissenschaftspolitische Ansichten kommen auch sehr klar zum Ausdruck in seinen Stellungnahmen gegenüber der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, die ihn gleich nach ihrer Gründung im Juni 1909 zum außerordentlichen Mitglied gewählt hatte. Er lehnte die Mitgliedschaft zunächst ab, weil ihm die Akademie traditionalistisch organisiert und einseitig historisch ausgerichtet zu sein schien und er in ihr keine Chancen sah, die Sozialwissenschaften durch große empirische Erhebungen oder Auswertungen der amtlichen Massenstatistik zu fördern. 9 Die Überzeugung, daß die amtlich erhobenen Daten sozialwissenschaftlich nicht ausgewertet würden, hatte ihn auch veranlaßt, in der Deutschen Gesellschaft für Soziolo8 Vgl. das Statut der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, dessen 2. Fassung Max Weber am 29. Mai 1910 einem Briefe an Windelband als Anlage beifügte, unten, S. 5 4 8 - 5 5 3 . 9 Vgl. Brief an Leo Königsberger vom 7. Aug. 1909, unten, S. 2 1 2 - 2 2 1 .

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Einleitung

gie die Bildung einer Abteilung für Statistik zu unterstützen, aus der dann später die Deutsche Gesellschaft für Statistik hervorging. Nur nach erheblichem Drängen seiner Kollegen ließ er sich dann doch umstimmen. Das 1909 von Georg Jellinek betriebene Projekt, mit Mitteln der Carnegie Foundation in Heidelberg eine Hochschule für Politik oder ein deutschamerikanisches Institut für Internationales Recht und vergleichende Politik zu gründen, fand Webers lebhaftes Interesse. Er unterbreitete Jellinek eine Reihe von Vorschlägen für die Organisation und die inhaltliche Ausrichtung dieser Einrichtung, aus denen sein großes Interesse an einer vergleichenden Analyse der rechtlichen, politischen, ökonomischen und kulturellen Struktur verschiedener Länder hervorgeht. Bemerkenswert ist auch sein Eintreten für die Vergabe von Auslandsstipendien zur Erweiterung des Horizontes jüngerer Wissenschaftler. Infolge der Erkrankung Georg Jellineks konnte dieses Projekt nicht weiter verfolgt werden. Außerdem nahm Max Weber großes Interesse an der Gründung einer neuen philosophischen Zeitschrift „Logos" und korrespondierte darüber insbesondere mit Heinrich Rickert. Dort sind später die beiden Aufsätze „Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie" und „Der Sinn der .Wertfreiheit' der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften" erschienen. 1 0 Daneben betrieb Max Weber den Abschluß seiner Untersuchungen zur Psychophysik der industriellen Arbeit, deren 3. und 4. Teil in der ersten Jahreshälfte 1909 niedergeschrieben wurden. Außerdem führte er die Kontroverse über seine Protestantismus-These fort. Im Januar und September 1910 wurden seine Entgegnungen auf die Kritiken von Felix Rachfahl an seiner Studie über „Die protestantische Ethik und der .Geist' des Kapitalismus" im Archiv für Sozialwissenschaft veröffentlicht. Schließlich sind noch zu erwähnen seine Teilnahme an der Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik in Wien im September 1909, am III. Deutschen Hochschullehrertag in Leipzig im Oktober 1909 und am Ersten Deutschen Soziologentag in Frankfurt im Oktober 1910, auf denen er sich jeweils mehrmals mit Beiträgen an der Diskussion beteiligte. Ein stets labiler Gesundheitszustand bestimmte die Arbeitsfähigkeit und die Lebensführung Max Webers. Besonders in der ersten Jahreshälfte 1909 klagte er mehrfach über Schlafstörungen und die Notwendigkeit, zuweilen „scharfe" Mittel nehmen zu müssen. Neben Bromural, Trional und Veronal erwähnt er gelegentlich auch Heroin, als ein damals zugelassenes orales Hustenmittel mit Förderung und Beruhigung der Atemtätigkeit. Das sehr schlechte Befinden im März und April, das sich auch nach einer Erholungsreise mit Marianne Weber an den Lago Maggiore nicht besserte, veranlaßte 10 MWGI/12.

Einleitung

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ihn, im Juni 1909 den Internisten und Pathologen Ludolf von Krehl, der seit 1907 Direktor der Medizinischen Universitätsklinik in Heidelberg war, zu konsultieren und sich nachfolgend gelegentlich von dem Heidelberger Professor für Psychiatrie Franz Nissl beraten zu lassen. Doch ergaben sich daraus keine neuen Befunde oder Therapievorschläge. Weber kontrollierte seinen Verbrauch an Schlafmitteln ständig und versuchte durch Ruhezeiten und Erholungsreisen, so nach Seebach im Schwarzwald im Juni 1909 und nach Lerici im April 1910, sich von ihnen wieder zu befreien. Die Erfahrung, sich seiner Leistungsfähigkeit nicht sicher sein zu können, ließ ihn vor der Übernahme von Ämtern zurückscheuen. So setzte er sich zwar mit großem Engagement für die Entwicklung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie ein, lehnte aber ein Vorstandsmandat strikt ab. Auch im Verein für Sozialpolitik, an dem er maßgeblich mitwirkte, übernahm er keinen Vorsitz in einem Ausschuß. In der zweiten Jahreshälfte 1909 und während des Jahres 1910 war Weber beständig arbeitsfähig und klagte auch kaum über seine Gesundheit. Er entfaltete in dieser Zeit eine außerordentliche Aktivität und bewältigte eine ausgedehnte Korrespondenz. Erst nach dem Soziologentag in Frankfurt im Oktober fühlte er sich erneut erschöpft und auch durch dessen Verlauf deprimiert. Er erholte sich im November einige Tage auf dem Feldberg bei Freiburg. Die Lebensverhältnisse in Heidelberg 11 wurden im April 1910 durch den Umzug in das Haus in der Ziegelhäuser Landstr. 17 verändert. Nach dem Tode seines Onkels Adolf Hausrath bot sich die Gelegenheit, aus der Wohnung in derZiegelhäuser Landstr. 27, wo Max und Marianne Weber vier Jahre gewohnt hatten, in das von Webers Großeltern 1847 gebaute Haus einzuziehen. Dort lebten beide bis zur Übersiedlung nach München 1919, und dorthin kehrte Marianne Weber 1922 zurück. Diese Wohnung verfügte über einen großen Salon, in dem die berühmten „jours" an Sonntagen stattfanden. 1910 trat Weber in engere Beziehung zu Friedrich Gundolf und über diesen wurde auch die Bekanntschaft mit Stefan George vermittelt. 12 Engere Kontakte, die durch die Korrespondenz nicht oder nur unvollständig repräsentiert werden, unterhielt Weber in Heidelberg zu Emil Lask, Ernst Troeltsch, der 1910 die obere Wohnung in derZiegelhäuser Landstraße 17 bezog, Georg Jellinek, Eberhard Gothein, Gustav Radbruch, Hermann Oncken, Arthur Salz und Hans Gruhle. Zu den Gästen zählten u.a. Georg Simmel, Robert Michels, Paul Honigsheim, Gertrud Bäumer und Marie Baum. An den Vorträgen in den wissenschaftlichen Zirkeln „Eranos" und „Janus" nahm Weber gerne teil. Die freundschaftlichen Beziehungen zwi11 Vgl. dazu Weber, Marianne, Lebensbild3, S. 417-431, 457-471. 12 Webers Einstellung zu Stefan George kommt insbesondere in seinem Brief an Dora Jellinek vom 9. Juni 1910, unten, S. 559-563, zum Ausdruck.

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Einleitung

sehen Max und Marianne W e b e r und Heinrich und S o p h i e Rickert führten häufig zu B e s u c h e n in Freiburg. Wie s c h o n im Jahre 1908 n a h m e n Max und Marianne W e b e r auch 1 9 0 9 und 1910 großen Anteil an der L e b e n s f ü h r u n g und d e m persönlichen Schicksal Else Jaffes. Diese sind das zentrale Thema, das die K o r r e s p o n denz z w i s c h e n Max und Marianne W e b e r durchzieht. Max W e b e r v e r s u c h te, auf Else Jaffe e i n z u w i r k e n und ihre L e b e n s f ü h r u n g zu b e s t i m m e n , o h n e daß ihm dies gelang. N a c h d e m Else Jaffe Ende 1909 mit W e b e r s Bruder Alfred in eine intime B e z i e h u n g getreten war, komplizierte sich das Verhältnis Max W e b e r s zu Else Jaffe. Beide standen in einer s p a n n u n g s r e i c h e n g e g e n s e i t i g e n B e z o g e n h e i t aufeinander, die zu dramatischen A u s s p r a c h e n und B e g e g n u n g e n , so w ä h r e n d einer g e m e i n s a m e n Reise nach Grignano bei Triest und V e n e d i g im O k t o b e r 1909 und in Heidelberg im Januar 1910, führte. Marianne W e b e r versuchte, z w i s c h e n beiden zu vermitteln und war v o n der tiefen emotionalen Z u n e i g u n g Max W e b e r s für Else Jaffe sehr betroffen. Trotz großer B e m ü h u n g e n gelang es Max W e b e r nicht, Else Jaffe aus d e m Einfluß s e i n e s Bruders zu lösen, er mußte sich auf die Rolle eines r e c h t s k u n d i g e n Beraters für die zukünftige Gestaltung der Lebensverhältnisse z w i s c h e n Else und Edgar Jaffe z u r ü c k z i e h e n . In s e i n e m Verhältnis zu s e i n e m Bruder Alfred W e b e r , das s c h o n v o r h e r sehr g e s p a n n t war, trat eine dauerhafte E n t f r e m d u n g ein, die Kontakte w u r d e n w e s e n t l i c h durch Marianne W e b e r aufrechterhalten. Die Lebensverhältnisse w u r d e n auch durch das fortdauernde Engagem e n t Marianne W e b e r s in der F r a u e n b e w e g u n g bestimmt, ihre Heidelberger Vereinsarbeit, ihre Vortragstätigkeit und ihre Mitgliedschaft im Vorstand des B u n d e s D e u t s c h e r Frauenvereine, d e s s e n G e n e r a l v e r s a m m l u n g im Oktober 1 9 1 0 in Heidelberg v o n ihr vorbereitet w u r d e . A u s einer Veranstaltung des v o n ihr geleiteten Vereins Frauenbildung-Frauenstudium in Heidelberg ergab sich im D e z e m b e r 1910 eine Kontroverse Max W e b e r s mit Arnold Rüge, die dann im Jahre 1911 eine Fortsetzung in den scharfen A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n mit Adolf Koch fand.

3. Zur Edition A n g e s i c h t s der Überlieferungslage blieb den Editoren nur die Möglichkeit, sich auf den A b d r u c k der Briefe Max W e b e r s zu b e s c h r ä n k e n und auf die A u f n a h m e der an ihn gerichteteten Briefe zu verzichten. Die Briefe Max W e b e r s sind vollständig a u f g e n o m m e n w o r d e n . A u c h B r i e f k o n z e p t e w u r den berücksichtigt, gleichgültig, ob die e n t s p r e c h e n d e n Briefe a b g e g a n g e n sind oder nicht. Briefe, die nicht überliefert, aber n a c h g e w i e s e n sind, w e r den im Apparat verzeichnet. Soweit K o r r e s p o n d e n d a vorliegen, deren

Einleitung

9

Kenntnis für das Verständnis des Briefes erforderlich ist, wird der Leser in den Editorischen Vorbemerkungen auf diese hingewiesen und gegebenenfalls der Sachverhalt paraphrasiert wiedergegeben. Ansonsten sind Korrespondenda, soweit diese überliefert sind, im Anmerkungsapparat nachgewiesen. Nur in besonderen Fällen, in denen uns überhaupt keine Korrespondenda vorliegen, ist von einem ausdrücklichen Nachweis Abstand genommen worden, wie im Fall der Korrespondenz mit Robert Michels. Die Briefe wurden in chronologischer Abfolge präsentiert. Im Briefkopf werden zunächst der Adressat, dann die Datierung und der Ort der Niederschrift, die Art des Textzeugen und schließlich der Fundort mitgeteilt. Sofern die Datierung aus dem Poststempel erschlossen worden ist, wird dies mit der vorangestellten Sigle PSt kenntlich gemacht. Sollte die Datierung eines Briefes nicht oder nur unvollständig möglich sein, so wird dieser am Ende des fraglichen Zeitraums mitgeteilt. Sofern der Ort der Niederschrift nur aus dem vorgedruckten Briefkopf erschlossen ist, wird dies durch die vorangestellte Sigle BK kenntlich gemacht, sofern sich dies aus dem Poststempel ergibt, wird dem Ort der Niederschrift die Sigle PSt vorangestellt. Vom Herausgeber erschlossene Datierungen sind in eckige Klammern gesetzt und die Datierung in der Editorischen Vorbemerkung begründet. Dort werden gegebenenfalls auch weitere Angaben über die Eigenart und den Zustand des Textzeugen mitgeteilt. Dabei wird zwischen Briefen, Karten und Telegrammen sowie Abschriften und Abdrucken unterschieden: Letztere sind dem Druck nur dann zugrunde gelegt worden, wenn die Originale nicht überliefert sind. Die Datumszeile reproduziert Max Webers eigenen Text; die vorgedruckten Teile des jeweiligen Briefkopfes - z. B. die Namen von Hotels - sind kursiv wiedergegeben, um sie von dem eigentlichen Text unterscheiden zu können. Die Textpräsentation behält die Orthographie, Interpunktion und Grammatik der Originale bei und emendiert nur dort, wo dies für das Textverständnis unabdingbar ist. Einschübe im Text sind kenntlich gemacht, Streichungen und Textersetzungen im Apparat annotiert. Mit Ausnahme der in der Datumszeile, in den Anrede- und Schlußformeln verwendeten Abkürzungen werden unübliche Abkürzungen im Text aufgelöst und die Ergänzungen durch eckige Klammern kenntlich gemacht; ansonsten sei auf das Abkürzungsverzeichnis verwiesen. Bei Max Weber durch Asterisken gekennzeichnete Zusätze bzw. Anmerkungen werden in arabischer Zählung unter dem Text wiedergegeben. Die Asterisken werden durch Ziffern mit runder Klammer ersetzt. Eindeutig falsche Schreibweisen werden emendiert und im Apparat annotiert. Satzzeichen werden dann, wenn sie für das Textverständnis notwendig sind, in eckigen Klammern ergänzt. In den Abschriften, die in aller Regel auf Marianne Weber zurückgehen, werden offensichtliche Abschreibefehler stillschweigend korrigiert, z.B. de fakto >

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Einleitung

de facto; ebenso wird hier vom Nachweis handschriftlicher Korrekturen an maschinenschriftlichen Vorlagen abgesehen. Datierungsfehler werden nur dann emendiert, wenn sich die richtige Datierung zweifelsfrei nachweisen läßt. Im übrigen wird auf die Editionsregeln hingewiesen, die am Ende dieses Bandes wiedergegeben sind. Im Sachkommentar werden Sachverhalte, deren Kenntnis für das Verständnis der Briefe erforderlich ist, erläutert. Alle Personen, die in den Briefen nur mit ihrem Vornamen erwähnt werden, werden im Anmerkungsapparat unter Angabe des Nachnamens identifiziert. Von dieser Regel werden die nächsten Anverwandten Max Webers ausgenommen, und zwar seine Frau Marianne Weber, geb. Schnitger, seine Mutter Helene Weber, geb. Fallenstein, seine Geschwister Alfred Weber, Karl Weber, Arthur Weber, Clara Weber, verheiratete Mommsen, und Uli Weber, verheiratete Schäfer. Die Schwäger und Schwägerinnen Max Webers, nämlich Ernst Mommsen, Hermann Schäfer und Valborg Jahn, verheiratete Weber, werden hingegen jeweils durch Mitteilung des Nachnamens im Anmerkungsapparat identifiziert. Das Personenverzeichnis gibt ergänzende biographische Hinweise auf die in den Briefen erwähnten Personen; im Sachkommentar werden daher nur solche Erläuterungen zu Personen gegeben, die für die betreffende Briefstelle aufschlußreich sein können. Um die weitverzweigten und teilweise sich kreuzenden Verwandtschaftsbeziehungen im Zusammenhang sichtbar zu machen, werden dem Personenverzeichnis Übersichten über die Nachkommen von Georg Friedrich Fallenstein, dem Großvater Max Webers, und Carl David Weber, dem Bruder des Vaters von Max Weber und Großvater von Marianne Weber, angefügt. Das Register der Briefempfänger sowie Orts- und Personenregister gewähren zusätzliche Möglichkeiten der Erschließung des Briefbestandes.

Briefe 1909-1910

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1. Januar 1909 Helene Weber [1. Januar 1909]; BK Düsseldorf Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Datum erschlossen aus dem Brief an Paul Siebeck vom 2. Januar 1909, in dem Weber von seiner Heimreise am gleichen Tag spricht. Der vorliegende Brief, in dem er seine Heimreise für den kommenden Tag ankündigt, muß daher am I.Januar geschrieben worden sein. Weber war Ende Dezember nach Berlin gefahren, um an der Sitzung eines Unterausschusses des Vereins für Sozialpolitik am 28. Dezember 1908 teilzunehmen. Auf der Rückreise logierte er bei Marie Baum.

Marie

Baum

Dr.phil. Düsseldorf,

den

Werstenerstraße

150.'1

Liebe Mutter, ich fahre, da in Örlinghausen jetzt offenbar die Sache nicht recht paßt (Georg 2 ist fort u.s.w.) morgen nach Haus u. ev. Mitte Januar hin. Lili3 telegraphierte mir auch, ich möchte später kommen. Das paßt dann besser auch für mich. Könntet Ihr wohl meine Reisemütze u. Schirm nach Heidelberg schikken, die ich zurückließ? 4 Frl. Baum grüßt sehr. Ihre kleine Dienstwohnung 5 - Wohnzimmer, Schlafzimmer, eine Miniatur-Küche, Vestibülchen als Eßzimmer, Fremdenzimmerchen, - ist sehr niedlich oben im Hause des Vereines u. sie brutzelte für uns, sie selbst, mich, eine kleine Schauspielerin (Cousi-

1 Max Weber benutzte das Briefpapier von Marie Baum. 2 Georg Müller leitete mit seinem Vater Bruno Müller, seinem Bruder Richard Müller sowie seinem Onkel Carlo Weber die Leinenweberei Carl Weber & Co. GmbH. 3 Max Weber hatte seit längerem einen Besuch bei seiner Schwester Lili Schäfer in Altenberg geplant. (Vgl. Brief an Lili Schäfer vom 20. Okt. 1908, M W G ll/5, S.682). Er war auch als Pate für deren drittes Kind Max, das am 21. November 1908 geboren worden war, vorgesehen. 4 Die Gegenstände hatte Weber bei seiner Schwester Clara Mommsen oder bei seiner Mutter in Charlottenburg vergessen. 5 Marie Baum war seit Herbst 1907 Geschäftsführerin des Vereins für Säuglingsfürsorge und Wohlfahrtswesen im Regierungsbezirk Düsseldorf. Ihre Wohnung befand sich im Verwaltungsgebäude des Vereins.

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1. Januar

1909

ne von Ricarda Huch) 6 auf dem Spirituskocher das Essen; es war recht behaglich. Morgen fährt sie auf 8 Tage in die Alpen. Hoffentlich geht alles gut u. ruhst Du Dich nun von Weihnachten ordentlich aus. Marianne ist von Freiburg 7 zurück. Ernst u. Clara nochmals herzlichen Gruß u. Dank, 8 auf Wiedersehen Dein Max

6 Gemeint ist Lisbeth Huch. Sie leitete vor dem Ersten Weltkrieg in München eine kleine Schauspielschule. 7 Dort besuchte Marianne Weber nach Weihnachten Heinrich und Sophie Rickert. 8 Der Dank galt Clara und Ernst Mommsen, bei denen Max Weber logiert hatte.

3. Januar 1909

15

Paul Siebeck 3. Januar 1909; Düsseldorf Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Weber benutzt einen Briefbogen mit dem gedruckten Kopf: „Marie Baum Dr. phil. Düsseldorf, den Werstenerstraße 150." Der Briefkopf auf der von Weber nicht beschriebenen Seite ist eigenhändig durchgestrichen. Im Mittelpunkt der folgenden Korrespondenz mit Paul und Oskar Siebeck steht die Neubearbeitung des von Gustav v. Schönberg begründeten und herausgegebenen „Handbuchs der Politischen Ökonomie". Siebecks erste Fühlungnahme mit Weber über die Neuauflage des Handbuchs geht auf das Jahr 1905 zurück. Nach einer nicht überlieferten Korrespondenz mit Weber sowie einer Besprechung mit Gustav v. Schönberg am 10. April 1905 berichtete Siebeck ersterem in einem längeren Schreiben vom 11. bzw. 12. April 1905 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) über den Stand der Dinge und bat ihn um seinen Rat bezüglich der Gewinnung neuer Mitarbeiter: „Mit einiger Diplomatie bin ich nach und nach dahin gekommen, Sch[önberg] davon zu überzeugen, daß bei einer event. neuen Auflage 1. von den fünf Bänden der 4. Auflage keine Rede sein könne, 2. die Beiträge verstorbener Mitarbeiter nicht noch einmal revidiert, sondern durch ganz neue Darstellungen ersetzt werden müssen. Ad 1 wollte ich nur 2 Bände im Ganzen concedieren, Sch[önberg] will aber unter 3 nicht heruntergehen, nemlich I: allgem[eine] Volksw[irtschafts]-Lehre II: spezielle » - » III: Finanzwissenschaft. (Verwaltungslehre fällt weg). Leider wird an der Einteilung des Ganzen wenig oder keine Änderung zustande kommen. Auch ist nicht daran zu denken, daß Sch[önberg] selbst seine eigenen Artikel umarbeitet oder gar abgiebt. Immerhin habe ich erreicht, daß der Charakter als Nachschlagewerk verlassen und auf das Lehrbuch der Nachdruck gelegt wird. Somit wird mindestens der I. Band ein ziemliches Schmerzenskind bleiben. [...] Als ich ihm sagte, es falle mir als Laien auf, daß in dem Register des 5bändigen Werkes das Wort .Kapitalismus' nicht vorkomme, und daß K[leinwächter]'s Kapitel mir veraltet zu sein scheine, war er zwar ob solcher Kühnheit eines Verlegers baß erstaunt, doch sagte er mir schließlich zu, er wolle versuchen von K[leinwächter] loszukommen. [...] Ad 2 frug Sch[önberg] mich immer wieder, wen ich denn nun vorschlüge für die Ausfüllung der durch den Tod einzelner Mitarbeiter entstandenen Lücken. Ich nannte ihm Verschiedene, darunter auch ganz Junge [...], doch getraue ich mich nicht, auf meine Personalkenntnis mich zu verlassen. 12.IV.05. Und so komme ich denn mit meiner Liste - in meiner Noth - zu Ihnen und frage Sie, ob Sie mir Ersatzmänner nennen könnten. Der Unbescheidenheit dieser Bitte bin ich mir umso mehr bewußt, als ich Sie vielleicht unnöthig bemühe - denn ich bin fest entschlossen, das Werk nur dann noch einmal zu verlegen, wenn Sch[önberg] auf meine Bedingungen eingeht. Um Ihnen die Mühe etwas zu erleichtern, habe ich eine Liste angelegt, in die Sie nur die Namen derer einzutragen hätten, die Sie zum Ersatz vorschlagen. Der einzige Name, den ich eingetragen habe, verräth einen stillen Wunsch von mir und zugleich einen Vorschlag von Sch[önberg], den einzigen, den er gemacht hat." Siebeck hatte in seiner Liste (Durchschlag im VA Mohr/Siebeck, ebd.) als einzigen neuen Autor Max Weber - und zwar für den Beitrag über Agrarpolitik - angeführt. Dieser hat zwar im folgenden die Übernahme dieses Artikels abgelehnt, sich jedoch

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3. Januar 1909 ausführlich in seiner Antwort vom 15. April 1905 (VA Mohr/Siebeck, ebd., MWG II/4) zu der „Gewinnung guter Mitarbeiter" geäußert und entsprechende Vorschläge gemacht. Des weiteren hat Weber in seinem Brief vom 26. November 1905 (VA Mohr/Siebeck, ebd., MWG II/4) auf Siebecks Bitte hin dessen Exposé an v. Schönberg über einen neuen Vertragsentwurf durchgesehen und eine juristische Expertise erstellt, wobei es sich in erster Linie um eine Beurteilung des § 6 im alten Vertragstext handelte - dieser Vertrag sowie das Exposé an v. Schönberg sind nicht nachgewiesen - , der die Alimentierung der Schönbergschen Erben bei einer zukünftigen Neuauflage festsetzte. Dazu bemerkt Weber: „Die Bestimmung des §6 ist ja gradezu ungeheuerlich: mir ist für so etwas kein Praecedens bekannt und ich kann mir nicht denken, daß ein anständiger Mensch, wie Schönberg es m.W. ist, sich ganz klar darüber gewesen ist, was er hier Ihrem Schwager aufnötigte, und daß er jetzt, wo es ihm gesagt wird, darauf bestehen wollen wird. Das würde auch ich für ein recht ungünstiges Symptom halten und mich an Ihrer Stelle nie darauf einlassen. M. E. kann an einem bestimmt formulierten Anspruch der Erben gar nicht festgehalten werden, es müßte der freien Vereinbarung zwischen ihnen, dem Verlag und dem neuen Redakteur unterliegen, welchen Anteil seines Redaktionshonorars der letztere den ersteren für die Fortführung des Namens überläßt. Da die Arbeit an der Umgestaltung des .Handbuches', die jetzt einer völligen Neuschaffung äquivalent ist, auch in Zukunft bei dem schnellen Wechsel und Wachstum unsres wissenschaftlichen Stoffes stets eine ganz gewaltige sein wird - es sei denn, daß die Auflagen einander sehr rasch folgen - so können die Erben erhebliche Ansprüche schlechterdings nicht erheben, denn wissenschaftlich gehört Schönberg's Name schon jetzt der Vergangenheit an. Ich meine, Schönberg müßte sich mit der Garantie, daß sein Name stets auf dem .Handbuch' genannt wird, genügen lassen, mit dem Beifügen, daß entweder die Bedingungen der Fortführung desselben jedesmal mit den Erben besonders vereinbart werden, oder daß eine bestimmte Summe für das ganze Handbuch vereinbart wird. Sonst kommen Sie in Schwierigkeiten, falls Sie dasselbe künftig in der beabsichtigten Art in Einzelbände für die speziellen Wissensgebiete auflösen wollen: die Erben verlangen dann von jedem Einzelband das Honorar, welches ihnen jetzt pro Sammelband zugestanden wird. Überhaupt wäre vielleicht gut, darauf Bedacht zu nehmen, daß der Vertrag Ihnen resp. Ihrem Nachfolger nicht die Möglichkeit verschließt, einmal künftig ein ganz neues Unternehmen in ß'nze/bänden ohne Hineinreden der Erben Sch[önberg] 's zu machen. " Im weiteren Verlaufe der Frage bezüglich der Neubearbeitung des Handbuchs wurde Weber von v. Schönberg als dessen Mitherausgeber bzw. Nachfolger in Erwägung gezogen, da dieser wegen seiner paralytischen Erkrankung außerstande war, das Werk weiterhin allein zu betreuen und demzufolge auf einen „Adlatus" angewiesen war, was jener jedoch ablehnte. Vgl. dazu den Brief Webers an Paul Siebeck vom 19. Mai 1906 (MWG II/5, S. 93, Anm.4). Die Bemühungen um eine Neuauflage des Handbuchs haben sich noch Jahre ergebnislos hingezogen. Erst nach dem Tode Schönbergs Anfang 1908 und nach dem Scheitern der Bemühungen Paul Siebecks, von sich aus einen geeigneten Nachfolger zu finden, trat das Projekt in eine entscheidende Phase. Max Weber erklärte sich bereit, ein neu konzipiertes Handbuch zu betreuen, aus dem schließlich 1909 das Projekt des „Grundrisses der Sozialökonomik" (hinfort zitiert als: GdS) hervorgehen sollte. Vgl. dazu die Korrespondenz mit Paul Siebeck ab dem 27. August 1908 (MWG II/5, S. 648ff.).

3. Januar

1909

17

Z. Z. Düsseldorf 3a1.9

Sehr geehrter Herr D r Siebeck, ich mußte meine Reisepläne ändern u. kehre schon heut nach Heidel5 berg zurück.1 Wenn es Ihnen etwa in dieser Woche (etwa an deren Ende) passen sollte, so könnten wir uns dann treffen. 2 Äußerstenfalls könnte ich Montag oder Dienstag derb nächsten Woche nach Tübingen kommen u. von da nach Leipzig fahren. 3 Aber wenn Sie vorher, etwa Freitag/ Sonnabend oder auch früher (den Sonntag bin ich besetzt) nach Heidelio berg kommen können, dann ist mir das natürlich noch willkommener. Gewiß kommt Schumpeter in Betracht. 4 Ich vergaß ihn zu nennen; auch möchte ich seine Sachen noch einmal etwas genauer ansehen. Wenn Einer der Älteren bereit wäre - namentlich: v. Wieser - so wäre das immerhin doch noch mehr.5

a 2> 3

b ( späteren W o )

1 Weber hatte ursprünglich die Absicht gehabt, nach seinem Aufenthalt Ende Dezember 1908 in Berlin weiter nach Westfalen zu reisen. Vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 26. Dez. 1908 (MWG II/5, S. 705f.). 2 Paul Siebeck hatte in seinem Brief vom 23. Dez. 1908 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) Weber um eine Aussprache im Januar 1909 über die projektierte Neuausgabe des Schönbergschen Handbuchs gebeten. 3 Weber wollte dort Karl Bücher wegen des Schönbergschen Handbuchs aufsuchen. Dieser Besuch erfolgte am 25. Januar 1909. Siehe Karte an Marianne Weber vom 27. Jan. 1909, unten, S.38. 4 Weber bezieht sich hier auf eine Anfrage Paul Siebecks in dessen Brief vom 28. Dez. 1908 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) über eine eventuelle Mitwirkung von Joseph Schumpeter an dem neu entstehenden „Handbuch": „Käme für die Mitarbeit am theoretischen Teil vielleicht nicht auch Schumpeter in Betracht? Er ist m. W. auch nach der Soziologie hin orientiert, die wir, glaube ich, nicht beiseite lassen dürfen." Tatsächlich hat Schumpeter später den Beitrag „Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte" für den „Grundriß" übernommen. Siehe dazu den Brief an Paul Siebeck vom 8. Nov. 1909, unten, S.308. 5 Tatsächlich hat Friedrich v. Wieser sich dann bereitgefunden, den theoretischen Hauptteil des Handbuchs zu verfassen. Siehe dazu den Brief an Paul Siebeck vom 15. Juli 1909, unten, S. 1 8 3 - 1 8 5 .

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3. Januar 1909

Sonst bin ich, betreffs der TeilnehmerzaW, ganz Büchers Ansicht. 6 Näheres also mündlich^.] Mit bestem Gruß! Max Weber Correktursendung

f. Archiv

folgt

morgen.7

6 Oskar Siebeck hatte in seinem Brief vom 28. Dez. 1908 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) von seinem Gespräch mit Karl Bücher in Leipzig über das neue Handbuch berichtet, in welchem dieser u.a. besonderen Wert darauf legte, den zu gewinnenden Kreis der Mitarbeiter auf 6 - 8 Personen zu beschränken. 7 Es handelt sich hierbei um die Korrekturen zu Webers Artikel: Zur Psychophysik der industriellen Arbeit. II, erschienen in: AfSSp, Bd.28, Heft 1, 1909, S.219-277 (MWG I/ 11).

8. Januar

1909

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Paul Siebeck 8. Januar 1909; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g VA M o h r / S i e b e c k , D e p o n a t B S B M ü n c h e n , A n a 4 4 6

Heidelberg 8.1.9. Sehr geehrter Herr D r Siebeck, ich werde nächste Woche, ich denke: Dienstag, zu Ihnen nach Tübingen] kommen u. nehme Ihre freundliche Einladung gern an, 1 nur mit dem Vorbehalt, daß ich eventuell doch noch Abends nach Stuttgart fahren möchte, weil ich von Ihnen aus nach Leipzig - falls Bücher zu sprechen sein sollte - und ev. nach Westfalen (Enquete des V[ereins] f[ür] Soz[ial-]Pol[itik]) will. Schlimm ist: ich bin so „außer Athem" jetzt in der Arbeit: - 50000 Rechenexempel in 6 Wochen für den „Archiv"-Artikel2 - daß ich in nichts eigne Gedanken habe. Aber die kommen Einem dann schon. Ich gebe Ihnen bis Montag Abend Nachricht, ob ich schon Dienstag oder erst später komme. 3 Mit freundschaftl. Gruß Max Weber

1 Paul Siebeck hatte in seinem Brief vom 4. Jan. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) Max Weber nach Tübingen eingeladen mit dem besonderen Anerbieten an diesen, „mindestens einmal über Nacht unser Gast zu sein." 2 Gemeint sind die Arbeiten an dem Artikel: Zur Psychophysik der industriellen Arbeit. (Fortsetzung.) [III.], erschienen in: AfSSp, Bd. 28, Heft 3,1909, S. 7 1 9 - 7 6 1 (MWG 1/11). 3 Siehedazu Karte und Brief an Paul Siebeckvom 10. und 12. Jan. 1909, unten S 24und 27.

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10. Januar

1909

G e o r g Müller 10. Januar 1 9 0 9 ; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g Bestand Max W e b e r - S c h ä f e r , D e p o n a t B S B M ü n c h e n , A n a 4 4 6 Der Brief bezieht sich auf Untersuchungen Max Webers über die Arbeitsverhältnisse in der Textilfabrik Carl Weber & Co. GmbH. (Vgl. Brief an Georg Müller vom 23. November 1908, MWG II/5, S. 700ff.) Die Ergebnisse dieser Untersuchungen gingen ein in die 3. und 4. Folge des Aufsatzes: Zur Psychophysik der industriellen Arbeit, in: AfSSp, Bd. 28, Heft 3, 1909, S. 7 1 9 - 7 6 1 , besonders S.733, Anm.58, und Bd. 29, Heft 2, 1909, S. 5 1 3 - 5 4 2 (MWG 1/11).

Heidelberg 10/1 9 Lieber Georg, vielen Dank für Deine Notiz. Die direkte Meßbarkeit der Einflüsse der Feuchtigkeit wird sicherlich durch die sehr starken Differenzen, mit denen 5 1) die einzelnen Sorten 2) die einzelnen Arbeiter auf ihn reagieren, überdeckt. In der Woche (22.-27. VI. |:08:|) z.B., die Du mir s.Z. schicktest,1 reagierten |:auf den Wassergehalt:| verschiedene Eurer Arbeiter f o l g e n d e r m a ß e n : 1 o Alle Zahlen sind, wegen der Publikation, damit eine Selbstkostennachrechnung unmöglich ist, auf % der Durchschnittsleistung des Arbeiters an der betreffenden Kette und Sorte umgerechnet.

1 Gemeint ist ein Diagramm vom Kontrollhygrometer für die Regulierung der Feuchtigkeit, auf das Max Weber bereits in seinem Brief an Georg Müller vom 23. Nov. 1908 (MWG II/5, S. 700, Anm.1) eingeht.

10. Januar 1909 Hygrometerstand'.

stühlig: zweistühlig:

Mo.

Di.

Mi.

Do.

Fr.

So.

76.

77.

70 a .

64b.

75.

76[.]

89,4.

89,4.

88,0.

113,1.

109,8.

102,f.

116,0.

115,3.

122,8.

'103,0

95,3

118,0.

9

101, l

110,9.

h

Fuhrmann II: 113,1. Hölter: J Tanto: Posteher I: Fuhrmann III:

21

91,6 101,8.

109,5

normal

99,S. 78,0. 99,9'

76, f . 109,1.

-% Sättigungsgrad

99,3 >

e

Ende der

% der

Kette. e

Durch-

99,0f.

109.5

9

112,3.

103.6

schnitts-

77,8 .

93,3.

95,8.

leistung.

h

k

92,1

103,4

1

102,0

abnorm

Das ist nimmt man den Durchschnitt - immerhin doch:| ein ganz leidlicher Parallelismus,2) gestört nur dadurch, daß Montag u. Sonnabend immer unter etwas besondren Bedingungen stehen. Im Übrigen verhält sich, nach anderweiten Erfahrungen, der Arbeiter je nach seiner Individualität verschieden: teilweise reißt er sich bei ungünstigen Bedingungen m zuerst stärker" 1 zusammen u. es kommt dann die Ermüdung" nach |:(Tanto):| teilweise tritt sie |: schnell und:| stark ein 0 (Fuhrmann III, - e i n offenbar |:psychophysisch:| „labiler" Arbeiter,) teilweise langsamer (Fuhrmann II) oder der Arbeiter fällt ihr zuerst |: stark: | zur Beute (Posteher I) u. rappelt sich dann |:gewissenhaft:| zusammen u.s.w. Die p Sorienverschiedenheiten spielen auch in diese Zahlen hinein; u. für Euch wird eine Durchschnittsmessung dadurch sehr erschwert, daß der Wechsel der Sorten (schon der Ketten) an Einfluß auf die Höhe der Arbeitsleistung alles Andre überragt. (Das wißt Ihr ja besser als ich, ich werde Dir die Rechnungen gelegentlich vorlegen, die das veran2)

Es scheint aber, daß erst ein gewisses Maß von Unterschreiten der „Sättigung" sich fühlbar macht. Und nicht immer in direkten Senkungen der Leistung, sondern in | rbesonders: | starken Schwankungen bei jedem einzelnen Arbeiter, wie sie ja auch bei schlechten Ketten u.s.w. vorkommen, überhaupt immer dann, wenn der Mann sich abnorm q anstrengen muß. a O: zweifach unterstrichen, b O: zweifach unterstrichen, c 0 : zweifach unterstrichen. d O: zweifach unterstrichen, e [??]> Ende der Kette, f 0 : zweifach unterstrichen. g O: zweifach unterstrichen, h O: zweifach unterstrichen, i O: zweifach unterstrichen, k 0 : zweifach unterstrichen. I Alternative Lesung: 102,6 m exceptionell > zuerst stärker n (später) o (und schwindet rasch) p (Garn) q sehr > abnorm.

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10. Januar 1909

schaulichen). Dadurch wird fast jede Vergleichung bei Zusammenfassung der Gesammtleistungen, etwa: Messung durch den Stromverbrauch (macht Ihr die?) illusorisch gemacht. Doch genug davon, ich danke Dir herzlich. - Es hat uns sehr beunruhigt - das möchte ich doch nachträglich noch sagen - wieder von einer offenbar doch etwas ernsteren Verschlechterung von Wolfgang's 2 Bein zu hören. Nicht wegen ernster gesundheitlicher Befürchtungen, - das ist ja ganz entschieden Klimafrage. Aber es könnte eben doch wohl sein, daß er seine glänzende englische Carriere aus eben diesen Gründen nicht glatt durchführen könnte. Das wäre uns herzlich leid und ich hoffe, wenn ich komme, Besseres zu hören, als Deine Mutter andeutete. Da Ihr trotz all Eurer verschiedenen Sorgen und trotz zweifellos starker Beschäftigung dennoch mir erlaubt zu kommen, so werde ich dies wohl Ende nächster |:(d.h.: dieser): Woche thun. Ich muß nach Tübingen, 3 Leipzig, 4 dann zu Euch, nach M[ünchen]-Gladbach 5 und zu Lili, die es sehr wünscht. Leider verfehle ich wohl Richard,6 u. dadurch hast Du auch mehr zu thun! Ich schicke Nachricht, u. zwar so, daß Ihr ev. a¿»telegraphieren könnt. Herzl. Gruß! an Alle! Max Meine Haupt Interessen, neben einigen allgemeinen Fragen: 1. Berücksichtigung der Garnfeinheit bei den Accorden u. wie? (u. noch einige andre ähnliche Fragen über die Einflüsse der Sorten auf die Art der Arbeitsanspannung u. Lohnbemessung) r . r Klammer fehlt in O. 2 Gemeint ist Georgs jüngerer Bruder Wolfgang Müller. Dieser hatte aufgrund eines Reitunfalls 1904, bei dem er sich eine Knieverletzung zuzog, die ursprünglich eingeschlagene Offizierslaufbahn nicht fortsetzen können. Er hatte dann, nach mehreren Knieoperationen, den Kaufmannsberuf ergriffen. Die englische Wollfirma Daniel & Rudolph Delius in Bradford hatte ihm angeboten, in die Firma einzutreten. Jedoch hatten die Ärzte ihm wegen des Knies aus klimatischen Gründen von einem längeren Aufenthalt in England abgeraten. 3 In Tübingen wollte Weber Paul Siebeck treffen. Vgl. Karte an Paul Siebeck vom 10. Jan. 1909, unten, S.24. 4 In Leipzig wollte Weber mit Karl Bücher zusammentreffen. 5 In Mönchengladbach wollte Weber Marie Bernays besuchen. Vgl. Karte an Marianne Weber vom 22. Jan. 1909, unten, S. 35, Anm. 1. 6 Gemeint ist Richard Müller, der wie sein Bruder Georg neben dem Vater Bruno Müller und dem Onkel Carlo Weber auch in der Leitung der Textilfabrik Carl Weber & Co. GmbH in Oerlinghausen tätig war.

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2. Die seit September gerechneten „Accordwerth"-Zahlen der Arbeiter 3. s Die seit September gerechneten s Schuß zahl- Leistungen einzelner Arbeiter, soweit sie gerechnet sind | -.Insbesondere, falls für einen 2stühligen Arbeiter beide Stühle berechnet sein sollten.: | 4. Einfluß der Kettfadenwächter auf die Art der Anspannung u. die Leistungsschwankung. (dies, da es sicher Betriebsgeheimnis ist, für mich privatim) 5. Wo möglich möchte ich durch einige Tage selbst ablesen: Leistung vor dem Frühstück, - bis Mittag, - bis Vesper, - bis Schluß 6. Einfluß der Gebleichtheit auf Leistung u. Art der Anspannung (wie bei N° 4) 7. Rentabilität größerer oder geringerer Tourenzahl der Stühle je nach der Sorte1 (ganz augenscheinlich ist sie auch je nach dem Arbeiter (Fuhrmann „III" im Gegensatz zu „II") verschieden. \-.u. dgl.f

s O: Wiederholungszeichen, chen.

t 0 : zweifach unterstrichen,

u 0 : zweifach unterstri-

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Paul Siebeck 10. Januar 1909; Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Hbg 10.1.9 Sehr geehrter Herr D r Siebeck Ich danke sehr für Ihren freundlichen Brief. 1 Ich möchte Herrn Bücher erst später besuchen und daher, wenn es Ihnen recht ist, Mittwoch Abend 1047 kommen, mit dem Vorbehalt, alsbald ins Bett gehen zu s dürfen. Dann hat man am nächsten Tage schöne Zeit. Beste Empfehlung, auch an Ihre Frau Gemahlin und Ihren Herrn Sohn 2 Ihr Max Weber 10

1 Brief von Paul Siebeck vom 9. Jan. 1909, VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446. 2 Gemeint sind Thekla Siebeck, geb. Landerer, und Oskar Siebeck.

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Edgar Jaffe [vor dem 12. Januar 1909]; o. 0 . Brief; eigenhändig Privatbesitz Das Datum ist erschlossen aus der einschlägigen Korrespondenz von Edgar Jaffe mit Werner Sombart, in der es um ein Manuskript von Peter Masslow geht. Jaffe hatte dessen Manuskript mit dem Titel: „Die Entwicklung der Wirtschaft und die Grundrente", das ihm aus Zürich zugesandt worden war, am 28. Dezember 1908 (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Werner Sombart, Nr. 17, Bl. 166) an Sombart zur Begutachtung geschickt. Im Brief vom 12. Januar 1909 (ebd., Bl. 170) dankt Jaffe nachträglich Sombart für seinen Bericht über Masslows Manuskript, das er auf dessen Votum hin abgelehnt habe.

Lieber Jaffe, 1) was Masslow anlangt, so müssen wir doch in Betracht ziehen, daß er eben das behandelt, worüber Ballod einen Artikel zugesagt hat, der in ca 5 Wochen abgeliefert werden soll.1 Man könnte M[asslow] also doch höchstens schreiben, daß man, nachdem der Artikel von B[allod] vorliegt, erwägen wolle, ob man einen so umfassenden Artikel wie den seinigen noch brauchen könne. Ich halte es, wenn B[allod] seine Sache nicht ganz leichtfertig macht, für ausgeschlossen. Denn M[asslow] bringt, so viel ich sehe, nichts, was nicht in der (russischen) Litteratur längst bekannt ist. 2) Wölbling zu lesen ist mir nicht möglich. 2 Diesen Pharisäismus meiner Hirnnerven in Bezug auf solche Handschriften kann ich nicht klein kriegen, ich habe mit größter Anstrengung ca 20 Seiten gelesen. Die Sache ist entsetzlich breit, und da dem „Entwurf" in der „Sozialen] Praxis" eine „Begründung" bereits beigegeben war, ist der „Rahm"

1 Eine handschriftliche Liste Edgar Jaffes vom 1. Nov. 1908 (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Werner Sombart, Nr. 17, Bl. 160, 159) verzeichnet unter der Rubrik: „Spätere Beiträge: I (Versprochen aber noch nicht abgeliefert)" eine Arbeit von Karl Ballod: Einführung in die russische Agrarfrage, ebd., BL 160. Dieser Artikel ist weder im AfSSp noch anderswo erschienen. 2 Im folgenden geht es um ein Manuskript von Paul Wölbling, das trotz der Bedenken Webers im AfSSp erschienen ist: Die gesetzliche Regelung des Tarifvertrages, in: ebd., Bd. 29, Heft 2, 1909, S. 481-512, sowie: ebd., Heft 3, S. 869-894. Die Abhandlung enthält im wesentlichen neben einer kurzen Darstellung der wissenschaftlichen Ergebnisse des Tarifrechts eine systematische Darstellung der bislang eingebrachten Gesetzesvorschläge sowie am Schluß seinen eigenen Vorschlag, ebd., S. 892-894, der zuvor in der „Sozialen Praxis" erschienen war (siehe Anm. 3).

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eigentlich schon abgeschöpft. 3 Dabei verkenne ich gar nicht, daß es vielleicht Leute geben wird, die sich für die vorwiegend rechts technischen Fragen, die hier behandelt werden^] sehr lebhaft interessieren, Spezialisten für die rectetechnischen Fragen!:| Wenn Sie also meinen, daß eine Art moralischer „Bindung" schon vorliegt, dann kann ich natürlich auch nicht widersprechen wollen, denn die (2) Partien, die ich gelesen habe, waren ganz gut. Sonst aber möchte dann doch die Raumfrage zu erwägen sein. Es ist eben doch ein starkes Stück, daß W[ölbling] sich darin so gehen läßt. - Ich würde es noch immer a gern sehen 3 , wenn Sie den Mann los würden, falls er sein Exposé nicht kürzen kann. Mit Hrn. Levenstein korrespondiere ich noch, werde ihn Anfang März in Berlin sehen. 4 Angenehm wäre es mir, wenn die Inhaltsangabe des Märzhefts die ausdrückliche Bemerkung enthalten könnte: „Die Fortsetzung der Abhandlung] von W[eber] (über Psychophysik d[er] Arbeit) mußte auf das Maiheft verschoben werden". 5 Herzl. Gruß Ihres Max Weber

a begrüßen > gern sehen

3 Es handelt sich u m Wölbling, Paul, Entwurf eines G e s e t z e s über Tarifverträge, erschienen in: Soziale Praxis. Zentralblatt für Sozialpolitik, Jg. 18, Nr. 7 v o m 12. Nov. 1908, Sp. 1 6 6 - 1 6 8 , d e m eine komprimierte (einspaltige) B e g r ü n d u n g angefügt war. 4 K o r r e s p o n d e n z e n mit Adolf Levenstein sind nicht n a c h g e w i e s e n . Vermutlich ging es hierbei um W e b e r s Versuch, Levenstein zur Veröffentlichung von Teilen seiner sozialpsychologisch ausgerichteten Enquete über die Arbeiterfrage zu g e w i n n e n ; vgl. dazu Brief an Karl Bücher v o m 1. Febr. 1909, unten, S . 4 9 , A n m . 1 4 . 5 Das Inhaltsverzeichnis d e s A f S S p - H e f t e s Nr. 2 v o m März 1909 v e r m e r k t in einer Fußnote zu den voraussichtlich im nächsten Heft e r s c h e i n e n d e n Artikeln zu d e m Aufsatz von W e b e r über Psychophysik III: „Erscheint w e g e n R a u m m a n g e l statt im März- erst im Mai-Heft."

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Paul S i e b e c k [12. Januar 1909] ; o . O . Brief; e i g e n h ä n d i g VA M o h r / S i e b e c k , Deponat B S B M ü n c h e n , A n a 4 4 6 Datierung erschlossen aus dem im Brief angegebenen Wochentag: „Mittwoch" [ = 13. Januar 1909]. Bezug: Brief Paul Siebecks vom 11. Januar 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), in welchem er Webers Besuch zustimmt und schreibt: „daß Sie sich sofort nach Ihrer Ankunft zur Ruhe begeben können. Wünschen Sie ein kaltes Schlafzimmer, oder soll ich für Sie heizen lassen?"

Sehr verehrter Herr D r Siebeck Besten Dank für Ihren Brief. Ich komme also morgen (Mittwoch) Abend 1047. O b ich geheizt schlafe? Ja, wenn es sehr kalt ist u. es sich leicht etwas lau machen läßt, schlafe ich leichter ein. Aber unentbehrlich 5 ist es nicht. Auf Wiedersehen mit bester Empfehlung Ihr Max Weber

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Karl B ü c h e r 13. J a n u a r 1909; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g U B Leipzig, Nl. 181 (Karl B ü c h e r )

Heidelberg 13.1.9 Hochverehrter Herr Professor, mit herzlichem Bedauern und lebhafter Anteilnahme erhalte ich Ihre Anzeige vom Tode Ihrer Gattin. 1 Uns Allen ist bekannt, wie unerhört schwer Sie im Lauf der ganzen letzten Zeit an dem furchtbaren und hoffnungslosen Leiden, welches ihr auferlegt war, selbst zu tragen gehabt haben, und ich persönlich brauche mir nur aus meinem Leben und aus meiner täglichen Umgebung meine eigene Frau einen Augenblick wegzudenken, - und sie ist, obwohl im Ganzen gesund, doch recht viel zarter, als es äußerlich scheint, - um die ganze Schärfe des Schnittes ins eigne Leben, die das bedeutet, voll zu empfinden und zu wissen, daß es für solche Verluste einen Ersatz nicht giebt, selbst nicht in dem Bewußtsein der persönlichen Verehrung und warmen Mitempfindung 3 weitester Kreise, wie sie Ihnen in dieser schweren Zeit Ihres Lebens sicherlich überall entgegengetreten sein werden. Den jetzigen Abschluß werden Sie, wie ich nach Ihren Worten im Herbst annehmen muß, wohl für Ihre Gattin, und damit auch für Sich selbst, als eine Erlösung empfinden müssen und empfinden, und die Elastizität Ihrer ungeheuren Arbeitskraft und Arbeitsfreude wird wenigstens, so unersetzlich der Verlust an sich bleibt, jenes Gefühl von kontinuierlichem Druck von Ihnen nehmen, dessen Äußerung durch Sie wir Alle schmerzlich empfanden). | Ich hatte seit dem Herbst den Wunsch, in einer im Wesentlichen Ihnen ja bekannten Angelegenheit Ihren Rath persönlich in Leipzig einzuholen und werde mir in einiger Zeit gestatten, zu fragen, ob ich Sie einmal aufsuchen darf. 2 In Verehrung Ihr ergebenster Max Weber a

(,wie)

1 Emilie Bücher war nach langem Leiden am 11. Januar 1909 verstorben. 2 Webers Besuch in Leipzig wegen der projektierten Neuausgabe des Schönbergschen Handbuchs erfolgte am 25. Januar 1909; siehe Karte an Marianne Weber vom 27. Jan. 1909, unten, S.38.

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Marianne Weber PSt 16. Januar 1909; Oerlinghausen Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, DeponatBSB München, Ana 446 Die folgenden Postkarten an Marianne Weber schrieb Max Weber während einer Reise nach Oerlinghausen (15. bis 24. Januar), wo er seine Untersuchungen über die Arbeitsproduktivität von Textilarbeitern in der Leinenweberei Carl Weber & Co. in Oerlinghausen beendete. Es schlössen sich Besuche bei Karl Bücher in Leipzig, Marie Bernays in Mönchengladbach und seiner Schwester Uli Schäfer in Altenberg an.

Örlingh. Samstag. Liebes Schnauzli, hier u. wohl, - schon etwas gearbeitet. Nächst Heidelberg ist mir die Ankunft hier doch offen gesagt das Behaglichste. Seltsam - selbst in 5 Charl[ottenburg] 1 komme ich nicht so gern an als hier, habe Mama lieber bei uns. Von Wolfgang 2 soll heut A b e n d Nachricht kommen. Operation vielleicht nicht nötig (Röntgen-Aufnahme entscheidet) - wenn doch nötig, würde das Knie fortgenommen, das Bein dauernd steif, also eine Stel10 lung, wie er sie jetzt haben sollte (mit viel Reisen) nicht möglich. Richard 3 u. Carlo 4 sind fort, Erich M[üller] 5 hier, Bruno 6 erkältet im Bett. Alles aber wohlauf u. grüßt sehr Herzlichst Max

1 In Charlottenburg war Webers Elternhaus, dort lebte seine Mutter. 2 Wolfgang Müller befand sich zur erneuten Behandlung seines Knies in Berlin. 3 Richard Müller, Bruder von Georg und Wolfgang Müller. 4 Carl (Carlo) Weber leitete mit Bruno, Georg und Richard Müller die Textilfabrik Carl Weber & Co. GmbH. 5 Erich Müller, der Sohn von Eleonore Müller, geb. Weber, und Wilhelm Müller. 6 Bruno Müller.

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17. Januar

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Marianne W e b e r P S t 17. J a n u a r 1909; P S t O e r l i n g h a u s e n Karte; e i g e n h ä n d i g Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat B S B München, A n a 446

Sonntag. L. Schnauzele ich sitze hier nach gutem Schlaf bei offenem Fenster im geheizten Zimmer u. habe schon etliche Stunden gearbeitet. Wie mag es Dir gehen? bist Du schon mal wieder umgepurzelt? nein? - Wina1 möchte wissen, ob Du außer 1) Bett, 2) Waschtisch, 3) Nachttisch auch 4) Spiegel (auf die Matratze genäht) 3 , 5) viereckigen Eichentisch bekommen hast? Du könntest ferner auf Wunsch die Doublette des MahagoniTischchens haben, welches Emily 2 nahm, es sei in dem hergerichteten Zimmer drüben eher zu viel drin. Überlege es bitte. Postsachen schick bitte bis etwa Donnerstag Mittag hierher nach. Wolfgang 3 soll erst ohne Operation zu kurieren versucht werden, er selbst glaubt aber nicht daran, daß das etwas wird. Hier ist es recht schön still u. friedlich. Mariännchen 4 geht es offenbar leidlich, jedenfalls ist ihr H[eidelberg] gut bekommen. Alle lassen sehr grüßen, es küßt Dich Dein Max

a Klammer fehlt in 0 . 1 Vermutlich verteilte Alwine (Wina) Müller die letzten Möbel aus dem Haushalt ihres am 21. Juli 1907 verstorbenen Vaters Carl David Weber. 2 Emily Weber, Frau von Carl (Carlo) Weber. 3 Wolfgang Müller litt an einer Knieverletzung. 4 Marianne Müller, Tochter von Alwine (Wina) und Bruno Müller, verbrachte im November 1908 ihre Ferien in Heidelberg bei Max und Marianne Weber.

18. Januar

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Marianne Weber P S t 18. J a n u a r 1909; O e r l i n g h a u s e n Karte; e i g e n h ä n d i g Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat B S B München, A n a 446

Örl. Montag Mittag. Liebster Schnauzel noch nichts vom Schnauz und ich bin schon bei der dritten Karte! Gestern Sonntag war der Familienhümpel 1 größer. Auch Roland, 2 - der nun also, da er kein Regiment gefunden hat, Jura studiert, zuerst vermutlich in Lausanne oder Genf, um Französisch zu lernen, - und Berthold 3 waren da. Bruno 4 hatte mit sehr ekligem Bronchialkatarrh zu thun u. das eine Mädchen ist ebenfalls krank (im Krankenhaus), - daß der Haushalt dabei am Schnürchen geht, ist wirklich ein Wunder. Ich bin den Tag über meist in der Fabrik, habe Lili u. die Bernays nunmehr angefragt, ob u. wann ich dort passe. Was mag denn nur der Schnauz inzwischen aufstellen? Das wüßte ich gar gern, bisher ist noch kein Kärtchen von ihm da, u. dies ist mein drittes! Ich sitze hier wieder bei offnem Fenster, das Wetter ist prachtvoll frühlingsmäßig, - aber: noch 3 Monate Winter vor uns! Herzlich küßt Dich Dein Max

1 Max Weber logierte im Haus von Bruno und Alwine (Wina) Müller und verbrachte den Tag im Kreis der Familie. 2 Roland Müller, Sohn von Alwine (Wina) und Bruno Müller. 3 Berthold Müller, Sohn von Alwine (Wina) und Bruno Müller. 4 Bruno Müller.

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19. Januar

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Marianne W e b e r P S t 19. J a n u a r 1 9 0 9 ; O e r l i n g h a u s e n Karte; e i g e n h ä n d i g Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat B S B München, A n a 446 Die Karte trägt den Poststempel 19. Januar 1909. Dies war ein Dienstag. Weber schrieb irrtümlich „Mittwoch".

Örl. Dienstag. 3 Lieber Schnauzel, schönen Dank für Deinen Brief mit der Finanzabrechnung, die ja nicht grad sehr glänzend aussieht. Na aber - das „macht sich" schon wieder. Hier ging eben ein Telegramm ein, wonach Wolf gang1 in Berlin operiert ist - offenbar Knie-Resektion mit dauernder Verkürzung und Steifheit des Beines, soweit man den Inhalt verstehen konnte. Es ist doch, so bestimmt dies vorauszusehen war, für Wina 2 u. Alle ein recht harter Schlag u. es fragt sich nun, ob W[olfgang] seine bisherige Laufbahn bei Delius b & C° fortsetzen kann: die jetzt für ihn in Betracht kommende Stellung in Leipzig als Vertreter kann er natürlich nicht übernehmen, da damit viel Reisen verbunden ist und es außerdem ja geraume Zeit dauern wird, bis er an den Zustand der Gehemmtheit u.s.w. sich angepaßt hat. Für einen 24jährigen |:lebhaften:| Menschen ist das Alles ja keine Kleinigkeit, und wirklich recht betrübt. Wina ist die Sache offenbar sehr ans Herz gegangen, - eine der ersten wirklich ernsten Trübungen in ihrem Leben, nächst dem Tode des Großvaters. 3 Herzlichst Dein Max

a O: Mittwoch,

b Unsichere Lesung.

1 Wolfgang Müller. 2 Alwine (Wina) Müller. 3 Gemeint ist der am 21. Juli 1907 verstorbene Vater von Alwine (Wina) Müller, Carl David Weber, den sie nach dem Tod ihrer Mutter betreut hatte.

20. Januar 1909

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Marianne Weber PSt 20. Januar 1909; Oerlinghausen Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Örl. Mittwoch. Lieber Schnauzel, schönen Dank für Dein Kärtchen. Hier ist - a bei Wina1 - die Stimmung sehr gedrückt u. sie wartet stündlich auf das heutige Telegramm über Wjolfgang's] Befinden. 2 Die Männer sehen die Sachlage ruhiger an: die 5 Chancen der „Carriere" seien dadurch nicht wesentlich alteriert, da W[olfgang] zweifellos überall ankommen würde. Nur meinte Georg, 3 daß im Fall W[olfgang] etwa ganz an den Stuhl gebannt würde, er sich psychisch sehr verändern werde, denn das könne sein Temperament nicht. Aber das wäre ja |:nur:| der ungünstigste Fall, ^wahrscheinlich 10 geht es besser.:| Wenn nur die Sache jetzt zum Stillstand gebracht ist! Das Wetter ist hier wunderschön, heute allerdings etwas kälter. Dein Kärtchen sagte nicht, wie es Dir denn mit Schlaf u. so was geht. Hast Du nun wohl schon gearbeitet? u. wie ging es? Bis etwa Sonnabend früh bin ich wohl jedenfalls hier. 15 Herzlichst Dein Max

a (namentlich) 1 Gemeint ist Alwine (Wina) Müller. 2 Wolfgang Müller hatte sich in Berlin einer Knieoperation unterziehen müssen. Bei dem noch unklaren Ausgang mußte eine Versteifung des Beines erwogen werden. Dieses „schlimmste" Ergebnis hätte seine kaufmännische Laufbahn beeinträchtigen können. 3 Georg Müller.

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21. Januar 1909 Marianne Weber PSt 21. Januar 1909; Oerlinghausen Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Örl. Donnerstag. Liebes Schnauzel morgen, Freitag, Nachmittag denke ich also weiter, nach Düsseldorf, 1 zu fahren, Sonnabend hoffe ich in M[ünchen] Gladbach, Abends oder Sonntag Vorm[ittag] in Altenberg zu sein, wenn Alles klappt. Schicke 5 also Postsachen bitte |:an Lili:| nach Altenberg2 b. Bergisch-Gladbach, Rheinland. Über Wolfgang 3 kommen jetzt beruhigende Nachrichten über das Befinden. Auch Wina4 beruhigt sich allmählig mehr: so hart die Sache für einen so lebhaften Menschen ist, - es giebt weiß Gott schlimmeres u. Ernst 5 scheint anzunehmen,3 daß jetzt aller Krankheitsstoff 10 beseitigt sei u. er also gesund wird (bis auf die Bein-Steifheit und -Verkürzung). Wie mags dem Schnauzel gehen? Herzlichst Dein Max

a (Ihr) 1 2 3 4 5

Wohnort von Marie Baum. Wohnort von Lili Schäfer. Wolfgang Müller. Alwine (Wina) Müller. Max Webers Schwager, Ernst Mommsen, war Arzt.

22. Januar 1909

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Marianne Weber PSt 22. Januar 1909; PSt Oerlinghausen Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

L. Sehn.da Frl Bernays telegraphiert, daß der Direktor1 - der übrigens zu Allem bereit ist - a erst Mittwoch zu sprechen sei, fahre ich erst nach Leipzig 2 Sonntag Nachmittag oder Montag, dann zu Lili, dann von M[ünchen]5 Gladbach aus Donnerstag zum Schnauzel. Also kann die Vormittagspost \:Sonnabend:| noch hierher kommen. Herzlichst küßt Dich Dein Max Gestern Abend waren wir bei Hein's3 eingeladen.

a (das Material) 1 August Buschhüter war zu dieser Zeit der Generaldirektor der Gladbacher Spinnerei und Weberei A.-G. Er hat die Arbeit von Marie Bernays großzügig unterstützt. Sie hatte sich zunächst (September 1908) als Spulerin in der Fabrik Einblick in das Leben der Arbeiter und in deren Lohnlisten verschafft. Weber wollte den Direktor kennenlernen und sich ein Bild über die Arbeit von Marie Bernays machen. Ihre Untersuchungen gingen ein in: Bernays, Marie, Auslese und Anpassung der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie. Dargestellt an den Verhältnissen der „Gladbacher Spinnerei und Weberei" A.-G. zu München-Gladbach im Rheinland (Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd. 133). - Leipzig: Duncker & Humblot 1910, hinfort zitiert als: Bernays, Marie, Auslese und Anpassung. 2 Dort wollte sich Max Weber mit Karl Bücher treffen. 3 Gemeint ist Elisabeth Hein, die verwitwete Schwester von Emily Weber, die mit ihrer Tochter Lena in der Nähe von Oerlinghausen wohnte. Emily Weber war mit Carl Weber verheiratet.

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24. Januar 1909 Marianne Weber PSt 24. Januar 1909; Oerlinghausen Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat B S B München, A n a 446

Oerl. Sonntag Liebe Schnauzel, ich fahre nun also heut Mittag zuerst nach Leipzig, dann Dienstag 3 früh nach M[ünchen]-Gladbach, bMittwoch Abend fa nach Altenberg, Freitag früh nach Heidelberg u. freue mich dann auf einen behaglichen und 5 hoffentlich recht frischen u. gesunden Schnauzel. Hier ist jetzt, wo die Nachrichten von Wolfgang1 besser werden, die Stimmung wieder gleichmäßig. Wina 2 kann erst in 1 Vi—2 Wochen zu ihm nach Berlin, da er ganz ruhig gehalten werden muß. Es ist eklig kalt nach dem anfänglichen Frühlingswetter, aber ich denke, ich werde es schon ganz gut durchhal- 10 ten. Von hier grüßt Alles herzlichst, - morgen v. Leipzig aus mehr herzlichst küßt Dich Dein Max Postsachen bitte zu Lili

a M > Dienstag Überschreibung des Anfangsbuchstabens, woch Abend 1 Wolfgang Müller. 2 Alwine (Wina) Müller.

b Donnerstag früh > Mitt-

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25. Januar 1909

Marianne Weber PSt 25. Januar 1909; Leipzig Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Leipzig, Montag Liebe Schnauzel, nun bin ich bei schönem und kaltem Wetter hier und morgen Abend in München-Gladbach, Herfs (Herfs) 3 Hotel, bis Mittwoch Nachmittag, dann, denke ich, Abends in Altenberg bei Lili, wohin ich die ev. Post erbitte. - Eben las ich Tröltsch's Doppe/berufung 1 in der Zeitung - wie sehr ist den Leuten das zu gönnen (mag auch die philosophische Berufung für Paulsen's Stelle etwas Sonderbares haben)! Er wird ^schließlich : | doch wohl gehen, um in Berlin auf der Bresche zu stehen, zumal es nicht sicher ist, ob der Großh[erzog] allzu starke Anstrengungen machen lassen wird, ihn zu halten. Die Kaltstellung des Kaisers2 ist auch ihm zu gute gekommen. (Könnte man doch diese ganze Blase so auf Pension u. Repräsentation setzen!). Für uns u. die Universität] wäre es eine ganz unersetzliche Lücke, und hoffen muß man, daß es doch vielleicht gelingt, ihn so zu stellen, daß er bleibt. In Örlfinghausen] hörte ich nichts mehr vom Schnauzel. Herzlichst Dein Max

a Wiederholung in betont deutlicher Schrift. 1 Ernst Troeltsch erhielt Rufe auf den Lehrstuhl für Philosophie als Nachfolger von Friedrich Paulsen und auf den Lehrstuhl für Dogmatik als Nachfolger von Otto Pfleidereran die Universität Berlin. Vgl. FZ, Jg. 53, Nr. 23 vom 23. Jan. 1909, Ab.BI., S. 2. 2 Vermutlich Anspielung auf die Schwächung des Einflusses des Kaisers nach der DailyTelegraph-Affäre.

27. Januar 1909

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Marianne Weber PSt 27. Januar 1909; PSt Mönchengladbach Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

L. SchnauzelMontag 2 Mal, zuletzt bis sehr spät Abends, bei Bücher, der seine Frau1 (Nichte des H[eidel]b[er]ger Mittermaier) vor Kurzem verlor u. viel davon |:zu:| sprechen das Bedürfnis hatte. Dann gestern den Tag über Bahnfahrt u. Abends bei Frl. D r Schiemann im Franziskanerin[nen]Krankenhaus2 (famose Ostpreußin: wie viele „freie" Frauen stammen doch grade aus der Gegend!). Heut gehen wir zum „Herrn Direktor", 3 der der Bernays offenbar Alles zu Liebe thut, aber nur ihr: sie hat das sehr gut, geschickt u. taktvoll gemacht. Eben kommt sie, mich abzuholen u. grüßt sehr. Lili habe ich mich eben telegraphisch auf heute Abend angekündigt, 4 hoffe dort auch mal wieder von Schnauzel was zu finden. Freitag früh geht es dann weiter, und gegen Abend hoffe ich endlich wieder in H[eidel]b[er]g zu sein, Stuttgart5 u. Tübingen 6 kann ich ja in 2 Tagen ein andres Mal besuchen. Herzl. Gruß! Max

1 Gemeint ist Emilie Bücher, geb. Mittermaier. Ihr Onkel, Karl Mittermaier, war Arzt in Heidelberg. 2 Nach schriftlicher Auskunft des Mönchengladbacher Stadtarchivs vom 4. August 1980 arbeitete Dr. Lina Schiemann als Ärztin an der Lungenheilstätte, heute Franziskushaus. 3 Gemeint ist der Direktor der Gladbacher Spinnerei und Weberei A.-G., August Buschhüter. Vgl. auch Karte an Marianne Weber vom 22. Jan. 1909, oben, S. 35, Anm. 1. Weber hat den Betrieb besichtigt und sich detailliert mit der Finanzgeschichte der Firma beschäftigt. Vgl. Brief an Marie Bernays nach dem 27. Jan. 1909, unten, S. 39-43. 4 Weber wollte seine jüngste Schwester, Lili Schäfer, in Altenberg auf der Fahrt nach Heidelberg besuchen. 5 Vermutlich wollte Max Weber in Stuttgart den Direktor der Daimler-Motoren-A.G., Dr. Emil Michelmann, aufsuchen, um ihn für Untersuchungen über Auslese und Anpassung der Arbeiterschaft in der Automobilindustrie zu gewinnen. Vgl. Brief an Heinrich Herkner vom 11. März 1909, unten, S. 71. 6 Gemeint ist ein Treffen mit Paul Siebeck.

27. Januar 1909

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Marie Bernays [nach dem 27. Januar 1909]; o. 0 . Abschrift; ohne Anrede und Schlußformel Erstabdruck in: Bernays, Marie, Die Geschichte einer Baumwollspinnerei, ihr Produktionsprozeß und ihre Arbeiterschaft. - o . O . [Leipzig: Duncker & Humblot] 1910, S . 8 - 1 0 , Anm. 1, sowie Bernays, Marie, Auslese und Anpassung, S . 8 - 1 0 , Anm.1. Eine genaue Datierung des Briefes ist nicht möglich, doch dürfte dieser nach dem 27. Januar 1909 geschrieben worden sein, d.h. nach Webers Besuch bei dem Direktor der „Gladbacher Spinnerei und Weberei", August Buschhüter, mit dem er über die weiteren Recherchen von Marie Bernays in dessen Betrieb im Rahmen des VfSpProjektes über „Auslese und Anpassung der Arbeiterschaft in der Großindustrie" konferierte. Vgl. dazu die Karte an Marianne Weber vom 27. Januar 1909. Insbesondere der Hinweis auf die „Wattsche Dampfmaschine" des Betriebes als einer „ästhetischen Sehenswürdigkeit von M.-Gladbach" spricht für eine Datierung nach Webers dortigem Aufenthalt. Möglicherweise hat Weber auch einen Blick in die Geschäftsberichte der Firma geworfen, auf die er sich in dem folgenden Schreiben bezieht. Zu Anfang des als Anmerkung abgedruckten Briefes vermerkt Marie Bernays: „Herr Professor Max Wefterschreibt mir nach Einsicht der Bilanzen und Geschäftsberichte:"

Zum Verständnis jener Zahlen dürfte folgendes zu berücksichtigen sein: Die Fabrik arbeitet seit dem Jahre 1898 mit einem um rund ein Drittel (von 3750000 Mk. auf 2499600 Mk.) verminderten Kapital.1 Der Grund für diese Kapitalherabsetzung lag darin, daß schon seit Mitte der 5 80er Jahre die Betriebsmittel der Fabrik nicht mehr im Betriebe voll ausgenützt waren, weil die Zollgesetzgebung auch in der Textilindustrie die Anregung zu einer großen Zahl von Neugründungen gegeben hatte, 2 1 Im folgenden werden - wenn nicht anders vermerkt - die Geschäftsberichte der Gladbacher Spinnerei und Weberei nach der einschlägigen Akte im HStA Düsseldorf, Regierung Düsseldorf, Nr. 41579, zitiert. Die von Weber erwähnte Verminderung des „Actien-Capital-Contos" war auf einer außerordentlichen Generalversammlung der Aktionäre am 2. Juni 1898 beschlossen worden. Die Höhe des Aktienkapitals von 2.499.600 Mark ist von da an bis 1915, dem Jahr, in welchem der Betrieb in Liquidation ging, gleichgeblieben. 2 Vor allem durch das von Bismarck inaugurierte, extrem schutzzöllnerisch ausgerichtete Zolltarifgesetz vom 15. Juli 1879, welches eine neue konservative Epoche nicht nur der Handelspolitik einleitete, waren u.a. die Zölle auf Baumwollwaren enorm angehoben worden, was im Deutschen Reich in den folgenden 80er Jahren eine bedeutende Zunahme von - allerdings zumeist kleineren - Baumwollspinnereien zur Folge hatte: So stieg die Zahl der Hauptbetriebe von 1482 im Jahre 1875 auf 5842 im Jahre 1882, fiel dann jedoch bis zum Jahre 1895 auf 1991. Hier zitiert nach dem Artikel von Franz v.Juraschek, Baumwollindustrie. I. Geschichte und Statistik der Baumwollindustrie, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 3., gänzl. umgearb. Aufl., Bd. 2. - Jena: Gustav Fischer 1909, S. 681-707, ebd., S. 691. Über das Zolltarifgesetz von 1879 und die Tarife für Baumwollwaren vgl. den Artikel von Wilhelm Lexis, Baumwollindustrie. II. Übersicht der Zollgeschichte der Baumwollindustrie, ebd., S. 707-712, insbesondere S. 710.

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welche einerseits durch die Konkurrenz um die Arbeitskräfte Betriebserweiterungen erschwerten, anderseits um die Nachfrage des Inlandmarktes, der nunmehr dauernd allein in Betracht kam, mit den schon vorhandenen Betrieben zunehmend konkurrierten. Die Geschäftsberichte lassen ferner deutlich erkennen, daß die Politik der Fabrik in diesen drei, zum Teil für die Textilindustrie sehr schwierigen Jahrzehnten, durchweg eine jeder Waghalsigkeit und Expansionstendenz abholde, ungemein vorsichtige und konservative war. Zu dieser, ein allzu rücksichtsloses Konkurrieren um neue Märkte möglichst vermeidenden Art der Geschäftsführung hat die Leitung der Fabrik sicherlich den Beifall ihrer Hauptaktionäre gefunden, unter denen - wie Sie dies ja schon bemerkt hatten - Besitzer anderer Textilfabriken eine immerhin erhebliche Rolle spielten: 3 eine in der Textilindustrie mit ihrer naturgegebenen Erschwerung der Kartellierung sich öfters findende Form der indirekten Herstellung einer Interessengemeinschaft. Diese vorsichtige Politik führte in Verbindung mit den veränderten Absatzverhältnissen dazu, daß der unter den gegebenen Bedingungen nicht im Betrieb verwendbare Teil des Kapitals in den 80er Jahren rasch anwuchs. Es erscheint, wie Sie in den Bilanzen beobachteten, erstmalig 1885 ein Effektenbesitz von rund 355000 Mk. Buchwert auf der Aktivaseite, welcher 1889 schon bis auf 1 Million gestiegen ist. 4 Daß die Aufspeicherung eines solchen, die Durchschnittshöhe der Dividende allerdings herabdrückenden, aber jederzeit leicht verwertbaren Besitzes übrigens dem Betriebe gelegentlich sehr zu statten kam, zeigte sich in dem letztgenannten Jahre. Die gewaltigen, durch eine mit allen denkbaren Mitteln, insbesondere mit bewußt irreführenden Einschätzungen der Baumwollernte u. dgl. arbeitende Spekulation noch gesteigerten Preisschwankungen der Baumwolle bedingen für alle Tex-

3 Die Aktiengesellschaft war am 12. Mai 1853 ohne nennenswerte Bankenbeteiligung durch eine Gemeinschaftsaktion führender Textilunternehmer aus dem Gladbacher Wirtschaftsraum gegründet worden; vgl. dazu den Aufsatz von Gerhard Adelmann, Die Gründung der Aktiengesellschaft „Gladbacher Spinnerei und Weberei". Ein Beitrag zur Industriegeschichte des linken Niederrheins, in: Spiegel der Geschichte. Festgabe für Max Braubach zum 10. April 1964, hg. von Konrad Repgen und Stephan Skalweit. - Münster: Aschendorff 1964, S. 7 2 7 - 7 5 1 , insbesondere S. 737ff. 4 Die Bilanz für 1885 weist einen Effektenbesitz von 355471,80 Mk. aus: Deutscher Reichs-Anzeiger, Nr. 92 vom 16. April 1886, 2. Beil., [S.4]. Die Höhe des Effektenkontos bleibt bis 1888 relativ konstant, steigt 1888 auf 539830,20 Mk. und erreicht 1889 den Stand von 1007249 Mk.; vgl. Deutscher Reichs-Anzeiger, Nr.89 vom 11.April 1889, 4. Beil., [S. 2], sowie Nr. 90 vom 11. April 1890, 3. Beil., [S. 2].

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tilwerke eine abnorme Lage. 5 Bei starker Hausse tritt zu der Erschwerung der Rohstoffversorgung noch die Versuchung zur zu hohen Bewertung der Lager und also zu hoher Dividendenverteilung. Umgekehrt führt starke Baisse eine rapide Entwertung der Lager und damit buchmäßige „Verluste" herbei, welche eine Dividendenverteilung hindern, obwohl sie sehr oft schon nach wenigen Monaten: nach dem Verschwinden der Baisse, sich in buchmäßige „Gewinne" verwandelt haben. Daher die starken Schwankungen der Dividende benachbarter Jahre (1903: 10%; 1904: 0%; 1905: 12%)6 und, unter Umständen, die Notwendigkeit: zwischen Veräußerung von Produkten unter dem Kostpreis (1898 für einige Arten Gewebe) 7 oder völliger Stockung des Absatzes und damit Anschwellen der Lager und der Bankverbindlichkeiten zu wählen. In solchen Fällen ist ein beträchtlicher Effektenbesitz ein äußerst zweckmäßiger „Puffer". Im Jahre 1889-90 z.B. ermöglichte der starke Effektenbesitz dem Betrieb die mühelose Überwindung der durch die Spekulation herbeigeführten Schwierigkeiten durch Lombardierung. 8 Immerhin kann der Effektenbesitz schließlich auch einen den Interessen der Aktionäre nicht mehr zuträglichen Umfang annehmen. So auch hier. Als, übrigens neben gelegentlich glänzenden Dividenden (18%), 9

5 Im Jahre 1889 war es zu einer erfolgreichen Hausse-Spekulation an der zentralen Baumwollbörse in Liverpool gekommen, wozu der „Jahres-Bericht der Handelskammer M.Gladbach pro 1889", S.21, lapidar vermerkt, daß der „Kampf zwischen Hausse- und Baissepartei [...] zu Gunsten der ersteren zu Ende geführt" worden sei. Dabei waren vor allem Berichte aus den USA über eine Verspätung der kommenden Baumwollernte verbreitet worden, „so daß gegenüber dem größeren Verbrauch der Spinnereien die Vorräthe amerikanischer Baumwolle als nicht für die Versorgung bis zur neuen Ernte ausreichend erachtet wurden. Bei dieser Sachlage war für die Preistreiber in Liverpool der Ausgang sicher, dieselben beherrschten vollständig den Markt". Ebd., S. 21. 6 Die Geschäftsberichte vermelden für 1903 eine Dividende von 10% bei einem Reingewinn von 278690,43 Mk., für 1904 einen Reingewinn von lediglich 3312,86 Mk. und für 1905 eine Dividende von 12% bei einem Reingewinn von 344674,09 Mk. Der Geschäftsbericht für 1904 vermerkt, daß dieses Jahr die größten Preisschwankungen für Baumwolle seit dem amerikanischen Bürgerkrieg gesehen habe: So habe die Notierung für Baumwolle zwischen 3,63 pence als Tiefst- und 8,96 pence als Höchstwert geschwankt. 7 Der Geschäftsbericht für 1898 vermerkt, daß Nesselgewebe „erheblich unter Herstellungskosten verkauft wurden." 8 So konnte die Aktiengesellschaft trotz der Spekulationsturbulenzen in jenen beiden Jahren für 1889 eine Dividende von 11 % bei einem Reingewinn von 413023,06 Mk. sowie für 1890 eine Dividende von 4% bei einem Reingewinn von 150223,48 Mk. auswerfen. Hier zitiert nach den Bilanzen in: Deutscher Reichs-Anzeiger, Nr. 90 vom 11 .April 1890, 3. Beil., [S. 2], sowie Nr. 91 vom 17. April 1891, 4. Beil., [S. 3]. 9 So 1895 bei einem Reingewinn von 689109,50 Mk.

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infolge der andauernden teilweisen Nichtverwertbarkeit des Kapitals das Effektenkonto 1895 sich bis auf 1,8 Millionen erhöht hatte 10 und der Betrieb also zu fast 48% zum „Rentier" oder richtiger: zum Verwalter eines gewaltigen Staatspapierbesitzes für seine Aktionäre geworden war, begannen die letzteren naturgemäß dringend zu wünschen, diesen toten Vermögensbestand aus der Gebundenheit herauszuziehen und zu ihrer freien Verfügung verteilt zu erhalten. Die Betriebsleitung hat diesen Wünschen, unter Beschränkung auf das durch die Notwendigkeit der Sicherstellung des Reservefonds gegebene Maß, 11 Rechnung getragen und also unter Herabsetzung des Aktienkapitals um ein Drittel den entsprechenden Betrag aus jenem Konto an die Aktionäre verteilt. 12 Das Effektenkonto sinkt, nach Durchführung dieser Operation, nachdem ferner um 1900 - wie die Bewegung des Postens „Kreditoren" in den Bilanzen wahrscheinlich macht 13 - einige Bankverbindlichkeiten daraus getilgt und es überdies dazu gedient hatte, die seit Bestehen der Fabrik ungünstigste Geschäftsperiode (speziell 1901, das einzige Mal, daß ein Verlust zu verzeichnen und aus dem Reservefonds zu decken war) 14 bequemer zu überwinden, bis auf ca. 380000 Mk. im Jahre 1903, auf welcher ungefähren Höhe es seither blieb. 15 Der nach wie vor, wie dieser immerhin respektable Effektenbesitz zusammen mit der sehr großen Höhe des Abschreibungskontos ergibt, 16 ganz außerordentlich sicher fundierte Betrieb zeigt den vorsichtig abwä-

10 Das Effektenkonto in der Bilanz für 1895 verzeichnet 1680171 Mk., das für 1896 1834491 Mk. und erreicht 1897 die Höhe von 1837491 Mk. 11 Der Reservefonds, der sich statutengemäß auf 500000 Mk. belief, wurde nicht verändert bzw. erhöht. 12 Siehe dazu oben, Anm. 1. 13 Während das Effektenkonto von 1489830,20 Mk. im Jahre 1899 auf 696462,80 im Jahre 1900 sinkt, verzeichnet der Posten „Creditoren" eine gleichzeitige Veränderung von 1 981 702,58 Mk. auf 1 121 189,56 Mk. 14 Laut Geschäftsbericht für das Jahr 1901 war dieses das „ungünstigste, welches unser Unternehmen durchgemacht hat seit der Krisis, die durch den amerikanischen Bürgerkrieg zu Beginn der 1860r Jahre für die Baumwollindustrie herbeigeführt worden war." Die Schlußbilanz für 1901 schloß mit einem Fehlbetrag von 106384,54 Mk., welcher aber durch Entnahme vom Reservekonto ausgeglichen wurde, das dadurch von 500000 Mk. auf 393615,46 Mk. sank. 15 Der Effektenbestand von 1903 in Höhe von 376396 Mk. belief sich am Ende des Geschäftsjahres 1908 auf wenig verringerte 360952,35 Mk. 16 Nach der Bilanz für 1908 belief sich das Effektenkonto auf 360952,35 Mk. und das Abschreibungskonto auf 4904000 Mk.

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genden und konservativen Charakter seiner Leitung in allen seinen Betätigungen. 17 Dieser Charakter kommt z.B. auch zum Ausdruck in der Beibehaltung der schönen, seit der Gründung der Fabrik verwandten Wattschen Dampfmaschine - übrigens einer ästhetischen Sehenswürdigkeit von M.-Gladbach, die selbstverständlich jetzt in moderner Umgestaltung funktioniert. Die Elektrisierung des ganzen Betriebes ist für absehbare Zeit in Aussicht genommen. 18 Wenn sie stattgefunden hat, wird vielleicht die Betriebsrente etwas stärker ansteigen, - obwohl Dividenden, wie sie vor 40—50 Jahren möglich waren, heute in der gesamten deutschen Textilindustrie wohl dauernd zu den seltenen Ausnahmen zählen werden. In seiner Arbeitsmaschinenausrüstung ist der Betrieb - offenbar auch hier unter möglichst voller Ausnützung der Lebensdauer seiner vorhandenen Maschinen - ersichtlich mit ruhiger Stetigkeit fortgeschritten, wie die stetige absolute und relative Zunahme des Maschinenkapitals und die fast ebenso stetige Abnahme der Arbeiterzahl beweist. 19 Die Geschäftsberichte lassen namentlich für 1894 in der Spinnerei und für 1905 in der Weberei Neuanschaffungen erkennen. 20

17 Das von Weber so sehr gerühmte Unternehmen hat seit 1910 in den Bilanzen fortlaufend hohe Verluste aufzuweisen, so daß schon ein Jahr später der Reservefonds vollständig erschöpft war. Die Arbeit des Betriebes mußte 1915 endgültig eingestellt werden. 18 Möglicherweise eine mündliche Mitteilung des Direktors August Buschhüter an Max Weber, da sich diese Information in den Geschäftsberichten nicht belegen läßt. 19 So belief sich das Maschinenkapital im Jahre 1885 auf 3024708,57 Mk., fm Jahre 1908 war es auf 4214325,20 Mk. angestiegen. Wie Marie Bernays, Auslese und Anpassung (siehe oben), S.10, mitteilt, erreichte die Fabrik die Maximalzahl von 1285 Arbeitern im Jahre 1868; diese Zahl verminderte sich am Ende der 80er Jahre „auf etwas unter 1000". 1908 wurden - laut Geschäftsbericht - 710 Arbeiter beschäftigt. 20 Nach dem Geschäftsbericht für 1894 waren im abgelaufenen Geschäftsjahr 33051,08 Mk. für „Anschaffungen neuer Spinnerei-Maschinen" als Ersatz für veraltete aufgewandt worden. Wesentlich größere Erhöhungen des Maschinenkontos erfolgten indes in den Jahren 1896 und 1897 sowie in den Jahren 1899 und 1903: in den letztgenannten Jahren um 97701,77 bzw. 97286,83 Mk. hauptsächlich für die Modernisierung von Dampfmaschinenanlagen. Die größte Ausgabe für Maschinen wurde 1905 getätigt: Der Betrag von 252101,83 Mk. wurde hauptsächlich für die Anschaffung von 266 Northrop-Webstühlen aufgebracht.

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Edgar Jaffe [Anfang Februar 1909]; o. 0 . Brief; eigenhändig Privatbesitz Die Datierung ist erschlossen aus dem im Brief diskutierten Sachverhalt, nämlich den Bemühungen, das AfSSp als publizistisches Organ für die Deutsche Gesellschaft für Soziologie (fortan als DGS zitiert) zu gewinnen, sowie dem darin von Weber vorgebrachten Anerbieten, Georg Simmel ein diesbezügliches Angebot zu unterbreiten. Dieses Angebot ist wenig später erfolgt, wie aus dem Brief an Jaffe [vor dem 11. Februar 1909], unten, S. 5 2 - 5 4 , hervorgeht. Der unten abgedruckte Brief bildet den Auftakt zu einer umfangreichen Korrespondenz hauptsächlich mit Heinrich Herkner sowie Hermann Beck, in deren Mittelpunkt Webers Mitarbeit in der DGS steht. Diese war am 3. Januar 1909 in Berlin gegründet worden, wobei Max Weber, obgleich bei dieser Versammlung nicht zugegen, zum Ausschußmitglied gewählt worden war. Der Anstoß zur Gründung der DGS war in erster Linie von Rudolf Goldscheid und Georg Simmel ausgegangen. Goldscheid war Mitbegründer der im April 1907 in Wien gegründeten „Soziologischen Gesellschaft" und fungierte als deren Vorsitzender („Obmann"); es dürfte im übrigen Simmel gewesen sein, der Weber für die Mitarbeit in der DGS zu gewinnen suchte. In einem Brief Simmeis an Georg Jellinek vom 5. November 1908 (BA Koblenz, Nl. Georg Jellinek, Nr. 28), in welchem er diesen bittet, einem „einladenden Komittee beizutreten", heißt es: „Ich schreibe zugleich an Max Weber u. hoffe, auch ihn für den Plan zu interessiren."

Lieber Jaffe, ich selbst bin Ausschußmitglied der Soziologischen] Gesellschaft] u. hatte - zumal ich im März zur 1. Versammlung 1 hingehen werde, ganz denselben Gedanken von Anfang an. Wenn ich mich noch nicht entschloß, mit Ihnen auf die Sache zu sprechen zu kommen, so deßhalb, 5 weil ja jedenfalls, wenn das Archiv „Organ" der Ges[ellschaft] f[ür] Soziologie] wird, in irgend einer Form eine Ingerenz des Vorstandes der Soziologischen] Gesellschaft], eventuell ihres Vorsitzenden, in die Redaktion des „Archiv" sich nicht ganz umgehen läßt. Die Frage wäre, was man etwa anbieten könnte? Eintritt Simmel's in die Redaktion (als 10 „in Verbindung mit") wäre ja sehr schön - was Sombart dazu sagt? Er kann ja nicht dagegen sein. 2 Dagegen einen andren - außer etwa Tönnies

1 Gemeint ist die Eröffnungsversammlung der DGS, die am 7. März 1909 in Berlin stattfand. 2 Der Tenor des Briefes von Edgar Jaffe an Werner Sombart vom 15. Febr. 1909 (GStA Berlin, Rep.92, Nl. Werner Sombart, Nr. 17, Bl. 179) ist jedoch ein anderer: „Einen direkten Einfluß auf die Redaktion könnten wir der Gesellschaft als solcher natürlich nicht

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oder Vierkandt (beide sind auch Vorstandsmitglieder) könnte man doch wohl kaum nehmen. Jedenfalls wohl nicht: Beck. Immer würde doch der Anspruch erhoben werden, daß man die Publikationen von Mitgliedern der Gesellschaft irgendwie bevorzugen möge].] Da liegen gewisse 5 Schwierigkeiten, - aber ich bin sofort dabei, daß man, wenn Sie einverstanden sind, in Verhandlung]ena darüber eintritt resp. ein - zunächst etwas allgemein gehaltenes - Angebot macht (an Simmel). 3 Dann kann man ja sehen! Die qu[ästionierte] Arbeit lese ich morgen. 4 Herzl. Gruß! 10 Max Weber

a Lochung.

einräumen. Es wird wohl darauf hinauslaufen, daß wir den von der Gesellschaft zu veröffentlichenden Aufsätzen eine Vorzugsstellung für die Aufnahme im Archiv einräumen; oder wie denken Sie sonst darüber?" 3 Ein entsprechendes Angebot hat Weber wenig später an Georg Simmel gerichtet; vgl. dazu Brief an Edgar Jaffe [vor dem 11. Febr. 1909], unten, S. 53. 4 Vermutlich handelt es sich dabei um einen Artikel von Louis Roth über nordamerikanische Wohnverhältnisse; vgl. den folgenden Brief an Edgar Jaffe (wie oben, Anm.3).

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Karl Bücher 1. Februar 1909; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g U B Leipzig, Nl. 181 (Karl B ü c h e r )

Heidelberg 1/2 9 Sehr geehrter Herr Geheimrath! Zunächst verbindlichsten Dank für die Zusendung von „Arbeit u. Rhythmus1"1.1 Ich muß das Buch in Ihrem Flur liegen gelassen haben, erinnerte mich dessen aber nicht und glaubte es verloren zu haben. Hier angekommen, fand ich es zu meiner Freude vor und habe es mit Vergnügen alsbald in der neuen, teilweise erweiterten, Fassung gelesen. Überall fand ich mich, wie s. Z. bei der ersten Auflage, 2 belehrt und durch die Ausblicke, welche auf die Entwicklung der Fronarbeit u.ä. fallen, zu weiterem Nachdenken angeregt. Gegenbemerkungen wüßte ich fast nirgends zu machen und die ganz wenigen Einzelheiten, die ich zu sagen hätte, dürften kaum Ihr Interesse erregen. Auch Ihnen ist ja bekannt, daß der Zweck des Tanzes (noch heute in vollkommenster Reinheit bei den Chlysten in Rußland, 3 bei denen er der zentrale Cultakt ist) wesentlich auch religiösen Charakters ist: der Tanzende, bis zum Schwinden der Sinne Tanzende „vergottet" sich, „produziert" in sich den „Gott", d.h. einen ekstatischen Dämmerzustand, wie er - bei den Chlysten noch heute - als die Folge des rasenden Sichdrehens entsteht. 4 Wer diesen Zustand der „Entrücktheit" erreicht hat, der hat den Gott in sich aufge-

1 Bücher, Karl, Arbeit und Rhythmus, 4., neubearb. Aufl. - Leipzig und Berlin: B.G. Teubner 1909. 2 Die Erstfassung von Arbeit und Rhythmus ist 1896 erschienen in Abhandlungen der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, Bd. 39 (Abhandlungen der philologisch-historischen Classe der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, Bd.17).-Leipzig: S. Hirzel. 3 Die Chlysten (chlystij = Geißler) waren eine ekstatisch-asketische Sekte, die sich seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Rußland nachweisen läßt. Vgl. dazu Grass, Karl Konrad, Die russischen Sekten, Bd.1: die Gottesleute oder Chlüsten nebst Skakunen, Maljowanzü, Panijaschkowzü u.a. - Leipzig: J. C. Hinrichs 1907. Vgl. auch die Anmerkungen der Herausgeber in: Weber, Max, Zur Russischen Revolution von 1905 (MWG 1/10). Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1989, S.164, 329 und 335. 4 Vgl. dazu Grass (wie Anm.3), S . 2 6 4 - 3 0 4 und 3 8 1 - 4 0 2 , sowie Rohde, Erwin, Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen, 3. Aufl., Bd.2. - Tübingen und Leipzig: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1903, S.25f., Anm. 1.

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nommen, und nun rankt sich die ganze Deisidaimonie, 5 das Bedürfnis nach „apotropäischen" Handlungen (so die tanzenden xgcr/oi, Bocksmasken, im Dionysos-Zuge) 6 an diesen Thatbestand an und zeitigt die bekannten Consequenzen. 7 Sie selbst erwähnen ja diese Zauberkraft 5 des Rhythmus und den Übergang von Arbeitsgesängen in den Cult8 (ob nicht auch das einen ausgeprägten Rhythmus in sich tragende, ^sprachlich:! durchaus unerklärte, heute meist aus | : einer :| ekstatischen Interjektion hergeleitete Wort3 „öidiJQa(xßog"9 irgend einer konkreten „Ar-

a (ôi«d) 5 Die ôeiaiôainovia, die „Furcht vor den Göttern", bezeichnet im positiven Sinne die „Frömmigkeit", wird jedoch gewöhnlich pejorativ in der Bedeutung von „Aberglauben" gebraucht. 6 Als tgayoi, (was an sich „Ziegenböcke" bedeutet) werden in Bocksfell gekleidete Sänger genannt, „welche einmal die Totenklage über den in Bocksgestalt getöteten Gott [d.h. Dionysos] anstimmten"; so Martin P. Nilssons nicht unbestrittene Erklärung in seiner: Geschichte der griechischen Religion, Bd.1 : Die Religion Griechenlands bis auf die griechische Weltherrschaft (Handbuch der Altertumswissenschaft, Abt.5, Teil 2, Bd. 1), 3., durchges. u. erg. Aufl.-München: C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung 1967, S.572. Mit den „xpayoL" sind hier die Satyrn gemeint, die mit den Mänaden den Thiasos, das Gefolge des Dionysos, bilden. Satyrn bzw. Silene (deren Gleichsetzung ist - wie das meiste im Problemkreis der Entstehungsgeschichte der attischen Tragödie - umstritten) sind mit Bocks- und Pferdeattributen ausgestattete Fruchtbarkeitsdämonen. Vgl. dazu u. a. den Artikel: Tragoedia von Konrat Ziegler, in: Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Reihe 2, Bd. 6. - Stuttgart: J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung 1937, Sp. 1899-2075, insbesondere den Abschnitt über: xeayq)ôoi, xeoyoi, Satyrn und Silene, ebd., Sp. 1917-1928. - Die Verbindung derträgoi bzw. Satyrn mit apotropäischen Handlungen, d. h. Handlungen, die einen Abwehrzauber gegen feindselige Geister und Dämonen bewirken sollen (ànoTQÔnaiov bedeutet sowohl Unheil abwendend als auch das, wovon man sich abwendet, weil es abscheulich ist), ist insofern problematisch, als der Gebrauch von Masken und Tänzen im Dionysoskult eine eher mimetische Funktion hat, nämlich eine „Anverwandlung" an die Gottheit bzw. den Fruchtbarkeitsdämon bezweckt. Zur Kritik am inflatorischen Gebrauch des Terminus „apotropäisch" vgl. den Artikel: Abwehrzauber von Karl Beth, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Bd. 1. - Berlin und Leipzig : Walter de Gruyter 1927, Sp. 129-150; insbesondere Sp. 142. 7 Vermutlich bezieht sich hier Weber auf die Folgen der ekstatischen Kreistänze der Mänaden im Dionysoskult: nämlich sowohl Schmerzunempfindlichkeit als auch orgastisches Zerreißen und Verzehr lebendiger Tiere. Vgl. dazu die klassische Darstellung von Erwin Rohde (wie Anm.4), S.9f. 8 Bücher, Karl, Arbeit und Rhythmus (wie Anm.1), S.373-378. 9 Die Etymologie des Wortes „öifl-üeaußos" ist ungeklärt; vgl. dazu die Bemerkung von Pierre Chantraine in seinem: Dictionnaire étymologique de la langue grecque. Histoire des mots. A-K. - Paris: Editions Kiincksieck 1968, S.282: „Toutes les étymologies proposées restent en l'air." Doch dürfte das Wort vor- bzw. außergriechischen Ursprungs sein. Der Dithyrambus ist das Chorlied zu Ehren von Dionysos. Über die Art des frühen Dithyrambus

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beitsverrichtung" entstammt?), - aber ich möchte glauben, daß die Mitwirkung religiöser Motive bei der Entwicklung der „Dichtung" (insbesondere des Dramas, in allen Gebieten, wo es |:urwüchsig:| blühte), doch vielleicht wesentlich stärker einzuschätzen sein dürfte, als, dem Anschein nach, von Ihnen angenommen wird. Mir war für die attische Tragödie die Darstellung von |:A[lbrecht]:| Dieterich („Ursprung der Tragödie") 10 die glaubhafteste, glaubhafter als die Ansichten Wilamowitz' („Herakles", Einleitung). 11 - Die wichtige Feststellung vom Primat des organischen Rhythmus für alle diese Zweige menschlichen Lebens: Arbeit, Cult, Musik, Poesie bleibt davon ja aber ganz unberührt. 12 Diese Ihre Entdeckung wird sicher je länger je unbedingter

- früheste Erwähnung des Namens bekanntlich bei Archilochos - ist nichts bekannt, doch ist nicht auszuschließen, daß der ursprüngliche Refrain des Chores im Wechselgesang aus Interjektionen bestand. Vgl. dazu Crusius, Otto, Dithyrambos, in: Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Neue Bearbeitung, hg. von Georg Wissowa, Bd.5. - Stuttgart: J. B. Metzlersche Buchhandlung 1905, Sp. 1203-1230, insbesondere Sp. 1205 und 1207f., sowie Albin Leskys Vermutung, daß das dionysische Lied „einstmals vielleicht nur aus Kultrufen bestand", in: ders., Die tragische Dichtung der Hellenen, 3., völlig neubearb. u. erw. Aufl. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1972, S.25. 10 Gemeint ist: Dieterich, Albrecht, Die Entstehung der Tragödie, in: Archiv für Religionswissenschaft, Bd. 11, 1908, S. 163-196. Nach Dieterich könnten bei der Entstehung der attischen Tragödie bei Aischylos zwei Elemente eine konstitutive Rolle gespielt haben: einmal der Threnos, der Klagegesang auf Dionysos in dessen Funktion als Totengott, sowie bestimmte Teile des Mysterienkults der Demeter im benachbarten Eleusis. 11 Gemeint ist: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von, Einleitung in die griechische Tragödie. Unveränderter Abdruck aus der ersten Auflage von Euripides Herakles I Kapitel I - IV. - Berlin: Weidmannsche Buchhandlung 1907. Nach v. Wilamowitz liegen die Ursprünge der attischen Tragödie in Satyrtänzen bzw. Bockschören, die aus der dorischen Peloponnes eingeführt worden waren. Den nächsten Schritt vollzog dann Thespis, der dem Chor im Jahre 534 v. Chr. einen ersten Schauspieler beigab und damit eine Vereinigung dorischer und ionischer Poesie vollzog. Als eigentlicher Schöpfer der Tragödie fungiert Aischylos, indem er die Heldensage als die „summe der lebendigen geschichtlichen erinnerung des Volkes", ebd., S.96, zu deren dauerndem Gegenstand macht. Sie wird damit für Athen das, was für lonien das homerische Epos gewesen war. Als Fazit gibt v. Wilamowitz seine Definition der Tragödie: „eine attische tragödie ist ein in sich abgeschlossenes stück der heldensage, poetisch bearbeitet in erhabenem Stile für die darstellung durch einen attischen bürgerchor und zwei bis drei schauspieler, und bestimmt, als teil des öffentlichen gottesdienstes im heiligtume des Dionysos aufgeführt zu werden." Ebd., S. 107. 12 Länger andauernde, monotone, d.h. sich gleichmäßig fortsetzende Arbeitsverrichtungen haben nach Bücher die Tendenz, sich in einem bestimmten, quasi automatischen Takt zu vollziehen, nämlich in dem Rhythmus, der in den unwillkürlichen organischen Sequenzen, u.a. der Atmung und des Gehens, seine Wurzeln hat. Der „Arbeits-Rhythmus"

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allgemeine Anerkennung finden. - Die Neger-Lieder beim Tabakarbeiten habe ich in den Südstaaten leider nicht mehr selbst hören können: 1 3 der Tabak-Trust hat |:jetzt :| alle Fabriken gegen Jedermann geschlossen, man darf nicht mehr hinein. Jeder kann sich aber bei jeder andren Gelegenheit überzeugen, daß in den V[ereinigten] Staaten die Neger die einzigen Repräsentanten musikalischer Begabung sind, allenfalls machen ihnen jetzt deutsche Gesangvereine Concurrenz. Was die Einwirkung der Maschinen auf den Gesang anlangt, so ergeben die beantworteten Fragebogen von Levenstein (Sie haben ja von dieser Enquete auch gehört), 1 4 daß doch sehr vielfach zum Takt der mechanischen Webstühle gesungen wird, - obwohl dieser Gesang nicht einmal immer von dem Singenden selbst, geschweige von Andren, deutlich gehört wird. Aber das sind wohl Ausnahmen. Jedenfalls danke ich verbindlichst für Ihr schönes Geschenk! Es zeigt u . A . auch, wie Unrecht Sie haben, unter dem Druck der schweren seelischen Erlebnisse der letzten Zeit von Ihrem „Alter" zu sprechen!

erzeugt - je nach Art der Tätigkeit bzw. der benutzten Werkzeuge - einen „Ton-Rhythmus", der seinerseits „seine Bedeutung für die Intensität der Arbeit hat. Nicht nur daß er das Festhalten eines gleichen Zeitmaßes der Bewegung unterstützt; er übt auch zugleich durch das ihm innewohnende musikalische Element eine incitative Wirkung aus und unterstellt die Arbeit selbst der Kontrolle aller derjenigen, die ihren Schall vernehmen können." Bücher (wie Anm.1), S.25. Ist „eine rhythmenbildende Regulierung der Arbeit möglich", ebd., S.38, obgleich der „Ton-Rhythmus" fehlt, wird dieser oft künstlich durch entsprechende Arbeitsgänge hervorgerufen. Ebd., S . 3 8 - 5 6 . Die Bedeutung der rhythmisierenden Bewegung setzt sich in den Tanzgesängen fort, die ihrerseits für die Entstehung von Kultus und Poesie - so Bücher - konstitutiv sind. 13 Beispiele für afroamerikanische Lieder beschreibt Bücher in dem Abschnitt: „Arbeitsgesänge der Neger in den Vereinigten Staaten von Nordamerika." Ebd., S . 2 3 5 - 2 5 1 . 14 Die Ergebnisse der Enquete von Adolf Levenstein, auf die sich Weber vermutlich hier bezieht, sind von jenem erst vier Jahre später publiziert worden unter dem Titel: Die Arbeiterfrage. Mit besonderer Berücksichtigung der sozialpsychologischen Seite des modernen Großbetriebes und der psycho-physischen Einwirkungen auf die Arbeiter. München: Ernst Reinhardt 1912. Weber hat sich im Laufe des Jahres 1909 darum bemüht, Levenstein zu einer baldigen Veröffentlichung seiner Materialien unter Zuziehung bzw. unter Kontrolle von statistisch ausgebildeten Fachleuten zu bewegen, was dieser aber ablehnte. Ein Manuskript Levensteins über diese Enquete, das im AfSSp veröffentlicht werden sollte, wurde, nach einem Brief von Edgar Jaffe an Paul Siebeck vom 10. Aug. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr.265) zu urteilen, wegen dessen mangelnder Qualität bzw. fehlender Druckreife abgelehnt. Weber selbst hat eine Rezension von verschiedenen kleineren Schriften Levensteins, die bruchstückweise Dokumente aus jener Untersuchung präsentierten, dazu benutzt, sich zu der mangelhaften wissenschaftlichen Aufbereitung der Enquete-Materialien zu äußern. Die Rezension ist erschienen unter dem Titel: Zur Methodik sozialpsychologischer Enqueten und ihrer Bearbeitung, in: AfSSp, Bd.29, Heft 3, 1909, S . 9 4 9 - 9 5 8 (MWG 1/11).

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Gemessen an Dem, was Sie an Leistungen und Lebensjahren, aller menschlichen Voraussicht nach, vor sich liegen haben, sind Sie jung, ich darf mir, leider, nicht verhehlen: „jünger" als ich. - Ich hoffe Ihnen bald wieder über die Frage des „Handbuches" schreiben zu können. Ich beteilige mich an dieser Sache nur, wenn sie 5 verspricht etwas Ordentliches zu werden. An sich lägen mir eigne, lange zurückgestellte, Arbeiten weiß Gott näher! Mit der Bitte um eine Empfehlung an Ihr Frl. Nichte15 verbleibe ich Ihr aufrichtig ergebener 10 Max Weber

15 Gemeint ist Frieda Bücher, Nichte und zugleich Schwiegertochter von Karl Bücher.

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Robert Michels 9. Februar 1909; Heidelberg Abschrift; von der Hand Robert Michels' Privatbesitz Die unten abgedruckte Passage findet sich in einem Brief von Robert Michels an Gaetano Mosca vom 30. Mai 1921; darin wird ein uns ansonsten nicht überlieferter Brief Webers aus Heidelberg zitiert, der nach Michels' Angaben vom 9. Februar 1909 stammen soll. Der Auszug ist von Michels in italienischer Sprache wiedergegeben, der deutsche Originalbrief im Michels-Nachlaß nicht nachgewiesen. Der Hinweis auf die Briefstelle sowie eine deutsche Übersetzung finden sich in dem Aufsatz von Gottfried Eisermann, Über Mosca, Pareto und Max Weber, in: Standorte im Zeitstrom. Festschrift für Arnold Gehlen zum 70. Geburtstag am 29. Januar 1974. Hg. von Ernst Forsthoff und Reinhard Hörstel. - Frankfurt/M.: Athenäum 1974, S. 2 7 - 3 9 , ebd. S. 38.

H o letto gli Elementi di Scienza Politica del Mosca: 1 È un libro forte. Il Mosca ha capito dello Stato e l'anima e l'ingranaggio. Ha molto del Taine, ma mi sembra più equilibrato e direi meno partito preso. Se avesse studiato le condizioni politiche dell' America, la party machine, il 5 boss etc. egli avrebbe visto anche di più.

1 Mosca, Gaetano, Elementi di scienza politica. - Roma: Fratelli Bocca 1896.

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Edgar Jaffe [vor d e m 11. Februar 1 9 0 9 ] ; o. 0 . Brief; e i g e n h ä n d i g Privatbesitz Datum erschlossen aus Brief von Jaffe an Paul Siebeck vom 11. Februar 1909 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 265), in welchem jener auf den Protest von Weber zu sprechen kommt, seit Herbst letzten Jahres die Historische Zeitschrift nicht mehr als Austauschexemplar erhalten zu haben.

Lieber Jaffe, anbei die Arbeit des Hrn. Roth. 1 1) Stil[istisch]a müßte sie gründlich ev. bei der Correktur - auf Anglismen revidiert werden, - 2) Sachlich fehlen im letzten Teil (Mieths-Erhöhungen) die Verg/e/c/wziehungen u. Conclusionen, sind im Übrigen manche Sachen allzu breit behandelt u. 5 ist an mehreren Stellen (ich habe rothe Bleistift-Notizen gemacht) die Sache nicht anschaulich (erwünscht wäre: e[ine] kl[eine] Grundriß-

a Lochung. 1 Im folgenden äußert sich Weber zu der Abhandlung von Louis Roth über Wohnverhältnisse in New York, die aus einer Heidelberger Dissertation hervorgegangen war. Ihre Publikation entwickelte sich für Edgar Jaffe wegen ihrer mangelhaften Qualität in der Folgezeit zu einem veritablen „Problemfall": Jaffe hatte die Arbeit, die von Eberhard Gothein 1908 mit der Note „summa cum laude" begutachtet worden war, unbesehen auf dessen Anraten hin zur Veröffentlichung angenommen (so nach der Darstellung Jaffes in seinem Rechtfertigungsbrief an Paul Siebeck vom 28. Mai 1911, VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 305). Aufgrund seiner kontraktlichen Verpflichtung mußte Jaffe die Arbeit 1910 als Dissertationsdruckerscheinen lassen. Sie trug den Titel: Die Wohnungsfrage der minderbemittelten Klassen in New-York, und wurde bei Laupp in Tübingen veröffentlicht. Im Laufe des Jahres bewirkte ein Sinneswandel Jaffes bezüglich der Qualität der Roth'schen Arbeit den Entschluß, diese in überarbeiteter Form in den neugeschaffenen „Ergänzungsheften" des AfSSp erscheinen zu lassen. Neue Bedenken traten erst im folgenden Jahre auf, als es verschiedenen Bearbeitern, u.a. Weber, nicht gelang, den Text zu kürzen bzw. in eine adäquate Druckfassung zu bringen. Zu seinem vergeblichen Versuch vermerkt Weber in einem Brief an Jaffe, [vor dem 23. Febr. 1911] (MWG II/7) wie folgt: „Roth gegenüber versagt meine Kunst. Vergebens suche ich zu streichen. [...] Ich habe heut Vormittag vergebens daran gemurkst. Das Schlimmste ist, daß die Sache so alt u. sicher überholt ist. Ich weiß nicht recht: was machen? Für e[in] Ergänzungsheft ist es eigentlich entschieden zu schlechtund vor Allem zu alt. Aber Sie müssen handeln, wie es am besten geht." Obgleich Jaffe daraufhin noch einen Rückzieher bei Siebeck versucht hat, ist die Roth'sche Abhandlung letztlich doch - titelgleich wie 1910 - in: AfSSp, Ergänzungsheft IV. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1911, erschienen, allerdings mit der ausdrücklichen Auflage bzw. Bitte Jaffes an den Verlag, keine Rezensionsexemplare zu versenden.

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Zeichnung des ursprünglichen] Tenement-Typs, S.21)2 u.s.w. Ferner sind die vielen C/feerschriften Raumes halber wohl alle in die Linie des Absatzes zu setzen. - 3) die Arbeit ist sehr umfangreich im Verhältnis] zu D e m (an sich Schätzbaren), was sie bringt. Aber es ist schwer zu sagen, wo kürzen? Hat denn das Archiv Raum für so etwas? A n sich ist es, als eine der ersten zuverlässigen Informationen über N[ord-]Amerikanische Wohnverhältnisse, ja sehr zu begrüßen. Aber wenn das „Archiv" nun auch „Organ" der „Soziologischen] Gesellschaft" wird? Ich widersetze mich nicht der Aufnahme. A n Simmel habe ich mit der Anfrage geschrieben, ob und wie |:(auf welcher Basis): | sich formal ein festes Verhältnis herstellen ließe? 3 Calwer will sich die Sache noch überlegen .4 Endlich: wie steht es eigentlich mit den Austausch-Expl. Ich erhalte jetzt nichts mehr. Seit Herbst auch nicht die Historische] Zeitschrift,5 Ich sehe nicht ein, warum ich da hinter Sombart zurückstehe. Wie steht

2 Als „tenement houses" werden Gebäude bezeichnet, in denen drei und mehr Familien zur Miete wohnen; der ursprüngliche Typ in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war das „Einfamilien-per Stock-Haus". Die von Weber vorgeschlagene Grundrißzeichnung findet sich in der Druckfassung nicht. 3 Die Anfrage an Georg Simmel ist nicht nachgewiesen; dieser hat in einem undatierten Brief an Hermann B e c k - v o n diesem zitiert in seinem Rundschreiben an die Vorstandsmitglieder der DGS vom 15. Febr. 1909 (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.05) — die Anregung Webers, das AfSSp als publizistisches Organ der DGS zu bestimmen, rundweg abgelehnt: „Mit mindestens dem gleichen Recht könnte Herr Prof. Barth erwarten, daß seine Vierteljahrschrift für wissenschaftliche Philosophie und Soziologie, Karl Bücher oder Julius Wolf, die alle auch mit zu den Gründern gehören, daß ihre Zeitschriften gewählt werden. Keine dieser Zeitschriften kann den Anspruch erheben, im Sinne unseres Programms das geeigneteste Organ zu sein. Genau genommen kann es ein solches Organ überhaupt nicht geben, müssen wir vielmehr unser Augenmerk daraufhin richten, daß die bedeutendsten Fachzeitschriften der Nationalökonomie, Rechtswissenschaft usw. usw. auch soziologische Aufsätze auf ihrem Gebiete veröffentlichen. Von diesem Gesichtspunkt aus möchte ich vorschlagen, bei unserer ursprünglichen Absicht zu bleiben und unsere Mitteilungen immer gleichzeitig einer Anzahl von Fachzeitschriften zur Verfügung zu stellen." 4 Richard Calwer sollte im AfSSp die sozialpolitische Berichterstattung übernehmen; vgl. dazu Brief an Edgar Jaffe vom 30. Dez. [1908] (MWG II/5, S. 708). Tatsächlich hat dieser im Dezember 1909 einen solchen Bericht geliefert, der aber auf so große Bedenken Webers stieß, daß er nicht gedruckt wurde. Vgl. Brief an Edgar Jaffe vom 3. Dez. 1909, unten, S. 3 2 6 - 3 2 8 . 5 In seinem Brief vom 11. Febr. 1909 bat Jaffe Paul Siebeck (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 265), den Grund der Nichtlieferung festzustellen und die fehlenden Hefte zu reklamieren.

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es mit diesen Dingen. Ich möchte jedenfalls gern Klarheit haben, was u. an wen noch Zeitschriften gehen. 6 Das kann mir Niemand verargen. Collegialen Gruß Ihres M.W.

6 Auf diesen Protest hin bat Jaffé Paul Siebeck laut Brief vom 26. Mai 1909 (VA Mohr/ Siebeck, Tübingen, Nr. 265), Weber folgende Zeitschriften als Austauschexemplare zur Fortsetzung zuzuschicken: Political Science Quarterly, Quarterly Journal of Economics, Giornale degli Economisti, De Economist, Rivista internazionale sowie das Journal of Political Economy.

s

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Paul Siebeck 15. Februar 1 9 0 9 ; H e i d e l b e r g Karte; e i g e n h ä n d i g VA M o h r / S i e b e c k , Deponat B S B M ü n c h e n , A n a 4 4 6

Heidelberg 15/2 9 Sehr geehrter Herr D r Siebeck Ich bitte Sie Sich über mein gänzliches Schweigen nicht zu sehr zu erstaunen, da ich noch |:(von der Reise nach Leipzig her): | 1 mit Influen5 za bettlägerig bin. Baldigst hoffe ich sie hinter mir zu haben. Mit bester Empfehlung Ihr ergebenster Max Weber

1 Weber hatte am 25. Jan. 1909 in Leipzig Karl Bücher besucht und mit diesem längere Gespräche über die projektierte Neuausgabe des Schönbergschen Handbuchs der Politischen Ökonomie geführt; zum Datum vgl. Karte von Max Weber an Marianne Weber vom 27. Jan. 1909, oben, S.38.

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Edgar Jaffe [nach d e m 15. Februar 1 9 0 9 ] ; o. O. Brief; e i g e n h ä n d i g Privatbesitz Das Schreiben Webers befindet sich auf der Schlußseite eines an ihn gerichteten Briefes von Eugen Katz vom 15. Februar 1909. Der Anfang dieses Briefes fehlt. Aus den Schlußpassagen geht die Bereitschaft von Katz zu einer nicht näher spezifizierten Abhandlung für das AfSSp hervor. Gleichzeitig bittet er um Zusendung von Literatur über „.Innere Kolonisation', die Sie mir seinerzeit zugesagt haben".

Lieber Jaffe! Ich habe Katz vorläufig geschrieben, daß Raumfragen wohl entscheidend sein würden u. daß ich Ihnen die Sache zur Entscheidung zusende. 1 Er ist, glaube ich, recht geeignet für die Aufgabe. 2 Für die Berufs- u. Gewerbezählung hatte das Archiv ja früher Rauchberg - Prag. 3 Will s man ihn behalten, so bedeutet ja aber die Abspaltung der landwirtschaftlichen] Betriebsstatistik nichts Erhebliches für ihn. Denn diese interessiert ihn ja nur sekundär gegenüber den großen Verschiebungen. Ich möchte Sie bitten, doch dem Inhalts-Verzeichnis des Märzhefts die Bemerkung beizufügen, daß mein Aufsatz Raummangels halber erst 10 im folgenden Heft kommt. 4 Sonst wundern sich die Leute. Herzl. Gruß! M.W.

1 Briefe an Eugen Katz sind nicht nachgewiesen, ein Artikel von diesem ist nicht Im AfSSp erschienen. 2 Wie aus dem folgenden hervorgeht, sollte Katz Berichte zur landwirtschaftlichen Betriebsstatistik liefern. 3 Die einschlägigen Artikel von Heinrich Rauchberg, auf die hier Weber anspielt, waren in den Jahren 1899 bis 1901 erschienen: Die Berufs- und Gewerbezählung im Deutschen Reich vom 14. Juni 1895, In: Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik, Bd.14,1899, S. 2 2 7 - 3 0 9 , 6 0 3 - 6 5 7 , sowie ebd., Bd.15, 1900, S . 1 2 3 - 1 6 9 , 3 3 2 - 4 0 5 ; Die Landwirtschaft Im Deutschen Reich. Nach der landwirtschaftlichen Betriebszählung im Deutschen Reich vom 14. Juni 1895, ebd., Bd. 15, 1900, S. 5 5 4 - 5 9 7 ; Gewerbe und Handel im Deutschen Reich. Auf Grund der Gewerbezählung vom 14. Juni 1895, ebd., Bd. 16,1901, S. 1 4 2 - 2 0 3 , sowie: Entwicklungstendenzen der deutschen Volkswirtschaft. Auf Grund der Berufs- und Gewerbezählung im Deutschen Reich vom 14. Juni 1895, ebd., Bd. 16, 1901, S. 3 1 7 - 3 7 8 . 4 Das Inhaltsverzeichnis des AfSSp-Hefts Nr. 2 vom März 1909 vermerkt In einer Fußnote zu den voraussichtlich Im folgenden Heft erscheinenden Artikeln zu dem Aufsatz von Max Weber über Psychophyslk III: „Erscheint wegen Raummangel statt Im März- erst im Mai- Heft."

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Heinrich Herkner 17. Februar 1909; Heidelberg Brief; e i g e n h ä n d i g G S t A Berlin, R e p . 9 2 , Nl. Max W e b e r , Nr. 18, Bl. 2 - 3

Heidelberg 17/119 Sehr geehrter Herr College, vor ein paar 3 Tagen - ich lag mit Influenza zu B e t t - erzählte mir mein Bruder, Sie hätten ihm mitgeteilt, ich würde zu irgend einem „Vorsitz" 5 in der „Soziologischen] Gesellschaft" „voraussichtlich" viele oder die meisten Stimmen erhalten. Ich wußte nicht sicher, wovon die R e d e war, konnte auch nicht schreiben u. ersehe erst aus den Rundschreiben jetzt, daß wahrscheinlich an den Vorsitz des Ausschusses

gedacht war. 1 U n t e r

normalen Verhältnissen würde ich nun vielleicht eine - etwaige! - Wahl 10 dazu mit der ausdrücklichen

Motivierung angenommen haben, daß ich

so die notwendige Rücksichtslosigkeit der Situation erhalte, um b die Abschaffung

eben dieses A m t e s so schnell als statutenmäßig thunlich zu

betreiben. 2 Würde |:dann:| diese Abschaffung abgelehnt worden sein,

a O: par

b (für)

1 Weber bezieht sich auf die Rundschreiben vom 12. und 15. Febr. 1909 an die Ausschußmitglieder (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.17), in denen zu einer Neuwahl des Ausschußvorsitzenden aufgefordert wurde; die am 3. Jan. 1909 erfolgte Wahl von Kurt Breysig zum provisorischen Vorsitzenden war bei Ferdinand Tönnies auf formale Bedenken gestoßen, da der Ausschuß noch nicht konstituiert war bzw. die meisten Mitglieder nicht anwesend waren. Laut Protokoll der 1. Vorstandssitzung vom 30. Jan. 1909 (SHLB Kiel, ebd., Cb 54.61:1.2.10) wurde diesen Bedenken Tönnies' einstimmig stattgegeben und - wie Hermann Beck in seinem Rundschreiben vom 12. Febr. 1909 (ebd., Cb 54.61.1.1.17) mitteilt - beschlossen, „sämtliche Ausschußmitglieder zu einer gültigen Wahl eines Vorsitzenden durch schriftliche Abstimmung einzuladen." Bei der auf diese Art erfolgten Abstimmung entfielen, bei 3 Enthaltungen, 5 Stimmen auf Kurt Breysig, 1 auf Franz Oppenheimer sowie 7 auf Max Weber, der damit gewählt war. Trotz anderslautender Äußerungen In diesem und dem folgenden Brief an Herkner vom 24. Febr. 1909, unten, S. 67, hat Weber die Wahl angenommen. 2 Tatsächlich hat Weber nach seiner Wahl versucht, das nach seiner Ansicht überflüssige Amt des Ausschußvorsitzenden abzuschaffen. Im Sitzungsprotokoll von Vorstand und Ausschuß der DGS vom 7. März (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.2.10) heißt es: „Sodann spricht Herr Prof. Max Weber zunächst gegen die Institution des Ausschußvorsitzenden und stellt einen Antrag, der auf die Abschaffung dieses Amtes abzielt, In Aussicht." Vermutlich hat Weber den entsprechenden Antrag auf der 1. außerordentlichen Mitgliederversammlung der DGS In Leipzig am 14. Oktober 1909 eingebracht,

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so hätte ich das nutzlose, nur störende, dekorative Amt keinesfalls beibehalten, sondern niedergelegt. „Wozu erschuf ihn Gott in seinem Zorn?" - den Ausschußvorsitzenden nämlich, da die Gesellschaft doch Siec u. neben Ihnen Simmel, Vierkandt, Tönnies etc. hat? 3 Eine bloße Pfründe für eitle Leute wird man doch nicht schaffen wollen? In casu ist nun aber natürlich eine Annahme einer - eventuellen, mir dann doch sehr wenig wahrscheinlichen - Wahl schon dadurch ausgeschlossen, daß, so viel mir bekannt, ich den Anstoß zur Kassierung der Wahl von Breysig gegeben habe (dadurch, daß Simmel einen Privatbrief von mir |:in dem ich erklärte und motivierte, weshalb ich nicht Ausschußmitglied sein wollte (was doch auch unnötig ist, da ja mein Bruder Mitglied ist): | zum Anlaß einer Erörterung dieser Wahl gemacht hat) d . 4 Ich kann nun doch jetzt nicht in die lächerliche Lage kommen, wie Octavio Piccolomini „schmerzvoll gen Himmel zu blicken". 5 Jedenfalls also lehne ich eine etwaige Wahl schon jetzt ab. Ich hatte neulich, nach einem Gespräch mit Jaffe, Simmel gegenüber unsre Bereitwilligkeit (Sombarts Zustimmung vorausgesetzt, an den inzwischen geschrieben ist) 6 angedeutet, der Gesellschaft, wenn sie es für nützlich hält, das „Archiv" zur Verfügung zu stellen. U m des Himmels willen aber möchten wir nicht der Misdeutung verfallen: daß wir die Schöpfung einer neuene eigenen Zeitschrift der Gesellschaft dadurch

c 0 : zweifach unterstrichen,

d Klammer fehlt in O.

e 0 : zweifach unterstrichen.

wobei seinen Vorstellungen entsprochen wurde: d.h. Umwandlung des Amts des Ausschußvorsitzenden in dasjenige des „Rechners", dessen genau definierte Funktion analog zu der im Verein für Sozialpolitik - In der Rechnungskontrolle der DGS-Flnanzen bestand. Über die Leipziger Versammlung sind wir äußerst schlecht informiert, da weder Anträge noch Sitzungsprotokolle in den verbliebenen DGS-Materialien dokumentiert sind. 3 Heinrich Herkner, Georg Simmel, Alfred Vierkandt, Ferdinand Tönnies und Hermann Beck bildeten den Vorstand der DGS. 4 Ob Simmeis Mitteilungen über Max Webers Einstellung zu dieser Frage den Ausschlag gegeben haben, die Wahl von Breysig wieder zu annullieren, läßt sich aus den uns erhaltenen DGS-Unterlagen nicht belegen. Aus diesen geht vielmehr hervor, daß sie von Ferdinand Tönnies ausging, der formelle Gründe anführte; siehe dazu Anm. 1. 5 Weber zitiert hier die abschließende Regieanweisung des klassischen deutschen Theaters, in diesem Fall aus Friedrich Schillers Wallenstelns Tod, V, 12. 6 Vermutlich bezieht sich Weber auf den Brief von Edgar Jaffe an Sombart vom 15. Febr. 1909 (GStA Berlin, Rep.92, Nl. Werner Sombart, Nr. 17, Bl. 179); zum Inhalt siehe die folgende Anmerkung.

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hintertreiben wollten. 7 Die „Soziologische] Gesellschaft]" muß nach ihren Interessen entscheiden, ob sie, zeitweilig oder dauernd, irgend eine Verbindung mit dem „Archiv" eingehen will. Wenn ja, dann soll es unsrerseits nicht an gutem Willen fehlen. 5 Mit collegialem Gruß! Ihr Max Weber.

7 Genau dies war allerdings die erklärte Absicht, zwar nicht von Weber, so doch von Edgar Jaffe, die er in seinem In Anm. 6 erwähnten Brief an Sombart unverblümt zum Ausdruck bringt: „Um nun die Gründung einer weiteren Konkurrenz-Zeitschrift zu verhindern, sind Max Weber und ich auf den Gedanken gekommen, das Archiv zum offiziellen Organ der zu gründenden, resp. bereits gegründeten Gesellschaft machen zu lassen." Ähnlich hatte sich Jaffe schon in einem Brief an Paul Siebeck vom 26. Jan. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 265) geäußert: „ [...] ich denke mir nun, daß man auch auf die sehr überflüssige Idee der Gründung einer neuen deutschen soziologischen Zeitschrift verfallen wird. Ich werde aber sehen, soweit ich dies kann, dieses im Interesse der bestehenden Zeitschriften zu verhindern."

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Robert Michels 19. Februar [ 1 9 0 9 ] ; Heidelberg Brief; e i g e n h ä n d i g A F L E Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max W e b e r , Fasz. 62 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Dem Brief ist irrtümlich ein Umschlag mit einem Heidelberger Poststempel vom 17. August 1908 zugeordnet.

Heidelberg 19. 2. Lieber Freund, mit Ausnahme des einen mich sehr erfreuenden Umstandes, daß Ihnen die Italiener in ihrer seelischen Qualität im Allgemeinen und daß Ihnen Ihre Universitäts-Situation im Besondren behagt, klang Ihr letzter Brief recht wenig erfreulich. Ich möchte nur hoffen, daß diese Ära fast kontinuierlicher Erkrankungen nun endlich bei Eltern und Kindern ihren Abschluß gefunden hat und vor allen Dingen auch Ihre liebe Frau wieder ganz die alte ist, - denn wie sehr das ein Hauptpunkt ist, merke ich in der letzten Zeit, wo die große Nervenschwäche meiner Frau, die im Gefolge des letzten schweren Rückfalls meiner Krankheit vor 2 Jahren, der ihr alle Illusionen, ich würde wieder gesund (die ich nie hatte) zerstörte, sich doch sehr, - weit mehr als selbst die nächststehenden Dritten ahnen, - fühlbar macht. Da sie mich - das ist doch nun einmal ihr Schicksal - sicher für lange überleben wird müssen und ich gar nicht sehe, wie sie das können soll, ohne zu verkümmern, so denke ich z. Z. nicht gern an ihre Zukunft. Ich selbst tauge zu sehr viel weniger, als die paar 3 Arbeiten vermuthen lassen. Doch lassen wir das. Z. Z. war ich durch Influenza ans Bett gebunden, sonst hätte ich schon geschrieben, auch auf Ihre Sendungen schon geantwortet. Interessiert hat mich am meisten: die „Ethik" des Streiks.1 Aber freilich habe ich stark den Kopf geschüttelt. Es kann Ihnen doch unmöglich entgehen, daß ein recht erheblicher Teil aller Streiks (so der verlöre -

a O: par 1 Offenbar bezieht sich dies auf Ausführungen von Michels über die ethischen Grundsätze, die dem Streikverhalten einer Gruppe von Arbeitern zugrunde liegen. Doch lassen sich entsprechende Darlegungen in der veröffentlichten Fassung von Michels Artikeln nicht mehr nachweisen.

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ne Hamburger Hafenstreik) 2 nicht etwa nur die Gewerkschaften (das wäre Ihnen ja egal), sondern jedes Fortschreiten der Klassenbewegung um Jahre, ja Jahrzehnte zurückwerfen, genau entgegengesetzt wirken, als es demjenigen, der den Werth des Streiks an seiner Bedeutung für die Annäherung an die „Vergesellschaftung" oder an die Einigung des Proletariats als Klasse oder an was Sie wollen von (provisorischen) sozialistischen „Zielen" mißt, erwünscht sein muß. Es ist die bizarrste Behauptung, die man überhaupt aufstellen kann, angesichts dieser Erfahrungen zu sagen: jeder Streik wirkt in der vom Sozialismus postulierten Richtung, ergo ist jeder Streik „gerecht". Und überhaupt: diese Messung der „Ethik" am „Erfolge". Haben Sie Ihren Cohen 3 ganz vergessen? Das wenigstens konnte er Ihnen austreiben. Vollends dem Syndikalisten Michels! Der Syndikalist M[ichels] durfte (und mußte) vielleicht sagen: die Gesinnung, die ein Streik bethätigt, ist stets die „rechte" Gesinnung, | :sie ist: | die militaristische (klassen-militaristische) Gesinnung, sie ist patriotisch (klassen-patriotisch), - ergo u.s.w. Aber welche Schwäche, nach dem Erfolg zu schielen! Und dann die klaren Thatsachen zu vergewaltigen! Und nun, lieber Freund, auch das muß ich sagen: Ihre Antrittsrede 4 war als solche natürlich vollkommen all right, - aber als wissenschaftliche Abhandlung - sagen Sie selbst! - entschieden unter Ihrem Niveau, weil unscharf, verschiedene Probleme vermischend und keines ganz scharf stellend. Ich glaube nicht, daß ich das näher begründen muß. Ich fürchte, Sie müssen Sich in Ihrer jetzigen Lage durch sehr vieles SichAbnötigen von Produktionsleistungen (aus materiellen Gründen) geistig ermatten. Den Eindruck hat man (zuweilenl). Eine schwere Tragik wäre das, die ich als Freund in voller Tiefe ermesse, aber deren gefährliche Consequenzen ich ehrlicherweise, auch wo sie nur (wie vorerst) andeutungsweise auftreten, doch nicht verschweigen darf! Ist es für Sie 2 G e m e i n t ist der H a m b u r g e r Hafenarbeiterstreik v o m 21. N o v e m b e r 1 8 9 6 bis 6. Februar 1897, der trotz g r o ß e r S y m p a t h i e in der d e u t s c h e n Öffentlichkeit für die S a c h e d e r Arbeiterschaft an der Intransigenz der A r b e i t g e b e r scheiterte. 3 D . h . die n e u k a n t i a n i s c h e n Partien H e r m a n n C o h e n s , der in der N a c h f o l g e Kants eine strikt n o r m a t i v e Ethik lehrte. Dabei dürfte sich W e b e r a u f das W e r k H e r m a n n C o h e n s , Ethik d e s reinen Willens ( S y s t e m der Philosophie, Teil 2), 2., rev. Aufl. - Berlin: B r u n o Cassirer 1907, b e z i e h e n . W e b e r v e r m u t e t hier e i n e n Einfluß H e r m a n n C o h e n s auf Michels' geistige Entwicklung w ä h r e n d s e i n e s M a r b u r g e r Aufenthalts. 4 G e m e i n t ist Michels' Antrittsrede an der Universität v o n Turin; d i e s e ist e r s c h i e n e n unter d e m Titel: Der H o m o O e c o n o m i c u s und die Kooperation, in: A f S S p , B d . 2 9 , Heft 1, 1909, S. 5 0 - 8 3 .

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materiell ganz unmöglich, daß Sie Sich zu |:mehr:| wissenschaftlicher Ruhe verhelfen? Ideell - von Partei wegen - mußb es möglich sein. Denn keine Parteipflicht kann das Recht haben, Sie zu nötigen, sich - wie es sicher geschehen würde - durch zu rasches Produzieren |: allmälig: | selbst zu entwerthen und so alle Ihre Gegner triumphieren zu lassen! — Immer wieder ertappe 0 ich mich plötzlich in einer Art von Schulmeister-Pose Ihnen gegenüber! Ich lechze förmlich darnach, Ihnen einmal Gelegenheit zu geben, den Spieß umzukehren. Sehr begierig wäre ich, zu hören, um was für Bücher von Ihnen sich denn die Kämpfe mit den Verlegern gedreht haben? 5 Ich bin so absolut überzeugt, daß uns von Ihnen etwas Großes und Reifes kommen muß! Wenn Sie so allmälig anfingen, Gedanken und Material für eine „Culiurgeschichte der |: modernen :| proletarischen Bewegung" aufzuspeichern. Eine ungeheure Aufgabe, für die ich auf der weiten Welt nur Sie wüßte! Ob wir in diesem Frühjahr fortgehen, ist recht fraglich. Die Moneten wollen nicht - unser Vermögen liegt fest und das Jahr läßt sich „geschäftlich" mörderlich schlecht an. Ich müßte es schon gesundheitlich schlechterdings nicht aushalten, d.h. noch tiefer in meiner Arbeitsfähigkeit sinken, noch abhängiger von allerhand „Mitteln" werden, wenn wir uns entschließen sollten, auf Pump zu gehen und doch loszureisen. Die „schöne Lage" unsrer Wohnung, die mir während der 1—lVi kalten Monate gar nichts nutzt (an der aber meine Frau, u. für sich mit Recht, hängt), kostet eben maßloses Geld. Wann sind Sie - für alle Fälle - in Turin? Herzlichen Gruß Ihnen Beiden von meiner Frau und Ihrem Max Weber

b O: zweifach unterstrichen,

c fühle > ertappe

5 Um was für Auseinandersetzungen es sich gehandelt haben könnte, läßt sich aus den insbesondere im Nl. Michels liegenden Materialien nicht eruieren.

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Ferdinand Tönnies 19. Februar 1909; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich ohne Schlußformel, mit

handschriftlichen

Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep.92, Nl. Max Weber, Nr.30, B d . 7 , B l . 1 0 9 - 1 1 2

Heidelberg, den 19.2. 09. Lieber F. Tönnies! .. , a Nun Ihre Bedenken zu meinem Aufsatz (er ist ja natürlich populär und streift manche diffizilen Komplikationen des Problems nur) 1 aber 1.) auf die Gefahr, bei Ihnen in ein ganz schiefes Licht zu geraten: - nein, hochverehrter Freund, Sie können nicht „wissenschaftlich" nachweisen, daß die Monarchie - zu der ich als Politiker ähnlich stehe wie Sie „schädlich" sei. Sie können dies nicht einmal für die russischen, chinesischen, dschingiskhanischen Monarchien nachweisen. Denn stets beruht die Behauptung, daß etwas „schädlich" sei, auf einer Abwägung von Werten gegeneinander, daneben auf der Abwägung von Zweck und Mittel, Zweck und Nebenerfolg, und da ist ein wissenschaftlich erweisliches Resultat a priori unmöglich. 2.) Gewiß: auch ich bin (vielleicht sogar entschiedener als Sie, jedenfalls ebenso entschieden) der Ansicht, daß, wenn jemand für sein persönliches Handeln die Notwendigkeit der Orientierung an „Werten", Werturteilen oder wie Sie es nennen wollen, überhaupt anerkennt, wenn er darin nicht „unmusikalisch" ist, daß dann sich ihm zwingend alle Konsequenzen des Kant'schen Imperativs (einerlei in welcher mehr oder minder modernisierten Form - die Sache bleibt die alte!) andemonstrieren lassen. Dies dialektisch zu erweisen (beziehungsweise richtiger: sich damit als Problem auseinanderzusetzen) 15 , ist Sache der Ethik als

a Auslassungszeichen in Abschrift,

b Klammer fehlt in Abschrift.

1 Gemeint ist Webers Aufsatz: Die Lehrfreiheit der Universitäten, erschienen in: Hochschul-Nachrichten, Jg. 19, Nr. 4, Heft 220, Januar 1909, S. 8 9 - 9 1 (MWG 1/13), ein Aufsatz, der passagenweise Webers spätere Ausführungen über den „Sinn der .Wertfreiheit' der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften" in komprimierter Form vorwegnimmt. Eine erste, uns nicht überlieferte Fassung des Artikels war Ende 1908 in der „Liberalen Correspondenz" erschienen; vgl. dazu Webers Bemerkung in seinem Brief an Lujo Brentano vom 13. April 1909, unten, S.95f.

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Wissenschaft - einer ganz ebenso dialektisch, im Wege der „inneren" Kritik, der Bloßlegung dessen, was logisch in einer These beschlossen, „mitgesetzt" ist, verfahrenden Wissenschaft wie die Logik es ist. Aber das ergibt nie mehr (m.E.) als den Nachweis formaler Merkmale sittlicher Gesinnung. Niemals aber kann ein soziales, überpersönliches Struktursystem, welches es auch sei, als ethisch gesollt durch diese formale Gesinnungskritik erwiesen werden. Dazu gehören immer metaphysische Dogmatiken - gleichviel ob religiöse oder andere, pfäffische oder antipfäffische - und diese mag der Einzelne bejahen, niemals aber glauben, er dürfe sie als Wissenschaft ausgeben. Das Denken ist nicht an die Grenzen der Wissenschaft gebunden, - aber es soll sich nicht für Wissenschaft ausgeben, wo es nicht entweder 1.) Tatsachengliederung (einschließlich der Abstraktion und aller empirisch verifizierbaren Synthesen und Hypothesen) oder 2.) Begriffskritik ist. 3.) Es versteht sich ja doch von selbst, daß so weit Religionen empirische Tatsachen oder kausale Beeinflussung empirischer Tatsachen durch irgend etwas „Übernatürliches" behaupten - sie mit jeder wissenschaftlichen Wahrheit in Konflikt geraten müssen. Dagegen hat mich ein vor mehreren Jahren in Rom betriebenes Studium moderner katholischer Litteratur 2 belehrt, wie ganz und gar hoffnungslos es ist zu denken, irgendwelche Erkenntnisse irgend einer Wissenschaft seien für diese Kirche „unverdaulich". Mit der größten Leichtigkeit eignet sie sich den Entwicklungsgedanken an, zieht die größten Vorteile für sich aus ihm, - und es ist mit ehrlichen wissenschaftlichen Mitteln garnicht möglich sie daran zu hindern und das zu „widerlegen". Die ruhige, langsame Einwirkung der praktischen Konsequenzen unserer Naturund Geschichtsauffassung wird diese kirchlichen Mächte vielleicht allmählich verblassen lassen (wenn nur solche Tölpel wie Haeckel c nicht wieder alles verderben wollten), 3 aber keinerlei an „metaphysischem" c In Abschrift: Häckel 2 Vgl. dazu Weber, Marianne, Lebensbild 3 , S. 267 und 340. 3 Gemeint ist hier weniger der Naturforscher Ernst Haeckel im engeren Sinne, sondern der Weltanschauungspropagator: Dieser vertrat in seinem „Monismus" bzw. Naturalismus die Einheit von Kraft und Stoff, Geist und Materie und polemisierte von diesem Standpunkt gegen jedweden Dualismus, insbesondere gegen das Christentum. Besonders berühmt-berüchtigt wurde seine Charakterisierung des (christlichen) Gottes „als eines gasförmigen Wirbelthieres", so die Formulierung Haeckels in seinem Buch: Die Welträthsel. Gemeinverständliche Studien über Monistische Philosophie. - Bonn: Emil Strauß 1899, S.333.

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Naturalismus orientiertes Anti-Pfaffentum kann das leisten. Und - damit stelle ich Ihren Glauben an meine Unbefangenheit vielleicht auf eine noch härtere Probe und weiß nicht wie ich dabei bestehen werde - ich könnte ein solches metaphysisch-naturalistisch orientiertes Anti-Pfaffentum auch gar nicht mit subjektiver Ehrlichkeit mitmachen. Denn ich bin zwar religiös absolut „unmusikalisch" 4 und habe weder Bedürfnis noch Fähigkeit irgendwelche seelischen „Bauwerke" religiösen Charakters in mir zu errichten - das geht einfach nicht, resp. ich lehne es ab. Aber ich bin[,j nach genauer Prüfung, weder antireligiös noch irreligiös. Ich empfinde mich auch in dieser Hinsicht als einen Krüppel, als einen verstümmelten Menschen, dessen inneres Schicksal es ist, sich dies ehrlich eingestehen zu müssen, sich damit - um nicht in romantischen Schwindel zu verfallen - abzufinden, aber (darin finde ich einen Ausdruck in Frau Simmeis tiefem Buch sehr gut) auch nicht als einen Baumstumpf, der hie und da noch auszuschlagen vermag, mich als einen vollen Baum aufzuspielen. 5 Aus dieser Attitüde folgt viel: Ihnen muß zum Beispiel konsequenter Weise ein „liberaler" (katholischer oder protestantischer) Theologe als typischer Repräsentant einer Halbheit das Verhaßteste von allen sein - mir ist er, (je nachdem natürlich!) unter Umständen, mag ich ihn für inkonsequent, konfus u.s.w. halten,

4 Schon im Zeitalter der Romantik findet sich die Tendenz, Religion und Musik miteinander in Beziehung zu setzen, vgl. insbesondere Schleiermacher, Friedrich, Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern. Zum Hundertjahr-Gedächtnis ihres ersten Erscheinens in ihrer ursprünglichen Gestalt neu herausgegeben im Jahre 1899, in zweiter Auflage 1906 mit neuer Einleitung versehen von Rudolf Otto. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1906, S.85: „Wie oft habe ich die Musik meiner Religion angestimmt, um die Gegenwärtigen zu bewegen, von einzelnen leisen Tönen anhebend und mit jugendlichem Ungestüm sehnsuchtsvoll fortschreitend bis zur vollsten Harmonie der religiösen Gefühle: aber nichts regte sich und antwortete in ihnen!" 5 Weber bezieht sich hier auf eine Passage in dem unter dem Pseudonym Marie Luise Enckendorff erschienenen Buch von Gertrud Simmel: Vom Sein und vom Haben der Seele. Aus einem Tagebuch. - Leipzig: Duncker & Humblot 1906, S.4: „An dem Baum, welcher sich frei entfaltet aus dem Keim, der seine Form enthält, prägt diese sich aus. In dem, dessen Wachstum beengt ist, der alle Äste nach einer Seite schickt, weil er sich nicht ausbreiten kann In seiner Weise - den der Wind verbiegt, der Blitz verstümmelt, dem der Frost einen Zweig zerstört: in ihm drückt sich nicht die Form des Baumes allein aus, sondern noch ein anderes, das er nicht ist, das ihn negiert. Es ist immer noch ein Baum, an dem wir dies alles wahrnehmen, aber er ist minder Baum, er entspricht seiner eigenen Form und Art unvollkommener; er drückt nicht nur sich aus, er drückt Fremdes aus - und wenn das Fremde ihn überwältigt, so ist er nicht mehr. So ist unsere Seele wie ein Baum, der seinem Gesetz folgt - d.h. sich selbst ausdrückt - oder der sich nicht entfalten kann und verkümmert. Die Pflicht des Baumes ist seine Form."

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menschlich unendlich wertvoller und interessanter als der intellektuelle (im Grunde: billige) Pharisäismus des Naturalismus, der ja so unsäglich typisch ist und in dem (je nachdem natürlich!) weniger Leben ist als in jenem. Verzeihen Sie diese von Ihnen ja nur indirekt provozierten Bemerkungen, die nur für Sie sind, um Ihnen vielleicht manche künftig 5 denkbarer Weise mögliche Differenz zwischen uns verständlicher zu machen. Daß es solche Rindviecher in Kiel gibt, die Sie, weil Sie es so herrlich weit im Staatsdienst gebracht, höher achten 6 - das ist mir nicht erstaunlich: so was gibt es überall. Aber doch sicher nicht viele^] Und daß Sie diese Sache als „Abhängigkeit"! empfinden^] nimmt mich wun- 10 der! Jeder weiß doch, daß Sie Ihre Seele nicht verkaufen würden.

6 Tönnies war kurz zuvor - Ende Dezember 1908 - zum etatmäßigen Extraordinarius ernannt worden.

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Heinrich Herkner 24. Februar 1 9 0 9 ; Heidelberg Brief; e i g e n h ä n d i g G S t A Berlin, Rep. 92, Nl. Max W e b e r , Nr. 18, Bl. 4 - 5

Heidelberg 24/119 Sehr verehrter Herr College, ich war noch etwas stark mitgenommen von der Influenza, daher schicke ich erst heute die von Ihnen gewünschten Separatabzüge. 1 Wegen Raum- (und Zeit-)Mangels kommt die Fortsetzung erst im Maiheft. 2 Einige (sachlich nicht belangreiche) Irrtümer habe ich im Text verbessert (ich berichtige sie ebenfalls im Maiheft). Was nun Ihre freundlichen Bemerkungen bzgl. des Ausschusses der Soziologischen] Gesellschaft] anlangt, so nehme ich 1) als sicher an, daß man mich nicht wählt. 3 2) Fühlt der Vorstand das Bedürfnis, „beaufsichtigt" zu sein, so kann das doch allerdings nur durch einen Berliner (oder Vorortler) geschehen. Aber 3) worin soll er denn der Aufsicht, von der Sie schreiben, bedürfen? Formell hat ja der Ausschuß nur die Rechnung zu prüfen, das aber kann, wie beim V[erein] f[ür] S[ozial-] P[olitik], auch ein „Rechner". 4 - Ich hoffe ja bestimmt, zum 7. III. in Berlin 5 zu sein für einige Tage und sollte, wider mein Erwarten und Hoffen 3 , der Ausschuß auf die wunderliche Idee verfallen sein, grade mich zu wählen, dann kann ja die Sache nochmals besprochen werden. Inzwischen danke ich Ihnen vielmals für Ihre freundlichen Zeilen. Bezüglich der Erörterungen über das „Archiv" und die „Soziologische] Ges[ellschaft]" schrieb ich an Simmel, daß wir diese Sache als

a Verhoffen > Hoffen

1 Vermutlich handelt es sich um Separatabzüge des Ende Januar 1909 erschienenen Aufsatzes: Zur Psychophysik der industriellen Arbeit. I I , erschienen in: AfSSp, Bd. 28, Heft 1 , 1 9 0 9 , S. 2 1 9 - 2 7 7 (MWG 1/11). 2 Diese erschien unter d e m Titel: Zur Psychophysik der industriellen Arbeit. (Fortsetzung.) [III.], in: AfSSp, Bd.28, Heft 3, 1909, S. 7 1 9 - 7 6 1 (MWG 1/11). 3 Zur Wahl Webers zum Ausschußvorsitzenden der DGS vgl. Brief an Herkner v o m 17. Febr. 1909, oben, S. 57, Anm. 1. 4 Zur Ersetzung des Ausschußvorsitzenden durch einen „Rechner" vgl. Brief an Herkner vom 17. Febr. 1909, oben, S. 57, Anm. 2. 5 A m 7. März 1909 fand in Berlin die Eröffnungsversammlung der DGS statt.

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abgethan erachten.6 Es ist ganz richtig, daß, wenn da noch andre Zeitschriften-Herausgeber beteiligt sind,b - ein Gedanke, der uns nicht gekommen war und auch nicht gut kommen konnte - bei diesen Misvergnügen und der0 Eindruck, als wolle das „Archiv" dabei zu ihren Ungunsten Geschäfte machend, entstehen kann, vielleicht: muß. Ich hatte 5 übrigens meinerseits diese Beziehung (die in 1. Linie ja die Beschaffung von Raum für die Publikation von Verhandlungen u. dgl. der Gesellschaft bedeutet hätte) als vorübergehend angesehen, da ich ziemlich sicher annahm, die Gesellschaft werde in einiger Zeit sich ein eignes Organ schaffen. Ich möchte dies auch heute noch glauben und stehe 10 meinerseits trotz alles „Überflusses" an Zeitschriften nicht auf dem Standpunkt, daß eine neue Zeitschrift den alten schon bestehenden „Licht und Luft" nehmen werde. - Dies Alles nur zur Klarlegung des Standpunktes, von dem aus ich, gelegentlich einer anderweiten Correspondenz, Simmel gegenüber die jetzt erledigte Offerte machte. 15 Auf Wiedersehen - hoffentlich - und mit bester Empfehlung Ihr ergebenster Max Weber

b In O folgt: es

c 0:den

d O: zu machen

6 Der betreffende Brief an Georg Simmel Ist nicht nachgewiesen; zu Webers Angebot, das AfSSp der DGS als Publikationsorgan anzubieten, vgl. die Briefe an Jaffe [Anfang Febr.] sowie [vor dem 11. Febr. 1909], oben, S. 44f. und 53, Anm. 3.

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Ferdinand Tönnies 2. März 1909; H e i d e l b e r g Abschrift; maschinenschriftlich o h n e A n r e d e , mit handschriftlichen Korrekturen v o n Marianne W e b e r G S t A Berlin, R e p . 9 2 , NI. Max W e b e r , N r . 3 0 , B d . 7 , B l . 1 1 4 - 1 1 5

Heidelberg, den 2 a . 3.09.

. . . b Ja, der Homagial-Eid! 1 Und ich habe davon fünf geschworen: 1.) Kaiser Wilhelm I., 2.) Kaiser Friedrich III., 3.) Kaiser Wilhelm II., 4.) Großherzog Friedrich I., falsch - nach katholischem Formular (Ver5 sehen des Rektors);,] 5.) laut Protokoll, nachträglich evangelisch, aber nicht in der Realität: der jetzige Bischof von Rottenburg 2 hatte in Freiburg statt meiner versehentlich evangelisch geschworen! !3 Das muß ihm doch pro salute animae 25 Geißelhiebe mindestens gekostet haben! Daß Sie Ihre Kinder nicht taufen lassen finde ich sehr begreiflich - aber 10 nicht „richtig" von meinem Standpunkt aus, aber ich habe ohne Kinder freilich gut reden. Sie sagen: die Erziehung Ihres Sohnes solle aus ihm a In Abschrift: 3 > 2

b Auslassungszeichen in Abschrift.

1 Dieser etwas altertümliche Ausdruck, ursprünglich dem Lehnsrecht entstammend (homagium = Huldigung), bezieht sich hier eindeutig auf den zu leistenden Amtseid. Die Formel „Amts- und Huldigungseid" findet sich noch In Vereidigungsformularen der badischen Ministerien der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts. 2 Gemeint ist Paul Wilhelm v. Keppler, der, 1894 nach Freiburg auf den Lehrstuhl für Moral- und Pastoraltheologie berufen, 1898 zum Bischof von Rottenburg ernannt worden war. 3 Der genaue Verlauf des Vereidigungsvorgangs Ist nicht mehr zu rekonstruieren, da sich entsprechende Vereidigungsformulare, differenziert nach katholischer oder protestantischer Konfession für Beamte des badischen Staates, nicht nachweisen lassen. Im Gegenteil: Die durch Gesetz vom 7. Juni 1848 vorgeschriebene Formel fand laut Gesetzes- und Verordnungs-Blatt für das Großherzogthum Baden, Jg. 1890, Nr. IV, §14, S . 1 0 4 f „ auf die Beamten jedweder Religionszugehörigkeit gleiche Anwendung und differenzierte nur zwischen der Beeidigung von Einheimischen und Nlchtbadenern; vgl. dazu Insbesondre die noch vorliegenden Vereidigungsprotokolle In den Personalakten katholischer Theologieprofessoren aus jener Zeit Im UA Freiburg i. Br. Möglicherwelse hat Keppler Irrtümlich ein für Weber bestimmtes Exemplar des schriftlichen Amtseids unterzeichnet. Ein Indiz dafür findet sich in einem Schreiben des Akademischen Direktoriums an das badische Kultusministerium vom 30. Okt. 1894 (GLA Karlsruhe, 235/43005). Darin Ist in der Passage, in welcher dieses vom Verpflichtungsprotokoll Webers Mitteilung macht, der ursprünglich dort eingetragene Name „Keppler" gestrichen und durch den Namen „Weber" nachträglich ersetzt worden.

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etwas anderes, einen Menschen machen, dem der Untertaneneid und dergl. leichter falle als Ihnen. Ich kann Ihnen das wahrlich nicht verargen - aber die Gerechtigkeit gegen Sie nötigt doch dazu zu sagen: - ich kannte diese Schwierigkeit nicht - aber daß sie für Sie bestand 0 , bildet doch für diejenigen^] die Ihnen freundschaftlich zugetan sind, einen Punkt, den wir an Ihnen lieben. - Sie verwerfen alle Theologie als „Unsinn". Völlig einverstanden für alle Dogmatik oder Apologetik, die uns etwas glauben machen will, sei sie noch so „liberal". Aber ganz abgesehen von dem feinen menschlichen Reiz, den ehrlich Kämpfende und dabei noch so in sich widerspruchsvolle Naturen: katholische Modernisten wie liberale Protestanten (wenn sie wirklich im inneren Kampf mit sich liegen - die anderen sind gräßlich!) ausüben können - ich kenne viele solcher Menschen „mit ihrem Widerspruch" und innerem Reichtum - ganz abgesehen also davon, halte ich nach den Erfahrungen bei eigenen Bemühungen in die Psychologie religiöser Faktoren einzudringen, ebenso nach den Erfahrungen bei den lebhaften Debatten zwischen strikt irreligiösen Religionsgelehrten (Dieterich d hier war ein Prachtexemplar dieser Art) 4 und theologisch geschulten in unserem „Eranos" hier über Fragen der Religionsgeschichte und Religionsvergleichung, 5 es doch für sicher, daß die Mitarbeit der Theologen an zahlreichen Problemen der Kulturgeschichte durch keine noch so eingehende Kenntnis eines Outsiders ersetzbar ist, zumal sobald man an die Probleme der historischen Bedeutung der Mystik kommt. Da - nur da - ist allerdings meinem Eindruck nach, die, sei es auch später verloren gegangene, Fähigkeit diese psychischen Zustände zu erleben, nicht entbehrlich, um ihre Konsequenzen verstehen zu können. Ich mußte dies zugeben^] obwohl ich selbst religiös „unmusikalisch" 6 bin. Ihr Mißtrauen gegen die Unbefangenheit der Theologen hat seinen guten Grund aber leider treiben die anderen es oft nicht anders. Zum Beispiel war bei unserer historischen Diskussion Tröltsch stets unbefangener als Dieterich 8 . Genug. Ich danke Ihnen nochmals für Ihren inhaltreichen Brief. Freundschaftlichen Gruß! C In Abschrift: b e s t a n d e n

d In Abschrift: Dietrich

e In Abschrift: Dietrich.

4 Gemeint ist der 1908 verstorbene Religionswissenschaftler Albrecht Dieterich. 5 „Eranos" nannte sich ein Kreis Heidelberger Professoren, dem u.a. Max Weber, Ernst Troeltsch und Albrecht Dieterich angehörten, der bei seinen Treffen hauptsächlich über religionshistorische bzw. -soziologische Fragen diskutierte. 6 Vgl. dazu Brief an Tönnies vom 19. Febr. 1909, oben, S. 65, Anm. 4.

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Heinrich Herkner 11. März 1909; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g G S t A Berlin, Rep. 92, Nl. Max W e b e r , Nr. 18, Bl. 6

Hbg. 11/3 9. Sehr geehrter Herr College! An Herren Direktor D r Michelmann, Stuttgart, Unter-Türkheim, Daimler-Motoren-A.-G. habe ich heut geschrieben, 1 meine „Denkschrift" geschickt und meinen Bruder gebeten, den „Arbeitsplan"2 zu schicken, mit der Bitte, recht bald zu antworten. 3 Umgehende Antwort darf man ja nicht erwarten. Ich habe Herrn D r Schumann3 als ev. Bearbeiter genannt. Die paarb Herrn hier, die ich über die „Soziologische] Gesellschaft]" sprach, waren wütend über den Gedanken, daß man für Vorträge der

a O: Schuhmann

b O: par

1 Laut Mitteilung des Historischen Archivs der Daimler Benz AG an Manfred Schön vom 11. April 1988 sind dort keinerlei Briefe von Max Weber an Emil Michelmann nachgewiesen. Wie aus dem folgenden hervorgeht, hat sich Weber an Michelmann mit der Bitte gewandt, eine Untersuchung über „Auslese und Anpassung" der Arbeiterschaft in der Automobilindustrie, die von Fritz Schumann durchgeführt werden sollte, in den Daimlerwerken zu ermöglichen. Dieser Bitte hat Michelmann am 27. März 1909 entsprochen; vgl. Brief an Herkner vom 7. April 1909, unten, S. 90. Die Studie von Fritz Schumann ist erschienen unter dem Titel: 1. Die Arbeiter der Daimler-Motoren-Gesellschaft StuttgartUntertürkheim, in: Auslese und Anpassung der Arbeiterschaft in der Automobilindustrie und einer Wiener Maschinenfabrik. Mit Beiträgen von Dr. Fritz Schumann und Dr. Richard Sorer (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Bd. 135, Teil 1: Untersuchungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiter in den verschiedenen Zweigen der Großindustrie, Bd. 3, Teil 1). - Leipzig: Duncker & Humblot 1911. 2 Gemeint ist das Exposé von Weber: Erhebungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie. (Als Manuscript gedruckt). - Altenburg: Pierer'sche Hofbuchdruckerei 1908 (MWG 1/11). Der Wortlaut des von Alfred Weber verfaßten „Arbeitsplans" für die projektierte Enquete über „Auslese und Anpassung" findet sich in dem von Heinrich Herkner, Gustav Schmoller sowie Alfred Weber verfaßten Vorwort zu: Bernays, Marie, Auslese und Anpassung, S. VIII—XI. 3 Eine Antwort ist nicht überliefert.

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Berliner örtlichen Interessenten zahlen solle. 4 Im Herbst muß die Sache entschieden zum Klappen gebracht werden, ev. durch /Veugründung, wenn die Berliner u. Goldscheid nicht klein bei geben. Übrigens steht ja fest, daß der Vorstand, auch wenn eine „Ortsgruppe" besteht, das lh nicht verpflichtetc ist herzugeben, sondern nur bei geeigneter Person des 5 Vortragenden, u. auch dann nach ihrem Ermessen. 5 Im Herbst muß ferner ein Vorsitzender gewählt werden. Der Antrag Jastrow's6 wird damit begründet: Sie hätten abgelehnt, Vorsitzender zu sein. Ist das richtig? Oder Misverständnis? 7 Beste Empfehlung 10 Ihr ergebenster Max Weber

c 0 : zweifach unterstrichen.

4 Vermutlich bezieht sich das U n b e h a g e n auf den in Berlin auf der D G S - V e r s a m m l u n g v o m 7. März 1909 kontrovers diskutierten Verhandlungspunkt, einzig und allein in Berlin im nächsten S o m m e r (Propaganda-)Vorträge abzuhalten. Dabei hatte der Antrag von Rudolf Goldscheid Z u s t i m m u n g g e f u n d e n : „ D i e V e r s a m m l u n g beauftragt d e n Vorstand, die baldige G r ü n d u n g einer Ortsgruppe Berlin vorzubereiten, die die ersten drei oder vier Propagandavorträge für den k o m m e n d e n S o m m e r zu veranstalten hat." Sitzungsprotokoll v o m 7. März 1909 (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, C b 54.61:1.2.10). 5 Laut Sitzungsprotokoll v o m 7. März 1909 (wie A n m . 4) lautete der von der V e r s a m m l u n g a n g e n o m m e n e Antrag von Alfred Weber, auf den hier Weber anspielt: „Für Vorträge propagandistischer Art, die außerhalb des allgemeinen Soziologen-Tages veranstaltet w e r d e n , dürfen im ersten Geschäftsjahre nicht mehr als ein Drittel der Einnahmen der Gesellschaft in A n s p r u c h g e n o m m e n w e r d e n . " 6 Der Antrag von Ignaz Jastrow ist in den uns überlieferten DGS-Materialien nicht nachgewiesen. 7 Tatsächlich handelte es sich um ein Mißverständnis; vgl. dazu den f o l g e n d e n Brief an H e r k n e r v o m 16. März 1909, unten, S . 7 3 f .

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Heinrich Herkner 16. März 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep.92, Nl. Max Weber, Nr. 18, B I . 7 - 8

Heidelberg 16/3 9 Verehrtester Herr College! Besten D a n k für Ihren Brief. Sobald ich von Stuttgart Nachricht erhalte, gebe ich sie an Sie weiter. 1 5 D e r Sache mit der Vorsitzenden-Wahl muß ein Misverständnis zu Grunde liegen. 2 Gewiß, nach Lage der Dinge konnten Sie nicht anders handeln. A b e r Ihre Absichten sind misverstanden worden. Simmel versicherte mich auf das Bestimmteste auf dringendes Befragen, daß allerdings Ihre - wie sich jetzt herausstellt, nur aus einem ganz unge10 rechtfertigten^ Sichzurückstellen hinter A n d e r e n \:und der Ungewißheit der Situation :| entsprungene - Zurückhaltung durchweg so gedeutet worden sei, daß Sie Sich mit der Sache nicht allzutief einlassen und jedenfalls den Vorsitz nicht übernehmen wollten. Jastrow habe ich nicht gesprochen und weiß nicht, was er gewollt hat: 3 er macht zuweilen die

15

X)

D a ß so wenig berechenbare Leute wie Simmel oder Sombart qualifizierter seien, können Sie unmöglich aufrecht erhalten. Dann, weiß Gott, schon lieber Jastrow!! (geht natürlich auch nicht)

1 Gemeint ist die ausstehende Antwort von Emil Michelmann auf Webers Brief vom 11. März 1909; vgl. dazu Brief an Herkner vom 11. März 1909, oben, S. 71. Die Antwort Michelmanns vom 27. März 1909 wurde am 7. April 1909 an Herkner weitergeleitet; vgl. unten, S. 90. 2 Die folgenden Zeilen Webers geben Herkners Verstimmung darüber wieder, bei der Wahl zum Vorsitzenden nicht berücksichtigt worden zu sein; die entsprechende - informelle - Diskussion hat vermutlich in einer vorbereitenden Sitzung des DGS-Vorstandes und einiger anderer Ausschußmitglieder am 6. März 1909 in Berlin stattgefunden, scheint aber nur von geringer Bedeutung gewesen zu sein, da darüber am nächsten Tage nicht verhandelt wurde und die Besprechung demgemäß auch keinen Niederschlag im Protokoll gefunden hat. 3 Der im Brief an Herkner vom 11. März 1909, oben, S. 72, erwähnte Antrag von Ignaz Jastrow betr. die Wahl des Vorsitzenden ist in den uns überlieferten DGS-Beständen nicht nachgewiesen.

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irrationalsten Sachen 2 ' und ich halte es für durchaus unwahrscheinlich, daß ein persönlicher Verstoß 3 gegen Sie in seiner Absicht lag, so sehr ich verstehe, daß Sie die Sache, nach Lage der Dinge, so behandeln mußten, wie Sie thaten. Es ist jedenfalls unbedingt nötig, daß der Fehler repariert wird und daß, unter Beseitigung des „Ausschußvorsitzenden" (der durch einen „Rechner" zu ersetzen wäre, wie im V[erein] f[ür] S[ozial-]P[olitik]) ein Vorsitzender der Gesellschaft geschaffen wird, und daß Sie Sich dem Vorsitz nicht entziehen, - natürlich nur, nachdem Sie Sich, wie ich nicht zweifle, überzeugt haben werden, daß Ihre Annahme nicht zutraf. Daß gesagt worden ist, Sie sollten „nur Ihren Namen geben", b war ja weiß Gott keine sehr glückliche Wendung, und überdies Unsinn: im Gegenteil muß doch sehr stark auf Ihre Mitarbeit gerechnet werden, so bald Sie dazu in der Lage sind. Und schon bisher, bei unsren sachlichen Besprechungen, haben ja doch Sie das weitaus Meiste zu bieten gehabt. Daß wir Andren, speziell auch ich, mit so leeren Händen kamen, hatte nun allerdings nur rein konkrete Gründe (Influenza seit Anfang Februar bei mir), und muß anders werden 3 '. Ich wünsche sehr, sachlich mitzuarbeiten, - während ich nicht die mindeste Neigung und Eignung (das entscheidet) zum „Ausschußvorsitzenden" |:oder sonst etwas :| verspüre. Das müssen Berliner sein oder allenfalls Leipziger. Die Verwendung von Geldern der Gesellschaft für Berliner Vorträge stößt hier bei den Herren, die ich „keilte", auf unbedingten Widerspruch: es will Niemand auf dieser Basis mitthun. 4 Da andrerseits die Mitgliederversammlungen in Berlin unter Berliner Majoritäten stehen werden, muß man (wenn 2)

Grade jetzt habe ich wieder auf ganz andrem Gebiet einen seltsamen Fall, den ich auch sehr leicht „persönlich" (gegen mich) deuten könnte, - glaube dies aber nicht. 5 3) Ich hatte 0 überdies auch angenommen, man würde zunächst im Ausschuß - statt der Goldscheid-Diskussion - besprechen 0 , welche Gebiete überhaupt in Frage kommen sollten. Dann war ich bereit, mich hinter die Frage der Methodik zu setzen. a Alternative Lesung: V o r s t o ß

b (ist)

c (auch)

d 0 : besprechen würde

4 Vgl. dazu Brief an Herkner vom 11. März 1909, oben, S. 71 f. 5 Worauf sich Weber hier bezieht, ist nicht bekannt.

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man auch gut thut, vorerst davon zu schweigen!) mit der |:eventuellen:| Notwendigkeit einer Newgründung einer rein akademischen Gesellschaft rechnen. Wichtig wäre es wohl jedenfalls, wenn es Ihnen gelänge, auch Bücher auf den uns Allen gemeinsamen Standpunkt festzulegen. 5 Was eigentlich Beck mit dem Ingenieur-Verband wollte, ist mir nicht deutlich geworden. Ich werde ihn, da ich ihn ohnehin um Zusendung von Statuten und Prospekten bitten muß, einmal um genaue Auskunft bitten. 6 Ihre Bemerkung betr. D r Kollmann gebe ich an m[einen] Bruder 10 weiter. 7 Ich kenne Kfollmann] nicht. Die Aufsätze las ich s. Z . (habe sie aber leider, scheint es, nicht aufgehoben). Natürlich wäre eine Arbeit von ihm - vielleicht mehr generellen Charakters? - recht sehr zu wünschen. Für heute beste Empfehlung Ihres ergebensten Max Weber.

6 Offenbar handelt es sich dabei um eine eventuelle Teilnahme bzw. Mitarbeit des Vereins Deutscher Ingenieure in der DGS; vgl. dazu den folgenden Brief an Herkner vom 29. März 1909, unten, S.87. 7 Vermutlich beinhaltete die Herknersche Bemerkung eine mögliche Teilnahme von Paul Kollmann an der Enquete des Vereins für Sozialpolitik über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie; dafür spricht, daß Weber diese Bemerkung an seinen Bruder Alfred weiterleitete, der zu den Leitern des Projekts gehörte. Eine entsprechende Arbeit ist allerdings von Paul Kollmann nicht erschienen.

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Helene Weber 16. März 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 1 9 7 - 2 0 0

Heidelbg 16/3 9 Liebe Mutter, ich hatte eine schlechte Nacht, daher die Verzögerung. Ich meine: zureden zum Zusammenbleiben kann man als Draußenstehender nicht. Schon die pekuniären Verhältnisse bringen es ja mit sich, daß die Familie Jahn sicher eher zu stark als zu wenig darauf hin arbeiten wird, die Ehe, wenn es überhaupt geht, zusammenzuleimen. 1 Es geht doch aus Allem klar hervor, daß der Mann genau so ein Mensch ist wie Lili Hausrath's Mann, 2 der auch seine „Nerven" für seine Trunksucht u.s.w. verantwortlich macht: ein Schwächling ohne Verantwortlichkeitsgefühl. Aber gewiß: wenn sie an ihm festhalten will, nachdem volle Wahrheit geschaffen, - dann darf man m.E. auch nichts dagegen thun, darin scheinst Du mir recht zu haben. Aber Inger 3 hat gegen ihren Arzt |:als dessen Patientin: | den Anspruch auf absolute Klarheit 1 ' und muß3 sie sich m. E. beschaffen, mit allen Mitteln, auch um zu wissen, ob noch Gefahr bei Geschlechtsverkehr besteht u.s.w., aber nicht nur deshalb, sondern auch prinzipiell. Ich, wie gesagt, vermuthe '' über den Grund, ob Geschlechtskrankheit. Syphilis sein, könnte auch Gonorrhöe sein.

Es muß ja nicht grade

a O: zweifach unterstrichen.

1 Weber bezieht sich auf einen nicht nachgewiesenen Brief von Helene Weber, die von den Eheproblemen von Inger Barth, geb. Jahn, berichtet haben wird. Diese war seit dem 14. Dezember 1907 mit dem norwegischen Arzt Petter Christian Barth verheiratet (laut schriftlicher Auskunft des Stadtarchivs Trondheim). Sie war die jüngere Schwester von Valborg Weber, geb. Jahn, und hatte sich von 1905 bis 1907 längere Zeit in Berlin aufgehalten, u.a. auch als Gast von Helene Weber, der sie nahegekommen war. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Helene Weber vom 5. Nov. 1907 (MWGII/5, S. 420). 2 Gemeint ist Fritz Hermann. Vgl. Brief an Helene Weber vom 10. Sept. 1907 (MWG II/5, S. 392). 3 Vgl.Anm.1.

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ja, sie wird schließlich ihrer Familie wegen, b damit diese sie materiell versorgt weiß, doch, wenn es irgend zu machen ist, bei ihm bleiben, und wer soll sie schließlich schelten, 0 wenn sie es thut? Muthiger wäre ja wohl, sie thäte es nicht. Aber ich kenne auch das |:norwegische :| Ehescheidungsrecht nicht, weiß gar nicht, ob sie rechtlich von ihm (außer bei Ehebruch) los kann. Das Alles können eben nur Jahns4 wissen. Und deshalb meine ich, Du solltest ihr vor Allem zeigen, daß, wie sie sich auch entscheidet, sie Deine Liebe und Sympathie behält, und ihr nur ins Gewissen reden, daß sie sich Wahrheit schafft, was auch dabei herauskommen möge. Ob Du Clara u. Lili etwas sagen solltest? Ich meine fast, jedenfalls wenn möglich erst, nachdem ev. die Sache negativ, d. h. durch Trennung der Ehe, geendet hätte. (Dann würde ich an Deiner Stelle es auch Alfred sagen.) Bleibt die Ehe zusammen, dann ist es doch vielleicht richtiger, wenn möglichst wenig Menschen davon wissen, |:da ja Inger auch die Nachricht nur für Dich bestimmt hat.:| Aber schließlich: wenn Cl[ara] und L[ili] etwas merken, |:fragen: | und Verdacht schöpfen, \:dann: \ ist es doch auch besser, es ihnen offen zu sagen. Bisher ist das ja wohl nicht der Fallj,] und dann braucht man sie ja in diese Sache nicht hineinzuziehen. - Was die Frage Valborg's5 nach dem Arbeitsschutz der Arbeiterinnen 6 anlangt, so ist in Deutschland kein Mensch von gesundem Verstan-

b (um)

c (??)

4 Gemeint sind die Eltern Kristian Fredrik und Elisabeth Jahn. 5 Valborg Weber, geb. Jahn, Frau von Max Webers jüngerem Bruder Arthur, hatte, als sie 1903 in die Familie heiratete, immer wieder Interesse an der Frauenbewegung gezeigt, ohne sich ernsthaft im Sinne Marianne Webers zu engagieren. Marianne Weber bemerkte schon 1906, anläßlich eines Besuches von Valborg Weber in Heidelberg, einen Widerspruch zwischen einem Interesse und der Suche nach Arbeit und der Fähigkeit oder dem Willen, sich zu engagieren, z. B. in einer Rechtsschutzstelle oder in einer Frauengruppe. 6 Als wichtigste Bestimmungen der Arbeiterinnenschutzgesetzgebung, die die Reichstagskommission für die große Gewerbeordnungs-Novelle im Oktober 1908 beraten und beschlossen hatte, galten im Deutschen Reich: I . V e r b o t der Nachtarbeit; 2. Maximalarbeitszeit von 11 Stunden pro Tag bei 1 Stunde Mittagspause; 3. Verbot der Beschäftigung in Fabrikationszweigen, die mit besonderen Gefahren für die Gesundheit und Sittlichkeit verbunden waren; 4. Verbot der Arbeit „ u n t e r l ä g e " ; 5. Verbot der Wöchnerinnenarbeit 4 Wochen nach der Geburt. Vgl. dazu Herkner, Heinrich, Die Arbeiterfrage, 5. erw. und umgearb. Aufl. - Berlin: Guttentag 1908, S. 2 8 0 - 2 8 9 , sowie den Artikel Arbeiterschutzgesetzgebung, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 3., gänzlich umgearb. Aufl., Bd. 1. - Jena: Gustav Fischer 1909, S. 591 - 7 8 3 . Die Berner internationale Konvention von 1906 hatte Maßnahmen zum Schutz von Arbeiterinnen empfohlen.

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de, sei er nun Mann oder Frau, Mann der Wissenschaft oder Praktiker, der den Widerstand einiger englischer, französischer und norwegischer Frauen gegen Sortcferschutzbestimmungen zu Gunsten der Frau7 nicht einfach kindisch fände. Aus diesen Kinderschuhen sind wir | :in Deutschland:! längst heraus, und Gott sei Dank die Gesetzgebung der großen Industriestaaten (England voran) auch. Am entschiedensten hat sich aus rein doktrinären Gründen: weil sich die Männer = Parlamente nicht anmaßend dürften, über die Fraueninteressen zu entscheiden, das Frauenblatt „La Fronde'"'8 (Mad[ame] Severine) 9 gesträubt. Überall ist natürlich diese gänzlich lebensfremde Opposition einiger® Frauen ein großes gaudium für die Fabrikbesitzer, die davon profitieren. Über die Notwendigkeit des | besonderen:| Arbeiterinnenschutzes findet man das beste bei 1) Zadek, im Jahrgang 19Ol der Sozialistischen Monatshefte, S. 163 u.f., ferner' 2) das Referat von Professor D r Erismann 9 , Berichte des Internationalen Congresses für Arbeiterschutz in Zürich 1897, S. 90 und 3) S. 284 und f. von H. Herkner's „Arbeiterfrage", 5. Auflage. 10 Nur die letztere besitze ich, kann sie aber nicht d Wortmitte unsichere Lesung,

e der > einiger

f (bei)

g O: Ehrismann

7 Um die Jahrhundertwende zeigte sich der Widerstand gegen die Sonderschutzbestimmungen zugunsten der Frau auf den internationalen Frauenkongressen in Paris im Juni und September 1900. Es wurde befürchtet, „daß die Sonderschutzvorschriften für Frauen ihre Konkurrenzfähigkeit gegenüber den männlichen Kollegen beeinträchtigen könnten" (Vgl. Pappritz, Anna, Die Geschichte der Frauenbewegung in Frankreich, in: Handbuch der Frauenbewegung, hg. von Helene Lange und Gertrud Bäumer, I.Teil: Die Geschichte der Frauenbewegung in den Kulturländern. - Berlin: Moeser 1901, S. 361 - 3 9 8 ; besonders S. 386 und S. 396). In England erhob sich der Widerstand gegen die Sonderschutzbestimmungen der Arbeiterinnen auf den Generalversammlungen des Verbandes der Women's Liberal Federation, einem Zusammenschluß von Arbeiterinnen, der stark von der liberalen Partei beeinflußt war, 1893 und 1899. Dort wurde völlig gleicher Schutz von Männern und Frauen unter Ablehnung jedes besonderen Arbeiterinnenschutzes gefordert. Vgl. Braun, Lily, Die Frauenfrage. - Leipzig: Hirzel 1901, S. 4 6 3 - 4 8 2 , besonders S. 466 ff. 8 „La Fronde" war eine 1897 von Marguerite Durand gegründete Tageszeitung, die 1905 in „l'Action" überging. Marguerite Durand gehörte dem radikalen Flügel der französischen Frauenbewegung an. Bei der Zeitung waren ausschließlich Frauen beschäftigt. Die Zeitung kämpfte u.a. gegen das Nachtarbeitsverbot der Frauen. Um die Setzerinnen auch nachts arbeiten lassen zu können, umging man die Bestimmung und schuf eine selbständige Produktivgenossenschaft. (Vgl. Herkner, wie Anm. 6, S. 284.) 9 Madame Severine, eigentlich Caroline Remy, galt als glühende Pazifistin, Sozialistin und „vielleicht als letzte Romantikerin des sozialen Kampfes". (Wendel, Hermann, Französische Menschen. - Berlin: Rowohlt 1932, S. 87.) Sie war an verschiedenen Zeitungen tätig, u.a. beim „Cri du Peuple", „La Fronde", aber auch im „Figaro". 10 Herkner, wie Anm. 6.

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entbehren. (Übrigens hat Valborg noch immer von Marianne einen Band des [„¡Handbuches der Frauenbewegung". 11 Kann sie diesen wohl jetzt entbehren?). Auf der Rückfahrt 12 habe ich mit Alfred noch viel u. eingehend gesprochen im Anschluß an die Erörterung über Hoeniger's h13 u.s.w. und über geschlechtliche Reinheit u. dgl. überhaupt. Es zeigt sich immer, daß er, wenn man in Ruhe die Dinge durchspricht, im Urteil ganz ebenso steht wie wir. Auch er würde verantwortungslose freie geschlechtliche Beziehungen als Schuld empfinden, auch er beurteile Coquetterie etc. ganz ebenso' wie wir etc. etc. Nur: „man dürfe doch nicht Anderen die eigenen, in der eignen „Natur" begründeten Stellungnahmen aufzwingen, wenn sie nun einmal eine andre „Natur" hätten." Das Inconséquente dieser Ansicht giebt er halb und halb zu, aber erklärt, daß er so werthvolle Menschen gefunden habe, die darin anders dächten und handelten, daß er sich nicht entschließen könne, sie zu „verurteilen". Ich fand, daß er sehr viel leichter sich selbst findet, wenn man sich nicht über diese Inconsequenzen - die ja Folge seines Lebensschicksals sind - erregt. Er sprach auch eingehend davon, weshalb er sich für die kleine Östreicherin 14 interessiert habe, und zu Marianne gewinnt er - wie sich dieser Tage zeigte - ganz das alte Vertrauensverhältnis wieder. 15 An Dir seik ihm nur, sagte er Marianne, so betrüblich, daß Du so ganz in Deinen sozialen Interessen aufgingest, so wenig zum Lesen kämst u. dgl., was h O: Höniger's

i (als)

k ist > sei

11 Handbuch der Frauenbewegung, hg. von Helene Lange und Gertrud Bäumer, 5 B d e . Berlin: Moeser 1901 - 1 9 0 5 . Es gibt keinen Hinweis darauf, welchen Band Valborg Weber von Marianne Weber geliehen hatte. 12 Vermutlich handelt es sich um eine gemeinsame Rückfahrt von Berlin nach Heidelberg nach der am 7. März 1909 erfolgten Sitzung des vorläufigen Vorstandes der D G S in Berlin. 13 Der Sachverhalt konnte nicht geklärt werden. 14 Gemeint ist Frl. Dr. Brünauer, die Alfred Weber kürzlich kennengelernt hatte, wie Marianne Weber am 12. Januar 1909 an Helene Weber schrieb. Bestand Max WeberSchäfer, Deponat B S B München, Ana 446. 15 Nachdem Marianne Weber im Brief an Helene Weber vom 12. Jan. 1909, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat B S B München, Ana 446, ihr Bedauern ausgedrückt hatte, daß sie Alfred Weber so wenig sähen, obwohl sie sich viel mit ihm beschäftigten, ist es ihr offenbar gelungen, während der Abwesenheit von Max Weber Ende Januar 1909 mit Alfred Weber wieder engeren Kontakt zu knüpfen, wie aus ihrem Brief an Helene Weber vom 22. Febr. 1909 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat B S B München, Ana 446) hervorgeht.

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ihm Bedürfnis sei. - Ich bin sicher, das alte offene Verhältnis auch zu Dir stellt sich, auch äußerlich, ganz von selbst wieder ein. Er meint offenbar nur, er dürfe Dir |:mit:| seinen Dir so fern liegenden „ästhetischen" Bedürfnissen nicht kommen, da Du sie ganz ablehnen würdest, aus starrem „Pflichtbegriff", der davon nichts wissen wolle. Von seinen s „naturwissenschaftlichen" Begründungen ist er selbst schon sehr viel weiter wieder abgekommen, als er selbst bemerkt. Nun für heute leb wohl, herzlichst Dein Max 10 Schöne Grüße an Lili und Mommsens. Ob wohl L[ili] noch etwas mehr aus sich herausgekommen ist? All so etwas geht ja langsam! Ich schreibe bald noch (oder Marianne), um Dir Vorschläge wegen Deines Hierseins zu machen. Marianne - noch recht müde - grüßt herzlich. Es ist bei ihr, 15 wie sie jetzt ganz bestimmt versichert, nur Nervenabspannung, wie sie sie früher auch öfter hatte.

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Heinrich Herkner 25. März 1 9 0 9 ; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich S H L B Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 5 4 . 6 1 : 1 . 1 . 6 0 Bezug: ein gemeinsames Schreiben von Rudolf und Alexis V.Engelhardt an den Ausschuß der DGS vom 19. März 1909 (Abschrift masch.; SHLB Kiel, ebd., Cb 54.61:1.1.23), in welchem diese gegen das Verhalten von Weber und Werner Sombart auf der Eröffnungsversammlung der DGS protestierten: „In der Sitzung des Ausschusses am 7. März 1909 hielt der Vorsitzende des Ausschusses [d.h. Weber] es für passend und angebracht, unsere Anwesenheit als eine ihn unangenehm berührende Tatsache zu bezeichnen, - obwohl kurz zuvor an uns die Einladung ergangen war der Ausschußsitzung beizuwohnen. In derselben Sitzung äußerte ein Mitglied des Ausschusses [d. h. Werner Sombart] in unserer Anwesenheit, - es käme nicht auf die Mitglieder der Gesellschaft, sondern höchstens auf deren Geld an, am besten wäre es, wenn die ganze Gesellschaft nur aus dreißig Professoren bestehen w ü r d e . - W i r geben hiermit unserem Befremden über jene oben gekennzeichnete Äußerung des Vorsitzenden energisch Ausdruck. Ganz besonders aber sprechen wir unser hohes Erstaunen darüber aus, daß die erwähnte Auffassung eines Ausschußmitgliedes über den Wert und die Aufgaben der Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Soziologie seitens des gesamten Ausschusses ohne jeden Widerspruch aufgenommen wurde." Die Geschäftskorrespondenz der DGS - soweit vorhanden - liegt uns größtenteils nur in Abschrift vor. In diesen Abschriften befinden sich teils gesperrt geschriebene, teils unterstrichene Hervorhebungen: Diese werden im folgenden alle durch Kursive wiedergegeben. Die Abschriften der Korrespondenz Webers mit Hermann Beck enthalten meistens in der Grußzeile den maschinenschriftlichen Zusatz „(Beck)", sowie die Gesamtkorrespondenz in der Unterschriftszeile den Zusatz „gez." Auf die Wiedergabe bzw. Annotation dieser Zusätze wird verzichtet.

Heidelberg, den 25/3/09. Sehr geehrter Herr College, Mit nicht geringem Erstaunen erhalte ich in Abschrift, die mit dem Namen R[udolf] Engelhardt und Aflexis] v. Engelhardt unterzeichnete Eingabe. Ich stelle zunächst, ganz in Übereinstimmung mit dem, was Sie selbst aus der Erinnerung in Ihrem Begleitschreiben sagen, aber ausführlicher^] den Hergang fest, dessen ich mich, da ich 1. auf Anregung aus der Mitte des Ausschusses hin und 2. nach sehr genauer Überlegung meine Bemerkung machte, sehr genau in allem Einzelnen entsinne, (die Schlußbemerkung notierte ich mir überdies) und durch Zeugnis der mir Nächstsitzenden erforderlichenfalls erweisen kann: ich bemerkte (nach vorheriger Verständigung des Herrn Prof. Tönnies) zur Geschäftsordnung: „es sei in wissenschaftlichen Gesellschaften im allgemeinen nicht üblich, daß Ausschüsse, welche die geschäftlichen Angelegenheiten

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erledigen, öffentlich, d. h. unter Assistenz von Nicht-Mitgliedern tagen. Bei Geld- und Personenfragen könne dies zu Unzuträglichkeiten führen" (Zum Commentar: jeder in solchen Angelegenheiten Versierte weiß z.B., daß kein Verleger mit uns abschließen wird - auch kein Autor - , wenn die betreffenden Angelegenheiten vor einem zu vertraulicher Behandlung nicht verpflichteten und nicht verpflichtbaren Publikum erörtert werden sollen3). „Heute," - fügte ich wörtlich hinzu, - „tagen wir hier ja nur in Gegenwart eines kleinen und erlesenen Kreises von Gästen. Daß dies immer so sein wird, dafür kann uns niemand bürgen," deshalb wolle ich nur das eine feststellen (ebenfalls wörtlich) „daß die heutige, den Umständen nach ganz selbstverständliche Einladung, die Herr Prof. Tönnies hat ergehen lassen, nicht als ein Präcedenzfall für die Zukunft gelten darf, als welchen es zweifellos auch Sie'"' (zu Prof. Tönnies) [„¡nicht haben ansehen wollen^"', (was Herr Prof. Tfönnies] sofort bestätigte).b Davon[,j daß mich die Anwesenheit irgend jemandes, wer es auch sei, „unangenehm berührte", habe ich weder dem Wortlaut noch dem Sinne nach irgend etwas angedeutet, auch wäre gegen eine solche - taktlose! Äußerung sofort Einspruch - vor allem von Herrn Prof. Tönnies erhoben worden. Da die Herren sich nicht einmal an mich persönlich (oder als derzeitigen Vorsitzenden des Ausschusses), sondern an den „Vorstand" gewendet haben, so kann ich nicht anders, als eine solche durch Entstellung dessen, was ich gesagt habe, mir Dritten gegenüber untergeschobene Taktlosigkeit als aus der Luft gegriffen entsprechend zurückzuweisen, mit dem Anheimstellen an die Herren, künftig in ihren Behauptungen vorsichtiger zu sein. (Auch die Wiedergabe der Sombartschen Äußerung - mit der ich mich sachlich nicht identifiziere - ist inkorrekt) Ihnen brauche ich kaum zu sagen, daß ich gegen die breiteste Öffentlichkeit der Ausschußsitzungen, wenn sie beschlossen wird, nichts habe, - die Folge wird sein, daß die eigentliche Geschäftserledigung aus den angegebenen Gründen noch mehr in kleinere Gremien: Vorstand, Unterausschüsse, fallen wird.

a In Abschrift: soll b In Abschrift folgt: (Randbemerkung: Alles Unterstrichene wörtlich nach Notizen für das Protokoll.)

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Ich bitte um vollinhaltliche Mitteilung dieses Briefes an die Herren Engelhardt.1 Hochachtungsvoll! Max Weber.

1 Vgl. d a z u die Editorische V o r b e m e r k u n g z u m S c h r e i b e n an H e r m a n n B e c k v o m 9. Mai 1909, unten, S. 118.

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Friedrich Naumann 28. März 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig BA Potsdam, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 106, Bl. 2 - 3

Heidelberg 28. III. 9. Lieber Freund, ich hätte Ihnen längst schreiben sollen und wollen. Aber eine zweimalige Hetzreise in wissenschaftlichen] Angelegenheiten (1 Mal war ich auch 2 Tage in Berlin, aber ohne daß es Sinn gehabt hätte, auch nur den Versuch zu machen, mit Ihnen Verbindung zu finden), dann Influenza und dann eine Zwangsarbeit, die fertig sein mußte,1 nahmen mich ganz hin. Frühjahrs geht es mir überdies fast stets schlecht. - Vor Allem hätte es mich gedrängt, zu Ihnen von Ihrer großen Sorge zu sprechen, die Ihnen das Herz zusammengeschnürt haben muß, - hoffentlich ist das nun wirklich ganz und gar erledigt, ich erfuhr noch nicht, seit wann Ihre l[iebe] Frau wieder bei Ihnen ist und wie es ihr 3 und | :der: | Tochter jetzt geht. 2 Früher schrieb uns meine Mutter regelmäßig davon und wir haben Ihre schweren Zeiten in herzlicher Anteilnahme mit durchlebt. Nun Ihr Wunsch! Sollte nicht Katz3 für eine populäre Sache dieser Art geeigneter sein u. zwar weit geeigneter als ich? 4 Ich würde eben jetzt doch sehr gern auf nahe an der Gegenwart Liegendes zu sprechen kommen. Entweder: „die Erbschaft Bismarcks" oder die Agrarpolitik (u. was daran hängt) der Conservativen: also „nationale Politik und a Mutter > Ihr > ihr

1 Gemeint ist die Fertigstellung des Manuskripts: Zur Psychophysik der industriellen Arbeit. (Fortsetzung.) [III.], erschienen in: AfSSp, Bd. 28, Heft 3,1909, S. 7 1 9 - 7 6 1 (MWG 1/11).

2 Naumanns Ehefrau Magdalene sowie die Tochter Elisabeth waren nacheinander an Typhus erkrankt; vgl. dazu Brief von Naumann an Wilhelm Ohr vom 2. Febr. 1909 (BA Potsdam, Nl. Wilhelm Ohr, Nr. 3, Bl. 118): „Frau u. Tochter lagen u. liegen mit Typhus im Krankenhaus, aber es geht jetzt bei beiden aufwärts." 3 Gemeint ist Eugen Katz. 4 Möglicherweise betraf Naumanns Anfrage eine eventuelle Beteiligung Webers an den Ausbildungskursen des Nationalvereins für das liberale Deutschland, die vom 14. bis 21. April in Frankfurt a. M. stattfanden. Nach einer Mitteilung in: Die Hilfe, Jg. 15, Nr. 12 vom 21. März 1909, S. 178, umfaßte der Arbeitsplan „im wesentlichen Sozialpolitik, Verfassungswesen und politische Geschichte".

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conservative |:Land-:|Politik", mit historischen Äüc&blicken. Das Schlimme ist: ich könnte nicht absolut garantieren, daß ich nicht in den nächsten Wochen stark collabiere, und mein Bruder geht jetzt | :(in 2—3 Tagen):| (und muß gesundheitlich gehen) nach dem Süden. Wäre dies Bedenken nicht, d. h. müßte ich nicht es für sehr möglich halten, daß ich, im Augenblick mich mit ziemlich kräftigen und fast Nacht für Nacht genommenen Schlafmitteln aufrecht erhaltend, auch fort muß um wieder schlafen und arbeiten zu lernen, so sagte ich sofort „ja", das versteht sich. Wenn es möglich ist, daß ich in acht Tagen Ihnen endgültig Bescheid gebe, so kann ich mich vielleicht beteiligen; heute müßte ich nach Lage der Dinge „nein" sagen. Aber ich werde in den nächsten 8 Tagen versuchen, ob b mein ziemlich malträtiertes Gehirn die Kraft hat, einige Gedanken zu fassen. Wenn ja, dann herzlich gern. 5 Zur Zeit tauge ich nur zur „Schuster"-Arbeit an |:arbeits-:|psychophysischen Rechnungen u. dgl. 6 Noch Eins: glauben Sie, daß die Rechnungen aus der Zeit der „Zeit" (Tages-Zeitung)7 noch da sind? Daß man daraus ev. feststellen könnte, wie groß der Fehlbetrag an Capital war, der das Eingehen erzwang? 8 im Interesse einer großen Arbeit, die ich über „Zeitungswesen" anregen helfen möchte (Soziologische] Gesellschaft) und wo natürlich von den materiellen Bedingungen auszugehen wäre. Für heute herzlichste Grüße, - ich kann leider noch nichts Bestimmtes zusagen, so gern ich möchte. Ihr wie immer ergebener Max Weber

b

(ich)

5 Zu Webers Ablehnung vgl. den folgenden Brief an Naumann [um den 4. April 1909], unten, S. 89. 6 D. h. Webers Arbeiten zu seiner Artikelserie: Zur Psychophysik der industriellen Arbeit. 7 Gemeint ist die Tageszeitung Die Zeit. Organ für nationalen Sozialismus auf christlicher Grundlage, die von 1896 bis 1897 erschienen war. Eine Zeitschrift gleichen Namens mit dem Untertitel: nationalsoziale Wochenschrift existierte von 1 9 0 1 - 1 9 0 3 . 8 Dazu bemerkt Weber in seiner: Disposition für die Bearbeitung einer soziologischen Untersuchung des Zeitungswesens (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.2.08; MWG 1/13), daß „die Bücher der ,Naumann'schen Tageszeitung - .Zeit' - nach Erkundigung so schlecht geführt worden" seien, daß deren Benutzung für die geplante Zeitungsenquete von keinem Nutzen sein könne.

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Heinrich Herkner 29. März 1909; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g G S t A Berlin, R e p . 9 2 , Nl. Max W e b e r , Nr. 18, Bl. 9—10

Heidelberg 29. III. 9 Verehrtester Herr College, ich möchte meinen beiden letzten Briefen nur - um nicht mißverstanden zu werden - die Bemerkung nachschicken, daß, wenn ich schrieb, daß ich „zwar mitarbeiten, aber nicht gern 3 Vorsitz u. dgl. führen möchte", 1 ich Sie bitte, darin nicht etwa jene „Vornehmthuerei" zu suchen, die Sie, sei es mit Recht oder Unrecht, bei Simmel als Motiv seines ostensiblen „Zurücktretens" vermuthen. Hier wie bei dem Comittee für die Enquete des V[ereins] f[ür] Soz[ial-]Pol[itik]2 ist der Wunsch, solchen Gremien möglichst nicht anzugehören, bei mir lediglich durch die Erfahrungen mit meiner unsicheren Gesundheit bedingt: ich kann 2 oder 3 Tage vorher nie garantieren, daß ich zur Stelle sein, daß ich Briefe pünktlich erledigen |:können:| werde u.s.w. und habe darunter |:in früheren Fällen:| gelegentlich subjektiv erheblich gelitten, ebenso wie „die Sache". Dies, wie gesagt, nur zur Verhütung von Mißdeutungen. Ich habe Beck heut um Zusendung von Statuten u. einiger Mitgliederlisten behufs Werbung u. Gründung von Ortsgruppen gebeten 3 u. dabei gefragt: wie er denn zu dem m.E. verderblichen Beschluß über die Subventionierung der Ortsgruppe Berlin stehe. 4 So lange er so unentbehrlich ist, muß man ja den Connex mit ihm auch formell pflegen, scheint mir. Darf ich Sie Ihrerseits mit einer Frage, die meiner Vergeßlichkeit entspringt, bemühen? Ich erinnere mich, daß davon die Rede war, daß a (mit) 1 Von diesen beiden Briefen ist anscheinend nur der vom 16. März 1909, oben, S. 7 3 - 7 5 , erhalten. 2 Trotz großem Engagements und bedeutender Vorarbeiten für die Enquete über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie hatte sich Weber geweigert, dem die Arbeiten koordinierenden und leitenden Komitee beizutreten. 3 Das Schreiben findet sich nicht in den noch vorhandenen DGS-Materialien. 4 Vgl. dazu Brief an Herkner vom 11. März 1909, oben, S. 71 f.

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mein Bruder auf dem Soziologen-Tag über „Darwinismus u. Soziologie" sprechen sollte. 5 Aber wir haben l)noch von andren Vorträgen und Persönlichkeiten gesprochen, - 2) außer dem Thema: „Zeitungswesen" 6 noch 2 andere Themata für die wissenschaftlichen Arbeiten erörtert.7 Ich muß gerade die Notizen über diese Unterhaltung verloren haben, und bei mir heißt es: quod non in actis, non in mundo, 8 - ich bin vergeßlich wie ein Greis. Würden Sie meinem Gedächtnis wohl nachhelfen? Ich weiß nicht mehr, ob wir: „Vereinswesen", oder: „Geselligkeit", oder b „Weltanschauung und wirtschaftliche] Gemeinschaften", oder „Reiseverkehr" oder „Parteiwesen" schließlich als vornehmlich in Betracht zu ziehen verabredet hatten und wüßte es gern. Ich habe übrigens Beck, nebenbei, auch gefragt, was denn der V e r ein] deutscher Ingenieure nach seiner Ansicht wünsche und |:ev.:| in Aussicht stellen könne? 9 Es könnte ja doch etwas Verständiges sein, oder halten Sie das für ausgeschlossen? Mit collegialem Gruß der Ihrige Max Weber Den Herrn in München kenne ich nicht.10 M.E. müßte man Gottl, b („Weltverk)

5 Der Vortrag Alfred Webers ist nicht zustande gekommen; stattdessen hat Alfred Ploetz über das Thema „Die Begriffe Rasse und Gesellschaft und einige damit zusammenhängende Probleme" referiert. Vgl. dazu Brief an Hermann Beck vom 8. März 1910, unten, S. 422. 6 Gemeint ist das von Weber vorgeschlagene Projekt über eine „Soziologie des Zeitungswesens" ; vgl. dazu Brief an Friedrich Naumann vom Vortage, oben, S. 85. 7 Vermutlich bezieht sich Weber hier und Im folgenden auf interne Gespräche während der DGS-Versammlung vom 7. März 1909 in Berlin, die aber nicht dokumentiert sind. 8 Die Entstehungszelt dieser Sentenz Ist unbekannt. Das Nachschlagewerk: Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter. Zusammengestellt, übersetzt und erläutert von Detlef Liebs, 3., Überarb. Aufl. - München: C. H. Beck 1983, S. 179, vermerkt darüber nur: „Ausdruck des Schrlftllchkeitsgrundsatzes im Verfahrensrecht." 9 Das Schreiben an Hermann Beck Ist nicht nachgewiesen. 10 Gemeint Ist das Angebot von Friedrich Freiherr Stromer von Reichenbach in einem Schreiben vom 20. März 1909 an den Vorstand der DGS (Abschrift masch.; SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.59), eine Ortsgruppe In München zu gründen. Das Angebot v. Stromer-Reichenbachs Ist laut Rundschrelben von Hermann Beck vom 3. April 1909 (SHLB Kiel, ebd., Cb 54.61:1.1.05) abschlägig beschieden worden: „Die Erkundigungen des Herrn Prof. Herkner haben gelehrt, daß wir guttun, uns Herrn v. St. gegenüber Reserve aufzuerlegen. Im übrigen wird sich Herr Prof. Max Weber mit einigen unserer Münchener Mitglieder wegen der Gründung der Ortsgruppe München In Verbindung setzen."

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Sinzheimer, Bonn und (als Ehrenphilister) v.Mayr heranholen, u. diesen die Gründung überlassen, nicht Unbekannten^] Aber ich habe nun zunächst unterlassen zu schreiben.

4. April

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Friedrich Naumann [um d e n 4. April 1 9 0 9 ] ; o. O. Brief; e i g e n h ä n d i g BA Potsdam, Nl. Friedrich N a u m a n n , Nr. 106, Bl. 10 Das Datum ist erschlossen aus der Bemerkung Webers in seinem vorherigen Brief an Naumann vom 28. März 1909, oben, S. 85, daß er sich zu dessen Anfrage wegen eines eventuellen Vortrages „in acht Tagen" definitiv äußern werde.

Lieber Freund, mit mir ist wieder nichts, ich werde doch nach dem Süden müssen, nachdem ich mich mit allen denkbaren Beruhigungsmitteln strapaziert habe. Der Schädel thut nichts u. ich muß mich ihm fügen. Aber vielleicht 5 könnte ich nach der Rückkehr (Mai) anfangen, eine klfeine] Broschüre zu schreiben, die für Wahl- u. Agitationszwecke geeignet wäre. 1 Herzl. Grüße! Max Weber

1 Die von Weber in Aussicht gestellte Broschüre ist nicht erschienen.

7. April

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1909

Heinrich Herkner 7. April 1 9 0 9 ; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g G S t A Berlin, Rep. 92, Nl. Max W e b e r , Nr. 18, Bl. 11 Das Schreiben Max Webers befindet sich auf dem 2. bzw. letzten Blatt eines an ihn gerichteten Briefes von Emil Michelmann vom 27. März 1909.

Heidelberg 7/4 09 Sehr verehrter College, ich schicke hier nur, für alle Fälle, die Adressen der Herren, an die sich Herr D r Schumann 3 , falls er sich entschließen sollte, zu wenden hätte. 1 Sollte e r - w a s ich eigentlich bedauern würde - definitiv absagen, so wäre ich für Benachrichtigung davon dankbar. 2 Ich sprach mit Simmel, der hier durchkam und korrespondierte mit Beck in Sachen der Soziologischen] Gesellschaft]. 3 Es scheint doch möglich, daß man die Sache noch in Ordnung bringt, und dannb wäre das ja doch einer Neugründung entschieden vorzuziehen. Auf die Bedenken, die ich Beck gegenüber geltend machte, hat dieser im Ganzen so geantwortet, daß die Möglichkeit eines gemeinsamen Arbeitens nicht ausgeschlossen scheint. Er wird ja in der Berliner „Ortsgruppe" sicher eine Rolle spielen, schon weil er das „Bureau" hat, und versprach, Alles zu thun, um „vereidigte" Vortragsredner und öffentliches „Diskutieren" Unberufener auszuschließen. Gegen seine Vorliebe für „Propagandaversammlungen" habe ich nochmals brieflich Alles geltend gemacht, was dagegen zu sagen ist. 4 Ich würde 0 die Finanzierung in 1. Linie so besorgen, daß nach genauer Feststellung von einem Thema und Arbeits-

a O: Schuhmann

b O: zweifach unterstrichen,

c (finan)

1 Weber hatte in dem Brief Michelmanns dessen Namen sowie den Namen des Baurats Nallinger durch Unterstreichung, die Straßenangabe der Helmatadresse Michelmanns in Cannstatt: „Könlgstr. 27" durch zweifache Unterstreichung hervorgehoben. 2 Fritz Schumann hat die projektierte Arbeit übernommen und durchgeführt; vgl. dazu Brief an Herkner vom 11. März 1909, oben, S. 71, Anm. 1. 3 Die entsprechenden Briefe sind nicht nachgewiesen. 4 Die Vorbehalte Webers in diesem und anderen Briefen gelten Immer wieder dem auf der DGS-Versammlung vom 7. März 1909 gebilligten Antrag von Rudolf Goldscheid, eine Ortsgruppe In Berlin zu gründen und für das laufende Jahr drei bis vier dort zu haltende „Propagandavorträge" festzuschreiben.

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plan man diesen zur Subskription per Rundschreiben | :oder persönlich: | an geeignete interessierte und potente Leute schickt. Für |:das Thema:| „Presse" z.B. oder ähnliche Themata bekämen wir auf diese Art ganz zweifellos Geld in genügendem Maße. Ich habe ihm auch geschrieben, daß der wissenschaftliche Charakter, d.h. der Ausschluß aller u. jeder Propaganda für „ethische", politische u.s.w. Zwecke conditio sine qua non sei, - das meinten Sie doch offenbar mit Ihrer Bemerkung über die Festlegung methodischer Prinzipien (oder noch mehr?) und daß ein entsprechender Statuten-Ergänzungs-Antrag von mir gestellt werden wird. 5 - Im Übrigen muß die nächsted Mitgliederversammlung einen Vorsitzenden wählen (das habe ich ihm meinerseits noch nicht geschrieben). 6 Ich bin dafür, jetzt bald noch einige Gelehrte zu cooptieren, werde Ihnen Vorschläge machen, und dann die nächste Ausschußsitzung nach Frankfurt a. M. zu berufen, damit auch die Nicht-Berliner und -Leipziger kommen können und wir dem Goldscheid'schen Krempel den Hals umdrehen können. Die Ortsgruppen mögen je 10% der Beiträge für sich behalten, der Rest muß in die Gesellschaftskasse. Haben wir nur erst die Leute für den Soziologentag fest, dann ist mir nicht mehr bange. Entsprechen diese Meinungen nicht auch Ihren Ansichten? Mit den besten Grüßen Ihr Max Weber

d (Gen)

5 Vermutlich hat Weber diesen Antrag auf der 1. außerordentlichen Mitgliederversammlung der DGS am 14. Oktober 1909 in Leipzig eingebracht. Das Einladungsschreiben des DGS-Vorstandes vom 8. Sept. 1909 (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.2.11) vermerkt jedenfalls als Tagesordnungspunkt 2: „Antrag des Herrn Prof. Max Weber betr. Statutenänderung." Webers Forderungen haben im 1910 endgültig festgestellten Statut der DGS ihren Niederschlag gefunden. Im Teil A. Allgemeine Bestimmungen. § 1, heißt es ausdrücklich: „Sie [d.h. die DGS] gibt allen wissenschaftlichen Richtungen und Methoden der Soziologie gleichmäßig Raum und lehnt die Vertretung irgendwelcher praktischen (ethischen, religiösen, politischen, ästhetischen usw.) Ziele ab." Hier zitiert nach: Verhandlungen, S. V. 6 Zu Vorsitzenden der DGS wurden am 14. Oktober 1909 in Leipzig Georg Simmel, Werner Sombart und Ferdinand Tönnies gewählt. Heinrich Herkner war inzwischen aus dem Vorstand ausgeschieden.

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Heinrich Herkner 11. April 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 18, Bl. 13

Heidelberg 11/IV 9 Verehrtester Herr College! Nur weil Sie Ihre sehr starke Arbeitsanspannung1 nachdrücklich betonen, schicke ich beifolgendes Blatt, auf dem ich absolut provisorisch einige „Fragen" und Personen notiert hatte, die m. E. bei der Erhebung: 5 „Presse" in Betracht kommen. 2 Hoffentlich beteiligt sich Bücher an der Leitung, hoffentlich auch Jastrow (wenn Sie ihn „verdauen" können). Auf die „Soziologische] Gesellschaft" komme ich erst nach meiner Rückkehr (8. Mai) zurück. 3 Ich bin leider so fertig, daß ich, um mich von den Schlafmitteln etc. zu entwöhnen, unbedingt fort muß. 10 Mit bestem Gruß Ihr ergebenster Max Weber

1 Herkner war mit der Fertigstellung diverser Artikel für die dritte Auflage des Handwörterbuchs der Staatswissenschaften beschäftigt; vgl. dazu den Brief an Herkner vom 8. Mai 1909, unten, S. 113, Anm. 1. 2 Diese erste provisorische Skizze Webers zur Soziologie des Pressewesens ist nicht nachgewiesen. Weber hat im Laufe des April vermutlich auf dieser Grundlage einen ersten Entwurf erstellt, der am 13. Mai von Hermann Beck per Rundschreiben an alle Vorstandsmitglieder (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.05) versandt wurde: „Den Weber'schen Entwurf einer Disposition für die Bearbeitung einer Soziologie der Presse habe ich abschreiben und von Herrn Prof. Weber wieder korrigieren lassen. Die korrigierte Abschrift liegt hier bei. Ich fasse den Entwurf so auf, daß sich Interessenten noch ergänzend oder kritisch dazu äußern können." Ein Exemplar dieses Entwurfs unter dem Titel: Disposition Kr die Bearbeitung einer soziologischen Untersuchung des Zeitungswesens. (Entwurf von Professor Max Weber, Heidelberg.), findet sich in: SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.2.08 (MWG 1/13). 3 Vgl. Brief an Herkner vom 8. Mai 1909, unten, S. 113-117.

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Lujo Brentano 13. April 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig BA Koblenz, Nl. Lujo Brentano, Nr. 67, Bl. 86, 85

Heidelberg 13. IV.09. Hochverehrter Herr Geheimrath! Ich habe Ihnen zunächst noch für die liebenswürdige Übersendung Ihrer neusten Akademieschrift zu danken. 1 Wollte ich innerhalb eines Briefes den Versuch machen, auseinanderzusetzen, wie sehr mir einerseits die feinen Gedanken (namentlich über die „geistigen" Bedürfnisse) Anregung gegeben haben und wo andrerseits m. E. die Schranken der Bedeutung dieser Ausführungen für naft'ona/ökonomische3 Erörterungen zu liegen scheinen, so würde das eine unendlich lange Erörterung geben, die ich lieber für ein andres Mal verspare. 2 Mir läge so sehr daran, Sie davon zu überzeugen, daß das „Fechner'sche Gesetz" nicht die Rolle spielt (für unsl), die Sie geneigt waren ihm zuzusprechen, 3 daß ich schon sehr glücklich bin, daß Sie wenigstens dies m.E. höchst fragwürdige Lehrstück der Psychologie nicht in den Vordergrund schoben. Ich möchte einmal eine Gelegenheit ergreifen, über die Rolle, welche die „Psychologie" überhaupt für unsre Disziplin spielen kann, etwas zu sagen, daß ich mir alle Worte bis dahin spare. 4 Jedenfalls aber herzlichen Dank für Ihre b werthvolle Sendung! - ich habe nichts Gleichwertiges dagegen a O: nationalokmsche

b O: Ihre,

1 Brentano, Lujo, Versuch einer Theorie der Bedürfnisse (Sitzungsberichte der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-philologische und historische Klasse, Jg. 1908, Abh. 10). - München: Verlag der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1908, S. 1 - 7 9 . 2 Äußerungen aus Webers Feder liegen dazu nicht vor. 3 Weber erneuert hier seine Bedenken gegen Brentanos Absicht, das Fechnersche Gesetz als Paradigma nationalökonomischer Theoriebildung zu benutzen; vgl. hierzu schon Webers briefliche Auseinandersetzung mit Brentano vom 29. Mai 1908 (MWG II/5, S. 578f.) sowie seinen Artikel: Die Grenznutzlehre und das „psychophysische Grundgesetz", erschienen in: AfSSp, Bd. 27, Heft 2, 1908, S. 5 4 6 - 5 5 8 (MWG 1/12). Weitere Bemerkungen in den Schlußpassagen des folgenden Briefes an Brentano [zweite Aprilhälfte 1909], unten, S. 108. 4 Weber hat sich dazu nicht weiter geäußert.

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zu bieten, denn meine psychophysischen Arbeiten bleiben - auch nach ihrer Vollendung in den nächsten Heften des „Archiv", Stückwerk, d. h. Vorarbeiten. 5 Nun etwas Andres. Sie wissen von der Gründung der „Deutschen] Gesellschaft f. Soziologie".6 Sie haben abgelehnt, mitzumachen! 7 warum? - wo Sie doch im Verein f. Sozialpolitik mitmachen? Oder ist die Thatsache, daß die Mitarbeit Ihnen heterogener Menschen, wie v. Mayr, Gottl, Sinzheimer,-oder vielmehr: deren Mitgliedschaft (denn ob sie mitarbeiten, ist ja ganz problematisch) ein absolutes Hindernis für Sie?0 Oder ist Simmers Eigenart Ihnen so absolut ungenießbar, daß Sie mit ihm nicht mitmachen können? Denn daß jede Cooperation aussichtslos sei, ist doch zu viel gesagt. Wir möchten z.B. jetzt gern: Soziologie der Presse in Angriff nehmen. 8 Ja, - das muß „organisiert", es müssen arbeitsteilige Mitarbeiter gewonnen, es muß gefragt werden: was können wir systematisch, durch „Enquete" ermitteln, was nicht? Es muß (durch Subskription potenter Kreise in Berlin, Frankfurt, Mannheim pp.) Geld aufgebracht werden, ein Verleger gefunden werden, d der der d Sache „Relief" giebt, - und ohne eine „Gesellschaft" geht das ja Alles nicht. Wenn Sie Sich also auch lokal, in die Münchenere „Ortsgruppe", nicht hineinbegeben wollen, könnten Sie nicht trotzdem uns im CentraiAusschuß Ihren Rath leihen? Oder was steht im Wege? Ich möchte herzlich hoffen, daß Sie Sich doch noch entschließen, Ihr „Nein" zu modifizieren! Die „Hochschulnachrichten"-Verhandhmgen las ich mit Entrüstung 9 und nicht geringem Staunen. Ich wußte davon gar nichts. Der Kerl c Textverderbnis nicht behebbar,

d 0:demdie

e (Gruppe)

5 Gemeint ist Webers Artikelserie: Zur Psychophysik der industriellen Arbeit. 6 Die DGS war am 3. Januar 1909 formell gegründet worden; die Eröffnungsversammlung hatte am 7. März 1909 in Berlin stattgefunden. 7 Trotz anhaltender Bemühungen Webers, Brentano für eine Teilnahme an der DGS zu gewinnen, wie sie sich auch in den Briefen [zweite Aprilhälfte], [Juni], [nach dem 2. Juli 1909], unten, S. 107f„ 138 und 168f., sowie der Karte vom 26. Okt. 1909, unten, S. 293f„ dokumentieren, ist es ihm letztlich nicht gelungen, dessen Bedenken gegen die neue Gesellschaft zu zerstreuen: Brentano ist der DGS nicht beigetreten. 8 Die Behandlung dieses Themas war von Weber angeregt worden; vgl. dazu Brief an Heinrich Herkner vom 11. April 1909, oben, S. 92, Anm. 2. 9 Gemeint ist der Beleidigungsprozeß von Paul v. Salvisberg, dem Herausgeber der „Hochschul-Nachrichten", gegen den Leiter der wissenschaftlichen Beilage der „Münchner Neuesten Nachrichten", Oscar Bulle. Ein Anonymus hatte in einem dort erschienenen Artikel, Beilage Nr. 36 vom 11. Aug. 1908, in einer Anmerkung darauf hingewiesen, daß

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ersuchte mich Weihnachten, ihm den Abdruck eines Artikels aus der „Liberalen] Corr[espondenz]"10 zu gestatten. Ich antwortete, daß dies jedem frei stehe, daß aber, wenn er sich auf meinen Consens berufen wolle, ich eine Bemerkung über die confessionellen Professuren beifü5 gen müsse. Das geschah dann u. ich hielt ihm bei der Gelegenheit Das

der Senat der Münchener Universität - es ging um Etatsberatungen - vorgeschlagen hatte, „man solle einem bekannten offiziösen Organ, das sich gegen die Universitäten verwenden läßt, die Subvention entziehen", was v.Salvisberg Anlaß zu einer Beleidigungsklage gegen den leitenden Redakteur gab. Tatsächlich waren die „HochschulNachrichten" mit dem preußischen Kultusministerium insofern eng verbunden, als nach einem Ministerialerlaß Friedrich Althoffs vom 13. Juli 1893 alle Landesuniversitäten dort ihre Vorlesungsverzeichnisse inserieren mußten. Auch die süddeutschen Universitäten haben zeitweise darin ihre Vorlesungen angekündigt. Als Quasi-Regierungsorgan bekämpften die „Hochschul-Nachrichten" jegliche autonome Tendenzen im Hochschulbereich, mochten diese nun von Studenten oder von Hochschullehrern ausgehen. Besonders der Verband deutscher Hochschullehrer sowie dessen seit 1907 periodisch stattfindende Versammlungen waren Gegenstand fortgesetzter Kritik. Der Beleidigungsprozeß gegen Bulle, der am 11. und 15. März 1909 in München stattfand und in welchem die Professoren Karl v. Amira und Lujo Brentano als Zeugen für den Angeklagten aussagten, endete damit, daß Bulle freigesprochen wurde. Eine umfangreiche Dokumentation des Prozeßverlaufs, auf die sich Weber vermutlich bezieht, findet sich unter dem Titel: Prozeß Dr. Salvisberg gegen Dr. Bulle, in: Beilage der Münchner Neuesten Nachrichten, Nr.71 vom 26. März 1909, S.585-600; vgl. dazu auch Paul v.Salvisberg, Der Beleidigungsprozeß der „Hochschul-Nachrichten" gegen die „Beilage der Münchner Neuesten Nachrichten", in: Hochschul-Nachrichten, Jg. 19, Nr. 6, Heft 222, März 1909, S. 146-148. 10 Es handelt sich um den Artikel: Die Lehrfreiheit der Universitäten, in: HochschulNachrichten, Jg. 19, Nr. 4, Heft 220, Januar 1909, S. 8 9 - 9 1 (MWG 1/13). Die ursprüngliche, in der „Liberalen Correspondenz" erschienene Fassung ist nicht nachgewiesen; jedoch dürfte diese mit der Artikelserie: Die Lehrfreiheit der Universitäten, in: SaaleZeitung, Nr. 553 vom 25. Nov. 1908, Mo. Bl„ S. 1, Nr. 554 vom 25. Nov. 1908, Ab. Bl., S. 1, sowie Nr. 558 vom 27. Nov. 1908, Ab. Bl., S. 1 (MWG 1/13), identisch sein. - Lujo Brentano hatte in seinem Brief an Weber vermutlich moniert, daß dieser gerade in den „HochschulNachrichten" geschrieben habe, einem Organ, das von Anbeginn gegen die Hochschullehrertage polemisiert hatte. Eine ähnliche Kritik finden wir in den Eröffnungsbemerkungen Karl v.Amiras zur Leipziger Hochschullehrerversammlung, in welchen dieser unter Bezug auf den Prozeß v. Salvisbergs (siehe Anm. 9) tadelnd hervorhebt, allerdings ohne Namen zu nennen, daß „noch bis in die letzte Zeit sogar einige von unseren Gesinnungsgenossen in dieses Organ geschrieben haben." Verhandlungen des III. Deutschen Hochschullehrertages zu Leipzig am 12. und 13. Oktober 1909. Bericht erstattet vom engeren geschäftsführenden Ausschuß. - Leipzig: Verlag des Literarischen Zentralblattes für Deutschland (Eduard Avenarius) 1910, S. 4. Weber hat diesen Vorwurf auf sich bezogen und dazu in einer persönlichen Bemerkung Stellung genommen, ebd., S. 20: „Einer der Herren Redner hat bemerkt, daß in die .Hochschulnachrichten' seinerzeit Kollegen geschrieben hätten. Gemeint war ich. Nachdem ich aber das Urteil mit seinem Inhalt gesehen habe, und daß der Mann, von dem ich angenommen, daß es ein Gentleman wäre, gegen dieses Urteil keine Berufung eingelegt hat, stehe ich allerdings auf dem Standpunkt: von mir kommt keine Zeile mehr in die Zeitschrift hinein!" (MWG 1/13).

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Wenige vor, was ich [bi]sf dahin über ihn Ungünstiges gehört hatte. 11 Er antwortete: ihm stehe ein Prozeß bevor, der Alles aufklären werde. Nun, der Ausgang ist allerdings nicht darnach, etwas zu seinen Gunsten „aufzuklären", - er ist „vernichtet", - aber sind es die „HochschulH Nachrichten]" auch! Ich fürchte, sie bestehen weiter! 12 5 Mit besten Empfehlungen und ergebensten Grüßen Ihr Max Weber.

f Lochung.

11 Der Brief an Paul v. Salvisberg ist nicht nachgewiesen. 12 Tatsächlich bestanden die „Hochschul-Nachrichten" bis 1919.

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Gustav von Schmoller 13. April 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Gustav v. Schmoller, Nr. 201 a, Bl. 9 4 - 9 5 H e i d e l b e r g 13/1V 9 Hochverehrter H e r r Professor, ich h a b e noch immer

nicht auf Ihre gütige Sendung ( F i n a n z g e s c h i c h t e ) 1

g e a n t w o r t e t , weil eine h a r t n ä c k i g e Influenza, dann die A n g e l e g e n h e i t 5 der „Soziologischen G e s e l l s c h a f t " , 2 dann sehr schlechtes B e f i n d e n es a völlig ausschloß, d a ß ich a u c h nur e t w a s darin las. A u c h hoffte ich natürlich, bei einer 2 T a g e langen A n w e s e n h e i t in B e r l i n A n f a n g M ä r z ( w e g e n d e r „ S o z i o l o g i s c h e n ] G e s e l l s c h a f t " ) Sie aufsuchen zu k ö n n e n . D a s w a r , d a ich von früh bis spät auf d e n B e i n e n w a r , leider nicht 10 möglich. Ich hoffe sehr dringend, daß d e r Zweck

I h r e r Schrift, prak-

tisch-politisch auf die G e s i n n u n g unsrer M i t t e l p a r t e i e n bei d e r Reichsfin a n z r e f o r m einzuwirken, e r r e i c h t wird, für den j a inzwischen a u c h Ihr „ A u f r u f " 3 e i n g e t r e t e n ist. Historisch

w ü r d e ich in d e r B e u r t e i l u n g d e r

a

1 Gemeint ist: Schmoller, Gustav, Skizze einer Finanzgeschichte von Frankreich, Österreich, England und Preußen (1500-1900). Historische Betrachtungen über Staatenbildung und Finanzentwicklung (Sonderabdruck aus: SchmJb, Jg. 33, Heft 1). - Leipzig: Duncker & Humblot 1909. 2 Max Weber war damals intensiv mit der Vorbereitung zur Gründung der DGS befaßt. Vgl. oben, S.44f. und 67f. 3 Die Vorlage einer umfassenden Reichsfinanzreform, die nach monatetangen Auseinandersetzungen innerhalb der Regierungsinstanzen am 3. November veröffentlicht und am 19. November 1908 eingebracht worden war, war von Anfang an auf große Widerstände gestoßen (vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Johann Plenge vom 5. Juni 1909, unten, S. 139). Die konservativen Parteien lehnten die Nachlaßsteuer und ebenso jedwede Erweiterung der Erbschaftssteuer auf Ehegatten und Deszendenten mit großer Entschiedenheit ab, während die liberalen Parteien eine Annahme der Reichsfinanzreform nur dann für akzeptabel hielten, wenn das Schwergewicht der neuen steuerlichen Belastungen auf die besitzenden Schichten gelegt würde. Die Zentrumspartei wandte sich vorwiegend aus taktischen Gründen gegen die Nachlaßsteuer, weil sich hier die Chance bot, den sog. „Bülow-Block", d. h. die von Fürst Bülow 1907 mühsam zusammengebrachte Koalition der liberalen und konservativen Parteien, zu sprengen und vermittels eines Zusammengehens mit der Konservativen Partei in der Frage der Besitzsteuern aus der Isolierung herauszukommen. Am 24. März hatte die Konservative Partei ein Nachgeben in der Frage der Nachlaßsteuer ausdrücklich abgelehnt und damit den „Block" formell

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französischen Verhältnisse vielleicht, nach den besondren Bedingungen dieses Landes der Kleinrentner, etwas anders urteilen als Sie: es ist nicht in erster Linie die „Bourgeoisie", die das Einkommensteuergesetz so lange verzögert hat. 4 In Italien hat Minghetti aus Gründen der dortigen ökonomischen Bedingungen Schiffbruch erlittenb, - auch dort ist nicht 5 die (von ihm vertretene) Bourgeoisie das Hemmnis gewesen. 5 Und was Preußen anlangt: Gneist sagte mir im Sprechzimmer: „Wenn Miquel so was macht, sorgt er, daß jeder seine Semmel darin findet", - die Gesetze waren (zufolge der Grundsteuer-Überweisung, die ich für sehr bedenklich gehalten habe) eine £wilastung des (verschuldeten und nun zum 10

b O: gelitten

aufgekündigt; seitdem lag es in der Hand der bürgerlichen Parteien, ob die Reichsfinanzreform doch noch zu den von der Regierung vorgezeichneten Bedingungen zustande kommen würde oder ob statt dessen ein konservativ-klerikaler Kompromiß gesucht werden müsse. Dies hatte Gustav v. Schmoller Anlaß dazu gegeben, gemeinsam mit dem früheren preußischen Handelsminister Freiherr von Berlepsch, dem Sozialpolitiker Ernst Francke und Hans Delbrück in einem öffentlichen Aufruf, der am 26. März 1909 in der Frankfurter Zeitung veröffentlicht wurde, an die Reichstagsparteien zu appellieren, sich zur Rettung der Reichsfinanzreform auf einer mittleren Linie zu verständigen. Dieser lautete: „Der tiefe Ernst der Stunde ruft alle Vaterlandsfreunde einmütig zu der Mahnung an den Reichstag, er möge doch endlich mit festem Entschluß der Not ein Ende machen und zu einer Einigung mit den Regierungen über die Finanzreform gelangen. Das Hangen und Bangen ist unerträglich. Es wird im Volke nicht verstanden. Die Überzeugung, daß unserer Finanzmisere bald und gründlich abgeholfen werden muß, verbreitet und befestigt sich immer mehr. Und ebenso die Ansicht, daß nur durch die Vereinigung einer Besitzsteuer, deren beste Form wir in Abgaben beim Erbübergange sehen, und einer Heranziehung der Massengenußmittel eine wirkliche Reform zu schaffen ist, die dem Reiche die nötigen Einnahmen unter gleichzeitiger Erleichterung der Schuldenlast gewährt. Dies klar und fest auszusprechen, halten wir für unsere Pflicht. Möge der Reichstag ungesäumt und entschlossen sich mit den Regierungen über die Wege zur Reichsfinanzreform einigen. Hier geht es um eine Lebensfrage von Reich und Volk, die nicht vertagt werden darf, sondern eine volle und rasche Bejahung verlangt." (FZ, Nr. 85 vom 26. März 1909, 3. Mo. Bl., S. 2) 4 Vgl. Schmoller (wie Anm. 1), S. 18, der meinte, daß Frankreich, obwohl es „ein Land der Bauern, der Kleinbürger, der sparsamen Rentner" sei, doch volkswirtschaftlich und politisch von der „Pariser haute finance" gelenkt werde. Die progressive Einkommensteuer wurde in Frankreich erstmals 1914 eingeführt. 5 Das konservative Ministerium Marco Minghetti war 1876 in erster Linie aus Steuer- und finanzpolitischen Gründen gescheitert: u.a. wegen der Frage der Finanzierung der beabsichtigten Verstaatlichung der italienischen Eisenbahnen sowie wegen des Problems der äußerst unpopulären, ja verhaßten Mahlsteuer. Die Abstimmungsniederlage des Ministeriums Minghetti in der Deputiertenkammer am 18. März 1876 führte zu dessen Demission und leitete die jahrelange Vorherrschaft der von der bürgerlichen Linken gestellten Kabinette ein.

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SchuldenafczMg berechtigten) Großbesitzes, eine Belastung der (weit weniger verschuldeten) mittleren Bauern. 6 Das war doch der Preis, der gezahlt wurde, und daneben die Steuereinschätzung durch den Landrath mit ihren Folgen. Für Belastung des Bürgertums war der agrarische Landtag natürlich gern zu haben! Trotzdem: Miquel alle Ehre, die seinem genialen Geschick gebührt! Ich hätte Ihnen gern mündlich s. Z. über die „Soziologische Gesellschaft", von der Sie Sich - leiderl - ferngehalten haben, berichtet und in manchem Ihren Rath gehört. Den „Vorsitz" im „Ausschuß" kann und will ich nur so lange behalten, bis verhindert ist, daß eine allgemeine Vortrags- und Schwatz-Gesellschaft daraus wird, - wozu begreiflicherweise die Gefahr bestand und noch immer besteht. Wir werden suchen müssen, etwas in der äußeren Form (notgedrungen) Ähnliches, in Zielen und Wegen aber dem Verein f[ür] Sozialpolitik möglichst Heterogenes zu machen, um dessen - der mir naturgemäß denn doch auch das weitaus wichtigere und werthvollere ist - Wege nicht zu kreuzen. Ich darf Ihnen vielleicht, wenn die Sache etwas mehr definitive Gestalt angenommen hat, einmal darüber eingehend berichten. Stets in Verehrung Ihr ergebenster Max Weber

6 Die damals vielgerühmte preußische Steuerreform von 1890, die erstmals eine progressive Einkommensteuer auf der Grundlage der Selbsteinschätzung - mit einer allerdings noch sehr niedrigen Progression von 1% bis maximal 3% - einführte, war von Johannes v. Miquel nur gegen erhebliche Kompensationen an die verschiedensten Interessengruppen, vor allem an die Adresse der Großagrarier, zustande gebracht worden. Dazu gehörte die Überweisung der Erträge der Grundsteuer an die Gemeinden bzw., soweit diese noch bestanden, an die selbständigen Rittergutsbesitzer, was de facto den Wegfall dieser Steuer bedeutete und zum damaligen Zeitpunkt einer Entlastung des Großgrundbesitzes in Höhe von 11,7 Millionen Mark gleichkam (vgl. Herzfeld, Hans, Johannes von Miquel, Sein Anteil am Ausbau des Deutschen Reiches bis zur Jahrhundertwende, Bd. 2: Konservative Wendung und staatsmännisches Wirken 1884-1901. Detmold: Meyersche Hofbuchhandlung 1938, S . 2 5 8 - 6 0 , die Zahlenangabe S.269), sowie ferner die Möglichkeit, die Lasten der hypothekarischen Verschuldung des Grundbesitzes bei der Berechnung der Einkommensteuer in Abzug zu bringen. Die Kompetenz für eine evtl. Überprüfung der Einkommensangaben aufgrund der Selbsteinschätzung des ländlichen Grundbesitzes lag bei den Landräten, die, wie Max Weber mit einigem Recht vermutete, auch hier den Großgrundbesitz glimpflicher davonkommen ließen.

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Helene Weber 13. April 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 201 - 2 0 2

Heidelberg 13/IV 9 Liebe Mutter, ich komme nur mit einem kurzen Gruß zum Geburtstag, 1 weil wir schon halb in Abreisegedanken 2 stecken und mit meinem Kopf, wie meist im Frühjahr, nicht so sehr viel los ist. Ich muß doch erst wieder nach Süden, ihn mit anderen Eindrücken anfüllen. Nun laß Dich recht ans Herz drücken zu Deinem 65. Wiegenfest. Ich finde doch, ins Ganze gerechnet ist Alles so viel heller um Dich geworden von Jahr zu Jahr, innere Noth und Sorge3 immer weiter zurückgetreten, die Töchter Dir innerlich so viel näher gerückt, die Söhne über Erwarten glücklich geführt, daß das Leben Dir Spielraum giebt, aufzuathmen und Dich an seinen Gaben zu freuen, mehr als es zuweilen früher der Fall sein konnte. Und Du wirst Dich auch überzeugt haben, daß es Deinem „Kopf" gar nicht einfällt, immer „dummer" zu werden, oder vielmehr, Du bildest Dir das vielleicht dennoch ein: aber wir, die wir das doch nun seit Jahren beobachten können, müssen Dir darauf sagen (was vielleicht kein Compliment ist): er ist von jeher so, ganz genau so „vergeßlich" gewesen, wie er jetzt, wo Du das so empfindest, sich Dir darstellt und b wie z.B. auch meiner es seit reichlich 10 Jahren ist. Der Fehler Deines Lebens ist, daß nicht ganz feste und genügende Zeiten der Ausspannung, d. h. des Wechsels der Eindrücke darin eingeschaltet sind, und darin müßte eben doch noch jetzt Wandel geschaffen werden. Sollten wir nicht im Herbst noch einmal, wie vor Jahren, uns in den Schatten von St. Peter in Rom setzen? Und diesmal noch froher als damals? 3 Oder kannst Du es nicht fertig bringen, länger als immer nur a (so)

b (mir)

1 Helene Weber hatte am 15. April Geburtstag. 2 Zwei Tage später, am 15. April 1909, fuhren Max und Marianne Weber nach Pallanza am Lago Maggiore. 3 Anspielung auf die 1901 gemeinsam verbrachten Wochen in Rom, die stark von Max Webers schlechtem Gesundheitszustand geprägt waren.

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die paar c , 2—3, Wochen, für hier zu erübrigen? Das muß doch, in den Zeiten, wo Deine Damen dort nicht verreist sind, möglich sein !4 Alfred's 1. Band 5 ist ja nun, bis auf einen winzigen Rest von Correkturen, gedruckt: ein großer Stein vom Herzen! Er selbst schickte nur ein kleines Kärtchen von der Reise in Florenz (alles Schnee auf den Bergen wie voriges Jahr!) auf dem Wege nach Amalfi, wo er ausruhen will, um allein zu sein. Nun ist auch der alte Rösing 6 gegangen. Ich meine, außer Frensdorff 7 ist nun wohl Keiner von Papas |:näheren:| Freunden mehr übrig. Frau R[ösing] schreibe ich gleich ein paar d Worte. 8 Also auf Wiedersehen im Mai? Hier ist der Frühling im vollen Werden. Man geht ungern fort. Aber: der Wechsel der Eindrücke ist eben doch zum Ausruhen unentbehrlich. Mit herzlichem Geburtstagskuß Dein Max Ich bin übrigens entschlossen, vom nächsten Jahre an, da Marianne sich schwerlich zu einem förmlichen Übersiedeln nach Berlin, wovon wir doch immer wieder gesprochen hatten,® entschließen wird, jedenfalls einen Teil des Winters: I-W2 Monate, dorthin zu gehen, des Connexes mit Leuten und Zeitverhältnissen wegen.

c O: par

d O: par

e (zu)

4 Helene Weber leitete die Charlottenburger Wohlfahrtszentrale, in deren Zentralbüro beamtete und freiwillige Helferinnen die karitativen Aufgaben der Stadt koordinierten. Vgl. dazu Weber, Marianne, Lebensbild 3 , S. 515ff. 5 Weber, Alfred, Über den Standort der Industrien, Teil 1: Reine Theorie des Standorts. Mit einem mathematischen Anhang von Georg Pick. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1909. 6 Gemeint ist vermutlich Johannes Rösing. 7 Ferdinand Frensdorff war ein Studienfreund von Max Weber sen. und ein Lehrer von Max Weber in Göttingen. 8 Ein Brief an Clara Rösing ist nicht nachgewiesen.

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Paul Siebeck [vor oder am 20. April 1909]; BK Pallanza Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Datum erschlossen aus Verlagsvermerk: „20. 4. 09. erh. u. beantw."

Grand Eden Hotel Pallanza Lac Majeur-Italie

Sehr geehrter Herr D r Siebeck! Ich bitte Sie, ein corrigiertes Expl. der ersten Correktursendung 1 an „Herrn Fabrikanten Georg Müller, Örlinghausen, Lippe^"', zu senden, dessen Consens ich für das „Imprimatur" bedarf. 2 Die letzte Sendung habe ich schon selbst dorthin gesendet, u. sende dieselbe nach Rückempfang in wenigen Tagen an Sie ab. Ich war die letzten Wochen wenig wohl, daher mein langes Schweigen und die Correkturverzögerung. Wegen des „Handbuchs" 3 suche ich Sie Ende der ersten Mai-Woche in Tübingen auf. Bis dahin bin ich hier. Mit den angelegentlichsten Empfehlungen Ihr ergebenster Max Weber

1 Es handelt sich um die Korrekturen zu dem Artikel: Zur Psychophysik der industriellen Arbeit. (Fortsetzung.) [III.], später erschienen in: AfSSp, Bd. 28, Heft 3,1909, S. 7 1 9 - 7 6 1 (MWG 1/11). 2 Tatsächlich scheint dieser gegen bestimmte Passagen des Psychophysikaufsatzes (wie Anm. 1) erhebliche Bedenken erhoben zu haben. Im Anschluß an einen diesbezüglichen, nicht erhaltenen Brief schreibt Georg Müller an Max Weber am 2. Mai 1909, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446, u.a.: „Meinen Standpunkt darin [d.h. im letzten Brief] kann ich nur insofern ändern (nicht prinzipiell) als ich damit einverstanden bin, wenn die Unterscheidung zwischen schmaler und breiter Warebestehn bleibt (Halbleinen und Leinen ausgeschieden werden), und Taschentuchstuhl durch „Carrierstuhl", „Meisterstuhl" oder ähnliches ersetzt wird, der Passus über die 4stühl. aus schon erwähnten Gründen fortbleibt. (Hier vermerkt Max Weber: Kam zu späü Ist auch ganz unwesentlich.) Ich hoffe, daß ich Dir dadurch nicht die Freude an Deiner Arbeit verleide. Ich bin wahrhaftig nicht kleinlich, aber ich finde es schwach, wenn ich etwas gegen meine Überzeugung zulasse, wenn ich es D/rund mir persönlich noch so gern zu Gefallen täte." (Hier vermerkt Max Weber lapidar: Unsinn\) 3 Gemeint ist der Grundriß der Sozialökonomik.

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Paul Siebeck [nach dem 20. April 1909]; BK Pallanza Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Datierung erschlossen aus dem Brief von Richard Wille vom 20. April 1909 (VA Mohr/ Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mit der Mitteilung, daß Paul Siebeck in der Zeit vom 6. bis 12. Mai nach Leipzig reisen werde, worauf sich Weber im unten abgedruckten Schreiben bezieht. Verlagsvermerk: „ 18.5. 09beantw."

Grand Eden Hotel Pallanza Lac Majeur- Italie Sehr geehrter Herr D r Siebeck! 5 Für den gefl. Brief Ihres Herrn Vertreters danke ich bestens 1 und werde mir gestatten, später, nachdem Sie in Leipzig gewesen sind, ein Rendezvous vorzuschlagen. Würden Sie in Leipzig wohl auch Prof. Bücher aufsuchen? 3 Ich habe ja noch gar nicht die Möglichkeit gehabt, Ihnen über die Unterhaltung mit 10 ihm zu berichten. 2 Er will also „Volkswirtschaft, Wirtschaftsstufen" etc. (den ersten Artikel) übernehmen. 3 A u c h ihm scheint die Zuteilung des A r t i k e l s ] „Theorie" das Wichtigste. 4 Wir sprachen in erster Reihe von v. Wieser.5 Er wollte, für den Fall dieser etwa ablehnen sollte, die

a (Ich [hoffe] ih[m]>

1 Gemeint ist der in der Editorischen Vorbemerkung erwähnte Brief von Richard Wille vom 20. April 1909. 2 Weber bezieht sich hier auf sein Gespräch mit Karl Bücher vom 25. Januar 1909 in Leipzig; siehe dazu Karte an Marianne Weber vom 27. Jan. 1909, oben, S. 38. 3 Tatsächlich hat Karl Bücher den Einleitungsartikel „Volkswirtschaftliche Entwicklungsstufen" übernommen. Er ist erschienen in: GdS, Abt. I. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 1 - 1 8 . 4 Bücher pflichtet hier Weber bei, der schon in seinem Brief an Paul Siebeck vom 26. Dez. 1908 (MWG 11/5, S.705) die angemessene Behandlung der „Theorie" als conditio sine qua non für das neue Handbuch genannt hatte: „Der Cenfra/punkt ist die Art der Unterbringung der Theorie. Alles Andre findet sich dann." 5 Zu den letzthin erfolgreichen Bemühungen, v. Wieser als Autor für den GdS zu gewinnen, vgl. insbesondere die Briefe an Siebeck vom 23. Mai, 15. Juli und 21. Aug. 1909, unten, S. 1 3 2 , 1 8 3 - 1 8 5 und 231.

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Schumpeter' sehen Sachen einmal lesen. 6 Ich halte diesen Herren für sehr gescheidt, aber - ich werde im „Archiv" darauf zu sprechen kommen - für etwas weitläufig in der Art seiner Darlegungen. 7 Man müßte ihm ev. ans Herz legen, streng nur die „Theorie" zu treiben u. keine „methodologischen" Erörterungen. 8 Jedenfalls sollte man auch andre noch in Erwägung ziehen: v. Bortkiewicz z. B. b jedenfalls. 9 - Für „Gewerbe''' war B[ücher] nicht zu gewinnen, er ist bei Duncker & Humblot verpflichtet. 10 In erster Linie käme da entschieden Waentig in Betracht.11 Für Handel also Lexis, 12 Bankl-l u. Börsenwesen rieth B[ücher] dringend, falls eine Verständigung zwischen Ihnen und Prof. Plenge zu erreichen sein sollte - und er wollte sich offenbar gern darum bemühen - diesem zu übertragen. 13 Es ist wahr, daß Pl[enge] darin ganz b (und) 6 Dies bezieht sich in erster Linie auf Joseph Schumpeters großes Werk: Das Wesen und der Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie.-Leipzig: Duncker & Humblot 1908. An größeren Aufsätzen lagen von Schumpeter bis 1909 vor: Über die mathematische Methode der theoretischen Ökonomie, in: Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung, Bd. 15, 1906, S. 3 0 - 4 9 ; Professor Clarks Verteilungstheorie, ebd., Bd. 15, 1906, S. 325-333; Das Rentenprinzip in der Verteilungslehre, in: SchmJb, Jg. 31,1907, S.31-65, 591-634, sowie: Bemerkungen über das Zurechnungsproblem, in: Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung, Bd. 18,1909, S. 79-132. 7 Eine Stellungnahme zu Schumpeters Arbeiten aus der Feder Max Webers ist im AfSSp nicht erschienen. Eine-ungezeichnete-Kurzanzeige von Schumpeters: Das Wesen und der Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie (siehe Anm. 6) findet sich in: AfSSp, Bd. 28, Heft 1,1909, S.339f. Die eigentliche Rezension stammt von Othmar Spann unter dem Titel: Die mechanisch-mathematische Analogie in der Volkswirtschaftslehre, erschienen in: AfSSp, Bd. 30, Heft 3,1910, S. 786-824. 8 Umfangreiche „methodologische" Erörterungen finden sich in Schumpeters: Das Wesen und der Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie (wie Anm. 6). 9 Tatsächlich scheint Weber sich an Ladislaus v. Bortkiewicz wegen des Artikels über Dogmengeschichte der Nationalökonomie gewandt zu haben; siehe die Briefe an Paul Siebeck vom 11. und 20. Aug. 1909, unten, S.224f. und 229. Den entsprechenden Artikel hat dann letztlich Joseph Schumpeter übernommen; siehe Brief an Paul Siebeck vom 8. Nov. 1909, unten, S.308. 10 Ein Buch von Karl Bücher über „Gewerbe" ist weder bei Duncker & Humblot noch in einem anderen Verlag erschienen. 11 In der Folge hat sich Weber an Heinrich Waentig gewandt, der auch zunächst zusagte, dann jedoch nach seiner Berufung nach Tokyo von einer Mitarbeit am Handbuch Abstand nahm; siehe Brief an Paul Siebeck vom 11. Aug. 1909, unten, S. 223. 12 Wilhelm Lexis war der bisherige Bearbeiter des Artikels „Handel" im Handbuch gewesen; vgl. die letzte Fassung in: Handbuch der Politischen Ökonomie, hg. von Gustav von Schönberg, 4. Aufl., Bd. 2, 2. Halbbd.-Tübingen: H. Laupp1898, S. 223-354. 13 Weber bezieht sich hier auf den Konflikt von Johann Plenge mit dem Verlag anläßlich der Veröffentlichung seines Artikels: Zur Diagnose der Reichsfinanzreform, erschienen in:

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Vortreffliches leisten würde (Jaffe ist gewiß tüchtig, aber sehr unproduktiv an Gedanken, sagte mir auch erst im Herbst, er wolle Derartiges nicht mehr arbeiten). 14 Für Agrarwesen konnten wir keinen geeigneten finden: B[ücher] hält die Beibehaltung der technischen Artikel (Landwirtschaft, Bergbau, Forsten) für erwünscht, der Verbreitung des Handbuchs wegen. Für Forsten wäre Hausrath (Karlsruhe) vortrefflich, 15 für Bergbau ist leider Schenkel jetzt grade gestorben (der Art[ikel] ist das Beste darüber, was es giebt); 16 man müßte sehen, ob man ihn umarbeiten lassen oder - etwa durch Gotheinl - einen neuen bekommen könnte. 17 „Landwirtschaft" ist ein großes Fragezeichen geblieben. 18 Bis jetzt weiß ich noch Niemand. Die „Methodologie" würde ich ev. übernehmen

ZGS, Jg. 65, 1909, S . 2 8 8 - 3 3 7 . Diesen Aufsatz hatte Plenge in der ersten und zweiten Fahnenkorrektur aus Aktualitätsgründen so sehr erweitert bzw. geändert, daß dieser von ursprünglich einem auf viereinhalb Bogen angewachsen war, ohne daß der Verlag willens gewesen wäre, die anfallenden Korrekturkosten seinerseits zu übernehmen. Der Dissens zwischen Verleger und Autor eskalierte im Oktober 1908 und endete mit einem Eklat, wie der Brief von Paul Siebeck an Plenge vom 9. Okt. 1908 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 253) zeigt: „Indem Sie mir in Ihrem Briefe vom 2. cts. erklärten, daß Sie ,nur durch die Person des Redakteurs weiterhin geschäftlich mit dem Verlag der Zeitschrift verbunden seien' haben Sie die Verbindung mit mir abgebrochen und damit auch der Verpflichtung, mit Ihnen zu correspondieren, mich enthoben." Diesen Brief retournierte Plenge mit dem (undatierten) Vermerk: „Ich habe keinen Beruf die Erziehung eines Verlegers zu verbessern, bedauere aber die unnützen Ärger und Mühe, die dem Redakteur der Zeitschrift [d.h. der Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft] in einer schweren Zeit bereitet worden." Paul Siebeck sandte daraufhin diese Korrespondenz am 12. Okt. 1908 an Karl Bücher, dem ZGS-Herausgeber, „mit der höflichen Bitte mich jeden weiteren Verkehrs mit Herrn Dr. Plenge zu entheben." Ebd., Nr.243. Webers Vermittlungsversuche zwischen den Parteien haben sich bis Ende 1909 hingezogen; erst im Dezember kam eine gütliche Beilegung des Konflikts zustande. Vgl. dazu Briefe an Paul Siebeck [vor oder am 6. Dez. 1909], unten, S.329f. 14 Weber bezieht sich hier auf die Schrift von Edgar Jaffe: Das englische Bankwesen (Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen, hg. von Gustav Schmoller und Max Sering, Bd. 23, Heft 4). - Leipzig: Duncker & Humblot 1904. 15 Tatsächlich hat Hans Hausrath den entsprechenden Artikel übernommen; vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 21. Aug. 1909, unten, S. 231. 16 Gemeint ist Schenkel, Karl, Bergbau, in: Handbuch der Politischen Ökonomie, hg. von Gustav von Schönberg, 4.Aufl., Bd.2, I.Halbbd. - Tübingen: H.Laupp 1896, S. 4 1 3 - 4 8 0 . 17 In der Tat hat Eberhard Gothein einen neuen Artikel beigesteuert; vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 13. Sept. 1909, unten, S. 263. 18 Weber hat sich später an Friedrich Aereboe gewandt; vgl. Briefe an Paul Siebeck vom 20. Aug. und [1. Sept. 1909], unten, S.229 und 246. Nach dessen definitiver Ablehnung wurde Theodor Brinkmann als entsprechender Bearbeiter gewonnen; vgl. Brief an Paul Siebeck vom 8. Nov. 1909, unten, S. 308.

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(einschließlich] der Beziehungen zu Jurisprudenz und Soziologie u.s.w.), ebenso den Schluß des Ganzen („Sozialphilosophie"). Würden Sie mit Bücher, \\falls Sie ihn sehen:| wohl auch über die angemessene Honorarhöhe sprechen? Ich kann das nicht so ganz leicht beurteilen. 19 Ich meinerseits glaube: wenn die Theorie gut untergebracht wird, gelingt Alles Andre. Also wäre jedenfalls zuerst an den Herrn zu schreiben, der diese übernehmen soll, dann, wenn man ihn hat, an die Andren. Aber ehe man an ihn schreibt, müßten Sie mit der //onorarkalkulation 0 im Reinen sein. Die Bogenzahl für die „Theorie" läßt sich ziemlich leicht berechnen; man muß ihr reichlich Vi des ersten Bandes geben. Ich erwarte erst in Heidelberg - wohin ich d Anfang k d . W. gehe - Ihre Nachrichten, ob Sie Zeit fanden, B[ücher] zu sprechen, u. schreibe dann wieder. Mit vorzüglicher Hochachtung und angelegentlichster Empfehlung Ihr stets ergebenster Max Weber

C (ferti)

d Ende d > Anfang k

19 Dazu heißt es in dem Antwortschreiben Siebecks vom 19. Mai 1909 (VA Mohr/ Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), in welchem er von den Gesprächen seines Sohnes Oskar in Leipzig berichtet: „Herr Geheimrat Bücher ist der Meinung, daß eine Auflage von 3000 Exemplaren in Aussicht zu nehmen sei, und stimmt meinem Vorschlag, dafür ein Honorar von M. 140 - pro Druckbogen in der Satzeinrichtung der 4. Auflage des Schönberg'schen Handbuchs auszuwerfen, zu. Sind damit auch Sie einverstanden?"

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Lujo Brentano [ z w e i t e A p r i l h ä l f t e 1 9 0 9 ] ; B K Pallanza Brief; e i g e n h ä n d i g B A K o b l e n z , Nl. Lujo B r e n t a n o , Nr. 67, Bl. 8 7 - 8 8 Die Datierung ist erschlossen aus der Tatsache, daß aus demselben Zeitraum weitere Briefe aus Pallanza vorliegen, nämlich an Paul Siebeck [vor oder am 20.] sowie [nach dem 20. April 1909], oben, S. 102 und 1 0 3 - 1 0 6 .

Grand Eden Hotel Pallanza Lac MajeurItalie Sehr geehrter Herr Geheimrath! Nach Ihrem freundlichen Brief gebe ich die Hoffnung, daß Sie doch noch für die „Soziologische] Gesellschaft]" zu gewinnen sein werden, noch nicht auf. 1 Beabsichtigt ist Folgendes: 1. a jährlicher „Soziologentag" (ganz nach Analogie des Historikertages (Vorträge, Diskussion))" 2.° Publikationen (nach Art des Vfereins] f[ür] Soz[ial-]Pol[itik], aber unter Ausschaltung „praktischer" Ziele, also rein wissenschaftlich) 0 . 2 Z. Zeit erwägen wir, ob wir dem Ausschuß l)eine Analyse der Presse (ökonomisch, nach |:der:| Art ihrer sozialen Existenzbedingungen und als Faktor der öffentlichen Meinung) vorschlagen sollen als nächstes konkretes Arbeitsthema. Sodann: 2) Analyse der Vereine in ihrer soziologischen Bedeutung (von der Studentenverbindung und dem Kriegerverein bis zur „Partei"). U.s.w. 3.e - wenn wir Geld genug haben werden - Subventionierung von soziologischer Gelehrten-Arbeit. GeW-Beschaffung: 1) Mitgliederbeiträge - 2) Subskriptionslisten bei

a O: zweifach unterstrichen, b Klammer fehlt in O. c O: zweifach unterstrichen, d Klammer fehlt in O. e O: zweifach unterstrichen. 1 Im folgenden handelt es sich um Webers letztlich vergebliche Bemühungen, Brentano für eine Mitgliedschaft bzw. Mitarbeit in der D G S z u gewinnen; vgl. dazu Brief an Brentano vom 13. April 1909, oben, S. 9 3 - 9 6 . 2 Zur Verankerung der Werturteilsfreiheit in den DGS-Statuten vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Hermann Beck vom 31. Aug. 1909, unten, S. 240.

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Zweite Aprilhälfte

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potenten Leuten cirkulierend für bestimmte Themata (z. B. für das Thema „Presse", nachdem ein detaillierter Arbeitsplan aufgestellt sein wird, unter Mitteilung desselben, um die Vorarbeiten honorieren und bezahlen zu können/. 4. 9 in den „Ortsgruppen": Vorträge u. Diskussionen a) wissenschaftlicher - b) propagandistischer (zur Gewinnung von Mitgliedern) Art. Ich nehme an: so töricht, wie nach den anscheinend etwas konfusen Mitteilungen D r Goldscheids, 3 erscheint Ihnen die Sache jetzt doch nicht mehr. Überlassen Sie doch das „management" den Jüngeren, aber nehmen Sie berathend teil! Vielleicht darf Gottl Sie einmal in dieser Sache aufsuchen? Bisher ist in München er der interessierteste. Mit großer Spannung sehe ich Ihrer Erörterung über das Bevölkerungsgesetz entgegen. 4 Natürlich: überall finden wir solche „Optima" und dem entsprechende „Schwellen"- und „Höhen"-Werthe, und das „Fechner'sche Gesetz" ist eines von zahlreichen Beispielen, aber nicht die „Grundlage" h der andren. 5 Das schließt sicherlich nicht aus, daß auch dies Gesetz einmal in bestimmten Fällen für uns relevant werden kann, das möchte ich nicht bestritten haben u. bestreite es nicht. Aber unsre „Theorie" ist „rational", nicht „psychologisch" fundamentiert. Mit angelegentlichster Empfehlung Ihr in Verehrung ergebenster Max Weber

f Klammer fehlt in O.

g O: zweifach unterstrichen,

h (derübri)

3 Korrespondenzen von Rudolf Goldscheid sind im Nl. Brentano (BA Koblenz) nicht nachgewiesen. 4 Gemeint ist Brentanos Abhandlung: Die Malthussche Lehre und die Bevölkerungsbewegung der letzten Dezennien; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Brentano [nach dem 2. Juli 1909], unten, S. 168. 5 Zu Webers Kritik an der Tragweite des Fechnerschen Gesetzes für die Nationalökonomie vgl. Brief an Brentano vom 13. April 1909, oben, S. 93, Anm. 3.

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Hans Gruhle [vor Mai 1 9 0 9 ] ; o . O . Brief; e i g e n h ä n d i g Privatbesitz Webers Bitte an Gruhle, dieser möge „im Lauf der nächsten Zeit einmal die Curven ansehen", bezieht sich auf tabellarische Darstellungen der empirischen Ergebnisse von Webers Psychophysikaufsätzen. Da der Teil III der Psychophysik im Mai 1909 erschienen ist, ergibt sich die angegebene Datierung. Einen ersten Teil dieser Resultate hatte Gruhle schon im Herbst 1908 durchgesehen; vgl. dazu die Briefe an Gruhle vom 13. und 21. Oktober 1908 (MWGII/5, S.674f. und 684f.). Weder die im Brief zitierte „Anlage" noch der erwähnte Aufsatztitel konnten identifiziert werden, da - was naheläge - es sich hierbei keinesfalls um eine Arbeit Gruhles handelt, weil dieser in jener Zeit nichts publiziert hat.

Sehr verehrter Herr Doktor! Die Anlage mit vielem Dank zurück. Das Bild auf der 2 ten und auch das auf der letzten Seite sind wirklich hervorragend! Ebenso vielen Dank für den Aufsatztitel. Es ist der gesuchte. Weiß Gott, woher ich so vollkommen von meinem Gedächtnis im Stich gelassen war, daß ich sowohl Autor als Ort vergessen konnte. Mir würde es von ganz besonderem Werth sein, wenn Sie Sich im Lauf der nächsten Zeit einmal die Curven ansehen würden. Ich stehe - ganz unerwartete Hinderungen vorbehalten - jeden 3 Nachmittag resp. Abend zur Verfügung u. wie Sie wissen, freut sich meine Frau mit mir jedesmal, wenn Ihre Zeit Ihnen gestattet, den weiten Weg hierher zu machen. Wir bitten Sie, Sich so oft, als |:Ihnen:| passend, telephonisch anzusagen. Mit bestem Gruß Ihr ergebener Max Weber

a (Aben)

3. Mai 1909

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Marianne Weber PSt 3. Mai 1909; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Auf der Rückseite einer Einladung von Hermann Levy und Frau zum 13. Mai 1909.

Lieber Schnauzel, nichts Neues hier, auch keine Correspondenz für Dich von Bedeutung. Lina1 ist noch fort, Bertha 2 anscheinend ganz wohl u. munter. Gestern ein etwas naiver Vortrag von Krehl3 über Energetik (neuste Experimente über Wärme- u. Kraft-Einnahme u. Ausgabe des Menschen) mit „philosophischen" Einleitungen 3 . Nachher ganz behagliche Unterhaltung. Elende Hundekälte, man wird ganz marode - Umstehende] Einladung4 habe ich für mich abgelehnt,13 von Dir Antwort in Aussicht gestellt. Nun halt Dich gut u. vernünftig, mach Abends5 keine Sachen mit! Es küßt Dich Dein Max

a Unsichere Lesung,

b (für)

1 Lina, Haushaltshilfe von Max und Marianne Weber. Sie war als 14jähriges Mädchen aus Karlsruhe zur Unterstützung für das kränkelnde Dienstmädchen Bertha Schandau ins Haus genommen worden. Vgl. Karte an Marianne Weber vom 3. Okt. 1908 (MWG II/5, S.666, Anm.6). 2 Bertha Schandau, Dienstmädchen bei Max und Marianne Weber. 3 Vermutlich fand der Vortrag des Internisten Ludolf v. Krehl im Rahmen des EranosKreises statt, dem Krehl seit 1908 angehörte und der sich in loser Folge in den Häusern der jeweils Vortragenden an Sonntagen, wie es der 2. Mai war, zusammenfand. Eine Veröffentlichung des Vortrags ist nicht nachgewiesen. Über Experimente zur Wärmeregulierung handelt das Kapitel Fieber, in: Krehl, Ludolf, Pathologische Physiologie. Ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte, 6. neu bearb. Aufl. - Leipzig: Vogel 1910, S . 5 1 3 - 5 6 3 . 4 Gemeint ist die Einladung von Hermann Levy, Privatdozent für Nationalökonomie in Heidelberg und hauptamtlicher Dozent an der Handelshochschule in Mannheim, und dessen Frau Berta, Tochter des Juristen Rudolf Stammler, zum Abendessen am 13. Mai. 5 Marianne Weber war vom 6. bis 9. Mai 1909 auf dem bayerischen Frauentag in München. Sie hielt dort einen Vortrag über Probleme der Ehereform: Die Ehescheidung. Das Material entnahm sie ihrem Buch: Weber, Marianne, Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1907. Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 13. April 1909, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446.

6. Mai 1909

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Marianne Weber PSt 6. Mai 1909; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Die Zeilen sind auf der Rückseite eines Briefes von Georg Müller an Max Weber vom 2. Mai 1909 geschrieben.

L. Schnauz! Weißt Du Jemand?1 - Ich sah Tröltsch, dessen Frau an Nachwehen eines Blasenkatarrh's leidet, und Lask, der in voller Umzugsbegeisterung ist2 u. e[ine] Haushälterin zu seinen Bedingungen gefunden hat. Sonst 5 nichts Neues. Hoffentlich wird es wärmer, bis dahin ist mit mir nichts los. Ich lasse alle bis Freitag Abend ankommenden Sachen nach München schicken. Genieße doch ja München noch u. gehe nicht ganz in den Weibern 3 auf! Wie sehr freut mich, daß D u auch noch Ibsen sehen konntest. 4 Lina 5 ist noch nicht zurück (hat Influenza). Bertha 6 ist wohl. 10 Herzlichst Dein Max

1 Die Frage bezieht sich auf den Brief von Georg Müller, dessen Rückseite Weber für diese Nachricht an Marianne Weber verwandte. Dort erkundigte sich Georg Müller, ob eine alte Dame bekannt sei, die zur Entlastung seiner Mutter, Alwine (Wina) Müller, bereit sei, eine Tante zu pflegen. 2 Emil Lask zog innerhalb Heidelbergs von der Landfriedstraße 8 in den Rosenbergweg 3 um. 3 Gemeint sind die Teilnehmerinnen des bayerischen Frauentages in München (6. bis 9. Mai 1909). 4 Vermutlich sah Marianne Weber „Die Wildente", die am 4. Mai 1909 im Münchener Schauspielhaus gegeben wurde. 5 Lina, Haushaltshilfe bei Max und Marianne Weber. 6 Bertha Schandau.

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7. Mai

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Marianne W e b e r P S t 7 . Mai 1909; PSt Heidelberg Brief; e i g e n h ä n d i g Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat B S B München, A n a 446

Freitag Nachmittag Liebe Schnauzel. Eben war die Bernays hier u. hat mich gründlich strapaziert. Nachher kommt Else J[affe] und vermuntert mich hoffentlich wieder etwas. Lina1 ist nun auch seit gestern da, liegt aber mit verdorbenem Magen (so 5 behauptet Bertha, 2 sie selbst sagt: mit „Influenza") heut zu Bett. Sonst nichts Neues, auch nichts für Dich - u. nichts von Dir. Hoffentlich bist Du nicht ganz u. gar kaputt gemacht, u. entziehst Dich den Weibern 3 genügend. Eine Erbschafts-Nachzahlung vermindert unsre Schuld bei C[arl] 10 W[eber] & Co 4 auf 6000 M., die stehen bleiben können. Bleib gesund u. komm Sonntag vergnügt heim zu Deinem Max

1 Lina, Haushaltshilfe bei Max und Marianne Weber. 2 Bertha Schandau. 3 Gemeint sind die Teilnehmerinnen des bayerischen Frauentags in München (6. bis 9. Mai 1909). 4 Marianne Weber gehörte zu den Erben ihres am 21. Juli 1907 verstorbenen Großvaters Carl David Weber und war seit der Umwandlung der Firma in eine G m b H im September 1908 Gesellschafterin der Firma.

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Heinrich Herkner 8. Mai 1 9 0 9 ; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g G S t A Berlin, R e p . 9 2 , Nl. Max Weber, Nr. 18, Bl. 1 4 - 1 8

Heidelberg 8. V.9. Nur für Sie persönlich. Verehrtester Herr College, ich vermuthe Sie zwar noch immer mit Arbeiten für das HWbStW 1 belastet und überlastet, wie Sie mir schrieben. Gleichwohl möchte ich mit einigen Bemerkungen auf die „Soziologische] Gesellschaft]" zurückkommen, auf die ich gelegentlich Ihre Antwort erbitte, - bis auf eine Frage, welche dringlich ist: die nämlich, ob Sie nach Ihrer Verhandlung mit Bücher etc. in Leipzig und Ihren sonstigen Eindrücken nunmehr entschlossen sind, den Versuch mit dieser „Soziologischen] Gesellschaft]" zu machen, d.h. also vorläufig den Gedanken einer Neugründung aufgeben und, eventuell^] bereit sind, den Vorsitz zu übernehmen. 2 Nur wenn dies nämlich der Fall ist, werde ich jetzt meinerseits versuchen, hier und sonst im Süden Propaganda zu machen. Deshalb möchte ich darüber gern durch ein - hoffentlich bejahendes - Wort von Ihnen im Klaren sein. Ich habe Gelegenheit genommen, die Bedenken, die Sie und ich haben, mündlich mit Simmel, schriftlich mit den z.Z. für die Gesellschaft wichtigen, weil thätigen, Herren Beck und Goldscheid zu erörtern 3 und wenigstens so viel erzielt, daß die strikte Versicherung gegeben wurde, man wolle 1) keinerlei „Aktualitäts"-Themata u. Fragen

1 Herkner arbeitete noch an seinen Beiträgen „Krisen" und „Owen". Diese sind erschienen in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 3., gänzlich umgearb. Aufl., Bd. 6. Jena: Gustav Fischer 1910, S. 2 5 3 - 2 7 6 , sowie ebd., S. 9 6 5 - 9 7 0 . 2 Webers in seinen Briefen an Herkner öfters geäußerter Wunsch, dieser möge Vorsitzender der DGS werden, hat sich nicht erfüllt. Laut Schreiben vom 31. Aug. 1909 an Hermann Beck (Abschrift masch.; SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.32) erklärte Herkner seinen Rücktritt als Vorstandsmitglied. Als Grund führte er „Ereignisse durchaus privater Natur" an, die dafür den Ausschlag gegeben hätten, doch dürften die in den Briefen Webers angesprochenen Differenzen Herkners mit den übrigen Berliner DGS-Mitgliedern eine nicht unerhebliche Rolle bei dieser Entscheidung gespielt haben. 3 Die entsprechenden Korrespondenzen sind nicht nachgewiesen.

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praktisch-politischer oder -ethischer Art in den Ortsgruppen-Versammlungen erörtern 2) durch ev. künstliche Mittel und Schranken der Diskussion dafür sorgen, daß nicht „gequatscht" wird und nur Berufene reden und diskutieren^] Man muß ja nun abwarten, wie das gemacht werden soll; sollte sich zeigen, daß es damit wirklich Ernst ist, so würden - bis auf die finanzielle Seite - meine persönlichen Bedenken gegen diese ganze Vortrags-Arrangiererei immerhin stark vermindert, so daß man m. E. die Probe machen könnte. Praktisch hätte ich nun - und darauf erbitte ich mir gelegentliche Antwort von Ihnen - Folgendes vorzuschlagen: 1. Cooptationen. M. E. von Frauen: Helene Simon und Käthe Schumacher Von Gelehrten: Gothein (liest Soziologie, 4 wohl als einziger deutscher Ordinarius) Wittich (Knapp ist wohl nicht zu gewinnen? Was denken Sie von Sartorius?) einen der Frankfurter Akademieleute (welcher schiene Ihnen |: eventuell :| am wenigsten unangenehm? Voigt ist Mitglied, Pohle noch nicht, doch würde ich ev. hinüberfahren u. ihn zu sprechen suchen). Brentano (wenn er sich gewinnen läßt: er schrieb mir, daß Goldscheids confuses Reden ihn abgeschreckt habe) 5 einen der Tübinger (oder beide) 6 - ev.: welchen?

die beiden einzigen Frauen, die wissenschaftliche Leistungen aufzuweisen haben bei uns. 7

„soziologische"

4 Tatsächlich hat Eberhard Gothein im Sommersemester 1909 eine Vorlesung über „Gesellschaftslehre" abgehalten; es ist aber bei diesem einzigen Mal geblieben. 5 Vgl. dazu den Brief an Brentano [zweite Aprilhälfte 1909], oben, S. 108. 6 Gemeint sind die beiden Nationalökonomen an der Universität Tübingen Carl Johannes Fuchs und Robert Wilbrandt. 7 Bei Helene Simon bezieht sich Weber zweifellos auf ihr zusammen mit Adele Gerhard verfaßtes Buch: Mutterschaft und geistige Arbeit. Eine psychologische Studie. Auf Grundlage einer internationalen Erhebung mit Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung. - Berlin: Georg Reimer 1901, welches er schon in anderem Zusammenhang in einem Brief an Paul Siebeck vom 19. Mai 1906 (MWG II/5, S.92) lobend erwähnt hatte: „Helene Simon ist sehr intelligent. Ihr Buch [...] über .Mutterschaft u. geistige Arbeit' (Enquête) gehört zu den besten Leistungen." Von den Arbeiten von Käthe Schirmacherist eigentlich nur ihre kleine Schrift: Züricher Studentinnen. - Leipzig und Zürich: Schröter 1896, zu nennen, die noch am ehesten als „soziologische" Leistung nach Webers Bezeichnung gelten kann.

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Losch - Stuttgart. von den Freiburgern (außer Diehl) noch: Schulze-Gäv[ernitz] (wenn er Interesse zeigt) Mombert und einen Historiker (Meinecke 3 oder Below, wenn sie sich darauf einlassen) 8 einen Mannheimer (etwa: Schott) Dietzel - Bonn, wenn möglich. einen Kölner (Eckert ist so entsetzlich unbedeutend und steril, - aber wen?) Ob man wohl katholische Gelehrte gewinnen könnte? Ich weiß Niemanden, da Hitze ja ganz werthlos wäre. Von Sozialdemokraten würde ich unbedingt für die Cooptation von Maurenbrecher und Calwer sein, eventuell auch für Koigen. Weitere mögen die Herrn David und Bernstein vorschlagen. Endlich: Techniker geeigneter Art. Ich würde es für sehr praktisch halten, diese Cooptationen, |:- soweit dieselben Ihre und ev. der andren Herren Billigung finden sollten, - : | im Sommer vorzunehmen und dann, wenn die Mehrheit des Vorstandes einverstanden ist, die Sitzung im Herbst z. B. etwa nach Frankfurt a. M. einzuberufen, damit diesmal die Teilnahme auch von andren als Berlin u. Leipzig leichter ist. 9 Sodann würde ich, wenn Sie einverstanden sind, s. Z. von mir aus für die Versammlung der Mitglieder ankündigen: 1. Antrag auf Wahl eines Vorsitzenden des Vorstands und |: dafür :| Beseitigung des Ausschußvorsitzenden, so daß der Ausschuß stets den Vorstand mit umfaßt. 10 a 0 : Meineke

8 Weber hat sich an Georg v. Below gewandt, der aber eine Mitgliedschaft in der DGS ablehnte; vgl. dazu Schreiben an Georg v. Below vom 28. Juni 1909, unten, S. 154f. 9 Die nächste DGS-Sitzung bzw. Mitgliederversammlung fand am 14. Oktober 1909 in Leipzig statt. 10 Tatsächlich ist das Amt des Ausschußvorsitzenden auf Webers Veranlassung abgeschafft worden; vgl. dazu Brief an Herkner vom 17. Febr. 1909, oben, S. 57, Anm.2. Was die Wahl des Vorstandsvorsitzenden betrifft, so wurde im endgültigen Statut der DGS in §8 festgelegt, daß der Vorstand drei vom Ausschuß zu wählende Vorsitzende umfaßte.

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2. Antrag auf ausdrücklichen statutarischen Ausschluß aller praktisch-politischen oder -ethischen Propaganda-Zwecke und Beschränkung auf rein wissenschaftliche Themata b . 11 3. - für den Ausschuß: Antrag: 12 entweder den Beitrag auf 13 M. zu erhöhen und dann den Ortsgruppen 3 Mark davon zu gewähren oder: 10% bei gleichbleibendem Beitrag, endlich und namentlich: 4. Recht der Ortsgruppen, bei bestimmter Minimalgröße (laut Statut oder. Geschäftsordnung) a) auf Vertretung im Ausschuß b) auf Abstimmung durch Delegierte mit Stimmübertragung auf den Mitglieder-Versammlungen, um Zufallsmehrheiten (speziell reine Verberlinerung) zu hindern. So umgestaltet könnte m.E. die Gesellschaft wohl funktionieren, ohne den bloßen Spektakel- und Reklamemachern in die Hände zu kommen. Würde man den Soziologentag nach München berufen - bei Abhaltung im Frühjahr wegen der von Italien Zurückkommenden doch recht empfehlenswerth, jedenfalls weit besser als Berlin - so würde |:wohl:| auch die Mitgliederversammlung 0 dortd stattfinden? Doch das ist |:ja:| spätere Sorge. Für den Soziologentag würde ich vorschlagen, doch auch an Lamprecht zu gehen, ob er ein von ihm zu wählendes Thema behandeln will. Vor Ostwald''s „energetischer Soziologie" graut mir stark, 13 - aber wenn er reden wollte, so müßte man ihn doch wohl, um Verstimmungen zu vermeiden, zu Worte kommen lassen, d.h. also, angesichts seiner sonstigen Bedeutung, fragen.14 b (und)

c (wohl)

d O: zweifach unterstrichen.

11 Zu Webers Erfolg in dieser Antragsfrage vgl. Brief an Herkner vom 7. April 1909, oben, S. 91, Anm. 5, sowie Webers Ausführungen in seinem Rechenschaftsbericht, in: Verhandlungen, S. 39f. (MWG 1/13). 12 Webers Bemerkungen in den folgenden zwei Punkten haben keinen Niederschlag in den Statuten gefunden. 13 Vgl. dazu Webers kritische Auseinandersetzung in seiner im September 1909 veröffentlichten Rezension: „Energetische" Kulturtheorien, erschienen in: AfSSp, Bd. 29, Heft 2, S. 575-598 (MWG 1/12). 14 Weber ging zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, daß der Soziologentag in Leipzig stattfinden werde, und hielt es deswegen aus Opportunitätsgründen für angebracht, die dort lehrenden Karl Lamprecht und Wilhelm Ostwald möglicherweise für Vorträge zu gewinnen. Bekanntlich wurde der Erste Deutsche Soziologentag dann jedoch vom 19. bis 22. Oktober 1910 in Frankfurt a. M. abgehalten.

8. Mai 1909

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Wie stehen Sie dazu? - Die Fragen haben ja alle noch viel Zeit, aber ein Programm, welches dem Ausschuß vorzuschlagen wäre, müßte doch vor Ende des Semesters festliegen und die Herrn des Vorstandes darüber einigermaßen einig sein. Daß Tönnies und Vierkandt, ev. Bücher gefragt werden sollten, stand ja wohl fest, ebenso der Vortrag meines Bruders. 1 5 Ich würde nur im Notfall sprechen (2 Brüder ist etwas reichlich |: u. ungewöhnlich: |, - mögen beide auch in Manchem sehr verschieden denken). Goldscheid schlug in einem Briefe an mich (er lud mich nach Wien zu einem Vortrag ein, den ich |:für jetzt:| ablehnte, daher der Anknüpfungspunkt) als Thema vor: „Stadt und Land in ihren gegenseitigen ökonomischen und bevölkerungstheoretischen (sie!) Beziehungen". Ich habe ihm vorerst als meine Ansicht geschrieben, 16 daß dies Thema der Vorbereitung durch Arbeiten der Gesellschaft bedürfen würde, ehe es mündlich verhandelt werde. Ich will Sie nicht mit noch mehr, vorerst ja nur platonischen, Bemerkungen belasten. Hoffentlich erreicht Ihre starke Arbeitsüberlastung bald ein Ende! Mit collegialen Grüßen Ihr ergebenster Max Weber

15 Aus Webers entsprechender Bemerkung in seinem Brief an Herkner vom 29. März 1909, oben, S. 87, geht hervor, daß sein Bruder Alfred auf dem Ersten Deutschen Soziologentag über das Thema „Darwinismus und Soziologie" referieren sollte. Der Vortrag ist aber nicht zustande gekommen. 16 Der Brief an Rudolf Goldscheid ist nicht nachgewiesen.

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Hermann Beck 9. Mai 1 9 0 9 ; H e i d e l b e r g Abschrift; maschinenschriftlich S H L B Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 5 4 . 6 1 : 1 . 1 . 6 0 Bezug: Schreiben von Alexis Freiherr V.Engelhardt an die DGS vom 30. April 1909 (Abschrift masch.; SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.23) mit einer Stellungnahme zu Webers Brief an Heinrich Herkner vom 25. März 1909, oben, S. 81 - 8 3 : „Ich hatte mich veranlaßt gesehen die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf die Äußerungen der Herrn Prof. Weber u. Sombart zu lenken, weil sie nicht geeignet waren die Werbekraft der Gesellschaft zu vergrößern u. weil mir bekannt war, daß dieselben bereits insofern geschadet hatten, indem sie ein Mitglied der Gesellschaft veranlaßten von der Absicht, der Gesellschaft eine größere Schenkung zu machen, Abstand zu nehmen. Ich sehe diese Angelegenheit als für mich erledigt an, denn 1. haben die von Prof. Weber zugegebenen Äußerungen meine Behauptungen im wesentlichen bestätigt und der Unmut, der aus seinem Schreiben spricht, hat sie schwerlich entkräftet, und 2. ist es mir bekannt, daß der Ausschuß keineswegs einstimmig die von mir beanstandeten Äußerungen beider Professoren billigt. - Auf den persönlichen Teil des Briefes des Herrn Weber werde ich nicht antworten, denn, nach seinem Briefe zu urteilen, sind unsere Begriffe über Höflichkeit zu verschieden. Was die Äußerungen des von mir gewiß hoch geschätzten Prof. Sombart betrifft, so bin ich durch die Erklärungen der Gesellschaft durchaus befriedigt und die Bemerkungen des Prof. Weber dazu sind ebenso unerlaubt wie unberechtigt."

Heidelberg 9. V. 09. Sehr geehrter Herr Doktor, D a Herr Freiherr V.Engelhardt die energische Zurückweisung seiner entstellenden Wiedergabe einer Äußerung seitens des Vorstandes und von meiner Seite als eine Bestätigung derselben 3 ansieht, so ist für mich der Fall auf Grund der Tatsache erledigt, da offenbar unsere Begriffe nicht nur auf dem Gebiet der Höflichkeit auseinandergehen. - In dieser letzteren Beziehung habe ich nur zu bemerken, daß Jemand, der Dritten gegenüber, eine Äußerung entstellt und mit dem Ausdruck „energischen Befremdens" wiedergibt, sich nicht beschweren darf, wenn mit der Richtigstellung eine ebenso energische Zurückweisung verbunden wird. Einen „persönlichen Teil" hatte mein Brief im Übrigen nicht. D a Herr V.Engelhardt die Zurückweisung seiner den Sachverhalt entstellenden Darstellung der Vorgänge nach der Äußerung des Herrn Prof. Sombart als ihn „befriedigend" empfindet, erachte ich mich einer Replik auf seine Bemerkungen gegen mich am Schlüsse seines Briefes für entbunden. Über die Andeutung, daß bei einer andersartigen Stellungnahme unsererseits die Gesellschaft für Soziologie finanzielle Vorteile zu ge-

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wärtigen gehabt hätte, zu diskutieren, entspräche wohl nicht ganz dem Niveau der Gesellschaft. - Der ganze Vorfall scheint mir eine Bestätigung meiner Ansicht, daß die Zulassung eines Jeden, der 10 Mark Beitrag zahlt, zu den Ausschuß-Sitzungen kaum sachdienlich ist. Ich 5 wiederhole jedoch, daß ich mich einem Beschluß, daß die Sitzungen öffentlich (für die Mitglieder) sein sollen, nicht widersetzen würde, es dagegen für Pflicht hielt und auch für künftig halten werde, dafür zu sorgen, daß eine solche, praktisch durchaus nicht gleichgültige, Übung nicht via facti, sondern nach vorangegangener Erwägung und Beschluß10 fassung eingeführt oder abgelehnt werde. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster Max Weber

a In Abschrift: desselben

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9. Mai 1909

Ferdinand Tönnies 9. Mai 1909; H e i d e l b e r g Abschrift; m a s c h i n e n s c h r i f t l i c h mit A u s l a s s u n g e n , mit h a n d s c h r i f t l i c h e n K o r rekturen v o n M a r i a n n e W e b e r G S t A Berlin, R e p . 92, Nl. M a x W e b e r , Nr. 30, Bd. 7, Bl. 124

Heidelberg, den 9.5.09. Lieber F. Tönnies! .. . a Am meisten hat mich Ihr Ausspruch frappiert: Politik muß „taktisch" sein oder sie muß nicht sein, - d . h . gerade von Ihnen erstaunte er mich. Er scheint ja aller „Realpolitik" Tür und Tor zu öffnen - und doch weiß ich aus unserer Unterredung über Naumann, daß dies keineswegs Ihre wahre Meinung ist. Ich würde nicht einmal Ihre Ansicht, daß aus diesem Grunde der Beitritt zu der gewiß politisch unfruchtbarsten Partei: der Sozialdemokratie wertlos sei, ablehnen. Denn wie die Dinge liegen, ist das Bekenntnis zu dieser Partei faktisch heute ganz im gleichen Sinn das einzige Mittel in den Kulturkreis des Proletariats eintreten, und für seine Interessen (ich meine nicht die empirisch gegebenen Bestrebungen, sondern die Interessen im innerlichsten menschlich höchsten Sinn) arbeiten zu können. Ja, selbst nur als Mensch zum Menschen mit ihnen sprechen zu können, - wie das formale Bekenntnis zur Kirche, das Entree für die Teilnahme an der heutigen Gesellschaft ist. Nur das Credo der S[ozial]-D[emokratie] könnte ich nicht ehrlich mitmachen und das hinderte mich - wenn ich nicht auch sonst „anderen Göttern diente" - am Beitritt, obwohl es schließlich ganz ebenso nur noch Lippen-Credo ist wie das Apostolikum. - Sie sagen: b

a Auslassungszeichen in Abschrift, b Ende der Abschrift mit handschriftlichem Zusatz von Marianne Weber: „fehlt Schluß!" sowie zwei nachträglich hinzugefügten Fragezeichen.

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11. Mai 1909 Heinrich Herkner 11. Mai 1909; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g G S t A Berlin, R e p . 92, Nl. M a x W e b e r , Nr. 18, Bl. 1 9 - 2 0

Heidelberg 11a. V. 9. Verehrtester Herr College, ich vermuthete wohl, daß von Ihrer Seite eine ähnliche Anregung kommen würde, wie Sie sie jetzt geben, und eben deshalb habe ich s.Z. versucht, Ihren Argumenten schon von vorn herein entgegenzutreten. 1 Da dies ohne Erfolg geschah, möchte ich nun nochmals sagen: 1. Eine Verlegung der Gesellschaft von Berlin nach auswärts, - es sei wohin immer (auch nach Leipzig) - wäre m.E. ebenso unmöglich, wie die jetzige 1 ' Beherrschung der Gesellschaft durch Berliner Lofca/interessenten unerwünscht ist. Schon der Versuch der Verlegung würde die Gesellschaft sprengen. 2. Es ist dauernd ausgeschlossen, daß ich den Vorsitz übernehme - , wer ihn auch sonst übernehmen mag. Gesundheitliche ebenso wie ideelle Gründe schließen das aus. Über die letzteren: schon die Führung des Ausschußvorsitzes durch mich würde mich auf die Dauer zu Rücksichten zwingen, die ich nicht bereit bin zu nehmen. Ich beabsichtige mich immer b ausschließlicher der wissenschaftlichen Kritik zuzuwenden 2 '. Dabei muß ich Leute wie Stammler, Ostwald, Lamprecht, Vierkandt, auch Simmel, mit der größten sachlichen Rücksichtslosigkeit angreifen, mit einer solchen, die - möge ich auch (was ich bei Stammler aus guten potentielle! Notgedrungen. Mit 45 Jahren überlegt man sich, was man an Leistungsfähigkeit bezw. an Continuität derselben noch vor sich hat, und darnach richtet man sich. 2)

a 9 > 11

b zunehmend > immer

1 Wie aus dem folgenden zu entnehmen ist, hat Herkner vermutlich einer Verlegung der DGS-Zentrale von Berlin an einen anderen Ort das Wort geredet. Herkners Bedenken gegen die Präponderanz Berlins, denen ja Weber nicht ferne stand, hatte dieser in seinen Briefen vom 7. April und 8. Mai 1909, oben, S.90f. und 116, zu zerstreuen gesucht, Herkners Vorschlag, Weber zum Vorsitzenden der D G S wählen zu lassen, schon in seinem Brief vom 29. März 1909, oben, S. 86, abgelehnt.

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Gründen nicht that) 2 die denkbar höflichste Form wählen, - °hie und da c Verstimmungen erzeugen d kann, jedenfalls aber mich in jedem Fall als (|:methodisch-:|wissenschaftlichen!) Parteimann stempelt, der ich auch sein will. Ein solcher ist | :objektiv: | ungeeignet zum Vorsitz, - subjektiv ist es jedenfalls mir gänzlich unmöglich, ihn damit innerlich zu kombinieren. Die gesundheitlichen Gründe widerstrebt es mir allzu eingehend zu entwickeln. Diejenigen, die mich nur „geschminkt", d.h. wenn ich mir ad hoc durch ziemlich scharfe Schlafmittel einige Tage Leistungsfähigkeit erkauft habe, sehen, können nicht ahnen, wie es in dieser Hinsicht mit mir steht. Um dasjenige Maß von Verläßlichkeit6 der Leistungsbereitschaft auch nur annähernd zu erreichen, welches die Übernahme dieses Vorsitzes für mich' \ :in einer Kleinstadt:|3 erfordern würde, müßte ich mich direkt in Abhängigkeit von solchen Giften, und auf die Dauer |:wohl:| von noch stärkeren als jetzt, begeben, - u n d das geht nicht an. Ich bitte Sie diese Ablehnung als definitiv zu betrachten: sie ist9 es. Und ich bitte Sie zugleich, Sich selbst nicht jetzt auf einen gleichen Standpunkt festzulegen. Sie sind jetzt auf Monate überlastet und schlechthin unabkömmlich. Gut. Dann lassen Sie das, was jetzt zu thun ist - und es hat ja Alles Zeit, ich habe nur deshalb schon jetzt diese Fragen aufgerührt, damit man später sie sich schon überlegt hat - lassen Sie also, sage ich, das jetzt zu Besorgende durch Beck besorgen, mit dem ich, da er sich vorerst (wie ja auch Sie sagen) ganz verständig gebärdet, gern weiter correspondiere, u. lassen Sie Sich nur auf dem Laufenden halten. Ebenso können, nachdem Sie die sachlichen Anregungen gegeben haben, nun wir Andren die ersten Versuche methodischer Vorschläge machen. Ich werde Ihnen s. Z. eine „Denkschrift" über die Erhebung betr. „Vereine" einreichen, 4 die ebenso nur die ersten Diskussions-

c notwendigerweise > hie und da d (wird, di) f ( b e d e u t ) g O: zweifach unterstrichen.

e Continuität >

Verläßlichkeit

2 Weber bezieht sich hierauf seine Polemik: R.Stammlers „Überwindung" der materialistischen Geschichtsauffassung, erschienen in: AfSSp, Bd.24, Heft 1, 1907, S. 9 4 - 1 5 1 (MWG I/7). 3 Gemeint ist Heidelberg. 4 Ob Weber jemals ein diesbezügliches Memorandum bzw. Exposé verfaßt hat, läßt sich aus den uns vorliegenden Dokumenten nicht eruieren; ausführlich äußert sich Weber dazu in seinem „Geschäftsbericht", den er in seiner Eigenschaft als Rechner auf dem Ersten Deutschen Soziologentag erstattet hat; vgl. dazu Verhandlungen, S.52ff. (MWG 1/13).

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Anknüpfungspunkte geben soll, wie das kleine Elaborat über „Zeitungen". 5 In 6 Monaten wird dann die Sache bei Ihnen günstiger stehen und dann treten Sie wieder in Aktion. Aber ich bitte Sie aus (persönlichen und) sachlichen Gründen herzlich und dringend, Ihrerseits Sich nicht auf das „Nicht-Annehmen" festzulegen, sondern zum Mindesten den jetzigen Zustand weiterbestehen zu lassen, aus dem sich dann nach meiner zuversichtlichen Erwartung Ihr definitiver Vorsitz s.Z. von selbst entwickeln muß. Bücher thut es ja nicht u. die andren Leipziger sind unmöglich, persönlich (Eulenburg) oder sachlich (Barth). Mit Goldscheid, der jetzt ganz ebenso wie Beck sich müht h , verhandelte ich deshalb, weil er | -.wenn allzu offenkundig kalt gestellt: | der Sache ('deren Gründung'seiner „Geschäftigkeit" aber doch |:auch:| viel verdankt) sehr schaden könnte^] Ihre Mahnung beherzige ich dabei gewiß, denn ich beurteile ihn wissenschaftlich gänzlich negativ. Im Übrigen werde ich Ihnen natürlich' alle Vorschläge (auch Cooptationen) in definitiver Form vorlegen, ehe ich sie als „Anträge" formuliere. Aber das hat auch Zeit. Ihre ungefähre Stellung kenne ich ja nun. Nur über Pohle oder Voigt (Frankfurt) sagten Sie nichts. Mit collegialem Gruß! Max Weber P.S. Der Ausschluß der Diskussion am Soziologentag wäre ja dessen absoluter Tod. Das geht absolut nicht und ist Lebensfrage für die Gesellschaft] . - Anders - darüber sprach Simmel mit mir (und vielleicht hat er das gemeint?) - bei den „Propaganda"-Vorträgen u. in den Orts-Gruppen. Da wäre das doch sehr diskutabel. Auch Beck gab das zu, ebenso Goldscheid.

h Unsichere Lesung,

i die > deren Gründung

j s . Z . > natürlich

5 Gemeint ist Webers Exposé: Disposition für die Bearbeitung einer soziologischen Untersuchung des Zeitungswesens (Entwurf von Professor Max Weber, Heidelberg). Ein Exemplar findet sich in: S H L B Kiel, NI. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.2.08 (MWG 1/13).

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Robert Michels 12. Mai 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig A F L E Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max Weber, Fasz. 66

Heidelberg 12. V. 9 Lieber Freund, die leider so wenig günstigen Nachrichten über Ihr Befinden habe ich mit herzlicher Teilnahme, aber nicht ohne eine gewisse Bitterkeit erhalten. Wenn ich doch nicht mit so unheimlicher Sicherheit wüßte, welches nervöse Schicksal Ihnen bei Ihrer Lebensführung und Arbeitsweise bevorsteht. Und nicht auch wüßte, daß nichts dabei 3 zu machen ist: Sie sind der so und so Vielte, und noch Keinem von denen, die ich kannte, hat Das, was man ihm sagte, etwas genutzt, - ehe es zu spät war. Wirklich? Sie haben Ihre Nachtarbeit „eingeschränkt"? - u. das soll etwas helfen? Sie reisen „zur Erholung" (!!) nach Paris? und das die Cur der Übermüdung durch neue Reize hat (erstaunlicherweise!) nichts geholfen? Glauben Sie mir nur: ich kenne den |:- so zu sagen - : | Boheme-haften Reiz Ihrer |: „intensiven" :| Lebenweise recht wohl, aberwersie |:in Ihrem Alter noch weiter :| führen will, |:der:| muß in der Welt allein stehen und jeden Augenblick, wenn der | unvermeidliche:| Collaps kommt, aus ihr gehen können - unfreiwillig oder auch freiwillig - , ohne daß er Jemandem dafür Rechenschaft schuldete. - Lassen Sie ein Jahr lang alle auswärtigen Vortragsreisen, alle hastige Arbeit, liegen Sie jeden (jeden°\\) Abend um 9lh Uhr im Bett, gehen Sie zur Erholung |:im Sommer:| |-.ausgiebige Wochen:| \:ohne Bücher (ohne alle0 Bücher!):! ' n den einsamen deutschen Wald |:(Spessart: Pension 3—4Mk):|, - dann wissen Sie nach einem Jahr, was Ihnen an Arbeitskraft-Capital noch geblieben ist, werden 0 die Sicherheit Ihres gesundheitlichen Selbstgefühls wieder haben und erfolgreich arbeiten können, | insbesondre genau wissen, wie viel Sie arbeiten können. :| Aber nur dann. Und da Sie das doch nicht thun, nutzen 7e//conzessionen gar nichts und verstimmen Sie bloß. Und ebenso verstimmen Sie ^natürlich:!, a u s eben demselben Grunde, solche Mahnungen wie die vorstehende, - sie soll |:daher:| die definitiv letzte ihrer Art sein. Denn natüra dagegen > dabei d und, > werden

b 0 : zweifach unterstrichen,

c O: zweifach unterstrichen,

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lieh haben Sie 1000 angeblich zwingende „Gründe", - pekuniäre und andre - |:sich:| so zu ruinieren, wie Sie es thun, und die Nichtigkeit all dieser (auch der pekuniären) Gründe gegenüber der Gefahr (auch der pekuniären!) sehen Sie erst ein, wenn es zu spät ist. Das ist der mir nun aus so vielen Beispielen bekannte Lauf der Welt, daß ich das Gegenteil wie ein Wunder bestaunen® und einfach nicht glauben würde. Wenn Sie aus Vorstehendem weniger die Anteilnahme des Freundes als die Besserwisserei des „Nerven-'Experten" hören, so verzeihen Sie, - man muß sich von Zeit zu Zeit die Wahrheit vom Halse sprechen. Mir geht es sehr mäßig, meiner Frau |:jetzt:| etwas besser. Sommerpläne haben wir | ¡vorerst:| nicht1'. Wir waren kurze Zeit am Lago Maggiore, aber ich wurde durch Correkturen dort aufgescheucht und büße jetzt noch dafür. Denn Störung der Erholung ist das ungünstigste von Allem. Die Streik-Ethik? - ja, v[erehrter] Fr[eund]!: am Schluß Ihres Artikels heißt es doch: jeder Streik ist gerecht, weil er | :auf dem Wege: | zum Zukunftsziel liegt.1 1) ist letzteres nachweislich unrichtig: verlorene Streiks wirken |: zu weilen gradezu:| auf Jahrzehnte retardierend (Hamburg!), 2 und 2) ist das doch „Erfolgsethik": das Mittel ist „gerecht", weil der erhoffte Erfolg „gerecht" ist, - während doch der Syndikalismus entweder eine nichtige Schrulle intellektueller Romantiker und Geldopfer-unfähiger disziplinloser Arbeiter ist, - oder: eine Gesinnungs-Religion, die auch dann zu Recht besteht, wenn es nie ein Zukunftsziel giebt, welches „erreicht" wird und wenn es9 auch wissenschaftlich feststeht, daß dazu keinerlei Chance ist. Ja - „der Verleger creiert recht oft den Autor." Aber ein Autor, der, |:wie Sie: | auf eine ganz spezifische |: wissenschaftliche: | Lebensaufgabe eingestellt ist und auf den Verleger wartet, findet ihn nie. Keiner könnte wie Sie eine „Geschichte des Sozialismus als Culturerscheinung" schreiben. Aber dazu bedarf es der inneren Ruhe, die man sich erzwingen '' Wir sind voraussichtlich hier jederzeit bis September zu treffen. Was dann (ca Mitte Sept[ember]) wird, weiß ich noch nicht. e (würde)

f „nervösen > „Nerven-

g dies > es

1 Vgl. dazu Brief an Michels vom 19. Febr. [1909], oben, S. 60, Anm. 1. 2 Gemeint ist der große Hamburger Hafenarbeiterstreik von 1896/97; vgl. dazu Brief an Michels vom 19. Febr. [1909], oben, S. 61, Anm. 2.

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kann, wenn man will. Aber Sie wollen eben nicht, sondern wollen dem Augenblicke leben. Ich weiß sehr gut, was dabei Alles |:an Gründen:| mitspielt, - aber letztlich auch Ihr Wille. Denn Andre hatten es nicht selten ähnlich schwer wie Sie. Ich schreibe Ihnen bald etwas von wissenschaftlichen Absichten. Über s diesen Brief ärgern Sie Sich ja doch nur. Aber ich mußte ihn schreiben. Wie gesagt aber ist er der letzte seiner Art. Ihrer Frau geht es, wie ich von Jaffe hörte, besser? Bitte grüßen Sie sie von uns beiden u. seien Sie selbst herzlich gegrüßt. Ihr Max Weber. 10

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Robert Michels [nach d e m 12. Mai 1 9 0 9 ] ; o. O. Brief; e i g e n h ä n d i g A F L E Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max W e b e r , Fasz. 79 Das Datum ist erschlossen aus der Bemerkung Webers, daß sein vorheriges Schreiben an Michels bei diesem zwar „freundliche Aufnahme gefunden" habe, er aber an eine .Wirkung' nicht glaube, was darauf hindeutet, daß es sich um die Mahnungen Webers in seinem Brief vom 12. Mai handelt, Michels möge mehr auf seine Gesundheit achten. Dem undatierten Brief Ist irrtümlich ein Briefumschlag mit dem Poststempel Heidelberg vom 8. November 1910 zugeordnet.

Lieber Freund, - wir freuen uns schon jetzt auf Ihren Besuch im August. Mit Frau 1 doch wohl? Obwohl wir allerdings leider Sie beide zusammen nicht logieren können, da wir nur ein Fremdenbett haben. - Ich danke Ihnen für die 5 freundliche Aufnahme meines Briefes, - an eine „Wirkung" glaube ich schlechterdings nicht, so sehr ich sie wünschen möchte. Mir ging es wieder wochenlang hundsschlecht, nichts rückt voran von den Arbeiten. Z . Z . mache ich Propaganda für die „Soziologische Gesellschaft", die wir (unter Simmeis Ägide) in Berlin gegründet haben. Hoffentlich 10 kommt bei der Sache etwas Verständiges heraus. Von der Sozfial-] Dem[okratie] thun wieder nur kleine Kreise: David, Bernstein, Calwer, mit. Freundschaftl. Gruß! Ihr 15

Max Weber (D r Casalini schrieb ich)2

1 D.h. Gisela Mlchels-Llndner. 2 Das Schreiben an Giulio Casalini ist nicht nachgewiesen.

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Heinrich Herkner 15. Mai [ 1 9 0 9 ] ; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g G S t A Berlin, Rep. 92, Nl. Max W e b e r , Nr. 18, Bl. 2 9 - 3 0 Das Jahr wurde aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 15/V

Verehrtester Herr College, ich komme auf die von Jaffe mir in Ihrem Auftrag mitgeteilten Punkte (ich sprach J[affe] erst vorgestern). 1. Gewiß ist Bortkiewicz oder so Jemand sehr geeignet als „Dämpfer".1 2. Der Zeitpunkt der Ausschußsitzung (gleich nach dem V[erein] f[ür] Soz[ial-]Pol[itik]) scheint mir ganz geeignet. 2 3. Vorträge für den Soziologentag: auch ich würde es für gut halten, methodische Fragen für diesmal ganz oder so weit möglich auszuschalten. Dann muß aber Eulenburg sein Thema eng und sachlich begrenzen. Sonst - wenn man von „naturwissenschaftlicher] Soziologie" spricht, oder „Natur und Gesellschaft" etc. - kommen alle methodischen Fragen in die Sache hinein und es ist „Jedermanns Hand wider Jedermann!" 3 Mein Bruder wird sein Referat: Vererbung (bezw. Darwinismus) ina ihrer soziologischen] Bedeutung ebenfalls rein sachlich u. nicht „prinzi-

a (der)

1 Der genaue Sachverhalt, um den es hierbei geht, ist aus den überlieferten DGSDokumenten nicht zu eruieren; möglicherweise handelt es sich um einen Vorschlag Herkners, Ladislaus v. Bortkiewicz, der Mitglied des DGS-Ausschusses war, als ihm besonders geeignet erscheinende Persönlichkeit für einen der Vorsitzendenposten nominieren zu lassen. 2 Während die Tagung des Vereins für Sozialpolitik in der Zeit vom 27. bis 29. September 1909 in Wien stattfand, wurde die nächste Ausschuß- und Vorstandssitzung der DGS erst am 14. Oktober 1909 in Leipzig abgehalten, und zwar im Anschluß an eine notwendig gewordene außerordentliche Generalversammlung, die satzungsgemäß einen Nachfolger für Heinrich Herkner zu wählen hatte, da dieser am 31. Aug. 1909 laut Schreiben an Hermann Beck (Abschrift masch.; SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.32) von seinem Amt als einer der DGS-Vorsitzenden zurücktrat. 3 Zitat nicht nachgewiesen. Möglicherweise handelt es sich um eine Abwandlung des Ausspruchs von Thomas Hobbes: „bellum omnium contra omnes".

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piell" fassen müssen, d. h. die Punkte erörtern müssen, wo Vererbungsfragen heute schon sachlich eine Rolle in der Ursachenverkettung spielen.15 Das ist an sehr wenig Punkten der Fall. Aber, wie gesagt, das Eulenburg'sche Referat muß dann ebenfalls begrenzt sein, sonst kommen sich überdies die beiden ins Gehege mit ihrer Themen-Abgrenzung. 4 4. Sektionen-Abgrenzung scheint mir z. Z. weit verfrüht u. möglicherweise schädlich.5 Ich meine: man setzt jeweils ad hoc „Commissionen" für Vorbereitung von Spezialfragen ein, das genügt vollauf. 5. nochmals: Einzig möglicher Vorsitzender sind Sie.6 Würde Bücher Vorsitzender, so hätte dies Leipziger Milieu (Ostwald, Barth) die Führung, die sie in ihrem Sinn \:popularisierend:\ misbrauchen würden. Sie erinnern sich ja der Stellungnahmen der beiden Herren in der Sitzung? 7 Denn Bücher selbst ist zu weitgehenden Conzessionen an sein „Milieu" bereit, das fand ich jedesmal bestätigt. 0 Andrerseits hat er eine gewisse intolerante Enge gegen alles Naturwissenschaftliche da, wo es ihm seine Kreise stört|,| und sehr starke persönliche Antipathien. Nach kurzer Zeit hätte er die Sache satt. Sie sind der konzilianteste und neutralste (grade weil Sie nicht ein Nichts-als-Soziologe sind), können sowohl nach der technischen Seite wie nach der ökonomischen die Verbindung aufrecht erhalten u. das aber brauchen wir, neben der anerkannten wissenschaftlichen Position, am Vorsitzenden. Es ist eine grundvevkehrte Ansicht, daß der Vorsitzende alle Arbeiten selbst leiten müsse, - darin scheint mir das npwxov

b (Auch)

c (Auch)

4 Weder Franz Eulenburg noch Alfred Weber haben auf dem Ersten Deutschen Soziologentag referiert; einen Vortrag über das Thema Rasse und Gesellschaft hat der Biologe Alfred Ploetz beigesteuert; vgl. dazu Schreiben an Hermann Beck vom 8. März 1910, unten, S.422. 5 Tatsächlich ist die Bildung von Sektionen innerhalb der DGS erst 1910 akut geworden; vgl. das Schreiben an Hermann Beck vom 12. Sept. 1910, unten, S. 606f. 6 Zur Wahl des bzw. der DGS-Vorsitzenden vgl. Brief an Herkner vom 8. Mai 1909, oben, S. 113, Anm.2. 7 Weber bezieht sich auf die gemeinsame Sitzung von Vorstand und Ausschuß der DGS am 7. März 1909 in Berlin. Laut Protokoll (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.2.10) hatten sowohl Paul Barth als auch Wilhelm Ostwald als Ausschußmitglieder daran teilgenommen. Ihre Äußerungen sind allerdings genausowenig wie die der anderen Teilnehmer dokumentiert, da das kurzgefaßte Protokoll lediglich die Ergebnisse der Diskussionen mitteilt.

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(J/eüSo? bei Ihnen zu liegen. Er muß, im Gegenteil, Andre für die Gesellschaft arbeiten lassen und die personale, finanzielle und die sachliche Interessen ausgleichende Controlle üben. Ich erkläre nochmals: ich thue keinen Schritt mehr in der Sache, wenn Sie jetzt Sich der aus der Natur der Dinge hervorgehenden Stellung und Aufgabe d versagen sollten. Es ist von gar keiner Bedeutung, ob Sie grade jetzt, in den nächsten 6—9 Monaten, sachlich viel oder wenig oder gar keine Arbeit hineinstecken können. Aber man muß wissen, mit wem man, nachdem die Geburtswehen vorbei sind, als Vorsitzendem zu rechnen hat. Wen Sie auch nennen werden, gegen Jeden liegen von irgend einer Seite her Bedenken vor, die das Zusammenarbeiten erschweren. Von keiner Seite aber gegen Sie. Denn selbst wenn Jastrow wirklich „animos" gegen Sie sein sollte8 - ich bezweifle es vorerst - so ist das keinerlei wirkliches „Bedenken" u. er wäre dann der Einzige. Nochmals: werfen Sie jetzt nicht Alles über den Haufen, was Sie aufbauen halfen. Collegialen Gruß! Ihr ergebenster Max Weber

d In O folgt: Sich

8 Ein Antrag von Ignaz Jastrow während der DGS-Versammlung vom 7. März 1909, der sich auf die Wahl eines Vorsitzenden bezog, hatte bei Herkner zu erheblicher Verstimmung geführt; vgl. dazu Brief an Herkner vom 16. März 1909, oben, S. 73, Anm. 2 und 3.

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Heinrich Herkner [nach d e m 15. M a i 1909]; o . O . Brief; e i g e n h ä n d i g G S t A Berlin, R e p . 92, Nl. M a x W e b e r , Nr. 18, Bl. 2 6 Die genaue Datierung ist nicht zu eruieren, doch dürfte der Brief sich an die vorhergehende Korrespondenz anschließen.

Verehrtester Herr College, mit dem allerherzlichsten Bedauern ersehe ich aus Ihren Zeilen, daß eine schwere oder doch ernste Erkrankung Ihrer verehrten Frau Gemahlin, 1 die ich erst jüngst flüchtig kennen lernen durfte, Sie innerlich belastet, - wie sehr, weiß ich aus eigner wiederholter Anschauung nur zu wohl. Mit der wärmsten Anteilnahme verbinde ich den Wunsch, daß Sie in nicht zu ferner Zeit mit weniger Sorge in die Zukunft blicken dürfen. Ich behalte Ihre Mitteilung selbstverständlich durchaus für mich. Mit Ihrer Zustimmung werde ich versuchen, die Angelegenheiten der ev. Preß-Enquete vorläufig meinerseits ohne jeweilige spezielle Rückfrage zu fördern in der sicheren Erwartung, daß Sie, sobald Sie Ihrer schweren Sorge ledig sind, Sich wieder ganz an die Spitze der Sache stellen, für die ein Mann von wissenschaftlicher unangefochtener Bedeutung außer Ihnen nicht zur Verfügung steht. In freundschaftlicher Gesinnung Ihr ergebenster Max Weber

1 Gemeint ist Hedwig Herkner, geb. Lötz.

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23. Mai 1909

Paul Siebeck 23. Mai 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 23/V 9 Sehr geehrter Herr D r Siebeck! Ich schicke heut (oder morgen früh) das Mscr. (1. Hälfte) meines Schlußartikels für das Archiv, 1 damit ich diese Partie, die auch wieder von meinem Vetter in Örlinghausen eingesehen werden muß, nach Pfingsten korrigieren kann. Der Rest folgt in der ersten Juniwoche. Ich möchte, ehe ich an Wieser schreibe, Sie wenn möglich noch einmal sprechen u. Ihnen auch den Entwurf des Briefes zeigen. 2 Paßt es Ihnen, wenn ich Donnerstag Abend oder Freitag früh von Stuttgart aus, wo ich Donnerstag bin, nach Tübingen komme? Oder wann besser? Ich schicke Ihnen |:dann:| vorher noch den Stoffverteilungsplan, den ich provisorisch - aufstellte 3 ^] u. möchte auch wegen der sonstigen Mitarbeiter mit Ihnen reden. Die ganze Angelegenheit hat sich unliebsam verschleppt durch die Arbeit an dem Artikel, die schließlich, da ich die Hälfte nicht publizieren kann, meist vergeblich war. Mit besten Empfehlungen und freundschaftlichen Grüßen Ihr Max Weber Freitag Nachmittag wollte ich in einer andren Angelegenheit (Soziologfische] Gesellschaft) Wilbrandt und ev. Fuchs dort aufsuchen.

1 Weber bezieht sich auf sein Manuskript zur Psychophysik der industriellen Arbeit. IV. (Schluß.), später erschienen in: AfSSp, Bd. 29, Heft 2,1909, S. 5 1 3 - 5 4 2 (MWG 1/11). 2 Weder der Entwurf noch die korrigierte Ausfertigung des Schreibens an Friedrich v. Wieser sind nachgewiesen. 3 Der provisorische Stoffverteilungsplan für den GdS ist im VA Mohr/Siebeck (Tübingen) nicht nachgewiesen, da Paul Siebeck ihn Weber zurücksandte, „ohne eine Abschrift davon genommen zu haben." Vgl. Brief an Paul Siebeck vom 31. Mai 1909, unten, S. 136, Anm.2.

26. Mai 1909

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Paul Siebeck [vor oder am 26. Mai 1909; Heidelberg] Brief; eigenhändig V A Mohr/Siebeck, Deponat B S B München, A n a 446 Datum und Ort erschlossen aus Verlagsvermerk: „Heidelberg, 26. V. 09."

Sehr geehrter Herr D r Siebeck! Ich werde mit dem Mittagszuge aus Stuttgart fahren, also nach 4 Uhr in Tübingen sein, um Ihren Herrn Sohn jedenfalls noch zu treffen. Anbei die vorläufige Skizze,1 die ich Ihnen unterbreiten möchte, auf 5 160 Bogen (1. Aufl.: 164) kalkuliert (3 Bände) aber allerdings im Raum teilweise sehr knapp! Den Briefentwurf an Wieser bringe ich mit. Mit freundschaftl. Gruß Ihr ergebenster Max Weber

1 Gemeint ist der im Brief vom 23. Mai 1909, oben, S. 132, erwähnte, uns nicht überlieferte provisorische Stoffverteilungsplan für den GdS.

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27. Mai 1909

Paul Siebeck 27. Mai 1909; Stuttgart Telegramm VA Mohr/Siebeck; Deponat BSB München, Ana 446

Muß leider umkehren. Brief morgen. Weber

27. Mai 1909

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Paul Siebeck 27. Mai PSt 1909; PSt Stuttgart Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Stuttgart - Heidelberg 27/V. Sehr verehrter Herr D r Siebeck! Eine meiner, stets mehrere Tage dauernden Dauer-Migränen macht mich unfähig für menschliche Gesellschaft, so daß ich zu meinem größ5 ten Verdruß umkehren muß. Ich hätte mit Ihnen sehr gern auch über den Plan mit Calwer gesprochen, um Ihre Stellungnahme kennen zu lernen. 1 Kommt Ihr Herr Sohn vielleicht durch Heidelberg in der nächsten Zeit? Er wäre stets sehr willkommen, - unser Fremdenzimmer ist aller10 dings voraussichtlich von meiner Mutter besetzt. Aber meine Reisefähigkeit ist jetzt zu unsicher. Vielleicht schreiben Sie mir |:auch:| einmal über den (vorläufigen) Verteilungsplan? Mit freundschaftlichem Gruß Ihr ergebenster Max Weber

1 Richard Calwer sollte im AfSSpdie sozialpolitische Berichterstattung übernehmen; vgl. dazu Brief an Edgar Jaffe vom 30. Dez. [1908] (MWG II/5, S. 708). Tatsächlich hat Calwer im Dezember 1909 einen solchen Bericht geliefert, der aber auf so große Bedenken Webers stieß, daß er nicht gedruckt wurde. Vgl. dazu Brief an Edgar Jaffe vom 3. Dez. 1909, unten, S. 326-328.

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31. Mai 1909

Paul Siebeck 31. Mai 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 3 W 9 Sehr geehrter Herr D r Siebeck! Ich sehe, daß ich in der Eile ganz übersehen hatte, daß Ihr Herr Sohn auf Übung, nicht auf die Reise geht. 1 Um so ärgerlicher ist mir das neuliche Mißgeschick. Denn natürlich hätte ich außer Ihnen selbst auch ihn sehr gern grade darüber gesprochen. Vorerst muß ich mit Reisen offenbar sehr vorsichtig sein, der Winter mit seinen vielen Eisenbahnfahrten ist mir noch in den Gliedern. Ich möchte den Stoffverteilungs-Plan nur noch interpretieren: er ist ja ganz provisorisch.2 1) werde ich für die 2. Hälfte, deren Artikel, da sie sicher schneller gearbeitet werden, ja nicht so eilig sind, fast für die Hälfte noch andre Gruppierungen und auch andre Mitarbeiter vorschlagen. Die jetzigen sind vielfach nur die pièces de résistance, falls andre nicht zu gewinnen sind. So besonders aber „Agrarwesen". Da müßte man namentlich Aereboe zu gewinnen suchen. 3 Ebenso können manche Artikel zu Gunsten eines größeren Aufsatzes über „Ökonomisches] Wesen des Kapitalismus" fortfallen, falls mein Bruder diesen Aufsatz machen will.4 Ich wollte vorerst nur demonstrieren, was u. wo gekürzt werden soll nach meiner Ansicht. Man kann dann immer noch verschieben u. än-

1 Paul Siebeck hatte Weber am 29. Mai 1909 brieflich mitgeteilt (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), daß sein Sohn Oskar nicht nach Heidelberg kommen könne, da er durch eine Militärübung, die er derzeit absolviere, verhindert sei. 2 Paul Siebeck hat diesen Plan mit einem Begleitschreiben vom 11. Juni 1909 (VA Mohr/ Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) an Weber zurückgesandt, „ohne eine Abschrift davon genommen zu haben". 3 In der Folge hat sich Weber - wenn auch vergeblich - um eine Mitarbeit von Friedrich Aereboe bemüht. Vgl. dazu die Briefe an Paul Siebeck vom 17. Juli, 20. Aug., 1. und 3. Sept., sowie 8. Nov. 1909, unten, S. 191, 229, 246, 248 und 308. 4 Da Alfred Weber die Übernahme dieses Artikels ablehnte, versuchte Max Weber, Werner Sombart als Bearbeiter zu gewinnen, der sich dann auch prinzipiell bereit erklärte, diesen zu übernehmen. Vgl. Brief an Paul Siebeck vom [1. Sept. 1909], unten, S. 246.

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dem. Anbei der Briefentwurf für Wieser.5 Die Frage ist: wollen Sie Sich auf die Separat-Ausgabe festlegend Das ist natürlich ein starkes Reizmittel |:für Autoren.:| Aber es geht doch nur für die großen Aufsätze (Theorie, Wirtschaftsstufen, Dogmengeschichte, Agrarwesen, Gewers be, |: Handelspolitik, Colonial- u.: | vielleicht Sozialpolitik), nicht für alle die kleinen. Ein gelegentliches Zusammentreffen - wenn Sie nicht hierher kommen können, vielleicht in Stuttgart? - wäre schon recht erwünscht. Vielleicht an einem Sonntag, wo Ihr Sohn auch könnte? Aber jedenfalls erst in einigen Wochen. Ich bin noch sehr müde, das Frühjahr 10 war sehr schlecht für mich, so schlecht wie lange nicht. Mit freundschaftlichen Grüßen Ihr ergebenster Max Weber

5 Hinsichtlich des Briefes an Friedrich v. Wieser siehe Brief an Paul Siebeck vom 15. Juni 1909, unten, S, 146. 6 Dazu vermerkt Paul Siebeck in seinem Brief vom 11. Juni 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446): „Mit Separatausgaben größerer und wichtigerer Aufsätze bin ich im Prinzip einverstanden. Nur müßte wohl eine Art Schonfrist für das Handbuch als Ganzes ausbedungen, d.h. für das Erscheinen der Separatausgaben ein etwas späterer Termin vereinbart werden, als für das Erscheinen des Handbuchs. Doch soll dies meinerseits gerade nicht eine conditio sine qua non sein."

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Juni

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Lujo Brentano BK Juni 1 9 0 9 ; BK H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g BA Koblenz, Nl. Lujo Brentano, Nr. 67, Bl. 89 Der Brief befindet sich als Zusatz auf einem gedruckten, von Weber verfaßten Einladungsschreiben zum Beitritt in die DGS (BA Koblenz, ebd., B l . 8 9 - 9 1 ; MWG 1/13).

Heidelberg, Juni 1909.

Hochverehrter Herr Geheimrath! Die „Soziologische] Gesellschaft]" ist nicht mit Simmel identisch, (dessen Vortrag ich s. Z. in Berlin hörte 1 u. für das Schwächste halte, was er je sagte oder schrieb - schließlich hat er |:denn:[ doch Einiges Andre geschrieben!). Das „Institut" ist das bibliographische, von D r Beck geleitete. Ob wir uns auf dessen Angliederung einlassen, ob D r Beck selbst sie wünschen würde, ist ganz fraglich. Die derzeitige Mehrheit wäre kaum dafür. Die „Soziologische] Gesellschaft]" ist |:nach a ihrer Arbeitsweise'. \ nur das, was der VfereinJ f f ü r j Sozialpolitik, dem Sie angehören, auf andrem Gebiet u. mit anderer Leitung ist b , insbesondre in Unabhängigkeit von Herrn Geibel (D[uncker] & Humblot), der jetzt einfach erklärt hat, Beiträge von Sozialdemokraten nehme er nur in Auswahl an. Sie haben immer eine von den Berliner Verwaltungsbeamten |:u. Geheimräthen: | freie Gesellschaft gewollt, - hier ist sie. Warum halten Sie Sich hartnäckig an zufällige Zsmze/persönlichkeiten, statt an die Sache? Sind es denn lauter Narren, die Ihnen mit der Zumuthung kommen, mitzuthun? Ist Bücher ein Narr, der die Leitung der PreßEnquete zu übernehmen nicht abgeneigt ist? 2 In Verehrung Ihr Max Weber

a (seiner A r )

b Fehlt in O; ist sinngemäß ergänzt.

1 Gemeint ist der Vortrag Georg Simmeis auf der Gründungsversammlung der DGS am 7. März 1909 in Berlin über die Aufgaben der Soziologie. 2 Vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 11. Aug. 1909, unten, S. 224.

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Johann Plenge 5. Juni 1 9 0 9 ; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g UB Bielefeld, Nl. J o h a n n Plenge In dem nachstehenden Brief geht es um die Reichsfinanzreform von 1909. Johann Plenge hatte die Vorschläge der Reichsleitung für eine umfassende Reform der Reichsfinanzen, die eine Vermehrung der Einnahmen des Reiches um 500 Millionen Mark jährlich anstrebte, in seiner Abhandlung „Zur Diagnose der Reichsfinanzreform" in der Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Jg.65, 1909, S. 2 8 8 - 3 3 7 , einer eindringlichen Kritik unterzogen. Die Reichsfinanzen befanden sich bereits seit geraumer Zeit in einem kritischen Zustand; den vor allem wegen der Vergrößerung von Heer und Flotte stark gestiegenen Ausgaben standen nur unzureichende Einnahmen gegenüber, und das Reichsschatzamt war seit der Jahrhundertwende zunehmend dazu übergegangen, den Mehrbedarf auf dem Anleiheweg zu decken, da einer grundlegenden Steuerreform politische Widerstände im Wege standen. Traditionell finanzierte sich das Reich aus indirekten Steuern und den Einnahmen der Zölle sowie den sog. Matrikularbeiträgen der Bundesstaaten, während die direkten Steuern den Bundesstaaten und den Kommunen überlassen blieben. Jedoch verbot sich unter den gegebenen Umständen aus politischen Gründen eine weitere Steigerung der indirekten Steuern, die in erster Linie die breiten Massen der Bevölkerung trafen. Die liberalen Parteien drängten daher seit längerem auf die Einführung direkter Reichssteuern, unter anderem einer Nachlaßsteuer bzw. einer Reichserbschaftssteuer auf Ehegatten und Deszendenten. Die Konservativen hinwiederum bekämpften erbittert alle Besitzsteuern, soweit sie nicht das mobile Kapital trafen, und insbesondere jegliche Form einer Erbschaftssteuer, in der sie den ersten Schritt auf dem Wege zu einer sozialistischen Gesellschaftsordnung sahen. Die nach monatelangen kontroversen Beratungen innerhalb der Regierung am 19. November 1908 von Fürst Bülow im Reichstag eingebrachte Vorlage der Reichsfinanzreform stellte unter diesen Umständen ein Kompromißprodukt dar, welches im Reichstag und in der Öffentlichkeit sogleich heftiger Kritik unterzogen wurde. Mit dieser Vorlage befaßt sich auch die besagte Abhandlung Johann Plenges, auf die sich Max Weber im folgenden bezieht. Die Regierungsvorlage wurde späterhin, endgültig am 24. Juni 1909, von einer Koalition des Zentrums und der beiden konservativen Parteien zu Fall gebracht, was den Rücktritt des Fürsten Bülow nach sich zog. Vgl. dazu Witt, Peter-Christian, Die Finanzpolitik des Deutschen Reiches von 1903 bis 1913. Eine Studie zur Innenpolitik des Wilhelminischen Deutschland (Historische Studien, Heft 415). - Lübeck und Hamburg: Matthiesen 1970, insbes. S. 251 ff.

Heidelberg 5/VI9 Sehr geehrter Herr College! Sie werden mich für sehr unhöflich halten müssen, da ich Ihre freundlichen Sendungen so lange unbeantwortet ließ. Allein das lag im Wesent5 liehen an mangelhaftem Befinden. Im Übrigen brauche ich kaum zu sagen, wie sehr ich - in allem Wesentlichen - mit dem Inhalt Ihrer

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verschiedenen Aufsätze übereinstimme. 1 Am meisten natürlich mit dem über Gildemeister und das heutige Bürgertum Gesagten. 2 Es wirkt3 thatsächlich unsäglich blamabel, wenn wir uns im Spiegel dieser Generation zu betrachten genötigt sind. Zahn hätte m. E. besser gethan zu schweigen und damit zuzugestehen, 5 daß seine Leistung, möchte er in Kleinigkeiten Manches für sich sagen [la]ssenb können, doch das bleibt was sie ist: ein bedauerlicher Mißbrauch der Wissenschaft für „patriotische" Zwecke. 3 a ist > wirkt

b Lochung.

1 Es handelt sich um Plenge, Johann, Die Finanzen der Großmächte. Eine Kritik neudeutscher Finanzstatistik, in: ZGS, Jg. 64, 1908, S.713-775, ders., Rezension von Hermann Schumacher, Die Ursachen der Geldkrisis, ebd., S. 562-567, sowie seine Replik auf Schumachers Gegendarstellung (Zur Frage der amerikanischen Geldkrisis. Erwiderung, ebd., S.781-787): Antwort auf die Erwiderung, ebd., S.787-794, ders., Zur Diagnose der Reichsfinanzreform, in: ZGS, Jg. 65, 1909, S.288-337, sowie ders., Rezension von Otto Gildemeister, Aus den Tagen Bismarcks. Politische Essays, ebd., S.351 - 3 5 3 . 2 In der Rezension der Schrift von Otto Gildemeister (wie Anm. 1) hatte Plenge den „Hanseatengeist" des liberalen Bürgertums gerühmt, der in diesen Essays zum Ausdruck komme; dieser erscheine „uns als unübertreffliche Verkörperung der besten Gedanken des deutschen Bürgertums". Ebd., S.351. Der würdigen und „vornehmen" Form klassischen liberalen Denkens, das hier zum Ausdruck komme, stellte er die zeitgenössischen Verhältnisse im Wilhelminischen Deutschland gegenüber: „Der Vergleich des heutigen bürgerlichen Deutschlands mit dem der 60er Jahre ist geradezu erschreckend. Was ist von jener hohen Gesinnung geblieben? Welche Entwicklung hat das Kaisertum gegen alle Erwartung genommen?" Ebd., S.352. 3 In seiner Abhandlung „Die Finanzen der Großmächte" (wie Anm. 1) hatte Plenge das Buch von Friedrich Zahn, Die Finanzen der Großmächte. Eine internationale finanzstatistische Untersuchung. - Berlin: Carl Heymann 1908, einer vernichtenden Kritik unterzogen. Diese Abhandlung suchte zu zeigen, daß sich die Rüstungsausgaben des Reiches, verglichen mit jenen Frankreichs, Rußlands und Großbritanniens, in engen Grenzen gehalten hätten und ihre Steigerung hinter jener der anderen europäischen Großmächte zurückgeblieben sei. Plenge hatte die statistischen Grundlagen dieser Darlegungen als vollkommen verfehlt erwiesen und gezeigt, daß das Gegenteil zutreffe, nämlich eine weit überproportionale Steigerung der Rüstungsausgaben des Deutschen Reiches und eine realiter höhere steuerliche Belastung der Bürger. Zahns tendenziöse Darlegungen seien auf die Absicht zurückzuführen, der Finanzpolitik der Reichsleitung in den Auseinandersetzungen über die damals in Vorbereitung befindliche Reichsfinanzreform publizistische Schützenhilfe zu leisten. Es seien dies „Irrtümer" eines „neudeutschen Patriotismus [...], der sich in allerhand Schein gefällt und es verschmäht, den Tatsachen ernsthaft ins Gesicht zu sehen." Ebd., S.773. Zahn antwortete darauf in einer Erwiderung, erschienen in der wissenschaftlichen Beilage der Münchner Neuesten Nachrichten, Nr. 126 vom 25. Nov. 1908. Der Gegenkommentar Plenges wurde erst geraume Zeit später abgedruckt unter dem Titel: Internationale Finanzstatistik, ebd., Nr.72 vom 27. März 1909, S.601-604, nebst einer „Gegenerklärung" Zahns, ebd., S.604f. Die gegenseitige Polemik setzte sich fort mit einem Artikel Friedrich Zahns: Die Finanzen der Großmächte. Bemerkungen zu einer Kritik des Herrn Dr. J. Plenge, veröffentlicht in: Annalen des Deutschen Reichs, Jg. 1909, S. 272-295, sowie einer Replik Plenges: Noch einmal die

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An Ihrem Aufsatz über die Reichsfinanzreform erfreute mich vor Allem die Gesammt-Auffassung 4 : es ist merkwürdig, wie wenig - wenn man von dem unvermeidlichen Schmoller'schen Stuhlgang absieht5 geschlossene Gesammikritiken, die über bloße Redensarten hinausgingen, die deutsche Wissenschaft bei dieser Gelegenheit gezeitigt hat. Es ist uns z.B. nicht gelungen, etwas wirklich Brauchbares |:derart:| aus den Mitarbeitern des „Archiv" herauszubekommen. Die politische Bildung der Collegen steht so elend tief. Alles was Sie über die Schwindelei mit der „Tilgung" (S. 290/1), über die Art, wie man eine effektive Tilgung mit Besitzsteuer hätte kombinieren können und sollen, sagen, scheint mir sehr glücklich und zutreffend, letzteres auch entschieden originell und werthvoll. 6 Die positiven Vorschläge auf S.328 mögen ja heute utopisch sein 7 und in Einzelheiten hätte ich da auch mancherlei Bedenken. Aber die grundsätzlichen Erörterungen am Schluß unterschreibe ich durchaus: es wäre keinen Augenblick zu bedauern, wenn die Einzelstaaten künftig0 selbst ihre ganze Aktivseite im Haushalt nur noch durch Festsetzung der Höhe der Zuschläge zu Reichssteuern zu erledic (ihre)

Finanzen der Großmächte, ebd., S.619-634, nebst einem „Nachwort" Friedrich Zahns, ebd., S.634-641. 4 In der Tat hatte Plenge in seiner Abhandlung die aktuelle Kontroverse über die Reichsfinanzreformvorschläge der Regierung Bülow in den umfassenden Zusammenhang einer Analyse der Reichsfinanzen seit den Anfängen des Deutschen Reiches gestellt, mit einer eindeutig negativen Stoßrichtung. 5 Vermutlich bezieht sich dies auf Gustav Schmollers eben erschienene Abhandlung: Skizze einer Finanzgeschichte von Frankreich, Österreich, England und Preußen (1500-1900). Historische Betrachtungen über Staatenbildung und Finanzentwicklung (Sonderabdruck aus: SchmJb, Jg. 33, Heft 1, 1909, S.1-64). - Leipzig: Duncker & Humblot 1909. 6 Plenge hatte die Bestimmungen des § 2 der Vorlage, die feste Tilgungsraten für die gesamte Reichsschuld vorsah (vgl. Witt, wie Editorische Vorbemerkung, S.248), als Farce angegriffen, da gleichzeitig die Möglichkeit eingeplant sei, die für die Tilgung vorgesehenen Beträge auf dem Anleiheweg zusätzlich aufzunehmen, und auf die ungünstigen Auswirkungen einer zu rigiden Tilgungspolitik hingewiesen. Im übrigen hatte er ausführlich die Notwendigkeit, aber auch die Berechtigung einer stärkeren Heranziehung des Besitzes hervorgehoben, zumal dieser von geordneten Reichsfinanzen und einer erfolgreichen Reichspolitik im Inneren wie nach außen auch unmittelbare Vorteile habe. Vgl. Plenge, wie Editorische Vorbemerkung, S. 290-294. 7 Dies bezieht sich auf den einigermaßen radikalen Vorschlag Plenges, die Finanzen des Reichs, im Bruch mit der Bismarckschen Tradition, künftig auf ein „organisches System von Einkommens-, Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung", in Ergänzung des bestehenden Systems von Aufwandbesteuerung, bei gleichzeitigem Wegfall der Matrikularbeiträge, zu begründen.

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gen hätten.8 Man gebe ihnen als Gegengewicht:0 iieic/iseisenbahnen, sei es nicht quoad dominium, so quoad „Verwaltung" durch das Reich, statt durch Preußen und seine Vasallen.9 Das ist auch ein Traum. Aber faktisch beruht doch das Elend unsres ganzen Verfassungslebens auf der Beherrschung der Eisenbahnen durch Preußen.10 Die Frage muß ir- 5 gendwann im Zusammenhang mit Finanzfragen aufgerollt werden. Verbindlichsten Dank für Ihre freundlichen Sendungen, - ich habe nichts Adäquates als Gegengabe zu bieten, da ich hyperspezialistisch arbeite. Mit vorzüglicher Hochachtung 10 Max Weber

d

(die)

8 Bislang finanzierten sich die Bundesstaaten überwiegend durch direkte Steuern, insbesondere die Einkommenssteuer, während das Reich auf indirekte Steuern und Zolleinnahmen angewiesen war. Eine radikale Vereinheitlichung des Steuerwesens des Deutschen Reiches, wie sie Max Weber hier als Möglichkeit andeutet, lag aber angesichts des hartnäckigen Bestehens der Bundesstaaten einschließlich Preußens auf ihrer uneingeschränkten Finanzhoheit gänzlich außer Reichweite. 9 Seit den 1870er Jahren hatte Preußen - und teilweise auch zahlreiche der Zwergstaaten, die mit diesem eine Verwaltungseinheit eingegangen waren, - systematisch die anfänglich ganz überwiegend in privater Hand befindlichen Eisenbahnlinien in Staatsbesitz überführt und sich damit eine damals außerordentlich reich fließende Einnahmequelle erschlossen, die der parlamentarischen Kontrolle entzogen war. Auch diese Bemerkungen sind angeregt durch die Ausführungen Plenges über die bedeutsame Rolle der direkten Einnahmen des Fiskus in Deutschland, durch die ein Vergleich der tatsächlichen Steuerbelastung der europäischen Staaten in hohem Maße verzerrt werde. Vgl. Plenge, Finanzen der Großmächte (wie Anm.1), S. 7 6 7 - 7 6 9 . 10 Die reichlich sprudelnden Einnahmen des preußischen Fiskus aus den staatlichen Eisenbahnen machten die preußische Staatsregierung nach Max Webers Meinung wenig geneigt, einer grundsätzlichen Reform der Reichsfinanzen, die ohne eine wesentliche Stärkung der finanzpolitischen Stellung des Reiches gegenüber Preußen nicht erreichbar erschien, ihre Unterstützung zu geben.

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Lili Schäfer 5. Juni 1909; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g G S t A Berlin, R e p . 9 2 , Nl. Max W e b e r , N r . 2 6 , Bl. 9 - 1 0

Heidelberg 5/VI9 Meine liebe Lili, ich danke Dir vielmals für Deinen lieben Brief u. das nette Bildchen des Kleinen, 1 er sieht ja vortrefflich aus in jeder Hinsicht, - freilich ein richtiger Schäfer ganz u. gar! solltet3 Ihr die Bevölkerung der Welt fortsetzen, dann strenge Du Dich auch mal etwas an, die „Webers" nicht als Typ verschwinden zu lassen! Mir ist bis Ende August jeder Termin recht. September gehen wir (vielleicht!) etwas nach Perugia oder so. Aber bis dahin sind wir frei. Zur Zeit bekommt mir recht ärgerlicher Weise das Reisen so hundsschlecht, daß ich noch nicht absolut sicher sagen kann, ob ich zum 26./VII. 2 flügge bin, denn alle Arbeiten sind infolge des schlechten Frühjahrs, das ich hatte, im Hintertreffen. Aber ich komme bestimmt, wenn es verständigerweise zu machen ist. Und Marianne (sie ist heute noch in Rothenburg o/T) 3 werde ich dringend zureden, jedenfalls (ev. in Stellvertretung von mir, falls ich nicht können sollte) Euch auf 2—3b Tage zu besuchen. Der wunderbare Wald thut ihr sicher wohl (sie war wenig frisch, aber jetzt geht es besser) und Ihr müßt Euch doch nachgerade auch wieder mal kennen lernen. Du solltest doch auch c die Existenz des ßenec/ce'schend4 Hauses hier nicht ignorieren, so lange der Onkel 5 lebt u. es hat! Clara a solltest > solltet

b 1>3

c O: auf

d O:

Beneke'schen

1 Gemeint ist Max Schäfer, geb. am 21. November 1908, das dritte Kind von Lili Schäfer und Max Webers Patenkind. 2 Der 26. Juli 1909 war als Taufdatum für Max Schäfer vorgesehen. Vgl. Brief an Lili Schäfer vordem 26. Juli 1909, unten, S.205. 3 Möglicherweise handelte es sich um die erste Autofahrt ihres Lebens, die Marianne Weber mit Gerhart von Schulze-Gaevernitz und Bertha Hirsch nach Rothenburg unternahm. Brief von Marianne Weber an Sophie Rickert vom 23. Aug. 1910, Privatbesitz, Nl. Heinrich Rickert. 4 Gemeint ist das Haus in der Ziegelhäuser Landstraße 1. 5 Ernst Wilhelm Benecke, Professor für Geologie in Straßburg, war mit Emilie Benecke, geb. Fallenstein, einer Schwester von Helene Weber, verheiratet. Er hatte eine Etage des Heidelberger Hauses für die Ferien in Eigennutzung und stellte diese Familienmitgliedern zur Verfügung.

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hat Schulkinder, ist also an Juli gebunden, da paßt es nicht immer. Aber später im Jahr geht es doch recht gut u. ist für Kinder ideal. Einstweilen also herzliche Grüße, ich schreibe, noch so am 20 ten Juli etwa, ob ich kann u. ob Marianne kommt. Also Hermann ist in Frankreich ? 6 Das freut mich für ihn herzlich, und 5 auch sachlich, für seine Arbeit. Und im Juli werdet Ihr reisen? Wohin? Auf Wiedersehen Euer Max

6 Nach Nordfrankreich war Hermann Schäfer, der kunsthistorische Leiter der Instandsetzungsarbeiten am Altenberger Dom, vom Altenberger Dom-Verein geschickt worden, „um die Zusammenhänge zwischen dem Altenberger Dom und dem Ursprungsland der Gotik an Ort und Stelle zu studieren." Vgl. Schäfer, Hermann, Bericht über die in den Jahren 1908/10 ausgeführten Wiederherstellungsarbeiten am Altenberger Dome, in: Jahres-Bericht für die Jahre 1908/1910 des Altenberger Dom-Vereins. - Köln 1911, S.10-41.

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11. Juni 1909

Carl Johannes Fuchs 11. Juni 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig UB Tübingen, Nl. Carl Johannes Fuchs, Md 875:391, Bl. 24

Heidelberg 11/VI9 Verehrtester Herr College! Ich sandte Ihnen - und andren Herrn - gestern ein Rundschreiben betr. die „Soziologische] Gesellschaft". 1 Es würde mich sehr freuen, wenn 5 Sie der Sache Interesse abgewönnen. 2 Die jetzige ziemlich zufällige Zusammensetzung des Ausschusses ist rein provisorisch, er muß beträchtlich ergänzt werden. Könnten Sie nicht dort eine - sei es auch nur formale - „Ortsgruppe" constituieren und |:zunächst einmal:| Jemanden, sei es Sie selbst sei es Wilbrandt, an den ich auch schon schrieb, 3 in 10 den Ausschuß gemäß § 14 delegieren? 4 Die Ausschußsitzung im Herbst soll in Frankfurt oder Eisenach sein. 5 Collegialen Gruß Ihres Max Weber

1 Gemeint ist vermutlich die von Weber verfaßte: Einladung zum Beitritt in die Deutsche Gesellschaft für Soziologie (BA Koblenz, Nl. Lujo Brentano, Nr. 67, Bl. 89-91; MWG 1/13). 2 Offensichtlich ist Webers Bemühen, Fuchs für die DGS zu gewinnen, damals kein Erfolg beschieden gewesen, denn dessen Name taucht in einer im Frühjahr 1910 erstellten Liste derjenigen Personen auf, „die bisher der Gesellschaft nicht angehörten", aber zur Aufnahme als ordentliche Mitglieder vorgeschlagen waren (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.2.12). 3 Die entsprechende Korrespondenz mit Robert Wilbrandt ist nicht nachgewiesen. 4 § 14 der zu diesem Zeitpunkt geltenden Satzung lautete: „Sind an einem Orte mindestens 10 Mitglieder der Gesellschaft ansässig, so steht diesen das Recht zu, eine Ortsgruppe zu bilden und, sofern noch kein Mitglied der Ortsgruppe dem Ausschuß angehört, einen Vertreter in den Ausschuß zu delegieren"; hier zitiert nach: Dokumente des Fortschritts, Jg. 2, April 1909, S. 344-350 ebd. S. 349. 5 Die nächste DGS-Sitzung bzw. außerordentliche Mitgliederversammlung fand am 14. Oktober 1909 in Leipzig statt.

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Paul Siebeck 15. Juni 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 1 5 m 9 Sehr geehrter Herr D r Siebeck! Der Brief an Wieser wird eben abgetypt (nach Vornahme der Änderungen) und geht dann ab. 1 An der Stoffverteilung müssen noch viele Änderungen im Einzelnen vorgenommen werden. 2 Auch an den Bearbeitern. Meinen Bruder suche ich zu gewinnen; bin seiner aber nicht sicher, da er sehr belastet ist. 3 Versuchen würde ich auch die Gewinnung Brentano's - ich weiß noch nicht, wofür? - wenn Sie nicht prinzipiell dagegen sind. 4 Sie sprachen auch von Philippovich. Wofür nehmen Sie an, daß er in Betracht kommen würde - d. h. was, glauben Sie, würde er nehmen wollen? 5 Denn es wäre ja sehr erfreulich, wenn er von der Partie wäre! Für Verkehrswesen wird mehr Raum (auf Kosten andrer Gebiete) und dann einige gute Bearbeiter - etwa Wiedenfeld? - zu suchen sein. Mir geht es anhaltend 3 so schlecht, daß ich ca 14 T a g e - 3 Wochen in den Wald muß. Ich bitte daher auch Wieser, sich 14 Tage Zeit zur Überlegung zu lassen. Mein Bruder will ihm schreiben, um ihn zu gewinnen. 6 Einstweilen freundschaftliche Grüße! Ihr ergebenster Max Weber a Unsichere Lesung. 1 Der Brief an Friedrich v. Wieser ist nicht nachgewiesen. 2 Dies bezieht sich auf die Gliederung des GdS. 3 Wie aus der nachfolgenden Korrespondenz hervorgeht, hat Alfred Weber den Artikel: Standorte der Industrie, übernommen. Vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 13. Sept. 1909, unten, S.263. 4 Dazu vermerkt Paul Siebeck in seiner Antwort vom 17. Juni 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446): „Mit der Gewinnung Brentano's bin ich durchaus einverstanden." 5 Eine entsprechende Äußerung Paul Siebecks ist in der Verlagskorrespondenz nicht nachgewiesen. Im Antwortschreiben von Siebeck vom 17. Juni 1909 (wie Anm. 4) heißt es lediglich, daß an der Bereitwilligkeit von Philippovich zur Mitarbeit kein Zweifel bestehen könne. 6 Tatsächlich hat sich Alfred Weber an Friedrich v. Wieser gewandt, wie aus dessen Brief an Max Weber vom 13. Juli 1909 (Abschrift masch.; VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) hervorgeht.

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Paul Siebeck [vor oder am 19. Juni 1909]; o. O. Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Datum erschlossen aus Verlagsvermerk: „19. VI. 09 beantw." Im Antwortschreiben Paul Siebecks ist irrtümlich „Juli" als Monat angegeben.

Sehr verehrter Herr D r Siebeck! Es wird sich3 gewiß sehr empfehlen, daß Sie Philippovich schreiben. Nur rathe ich zu warten, bis 1) Wieser geantwortet hat u. man 2) weiß, wie definitiv die Stoffeinteilung gemacht werden soll.1 Die bisherige ist ja 5 nur provisorisch. Auch Spiethoff sollte man zu gewinnen suchen. 2 Ob es gelingen wird meinen Bruder heranzuziehen, kann ich nicht versprechen. Ich werde es natürlich versuchen. 3 Ich habe Wieser jetzt noch nicht nach dem Termin gefragt. Das kann besser nach seiner hoffentlich prinzipiellen Zusage geschehen. 4 10 Ich gehe jetzt wohl ca 14 Tage fort. Einstweilen freundschaftlichen Gruß Ihres Max Weber

a O: Sich 1 Paul Siebeck wandte sich, nachdem sich Friedrich v. Wieser zur Mitarbeit am Handbuch bereit erklärt hatte (siehe Brief an Siebeck vom 15. Juli 1909, unten, S. 183, Anm. 1), am 20. Juli 1909 an Eugen v. Philippovich (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 269). Vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 19. Juli 1909, unten, S. 194, Anm. 2. 2 Arthur Spiethoff übernahm später den Artikel: Capitalbildung und Capitalverwertung. Vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 27. Febr. 1910, unten, S. 415. 3 Alfred Weber hat später den Artikel: Standorte der Industrie, übernommen. Vgl. Brief an Paul Siebeck vom 13. Sept. 1909, unten, S. 263. 4 Vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 15. Juli 1909, unten, S. 183.

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22. Juni 1909

Marianne Weber PSt 22. Juni 1 9 0 9 ; PSt S e e b a c h Karte; e i g e n h ä n d i g Bestand Max W e b e r - S c h ä f e r , D e p o n a t B S B M ü n c h e n , A n a 4 4 6 Vom 22. Juni bis einschließlich 4. Juli 1909 hielt sich Max Weber in Ruhestein bei Ottenhofen im Schwarzwald auf. Postalisch gehörten der Gasthof und die Pension zu Seebach.

L. Sehn. dichter Tannenwald in seiner seelischen Unerschließbarkeit ringsum, aber viele Plätze zum Liegen im Walde, Fernblicke nicht oder doch nicht nahe. Sehr niedlich nagelneu gezimmertes u. gestrichenes „Familienhäuschen" 1 abseits, in dem ich Zimmer (sehr sauber u. nett) habe. Ich 5 esse ä la carte, weil Hotel-Tafel. Die Leute sind sehr nett u. zuvorkommend, die Ruhe sehr angenehm. Schlief spät ein, dann aber ohne Mittel ganz gut u. lange. Nachts Regen, heut trübes Wetter. Schönsten Gruß! Max 10

1 Nach einer Mitteilung des heutigen Besitzers von Ruhestein handelte es sich um die 1908 erbaute „Villa", die die Mutter des damaligen Besitzers mit zwei Töchtern bewohnte.

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23. Juni 1909

Marianne Weber PSt23. Juni 1909; Ruhestein Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Ruhestein 3 bei Ottenhofen Mittwoch früh L.Sehn. Ein IV2 stündiger Spaziergang gestern war sehr hübsch, bekam aber dem 5 Schlaf nicht besonders. Heut regnet es u. da ist für Ruhe gesorgt. Schick mir doch bitte alle 3 Tage etwa dieb „Frankfurter", man weiß ja gar nicht was Ihr treibt in der Welt, obwohl es nur 4° Stunden von Heidelberg ist. Es ist kühl, sonst behaglich und nett. Herzl. Gruß u. Kuß 10 Dein Max

a O: Ruhstein

b Alternative Lesung: deine

c Unsichere Lesung durch Tintenklecks.

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24. Juni

1909

Marianne Weber PSt 24. J u n i 1 9 0 9 ; PSt S e e b a c h Karte; e i g e n h ä n d i g Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat B S B München, Ana 446

L. Sehn. Mit ca 10° mehr Wärme wäre mir hier soweit ganz behaglich, z. Zeit aber ist es naßkalt u. deshalb auch nicht möglich, im Walde zu liegen. Gestern hielt ich mich ganz ruhig, aber der Schlaf wollte trotzdem nicht, weder Nachmittags] noch Nachts. Sobald es wärmer wird, wird es schon in 5 Ordnung kommen. Nun schreib mir mal ein Kärtchen, was die Welt da draußen macht, ob ich irgend wesentliche Correspondenz habe. Die Beantwortung der letzeren kann einfach liegen bleiben, scheint es dringend, so antworte Du nur, ich sei noch ca 10 Tage fort. Hier ist es noch ziemlich leer, aber doch nicht ganz. In meinem „Familienhäuschen" 10 wohnt nur die Mutter u. Schwestern der Besitzer. Es liegt auf badischem Gebiet, die a eigentliche] Pension auf württembergischem. 1 Wegen der Steuer-Deklaration13 kann 0 ich deshalb keine einheitliche Pension haben, sondern Zimmer u. Frühstück besonders drüben u. Essen ä la carte hüben. Letzteres ist mir ganz bequem; die Küche ist schwäbisch u. 15 erinnert an Urach. 2 Herzlich küßt Dich Dein Max

a (Rest)

b Unsichere Lesung,

c muß > kann

1 Die Grenze zwischen Baden und Württemberg verlief durch den Besitz der Familie Klumpp (Pensionsbesitzer) in Ruhestein, wo die Gemarkungen Seebach (Baden) und Baiersbronn (Württemberg) aneinanderstoßen. 2 In Urach hielt sich Max Weber 1900 für einige Wochen zur Erholung nach seinem Zusammenbruch auf.

25. Juni

1909

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Marianne Weber PSt 25. J u n i 1 9 0 9 ; PSt S e e b a c h Karte; e i g e n h ä n d i g Bestand Max W e b e r - S c h ä f e r , Deponat B S B M ü n c h e n , A n a 4 4 6

Freitag früh L. Sehn.schönen Dank für die Postsendung. Ja, schick mir nur so alle 2 Tage die Eingänge, ich beantworte nichts, aber es ist ganz pläsierlich. - Hier ständiger Regen und Hundekälte, trotz angedrehter Centraiheizung glaube ich nicht, daß ich mein unentbehrliches Wärmequantum dies Jahr noch in den Leib bekomme. Ein lstündiger bequemer Spaziergang in den Regen-Wald war schön, kostete aber 3A der Nacht. Und nur im Wald, wo die Tannen ihre Röcke hochgeschürzt haben und ihrer dunklen Würde das helle Leben der Farne u. Heidelbeeren unten antwortet, ist der Tannenwald schön. Sonst ist die Tanne doch die alte Jungfer unter den Bäumen, die Röcke schleppend oder etwas aufgenommen, eine hinter der anderen die Berge hinauf auf den Zehen stehend, und die jungen grünen Schösse sehen doch auch nur wie lauter kleine Clavierfingerchen aus, die dem Frühjahr was vorgeklimpert haben. Im Winter wenn sie den Schleier genommen haben, ist es was Anderes. Aber jetzt, zumal bei ewigem Regen, ohne Harzduft, ist nicht viel los. Bleib recht frisch, hoffentlich hat Deine Versammlung1 Dich nicht heruntergebracht. Herzlich küßt Dich Dein Max

1 Am 24. Juni 1909 fand in der Heidelberger Stadthalle die Generalversammlung des Vereins Frauenbildung - Frauenstudium statt. Marianne Weber erstattete als Vorsitzende des Vereins Bericht über die Bonner Mitgliederversammlung des Gesamtvereins Frauenbildung - Frauenstudium. Vgl. Heidelberger Tageblatt, Nr. 145 vom 25. Juni 1909, S.3f.

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26. Juni 1909

Marianne Weber PSt 26. Juni 1909; PSt Seebach Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Die Karte trägt den Poststempel vom 26. Juni 1909, einem Samstag. Vermutlich hat sich Max Weber in der Tagesangabe geirrt.

Freitag früh

L. Schnauzele, es regnet constant, so daß man heut wohl, ebenso wie gestern, ganz in das Zimmer gebannt ist. Wenn dabei nur Ruhe u. Abspannung sich einstellen möchte, - aber bisher ist das nicht der Fall. Der Schlaf war (quantitativ) besser. Aber das liebe „Lenden-Zentrum" geberdet sich rein wie des Teufels, trotzdem ich außer der Zeitung keinen Strich lese u. gestern fast gar nicht ging. Dumm ist, daß hier keine Wagen zu haben sind resp. man sie immer lYi—2 Stunden weit hertelefonieren muß: Folge des Auto, welches der Wirth hält und nach Ottenhofen u. Freudenstadt laufen läßt. Aber zu den Plätzen in der Nähe, Allerheiligen etc. entschließt man sich infolgedessen schwerer zu fahren. Die Wirtschaft ist noch ziemlich patriarchal geführt; die Töchter bedienen noch z.T. mit u.s.w. Die Leute sind sehr nett u. zuthunlich u. hier im Hause hat man mit dem Touristenvolk nichts zu schaffen, was trotz schlechten Wetters nicht ganz fehlt. - Hat denn Krehl etwas geschrieben oder Dich zu sich bestellt? 1 Wohl schwerlich schon, da er ja weiß, daß es nicht eilig ist. Nun bist Du heut hoffentlich nicht zu müde von Deiner Versammlung2 aufgewacht u. vergnügt. Was wohl aus der Windelband-Gesellschaft bei Schmid's®3 geworden sein mag? Laß Dich herzlich küssen von Deinem Max

a O: Schmidt's 1 Max Weber hatte den Internisten Ludolf v. Krehl ärztlich konsultiert, und dieser hatte die Hinzuziehung eines Psychiaters empfohlen. Danach wollte v. Krehl Marianne Weber vom Ergebnis unterrichten. 2 Es handelte sich um die Generalversammlung des Vereins Frauenbildung - Frauenstudium, die am 24. Juni 1909 in Heidelberg stattfand. 3 Gemeint ist das Ehepaar Cläre Schmid-Romberg und Friedrich Alfred Schmid. Der Sachverhalt konnte nicht geklärt werden.

27. Juni 1909

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Marianne Weber P S t 2 7 . J u n i 1909; PSt A c h e r n - O t t e n h ö f e n , B a h n p o s t Karte; e i g e n h ä n d i g Bestand Max W e b e r - S c h ä f e r , Deponat B S B M ü n c h e n , A n a 4 4 6

Liebes Mädele, schönen Dank für die Sendung. - Die Couverts mit den „soziologischen" Sachen1 sollen adressiert u. frankiert in ein festes Kreuzband gesteckt und an den betr. Mann geschickt werden, der seine Visitenkarte beilegen soll. Aber so, daß die Post die Adressen u. Frankaturen nicht sehen kann, denn es ist | :nach dem Postgesetz: | nicht sicher, ob man Briefe 3 so | :unter Kreuzband: | versenden darf, obwohl ich meinerseits der Ansicht bin, daß es geht. - Hier regnet es fast ununterbrochen u. wenn nicht, ist es eisig kalt im Walde. Aber ich bleibe nun doch erst mal hier, - anderswo wird es nicht viel anders sein u. man verliert noch Zeit dazu. Die Nächte sind abscheulich, obwohl ich doch den Tag buchstäblich außer diesen" Karten | :u. der Zeitungsleserei:| nichts thue u. ganz wenig gehe, meist selbst das nicht. Ich bin begierig, wie das weiter wird, vorerst geht es in Vi aller Nächte nur mit Bromural. Es ist nur einmal am Tage (Vormittags) Post-Ab- und Zugang, daher muß die Karte fort. Herzlich küßt Dich Dein Max

a Sachen > Briefe

b O: dieser

1 Gemeint ist vermutlich die Einladung zum Beitritt in die Deutsche Gesellschaft für Soziologie, Heidelberg, Juni 1909, BA Koblenz, Nl. Lujo Brentano, Nr. 67, Bl. 8 9 - 9 1 (MWGI/13).

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28. Juni 1909

Georg von Below 28. Juni 1909; [Ruhestein] Abschrift; maschinenschriftlich o h n e A n r e d e u n d S c h l u ß f o r m e l , mit handschriftlichen K o r r e k t u r e n v o n Marianne W e b e r G S t A Berlin, Rep. 92, Nl. Max W e b e r , Nr. 30, Bd. 7, Bl. 132 Da Weber sich in der Zeit vom 22. Juni bis 4. Juli 1909 in Ruhestein aufgehalten hat, ist die Ortsangabe „Heidelberg" in der Abschrift entweder irrtümlich erfolgt, oder Weber hat Briefpapier mit einem entsprechenden Briefkopf benutzt. Im folgenden geht es um Webers letztlich vergeblichen Versuch, v. Below für eine Mitgliedschaft bzw. Mitarbeit in der DGS zu gewinnen. Gerade Georg v. Below, der zeitlebens ein eher distanziertes Verhältnis zur Soziologie besaß, ist besonders in den zwanziger Jahren als prononcierter Gegner der Soziologie angetreten und hat sich vor allem gegen deren Institutionalisierung als eigenständiges Lehrfach an den deutschen Universitäten ausgesprochen; vgl. dazu besonders seine Schriften: Soziologie als Lehrfach. Ein kritischer Beitrag zur Hochschulreform. Um ein Vorwort vermehrter Sonderabdruck aus Schmollers Jahrbuch, 43. Jahrgang, 4. Heft (1919). - München und Leipzig: Duncker & Humblot 1920, sowie: Soziologie und Hochschulreform. Eine Entgegnung, in: Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 16,1920/21, S. 5 1 2 - 5 2 7 .

Heidelberg, 28.6.09.

Ich bedaure Ihre hoffentlich nicht definitive Ablehnung. Was tut der Name „Soziologie"? Ist etwa alles, was sich Historiker nennt, „stubenrein" oder auch nur alles, was auf den Historikertagen mit diskutiert? Welche Spezialwissenschaft und welches Institut macht diejenigen Untersuchungen, die ich Ihnen als beabsichtigt mitteilte? - Die zum Teil nur kollektiv gemacht werden können, oder halten Sie diese Arbeitsziele für wertlos? Haben Sie denn nur an Geheimratsorganisationen Geschmack, ä la Heidelberger Akademie, 1 die übrigens auch nützlich werden kann, an der aber doch auch nicht nur Ia Qualität beteiligt ist! Was soll werden, wenn bei jeder Sache gesagt wird: Weil die und die Namen dabei sind, die ich nicht schätze, so mache ich nicht mit. Ich habe kein Bedenken getragen, die Wahl Breysigs zum Ausschußvorsitzenden mit den schärfsten Mitteln annullieren zu lassen, und dann allen möglichen Mißdeutungen zum Trotz - selbst den Vorsitz zu übernehmen. 2 Aber wenn nun der Versuch;,] die Gesellschaft auf die Basis einer

1 v. Below war von der neugegründeten Akademie zum auswärtigen Mitglied ernannt worden. 2 Dazu vgl. Brief an Heinrich Herkner vom 17. Febr. 1909, oben, S. 57, Anm. 1.

28. Juni

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Delegiertenorganisation von wirklich berufenen Leuten zu stellen, an solchen Gründen scheitert - dann trägt nicht die Soziologie als solche die Schuld, wenn nichts Gescheites herauskommt - sondern Sie und diejenigen, die ähnlich denken. Ich bitte Sie, Ihren Entschluß noch einmal in 5 Erwägung zu ziehen.

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28. Juni 1909

Marianne Weber PSt 28. Juni 1909; PSt Seebach Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Montag früh. L. Schnauzel, die „Akademie"-Geschichte, 1 die man so, ohne auch nur gefragt zu werden, ob man sie will, an den Kopf geworfen bekommt, ist eine plumpe Taktlosigkeit von Windelband u. Gothein, Alfred - und z.B. auch Oncken - gegenüber. 2 Durch „Ablehnung" würde die Flegelei vielleicht nur noch manifester und peinlicher, also werde ich diese „Ehrung" wohl einfach ignorieren und den Herren mündlich meine Hochachtung aussprechen. In eine „Akademie" gehören die Seminarund Instituts-Vorstände der betr. Wissenschaften alle und zu gleichen Rechten hinein, nicht nur ein „Bonzen"-Conzern. Wenn man dann noch an Outsiders, wie mich u. Ä[hnliche] titulare „Ehrungen" verteilen will - mir sind solche in dieser Form wenig appetisant - nun so mag man es thun. Also wie gesagt, die Sachen für Cöln3 müssen an „den Studiendirektor der Handelshochschule, Herrn Geheimrath Professor D r Eckert (Eckert)^"' geschickt werden. Hier ist nichts Neues. Die gestrige Nacht war - aber mit Heroin 4 etwas besser. Sonst ist die Sache nicht wesentlich anders, trotzdem ich nur sehr wenig spazieren gehe auf ganz kurze Strecken. Es ist abscheulia Wiederholung in betont lesbarer Schrift. 1 Mit Schreiben vom 25. Juni 1909 hatte der geschäftsführende Sekretär der am Vortag neu gegründeten Heidelberger Akademie der Wissenschaften Max Weber die Wahl zum außerordentlichen Mitglied der Akademie mitgeteilt. Vgl. die Vorbemerkung zum Brief an Leo Königsberger und Wilhelm Windelband vom 30. Juli 1909, unten, S. 206. 2 Wilhelm Windelband und Eberhard Gothein, beide ordentliche Mitglieder der Akademie, schrieb Max Weber besondere Verantwortung für die Nichtberücksichtigung der Heidelberger Fachvertreter für Nationalökonomie Alfred Weber und Geschichte Hermann Oncken zu. 3 Gemeint ist vermutlich die Versendung der Einladungen zum Beitritt in die DGS, vgl. Karte an Marianne Weber vom 27. Juni 1909, oben, S. 153. 4 Die Firma Bayer vertrieb das Morphinderivat „Heroin" als scheinbar nebenwirkungsfreieres Ersatzmittel für Codein - mit verbesserter Sauerstoffzufuhr durch Beruhigung und Vertiefung der Atemtätigkeit, vor allem im Schlaf. Vgl. H. Dreser, Pharmakologisches über

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ches Wetter u. hätte keinen Zweck anderswohin zu gehen, da es überall so ist. Auch sind die Leute hier wirklich besonders nett und, solange der Ferien- u. Touristen-Strom noch nicht da ist, Alles sehr hübsch und gut. Es giebt einige hübsche Blicke u. sehr hübsche Waldwege in der Nach5 barschaft, auch ist das Waldinnere schließlich überall schön, nur ist der Wald meist nicht so alt wie anderwärts im Schwarzwald. Laß Dir Dein Diner 5 heut gut bekommen u. bleib vergnügt, es küßt Dich herzlich Dein Max 10 Cl[äre] Schm[id]'s Truhe6 ist mir etwas in die Glieder gefahren u. ich finde sie ärgerlich, wenn auch wohl unabwendbar. -

einige Morphinderivate, in: Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte. 70. Versammlung in Düsseldorf 1 9 . - 2 4 . September 1898. Hg. Albert Wangerin und Otto Taschenberg. Zweiter Theil, II. Hälfte, Medicinische Abtheilungen. - Leipzig 1899, S.34f. In der Haager Opiumkonvention 1912 wurde es in die gleiche Kategorie wie Morphin eingestuft und 1931 aus der Liste der Heilmittel gestrichen. Vgl. Bayer AG (Hg.), 100 Jahre Pharmakologie bei Bayer 1 8 9 0 - 1 9 9 0 . - Leverkusen 1990, S. 25f. 5 „Zu Sonntagabend [dem 27. Juni 1909] hatte ich Jaffes, Radbruchs, Schmids, Lask, Gruhle, Frl. Tobler, Frank (10 Leute) eingeladen und habe dann Schmids einen kleinen Abschiedsspeech gehalten", schreibt Marianne Weber an Helene Weber im Brief vom 29. Juni 1909, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. Wahrscheinlich verwechselte Weber die Wochentage. 6 Cläre und Friedrich Alfred Schmid verließen Heidelberg und zogen nach Freiburg. Zum Abschied hatte Cläre Schmid Marianne Weber eine Truhe geschenkt, die diese früher einmal hatte kaufen wollen.

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29. Juni 1909

Friedrich Meinecke 29. Juni [1909]; Ruhestein Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Friedrich Meinecke, Nr. 51, St. 51 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefs erschlossen.

z. Z. Ruhestein 29/VI Sehr verehrter Herr College, Ihre Anfrage kam mir hierher nach. 1 Ich kenne W[itkop] persönlich nur aus einem halben Dutzend Berührungen und einer etwas eingehenderen Aussprache über ästhetische Dinge. | : Dagegen ist seine allgemeine Eigenart hier so bekannt, daß ich darüber wohl Einiges sagen kann.:| Die „gewöhnliche" Literaturgeschichte verachtet er außerordentlich stark u. gedenkt sie durch ein „Erleben"-lassen der Kunstwerke zu ersetzen bezw. zum bloßen Handwerkszeug dafür zu degradieren. Er ist ganz sicher begabt und - wenn ich auch seine Gedichte zu 9 /io für „erdacht" u. nicht „erlebt" 2 halte, - so hat er doch ganz zweifellos - das kann man außer aus seiner Habilitations-] Schrift 3 auch aus der Unterhaltung entnehmen - ein gutes, vielleicht etwas zu sicher auftretendes ästhetisches Urteil. Dagegen ist nicht zu bestreiten, daß seine i . e . S . litterarhistorischen Kenntnisse (außerhalb seines Spezialgebietes: Lyrik, und: für die ältere deutsche Zeit, auch innerhalb dieses) noch sehr ergänzungsbedürftig und meist aus zweiter Hand sind. Mir fiel z . B . auf, - bei jener Unterhaltung, - wie wenig er über Shakespeare orientiert war u. die Quellen u. Litteratur

1 Die folgenden Bemerkungen stehen in Zusammenhang mit der Wiederbesetzung des Lehrstuhls für neuere deutsche Literatur an der Universität Freiburg, der seit dem Ausscheiden von Roman Woerner vakant war. Die Anfrage Meineckes galt dem Heidelberger Privatdozenten Philipp Witkop, der zum engeren Kandidatenkreis gehörte und der in der Vorschlagsliste vom 23. November 1909 an dritter Stelle stand und dann gemäß Ministerialerlaß vom 31. Dezember 1909 als Extraordinarius berufen wurde (UA Freiburg i.Br., Philosophische Fakultät, II 3); vgl. dazu Brief an Heinrich Rickert [vordem 11. Dez. 1909], unten, S.333, Anm.6. 2 Weber bezieht sich hier auf die Gedichtbände von Philipp Witkop: Ein Liebeslied und andere Gedichte. - Zürich, Leipzig, Berlin: Karl Henckell [1902], sowie: Eros. - Leipzig: F. Eckardt 1908. 3 Witkop, Philipp, Die Anfänge der neueren deutschen Lyrik. - Leipzig: B.G. Teubner 1908.

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über ihn kannte. Ich meine aber: das läßt sich nachholen u. Sie werden eben so urteilen. Da er über ein Pathos ä laThode verfügt 4 (mir, offen gestanden, nicht sympathisch), so wird ihm der Zulauf nicht fehlen. Ob er die Studenten dabei zum Denken anregt oder nur flüchtige künstlerische Sensationen bei ihnen weckt, - das letztere wird er sicher sehr gut fertig bringen, dürfte heute noch zweifelhaft erscheinen. Er selbst geht jedenfalls durchaus auf das „Erleben-lassen". Man kann |:aber:| zu dieser Art Lehrthätigkeit verschieden stehen und ihre pädagogischen Erfolge höher einschätzen als ich es z.B. thue. Auch kann dies3 Verhalten sehr wohlb Produkt eines Entwicklungsstadiums sein und eine c Unsicherheit verbergen, welche, mit höchstgradiger Eitelkeit seltsam vermischt, auch bei genauerer Beobachtung im persönlichen Zusammentreffen (auch bei jener einen Unterhaltung, die ich mit ihm hatte, ganz unzweideutig) zu erkennen ist. Sie sehen aus Vorstehendem: daß mir diese Persönlichkeit und auch ihr dozentischer Typus nicht grade congenial ist u. werden, je nachdem Ihr eigener Standpunkt ist, etwaige Unfreundlichkeiten des Urteils, die sich aus diesem Grunde eingeschlichen haben könnten, in Abzug bringen. Würde ich selbst vor die Frage einer Berufung W[itkop]'s gestellt, so würde ich wahrscheinlich dafür halten, daß er mit in Betracht zu ziehen sei, und daß er nicht nur solchen Nullen wie Petsch5 u. ä., sondern auch manchen rein philologisch orientierten Litterarhistorikern vorzugehen hätte. Es ist sehr schade, daß solche Professuren an die vorwiegende Beschäftigung mit deutscher Litteratur gebunden zu sein pflegen. Welche mit gediegenster Beherrschung aller in Betracht kommenden Gebiete d das feinste 0 |:(dabei ganz unpathetisch sich gebende):| ästhetische a (Erschi)

b (de[m])

C die > eine

d und mit feinstem > das feinste

4 Der Kunsthistoriker Henry Thode, Schwiegersohn von Cosima Wagner, propagierte in seinen öffentlichen Universitätsvorlesungen, die zu den großen gesellschaftlichen Ereignissen des damaligen Heidelberg zählten, eine christlich-germanische Weltanschauung auf Bayreuther Grundlage und versuchte, in seinem Schaffen eine Synthese von Gelehrtem und Künstler zu finden. Webers Reserve diesem Persönlichkeitstypus gegenüber findet ihren Ausdruck schon in einem Brief an Willy Hellpach vom 5. April 1905 (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 17, Bl. 8 - 1 0 a ; MWG II/4), in welchem er betont, daß er „der Mystik Thode's absolut unzugänglich" sei. 5 Gemeint ist Robert Petsch, der seit 1904 als Privatdozent sowie seit 1907 als außerordentlicher (Titular-)Professorfür Deutsche Philologie in Heidelberg lehrte.

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Empfinden vereinigende Persönlichkeit stünde sonst in Vossler (Würzburg) zur Verfügung! Ob er freilich seine Romanistik ganz aufgeben und auf einen Lehrstuhl gehen würde, der ihn ganz an die deutsche Litteratur fesselte, ist sehr fraglich, und also kommt er wohl nicht in Betracht. Mit vorzüglicher Hochachtung und 5 collegialer Ergebenheit Max Weber

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Marianne Weber PSt29. Juni 1909; PSt Seebach Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Liebes Mädele, gestern war Mittags schön Wetter u. ich hielt es nicht aus, lief die 2 Stunden nach Allerheiligen1 hinüber (wunderschön auch jetzt noch, tief eingegraben zwischen den Tannenwaldbergen, dabei mit gemischtem Wald unten am Bach) und fuhr per Wagen zurück. Mit tüchtig Brom u. Heroin 2 schlief ich dann doch erträglich gut, obwohl mein Rücken stark revoltierte. Sonst nichts Neues! Schönen Dank für Deine Sendungen und Dein heut erhaltenes Briefchen von gestern. Halt Dich nur ja hübsch ruhig, damit Du keinen Knacks 3 hast, wenn ich wiederkomme. Ich bleibe nun schon hier u. komme Sonntag/Montag wieder. Der gute Krehl 3 ist eben auch im Wesentlichen rathlos, aber er kann mir doch die Ernährung etc. regulieren u. so was. Schönsten Gruß Dein Max

a (krieg) 1 Ort in der Nähe von Ruhestein. 2 Vgl. Brief an Marianne Weber vom 28. Juni 1909, oben, S. 156, Anm. 4. 3 Max Weber hatte den Internisten Ludolf von Krehl konsultiert, der den Psychiater Franz Nissl zugezogen hatte (vgl. Karte an Marianne Weber vom 26. Juni 1909, oben, S. 152). Marianne Weber hatte wohl Max Weber über das Gespräch mit Krehl am 27. Juni 1909 berichtet, dieser empfehle, Max Weber solle öfter zu Nissl gehen, doch dürfe man sich keinen allzu großen Hoffnungen hingeben. Briefe von Marianne Weber an Helene Weber vom 14. und 29. Juni 1909, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446.

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30. Juni 1909

Edgar Jaffé PSt30. Juni 1909; PSt Seebach Karte; eigenhändig Privatbesitz

Lieber Jaffe, natürlich bin ich mit jeder, die Art der Anordnung u. Stoffverteilung des „Archiv" betreffenden Änderung einverstanden, die Consequenzen etwaiger Irrtümer darin treffen ja nur Sie u. Siebeck. 1 A n Bedenken würden mir nur aufsteigen: 1) da keiner der Herausgeber selbst Ordina- s rius u. Seminarleiter ist, ist die Chance, 3 ganz ins Einzelne controllierte Aufsätze zu bekommen, 13 für die wir wirklich verantwortlich sein könnten, - was man vom Zeitschriften-Herausgeber doch nicht in dem Maß verlangt u. auch nicht verlangen kann, - geringer als bei Bücher, der lauter selbst von A—Z inspirierte Arbeiten bringt. 2 Von den Aufsätzen, 1 o welche Sie nennen, würde ich die über New York keinesfalls ohne weit genauere Nachprüfung als geeignet zum 0 Ergänzungsheft halten, 3 die über die badischen Lehrlinge kenne ich nicht.4 Nur |:qualitativ:| hervora {gute,)

b (die)

c (Beiheft)

1 Dies und das Folgende beziehen sich auf Jaffes Vorschlag, Ergänzungshefte zum AfSSp herauszugeben. Tatsächlich hat dieser seine Idee dann zunächst nicht weiter verfolgt, ist aber einen Monat später in einem Brief an Paul Siebeck vom 22. Juli 1909 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 265) darauf zurückgekommen, da ihm, bedingt durch den übergroßen Umfang des seinerzeitigen AfSSp-Heftes, „die Frage der Herausgabe der Ergänzungshefte zwecks Entlastung des Archivs eine durchaus brennende" zu werden schien. „Auch ich bin - wie Sie - der Meinung, daß wir die Ergänzungshefte einführen sollten trotz der von Prof. Max Weber geäußerten Bedenken." Zwei Tage später konnte er jedoch Siebeck berichten (Brief vom 24. Juli 1909, ebd., Nr. 265), daß er mit Weber noch einmal über diese Frage konferiert und dessen Bedenken zerstreut habe - unter der Voraussetzung, daß nur „wirklich gute" Arbeiten zum Abdruck kommen würden. Der Vertrag Jaffes mit Siebeck wurde zwar schon Ende August 1909 abgeschlossen, doch sind die ersten „Ergänzungshefte" erst 1911 erschienen. 2 Die Ergänzungshefte der von Karl Bücher herausgegebenen Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft erschienen seit 1902 und brachten Monographien nationalökonomischen Inhalts. 3 Gemeint ist die Arbeit von Louis Roth, einem Schüler von Eberhard Gothein, über nordamerikanische Wohnverhältnisse; vgl. dazu Brief an Edgar Jaffe [vor dem 11. Febr. 1909], oben, S.52f. 4 Wahrscheinlich handelt es sich um die Dissertation von Fritz Heinze: Zur Lage der Kontorlehrlinge in Baden, später als Artikel abgedruckt in: AfSSp, Bd.30, Heft 1, 1910, S. 100-147; separat veröffentlicht unter dem etwas geänderten Titel: Zur sozialen Lage der Kontorlehrlinge in Baden. - Tübingen: Laupp 1910.

30. Juni

1909

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ragende oder sachlich interessante Sachen (so: die Publikation] des „Bundes") 5 dürften doch in Betracht kommen. Daher ist 2) auch ein Abkommen über Dissertationen bedenklich. In den 3 Fällen, wo mein Bruder leise antippte, habe ich jedesmal abgelehnt, die Sache an Sie weiterzugeben. Gothein, der sich stets zuerst an Sie als den conzilianteren wendet, ist zugleich sehr viel weniger zurückhaltend, als (in diesem Punkt) mein Bruder, er würde das „Archiv" bezw. die Ergänzungshefte einfach mit all seinen Doktorarbeiten, die oft (so die über New York) sehr wenig /ertiggearbeitet sind, zu überschwemmen suchen 6 und die gesellschaftliche Rücksichtnahme würde die Ablehnung sehr erschweren. Also ganz unbedenklich ist m. E. die Sache nicht. Es ist nicht sicher, daß Siebeck hier ebenso gute Erfahrungen macht wie bei den Beiheften der Zeitschrift] f[ür] St[aats]-W[issenschaft]. Ich möchte noch sagen: es ist nicht eigentlich so, daß ich es so wollte, daß das „Archiv" vorwiegend „kritische Revue" wird, - es ist die fast unvermeidliche Folge der (sachlich wünschenswerthen) Änderungen, die in letzter Zeit und jetzt vorgenommen werden. 7 Mit besten Grüßen Ihr Max Weber

5 Weber bezieht sich auf ein Manuskript des russischen „Jüdischen Arbeiterbundes", das Jaffe im November 1908 von diesem zur Veröffentlichung zugesandt worden war. Da jedoch im Laufe des Jahres 1909 eine französische Übersetzung des Textes erschien vgl. Brief Jaffes an Paul Siebeck vom 29. Juli 1909 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 265) - , wurde auf eine deutsche Publikation zunächst verzichtet. Erst Jahre später ist der ungezeichnete Artikel im A f S S p abgedruckt worden: Der „Allgemeine Jüdische Arbeiterbund" zur Zeit der russischen Revolution (1904-1907), ebd., Bd. 36, Heft 3, 1913, S. 8 2 3 - 8 6 0 , sowie: Bd. 37, Heft 1,1913, S. 2 1 5 - 2 5 0 . 6 Ironischerweise ist es Eberhard Gothein selbst, der sich zu dem Problem der „Doktorandenfabrik" kritisch äußert in seinem Artikel: Doktordissertationen. Das Übel und seine Besserung, in: AfSSp, Bd. 32, Heft 3,1911, S. 781 - 7 9 2 . 7 Webers Bemerkung bezieht sich auf den ab Band 27, 1908, dem A f S S p beigefügten „Literaturanzeiger", der in mehreren kurzen Besprechungen Neuerscheinungen vorstellte und so die umfangreichen kritischen Literaturberichte mit thematischer Schwerpunktbildung, wie es sie bisher gegeben hatte, ergänzen sollte.

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30. Juni 1909

Marianne Weber PSt 30. Juni 1909; PSt Seebach Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat B S B München, Ana 446

Liebes Mädele, gestern u. heut wieder triefender Regen u. nichts Andres, wirklich um des Teufels zu werden, zumal es dann immer empfindlich kühl wird. Schlaf, vielleicht als Folge der Wanderung nach Allerheiligen, bedurfte ziemlich viel Brom. Bin begierig, wie die Sache sich in Heidelberg machen wird, wenn ich dort wieder zu lesen anfange u. |:dabei:| ruhig liege. Das Gehirn beschäftigt sich hier eben doch unwillkürlich mit den gleichen Dingen u. es ist nicht absolut sicher, daß die unbedingte Ruhe positiven Nutzen bringt. Natürlich wird sie schon ihre erholenden Wirkungen thun u. würde sie besonders dann thun, wenn man es fertig brächte, wirklich ganz auf der Causeuse 1 liegen zu bleiben. Aber das bringe ich hier nicht fertig u. es ist vielleicht doch auch gut, wenigstens bei solchen Intermezzi das Gehen etwas zu üben. Deine Sendungen erhielt ich, Dein Geld ist avisiert: die |:Ottenhöfener: | Post ließ mir |: gestern: | sagen, so viel Geld um das gleich auszuzahlen, besitze sie nicht! Also bis Sonntag oder Montag. Hoffentlich giebt es noch einen guten Tag für den Mummelsee. Also gespeecht 2 hast Du auch? Nun, Schmid's müssen ja vor Geschmeicheltheit platzen, wie ich es eigentlich als a. o. Mitglied der „Akademie" 3 auch sollte! - aber nicht kann. Herzlich küßt Dich Dein Max

1 Gemeint ist ein kleines zweisitziges Sofa. 2 Marianne Weber hatte Cläre und Friedrich Alfred Schmid anläßlich ihres Diners am 27. Juni 1909 einen kleinen „Abschiedsspeech" gehalten, wie sie im Brief an Helene Weber vom 29. Juni 1909, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat B S B München, Ana 446, berichtete. 3 Max Weber war am 25. Juni 1909 zum außerordentlichen Mitglied der philosophischhistorischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften gewählt worden.

1. Juli 1909

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Marianne Weber PSt 1. Juli 1909; PSt Seebach Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Liebes Mädele, heut ist Alles „nischt wie Wetter": bis 5 Meter vor den Augen sieht man sonst nichts. Und vorerst ändert sich das schwerlich. Zweck hätte es daher auch kaum, nach Hausbaden 31 oder sonstwohin zu gehen. Ich komme zurück, werde es aber so einrichten, daß ich Deiner kl[einen] A/oniagsgesellschaft2 aus dem Wege bleibe. |:Die gieb doch ja\:| - Es wird auch so vielleicht doch etwas genutzt haben. Wenn nicht, muß ich eben im August mal irgendwohin, wo es waldig u. warm ist. - Oder: in die Höhe, Riffelalp 3 oder so was, so kühn dasb wäre. Die „Akademie"-Einladung werde ich doch nicht beantworten, ich habe Troeltsch das Entsprechende geschrieben. 4 Es geht nun einmal nicht an, daß man den eigenen Historiker 5 und den |:jüngeren:| Nationalökonomen 6 ausschließt, wenn allerlei fremde Historiker 7 und Outsider wie ich dabei sind. Auch in diesen an sich recht unwichtigen Dingen gebührt sich, schon der Studenten wegen, collegiale Schicklichkeit zu beobachten. Ich werde das Gothein 8 auch sagen, - was Alfred j a nicht zu wissen braucht, - denn das muß er sich wirklich angewöhnen^] Irgend eine große „Affäre" aus solchem Quark zu machen ist ja ausgeschlossen. -

a Unsichere Lesung,

b (jetz)

1 Haus Baden, Gasthaus und Pension, 11/2km südlich von Badenweiler gelegen. Marianne Weber hatte einen Ortswechsel vorgeschlagen. 2 Der Sachverhalt konnte nicht geklärt werden. 3 Auf der Riffelalp, oberhalb von Zermatt, verbrachten Max und Marianne Weber im September 1901 einige Tage. Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 16. Sept. 1901, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 4 Brief nicht nachgewiesen. Ernst Troeltsch war ordentliches Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. 5 Gemeint ist Hermann Oncken. 6 Gemeint ist Alfred Weber. 7 Als auswärtige Mitglieder waren die „fremden" Historiker Georg v. Below und Friedrich Meinecke (beide Freiburg) gewählt worden. 8 Eberhard Gothein war ordentliches Akademiemitglied und Fachkollege von Alfred Weber.

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1. Juli 1909

Nun hältst Du hoffentlich wirklich Ruhe, d.h. läßt Besuch abweisen, damit Du nachher recht frisch bist. Hier ist trotz des Wetters immer Verkehr. Ich sitze, wenn es mir bei mir zu kalt wird, meist in der Fuhrmannsstube, da kommt so allerhand Volk durch. Gestern ein ganz netter gelernter Müller, stellenlos, mit dem es sich ganz hübsch plau- 5 dern° ließ. |:Oder bei der alten Wirtsfrau u. ihren Töchtern, die grad eine Aussteuer nähen. 16 Kinder!: | - Laß Dich herzlich küssen von Deinem Max

c Unsichere Lesung.

2. Juli

1909

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Marianne Weber PSt 2. Juli 1909; PSt Seebach Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Freitag früh L.Sehn. Kein Mensch begreift, wo das Wasser für den ständigen Regenguß herkommt, der neben dem Nebel bei gestern 4, heute 7° Celsius hergeht. Ich sitze abwechselnd auf meiner kleinen Veranda oder in der Gaststube, drin ist überall geheizt. So etwas hätte ich doch nicht für denkbar gehalten und es fehlt jede Aussicht auf Besserung. Ich nehme an, daß Du Deine kleine Gesellschaft giebst1 und komme dann Dienstag früh heim. Zu erzählen ist sonst nichts. Menschen und Häuschen sind nett u. bei gutem Wetter könnte man sich Wagen kommen lassen und allerhand unternehmen. 3 Der b Tannenwald ist im südlichen Schwarzwald doch wohl meist älter und stattlicher als hier, aber dafür ist es hier wohl etwas billiger. Schick mir von morgen (Sonnabend) an keine Postsachen |: (Briefe) :| mehr |: nach: |, es könnte sein, daß ich den Sonntag, falls es besser ist, per Wagen irgendwohin ins Thal ginge u. 0 dann von da aus nach Haus. - Wie fein Mamas Brief 2 ist, sie ist doch, wenn ausgeruht, noch ganz auf der Höhe. Schade, daß man den Brief nicht Alfred zeigen kann. Ihre Feinheit sitzt doch ein Stück tiefer als die von all den Leutchen, die so viel Wesens von der ihrigen machen. Herzlich küßt Dich Dein fröstelnder Max

a (Aber)

b 0 : der

c (von)

1 Der Sachverhalt konnte nicht geklärt werden. 2 Marianne Weber hatte vermutlich einen Brief von Helene Weber nachgeschickt; er ist nicht nachgewiesen.

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2. Juli

1909

Lujo Brentano [nach dem 2. Juli 1909]; o.O. Brief; eigenhändig BA Koblenz, Nl. Lujo Brentano, Nr. 67, Bl. 102,101 Das Datum ist e r s c h l o s s e n aus d e m Hinweis auf einen W e b e r z u g e s a n d t e n Aufsatz Brentanos. Dabei handelt es sich um d e s s e n A b h a n d l u n g : Die Malthussche Lehre und die B e v ö l k e r u n g s b e w e g u n g der letzten Dezennien (Abhandlungen der historischen Klasse der Königlich Bayerischen A k a d e m i e der Wissenschaften, Bd. 24, 3. A b h a n d lung). - M ü n c h e n : G. Franz'scher Verlag, Jos. Roth 1909, S. 5 6 5 - 6 2 5 , 1 * - 3 9 * . Im Börsenblatt für d e n D e u t s c h e n Buchhandel, Nr. 150, S. 7859, ist diese Schrift a m 2. Juli 1 9 0 9 als N e u e r s c h e i n u n g angezeigt w o r d e n .

Sehr verehrter Herr Geheimrath! Ihre S[chri]fta werde ich im „Litt[eratur-]Anzeiger" des „Archiv" (in allem Wesentlichen zustimmend, mit Vorbehalten bezüglich einzelner Formulierungen) anzeigen 1 u. danke sehr für die Zusendung dieser höchst anziehenden Lektüre. 5 Besten Dank auch für das Citat. Ich hatte es inzwischen auch gefunden. Es giebt |:auch:| andre (der gleichen Quellensammlung), welche den gleichen Thatbestand belegen. 2 Meine Darstellung der antiken Agrar- und Wirtschaftsgeschichte im H[and-]W[örter-]Buch der Staatswiss[enschaften] Band I Art. „Agrargeschichte" 3 hätte also in diesem 10 Punkt b noch etwas präziser gefaßt werden sollen, im Wesentlichen trifft sie wohl auch jetzt darin zu. Ich habe n[icht]c geglaubt, daß persönliche Motive Sie [von]d der „Gesellschaft] f[ür] Soziologie" abhielten. 4 Nur wehrte ich mich dage-

a Lochung.

b (eben)

c Lochung.

d

Lochung.

1 Die angekündigte Rezension v o n Brentanos A b h a n d l u n g über die Malthussche Lehre (siehe Editorische V o r b e m e r k u n g ) von seifen W e b e r s ist nicht zustande g e k o m m e n , die e n t s p r e c h e n d e A n z e i g e ist statt d e s s e n von Paul M o m b e r t geliefert w o r d e n , e r s c h i e n e n in: A f S S p , Bd. 29, Heft 2 , 1 9 0 9 , S . 6 1 3 f . 2 W e l c h e s Zitat W e b e r meint und auf w e l c h e S a m m l u n g antiker Quellen er sich hier bezieht, ist unbekannt. 3 G e m e i n t ist W e b e r s Beitrag: Agrarverhältnisse im Altertum, in: H a n d w ö r t e r b u c h der Staatswissenschaften, 3., gänzlich umgearb. Aufl., Bd. 1. - Jena: Gustav Fischer 1909, S. 5 2 - 1 8 8 ( M W G I/6). 4 Im f o l g e n d e n handelt es sich u m W e b e r s letztlich vergebliche B e m ü h u n g e n , Brentano für eine Mitgliedschaft bzw. Mitarbeit in der D G S zu g e w i n n e n ; vgl. dazu Briefe an Brentano v o m 13. April, [zweite Aprilhälfte] sowie [Juni 1909], oben, S. 9 4 , 1 0 7 f . u n d 138.

2. Juli 1909

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gen, daß einzelne Äußerungen Einzelner für Sie die Sache an sich diskreditieren, an der doch auch Andre als jene Einzelnen beteiligt sind. Sie sind doch auch im V[erein] f[ür] Sozialpolitik u. lassen Sich nicht durch dicta Schmollers stören, die Sie nicht billigen. Wenn Sie nun 5 meine, von Ihnen ganz zutreffend interpretierte Darstellung leidlich befriedigt, - würden Sie dann nun mitmachen? Der Sache käme Ihr, sei es auch nur gelegentlicher, Rath ungemein zu Gute! In Verehrung Ihr 10 Max Weber

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6. oder 7. Juli 1909

Hermann Oncken [6. o d e r 7.] Juli 1909; H e i d e l b e r g Abschrift; maschinenschriftlich, mit handschriftlichen K o r r e k t u r e n v o n Marianne W e b e r G S t A Berlin, Rep. 92, Nl. Max W e b e r , Nr. 30, Bd. 7, Bl. 134 Beide Tagesziffern sind in der Abschrift ineinander getippt. In dem folgenden Brief äußert sich Weber zu Hermann Onckens Rezension von Friedrich Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat. Studien zur Genesis des deutschen Nationalstaates. - München und Berlin: R. Oldenbourg 1908; die Rezension ist erschienen in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Bd. 22,1909, S. 3 0 6 - 3 1 8 .

Heidelberg, den 6. a VII.09. Verehrtester Herr Kollege! Verbindlichsten Dank für Ihre freundliche Sendung],] deren Inhalt mich lebhaft interessierte. Mir scheint, daß Sie vollkommen Recht haben mit den Einschränkungen gegenüber Meineckes glänzenden, aber in der Tat 5 vielfach allzu ideologischen Thesen. Die große Bedeutung seiner Ausführungen ist fast mehr eine gegenwartspolitische, illustrativ die immanenten Inkongruenzen unseres politischen Lebens aufzeigende, als eine rein historische.1 Dem Buch selbst sind Sie dabei ja vollkommen gerecht geworden. Denn die Stellung des Problems13 war in der Tat eine ganz 10 bedeutende Leistung. Und die Abkehr von der reinen Apologetik der sogenannten Realpolitik^] wie sie unsere Historiker zu 9/io beherrscht],] teilen Sie ja mit Meinecke. Auf der andern Seite würde ich vielleicht in manchem eher noch stärker als Sie nach der realistischen Seite von

a In Abschrift ineinander geschriebene Ziffern des Tagesdatums: 6. und 7.

b (selbst)

1 Dies bezieht sich auf die Spannung zwischen den geistigen Traditionen des Idealismus und Neuhumanismus und den machtstaatlichen Realitäten Preußen-Deutschlands, die Meinecke im Schlußteil seines Werkes, mit deutlichen Gegenwartsbezügen, anspricht.

6. oder 7. Juli 1909

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M[einecke] abweichen. Der Begriff der „Idee" enthält auch bei ihm wie es scheint noch heterogene Gedanken und Realitäten miteinander verquickt. 2 Ihr aufrichtig ergebener

2 Max Weber bezieht sich hier auf Meineckes bei Oncken wiedergegebene Ansicht, wonach die Ideen „aus den inneren Tendenzen des geistigen Lebens einerseits, aus den großen Eindrücken und Bedürfnissen der Weltlage andererseits" entstünden (Weltbürgertum und Nationalstaat, S. 152), sowie ferner auf die ebenfalls hier zitierte Definition Meineckes: „Alle derartigen Ideen sind ja abgeleitet aus einer irgendwelchen Wirklichkeit, und sie müssen es sogar sein, sie müssen möglichst viel von solchem Lebensinhalt in sich haben, wenn sie ihrerseits wieder als geistige Macht auf die Wirklichkeit zurückwirken sollen" (ebd., S.294). Dies stand in scharfem Gegensatz zu Max Webers Terminologie, die zwischen Idee und Wirklichkeit scharf zu unterscheiden bestrebt war.

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12. Juli 1909

Franz Eulenburg [nach dem 12. Juli 1909]; o. O. Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede und Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen Marianne Webers GStA Berlin, Rep.92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 7, Bl. 1 2 5 - 1 2 6 Die Datierung ist aus dem Briefinhalt erschlossen. Bei dem von Weber erwähnten Buch Eulenburgs kann es sich nur handeln um: Die Entwicklung der Universität Leipzig in den letzten hundert Jahren. Statistische Untersuchungen. - Leipzig: S. Hirzel 1909, da dieses das einzige Buch ist, welches Eulenburg zwischen 1908 und 1912 veröffentlicht hat. Im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr. 158, S.8222, ist das Werk am 12. Juli 1909 angezeigt worden, auch ist das Vorwort Eulenburgs auf den Juni 1909 datiert. Die Abschrift von Marianne Weber trägt irrtümlich das Datum 11. Mai 1909.

1. Ihr Brief bringt mich um eine Gelegenheit, meine Eitelkeit zu befriedigen. Daß Sie nämlich nicht dauernd auf dem engen psychologistischen Standpunkt 1 Ihres alten Adam beharren würden, stand mir fest und es waren auch Symptome dafür vorhanden. Ich warte nun nur auf Ihre ,,Vorfragen"2[,] um Ihnen einmal Ihr ganzes Konto von Irredeutun- 5

1 Die Kennzeichnung des Eulenburgschen Standpunktes als „psychologistisch" ist erstaunlich, da gerade die Kritik an der psychologischen Fundamentierung der systematischen und historischen Sozialwissenschaften sowie der Geschichtsphilosophie wie ein roter Faden all seine wissenschaftstheoretischen Arbeiten durchzieht; so schon in seiner Antrittsrede: Über die Möglichkeit und die Aufgaben einer Socialpsychologie, in: SchmJb, Jg. 24,1900, S. 2 0 1 - 2 3 7 , ebd. S.206, Anm. 13, sowie insbesondere S.216, A n m . 2 8 , in welcher sich Eulenburg gegen die Ansicht von Paul Barth wendet, „daß die Gesetze der Geschichte (und wohl der Socialwissenschaften überhaupt) sich auf die Psychologie stützen müßten. So oft diese Behauptung auch ausgesprochen ist, so unverständlich muß sie doch erscheinen: In der Wirklichkeit ist die Psyche nur ein Faktor sowohl des Natur- als auch des Kulturgeschehens. Boden und natürliche Verkehrsstraßen, somatische Eigenschaften der Rasse, Erzeugung und Fortpflanzung u.v.a. - das sind doch wohl alles Elemente, die von dem Einflüsse der Psyche entweder gar nicht oder nur indirekt abhängig sind und die trotzdem für das Gesamfgeschehen die allergrößte Bedeutung haben. Mit welchem Rechte vermag dann also die Psychologie die alleinige oder hauptsächlichste Grundlage der Geschichtswissenschaft zu werden?" 2 Ein Werk über „Vorfragen der Sozialphilosophie" hatte Franz Eulenburg schon in seinem Artikel: Gesellschaft und Natur. Akademische Antrittsrede, in: AfSSp, Bd.21, Heft 3 , 1 9 0 5 , S. 5 1 9 - 5 5 5 , in Aussicht gestellt und bemerkt, daß dieses „etwa in Jahresfrist erscheinen" solle, ebd. S. 519, Sonderanmerkung. Trotz weiterer Ankündigungen ist diese Arbeit allerdings nie in Buchform erschienen; längere Auszüge daraus wurden jedoch später als umfangreiche Artikelserie veröffentlicht, und zwar unter dem Titel: Naturgesetze und Soziale Gesetze. Logische Untersuchungen, in: AfSSp, Bd. 31, Heft3, 1910, S. 7 1 1 - 7 7 8 , und ebd., Bd. 32, Heft 3,1911, S. 6 8 9 - 7 8 0 , sowie als abschließender

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gen erkenntnistheoretischer und geschichtsphilosophischer Gedanken rezensionsweise vorzuhalten und zu sagen: das kann nicht das letzte Wort eines Mannes dieser Qualität sein: Zwei Wege stehen offen: Hegel oder - unsere Art die Dinge zu behandeln. 3 Er wird sein Damaskus zum einen oder zum andern, aber wahrscheinlich zu Hegel haben. Nun nehmen Sie das mir vorweg! Jetzt wird mich nur noch die Qualität des „echten" Hegel interessieren, 4 - denn jeder hat den Seinigen! Wie weit ich mit kann, wird sich dann zeigen, aber sicher ist Ihnen mein großes Interesse an Ihrem Wege und vor allem: Gott sei Dank, daß Sie aus dem - entschuldigen Sie! - Banausentum des alten Adam heraus sind. 2. Wenn Sie noch Exemplare Ihres Buchs haben, so ist es sehr unrecht, wenn Sie es mir deshalb vorenthalten, gleichviel ob wir im Archiv vielleicht nur einen kurzen Hinweis bringen3 können. 5 Sie wissen, daß mich Ihre Arbeiten - auch bei Dissenz - mehr interessieren und daß ich sie besser lese als Sie die meinigen. 3. . . . b 4. Soziologische Gesellschaft. Ich habe hier und in ganz Westdeutschland, Hannover, Göttingen, Düsseldorf, Köln, Bonn, Marburg, Gießen, Straßburg, Freiburg, Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart, Würzburg, Erlangen, Darmstadt eifrig geworben. (Gedrucktes Rundschrei-

a In Abschrift: finden

b Auslassungszeichen in Abschrift.

Aufsatz: Über Gesetzmäßigkeiten in der Geschichte („historische Gesetze"). Logische Untersuchungen, ebd., Bd. 35, Heft2, 1912, S. 299-365. Ausdrücklich vermerkt Eulenburg in seiner obengenannten Arbeit von 1910, S. 767f., daß „diese Artikel einen Abschnitt" aus den „ Vorfragen der Sozialphilosophie" wiedergäben. 3 Gemeint ist der Standpunkt der „südwestdeutschen" Wertphilosophie, insbesondere Rickerts: nämlich die Konstituierung des historischen bzw. „kulturwissenschaftlichen" Gegenstandes durch theoretische Wertbeziehung. 4 Anleihen Eulenburgs bei der Hegeischen Terminologie sind zwar unübersehbar, so z.B. „objektive Mächte", natürliche „Dialektik", Verhältnis von „Individuellem und Allgemeinem", doch ist diese Anlehnung eher äußerlicher Art. In seinen zentralen Aussagen ist Eulenburg von Hegel denkbar weit entfernt; vgl. dazu dessen Kritik an den „historischen Entwicklungsgesetzen" in seinem Aufsatz: Über Gesetzmäßigkeiten in der Geschichte (wie oben, Anm. 2), S. 334f. 5 Gemeint ist Eulenburgs Buch: Die Entwicklung der Universität Leipzig in den letzten hundert Jahren, siehe oben, Editorische Vorbemerkung. Eine Rezension dieses Werkes hat Weber selbst besorgt; sie ist erschienen in: AfSSp, Bd. 29, Heft 2, 1909, S. 672-675 (MWG 1/13).

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ben anbei - ) 6 Erfolg: quantitativ gering, ca. 10% Ausbeute an Mitgliedern. Ich suche jetzt Geld zu bekommen für die Presse-Enquete, für die ich seinerzeit einen provisorischen Plan vorlegte. 7 Herkner ist durch Überlastung und Krankheit in der Familie matt gesetzt bis zum Herbst, daher schläft das meiste. Der Vortrag war für den Frühjahrssoziolo[gen- s tag g]edacht°. 8 Was sollten Sie nach der Verabredung übernehmen? Mein Bruder hatte es übernommen, Vererbungsfragen in ihrer Bedeutung für die Soziologie zu behandeln. 9 Ferner sollten Tönnies, Vierkandt, Simmel evtl. Lamprecht und Sie gefragt werden, was jeder zu bieten hätte und zu bieten geneigt s e i . . . d 10 5. . . . e 6. Hochschullehrertag. Wenn ich irgend kann, komme ich natürlich. Aber dann müssen die Herren in Leipzig],] wenn die Leitung ebenso bummelig ist, ihrerseits die Sache vorbereiten. Das geht doch nicht anders, so stark die Zumutung ist. Übrigens soll ja Wach beabsichtigen, 15

c Konjektur, da Blattstück abgerissen, sungszeichen in Abschrift.

d Auslassungszeichen in Abschrift,

e Auslas-

6 Möglicherweise handelt es sich dabei um die von Weber verfaßte Einladung zum Beitritt in die Deutsche Gesellschaft für Soziologie, vom Juni 1909 (MWG 1/13). Ein Exemplar befindet sich in: BA Koblenz, Nl. Lujo Brentano, Nr. 67, Bl. 8 9 - 9 1 . 7 Gemeint ist die: Disposition für die Bearbeitung einer soziologischen Untersuchung des Zeitungswesens (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.2.08; MWG 1/13). 8 Zu diesem Zeitpunkt ging Weber noch davon aus, daß der Soziologentag im Frühjahr 1910 in Leipzig stattfinden werde; vgl. dazu Brief an Heinrich Herkner vom 8. Mai 1909, oben, S. 116, Anm. 14. 9 Vermutlich sollte Eulenburg ursprünglich einen ergänzenden Vortrag, also eine Art Korreferat, zu der projektierten Rede von Alfred Weber halten; vgl. dazu Brief an Heinrich Herkner vom 15. Mai [1909], oben, S.128f., sowie das Schreiben an Eulenburg vom 31. Aug. 1909, unten, S. 242. Nach einer Mitteilung Webers an Hermann Beck vom 8. März 1910, unten, S.422, hat Eulenburg für den kommenden Soziologentag als mögliche Themen: „Ansichten der Gesellschaft" sowie „Auslese der Intellektuellenschicht" in Aussicht gestellt; Eulenburg hat jedoch im August 1910 seine Teilnahme als Redner abgesagt.

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für die volle Lehrfreiheit auch bei Habilitationen einzutreten, kann das sein? 10

10 Der eher konservative Strafrechtler Adolf Wach warder Referent über den Antrag, den Max Weber auf dem Jenenser Hochschullehrertag von 1908 eingebracht hatte und der bei der kommenden Versammlung behandelt werden sollte, nämlich: „Darf man die Zulassung zur Habilitation abhängig machen von religiösen oder politischen Voraussetzungen?" Tatsächlich hat sich Wach in seinen Thesen auf dem Leipziger Hochschullehrertag zu dieser Frage prinzipiell dahingehend geäußert, daß die Erteilung der venia legendi unabhängig von der religiösen oder politischen Überzeugung des Bewerbers zu erteilen sei, schränkte dies aber bei der Begründung seiner Thesen insofern ein, als er z. B. die Zulassung von „Anarchisten" strikt ablehnte. Vgl. dazu: Verhandlungen des III. Deutschen Hochschullehrertages zu Leipzig am 12. und 13. Oktober 1909. Bericht erstattet vom engeren geschäftsführenden Ausschuß. - Leipzig: Verlag des Literarischen Zentralblattes für Deutschland (Eduard Avenarius) 1910; Wachs Ausführungen, ebd., S . 4 - 1 2 , über die Ablehnung von Anarchisten im Lehramt, ebd., S. 9. Während Weberais Diskutant hauptsächlich gegen Wachs Rechtfertigung von Werturteilen auf dem Katheder polemisierte, ebd., S. 17 sowie 20f., so fand dessen Ausgrenzung von Anarchisten vom Lehrbetrieb einen späten Widerhall in seinem Artikel: Der Sinn der „Wertfreiheit" der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften, in: Logos, Bd. 7,1917, S. 4 0 - 8 8 (MWG 1/12), ebd., S.46f.: „Einer unserer allerersten Juristen erklärte gelegentlich, indem er sich gegen den Ausschluß von Sozialisten von den Kathedern aussprach: wenigstens einen .Anarchisten' würde auch er als Rechtslehrer nicht akzeptieren können, da der ja die Geltung des Rechts als solchen überhaupt negiere, - und er hielt dies Argument offenbar für durchschlagend. Ich bin der genau gegenteiligen Ansicht. Der Anarchist kann sicherlich ein guter Rechtskundiger sein. Und ist er das, dann kann gerade jener sozusagen archimedische Punkt außerhalb der uns so selbstverständlichen Konventionen und Voraussetzungen, auf die [!] ihn seine subjektive Überzeugung - wenn sie echt ist - stellt, ihn befähigen, in den Grundanschauungen der üblichen Rechtslehre eine Problematik zu erkennen, die allen denjenigen entgeht, welchen jene allzu selbstverständlich sind. Denn der radikalste Zweifel ist der Vater der Erkenntnis."

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15. Juli 1909

Elisabeth Gnauck-Kühne 15. Juli 1 9 0 9 ; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g G S t A Berlin, Rep. 92, Nl. Max W e b e r , Nr. 28, Bl. 2 - 3

Heidelberg 15/VII9 Hochgeehrte Frau! Ich danke verbindlichst für Ihre freundlichen Zeilen und die Zusendung des Artikels, 1 den ich mit Interesse, an sehr vielen Stellen mit Zustimmung, an manchen - es lohnt nicht der Mühe, das im Einzelnen zu sagen - mit Vorbehalt gelesen habe. Es hätte übrigens dieser Zusendung nicht bedurft, um mich zu belehren, daß der Katholizismus das hohe Maß von Anpassungsfähigkeit besitzt, welches ich an ihm immer bewundert habe, - bewundert, so weit die Leistungsfähigkeit des soziologischen Gebildes in Betracht kommt, denn im Übrigen ist „Anpassungsfähigkeit" bei mir nicht mit positivem Werthvorzeichen versehen. Auf Ihre freundliche Anfrage hin antworte ich: ich bin kein Zeichendeuter und vermesse mich nicht, die Hungrigen satt machen zu können. Mein entscheidendes inneres Bedürfnis ist „intellektuelle Aufrichtigkeit": ich sage, „was ist". 2 Soll ich Zukunfts-Chancen abwägen, so haben m. E. zwei Mächte: der Bureaukratismus im Staat und die virtuose Maschinerie der katholischen Kirche, verbunden mit der Parzellierung des Menschentums zum |: (ökonomischen oder sonstigen) :| Fachmenschen, die denkbar günstigsten Chancen, alles Andre unter die Füße zu bekommen, - lauter Mächte, die ich trotzdem u. eben deshalb,

1 Vermutlich handelt es sich um den Artikel: Frauenfrage und Frauenbewegung, erschienen in: Staatslexikon, 3., neubearb. Aufl., Bd. 2.-Freiburg i.Br.: Herdersche Verlagshandlung 1909, Sp. 2 8 2 - 3 0 3 ; in Frage käme auch der Aufsatz: Christin und Staatsbürgerin, in: Die Christliche Frau, Jg. 7, Heft 1, Oktober 1908, S . 4 - 8 . 2 Anspielung auf Ferdinand Lassalle, Was nun? Zweiter Vortrag über Verfassungswesen. - Z ü r i c h : Meyer & Zeller 1863, in welchem dieser das „Aussprechen dessen, was ist", als Maxime des preußischen Abgeordnetenhauses im Kampf gegen den Absolutismus bzw. „Scheinkonstitutionalismus" bezeichnet. Ebd., S. 35: „Dies ist die Macht des Aussprechens dessen, was ist. Es ist das gewaltigste politische Mittel! Fichte constatirt in seinen Werken, daß ,das Aussprechen dessen, was ist', ein Lieblingsmittel des alten Napoleon gewesen, und in der That hat er ihm einen großen Theil seiner Erfolge verdankt. Alle große politische Action besteht in dem Aussprechen dessen, was ist, und beginnt damit. Alle politische Kleingeisterei besteht in dem Verschweigen und Bemänteln dessen, was ist."

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III

mit aller geringen Kraft, die ich |:noch:| besitze, zu bekämpfen für ein Gebot meiner Menschenwürde halte, nur mit dem Bemerken, daß die spezifisch katholische Form der Frömmigkeit in ihrem stimmungsvollen Reichtum bei mir | :natürlich: | auf einem ganz andren Blatt steht als das, was ich oben 3 als „Maschinerie" der Kirche bezeichnete, - sie steht in Wahrheit antagonistisch dazu und hat geringe Zukunftschancen. Ein auffallender Zug Ihres öffentlichen Wirkens ist es, der in diesem Artikel nur in geringem Maße, in um so stärkerem aber z.B. in Ihrem Auftreten in München (Frauentag) 3 hervortrat und mich, wo immer er hervortritt, befremdet und abstößt. Um es konkret zu fassen: Sie sagen z.B.: b „mir scheint", daß Trennung, nicht Scheidung, das Richtige ist. Ihnen „scheint"? - Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen sage: als gläubiger Katholikin hat Ihnen darüber gar nichts zu „scheinen". Denn das ist durch die Kirche festgestellt, und ich würde es als Bedürfnis empfinden, - mißverstehen Sie es bitte nicht im persönlichen Sinn, wenn ich sage: als ein Aufrichtigkeits-Bedürims, das (und nichts Andres) zu sagen. Es entsteht sonst der Anschein, als hätten Sie aus Eignem dabei mitzureden. Ganz generell: darin besteht das Grandiose |:z.B.:| am Calvinismus, daß er diese im religiösen Sinn |:im Grunde :| kleinlich wirkenden Versuche, Gott in die Karten zu gucken, abschreibt und seine unerforschlichen Rathschlüsse nicht durch Menschenweisheit zu begründen und zu - entschuldigen versucht. „Es steht geschrieben" 4 - damit basta. Es ist eines der mir so fatalen Symptome der Umwandlung der alten katholischen Frömmigkeit in eine |:ganz moderne :| Anpassungs-Tec/z nik, wenn ich diesen Versuchen begegne und dieses Streben nach „Elastizität" ist mir nicht congenial und imponiert mir wenig, wenn ich aufrichtig sein soll.

a Alternative Lesung: eben

b (Ihnen)

3 Gemeint ist Elisabeth Gnauck-Kühnes Auftritt auf dem sechsten bayerischen Frauentag, der vom 5. bis 8. Mai 1909 in München stattgefunden hatte. Dabei vertrat sie - im Anschluß an Marianne Webers Vortrag über das Problem der Ehescheidung, in welchem diese für eine Liberalisierung des Scheidungsrechts plädierte, - als Diskussionsrednerin „klug und gewandt den katholischen Standpunkt", so die Mitteilung in: Die Christliche Frau, Jg. 7, Heft 9, Juni 1909, S.324. Dazu vgl. Marianne Weber in ihrem Brief an Helene Weber [PSt 11. Mai 1909] (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat B S B München, Ana 446): „Denke: Frau Gnauck-Kühne trat nach meinem Vortrag als erste Diskussionsrednerin auf u. für die Unlöslichkeit der Ehe ein!" 4 Vom Wortlaut her („Scriptum est") bei Lk4, 3ff., vom Sinn her in Anlehnung an Mt5, 21 - 6 , 34

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Seien Sie aber versichert, daß ich Ihre Arbeiten mit größtem Interesse verfolge und Ihnen stets persönliche Sympathie bewahre. In vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster Max Weber s Meine Frau dankt vielmals für das Büchlein 5 u. wird noch selbst schreiben.

5 Es handelt sich um Gnauck-Kühne, Elisabeth, Das soziale Gemeinschaftsleben im Deutschen Reich. Leitfaden der Volkswirtschaftslehre und Bürgerkunde in sozialgeschichtlichem Aufbau für höhere Schulen und zum Selbstunterricht. - M.Gladbach: Volksvereins-Verlag 1909.

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Georg Jellinek 15. Juli 1909; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g BA Koblenz, Nl. G e o r g Jellinek, Nr. 31 Der folgende, unten abgedruckte Brief sowie die sich daran anschließende Korrespondenz mit Georg Jellinek vom 16. Juli, 25. Juli, 19. August, [vor dem 26. August], 5. und 12.September, sowie [vor dem 3.Dezember 1909], unten, S.189f., 1 9 8 - 2 0 1 , 2 2 6 - 2 2 8 , 233f., 251 f., 261 f. und 324f., steht in Zusammenhang mit der projektierten Errichtung einer Hochschule für Politik sowie einer Akademie für internationales Recht und vergleichende Politik in Heidelberg. Wie aus dem Briefwechsel hervorgeht, hatte der Herausgeber der Deutschen Revue, Richard Fleischer, der übrigens schon Anfang des Jahres Gelder für ein radiologisches Institut an der Universität Heidelberg zur Verfügung gestellt hatte, weitere finanzielle Aufwendungen - und zwar für das von Georg Jellinek vorgeschlagene Projekt einer Hochschule für Politik - in Aussicht gestellt. Fleischer hat aber nach langen Verhandlungen in seinem Brief an Jellinek vom 16. November 1909 (BA Koblenz, Nl. Georg Jellinek, Nr. 7) seine finanzielle Zusage zurückgezogen, da er als Standort für die geplante Hochschule Berlin favorisierte. Was Jellinek zu dem Versuch bewogen hat, die Carnegie-Stiftung in Washington als Geldgeber zu gewinnen, ist unbekannt. Jedenfalls wandte er sich zunächst an seinen früheren Schüler, James Brown Scott, ein Mitglied der Carnegie Institution in Washington, welcher in seiner Antwort vom 7. August 1909 (BA Koblenz, Nl. Georg Jellinek, Nr. 26) seine wohlwollende Unterstützung für das Vorhaben signalisierte: " Referring to your confidential note, I beg to say that I am in sympathy with it and hope that you will be able to realize it. If I can in any way aid it, call upon mein anyway, including the purse, for the Lord has been kind to me in the last few years. I think you would be likely to interest Mr. Carnegie in your undertaking, if you would prepare a plan in detail and have it submitted by the Rector for the time being of the University. Mr. Carnegie likes to do these things but he must be properly approached. If you will prepare a plan in English and have it presented in that way, I will take it up personally with the Honorable Elihu Root, formerly Secretary of State, upon whose judgment Mr. Carnegie relies. You will need to send me, therefore, a copy for this purpose." Tatsächlich scheint Jellinek einen Gründungsplan Mitte September 1909 an Scott geschickt zu haben, worauf dieser in seiner vertraulichen Antwort vom I.Oktober 1909 (BA Koblenz, ebd.) zu sprechen kommt: " I have received and read with the greatest interest your confidential letter and its remarkable enclosure. In the absence of Mr. Root, I can take no steps at present, because I shall have to discuss it with him personally before Mr. Carnegie is in any way approached. You may be sure, however, that I shall seize the first opportunity to interest Mr. Root in the matter and that I shall leave no stone unturned to secure its realization." Der weitere Verlauf dieser Angelegenheit ist unbekannt, die folgenden, noch im Nachlaß Jellinek im BA Koblenz befindlichen Korrespondenzen von James Brown Scott enthalten keinerlei diesbezügliche Angaben. Jedenfalls ist das Projekt einer deutschamerikanischen Akademie nicht zur Ausführung gelangt.

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Ziegelh. Landstr. 27 15/VII9. Verehrter Freund, erlauben Sie, daß ich auf den gestrigen Gegenstand - ich behalte die Sache strictissimo sensu für mich allein - zurückkomme. 1 1. Ich werde Ihnen selbstredend keine Concurrenz um GeWmittel machen (für die Gesellschaft] f[ür] Soziologie).2 Denn nicht |:von:| wem, sondern daß die Sache gemacht wird, ist mir wichtig. Geben Sie mir also s.Z. an, an wen Sie Sich noch sonst wenden, damit ich ev. zurücktreten kann von etwaigen Pump-Absichten. 2. Allerdings ist mir bei Überlegung fraglich, ob die Sache etwas sein wird, was mich interessiert. Dies wäre dann nicht der Fall, wenn das Juristische, „.Rectevergleichende" u. dgl. dominieren sollte. Auch dafür könnte noch viel geschehen, aber es geschieht schon sehr viel mehr dafür als für die Sozial lehre des Staates 3 und der politischen Bildungen. Mich würde die Sache 3 nur etwas angehen, wenn etwa ein Institut für der Name ist ja gleichgiltig - „Allgemeine Staats- und Gesellschaftslehre" (oder so etwas) geschaffen würde, bei dem natürlich auch die (ganz unentbehrliche) juristische Seite, aber doch dem Hauptzweck nach eben die „Soziallehre" betrieben würde. 3. Sollte ich Ihnen irgend bei der Förderung der Sache (auch wenn ich mit meinen Interessen dabei nicht in Betracht käme) dienlich sein können, dann bitte verfügen Sie über mich. Ich leiste gern jeden Dienst und

a (also)

1 Wie aus dem folgenden hervorgeht, hatte Jellinek mit Weber über das Projekt einer Heidelberger Akademie für Staatsrecht bzw. Politik konferiert, das im wesentlichen von Richard Fleischer finanziert werden sollte. Vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung. 2 Dieses - vorschnelle - Versprechen hat Weber in seinen Briefen an Jellinek vom folgenden Tage sowie vom 25. Juli 1909, unten, S. 190 und 198, teilweise modifiziert. 3 Georg Jellinek, auf den der Terminus zurückgeht, widmet diesem Begriff einen größeren Teil seines Werkes: Allgemeine Staatslehre, 2., durchges. u. verm. Aufl. - Berlin: O.Häring 1905, S. 1 2 1 - 3 6 8 . Der Staat als soziales Gebilde, als eine „Funktion der menschlichen Gemeinschaft", ebd., S. 168, beruht auf „ Willensverhältnissen einer Mehrheit von Menschen. Menschen, die befehlen, und solche, die diesen Befehlen Gehorsam zollen, bilden das Substrat des Staates." Ebd., S. 169. Der Staat nach Jellineks Auffassung ist letztlich „die mit ursprünglicher Herrschermacht ausgerüstete Verbandseinheit seßhafter Menschen." Ebd., S. 173.

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es versteht sich, daß ich die Interessen der „Soziologischen] Gesellschaft]" gänzlich zurückstelle, wenn Chance besteht, hier in Heidelberg etwas in Ihrem Sinn Nützliches zu schaffen. 4. Wenn etwa - was ja schließlich denkbar wäre - aller Bemühungen 5 ungeachtet Herr Fleischer auf der „Reichshauptstadt" bestehen sollte, 4 dann allerdings hoffe ich, daß auch Sie der Ansicht sein werden, daß dann Alles darauf ankommt, zu verhüten, daß das gute Geld nicht von der Regierung gouvernemental zur Ersparung von Auslagen für die Universitäten etc. und zur Einschulung offiziöser „Preßbengels"5 ver10 wendet wird. Dann also (wenn für Heidelberg nichts zu hoffen ist) wäre ich Ihnen im sachlichen Interesse dankbar, wenn Sie den Herrn darauf hinwiesen, daß die „Soziologische] Ges[ellschaft]" in der Bildung begriffen ist und statutenmäßig die Errichtung eines „Instituts" erstreben soll.6 15 5. Taktisch wird ja, wie Sie selbst sagten, Alles darauf ankommen, daß es gelingt, das Geld des Mannes jetzt „festzulegen" für Heidelberg und die Art der näheren Ausgestaltung „entwicklungsfähig", das heißt etwas „verschwommen" zu lassen, damit dann, nach genauer Überlegung, Sie ihm den Plan vorlegen können u. in dessen Gestaltung jetzt

4 Interessanterweise war es gerade ein Heidelberger Staatsrechtler, nämlich Eugen v. Jagemann, der in seinem im Juli geschriebenen, im August erschienenen Artikel bzw. offenen Brief an Richard Fleischer: Eine Hochschule für Politik und Presse, in: Deutsche Revue, J g . 3 4 , 1909, S. 1 2 9 - 1 3 7 , beiläufig darauf hinwies, daß der projektierte Hochschulversuch „am natürlichsten, wenn schon nicht unbedingt zwingenderweise, in der Zentrale unsers deutschen Gesamtlebens", ebd., S. 131, durchgeführt werden könne. 5 Dieser pejorativ gemeinte Ausdruck findet sich laut Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 7. - Leipzig: S. Hirzel 1889, Sp. 2110, schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, so etwa bei Georg Christoph Lichtenberg. 6 Von einer beabsichtigten Errichtung eines soziologischen Instituts ist weder in den DGS-Statuten vom Januar sowie Oktober 1909 noch in den definitiven Bestimmungen vom Oktober 1910 die Rede; einzig im gedruckten Einladungsschreiben zu einem Beitritt in die DGS v o m Januar 1909 wird als eine der Aufgaben der neuen Gesellschaft die Schaffung einer „Zentralstelle für soziologische Forschung [...] und als ferneres Ziel auch die Errichtung eines soziologischen Institutes" genannt.

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noch nicht allzu gebunden sind. Das wird Ihrer Taktik schon gelingen! Besten Erfolg!^ Was die „Soziologische] Ges[ellschaft]" bezüglich der Presse etwa unternehmen wird, deutet der beiliegende 13 (provisorische) Arbeitsplan (leider mit Abschreibfehlern entstellt) an, 7 den ich zurück erbitte. 5 Mit freundschaftlichen Grüßen Ihr ergebenster Max Weber

Dem Herrn muß ja klar sein, daß es hier, im Gegensatz zu „Akademien" andrer Art, auf die Förderung und Heranziehung frischer junger 10 Kräfte (nicht: Studenten, aber des 0 älteren reiferen „Nachwuchses^" 1 ) unter der Controlle von Ihnen (und ev. Andren) ankommt! Das wird ihm ja einleuchten? Direkte Lehrgänge (für Journalisten z.B.) könnte das „Institut" erst beginnen, nachdem es sich wissenschaftlich legitimiert hat und wohl auch erst, wenn ca 25000 M jährlich da sind. Sonst giebt es 15 Verzettelung.

b vorstehende > beiliegende

c etwa - Habil > des

7 Vermutlich hat Weber die Erstfassung des Arbeitsplans geschickt; ein Exemplar dieses Entwurfs unter dem Titel: Disposition für die Bearbeitung einer soziologischen Untersuchung des Zeitungswesens. (Entwurf von Professor Max Weber, Heidelberg.), findet sich in: S H L B Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb. 54.61:1.2.08 (MWG 1/13).

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Paul Siebeck 15. Juli 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 15/VII9 Sehr verehrter Herr D r Siebeck! Wie Sie anliegend ersehen, hat Herr v. Wieser nach mehrmaligem Rückfragen und Antworten seinen Entschluß prinzipiell positiv gefaßt. 1 Die 5 wesentliche Frage ist jetzt, ob Sie seinen Termin (Ostern 1972 späte-

1 In seinem Brief vom 13. Juli 1909 (Abschrift masch.; VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) hatte Friedrich v.Wieser Weber mitgeteilt, daß er „nach genauer Abwägung alles Für und Wider doch einen ansehnlichen Überschuß des Für feststellen" könne. Des weiteren hatte sich v. Wieser in seinem umfangreichen Brief auch über den Inhalt seiner projektierten Arbeit geäußert: „Ich würde den Stoff in zwei Abschnitte zerlegen, welche, wie ich schon früher gesagt habe, zwei besondere Methoden erfordern und denen ich eine kurze methodische Einleitung vorausschicken möchte. Der erste Teil wäre die .Theorie der einfachen Wirtschaft' (ein einziges Subjekt wie im natürlichen Wert, bei vollem objektiven Tatbestand einer entwickelten Wirtschaft), deren Hauptthema die Werterscheinung ist. Der zweite Teil wäre die .Theorie der Tauschgemeinschaft', mit dem Preise als Hauptthema, wobei die geldwirtschaftliche Einkommensgestaltung (Grundrente, Zins, Lohn, Unternehmereinkommen) eingeschlossen wäre. Ich würde nicht nur die allgemeine Lehre vom Geld, sondern auch die allgemeine Lehre vom Kredit mitbehandeln, weil ich, um die Unterlagen für die Darstellung des gesamten Zinsproblemes zu erhalten, die ganze geldwirtschaftliche Kapitalerscheinung in die Darstellung einführen muß. Im übrigen würde ich mich auf die Statik beschränken, dynamische Vorgänge nicht behandeln. In der Preis- und Einkommenslehre würde ich durchaus etwa so weit zu kommen suchen, als ich jetzt in der .Theorie der städtischen Grundrente' gegangen bin und auch in meinem für den Verein f[ür] Soz[ial-]Pol[itik] vorbereiteten Referate über den Geldwert gehe, d.h. ich würde trachten, mit der Erklärung durchaus bis zum modernen Typus der Erscheinung zu gelangen, so daß jene Kluft überbrückt ist, die sich zwischen den allgemeinsten Tatbeständen, wie sie die reine Theorie voraussetzt, und den ganz konkret gefaßten Tatbeständen auftut, wie sie der Politiker vor sich hat. Dieser Übergang von der reinen Theorie mit ihren vereinfachenden Annahmen bis zu den vollen Lebensverhältnissen ist besonders schwierig und die moderne Theorie hat ihn meines Erachtens bisher noch nicht recht zu vollziehen gewußt. Sie ist über ihre subjektiven Ausgangspunkte noch zu wenig hinausgekommen. Hier liegt nach meiner Empfindung der Schwerpunkt der theoretischen Aufgabe unserer Zeit. Allerdings wäre diese Aufgabe, wie ich glaube, nicht innerhalb der Preislehre, sondern besser in einem allgemeinen Teile der Volkswirtschaftspolitik zu erledigen. Da aber die Volkswirtschaftspolitik diesen allgemeinen Teil bisher nicht kennt, sondern gleich mit ihrem besonderen Teile beginnt, so muß einstweilen die Preistheorie um etwas weiter ausgedehnt werden, als es streng genommen der Fall sein sollte."

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stens) akzeptieren können. 2 Das müssen Sie entscheiden. 3 Für die Bejahung spricht, daß v. W[ieser] jetzt, nachdem er sich nach langem Zögern (er wollte eigentlich jetzt soziologisch arbeiten) die Sache zurechtgelegt hat, nach meiner Überzeugung das Buch höchst wahrscheinlich auf jeden Fall, und dann eben bei einem andren Verleger, schreibt. Für die Bejahung spricht ferner, daß die Verteilung der „Theorie" sich sehr schwierig gestalten würde, wenn man auf W[ieser] nicht reflektiert. Für die Bejahung spricht schließlich, daß Sie mit der Arbeit von v. W[ieser] jedenfalls Staat machen werden, daß sie in ganz andrem Sinn ein „Originalwerk" sein wird, welches internationale Beachtung findet, als irgend ein andrer Bearbeiter mit einem „Beitrag" zum 3 Handbuch dies möglich machen könnte. Es wird sehr eifrig auch einzeln gekauft werden (ich habe den Vorbehalt, daß diese Einzelausgabe „einige Monate nach Erscheinen des Gesammtwerks" erscheinen solle, Ihren Wünschen entsprechend in den Ihnen ja sonst bekannten Brief eingeschoben)15. Endlich: es ist so als so gut wie sicher anzusehen, daß 1) v. W[ieser] wirklich den Termin strikt einhält: ich hatte ihm |:in einem zweiten Brief 4 auf Rückfrage:| gesagt: er möge angeben, wann er sicher liefern könne, dergestalt, daß dieser Termin nicht überschritten werde - 2) daß bis dahin die andren, so viel leichteren Arbeiten sicher ebenfalls da sind, denn denen kann man Termine setzen. Nun ist es an Ihnen, zu erwägen, ob ein so - für Sie, wie ich annehme, unerwartet - später Termin möglich ist. Mich würde es freuen, wenn es der Fall wäre und rein wissenschaftlich würde ich dazu rathen u. zwar sehr entschieden. Aber es spielen natürlich noch andre Erwägungen mit. Ich schreibe v. Wieser heute, „daß ich Ihnen zwar zarathe, daß aber Sie Ihrerseits die Entscheidung treffen müssen, und daß diese |:für Sie:|

a {Handwörterbuch)

b Klammer fehlt in O.

2 Friedrich v. Wieser hatte in seinem Brief an Weber vom 13. Juli 1909 (wie Anm.1) mitgeteilt, daß er sich von Ostern 1910 an der Arbeit widmen werde, aber nicht in der Lage sei, „eine feste Zusage vor Ostern 1912zu machen". 3 Tatsächlich hat sich Paul Siebeck in seinem Brief an Weber vom 17. Juli 1909 (VA Mohr/ Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mit dem von v. Wieser vorgeschlagenen Termin prinzipiell einverstanden erklärt. 4 Korrespondenzen mit Friedrich v. Wieser sind nicht nachgewiesen.

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nicht ganz leicht sei, obwohl ich hoffte 0 , daß sie schließlich positiv ausfallen werde." Freundschaftlichen Gruß! Ihr ergebenster Max Weber. 5 Entschließen Sie Sich positiv, so gehe ich sofort an die Correspondenz mit den Bearbeitern der andren d größeren Abschnitte: Waentig, Rathgen, Dietzel und mache Ihnen Vorschläge, wie man etwa an Philippo10 vich gehen sollte. Ich meine: man sollte ihm die Wahl des Stoffs zuschieben. 5

c Alternative Lesung: hoffe

d

(Hau)

5 Vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 19. Juli 1909, unten, S. 194.

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Hermann Beck 16. Juli 1909; H e i d e l b e r g Abschrift; maschinenschriftlich S H L B Kiel, Nl. Ferdinand T ö n n i e s , C b 5 4 . 6 1 : 1 . 1 . 6 0 Im Mittelpunkt dieses Schreibens sowie der folgenden Korrespondenz mit Hermann Beck und Ferdinand Tönnies vom 23. Juli, 26. August sowie 1. September 1909, unten, S. 196f., 235 f. und 2 4 3 - 2 4 5 , steht die Diskussion über eine eventuelle Teilnahme der DGS an der projektierten Gründung eines Internationalen Soziologenkongresses im Jahre 1910 in Brüssel, der periodisch tagen und sich mit konkret zu benennenden Forschungsthemata beschäftigen sollte. Die Anregung dazu war Ende Juni von dem Leiter des „Institut Solvay" In Brüssel, Emile Waxweiler, ausgegangen. In seinem der DGS zugesandten Vorschlag heißt es u.a.: „Mit Rücksicht auf die Förderung der soziologischen Forschung hält das lnst[itut] Solvay es für zweckdienlich, eine Organisation zu schaffen, die einen beständigen wissenschaftlichen Verkehr und Kooperation unter den fachmäßigen Soziologen einerseits, andererseits zwischen diesen und den Gelehrten anderer Fächer anbahnt, die das soziale Leben wissenschaftlich und praktisch zu studieren und Kenntnisse darüber zu vermitteln in der Lage sind. In dieser Absicht erlaubt sich das Instfitut] S[olvay], die soziologischen Gesellschaften der verschiedenen Länder darüber zu befragen, ob sie es für angezeigt halten, sich mit dem genannten Institut über die Berufung eines periodisch sich versammelnden internationalen Kongresses für Soziologie zu verständigen". (Abschrift masch.; SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.2.09). Als Beispiel für ein zu behandelndes Kongreßthema hatte Waxweiler in seinem detailliert ausgeführten Vorschlag „Die räumliche Berührung gesellschaftlicher Gruppen von verschiedenen kulturellen Qualitäten." (Abschrift masch.; SHLB Kiel, ebd.) genannt. Dieses Thema sollte unter dem Blickwinkel der verschiedensten Fächer erörtert werden: so aus der Perspektive der Anthropologen, Juristen, Nationalökonomen, Pädagogen, Sprachforscher, Religionsund Kunsthistoriker sowie der „Soziologen im engeren Sinne". Positive Aufnahme fanden die Vorschläge bei Alfred Vierkandt sowie Georg Simmel. Letzterer stellte dann als ein mögliches Thema - in Anlehnung an den Waxweilerschen Vorschlag - das nicht minder detailliert ausgeführte Projekt: „Die Berührung verschiedener Kulturkreise (Akkulturation)" (Abschrift masch.; SHLB Kiel, ebd., Cb 54.61:1.2.09) zur Diskussion, während Ferdinand Tönnies dem Vorhaben eher mit Skepsis begegnete, das angebotene Kongreßthema wegen seiner „Uferlosigkeit" ablehnte und statt dessen das von Weber in Angriff genommene Projekt über die Soziologie der Presse vorschlug.

16. Juli 1909

187 Heidelberg, den 16. Juli 1909.

Sehr geehrter Herr Dr. Ich bin eigentlich mit allen Gründen des Herrn Tönnies einverstanden. 1 Geltend zu machen habe ich nur - bezüglich I. des Themas: „Presse"-folgendes: 1. Es besteht nach Mitteilung des Herrn Herkner die Chance, K[arl] Bücher in Leipzig für die Leitung dieser Erhebungen bezw. dieser kolossalen Arbeit zu gewinnen. Ich glaube, man sollte nicht über dessen Kopf hinweg die Sache an einen internationalen Kongreß geben. 2 2. Ich bin zurzeit auf der Suche nach Geld für die Vorarbeiten dieser Erhebungen. Erhalte ich solches, so wird es vielleicht möglich, auch die ausländische Presse durch Deutsche, in dem betreffenden Lande durch längeren Aufenthalt und journalistische Arbeit bewanderte Herren bearbeiten zu lassen. Ich traue der Arbeit solcher Herren sehr viel mehr anregenden Wert zu, als einer „internationalen" Arbeitsgemeinschaft. Anders, wenn ich (was aber leider sehr viel wahrscheinlicher ist) das Geld nicht aufbringen kann. Ich rate, auch diese Frage erst im Herbst zu entscheiden. Die Festlegung auf die Überweisung an den Brüsseler Kongreß würde uns vielleicht die Aktionsfreiheit nehmen. Auch müßte man doch K[arl] Büchers Entschließungen und Vorschläge in Betracht ziehen. Er hat mir auf Anfrage 3 noch nicht geantwortet. Ob Herr Herkner, der mich zu selbstständiger Korrespondenz autorisierte, weitere Nachricht von ihm hat, weiß ich nicht. II. Der Waxweilersche Vorschlag umfaßt, wie er mir jetzt vorliegt, fast die ganze Soziologie. Man kann ihn nur als eine ganz große Zukunftsaktion ansehen. Zum größten Teil aber müßte er durch Pionierarbeit Einzelner zuerst gefördert werden. Ich kann bei der Presseenquete und ebenso bei der Enquete, die ich in 2. Linie vorschlagen möchte [-] „Soziale Gruppenbildung" durch Vereine (inkl. Parteien, Sekten 1 Zwar sind die Äußerungen von Ferdinand Tönnies zu den Vorschlägen von Emile Waxweiler in seinem Nachlaß in der SHLB Kiel, Cb 54.61:1, nicht nachgewiesen, doch ist seine ablehnende Haltung aus den Gegenvoten von Georg Simmel vom 16. Juli 1909 (Abschrift masch.; SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.49) sowie von Alfred Vierkandt vom 19. Juli 1909 (ebd., Cb 54.61:1.1.58) zu entnehmen. 2 Webers Bedenken wurden von den übrigen Vorstandsmitgliedern der DGS einhellig geteilt. 3 Ein entsprechendes Schreiben Webers ist im Nl. Karl Bücher in der UB Leipzig nicht nachgewiesen.

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usw.)[,]4 also eine „Soziologie" der Bildungen zwischen Staat und Gemeinde einer- und Individuen andererseits (exkl. des rein ökonomischen) - genau angeben, wo Kollektivarbeit einzusetzen hätte. Bei dieser Arbeit (Waxweiler - Simmel) 5 könnte ich es nicht. Und doch ist dies der Punkt, der uns angeht. Das andere gehört in Kongreßvorträge, s Abhandlungen usw., die die Arbeit anderer Einzelner anregen. Die Herren Waxweiler & Simmel sollten darüber referieren. Herr Simmel vielleicht auf unserer nächstjährigen Tagung. Ich werde mit Freude mitdiskutieren und mitarbeiten. Aber eine Gesellschafts„aktion" sehe ich über dies kolossale Thema zurzeit als sehr schwer an. 1o Würden Sie mir wohl die Namen der Mitglieder in Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe, Freiburg, Stuttgart, Gießen, Marburg, Cöln, Göttingen, Straßburg mitteilen? Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster 15 Max Weber.

4 Ob Weber damals ein entsprechendes Exposé ausgearbeitet hat, ist unbekannt. Vgl. jedoch die entsprechenden Bemerkungen in seinem „Geschäftsbericht", den er in seiner Eigenschaft als Rechner auf dem Ersten Deutschen Soziologentag vorgetragen hat: Verhandlungen, S.52ff. (MWG 1/13). 5 Gemeint ist der Vorschlag Simmeis, den Weber offenbar als eventuell durchführbar erachtete. Siehe dazu die Editorische Vorbemerkung.

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Georg Jellinek 16. Juli 1 9 0 9 ; Heidelberg Brief; e i g e n h ä n d i g BA Koblenz, Nl. G e o r g Jellinek, Nr. 31 Die folgenden Bemerkungen Webers stehen in Zusammenhang mit der projektierten Einrichtung einer deutsch-amerikanischen Akademie für Internationales Recht und Politik in Heldelberg; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Jellinek vom Vortage, oben, S. 179.

Heidelberg 16/VII9 Lieber Freund, 1. Amerika hat Consuln u. Vizekonsuln in Mannheim (und Kehl). Den Amerikanern sollte man vielleicht nahelegen, diesen gleich zuzuziehen (allerdings ist er |:m.W. nur:| WaW-Consul). Denn, so viel ich weiß, ist Amerika diplomatisch nicht bei Baden vertreten, auch nicht durch den Berliner Botschafter. 2. Es wird sicher die Anklage kommen: ausländisches Geld zu nehmen ist unsrer „nicht würdig". Also muß dem Institut (ev.) der Anstrich gegeben werden, daß es speziell |:auch:| amerikanischen wissenschaftlichen Interessen diene, - im beiderseitigen Interesse, denn sonst schimpft man drüben auch. 3. Schneiden Sie die Sache doch ja - wenn sie gelingt - nicht nach Personen-Verhältnissen zu. Lilienthal müßte sicher hinein, - aber als „Person". Das Strafrecht aber seinethalben hineinzunehmen, - dies (nachgerade) fade Zeug! - wäre gradezu ein Jammer. Machen Sie doch ein „Institute for comparative politics" (and comparative sociology, wenn Sie wollen!), um es in der Sprache der Amerikaner auszudrücken, und bestimmen Sie |:dann:| einige (wenige]) Lehraufträge, in erster Linie a Allg[emeine] Staatslehrea |:u. Rechtsphilosophie:| (daneben etwa Staatsrecht, neue Geschichte, Nat[ional-]Ök[onomie]) und die Ordinarien dieser Fächer zu geschäftsf[ührenden] Mitgliedern], dazu dann Cooptation andrer badischer Leute. b Dann ist Niemand „verletzt" u. die Amerikaner kapieren die Sache. - Hoffentlich zerplatzt die |:schöne:| Blase nicht!

a 0 : zweifach unterstrichen, b Randbemerkung Max Webers: Vielleicht sollte auch ein Amerikaner (Botschafts-Attache oder Consul) hinein in die Verwaltung.

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4. Bezüglich Herrn Merton's bitte ich Sie um Dispens von meiner Pflicht.1 Diepaar c 1000 Mk., | :(ca 5—6000): | die ich brauche, spielen gar keine Rolle für Ihre Pläne, die 50, 100 oder mehr 1000 umfassen. Ich kann da loyalerweise nicht beliebig warten, ohne aus der D[eutschen] Gesellschaft] f[ür] Soziologie] ausscheiden zu müssen. Und Sie werden dadurch schlechthin nicht geschädigt. Ich bin nicht unabhängig in der Frage, wann ich | :ev.: | an ihn gehen muß. Stets u. überall sonst stehe ich \ :gern\ \ zurück u. werde Sie unterstützen, wodurch immer ich kann, ebenso werde ich später unter Ihrem Präsidium gern mitarbeiten, u. zwar sehr energisch. Denn die Sache ist wichtig. Herzliche Grüße Ihr Max Weber. Selbstredend: je weniger Leute mitkochen, desto besser im jetzigen Stadium. Ich schweige also unbedingt.

C O: par 1 Weber hatte Jellinek versprochen, ihm keine Konkurrenz bei der Beschaffung von Geldmitteln zu machen; vgl. dazu Brief an Jellinek vom Vortage, oben, S. 180, Anm. 2.

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Paul Siebeck 17. Juli 1909; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g VA M o h r / S i e b e c k , Deponat B S B M ü n c h e n , Ana 4 4 6

Heidelberg 17/VII9 Sehr verehrter Herr Doktor Siebeck! Verbindlichsten Dank für Ihren Brief, 1 dessen Inhalt ich Wieser mitteilte. 2 Ich rathe nun, daß der Termin für die Ablieferung der andren Mscr. auf November 1911 festgesetzt wird. Der zweite Band und die beiden ersten Artikel des ersten ( 1 ) B ü c h e r - 2 ) Dogmengeschichte) können ja dann vollständig ausgedruckt werden, falls wirklich v. W[ieser] so lange (bis Ostern 12) mit seiner Arbeit braucht. Ich denke eigentlich, es ist nur seine Gewissenhaftigkeit, die ihn veranlaßt, auf jeden Fall sicher gehen zu wollen u. deshalb den spätestmöglichen Termin zu nennen. Ich werde jetzt zunächst an die Leute gehen, über die wir einig waren, und welche Themata übernehmen, die für Philippovich nicht in Betracht kommen: Rathgen |:(Colonialp[olitik]):|, Waentig |:(Gewerbep[olitik]):|, Aereboe |:(Landwirtsch[aft]):|. Ich nehme - wenn Sie nicht widersprechen 3 - an, daß Ihnen ev. Wiedenfeld für die allgemeine Verkehrs[-J(7>aM.vport-)Politik nicht gegen den Strich ist. 3 Auch möchte ich gern gleich an Dietzel (äußere Handelspolitik]) gehen. Aber das bedeutet, daß man Lexis übergeht. 4 Ich rathe dazu, falls nicht Bücher widerspricht. Der Artikel von Lexis (namentlich die Partien über Kalkulation) war sehr gut. 5 Aber lesen Sie seine neuren Sachen. 6 Alles nicht a 0 : wiedersprechen 1 Webers Dank gilt dem Brief von Paul Siebeck vom selben Tage (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), in welchem dieser sich mit dem Ablieferungstermin des Beitrags von Friedrich v. Wieser bis Ostern 1912 einverstanden erklärt. 2 Korrespondenzen mit Friedrich v. Wieser sind nicht nachgewiesen. 3 Dazu heißt es in der Antwort von Paul Siebeck vom 20. Juli 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446): „Mit Wiedenfeld bin ich ebenfalls ganz einverstanden." 4 Wilhelm Lexis war ursprünglich von Weber als Bearbeiter des Artikels „ Handel" vorgesehen gewesen; vgl. Brief an Paul Siebeck [nach dem 20. April 1909], oben, S. 104. 5 Gemeint ist Lexis, Wilhelm, Handel, in: Handbuch der Politischen Ökonomie, hg. von Gustav von Schönberg, 4. Aufl., Bd. 2,2. Halbbd.-Tübingen: H. Laupp 1898, S. 2 2 3 - 3 5 4 ; über Kalkulation, ebd., S. 257ff. 6 Wahrscheinlich bezieht sich Weber hier auf Wilhelm Lexis: Das Handelswesen, I: Das

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schlecht: er verdirbt nichts. Aber er ist jetzt doch sehr alt geworden, ist Eklektiker und Neuem sehr schwer zugänglich. Bücher hat über die innere Handelsorganisation (Detailhandel pp) so vortreffliche Sachen machen lassen, daß ich ihn gern fragen möchte, ob er Niemand hat, der sich dafür qualifiziert.7 Dann kommt das Problem: Bankl-I u. Börsenwesen. Wie steht es zwischen Ihnen und Prof. Plenge.8 Der Gescheidteste ist er. Das steht fest. Und Jaffe schreibt ja jetzt bei Ihnen ein eignes Buch darüber.9 Auch liegt bei Jaffe die Sache so: er würde, wenn er „Mitarbeiter" ist, seiner ganzen Natur nach immer das Bedürfnis der Anlehnung haben, d. h. sich unsicher fühlen u. von mir verlangen, daß ich ihm (auf diesem, mir, - soweit die Banken in Betracht kommen, - fremdesten Gebiet) sagen solle, was er zu machen habe. Spiethoff hat ihm auf die Art sein halbes Buch s. Z. machen müssen. 10 Das wird, wenn er einmal selbständig etwas machen muß, anders werden. Wenn also zwischen Ihnen und

Handelspersonal und der Warenhandel (Sammlung Göschen, Bd. 296), sowie Das Handelswesen, II: Die Effektenbörse und die innere Handelspolitik (Sammlung Göschen, Bd. 297). - Leipzig: Göschen 1906. 7 Eine entsprechende Anfrage ist im Nachlaß Bücher nicht nachgewiesen. Vermutlich dachte Weber in erster Linie an den Bücherschüler Hans Hanisch, der vor Jahren eine entsprechende Arbeit vorgelegt hatte: Deutschlands Lederproduktion und Lederhandel (Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Ergänzungsheft XVI). - Tübingen: H. Laupp 1905. 8 Zum Streit zwischen Johann Plenge und Paul Siebeck vgl. Brief an Paul Siebeck [nach dem 20. April 1909], oben, S. 104, Anm. 13. Zu der Anfrage Webers vermerkt Siebeck in seiner Antwort vom 20. Juli 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446): „Herr Dr. Plenge hat in der Sache nichts Weiteres getan. Ich kann als der Ältere den Anfang nicht machen, bin aber, da ich keineswegs zu den Unversöhnlichen gehöre, bereit, im voraus zu erklären, daß ich mich entgegenkommend verhalten werde, wenn er nur halbwegs einlenkt. Im Großen und Ganzen wird er sich nicht ändern und werden auch Ihnen gewisse Erfahrungen mit ihm nicht erspart bleiben." 9 Über die Absicht von Edgar Jaffe, im Verlag J.C.B. Mohr ein Buch über Bankwesen zu veröffentlichen, gibt es in der erhaltenen Verlagskorrespondenz keine Hinweise. Tatsächlich hat Jaffe seine Schrift: Das englische Bankwesen (Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen, hg. von Gustav Schmoller und Max Sering, Bd. 23, Heft 4). - Leipzig: Duncker & Humblot 1904, umgearbeitet und als staatswirtschaftliche Habilitationsschrift an der Universität München publiziert: Das englische Bankwesen, 2. durchgesehene und erweiterte Aufl. - Leipzig: Duncker & Humblot 1910. 10 Das genaue Ausmaß von Arthur Spiethoffs Mitarbeit an dem Buch von Edgar Jaffe, Das englische Bankwesen (wie Anm. 9) ist unbekannt und läßt sich auch aus der Danksagung Jaffes in dem Vorwort zu seinem Buch nicht entnehmen. Dort heißt es lediglich: „Herrn Arthur Spiethoff, dem ich die Anregung zu dieser Arbeit und vielseitige Unterstützung durch sachkundigen Rat verdanke, sage ich an dieser Stelle meinen freundschaftlichen Dank." Ebd., S.VI.

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Plenge irgendwie normale Verhältnisse herstellbar wären, dann würde ich rathen, zuerst an ihn zu gehen^.j Philippovich muß dann die Auswahl haben zwischen denjenigen allgemeinen Gebieten, die noch bleiben: 1) Allgemeine] Produktionslehve, 5 - 2 ) Einleitung in die spezielle Volkswirtschaftslehre, - 3) Sozialpolitik. Ich habe ad 1 u. 2 zuerst noch einmal Wieser gefragt: welche hierher gehörigen Probleme er sicher nicht zu behandeln beabsichtige, damit man das dann Philippovich sagen kann. Ich wäre denn sehr erfreut, wenn er zu gewinnen wäre. Sehr schön wäre es aber auch, wenn er 10 Wohnungsfrage behandelte. Fuchs schreibt ohnehin ein dickes Buch darüber 11 u. er ist nicht scharf. Einstweilen freundschaftl. Gruß! Ihr ergebenster Max Weber

11 Das Buch ist nicht erschienen. Erst Jahre später hat Carl Johannes Fuchs eine Sammlung seiner einschlägigen Arbeiten veröffentlicht unter dem Titel: Die Wohnungsfrage vor und nach dem Kriege. Aufsätze und Vorträge zur Wohnungsfrage. Neue Folge. München und Leipzig: Duncker & Humblot 1917.

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Paul Siebeck 19. Juli 1909; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g VA M o h r / S i e b e c k , D e p o n a t B S B M ü n c h e n , A n a 4 4 6

Heidelberg 19/VII9. Sehr verehrter Herr D r Siebeck! Ich schreibe morgen

|:(eingehend!):| an Philippovich 1 u. werde ihn

bitten, zu wählen bzw. so viel als er wolle, von den zahlreichen noch ganz unbesetzten Themata (außer der Bücher'schen Einleitung, der abstrakten Theorie, der Handels-],] Colonial- u. Wanderungs-Politik und der Gewerbepolitik ist ja noch Alles frei) übernehmen zu wollen. Ich schreibe gleich sehr eingehend und bitte Sie, Ihrerseits Ihre freundlichst in Aussicht gestellte Einwirkung auf ihn womöglich auch jetzt, so daß die Briefe etwa gleichzeitig abgehen, auszu[üben]. a 2 Ich b werde ihn auf Ihren Brief im Allgemeinen und in Bezug auf die äußeren

Bedingungen

verweisen. Ich warte nur auf Rathgen's und seine (vorläufigen)

Antwor-

ten, ehe ich weiter correspondiere. Wenn doch die Sache mit

Plenge

beigelegt werden könnte. Der Mann ist so gescheidt, daß es wirklich 3

schade ist, daß er sich gelegentlich so ungeberdig stellt. Mit freundschaftlichem G[ruß] c Ihr ergebenster M a x Weber a Lochung.

b (habe ihm ge)

c Lochung.

1 Der Brief an Eugen v. Philippovich ist nicht nachgewiesen. 2 Tatsächlich hat sich Paul Siebeck am 20. Juli an Eugen v. Philippovich (VA Mohr/ Siebeck, Tübingen, Nr. 269) mit der Bitte um Mitarbeit am neuen Handbuch gewandt: „In nächster Zeit wirst Du von Max Weber eine Anfrage bekommen, ob Du an seinem Handbuch der politischen Ökonomie mitarbeiten willst. Erdenkt darüber nach, ober Dir die Allgemeine Produktionslehre, oder die Einleitung in die spezielle Volkswirtschaftslehre, oder die Sozialpolitik anbieten soll. Daneben vielleicht noch die Wohnungsfrage. Ich will Dich einstweilen darauf vorbereiten, damit Du von der Anfrage nicht zu sehr überrascht wirst. Das neue Handbuch ist ganz ohne Verbindung mit dem früheren Schönberg'schen gedacht." 3 Zum Streit zwischen Johann Plenge und Paul Siebeck vgl. Brief an Siebeck [nach dem 20. April 1909], oben, S.104, Anm.13. Im Antwortschreiben von Siebeck vom 24. Juli 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) heißt es: „Zur Beilegung des Konfliktes mit Plenge finden Sie mich, wie gesagt, bereit. Vielleicht nimmt Bücher nach dem Leipziger Jubiläum die Sache in die Hand."

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Edgar Jaffe PSt 20. Juli 1909; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig Privatbesitz

Lieber Jaffe ich erfahre im Correspondenzwege von zwei m. E. für das „Archiv" sehr wohl in Betracht kommenden Arbeiten: 1) G[erhard] A[lexander] Leist (Prof., Gießen): „Das Civilrecht und 5 der Kapitalismus"1 2) F[ranz] Eulenburg (Leipzig): Die soziale Auslese der Studenten (Vortrag)2 Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich sondiren, ob die Autoren die Arbeiten hergeben. Die Ptazfrage ist natürlich wichtig^] 10 Besten Gruß! M.W.

1 Diese A b h a n d l u n g ist nicht im A f S S p erschienen. M ö g l i c h e r w e i s e hat Alexander Leist sie zu e i n e m Buch ausgeweitet, das zwei Jahre später e r s c h i e n e n ist: Privatrecht und Kapitalismus im 19. Jahrhundert. Eine rechtsgeschichtliche V o r u n t e r s u c h u n g . - Tübingen: J . C . B . Mohr (Paul Siebeck) 1911. 2 Der Vortrag Franz Eulenburgs ist w e d e r im A f S S p noch in einer anderen Zeitschrift erschienen. Nach e i n e m Bericht der Hochschul-Nachrichten, Jg. 19, Nr. 9, Heft 225, Juni 1909, S . 8 - 9 , sollte Eulenburg diesen Vortrag auf der Pfingstversammlung des neunten D e u t s c h e n Freistudententags in Weimar halten. Zwar wird der Vortrag kurz referiert, ebd., S. 9, gleichzeitig aber auf eine Notiz in den Leipziger N e u e s t e n Nachrichten v e r w i e s e n , derzufolge Eulenburg seinen Vortrag „in letzter S t u n d e " abgesagt habe.

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Hermann Beck 23. Juli 1 9 0 9 ; H e i d e l b e r g Abschrift; maschinenschriftlich S H L B Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 5 4 . 6 1 : 1 . 1 . 6 0 Bezug: Rundschreiben von Hermann Beck an die Vorstandsmitglieder der DGS vom 21. Juli 1909 (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.05) mit der Bitte um Stellungnahme zu der von Emile Waxweiler vorgeschlagenen Gründung eines internationalen Soziologenkongresses. Eine schnelle Entscheidung sei - so Beck - auch deswegen angeraten, weil die „.Belgische soziologische Gesellschaft', eine stark klerikal beeinflußte Vereinigung, [...] beabsichtige, einen internationalen soziologischen Kongreß einzurichten. Das Institut Solvay wolle dem aber durch eine solide Veranstaltung zuvorkommen". Um die Entscheidungsfindung zu beschleunigen, schlug Beck vor, sich auf die Beantwortung der Grundfragen zu konzentrieren: „1. Ist die Bedürfnisfrage nach einem in längeren Zeitabständen tagenden Internationalen Kongreß für Soziologie zu bejahen? (Mir scheint, daß diese Frage zu bejahen ist, zumal, wenn man mit Waxweiler einen dreijährigen Zeitabstand annimmt [...]. Von rein forscherischen Aufgaben muß m.E. aber ein solcher Kongreß absehen. Das ist Aufgabe der nationalen Gesellschaften, die wie Herr Weber sehr treffend ausführt [gemeint ist das Schreiben an Beck vom 16. Juli 1909, oben, S. 1 8 6 - 1 8 8 ] , auch eine internationale Erhebung mit Unterstützung der im Auslande lebenden Glieder besser durchführen können, als eine internationale Gesellschaft, die hinsichtlich der Methoden usw usw eine zu wenig einheitliche Cooperation ergeben würde.) 2. Wann ist der erste derartige Kongreß abzuhalten? (Hierzu darf nicht vergessen werden, daß Herr Waxweiler zunächst vorschlug, gelegentlich der Brüsseler Weltausstellung 1910 den Kongreß als solchen ins Leben zu rufen, aber noch nicht etwa abzuhalten. [...] Ich meine daher, es sei genügend, wenn unser Vorstand Herrn Waxweiler ausspricht, daß er prinzipiell für eine Beteiligung der deutschen Gesellschaft an diesen Kongressen zu haben sei und wenn er weiter zur Bedingung macht, daß in Brüssel nächstes Jahr nur die Konstituierung erfolgt und der Kongreß selbst keinesfalls vor dem Jahre 1912 zusammentritt. Ferner müßte wol der dreijährige Abstand zur Bedingung gemacht werden und eine Anordnung, die eine Kollision in zeitlicher Hinsicht mit unserem Soziologentage ausschließt.)"

Heidelberg, den 23. Juli 1909. Sehr geehrter Herr Doktor! Auch ich halte für wichtig, vorerst die beiden von Ihnen präzisierten Fragen zu beantworten, die jedoch in Wahrheit mehr als zwei sind. 1. Ich stimme für die Beschickung der diesmaligen lediglich vorbereitenden Besprechung, die Herr Waxweiler für 1910 angeregt hat, wenn 5 dies ohne erhebliche Kosten möglich ist. 2. für die Beschickung eines - in Gottes Namen - als „ersten" zu bezeichnenden internationalen] Kongresses, (dessen Programm 1910 beraten werden soll, wie ich Ihrer Zuschrift entnehme), wenn die Gesellschaft davon keine Kosten hat. 10

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3. Ich stimme gegen die Festlegung der Periodizität, denn man sollte darin freie Hand behalten; soweit möchte ich doch den ausgedrückten Bedenken des Herrn Tönnies1 trotz der im übrigen für mich sehr maßgeblichen Absichten der Herren Simmel und Vierkandt 2 Rechnung 5 tragen. - Übrigens fällt mir ein, ich maße mir an, „für" und „gegen" etwas zu stimmen. Dazu habe ich ja garnicht das Recht, da ich nach den Statuten höchstens „angehört" werden kann. Ich bitte also, die Ausdrücke nicht im Sinne von „Abstimmung", sondern von „Meinungsäußerung" zu verstehen. 10 Besten Dank für die Mitteilung der Neu-Eintritte. Es können meines Erachtens unmöglich alle sein, denn es fehlen Namen von Leuten darin, die mir geschrieben haben, daß sie durch Absendung der Postkarte und des Geldes beigetreten seien. Die Mitgliederzahl ist ja auf jeden Fall noch recht sehr dürftig u. ich werde hier im Süden und Westen noch 15 einmal energisch nachhelfen müssen. Mit bester Empfehlung Ihr ergebenster Max Weber.

1 Ein entsprechender Brief von Ferdinand Tönnies ist nicht nachgewiesen. 2 Georg Simmel und Alfred Vierkandt, die sich zwar in ihren Schreiben an Hermann Beck sowie an den DGS-Vorstand vom 16. bzw. 19. Juli 1909 (Abschrift masch.; SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.49 sowie Cb 54.61:1.1.58) insgesamt zustimmend zu den Vorschlägen Waxweilers geäußert hatten, waren aber durchaus nicht, wie sich nach Webers Äußerung vermuten ließe, für eine periodische Festlegung des Kongresses eingetreten. So heißt es bei Vierkandt: „Eine prinzipielle dauernde Beteiligung an den geplanten internationalen Kongressen brauchen wir nicht auszusprechen: es genügt, wenn wir uns zunächst für den nächsten Fall entscheiden."

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Georg Jeliinek 25. Juli 1909; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g BA Koblenz, Nl. G e o r g Jeliinek, Nr. 31

Heidelberg 25/VII9. Lieber Freund, ich habe einen Frankfurter Herrn, natürlich mit aller Vorsicht nur auf meine |:so viel kleineren:| Absichten Bezug nehmend, über Herrn Merton ausgeholt. Er sagte, daß dieser derart in Anspruch genommen werde, daß von ihm nichts zu erwarten sei.1 Ich werde nun an Frankfurter |:mir bekannte:) Kreise herantreten, die Herrn Merton nahestehen, und sehen, was da zu machen ist: sollte ich den Eindruck erhalten, daß bei diesen Kreisen große Beträge zu gewinnen wären, dann trete ich zurück und werde bitten, mit Ihnen zu verhandeln. Wenn nicht, wenn also nur einige wenige 1000 Mk zu holen sind, so hat das für die „Akademie" gar keinen Zweck, dagegen für meine Absichten sehr viel.2 Aber die Sache will „Weile" haben, ich muß erst indirekt und dann durch persönlichen Besuch, den ich jetzt nicht ex improviso machen kann, auch nicht schon nächsten Sonntag (wenigstens voraussichtlich nicht) vorgehen. Für Ihr „Statuten"-Projekt möchte ich nun noch rathen: 1) vorerst die amerikanische Möglichkeit gänzlich bei Seite zu lassen. 3 2) deshalb auch jeden Gedanken an die Schaffung des neuen „degree" vorerst zurückzustellen. Es ist an sich ein scheußlicher Gedanke, das werden Sie ja auch sagen, und mehr als fraglich, ob das Geld um diesen Preis erkauft werden dürfte. Hohn und Spott aller Collegen wären der Sache sicher. (Lassen Sie doch \:wenn die Amerikaner wirklich kom-

1 Offenbar hatte Weber versucht, auf diesem Weg In Erfahrung zu bringen, ob Merton den Plan einer deutsch-amerikanischen Akademie in größerem Umfang finanziell zu unterstützen bereit sei, obschon solches in Konkurrenz zu seinen Bemühungen stand, Merton für die Subventionierung der von Ihm selbst geplanten Presse-Enquete zu gewinnen. 2 In der Folge fand sich Wilhelm Merton zur Unterstützung der Presse-Enquete bereit. Vgl. dazu Brief an Windelband vom 9. Mai 1910, unten, S. 503, Anm. 4. 3 Zum Hintergrund der folgenden Bemerkungen Webers vgl. die Edltorische Vorbemerkung zum Brief an Jeliinek vom 15. Juli 1909, oben, S. 179.

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men,:| die | '.amerikanischen: | „fellowships" davon abhängen, daß Jemand mit Note I den Doktor in bestimmten Fächern (Allgemeine] Staafclehre u. was Sie sonst wollen) hier gemacht habe, und teilen Sie die |: Studien-:| Stipendien entweder gleich unter Amerikanern und Deutschen oder unter Bevorzugung der Amerikaner oder geben Sie nur an Amerikaner Studienstipendien und ebenso nur an sie „fellowships"; lassen Sie dann aus der Mitte der fellows eins der Verwaltungsrathsmitglieder wählen, welches von Amerika aus Vorschläge für die Stipendiierung macht u. nehmen Sie einen Delegierten des Botschafters u. den Consul in Mannheim mit hinein: dies für die amerikanische Sache! - die ich an Ihrer Stelle als gesonderte „Stiftung Carnegie" - oder was sonst neben die „Stiftung Fleischer" stellen würde! nicht aber beide vermischt^ 3) Ich würde dringend rathen, die Mitgliedschaft des Verwaltungsausschusses der Fleischer-Stiftung4 bipso iureb an bestimmte Lehraufträge: Allgemeine] Staatslehre, Rechtsphilosophie, Nat[ional-]Ökonomie,° etc. zu knüpfen (so daß höchstens, incl. Fleischer, 5 Personen drin sind, unter Ihrem Vorsitz), ebenso: die sonstige Mitgliedschaft als ordentliches Mitglied, dergestalt also, daß die Ordinarien der betr. Fächer ipso facto, andre durch Cooptation dabei sind. Dann könnte ja diese cooptierbare Zahl nach oben begrenzt werden, indem man z.B. sagte: alle |:hiesigen:] Ordinarien des Staatsrechts, Verwaltungsrechts, Ordinarien 0 mit Lehrauftrag (oder faktischere Lehrthätigkeit) in vergleichender] Rechtswissenschaft, Nat[ional-]Ökonomie, Soziologie, Neuerer Geschichte sollen |:der Regel nach:| cooptiert werden, außerdem soll cooptiert werden je 1 staatsrechtlicher^] |: historischer :| und ökonomischer Ordinarius von Freiburg, der Direktor der Mannheimer Handelshochschule (Prof. Schott) und höchstens noch 3 andre. |:Das wären in Summa ca 13/14 Leute, mehr als genug! Vielleicht könnte man noch ein Mitglied der Handelskammer oder so etwas hineinnehmen, oder einen älteren Journalisten: das ist ein gutes Rizinusöl für den Geldsack!

a Randbemerkung Max Webers: die „Arbeitsteilung" findet sich dann schon von selbst! zumal Sie doch befiden] präsidieren würden b eng > ipso iure C (Neuere Gesch) d Leute > Ordinarien e (Besch)

4 Richard Fleischer hatte für dies von Jellinek vorgeschlagene Projekt einer Hochschule für Politik größere Geldmittel in Aussicht gestellt; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Jellinek vom 15. Juli 1909, oben, S. 179.

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behufs iVac/jstiftungen ähnlicher Art.: | Über die wissenschaftlichen Arbeiten und das Budget hätte dieses große Gremium (einschließlich natürlich des Verwaltungsausschusses) zu beschließen, der Verw[altungs-] Ausschuß hätte die laufenden Geschäfte und - auf Grund der von ihm vorher einzufordernden Vorschläge von Arbeiten - die Vorarbeiten für den Budget-Anschlag zu machen. — Ich überlege immer noch u. werde noch überlegen: ob ich, wie Fleischer' Ihnen schrieb, 5 wirklich mitkommen soll. Wenn ja, so würde ich mix folgende® Aufgaben stellen: 1) den Mann zu überzeugen, daß er nur mit Ihnen, nicht mit x Leuten, die Sache |:verhandele u.:| abschließe^, 2) daß das Projekt in den wesentlichen Teilen fertig sein muß, ehe es an die Regierung kommt, 3) daß die „Lehrthätigkeit" in der Art, wie sie gehandhabt werden soll, nicht statutarisch festgelegt werden darf (man kann dann, wenn erst die Sache festgemacht ist, Herrn Fl[eischer] schon überzeugen, daß eine •Sifperad/m-Unterstützung von Arbeiten, zu denen die Leute von den „Akademikern" „angeleitet" werden, die geeigneteste Form ist, - das darf man jetzt, wenn er darauf versessen ist, noch nicht sagen!) 4) werde ich ihm über eine Unterhaltung, die ich über die Lehre der „Journalistik" mit sehr erfahrenen Journalisten gehabt habe, Vortrag halten, wenn Sie dies wünschen. Die erfahrenen Journalisten sind durchaus der Ansicht, daß man keine Vorlesungen über „Journalistik" mit Erfolg halten könne. Man lerne Alles in der Praxis. Auf der Universität sei zu fordern: zeitgemäße Ausgestaltung des Unterrichts in der Praxis der Politik („the constitution at work", wie Bryce das ausdrückt), 6 f (schri) g (zwei)

h (darf,) (soll)

5 Der entsprechende Brief von Richard Fleischer ist im Nl. Georg Jellinek im BA Koblenz nicht nachgewiesen. 6 Die Formulierung ist zwar bei James Bryce wörtlich nicht nachgewiesen, doch durchzieht diese genuin sozial- bzw. politikwissenschaftliche Problemstellung, die nach den sozialen Bedingungen der jeweils gegebenen Verfassung fragt bzw. die „Verfassungswirklichkeit" untersucht, dessen Hauptwerk: The American Commonwealth, 3 vols. London and New York: Macmillan & Co. 1888; vgl. u.a. vol. I, S.478: "No constitution can be made to stand unsusceptible of change, because if it were, it would cease to be suitable to the conditions amid which it has to work, that is, to the actual forces which sway politics." sowie S.528: "We have seen that the American Constitution has changed, is changing, and by the law of its existence must continue to change, in its substance and practical working even when its words remain the same."

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politische Soziologie, neuere Geschichte, Litteratur. Das brauchten sie1, nicht aber „Einführung" in die „Technik", die man doch nicht „lehren" könne. Also habe diese „Akademie" dahin zu wirken (durch Stipendiierung etc. von tüchtigen zum Journalismus etc. geeigneten Leuten 5 u.s.w.)[,j daß der Unterricht neben dem formalen in selbständigen Vorlesungen über „Politik" die Art des Zusammenspiels der Institutionen behandle. Diese Ansicht teile ich, und Sie sicher auch. Im Übrigen hätte ich ein Interesse an der Einmischung in die Unterhaltung nicht. Daß ich meine „Preß"-Arbeitspläne weit hinter den Ge10 danken einer solchen Gründung hier zurückstelle, werde ich natürlich nachdrücklich sagen und auch: daß und warum ich (als früherer Berliner Professor und |:jetziger :| Vorsitzender im Ausschuß einer in Berlin domizilierten Gesellschaft) dennoch es für weggeworfenes Geld hielte, die Sache in Berlin zu machen. 15 Einstweilen herzlichen Gruß! Max Weber Lilienthal, den ich über Ihre Gedanken sprach, sagte mir, er werde - aus den gleichen Bedenken, die auch ich habe - nicht mit reisen. Ich werde 20 mir die Sache also auch nochmals überlegen. Auch deshalb, weil ich doch bei |: weiterem Nachdenken: | immer zweifelhafter werde, ob nicht die ganze Sache schließlich (nach den Intentionen, die Herr Fleischer, Sie und Lilienthal haben) so stark juristisch wird, daß sie' mich direkt nichts angeht. Ich werde dann Ihre Intentionen mit allen Mitteln zu 25 fördern suchen und nur den Anspruch erheben: daß diese - unbedingt nützliche - |:neue:| Akademie sich nicht den Anschein gebe, als ob sie für die mich interessierenden Dinge etwas Entscheidendes bieten könne . Mit andren Worten: machen Sie dann die Sache auch in aller Form zu einem rein „praktisch"-juristischen, d.h. die praktische Wirkung von 30 Rechtssätzen untersuchenden Institut und lassen Sie uns |: Ökonomen und Soziologen:] ganz bei Seite. Wir kommen dann ein andres Mal an die Reihe. Ich werde Sie voll unterstützen ohne jeden Vorbehalt, denn ich halte auch das für eine sehr wichtige und nützliche Sache. Nochmals freundschaftlichen Gruß 35 Ihr Max Weber

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Heinrich Rickert [um d e n 25. Juli 1 9 0 9 ] ; o . 0 . Brief; e i g e n h ä n d i g G S t A Berlin, Rep. 92, Nl. Max W e b e r , Nr. 25, Bl. 41 Die Datierung ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen: Weber äußert sich hier über den Artikel von Heinrich Rickert: Zwei Wege der Erkenntnistheorie. Transcendentalpsychologie und Transcendentallogik, erschienen in: Kant-Studien, Bd. 14, Heft2/3, 1909, S. 1 6 9 - 2 2 8 . Dem Titelblatt zufolge ist dieses Heft am 25. Juli 1909 ausgegeben worden.

Lieber Rickert! Mein z. Z. scheußlich schlechtes Befinden hat mich doch nicht zur Ruhe kommen lassen, ehe ich Ihre Sendung gelesen hatte. Herzlichen Dank für freundliches Gedenken u. reiche Anregung, wie immer. Sachlich hat mich noch keine Schrift von Ihnen so überrascht wie s diese. Wie? Sie als „Sowohl-als-auch-Mann"? 1 Und kann man denn mit irgend welchem Recht sagen, der „erste" (transz[endental]-/«yc/io/^ogische]) Weg werde beschritten, wenn man die einzelnen genera möglicher Urteile darauf hin untersucht, was an Kategorien bei ihnen vorausgesetzt ist? 2 Doch ebensowenig, wie bei der Feststellung des Begriffs des 10

1 Nach Rickert, Zwei Wege (siehe oben, Editorische Vorbemerkung), S. 174, gibt es zwei voneinander verschiedene Wege der Erkenntnistheorie, die zur „Bestimmung des transcendenten Gegenstandes der Erkenntnis" führen können: „Man kann [...] erstens mit einer Analyse des wirklichen Erkenntnisaktes als eines psychischen Vorganges beginnen, um von hier aus allmählich zum transcendenten Gegenstande vorzudringen, und man kann zweitens versuchen, so schnell wie möglich in die Sphäre des transcendenten Gegenstandes zu gelangen und diesen ohne Rücksicht auf den psychischen Akt des Erkennens ,rein' logisch zu behandeln. Den ersten Weg wollen wir den transcendentalpsychologischen, den zweiten den transcendental/ogi/sc/ien nennen und nun zeigen, daß beide zu einem wertvollen Ergebnis führen, daß aber beide ihre Vorzüge und ihre Mängel haben, so daß sie geeignet sind, einander zu ergänzen." 2 Dies bezieht sich auf Rickerts Behauptung, daß Kants erkenntnistheoretisches Verfahren „im Wesentlichen transcendentalpsychologisch" gewesen sei; ebd., S.227. Weber denkt hier speziell an den ersten Abschnitt der transzendentalen Logik in Kants „Kritik der reinen Vernunft", insbesondere an die transzendentale Deduktion der „reinen Verstandesbegriffe" bzw. der Kategorien.

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„reinen Sinns", 3 denn auch diese Feststellung haben Sie ja unter Verwendung höchst kon[cre]ter a Beispiele vollzogen! 4 Sie selbst sagen, daß man den „reinen Sinn" im Grunde nicht ohne eine ihm zugewandte Subjektivität denken könne. 5 In der That ist er ja doch eine durch 5 äußerste logische Abstraktion gewonnene Grerazkategorie. Inwiefern soll nun bei andren, spezifischeren Kategorien das Verhältnis prinzipiell anders liegen? Das sehe ich noch nicht recht. Historische Verdienste ( b des Transz[endental-JPsychologischen] ^ beweisen doch nichts! Jede logische Untersuchung geht doch - im logischen Sinn! - den umgekehr10 ten Weg, wie immer ihre praktische Darstellung aussehen mag.

a Lochung.

b Alternative Lesung: das Transzendental-] Psychologische]

3 Nach Rickert ist der Sinn „die Bedeutung eines Satzes oder Satzäquivalentes, die wahr sein kann, [...] im Gegensatz zur bloßen Wortbedeutung, die zwar zum Bestandteil eines solchen logischen Sinnes zu werden, für sich aber weder wahr noch falsch zu sein vermag." Ebd., S.200. Der Sinn ist ferner nicht als Seins- sondern als Wertbegriff aufzufassen. Die allgemeinste Form des Sinnes koinzidiert „mit dem Begriff des positiven Sinnes überhaupt [...] und ist der allgemeinste theoretische Wert. Soll irgend ein Satz wahr sein, so muß er einen positiven Sinn haben im Gegensatz zum Unsinn oder Widersinn. Die weitere Untersuchung ist dann darauf zu richten, welche Formen im Besonderen der Sinn haben muß, um positiver Sinn und nicht Unsinn zu sein, und diese Formen sind wiederum durchweg Werte, die den Begriff des positiven Sinnes überhaupt konstituieren, wie z.B. die Widerspruchslosigkeit, die Identität u.s.w." Ebd., S.206f. 4 Als Beispiel für Werte, die den Sinn konstituieren, führt Rickert (siehe vorherige Anmerkung) u.a. die Widerspruchslosigkeit sowie die Identität an. 5 Zwar gilt für den Wert, d.h. das Wesen des transzendenten Gegenstandes, daß es ganz in seiner unbedingten Geltung aufgeht: „Es fragt nicht, für wen es gilt. Die Transzendenz des Wertes besteht geradezu in diesem in sich Ruhen". Ebd., S.210. Gleichwohl - und darin pflichtet Rickert Emil Lask bei - wird der transzendente Wert, die „reine Geltung", zur Norm, zum Sollen, „sobald man ihn auf ein erkennendes Subjekt bezieht." Ebd., S.210, sowie S.217: „Das Transzendente wird erst zum .Gegenstande', wenn es ein Gegenstand ftirdas Erkennen ist, wenn es dem Denken so entgegensteht, daß dieses sich nach ihm richten kann."

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25. Juli 1909

Nun bin ich begierig, ob Lask, dem doch glaube ich der Hauptgesichtspunkt teilweise vorweggenommen ist, noch etwas Eignes zu sagen haben wird.6 Einstweilen herzlichen Gruß! Max Weber 5

6 Weber bezieht sich hier auf den Vortrag von Emil Lask: Gibt es einen „Primat der praktischen Vernunft" in der Logik?, erschienen in: Bericht über den III. Internationalen Kongreß für Philosophie zu Heidelberg 1. bis 5. September 1908, hg. von Th. Elsenhans. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung 1909, S . 6 7 1 - 6 7 7 . Lask hatte darin u.a. den subjektiven Sinn als Korrelat der objektiven Geltung konstruiert: „Er [der subjektive Sinn] ist einfach der vom objektiven Gelten her abfärbende, auf der Gegenseite liegende, den transsubjektiven Wert widerspiegelnde Sinn." Ebd., S. 673. Auf das Gebiet des theoretischen Denkens bezogen, bedeutet dies: „Wissen, Erkennen, Urteilen sind nicht gegen Wert und Sinn indifferente Gebilde, sondern sie empfangen vom objektiven Gelten hersinnhafte Färbung." Ebd., S.674. Dabei sind jedoch „Erkennen als subjektives Korrelat des objektiven Wahrheitsgeltens und ethische Hingabe an die Wissenschaft voneinander zu scheiden [...] Die subjektive Sphäre .Erkennen' ist von der ethischpersonalen ganz unabhängig. Es steckt in ihr das Ethische nicht, es hat nicht den Primat. Erkennen und sittliches Stellungnehmen sind zweierlei Typen eines Verhaltens, und das Erkennen steht lediglich in der zufälligen Beziehung zu dem außerhalb seiner liegenden sittlichen Wollen, mögliches Pflichtobjekt zu sein. Ebensowenig wie die Logik überhaupt steht die Lehre vom subjektiven Sinn .Erkennen' irgendwie unter der Herrschaft der Ethik." Ebd., S.677. Rickert hatte in einem Brief vom 17. März 1909 an Emil Lask (UB Heidelberg, Heid. Hs.3820) diesen inständig gebeten, ihm den noch nicht im Druck vorliegenden Vortrag zuzusenden mit dem expliziten Hinweis darauf: ,,[...]bekomme ich Ihren Vortrag nicht, dann wird mein Artikel nicht gedruckt." Lask, der dieser Bitte Rickerts entsprach-vgl. Brief des letzteren vom 6. April 1909, ebd. - hat sich dann nach Erhalt von dessen Artikel, der ihm offensichtlich schon als Korrekturfassung zugänglich gemacht wurde, offenbar enttäuscht darüber geäußert, daß Rickert ihm wesentliche Ideen vorweggenommen habe. Dazu vermerkt Rickert in seinem Brief an Lask vom 7. Juli 1909, ebd.: „Daß Sie glauben, ich hätte Ihnen durch meinen Artikel Wesentliches vorweggenommen, thut mir furchtbar leid. Ich habe absichtlich die Punkte, wo ich Sie auf demselben Wege vermuthete, insbesondere die verschiedenen Wertharten, die Stellung der Negation, die Schwierigkeit für die Werthsphäre der reinen Geltung einen Werthgegensatz zu finden u.s. w.[,] sorgfältig unterdrückt."

26. Juli 1909

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Lili S c h ä f e r [vor d e m 26. Juli 1909; Heidelberg] Brief; e i g e n h ä n d i g G S t A Berlin, Rep. 92, Nl. Max W e b e r , Nr. 26, Bl. 12 In seinem Brief an Lili Schäfer vom 5. Juni 1909, oben, S. 143, hatte Max Weber angekündigt, daß, falls er nicht in der Lage sein sollte, Marianne an seiner Stelle zur Taufe seines Patenkindes Max Schäfer am 26. Juli nach Altenberg kommen würde. Die erneute Absage im folgenden Brief muß einige Tage vor dem festgesetzten Tauftermin geschrieben worden sein. Der Ort ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Meine liebe Lili! Es ist nun doch nichts mit meinem Wunsch zu Euch zu kommen. Marianne kommt, wie sie sehr hofft, im September, - aber ich werde wohl verzichten müssen, denn der Sommer war sehr schlecht u. ich muß nun, wo es anfängt mir besser zu gehen, unbedingt arbeiten, um nicht allzu deprimiert zu werden über das Minimum von Leistung, welches ich aufzuweisen habe. Im Herbst muß ich dann nach Wien 1 und Leipzig 2 zu verschiedenen Congressen u. dgl. Das Frühjahr 3 hat für mich 3 eben diesmal keine Erholung gebracht. Nun werdet Ihr also b ganz allein taufen 4 und wir begleiten Euch mit unsren herzlichsten Wünschen von fern. Aber unser nächster Besuch zunächst Marianne, dann hoffentlich bald wieder einmal ich, gilt Euch. Könntest aber D u mit den Kindern nicht einmal Heidelberg aufsuchen, in B e n e c k e V Haus? 5 Es bedarf ja nur der Verabredung der Zeit. (Im Juli sind meist die Töchter der Tante mit ihren Kindern da) , 6 Herzlichst grüßt Dich und Hermann Euer Max

a (??)

b Unsichere Lesung durch Tintenklecks,

c O: Beneke's

1 In Wien nahm Max Weber an der Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik teil, die vom 27. bis 29. September 1909 stattfand. 2 In Leipzig nahm Max Weber am III. Deutschen Hochschullehrertag teil, der am 12./ 13. Oktober 1909 stattfand, und anschließend an der Mitgliederversammlung der DGS. 3 Gemeint sind die Ferien in der zweiten Aprilhälfte am Lago Maggiore. 4 Gemeint ist die Taufe von Max Schäfer. 5 Ernst Wilhelm Benecke hatte in seinem Haus in Heidelberg, Ziegelhäuser Landstr. 1, eine Etage in Eigennutzung behalten, die Familienmitgliedern zur Verfügung gestellt werden konnte. 6 Gemeint sind Emilie Benecke (Tante Nixel) und ihre Töchter Marie Schmidt und Auguste Schmidt mit ihren Kindern.

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30. Juli 1909

Leo Königsberger und Wilhelm Windelband 30. Juli 1909; Heidelberg Brief; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen Max Webers sowie einem eigenhändigen Zusatz an Wilhelm Windelband Archiv der AdW Heidelberg, Nr. 013 Im Mittelpunkt des hier abgedruckten Briefes und der sich daran anschließenden Korrespondenz mit Leo Königsberger vom 7. August und 27. Oktober 1909 sowie mit Wilhelm Windelband vom 20. und 24. September, 13. und 27. Oktober 1909, unten, S. 2 1 2 - 2 2 1 , 2 9 5 - 3 0 1 , 2 7 3 f „ 2 7 8 f „ 2 9 0 f „ 3 0 2 f „ steht Webers Wahl zum außerordentlichen Mitglied der neugeschaffenen Heidelberger Akademie der Wissenschaften aufgrund eines Beschlusses der ordentlichen Mitglieder in einer Sitzung vom 25. Juni 1909. Die Initiative zur Gründung der Akademie war von dem Mannheimer Großindustriellen Karl Wilhelm Lanz ausgegangen, der zu diesem Zweck - zur Erinnerung an seinen 1905 verstorbenen Vater Heinrich Lanz - einen Beitrag von 1 Million Mark für die Stiftung zur Verfügung gestellt hatte, welche durch Staatsministerialentschluß vom 3. Juni 1909 (GLA Karlsruhe, 235/335, Teil 1) auch genehmigt wurde. Gemäß der Stiftungsurkunde vom 22. Mai 1909 (ebd.) wurde die Heidelberger Akademie nach dem Vorbild der älteren Akademien in Berlin und München errichtet, d.h. es wurden eine mathematisch-naturwissenschaftliche sowie eine philosophisch-historische Klasse gebildet, wobei die Zahl der ordentlichen Mitglieder auf jeweils zehn beschränkt wurde, was zu einer quantitativ unzulänglichen Repräsentation der zahlreichen Einzeldisziplinen der philosophisch-historischen Klasse führte. Neben Webers Kritik an der Unterrepräsentation bestimmter Fächer, insbesondere des staatswissenschaftlichen Bereiches, richtete sich sein Unbehagen gegen die nach seiner Ansicht willkürliche Auswahl der „außerordentlichen" Mitglieder; so bemängelte er, wie aus seiner Karte an Marianne Weber vom 28. Juni 1909, oben, S.156, hervorgeht, daß u.a. Alfred Weber sowie Hermann Oncken keine Berücksichtigung gefunden hatten. Ungeachtet seiner fortbestehenden Vorbehalte gegen die Akademiegründung hat Weber auf Drängen der ständigen Sekretäre der beiden Klassen der Akademie, Königsberger und Windelband, seinen Verzicht auf die Mitgliedschaft schließlich doch zurückgezogen; vgl. dazu Brief an Königsberger vom 27. Oktober 1909, unten, S. 298. Um den editorischen Apparat zu entlasten, ist auf die Annotation der Unterstreichungen und Anführungszeichen verzichtet worden; diese fehlen sämtlich in der maschinenschriftlichen Fassung und sind von Weber selbst nachträglich eingefügt worden.

30. Juli 1909

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\:(Copiea):\ |:An Herrn Geheim Rath Königsberger als geschäftsführenden Sekretär der Hbg. Akademie der Wissenschaften:] Heidelberg, den 30. Juli 1909. Hochgeehrter Herr Geheimer Rat! In Beantwortung Ihrer freundlichen Mitteilung vom 25. Juni bitte ich Sie, es nicht als eine persönliche Unhöflichkeit auslegen zu wollen, wenn ich die mir durch die Cooptation zum „außerordentlichen Mitglied der Akademie der Wissenschaften13" erwiesene Ehre, mit dem Ausdruck des verbindlichsten Dankes ablehne. Zunächst und vor allem empfinde ich es als |:für mich:| unschicklich, durch meine Zugehörigkeit, 0 bei bestehendem numerus clausus,d der Cooptation anderer, aktiver, Mitglieder der Universität direkt im Weg stehen zu sollen, insbesondere solcher, welche als Seminarvorstände ein, sei es auch nur vermeintliches, Interesse an der Zugehörigkeit zur Akademie haben könnten. Die den Prinzipien der Kollegialität in vieler Hinsicht widersprechende, 6 und aus sachlichen Interessen der Arbeit nicht begründbare,' Art der Zusammensetzung und Struktur der Akademie, hervorgerufen insbesondere durch die schematisch gleiche Behandlung der in der Eigenart ihrer wissenschaftlichen Bedürfnisse doch ganz heterogenen nicht naturwissenschaftlichen Fächer mit den naturwissenschaftlichen, hat ohnedies 9 notorisch schon jetzt, - wie dies übrigens jeder Menschenkenner voraussehen mußte, - ein Maß von persönlicher Erbitterung hervorgerufen und daneben eine Summe von Eitelkeiten, gekränkten ebenso wie geschmeichelten, in Bewegung gesetzt, wie dies seit langer Zeit an der Universität nicht der Fall war. Überdies aber muß ich,h nach den Prinzipien, welche der Zusammensetzung der Akademie zugrunde gelegt wurden, als sicher annehmen, daß dieselbe ganz ebenso, wie dies bei den älteren gleichartigen Institua O: zweifach unterstrichen, b Wissenschaft > Wissenschaften c Zugehörigkeit > Zugehörigkeit, d clausus > clausus, e wiedersprechende > widersprechende, O: wiedersprechende, f begründbare > begründbare, g ohne dies in > ohnedies h ich > ich,

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30. Juli 1909

ten, deren veraltetes Muster bestimmend mitwirkte, der Fall war, sich dauernd außer Stande zeigen wird, gerade diejenigen Probleme, für deren organisierte Inangriffnahme ich mich eventuell sehr lebhaft interessieren würde, sachgemäß zu bearbeiten. Und endlich ist die Stellung von Anträgen auf Veranstaltung von Arbeiten durch die Akademie |:auch:| von Seiten eines jeden Außenstehenden 1 ja genau ebenso zulässig wie von Seiten eines „außerordentlichen Mitgliedes". Als Nicht-Interessent aber habe ich den begreiflichen Wunsch, von jenen persönlichen Mißempfindungen |:der Collegen:| nicht berührt zu werden. Andererseits muß ich auch Sorge tragen, nicht meinerseits den Vorwurf unkollegialen Verhaltens |: gegenüber den Mitgliedern der Akademie,:| und überdies |:den:| der Inkonsequenz,' zu verdienen, indem ich eine mich angenehm berührende Ehrung annehme, obwohl ich keinerlei Hehl daraus machen kann, daß ich die sachliche Berechtigung jener Mißstimmungen ganz ebenso unbedingt anerkenne, wie dies seitens anderer, und zwar auch seitens recht hervorragender, k Gelehrter unserer Hochschule geschieht. Die Verzögerung dieser Antwort und die vielleicht allzu ausführliche Begründung bitte ich Sie lediglich damit zu entschuldigen, daß ich tatsächlich sehr ungern Gefahr laufe, bei Ihnen, hochgeehrter Herr Geheimer Rat, und bei anderen Herren, insbesondere bei Herrn Geheimen Rat Windelband, den Eindruck zu erwecken, als ob ich Ihre opfervolle Mitwirkung bei der unzweifelhaft nicht leichten Aufgabe der Gründung dieser Akademie, der ich das beste Gedeihen wünsche,' und ebenso den Wert der mir entgegengebrachten freundlichen Gesinnung nicht zu schätzen wüßte. Ich bitte Sie zu verstehen, daß ich mich in besonderer Lage befinde,"1 und kann nur versichern, daß es mir gänzlich fern liegt, etwa andere Herren zu einem gleichen Verhalten bestimmen zu wollen. Schon die Aufschiebung dieser Antwort bis an den Semesterschluß dürfte dies außer Zweifel stellen. In ausgezeichneter Hochachtung Ihr sehr ergebener |:(Max Weber) :|

i Dritten > Außenstehenden j Inkonsequenz > Inkonsequenz, hervorragender, I wünsche > wünsche, m befinde > befinde,

k hervorragender >

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A n Wilhelm Windelband:

Hochgeehrter Herr Geheimer Rath! Ich bitte auch Sie, die Motive dieses, für die Akademie ja gänzlich irrelevanten, Austritts nicht zu mißdeuten. Wenn in der „historischen" 5 Classe als |:„ordentl[iche] Mitglieder]":| 3 Freiburger Historiker und 3 Rechts- bzw. Kirchenhistoriker sitzen, 1 der Ordinarius der neueren Geschichte aber nicht einmal als „a.o. Mitglied]" Platz findet, 2 so gehöre ich nicht in diesen Cirkel. Vor Allem aber verspreche ich mir, da wie n mir bekannt ist - die Herren von der „Naturwissenschaftlichen] 10 Sektion" auch darüber | ¡entscheidend mit:| bestimmen, was für die andren Disziplinen richtig ist, nichts für unsre Disziplin. Ich glaube, man müßte vor solchen Stiftungen gradezu warnen und abwarten, ob nicht einmal sich Gelegenheit bietet, etwas ganz andres zu machen, wenn den Sozia/wissenschaften geholfen werden soll. 15 Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster Max Weber

n

(ich)

1 Diese Passage ist insofern mißverständlich, als zu ordentlichen Akademiemitgliedern einzig in Heidelberg lehrende Wissenschaftler gewählt werden durften, während als außerordentliche Mitglieder - laut Statuten - wissenschaftliche Persönlichkeiten aus ganz Baden ernannt werden konnten. Weber bezieht sich hier zweifellos auf die als außerordentliche Mitglieder kooptierten Freiburger Historiker Georg v.Below, Alfred Dove und Friedrich Meinecke sowie auf die Heidelberger Kirchenhistoriker Adolf Hausrath und Hans v. Schubert und den Freiburger Rechtshistoriker Otto Lenel. 2 D. h. Hermann Oncken.

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31. Juli 1909

Paul Siebeck 31. Juli 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 3 1 / V I I 9 Sehr geehrter H e r r D r Siebeck! Philippovich ist im Prinzip nicht abgeneigt, findet aber - neben andren Bedenken, die ich zu beseitigen hoffe 1 - das Honorar zu niedrig: bei 3000 Aufl. betrage es nur M. 50 für den normalen Bogen. 2 Ich habe von 5 Anfang an keine Lust gehabt, mich in diese Seite der Angelegenheit einzumischen, da sie mir nicht zentral ist und Sie versicherten, Bücher finde die Bemessung richtig. Hat er die Höhe der Auflage gekannt? Sie werden wahrscheinlich bei Rathgen u. A . die gleiche Einwendung erleben. Auch weiß ich z . Z . noch nicht, wie Sie Sich die Behandlung der 10 großen Abschnitte bei Separatausgaben denken: ich habe vorsichtshalber vorläufig überall (Rathgen, Waentig, Philippovich) so formuliert: daß die |:Separat-:|Ausgabe „aus den Vorräthen" der Auflage veranstaltet r also: das Honorar dafür inbegriffen ist. Ü b e r die Größe der Auflage habe ich bisher geschwiegen. D e n n auch ich hielt sie für bedeu- 15 tend zu hoch, mindestens um Ys im Verhältnis zu diesem H o n o r a r . Was zahlen Sie denn z . B . Philippovich für seinen Bogen? Doch sicher, im

1 In seinem Brief vom 28. Juli 1909 an Paul Siebeck (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 269) führt Eugen v. Philippovich als sachliche Hauptbedenken gegen eine etwaige Mitarbeit an: einmal „die Möglichkeit einer scharfen und befriedigenden Abgrenzung jener Gebiete, die Weber mir zur Bearbeitung vorschlug", sodann die Tangierung bzw. die dadurch bedingte mögliche Hintanstellung seiner eigenen wissenschaftlichen Arbeiten, nämlich einer Publikation von in Wien und Berlin gehaltenen Vorträgen sowie seiner Neubearbeitung der Volkswirtschaftslehre. 2 Dazu heißt es in dem Brief von Eugen v. Philippovich an Paul Siebeck vom 28. Juli 1909 (wie Anm. 1): „Was die geschäftliche Seite anbelangt, so habe ich Weber geschrieben, daß mir der Satz von Mk 140 bei einer Auflage von 3000 Exempl[aren] niedrig vorkommt. Das macht nicht 50 Mark per 1000 Exemplare aus. Stellt man dazu das große Format in Rechnung, so scheint mir eine höhere Veranschlagung des Honorars [...] berechtigt zu sein."

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Verhältnis, mehrl3 Könnte man nicht den 3 Herren mit Separat-Ausgaben: also: Theorie (Wieser), Einführung (Bücher), Colonial- und ev. äußere Handelspolitik (Rathgen)[,j Gewerbe (Waentig)[,j | :dann Philippovich: | und vielleicht noch2b—3 andren: zusammen ca #5 Bogen, bei so hoher Gesammtauflage ein höheres, dem Philippovich'schen Grundriß mindestens (relativ) entsprechendes, Honorar bieten, durch Zahlung von Exira-Honorar für die S.A.? 4 Die Auflage der kleinen Artikel müßte und könnte dann ja kleiner sein. Die kleinen Artikel umfassen: 1) Agrarwesen, 2 ) - voraussichtlich - : Verkehrswesen, 3) alle Artikel des ersten Bandes außer: Bücher, Wieser und ev. Philippovich, wenn sein Artikel dahin kommt, dann die Trust = Kartell-Artikel u.s.w. u.° fast alle Artikel der Sozialpolitik, ebenso alle meine Artikel. Mir ist, wie gesagt, die Honorarfrage gar nicht entscheidend. Aber wie Sie sehen: schon der erste Herr, der die A uflagenhöhe erfährt, macht Schwierigkeiten, und das wird sich stark steigern. Für meine „Redaktions"-Thätigkeit beanspruche ich |:- um dies klar zu stellen - : | nur ein anständiges Kosten-Pauschale (da die Zeit, die ich verliere, \:recht:\ bedeutend ist; - die i?ea/kosten halte ich für ganz niedrig). 5 Ich habe d allen Herren 0 erklärt, daß ich nicht als „Herausgebet figurieren werde. Das Handbuch sollte einfach heißen: „Siebeck's Handbuch der Politischen] Ökonomie" (so wie z.B.: „Frommann's Classiker" u.s.w.). Freundschaftlichen Gruß Max Weber

a 0:die

b (andren)

c (die)

d überall > allen H e r r e n

3 Laut Auskunft von Paul Siebeck am 2. Aug. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) betrug dessen Bogenhonorar „pro 1000 Auflage" 75 Mark. Siebeck machte allerdings dabei geltend, daß der Grundriß von Philippovich nicht mit dem projektierten Handbuch verglichen werden könne: „Einmal wird es doch umfangreicher und daher teurer, als der Grundriß, in manchen Partieen vielleicht auch schwerer verständlich, und dann kommt in Betracht, daß der Philippovich'sche Grundriß schon eingeführt ist." 4 Daraufhin schlug Paul Siebeck in seinem Brief vom 2. Aug. 1909 (wie Anm. 3) vor, die Auflage möglicherweise um 500 auf 2500 Exemplare zu verringern, so daß pro 1000 Auflage ein Honorar von 56 Mark herauskäme. „Die Separatausgaben wären dann natürlich in dem Honorar nicht einbegriffen." 5 In der Antwort vom 2. Aug. 1909 (wie Anm. 3) vermerkt Siebeck: „Wenn Sie für Ihre Redaktionstätigkeit nur ein anständiges Kostenpauschale beanspruchen, so kann ich dafür doch nicht weniger als M 3000 in Aussicht nehmen."

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7. August 1909

Leo Königsberger 7. A u g u s t 1 9 0 9 ; H e i d e l b e r g Brief; maschinenschriftlich mit e i g e n h ä n d i g e n K o r r e k t u r e n und Z u s ä t z e n Max W e b e r s Archiv der A d W Heidelberg, Nr. 0 1 3 Der hier abgedruckte Brief ist uns in zwei Fassungen überliefert. Als erste Fassung hat ein maschinenschriftliches, mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen Max Webers versehenes Konzept zu gelten, das sich im GStA Berlin, Rep.92, Nl. Max Weber, Nr.30, Bd.7, Bl. 1 3 5 - 1 4 2 , befindet. Die maschinenschriftliche Fassung, die offenbar aus einem Diktat hervorgegangen ist, wird im folgenden als A, die eigenhändigen Korrekturen werden als A-| bezeichnet. Am linken oberen Rand von A findet sich die handschriftliche Anweisung Max Webers: „ 3 Exemplare [doppelt unterstrichen] für Prof. Max Weber Ziegelh. Landstr. 27. Bitte sehr sorgfältig! [doppelt unterstrichen]", wobei die Ziffer 2 in 3 verändert worden ist. Auf der Basis des korrigierten Konzeptes wurde eine Reinschrift B erstellt, die uns in zwei Exemplaren, nämlich im Original B 1 sowie in einer Durchschrift B 2 (letztere in der Personalakte Max Webers, Archiv der AdW Heidelberg) überliefert ist. Beide Exemplare hat Weber anschließend nochmals eigenhändig korrigiert. Die Durchschrift ist mit dem eigenhändigen Zusatz am linken oberen Rand versehen: „CopieSchreiben an Geh. Rath Königsberger, d.Z. geschäftsführenden Sekretär der Heidelberger Akademie der Wissenschaften." Im folgenden kommt die Fassung BT unter Annotation der handschriftlichen Korrekturen zum Abdruck. Ebenfalls im textkritischen Apparat ausgewiesen werden die Fassung A sowie die eigenhändigen Korrekturen Ai, sofern sie nicht in B eingegangen sind. Auf eine Annotation der Unterstreichungen wird verzichtet, da diese in der Fassung A fehlen und von Weber selbst nachträglich in das Konzept eingefügt worden sind. Einzig die wenigen in der Fassung B vorgenommenen Unterstreichungen sind angemerkt. a

Heidelberg, den 7. August 1909. a

Hochgeehrter Herr Geheimer Rat! Als ich Ihnen persönlich die Bedenken vortrug, welche mir die Annahme der für mich sehr ehrenvollen Kooptation zum außerordentlichen Mitglied der Akademie auszuschließen schienen, 1 stellten Sie mir in s a Fehlt in A; A-i: Heidelberg 7. August 1909 1 Über dieses Gespräch, welches am 1. Aug. 1909 stattgefunden hatte, berichtete Königsberger noch am selben Tage an Wilhelm Windelband (Archiv der AdW Heidelberg, Nr.013): „Die Verhandlung dauerte V k Stunde; Ich suchte ihn [d.h. Weber] von der Grundlosigkeit seiner Annahmen und Voraussetzungen zu überzeugen, er kam aber Immer wieder darauf zurück, daß eine moderne Akademie noch eine 3 t e Klasse für Nationalökonomie und Staatsrecht haben müsse. Ich will Sie, verehrter Herr College, nicht mit den recht aufregenden Einzelhelten unserer Unterhaltung langweilen - kurz Ich forderte ihn auf, seinen Brief, der In schroffer Weise seine Wahl zum außerordentlichen] Mitgliede ablehnte, zurückzuziehen, da ich denselben sonst der Gesammtakademie, und seine

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liebenswürdiger Weise anheim, bdiese Bedenken zunächst noch 0 näher sachlich zu begründen, dagegen jedenfalls für jetzt °von einer Ablehnung der Kooptation abzusehend weil d Ihrer Ansicht nach d dadurch Anstoß erregt und e auch, infolge möglicher 6 Mißdeutungen,' die Weiterentwicklung der Akademie geschädigt werden könnte. Indem ich von jener Erlaubnis Gebrauch mache, darf ich wohl erwarten, 9 nicht den lächerlichen Schein auf mich zu laden, als maßte ich mir an, für die Annahme einer Ehrung, welche zugleich mit mir einer h Anzahl der hervorragendsten Gelehrten dieser und anderer Hochschulen zuteil wurde, gewissermaßen „Bedingungen"1 stellen zu wollen. Ich glaube umgekehrt/ gerade deshalb diese Ansichten, welche von vielen anderen auch innerhalb der Akademie,'geteilt werden, offen aussprechen zu dürfen, weil niemand m, oder doch kein einigermaßen Verständiger," 1 auf den Gedanken verfallen kann, daß ich n, in meiner Lage,"/«/- mich Prätensionen auf irgendwelche aktive0 Teilnahme an der Akademie erhoben hätte oder jetzt erhöbe, und weil ich also wenigstens die Objektivität des persönlichen „Nichtinteressenten" p für mich in Anspruch nehmen darf. Ich habe q s. Zt. bei Niederlegung meines Ordinariats und nachr Berufung meines Nachfolgers die mir persönlich 3 sehr wertvolle ordentliche1 Mitgliedschaft uin der badischen historischen Kommission1'" w - ohne daß dies übrigens irgendwelchen Anstoß erregt hätte, - aufgegeben, 2 aus ganz dem gleichen Motiv, "'aus welchem ich jetzt Bedenken trug, durch meine Teilnahme an der Akademie x , bei dem bestehenden numerus clausus, x der Kooptation aktiver Professoren im Wege zu ste-

b A: dieselben selbst c A: eine Ablehnung der Kooptation zu unterlassen d Fehlt in A. e A: durch mögliche f Komma fehlt in A. g Komma fehlt in A. h A: eine A^ einer B: eine i A: Bedingungen k Komma fehlt in A. I A: und darunter auch von sehr bekannten Gelehrten dieser Hochschule A-i: (und darunter auch von weithin bekannten. Gelehrten dieser Hochschule) m Kommata fehlen in A. n Kommata fehlen in A. O Fehlt in A. p A: Nichtinteressenten q A,: (, beiläufig bemerkt,) r Fehlt in A. s Fehlt in A. t Fehlt in A. u Fehlt in A. v A,: Commission w A: aus ganz dem gleichen persönlichen Motiv und übrigens, daß dies irgendwelchen Anstoß gegeben hätte, aufgegeben, x Kommata fehlen in A.

Ablehnung dem Großherzog zur Kenntniß bringen müßte, nachdem ich vorher noch mit Ihnen darüber Rücksprache genommen haben würde. Er ersuchte mich, seinen Brief noch 2 - 3 Tage zurückzuhalten, da er sich die Sache, nachdem er meine Einwendungen gehört, noch einmal überlegen wolle. Meine Hoffnung ist nur gering, daß er Vernunft annehmen wird." 2 Weber war von 1896 bis 1903 Mitglied der Badischen Historischen Kommission.

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hen. - y Sie beschieden mich nun 3 dahin, daß dieser b mehr persönliche Anstoß 0 d , infolge der bereits beschlossenen Erhöhung der Mitgliederzahl, d hinfällig geworden sei. Es schien mir e nun aber®ferner, 'wie ich Ihnen vortrug', daß ich nicht nur inkonsequent, sondern 9 in gewissem Sinnh auch 9 den Interessen der mich angehenden gesellschaftswissenschaftlichen Fächer entgegenhandeln1 würde, wenn ich eine schmeichelhafte k persönliche Ehrung annehmen würde, obwohl nicht etwa nur die jetzige1 Zusammensetzung, sondern, wie mir scheint, diem unvermeidlich gegebene Struktur "der Akademie" dauernd jene °mir sachlich am p Herzen liegenden 0 Interessen q verletzt. Gestatten Sie, daß ich dies nochmalsr etwas näher begründe. Daß s durch solche sachlichen' Darlegungen irgend jemand, vor allem daß Sie oder Herr Geheimer Rat Windelband sich berechtigterweise J verletzt fühlen könnten, halte ich für völligv ausgeschlossen. Denn es handelt sich ja hierw nicht um irgendwelchex „Anklagen" y gegen 3 Personen, welche diese auch sein mögen. Die Schwierigkeiten waren b und sind b m. E. vielmehr0 in der Sache liegend und im wesentlichen dadurch gegeben, daß dem hochherzigen Stifter der Akademie ganz natürlicherweise nur durch die Vorschrift: d e die letztere® tunlichst bestimmten älteren' Mustern anzupassen, eine Gewähr für die zweck- und sinngemäße Verwendung der von ihm zur Verfügung gestellten Mittel geboten werden konnte. 9 Lage und Bedürfnisse h der staats- und gesellschaftswissenschaftlichen'1 Disziplinen können1 überdies auch unmöglich als so allgemein bekannt 9 vorausgesetzt werden, daß es einen persönlichen „Vorwurf"1* enthielte, wenn ich mir gestatte, rein objektiv die Tatsache festzustellen, daß deren Interessen durch die Akademie ', wie sie ist,' nicht nur nicht gefördert, sondern direkt geschädigt werden. 1. Die Akademie nennt sich,m nach dem Muster von Anstalten, die aus früheren Zeiten stammen, "„Akademie der Wissenschaften"", obwohl sie doch 0 neben den Naturwissenschaften augenscheinlich nur y B: stehen, a Fehlt in A. b A: dieses c A: Moment d Kommata fehlen in A. e Fehlt in A. f Fehlt in A. g A: vor allem h A ^ Sinne i A: entgegenhalten k Fehlt in A. I Fehlt in A. m Fehlt in A. n Fehlt in A. o Fehlt in A. p A , : a m B : im q In A folgt: schwer A ^ {schwer,) r Fehlt in A. s A-,: (freilich) t Fehlt in A. u Fehlt in A; A ^ berechtigter Weise v Fehlt in A. w Fehlt in A. x Fehlt in A. y A: Anklagen a A-¡: (irgendwelche) b Fehlt in A. c Fehlt in A. d A: Vorschrift e A: dieselbe f I n A folgt: und bewährten g A: Und die allgemeine Lage sowie die Bedürfnisse unserer Disziplin können unmöglich als so bekannt h A: unserer A-i: unserer speziellen > der staats- und gesellschaftswissenschaftlichen i A^ (etwa) k A: Vorwurf I Fehlt in A. m Komma fehlt in A, A-i, B. n A: Akademie der Wissenschaften o Fehlt in A.

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philosophische, philologische und p , vor allem, p historische Interessen pflegen wird, von denen die letzteren q übrigens, mit Einschluß der r e c h t s h i s t o r i s c h e n i n Baden bereits in der r„historischen Kommission" r ausgiebigs zu ihrem Rechte kommen'. Die systematischen staatsund gesellschaftwissenschaftlichen Disziplinen dagegen" vertritt sie, wie ihre Zusammensetzung ergibt, weder jetzt, noch würde v sie sie, wie ich weiterhin noch begründen werde, künftig vertreten können, selbst wenn sie dies "beabsichtigen sollte. w 2. Die Akademie erweckt andererseits dadurch, daß sie Vertreter jener von ihr nicht zu pflegenden Disziplinen zux Mitgliedern kooptiert, den Anschein, als seien auch deren Interessen Gegenstand ihrer Fürsorge. yAllein die y Berufung des Herrn Geheimen a Hofrats Professor Dr. Gothein 3 unter die „ordentlichen"" Mitglieder kann Offensichtlich nur ihm 0 als Historiker gelten: - andernfalls 0 wäre ja eines der eponymen Fächer 3 der e „historisch-philosophischen" e Klasse im engeren Gremium 'der „ordentlichen" Mitglieder f überhaupt gänzlich unvertreten. Die teils vollzogene, teils, wie Sie andeuteten, vielleicht beabsichtigte Berufung anderer aktiver 9 Vertreter der Staats- und Gesellschaftswissenschaften zu „aMßerordentlichen"h Mitgliedern 'aber stellt zwar eine persönliche Ehrung dar',' hat aber keinerlei ins Gewicht fallende praktische Bedeutung für die Interessen des Fachs, selbst wenn diejenigen k außerordentlichen Mitglieder der historisch-philosophischen Klasse, welche aktive Seminarvorstände sind,'- nur um solche könnte es sich handeln wenigstens in der Beschlußfassung über die Geldmittel den ordentlichen Mitgliedern völlig"1 gleichgestellt werden". Denn auch alsdann blieben sie gegenüber dem ungeheuren Übergewicht von Philologen und Historikern aller Art ohne jeden "Einfluß und es würde ihren Anforderungen auch die akademische „Tradition" der älteren Institute im Wege stehen. Gerade jener "irreführende Anschein eines universellen Charakters der Akademie bedeutet nun aber eine direkte schwere Schädigung für die p Kommata fehlen in A. q Fehlt in A. r A: historischen Kommission s Fehlt In A. t A: kamen u Fehlt in A. v A: wird w A: beabsichtigt, x In A folgt: außerordentlichen y A: Die a A: Hotrat Gothein b A: ordentlichen c A: aber ihm nur d A, A,: anderenfalls e A: historisch-philosophischen f Fehlt in A. g A: ordentlicher h A: außerordentlichen i A: wäre zwar eine persönliche Ehrung j Komma fehlt in A. k A: die I Fehlt in A. m Fehlt in A. n A: würden o A: Einfluß. Jener

3 Hier ganz wörtlich zu verstehen: die „namengebenden" Fächer der entsprechenden Klasse, in diesem Fall die der Geschichte und Philosophie.

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faktisch von ihr nicht gepflegten p , weil nicht historischen/Disziplinen. Es liegt auf der Hand, daß bei einer offenen und ausdrücklichen Beschränkung der Akademie auf die effektiv gepflegten Fächer wenigstens die Chance vorhanden wäre, daß künftig einmal eine ähnliche Stiftung für die Zwecke der systematischen11 Staats- und Gesellschaftswissenschaften erfolgen könnte, - r wofür nunmehr, s infolge der (scheinbaren!)' Mitvertretung jener Disziplinen in der Akademie, offensichtlich0 nicht der geringste Anreiz besteht. 3. Auch für die Zukunft ist,v innerhalb der philosophisch-historischen Klasse der Akademie, eine Besserung der Lage dieser Disziplinen nicht zu gewärtigen, "schon weil w für deren Zusammensetzung x, via facti, x mehrere mit einander kollidierende Ausleseprinzipien maßgebend geworden sind: das reiny sachliche Fachvertretungs- 3 , das Anciennitäts- und b , damit kombiniert, 0 das „Notabilitäts"-Prinzip c . Auf die d , gegenüber ®den Naturwissenschaften, 6 so 0 ungleich zahlreicheren' Disziplinen der philosophisch-historischen Klasse 9 wirkt dabei 9 die ziffernmäßige Gleichstellung der beiden Abteilungen natürlich als eine ungleich stärkere und h damit zugleich, h infolge der Kombination jener Ausleseprinzipien,1 ungleich willkürlichere Durchbrechung der Gleichstellung der verschiedenen* Disziplinen1. Keinerlei Anstand wäre natürlich"1, "vom Interesse der Einzeldisziplinen aus, m n daran zu nehmen, daß° die Besetzung des inneren Gremiums möglichst nach irgend einem Anciennitätsschema erfolgte, falls dieses innere Gremium dabei p als eine lediglich vorberatende und ausführende Instanz konstituiert würde q und im „Plenum" die inaktiven Professoren', wie es sich gebührt, s höchstens4 beratendeu Stimme erhielten"c'. Alsdann™ würde, beix der Konkurrenz der verschiedenen Fachinteressen und den unvermeidlichen Kompromissen yzwischen ihnen, auch y die anerkannte „Notabilität" z eines Gelehrten bei der Beschlußfassung des Plenums naturgemäß®

p Fehlt in A. q Fehlt in A. r A: könnte s A: heute t A, B: scheinbaren u Fehltin A. v Komma fehlt in A. w A: nachdem x Kommata fehlen in A. y Fehlt in A. a A: Fachvertretungsprinzip b Kommata fehlen in A. c A: Notabilitätsprinzip A-i: „Notabilitäts"-Prinzip B: Notabilitäts-Prinzip d Fehlt in A. e B: der Naturwissenschaft f B: zahlreichen g A: wirkte A,: wirkt (aber) dabei h Fehlt in A. i Komma fehlt in A. k Fehlt in A. I A-!: (und es bleibt dauernd dem Zufall und der Willkür überlassen, inwieweit eine Vertretung jener systematischen) m Kommata fehlen in B. n Fehlt in A. o A: daß etwa p Fehlt in A. q Fehlt in A. r A,, B: Mitglieder s A-i: (nur) t A-,, B: höchstens u A,: berathende v A,: erhielten B: erhalten w A: Dabei x A: infolge y A: überdies z A: Notabilität a A: zweifellos

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genügend ins Gewicht fallen. b Fach-, Notabilitäts- und Anciennitätsprinzipien ließen sich auf diesem Wegec in sachlich zweckmäßiger Weise vereinigen. b Dagegen bei Ausgestaltung der Stellung0 des inneren Gremiums® zu einer im Prinzip allein „regierenden"' Körperschaft von 9 , jeweils, teils9nach sachlichen, teilsh nach persönlichen Gesichtspunkten ausgelesenen Gelehrten wäre die Vertretung der Fachinteressen der systematischen' staats- und gesellschaftswissenschaftlichen Disziplinen dem Zufall kund der Willkür''ausgeliefert, ganz abgesehen davon, daß 'ganz allgemein'die Besetzung jeder neuen Vakanz alsdann das jedesmaligem Wiederaufleben" jener persönlichen Verstimmungen 0 herbeiführen'3 müßte, welcheq schon diesmal rsich so peinlich55 bemerkbar machten. Vollends' an der Teilnahme eines oder mehrerer Gelehrter unserer' Disziplinen an einer vorwiegend nur personalen, ugänzlich selbständigen," also nicht auf die Interessen der an der Universität gepflegten Fächer eingestellten „Notabilitäten"- v Akademie hätten jene w Disziplinen als solche nicht nur keinerlei Interesse, sondern siex würden y , wie schon erwähnt/durch den falschen Anschein einer Pflege 3 derselben, wie sie durch die zufällige persönliche Zugehörigkeit eines Fachvertreters erweckt wird, b direkt geschädigt.0 d Auch bei einer sachlich zweckmäßigen Lösung dieses Verfassungsproblems aber blieben die Bedenken gegen die Zusammenkoppelung der systematischen Disziplinen mit den (in überwältigender Überzahl vertretenen) historischen und philologischen ein schwerer Nachteil für die ersteren, weil die Bedürfnisse verschieden sind. d Die Publikation von Akademieschriften hat für die® systematischen Disziplinen im Gegensatz zu anderen nicht den allermindesten Wert. Geleistet könnte vielmehr nur dann etwas werden, wenn seitens der Akademie einerseits l.)für' große Kollektivarbeiten 9 die Erhebung, h und in den ökonomischen Disziplinen speziell auch:1 die rechnerische Ausarbeitung des selbstk erhobenen oder in den Massenpublikationen der offiziellen Stati-

b Fehlt in A. c A,: (ganz sachgemäß) d A: Stellung B: Stelle e In B 2 folgt: (der „ordentlichen" Mitglieder) f A: regierenden g A, B: jeweils teils h B: teils i Fehlt in B. k Fehlt in A. I Fehlt in A. m Fehlt in A. n A: Wiedereintreten o A, B: Verstimmung p A: hervorrufen q In A folgt: sich r A: gezeigt hat und vollends s A ^ peinlich B: ziemlich t A: und jener u Fehlt in A. v Fehlt in A. w A: unsere x Fehlt in A. y Fehlt in A. a A: Vertretung b Komma fehlt in A. c A ^ ( E s ist aber, zu bezweifeln - wie Sie mir ) (Ich bezweifle aber, o b ) Es folgt Anweisung für den Schreiber: Absatz\ d Fehlt in A. e A: diese f In A folgt: ganz g A: Arbeiten A,: Collektiv-Arbeiten h Komma fehlt in A. i A: auch k Fehlt in A.

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stik brachliegenden,1 Tatsachenmaterials kontinuierlich durch erhebliche Mittel unterstützt werden könnte, und wenn andererseits 2.) eine systematische Stipendierung m besonders begabter", schon hinter dem Abschluß ihrer Studien stehender," jüngerer Leute für °Reisen, speziell: 0 A uslandsreisen mit systematischp gewählten Fragestellungen und unter der gemeinsamen Kontrolle der aktiven q Vertreter jener Disziplinen in die Wege geleitet werden könnte. Denn das praktische Funktionieren der Rechts- und Verfassungsinstitutionen ebenso wie die Erforschung der entscheidenden gesellschaftlichen Grundlagen für die politische und ökonomische Macht- und Kulturentfaltung der Völker könnt e t ausschließlich auf diesem Wege gefördert werden. 4. Eine wirkliche Garantie für die Wahrung der Interessen der Staatsund Gesellschaftswissenschaften (d.h. s also, nach dem offiziellen Universitätsschema: 3 der allgemeinen und vergleichenden Rechts-, Staatsund Verwaltungslehre, der theoretischen Politik, 'der Lehren von der praktischen Funktion des ! Staats- und Verwaltungsrechts, der ökonomischen und gesellschaftswissenschaftlichen Disziplinen) hätte daher," angesichts des ungeheuren" zahlenmäßigen Überwiegens der Historiker und Philologen, nur dann gegeben werden können, wenn eine besondere Abteilung (oder: Unterabteilung) für diese Disziplinen geschaffen worden wäre (oder: würde), welche deren (aktive)™ Fachvertreter, x ferner einen y Vertreter der amtlichen Landesstatistik 3 und eventuell noch b andere Praktiker umfaßte und ein für c alle mal c über bestimmte Geldmittel verfügte. Wie dringlich die Schaffung gerade 0 dieser Abteilung für eine wirklich universelle Akademie sein würde, zeigt jeder Blick auf die Folgen der heute in den traditionellen 6 Akademien bestehenden Zustände: a) Die Erforschung der grundlegenden Tatsachen fdes politischen und gesellschaftlichen Lebens unserer 9 Nation im' Verhältnis zu anderen Nationen weist bei uns eine beispielslose Zersplitterung der Arbeit h auf. Sie ^bleibt dabei' fast gänzlich an einen monographischen und stark vorwiegend deskriptiven oder rein historischen Charakter der dargeboI Komma fehlt in A. m A: Unterstützung A1: Stipendiierung n Kommata fehlen in A. o Fehlt in A. p A^ (durch die als Commission zusammentretenden Fachvertreter) q Fehlt in A; A-i: aktiven r A: können s Fehlt in A. t A: des A-|: (praktischen) u A: allerdings v A: unvermeidlichen w A: aktive x Komma fehlt in A. y Fehlt in A. a A: Statistik A,: Landes-Statistik b Fehlt in A. c A, A,: allemal d A, A-,: grade e Fehlt in A. f A: unseres politischen und Gesellschaftslebens in seinem g Ai: unsrer h A: auf und i Fehlt in A.

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tenen Leistungen gebunden. Soweit solche mit Unterstützung akademischer Lehrer entstehen, müssen sie überdies' normalerweise auf die Leistungsfähigkeit von Doktoranden zugeschnitten sein. Damit hängt k nun z.B. in den ökonomischen Disziplinen''die 1 Tatsache eng zusammen, daß mzur Zeit m der einzige Ort einer einigermaßen großzügigen Organisation nzur systematischen" Erhebung 0 des Tatsachenmaterials eine private Vereinigung: der p„Verein für Sozialpolitik" p ist, dessen Name allein schon besagt, daß hier die wissenschaftliche Arbeit fast immer in unvermeidlicher Verknüpfung mit sozialpolitischen Aktualitätsfragen auftritt. So unentbehrlich nunq dieser Verein unter den gegebenen Verhältnissen r, auch für rein wissenschaftliche Probleme/ für uns ist, so liegt es doch auf der Hand, daß das Angewiesensein fast nur auf diese s rein private sozialpolitische Vereinigung/ ganz abgesehen von 'den engen' Schranken ihrer Leistungsfähigkeit, prinzipiell" sehr unerwünschte Konsequenzen haben muß. b) Große systematische Verarbeitungen des v , heute nur nach dem w Makulaturgewicht abzuschätzenden," statistischen Rohmaterials sind zur Zeit nur mit Kosten möglich, die auch ein begüterter Gelehrter nicht zu erschwingen vermag. Jene „Akademien" x aber, nach deren y Muster das Heidelberger Institut eingerichtet wird, versagen ihre Beihülfe unter Berufung auf ihren traditionellenz Charakter entweder ausdrücklich oder: 3 es wird b , zur Vermeidung des unausbleiblichen Refus, 0 ihre Mitwirkung von vornherein garnicht in Anspruch genommen. Es sind dadurch in mehreren mir genau bekannten Fällen umfangreiche c und sachlich grundlegend wichtige0 Leistungen, welche viele Jahre, in einem Fall fast z wei Jahrzehnte, angestrengter Arbeit und überdies bedeutende materielle Kosten in Anspruch genommen hatten, und welched teils auf dem publizierten, aber in seiner Überfülle gänzlich wertlosen, teils auf dem nicht publizierten und also zur Einstampfung bestimmten Material der amtlichen Statistik e und der amtlichen Akten®beruhten', entweder

j Fehlt in A. k Fehlt in A. I In A folgt: abnorme m A: z . B . in den ökonomischen Disziplinen n A: der o In A folgt: und Verarbeitung p A: Verein für Sozialpolitik q Fehlt In A. r Kommata fehlen in A. s A: eine private Vereinigung auch A ^ B: eine private Vereinigung, t A: den engen A,, B: den u Fehlt in A. v Kommata fehlen inA, A i . B . w A: ihrem x A: Akademien y A, A,, B: derem z A: historischena A: oder b Kommata fehlen in A. c Fehlt in A. d Fehlt in A. e Fehlt in A; A,, B: und des amtlichen Aktenmaterials f Kommata fehlen in A.

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von 9 der Möglichkeit der Vollendung, 'oder, wenn sie vollendet waren, von der Möglichkeit der Publikation ausgeschlossen geblieben.4 Alle „Akademien" h des älteren Typus wenden eben1 in ihrer nichtnaturwissenschaftlichen Sektion ihr Gesicht fast ausschließlich nach rückwärts. Nun darf ich mich wohl darauf berufen, daß ich sehr entschieden für das Recht und die Eigenart historischer Arbeit eingetreten bin,' k durchaus im Sinne des von mir als Lehrmeister verehrten derzeitigen Sekretärs der historisch-philosophischen Abteilung.'' 5 Ich darf auch hinzufügen, daß z.B. 1 die Unvollständigkeit der lexikalischen Durcharbeitung der deutschen Sprache auch mir m, gelegentlich eigener kulturhistorischer Arbeiten," 1 lästig" gewesen ist,6 daß ferner die Benutzung von Publikationen 0 antiker sowohl wie mittelalterlicher Rechtsquellen auch für meine persönlichen Arbeiten von erheblicher Bedeutung war und weiter sein wird. Aber:p daß infolge der Verkettung der Umstände nun auch eine Akademie, die ihre eigene Existenz lediglich jenen lebendigen Mächten der Gegenwart verdankt,7 deren Existenzbedingungen und Kulturbedeutung zu untersuchen zu den wichtigsten Aufgaben der systematischenq staats- und gesellschaftswissenschaftlichen Disziplinen gehört, rdiese Disziplinen so wie geschehen behandeln muß, - diese Folge eines alles überwuchernden Historismus erscheint r mir der Sache nach als ein derartiger 3 Widersinn, daß ich es für Pflicht 'halte, sie'als solchen auch offen zu bezeichnen, mag dieser Protest u auch, worüber ich mir bei der Zusammensetzung der Akademie nicht die allergeringsten Illusionen mache - v zu vollständiger Wirkungslosigkeit verurteilt "bleiben. Ich gestehe, hochgeehrter Herr Geheimer Rat x , daß es mir nach

g Fehlt in A. h A: Akademien i Fehlt in A. j A: bin. B: bin k Fehlt in A. I Fehlt in A. m Kommata fehlen in A. n A: fühlbar o A: Rechtspublikationen p A: Aber q Fehlt in A. r A: diese Disziplinen infolge eines alles überwuchernden Historismus so wie geschehen behandeln muß, - dies erscheint s Ai: (vollst) t A, A^ halte ihn B: halte, ihn u A: Prozeß v In A folgt: durch w Schlußpassage fehlt in A. x A ^ R a t h

4 Auf welche Arbeit Weber hier anspielt, konnte nicht ermittelt werden. 5 Gemeint ist Wilhelm Windelband. 6 Weber denkt hier an seine Studien zum Bedeutungswandel des Terminus „Beruf" in der deutschen Sprachgeschichte, bei denen er zum größten Teil auf die Lektüre der gedruckten Originalquellen angewiesen war; vgl. dazu Weber, Max, Die protestantische Ethik und der „Geist" des Kapitalismus. I. Das Problem, in: AfSSp, Bd. 20, Heft 1, 1905, S. 1 - 5 4 ; ebd., S. 35ff. (MWG I/9). 7 Anspielung auf den Umstand, daß die Heidelberger Akademie von industrieller Seite gestiftet worden war.

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wie vor y äußerst zweifelhaft bleibt, wie y ich diese Auffassung, aus der ich keinen Hehl machen kann, mit der Annahme der mir angebotenen Ehrung z werde a vereinigen können / Für aktive Fach Vertreter mag die auch von Ihnen mir gegenüber geäußerte - Hoffnung auf eine künftige „Fortentwicklung" der Akademie ein Verbleiben in ihr bezw. einen b Eintritt in csie bedingend Nach meinend bisherigen 6 Erfahrungen mit akademischen Körperschaften* und vollends9 angesichts der oben hervorgehobenen Erschwerung von h Nachstiftungen für unsere1 speziellen Bedürfnisse halte ich jene Hoffnung für eine Illusion und habe daher eigentlich' wenig Neigung, der sehr berechtigten Geringschätzung, k welche Sie den1 stets lediglich raisonnierenden, (aber nie die Konsequenzen"1 ziehenden) Leuten widmen, auch meinerseits zu verfallen.11 Ich bitte Sie aber, mir zu glauben, daß ich für Ihr liebenswürdiges Entgegenkommen Ihnen persönlich dauernd zu großem Dank verpflichtet bleibe. Mein früherer13 Brief an Sie erledigt sich hierdurch. In Verehrung Ihr ergebenster w q Max Weber q r

An Herren Geheimen Rath Professor D r Leo Königsberger d.Z. geschäftsführenden Sekretär der Heidelberger Akademie der Wissenschaften r

y At : nicht deutlich ist, wie > äußerst zweifelhaft bleibt, ( o b ) wie z A ( : vereinigen soll > werde vereinigen können, a B ^ B 2 würde Offensichtlich nicht korrigierter Abschreibfehler. b B,, B 2 : e i n e m c A , : dieselbe rechtfertigen > sie bedringen d B: m e i n e n e A , : ( p e r s ö n l i ) f A , : ( k a n n ) In B folgt: kann g A , : o b e n d r > vollends h A , : (Neusti) i A,: unsre j A-i: eigentlich > eigentlich k A ^ Mißachtung, > Geringschätzung, I A-,: (lediglich) m A , : C o n s e q u e n z e n n In A1 folgt eigenhändige Anweisung an den Schreiber: Absatz o A ^ B : bleibe, p A , : (Privatbri) q Eigenhändige Unterschrift. r Eigenhändig zugefügte Adresse.

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Paul Siebeck 7. August 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Das Schreiben von Weber befindet sich als Zusatz auf einer an ihn gerichteten Karte von Wilhelm Lexis vom 5. August 1909. Lexis erklärt sich darin bereit, das Buch von Alfred Weber, Über den Standort der Industrien, Teil 1: Reine Theorie des Standorts. Mit einem mathematischen Anhang von Georg Pick. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1909, für das AfSSp rezensieren zu wollen.

Heidelberg 7/VIII9. Sehr geehrter Herr D r Siebeck! Prof. Jaffe ist verreist, daher bitte ich - nach früherer Verabredung mit ihm - Sie, das Buch meines Bruders direkt an Herrn Geh. Rath Professor D r Wfilhelm] Lexis, Göttingen, senden lassen zu wollen. Auf Ihren 5 freundlichen] Brief 1 antworte ich bald, warte nur die Antwort von Philfippovich] ab. 2 Freundschaftl. Gruß! Ihr Max Weber

1 Gemeint ist der Brief von Paul Siebeck vom 2. Aug. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mit der Mitteilung, für Weber ein Redaktionshonorar von 3000 Mark vorzusehen. 2 Vgl. Brief an Paul Siebeck vom 11. Aug. 1909, unten, S.224.

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Paul Siebeck 11. August 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 11. 8.9. Sehr verehrter Herr D r Siebeck! Ich lege den Brief Rathgens, der eine prinzipielle Zusage enthält, bei. Waentig hat noch nicht geantwortet, geht aber nach Japan - ist also wohl nicht zu haben. 1 Da wird es also (mit „Gewerbepolitik") Schwierigkeiten geben. Bitte äußern Sie Sich nun zu Rathgen's Bedenken. 2 Ich hatte ihm angeboten: 1) die gesammte | :wirtschaftliche: | Außen-?o\\t\k des modernen Staates (äußere Handels-Polfitik], internationale] Kapitalanlage, Wanderung, Colonien), - oder 2) nur Wanderung u. Colonien. 3 Das Bedenken mit der „Cultur der Gegenwart" ist m. E. nicht durchgreifend, - das ist keine Concurrenz. 4 Also die Wanderungs- und Colonialpolitik könnte er übernehmen. Auch die Artikel im „Wörterbuch

1 Heinrich Waentig ging auf drei Jahre nach Japan, um an der Universität Tokyo Vorlesungen zu halten; vgl. Hochschul-Nachrichten, Jg. 19, Nr. 11/12, Heft 227/228, Aug./Sept. 1909, S. 76. 2 Nach der Antwort von Paul Siebeck vom 12. Aug. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) zu urteilen, bestanden die Bedenken Karl Rathgens, am GdS mitzuarbeiten, darin, daß er dem Verlag Duncker & Humblot ein Buch ähnlichen Inhalts zugesagt hatte. Siebecks Vorschlag ging dahin, nach Erscheinen des für Duncker & Humblot zugesagten Buches den Vertrieb der Separatausgabe einzustellen: „[...]; eine neue Auflage würde ich von da an nicht mehr veranstalten. Vielleicht sind Sie so freundlich, zunächst einmal in diesem Sinne an Herrn Professor Rathgen zu schreiben." 3 Tatsächlich hat Karl Rathgen wenig später die Abfassung der Artikel Handelspolitik sowie Kolonien übernommen; vgl. dazu Brief an Paul Siebeck [vor oder am 26. Sept. 1909], unten, S.280. 4 In dem von Paul Hinneberg herausgegebenen enzyklopädischen Sammelwerk: Die Kultur der Gegenwart, ihre Entwicklung und ihre Ziele, sollten u.a. unter der Rubrik: Teil II, Abt. 10, II: Spezielle Volkswirtschaftslehre, die Gewerbe-, Handels- und Kolonialpolitik behandelt werden. Das Sammelwerk ist allerdings - was im Jahre 1909 noch nicht abzusehen war - ein Torso geblieben; aus dem Bereich der Nationalökonomie ist lediglich ein einziger Band erschienen: Lexis, Wilhelm, Allgemeine Volkswirtschaftslehre (Die Kultur der Gegenwart. Teil II, Band X). - Berlin und Leipzig: B.G. Teubner 1910.

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der V[olks-]Wirtschaft]" stören nicht. 5 Anders stände es mit den geplanten andren Lehr- bzw. Handbüchern, wie ich annehme. Als Umfang hatte ich R[athgen] für „Colonien und Wanderungen" 10 Bogen in maximo (laut meinem Verteilungsplan) angeboten. Für |:äußere:] Handelspolitik kämen eventuell 9 dazu, also zusammen 19 = rund 300 S. Schönberg. Das ist nicht wenig und ist eigentlich kaum ein „Grundriß", sondern ein volles Lehrbuch. Bitte schicken Sie mir jedenfalls Rathgens Brief bald mit Ihrer Antwort zurück. Statt des vorgeschlagenen „Redaktionshonorafs" proponiere ich Ihnen Folgendes: könnten Sie nicht (statt 1912 3000 M bar zu zahlen) 2500 Mk für eine große Enquete, welche die „Soziologische] Gesellschaft]" unter Bücher's Leitung über die Presse machen soll und für die ich 25000 M. für die Kosten der Erhebungen im In- und Ausland suche (und nicht finde) zeichnen. Dies würde ich als Honorar für mich gern akzeptieren u. Sie würden es unter die „Kosten" des Schönberg buchen. Zahlbar müßten diese 2500 Mk zu Vi im nächsten Frühjahr, der Rest 1 Jahr später sein. 6 Ich gebe auch 1000 Mk direkt dazu, von andren Seiten sind bisher 2500 M. gezeichnet. Macht 6000 M. Habe ich die, so kriege ich andre Leute heran, welche den Rest übernehmen müssen, ob sie wollen oder nicht. Zahlen Sie mir jene 2500 M, so muß ich sie versteuern (= 10% hier zu Lande!), ehe ich sie weitergebe. Sind Sie damit einverstanden? - Es fallen so nur ca 15 M. auf den Bogen an Kosten, die ich Ihnen verursache |:statt, bei 3000 Mk, über 18 M.:|, u. Sie nützen der Sache jener PreßEnquete, die ich für sehr nötig und nützlich halte. Ich schreibe jetzt an Bortkiewicz wegen des dogmen- und methodengeschichtl[ichen] Artikels. Philippovich schreibe ich auch noch: 7 ein

5 Karl Rathgen, der seit dem ersten Erscheinen des Wörterbuchs 1898 der Verfasser der Beiträge über Handel und Handelspolitik gewesen war, hat Weber wahrscheinlich auf die anstehende Neuauflage des Wörterbuchs der Volkswirtschaft und die hier möglicherweise entstehenden thematischen Überschneidungen hingewiesen. Die einschlägigen neubearbeiteten Artikel Rathgens aus dem Bereich des Handels finden sich in: Wörterbuch der Volkswirtschaft in zwei Bänden, hg. von Ludwig Elster, 3., völlig umgearb. Aufl., Bd. 1. Jena: Gustav Fischer 1911, S. 1250ff. 6 Tatsächlich ist Paul Siebeck, wie aus seiner Antwort vom 12. Aug. 1909 (wie Anm.2) hervorgeht, auf Webers Vorschlag eingegangen: „Ich merke also vor, daß von mir im Frühjahr 1910 und im Frühjahr 1911 je M 1 2 5 0 - zur Ausbezahlung gelangen. Die Adresse, an die die Zahlungen für die soziologische Gesellschaft zu leisten sind, teilen Sie mir wohl noch mit." 7 Korrespondenzen mit Ladislaus v. Bortkiewicz und Eugen v. Philippovich sind nicht nachgewiesen.

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Brief v. Wieser's ergiebt, daß manche Vorschläge an ihn begründet sind[.j

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seiner Bedenken gegen meine Freundschaftlichen Gruß! Max Weber

5 Für das „Archiv": bitte schicken Sie mir mein Mscr., die Besprechung von enthaltend, zurück. Ich will Einiges ändern.8

Jellinek

8 Auf welche Arbeit von Georg Jellinek sich die Besprechung Webers bezogen hat, ist unbekannt. Das Manuskript muß als verloren gelten, die Rezension ist nicht im AfSSp erschienen. Auch der Briefwechsel von Edgar Jaffe mit Paul Siebeck gibt darüber keine genaueren Aufschlüsse; in einem Brief von Jaffe an Siebeck vom 21. Aug. 1909 (VA Mohr/ Siebeck, Tübingen, Nr. 265) ist lediglich von der „Besprechung der Jellinek'schen Arbeit durch Prof. Weber" die Rede. Um eine Rezension von Georg Jellineks Vortrag: Regierung und Parlament in Deutschland. Geschichtliche Entwickelung ihres Verhältnisses (Vorträge der Gehe-Stiftung zu Dresden, Bd. I). - Leipzig: B.G. Teubner 1909, wird es sich wahrscheinlich - obwohl es vom Thema her naheläge - nicht handeln, da Edgar Jaffe, der das Manuskript Webers gekannt hat, in seiner Karte an Siebeck vom 5. Nov. 1909 (wie oben, Nr. 265) darüber Beschwerde führt, daß noch immer kein Rezensionsexemplar von Jellineks Rede in seine Hände gelangt sei.

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Georg Jellinek 1 [9.] August 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig BA Koblenz, Nl. Georg Jellinek, Nr. 31 Zweite Ziffer des Tagesdatums nicht gesicherte Lesung.

Heidelberg 19/8 9 Lieber Freund, bravissimo! ich freue mich herzlich und gönne Ihnen diese eklatante G e n u g t u ung1 so sehr, daß ich gar nicht - wie ich ja eigentlich müßte und Grund hätte - über den Vergleich zwischen Ihren glänzenden Erfolgen und meinem kläglichen Mißerfolg, auch nur 25000 M zusammenzukriegen 1 *, neidisch und eifersüchtig wäre :2 die Staatslehre ist doch, in den richtigen Händen, ein verdammt viel „produktiveres" Fach als unsre Disziplin, zumal in den Händen eines als „roth" Geltenden. l

> „Alles rennet, rettet, flüchtet." 3 Herr College Levy, |:15 Jahre jünger als ich, gesund[,y.\ kinderlos 3 , mit der |:(eingestandenermaßen):| Jfachen Rente wie ich und ostentativem Luxus im Auftreten, findet sich „nicht in der Lage", auch nur 1000 M. zu den |:bis:| jetzt gezeichneten 5000 - davon freilich 3000 von mir selbst - b beizusteuern. - „Fui Deibel!" a O: zweifach unterstrichen,

b (gegen)

1 Vermutlich bezieht sich Weber auf die positive Reaktion von James Brown Scott vom 7. Aug. 1909 (BA Koblenz, Nl. Georg Jellinek, Nr. 26) betreffend Jellineks Plan der Gründung einer deutsch-amerikanischen Akademie für Internationales Recht in Heidelberg. Außer Weber hatte Jellinek Carl v. Lilienthal ins Vertrauen gezogen, wie aus dessen Brief vom 22. Aug. 1909 (BA Koblenz, Nl. Georg Jellinek, Nr. 16) hervorgeht: „Herzlichen Glückwunsch zu der überraschend hoffnungsreichen Antwort von Herrn Scott! Es scheint ja wirklich eine Möglichkeit zu sein von dort größere Summen zu erhalten. Der detaillierte Plan wird freilich nicht so ganz einfach zu entwerfen sein und es scheint mir vor allem wichtig^] daß Sie Sich mit M.Weber in Verbindung setzen. Ich stehe Ihnen natürlich gern zur Verfügung, bin aber von vorneherein überzeugt, daß alles, was Sie mit einander ausmachen werden, meiner Zustimmung gewiß sein kann." Vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Jellinek vom 15. Juli 1909, oben, S. 179. 2 Dies bezieht sich auf seinen Versuch, Gelder für die projektierte Enquete über die Soziologie des Zeitungswesens zu beschaffen. 3 Weber zititert hier aus Friedrich Schillers Gedicht „Die Glocke": „Alles rennet, rettet, flüchtet, | Taghell ist die Nacht gelichtet".

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Nun lassen Sie Sich aber in Das, was Sie machen wollen, nicht von Andren, auch nicht von mir, zu viel hineinreden. Sehr gern will ich Ihnen s.Z. meine Ansicht darüber sagen und, da ich nächste Woche nach Titisee zu kommen hoffe, könnte das auch von dort aus geschehen. Aber ich rechne darauf, daß Sie das eben als unmaßgebliche Rathschläge ansehen u. Sich nicht zu sehr davon imponieren lassen, sonst nehmen Sie mir die volle Unbefangenheit meine Ansicht zu sagen. Und schon wegen der - ja sehr unsicheren, aber schließlich doch nicht absolut = 0 zu schätzenden - Chance, daß Lanz noch etwas thut, 4 wäre es m. E. gut [abso]lutesc Geheimnis zu halten. Lilienthal schweigt u. ich thue es auch, vorerst auch gegen meinen Bruder, obwohl, wennd Sie wirklich „comparative Sociology" mit hineinnehmen, Sie mit diesem, nicht mit mir zu thun haben würden. Aber bitte erwägen Sie, ob das zweckmäßig ist. Ich nehme Ihnen nicht nur nicht „übel", wenn Sie die Sache auf die Soziallehre5 und Soziologie des Staates | :und der Politik: | beschränken, sondern frage mich z. Z. e , ob das nicht richtiger ist und |:ob:| ein „|:Carnegie:| Institute for comparative politics and jurisprudence'"' nicht den Amerikanern mehr passen wird als ein solches für comparative politics, sociology and jurisprudence. Höchstens der |:in Amerika: | sehr moderne Name: „Soziologie" könnte günstig wirken, die Sache: schwerlich - so wie wir sie wenigstens verstehen. Also nochmals herzlichen Glückwunsch und gut Glück. Vielleicht auf Wiedersehen Ihr Max Weber Wenn ich rathen soll: bis Alles fertig ist, nichts davon an die Regierung! Ferner: ich möchte Herrn Fleischer nun gern schreiben: 6 ich hätte ihm

c Lochung.

d (aus)

e (selbst)

4 Karl Wilhelm Lanz war der Stifter der 1909 in Heldelberg gegründeten Akademie der Wissenschaften; offensichtlich hielt es Weber für möglich, daß jener auch Geldmittel für die geplante deutsch-amerikanische Akademie zur Verfügung stellen könnte. 5 Zum Terminus „Soziallehre des Staates" vgl. Brief an Jellinek vom 15. Juli 1909, oben, S. 180, Anm.3. 6 Vermutlich hat Weber den in Aussicht gestellten Brief an Fleischer Jellinek zur Begutachtung geschickt-vgl. den Brief an Jellinek [vordem 26. Aug. 1909], unten, S. 233, der dann wahrscheinlich an Fleischer weitergeleitet wurde, worauf dieser am 31. Juli 1909 antwortete. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Jellinek vom 5. Sept. 1909, unten, S.251.

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19. August

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bisher nicht geschrieben, da seine Äußerungen mir (und: Ihnen) den Eindruck einer Zurücknahme | :bezw. Modifikation: | seines Ihnen gegebenen Wortes gemacht hätten u. ich daher, abgesehen v[om]f Zeitmangel, gezweifelt hätte, ob es Sinn habe, über die Sache nachzudenken. Ich bäte ihn daher: offen zu sagen, ob er ernstliches Gewicht auf die Weitererörterung lege und sich (mit seinen „Freunden") in der Lage fühle, ev. etwas dauerndes zu schaffen, und zwar: hier. In diesem Fall würde ich „an die Arbeit gehen", aber nur dann. Sagt er 9 : „ja", dann würde ich ihm einen Plan einer „Akademie" ausarbeiten, zugleich [auf]h Heidelberg zugeschnitten, mit Kostenrechnung, welche 1) für das Lesen bestimmter Vorlesungen feste Remunerationen bereit hält u. diese mit Zustimmung der betr. Fakultät vergeben darf (für tüchtige Nachwuchs-PnVaidozenten wichtig) - 2) auf Grund von Concurrenz-,,Examina" (j '.faktisch einfach: :| Beschluß der beteiligten Ordinarien - wofür natürlich „Prüfungsgebühren" nötig sind) jedes Jahr ca 10 Rezsestipendien („Preise") giebt, ohne Pflicht der Rechenschaftslegung. Ich werde ihm darlegen, daß diese Verleihung wie ein „degree" wirken u. den Betreffenden nutzen werde. - Haben Sie dagegen etwas? Ich halte es für möglich, daß etwas Nützliches herauskommt. Für die Universität vielleicht, mehr Arbezfsstudenten älterer Semester und einige gestopfte Privatdozentenmäuler. - Es scheint mir die einzig mögliche Form, den Wünschen dieses Böotiers entgegenzukommen. Nochmals Ihr W.

f Lochung.

g (zu)

h Lochung.

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Paul Siebeck 20. August 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 20/8 9 r

Verehrtester Herr D Siebeck! Erst heute beantworte ich Ihren letzten Brief sachlich. Biermer möchte ich jedenfalls vermeiden: er ist im Allgemeinen doch recht flach und 5 journalistisch. 1 Ich werde über „Gewerbewesen" mit meinem Bruder reden. Einiges davon übernimmt er doch vielleicht. 2 Inzwischen schreibe ich an 1) Bortkiewicz wegen der Geschichte der Wirtschafts Wissenschaft, - 2) Moldenhauer wegen Versicherungswesen, - 3) A e r e b o e wegen landwirtschaftlicher] Betriebslehre und Ökonomik 10 der Landwirtschaft - 4) Felix Hecht (Mannheim) wegen Agrarcredit. |:5) Hausrath wegen F o r s t w e s e n ^ : | 3 Rathgen habe ich im Sinn Ihrer Antwort geschrieben. 4 1 Paul Siebeck hatte In seinem Brief vom 12. Aug. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) als Bearbeiter des Artikels Gewerbepolitik Magnus Biermer vorgeschlagen, dann aber nachträglich handschriftlich angemerkt: „Eben fällt mir [ein], daß Sie Biermer wol nicht wollen?" Wahrscheinlich erinnerte sich Siebeck an ein äußerst kritisches Statement Webers über Biermer in seinem Brief vom 19. Mai 1906 (MWG It/S, S. 92). 2 Die Suche nach einem geeigneten Bearbeiter des Artikels „Gewerbepolitik" hat sich noch Monate hingezogen. Nachdem Heinrich Herkner abgelehnt hatte (vgl. Brief an Paul Siebeck vom 5. Sept. 1909, unten, S.253), führte Weber eine längere, aber letztlich erfolglose Korrespondenz mit Carl Johannes Fuchs; vgl. Briefe an Paul Siebeck vom 27.Febr., 2., [vor oder am 9.], 23., [vor oder am 28.] März, sowie I . M a i 1910, unten, S.415, 419f., 425, 439, 446f. und S.485. Die einschlägigen Artikel über Gewerbe hat schließlich Eugen Schwiedland übernommen; vgl. Brief an Paul Siebeck vom 2. Mai 1910, unten, S.486. 3 Die entsprechenden Korrespondenzen sind nicht nachgewiesen. 4 Weber bezieht sich hier auf folgende Passage im Brief von Paul Siebeck vom 12. Aug. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446): „Ich würde mich verpflichten, von der Zeit an, wo das [von Karl Rathgen] für Duncker & Humblot zugesagte Buch erscheint, den Vertrieb der Separatausgabe einzustellen, d.h. von diesem Zeitpunkt an würde ich mich darauf beschränken, die gerade vorliegende Auflage der Separatausgabe auszuverkaufen; eine neue Auflage würde ich von da an nicht mehr veranstalten." - Briefe von Max Weber an Karl Rathgen sind nicht nachgewiesen. Laut Mitteilung von Dr. Barthold C.Witte, einem Enkel Karl Rathgens, an Manfred Schön vom 30.Sept. 1985 ist der Nachlaß seines Großvaters in den 20er Jahren in ein Berliner Literaturarchiv gelangt. Nach brieflicher Auskunft des Leiters der Handschriftenabteilung der Deutschen Staatsbibliothek, Dr. Hans-Erich Teitge, vom 26. Nov. 1987 ist der Verbleib des Nachlasses in Berlin jedoch unbekannt.

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20. August 1909

Nun würde ich eventuell gern an Plenge gehen. Könnten Sie mir nicht einmal die „ A k t e n " dieses Falls für kurze Zeit zur Information geben? Ich schicke sie dann zurück. 5 Für Ihr Eingehen auf meine Wünsche in der Frage des Entgelts danke ich Ihnen sehr. 6 Erneut schlage ich vor, das Gesammtwerk: „Siebeck''s 5 Handbuch der Sozialökonomik" (oder, in Gottes Namen, der „Politischen] Ökonomie") zu nennen. Es ist das Richtigste und für Neuauflagen Beste. Ich figuriere jedenfalls nicht als „Herausgeber", sondern nur als „Schriftleiter" im Vorwort. Das folgt aus gewissen „Prinzipien", die ich nun mal habe[.j 10 Freundschaftlichen Gruß! Max Weber

5 Seine Korrespondenz mit Johann Plenge hat Paul Siebeck Weber am 26. Aug. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) zugesandt, nicht ohne hinzuzufügen: „Ich bitte zu bedenken, daß ich - bei meinen Nerven - bisweilen sehr reizbar bin." Zum Konflikt Siebecks mit Plenge vgl. Brief an Siebeck [nachdem 20. April 1909], oben, S. 104, Anm. 13. 6 Paul Siebeck hatte sich in seinem Brief vom 12. Aug. 1909 (wie Anm. 1) bereit erklärt, das für Weber bestimmte Honorar auf dessen Wunsch für die Presse-Enquete der DGS zur Verfügung zu stellen; vgl. dazu Brief an Siebeck vom 11. Aug. 1909, oben, S. 224, Anm. 6.

21. August

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Paul Siebeck 21. August 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 21/8 9 Sehr geehrter Herr D r Siebeck! Ich bitte Sie zu notieren, daß also bisher fest zugesagt haben: v. Wieser. Theorie, 15 Bogen (1/IV1912)1 s Geh. Rath Hecht: Agrarcredit, 2Vi Bogen (1/XII1911) 2 Prof. Hausrath\ Forstwesen, 3 Bogen (1/XII 1911)3 Von Rathgen erwarte ich definitive, von Moldenhauer (Versicherungswesen), Aereboe (Ökonomie der Landwirtschaft)^] v. SchulzeGävernitz (Gewerbewesen oder: Banken), Sombart (zur Wahl gestellt, 10 was er seinerseits wünsche, er wird wohl nicht mitmachen), Philippovich (endgültige Verhandlungen erst in Wien4 - er ist nicht ganz leicht zu behandeln bei aller Liebenswürdigkeit: hat |: - unter uns gesagt!-:| etwas vom „Bonzen" angenommen, aber es wird schon gehen; ich habe ihm den ,,Allg[emeinen] Teil" der praktischen] N[ational-]Ö[konomie] 15 |:(d.h. der inneren Wirtschaftspolitik des modernen Staates):| oder den „Allgemeinen] Teil" der Sozia/politik anheimgestellt, auch Alles, was er sonst wolle), Bücher (der sich gänzlich ausschweigt) „prinzipielle" Antwort.

1 Dieser Beitrag ist dann unter dem Titel: Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft, in: GdS, Abt. I. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 1 2 5 - 4 4 4 , erschienen. 2 Den Artikel „Agrarkredit" hat später Hermann Mauer, anstelle des am 18. Oktober 1909 verstorbenen Felix Hecht, übernommen; vgl. Brief an Paul Siebeck vom 8. Nov. 1909, unten, S.308. 3 Dieser Beitrag ist unter dem Titel: Forstwesen, in: GdS, Abt. VII. - Tübingen (wie Anm. 1) 1922, S. 241 - 2 9 7 , erschienen. 4 Weber hoffte, Philippovich anläßlich der Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik, die in der Zeit vom 27. bis 29. September 1909 in Wien stattfand, zu sehen.

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21. August

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Correktur erhielt ich und sende sie morgen zurück. 35 Correktur der Ostwald-Rezension erhalte ich wohl bald. 6 Freundschaftl. Gruß! Max Weber Besten Dank für Ihre Zeichnung für „Soziologfische] Gesellschaft]" 5 (bis jetzt sind 5000 M. zusammen, 25000 brauche ich). Ich wäre natürlich sehr vergnügt, wenn die ,,S[oziologische] Gesellschaft]" an Sie als Verleger mit Angeboten (auf ähnlicher Grundlage wie der V[erein] f[ür] Soz[ial-]Pol[itik] mit Duncker & Humblot) herantreten könnte. 7 Es hängt aber grade dies nicht von mir ab. Ich kann da nur „Ratschläge" 10 geben, beschließen werden Andre. Nur die wissenschaftliche] Seite behalte ich mit in der Hand. Bemerken müßte ich, - falls es sich doch machen sollte, daß wir Ihre Vorschläge erbäten, - daß die Unternehmung in den ersten paar b Jahren (ganz ebenso wie seiner Zeit zuerst der V[erein] f[ür] Soz[ial-]Pol[itik]) unmöglich lukrativ sein könnte: es wäre 15 ein Wechsel auf die Zukunft, das ließe sich schwerlich ändern, oder vielmehr: sicher nicht. Aber das ist Zukunftsmusik: erst im Winter entscheidet sich, was wir machen können.

a (Mscr. der Schlußnote

zu dem Aufsatz v o n )

b O: par

5 Gemeint ist die Korrektur von: Zur Psychophysik der industriellen Arbeit. IV. (Schluß), erschienen in: AfSSp, Bd. 29, Heft 2,1909, S. 5 1 3 - 5 4 2 (MWG 1/11). 6 Diese Rezension ist erschienen unter dem Titel: „Energetische" Kulturtheorien, in: AfSSp, Bd. 29, Heft 2, 1909, S. 5 7 5 - 5 9 8 (MWG 1/12). 7 Diese Frage ist erst im Dezember 1910 akut geworden, als es darum ging, einen Verlag für die Veröffentlichung der stenographischen Protokolle des ersten deutschen Soziologentages zu finden; vgl. dazu Schreiben an den Vorstand der DGS vom 11. Dez. 1910, unten, S.714.

26. August 1909

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Georg Jellinek [vordem26. August 1909]; o.O. Brief; eigenhändig BA Koblenz, Nl. Georg Jellinek, Nr. 31 Datum erschlossen aus den Hinweisen in dem hier abgedruckten Brief sowie aus der Karte an Ferdinand Tönnies vom 26. August 1909 über eine bevorstehende Reise Webers in den Schwarzwald: Während es in der Karte heißt, daß er „eben in den Schwarzwald" fahren wolle, ist hier lediglich davon die Rede, „diese Woche nach Titis e e " zu kommen. Der Brief muß folglich vor der Karte geschrieben worden sein. Betr.: Gründung einer deutsch-amerikanischen Akademie.

Lieber Freund, oh nein! hier waltet ein Mißverständnis: ich nehme dies Sündengeld von keiner Akademie, 1 sie sei welche immer. 1 ' Denn ich will es nicht für mich, sondern für die „Soziologische] Gesellschaft]" {Bücher).2 5 Fleischer würde ich an Ihrer Stelle nichts mitteilen. 3 Ich lege meinen Brief-Entwurf bei, sind Sie damit einverstanden, dann bitte stecken Sie ihn in den Briefkasten. 4 Ich mußte ja irgendwie reagieren. Aber über Amerika dürfte ihm m. E. nur das gesagt werden, was jetzt in diesem Brief steht (als Anmerkung am Rande der letzten Seite!). Näheres darf 10 er keinesfalls wissen. Sonst schwatzt er. Ob Lanz etwas thut, ist ganz ungewiß. Ich glaube: wenn die Amerikaner ihre fellowships mit dem Recht der Wahl in den „ Vollzugsausschuß" erhalten, |:und Carnegie das Recht hat, auch seinerseits oder durch seine Verwaltung einen Mann in diesen Ausschuß zu setzen, (der m. E. 15 Sie als Präsidenten, noch 1 - 2 Professoren, 2 Amerikaner und einen deutschen Praktiker umfassen sollte): | verlangt Carnegie gewiß keine Gegenleistung, man könnte ja doch auch amerikanische Professoren (ca 2) neben den ca 5—6 hiesigen und ca 4 andren deutschen (z.B. 2 y>

Aus ganz bestimmten, sachlichen Gründen.

1 Aus den uns vorliegenden Dokumenten ist nicht zu entnehmen, auf welche Akademie sich dies bezieht. 2 D. h. für die projektierte Presse-Enquete, die unter der Leitung von Karl Bücher durchgeführt werden sollte. 3 Zum folgenden vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Jellinek vom 15. Juli 1909, oben, S. 179. 4 Vermutlich hat Jellinek das Schreiben weiterexpediert, worauf dann Richard Fleischer Weberam 31 .Aug. 1909 antwortete; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Jellinek vom 5. Sept. 1909, unten, S. 251.

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26. August

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Freiburgern und 2 andren - darunter etwa Simmeil) in das „Plenum" hineinnehmen? Man müßte ihm vortragen: daß die Gründung hier in Heidelberg (u. nicht in Berlin |:oder in einem großen Staate:]) etwa eine Analogie mit der Gründung von 3 Washington in einem besonderen kleinen Distrikt hätte, - nicht wahr? Und im Übrigen alle „Graduates" Ihres Fachs, welche die 1. Note haben, als fellows mit Stipendium zum Reisen und Wahlrecht ausstatten, die Amerikaner gesondert mit 1 (oder 2?) Vertretern15, die Deutschen gesondert mit 1. Doch das sind Ihre Sorgen. Das „zöge" doch gewiß! Ich komme diese Woche nach Titi-See und gebe sofort Nachricht. Anbei noch die Copie meines Schreibens an Königsberger, 5 die Sie vielleicht interessiert. Herzlichen Gruß Max Weber

a Unsichere Lesung,

b Unsichere Lesung.

5 Wahrscheinlich ist der Brief vom 7. Aug. 1909, oben, S. 212-221, gemeint.

26. August 1909

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Ferdinand Tönnies PSt 26. August 1909; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.56:878

Lieber F. Tönnies! Vielen Dank. Ausführliche] Antwort in 8 Tagen, ich fahre eben in den Schwarzwald. Mscr. ging eben an Jaffe 1 '. Etwas Geduld müssen Sie haben, da es nicht avisiert war. Spätestens: Märzheft, möglichst: Januarheft, vorher unmöglich. 1 Ihre „Ethik": Novemberheft. 2 - Ich bin solange gegen internationale Cooperation, als wir 1) nichts geleistet und 2) kein Geld haben. D a spielen wir nur eine „geduldete" Rolle. 3 Ein „internationales" Institut ist stets de facto Institut des |:betr.:| nationalen Geldgebers u. seiner Nation. Natürlich müßten die Gelder selbst des größten Sch..d's der Welt genommen werden, wenn sie unter anständigen Bedingungen gegeben werden. Darin ganz einverstanden. Aber was hat bisher (auf irgend einem Gebiet) ¿«iernat[ionale] Cooperation geleistet? Nichtsa, - außer: Corpus Inscript[ionum] b4 u. dgl., wenn nationale Institute (Akademien) kooperierten. Aber eine internationale] Akademie? Es ist mir sehr wichtig, daß Sie davon etwas

Ob das Publikum gewißlich nicht.

schimpft, ist uns „Wurst". Wir „schimpfen"

a O: zweifach unterstrichen,

b (Latin)

1 Gemeint ist das Manuskript von Tönnies' Artikel: Studie zur schleswig-holsteinischen Agrarstatistik, erschienen in: AfSSp, Bd. 30, Heft 2,1910, S. 285-332. 2 Tönnies, Ferdinand, Ethik und Sozialismus. (Zweiter Artikel.), erschienen in: AfSSp, Bd. 29, Heft 3,1909, S. 895-930. Der Artikel war die Fortsetzung von: Ethik und Sozialismus. Erster Artikel, erschienen in: AfSSp, Bd. 25, Heft 3,1907, S. 573-612. 3 Weber wiederholt hier seine Bedenken gegen internationale Kooperation, wie er sie mit anderer Akzentuierung - schon in seinen Schreiben an Hermann Beck vom 16. und 23. Juli 1909, oben, S. 186f. und 196f„ geäußert hatte. Vgl. dazu auch das folgende Schreiben an Tönnies vom 29. Aug. [1909], unten, S.238f. 4 Das Corpus Inscriptionum Latinarum, die Sammlung aller noch vorhandenen lateinischen Inschriften, wurde seit 1863 unter der Leitung der Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin in internationaler Zusammenarbeit mit den Akademien der Wissenschaften in Paris und Brüssel herausgegeben.

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26. August 1909

halten u. ich bin da sehr belehrbar. - Fa/zrf-Entschädigung bei Delegation zu geschäftlicher Conferenz ist auch mir selbstverständlich. Aber nicht: zu internationalen] Congressen (davon haben nur die Teilnehmer Profit, nicht die Gesellschaft). Bisher gezeichnet: 5000 M. = Vs, einiges Weitere in Aussicht. 5 Ich brauche etwas Geduld seitens der Gesell- 5 schaft. Und dies Geld „stinkt" nichtl Bis auf Weiteres! Herzl. Gruß! Ihr Max Weber Speziellen Dank für die Notiz über „Wesenwille"\\6

5 Gemeint sind die Gelder, die bisher für die projektierte Enquete über das Pressewesen gezeichnet worden waren. 6 Dies bezieht sich offensichtlich auf Tönnies' Schrift: Die Sitte (Die Gesellschaft. Sammlung sozialpsychologischer Monographien, hg. von Martin Buber, Bd. 25). - Frankfurt am Main: Literarische Anstalt Rütten & Loening 1909.

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29. August 1909

Ferdinand Tönnies 29. August [1909]; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede und Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep.92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 6, Bl. 1 5 - 1 6 Irrtümlich ist von Marianne Weber in der Datumszeile der Abschrift die Ziffer 10 als Jahresangabe eingefügt worden. Aus den Angaben im Schreiben, insbesondere denen über bislang zur Verfügung stehende Gelder für die geplante Presse-Enquete der DGS in Höhe von 5000 Mark, ist jedoch als Entstehungszeit mit Sicherheit das Jahr 1909 anzunehmen, da im August 1910 ein Betrag von 20000 Mark zur Verfügung stand.

Heidelberg, den 29.8. a

Zunächst habe ich Ihnen verbindlichst für Ihr Büchlein über „die Sitte"1 zu danken, das ich mit großem Interesse und Belehrung gelesen habe. Es ist mir nicht möglich, die zahlreichen Kleinigkeiten aufzuzählen, 5 über die ich mit Ihnen mündlich gern einmal die Ansichten austauschte, um festzustellen, ob nur abweichende Formulierung oder sachliche Differenz der Ansichten vorliegt. Übrigens handelt es b sich dabei durchwegs um bloße Interpretation von Einzelfakten. Worüber ich von wichtigeren Dingen noch immer nicht endgültig im Klaren bin, das ist die 10 Frage: wie man sich zu Ihrem Begriff des „Wesens-Willens" 2 endgültig zu stellen hat. Das heißt: der Wert dieses wie immer gearteten Begriffes ist mir nicht fraglich, man sieht es ja in Ihrem Hauptwerk, 3 wie er sozusagen wie eine Komplementärfarbe die Konturen der „Zivilisation"

a In Abschrift folgt: 10 b Fehlt in Abschrift; es sinngemäß ergänzt.

1 Tönnies, Ferdinand, Die Sitte (Die Gesellschaft. Sammlung sozialpsychologischer Monographien, hg. von Martin Buber, Bd. 25).-Frankfurt am Main: Literarische Anstalt Rütten & Loening 1909. 2 Der „Wesenwille" - e i n von Tönnies geschaffenes Kunstwort-ist diejenige psychische Disposition, deren Individualfunktion sich in der Habitualisierung von Handlungen, der „Gewohnheit", offenbart, während sich deren Sozialfunktion durch die normierenden Verhaltensformen der „Sitte" in der „Gemeinschaft" objektiviert; vgl. dazu Tönnies (wie Anm. 1), S. 16f. 3 Tönnies, Ferdinand, Gemeinschaft und Gesellschaft. Abhandlung des Communismus und des Socialismus als empirischer Culturformen. - Leipzig: Fues's Verlag (R. Reisland) 1887.

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29. August 1909

in aller Schärfe und Farbenklarheit hervortreten läßt. Als Mittel für diesen Zweck ist er unbedingt bewährt. Aber was ist von seinem Inhalt an sich zu halten? Ich schwanke, ob er als empirischer Begriff und dann: - als ,,Ideal-Typus"[,] wie ich zu sagen pflege, anzusehen ist oder ob Wertungen in ihn eingeschlossen sind - was Sie ja eigentlich ablehnen. 4 Ich habe mir s. Z. den Gedankengang Ihres Werks in Auszügen skizziert. 5 Aber ich sehe, daß ich doch noch einmal das Original von A bis Z durcharbeiten muß, um zu endgültigem Resultat zu kommen. Was Sie mit diesem Werkzeug wollen, glaube ich ganz gut verstanden zu haben aber was der Gedanke, abgesehen von seiner heuristischen Kraft, an sich besagt, ist für mich noch nicht definitiv erledigt. - Jedenfalls sieht man dem Büchlein an, daß Sie sich zur Zeit in völliger geistig-nervöser Frische befinden und das freut mich aufrichtig. Was die soziologische Gesellschaft anbelangt, so möchte ich schriftlich beantragen: 1.) daß vorerst alles Geld für die beabsichtigten wissenschaftlichen Arbeiten reserviert wird, daß daher 2.) internationale Kongresse etc. die Gesellschaft keinerlei Repräsentationsgelder und dergl. kosten dürfen, 6 3.) daß die Zeitungsl-lEnquete durch ein Komitee: Bücher, Jastrow, Gothein, Sie, Herkner, Beck (weiß sehr viel in diesen Dingen) mit dem Auftrag der Cooptation von Journalisten und Zeitungsleitern vorbereitet wird. 7 Ich habe erst gezeichnet erhalten: 5000 M. von vier verschiedenen Seiten. 8 Unglaublich, was man mit reichen Leuten für Erfahrungen macht. 9 In der Kasse sind 12—1300 M. bei zirka

4 Tatsächlich sind die wertmäßigen Konnotationen in Tönnies' sozialphilosophischem Hauptwerk unübersehbar; trotz mancher Anleihen bei Marx finden sich die begrifflichen Antinomien, wie sie für das sozialkonservative Denken - besonders deutscher Provenienz - grundlegend sind: organische Gemeinschaft versus mechanische Gesellschaft, Kultur versus Zivilisation, „volkhafter" Wesenwille als psychisches Prinzip des Gemeinschaftslebens gegen Willkür bzw. Kürwillen als zweckrationalem Prinzip der Gesellschaft, letztere natürlich als pathologische Sozialform der Moderne verstanden. 5 Die Aufzeichnungen Webers sind nicht nachgewiesen. 6 Dies bezieht sich auf eine eventuelle DGS-Beteiligung am projektierten internationalen Soziologenkongreß 1910 bzw. 1911 in Brüssel. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Schreiben an Hermann Beck vom 16. Juli 1909, oben, S. 186. 7 Entgegen Webers Wünschen hat sich der Ausschuß für die Presse-Enquete erst im März 1911 konstituiert; vgl. dazu Brief an Hermann Beck vom 20. Dez. 1910, unten, S.752, Anm.7. 8 Gezeichnet hatten bislang Otto Gradenwitz, Heinrich Simon, Paul Siebeck und Max Weber selbst. 9 Vgl. dazu die Webersche Anmerkung über Hermann Levy in seinem Brief an Georg Jellinek vom 19. Aug. 1909, oben, S.226.

29. August 1909

120 Mitgliedern. Wir brauchen: schon schaffen, wenn man mir Ausland (Solvay etc) geht. 10 Ich „Cooperation": alles Schwindel, s stet...0

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25000 M. Ich werde sie hoffentlich Zeit läßt und nicht vorzeitig an das bin zur Zeit gegen alle internationale solange man nicht selbst etwas lei-

c Ende der Abschrift mit Auslassungszeichen.

10 Über Webers Bemühungen, Geldgeber für die Zeitungsenquete zu finden, vgl. insbesondere Brief an Wilhelm Windelband bzw. die Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 9. Mai 1910, unten, S. 501 -504.

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31. August

1909

Hermann Beck 31. August 1909; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.60 Das nachfolgend abgedruckte Schreiben Webers, das den Antrag enthält, die nächste gemeinsame Vorstands- und Ausschußsitzung der DGS auf den 15. Oktober 1909 einzuberufen, kreuzte sich mit einem Rundschreiben von Hermann Beck an die Vorstandsmitglieder vom 30. August 1909 (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.05) des gleichen Inhalts, wobei allerdings als Termin und Ort eine Zusammenkunft am 10. Oktober 1909 in Berlin vorgeschlagen wurde, was Weber zu einer umgehenden Replik am 1. September 1909 veranlaßte. Die gemeinsame Vorstandsund Ausschußsitzung der DGS fand indes am 14. Oktober 1909 in Leipzig mit Rücksicht auf den dort am 12. und 13. Oktober stattfindenden Hochschullehrertag statt. Die Sitzung tagte im Anschluß an eine notwendig gewordene außerordentliche Mitgliederversammlung, die satzungsgemäß einen Nachfolger für Heinrich Herkner zu wählen hatte, da dieser am 31. August 1909 von seinem Amt als einer der DGS-Vorsitzenden zurückgetreten war. Die von Weber - ebenso wie von Beck übrigens in seinem Rundschreiben - unten benannten Tagesordnungspunkte haben zwar ihren Niederschlag in der Einladung vom 8. September 1909 (Abschrift masch.; ebd., Cb 54.61:1.2.11) gefunden, doch ist der Verlauf der Leipziger Tagung im einzelnen dokumentarisch nicht belegt. Wesentliche dort anfallende Beschlüsse lassen sich jedoch der Neufassung der DGS-Statuten entnehmen; vgl. die Beilage zum Brief an Wilhelm Windelband vom 29. Mai 1910, unten, S. 5 4 8 - 5 5 3 ; demnächst in MWG 1/13. Als zentrale Resultate sind dabei festzuhalten: 1) Unter anderem wurde auf Webers Drängen hin das Prinzip der Werturteilsfreiheit in § 1 verankert: „Sie [die DGS] gibt allen wissenschaftlichen Richtungen und Methoden der Soziologie gleichmäßig Raum und lehnt die Vertretung irgendwelcher praktischen (ethischen, religiösen, politischen, ästhetischen usw.) Ziele ab." Vgl. dazu Brief an Heinrich Herkner vom 7. April 1909, oben, S. 91. 2) Die DGS konstituierte sich als „ein geschlossener, sich selbst cooptierender Gelehrten-Verein", wie dies Weber später in seiner Karte an Lujo Brentano vom 26.Oktober 1909, unten, S.293, formuliert hat. In § 2 des Statuts heißt es: „Die Mitglieder sind entweder ordentliche oder unterstützende oder Stifter." § 4 sieht vor: „Ordentliche Mitglieder können nur Personen sein, welche auf dem Gebiete der Soziologie oder ihrer Hülfsdisziplinen wissenschaftlich qualifiziert sind." § 5 regelt das Stimmrecht: „Die ordentliche Mitgliedschaft entsteht mit Annahme der von der Mitgliederversammlung vollzogenen Zuwahl." §9: „Den ordentlichen Mitgliedern allein steht beschließende Stimme in der Mitgliederversammlung zu." 3) Wesentlich aufgrund der Vorlage Max Webers wurden, zumal man sich offenbar nicht auf einen einzigen Kandidaten einigen konnte, laut § 12 deren drei vorgesehen. Zu Vorsitzenden wurden Georg Simmel, Werner Sombart und Ferdinand Tönnies gewählt; über den Hintergrund dieser Entscheidung bzw. Notlösung vgl. das Schreiben an Tönnies vom 18. Oktober 1910, unten, S. 651 f. 4) Gleichzeitig wurde das Amt des Ausschußvorsitzenden eliminiert und laut § 3 2 und §33 ein „Rechner" eingeführt.

31. August

1909

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Heidelberg, den 31. VIII. 1909. Sehr geehrter Herr Dr.!

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Ich beantrage, gemeinschaftlich vom Vorstand und Ausschußvorsitzenden den Ausschuß auf den 15. Oktober, möglichst nach Frankfurt oder Eisenach, einzuberufen und jedenfalls folgende Gegenstände auf die Tagesordnung zu setzen: 1. Preß-Enquete: Bildung eines Comites. 2. Beschickung der Brüsseler Konferenz 1910. 3. Soziologentag, Themata und Referenten, (Zeit und Ortsbestimmung unerheblich, aber auch zu besprechen) 4. Cooptationen. 5. Finanzgebahrung der Gesellschaft, insbesondere Frage der Propaganda und Gesellschaftsmittel, damit verbunden: 6. Besprechung über die Verfassung der Gesellschaft und etwa notwendige Statutenänderungen. Ich beantrage ferner, gleichzeitig gemeinschaftlich die schriftliche Cooptation des Herrn Prof. Dr. Gothein, welche, wenn nicht mehr als drei Stimmen dagegen Einspruch erheben, als erfolgt gilt und er mit eingeladen wird. 1 Einen „Jahresbericht" des provisorischen AusschußVorsitzenden werde ich vorher Ihnen schriftlich einreichen, mit dem Anheimstellen, ob er vor der Sitzung verlesen wird (was vielleicht zweckmäßig ist.) Ebenso Anträge meinerseits zu Nr. 1, 3, 4, 5. 2 Mit vorzüglicher Hochachtung und freundlichen Grüßen Ihr ergebener Max Weber.

1 Die Kooptation von Eberhard Gothein erfolgte auf der DGS-Versammlung in Leipzig. 2 Weder der hier in Aussicht gestellte Jahresbericht noch die erwähnten Anträge sind in den noch vorhandenen DGS-Materialien überliefert.

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31. August

1909

Franz Eulenburg 31. A u g u s t 1 9 0 9 ; o . O . Abschrift; maschinenschriftlich o h n e A n r e d e und S c h l u ß f o r m e l , mit handschriftlichen K o r r e k t u r e n v o n Marianne W e b e r G S t A Berlin, R e p . 9 2 , NI. Max W e b e r , Nr. 30, Bd. 7, Bl. 1 4 3 - 1 4 4

31.8.09.

Natürlich haben Sie recht und es wäre dankenswert],] wenn Sie für den Soziologentag ein Referat auf diesem Gebiet übernähmen. 1 Zunächst sollte die amtliche Statistik angeregt werden, das Berufs- und Volkszählungsmaterial nach dieser Richtung durchzählen zu lassen. Das könnten Sie doch tun? Davon, daß Sie gegen meinen Bruder die Soziologie vor der „Naturwissenschaft" retten sollten, kann doch wohl nicht im Ernst die Rede gewesen sein!? 2 Das wäre ein starkes Stück. Ich bin überhaupt unbedingt gegen Korreferate - Grund: die Erfahrung im Verein für Sozialpolitik, wo die Korreferate meist nur lähmend wirken. Vorerst suche ich Geld für die Presse-Enquete zu beschaffen. Bisher sind erst 5000 Mark (Vs des Betrages) gezeichnet. Mitglieder neu zu gewinnen ist mir trotz angestrengter Arbeit nur in ca. drei Dutzend Fällen gelungen. Alles haßt dies Ortsgruppen- und Vortragsgesimpel. Jahresbeiträge der Gesellschaft: 1000 Mark ca. Und dabei wollen diese Kerle: Dr. Goldscheid[,j der durchaus nicht seine Vaterempfindungen los wird 3 und in alles hineinredet],] und Andere],] durchaus internationale Kongresse schaffen und besuchen. Da sind wir doch nur geduldet! So lange wir nichts leisten und nichts zahlen können. Bitte helfen Sie mir doch die Gesellschaft den Klauen dieser Herren zu entreißen!

1 Möglicherweise hatte Eulenburg ein Referat aus dem Bereich der „sozialen Auslese" in Aussicht gestellt; laut Mitteilung Webers an Hermann Beck vom 8. März 1910, unten, S. 422, schlug Eulenburg für den kommenden Soziologentag als eines seiner möglichen Themen die „Auslese der Intellektuellenschicht" vor. 2 Vgl. dazu Webers Bemerkungen in seinem Brief an Heinrich Herkner vom 15. Mai [1909], oben, S. 128f. 3 Rudolf Goldscheid, Leiter der 1907 gegründeten „Soziologischen Gesellschaft" in Wien, war einer der DGS-Grunder.

1. September

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Hermann Beck 1. S e p t e m b e r 1 9 0 9 ; H e i d e l b e r g Abschrift; maschinenschriftlich S H L B Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, C b 5 4 . 6 1 : 1 . 1 . 6 0 Bezug: Rundschreiben von Hermann Beck an die Vorstandsmitglieder der DGS vom 30. August 1909 (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.05) mit Vorschlägen über Ort, Datum und Tagesordnung für die nächste Ausschußsitzung: „Ich glaube, annehmen zu dürfen, daß ich mit nachfolgendem im Sinne der überwiegenden Majorität des Vorstandes [...] vorgehe: [...] Ich versende eine von unserem Vorstande ausgehende Einladung zu einer Sitzung des vereinigten Vorstandes und Ausschusses und zwar auf den 10. Oktober Nachmittags 4 Uhr" in Berlin. „Die Tagesordnung würde lauten: 1. Bericht des Vorstandes über Geschäftliches. [...] 2. Bericht des Vorstandes über seine ihm in der gemeinsamen Sitzung des Vorstandes und Ausschusses am 7.3.09 übertragene Vorbereitung des 1. Deutschen Soziologentages, der für das Frühjahr 1910 geplant ist. 3. Beschlußfassung über Zeit, Ort und Verhandlungsgegenstand des 1. Dtsch. Soziologentages. 4. Stellungnahme zur Frage der Veranstaltung von internationalen soziologischen Kongressen (Projekt Waxweiler vom Institut Solvay in Verbindung mit Worms vom Institut International de Sociologie). 5. Bericht über die Vorarbeiten für eine Enquete zur Frage der Soziologie der Presse. 6. Verschiedenes (Stand der Ortsgruppenfrage, Propaganda usw.)" Des weiteren war dem Rundschreiben der Entwurf eines Briefes an Emile Waxweiler (Abschrift masch.; ebd., Cb 54.61:1.1.13) beigefügt, der eine Stellungnahme zu dessen Anregung, einen periodisch tagenden internationalen Soziologenkongreß zu gründen, enthielt; zu der Reaktion der Vorstandsmitglieder der DGS auf Waxweilers Plan vgl. Briefe an Beck vom 16. und 23. Juli 1909, oben, S. 1 8 6 - 1 8 8 und 196f.

Heidelberg, den 1. Sept. 1909. Sehr geehrter Herr Doktor, Ich halte den Vorstand nicht für zuständig, allein Termin und Tagesordnung zu bestimmen und allein einen Brief von solcher Tragweite an 5 Herrn Prof. Waxweiler ergehen zu lassen. Meines Erachtens darf im letzteren Falle nur gesagt werden: „Der Vorstand hat in Mehrheit beschlossen, dem Ausschuß die Beschickung der für 1910 beabsichtigten Konferenz vorzuschlagen." 1 Daß ich den Einwand der Unzuständigkeit erhebe, obwohl ich die Beseitigung des Ausschußvorsitzenden wünsche 10 und beantragen werde, hat den sachlichen Grund, daß ich jede Präjudizierung der Frage der internationalen Beziehungen durch vorherigen Briefwechsel unbedingt vermieden sehen möchte und daher mich aus-

1 In dem uns vorliegenden Briefentwurf heißt es: „In jedem Falle werden wir aber zu einer Vorbesprechung des ganzen Planes, die Sie für nächstes Jahr in Brüssel geplant haben [...], einen Vertreter entsenden."

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nahmsweise auf meine „Würde" besinne. 2 Ferner war der Ort der Sitzung, wie Sie wissen, anders vereinbart. Es geht nicht an, diese Vereinbarungen (sowohl die Herren Herkner wie Simmel, wie, meines Wissens, auch Sie, und, glaube ich, auch Herr Vierkandt, hatten zugestimmt) (ob ich Herrn Tönnies schon darüber schrieb, weiß ich nicht mehr), ohne alle Begründung zu ignorieren. Ich glaube nicht, daß ich nach Berlin käme. 3 Aber gern will ich auf diesen Punkt kein Gewicht legen, wenn 1. der Brief an Waxweiler anders formuliert werden kann, ohne daß Ihre Absicht Schaden leidet, 4 2. die Frage unserer Arbeiten gegenüber den internationalen Absichten auf der Tagesordnung vorangestellt wird, damit nicht alles Interesse auf dieses Scheinwesen sich konzentriert, 3. der Frage der Cooptation von Prof. Gothein näher getreten wird, in dem Sinne, daß der Ausschuß schriftlich gefragt wird,5 4. fest steht, daß Prof. Bücher für Berlin zu haben ist (sonst muß meines Erachtens ein anderer Ort gewählt werden), 5. die beabsichtigte Vorbesprechung wirklich zwischen Vorstand und Ausschußvorsitzenden allein stattfindet. 6

2 Beck verwies in seiner Anwort vom 2. Sept. 1909 (Abschrift masch.; SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.15) auf den § 10 der Statuten, demzufolge gemeinsame „Sitzungen des Vorstandes und Ausschusses [...] vom Vorstand nach Bedarf und Ermessen einberufen werden" könnten „oder auf Antrag von mindestens 5 Ausschußmitgliedern, ein Fall, der augenblicklich nicht" vorliege, betonte aber zugleich, daß er auf „diesen formellen Standpunkt nicht den geringsten Wert" lege. 3 Die nächste Vorstands- und Ausschußsitzung fand am 14. Oktober 1909 In Leipzig statt; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum vorherigen Schreiben an Beck vom 31. Aug. 1909, oben, S.240. 4 Beck erklärte sich in seiner Antwort vom 2. Sept. 1909 (wie Anm.2) zu Änderungen bereit; jedoch ist eine überarbeitete Fassung des Entwurfes in den DGS-Materialien nicht vorhanden. 5 Dazu vermerkt Beck in seinem Brief vom 2. Sept. 1909 (wie Anm. 2), daß formell für den Vorstand nichts im Wege stehe, Eberhard Gothein schon jetzt seine Absicht mitzuteilen, Ihn auf der nächsten Mitgliederversammlung zur Wahl In den Ausschuß vorzuschlagen. Sollte Gothein bereit sein, diese Kooptation anzunehmen, so werde der Vorstand Ihn bitten, „schon an der nächsten Mitgliederversammlung teilzunehmen, um dann auch gleich nach erfolgter Wahl an der Ausschußsitzung teilnehmen zu können." 6 Für ihn sei es selbstverständlich - so vermerkt Beck zu dem Punkt 5 In seiner Antwort vom 2. Sept. 1909 (wie Anm.2) - , „daß an der Vorbesprechung nur Vorstand und Ausschußvorsltzender teilnehmen und daß es einer besonderen Mitteilung an Herrn Goldscheid nicht bedarf."

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Falls Sie es für erforderlich halten, Herrn Goldscheid, den ich schätze und mit dem ich fortwährend korrespondiere, 7 zu sagen und zu motivieren, weshalb ich gegen seine Zuziehung zu dieser Sitzung bin, dann bitte ich, mich das tun zu lassen. Vielleicht läßt sich ja die Erörterung dieser 5 Sache vermeiden, indem er einfach nicht zugezogen wird. Ich habe Ihnen meine Bedenken ja gesagt, mindestens ein Mitglied des Vorstandes teilt sie. Verbindlichen Dank für Ihren Brief. Ihr ergebenster 10 Max Weber.

7 Korrespondenzen Webers mit Rudolf Goldscheid sind nicht nachgewiesen.

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Paul Siebeck [1. September 1909; Heidelberg] Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort erschlossen aus Verlagsvermerk: „Heidelberg 1. 9. 09."

Sehr geehrter Herr D r Siebeck! Prof. Moldenhauer hat - was ich Sie Sich zu bemerken bitte - „Versicherungswesen" (3 Bogen) übernommen. 1 Prof. v. Schulze-Gävernitz will |:vielleicht: | über Übernahme der Lehre von den Creditbanken verhandeln (ist prinzipiell bereit, scheint es) , 2 5 Prof. Sombart ist prinzipiell bereit, über das Wesen des Kapitalismus mitzuarbeiten (Art und Umfang vorbehalten) 3 . 3 Prof. Aereboe sträubt sich gegen „Landwirtschaftliche] Betriebslehre", da er Parey ein dickes Handbuch darüber zugesagt habe. 4 Ich denke, ich gewinne ihn noch, denn das ist ja gar kein Hindernis.5 10 Nun aber kommt eine bedenkliche Sache: ich schicke Ihnen anbei den Brief von Schulze-Gävernitz, der von einem b Sammelwerk von Göschen spricht. Ich denke freilich: es ist das keine Concurrenz. Aber denken Sie auch so? Ich hoffe. 6

a Klammer fehlt in O.

b (ähnlichen)

1 Der Beitrag erschien in: GdS, Abt. VII. -Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1922, S. 301-334. 2 Tatsächlich hat Gerhart v. Schulze-Gaevernitz wenig später den Artikel über die deutschen Kreditbanken übernommen; vgl. dazu Brief an Paul Siebeck [vor oder am 1. März 1910], unten, S.416. 3 Werner Sombart hat den Artikel: Prinzipielle Eigenart des modernen Kapitalismus, beigesteuert. Er erschien in: GdS, Abt. IV., Teil 1. -Tübingen (wie Anm. 1) 1925, S. 1 - 2 6 . 4 Ein derartiges Buch von Friedrich Aereboe ist erst Jahre später erschienen: Allgemeine landwirtschaftliche Betriebslehre. (Die Bewirtschaftung von Landgütern und Grundstükken. Ein Lehrbuch für Landwirte, Volkswirte, Verwaltungsbeamte und Studierende, Teil 1). -Berlin: Paul Parey 1917. 5 Aereboe hat wenig später seine Mitarbeit am Handbuch definitiv abgelehnt; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 8. Nov. 1909, unten, S. 308. 6 Dazu bemerkt Paul Siebeck in seiner Antwort vom 2. Sept. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446): „Was das Göschen'sche Unternehmen anbelangt, so erblicke auch ich darin keine direkte Konkurrenz. Ich möchte sagen: sachlich und inhaltlich liegt wohl schwerlich Konkurrenz vor, wohl aber qua Gewinnung von Autoren. Käme Göschen uns darin zuvor, so würden wir wohl da oder dort einen Korb zu gewärtigen haben. Deshalb sollten wir sehen, das praevenire zu spielen."

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Die Plenge-Sache 7 ist arg verfahren u. es scheint mir immerhin, daß doch auch Sie einen Teil der Schuld trifft. Seine ersten Briefe sind wirklich in der Tonart anständig und direkt herzlich, diejenigen Ihres Herrn Sohnes von jener dezidierten |:ablehnenden:| „Geschäftlichs keit" , 8 die auch wir gelegentlich - Ihr Herr Sohn verzeihe die Offenheit nicht angenehm empfanden und die bei den Erneuerungsverhandlungen („Archiv") mich s.Z. so reizte. 9 Daß er die Correkturen schließlich überwiegend zahlen mußte, ist ja gewiß klar. Aber Sie haben dann den Verkehr, 2 Mal, abgebrochen. In der Form hat dann er gefehlt. 10 10 Vielleicht geht es ohne ihn. Wenn nicht, dann werde ich in Wien ihn einmal zu beeinflussen suchen. Freundschaftl. Gruß Ihr Max Weber

7 Zum Streit von Johann Plenge mit dem Verlag vgl. Brief an Paul Siebeck [nach dem 20. April 1909], oben, S. 104, Anm. 13. 8 Weber, der die Korrespondenz Johann Plenges mit dem Verlag zur Einsichtnahme erhalten hatte, bezieht sich vermutlich u.a. auf den Brief von Oskar Siebeck an Plenge vom 26. Aug. 1908 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 253), in welchem er auf Plenges Wunsch nach einer zweiten Fahnenkorrektur, um noch neues Material verarbeiten zu können, sarkastisch ausführt: „Wenn Sie noch so viel daran ändern, werde ich mir die Lektüre übrigens bis nach Ausführung der Korrekturen versparen. Ob der Verlag Ihnen die großen nachträglichen Korrekturen belasten kann und muß, wird davon abhängen, ob sie durch .Umstände, die inzwischen eingetreten sind' bedingt waren." Wenig später heißt es im Anschluß an ein Schreiben Plenges vom 22. Sept. 1908 (ebd., Nr. 253), in welchem sich dieser enttäuscht über die nach seiner Ansicht zu „deutschen" Methoden des Verlegers äußert: „Wenn Ihnen die allzu .deutschen' Geschäftsmethoden Ihres Verlegers eine Enttäuschung gewesen sind, so kann ich Ihnen nicht vorenthalten, daß es für diesen Verleger auch nicht zu den angenehmsten Überraschungen gehört, wenn er sieht, daß einer seiner hoffnungsvollsten Autoren in den heutzutage leider recht verbreiteten Fehler verfällt, seine Manuscripte erst in der Korrektur abzuschließen." Brief von Oskar Siebeck vom 24. Sept. 1909 (ebd., Nr. 253). 9 Weber bezieht sich auf die Verhandlungen über einen neuen Vertrag zwischen Edgar Jaffe und dem Verlag über das AfSSp. Vgl. dazu die Briefe an Paul Siebeck vom 27. und 30. Aug., sowie vom [7. Sept. 1908] (MWG II/5, S. 648f„ 650f„ sowie 657). 10 Vgl. dazu Brief an Siebeck [nach dem 20. April 1909], oben, S. 104, Anm. 13.

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Paul Siebeck 3. September 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 3.9.9. Sehr verehrter Herr D r Siebeck! Ob Plenge nötig wird, wird sich erst noch zeigen.1 Ich gehe an ihn nur, wenn wirklich dringende sachliche Gründe dazu rathen, und dann so, daß Ihnen nichts zugemuthet wird, was nicht Jedermann gern gewährt. 5 Denn er hat auch Unrecht, und zwar grade auch in der Sache.2 Ja natürlich: beeilen müssen wir uns. 3 Es ist inzwischen nochmals an Aereboe, dann an Herkner (Gewerbe), Lötz (Verkehrswesen, Geld- u. Notenbankwesen), Schumacher (Kartelle u. Trusts) geschrieben worden. 4 1° Der Gedanke einer großen Conferenz aller Mitarbeiter stammt wohl von Philippovich. 5 Ich habe da Bedenken und werde vorschlagen, einige 1 Weber, der eigentlich Johann Plenge mit dem Artikel über Geld und Kredit für das neue Handbuch betrauen wollte, war zu diesem Zeitpunkt etwas unschlüssig, weil er gerade wie aus dem folgenden Briefinhalt hervorgeht - auch mit Walther Lötz in Verhandlungen stand. 2 Zum Konflikt Johann Plenges mit Paul Siebeck im Jahre 1908 vgl. Brief an Siebeck [nach dem 20. April 1909], oben, S. 104, Anm. 13. Dazu vermerkt Siebeck in seinem Brief an Weber vom 2. Sept. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446): „ Dem Fall Plenge stehe ich jetzt ganz ruhig und objektiv gegenüber. Habe ich Fehler gemacht, so lasse ich mich gerne belehren, und bin bereit, die Hand zur Versöhnung zu bieten, wenn eine Formel sich finden läßt. Ob Sie auf der andern Seite ebenso viel Entgegenkommen finden, wird sich ja zeigen." 3 Siebeck hatte in seinem Schreiben vom 2. Sept. 1909 (wie Anm. 2) zu besonderer Eile bei der Gewinnung der Mitarbeiter geraten; vgl. Brief an Siebeck vom [1. Sept. 1909], oben, S. 246, Anm. 6. 4 Korrespondenzen mit Friedrich Aereboe, Heinrich Herkner sowie Walther Lötz, die die Mitarbeit am Handbuch betreffen, sind nicht nachgewiesen; der Hauptnachlaß Hermann Schumacher in der Landesbibliothek Oldenburg enthält keinerlei Korrespondenzen Max Webers; auch im Teilnachlaß Schumacher im GNM Nürnberg fehlen diesbezügliche Schriftstücke Max Webers. 5 Die Frage nach einer Konferenz der Mitarbeiter am neuen Handbuch anläßlich der Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik in Wien vom 27. bis 29. September 1909 hatte Paul Siebeck in seinem Brief vom 2. Sept. 1909 (wie Anm. 2) aufgeworfen. In seiner Antwort an Weber vom 4. Sept. 1909 (wie Anm. 2) heißt es: „Der Gedanke einer Konferenz in Wien stammt nicht von Philippovich, sondern von mir. Ich glaubte, es könnte vielleicht manche briefliche Verhandlungen abkürzen, wenn man in Wien mit den Mitarbeitern Rücksprache nehmen würde, aber meine Meinung ist natürlich ganz unmaßgeblich."

3. September

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derjenigen Mitarbeiter zuzuziehen, deren Artikel collidieren können, u. auch nur von den älteren. Denn sonst muß jeder individuell behandelt werden. Den jungen Leuten sage ich, wie sie es machen müssen u. controlliere sie. Mit den älteren geht das nicht. Und auch da giebt es Unterschiede: Philippovich z. B. ist ein glänzender Systematiker. Indem ich ihm nur eine ganz kahle Schablone (den „Verteilungsplan'"') 6 schickte, reizte ich - wie ich sehr wohl wußte - seinen Ehrgeiz zum Systematisieren: er hat einen sehr gut disponierten Vorschlag für einen Artikel für sich selbst gemacht und vortreffliche (aber leider nur sehr teilweise in einem Collektiv-Werk ausführbare) 3 Vorschläge im Einzelnen gemacht. Daß ich mich bei ihm und seinesgleichen nur als „Correspondenten", nicht als „Herausgeber" einführe, hat gute Gründe, für die in seinem Fall der Erfolg spricht. Den Jüngeren gegenüber bin ich „Herausgeber", wenn auch nicht dem Titel nach. Es scheint mir sicher, daß er für die Einführung in die „praktische] N[ational-]Ö[konomie]" („Organisation" der V[olks-]W[irtschaft]) gewonnen wird, - da ist er sehr gut am Platz. Worauf er besteht, ist: Sonder-Honorar für die Sfonder]-Ausgabe.7 Zugesagt ist eine Sonderausgabe nur v. Wieser und Rathgen (falls er sich entschließt, - hier steht die Honorarfrage noch offen,) Wieser hat gar keine Ansprüche erhoben, ob er Sonderhonorar erwartet, fragt sich: ich habe mich, wie ich s. Z. schrieb, sehr vorsichtig ausgedrückt, eigentlich so, daß er es nicht erwarten kann. Aber dieser wichtige Punkt müßte allerdings geklärt werden. Den wenigen Leuten, denen ich sonst von der Chance einer S[onder-]A[usgabe] schrieb (Herkner, Lotz) b habe ich nur gesagt: vielleicht würde 0 sich eine solche ihnen erwünscht zeigen. Bei der definitiven Regelung muß das klar sein. Mit freundschaftlichem Gruß! Ihr ergebenster Max Weber

a Klammer fehlt in O.

b (Schumacher))

c ließe > würde

6 Dieser frühe provisorische Stoffverteilungsplan für den geplanten G d S ist nicht erhalten ; vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 31. Mai 1909, oben, S. 136. 7 Dazu bemerkt Siebeck in seinem Brief vom 4. Sept. 1909 (wie Anm. 2), daß Sonderausgaben, sofern sie außerhalb der Auflage des Handbuchs gedruckt würden, „besonders honoriert werden. Darüber besteht für mich kein Zweifel, und Sie können daher Philippovich in diesem Punkte ohne weiteres beruhigen."

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1. Die Ostwald-Correktur |:(Litt[eratur-]Anzeiger des „Archiv"):| 8 bekomme ich doch bald? 2. Die Rezension v. Ad[olf] Weheres Schrift ging heut an Sie mit Bitte um 4—5 Expl. der Superrevision auch |:(neben 0 Jaffe):| an mich (zum Versenden) ab. 5 3. Revision® meines Artikels |:für das Archiv, Schluß^,].|10 haben Sie doch erhalten? Ich erbat von dem Schluß Superrevision zugleich mit D r Jaffe. Wenn |: dies: | Alles in Ordnung, |: wie ich annehme,: | bedarf es keiner besondren Nachricht. 10

d Unsichere Lesung,

e (der Correktur)

8 Gemeint ist die Korrektur des Artikels: „Energetische" Kulturtheorien, erschienen in: AfSSp, Bd. 29, Heft 2, 1909, S. 575-598 (MWG 1/12). 9 Die Rezension des Buches von Adolf Weber, Die Aufgaben der Volkswirtschaftslehre als Wissenschaft, ist erschienen in: AfSSp (wie Anm.8), S. 615-620 (MWG 1/12). 10 Zur Psychophysik der industriellen Arbeit. IV. (Schluß.), erschienen in: AfSSp (wie Anm. 8), S. 513-542 (MWG 1/11).

5. September

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Georg Jellinek 5. S e p t e m b e r [ 1 9 0 9 ] ; o . O . Brief; e i g e n h ä n d i g BA Koblenz, Nl. G e o r g Jellinek, Nr. 31 Dieser Brief befindet sich auf der Rückseite eines Schreibens von Richard Fleischer an Max Weber vom 31. August 1909, das im folgenden wegen einiger Webermarginalien wiedergegeben wird. Zu dem Brief selbst schreibt Weber am Briefkopf: „Was will der nachfolgende Brief?: Ich denke: wenigl" - „Hochgeehrter Herr Professor Für Ihre liebenswürdigen Zeilen danke ich Ihnen verbindlichst und werde mich sehr freuen Sie vielleicht im nächsten Monat in Heidelberg oder später hier zu begrüßen. Ich hoffe Ihnen bis dahin vielleicht weitere interessante [Unterstreichung und Randbemerkung Max Webers: ?? Quatsch wahrscheinlich wieder.] Mitteilungen machen zu können über die ich nur persönlich [Unterstreichung und Randbemerkung Max Webers: also: ohne VerbindlichkeitI Kennen wir ja!] mich aussprechen kann. Ihnen eine recht gute Erholung im schönen Schwarzwald wünschend bin ich mit besten Grüßen Ihr Sie hochverehrender Richard Fleischer."

5. IX. Lieber Freund! Nochmals möchte ich Sie bitten, doch ja bei der |: Carnegie-Sache: :|1 1) die „buildings" Gefahr nicht heraufzubeschwören. Ich bin bereit, allen Raumbedarf und Schreibbedarf aus meiner Tasche zu bezahlen, wenn Sie darin ängstlich sind, - denn außer einem Sitzungszimmer braucht man ja nichts 2) doch ja die Sache so zu machen, daß sie erst fertig ist {„eine Kruste hat"), ehe die Regierung davon Kenntnis erhält. Das müßte man auch Carnegie sagen! 3) doch ja die individuelle Ernennung (und Bestätigung) durch den Großherzog auszuschließen (außer etwa bei den auswärtigen Mitgliedern? auch das wäre sicher nicht angenehm. Aber für hier | :(die Heidelberger) : | geht es doch einfach nicht.) 4) damit die Gothein-Frage erledigt ist und dadurch der Eintritt meines Bruders möglich wird - denn es hat |:sachliche: | Gründe, sich auf „Obercollegenschaften" jetzt in keiner Form mehr einzulassen^ - doch '' Dazu ferner das sachlich Entscheidende: daß G[othein] die Sachen verbummelt und verdirbt, auch nur Historiker ist. 1 Zum Hintergrund der folgenden Bemerkungen vgl. Editorische Vorbemerkung zum Brief an Jellinek vom 15. Juli 1909, oben, S. 179.

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einfach die 5 Heidelberger Leute |:gleichberechtigt:! als „Vollzugsausschuß" zu constituieren. Wozu bei dieser |:kleinen:| Zahl noch weitere Unterscheidungen? Sie sind jetzt auf Lebenszeit Präsident, künftig geht es einfach nach den Fächern Reih' um, oder nach dem Alter. Seien Sie sicher, daß Jeder das in der Ordnung findet. Der Präsident könnte ja vom Großherzog „bestätigt" werden (wie der Rektor). Sonst aber muß die Sache am Fach kleben, - Strafprofessoren ausgeschlossen.2 Wozu noch „Sektionsvorsitzende" oder dergl. 5) Sehr läge mir auch am Herzen, daß alle „Eitelkeits"- und „Bonzel-Gesichtspunkte abgeschnitten sind. „Bonzen" und „große Thiere" mögen £7irenmitglieder sein. Aber arbeitende aktive Mitglieder dürften nur die sachlich Geeigneten sein. Ob Jemand sich „gekronken" fühlt, muß ganz egal sein, | :sonst wird's auch diesmal nichts.: | 6) Wollen Sie neben Gothein und A[lfred] Weber noch einen NichtJuristen, so nehmen Sie doch den jeweiligen Vertreter der Landes.vta?/stik. Das erleichtert die Arbeit für unser Gebiet ganz ungeheuer |:mehr als der Nicht-Soziologe ahnen kann!: | - Ich kann ja schließlich „auswärtiges" Mitglied werden! 7) Anbei einige sachliche Bemerkungen 3 8) Gott mag wissen, was Fleischer jetzt plant? Herzl. Gruß, auch „von Megäre zu Megäre"! Max Weber Verzeihen Sie diese „Angstrufe" und fassen Sie sie nicht als Zudringlichkeit auf!

2 Weber erneuert hier seine Bedenken, das Strafrecht als Lehrfach in die geplante Akademie zu integrieren; vgl. dazu Brief an Jellinek vom 16. Juli 1909, oben, S. 189. 3 Es ist nicht bekannt, um was es sich hier handelt. Entsprechende Bemerkungen sind im Nl. Jellinek im B A Koblenz nicht nachgewiesen.

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Paul Siebeck 5. September 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 5. IX. 9 Sehr verehrter Herr D r Siebeck! Ich bitte Sich zu notieren, daß Prof. Herkner (unter Ablehnung des „Gewerbewesens") den prinzipiellen Artikel „Arbeit" (gehört in den ersten Teil) unter Vorbehalt der zuzubilligenden Bogenzahl (ca 2) übernommen hat. 1 Ich bin sehr für Besprechungen in Wien. 2 Nur so zu sagen ein Mitarbeiter-Parlament halte ich für nicht im Interesse der Sache. Die AltersUnterschiede sind groß und den Jüngeren gegenüber muß man freie Hand haben. 3 Hätte Ihr Herr Sohn nicht Lust, die „Agrargeschichte" (1 Bogen) zu schreiben? 4 Sonst müßte ich an Wittich gehen. 5 Freundschaftlichen Gruß Ihr Max Weber

1 Dieser Beitrag ist später unter dem Titel: Arbeit und Arbeitsteilung, in: GdS, Abt. II. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 1 6 5 - 1 9 8 erschienen. 2 Gemeint sind Unterredungen mit den für das Handbuch vorgesehenen Mitarbeitern anläßlich der Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik, die vom 27. bis 29. September 1909 in Wien stattfand. 3 Vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 3. Sept. 1909, oben, S.248f. 4 Weber erwähnt Oskar Siebeck, weil dieser mit einer einschlägigen agrargeschichtlichen Dissertation 1904 bei Karl Bücher in Leipzig promoviert worden war; diese Arbeit ist erschienen unter dem Titel: Der Frondienst als Arbeitssystem. Seine Entstehung und seine Ausbreitung im Mittelalter (ZGS, Ergänzungs-Heft 13). - Tübingen: Laupp 1904. Schon zwei Jahre früher hatte Weber Oskar Siebeck als Bearbeiter des Artikels „Agrargeschichte: Mittelalter" für das Wörterbuch „Die Religion in Geschichte und Gegenwart" vorgeschlagen; vgl. dazu Brief an Oskar Siebeck vom 26. Dez. 1907(MWG II/5, S.426). 5 In der Folge hat sich Weber, da Oskar Siebeck laut Mitteilung vom 7. Sept. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) die Übernahme des Artikels ablehnte, an Werner Wittich gewandt; vgl. Brief an Paul Siebeck [vor oder am 6. Dez. 1909] und 27. Febr. 1910, unten, S. 331 und 414.

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Marianne Weber PSt 8. September 1909; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Marianne Weber war vom 7. bis 19. September 1909 verreist. Sie besuchte zuerst ihre altersschwache und depressive Tante Marie Schnitger in Lemgo, hielt sich dann einen Tag bei Alwine Müller in Oerlinghausen auf und verbrachte schließlich drei Tage bei Lili Schäfer in Altenberg (Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 20. September 1909, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). In der nachfolgenden Korrespondenz mit Marianne Weber vom 8., 13. und 14. Sept. 1909 informiert Max Weber seine Frau im Hinblick auf deren Besuch in Oerlinghausen über seine Ansichten zur Bilanz der Leinenweberei Carl Weber & Co. GmbH. Marianne Weber war nach dem Tod ihres Großvaters Carl David Weberam 21 .Juli 1907 mit einem Teil ihres Erbes Gesellschafterin der im September 1908 in eine GmbH umgewandelten Firma geworden. Vgl. Brief an Marianne Weber vom 3. Sept. 1907 (MWG II/5, S.385f.). Die nunmehr vorgelegte erste Jahresbilanz hatte für Marianne Weber einen weit geringeren Ertrag ausgewiesen, als diese und Max Weber erwartet hatten.

L. Sehn.! Ich bin hier geblieben bei dem Schandwetter u. bleibe wohl auch weiter hier 1 . Es passiert nichts Neues. - Mit Richard M[üller] habe ich noch 2 Briefe gewechselt 2 und auf 2 e r l e i bestanden: 1) eingehende Auskunft |:schriftlich (auch über angeblich „Vertrauliches"):| und 2) rechtzeitige s Benachrichtigung. U n s kostet |:ja:| die Teilnahme an der G e s e l l s c h a f ter] Versammlung 3 3 Tage, Möllers V2, Müllers 1, wir aber haben mehr als alle andern drin stecken. R[ichard] bestreitet, daß die Art der Bilanzaufstellung diesmal e[ine] andre sei als voriges Mal ( D u hast wohl von „Abschreibungen" geschrieben - das ist vielleicht nicht genau: die 10 Hauptfrage ist, wie man die lagernde Waare bewertet, ob optimistisch: dann schwellen die „Aktiva" | :in der Bilanz: | u. es giebt hohe Dividende

1 Max Weber hatte beabsichtigt, während der Abwesenheit von Marianne Weber einige Tage zur Erholung zu verreisen, wie aus einem Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 26. Aug. 1909, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446, hervorgeht. 2 Die Briefe an Richard Müller sind nicht nachgewiesen. 3 Gemeint ist die Gesellschafterversammlung der Carl Weber & Co. GmbH in Oerlinghausen. Als Gesellschafter waren bei der Umwandlung der Firma im Handelsregister, Amtsgericht Oerlinghausen am 14. September 1908 aufgeführt: Carl Weber, Bruno Müller, Karl Möller und Frau Hertha, geb. Weber, Eleonore Müller, geb. Weber, Marianne Weber, geb. Schnitger, Georg Müller, Richard Müller.

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- oder umgekehrt: dann sieht es übel aus.)3 Lagernde Waaren betragen diesmal 630000 M. in der Bilanz. Aus R[ichard]s Brief muß ich annehmen, daß sie behaupten: sie hätten immer |:durch:| die gleiche Brille gesehen, - während ich voraussetzte: das vorige Mal durch eine rosige, weil der Nominalbetrag des Capitals aufgebracht werden mußte nachb M[öller]s teilweisem Ausscheiden, diesmal durch eine schwarze: um jene Rosigkeit durch Vorsicht wieder gut zu machen. Die Höherbewertung von Haus und Gebäuden etc., welche |:jetzt etwas:| höhere Abschreibungen ergeben, machen die Sache in der That nicht, das habe ich auch nicht behauptet. - Es hat glaube ich keinen Zweck, daß Du am 11. IX. hingehst. Denn dann hätten wir noch näher sprechen müssen. Das Maß der Information ist eben ungenügend. Wenn Richard vor Vi Jahr einmal scherzhaft schrieb: „es wird gar keine Dividende geben", so war das eben doch Scherz u. ich schrieb ihnen deshalb: Du wärest offenbar geneigt gewesen, auch den Abschluß diesmal für einen „guten Witz" R[ichard]s zu halten, bis ich Dir das Nötige gesagt hätte. Wir haben die Correspondenz nun geschlossen. Ich habe Karl Möller geschrieben,4 was wir für richtig halten. Da es gesetzlich nicht angeht, Dividende vorab zu erheben, müssen wir jedenfalls Papiere verkaufen für den Winter^] um0 bis zurd nächsten Bilanz leben zu können. Herzl. Gruß, auch an die Tante! 5 Max

a Klammer fehlt in O.

b (Möller)

4 Brief nicht nachgewiesen. 5 Gemeint ist Marie Schnitger.

c und > um

d (Bilan)

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Lujo Brentano 11. S e p t e m b e r 1 9 0 9 ; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g BA Koblenz, Nl. Lujo Brentano, Nr. 67, Bl. 94, 93 Im folgenden geht es um die Besetzung des Lehrstuhls für Nationalökonomie an der Handelshochschule in München.

Heidelberg 11/1X9 Hochverehrter Herr Geheimrath! Da ich Ihrer Verschwiegenheit ja absolut sicher bin, halte ich es für kein Unrecht, zu sagen, daß Gottl es war, der an mich schrieb und sagte: Das Curatorium (zur Gründung der Ha[ndels-]Hochschule a ) |:, dem G[ottl] angehört,:| habe Gothein gefragt u. dieser habe Wiedenfeld empfohlen. Sie u. Lötz schlügen „einen Andren" - offenbar 1 ^ Bonn - vor. Er halte sich neutral und wende sich an Lexis u. mich um Auskunft. Mein „offizieller" Brief (für das „Curatorium") hielt sich streng objektiv, 1 kann aber |:nach seinem Inhalt: | W[iedenfeld] nicht wohl nützlich sein. Privatim habe ich G[ottl] direkt gewarnt, da W[iedenfeld] unbedeutend und dabei anmaßend |:und „Partei"-.| sei. Wenn G[ottl] mich nochmals frägt, werde ich Bonn als wissenschaftlich weitaus Bedeutendsten empfehlen. Sie scheinen ihn nichtb recht zu wollen - wohl als Juden oder auch als Ihren Schüler. Ist Bonn nicht durchzusetzen, käme ja vielleicht Jaffe in Betracht, 2 oder, am Besten, ein neutraler Handelskammersekretär, mit dem Sie u. Lötz Sich „stellen" könnten? Schott 0 , 3 den ich nannte, würde nicht kommen, das habe ich (indirekt!) festgestellt ohne die Sache bekannt werden zu lassen.

'' nach Ihren Briefen nahm ich das an a 0 : HaHochschule

b (zu)

c (wär)

1 Die entsprechende Korrespondenz ist nicht nachgewiesen. 2 Tatsächlich ist es Edgar Jaffe gewesen, der auf den Lehrstuhl berufen wurde. 3 Gemeint ist Sigmund Schott, Handelskammersekretär in Mannheim.

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Ich bitte Sie nochmals: unter keinen Umständen Jemand von meiner Mitteilung etwas zu sagen. Ich sehe Sie doch in Wien? 4 In Verehrung Max Weber 5 P.S. Gottl ist, was Sie auch sonst von ihm halten mögen, ein loyaler Mensch, der, glaube ich, ganz gern mit Ihnen auf gutem Fuß lebte. Da er in seinen Forderungen für den Unterricht an der Technischen] Hochschule sehr |:gut: | von der Regierung behandelt wurde, ist es ja begreiflich, wenn er sie d durch eine d freundlichere Brille ansieht als Sie es thun 10 können. Er hat eben die Dinge nicht mit erlebt, die Sie erlebt haben. 5 Das Buch von Wassermann ist von Altmann doch rein referierend behandelt worden. 6 Eine Abhandlung von ihm selbst haben wir abgelehnt. Übrigens kannte ich seine Beziehungen nicht u. danke für den Hinweis.

d mit > durch eine

4 D. h. bei der Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik, die vom 27. bis 29. September 1909 in Wien stattfand. 5 Vermutlich bezieht sich Weber hier auf Brentanos Anfangsschwierigkeiten nach seiner Berufung nach München: So wurde u.a. ihm und seinem neugegründeten Statistischen Seminar v o m statistischen Bureau die Benutzung von Dokumenten und Räumlichkeiten verweigert; vgl. dazu Brentano, Lujo, Mein Leben im Kampf um die soziale Entwicklung Deutschlands. - Jena: Eugen Diederichs 1931, S. 167f. 6 Gemeint sind das Buch von Ludwig Wassermann, Die deutsche Spiritusindustrie. Eine wirtschaftliche Monographie unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses der Technik. - Leipzig: Duncker & Humblot 1909, und dessen Rezension durch Sally Altmann in: AfSSp, Bd. 29, Heft 1,1909, S. 280f. Brentanos Hinweis, auf den sich Weber im folgenden bezieht, galt vermutlich der Tätigkeit Wassermanns in der Zentrale für Spiritusverwertung, derzufolge manche Passagen des Buches eine spezifische Färbung v o m Interessenstandpunkt involvierten; vgl. dazu die kritische Besprechung des Wassermannschen Buches durch Emanuel Wurm in: Die Neue Zeit, Jg.27, Bd.2, Nr.39 vom 25. Juni 1909, S.416-418.

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12. September

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Georg Jellinek [vor d e m 12. S e p t e m b e r 1 9 0 9 ] ; o. O. A b s c h r i f t ; m a s c h i n e n s c h r i f t l i c h , mit h a n d s c h r i f t l i c h e n K o r r e k t u r e n M a r i a n n e Webers G S t A Berlin, Rep. 9 2 , Nl. M a x W e b e r , Nr. 3 0 , Bd. 7, Bl. 5 4 - 5 6 Die Datierung ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Während Weber hier seine eigenen Vorschläge zur Gründung einer deutsch-amerikanischen Akademie unterbreitet, ist in dem Brief an Jellinek vom 12. September 1909 davon die Rede, daß dieser den entsprechenden „Plan wohl schon abgeschickt" habe. Vermutlich ist dieses Schreiben, das heute nur noch in Abschrift vorliegt, nicht an Jellinek abgegangen. Vgl. den Brief an Jellinek vom 12. September 1909. Es ist auch möglich, daß der dort erwähnte Brief ein anderes Schreiben betrifft und dieser Brief gleichwohl überhaupt nicht abgegangen ist.

Lieber Freund. Ich möchte Ihnen nach Ihren Mitteilungen nun für die Fassung des Gründungsplans des beabsichtigten Instituts für Internationales Recht und vergleichende Politik (so müßte die Sache ja wohl heißen.) einen bestimmten Vorschlag machen. Die Einzelauffassung vorbehalten, könnte man doch sehr gut hinter: „sie (Deutschland und Amerika) zu gemeinsamer wissenschaftlicher Arbeit zu vereinigen" in Ihrem Schreiben folgendermaßen fortfahren: „Spezieller Zweck des Instituts müßte (ought to be) die Erforschung der rechtlichen, politischen, ökonomischen und durch allgemeine Kulturverhältnisse bedingten Gründe sein, welche die internationalen Beziehungen der modernen Völker bestimmen. Selbstverständlich also in erster Linie die Beschäftigung mit dem internationalen Recht, welches jene Beziehungen im Sinne der Schaffung von Friedensbürgschaften regelt. Allein es ist klar, daß sich die Arbeit des Instituts zweckmäßigerweise nicht auf diese Aufgabe ausschließlich beschränken könnte. Denn jene Beziehungen werden durch das formell bestehende oder neu zu schaffende Recht nicht allein und endgültig bestimmt. Ihre Gestaltung hängt in hohem Maße auch ab von der inneren Struktur der einzelnen Staaten. Die Rolle],] welche militärische, bürokratische und feudale oder industrielle, kommerzielle oder andere bürgerliche Schichten und der von jeder von ihnen gepflegte politische Geist in einem Staate spielen, die Art der politischen Machtverteilung unter ihnen, wie sie das öffentliche Recht, die Verwaltungsmaschine und ihre praktische Handhabung schafft, und die Art, wie alles dies auf die Bildung der öffentlichen Meinung eines Landes wirkt, bestimmt sein Verhalten zu anderen Nationen oft in ausschlaggebender

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Weise. Deshalb müßte mit der direkten Analyse der internationalen rechtlichen und politischen Beziehungen die international vergleichende Analyse der rechtlichen, politischen, ökonomischen und kulturlichen Struktur der einzelnen Länder und Staaten Hand in Hand gehen, stets unter dem besonderen Gesichtspunkt der Frage: wie diese inneren Bedingungen auf die allgemeine Politik der einzelnen Länder zurückwirken. Da Deutschland einer der größten Militärstaaten ist, und da seine innere Struktur in sehr charakteristischer Weise von der amerikanischen abweicht, und da zugleich in Deutschland augenblicklich die Vorbedingungen für eine wissenschaftliche Bearbeitung dieser Probleme sehr günstige sind, so würde es sich empfehlen, die Zentrale eines Instituts, welches solche Aufgaben lösen sollte, in dies Land und zwar möglichst in einen seiner kleineren, von dem Einfluß der Politik möglichst unabhängigen Staaten zu legen, und möglichst an eine solche Universität, welche schon jetzt in dauernden wissenschaftlichen Beziehungen zu den Kreisen der amerikanischen Wissenschaft und Verwaltungspraxis steht. Dafür empfiehlt sich die älteste deutsche Universität Heidelberg..." Damit ist alles „Soziologische" auch „Soziale" usw. scheinbar ausgeschaltet, in Wahrheit aber der Nachdruck auf das gelegt, was Sie Soziallehre des Staates nennen. 1 Als Themata hätte man z . B . für die nächste Zukunft zu nennen: „Die Träger des militärischen Geistes und die Art seiner Pflege" - „Die Wirkung der bürokratischen Maschinerie auf die Art der Leitung der Staatspolitik" - „Die Bildung der öffentlichen politischen Meinung je nach der inneren Struktur des Staates" usw. und hervorzuheben, daß jede solche Arbeit die Zusammenarbeit vieler Gelehrten und große Mittel beansprucht, wenn sie wissenschaftlich Gesichertes liefern soll. - Das Organisationskomite müßte ganz klein sein: Sie, daneben Lilienthal und - wenn Sie wollen - ich. Dies Komite allein müßte mit Ihnen an der Spitze alle Verhandlungen führen bis zur Genehmigung der Stiftung und dann im Einvernehmen mit Carnegie's Vertreter (wenn Sie wollen auch einem Delegaten des Botschafters) ich würde alle offiziellen Seiten draußen lassen - die ersten cisatlantischen Mitglieder ernennen. Die ganze Sache müßte so gemacht werden, daß keinerlei Eitelkeitsprämie winkte. Darauf legt auch Lilienthal Gewicht. Insbesondere keinerlei Einmischung S. K. H. oder der Regierung 1 Zu diesem Zentralbegriff in dessen Staatslehre vgl. Brief an Jellinek vom 15. Juli 1909, oben, S. 180.

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über das absolute gesetzliche Minimum hinaus: freie Kooptation, höchstens Anzeige an die Regierung, aber keine Ingerenz außer derjenigen, welche das Gesetz der Regierung offen läßt. Das Komite könnte ja die Stellung der amerikanischen Trusties haben und behalten. . . . a Hauptsache: ob überhaupt Mr. Scott die Chance mitbringt, das Geld (Mini- 5 mum nach L[ilienthal]s und meiner Ansicht 250000 Dollars = 1 Million - sonst ist es Spielerei) in Aussicht stellen kann. 2 Mir ist das recht fraglich, so lange ich nicht das Geld fest zugesagt und verbrieft sehe. Herzliche Grüße an Sie und Ihre liebe Frau.

a Auslassungszeichen in Abschrift.

2 Offensichtlich war die anfängliche Euphorie Webers und v. Lilienthals über den Brief James Brown Scotts an Jellinek vom 7. Aug. 1909, in dem jener seine wohlwollende Unterstützung für das geplante Vorhaben signalisiert hatte, einer eher nüchternen Beurteilung der Finanzierungschancen für das Akademieprojekt gewichen.

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12. September 1909

Georg Jellinek 12. September 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig BA Koblenz, Nl. Georg Jellinek, Nr. 31 Betr.: Jellineks Projekt der Gründung einer deutsch-amerikanischen Akademie

Heidelberg 12/IX 9 Lieber Freund! Ich habe diesen Brief liegen lassen,1 weil ich inzwischen zu der Ansicht gekommen war, daß ich gut thue, mich in diese Sache, die sicher oder doch sehr wahrscheinlicherweise auch wieder etwas ganz Andres wird, als wir brauchen, nicht zu mischen. Es ist ganz in der Ordnung, daß Sie, auf dessen Namen und Bedeutung für die amerikanischen 3 Gelehrten etc. hin das Geld gegeben wird, für Ihre {sachlichen) Interessen dabei sorgen b . Worum ich nur bitten 0 wollte, ist: daß Sie es nicht wie die „Akademien" machen und uns für künftige, mögliche, Stiftungen den Wind fortnehmen. Inzwischen schicke ich den Brief doch ab. Denn es könnte ja doch sein, daß die Sache so würde, daß sie mich auch sachlich-fachlich | ¡etwas : | anginge. Ich stehe dann in jeder Hinsicht zur Verfügung, vorausgesetzt nur das Eine: daß ich sehe, daß gar keine, nicht die geringste „Rücksicht" auf Eitelkeiten oder Personen überhaupt genommen wird. Inzwischen werden Sie Ihren Plan wohl schon abgeschickt haben. 2 Guten Erfolg! - sei es auch nur in Form einer juristischen |:bezw. Staatslehre-:|Akademie; die besser als nichtsd ist. Als „Beispiel" aus der „Soziologie" (wie Sie es s. Z. wünschten u. wie ich es aus dem erwähnten Grunde nicht schickte)®, könnte dienen: 1) |: Vergleichende: \ Untersuchung der Quellen der öffentlichen Meinung (Presse, Nachrichten-Bureaus, Partei-constituencies, Vereine), welche für die internationalen Beziehungen bedeutsam wird a (Schüler)

b Unsichere Lesung,

c Maximum e unsren > großväterlichen f nicht > deshalb weniger g (Stamm) h M > Utensilien Überschreibung des Anfangsbuchstabens, i (erst) j (um) k (während) I die > ein Teil der 6 Gemeint ist Bruno Müller, Ehemann von Alwine (Wina) Müller, geb. Weber. 7 Gemeint ist Carl (Carlo) Weber, Bruder von Alwine (Wina) Müller und Eleonore Müller. 8 Gemeint ist Wilhelm Müller, Ehemann von Eleonore Müller, geb. Weber. 9 Laut Auskunft des Amtsgerichts Detmold vom 29. März 1994 weist der Gesellschaftervertrag der Firma Carl Weber & Co. GmbH vom 11. September 1908 die Einlagen der Gesellschafter wie folgt aus: Carl (Carlo) Weber: M. 375000; Bruno Müller: M. 515000; Dr. Karl und Hertha Möller, geb. Weber: M. 150000; Eleonore Müller, geb. Weber: M. 210000; Marianne Weber, geb. Schnitger: M. 230000; Georg Müller: M. 11 000; Richard Müller: M. 9000; insgesamt: M. 1 500000.

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„vertraulich" und „umgehend zurückzusenden" bezeichneten 2 ' 3 Bilanzen 1905 —8 mitgeteilt war, m nannte ich das eine ungenügende m Auskunft. Aus Richards 10 letztem Brief entnehme ich, daß eine andre |: Art der: | Lagerbewertung nicht eingetreten ist. Aber für den diesmaligen Abschluß genügt ihr Bericht nicht (1 Seite! - dazu „ausnahmsweise" IVn Seiten in Richards Brief). Wir wohnen so entfernt, u. haben so viel Geld darin", daß wir mehr schriftliche Nachricht (auch: früherei) über den Stand der Dinge brauchen. Ich hätte ja nie über meine, | :3000 M.: | Honorar von Siebeck0 verfügen dürfen, 11 wenn das zu erwarten war, war es doch schon schwer, mir die russische Reise 12 zu verkneifen, die ich damit bezahlen konnte! - Nun, es ist da nichts zu machen und von „Schuld" kann ja keine Rede sein. Aber wenn sie uns nicht besser unterrichten, - dann will ich lieber gar nichts mehr wissen. Man ärgert sich sonst nur. Genug davon. Auf die andre Sache kommst Du besser auch nicht zu sprechen. Sie verstehen das ja nicht. - Und in unsre Lage können sie sich nicht versetzen, so wenig „Großvater" es konnte, der von dem Moment an, wo ich krank wurde, sich für den „Erfolglosen" - wie jeder Kaufmann nicht mehr interessierte. Daß sie damals ihm nicht sagten: man müsse doch auch uns anhören, war ihr „Unrecht", aber das fühlen sie nicht. Am besten lehnst Du jede Diskussion ab und genießest nur Wina. 13 Sie sind Alle gute treffliche Menschen, - aber daß es für sie9, denen |rkünftig:| die Vorsicht jetzt zu Gute kommt, anders liegt als für uns, 2)

Ich habe mir in Folge dessen damals nichts notiert! Was in ihren Briefen stand, weiß ich natürlich, denn die habe ich. m wünschte ich > nannte ich das eine ungenügende O Siebeck > Siebeck p O: Sie

n Alternative Lesung: drin

10 Gemeint ist Richard Müller, der zweite Sohn von Bruno und Alwine (Wina) Müller. 11 Bei seinen Bemühungen, Geldmittel für die Untersuchung des Zeitungswesens durch die DGS aufzutreiben, hielt sich Max Weber für verpflichtet, selbst einen Betrag zur Verfügung zu stellen. Er veranlaßte Paul Siebeck, aus seinem „ Redaktionshonorar" für die Neuherausgabe des Schönbergschen Handbuches für Politische Ökonomie von 3000 Mark 2500 „zu zeichnen". Vgl. Brief an Paul Siebeck vom 11. Aug. 1909, oben, S. 224. Weber selbst stellte 2500 Mark in Aussicht. 12 Nach Abschluß der Rußlandstudien im Jahre 1906 hatte Weber die Absicht, im Herbst 1907 eine Reise nach Rußland zu unternehmen. Vgl. Brief an Helene Weber vom 16. März 1906 (MWG II/5, S.53). 13 Gemeint ist Alwine (Wina) Müller, die Ehefrau von Bruno Müller.

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geht ihnen nicht ein. Und dann: ändern können sie ja jetzt auch nichts mehr. Herzlichen Gruß an die Tante. 1 4 Wir fahren dann also 1 Tag nach Salzburg (Abends dort an), Mittag des nächsten Tages q nach Wien 15 5 (Abends dort an), kommen also erst am 23. hin, wenn Du erst am 20. hier bist. Mach das ja wie Du willst, mir ist es gleich. Laß Dich herzlich küssen u. grüß die Tante vielmals! Dein Max

q Fehlt in 0 ; Tages sinngemäß ergänzt.

14 Gemeint ist Marie Schnitger. 15 Zur Teilnahme an der Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik vom 27. bis 29. September 1909.

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Marianne Weber 14. S e p t e m b e r 1 9 0 9 ; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g Bestand Max W e b e r - S c h ä f e r , D e p o n a t B S B M ü n c h e n , A n a 4 4 6

Heidelberg 14/IX 9 Lieber Schnauzel, ich wollte meinem Brief nur noch zufügen: daß ich Dich bitte, die Dinge, die ich Dir das letzte Mal über die ca | :46000 + 20000 =: | 66000 M. | :die sie herausgenommen haben aus der GmbH:| schrieb,1 jedenfalls nicht zu besprechen, - es reizt sie offenbar nur und was hat es für einen praktischen Zweck? Das Entscheidende an diesem Verfahren, in dem ich ein „Unrecht" gar nicht sehe (denn das Geschäft war die 46000 Mk mehr werth, reichlich sogar, - und W[ilhelm] Müller 2 wollte die 20000 M. mehr Anteil haben): - das Entscheidende war das „fait accompli", vor das man gestellt wurde. Es wäre richtiger und - klüger gewesen, das nicht so zu machen. Ich hatte sie ja 3 immer, auch Dir gegenüber, unterstützt und ihre Sache vertreten. Sie können Sich nicht beschweren, daß ich nun noch mehr (optimistische" Lagerberechnung) vermuthete, |: das wäre: | auch kein „Unrecht", denn das Lager war sehr wohl soliderweise0 höher einschätzbar, als mit dem absoluten Maximum der Vorsicht. Aber sie sagen ja: das sei nicht gemacht worden, u. damit basta. Was ich d ihnen allein 0 vorwerfe, ist zweierlei: 1. Sie haben dies Resultat längst erwartet. Hätten sie das bei Gründung der Gesellschaft 3 - als Möglichkeit, denn die lag damals schon vor gesagt, so wäre es von emir wenigstens® höchst unanständig gewesen, anders zu handeln, als wir auch so gehandelt haben. Ich jedenfalls hätte Dir den Vertrag genau ebenso empfohlen, wie vorher. Spätestens aber

a (so lange sie reinen Wein einschenkten) b günstige > optimistische weise d Ihnen > ihnen allein e uns > mir wenigstens

c so > solider-

1 Vgl. Brief an Marianne Weber vom 13. Sept. 1909, oben, S. 265. 2 Wilhelm Müller, der Bruder von Bruno Müller, war mit einer der Gesellschafterinnen der Fa. Carl Weber & Co. GmbH, Eleonore Müller, geb. Weber, verheiratet. 3 Am 11. September 1908 wurde die Leinenweberei Carl Weber & Co. in eine GmbH umgewandelt. Vgl. zur Vertragsgestaltung den Brief an Marianne Weber vom 3. Sept. 1907 und die Karte vom 23. März 1908 (MWG II/5, S. 385f. und S.476, Anm. 2).

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gegen das Frühjahr hin mußten sie sagen - u. nicht in einem Scherzbrief von R[ichard] 4 beiläufig: - aus den u. den Gründen müßt Ihr das erwarten. Dann war man eben auf das Notwendige - denn das ist es - eingerichtet, innerlich u. äußerlich. 2. die Ablehnung unsres Rechts auf eingehendere Information. Sie sprechen so viel permanent über die Geschäftslage, bei Tisch u. sonst, daß es sie gar keine Mühewaltung kostet, Mariännchen 5 oder Wina 6 zu sagen: schreibt das u. das. Aber auch die Offizielle Firma darf nicht so schweigsam sein. Im Übrigen haben sie den eigentlichen Sinn meiner Fragen ^gründlich:! mißverstanden - diese mögen nun im Einzelnen' mehr oder weniger „fach"-gerecht ausgedrückt gewesen sein (ich habe seit 1889 keine Bilanz mehr selbst mit den Büchern verglichen, damals verstand ich die Sache wenigstens für Bankbilanzen - jetzt liegt sie mir sehr fern) - klar war doch, daß ich wissen wollte: liegt das |:diesmalige Resultat:| :mit: an der Art, wie die Bewertung bei der Gründung erfolgt ist? - oder nicht. In letzterem Fall - und diesen behaupten sie als vorliegend - muß die Verzinsungs-Chance unsres Geldes noch auf Jahre hinaus als äußerst problematisch angesehen werden. Denn diese Dinge, die sie anführen: Garnpreisschwankungen, scharfe Concurrenz - können immer wieder passieren, namentlich jetzt chronische Erscheinungen werden. - Im ersteren Fall (den ich als möglich und gar nicht „abnorm" voraussetzte) handelte es sich um eine „Kinderkrankheit", - überraschend stark, aber sicher so nicht leicht wiederkehrend. Ich schrieb ihnen daher, ich betrachtete diese Bilanz als „Gegenspiel der vorigen", als einen „Akt der Vorsicht". Das nahmen sie dann als „Mißtrauen". Ich schreibe ihnen jetzt nicht mehr. Daß sie kein „Unrecht" thun, wissen wir selbst, - u. wozu soll ich mich gegen ihren Wunsch um die Gründe und Chancen ihres Geschäfts kümmern? Sie mögen ihre Dividende nun feststellen wie sie wollen u. für richtig halten. Was kümmert das mich und uns? - wenn

f Unsichere Lesung am Wortende.

4 Richard Müller war neben seinem Bruder Georg Müller, seinem Vater Bruno Müller und seinem Onkel Carl (Carlo) Weberais Geschäftsführer verantwortlich für die Fa. Carl Weber & Co. GmbH. 5 Gemeint ist Marianne Müller, die Tochter von Bruno und Alwine (Wina) Müller. 6 Alwine (Wina) Müller und ihre Tochter standen im freundschaftlichen Briefverkehr mit Marianne und Max Weber.

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wir nicht 1) rechtzeitig und 2) mit genügender Begründung erfahren: so u. so liegt die Sache. Laß Dir's gut gehen, es küßt Dich Dein Max Der Tante 7 nochmals herzlichen Gruß u. Freude, daß es „aufwärts" geht gesundheitlich. 5

7 Gemeint ist Marie Schnitger.

14. September

1909

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Paul Siebeck [nach d e m 14. S e p t e m b e r 1 9 0 9 ] ; o. 0 . Brief; eigenhändig VA M o h r / S i e b e c k , Deponat B S B M ü n c h e n , A n a 4 4 6 Die Datierung des Briefes ist aus dem Verlagsstempel erschlossen. Er trägt die Nummer 25266, während der Brief von Paul Siebeck vom 14. September 1909 (VA Mohr/ Siebeck, ebd.) mit der Nummer 24875 versehen ist. Auf dem Brief Webers befinden sich ansonsten lediglich die Verlagsvermerke: „not." sowie „nicht beantw."

Sehr geehrter Herr D r Siebeck! ich bitte Sie Sich zu notieren, daß Prof. K[arl] Oldenbergden Artikel „Bedarf u. Consum" (| ¡eigentlich:| 2 Artikel, VA + Vi = zus. VA Bogen) übernommen hat. 1 5 Alle anderen Korrespondenzen schweben noch[.j Mit freundschaftl. Gruß! Max Weber

1 Dieser Beitrag ist unter dem Titel: Die Konsumtion, in: GdS, Abt. II. -Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 1 0 3 - 1 6 4 , erschienen.

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20. September 1909

Bernhard Harms 20. September 1909; o.O. Abschrift; maschinenschriftlich Privatbesitz Der unten abgedruckte Auszug aus einem Schreiben Webers an Harms vom 20. September 1909 wird von diesem in einem Brief an Paul Siebeck vom 11. Mai 1912 (Abschrift masch.; Privatbesitz) mitgeteilt. Das Originalschreiben ist nicht überliefert. U.a. anhand dieses Zitates versuchte Harms, seine Vorwürfe gegen Siebecks und Webers Vorgehen bei der Neuherausgabe des Schönbergschen Handbuches zu rechtfertigen, insofern als diese-zumindest aber Weber-zwar von einer „Neuausgabe" des Werkes sprachen, ohne jedoch, wie sich in den folgenden Jahren herausstellen sollte, die Schönbergschen Erben an den Tantiemen beteiligen zu wollen. Zweifelsohne hat Weber eine mißverständliche Formulierung gebraucht, da das neu entstehende Werk nicht eigentlich als „Erneuerung", sondern als Ersatz für das alte Handbuch geplant war.

Vor geraumer Zeit sprachen wir einmal kurz über die Erneuerung des Schönbergschen Handbuchs. Ich sagte damals, es frage sich, ob wir ein „Consortium" zusammenbringen. Dasselbe ist jetzt in der Bildung begriffen etc. 1

1 Harms fährt dann nach diesem Zitat weiter fort: „(Folgen weitere Mitteilungen hierüber und die Aufforderung zur Mitarbeit). In einem Briefe vom 19. XI. 09 wird dann gleichfalls auf Schönberg exemplifiziert. Daraus mußte ich unbedingt entnehmen, daß es sich um eine Neuauflage Schönbergs handle, denn .Erneuerung des Schönberg'schen Handbuchs' konnte im Zusammenhang der Dinge von mir garnicht anders verstanden werden. Zudem erfuhr ich, daß auch mit anderen Herren ähnlich korrespondiert war. Ich sah somit die Sache einen Weg gehen, der die in dem Schönberg'schen Vertrage für den Fall seines Ablebens vorgesehenen Bestimmungen zu ihrem Recht kommen ließ. Damit war die Angelegenheit für mich erledigt. Daß ich solcher Auffassung war, sehen Sie auch daraus, daß ich ursprünglich die Aufforderung zur Mitarbeiterschaft annahm, was ich selbstverständlich nicht getan haben würde, wenn es sich um ein Werk gehandelt hätte, das die Schönberg'schen Erben leer ausgehen ließ. Als ich dann später ablehnte, schrieb ich Weber, daß mir der Entschluß mit Rücksicht auf meinen Lehrer Schönberg sehr schwer geworden sei. Weber hat mir darauf mit keinem Wort geantwortet, daß es sich nicht um eine Neuauflage Schönbergs handle! Ich durfte demnach mit Fug und Recht schreiben: ich sei ,in diesem Glauben gehalten worden'."

20. September

1909

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Wilhelm Windelband 20. S e p t e m b e r 1 9 0 9 ; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g Archiv der A d W Heidelberg, Nr. 0 1 3

Heidelberg 20/IX 9 Hochgeehrter Herr Geheimer Rath! Ehe ich für einige Zeit verreise, möchte ich Ihnen, da Sie jetzt vermutlich wieder zurückgekehrt sind, anliegende Kopie eines Schreibens an Geh. Rath Königsberger überreichen, 1 mit der ich Sie in Ihren Ferien nicht belästigen wollte. Ich schrieb den Brief, weil, wie ich erfuhr, mein Wunsch, unter den gegebenen Verhältnissen der Akademie fern zu bleiben, in wenig erfreulicher Weise mißdeutet wurde in seinen Motiven und angeblich „verletzt" haben sollte, während ich |lediglich:| die, vielleicht unbequeme, Gewohnheit habe, Das, was Andre - viele Andre - privatim sagen, offen auszusprechen. Ich fand für uns Andre um so weniger Anlaß, uns in Schweigen zu hüllen, als die an sich ganz unentbehrliche Erledigung der Akademiegründung durch die beiden Herrn Sekretäre allein doch - wie Herr G. R. Königsberger zugab - insofern durchbrochen worden war, als ein praktisch sehr wichtiger Punkt lediglich nach dem Wunsche des Herrn E[rnst] I[mmanuel] Bekker erledigt wurde, - eines Mannes also, der in den letzten Jahren das grade Gegenteil von „Verdiensten" um die Hochschule gehabt hat und dem wir keinerlei berechtigtes Interesse an der Gestaltung der 3 Akademie zuerkennen. Für unsre Interessen konnte nichts Schlimmeres passieren als diese Gründung, gleichviel, ob einmal in einem Einzeltall ein Geldbetrag auch für uns abfällt. Es war ein Gebot der Ehrlichkeit das zu sagen. Glauben Sie aber, hochverehrter Herr Geheimer Rath, daß ich sehr wohl zu ermessen vermag, mit welchen Schwierigkeiten Sie zu thun

a

(Hochschule)

1 Gemeint ist der Brief vom 7. Aug. 1909, oben, S. 2 1 2 - 2 2 1 , in welchem Weber seine Ablehnung der Wahl zum außerordentlichen Mitglied in der neugegründeten Heidelberger Akademie der Wissenschaften ausführlich motiviert; zu Webers Ablehnung vgl. auch die Karte an Marianne Weber vom 28. Juni 1909, oben, S. 156, sowie den Brief an Leo Königsberger und Wilhelm Windelband vom 30. Juli 1909, oben, S. 2 0 6 - 2 0 9 .

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20. September

1909

hatten, um diese Gründung wenigstens so zu gestalten, daß sie denjenigen Interessen gerecht wurde, welche darin vertreten sind. Ich verwahre mich also nochmals energisch dagegen, als ob eine Beschwerde über den objektiv vorliegenden Thatbestand der Verletzung gewichtiger FachInteressen so etwas wie einen „persönlichen Vorwurf" gegen die Herren 5 enthielte, deren Marschroute gebunden war. In Verehrung Max Weber

21. September 1909

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Helene Weber [21. September 1909]; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, DeponatBSB München, Ana 446 Das Datum des Briefes ist aus dem Zusammenhang mit dem Brief an Marianne Weber vom 13. September 1909, oben, S. 267, erschlossen. Danach war die Abfahrt nach Wien über Salzburg für den 22. September festgelegt; der vorliegende Brief ist am Tag vor der Abreise, also am 21. September 1909, geschrieben worden. Max und Marianne Weber befaßten sich im Spätsommer mit der Frage eines Wohnungswechsels. Dazu gaben zwei Todesfälle den Anstoß. Der Tod von Adolf Hausrath am 2. August 1909 stellte dessen Kinder und Erben vor die Frage des Verkaufs oder der Renovierung und Vermietung des Hauses Ziegelhäuser Landstr. 17.1m Hause von Max Webers Onkel Ernst Wilhelm Benecke, Ehemann von Emilie (Nixel) Benecke, geb. Fallenstein, einer Schwester von Helene Weber, Ziegelhäuser Landstr. 1, war die Mieterin Rose Stengel am 15. August 1909 gestorben. Sie hinterließ die Tochter Uli, die sich Anfang September 1909 mit Friedrich Voelcker verlobt hatte, (vgl. den Brief an Marianne Weber vom 13. Sept. 1909, oben, S.264) und solange das Interesse des jungen Paares an der Wohnung unklar war, galten Max und Marianne Weber als mögliche Mieter. Hinzu kam die Erhöhung der Miete in der derzeitigen Wohnung, Ziegelhäuser Landstr. 27, und die Sorge, daß der Vermieter Paul Ickrath (69 Jahre alt) nicht mehr lange leben würde.

Liebe Mutter, ehe wir morgen nach Wien fahren, noch ein kurzer Gruß! Ich schicke Dir hier 0[nkel] Benecke''sa1 Brief, der wegen des Passus auf der 4. Seite eine heftige Szene u. dann eine etwas rührsame Versöh5 nung herbeiführte. So lange sie nicht sicher waren, daß Frl. Stengel, die sich mit dem früheren Assistenten von Czerny, |:Voelcker: | verlobt hat, ihrerseits miethen wollte, 2 waren sie sehr beglückt bei dem Gedanken, dann uns zu haben. Dann aber waren wir plötzlich nicht vorhanden, weil, wie ich ihnen offen schrieb |:und sie nicht bestritten haben :| der 10 „kranke" Mann ein lästiger Miether sein könnte, ihre Kinder bzw. Enkel „gestört" würden etc. Ich nehme ihnen ja nicht übel, daß sie stets a O: Beneke' s

1 Ernst Wilhelm Benecke hatte das Haus in der Ziegelhäuser Landstraße 1 1877 von seiner Mutter Emmeline Benecke, geb. Schunck, geerbt. Da er aber 1872 eine Professur in Straßburg angetreten hatte, lebte die Familie dort. Sie behielt eine Etage als Feriensitz für die engere und weitere Familie, während die andere Etage vermietet wurde. 2 Lili Stengel, die Tochter der verstorbenen Vormieterin, heiratete am 9. Oktober 1909 den Oberarzt an der Chirurgischen Universitätsklinik Friedrich Voelcker und behielt die Wohnung bei.

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21. September 1909

nur an sich denken, bei aller Liebenswürdigkeit, aber die ganze Art gefiel mir nicht. Es ist der Onkel und es sind die Kinder; - die |:gute:| Tante 3 weit weniger, obwohl auch sie doch eben etwas naiv ist. Anbei auch Augusts4 netter Brief. Sie behalten das Haus u. den Garten vorläufig \\ganz'.\, da sie ja sonst noch 400000 M. Vermögen vorfanden u. jetzt, ehe der |:Straßen-:| Bauplan daist, nicht viel geboten würde. August will sich hierher versetzen lassen u. er und Laura 5 dann oben wohnen, der Mittelstock |:zusammen:| mit 1—2b Zimmern im unteren Stock (nach rechts zu) soll 3000 M. Miethe kosten, (der Rest des Unterstockes 500). Ob sie das Geld dafür bekommen? Sie wollen das Haus erst „herstellen" lassen, was sicher sehr viel kostet. Für uns sind 3000 Mk., glaube ich, doch zu viel. Die Örlinghäuser Fabrik gab dieses Jahr nur 29/io% Dividende ( = 6900 M.) x) , dazu unsre ca 5500° M. sonstige Einnahmen macht annähernd 12500d M. Einnahmen |: wo von 1500 M. Steuern abgehen!: | In günstigen Jahren werden es ca 2500 M. mehr sein, aber das ist nie sicher. Und wir müßten für die Wohnung viel anschaffen, u. wären nicht sicher, ob nicht nach 2 - 3 Jahren das Haus doch verkauft würde u. wir wieder hinaus müßten. Hier bei Ickraths sollen wir jetzt 2200 M. zahlen. (Freilich, Herr I[ckrath] lebt nicht mehr lange). Ich werde wohl nach Wien, Anfang Oktober, auf dem Semmering bleiben, oder, falls es gar zu schlechtes Wetter, an die adriatische Küste (Abbazia od[er] Ragusa) gehen. Das Arbeiten ging jetzt erträglich (leichte Arbeit), sonst war noch nicht viel los u. vor dem Winter graut mich. 12.—14. Oktober bin ich in Leipzig. 6 Januar, wenn es mir gutgehen sollte, in Berlin. Aber bis dahin ist noch lange Zeit. '' statt 10000, die wir erwarteten.

b (Unterzimmern)

c 5000 > 5500

d 12000 > 12500

3 Gemeint ist Emilie Benecke, geb. Fallenstein, eine Schwester von Helene Weber. 4 August Hausrath, Sohn von Adolf und Henriette Hausrath, geb. Fallenstein, einer Schwester von Helene Weber, lebte in Karlsruhe und vertrat die Erben des am 2. August 1909 verstorbenen Adolf Hausrath. 5 Laura Hausrath, unverheiratete Tochter von Adolf und Henriette Hausrath, geb. Fallenstein. 6 Dort fanden der III. Deutsche Hochschullehrertag und die Mitgliederversammlung der DGS statt.

21. September

1909

277

Mit den Örlinghäusern hatten wir eine etwas verdrießliche Correspondenz, 7 jetzt sind wir wieder sehr d'accord. Von Lili erzählt wohl Marianne. - Von Dir hört man nur (durch Hermann Sch[äfer]), daß Du das Tempelhofer Feld im Galopp durchquert hast! Hoffentlich kannst Du 5 das noch recht lange! Herzlichst Dein Max Alfred ist entspannt, | :nicht mehr so hastig u. aufgeregt,: | und (wie dann 10 meist) müde und etwas deprimiert zurückgekommen, sprach von seinen „Enttäuschungen" (kurz), über die ihn jetzt die Arbeit hinausbringen solle. Sehr viel sieht man ihn ja nie. Ich werde in Wien mit ihm zusammen sein. |:Kannst Du mir wohl nach Wien, I, Residenz-Hotel, Teinfalt-Straße, is d[ie] Adresse u. Titulatur (wahrscheinlich: „Geh. Commerzienrath") von Herrn Franz von Mendelssohn, - e Chef des großen Bankhauses, schreiben? auf einer Karte?:!

e (Bartholdy)

7 Vgl. dazu die Briefe an Marianne Weber vom 13. und 14. Sept. 1909, oben, S. 2 6 4 - 2 6 6 und 2 6 8 - 2 7 0 .

278

24. September 1909

Wilhelm Windelband 24. S e p t e m b e r 1909; W i e n Brief; e i g e n h ä n d i g Archiv der A d W Heidelberg, Nr. 0 1 3

Residenz-Hotel Wien, /., Teinfaltstrasse

z.Z. Wien 24. IX. 9 Hochgeehrter Herr Geheimer Rath! Ich würde, hätte Ihr freundliches Schreiben mich vor der Abreise erreicht, dieselbe aufgeschoben haben; nun aber geht es mir erst hier zu und ich kann es nicht wohl einrichten, vor dem 16. X., also erst in fast 4 Wochen, zurückzukommen. 1 Mit Ihrer gütigen Erlaubnis mache ich Ihnen dann meine Aufwartung. Wenn ich nicht persönlich bei Ihnen vorsprach, so geschah dies, weil ich ja keinerlei Recht zu besitzen glaubte, über die Angelegenheiten der Akademie eine Aussprache von Ihrer Seite überhaupt zu beanspruchen, es sei denn, daß Sie Ihrerseits mir eine solche gestatten würden. Denn ich möchte nochmals betonen, daß ich nur die von Herren Königsberger |: ausdrücklich :| gegebene Anregung zum Anlaß nahm, den Herren Mitgliedern die Lage der Interessen unsres Faches vorzutragen, weil es mir sehr widerstrebte, irgend etwas im direkten Verkehr ungesagt sein zu lassen, was ich - wie manche Andre - Dritten gegenüber gelegentlich geäußert hatte. Ihre gütige Erlaubnis, auch mündlich Ihnen diese Dinge vortragen zu dürfen, ist mir vor Allem Andren deshalb werthvoll, weil die Vorstellung, daß Sie etwa durch meine Bemerkungen Sich verletzt fühlen könnten - wie Geh. R. Königsberger annahm - mir äußerst peinlich war.

1 Es geht hierbei um eine Aussprache über Webers Weigerung, die Wahl zum außerordentlichen Mitglied der neugegründeten Akademie der Wissenschaften anzunehmen; zu Webers Gründen dieser Ablehnung vgl. insbesondere die Karte an Marianne Weber vom 28. Juni 1909, oben, S. 156, sowie die Briefe an Leo Königsberger bzw. Wilhelm Windelband vom 30. Juli und 7. Aug. 1909, oben, S. 2 0 6 - 2 0 9 und 2 1 2 - 2 2 1 . Zu einer Rücksprache mit Windelband ist es tatsächlich in der zweiten Oktoberhälfte gekommen.

24. September

1909

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Für meine Arbeiten kommt ja eine Unterstützung der Akademie nie in Frage, so viel ich voraussehen kann.2 Mit ausgezeichneter Hochachtung Ihr in Verehrung ergebenster Max Weber 5

2 Im folgenden Jahre hat sich Weber mit Erfolg bemüht, die Heidelberger Akademie zur finanziellen Unterstützung der von ihm im Namen der DGS projektierten Enquete zur Soziologie des Zeitungswesens zu bewegen; vgl. dazu Brief an Windelband vom 9. Mai 1910, unten, S. 5 0 1 - 5 0 4 .

280

26. September

1909

Paul Siebeck [vor o d e r am 26. S e p t e m b e r 1 9 0 9 ] ; BK W i e n Brief; e i g e n h ä n d i g VA M o h r / S i e b e c k , D e p o n a t B S B M ü n c h e n , A n a 4 4 6 Datierung erschlossen aus Verlagsvermerk: „26. September 09".

Residenz-Hotel Wien, /., Teinfaltstrasse

„Schönberg" betr. Sehr geehrter Herr D r Siebeck! Ich bitte Sie, Sich zu notieren, daß Prof. Rathgen nunmehr definitiv 1. Handelspolitik | 17 Bogen 2. Colonien für das geplante Handbuch übernommen hat. 1 Weitere Correspondenzen schweben. Es würde vielleicht gut sein, jetzt an den Entwurf eines Verlagsvertragsschemas zu gehen. 2 Ich habe also mit den Herren auf der Basis verhandelt, daß über Zuschlagshonorare für etwaige Separatausgaben (v. Wieser, Rathgen, Philippovich) gesonderte Verhandlung stattfindet. Von Herrn Plenge hatte ich einen entgegenkommenden Brief, wonach er keinerlei Ihnen irgendwie unangenehme Bedingungen für die Herstellung des direkten Verkehrs stellt, sondern anerkennt, daß von beiden Seiten Fehler gemacht worden seien. 3 Ich nehme also an, daß dies ausgeglichen werden wird und dann seiner (schwer zu entbehrenden!) Mitarbeit nichts mehr im Wege stehen wird. 4 Freundschaftlichen Gruß! Ihr Max Weber

1 Diese Beiträge sind nicht erschienen. 2 Vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 8. Nov. 1909, unten, S. 3 0 5 - 3 1 4 . 3 Zum Streit zwischen Johann Plenge und Paul Siebeck im Jahre 1908 vgl. Brief an Siebeck [nach dem 20. April 1909], oben, S. 104, Anm. 13. 4 Zur Beilegung des Streits zwischen Plenge und Siebeck vgl. Brief an Siebeck vom 8. Nov. 1909, unten, S. 3 0 9 - 3 1 1 .

3. Oktober

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1909

Paul Siebeck 3. O k t o b e r 1 9 0 9 ; B K M i r a m a r Brief; e i g e n h ä n d i g VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Hotel

Grignano

bei

Miramar

3.X. 9 Sehr geehrter Herr D r Siebeck, Es sind, mit Ausnahme der Gewerbepolitik, eines Teils der Sozialpolitik und einiger kleiner Artikel des Allgemeinen Teils fast alle diejenigen Teile des „Handbuchs" |:(% ca): | vergeben, welche jetzt besetzt werden müßten. Der ganze Rest ('/3a ca) darf erst nach weiterer Correspondenz mit den |:schon:| beteiligten Herren aufgeteilt werden^] Vielleicht wäre es Zeit, einen Verlags-Vertrags-Entwurf feststellen zu lassen, damit nachher, wenn ich Ihnen die endgültigen Zahlen der Bogen, welche den Herren zur Verfügung stehen, mitgeteilt habe, mit der Versendung begonnen werden kann. 1 Ich würde ihn gern vorher sehen. Die Sonderabdruck-Frage möchte ich vorschlagen so zu regeln: Im Verlagsvertrag steht bei den Herren, für welche Sonderabdrucke (Separatausgaben) in Frage kommen, ein §: „Die Vereinbarung über dasb Zuschlags-Honorar einer Sonder-Ausgabe erfolgt gesondert durch Correspondenz." In den andren Verträgen steht nichts davon. Die in Betracht kommenden Herren werde ich Ihnen bezeichnen. Ich komme am 16. X. nach Heidelberg zurück.

a |0:|Vs

b (Honorar)

1 Einen ersten Vertragsentwurf für das Handbuch hat Paul Siebeck Weber am 23. Okt. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) zugesandt; vgl. dessen umfangreiche Stellungnahme dazu in seinem Brief an Siebeck vom 8. Nov. 1909, unten, S. 3 0 5 - 3 1 4 .

282

3. Oktober

1909

Von Herrn D r Plengel> hatte ich einen recht entgegenkommenden Brief. Er versichert, Ihnen nichts zumuthen zu wollen, was Ihnen unangenehm wäre zu erfüllen, falls ihm das Gleiche geschähe. 2 Die Bemerkung im Eingang gilt0 nur, falls v. Philippovich nicht durch den Gang der Erörterung mit v. Wieser verärgert ist und ev. uns einen s Strich durch die Rechnung macht. 3 Ich muß sagen, daß Wieser's Entschlußunfähigkeit und Mangel an Präzision mich sehr unangenehm berührt haben, so anständig (und tüchtig) er ist. Philippovich kommt dagegen in der liebenswürdigsten Weise entgegen und ich werde Alles thun, ihm die Mitarbeit trotz Allem angenehm zu machen. Ich weiß ja, 10 daß er wesentlich aus Freundschaft zu Ihnen4 die Opfer bringt, die er zu bringen vielleicht bereit ist. Und das Handbuch sollte ohne seine, und zwar hervorragende, Beteiligung nicht gemacht werden. Ich hoffe es geht gut. Inzwischen angelegentliche Empfehlung 15 Ihr ergebenster Max Weber

„Geld", „Notenbanken" etc.

b 0 : gielt

2 Dazu vermerkt Paul Siebeck in seiner Antwort vom 16. Okt. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446): „Herrn Dr. Plenge können Sie ohne Weiteres versichern, daß auch ich ihm nichts zumuten werde, was ihm zu erfüllen unangenehm wäre." Zu den Gründen des Konflikts zwischen Johann Plenge und Paul Siebeck vgl. Brief an Siebeck [nach dem 20. April 1909], oben, S. 104, Anm. 13; zur Beilegung dieses Streits vgl. die Briefe an Siebeck vom 8. und 19. Nov., sowie [vor oder sm 6. Dez. 1909], unten, S. 3 0 9 - 3 1 1 , 3 1 8 und 329. 3 Webers Befürchtung erwies sich als nicht unbegründet; Eugen v. Philippovich machte die von ihm übernommene Bearbeitung des Artikels „Organisation der Volkswirtschaft" wenig später rückgängig, weil u.a. das Problem der sachlichen Abgrenzung seines Beitrags zu demjenigen von Friedrich Freiherr v. Wieser nicht geklärt worden war; vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 8. Nov. 1909, unten, S.308f. 4 Die Duzfreundschaft der beiden geht auf die frühen 1890er Jahre zurück, als Eugen v. Philippovich Ordinarius und Paul Siebeck Verleger in Freiburg i. Br. waren.

9. Oktober 1909

283

Marianne Weber PSt 9. Oktober 1909; Venedig Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Im Anschluß an die Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik vom 27. bis 29. September 1909 in Wien wollten Max und Marianne Weber einige Erholungstage auf dem Semmering verbringen. Sie folgten statt dessen der Aufforderung von Else Jaffe, sie und Edgar Jaffe an die Adria zu begleiten. Gemeinsam fuhren sie vermutlich am 1. Oktober von Wien nach Triest und erreichten am folgenden Tag Grignano, ein kleines Seebad in der Nähe von Schloß Miramar an der Adria. Am 8. Oktober 1909 reiste Marianne Weber über Triest nach Heidelberg, Max Weber zusammen mit Else und Edgar Jaffe nach Venedig. Max Weber verließ am 10. Oktober Venedig und reiste nach München, von dort am 11. Oktober nach Leipzig, wo er zunächst am III. Deutschen Hochschullehrertag und anschließend an der außerordentlichen Mitgliederversammlung der DGS teilnahm. Die beiden folgenden Briefe an Marianne Weber beziehen sich auf Gespräche und Auseinandersetzungen mit Else Jaffe, die schon in Grignano, zum Teil im Beisein von Marianne Weber, begonnen hatten. Beide wollten die Lebensführung von Else Jaffe beeinflussen und diskutierten mit ihr die Spannungsverhältnisse zwischen normativen Bindungen und sinnlichen Lebenserfahrungen. Eine starke affektive Beziehung Max Webers zu Else Jaffe kam dabei zum Ausdruck, die auch Marianne Weber empfand. (Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 15. Oktober 1909, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446.) Die existentielle Betroffenheit durch die Beziehungskonstellationen zwischen den beteiligten Personen, in die wenig später auch Alfred Weber eintrat, findet ihren Niederschlag schon in dem Briefwechsel zwischen Max und Marianne Weber im März 1908 (vgl. die Briefe an Marianne Weber vom 8., 13., 19. März 1908, MWG II/5, S. 443ff., 450f., 461 ff.) sowie in den späteren Briefen an Marianne Weber vom 17., 20., 24. Januar, 11. März, 4. April, 4. und 5. Mai 1910, unten, S. 367-370, 372-374, 379-381, 426f., 457-459, 489-491 und 492-494.

Venedig Sonnabend Vormittag Liebster Schnauzel, nun bist Du schon auf der Fahrt nach Heidelberg u. kommst hoffentlich wohlerhalten u. nicht zu müde dort an. Daß Du nicht mit hier bist resp. ich Dich direkt |:u. indirekt: | davon abschreckte, war doch gut. Denn 1)bin ich der „interessanten" Gespräche mit E[lse] 1 nun müde, es kommt nichts Derartiges mehr vor, denn ich habe ihr glaube ich genug gesagt, teils allein teils mit Deiner Hilfe. Nun: entweder - oder. Und 2) wohnen J[affe]s und ich hier in einem „echt" italienischen Albergo, wo man |:nur:| sehr kleine Bätzchen von fraglicher Sauberkeit erhält, 1 Else Jaffe.

9. Oktober 1909

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(zumal als Einzelzimmer) u. die Fenster wegen des Gestankes des beinahe rund umlaufenden kleinen Canals hermetisch schließen muß u. sehr schlechte Luft hat. 3) beide wollen viel sehen u. sind gegen Abend |:wo man am ehesten ins Plaudern kommt:| sehr müde |:(ich auch).:| Es ist trotzdem ja ganz nett u.Venedig ist ja |:immer :| Venedig. Aber innerlich bin ich in Leipzig etc. u. dazu ist das Wetter trübe. Ich ging gestern noch vor Jaffcs® ins Bett, schlief mäßig, war sehr früh wach, hielt es im Zimmer nicht aus u. ging herunter, obwohl ich wenig frisch war. Ganz kurz darnach kam sie, sagte sie wolle sich mit ihrem Mann | :Vi Stunde später: | auf dem Marcusplatz treffen zum Caffee u. wir fuhren auf einem Umweg über den Colleoni 2 dahin. Sie ist offenbar auf Eindrücke sehr begierig u. genießt sie, ohne übrigens grade in der Art der Verarbeitung sehr originell zu sein: das könnte ich nicht anerkennen. Schnäuzel ist, wenn es nicht zu müde ist, darin doch viel mannigfaltiger, scheint mir. Jetzt sehen sie sich die Stadt an, von der wir gestern zusammen bei ganz guter Laune das Übliche äußerlich angesehen hatten. Ohne Campanile 3 ist der Marcusplatz aber doch ein elender tronco. 4 Ich fahre morgen, Sonntag, früh, nach München, Montag früh weiter nach Leipzig. Vielleicht gehe ich nachher mit in die Akademie, den Paolo Veronese zu sehen, 5 u. auch heute b gegen Abend auf den Lido. Dann Schluß[.j Du hast doch recht: all die „Kraftproben" u. sonstigen Experimente, deren ich den „Racker" für verdächtig hielt, beabsichtigt sie nicht, sondern will nur, gleichviel mit wem gemeinsam, genießen, war sichtlich enttäuscht, daß Du nicht mitkamst u. ist nett und ganz unbefangen. Ich kenne sie nun |:ziemlich auswendig: | mag sie sehr gern, |:bin auch sehr gern mit ihr zeitweise zusammen :| - aber: „interessant" finde ich sie eigentlich jetzt schon noch weniger als von jeher. Große Anmuth hat sie, dauernde Tiefe wohl nicht. Herzlich küßt Dich Dein Max a 0:Jaffes

b (Aben)

2 Gemeint ist das bronzene Reiterstandbild des Bartolomeo Colleoni von Andrea Verrocchio. 3 Der Campanile war 1902 eingestürzt und wurde seit 1905 neu aufgebaut, jedoch erst 1912 fertiggestellt. 4 italienisch: Stumpf. 5 In der Accademia di Belle Arti befinden sich zahlreiche Werke von Paolo Veronese. Vermutlich meinte Weber das für das Refektorium des Dominikanerklosters von Zanipolo bestimmte Riesenbild: „Gastmahl Christi im Hause Levi" von 1573. Dieses erfreute sich großer Berühmtheit, da Veronese sich über die unangemessene Behandlung des biblischen Themas vor der Inquisition rechtfertigen mußte.

12. Oktober

1909

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Marianne Weber [12. Oktober 1909]; BK Leipzig Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Hotel Sedan

Leipzig, 12 a /X b Liebstes Mädele, nun also die letzten Akte dieser „Hetz!" - u. dann bin ich wieder bei Dir. Sonnabend Abend ging ich ganz früh zu Bett um Morgens - es war schön geworden - noch etwas durch die kleinen Canäle zu gondeln, ehe mein Zug ging. Else J[affe] wollte, falls sie wach sei, mit, und wirklich fand ich sie unten beim Caffee, fuhr dann 3/4 St. mit ihr spazieren, wobei ich eine gegebene Gelegenheit benutzte, ihr das, wovon wir, |:ehe Du abreistest,:! sprachen, zu sagen. Sie hat das auch recht nett angenommen u. als richtig anerkannt. Gern hätte ich ihr, als Letztes, noch ein Wort über eine - ich glaube in Deiner 0 Gegenwart - gethane Äußerung d : „es sei wohl nicht mehr viel an ihr zu verderben, drum lohne es nicht" gesagt, aber ich war des Redens müde geworden 1 ' u. fand deshalb das Wort nicht, sage es ihr irgendwann einmal, wenn die Stunde es giebt. - Wie gesagt, man muß sie gern haben u. trotz mancher plötzlich sich einstellender trivial-grober Züge ist sie als Ganzes ein anmuthsvolles Erdenkind, e dessen Gesellschaft 6 ich gern zuweilen wieder in seiner Eigenart |:in Stunden leidlichen Befindens u. lebhafter Empfänglichkeit:! genießen würde, wäre das nicht mit so viel Umständlichkeit verknüpft. Aber: ihre innere Anmuth hat doch nicht die tiefe Meeresstille unter dem leichten Wellengekräusel unter sich, die in eine seelisch-geistige Gemeinschaft eingehen müßte, sollte diese etwa die Dauer und Zartheit

'' Da wäre es besser gewesen, Du wärst dabei gewesen. Dann hätte ich es wohl gefunden. Die andre Sache war doch besser für 4 Augen.

a Unsichere Lesung, sellschaft

b 0 : IX

c (Äußerung)

d (gemacht)

e das > dessen Ge-

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12. Oktober

1909

einer Freundschaft wie die zu Wina1 z.B. (denkt man sich diese vollends in E[lse]'s Alter zurückversetzt!) haben können. Kurzum, für diesmal jedenfalls war es gänzlich genug! Könnte sie einmal mit uns beiden in Toskana: Florenz z.B. Zusammensein (aber *dann: ohne'ihn, denn mit ihm ging es nur gut, so lange Du nicht dabei warst, oder wenigstens besser - weiß der Teufel: warum?) so könnte das, wenn wir beide uns vorher erst einmal allein in Italiens Schönheit gehabt hätten, vielleicht, je nach dem, „reizend" werden. Mit Cattaro u.s.w. das ist ja Unsinn, aus dem Ärger über J[affe]'s Klebrigkeit entstanden. 2 Eben als wir zum Albergo zurückkamen, - sah ich die Barke mit meinem Gepäck ohne mich zum Bahnhof 9 um die Ecke biegen, ich war zu spät aufgestanden u. so hatten wir uns verspätet! - Ich hatte die Sache aber dick, verabschiedete mich von ihr u. Jaffe, der in der Thür stand u. h gondelte noch ein wenig allein, während sie dachten, ich führe zur Bahn (was nicht mehr ging). Ich fuhr dann um Mittag2' schlief Verona München (mit Bromural) gut, fuhr mit Brentano zusammen bis hierher u. schlief, nachdem ich Nachmittags] bei Bücher gewesen war, die Nacht wieder leidlich. Heute spricht Wach: ich bin in der Lage zu schweigen, da er sagt, was wir wollen. 3 Morgen gehe ich mit e[inem] 2)

Natürlich erspähten sie mich doch noch in den letzten 5 Minuten.

f Unsichere Lesung,

g (dampfen)

h (that als führe ich)

1 Zu Alwine (Wina) Müller, der Tante von Marianne Weber und der Cousine von Max Weber in Oerlinghausen, bestanden seit vielen Jahren vertrauensvolle und freundschaftliche Beziehungen. 2 Vermutlich erkundigte sich Marianne Weber nach den in Grignano angestellten Überlegungen, einen Ausflug nach Cattaro, heute Kotor, südöstlich von Dubrovnik, zu machen. Edgar Jaffe plante schon von Grignano größere Ausflüge, blieb dann aber im Ort, sodaß die erhofften Möglichkeiten, mit Else Jaffe allein zu sprechen, eingeschränkt waren. 3 Die Verhandlungen des III. Deutschen Hochschullehrertages begannen mit einem Referat von Adolf Wach: „Darf man die Zulassung zur Habilitation abhängig machen von religiösen oder politischen Voraussetzungen?" Dieses Thema war aufgrund eines Antrages von Max und Alfred Weberauf dem II. Deutschen Hochschullehrertag 1908 in Jena auf die Agenda gesetzt worden. Weber sprach in der Diskussion am Vormittag des 12. und am Vormittag des 13. Oktober 1909 zum Referat von Adolph Wach und über „Die Auslese für den akademischen Beruf." Vgl. Verhandlungen des III. Deutschen Hochschullehrertages zu Leipzig am 12. und 13. Oktober 1909. Bericht erstattet vom engeren geschäftsführenden Ausschuß. - Leipzig: Verlag des Literarischen Zentralblattes für Deutschland (Eduard Avenarius) 1910, S. 16f„ 20f., 41 f. und 47 (MWG 1/13).

12. Oktober 1909

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Schüler, 4 der meinetwegen hierherkam, zu den Klinger's, wie er gern möchte, gegen Abend zu Bücher, übermorgen „Soziologie". 5 Und was macht wohl mein Schnauzel? Wie mag es heimgekommen sein? Was macht der Vortrag?6 Was der Kopf? Ein Kärtchen hierher 5 (gleich morgen!) würde mich doch sehr freuen. Denn auch Else fand Dich müde. Herzlich küßt Dich Dein Max

4 Gemeint ist Robert Bruck. Vgl. Brief an Marianne Weber vom 13. Okt. 1909, unten, S.288f. 5 Am 14. Oktober 1909 fand die außerordentliche Mitgliederversammlung der DGS statt, die eine neue, von Max Weber maßgeblich beeinflußte Satzung annahm und einen Vorstand bestellte, dem Max Weberais „Rechner" angehörte. 6 Den Vortrag „Probleme der Ehereform" hielt Marianne Weber am 17. Oktober 1909 in Stuttgart beim Württembergischen Frauentag, der vom Verband der württembergischen Frauenvereine am 16. und 17. Oktober 1909 in Stuttgart abgehalten wurde.

288

13. Oktober

1909

Marianne Weber 13. Oktober 1909; BK Leipzig Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Hotel Sedan Leipzig, 13/X 9

Liebe Schnauzel nichts besondres zu berichten. - Gestern in der Versammlung war von vorn herein feststehend, daß unsre vorjährige Anschauung 1 als „selbstverständlich" akzeptiert werden würde, wie sie voriges Jahr „gekreuzigt" wurde. Ich wollte nun noch mehr erzwingen, - die Anerkennung, daß die Lehre vom Katheder keine „Werthurteile" aufzwingen darf aber das kapierte die Bande nicht, keine Hand erhob sich zum Beifall, wenn nicht der gute Tönnies die Unglaublichkeit gemacht hätte, den Leuten eine Rede über meine „Persönlichkeit" zu halten: d.h. daß ich thatsächlich auch so handle, wie ich rede u. |: überhaupt :| ein sehr anständiger Mensch sei so zu sagen! — ich ergriff die F l u c h t . . . ! ! - die Sache ging dann unter allgemeiner Süßigkeit zu Ende[.]2 Mittags bei Collfegen] Plenge, Junggesellenwohnung Vi St. von Leipzig mit der Bahn, wegen „Schönberg". 3 Dann verschlief ich den Nachmittag, blieb Abends allein, schlief „mäßig", heut a 1) Herr Bruck (erinnerst Du Dich seiner? er war mein Schüler, jetzt Kunstprofessor in Dresden, hat damals die von Dir benutzte Sache mit den Schustern in Dresden u. ihrem a (geht)

1 Auf dem II. Deutschen Hochschullehrertag am 28./29. September 1908 in Jena stellte Alfred Weber, unterstützt von Max Weber, folgenden Antrag: „Damit die Hochschulen Stätten absolut unabhängiger Forschung und Lehre sein können, darf Weltanschauung und politische Stellung des Forschers oder Lehrers niemals einen Grund zur Nichtzulassung oder des Ausschlusses von ihnen sein." Vgl. Beilage der Münchner Neuesten Nachrichten, Nr.146 vom 18. Dez. 1908, S.683. Über diesen Antrag wurde auf dem III. Deutschen Hochschullehrertag am 12. Oktober 1909 vormittags verhandelt. 2 Die Äußerungen von Tönnies sind nicht wiedergegeben in den: Verhandlungen des III. Deutschen Hochschullehrertages zu Leipzig am 12. und 13. Oktober 1909. Bericht erstattet vom engeren geschäftsführenden Ausschuß. - Leipzig: Verlag des Literarischen Zentralblattes für Deutschland (Eduard Avenarius) 1910. 3 Max Weber wollte Johann Plenge zur Mitarbeit an der von ihm geplanten Neuausgabe des Handbuchs der politischen Ökonomie gewinnen.

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Probeschustern mit Karpfen etc. ausgegraben) 4 geht mit mir zu den Klingers,5 - 2) einige Briefe, - 3) Besprechungen über Soziologische] Gesellschaft] - 4) Abends bei Bücher. Sonst rein gar nichts. Sollte es mir unverständig gut gehen, so gehe ich vielleicht noch nach Stuttgart (|:wegen der Fabrik von:| Daimler), 6 bin 15. oder 16. Hotel Marquardt, - aber wahrscheinlich habe ich mehr als genug. Dann komme ich 15ten (oder 16 ten ) nach Haus. Herzlichst küßt Dich Dein Max

4 Die Arbeit von Bruck, Robert, Ein Probe-Arbeiten der Schuster im Jahre 1579, in: Dresdner Geschichtsblätter, 7. Jg., Nr.3,1898, S.119f, wurde von Marianne Weber zitiert in ihrem Buch: Fichte's Sozialismus und sein Verhältnis zur Marx'schen Doktrin (Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen, hg. v. Carl Johannes Fuchs, Gerhard von Schulze-Gävernitz, Max Weber, Bd.4, Heft 3). - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1900, S.69, Anm.2. Bruck hatte dargestellt, daß der Dresdner Rat zur Ermittlung richtiger Preise einige Schuster probeschustern ließ. Danach schätzten die Innungsmeister den Wert der einzelnen Schuhpaare, wobei auch die Verzehrkosten - u.a. der Karpfen - in Rechnung gestellt wurden. Die Untersuchung ergab, daß die Schuster „zugeschustert" hatten. 5 Gemeint sind Max Klinger und seine damalige Lebensgefährtin Elsa Asenijeff. Max und Marianne Weber waren von 1894 bis 1906 im Besitz fast sämtlicher Radierungen von Max Klinger gewesen. Vgl. MWG II/5, S. 36 und 52. 6 Hier wollte Max Weber eine weitere Arbeit zur Enquete des Vereins für Sozialpolitik vorbereiten. Vgl. Auslese und Anpassung der Arbeiterschaft in der Automobilindustrie und einer Wiener Maschinenfabrik. Mit Beiträgen von Dr. Fritz Schumann und Dr. Richard Sorer. 1. Die Arbeiter der Daimler-Motoren-Gesellschaft Stuttgart-Untertürkheim (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Bd. 135, Teil 1: Untersuchungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiter in den verschiedenen Zweigen der Großindustrie, Bd. 3). - Leipzig: Duncker & Humblot 1911. Vgl. dazu auch den Brief an Heinrich Herkner vom 11. März 1909, oben, S. 71.

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13. Oktober

1909

Wilhelm Windelband 13. O k t o b e r 1 9 0 9 ; BK Leipzig Brief; e i g e n h ä n d i g Archiv der A d W Heidelberg, Nr. 0 1 3

Hotel Sedan Leipzig, 13/X 9

Hochverehrter Herr Geheimer Rath! Ihr gütiger Brief vom 4. X. erreichte mich |:erst:| vor VA Tagen in Venedig unmittelbar vor der Abreise hierher, die Tag u. Nacht ging. Ich werde bestimmt sofort nach dem Eintreffen in Heidelberg eilen zu Ihnen zu kommen u. telefonisch anfragen, welche Stunde Ihnen paßt. 1 Sollte aber, was leider bei mir nicht berechenbar ist, u. grade bei der Abspannung nach der Rückkehr von einer fast 14 tägigen Tour, die lauter Arbeit 3 und persönliche Besprechungen (auch in Venedig außer an einem einzigen Tage) zum Zweck hatte, möglich ist, ich nicht gleich zu Ihnen kommen können, dannb würde ich bitten, doch ja keinen Tag auf mich zu warten, sondern mein Anschreiben zu beantworten u. mit Ihrer Antwort ohne Rücksicht auf mich zirkulieren zu lassen.2 Zu meiner größten Freude ersehe ich aus Ihrem freundlichen Brief, daß Sie meine freimütige Äußerung nicht verletzt hat. 3 Ich war sicher, daß dies bei einfacher Deutung desselben aus seinem Inhalt in der That nicht möglich sei. Aber Sie selbst wissen, wie verbreitet unter den akademischen Kreisen die Methode der scheinbaren „Sachlichkeit" und der „versteckten Spitzen" ist, und ich mußte mit der Möglichkeit rechnen, daß Sie mein Schreiben mit den Augen ansehen würden, mit denen man - um ein Beispiel zu nennen - , die geflissentlich „vornehm" gehaltenen Schriftstücke meines Fachkollegen v. Schmoller lesen muß, die immer persönliche Nadelstiche, in geschickt verborgener 0 Art, enthalten. Ich meinerseits sage weit eher ein Wort zu viel und zu undiplomaa (zu)

b so > dann

C

(Form)

1 Dieses Gespräch hat nach dem 16. Okt. 1909 - das genaue Datum ist nicht bekannt stattgefunden. Vgl. dazu Anm. 4. 2 Gemeint ist der Brief vom 16. Okt. 1909, größtenteils mitgeteilt in der Editorischen Vorbemerkung zum Schreiben an Leo Königsberger vom 27. Okt. 1909, unten, S. 2 9 5 - 2 9 7 . 3 Ein solches Schreiben Windelbands ist nicht überliefert.

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tisch, als das Gegenteil 1 ' und bin herzlich erfreut, daß Sie dies offenbar so angesehen haben, wie es ist. Seien Sie ganz sicher, daß, was Sie auch sagen mögen, ich nie und nimmer „persönliche" Verletztheit kennen würde, und nehmen Sie, bitte, auf diese Möglichkeit keine Rücksicht. Bei der gewaltigen Autorität, die Sie in der Akademie und Fakultät genießen (und genießen müssen, wenn aus der Sache etwas werden soll!)[,j wird es Ihnen ein Leichtes sein, die Akademie - selbst wenn sie anders zusammengesetzt wäre - für die von Ihnen gehegte und pflichtgemäß zum Ausdruck gebrachte Ansicht zu gewinnen, - ich selbst erwarte ja, wie Sie aus meinem Schriftstück sahen, gar nichts Anderes, und Ihre Loyalität |:in der Behandlung des Gegners:| steht ja von vorn herein über jeden Zweifel erhaben da. Ich glaube Sie davon überzeugen zu können, daß unsre Fac/z-Interessen gefährdet nicht nur, sondern geschädigt sind. Aber da liegen eben Werth-Conflikte vor und Sie können unmöglich anders handeln als Sie thun werden. Ich sehe da nichts Peinliches. Ich hoffe, Sie am 16. aufzusuchen. Kann ich das nicht, dann bitte ich Sie jedenfalls der Sache ihren d Lauf zu lassen und werde Sie nachher, so bald ich kann, besuchen, um für Ihren Brief zu danken. 4 In Verehrung ergebenst Max Weber

1J

Nicht nur, wie man meist annimmt, aus „Temperament", sondern auch aus erwogenen Gründen.

d O:Ihren 4 Das Gespräch mit Windelband, in welchem Weber seine Ablehnung einer Akademiemitgliedschaft zurückzog, kann erst nach dem 16. Oktober 1910 erfolgt sein, da sonst der Brief von Windelband vom selben Tage gegenstandslos gewesen und somit nicht abgeschickt worden wäre.

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Marianne Weber PSt 14. Oktober 1909; PSt Leipzig Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

L. Sehn.vielen Dank für Dein liebes Briefchen. Ich komme morgen, 15., Abends 3 nach Haus. Gestern war Alles wie umgewandelt. „Lauter Beifall" etc. u. die Versicherung, ich sei ja „diesmal ein ganz Anderer^"' |:als vor 1 Jahr:|. Alles nur, weil die Leute diesmal genau gemacht hatten, was wir wollten^]1 Bis 2 Uhr Nachts dann Vordiskussion der „Soziologischen] Gesellschaft]". Jetzt, 9 Uhr morgens, Sitzung bis gegen Abend mit Unterbrechung. Dann - endlich! - ist Alles aus u. ich komme zu Dir! Herzlichst Max

a [??]> Abends 1 Gemeint sind die Verhandlungen des III. Deutschen Hochschullehrertages, vgl. Brief an Marianne Weber vom 13. Okt. 1909, oben, S. 288, Anm. 1.

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Lujo Brentano PSt 26. Oktober 1909; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig BA Koblenz, Nl. Lujo Brentano, Nr. 67, Bl. 95, 96

Hochverehrter Herr Geheimrath! Mit Berolzheimer (Kohler) haben wir, wie mit allen Zeitschriften, keine Verbindung. 1 Die soziologische] Gesellschaft] ist nunmehr als ein geschlossener, 5 sich selbst cooptierender Gelehrten-Verein konstituiert, 2 die „unterstützenden" Mitglieder, die nur zahlen, haben nur das Recht auf Bezug der Publikationen und Teilnahme an den Soziologentagen. 3 Der Mitgliedsbeitrag der (kooptierten) „ordentlichen]" Mitglieder, deren Versammlung Alles in der Hand hat, ist dem |:eignen:| Ermessen anheimgestellt. 10 Wäre es denn ganz aussichtslos, daß Sie eine Cooptation annehmen würden? [Daß] 3 Sie schon früher (in der Cosmopolis) 4 das Gleiche gesagt haben wie ich jetzt, freut mich, - ich habe es selbstredend für keineswegs „neu" gehalten, was ich sagte. a Lochung.

1 Gemeint ist das von Fritz Berolzheimer und Josef Kohler herausgegebene Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie. 2 Dies war auf einer gemeinsamen Vorstands- und Ausschußsitzung der DGS am 15. Oktober 1909 in Leipzig geschehen; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Hermann Beck vom 31. Aug. 1909, oben, S. 240. 3 Webers Versuch, Brentano für eine DGS-Mitgliedschaft zu gewinnen, ist erfolglos geblieben. Zu Webers Bemerkungen vgl. die Briefe an Brentano vom 13. April, [zweite Aprilhälfte] sowie [Juni 1909], oben, S . 9 4 , 1 0 7 f . und 138. 4 Lujo Brentano hatte in seinem Aufsatz: Die Meinungsverschiedenheiten unter den Volkswirtschaftslehrern, erschienen in: Cosmopolis. Internationale Revue, Bd. 2, April Mai - Juni, 1896, S. 241 - 2 6 0 , als Spezifikum von Wissenschaft die strikte Trennung von Tatsachenerkenntnis und Werturteil postuliert; deren Aufgabe liege „lediglich in der Feststellung des Tatsächlichen und in der Darlegung des ursächlichen Zusammenhangs, der die Tatsachen verbindet. Keinem aber fällt ein, lehren zu wollen, wie die Dinge sein sollen. Eben deshalb aber ist ihre Disziplin wirklich Wissenschaft. Lehrten sie mehr, so wäre ihre Disziplin nicht mehr Wissenschaft, sondern texvt] oder Kunst. Denn alle Wissenschaft beschäftigt sich nur mit dem Erkennen, nicht mit dem Handeln." Ebd., S.245. Gerade die Vermischung der beiden inkommensurablen Sphären glaubte Brentano im folgenden der zeitgenössischen Volkswirtschaftslehre vorwerfen zu müssen. Verblüffenderweise kommt Brentano gegen Ende seines Artikels zu einer Auffassung, die seinen

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Die Landtagsaktion kann Ihnen nur nützen !5 auch glaube ich, was das „Erschießen" anlangt, daß für Sie gelten würde, was Friedrich] II nach der Schlacht bei Zorndorf von den Russen sagte! 6 In Verehrung Ihr Max Weber vorherigen Ausführungen entgegengesetzt ist bzw. diese konterkariert, nämlich der These von der Ableitbarkeit des Seinsollenden bzw. sozialpolitischer Handlungsorientierung von wissenschaftlicher Tatsachenerforschung: „Die Erfahrung aller Zeiten aber zeigt als die größte Klugheit die Gerechtigkeit und als die beste Grundlage für die Erhaltung der bestehenden Ordnung eine Gesetzgebung, welche den Gesellschaftsklassen Sonne und Wind gleichmäßig zuteilt. [...] Ich möchte es bezweifeln, ob man von dieser Lehre überhaupt als von einer Weltanschauung reden kann. Will man dies aber tun, so ist diese nicht der Ausgangspunkt, sondern das Ergebnis meiner wissenschaftlichen Forschung." Ebd., S. 258. 5 Am 18. Oktober 1909 war in Nr. 529, S. 1, des Berliner Tageblatts ein von Lujo Brentano, Gerhart Hauptmann u.a. unterzeichneter Aufruf erschienen, der gegen die Hinrichtung des spanischen laizistischen Pädagogen und Anarchisten Francisco Ferrer Guardia und die Art der Prozeßführung („Justizmord") protestierte. Ferrer Guardia war als einer der angeblichen Rädelsführer des Aufstandes der sog. „semana trägica" (26. bis 31. Juli 1909) in Barcelona von einem Kriegsgericht zum Tode verurteilt und am 13. Oktober hingerichtet worden. Am 23. Oktober 1909 erschien dann in der Frankfurter Zeitung, Nr. 294,1. Mo. Bl., S. 2, eine Notiz, derzufolge das bayerische Zentrum plane, im Abgeordnetenhaus wegen Brentanos Verhalten im Fall Ferrer zu interpellieren. Zwar ist eine förmliche Interpellation nicht erfolgt, doch ist Brentanos Handlungsweise im Abgeordnetenhaus zur Sprache gekommen. Am 12. Januar 1910 erwähnte der Zentrumsabgeordnete Speck eher beiläufig Brentano, dem er vorwarf, sich als Beamter erkühnt zu haben, „ohne nur die Prozeßakten zu kennen, das rite erlassene Urteil eines auswärtigen Gerichtshofes, durch welches ein der revolutionären Umtriebe überführter Verbrecher vom Leben zum Tode gebracht werden sollte, in öffentlicher Erklärung in den Tageblättern als einen Justizmord zu bezeichnen." Er schloß, nicht ohne auf seine „stille Hoffnung" hinzuweisen, „daß der zuständige Herr Ressortminister durch entsprechendes Eingreifen diesen Fall seiner Erledigung zugeführt" habe. Zwar ist es zu einer diesbezüglichen Korrespondenz des bayerischen Kultusministers von Wehner mit Brentano gekommen (BayHStA München, MA 93377), doch wurde von disziplinarischen Maßnahmen abgesehen, da, wie von Wehner dies in seinem Brief vom 8. November 1909 an den Staatsminister des Königlichen Hauses und des Äußeren, Freiherrn von Podewils, erläuterte (ebd.), Brentano seine Unterschrift unter den Ferrer-Aufruf lediglich als Privatmann, nicht aber in seiner Funktion als verbeamteter bayerischer Universitätsprofessor zur Verfügung gestellt habe. Der „Fall Brentano" ist dann noch einmal in einer Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 18. Januar 1910 zur Sprache gekommen, wobei erneut der Zentrumsabgeordnete Speck sowie für die Liberale Vereinigung Ludwig Quidde das Wort ergriffen. 6 Friedrich II. soll vor, nicht nach der Schlacht bei Zorndorf 1758 beim Anblick gefangener Kosaken wegen deren elenden Aufzuges zu seinem Gardemajor Wedel gesagt haben: „Sehe Er hier, mit solchem Gesindel muß ich mich herumschlagen." Der Ausspruch findet sich in: Geschichte des Siebenjährigen Krieges in Deutschland von J.W. von Archenholz, vormals Hauptmann in königl. Preußischen Diensten. 10. Aufl. mit dem Lebensabriß des Verfassers [...] hg. von August Potthast. - Leipzig: C. F. Amelangs Verlag 1874, S. 120.

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Leo Königsberger 27. O k t o b e r 1909; H e i d e l b e r g Brief; maschinenschriftlich mit e i g e n h ä n d i g e n K o r r e k t u r e n u n d E r g ä n z u n g e n Max W e b e r s A r c h i v der A d W Heidelberg, Nr. 0 1 3 In diesem sowie dem nachfolgenden Schreiben an Wilhelm Windelband vom selben Tage geht es um Webers Rechtfertigung seiner Kritik an der traditionell ausgerichteten Organisationsstruktur der neugegründeten Heidelberger Akademie, wie er sie in seinen Briefen vom 30. Juli und 7. August 1909, oben, S. 2 0 6 - 2 0 9 und 2 1 2 - 2 2 1 , vorgebracht hatte. Dies rief den entschiedenen Protest Windelbands im Namen der philosophisch-historischen Klasse hervor und zwang Weber zu einer umfangreichen Stellungnahme. Seiner Bedeutung halber wird Windelbands Schreiben vom 16. Oktober 1909 mit den Marginalien Max Webers (GStA Berlin, Rep.92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 7, Bl. 145-150) hier ausführlich wiedergegeben. Darin heißt es u.a.: „Als ich in die verantwortliche Lage kam, für die zukünftige Gestaltung der Heidelberger Akademie Vorschläge zu machen, habe ich es wohl lebhaft bedauert, daß es mir nicht erlaubt war, dabei als Ratgeber alle die Herren Kollegen heranzuziehen, die nachher ihre Kritik daran üben würden. Aber wenn ich jetzt hinterher erlebe, wie weit diese Meinungen auseinandergehen, und wenn ich mir dabei sagen darf, daß darin kaum etwas vorgebracht wird, was ich nicht schon in meiner Weise selbst in Betracht gezogen hätte, so wird jenes Bedauern wesentlich vermindert. In der Tat hat auch meine .Menschenkenntnis' soweit gereicht, um die persönlichen Schmerzen vorauszusehen, die mit der Geburt der Akademie verbunden sein würden: und auch das habe ich vorausgesagt, daß die Klagen, die laut werden würden, sich nicht auf eine Verletzung der Persönlichkeiten, sondern auf die Zurücksetzung der von ihnen vertretenen Wissenschaften beziehen würden. Es war mir klar, daß derartige Verstimmungen ganz unvermeidlich waren, wie auch die Einrichtungen getroffen werden mochten, und es fragte sich nur, ob man ihnen die Bedeutung zuerkennen sollte, um deshalb die Errichtung der Akademie überhaupt zu widerraten. Dabei war auch mir bekannt, daß es Ansichten gibt, welche die Akademien in ihrer bisherigen Gestalt für veraltete und überlebte Institute halten. Diese Frage möchte ich hier nicht diskutieren, sondern nur auf den Punkt hinweisen, der für mich maßgebend war. Jenen Ansichten stehen doch tatsächlich auch die entgegengesetzten gegenüber, welche die Verbindung der Akademie mit einer Universität als ein erstrebenswertes Gut für die letztere betrachten. [Randstrich Max Webers] Seit Jahren ist man in Bonn mit der Begründung einer Akademie beschäftigt, für die man schon die Statuten, aber noch kein Geld hat. In Straßburg haben die Kollegen (die mir persönlich am meisten sympathische Form) eine freie Gesellschaft der Wissenschaften gegründet, die schon beträchtliche Kapitalien an sich gezogen hat. In Freiburg ist man aus Anlaß des neuen Kollegienhauses mit Geldsammlungen größeren Stils beschäftigt, die sachlich auf dasselbe Ziel hinausgehen. In solchem Moment wäre es unverantwortlich gewesen, wenn für Heidelberg diese Möglichkeit mit einem Schlage gegeben war, sie abzulehnen [Unterstreichung sowie Randstrich mit Fragezeichen Max Webers], blos weil vorauszusehen war, daß nicht alle gleichmäßig damit zufrieden sein würden. Solche Unzufriedenheiten also, die als unvermeidlich in den Kauf genommen werden mußten, habe ich wohl vorausgesehen: was ich dagegen nicht voraussehen konnte, war, daß Sie sich zum Sprecher jener Klagen machen würden und daß Sie bereit sein würden, durch eine darauf begründete Ablehnung jene Verstimmungen mit Ihrer persönlichen Autorität zu verstärken und in ihrem Bestände zu verlängern [Unterstreichung und Randstrich von Max Weber], dadurch aber jene Gefahr einer Störung

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der Einigkeit an unserer Universität, von der Sie selbst schreiben, erheblich zu vergrößern. Leider war auf diesen persönlichen Ton [Unterstreichung und Fragezeichen am Rande von Max Weber], mit dem Ihnen, wie ich Ihren Andeutungen gern glaube, wohl auch .hervorragende Kollegen' in den Ohren gelegen haben mögen, der Hauptteil Ihres ersten Briefes gestimmt. Er war in dieser Hinsicht gegenstandslos schon als er geschrieben wurde. Fünf Tage vorher hatte die Akademie bei ihrer Statutenberatung die Zahl der Stellen erweitert. Und gleich nachher hat jener natürliche Lauf der Dinge, der bei der Schaffung (und somit auch bei der Beurteilung) derartiger Institutionen in Betracht gezogen sein will, mit schmerzlicher Geschwindigkeit zwei neue Stellen freigemacht. Platz ist genug da, nur ein klein wenig Geduld bleibt nötig. Platz zu machen, ist nicht mehr erforderlich. Ihr zweiter Brief betont denn auch fast nur noch das andere Motiv, das im ersten .überdies' aufgeführt worden war, und er steigert demgemäß dies Motiv zu einer scharfen Anklage. [Unterstreichung sowie Randstrich mit Marginalie Max Webers: auf Aufforderung] Während Sie anfänglich nur geltend machten, daß Sie von der Akademie keine Förderung der von Ihnen vertretenen Wissenschaften, der soziologischen, wie ich sie mit Ihrer Erlaubnis kurz nennen will, zu erwarten hätten, behaupten Sie jetzt [Eigenhändige Unterstreichung sowie Marginalie Max Webers: vorher privatim], daß diese Disziplinen durch ihre scheinbare, aber sachlich aussichtlose Vertretung in der persönlichen Zusammensetzung der Akademie geradezu geschädigt würden. Diese Ihre Behauptung muß ich im Namen der Philosophisch-historischen Klasse, die ich als ihr Sekretär zu vertreten berufen bin, auf das Entschiedenste zurückweisen. Es liegt nicht der geringste Grund dafür vor, zu befürchten, daß durch die Überzahl philologischer und historischer Mitglieder die Interessen der Soziologischen Disziplinen in ungerechter Weise vernachlässigt werden könnten. [An dieser Stelle Randstrich mit zwei Fragezeichen. Darunter die Marginalie Max Webers: Schulrath pp!] Ganz dieselbe Befürchtung könnte ja mit dem gleichen Rechte etwa für die Philosophie oder für die Religionswissenschaft ausgesprochen werden. Denn auch diese sind unter den 10 ordentlichen Mitgliedern nur durch je eines vertreten, geradeso wie die soziologischen Fächer. Denn daß deren Vertreter zur Zeit noch auch für die Interessen der politischen Geschichte wird in Anspruch genommen werden müssen, ist doch wahrlich kein Hindernis für seine energische Vertretung der soziologischen Interessen. Es ist deshalb ein völlig ungerechtfertigtes Mißtrauen in die wissenschaftliche Unbefangenheit unserer Klasse, wenn ihr, ehe sie überhaupt hat in Tätigkeit treten können, vorgehalten wird, sie werde eine der Wissenschaftsgruppen, die in ihr vertreten sind, nicht in angemessener Weise zu fördern geneigt sein. Wie dieser Vorwurf schon jetzt erhoben werden kann, ist mir völlig unbegreiflich. Die Klasse hat noch nicht einmal ihre Geschäftsordnung entworfen, niemand kann noch sagen, in welcher Weise sie ihre Tätigkeit gliedern [Randstrich mit Marginalie Max Webers: eben darum war es auch Ze/'/l], in besonderen Kommissionen organisieren wird, und es ist noch in keiner Weise abzusehen, wie weit es ihr dabei gelingen wird, den formell unerläßlichen (von niemand mehr als von mir peinlich empfundenen) Unterschied zwischen den geschäftsführenden, sog. ordentlichen Mitgliedern, und den übrigen in sachlicher Arbeitsgemeinschaft auszugleichen. Daß dazu die besten Absichten, speziell in unserer Klasse, bestehen, dürfen Sie als sicher annehmen: ob aber die Ausführung dieser Absichten dadurch gefördert wird, daß die anfänglich leider unvermeidlichen Gereiztheiten [Unterstreichung und Fragezeichen Max Webers am Rand] zum öffentlichen Ausdruck gebracht werden, das überlasse ich Ihnen selbst zu beurteilen. Für die Philosophisch-historische Klasse muß ich also als ihr Vertreter das Vertrauen in Anspruch nehmen, daß sie bemüht sein wird, die große Mannigfaltigkeit wissenschaftlicher Interessen, die in ihr vereinigt sind, in gerechter Weise abzuwägen. Dabei

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wird allerdings, wie es bei einer ,Akademie der Wissenschaften 1 erforderlich ist, jede einzelne Disciplin sich bescheiden müssen, an den immerhin beschränkten Mitteln eben nur ihren Anteil durchschnittlich zu beanspruchen. Aufgaben so umfassenden Charakters, wie Sie sie für die demographische Forschung skizzieren, scheinen mir etwa die Mittel unserer ganzen Akademie für sich allein in Anspruch zu nehmen, oder zum mindesten so viel, wie wenn die Soziologischen Disziplinen eine eigene Klasse neben den beiden andern bildeten. In der Tat scheinen mir Ihre Wünsche darauf hinauszulaufen. Auch dieser Gedanke überrascht mich keineswegs: ich habe die Möglichkeit einer dritten, soziologischen Klasse sehr ernst in Erwägung gezogen. Viele Vorteile sah ich dabei voraus. Das Lob der Modernität wäre uns sicher gewesen, ein Secretarius hätte sich ja wohl gefunden, und in der andern Klasse wäre so viel erwünschter Platz geworden! Aber die Ausführung des Gedankens erwies sich als unmöglich, nicht etwa wegen des Widerstandes, den er allerdings wegen der Schmälerung erfahren hätte, die den anderen Klassen an ihren Mitteln und an ihrem Stimmgewicht erwachsen wäre, - sondern hauptsächlich deshalb, weil der Versuch, diese dritte Klasse in einer analogen Weise zu konstituieren, völlig mißlang. Selbst wenn man (was ich genau erwog) Philosophie und Religionswissenschaft mit dazu nahm und wenn man auch die sonst so schwer unterzubringende Geographie ihr einfügte, so war eine solche dritte Klasse nicht voll zu besetzen [Unterstreichung sowie Randstrich mit Marginalie Max Webers: Z/ffemstandpunkt], wenn man nicht zu schreienden Ungleichmäßigkeiten greifen wollte. Gerade hieraus aber bestätigt sich mir, daß auch die soziologischen Fächer neben dem Anteil, den sie, wie alle übrigen [Randstrich und Marginalie Max Webers: cf. Naturwiss. Klasse], an der Arbeit der Akademie in Anspruch zu nehmen haben, für weitergehende Bedürfnisse auf besondere Zuwendungen rechnen müssen, wie es bei allen übrigen Disziplinen der Fall ist. Derartiges geschieht bei allen Akademien durch Nachstiftungen für spezielle wissenschaftliche Zwecke. Wir haben in unserer Klasse schon jetzt die Freude, zwei solche Zustiftungen empfangen zu haben; ich sollte denken, daß den Herren von den wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen es vielleicht am ehesten beschieden wäre, für ihre Fächer Ähnliches zu erreichen. Derartige Nachstiftungen können aber nicht sicherer verhindert werden, als wenn in einer weithin sichtbaren Weise die Meinung verbreitet wird, diese Akademie werde, wie alle übrigen, unfähig sein, den soziologischen Interessen die ihnen gebührende Pflege angedeihen zu lassen. Deshalb sehe ich in Ihrem Vorgehen, verehrter Herr Kollege, nicht nur eine Schädigung der Universität, deren Einigkeit dadurch in erhöhter Weise gefährdet wird, und nicht nur eine Schädigung der Akademie, deren Tätigkeit nach einer besonders wertvollen Richtung hin dadurch beeinträchtigt wird, sondern auch eine Schädigung der sozialen Wissenschaften selbst, in deren Interesse Sie zu handeln glauben." Der unten abgedruckte Brief liegt uns in drei maschinenschriftlich identischen Exemplaren vor, bei denen aber die Ergänzungen bzw. Korrekturen Webers zum Teil variieren, so daß diese im folgenden mit den Siglen A i , A 2 und A 3 annotiert werden. Neben der Ausfertigung an Königsberger (A-,), die hier zum Abdruck kommt, befinden sich ein weiteres, vermutlich an Wilhelm Windelband gesandtes, Exemplar (A 2 ) in der Personalakte Max Webers im Archiv der Heidelberger Akademie der Wissenschaften sowie ein drittes (A 3 ) im GStA Berlin, Rep.92, Nl. Max Weber, Nr.30, Bd.7, BI.151 - 1 5 4 . Das Schriftstück in der Heidelberger Personalakte (A 2 ) trägt am Briefkopf den eigenhändigen Vermerk Webers: „Copie eines Briefes an Herrn Geh. Rath Königsberger".

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den 27. Oktober 1909.

Hochgeehrter Herr Geheimer Rat! Ein Übermaß vorgefundener Korrespondenz läßt mich erst heut zur Beantwortung des der Akademie vorgelegten, an mich gerichteten Briefs des Herrn Geheimen Rats Windelband vom 16. d. Mts. kommen. Eine eingehende Rücksprache mit ihm1 veranlaßt mich, ausdrücklich zu erklären, daß mein s. Zt. geäußerter Wunsch, das mir persönlich sehr ehrenvolle Angebot der außerordentlichen Mitgliedschaft der Akademie ablehnen zu dürfen,2 derzeit nicht mehr besteht, da Sie beide bei der Ansicht verharren, es könne daraus wenigstens indirekt eine Schädigung der Interessen der Akademie sich ergeben, und da ich mit meiner Absicht, keinerlei Schweigepflicht in Bezug auf die meines Erachtens von jenen Interessen teilweise sehr stark abweichenden, aja damit® kollidierenden Interessen der mich interessierenden Fächer übernehmen zu können, nicht auf Widerspruch gestoßen bin. Daß jene Interessen geschädigt werden, bleibt freilich trotz der sehr energisch vertretenen Gegengründe des Herrn Geheimen Rats Windelband meine Ansicht, so gewagt es erscheinen muß, seiner Menschenkenntnis meine eigene entgegenstellen zu wollen. Es wird aber doch offenbar nicht leicht ein industrieller Mäzenat - und auf solche wären wir angewiesen - geneigt sein, einer b„Stiftung Lanz" b wirklich bedeutendec Kapitalien für unsere Zwecke zuzustiften ;d und durch die Existenz6 der Stiftung unter dem Namen „Akademie der' Wissenschaften" wird doch auch die Schaffung einer besonderen neuen Stiftung, welche^] bei ausdrücklicher9 Beschränkung auf die den alten (aber deshalb für die von ihnen wirklich gepflegten Probleme auch nach meiner Meinung ganz und gar nicht veralteten) Akademien gemeinsamen Fächerh, im-

a Ai, A2, A 3 : ja > ja damit b A-,, A2, A 3 : Stiftung Lanz > „Stiftung Lanz" c AT.A2.A3: bedeutende > bedeutende d A1, A2, A 3 : zuzustiften > zuzustiften; e A^ A2, A 3 : Existenzen > Existenz f A^ A2, A 3 : der > der g A-i, A2, A 3 : ausdrücklicher > ausdrücklicher h AT , A 3 : gemeinsamen hätte > gemeinsamen Fächer

1 Die Rücksprache mit Windelband hatte nach Webers Rückkehr aus Leipzig, die am 15. Oktober 1909 erfolgte, stattgefunden. 2 Webers seinerzeitige Absage findet sich in dem Brief an Königsberger vom 30. Juli 1909, oben, S.207f.

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merhin vielleicht einem Testator oder Erben einmal recht nahe gelegen hätte, beseitigt, - von der Frage ganz abgesehen, ob nicht eine trotzdem künftig etwa einmal beabsichtigte Stiftung einer Spezialakademie sogar auf direkte Schwierigkeiten wegen des Bestehens des jetzt als universelle Akademie gegründeten Instituts stoßen würde. Diese Umstände und namentlich der letzte Punkt, auf den ich den größten Nachdruck legen möchte, sind meines Erachtens auf keine Art aus der Welt zu schaffen. Innerhalb der jetzigen Akademie aber würde, wie ich hervorhob, nur eine feste Vertretung und die feste Zuweisung von Geldmitteln für die staats- und gesellschaftswissenschaftlichen Fachinteressen wertvoll sein können, im Gegensatz zu dem größten Teil der anderen Fächer, welche teils unstäte, d. h. von Fall zu Fall zu erledigende Bedürfnisse, teils nur das Interesse an der Bereitstellung eines Publikationsorgans besitzen. Auf die Schaffung einer besonderen philosophisch-soziologischen Klasse, für welche allerdings nicht 10, wohl aber, auch ohne Besetzung der zweiten philosophischen Professur, 3 8 ordentliche Professoren (1 Theologe, 3 Publizisten, 4 4 Philosophen) zur Verfügung ständen, hat nach den Ausführungen des Herrn Geheimen Rats Windelband wesentlich auch aus rein ziffernmäßigen Gründen gleichmäßiger Besetzung der Klassen verzichtet werden müssen. Dafür hat' nunmehr die - zumal im Vergleich mit der nur mühsam mit Mitgliedern auszustattenden Weiträumigkeit der naturwissenschaftlichen Klasse - drangvolle Enge der jetzigen philosophischen historischen Klasse eingetauscht werden müssen, welche schließlich den Urgrund aller Beschwerden abgibt. Daß innerhalb dieser Klasse auch beim allerbesten Willen den eigenartigen Bedürfnissen unserer systematischen Disziplinen Rechnung getragen werden könnte, schien mir ausgeschlossen und bleibt unwahrscheinlich, da ja doch mit der von mir nie im geringsten bezweifelten wissenschaftlichen Unbefangenheit der Herren Mitglieder solche Dinge, bei denen es

i A T . A 2 . A 3 : w u r d e > hat

3 Die z w e i t e p h i l o s o p h i s c h e Professur, auf die hier W e b e r anspielt, war seit der Emeritierung v o n K u n o Fischer im Jahre 1 9 0 6 vakant. N a c h d e m S c h e i t e r n der B e r u f u n g v o n Heinrich Rickert bzw. G e o r g S i m m e l im Jahre 1908 - vgl. d a z u Brief an G e o r g Jellinek v o m 21. März 1 9 0 8 ( M W G II/5, S . 4 6 7 f f . ) - ist d i e s e L e h r s t u h l b e s e t z u n g , was W e b e r z u d e m d a m a l i g e n Z e i t p u n k t nicht a h n e n konnte, v o n Seiten d e s K u l t u s m i n i s t e r i u m s i m m e r weiter vertagt w o r d e n , so daß eine z w e i t e Professur erst im Jahre 1 9 1 8 besetzt w e r d e n konnte. 4 G e m e i n t sind die Vertreter d e s öffentlichen bzw. Staatsrechts.

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sich um tiefgreifende Unterschiede und Kollisionen von Interessen handelt, nicht erledigt sind. Die Zusammensetzung der Klasse, zu deren außerordentlichen Mitgliedern z.B. nicht das statistische Landesamt, wohl aber eine wissenschaftliche von Amts wegen sterile Behörde wie der Oberschulrat 5 (als Philologenvertretung) gehört - konnte ich nur so interpretieren, wie ich es tat. Ebenso die ersichtliche Analogie der alten Akademien, deren Gebahrung ich gut kenne und geschildert habe. Herr Geheimer Rat Windelband stellt nicht in Abrede, daß er selbst z. B. den Ausschluß einer soziologischen Disziplin wie der allgemeinen Staatslehre vom inneren Gremium ausdrücklich mit dem Nichtvertretensein derselben in den alten Akademien motiviert hat. Es war andererseits k selbstverständlich, daß man die 'Art der Gestaltung der ordentlichen' Mitgliedschaft in der Akademie nicht als eine Anerkennung der dauernden Ansprüche ""bestimmter Fächer"1 an deren Mittel, sondern als eine Ehrung konkreter, besonders hochzuschätzender Persönlichkeitenn und deren Bewidmung mit der Verfügung über akademische Geldmittel ansah, während der Inhalt der außerordentlichen Mitgliedschaft im Dunkeln blieb und, angesichts der notorisch recht verschiedenen Auffassungen darüber, p auch jetzt noch darin sich befindet. Eben deshalb kann ich es, im Gegensatz zu den Ausführungen des Herrn Geheimen Rats Windelband, nicht für unrichtig halten, daß ich,q neben' der Lage unserer Fächer gegenüber der Akademiegründung als solcher, Ihre freundliche 3 Aufforderung, hochgeehrter Herr Geheimer Rat, benutzend, ciuch} diesen speziellen Punkt vom Standpunkt unserer Fachinteressen aus zu beleuchten versuchte, noch ehe diese Fragen endgültig festgelegt und damit erledigt waren. Und ebenso bin ich der Ansicht, daß persönliche, aber schließlich doch auf sachlicher Grundlage entstandene Gereiztheiten dadurch nicht leicht gesteigert, sondern wohl nur gemildert werden konnten, daß ein mit eigenen sachlichen oder persönlichen Interessen besonders wenigu Beteiligter dasjenige Maß von sachli-

j A-i: hat. > hat. - k A l t A2, A 3 : damals > andererseits I A^ A 2 , A 3 : ordentliche > Art der Gestaltung der ordentlichen m A1, A 2 , A 3 : unserer Fächer > bestimmter Fächer n A-i, A 2 : Persönlichkeiten > Persönlichkeiten o A-i: ansah, > ansah, - p A,, A 2 : darüber > darüber, q A-i: ich > ich, r A-i, A 2 , A 3 : neben > neben s A^ A 2 , A 3 : freundlichen t A^, A 2 , A 3 : auch > auch u A-i, A 2 , A 3 : wenig > wenig

5 Ernst v. Sallwürk, Direktor des Oberschulrats in Karlsruhe, war zum außerordentlichen Mitglied der philosophisch-historischen Klasse ernannt worden.

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chem Recht, welches seiner Ansicht nach ihnen zu Grunde lag, der zuständigen Stelle vortrug. Dies geschah allerdings auf die Gefahr hin, den Mißmut auf Seiten derjenigen Herren, welche selbstlos und unter sehr schwierigen Verhältnissen die Entstehung der Akademie in die Wege geleitet haben, nunmehr v g e g e n michvzu erregen. Wenn ich aus dem ganzen Charakter der mündlichen Aussprachen sowohl mit Ihnen, hochgeehrter Herr Geheimer Rat, wie insbesondere auch mit Herrn Geheimen Rat Windelband schließen zu dürfen glaube, daß trotz fortbestehender Meinungsverschiedenheiten auch dies nicht als Folge meines Verhaltens eingetreten ist, so schreibe ich dies dem Umstand zu, daß von Ihnen beiden nichf, wie dies leider im akademischen Leben die Regel ist, die Geltendmachung einer abweichenden Meinung als ein persönlicher Angriff gedeutet wurde. Indem ich nur noch bemerke, daß nach dem ganzen Inhalt meiner Darlegungen ich wohl beanspruchen darf, als Vertreter von Interessen des eigenen und der mir naheliegenden Fächer angesehen zu werden, nicht aber als Sprachrohr fremder persönlicher Verstimmungen, - deren Vorhandensein ich lediglich als notorische Tatsache und unerfreuliche Folgeerscheinung der mir sachlichx unerwünscht scheinenden Gestaltung der Akademie erwähnt hatte,verbleibe ich Ihr in Verehrung ergebenster y Max Weber y

v Ai, A2, A3: gegen mich > gegen mich w A^ A2, A3: nicht > nicht x A-i, A2, A3: sachlich > sachlich y A-i, A2: M. W.

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Wilhelm Windelband 27. O k t o b e r 1 9 0 9 ; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g Archiv der A d W Heidelberg, Nr. 0 1 3

Heidelberg 27. X. 9. Hochverehrter Herr Geheimer Rath ! Ich habe bei näherem Durchlesen Ihres gütigen Briefes 1 doch das Bedürfnis gefühlt, gegen einige Ihrer Vorhaltungen mich zu verteidigen. Ich hoffe, daß Sie damit bzw. mit Ihren etwaigen Bemerkungen dazu die Angelegenheit als erledigt ansehen. Bemerken möchte ich nur noch : 1. daß keineswegs speziell Jellinek mir „in den Ohren gelegen ist", wie Sie vielleicht annehmen, 2 - daß ferner ich ihm mein Exposé s. Z. - ohne Schweige Verpflichtung gegeben habe, da er sich in ähnlicher Lage befand wie ich, und nicht glaube, daß er es andren außer ganz zufällig mit ihm zusammengetroffenen Collegen gezeigt hat. 2. Zu aller Sicherheit bemerke ich noch, daß ich mit meinem Bruder über Angelegenheiten der Akademie ein Mal - und nicht öfter - geredet habe, nämlich nachdem er von dritter Seite von meinem ersten Brief gehört hatte und begreiflicher-, aber m.E. unvermeidlicherweise |:persönlich:! peinlich berührt zu mir kam. 3. Ich höre bestimmt, daß es trotz Allem Herren giebt, welche glauben, im Fall der künftigen Gründung einer „soziologischen Klasse" - ein freilich bis zum Unglaublichen unwahrscheinlicher Fall! - ich darum ambierte, nun dort „ordentliches Mitglied" oder so etwas zu werden. 3 Es steht dahin, ob vielleicht einige Bemerkungen in Ihrem Schreiben als a (Ich st)

1 Gemeint ist der Brief vom 16. Okt. 1909, größtenteils abgedruckt in der Editorischen Vorbemerkung zum Schreiben an Leo Königsberger vom 27. Okt. 1909, oben, S. 2 9 5 - 2 9 7 . 2 Windelband hatte Weber vorgeworfen, in seinem Brief vom 30. Juli 1909, oben, S. 2 0 6 - 2 0 9 , als „Sprecher" all derer fungiert zu haben, die mit der personellen Zusammensetzung der Akademie unzufrieden waren. „Leider war auf diesen persönlichen Ton, mit dem Ihnen, wie ich Ihren Andeutungen gern glaube, wohl auch .hervorragende' Kollegen in den Ohren gelegen haben mögen, der Hauptteil Ihres ersten Briefes gestimmt."

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eine derartige Anspielung gedeutet worden sind 1 '. Ich hoffe, wenigstens Ihnen nicht erst versichern zu müssen, daß ich - träte jener unwahrscheinliche Fall |:wirklich:| jemals ein - es als eine schwere persönliche Kränkung empfinden müßte, falls |:alsdann:| Derartiges auch nur erör5 tert würde. Sicherlich wird die akademische Eitelkeit auch bei mir irgendwo sitzen, - aber da sitzt sie nicht. Es ist erstaunlich, wie schwer es ist, damit auch nur Glauben zu finden, daß man |:in concreto:| nichts will! Ich danke Ihnen für Ihr freundliches Entgegenkommen und habe Sie 10 nunmehr zum letzten Mal behelligt[.j In Verehrung Ihr Max Weber

Natürlich ohne daß der Wortlaut dazu Anlaß giebt!

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Hermann Beck 8. November 1909; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Werner Sombart, Nr. 18 b, Bl. 28

Heidelberg, 8.11.09. Sehr geehrter Herr Doktor, Die Wahl in den Vorstand1 nehme ich - vorbehaltlich späteren Ausscheidens -für den Fall an, daß nicht, wie ich bei Prof. Sombart angeregt hatte, inzwischen mit Herrn Eulenburg verhandelt ist und dieser ange- 5 nommen hat, 2 — was ich an sich für besser hielte. Der Gewinnung des Herrn Plötz freue ich mich sehr. 3 Als Rechner käme m. E. in erster Linie Jastrow, in zweiter Eulenburg in Betracht. 4 In vorzüglicher Hochachtung ergebenst 1o Max Weber. Die Liste schicke ich jetzt zunächst an Herrn Prof. Sombart weiter mit Vorschlägen zur Kooptation. 5

1 Die Wahl Webers war von Ferdinand Tönnies in seinem Schreiben an Hermann Beck vom 27. Okt. 1909 (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.54) angeregt worden. 2 Hierzu vermerkt Beck am Ende der für Sombart bestimmten Abschrift: „Herrn Prof. Sombart mit der Bitte, Hrn. Weber direkt zu schreiben betr. die Wahl Eulenburgs." 3 Tönnies hatte in seinem Schreiben vom 27. Okt. 1909 (wie Anm. 1) neben Max Weber und Alfred Vierkandt auch Alfred Ploetz zur Kooptation in den Vorstand vorgeschlagen mit der Begründung: „Ich schlage ihn vor gemäß einem wiederholten Wunsche M. Webers, dessen Gründe dafür ich anerkenne (Vertretung der .naturwissenschaftlichen' Soziologie.)" 4 Vermutlich war der Anregung Webers kein Erfolg beschieden. Monate später, in einem Brief an Hermann Beck vom 8. [Juni] 1910, unten, S. 558, hat er erneut für das Amt des Rechners Franz Eulenburg vorgeschlagen, was aber - laut Antwort vom 9. Juni 1910 (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.15) - auf keine positive Resonanz gestoßen ist. 5 Die Liste Webers ist weder im Nl. Werner Sombart (GStA Berlin) noch im Nl. Ferdinand Tönnies (SHLB Kiel) nachgewiesen.

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Paul Siebeck 8. November 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Da Weber im zweiten Teil des Briefes ausführlich über den ihm von Siebeck übersandten Vertragsentwurf zum GdS (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) eingeht, wird dieser hier als Ganzes mitgeteilt. Dabei sind alle Vertragsteile, auf die Weber Bezug nimmt bzw. die nach seinen Vorschlägen geändert oder gestrichen worden sind, kursiv hervorgehoben.

Entwurf Dr. 0[skar] S[iebec]k. Verlags-Vertrag über die Mitherausgabe des Sammelwerkes Handbuch der politischen Ökonomie (Sozialökonomik) in zwei Bänden.

Herrn

Zwischen einerseits und der

Verlagsbuchhandlung J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), vertreten durch ihren Besitzer, Herrn Dr. Paul Siebeck, in Tübingen, als Verlagseigentümerin des Sammelwerkes andererseits ist heute nachstehender Verlagsvertrag abgeschlossen worden. § 1. Herr arbeitet auf Grund vorausgegangener Verständigung mit Herrn Professor Dr. Max Weber in Heidelberg an dem oben genannten Sammelwerk mit und übernimmt die Bearbeitung des Abschnittes Er überträgt sein Urheberrecht für die erste und alle folgenden Auflagen auf die Verlagsbuchhandlung J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), bezw. ihre Rechtsnachfolger. § 2 . Der Umfang des Abschnittes soll Druckbogen nicht überschreiten. Das „Handbuch der politischen Ökonomie" erscheint in der Satzeinrichtung der dem Vertrag beigefügten Satzprobe. § 3 . Das Honorar beträgt für die erste Auflage von 2500 Exemplaren M. 140.-, mit Worten einhundertundvierzig Mark pro Druckbogen der in § 2 genannten Satzeinrichtung, zahlbar bei Ausgabe eines jeden Bandes. An diesen Honorarsatz von M. 140.—für den Druckbogen ist die Verlagsbuchhandlung jedoch den Herren Mitarbeiter gegenüber nur innerhalb der in § 2 vereinbarten Umfangsgrenze gebunden. Da die Einhaltung des vorgesehenen Umfanges für das Gelingen des Werkes von entscheidender Bedeutung ist, verpflichtet sich Herr den in § 2 für die von ihm übernommenen Abschnitte festgesetzten Maximalumfang auf keinen Fall zu überschreiten.

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§4. Damit Wiederholungen und Wiedersprüche [!] in den verschiedenen Abschnitten des „Handbuchs der politischen Ökonomie" nach Möglichkeit vermieden werden, werden die Herren Mitarbeiter Herrn Professor Max Weber möglichst bis zum genaue Dispositionen der von ihnen übernommenen Abschnitte vorlegen. Herr Professor Max Weber wird alsdann den Herren Mitarbeitern, soweit das im Interesse der Einheitlichkeit des Werkes erforderlich ist, Vorschläge für Abänderung oder Ergänzung der Dispositionen machen. § 5 . Herr verpflichtet sich, sein Manuscript in gut leserlichem und druckfertigem Zustande mit breitem Rand, einseitig und möglichst gleichmäßig beschrieben spätestens bis zum an Herrn Professor Max Weber abzuliefern. § 6 . Im Interesse einer möglichst einheitlichen Bearbeitung des ganzen Sammelwerkes steht Herrn Professor Max Weber das Recht zu, das Manuscript durchzusehen, Vorschläge zu etwaigen Änderungen oder Zusätzen zu machen, und, sofern der dem Herrn Mitarbeiter zur Verfügung stehende Raum überschritten wird, Kürzungen zu verlangen und nötigenfalls selbst durchzuführen. Im letzteren Falle kann der Herr Mitarbeiter darauf bestehen, daß Herr Professor Max Weber im Vorwort ausdrücklich die Verantwortung für die betreffenden Stellen übernimmt. § 7. Wird das Manuscript nicht zu dem vertragsmäßigen Termin abgeliefert, so steht der Verlagsbuchhandlung das Recht zu, eine Frist zu bestimmen, nach deren Ablauf das Manuscript in dem Zustande, in welchem es sich dann befindet, abzuliefern ist. Die Frage, ob und eventuell in welcher Höhe eine Entschädigung für das unvollständige Manuscript geleistet werden kann, entscheidet Herr Professor Max Weber, dem im Falle der Erwerbung des Manuscripts durch die Verlagsbuchhandlung das Recht der freien Verfügung darüber im Einvernehmen mit der Verlagsbuchhandlung zusteht. Über die Art der Benutzung ist an geeigneter Stelle Rechenschaft zu geben. Wird der Ablieferungstermin überschritten, so wird eine Nachfrist bis zu 6 Monaten bewilligt. Nach Ablauf der Frist steht es der Verlagsbuchhandlung frei, vom Vertrage zurückzutreten. Herr Professor Max Weber wird dann im Einverständnis mit der Verlagsbuchhandlung einen anderen Bearbeiter berufen. § 8 . Die erste Korrektur wird in der Buchdruckerei, die zweite und etwaige weitere Korrekturen werden von dem Herrn Mitarbeiter unentgeltlich gelesen: letzterer ist zu umgehender Erledigung und Rücksendung der Korrekturen verpflichtet. § 9 . Nimmt ein Mitarbeiter nach dem Beginn der Drucklegung in den Korrektur- bezw. Revisionsbogen Änderungen vor, welche das übliche Maß übersteigen, so ist er verpflichtet, die hieraus entstehenden Kosten zu ersetzen; die Ersatzpflicht liegt ihm nicht ob, wenn Umstände, die inzwischen eingetreten sind, die Änderung rechtfertigen (Verlagsrechtsgesetz vom 19. Juni 1901). Dem „üblichen Maß" trägt die Verlagsbuchhandlung dadurch Rechnung, daß sie von dem Zeitaufwand, der durch nachträgliche, von der Druckerei nicht verschuldete Satzänderungen in der zweiten und den folgenden Korrekturen verursacht wird, die Kosten für durchschnittlich sechs [handschriftliche Bemerkung Siebecks: „ 8 Stunden pro Bogen kämen einem Honorarzuschlag von M 6 - p r o Bogen gleich."] Stunden pro Bogen auf ihr Konto übernimmt und nur wegen eventuellen Ersatzes weiterer Korrekturkosten Verhandlungen sich vorbehält. Von dem auf Autorenkorrekturen ihrer Beiträge entfallenden Zeitaufwand werden die Mitarbeiter auf Wunsch durch Zettel in Kenntnis gesetzt, die von der Druckerei jeweils dem nächstfolgenden Korrekturabzuge aufgeklebt werden. § 1 0 . Jeder Mitarbeiter erhält ein gebundenes und 6 geheftete Freiexemplare des ganzen Handbuches, sowie 24 Freiexemplare der von ihm bearbeiteten Abteilung, etwaige weitere Exemplare derselben oder des ganzen Werkes laut § 2 6 des Verlagsrechtsgesetzes zum günstigsten Buchhändlerpreis.

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Die Freiexemplare der Herren Mitarbeiter, die Recensionsexemplare, die an Dozenten zur Verteilung gelangenden Einführungsexemplare, sowie den erforderlichen Zuschuß für Druckdefekte etc. darf die Verlagsbuchhandlung außerhalb der kontraktlichen Auflage drucken. Diejenigen Werke des Mohr'schen und Laupp'schen Verlags, welche von den Herren Mitarbeitern zu der Ausarbeitung ihrer Beiträge benötigt werden, liefert ihnen die Verlagsbuchhandlung zum Buchhändler-Nettopreis. Die Zeitschriften der beiden Verlage sind bei dieser Vergünstigung ausgeschlossen. §11. Für Übersetzungen des Handbuchs oder einzelner Teile desselben in fremde Sprachen bleibt die Zustimmung der Verlagsbuchhandlung vorbehalten, welche die Verhandlungen im Einvernehmen mit dem betreffenden Herrn Mitarbeiterführen wird. Werden für Übersetzungen irgend welche Entschädigungen erzielt, so wird die Einnahme zu gleichen Teilen zwischen dem beteiligten Herrn Mitarbeiter, bezw. den Herrn Mitarbeitern gemeinschaftlich pro rata ihrer Beiträge einerseits und der Verlagsbuchhandlung andererseits, geteilt. §12. So lange der Abschnitt im „Handbuch der politischen Ökonomie" erscheint, bleibt das ausschließliche Verlagsrecht auf das Sammelwerk der Verlagsbuchhandlung für die erste und alle folgenden Auflagen gewahrt. Die Herren Mitarbeiter verpflichten sich, während der Dauer dieses Vertrages ohne Zustimmung der Verlagsbuchhandlung an einem ähnlichen bezw. an einem konkurrierenden Sammelwerksich nicht zu beteiligen. § 13. Von dem Bedürfnis einer neuen Auflage des Handbuchs, für die die Verlagsbedingungen besonders zu vereinbaren sind, werden die Herren Mitarbeiter von der Verlagsbuchhandlung rechtzeitig in Kenntnis gesetzt. Die Herren Mitarbeiter sind alsdann verpflichtet, die neue Auflage nach dem neuesten Stande der wissenschaftlichen Forschung zu bearbeiten. Ergibt sich bei der Inangriffnahme einer neuen Auflage, daß ein Beitrag zu dem Handbuch nicht paßt, oder dem Charakter des Gesamtwerkes nicht mehr entspricht, so die Verlagsbuchhandlung im Einverständnis ist nach § 19 des Verlagsrechtsgesetzes mit Herrn Professor Max Weber berechtigt, den betreffenden Beitrag auszuscheiden und eventuell seine Ersetzung durch die Arbeit eines anderen herbeizuführen. Für jede neue Auflage wird daher die Mitarbeiterschaft neu vereinbart. Kommt keine Vereinbarung zustande, so kann der betreffende Herr Mitarbeiter, bezw. dessen Rechtsnachfolger, über den ausgeschiedenen Beitrag frei verfügen. Sollte ein Mitarbeiter durch Krankheit oder sonstige Umstände verhindert sein, eine neue Auflage rechtzeitig zu bearbeiten, so steht der Verlagsbuchhandlung das Recht zu, einen neuen Bearbeiter für den Abschnitt zu suchen. Wird der Abschnitt in den durch den vorhergehenden Absatz vorgesehenen Fällen nicht von dem betreffenden Herrn Mitarbeiter selbst, sondern für ihn von einem Dritten herausgegeben, so werden die Honorarverhältnisse für die Auflage, bei der dieser Fall eintritt, in der Weise geregelt, daß der für die Bearbeitung zu zahlende Beitrag von dem Honorar abzuziehen ist, welches dem früheren Mitarbeiter, bezw. seinen Erben und Rechtsnachfolgern, zusteht. Doch soll dieser Abzug im Krankheitsfalle nicht mehr als die Hälfte des in § 3 festgesetzten Honorars betragen. § 14. Die Verlagsbedingungen für die von dem Abschnitt geplante Sonderausgabe werden durch besondere Vereinbarungen festgesetzt. Hiermit allenthalben einverstanden unterzeichnen diesen in zwei gleichlautenden Exemplaren ausgefertigten Verlagsvertrag

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Heidelberg 8. XI. 9 Sehr geehrter Herr D r Siebeck! Ich bitte Sie, Sich bemerken zu wollen, daß 1. D r Josef Schumpeter den Teil: „Dogmen- und Methodengeschichte" (4 Bogen) 1 2. anstelle von Herrn Aereboe, der absolut verhindert ist, Herr Privatdozent D r Brinkmann, der in nächster Zeit Professor in Poppelsdorf (Nachfolger von Aereboe u. v.d. Goltz) wird, die landwirtschaftliche] Betriebslehre (4 Bogen) 2 3. - was ich vielleicht schon mitteilte, - D r Mombert-Freiburg das Bevölkerungswesen3 4. - statt Herrn Felix Hecht (t) Herr D r Hermann Mauer, einer der tüchtigsten Schüler von Knapp u. in der Praxis stehend, bekannt durch seine Angriffe auf die Ostpreußische Landschaft (D r Kapp) , 4 den Agrarcredit (23/4 Bogen) übernommen hat. 5 Zahlreiche andere Correspondenzen schweben. Alsdann schicke ich beifolgend den Brief des Herrn v.Philippovich. Ich halte es für sehr erfreulich und glücklich, daß er doch überhaupt mitarbeitet, für recht beklagenswerth aber, daß er den großen Artikel ablehnt, den man nun wird zerschlagen müssen. 6 Es war ja von Anfang 1 Der Beitrag von Joseph Schumpeter ist unter dem Titel: Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte, in: GdS, Abt. I. - Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 19-124, erschienen. 2 Der Beitrag von Theodor Brinkmann ist unter dem Titel: Die Ökonomik des landwirtschaftlichen Betriebes, in: GdS, Abt. VII, ebd. 1922, S. 27-124, erschienen. 3 Der Beitrag von Paul Mombert ist unter dem Titel: Wirtschaft und Bevölkerung. I. Bevölkerungslehre, in: GdS, Abt. II, ebd. 1914, S. 32-96, erschienen. 4 Dies bezieht sich auf den Artikel von Hermann Mauer, Die Entschuldungsaktion der Ostpreußischen Landschaft kaufmännisch betrachtet, in: SchmJb, Jg. 32, 1908, S. 1097-1113, der heftige Diskussionen ausgelöst hatte. Mauer hatte sich in seinem Aufsatz kritisch mit der vom Ostpreußischen Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp im Jahre 1906 erstellten Entschuldungsvorlage für das landwirtschaftliche Kreditwesen auseinandergesetzt. 5 Mauer, Hermann, Agrarkredit (Nach dem Tode des Verfassers durchgesehen und ergänzt von Eduard Wegener), in: GdS, Abt. VII. - Tübingen: J.C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1922, S. 193-230. 6 Eugen v.Philippovich hatte es abgelehnt, den bereits übernommenen Artikel über Organisation der Volkswirtschaft zu verfassen. Dafür führt v. Philippovich in seinem Brief an Paul Siebeck vom 31. Okt. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 269) folgende Gründe an: „Obwohl ich bei der beabsichtigten Neubearbeitung meines Grundrisses I manche Vorarbeit für die mir von Weber zugedachten Kapitel leisten werde, hindert mich

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an schwierig mit ihm. Er wollte |:begreiflicherweise:! etwas in sich „Geschlossenes" machen, - und dadurch nahm er natürlich allen Einzelabschnitten die Gesichtspunkte, fort - ich habe seinethalben alle Einzelpartien noch ohne „allgemeinen Teil" gelassen, damit er freie Hand habe. Nun aber hat Wieser, von dem mit keinem Wort 3 Mitteilung über die Grenze, welche er seinem Artikel nach der „empirisch-realistischen" Seite hin ziehen wollte, zu erlangen war (er möchte eben darin freie Hand haben), und dadurch Phfilippovich] die Freude an der Übernahme dieses Teils verlor." Es ist mir das sehr leid und unangenehm, ich werde versuchen, ob es nicht dennoch möglich ist, ihm die Übernahme eines (einleitenden) Haupt teils des Artikels schmackhaft zu machen. Herr D r Plenge würde also prinzipiell bereit sein, den Artikel Geldund Notenbankwesen zu übernehmen, nachdem ein besseres Verhältnis zu Ihnen hergestellt sein würde. 7 Daß sowohl in Bezug auf Correkturen, wie in Bezug auf Überschreitung des Umfangs innerhalb dieses Handbuchs „Extrawürste" nicht gebraten werden, weiß er und erkennt er an, er nimmt nur in Anspruch, daß er damals (als der Streit mit Ihnen entstand) eben exorbitant habe arbeiten müssen und sachlich sich die Correkturen nicht hätten vermeiden lassen. (Sie haben ja in Ihrem Brief an Bücher nachträglich auch gesagt, daß Sie schließlich Sich in dieser Hinsicht zu Entgegenkommen hätten bereit finden lassen). 8 Was ihm, ein eigentümlich kongenialer Mensch wie er ist, - speziell weh gethan hat, ist die große Kühle, mit der sein Standpunkt, der vom Boden eines persönlichen Verhältnisses0 zwischen Verleger und Autor ausgegangen a Fehltin O; Wort sinngemäß ergänzt,

b Textverderbnis nicht behebbar,

c (zu)

zuvieles, ihre Bearbeitung zu übernehmen: erstens der psychische Druck, den das Bewußtsein ausübt, daß hier eine Arbeit bis zu einem gegebenen Zeitpunkt geleistet sein muß und zweitens die Schwierigkeiten, die ich kommen sehe, in bezug auf die Abgrenzung meiner Gebiete gegen andere Abteilungen und in bezug auf die redaktionellen Wünsche M. Weber's selbst. Der Gefahr, hier endlosen Schreibereien und Mißverständnissen ausgesetzt zu sein, die Ärger und Verdruß bringen können, will ich mich nicht aussetzen. Ich will meinen Namen gerne mit dem Unternehmen verbinden und schlage daher Weber vor, daß ich den Abschnitt: Entwicklung der praktischen ökonomischen Ideale u. Parteien (3 Bogen) behalte." 7 Zu den Gründen des Streits zwischen Johann Plenge und Paul Siebeck vgl. Brief an Siebeck [nach dem 20. April 1909], oben, S. 104, Anm.13; zur Beilegung des Konflikts vgl. Brief an Siebeck vom 19. Nov. sowie [vor oder am 6. Dez. 1909], unten, S.318 und 329f. 8 Weber bezieht sich auf den Brief Siebecks an Karl Bücher vom 25. Nov. 1908 (VA Mohr/ Siebeck, Tübingen, Nr. 243).

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sei, aufgenommen worden sei. Ich fand ja, in gewissem Sinn ist das - bei aller Höflichkeit der Tonart Ihrer ersten Antworten - richtig. 9 Ein großer Verlag kann solche „persönlichen" Beziehungen |:aber:| schwer pflegen; ich habe d ihm erklärt 0 -, indem ich ihm allerdings von Anfang an sagte, daß m. E. von beiden (also nicht nur von seiner) Seiten 6 Fehler gemacht seien, - daß es nicht möglich sei, einem | :noch so geschätzten: | Einzelautor Conzessionen zu machen, die man Andren nicht machen könne: man müsse in der Lage sein, ehrlicherweise Jedem zu sagen: „dies habenf wir schlechthin Niemandem konzediert, deshalb können wir es leider auch Ihnen nicht konzedieren". Könnten nun, um der leidigen Sache ein Ende zu machen, nicht Sie, verehrtester Herr Doktor Siebeck, an mich einen kurzen Brief schreiben, etwa des Inhalts: „daß Sie, in der Annahme, daß auch D r Plenge anerkenne, sich in der Form vergriffen zu haben, dies |:für Sich: | auch Ihrerseits 9 ohne Weiteres zugeben 9 . Man habe sich auf beiden Seiten mißverstanden; Sie hätten nachträglich hauf Grund eingehender Erwägungen (und, - meinetwegen, wenn Sie es so wollen, - meiner Auseinandersetzung) h sehr wohl Verständnis für Pl[enge]'s subjektives Recht1 in seinem sachlichen Standpunkt (die Correkturen betreffend) gewonnen, |:da ja in der That der Fall exzeptionell gelegen habe:| - damals hätten Sie |:und Ihr Herr Sohn:| eben an dem Standpunkt festhalten müssen, k daß nur eine streng gleichmäßige Behandlung Aller 'den Verlag vor unabsehbaren'Reklamationen schütze und die Kalkulation ermögliche. Sie müßten auch jetzt an diesem Prinzip \'.(aus obigen Gründen):| festhalten, es sei Ihnen aber leid, wenn D r Plenge aus der vielleicht etwas allzu kühlen Form"1 der Briefe | :und aus der in keinem Sinn kränkend gemeinten Verweisung der Sache an Bücher: | einen falschen Eindruck von Ihrer Schätzung seiner Person und n Ihrem Wunsch, ein gutes Verhältnis0 mit ihm aufrechtzuerhalten, gewonnen habe. Der betreffende Brief sei in großer Überlastung und Erregung geschrieben worden und Sie hofften, daß D r Plenge

d Fehlt in 0 ; ihm erklärt sinngemäß ergänzt, e O: Seite f können > haben g zuzugeben bereit seien > ohne Weiteres zugeben, h |:(auf Grund meiner Auseinandersetzungen):! > a u f Grund . . . Auseinandersetzung) i (, das) k zu müssen geglaubt, > müssen, I Sie vor > den Verlag vor unabsehbaren m (Ihrer) n (eines) O (|:und:|)

9 Vgl. dazu Webers Bemerkungen in seinem Brief an Siebeck vom [1. Sept. 1909], oben, S. 246f.

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nunmehr die Angelegenheit ebenso wie Sie der Vergessenheit anheimgeben werde." Von diesem an mich gerichteten Brief werde ich dann Plenge (nicht in Ihrem Auftrag, sondern meinerseits) mitteilen und ihn veranlassen, und zwar thunlichst gleich an Sie direkt, entsprechend zu reagieren. 10 Mich würde es freuen, wenn die Sache derart erledigt würde, denn: tüchtig, sehr tüchtig, ist der Mann. Und Sie vergeben Sich ja nichts dabei, da Pl[enge] in der Sache für die Zukunft nachgiebt und Sie Ihrerseits für den damaligen Fall ja an Bücher schon Sich entgegenkommend geäußert haben. Nun zu dem Verlagsvertrag, - ich nehme an, daß Sie Abschrift Ihres Entwurfs zurückbehalten haben. 11 Ich möchte vorschlagen: 1.p § 1 statt: „arbeitet" ... „mit": „beteiligt sich" (ist höflicher!) 2. § 4 folgendermaßen zu fassen: „Im Interesse der möglichsten Einheitlichkeit des Handbuchs sind die Herren Mitarbeiter ^untereinander und mit dem Verlage:| übereingekommen, mit Herrn Prof. M. W. über den Fortgang der Arbeiten derart in Correspondenz zuq bleiben, daß derselbe darüber informiert und in der Lage ist, gegebenenfalls ihnen Vorschläge zur möglichsten Beseitigung etwa entstehender Differenzen, Wiederholungen, Lücken und Widersprüche zu machen.t"' 3. § 6. Zeile 2: steht „der Verlagsbuchhandlung auf Antrag des Herren Professor Max W.". Zeile 3: zu streichen: „das Mscr. durchzusehen" (ist selbstverständlich, daher unhöflich) Zeile 5 statt: „Änderungen": „Streichungen". Z. 5: hinter „machen": „Sofern" Zeile 6: hinter „wird": „ist die Verlagsbuchhandlung berechtigt, auf Antrag von Prof. M. W. Kürzungen zu verlangen und mangels Einigung den Vorschlägen des genannten Herrn gemäß" selbst durchzuführen^.] p (Streichung)

q (treten,)

10 Tatsächlich hat Siebeck einen an den Weberschen Formulierungen angelehnten Brief aufgesetzt und diesem am 13. Nov. 1908 zugeschickt (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), der daraufhin das Schreiben an Plenge sandte; vgl. Brief an Siebeck vom 19. Nov. 1909, unten, S. 318. 11 Zum folgenden Teil des Briefes vgl. den Abdruck des Verlagsvertragsentwurfs in der Editorischen Vorbemerkung.

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Zeile 8: „in einer entsprechenden Bemerkung zu dem Gesammtwerk" | :(ob ich ein „Vorwort" schreibe, kann dahingestellt bleiben): | Zeile9: statt: „für-Stellen": „dafür" 4. § 7: Zeile 3 statt: „eine Frist . . . Ablauf": „die Vorlegung r " Zeile 4 „des Manuskripts" Zeile 5: hinter „befindet,": „zu verlangen^"!. Hinter „ob": „es verwerthet werden kann und ob" Zeile 7: hinter „entscheidet": „die Verlagshandlung nach Anhörung des H e r r n . . . " Zeile 8[i] hinter „Weber" - Schluß des §: „der Dasselbe | :im Fall der Verwertung: | durch deutlich erkennbar zu machende Zusätze oder Streichungen druckfertig zu stellen oder stellen zu lassen berechtigt ist." Den letzten Absatz des § 7 halte ich für entbehrlich, weil selbstverständlich, wenn der vorige Absatz so gefaßt wird wie vorgeschlagen. §9 zu streichen: „auf Wunsch". Es scheint besser, jedenfalls immer dann, wenn CorrekturÜberschreitungen vorliegen, Mitteilung zu geben, - am besten vielleicht: ein für alle Mal immer, doch wie Sie meinen. § 10 Die Bestimmung im letzten Satz (Zeitschriften) scheint mir zu weit zu gehen. Was das „Archiv" anlangt, müßte Jaffe zustimmen u. ich finde, man kann ihm dies nicht zumuthen. Vielmehr würde ich hinter „Laupp'schen Verlag" ausdrücklich sagen: „(Zeitschriften ausgeschlossen)" §12 hinter Sammelwerk: „mit Artikeln über den gleichen Gegenstand" (das ist doch Ihre Meinung?) § 13: Wenn, wie Absatz 3 sagt, für jede neue Auflage die Mitarbeiterschaft neu vereinbart werden soll, so sind Absatz l s , 2, 4, |:5:| zu streichen, weil überflüssig und widerspruchsvoll. Besser* könnte es |: dann: | nur heißen: „Für eine neue Auflage hat die Verlagshandlung das Recht, wenn sie |:- was in ihrem Ermessen steht - : | die Artikel beibehalten will, die Neubearbeitung nach dem neusten Stand der Forschung zu verlangen" und Absatz 2, 3, 4, |:5:| müßten wegfallen. Oder statt des ganzen §: „Im Fall einer neuen Auflage kann die Verlagshandlung den Artikel eines Bearbeiters J ausscheiden:

r Ablieferung > Vorlegung

s (und)

t Sonst > Besser

u (|:nurdann:|)

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1. wenn eine Änderung im Plan des Gesammtwerkes beabsichtigt ist, welchev seine Verwendung ausschließt. 2. wenn der Bearbeiter™ es ablehnt oder gesundheitlich | :oder durch Alter: | daran gehindert erscheint*, den Artikel 7 , eventuell gänzlich neu, dem |:neusten:| Stand der Forschung entsprechend, umzuarbeiten |:oder a die |:etwa:| erforderlichen neuen Raum- Vorschriften innezuhalten nicht bereit ist.: j Die Verlagshandlung darf dabei, wenn Änderungen in der Zusammensetzung des Werkes oder seiner Disposition eintreten sollen, verlangen, daß der Mitarbeiter |:die Behandlung: | eines |:bestimmt zu bezeichnenden:! Unterteils13 seines Themas erforderlichenfalls unterlasse 0 . Daß erd neue Themata einbeziehe, darf sie nicht verlangen." Absatz 5 würde ich jedenfalls streichen. Statt dessen: „Sie darf im Fall des Todes | :oder der Erkrankung: | eines Mitarbeiters den Artikel sowohl ausscheiden wie durch einen Dritten, unter Kenntlichmachung der Änderungen, umarbeiten lassen. In diesem Fall steht den Erben |:bezw. dem Mitarbeiter: | e ein' Angemessener, nicht unter ein Viertel bleibender und die Hälfte nicht übersteigender® Teil des Honorars h oder statt dessen eine angemessene Vergütung zu."1 Ich nehme wohl mit Recht an, daß Prof. Bücher den ganzen Vertragsentwurf gesehen hat und daß, soweit Sie auf meine Vorschläge eingehen sollten, er auch den Neuentwurf, der aus unsren Correspondenzen hervorgeht, zur Begutachtung erhält. Ich selbst möchte Sie nicht an mich als Redakteur k späterer Auflagen binden, schon weil Niemand weiß, wie meine Gesundheit sich gestaltet und m. E. Sie (bezw. Ihr |:Herr:| Sohn künftig) das in der Hand haben müssen. Vorläufig kann ich mich mit „Lehrbuch" nicht recht befreunden, wenn nicht buchhändlerische Gründe es fordern (was ich fast bezweifeln möchte). Ich schlage erneut als Titel vor: „D r Siebeck's Handbuch [der]1 Polfitischen] Ök[onomie]" (oder: der „Sozialökonomik"), herausgegeben von: (Name aller Mitarbeiter alphabetisch). Ich schreibe nötigenfalls ein „Vorwort". Es ist doch auch gut und in der Ordnung, wenn zum Ausdruck kommt, daß dies Werk an die Stelle des früheren tritt. Sie als

v und > welche w (sich w e ) x ist > erscheint y (gän) a und > oder b Teils > Unterteils C einem Andren abtritt > unterlasse d (gänzlich) e (für das erste Mal) f 0 : e i n e g angemessene (Ver) Honorar-Vergütung zu. > angemessener, nicht unter ein . . . übersteigender h ( z u ) i (über deren H ö h e ) k (der) 1 Lochung.

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Verleger haben zu beiden die Anregung gegeben. Also liegt darin nichts Unrechtes, im Gegenteil. Bitte teilen Sie mir gelegentlich einmal mit, wen m Sie Sich als schon gewonnenen Mitarbeiter (und mit wieviel Bogen) notiert haben, damit wir darin conform gehen. 12 s Freundschaftlichen Gruß Ihres Max Weber NB! D r Mombert hat 3 Bogen, Moldenhauer 2% Bogen (nicht: 3).

m was > wen

12 Siebeck hat Weber am 12. Nov. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) eine Liste mit den bisher gewonnenen Mitarbeitern zur Überprüfung zugesandt. Diese Aufstellung enthielt folgende Angaben: Friedrich Frhr. von Wieser: 1,3 Abstrakte Theorie ohne Dogmengeschichte (II,2). 15 Bogen; Karl Bücher: 1,1 Einleitung (didaktische und historische Grundfragen); Heinrich Herkner: I.Arbeit, ca. 2 Bogen; Alfred Weber: Standorte der Industrien. 1 Bogen; Hermann Mauer: II. Agrarcredit. 21/2 Bogen; Hans Hausrath: II. Forstwesen. 3 Bogen; Paul Moldenhauer: II. Versicherungswesen. 2% Bogen; Eberhard Gothein: II. Bergwesen. 2 Bogen u. Binnenschiffahrt. 1 Bogen; Eugen von Philippovich: II. Organisation der Volkswirtschaft. 10 Bogen und Geschichte der wirtschaftspolitischen Systeme und Theorien. 2 Bogen; Karl Oldenberg: Bedarf V k und Consum Vi, zusammen 1% Bogen; Karl Rathgen: Handelspolitik, Kolonien. 17 Bogen; Josef Schumpeter: Dogmen- und Methodengeschichte. 4 Bogen; Theodor Brinkmann: Landwirtschaftliche Betriebslehre. 4 Bogen, sowie: Paul Mombert: Bevölkerungswesen. 3 Bogen.

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Ludo Moritz Hartmann 19. November 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz; Fotokopie: Deponat Max Weber, BSB München, Ana 446

Heidelberg 19/XI9 Verehrtester Herr College! Ich möchte Sie heute gern um zwei Dinge bemühen: 1. um die Adresse des Herrn D r Hugo Ganz[-] Ich habe mit ihm ein 5 Stelldichein in Wien in fataler Weise verpaßt 1 und möchte unbedingt nicht nur die Unhöflichkeit, sei es auch verspätet, wieder gut machen, sondern ihm auch in einer mehr wissenschaftlichen] als politischen Angelegenheit schreiben. Vielen Dank im Voraus! 2. a möchte ich Sie fragen, ob man die Statuten der Wiener b Fakultä10 ten, laut denen Vertreter der Mc/ii-Ordinarien in diese delegiert werden, im Buchhandel oder sonst bekommen kann? Die Frage wird jetzt hier akut. Steht jetzt hinter diesen Delegierten bei Ihnen eine Organisation, welche dauernd funktioniert? welche von den Delegierten befragt resp. 15 informiert wird? wie funktioniert sie? ist die Sache (jetzt) irgendwie mehr als eine Farce? Ich wäre Ihnen wirklich sehr verbunden, wenn Sie einige Zeilen für mich übrig hätten, da ich selbst hier einer entsprechenden] Organisation 2 angehöre. Wie es früher in Wien stand, weiß ich von Jellinek. 3 -

a (üb)

b österr. > Wiener

1 Weber hatte vermutlich die Absicht, den Journalisten Hugo Ganz am Rande der Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik, die vom 27. bis 29. September in Wien getagt hatte, wegen der projektierten Presse-Enquete zu sprechen. 2 Gemeint ist die am 6. Mai 1909 gegründete „Vereinigung der Honorarprofessoren, ao. Professoren und Privatdozenten der Universität Heidelberg"; vgl. dazu Riese, Reinhard, Die Hochschule auf dem Wege zum wissenschaftlichen Großbetrieb. Die Universität Heidelberg und das badische Hochschulwesen 1 8 6 0 - 1 9 1 4 (Industrielle Welt. Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte, hg. von Werner Conze, Bd. 19). - Stuttgart: Ernst Klett 1977. 3 Georg Jellinek hatte dort von 1883 bis 1886 als Privatdozent gelehrt.

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Die Berichterstattung über die Wahrmund-Sache nach Deutschland hin war sehr befangen. 4 Erst jetzt sieht man aus der „Frkf. Zeitung", in welcher Weise man diesen (übrigens - bei aller Hochachtung - auch nicht zum Träger einer Idee geschaffenen, weil unpraktischen) Mann mißhandelt und zu vernichten versucht hat. 5 5

4 Der Innsbrucker Kirchenrechtler Ludwig Wahrmund hatte am 19. Januar 1908 dort einen Vortrag gehalten, der wenig später auch in veröffentlichter Form vorlag: Katholische Weltanschauung und freie Wissenschaft. Ein populärwissenschaftlicher Vortrag unter Berücksichtigung des Syllabus Pius X. und der Enzyklika „Pascendi Dominici Gregis". München: J. F. Lehmann 1908. Diese Schrift wurde am 2. März 1908 in Österreich „wegen Herabwürdigung von Leben und Einrichtungen der katholischen Kirche" konfisziert und Wahrmund Objekt einer scharfen Agitation von Seiten der klerikal ausgerichteten christlich-sozialen Partei, unterstützt vom Nuntius des Vatikans, mit dem Ziel, jenen von seinem Lehrstuhl zu entfernen. Vgl. dazu den Artikel von Thomas G. Masaryk, Der Fall Wahrmund in seiner kirchenpolitischen Bedeutung, in: Die Christliche Welt, Jg.22, Nr. 16 vom 16. April 1908, Sp. 4 0 0 - 4 0 3 . Der Druck auf die Regierung zeigte insofern Wirkung, als diese sich veranlaßt sah, Wahrmund nach Prag zu versetzen. Galt dieser im Jahre 1908 als „Märtyrer", als Vorkämpfer der Freiheit der Wissenschaft, so schlug die öffentliche Meinung ein Jahr später um, als anläßlich seines Konflikts mit der Prager juristischen Fakultät - es ging dabei um die Abhaltung kirchenrechtlicher Vorlesungen - bekannt wurde, daß es zwischen Wahrmund und dem Ministerium zu schriftlichen Absprachen gekommen war, denen zufolge seine zeitweilige Versetzung nach Prag durch die spätere Übernahme eines Ordinariats in Wien kompensiert werden sollte. Vgl. dazu die Artikel in der FZ: Nachklänge zum Fall Wahrmund, ebd., Nr.297 vom 26. Okt. 1909, 3. Mo. Bl„ S.2; Wahrmund und seine Kollegen, ebd., Nr.300 vom 29. Okt. 1909, 1. Mo. Bl„ S.1, sowie: Der Fall Wahrmund, ebd., 3. Mo. Bl„ S.2. 5 Weber bezieht sich auf den Artikel: Nochmals der Fall Wahrmund, in: FZ, Nr. 315 vom 14. Nov. 1909,4. Mo. Bl., S.2, in welchem anhand der zu seiner Rechtfertigung erschienenen Aktenpublikation Wahrmunds: Lehrfreiheit? Akten und Erläuterungen zum Fall Wahrmund. - München: J. F. Lehmann 1909, ein Fazit der ganzen Kontroverse gezogen wird: „Das Schriftchen bestätigt, was man schon wußte, daß Prof. Wahrmund sich im vorigen Jahre unter einem an Erpressung streifenden Drucke des Ministeriums Beck und unter dem Eindrucke, daß er von den liberalen Parteien schwachmütig im Stiche gelassen war, zu einem Kompromiß mit der Regierung hat bestimmen lassen, in dem er allerdings keine Preisgabe oder Einschränkung der Lehrfreiheit erblickt, das aber doch nach den Umständen, unter denen es geschlossen war, nicht anders beurteilt werden kann, als daß es dazu dienen sollte, den Schein der Lehrfreiheit zu wahren, im übrigen aber den Klerikalen den Willen zu tun. [...] Dagegen ergibt sich aus der Aktendarstellung, daß Wahrmund mit diesem Übereinkommen in schmählicher Weise betrogen worden ist, daß die heutige Regierung, obwohl zuerst Ministerpräsident Bienerth versichert hat, er werde den Pakt .loyal erfüllen', jetzt gar nicht daran denkt, dies zu tun, und die Umstände, unter denen die Bedingungen festgesetzt worden sind, lassen darauf schließen, daß von allem Anfang an Ministerpräsident Beck die Absicht gehabt hat, die von ihm getroffenen Abmachungen nicht zu erfüllen. Der Zweck der Übereinkunft war, Wahrmund eine Falle zu stellen und ihn so unschädlich zu machen. [...] Aus dem Verhalten der jetzigen Regierung wie der früheren ergibt sich, daß mit dem ganzen Handel nichts anderes beabsichtigt war, als Wahrmund dem Verlangen der Klerikalen entsprechend als Lehrer des Kirchenrechts zu

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Meine Frau und ich denken mit Vergnügen an das Zusammensein mit Ihrer Gattin und Ihnen, ich bitte um beste Empfehlung „höheren Orts"6 und verbleibe in vorzüglicher Hochschätzung Ihr Max Weber

beseitigen. Die perfide Art, in der das eingeleitet und durchgeführt worden ist, kennzeichnet die an den Verkehr von Roßtäuschern erinnernden Begriffe von moralischem Takt und persönlicher Wohlanständigkeit, die heute in der österreichischen Politik herrschen. Prof. Wahrmund selbst aber gewinnt durch seine Schrift nur wenig. [...] Um die Lehrfreiheit, darin hat die Broschüre recht, steht es in Österreich nicht gut, aber ob der Verfasser des Buches, der dem listenreichen Baron Beck auf die verschlungenen Pfade verschwiegener Abmachungen über die Vergebung von Lehrämtern folgte, in Anspruch nehmen darf, als ein zuverlässiger Verfechter der akademischen Freiheit zu gelten, muß auch jetzt noch in Zweifel gezogen werden." 6 Vermutlich eine ironische Umschreibung für Hartmanns Ehefrau.

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19. November

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Paul Siebeck 19. November 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Sehr verehrter Herr D r Siebeck! Ich nahm von Ihren Bemerkungen über den Verlagsvertrag (auch mit mir) Notiz, 1 bin gänzlich einverstanden, habe Ihren Brief an D r Plenge geschickt2 (er wird in der Sache sein subjektives Recht nicht preisgeben können), nehme auch davon Notiz, daß selbst[,j falls eine absolute Verständigung in der Sache nicht gelingt (sondern nur ein „anständiges" Verhältnis sich herstellt), er als Mitarbeiter möglich ist, u. schicke die ergänzten Durchschläge Ihrer Listen zurück. 3 Bis auf Weiteres Ihr freundschaftlich ergebenster Max Weber H. 19.11.9. 1 Paul Siebeck hatte am 17. Nov. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) Weber einen korrigierten zweiten Vertragsentwurf, der dessen Änderungsvorschläge vom 8. Nov. 1909 (oben, S. 3 0 5 - 3 1 4 ) „ohne Ausnahme" berücksichtigte, zugesandt und war in seinem beigefügten Schreiben auch auf sein Vertragsverhältnis mit Weber selbst eingegangen: „Wenn Sie die Leitung des .Handbuchs' in bindender Weise nur für eine Auflage übernehmen wollen, so ist der Abschluß eines Redaktionsvertrags vielleicht nicht notwendig. Über meine Gegenleistung für die Übernahme der Geschäftsleitung korrespondierten wir ja am 11. und 12. August a. c. [oben, S. 224 und 224, Anm. 6] Unsere brieflichen Vereinbarungen von damals können, wenigstens einstweilen, einen formellen Vertrag nach dieser Richtung ersetzen. Ich rekapituliere daher an dieser Stelle, daß Ich Ihnen zugesagt habe, Im Frühjahr 1910 und Im Frühjahr 1911 je M. 1250 - an eine von Ihnen zu bestimmende Adresse für die Zwecke der soziologischen Gesellschaft zu bezahlen." 2 Gemeint ist der Brief von Paul Slebeck an Weber vom 13. Nov. 1909; vgl. dazu Brief an Siebeck vom 8. Nov. 1909, oben, S. 311, Anm. 10. 3 Die von Weber zurückgeschickte Autorenliste - vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 8. Nov. 1909, oben, S.314, Anm. 12 - enthielt folgende Änderungen und Zusätze. Bei dem Artikel von Eberhard Gothein über Binnenschiffahrt stand der Zusatz: „(noch vorbehalten)". Gestrichen war der Beitrag von v. Phillppovich über Organisation der Volkswirtschaft. Bei dem Beitrag von Paul Mombert über Bevölkerungswesen, der drei Bogen umfassen sollte, korrigierte Weber: „endgültig nunmehr: 2" [die Ziffer zweifach unterstrichen], Von den im Anschluß daran aufgeführten, neu hinzugekommenen Autoren hatte Weber den ersten, irrtümlich nochmals aufgeführten gestrichen: (D r Hermann Mauer, Berl In Agrarcredit2% Bogen). Weber notierte dann weiter: ,,P[rlvat-]D[ozent] Plenge, Leipzig, Conjunkturen und Krisen 3 Bogen Geld u. Notenbanken^] Prof. v. SchulzeGävernitz (Freiburg): Cred/fbanken 4 Bogen^j Prof. Schumacher (Bonn) Börsenwesen 21/2 Bogen".

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Hermann Kantorowicz 20. N o v e m b e r 1909; H e i d e l b e r g Brief; eigenhändig G S t A Berlin, Rep. 92, Nl. Max W e b e r , Nr. 19, Bl. 5 - 6

Heidelberg 20/XI9 Verehrtester Herr College! Colljege] Jaffe wird Ihnen wohl „amtlich" von Redaktions wegen über die von Ihnen so freundlich angebotene Co/zen-Rezension geschrieben haben. 1 Sachlich liegt eine Schwierigkeit nur darin, daß wir Tönnies (sehr empfindsam!) nicht direkt vor den Kopf stoßen dürfen, indem wir die Ergänzungsbedürftigkeit seiner Darlegungen allzu dick unterstreichen, 2 also etwas warten müssen, ehe wir Ihre Rezension bringen. Aber ernster liegt es nach der formalen Seite. Ich bin weiß Gott kein Freund davon, daß man ein Blatt vor den Mund nimmt[,j und das Alter und die - |:bedauerliche, aber begreifliche und auch:| sehr berechtigte Verbitterung Cohen's dürften letztlich auch nicht entscheiden. Allein selbst seine leidenschaftlichsten Feinde innerhalb der (unter sich ganz verschieden „gerichteten") Kreise, die ich philosophisch schätze, haben nicht gewagt, ein derart verächtliches Urteil - in aller Form und absichtsvoll verächtlich - über die rein philosophischen Leistungen dieses Mannes auszu[sprech]ena wie Sie es thun. Leonard Nelson (ein ebenso grundgescheidter wie eingebildeter und anmaßender Patron) ist bei allen Leistungen:| nicht der Mann, eine „vernichtende" Kritik |:Coa Lochung.

1 Gemeint ist eine Rezension von Hermann Cohen, Ethik des reinen Willens (System der Philosophie, Teil 2), 2., rev. Aufl. - Berlin: Bruno Cassirer 1907; die Besprechung durch Hermann Kantorowicz ist erschienen in: AfSSp, Bd. 31, Heft 2,1910, S. 6 0 2 - 6 0 6 . 2 Tönnies' Stellungnahme zur Erstauflage von Cohens Ethik des reinen Willens, die 1904, ebd., erschienen war, findet sich in seinem Artikel: Ethik und Sozialismus. (Zweiter Artikel.), in: AfSSp, Bd. 29, Heft 3, 1909, S. 8 9 5 - 9 3 0 ; über Cohen, ebd., S. 9 0 1 - 9 2 3 . Tatsächlich sah sich die AfSSp-Redaktion veranlaßt, das Erscheinen der Rezension durch Kantorowicz in einer Anmerkung zu begründen: „Obwohl das Buch in seiner ersten Auflage bereits eine eingehende Würdigung durch Tönnies [...] erfahren hat, hat die Red[aktion] doch geglaubt, auch diese Besprechung der nunmehr erschienenen 2. Auflage zum Abdruck bringen zu sollen, da sie lediglich die rechtsphilosophische Seite betrifft, während sich die T[önnies]sche ausschließlich mit der sozialphilosophischen Seite beschäftigte." (wie Anm. 1, S.602).

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hen's: | zu leisten ;3 - noch so viele Punkte, in denen er Recht hat, werden, glaube ich, nicht leicht geeignet sein, seiner Kritik den Stempel des ziemlich bösartig Tendenziösen von der Stirne wegzuwaschen. Selbstredend haben Sie in schlechthin allem Juristischen (einschließlich des Rechtsphilosophischen) ganz recht. Aber ich bin, trotz der groben Schnitzer auf diesem Gebiet, dennoch nicht der Ansicht, daß er damit als Philosoph, auch nicht als Ethiker, „abgethan" sei. Es sind die Besten und Tüchtigsten innerhalb der sozialistischen Bewegung (keineswegs nur „Neukantianer" wie Adler 4 es - relativ! - ist), welche durch ihn u. durch keinen Andren aus der Plattheit des philosophischen Denkens, in die Alles dort zu versinken drohte, herausgehoben wurden. Stammler ist doch nicht etwa eine „selbständige" Größe neben ihm! Niemals werde ich mir erlauben, einem Mitarbeiter, vollends Jemandem, den wir, wie Sie, gern als häufigen Mitarbeiter gewinnen möchten, in seine Arbeit hineinzureden. Bestehen Sie (auch außerhalb des rectephilosophischen Teils der Kritik) auf der Schärfe Ihrer Ausdrücke, - so ist das Ihr für mich unangreifbares Recht. 5 So haben wir es immer gehalten u. so wird es, seien Sie sicher, immer sein. Aber auf Grund unserer, bisher ja |:erst:| nur selten durch persönliche Begegnung zum Ausdruck gekommenen, freundlichen Beziehungen nahm ich mir die Freiheit Ihnen offen meine, subjektive, unmaßgebliche,

3 Das Buch von Hermann Cohen, Logik der reinen Erkenntnis (System der Philosophie, Teil 1).-Berlin: Bruno Cassirer 1902, war von Leonard Nelson in äußerst scharfer Weise in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen, Bd. 167, 1905, S. 610-630, rezensiert worden. Offensichtlich hat Kantorowicz seine entsprechende Textpassage etwas umgeändert, da nur noch von „Nelsons unwiderlegt gebliebener Kritik" (wie Anm. 1, S. 603) die Rede ist. 4 Gemeint ist Max Adler. 5 Zwar hat sich Kantorowicz in seiner Rezension auf die juristischen und rechtsphilosophischen Teile des Cohenschen Werkes beschränkt, diese aber in denkbar größter Schärfe einer Kritik unterzogen, die dann mit folgendem Fazit schließt (wie Anm. 1, S. 606): „Wir vermissen an ihm die Kenntnis auch nur der Elemente des positiven Stoffes, jede Gründlichkeit der Behandlung, Klarheit der Begriffe, alles Eingehen auf die ernsthaften und erfolgreichen Bemühungen der Spezialforschung. Das ist die Art Rechtsphilosophie, die diesen Zweig des Wissens trotz seiner eminenten idealen und praktischen Bedeutung in Mißkredit gebracht hat. Das ist die ,via regia', die schon einmal die Philosophie an den Rand des Abgrunds geführt hat. Seit der Naturphilosophie der Schellingianer ist etwas ähnliches nicht dagewesen. Wer unser Urteil allzu hart findet, erwäge, daß ein Mann von Cohens Ansehen und Verdienst beanspruchen darf, daß seine Werke mit dem höchsten Maßstab gemessen werden. Dieses Werk kann freilich auch die mildeste Beurteilung nicht vertragen. Es wird an der Rechtsphilosophie, deren Freunde es mit Schmerz und Zorn erfüllen muß, spurlos vorübergehen."

20. November 1909

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Ansicht zu sagen: so sollte man, glaube ich, zwar Stammler, R[ichard] Schmidt e tutti quanti angreifen, aber nicht Cohen, - dem ich selbst ganz fern stehe. Sie mißverstehen das ja nicht? Mit collegialer Empfehlung und 35 bestem Gruß Ihr sehr ergebener Max Weber

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1. Dezember 1909

Gustav von Schmoller 1. D e z e m b e r 1 9 0 9 ; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g G S t A Berlin, Rep. 196, Nr. 72, Bl. 139

Heidelberg 1. XII. 9 Hochverehrter Herr Professor! Mit Schrecken fällt mir ein, daß ich die Aufforderung zur Annahme meiner Wiedercooptation in den Ausschuß 1 noch nicht beantwortet habe, - ich hielt sie für selbstverständlich und daher unnötig, und erst ein 5 Mahnschreiben von Herrn D r Geibel 2 belehrte mich vom Gegenteil. Ich würde für die erste Januarwoche als Termin für die Sitzung des Ausschusses sein, - oder aber für einen Termin in der ersten Märzwoche, die mir aber weniger angenehm wäre. 3 Außer dem Vorschlag, die Enquete über die innere Verwaltung durch 10 Heranziehung von Gutachten der Interessenten eventuell zu ergänzen, 4 habe ich z. Z. Anträge nicht zu stellen. - Die Enquete über die „Ausle-

1 Gemeint ist der Ausschuß des Vereins für Sozialpolitik. 2 Carl Geibel, der Verleger von Duncker & Humblot, war Schriftführer des Vereins. 3 Die nächste Ausschußsitzung des Vereins für Sozialpolitik fand am 15. Mai 1910 in Dresden statt. 4 Weber bezieht sich hier auf den Unterausschuß des Vereins für Sozialpolitik zur Reorganisation der preußischen Verwaltung, dem er seit dessen Konstituierung am 12. Oktober 1908 angehörte. In einer Ausschußsitzung vom 26. September 1909 hatte er angeregt, daß nicht nur Beamte als Bearbeiter der geplanten Bände über Verwaltungsorganisation in Frage kommen sollten: „Auch die Interessenten auf Seiten der Regierten seien zum Worte zu lassen. Natürlich mit Auswahl. So sei es z. B. gewiß empfehlenswert, wenn der Unterausschuß an die Handelskammern heranträte, damit sie geeignete Persönlichkeiten benennen könnten. Für die beabsichtigten Veröffentlichungen des Vereins sei es übrigens belanglos, ob bei der preußischen Regierung die Absicht bestehe, umfassende oder nur geringfügige Änderungen in der Verwaltungsorganisation eintreten zu lassen." Hier zitiert nach dem gedruckten Protokoll: Sitzungen des Ausschusses am Sonntag den 26. und Dienstag den 28. September 1909 in Wien (British Library of Poiiticai and Economic Science, London, Nl. Ignaz Jastrow, Mise. 114), S.2. Webers eigentliches Interesse an einer Analyse formaler Organisationen hatte er prägnant in einer Unterausschußsitzung am 28. Dezember 1908 zum Ausdruck gebracht: „Woher rührt das ständige Fortschreiten der bureaukratischen Präzisionsmaschine und wie kann man gegen dieses Fortschreiten resp. gegen die Schattenseiten dieses Prozesses ankämpfen? Eine Analyse des bureaukratischen Mechanismus und seiner Begleiterscheinungen erscheint ihm sehr wichtig." Hier zitiert nach dem Protokoll: Sitzung des Unterausschusses, welcher die Reorganisation der preußischen Verwaltung einschließlich der Vorbildung der Beamten beraten soll, ebd., S.2.

1. Dezember 1909

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se" verläuft langsam, - wie zu erwarten, - aber anscheinend befriedigend. Das Institut Solvay macht etwas Ähnliches in Belgien. 5 In der Hoffnung, Sie in Berlin im besten Wohlsein anzutreffen, Ihr 25 in Verehrung stets ergebenster Max Weber

5 Vermutlich denkt Weber hierbei an die Untersuchungsreihe des Instituts Solvay: Recherches sur le travail humain dans l'industrie. Der einzige Beitrag zu diesem Projekt ist ein Jahr später erschienen: Slosse, Auguste und Waxweiler, Emile, Enquête sur l'alimentation de 1065 ouvriers belges (Instituts Solvay. Travaux de l'Institut de sociologie, fasc. 9 des Notes et mémoires). - Bruxelles: Misch et Thron 1910.

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3. Dezember 1909

Georg Jellinek [vor dem 3. Dezember 1909]; o. O. Brief; eigenhändig BA Koblenz, Nl. Georg Jellinek, Nr. 31 Die Datierung ist erschlossen aus einer Korrespondenz in der Personalakte Georg Jellinek (UA Heidelberg, PA 1772), derzufolge dieser am 3. Dezember 1909 um Aussetzung seiner Vorlesung gebeten hat; Webers Bitte an Jellinek, seine durch Krankheit unterbrochene Lehrtätigkeit vorerst nicht fortzusetzen, muß demnach vor diesem Zeitpunkt anzusetzen sein. Als alternative Datierung käme noch Ende April/ Anfang Mai 1910 in Frage: In diesem Falle wäre allerdings Webers Bitte auf keine Resonanz gestoßen. Laut Mitteilung Hans v. Schuberts an das badische Kultusministerium vom 4. Mai 1910 (ebd.) hat Jellinek nämlich mit Beginn des Sommersemesters seine Vorlesungstätigkeit wieder aufgenommen.

Lieber Freund, mich läßt die Sorge nicht los, daß Sie jetzt wieder anfangen zu lesen. Es liegt im dringendsten Lebensinteresse der Universität, daß Sie Sich nicht der Gefahr eines erneuten nervösen Collapses aussetzen, was unbedingt der Fall ist, wenn Sie davon nicht Abstand nehmen! Ich bitte Sie sehr herzlich, dies doch zu erwägen und auch zu bedenken, welch andre große Angelegenheit vielleicht Ihrer leitenden Hand bald bedürfen könnte! 1 ' 1 Das Alles steht so turmhoch über der (relativ) lächerlich gleichgültigen Frage, ob Sie es ertragen, jetzt ein Colleg fortzusetzen, daß ich es kaum verzeihlich fände, wenn Sie Ihren begreiflichen Drang zum Katheder nicht zügelten. Kein Arzt kann da etwas „garantieren", ich weiß es. Ihre Freunde hier sind [in]a dem Wunsch, daß es nicht geschehen möge, alle mit mir einig. Bitte - denken Sie an die wichtigen Dinge, und nicht an b Ihr momentan vielleicht gutes Befinden. So schnell

Denn wenn ich auch stets zu Ihrer Verfügung bin, - und müßte ich als Ihr Bevollmächtigter nach Washington reisen! - so doch nur unter der Bedingung, daß ich eben Ihre Instruktionen habe. Sonst verbietet es mir mein Gewissen. a Lochung.

b (die)

1 Webers Bemerkung bezieht sich auf Jellineks Projekt einer deutsch-amerikanischen Akademie für Internationales Recht.

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ist so etwas nicht spurlos fort u. ein zweiter Collaps würde psychisch so schwerwiegend wirken können, schwerer als Sie jetzt denken! Also: seien Sie verständig! thun Sie es nicht. In herzlicher Freundschaft Ihr Max Weber

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3. Dezember 1909

Edgar Jaffe 3. D e z e m b e r 1 9 0 9 ; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g Privatbesitz Im folgenden Brief äußert sich Weber kritisch zu einem Manuskript von Richard Calwer, das als Auftakt zu einer von 1910 ab regelmäßig im AfSSp erscheinenden „sozialpolitischen Berichterstattung" abgedruckt werden sollte. Weber hatte Calwer schon im Dezember 1908 während eines Aufenthaltes in Charlottenburg bzw. Berlin für dieses Projekt interessieren können (vgl. Brief an Jaffe vom 30. Dezember [1908]; MWG II/5, S. 707f.). Richard Calwer schien für diese Tätigkeit insofern prädestiniert zu sein, als er als Verfasser des Jahrbuches „Das Wirtschaftsjahr" über die nötige Erfahrung dafür verfügte. Tatsächlich ist nach längeren Verhandlungen Im Oktober 1909 ein Verlagsvertrag zwischen Jaffe bzw. Paul Siebeck und Calwer zustande gekommen, der aber von letzterem - offensichtlich infolge der massiven Kritik Webers und wohl auch Jaffes an seinem Bericht - noch im Dezember wieder aufgekündigt wurde. Als Nachfolger konnte noch im selben Monat Emil Lederergewonnen werden, der d a n n - t r o t z einiger Anfangsschwierigkeiten, vgl. dazu die Briefe an Jaffe [vor dem 25. Dezember 1909] sowie [nach dem 18. Februar 1910], unten, S.343f. und 410, - die sozialpolitische Berichterstattung über zwei Jahrzehnte hinweg betreut hat.

Heidelberg 3. XII. 9 Lieber Jaffe! Der erste „sozialpolitische] Bericht" von Herrn Rfichard] Calwer ist auch mir eine sehr schwere Enttäuschung: offenbar sind doch unsre beiderseitigen Vorstellungen von Dem, um was es sich da handelte, äußerst verschieden geblieben. Zunächst ganz allgemein: es handelt sich um den ersten Bericht. Da habe ich als ganz selbstverständlich angenommen, daß doch eine allgemeine Charakterisierung der Periode, in welcher sich die Vorgänge, von denen die Rede ist, abspielten, vorgenommen werden würde und daß aus dieser Charakterisierung heraus - wie es Calwer im „Wirtschaftsjahr"1 that - so viel wie möglich von ihnen „erklärt" werden würde, oder: daß |: diesmal: | überhaupt von Einzelheiten abgesehen und nur die allgemeine politisch-ökonomisch-sozialpolitische Conjunktur zur Darstellung gelangen werde. So wie der Bericht jetzt ist, plumpst der Leser

1 Das von Richard Calwer verfaßte, seit 1903 jahrgangsweise veröffentlichte: Wirtschaftsjahr. Jahresberichte über den Wirtschafts- und Arbeitsmarkt. Für Volkswirte und Geschäftsmänner, Arbeitgeber- und Arbeiterorganisationen, in jeweils zwei umfangreichen Bänden, brachte zum einen eine nationale Übersicht über „Handel und Wandel in Deutschland", während der zweite Teil unter dem Titel „Jahrbuch der Weltwirtschaft" sich der internationalen Wirtschaftsentwicklung widmete.

3. Dezember

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mitten hinein in lauter Einzelheiten, die ganz unvermittelt als Notizen neben einander stehen und auch so stehen bleiben, ohne daß irgend ein einigendes Band gesucht wird. Nun sind überdies einige dieser Rubriken sehr breit geworden, 3 indem das Material ohne Interpretation seiner Bedeutung in vollstem Umfang vorgeführt wird, andre Rubriken fehlen (Bund der Landwirthe, Bauernbund, Genossenschaften, Consumvereine, politische Parteien, Stellung der konfessionellen A[rbeiter]-Organisationen), obwohl darin unzweifelhaft mancherlei passiert ist. Sodann fehlt die von mir s. Z. erbetene Angabe der Quellen, welche es ihrerseits Cfalwer] wieder gestattet hätte, manche wiedergegebenen Tarifverträge u. dgl. sehr viel kürzer b zusammenzustreichen, bis auf die Hauptpunkte, oder statt der Wiedergabe einen | :mit Quellenangabe versehenen: | Hinweis auf die entscheidenden Änderungen gegen0 den vorherrschenden Zustand und Feststellung: nach welcher Richtungstendenz hin die Verschiebungen liegen? Es fehlt vor Allem jede Zusammenfassung dieser ganz heterogen nebeneinanderstehenden Berichte und Notizen. Ich bin der bestimmten Meinung, daß Herr Calwer sich durch die Publikation dieser Berichterstattung - wenn das sein letztes Wort ist - direkt schaden würde, denn man ist gewohnt, an seine Arbeiten einen sehr hohen Maßstab anzulegen. Vielleicht hat es ihm diesmal einfach an der nötigen Zeit gefehlt, oder ist die Matena/einsammlung nicht rechtzeitig in Gang gekommen - es ist ja überhaupt nicht recht ersichtlich gemacht: welche Periode die Berichterstattung umfaßt? Ich bin eigentlich, auch auf Grund der älteren Correspondenzen, fest überzeugt, daß Cfalwer] selbst das Bedürfnis empfinden muß, seine Berichterstattung auf die Höhe seines „Wirtschaftsjahrs" zu heben, und es nur diesmal nicht mehr hat durchführen können. M.E. würde es sich dringend empfehlen, \:entweder.\ die großen Hauptrubxiken über die einzelnen Hefte zu verteilen, so daß C[alwer] ein längerer Zeitraum für die Berichterstattung über jede Rubrik vorläge, - oder aber den ganzen Charakter der Berichterstattung zu ändern und sie zu einer fortlaufenden Sammlung der Quellendzu machen 0 (unter nur ganz kurzem Resumé über die '' also: der in Gewerkschaftsblättern, Genossenschaftsblättern, Correspondenzen aller Art, Zeitungen u.s.w. u.s.w. erscheinenden, für die Orientierung wichtigen Artikel, Statistiken, Aufrufe u. dgl. e a ( a n d r e d ü ) b (zu fassen resp.) ergänzt, e ( u m z u - )

c (vorher)

d Fehlt in 0 ; zu machen sinngemäß

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3. Dezember 1909

größere oder geringere Bewegtheit des betreffenden Gebietes u. deren allgemeine Gründe)' (|:z.B. in der Rubrik: „Streiks" w\ viel oder wenig Streiks z.B., Richtungstendenz des Ausfalls, - dann: Nachweis, wo die authentischen Quellen darüber, d.h. über die einzelnen wichtigeren Streiks, zu finden sind). 5 Ich würde eigentlich zu dem konkreten Vorschlag gelangen: Herrn Calwer vorzuschlagen, den ersten, das ganze Jahr 1909 |:(oder: 1/VII—31/XII 09):| umfassenden, Bericht im Märzheft erscheinen zu lassen, und zwar entweder: als eine (oder: mehrere) Rubriken (z.B. Gewerkschaften, Streiks u.s.w.) allein umfassend, - die andren dann in 10 späteren |:Heften:|, und nicht notwendig auch grade denselben Zeitraum umspannend (z.B. könnte das Juliheft dann die agrarische Bewegung u. dgl. bis 1 . I V J 0 umfassen, - oder, als Bericht über die politischökonomisch-soziale Conjunktur)9. Herzl. Gruß! 15 Ihr Max Weber

f Klammer fehlt in O.

g Klammer fehlt in O.

6. Dezember 1909

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Paul Siebeck [vor oder am 6. Dezember 1909]; o. 0 . Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Datierung erschlossen aus Verlagsvermerk: „6.

12.09beantw."

Sehr geehrter Herr D r Siebeck! Ich überreiche Ihnen beiliegend einen Brief des Herrn D r Plenge, der, wie ich denke, Sie befriedigen wird.1 Sie selbst haben ja s.Z. - immer unter Vorbehalt Ihres prinzipiellen, (von Pl[enge] selbst als generell 5 berechtigt anerkannten) Standpunktes - die Besonderheit des Falles anerkannt (in Ihrem Brief an Bücher, 2 den ich mit der ganzen Correspondenz Ihnen anbei wieder zurücksende) und sogar die Consequenz

1 Gemeint ist der Brief von Johann Plenge an Max Weber vom 1. Dez. 1909; ein maschinenschriftlicher Auszug befindet sich im VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446. Plenge zeigt sich darin bereit, die Differenzen mit Paul Siebeck (zu dem Grund des Konflikts vgl. Brief an Siebeck [nach dem 20. April 1909], oben, S. 104, Anm. 13) aus der Welt zu schaffen: „Ich gestehe gern zu, daß ich mich über den Briefwechsel [d.h. den von 1908] nicht freue und, daß er auch von meiner Seite, namentlich beim Abschluß, zweifellos beleidigende Formen angenommen hat, die mir nicht lieb sind. Bei völlig kaltem Blut wäre das nicht eingetreten und namentlich ist es durchaus meine eigene Schuld, daß ich auf Grund einer einseitigen Auffassung von meinem Verhältnis zum Verlag von Laupp zu den Ansprüchen kam, die der regulären Erledigung der Geschäfte nicht entsprechen. Wie ich Ihnen schon mündlich gesagt habe, fällt es mir nicht im geringsten ein, bei einem normalen Aufsatz, bei einem Artikel im Handbuch usw. usw. Ersatz der Korrekturkosten zu beanspruchen, in allen solchen Fällen sind nachträgliche Änderungen selbstverständlich mein Verschulden. Das habe ich nie in Frage gestellt, und bleibe also nur auf meinem alten Standpunkt, wenn ich erkläre, daß ich solche Nebenforderungen beim Handbuch nicht stellen werde. Indem ich aber aus den ganz besonderen Umständen des damaligen Falles heraus ein Entgegenkommen erwartete, das der bloße Autor eines Zeitschriftenaufsatzes vom Verleger der Zeitschrift zu beanspruchen nicht berechtigt ist, gab ich den ersten Anstoß zu jener unerfreulichen Korrespondenz, und muß mir nun selber sagen, daß ich es zu jenem gewaltsamen Abschluß nicht hätte kommen lassen sollen. Vielleicht schimmert noch ein Rest sachlicher Mißstimmung durch, aber das ist nun einmal nicht zu ändern und über diese sachliche[n] Meinungsverschiedenheiten können auch die schönsten Erklärungen der Welt vorläufig nicht hinweghelfen. Herr Dr. Siebeck wird aus diesem Briefe ersehen, daß ich den Wunsch habe, daß die formalen Unerquicklichkeiten jener Korrespondenz vergehen werden, und daß ich ehrlich das Meinige tue, damit das geschieht. Das wird genügen. Denn sachlich steht ja nur meine Mitarbeit am Handbuch zur Diskussion, und es ist wohl das zweckmäßigste, daß die Korrespondenz über diesen sachlichen Gegenstand rein geschäftsmäßig beginnt, wann und wie es Ihnen beliebt." 2 Weber bezieht sich auf den Brief von Siebeck an Karl Bücher vom 25. Nov. 1908 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 243).

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6. Dezember 1909

ev. nachträglicher Zahlung an Pl[enge] zu ziehen nicht als unbedingt unmöglich angesehen. Dies ist ja nun Alles erledigt und Plenge hat, während Sie, ganz begreiflicherweise und als der Ältere, nur objektive Fehler, infolge starker Erregung, anerkannt haben, seinerseits Ihnen die Genugthuung gegeben, nicht nur anzuerkennen, daß er beleidigend geworden ist und dies jetzt nicht angenehm empfindet, sondern auch das Verschulden an dem entstandenen Mißverständnis auf sich zu nehmen. Ganz leicht wird das ja Niemandem. Ich meine eigentlich, die Sache wäre so weit gediehen, daß die Herren sich dahin einigen könnten, daß 1) beiderseits sachliche Mißverständnisse vorlagen, daß 2) beiderseits in a Folge von 3 Erregung Fehler in dem Verhalten dem Andern gegenüber gemacht wurden, welche diesen beleidigen konnten und welche 3) beiden 0 Teilen „nicht lieb" sind und der Vergessenheit anheimgegeben werden sollen. Ich halte Pl[enge]'s wiederholte Versicherung, daß es ihm nicht grade auf das Geld angekommen sei, sondern auf einen Ausdruck der Gesinnung, die ihn mit „seinem" Verleger (im alten Sinn der persönlichen Beziehung) verbinde, für subjektiv durchaus ehrlich. Hoffentlich verständigen wir uns hier über die endgültige Erledigung. Im Übrigen bitte ich Sie notieren zu wollen, daß D r Plenge 1) Geldund Geldsurrogatwesen in 7Bogen behandeln wird, 2) Krisen und Conjunkturen in 3 Bogen3[,] Prof. v. Gottl: „Wirtschaft und Technik" in 2 Bogen4[,] Prof. Lötz (und |:eventuell mit ihm gemeinsam: | D r Vogelstein): Theorie des Verkehrswesens auf 2 Bogen (Verlagsvertrag möchten die Herren erst im Frühjahr schließen, da hindernde Umstände eintreten können) 0 . 5

a g r o ß e r > Folge von

b O: b e i d e

c Klammer fehlt in 0 .

3 Obschon sich Weber um die Mitarbeit von Johann Plenge intensiv bemüht hat und obgleich ein Verlagsvertrag mit diesem zustande gekommen ist, war sein Engagement letztendlich vergeblich. 1913 ist Plenge krankheitshalber aus dem GdS ausgeschieden. Einen Ersatz für den Plenge zugewiesenen Artikel über Geld- und Geldsurrogatwesen hat es nicht gegeben. Stattdessen hat dann Emil Lederer einen Beitrag für das Handbuch mit dem Titel: Konjunktur und Krisen verfaßt, der in: GdS, Abt. IV, Teil 1. - Tübingen: J.C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1925, S. 3 5 4 - 4 1 3 , erschienen ist. 4 Der Beitrag von Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld, Wirtschaft und Technik, ist erschienen in: GdS, Abt. I I . - T ü b i n g e n : J . C . B . Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 1 9 9 - 3 8 1 . 5 Der Vertrag mit Walther Lötz ist erst im Sommer 1910 abgeschlossen worden; vgl. Brief an Oskar Siebeck vom 2. Aug. 1910, unten, S. 593.

6. Dezember

1909

331

Über den Rest des Agrarwesens stehe ich seit längerer Zeit mit Wittich, über Transportwesen (außer der Verkehrstheorie) mit Wiedenfeld0, über 6 Capitalismus und Arbeit mit Harms (der im Prinzip geneigt ist), in Verhandlung. 6 5 Der Besuch Ihres Herren Sohnes ist mir |: Mittwoch :| sehr willkommen; ich hoffe, daß nicht irgend einer meiner „bösen Tage" dazwischen kommt, die bisher in diesem Winter ausgeblieben sind. 7 Ich erwarte Ihren Herrn Sohn unmittelbar nach seiner Ankunft und bitte ihn, zu Tisch unser Gast zu sein. 10 Mit freundschaftlichen Grüßen Ihr ergebenster Max Weber

d (inCorr)

e (Soz)

6 Werner Wittich und Kurt Wiedenfeld haben in der Folge die ihnen zugedachten Artikel übernommen, während Bernhard Harms eine Mitwirkung schließlich abgelehnt hat. Zu Wittich vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 27. Febr. 1910, unten, S.414. Wiedenfelds Mitarbeit ist im gedruckten Stoffverteilungsplan des Verlages vom Mai 1910 (VA Mohr/ Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446, siehe unten, S. 766-774) vermerkt; zur Ablehnung von Harms vgl. Brief an Siebeck vom 9. Febr. 1910, unten, S. 400. 7 Die Gespräche zwischen Oskar Siebeck und Weber fanden - wie vorgesehen - am Mittwoch, dem 10. Dezember 1909, in Heidelberg statt.

332

11. Dezember

1909

Heinrich Rickert [vor dem 11. Dezember 1909]; o. 0 . Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 25, Bl. 42 Der unten abgedruckte Brief sowie die folgende Korrespondenz mit Rickert [vor dem 11. Dezember], [am oder nach dem 12. Dezember], vom 16. Dezember sowie [am oder nach dem 16. Dezember 1909], unten, S.334f„ 336, 337f. und 339, stehen im Zusammenhang mit der Gründung der kulturphilosophischen Zeitschrift „ Logos". War die Idee zu dieser neuen Zeitschrift von dem russischen Philosophen Sergius Hessen ausgegangen, so war es in erster Linie Rickerts Aktivitäten zu verdanken, daß im September 1909 Paul Siebeck als Verleger für die deutsche Ausgabe gewonnen wurde und damit das Projekt in ein konkreteres Stadium treten konnte. Als verantwortliche Redakteure figurierten die Freiburger Rickertschüler Georg Mehlis und Richard Kroner sowie in Heidelberg der Windelbandschüler Arnold Rüge; zu des letzteren Konflikt mit der Freiburger Logosredaktion vgl. die Briefe an Rickert [vor oder am 13.] sowie 20. März 1910, unten, S. 428-431 und 434-436. Im Mittelpunkt der folgenden Schriftstücke an Rickert steht dessen Bemühen, Weber und Georg Simmel für eine enge Mitarbeit am „Logos" zu gewinnen, eine Mitarbeit, die durch beider Nennung auf dem Titelblatt der Zeitschrift dokumentiert werden sollte, was bei diesen aus jeweils höchst verschiedenen Gründen zwar auf mehr oder minder große Bedenken stieß, welche aber letztlich von Rickert ausgeräumt werden konnten. Der Datierungsvorschlag geht von der Annahme aus, daß Rickert in dem unten von Weber erwähnten Brief diesen aufgefordert hat, seinen Einfluß auf Simmel geltend zu machen, um ihn für die Mitarbeit am „Logos" zu gewinnen. Simmeis Reaktionen auf Webers vermutlich umgehend erfolgte Anfrage finden ihren Niederschlag zunächst in einem undatierten Brief [vor dem 11. Dezember 1909] sowie dann anschließend in einer Karte vom 11. Dezember 1909 (zum Wortlaut der Schriftstücke vgl. die Editorischen Vorbemerkungen zu den Briefen an Heinrich Rickert [vor dem 11.] und [am oder nach dem 12. Dezember 1909], unten, S. 334 und 336). Ihre Datierung ist für den hier abgedruckten Brief an Heinrich Rickert als terminus ante quem anzusehen.

Lieber Rickert! Vielen Dank für Ihren eingehenden Brief, den ich heute nur kurz l) beantworten kann: l)Ich werde sofort an Simmel schreiben,1 obwohl ich nicht so hoch von meinem Einfluß auf ihn denke, wie Sie. Dies bedeutet, daß ich - 2) auch, trotz aller Bedenken, |:im Prinzip:| nichts s mehr dagegen einwende, mit auf dem Titel einer Zeitschrift zu stehen, Ich bin z. Z. mit der Durchsicht einer russischen Übersetzung meines Anti-Stammler-Aufsatzes beschäftigt. 2 Sehr anstrengend!

1 Korrespondenzen mit Georg Simmel sind nicht nachgewiesen. 2 Diese Übersetzung ist nicht erschienen.

11. Dezember

1909

333

von deren Inhalt ich 2A—3/t nicht beurteilen kann. - 3) Ich werde im ersten Jahrgang unbedingt vertreten sein, bitte Sie aber,für jetzt davon abzusehen, mich zur Festlegung auf ein Thema zu veranlassen. 3 - Z. Z. bin ich mit sehr lästigen Arbeiten (Antikritiken u. dgl.) unangenehm belastet 4 u. habe allerhand andre Pläne zu fördern. Aber ich komme bestimmt im ersten Jahr. - Wann ich Sie besuchen kann, vermag ich heute noch nicht sicher zu sagen. So bald als möglich sicherlich. Aber ob schon Weihnachten? ist die Frage. Meine Frau wird dann nicht gut abkommen können. Sehr herzlich freut mich Ihr prächtiger Collegerfolg. 5 Wollte Gott, man erlebte qualitativ an Windelband auch Freude. - A b e r . . . aber... Von den Vorschlags-Vorgängen wußte ich schon. Ein Skandal! Sie werden nun wohl etwas recht Sekundäres erhalten! 6 Für heute nur herzliche Grüße von uns beiden! Ihr Max Weber.

3 Einem Schreiben von Georg Mehlis an Paul Siebeck v o m 21. Nov. 1910 zufolge (VA M o h r / S i e b e c k , Tübingen, Nr. 287) hatte W e b e r für das vierte Heft einen Aufsatz über Tolstoi zugesagt; dieser ist j e d o c h nie erschienen. W e b e r s erster Artikel im „ L o g o s " ist erst 1913 veröffentlicht w o r d e n : Über einige Kategorien der v e r s t e h e n d e n Soziologie, ebd. Bd. 4, Heft 3, S. 2 5 3 - 2 9 4 ( M W G 1/12). 4 G e m e i n t ist W e b e r s : Antikritisches z u m „ G e i s t " d e s Kapitalismus, erschienen Ende Januar 1910, in: A f S S p , Bd. 30, Heft 1, S. 1 7 6 - 2 0 2 ( M W G I/9). 5 Rickert hatte im W i n t e r s e m e s t e r 1 9 0 9 / 1 0 in seiner V o r l e s u n g über Wissenschaftslehre/ Philosophie 132, in derjenigen über G o e t h e s Faust 2 2 2 Zuhörer (UA Freiburg i.Br., A k a d e m i s c h e Quästur, W i n t e r - S e m e s t e r 1 9 0 9 / 1 0 ) . 6 Es geht hierbei um die W i e d e r b e s e t z u n g d e s Lehrstuhls für neuere d e u t s c h e Literatur; vgl. dazu Brief an Friedrich M e i n e c k e v o m 29. Juni [1909], oben, S. 1 5 8 - 1 6 0 . Über die internen Vorschlagsvorgänge hat sich Rickert in e i n e m Brief an Emil Lask v o m 15. Dez. 1909 (UB Heidelberg, Heid.Hs. 3820) sehr plastisch geäußert: „Als Ordinarius ist R.M. Meyer allein v o r g e s c h l a g e n . Unsere Abteilung hatte mit großer Mehrheit Hensel [gemeint ist Paul Hensel] an 1. Stelle gesetzt, w o r o b Kluge [der Vertreter der d e u t s c h e n Philologie] schäumte. Er hat es fertig gebracht, daß die Naturforscher g e s c h l o s s e n uns brutal niederg e s t i m m t haben! Dann sind 2 als Extraordinarien v o r g e s c h l a g e n : Petersen u. Witkop. Petersen soll schauderhaft u n b e d e u t e n d sein. M e i n e c k e formulierte die B e g r ü n d u n g seiner A b l e h n u n g s o : ,ich will lieber auf d e m Riff Witkops scheitern, als auf der Sandbank Petersen s t e c k e n bleiben.' Kluge begeisterte sich für Petersen, von d e m er nie eine Zeile gelesen hat! P. gehört offenbar zu d e n e n , von d e n e n Heine sagt: .Diesen liebenswürdigen Jüngling kann man nicht g e n u g empfehlenV Was die Regierung t h u n wird, weiß Niemand." Tatsächlich ist laut Ministerialerlaß v o m 31. Dez. 1909 (UA Freiburg i.Br., Philos o p h i s c h e Fakultät, II 3) der Heidelberger Privatdozent Philipp Witkop z u m Extraordinarius ernannt w o r d e n .

334

11. Dezember 1909

Heinrich Rickert [vor dem 11. Dezember 1909]; o.O. Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep.92, Nl. Max Weber, Nr.25, Bl. 101 Der Brief befindet sich auf der Schlußseite eines Schreibens von Georg Simmel an Weber, dessen Anfangsseiten nicht'erhalten sind. Die Datierung des Briefes ergibt sich aus der Art und Weise, in welcher Simmel in dem unten wiedergegebenen Brieffragment sowie in der nachfolgenden Karte vom 11. Dezember 1909 (abgedruckt in der Editorischen Vorbemerkung zum Brief an Rickert [am oder nach dem 12. Dezember 1909]) auf das Bemühen der Logosredaktion um seine Mitarbeit eingeht. Während er in dem Brieffragment lediglich mitteilt, daß noch niemand sich an ihn gewendet habe, so präzisiert er - man darf annehmen: auf Veranlassung von Webers weiterer Korrespondenz hin - in seiner Karte vom 11. Dezember 1909, daß er seit dem Besuch von Sergius Hessen nichts mehr von der Sache gehört habe. Die erhaltenen Teile des Simmelbriefes, soweit sie den „Logos" betreffen, und die dazugehörigen Marginalien Webers lauten: „freilich, daß mit der abhängigmachung [von Weber mit Rotstift unterstrichen; ein eigenhändiger Pfeil geht von da nach oben zu der Anmerkung: Folge einer zu starken Ausdrucksweise von mir. Inzwischen schon corrigiert. Ich meinte u. sagte: sie sei für mich von großer Bedeutung.] ihres beitritts von dem meinigen für mich eine gewisse moralische Zwangslage entsteht, ich spreche das offen aus, nicht nur, weil ich an dem Stile unbedingter Offenheit zwischen uns festzuhalten wünsche, sondern auch, weil sie ja wissen, daß ich mich schließlich selbst einer solchen Zwangslage nicht ergeben würde, wenn es sich mit meiner sachlichen Überzeugung nicht vereinigen läßt. - ich bin übrigens, wenn man wirklich meinem beitritt die von ihnen angedeutete Wichtigkeit beilegt, doch verwundert, daß man sich noch nicht an mich gewendet hat. [Der letzte Satz ist von Weber am Rande mit einem senkrechten Rotstiftstrich gekennzeichnet, worauf er in seinem eigenen Brief Bezug nimmt.] immerhin ist die chance, daß ich in dem unternehmen einen für mich passenden platz entdecke, um so größer, in einem je früheren Stadium der organisirung ich ev. eingreifen könnte. - "

Lieber Rickert! Da Simmeis - nicht grade liebenswürdige! - Stimmung am besten aus dem Tenor des ganzen Briefes hervorgeht, so schicke ich ihn (obwohl ich das vielleicht nicht thun sollte 1 ') doch lieber einfach ganz. Die a am Rande roth angestrichene Stelle dürfte den Kern der „psychischen Con- 5 stellation" bei ihm enthalten. Ich hatte und habe jetzt nochmal ihm Simmel hatte ich umgehend geschrieben]", daß ich Ihnen den „wesentlichen Inhalt" mitteilen werde zu eventl. näherer Information an ihn über den Stand der Sache.

a (auf der Sei)

b Lochung.

11. Dezember

1909

335

geschrieben, daß ich im Prinzip Ihnen zugesagt hätte, daß aber sein Eintritt für die endgültige Art meiner Beteiligung von sehr großer Bedeutung sei. Ich habe hinzugesetzt, daß doch darin keine „Zwangslage" für ihn liege, dac die Art meiner Beteiligung an einer ihn eventuell 5 nicht interessierenden Sache doch ihm gleichgültig sein könne. - War thatsächlich noch gar nicht an ihn geschrieben worden? |:Herrn:| Hessen's Besuch scheint er sich nicht als offizielle Aufforderung anzurechnen. Etwas ist er ein Kauz! Bitte vernichten Sie den Brief nach Gebrauch, denn ich weiß nicht, ob 10 Simmel |:damit:| einverstanden wäre, daß Sie ihn lesen.d Aber Sie kennen seine Stellungnahme (durch Hessen) ja ohnedies in noch viel schärferer Form und können eigentlich nur aus diesem Original ersehen, was die Uhr geschlagen hat. Herzliche Grüße v.H.z.H. 15 Ihr Max Weber

c (mirsom[ei]} Sie ihn lesen!

d Randstrich und Randbemerkung Max Webers: Jedenfalls dürfen nur

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12. Dezember

1909

Heinrich Rickert [am oder nach dem 12. Dezember 1909]; o. O. Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 25, Bl. 38 Das Schreiben an Rickert befindet sich als Zusatz auf einer Postkarte Georg Simmeis an Weber vom 11. Dezember 1909; laut Poststempel ist die Karte in Charlottenburg am 12. Dezember 1909 abgesandt worden. Sie hat folgenden Wortlaut: „Lieber Weber, meine Bemerkung zu Herrn Hessen bezog sich weniger auf aktuelle Persönlichkeiten, als auf den Geheimratscharakter des ganzen, von ihm in's Auge gefaßten Concours. Daß mir das offizielle Programm zugegangen sei, vermuten Sie mit Unrecht: ich habe nichts erhalten, u. seit jenem Besuch des Herrn Hessen überhaupt nichts von der Sache gehört. Übrigens scheine ich mich in meinem Briefe pessimistischer ausgedrückt zu haben, als meine Absicht war; ich könnte mir schon eine philosophische Zeitschrift denken, an der ich gern mitarbeitete. Die ganze Schwierigkeit ist, ob man das genügende Material für eine Zeitschrift wirklich hohen Ranges zusammenbekommt. Wenn erhebliche ökonomische Mittel zur Verfügung stehn u. der Redakteur mit tiefgründiger Personalkenntniß u. unbarmherzigen, keine .Rücksichten' kennenden Ansprüchen ausgerüstet ist, so halte ich das nicht für schlechthin ausgeschlossen, obgleich ich mich nicht dafür verbürgen möchte. Nachdem ich mir die Sache |:jetzt:| noch ein paar Tage überlegt habe, möchte ich mich - alles Definitive vorbehalten - eher für geneigt als für abgeneigt erklären."

Lieber Rickert! Vielen Dank für Ihren Brief. Ich habe Simmel nochmals geschrieben u. - da Sie mir s. Z. über Hessen's Besuch u. dessen Zweck dasselbe gesagt hatten, was Sie jetzt schreiben, S[immel] dies auch meinerseits gesagt u. hinzugefügt, daß ich Sie so verstanden hätte, daß er (Simmel) damals 5 verlangt habe, daß man ihm erst mit einer sachlich u. persönlich fertigen Sache komme, ebenso, daß Sie grade die Besorgnis gehabt hätten, daß die Angelegenheit „Schul"-Charakter annehmen könne u. dies nicht wollten. Im Übrigen: wir kennen ihn ja. Herzlichen Gruß! 10 Ihr Max Weber

16. Dezember 1909

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Heinrich Rickert 16. Dezember [1909]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 25, Bl. 40 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Hbg 16/XII Lieber Rickert! Simmel teilt mir den sachlichen Vorschlag mit, den er Ihnen gemacht hat.1 Ich bin damit, - soweit er meine Person angeht - nicht nur völlig einverstanden, sondern halte es, so schmeichelhaft mir grade der von Ihnen ausgehende Wunsch war, ich solle mit auf dem Titel |:Ihres „Logos":| stehen, in der That für das sachlich allein Richtige, wenn es nicht geschieht. Denn ich habe von Anfang an die Empfindung gehabt, daß es sich afür die Fachleute®doch etwas wunderlich machen müsse; Sie wissen hoffentlich, daß ich auf den Ruhm besonders großer „Bescheidenheit" keinen Anspruch erhebe: ich glaube mein Handwerk ganz gut zu verstehen. Aber dies liegt doch etwas jenseits u. meine Nennung

a [sach] > für die Fachleute

1 Gemeint ist der Brief Georg Simmeis an Weber vom 15. Dezember 1909, abgedruckt in: Gassen, Kurt, und Landmann, Michael (Hg.), Buch des Dankes an Georg Simmel. Briefe, Erinnerungen, Bibliographie. - Berlin: Duncker & Humblot 1958, S. 129f. Dort heißt es S. 130: „In meinem Brief an Rickert wird ein passus Sie vielleicht sonderbar berühren, und ich will ihn deshalb ganz offen repetieren: ich habe vorgeschlagen, auf das Titelblatt als Mitwirkende nur Fachphilosophen zu setzen. Ich brauche nicht zu sagen, was ich mir von der beitragenden Mitwirkung von Ihnen und Troeltsch verspreche; wir wissen ja wohl, wie wir miteinander daran sind. Allein für das Publikum, für das doch das Titelblatt bestimmt ist, muß es etwas Verwirrendes haben, wenn Männer aus den allerverschiedensten Wissenschaften in Reih und Glied als Mitwirkende antreten. Es kommt dazu, daß die Zahl dieser meiner Meinung nach dann zu groß wird. Jenseits einer bestimmten kleinen Zahl macht die Aufführung von Mitwirkenden unvermeidlich einen rein dekorativen Eindruck, besonders da nun einmal die unglückliche Tendenz bei uns herrscht, durch Nennung möglichst vieler berühmter Namen (die wahrhaftig leicht zu bekommen sind) zu .ziehen'. 6 Namen scheinen mir schon das Maximum zu sein, das noch den Eindruck der Ernsthaftigkeit macht, also etwa alphabetisch: Eucken, Husserl, Rickert, Simmel, Windelband; allenfalls wäre ich noch für den Privatdozenten Cassirer in Berlin, mit dem einerseits die Marburger Richtung (so wenig ich sie liebe), andererseits die jüngere Generation als solche vertreten wäre. Über Eucken bin ich auch nicht gerade sehr glücklich, aber nach Rickerts Äußerungen ist er nicht mehr zu umgehen."

338

16. Dezember 1909

scheint mir inadäquat: darin hat Simmel doch völlig recht u. es ist gut, daß er das offen sagte. Sie erinnern Sich, daß ich Ihnen s. Z. selbst sagte, dies werde die wirkliche Ansicht Ihrer Fachleute (einschließlich Simmeis) sein, - und ganz mit Recht. Hoffentlich kommen Sie nun zu einer Einigung. 5 Herzlichen Gruß! Ihr Max Weber

16. Dezember

1909

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Heinrich Rickert [am oder nach dem 16. Dezember 1909]; o. O. Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 25, Bl. 39 Das Schreiben an Rickert befindet sich auf einer Postkarte Georg Simmeis an Weber vom 15. Dezember 1909. Aus dem Briefinhalt geht hervor, daß Weber Simmeis Karte erst erhalten hat, als der vorherige Brief an Rickert vom 16. Dezember bereits abgegangen war. Der Inhalt der Karte und die eigenhändigen Anstreichungen Webers lauten: „Lieber Weber Ich sehe soeben |:aus dem Programm:|, daß es sich um eine Zeitschr. f. Phil, der Kultur [Unterstreichung von Max Weber] handelt, was mich völlig überrascht. [Unterstreichung von Max Weber sowie Ausrufungszeichen am Rande] Dadurch werden meine Bemerkungen über das Mitregiment der Nicht-Fachphilosophen hinfällig, aber ebenso mein Drängen auf Husserl."

Lieber Rickert! Ich habe Simmel geschrieben, das andre an meiner Ansicht, die durch ihn |:nur:| bekräftigt sei, n i c h t s , i c h hoffte aber, daß er nun bei seiner Zusage bleibe. In der That kann ich ja doch ebenso gut mitarbeiten (u. werde es thun), ohne auf dem Titel zu stehen. Dazu bedürfte ich z.B. auch der Zustimmung des „Archiv's". Also lassen wir doch diese Form! Es liegt doch für die Sache nichts daran! Und ich habe wirklich etwas das Gefühl, nicht in diesen Kreis, der schließlich doch ein Fachkreis ist und sein muß, als Consorte hineinzugehören. Tröltsch ist darin naiver, - das kann ich so nicht u. finde sehr ernstlich, daß Simmel ganz recht hatte u. noch hat. Vor Allem: je kleiner der Kreis der „Mitwirkenden", desto besser. Herzlichen Gruß! Ihr Max Weber Ich hatte ihm Abschrift m[einer] Karte an ihn geschickt. 3

a Sinn des Satzes unklar.

340

20. Dezember 1909

Paul Siebeck 20. Dezember 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Karl Bücher hatte in einem Brief an Paul Siebeck vom 21. November 1909 (VA Mohr/ Siebeck, Tübingen, Nr. 260) zu dem nach Webers Vorstellungen korrigierten zweiten Vertragsentwurf zum GdS Stellung genommen und Siebeck gebeten, das Schreiben auch Weber zugänglich zu machen, was auch geschah. Auf Büchers Brief finden sich zwei Randbemerkungen Webers. Nach Büchers Meinung ging §10, Absatz 2 „zu weit". Dort heißt es: „Die Freiexemplare der Herren Herausgeber [...] darf die Verlagsbuchhandlung außerhalb der kontraktlichen Auflage drucken." Büchers Kommentar dazu: „Zulässig nur, wenn die Verlagshandlung für die übergedruckten Exemplare dem Herausgeber gegenüber sich zum Verwendungsnachweis verpflichtet", kommentierte Weber mit: „kann geschehen!" Zu §12, Absatz 1: „So lange der Abschnitt ... im .Handbuch der politischen Ökonomie' erscheint, bleibt das ausschließliche Verlagsrecht auf das Sammelwerk der Verlagsbuchhandlung für die erste und alle folgenden Auflagen gewahrt", notierte Bücher, daß er ihn nicht verstehe. Dazu vermerkt Weber: „Irrtum!" Ein Randstrich befindet sich an der Stelle, wo Bücher sich darüber ausläßt, daß er „eine Bestimmung über den Preis des Werkes pro Bogen" vermisse.

Heidelberg 20/XII9 Sehr geehrter Herr D r Siebeck! Ich erhielt Ihren Brief und den Vertragsentwurf mit bestem Dank. 1 Ich habe gegen den § 3 der jetzigen Fassung nichts einzuwenden; 2 ich denke, auch Bücher wird einverstanden sein und bitte Sie überhaupt, mir s. Z. 5 mitteilen zu wollen, wie er die Endredaktion des Vertrags aufgenommen hat. 3 - § 10 ist, wie mir nachträglich aufstößt, eine gewisse Modifi1 Webers Dank gilt dem Brief von Paul Siebeck vom 18. Dez. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), dem ein nach den Änderungswünschen von Weber und Karl Bücher modifizierter dritter Vertragsentwurf für das Handbuch beigefügt war. 2 § 3 enthält im ersten Absatz die alte, nicht geänderte Bestimmung, daß das Honorar für die erste Auflage von 2500 Exemplaren des Handbuchs 140 Mark pro Bogen betragen solle. Hingegen hatte Siebeck die folgende Ergänzung vorgenommen: „Sollte die Verlagsbuchhandlung durch inzwischen eingetretene Steigerungen der Herstellungskosten gezwungen sein, die erste Auflage höher zu ergreifen, so ist das Honorar in dem in Absatz 1 vereinbarten Verhältnis zu erhöhen. Jedoch soll die erste Auflage auf keinen Fall mehr als 4000 Exemplare betragen. Das Honorar würde in diesem Falle M. 2 2 4 - p r o Druckbogen betragen." 3 Karl Bücher hat in seinem Brief an Paul Siebeck vom 26. Dez. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 260) zum korrigierten Vertragsentwurf Stellung genommen und insbesondere den zweiten Absatz von §3 (den Wortlaut siehe oben, Anm.2) beanstandet: „Das Honorar ist für eine Aufl. von 2500 so mäßig, daß Sie auch dann Ihren schönen Gewinn haben würden, wenn eine kleine Erhöhung der Herstellungskosten eintreten sollte. Ich

20. Dezember

1909

341

kation dessen, was s . Z . - in den Correspondenzen im August/September bezüglich des Herrn 3 Prof. Rathgen ausgemacht war. 4 Wenigstens scheint es mir so und ich erbitte Ihre Ansicht 13 . 5 Ev. müßte 0 ihm gegenüber, - der ja, nächst v. Wieser, den größten einheitlichen Abschnitt bearbeitet, - wenn er es verlangt, alsbald eine Einigung über die Separat-Ausgabe herbeigeführt werden. 6 Denn Sie erinnern Sich, daß er, mit Ihrer Zustimmung, in dieser Hinsicht manche Freiheiten wünschte. Ich werde, wenn ich in Berlin bin, mit den maßgebenden Herrn der D e u t s c h e n ] Gesellschaft] f[ür] Soziologie über die Zeitschrift-Frage sprechen. 7 Ich setze z. Z. wenig Geneigtheit zur Neugründung voraus. D i e Gesellschaft konsolidiert sich eben erst.

a 0 : Herr

b Alternative Lesung: Absicht

c In 0 folgt: man

könnte die Worte: .Sollte'... bis .betragen' nur dann für annehmbar halten, wenn Sie sich in betr. des Ladenpreises binden wollten und zugleich bei Erhöhung der Auflage das Honorar progressiv wachsen ließen." 4 Rathgen hatte im August 1909 über seine eventuelle Mitarbeit am Handbuch Bedenken wegen seiner vertraglichen Verpflichtung bei anderen Verlagen geäußert; diese waren damals von Paul Siebeck zerstreut worden. Vgl. Briefe an Siebeck vom 11. und 20. Aug. 1909, oben, S.223f. und 229, Anm.4. §10 des korrigierten Vertragsentwurfs lautet: „So lange der Abschnitt... im .Handbuch der politischen Ökonomie' erscheint, bleibt das ausschließliche Verlagsrecht auf denselben der Verlagsbuchhandlung für die erste und alle folgenden Auflagen gewahrt. Die Herren Mitarbeiter verpflichten sich, während der Dauer dieses Vertrags ohne Zustimmung der Verlagsbuchhandlung für ein ähnliches bezw. für ein konkurrierendes Sammelwerk Artikel über den gleichen Gegenstand nicht zu übernehmen, die jetzt vorhandenen Wörterbücher sind davon ausgenommen." 5 Dazu vermerkt Paul Siebeck in seiner Antwort vom 24. Dez. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446): „§10 des jetzigen Entwurfs wird nach meiner Auffassung auch für Herrn Professor Rathgen ohne weiteres annehmbar sein. Denn die Verpflichtungen, die er nach seinem Brief vom 7. August [nicht überliefert] früher übernommen hat, beziehen sich nicht auf ähnliche oder konkurrierende Sammelwerke. Denn selbst die .Kultur der Gegenwart' wird unter diese kaum gezählt werden können." 6 Einen Entwurf einer vertraglichen Regelung für etwaige Separatausgaben hat Siebeck Weber am 24. Dez. 1909 (VA Mohr/Siebeck, wie Anm.1) zugeschickt; vgl. Brief an Siebeck vom 28. Dez. 1909, unten, S. 351 - 3 5 3 . 7 In seinem Brief vom 18. Dez. 1909 (wie Anm. 1) hatte Siebeck zu seinen Bemühungen, die „Monatsschrift für Soziologie" zu kaufen, bemerkt, daß diese „in geschäftlicher Beziehung" auf so „schwachen Füßen" stehe, daß er aus diesem Grunde auf die Forderung des Verlegers nicht werde eingehen können. „Deshalb möchte ich die Begründung einer neuen Zeitschrift auf diesem Gebiete doch ernstlich in Erwägung ziehen. Herr Professor Jaffe sprach sich meinem Sohne gegenüber dahin aus, daß die Übersiedelung des Herrn Dr. Lederer nach Heidelberg ihm die Übernahme der Redaktion einer solchen Zeitschrift eventuell ermöglichen könnte. Herr Professor Jaffe deutete auch an, daß unter Umständen durch Ihre freundliche Vermittlung eine kleine Zahl von neuen .Patronen' gewonnen werden könnte. Vielleicht finden Sie Anfang Januar Gelegenheit, in Berlin nach

342

20. Dezember 1909

Meine Adresse in Berlin ist: Charlottenburg, March\:„March":\straßeö 7 F Es steht noch nicht fest, wann ich dahin abreise. Mit den besten Weihnachtswünschen Ihr stets ergebenster s Max Weber

d Betont deutliche Wiederholung: „ M a r c h "

dieser Richtung zu sondieren." Weber hat während seines Aufenthaltes in Berlin bzw. Charlottenburg im Januar 1910 diese Anregung Siebecks weitergegeben, jedoch überwogen die Ablehnung bzw. die Bedenken, letztere auch bei Weber selbst, gegen diesen Plan; vgl. Brief an Edgar Jaffe vom 14. Jan. 1910, unten, S. 359f. Ein erneuter Versuch, das AfSSp zum offiziellen Mitteilungsorgan der DGS zu machen, stieß zwar nicht mehr auf den gleichen Widerstand wie im Januar 1909, vgl. dazu Brief an Edgar Jaffe [vor dem 11. Febr. 1909], oben, S. 53, die Bemühungen Webers sind aber letztlich im Sande verlaufen; vgl. dazu die Briefe an Edgar Jaffe vom 14. Jan., [nach dem 14.], sowie [am oder nach dem 21. Jan. 1910], unten, S.359f., 363 und 376. Paul Siebeck hat die „Monatsschrift für Soziologie", die im Dezember 1909 ihr Erscheinen endgültig eingestellt hatte, nach längeren Verhandlungen im März 1910 aufgekauft; eine Weiterführung bzw. Neuherausgabe der Zeitschrift ist allerdings unterblieben. Sie ist pro forma dem AfSSp angegliedert worden; vgl. dazu die Ankündigung der Verlagsbuchhandlung auf der Rückseite von Heft 3 von Bd. 30,1910.

25. Dezember

1909

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Edgar Jaffe [vor dem 25. Dezember 1909]; o. O. Brief; eigenhändig Privatbesitz Das Datum ist aus dem Inhalt des Briefs erschlossen.

Lieber Jaffe! mir will doch diese „Einleitung" von D r Lederer nicht recht gefallen. 1 Denn sie ist keine von den allgemeinen „Grundzügen" der Situation ausgehende Einführung in deren Einzelheiten, sondern giebt Sentiments über das, was „Sozialpolitik" sein könnte und sollte und begrenzt das Thema zu eng. Gewiß darf man nichts versprechen, was man |: vielleicht: | nicht halten kann, aber man darf sich auch nicht so bestimmt auf einen engen Umkreis von Fragen festlegen, wie es hier doch geschieht. Es scheint mir, nach Lage der Dinge, doch nicht recht etwas Anderes übrig zu bleiben, als im Januarheft nichts zu bringen, als die (etwa als Fußnote zu frisierende) Notiz: daß „infolge einiger noch zu beseitigender Schwierigkeiten" - oder so - die angekündigte Chronik erst im Märzheft beginnen könne. 2 Wenn D r Lederer, weil noch nicht vollständig in unsre deutschen Verhältnisse eingearbeitet, 3 etwa eine „allgemeine Einleitung" jetzt lieber unterlassen will - was ich sehr verstünde - dann bleibt der doppelte Weg: 1) ich schreibe sie diesmal, - oder 2) man macht statt der „allg[emeinen] Einleitung" einen zusammenfassenden Schluß und sagt das gleich bei der ersten (Teil-)Publikation der Chronik, der dann nur einige ganz kurz zu haltende redaktionelle programmatische Vorbemerkun-

1 Diese sollte offensichtlich als Einführung in die mit Jahresbeginn 1910 im AfSSp erscheinende „Sozialpolltische Chronik" dienen. Der Text Ist nicht überliefert, die „Einleitung" nicht im AfSSp erschienen. 2 Dazu vermerkt eine redaktionelle Notiz auf der Rückseite des Vorderumschlages von Heft 1, Bd.30, 1910: „Infolge eingetretener Hindernisse wird die Veröffentlichung der sozialpolitischen Chronik nicht mit dem Januar- sondern erst mit einem späteren Hefte des laufenden Bandes beginnen." Tatsächlich wurde die Sozialpolitische Chronik erst Im Märzheft mit einem Beitrag Lederers über: Die Gewerkschaftsbewegung Im Jahre 1909, eröffnet, siehe AfSSp, Bd. 30, Heft 2,1910, S. 532-566. Vgl. dazu den Brief an Jaffe [nach dem 18. Febr. 1910], unten, S.410. 3 Emil Lederer war zu diesem Zeltpunkt noch Sekretär des Niederösterreichischen Gewerbe-Vereins in Wien.

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gen voranzusenden wären, 4 im Übrigen aber in medias res zu gehen wäre (also: Gewerkschaften pp. Ohne eine kurze Würdigung der ökonomischen Situation wäre ja übrigens auch dieser 7e;7-Bericht nicht zu schaffen). Dies für heute. Ich sehe Sie ja jedenfalls in dieser Woche, noch ehe D r 5 Lederer kommt, noch ausführlich und behaglich, wie ich hoffe. Ihrer Frau einstweilen vielen Dank für die schönen Blumen. - Ihre Fräulein Tochter 5 beehrte mich mit einer Mischung von Zärtlichkeit und barbarischer Herrschsucht, welche eine „höchst-persönliche Note" trug und mich ehrte: nur habe ich zur Bedingung ihres unbezwinglichen 10 Wunsches, meinen Bart |:gewaltsam:| in ihren Besitz zu bringen, gemacht, daß sie Ihnen zuerst den Ihrigen ausraufe und mir vorlege. Allein dies verletzte ersichtlich ihre Pietätsgefühle und wir schieden ohne Verständigung für diesmal. Mit den freundschaftlichsten Weihnachtswünschen 15 Ihr Max Weber

4 Weder eine Einleitung aus Webers Feder noch redaktionelle Vorbemerkungen der vorgeschlagenen Art sind im A f S S p erschienen. 5 Gemeint ist Marianne Jaffe.

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Georg Jellinek [vor d e m 25. D e z e m b e r 1 9 0 9 ] ; o . O Brief; e i g e n h ä n d i g BA Koblenz, Nl. G e o r g Jellinek, N r . 3 1 Das Datum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Lieber Freund! Ich möchte Ihnen einen herzlichen Weihnachtsgruß schicken und den Wunsch, daß Sie es über Sich gewinnen, so lange als es überhaupt möglich ist, die Trennung von Ihrer gewohnten Umgebung und - was 5 grade in diesen Tagen gewiß für Sie wie für Ihre liebe und verehrte Frau das Ungewohnteste und Schwerste ist, von Ihren Kindern zu ertragen.1 Sie h[abe]n a noch eine lange Lebenszeit voll Aufgaben und Freude vor sich und müssen Sich so einrichten, daß Sie auch fernerhin den Ihrigen und Ihren Freunden Das sein und bedeuten können, was Sie ihnen 10 immer waren. Darum keine Ungeduld! - Soll ich Ihnen etwas besorgen, Auskünfte, Lektüre oder dergl. - so wissen Sie, wie gern ich es thue! Und wenn erst die Tage länger, das jetzt so graue Meer blau wird und die Blumen, von denen uns Ihre Frau so freundlich einen Gruß aus dem Süden bereitete, den Frühling ankündigen, dann komme vielleicht auch 15 ich hin und besuche Sie. Denn da wir in das Hausrath'sche Haus umziehen, 2 muß ich im März fort nach Süden. Erhalten Sie mir Ihre Freundschaft und seien Sie herzlichst [ge]grüßtb von Ihrem getreuen Max Weber

a Lochung.

b Lochung.

1 Jellinek hielt sich zusammen mit seiner Frau Camilla zu einem mehrmonatigen Gesundheitsurlaub in Bordighera auf, da er Ende Oktober 1909 einen Schlaganfall erlitten hatte. 2 Der Umzug in die Ziegelhäuser Landstr. 17 (statt bisher 27) fand Ende März 1910 statt.

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Lili Schäfer [vor dem 25. Dezember 1909; Heidelberg] Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 11 Datum und Ortsangabe sind aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Liebe Lili, einen herzlichen Weihnachtsgruß Euch und den Kindern, vor Allem meinem Pathenkind. Es ist nun bald ein Jahr her, 1 daß ich es gesehen habe und wird wohl noch ein halbes mindestens hingehen, bis ich es dort oder hier - wiedersehe. Hoffentlich einmal hierl Wir ziehen nun im Frühjahr in den Mittelstock des alten Hausrath'schen Hauses 2 , unter uns Laura, 3 über uns einen unserer Freunde (Prof. Tröltsch) und obwohl ein Teil des Gartens (die östl[iche] Hälfte) abverkauft wird 4 und die Räume „altmodisch" verteilt sind (mit den heute so verpönten „verhangenen Zimmern") und mehrere auch allzu klein, ist doch der alte Balkon Entschädigung für Alles. Ganze Familien können wir ja nicht logieren, - aber für solche Zwecke steht ja Benecke's Haus 5 noch da! Hoffentlich geht Alles gut? Nochmals herzliche Grüße in die Wintereinsamkeit! Euer Max

1 Am 27. Januar 1909 hatte Weber seine Schwester und deren Familie besucht und dabei sein Patenkind Max erstmals gesehen. Vgl. Karte an Marianne Weber vom 27. Jan. 1909, oben, S. 38. 2 Adolf Hausrath bewohnte mit seiner Familie seit 1871 das von den Großeltern Max Webers 1847 erbaute Haus in der Ziegelhäuser Landstr. 17. Nach seinem Tod am 2. August 1909 wurde das Haus renoviert und in Wohnungen aufgeteilt. (Vgl. Brief an Helene Weber vom 21. Sept. 1909, oben, S. 276.) Max und Marianne Weber entschlossen sich Ende November 1909, die Wohnung im ersten Obergeschoß zu mieten. In das zweite Obergeschoß zogen Ernst und Marta Troeltsch. Briefe von Marianne Weber an Helene Weber vom 28. Nov. und 22. Dez. 1909, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 3 Gemeint ist Laura Hausrath, eine unverheiratete Tochter von Adolf und Henriette Hausrath, geb. Fallenstein. 4 Der Verkauf der nordöstlichen Gartenhälfte erfolgte laut Meßbrief im April 1910. 5 Ziegelhäuser Landstr. 1. Vgl. auch Brief an Lili Schäfer vom 5. Juni 1909, oben, S. 143, Anm.5.

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Gisela Michels-Lindner 25. D e z e m b e r 1909; Heidelberg Brief; e i g e n h ä n d i g A F L E Turin, Nl. R o b e r t M i c h e l s , K a p s e l Max W e b e r , Fasz. 6 7

Heidelberg, Weihnachten 09

Liebe Frau Professor, ja, Sie und Ihr Mann wundern Sich mit Recht über mich. Zwar: Photographien habe ich nicht erhalten. Dafür aber die Arbeiten, die Ihr Mann mir schickte und Ihre so freundliche Begrüßung. Daß ich so gar nichts hören ließ, hatte mit eigentlichem Schlechtbefinden nichts zu thun: im Gegenteil, ich war und bin physisch so gut auf dem Damm wie seit langem nicht. Aber absolut ohne Arbeits/usi und ablenkbar, dabei mit einer Menge mir absolut zuwiderer und uninteressanter Detailarbeit belastet, nachdem ich eben dies greuliche Zeug über „Arbeitspsychophysik^"] - nur von Werth eines ersten Versuchs - unter Dach hatte. 1 Ich sehe, - und das ist mir nicht angenehm - daß ich mit den Jahren immer unfähiger werde, Sachen zu arbeiten, die mich nicht resp. - wenn ich das Resultat habe - nicht mehr interessieren, und dann ist es eine Qual, am Schreibtisch zu sitzen und sich zu Dem, was gethan sein muß, nicht zwingen zu können. Ich kann dann auch keine Briefe - außer geschäftlichen - schreiben. Kurz, es ging mir „psychisch" nicht nach Wunsch und so nehmen Sie Beide es nicht als Zeichen mangelnden Interesses oder gar mangelnder Freundschaftlichkeit! Ich habe im Gegenteil mit großer Freude in Ihrem Buch gelesen2 und es war mir eine große Genugthuung, daß die Leistung in Gesprächen in Wien 3 auch von Leuten anerkannt wurde, die vorher gesagt hatten: „sie macht es ja doch nicht!" Und welche | sachliche :| Mühe und persönliche Schwierigkeit war zu über-

1 Der letzte Teil von: Zur Psychophysik der industriellen Arbeit. IV. (Schluß.), erschienen in: AfSSp, Bd. 29, Heft 2, 1909, S. 5 1 3 - 5 4 2 (MWG 1/11), war Ende September ausgeliefert worden. 2 Michels-Lindner, Gisela, Geschichte der modernen Gemeindebetriebe in Italien (Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd. 130, Teil 2). - Leipzig: Duncker & Humblot 1909. 3 Weber bezieht sich hier auf Gespräche am Rande der Generalversammlung des VfSp, die vom 27. bis 29. September 1909 in Wien stattgefunden hatte.

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winden, - das weiß ja nur ich. Zum Inhalt: ist nicht doch De a Felice's Cataneser Unternehmen 4 etwas zu günstig weggekommen? Es war eben doch einfach ein Bankerott u. das Eingreifen des Präfekten verschleierte die Sachlage doch eher zu Gunsten De b F[elice]'s, der nun diesen Grund vorschützen konnte. 5 Ich meinte, Sie selbst hätten früher ähnlich geurteilt. Aber offenbar hat sich Ihr Urteil überhaupt - um eine Nuancel - zu Gunsten solcher Unternehmungen verschoben, und Sie werden dafür schon Ihre Gründe haben: ich selbst kann ja in dieser Materie kaum mitsprechen. Die Vorsicht Ihresc Urteils fällt übrigens, so weit ich sehen konnte, dabei überall angenehm in die Augen; auch in den Schlußbemerkungen und grade dort. 6 Mir persönlich war Ihr Buch überzeugend, lehrreich und anregend und ich gratuliere herzlich dazu! Nun zu Ihrem Mann, über dessen Gesundheits-Status ich gern noch mehr, als aus seinen Postkarten ersichtlich war, wüßte. Lebt er wohl auch dann, wenn er sich nicht so schlecht befindet, wie vor einiger Zeit, regelmäßig? Seine Sendung aus der „Zeitschrift f[ür] Politik"7 erfreute mich durch die vortrefflich geordnete und alle Beziehungen beherrschende Synthese, deren er eben auf diesem Gebiet wie kein Anderer fähig ist. Ich bin a 0 : Da

b 0 : Da

C des > Ihres

4 Gemeint ist die von dem Cataneser Vizebürgermeister Giuseppe De Feiice Giuffrida 1902 ins Leben gerufene kommunale Bäckerei, die in der Folgezeit zu dem größten Unternehmen ihrer Art in Europa aufstieg, ihre Produktion aber 1906 beenden mußte, als eine Regierungskommission deren weitere Tätigkeit wegen finanzieller Mängel sowie der ihr innewohnenden Monopolisierungstendenz untersagte. Gisela Michels-Lindner beschreibt die Geschichte dieser Unternehmung in dem Abschnitt: Die städtische Brotfabrik in Catania (wie Anm. 2), S. 74-93. 5 Die Regierungskommission, die die weitgehende Schließung der Stadtbäckerei in ihrer Sitzung vom August 1906 anordnete, hatte u. a. als Grund für diese Maßnahme das Fehlen einer modernen Betriebsordnung angegeben. Diese Ordnung war nach dem Bekunden De Felices, in: Avanti!, Nr. 3503 vom 30. Aug. 1906, hier zitiert nach Gisela MichelsLindner (wie Anm. 2), S. 90, schon einige Monate vorher dem damaligen Regierungspräsidenten der Provinz Catania, Trinchieri, zugestellt worden, ohne daß dieser die Betriebsordnung an die Kommission weiterleitete und so die Hauptschuld für die Schließung des Betriebes - so De Feiice - zu tragen habe. 6 In den „Schlußbetrachtungen" (wie Anm. 2), S. 247-255, betont Gisela Michels-Lindner, ebd., S. 247, daß die italienischen Gemeindebetriebe sich noch vollständig im Stadium des Experimentierens befänden und daß das „richtige Gleichgewicht in der Beurteilung und leidenschaftslosen Abwägung aller Vor- und Nachteile der kommunalen Betriebsform [...] sich erst nach einer weiteren Reihe von Jahren in Italien [werde] einstellen können", ebd., S.249. 7 Michels, Robert, Der ethische Faktor in der Parteipolitik Italiens, in: Zeitschrift für Politik, Bd. 3,1910, S. 56-91.

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auf das Äußerste gespannt auf sein angekündigtes Buch. 8 Es ist mehr als selbstverständlich, daß es mir eine wirkliche Ehre (ohne jeden Schatten von „Compliment"!) ist, wenn er wirklich keinen Geeigneteren für eine Widmung findet als mich!9 Denn in der That finde auch ich, so oft ich mich im Einzelnen und auch in an sich wichtigen Dingen von ihm unterscheide oder mit ihm auf einander stoße, doch immer wieder in der prinzipiellen Art, Dinge zu sehen und anzufassen, so wohlthuend viel Verwandtes - und das geschieht mir selten - daß es mir nur eine Freude ist, wenn diese Verwandtschaft (ganz gleichgültig, ob ich mich im konkreten Fall versucht fühlen könnte, das Buch grimmig zu „verrezensieren"!!) öffentlich betont würde. Weiß also Ihr Mann wirklich nach wie vor keinen Würdigeren, dann stehe ich gern hinter seinem Titel. An manchen andern von seinen Publikationen stört mich zuweilen Eines: Sie wissen doch so gut wie ich und - schließlich er selbst - : er ist ein „Moralist" vom Scheitel bis zur Zehe. Oder, da dies Wort nun einmal für ihn einen „pharisäischen" Oberton angenommen hat: das „Ethos" in ihm ist, klar und bewußt, das Höchste was er hat und Das, von wo aus alle guten Geister seines Lebens ihre Ausreise antreten. Und er ist von diesem allerpersönlichsten Ethos auch in seinen rein politischen Werthungen so exclusiv beherrscht, daß er einmal die Scheidung zwischen Beruf (Sache) und „Leben", die ich ad hoc machte, gar nicht verstand. Ich habe ihn nun, angesichts dessen, schon einmal gefragt und frage mich immer wieder: warum macht ein solcher Ethiker (Moralist) dem Libertinismus Conzessionen und macht sich in dessen Gesellschaft über seines Gleichen lustig? Ich erinnere an eined nun schon mehrere Male verwerthete Pariser Kellnerin, die durchaus „eine harte Nuß für einen Moralisten" sein soll.10 Erstens ist sie das nun gar nicht, - es sei d die > eine 8 Gemeint ist: Michels, Robert, Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie. Untersuchungen über die oligarchischen Tendenzen des Gruppenlebens (Philosophisch-soziologische Bücherei, Bd. XXI), erschienen Ende 1910 bei Dr. Werner Klinkhardt in Leipzig. Das Buch ist auf 1911 vordatiert. Vgl. dazu Webers Korrespondenz mit Michels vom 14. und 21. Dez. 1910, unten, S. 726 und 754-761. 9 Die Widmung findet sich ebd., S. III: „Seinem lieben Freunde Max Weber in Heidelberg, dem Geraden, der, insofern es das Interesse der Wissenschaft erheischt, vor keiner Vivisektion zurückscheut, mit seelenverwandtschaftlichem Gruße gewidmet." 10 Robert Michels verweist in seinem Artikel: Die Zwischenstufen der Ehrbarkeit, in: Die neue Generation, Nr. 9,1909, S. 351 -359, in einer Spezialanmerkung auf S. 358, auf zwei „Fälle von Zwischenstufen aus dem Sexualleben der französischen Hauptstadt [...], die vor allem nach ihrer rein ethischen Seite hin dem Moralisten harte Nüsse zu knacken geben müssen" und die in Michels Artikel: Erotische Streifzüge: Deutsche und italieni-

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denn, daß man „Ethik" und „Convention" identifiziert. Auch die „weißen Sklaven" unsrer Gesellschaft haben sowohl ihre - durch die soziologischen Bedingungen ihrer Existenz gegebenen - Conventionalregeln, als: ihre „Ethik", mit denen sie in jenem Rest ihrer Menschenwürde wurzeln, die ihr Schicksal ihnen® zu entfalten noch gestattet. Diese letzteren Bestandteile aufzusuchen und von jenen andren zu scheiden, das ist unsre Aufgabe, und wir werden darin eben jene selben Züge der echten Menschlichkeit finden, verstümmelt und verschüttet, die wir in uns, die wir auch an den Felsen der Zeit, der Klasse, der Lebensschicksale (mögen diese in ihrer bürgerlichen Struktur noch so „comfortabel" erscheinen) geschmiedet, ebenfalls jener Verstümmelung preisgegeben sind, auch finden können, wenn wir nur wollen: der „ethische" Bestandteil ist in beiden Fällen derselbe. Ich vermuthe: in thesi giebt Ihr Mann das eigentlich auch zu, oder vielmehr ist es die latente Unterströmung seiner Überzeugungen. Daß er aber in seiner schriftstellerischen Praxis darnach verführe, könnte ich ihm nicht zugeben, - was selbstredend mein Interesse für alle diese seine Äußerungen nicht vermindert. Aus dem Schweigen Ihrer Karte entnehme ich, daß Ihre Kinder wohl sind - wie ich dies von Ihrem Mann früher hörte - und daß nach wie vor Turin Ihnen in geistiger, vor Allem auch in menschlicher Beziehung das bietet, was Sie bedürfen und wünschen. Ich werde, denke ich, im März, auf der Fahrt nach der Riviera (die für mich im Frühjahr zur Abgewöhnung der Gifte, die ich hier brauche, unentbehrlich bleibt) einmal durch Turin kommen können, hoffentlich nicht grade zu einer Zeit, wo Ihr Mann - der von einer Reise nach Deutschland schreibt - fort ist: das wäre scheußlich! Es war recht schade, daß wir unsf dieses Jahr so ganz verfehlten. - Wir ziehen Ostern um. Beginnen Sie das neue Jahr in guter Stimmung und seien Sie beide herzlichst gegrüßt von meiner Frau und von Ihrem Max Weber e (gelassenhat.)

f

(diesmal)

sehe Liebesformen. - Aus dem Pariser Liebesleben, in: Mutterschutz, Jg. 2, Heft 9 , 1 9 0 6 , S. 3 6 2 - 3 7 4 , dargestellt worden waren. Ebd., S. 370f., A n m . 1, schildert Michels die Geschichte der Marcelle P., die, ursprünglich Näherin, dann Prostituierte wurde, um ihrer unehelichen Tochter, die sie in eine gute Pension gegeben hatte, eine bürgerliche Ausbildung zu ermöglichen. Ebd., S. 371, Anm. 1: „Sie [d. h. Marcelle P.] ist schön, jung, äußerst graziös, aber einfach und zurückhaltend, eine vaillante fille. Als Charakterstudie eine harte Nuß für Moralisten!" Weshalb Weber von einer „Pariser Kellnerin" spricht, ist unerfindlich, da eine solche in Michels' Aufsätzen nicht erwähnt wird.

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Paul Siebeck 28. Dezember 1909; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 28/XII9 Sehr verehrter Herr D r Siebeck! Ich habe gegen die Streichung von § 5 und § 7 Schlußpassus natürlich gar nichts. Ebenso nicht gegen § 12, Zusatz. 1 5 Bezüglich des Ladenpreises war Ihr Standpunkt von Anfang an nicht zu erschüttern und ich habe das daher nie wieder versucht, verstehe auch Ihre Schwierigkeiten vollauf. 2 Ähnliches gilt für § 3 Absatz 2: ich kann nicht übersehen, ob hier die Lage für Sie geschäftlich zwingend ist und nicht die Freiheit der Ladenpreisbemessung genügen kann: Sie allein 10 können das ermessen und werden wahrscheinlich auf Ihrem Standpunkt

1 Weber äußert sich hier zu dem Brief Siebecks vom 27. Dez. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), in welchem dieser die Einwände Büchers gegen die überarbeitete dritte Fassung des Verlagsvertrags mitteilt. Zu Büchers Admonita gegen § 3 vgl. Brief an Siebeck vom 20. Dez. 1909, oben, S. 340, Anm. 3. Weitere Vorbehalte galten dem §5: „Im Interesse der möglichsten Einheitlichkeit des Handbuchs sind die Herren Mitarbeiter untereinander und mit dem Verlag übereingekommen, mit Herrn Professor Max Weber über den Fortgang der Arbeiten derart in Korrespondenz zu bleiben, daß derselbe darüber informiert und in der Lage ist, gegebenen Falles ihnen Vorschläge zur möglichsten Beseitigung etwa entstehender Wiederholungen, Lücken und Widersprüche zu machen". Diesen Satz empfand Bücher nach Siebecks Wiedergabe als „überflüssig und unpraktisch [...]. Sie bekämen ja das fertige Manuscript und könnten dann nötigenfalls auch noch bei der Korrektur Ausstellungen machen". Der Hauptgrund von Büchers Bedenken findet sich allerdings nur in seinem Brief an Siebeck vom 26. Dez. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 260). Er hielt den Plan Siebecks für „auch kaum durchführbar, wenn Sie nicht M. Weber zugleich mit Schreibmaschine etc. ausrüsten. Denn seine Handschrift kann niemand lesen." Zu der letzten Passage in §7, die „Verhandlungen" mit den Autoren im Falle von über ein gewisses Maß hinausgehenden Korrekturen vorsah, bemerkte Bücher, daß dieser Passus zu einer ständigen „Quelle von Ärger" werden würde. „Wer die Grenze überschreite," so Siebecks Wiedergabe in seinem Schreiben an Weber, „werde mit den Kosten belastet. .Damit basta!'" Für den §12 „Im Falle des Todes oder der Erkrankung eines Mitarbeiters darf die Verlagsbuchhandlung seinen Abschnitt sowohl unverändert beibehalten, als auch ausscheiden" hatte Bücher als Conditio sine qua non hinter „beibehalten" den Zusatz gefordert: „falls eine solche Verwendung nicht durch eine Willenserklärung des Verfassers ausdrücklich ausgeschlossen ist". 2 Erörterungen zwischen Weber und Paul Siebeck über den voraussichtlichen Verkaufspreis des Werkes sind nicht überliefert.

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verharren. 3 Ich werde Bücher, denke ich, nach 3 Neujahr sehen 4 und Ihre Position thunlichst vertreten, die ich auch hier keineswegs unverständlich finde. Was die Honorarhöhe anlangt, so halte ich sie für eine mittlere: es muß ja in Rechnung gezogen werden, daß 1) Separaiausgaben mit den geeignet erscheinenden |:erstklassigen:] Mitarbeitern (doch nicht nur den beiden ganz großen: Wieser u. Rathgen, sondern auch z.B. - wenn beide Teile es wollen - Bücher, Philippovich, Schumpeter 1 ', Sombart, Moldenhauer 1 ', Hausrath 1 ') vereinbart werden können. Hier ist nun ein Punkt, der mir nach der Fassung des Vertrags noch einer ausdrücklichen Feststellung mindestens zwischen uns beiden bedarf. Ich habe mit Ihrer Zustimmung |:nicht nur:| mit Rathgen b sondern auch mit ö Philippovich 0 auf der Basis verhandelt, daß diese Autoren die Freiheit haben, ev. ihre S.-A. anderweit verlegen zu lassen. 5 Ebenso mit Plenge, dessen Stellungnahme (er will den Artikel „Geld" zusammen mit einem Abschnitt „Credit" - der für uns nicht paßt - | :s.Z.: | gesondert erscheinen lassen) Sie ja aus seinem Ihnen s.Z. überreichten Brief kennen zu lernen Gelegenheit hatten. - Nun sagt der Vertrag schlechtweg (§10): daß das ausschließliche Verlagsrecht dauernd Ihnen zusteht. Das ist doch mit jener Situation nicht wohl vereinbar? 0 Und die Übertragung des Verlagsrechts auf Sie enthält ja schon der § 1. - Diese Frage bedaure ich doch, nicht eingehend genug mit Ihrem Herren Sohn hier erörtert zu haben. Ich bemerke nur noch, daß ausdrücklich auf jener Basis (Freiheit der Autoren bezügl. der Separatausgabe) nur mit Rathgen, Philippo11

Diese drei Sachen werden jedenfalls gern als „Grundrisse" der betreffenden Partien gekauft werden, ebenso die voraussichtlich von Harms zu schreibende Partie: „Arbeiterfrage" („Capitalismus und Arbeit")

a (Weihnachten) b und > sondern auch mit c (, ebenso mit) d Randbemerkung Max Webers: Sie haben ja bezüglich Rathgen's inzwischen einen - von mir nicht beanstandeten - Vertragsentwurf vorgelegt. Aber Plengel Und auch mindestens Bücher muß man die Sache doch anbieten, ebenso doch Philippovich. Für diesen und die andren langt Ihr Vertragsentwurf ja aus, - aber wie wollen Sie es mit Professor Plenge halten?

3 Vgl. dazu den Brief an Siebeck vom 20. Dez. 1909 oben, S.340f. 4 Das hier ins Auge gefaßte Treffen mit Karl Bücher kam nicht zustande. 5 Weber bezieht sich hier auf den Brief Paul Siebecks vom 12. Aug. 1909 (VA Mohr/ Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446).

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vich, Plenge verhandelt wurde, da es bei diesen unvermeidlich war. Bei den |:oben genannten :| Andren ist als stillschweigend selbstverständlich behandelt, daß, wenn eine S.A. veranstaltet würde, es® Ihre Sache sei, mit den Autoren sie zu vereinbaren. 5 Mit freundschaftlichen Grüßen und den besten Neujahrswünschen an Sie und Ihre ganze Familie Ihr Max Weber

e (sie dies)

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Paul Siebeck [vor oder am 7. Januar 1910]; o. O. Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Datierung erschlossen aus dem Brief Paul Siebecks vom 7. Januar 1910 (VA Mohr/ Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), in welchem er die Übersendung des Manuskripts von Weber bestätigt.

Sehr geehrter Herr D r Siebeck! Ich schicke eingeschrieben ein Mscr. für Januar (Litteratur, Borgis).1 2 Seiten fehlen noch. Ich bitte um sofortigen Druck. Meine Adresse ist von Montag ab: Charlottenburg,a March-Straße 7 F [Wei]teresb bald. Mit freundschaftl. Gruß Ihr Max Weber

a (Leibn)

b Lochung.

1 Es handelt sich um das Manuskript von: Antikritisches zum „Geist" des Kapitalismus, erschienen in: AfSSp, Bd. 30, Heft 1,1910, S. 176-202 (MWG I/9).

11. Januar

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Georg Jellinek [vor o d e r am 11. Januar 1910; Heidelberg] Brief; e i g e n h ä n d i g BA Koblenz, Nl. G e o r g Jellinek, Nr. 31 Datum und Ort sind erschlossen aus der Karte an Marianne Weber vom 11. Januar 1910, aus der hervorgeht, daß Weber am selben Tage von Heidelberg aus nach Berlin reiste.

Lieber Freund! Auf dem Sprung nach Berlin (Adresse dort: Charlottenburg, March|: (March-): | a Straße 7 f b bei Frau Stadtrath Weber) für 14 Tage, sende ich Ihnen und Ihrer verehrten und lieben Frau 1 nur herzlichsten Dank für Ihre Karten und die allerherzlichsten und wärmsten Wünsche. Nicht nur die Photographie 2 sieht sehr „aufstrebend" aus, sondern Alles, was Sie und wie Sie es schreiben! Aber es versteht sich, daß Gedu[ld]c noch immer, noch für eine lange Weile die Parole sein muß. 3 Hier passiert nichts Neues oder Bemerkenswerthes. Meine Berliner Reise gilt soziologischen und andren Interessen. Jederzeit stehe ich zu Ihrer Verfügung, wo u. wie immer es etwa noth thun oder nützlich sein sollte. Begnügen Sie Sich beide bitte für heute mit diesen wenigen Zeilen und den herzlichsten Grüßen Ihres | :getr.: | Max Weber dem meine Frau sich herzlichst anschließt.

a Wiederholung des Straßennamens in besonders deutlicher Schrift, stellter Buchstabe zweifach unterstrichen. c Lochung.

b O: hochge-

1 Gemeint ist Camilla Jellinek, geb. Wertheim. 2 Möglicherweise handelt es sich um eine Photographie von Georg und Camilla Jellinek, die als Ansichtskarte versandt wurde und die beide am Strand von Bordighera zeigt; ein Exemplar dieser Karte befindet sich in der biographischen Serie des Bildarchivs im BA Koblenz. 3 Georg Jellinek hatte Ende Oktober 1909 einen Schlaganfall erlitten.

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Marianne Weber P S t 11. J a n u a r 1910; P S t H e i d e l b e r g Karte; e i g e n h ä n d i g Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat B S B München, A n a 446 Vom 11. bis 26. Januar 1910 hielt sich Max Weber in Berlin auf. Er bemühte sich um Angelegenheiten der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, deren Vorstand er seit Oktober 1909 angehörte. Darauf beziehen sich die Hinweise in der nachfolgenden Korrespondenz mit Marianne Weber.

Liebe Schnauzel, nicht einmal Abschied winken konnte ich, da grade das Buchpacket aufging und herumkollerte. - Leb wohl und laß es Dir in der Ruhe recht gut gehen und Alles gut werden. Dein „Bub". s

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Marianne Weber PSt 12. Januar 1910; PSt Charlottenburg Karte; e i g e n h ä n d i g Bestand Max W e b e r - S c h ä f e r , Deponat B S B M ü n c h e n , A n a 4 4 6

Liebstes Schnauzel! Die Mutter ist recht wohl, frisch und sehr empfänglich, wir haben schon viel geplaudert heut Vormittag. Clara erwartet im Mai1 (ich sah sie noch nicht, habe aber Ernst 2 gesagt: „grenzt es nicht an Unverstand - daß er sich aus diesem Grund - so in Schulden stürzen kunnt?" 3 Aber sie freuen sich darauf) 3 . Mama hält (da sie später schlecht könnte, wegen Clara) an dem Gedanken fest, zum Umzug4 zu kommen (auch trotzdem ich dann fort bin). Bitte überlege aber doch, ob das wohl für Dich das Richtige ist, und auch für sie, und schreibe (erst einmal) mir, ob das wohl richtig wäre. - Zunächst habe ich hier keinen Menschen, den ich fassen wollte, telefonisch oder persönlich zu erreichen vermocht 5 u. also den ersten Tag so gut wie verloren. Diese verfl... Kerle! - Und nun, trautes Mädele, - was machst Du? Totmüde wirst Du sein und froh, Deinen „Bub" einmal anderswo untergebracht zu wissen. Sei diese Tage doch einmal ganz ruhig und verzage nicht, wenn der Kopf nun einmal nicht will. Das kommt ja Alles Alles wieder! Hier ist es behaglich und mir angenehmes Wetter. Ganz so gut wie in Heidelberg geht es dem Körper anscheinend] b nicht, aber doch recht befriedigend, so daß ich der Mutter etwas sein kann. Nun sei in Gedanken herzlich und fest an die Brust gedrückt, mein Mädele, von Deinem Max

a Klammer fehlt in O.

b Lochung.

1 Clara Mommsen bekam am 12. Mai 1910 ihr fünftes Kind, Ernst-Wolf Mommsen. 2 Gemeint ist Ernst Mommsen. 3 Als Zitat nicht nachgewiesen. 4 In den letzten Märztagen erfolgte der Umzug aus der Ziegelhäuser Landstr.27 in das von Max Webers Großeltern Georg Friedrich und Emilie Fallenstein 1847 erbaute Haus in der Ziegelhäuser Landstr. 17. 5 Gemeint sind Personen, die Max Weber in Angelegenheiten der DGS sprechen wollte.

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13. Januar

1910

Marianne Weber PSt 13. Januar 1910; PSt C h a r l o t t e n b u r g Karte; e i g e n h ä n d i g Bestand Max W e b e r - S c h ä f e r , Deponat B S B M ü n c h e n , A n a 4 4 6

Liebstes Schnauzel, in Eile, weil tief in Correkturen,1 die |: eilig und :| natürlich wieder mühselig genug sind, - daher nur einen herzlichen Gruß und Kuß. Mama ist nach wie vor recht munter und ungemein frisch, ich möchte beinahe 5 sagen: so frisch wie ich sie mich nicht erinnere seit Rom und Sizilien.2 Was für unglaubliche Schwierigkeiten es macht, hier die Menschen, die man haben will, zusammenzubringen! Ich habe noch Niemand gesehen, erst heut Abend spät werde ich Sombart treffen. Also hatte ich Zeit für Mama und Clara's Kinder, 3 die eben hier waren. Aber ich werde schon 10 dicker! weiß Gott. Man entrinnt hier der Nahrung nicht, obwohl der Magen nach wie vor keine Lust hat. Jetzt hast Du Liebstes nun Deinen besagten Tag, bleib mir recht ruhig und, hoffentlich, innerlich froh. Viele tausend Grüße, es umarmt Dich 15 Dein Max

1 Gemeint sind vermutlich die Korrekturen zu: Antikritisches zum „Geist" des Kapitalismus, in: AfSSp, Bd. 30, Heft 1,1910, S. 1 7 6 - 2 0 2 (MWG I/9). 2 Im Oktober 1901 hatte Helene Weber Max und Marianne Weber in Rom besucht, im November 1906 unternahmen sie eine gemeinsame Reise nach Sizilien. 3 Clara Mommsen hatte vier Kinder, Konrad, Helene, Clara, Theodor.

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Edgar Jaffe 14. Januar 1910; Charlottenburg Brief; e i g e n h ä n d i g Privatbesitz

Marchstraße lFa Charlottenburg 14/110. Lieber Jaffe! Es war mühselig genug, wenigstens Beck und Sombart (nur zwischen 10 u. 2 Uhr Nachts zu haben) zu einer Besprechung zusammenzubringen. (Jeder von beiden beschwerte sich, daß der Andre nichts thue). Dabei wurde nun die Zeitschriftenir&gc besprochen und es kam zur Erörterung, ob es nicht möglich sei, daß das „Archiv" etwa in der Form im Bereich des Möglichen läge, daß dasselbe den Mitgliedern15 direkt vom Verlag zu einem Nettopreise (wenn möglich: dem Buchh[andels]-Nettopreise) geliefert würde? und daß etwa „offizielle" Kundgebungen der „Soziologischen] Ges[ellschaft]" publiziert würden? Die „Gegenleistung" bestände ja allerdings nur in der Chance, daß doch eine gewisse Ausweitung des Abnehmerkreises dadurch bewirkt werden könnte,1 (Wir denken im Übrigen daran, 0 mit Siebeck über die Übernahme der soziologischen Publikationen in Verhandlung zu treten). 2 Ob das |:Obige: | nun für das „Archiv" eine akzeptable Sache wäre. Sie müßten Das entscheiden (ehe man mit Siebeck davon redete) d . 3 Ich habe kein Urteil. Die Neugründung einer besondren „soziologischen]" Zeitschrift schien D r Beck - der doch wirklich ein recht tüchtiger brauchbarer Mensch ist, für ganz zwecklos zu halten, auch Sombart u. ich

a O: hochgestellter Buchstabe zweifach unterstrichen, merfehltin O.

b (zu)

c (die)

d Klam-

1 Webers weitere Erörterungen mit den Berliner DGS-Mitgliedern haben zu keinem greifbaren Ergebnis geführt; vgl. dazu Brief an Edgar Jaffe [am oder nach dem 21. Jan. 1910], unten, S.376. 2 Zu Verhandlungen der DGS bzw. in diesem Fall Max Webers ist es erst vor dem Ersten Deutschen Soziologentag im Oktober 1910 gekommen; vgl. Brief an Oskar Siebeck vom 14. Okt. 1910, unten, S. 647. 3 Der Tenor der folgenden Briefe an Edgar Jaffe [nach dem 14. Jan. 1910] sowie [am oder nach dem 21. Jan. 1910], unten, S. 362f. und 376, läßt vermuten, daß dieser sich positiv zu den Vorschlägen geäußert hat.

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14. Januar

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haben da unsre Bedenken. 4 - Sollten Sie mir bis etwa Mittwoch Nachricht |-.{gänzlich unverbindlich\):\ zukommen lassen können, dann könnten wir die Sache gleich |:(als mögliche Frage):\ dem Vorstand vorlegen. (Sombart ist stets nur 3 Nächte u. 2 Tage hier, hat |:übrigens:| nur e eine geheime Telefon-Nummer® und keine Klingel an der Woh- 5 nung!) Ob ich den Artikel werde schreiben können, ist vorerst recht fraglich.5 Ich habe noch Niemand attrappieren können, Berlin ist ein Ort ohne allen „Mittelpunkt". Ihnen und Ihrer lieben Frau freundschaftliche Grüße! 1o Ihr Max Weber

e ein geheimes Telefon > eine geheime Telefon-Nummer

4 Der Vorschlag zu der Neugründung war von Paul Siebeck ausgegangen; vgl. dazu Brief an Siebeck vom 20. Dez. 1909, oben, S. 341, Anm. 7. 5 Möglicherweise handelt es sich um den einleitenden Artikel über Sozialpolitik, den Weber in seinem Brief an Edgar Jaffe [vor dem 25. Dez. 1909], oben, S. 343f., als Ersatz für den von ihm abgelehnten Aufsatz von Emil Lederer angeboten hatte. Der Artikel ist nicht im AfSSp erschienen.

14. Januar

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Marianne Weber P S t 14. J a n u a r 1910; P S t C h a r l o t t e n b u r g Karte; e i g e n h ä n d i g Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat B S B München, A n a 446

Liebe Schnauzel, schönsten Dank für's Kärtchen, - ja ich dachte mir es wohl, daß nun ein gründliches Ermüdetsein kommen würde, - laß es seinen Gang nehmen und erzwinge nichts, mein Trautstes, - es geht dann schneller vorüber, Du weißt ja. Also am 24.-26. bist Du in Tübingen? 1 Ja, ob ich dann zurück bin 1 ', ist nicht völlig sicher, wennschon wahrscheinlich, da hier kein Mensch anzutreffen ist, auf den es mir ankäme, u. ich auch schwerlich Anregung finde, die ich wollte. Gestern war ich mit Sombart, nach geschäftlichen Erörterungen, bis 2 Uhr Nachts zusammen. Aber der Kerl ist ja immer nur 2 Tage (3 Nächte) hier! Ich werde also hauptsächlich für Mama hier sein u. daneben einige Eindrücke zu sammeln suchen. Natürlich muß für die „Soziologische] Gesellschaft]" ich wieder alle Entschlüsse fassen, - die „Bande" thut nichts. Simmel sah ich noch nicht; ich denke: morgen. Laß Dich, mein Liebling, recht stark und herzlich in den Arm nehmen, - wie schön, wenn [ich]3 erst wieder bei Dir bin! Jetzt aber: in die geschäftige Gedankenlosigkeit Berlins hinein, die auch ganz wohl thut. Mama, die sehr grüßt, geht es gut, ebenso Deinem Max

11

Mußt Du denn schon am 24. fort? Doch wohl erst Abends nach Stuttgart, nicht?

a Lochung.

1 Am 25. Januar 1910 hielt Marianne Weber in Tübingen einen Vortrag über Probleme der Ehereform auf Einladung des dortigen Vereins Frauenbildung - Frauenstudium und des Akademisch-Sozialwissenschaftlichen Vereins.

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Edgar Jaffe [nach dem 14. Januar 1910]; Charlottenburg Brief; eigenhändig Privatbesitz Datum erschlossen aus einem Brief Edgar Jaffes an Weber vom 14. Januar 1910 (Privatbesitz), der Grüße an Helene Weber enthält, auf die Weber in seiner Antwort Bezug nimmt.

Charl. Marchstr. 7 f Lieber Jaffe, vielen herzlichen Dank für Ihren Brief, dessen Grüße ich meiner 3 Mutter ausrichtete, welche Sie b bestens wiedergrüßen läßt. Schulze-Gävernitz möchte 0 im „Archiv" über „Marx oder Kant" schreiben. Wann wäre wohl Platz? Er hat den Umfang nicht angegeben. 1 Ich rieth ihm, jedenfalls erst Plenge's Kritik abzuwarten. 2 Könnten Sie ihm wohl Nachricht geben? Gleichzeitig hiermit ein Aufsatz über Fideicommisse (Litteraturbericht), der nur |:2 Arbeiten von:| Rehm u. v. Reibnitz behandelt. 3 A n a O: meine

b O: sie

c (bei)

1 Tatsächlich ist wenig später ein solcher Artikel aus der Feder von Gerhart v. SchulzeGaevernitz in zwei Teilen erschienen: Nochmals „Marx oder Kant?", in: AfSSp, Bd.30, Heft 2,1910, S. 514-531, sowie ebd., Heft 3, S. 825-847. 2 Die Arbeit von Johann Plenge, auf die sich Weber bezieht, erschien wenig später im März 1910 unter dem Titel: Marx oder Kant?, in: ZGS, Jg. 66, Heft 2, S. 213-239. Plenges kritischer Literaturüberblick enthält eine äußerst kritische Auseinandersetzung mit dem Vortrag von Gerhart v. Schulze-Gaevernitz, Marx oder Kant? Rede, gehalten bei der öffentlichen Feier der Übergabe des Prorektorats. - Freiburg i.B. und Leipzig: Speyer & Kärner. Universitätsbuchhandlung 1908. v. Schulze-Gaevernitz hat - entgegen dem Rat Webers - das Erscheinen dieses Artikels nicht abgewartet; sein Manuskript ist schon im Februar 1910 an den Verlag gelangt. Auch fehlen in dem veröffentlichten Text jegliche Hinweise auf Arbeiten aus dem Jahre 1910, was darauf hindeutet, daß das Manuskript ohne wesentliche Änderungen zum Druck gelangt ist. 3 Gemeint ist: Leonhard, Rudolf, Neuere Literatur zur Majoratsfrage, später erschienen in: AfSSp, Bd.32, Heft 1, 1911, S.172-190. Leonhards Kritik richtete sich gegen den Aufsatz von Hermann Rehm, Die Existenzberechtigung der Fideikommisse, in: Annalen des Deutschen Reichs für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft, Jg. 1909, S. 295-302, sowie gegen das Buch von Kurt Freiherr von Reibnitz, Familienfideikommisse. Ihre wirtschaftlichen, sozialen und politischen Wirkungen. - Berlin: Carl Heymanns Verlag 1908. Eine Replik von Rehm: Über Familienfideikommisse. Eine Entgegnung, findet sich in: AfSSp, Bd.34, Heft 1, 1912, S.245-247, sowie die Antwort Leonhards: Duplik, ebd., S.248-253.

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sich könnte er schon genommen werden - d(sehr viel Neues ist in der Sache nicht zu sagen, aber Rehm verdient die Tracht Prügel), 4 nur habe ich wegen des Platzes Besorgnis. Jedenfalls darf er nicht Andren den Platz wegnehfmen.] 65 5 Besten Dank für Ihre Mitteilung betr. der Soziologischen] Gesellschaft. 6 Ich werde den Leuten das ausrichten. Herzl. Gruß Ihr stets ergebener Max Weber

d Klammer fehlt in 0 .

e Lochung.

4 Rehm hatte in seiner Arbeit (wie Anm.3) den gebundenen Grundbesitz, also die Fideikommisse, zum Hauptträger volkswirtschaftlicher bzw. landwirtschaftlicher Modernisierung gemacht, eine Behauptung, die nach Leonhards Kritik jeglicher empirischen Grundlage entbehrte bzw. für die es in der gesamten landwirtschaftlichen Literatur keinerlei Belege gab. 5 Die Rezension erschien mit großer Verspätung. Dazu bemerkt Leonhard in einer einleitenden Fußnote seines Aufsatzes (siehe Anm.3), S. 172: „Meine Abhandlung fand, nachdem sie eine Odyssee durch die Redaktionen verschiedener volkswirtschaftlicher Zeitschriften durchgemacht, erst nach längeren Irrfahrten, die ihre rechtzeitige Publikation verzögerten, eine Freistatt in den vorliegenden Blättern, wo sie aber aus redaktionellen Gründen auch erst jetzt publiziert werden konnte." 6 Jaffe hatte offenbar seine Bereitschaft signalisiert, der DGS das AfSSp als Mitteilungsorgan zur Verfügung zu stellen; vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 20. Dez. 1909, oben, S.341, Anm.7.

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15. Januar 1910

Marianne Weber PSt 15. Januar 1910; PSt Charlottenburg Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

L[ieb]stesa Mädele, heute fange ich den Tag mit der Lampe an, da ich gestern ganz nur mit der Mutter war ( b die Leute waren wieder Alle nicht zu erlangen), teils hier, teils in Berlin (Mommsen-Denkmal, 1 Flora-Büste 2 im K[aiser]Friedrich-Museum)0. Heute Nachmittag geruht Simmel mich zu empfangen^] Ich konnte „unbemittelt" schlafen trotz vielen Schwätzens. Wie mag es Dir wohl gehen, mein liebstes Herz, und ob Dich die Leute wohl in Ruhe gelassen haben? - Es wird doch wohl so werden, daß ich erst etwa am 28. | :oder später: | zurückkomme, - das hängt freilich ganz davon ab, ob ich überhaupt hier etwas zu stände bringe (was sehr fraglich). Wenn Alfred |:aber:| etwa vorher „Janus"3 hat, würde ich freilich jedenfalls kommen, denn ich möchte, grade nach unsrem Gespräch am Sonntag bei ihm, doch sehr gern sehen, was er macht, | :da es mir wichtig ist.: | Hier sitze ich in endloser Schreiberei jetzt, die sich wohl noch steigern wird. - Und nun laß mich - heut ist ja für Dich vielleicht schon wieder ein besserer Tag? - an Deine Brust kommen, wie immer,

a Lochung.

b (sonst)

c Klammer fehlt in 0.

1 1909 wurde das von Adolf Brütt aus Marmor gefertigte Mommsen-Denkmal im Garten der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin aufgestellt. Der Bildhauer war mit Theodor Mommsen befreundet und hatte bei dessen Tod 1903 die Totenmaske und den Handabguß genommen. Vgl. Ethos und Pathos. Die Berliner Bildhauerschule 1786-1914. Ausstellungskatalog, hg. von Peter Bloch, Sibylle Einholz, Jutta von Simson. - Berlin: Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz 1990, S.63 und 64. 2 Die dem Umkreis von Leonardo da Vinci zugeschriebene Flora-Büste aus Wachs, bemalt, war im Juni 1909 von Wilhelm Bode in England für das Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin gekauft worden. Diese einmalige Erwerbung einerseits sowie die sich im Herbst 1909 anschließende, von England ausgehende Polemik um die Echtheit des Kunstwerks andererseits lösten ein starkes Interesse aus. Heute ist die Originalität unumstritten. Vgl. Bildwerke der christlichen Epochen von der Spätantike bis zum Klassizismus. Aus den Beständen der Skulpturenabteilung der Staatlichen Museen, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin-Dahlem.-München: Prestel-Verlag 1966, S.95f. 3 „Janus" nannte sich ein naturwissenschaftlich-philosophischer Gesprächskreis, der in Heidelberg von Otto Klebs und Alfred Weber 1909 gegründet worden war.

15. Januar 1910

365

und mich an Dir freuen, wenn auch von fern für jetzt! Was hätte man sich nicht Alles zu sagen! - A b e r ich kann jetzt keine äußere u. innere R u h e bekommen. M a m a , der es doch gradezu brillant geht, grüßt vielmals und es küßt Dich herzlich 5 Dein „Bub"

16. Januar

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Marianne Weber PSt 16. J a n u a r 1 9 1 0 ; PSt C h a r l o t t e n b u r g Karte; e i g e n h ä n d i g Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat B S B München, A n a 446

[Lie]bera Schnauzele, gestern hatte ich unmenschlich viel zu korrigieren 1 und zu schreiben, dann war ich von 5 an bei Simmeis,2 bis nach 10, worauf sie mich noch zur Bahn brachten. Der Frau geht es viel besser offenbar, sie sprach viel mit - über Stefan George besonders - und konnte offenbar auch wieder ganz seine Art ertragen. Er kam wiederholt auf Dich zu sprechen, ganz offensichtlich hast Du es ihm angethan, er braucht eben doch nicht nur „Publikum", sondern das Gefühl von Wärme beim Verständnis. Gestern sprach er auch recht schlicht und menschlich^] Die inhaltlichen Seiten St[efan] George's beurteilt übrigens er - und namentlich auch: sie, die ihn offenbar sehr genau kennt - nicht grundsätzlich anders als wir: daß er „Prophet" werden möchte, b halten auch sie für einen Fremdkörper. Ich werde wohl jedenfalls noch einmal dort sein. - Auch heut habe ich noch zu korrigieren gehabt. Jetzt muß nur die „Soziologische"3 noch auf den Damm, u. dann will ich noch einige Leute sehen. Schönsten Dank für Dein Kärtchen, wie gut, daß Du wieder frischer bist! - mein Liebstes! Ich möchte über E[lse] J[affe] nicht gern auf Postkarten antworten u. kann im Moment doch nicht zu mehr kommen. Ihre Ungehemmtheit, wenn sie etwas begehrt, macht ja die Hauptschwierigkeit, - sie [könn]te° ihn 4 ja mit wenig Geduld zu Vielem, vielleicht Allem, „bekehren". - Ein ander Mal! - Die Kinder 5 tollen um mich herum - alle sehr munter, - Mama ist doch fast den ganzen Tag, und offenbar mit vollem Glücksgefühl, beschäftigt. Mir geht es, auch qua Schlaf, ganz erträglich, und ich schließe Dich fest in die Arme, mein trautstes Kind. Immer Dein Max a Lochung.

b (hat)

c Lochung.

1 Vermutlich in den Fahnen zu seinem Artikel: Antikritisches zum „Geist" des Kapitalismus, in: AfSSp, Bd.30, Heft 1,1910, S. 1 7 6 - 2 0 2 (MWG I/9). 2 Georg und Gertrud Simmel. 3 Gemeint ist die DGS. 4 Vermutlich Edgar Jaffe. Vgl. Brief an Marianne Weber vom 17. Jan. 1910, unten, S. 3 6 7 - 3 7 0 . 5 Gemeint sind die Kinder von Clara und Ernst Mommsen.

17. Januar

1910

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Marianne Weber [17. Januar 1910; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort aus dem Briefinhalt erschlossen. Weber schreibt, gestern sei Sonntag gewesen, Montag war der 17. Januar. Gegen Ende des Jahres 1909 hatte zwischen Else Jaffe und Alfred Weber eine intime Beziehung begonnen. Über die sich daraus ergebenden Folgen kam 6s zu intensiven Gesprächen zwischen Max Weber, Marianne Weber, Else Jaffe, Edgar Jaffe und Alfred Weber, auf die sich die Briefe Max Webers in den folgenden Wochen wiederholt beziehen. Vor der Abreise Webers nach Berlin versuchten Max Weber und Else Jaffe sich auszusprechen; die seit langem bestehenden Spannungsverhältnisse waren durch den Eintritt von Max Webers Bruder in die Beziehungskonstellationen komplizierter geworden. In dem folgenden Brief geht Max Weber auf diese Gespräche ein, berichtet über einen Brief, den er am 9. Januar 1910 an Else Jaffe geschrieben hatte, und legt einen Brief bei, den ihm Else Jaffe am 10. Januar 1910 nach Berlin gesandt hatte. Diesen Brief beantwortete Weber am 14. Januar und teilte Marianne Weber den wesentlichen Inhalt seiner Antwort mit. Die beiden Briefe Max Webers an Else Jaffe sind nicht überliefert. Der Brief von Else Jaffe vom 10. Januar ist in einer Abschrift von Marianne Weber überliefert (Bestand Eduard Baumgarten, Privatbesitz) und trägt von deren Hand die Bemerkung „Original an Else zurück". In dem Brief schreibt Else Jaffe, das letzte Gespräch habe die Dinge, die sie sagen wollte, nicht eigentlich zum Ausdruck gebracht. Sie habe gleich gewußt, daß sie nicht hätte zu sagen brauchen: „Selbst die Furcht Ihre Freundschaft zu verscherzen, die mir doch zu den kostbarsten Dingen gehört, würde mich nicht halten, wenn das Leben ruft." Sie fühle ja, daß er „alles in seinem äußeren Zusammenhang und seiner Notwendigkeit sehe" und daß er wisse, daß ihre „qualvolle Lebensschwere als Gegenkraft des .geheimen Leichtsinns 1 " bedürfe. Diese Wendung ist das Zitat einer Stelle aus Rainer Maria Rilkes Gedicht Requiem (enthalten in: Der Neuen Gedichte anderer Teil, die Ende 1908 veröffentlicht wurden), die Max Weber Else Jaffe angestrichen hatte. Im Original lautet die Wendung „geheimen Leichtseins" und nicht, wie in der Abschrift Mariannes wiedergegeben, „geheimen Leichtsinns". Else Jaffe schließt, da ihr „Brüderlichkeit" ein „entlegenes Land" sei, „darf ich Ihnen ganz einfach und menschlich sagen, daß Sie zu den Wenigen gehören, die ich lieb habe - grad so - ganz ohne die Verehrung und tiefe Dankbarkeit, die noch dazu kommen". Else Jaffe schildert den Besuch von Max Weber in einem Brief an Alfred Weber vom 7. Januar 1910 (BA Koblenz, Nl. Alfred Weber, Nr. 54, Bl. 109f.). Max Weber habe sie gestern alleine besucht und dabei das Requiem von Rilke vorgelesen. Er sei „wie die Verkörperung der göttlichen Liebe" gewesen, „die sagt: Gehe hin, mein Kind, lebe, leide, sei froh - schwer lasse ich Dich von mir, aber ich weiß, Du gehörst Deiner Mutter Erde und denen, die Deine Brüder sind. Aber vergiß nicht, ich bin immerdafür Dich, Dir immer nah, dazwischen schiebt sich kein Schicksal. Ich warte." Sie fügt an: „er hat ja doch mehr wahre Liebe für mich als Du! Ja. Denn Du liebst vor allem das Leben und mich deshalb, weil ich es mit Dir liebe. - Und er hat so wenig."

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17. Januar 1910

Lieber Schnauzel! Den anliegenden Brief Eise's 1 konnte ich Dir nicht gut schicken (ich fand ihn hier vor), ehe ich ihn beantwortet hatte 2 u. dazu fand ich erst Freitag Abend Zeit, war dann aber selbst zu überladen mit andren Dingen, um den Commentar schreiben zu können. Du erinnerst Dich, was ich Dir erzählte über die | :von ihr: | im Eingang wiedergegebene Äußerung zu mir. Ich antwortete (es war als ich ihr Adieu sagte) mündlich sofort: das sei kein Gegenstand, der freundschaftliche Beziehungen, wenn man sie als „Brüderlichkeit auffasse, zerstöre, - und legte dann der Nachricht über München 3 und den Bemerkungen über die Lederer-Sache, 4 die ich ihr für ihren Mann schickte (Sonntag vor meiner Abreise), einen halben Briefbogen bei, auf dem (ungefähr wörtlich) stand: | :„L. F. E.":| „Ich danke Ihnen dafür, daß Sie das, was Sie zuletzt aussprachen, endlich gesagt haben, denn ich wußte genau, daß Sie es längst gern gesagt hätten. Andrerseits hätten Sie wissen können, daß ich dies auch so wußte. Herzl. Abschiedsgrüße." Darauf fand ich hier Dienstag diesen Brief vor und antwortete: „Ich wisse und müsse bejahen, daß, so wie sie geartet | :sei: | und ihr 3 Schicksal sie geformt habe, sie, |:um:| „in Schönheit leben" und denen, mit welchen sie sich dauernd verknüpft habe, das bieten zu können, was sie ihnen bieten wolle, - sie |:von außen ihr: | aufgedrungene „Verzichte" nicht vollziehen könne. Sie würde |:dann:| hart, bitter und lieblos werden. Anpassung und Verzicht im Einzelnen sei möglich13, oft auch für sie das Bessere, aber offenbar kein Verzicht im Großen, wenn sie |:einmal:| unter der starken Hand des „Lebens" stehe. - In diesem Sinne hätte sie empfinden sollen, daß ich meine Beziehung zu ihr nicht als eine etwas Derartiges |:(„Verzicht"):| fordernde" auffasse, dann würde sie nicht immer im Stadium des inneren „Protestes" sich befunden haben, der

a das>ihr

b (|:unddasBessere:|)

1 Gemeint ist der Brief von Else Jaffe an Max Weber vom 10. Jan. 1910 (Privatbesitz), vgl. die Editorische Vorbemerkung zu diesem Brief. 2 Der Brief an Else Jaffe ist nicht nachgewiesen. 3 Der Sachverhalt konnte nicht geklärt werden, vielleicht handelte es sich um die Pläne für die Gründung einer Handelshochschule in München und mögliche berufliche Chancen für Edgar Jaffe dort. 4 Vermutlich handelt es sich um die gleiche Angelegenheit, über die Max Weber an Edgar Jaffe im Brief vor dem 25. Dez. 1909 geschrieben hatte, vgl. oben, S. 343f.

17. Januar

1910

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beide Teile befangen mache und auf das „Verbotene" | :nur noch: | einen Werthakzent mehr lege." - Nun ist sie jetzt in Ruhestein 0 und Alfred nach Hoops' 5 Brief „für einige Tage verreist". - Daß es entweder mit Gundolf oder mit Alfred so kommen würde, wurde mir vor Weihnachten |:nicht aus Äußerungen, sondern aus ihrem Wesen: | ziemlich klar. Aber die Hast ihres Handelns ist Das, was das Schlimmste daran ist | :und eben das wollte ich wenn möglich hindern. :| Dadurch macht sie es so schwer, ihr zu helfen, „größer zu bleiben als ihre Schuld", - u. d darauf kommt es doch allein an. Weder Jaffe noch sie sollten Entschlüsse von einem Tage zum andren fassen. Die Trennung ist ja ziemlich wahrscheinlich das |:Resultat, sicher das:| Würdigste, - aber da es |:trotz Allem:| nicht sicher ist, ob sie stattfindet, kann man nicht gut |:zu stark:| darauf drängen, sonst haben sie dann, wenn sie \ :doch: \ zusammenleben ^bleiben:!, erst recht das Gefühl, entwürdigt zu sein und sie kommt ebenso wie er auf den Hund. Auch müssen doch die Thatsachen erst feststehen, und absolut sicher sind sie ja nicht. Man muß am besten ruhig zuhören und |:nur:| menschliche Teilnahme zeigen. Nun genug von ihr, wir werden ja noch viel davon zu reden u. zu denken haben, auch eventuell von Alfred. Hier will nichts recht von der Stelle. Die Berliner Entfernungen sind trotz Auto und Telefon schwierig. Und nichts von Endemann, 6 trotz der Bitte, wenn die Sache aussichtslos sei, doch Nachricht zu geben. Es ist immer noch Beides möglich: sowohl daß ich schnell zurückkomme wie daß ich bleibe. Denn wenn das nutzlos ist, werde ich es nicht fortsetzen. Naumann z. B. habe ich noch gar nicht gesehen und es scheint fraglich, ob ich ihn in Ruhe sehen kann. Er hat Vorträge 7 u. dgl. zu halten. Mir geht es ganz erträglich, auch der Schlaf war gestern Nacht befriedigend. Gestern

c 0 : Ruhstein

d In 0 folgt: U n d

5 Gemeint ist Johannes Hoops, der in Heidelberg einen Lehrstuhl für Anglistik innehatte und ein Freund von Alfred Weber war. 6 Friedrich Endemann, Professor für Römisches und Bürgerliches Recht in Heidelberg, hatte die Fabrikantenfamilie Lanz in Mannheim zu einer großzügigen Stiftung für wissenschaftliche Zwecke angeregt. Aus der Stiftung Heinrich Lanz war die 1909 gegründete Heidelberger Akademie der Wissenschaften hervorgegangen, vgl. Gothein, Marie Luise, Eberhard Gothein. Ein Lebensbild. - Stuttgart: W. Kohlhammer 1931, S.235. Max Weber hatte offenbar von Endemann Unterstützung erhofft für die Finanzierung der Untersuchungen zum Pressewesen, die er der DGS als erstes Forschungsprojekt vorgeschlagen hatte. 7 Gemeint ist ein Vortragszyklus zu Geschichte und Wesen der politischen Parteien. Die

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17. Januar

1910

(Sonntag) Mittag hatte ich die gesammte Mommsenei 8 auszustehen. Eine furchtbare Nüchternheits-Douche! Ich möchte gern sehr bald wieder beim Schnauzel sein, obwohl die Mama sehr behaglich ist u. auch „etwas von mir hat", hoffe ich. - Lili kommt also wohl im Sommer nach Heidelberg. s Ich umarme Dich, mein trautstes Kind, - laß Dirs recht, recht gut gehen Dein „Bub"

einzelnen Vorträge fanden am 20. und 27. Januar und am 3. und 10. Februar 1910 in der Berliner Philharmonie statt. Vgl. Naumann, Friedrich, Die politischen Parteien. - BerlinSchöneberg: Buchverlag der „Hilfe" 1911; zur Datierung vgl.: Die Frau. Monatsschrift für das gesamte Frauenleben unserer Zeit, hg. von Helene Lange, Bd. 17,1909/1910, S. 253. 8 Gemeint sind Clara und Ernst Mommsen und ihre vier Kinder.

19. Januar

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Marianne Weber PSt 19. Januar 1910; PSt Charlottenburg Karte; e i g e n h ä n d i g Bestand Max W e b e r - S c h ä f e r , Deponat B S B M ü n c h e n , A n a 4 4 6

L. Sehn. 1000 Dank fürs Kärtchen. J[affe] „kann" natürlich nur im physischen Sinn ohne E[lse] leben. Denn er ist - schon rein sozial zertreten u. muß den Hohn Jedermanns jeden Tag spüren. - Andrerseits: jedes Mittelding 5 zwischen den beiden Alternativen ist im vorliegenden] Fall aus x Gründen „ordinär" für alle Beteiligten. 1 Heut war ich in Simmeis Colleg.2 Sonst X Briefe geschrieben. Es ist zum Verzweifeln, wenn man nie die Leute kriegen kann! Thun thun sie gar nichts. Ev. komme ich schon bald zurück. 10 Herzlichen Gruß und Kuß Dein „Bub" Max

1 Diese Ausführungen beziehen sich vermutlich auf einen nicht nachgewiesenen Brief von Marianne Weber, die beiden Alternativen waren wohl Trennung von Edgar Jaffe oder Beendigung der Beziehung zu Alfred Weber. 2 Der 19. Januar 1910 war ein Mittwoch, mittwochs las Georg Simmel von 10 bis 11 Uhr über Soziologie und von 11 bis 12 Uhr über Probleme der modernen Kultur (Individuum und Gesellschaft, die Frauenfrage, die Stilentwicklung in der Kunst).

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20. Januar

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Marianne Weber [20. Januar 1910; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort erschlossen aus dem Briefinhalt in Zusammenhang mit den Karten an Marianne Weber vom 19. und 21. Januar 1910.

Liebes Schnauzel, schönsten Dank für Dein Kärtchen, - aber so ist glaube ich die Sache doch nicht.1 Wann ein Cicisbeat2 das „Zweit"- (oder „Dritt"- oder „Viert"-)beste ist resp. das geringste Übel 1 ', kommt ja auf den Einzelfall an. Bei der äußeren und inneren Situation im vorliegenden] Fall scheint es mir das weitaus „häßlichste". Wie die Sache bei ihr3 stand, konnte man ziemlich leicht empfinden. Es war ein ganz plötzlich aufsteigendes Begehren rein sexueller Art. Aus der Art, wie sie auf freundliche Worte von mir über Gundolf reagierte, mußte man mit voller Sicherheit annehmen, daß dieser es sei. |: Vorher war es Salz. | Erst nachher kam dann die Sache mit Alfred, u. zwar gleich nachdem sie nicht mit nach Paris4 gereist war, also3 dort „verzichtet" hatte. Die Person war eben beinahe einerlei und

'' Von positiv „Sittlichem" kann da ja längst nicht mehr die Rede sein. Dieser Boden fehlt hier gänzlich. Es kann sich nur rein menschlich fragen: was das Minimum von |:unsittlichen,:| innerlich degenerierenden Motiven in sich schließt. a (auch)

1 Marianne Weber berichtete Max Weber über die Alternativen, die sie mit Else Jaffe diskutierte. In einem Brief von ihr an Helene Weber von Ende Januar 1910 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana446) schrieb sie: „Max war durch Nachrichten, die ich ihm schickte, sicher sehr stark innerlich beschäftigt". Die Briefe und Karten, auf die Max Weber antwortete, sind nicht nachgewiesen. 2 Im 16. bis 18. Jahrhundert in Italien unter höheren Ständen herrschende Sitte der verheirateten Damen, sich in Gesellschaft oder in der Öffentlichkeit von einem Gesellschafter, Hausfreund oder Liebhaber (Cicisbeo) begleiten zu lassen. 3 Gemeint ist Else Jaffe. 4 Gemeint ist vermutlich eine geplante Reise nach Paris mit Arthur Salz, vgl. Brief an Marianne Weber vom 24. Jan. 1910, unten, S. 380.

20. Januar 1910

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konnte sich von Tag zu Tag ändern 2 '. - Etwas Anders bei Alfred. Da ist es natürlich nicht nur rein sexuelle Spannung, sondern mehr als das. Ob eine Ehe mit ihr ihm Segen brächte, weiß ja Niemand. Aber eine Geliebte könnte er sich nicht von Jaffé - grade von diesem, nach |:ihrer früheren und jetzigen : | Beziehung zu einander | :u. nach : | Jaffé's Attitüde, innerer und äußerlicher Lage (ich schrieb ja gestern 5 ) - „aushalten"3> lassen, ohne daß dies eine tiefe Roheit enthielte, die ihn auf den Hund brächte. Sonst würde selbstredend grade eine dauernde klare Beziehung ihm |:wohl:| Ruhe und Berufsfreude bringen können. Für Jaffé ist die Chance immer einmal wiederkehrender „Explosionen" des „Fleisches" bei ihr weit erträglicher und relativ „würdiger" als ein Cicisbeo und gar grade dieser, dessen tiefe Verachtung gegen Sich er |:ja:| kennt und immer empfinden wird. Und sie wird das auch empfinden und - wie sie ist - an dieser |:durch ein Cicisbeai:| b in Permanenz erklärten „Forderung" | : (die sie ja gut kennt) :| „häßlich" werden. Von heut auf morgen kann sie diese Sache schwerlich ad acta legen, - aber so schnell als es innerlich geht, - oder: sie sollte sich eben trennen. Thut sie keines von beiden, dann muß man ihr natürlich auch u. erst recht innerlich zu helfen suchen. Aber es ist dann ziemlich schwer. Ein Abbruch der Beziehung (so schnell als es geht) gäbe ihr - so skeptisch man der Zukunft natürlich gegenüberstehen wird - alle „Möglichkeiten" wieder, nachdem |:nun:| „das Fleisch" das Seinige gehabt hat. - So sehe ich vorläufig die Sache. Aber gewiß: man muß überlegen u. sie allein kann handeln. Doch nun genug von ihr, wir sprechen dann darüber. Es ist abscheulich, daß ich, obwohl ich im besten Stand wäre, hier etwas zu stände zu bringen, nichts recht vorwärtsbringe, weil die Menschen alle faul oder nicht zu haben oder nicht zusammenzubringen sind. Naumann sehe ich heute erst, ob Gertrud B[äumer], ist noch unsicher überhaupt. Insofern war die Reise nur „klärend", aber nicht von positivem Erfolg begleitet, und „klärend" auch fast nur im negativen Sinn. -

2)

Die große Hast, mit der sie sich, gleichviel wie, sofort des Zieles versicherte, und die so häßlich wirkt, ist ja auch dadurch bedingt. 3) Ich meine damit nicht nur das Pekuniäre. b (imme) 5 Karte an Marianne Weber vom 19. Jan. 1910, oben, S. 371.

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20. Januar 1910

Mama geht es doch wirklich sehr gut. Wie reich ist ihr Leben! - Und Dir! Du schreibst nichts davon! Laß Dich herzlich umarmen. Dein „Bub". Da ich nun auch nicht nach Leipzig kann - Bücher ist krank - komme ich wohl sehr bald wieder. - „Nochmals": Dein treuer „Bub". 5

21. Januar

1910

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Marianne Weber PSt 21. Januar 1910; PSt Charlottenburg Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Liebe Schnauzel, ich habe auffallend gut geschlafen, trotzdem gestern Naumann, Frau Goldschmidt, 1 Clara Friedländer, 2 Herr u. Frau Heuß(-Knapp) 3 u. Lektüre |:bis spät:| den Nachmittag ausmachten. Heut habe ich endlich wenigstens ein paar 3 von den Menschen zusammen, die für die Soziologische] Gesellschaft] unentbehrlich sind. Aber vorwärts werden wir nicht kommen, es ist zum Verzweifeln. Keiner will Opfer an Zeit u. Arbeit in seinem Interesse bringen. Naumann ist müde und skeptisch, weil die Vereinigung der Liberalen die Frage des Fortbestandes der „Hilfe" 4 aufrollt, die nicht einfach ihre Tradition aufgeben kann u. in dies neue Schema nicht hineinpaßt. Heut ist einmal kein Schnäuze-Kärtchen gekommen, nun wer weiß? vielleicht kommt es noch. Hoffentlich strapazieren Dich die Sachen mit E[lse]5 nicht innerlich stark, - man wird Das ja jetzt einfach gehen lassen müssen, wie es eben geht. Ich denke, ich komme Dienstag oder Mittwoch zurück. Laß Dich herzlich umarmen von Deinem Max

a O: par

1 Adele Goldschmidt, geb. Hermann, war die Witwe von Levin Goldschmidt, bei dem Weber 1889 in Berlin promoviert und den er während dessen Erkrankung 1892/93 als Professor für Handelsrecht vertreten hatte. Das Ehepaar Goldschmidt hatte von 1862 bis 1870 in Heidelberg im Fallensteinschen Haus in der Ziegelhäuser Landstraße 17 gewohnt. 2 Clara Friedländer war eine Jugendfreundin von Helene Weber aus Heidelberg; sie waren zusammen konfirmiert worden. 3 Gemeint sind Theodor und Elly Heuss, geb. Knapp. 4 Im Frühjahr 1910 schlössen sich die Linksliberalen, die Freisinnige Volkspartei ( 1 8 9 3 - 1 9 1 0 ) , die Freisinnige Vereinigung ( 1 8 8 3 - 1 9 1 0 ) und die Liberale Volkspartei ( 1 8 4 9 - 1 9 1 0 ) zur Fortschrittlichen Volkspartei zusammen; daraus ergab sich die Frage nach dem Fortbestand der von Friedrich Naumann 1894 gegründeten Wochenzeitschrift „Die Hilfe". 5 Else Jaffe.

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21. Januar

1910

Edgar Jaffe [am o d e r nach d e m 21 . J a n u a r 1 9 1 0 ] ; C h a r l o t t e n b u r g Brief; e i g e n h ä n d i g Privatbesitz Die Datierung ist erschlossen aus dem Hinweis auf eine provisorische Vorstandssitzung der DGS, die - nach den entsprechenden Mitteilungen an Marianne Weber vom 21. und 22. Januar 1910 - am 21. Januar stattgefunden hat.

Charl. Marchstr. 7f (ich reise Dienstag nach Leipzig, Mittwoch nach Haus). Lieber Jaffe, wir sind in unsrer Sitzung gar nicht mehr dazu gekommen, von der 5 „Archiv"-Frage zu reden, 1 so lange mußten die andren Fragen behandelt werden. Nach Lage der Dinge ist es auch gerathen, zuzuwarten, - es steht noch ganz und gar nicht fest, was aus der Gesellschaft wird. Kein Mensch thut hier etwas und auch meine Geduld ist ziemlich am Ende. Ich bin selten so erfolglos gewesen wie bei dem Versuch, hier etwas 10 fertig zu bringen. Das wäre mir gleich, soweit ich in Betracht komme obwohl mehrere Monate vergeblicher Arbeit |: grade :| für mich immerhin in Betracht kommen. Aber die „Sache" wird nicht gefördert mit dieser Bande nur an sich denkender Kerle. Herzlichen Gruß! 15 Ihr Max Weber

1 Weber sollte - insbesondere auf Paul Siebecks Wunsch hin - beim DGS-Vorstand die Möglichkeit sondieren, das AfSSp zum offiziellen Publikationsorgan der DGS zu machen; vgl. dazu Brief an Paul Siebeck vom 20. Dez. 1909, oben, S. 341, Anm. 7.

22. Januar

1910

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Marianne Weber [22. J a n u a r 1910; Charlottenburg] Brief; e i g e n h ä n d i g Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat B S B München, A n a 446 Datum und Ort aus dem Briefinhalt in Zusammenhang mit der Karte an Marianne Weber vom 21. Januar 1910 erschlossen.

[Lieb]stesa Schnauzele, schönsten Dank für Dein Briefchen, - es versteht sich ja von selbst, daß ich E[lse]1 nichts von Dem sage, was Du mir gesagt hast. Ich werde sie ja gar nicht sehen vorerst, jedenfalls nicht die Initiative ergreifen. Ich hatte ihr - als diese |:leicht zu deutende:| innere Unruhe |:bei ihr:| anfing persönlich \:gezeigt:\ und dann in meinem letzten |:Antwort-:|Brief 2 (d.h. es ist |:(mit dem andern, den ich Dir mitteilte) 3 :| der einzige, den ich an sie gerichtet habe) schriftlich die Sicherheit gegeben, daß da Leute seienb, die Das, was im unaufhaltsamen Rollen war, einfach menschlich hinnehmen |:ohne nutzlose Vorwürfe und Plagen: | u. zu denen sie das Vertrauen haben kann, daß sie ihr einfach zu „helfen" wünschen. Es ist nun an ihr, wie sie sich dazu verhalten will resp. ob sie es - was mir sehr zweifelhaft ist - für sich u. ihre Situation brauchen kann.Gestern erst die (endlich) zusammengetrommelte Sitzung,4 dann mit Sombart zusammen, dann Gertr[ud]° Bäumer nach ihrem Seminar 5 (sie kam dann mit hier heraus und ich brachte sie nachher auf den Weg) letzteres sehr erquicklich wie immer, auch schien sie mir (obwohl Mama

a Lochung.

b sind > seien

c Lochung.

1 Else Jaffe. 2 Der Brief an Else Jaffe ist nicht nachgewiesen. 3 Vgl. Brief an Marianne Weber vom 17. Jan. 1910, oben, S. 3 6 7 - 3 7 0 . 4 Gemeint ist die Sitzung des Vorstandes der D G S am 21. Januar 1910. 5 Gemeint sind die Kurse, die Gertrud Bäumer, Friedrich Naumann, Frieda Duensing u.a. an der von Alice Salomon am I.Oktober 1908 gegründeten Sozialen Frauenschule hielten. Dort wurden 1910 einmal wöchentlich abends Kurse zur Weiterbildung für ehemalige Frauenschülerinnen, Berufstätige oder Mitglieder der sozialen Gruppen angeboten. Vgl. Salomon, Alice, Zwanzig Jahre soziale Hilfsarbeit. - Karlsruhe: Braun'sche Hofbuchdruckerei 1913, S. 73.

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22. Januar 1910

den gegenteiligen Eindruck hatte) frischer als das letzte Mal in Heidelberg, 6 behauptete auch es zu sein. Dabei geht es mir im Ganzen leidlich, auch mit dem Schlaf besser als ich verdiente (ich habe sogar gelegentlich bis zum Zubettgehen gelesen eine sehr schwache Novelle von Ricarda Huch: „Der letzte Sommer", 7 5 eine russische Bomben-Attentatsgeschichte in Briefform: schade Schädel), - was mir schlecht bekommt, ist nur die Erfolglosigkeit meiner Versuche hier. Von Endemann 8 keinerlei Nachricht. Die Geldbeschaffung sehr fraglich. Kein Mensch, der ideell etwas thun will (außer Eulenburg) 9 , kein Mensch zu treffen (außer Eulenburg, den ich Dienstag in 10 Leipzig aufsuche) 0 . Das könnte deprimierend wirken, denn man arbeitet für die Katz u. kommt nicht in „Schwung", wie ich gehofft hatte. Ich freue mich auf zu Hause. Herzlich küßt Dich Dein „Bub". 15 Ich fahre Montag Abend oder Dienstag früh nach Leipzig

d Klammer fehlt in O.

6 Gertrud Bäumer besuchte Max und Marianne Weber im Oktober 1909. Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 15. Okt. 1909, Bestand Max Weber-Schäfer Deponat BSB München, Ana 446. 7 Huch, Ricarda, Der letzte Sommer. Eine Erzählung in Briefen. - Stuttgart und Leipzig: Deutsche Verlagsanstalt 1910. 8 Max Weber hatte offenbar von Endemann Unterstützung für die Finanzierung der Presse-Enquete erhofft, die er der DGS als erstes Forschungsprojekt vorgeschlagen hatte. Vgl. Brief an Marianne Weber vom 17. Jan. 1910, oben, S.369, Anm.6. 9 Franz Eulenburg erklärte sich bereit, auf dem geplanten Ersten Deutschen Soziologentag ein Referat zu übernehmen. Vgl. Brief an Hermann Beck vom 8. Febr. 1910, unten, S. 3 9 7 - 3 9 9 .

24. Januar

1910

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Marianne Weber [24. Januar 1 9 1 0 ; Charlottenburg] Brief; e i g e n h ä n d i g Bestand Max W e b e r - S c h ä f e r , D e p o n a t B S B M ü n c h e n , A n a 4 4 6 Datum und Ort aus dem Briefinhalt erschlossen.

Liebes Schnauzele! Schönsten Dank! - Mama darf, bis |:(eventuell!):| Alles fest steht, gar nichts ahnend auch nicht, wenn sie nach Heidelberg kommt. Man muß nun natürlich sehr in erster Linie auch an Alfred denken. So einfach ist die Sache nicht, wie er (vielleicht auch Else 2 ) jetzt denken. Daß Jaffe für ihn Else nach Zwingenberg (oder sonst wohin) schickt u.s.w., - das Alles geht ja so |:dauernd: | nicht. Vor Allem: Else muß sich, und zwar in unbeeinflußter Ruhe, klar werden: ob diese Liebe den Stempel der Vergänglichkeit des Erdenschönen an sich trägt (|:holder:| „Leichtsinn", 3 wie sie sagt, ist), - oder nicht. Und sie muß sich überlegen, was eigentlich das Letztere bedeutet. Das Zusammenleben mit Alfred ist keine Kleinigkeit grade für Sie, bei größter Liebe, - denn er wird ihr nur die Freiheit lassen, die sie sich erzwingt, in jeder Hinsicht. Er kann es jetzt u. vielleicht dauernd nicht anders u. sie hat nicht die Art, so etwas gleich ganz selbstverständlich zu machen. - Ist sie aber nicht ganz sicher, daß dies eine Beziehung von „todesernstem" Ewigkeitswerth ist (nach menschlichem Ermessen) |: sondern vielleicht doch nur ein Abenteuer der Seele,: |, dann sollte sie Alfred jetzt gleich sagen: „Wir wollen das Glück und die Schönheit jetzt nehmen, wo sie da sind, - und dann bald auseinandergehen, denn ich lebe für meine Kinder und will meinen Mann nicht zertreten. Bleibe nachher mein Freund, wenn Du nicht mehr mein Geliebter sein darfst." Sie thäte gut, so lange sie nicht klar ist, nichts Unwiderrufliches zu schaffen. Was Alfred u. Jaffe jetzt sagen, ist ja ganz irrelevant. Das Unheil ist, daß sie nicht ein klein wenig Geduld hatte. Sie war nicht großzügig genug, mir, nachdem sie sehr weit gegan-

1 Gemeint Ist die Beziehung zwischen Else Jaffe und Alfred Weber. 2 Else Jaffe. 3 In ihrem Brief an Max Weber vom 10. Jan. 1910 (Privatbesitz) spricht Else Jaffe vom „geheimen Leichtsinn", vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Marianne Weber vom 17. Jan. 1910, oben, S. 367.

24. Januar 1910

380

gen war, die Möglichkeit zu geben, ihr ganz3 zu sagen, daß die Sache so lag. Man sprach immer - im Anschluß an Stefan George'sche Gedichte u. dgl. - darum herum, das war das für mich Aufreibende. Bis Weihnachten lagen die verschiedenen Möglichkeiten: 1) mit Salz nach Paris, 2) Gundolf (ich sah dessen Augen, wenn er sie ansah) b , - 3) Alfred haarscharf neben einander. Und dann handelte sie hastig und ohne Verantwortung, schwankte aber nachher noch, sprach von „Verzicht" u. dgl. (nahm deshalb - halbbewußt! - den Vortrag für Harnack 4 an, der j a jetzt ganz stillos wäre!). Nun hat die copula carnalis natürlich 0 Vieles geändert u. sie für Alfred festgelegt (grade für die schwerste Verantwortlichkeit), - aber für die Dauer? Wird sie andre „Freunde" ganz entbehren wollen? Und dann immer die Angst, nicht „sie selbst" zu sein, „beeinflußt" zu werden u.s.w. Und daß nur keiner von uns dem Andern etwas wiedersagen möchte u.s.w.! So sind an Jaffe Lieblosigkeiten geschehen, die ihm den Rest von Würde nehmen können - und dann werden sie alle drei klein und „häßlich" werden. Denn daß Alfred Jaffe |:schlechthin:| verachten zu können glaubt (Carriererücksichten bei der Heirath u. dgl. sind ja Unsinn!) und J[affe] dies weiß, er es ihm zeigt, das macht die Sache so schwer. Die ethischen Werthe sind nicht allein in der Welt. Sie können Menschen, die in Schuld gerathen sind, klein machen, wenn sie „Entsagung" fordern. Und sie können |:dann:| in unlösliche Conflikte führen, wo ein schuld/oses Handeln unmöglich wird. Dann muß |:(ethischerweise):| so gehandelt werden, daß die beteiligten Menschen die möglichst geringsten Verluste an Menschenwürde, and |:Fähigkeit zur Güte und Liebe, zur Pflichterfüllung und Persönlichkeitswerth:| erleiden, und das ist |:oft: | eine schwere Rechnung. Wir wollen davon mündlich sprechen. Morgen Leipzig,5 - übermorgen, Mittwoch, Abend Heidelberg und Schnäuzchen, Gottlob. - Hier schlägt fast Alles fehl, insbesondre ist Endemann's Geld6 nun auch in Dunst aufgegangen. Hätte ich Dich nur erst in den Armen, mein trautstes Kind! Dein „kleiner Bub" a (dies)

b Klammer fehlt in O.

c (Manch)

d Unsichere Lesung.

4 Vermutlich handelt es sich um einen Vortrag, den dann aber Marie Baum auf dem Evangelisch-sozialen Kongreß am 19. Mai 1910 in Chemnitz über Fabrikarbeit und Frauenleben hielt. 5 In Leipzig wollte sich Max Weber mit Franz Eulenburg treffen. 6 Vgl. Brief an Marianne Weber vom 17. Jan. 1910, oben, S. 369, Anm. 6.

24. Januar 1910

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Vorgestern Schmoller u. Simmel (bis 1 Uhr Nachts) gestern Herkner, heute die Arbeiter-Dilettanten-Ausstellung von Herrn Levenstein 7 (sehr hübsche Sachen zum Teil). Sonst: vergebliche Briefe an X Leute. -

7 Adolf Levenstein hatte etwa 600 Zeichnungen und Malereien von Arbeitern gesammelt. Vgl. Besprechung von Theodor Heuß, Arbeiter als Kunstdilettanten, in: Die Hilfe, 15. Jg., Nr. 49 vom 5. Dez. 1909, Beiblatt, S.786, und von Zimmermann, Waldemar, Eine „Arbeiter-Dilettanten-Kunstausstellung", in: Soziale Praxis, 19. Jg., Nr. 12,1909, Sp. 2 9 7 - 2 9 9 . Max Weber hat drei Veröffentlichungen von Adolf Levenstein ausführlich besprochen und ihn methodisch zu beraten versucht. Vgl. dazu die Rezension von Max Weber, in: AfSSp, Bd. 29, Heft3,1909, S. 9 4 9 - 9 5 8 (MWG 1/11).

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27. Januar

1910

Anton Bettelheim 27. Januar 1 9 1 0 ; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g Ö s t e r r e i c h i s c h e Nationalbibliothek W i e n Der Brief enthält Webers Ablehnung, einen Nekrolog auf August Meitzen, der am 19. Januar 1910 verstorben war, für das von Anton Bettelheim herausgegebene „Biographische Jahrbuch und Deutscher Nekrolog" zu liefern. Ein Gedächtnisartikel über Meitzen ist im „Biographischen Jahrbuch" nicht erschienen.

Heidelberg 27/110 Hochgeehrter Herr Doktor! Für einen Nekrolog Meitzen's weiß ich eigentlich Niemanden als Professor D r Erich Liesegang früher in Berlin, jetzt irgendwo an einem Archiv (und wie ich denke bei Herrn Prof. D r R[obert] Höniger in Berlin Wzu erfragen). Er hat eben keine eigentlichen „Schüler^"', außer mir, und ich kann absolut in den nächsten 2 Jahren auch nicht die leiseste Arbeitsmühe auf mich nehmen. Es ist, nach längerer Überlegung, leider der einzige Vorschlag, den ich, auf zweimalige Anfrage des Herrn Prof. D r G[eorg] F[riedrich] Knapp, zu machen habe. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster Prof. Max Weber Sonst käme nur Lamprecht in Frage. Aber der macht es schludrig.

1 Erich Liesegang war von 1891 bis 1898 Privatdozent für Geschichte an der Berliner Universität gewesen und seit 1899 Leiter der Nassauischen Landesbibliothek in Wiesbaden.

31. Januar

1910

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Ludwig Darmstaedter 31. Januar 1 9 1 0 ; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g S B P K Berlin, Slg. Darmst., 2g 1 9 0 0 Max W e b e r Der Briefumschlag ist zwar adressiert: An die Königl. Bibliothek, Autographen-Sammlung Darmstaedter (letzteres zweifach unterstrichen), Empfänger ist aber zweifellos Ludwig Darmstaedter gewesen, der auch Weber auf das Schreiben geantwortet hat.

Heidelberg 31 I/1Ö Sehr geehrter Herr! Ich bin überrascht, daß eine öffentliche Bibliothek sich mit Derartigem 5 befassen will.1 Mit vorzüglicher Hochachtung Prof. Max Weber

1 Webers Mißfallen gilt der Bitte um Überlassung von Autographen für die „Sammlung Darmstaedter". Diese war von Ludwig Darmstaedter laut Stiftungsakt vom 31. Dezember 1907 der Königlichen Bibliothek in Berlin geschenkt worden und umfaßte eine Vielzahl von Dokumenten zur Geschichte der Wissenschaften. In seinem Antwortkonzept vom 2. Febr. 1910 (SBPK Berlin, Slg. Darmst., 2g 1900 Max Weber) rechtfertigt Darmstaedter sein Ansinnen: „Die Auffassung, die aus Ihren wenigen Zeilen spricht, wird sich wohl wesentlich ändern, wenn Sie bei einem Ihrer nächsten Besuche in Berlin sich meine, der Kgl. Bibliothek geschenkte Autographensammlung ansehen werden. Sie werden dann sicher zu der Überzeugung kommen, daß es mit zu den Aufgaben einer öffentlichen Bibliothek gehört, im Interesse späterer Zeiten für die Ansammlung u. Aufbewahrung solcher für die Geschichte der Wissenschaften wichtigen Dokumente zu sorgen."

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2. Februar 1910

Robert Michels 2. [Februar] 1910; Heidelberg Brief; eigenhändig AFLE Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max Weber, Fasz. 68. Der Brief ist von Weber irrtümlich auf Januar datiert. Wie aus dessen Inhalt jedoch hervorgeht, ist er erst nach Webers Rückkehr aus Charlottenburg, die Ende Januar 1910 erfolgt ist, geschrieben worden. Wahrscheinlich ist diesem Schreiben ein leerer Umschlag im Fasz. 133 („buste vuote" = „leere Briefumschläge") des Nachlasses Michels mit dem Heidelberger Poststempel vom 2. Februar 1910 zuzuordnen.

Heidelberg 2/2 a 10 Lieber Freund, ich komme eben erst von Berlin zurück, wo ich so unruhige Tage hatte u. dann hier so viel Schreiberei, daß ich nicht antworten konnte. Ob ich schließlich zu dieser geplanten Diskussion nach Wien 1 kom- 5 men kann, ist sehr fraglich, ich habe mir meinerseits die Absage vorbehalten. 2 Als Zeit habe ich, falls ich könnte, die erste oder - lieber - die zweite Woche des März erbeten, - was den Herren zu passen schien. Das Thema soll: „Sein" u. „Sollen" - das Verhältnis der Werfurteile zur Thatsachen-Forschung auf sozialwissfenschaftlichem] Gebiet, sein. 10 Ich schicke Ihnen noch die zweite Äußerung von mir, die ich in Wien s. Z. darüber machte (V[erein] f[ür] Soz[ial-]Pol[itik]), - die erste haben Sie ja wohl erhalten. 3 Diese Äußerungen waren es (anscheinend), welche Anlaß geben, grade mich zu ersuchen, die Debatte „einzuleiten".

a O: l 1 Initiator der Diskussion in Wien, die sich, wie Weber weiter unten mitteilt, der Werturteilsfrage widmen sollte, ist wahrscheinlich die dortige Soziologische Gesellschaft gewesen. 2 Tatsächlich hat Weber wenig später seine Teilnahme abgesagt; vgl. Karte an Michels vom 19. Febr. 1910, unten, S.411. 3 Webers längere Diskussionsbeiträge in der Debatte über die Produktivität der Volkswirtschaft, die ihm hier zweifellos in der Form von Druckfahnen vorlagen, finden sich in Verhandlungen der Generalversammlung in Wien, 27., 28. und 29. September 1909 (Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd. 132). - Leipzig: Duncker & Humblot 1910, S. 580-585 sowie S. 603-607 (MWG 1/12).

2. Februar 1910

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ten". Ich werde das sehr kurz u. im Wesentlichen in Wiederholung meines Aufsatzes im „Archiv" Bd. XIX thun. 4 Heute nur herzlichen Gruß Ihnen und Ihrer Frau Ihr Max Weber

4 Weber bezieht sich hier auf seinen Grundsatzartikel: Die „Objektivität" sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, erschienen in: AfSSp, Bd. 19, Heft 1, 1904, S. 2 2 - 8 7 (MWG I/7).

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6. Februar

1910

Lujo Brentano [vor oder am 6. Februar 1910]; o. O. Brief; eigenhändig BA Koblenz, Nl. Lujo Brentano, Nr. 67, Bl. 9 7 - 9 8 Datum erschlossen aus dem handschriftlichen Vermerk Lujo Brentanos: „Erhalten d. 6. Febr. 1910." Im Mittelpunkt dieses sowie des folgenden Briefes an Brentano [nach d e m 6. Februar 1910], unten, S . 3 9 4 f . , steht die Weigerung Webers, in dem Beleidigungsprozeß, den Gustav Ruhland gegen Brentano angestrengt hatte, als Sachverständiger aufzutreten. Ruhland, in seinen Artikeln und Schriften in den 1880er und frühen 1890er Jahren im wesentlichen gegen Agrarzölle und deren Erhöhung argumentierend, war 1895 nach d e m Beginn seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Berater im Bund der Landwirte zu einem engagierten Befürworter der Schutzzollpolitik geworden. Im Jahre 1902 war es dann in der hessischen Kammer zu d e m Versuch gekommen, Ruhland zu einer Professur in Gießen zu verhelfen. Der antisemitische Abgeordnete Philipp Köhler-Langsdorf hatte in seiner schriftlichen Anfrage vom 19. Dezember 1902 angeregt, einen neuen, den agrarischen Sonderinteressen dienenden Lehrstuhl zu errichten, einen Lehrstuhl, der, wie Max Weber dies sah, als eine Art „Strafprofessur" gegenüber den bisherigen Vertretern der Nationalökonomie Magnus Biermer und Robert Liefmann fungieren sollte. Dabei hatte Köhler-Langsdorf als einzigen Kandidaten für die projektierte Professur Gustav Ruhland ins Spiel gebracht. (Vgl. dazu: Der Privatbeleidigungsprozeß Ruhland contra Biermer. Nach stenographischen Aufzeichnungen. Gießen: Emil Roth 1909, S. 1 5 - 2 0 . ) Die sich daran anschließende Kontroverse in Gießener Zeitungen parierte Magnus Biermer abschließend, z.T. gestütztauf briefliche Mitteilungen Lujo Brentanos an Robert Liefmann (dazu siehe unten), mit einer polemischen Broschüre: Ruhland, Köhler-Langsdorf & Co. Eine Streitschrift. - Gießen: J. Ricker'sche Verlagsbuchhandlung (Alfred Töpelmann) 1903, einer Broschüre, die den Anlaß zu einem langwierigen, sich über mehrere Jahre (von 1903 bis 1908 bzw. 1910) erstreckenden Beleidigungsprozeß von Seiten Gustav Ruhlands gab. Biermer wurde in erster Instanz - bei der Gerichtsverhandlung hatten für ihn Johannes Conrad, Wilhelm Lexis und Lujo Brentano als Sachverständige bzw. Zeugen ausgesagt - am 20. November 1908 für straffrei erklärt. Daraufhin kam es am 12. Januar 1910 in zweiter Instanz zu einem für den größten Teil der Öffentlichkeit überraschenden Vergleich, indem nämlich Biermer von all seinen früheren Behauptungen über den Kläger abrückte und die Prozeßkosten übernahm. Biermer hatte diesmal Johannes Conrad und Gustav v. Schmoller als Sachverständige aufgeboten, während Ruhland Werner Sombart und Adolph Wagner als Gegengutachter benannte, die mit ihren Aussagen erheblich zu dem allseits überraschenden Prozeßausgang beitrugen. - Ausgelöst worden war die Beleidigungsklage gegen Brentano durch dessen Brief an Robert Liefmann vom 25. Januar 1903, der ohne sein Wissen in d e m Prozeß gegen Magnus Biermer von dessen Verteidigern als Beweismittel vorgelegt worden war. Darin hatte Brentano, von Liefmann nach seinen früheren Erfahrungen mit Ruhland befragt, nach längeren A u s führungen das folgende Fazit über dessen Charakter und Persönlichkeit gezogen: „Ruhland ist ein von Natur sehr begabter Mensch. Es ist schade um ihn. Es hätte bei ordentlicher Erziehung etwas aus ihm werden können. So ist er nichts anderes geworden als ein wissenschaftlicher Hochstapler, wie ihn Professor Conrad in einem Privatbrief an Professor Lötz genannt hat." Zit. nach: Der Privatbeleidigungsprozeß (siehe oben), S . 1 1 4 . Die nach Kenntnisnahme dieser Stelle angestrengte Privatklage Ruhlands gegen Brentano w e g e n Beleidigung - ein Vorgehen gegen Conrad wurde v o m Gericht wegen Verjährung abgelehnt - war im März 1907 bis zur rechtskräftigen

6. Februar 1910

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Entscheidung im Prozeß Ruhland contra Biermer ausgesetzt worden und trat naturgemäß nach dessen Beendigung in ein neues Stadium, was vermutlich Brentano veranlaßt hat, für den Prozeß geeignete Gutachter zu finden, die den Wahrheitsbeweis für seine Behauptungen liefern könnten. Zu einer gerichtlichen Verhandlung ist es allerdings — aus welchem Grunde auch immer-nicht gekommen.

Hochverehrter Herr Geheimrath ! Ich stehe vor einer ganz unmöglichen Situation! Ich habe die Sachverständigenschaft im Prozeß Ruhland - Biermer |:schriftlich :| abgelehnt,1 weil ich mich bei meiner leidenschaftlichen Antipathie gegen diesen Typus von Leuten für befangen halten müsse! 2 Ich konnte nicht gut anders. Es ist doch nun gänzlich unmöglich, daß ich jetzt meine Stellung ändern kann1}, - so sehr mich die daraus folgende Unmöglichkeit, in der Ihnen erwünscht scheinenden Art einzugreifen, in die aufrichtigste Verzweiflung setzt. Denn der Ausgang des Vo/prozesses 3 ist auf das tiefste bedauerlich. Biermer war aber auch sehr ungeschickt! 4 Ich möchte sehr rathen, als Sachverständigen] 3 einen „bei den deutschen Parteiproblemen ganz unbeteiligten" - Philippovich - vorzuschlagen, seines durch den „Grundriß" universell bekannten Namens wegen. 5

'' Ruhland würde meine Unbefangenheit ja anfechten u. dann dürfte ich mit Dem, was ich damals gelesen habe, nicht schweigen.

a Lochung.

1 Die entsprechende Korrespondenz ist nicht nachgewiesen. 2 Webers Antipathie galt letztlich beiden Parteien: nicht nur dem Agrarier Ruhland, sondern auch Magnus Biermer. Eine negative Charakteristik des letzteren findet sich in seinem Brief an Paul Siebeck vom 19. Mai 1906 (MWG II/5, S. 92). 3 Der Ausdruck ist insofern irreführend, als der Prozeß Ruhland contra Biermer inzwischen zu einem definitiven Ende gekommen war; vermutlich betrachtete Weber den Biermerprozeß als eine Art Vorstufe zu demjenigen gegen Brentano. 4 Biermer hatte in dem Beleidigungsprozeß einen Vergleich geschlossen, ohne einen Befangenheitsantrag gegen die von dem Kläger präsentierten Gutachter Wagner und Sombart in Erwägung gezogen zu haben; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung. 5 Der mehrbändige, seit 1893 sukzessiv erschienene, immer wieder neu aufgelegte „Grundriß der politischen Ökonomie" von Eugen v. Philippovich gehörte zu den meistverbreiteten Einführungen in den deutschsprachigen Ländern.

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6. Februar 1910

Ich werde mich fragen, wie ich Ihnen sonst zu Hilfe kommen kann. Ich habe | :seit Jahren: | nichts von dem Ruhland-Zeug gelesen, nachdem ich mich s.Z. sattsam über die Qualität informiert hatte. 6 - Ihre Zusendung lese ich - zu meiner Belehrung - durch und sende sie dann \ :morgen:\ zurück.7 Es ist mir sehr unangenehm, daß die Situation so für mich liegt. 5 In Verehrung Ihr Max Weber

6 Webers Kenntnisnahme der Ruhlandschen Schriften ist zweifellos auf die 1890er Jahre zu datieren. Einen Hinweis gibt Webers Bibliographie in seinem Grundriß zu den Vorlesungen über Allgemeine („theoretische") Nationalökonomie. - o.O. [1898], Neudruck: Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1990, S. 17, mit der Zitation von Ruhlands: Das Natürliche Werthverhältniss des Landwirthschaftlichen Grundbesitzes in seiner agrarischen und sozialen Bedeutung. - Tübingen: H. Laupp 1885. 7 Vermutlich handelt es sich u.a. um die Zusendung einer Stellungnahme von Magnus Biermer, auf die Weber im folgenden Brief an Brentano kurz zu sprechen kommt, siehe unten, S.394.

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Gustav Radbruch 6. Februar 1 9 1 0 ; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g UB Heidelberg, Heid. Hs. 3 7 1 6 (Nl. Gustav Radbruch)

Heidelberg 6. II. 10 Sehr verehrter Herr College, es gehört zu den für mich unangenehmsten Dingen, Jemandem etwas Angenehmes (oder doch als solches von mir Empfundenes) ins Gesicht sagen zu sollen, - das Gegenteil geht so viel leichter! Aber bezüglich Ihres Buches („Einführung] in die Rechtswiss[enschaft]") 1 geht das nicht ganz zu vermeiden. Ich sagte Ihrer lieben Frau 2 schon, wie außerordentlich ich mich, rein schriftstellerisch werthend, bereits an den damals allein bereits gelesenen ersten Partien erfreut hatte, - und dieser Eindruck ist von A bis Z. der gleiche, eher sich noch steigernde, geblieben: man wird nicht umhin können, manche Partien gradezu als „glänzend" geschrieben zu bezeichnen. Dabei handelt es sich keineswegs nur um „Stil" u. dgl. gewiß auch ihr Recht besitzende Dinge. Sondern darum vor Allem, daß etwas Ähnliches überhaupt in dieser Art noch gar nicht existiert und nach meinem Empfinden ein neuer Typus von Behandlung dieser Dinge geschaffen ist, der, mit sehr hohen Ansprüchen an den Leserkreis, auf den er (außerhalb der „Fachmänner") rechnet, die3 Kraft restloser Durchleuchtung der einfachen - und doch eben deshalb der Befangenheit des Alltags so schwierigen - Grundprobleme verbindet. Auch ich hätte gern solch ein Buch als junger Jurist in die Hand bekommen. 3 Dieser bedingungslosen 0 Anerkennung der schriftstellerischen und gedanklichen Bedeutung der Leistung würde selbst dann nicht der min-

a (Fähigkeit)

b O: bedingungslose

1 Radbruch, Gustav, Einführung in die Rechtswissenschaft (Wissenschaft und Bildung. Einzeldarstellungen aus allen Gebieten des Wissens, Nr. 79). - Leipzig: Quelle & Meyer 1910. 2 D.h. Lina Radbruch, geb. Götz. 3 Anspielung auf eine Passage im Vorwort [S. 3] von Radbruch, Einführung (wie Anm. 1): „Er [d.h. der Verfasser] hat sich bemüht, das Buch zu schreiben, das er vor einem Jahrzehnt wohl gelesen haben möchte."

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6. Februar

1910

deste Abbruch gethan, wenn man mit dem Inhalt des Dargebotenen sich, sei es auch in den wichtigsten Punkten, im Widerstreit befände. Aber nun ist - bei mir - soweit ich überhaupt mir eine Stellungnahme gestatten darf - auch dies nicht der Fall: im Gegenteil finde ich Ihre an Feuerbach einerseits, Savigny andrerseits als „Idealtypen" orientier- 5 ten, 4 die Entscheidung der Grundprobleme überall auf diesen letzten, nur „weltanschauungsmäßig"0, durch „Wahl" zu erledigenden, Gegensatz zurückführenden Darlegungen von Anfang bis zu Ende höchst treffend und, wie die Probe gezeigt hat, von der größten Fruchtbarkeit für die Verständlichmachung. Das schließt für mich nicht unbedingt aus, 1 o daß ich hie und da jenen Gegensatz für nicht unbedingt erschöpfend halte. So (S. 40) beim „Vereins"-Problem, 5 - es würde zu weit führen, hier den Versuch zu machen, darauf einzugehen. Der Grundgedanke bleibt dabei übrigens auch meinerseits unangefochten.

C (zu)

4 Während Friedrich Karl v. Savigny als der führende Repräsentant der Rechtsfortbildung nach dem Gewohnheitsprinzip zu gelten hat, steht ihm in Anselm v. Feuerbach der große Antipode gegenüber, der für das schöpferische Gesetzesrecht eintritt. „Feuerbach und Savigny sind uns aber nicht nur die Verkörperungen jener beiden gegnerischen Meinungen über die Rechtsfortbildung geworden, sondern auch der tieferen Gegensätze, die jenen zugrunde liegen. Feuerbach, der durch Kants Schule gegangene Jünger der Aufklärung, ist der Vertreter der individualistischen, Savigny, der Romantiker, der Schwager Bettinas, der Vertreter der überindividualistischen Rechtsansicht." Radbruch, Einführung (wie Anm. 1), S. 21. 5 Radbruch, Einführung (wie Anm. 1), S.40, geht hierauf den „noch unausgetragene[n] rechtsphilosophische[n] Streit" zwischen Romanisten und Germanisten über „die Persönlichkeit" der juristischen Personen ein, dergestalt nämlich, ob sie „vom Rechte erst erzeugt, .fingiert', oder schon vorgefunden wird, ob sie nur juristische oder auch metajuristische Wirklichkeit besitzen, ob sie nur für das Recht oder auch unabhängig vom Recht existieren." Auf die Rechtsnatur des Vereins bezogen wird der Streit darüber geführt, „ob nicht die Interessen des Vereins sich restlos auflösen lassen in Interessen seiner Mitglieder [...] oder ob etwa nach Abzug aller Interessen der Mitglieder noch ein unauflösbarer Rest von Interessen übrig bleibt, als deren Träger nur der Verein selbst gedacht werden kann, ob also die selbständigen Rechte des Vereins auch zum Schutze selbständiger Vereinsinteressen dienen? Diese Fragestellung zeigt uns sofort die Unaustragbarkeit des Problems, zeigt uns, daß auch es nur eine Teilfrage des unausgetragenen rechtsphilosophischen Grundproblems ist, ob das Individuum Anfang und Ende aller rechtlichen Dinge oder ob auch überindividuellen Wesenheiten ein selbständiger rechtlicher Wert zuzuerkennen sei."

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Zweifel an der £Wi/gültigkeit der Formulierung habe ich persönlich auch beim |:sog.:| „Willensfreiheits"-Problem (S. 50 unten), 6 der Tragweite speziell, die Sie ihm geben und der S. 53 vorgeschlagenen Lösung, 7 so weit auch hier die Wegstrecke ist, die ich mit Ihnen gehen 35 würde. - Gar nicht erst versuchen will ich, die zahlreichen Stellen herauszuheben, die mich sachlich ganz besonders stark angezogen haben, - es sind ihrer zu viele, das ist der einzige Grund dafür. Nur S. 115 möchte ich herausheben, 8 dann die Erörterung des Kirchenrechts und die d schöne Schlußpartied.9 Alles in Allem aber: die große und - ich d Alternative Lesung: schönen Schlußpartien

6 Radbruch behauptet an dieser Stelle (wie Anm. 1), im Streit zwischen Vergeltungs- und Sicherungstheorie im Bereich des Strafrechts durch die Erörterung des Problems der Willensfreiheit „einen nicht lediglich durch persönlichen Entschluß, sondern durch wissenschaftliche Einsicht begründbaren Standpunkt zu gewinnen". 7 Ebd. (wie Anm. 1), S. 53, argumentiert Radbruch, daß nur durch die Erlebensqualitätdes eigenen Ich die (subjektive) Erfahrung der Freiheit gegeben ist. „Da andrerseits ein jeder nur sich selbst erleben, alle andern nur denken, nur als unfrei [d. h. nach dem Kausalitätsprinzip] denken kann, folgt, daß es unzulässig ist (mit der Frau Rat zu sprechen), andere zu .bemoralisieren'. Strenge gegen sich selbst, Duldsamkeit gegen andere, ist also die Konsequenz dieser Freiheitslehre [...]. Für die Frage nach dem Zwecke der Strafe aber folgt daraus, daß jeder, wenn auch nicht für sich selbst, so doch für jeden andern als unfrei zu gelten habe, die Unmöglichkeit der Vergeltungslehre." 8 Radbruch beschreibt hier, was Weber später als okzidentalen Rationalisierungsprozeß und Entzauberung der Welt kennzeichnet: „Wissenschaft und Rechtsordnung, Naturgesetz und Norm als eine großartige Veranstaltung [...], bestimmt, das Unberechenbare, den Zufall, aus der Welt zu vertreiben. [...] Obgleich nun die Rechtsordnung noch weit davon entfernt ist, der Unberechenbarkeit Herr geworden zu sein, leidet eine immer wachsende Zahl gerade feinerer Naturen schon heute an der farblosen Regelmäßigkeit unseres bürgerlichen Lebens: wie viele Menschen gibt es denn, an deren Wiege, oder sagen wir vorsichtiger: an deren Einsegnungstage, man nicht schon das Schema ihrer Grabrede entwerfen könnte?" 9 Der letzte Abschnitt von Radbruchs Buch, betitelt „Rechtswissenschaft", ebd., S. 117-128, behandelt in seinem ersten Teil die Aufgaben der Jurisprudenz, nämlich Interpretation der Gesetze sowie des Rechtes als System, welches, ebd., S. 120, „Begreifung und Darstellung des Gesetzesstoffs als einer einheitlichen Ordnung von Mitteln und Zwecken" darstellt, wobei die Heterogenität der Gesetzestexte eine einheitliche Zweckbestimmung des Rechts verhindert: „Es ist ihr [d. h. der Rechtswissenschaft] unabänderliches Verhängnis, daß sie das Ziel und die Methode einer Normwissenschaft mit dem Gegenstand und Ausgangspunkt einer empirischen Wissenschaft verbinden muß, daß sie zu einem System von Mitteln und Zwecken gelangen soll, aber dabei nicht, wie etwa die Ethik, von einem gegebenen Zwecke ausgehend die zu seiner Erreichung notwendigen Mittel mit wissenschaftlicher Freiheit erforschen darf, sondern an die zufällige Tatsächlichkeit des geltenden Gesetzes gebunden ist." Ebd., S. 121 f. Im zweiten und letzten Teil, ebd., S. 123-128, gibt Radbruch eine Typologie des angehenden Juristen, wobei er drei Arten unterscheidet: zum einen den die ständische

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möchte sagen - „elegante" Sicherheit der Beherrschung dieser ungeheueren, scheinbar nach allen Ecken auseinanderstiebenden Materien |: rein: | als solche und die Fähigkeit sicherer und doch kein Problem verhüllender Synthese. Nehmen Sie, bitte, trotz meiner nur sehr bedingten Competenz meinen herzlichen Glückwunsch zu einer solchen Leistung freundlich an und auf. Meine Frau und ich grüßen Sie beide herzlich Ihr collegial ergebener Max Weber

Qualifikation suchenden Karrieristen, zum anderen den für alle Fächer gleich begabten Musterschüler, den ausgeprägten Verstandesmenschen, der durch seine kühle und logische Natur prädestiniert ist zu „guten Leistungen, wenigstens so weit als, wie das auch heute noch überwiegend der Fall ist, die Aufgaben des Juristen formalistischer, unschöpferischer Natur sind. Aus ihren Reihen geht deshalb heute die Mehrzahl der tüchtigen Juristen, Theoretiker wie Praktiker, hervor." Ebd., S.123. Als dritten Typus charakterisiert Radbruch den eher musischen und philosophisch interessierten Menschen, der die Jurisprudenz mehr oder weniger als Notbehelf studiert und zu ihr oft in Ambivalenz, ja in Abneigung verharrt. Letztlich meint Radbruch - noch einmal auf die Antipoden Savigny und Feuerbach zurückkommend, ebd., S. 127 daß sich die „überindividualistischkonservative" Persönlichkeit der Rechtswissenschaft „leichter vermähle" als die individualistische. Ebd., S. 126: „Für die Selbstherrlichkeit genialer Persönlichkeiten bietet die Jurisprudenz keinen Raum." Radbruch beschließt seine Arbeit mit dem warnenden Hinweis auf den Einfluß, den die Rechtswissenschaft durch den ihr eigenen Intellektualismus auf die Persönlichkeitsbildung haben kann; ebd., S. 128: „Auch andern Wissenschaften eignet jene Begrifflichkeit, aber keine verleitet so sehr, ihr das ganze Leben zu unterstellen, wie die Jurisprudenz, die als praktische Wissenschaft mit ihren Begriffen fortwährend lebendigstes Leben ordnet und meistert."

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Paul Siebeck 6. Februar 1910; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g VA M o h r / S i e b e c k , D e p o n a t B S B M ü n c h e n , A n a 4 4 6

Heidelberg 6. 2.10 Sehr geehrter Herr D r Siebeck! 1. In Berlin habe ich mit den Herrn von der „Soziologischen] Gesellschaft]" gesprochen. Bezüglich der Begründung einer neuen Zeitschrift bestanden dort, soweit dieselbe als „Organ" der Gesellschaft in Betracht kommen sollte, überwiegend Bedenkend 2. Bücher konnte mich in Leipzig nicht empfangen: er war krank gewesen und sehr überanstrengt mit Arbeit, ersuchte mich daher später zu kommen. Ich konnte aber nicht länger fortbleiben. Ich meine nun, man sollte jetzt gleich Prof. Bücher, - dem ich ja seinerzeit über die auf seine Anregung vorgenommenen Änderungen geschrieben hatte 2 - den endgültigen Entwurf mit der Bitte vorlegen, zu sagen, ob er 1) ihn so akzeptieren könne, oder wo noch Bedenken | :seien: | 3 2) auch, welchen Umfang \:etwa:\ sein so gütig zugesagter Einleitungs-Beitrag annehmen werde. Ich habe bisher darauf keine Antwort erhalten u. doch wäre sie wichtig für die Bemessung der noch restierenden Beiträge. Er wird Ihnen gegenüber leichter daran denken, zu antworten. 4 Mich läßt er etwas lästig lange warten. Mit freundschaftl. Gruß! Ihr Max Weber

1 Die Anregung, zu diesem Zwecke eine neue soziologische Zeltschrift zu gründen, war von Siebeck selbst ausgegangen; vgl. dazu Brief an Siebeck vom 20. Dez. 1909, oben, S.341, Anm.7. 2 Der entsprechende Brief Webers Ist im Nl. Bücher, UB Leipzig, nicht nachgewiesen. 3 Tatsächlich hat Bücher wenig später den modifizierten Vertragsentwurf akzeptiert; vgl. dazu Webers Dankesbrief vom 3. März 1910, unten, S. 421. 4 In seiner Antwort vom 12. Febr. 1910 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) vermerkt Siebeck, daß er an Bücher wegen des Umfangs seines Beitrags zunächst nicht geschrieben habe. „Wie er mir sagte, hält er es für richtiger, wenn Sie ihm den für seinen Beitrag verfügbaren Raum vorschreiben, den will er dann auch pünktlich einhalten."

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Lujo Brentano [nach dem 6. Februar 1910]; o. 0 . Brief; eigenhändig BA Koblenz, Nl. Lujo Brentano, Nr. 67, Bl. 100, 99 Datierung erschlossen aus dem Hinweis im vorangehenden Brief an Brentano (siehe oben, S . 3 8 6 - 3 8 8 ) , er werde eine Zusendung nach Kenntnisnahme wieder zurücksenden. Vermutlich hat Weber die Rücksendung zum Anlaß genommen, noch einmal zu begründen, weshalb er im Prozeß Ruhlands gegen Brentano nicht als Sachverständiger auftreten könne.

Hochverehrter Herr Geheimrath! Sie glauben mir doch gewiß auf meine Versicherung, wie gerne ich in der von Ihnen gewünschten Art intervenieren würde. 1 Denn wenn ich auch Sombart nicht so beurteile^] wie Biermer es thut, 2 so ist er eben ein so absoluter Eigenbrödler u. (wie sein Feind Delbrück) 3 „andrer Mei- 5 nung" 4 aus Prinzip, daß mir sein Gutachten (ich kenne es nicht) verdächtig ist. 5

1 Vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum vorangehenden Brief an Brentano [vor oder am 6. Febr. 1910], oben, S.386f. 2 Vermutlich bezieht sich Weber hier auf einen Brief Biermers an Adolph Wagner vom 1. Febr. 1910 (Abschrift masch.; BA Koblenz, Nl. Lujo Brentano, Nr. 193), den Brentano ihm zur Kenntnisnahme übersandt hatte. Darin heißt es über das Auftreten von Werner Sombart im Prozeß gegen Biermer: „Ich würde es als eine Beleidigung für Sie [d.h. Adolph Wagner] auffassen, wenn man das Sombart'sche Gutachten nach wissenschaftlichem Ernst und ethischer Erfassung der Sachlage mit dem Ihrigen auf eine Stufe stellen wollte. Sie haben leider die Sombart'sche Aussage nicht mit angehört, und die Zeitungsberichte hierüber sind unsagbar dürftig und lückenhaft. Was sich Sombart vor Gericht geleistet hat, ist nichts anderes als ein persönlicher Racheakt gegen mich und die ganze kathedersozialistisch-ethische nationalökonomische Richtung, die er in der Manier eines Seiltänzers und Effekthaschers öffentlich verhöhnt hat. [...] Ich und andere [...] haben den Eindruck gehabt, daß es Sombart nur darauf ankam, der ethischen Nationalökonomie eins auszuwischen und sich namentlich an dem kurz vorher vernommenen Herrn von Schmoller, der ja nur als Zeuge vernommen werden konnte, persönlich zu reiben." 3 Durch eine äußerst scharfe Rezension Hans Delbrücks von Werner Sombarts „Modernem Kapitalismus" wurde eine Kontroverse zwischen den beiden ausgelöst; vgl. hierzu Brief an Alfred Weber vom 30. Jan. 1907 (MWG II/5, S. 2 3 1 - 2 3 6 ) . 4 Hinweis auf einen Ausspruch Lorenz v.Steins, der den Professor kennzeichnet als „Jemand, der anderer Meinung ist". Brentano zitiert diese Charakterisierung in seinem Artikel: Die Meinungsverschiedenheiten unter den Volkswirtschaftslehrern, in: Cosmopolis. Internationale Revue, Bd. 2, April - M a i - J u n i 1896, S. 2 4 1 - 2 6 0 ; ebd., S.242. 5 Das betreffende Gutachten Werner Sombarts ist nicht nachgewiesen; zu seinen Aussagen bei der mündlichen Vernehmung vor dem Amtsgericht in Berlin-Mitte am 12. Januar 1910 vermerkt Lujo Brentano in seiner Autobiographie: Mein Leben im Kampf um die

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Aber ich kann ja nicht! Denn ich kann doch die Thatsache, daß ich eben mich für schlechthin, in jedem Sinne, befangen erklärt habe, nicht aus der Welt schaffen, nicht im einen Prozeß mich anders verhalten als im Andern, oder anders behandeln lassen, als im andren. Ich habe dort strikt abgelehnt, - wie wollte ich jetzt dastehen, wenn ich anders handelte! Denn das würde ja doch bekannt werden, resp. ich müßte es sofort eingestehen u. hätte keinerlei Grund anzugeben, wie ich es motivieren sollte, daß ich nun mich ganz anders verhalte. Ich würde Ihnen absolut nichts nützen. Sollte etwa das Gericht mich sua sponte - was ich im Interesse Ihrer Sache (aus den erwähnten Gründen) nicht für günstig halten würde berufen, dann würde ich mir zunächst Frist zum Studium der gesammten Publikationen R[uhland]'s erbitten müssen u. dazu, bei meiner Arbeitsweise u. Arbeitskraft, sehr viel Zeit brauchen, außerdem aber doch in derselben schwierigen, fast unmöglichen Lage bleiben und Ihnen wenig nützen. - Philippovich ist doch grade als Ausländer hier qualifiziert, weil unbeteiligt. Und er ist, \:grade:\ in seiner maßvollen Art, Ihnen sicher sehr nützlich, wenn er, wie nach der Sachlage doch zu erwarten, für Sie aussagt. Ist denn Bücher schon vernommen? oder Dietzel? Lassen Sie doch das Gericht den Obergutachter bestimmen u. nennen Sie so parteilose Namen wie die drei genannten Leute! Das ist doch entschieden vorteilhafter. Ich gelte doch jetzt Jedermann als eindeutig festgelegter Parteim&rm! Geben Sie mir einen andren Weg an, Ihnen zu nützen! In größter Verehrung Ihr Max Weber

soziale Entwicklung Deutschlands. - Jena: Eugen Diederichs 1931, S . 4 1 1 , sarkastisch: „ W e r n e r Sombart [...] hat bekundet, daß Ruhland i m m e r antikapitalistischer Mittelstandspolitiker g e w e s e n sei, was in d e m Prozesse e b e n s o w e n i g in Frage stand, wie etwa sein G e s c h l e c h t oder die Farbe seiner A u g e n . Das, w o r u m es sich handelte, war, wie Ruhland sich vor und nach s e i n e m Eintritt in d e n Dienst d e s Bundes der Landwirte zu d e n Getreidezöllen gestellt, wie er sie vorher als lediglich im Interesse der Großgrundbesitzer bekämpft, nachher gerechtfertigt habe. O b dies gleichgültig war oder ob sich darin, wie Lexis sich ausgedrückt hat, eine A n p a s s u n g Ruhlands an sein jeweiliges Milieu zeigte, jedenfalls war dies die Frage, um die der Prozeß sich g e d r e h t hat."

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Robert Michels PSt 7. Februar 1 9 1 0 ; PSt H e i d e l b e r g Karte; e i g e n h ä n d i g AFLE Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max W e b e r , Fasz. 69

L. Fr.! Man schreibt mir: 10. — 15. März ca. Ob ich hingehe, schreibe ich bis zum 28. ca.1 Wann ich nach Turin komme? - Unbekannt, ich gehe (ev. von Wien) Mitte März an die Riviera, meine Frau zieht inzwischen um hier, 2 kommt mir |:dann:| gegen Mitte April nach 3 |:Florenz-Perugia nach :|[,j s Anfang (1. Woche) Mai sind wir wieder zu Hause. Geben Sie mir Ihre Dispositionen an, sobald Sie sie wissen. Inzwischen an Sie und Ihre liebe Frau von uns die herzlichsten Grüße Ihr Max Weber 10 Über Roscher schreibe ich nirgends. Da liegt ein Mißverständnis vor.

a O: nach,

1 Es handelt sich um die geplante Diskussion über Werturteilsfreiheit in Wien; vgl. dazu Brief an Michels vom 2. Febr. 1910, oben, S. 384f. Wie der Karte an Michels vom 19. Febr. 1910, unten, S. 411, zu entnehmen Ist, hat Weber am Ende abgesagt. 2 Der Umzug innerhalb der Ziegelhäuser Landstraße von Nr. 27 nach Nr. 17 fand Ende März statt.

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Hermann Beck 8. Februar 1910; H e i d e l b e r g Abschrift; maschinenschriftlich S H L B Kiel, Nl. Ferdinand T ö n n i e s , C b 5 4 . 6 1 : 1 . 1 . 6 0 Webers folgende Äußerungen stehen in Zusammenhang mit einem Rundschreiben Hermann Becks an den DGS-Vorstand vom 28. Januar 1910 (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.05), das als Anlage drei alternative Kooptationslisten enthielt, die dieser anhand der einzelnen Vorschläge der Vorstandsmitglieder zusammengestellt hatte. Die Listen sind in den vorhandenen DGS-Materialien nicht nachgewiesen. Das definitive Verzeichnis findet sich jedoch in: SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.2.12; ein weiteres Exemplar in: BA Koblenz, Nl. Georg Jellinek, Nr. 35.

Heidelberg, 8/2/10. Sehr geehrter Herr Doktor, A. Cooptationen. Auch ich bin gegen jedes „Aufdrängen"-Wollen.1 Daher möchte ich vorschlagen - wie ich dies schon tat - 2 1. jetzt diejenigen Namen zur Cooptation bringen zu lassen, welche a. schon Mitglieder waren, und gegen die b. keines der Vorstandsmitglieder ausdrücklich - wie ich dies gethan hatte 3 - Widerspruch erhob, sofern sie (cf. den 3 Leipziger Beschluß) 4 c. sich irgendwie gelehrt betätigt haben. Widerspruch ist ja jetzt gegen meine Liste nicht erhoben worden, soviel ich sehe, weder von H. Dr. Vierkandt, noch von Herrn Prof. Tönnies, noch von sonst Jemandem. Meine Liste aber war von allen Ihnen wieder zugegangenen die umfangsreichste. Daher kommt deren Zugrundelegung den Vorschlägen des Herrn Dr. Vierkandt am meisten entgegen und widerspricht denen des Herrn Prof. Tönnies nicht, um so weniger als ich gegen die von ihm a In Abschrift: dem 1 Weber bezieht sich auf eine entsprechende Äußerung in Tönnies' Stellungnahme vom 1. Febr. 1910 (Abschrift masch.; SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.54) zu den in der Edltorischen Vorbemerkung erwähnten Kooptationen: „Ich bin [...] überhaupt gegen jede massenhafte Kooptation und gegen jeden darin liegenden Versuch, die Teilnahme an unserer Sache Leuten aufzudrängen, die sich teils schon dagegen gewehrt haben, teils voraussichtlich wehren werden." 2 Der hier erwähnte Vorschlag ist in den noch vorhandenen DGS-Materialien nicht nachgewiesen. 3 Worauf Weber hier anspielt, ist aus den DGS-Materialien nicht nachzuweisen. 4 Der nach dem Leipziger Beschluß revidierte § 4 des DGS-Statuts lautete: „Ordentliche Mitglieder können nur Personen sein, welche auf dem Gebiete der Soziologie oder ihrer Hülfsdisziplinen wissenschaftlich qualifiziert sind."

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b vermißten Namen garnichts einwende. 5 Daher bemerke ich nur: daß die in Leipzig kooptierten Herren: Gothein, Krüger etc. schon ordentliche] Mitglieder sind, also aktiv mit zu kooptieren haben, nicht passiv zu kooptieren sind. 2. Soweit ferner die von Einem von uns neu genannten Namen in s Betracht kommen, greift der Widerspruch des Herrn Prof. Tönnies durch (laut Statut.) Also können nur die zur Cooptation gestellt werden, mit denen er bisher schon korrespondiert hat. (Wundt) 6 Sein Angebot, noch mit Leuten zu korrespondieren, wäre dankbar anzunehmen.1 Im übrigen würde ich mir diese Liste dann noch einmal erbitten, um zu 10 sehen, mit wem ich korrespondieren könnte. Jedenfalls aber müßte die Cooptation jetzt noch aufgeschoben werden. Bei den bisherigen Mitgliedern aber drängt sie und kann nicht weiter hinausgeschoben werden. B . Soziologentag. Herr Dr. Ploetz ist höchst erfreulicherweise prinzipiell bereit (wahrscheinlich: Begriff der [„¡Rasse" oder ein ähnliches 15 Thema, sofern ihm Reisedispositionen die Mitwirkung gestatten) 0 . 8 Herr Eulenburg ist bereit, (Thema vorbehalten) d . 9 A n die Herren Gothein und Troeltsch ist geschrieben, 1 0 an Herrn Meinecke wird eventuell

b Gedankenstriche in Abschrift, Abschrift.

c Klammer fehlt in Abschrift,

d Klammer fehlt in

5 Ferdinand Tönnies hatte in seiner in Anm. 1 erwähnten Stellungnahme dagegen Einwand erhoben, daß auf den Kooptationslisten diverse Namen, u.a. die von Emil Lask und Heinrich Rickert, gestrichen worden waren. 6 Tönnies' Einspruch hatte sich gegen „jede massenhafte Kooptation" gewandt; im Anschluß an die in Anm. 1 zitierte Passage heißt es weiter: „Wenn man, wie ich es mit Wundt getan, privatissime sich der Zustimmung versichern kann, und auch Grund hat, darauf zu rechnen, daß die betr. Person wirklich zur Sache mitwirken werde, so habe ich gegen die meisten [...] Vorschläge nichts einzuwenden. Im allgemeinen aber meine ich, man sollte die Herren erst einmal an sich herankommen lassen! Wir haben eine ganz stattliche Zahl ordentlicher Mitglieder und sollten nicht ä tout prix nach Vermehrung streben." 7 Weber bezieht sich hier auf Tönnies' Angebot - falls die Kooptationsliste doch weiter vermehrt werden sollte-, mit Bernhard Harms, Ludwig Bernhard u.a. noch näher bezeichneten Personen in schriftlichen Kontakt zu treten. 8 Tatsächlich hat Alfred Ploetz einen entsprechenden Vortrag auf dem Ersten Deutschen Soziologentag gehalten; vgl. dazu das Schreiben an Hermann Beck vom 8. März 1910, unten, S.422, Anm. 5. 9 Wie aus dem Schreiben an Beck vom 8. März 1910, unten, S.422, zu entnehmen ist, bot Franz Eulenburg die Themen „Ansichten der Gesellschaft" und „Auslese der Intellektuellenschicht" an, hat jedoch später dies wieder zurückgezogen; vgl. dazu Max Webers Schreiben an Beck [zwischen 13. und 21. Aug. 1910], unten, S.600. 10 Korrespondenzen mit Eberhard Gothein und Ernst Troeltsch sind nicht nachgewiesen; der Nachlaß von Gothein in der UB Heidelberg enthält keinerlei Schriftstücke Max Webers.

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geschrieben. (Nach Eingang der Antwort der Anderen frage ich den Vorstand dieserhalb nochmals an.)®11 Schlimm ist und bleibt, daß die naturwissenschaftlichen Disziplinen quantitativ.. , f , die ethnographisch-volkskundlichen (.. ,)9 andererseits s (und, falls Herr Prof. Tönnies die Eröffnungsrede hält, auch die Statistik) garnicht zu ihrem Rechte kommen h . Mit vorzüglicher Hochachtung! Max Weber.

e Klammer fehlt in Abschrift, f Auslassungszeichen in Abschrift mit dem maschinenschriftlichen Zusatz: (unleserlich) g Auslassungszeichen in Abschrift, h In Abschrift: kommt

11 Vgl. dazu die folgenden Schreiben an Hermann Beck vom 11. Febr. und 8. März 1910, unten, S.401 und 423.

400

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Paul Siebeck 9. F e b r u a r 1 9 1 0 ; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g V A Mohr/Siebeck, Deponat B S B München, Ana 446

Heidelberg 9a/2 10 Sehr verehrter Herr D r Siebeck! Meinem Brief 1 füge ich ergänzend noch hinzu: 1)b Die Möglichkeit, daß Sie vielleicht den Verlag der soziologischen Publikationen übernehmen könnten, ist ebenfalls erörtert und - vorbehaltlich der Verhandlung darüber - im Prinzip als sehr willkommen bezeichnet worden. Aber wir sind noch nicht soweit, daß wir Ihnen die nötigen Unterlagen für eine Calkulation geben könnten. Das wird wohl bis nach Ostern sich hinziehen. Ich komme dann darauf zurück. 2 2) Ich bitte Sie um Zusendung von: Philippovich, Grundriß, alle Bände, neuste Ausgabe, 3 - wenn Sie sie gebunden haben, dann so, sonst brochiert. Ich brauche ihn unbedingt für die Weiterarbeit an dem „Handbuch". Die Correspondenz über eine Anzahl Artikel kommt sehr langsam vom Fleck, da einige Herrn (z.B. Harms für Sozialpolitik) nach längerem |:aussichtsreichen:! Correspondieren wieder abgesprungen sind. Ich mußte daher noch einige der Artikel nun zerschlagen, die ich |:gern:| im Ganzen vergeben hätte; - schon damit sie jedenfalls gut werden (weil nun doch einige Monate weniger Zeit bleibt). Bis auf Weiteres herzlichen Gruß! Max Weber

a 8> 9

b Fehlt in O.

1 Gemeint ist der vorhergehende Brief an Paul Siebeck vom 6. Febr. 1910, oben, S. 393. 2 Zu ernsthaften Verhandlungen ist es dann im Oktober gekommen; vgl. die Korrespondenz mit Oskar Siebeck vom 11., 14., 16. und 18. Okt. 1910, unten, S . 6 4 2 f „ 647, 648 und 650. 3 Philippovich, Eugen von, Grundriß der Politischen Ökonomie, Bd. 1: Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 8., rev. Aufl. - Tübingen: J . C . B . Mohr (Paul Siebeck) 1909; Bd.2: Volkswirtschaftspolitik, Teil 1,4., neubearb. Aufl., ebd. 1909, sowie Teil 2 , 1 . - 3 . Aufl., ebd. 1907.

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Hermann Beck 11. Februar 1 9 1 0 ; H e i d e l b e r g Abschrift; maschinenschriftlich mit Korrekturen v o n dritter Hand S H L B Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 5 4 . 6 1 : 1 . 1 . 6 0

Heidelberg, 11.2.10. Sehr geehrter Herr Doktor! Ich bin nun also mit jeder Art des Vorgehens in der Kooptierungsfrage einverstanden, welche diesen Punkt für die bisherigen Mitglieder schnell erledigt. 1 Professor Gothein wird auf dem Soziologentag sprechen (Thema vorbehalten: jedenfalls ein sachliches Thema auf dem Gebiete der historischen Gesellschaftspsychologie). 2 Professor Tröltsch wird mündlich mit mir Rücksprache nehmen, ist im Prinzip nicht abgeneigt (Religionssoziologisches Thema)[,] 3 Ob ich wegen eines politisch-soziologischen Themas an Meinecke schreiben soll, frage ich Sie an, sobald Tröltsch's Beteiligung feststeht. 4 Ich mache auf die Berliner-Jubelfeier der Universität im Oktober aufmerksam. 5 Es könnte sich fragen, ob man nicht den Soziologentag zeitlich nahe an diese heranrücken sollte, der Anwesenheit zahlreicher Gelehrter von auswärts zu lieb. Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber.

1 Die definitiven Listen mit den Kooptationsvorschlägen (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies Cb 54.61:1.2.12) gingen dem DGS-Vorstand allerdings erst per Rundschreiben von Hermann Beck am 23. März 1910 zu (ebd., Cb 54.61:1.1.05). 2 Eberhard Gothein sprach über das Thema: Soziologie der Panik; vgl. dazu das Schreiben an Hermann Beck vom 8. März 1910, unten, S. 422, Anm. 8. 3 Ernst Troeltsch hielt einen Vortrag über profanes und religiöses Naturrecht; vgl. dazu das Schreiben an Hermann Beck vom 8. März 1910, unten, S. 423, Anm. 9. 4 Weber hat diese Anregung Im Schreiben an Beck vom 8. März 1910, unten, S.422f., erneut vorgetragen; offensichtlich ist jedoch von selten des Vorstands darauf verzichtet worden, um eine Zersplitterung des Soziologentages In Sektionen, die sich unweigerlich bei erhöhter Anzahl der Redner einstellte, zu verhindern; vgl. dazu Brief an Beck vom 29. März 1910, unten, S. 449, Anm. 5. 5 Gemeint sind die Jubiläumsfeierlichkeiten zum 100jährlgen Bestehen der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität, die vom 10. bis 12. Oktober 1910 stattfanden.

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Robert Michels 11. Februar 1910; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g AFLE Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max W e b e r , Fasz. 70

Heidelberg 11/2 10 Lieber Freund, der alte „Schönberg" soll durch ein neues, unter Collektivtitel der durchweg neuen - Mitarbeiter erscheinendes Handbuch ersetzt werden. (Honorar pro Bogen - Schönberg-Format - 140 M., Termin: 1. November \911a spätestens). Unsre erheblichen Leute: Bücher, v. Wieser, Sombart, Philippovich, Rathgen, Lötz, Schumacher, u.s.w. thun mit. Nun muß, neben dem Philippovich'schen Artikel: „Geschichte der sozialpolitischen' Ideen" (der doch wesentlich bürgerliche Reformideen darstellt, den Sozialismus als treibende Kraft dieser würdigt)1b, natürlich - da die eigentliche Doktrin („Theorie") in ihrer Geschichte von dem Darsteller der „Epochen der Volksw[irtschafts]-Theorie und -Methode (Schumpeter) m//behandelt wird (es ist grade Zweck, sie aus ihrer Sonderstellung hinauszubringen u. in den Fluß der Gesammtentwicklung zu stellen) - ein wichtiger Artikel „die sozialistische Bewegung" (international) in ihren historischen Epochen und Wellen behandeln. Für den Artikel ständen 3 Bogen (Schönberg) zur Verfügung: also eine knappe, „epigrammatisch" knappe Skizze. Würden Sie geneigt sein, das zu übernehmen? Ich bitte Sie jetzt nur, Sich die Sache einmal prinzipiell zu überlegen u. mir | :eine: | prinzipielle (hoffentlich zusagende) Antwort zu geben. 1 Herzlichen Gruß von Haus zu Haus! Max Weber

a 0 : zweifach unterstrichen,

b Klammer fehlt in O.

1 Tatsächlich hat Michels den entsprechenden GdS-Artikel übernommen; vgl. dazu den folgenden Brief an diesen vom 13. Febr. [1910], unten, S. 403, Anm. 1.

13. Februar 1910

403

Robert Michels 13. Februar [ 1 9 1 0 ] ; Heidelberg Brief; e i g e n h ä n d i g A F L E Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max W e b e r , Fasz. 71 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 13/11 Lieber Freund! Vielen Dank für Ihre Zusage! 1 Der Artikel sollte, international vergleichend, bieten: 5 1. die praktischen \:Ideal- und:| Programm-Entwicklungen der sozialistischen (und: Sozialrevolutionären, „anarchistischen" etc) Richtungen2. die entsprechenden Partei-Bildungen u. ihre Geschichte, 3. die Erfüllung der Arbeiterschaft (also auch: der Gewerkschaften) 10 mit dem „Geist" der verschiedenen Ideale. Die reine Gewerkschaftsbewegung als solche wird dabei als bekannt vorausgesetzt, da sie anderweit behandelt ist. 2 Ich nehme an, daß Sie damit einverstanden sind, nach Ihrem Brief. Herzlichen Gruß beiderseits 15 Ihr Max Weber

1 Webers Dank gilt Michels' Zusage, den GdS-Artikel: Die antikapitalistischen Massenbewegungen der Gegenwart (sozialistische, Sozialrevolutionäre, anarchistische Bewegung), zu übernehmen. Michels' Beitrag ist später erschienen unter dem geänderten Titel: Psychologie der antikapitalistischen Massenbewegungen, in: GdS, Abt. IX, Teil 1. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1926, S. 2 4 1 - 3 5 9 . 2 Den Beitrag über Gewerkschaften sollte der 1912 verstorbene Robert Schachner liefern; den entsprechenden Artikel haben dann Emil Lederer und Jakob Marschak verfaßt: Die Klassen auf dem Arbeitsmarkt und ihre Organisationen, erschienen in: GdS, Abt. IX, Teil 2. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1927, S. 1 0 6 - 2 5 8 .

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Paul Siebeck 15. Februar [1910]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahresdatum ist aus dem Verlagsvermerk: „25. II. 10", sowie aus dem Briefinhalt erschlossen. Der Brief betrifft den Verlagsvertrag für den GdS, der hier in seiner endgültigen Fassung wiedergegeben wird: Dieser trägt auf dem ersten Blatt rechts oben den eigenhändigen Vermerk: „Einverstanden Max Weber" sowie einen Stempel der Drukkerei „22. Feb. 1910".

Verlags - Vertrag über die Mitherausgabe des Sammelwerkes: Handbuch der politischen Ökonomie in zwei Bänden. Zwischen einerseits und der Verlagsbuchhandlung J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) vertreten durch ihren Besitzer, Herrn Dr. Paul Siebeck, in Tübingen, als Verlagseigentümerin des Sammelwerkes andererseits ist heute nachstehender Verlagsvertrag abgeschlossen worden: Herrn

§1. Herr beteiligt sich auf Grund vorausgegangener Verständigung mit Herrn Professor Dr. Max Weber in Heidelberg an dem oben genannten Sammelwerk und übernimmt die Bearbeitung des Abschnittes: Er überträgt das Verlagsrecht für die erste und alle folgenden Auflagen auf die Verlagsbuchhandlung J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), bzw. ihre Rechtsnachfolger. §2. Der Umfang des Abschnittes soll in der Satzeinrichtung der beiliegenden Satzprobe Druckbogen nicht überschreiten. §3. Das Honorar beträgt für die erste Auflage von 2500 Exemplaren M. 1 4 0 - , mit Worten einhundertundvierzig Mark pro Druckbogen der in §2 genannten Satzeinrichtung, zahlbar bei Ausgabe eines jeden Bandes. An diesem Honorarsatz von M. 1 4 0 - , für den Druckbogen ist die Verlagsbuchhandlung jedoch den Herren Mitarbeitern gegenüber nur innerhalb der in § 2 vereinbarten Umfangsgrenze gebunden. Sollte die Verlagsbuchhandlung durch inzwischen eingetretene Steigerungen der Herstellungskosten gezwungen sein, die Auflage zu erhöhen, so steigt das Honorar in dem in Absatz 1 vereinbarten Verhältnis. Jedoch soll die erste Auflage auf keinen Fall mehr als 4000 Exemplare betragen. Das Honorar würde In diesem Falle M. 224 - pro Druckbogen betragen. §4. Da die Einhaltung des vorgesehenen Umfangs und des für die Ablieferung des Manuskriptes vereinbarten Termins für das Gelingen des Werkes von entscheidender Bedeutung ist, so wird ausdrücklich vereinbart:

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I. Herr verpflichtet sich, den in § 2 für die von ihm übernommenen Abschnitte festgesetzten Maximalumfang auf keinen Fall zu überschreiten. Sollte dies doch der Fall sein, so wird er einem Ersuchen des Herrn Professor Max Weber um entsprechende Kürzung des Beitrags nachkommen. II. Herr verpflichtet sich, sein Manuskript in gut leserlichem und druckfertigem Zustand mit breitem Rand, einseitig und möglichst gleichmäßig beschrieben, spätestens bis zum an Herrn Professor Max Weber abzuliefern. Eine Nichteinlieferung des Manuskriptes zu diesem Termin gilt als Nichteinhaltung des Vertrags. Die Verlagsbuchhandlung behält sich vor, alsdann nach Belieben zu verfahren. §5. Die erste Korrektur wird in der Buchdruckerei, die zweite und etwaige weitere Korrekturen werden von dem Herrn Mitarbeiter unentgeltlich gelesen; letzterer ist zu umgehender Erledigung und Rücksendung der Korrekturen verpflichtet. §6. Nimmt ein Mitarbeiter nach dem Beginn der Drucklegung in den Korrektur- bzw. Revisionsbogen Änderungen vor, welche das übliche Maß übersteigen, so ist er verpflichtet, die hieraus entstehenden Kosten zu ersetzen; die Ersatzpflicht liegt ihm nicht ob, wenn Umstände, die inzwischen eingetreten sind, die Änderungen rechtfertigen (Verlagsrechtsgesetz vom 19. Juni 1901). Dem „üblichen Maß" trägt die Verlagsbuchhandlung dadurch Rechnung, daß sie von dem Zeitaufwand, der durch nachträgliche, von der Druckerei nicht verschuldete Satzänderungen in der zweiten und den folgenden Korrekturen verursacht wird, die Kosten für durchschnittlich sechs Stunden pro Bogen auf ihr Konto übernimmt. Von dem auf Autorenkorrekturen ihrer Beiträge entfallenden Zeitaufwand werden die Herren Mitarbeiter durch Zettel in Kenntnis gesetzt, die von der Druckerei jeweils dem nächstfolgenden Korrekturabzuge aufgeklebt werden. § 7. Jeder Mitarbeiter erhält ein gebundenes Freiexemplar des ganzen „Handbuchs", sowie 20 Freiexemplare des von ihm bearbeiteten Abschnittes, etwaige weitere Exemplare desselben oder des ganzen Werkes zu dem gegenüber dem Ordinärpreis um 331/3% ermäßigten Mitarbeiterpreis. Die Freiexemplare der Herren Mitarbeiter, die Rezensionsexemplare, die an Dozenten zur Verteilung gelangenden Einführungsexemplare, sowie den erforderlichen Zuschuß für Druckdefekte etc. darf die Verlagsbuchhandlung außerhalb der kontraktlich vereinbarten Auflage drucken lassen. Sie ist jedoch verpflichtet, Herrn Professor Max Weber auf Verlangen Nachweis über die Verwendung dieser Exemplare zu geben. Diejenigen Werke des Mohrschen und Lauppschen Verlags, welche von den Herren Mitarbeitern zu der Ausarbeitung ihrer Beiträge benötigt werden, liefert ihnen die Verlagsbuchhandlung zum Buchhändler-Nettopreise, (Zeitschriften ausgeschlossen). §8. Für Übersetzungen des Handbuchs oder einzelner Teile desselben in fremde Sprachen bleibt die Zustimmung der Verlagsbuchhandlung vorbehalten, welche die Verhandlungen im Einvernehmen mit dem betreffenden Herrn Mitarbeiter führen wird. Werden für Übersetzungen irgend welche Entschädigungen erzielt, so wird die Einnahme zu gleichen Teilen zwischen dem beteiligten Herrn Mitarbeiter, bzw. den Herrn Mitarbeitern gemeinschaftlich pro rata ihrer Beiträge einerseits und der Verlagsbuchhandlung andererseits, geteilt. §9. Solange der Abschnitt im „Handbuch der politischen Ökonomie" erscheint, bleibt das ausschließliche Verlagsrecht auf denselben der Verlagsbuchhandlung für die erste und alle folgenden Auflagen gewahrt.

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Die Herren Mitarbeiter verpflichten sich, während der Dauer dieses Vertrags ohne Zustimmung der Verlagsbuchhandlung für ein ähnliches bzw. für ein konkurrierendes Sammelwerk Artikel über den gleichen Gegenstand nicht zu übernehmen; die beim Abschluß dieses Vertrags vorhandenen Wörterbücher sind davon ausgenommen. § 1 0 . Im Falle einer neuen Auflage kann die Verlagsbuchhandlung den Abschnitt eines Mitarbeiters ausscheiden: I. wenn eine Änderung des Planes des Gesamtwerkes beabsichtigt ist, welche seine Verwendung ausschließt; II. wenn der Bearbeiter es ablehnt, oder gesundheitlich oder durch sonstige Umstände daran gehindert erscheint, den Abschnitt d e m neuesten Stande der Forschung entsprechend umzuarbeiten oder die etwa erforderlichen neuen Raumvorschriften inne zu halten nicht bereit ist. Die Verlagsbuchhandlung darf, wenn Änderungen in der Zusammensetzung des Werkes oder seiner Disposition eintreten sollen, verlangen, daß der Mitarbeiter die Behandlung eines bestimmt zu bezeichnenden Unterteils seines Themas erforderlichen Falles unterlasse. Daß er neue Themata einbeziehe, darf sie nicht verlangen. § 1 1 . Im Falle des Todes oder der Erkrankung eines Mitarbeiters darf die Verlagsbuchhandlung seinen Abschnitt in einer neuen Auflage sowohl unverändert beibehalten, falls eine solche Verwendung nicht durch eine Willenserklärung des Verfassers ausdrücklich ausgeschlossen ist, als auch ausscheiden oder durch einen Dritten unter Kenntlichmachung der Änderungen umarbeiten lassen. Wenn der Abschnitt in der neuen Auflage beibehalten wird, so gelten für seine Honorierung die folgenden Vereinbarungen: I . Wenn der Abschnitt unverändert ü b e r n o m m e n wird, so hat die Verlagsbuchhandlung an den Herrn Verfasser bzw. an seine Rechtsnachfolger das volle dann geltende Honorar auszubezahlen. II. Wenn der Abschnitt in einer Umarbeitung, die mit unter d e m Namen des bisherigen Herrn Verfassers erscheint, aufgenommen wird, so hat die Verlagsbuchhandlung an den bisherigen Herrn Verfasser bzw. seine Rechtsnachfolger die Hälfte des dann geltenden Honorares auszubezahlen. III. Wenn der Abschnitt lediglich durch kleinere Zusätze auf den neuesten Stand der Wissenschaft gebracht werden muß, so ist die Vergütung für diese Leistung des neuen Bearbeiters von dem an den bisherigen Herrn Verfasser, bzw. an seine Rechtsnachfolger zu bezahlenden Honorar in Abzug zu bringen. Der Abzug soll jedoch höchstens die Hälfte des dann geltenden Honorares betragen. Hiermit allenthalben einverstanden unterzeichnen diesen in zwei gleichlautenden Exemplaren ausgefertigten Verlagsvertrag den Tübingen, den

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Sehr geehrter Herr D r Siebeck! Mit dem Hauptvertrag bin ich, wenn Bücher nichts mehr zu erinnern hatte, durchaus einverstanden. 1 Zu dem beifolgenden Vertragsentwurf für Rathgen habe ich mir einen Änderungsvorschlag erlaubt. 2 s Mit herzl. Gruß! Ihr Max Weber Heidelberg 15/11

1 Paul S i e b e c k hatte am 15. Febr. 1 9 1 0 W e b e r e i n e n vierten Entwurf d e s Verlagsvertrag e s (VA M o h r / S i e b e c k , D e p o n a t B S B M ü n c h e n , A n a 4 4 6 ) für das H a n d b u c h z u g e s c h i c k t ; da a u c h v o n Karl B ü c h e r keine w e i t e r e n B e d e n k e n e r h o b e n w u r d e n bzw. er sich d a z u nicht welter geäußert hat, w u r d e dieser Vertragsentwurf der e n d g ü l t i g e n D r u c k f a s s u n g zugrundegelegt. 2 W a h r s c h e i n l i c h bezieht sich W e b e r s Ä n d e r u n g auf e i n e Passage in § 2 d e s Vertragsentw u r f s für die S o n d e r a u s g a b e , da einzig d i e s e g e g e n ü b e r d e m u r s p r ü n g l i c h e n Text e i n e N e u f a s s u n g aufweist. Ist Im u r s p r ü n g l i c h e n Entwurf d a v o n die Rede, daß eine S o n d e r a u s g a b e „ s p ä t e s t e n s ein Jahr, n a c h d e m das . H a n d b u c h der politischen Ö k o n o m i e ' vollständig e r s c h i e n e n ist, zur A u s g a b e g e l a n g e n " dürfe, so heißt es In der N e u f a s s u n g , daß eine s o l c h e „ s p ä t e s t e n s ein halbes Jahr, n a c h d e m das . H a n d b u c h d e r politischen Ö k o n o m i e ' , bzw. der b e t r e f f e n d e B a n d d e s s e l b e n e r s c h i e n e n Ist, zur A u s g a b e g e l a n g e n " solle.

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Paul Siebeck 18. Februar 1910; Heidelberg Brief; eigenhändig V A Mohr/Siebeck, Deponat B S B München, A n a 446

Heidelberg 18/2 10 Sehr verehrter Herr D r Siebeck, 1. neben dem Contrakt mit Rathgen steht nun noch das Problem mit® Prof. D r Plenge zur Erörterung. Wie ich s.Z. mitteilte, 1 will er seinen Beitrag „Geld und Notenbankwesen" in erweiterter Form, als „Geld und 5 Credit", herausgeben; und zwar jedenfalls. Wenn es Ihnen recht ist, so frage ich ihn an, b wie er sich die Beziehung genauer denkt. Oder, vielleicht besser, Sie fragen ihn an bezw. correspondieren mit ihm darüber. 2 Der Beitrag wird m.E. sehr werthvoll werden und ganz sicher eine gesonderte | -.{erweiterte): | Herausgabe reich lohnen. Wollen Sie mir 10 Ihre Stellung zu der Frage mitteilen? 2. Prof. v. Gottl (Beitrag: 2 Bogen „Technik und Wirtschaft1') soll einen 10 Bogen langen Beitrag |: wesentlich :| gleichen Titels für die „Cultur der Gegenwart" liefern u. fragt an, ob das vereinbar sei. 3 Dem Zweck und Inhalt nach würde der letztere schon infolge des Umfangs 15 etwas0 Anderes als der uns zugesagte],] |:der unsrige ,,/e/zrhaft", der andre „entwickelnd", der unsre generell-theoretisch (die £mze/probleme kommen ja unter die ¿ímze/abschnitte), der andre historisch und

a

b (ober)

c was sonst da ist

1 Im Anschluß an eine nicht überlieferte Korrespondenz mit Weber hat sich Johann Plenge am 5. März 1910 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 289) an Paul Siebeck gewandt. In seinem Brief skizzierte er seine Vorstellungen über das projektierte Werk „Geld und Kredit". Darin sollte der Band 1 den minimal umgearbeiteten Beitrag für den GdS über Geld und Zahlungswesen enthalten; Band 2 sollte sich mit Kapitalmarkt, Effektenbörse und Bankwesen befassen. Plenges Beiträge sind nie erschienen; vgl. Briefe an Siebeck [vor oder am 6. Dez. 1909], oben, S. 330, Anm. 3, sowie vom 18. Febr. 1910, oben, S. 408, Anm.2. 2 Knies, Karl, Geld und Credit. Erste Abteilung: Das Geld. Darlegung der Grundlehren von dem Gelde, insbesondere der wirtschaftlichen und der rechtsgiltigen Functionen des Geldes, mit einer Erörterung über das Kapital und die Übertragung der Nutzungen, 2., verb. und verm. Aufl. - Berlin: Weidmannsche Buchhandlung 1885; ders., Der Credit. Erste Hälfte, ebd. 1876, sowie: Der Credit. Zweite Hälfte: Das Wesen des Zinses und die Bestimmgründe für seine Höhe. Wirkungen und Folgen des Creditverkehres. Die Creditinstitute, ebd. 1879. 3 Das Buch von Georg Friedrich Knapp, Staatliche Theorie des Geldes. - Leipzig: Duncker & Humblot 1905, auf das Weber hier zweifelsohne anspielt, war zwar originell, aber sehr spezialistisch und operierte mit einer z.T. neu geschaffenen Terminologie. 4 Helfferich, Karl, Das Geld (Hand- und Lehrbuch der Staatswissenschaften, begründet von Kuno Frankenstein, fortgesetzt von Max von Heckel. Erste Abteilung: Volkswirtschaftslehre, VIII. Band: Geld und Banken. Von Prof. Dr. Karl Helfferich. In zwei Teilen. Erster Teil: Das Geld.). - Leipzig: C. L. Hirschfeld 1903. Der zweite Teil, der sich mit dem Bankwesen beschäftigen sollte, ist nie erschienen. 5 So etwa das Werk von Adolph Wagner, Sozialökonomische Theorie des Geldes und Geldwesens. Tunlichst in prinzipieller Behandlungsweise, zugleich in genauerer Ausführung (Theoretische Sozialökonomik oder Allgemeine und theoretische Volkswirtschaftslehre, Abt. 2, Bd. 2.: Geld und Geldwesen). - Leipzig: C. F. Winter'sche Verlagshandlung 1909.

9. März 1910

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Ich schreibe in einigen Tagen, wenn hoffentlich endlich auch Fuchs geantwortet hat. 6 Inzwischen hat Bücher den „Handel" (allgemeinen] Teil desselben), 7 Leitner die Betriebslehre des Gewerbes übernommen. 8 Beides sehr 5 erfreulich. Aber es dauerte so endlos, bis man die Herren so weit hat! Mit freundschaftl. Gruß! Max Weber

6 Die schriftlichen Verhandlungen mit Carl Johannes Fuchs haben sich noch bis in den April hingezogen und sind dann von Weber ergebnislos abgebrochen worden; vgl. Brief an Paul Siebeck vom 1. Mai 1910, unten, S. 485. 7 Dieser Beitrag von Karl Bücher ist nicht zustande gekommen. 8 Es handelt sich um die folgenden Beiträge Friedrich Leitners: Betriebslehre der kapitalistischen Großindustrie, erschienen in: GdS, Abt. VI. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 8 3 - 1 3 5 , sowie: ders., Elemente des privatwirtschaftlichen Betriebes, in: GdS, Abt. IV, Teil 1, ebd. 1925, S. 9 0 - 1 1 0 .

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11. März 1910

Marianne Weber [11. März 1910; Heidelberg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum von dritter Hand; Ort aus dem Briefinhalt erschlossen. Marianne Weber nahm vom 12. bis 14. März 1910 an einer Vorstandssitzung des Bundes deutscher Frauenvereine in Frankfurt teil.

Liebe Schnauzel! Else1 war vorhin hier. Ihr Mann hat ihr also nun Scheidung und Teilung der Kinder (die jüngsten für sie) vorgeschlagen resp. ihr Verlangen, daß sie sich formal scheiden lassen sollten, akzeptiert, während er in Frankfurt noch (wohin sie2 ihn hatten kommen lassen, ehe sie zurückkam) ihnen eine faktische Trennung vorgeschlagen hatte, bei |:formaler:| Aufrechterhaltung der Ehe. Sie sei sich aber so klar über Das geworden, was Alfred ihr bedeute, auch darüber, daß Edgar 3 doch nie innerlich verzichten würde ohne eine formale „Mauer", (sie ha[be die]3 ganzen Jahre über „Nacht für Nacht" eigentlich zu „kämpfen" gehabt, weil er immer ihre Freundschaftlichkeit „anders" gedeutet und sie dann, wenn sie „ablehnend" war, auf jedes freundliche Wort, welches sie gebraucht hatte, „festgenagelt" habe), - daß sie sich geweigert habe und fest entschlossen sei, sich endgültig zu weigern, Das fortzusetzen. Alfred müsse es eben dann als seine spezifische „Aufgabe" betrachten - das akzeptierte sie von mir, seine Eifersucht auf die beiden |:fremden:| Kinder 4 (sie gab |:das Vorhandensein:! dieser nach anfänglichem Sträuben zu) zu bezwingen. Ich habe ihr nicht erspart und wollte ihr nicht ersparen die Bemerkung, daß sie ihren Mann und ihre Kinder nicht Alfred gegenüber moralisch hätte preisgeben dürfen, wie sie es gethan habe. Wir waren | :aber: | so weit ganz ,,freundschaftlich" miteinander. a Lochung.

1 Else Jaffe. 2 Gemeint sind Else Jaffe und Alfred Weber. 3 Edgar Jaffe. 4 Von den vier Kindern, Friedel, Marianne, Peter und Hans, sollten vermutlich zwei nicht von Edgar Jaffe stammen. Der Sohn Peter entstammte der Beziehung mit Otto Gross, vgl. Brief an Marianne Weber vom 13. März 1908, Editorische Vorbemerkung (MWG II/5, S. 450) und Brief an Else Jaffe vom 13. Sept. 1907 (MWG 11/5, S. 402, Anm. 18).

11. März 1910

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Herzlichen Gruß! Lask war gestern da, D r Honigsheim kommt heute, Alfred hatte auch „noch kommen wollen", ob er es thut weiß [ich]b nicht. Laß Dir's gut gehen. Dein Max 5 Ich habe Else nachdrücklich gebeten, Mama jetzt aus dieser Sache, wenn möglich, ganz auszuschalten, bis Alles im Klaren vor ihnen liege. Vielleicht ist es ja so weit, während sie noch hier ist. Aber ich finde [je weiter]c u. klarer entwickelt die Sache ist, desto leichter ist es ihr. Und Alfred macht schriftlich solche Sachen besser als mündlich. -

b Lochung.

c Lochung.

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13. März 1910

Heinrich Rickert [vor oder am 13. März 1910]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 25, Bl. 4 6 - 4 7 Das Datum ist erschlossen aus d e m Antwortbrief Heinrich Rickerts v o m 13. März 1910 (UB Heidelberg, Heid.Hs. 2740/140). Der unten abgedruckte Brief sowie das folgende Schreiben an Rickert v o m 20. März 1910, unten, S. 4 3 4 - 4 3 6 , stehen in Zusammenhang mit d e m Konflikt Arnold Ruges mit Georg Mehlis und Richard Kroner. Es ging darum, daß Rüge auf d e m Titelblatt des „ L o g o s " nicht genannt worden war, obgleich er zu dessen verantwortlichen Redakteuren gehörte und formell durchaus Anspruch auf diese Nennung erheben konnte. Initiator des Vorgehens von Seiten der Freiburger Logosredaktion, nur Georg Mehlis als Redakteur bzw. Hauptredakteur auf d e m Titelblatt zu vermerken - Richard Kroner hatte dieser Entscheidung zugestimmt - , war Heinrich Rickert, der, wegen der Persönlichkeitsstruktur Ruges, erhebliche Schwierigkeiten für eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen d e m Freiburger und Heidelberger Redaktionsteil befürchtete und diese auf Dauer für gefährdet ansah. Der Streit ist letztlich im Sinne Rickerts entschieden worden, insofern als Rüge formell auf die Mitnennung als Herausgeber auf d e m Titelblatt verzichtete. Ein Jahr später - 1911 - nahm Rickert einen Konflikt Ruges mit Max Weber zum Anlaß, Rüge endgültig aus der Redaktion des „ L o g o s " zu entfernen. Er setzte dies mit seiner Drohung, anderenfalls selbst auszuscheiden, gegen den Widerstand Paul Siebecks durch.

Bitte antworten Sie nicht, der Brief dient nur Ihrer Information. Lieber Rickert! D r A[rnold] Rüge war eben bei mir, furibund darüber, daß 1. sein Name, |:wie er sagt,:| im Gegensatz zu der Formulierung im s Contrakt1' mit Siebeck1 (er hatte sich Siebeck hierher kommen lassen),a2 '' Ich habe R[uge] gesagt, daß ich nur von Mehlis als auf dem Titel stehend etwas gehört hätte (von Ihnen im Herbst), von ihm (Rüge) nur als sachlich an den R&daktionsentscheidungen beteiligt. a

(wege)

1 Laut Verlagsvertrag stand Arnold Rüge die Mitnennung als Redakteur auf der Titelseite des „ L o g o s " durchaus zu; auch Rickert mußte in seinem Brief an Wilhelm Windelband vom 28. März 1910 (UB Heidelberg, Heid. Hs. 2140/142) einräumen, daß er es versäumt habe, sich „die juristische Frage vollkommen klar zu machen. Ich hätte wissen sollen, daß R[uge] nach d e m Vertrag mit Siebeck das Recht hatte, auf d e m Titelblatt zu stehen, Siebeck hat sich selbstverständlich sofort auf den Standpunkt des formalen Rechts gestellt und e r k o n n t e garnicht anders." 2 Die Zusammenkunft mit Paul Siebeck betraf allerdings in erster Linie die projektierte Herausgabe einer Enzyklopädie der Philosophischen Wissenschaften.

13. März 1910

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auf dem Titel weggelassen |:sei:|, überhaupt das Titelblatt gedruckt worden sei 2 \ b und dann erst ihm geschrieben wurde, daß Sie aus „schwerwiegenden Gründen" (die ihm nicht mitgeteilt worden seien, deren Mitteilung sich vielmehr die Herren Kroner u. Mehlis, nach seiner Angabe, unter Vorwänden entzögen) gegen seine Mitaufführung auf dem Titel seien, 2. daß er von den Vorgängen im Logos überhaupt ohne Nachricht gelassen werde, 3 obwohl er doch kontraktlich ein „suspensives Veto" habe. 4 Er beschuldigte Mehlis und Kroner der „Unehrlichkeit" ihm (R[uge]) gegenüber, sprach von „Diebstahl" an seiner Arbeit (den Referaten, die er von Croce, Boutroux etc. beschafft habe und dem „Logos" abgetreten habe, 5 um nun „herausgesetzt" zu werden), beschuldigte die beiden Herren der „Kriecherei" vor Ihnen und Windelband (NB! er selbst tritt W[indelband] allerdings durchaus rücksichtslos - und |: allerdings auch:|: taktlos - entgegen), der „Logos" werde nun als rein „südwestdeutsch" gestempelt etc. etc. - Ich referiere das lediglich zur Kennzeichnung seiner Stimmung. 2)

Ich habe R[uge] gesagt, daß auch ich nicht gewußt hätte, daß jetzt schon die Sache so weit vorgeschritten sei und daß ich eigentlich über meine Beteiligung mit Ihnen gern nochmals gesprochen hätte, da sie mir nach wie vor überflüssig und unpassend scheine. - Ob auch ich am 19. zu Ihnen kommen kann, weiß ich noch nicht. Mit dem Namen machen Sie in Gottes Namen, was Sie wollen! b (ehe)

3 Die Nichtbenachrichtigung über Logosangelegenheiten in den vergangenen Wochen war indes auf eine Krankheit Georg Mehlis' zurückzuführen. 4 Nach den „Statuten der internationalen Kommission [des Logos] und der ihr unterstehenden nationalen Redaktionen" hatte jedes Gründungs- bzw. Kommissionsmitglied nach § 12 „das Recht eines unbedingt geltenden Vetos, das keiner näheren Begründung bedarf." Hier zitiert nach dem undatierten, von Rüge und Mehlis unterzeichneten Exemplar (UB Heidelberg, Heid.Hs. 2740/148). 5 Rüge hatte Beiträge von Emile Boutroux und Benedetto Croce, die ursprünglich in der von ihm geplanten und ab 1910 veröffentlichten Bibliographie: Die Philosophie der G e genwart. Eine internationale Jahresübersicht, erscheinen sollten, dem „Logos" zur Verfügung gestellt. Die Aufsätze von Boutroux, Wissenschaft und Philosophie, und von Croce, Über die sogenannten Wert-Urteile, sind erschienen in: Logos, Bd. 1, 1910/11, S . 3 5 - 5 6 bzw. S. 7 1 - 8 2 .

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13. März 1910

Wo die wirklichen Schwierigkeiten liegen ist mir natürlich nicht schwer zu errathen (wir sprachen ja von Rüge im Herbst). Er ist ebenso wie bei mir auch bei Windelband gewesen, - dieser hat nach seiner Art ihn nur gefragt: „Haben Sie auch in der Form Ihrer Briefe nichts versehen?" 6 und hinzugefügt: „auch bei Ihrer Habilitation (die H[abilita- 5 tions]-Schrift 7 ist in W[indelband]'s Händen) könnten ähnliche Dinge" (er meint: die vielen früheren Taktlosigkeiten) „Bedenken erregen" 8 was R[uge] natürlich vollends furibund gemacht hat. (NB! die Art der Ausbeutung R[uge]'s durch W[indelband] ist - rein objektiv, nach den mir0 nicht durch R[uge] - bekannten Thatsachen - nicht anders als 10 „schamlos" zu nennen!). Ich habe mich schwer gehütet, meinerseits etwas Anderes zu sagen als dies:

C

(bek)

6 Die Frage Windelbands war nur zu berechtigt. Dazu bemerkt Rickert in seinem Brief an Weber vom 13. März 1910 (ÜB Heidelberg, Heid.Hs. 2740/140): „Er hat an Mehlis Briefe geschrieben, die diesen schwer beleidigen mußten, und an Kroner Briefe mit den abenteuerlichsten Drohungen (.Strafgesetzbuch') und einer Fluth von Schmähungen und Verdächtigungen über Mehlis. - Mehlis kam [...] zu mir, um mir mitzutheilen, daß er jeden Verkehr mit R[uge] abbrechen müsse. Er werde ihn nicht fordern, weil er ihn für unzurechnungsfähig halte u. er auch der Welt nicht das Schauspiel einer schießenden .Logos'redaktion geben wolle." 7 Ruges Habilitationsschrift: Die Deduction der practischen und der moralischen Freiheit aus den Prinzipien der kantischen Morallehre, ist 1910 bei H. Laupp in Tübingen erschienen. 8 Wie aus dem Sitzungsprotokoll des Engeren Senats der Universität Heidelberg vom 3. März 1906 (UA Heidelberg, A-160/177, BI.431) hervorgeht, hatte der „stud. Arnold Rüge in N° 18 der,Akademischen] Mitteilungen' [...] eine amtliche Handlung des Diszipiinarbeamten kritisiert mit dem Zufügen, ,daß die von letzterem dem p. Rüge gegenüber vorgebrachten Drohungen an der Tatsache nichts änderen[!]' Der Senat erblickt darin eine Verletzung der den akade[mischen] Behörden schuldigen Achtung u. erkennt deshalb gegen Rüge auf Androhung der Ausschließung von der Universität." Tatsächlich sah sich Windelband in seinem Habilitationsgutachten vom 23. Mai 1910 genötigt, auf Ruges frühere „Geschmacklosigkeiten und Übereilungen" sowie dessen „höchst unerfreuliche Konflikte, sogar mit der akademischen Disciplin" einzugehen. „Auch später hat er gelegentlich bei öffentlichem Auftreten, selbst wo er sachlich im Rechte sein mochte, sich durch sein leidenschaftliches Temperament formell ins Unrecht gesetzt. Immer aber ist selbst von seinen Gegnern die Ehrlichkeit und die Aufrichtigkeit seiner Gesinnung ebenso anerkannt worden, wie die intellektuelle Energie seines Auftretens." (UA Heidelberg, H-IV, 102/139, BI.269). Die ursprünglichen Bedenken der philosophischen Fakultät gegen Arnold Rüge schimmern noch durch in dem befürwortenden Zulassungsschreiben des Dekans Franz Boll an den Engeren Senat vom 13. Juni 1910, ebd., Bl. 272, in welchem der Passus: „obgleich die Informationen über D r Rüge nicht günstig lauten" gestrichen und durch eine neutralere Formulierung ersetzt worden ist.

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„wenn er, wie er es beabsichtigt, mit Ihnen (und dann mit den Herren Mehlis u. Kroner) verhandeln wolle, so solle er vorher sich genau überlegen, wie weit er in der Sache entgegenzukommen sich in der Lage fühle, - sei da ein möglicher Einigungsboden gegeben, dann würden sich die persönlichen Differenzen schon leichter schlichten lassen." Aus seiner Antwort ging |:im Lauf der Besprechung:| hervor, daß er vielleicht (oder d : „vermutlich") so weit entgegenkommen würde: daß 1) sein Name auf dem Titel fort bleibt, - 2) dagegen auf der 2 t e n Seite seine völlige Gleichstellung mit den andren Herren mit größter Schärfe hervortreten müsse, anders als jetzt, etwa so, daß die Notwendigkeit der Zustimmung aller |:3:| Redakteure ausdrücklich festgestellt sei u. Herr Mehlis auch auf dem Titel nur als „geschäftsführender Herausgeber" figuriere. 9 Ich habe ihm gesagt: daß in unsrem „Archiv" jetzt auf meinen Antrag Majoritäts-Prinzip herrscht (und wir beiden (Sombart u. ich) nur als „Mitwirkende" aufgeführt sind). 10 Das Unglück ist, daß er Siebeck auf seiner Seite zu haben glaubt u. vielleicht - dazu Anlaß hat. In die Angelegenheit meinerseits mich einzumischen habe ich strikt abgelehnt. Bitte behandeln Sie auch diesen Brief als estreng vertraulich0 ihm gegenüber. Ich schreibe nur zu Ihrer Information. - Ich habe ihm auf seine Frage, was für „schwerwiegende" Gründe denn gegen ihn bestehen könnten, nur gesagt: „vielleicht, daß bei den zahlreichen Namen nicht auch noch 3 Redakteure figurierten. Ich wisse sonst nicht, was die Herren meinten, da ich bisher in keiner Weise mich um die Dinge des ,Logos' gekümmert habe. 1 " 1 Daß ich R[uge] für unberechenbar, taktlos, herrschsüchtig und bedenklich in seinem eventuellen „Unentbehrlichwerden" halte, wissen Sie ja. Aber es darf natürlich nicht der Schein einer direkt illoyalen Behandlung entstehen. Wie schwierig die Lage ist, weiß ich wohl. Herzlichen Gruß! Ihr d ( w a h ) e O: zweifach unterstrichen Max Weber 9 Auf d e m Titelblatt d e s ersten erschienenen Logosheftes wird nur G e o r g Mehlis als „ H e r a u s g e b e r " aufgeführt, während auf der Innenseite alle drei Redakteure genannt werden. 1 0 Jaffe war seit 1908 alleiniger Herausgeber d e s A f S S p , die beiden bisherigen Mitherausgeber Sombart und W e b e r w u r d e n seitdem als .Mitwirkende' im I m p r e s s u m aufgeführt. Die A n r e g u n g dazu war v o n W e b e r ausgegangen; vgl. seinen Brief v o m 11. Sept. 1906 an Paul Siebeck ( M W G LI/5, S . 1 5 6 f . ) .

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17. März

1910

Robert M i c h e l s P S t 17. M ä r z 1 9 1 0 ; P S t H e i d e l b e r g Karte; e i g e n h ä n d i g A F L E Turin, Nl. R o b e r t M i c h e l s , K a p s e l M a x W e b e r , F a s z . 7 3

L. Fr.! Eine Postkarte von mir scheint Sie nicht erreicht zu haben. Ich gehe ungefähr zu Ostern hier fort, zuerst ca 14—20 Tage ganz still an die Riviera (Lerici)[,j dann nach Lucca, Perugia etc., Siena, Florenz. Geben Sie mir doch Ihre dortige Adresse an. Ich kehre in der ersten Maiwoche hierher zurück, könnte also dort noch ein paar3 Tage mit Ihnen Zusammensein, da Sie ja auch dann dort sein wollen, wie Sie schrieben. Ich gehe wahrscheinlich zu Fenice (g[e]g[en]über Palfazzo] Medici in der Via Cavour)1 - oder wo gehen Sie gewöhnlich hin? Turin werde ich nicht passieren können. Wie ist denn Ihr Itinerar jetzt? Grüßen Sie Sombart sehr. 2 Wir ziehen um (zum 1. IV.): Ziegelh. Landstr. 11 (statt 27) Herzl. Gruß Max Weber

a O: p a r

1 Das von Weber regelmäßig benutzte Hotel in Florenz. 2 Webers Karte war adressiert an Michels „bei Herrn Prof. Werner Sombart Mittelschreiberhau im Riesengebirge".

18. März 1910

433

Martin Rade [nach dem 18. März 1910]; o. 0 . Brief; eigenhändig UB Marburg, Ms. 839, Nl. Martin Rade Die Datierung ist aus dem Briefinhalt erschlossen: einmal aus dem Hinweis auf Webers Umzug, der Ende März 1910 stattfand; sodann aus der Erwähnung einer „Sendung", bei der es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um folgendes Buch Rades handelt: Die Stellung des Christentums zum Geschlechtsleben (Religionsgeschichtliche Volksbücher, hg. von Friedrich Michael Schiele, Reihe V, Heft 7/8). - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1910. Das Buch ist im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr. 63, S.3383, am 18. März 1910 als Neuerscheinung angezeigt worden.

Verehrtester und lieber Herr College, ich kann jetzt einfach nicht, sonst käme ich gern.1 Die Sache ist die, daß ich in einer Debatte unter Umständen sehr lebhaft eingreifen kann, aber nichts zum Voraus zusagen kann, ohne zu riskieren, daß es mir grade dann schlecht geht. Und das bedrückt mich zu sehr, als daß ich es, so lange das nicht anders ist, thäte. Ich habe fest übernommene Verpflichtungen aus eben diesem Grunde abgesagt. Also: es geht absehbarer Zeit nicht. Mein Bruder ist ganz überlastet.2 Meine Frau könnte erst ana einem späteren Zeitpunkt. Wir ziehen um u. sie hat schon sehr viel Verpflichtungen. Vielen Dank für Ihr freundliches Zutrauen! Und auf später einmal. In alter Verehrung Ihr Max Weber Sehr vielen Dank für Ihre aus den verschiedensten Gründen mich sehr interessierende Sendung. 3 Meine Frau liest sie zur Zeit.

a O: in 1 Worauf sich Weber hier bezieht, ist unbekannt. 2 Gemeint ist Alfred Weber. 3 Vermutlich handelt es sich dabei um Rades Buch: Die Stellung des Christentums zum Geschlechtsleben; siehe die Editorische Vorbemerkung.

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20. März 1910

Heinrich Rickert 20. März 1 9 1 0 ; H e i d e l b e r g Brief; e i g e n h ä n d i g G S t A Berlin, Rep. 92, Nl. Max W e b e r , Nr. 25, Bl. 4 3 - 4 4

Heidelberg 20/11110 Lieber Rickert! D r Rüge war eben längere Zeit hier (mehrere Stunden)[.] - Er gab mir eine sehr eingehende Darstellung Ihrer Unterhaltung 1 und las mir Ihren Brief vor, in welchem Sie auf mich Bezug nehmen. 2 Wenn es, wie ich annehmen muß, richtig ist, daß R[uge] dem Logos | :für das erste Heft: | 2 (oder 3?) Referate von Croce und 3 Boutroux (und Royce?) 3 abgetreten und durch die |teilweise veränderte:] Art der Gestaltung einer von ihm begründeten Unternehmung dem „Logos" dies Inslebentreten erleichtert hat, so würde ich allerdings es für richtig und deßhalb auch für klug halten, wenn mit der Anerkennung dessen nicht gekargt würde. Es würde ja, wie die Dinge liegen (die zwischen Ihnen getroffene Abmachung hat er mir berichtet), kein Schaden entstehen, wenn er auf der Innenseite des ersten, von ihm doch mit (inhaltlich) geschaffenen Heftes als voller Mitredakteur so erschiene, wie es laut Correkturdruck beabsichtigt war.4 Und ferner wäre es m. E. ein Gebot der Coulanz, daß, wenn er auf dem zweiten Heft fortfällt, - wozu er sich offenbar bereit finden lassen würde, - sein Ausscheiden gemeldet und ihm in nicht allzu kärglichen Worten dafür gedankt würde, daß er den

a (noch andre (Boy )

1 Wie Rickert in seinem vertraulichen Brief an Paul Siebeck vom 18. März 1910 (VA Mohr/ Siebeck, Tübingen, Nr. 290) mitteilte, hatte dieses Gespräch am 16. März 1910 in Freiburg stattgefunden, ein Gespräch, das „ungemein stürmisch begann, aber harmonisch ausklang. Herr Dr. Rüge hat sich überzeugt, daß das Einzige, was er tun kann, darin besteht, daß er freiwillig aus der Redaktion des , Logos' ausscheidet." 2 Der Brief ist im Nl. Arnold Rüge im GLA Karlsruhe nicht nachgewiesen. 3 Ein Beitrag von Josiah Royce ist nicht im „Logos" erschienen. 4 Die Innenseite des Titelblattes führt sowohl Georg Mehlis als auch Richard Kroner und Arnold Rüge als Redakteure auf.

20. März 1910

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Logos mit habe begründen helfen. Denn das ist immerhin der Sachverhalt. 5 Nach der persönlichen Seite habe ich ihm gerathen, der Wahrheit gemäß zu erklären, daß seine Briefe an Herrn D r Mehlis in Erregung geschrieben seien und daß er die Form daher nicht aufrecht erhalte, dagegen konnte ich ihm nicht abrathen, ausdrücklich zu bemerken, daß er in der Sache sich ungerecht behandelt fühle. Denn daß er so fühlt, ist eben auch Thatsache und also kann er sachlich nichts davon zurücknehmen, was er gesagt hat, sondern nur die beleidigende Form. Das muß Herrn D r Mehlis m. E. genügen und kann ihm auch genügen. Und mit der Erfüllung der beiden erster,ib Punkte (Mit-Nennung auf dem ersten Heft, - Danksagung im zweiten, wenn er ausscheidet) erfüllt man nur eine ««persönliche, der Sachlage entsprechende Pflicht. R[uge] hat mir eigentlich wieder recht gut (persönlich) gefallen. Seinen Charakter habe ich ja nie anzweifeln hören. Aber auch sein sonstiger „Eindruck" ist günstiger als sein Ruf. Freilich, die schweren Taktlosigkeiten, die er begangen hat, bleiben Thatsachen. Meine Frau und ich können jetzt nicht |:gut:| zu Ihnen kommen. Ich aber komme auf der Rückreise wohl jedenfalls. Wie wäre es denn, wenn sich „das Frauchen" und Herr Arnold 6 mit mir 1 ' Mitte April in Florenz träfen? c - da Sie, lieber Freund, ja doch vermutlich |:zu:| unbeweglich dazu sind, - oder wie steht es mit dem Reisen bei Ihnen? Ich gebe immer noch die Hoffnung nicht auf, daß wir uns mal da unten treffen. Aber wenn Sie |:jetzt: | nicht |:können: |, - dann ^ Ob Marianne mir nachkommen kann, ist sehr fraglich, das muß ich leider zugeben. Also hätte sie dann freilich nur mit mir Knoten zu thun. b (Bedingungen) c Randbemerkung Max Webers: So etwas muß doch malgehen\Und das Leben wird immer kürzer! Und Ihre Frau muß auch mal von Zeit zu Zeit gelüftet werden.

5 Das Ausscheiden von Rüge wird in einer „Redaktionellen Notiz" am Ende des dritten Logos-Heftes von Bd. 1, 1910/11, S.418, mitgeteilt: „Herr Privatdozent Dr. Rüge tritt mit Beginn des neuen Bandes aus der internationalen Kommission aus und damit von den redaktionellen Geschäften zurück. Die internationale Kommission bedauert, daß Herr Dr. Rüge durch vielfache Arbeiten so in Anspruch genommen ist, daß er der Redaction des deutschen Logos seine Kräfte nicht weiter zur Verfügung stellen kann. Sie spricht ihm für seine bislange Tätigkeit den herzlichsten Dank aus. Die deutsche Logosredaktion: Richard Kroner. Georg Mehlis." 6 Gemeint ist der älteste Sohn von Heinrich und Sophie Rickert, Arnold Rickert.

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geht es doch vielleicht d mal ohne d Ihre Frau für 10—14 Tage bei Ihnen zu Hause. Ich schicke dann meine bald für längere Zeit. Herzlichen Gruß! Ihr Max Weber 5 NB! Ich habe Rüge gesagt, daß und was ich Ihnen schreiben würde und ihm bemerkt, daß® ich natürlich bisher nur immer seinen Standpunkt (sach[lic]hf u. persönlich) gehört hätte und darnach urteile, - also nicht definitiv urteilen könne[.]

d mit > mal ohne

e (dies)

f Lochung.

23. März 1910

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Otto von Zwiedineck-Südenhorst [vordem 23. März 1910]; o.O. Abschrift; ohne Anrede und Schlußformel Abdruck in: Zwiedineck-Südenhorst, Otto von, Mensch und Gesellschaft. Beiträge zur Sozialpolitik und zu sozialen Fragen. Bearbeitet von Otto Neuloh, Bd. 1 . - B e r l i n : Duncker & Humblot 1961, S. 1 5 - 1 6 . Die Datierung ist erschlossen aus Webers Bemerkung in seinem Brief an Paul Siebeck vom 23. März 1910, daß für alle Abschnitte des GdS Bearbeiter gefunden worden seien. Terminus post quem ist der I . M ä r z 1910: An diesem Tage schickte Siebeck Weber eine Liste der bislang akquirierten GdS-Autoren, in welcher der Name v. Zwiedineck noch fehlte. Dieser kann also dann erst in der Folgezeit von Weber zur Mitarbeit aufgefordert worden sein.

Die Probleme, die ich umfassen möchte, liegen auf der Hand: ausgeschlossen sind die „sozialpolitischen", alles, was nicht Arbeits-, sondern Arbeiterfrage ist; nur das erstere, der Standpunkt des Betriebes, kommt in Betracht: der Bedarf nach dem Produktionsmittel Arbeit und seiner Gliederung (hinsichtlich der Arbeit in Gelernte, Angelernte, Ungelernte mit ihren Übergängen, und zwar in einzelnen typischen Industriebranchen) sowie die Mittel, durch Lohnpolitik das Optimum an Leistung der Arbeitskräfte herauszuholen, die Möglichkeit oder Nichtmöglichkeit der Förderung durch „Aufsicht" dabei, faktische Erfahrungen mit den Lohnsystemen incl. der Gewinnbeteiligung, und innere Gliederung (Gruppenbildung) der Arbeiterschaft, soweit sie durch das Lohnsystem bedingt wird. 1 In dem allgemeinen Beitrag „Arbeit", den Herkner zu übernehmen den Wunsch aussprach, sollen die physischen und psychischen Grundlagen, die Arbeitsteilung und ihre Wirkung im allgemeinen, die Maschine in ihrer Bedeutung für die Arbeit (insbesondere die Automatisierung) und die fachlichen Faktoren der „efficiency" behandelt werden. - Hier muß es sich um die Aufgabe handeln, die konkreten Verhältnisse der Industrie und ihrer Unterschiede untereinander soweit wie möglich auf Typen zu bringen, also ein Problem, welches bisher eigentlich in zusammenfassender Weise noch nicht dargestellt ist. - Ich wüßte niemand, der berufener wäre als Sie, diese

1 Tatsächlich hat v.Zwiedineck-Südenhorst den von Weber angebotenen Beitrag übernommen; er ist später unter dem Titel: Arbeitsbedarf und Lohnpolitik der modernen kapitalistischen Industrien, in: GdS, Abt. VI. - T ü b i n g e n : J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. 2 4 7 - 2 8 1 , sowie GdS, Abt. VI, 2., neubearb. Aufl., ebd., 1923, S. 2 0 3 - 2 5 2 , erschienen.

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23. März 1910

Probleme, die Sie ja zum Teil schon umfassend durchgearbeitet und behandelt haben, 2 zu behandeln, da Sie eine so gute Kenntnis der Praxis der Industrie sich zu verschaffen gewußt haben. - Bücher, von Wieser, von Philippovich, Sombart, Herkner, von Schulze-Gävernitz, Schumacher, Lötz machen mit; tun Sie es auch! 5

2 Weber bezieht sich hier in erster Linie auf folgende Werke v. Zwiedineck-Südenhorsts: Lohnpolitik und Lohntheorie mit besonderer Berücksichtigung des Minimallohnes. - Leipzig: Duncker & Humblot 1900, sowie: Beiträge zur Lehre von den Lohnformen (Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Ergänzungsheft XIV).-Tübingen: H. Laupp1904.

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Paul Siebeck 23. März 1910; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 23/11110 Sehr geehrter Herr D r Siebeck! Ich habe für den fraglichen Abschnitt, der sehr wichtig ist, Herrn Prof. Plenge 10 Bogen zugestehen können. 1 s Ich stelle anheim, ihm nun die Bedingungen, wie bei Rathgen,2 für die in S[onder]-A[usgabe] bleibenden Abschnitte anzubieten und wegen der anderen nach Kenntnisnahme des Umfangs des Ganzen ihm geeignete Honorarvorschläge zu machen. 1)3 Da er diese Sachen vortrefflich kennt, so wird das Buch sicher etwas sehr gutes. 4 10 Jetzt sind |:endlich, nach endloser Schreiberei:| alle Abschnitte des „Schönberg" vergeben, außer: 1) Gewerbegeschichte, gewerbliche Betriebsformen und Kleingewerbe - 2) Mittelstandpotoi/c - Prof. Fuchs, mit dem ich noch in Verhandlung bin. 5 Nach dem hoffentlich baldigen Abschluß lege ich den Gesammtplan 15 mit Bogenzahlen und Adressen vor. 6 Mit freundschaftlichem Gruß! Max Weber pro Bogen oder pauschal für das ganze Buch, das ist ja Ihre Angelegenheit, in die ich mich nicht mische.

1 Gemeint ist der Abschnitt über „Geld und Notenbankwesen" für das geplante Handbuch; vgl. dazu Brief an Siebeck vom 18. Febr. 1910, oben, S.408. 2 Karl Rathgen sollte einen der Hauptbeiträge für das Handbuch liefern; zu den langwierigen Verhandlungen über die Sonderausgabe von Rathgens Artikel vgl. Briefe an Siebeck vom 20. und 28. Dez. 1909 sowie vom 18. Febr. 1910, oben, S. 340f„ 352 und 408. 3 Tatsächlich ist am 26. Juli 1910 zwischen Siebeck und Johann Plenge ein Verlagsvertrag über eine Sonderausgabe zustande gekommen (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Fasz. Verlagsverträge), dessen Bestimmungen identisch mit dem Vertrag mit Rathgen waren. 4 Zu dem geplanten Buch von Plenge vgl. Brief an Siebeck vom 18. Febr. 1910, oben, S.408. 5 Die Verhandlungen mit Carl Johannes Fuchs sind von Weber im April abgebrochen worden; vgl. dazu Brief an Siebeck vom 1. Mai 1910, unten, S. 485. 6 Dies erfolgte am 26. März 1910; siehe unten, S. 445.

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24. März

1910

Sophie Rickert PSt 24. März 1 9 1 0 ; PSt H e i d e l b e r g Karte; e i g e n h ä n d i g UB Heidelberg, Heid. Hs. 2 7 4 0 Erg. 9 3 , 1 . 3 (Nl. Heinrich Rickert)

Liebe Frau Rickert! Niente piü? - als Mädchenwechsel? Bis zum 10./11. April sind doch Ihre Mädchen vorläufig eingewöhnt! Ich bin übrigens - eventuell - bis 3./4. Mai in Florenz! Man schläft bei Fenice1 für 3Vi - 4 L[ir]e, bei Prof. Thurnheer 32 noch billiger, u. ißt in den Künstlerkneipen sehr billig. Gott weiß, wann es einmal bequemer geht! Überlegen Sie doch mit Ihrem Mann noch mal, es wäre doch sehr schön oder könnte es werden. Vielleicht kommt dann Marianne |:trotz allem Umzug auch! - Aber das ist unsicher, da sie Vorträge u. dgl. hat u. wir die Bilanz „unserer" Fabrik 3 abwarten müssen. Sie möchte das Geld, statt zu reisen, lieber in ihren neuen Zimmern anlegen. Ich bin dafür, daß sie trotzdem reist.: | Ihrem Mann vielen Dank. Hoffentlich wird doch die Gelegenheit wahrgenommen, mit D r R[uge] - dessen Eigenart mir keineswegs unbekannt ist - auf friedliche Art auseinanderzukommen.4 Nur diesem Zweck diente mein Vorschlag. Herzlichen Gruß an Ihren Mann und Sie selbst Ihr Max Weber

a 0 : Turnheer

1 Fenice war das von Weber bevorzugte Hotel in Florenz. 2 Laut Baedeker, Karl, Oberitalien mit Ravenna, Florenz und Livorno. Handbuch für Reisende, 18. Aufl. - Leipzig: Karl Baedeker 1911, S.555, wurden von einem „Prof. Thurnheer" möblierte Zimmer angeboten. 3 Gemeint ist die Firma Carl Weber & Co. in Oerlinghausen, der Marianne Weber als Gesellschafterin angehörte. Vgl. dazu den Brief an Marianne Weber vom 3. Sept. 1907 (MWG II/5, S.385f.). 4 Zu dem Konflikt Arnold Ruges mit Heinrich Rickert und der Redaktion des „Logos" vgl. die Briefe an Rickert [vor oder am 13. März 1910] sowie vom 20. März 1910, oben, S. 4 2 8 - 4 3 1 und 4 3 4 - 4 3 6 .

24. März

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Paul Siebeck 24. März 1910; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 24/11110 Verehrtester Herr Doktor Siebeck! Ich schicke morgen, Sonnabend, die Verteilungslisten ab, 1 nebst Entwurf eines |:(ununterzeichneten): | Begleitschreibens an die Mitarbeiter, denen sie zur Information mit dem Verlagsvertrag zugehen sollten (m. E.), nebst Ihrem Begleitbrief | :natürlich:|. Ich möchte dazu bemerken: 1. Mit meinem Bruder wird jetzt nur ein Verlagsvertrag über „Standortlehre der Industrie" und „Gewerblicher Capitalismus und Bevölkerungsgruppierung" (3. Buch III, 3. und 5. Buch, la) abzuschließen sein. 2 Über die andren Artikel verhandle ich noch mit ihm. 3 Mit mir ist gar kein Verlagsvertrag nötig3. Ich stoße noch einzelne Partien an Andre ab. 2. Die eingeklammerten Namen oder fehlende Namen bedeuten, daß die Verhandlungen noch nicht absolut perfekt sind. Also: Verlagsvertrag erst nach |:weiterer:| Mitteilung von mir! 3. Die angegebenen Bogenzahlen bitte nur in die Verlagsverträge, nicht in die zu versendenden Abschriften bezw. Copien, - sonst entsteht abseitiges Verlangen nach mehr Raum, weil ein Anderer so u. so viel habe! Bei Bücher0 bitte ich die Bogenzahlen offen zu lassen und zu bitten, sie selbst auszufüllen. Bücher habe ich für die „Einleitung" 5 Bogen angeboten. Für den Handel hat er den „allgemeinen Teil" übernommen; a Unsichere Lesung,

b (und

Sombart)

1 Die Zusendung erfolgte zwei Tage später, wie aus dem folgenden Brief an Paul Siebeck vom 26. März 1910, unten, S.445, hervorgeht. 2 Von Alfred Weber ist nur der erstgenannte Beitrag unter dem Titel: Industrielle Standortslehre. (Allgemeine und kapitalistische Theorie des Standortes.), in: GdS, Abt. VI. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S . 5 4 - 8 2 , erschienen. 3 Laut gedruckten Themen und Mitarbeiterverzeichnis vom Mai 1910 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) waren „Prof. Alfred und event. Max Weber" für den Artikel: Die Tendenzen zur inneren Umbildung des Kapitalismus, vorgesehen. Der Beitrag ist jedoch nicht zustande gekommen.

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24. März 1910

er soll die Arbeiter der Spezial-Artikel bestimmen. Bitten Sie ihn doch auch darum brieflich. Er antwortet fast nie auf meine Briefe! Herzlichen Gruß! Max Weber Ich reise Montag nach Italien bis Anfang Mai. Briefe bitte hierher[.] Vom 1. April an Ziegelhäuser Landstr. 11 (statt 27): wir ziehen in | :mein großelterliches Haus:| Noch Eins: Bücher hat sehr entschieden immer wieder gegen die bloß proportionale Steigerung des Honorars (bei Steigerung der Auflage) protestiert. 4 Könnten Sie nicht wenigstens mir \ :ohne Aufnahme in den Verlagsvertrag :| die Zusicherung einer absoluten 0 Höchstgrenze der Auflage machen? Ich habe ihm zugesagt, daß ich dies von Ihnen erbitten wolle. 5 Das bedeutet, daß im Fall einer weiteren Steigerung der Auflage ich zustimmen müßte, - u. also darüber, ob nicht über d Progression der Honorarsteigerung (z.B. von 3000 Expl. an), dann zwischen uns beiden zu verhandeln wäre. Das scheint mir nicht unbillig. M.W.

c O: A b s o l u t e n

d Unsichere Lesung.

4 Karl Büchers Bedenken gegen eine bei erhöhter Auflage nur proportionale Steigerung des Autorenhonorars finden sich besonders deutlich in seinem Brief an Siebeck vom 26. Dez. 1909 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 260), den dieser in Auszügen Weber zugänglich machte; zum Inhalt von Büchers Einwänden vgl. Briefe an Siebeck vom 20. Dez. 1909, oben, S. 340, Anm. 3, sowie vom 28. Dez. 1909, oben, S. 351, Anm. 1. 5 Tatsächlich hat Siebeck den Vorstellungen Webers und Karl Büchers - wenn auch mit Widerstreben - entsprochen; zur ersten Reaktion von Siebeck auf den Protest Büchers bezüglich der Honorarhöhe vgl. Editorische Vorbemerkung zum Brief an diesen [vor oder am 28. März 1910], unten, S.446.

26. März 1910

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Edgar Jaffe [vor dem 26. März 1910]; o. O. Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist erschlossen aus einem Brief von Edgar Jaffe an Paul Siebeck vom 26. März 1910 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 283), dem laut Mitteilung ein Manuskript von Ladislaus v. Bortkiewicz beigegeben war. Dabei handelt es sich um den von Weber unten als „Vortrag" apostrophierten Text, eine Auseinandersetzung mit dem Buch von Alfred Weber: Über den Standort der Industrien. Teil 1: Reine Theorie des Standorts. Mit einem mathematischen Anhang von Georg Pick. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Slebeck) 1909. Der Beitrag von v. Bortkiewicz wurde veröffentlicht unter dem Titel: Eine geometrische Fundierung der Lehre vom Standort der Industrien, In: AfSSp, Bd. 30, Heft 3, 1910, S. 7 5 9 - 7 8 5 . Infolgedessen entfiel die ursprünglich von Wilhelm Lexls in Aussicht gestellte Rezension; vgl. dazu Brief an Paul Slebeck vom 7. Aug. 1909, oben, S. 222.

Lieber Freund! Anbei eine Karte von Lexis auf meine Anfrage, wo seine Besprechung der „Standorte" denn bliebe. Ich wußte nicht, daß Bortkiewicz's Vortrag grade diesen Gegenstand behandelte. Ist das richtig, dann kann man ja Lexis lassen. E s ist wenig loyal von ihm, beiläufig, daß er, obwohl ich ihn gefragt hatte, ob er auch nicht für die „Jahrbücher" gebunden sei, nun doch, nachdem er dies verneint hatte, dort eine Kritik schreibt. 1 Ich danke Ihnen für Ihr gestriges Vertrauen. Sie wissen, daß ich immer, wenn Sie Sich irgendwelche Erleichterung und Klärung davon versprechen, daß Sie Sich „aussprechen", mit herzlicher Bereitwilligkeit zur Verfügung stehe. Positiven „Urteilens" muß ich mich ja doch möglichst enthalten, - Sie gehen Ihren schicksalsbelasteten Weg doch allein und ich frage mich auch, ob ich denn Ihnen als ganz „objektiv" gelten kann, - da doch, so fern mein Bruder mir in vieler Hinsicht jetzt gerückt ist, er eben doch mein Bruder ist, der mir sehr nahe gestanden hat und mich innerlich sehr nahe angeht. Aber ich bemühe mich jedenfalls nach besten Kräften. Herzlichst Ihr Max Weber

1 Die Rezension von Wilhelm Lexis ist erschienen in: JbbNSt, Folge III, Bd. 39, 1910, S. 8 1 8 - 8 2 6 .

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26. März 1910

D r Steinitzer (München) - Verfasser des Buchs über die Aktiengesfellschaf]t a2 bot eine 6 Bogen lange Arbeit über „Unternehmergewinn" an. Ich wies ihn an Sie.3

a Lochung.

2 Steinitzer, Erwin, ökonomische Theorie der Aktiengesellschaft. - Leipzig: Duncker & Humblot 1908. 3 Im AfSSp sind keine Arbeiten von Steinitzer veröffentlicht worden.

26. März

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Paul Siebeck 26. März 1910; Heidelberg Brief; e i g e n h ä n d i g V A Mohr/Siebeck, Deponat B S B München, A n a 446

Heidelberg 26/11110 Sehr geehrter Herr D r Siebeck! Anbei die Aufstellung und das (anonym zu fassende) erläuternde Anschreiben. 1 5 Ich meine, man sollte mit der Versendung der Verträge jetzt bis gegen Ende April warten, da Alles verreist ist. Hoffentlich ist bis dahin auch der Rest in Ordnung. Freundschaftlichen Gruß! Ihr ergebenster Max Weber 10 Falls Sie die beiden Sachen |:auch:| drucken lassen wollen, erbitte ich Correkturen (hierher, sie gehen mir an die Riviera nach) 3 .

a Klammer fehlt in O.

1 Ein Exemplar des Anschreibens bzw. der „Vorbemerkung zum Stoffverteilungsplan" sowie des „Stoffverteilungsplans" selbst befindet sich als Anlage zum Brief an Weber vom 24. Mai 1910 im VA Mohr/Siebeck, Deponat B S B München, Ana 446; in diesem Band abgedruckt als Anhang, unten, S. 7 6 6 - 7 7 4 .

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28. März 1910

Paul Siebeck [vor oder am 28. März 1910]; o. 0 . Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Datum erschlossen aus Verlagsvermerk: „28.111.10 erhalten" Bezug: Brief von Paul Siebeck vom 26. März 1910 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), in welchem dieser seinen Unmut über die von Weber in seinem Brief vom 24. März 1910 (oben, S. 442) mitgeteilten Bedenken Karl Büchers über das Autorenhonorar freien Lauf ließ: „Daß Herr Geheimrat Bücher bezüglich des Honorars sich gar nicht beruhigen kann, ist mir recht schmerzlich. Er weiß doch, daß er es mit einem Verleger zu tun hat, der den jeweiligen Verhältnissen gerne Rechnung trägt. Warum muß er mich nun immer wieder in etwas hineinzwängen wollen, was mir in Gottes Namen einmal gegen den Strich ist. Ohne sichere Unterlagen auf Jahre hinaus sich auf bestimmte Positionen zu binden, kann ich mit soliden Geschäftsgrundsätzen nicht in Übereinstimmung bringen. Industrielle, Banken u.s.w. tun dies doch auch nicht, warum soll dann an den Verleger ein andrer Maßstab angelegt werden? [...] Die erste Auflage von Schönberg's Handbuch erschien 1882, der letzte Band der vierten Auflage 1898. Angenommen, bei dem neuen Handbuch ginge es ebenso, so müßte ich mich jetzt auf 16 Jahre hinaus binden. Der Vertrag über die erste Auflage von Schönberg war sr. Zt. .giltig für alle Auflagen' abgeschlossen worden. Aber es wurde von Seiten des Verlages nicht daran festgehalten, sondern das Redaktions- und die Mitarbeiterhonorare wurden erhöht, auch ohne daß es im Vertrag vorgesehen war. Wenn Sie bei einer der nächsten Auflagen an mich oder an meinen Sohn herantreten mit der Frage, kann an dem Honorar etwas geändert werden?, so werden Sie gewiß das gleiche Entgegenkommen finden, wie Bücher bei seinen Schriften, auch ohne daß wir jetzt etwas vereinbaren. [...] Was ich oben über Bücher gesagt habe, bleibt ja unter uns. Ich mußte einmal meinem Herzen etwas Luft machen."

Verehrtester Herr D r Siebeck! Es handelt sich ja nicht um künftige Auflagen, sondern darum', daß, wenn diese Auflage über 3000 etc. a vergrößert wird, die Autoren - da doch die General-Unkosten, die auf das Werk verrechnet werden, nicht proportional, sondern langsamer als die Höhe der Auflage, also die Gewinn-Chance des |:Verlages:| schneller als die |:Höhe der:| Auflage steigt - auch |: ihrerseits :| ein |: etwas :| schneller als bloß proportional ansteigendes Honorar erhalten. - Darauf legt Bücher Gewicht. 1 Für das „Handbuch" handelt es sich nun noch um Fuchs' Entschließung (Gewerbegeschichte, gewerbliche] Betriebsformen, Kleingewera Unsichere Lesung.

1 Zum Fortgang der Diskussion um die Honorarfrage vgl. Briefe an Paul Siebeck und Karl Bücher vom 1. und 11. Mai 1910, unten, S. 484 und 506.

28. März 1910

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be, Mittelstandspolitik), 2 dann ist Alles untergebracht außer ganz kleinen Artikeln. Sie sehen, daß die Zahl 165 Bogen |:(excl. Index):| um 3A Bogen |:(unvermeidlicherweise) :| überschritten ist. Ich glaube, daß ich Ihnen 5 später vorschlagen werde, die Logik u. Methodologie von mir fortzulassen, - ev. \ :nur: | als Sonderbrochüre mit Vorzugspreis für Abnehmer des Handbuchs zu drucken - um Platz zu gewinnen für sachliche Artikel. Methodik ist „Wissenschaft über die Wissenschaft", gehört heut eigentlich nicht hinein. 10 Freundschaftl. Gruß! Max Weber. Die Correspondenz war eine der übelsten Schindereien!

2 Die Verhandlungen mit Carl Johannes Fuchs sind von Weber im April abgebrochen worden; vgl. Brief an Siebeck vom 1. Mai 1910, unten, S. 485.

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29. März 1910

Hermann Beck 29. März 1910; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.60

Heidelberg, den 29. III. 1910. Sehr geehrter Herr Doktor! Ich verkenne nicht, daß Alles, was Herr Simmel sagt, auf guten Gründen beruht. 1 Immerhin, mancher unserer Gelehrten hätte sich vielleicht entschlossen, zum Jubiläum und Soziologentag zu kommen, der zu s einem allein nicht kommt. 1. Bezüglich des Ortes müßte der Vorstand einfach abstimmen, ob der Versuch auswärts gemacht werden soll. 2 Ich enthalte mich dabei der Stimme. Es spricht ja immerhin auch Manches für Berlin, unter Anderem, daß jetzt drei Vorstandsmitglieder dort ansässig sind und persön- 10 lieh helfen können, Interessenten zu gewinnen. 2. Ebenso müßte der Vorstand abstimmen (und wiederum enthalte ich mich der Stimme)[,j ob „Sektionen" zu bilden seien. 3 (Ich dachte

1 Georg Simmel hatte in seinem Brief an Hermann Beck vom 13. März 1910 (Abschrift masch.; S H L B Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.49) Bedenken gegen Berlin als möglichen Tagungsort des Soziologenkongresses erhoben, da dort die Universität als „günstigste Lokalität" für die Tagung durchaus nicht gesichert sei: „ O b wir sie aber bekommen, ist mir angesichts des Verhaltens unserer sozialwissenschaftlichen Ordinarien zu der S o z i o l o g i s c h e n ] G e s e l l s c h a f t ] durchaus zweifelhaft. Es haben da, von den Professoren abgesehen, auch noch gewisse reaktionäre Persönlichkeiten mitzureden, denen ganz sicher ,die ganze Richtung nicht paßt' und die wahrscheinlich eine Gesellschaft, zu deren Leitern Max Weber, Sombart und ich gehören, von vornherein perhorreszieren." Als Alternative hatte er Frankfurt a.M. angeboten - mit der damit verbundenen Bitte an Weber, „ev. diesen Plan einmal vertraulich mit Herrn Prof. Philipp Stein zu besprechen." 2 Weber, der zu diesem Zeitpunkt noch für Berlin als Tagungsort plädierte, änderte nach Gesprächen mit Philipp Stein seine Ansicht, zumal dieser der DGS für den Fall, daß Frankfurt a.M. Tagungsstätte des Ersten Deutschen Soziologentages w e r d e n sollte, tatkräftige Unterstützung von Seiten der Akademie für Handels- und Sozialwissenschaften und anderer Institutionen anbot; vgl. dazu Brief an Hermann Beck vom 8. [Juni] 1910, unten, S . 5 5 7 f . Die von Simmel in Frankfurt geführten Gespräche hatten ebenfalls eine positive Resonanz gefunden; vgl. dessen Brief an Beck v o m 5. Juni 1910 (Abschrift masch.; SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.49). 3 Simmel hatte sich in seinem Brief vom 13. März 1910 (wie Anm. 1) gegen eine Einrichtung von Sektionen gewandt und dafür in Kauf genommen, daß nicht mehr als die von Weber in seinem Schreiben v o m 8. März 1910, oben, S . 4 2 2 f . , erwähnten Vorträge gehal-

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zunächst für diesmal nur an etwa 2 oder allerhöchstem 3 unter einander separate Abteilungen, welche ja eine Mehrheit von „Sektionen" in sich enthielten und würde vorschlagen, für den Fall der Annahme dieses Gedankens, - da die Vorträge der Herren Simmel und Tönnies ohnehin „allgemeines'"' sind, noch Herrn Ploetz und Herrn Sombart im „Plenum" Vormittags sprechen zu lassen (Freitag und Sonnabend)],| ebenso noch einen weiteren Redner (Sonntag Vormittag), dagegen an den beiden Nachmittagen (Freitag und Sonnabend) je 2, vielleicht je 3 Redner; ersterenfalls käme man auf insgesamt 9, letzterenfalls auf insgesamt 11 Redner, sodaß ersterenfalls z. B. noch die Herren Meinecke und Krüger, - cf. meine früheren Briefe, 4 - letzterenfalls überdies noch 2 andere nach Bedarf aus den Herren Barth, Lamprecht, Schallmeyer, Bernheim, Alfred Weber sprechen könnten und im Falle der Erstrekkung auf 3 Tage noch mehr Herren, nämlich bei 2 Nachmittagsabteilungen 2 & 3 & 6 gleich 11, bei 3 Nachmittagssektionen 14. 3. Abzustimmen wäre daher ebenfalls - nach Eingang und Verteilung der Äußerungen noch anderer Vorstandsherren (auch Herrn Dr. Beck möchte ich, da er der Praktischste von uns ist, um Äußerung bitten) über die zuletzt berührte Frage: ob 2 oder 3 Tage. 5 Es ist ja nicht zu leugnen, daß letzteres etwas viel ist für das erste Mal. Zuweilen aber werden bekanntlich durch Vermehrung der Kirchen in einem Ort alle, jede einzelne, voller statt leerer. Bezüglich des Vorgehens gegenüber den alten und neuen Mitgliedern möchte ich vorschlagen: 1. den zu ordentlichen] Mitgliedern 6 cooptierten bisherigen Mitgliedern ihre Cooptation, das Statut und die Mitteilung, daß a) ein Sozioloten wurden. Der Ablehnung Simmeis pflichtete Tönnies in seinem Brief an Hermann Beck vom 31. März 1910 (Abschrift masch.; SHLB Kiel, Ni. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.54) bei. „Ich stimme Herrn Simmel auch namentlich darin bei, daß der .Soziologentag' nicht durch Sektionen sogleich kompliziert werden soll." Tatsächlich ist die Einrichtung von Sektionen unterblieben. 4 Weber bezieht sich vermutlich auf seine Briefe an Hermann Beck vom 11. Febr. sowie 8. März 1910, oben, S. 401 und 422f. 5 In seinem Rundschreiben vom 8. April 1910 (SHLB Kiel, NI. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.05) bat Hermann Beck neben der Abstimmung über den Konferenzort um ein Votum über die Verhandlungsdauer und die damit verbundene Sektionsbildung. Er selbst votierte für eine Dauer von drei Tagen ohne Sektionsbildung, um „eine nicht gut abzuschneidende freie Diskussion der ordentlichen] Mitglieder" nicht auszuschließen. 6 Zu den Unterscheidungen zwischen ordentlichen und unterstützenden Mitgliedern vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Hermann Beck vom 31. Aug. 1909, oben, S. 240.

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gentag dann und dann, da und da mit u.A. den und den Rednern bevorsteht, - b)daß zur Zeit Publikationen über die Soziologie der Presse, die Soziologie der Vereine und andere frei wachsenden sozialen Gruppen sich in vorbereitender Erwägung befinden, zugehen zu lassen. 7 2. den sog. „unterstützenden Mitgliedern" die gleichen Mitteilungen (a und b) mit dem Hinzufügen, daß eine Erweiterung des derzeitigen Kreises der „ordentlichen Mitglieder", deren Stellung derjenigen der bisherigen Ausschußmitglieder entspreche, auf der nächsten Mitgliederversammlung zur Erwägung stehe. 3. ganz neu cooptierten Mitgliedern die Mitteilungen ad 1, a und b, mit einem von den Berliner Herren des Vorstandes zu vereinbarenden Schreiben. 8 Ich möchte beantragen, diesen und andere, von anderen Herren des Vorstandes zu machende Vorschläge den Berliner Herren zur Erledigung nach deren Ermessen zu überweisen, und bitte, dies - nach Eingang anderer Äußerungen - ebenfalls zur Abstimmung zu bringen, damit diese Sachen in Gang kommen. Ich verreise jetzt und bin Anfang Mai wieder hier, gegen Mitte Mai 2 Tage in Berlin. Mit vorzüglicher Hochachtung! Max Weber.

7 Hermann Beck hatte laut Rundschreiben vom 23. März 1910 (SHLB Kiel, Nl. Ferdinand Tönnies, Cb 54.61:1.1.05) für den nächsten Tag entsprechende Briefentwürfe in Aussicht gestellt, die aber nur zum Teil ihre Adressaten erreichten, so daß die Entwürfe diesen noch einmal am 8. April 1910 (SHLB Kiel, ebd.) zugesandt wurden. Während der uns vorliegende Briefentwurf an die „ordentlichen Mitglieder" vom 9. April 1910 (ebd., Cb 54.61:1.2.04) lediglich deren Kooptation mitteilt, lehnt sich der undatierte, an die „unterstützende^) Mitglieder" gerichtete Brief (ebd.) eng an die Weberschen Vorgaben an und schließt mit dem Hinweis, daß eine „Erweiterung des Kreises der derzeitigen ordentlichen Mitglieder [...] von der nächsten Mitgliederversammlung zu beschließen sein" werde. 8 Ein entsprechender Entwurf fehlt in den DGS-Unterlagen.

31. März 1910

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Marianne Weber PSt 31. März 1910; PSt Sarzana Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Vor Beginn des Umzuges aus der Ziegelhäuser Landstr. 27 in die Ziegelhäuser Landstr. 17 reiste Max Weber vermutlich am 29. März 1910 nach Lerici am Golf von La Spezia. Er brach die länger geplante Reise am 10. oder 11. April ab und folgte einem telegraphischen Rückruf nach Heidelberg.

L.Sehn. Die Fahrt bis Mailand war dadurch anstrengend, daß Kurt Hensel u. Frau mitfuhren u. er sehr nett aber etwas taub ist. (Käthe H[ensel] soll es übrigens nicht gut gehen, er - Paul1 - ist nach Hause gereist). - Gestern 5 verfehlte ich in Spezia den Dampfer u. kam dann mit Segelboot Nachmittags hier 2 an. Hotel des Palmes ist abgespalten von einer schönen, oben auf den Berg hinauf liegenden Villa, ich habe ein sehr einfaches, aber nettes Zimmerchen mit Balkon: Pension incl. Wein 6 Lire. Der Blick über den Golf ist fein, noch alles bräunlich-violetter Vorfrühling, 10 nicht weiter als in Heidelberg u. ziemlich kühl. Das Hotel ist fast leer, Jaffas englischer Bruder3 soll 15.4. herkommen(?). Ich fahre eben mal mit dem Postomnibus nach Sarzana um, ehe die bevorstehende Regenzeit anfängt, noch was zu sehen. Geschlafen habe ich ohne alle Mittel. Mein Telegramm 4 wirst Du ja erhalten haben. Laßt es Euch gut gehen 15 und spare kein Geld. Herzliche Grüße der Mutter Dein Max

1 Der Philosoph Paul Hensel und dessen Frau Käthe Hensel gehörten zum engeren Freundeskreis von Max und Marianne Weber; er war der Bruder von Kurt Hensel. 2 Gemeint ist Lerici am Golf von La Spezia. 3 Der Name konnte nicht nachgewiesen werden. Der Vater von Edgar Jaffe, Isaac Joseph Jaffe (1806-1890), war zweimal verheiratet und hatte zahlreiche Kinder. Die Söhne arbeiteten über wechselnde Zeiten in der um 1865 gegründeten Firma Jaffe & Sons in Manchester, einem Textilexportgeschäft, in dem auch Edgar Jaffe 1888-1898 tätig war. 4 Das Telegramm ist nicht nachgewiesen.

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1. April 1910

Marianne Weber P S t I . A p r i l 1910; PStLerici Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Lieber Schnauzel, die Fahrt |:in der Diligenza:]1 gestern nach Sarzana ging durch [unend]lichea Olivengärten die hier Alles bedecken in die große Bucht der Magra-Ebene, - in dem alten Nest selbst ist außer einer |: innen: | : schönen:) gothischen Marmorkirche nichts zu sehen, - aber der Blick auf die schneebedeckten Apuaner Alpen (die ich s.Z. mit der Mutter von Fiesole 2 aus ganz rechts im Norden als Abschluß ragen sah) über Maulbeer- u. Wein- u. grüne Gemüse- u. Kornfelder ist wundervoll. Dann per Wagen an die Mündung der Magra u. im Boot um das Vorgebirge zurück - bis ca 4 Uhr war ich wieder hier. Das Meer wäre für Dich vielleicht zu bewegt gewesen, aber die grünlich-weißlichen Wellenhügel in ihrem ewigen Sichdrängen u. -Schieben bei tief verhängter See waren b doch wieder fein u. dann nachher hier das Hereinkommen der bunten Fischerflotte mit all ihren rothen, gelben u.s.w. Segeln, hübsch, wo dahinter die Schlachtschiff-Colosse unförmig schwarz daliegen. Schlaf ohne Mittel, unterbrochen, aber, da ich viel herumgelaufen u. etwas Berg gestiegen war, doch befriedigend. Ein Greifswalder Professor der Physik ist hier, mit e[iner] im spezifisch Heidelberger |:bürgerlichen:! Sinn hübschen schwarzen Frau, geb. Heß (aus dem „Schiff" in Neuenheim, 3 welche |:mit:| Mariechen Hausrath 4 in die Schule ging)c. Man ist doch nirgends sicher vor den Collegen, - dieser ist ein angenehmer, stiller Mann. - Was mögt Ihr machen? Regen habt Ihr ja wohl nicht

a Lochung.

b 0:war

c Klammer fehlt in O.

1 Veralteter Ausdruck für Postwagen bzw. Postomnibus. 2 Max Weber besuchte Fiesole mit seiner Mutter am 20. und 22. April 1908 (vgl. MWG II/ 5, S.536, 540). 3 Gemeint ist Gustav Mie, dessen Frau die Tochter des Wirts des Gasthauses „Schiff" war. 4 Maria (Mariechen) Hausrath war eines der elf Kinder von Adolf und Henriette Hausrath, geb. Fallenstein; Cousine von Max Weber.

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gehabt? Laß Dich nur von Gruhle 5 zu Allem verführen, was Spaß macht u. Fröhlichkeit giebt! Schönste Grüße an die Mama, 6 einen herzlichen Kuß Di[r]d von Deinem etwas stumpfsinnigen, weil vegetierenden 5 Max (Lerici, Riviera, Hotel des Palmes) Telegramm u. Karte habt Ihr doch erhalten? 7

d Lochung.

5 Der Psychiater Hans Gruhle sollte Marianne Weber bei Einkäufen beraten. Vgl. Brief an Hans Gruhle Anfang März 1910, oben, S.417. 6 Helene Weber war zu Besuch in Heidelberg und half Marianne Weber beim Einzug in das Haus Ziegelhäuser Landstr. 17. 7 Das Telegramm ist nicht nachgewiesen, bei der Karte handelt es sich vermutlich um die vom 31. März 1910 an Marianne Weber.

2. April

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Marianne Weber PSt 2. April 1 9 1 0 ; PSt Lerici Karte; e i g e n h ä n d i g Bestand Max W e b e r - S c h ä f e r , Deponat B S B M ü n c h e n , A n a 4 4 6

Lieber Schnauzel, schönen Dank für Dein und - eben - auch Mamas liebe Kärtchen. Ich habe gestern erst gelegen u. gefaulenzt u. dann, da kein Segler nach Porto Venere zu haben war (wohin ich heut gehe) einen 2stündigen Spaziergang gemacht: die „Capraneta" 1 („Ziegensteige") - der Heidelberger „Himmelsleiter" 2 ähnlich - hinauf nach dem Ort Serra oben auf dem Berg (Königstuhlhöhe) mit wunderbar schönem Blick über den Golf und die Inseln u. die endlos mit 3 schönem Olivgrün austapezierten Berghänge unten, dann auf der Chaussee hinunter - seit einigen Jahren wohl meine stärkste Leistung. Der Schlaf war dementsprechend spät und unzulänglich, auch sonst erfrischt so was doch nicht, obwohl ich fast ohne stärkeres Herzklopfen oben ankam. Wäre nur nicht die verfluchte] Kälte. Ihr armen guten Leute habt's ja nun auch scheußlich schlecht getroffen! Wo bleibt Gruhle's, Homburger's etc. starke Han[d] b um Euch zu retten? 3 Es ist hier doch so kühl, daß ich weiß Gott lieber in Sizilien oder sonstwo steckte. Aber das bekommt j a vielleicht ganz gut u. ist immerhin 0 wenigstens nicht sehr teuer, ausgenommen die Bootsfahrten. Viele Grüße, Dir einen herzlichen Kuß Max

a ihr > mit

b Lochung.

c

(nicht)

1 Der fragliche Weg heißt nach Auskunft von Prof. Enrico Calzolari vom 19. Nov. 1990 seit 1825 Carpaneta. 2 Sehr steiler und kürzester Weg auf den Königsstuhl bei Heidelberg. 3 Hans Gruhle und sein Kollege August Homburger hatten ihre Hilfe beim Umzug angeboten.

3. April 1910

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Marianne Weber [3. April 1 9 1 0 ; Lerici] Brief; e i g e n h ä n d i g Bestand Max W e b e r - S c h ä f e r , Deponat B S B M ü n c h e n , A n a 4 4 6 Datum aus der Tagesbezeichnung „Sonntag Mittag" im Zusammenhang mit der vorangehenden Karte erschlossen. Der Ort ist aus dem Briefinhalt erschlossen.

Sonntag Mittag. Liebes Schnauzele! Scheußlichstes Regenwetter u. dabei immer noch kühl, recht kühl. Gestern war ich den Nachmittag im Segelboot nach Porto Venere hinüber - schöne Fahrt hin durch den weißen Spitzenschleier der kleinen scharfen Meereswellen, - zurück aber hatte der Mann bei dem schärferen Wind Angst u. band uns an einen leeren Frachtdampfer an, u. nun schlug | :das kleine hin- u. hergeschlenkerte: | Boot u. Alles voller Sturzseen, man schwamm direkt im Salzwasser u. kam patschnaß nach Haus. Ich schlief aber gut trotzdem u. bisher stets ohne Mittel. Seit vorgestern war ich allein hier im Hotel, die Kälte hatte die Leute verscheucht. Heut las ich den Vormittag über, da des Wetters wegen doch nichts zu machen war[.j Als ich vorhin zum „Lunch" ging, tauchte als N° 2 plötzlich Alfred auf, der eben, auf der Rückreise von Florenz, 1 wo er zuletzt war, einen Abstecher hierher gemacht hatte u. morgen weiter will. Er hat in Florenz barbarisch gefroren u. sich dadurch offenbar nicht sehr erholt, sah jedenfalls nicht besonders frisch aus u. etwas zappelig. Nun, das Sommersemester ist ja kurz und Pfingsten bald, da kann er dann die Erholung ergänzen. Ich werde vielleicht morgen einmal einen Tag nach Genua fahren u. dann bis Ende der Woche jedenfalls hier bleiben, dann weiter (Lucca, Siena oder Viterbo)[.j Also Sofie Rickert kommt nicht u. sie hat ja auch recht. 2 Aber daß nun auch die Küche eine solche Rolle bei R[ickert] spielt. Mein Gott, es läßt 1 In Florenz hielt sich Alfred Weber in Begleitung von Else Jaffe auf, die am 1. April nach Heidelberg zurückkehrte. Vgl. Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 3. April 1910, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 2 Am 20. März 1910 hatte Max Weber in einem Brief an Heinrich Rickert (vgl. oben, S.435f.) gefragt, ob Frau Rickert und der Sohn Arnold Rickert Mitte April in Florenz seien und ihn treffen könnten. Offenbar hatte Marianne Weber nun mitgeteilt, daß diese Pläne sich nicht verwirklichten.

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3. April 1910

sich doch eine Milchkost u. Reiskost etc. zusammenstellen, welche schließlich nicht der Überwachung der Frau bedarf, um richtig hergestellt zu werden! Und wie steht es denn mit Deinem Kommen, liebstes Mädele? Je a 5—6 a Tage in Siena, Perugia, Florenz wären doch nicht so übel! Das gäbe mit Hin- u. Rückreise 19b—21 Tage. Oder: nur Perugia u. Florenz bzw. Siena. Ich ginge dann noch 2 Tage nach Freiburg. Wenn Du etwa am 12. April fort könntest, wäre Alles zu machen u. könntest Du am 3. Mai wieder in H[eidelberg] sein, also auch noch mit mir |:den:| c 3./4. 0 in Freiburg sein, wenn Du Lust hättest. Überleg es doch. Mir wäre lieb, wenn Du bis Donnerstag 6vor Abend d schon ein Kärtchen mit Deinen ungefähren Absichten hierher abschickene lassen könntest. Natürlich könnten wir uns auch kürzer treffen u. wenn Du willst auch nur in Florenz oder am Corner See. Aber mach es wie Du willst, mir wird Alles recht sein. Schönen Dank auch für Deine heut eingetroffene Briefsendung, und auch noch der Mutter für ihre Karte. - Auch mir friert der Kopf etwas ein, trotzdem es jetzt etwas wärmer ist als die letzten Tage. Aber Alles sieht nach längerem Regenwetter aus. Die Leute im Hotel sind sehr reizend u. sorgsam. An dem schönen Menschenschlag freut man sich hier wie überall in Italien. Der Mutter schönsten Gruß, dem Mädele eine herzliche Umarmung von Ihrem Max

a 4-5 > 5-6 abschicken

b 20 > 19 c 4 . - 5 . > 3./4.

d Abend > vor Abend

e gehen >

4. April

1910

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Marianne Weber 4. April [ 1 9 1 0 ] ; Lerici Brief; e i g e n h ä n d i g Bestand Max W e b e r - S c h ä f e r , Deponat B S B M ü n c h e n , A n a 4 4 6

Lerici3 4b IV. Nur für Dich!1 Liebes Schnauzele! Alfred 1 ' wurde gestern durch ein Telegramm Eise's 2 „Muß Dich sprechen" abgerufen. - Er glaubt0 insofern nun Else „fest" gemacht zu haben, daß sie keinenfalls mehr als wenige Tage bei J[affe] unter dem Dach bliebe, wenn er da ist. J[affe] seinerseits hält sie bei den Kindern (Brief für Brief), und bei dem Gedanken, sich von ihnen (auch einem Teil von ihnen) zu trennen, habe sie ihm jedes Mal „weinend in den Armen gelegen". Er 3 hatte sich ausgedacht, sich in Berlin bei der Handelshochschule um eine Professur zu bewerben u. dann glaubt er, würde J[affe] Else mit allen Kindern ihm nachkommen lassen, um auch in Berlin zu leben, wobei dann der Friedel 4 u. das Mädel 5 ja mit 8 Jahren in die Pension (nach englischer Art) sollten. Ich habe ihm gesagt: das seid m.E. Utopie: sobald J[affe] sehe, daß E[lse] nie wieder mit ihm, sei es auch äußerlich, zusammenleben werde, würde er, einfach um sein leeres '' Er sollte hier für Else u. Kinder Sommerfrische ansehen. Geht ja gar nicht! Jaffé habe darauf bestanden: grade hierl - ob der nicht am Ende von dem Herkommen seines Bruders6 gewußt hat? u. sie da in eine schwierige Lage bringen? resp. festlegen wollte. 6 a H e i d e l b e r g > L e r i c i b 5 > 4 c (also) e Fehlt in O; wollte sinngemäß ergänzt.

d Fehlt

in O;

sei

sinngemäß

ergänzt,

1 Der über den Brief geschriebene Satz bezieht sich auf die Anwesenheit von Helene Weber. Max Weber wollte seine Mutter nicht mit der Beziehung von Alfred Weber zu Else Jaffe belasten. 2 Else Jaffe. 3 Gemeint ist Alfred Weber. 4 Friedel Jaffe wurde am 28. September 1903 geboren. 5 Marianne Jaffe wurde am 21. August 1905 geboren. 6 Vgl. Karte an Marianne Weber vom 31. März 1910, oben, S. 451, Anm. 3.

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4. April

1910

Haus und Leben äußerlich mit Objekten um sich u. „Beschäftigung" zu füllen, Alles an Kindern festhalten, was er irgend könne. Um die Wahl zwischen | : Verzicht auf: | mindestens die Hälfte der Kinder | : wahrscheinlich mehr : | - oder auf ihn werde E[lse] nicht herumkommen. Der relativ beste Interessenkompromiß, falls E[lse] keines |:ganz:| missen wolle, sei der: Ehescheidung, E[lse] mit Peter7 zu ihm (Alfred), die andern in der Villa, von Else im Nebenamt in der Erziehung beaufsichtigt, von einer geeigneten Kraft direkt versorgt. - Auch das sehr schwer! - ob Jaffé leicht zu suggerieren, nicht sicher, aber nicht unmöglich. - Nach Dem was Alfred über J[affé]s Verhalten gegen Else noch berichtet, scheint mir nicht unmöglich, daß E[lse] eines Tages per Telefon um einige Tage Asyl bei uns im Fremdenzimmer bittet, um von außen her mit J[affé] zu paktieren u. die Kinder doch, wenn er nicht da ist, sehen zu können. Aber vielleicht ist ja jetzt | : schon wieder: | Alles anders. Das Wetter hier war heut morgen zum ersten Mal schön, jetzt ist es wieder verhängt u. droht Regen. Ich habe gestern teils gelesen, teils (mit A[lfred]) geredet, der wild und totmüde zugleich ist. Sein Augenmaß für Elses und - was, da Jaffé alle juristischen Trümpfe in der Hand hält, schließlich unbedingt zu berücksichtigen ist, [-] auch J[affé]s Lage ist ganz verzerrt von Haß und Zorn, daß nicht Alles „glatt geht". Sonst war er nett. Mir ist unsicher, ob er E[lse]s so absolut sicher ist, wie er glaubt, es sei denn, daß jetzt ein großer Krach erfolgt ist. Ist er es | :etwa: | nicht, dann geht der arme Kerl sehr bösen Tagen entgegen. E[lse]s „hysterische Ehescheu", von der er sprach, ist mir doch sehr verdächtig. Er schiebt sie auf Frieda Groß. 8 Jedenfalls muß sie wissen, daß sie ihn ohne auch formal korrekte Ehe ruiniert, sehr möglicherweise* wenigstens. Sie denkt natürlich, daß sie ohne formale Ehe 9 von den®Kindern vielleicht doch mehrere h bekommt |:als mit solcher:|. - Aber dann doch nur so, daß sie ständig unter J[affé]s Fuchtel steht u. Alfred tobt. A[lfred] wäre ohne korrekte Ehe mit ihr in Heidelberg unmöglich, u. daß J[affé] Kinder mit nach Berlin, grade dahin, geben sollte, ist doch recht wenig wahrscheinlich. U. daß jetzt |:bald:| grade eine Professur |:für ihn:| da ist, ist doch unwahrscheinlich: „neue Träume von Glück". „Glatt ginge f wahrscheinlich > möglicherweise

g die > von den

h O : mehre

7 Peter Jaffé, das dritte Kind von Else Jaffé. 8 Frida Gross unterstützte die Ansichten ihres Mannes Otto Gross, demzufolge Ehebindungen unvereinbar seien mit erotischen Beziehungen.

4. April 1910

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Alles nur in Heidelberg bei Scheidung und Ehe. Äußerlich glatt. Denn die Probleme der neuen Ehe wären auf die Art gewaltige. Das sah Alfred sehr wohl, als ich ihm diese Dinge sagte. - Genug davon! Hetz Dich nicht, Herzele, u. wenn Dein Kommen dazu führt, dann laß 5 es. Aber sonst! - wäre es nicht schön? Laß Dich herzlich küssen von Deinem Max

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5. April

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Marianne Weber [5. April 1910; Lerici] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum aus dem Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 3. April 1910 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) erschlossen; Ort aus dem Briefinhalt erschlossen. Der folgende Brief beantwortet den Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 3. April 1910, in dem diese von einem Besuch bei Else Jaffe berichtete. Diese habe nach ihrer Rückkehr aus Florenz ein gegen Alfred Weber haßerfülltes Ultimatum von Edgar Jaffe vorgefunden: „Entweder Scheidung u. Peterle u. Alfred oder aber die Kinder für sich, festes Jahresgeld, Trennung, (nicht Scheidung) u. Verzicht auf Alfred." Sie könne die Kinder „nicht aufgeben", und obwohl sie „Alfred über alles liebe", versuche sie sich jetzt den „Verzicht" abzuringen.

Liebe Schnauzel, |:Er1 sagte zwar (streng „unter uns"): einen Verzicht werde er irgendwann ja durch Arbeit überwinden, - aber: ihr Schicksal. Ich sagte natürlich nur: sie würde „Andre" nötig haben (und: finden), die ihn freilich nicht ersetzen würden:] für Alfred ist die Sache furchtbar, denn 5 jetzt liebte er wirklich „für das Leben". Else 2 hat schwerste Verantwortung. A b e r : er ebenso. Ich habe ihm |:eben:| gerathen, ev. hierher zu kommen zum Ausruhen. Er bricht ja im Semester zusammen. A u c h darf er jetzt nicht an Berlin3 denken oder andre Entschlüsse fassen. Bleibt es dabei - dann muß Else einen Anwalt nehmen, der die 10 Contrakte reguliert. Ich will genau angeben, worauf es ankommt. Es muß ein Ehegüterrechts-Vertrag geschlossen werden (außer Jaffe's schriftlichem Ehrenwort) sonst bleibt sie ihm, da sie nichts hat, ausgeliefert. Bitte sage ihr das! Jaffe's Haß |:gegen Alfred:| - sehr begreiflich: |:auch:| durch Alfreds 15 Verachtung provoziert u. gesteigert - diktierte ihm die Ausschließung grade Alfred's. Ich werde das J[affe] |:seiner Zeit: | sagen u. ihn freundschaftlich aber |:sachlich:| rücksichtslosa drücken, mit Else ganz feste und ganz noble Abmachungen pekuniärer Art zu treffen a O: zweifach unterstrichen.

1 Gemeint ist Alfred Weber. 2 Else Jaffe. 3 Vgl. Brief an Marianne Weber vom 4. April 1910, oben, S.457f.

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|: Vielleicht bedarf E[lse] doch noch |:einmal der:| Zuflucht bei uns? (zeitweise). Denn wie J[affe] jetzt zu Hause sein wird, wenn er sie da wiederfindet, weiß Niemand. Er hängt doch an ihr!:| Ist der „Verzicht" perfekt, dann könnte Mama davon wissen. Alfred hatte dagegen im Prinzip auch so nichts. M. E. besser später. Sie kann ja nichts „helfen", und dann ist sie immer so deprimiert. Aber entscheide (in jenem Fall) Du. Vielleicht urteile ich unrichtig. Hier ist es recht kühl, Vormittags leidlich klar, Nachmittags Regen. Ich gehe spazieren, schlafe ohne alle Mittel - die letzten Nächte freilich sehr wenig, - wird wohl jetzt besser, wenn meine Stiefel, die innerlich stark ruiniert sind, ausgebessert sind u. das Gehen weniger strapazant machen. Auch lese ich leidlich viel, ganz leichtes Zeug natürlich. Ich denke Anfang der Woche nach Lucca - Siena zu gehen. Laß mir doch (bis Freitag | :vor: | Abend) alle Briefe gleich hierher nachgehen, wenn sie kommen. Nun spare nur ja nichts bei der Ausstattung. Mich freut es so, zu hören, wie das der Mutter und Dir trotz aller Strapazen Freude macht. Wie schön der Menschenschlag hier ist, im Gegensatz zu uns! - und die alten Frauen ausgenommen. Namentlich die Bengels sind so anmutig und lebensvoll. Dagegen ist von Frühling hier, bei tief verhängtem Himmel u. Regen, auch in der Natur nicht sehr viel zu sehen, alles ist grau. Nur einmal träumte ich im Freien schön. Die Aussichten andrerseits sind wunderbar. So wie man hoch geht, kommen die weißen „Apuanischen Alpen" (hinter Carrara) hinter den Oliven hervor. Das Segeln ist sehr schön, - nur die Boote so schlecht. Die italienische Küche ist doch auch was Gutes. Ich esse nur Gemüse, Früchte und etwas Fisch. Bekommt sehr gut. Ich werde aber jetzt doch noch wesentlich weniger essen. Denn ich nehme trotz Allem eher zu als ab. Bleib mir gesund, grüße die Mutter herzlich, laß Dich umarmen von Deinem Max

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6. April 1910

Marianne Weber [6. April 1910; Lerici] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat B S B München, Ana 446 Datum e r s c h l o s s e n aus der Karte an Marianne W e b e r v o m 7. April 1910, in der erneut auf d e n S c h i r o k k o h i n g e w i e s e n wird; Ort aus d e m Briefinhalt e r s c h l o s s e n .

Lieber Schnauzel, es ist Scirocco, strömender Regen, zuweilen Sonne dazwischen, abwechselnd flau u. kalt. Man ist fast ganz an die Zimmer gebunden bei dem wahnsinnigen Dreck. Die Wellen schlagen bis hier in den innersten Hafen über die Straßen hinauf, die Dampfer kippen gewaltig u. die Kriegsschiffe liegen tief im Arsenalhafen von Spezia. Schönes grünes spitzenbesätes Meer. Alle Berge greifbar nahe. Alle Farben ins Grünliche schillernd. Alle Vögel still. Es wird wohl so bleiben vorläufig. Schönsten Dank für Dein Briefchen, 1 laßt Euch nur jaa Zeit! u. spart kein Geld. Ich bleibe vorerst hier, da es im Inneren zweifellos scheußlich kalt ist u. man nichts davon hat. Und dann ist es hier so billig! Daß es Lask gut geht, freut mich zu hören. Wann mag die Nachricht kommen: der Artikel 2 ist fertig, wann: er ist fertig gedruckt?? Dann soll er von Dir einen Kuß haben, kraft eheherrlicher Gewalt - wenn diese dazu nötig ist. Jetzt laß Du Dich von mir küssen u. grüße die Mutter. Dein Max

a O: z w e i f a c h unterstrichen.

1 In ihrem Brief an M a x W e b e r v o m 4. April 1910 (Bestand Max W e b e r - S c h ä f e r , D e p o n a t B S B M ü n c h e n , A n a 446) hatte Marianne W e b e r über die Einrichtung der n e u e n W o h n u n g und v o m B e s u c h Emil L a s k s berichtet. 2 A u s d e m Artikel wurde s c h l i e ß l i c h d a s B u c h : Lask, Emil, Logik der P h i l o s o p h i e und die Kategorienlehre: Eine Studie über d e n H e r r s c h a f t s b e r e i c h der l o g i s c h e n Form. - Tübingen: J . C . B . Mohr (Paul S i e b e c k ) 1911. Vgl. Brief an Marianne W e b e r v o m 25. April 1910, unten, S . 4 8 1 .

7. April 1910

463

Marianne Weber PSt 7. April 1910; Lerici Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Lerici, Donnerstag. Lieber Schnauzel, schönen Dank für Dein Kärtchen. Gut also, bleib daheim. Denn das ist richtig, wenn Du nicht frisch bist, wollen wir es lieber diesmal lassen, so schade es ist. Aber dann komme ich doch wohl bald heim, nachdem Alles fertig ist u. Ihr Ruhe habt. Denn in ganz Oberitalien liegt der Schnee, u. das ist für mich nichts. Heut ist hier wieder wildes SciroccoTosen, grün, gelb, violett u. scharfes blau durcheinander beherrschen die Farbenstimmung u. das Meer gebärdet sich selbst im Hafen wie toll. Ich war gestern etwas zu viel im Wind gewesen u. mußte |: schließlich: | etwas Bromural nehmen. Sonst aber geht es gut, ich bin noch immer ganz allein im Hotel. Die einzige „große" Saison hier ist der Sommer, wenn die Italiener hier baden: Wundervoll ist der Blick von Lord Byron's |: alter :| Villa aus1 - auch Shelley2 hatte nahebei seine Wohnung u. es giebt da schöne Sommer-Re[stau]rants a auf Pfählen in |:der:| See. Der Golf sieht von hier wie ein Binnen-.See aus u. wenn es warm ist, ist er ganz entzückend. Jetzt jst es so windig, daß einem die Finger „klamm" werden u. ich an das Zimmer gebunden bin, um nicht den Schlaf zu riskieren. Sind keine Briefe an mich gekommen? Adressiere sie doch lieber immer gleich um. Es könnten wichtige sein, wegen des „Schönberg". 3

a Lochung.

1 Lord Byron war nur wenige Tage in Lerici. Eine genaue Wohnung ist nicht bekannt. Sicher besuchte er Shelley in der Casa Magni, die direkt am Meer liegt. Vermutlich meinte Weber diese Villa. Auskunft von Prof. Enrico Calzolari im Brief aus Lerici vom 19. Nov. 1990 an Birgit Rudhard. 2 Westlich von Lerici, auf dem Weg zum Fischerdorf San Terenzo, liegt die Casa Magni, in der sich der Dichter Percy Bysshe Shelley 1822 zuletzt aufhielt. 3 Gemeint ist das von Max Weber konzipierte, später unter dem Titel „Grundriß der Sozialökonomik" publizierte Nachfolgewerk des von Gustav von Schönberg herausgegebenen Handbuchs der Politischen Ökonomie.

464

7. April 1910

Schönste Grüße an die Mutter, - hoffentlich überanstrengt sie sich nicht, wie, fürchte ich[,j Du es thust! 4 Sei auch Du doch vorsichtiger. Es eilt j a d o c h gar nichtsl

Laß Dich umarmen von Deinem Max

4 Gemeint sind die Anstrengungen bei der Einrichtung der neuen Wohnung.

8. April 1910

465

Marianne Weber [8. April 1910; Lerici] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum aus den Bezügen auf den Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 6. April 1910 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446), Ort aus dem Briefinhalt erschlossen. Der Brief besteht aus drei Briefkarten, deren erste und dritte mit 1) bzw. 2) bezeichnet worden sind. Die zweite Karte ist nicht numeriert, sie beginnt nach der ersten Unterschrift und dem anschließenden Satz mit dem Hinweis „Nur für

Dich."

l)

L[ieb]esa Mädele,heut früh ist es wärmer u. schöner, als gestern, aber noch - wohl für länger - voller Scirocco. U. in Italien bleibt es noch lange kalt, es liegt Alles voll Schnee. Daher bin ich bis Montag |:sicher:| noch hier, ev. länger; u. telegraphiere Euch meine Adresse, sobald ich sie ändere. Bleibt es aber so, käme ich am liebsten bald zurück, denn das hat ja keinen Zweck. Wir gehen dann nach Pfingsten in den Schwarzwald oder sonst wohin. - Briefe hierher brauchen 48 Stunden u. es ist ein Kunststück der hiesigen Post, daß sie um 10 Stunden schneller ankommen, wenn man sie nachb 3 Uhr als wenn man sie vorher einsteckt! Gestern, als der Regen etwas weniger stark war, ging ich etwas nach S. Terenzo 1 mit wunderbarem Blick auf Lerici. Es ist doch sehr schön hier, das ist wahr; wenn auch Portofino 2 intimer ist und - natürlich - Villa Serbelloni 3 das schönste bleibt. Jetzt werde ich wieder einmal gehen u. sehen in die Villa0 Byron's 4 zu kommen. Plagt Euch nicht zu sehr, Alles hat ja

a Lochung.

b (als)

c (Lord)

1 Das Fischerdorf San Terenzo liegt westlich von Lerici. 2 In Portofino verbrachte Max Weber im April 1908 mit seiner Mutter einige Tage. Vgl. MWGII/5, S. 520-524. 3 Im April 1907 erholten sich Max und Marianne Weber in der „Villa Serbelloni" in Bellagio am Corner See. Vgl. MWG II/5, S. 279. 4 Vermutlich meinte Weber hier die Casa Magni. Vgl. Karte an Marianne Weber vom 7. April 1910, oben, S. 463.

466

8. April

1910

Zeit. Also doch! - die Sache mit Lili. 5 Ja, schließlich ist Klarheit in der That besser. Daß ja der Schuft6 das Geld nicht bekommt! Tausend Grüße der Mama u. Dir einen herzlichen Kuß Max Bitte behalte den Bodenbelag im Saale nichtd, sondern laß neuen machen] ! Nur für Dich. Ich schrieb heut der Baronin1 und Jaffe. 8 Ersterer: 6 |:sie (die Baronin):| müsse J[affe] gegenüber E[lse]s9f Entschluß davon abhängig machen, daß eine Form der vollständigen Sicherung E[lse]s gefunden werde. Sonst nützt der „Verzicht" ihr gar nichts (man kennt doch Jaffe's Art). An Jaffe: E[lse] dürfe sich m.E. nicht entschließen, ehe ihr in definitiver Form ein zwischen Anwälten der Baronin und J[affe]s vereinbarter Vertrag vorgelegt sei. Beiden: E[lse] dürfe jetzt nicht mit J[affe] zusammentreffen, ehe alles erledigt sei. Also ev.: sie müsse (nebst Kindern)/ortgehen u. sich überlegen. Der Baronin noch: sie möge mich, falls Verhandlungen über den Verzicht u. seine Bedingungen stattfänden, sofort telegraphisch nach H[eidelberg] rufen (ich bliebe inco[gn]ito 9 im Hotel). Bitteh rede Du ihr dringend dazu zu. Ich befinde mich sehr gut. Aber es bleibt kalt. U. ich gehe lieber nachher mit Dir in den Schwarzwald oder so. Diese Sache kann ganz verpfuscht werden u. mit Alfred verhandelt J[affe] nicht. Falls |:etwa:| A[lfred] |:vor Mama:| stirbt - er sprach von schwerem Herzklopfen, Arteriosklerose (na, das geht vorüber, aber es kann doch passieren) müßten ja wir, wenn E[lse] d 0 : zweifach unterstrichen, e ( E . ) f (ihren) terstrichen. i 0 : mehrfach unterstrichen.

g Lochung.

h 0 : mehrfach un-

5 Gemeint ist Ulli Hermann, geb. Hausrath, eine Cousine Max Webers. Marianne Weber hatte in ihrem Brief an Max Weber vom 6. April 1910 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) geschrieben, Laura Hausrath wolle ihre Schwester Lilli zur Scheidung veranlassen, ihr Erbe dürfe nicht in die Verfügung des Mannes geraten. Schon bald nach der Hochzeit im Oktober 1906 waren in der Ehe Schwierigkeiten aufgetreten, vgl. Brief an Helene Weber vom 10. Sept. 1907. (MWG II/5, S.392). 6 Gemeint ist Ullis Ehemann Fritz Hermann. 7 Gemeint ist Baronin Anna von Richthofen, geb. Marquier, die Mutter von Else Jaffe. Der Brief ist nicht nachgewiesen. 8 Der Brief an Edgar Jaffe ist nicht nachgewiesen. 9 Else Jaffe.

8. April 1910

467

|:einmal:] in schwächliche Lagen käme, ihr pekuniär helfen; nach allem Geschehenen. Die Sache beunruhigt mich |:schon:| deshalb sehr u. ich komme ohnedies bald heim, so bald es geht |:bei Euch[.j:| - Soll Mama etwas wissen, - dann nichts davon, daß schon Ehebruch begangen ist. An Aflfred] schrieb ich schon 3 Mal[.]10 2; ' Nur für Dich' 1) Das menschlich Richtige wäre ja: jetzt verzichten u. warten, ob Jaffé später, wenn |:E[lse] und:| die Kinderk längere Zeit von ihm sind, die Beziehung (legalisiert oder nicht) freiwillig gestattet. Aflfred] und E[lse] wird das schwer zu suggerieren sein,1 namentlich A[lfred], da er doch für den Bestand von E[lse]s Gefühl unbewußt sicher fürchtet - u. vielleicht, wenn er von ihr ist, nicht ganz ohne Grund, u. da er also diem Unsicherheit fühlen wird, die ihm immerhin bevorsteht u. n ihn aufreibt, |¡vielleicht:| mehr als definitiver Verzicht. - Ich habe ihm das aber geschrieben, auch Jaffé's |:innere:| Lage nachdrücklich geschildert. 2) Mit Jaffé sollten weder Else noch Alfred ([das]° würde sich J[affé] wohl verbitten) verhandeln, - es gäbe nur gesteigerte Bitterkeit. Sondern die Baronin, ev. unter Deinem oder meinem Beistand (ich könnte auch, als „objektiv" gegen A[lfred] und E[lse], ihm als „Vermittler" suggeriert werden u. käme dann sofort heim, sobald es nötig wäre) p . Else muß 1) rechtlich gesichertes Vermögen (Rente als Vorbehaltsgut) f[ür] sich u. - möglichst - die Kinder, - 2) selbständiges Hausrecht in der von ihr zu miethenden Wohnung, in die Jaffé nie hinein dürfte, 3) Sicherheit, daß die Kinder nur, wennq sie direkt, nach ärztlichem oder unparteiischem Gutachten, von ihr gefährdet werden (| :das: | ehrenwörtlichl) - haben. Sonst geht es nicht. We[nn]r ich da sein sollte und Else zu uns kommt, werde ich mich ihr thunlichst unsichtbar machen, um ihre Nerven zu schonen. M.

j O: z w e i f a c h unterstrichen, k ( v o n o L o c h u n g . p K l a m m e r fehlt in O. q

ihm) I (das) m (schwere) (eines) r Lochung.

1 0 Die Briefe an Alfred W e b e r sind nicht n a c h g e w i e s e n .

ri ( v i e l l e i c h t )

9. April 1910

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Marianne Weber [9. April 1910]; BK Lerici Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum erschlossen aus dem Briefinhalt In Zusammenhang mit der Tagesangabe Sonnabend.

Hotel des Palmes Lerici Goifo deiia Spezia

Lerici, //'Sonnabend 190 Liebes Schnauzele, bitte gleich fort mit dem Bodenbelag im Saal!1 Gleich sich über etwas ärgern resp. nicht zufrieden sein, wenn es für einige 100 M. anders sein kann, - nein das geht nicht! Thu mir den Gefallen! Der Belag kann ja für den Vorplatz oder die Schlafzimmer verwendet werden. Aber bitte mache den Saal nun wirklich „Tip-top". Es ist viel schmerzlicher für das Portemonnaie und die damit verknüpfte Seele, wenn nachher so was „nachkleckert", als wenn es jetzt in einem Aufräumen gemacht wird. Da ich fest entschlossen bin, aus Italien je eher je lieber zurückzukehren, das Wetter ist zu gräßlich | :u. wird es bleiben: | u. der Zweck ist erreicht, - so ist damit ja mehr als 6 a Mal so viel gespart, als der |:neue:| Belag kosten wird. Ich werde wahrscheinlich den Creditbrief kaum über 100 M. anbrechen, da meine Woc/ienrechnung hier ca 45 L[ire] = 36 M. beträgt. Also - nichtwahr? Lieber jetzt und damit dann endlich Alles einmal für Jahre erledigt als daß nachher solche größeren Ausgaben nachklappen, was | unwillkürlich: | sehr ärgerlich ist.- Denn man möchte 1) sich nun wirklich resflos freuen, - 2) auch einmal mit diesen Ausgaben fertig sein. Ich werde wohl Montag oder so was weiterfahren, dann aber mindestens 3—4Tage nicht wissen," wo ich | :Dir: | meine Adresse angeben soll.

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