Max Weber-Gesamtausgabe, Band II/9: Briefe 1915-1917 3161494814, 9783161494819

In dem nun vorgelegten Briefband 1915 bis 1917, mit uber 400 Briefen, nehmen Max Webers kritische Betrachtungen zur deut

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Max Weber-Gesamtausgabe, Band II/9: Briefe 1915-1917
 3161494814, 9783161494819

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Chronologisches Verzeichnis der Briefe 1915–1917
Siglen, Zeichen, Abkürzungen
Einleitung
Briefe 1915–1917
Verzeichnisse und Register
Personenverzeichnis
Verwandtschaftstafeln der Familien Fallenstein und Weber
Register der Briefempfänger
Personenregister
Ortsregister
Aufbau und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe, Abteilung II: Briefe
Bandfolge der Abteilung I: Schriften und Reden
Bandfolge der Abteilung III: Vorlesungen und Vorlesungsnachschriften

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I

II

Max Weber Gesamtausgabe Im Auftrag der Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Herausgegeben von

Horst Baier, Gangolf Hübinger, M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen †, Wolfgang Schluchter, Johannes Winckelmann †

Abteilung II: Briefe Band 9 1. Halbband

J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen

III

Max Weber Briefe 1915 – 1917

Herausgegeben von

Gerd Krumeich und M. Rainer Lepsius in Zusammenarbeit mit

Birgit Rudhard und Manfred Schön

1. Halbband

J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen

IV Redaktion: Ursula Bube – Edith Hanke Die Herausgeberarbeiten wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Freistaat Bayern und den Ländern Baden-Württemberg und NordrheinWestfalen gefördert.

ISBN 978-3-16-149481-9 Leinen / eISBN 978-3-16-157766-6 unveränderte ebook-Ausgabe 2019 ISBN 978-3-16-149483-3 Hldr Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2008 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde gesetzt und gedruckt von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier. Den Einband besorgte die Großbuchbinderei Josef Spinner in Ottersweier.

V

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Chronologisches Verzeichnis der Briefe 1915 –1917 . . . . . . XI Siglen, Zeichen, Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Briefe 1915 –1917 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwandtschaftstafeln der Familien Fallenstein und Weber Register der Briefempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

853 910 915 919 933

Aufbau und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe, Abteilung II: Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bandfolge der Abteilung I: Schriften und Reden . . . . . . . . Bandfolge der Abteilung III: Vorlesungen und Vorlesungsnachschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

939 946 949

VII

Vorwort

Wolfgang J. Mommsen, der Mitherausgeber der bisher erschienenen vier Bände der Edition des Briefwerkes, hat die Fertigstellung dieses Bandes nicht mehr erlebt. Er ist am 11. August 2004 gestorben. Gerade die Briefe Max Webers aus den Kriegsjahren 1915 – 1917 lagen ihm sehr am Herzen, hatte er doch einen Teil dieser Briefe schon im Rahmen seiner Dissertation über „Max Weber und die deutsche Politik 1890– 1920“ in den 1950er Jahren aufgefunden und ausgewertet. An seine Stelle als Mitherausgeber ist Professor Dr. Gerd Krumeich, sein Schüler und Nachfolger an der HeinrichHeine-Universität Düsseldorf, getreten. Der vorliegende Band des Briefwerkes schließt an den 2003 erschienenen Band MWG II/8 an, der Webers Briefe aus den Jahren 1913 und 1914 enthält. Dort finden sich nur wenige Schriftstücke aus der Zeit nach dem Kriegsausbruch, wohingegen in dem jetzt vorgelegten Band Webers Reflexionen zum Ersten Weltkrieg und seine Urteile über Politik und Kriegführung im Mittelpunkt stehen. Angesichts der schwierigen Überlieferungslage war wiederum eine lange Vorbereitungszeit erforderlich. Es sei darauf hingewiesen, daß es – von den Briefen an Familienangehörige abgesehen – keinen zentralen Briefbestand im Nachlaß Max Webers gibt; vielmehr befinden sich die erhaltenen Briefe verstreut in zahlreichen Archiven, Nachlässen sowie in privaten Sammlungen und mußten daher vielfach mit großem Aufwand aufgespürt werden. Darüber hinaus war die Transkription der oft schwer lesbaren Originale sehr arbeitsaufwendig. Komplex waren auch die Recherchen in zahlreichen öffentlichen und privaten Archiven, die für eine sachgerechte Kommentierung der Briefe erforderlich waren. Im Rahmen des Briefwerks ist Gerd Krumeich für die Korrespondenz wissenschaftlichen und politischen Inhalts zuständig, M. Rainer Lepsius für die Briefe an die Familienangehörigen sowie die Briefe an Frieda Gross, Mina Tobler und Else Jaffé. Die Arbeit an der Edition erfolgte zum einen in der Arbeitsstelle am Historischen Seminar der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, zum anderen in der Arbeitsstelle am Institut für Soziologie der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Erstere steht unter der Leitung von Gerd Krumeich in Zusammenarbeit mit Manfred Schön, letztere unter der Leitung von M. Rainer Lepsius in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Sybille Oßwald-Bargende. Die Transkription der handschriftlichen Originale

VIII

Vorwort

wurde für die Briefe wissenschaftlichen und politischen Inhalts von Manfred Schön, für die Briefe an die Familienangehörigen von Dietmut Moosmann vorgenommen. Manfred Schön brachte erneut seine umfassenden Kenntnisse der Geschichte der Geistes- und Sozialwissenschaften ein. Die Herausgabe auch dieses Bandes wäre ohne die Unterstützung zahlreicher Institutionen und der Eigentümer zahlreicher Privatnachlässe nicht möglich gewesen. Diese können hier nicht sämtlich namentlich genannt werden, obschon wir ihnen allen zu großem Dank verpflichtet sind. Besonders erwähnt seinen allerdings Professor Eduard Baumgarten (†) und Dr. Max Weber-Schäfer (†) sowie deren Erben, die uns die in ihrem Besitz befindlichen Korrespondenzen bereitwillig zur Verfügung stellten, ferner Dr. theol. (h.c.) Georg Siebeck, der uns die Bestände des Verlagsarchivs Mohr Siebeck zugänglich machte. Erwähnt seien schließlich auch Professor Mario Einaudi (†), der uns die Briefe an Robert Michels zur Verfügung stellte, Marianne Boost, die uns Kopien der beiden Briefe an Hans und Wilhelmine Schnitger überließ, sowie Thomas Marschak, der uns dankenswerterweise Kopien der Briefe an die Frankfurter Zeitung und an Heinrich Simon übersandte. Wir danken ferner den Mitarbeitern zahlreicher Archive und Bibliotheken. Ausdrücklich genannt seien das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem und die Bayerische Staatsbibliothek München, die Bundesarchive Koblenz und Berlin, das Generallandesarchiv Karlsruhe, das Hauptstaatsarchiv Stuttgart, das Stadtarchiv Mannheim, Stadtarchiv, Universitätsarchiv sowie Universitätsbibliothek Heidelberg, das Universitätsarchiv und die Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., die Fondazione Luigi Einaudi Turin, das Deutsche Literaturarchiv Marbach a. N., das Politische Archiv des Auswärtigen Amts Berlin, das Lukács-Archiv Budapest, das Zeitungsarchiv Dortmund, das Verlagsarchiv Duncker & Humblot, das Allgemeine Verwaltungsarchiv Wien, die Staatsbibliothek der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu Berlin, die Universitätsbibliothek Bielefeld, die Amherst College Library, die British Library of Political and Economic Science (London School of Economics), das Institute of Germanic Studies der University of London und The Jewish National and University Library Jerusalem. Ohne die Großzügigkeit, mit der sie ihre einschlägigen Bestände zur Verfügung gestellt und die Arbeit der Editoren mit ihrem Rat und zahlreichen Hinweisen unterstützt haben, hätte auch diese Edition nicht erstellt werden können. Die Arbeiten am vorliegenden Band wurden wiederum von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften im Rahmen der Forschungsförderung der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften gefördert. Federführend war dabei die Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften unter dem Vorsitz von Pro-

Vorwort

IX

fessor Knut Borchardt. Unentbehrliche Unterstützung erhielten die Herausgeber wiederum von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Großen Dank schulden wir Ursula Bube und Edith Hanke von der Arbeitsstelle der Max Weber-Gesamtausgabe an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, welche die Manuskriptvorlagen in mehreren Durchgängen sorgfältig geprüft und zahlreiche sachdienliche Hinweise gegeben haben. Professor Gangolf Hübinger prüfte die Druckvorlagen mit großer Sorgfalt und kritischem Blick und steuerte viele nützliche Hinweise bei. Margret Schön danken wir für erneute tatkräftige Hilfe bei der Erstellung der Druckvorlagen und der Durchführung der Korrekturarbeiten. Tanja Blum und Marc Woltring sei gedankt für ihre Mitarbeit an der Erstellung der Verzeichnisse der Briefe wissenschaftlichen und politischen Inhalts, Dr. Heide-Marie Lauterer und Dr. Sybille Oßwald-Bargende von der Arbeitsstelle Heidelberg für die Begleitung der Drucklegung und letzte Korrekturen an den Briefen an die Familienangehörigen. Unser Dank gilt weiterhin Ingrid Pichler für die Erstellung der Register. Düsseldorf und Heidelberg im Dezember 2007

Gerd Krumeich, M. Rainer Lepsius

X

XI

Chronologisches Verzeichnis der Briefe 1915 – 1917

Datum

Ort

Empfänger

Seite

21. Februar 1915 14. März 1915 29. März 1915 5. April 1915 5. April 1915 8. April 1915 11. April 1915 13. April 1915 18. April 1915 22. April 1915 vor dem 24. April 1915

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Paul Siebeck Frieda Gross Paul Siebeck Edgar Jaffé Paul Siebeck Werner Kümmel Eleonore (Nora) Müller Helene Weber Paul Siebeck Paul Siebeck

21 24 29 32 33 35 36 38 40 42

Heidelberg

8. Mai 1915 8. Mai 1915 9. Mai 1915 9. Mai 1915 14. Mai 1915 27. Mai 1915 11. Juni 1915 17. Juni 1915 17. Juni 1915 nach dem 17. Juni 1915 vor dem 20. Juni 1915 20. Juni 1915 20. Juni 1915 22. Juni 1915 nach dem 24. Juni 1915 1. Juli 1915 14. Juli 1915 18. Juli 1915 21. Juli 1915 29. Juli 1915

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Redaktion der Frankfurter Zeitung Frieda Gross Marianne Weber Edgar Jaffé Marianne Weber Frieda Gross Robert Michels Frieda Gross Berta Jacobsohn Elisabeth Ott

43 45 47 49 51 53 54 55 56 59

o.O.

Frieda Gross

61

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Bertha Tobler Robert Michels Paul Siebeck Paul Siebeck

62 65 68 69

o.O. o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Edgar Jaffé Paul Siebeck Paul Siebeck Paul Siebeck Paul Siebeck Paul Siebeck

71 73 74 75 77 78

1915

XII

Chronologisches Verzeichnis der Briefe

Datum

Ort

Empfänger

Seite

30. Juli 1915 31. Juli 1915 vor oder am 6. August 1915 7. August 1915 10. August 1915 13. August 1915 15. August 1915 16. August 1915 17. August 1915 20. August 1915 20. August 1915 vor dem 21. August 1915 21. August 1915 23. August 1915 23. August 1915 24. August 1915 24. August 1915 28. August 1915 28. August 1915 29. August 1915 30. August 1915 30. August 1915 4. September 1915 4. September 1915 nach dem 4. September 1915 6. September 1915 6. September 1915 6. September 1915 7. September 1915 September 1915 9. September 1915 9. September 1915 24. September 1915 27. September 1915 28. September 1915 30. September 1915 3. Oktober 1915 10. Oktober 1915 21. Oktober 1915 30. Oktober 1915 vor dem 31. Oktober 1915

Heidelberg Heidelberg

Werner Sombart Edgar Jaffé

79 82

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Brüssel Brüssel

Edgar Jaffé Mina Tobler Mina Tobler Johann Plenge Paul Siebeck Marianne Weber Marianne Weber Mina Tobler Marianne Weber

83 84 87 88 90 91 92 94 95

o.O. Brüssel Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Paul Siebeck Edgar Jaffé Mina Tobler Marianne Weber Mina Tobler Marianne Weber Mina Tobler Marianne Weber Marianne Weber Mina Tobler Marianne Weber Helene Weber Marianne Weber

97 98 100 101 103 105 107 109 111 112 114 115 117

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg o.O.

Frieda Gross Bezirksamt Heidelberg Mina Tobler Marianne Weber Lili Schäfer Paul Siebeck Robert Michels Marianne Weber Edgar Jaffé Lili Schäfer Lili Schäfer Edgar Jaffé Helene Weber Paul Siebeck Robert Michels Paul Siebeck

118 120 125 126 129 131 132 136 138 139 140 142 143 144 145 147

o.O.

Heinrich Rickert

149

Chronologisches Verzeichnis der Briefe

XIII

Datum

Ort

Empfänger

Seite

31. Oktober 1915 2. November 1915 3. November 1915 5. November 1915 5. November 1915 5. November 1915 nach dem 5. November 1915 nach dem 7. November 1915 8. November 1915 12. November 1915 12. November 1915 vor dem 15. November 1915 15. November 1915 16. November 1915 vor dem 19. November 1915 19. November 1915 19. November 1915 20. November 1915 22. November 1915 23. November 1915 23. November 1915 24. November 1915 25. November 1915 27. November 1915 3. Dezember 1915 nach dem 4. Dezember 1915 5. Dezember 1915 7. Dezember 1915 7. Dezember 1915 8. Dezember 1915 9. Dezember 1915 9. Dezember 1915 11. Dezember 1915 13. Dezember 1915 15. Dezember 1915 15. Dezember 1915 nach dem 19. Dezember 1915

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Heinrich Rickert Friedrich Naumann Heinrich Rickert Heinrich Rickert Heinrich Rickert Helene Weber

154 157 159 161 164 166

o.O

Heinrich Rickert

167

o.O. Heidelberg o.O. Heidelberg

Heinrich Rickert Paul Siebeck Heinrich Rickert Paul Siebeck

168 170 171 172

Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Lili Schäfer Paul Siebeck Frieda Gross

173 175 176

o.O. Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg

Heinrich Rickert Friedrich Naumann Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Lili Schäfer Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Gustav von Schmoller Marianne Weber

178 181 182 184 185 187 190 192 193 195 198

Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg

Adolf von Harnack Friedrich Naumann Lili Schäfer Marianne Weber Marianne Weber Frieda Gross Marianne Weber Marianne Weber Verlag J.C.B. Mohr Heinrich Rickert Marianne Weber

200 202 204 207 209 212 214 216 218 219 220

o.O.

22. Dezember 1915

Heidelberg

Redaktion der Frankfurter Zeitung Helene Weber

221 223

XIV

Chronologisches Verzeichnis der Briefe

Datum

Ort

Empfänger

Seite

23. Dezember 1915 25. Dezember 1915 25. Dezember 1915 25. Dezember 1915 27. Dezember 1915 28. Dezember 1915

Heidelberg o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg o.O.

Georg von Lukács Heinrich Rickert Heinrich Simon Helene Weber Frieda Gross Franz Eulenburg

224 226 228 230 232 233

Heidelberg o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Martha Riegel Franz Eulenburg Hans W. Gruhle Gustav von Schmoller Heinrich Rickert

237 240 244 246 252

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Heinrich Rickert Hans W. Gruhle Gustav von Schmoller Ernst Jäckh

259 260 262 263

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Heinrich Rickert Hans von Schubert Heinrich Rickert Frieda Gross Hans von Schubert Heinrich Rickert

266 268 272 274 278 280

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg

Hans von Schubert Friedrich Naumann Friedrich Naumann Hans von Schubert Paul Siebeck Karl Jaspers Marianne Weber Frieda Gross Marianne Weber Marianne Weber

282 284 286 288 290 291 292 294 296 298

Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg

Lili Schäfer Marianne Weber Marianne Weber

299 301 303

Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg

Paul Siebeck Marianne Weber Frieda Gross

305 306 309

1916 1. Januar 1916 2. Januar 1916 10. Januar 1916 10. Januar 1916 11. Januar 1916 nach dem 11. Januar 1916 12. Januar 1916 24. Januar 1916 25. Januar 1916 vor dem 28. Januar 1916 28. Januar 1916 28. Januar 1916 29. Januar 1916 31. Januar 1916 31. Januar 1916 nach dem 2. Februar 1916 7. Februar 1916 7. Februar 1916 8. Februar 1916 14. Februar 1916 15. Februar 1916 15. Februar 1916 Mitte Februar 1916 17. Februar 1916 18. Februar 1916 zwischen dem 18. und 20. Februar 1916 20. Februar 1916 21. Februar 1916 vor dem 23. Februar 1916 23. Februar 1916 24. Februar 1916

Chronologisches Verzeichnis der Briefe

XV

Datum

Ort

Empfänger

Seite

24. Februar 1916 27. Februar 1916 28. Februar 1916 2. März 1916 3. März 1916 vor dem 4. März 1916 5. März 1916 7. März 1916 vor dem 9. März 1916 9. März 1916 10. März 1916 11. März 1916 11. März 1916 11. März 1916 nach dem 12. März 1916 13. März 1916 13. März 1916 14. März 1916 15. März 1916 15. März 1916 16. März 1916 17. März 1916 19. März 1916 21. März 1916 22. März 1916 22. März 1916 23. März 1916 vor dem 25. März 1916 25. März 1916 26. März 1916 26. März 1916 27. März 1916 28. März 1916 1. April 1916 2. April 1916 5. April 1916 7. April 1916 9. April 1916 9. April 1916 10. April 1916

Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg

Lili Schäfer Marianne Weber Lili Schäfer Marianne Weber Marianne Weber

310 311 313 315 317

Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg

Hans Delbrück Marianne Weber Marianne Weber

319 320 322

Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg

Franz Eulenburg Franz Eulenburg Gottlieb von Jagow Lili Schäfer Marianne Weber Arthur Zimmermann

324 325 327 330 332 334

Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg o.O. Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg

Ignaz Jastrow Marianne Weber Arthur Zimmermann Franz Eulenburg Wilhelm Heile Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Lili Schäfer Marianne Weber Marianne Weber

335 336 338 340 342 343 345 348 349 351 353 354 355

Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg

Friedrich Naumann Marianne Weber Lili Schäfer Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Frieda Gross Marianne Weber Marianne Weber Lili Schäfer Marianne Weber Marianne Weber

357 359 362 363 364 366 369 371 372 375 378 380 382

XVI Datum vor dem 14. April 1916 14. April 1916 15. April 1916 22. April 1916 23. April 1916 23. April 1916 24. April 1916 25. April 1916 30. April 1916 Ende April 1916 2. Mai 1916 3. Mai 1916 vor dem 5. Mai 1916 6. Mai 1916 vor dem 10. Mai 1916 vor dem 10. Mai 1916 10. Mai 1916 ca. 12. Mai 1916 12. Mai 1916 14. Mai 1916 16. Mai 1916 17. Mai 1916 17. Mai 1916 20. Mai 1916 25. Mai 1916 28. Mai 1916 29. Mai 1916 1. Juni 1916 2. Juni 1916 5. Juni 1916 5. Juni 1916 5. Juni 1916 7. Juni 1916 8. Juni 1916 ca. 8. Juni 1916 vermutlich 8. Juni 1916 9. Juni 1916 9. Juni 1916 9. Juni 1916 10. Juni 1916

Chronologisches Verzeichnis der Briefe Ort

Empfänger

Seite

Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg

Paul Siebeck Paul Siebeck Marianne Weber Mina Tobler Paul Siebeck Helene Weber Helene Weber Mina Tobler Marianne Weber Franz Boese Marianne Weber Marianne Weber

384 386 387 389 391 392 395 397 399 401 403 405

Charlottenburg Charlottenburg

Paul Siebeck Marianne Weber

407 408

Charlottenburg

Paul Siebeck

410

Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Wien Wien Budapest Wien Wien Wien Wien Wien Charlottenburg o.O. Charlottenburg

Paul Siebeck Marianne Weber Ludo Moritz Hartmann Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Lili Schäfer Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Frieda Gross József von Lukács Martha Riegel Marianne Weber Marianne Weber Franz Eulenburg Georg Gothein

411 412 414 415 417 419 421 423 426 428 430 431 433 435 443 444 445 447 449 450

Charlottenburg Charlottenburg o.O. Charlottenburg Heidelberg

Ludo Moritz Hartmann Ludo Moritz Hartmann Friedrich Naumann Felix Somary Paul Siebeck

453 456 458 459 461

Chronologisches Verzeichnis der Briefe

XVII

Datum

Ort

Empfänger

Seite

15. Juni 1916 25. Juni 1916 28. Juni 1916 4. Juli 1916 10. Juli 1916 11. Juli 1916 13. Juli 1916 Mitte Juli 1916 22. Juli 1916 25. Juli 1916 27. Juli 1916

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

463 466 468 470 471 473 474 476 478 479

1. August 1916 7. August 1916 vor dem 9. August 1916 9. August 1916 10. August 1916 11. August 1916 13. August 1916 14. August 1916 14. August 1916 15. August 1916 vor oder am 18. August 1916 18. August 1916 19. August 1916 vor dem 21. August 1916

Nürnberg Heidelberg

Helene Weber Frieda Gross Ludo Moritz Hartmann Helene Weber Paul Siebeck Frieda Gross Eduard Wilhelm Mayer Lili Schäfer Paul Siebeck Lili Schäfer Redaktion der Frankfurter Zeitung Mina Tobler Mina Tobler

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Ludwig Feuchtwanger Mina Tobler Carl Bezold Mina Tobler Mina Tobler Georg von Lukács Verlag J.C.B. Mohr Gustav Radbruch

487 488 490 491 493 494 498 499

Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg

Gustav Radbruch Marianne Weber Mina Tobler

500 502 504

Charlottenburg

21. August 1916 23. August 1916 23. August 1916 27. August 1916 27. August 1916 27. August 1916 1. September 1916 2. September 1916 3. September 1916 vor dem 4. September 1916 4. September 1916 4. September 1916 5. September 1916 6. September 1916

Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg Überlingen Überlingen Überlingen

Redaktion der Frankfurter Zeitung Marianne Weber Georg von Lukács Marianne Weber Verlag J.C.B. Mohr Lili Schäfer Mina Tobler Mina Tobler Verlag J.C.B. Mohr Helene Weber

506 508 510 512 514 515 517 519 521 522

Überlingen Überlingen Überlingen Heidelberg Heidelberg

Gustav Radbruch Bernhard Guttmann Mina Tobler Helene Weber Mina Tobler

523 524 526 527 528

480 483 485

XVIII

Chronologisches Verzeichnis der Briefe

Datum

Ort

Empfänger

Seite

6. September 1916 8. September 1916 8. September 1916 9. September 1916 12. September 1916 14. September 1916 15. September 1916 18. September 1916 22. September 1916 23. September 1916 2. Oktober 1916

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

21. Oktober 1916

Heidelberg

27. Oktober 1916 nach dem 27. Oktober 1916 29. Oktober 1916 4. November 1916 25. November 1916 28. November 1916 30. November 1916 vor dem 1. Dezember 1916 2. Dezember 1916 13. Dezember 1916 17. Dezember 1916 18. Dezember 1916 vor dem 25. Dezember 1916 29. Dezember 1916 30. Dezember 1916

München

Marianne Weber Helene Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Marianne Weber Friedrich Naumann Verlag J.C.B. Mohr Hans Schnitger Gerhart von SchulzeGaevernitz Gerhart von SchulzeGaevernitz Franz Boese

552 553

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Martha Riegel Eduard Wilhelm Mayer Heinrich Herkner Marianne Weber Marianne Weber Lina Metzner

554 556 558 559 560 562

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Edgar Jaffé Helene Weber Ernst Jäckh Werner Sombart Helene Weber

566 567 568 570 573

o.O. Heidelberg Heidelberg

Heinrich Rickert Mina Tobler Mina Tobler

574 577 578

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Lisa von Ubisch Martha Riegel Mina Tobler Mina Tobler Georg von Lukács Ludo Moritz Hartmann Friedrich Naumann Karl Loewenstein

579 583 584 585 587 588 591 593

o.O.

Karl Hampe

597

530 532 534 536 538 540 542 545 547 548 550

1917 1. Januar 1917 2. Januar 1917 2. Januar 1917 5. Januar 1917 7. Januar 1917 24. Januar 1917 3. Februar 1917 10. Februar 1917 vor dem 15. Februar 1917

Chronologisches Verzeichnis der Briefe Datum

Ort

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20. Februar 1917 22. Februar 1917 19. März 1917

Heidelberg Heidelberg Heidelberg

25. März 1917 5. April 1917 12. April 1917

Heidelberg Heidelberg Heidelberg

12. April 1917 12. April 1917 14. April 1917 20. April 1917 20. April 1917 29. April 1917 1. Mai 1917 1. Mai 1917 5. Mai 1917 7. Mai 1917 8. Mai 1917 8. Mai 1917 8. Mai 1917 8. Mai 1917 10. Mai 1917 13. Mai 1917 19. Mai 1917

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

19. Mai 1917 23. Mai 1917

Heidelberg Heidelberg

24. Mai 1917 25. Mai 1917

Heidelberg Heidelberg

27. Mai 1917 28. Mai 1917 2. Juni 1917 5. Juni 1917 5. Juni 1917 14. Juni 1917 16. Juni 1917 20. Juni 1917 23. Juni 1917 24. Juni 1917 27. Juni 1917

Heidelberg Heidelberg Weimar Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg o.O. Heidelberg Heidelberg

28. Juni 1917

Heidelberg

Paul Siebeck Ludo Moritz Hartmann Redaktion der Frankfurter Zeitung Paul Siebeck Verlag J.C.B. Mohr Redaktion der Frankfurter Zeitung Friedrich Naumann Helene Weber Friedrich Naumann Ludo Moritz Hartmann Hermann Oncken Conrad Haußmann Ludo Moritz Hartmann Conrad Haußmann Conrad Haußmann Mina Tobler Friedrich Naumann Heinrich Simon Helene Weber Helene Weber Ludo Moritz Hartmann Verlag J.C.B. Mohr Redaktion der Frankfurter Zeitung Mina Tobler Redaktion der Frankfurter Zeitung Paul Siebeck Redaktion der Frankfurter Zeitung Mina Tobler Verlag J.C.B. Mohr Mina Tobler Ludo Moritz Hartmann Verlag J.C.B. Mohr Siegmund Hellmann Ernst J. Lesser Martha Riegel Franz Eulenburg Siegmund Hellmann Redaktion der Frankfurter Zeitung Hans Delbrück

XIX Seite 598 601 602 604 606 607 608 612 615 617 619 622 624 626 628 630 632 636 637 639 640 642 643 645 647 648 650 652 654 655 657 659 660 662 665 668 669 671 678

XX

Chronologisches Verzeichnis der Briefe

Datum

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1. Juli 1917 1. Juli 1917 3. Juli 1917 7. Juli 1917 10. Juli 1917 10. Juli 1917 10. Juli 1917 10. Juli 1917 12. Juli 1917 12. und 13. Juli 1917 13. Juli 1917 13. Juli 1917 15. Juli 1917 15. Juli 1917 16. Juli 1917 19. Juli 1917 19. Juli 1917 21. Juli 1917 21. Juli 1917 23. Juli 1917 vor dem 24. Juli 1917 24. Juli 1917 24. Juli 1917 25. und 26. Juli 1917 vor oder am 26. Juli 1917 26. Juli 1917 1. August 1917 1. August 1917 8. August 1917

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Oerlinghausen Oerlinghausen Oerlinghausen Oerlinghausen Oerlinghausen

Verlag J.C.B. Mohr Helene Weber Conrad Haußmann Helene Weber Eugen Diederichs Ludo Moritz Hartmann Mina Tobler Marianne Weber Otto Thomas

680 681 683 685 686 687 690 692 694

Oerlinghausen Oerlinghausen Oerlinghausen Oerlinghausen Oerlinghausen Oerlinghausen Oerlinghausen Oerlinghausen Oerlinghausen Oerlinghausen Oerlinghausen

Marianne Weber Mina Tobler Helene Weber Mina Tobler Marianne Weber Hans Ehrenberg Mina Tobler Marianne Weber Mina Tobler Marianne Weber Mina Tobler

697 700 702 703 705 707 710 713 716 718 720

Oerlinghausen Oerlinghausen Oerlinghausen

Eugen Diederichs Ludo Moritz Hartmann Verlag J.C.B. Mohr

721 722 725

Oerlinghausen

Lili Schäfer

726

Oerlinghausen Oerlinghausen Oerlinghausen Oerlinghausen o.O.

730 732 733 735

8. August 1917

Oerlinghausen

11. August 1917 26. August 1917 28. August 1917 28. August 1917 28. August 1917

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

28. August 1917

Heidelberg

Heinrich Simon Siegmund Hellmann Heinrich Simon Marianne Weber Großherzogliches Ministerium des Kultus und Unterrichts Großherzogliches Ministerium des Kultus und Unterrichts Ludo Moritz Hartmann Verlag Duncker & Humblot Verlag Duncker & Humblot Alwine (Wina) Müller Wilhelmine (Minna) Schnitger Mina Tobler

737

742 743 744 746 748 751 752

Chronologisches Verzeichnis der Briefe

XXI

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28. August 1917 29. August 1917 29. August 1917 30. August 1917 1. September 1917 3. September 1917 nach dem 3. September 1917 4. September 1917 7. September 1917 8. September 1917 8. September 1917 8. September 1917 10. September 1917 15. September 1917 17. September 1917 17. September 1917 20. September 1917 22. oder 23. September 1917 24. September 1917 25. September 1917 26. September 1917 5. Oktober 1917 5. Oktober 1917 7. Oktober 1917 10. Oktober 1917 10. Oktober 1917 11. Oktober 1917 12. Oktober 1917 13. Oktober 1917 19. Oktober 1917 20. Oktober 1917 vor dem 27. Oktober 1917 30. Oktober 1917 30. Oktober 1917 31. Oktober 1917 3. November 1917 7. November 1917 14. November 1917 21. November 1917 23. November 1917 vor dem 24. November 1917

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Fritz Wichert Conrad Haußmann Paul Siebeck Eugen Diederichs Helene Weber Martin Spahn

754 756 758 760 761 762

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Georg Hohmann Verlag Duncker & Humblot Conrad Haußmann Ludo Moritz Hartmann Mina Tobler Fritz Wichert Robert Wilbrandt Martin Spahn Verlag Duncker & Humblot Ludo Moritz Hartmann Verlag Duncker & Humblot

763 766 767 771 773 775 776 777 779 780 782

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Schwarzburg Weimar Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Mina Tobler Ludo Moritz Hartmann Ludo Moritz Hartmann Verlag Duncker & Humblot Ludo Moritz Hartmann Mina Tobler Ludo Moritz Hartmann Ludo Moritz Hartmann Georg von Lukács Verlag Duncker & Humblot Ludo Moritz Hartmann Fritz Wichert Ludo Moritz Hartmann Verlag Duncker & Humblot

783 784 786 787 789 790 791 792 794 795 796 797 799 800

Wien München München München Heidelberg München Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Mina Tobler Else Jaffé Mina Tobler Johann Maurus Martha Riegel Mina Tobler Victor Schwoerer Ernst Mommsen Mina Tobler

801 802 804 805 807 808 809 813 818

o.O.

Fritz Wichert

819

XXII

Chronologisches Verzeichnis der Briefe

Datum

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26. November 1917 26. November 1917 nach dem 26. November 1917 27. November 1917 28. November 1917 1. Dezember 1917 1. Dezember 1917 2. Dezember 1917 3. Dezember nach dem 3. Dezember 1917 5. Dezember 1917 5. Dezember 1917 7. Dezember 1917 10. Dezember 1917 24. Dezember 1917 27. Dezember 1917

Heidelberg Heidelberg

Elisabeth Ott Paul Siebeck

820 821

o.O. Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Mina Tobler Verlag Duncker & Humblot Else Jaffé Friedrich Gundolf Werner Siebeck Hans W. Gruhle Verlag Duncker & Humblot

822 823 825 828 829 830 832

Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg Heidelberg

Hermann Oncken Friedrich von Duhn Paul Ernst Lili Schäfer Hermann Oncken Göttinger Tageblatt Siegmund Hellmann

833 836 838 840 842 845 849

Siglen, Zeichen, Abkürzungen

앚: :앚 >

[]

[??] & § 촞 1), 2), 3) 1, 2, 3 O A1, A2 a , b, c a...a, b...b

a.a.O. a.B. Ab.Bl. Abg. Abs. Abt. a D, a. D. a.d.S. AFLE AfSSp a.M. A. M. a.N. Anl. Anm. a.o. apl. Art. AT Aufl. Aug. AVA AWGA

Einschub Max Webers Textersetzung Max Webers Von Max Weber gestrichene Textstelle Im edierten Text: Hinzufügung des Editors Im Briefkopf: erschlossenes Datum oder erschlossener Ort Im textkritischen Apparat: unsichere oder alternative Lesung im Bereich der von Max Weber getilgten oder geänderten Textstelle Ein Wort oder mehrere Wörter nicht lesbar und Paragraph siehe Indices bei Anmerkungen Max Webers Indices bei Sachanmerkungen des Editors Original der edierten Textvorlage Edierte Textvorlage bei paralleler Überlieferung Indices für Varianten oder textkritische Anmerkungen Beginn und Ende von Varianten oder Texteingriffen Pfund am angegebenen Ort an [der] Bergstraße Abendblatt, Abendausgabe Abgeordneter Absatz Abteilung außer Dienst an der Saale Archivio della Fondazione Luigi Einaudi Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik am Main Master of Arts [Artium Magister] am Neckar Anlage Anmerkung außerordentlich außerplanmäßig Artikel Altes Testament Auflage August Allgemeines Verwaltungsarchiv Alfred Weber-Gesamtausgabe

XXIV

Siglen, Zeichen, Abkürzungen

b. BA BAdW BayHStA Bd., Bde. beantw. bearb. betr. bez. bezw., bzw. BGB BK Bl. B. Litt. BSB bt.

bei Bundesarchiv Bayerische Akademie der Wissenschaften Bayerisches Hauptstaatsarchiv Band, Bände beantwortet bearbeitet betreffend, betrifft bezüglich beziehungsweise Bürgerliches Gesetzbuch Briefkopf Blatt Bachelor of Literature [Baccalaureus Litterarum] Bayerische Staatsbibliothek beantwortet

ca, ca. Chbg cf., c.f. Co.

circa Charlottenburg confer Compagnie

d. dass. DDP dems. dergl., dgl. ders. Dez. DGS d.h. d.i. d.J. d L, d. L. DLA d.M. DNVP Dr, Dr. Dr. iur./jur. Dr. jur. utr. Dr. med. Dr. oec. publ. Dr. phil. Dr. rer. pol. Dr. sc. pol. ds. Mts. DVP d.Z.

der, des, dem, die, das dasselbe Deutsche Demokratische Partei demselben dergleichen derselbe Dezember Deutsche Gesellschaft für Soziologie das heißt das ist des Jahres, dieses Jahres der Landwehr Deutsches Literaturarchiv des Monats, dieses Monat Deutschnationale Volkspartei Doktor doctor iuris doctor iuris utriusque doctor medicinae doctor oeconomiae publicae doctor philosophiae doctor rerum politicarum doctor scientiarum politicarum des Monats Deutsche Volkspartei der Zeit, dieser Zeit

Siglen, Zeichen, Abkürzungen

XXV

ebd., ebda eingeg. Erg. erw. etc. ev., evtl., eventl. Ew, Ew. Exc. excl. Expl.

ebenda eingegangen Ergänzung erweitert et cetera eventuell Euer Excellenz exclusive Exemplar

f., ff. f. Fasc., Fasz. Febr. freundschaftl. Frhr. Frl. FVP FZ, F.Z.

folgende für Faszikel Februar freundschaftlich Freiherr Fräulein Fortschrittliche Volkspartei Frankfurter Zeitung

GdS, G.d.S.Ö. geb. gefl. Geh. geschr. gest. GLA GPS1

Grundriß der Sozialökonomik geborene gefällig Geheimer geschrieben gestorben Generallandesarchiv Weber, Max, Gesammelte Politische Schriften. – München: Drei Masken Verlag 1921 Geheimes Staatsarchiv Geschäftstagebuch

GStA G.T.B. Hampe, Kriegstagebuch 1914 – 1919

Hbg, Hbg. h.c. Heid. Hs. herzl. hg., Hg. Hr., Hrn. hs. HStA

Hampe, Karl, Kriegstagebuch 1914 – 1919, hg. von Folker Reichert und Eike Wolgast (Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts, hg. von der Historischen Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 63). – München: R. Oldenbourg 2004. Heidelberg honoris causa Heidelberger Handschrift herzlich, herzlichen, herzlichst, herzlichsten herausgegeben, Herausgeber Herr, Herrn handschriftlich Hauptstaatsarchiv

i.B., i.Br. incl., inkl. insbes. i.Pr.

im Breisgau inculsive, inklusive insbesondere in Preußen

XXVI

Siglen, Zeichen, Abkürzungen

Jan. Jg. jun.

Januar Jahrgang junior

k.J. k. k. Kl. Erw. Km Kr. k. u. k. k.W.

kommenden Jahres kaiserlich-königlich Kleine Erwerbungen Kilometer Kronen kaiserlich und königlich kommender Woche

L. LA Lic. theol. L. Schn. L. T.

Liebe, Lieber, Liebes Landesarchiv licentiatus theologiae Liebe, Lieber Schauzel, Liebes Schnauzele Liebes Tobelchen

M, M., M-, Mk, Mk., MK M. masch. MdöHH MdprAH MdprHH MdprL MdR, M.d.R. m.E. Mo.Bl. Mommsen, Max Weber3

Mscr. Mts. m.W. MW, M.W. MWA MWG mz

Mark Max maschinenschriftlich Mitglied des österreichischen Herrenhauses Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses Mitglied des preußischen Herrenhauses Mitglied des preußischen Landtags Mitglied des Reichstags meines Erachtens Morgenblatt, Morgenausgabe Mommsen, Wolfgang J., Max Weber und die deutsche Politik 1890 – 1920, 3., verbesserte Aufl. – Tübingen: Mohr Siebeck 2004 Manuscript Monats meines Wissens Max Weber Max Weber-Arbeitsstelle Max Weber-Gesamtausgabe Meterzentner

Nachdr. Nachf. Nachm. NB NFP Nl. No, Nr. Nov. NS NSDAP NZZ

Nachdruck Nachfolger Nachmittag notabene Neue Freie Presse Nachlaß Numero, Nummer November Nationalsozialismus Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Neue Zürcher Zeitung

Siglen, Zeichen, Abkürzungen

XXVII

O o. o.g. OHL o.J. Okt. o.O. Örl., Ö. ÖStGB

Original ordentlich oben genannt Oberste Heeresleitung ohne Jahr Oktober ohne Ort Oerlinghausen Österreichisches Strafgesetzbuch

p. P., Pens. PA PA AA PD Ph. D. philos. PK pm pp, pp. pr. Prof., Proff. PS, P.S. PSt

pagina Pension Personalakte Politisches Archiv des Auswärtigen Amts Privatdozent Philosophiae Doctor philosophisch Preußischer Kulturbesitz propria manu perge, perge privatim Professor, Professoren Postscriptum Poststempel

RdI Rep. resp. Rs RV

Reichsamt des Innern Repositur respektive Rückseite Reichsverfassung

s. S. SBPK Scherer/Grunewald I

siehe Seite Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz L’Allemagne et les problèmes de la paix pendant la première guerre mondiale. Documents extraits des archives de l’Office allemand des Affaires étrangères, publiés et annotés par André Scherer et Jacques Grunewald, vol. 1: Des origines à la déclaration de la guerre sous-marine à outrance (août 1914 – 31 janvier 1917). – Paris: Presses Universitaires de France 1962 dass., vol. 2: De la guerre sous-marine à la révolution soviétique (1er février 1917 – 7 novembre 1917). – Paris: Presses Universitaires de France 1966 (Schmollers) Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich Kosename von Marianne Weber: Schnauzel, Schnauzele Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender, hg. von [Heinrich] Schulthess, NF 31,1 = 56,1, 1915. – München: C.H. Beck 1919

Scherer/Grunewald II

SchmJb, Schmollers Jahrbuch Schn. Schulthess 1915, Teil 1

XXVIII

Siglen, Zeichen, Abkürzungen

Schulthess 1916, Teil 1 Schulthess1916, Teil 2 Schulthess1917, Teil 1 Schulthess 1917, Teil 2 Sekt. sen. Sept. s.o. sog. Sp. SPD SS St. StA Steierm. LA str., Str. s.u. s.Z., s.Zt.

dass., NF 32,1 = 57,1, 1916. – München: C.H. Beck 1921 dass., NF 32,2 = 57,2, 1916. – München: C.H. Beck 1921 dass., NF 33,1 = 58,1, 1916. – München: C.H. Beck 1920 dass., NF 33,2 = 58,2, 1916. – München: C.H. Beck 1920 Sektion senior September siehe oben sogenannt Spalte Sozialdemokratische Partei Deutschlands Sommersemester Saint, Sankt Staatsarchiv Steiermärkisches Landesarchiv straße, Straße siehe unten seiner Zeit

t TH Tit. Tl.

Tonne(n) Technische Hochschule Titel, Titulatur Transliteration

u. u.a., u.A. UA u.ä. UB u. dgl. u. E. unpag. u.ö. usf. USPD U.St.S. usw., u.s.w.

und und andere, und Andere, unter anderem, unter Anderem Universitätsarchiv und ähnliches Universitätsbibliothek und dergleichen unseres Erachtens unpaginiert und öfters und so fort Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands Unterstaatssekretär und so weiter

v v. V. VA Verf. verfl... Verz. VfSp V. Fr. vgl. v. H. z. H. v.J.

verso von Vormittag Verlagsarchiv Verfasser verflucht Verzeichnis Verein für Socialpolitik Verehrter Freund vergleiche von Haus zu Haus vorigen Jahres

Siglen, Zeichen, Abkürzungen

XXIX

vol. vorgel.

volume vorgelegt

W Weber, Marianne, Lebensbild3

West Weber, Marianne, Max Weber. Ein Lebensbild, 3. Aufl. – Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1984 (Nachdr. der 1. Aufl., ebd. 1926) Weber, Max, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike Judentum, in: AfSSp, 44. Band, Heft 1, 1917, S. 52 – 138 (MWG I/21, S. 234 – 353) Weber, Max, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike Judentum. (Fortsetzung.), in: AfSSp, 44. Band, Heft 2, 1918, S. 349 – 443 (MWG I/21, S. 354– 478) Weber, Max, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike Judentum. (Fortsetzung.), in: AfSSp, 44. Band, Heft 3, 1918, S. 601 – 626 (MWG I/21, S. 479 – 511) Weber, Max, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike Judentum. (Fortsetzung.), in: AfSSp, 46. Band, Heft 1, 1918, S. 40 – 113 (MWG I/21, S. 511 – 606) Weber, Max, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike Judentum. (Fortsetzung.), in: AfSSp, 46. Band, Heft 2, 1919, S. 311 – 366 (MWG I/21, S. 607 – 675) Weber, Max, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike Judentum. (Schluß.), in: AfSSp, 46. Band, Heft 3, 1920, S. 541 – 604 (MWG I/21, S. 676 – 757) Weber, Max, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Religionssoziologische Skizzen. Einleitung, in: AfSSp, 41. Band, Heft 1, 1915, S. 1 – 30 (MWG I/19, S. 83 – 127) Weber, Max, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. (Dritter Artikel). Hinduismus und Buddhismus I., in: AfSSp, 41. Band, Heft 3, 1916, S. 613 – 744 (MWG I/20, S. 49 – 220) Weber, Max, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Hinduismus und Buddhismus. (Fortsetzung.), in: AfSSp, 42. Band, Heft 2, 1916, S. 345 – 461 (MWG I/20, S. 221 – 368) Weber, Max, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Hinduismus und Buddhismus. (Schluß.), in: AfSSp, 42. Band, Heft 3, 1917, S. 687 – 814 (MWG I/20, S. 369 – 544) Weber, Max, „Kirchen“ und „Sekten“ in Nordamerika. Eine kirchen- und sozialpolitische Skizze, in: Die Christliche Welt, 20. Jg., Nr. 24, 14. Juni 1906, Sp. 558 – 562, und Nr. 25, 21. Juni 1906, Sp. 557 – 583 (MWG I/9). Weber, Max, [Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Religionssoziologische Skizzen.] Der Konfuzianismus I, II., in: AfSSp, 41. Band, Heft 1, 1915, S. 30 – 87 (MWG I/19, S. 128 – 362)

Weber, Max, Antikes Judentum I Weber, Max, Antikes Judentum II Weber, Max, Antikes Judentum III Weber, Max, Antikes Judentum IV Weber, Max, Antikes Judentum V Weber, Max, Antikes Judentum VI Weber, Max, Einleitung

Weber, Max, Hinduismus und Buddhismus I Weber, Max, Hinduismus und Buddhismus II Weber, Max, Hinduismus und Buddhismus III Weber, Max, Kirchen und Sekten

Weber, Max, Konfuzianismus I, II

XXX Weber, Max, Konfuzianismus III, IV

Weber, Max, Parlament und Regierung

Weber, Max, Deutscher Parlamentarismus in Vergangenheit und Zukunft

Weber, Max, Prostestantische Ethik

Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft Weber, Max, Zwischenbetrachtung

WEWR

WK WS WuG1

z. z.B. Ziegelh. Landstr. zit. ZPO Zs., Zsch., Zschr. ZStA

Siglen, Zeichen, Abkürzungen Weber, Max, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. (Zweiter Artikel). Der Konfuzianismus III, IV. (Schluß), in: AfSSp, 41. Band, Heft 2, 1915, S. 335 – 386 (MWG I/19, S. 370 – 478) Weber, Max, Parlament und Regierung. Zur politischen Kritik des Beamtentums und Parteiwesens (Die innere Politik, hg. von Sigmund Hellmann). – Duncker & Humblot 1918 (MWG I/15, S. 421 – 596) Weber, Max, Deutscher Parlamentarismus in Vergangenheit und Zukunft. I. Die Erbschaft Bismarcks, in: FZ, Nr. 145 vom 27. Mai 1917, 1. Mo.Bl., S. 1f.; Vergangenheit und Zukunft des deutschen Parlamentarismus. II. Beamtenherrschaft und politisches Führertum, ebd., Nr. 157 vom 9. Juni 1917, 1. Mo.Bl., S. 1f.; dass. II. Beamtenherrschaft und politisches Führertum. (Schluß.), ebd., Nr. 158 vom 10. Juni 1917, 1. Mo.Bl., S. 1f.; Deutscher Parlamentarismus in Vergangenheit und Zukunft. III. Verwaltungsöffentlichkeit und politische Verantwortung, ebd., Nr. 172 vom 24. Juni 1917, 1. Mo.Bl., S. 1f.; wieder abgedruckt als: 씮 Weber, Max, Parlament und Regierung Weber, Max, Die protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus. I. Das Problem, in AfSSp, Band 20, Heft 1, 1904, S. 1 – 54; II. Die Berufsidee des asketischen Protestantismus, in: AfSSp, Band 21, Heft 1, 1905, S. 1–110 (MWG I/9) 씮 WuG1 Weber, Max, [Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. (Zweiter Artikel).] Zwischenbetrachtung. Stufen und Richtungen der religiösen Weltablehnung, in: AfSSp, 41. Band, Heft 2, 1915, S. 387 – 421 (MWG I/19, S. 479 – 522) Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen (씮 Weber, Antikes Judentum; Einleitung; Hinduismus und Buddhismus; Konfuzianismus; Zwischenbetrachtung) Weltkrieg Wintersemester Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft (Grundriß der Sozialökonomik, Abt. III), 1. Aufl. – Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1922 (MWG I/22 – 1 bis 6 und I/23) zum, zur zum Beispiel Ziegelhäuser Landstraße zitiert Zivilprozeßordnung Zeitschrift Zentrales Staatsarchiv

Siglen, Zeichen, Abkürzungen z.T., z.Tl. zus. zw. z.Z., z.Zt.

zum Teil zusammen zwischen zur Zeit

XXXI

XXXII

Siglen, Zeichen, Abkürzungen

Siglen, Zeichen, Abkürzungen

XXXIII

Max Weber auf Burg Lauenstein, Sommer 1917 Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Sammlung Geiges

Einleitung

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1. Allgemeine Bemerkungen In diesem Band werden die überlieferten Briefe Max Webers aus den Jahren 1915, 1916 und 1917 ediert. In den Teilnachlässen von Max und Marianne Weber fand sich kein geschlossener Briefbestand, vor allem auch keine Sammlung der an Max Weber gerichteten Briefe. Den Grundbestand der Edition bilden die Briefe, die Marianne Weber nach dem Tod Max Webers von zahlreichen Adressaten zusammengetragen und teilweise abschriftlich überliefert hat. Hinzu tritt die von ihr aufbewahrte Korrespondenz mit ihrem Mann und anderen Familienangehörigen. Der Verlag Mohr Siebeck stellte der Edition die in seinem Archiv befindliche Korrespondenz zwischen Max Weber und Paul Siebeck zur Verfügung. Die Briefe an Mina Tobler und Else Jaffé sind von letzterer an Eduard Baumgarten übergeben worden. Dieser hat sie der Edition zugänglich gemacht. In jahrelangen und intensiven Recherchen der Herausgeber und ihrer Mitarbeiter, insbesondere von Manfred Schön, konnten in öffentlichen und privaten Nachlässen zahlreiche weitere Briefe gefunden werden. Die an Max Weber gerichteten Briefe sind, abgesehen von den erwähnten Korrespondenzen mit Marianne Weber und Paul Siebeck, nur in wenigen Einzelfällen überliefert. Marianne Weber hat unmittelbar nach Max Webers Tod „unleserliche Zettel und Briefe von fremder Hand vernichtet“.1 Soweit letztere für das Verständnis eines Briefes erforderlich sind, werden sie in den Editorischen Vorbemerkungen nachgewiesen und paraphrasiert. Trotz der Bemühungen um Vollständigkeit enthält dieser Band nur einen Teil der Briefe, die Max Weber in diesen Jahren geschrieben hat. Die überlieferten Briefe können jedoch für das gesamte Briefwerk als repräsentativ angesehen werden und vermitteln einen aufschlußreichen Eindruck von den politischen Ansichten Max Webers im Weltkrieg, seinem Bemühen um politischen Einfluß, seinen wissenschaftlichen Arbeiten und persönlichen Verhältnissen.

1 Weber, Marianne, Lebenserinnerungen. – Bremen: Johs. Storm Verlag 1948, S. 115 (hinfort: Weber, Marianne, Lebenserinnerungen). Vor dem Chaos in Webers Schreibtisch habe sie „verzweifelter Zorn gepackt“, „nirgends ist Platz“.

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2. Max Weber und der Erste Weltkrieg Der Krieg, der Kriegsverlauf und die Chancen für einen Frieden bewegten Max Weber zutiefst. Am liebsten wäre er an der Front gewesen, um das Vaterland zu verteidigen; er hielt sich von den Söhnen seiner Mutter für denjenigen mit den „stärksten angeborenen ‚kriegerischen‘ Instinkte[n]“.2 Seine Brüder Alfred und Karl Weber sowie sein Schwager Hermann Schäfer hatten sich als Reserveoffiziere sofort freiwillig gemeldet. Das hat auch Max Weber – 50 Jahre alt – getan, aber er war nicht felddiensttauglich, was er sehr beklagte. Er meldete sich einen Tag nach Kriegsausbruch als ‚PremierLieutenant der Reserve‘ freiwillig beim Garnisonskommando Heidelberg und wurde für die Errichtung von Reservelazaretten in Heidelberg eingesetzt. Seine Einstellung zum Krieg wird bereits in einem Brief an Ferdinand Tönnies vom 15. Oktober 1914 deutlich. Er schrieb dort: „Dieser Krieg ist bei aller Scheußlichkeit doch groß und wunderbar […]. Wie soll man sich einen Frieden denken? Und wann? Die Hunderttausende bluten für die entsetzliche Unfähigkeit unserer Diplomatie – das ist leider nicht zu leugnen, und daher hoffe ich, selbst im Fall eines endgültig guten Ausgangs, nicht auf einen wirklich dauernden Friedenserfolg für uns.“3 Diese besorgte, pessimistische Einstellung bestimmte ihn während des ganzen Krieges, auch wenn er von der Opferbereitschaft und dem Todesmut der Soldaten sowie von den militärischen Erfolgen tief beeindruckt war. Auch ihn erfaßte der nationale Enthusiasmus zu Anfang des Krieges, er galt ihm als die moralische Bewährung des deutschen Volkes und der Tod im Felde als die Einlösung einer objektiven Wertverpflichtung. In verschiedenen Kondolenzbriefen an die Hinterbliebenen bekräftigte er diesen Sinnbezug des Todes der Gefallenen.4 Weber glaubte an die offizielle Darstellung, derzufolge Deutschland ein Verteidigungskrieg aufgezwungen worden sei, in dem Deutschlands Stellung als Großmacht auf dem Spiel stand. Dies sah er bei den feindlichen Mächten nicht im gleichen Maße gegeben. Alles für die deutsche Sache zu tun und die Regierung zu unterstützen, war ihm eine selbstverständliche patriotische Pflicht. Ein ehrenvoller Verständigungsfriede sollte den Krieg beenden. Weber gehörte zur Minderheit derjenigen, die von Anfang an gegen alle Annexionspläne eintraten, die Wiederherstellung Belgiens nach dem Krieg forderten und ihre Stimme gegen deutsche Protektorate in Polen

2 Vgl. den Brief an Helene Weber vom 24. April 1916, unten, S. 395. 3 Brief an Ferdinand Tönnies vom 15. Okt. 1914, MWG II/8, S. 799. 4 Vgl. z. B. die Briefe an Paul Siebeck vom 7. Sept. 1914, MWG II/8, S. 787, an Lili Schäfer vom 8. Sept. 1914, MWG II/8, S. 792, und an Berta Jacobsohn vom 17. Juni 1915, unten, S. 56 – 58.

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und im Baltikum erhoben. Sein Ziel war die Sicherung der Geltung Deutschlands auf dem Weltmarkt und seine weltpolitische Gleichrangigkeit, nicht die Eroberung fremder Territorien. Dieses Ziel sah er durch die in seinen Augen dilettantische deutsche politische Führung gefährdet. Die Briefe sind in ihrer Tendenz unterschiedlich; neben scharfer Kritik finden sich auch Passagen mit Siegeszuversicht. Dabei gilt es aber im einzelnen zu beachten, daß einige Briefe der Zensur unterlagen. Bei diesen bemühte sich Weber nicht nur um eine möglichst leserliche Handschrift, sondern auch um einen optimistischen Ton. Dies gilt insbesondere für die Briefe an Mina Tobler in den Zeiten, als diese bei ihren Verwandten in der Schweiz war. Darin betont Weber die jeweiligen militärischen Erfolge und seine Zuversicht auf einen ehrenvollen Frieden. Mit diesen Passagen wollte er wohl auch Mina Tobler gegen die in der Schweiz vorherrschende Propaganda der Alliierten wappnen. Seine Grundstimmung war jedoch pessimistisch, an einen guten Ausgang des Krieges glaubte er immer weniger. Er war überzeugt, daß nach einem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten der Krieg von Deutschland verloren sein werde. In Heidelberg gehörte Max Weber zu der Minderheit von Professoren, die der Kriegsführung von Anfang an kritisch gegenüberstanden. So war er auch einer der Unterzeichner der von Lujo Brentano angeregten und von Hans Delbrück und Theodor Wolff organisierten „Gegenadresse zur sogenannten Seeberg-Adresse“. Darin heißt es: „Deutschland ist in den Krieg nicht mit der Absicht auf Eroberungen gegangen, sondern zur Erhaltung seines von der feindlichen Koalition bedrohten Daseins, seiner nationalen Einheit und seiner fortschreitenden Entwicklung.“5 Das entsprach Webers Ansichten. Karl Hampe, Webers Kollege für Mittelalterliche Geschichte, notierte in seinem Kriegstagebuch unter dem 29. Mai 1915 über Weber: „das ganze pessimistische Kritisieren fällt doch sehr auf die Nerven und ist einigermaßen gemeingefährlich […], denn selbst wenn er Recht hätte, wird dadurch doch nichts geändert“. Und unter dem 11. Februar 1917 bemerkt Hampe: „Er [Weber] ist noch immer stark pessimistisch, immerhin gegen früher gemilderter. Im Augenblick kann man sich auch vielfach der Kraft seiner Argumente schwer entziehen.“6 Wolfgang J. Mommsen hat in seinem grundlegenden Werk „Max Weber und die deutsche Politik 1890– 1920“ Webers Ansichten und Aktivitäten

5 Weber, Max, Gegenadresse zur sogenannten „Seeberg-Adresse“, in: MWG I/15, S. 762f., Zitat: S. 762; zu den Hintergründen vgl. den Editorischen Bericht, ebd., S. 759 – 761. 6 Hampe, Karl, Kriegstagebuch 1914 – 1919, hg. von Folker Reichert und Eike Wolgast. – München: R. Oldenbourg 2004, S. 237 und S. 500 (hinfort: Hampe, Kriegstagebuch 1914 – 1919).

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während des Ersten Weltkrieges differenziert und nuanciert erläutert.7 Seine Darstellung ist für das Verständnis der Briefe überaus hilfreich; es sei auf sie ausdrücklich verwiesen. Ebenso wichtig sind die von ihm in Zusammenarbeit mit Gangolf Hübinger herausgegebenen Aufsätze und Reden Max Webers „Zur Politik im Weltkrieg“,8 die die Briefe ergänzen. Beide Werke stellen die Briefe in einen größeren Zusammenhang. Auch Marianne Weber schildert die Kriegsjahre in ihrer Biographie Max Webers ausführlich.9 Vier Themen stehen im Zentrum von Webers Überlegungen und Sorgen. Erstens: die Wiederherstellung eines selbständigen Belgiens als Voraussetzung für eine Verständigung mit den Westmächten. Weber war strikt gegen Annexionen und bedauerte, daß die Reichsregierung nicht sofort nach dem Einmarsch die Existenz Belgiens garantiert hatte. Sein kurzer Besuch in Brüssel im August 1915 bestärkte ihn darin, Pläne für eine Verselbständigung Flanderns entschieden abzulehnen. Karl Hampe referierte in seinem Kriegstagebuch unter dem 17. Februar 1917 aus einem Brief Webers: „Weber [möchte] doch, so weit irgend möglich, den früheren Zustand Belgiens wiederherstellen. Die lateinischen Formen der sozialen Einrichtungen seien bei den Flamen doch für ihre Zukunft entscheidender als Sprache etc. […] Die Bedeutung Brüssels schätzt er für den Zusammenhalt sehr hoch ein, möchte Flamen und Wallonen sich auch weiter zerfleischen lassen.“10 Zu Beginn des Jahres 1916 wurde Weber zunehmend alarmiert durch die Entwicklung des U-Boot-Krieges, den zweiten Gegenstand seiner Befürchtungen. Die unentschiedenen und dilatorischen Antworten der Reichsregierung auf die amerikanischen Protestnoten gegen die Versenkung von Passagierschiffen, wobei auch amerikanische Staatsbürger ums Leben gekommen waren, und die wachsende Demagogie für einen „unbeschränkten“ U-Boot-Krieg vergrößerten für Weber die Gefahr des befürchteten Kriegseintritts der Vereinigten Staaten. In diesem Fall würde, so Webers Überzeugung, Deutschland den Krieg verlieren. Er schätzte das Potential der USA weit höher ein, als dies in Deutschland üblich war, und hielt die Berechnungen der Erfolgschancen des U-Boot-Krieges zur Aushungerung Englands für fehlerhaft. So hatte er, wie er am 11. März 1916 seiner Frau schrieb, „das Gefühl […] auf dem Vulkan zu sitzen“.11 Am 9./10. März 1916 entschloß er 7 Mommsen, Wolfgang J., Max Weber und die deutsche Politik 1890 – 1920, 3. Aufl. – Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 2004, Kapitel VII, S. 206 – 304 (hinfort: Mommsen, Max Weber3). 8 Weber, Max, Zur Politik im Weltkrieg. Schriften und Reden 1914 – 1918 (MWG I/15, hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Gangolf Hübinger). – Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1984. 9 Weber, Marianne, Max Weber. Ein Lebensbild, 3. Aufl. – Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1984, 16. – 18. Kapitel (hinfort: Weber, Marianne, Lebensbild3). 10 Siehe unten, S. 597. 11 Brief an Marianne Weber vom 11. März 1916, unten, S. 332.

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sich, zusammen mit Felix Somary eine Denkschrift an den Sekretär Gottlieb v. Jagow im Auswärtigen Amt und an eine Reihe von maßgebenden Parteipolitikern zu senden. Darin legte Weber insbesondere auch die ökonomischen Folgen eines Kriegseintritts Amerikas detailliert dar. Er wollte damit auch die Position des Reichskanzlers von Bethmann Hollweg stützen, obgleich er in ihm nicht den kraftvollen Staatsmann sah, der die Lage zu meistern in der Lage gewesen wäre.12 Doch galt er ihm als Vertreter der „Gemäßigten“, die gegenüber Admiral von Tirpitz, der Marineleitung und den konservativen Kräften, die die uneingeschränkte Anwendung der U-BootWaffe forderten und auf einen Siegfrieden setzten, gestärkt werden müßten. Wenige Tage vor Abgang der Denkschrift am 4. März 1916 war auf einer Sitzung des Kronrates der verschärfte U-Boot-Krieg abgelehnt und die Ablösung von Alfred von Tirpitz beschlossen worden,13 ohne daß die Denkschrift auf diese Wende noch hätte Einfluß nehmen können. Ende 1916 begann erneut eine Kampagne für den unbeschränkten U-Boot-Krieg, welcher dann zum 1. Februar 1917 beschlossen wurde. Am 6. April 1917 erfolgte die Kriegserklärung der USA an das Deutsche Reich. Damit waren Webers Befürchtungen eingetreten. Das dritte Thema, dem Webers Interesse galt, war die künftige Gestaltung Polens. Annexionen polnischer Gebiete lehnte er strikt ab. Die Pläne, Kurland unter deutsche Schutzherrschaft zu stellen und als deutsches Siedlungsland zu betrachten, wies er als völlig illusionär zurück. In der Frage, ob sich Deutschland nach dem Krieg nach Osten oder Westen orientieren sollte, plädierte Weber entschieden für die Westorientierung und eine klare Abgrenzung gegenüber Rußland.14 Im Rahmen dieser Option kam es darauf an, einen eigenständigen polnischen Staat zu schaffen und auch Litauen und Lettland die Selbständigkeit zu geben. Diese Länder sollten die zukünftige Grenze zu Rußland bilden. Dabei war die polnische Frage von zentraler Bedeutung. Um einerseits Informationen zu erhalten, andererseits Einfluß ausüben zu können, erklärte Weber sich bereit, an dem von Friedrich Naumann betriebenen Arbeitsausschuß für Mitteleuropa mitzuwirken. Das Projekt „Mitteleuropa“ selbst interessierte ihn weniger. Die damit verbundene dauerhafte und wirtschaftliche Bindung an Österreich-Ungarn sah er als Belastung für das Deutsche Reich an. Er wollte ein selbständiges Polen, kein deutsch-österreichisches Protektorat Polen, wie es sich mit der Proklamation eines polnischen Königreiches am 5. November 1916 durch die beiden Monarchen abzeichnete. Webers Interesse richtete sich auf die wirt12 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 21. Aug. 1916, unten, S. 508. 13 Zu den Hintergründen und der Entstehung der Denkschrift vgl. den Editorischen Bericht zu Weber, Max, Der verschärfte U-Boot-Krieg, in: MWG I/15, S. 99 – 112. 14 So reflektierte Karl Hampe unter dem 17. Februar 1917 in seinem Kriegstagebuch aus einem Brief Max Webers, vgl. unten, S. 597.

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schaftlichen Folgen, die eine Abtrennung der polnischen Industrie vom russischen Markt haben würden. Eine im Februar 1916 geplante Reise nach Warschau und die Kontaktaufnahme zu Industriellen in Polen wurde in einer Aussprache mit dem Unterstaatssekretär des Innern, Max Richter, untersagt.15 Immerhin gelang es Weber, im Auftrag des Arbeitsausschusses für Mitteleuropa Ende Mai 1916 eine Reise nach Wien und Budapest zu unternehmen, um mit Industriellen und Politikern zu sprechen. Er wollte aus erster Hand einen Eindruck über deren Ansichten zu Zoll- und Handelsverträgen mit Deutschland gewinnen. Die Briefe aus Wien und Budapest unterlagen der Zensur und sind dementsprechend inhaltsarm.16 Weber hatte wohl den Eindruck, daß es zwischen Berlin und Wien zu keiner verbindlichen Zukunftsplanung gekommen war und daß damit die polnische Frage ebenso wie das Mitteleuropaprojekt noch unbestimmt seien.17 Zwar könne Österreich über Galizien entscheiden, aber Deutschland müsse die Zukunft Kongreß-Polens bestimmen. Daß sich daraus Konsequenzen für die Politik in den preußischen Ostprovinzen ergeben würden, war Weber bewußt. Den dort lebenden Polen müßten kulturelle Autonomie und Selbstverwaltung gewährt werden.18 Ein denkbarer Frieden mit Rußland kam Ende 1916 nicht zustande. Weber hatte seine Einschätzung der Lage im Brief an Friedrich Naumann vom 8. Mai 1917 dargestellt und eine Fortführung der Kontakte mit Rußland über Friedensverhandlungen gefordert.19 Schließlich kam es am 3. März 1918 in Brest-Litowsk zu einem, maßgeblich von den Militärs gestalteten, Diktatfrieden mit Sowjet-Rußland. Webers Vorstellungen von einer dauerhaften Neuordnung Ostmitteleuropas waren damit gegenstandslos geworden. Das vierte Anliegen Webers war die Parlamentarisierung der Regierung. In der planlosen und unbeständigen Politik, insbesondere durch die Interventionen von Kaiser Wilhelm II., sah er die Ursache für die politische Isolierung Deutschlands vor Ausbruch des Krieges und, damit verbunden, die Kriegsführung an mehreren Fronten. Aus dem Bündnis mit Österreich-Ungarn war keine langfristige Abstimmung der gemeinsamen politischen Interessen entstanden. Die Führungsschwäche der deutschen Politik führte Weber auf die Rekrutierung der Reichskanzler aus der Bürokratie, ihre mangelnde parlamentarische Verantwortlichkeit und die fehlende Einbindung 15 Vgl. den Brief an Franz Eulenburg vom 9. März 1916, unten, S. 324. 16 Erst in seinem Brief vom 13. Okt. 1917 an Fritz Wichert nennt er seine damaligen Gesprächspartner, unten, S. 797 f. 17 Vgl. die beiden Briefe vom 8. Juni 1916 an Franz Eulenburg und an Georg Gothein, unten, S. 449 und 450 – 452. 18 Vgl. dazu Webers Artikel „Deutschlands äußere und Preußens innere Politik. I. Die Polenpolitik“ in der Frankfurter Zeitung vom 25. Februar 1917, ediert in: MWG I/15, S. 193 – 203. 19 Brief an Friedrich Naumann vom 8. Mai 1917, unten, S. 632 – 635.

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der Reichsregierung in die im Parlament vertretenen politischen Kräfte zurück. England galt ihm als Vorbild für eine kraftvolle politische Führung auf der Basis eines parlamentarischen Regierungssystems. Als Konsequenz aus der systemischen Schwäche der deutschen Regierung forderte er deren Parlamentarisierung. Er faßte seine Überlegungen in fünf Artikeln für die Frankfurter Zeitung zusammen, die in der Zeit von April bis Mai 1917 erschienen und als Broschüre unter dem Titel „Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland“ 1918 gesondert veröffentlicht wurden.20 Unter den Bedingungen des Krieges sah Weber nur die Möglichkeit punktueller Verfassungsänderungen, eine grundlegende Demokratisierung des politischen Systems sollte seiner Meinung nach erst nach dem Krieg durch ein neugewähltes Parlament erfolgen. Die Demokratisierung sollte nicht in einen Zusammenhang mit den Friedenschancen gestellt und dadurch mit dem Odium belastet werden, „vom Ausland [sei] der Nation die Verfassung auferlegt“ worden.21 „Das Heer, das die Schlachten schlug, soll auch die entscheidende Stimme beim Neubau des Vaterlandes nach dem Kriege haben“, hatte Weber in seiner Zuschrift an die Frankfurter Zeitung vom 28. März 1917 geschrieben22 und in einem Brief an die Redaktion vom 19. März 1917 gebeten, diesen Satz mit dem Passus „und die Arbeitsarmee, welche den Kriegern draußen den Kampf ermöglicht“, zu ergänzen.23 Die Zeitung hat dieser Bitte nicht entsprochen, und so ist der Text „Ein Wahlrechtsnotgesetz des Reichs“ ohne diesen bedeutungsvollen Zusatz veröffentlicht worden.24 Eine eindeutige Festlegung auf ein gleiches Wahlrecht nach dem Krieg hatte die Osterbotschaft des Kaisers vom 7. April 1917 vermieden. Demgegenüber sollte ein „Wahlrechtsnotgesetz“ klare Verhältnisse schaffen. Webers Vorstellungen für dringende Verfassungsänderungen betrafen insbesondere die Stellung des Parlaments, nämlich die Gewährung des Rechtes für den Reichstag, Enqueten durchzuführen, und die Aufhebung der Inkompatibilität der Mitgliedschaft im Reichstag und im Bundesrat, die er in Briefen an den Reichstagsabgeordneten Conrad Haußmann vom April und Mai 1917 sowie vom 7. September 1917 skizzierte.25

20 Ediert in: MWG I/15, S. 421 – 596. 21 Brief an Otto Thomas vom 12. Juli 1917, unten, S. 694 – 696. 22 Weber, Max, Ein Wahlrechtsnotgesetz des Reichs. Das Recht der heimkehrenden Krieger, MWG I/15, S. 215 – 221, Zitat: S. 221. 23 Vgl. Brief an die Redaktion vom 19. März 1917, unten, S. 602 f., Zitat S. 696. 24 In der Edition des Textes (wie oben, Anm. 20) fehlt ein entsprechender Hinweis, weil die Korrespondenzen mit der Frankfurter Zeitung noch nicht vorlagen. 25 Vgl. die Briefe an Conrad Haußmann vom 29. April 1917, vom 1. und 5. Mai 1917 sowie vom 7. Sept. 1917, unten, S. 622 f., 626 f., 628 f. und 767 – 769. Die Vorschläge Webers für Verfassungsänderungen sind ediert in MWG I/15, S. 261 – 292.

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Ab Juli 1917 nahmen Webers politische Interventionen in die Ereignisse ab. „[…] ich kann da nicht immer so intensiv mitleben, wie bisher. Man erschwingt es nicht“, hatte er am 15. Juli 1917 an Mina Tobler geschrieben.26 Er schätzte die Kriegsdauer auf noch 5/4 Jahre,27 womit er tatsächlich Recht behalten sollte.

3. Webers Bemühen um politischen Einfluß Nachdem im September 1915 die Lazarett-Kommission, deren militärisches Mitglied Weber seit Kriegsausbruch war, aufgelöst worden war, suchte er nach einer neuen Aufgabe. Ein Jahr lang hatte er ohne Unterbrechung insgesamt 14 Lazarette neu eingerichtet und war als Disziplinaroffizier für 42 Lazarette im Bezirk Heidelberg zuständig gewesen. Weber nahm seinen Abschied; er wollte keine neue Verwendung in der Routine der militärischen Verwaltung übernehmen.28 Da kam ihm die Anfrage seines Kollegen Edgar Jaffé gelegen, ob er an einer Denkschrift zur Einführung der deutschen Sozialgesetzgebung in Belgien mitwirken wolle. Jaffé, der als Finanzsachverständiger beim Generalgouvernement beschäftigt war, blieb in dieser Angelegenheit sein Mittelsmann. Weber wollte sich auf einer kurzen, selbst finanzierten Reise nach Brüssel vom 19. bis 21. August 1915 einen Eindruck verschaffen. Die ihm zugedachten Aufgaben blieben undeutlich, jedenfalls war für ihn kein „Amt“ beim Generalgouvernement in Sicht. Ein beabsichtigter zweiter Besuch in Brüssel im September 1915 kam nicht zustande. Schließlich verlief die Angelegenheit schon deswegen im Sande, weil die Reichsregierung diese Aufgabe an sich gezogen hatte. Wir wissen nicht, mit wem Weber in Brüssel gesprochen hat; er nennt nur einige dort tätige Professorenkollegen und den Grafen Harrach im Stab der Politischen Abteilung des Generalgouvernements als seinen möglichen Vorgesetzten. Weber hatte seine Mitarbeit zugesagt, sein Name erscheint auch auf einer „Übersicht über die vom Generalgouvernement in Auftrag gegebenen Denkschriften“.29 Aber nachdem nichts mehr erfolgt war, schrieb er Jaffé am 30. September 1915 definitiv ab.30 In diesem Brief findet sich auch der Hinweis auf „mancherlei Widerstände persönlicher Art“. Man darf vermuten, daß diese im Reichsamt des Innern lagen. Auf „eine Geschichte aus Belgi-

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Brief an Mina Tobler vom 15. Juli 1917, unten, S. 704. Im Brief an Mina Tobler vom 19. Juli 1917, unten, S. 711. Vgl. den Brief an Mina Tobler vom 30. Aug. 1915, unten, S. 112. Vgl. dazu Mommsen, Max Weber3 (wie oben, S. 4, Anm. 7), S. 217. Brief an Edgar Jaffé vom 30. Sept. 1915, unten, S. 142.

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en“ spielt Weber in einem Brief an Friedrich Naumann vom 7. Februar 1916 an, den er bittet, seine Mitwirkung an einer Sache zu verschweigen, zu der „Regierungsvertreter kommen können“.31 Worum es sich dabei handelte, ist nicht bekannt. Weber wandte sich nach diesem gescheiterten Versuch wieder wissenschaftlichen Arbeiten in Heidelberg zu, hoffte aber weiterhin, eine politische Aufgabe zu finden. Von Ende November bis Ende Dezember 1915 hielt er sich in Berlin auf und arbeitete in der Bibliothek für seine großen Aufsätze „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ an dem Teil über Hinduismus und Buddhismus. Gleichzeitig versuchte er, Kontakte zu knüpfen, doch „[d]en Ministern etc. die Thüren einzulaufen ist nicht meine Art“.32 Nur mit Friedrich Naumann, mit dem er seit Jahren befreundet war, kam es zu konkreten Verabredungen. Weber versprach ihm, im „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“ mitzuwirken. Das war für Weber aber nur zweite Wahl, denn, wie er im Dezember in einem Brief an Adolf von Harnack schrieb: „Eine amtliche Verwendung zu erstreben (im Osten) habe ich nach Lage der Umstände aufgegeben. Da ist Alles in festen Händen. Und ‚Berater‘ haben die amtlichen Instanzen nur allzu viele. Bleibt also nur der Weg privater gedanklicher Vorarbeiten.“33 Weber wollte – wie oben ausgeführt – Einfluß nehmen auf die Ostpolitik, insbesondere gegenüber Polen.34 Von Mitte Februar 1916 war Weber bis in den August erneut in Berlin, beteiligte sich an den Arbeiten des „Arbeitsausschusses für Mitteleuropa“, die aber infolge der mangelnden Kooperation der Regierungsstellen nicht vorankamen. Die freundliche schriftliche Reaktion des Unterstaatssekretärs Zimmermann auf Webers U-Boot-Denkschrift führte zu keinen engeren Kontakten. Weber hat Zimmermann offenbar nie persönlich getroffen, ebensowenig wie den Staatssekretär von Jagow oder den Reichskanzler von Bethmann Hollweg, den er stützen wollte. Enger waren seine Kontakte zu Abgeordneten der Fortschrittlichen Volkspartei des Reichstages, insbesondere zu Friedrich Naumann, aber auch zu Conrad Haußmann, Friedrich von Payer und einigen Sozialdemokraten. Die Erkenntnis, daß man ihn nach drei Monaten der Kontaktsuche „nun einmal nicht braucht“, versetzte ihn in einen Zustand von Resignation und Zorn. Er wollte, schrieb er, „ruhig […] werden, bis ich vielleicht doch wirklich nützlich sein kann“.35 Als sein Bruder Alfred durch den mit ihm befreundeten Staats31 Brief an Friedrich Naumann vom 7. Febr. 1916, unten, S. 285. 32 Brief an Marianne Weber vom 3. Dez. 1915, unten, S. 199. 33 Brief an Adolf von Harnack, nach dem 4. Dez. 1915, unten, S. 200 f. 34 Vgl. dazu die Briefe an die Redaktion der Frankfurter Zeitung, nach dem 19. Dez. 1915, an Heinrich Simon vom 25. Dez. 1915 und an Franz Eulenburg vom 28. Dez. 1915, unten, S. 221 f, 228 f. und 233 – 236. 35 Brief an Helene Weber vom 24. April 1916, unten, S. 395.

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sekretär Karl Helfferich von der Front im Elsaß in das Reichsschatzamt abgeordnet wurde, stand für Max Weber die Beendigung seiner Bemühungen in Berlin endgültig fest. Das Verhältnis zwischen den Brüdern war seit Jahren zerrüttet, Weber wollte mit seinem Bruder keinen Kontakt haben. Zudem konnte er als Privatmann mit ihm, der ein „Amt“ hatte, nicht konkurrieren.36 Weber beendete seine Tätigkeit in Berlin, nachdem er Anfang Juni 1916 noch eine Informationsreise nach Wien und Budapest gemacht hatte. Er zog sich nach Heidelberg zurück, doch seine Bemühungen um politischen Einfluß hatte er nicht aufgegeben. Unterstützt durch die freundschaftlichen Beziehungen zu Heinrich Simon, Miteigentümer und Vorsitzender der Redaktionskonferenz der Frankfurter Zeitung, begann Weber im Jahre 1917 eine rege publizistische Tätigkeit. Die daraus erwachsene Publikation „Wahlrecht und Demokratie in Deutschland“37 übte eine große Wirkung aus. Nachdem er seit seiner Erkrankung in der Öffentlichkeit nicht mehr geredet hatte, nahm er jetzt gern Gelegenheiten für Vorträge und zu Beiträgen auf den Lauensteiner Kulturtagungen wahr.38 So wenig erfolgreich Webers Bemühungen um eine Verwendung in politischen Ämtern gewesen waren, um so erfolgreicher war er als Publizist und Redner. Er sprach kämpferisch und vertrat kontroverse Themen mit Entschiedenheit. Der Schwerpunkt seiner Reden lag in Süddeutschland, zunehmend in München; nach Berlin kam er kaum noch.

4. Der akademische Kontext des Briefwerkes Mit dem Ausbruch des Krieges stellte Max Weber seine wissenschaftliche Arbeit ein. Abgebrochen wurden seine großen Beiträge für den Grundriß der Sozialökonomik, dessen Fertigstellung höchste Dringlichkeit hatte. Liegen blieben auch die umfangreichen Aufsätze zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“, an denen Weber seit 1913 gearbeitet hatte. Die Errichtung von Reservelazaretten in Heidelberg hielt ihn von früh bis spät in Atem; er fand kaum Zeit, den täglichen Heeresbericht zu lesen. Im Sommer 1915 war diese Arbeit zur Routine geworden und belastete ihn nicht mehr so sehr. Er wandte sich den liegengebliebenen Manuskripten zu. Doch folgte er nicht dem beständigen Drängen Paul Siebecks, seinen Beitrag für den Grundriß der Sozialökonomik fertigzustellen, sondern griff auf die Aufsätze zur „Wirt36 Vgl. die Briefe an Marianne Weber vom 14. und 17. Mai 1916, unten, S. 417 f. und 423 – 425. 37 Weber, Max, Wahlrecht und Demokratie in Deutschland, in: MWG I/15, S. 344 – 396. 38 Die entsprechenden Berichte über Reden und Diskussionsbeiträge sind ediert in: MWG I/15, S. 645 – 754, darunter auch die Vorträge während der Lauensteiner Kulturtagungen. 30. Mai und 29. [September] 1917, ebd., S. 701 – 707. Die Briefe geben dazu ergänzende Informationen.

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schaftsethik der Weltreligionen“ zurück. Am 22. Juni 1915 schrieb er an den Verleger: „Ich wäre bereit, dem ‚Archiv‘ eine Reihe von Aufsätzen über die ‚Wirtschaftsethik der Weltreligionen‘ zu geben, welche seit Kriegsanfang hier liegen und nur stilistisch durchzusehen sind – Vorarbeiten und Erläuterungen der systematischen Religions-Soziologie im ‚G.d.S.Ö.‘ Sie müssen so erscheinen wie sie sind – fast ohne Fußnoten, da ich jetzt keinen Strich daran arbeiten kann. Sie umfassen Konfuzianismus (China), Hinduismus und Buddhismus (Indien), Judentum, Islam, Christentum. […] Etwa 4 Aufsätze à 4 – 5 Bogen.“39 Siebeck und Edgar Jaffé, der Herausgeber des „Archivs“, stimmten zu, und schon Ende Juni schickte Weber die Einleitung und einen weiteren „dicken Mscr.-Teil“ an den Verlag.40 In den Heften vom Oktober und Dezember 1915 des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik erschienen die Einleitung, der Konfuzianismus und die Zwischenbetrachtung. Im Herbst 1915 wandte sich Weber den Aufsätzen zum Hinduismus und Buddhismus zu. Seinen Aufenthalt im November und Dezember 1915 in Berlin nutzte er, um in der Bibliothek den „Census of India“ von 1901 und 1911 durchzuarbeiten.41 Während die Studie zum Konfuzianismus nur stilistisch korrigiert wurde, ist diejenige zum Hinduismus und Buddhismus überarbeitet und ergänzt worden. Weber schickte den ersten Teil Ende März und den zweiten Teil Ende Juni 1916, also während seines zweiten Berlinaufenthaltes, an den Verlag. Sie erschienen im Umfang von 374 Seiten in den Heften des „Archivs“ vom April und vom Dezember 1916, der Schluß folgte im Mai-Heft 1917.42 Nach der Rückkehr nach Heidelberg arbeitete er im Herbst 1916 und im Frühjahr 1917 am Antiken Judentum, dessen erster Teil im Oktober erschien.43 „Ich fühle mich so wohl und arbeitsfähig, sobald ich mit chinesischen und indischen Sachen zu schaffen habe; sehne mich sehr danach“, schrieb er am 16. Mai 1916 an seine Frau.44 Die Studien zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ lenkten Webers Gedanken vom Kriegsgeschehen und seinen erfolglosen Bemühungen, darauf Einfluß zu nehmen, auf räumlich und zeitlich weit entfernte Probleme. Demgegenüber war ihm eine Weiterarbeit an den Manuskripten für „Wirtschaft und Gesellschaft“ innerlich nicht möglich.45 So blieb der wissenschaftliche Ertrag dieser Jahre die Fortsetzung seiner Studien zur „Wirtschaftsethik der Weltreli39 Unten, S. 69 f. 40 Vgl. dazu den Brief an Edgar Jaffé, nach dem 24. Juni 1915, unten, S. 71 f. 41 Vgl. dazu den Brief an Marianne Weber vom 22. Nov. 1915, unten, S. 185. 42 Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Max, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Hinduismus und Buddhismus 1916 – 1920, MWG I/20, S. 43. 43 Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Weber, Max, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike Judentum. Schriften und Reden 1911– 1920, MWG I/21, S. 219. 44 Brief an Marianne Weber vom 16. Mai 1916, unten, S. 420. 45 Vgl. die Briefe an Paul Siebeck vom 27. Dez. 1914, MWG II/8, S. 805, und vom 21. Febr. 1915, unten, S. 21 – 23.

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gionen“. Die Studien zum Konfuzianismus konnte er dann 1920, zusammen mit der „Protestantischen Ethik“, im ersten Band der „Gesammelten Aufsätze zur Religionssoziologie“ noch selbst zum Druck bringen. Die angekündigten Studien zum Islam und zum Christentum erschienen hingegen nicht. Die möglicherweise dafür im Jahre 1913 geschriebenen Entwürfe sind nicht überliefert. Im Mai 1917 wollte Weber die Aufsatzserie jedenfalls mit dem Antiken Judentum abschließen. Die Briefe berichten ferner von Webers Teilnahme an Berufungsfragen und Karriereplanungen, insbesondere von seiner Unterstützung des langjährig befreundeten Heinrich Rickert bei dessen Berufung nach Heidelberg. Er beriet Georg Lukács, den er sehr schätzte, bei seinen Habilitationsplänen. Gegenüber einem anderen Kollegen, mit dem er seit langem verbunden war, Robert Michels, trat eine vehemente Verstimmung über dessen öffentliche Parteinahme für den Kriegseintritt Italiens auf der Seite der deutschen Kriegsgegner ein. Doch wollte Weber daraus keine negative Beurteilung des wissenschaftlichen Ansehens von Michels abgeleitet wissen.46 Im Krieg kam es auch zum Bruch mit Ernst Troeltsch. Anlaß war die Diskriminierung des Romanisten und Kollegen Friedrich Schneegans, der wegen seiner elsässischen Herkunft und der französischen Orientierung seiner Frau der mangelnden Loyalität zu Deutschland verdächtigt wurde.47 Diese Episode ist für Webers Persönlichkeit charakteristisch: einmal im Hinblick auf seine Aversion gegen persönliche Diskriminierungen und nationalistische Stimmungsmache – auch an Werner Sombart hatte er am 30. Juli 1915 geschrieben: „Ihr nationalistischer Furor kommt mir Etwas stark verblüffend“48 –, zum anderen aber auch für sein im Konfliktfall häufig brüskierendes Verhalten. Troeltsch, mit dem Weber seit Jahren eng kooperiert hatte und der überdies bis Anfang April 1915 im selben Haus wohnte, war tief gekränkt. Eine Versöhnung zwischen beiden gelang trotz der Versuche der Ehefrauen nicht. Im Jahr 1917 war es Weber deutlich geworden, daß er nach dem Krieg nicht mehr von Kapitalrenditen werde leben können. Er rechnete mit einer großen Vermögensabgabe zur Finanzierung des Krieges, auch waren die zu erwartenden Erträge der Leinenfabrik in Oerlinghausen unsicher. So interessierte er sich wieder für eine Professur und das damit verbundene regelmäßige Einkommen. Im Mai 1917 hörte er, er sei in München für die Nachfolge von Lujo Brentano vorgeschlagen worden, eine Möglichkeit, die schon seit längerer Zeit in der Staatswirtschaftlichen Fakultät in München

46 Vgl. den Brief an Gustav von Schmoller vom 10. Jan. 1916, unten, S. 246 – 251. 47 Vgl. den Brief an das Bezirksamt Heidelberg vom 6. Sept. 1915 und an Heinrich Rickert vom 11. Jan. 1916, unten, S. 120 – 124 und 253 f. 48 Brief an Werner Sombart vom 30. Juli 1915, unten, S. 80.

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erwogen und von Lujo Brentano befürwortet worden war.49 Doch es erfolgte keine förmliche Berufung, und Weber zweifelte an deren Realisierung. Auch in Wien bestand Interesse an einer Berufung Webers, und am 28. September 1917 schlug die dortige Juristische Fakultät ihn unico loco als Nachfolger für den verstorbenen Eugen von Philippovich vor.50 Auch aus Göttingen signalisierte man ihm Interesse.51 So stand er dem Ruf nach Wien ambivalent gegenüber: Einerseits war es das einzige konkrete Angebot, andererseits wollte er sich dadurch nicht andere Möglichkeiten verbauen. Er fand eine Lösung dadurch, daß er den Ruf nach Wien erst zum 1. Oktober 1918 wahrnehmen wollte, für das Sommersemester 1918 auf der Basis eines Lehrauftrages ein Probesemester mit nur zweistündiger Vorlesungsverpflichtung zusagte und sich ein Rücktrittsrecht von der Professur bis zum Schluß dieses Semesters erbat. Einerseits wollte er seine gesundheitliche Leistungsfähigkeit testen, andererseits hatte er Bedenken im Hinblick auf das Großstadtleben. Ende Oktober 1917 fuhr er zu Berufungsverhandlungen nach Wien, deren Ergebnis er in einem Brief an den Hochschuldezernenten Johann Maurus in Wien festhielt.52 Nicht ungern wäre er aber auch in Heidelberg geblieben, wohl auch wegen der Präferenz von Marianne Weber. Dort hatte die Fakultät am 6. Oktober 1917 beschlossen, Weber einen besoldeten Lehrauftrag für Soziologie zu erteilen. Das Ministerium hatte dem zugestimmt, und Weber schrieb am 14. November 1917 an den badischen Ministerialreferenten Victor Schwoerer, daß er sich im Augenblick in Wien für gebunden halte, obgleich er über das Ergebnis der vereinbarten Probe in Wien „sehr im Zweifel“ sei.53 Sollten seine Bedingungen in Wien nicht bestätigt werden, so signalisierte er, habe er weiterhin Interesse an einem Lehrauftrag in Heidelberg. Weber hatte klar zu erkennen gegeben, daß er wieder ein Lehramt ausüben wolle, hatte aber noch keine Entscheidung getroffen. Ende 1917 war der Horizont für ihn noch offen.

5. Zur privaten Lebenssphäre Im Vergleich zu früheren Zeiten war Weber von stabiler Gesundheit und beständiger Leistungskraft, auch wenn er von Schlafmitteln abhängig blieb. Er machte nur einmal, im Juli 1917, einen längeren Erholungsurlaub bei seinen 49 Vgl. den Brief an Mina Tobler vom 27. Mai 1917, unten, S. 652 f. Schon 1906 hatte Brentano Weber eine Umhabilitation nach München angeboten. Vgl. den Brief an Lujo Brentano vom 28. Febr. 1906, MWG II/5, S. 42. 50 Vgl. dazu den Brief an Ludo Moritz Hartmann vom 24. Juli 1917, unten, S. 722 f., Anm. 2 51 Vgl. dazu den Brief an Ludo Moritz Hartmann vom 8. Sept. 1917, unten, S. 771f., Anm. 5. 52 Vgl. Brief an Johann Maurus vom 31. Okt. 1917, unten, S. 805 f. 53 Brief an Victor Schwoerer vom 14. Nov. 1917, unten, S. 810.

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Verwandten in Oerlinghausen. Marianne Weber bemerkte einmal, er sei im Krieg und durch die mit ihm verbundenen Verpflichtungen gesund geworden.54 Zunächst stand er unermüdlich im Dienst der Lazarett-Verwaltung, und später gewinnt man den Eindruck, habe er beständig im Bewußtsein vaterländischer Pflichterfüllung gelebt, die an der Front zu zeigen ihm verwehrt war.55 Der Krieg hatte sofort in die engere Familie eingegriffen. Der Mann seiner Schwester Lili, Hermann Schäfer, war schon am 26. August 1914 und sein Bruder Karl am 22. August 1915 gefallen. Die Briefe zeigen, wie intensiv sich Weber um seine Schwester und ihre Kinder kümmerte. Ostern 1916 besuchte er mit ihr das Grab ihres Mannes in Ostpreußen. Der Tod seines Bruders Karl traf ihn schwer, zumal er erst kurz davor ein engeres Verhältnis zu ihm gewonnen hatte. Große Anstrengungen unternahm Weber, um das Testament von Emil Lask, der am 26. Mai 1915 gefallen war, auf eine für alle Begünstigten akzeptable Weise umzusetzen. Er wollte Frieda Gross, an deren Schicksal er seit zwei Jahren großen Anteil genommen hatte, eine Zuwendung sichern und zugleich die zweite Begünstigte, Lina Metzner, die geschiedene Frau von Gustav Radbruch, und die Erben aus der Familie Lask gerecht behandeln. Es gelang ihm, alle Beteiligten für seinen Lösungsvorschlag zu gewinnen und nach komplizierten Verhandlungen das Testament Lasks zu verwirklichen.56 Die Briefe an Marianne Weber geben detaillierte Darstellungen von den Ereignissen im Familien- und Bekanntenkreis, aber ebenso von der politischen Lage. Sie sind besonders für das erste Halbjahr 1916, das Weber in Berlin verbrachte, sehr aufschlußreich. Wir verdanken ihnen auch wesentliche Informationen über Webers politische Einstellungen. Marianne Weber war stark in Kriegshilfseinsätzen eingebunden und nahm am Schicksal der Kriegerfrauen großen Anteil. Auch wurde die Haushaltsführung immer mühsamer. Schließlich mußte sie sich von ihrem Dienstmädchen, Berta Schandau, trennen, die ihr seit Beginn ihrer Ehe in Berlin über die Zeit in Freiburg auch in Heidelberg den Haushalt im wesentlichen abgenommen hatte. Sie war an Krebs erkrankt und kehrte zu ihrer Familie nach Ostpreußen zurück. Marianne Weber gedachte ihrer in ihren Lebenserinnerungen.57 Auch Max Weber war von dem „große[n] Abschied nach 29 Jahren“ berührt.58 54 „Also der Krieg mußte kommen, um seine Hemmungen zu überlisten.“ „Er ist genesen.“ Vgl. Weber, Marianne, Lebensbild3, S. 535 und 534. 55 Vgl. dazu auch Webers Erfahrungsbericht, den er nach Beendigung seiner Tätigkeit niedergeschrieben hat und der in MWG I/15, S. 32 – 48, ediert ist. 56 Vgl. dazu den Brief an Frieda Gross vom 2. Juni 1916, unten, S. 435 – 442. 57 Weber, Marianne, Lebenserinnerungen (wie oben, S. 1, Anm. 1), S. 57 – 63. 58 Brief an Mina Tobler vom 19. Mai 1917, unten, S. 645 f.

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Die engen Beziehungen zu Mina Tobler lockerten sich offenbar während des Krieges.59 Die früheren regelmäßigen Besuche fanden seltener statt, zumal beide häufig nicht in Heidelberg waren. In vielen Briefen berichtete Max Weber ihr aus seinem Leben und über seine Ansichten. Am 25. April 1916 dankte er ihr für ihren Brief mit einem Bericht über eine Aufführung der „Matthäus-Passion“, die er leider nicht kenne, und fügte hinzu: „es wird ja später die Zeit kommen, wo man […] wieder unbefangen genießen kann. Das könnte ich jetzt nun einmal schlechterdings nicht“.60 Und am 19. Juli 1917 schrieb er ihr aus Oerlinghausen: „Man hat doch so etwas wie ein vereistes und versteinertes Herz im Leibe. Käme endlich die Zeit, wo wie beim ‚Eisernen Heinrich‘ diese innerlichen Reifen springen könnten! Es ist ein so seltsamer Zustand der ‚Erdenfremdheit‘, von dem ich gerne einmal erlebte, daß er wirklich auch wieder einmal ganz verschwinden kann.“ 61 Diese und andere eingestreute Passagen geben einen Einblick in Webers Empfinden. Ende 1917 bricht Webers Versteinerung gegenüber Else Jaffé, zu der er seit 1910 jeden Kontakt vermieden hatte. Nachdem sie ihn nach einem seiner Vorträge in München angesprochen hatte, besuchte er sie Ende Oktober 1917 auf der Rückfahrt von Wien. Die Brücke wurde über das Gedenken an Else Jaffés Sohn Peter, Webers Patenkind, geschlagen. Am 28. November 1917 schrieb er ihr: „Das Traumkind mit dem Schweigen und dem Zugang zum Wissen in sich war seit jener Taufe irgend wie – ich wüßte nicht zu sagen wie noch warum – mit verschollenen Träumen von einem eignen Kind in Beziehung.“ 62 Peter Jaffé war am 15. Oktober 1915 achtjährig an Diphterie gestorben. An Frieda Gross hatte Weber damals, im Herbst 1915, geschrieben. „Über alles Maß schmerzvoll ist mir – obwohl er ein Kind der Sorge war – der Tod des kleinen Peter Jaffé. […] Nur bin ich außer stande, mich darüber zu äußern.“ 63 Mit der Wiederaufnahme der Beziehung zu Else Jaffé wurden Weichen für die letzten Lebensjahre Webers gestellt.

6. Zur Überlieferung und Edition Die Grundsätze, welche die Herausgeber bei der Edition des Briefwerks geleitet haben, sind in der Einleitung zu Band II/5 der Max Weber-Gesamt59 Vgl. Lepsius, M. Rainer, Mina Tobler, die Freundin Max Webers, in: Meurer, Bärbel (Hg.), Marianne Weber. Beiträge zu Werk und Person. – Tübingen: Mohr Siebeck 2004, S. 77 – 89. 60 Brief an Mina Tobler vom 25. April 1916, unten, S. 398. 61 Brief an Mina Tobler vom 19. Juli 1917, unten, S. 711. 62 Brief an Else Jaffé vom 28. Nov. 1917, unten, S. 826. 63 Brief an Frieda Gross vom 16. Nov. 1915, unten, S. 177.

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ausgabe erörtert,64 auf die hier verwiesen sei. Dort ist auch dargelegt worden, welche Konsequenzen sich aus der fragmentarischen Überlieferung des Briefwerks für die Edition ergeben, einschließlich des Verzichts auf die Mitteilung der nur im Ausnahmefall überlieferten Korrespondenda. Die Herausgeber und ihre Mitarbeiter waren bemüht, alle systematischen Wege, die zur Auffindung oder Erschließung von Briefen Max Webers führen konnten, zu verfolgen. Es darf davon ausgegangen werden, daß die erhaltenen Briefe nahezu vollständig in die Edition eingegangen sind. Briefe, die sich noch nach der Drucklegung finden sollten, werden in einem Anhang zum letzten Band dieser Edition mitgeteilt. Dennoch ist das hier vorgelegte Briefwerk der Jahre 1915 bis 1917 lückenhaft. Die Herausgeber waren bemüht, durch eine angemessene Kommentierung und editorische Vorbemerkungen die Lücken der Überlieferung nach Möglichkeit zu schließen und dem Leser den jeweiligen Kontext bzw. Hintergrund, dessen Kenntnis zum Verständnis der Briefe erforderlich ist, aufzuschlüsseln. Angesichts der Überlieferungslage blieb den Editoren nur die Möglichkeit, sich auf den Abdruck der Briefe Max Webers zu beschränken und auf die Aufnahme der an ihn gerichteten Briefe zu verzichten. Die Briefe Max Webers sind vollständig aufgenommen worden. Auch Briefkonzepte wurden berücksichtigt, gleichgültig, ob die entsprechenden Briefe gesendet wurden oder nicht. Briefe, die nicht überliefert, aber nachgewiesen sind, werden im Apparat verzeichnet. Soweit Korrespondenda vorliegen, deren Kenntnis für das Verständnis des Briefes erforderlich ist, wird der Leser in den Editorischen Vorbemerkungen auf diese hingewiesen und gegebenenfalls der Sachverhalt paraphrasiert wiedergegeben. Ansonsten sind Korrespondenda, soweit diese überliefert sind, im Anmerkungsapparat nachgewiesen. Die Briefe werden in chronologischer Abfolge präsentiert. Im Briefkopf werden zunächst der Adressat, dann die Datierung und der Ort der Niederschrift, die Art des Textzeugen und schließlich der Fundort mitgeteilt. Sofern die Datierung aus dem Poststempel erschlossen worden ist, wird dies mit der vorangestellten Sigle PSt kenntlich gemacht. Sollte die Datierung eines Briefes nicht oder nur unvollständig möglich sein, so wird dieser am Ende des fraglichen Zeitraums mitgeteilt. Sofern der Ort der Niederschrift nur aus dem vorgedruckten Briefkopf erschlossen ist, wird dies durch die vorangestellte Sigle BK kenntlich gemacht, sofern sich dies aus dem Poststempel ergibt, wird dem Ort der Niederschrift die Sigle PSt vorangestellt. Von den Herausgebern erschlossene Datierungen sind in eckige Klammern gesetzt und die Datierung in der Editorischen Vorbemerkung begründet. Dort werden gegebenenfalls auch weitere Angaben über die Eigenart und den Zustand des Textzeugen mitgeteilt. Dabei wird zwischen Briefen, Karten und 64 MWG II/5, S. 10 – 14.

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Telegrammen sowie Abschriften und Abdrucken unterschieden: Letztere sind dem Druck nur dann zugrunde gelegt worden, wenn die Originale nicht überliefert sind. Die Datumszeile reproduziert Max Webers eigenen Text; die vorgedruckten Teile des jeweiligen Briefkopfes – z. B. die Namen von Hotels – sind kursiv wiedergegeben, um sie von dem eigentlichen Text unterscheiden zu können. Die Textpräsentation behält die Orthographie, Interpunktion und Grammatik der Originale bei und emendiert nur dort, wo dies für das Textverständnis unabdingbar ist. Einschübe im Text sind kenntlich gemacht, Streichungen und Textersetzungen im Apparat annotiert. Mit Ausnahme der in der Datumszeile, in den Anrede- und Schlußformeln verwendeten Abkürzungen werden unübliche Abkürzungen im Text aufgelöst und die Ergänzungen durch eckige Klammern kenntlich gemacht; ansonsten sei auf das Abkürzungsverzeichnis verwiesen. Bei Max Weber durch Asterisken gekennzeichnete Zusätze bzw. Anmerkungen werden in arabischer Zählung unter dem Text wiedergegeben. Die Asterisken werden durch Ziffern mit runder Klammer ersetzt. Eindeutig falsche Schreibweisen werden emendiert und im Apparat annotiert. Satzzeichen werden dann, wenn sie für das Textverständnis notwendig sind, in eckigen Klammern ergänzt, bei den Abschriften, die in aller Regel auf Marianne Weber zurückgehen, werden offensichtliche Abschreibefehler stillschweigend korrigiert, z. B. de fakto > de facto; ebenso wird hier vom Nachweis handschriftlicher Korrekturen an maschinenschriftlichen Vorlagen abgesehen. Datierungsfehler werden nur dann emendiert, wenn sich die richtige Datierung zweifelsfrei nachweisen läßt. Im übrigen wird auf die Editionsregeln hingewiesen, die am Ende dieses Bandes wiedergegeben sind. Im Sachkommentar werden Sachverhalte, deren Kenntnis für das Verständnis der Briefe erforderlich ist, erläutert. Alle Personen, die in den Briefen nur mit ihrem Vornamen erwähnt werden, werden im Anmerkungsapparat unter Angabe des Nachnamens identifiziert. Von dieser Regel werden die nächsten Anverwandten Max Webers ausgenommen, und zwar seine Frau Marianne Weber, geb. Schnitger, seine Mutter Helene Weber, geb. Fallenstein, seine Geschwister Alfred Weber, Karl Weber, Arthur Weber, Clara Weber, verheiratete Mommsen, und Lili Weber, verheiratete Schäfer. Die Schwäger und Schwägerinnen Max Webers, nämlich Ernst Mommsen, Hermann Schäfer und Valborg Jahn, verheiratete Weber, werden hingegen jeweils durch Mitteilung des Nachnamens im Anmerkungsapparat identifiziert. Das Personenverzeichnis gibt ergänzende biographische Hinweise auf die in den Briefen erwähnten Personen; im Sachkommentar werden daher nur solche Erläuterungen zu Personen gegeben, die für die betreffende Briefstelle aufschlußreich sein können. Um die weitverzweigten und teil-

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weise sich kreuzenden Verwandtschaftsbeziehungen im Zusammenhang sichtbar zu machen, werden dem Personenverzeichnis Übersichten über die Nachkommen von Georg Friedrich Fallenstein, dem Großvater Max Webers, und Carl David Weber, dem Bruder des Vaters von Max Weber und Großvater von Marianne Weber, angefügt. Das Register der Briefempfänger sowie Orts- und Personenregister gewähren zusätzliche Möglichkeiten der Erschließung des Briefbestandes.

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Paul Siebeck 21. Februar [1915]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „27./II.15.“ sowie Briefinhalt. Bezug: Brief Paul Siebecks an Max Weber vom 18. Februar 1915 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mit der Bitte, auch im Kriege für das Erscheinen weiterer Beiträge zum Grundriß der Sozialökonomik (hinfort zitiert als: GdS) zu sorgen. Die ersten Beiträge zum GdS – nämlich diejenigen zu den Abteilungen I, II und VI: „Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft“, „Die natürlichen und technischen Beziehungen der Wirtschaft“ sowie „Industrie, Bergwesen, Bauwesen“ waren 1914 kurz vor Kriegsausbruch erschienen, das kontinuierliche Erscheinen der restlichen Artikel, die bis Ende 1915 veröffentlicht werden sollten, war durch den Weltkrieg unterbrochen worden. 1915 ist lediglich Abteilung V, Teil 2: „Bankwesen“, 1918 Abteilung V, Teil 1: „Handel“ erschienen.

Heidelberg 21/2 Verehrtester Freund, –

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ich muß Sie doch erneut bitten, für die Lage der Schriftsteller Augenmaß zu haben.1 Wie soll denn nur daran gedacht werden, daß ich jetzt auch nur eine Zeile meiner „Soziologie“a druckfertig stelle, korrigiere etc.2 Während

a 1 Weber hatte sich schon in seinem Brief an Siebeck vom 3. Dez. 1914 (MWG II/8, S. 801) ungehalten über dessen ihm vorgebrachte Wünsche geäußert, die Publikation der noch ausstehenden GdS-Beiträge in der Kriegszeit nicht ins Stocken geraten zu lassen bzw. für deren Fortgang zu sorgen, und hatte für sich selbst angemerkt, daß er wegen seiner amtlichen Tätigkeit als Militärisches Mitglied der Heidelberger ReserveLazarettkommission (vgl. dazu Anm. 3) sich „unmöglich jetzt mit dem Grundriß auch nur in Gedanken befassen“ könne. Vgl. dazu Webers Brief an Paul Siebeck vom 27. Dez. 1914 (MWG II/8, S. 805). 2 Gemeint ist Webers GdS-Beitrag für die Abteilung III: „Wirtschaft und Gesellschaft“, „Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte“ (MWG I/22). Dazu hatte Siebeck in seinem Brief vom 18. Febr. 1915 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) vorgeschlagen, daß Webers „Soziologie“ „so gedruckt“ werde, „wie sie jetzt im Manuskript vorliegt. Das wäre gewiß kein Unglück. Wenn das Manuskript Sie noch nicht in allem befriedigt, so haften ihm eben Spuren eines Kriegskindes an, die bei einer 2. Auflage gewiß leicht sich ausrotten lassen.“ – Einer gedruckten Übersicht zufolge – auf der hinteren Umschlagseite zu Heft 1 von Band 39 des „Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“ (hinfort zitiert als: AfSSp) von 1914 – sollte die Abteilung III die Beiträge: „Soziologie. Von M. Weber .“ sowie: „Entwicklungsgang der wirtschafts- und sozialpolitischen Systeme und Ideale. Von E. von Philippovich .“ enthalten und bis Ende 1914 erscheinen.

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des Krieges habe ich nicht eine Sekunde Zeit, weder Sonntags noch Alltags, weder Tag noch Nacht. Ist der Dienst3 hinter mir, dann: den „Tagesbericht“4 gelesen und – Schlafmittel! Und genau so geht es doch den Andren auch. Wie kann man jetzt Grünberg Vorwürfe machen, woher jetzt einen Ersatz für einen so wichtigen Abschnitt nehmen5 u.s.w. Am ehesten könnten Schumacher und Hirsch noch etwas

3 Weber war seit Kriegsbeginn als Militärisches Mitglied und Disziplinaroffizier in der Reserve-Lazarett-Kommission beim Bezirks- und Garnisonskommando Heidelberg tätig; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Karl Oldenberg vom 28. Aug. 1914 (MWG II/8, S. 782). Am 27. Januar 1915 war er zum Hauptmann der Landwehr befördert worden. 4 So der Titel der von der Obersten Heeresleitung (OHL) herausgegebenen Berichte über die militärischen Aktivitäten an den einzelnen Kriegsschauplätzen. 5 Es geht hierbei um den GdS-Beitrag über „Agrarverfassung“ von Karl Grünberg. Über das Ausbleiben von dessen Manuskript hatte Siebeck sich in seinem Brief an Weber vom 18. Febr. 1915 (wie Anm. 2) äußerst verärgert geäußert: „Um eines drastischen Ausdruckes, für den ich im voraus um Nachsicht bitte, mich zu bedienen, gestehe ich Ihnen, daß ich den Tanz mit Professor Grünberg satt habe. Er hat seine Zusagen wiederholt nicht gehalten, antwortet auf Briefe, die in den wohlerzogensten Formen sich bewegen, nicht und hält mir damit die Abteilung VII [d. h. „Land- und forstwirtschaftliche Produktion“] in geradezu mörderischer Weise auf. Es bleibt mir somit nichts anderes übrig, als Sie zu bitten, den Abschnitt ‚Agrarverfassung‘ Herrn Professor Grünberg zu entziehen und ihn anderweitig zu besetzen. Die drei Bogen, um die es sich hier handelt, wird doch wohl irgend ein anderer Nationalökonom schreiben können.“ Mit der Ablieferung des Grünbergschen Manuskriptes hatte es schon 1914 erheblichen Ärger gegeben; vgl. dazu u.a. die Briefe Webers an Paul Siebeck vom 19. Juli und vor dem 22. Juli 1914 (MWG II/8, S. 768 und 771, Anm. 2), die Karte vom 24. Juli 1914 (ebd., S. 773, Anm. 3) sowie den Brief vom 27. Juli 1914 (ebd., S. 775, Anm. 1). Das Problem der Manuskriptablieferung hat sich bis zu Webers Tod hingezogen. Der Beitrag von Karl Grünberg, Agrarverfassung. I. Begriffliches und Zuständliches, erschienen in: GdS, Abt. VII. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), S. 131 – 167, ist erst 1922 veröffentlicht worden.

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machen.6 Ersterer ist freiwillig thätig,7 letzterer kann vielleicht Urlaub erhalten. Aber wenn ich Urlaub nehme – irgend wann einmal! – dann um die Schlafmittel einmal los zu werden, sonst ist es auch nach dem Krieg nichts mehr. Aber doch wahrhaftig nicht, um GdS machen zu können! Eine Unmöglichkeit! Was nicht geht[,] geht ein für alle Mal nicht, daran ist wirklich nichts zu ändern. Es wird s. Z. Mühe genug kosten, das Gehirn wieder langsam auf diese Sachen umzustellen. Wie soll man – ich wenigstens – das jetzt machen? selbst bei Wochen langem Urlaub! Dieser Brief ist in größter Hast zwischen „Dienst“ und „Dienst“ am Sonntag geschrieben. Herzliche Grüße und Wünsche Ihr getreuer Max Weber

6 Siebeck hatte in seinem Brief vom 18. Febr. 1915 (wie Anm. 2) vorgeschlagen, Hermann Schumacher dazu zu veranlassen, seinen GdS-Beitrag „Börsenhandel und Börsenpolitik“ „in den Frühjahrsferien“ abzuschließen, um das Erscheinen von Abteilung V [d. h. „Handel“] während des Krieges zu ermöglichen – dies um so mehr, als Schumacher in seinem Brief an Siebeck vom 5. Dez. 1914 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 361) diesem versprochen hatte, daß er, sollte er „freie Zeit erhalten“, sich „der alten Friedensarbeit, die fast abgeschlossen“ sei, „wieder widmen werde“. Eine diesbezügliche Anfrage bzw. Bitte Siebecks vom 17. Febr. 1915 (ebd., Nr. 367), die Arbeit in den Semesterferien fertigzustellen, hat Schumacher jedoch abschlägig beschieden und in der Folgezeit immer wieder neue Gründe für die Nichtfertigstellung bzw. Nichtablieferung seines GdS-Beitrages angeführt. Der Beitrag Schumachers ist nicht erschienen. Über Julius Hirsch bemerkt Siebeck in seinem Brief an Weber vom 18. Febr. 1915 (wie Anm. 2), daß jener ihm „aus dem Felde“ geschrieben habe, „daß er sich drei Wochen Urlaub geben lassen wolle, um seinen Beitrag, von dem schon ziemlich viel gesetzt ist, zum Abschluß zu bringen.“ Der Beitrag von Julius Hirsch, Organisation und Formen des Handels und der staatlichen Binnenhandelspolitik, ist erschienen in: GdS, Abt. V, Teil 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1918, S. 39 – 235. 7 Hermann Schumacher, Ordinarius an der Universität Bonn, hatte sich nach Kriegsbeginn beurlauben lassen und widmete sich fortan – z. T. als Ratgeber der Schwerindustrie – den ökonomischen Problemen im besetzten Belgien, insbesondere in Antwerpen. Anfang 1917 wurde er Hilfsreferent im Preußischen Finanzministerium.

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Frieda Gross PSt 14. März 1915; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 14, Bl. 2 – 3 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen. Mit diesem Brief knüpft Weber an die Korrespondenz mit Frieda Gross aus den Jahren 1913 und 1914 an (vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 21. Nov. 1913, MWG II/8, S. 386 f.). Hans Gross, der Schwiegervater von Frieda Gross, hatte zwei Prozesse angestrengt, den ersten, um Frieda Gross das Fürsorgerecht für ihren Sohn Peter Gross zu entziehen, und den zweiten, um ihre Tochter Eva Gross durch die Feststellung der Nichtehelichkeit von Erbansprüchen auszuschließen. Max Weber beriet Frieda Gross juristisch und taktisch in den Auseinandersetzungen mit ihrem Schwiegervater. In einem Beschluß vom 4. März 1915 (Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 44) bestellte das Bezirksgericht Graz Hans Gross zum Vormund seines Enkels Peter, und erst in einem Berufungsverfahren beim Landesgericht Graz wurde Frieda Gross am 27. April 1915 (Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 50) die Vormundschaft für ihren Sohn Peter Gross zuerkannt. Damit konnte der Sohn bei seiner Mutter bleiben. Hans Gross hatte in einem zweiten Prozeß die Außerehelichkeitserklärung von Eva Verena Gross, der Tochter von Frieda Gross und Ernst Frick, durchzusetzen versucht. In seinem Testament vom 12. März 1912 und in einem zweiten Nachtrag vom 31. Dezember 1912 (Steierm. LA Graz, A IX 1989/15) hatte er bestimmt, daß der Prozeß auch nach seinem Tod fortgesetzt werden sollte. Die Ehelichkeit von Eva Gross sollte bis zur obersten Instanz angefochten werden. Am 28. Dezember 1915 entschied das Gericht in erster Instanz mit einer Klageabweisung (Steierm. LA Graz, Cg I 160/14, Bl. 48). Der Prozeß ging in die zweite Instanz zum Oberlandesgericht Graz, das am 2. März 1916 dieses Urteil aufhob und den Rechtsstreit an das Landesgericht Graz zurückverwies. Die endgültige Entscheidung fiel am 14. März 1918. Es stellte die Unehelichkeit von Eva Verena Gross fest (Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 81).

Meine liebe Frau Frieda, – Sie haben mich sicher für absolut treulos gehalten. Dem ist nicht so. Nachdem dieser Krieg nicht, wie er gesollt hätte, vor 17a – 20 Jahren1 – wo ich, als Hauptmann die Kompagnie an den Feind geführt hätte – geführt ist, sondern jetzt, so daß ich statt dessen hier im Heimatgebiet von 8 – 8 täglich, auch Sonntags, Lazarette regiere,2 – es ist das ein wid-

a Unsichere Lesung. 1 Weber bezieht sich auf die Jahre 1895 – 1898, als er, Anfang dreißig und noch nicht von der Krankheit betroffen, kriegseinsatzfähig gewesen wäre. 2 Max Weber hatte sich als Premier-Leutnant der Reserve zu Anfang des Krieges freiwillig beim Bezirks- und Garnisonskommando Heidelberg gemeldet. Als Militärisches Mitglied in der Reserve-Lazarett-Kommission eingesetzt, war er mit dem Aufbau und der Verwaltung von Lazaretten betraut worden.

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riges Schicksal, welches ich „zum Übrigen“ lege – habe ich seit nun bald 8 Monaten ununterbrochenen Dienstes auch nicht einen persönlichen Brief, es sei an wen immer, geschrieben. Dies ist der erste seiner Art[,] und nur ein Zufall giebt mir auf dem Büro die Zeit. Richtiger: was fehlt ist nicht nur die Zeit, sondern die Fähigkeit, nach dieser Art von Arbeit noch irgend etwas zu thun, außer die „Tagesberichte“3 zu lesen (kaum die Zeitung!). Sie schrieben einmal s. Z. wegen der Gräfin.4 Ich las Ihren Brief und mußte denken: „wie wenig kann sie ahnen, wie es in einem Land aussieht, dem der Feind an die Grenze gerückt ist“! Sie kennen ja meinen Standpunkt5 und daß ich es unerträglich fand, einen ungebrochen durch dies Leben gegangenen Menschen im Winkel sterben zu lassen. Das war im Frieden. Jetzt? Hunderttausend thun es, die für unsre Heimath 앚:unser Haus, unser Leben:앚 fechten, – Jeder von ihnen steht mir näher als jene Frau, jeder hat auf jeden Groschen, der übrig ist – und etwas schwierig war das damals, – einen Anspruch, den sie nicht kreuzen darf. Denn immerhin, wie sehr ich sie in manchen Hinsichten bewundre: gelebt hat sie nur für sich, gedacht nur an sich (und ihr Söhnchen). Das ging nicht: ich habe Gruhle6 gar nichts von der Sache gesagt, hätte es einfach nicht fertig gebracht. Es war mir so leid, daß ich Sie damals7 nicht – nur für einen Tag – einmal hier sehen und Sie erleben lassen konnte, was man eben in einem durch Krieg bedrohten Lande erlebt. Auch Sie hätten dann ganz ebenso gedacht. 3 Gemeint sind die von der Obersten Heeresleitung (OHL) täglich herausgegebenen Berichte über die militärischen Ereignisse an den Kriegsschauplätzen. 4 Franziska Gräfin zu Reventlow. 5 Gegen inneres Widerstreben hatte sich Max Weber bereit gefunden, für Franziska Gräfin zu Reventlow ein Gutachten (nicht nachgewiesen) zu schreiben, das die Entlassung ihres Sohnes Rolf aus der deutschen Staatsangehörigkeit und damit auch der Militärpflicht zum Gegenstand hatte. Ihr Antrag war von dem Vormund für Rolf Reventlow, Ludwig Klages, am 4. August 1914 gestellt und wegen des Kriegsausbruchs abgelehnt worden. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 1. April 1914 (MWG II/8, S. 583, Anm. 6) und den Brief an Frieda Gross vom 26. April 1914 (ebd., S. 645). Rolf Reventlow war 1915 nach München gezogen und hatte sich freiwillig unter dem Einfluß der Kriegspropaganda dort gemeldet. Nachdem seine freiwillige Meldung zunächst nicht angenommen worden war, hat er im April 1916 einen Gestellungsbefehl erhalten und an den Schlachten an der Westfront teilgenommen. Während eines Fronturlaubs ruderte er 1917 auf Betreiben der Mutter von Konstanz nach Kreuzlingen und desertierte. Vgl. Reventlow, Rolf, Kaleidoskop des Lebens. Maschinenschriftliches Manuskript im Literaturarchiv der Münchener Stadtbibliothek, S. 47 – 67. 6 Hans Gruhle war ein langjähriger Freund von Franziska Gräfin zu Reventlow. 7 Der Zeitpunkt konnte nicht ermittelt werden.

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Nun aber zu Pellech’s wichtiger Nachricht (ich dankte ihm brieflich kurz).8 Ich rieth ihm auch meinerseits, Rekurs einzulegen.9 Er ändert in der Sache schwerlich etwas,1) aber: die Begründung bezüglich Fr[ick] ist nicht erfreulich und ungerecht.10 Erhalte ich eine Ladung als Zeuge nach Graz, dann muß ich beurlaubt werden, denn das ist ein zwingender Grund. Das Wichtigste ist: erst einmal haben Sie für längere Zeit Ruhe. Denn in zweiter Instanz wird es auch sehr geraume Zeit dauern, bis die Akten vervollständigt und die neuen Zeugen vernommen sind. P[ellech] muß durchsetzen, daß wir11 darunter sind, da wir doch nun einmal sachlich Wichtiges zu sagen haben. Eventuell nehme ich doch einmal – was ich bisher nie that – 1 Tag Urlaub und schreibe noch eine neue eingehende Darlegung nieder, wenn es nötig ist – doch das hat Zeit. Jedenfalls: für diese Sache bin ich immer zur Verfügung, beantworte etwaige Fragen durch Marianne, wenn ich selbst (wie wohl meist) ab-

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denn das Gesetz giebt ihm nun einmal den Vorzug; die Bindung von O[tto] Lang12 ist schon ein sehr großes Entgegenkommen.

8 Der Rechtsanwalt Otto PeIlech vertrat die Interessen von Frieda Gross in den von ihrem Schwiegervater Hans Gross angestrengten Rechtsverfahren. Max Weber hatte ihn dafür gewonnen; vgl. den Brief an Otto Pellech vom 30. Jan. 1914 (MWG II/8, S. 490 – 496). Ein Schreiben Max Webers an Otto Pellech ist nicht nachgewiesen. Die Nachricht von Pellech betraf den Beschluß des Bezirksgerichts Graz vom 4. März 1915 (Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 44), demzufolge Hans Gross zum Vormund seines Enkels Peter Gross bestellt und der Antrag von Frieda Gross, sie zum Vormund zu benennen, abgewiesen wurde. 9 In zweiter Instanz gewann Frieda Gross beim Landesgericht Graz am 27. April 1915 das Vormundschaftsverfahren (Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 50). 10 Ernst Frick, der Lebenspartner von Frieda Gross, wurde charakterisiert als „anarchistischer Umtriebe verdächtig […] an Tuberkulose krank […] verworrener Mensch, […] ohne bestimmten Beruf, dadurch schwere Gefahr für die Erziehung des Peter“ (Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 44). 11 Max und Marianne Weber waren bereit, die Befähigung von Frieda Gross zur Erziehung ihrer Kinder zu bezeugen. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 29. März 1914 (MWG II/8, S. 577f. mit Anm. 3) und den Brief an Frieda Gross vom 26. April 1914 (ebd., S. 645). 12 Otto Lang sollte als Gutachter mitwirken. Zu seiner Beziehung zu Frieda Gross vgl. den Brief an Marianne Weber vom 9. April 1914 (MWG II/8, S. 606).

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solut nicht kann, und hoffe bestimmt auf einen guten Ausgang auch in 2ter Instanz. Wie steht wohl die Eva-Sache?13 Von Lask14 werden Sie mehr wissen als wir. Zuletzt ein kurzer Brief aus den Karpathen, noch ganz außer Gefecht und recht frisch. Ich finde es so unendlich anständig und schön – fast absurd freilich (als „Gefreiter“) – daß er dabei ist, habe übrigens nie andres erwartet, als daß er sich nicht „zu schade“ sein würde. Und dann: er ist Ihnen sehr treu als Freund[,] und die Art[,] wie er es ist, gefällt mir unendlich. Kurz: es ist da wieder ein Strahl Schönheit mehr in der Welt, die sonst manches Düstre bietet. Nun wüßte ich wirklich gern durch eine Zeile: wie es bei Ihnen steht, wo Fr[ick] ist und was seine Gesundheit und er selbst machen, ob Sie noch bei Abbondio wohnen15 oder sich darin etwas geändert hat, was die Kinder16 treiben, ob Sie „Menschen“ dort haben oder in Aussicht haben u.s.w. Umso mehr, als ich sicher gehofft hatte, der Krieg würde um diese Zeit zu Ende sein und ich zu Ihnen nach Ascona kommen können, um ihn eine Weile zu vergessen. Unerhört groß und wunderbar ist er – wie er auch ausgeht – und die Resignation derer, die „nicht dabei“ waren, wie ich, ist keine kleine Sache angesichts Dessen, was man Andre thun, werden, aus sich machen sieht, denen man es nie zugetraut hätte, daß das in ihnen steckte. Dennoch – es wäre schon gut, wenn er jetzt auf hoffentlich anständige Art zu Ende käme. Aber wer kann das wissen? – Sie bei Sich schauen ja über die

13 Gemeint ist der Prozeß um die Außerehelichkeit der Eva Gross. Vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung, oben, S. 24. 14 Emil Lask, a.o. Professor für Philosophie in Heidelberg, hatte sich mit 39 Jahren im August 1914 als Kriegsfreiwilliger gemeldet. Er hatte 1908 ein Liebesverhältnis mit Frieda Gross, das 1909 abbrach. Nach Beginn der Prozesse, in die Frieda Gross verwickelt wurde, kümmerte er sich jedoch fürsorglich um ihr Ergehen. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Emil Lask vom 25. Nov. 1913 (MWG II/8, S. 402), ferner Max Webers Darstellung im Brief an Berta Jacobsohn vom 17. Juni 1915, unten, S. 56 f. 15 Gemeint ist der Rechtsanwalt und Notar Giovanni Abbondio, der in der Casa Abbondio Zimmer vermietete. In diesem Haus wohnte Frieda Gross, ebenso Weber anläßlich seiner Aufenthalte in Ascona 1913 und 1914. 16 Peter und Eva Gross.

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italienische Grenze!17 – Genug, „politische Mitteilungen“ könnten ja die Beförderung gefährden. Seien Sie herzlich gegrüßt von Marianne und mir selbst und werfen Sie nicht gänzlich zum alten Eisen Ihren Max Weber

17 Weber war an der Kriegsstimmung in Italien und dessen möglichem Kriegseintritt interessiert. Italien hatte am 3. August 1914 seine Neutralität erklärt und seine Bündnisverpflichtung an dem Dreibund mit Deutschland und Österreich-Ungarn nicht anerkannt. In einem Geheimvertrag vom 26. April 1915 zwischen England, Frankreich, Rußland und Italien wurden Gebietsansprüche Italiens an Österreich-Ungarn und die Erweiterung seines Kolonialbesitzes garantiert. Daraufhin erklärte Italien am 23. Mai 1915 den Krieg gegenüber Österreich-Ungarn. Die Kriegserklärung an das Deutsche Reich erfolgte erst am 28. August 1916.

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Paul Siebeck 29. März 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Dieser und die folgenden Briefe an Paul Siebeck vom 5., 18. und 22. April 1915, unten, S. 33 f., 40 f. und 42, sowie der Brief an Edgar Jaffé vom 5. April 1915, unten, S. 32, stehen in Zusammenhang mit einer Kontroverse zwischen letzterem und dem Verleger. Veranlassung war eine Bitte Jaffés vom 23. Februar 1915 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 364), nach den Gründen für die mangelhafte bzw. stockende Auslieferung der AfSSp-Hefte an die Münchner Buchhandlungen zu suchen: „Aber bitte nicht bei den hiesigen Sortimentern, die ja doch am Ende nichts dafür können, wenn sie die Druckschriften nicht früher bekommen. Ich bitte also auf jeden Fall[,] nicht noch einmal mit Bezug auf meine Mitteilung an die hiesigen Sortimenter zu schreiben; das führt ja doch nur zu gegenseitigen Verstimmungen, während es uns doch lediglich darauf ankommen muß, herauszufinden, wo der Mangel liegt.“ Siebeck, der in diesen Zeilen Vorwürfe gegen seinen Verlag sah, antwortete in so scharfer Form am 26. Februar 1915 (ebd.), daß Jaffé in seinem Schreiben vom 9. März 1915 (ebd.) erklärte, auf in solcher Tonlage verfaßte Briefe nicht eingehen zu können: dies um so mehr, als er keinerlei „Zweifel an der Geschäftstüchtigkeit“ der Firma bzw. des Verlages habe ausdrücken wollen: „Wenn ich Ihnen im gleichen Tone schreiben würde, wie Sie ihn mir gegenüber bereits mehrmals anzuschlagen für gut hielten, so würde das jedenfalls zu sehr unangenehmen Konsequenzen führen.“ In dieser verfahrenen Situation hat sich Siebeck an Weber gewandt, ihm die bisherige Korrespondenz zur Einsichtnahme zugeschickt und ihn um eine Stellungnahme gebeten. Zwar führten Webers Briefe an Siebeck, die Verständnis für Jaffé zeigten, dazu, daß ersterer sich beruhigte; jedoch die Art und Weise, wie er glaubte, mit Jaffé ins reine zu kommen, verhinderte ein Einvernehmen. So schrieb er am 9. April 1915 (ebd.) an Jaffé, daß er ihre beiderseitige Korrespondenz Max Weber vorgelegt habe, „der mir denn auch zwei Mal in durchaus beruhigendem Sinne schrieb und dessen Briefe mich davon abhielten, den Vertrag zu kündigen. Meine endgültige Entscheidung darüber muß ich jedoch davon abhängig machen, ob Sie gewillt sind, mir die Versicherung zu geben, daß Sie mit Ihrem Briefe vom 23. Februar weder mich noch meine Beamten verletzen wollten.“ Jaffé hat auf diese – seiner Meinung nach – „Drohung“ nicht reagiert; erst nach einem konzilianten Brief Siebecks vom 26. April 1915 (ebd.) – vermutlich ausgelöst durch den abschließenden Brief Webers zur Kontroverse vom 22. April 1915, unten, S. 42, in welchem er noch einmal deutlich die Partei Jaffés ergriff – gab er am 29. April 1915 (ebd.) eine Erklärung ab, deren Inhalt mit der von Siebeck in seinem Brief vom 9. April 1915 geforderten übereinstimmte und mit der der Konflikt beendet war.

Heidelberg 29/3 15 Verehrtester Herr Dr Siebeck! Ich konnte wiederum nicht zur Beantwortung Ihres freundlichen Briefs1 kommen, weil der Dienst keine freie Minute läßt. 1 Brief Siebecks vom 19. März 1915 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446).

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Ich meine, daß Sie s. Z. die doch in freundlicher Form und Absicht erfolgte Mitteilung des Herrn Prof. Jaffé2 zu Unrecht als ein Mißtrauensvotum gegen Ihre Beamten aufgefaßt haben. Ausdrücklich läßt der Brief die Frage ganz offen, ob überhaupt und eventuell wo ein Versehen passiert sei, – es war ja recht wohl möglich, daß lediglich Umstände im Verkehrswesen, welche 앚:in:앚 den Zeitereignissen ihren Grund hatten und für welche Niemand persönlich verantwortlich ist, die Verspätung herbeiführten. Daß aber ein Herausgeber berechtigt ist, wenn eine solche stattgefunden hatte, den Verlag dazu einzuladen, mit ihm gemeinsam zu überlegen, wie man den möglicherweise vorhandenen und abzustellenden Defekten des 앚:buchhändlerischen:앚 Verkehrsapparats – die ja doch nicht grade bei Ihnen liegen müßten – auf die Spur kommen könne, liegt auf der Hand und ich muß gestehen, auch bei wiederholtem Lesen des Briefes nicht die geringste Spur von etwas Verletzendem darin gefunden zu haben. Ob Jaffé mit Recht befürchtete, daß eine direkte Rundfrage bei den Sortimentern nutzlose Verstimmung erzeugen würde, kann ich nicht beurteilen; vielleicht irrte er sich darin und ich meine, er hätte auf einen Hinweis, daß bei Ihnen keine Verspätung vorliege, folglich die Rundfrage unvermeidlich sei, sich dieser Sachlage weder entziehen dürfen noch – nehme ich an – entzogen. Ihr auf das erhaltene Telegramm des einen Sortimenters gestützter Brief 3 aber ist, wenn Sie ihn ruhig lesen, doch in seiner überaus schroffen Fassung nur verständlich, wenn man annimmt, daß Sie ihm einfach nicht glaubten, daß bei andren Buchhandlungen ihm die Auskunft: die Sachen seien nicht eingegangen, gegeben worden ist, und das war doch recht verletzend für ihn. Kein Mensch, Jaffé gewiß am letzten, bezweifelt, daß Ihre Organisation und Ihre Beamten auf der Höhe ihrer Aufgabe stehen. Ich meine, in diesem Fall haben Sie thatsächlich durchaus zu Unrecht sich (bzw. Ihre Beamten) verletzt gefühlt und sind dann, von dieser irrigen Voraussetzung aus, selbst doch recht verletzend geworden. So wenigstens hätte ich Ihren Brief an Jaffé empfunden, wäre er an mich gerichtet gewesen. Es wird Ihnen eine Kleinigkeit sein, durch Entgegenkommen von Jaffé die Versicherung zu erhalten, daß er weder Ihnen noch Ihren Beamten zu nahe treten wollte. 2 Brief von Edgar Jaffé an Paul Siebeck vom 23. Febr. 1915 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 364); zum Inhalt vgl. die Editorische Vorbemerkung, oben, S. 29. 3 Brief Paul Siebecks an Jaffé vom 26. Febr. 1915 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 364).

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Dieser Brief steht zur Benutzung zur Verfügung. Ich schreibe J[affé] vorerst nicht direkt.4 Mit herzlichen Grüßen an Sie und Ihre Söhne5 und den allerherzlichsten Glückwünschen zur Verlobung Ihres jüngsten Herrn Sohnes6 Ihr getreuer Max Weber

4 Der nächste Brief an Edgar Jaffé folgte am 5. April 1915, unten, S. 32. 5 Oskar und Richard Siebeck. 6 Werner Siebeck.

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Edgar Jaffé [5. April 1915]; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz Datierung erschlossen aus der Angabe „Ostermontag“ sowie dem handschriftlichen Vermerk Edgar Jaffés: „14/4/15“. Der Brief steht in Zusammenhang mit einer Kontroverse zwischen Paul Siebeck und Edgar Jaffé um Versandprobleme beim AfSSp; zu Entstehung und Verlauf der Auseinandersetzung vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 29. März 1915, oben, S. 29.

Heidelberg Ostermontag Lieber Jaffé! Siebeck schickte mir Ihren Briefwechsel.1 Ich schrieb ihm: daß sein letzter Brief m. E. ganz unmotiviert schroff gewesen sei und Sie mit Recht verletzt habe.2 Ihr vorheriger Brief 3 habe keinerlei Vorwurf, sondern den Wunsch nach Aufklärung (gemeinsam mit ihm) zum Ausdruck gebracht. Er seinerseits erklärte:4 er könne Ihren Brief nur im Sinn von „Vorwürfen“ gegen seine Beamten auffassen und habe seinerseits Sie nicht verletzen wollen. Ich blieb bei meiner Ansicht: daß er sich im Sinn Ihres Briefes irre.5 Ich hoffe: Sie verständigen Sich. Mit kollegialen Grüßen Max Weber

1 Paul Siebeck hatte die betreffende Korrespondenz zu seinem Konflikt mit Jaffé Weber am 19. März 1915 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) zugeschickt. 2 Brief an Siebeck vom 29. März 1915, oben, S. 30. 3 Brief Jaffés an Siebeck vom 23. Febr. 1915 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 364); zu den von Siebeck inkriminierten Passagen vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an diesen vom 29. März 1915, oben, S. 29. 4 Brief Siebecks an Weber vom 30. März 1915 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446). 5 In diesem Sinne äußert sich Weber in seinem Brief an Paul Siebeck vom selben Tage, unten, S. 33 f.

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Paul Siebeck [5. April 1915]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Datierung erschlossen aus Briefinhalt sowie Festtagsangabe. Der Brief steht in Zusammenhang mit einer Kontroverse zwischen Siebeck und Edgar Jaffé um Versandprobleme beim AfSSp; zu Entstehung und Verlauf der Auseinandersetzung vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 29. März 1915, oben, S. 29.

Heidelberg Ostermontag. Verehrtester Freund, –

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anbei den Briefwechsel zurück.1 Das prw``ton yeu``do~a 2 bei Ihnen ist m. E., daß Sie – und Ihre Herrn Beamten – „Vorwürfe“, und gar versteckte Vorwürfe, da gesucht haben, wo doch nur der Wunsch, eine auffällige Thatsache (daß bei irgend welchen Münchener Sortimentern das „Archiv“-Heft angeblichb noch nicht da war, – denn das muß doch Jaffé von den betreffenden gesagt worden sein!) gemeinsam mit Ihnen aufzuklären, bestand. Gewiß war es nicht geschickt von J[affé], daß er bat, die Sortimenter nicht zu fragen: er hat wohl nur gemeint: zunächst nicht zu fragen, aber unbegreiflich ist es mir nicht. Denn wenn schon Sie die Anfrage so „krumm“ nehmen, um wie viel mehr eventuell diejenigen Sortimenter, die das Heft rechtzeitig zur Auslage gebracht hatten. Ichc meine, Sie haben J[affé] wirklich mißverstanden und zu Unrecht die Ehre Ihrer – wie wir Alle wissen – ganz vortrefflichen Herren Mitarbeiter angetastet geglaubt. Ihr Brief war dann sehr schroff,3 das muß ich wiederholen. Vollends das von Ihnen vermuthete Motiv trifft gewiß nicht zu.4 So viel mir bekannt, würden gelegentlich recht gern andre Verleger das a O: yeudov~

b O: zweifach unterstrichen. c

1 Gemeint ist die Gesamtkorrespondenz Siebecks, seinen Konflikt mit Jaffé betreffend, die er Weber mit Begleitschreiben am 19. März 1915 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) zugeschickt hatte. 2 Wörtlich: pro¯´ ton pseúdos, „erste Lüge“; hier im Sinne von: Grundirrtum. 3 Brief Siebecks an Edgar Jaffé vom 26. Febr. 1915 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 364). 4 Siebeck hatte Weber gegenüber in seinem Brief vom 30. März 1915 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) vertraulich die Vermutung geäußert, daß der Münchner Verleger Arthur Sellier hinter Jaffé stehe und Ambitionen auf das „Archiv“ habe.

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„Archiv“ übernommen haben, wenn es einmal bei Ihnen nicht mehr heimischd bleiben sollte. Aber nicht nur weiß J[affé], daß ich mich dann aufs Äußerste widersetzen würde, sondern auch (das weiß ich!) er selbst denkt nicht daran, so lange nicht Sie die Lust verlieren, was ich nicht hoffe. Ich hoffe mit Sicherheit nach kurzer Zeit auf eine Verständigung. In freundschaftlicher Gesinnung Ihr Max Weber

d Alternative Lesung: harmonisch

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Werner Kümmel 8. April 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz (Kopie des Originals MWA, BAdW München) Der Brief ist ein Kondolenzschreiben zum Tod von Kümmels Frau Marie Kümmel, die am 5. April 1915 nach längerer Erkrankung verstorben war.

Heidelberg 8/4 15 Hochgeehrter Herr Kollege,1 –

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von dem schweren Leiden Ihrer Frau Gemahlin hatte ich zwar gehört, war aber doch nicht vorbereitet, die Nachricht, welche Sie uns schickten, jetzt zu erhalten. Gestatten Sie mir, Ihnen die allerherzlichste Teilnahme auszudrücken. Der Heroismus findet sich – das drückt Ihr kurzes Geleitwort aus – in der That nicht nur im Felde draußen. Wenn man in solchen Fällen zu sagen pflegt, daß der Tod dem Verstorbenen als „Erlösung“ gekommen sei, so wird dabei der stets tiefe und scharfe Schnitt nicht vergessen werden dürfen, den er trotzdem für den Überlebenden bedeutet in dessen eigenem Leben. Möchte die atemlose Arbeit dieser Zeit Sie über die ersten schweren Zeiten des Vermissens hinübertragen. In aufrichtiger Verehrung Ihr ergebenster Max Weber

1 Werner Kümmel war Professor für Ohren-, Nasen- und Kehlkopfkrankheiten in Heidelberg.

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Eleonore (Nora) Müller 11. April 1915; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 14, Bl. 7 Kondolenzbrief Max Webers an seine Cousine Eleonore Müller zum Tode ihres Mannes Wilhelm Müller am 8. April 1915.

Heidelberg, den 11.4.15. Meine liebe Nora! Aus dem letzten Brief Deines Mannes1 an mich sprach so sehr die Freude, das Große, was jetzt geschieht[,] noch mit zu erleben, wenn auch – wie er im Hinblick auf uns Beide hinzufügte, nur hinter der Front – die Freude an dem schönen und ehrenvollen Erfolge Eures Sohnes2 im Felde, die Freude daran, noch einmal ganz wirken zu dürfen, nachdem er zu Unrecht viel zu früh aus seiner Arbeit gestoßen worden war – daß man jetzt, im Rückblick auf dies reiche kraftvolle Leben denken muß: es war schön, daß er so und aus dieser Lebenslage heraus zum ewigen Schlaf abgerufen wurde[,] nicht aus der ihm so wenig kongenialen Situation des „Pensionierten“[.] Er selbst wenigstens hätte zwar sicher gern an Deiner Seite noch länger gelebt, das Kommen des Todes aber würde er sich wohl gerade so gewünscht haben. Allein schwer ist es über die neue Lücke hinweg zu kommen, die für uns alle nun im Familienkreise entsteht, wo dieser Zweite der beiden so sehr verschiedenen, so eng verbundenen und so ganz im gleichen Maße, nur in ganz merkwürdig abweichenden Ausdrucksformen, das Beste des deutschen Bürgertums darstellenden Brüder3 von uns geht: Ich lernte ihn schon vor Dir kennen, als Brunos Bruder, bei einem Besuch in Berlin4 bei uns. Damals alle Welt sofort mit sich reißend in 1 Der pensionierte Berufsoffizier Wilhelm Müller war im Alter von 65 Jahren im Range eines Generalmajors verstorben. Er hatte 1911 seinen Abschied genommen, war aber zu Beginn des 1. Weltkrieges als Landsturm-Inspektor wieder reaktiviert worden. 2 Erich Müller hatte das Eiserne Kreuz bekommen und war Offizier geworden, wie Marianne Weber in ihrem Brief an Helene Weber vom 24. Okt. 1914 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) mitteilte. 3 Wilhelm Müller war der Bruder des am 6. März 1913 verstorbenen Bruno Müller, Ehemann von Alwine (Wina) Müller, geb. Weber, der die Leinenweberei Carl Weber & Co. in Oerlinghausen geleitet hatte. 4 Der Besuch ist nicht nachgewiesen, fand aber vermutlich während Webers Jugendzeit Ende der 1870er Jahre statt.

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dem Bereich seines in seiner entzückenden Schlichtheit unwiderstehlichen und souveränen Humors, ein Offizier von echtester Art und doch so gänzlich aus dem Rahmen des Üblichen herausfallend. Es hat dann viele Jahre gedauert, bis man einander näher kennen lernte und ich schätze es mir als eine glückliche Fügung, daß das überhaupt noch geschah – so weit entfernt voneinander, wie wir zu leben hatten. Seine große feine innere Sicherheit, die unumstößliche Verläßlichkeit verbunden mit Künstlertemperament, Kraft mit größtem Zartgefühl verbunden, die Art wie er seines Leidens Herr wurde, nicht zuletzt die unverwelkte Schönheit und Poesie Eurer Liebe zueinander – das alles und jenes Viele, was sich an einer ungewöhnlichen Persönlichkeit nicht in Worte fassen läßt, gehört zu den ganz starken und befreienden Eindrücken, die man von menschlicher Lebensführung haben konnte. Ich danke ihm heut, ohne es ihm noch selbst sagen zu können, seine redliche und feste Freundschaft von Herzen. Neben der Freude am Glück und der Trefflichkeit seiner Kinder5 wird Dich[,] liebste Nora, das ungeheure Schicksal[,] welches wie eine Brandung uns alle umschließt, in seiner Größe jetzt in dieser ersten schwersten Zeit stützen helfen. In herzlichem Gedenken Dein treuer Vetter Max Weber.

5 Erich und Ina Müller.

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Helene Weber 13. April 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 247 – 248

Heidelberg 13.4.15 Liebe Mutter, – ich kann nur hier auf dem Büro1 und auf Büropapier zu einem kurzen Gruß an Dich kommen; die stete Büroarbeit den ganzen Tag in dieser Frühlingszeit macht noch müder als sonst und komme ich nach Haus, so lese ich alte bekannte Bücher, um den Kopf abzulenken und schlafen zu können, was mit den nötigen Nachhilfen ja gelingt. Vorerst halte ich es noch immer aus, nur darf ich nicht pausieren und mich ausruhen wollen, das bekommt schlecht. Daß das Schicksal und Erleben dieses – trotz Allem – großen und wunderbaren Krieges mich hier im Büro trifft und so „an mir vorüber“ geht, lege ich zu manchem Übrigen – das Leben bringt auch so immer wieder Vieles; was es werth macht gelebt zu werden. Immer wieder gehören auch die Eindrücke von unsren Leuten dazu, die man hier hat, trotzdem 앚:grade:앚 ich doch schlechthin alle unerfreulichen Seiten zu sehen bekomme. Die Probe darauf, ob wir ein großes Kulturvolk sind, haben wir abgelegt: Menschen, die inmitten einer raffinierten Kultur leben, die dann trotzdem draußen dem Grausen des Krieges gewachsen sind (was für einen Senegal-Neger keine Leistung ist!), und die dann trotzdem so zurückkommen, so grundanständig, wie die große Mehrzahl unsrer Leute, – das ist echtes Menschentum, und das darf man über allem aufdringlichen Treiben unerfreulicher Art ja nicht übersehen. Dies Erlebnis bleibt immerhin bestehen, mag der Ausgang sein[,] welcher er wolle – und damit sieht es freilich grade jetzt düster genug aus, wenn Italien nicht beruhigt wird.2 – Man macht sich von Deinem Leben nur sehr schwer eine Vorstellung, liebe Mutter, trotz Deiner lieben Briefe, weil es in Berlin stimmungsmäßig sicher Vieles giebt, was sich für Euch dort von selbst versteht und was wir hier doch nicht ohne Weiteres wissen. Vielleicht trifft

1 Gemeint ist die Dienststelle der Reserve-Lazarett-Kommission Heidelberg. 2 Die Interventionsstimmung in Italien nahm zu, und am 23. Mai 1915 erfolgte die in Deutschland befürchtete Kriegserklärung an Österreich-Ungarn.

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Dich Marianne einmal in absehbarer Zeit, der thäte ein wenig Ruhe sicher sehr gut, besser als mir. Laura ist ins Ottilienhaus,3 Lilli4 in der Arbeit im Lazarett, die andern hiesigen Menschen meist noch fort.1) – Daß Wilhelm Müller so aus der Arbeit 앚:heraus:앚 schied, war ein Glück, so bitter schwer es für Nora ist.5 Er begann zu altern und war tief unglücklich in seiner Muße, das merkte man. – Und nun nimm all die unaussagbaren herzlichen Wünsche in dieser schicksalsvollen Zeit zum neuen Lebensjahr.6 Wie mag es im nächsten bei uns im Lande aussehen? Von Herzen Dein getreuer Max 1)

Die Wohnung oben ist an Wobbermin (Tröltsch’s Nachfolger, kinderloses ruhebedürftiges Ehepaar) vermiethet. Gott sei Dank.

3 Laura Hausrath war psychisch etwas labil und sollte sich im Ottilienhaus in Stuttgart, einem Sanatorium für Nervenkranke, in dem zeitweise auch die BaumgartenCousinen Emmy und Anna lebten, erholen. 4 Lilli Hermann, geb. Hausrath. 5 Eleonore (Nora) Müller hatte am 8. April 1915 ihren Mann Wilhelm Müller verloren. Vgl. den Brief an Eleonore Müller vom 11. April 1915, oben, S. 36 f. 6 Helene Weber wurde am 15. April 1915 71 Jahre alt.

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Paul Siebeck 18. April 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Der Brief steht in Zusammenhang mit einer Kontroverse zwischen Siebeck und Edgar Jaffé um Versandprobleme beim AfSSp; zu Entstehung und Verlauf der Auseinandersetzung vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 29. März 1915, oben, S. 29.

Heidelberg 18. IV. 15 Verehrtester Freund, – Jaffé lehnt es entschieden ab, unter dem Druck einer „Drohung“1 eine Erklärung welcher Art immer abzugeben. – Und mit Recht. Ich thäte das auch nicht. Er steht auf dem Standpunkt, daß er Ihnen und Ihren Herrn Beamten überhaupt keinen Grund zur Annahme gegeben habe, era mache Ihrem Geschäftsbetrieb Vorwürfe. Genau Das, was ich Ihnen schrieb,2 ohne irgend ein Wort von Jaffé gehört zu haben. Ich halte Ihre Gereiztheit nach wie vor für unmotiviert. Dennoch würde J[affé], wie sein Brief ergiebt, gern Sie ausdrücklich darüber beruhigt haben, daß jene Deutung des Sinns seines Briefes absolut irrtümlich gewesen sei. Und Das wäre, wie ich von Anfang an annahm und jetzt weiß, sehr leicht möglich gewesen. Aber unter dem Druck einer „Drohung“,b wie sie Ihr Brief enthält, kann kein Mensch von Ehrgefühl Erklärungen abgeben. Sie thäten es auch nicht. Dieser Brief bzw. dieser Satz Ihres Briefes entstand zu keiner guten Stunde. Sonst müßte ich annehmen, daß Sie es sind, der gern aus den bisherigen Beziehungen heraus möchte, und nicht, wie Sie mir als Ihre Vermutung schrieben, Jaffé.3 a b Pression, > „Drohung“, 1 Weber bezieht sich auf Siebecks Brief an Edgar Jaffé vom 9. April 1915 (VA Mohr/ Siebeck, Tübingen, Nr. 364). Darin hatte er nach der Mitteilung, daß er wegen des Streits sich mit Weber in Verbindung gesetzt habe und daß dessen beschwichtigende Briefe ihn davon abgehalten hätten, den Verlagsvertrag zu kündigen, die ultimative Forderung gestellt, seine „endgültige Entscheidung“ von einer Ehrenerklärung Jaffés für seine Verlagsmitarbeiter abhängig zu machen. 2 Gemeint ist der Brief an Siebeck vom 29. März 1915, oben, S. 29 – 31. 3 Diese Vermutung hatte Siebeck in seinem Brief vom 30. März 1915 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) geäußert; vgl. dazu Webers Reaktion in seiner Antwort vom 5. April 1915, oben, S. 33, Anm. 4.

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Es wirkt in dieser Angelegenheit, hochverehrter Freund, irgend eine unglückliche Hand mit, die nicht die Ihrige sein kann. Denn so verfahren Sie persönlich sonst nicht. Ich habe heut zufällig eine Stunde frei und konnte daher schreiben; es thut mir leid, dazu immer nur so stoßweise zu kommen; ich hätte Ihnen gleich antworten sollen, aber es ging nicht. Jetzt sehe ich im Augenblick keinen rechten Ausweg, die Sache ist ganz gründlich verfahren. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß dennoch irgendwie eine Einigung möglich sein möchte, weiß aber z. Z. nicht, was ich vorschlagen soll. Ihre Drohung steht Allem im Wege. Herzliche Grüße Ihr Max Weber

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Paul Siebeck 22. April 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Der Brief steht in Zusammenhang mit einer Kontroverse zwischen Siebeck und Edgar Jaffé um Versandprobleme beim AfSSp; zu Entstehung und Verlauf dieser Auseinandersetzung vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 29. März 1915, oben, S. 29.

Heidelberg 22/4 15 Verehrtester Herr Dr Siebeck! Sie hatten und haben keinerlei Grund, Jaffé „Sticheleien“ oder Angriffe gegen Ihren Verlag zu unterstellen. Wenn Jemand solche Dinge schreibt, wie Sie in Ihrem letzten Brief,1 stellt er nicht „Bedingungen“, sondern: ein Ultimatum.2 Auf ein solches antwortet man nicht oder mit der Kriegserklärung. Ich bin in dieser Sache nicht auf Ihrer Seite, sondern gebe Jaffé recht. Dabei muß es bleiben, was auch dabei herauskomme. Weiter habe ich nichts mehr zu sagen. Mit besten Grüßen Ihr ergebener Max Weber

1 Gemeint ist der Brief Siebecks an Edgar Jaffé vom 9. April 1915 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 364) mit der Drohung, seine „endgültige Entscheidung“, den AfSSp-Verlagsvertrag nicht aufzukündigen, hänge von Jaffés Bereitschaft ab, gegenüber den Verlagsmitgliedern eine Art Ehrenerklärung abzugeben. 2 Nach den Vorhaltungen Webers in seinem Brief vom 18. April 1915, oben, S. 40 f., Siebeck habe überreagiert und Unrecht gehabt, hatte dieser sich in seinen Antworten vom 19. und 21. April (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) zu rechtfertigen versucht. Im letztgenannten Schreiben hatte er am Schluß bemerkt: „Nachdem Jaffé mir geschrieben hat, daß er auf meinen Brief nicht antworte, war es an sich doch schon ein zwingender Beweis meines Willens zum Entgegenkommen, daß ich ihm auf Ihren Rat hin wieder geschrieben habe. Wenn ich dabei eine Bedingung stellte, so ist es mir, trotz Ihrer Zustimmung zu Jaffés Meinung, absolut unverständlich, wie in der Bedingung eine Drohung erblickt werden konnte. Man kann doch von einem Mann in meinem Alter nicht verlangen, daß er in einem solchen Falle seine Entschlüsse bedingungslos faßt.“

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24. April 1915

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Redaktion der Frankfurter Zeitung [vor dem 24. April 1915; Heidelberg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Die Datierung ist erschlossen aus dem Antwortschreiben des Chefredakteurs der Frankfurter Zeitung, Heinrich Simon, vom 24. April 1915 (ebd.). Webers Brief befindet sich als Zusatz auf einem an ihn gerichteten Schreiben von Edwin Robert Anderson Seligman aus New York vom 19. März 1915, dem ein gedrucktes prodeutsches Gedicht von Seligmans Kollegen, William Peterfield Trent, beigegeben war. Über Trent schrieb Seligman, daß dieser „very enthusiastic pro-German“ sei, „although he never studied in Germany and has not a drop of German blood in him. I thought that you might be interested in his poem and thought you might care to have it published in one of the papers as showing the attitude of a part at least of the American university community.“ Das Gedicht vom 22. Februar 1915 mit dem Titel „Germany 1915“ hatte folgenden Wortlaut: „Fronting the world she stands erect/ In valor, strength, and self-respect./ The threats and insults of her foes/ She answers grim, with scorn and blows./ In peace, a wisely ordered state,/ In war, she shows herself as great;/ Witness, the drenching blood that stains/ Polonian, Gallic, Belgian plains./ Whilst Britain’s coasts at spectres stare/ That leap from sea, or drop from air. The world ere now such marvel saw/ Never, and halts ’twixt rage and awe./ Vain rage! This stark, consummate might/ Is girt with adamantine right –/ The right to live beneath the sun,/ The right to hold what hath been won/ By toil and science, thrift and art,/ In camp and farm, in school and mart –/ A right which still without avail/ Revenge and cant and greed assail. Before such prowess rage must sink,/ And generous minds be bold to think./ Hypocrisy hath here no place:/ Barbarian? – that imperial race!/ By heaven, yon Germany, to-day/ Holding so splendidly at bay/ Those variegated tribes of men,/ Is not a thing to hunt and pen! Enough of blind hysteric fear,/ Enough of menace, vaunt, and sneer,/ Enough of ghastly tales untrue!/ Give the heroic state her due!/ Strength to her arm, and to her brow/ All glory that the Gods allow!” Auf einen Abdruck hat die Frankfurter Zeitung bzw. Heinrich Simon laut der Antwort vom 24. April 1915 (wie oben) verzichtet.

Sehr geehrte Redaktion! Ich folge dem vorstehend geäußerten Wunsch meines ausgezeichneten Fachkollegen von der Columbia University, bei der ich vor 10 Jahren amerikanische Gastfreundschaft genoß,1 indem ich mir gestatte Ihnen

1 Am Ende seines USA-Aufenthalts hatte Max Weber im November 1904 vor der Rückreise nach Deutschland Gelegenheit gehabt, intensive Gespräche mit Kollegen von der Columbia-Universität zu führen, die durch Vermittlung Edwin R. A. Seligmans zustandegekommen waren; vgl. dazu das Dankschreiben Webers an Seligman vom 19. Nov. 1904 (Columbia-University-Libraries, New York, Spec. Ms. Coll. Seligman; MWG II/4).

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24. April 1915

das beifolgende Gedichta des Professors W[illiam] P[eterfield] Trent zuzustellen. Mit vorzüglicher Hochachtung Prof. Max Weber (Heidelberg)b

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b Klammer fehlt in O.

8. Mai 1915

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Frieda Gross 8. Mai 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 14, Bl. 5 – 6

Heidelberg 8/V 15 Liebe Frau Frieda, –

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Herzlichen Glückwunsch;1 ich denke, Sie sind nun in der That aus aller ernstlichen Schwierigkeit. Belästigungen sind und bleiben möglich, aber die stete Sorge darf jetzt doch von Ihnen weichen. Selbst wenn der Schwiegervater2 Mitvormund werden sollte (was sehr wahrscheinlich ist nach der Begründung), so kann er etwas Ernstliches nicht unternehmen. Pellech habe ich nach dem andren Prozesse gefragt3 und bin sehr gespannt wie es steht. Sie verdanken den Erfolg doch ganz wesentlich dem Zeugnis des Zürcher Gerichtspräsidenten,4 der ganz begreiflicherweise als der unbefangenste als Auskunftsperson galt. Daßa wir Andren5 als „verdächtiger“ angesehen wurden, ist ja wohl nicht ganz berechtigt, aber schließlich vom Standpunkt des Urteilenden aus berechtigt und nach Lage der Dinge nicht beleidigend. Man hört von Ihnen nichts, was ich Ihnen bei meinem eignen schlechten Betragen nicht übelnehme, aber bedaure. Lask läßt jetzt

a O: Das 1 Weber gratuliert zum Beschluß der zweiten Instanz vom 27. April 1915, nach dem nicht Hans Gross, sondern Frieda Gross zum Vormund ihres Sohnes Peter bestellt worden war (Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 50), worüber ihn Otto Pellech mit dem Brief vom 5. Mai 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) informiert hatte. 2 Hans Gross. 3 Gemeint ist der Prozeß um die Außerehelichkeitserklärung von Eva Gross. Die Klage wurde am 22. Februar 1914 eingebracht, aber erst am 18. Dezember 1915 in erster Instanz zugunsten von Frieda Gross entschieden. Ein Brief an Otto Pellech ist nicht nachgewiesen. 4 Gemeint ist Otto Lang; vgl. den Brief an Marianne Weber vom 9. April 1914, MWG II/8, S. 606. 5 Max Weber und Marianne Weber hatten sich bereit erklärt, als Zeugen über die Lebensführung von Frieda Gross und ihre Befähigung zur Erziehung des Sohnes Peter auszusagen.

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8. Mai 1915

auch nichts hören, – den lassen Sie doch aber nicht nach Nachricht schmachten, das wäre unmenschlich.6 Recht gern wüßte ich was von der Gr[äfin]7 und namentlich von Fr[ick] (daß es den Kleinen8 gut geht[,] setze ich als selbstverständlich voraus). Wie lange ich den Dienst9 (obwohl er ja leider nur Friedensdienst ist) noch aushalte, weiß ich nicht; auch seelisch ist die Öde sehr schwer erträglich. Alles Pathos der Vorgänge und all Das, wofür ich früher so brauchbar war, geht an Einem vorüber. Ich wollte wohl, es wäre in anständiger Art zu Ende. Aber das kann noch lange dauern. Jetzt sind Sie ja in der Lage, zu reisen, wohin Sie wollen, ohne daß Sie zu fürchten haben. Vielleicht sieht man sich einmal, ehe man denkt. Ich muß auf das Büro10 – seit bald 10 Monaten Tag aus Tag ein, auch Sonntag. Herzlichst Ihr Max Weber

6 Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 14. März 1915, oben, S. 27, Anm. 14. 7 Franziska Gräfin zu Reventlow. 8 Die Kinder von Frieda Gross, Peter und Eva. 9 Gemeint ist Webers Tätigkeit als Militärisches Mitglied der Reserve-Lazarett-Kommission Heidelberg. 10 Das Büro ist die Dienststelle der Reserve-Lazarett-Kommission.

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8. Mai 1915

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Marianne Weber [8. Mai 1915; Heidelberg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Schreiben befindet sich auf der Rückseite eines Briefes des Anwaltes Dr. Otto Pellech vom 5. Mai 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). Datum und Ort sind aus dem Inhalt des Briefes in Zusammenhang mit Pellechs Mitteilung über die Bestellung von Frieda Gross zum Vormund ihres Sohnes erschlossen. Der Brief muß am folgenden Samstag geschrieben sein, da im Brief vom sonntäglichen jour „morgen“ die Rede ist. Marianne Weber verbrachte Anfang Mai 1915 einige Tage mit ihrer Schwiegermutter Helene Weber zunächst in Weimar und anschließend in Berlin, wie aus dem Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 20. April 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) hervorgeht.

Lieber Schnauzel,

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siehe, so triumphiert die gute und gerechte Sache und Unschuld. Und Alles durch das Zeugnis des G[erichts]P[räsidenten] Otto Lang.1 Daß wir Andern als soupconnös und geblendet gelten und daher gar nicht in Betracht gezogen wurden, ist ja nach den Umständen ganz begreiflich und auch nicht „beleidigend“, wenn auch lästig. Na, die Frieda2 kann sich freuen. Jetzt ist die Sache3 wirklich gewonnen. Hier nichts Neues, außer Dein liebes Briefchen. Heut gehe ich mit dem T[obel]chen4 – wenn es Lust hat – einmal nach Schwetzingen. Montag soll ich zu Lisbeth B[raus] Abends. Wollen mal sehen. Morgen Strohwitwer-jour – wer wohl da kommt, wenn das Schn[auzel] nicht da ist? Ja es steht schlecht, die ganze Staatskunst der letzten 25 Jahre bricht nun zusammen5 und es ist eine sehr schlechte Genugtuung das „immer gesagt“ zu haben. Der Krieg kann nun endlos dauern.

1 Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 8. Mai 1915, oben, S. 45 mit Anm. 4. 2 Frieda Gross. 3 In zweiter Instanz hatte Frieda Gross’ Rechtsanwalt Dr. Otto Pellech bewirkt, daß Friedas Sohn Peter endgültig bei seiner Mutter bleiben konnte. Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 8. Mai 1915, oben, S. 45, Anm. 1. 4 Mina Tobler. 5 Gemeint ist der bevorstehende Kriegseintritt Italiens und der Zusammenbruch des Dreierbündnisses von 1882 zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien.

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8. Mai 1915

Ich muß aufs Büro,6 nächster Tage mehr, genieße es7 und ruh Dich aus! Dein Max Grüße die Mutter sehr herzlich.

6 Das Büro ist die Dienststelle der Heidelberger Reserve-Lazarett-Kommission. 7 Gemeint ist das Zusammensein mit Helene Weber.

9. Mai 1915

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Edgar Jaffé 9. Mai 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz Im Mittelpunkt dieses sowie der folgenden Briefe an Jaffé vom 24. und 30. September 1915, unten, S. 138 und 142, an Marianne Weber vom 20., 23. und 30. August 1915, unten, S. 95 f., 101 f. und 114, sowie an Mina Tobler vom 10., 20. und 30. August 1915, unten, S. 87, 94 und 112 f., steht eine mögliche amtliche Verwendung Webers als Nationalökonom im Generalgouvernement Belgien. Offenbar von Jaffé, der als Sachverständiger für Bankfragen bei der Zivilverwaltung für Belgien in Brüssel tätig war, ist der Gedanke ausgegangen, Weber als Referenten bzw. Hauptgutachter für eine beabsichtigte sozialpolitische Denkschrift zu gewinnen. In einer „Übersicht über die vom Generalgouverneur in Auftrag gegebenen Denkschriften“ (BA Berlin, RdI, Nr. 19523) wird als ein Vorhaben angegeben: „Untersuchung der Folgen, welche die Einführung der Sozialgesetzgebung des Reiches auf die Konkurrenzfähigkeit der belgischen Industrie auf dem Weltmarkt ausüben würde.“ Als „Gesamtreferent“ war „Prof. Max Weber in Heidelberg“ genannt, der einen Gesamtüberblick bezüglich der Gutachten zu den einzelnen Industriezweigen erstellen sollte; hier wiedergegeben nach Mommsen, Wolfgang J., Max Weber und die deutsche Politik 1890 – 1920, 3., verb. Aufl. – Tübingen: Mohr Siebeck 2004, S. 216f. (hinfort zitiert als: Mommsen, Max Weber3). Zur Sondierung ist Weber vom 19. bis 22. August 1915 in Brüssel gewesen, ohne allerdings die entscheidende Person, nämlich Karl Bittmann, deren Gutachten er „ersetzen“ oder ergänzen sollte, anzutreffen; vgl. den Brief an Marianne Weber vom 20. August 1915, unten, S. 95 f. Letztlich ist eine entsprechende Tätigkeit Webers nicht zustande gekommen, zum einen, weil das Reichsamt des Innern, das offensichtlich in den diversen Aktivitäten des Generalgouvernements eine Konkurrenz sah, die Erstellung der Denkschrift in eigene Regie nahm oder nehmen wollte – vgl. den Brief an Mina Tobler vom 30. August 1915, unten, S. 112 –, zum anderen, weil es „offenbar mancherlei Widerstände persönlicher Art“ gegeben hat, die Weber seine potentielle Mitarbeit als erledigt ansehen ließen; vgl. den Brief an Jaffé vom 30. September 1915, unten, S. 142.

Heidelberg 9. V. 15 Lieber Jaffé

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Wie Sie wissen, bin ich hier dienstlich – auf Grund freiwilliger Meldung, denn dienstpflichtig war ich nicht mehr – angestellt als Hauptmann und Militärisches Mitglied der Reserve-Lazarett-Kommission Heidelberg, mit 42 Lazaretten des Bezirks, wovon icha 9 neu einzurichten hatte und disziplinär und ökonomisch wesentlich allein verwalte. Der Dienst hier erträgt eine längere Beurlaubung nicht, ich habe bis jetzt während des ganzen Krieges 2 Sonntage ausgesetzt, weil es nicht anders ging, und bin stets von 8 – 7 oder 8 auf dem Büro oder in den Lazaretten. a

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9. Mai 1915

Wenn ich kommandiert oder mit Zustimmung der Militärbehörde geholt werde, bin ich natürlich zu Allem und Jedem, wo ich nützlich sein kann, bereit. Aber „bewerben“ thue ich mich um gar nichts – es lastet zu schwer auf mir, daß ich nicht fähig bin, anb der Front militärisch verwendet zu werden, weil ich nicht marschieren und nicht reiten kann und absolut von der Apotheke und vom Schlaf abhängig bin. Daher wünsche ich nur, mir selbst zu zeigen: daß ich mir für keine Arbeit „zu schade“ bin. Ob nicht Herkner, der die Einzelbestimmungen unsrer s[ozial-] pol[itischen] Gesetzgebung so viel besser kennt als ich,1 vorzuziehen wäre, weiß ich nicht recht. Es wäre wohl Unrecht von mir, wenn ich ihm nicht – falls Einer von uns in Betracht kommen sollte – den Vortritt 앚:bei dieser vermutlich sehr interessanten Arbeit:앚 ließe. Ich weiß ja auch absolut nicht, um was es sich – formell – eigentlich handelt[.] Denn das sagt Ihr freundlicher Brief nicht. Ich wiederhole: für eine nützliche, in den Grenzen meiner Begabung und Kenntnis liegende Arbeit stehe ich überall zu Gebot, wenn Andrec, ebenso geeignete oder geeignetere gerade nicht da sind. Mit den besten Grüßen stets Ihr ergebenster Max Weber

b O: in c 1 Heinrich Herkner war insbesondere durch sein mehrfach aufgelegtes Standardwerk über die Arbeiterfrage als sozialpolitischer Experte ausgewiesen; vgl. ders., Die Arbeiterfrage. Eine Einführung. – Berlin: J. Guttentag 1894, zuletzt erschienen in 8., umgearb. Aufl., 2 Bde. – Berlin und Leipzig: Vereinigung wissenschaftlicher Verleger Walter de Gruyter 1922.

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9. Mai 1915

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Marianne Weber [9. Mai 1915; Heidelberg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem Briefinhalt in Verbindung mit dem Brief an Marianne Weber vom 8. Mai 1915 (oben, S. 47 f.) und der Tagesangabe „Sonntag“ erschlossen.

Sonntag Liebes Schnauzele, –

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schönen Dank für Dein Briefchen. Hier ist nichts Neues passiert, außer daß Georg Müller Donnerstag spät Abends (1/211) nach TelefonAnfrage noch vorsprach und Freitag nochmal zu Abend hier war, recht vergnügt und wohl; er ist ja in Berlin in der Kriegsbeute-Gesellschaft1 oder wie diese Verwaltung „requirierten“, d. h. eigentlich geräuberten, Gutes sonst heißt. Er hat recht interessante Sachen erzählt. Gestern war ich bei T[obel]chen,2 heut kommt der „jour“; ich bin begierig: wer Alles. Morgen sieht ein Generalarzt aus Berlin Dein Lazarett3 an, das jetzt rappelvoll liegt. Sonst nichts zu berichten. – Einen Brief der Frieda4 schicke ich baldigst nach Beantwortung. Es scheint ihr nervös recht schlecht zu gehen, – nun ja, wie mag sie leben? Sie scheint im Übrigen ja wirklich beide Prozesse5 zu gewinnen, unglaublicherweise. Von Lask habe sie vom 20. IV. die letzte Nachricht.

1 Die „Kriegsgesellschaften“ waren private Unternehmen, die im Auftrag der auf Initiative von Walther Rathenau und Wichard von Moellendorff gegründeten „Kriegsrohstoffabteilungen“ im preußischen Kriegsministerium arbeiteten. 2 Mina Tobler. 3 Gemeint ist das Lazarett in der Landhausstraße in Heidelberg, in dem Marianne Weber, wie sie im Brief an Helene Weber vom 12. Febr. 1915 (Bestand Max WeberSchäfer, Deponat BSB München, Ana 446) schrieb, als „Hausmutter“ oder bescheidener „Liebesgabenverwalterin“ vormittags tätig war. 4 Frieda Gross. 5 Der erste Prozeß, gewonnen in der zweiten Instanz, sicherte den Verbleib des Sohnes Peter bei Frieda Gross. Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 8. Mai 1915, oben, S. 45, Anm. 1. Den zweiten Prozeß gegen Frieda Gross führte Hans Gross, um die Außerehelichkeit der Tochter Eva feststellen zu lassen. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 14. März 1915, oben, S. 24.

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9. Mai 1915

Nun sei verständig, liebes Mädele. Berlin ist doch sehr strapazant. Laß alle Leute6 außer Deiner geliebten „Trude“7 links liegen, speziell alle Verwandten und Bekannten und komm lieber erst Freitag 앚:oder Samstag:앚, als daß Du Dich hetzest. Sonntag bin ich ja dann „frei“ und freue mich. Der Mutter die schönsten Grüße, auch ihr möchte man wünschen, daß der Friede nicht ins Unabsehbare schwindet. Tausend Herzliches, Dein Max

6 Nach ihrem Brief an Helene Weber vom 11. April 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) wollte Marianne Weber Lili Wielandt, Clara Thorbecke, Anna Pappritz und Marie Kaiser in Berlin besuchen. Außerdem lebten Max Webers Schwestern Clara Mommsen und Lili Schäfer mit ihren Familien in Berlin. 7 Gertrud Bäumer, die Vorsitzende des Bundes Deutscher Frauenvereine, war mit Marianne Weber durch die Vereinsarbeit eng befreundet. Sie lebte in Berlin, wo sie seit 1912 auch Mitarbeiterin an Friedrich Naumanns Wochenschrift „Die Hilfe“ war.

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14. Mai 1915

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Frieda Gross PSt 14. Mai 1915; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 14, Bl. 8 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen.

Liebe Frau Frieda, –

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Pellech schreibt[,] ich soll Ihnen wegen des Vormunds rathen.1 Es ist jetzt doch ein großes Elend, daß Ihr Bruder in Gr[az]2 nicht dazu bereit ist. Glauben Sie[,] er würde auch nicht Mit-Vormund werden wollen? Das wäre doch gradezu schäbig! Ich kann sonst schwer 앚:sicher:앚 durchschauen, was für Schwierigkeiten vorliegen, obwohl ich sie ziemlich sicher vermuthe. Meinen Sie, daß ich einmal an Hanns Gr[oss] schreiben sollte? Nutzen wird es ja schwerlich etwas! Im Fall einer Verständigung mit ihm spräche thatsächlich Einiges für ihn, – ohne eine solche (und Sie kennen ja den Preis!) kommt mir persönlich vor, spricht Vieles dagegen. Finanzielle Schwierigkeiten kann er unzweifelhaft machen und ich überschaue nicht genügend, wie ernstlich diese in Betracht zu ziehen sind, obwohl ich ja recht gut weiß, daß sie eine recht ernste Angelegenheit sein müssen. Bisher, muß ich sagen, hat Pellech Sie ja vorzüglich berathen, daß ich ganz entschieden der Meinung bin, in Fällen, wo sie nicht klar sind, sollten sie ihm folgen. Sie haben es wenigstens bisher m. W. noch nie zu bedauern gehabt. Ihr freundschaftlich ergebener Max Weber

1 Im Gerichtsbeschluß vom 27. April 1915 hatte das Rekursgericht die Bestellung eines Mitvormundes „als ein Gebot der Vorsicht erachtet“ (Steierm. LA Graz, P IX 41/14, Bl. 50). In seinem Brief an Max Weber vom 5. Mai 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) hatte Otto Pellech geschrieben, daß er auf jeden Fall Hans Gross als Vormund ausgeschlossen haben wollte. Denn ein Mitvormund habe zwar keinen direkten Einfluß auf das Mündel, könne aber „durch sein Aufsichtsrecht unbequem werden.“ 2 Rechtsanwalt Arnold Schloffer.

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27. Mai 1915

Robert Michels 27. Mai [1915]; Heidelberg Brief; eigenhändig AFLE Turin, Nl. Robert Michels, Kapsel Max Weber, Fasz. 57 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Der Brief steht in Zusammenhang mit Michels’ Parteinahme für Italiens Kriegseintritt; vgl. dazu auch die folgenden Briefe an Michels vom 20. Juni, 9. September und 21. Oktober 1915, unten, S. 65 – 67, 132 – 135 und 145 f.

Heidelberg 27/V Lieber Michels, – Ihrem Wunsch wird natürlich entsprochen.1 Die Motivierung bitte ich Sie aber etwas zu verdeutlichen. Es ist nicht ganz eindeutig ersichtlich, ob Sie meinen, Rücksicht auf uns gebiete diesen Schritt – was kaum anzunehmen ist – oder ob Ihre innere und äußere Lage ihn Ihnen unentbehrlich macht. Ich bitte Sie darüber noch um freundliche Mitteilung. Mit kollegialer Empfehlung Ihr Max Weber

1 Michels, der 1913 Mitherausgeber des AfSSp geworden war, hatte am 21. Mai 1915 gegenüber den anderen Mitherausgebern den Wunsch geäußert, aus dieser Funktion auszuscheiden (Abschrift masch.; GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Werner Sombart, Nr. 17, Bl. 291): „Verehrte Freunde! Der Eintritt Italiens in den Krieg legt mir bei meinen inneren und äußeren Beziehungen zu diesem Lande die Pflicht auf, an Sie die Anfrage zu stellen, ob es nicht ratsam und angebracht ist, meinen Namen vom Titelblatt des Archiv zu streichen. Dieser Vorschlag [In Abschrift: Mit diesem Vorschlage], dessen Ausführung ganz unauffällig und ohne jede Erklärung Ihrerseits geschehen könnte, entspringt selbstverständlich in keiner Weise einer unfreundschaftlichen Gesinnung gegen Sie und tut weder meinen altfreundschaftlichen Gefühlen zu beiden [!], noch meiner Bereitwilligkeit zur weiteren ununterbrochenen Mitarbeit als Gast, sowie zu meinem evtl. Wiedereintritt nach Friedensschluß Abbruch. Mit kollegialem Gruß“. Tatsächlich wurde der Name „Michels“ auf dem Titelblatt des am 29. Mai 1915 ausgegebenen zweiten Heftes von Band 39 weggelassen und dessen Ausscheiden in einer kurzen Notiz auf der Rückseite des Einbandes von Band 39 erwähnt: „Herr Professor Michels ist vom 2. Hefte des 39. Bandes ab von der Mitherausgabe des ‚Archivs für Sozialwissenschaft‘ zurückgetreten. Er zeichnet jedoch noch als Mitherausgeber des 40. Bandes, weil dieser vor Band 39 Heft 2 erschien.“ Das letzte Heft („Kriegsheft“) von Band 40 war am 31. März 1915 ausgegeben worden.

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11. Juni 1915

Frieda Gross 11. Juni 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 14, Bl. 10

Heidelberg 11.VI.15 Liebe Frau Frieda, –

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Lask ist nach Mitteilung der Compagnie an seine Schwester1 am 26ten Mai „auf dem Felde der Ehre gefallen“. Sein letzter Brief hierher war vom 22ten, an die Familie vom 24ten. Stets mit der gleichen Illusionslosigkeit. Sie verlieren viel. Denn er hatte Siea sehr, und in einer schönen Art, lieb.2 Und daß sich zwischen Ihnen Alles wieder so gemachtb hatte, freute mich – namentlich auch für ihn. Er war selten mit sich einverstanden und inc Manchem grade in diesen letzten Jahren konnte er es auch ehrlicher Weise nicht sein. Sie haben ihm dazu helfen können,d in andern Hinsichten ebesser zu sich stehene zu dürfen. – Lassen Sie mich heut, in der großen Hast, Ihren Brief noch nicht beantworten, der mich sehr herzlich erfreut hat. Ich komme dieser Tage dazu und wir sprechen dann auch nochmals von Lask. Wegen seines Vermächtnisses an Sie wird sich ja die Familie (die Schwester) an Sie wenden. Ich schreibe dieser noch;3 vielleicht besucht sie Sie, um Alles mit Ihnen zu reden. In herzlicher Freundschaft Ihr Max Weber

a O: sie b O: gemacht, c mit > in d e sein > besser zu sich stehen 1 Berta Jacobsohn, geb. Lask. 2 Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 14. März 1915, oben, S. 27, Anm. 14. 3 Vgl. den Brief an Berta Jacobsohn vom 17. Juni 1915, unten, S. 56 – 58.

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17. Juni 1915

Berta Jacobsohn 17. Juni 1915; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 14, Bl. 11 – 12 Kondolenzschreiben an die Schwester von Emil Lask, der am 26. Mai 1915 bei TurzaMata in Galizien gefallen war. Max und Marianne Weber waren mit ihr gut bekannt. In ihrem autobiographischen Roman (Lask, Berta, Stille und Sturm, 1. Bd. – Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag 1955) schildert sie mehrfach Begegnungen mit Max und Marianne Weber, denen sie die Decknamen Max und Helene Normann gab (insbesondere S. 242 – 249, 482 f., 487, 506 f., 589).

Heidelberg den 17.6.15. Liebe Frau Jacobsohn, – meine Frau gab mir Ihren freundlichen Brief. – Ihr Bruder zog sich sehr in sich zurück und teilte nur in seltenen Augenblicken rückhaltlos mit anderen. Dann freilich mit umso größerer, man möchte sagen, gegen sich selbst unerbittlicherer Ehrlichkeit und Konsequenz. Wir waren hier nicht die Einzigen, zu denen er dauernd und ununterbrochen ein offnes, schönes und durch nichts jemals getrübtes Verhältnis hatte, und er war daher niemals hier so einsam und so sehr auf sich selbst und uns angewiesen wie Sie annehmen. Sehr viel verliert an ihm unsre gemeinsame Freundin Fräulein Mina Tobler (Pianistin, Züricherin, Tochter des verstorbenen Germanisten,1 Nichte des verstorbenen Berliner Romanisten)[;]2 der er eine überaus feine, zarte, in jeder Hinsicht selten wertvolle Freundschaft, die ebenso erwidert wurde, gewidmet hat. Es gab Zeiten, wo er fast jeden Tag, sei es zum Essen, sei es gegen Abend oder zum Spazierengehn mit ihr zusammen war und selten verging eine Woche, in der er sie nicht sah. Von neuerlichen Freunden stand ihm in letzter Zeit hier der ganz ungewöhnlich begabte junge Ungar Dr. v. Lukács (Religions- und Kunstphilosoph) besonders nahe. Eine Beziehung, in welche er allen Reichtum hineingetragen hat, über den seine zurückhaltende, aber grenzenloser Hingabe fähige Seele verfügte, war die zu Frau Frieda Gross in Ascona bei Locarno, von der er Ihnen sicher erzählt hat. Sie ist uns nahe bekannt und befreundet, ich war die beiden letzten Frühjahrsferien, meine Frau einen Teil der letzten bei ihr in Ascona. Ich habe ver1 Johann Ludwig Tobler leitete von 1873 bis 1892 in Zürich eine Privatschule. 2 Adolf Tobler war o. Professor an der Universität Berlin gewesen.

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sucht, die Wirrsale ihrer elenden Ehe (mit einem schwer geisteskranken Mann) und ihres Kampfs um ihre Kinder zu lösen – und Ihr Bruder hat in schrankenloser Generosität die materiellen Mittel dafür, diese Prozesse3 zu führen, hergegeben. Der reiche Erfolg – die Sache ist noch nicht zu Ende, aber ich sehe sie auf gutem Weg – gehörte sicherlich zu seinen letzten Freuden. Denn er hat dieser Frau eine zuerst stürmische, dann – nach kurzem Auseinanderkommen – tiefe und starke, ruhige Liebe von seltener Schönheit gewidmet, die zu den Schicksalen seines Lebens gehörte. Er[,] der selten mit sich selbst einverstanden war, hat gerade in dieser Beziehung und gerade in der letzten Zeit sich völlig mit sich Eins gewußt – wie seltsam und fremdartig in ihrer Lebensführung auch immer uns und Ihnen Frau Frieda Gross in vielem erscheinen möchte, wenn Sie sie kannten. – Zu dem Scheiden eines so besonderen und ungewöhnlichen Menschen und zumal im „Massentod“ auf galizischer Heide, gegen Barbaren, – ja es ist nicht leicht, dazu gleich die richtige Stellungnahme zu finden. Man ist über das Geschehene zunächst schlechthin erbittert. Eins freilich darf gesagt werden: ganz sinnlos ist es nicht, wenn ein Mensch das, was er seine Schüler gelehrt hat, durch die Art seines Todes bewährt. In seinem Hinausziehen ins Feld sah er innerlich, illusionslos wie er war, nichts als seine „verdammte“ Pflicht und Schuldigkeit. Darüber Phrasen zu machen wäre ihm gänzlich fremd gewesen. Aber eben dies und es gerade so zu thun entsprach jenen Anschauungen, die er vom Katheder vertrat, wohl wissend, wie oft wir Menschen alle ihnen nicht gewachsen zu sein vermögen. So gern er gelebt hätte – denn das wissen wir – so innerlich einverstanden mit sich selbst wäre er jetzt, könnte er auf sein Ende zurückblicken. Das ist nicht wenig. Er würde, hätte er anders gehandelt, trotz allem, was Sie so richtig anführen, stets an sich gezweifelt und sich niemals zugegeben haben, daß für einen von Natur so mutigen, aber nun einmal unkriegerischen Menschen es richtiger gewesen wäre, seinem Beruf zu leben. Das ist natürlich auch unsere Ansicht; aber wir wissen, daß es später nicht möglich gewesen wäre, ihm den Stachel zu nehmen: „du hättest tun sollen wie die Anderen“. Das hat er in seiner tiefen Ehrlichkeit gegen sich selbst recht gut gewußt, und deshalb ging er nach kurzem Schwanken. –

3 Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 14. März 1915, oben, S. 24.

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Ich bin in Eile. Der Dienst4 ruft, und es ist nicht möglich, in der Kürze über einen solchen Freund zu reden. Ein andermal. Und später hoffentlich mündlich. Unsere tiefe Teilnahme Ihnen, Ihrer verehrten Mutter5 und Schwester6 und Ihrem uns noch unbekannten Bruder.7 Die Briefe8 bitten wir für Sie abzuschreiben und auch die Originale zu behalten[,] solange Sie wünschen. Haben Sie wohl ein Bild von ihm? vielleicht auch zum Herleihen geeignete Feldbriefe? In Verehrung Ihr Max Weber

4 Weber war Militärisches Mitglied der Reserve-Lazarett-Kommission Heidelberg. 5 Cerline Lask. 6 Helene Lask. 7 Hans Lask. 8 Vermutlich legte Weber drei Briefe von Emil Lask an Marianne Weber vom 16. Febr., 18. März und 10. Mai 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, BSB München, Ana 446), die dieser von der Front in den Karpaten geschrieben hatte, seinem Brief bei.

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Elisabeth Ott 17. Juni 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Kondolenzschreiben zum Tod von Ludwig Tobler, dem Bruder von Elisabeth Ott und Mina Tobler, der im Alter von 38 Jahren am 2. Juni 1915 an einer Blutvergiftung gestorben war.

Heidelberg 17.VI.15 Verehrte Frau Ott, –

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Sie werden es nicht als Mangel an Teilnahme angesehen haben, daß wir uns bisher scheuten, über den Tod Ihres Bruders ein Wort zu Ihnen zu sagen. Es wäre ja nicht ehrlich und vergeblich, einen solchen Verlust als etwas Anderes hinstellen zu wollen als er eben ist und anmaßend zu glauben, ein Außenstehender könne da etwas Tröstliches sagen. Wir sahen ihn natürlich mit den Augen unsrer treuen Freundin, Ihrer Schwester.1 Sie verlor in diesen Wochen außer dem Bruder noch einen ihr sehr treu ergebenen langjährigen Freund,2 – wenig älter an Jahren als Ihr Bruder, vielversprechend, in Manchem noch tragisch unfertig, so daß man ihm ein weiteres Leben dringend wünschen mußte, – der sie mit zarter Fürsorge täglich umgeben hat und den sie künftig im Alltag schwer vermissen wird, während sie den Bruder nur in Zwischenräumen sah und von ihm hörte. Aber doch trat dieser Verlust fast bis zum Verschwinden zurück hinter diesem einen großen Abschied. Und mit Recht. Denn es ist ein Abschied von der gemeinsam verlebten Kindheit und von einem Mann, der – so viel wir wissen – ihr in den entscheidenden Zügen so ähnlich war, in seinem Reichtum und dem Stolz seiner Schlichtheit und in der plastischen Sicherheit seines lebensbeherrschenden und lebenzugewendeten Wesens, seiner vornehmen Reserve und der beglükkenden Freudigkeit und Klarheit der Lebensführung. Es liegt eine tiefe Schönheit in dem Fortgehen eines Menschen in der Blüthe seiner Jahre, ungebrochen durch Alter und Krankheit, aus dem vollen Glück der Liebe und der Befriedigung im Beruf.3

1 Mina Tobler. 2 Emil Lask war am 26. Mai 1915 gefallen. 3 Ludwig Tobler war Leiter der Universitätskinderklinik in Breslau gewesen.

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Aber freilich macht den Zurückbleibenden ein solcher schöner Tod den Abschied doppelt schwer und es ist nicht leicht darüber hinwegzukommen, daß er seinem Sohn4 nicht helfen konnte zu seinen Jahren zu kommen und seine Frau5 allein, in schwerer Zeit, zurücklassen mußte. Eine Art Hoffnung ist es, daß vielleicht Ihre Schwägerin sich entschließt wieder hierher zu kommen und Ihre Schwester ihr helfen darf in den Kindern6 den Geist des Vaters lebendig zu erhalten. Wir denken mit tiefer Anteilnahme Ihrer verehrten Frau Mutter.7 Gewiß wäre es ihr leichter gewesen das Schicksal so vieler Mütter in der Gegenwart zu leiden und den Sohn im Kriege hergeben zu müssen. Aber auch der Tod infolge der Erfüllung der Berufspflicht ist ein Sterben auf dem Felde der Ehre. Wir bitten Sie, herzlich Anteil nehmen zu dürfen an diesem Schicksal, das sie Alle betroffen hat. Wir gedenken es Ihrem Bruder auch, daß er unserm Lande – dem einzigen, welches in diesem Krieg um seine ganze Existenz kämpft – innerlich verbunden war und blieb. In aufrichtiger Verehrung Ihr ergebenster Max Weber

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Achim Tobler. Bertha Tobler. Achim und Sibylle Tobler. Henriette Tobler.

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Frieda Gross [nach dem 17. Juni 1915]; o.O. Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 14, Bl. 20 Datum erschlossen aus dem im Brief erwähnten Kondolenzbrief an Berta Jacobsohn vom 17. Juni 1915, oben, S. 56 – 58.

Liebe Frau Frieda, –

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ich schicke Ihnen hier einen Brief der Schwester von Lask. Ich hatte ihr, da sie dafür danken zu müssen glaubte, daß wir immer an ihm festgehalten hätten und er „nicht gänzlich“ einsam gewesen sei, Einiges (sehr Weniges) von seinen Freundinnen und Freunden geschrieben.1 Wie Sie sehen, wußte sie von Ihnen. – Ich schreibe Ihnen ein ander Mal ausführlicher. Heut habe ich zu viel Dienst2 und grüße sie daher nur sehr herzlich, in aller (soll man sagen: „alter“?) Freundschaft Ihr Max Weber

1 Gemeint ist der Brief an Berta Jacobsohn vom 17. Juni 1915, oben, S. 56 – 58. 2 Gemeint ist die Tätigkeit Webers als Militärisches Mitglied der Reserve-LazarettKommission.

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Bertha Tobler [vor dem 20. Juni 1915; Heidelberg] Abschrift; maschinenschriftlich Privatbesitz (Henning Tobler) Das Datum erschließt sich aus einem Brief von Mina Tobler an ihre Mutter (Henriette Tobler) vom 21. Juni 1915 (Privatbesitz), in dem sie mitteilt, daß Max Weber ihrer Schwägerin einen längeren Brief geschrieben habe. Der Ort ist erschlossen aus den vorangehenden und den folgenden Briefen. Kondolenzbrief Max Webers an die Witwe von Ludwig Tobler, der am 2. Juni 1915 im Alter von 38 Jahren an den Folgen einer Blutvergiftung gestorben war.

Hochverehrte Frau Professor, Der Verlust Ihres Mannes kam so betäubend unerwartet, daß wenigstens wir dem Geschehen zunächst hilflos gegenüberstanden und von Ihrer Schwägerin,1 statt ihr in diesen schweren Stunden wohltun zu können, Erklärung und Leitung erwarteten. So vermochte ich es auch zunächst nicht, Ihnen zu schreiben. Was Ihr teurer Toter Freunden und Schülern bedeutete, haben Ihnen inzwischen die privaten und öffentlichen Kundgebungen2 gesagt. Sie werden es aber auch ohne diese gewußt haben. Wir, meine Frau und ich, dürfen uns ja nur einer kurzen persönlichen Berührung – er war wohl zwei Mal mit Ihnen gemeinsam in unserem Haus3 – rühmen und nur ein Zufall führte mich mit ihm noch im Spätherbst v. J. bei Prof. Braus zusammen. Er stand damals in jeder Beziehung auf der „Höhe“ des Lebens. Das zeigte jede Äußerung. Nun hat er vorzeitig schon scheiden müssen und man muß wohl wünschen: ohne zu wissen, daß es diesen Abschied galt. Nicht für sich, aber für Sie, seine Kinder4 und seine Aufgabe hätte er, das ist gewiß, unendlich gerne weiter gelebt und das Scheiden wäre ihm schwer und vielleicht fast unerträglich gewesen. Es ist jetzt für den Außenstehenden nicht ganz leicht, zu diesem Abschied das rechte Verhältnis zu gewinnen. Als junger Mensch habe ich mir nichts so sehnlich gewünscht als den Tod mitten in voller Manneskraft, ohne daß Schwäche oder

1 Mina Tobler. 2 Vgl. u.a. den Nachruf in der Heidelberger Zeitung Nr. 133 vom 11. Juni 1915, S. 4. 3 Die Treffen mit dem Ehepaar Tobler in Begleitung von Mina Tobler fanden am 23. April und 21. Mai 1911 anläßlich der „jours“ im Hause Weber statt, wie Mina Tobler an denselben Tagen ihrer Mutter Henriette Tobler (Privatbesitz) berichtete. 4 Achim und Sibylle Tobler.

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Krankheit mir vorher das Bild des Lebens gestört hätten. Als ich aber, noch einige Jahre jünger als Ihr Mann, für immer Abschied zu nehmen hatte von der Welt der Gesunden5 – sie ist von der „unsrigen“ getrennt durch eine nur uns sichtbare, aber immer vorhandene Kluft, über welche wohl eine Freundeshand reicht, die aber kein Fuß zu überschreiten vermag – hatte sich manches geändert. Ich weiß nicht, ob in meinem damaligen Zustand allein der Gedanke an die mir Nahestehenden stark genug gewesen wäre, mich von freiwilligem Scheiden abzuhalten. Entscheidend war, wie ich glaube, noch so wenig innerlich einheitlich und fertig zu sein, so sehr ein Suchender, mit sich selbst nicht Einverstandner, nicht zu seiner Vollendung Gelangter, daß das Leben mir darin noch etwas schuldig sei, auf das ich nicht verzichten vermöchte. Darin war Ihr Mann, meinem Eindruck nach, in gänzlich anderer Lage. Das Leben hatte ihm gewiß noch Unendliches an Glück, an Pflichten, Leiden und Freuden zu bieten. Aber er war, so viel ein Mensch das sein kann, in seiner Persönlichkeit zu seiner Vollendung gekommen. Wie kein Mensch jemals „auslernt“ und aufhört sich zu entwickeln, so wäre das auch bei ihm gewesen. Aber die wesentlichen Züge seines Wesens standen endgültig und in seltener Plastik und Vollkommenheit fest. Man kann bei ihm Das nicht fragen, was wir so oft angesichts von Verlusten an Freunden und Verwandten fragen müssen: „Was hätte aus diesem Menschen das Leben noch machen, wie hätte es ihn prägen, welche Zerrissenheit in ihm schlichten, welche erträumte Größe in ihm zur Reife bringen können, wäre es ihm vergönnt gewesen, länger zu leben?“ Bei Ihrem Mann fragt man nicht, „was konnte das Leben noch an ihm tun“[,] sondern ganz und gar nur: „Was hätte er dem Leben aus der Fülle seiner starken Natur noch zu geben gehabt?“ Der Verlust für Sie und für alle, die zurückbleiben, wird dadurch nur größer und unersetzlicher. Aber es fehlt ihm, meine ich, jene Bitterkeit, die das vorzeitige Sterben eines unfertigen, seiner Vollendung dadurch beraubten Menschen uns hinterläßt. Sie werden, wie die Anderen, an das prachtvolle Bild dieses Mannes denken können[,] eingetaucht in eine Flut von ganz unproblematischer Schönheit, ohne jede

5 Weber bezieht sich auf seine Erkrankung, die ihn im Alter von 36 Jahren veranlaßte, seine akademische Lehrtätigkeit aufzugeben.

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Notwendigkeit des Grübelns über sein Schicksal, so unbegreiflich es ist, daß ein Mensch in voller, jugendlicher Manneskraft die Sonne und den Reichtum des Lebens nicht mehr sieht. Es wird Ihnen vielleicht so leichter sein das süße Vermächtnis zu pflegen, das er Ihnen in seinen und Ihren Kindern hinterlassen hat. Welch ein Glück für den Sohn,6 daß der Vater ihn noch über die Schwelle des bewußten Daseins (?) gehoben hat, ehe er ihn verlassen mußte! Meine Frau und ich bitten Sie herzlich zu glauben, daß auch wir zu denen gehören, welche diese ungeheure Lücke in Ihrem Leben und dem Leben so vieler Anderer etwas angeht. Wie sich Ihr Schicksal weiter wendet, ob es Sie vielleicht wieder in unsere Nähe7 führt, kann heut wohl noch niemand fragen. Wir bitten Sie nur, auch unseren Händedruck anzunehmen. Ihr Prof. Max Weber.

6 Achim Tobler war, als sein Vater starb, 10 Jahre alt. 7 Ludwig Tobler war zum Wintersemester 1911/12 von Heidelberg einem Ruf auf eine Professur für Pädiatrie nach Breslau gefolgt. Tatsächlich zog Bertha Tobler 1916 mit ihren Kindern wieder nach Heidelberg und lebte dort mit Mina Tobler in enger Lebensgemeinschaft.

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Robert Michels 20. Juni 1915; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich ohne Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 14, Bl. 13 – 14 Der Brief steht in Zusammenhang mit Michels’ Parteinahme für Italiens Kriegseintritt; vgl. dazu die Briefe an Michels vom 27. Mai 1915, oben, S. 54, sowie vom 9. September und 21. Oktober 1915, unten, S. 132 – 135 und 145 f.

Heidelberg, 20. 6. 15. Lieber Michels!

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Ihre Darlegungen1 enthalten gewiß nichts Unrichtiges, schwerlich aber die ganze Wahrheit, sonst wäre Ihr Brief nicht gerade jetzt, nach dem Abfall Italiens,2 geschrieben worden und enthielte nicht die Bezugnahme auf Ihre „äußere und innere Lage“. Auch anderer Leute „Ideale“ sind zur Zeit arg gefährdet, ohne daß sie diese Konsequenzen zögen. Sie fühlen sich als Italiener, d. h.: Sie haben ein doppeltes Vaterland. Das ist Ihr Schicksal. Sie können nichts dafür und würden es garnicht anders wollen. Diese Lage gibt Ihnen gewisse Rechte. Sie dürfen in manchem anders empfinden, als es uns anderen im Augenblick, wo unser Land – von den Großmächten nur das unsrige – um seine ganze Existenz ficht, gestattet ist. Aber allerdings legt es Ihnen auch gewisse Pflichten auf gegen Ihr Geburtsland, in welchem Sie noch vor sehr kurzem gern eine akademische Stellung versehen hätten. Vor allem: die Pflicht unter Umständen schweigen zu können. Kein Deutscher wird Ihnen das Recht einräumen können, über die Gestaltung des Friedens mitzureden, vollends nicht in einer Art, die des Beifalls unserer Feinde sicher ist. Gegen die Annexiona belgischer Gebietsteile wirke ich seit Kriegsbeginn, in jeder nur denkbaren Art aus

a In Abschrift: Annection 1 Michels dürfte in seinem nicht überlieferten Schreiben Weber die genaueren Beweggründe für seinen Rücktritt von der Mitherausgeberschaft des AfSSp erläutert haben, um die Weber in seinem Brief vom 27. Mai 1915, oben, S. 54, gebeten hatte. 2 Italien hatte nach der am 4. Mai 1915 erfolgten Aufkündigung des im Jahre 1882 mit dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn geschlossenen Dreibundvertrags der Donaumonarchie am 23. Mai 1915 den Krieg erklärt.

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weltpolitischen Gründen.3 Aber nicht die Sache eines Schweizer Professors ist es, da mit zu sprechen. Solchen „Kitsch“ aus der politischen Kinderstube wie ein Plebiscit in Elsaß-Lothringen behielten Sie meines Erachtens besser für sich. Ein unbeeinflußtes Plebiscit in Rom würde die päpstlicheb Herrschaft, ein unbeeinflußtes Plebiscit in Sizilien die Verjagung der Piemontesen ergeben. Jedenfalls mache ich mich anheischig[,] mit den nötigen Mitteln ein solches zu inszenieren. Wie dem sei – jedenfalls sind nicht Sie derjenige, der den Beruf hätte uns über die Friedensbedingungen zu belehren, das bin ich verpflichtet Ihnen ganz offen zu sagen. Wenn Sombart nie schweigen kann und immer „dernier cri“ sein muß,4 so ist damit nicht gesagt, daß jeder das gleiche tun müsse. Dilettieren im Journalismusc wird unser schweres ernstes Schicksal nicht lösen. Vorläufig ist und bleibt unsere wichtigste Aufgabe: daß nicht Senegalneger und Ghurkas, Russen und Sibiriaken unser Land betreten und unser Schicksal entscheiden. Internationale wissenschaftliche Beziehungen werden für mich durch den Krieg nicht berührt. Mit Burschen wie Ramsey,5 b In Abschrift: päbstliche

c Sozialismus > Journalismus

3 Diesbezügliche Äußerungen Webers aus der frühen Kriegszeit sind nicht überliefert. 4 Werner Sombart hatte sich zum Chauvinisten entwickelt; vgl. dazu den Brief Webers an Werner Sombart vom 30. Juli 1915, unten, S. 79 – 81. 5 Gemeint ist der englische Chemiker Sir William Ramsay, der gefordert hatte, daß „deutsche und österreichische Gelehrte künftighin von jeder internationalen Zusammenarbeit und Kulturgemeinschaft ausgeschlossen werden“ sollten; hier zitiert nach der Notiz: Academische Kundgebungen zum Krieg. – Deutsche und internationale Wissenschaft, in: Hochschul-Nachrichten, Heft 294/96, Jg. 25, Kriegsjahr 1914/15, S. 104. Vgl. dazu auch die Bemerkungen im Nekrolog: Zum Tode Sir William Ramsays, in: FZ, Nr. 204 vom 25. Juli 1916, Ab.Bl., S. 1, daß der „ehemalige Tübinger Student und spätere Ritter des Ordens pour le mérite“ im Krieg sich „als ein erbitterter Feind Deutschlands hervorgetan“ habe. Er habe „maßlose Angriffe gegen die deutsche chemische Wissenschaft und Industrie“ gerichtet und auf eine Umfrage des „Svenska Dagbladet“ hin erklärt, daß in Zukunft deutsche oder österreichische Wissenschaftler zu keinem internationalen Kongreß mehr eingeladen werden dürften: „Geschähe es dennoch, so werde kein englischer Vertreter der Wissenschaft an einem solchen Kongreß teilnehmen.“ – Die schwedische Zeitung „Svenska Dagbladet“ hatte im Frühjahr 1915 (vgl. dazu die Notiz: Die internationale Wissenschaft nach dem Kriege, in: FZ, Nr. 117 vom 28. April 1915, Ab.Bl., S. 2) eine Umfrage bei diversen Wissenschaftlern, Schriftstellern und Künstlern sowohl der kriegführenden wie auch der neutralen Länder gemacht, inwiefern sich die internationale wissenschaftliche und kulturelle Arbeit durch den Krieg geändert habe und ob bzw. wie – nach einem zukünftigen Friedensschluß – die kulturelle Zusammenarbeit wieder möglich sein solle. Einer der britischen Ansprechpartner war Sir William Ramsay gewesen. Dessen ablehnende Antwort ist abgedruckt im ersten Teil der deutschen Wiedergabe der Umfrageaktion des „Svenska Dagbladet“ unter dem Titel: Wird die gemeinsame geistige Arbeit nach dem Krieg

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Elliot6 und anderen[,] die mein Volk beschimpfen, teile ich natürlich das Zimmer nicht wieder. Den Italienern verzeihe ich ihre barbarischen Geschmacklosigkeiten auf künstlerischem Gebiet, vor allem das protzige Schandmal auf dem Kapitol,7 gegen welches unsere Siegesallee8 ein Kinderspiel ist – schwerer als ihren Treubruch und nur der Haß und die gänzlich unmotivierte, hochmütige Deutschenverachtung, die sie, wissend – daß sie an uns häßlich handeln, meinetwegen häßlich handeln müssen – sich herausnehmen, erregt meinen Ekel. Aber solche Entgleisungen schwinden nach dem Kriege. Ihnen persönlich kann ich nur wiederholen: der gute Geschmack gebietet meines Erachtens in Ihrer besonderen Lage zu schweigen. Mögen Sie dadurch auch Bauchgrimmen bekommen. Ich bin immer aufrichtig gewesen, daher auch diesmal, Sie werden ja doch tun[,] was Sie nicht lassen können.

wieder aufgenommen werden?, in: Süddeutsche Monatshefte, Jg. 12, Bd. 2, Augustheft 1915, S. 820 – 832; ebd., S. 829: „Internationale Beziehungen zu wissenschaftlichen Zwecken werden ganz sicher auch künftig stattfinden, aber nur unter der Bedingung, daß deutsche und österreichische Vertreter ausgeschlossen werden. Wissenschaftliche Verdienste werden von den Männern der Wissenschaft stets anerkannt werden. Aber wenn durch Einladungen zu wissenschaftlichen Kongressen ein Versuch gemacht werden sollte, die früheren freundschaftlichen Beziehungen zu deutschen und österreichischen Gelehrten wieder aufzunehmen, so bin ich überzeugt, keiner würde darauf eingehen.“ 6 Weber meint höchstwahrscheinlich Charles William Eliot, den ehemaligen Präsidenten der Harvard-Universität. Dieser hatte in einem Brief an die New York Times vom 22. Sept. 1914 vehement gegen das deutsche Vorgehen in Belgien protestiert; vgl. dazu den Hinweis in: Horne, John und Kramer, Alan, Deutsche Kriegsgreuel 1914. Die umstrittene Wahrheit. – Hamburg: Hamburger Edition 2004, S. 412, Anm. 84. Webers Ausdrucksweise zufolge scheint er Eliot (wie auch Ramsay) persönlich gekannt zu haben, möglicherweise hatte er ihn in seiner damaligen Funktion als Präsident von Harvard bei seinem dortigen Besuch während der Amerikareise von 1904 kennengelernt. 7 Gemeint ist das Denkmal für König Vittorio Emanuele II., das die Einheit Italiens symbolisierte; errichtet wurde es 1885 – 1911. 8 Kaiser Wilhelm II. hatte in den Jahren 1898 – 1901 auf eigene Kosten in Berlin auf der am südöstlichen Tiergartenrand gelegenen Siegesallee 32 Marmorstandbilder von allen brandenburgischen und preußischen Herrschern errichten lassen, wobei der ästhetische Wert der Regentengalerien von den Berlinern eher skeptisch beurteilt worden war und als „Puppenallee“ bzw. „Marmarameer“ tituliert wurde; vgl. dazu: Lange, Annemarie, Das Wilhelminische Berlin. Zwischen Jahrhundertwende und Novemberrevolution. – Berlin: Dietz 1980, S. 72 und 375, sowie: Die Berliner Moderne 1885 – 1914, hg. von Jürgen Schulte und Peter Sprengel (Reclams Universal-Bibliothek, Nr. 8359). – Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2002, S. 62 f.

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Paul Siebeck 20. Juni 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Bezug: Brief Paul Siebecks vom 19. Juni 1915 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), dem die heute nicht mehr vorhandene Abschrift eines Briefes von Edgar Jaffé an Siebeck vom 16. Juni 1915 (Original in: VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 364) beigegeben war. Darin hatte Jaffé von einer Mitteilung berichtet, derzufolge Robert Michels sich – so nach einem Pressebericht aus Lausanne, der angeblich in Münchener Zeitungen vom 12. Juni 1915 wiedergegeben worden war – „begeistert über die Gerechtigkeit der italiänischen [!] Sache“ geäußert habe. Jaffés Vorschlag ging nun dahin – sollte die ihm zugetragene Information zutreffen –, eine Notiz an die Presse gelangen zu lassen, „daß M[ichels] aus der Redaktion des Archiv ausgeschieden und daß das soeben veröffentlichte Maiheft [d. h. das am 29. Mai ausgegebene Heft 2 von Band 39] seinen Namen bereits nicht mehr“ trage. Da Jaffé Siebeck zu einer entsprechenden Pressemitteilung ermächtigt hatte, wollte dieser Webers Zustimmung einholen.

Heidelberg 20/6 15 Verehrter Freund! Es ist unser durchaus unwerth, irgend wie uns um Michels’ – angebliches, unbeglaubigtes, aber auch um sein ev. wirkliches – Verhalten zu kümmern. In keinem Fall also eine Notiz! Das schmeichelt nur seiner Eitelkeit und hat für uns gar keinen Werth. Ich bin unbedingt und unter allen Umständen dagegen. Herzl. Grüße Ihr Max Weber. Anders nur, wenn wir in der Presse deshalb angegriffen würden. Aber das müssen wir abwarten.

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Paul Siebeck 22. Juni 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Mit diesem Brief beginnt Webers Korrespondenz mit Paul Siebeck über die Publikation der Aufsätze zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“. Diese waren in den Jahren 1911 bis 1913 verfaßt worden und sollten offensichtlich als Ergänzung zu Webers GdS-Beitrag „Wirtschaft und Gesellschaft“ veröffentlicht werden. So heißt es in Webers Brief an Werner Sombart vom 2. Dezember 1913 (MWG II/8, S. 414 – 417) anläßlich der Frage, ob er sich mit Sombarts Anti-Weber-Thesen in dessen Buch: Der Bourgeois. Zur Geistesgeschichte des modernen Wirtschaftsmenschen. – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1913, öffentlich auseinandersetzen solle (ebd., S. 415, Anm. 1): „Irgendwann – soweit es nach dem Erscheinen von ,Wirtschaft und Gesellschaft’ noch nötig sein sollte, gelegentlich der dann folgenden Aufsätze über die Culturreligionen.“ Von den im Brief angekündigten Aufsätzen sind lediglich diejenigen über Konfuzianismus, Hinduismus – inklusive Buddhismus – und Judentum erschienen, die über Christentum und Islam jedoch nicht, auch sind davon keine Manuskripte überliefert. Webers Artikel sind kontinuierlich von 1915 bis 1919 im AfSSp publiziert worden. Noch im Jahre 1915 erschienen in AfSSp, Bd. 41, Heft 1 und 2, die beiden Artikel über „Konfuzianismus“, denen eine „Einleitung“ zur gesamten Aufsatzfolge voranging und die mit einer „Zwischenbetrachtung“ endeten. Es folgte 1916/17 Webers dreiteilige Studie zum „Hinduismus und Buddhismus“ (ebd., Bd. 41, Heft 3, sowie Bd. 42, Heft 2 und 3) und 1917 – 1919 die sechsteilige Artikelserie zum „Antiken Judentum“ (Bd. 44, Heft 1 – 3, sowie Bd. 46, Heft 1 – 3). – Zwar wurde von Weber schon in seinem Brief an Paul Siebeck vom 14. Juli 1915, unten, S. 74, in Aussicht gestellt, die Aufsätze nach bzw. kurz vor dem Abschluß der Artikelserie als Buch unter dem Titel „Gesammelte Aufsätze zur ReligionsSoziologie“ zu veröffentlichen, jedoch hat er sich erst 1918 – noch während der Fortsetzung der Artikelserie – entschlossen, die Aufsätze zu überarbeiten und gemeinsam mit seinen Beiträgen zur protestantischen Ethik in Buchform erscheinen zu lassen. Die von Weber unterschiedlich stark bearbeiteten Artikel sind alle wegen seines frühzeitigen Todes postum erschienen. Lediglich die erheblich überarbeitete Neufassung des „Konfuzianismus“ – wie die der „Protestantischen Ethik“ und „Kirchen und Sekten“ – hat Weber noch selbst in den Druckfahnen korrigieren können, veröffentlicht in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Bd. 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1920 (MWG I/18 bzw. MWG I/19). Die von Weber geringfügig korrigierten Artikel über Hinduismus und Judentum sind in zwei weiteren Bänden erschienen: ders., Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Bd. 2 und 3, beide ebd., 1921 (MWG I/20 bzw. MWG I/21).

Heidelberg 22/VI 15 Verehrtester Herr Dr Siebeck!

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Ich wäre bereit, dem „Archiv“ eine Reihe von Aufsätzen über die „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ zu geben, welche seit Kriegsanfang hier liegen und nur stilistisch durchzusehen sind – Vorarbeiten und Erläuterungen der systematischen Religions-Soziologie im

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„G.d.S.Ö.“1 Sie müssen so erscheinen wie sie sind – fast ohne Fußnoten, da ich jetzt keinen Strich daran arbeiten kann. Sie umfassen Konfuzianismus (China), 앚:Hinduismus und:앚 Buddhismus (Indien), Judentum, Islam, Christentum. Ich schmeichle mir, daß diese Aufsätze, welche die allgemeine Durchführung der Methode in dem Aufsatz „Protest[antische] Ethik und Geist des Kapitalismus“2 bringen, den betreffenden Heften ebenfalls s. Z. starken Absatz bringen. Später können sie ja, wenn Sie dazu bereit sind, zusammen mit jenem Aufsatz gesondert erscheinen. Jetzt nicht. Denn in der jetzigen Form eignen sie sich nur für Zeitschriften-Aufsätze. Wie immer biete ich sie zunächst dem „Archiv“ an. Geht es da nicht, d. h. wollen Sie und Jaffé jetzt nur reine Kriegshefte3 machen, dann nehme ich Ihnen das nicht übel und gehe für diesmal vielleicht in eine andre Zeitschrift. Die Aufsätze sind ziemlich umfangreich. Etwa 4 Aufsätze à 4 – 5 Bogen. Es wird dem G.d.S.Ö. zu Gute kommen, wenn sie bald gedruckt werden, wenigstens einige von ihnen. Denn die Darstellung im G.d.S.Ö. muß viel gedrängter und „systematisch“ sein. Dr Lederer sprach ich von der Sache. Schicken Sie bitte ev. den Brief an Jaffé!4 Herzlichen Gruß! Ihr Max Weber

1 Dieser Beitrag ist postum erschienen unter dem Titel: Religionssoziologie (Typen religiöser Vergemeinschaftung.), in: ders., Wirtschaft und Gesellschaft (GdS, Abt. III). – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1922, S. 227 – 363 (MWG I/22–2). 2 Weber, Max, Die protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus. I. Das Problem, in: AfSSp, Bd. 20, Heft 1, 1904, S. 1 – 54, sowie dass., II. Die Berufsidee des asketischen Protestantismus, ebd., Bd. 21, Heft 1, 1905, S. 1 – 110 (MWG I/9). 3 Nach Kriegsbeginn war das Erscheinen der bisherigen „Archiv“-Hefte ausgesetzt worden, und die Redaktion des „Archivs“ veranstaltete eine Folge von speziellen „Kriegsheften“. Dazu heißt es in einer redaktionellen Notiz unter dem Inhaltsverzeichnis des ersten Kriegsheftes von Band 40 vom Dezember 1914: „In den Kriegsheften soll versucht werden, sowohl die tatsächlichen, durch den Krieg hervorgerufenen Veränderungen des Wirtschaftslebens zu schildern, als auch Hinweise auf die zu erwartende Neugestaltung nach dem Kriege zu geben. […] Die Kriegshefte bilden den 40. Band des ‚Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik‘. Das 1. Kriegsheft vertritt die Stelle des Septemberheftes, das 2. Kriegsheft die Stelle des Novemberheftes usf. Der 39. Band, von welchem das 1. Heft am 6. August 1914 erschien, wird erst nach Erscheinen des 40. Bandes in gewohnter Form und Folge weitergeführt und abgeschlossen.“ Vgl. auch das Geleitwort, ebd., Bd. 40, 1915, S. 1f. 4 Paul Siebeck wandte sich am 25. Juni 1915 (VA Mohr/ Siebeck, Tübingen, Nr. 364) an Edgar Jaffé, worauf dieser am 27. Juni 1915 (ebd.) antwortete, daß sie sich die „Weber’schen Aufsätze […] auf keinen Fall entgehen lassen“ dürften.

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Edgar Jaffé [nach dem 24. Juni 1915]; o.O. Brief; eigenhändig Privatbesitz Die Datierung ist erschlossen aus dem Hinweis auf Aufsätze Webers, die dieser in seinem Brief an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69 f., zur Veröffentlichung angeboten hatte. Jaffé hatte davon durch einen (nicht nachgewiesenen) Brief Emil Lederers erfahren und in seinem Brief an Siebeck vom 24. Juni 1915 zu Webers Offerte Stellung genommen. Er dürfte sich zeitgleich in dieser Frage auch an Weber selbst gewandt haben, worauf dieser im folgenden Schreiben reagiert. Der Brief trägt den handschriftlichen Vermerk Edgar Jaffés: „VI/1915“.

Lieber Jaffé, –

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vielen Dank für Ihr freundliches Entgegenkommen.1 Aber ich halte es nicht für klug, Kriegshefte bis nach Weihnachten zu verschieben.2 Und daß meine Aufsätze in 3 Heften Platz fänden, ist unwahrscheinlich. Ich möchte weit eher rathen – und schreibe dies auch Dr S[iebeck]3 – die Hefte der Kriegs-Bände und die der andren Bände abwechselnd mit einander erscheinen zu lassen.4 Das Interesse für Beides ist da. Ich schicke dieser Tage die „Einleitung“ an S[iebeck].a 5 Ebenso wenn gewünscht, einen weitrenb dicken Mscr.-Teil, der dann gleich gedruckt

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b O: Weitren

1 Webers Dank gilt Jaffés Bereitwilligkeit, seine Arbeiten zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ im AfSSp veröffentlichen zu lassen. 2 Jaffé hatte in seinem Brief an Paul Siebeck vom 27. Juni 1915 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 364) dem Vorschlag Siebecks in dessen Brief vom 25. Juni 1915 (ebd.) zugestimmt, „daß wir die ganze Serie dieser Aufsätze in einem Bande veröffentlichen müssen, der zwischen jetzt und Ende 1915 erscheinen sollte.“ 3 Brief Webers an Paul Siebeck vom 1. Juli 1915, unten, S. 52. 4 Tatsächlich sind die nächsten Kriegshefte des AfSSp – alternierend mit den übrigen Beiträgen – als Separatbände 43, 1916/1917, sowie 45, 1918/1919, erschienen, wobei der letztgenannte Band sich weniger mit der Kriegs-, als vielmehr mit der Übergangswirtschaft nach Kriegsende beschäftigte. 5 Es handelt sich um die allgemeine „Einleitung“ zu Webers Artikelserie „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“. Sie ist erschienen unter dem Titel: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Religionssoziologische Skizzen. Einleitung. Der Konfuzianismus. I. II, in: AfSSp, Bd. 41, Heft 1, 1915, S. 1 – 87 (hinfort zitiert als: Weber, Max, Einleitung und Konfuzianismus I, II). Die ersten zwölf Manuskriptblätter der „Einleitung“ erhielt Paul Siebeck am 2. Juli 1915 laut seiner Mitteilung an Weber vom gleichen Tage (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446).

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werden könnte.6 Ich überlasse Ihnen Alles, aber halte das von Ihnen vorgeschlagene Arrangement nicht für sehr glücklich. Mit collegialen Grüßen Ihr Max Weber

6 Die einzelnen Manuskriptteile zu Weber, Max, Konfuzianismus I, II, wurden von diesem sukzessive bis Ende Juli 1915 an den Verlag gesandt; vgl. dazu die entsprechenden Karten an Paul Siebeck vom 18., 21. und 29. Juli 1915, unten, S. 75 f., 77 und 78.

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1. Juli 1915

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Paul Siebeck [1. Juli 1915]; o.O. Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Der Brief ist eine Antwort auf ein Schreiben von Paul Siebeck vom 30. Juni 1915 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) und trägt den Verlagsvermerk: „2.VII.15 beantw.“; er dürfte somit am 1. Juli 1915 verfaßt und abgeschickt worden sein. Bezug: Brief Paul Siebecks vom 30. Juni 1915 (wie oben). Darin hatte dieser von seiner Übereinkunft mit Edgar Jaffé berichtet, die von Weber angebotenen Artikel zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ „möglichst rasch“ in einem speziell dafür reservierten Band des „Archivs“ – auf drei Hefte verteilt – „vollständig“ bis Ende 1915 publizieren zu lassen. Diese Hefte sollten nur so weit als notwendig „die in der nächsten Zeit anfallenden Kriegsabhandlungen“ enthalten, während der folgende Kriegsband erst für das kommende Jahr avisiert war. Die nächsten Kriegshefte erschienen ab 22. Juli 1916 und bildeten Band 42, 1916/1917 des AfSSp.

Verehrtester Freund!

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Vielen Dank! Aber der Vorschlag1 ist m. E. nicht praktisch. Für Beides ist Interesse der Leser da. Aber die Kriegs-Hefte bis 1916 verschieben ist sicher unpraktisch. Lassen Sie doch lieber beide Arten von Heften abwechselnd erscheinen, 1 Kriegs-Heft, dann ein anderes, oder 2 Kriegshefte, dann ein anderes. Das sieht m. E. auch besser aus! Ich überlasse Ihnen Alles, wie sich versteht. Aber in 3 Heften ist meine Aufsatz-Serie nicht zu Ende oder man müßte einen allzu großen Teil derselben damit füllen; was sich schlecht ausnimmt. Also ist m. E. ratsamer nicht so zu verfahren. Ich schicke dieser Tage Mscr. der Einleitung,2 in 14 Tagen einen weiteren Teil. Herzlichen Gruß! Ihr Max Weber

1 Edgar Jaffé hatte vorgeschlagen, „Kriegshefte bis nach Weihnachten zu verschieben“, so Webers Wiedergabe in seinem Brief an Jaffé, nach dem 24. Juni 1915, oben, S. 71. 2 Offensichtlich hat sich Weber kurz nach Absendung des Briefes dazu entschlossen, die ersten 12 Manuskriptseiten der „Einleitung“ zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ noch am selben Tage an Siebeck zu schicken. Deren Erhalt wurde schon einen Tag später (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) bestätigt.

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14. Juli 1915

Paul Siebeck 14. Juli 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Der Brief steht in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Webers Artikelserie „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69.

Heidelberg 14/VII 15 Verehrtester Freund! Anbei noch drei Blätter zur „Einleitung“ meiner Artikel.1 Sie werden in die Korrektur eingeschoben, da sie besser dorthin passen, als an ihre jetzige Stelle. Die Artikel werden sehr umfangreich. Der erste – Konfuzianismus – ca 1/4 des Ganzen – allein ca. 6 – 7 Bogen. Ich kann nur alle 14 Tage einmal daran arbeiten[.] Der Stil ist noch so schlecht, daß sehr viel daran zu thun ist. Der erste – Konfuzianismus – geht Montag oder Dienstag an Sie ab.2 Ich rathe nochmals, die Hefte des Kriegs-Bandes ruhig abwechselnd mit diesen Heften erscheinen zu lassen.3 Die Aufsätze können dann entweder gleich nach Abschluß des Ganzen oder aber vor Abschluß, d. h. mit dem zusammenfassenden Schluß als „Gesammelte Aufsätze zur Religions-Soziologie“ als Band erscheinen[,] wenn Sie es wollen (zusammen mit „Geist des Kapitalismus“).4 Mit herzlichem Gruß! Ihr Max Weber Was machen Ihre Herren Söhne?5 Ich hörte lange nichts. 1 Diese restlichen Manuskriptblätter gehörten zur allgemeinen „Einleitung“ der Artikelserie „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“. 2 Zur Manuskriptlieferung vgl. die Karte an Paul Siebeck vom 18. Juli 1915, unten, S. 75 f. 3 Vgl. dazu die Briefe an Edgar Jaffé, nach dem 24. Juni 1915, und Paul Siebeck vom 1. Juli 1915, oben, S. 71 f. und 73. 4 Noch vor Abschluß der Aufsatzserie hat Weber 1918 mit der Vorbereitung einer Buchausgabe begonnen; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69, und die Karte an Siebeck vom 18. Juli 1915, unten, S. 75, Anm. 3. 5 Dazu heißt es in der Antwort Paul Siebecks vom 16. Juli 1915 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), daß sein ältester Sohn, Oskar Siebeck, „in Berlin beim Großen Generalstab tätig“ sei, sein jüngerer Sohn, der Arzt Richard Siebeck, im Seuchenlazarett Inor bei Sedan. Werner Siebeck, der dritte noch lebende Sohn Paul Siebecks, wurde nicht erwähnt, weil er im Tübinger Verlagshaus arbeitete.

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18. Juli 1915

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Paul Siebeck 18. Juli PSt 1915; Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Die Karte steht in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Webers Artikelserie „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69.

Hbg 18/VII Verehrter Freund!

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Heut wieder eine Mscr.[-]Sendung – ca 1/4 des ersten Kapitels (Konfuzianismus).1 Rest folgt binnen weniger Tage.2 Das stilistische Durcharbeiten geht langsam und sehr mühsam, denn ich bin sehr müde. Auf Ihren freundl[ichen] Brief antworte ich dann.3 Mit herzl. Gruß! Ihr Max Weber. 1 Gemeint ist ein Teilmanuskript zu: Weber, Max, Konfuzianismus I, II. 2 Vgl. dazu die folgende Karte an Paul Siebeck vom 21. Juli 1915, unten, S. 77. 3 Weber bezieht sich auf den Brief Paul Siebecks vom 16. Juli 1915 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446). Darin hatte Siebeck seine Freude darüber bekundet, „daß die Aufsätze [zur Wirtschaftsethik] gleich nach Abschluß im Archiv oder auch gleichzeitig mit dem Schluß im Archiv und in Verbindung mit den früheren Aufsätzen über ,Die Protestantische Ethik und den Geist des Kapitalismus’ als ,Gesammelte Aufsätze zur Religions-Soziologie’ erscheinen können. Ich nehme an, daß an den früheren Aufsätzen nichts geändert wird. Wird der Sammelband mit den letzten oder mit den neuen Aufsätzen eröffnet werden? Ich gedenke die neuen Aufsätze gleichzeitig für’s Archiv und für die Separat-Ausgabe drucken zu lassen.“ Die in Aussicht gestellte Stellungnahme Webers dazu ist jedoch unterblieben. Erst drei Jahre später, im Jahre 1918, hat sich Weber zur separaten Drucklegung seiner „Gesammelten Aufsätze zur Religions-Soziologie“ geäußert. In einem Brief an Paul Siebeck, vor dem 18. April 1918 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446; MWG II/10), äußerte er die Absicht, während seines Aufenthalts in Wien neben der Arbeit am „Grundriß“ auch „die Aufsätze […] für die Sammlung durch Ergänzung mit Material (für China) und Umarbeitung (für die letzten Partien: Kürzung) vorzubereiten.“ Jedoch sind diese Arbeiten anscheinend erst ab Ende 1918 in ein konkretes Stadium getreten. Auf Vorschlag Siebecks vom 26. Nov. 1918 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), eine Separatausgabe der schon im Satz stehenden Aufsätze zur Wirtschaftsethik erscheinen zu lassen, um „das aus dem Feld zurückkehrende Personal der Druckereien“ zu beschäftigen, hat sich dann Weber detailliert über den Fortgang der Arbeiten geäußert: „[M]eine Aufsätze müssen ja von A–Z noch durchgesehen werden. Die erste Partie – China – wird sehr stark verändert, die zweite (Indien) wenig, die dritte (Juden) nur korrigiert. M. W. steht doch nur die letzte im Satz? Ich gehe von hier [d. h. Frankfurt a. M.] aus in 8 Tagen nach Heidelb[erg] zurück, kann dann alsbald an

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18. Juli 1915

Über Ihre Söhne schrieben Sie nichts.4

die Arbeit gehen.“ Brief an Paul Siebeck, vor dem 5. Dez. 1918 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446; MWG II/10). Tatsächlich hat Weber im ersten Halbjahr 1919 die Artikel über „Konfuzianismus“ und über „Protestantische Ethik“ vollständig umgearbeitet und diese in der Folgezeit noch bis zu seinem Tode in den Druckfahnen überprüft und korrigiert. 4 Paul Siebeck hatte in seinem Brief vom 16. Juli 1915 (wie Anm. 3) sehr wohl vom Ergehen seiner Söhne gesprochen, worauf Richard Wille in Vertretung für Paul Siebeck in seinem Antwortschreiben vom 22. Juli 1915 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) ausdrücklich hingewiesen hat und die Vermutung äußerte, daß Weber „das zweite Blatt seines [d. h. Siebecks] Briefes vom 16. entgangen“ sei. Allerdings fängt die entsprechende Briefpassage schon auf der ersten Seite an. Wieso Weber dies übersehen hat, bleibt rätselhaft. Zum Ergehen von Siebecks Söhnen vgl. den Brief Webers an Paul Siebeck vom 14. Juli 1915, oben, S. 74, Anm. 5.

21. Juli 1915

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Paul Siebeck PSt 21. Juli 1915; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Die Karte steht in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Webers Artikelserie „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69.

Verehrter Freund!

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Ich schickte Montag1 (Eingeschrieben!) einen Teil Mscr.2 und schicke heut ebenso Weiteres. Übermorgen abermals. Rest nächsten Montag. Quittung erbeten. Mit herzl. Gruß! Max Weber (Die Arbeit, obwohl nur stilistisch bessernd, strengt mich sehr an[.])

1 D. h. am 18. Juli 1915; vgl. dazu die Karte an Paul Siebeck vom selben Tag, oben, S. 75, Anm. 1. 2 Es geht hier und im folgenden um Manuskriptteile zu: Weber, Max, Konfuzianismus I, II.

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29. Juli 1915

Paul Siebeck 29. Juli PSt 1915; Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Die Karte steht in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Webers Artikelserie „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69.

Heidelberg 29/7 Verehrtester Freund! Heute gehen die letzten Blätter des 1. Teils des Aufsatzes (Wirtsch[afts-]Ethik der Weltrelig[ionen]) an Sie ab.1)1 Es fehlt nur noch die kurze, als Fußnote beia dem Titel von Teil 1 (der noch nicht in Correktur hier ist) einzuschiebendeb Litteratur-Notiz.2 Mit herzlichem Gruß! Max Weber

„Confuzianismus“, Rest von Absatz III und Absatz IV.3 – Rest der 1 Korrektur der „Einleitung“ ging heut ebenfalls ab.

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1)

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b O: einzuschiebenden

1 Der etwas mißverständliche Ausdruck „1. Teil“ bezieht sich hier auf das Gesamtmanuskript zum Konfuzianismus in Abgrenzung zu den Aufsätzen über Hinduismus, Judentum usw. 2 Die Literaturübersicht findet sich in der Druckfassung von: Weber, Max, Konfuzianismus I, S. 30f. (MWG I/19, S. 128 – 131). 3 Es handelt sich um das Restmanuskript des Folgeaufsatzes: Weber, Max, Konfuzianismus III, IV.

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30. Juli 1915

Werner Sombart 30. Juli 1915; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede und Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 14, Bl. 19 – 20 In diesem Brief sowie den folgenden Schreiben an Edgar Jaffé vom 31. Juli und vor oder am 6. August 1915, unten, S. 82 und 83, geht es um Sombarts mögliches Ausscheiden als Mitherausgeber des „Archivs“. Ein Grund dafür war die – schon einige Monate zurückliegende – Weigerung Jaffés vom 29. März 1915 (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Werner Sombart, Nr. 17, Bl. 289), einen Artikel Sombarts im „Archiv“ drucken zu lassen. Dabei hatte er pekuniäre Gründe angeführt: Da die Abonnentenzahl während des Krieges in so starkem Maße zurückgegangen sei, „daß der Verkauf nicht mehr die Herstellungskosten“ decke, müsse er die erforderliche Summe – da der Verleger nichts zuschieße – selbst aufbringen: „ein Beitrag von Ihnen bedeutet aber eine Erhöhung dieser Unterbilanz um 136 Mark pro Bogen […] und solange der Krieg dauert[,] möchte ich diese Extraausgabe gern einsparen.“ Hauptgrund für Sombarts Austrittserklärung war indes „die immer ausgesprochenere jüdisch-international-sozialdemokratische Tendenz“ des „Archivs“ – so seine Begründung in seinem Brief an Paul Siebeck vom 22. Juli 1915 (VA Mohr/Siebeck Tübingen, Nr. 367) mit der Ankündigung, ab dem nächsten Heft nicht mehr als Mitherausgeber des „Archiv“ zu fungieren. Dazu heißt es in einem Briefkonzept Sombarts an Jaffé vom Juli 1915 (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Werner Sombart, Nr. 17, Bl. 300), daß jetzt nur noch „ausschließlich die Stimmen der internationalen, sozialdemokratischen Judenschaft zu Worte“ kämen. „Vom charakterologischen Standpunkt aus erachte ich es für eine Schmach & Schande, während des Krieges in einer deutschen Zeitschrift zerdrückt [zu] werden.“ Jedoch ist der von Sombart angedrohte Rücktritt nicht erfolgt. Zum einen hat Jaffé in seinem Brief an Sombart vom 17. August 1915 (ebd., Bl. 303) auf dessen Forderung hin zugesagt, bei der Manuskriptauswahl die Tätigkeit des leitenden Redakteurs Emil Lederer schärfer zu überprüfen, zum anderen hat er seine Ablehnung von Sombarts Artikel revidiert und seine damalige negative Stellungnahme insofern als ein Mißverständnis bezeichnet, als der Refus lediglich aus einer „zeitlich bedingte[n] Schwierigkeit“ resultiert sei. „Hätten Sie mir damals auch nur die geringste Andeutung gemacht, daß Sie besonderen Wert auf den Abdruck legten, so hätte ich selbst zu damaliger Zeit keine Schwierigkeiten gemacht und noch viel weniger jetzt, wo die Dinge sich doch wieder zu klären beginnen.“ (ebd., Bl. 303). Der von Jaffé zunächst abgelehnte Artikel von Sombart ist erschienen unter dem Titel: Die Entstehung der kapitalistischen Unternehmung, in: AfSSp, Bd. 41, Heft 2, 1915, S. 299 – 334.

Heidelberg, den 30. 7. 15

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…a Scharf mißbilligen muß ich, daß Jafféb Ihnen zumutet, jetzt nicht ins Archiv zu schreiben, sei es auch aus materiellen Gründen, denn dann dürften die Hefte garnicht erscheinen, in denen Aufsätze von mir stehen werden, wenn die Lage des Archivs so übel ist.1 Sollte es dabei a Auslassungszeichen in Abschrift. b In Abschrift: Jaffe 1 Tatsächlich waren Weber anstandslos Publikationsmöglichkeiten für die Artikelfolge seiner „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ eingeräumt worden; vgl. dazu den Brief an Edgar Jaffé, nach dem 24. Juni 1915, oben, S. 71 f.

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30. Juli 1915

bleiben, trete ich sofort, vom nächsten Band ab aus.2 Aber ich verstehe ihn so, daß es nur eine unmaßgebliche – auch unberechtigte Bitte gewesen sei. Aber Ihr Austritt wegen des Inhalts des Archivs wäre m. E. durch nichts zu rechtfertigen. Bernstein ist ein gutes[,] aber anständiges politisches Kind.3 Die anderen kenne ich nicht.4 Ihr nationalistischer Furor kommt mir etwas stark verblüffend, das gestehe ich offen.5 Aber er ist Ihr Recht. Wollen Sie vom nächsten Bande an – für diesen haben Sie kein Recht dazu, durchaus heraus[,] so kann das niemand ändern. Aber ich würde es bedauern. – Michels ging, weil er Italiener ist.6 Ich habe nichts getan ihn zu halten, da mir das mißfiel,7 ebenso wie übri-

2 Weber hat wenig später seinen Austritt aus dem „Archiv“ tatsächlich erwogen – vgl. dazu den Brief an Edgar Jaffé vom 21. Aug. 1915, unten, S. 98 f. –, jedoch davon Abstand genommen. 3 Gemeint ist Eduard Bernstein. Die Publikation seines Artikels, Die Internationale der Arbeiterklasse und der europäische Krieg, erschienen in: AfSSp, Bd. 40, Heft 2, 1915, S. 267 – 322, war seinerzeit auf den Widerstand Sombarts gestoßen, so daß sich die Herausgeber zu einer erklärenden Fußnote genötigt sahen: „Die Herausgeber haben es bisher vermieden, ihre etwa abweichende Stellungnahme gegenüber dem Inhalt eines Beitrages in Form einer redaktionellen Note zum Ausdruck zu bringen […]. Auf besonderen Wunsch von Professor Sombart wird hier jedoch ausdrücklich festgestellt, daß er in der Auffassung vom Sinn und Wesen des Kriegs, vor allem des jetzigen, eine der Tendenz des obigen Aufsatzes entgegengesetzte Auffassung vertritt.“ Ebd., S. 267. 4 Es handelt sich hierbei um die Aufsätze von Erwin Szabó, Krieg und Wirtschaftsverfassung, erschienen in: AfSSp, Bd. 39, Heft 3, 1915, S. 643 – 688, sowie von Adolf Braun, Internationale Verbindung der Gewerkschaften, ebd., S. 689 – 740. In den Druckfahnen des Artikels von Szabó hatte Sombart eine gegen ihn gerichtete Anmerkung verärgert; diese Passage wurde noch kurzfristig durch Neudruck des Bogens „stark zusammengestrichen“ – so Jaffé an Sombart am 17. Aug. 1915 (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Werner Sombart, Nr. 17, Bl. 303 – 304). Zu diesen beiden Autoren heißt es in dem in der Editorischen Vorbemerkung zitierten Schreiben Sombarts an Jaffé vom Juli 1915: „Seit Bernsteins Aufsatz kommen rein ausschließlich die Stimmen der internationalen, sozialdemokratischen Judenschaft zu Worte, in dem bevorstehenden Hefte vertreten durch Szabo & Braun.“ Die Aufsätze – so Sombart – seien „wissenschaftl[ich] wertlos“ und die „geistlose Aufwärmung des alten Kohls“ einfach „gräßlich“. 5 Sombart war insbesondere durch sein Anti-England-Buch: Händler und Helden. Patriotische Besinnungen. – München, Leipzig: Duncker & Humblot 1915, als militanter Kriegspublizist in Erscheinung getreten. 6 Vgl. dazu den Brief an Robert Michels vom 27. Mai 1915, oben, S. 54. 7 Ebd.

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gens die Art, wie er seinen Eintritt seinerzeit von Jafféc erpreßte.8 – Beefsteak apart – – are apart.9 Ich meine, wenn Sie in Friedenszeiten wegen jener Aufsätze nicht ausgeschieden wären, so wäre es richtiger, es auch jetzt nicht zu tun. Einen objektiven Grund sehe ich nicht. Daß Sie in Ihrer Kritik immer „gelinde“ und nicht verletzend wären, werden Sie ja nicht behaupten. Darin sündigen wir alle gelegentlich, die wir als Waffe die Feder führen. Alles in allem: ich sehe nicht ein, warum Sie diese Sprünge machen. Bestehen Sie doch auf Ihrem Recht, dso schreiben Sied was Sie wollen und damit basta.

c In Abschrift: Jaffe d zu schreiben > so schreiben Sie 8 Weber bezieht sich auf die Art und Weise, wie Michels 1913 Mitherausgeber des AfSSp geworden war. Nach ersten unverbindlichen Gesprächen im Jahre 1912 hatte Michels Edgar Jaffé damit konfrontiert, daß „ihm von anderer Seite Anerbietungen gemacht“ worden seien, „in eine bereits bestehende oder neuzugründende Zeitschrift […] einzutreten, daß er sich aber bis 1. Januar Bedenkzeit ausbedungen habe, für den Fall sein Eintritt ins Archiv möglich werden sollte, in welchem Falle er auf obiges Angebot verzichten würde“, so Jaffé in seinem Brief an Paul Siebeck vom 11. Dez. 1912 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 330). Diese „Überrumpelung“ – nach Jaffés Einschätzung in seinem Schreiben an Siebeck vom 10. April 1916 (ebd., Nr. 371) – führte damals letztlich zu Michels’ Mitherausgeberschaft. Vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zur Karte an Jaffé vom 18. Nov. 1912 (MWG II/7, S. 759). 9 Eine durchaus geläufige Formulierung bei Weber, denn er benutzte diese schon in ähnlicher Form in seinem Brief an Lujo Brentano, vor dem 5. Sept. 1912 (MWG II/7, S. 651): „Beefsteak apart and horse apart“. Die genaue Herkunft dieser Redewendung ist nicht nachgewiesen.

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31. Juli 1915

Edgar Jaffé [3]1. Juli [1915]; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Tages- und Jahresdatum erschlossen aus dem Inhalt des Briefes sowie dem Vermerk Jaffés: „1/8/15“.

Hbg [3]1a/7 Lieber Jaffé Sombart ist töricht.1 Aber scharf mißbilligen muß ich es, daß Sie ihn ersuchten, nichts zu schreiben.2 Er hat doch das Recht, und ist die Lage finanziell schlecht, dann war es Pflicht, auch mir das zu sagen, damit auch meine Aufsätze nicht gedruckt wurden;3 lag dieser Grund vor, dann wartete ich schließlich gern. Es war auch sehr unklug, m. E. Ich schrieb Sombart, er habe ja das Recht zu schreiben, wennb er wolle.4 – Will er hinaus: dann: m. E. Tönnies (oder Simmel?) als Mitherausgeber, und: baldigst die „Verjüngung“! Collegialen Gruß Ihr Max Weber Mit den belgischen Sachen ist es ja wohl erledigt.5

a Lochung. b Alternative Lesung: wann 1 Dies bezieht sich vermutlich auf die Absicht Werner Sombarts, als Mitherausgeber aus dem AfSSp auszuscheiden – aus Verärgerung darüber, daß ihm Jaffé die Publikation eines Aufsatzes verweigert hatte; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Sombart vom 30. Juli 1915, oben, S. 79. 2 Gemeint ist der Brief Jaffés an Sombart vom 29. März 1915 (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Werner Sombart, Nr. 17, Bl. 289). 3 Kurz zuvor hatte Jaffé der Drucklegung von Webers Artikelserie zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ ohne Bedenken zugestimmt; vgl. dazu Webers Dankschreiben an Jaffé, nach dem 24. Juni 1915, oben, S. 71 f. 4 Brief an Werner Sombart vom 30. Juli 1915, oben, S. 81. 5 Zur möglichen amtlichen Verwendung Webers im Generalgouvernement Brüssel vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Jaffé vom 9. Mai 1915, oben, S. 49.

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6. August 1915

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Edgar Jaffé [vor oder am 6. August 1915]; o.O. Brief; eigenhändig Privatbesitz Die Datierung ist erschlossen aus einem handschriftlichen Vermerk Edgar Jaffés: „6/8/15“.

Lieber Jaffé, –

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ich wußte nicht, daß der Vorfall so lange zurückliegt.1 Dann hat S[ombart] es offenbar gereizt, daß jetzt die Artikel von mir erscheinen sollten.2 Ich warte seine Antwort ab und schreibe ihm dann nochmals.3 Ev. muß für den nächsten Band – für diesen hat er gar kein Recht auszuscheiden, das schrieb ich ihm4 – Tönnies oder Simmel gewonnen werden. Wen lieber? Ich erwähnte die Brüsseler Frage nur, um zu hören, ob sie erledigt ist.5 Es wäre mir nicht recht, wenn 앚:von Ihnen:앚 Schritte geschähen 앚:oder veranlaßt würden:앚, denn ich muß mir die Freiheit der Entschließung schlechterdings vorbehalten. Es könnte so aussehen, als wollte ich jedenfalls kommen. Das kann ich nicht wissen. Bitte thun Sie also aktiv nichts. Ob die Sache erledigt ist, wollte ich natürlich gern wissen. Collegiale Grüße! Ihr Max Weber

1 Dies und die folgenden Zeilen stehen in Zusammenhang mit Werner Sombarts Entschluß, als Mitherausgeber aus dem AfSSp auszuscheiden – aus Verärgerung darüber, daß ihm Jaffé die Publikation eines Artikels verweigert hatte. Die Ablehnung war Monate früher erfolgt – nämlich im März 1915 –, jedoch hat Sombart seinen Austrittswunsch aus dem „Archiv“ erst im Juli 1915 geäußert; zur Verstimmung Sombarts über die verweigerte Publikationserlaubnis vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Sombart vom 30. Juli 1915, oben, S. 79. 2 Der Abdruck der Manuskripte Webers über „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ war von Jaffé, Lederer und Siebeck Ende Juni anstandslos bewilligt worden, eine Entscheidung, die Werner Sombart, dessen Veröffentlichung eines Artikels aus finanziellen Gründen abgelehnt worden war, naturgemäß verstimmen mußte. 3 Ein entsprechender Brief an Sombart ist nicht nachgewiesen. 4 Brief an Sombart vom 30. Juli 1915, oben, S. 79 – 81. 5 Weber bezieht sich auf seine Anfrage im Brief an Jaffé vom 31. Juli 1915, oben, S. 82, und reagiert auf dessen uns nicht überlieferte Antwort.

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7. August 1915

Mina Tobler 7. August [1915]; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Die Jahreszahl ist aus dem im Brief erwähnten Tod von Friedrich Busch erschlossen.

Heidelberg Samstag 7. VIII Liebes Tobelkind, – die letzten Tage war recht viel zu thun, Büro, Revision, in der Frei-Zeit Korrekturbogen1 – eine selten gewordene Arbeit, die mir nie Freude gemacht hat, da ich eigne Sachen nie mit Vergnügen lese. Heut ist es etwas ruhiger. Jetzt sind Sie ja nun sicher schon auf dem Albis2 eingelebt und hoffentlich geht es der Mutter3 so erträglich, wie nach den Umständen möglich.4 Wenn Sie Mitte der Woche einmal Ruhe haben, und Lust, dann lassen Sie auch, bitte, einmal etwas hören. Von dem Tod des jungen Busch,5 Schwiegersohn von Frau J[ellinek], haben Sie sicher schon gehört. Er hat nicht geruht, bis er an der Front war, ist in jeder Hinsicht offenbar unterschätzt worden. Die pekuniäre Lage der anziehenden, – u. so schweigsamen! – Frau6 ist nicht gut. Mein Bruder Carl ist auch wieder an die Front (Osten); ich kann mir nicht gut denken, daß er das aushält.7 Von Lilli hatten wir einen ganz außerordentlich guten Brief, so hoffnungsvoll wie, bisher, noch nie. Er ist sehr merkwürdig.

1 Gemeint sind die Korrekturbogen zur „Einleitung“ und zu den Teilen I und II der „Konfuzianismus“-Studie. Vgl. die Karte an Paul Siebeck vom 29. Juli 1915, oben, S. 78. 2 Auf dem Höhenrücken Albis, an der Westseite des Züricher Sees gelegen, verbrachte Mina Tobler ihren Urlaub. 3 Henriette Tobler. 4 Mina Toblers Bruder, Ludwig Tobler, war am 2. Juni 1915 gestorben. 5 Friedrich Busch, Assistenzarzt der Heidelberger Psychiatrischen Universitätsklinik, war am 31. Juli 1915, kurz vor seinem 26. Geburtstag, gefallen. 6 Dora Busch, geb. Jellinek. Aus der jungen Ehe mit Friedrich Busch stammten zwei kleine Töchter. Max und Marianne Weber hielten anläßlich der Hochzeit von Dora und Friedrich Busch am 21. März 1911 Tischreden (MWG I/13). Vgl. Weber, Marianne, Lebensbild3, S. 481 – 486. 7 Karl Weber hatte ein Herzleiden.

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Die Briefe von L[ask] an Sie8 finden wir sehr schön, etwas gehemmt, nicht ganz so gelösta wie die wenigen Briefe an die Frieda,9 die ich gesehen habe, aber dafür so viel mehr das Beste seiner Eigenart wiedergebend. Die ganze Trauer um diesen Verlust10 überkam Einen bei der Lektüre. Die Lücke wird erst später ganz fühlbar werden.b R[ickert] (Freiburg) darf sie doch lesen? Er liest sie mit feinem Herzen und wird sich freuen. Sonst ist von hier nichts zu berichten. Ich gehe vom 14. VIII in Pension11 und schreibe dann die Adresse. Ob die wunderbaren Erfolge und Leistungen im Osten uns dem Frieden näher bringen? Noch sieht es nicht so aus. Wie es aber auch geht, – von dem elenden Gefühl, nicht dabei zu sein, abgesehen, – ist es doch eine Freude dies Ungeahnte zu erleben, das Niemand für möglich gehalten hätte. Hoffentlich geht es so weiter – man muß ja das Unglaubwürdige glauben. Wie mag es „in“ Ihnen aussehen? Die Erinnerungen und ihre Macht spürte man Ihrer lieben Karte stark an. Sie selbst können nicht gut anders als rechtschaffen müde zu sein und werden doch der Mutter und Schwägerin12 etwas bieten müssen. – Ob wohl Plato13 dabei zu seinem Recht kommt? Nachträglich sage ich mir, daß der „Staat“ doch so stark intellektualistisch ist, daß er Siec kaum befriedigen kann, nun a Unsichere Lesung.

b c O: sie

8 Mina Tobler hatte Weber die an sie gerichteten Briefe Lasks zur Verfügung gestellt. 9 Gemeint sind die Briefe von Emil Lask an Frieda Gross und Mina Tobler (UB Heidelberg, Heid. Hs. 3820, III. Nl. Emil Lask: Briefe an eine Frau, Bl. 443 – 458, und Briefe an eine Freundin, ebd., Bl. 459 – 474). Mina Tobler und Emil Lask kannten sich schon seit 1905. Emil Lask war es auch, der 1909 Mina Tobler mit dem Ehepaar Weber bekannt gemacht hatte. 1908 verbrachten Emil Lask und Mina Tobler ihre Ferien gemeinsam oberhalb von Churwalden. Die Freundschaft zu Mina Tobler bezeichnete Emil Lask in einem Brief an eine Cousine am 13. Sept. 1909 (ebd., Bl. 415) als „schöne Beziehung ohne Probleme“. 10 Emil Lask war am 26. Mai 1915 in Galizien gefallen. 11 In die Pension Bezner in Heidelberg zog Weber, weil die Haushaltsführung in der Ziegelhäuser Landstraße 17 während einiger Sommerwochen ausgesetzt werden sollte. Marianne Weber machte vom 16. August 1915 bis Mitte September 1915 einen Erholungsurlaub in Hohenschwangau, und die Dienstmädchen sollten in Urlaub geschickt werden. Vgl. den Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 18. Aug. 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). 12 Gemeint sind Henriette und Bertha Tobler, die Mutter und die Witwe des am 2. Juni 1915 gestorbenen Bruders Ludwig Tobler. 13 Max Weber hatte Platos „Staat“ (Jena: Eugen Diederichs 1909) Mina Tobler am 24. Juni 1915 zum Geburtstag geschenkt. Das geht aus einer handschriftlichen Widmung

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7. August 1915

Sie das Gastmahl, den Phaidros u.s.w. schon kennen: Das Rührende ist ja das große Zutrauen zu Dem, was die „Vernunft“d könne[,] und ihre Verklärung in einer Art, daß man sie nicht als eine rationale, sondern als eine formende, zeugende, Macht der Schönheit empfindet, wie wir es heut nicht mehr können. – Ich denke jetzt daran, in der ersten Septemberhälfte einige Tage ganz fortzugehen und dann ca. 14 Tage Halbtagesurlaub zu nehmen, um wieder etwas „im Geist“ leben zu können. Und Sie helfen mir, „in der Schönheit“ zu leben. Alles erdenkliche Gute! Tausend Grüße Ihr Wasall

d Unsichere Lesung. des Exemplars hervor, das sich im Besitz von Henning Tobler befindet. Das Zitat der Widmung entstammt der genannten Ausgabe, S. 217: „,Muß ich Dich erst daran erinnern, daß Einer etwas, wovon wir in Wahrheit sagen sollen, ,er liebe es‘, ganz lieben muß und nicht so, daß er teilweise liebt, teilweise nicht?‘ – Mir scheint, o Sokrates, du mußt mich erst aufklären: ich verstehe es nicht. – ,Das hätte vielleicht ein Andrer sagen dürfen, o Glaukon. Aber ein Freund des Eros dürfte dessen nicht unkundig sein …‘ 24.VI.15.“

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10. August 1915

Mina Tobler 10. August [1915]; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahr ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen, der von Webers bevorstehendem Umzug in die Pension Bezner berichtet. Dort hielt sich Max Weber während der Abwesenheit von Marianne Weber vom 16. August bis Mitte September 1915 auf.

Hbg 10. VIII. Liebes Tobelkind

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es war tüchtig zu thun, Tag aus Tag ein – und morgen früh reise ich nach Brüssel, zunächst nur um zu sehen, ob ich den Antrag, mich an den Arbeiten zu beteiligen, welche die Regierung wünscht, beteiligen kann, vernünftigerweise.1 D.h. ob ich „Fachmann“ genug dafür bin. Denn sonst ist es falsch das zu machen. Und ich glaube, Andre werden geeigneter sein als ich. Davon schreibe ich noch. Jedenfalls ist es nicht eine dauernde „Stellung“ dort. Sondern es handelt sich ausschließlich um Vorarbeiten für Denkschriften, die dann hier abzufassen sind. Ob ich das mit der hiesigen Arbeit vereinigen kann, weiß ich noch nicht. Seien Sie über diesen Zettel nicht so enttäuscht, wie Sie ein Recht haben zu sein! Ich muß so viele Kommissionen machen,2 daß ich Alles bis Brüssel aufschiebe. Sonntag bin ich wieder hier, dann ziehe ich Montag in die Pension, die ich Ihnen noch schreibe. Tausend Herzliches von Ihrem Max Weber

1 Die Reise sollte der Erkundung seiner möglichen Mitarbeit an einer vom Generalgouvernement in Brüssel angeregten Denkschrift dienen, die die Auswirkungen der Einführung der deutschen Sozialgesetzgebung auf die belgische Industrie analysieren sollte. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Edgar Jaffé vom 9. Mai 1915, oben, S. 49. Die Reise wurde auf den 19. – 22. August 1915 verschoben, da Jaffé, den Weber dort treffen wollte, am 11. August nicht in Brüssel war. Zum Hintergrund dieser Pläne vgl. Mommsen, Max Weber3 , S. 215 – 219. 2 Gemeint ist: Aufträge erledigen.

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13. August 1915

Johann Plenge PSt 13. August 1915; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge Bezug: Brief Plenges vom 11. August 1915 (UB Bielefeld, Nl. Johann Plenge), dem als Anlage seine „Denkschrift über den Ausbau einer Unterrichtsanstalt für die Ausbildung praktischer Volkswirte“ (Münster i. W.: Kommissions-Verlag Borgmeyer 1915) sowie einige erläuternde Aktenstücke zu diesem Projekt beigegeben waren. Er habe – so Plenge – versucht, dafür „Mittel der Großindustrie für volkswirtschaftliche Ausbildungszwecke unter ausgesprochener Ausschaltung jeder sozialpolitischen Einseitigkeit […] ohne alle Ehrenbergerei“ zu gewinnen. Jedoch habe die preußische Unterrichtsverwaltung „nur gehemmt und aufgehalten“ und habe „niemals das allergeringste Verständnis für die politische Seite einer Hochschulgründung mitten im Kriege bewiesen, oder das allergeringste Verständnis […] für die Bedeutung der volkswirtschaftlichen Ausbildung für unsere wirtschaftliche Zukunft in dieser Zeit des schwersten Kampfes der Weltwirtschaft.“ Zum Mißerfolg des Plengeschen Projektes während des Weltkriegs vgl. Krüger, Dieter, Nationalökonomen im wilhelminischen Deutschland (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 58). – Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1983, S. 102 – 108.

Lieber Kollege! Ich habe täglich (auch sonntäglich) militärischen Dienst von früh bis spät mit kurzer Mittagspause. In den Pausen korrigiere ich einen schon altbacken gewordenen gedruckten Aufsatz1 ziemlich mühselig stilistisch. Mehr zu leisten ist mir unmöglich. Ich lese nichts und kann geistig nichts thun, denn ich schlafe fast nur künstlich, seit nun einem Jahr. Also kann ich Ihren Plänen immer nur herzlich besten Erfolg wünschen, weil ich a priori überzeugt bin, daß Siea nur etwas Vernünftiges machen werden. „Kritik“ zu üben, positiv oder negativ – dazu reicht es nicht. Vielleicht, wenn ich einmal Urlaub habe. Aber das dauert noch lange. Ihr Buch habe ich s. Z. noch gelesen,2 mit Interesse –

a O: sie 1 Gemeint sind die Korrekturen zu: Weber, Max, Konfuzianismus I, II. 2 Plenge, Johann, Der Krieg und die Volkswirtschaft (Kriegsvorträge der Universität Münster i. W., Heft 11/12). – Münster i. W.: Borgmeyer 1915.

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13. August 1915

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was Belgien anlangt, aus weltpolitischen Gründen ohne Zustimmung,3 sonst aber mit lebhaftem Vergnügen.4 Alle besten Wünsche! Ihr kollegial ergebenster Max Weber

3 Plenge hatte sich für eine Angliederung Belgiens an das Deutsche Reich ausgesprochen: „Wir haben diese Volkswirtschaft unserer nationalen Existenz opfern müssen. Wir haben darum die Pflicht, sie wieder aufzubauen. Wir haben die Kraft als Sieger, diesen Aufbau so vollständig durchzuführen, wie es das besiegte Volk aus sich heraus nicht vermag. Aber wenn wir das Land mit uns nach oben nehmen, so geht das nur mit uns, nicht gegen uns. Mit uns nach oben als Teil des Reiches, von dem es einstmal abgesplittert worden ist, so kommen Sieger und Besiegte zu ihrem Recht!“ (wie Anm. 2, S. 46). Vgl. auch den Passus über Belgien, ebd., S. 174: „Nur soviel kann gesagt werden, daß die aus den Gründen der Wirtschaft und des dauernden Weltfriedens notwendige Behandlung Belgiens uns den Stützpunkt gegen England schaffen kann und bei der entsprechenden Bildung einer Südgrenze gegen Frankreich nur eine sehr geringe Veränderung der bestehenden Westgrenze unabweisbar erscheinen läßt.“ 4 Erstaunlich ist dieses Urteil Webers schon – finden sich doch in Plenges Buch (wie Anm. 2) die von ihm geprägten, später so oft zitierten und propagierten „Ideen von 1914“, denen Weber äußerst kritisch gegenüberstand: „Das Fest des 2. August! – Das Fest des inneren Sieges! – Da ist unser neuer Geist geboren: der Geist der stärksten Zusammenfassung aller wirtschaftlichen und aller staatlichen Kräfte zu einem neuen Ganzen, in dem alle mit gleichem Anteil leben. Der neue deutsche Staat! Die Ideen von 1914!“ Wie Anm. 2, S. 185 f. Zu Plenges „Ideen von 1914“ und deren Fortleben vgl. Hoeres, Peter, Krieg der Philosophen. Die deutsche und die britische Philosophie im Ersten Weltkrieg. – Paderborn, München, Wien, Zürich: Ferdinand Schöningh 2004, S. 385 – 394.

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15. August 1915

Paul Siebeck PSt 15. August 1915; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

V. Fr. Meine Adresse ist bis auf Weiteres (für alle Sendungen, Korrekturen pp) Heidelberg, Pension Bezner, Gaisbergstraße 16a Herzl. Grüße! Max Weber

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Marianne Weber PSt 16. August 1915; Heidelberg Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Weber nennt in der folgenden Karte als Absender die Pension Bezner, wohin er während der Abwesenheit von Marianne Weber und der damit verbundenen Haushaltsaussetzung vom 16. August bis Mitte September 1915 gezogen war.

Pens. Bezner, Gaisbergstr. 16a Liebes Kind,

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die erste Nacht hier ist ganz nach Wunsch verlaufen, im Hause ist es wirklich recht ruhig. Essen und Alles ist gut, ich esse mit St[efan] G[eorge] und den beiden G[undolfs]1 zusammen. Nach Tisch trennt man sich dann bald. Die Schwester Elisabeth2 habe ich nur ganz beiläufig gesehen bisher, – St[efan] G[eorge] hält auf strenge Trennung der Gynäkokratiea vom Männerhaus. Ich war gestern nochmal in der Wohnung, Nachmittags, mutterseelenallein, um Manuskripte für die Niederlegung auf der Bank und Bücher für die Bibliothek zusammenzupacken. Hoffentlich bist Du auch so gut untergekommen3 und schön dabei! Tausend Grüße Dein Max

a O: Gynaikaritie 1 Friedrich und Ernst Gundolf. 2 Elisabeth Salomon, die spätere Frau von Friedrich Gundolf, arbeitete als Krankenschwester im Lazarett. 3 Marianne Weber war zur Erholung im Hotel Alpenrose in Hohenschwangau.

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17. August 1915

Marianne Weber PSt 17. August 1915; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

L. Schn.! Schönen Dank für die Karte. Das war ja arges Pech.1 Ich bin nun seit Nächten hier.2 Man kann ganz gut schlafen, auch sonst ist Alles recht gut. Mittagstafel mit St[efan] G[eorge] und Fr[iedrich] Gundolf, die misera plebs der drei Studentinnen und eines jungen Mannes im andren Zimmer, – man sieht sie nie. – Also meines Bleibens in H[eidel]b[er]g wird wohl sicher nicht sein. Streng vertraulich erfuhr ich, daß die hiesige Lazarett-Kommission aufgehoben und durch einen Chefarzt ersetzt wird, weil das Nebeneinander von „Kommission“ und „Direktor“ für „ungesetzlich“ gilt.3 Ich reiche natürlich jetzt schon vorher ein Abschiedsgesuch4 ein. Die wirklich interessante Arbeit ist ja jetzt auch bald zu Ende, wenn das Offiziers-Lazarett noch gemacht ist. An Jaffé schrieb ich.5

1 Der Sachverhalt konnte nicht ermittelt werden. 2 Gemeint ist die Pension Bezner. 3 Zu Kriegsbeginn war die Lazarett-Kommission eingesetzt worden, um unter freiwilliger Beteiligung von Zivilisten rasch Reserve-Lazarette einzurichten. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Karl Oldenberg vom 28. Aug. 1914, MWG II/8, S. 782. Die Lazarettverwaltung und der Pflegedienst wurden im Herbst 1915 neu strukturiert und die ärztliche Leitung militärischen Stabsärzten übertragen. Damit verlor die Lazarett-Kommission, die aus einem ärztlichen und einem militärischen Mitglied bestand, ihre Berechtigung; sie wurde zum 30. September 1915 aufgelöst. Die Stellung Webers als dem Militärischen Mitglied der Lazarett-Kommission war ungewiß geworden. Zu der „Dilettantenverwaltung“ der Anfangszeit vgl. seinen Abschließenden Erfahrungsbericht über die Lazarettverwaltung, MWG I/15, S. 23 – 25 und 32 – 48. 4 Über die Einreichung des Abschiedsgesuchs (nicht nachgewiesen) berichtet Weber im Brief an Marianne Weber vom 28. Aug. 1915, unten, S. 109. 5 Ein Brief an Edgar Jaffé, der als Sachverständiger für Bankfragen bei der Zivilverwaltung des besetzten Belgiens in Brüssel war, ist nicht nachgewiesen. Es handelte sich vermutlich um einen neuen Terminvorschlag für Webers Reise nach Brüssel, nachdem die für den 11. August geplante Reise abgesagt werden mußte. Vgl. den folgenden Brief an Mina Tobler, unten, S. 94.

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Halloh – es ist höchste Zeit zu gehen, fast 1/29 Uhr! Tausend Grüße für heute Dein Max

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Eben telegrafiert Jaffé von Brüssel aus. Ich reise übermorgen, Donnerstag, dorthin und bleibe bis Sonntag fort.

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20. August 1915

Mina Tobler [20. August 1915]; BK Brüssel Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist erschlossen im Zusammenhang mit dem Brief an Marianne Weber vom 20. August 1915, unten, S. 95 f., der in Inhalt und Diktion große Ähnlichkeit aufweist.

Grand Hotel Mengelle1 Bruxelles Liebes Tobelkind, – nun bin ich also für heut und morgen hier, gehe übermorgen, Sonntag, wieder nach Heidelberg, Pension Bezner, Gaisbergstr. 16a, zurück, sitze hier ohne Koffer, der auf der Reise verloren ging und sehe Menschen. Vorerst steigen meine Bedenken, die Sache zu machen,2 aus persönlichen und sachlichen Gründen, stark. Aber immerhin kann man sich allerhand anhören und ansehen und einen kleinen – nur: kleinen! – Einblick gewinnt man. Haben Sie denn wohl Briefe von mir bekommen? Oder waren sie zu lang oder zu unleserlich? (nach jetziger Bestimmung nur 2 „leserliche“ Seiten).3 Das thäte mir sonst leid, wenn Sie mich für so untreu halten würden, wie ich scheinen müßte, wenn etwa nichts befördert wäre. Ich hoffe sehr, von Ihnen Nachricht in H[eidel]b[er]g vorzufinden, und zwar gute, besser klingende als die letzte hier, die doch etwas resigniert klang. Auch wie es der Mutter4 und Schwägerin5 geht! Und ob das Wetter erträglich ist, was der Rükken macht u.s.w. Ich muß eben wieder zu Jaffé,6 vorher noch nach meinem Koffer sehen, schreibe noch einen Gruß von hier und bin immer Ihr getreuer Max Weber 1 Weber benützte das Briefpapier des Hotels Mengelle, des Vorgängers des Hotel Astoria, in dem er wohnte. Vgl. den Brief an Mina Tobler vom 24. Aug. 1915, unten, S. 104, Anm. 7. 2 Webers Bedenken galten seiner möglichen Mitarbeit an einer sozialpolitischen Denkschrift für das Generalgouvernement in Belgien. Vgl. den Brief an Edgar Jaffé vom 9. Mai 1915, oben, S. 49 f. 3 Gemeint sind die Bestimmungen der Zensur für Auslandsbriefe. 4 Henriette Tobler. 5 Bertha Tobler. 6 Zu Edgar Jaffés Funktion in Brüssel vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Edgar Jaffé vom 9. Mai 1915, oben, S. 49.

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20. August 1915

Marianne Weber 20. August [1915]; Brüssel Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahr ist aus dem Briefinhalt erschlossen. Auf dem Schriftstück (Brief und Umschlag zusammenhängend) ist die Hotelanschrift aufgedruckt: Grand Hotel Mengelle Bruxelles. Dies war der frühere Name des Hotels Astoria, in welchem Weber wohnte.

Brüssel 20. VIII (Freitag) Liebes Mädele, –

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schönen Dank für Deinen Brief. Inzwischen bin ich hier, sprach Jaffé,1 Rathgen2 앚:(ist hier):앚 und einige andre Leute und werde heut Nachmittag noch weitere sprechen. Aber die entscheidende Persönlichkeit ist nicht hier: das ist mein alter Freund Bittmann3 (von der Badischen

1 Edgar Jaffé war in der Zivilverwaltung des besetzten Belgiens als Sachverständiger für das Bankenwesen tätig und stellte den Kontakt zwischen Weber und dem Generalgouvernement her. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Edgar Jaffé vom 9. Mai 1915, oben, S. 49. 2 Karl Rathgen, Webers ehemaliger Heidelberger Kollege, war Professor am Kolonialinstitut in Hamburg. Er hielt sich 1914 und 1915 in Brüssel auf, um im Auftrag der Reichsregierung die Aktenbestände zum belgischen Kongo zu untersuchen, dessen Erwerb zeitweilig zu den deutschen Kriegszielen gehörte. Vgl. ders., Der Kolonialbesitz, in: Gehrig, Hans und Waentig, Heinrich (Hg.), Belgiens Volkswirtschaft. – Leipzig und Berlin: B.G. Teubner 1918, S. 281 – 296 (hinfort zitiert: Gehrig/Waentig (Hg.), Belgiens Volkswirtschaft). Rathgen gehörte zu den Mitarbeitern am GdS und sollte nach dem Stoffverteilungsplan von 1910 über Außenwirtschaft und äußere Wirtschafts- und Sozialpolitik des modernen Staates unter Einschluß von Außenwanderungen, Kolonialwesen und „Rassenpolitik“ schreiben (vgl. MWG II/8, S. 814). 3 Ironische Anspielung auf die Konflikte mit Karl Bittmann anläßlich des Ausscheidens von Marie Baum aus der badischen Fabrikinspektion 1907. Vgl. dazu Weber, Max, Die badische Fabrikinspektion, MWG I/8, S. 288 – 299, sowie die Briefe an Marie Baum vom 23., 24. und 27. Jan. 1907, MWG II/5, S. 218f., 220 und 225f. Von 1914 bis 1917 war Bittmann an die deutsche Zivilverwaltung in Brüssel abgeordnet und hatte die Zuständigkeit für Arbeiterfrage, Sozialpolitik, Gewerbe- und Schiedsgerichte, Arbeiterversicherung sowie Gewerbepolizei und -aufsicht. Zunächst sollte er prüfen, inwieweit Normen der deutschen Sozialgesetzgebung, insbesondere für Frauen-, Jugend- und Kinderarbeit, in Belgien eingeführt werden könnten. Dadurch sollte bei den belgischen Arbeitern eine positive Einstellung zu Deutschland geweckt werden und zugleich der Kostenvorteil der belgischen Industrie durch niedrigere sozialpolitische Standards gegenüber Deutschland verringert werden. Angesichts der Resistenz der belgischen Bevölkerung gegenüber der deutschen Besatzung verfolgte Bittmann diese Pläne nicht weiter. Als das belgische Ministerium für Industrie und Arbeit unter der

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Gewerbeinspektion)a. Der hat eine Denkschrift gemacht4 und den sollte ich „ersetzen“. Das geht anstandshalber nur, wenn er selbst nicht mehr will; da er z.Z. in Urlaub ist, kann ich ihn erst in Heidelberg – Karlsruhe sprechen. – Mein Koffer ist unterwegs nicht mitgekommen und trotz Telegramms auch bisher nicht da. So sitze ich mit der bloßen Hutschachtel hier dreckig genug da. Ich hoffe er kommt noch. Geschlafen habe ich ganz gut. Hoffentlich bekommst Du bald das Wetter, das zu Hohenschwangau gehört. Übermorgen fahre ich zurück, schreib also nicht hierher. Tausend Grüße, bald mehr Dein Max

a Klammer fehlt in O. Aufsicht des Chefs der deutschen Zivilverwaltung seine Arbeit wieder aufnahm, wurde Bittmann Generalreferent der Zivilverwaltung für sämtliche Ressorts des Ministeriums außer dem Ressort für Bergbau. Vgl. dazu Bittmann, Karl, Werken und Wirken. Erinnerungen aus Industrie und Staatsdienst, 3. Bd.: Im besetzten Belgien. – Karlsruhe: C. F. Müller 1924, S. 18 – 21 und 214 (hinfort zitiert: Bittmann, Werken und Wirken). 4 Karl Bittmann legte Anfang Februar 1915 auf Drängen des Chefs der Zivilverwaltung in Belgien eine Denkschrift über die Zukunft Belgiens vor (abgedruckt in: Bittmann, Werken und Wirken (wie oben, Anm. 3), S. 42 – 48). In dieser Denkschrift führte Bittmann aus, die Zukunft Belgiens könne erst nach Kriegsende beurteilt werden, sie hänge von den dann herrschenden Machtverhältnissen ab. Er äußerte Zweifel an den Siegeschancen Deutschlands und vertrat darüber hinaus die Auffassung, daß eine Annexion große Probleme mit sich bringen werde, weil die Belgier „sich dem Deutschtum niemals einbequemen und ihm stets volksfremd bleiben“ würden (ebd., S. 46). Diese Denkschrift war für die Absichten des Generalgouverneurs Moritz v. Bissing völlig ungeeignet und wurde unter Verschluß genommen. Weber sollte an einer neuen Denkschrift über „Untersuchung der Folgen, welche die Einführung der Sozialgesetzgebung des Reiches auf die Konkurrenzfähigkeit der belgischen Industrie auf dem Weltmarkt ausüben würde“ mitwirken und branchenspezifische Untersuchungen anderer Autoren zusammenfassen. Vgl. Mommsen, Max Weber 3, S. 217 f. Karl Bittmann hat auch eine Darstellung der belgischen Sozialpolitik verfaßt, die in Gehrig/Waentig (Hg.), Belgiens Volkswirtschaft (wie oben, S. 95, Anm. 2), S. 202 – 228, veröffentlicht wurde.

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[Paul Siebeck] [vor dem 21. August 1915]; o.O. Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Das Schreiben bildet das Fragment einer Briefkarte oder eines Briefes; die Datierung ist erschlossen aus dem Verlagsvermerk: „21/8 15 beantw“. Der Brief steht in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Webers Artikelserie „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69.

NB!

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Ich nehme an, daß von „Konfuzianismus“ nur Abschnitt I und II diesmal gesetzt werden sollen.1 Sonst müßte auch No III in die Inhaltsübersicht unter der Überschrift[.] Weber.

1 Die Vertreter von Paul Siebeck, Richard Wille und Richard Pflug, vermerkten in ihrem Schreiben an Weber vom 21. Aug. 1915 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), daß nach einer Mitteilung Emil Lederers die „Einleitung“ und die Abschnitte I und II seines Konfuzianismus-Artikels in das nächste Heft des AfSSp aufgenommen werden sollten. Sie erschienen in dem am 14. Oktober 1915 ausgelieferten Heft 1 des Bandes 41.

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21. August 1915

Edgar Jaffé [21.] August [1915]; Brüssel Brief; eigenhändig Privatbesitz Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Weber gibt irrtümlich als Tagesdatum den 31. August an; da Weber zu diesem Zeitpunkt wieder in Heidelberg war, der Brief jedoch in Brüssel geschrieben worden ist, dürfte eine Verschreibung der ersten Tagesziffer vorliegen, und das Schreiben wahrscheinlich am 21. August 1915 verfaßt worden sein. Der Brief ist vermutlich ein Nachtrag zu einem Gespräch Webers mit Jaffé, das am 20. oder 21. August 1915 in Brüssel stattgefunden hat.

z. Z. Brüssel 21a/8 Lieber Herr Doktor! Ich möchte nicht jetzt Alles durch meinen Austritt wieder in Confusion bringen.1 Aber ich bin dankbar, daß Sie mir ev. Freiheit lassen u. werde davon nur Gebrauch machen, nachdem Sie ev. einen andren, Ihnen und Sombart genehmen Compagnon gefunden haben werden, wenn ich im Lauf der nächsten Jahre mich überzeuge, daß es nicht das Richtige ist, meinen Namen auf der Zeitschrift stehen zu lassen. Meine Bedenken liegen nicht in erster Linie oder doch nicht allein da, wo diejenigen meiner Frau sich bewegen. Zeigt es sich, daß ich nicht in der Lage bin oder daß es sich nicht machen läßt, daß ich constant an dem ganzen Betrieb der Zeitschrift – excl. die rein geschäftlichen Dinge – beteiligt bin, so werde ich jedenfalls mich zurückziehen, so bald dies angeht – mit H[einrich] Brauns „gelegentlichem Spaziergang“2 kann ich mich nun einmal nicht begnügen, wenn ich mich interessieren soll, um so weniger, als ich wirklich nicht weiß, worin jene „Direktiven“, von denen immer geredet wurde, bestehen sollten: – dem Betrieb des Archivs werden Sie auch ohne solche ganz so gut gewachsen sein, wie wenn Sie am Ort einen Querulanten sitzen haben, der Ihnen gelegent-

a O: 31 1 Im folgenden geht es erneut um Webers eventuellen Rücktritt als Mitherausgeber des AfSSp. Tatsächlich ist er letztlich bis zu seinem Tode Mitherausgeber geblieben. 2 Anspielung auf die Art der Geschäftsführung von Heinrich Braun, dem Herausgeber des „Archivs für soziale Gesetzgebung und Statistik“, welches er 1903 an Edgar Jaffé verkaufte und das als „Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“ weitergeführt wurde.

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lich in die Suppe spuckt. Es wäreb – das ist mein wesentliches Bedenken – in der That vielleichtc bequemer u. förderlicher, wenn Sie nur mit auswärtigen Compagnons zu thun haben, da ergiebt sich das richtige Maß der Anteilnahme durch die Frage, ob es einen Brief lohnt, von selbst. – Kurz u. gut: ich schlage, da ich schon mit zu vielen Leuten von der Sache meinerseits geredet habe, für jetzt vor, es zu lassen wie es ist; zeigt sichd im Lauf der nächsten Semester, daß eine Beteiligung derart, wie ich sie wünschen muß, unthunlich oder allzu lästig für den Betrieb u. uns beide ist, so bleibt der Name stehen, so lange, bis Sie einen andren Geeigneten haben. 앚:–:앚 Von den hiesigen Leuten ist Vandervelde verreist, u. Anseele, 앚:den ich sah[,]:앚 kommt sicher vorerst nicht dazu etwas zu schreiben.3 Den vorläufigen „Prospekt“4 wollen Sie aber doch nicht etwa verteilen lassen auf dem V[erein] f[ür] Soz[ial-]Pol[itik]? Etwas Ähnliches ließ Fischer s. Z. für das H[and-]W[örter-]B[uch] d[er] Staatswiss[enschaften] machen, was sehr verspottet wurde. Ich glaubte[,] er solle für Correspondenzen dienen, zu denen wir ja vorerst kaum gekommen sind. – Indessen: das Weitere mündlich. Mit vielen Grüßen, auch an Ihre liebe Frau5 Ihr Max Weber Ich komme morgen zurück.

b ist > wäre

c wohl > vielleicht d

3 Gemeint sind die belgischen Sozialisten Emile Vandervelde und Edouard Anseele; letzteren hatte Weber schon während seiner Reise durch die Niederlande und Belgien 1903 persönlich kennengelernt; vgl. dazu seinen Brief an Marianne Weber vom 28. Aug. 1903 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446; MWG II/4); teilweise abgedruckt in: Weber, Marianne, Lebensbild3 , S. 286. Von Anseele ist kein Artikel im AfSSp erschienen. 4 Um welchen „Prospekt“ es sich hier handelt, ist unklar. Der Briefwechsel Jaffés mit Paul Siebeck enthält keine weiterführenden Informationen. 5 Die Grüße an Else Jaffé sind insofern ungewöhnlich, als Weber jeden Verkehr mit ihr 1909/10 abgebrochen hatte.

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Mina Tobler PSt 23. August 1915; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446

Liebes Tobelkind! Ich schrieb Ihnen im Ganzen 6 Mal (außer der Postkarte, die meine Adresse angab: Pension Bezner, Gaisbergstr. 16a), und dann einmal während meines Aufenthaltes beim Generalgouvernement Brüssel.1 Ich nehme an, daß inzwischen Alles angekommen ist. Heute kam Ihr lieber schöner Brief – oder vielmehr ich fand ihn bei der nächtlichen Rückkehr von Brüssel aus vor. Dazwischen nur herzlichsten Dank! Bald mehr, hier ist viel Arbeit aufgestaut. – Über Sie und auch über Ihre Frau Mutter2 lautete der Brief aber gar nicht so wie ich gewünscht hätte! Sehr viele warme Grüße! Ihr Max Weber

1 Nachgewiesen sind lediglich die drei Schreiben an Mina Tobler vom 7., 10. und 20. Aug. 1915, oben, S. 84 – 86, 87 und 94. 2 Henriette Tobler.

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Marianne Weber 23. August PSt 1915; Heidelberg Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg, P. Bezner Montag 23.8. Liebstes Mädele, –

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schönen Dank für Dein Briefchen! Ich fand es Nachts bei der Rückkehr vor. War also 2 Tage in Brüssel,1 gestern Vormittag (Sonntag) noch in Löwen2 (sieht traurig aus!), Nachts zurück, heut tüchtig viel Arbeit gefunden, obwohl gut geschafft worden ist inzwischen. Ich habe zugesagt, für die Fertigstellung dieser Denkschrift3 zu bürgen (hat Zeit!); irgend eine „Stellung“ bedeutet das nicht, auch wohl nicht den Weg dazu – denn es sind schon viel zu viel Leute in Br[üssel]. Ich war mit Rathgen,4 Jaffé,5 Kurt Simon,6 Wäntig,7 u.s.w. zusammen. Mein „Chef“ wäre ev. der Bildhauer (!) Graf Harrach8 beim Gen[eral-]Gou1 Gemeint sind der 20. und der 21. August 1915. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 20. Aug. 1915, oben, S. 95 f. 2 Nachdem Löwen am 19. August 1914 kampflos besetzt worden war, hatten deutsche Truppen in der Nacht vom 25. zum 26. August 1914 und am Tag danach über tausend Häuser in der Innenstadt als Vergeltung für vermeintliche Schüsse belgischer Freischärler niedergebrannt. Vgl. Schivelbusch, Wolfgang, Die Bibliothek von Löwen. – München: Carl Hanser 1988, S. 14 – 19 (hinfort: Schivelbusch, Bibliothek von Löwen), sowie Horne, John und Kramer, Alan, Deutsche Kriegsgreuel 1914. Die umstrittene Wahrheit. – Hamburg: Hamburger Edition 2004, S. 65 – 72, und Wieland, Lothar, Belgien 1914. – Frankfurt a.M.: Peter Lang 1984, S. 36 – 39. 3 Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Edgar Jaffé vom 9. Mai 1915, oben, S. 49, und den Brief an Marianne Weber vom 20. Aug. 1915, oben, S. 96. 4 Zu Karl Rathgen vgl. den Brief an Marianne Weber vom 20. Aug. 1915, oben, S. 95 mit Anm. 2. 5 Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Edgar Jaffé vom 9. Mai 1915, oben, S. 49. 6 Kurt Simon, der mit seinem Bruder Heinrich Simon die Frankfurter Zeitung leitete, war „formell als Eigentümer eines äußerlich neutralen Korrespondenzbüros“ für die politische Abteilung des Generalgouvernements in Brüssel tätig. Vgl. Mommsen, Max Weber 3, S. 216. 7 Heinrich Waentig, Professor an der Universität Halle, war bis 1918 in Brüssel in der Pressearbeit tätig. Er gab eine Gesamtdarstellung der belgischen Wirtschaft, Bevölkerung und sozialen Gliederung mit heraus. Vgl. Gehrig/Waentig (Hg.), Belgiens Volkswirtschaft (wie oben, S. 95, Anm. 2). 8 Hans Albrecht Graf von Harrach war in Brüssel im Stab des diplomatischen Beraters Oscar von der Lancken-Wakenitz beim Generalgouverneur von Bissing tätig (Mit-

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v[ernemen]t. Schumacher9 wird dort wohl das große Tier werden. Der kommt nächstens hin. Ich gehe dann auch nochmal hin.10 Heut nur diese herzliche Umarmung auf einer Postkarte! Dein Max L. Schn.! Was soll denn das mit dem „kleinen Zimmer“ heißen? Du willst doch nicht etwa à conto des Verlustes meines Hauptmanns-Gehaltes sparen?11 Das wäre ja ganz unglaublich! Bitte mache es Dir gefälligst bequem! Bald mehr davon Dein Max

teilung von Wichard Graf Harrach an Birgit Rudhard vom 24. März 2000). Er sollte Kontakte zur belgischen Presse und führenden Persönlichkeiten pflegen. Von der Lancken machte wie später auch Richard v. Kühlmann Künstler und Schriftsteller zu seinen Beratern. 9 Hermann Schumacher, Professor an der Universität Bonn, war Berater für den Handel zwischen Belgien und Deutschland und ein Experte für die wirtschaftliche Stellung der Nordseehäfen. Er schrieb mehrfach über die Bedeutung Antwerpens. Vgl. auch Schumacher, Hermann, Die Lösung der belgischen Frage. – Leipzig: Hirzel 1918. Schumacher gehörte zu den Mitarbeitern am GdS und sollte nach dem Stoffverteilungsplan von 1910 den Abschnitt über Börsenhandel und Börsenwesen schreiben; vgl. MWG II/8, S. 812. 10 Die geplante Reise nach Brüssel kam nicht zustande; vgl. die Briefe an Mina Tobler vom 30. Aug., an Marianne Weber vom selben Tag und an Edgar Jaffé vom 30. Sept. 1915, unten, S. 112, 114 und 142. 11 Mit der Beendigung der Tätigkeit bei der Reserve-Lazarett-Kommission in Heidelberg, die zum 30. September 1915 aufgelöst wurde, entfiel das Hauptmannsgehalt Webers. In dem nicht überlieferten Brief von Marianne Weber an Max Weber hatte diese vermutlich geschrieben, sie wolle im Hotel Alpenrose in Hohenschwangau ein kleineres Zimmer nehmen.

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Mina Tobler PSt 24. August 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem beiliegenden Umschlag erschlossen.

Heidelberg Pension Bezner Gaisbergstr. 16a Liebes Tobelkind, – 5

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ich will versuchen „leserlich“ zu schreiben, damit der Brief ankommt, aber Sie wissen ja, daß das nicht leicht zu machen ist. Haben Sie nochmal vielen Dank für Ihren Brief; trotz der recht „mäßigen“ Nachrichten über Mutter1 und Sie selbst hofft man doch immer, daß etwas für Sie bei dem Aufenthalt herauskommt. Denn daß Sie Sich von dort, den Ferien, hier „erholen“ wollen, ist doch ein sehr übler Trost. Dann kämen Sie ja besser vor der Zeit zurück, was ja ernstlich zu erwägen bliebe. – Von mir ist nicht sehr viel zu erzählen. In Brüssel2 war es natürlich interessant. Und den Auftrag3 werde ich wohl annehmen, da ich auf die Art vielleicht mit dem einen oder andren Kollegen in Berührung komme, und ihn beeinflussen kann. Denn politisch gehen natürlich die Ansichten der Deutschen, die ich sprach, sehr auseinander.4 (Das Nähere würde einen „politischen“ Brief bedeuten, der wohl nicht unzensuriert bliebe). Daß ich grade dort die Nachrichten von den wundervollen Erfolgen im Osten5 erhielt, war auch schön. Traurig war es in Löwen.6 Das Rathaus haben ja die Belgier selbst versängt und die Schilderungen von Verwüstung sind unglaublich übertrieben worden. Aber was hat geschehen müssen, ist traurig genug. Sonst ist das Leben,

1 Henriette Tobler. 2 Max Weber war am 20. und 21. August in Brüssel; vgl. den Brief an Marianne Weber vom 20. Aug. 1915, oben, S. 95 f. 3 Die Gesamtredaktion einer sozialpolitischen Denkschrift. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Edgar Jaffé vom 9. Mai 1915, oben, S. 49. 4 Gemeint sind die Ansichten über die Behandlung Belgiens nach dem Krieg. 5 Die Einnahme von Novogeorgievsk (Modlin) am 20. August 1915. 6 Zur Zerstörung Löwens vgl. die Karte an Marianne Weber vom 23. Aug., oben, S. 101 mit Anm. 2, und den Brief an dieselbe vom 24. Aug. 1915, unten, S. 106, Anm. 4.

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speziell in Brüssel, wenig anders als in Heidelberg. Nur: keine Karossen mit schönen Pferden, viele Fensterläden der Boulevards zu, etwas mehr Posten, die Lokale etwas leerer, früh Abends geschlossen. Die Hotels (ich wohnte im Astoria,7 also sehr vornehm, in schönem Zimmer) billig, da Zwangshöchstpreise für deutsche Offiziere. (Ich zahlte z.B. 5 Mk.) Trotzdem schmerzte die Reise den Geldbeutel. Wann werde ich Ihnen davon erzählen? Fortgehen thue ich ja auf höchstens 14 Tage, unbestimmt8 wann. – Ja, das glaube ich, daß es mit Plato langsam geht.9 Grade mit diesem Buch. Es ist nur, wie Sie sagen: der unendlich ahnungslose Kinderglaube an die Macht des Vernünftigen, die große Ehrlichkeit des Menschen, der die Schönheit Homers nicht ablehnen kann und ihn doch sittlich nicht billigen darf. Und dann kommen hinten noch ein paara recht schöne Stellen. Und wenn Sie dies Buch kennen, kennen Sie ihn aber wirklich ganz, – das Gastmahl und der Phaidros und Phaidon können täuschen, lassen ihn mehr dem „griechischen“ Typus, den wir uns gern denken („Künstler“ und „verliebter“b Gott), entsprechen, als der Wahrheit entspricht. – Hier in der Pension bin ich gut aufgehoben. Natürlich – es ist ein Unterschied gegen unsren Garten und Saal! Ich sehe jetzt Niemand hier. Nehmen Sie mit diesem Gruß vorlieb, es ist spät Abends, – die einzige freie Zeit, denn es ist mächtig zu thun. Von Herzen Ihr Max Weber

a O: par

b Unsichere Lesung.

7 Das Hotel Astoria war für die Weltausstellung 1910 in Brüssel im Stil der „belle époque“ errichtet worden. 8 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom selben Tag, unten, S. 106 mit Anm. 5. 9 Weber hatte Mina Tobler Platos „Staat“ zum Geburtstag geschenkt. Vgl. den Brief an Mina Tobler vom 7. Aug. 1915, oben, S. 85 f. mit Anm. 13.

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Marianne Weber 24. August [1915]; [Heidelberg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Jahr und Ort sind aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Dienstag früh 24/8 Liebes Schnauzele, –

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schnell vor der Arbeit einen kleinen Gruß an Dich und nochmals Dank für Deinen Brief. Aber bitte mach es Dir bequem, mein Kind, es ist ja ein Unsinn in dieser Form zu „sparen“.1 Wie es hier wird[,] weiß ich nicht. Das Fortbestehen der Kommission gilt als „ungesetzlich“, da andre aktive Stabsärzte etc. da 앚:(hier in Heidelberg):앚 seien, eine rein formale Bestimmung, die uns in die Luft sprengt.2 Dagegen kann man nichts machen. – Also in Brüssel ist es ein wunderlich gespenstisches Leben. Unterirdisch besteht die „Nebenregierung“ des American Relief Fund,3 welcher die Belgier mit Lebensmitteln versorgt und daher den Bürgermeistern gegenüber die Macht in den Händen hat. Die belgischen Ministerien (außer Krieg, Kolonien u.s.w.) arbeiten mit deutschen Chefs und belgischen Beamten. Daneben die deutsche Verwaltung, von der jeder Teil seine eignen Wege geht. Das Leben Brüssels ist verändert durch das Fehlen aller Vornehmheit, Equipagen etc. und großen Toiletten, die Läden der „feinen“ Häuser heruntergelassen. Sonst sieht es ganz so aus wie etwa bei uns, und nur die großen Geschütze oben am Justizpalast und die Maschinengewehre an 앚:den:앚 Ministerien erinnern an die Nähe der Front. Auch die Posten am Park und vor allen Mini1 Vermutlich bezieht sich dieser Satz auf die Absicht Marianne Webers, in ihrem Urlaubshotel ein kleineres Zimmer zu beziehen. Vgl. die Karte an Marianne Weber vom 23. Aug. 1915, oben, S. 102, Anm. 11. 2 Die bei Kriegsbeginn gebildete Reserve-Lazarett-Kommission sollte aufgelöst werden; vgl. auch die Karte an Marianne Weber vom 17. Aug. 1915, oben, S. 92, Anm. 3. 3 Die „Commission for Relief in Belgium“ (CGB) war auf Initiative des Amerikaners Herbert Hoover gegründet worden. Die Lebensmittel wurden in den USA gekauft, mit neutralen Schiffen transportiert und über lokale und provinzielle Niederlassungen eines belgischen Komitees zur Unterstützung Arbeitsloser verteilt. Vgl. dazu LanckenWakenitz, Oscar Frhr. von der, Meine dreißig Dienstjahre 1888 – 1918. – Berlin: Verlag für Kulturpolitik 1931, S. 197 – 210.

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sterien u.s.w. Die großen feinen Lokale sind fast leer, schließen sehr früh. Stimmung und Absichten der deutschen Beamten und sonstigen Beschäftigten gehen offenbar weit auseinander. Was akademisch gebildet ist, ist gegen die Annexion. Aber man hat mit diesen Ansichten jetzt keinen Einfluß. Jeder Sieg entfernt uns weiter vom Frieden, das ist das Eigentümliche der Lage. – In Löwen ist es sehr still auf den Straßen (es war freilich auch Sonntag). Der Gemüsemarkt spärlich besucht. Rund um den Bahnhof und von da bis zur Kathedrale und zum Rathaus stehen nur einzelne Häuser, der Rest liegt in Schutt. Anderwärtsa stehen die meisten und sind nur einzelneb ausgebrannt, so die Bibliothek.4 Das 앚:seit Jahren:앚 restaurierte, daher um seinen Charme gebrachte Rathaus steht einsam, umgeben von Schutthaufen. An der Place du Peuple schaut man durch die Bäume des Platzes ringsum in Schutt. Die Kathedrale blickt nach allen Seiten in Schutthaufen, sieht jetzt, mit Dachpappe abgedeckt und dabei teilweise gestützt – die 앚:Mauern der:앚 Türme z[um] Teil umgestürzt – trübselig genug aus. Die große, ganz überwiegende, Mehrzahl aller Stadtteile ist unversehrt. Trotzdem ist der Eindruck höchst fatal. Von den Gesprächen in der Bahn und sonst ein andermal. – Eine „Stellung“ ist in Belgien für mich nicht zu gewinnen. Da ist Alles in festen Händen. Es giebt Bummler, die nichts thun und ihr Tagegeld fressen und Arbeitstiere, die nicht genug kriegen können. Ein wunderlicher Zustand. In 14 Tagen etwa gehe ich wieder hin.5 So, jetzt naht die Bürostunde. Ich umarme Dich, tausend Mal, mein süßes Mädele, mach mir keinen Kummer und erhole Dich recht ordentlich. Es ist nur so kühl jetzt! Immer Dein Max

a b 4 Die von Weber geschilderte Zerstörung des historischen Zentrums der Universitätsstadt Löwen erfolgte in der Nacht vom 25. zum 26. August 1914 als Vergeltungsmaßnahme wegen vermeintlicher Angriffe durch Franktireurs. Die von deutschen Truppen angezündete Bibliothek und die Vernichtung ihrer Bücherbestände und mittelalterlichen Handschriften wurde zum Symbol für die Beschuldigungen gegen die deutsche Kriegsführung, sie nähme auf Kulturdenkmäler keine Rücksicht. Vgl. Schivelbusch, Bibliothek von Löwen (wie oben, S. 101, Anm. 2), S. 28 – 31, und die in Anm. 2 zur Karte an Marianne Weber vom 23. Aug. 1915, oben, S. 101, genannte Literatur. 5 Dazu ist es nicht gekommen. Vgl. die Briefe an Mina Tobler vom 30. Aug., an Marianne Weber vom selben Tag und an Edgar Jaffé vom 30. Sept.,1915, unten, S. 113 mit Anm. 1, S. 114 und 142.

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Mina Tobler 28. August PSt 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahr ist aus dem beiliegenden Umschlag erschlossen.

Hbg 28/8 Liebes Tobelkind, –

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Sie werden inzwischen meinen Brief1 bekommen haben, wie ich den Ihrigen. Ja – es ist schlimm, daß ich so schlecht schreibe, daß die Zensur es nicht lesen kann. Aber so viel ich weiß[,] werden die Briefe nach einiger Zeit nachgeschickt, auf jedem war auch Ihre hiesige Adresse angegeben und da in ihnen nicht viel stand und stehen konnte, so ist es für Sie 앚:eigentlich:앚 einerlei, wann (und allerdings 앚:auch:앚: ob) siea ankommen. – Jetzt sind Sie wieder bitterböse geworden, nicht wahr? Und doch müßte man Sie jetzt besonders gut behandeln, denn Ihre Nachrichten lauten (über Sie selbst) nicht gut, das spüre ich wohl durch, obwohl Sie es nicht merken lassen wollen. Ich bin halt aber ein böser Bube, das wissen Sie ja. So sehr wissenb Sie es, daß Sie sogar zweifeln: ob es einmal wieder Samstage geben wird?2 Der Himmel läßt die Sonne scheinen, liebes Kind, und der Krieg wird – irgendwann – zu Ende sein. Und mehr brauchen Andre nicht dazu zu thun. Denn Alles Andre ist da, so stark und schön wie je, in großer Sehnsucht, daß solche schönen Zeiten bald, wohlc sehr bald, wieder blühen mögen.3 – – Nachdem Weihen-Stefan4 und Gundelchen fort sind, Ersterer gebessert, aber nicht dauernd heil,5 bin ich ganz und gar allein, sehe keinen Menschen weder männlichen noch – was schlimmer! – weiblichen Geschlechts von irgend welcher Bedeutung für mich.

a O: Sie

b vergessen > wissen c Alternative Lesung: recht

1 Gemeint ist der Brief an Mina Tobler vom 24. Aug. 1915, oben, S. 103 f. 2 An Samstagen pflegte Max Weber Mina Tobler zu besuchen. 3 Anspielung auf Zeiten der intimen Nähe. Vgl. dazu die Einleitung, oben, S. 15. 4 Gemeint ist Stefan George, der wie Friedrich Gundolf vor Max Webers Abreise nach Belgien in der Pension Bezner wohnte. 5 Vgl. die Karte an Marianne Weber vom 29. Aug. 1915, unten, S. 111, Anm. 3.

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Sonntag denke ich, gehe ich einmal zur Cläre auf ihr Schloß,6 hoffentlich sind nicht grade lauter jüdische Preßbengels oderd ähnlichese Gelichter dort. Und Sie gehen also jetzt nach Zürich – Adresse? Offenbar doch auch, weil da oben die Erholung nicht recht von statten geht. Könnte man nur an die Redensart vom „Nachkommen“ der Wirkung glauben! Ich habe hier noch mächtig zu thun. Aber es geht nun zu Ende, mein Entlassungsgesuch7 liegt vor, und zwar für jede Verwendung! Ich will nicht – und habe das auch gesagt – nur um „versorgt“ zu sein, irgendwohin geschoben werden. Und das wäre – ich hatte mich erkundigt! – geschehen. – Die Bürozeit beginnt. – Alles, wie Sie es kennen, immer Ihr Max Weber

d Unsichere Lesung. e O: Ähnliches 6 Cläre Schmid und ihr Mann Friedrich Alfred Schmid lebten zu dieser Zeit im Stift Neuburg in der Nähe von Heidelberg. 7 Das Entlassungsgesuch (vgl. den Brief an Marianne Weber vom 28. Aug. 1915, unten, S. 109, Anm. 1) ist nicht nachgewiesen.

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Marianne Weber 28. August 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 28.8.15 Liebes Mädele, –

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das anliegende Abschiedsgesuch1 habe ich eingereicht, nachdem ich telefonisch festgestellt hatte, daß man in großer Verlegenheit sei, was mit mir machen? – und mich zum Adjutanten irgend eines Schafskopfes von Bezirks-Kommandeur machen wollte, nur um mich zu versorgen. Das kann ich hier, bei Schöngarth,2 später immer haben, wenn ich will[.] Ich muß auch sagen: Die Arbeit hier ist jetzt wirklich so, daß es nicht mehr lohnt, sie zu thun. Immer mehr Papier, immer weniger Menschen. Ich erledige jetzt noch die paara Neuorganisationen, – Offizierlazarett, Orthopädisches Institut – dann: Schluß! Vielleicht gehe ich vorher noch einmal nach Brüssel,3 dann wohl für 8 Tage etwa. Z. Z. ist viel Arbeit hier, auch morgen, Sonntag – seit 3 Wochen habe ich keinen mehr frei. Interessantes passiert wenig. Mir geht es „mittel“. Und Dir, mein Kleinesb? Gott sei Dank es ist schönes Wetter! Und Dein Briefchen klang ganz vergnügt. Ja – das Ressentiment ist bei Sch[eler]4 lächerlich übertrieben. Es ist stets nur Gelegenheits-Erfahrung und stets nur die negative Seite, nie die positia O: par b O: kleines 1 Das Abschiedsgesuch (vgl. dazu auch die Karte an Marianne Weber vom 17. Aug. 1915, oben, S. 92 f.) ist nicht nachgewiesen. 2 Oberstleutnant a.D. Wilhelm Schöngarth war der Kommandeur des Bezirks- und Garnisonskommandos Heidelberg. 3 Noch hatte Max Weber die Hoffnung auf eine Tätigkeit in Brüssel nicht aufgegeben. Er wollte noch einmal nach Brüssel fahren, wenn Hermann Schumacher da wäre. Vgl. die Karte an Marianne Weber vom 23. Aug. 1915, oben, S. 102. Zu dieser Reise ist es nicht gekommen. Vgl. den Brief an Mina Tobler vom 30. Aug. 1915, unten, S. 112, Anm. 1. 4 Vermutlich handelt es sich um Scheler, Max, Abhandlungen und Aufsätze, 2 Bde. – Leipzig: Verlag der weißen Bücher 1915, insbesondere die Kapitel: Das Ressentiment im Aufbau der Moralen und Zur Idee des Menschen, Bd. 1, S. 39 – 274 und 317 – 367. Außerdem: ders., Über Ressentiment und moralisches Werturteil. – Leipzig: Wilhelm Engelmann 1912.

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ve Kraft. Was von der Humanität gesagt ist, ist direkt dilettantischer Unsinn. – Jetzt wird nun bald Grodno auch fallen5 und dann werden wir uns wohl nach Westen oder Süden (Balkan!) wenden. Wenn doch diese verfl. … Türken endlich den Vertrag mit Bulgarien abschlössen.6 Aber sie machen es wie die Österreicher! – Immerhin, wer hätte eine solche Lage nach Jahresfrist für denkbar gehalten? Der ganze Westen Rußlands besetzt, Belgien, Nordfrankreich! Brot in England so teuer wie bei uns! – Von Tobelchen7 ein nicht gut klingender Brief (Mutter8 sehr wenig wohl, Schwägerin doch recht gedrückt,9 sie selbst wenig zum Schlafen kommend). Ich sehe Niemand. Morgen werde ich sehen, ob ich zur Cläre10 kann. Montag oder Dienstag zu Gotheins. Sie reisen bald, mit Percy,11 den ich eben sah (ist wesentlich besser, aber noch ungeheilt.) Gruhle und Alles ist noch fort. Herzlich umarmt Dich, mein liebes Mädele, mit allen treuen Wünschen, daß es Dir gut gefällt und Du Dich freust, Dein Max

5 Die russische Festung Grodno wurde am 2. September 1915 erobert. 6 Zu einem Vertrag kam es zwischen der Türkei und Bulgarien nicht. Aber Bulgarien schloß nach der Sommeroffensive am 6. September 1915 einen Bündnisvertrag mit den Mittelmächten. Im Oktober besiegten die Mittelmächte mit Bulgarien dann Serbien und gewannen auf diese Weise die Landverbindung zur Türkei, die seit Oktober 1914 auf Seiten der Mittelmächte kämpfte. 7 Mina Tobler. 8 Henriette Tobler. 9 Bertha Tobler hatte am 2. Juni 1915 ihren Mann, Ludwig Tobler, verloren. 10 Cläre Schmid. 11 Percy Gothein war der jüngste der vier Söhne von Marie Luise und Eberhard Gothein. Er war im Juni 1915 durch einen Streifschuß zwischen Schläfe und Ohr verwundet worden und hatte Probleme bei der Silbenfindung, da wahrscheinlich sein Sprachzentrum verletzt worden war. Vgl. die Briefe von Marie Luise Gothein an Eberhard Gothein aus den Monaten Juni und Juli 1915, UB Heidelberg, Heid. Hs. 3487. Die dafür relevanten Briefe sind in der Edition: Im Schatten genießen: der Briefwechsel der Kulturwissenschaftler Eberhard und Marie Luise Gothein (1883 – 1923), hg. von Michael Manzer. – Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2006, nicht enthalten.

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Marianne Weber PSt 29. August 1915; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Liebes Schnauzele, –

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mir fällt ein, daß Du Dich ja auch nach „Weihen-Stefan“1 erkundigtest. Ihn und Gundolf fand ich von Brüssel kommend nicht mehr vor.2 Völcker sagt, es gehe ihm wesentlich besser und er ist fort. Doch würde er wohl noch öfter mit der Sache3 zu thun bekommen. – Ich esse also ganz allein. Schwester Elisabeth4 sehe ich nicht oder fast nicht. Sie ißt meist im Lazarett und kommt erst spät. Nur Frau Peltzer (Wittwe des Schützlings von Thode),5 die in Landau pflegt, lernte ich kennen (angenehm!). Cläre’s6 haben Besuch. Zu Gotheins gehe ich nächster Tagea mal. Sie7 ist bis morgen auf dem Kohlhof. Einmal aß ich bei „Schlößchen“’s.8 Sonst wie gesagt: nichts zu melden. Tausend Grüße Dein M.

a Wiederholung des Wortes in betont deutlicher Schrift. 1 Gemeint ist Stefan George. 2 Vor Webers Aufenthalt in Belgien wohnten auch Stefan George und Friedrich Gundolf in der Heidelberger Pension Bezner. 3 Stefan George litt an einer chronischen Nierenkrankheit; Friedrich Voelcker war sein behandelnder Arzt. 4 Gemeint ist Elisabeth Salomon, die spätere Frau von Friedrich Gundolf. 5 Alfred Peltzer hatte bei dem Kunsthistoriker Henry Thode promoviert und sich in Heidelberg habilitiert. Nachdem Thode 1911 die Professur niedergelegt hatte, verließ auch Peltzer 1912 die Universität und zog zu Studien nach Weimar. Er war am 31. Dezember 1914 gestorben. 6 Cläre und Friedrich Alfred Schmid. 7 Marie Luise Gothein. 8 Vermutlich sind Cläre und Friedrich Alfred Schmid gemeint, die im Stift Neuburg wohnten, welches auch „Schloß“ oder „Schlößchen“ genannt wurde.

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30. August 1915

Mina Tobler 30. August [1915]; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahresdatum ergibt sich aus dem Inhalt des Briefes in Verbindung mit der Karte an Marianne Weber vom 30. August 1915.

Hbg. 30.8. Liebes Tobelkind, nur einen Abendgruß! Ob Sie wohl meine letzten Briefe bekommen haben? Oder ob der Censor sie unleserlich fand? Ich muß so mordsviel schreiben, daß die Handschrift dabei in die Brüche geht, so weit sie diesen Namen noch verdiente.a Also Brüssel wird wohl nicht. Das Reichsamt des Innern will diese Sache gern selbst machen lassen,1 nicht in Br[üssel]. Da bin ich dann überflüssig. Hier habe ich jetzt um Entlassung2 gebeten, richte nur noch 1 – 2 Lazarette ein, dann – Schluß! Es ist auch genug davon. Der Kleinkram überwuchert Alles. Und als bloße Schreibkräfte giebt es Andre. – Es ist recht kühl hier – wie mag es erst dort bei Ihnen sein?3 Und ganz unsicheres Wetter. Ich fürchte, das giebt keine Erholung. Und wie nötig wäre die! Auch Ihre Mutter4 wird so kaum die Stube verlassen können. – Sie sind nun vielleicht schon in Zürich und haben da hoffentlich Gutes gefunden. Grüßen Sie die Schwester5 und den Schwager,6 und freuen Sie Sich der friedlichen Feiertäglichkeit Ihres Sees!

a Unsichere Lesung. 1 Der Generalgouverneur General v. Bissing hatte durch seine Politische Abteilung Denkschriften über die Angliederung Belgiens an das Deutsche Reich erstellen lassen. In diesem Zusammenhang stand auch die Weber zugedachte Gesamtredaktion einer sozialpolitischen Denkschrift. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Edgar Jaffé vom 9. Mai 1915, oben, S. 49. Die Reichsregierung stand den annexionistischen Intentionen des Generalgouvernements kritisch gegenüber, zog die Zuständigkeit für das Projekt an sich und überwies sie an das Reichsamt des Inneren. Vgl. Mommsen, Max Weber 3, S. 215 – 219. 2 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 28. Aug. 1915, oben, S. 109 mit Anm. 1. 3 Mina Tobler hielt sich auf dem Albis bei Zürich auf. 4 Henriette Tobler. 5 Elisabeth Ott. 6 Hans Ott.

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Auch der Schokolade bei Sprüngli. – Nächstes Jahr sitzen wir da vielleicht einmal wieder,7 wer weiß? Ich bin hier gänzlich „amusisch“b und einsam. Dieser Tage gehe ich einmal zu Cläre’s8 und zu Gotheins, ehe diese fortgehen (nach Bayernc). Percy’s Sprachstörung9 ist doch nur teilweise behoben, er ist jetzt einige Monate militärfrei, wird es wohl ganz bleiben. Sonst hört man von Freunden und Bekannten nichts. Wer hätte vor Jahresfrist gedacht, daß wir ganz Polen und halb Litauend in der Hand haben würden? Es ist über allem Maße großartig – und man ist „nicht dabei“. Noch 2 Wochen und Sie erzählen mir, was man in der Schweiz denkt und empfindet. Darauf – und freilich auf Einiges sonst noch – freut sich Ihr getreuer Max Weber (Es ist Abends spät, daher nur der Gruß, am Tage ist jetzt nie Zeit!)

b Unsichere Lesung. c Alternative Lesung: Bozen d O: Littauen 7 Erinnerung Webers an seinen Aufenthalt in Zürich im März 1913. 8 Cläre und Friedrich Alfred Schmid. 9 Vgl. dazu den Brief an Marianne Weber vom 28. Aug. 1915, oben, S. 110, Anm. 11.

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30. August 1915

Marianne Weber PSt 30. August 1915; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446

Liebes Mädele, – nichts Neues von Bedeutung. D.h. allenfalls: mit Brüssel wird es nichts werden, denn das Reichsamt des Innern hat erklärt, daß es diese Frage1 seinerseits bearbeiten wolle und es fragt sich, ob man in Brüssel darauf besteht, sie dennoch dort in Angriff zu nehmen. Also werde ich wohl eine Weile „privatisieren“ und ruhig warten, ob und bis sich etwas findet. Vorerst wird man wohl wünschen, daß ich hier noch das Offiziers-Lazarett und vielleicht noch ein weiteres einrichte (im Hotel Schrieder). Aber im Übrigen ist mein Ausscheiden entschieden.2 Ich kann es mir auch nicht gefallen lassen, daß man mich hin und her schieben will, ohne mich zu fragen. Und es ist nachgerade hier so viel Kleinkram, der durchweg nur auf mir lastet, daß ich der Ansicht bin: das kann jeder Andre auch. Arbeitskräfte dafür sind genug da, aber so lange ich da bin, thun sie die Sache nicht. Wenn Du doch noch etwas schönes Wetter hättest! Aber Ihr müßt ja frieren dort, selbst hier ist es empfindlich kühl. Ich umarme Dich herzlich Dein Max

1 Vgl. den Brief an Mina Tobler vom 30. Aug. 1915, oben, S. 112, Anm. 1. 2 Zum Ausscheiden aus dem militärischen Dienst vgl. den Brief an Marianne Weber vom 28. Aug. 1915, oben, S. 109.

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4. September 1915

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Helene Weber 4. September [1915]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 245 – 246 Das Jahr ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Max Webers Bruder, Karl Weber, war am 22. August 1915 an den Folgen eines Brustschusses bei Brest-Litowsk im Lazarett von Charsy am Bug gestorben. Er hatte sich als Reserveoffizier 1914 mit fast 44 Jahren freiwillig an die Front gemeldet. In Lothringen eingesetzt, erlitt er im September einen gesundheitlichen Zusammenbruch. Im Februar 1915, nach der Konsultation des Internisten Professor Albert Fraenkel in Heidelberg, machte er eine Kur in Badenweiler. Danach wurde er als Hauptmann der Reserve für die Rekrutenausbildung in Ingolstadt eingesetzt, meldete sich aber gegen den Willen der Ärzte wieder an die Front. Während Karl Webers Aufenthalt in Heidelberg hatten die Brüder engen Kontakt zueinander gewonnen.

Hbg 4. IX. Meine liebe Mutter, –

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ja es ist schön, daß man sich vor diesem Tod so nahe getreten war. Er ging damals mit feuchten Augen – ich sah es wohl – von uns nach Badenweiler. Was mir Prof. Fränkel, der ihn behandelte, damals, äußerst zurückhaltend und natürlich möglichst optimistisch, sagte,1 festigte in mir die Überzeugung, daß ihm keine lange Frist geistiger Spannkraft mehr gegeben gewesen wäre. Er wäre vorzeitigem Altern verfallen und wir wissen, wie unmöglich es seiner Natur grade gewesen wäre, dies grade zu ertragen. Auch für Lili wäre das dann nicht leicht geworden.2 Und doch hätte man ihm und Lili diese paara Jahre gegönnt, – die in jeder Hinsicht für beide so viel hätten bedeuten können. Die Lage ist im Augenblick innerlich und äußerlich nicht ganz einfach, – aber damit werden wir schon fertig, Lili auch, deren schöner tapferer Brief zu Mariannes Geburtstag uns herzlich erfreute. Neben dem schwer auszudenkenden persönlichen Verlust, den sein Tod für mich a O: par 1 Prof. Albert Fraenkel hatte eine alkoholbedingte Herzerkrankung festgestellt und eine begrenzte Lebenserwartung diagnostiziert. Vgl. den Brief an Lili Schäfer vom 7. Sept. 1915, unten, S. 129 f. 2 Lili Schäfer war, nachdem ihr Mann am 26. August 1914 gefallen war, im März 1915 mit ihren Kindern zu ihrem Bruder Karl Weber, der Professor für Architektur an der Technischen Hochschule Hannover gewesen war, gezogen. Durch die gemeinsame Haushaltsführung war Karl Weber besser versorgt und Lili Schäfer, die als Kriegerwitwe mit vier Kindern der Unterstützung durch die Familie bedurfte, materiell besser gestellt.

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selbst bedeutet, schmerzt mich auch der Gedanke an das, was sachlich verloren geht – denn die Aufgaben, die nach Hermanns Tode er und nur er lösen konnte, sind nun verwaist.3 – Aber: er war zu seiner Vollendung gekommen. Wie schwer wurde es grade dieser Natur, sich jene geschlossene Schlichtheit, die innerlich vornehme Sachlichkeit, die Fähigkeit, schweigend die Dinge für sich zu behandeln, den Verzicht auf „Geltung“, kurz all Das an Eigenschaften in sich zu entwickeln, was Einen an ihm jetzt so erquickte. Er war doch in jungen Jahren zu ganz Andrem veranlagt, – der kraftvolle Ernst seines Wesens ist etwas, was Schicksal und eigne innere Arbeit an sich ihm erst gegeben haben. Wie sehr war er, bis in die Mannesjahre, eine Art von Sorgenkind4 (im innerlichen Sinn) für Dich – und wie bedingungslos sicher war seit Jahren das Vertrauen, das seine Art uns Allen abgewann. Und schließlich: er hat das volle Verständnis Deines Wesens, das ihm einst so schwer war, gewonnen und eine unsrer letzten Unterhaltungen, in schöner und erschütternder Rührung von seiner Seite hier geführt, zeigte, was es ihm bedeutete, daß er Alles verstanden und erfaßt hatte. Und schließlich – er fand den schönen Tod an der Stelle, wo es im Augenblick allein menschenwürdig ist zu stehen. Grüße Lili, ich mag heut nicht mehr schreiben. Ich scheide hier jetzt bald aus meiner Stelle und sehe mich dann nach Andrem um, komme dann nach Berlin oder Hannover.5 Vorher aber schreibe ich Dir nächster Tage noch, auch über Äußeres. Marianne schickte ich den Brief. Herzlich Dein Max

3 Damit spielt Weber auf das Ende der Schäfer-Schule an, denn nach Hermann Schäfer und Friedrich Ostendorf war nun der letzte bedeutende Schüler von Karl Schäfer gefallen. Vgl. Nachruf auf Karl Weber, in: Zentralblatt der Bauverwaltung vom 18. Sept. 1915, S. 498. 4 Helene Weber hatte in den 1880er Jahren zu seiner Erziehung und schulischen Betreuung einen Hauslehrer, den Theologen Johannes Voigt, ins Haus geholt. Vgl. Weber, Marianne, Lebensbild3, S. 152 f. 5 In Hannover lebte Lili Schäfer; vgl. Anm. 2.

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Marianne Weber 4. September [1915]; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Die Jahresangabe ist dem beigelegten Brief von Helene Weber vom 2. September 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) entnommen. Darin beschreibt Helene Weber die Todesumstände ihres Sohnes Karl und informiert Max und Marianne Weber über seine letzten Briefe.

Samstag Heidelberg 4.9. Liebes Mädele –

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also: Partenkirchen.1 Ja – bei dem Wetter ist es auch wirklich ein behaglicherer Gedanke, Dich dort zu wissen, als in der Feuchtigkeit dieses Waldes und Sees. Hier ist es auch ausgeprägt kühl und weniger als je hat man das Bedürfnis fortzugehen – da einmal der Süden auf lange verschlossen bleibt. Heut habe ich einen freien Vormittag, Herr Stäckel vertritt mich – d. h. ich finde die Post im Wesentlichen heut Nachmittag vor und nur einige zeitraubende Erörterungen disziplinärer Art werden ohne mich erledigt. Vorgestern Abend war ich bei Gotheins. Er ganz wie immer, unendlich „sachlich“. Sie gealtert, das ist doch jetzt sehr zu sehen, aber äußerst lebhaft. Der Junge2 noch nicht geheilt, einsilbig – da kommt die Nachricht von Carls’ Tod.3 Und ich habe ihm nicht einmal mehr schreiben können, dem guten Menschen, dem man so nahe gekommen war. Ich kann jetzt und heut nichts mehr sagen und lege nur Mamas Brief4 bei. Tausend Herzliches Dein Max Also etwa für den 16 ten bestelle ich bei Bertha, die sich sehr erholt, daß die Wohnung fertig ist.5 1 Wie Marianne Weber Max Weber in ihrem Brief vom 30. Aug. 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) mitteilte, wollte sie von Hohenschwangau am 5. September nach Partenkirchen fahren, um dort Anna Pappritz zu treffen. 2 Gemeint ist Percy Gothein. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 28. Aug. 1915, oben, S. 110 mit Anm. 11. 3 Karl Weber war am 22. August 1915 an den Folgen einer Kriegsverletzung gestorben. 4 Gemeint ist der Brief von Helene Weber an Max Weber vom 2. Sept. 1915, vgl. die Editorische Vorbemerkung oben. 5 Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Mina Tobler vom 10. Aug. 1915, oben, S. 87 . Bertha Schandau war Dienstmädchen bei Max und Marianne Weber.

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Frieda Gross [nach dem 4. September 1915]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 14, Bl. 12 Das Datum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Marianne Weber teilte ihrem Mann am 30. August 1915 mit (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München Ana 446), sie beabsichtige, am 5. September von Hohenschwangau nach Partenkirchen überzusiedeln.

Heidelberg Ziegelhäuser Landstr. 17 z. Z. (bis 14.9): Pension Bezner Gaisbergstr. 16a

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Liebe Frau Frieda! Nach meinem Schwager1 ist nun auch mein Bruder Carl2 (der Professor der Architektur) an der Ostfront gefallen. Wirklich, dieser Krieg verlangt, in seiner Größe und ernsten Majestät, unglaubliche Opfer. Denn wie Lask3 sind auch sonst in Massen grade die Tüchtigsten gefallen. – Sagen Sie: sind Sie im Oktober in Ascona? Mein Militärdienst hier, der jeden Urlaub in die Schweiz ausschließt, ist dann wohl sicher zu Ende: man braucht mich nicht mehr, nachdem die Arbeit gethan ist, und ich käme dann recht gern – wenn es sich machen läßt – etwas in die Wärme dort unten. Denn hier wird es früh abscheulich kalt. Ob es geht, weiß ich noch nicht, aber wenn – dann spräche ich Sie gern einmal wieder auch über Ihre Dinge. Ich weiß ja gar nicht, wie es jetzt steht mit dem Prozeß4 und meine Unfähigkeit, zu schreiben, ist schuld, daß auch Sie mit vollem Recht mich mit Entziehung der brieflichen Nahrung strafen.

1 Hermann Schäfer war am 20. August 1914 bei Tannenberg gefallen. 2 Karl Weber war nach einer Verwundung in Brest-Litowsk am 22. August 1915 im Lazarett gestorben. 3 Emil Lask war am 26. Mai 1915 gefallen. 4 Gemeint ist der Prozeß betreffend die Nichtehelichkeit der Tochter Eva Gross. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 14. März 1915, oben, S. 24.

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Was macht Frick? Was Peter? Was Eva?5 (nur im Telegrammstil, bitte!). Herzlich Ihr Max Weber 5

Marianne ist bis 15.9. in Partenkirchen und München.

5 Die Kinder von Frieda Gross.

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Bezirksamt Heidelberg 6. September 1915; Heidelberg Brief; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen Max Webers GLA Karlsruhe, 235/2479 Im folgenden Brief geht es um die Ausreiseverweigerung und den damit verbundenen Paßentzug für den aus dem Elsaß stammenden Friedrich Eduard Schneegans und seine Familie. Der Heidelberger Romanist Schneegans hatte am 1. Juli 1915 in seinem Schreiben an das badische Ministerium des Kultus und Unterrichts um seine Entlassung zum 1. Oktober 1915 aus dem badischen Staatsdienst gebeten, veranlaßt und verursacht durch „Familienrücksichten“ (GLA Karlsruhe, 235/2479). Der Dezernent des Hochschulwesens, Victor Schwoerer, ersuchte darauf – u.a. auf Anraten des Heidelberger Prorektors, Johannes Bauer, der offensichtlich einer der Hauptprotagonisten im weiteren Vorgehen gegen Schneegans war – die Philosophische Fakultät sowie den Engeren Senat um Aufklärung über den Entschluß Schneegans’, wobei er zunächst eher von disziplinarischen Gründen ausging, die diese Entscheidung ausgelöst hätten. Die Stellungnahmen von Fakultät und Engerem Senat vom 16. bzw. 19. Juli 1915 (ebd.) hoben zwar die persönliche Integrität von Schneegans hervor, betonten aber zugleich die „politischen Folgen“, die aus einer Übersiedlung der Familie entstehen könnten. Da die Familie Schneegans zu den führenden elsässischen Familien gehöre, werde es um so mehr Aufsehen erregen, „wenn jetzt während des Krieges, der über die Zukunft Elsaß-Lothringens für immer entscheiden wird, ein deutscher Hochschullehrer dieser Familie das Reich aus dem zugestandenen Grunde verläßt, daß er seinen deutsch empfindenden Kindern nicht eine ausgesprochene deutsche Erziehung geben will, und daß er damit einen Schritt tut, dessen Wirkung in der Folge voraussichtlich die Aufgabe des deutschen Staatsbürgerrechtes für ihn und seine Nachkommen sein wird. Während des Krieges kann es nicht ausbleiben, daß die französische Presse den Vorfall als einen Triumph ihres Landes und als eine Niederlage des deutschen Gedankens im Elsaß ausbeuten wird“. Schreiben des Dekans Alfred Hettner an den Engeren Senat vom 16. Juli 1915 (ebd.). Zwar werde Schneegans sich an derartigen Propagandakampagnen nicht beteiligen, da er sich „nur in ethischen und kulturellen Bestrebungen kosmopolitischer und pazifistischer Natur betätigt“ habe, und er werde auch nicht nach Frankreich übersiedeln. „Dagegen hat die Fakultät pflichtmäßig mitzuteilen, daß der Entschluß zu dem Entlassungsgesuch auf den Einfluß seiner leidenschaftlich als Französin empfindenden Frau zurückgeht. Sie entstammt der bekannten elsässischen Gelehrten- und Schriftstellerfamilie Lichtenberger, die äußerlich und innerlich für Frankreich optiert hat.“ (ebd.). Als Quintessenz der Stellungnahme von Fakultät und Engerem Senat resümierte Prorektor Bauer in seinem Brief an Schwoerer vom 20. Juli 1915 (ebd.): „Den einstimmig gefaßten Beschluß in Sachen Schn[eegans] erhalten Sie gleichzeitig. Sie sehen, daß wir uns bestimmt ausdrücken, daß Gefahr vorhanden ist, daß Schn[eegans] die Reise in die Schw[eiz] eventuell unter dem Druck seiner Verwandten in deutsch-feindlichem Sinn benutzen wird. Mehr als dies können wir nicht sagen. Es ist nun Ihre Sache, Entscheidung über die zu ergreifenden Maßregeln zu treffen. Darüber steht uns kein Urteil zu. Nun wurde gestern in der Sitzung, in der der von mir formulierte Antrag ohne große Debatte und ohne Änderung angenommen wurde, der Wunsch ausgesprochen, ich möchte Ihnen privatim noch mitteilen, daß man gehört hat, Schn[eegans] wolle am 1. August schon umsiedeln, mit Sack und Pack. Ob dies richtig ist, weiß ich nicht. Aber da Schn[eegans] bis z[um] 1. Okt. noch Beamter ist, so dürfte es vielleicht angezeigt sein, ihm den Paß zu verweigern.“ Unabhängig von dieser Einschätzung Bauers – aber in seinem Sinne – wurden auf Veranlassung des Stellvertretenden Generalkommandos durch das Bezirksamt Heidel-

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berg am 24. Juli 1915 (ebd.) Schneegans und seiner Familie die Pässe entzogen. Paßentzug und Ausreiseverweigerung waren der Auslöser für Webers unten abgedruckte Eingabe. Da Weber darin eine mündliche Ergänzung bzw. Erläuterung seiner Aussagen in Aussicht gestellt bzw. angeregt hatte, kam es zu einer diesbezüglichen Unterredung mit dem Leiter des Heidelberger Bezirksamts, Karl Philipp Jolly, die dieser in seinem Schreiben an das Ministerium des Kultus und Unterrichts vom 12. Oktober 1915 (ebd.) in extenso wiedergegeben hat: „Die von dem Verfasser angebotene mündliche Ergänzung […] betraf Einzelheiten über Äußerungen von Fakultätsangehörigen und ihrer Frauen, die den Vorwurf des ‚Klatsches‘ in der Vorstellung begründen sollten, sodann den Nachweis, daß die angebliche Äußerung der Frau Schneegans über ‚die verlorene Sache Deutschlands‘, welche Äußerung vornehmlich zur Anzweiflung der Loyalität derselben Anlaß gegeben, tatsächlich nie gefallen ist; des Weiteren legte Professor Weber dem Unterzeichneten dar, daß er in seiner Eigenschaft als Mitglied der Reservelazaretkommission [!] wertvolle Berichte von Professor Schneegans erhalten habe über die Stimmung der im Reservelazaret [!] des Sandgassenschulhauses untergebrachten französischen Offiziere und Mannschaften, die Professor Schneegans im vorigen Jahre regelmäßig besuchte, mit Lektüre versorgte und in der Correspondenz mit den Angehörigen unterstützte; dabei sei ihm, wie er Weber mitteilte, von Seiten der Offiziere und der ‚Intellektuellen‘ unter den Mannschaften bei aller Höflichkeit in der Form unverkennbar ein starkes Mißtrauen geäußert worden, weil er als Elsässer in deutschen Staatsdienst eingetreten. Des Weiteren übernahm Professor Weber die volle Bürgschaft dafür, daß Professor Schneegans, der für seine Person den pazifistischen Kreisen angehöre, nicht aus irgend welchen besonderen Sympathien für Frankreich um seine Entlassung eingekommen sei, sondern um den unerträglichen häuslichen Zuständen ein Ende zu machen, die daraus erwachsen seien, daß man seine Frau ohne jeden Grund als Französin boykottiert habe und daß die Kinder aus der Schule die denkbar stärksten Ausdrücke über die Franzosen und alles Französische mit nach Hause brächten und damit seine Frau verletzten; wenn er selbst es auch ganz natürlich finde, daß Kinder dem vaterländischen Gefühl durch kräftiges Absprechen über das feindliche Volk Ausdruck geben, so könne er doch seine Frau, eine geborene Französin, dem nicht aussetzen, daß sie täglich von ihren eigenen Kindern ihre früheren Volksgenossen als Schufte und dergleichen bezeichnet hören müsse; um dem ein Ende zu machen, habe er sich zur Übersiedelung nach der Schweiz entschlossen. Frau Schneegans selbst sei durchaus keine ‚enragirte‘ Französin, sie gehöre als eine geborene Lichtenberger einer allerdings französischen, aber auch einer Familie an, die für einen Ausgleich zwischen Deutschland und Frankreich eintrete und von der ein Mitglied, Bruder der Frau Schneegans [gemeint ist ihr Vetter Henri Lichtenberger], auch literarisch in diesem Sinne sich betätigt habe. Professor Weber wies weiter darauf hin, daß Schneegans zur Lösung dieser Konflikte ja auch Frau und Kinder nach der Schweiz hätte bringen und selber sein Lehramt an der hiesigen Universität beibehalten können, um es erst dann aufzugeben, wenn er die Berufung als Ordinarius an die Berner Universität erhalten hätte; daß er dies nicht getan, spreche doch sicherlich nicht gegen sondern vielmehr für seine absolute Loyalität. Endlich hob Professor Weber hervor, daß für Schneegans eine Übersiedelung nach Frankreich oder auch nur ein besuchsweiser Aufenthalt daselbst während des Kriegs und auch nach demselben völlig unmöglich sei, weil er dort als ehemaliger deutscher Professor nicht geduldet würde; das habe Schneegans selbst ihm ausgesprochen und bemerkt, daß er daran nichts ändern könne und wolle, da er seine Vergangenheit und seine ganze innere Stellung zu diesen Fragen niemals verläugnen werde. Zu dem Vorhalt des Unterzeichneten, daß er nicht[,] wie in der Vorstellung behauptet[,] dem Professor Schneegans bemerkt habe, Gründe für die gegen ihn getroffene Maßnahme dürften nicht angegeben werden, daß er vielmehr auf die Frage des Professor Schneegans nach den Gründen geantwortet, er vermöge ihm diese nicht anzu-

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geben, weil die Anordnung des Generalkommandos solche nicht enthalte, erklärte Professor Weber, daß hier ein Mißverständnis seinerseits vorliege. Nach den schriftlichen und mündlichen Darlegungen des Professors Weber, dem nach seiner ganzen Persönlichkeit zweifellos ein sicheres Urteil zusteht, würden also unsere Ausführungen […] sich modifiziren; die letzteren beruhten auf den in den akademischen Kreisen damals in Schwange stehenden Auffassungen; auch diese haben sich, so viel wir beobachten konnten, seitdem im Ganzen in der Richtung einer vertrauensvolleren Beurteilung des Ehepaars Schneegans gewendet.“ Trotz dieser neuen Einschätzung blieb die Eingabe Webers wirkungslos. Der davon unterrichtete Engere Senat blieb bei seinem Votum vom 19. Juli 1915 und stellte sich im übrigen auf den Standpunkt, daß nach dem Ausscheiden von Schneegans aus dem Lehrkörper der Universität am 1. Oktober 1915 die weiteren Maßnahmen der staatlichen Behörden sie nichts mehr angingen, so der Engere Senat in seiner Stellungnahme an das Großherzogliche Ministerium des Kultus und Unterrichts vom 26. Oktober 1915 (ebd.). Auch im Innenministerium zeigte Webers Eingabe keine Wirkung: „Zu einer Änderung der bisherigen Stellungnahme in der Angelegenheit des Professor a.D. Schneegans scheinen uns auch die neuerlichen Darlegungen des Bezirksamts Heidelberg keinen ausreichenden Anlaß zu bieten, zumal der engere Senat der Universität Heidelberg von der Anregung einer solchen abgesehen hat.“ Innenminister Johann Heinrich Frhr. v. Bodmann an das Stellvertretende Generalkommando des XIV. Armeekorps vom 11. November 1915 (Abschrift masch., ebd.). Erst nachdem Schneegans im Januar 1916 einen Ruf als Gymnasialprofessor nach Neuchâtel in der Schweiz erhalten hatte, wurde laut Anweisung des Stellvertretenden Generalkommandos vom 26. Januar 1916 (Abschrift masch., ebd.) ihm und seiner Familie die Ausreise gestattet.

An das Gr[oßherzogliche] Bezirksamt Heidelberg Heidelberg, den a6. Septembera 1915. Dem bisherigen etatsmäßigen a. o. Professor Dr. Ed[uard] Schneegans, bisher hier, jetzt Schonach b. Triberg, welcher nebst Familie, nach freiwilliger Aufgabe seines hiesigen Lehramtes, nach der Schweiz zu übersiedeln beabsichtigt, sind s. Zt. hier die Pässe entzogen und es ist ihm dies vom hiesigen Großh[erzoglichen] Bezirksamt mit dem Bemerken eröffnet worden: daß Gründe dafür nicht angegeben werden dürften. Die Pässe sind ihm auch seither nicht erneut zugestellt worden. Die Anlässe und Zwecke dieser Maßregel im Allgemeinen sind natürlich weder dem Betroffenen noch irgend jemandemb sonst zweifelhaft. Soweit sie in hier zirkulierenden Befürchtungen über sein künftiges Verhalten bestehen, sind sie für jeden mit den Tatsachen wirklich Vertrauten nicht nur durchaus unbegründet, sondern müssen teilweise als geradezu phantastisch bezeichnet werden, soweit dafür hier zirku-

a 23.VIII. > 6. September

b O: jemanden

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lierende „Tatsachen“ mit in Betracht gezogen sein sollten (die auch mir bekannt geworden sind), sind diese ohne jegliche Ausnahme Produkte der Angst und des Klatsches, teilweise geradezu von sogenannten „Kriegspsychosen“c. Ich bin diesen Behauptungen systematisch bis zur Feststellung der Urheber nachgegangen und beabsichtige diese, im Interesse des gesunden Menschenverstandes und unseres guten Rufes, ohne alle Rücksichtnahme auf ihre Person und Stellung zur Verantwortung zu ziehen, sobald der geeignete Augenblick dafür gekommen sein wird. Nicht nur nach Ansicht des Unterzeichneten, welcher mit Prof. Schneegans und seiner Frau seit Langem verkehrt, über seine außerdeutschen Familienverhältnisse, Ansichten und Absichten orientiert ist, selbst im Elsaß gedient hat und dasselbe auch sonst kennt,1 sondern auch nach derjenigen anderer, und zwar kompetenter, Beurteiler können die Folgen der Maßregel so überaus nachteilig für das politische und nationale Interesse Deutschlands sein, daß m. E. kein gut Unterrichteter, sei er auch ein einfacher Privatmann, also auch der Unterzeichnete nicht, es unterlassen darf, sich unter allen Umständen von der eignen Mitverantwortlichkeit zu entlasten. Nur diesen Zweck verfolgt diese Mitteilung, die mündlich zu ergänzen ich jeder Instanz gegenüber bereit bin und welche ich an diejenige Stelle gelangen zu lassen anheimstelle, welche die Entziehung der Pässe verfügt hat. Professor Schneegans selbst ist zwar – wie jeder, der ihn kennt, weiß – ganz unfähig, die jetzt gegen ihn getroffene Maßregel von sich aus jemals an die Presse, es sei direkt oder indirekt, gelangen zu lassen. Mir ist aber durch Schweizer Beziehungen, insbesondere auch durch den jetzt von Heidelberg nach Zürich berufenen undd übersiedelten bisherigen ordentlichen Professor Dr. Fritz Fleiner ganz genau bekannt, daß angesehene Kreise der deutschen Schweiz entschlossen sind, die Angelegenheit unbedingt in der Schweizer Presse zur Sprache zu bringen, wenn die Maßregel nicht endlich aufgehoben wird. Es liegt

c „Kriegspsychen“ > „Kriegspsychosen“

d oder > und

1 Weber hatte vom 1. Oktober 1883 bis 29. September 1884 seinen Militärdienst als „Einjährig-Freiwilliger“ im Niederschlesischen Infanterie-Regiment Nr. 47 (Angaben nach: GLA Karlsruhe 456/13719) in Straßburg abgeleistet (Weber nennt irrtümlich in dem anläßlich seiner Dissertation verfaßten Lebenslauf als Zeitraum: „Ostern 1883 bis ebenda 1884“; UA der Humboldt-Universität zu Berlin, Jur. Fak. 253, Bl. 30). Daneben war er in dieser Zeit als Student an der dortigen Universität immatrikuliert.

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nicht in unserer Macht, dies zu hindern. Welchen Widerhall aber solche Erörterungen in der Presse nicht nur der feindlichen, sondern gerade auch der neutralen Länder finden und welche Rückwirkungen sie ime Elsaß gerade bei den zahlreichen nicht französisch Gesinnten erzeugen würden, braucht wohl nicht ausgeführt zu werden. Ich bemerke noch, daß zwar z. Zt. Erörterungen über eine Berufung des Prof. Schneegans auf einen ordentlichen Lehrstuhl in Bern schweben, daß es aber, soweit ich unterrichtet bin, bei der großen Zahl der Bewerber unsicher ist, mit welchem Resultat. In jedem Fall wäre die Schaffung eines „Falles Schneegans“, wie sie jetzt sicher bevorsteht, ein politisch überaus schwerer Fehler, für welchen später auch nicht der Schatten einer Entschuldigung durch wirklich zu befürchtende und dadurch abzuwendende Nachteile zu finden sein würde. Mit dieser seiner Ansicht glaubt der Unterzeichnete, so unmaßgeblich sie gewiß ist, nicht zurückhalten zu dürfen, da er Grund zu der Annahme hat, besser als die meisten anderen Persönlichkeiten über die wirklichen Tatsachen unterrichtet zu sein. fDr Max Weber inaktiver ordentlicher und ordentlicher Honorarprofessor an der Universität d.Z. Hauptmann d L a D und Militär[isches] Mitglied der Reserve-Lazarett-Kommission Heidelbergf

e O: in f – f Unterzeichnung eigenhändig.

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Mina Tobler 6. September PSt 1915; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Jahr und Ort sind aus dem beiliegenden Umschlag erschlossen.

Montag 6/9 Liebes Tobelkind, –

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ich schreibe auch heut nur wenige Zeilen, – so wenige, daß der Censor sie wohl durchlassen wird. Sie erhielten doch die Nachricht, daß mein Bruder (Carl) im Osten gefallen ist?1 Er stand uns am nächsten von den Geschwistern und auch materiell, für meine Schwester Lili, ist der Verlust sehr ernst zu nehmen.2 Was ihn selbst anlangt, so war ihm nur noch kurze Zeit der geistigen Spannkraft beschieden, das lag in seinem Leiden. Und in seiner Art war er „zur Vollendung gelangt“: schlicht, ernst und kraftvoll – ganz gegen seine ursprüngliche, leichter geartete Natur hatte das Schicksala (und: eigner bewußter Wille!) 앚:ihn:앚 geschmiedet. Er ging begeistert hinaus, wir ließen ihn mit schwerer Sorge vor einem Zusammenbruch ziehen. Ich werde wohl gegen Ende des Monats, wenn ich hier ausgeschieden bin, einmal nach Berlin müssen. Gestern war ich bei Braus! Was sind diese Kinder begabt. Tanz und Plastik bei der einen,3 Musik und malerischer Sinn (einige sehr gute burleske Silhouetten) bei der andren.4 Und dabei menschlich jetzt doch wohl beide erfreulich. – Aber die Nachrichten von Ihnen lauteten gar nicht gut. Hoffentlich höre ich bald Besseres. Heut nur – in tausend Gedanken und Erwägungen – dies Lebenszeichen als Versicherung des Gedenkens! Bald mehr. Herzlich Ihr Max Weber

a 1 Karl Weber war am 22. August 1915 gestorben. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Helene Weber vom 4. Sept. 1915, oben, S. 115. 2 Vgl. den Brief an Helene Weber vom 4. Sept. 1915, oben, S. 115, Anm. 2. 3 Hedwig Braus fertigte kleine Plastiken an. 4 Dorothea (Dorle) Braus wurde später Pianistin. Sie und ihre Schwester Hedwig hatten Klavierunterricht bei Mina Tobler.

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Marianne Weber [6. September 1915; Heidelberg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort aus dem Inhalt des Briefes erschlossen in Verbindung mit dem Brief an Helene Weber vom 4. September 1915, oben, S. 115 f. und der Tagesangabe „Montag früh“.

Montag früh Liebes Mädele, – eben kommt Dein Brief aus Hohenschwangau vor der Abreise nach P[artenkirchen].1 Ja, hast Du denn meine Briefe nicht bekommen? Ich schrieb doch jeden 2., einmal den 3. Tag. Nun wirst Du die Nachricht über Carl’s Tod als Erstes in P[artenkirchen] vorgefunden haben.2 Es ist unerhört, was dieser Krieg verschlingt – und noch keinerlei Aussicht auf ein Ende! Es ist schön, daß Carl so „zu seiner Vollendung gekommen“ war, – denn das war er. Man merkt jetzt erst, wie nahe er Einem stand in seiner so schlicht und ernst, untheatralisch und unaufdringlich gewordenen Natur. Sein „Werk“ ist freilich – wie bei Lask, nur aus andren Gründen – um so unvollendeter geblieben. Es ist fast die ganze Schäfer’sche Schule3 gefallen: H[ermann] Schäfer, Ostendorf,4 Karl! Überall scheint sich das Schicksal die Tüchtigsten auszuwählen. Ich habe Mama geschrieben5 und denke, es ist richtig, nach meinem Ausscheiden hier, wohl Ende des Monats, einmal hinzufahren, um mit ihr zu sprechen und mit Lili. Ganz einfach ist ja die Lage nicht, namentlich materiell. Der Zuschuß an Artur kann unmöglich weiter gezahlt werden, wenn für Lili gesorgt werden soll, wie es im Interesse der Kinder

1 Zu Mariannes Webers Abreise am 5. September 1915 vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross, nach dem 4. Sept. 1915, oben, S. 118. 2 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 4. Sept. 1915, oben, S. 117. 3 Karl Schäfer, Professor für Architektur an den Technischen Hochschulen in Berlin und Karlsruhe, galt als der Vertreter der späten Neogotik. Schäfer hatte viele Schüler, darunter die genannten. Aus seiner Schule stammten auch: Hermann Muthesius, Hans Poelzig, Paul Schmitthenner, Fritz Schumacher, Henry van der Velde und Otto Wagner. 4 Friedrich Ostendorf war am 17. März 1915 gefallen. 5 Vgl. den Brief an Helene Weber vom 4. Sept. 1915, oben, S. 115 f.

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nötig ist.6 An diesem Punkt muß unvermeidlich die Ordnung der Verhältnisse einsetzen, daran läßt sich nichts ändern. Daß grade dieser fein empfindende Mensch: die Lili, so hin- und hergeworfen wird und unter dem Druck leben muß, auf Andere angewiesen zu sein, finde ich mit das Härteste an diesem ganzen schweren Schlag. Denn Carl’s Tage waren, soweit geistige Spannkraft in Betracht kommt, gezählt. Aus den absichtlich optimistischen vorsichtigen Äußerungen Fränkel’s 7 konnte man gut heraushören, daß nicht mehr viel zu bessern war. – Gestern war ich bei Braus’. Die Kinder entwickeln sich reizend, künstlerisch beide wirklich glänzend begabt, muß ich sagen. Sowohl die Figuren in Ton von Hedi wie die ausgeschnittenen Silhouetten (phantastische Burlesken) von Dorle, bei dieser also noch neben der Musik andere Begabungen. Abends kam Frau Thoma: der Mann8 ist eingezogen, als ungedienter Landsturm in die Kaserne in Ettlingen gesteckt und wird künftig zum Postenstehen verwendet! Das Gleiche droht Heinsheimer,9 Andern geht es auch so. Es ist nachgerade wirklich toll. Lisbeth10 erzählt, daß das T[obel]chen11 sich nicht sehr gut befinde. Das entnehme ich auch ihrem Brief: die Mutter12 leidet sehr und die andern dadurch mit. – Genug. Grüße Frl. Pappritz.13 Und sorge, daß Du 앚:nachher:앚 noch ein paara schöne Eindrücke von München mitnimmst!14 Gruhle soll a O: par 6 Der Zuschuß an Arthur Weber belief sich seit seiner Heirat 1903 auf 3000 Mk. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Helene Weber vom 26. Juli 1913 (MWG II/8, S. 278), auch den Brief an Clara Mommsen vom 11. Sept. 1913 (ebd., S. 328 – 332). Nach dem Tod von Hermann Schäfer im August 1914 war Lili Schäfer im März 1915 zu ihrem Bruder Karl Weber nach Hannover gezogen, was eine materielle Entlastung für die Familie bedeutete. Der Tod von Karl Weber warf nun neue finanzielle Probleme auf, da Lili und ihre vier Kinder unterstützt werden mußten. 7 Vgl. den Brief an Helene Weber vom 4. Sept. 1915, oben, S. 115 mit Anm. 1. 8 Der 40jährige Richard Thoma war Professor für öffentliches Recht in Heidelberg. 9 Karl Heinsheimer, 45 Jahre alt, war Professor für Zivilprozeßrecht in Heidelberg. 10 Elisabeth (Lisbeth) Braus. 11 Mina Tobler. 12 Gemeint ist Henriette Tobler. 13 Anna Pappritz lebte in Partenkirchen, wo Marianne Weber sie im September 1915 besuchte. Vgl. den Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 30. Aug. 1915, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 14 Den Schluß der Reise verbrachte Marianne Weber in München, wo sie die Freundin von Karl Weber, Martha Riegel, besuchte. Ursprünglich hatte sie dort Lili Schäfer tref-

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wieder ganz begeistert zurückgekommen sein. Künftig gehen wir auch wieder zusammen da hin! Es umarmt Dich Dein Max

fen wollen. Diese hatte jedoch ihre Reise nach München um eine Woche verschoben. Vgl. den Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 8. Sept. 1915, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446.

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Lili Schäfer 7. September [1915]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 25 – 26 Jahresangabe aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Karl Weber war am 22. August 1915 gefallen.

Heidelberg Dienstag 7.9. Ziegelh. Landstr. 17 bis 14.IX.: Pension Bezner, Gaisbergstr. 16a 5

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Meine liebe Lili, – Du hast Großes verloren.1 Ich auch. Dieser Bruder in seiner Schlichtheit, Sachlichkeit und echten Menschlichkeit stand uns jetzt grade, zuletzt, so nahe wie ganz wenige Menschen.2 Ich hoffe, daß er das noch gefühlt hat. Denn früher – ehe ich sah, daß Vieles, was mich fremd berührte, nur eine äußere Geste war, so gleichgültig und schließlich genau ebenso berechtigt wie irgend eine andre, auch die meinige – war ich ihm bei Weitem nicht hinreichend gerecht geworden. – Er hatte kein langes Leben mehr vor sich, das wußte ich von seinem hiesigen Arzt.3 Und so ist sein Ende vielleicht, von ihm aus gesehen, von großer Schönheit – und schließlich im jetzigen Augenblick das einzig menschenwürdige für Jeden. Aber freilich: Hermann, Carl, Ostendorf4 – alle begabtesten Schüler!5 Wer wird nun die Arbeit Deines Schwiegervaters6 fortsetzen und ihm, durch Edition seiner Hefte,7 zu deren ver-

1 Lili Schäfer war nach dem Tod ihres Mannes zu ihrem Bruder Karl Weber nach Hannover gezogen. 2 Diese Nähe war während des letzten Zusammenseins mit Karl Weber in Heidelberg im Februar 1915 entstanden. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Helene Weber vom 4. Sept. 1915, oben, S. 115. 3 Gemeint ist Prof. Albert Fraenkel. Vgl. auch den Brief an Helene Weber vom 4. Sept. 1915, oben, S. 115 mit Anm. 1. 4 Friedrich Ostendorf war am 17. März 1915 ebenfalls gefallen. 5 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 6. Sept. 1915, oben, S. 126 mit Anm. 3. 6 Karl Schäfer. 7 An welche Hefte Weber dachte, ist nicht nachgewiesen. Vgl. auch Schuchard, Jutta, Carl Schäfer 1844 – 1908. Leben und Werk des Architekten der Neugotik. – München: Prestel 1979. Bereits 1910 hatte Hermann Schäfer den gesammelten Nachlaß und einen Teil der erschienenen Aufsätze herausgegeben, in: Schäfer, Hermann (Hg.), Carl Schäfer. Von deutscher Kunst. – Berlin: Wilhelm Ernst und Sohn 1910.

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dienten Ruhm verhelfen? Denn Das darf nicht untergehen, so viel verstehe ich als Laie auch. – Doch davon später. Ebenso von Deinen eignen Dingen – wenn Du uns das Vertrauen schenkst mit uns davon zu reden. Du bist ein so völlig und ungewöhnlich selbständiger Mensch, daß ich nicht glaube, daß man Dir im innerlichen Sinn viel „helfen“ könnte – wo Du es etwa (wie wir Alle an irgend einem Punkt unsres Lebens) brauchen könntest. Aber äußerlich könnte man Dir wohl Manches erleichtern, in Bezug auf die Kinder. Mama deutete uns kurz etwas von Deinen Plänen an,8 – das war uns eine große Freude. Aber vorher sieh Dir die Dinge hier an, ehe der Entschluß gefaßt wird, das scheint mir sehr wichtig und 앚:auch:앚 deshalb freue ich mich, daß Du in nächster Woche hierher kommen willst. Sei im Voraus herzlich willkommen! Dein Max

8 Lili Schäfer plante, von Hannover nach Heidelberg umzuziehen, was im Dezember 1915 erfolgte.

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Paul Siebeck 8. September 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Der Brief steht in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Webers Artikelserie „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69.

Heidelberg 8.9.15 Verehrtester Freund, –

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ich bitte um 50 a Sonderabzüge.1 Es ist mir leid, daß das Korrigieren so langsam geht. Aber ich habe eben nur in großen Abständen die rein physische Möglichkeit dazu. Der Dienst geht von Morgens bis Abends, auch Sonntags.2 Ich denke, im Oktoberb bin ich aus der Sache draußen,3 dann wird es besser gehen bei den späteren Korrekturen. Morgen geht übrigens der Rest in 2. Korr[ektur]4 an Sie ab. Mit herzlichem Gruß Ihr Max Weber Für Ihren eben eintreffenden teilnahmsvollen Gruß herzlichen Dank!5

a 70 > 50 b November > Oktober 1 Gemeint sind Sonderabzüge zu: Weber, Max, Einleitung und Konfuzianismus I, II. 2 Weber war als Militärisches Mitglied der Reserve-Lazarett-Kommission in Heidelberg tätig. 3 Webers Tätigkeit endete am 30. September 1915. 4 Dies bezieht sich ebenfalls auf: Weber, Max, Einleitung und Konfuzianismus I, II. 5 Vermutlich hatte Siebeck ein Kondolenzschreiben zum Tode Karl Webers geschickt; ein Beleg für dieses persönliche Schreiben fehlt im VA Mohr/Siebeck.

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Robert Michels 9. September 1915; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 14, Bl. 15 – 16 Der Brief steht in Zusammenhang mit Michels’ Parteinahme für Italien während des Weltkriegs; vgl. dazu die vorhergehenden Schreiben an Michels vom 27. Mai und 20. Juni 1915, oben, S. 54 und 65 – 67, sowie den Brief vom 21. Oktober 1915, unten, S. 145 f.

Heidelberg, den 9.9.15 Lieber Michels! Von dem[,] was gegen Sie gesagt wurde[,] ist mir lediglich eine Notiz in der aFrankfurter Zeitunga erinnerlich.1 Diese war[,] verglichen mit dem, was über mich schon in der Presse gestanden hat, so überaus harmlos, daß ich Ihre Ereiferung kaum recht verstehe. Daß Sie sich a In Abschrift: Frankfurterzeitung 1 Es handelt sich um die Notiz: Dr. Robert Michels, erschienen in: FZ, Nr. 244 vom 3. Sept. 1915, Ab.Bl., S. 3. Darin wurde ein Artikel aus der „Deutschen Juristen-Zeitung“ (vgl. dazu den Brief an Michels vom 21. Okt. 1915, unten, S. 145, Anm. 1) zitiert, daß besagter Robert Michels zu „denjenigen ehemals deutschen Personen gehöre, die dem deutschen Volk in den Rücken fallen.“ Dieser Mann, der sich neuerdings Roberto Micheli nenne, habe seine „deutschfeindliche Gesinnung“ seit Kriegsbeginn „in einer nahezu skrupellosen Weise“ gezeigt: „Nicht nur, daß er Propagandareisen für die italienische Sache macht und die neutrale Presse mit irredentistischen Artikeln ,von italienischer Seite’ bedient, als geradezu schamlos, wird uns von eingeweihter Seite gesagt, sei es zu bezeichnen, daß derselbe Mann, der so ganz und gar undeutsch fühlt, neuerdings in die schweizerische Presse auch österreichfeindliche Auslassungen lanciert habe unter der Überschrift ,Von einem Deutschen’, in der ganz durchsichtigen und leider in beschränktem Maße auch erreichten Absicht, Angehörige der beiden verbündeten Staaten gegeneinander politisch aufzuhetzen.“ Dazu hat Michels – einen Tag nach Webers Brief – eine kurze Stellungnahme veröffentlicht, erschienen unter dem Titel: Nochmals Dr. Michels, in: FZ, Nr. 251 vom 10. Sept. 1915, 1. Mo.Bl., S. 3. Als Richtigstellung wird darin angegeben, daß er sich weder Micheli genannt noch irgendwelche Propagandareisen unternommen habe. Allerdings bekenne er sich zu der Verfasserschaft des Artikels über Italien und Deutschland in der Neuen Zürcher Zeitung (wie Anm. 3). Dabei habe er allerdings nicht die Absicht gehabt, Österreich und Deutschland „,aufeinanderzuhetzen‘“, sondern das Ziel verfolgt, Deutschland „die Notwendigkeit zu Gemüte zu führen, sich nicht Österreich zu Liebe für alle nähere und spätere Zukunft dazu bewegen zu lassen, den italienischen Aspirationen nach Trient und Triest, die ich seit nunmehr fünfzehn Jahren in jeder Hinsicht für gerechtfertigt halte, entgegenzustellen und sich dadurch fruchtbare politische Möglichkeiten zu verscherzen.“ Die Überschrift „Von einem Deutschen“ stamme nicht von ihm, sondern von der Redaktion.

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nicht „Micheli“ nennen weiß ich, – dagegen nannten Sie sich „Roberto“. Beides ist Ihre Privatangelegenheit, beides dokumentierte Sie als Italiener. Daß Sie in einem Baseler Blatt unter der Unterschrift „von einem Italiener“ geschrieben haben,2 scheint Tatsache zu sein. Wenn dann – erstaunlicher Weise ohne Ihre Zustimmung, aber auch ohne, daß ein Protest Ihrerseits bekannt wäre, in einer Züricher Zeitung ein 2 Tatsächlich hatte Michels einen anonymen Artikel mit dem Titel: Die Rede Salandras, erschienen in: Basler Nachrichten, Nr. 282 vom 6. Juni 1915, Zweites Blatt, S. 1, veröffentlicht. Der Artikel war mit der Bemerkung: „Von italienischer Seite wird uns geschrieben” eingeleitet worden. Michels hatte in höchsten Tönen die Rede Salandras gelobt, mit der dieser den Kriegseintritt Italiens gegen die Donaumonarchie begründet hatte: „In jener Formvollendung, die ein Kennzeichen wirklich alter Kultur ist, hat Salandra den Keulenschlägen des deutschen Reichskanzlers geantwortet“, und sie sei „entschieden eine der besten, vielleicht die beste der während des Krieges von Staatsmännern gehaltenen Reden” gewesen. Salandra habe „eine glänzende Verteidigung“ der gegenüber Italien erhobenen Vorwürfe, der Heimtücke und der Feigheit, vollbracht: Denn „[n]icht das am Boden liegende Österreich haben sie [die Italiener] angegriffen, sondern ein Österreich, das von dem waffenstarrenden Deutschland bis aufs Äußerste gestützt und geschützt wird. […] Ganz abgesehen davon, daß es den Überfällern und Niederwerfern des kleinen Belgiens, dem sie die Neutralität garantiert hatten, schlecht ansteht, andere der Treulosigkeit und des Wortbruches zu zeihen.“ Auch habe Salandra die Kriegsziele Italiens „[e]infach und klar“ benannt: nämlich neben der „Gewinnung einer sicheren Grenze durch die Eroberung der italienischen Gebietsteile Österreichs“ die Schaffung eines Europa, in welchem Deutschland keinerlei Vormachtstellung genieße, jedoch als Gleicher unter Gleichen behandelt werde. Andererseits sei es nicht das Kriegsziel Italiens, „Deutschland durch Zertrümmerung seiner Macht und Zerstückelung seiner Größe unschädlich zu machen. Sie [die Rede] enthält sogar gegen solche Versuche eine deutliche Absage. Auch hierin stellt die Rede Salandras […] ein Zeugnis dafür aus, daß Italien fest entschlossen ist, seine eigenen Wege zu gehen und sich nicht in das Schlepptau der englisch-französischen Politik nehmen zu lassen. Die ganze Rede spricht eine klare Sprache, und diese Sprache heißt: L’Italia farà da sè.“ Nach der Kritik an seinem Artikel hat Michels – wiederum anonym – mit der Replik: Und zum letztenmale [!] die Rede Salandras, geantwortet, in: Basler Nachrichten, Nr. 299 vom 16. Juni 1915, Beilage, S. [1]. Sie wurde – wie der erste Beitrag – mit dem Redaktionsvermerk: „Von italienischer Seite wird uns geschrieben“ eingeleitet. Weitere anonym veröffentlichte Beiträge bzw. Notizen Michels’ aus jener Zeit in den „Basler Nachrichten“ waren die unter dem Pseudonym „Padranus“ publizierte, ohne Titel versehene Zusendung über den bevorstehenden Kriegseintritt Italiens, ebd., Nr. 251 vom 20. Mai 1915, Erstes Blatt, S. 1, sowie die Notiz über die italienischen Wehrpflichtigen, die sich zu der Zeit in Deutschland aufhielten und dort an der Abreise gehindert würden, ebd., Nr. 287 vom 9. Juni 1915, Zweites Blatt, Mittagsausgabe, S. [3]. Beide Beiträge trugen die redaktionellen Zusätze: „Von italienfreundlicher Seite wird uns geschrieben“ bzw. „Mitgeteilt von italienischer Seite“. Schon in der Zusendung, erschienen unter dem Titel: Die Schweiz und Italien, gezeichnet mit „R. M.“, hatte der Verfasser sich als „Italiener“ bezeichnet, ebd., Nr. 133 vom 14. März 1915, Beilage, S. [1]. Alle diese Artikel bzw. Einsendungen sind laut Michels-Bibliographie als dessen Beiträge ausgewiesen: Opere di Roberto Michels, in: Studi in memoria di Roberto Michels. – Padova: Cedam 1937, S. 56 f.

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Artikel von Ihnen erschien „von einem Deutschen“3 – so gestehe ich, daß ich niemandem übel nehme, wenn sich ihm dabei der Magen umkehrt. Denn das ist einfach gegen den guten Geschmack. Daßb überdies die Arbeit in der Züricher Zeitung – wie die vollberechtigte österreichische Antwort4 bewies und Jedermann sehen konnte – geeignet war, wenn wirklich von einem Deutschen stammend, böses Blut in Österreich gegen uns zu machen, und daß er also, ich nehme durchaus an: gegen Ihre Absicht – einer Intrigue so ähnlich sah wie ein Ei dem anderen, mußte sich ein Mann wie Sie sagen. Von zwei Dingen eins: Entweder Sie bringen es fertig einmal zu schweigen[,] wie ich Ihnen dringend riet, nicht aus „Opportunitätsgründen“, sondern aus Gründen der Würde und des guten Geschmacks, oder – zumal bei anonymer Pressetätigkeit – Sie beschweren sich nicht über die Folgen Ihrer Desorientiertheit. Sie aber sind Ihrem Heimatland in der Zeit schwerster Todesnot in den Rücken gefallen. Anders wird kein Deutscher Ihr Verhalten auffassen. Wenn es wahr ist, daß Sie auf die Pressehetze gegen die deutschen „Barbaren“ nicht nur geschwiegen, sondern auf ein Schreiben eines Kollegen hin geantwortet haben: „Sie hätten für Deutschland nichts Positives zu sagen“[,]5 so wollen Sie sich gefälligst nicht wundern, wenn andere finden: daß auch für Sie „nichts Positives“ zu sagen sei. Ich mißbillige jedes scharfe Wort und jede scharfe Handlung gegen Sie. Aber ich finde durchaus nicht, daß Ihr Verhalten Ihnen Grund zur Beschwerde darüber gibt. Wenn ich denke[,] was einem geborenen Franzosen oder Engländer geschähe, der sich umgekehrt entb In Abschrift: Das 3 Zum Thema Deutschland und Italien. Von einem Deutschen, in: NZZ, Nr. 899 vom 13. Juli 1915, 2. Mittagbl., S. 1f. Michels führte darin aus, daß der gegenwärtige italienisch-österreichische Krieg „nichts anderes“ sei „als die durchaus logische Fortsetzung jener Politik, die zur politischen Einheit des Landes geführt“ habe. In diesem Bestreben sei Italien lange von Preußen unterstützt worden. Erst die spätere Bismarckzeit habe dann einen Wandel gebracht: Bismarck habe „immer mehr den Hauptakzent seiner Auslandpolitik auf die Freundschaft zur österreichischen Doppelmonarchie gelegt. Ob Deutschland bei seiner Auswahl gut getan, das muß die Zukunft erweisen. Es hat sich damit liebe Freundschaften verscherzt und sich böse Feindschaften zugezogen und das schlimme Erbteil des Österreicherhasses Süd- und Ost-Europas auf sein eigenes Haupt gezogen. Der spätere deutsche Historiker wird sich die Gewissensfrage vorlegen müssen, ob Österreich wirklich den Verlust der traditionell guten Beziehungen zu Rußland sowie zu Italien wert gewesen ist.“ 4 Deutschland und Italien – und Österreich. Von einem Österreicher, in: NZZ, Nr. 979 vom 29. Juli 1915, 2. Ab.Bl., S. 1f. 5 Ein solcher Brief ist nicht nachgewiesen.

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sprechend verhielte…c doch lassen wir das! In meinem eigenen Namen und in dem meiner Landsleute weise ich den Satz Ihres Briefes: „Militärischer Mut – ja, dziviler Mutd – nein“6 – als eine dreiste, im Munde eines Preß-Anonymus sehr wenig angebrachte Beleidigung meines Landes durch einen Ausländer zurück und ersuche Sie zuerst Ihrer Pflicht gegen das Land, welches schließlich der Mutterschoß war[,] der Sie gebar, zu gedenken und endlich zu schweigen, ehe Sie sich erlauben über andere zu urteilen. Ein Spektakelstück in Basel – wo die deutschen Kollegen ganz naturgemäß wenig Neigung zeigen werden etwas für Sie zu tun – würde mich schwerlich zu Ihren Gunsten umstimmen. Ihren guten Glauben zweifle ich nicht im geringsten an. Aber Ihr objektives Verhalten kann vor keinem Geschmack Gnade finden. Kollegialen Gruß

c Auslassungszeichen in Abschrift. d Zivilmut > ziviler Mut 6 Worte, die auf Bismarck zurückgehen: In einem Gespräch mit einem Bekannten im Jahre 1847 – nach Bismarcks Erinnerung – fällt der Satz: „Mut auf dem Schlachtfelde ist bei uns Gemeingut; aber Sie werden nicht selten finden, daß es ganz achtbaren Leuten an Civilcourage fehlt.“ Zit. bei: Keudell, Robert von, Fürst und Fürstin Bismarck. Erinnerungen aus den Jahren 1846 bis 1872. – Berlin und Stuttgart: W. Spemann 1902, S. 8.

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9. September 1915

Marianne Weber [9. September 1915; Heidelberg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Ort und Datum sind aus dem Inhalt des Briefes erschlossen, in Zusammenhang mit dem Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 8. September 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446), auf den Max Weber mit folgendem Brief reagierte.

Liebes Mädele, – der Sicherheit halber schreibe ich gleich auch noch nach Wolfr[atshausen].1 Lili möchte doch schon Sonntag2 in München sein u. hat Dir nach dem „Deutschen Kaiser“3 geschrieben. Schon Montag wollte sie weiter und hierher. Halte sie doch dort, damit es keine solche Hetze wird, und kommt dann zusammen Mittwoch. Oder wenn sie es wirklich so eilig haben muß, dann lasse sie reisen, ich mache mich schon irgendwie frei. Jedenfalls hetze Du Dich nicht auch, sondern bleib bei Deinen Plänen. Es ist ja mehr in der „Idee“, daß sie jetzt gleich kommt, viel abzumachen ist doch nicht. – Mehr wie 1000 M. wird Artur wohl abgeben müssen, ich sehe nicht wie es sonst gehen soll, namentlich wenn L[ili] hierher kommt;4 und

1 Wohnort von Else Jaffé, wo Marianne Weber sie besuchen wollte. Der Parallelbrief ging vermutlich nach München, wo Marianne Weber im Hotel Deutscher Kaiser am Bahnhof wohnte. Sie war am 8. September von Partenkirchen nach München gefahren, um Lili Schäfer zu treffen. Vgl. den Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 9. Sept. 1915, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 2 Lili Schäfer verschob ihre Reise nach München, die sie zunächst für den 7. oder 9. September angekündigt hatte, auf die „nächste Woche“ (Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 8. Sept. 1915, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). Sie wollte dort vermutlich Martha Riegel besuchen. In dem obigen Brief schreibt Max Weber, Lili wolle doch schon „Sonntag“ in München sein. Daraus läßt sich auf Sonntag, den 12. September, schließen. Im Anschluß daran wollte sie Max und Marianne Weber in Heidelberg besuchen, um dort nach einer Wohnung zu suchen. 3 Name des Münchener Hotels, in dem sich Marianne Weber ab dem 8. September 1915 aufhielt. 4 Zu den finanziellen Verhältnissen Arthur Webers und Lili Schäfers vgl. den Brief an Marianne Weber vom 6. Sept. 1915, oben, S. 127, Anm. 6.

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auch wir werden mehr wie 1000 M. geben müssen. Das wird schon gemacht werden. Sehr freut sich auf Dein Wiederkommen Dein Max 5

Anna Kastendyk ist an einem Schlaganfall gestorben.5 Die Karte von Wina6 schickte ich nach dem „Deutschen Kaiser“.

5 Anna Castendyk, geb. Möller, die Tochter von Max Webers Cousine Hertha Möller, war im Alter von erst 42 Jahren gestorben. „Der Kölner Arzt glaubte ein Nierenleiden als Todesursache annehmen zu sollen, eine sichere Diagnose war nicht mehr zu stellen.“ Möller, Hertha, Lebenserinnerungen. – Bielefeld: Gundlach 1927, S. 156. 6 Alwine (Wina) Müller in Oerlinghausen.

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24. September 1915

Edgar Jaffé 24. [September] 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz Das durch Lochung zerstörte Monatsdatum ist erschlossen aus dem handschriftlichen Vermerk Edgar Jaffés: „28/9/15“. Der Brief steht in Zusammenhang mit einer möglichen amtlichen Verwendung Webers als – wenn auch kurzfristiger – Berater im Generalgouvernement Belgien; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Jaffé vom 9. Mai 1915, oben, S. 49.

Heidelberg 24/[9]a 15 Lieber Jaffé! Ich kann erst etwa am 15/X von hier frei kommen.1 Ist das zeitig genug, so bin ich bereit, dann nach Brüssel zu kommen, um dieb Arbeit vorzubereiten. Vorher ist es keinenfalls möglich, und etwas Erholung hätte ich eigentlich dringend nötig. Mit herzlichem Gruß! Max Weber

a Lochung.

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1 D. h. nach Beendigung von Webers Tätigkeit als Militärisches Mitglied der Heidelberger Reserve-Lazarett-Kommission am 30. September 1915; zum Datum vgl. die Karte an Helene Weber vom 3. Okt. 1915, unten, S. 143.

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Lili Schäfer 27. September 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 27 – 28

Heidelberg 27.9.15 Liebe Lili, –

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vielleicht kann ich es ermöglichen, in der nächsten Woche durch Hannover zu kommen. Aber nicht, um mir auch ein Stück von Carl’s Nachlaß „anzutrauen“.1 Wir lehnen hiermit ein für alle Mal ab, irgend etwas, was Geldeswert hat, davona anzunehmen. Auch nicht, um Dich wieder mit Zukunfts-Sorgen oder materiellen Angelegenheiten zu ermüden. Sondern um Dich und die Kinder zu sehen und – wenn mein Schädel etwas besser in Ordnung ist als er es war2 – ein paarb vernünftige Worte sonst zu reden. Es wird ja – um das einmal zu sagen – wohl so bleiben, daß ich ein verschlossenerer und 앚:vielleicht:앚 einsamerer Mensch bin, als es so aussieht und nicht leicht zugänglich, das hat mir die Natur nicht gegeben und darunter haben Manche, deren Liebe ich gehabt habe und habe, oft zu leiden 앚:gehabt:앚 und leiden vielleicht noch. – Und weil ich andrerseits über sachliche Dinge – denn von persönlichen kann ich nur in seltenen guten Stunden zu reden mich entschließen – sehr nachdrücklich meine Ansicht sage, so fühlen sich Leute, die das nicht richtig sehen, leicht „vergewaltigt“. Du bist ohne Menschenfurcht und mußt Dich auch dadurch nie „verblüffen“ lassen. Dann wird Alles gut gehen. Herzliche Grüße auf Wiedersehen Dein Max ich schreibe dann noch, ob und wann.

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b O: par

1 Lili Schäfer, die nach dem Tod ihres Mannes zu ihrem Bruder Karl nach Hannover gezogen war, kümmerte sich um seinen Nachlaß. 2 Gemeint ist wohl: besser als während des Besuches von Lili Schäfer in Heidelberg nach dem 12. September 1915. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 9. Sept. 1915, oben, S. 136.

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28. September 1915

Lili Schäfer 28. September [1915]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 29 – 30 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Weber spricht darin vom bevorstehenden Ende seiner Tätigkeit als Militärisches Mitglied bei der Heidelberger Lazarettkommission, die zum 30. September 1915 aufgelöst wurde.

Heidelberg 28/9 Liebe Lili, – laß Dir kein graues Haar wachsen: es bleibt selbstredend bei Dem, was Du mit Clara ausgemacht hast.1 Wir kennen ja beide Clara und sind ihrer Art nicht gram, die sie in solchen Dingen hat, aber ich hatte s. Z. einmal im Interesse der Geschwister eine Erörterung mit ihr über den einzigen großen in Mama’s Besitz befindlichen Wertgegenstand, mit dem es (ohne ärztliche Verdienste Ernst’s)2 ähnlich ging, und da habe ich etwas Anstoß daran genommen, daß sich das stets wiederholte. Und damit genug davon! denn so ernsthaft war das nicht gemeint, wie Du annimmst. – Den Schrank, von dem Du jetzt schreibst, schätze ich nach der Erinnerung auf 앚:mindestens:앚 1000 Mark Wert. Schreibe uns, wenn Dir 앚:in Hannover:앚 mehr geboten ist und wir sind Dir dankbar, wenn Du wirklich ihn verkaufen willst, wenn Du dann uns Gelegenheit giebst, in das etwaige Mehrgebot einzutreten.3 Aber willst Du ihn denn wirklich jetzt verkaufen? Du kannst es ja noch immer. – Meine Brüsseler Sache4 ist eine dunkle Geschichte, eigentlich mehr ein Vorwand, vielleicht noch einmal dorthin zu reisen, um das Gespenstische dieser deutschen Herrschaft über die schöne grundfranzösische Stadt noch einmal zu sehen.

1 Die Vereinbarungen zwischen den beiden Schwestern Max Webers, Clara Mommsen und Lili Schäfer, die vermutlich die Verteilung des Nachlasses von Karl Weber betrafen, sind nicht nachgewiesen. 2 Der Sachverhalt konnte nicht ermittelt werden. 3 Marianne Weber teilte Helene Weber in ihrem Brief vom 20. Okt. 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) den Kauf von Lilis Schrank aufgrund des bevorstehenden Umzugs für 1000 Mk. mit. 4 Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Edgar Jaffé vom 9. Mai 1915, oben, S. 49. Weber hatte eine zweite Reise nach Brüssel ins Auge gefaßt, die aber nicht zustande kam. Vgl. die Briefe an Edgar Jaffé vom 24. Sept., oben, S. 138, und vom 30. Sept. 1915, unten, S. 142.

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Daß es hier zu Ende geht,5 ist – leider – an der Zeit. Der Magen refüsiert die Schlafmittel nachgerade in diesen Quantitäten und ich arbeite nicht mehr präzis. Karl Möller schreibt in einem kurzen Kondolenzbrief zu Carl’s Tod, daß Elfriede6 schwer erkrankt sei (ich fürchte: psychisch). Sie war ein feines, aber stets etwas beängstigend wirkendes Wesen. Hier nichts Neues. Marianne grüßt herzlich, ebenso Dein Max

5 Vgl. die Editorische Vorbemerkung zu diesem Brief. 6 Elfriede Möller, eine Tochter von Karl und Hertha Möller, lebte später in geistiger Umnachtung zunächst in Bethel, dann in Ilten bei Hannover, wo sie am 2. Dezember 1924 starb.

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30. September 1915

Edgar Jaffé 30. September 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz Der Brief steht in Zusammenhang mit einer möglichen amtlichen Verwendung Webers als – wenn auch kurzfristiger – Berater im Generalgouvernement Belgien; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Jaffé vom 9. Mai 1915, oben, S. 49.

Heidelberg 30.IX.15 Lieber Jaffé, Ihre Mitteilung überrascht mich keineswegs. Denn wie Sie wissen, hatte ich selbst darauf hingewiesen, daß Geh. Rath Bittmann um diese Arbeit angegangen werden müsse, und es war zu erwarten, daß er sich der Aufgabe gern unterziehen werde.1 Dadurch schwebte nun Das, was ich zu bearbeiten gehabt hätte, stark in der Luft. Mitteilungen, die Geh. Rat Bittmann außeramtlich erhalten hätte, wären für meine eventuellen Zwecke schwerlich von Belang gewesen[,] und so töricht, die belgischen Herren um „Material“ zu bitten oder so anzugehen, daß sie auf die Idee verfallen wären, es handle sich um einen Bericht der gewünschten Art, wäre ich schwerlich gewesen. Die Schwierigkeit lag mehr in der Abgrenzung der Frage, die ich zu beantworten gehabt hätte, und wenn ich mich bereit erklärte, ein zweites Mal nach Brüssel zu kommen, so deshalb, um zu sehen, ob sich da andre Vorschläge machen ließen und, wenn nicht, eventuell für andre Zwecke zur Verfügung zu stehen, – wenn dies wünschenswert schien. Ich betrachte die Angelegenheit, da offenbar mancherlei Widerstände persönlicher Art bestehen, nunmehr als für mich erledigt und bitte Sie, dies Schreiben zur Kenntnis der Politischen Abteilung zu bringen. Mit besten Grüßen Ihr Max Weber.

1 Vgl. dazu den Brief an Marianne Weber vom 20. Aug. 1915, oben, S. 95 f.

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3. Oktober 1915

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Helene Weber PSt 3. Oktober 1915; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 249

Liebste Mutter!

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Diese Woche wird es sicher noch nichts1 und ob nächste, steht nicht fest. Man kann überhaupt noch nichts sagen. Denn ich bin zwar „entlassen“,2 aber nicht „frei“, denn ich darf bei der Riesenarbeit jetzt den Nachfolger nicht im Stiche lassen. Und dann habe ich Einiges für mich zu thun.3 Wärst Du doch etwas hergekommen, liebste Mutter! Wir wären dann zusammen über Hannover zurückgereist. Daß so das ganze Leben immer aus „neuen Mädchen“, die es hindern, daß Du Deine Kinder siehst, zu denen schließlich wir auch gehören, besteht, hat doch etwas Verbitterndes. Die müßten dann eben einmal ein paara Wochen auswärts warten und gezahlt werden. Ich möchte in Berlin Dich in Ruhe, ebenso Naumann und einige Andre sehen und dazu frisch sein. Deshalb komme ich vielleicht erst später, vielleicht erst gegen Weihnachten, vielleicht schon im November, – ich weiß es nicht. Tausend herzliche Grüße Dein Max. Lili schlägt Marianne eben eine glänzende Lösung der „Mädchen“Frage vor.

a O: par 1 Gemeint ist die beabsichtigte Reise nach Hannover zu Webers Schwester Lili Schäfer (vgl. den Brief an Lili Schäfer vom 27. Sept. 1915, oben, S. 139) und anschließend nach Berlin. 2 Am 30. September 1915 hatte Max Weber seinen Dienst bei der Reserve-LazarettKommission beendet. 3 Gemeint ist die Redaktion der Aufsätze über „Konfuzianismus“ für das AfSSp.

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10. Oktober 1915

Paul Siebeck 10. Oktober [1915]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes sowie dem Verlagsvermerk: „13.10.15" erschlossen. Bezug: Brief Paul Siebecks an Weber vom 9. Oktober 1915 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mit der erneuten Bitte, sein Einverständnis zu der Widmung zu geben, die Gerhart v. Schulze-Gaevernitz seinem in Kürze erscheinenden GdS-Beitrag voranstellen wollte. Auch von seiner (d. h. von Siebecks) und von Edgar Jaffés Seite bestünden dagegen keine Einwände. Das Widmungsblatt war Weber schon am 25. September von Siebeck (ebd.) zur Begutachtung zugesandt worden. Die Dedikation: „Gewidmet vom Verfasser dem Gedächtnis seines lieben Schülers und unvergeßlichen Freundes Dr. Hans Schönitz a. o. Professor der Nationalökonomie an der Universität Freiburg Br. des der Wissenschaft zu früh Entrissenen“ findet sich abgedruckt in: Schulze-Gaevernitz, Gerhart v., Die deutsche Kreditbank, in: GdS, Abt. V, Teil II. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1915, S. [XI].

Heidelberg 10/X Verehrter Freund! Meinerseits stehen der Widmung, falls Jaffé – wie Sie schreiben – einverstanden ist, Bedenken nicht entgegen. Anbei folgt sie zurück. Mit herzlichen Grüßen Ihr Max Weber

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Robert Michels 21. Oktober 1915; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 14, Bl. 24 Der Brief steht in Zusammenhang mit Michels’ Parteinahme für Italien während des Weltkriegs; vgl. dazu die vorhergehenden Schreiben an Michels vom 27. Mai, 20. Juni und 9. September 1915, oben, S. 54, 65 – 67 und 132 – 135.

Heidelberg, 21. 10. 15. Lieber Michels!

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Ich hatte zunächst keine Lust Ihren Brief zu beantworten, denn ich hatte anderes zu tun. Indem ich ihn aber nochmals ansehe, fällt mir eben die Bemerkung über Joëla in die Augen. Ich muß Sie ersuchen, derartiges zu unterlassen. Joëlb ist nicht der Mann[,] der anonyme Artikel in die Presse bringt.1 Und nicht von ihm, sondern von jemand[,] der Ihnen sehr wohl gesonnen ist, wurde mir die Tatsache erzählt, die ja nach Ihrem Brief in keinem einzigen wesentlichen Punkt anders aussieht, als sie mir berichtet wurde. – Und da ich nun dabei bin: Sie wissen gut genug, daß ich von Ihnen nicht aus „Opportunitätsgründen“ Schweigen verlange, das liegt Ihnen mehr als mir: ich würde die Professuren meines Heimatlandes nicht nur als „Durchgang“ für die Karriere anderwärts schätzen wie Sie: das nenne ich „Opportunität“. Im übrigen: Ich habe Ihnen vor dem Krieg nicht verhohlen, daß Sie sich in Deutschland durch die Art Ihres Publizierens so sehr geschadet haben, daß Sie durch noch so üble Zeitungsartikel nichts mehr zu verlieren hatten – vielleicht aber bei Ihren Adoptivlandsleuten zu gewinnen. Also die Opportunität liegt durchaus nicht in der Richtung, die ich von Ihnen erwartete. Ich war und bin der Ansicht, daß der einfache Anstand, die Würde, die schlechthinnige verdammte Pflicht und Schuldigkeit, die jeder echa In Abschrift: Joel b In Abschrift: Joel 1 Die anonym erschienene Notiz unter dem Titel: Deutsche Juristen im feindlichen Lager, in: Deutsche Juristen-Zeitung, Jg. 20, Nr. 17/18 vom 1. Sept. 1915, Sp. 895, enthielt „von eingeweihtester Seite“ derart detaillierte Informationen über Michels’ proitalienische Aktivitäten, daß der Informant aus dem Basler Kollegenkreis zu kommen schien. Offensichtlich hat Michels seinen Kollegen, den Philosophen Karl Joël, als Quelle dieser Notiz verdächtigt.

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te Mensch gegen den Mutterschoß[,] der ihn gebar[,] empfindet, Ihnen mindestens Schweigen auferlegte, in einer Zeit, wo jede Niederlage uns (nur uns von allen Großmächten) die Existenz kosten konnte. Wenn Sie wirklich darin absolut anders empfinden, dann gehören wir nicht zusammen. Daß gerade Sie Dinge zu sagen hatten[,] die kein anderer sagte, habe ich weiß Gott nicht bemerkt. Diese dilettantische Politisiererei mit der Empfehlung eines Bundes mit – Rußland (wo doch jeder weiß[,] wessen Sie uns dann geziehen hätten) „dient der Zeit“ und ist schlechter Journalismus, sonst nichts. Einen anständigen Frieden konnten wir jederzeit haben?? Ist mir unbekannt. Halt, ja! Vielleicht von Italien, wenn wir Schufte genug wären, unseren Bund zu brechen, d. h. wenn wir keine Deutschen wären. Dazu könnten uns nur schwere Niederlagen zwingen. Und bitte: ein Italiener, ein Landsmann jener Feiglinge[,] die gegen ihre Überzeugung Hunderttausende ins Feuer schickten, für Ziele[,] die sie friedlich haben konnten2 – warum? Aus Furcht und gemeiner Angst erstens vor England – zweitens vor der Straße – der hat eben nicht das Recht, wie Bismarck „militärischer Mut – ja, ziviler Mut – nein“3 uns vorzuhalten. So etwas gibt es überall. Aber anderwärts eher mehr als bei uns und am allermeisten bei Ihnen. Genug. Wir werden uns offenbar nicht mehr verständigen. Das bedaure ich, denn wie Sie wissen, habe ich Sie immer recht gut leiden mögen. Jeder hat seine Fehler, ich auch. Aber im Augenblick sind die Ihrigen die fataleren. Sie entsprechen der Situation nicht und jedermann soll in so ernsten Dingen sich klar machen, was ihm nicht gegeben ist. Sonst entgleist er[,] wie Sie es getan haben. Mit bestem Gruß Max Weber.

2 Der am 23. Mai 1915 vom Hauptvertreter des italienischen Imperialismus, Außenminister Sidney Sonnino, unter Billigung von Ministerpräsident Antonio Salandra, dem Vertreter des „sacro egoismo per Italia“, begonnene Krieg Italiens gegen ÖsterreichUngarn wurde nicht nur für die „Befreiung“ der italienischsprachigen Gebiete der Habsburger Monarchie, deren Abtretung Wien in Verhandlungen vor Kriegsbeginn prinzipiell zugestanden hatte, sondern auch für die Gewinnung eines großen Teils der adriatischen Ostküste geführt. Diese Territorialgewinne waren Italien für den Fall eines Kriegseintritts im Londoner Vertrag vom 26. April 1915 von der Triple-Entente zugestanden worden. 3 Zu dem Ausspruch Bismarcks vgl. den Brief an Michels vom 9. Sept. 1915, oben, S. 135, Anm. 6.

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Paul Siebeck 30. Oktober [1915]; o.O. Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „3.11.15.“ Der Brief steht in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Webers Artikelserie „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69. Bezug: Brief der Stellvertreter Paul Siebecks, Richard Wille und Richard Pflug, vom 29. Oktober 1915 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446). Darin hatten sie Weber mitgeteilt, daß Edgar Jaffé momentan vor der Entscheidung stehe, bis Jahresende ein Einfach- oder Doppelheft des AfSSp herauszubringen, und daß dieser sie gebeten habe, bei Weber „an[zu]fragen, wann und in welchem jeweiligen Umfang“ von ihm weitere Manuskriptlieferungen zu den Beiträgen „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ zu erwarten seien.

30. X Verehrter Freund!

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Ich würde einema Doppelheft als gewaltsam widerraten. Die jetzt folgenden Partien müssen gründlich durchgegangen und gekürzt werden.1 Das Erste wäre auch gekürzt (um ca 10 Seiten),2 hätte ich die Kraft gehabt. Ich kann sie erst Weihnachten anfangen zu liefern, wenn Alles gut geht. Denn ich muß nach Berlin und habe 2 Aufgaben vor mir, die nötig sind.3

a Unsichere Lesung. 1 Gemeint sind die Partien über „Hinduismus und Buddhismus“; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 8. Nov. 1915, unten, S. 170, Anm. 4. 2 D. h. Weber, Max, Einleitung und Konfuzianismus I, II; dieser Aufsatzteil war in dem am 14. Oktober 1915 ausgelieferten Heft 1 des AfSSp-Bandes 41 erschienen. 3 Weber wollte aus verschiedenen Gründen nach Berlin reisen, u.a. wegen finanzieller Probleme seiner Geschwister Arthur Weber und Lili Schäfer – vgl. dazu den Brief an Lili Schäfer vom 7. Dez. 1915, unten, S. 205, Anm. 5; auch hatte er die Absicht, intensive Bibliotheksstudien für seine Folgeartikel zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ durchzuführen – vgl. dazu die Briefe an Adolf v. Harnack, nach dem 4. Dez. 1915, sowie an Marianne Weber vom 20., 22., 23., 24. und 25. Nov. sowie vom 9. Dez. 1915, unten, S. 200, 184, 185, 190, 192, 194 und 214. Daneben wollte Weber die Aussichten einer möglichen politisch-publizistischen Verwendung in der Reichshauptstadt sondieren – vgl. dazu die Briefe an Marianne Weber vom 22. und 25. Nov. sowie 3., 7. und 8. Dez. 1915, unten, S. 185, 193, 198 f., 207 f. und 209.

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Nehmen Sie doch das jetzt Vorliegende in dies Heft4 und lassen Sie das nächste ruhig „verspätet“ erscheinen. Was kommt darauf jetzt an? Herzliche Grüße! Max Weber

4 Weber, Max, Konfuzianismus III, IV und Zwischenbetrachtung, erschien in Heft 2 des AfSSp-Bandes 41, das am 23. Dezember 1915 ausgeliefert wurde.

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Heinrich Rickert [vor dem 31. Oktober 1915]; o.O. Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 25, Bl. 93 Die Datierung ist erschlossen aus dem Antwortschreiben Rickerts vom 31. Oktober 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). Im Mittelpunkt dieses sowie der folgenden Briefe an Heinrich Rickert bis zum 31. Januar 1916, unten, S. 280 f., steht die Frage nach der Neubesetzung des Heidelberger Lehrstuhls für Philosophie, der durch den Tod von Wilhelm Windelband am 22. Oktober 1915 vakant geworden war. Darüber hinaus war das etatmäßige Extraordinariat auf Grund des Todes von Emil Lask am 25. Mai 1915 neu zu besetzen, was aber im Moment nicht im Vordergrund stand. Laut Ministerialerlaß des Hochschuldezernenten im badischen Ministerium für Kultus und Unterricht, Victor Schwoerer, an die Heidelberger Philosophische Fakultät vom 28. Oktober 1915 (UA Heidelberg, H-IV-102/141) wurde diese aufgefordert, für die Wiederbesetzung des Philosophielehrstuhls entsprechende Vorschläge „im Laufe des Monats November d. J. durch Vermittlung des Engeren Senats vorzulegen.“ Im Protokoll über die Fakultätssitzung vom 30. Oktober 1915 (ebd.) heißt es dann unter Tagungspunkt 1, die Windelband-Nachfolge betreffend: „Neubesetzung der Vertretung der Philosophie. Mitteilungen des Dekans und des Herrn Gothein über Äußerungen des Herrn Schwörer, wonach die Facultät veranlaßt werde, baldmöglichst Vorschläge zur Wiederbesetzung der Windelband’schen Professur vorzulegen. Neubesetzung der Professur Lask sei ebenfalls beabsichtigt, doch empfehle es sich nach Ansicht des Herrn Schwörer wohl, damit zu warten, bis auch der Nachfolger Windelbands darüber gehört werden könne. Zunächst könne die Stelle auch nur als ein Extraordinariat besetzt werden, doch sei sich die Regierung vollständig klar darüber, daß spätere Umwandlung in ein Ordinariat unumgänglich sein würde. Nach längerer Besprechung wurde mit 6 gegen 5 Stimmen beschlossen, der zu wählenden Commission zunächst nur den Auftrag zu Vorschlägen für das Ordinariat zu geben.“ Als Kommissionsmitglieder wurden Franz Boll, Eberhard Gothein, Carl Neumann, Hermann Oncken und der Dekan, Friedrich v. Duhn, benannt. Über Einzelheiten bei der Erstellung der Vorschlagsliste sind wir nur durch den folgenden Briefwechsel mit Rickert unterrichtet. Der Fakultätsbericht datiert vom 18. November 1915 (GLA Karlsruhe, 235/3134) und wurde am 30. November nach Karlsruhe geschickt. In dessen Vorbemerkungen wurde eindringlich betont, „daß eine gleichzeitige Besetzung zweier Ordinariate ein dringendes Bedürfniß der Universität“ sei – der zweite philosophische Lehrstuhl war seit der Emeritierung von Kuno Fischer 1906 nicht besetzt worden – und „daß die Besetzung durch einen Ordinarius und einen étatmäßigen Extraordinarius besten Falls einen unzulänglichen interimistischen Zustand […] mit sich“ bringe. Auch wurde moniert, daß Heidelberg neben Rostock die „einzige deutsche Universität“ sei, „die nur einen ordentlichen Lehrstuhl der Philosophie“ besitze. Zwar erkenne man durchaus die etatmäßigen Schwierigkeiten, doch sehe man darin einen Ausweg, daß „dem Einen der zu Berufenden vorläufig ein persönliches Ordinariat bis zur Einstellung einer neuen Stelle im nächsten Etat verliehen“ werde. Dabei betonte man nicht nur die Gleichrangigkeit der beiden Professoren, sondern auch die völlige Unabhängigkeit der Lehrstuhlbesetzung voneinander. In dem Bericht, welcher „ohne beabsichtigte Rangfolge“ (ebd.) sechs Kandidaten benannte, wurden zunächst Heinrich Rickert und Georg Simmel genannt. Über diese beiden heißt es: „1) H[einrich] Rickert. Die Fortführung der philosophischen Tradition in Heidelberg, die hier diesen Studien einen ganz bestimmten Charakter gegeben hat, liegt uns vor Allem am Herzen. Daß

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hierzu Rickert am besten, vielleicht allein im Stande ist, untersteht keinem Zweifel. Mit seinem Lehrer Windelband zusammen stellt er das Haupt der ‚südwestdeutschen Schule der Philosophie‘ dar. Über seine Persönlichkeit, sein großes Lehrtalent, über seine Leistungen auf dem Katheder und im Seminar ist die Staatsregierung seit langem völlig unterrichtet. Es würde sich bei ihm nur um die Versetzung von einem badischen Lehrstuhl auf den andern handeln. Hervorheben aber möchten wir, daß Rickert grade jetzt auf der Höhe seines wissenschaftlichen Schaffens steht. Wie er sich früher in seinen ‚Grenzen des Naturerkennens‘ als einer der ersten grenzziehenden Methodiker gezeigt hat, so ist sein großes Werk über den ‚Gegenstand der Erkenntniß‘ die bedeutendste erkenntnistheoretische Leistung der Gegenwart zu nennen. Von ihm ist soeben eine neue Auflage erschienen, die sich tatsächlich als ein völlig neues Werk kennzeichnet, ohne daß das frühere dadurch veraltet wäre. 2) Georg Simmel. (geb. 1858. Seit 1914 Ord[inarius] in Straßburg). Simmel ist unter den lebenden Philosophen der vielseitigste, geistreichste und fruchtbarste. Eine reiche Begabung und eine nimmer ermüdende Beweglichkeit verbinden sich bei ihm mit einem seltenen Talent der Formgebung, die sehr verschiedenen Arten des Stils je nach der Natur der Aufgabe gerecht wird. Die Lebhaftigkeit und Eindringlichkeit seines Vortrags hat ihm von jeher, so auch jetzt in Straßburg, große Lehrerfolge gesichert, die aber noch mehr auf seiner ganzen lauteren eindrucksvollen Persönlichkeit, deren Gehalt stets durch die etwas unruhige Außenseite durchbricht, beruht. Ein origineller Denker, umfaßt Simmel immer wieder neue Probleme, weiß alten eine neue Seite abzugewinnen und führt ihre Lösung ebenso gründlich wie geistvoll durch. Gleich sein erstes großes Werk, ‚die Einleitung in die Moralwissenschaft‘, erfaßte die ethischen Probleme der Vergangenheit und Gegenwart so vielseitig und unabhängig, daß es wohl manche liebgewordene Vorstellung störte, aber die Forschung seitdem maßgebend bestimmt hat. Wie er in der Behandlung dieser Probleme beständig fortschreitet, wie er ihren Zusammenhang mit der Metaphysik und der allgemeinen Weltanschauung erfaßt und zugleich die Persönlichkeiten der Philosophen durchdringt, dafür giebt seine kleinere Schrift ‚Schopenhauer und Nietzsche‘ einen Beleg. Simmels Hauptverdienst ist aber unzweifelhaft die Umwälzung und völlig neue Fundamentierung der Gesellschaftswissenschaften, durch die auch die Geschichtsphilosophie eine veränderte, und endlich fruchtbare Orientierung erfahren hat. In drei großen Werken über sociale Differenzierung[,] der Philosophie des Geldes und der Sociologie hat er die Gesellschaftswissenschaft, die bisher ein Tummelplatz bald der Willkür und persönlichen Liebhaberei, bald eines starren Positivismus gewesen war, neu begründet, hat er ihre Grenzen gezogen, ihre Methode festgestellt, ihre Begriffe gebildet und vor Allem ihre psychologische Begründung, die immer gefordert und nie erreicht war, glänzend durchgeführt. Eine große Zahl von Einzelaufsätzen aus allen Gebieten des Geisteslebens zeigt außerdem ebenso seine Vielseitigkeit wie seine Beredsamkeit. Es sei jedoch nicht verhehlt, daß Simmel im öffentlichen populären Vortrag sich bisweilen durch diese Gabe geistreicher Behandlung kleiner Gegenstände zu funkelndem Spiel hinreißen läßt, sodaß fernerstehende Beobachter sich mitunter hieran stoßen. Es sei aber hervorgehoben, daß seine gedruckten Vorträge sich nicht nur durch geistreiche Form, sondern auch durch gründliche Behandlung auszeichnen und daß er von diesem Überschuß an Geist weder in seinen größeren Schriften noch in seinen Kathedervorträgen störenden Gebrauch macht. Aus den uns zugegangenen Urteilen sei nur das von Tröltsch hervorgehoben, daß nämlich durch eine gleichzeitige Berufung von Rickert und Simmel Heidelberg ohne Zweifel an die Spitze der Philosophie überhaupt treten würde.“ Als dritter Kandidat wurde Edmund Husserl aufgeführt, der, wie es heißt, „heute als der erste Logiker unserer Zeit“ gelte. „Seine ,logischen Untersuchungen’ […] sind ein im eigensten Sinne des Worts bahnbrechendes Werk gewesen, sowohl für die ge-

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sammte Logik wie für die weitere wissenschaftliche Arbeit des Verfassers selbst. Ihm sind sie ein ‚Durchbruch‘ geworden zu einer neuen logischen Methodik, der Phänomenologie, die mit ihrer Untersuchung der Gegebenheiten auf alle Gebiete der Philosophie übergreift. Die phänomenologische Methode macht nach dem Urteil Külpe’s ‚die Philosophie, die sich ihrer bedient, zur strengen Wissenschaft, die sie bisher noch nicht gewesen ist. Hier ist ein Fundament für alle Erkenntnißtheorie zu gewinnen, das sich an Solidität mit der Mathematik messen kann‘. Und Külpe fügt hinzu, daß sich hier ein unübersehbares Arbeitsfeld auftue. Der Einfluß von Husserl’s Phänomenologie ist denn auch so groß, daß die ‚logischen Untersuchungen‘ gradezu als das einflußreichste Werk philosophischer Art des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrhunderts gelten. […] Seine Vorlesungen und Übungen behandeln außer Logik, Erkenntnistheorie und Ethik auch die allgemeine Geschichte der Philosophie und Pädagogik. Da nach den gewordenen Mitteilungen seine Lehrtätigkeit auf gleicher Höhe mit seiner Productivität als Forscher steht, so kann kein Zweifel bestehen, daß wir an Husserl einen Vertreter ersten Ranges für die Philosophie an unserer Universität […] gewinnen würden.“ Als vierter wurde Heinrich Maier aufgeführt, der zwei Jahre später in Heidelberg das zweite philosophische Ordinariat erhielt, als fünfter Eduard Spranger: „Wenngleich seine Leistungen sich noch nicht auf die volle Höhe philosophischer Originalität erheben, so verraten sie doch einen seit seiner Erstlingsarbeit über die Grundlagen der Geschichtswissenschaft stetig anwachsenden Denker, dem von vielen Seiten eine bedeutende Zukunft vorausgesagt wird. Die Universität Berlin hat ihre Wertschätzung vor einigen Jahren dadurch zum Ausdruck gebracht, daß sie ihren ehemaligen Privatdocenten bei der Berufung von Tröltsch an die zweite Stelle setzte.“ Als sechster wurde Ernst Cassirer genannt, von dem besonders dessen Buch „Das Problem der Erkenntniß in Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeiten“ rühmend hervorgehoben wurde mit dem Fazit: „Cassirer vermag wohl einmal beiden Seiten der Philosophie, der historischen wie der systematischen gerecht zu werden. Nach einem so bedeutenden Anfang ist noch Großes von ihm zu erwarten.“ Wie aus dem Brief Webers an Rickert vom 31. Oktober 1915, unten, S. 154 – 156, zu entnehmen ist, scheint schon frühzeitig im badischen Kultusministerium eine Berufung bzw. Versetzung Rickerts von Freiburg nach Heidelberg in Betracht gezogen worden zu sein – wie es denn auch geschah: Heinrich Rickert wurde laut Allerhöchster Ministerialentschließung vom 30. Dezember 1915 mit Wirkung vom 1. April 1916 an die Universität Heidelberg versetzt.

Lieber Rickert, –

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um ein Haar wäre ich von Karlsruhe heut zu Ihnen gefahren (ich konnte nur keinen Telefon-Anschluß bekommen und wußte also nicht, ob es paßte) – und finde nun herzlich dankend Ihr Werk.1 Groß und stattlich – mit einer schönen Widmung und schönem pietätvollem Vorwort.2 Wenn Sie meinen, jetzt könne ich so was lesen, irren Sie. Mein 1 Rickert, Heinrich, Der Gegenstand der Erkenntnis. Einführung in die Transzendentalphilosophie, 3., völlig umgearb. u. erw. Aufl. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1915. 2 Die Widmung galt „Emil Lask dem lieben Freunde in treuem Gedenken“, der am 26. Mai 1915 in Galizien gefallen war; auch im Vorwort drückte Rickert seine Trauer über den menschlichen und wissenschaftlichen Verlust von Emil Lask aus – mit dem Fazit:

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Gehirn ist wie Gelée von den vielen Schlafmitteln, ich kann nur Empirisches machen und merkwürdig, wie das weit abführt von aller Fähigkeit der Konzentration auf logische Fragen. Ungeduldig sehe ich jedem noch so kleinen Ausschnitt Ihrer Zukunfts-Logik3 entgegen. Wenn da einmal etwas kommt, fange ich wieder mit methodologischen Arbeiten an. Da liegen die Dinge, die Ihrer jetzt harren, nach Lask’s Tode erst recht. – Nun eine Bitte (deshalb wollte ich kommen): Schon bis Ende November, höre ich, werden hier die philos[ophischen] Vorschläge gemacht.4 Ich denke, man fragt auch mich.5 Nun bitte: Wenn – was möglich ist, Sie und Simmel nicht kommen, – wer dann? Erwägen Sie genau, schnella und schreiben Sie mir.6 Spranger – Kühnemann – Cassirerb möchte ich bitten zu kritisieren.7 Natürlich wird

a Unsichere Lesung.

b O: Cassierer

„Härter als durch seinen Tod konnte die Philosophie des deutschen Idealismus nicht getroffen werden.“ Wie Anm. 1, S. XIV. 3 Rickert hatte 1908 ein umfangreiches Manuskript, das den Titel „Die Grundprobleme der Logik als Wissenschaft von den theoretischen Werthen“ tragen sollte, erstellt, was auf großes Interesse Webers gestoßen war; vgl. dazu den Brief an Rickert vom 18. und 19. April 1908 (MWG II/5, S. 527 – 531; ebd., S. 531, Anm. 11). Jedoch hatte Rikkert diese Arbeit damals nicht vollendet, sondern sich der Neubearbeitung seiner Hauptschriften zugewandt, die dann sukzessive erschienen sind: Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft, 2. umgearb. und verm. Aufl. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1910, Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung, 2., neu bearb. Aufl. – Tübingen, ebd. 1913, sowie: Der Gegenstand der Erkenntnis (wie Anm. 1). Die Arbeit Rickerts zur „Grundlegung der Logik“ ist nie erschienen. 4 Vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zu diesem Brief. 5 Weber hat vermutlich durch Eberhard Gothein, eines der Mitglieder der Berufungskommission, vom Fortgang der Kommissionarbeit erfahren, jedoch ist er anders als 1913 selbst kein Mitglied geworden; zu den Gründen vgl. den Brief an Rickert vom 11. Jan. 1916, unten, S. 253. 6 In seiner Antwort vom 31. Okt. 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) favorisierte Rickert, falls er und Georg Simmel nicht berufen würden, Edmund Husserl. Dieser sei zwar nur ein Jahr jünger als Simmel, „aber man sollte trotzdem Alles versuchen[, ] um ihn zu bekommen, denn wenn er auch kein glänzendes Colleg liest, so ist er nicht nur ein ganz origineller tiefbohrender Denker , sondern für selbständig arbeitende Leute auch ein ganz vorzüglicher Lehrer . Jedenfalls ist ein Besserer für Heidelberg nicht zu haben. Ohne Vorbehalt kann ich keinen zweiten nennen.“ 7 Dazu heißt es im Brief Rickerts vom 31. Okt. 1915 im Anschluß an die in Anm. 6 wiedergegebene Passage: „Spranger ist sicher ein feinfühliger Historiker, aber systematisch philosophisch ganz unbedeutend. Kühnemann ein glänzender Redner. Als Litterar historiker unbedingt am Platz. Auch nicht ohne Sinn für philosophische Probleme , aber gänzlich unproduktiv in systematischer Hinsicht u. nicht ganz ungefährlich. Er würde mit seiner Rhetorik wahrscheinlich jede geräuschlosere Wirksamkeit bei

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die Fak[ultät] Sie und S[immel] erneut vorschlagen.8 Aber ganz unsicher mit welchem Erfolg, auch wenn nichts versäumt wird. S[immel] allein beruft die Regierung nicht, auch nicht S[immel] zuerst (es sollen 2 Ordinarien her). Also, – wenn Sie nicht zu haben sind, wer? Setzen Sie Sich wenn möglich gleich hin und diktieren Sie! Denn Gothein sucht mich nächster Tage auf.9 Ihren B[rief]c kriegt Niemand zu sehen, absolut Niemand. Herzliche Grüße Ihr Max Weber

c Lochung. der Masse der Studenten todtschlagen oder paralysieren. Als Nachfolger Windelbands ist er nicht am Platz. Cassirer ist von den Dreien, nach denen Sie ausdrücklich fragen, mir der weitaus sympathischste. Er hat große Verdienste um die Geschichte der Philosophie. Ob er ein Historiker großen Styls ist, wird erst der 3te Band, der die nachkantische Erkenntnistheorie behandelt, zeigen können. Da fehlt ihm die Stütze an den Arbeiten von Cohen u. Natorp. Systematisch bewegt er sich mit großem Geschick in den Gedankengängen dieser 앚:sehr bedeutsamen:앚 Schule ohne wesentliche Originalität. Ich würde nach seinen Schriften annehmen, daß er ein guter Lehrer ist. Jedenfalls ist er ‚möglich‘.“ Tatsächlich sind Cassirer – und auch Spranger – in der Berufungsliste aufgeführt worden, während man von einer Benennung Eugen Kühnemanns Abstand genommen hat; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung. 8 Rickert und Georg Simmel waren bereits 1908 auf der Berufungsliste für die Neubesetzung des zweiten philosophischen Lehrstuhls als mögliche Kandidaten genannt worden; zum Berufungsvorgang vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Georg Jellinek vom 21. März 1908 (MWG II/5, S. 467 – 469). 9 Ein Besuch bzw. diesbezügliches Gespräch mit Eberhard Gothein fand am 31. Oktober 1915 statt, so Webers Mitteilung in seinem Brief an Rickert vom selben Tage, unten, S. 154.

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Heinrich Rickert 31. Oktober [1915]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 25, Bl. 84 – 85 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefs erschlossen. Das Schreiben steht in Zusammenhang mit der Berufung Rickerts nach Heidelberg; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Rickert, vor dem 31. Oktober 1915, oben, S. 149 – 151.

Heidelberg 31/X Streng vertraulich Lieber Rickert! Gothein war eben bei mir. Ich möge Sie fragen: ob Sie mit gleichem Gehalt wie in Fr[eiburg] hierher kommen würden.1 Wenn ja, so würde nach Rücksprache mit Schwörer die Regierung Sie versetzen. Dagegen eine Versetzung mit Erhöhung des Gehalts sei Fr[eiburg] gegenüber ausgeschlossen. Diese Konzession an Fr[eiburg] sei unumgänglich. Also erwägen Sie! Ihren Vorschlag hält er für selbstverständlich, nimmt 앚:dabei:앚 an (ob mit Recht?), daß man Simmel pari loco vorschlagen werde.1) Im Übrigen stehe die Sache vermutlich so: Entweder jetzt neben dem Ordinarius (also ev. Ihnen) einen Extraordinarius.2 Oder nach

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Simmel beruft die Regierung erklärter Maßen (und mit Recht) keinenfalls als 1ten Ordinarius. Hier hat er sich durch seine Vorträge gänzlich tot gemacht,3 so daß nicht feststeht, ob er seriös vorgeschlagen wird. 1 Ein Nachweis für eine entsprechende ministerielle Initiative ist nicht überliefert; möglicherweise haben Gespräche zwischen Eberhard Gothein und dem badischen Hochschuldezernenten im Kultusministerium, Victor Schwoerer, dazu geführt. 2 D. h. Ersatz für den gefallenen Emil Lask. 3 Den letzten Vortrag in Heidelberg hatte Georg Simmel am 30. Oktober 1914 über das Thema „Das andere Deutschland“ gehalten; vgl. dazu die Notiz: Vortrag Simmel, in: Heidelberger Zeitung, Nr. 255 vom 31. Okt. 1914, S. 3, sowie: Das andere Deutschland, in: Heidelberger Neueste Nachrichten, Nr. 255 vom 31. Okt. 1914, S. 3. Diese wenig später noch einmal in Straßburg gehaltene Rede wurde veröffentlicht unter dem Titel: Simmel, Georg, Deutschlands innere Wandlung. Rede gehalten im Saal der Aubette zu Straßburg am 7. November 1914. – Straßburg: Karl J. Trübner 1914. – Weber denkt vermutlich vor allem an Simmels allerersten in Heidelberg gehaltenen Vortrag

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2 Jahren (Bewilligung durch den Landtag) einen Ordinarius. Diese 2te Persönlichkeit müßte Pädagogik lesen können und zwar gut. Ich habe als Extr[aordinarien]: Jonas Cohn, Hensel, Scheler genannt (letzterer ist aber persönlich leider wohl aussichtslos, zumal als Lehrer der Pädagogik!). (Vielleicht käme ja auch Al[ois] Fischer in Betracht). Bitte äußern Sie Sich darüber. Als ferner vorzuschlagende Personen sind bisher genannt: Husserl, Spranger, für welch letzteren Gothein viel übrig hat, da er selbst Dilthey-Schüler ist. Bitte sprechen Sie Sich auch über Misch aus, als 2ten Ordinarius. – Ich muß es nach Allem und vor Allem nach der unerwartet erfreulichen Stellungnahme der Regierung4 für recht wahrscheinlich halten – denn man soll immer vorsichtig sein! – [,] daß die hiesige Stelle Ihnen angeboten wird, lieber Freund. Welche Genugthuung (und was sonst noch!) ich dabei empfinde,5 brauche ich nicht zu sagen. Aber bitte: erwägen Sie auch alle Bedenken schon jetzt. Ökonomisch: keine Verbesserung, eher eine leichte Verschlechterung. Vor Allem aber: die gesundheitliche Seite. Die Luft hier ist den Nerven nicht gut[,] schlaff, gewitterschwül Monate lang. Eine so geeignete, waldnahe Wohnung wie Ihre jetzige nicht gut zu finden. Überhaupt die Wohnungsfrage nicht einfach und ziemlich teuer. Das Fach belastet mit Ruge2), 2)

Er hat der Fakultät eine Eingabe gemacht: Windelband habe ihm – R[uge] – das Extraordinariat und mehr Geld versprochen.6 Die vom 11. Dezember 1911. Zu dessen Thema und Inhalt vgl. den Bericht im Heidelberger Tageblatt: F. D., Professor Simmel: Das künstlerische Problem des Schauspielers, ebd., Nr. 292 vom 13. Dez. 1911, S. 4, sowie K. W., Das künstlerische Problem des Schauspielers, in: Heidelberger Zeitung, Nr. 255 vom 13. Dez. 1911, S. 1. 4 Vgl. Anm. 1. 5 Genugtuung wahrscheinlich deswegen, weil ein entsprechender Berufungsvorschlag im Jahre 1908 erfolglos geblieben war; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Georg Jellinek vom 21. März 1908 (MWG II/5, S. 467 – 469). 6 Die Eingabe von Arnold Ruge als langjährigem Assistenten am Philosophischen Seminar war am 22. Okt. 1915 an die Philosophische Fakultät geschickt worden (UA Heidelberg, H-IV-102/141). Tatsächlich war darin die Rede davon, daß Windelband ihm „zugesichert“ habe, „daß bei der Erwägung einer Neubesetzung“ des seit Lasks Tod verwaisten Extraordinariats seine „langjährigen Dienste an der Universität ebenso wie meine in der Tradition seiner Schule gehende wissenschaftliche Tätigkeit voll in die Wagschale fallen“ würden. Von einer Deputaterhöhung wird in dem Brief nicht gesprochen, im Gegenteil: Ruge beklagte sich darüber, daß er seit dem Beginn seiner Seminar- und Bibliotheksbetreuung im Wintersemester 1904/05 pro Semester lediglich eine

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Driesch, Bubnoff. Driesch hat großen Lehrerfolg. Kollegen, die grade für Sie in Betracht kommen, sind nicht allzu viele da, weniger als Sie denken. Aber freilich: das ist ja auch in Freiburg jetzt leider recht mäßig. Herzlichste Grüße in Eile Ihr Max Weber

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Bitte von dem Sie Betreffenden keiner Seele (außer Sofie)7 etwas zu sagen!

Fak[ultät] hat empfohlen, ihn endlich auskömmlich (als Seminarbibliothekar) zu bezahlen, was W[indelband] unrechter Weise versäumt hat, im Übrigen natürlich Alles abgelehnt.8

Vergütung von Mk. 50.– erhalten habe. Jedoch hatte Windelband in seinem letzten Gespräch mit Hermann Oncken, Carl Bezold und Hans v. Schubert den Wunsch geäußert, „die Facultät möge beim Ministerium dafür eintreten, daß Dr. Ruge für seine elfjährige fleißige und geschickte Tätigkeit am philosophischen Seminar in würdiger Weise entschädigt werde“ (Protokoll der Fakultätssitzung vom 30. Oktober 1915; UA Heidelberg, ebd.). 7 Gemeint ist Sophie Rickert. 8 Um der Entscheidung oder dem zukünftigen Lehrstuhlinhaber nicht vorzugreifen, wurde auf der Fakultätssitzung beschlossen, die Entschädigung nicht allzu gering zu bemessen, „ihr jedoch nicht den Charakter einer ständigen Einrichtung und Verknüpfung mit Seminar oder Facultät zu geben“. So das Protokoll der Fakultätssitzung vom 30. Oktober 1915 (wie Anm. 6). Die einmalige Vergütung betrug Mk. 400.– Erst nach dem (genehmigten) Antrag von Rickert vom 1. Juni 1916 (ebd.) erhielt Ruge als festangestellter Assistent des Philosophischen Seminars eine jährliche Remuneration von Mk. 1400.–.

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Friedrich Naumann [2. November 1915]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 8, Bl. 97 – 98 Die Datierung ist erschlossen aus einem Vermerk von dritter Hand: „2.11.15.“

Heidelberg Ziegelhauser Landstr. 17 Lieber Freund, –

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ich habe mit dem allerintensivsten Interesse Ihr Buch1 gelesen, – jetzt wo ich anfange wieder etwas lesen zu können. Das Buch ist als Propagandabuch für die allgemeine Idee unübertroffen, und zwar grade auch[,] weil es gewisse Probleme bei Seite läßt. Von Näherna ist das wichtigste dies: „Mitteleuropa[“] bedeutet: daß wir jede Dummheit dieser unbelehrbaren – Sie wissen es – MadjarenPolitik und Wiener Hof-Politik mit unsrem Blut zahlen müssen. Und auch die Andren werden sich sagen: jede Dummheit „S[eine]r M[ajestät]“, jede „Krüger-Depesche“,2 die ganze deutsche „Weltpolitik“, – für die sind wir (Österreicher etc.) die Landsknechte, die sie mit durchzufechten haben. Da liegen die unerträglich schwierigen Seiten des Problems. Was hat, noch in diesem Existenzkrieg, die Wiener Diplomatie Alles gesündigt! Und was für eine wahnsinnige Politik haben wir seit 1895 betrieben.3 Kann man das fest, unwiderruflich, aneinanderbinden, so daß jeder Teil das Gefühl hat: ich kann mir diese Dummheiten leisten, denn der Andre ist ja mit [da]b, sie auszubaden?

a Unsichere Lesung. b Lochung. 1 Wie aus dem folgenden hervorgeht, handelt es sich um Friedrich Naumanns Buch: Mitteleuropa. – Berlin: Georg Reimer 1915. 2 Geläufige Bezeichnung für das Glückwunsch-Telegramm Wilhelms II. an den Präsidenten der Burenrepublik, Paulus Krüger, vom 3. Januar 1896 zur Abwehr eines Angriffs von Angehörigen der British South Africa Company unter Führung von Leander Starr Jameson (sog. Jameson-Raid); die Äußerung Wilhelms II. löste in Großbritannien eine tiefe Verstimmung aus. 3 Mit der Entlassung des Reichskanzlers Caprivi im November 1894 begann das sog. „persönliche Regiment“ Wilhelms II. und der Übergang zur „Weltpolitik“, die alsbald zur Konfrontation mit Großbritannien (vgl. Anm. 2) führte.

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Ferner: jede Zoll-Annäherung setzt voraus: 1) Eisenbahngemeinschaft weitgehender Art (haben Sie gesagt),4 – 2) Steuer-Gemeinschaft weitgehender Art (d. h. Gleichartigkeit der Steuer-Gesetzgebung). 앚:–:앚 3) Gemeinschaft der sozialpolit[ischen] Gesetzgebung. Das Alles kommt nicht von selbst, das wissen Sie wie wir Alle gut. Dies hätte vielleicht etwas stärkerer Betonung bedurft. Doch genug. Zur Zeit ist die Frage: wie es denn überhaupt möglich sein soll, jemals einen „Frieden“ zu schließen, das Wichtigste. Denn dies Hinschleppen des Krieges bedeutet: 1) Vermehrung des Rentnertums: c40 –50 c Milliarden mehr in festen Renten angelegtes Vermögen in Deutschland! 2) Fehlen des Kapitals zur Nutzung etwa angegliederter Gebiete[.] 3) Entwöhnung der Nation von der Anpassung an die Arbeit. 4) Übergang der ökonomischen Suprematie auf Amerika. – Und dann: Man darf sich nicht täuschen: im Kriege sind Frankreich und England finanziell relativ 앚:gegenüber uns:앚 im Nachteil. Nach dem Frieden wird man – je länger der Krieg dauert, desto mehr – das Gegenteil erleben, die gleiche Überraschung wie nach 1870/1.5 – Ich komme 16. XI etwa nach Berlin für einige Wochen, nicht um Andre zu beeinflussen, sondern um zu sehen und zu hören und – wenn sich etwas für mich findet – wieder zu arbeiten. Im Moment ist mein Gehirn noch für stetige Arbeit unbrauchbar. Ich habe den Eindruck, daß das Augenmaß in so bedenklicher Art fehlt bei den Politik[ern]d, die jetzt den Einfluß haben. Viele herzliche Grüße! Ihr Max Weber

c 30 – 40 > 40 – 50 d Lochung. 4 Naumann, Mitteleuropa (wie Anm. 1), S. 200: „Es muß […] die Fracht- und Eisenbahntarifpolitik mit der Zollgemeinschaft Hand in Hand gehen.“ 5 Die vielfach überzeichnete französische Staatsanleihe zur Deckung der von Deutschland geforderten Kontribution von 5 Milliarden Francs nach dem Krieg von 1870/71 gewährte dem französischen Staat einen großen finanziellen Spielraum. Bismarck hatte 1871 eine solch schnelle Abwicklung nicht erwartet.

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Heinrich Rickert 3. November [1915]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 25, Bl. 86 – 87 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Das Schreiben steht in Zusammenhang mit der Berufung Rickerts nach Heidelberg; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Rickert, vor dem 31. Oktober 1915, oben, S. 149 – 151.

Hbg. 3.XI. Lieber Rickert, –

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Ihr Brief ist genau so, wie ich ihn erwartet (und gewünscht) habe. Ich habe Gothein das Erforderliche daraus mitgeteilt und hinzugefügt, daß meines Erachtens keinerlei Zweifel bestehe, daß Sie Sich der Verpflichtung, die hiesige Tradition fortzusetzen, nicht entziehen würden, falls nicht ganz unerwartete und höchst unwahrscheinliche Hindernisse (Fehlen einer geeigneten Wohnung) eintreten sollten. Zugleich habe ich dringend gerathen, zunächst 1) sich Sie zu sichern und dann 2) das Weitere mit Ihnen zu bereden. Ob Das Letztere die Fakultät thut, steht nicht fest. Sie kennen ja die Zusammensetzung und die Tendenz, sich 앚:auch:앚 andere „Richtungen“ zu sichern, ebenso Gotheins Schwäche für Alles, was von Dilthey kommt (Spranger!). Ich habe auf Grund von Sprangers miserablem Gutachten über die „Werth“-Frage1 mich berechtigt gefühlt, von mir aus ihn als Logiker für „unbedeutend“ zu erklären. Was Sie über Misch sagten, habe ich mitgeteilt. Über Cassirera haben Sie geschwiegen. – Husserl neben Ihnen ist unwahrscheinlich (2 Systematiker!). Simmel – das wäre neben Ihnen prachtvoll. „O si tacuisset“ (d. h. hier keine Vorträge gehalten hätte!).2 – Da die Möglichkeit besteht, auf der Basis des Extraordinariats (nur ein solches ist verfügbar) ein vorläufig persönliches Ordinariat zu errichten, ist es denk-

a O: Cassierer 1 Spranger, Eduard, Die Stellung der Werturteile in der Nationalökonomie, erschienen in: Äußerungen zur Werturteildiskussion im Ausschuß des Vereins für Sozialpolitik. Als Manuskript gedruckt. – o.O. 1913, S. 59 – 81; wieder abgedruckt in: SchmJb, Jg. 38, Heft 2, 1914, S. 557 – 581, bzw. nach der zusätzlichen Einzelheftpaginierung: S. 33 – 57. 2 Zu Simmels Vorträgen in Heidelberg vgl. den Brief an Rickert vom 31. Okt. 1915, oben, S. 154 f., Anm. 3.

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bar, daß die Fakultät einen der Genannten zugleich mit Ihnen als (persönlichen) Ordinarius vorschlägt. – Wegen der Wohnung muß Sophie,3 sobald ein Vorschlag von Ihnen (wie ich ihn erhoffe, aber nicht garantieren kann) vorliegt, persönlich sofort hierher kommen, worauf sich herzlich freut Ihr Max Weber Driesch ist nicht ganz einwandfrei, „Fredi“4 als Charakter und an innerem Reichtum viel mehr. Dr[iesch] ist der „Rationalist“ im allerübelsten Sinn des Wortes.

3 Sophie Rickert. 4 Friedrich Alfred Schmid, Rickert-Schüler und Privatdozent in Heidelberg.

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Heinrich Rickert 5. [November] 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 25, Bl. 82 – 83 Der Brief trägt das Datum „5/X.“. – Die Monatsangabe ist irrtümlich, weil Wilhelm Windelband zu diesem Zeitpunkt noch lebte. Die Frage einer Lehrstuhlnachfolge wurde erst nach dessen Ableben am 22. Oktober 1915 offiziell thematisiert.

Heidelberg 5/XI.a 15. Lieber Freund, –

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würde ich von Ihren heute erhaltenen Mitteilungen Gebrauch machen, so wäre das Scheitern Ihres Vorschlags die sichere Folge.1 Jahre lang hat die Fakultät sich bis zur Siedehitze entrüstet über Windelband’s Verhalten in der Angelegenheit des zweiten Ordinariats, daß er 1) keinen – 2) wenn einen, dann nur einen ihm bequemen Kollegen haben wollte, Sie vorschlug, nachdem er wußte, daß Sie zunächst nicht geholt würden, Simmel mit einer absolut tödlichenb Randbemerkung („zersetzend“),2 dann Driesch, den er verachtete, wie Jedermann wußte, übernahm, schließlich seinen Schüler Lask. Die Fakultät will Sie und einen Andren haben, der möglichst nicht Professor von Ihren Gnaden sein soll. Sie holt sich Rat bei allen Fachgenossen und Sie kennen sowohl Schmollers (wenn er gefragt wird!) Urteil über Spranger3 wie die sonstige Stimmung breiter Philosophenkreise. H[einrich] Maier kommt, wie der Dekan4 mir sagte, in Betracht. Daß Sie Külpe Spr[ana O: X.

b O: tötlichen

1 Webers Mißmut richtete sich wahrscheinlich gegen einen Vorschlag Rickerts über die Art und Weise der Besetzung des zweiten Lehrstuhls für Philosophie. 2 Gutachten Wilhelm Windelbands vom 17. Februar 1908 zur Besetzung des zweiten Philosophie-Lehrstuhls (GLA Karlsruhe, 235/3134), in welchem er Heinrich Rickert und Georg Simmel vorgeschlagen hatte. Dabei hatte er Simmels „Einleitung in die Moralwissenschaft“ als von „wesentlich negativer und einreißender Kritik“ bestimmt charakterisiert. Weber hat Windelband wegen dieser Passage immer im Verdacht gehabt, die Berufung Simmels hintertrieben zu haben; zu dem Berufungsvorgang vgl. Editorische Vorbemerkung und Brief an Georg Jellinek vom 21. März 1908 (MWG II/5, S. 467 – 470) sowie die folgenden Briefe an Rickert vom 21. und 27. März, 1. April und 18./19. April 1908, ebd., S. 471f., 482 f., 492 – 497 sowie 527 – 531. 3 Schmoller hatte Eduard Sprangers – von Weber äußerst kritisch beurteiltes – Gutachten zur Werturteilsfrage in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift veröffentlicht; vgl. dazu den Brief an Rickert vom 3. Nov. 1915, oben, S. 159, Anm. 1. 4 Friedrich v. Duhn.

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ger] vorziehen5 –! Ich verstehe das nicht. Er ist übrigens nicht zu haben. Jedenfalls: so geht das nicht gut. Ich habe mir gefallen lassen müssen, daß, als ich herberufen wurde, ein Extraordinarius designiertc war (den nachher die Regierung nicht nahm)6 und habe über meine sehr bescheidene Einschätzung des (an sich tüchtigen) Rathgen (der seither mehr geleistet hat) keinen Hehl gemacht, ihn aber doch als Kollegen bekommen.7 c Unsichere Lesung. 5 Zu Oswald Külpe vgl. die ähnlich lautende Bemerkung Webers im Brief an Rickert vom 12. Nov. 1915, unten, S. 171. 6 Die Dekanatsakte der Philosophischen Fakultät für das Jahr 1896/97 ist nicht mehr vorhanden. Laut Antrag des Dekans der Fakultät, Wilhelm Braune, an das Badische Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts vom 14. Mai 1897 (GLA Karlsruhe 235/3140, Bl. 83) handelte es sich dabei um den außerordentlichen (Titular-)Professor Emmanuel Leser. Dem Schreiben Braunes zufolge hatte die Fakultät in ihrer Sitzung vom 12. Mai 1897, der ersten Sitzung, an der der neuberufene Max Weber teilnahm, „ einstimmig beschlossen“, das Ministerium zu bitten, „im Budget für 1898/99 die Schaffung einer etatsmäßigen außerordentlichen Professur für Volkswirtschaftslehre vorzusehen und dieselbe sodann an den außerordentlichen Prof. Dr. Leser “ zu „übertragen“. Der Antrag auf Schaffung eines Extraordinariats und dessen Besetzung mit Emmanuel Leser ist ohne Zweifel vor dem Amtsantritt Webers angeregt worden, jedoch hat dieser keine Einwände erhoben, sondern ist selber nolens volens dessen Fürsprecher geworden: So heißt es in dem Antrag Braunes vom 14. Mai 1897 (ebd.): „Der Antragsteller, Prof. Weber, glaubte von einer näheren Begründung des Antrag [!] Umgang nehmen [d. h. vermeiden] zu dürfen, da Großherzoglichem Ministerium die Sachlage bekannt sei und der Herr Ministerialdezernent ihm s. Z. für den Fall eines entsprechenden Antrags der Fakultät eine wohlwollende Stellungnahme des Großherzoglichen Ministeriums in Aussicht gestellt habe.“ Wesentlich kühler und distanzierter äußerte sich Weber ein Jahr später, nachdem die Schaffung und Besetzung eines volkswirtschaftlichen Extraordinariats immer noch nicht zustande gekommen war, in seinem Schreiben an den damaligen Dekan der Philosophischen Fakultät, Dietrich Schäfer, vom 7. Nov. 1898 (UA Heidelberg, H-IV-102/130): „Daß ich im Übrigen sachlich in erster Linie die Herberufung eines mit mir in Seminar, Vorlesungsturnus etc. zu coordinierenden 2ten Ordinarius wünsche, ist der Fakultät ebenfalls bekannt, allein m. E. ist dieselbe durch ihre eigne Resolution und Billigkeitsrücksichten zu Gunsten von Prof. Leser gebunden.“ Letztlich ist ein Extraordinariat nicht eingerichtet worden. 7 Die etwas reservierte Einschätzung von Karl Rathgen bei dessen Berufung im Jahr 1900 spricht dafür, daß Weber bei der Erstellung der Vorschläge für ein zweites volkswirtschaftliches Ordinariat kaum bzw. nur in beratender Funktion beteiligt war. In der Berufungsliste vom 8. März 1900 (GLA Karlsruhe, 235/3140, Bl. 105 – 107) waren Werner Sombart, Karl Rathgen, Wilhelm Hasbach und Karl Helfferich genannt worden. Zu Karl Rathgen heißt es darin: „Wir stellen 2. Herrn Professor Rathgen dem erstgenannten [d. h. Sombart] aus dem gedachten Grunde [wegen der eher theoretischen Ausrichtung] und ferner auch deshalb nach, weil er nicht im selben Maße eine Ergänzung

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Weder Husserl noch Simmel sind „Historiker“, was für Spranger und Kühnemann gilt. Ich hoffe ja, daß meine geltend gemachten Bedenken etwas genutzt haben. Aber Ihren Standpunkt kann ich weder einnehmen noch fürd richtig halten, so sicher es ist, daß Sie einen – hoffentlich! – an Sie gelangenden Ruf abzulehnen die vollste Freiheit haben. Spr[anger] ist denn doch kein einfacher „Psychologist“, so wenig wie sein Lehrer Dilthey. Es fehlt ihm, wie diesem, der leidenschaftliche Drang nach Klarheit und die erkenntnistheoretische Sicherheit, das merkt auch Jemand wie ich sofort. Aber er gilt als sehr tüchtiger Lehrer. Trotzdem – ich wünsche ihn nicht, das weiß Gothein ebenso wie die Andren. Aber schließlich sind auch Andre da, auf deren Urteil man hören wird. Hoffentlich geht Alles gut. Ich schweige fortan 앚:bis zur Erledigung:앚[,] denn ich sehe: Sie werden Sich ärgern. Herzliche Grüße! Ihr Max Weber.

d Fehlt in O; für sinngemäß ergänzt. des derzeitigen Fachvertreters bildet, mit welchem er sich vielmehr nach Methode und allgemeinen Anschauungen im wesentlichen deckt. Seine auf umfassenden Kenntnissen und ruhigem Urteil ruhende Lehrbegabung wird uns jedoch von dem Fachvertreter ebenso wie von andrer Seite als sehr erfreulich geschildert. Nächst dem zu 1 gedachten Herrn würde seine Berufung die beste Besetzung darstellen.“ Ebd., Bl. 106Rs. Rathgen, der dann berufen wurde, war von 1900 bis 1907 Ordinarius in Heidelberg.

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Heinrich Rickert 5. November [1915]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 25, Bl. 88 – 89 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Das Schreiben steht in Zusammenhang mit der Berufung Rickerts nach Heidelberg; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Rickert, vor dem 31. Oktober 1915, oben, S. 149 – 151.

Hbg 5/XI Lieber Freund! Noch Eins in Ergänzung meines letzten Briefes:1 wenn möglich, schlagen Sie Sich den Gedanken Kroner2 hierher zu übernehmen aus dem Kopf. Ich spreche nicht über die sachliche Berechtigung: dafüra ist Ihr Urteil mir maßgebend und ich würde sowohl menschlich wie wissenschaftlich mich herzlich freuen Jemand wie grade Kroner hier zu haben. Aber es würde böses Blut machen und Kroner schaden, der dann als reiner Satellit von Ihnen erschiene. Ich weiß, es wird Ihnen ein Opfer sein. Gestern sprach ich den Dekan (v. Duhn – leider!). Das Ergebnis scheint: daß z. Z. die Stimmung der Kommissionb ist: Sie und Simmel haben zu wollen (wenn möglich; – S[immel] als persönlichen Ordinarius vorläufig). Auch Husserl ist neben ihm in Betracht gezogen, doch machte ich geltend: daß dann 2 Systematiker da sein würden, und: daß Simmel einen Lehrauftrag für „Pädagogik“ hat in Straßburg. Im Sinn Ihres Briefes sagte ich ihm: daß Sie offensichtlich gern mit noch Jemand neben Sich arbeiten würden – nur müsse es ein bedeutender Gelehrter sein, verhehlte auch meine Bedenken gegen Spranger (den Gothein gern möchte) nicht. (Er hat Lehrerfolg in Leipzig). Hensel ist aussichtslos, Misch schätzen die Philologen, scheint es, nicht, auch Gothein (seltsamer Weise) mag sein Buch nicht.3 Scheler wird schließlich wohl auch nicht in Betracht kommen. Als Konkurrent für Sie (für die

a oder b O: Komission 1 Vermutlich bezieht sich Weber auf seinen Brief vom selben Tage, oben, S. 161 – 163. 2 Richard Kroner, Schüler Rickerts, war Privatdozent in Freiburg i. Br. 3 Gemeint ist: Misch, Georg, Geschichte der Autobiographie, Bd. 1: Das Altertum. – Leipzig und Berlin: B. G. Teubner 1907.

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Hauptstelle) kommt nur Husserl in Betracht. Die Bedenken gegen ihn (Sterilitätsperioden, kleiner Wirkungskreis, pedantische Spezialisierung der Arbeiten im Seminar, halb philologisch)4 sind aber natürlich bekannt und werden wohl den Ausschlag dafür geben, ihn in die 2 te Stelle zu rücken. – Aber Niemand kann eine Fakultät „berechnen“. Über Sie muß von Fr[eiburg] berichtet worden sein 1) Sie hielten Sich den Fakultätsgeschäften fern, – 2) Sie müßten oft das Kolleg aussetzen. Vielleicht schreiben Sie mir ein Wort darüber, behalten aber bitte diese Mitteilung absolut für Sich (wie Alles Andre). Denn wannc das dgeschrieben oder gesagt wordend ist (vielleicht vor Jahren, als Sie zum 1. Mal hier in Betracht kamen)5 und von wem, steht absolut nicht fest und kann ich auch nicht zu erfahren suchen. Wie wäre es, wenn Sie das Grundstück neben uns kauften?6 (d. h. den verkäuflichen unbebauten Teil unsres Gartens?) Billig ist es freilich nicht, aber: schön! Alles Herzliche Ihnen Beiden Ihr Max Weber

c O: zweifach unterstrichen. d „berichtet“ > geschrieben oder gesagt worden 4 In der Berufungsliste vom 18. Nov. 1915 (UA Heidelberg, H-IV-102/141) wird allerdings das Gegenteil betont; vgl. dazu die Wiedergabe dieser Passage in der Editorischen Vorbemerkung zum Brief an Rickert, vor dem 31. Okt. 1915, oben, S. 150 f. 5 Im Jahre 1908; vgl. dazu den Brief an Rickert vom 31. Okt. 1915, oben, S. 155, Anm. 5. 6 Der Kauf ist unterblieben. Rickerts haben sich in der Scheffelstraße 4 eingemietet.

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Helene Weber 5. November 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 250

Heidelberg 5.XI.15 Liebe Mutter! Ich bitte Dich: 1) auf dem Depotschein die von mir unten geschriebene Quittung1 mit Tinte zu vollziehen 2) ebenso auf dem Antrag die Unterschrift, beides an der mit Bleistift angegebenen Stelle. Alsdann bitte ich Dich, die beiden Papiere, Depotschein und Antrag[,] eingeschrieben dem Kontor der Reichshauptbank für Wertpapiere (Adresse wie auf dem Schreiben an Dich oben!) zu übersenden. Mit herzlichem Gruß! Dein Max

1 Der Sachverhalt konnte nicht ermittelt werden.

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Heinrich Rickert [nach dem 5. November 1915]; o.O. Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 25, Bl. 91 Die Datierung ist erschlossen aus dem Hinweis Webers, daß die Kommission entschlossen sei, die Berufungen von Rickert und Georg Simmel „in der von mir erwähnten Art“ vorzunehmen. Eine entsprechende Äußerung Webers findet sich in seinem Brief an Rickert vom 5. November 1915, oben, S. 164 f. Das Schreiben steht in Zusammenhang mit der Berufung Rickerts nach Heidelberg; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Rickert, vor dem 31. Oktober 1915, oben, S. 149 – 151.

Lieber Rickert!

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Nach Gotheins Mitteilung ist die Kommissiona entschlossen, den Versuch zu machen, Sie und Simmel durchzusetzen (in der von mir erwähnten Art). Ernsthaft in Betracht gezogen wird noch H[einrich] Maier[,] doch glaubt Niemand, daß er käme, da er andre Chancen hat. Nächste Woche soll G[othein] nach Karlsruhe fahren[,] um die Sache zu besprechen. Herzl. Grüße Max Weber

a O: Komission

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Heinrich Rickert [nach dem 7. November 1915]; o.O. Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 25, Bl. 92 Die Datierung ist erschlossen aus dem Hinweis auf einen Artikel Rickerts anläßlich des Todes von Wilhelm Windelband, erschienen am 6. und 7. November 1915 in der Frankfurter Zeitung.

Lieber Rickert! Vielen Dank für Ihren Brief. Seien Sie ganz unbesorgt: noch nie habe ich Jemandem, den ich gern in einer Stelle sähe, die ihm gebührt, etwas vergeben einer Fakultät gegenüber. Aber man muß auch die Lage von Fakultäten verstehen und die ist in diesem Fall nicht so einfach. Die Sache wird sich hinziehen. Erst wenn ich etwas Sicheres weiß, – in 2 – 21/2 Wochen – schreibe ich wieder, sonst giebt es nur sterilen Ärger für Siea. Fakultäten sind eben vielköpfig und schwer berechenbar[.] Ich möchte Ihnen zu Ihrem Artikel über Windelband1 gratulieren: sehr schön, gerecht und erschöpfend. Mit der (durchaus richtigen) Bemerkung über die Berliner machen Sie natürlich böses Blut,2 aber ich verstehe am besten, daß man diesen Herren gegenüber die Geduld verlieren kann. – Auch Simmel hat mir erklärt: er würde nichts thun, was wie eine Bewerbung aussähe, würde sich überlegen, ob er bei fester Zusage des Ordinariats als persönlicher Ord[inarius] neben Ihnen kommen würde, falls in der Art der Begründung dieses Modus keinerlei Zurückstellung gegen Sie liegen sollte[,] [un]db nur dann. Er billigt, daß man die Tradition hier erhält, in erster Linie einen Logiker beruft und also: Sie. Husserl mißbilligt er als miserablen Dozenten und – zur Zeit – steril,

a O: sie

b Lochung.

1 Rickert, Heinrich, Wilhelm Windelband. (geb. 11. Mai 1848, gest. 22. Oktober 1915.), in: FZ, Nr. 308 vom 6. Nov. 1915, 1. Mo.Bl., S. 1f., sowie dass. (Schluß.), ebd., Nr. 309 vom 7. Nov. 1915, 1. Mo.Bl., S. 1 – 3. 2 Rickert schrieb in seinem Schlußartikel vom 7. November 1915 (wie Anm. 1), daß es zwar für die „kleineren und mittleren Universitäten Süddeutschlands“ ein „beneidenswertes Glück“ gewesen sei, diesen „überragende[n] Historiker und Lehrer“ gehabt zu haben, „aber daß man ihm in Berlin weder den Lehrstuhl Zellers noch den Diltheys angeboten hat, legt zugleich die Frage nahe, ob die Berufungen nach der Reichshauptstadt stets aus rein sachlichen Gründen erfolgen.“ Ebd., S. 3

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Spranger ebenfalls als geringwertig, Scheler als unverläßlich. Misch beurteilt er wie Sie. Herzliche Grüße! Ihr Max Weber

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Paul Siebeck 8. November 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Der Brief steht in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Webers Artikelserie „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69.

Verehrter Freund! Für die Mitteilung Ihres Herrn Vertreters danke ich vielmals.1 Aber ich bitte um die Korrekturen des Restes des für dies Heft bestimmten Teils des Artikels,2 das Mscr. ist ja[,] wie s. Z. geschrieben wurde[,] in der Druckerei[.]3 Dann muß ich etwas pausieren. Die Fortsetzung4 muß infolge neuer Publikationen von Quellen5 umgeschrieben und auch gekürzt werden. Sonst wird die Serie der Artikel zu lang! Herzlichen Gruß Max Weber Heidelberg 8/11 15

1 Richard Wille hatte in seinem Brief vom 3. Nov. 1915 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) Weber mitgeteilt, daß dessen Wunsch – vgl. den Brief Webers an Paul Siebeck vom 30. Okt. 1915, oben, S. 147 f. –, „vorläufig ein einfaches Heft des Archivs auszugeben und das dritte Heft lieber verspätet folgen zu lassen, ohne weiteres Erfüllung“ finden werde. 2 Gemeint sind die Korrekturen zu: Weber, Max, Konfuzianismus III, IV und Zwischenbetrachtung. Der Artikel erschien in dem am 23. Dezember 1915 ausgegebenen Heft 2 des AfSSp-Bandes 41. 3 Mitteilung von Richard Wille an Max Weber vom 23. Okt. 1915 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446). 4 Gemeint ist der Artikel über „Hinduismus und Buddhismus“. 5 Weber wollte vor allem die letzte Ausgabe der indischen „Census-Reporte“ von 1911 in der Preußischen Staatsbibliothek durcharbeiten.

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Heinrich Rickert [12. November 1915]; o.O. Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 25, Bl. 90 Die Datierung folgt aus einem Vermerk von dritter Hand am Briefkopf: „12.11.15“. Das Schreiben steht in Zusammenhang mit der Berufung Rickerts nach Heidelberg; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Rickert, vor dem 31. Oktober 1915, oben, S. 149 – 151.

Lieber Rickert!

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Ich habe meinerseits gethan was ich konnte, um Spr[anger] zu eliminieren, den auch ich nicht für „bedeutend“ halten kann. Ob es gelingen wird, weiß ich noch nicht. Denn die Fakultät muß auch Eventualvorschläge und zwar solche machen, welche nicht 2 Juden1 herbringen, wenn Sie etwa ablehnen. Denn das geschähe nie und Simmel fiele dann fort. Und, wohl wissend, daß Külpe2 eine feine Persönlichkeit ist – daß Sie ein Colleg über Geschichte der Phil[osophie] nicht schließlich ina Spr[anger]’s Händen lieber sehen, wundert mich sehr. Als Lehrer wird er sehr gelobt. Auch Bauch (der Chancen hat, genannt zu werden)b.3 Aber der ist schließlich doch etwas reichlich subaltern. – Montag4 verhandelt Gothein mit dem Dezernenten,5 dann wird man wohl etwas hören. Herzl. Gruß! Max Weber

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b Klammer fehlt in O.

Edmund Husserl und Georg Simmel. Oswald Külpe. Gemeint ist Bruno Bauch; in der Berufungsliste wird er nicht erwähnt. D. h. am 15. November 1915. Victor Schwoerer.

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12. November 1915

Paul Siebeck PSt 12. November 1915; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Die Karte steht in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Webers Artikelserie „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69.

Herrn Dr Paul Siebeck JCB Mohr Tübingen Verehrtester Herr Doktor! Auf die sehr gefl. Anfrage Ihres Herren Vertreters1 möchte ich – wegen der Korrekturen – zunächst anfragen: welche pekuniären Bedingungen Prof. Sombart für seine Beiträge gestellt waren.2 M. W. bezieht er mehr als das doppelte Honorar als ich. Ich beanstande dies nicht, es ist mir einerlei. Aber dann, meine ich, müßte ein gewisser Ausgleich in der Art der Behandlung der Korrekturkosten geboten werden.3 – Auch dürften einfache Einschiebungen natürlich nicht als Korrekturen behandelt werden. Mit freundschaftlichen Empfehlungen Ihr Max Weber

1 Richard Wille hatte in seinem Schreiben an Weber vom 11. Nov. 1915 (VA Mohr/ Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) angefragt, wie mit der Verrechnung der Korrekturkosten für die Aufsätze zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ zu verfahren sei. Denn Weber hatte früher – anläßlich der Publikation seiner Schriften zur russischen Revolution 1905 – darauf bestanden, für die anfallenden Korrekturkosten selbst aufzukommen, um – wie Wille schrieb – „sich in der Vornahme von Änderungen nicht beengt zu fühlen.“ 2 In seiner Antwort vom 25. Nov. 1915 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) teilte Paul Siebeck mit, daß Werner Sombart für die ersten drei Bogen in jedem Band des AfSSp „ein Honorar von Mk. 200.– pro Bogen, für alle weiteren Bogen Mk. 64.–“ erhalte, während das Honorar Webers für alle Bogen Mk. 80.– betrage. 3 In seiner Antwort vom 25. Nov. 1915 (wie Anm. 2) drückte Siebeck – darin mit Edgar Jaffé einig – seine Zufriedenheit und sein Einverständnis aus, „daß als Ausgleich für die verschiedene Honorierung“ der Archivbeiträge von Sombart und Weber „sämtliche Korrekturkosten Ihrer Artikel auf das Konto des ‚Archivs‘ genommen werden.“

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Lili Schäfer [vor dem 15. November 1915; Heidelberg] Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 24 Datum und Ort sind aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Liebe Lili, –

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ich denke so etwa am 15. XI. nach H[annover]1 zu kommen. Vielleicht schreibst Du mir eine gemütliche Kneipe, am Bahnhof oder in Deiner Nähe, wo ich eine Nacht unterkriechen kann. Vielleicht kann ich Dir ein paara geschäftliche Dinge erledigen helfen, – bitte speichere nur solche für mich geeigneten Aufgaben auf! Ob sich dann nebenher doch ein ruhiges Stündchen findet, wo man plaudern kann, zeigtb sich ja dann schon. Sonst ist ja nachher hier Zeit. Ich gehe dann nach Berlin bis gegen Mitte Dezember und – könnte, wenn es so lange Zeit hat, [–] ja dann Deine beiden Ältesten2 von dort aus mit hierher bringen. – Wo Du hier wohnen willst[,] ist eine praktische Frage. Von uns zu Dir ist 3 Km. Von uns zu Alfred 21/2.3 Von Alfred zu Dir 21/2. Also ein komplettes Dreieck. Da ich nicht da bin, also Zimmer zum Schlafen und Betten in Fülle hier sind und Du Marianne und unsre 2 Mädchen gleich bei der Hand hast, hat es viel für sich, wenn Du einfach hier einziehst, um 2 Seiten des „Dreiecks“ zu sparen. Die Mädchen sind sehr kinderlieb. Es ist natürlich, daß es Alfred Spaß macht, wenn Du seine Wohnung benutzt,4 aber Du kannst ja später auch noch oft sein Gast sein und wirst es. Doch Das richte ein, wie es Dir scheint. Deine Schul-Fragen hat Marianne wohl beantwortet? – Verkauf doch von den nicht voluminösen Sachen und Kunstwerken nicht zu viel.5 Später giebts doch wieder bessere Preise als jetzt. Und nicht wahr – Karls eigentliche Kunstmappen behältst Du doch zu-

a O: par

b findet > zeigt

1 Damaliger Wohnort von Lili Schäfer. 2 Albert und Clara Schäfer. 3 Lili Schäfer hatte eine Wohnung in der Franz-Knauff-Straße in der Heidelberger Weststadt gefunden, Alfred Weber wohnte in Handschuhsheim. 4 Alfred Weber hatte Lili Schäfer seine unbenutzte Wohnung in Heidelberg während ihres Umzugs zur Verfügung gestellt. Alfred Weber war während des Krieges zunächst im südlichen Elsaß eingesetzt. 5 Lili Schäfer verwaltete den Nachlaß des verstorbenen Bruders Karl.

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sammen? Wer weiß, wer Alles mal daran Freude hat und es steckt doch seine Persönlichkeit darin. Der Tod des netten, so „säuberlichen“ Rudi6 geht mir nah, ich mochte ihn gern. Seine Lebensgestaltung wäre ja vielleicht ein Problem gewesen. Alles Herzliche Dein Max

6 Rudi Puppe, der Sohn der verstorbenen Haushälterin von Karl Weber in Danzig. Nach dem Tod von Frau Puppe 1908 hatte sich Karl Weber väterlich ihrer Kinder Rudi und Emma angenommen.

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Paul Siebeck 15. November PSt 1915; Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Die Karte steht in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Webers Artikelserie „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69.

Heidelberg 15/11 Verehrtester Herr Doktor!

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Darf ich bitten, weitere Korrekturen1 an mich unter der Adresse zu senden: Charlottenburg March-Straße 7F Ich bleibe dort etwa 4 Wochen. Mit freundschaftlichem Gruß! Prof. Max Weber

1 Korrekturen zu: Weber, Max, Konfuzianismus III, IV und Zwischenbetrachtung.

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Frieda Gross 16. November PSt 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Die Jahresangabe ist aus dem beiliegenden Umschlag erschlossen.

Heidelberg 16.11. Liebe Frau Frieda, – ich bin nicht gekommen.1 Unter Andrem deshalb nicht, weil ich nicht völlig sicher war, ob es bei Ihnen grade paßte. Ich hielt es für möglich, daß das nicht der Fall sein könnte – der sehr berechtigten Gründe dafür giebt es ja mancherlei – und daß Sie doch meinten, mir nicht schreiben zu sollen: „ein andres Mal paßt es besser“. Sonst wäre ich unter Umständen gern 14 Tage bei Ihnen in der Sonne gewesen. So mag es jetzt bis zum Frühjahr anstehen, – immer: wenn es dann grade paßt, und ich vertraue, daß mir das Gegenteil nicht verhehlt würde, denn ich kann mich mit der Zeit einrichten. Hoffentlich ist dann ein Ende des Krieges abzusehen, was jetzt nicht der Fall ist. Denn erst müssen die Andern lernen, daß sie uns nicht „müde“ machen werden[.] Von Pellech und etwaigen weiteren Hergängen in Ihrem Prozeß2 habe ich nichts mehr gehört. Bitte: wenn es aus irgend einem Grund nützlich wäre, daß ich hinkäme, so erhalte ich doch sofort (ev. telegrafisch) Nachricht? Ich kann (vorläufig, sobald ich, in wenigen Wochen, von Berlin (Charlottenburg, March-Straße 7 F) wohin ich morgen früh fahre, zurück bin,)a jederzeit kommen und Sie wissen ja, wie kurios ich bin: mir macht das Freude, ohne daß etwas für Sie Verpflichtendes darin läge. In diesem Punkt darf ich doch auf Ihre Aufrichtigkeit zählen? Ich kann auch, wenn nötig, nach Wien oder Graz3 fahren, das Alles geht sehr gut.

a Klammer fehlt in O. 1 Max Weber hatte seinen Besuch in Ascona nach Beendigung seiner Militärzeit im Oktober 1915 in Aussicht gestellt. Vgl. den Brief an Frieda Gross, nach dem 4. Sept. 1915, oben, S. 118. 2 Gemeint ist der Prozeß, die Unehelichkeit von Frieda Gross’ Tochter Eva betreffend. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 14. März 1915, oben, S. 24. 3 In Wien lebte der Rechtsanwalt Otto Pellech, Graz war der Gerichtsort.

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– Lask’s Familie hält den Tod (so sicher er auch ihr ist) noch nicht für authentisch festgestellt und rührt daher den Nachlaß noch nicht an;4 sollten Sie nichts gehört haben, so hängt das damit zusammen. – Über alles Maß schmerzvoll ist mir – obwohl er ein Kind der Sorge war – der Tod des kleinen Peter J[affé].5 Es wird auch Ihnen so gegangen sein. Nur bin ich außer stande, mich darüber zu äußern. – – Und was macht denn Ihr Peter? Den wiederzusehen freue ich mich schon heut[,] er ist jetzt in dem Alter,6 wo Kinder sich am meisten ändern. Wenn Sie einmal Ruhe haben, schreiben Sie eine Zeile. Ich gebe durchaus zu, es kaum verdient zu haben. Aber die Zeit ist schwierig. Schließlich: ich habe von allen Söhnen meiner Mutter die stärksten angeborenen kriegerischen Instinkte – und saß nun erst im Büro, dann am Schreibtisch, und eben ziehen die Jäger singend unter meinem Fenster vorbei – der Teufel hole das. Seltsam, daß man, auf vorzeitiges Altern vorbereitet, doch die handgreiflichen Beweise davon so stark empfindet. Und darum hasse ich diesen Krieg, der 20 Jahre früher7 hätte kommen und mich zu Pferd finden sollen. – Genug. – Aber ich versuchte zu erklären, warum das Schreiben schwierig war. Grüßen Sie Alles[,] was Ihnen lieb ist, in Freundschaft Ihr Max Weber

4 Emil Lask war am 26. Mai 1915 gefallen und hatte Frieda Gross in seinem Testament bedacht. 5 Am 15. Oktober 1915 war Peter Jaffé, ein Sohn von Else Jaffé und das Patenkind von Max Weber, an Diphtherie gestorben. 6 Peter Gross war acht Jahre alt. 7 Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 14. März 1915, oben, S. 24 mit Anm. 1.

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Heinrich Rickert [vor dem 19. November 1915]; o.O. Brief; eigenhändig UB Heidelberg, Heid. Hs. 2740, Erg. 93, 1.2 (Nl. Heinrich Rickert) Am Briefkopf findet sich ein handschriftlicher Zusatz Marianne Webers: „Lieber Heinrich! Diese Epistel ist einige Tage liegen geblieben – das macht wohl nichts! Max ist jetzt in Berlin.“ Folglich muß der in Heidelberg geschriebene Brief vor dem 19. November 1915, dem Abreisetag Webers nach Berlin, verfaßt worden sein. Das Schreiben steht in Zusammenhang mit der Berufung Rickerts nach Heidelberg; vgl. dazu die E‰qtorische Vorbemerkung zum Brief an Rickert, vor dem 31. Oktober 1915, oben, S. 149 – 151.

Lieber Rickert, – ich unterstelle Ihre Billigung dafür, daß ich auf Joël aufmerksam gemacht habe.1 Es wäre doch ungerecht, ihn gar nicht zu nennen, wenn Spranger oder auch selbst Bauch genannt werden sollten. Ist die „ecclesia ex gentibus“ durch Sie vertreten, dann ist ja für die „ecclesia ex circumcisione“ Platz für uns.2 Freilich, wenn Sie nicht kämen, dann müßte man die kühnsten Jonglierkunststücke machen: Neben Husserl: Kühnemann, Spranger, Bauch (Simmel, Cassirera ausgeschlossen!) Neben Simmel: Spranger, Bauch (Kühnemann würde dann nicht genommen werden – es herrscht ohnedies nicht die geringste Sympathie für

a O: Cassierer 1 Karl Joël als möglicher Berufungskandidat hat im Berufungsgutachten keine Berücksichtigung gefunden. 2 D. h.: Wenn Rickert als Vertreter der „Gemeinde der Heidenchristen“ berufen werde, dann wäre es möglich, als zweiten Vertreter einen aus der „Gemeinde der Beschneidung“, also einen jüdischstämmigen Philosophen wie Karl Joël, zu berufen. Die von Weber benutzten Termini sind in dieser Verbindung nicht neutestamentlichen Ursprungs bzw. kommen in der Vulgataübersetzung so nicht vor. Sie sind lediglich ikonograpisch belegt, nämlich in der Mosaikdarstellung an der hinteren Eingangswand der Basilika S. Sabina in Rom (422 – 432), welche die beiden dargestellten Frauenfiguren explizit als „eclesia [!] ex gentibus“ sowie „eclesia [!] ex circumcisione“ ausweist. Auch die beiden Frauengestalten im Apsismosaik der Basilika S. Pudenziana in Rom (384 – 399), die sich dem Juden- und dem Heidenapostel, Petrus und Paulus, zuwenden und über deren Häupter Märtyrerkronen halten, werden als ebendieselben kirchlichen Allegorien angesehen; vgl. dazu Brenk, Beat, Spätantike und frühes Christentum (Propyläen Kunstgeschichte, Supplementbände). – Frankfurt am Main, Berlin, Wien: Propyläen 1985, S. 128 f., sowie Deichmann, Friedrich Wilhelm, Frühchristliche Kirchen in Rom. – Basel: Amerbach 1948, S. 54 und 59 f., mit dem Hinweis, daß nach einem alten Stich die heute zerstörten Bilder neben bzw. über der „Juden-“ und „Heidenkirche“ Petrus und Paulus dargestellt haben. Ebd., S. 59.

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seinen Vorschlag, der wohl unterbleiben wird)b 3 (Gothein ist strikt gegen ihn) u.s.w. Ich habe also Gothein das Entsprechende geschrieben.4 Scheler ist wohl aufgegeben. Ich muß sagen – so recht Sie nach Allem, was ich weiß, mit Ihrem Urteil haben – es ist doch eine starke Ungerechtigkeit, diese Begabung von allen Hochschulen wegen vergangener Peccata zu excludieren,5 auch nach dem Krieg. Er ist taktlos und die Art, wie seine Schriften mich zitieren,6 paßt mir äußerst wenig in den Kram und ärgert mich grade wo er sich „einverstanden“ erklärt. Die neuesten Sachen sind nicht sehr solid und unangenehm „blendend“.7 Und dennoch! Es ist wie bei Sombart: rechtzeitig in eine angemessene Aufgabe, dann sind solche etwas labilen, aber letztlich nicht unlauteren Menschen anders als im Salon des refusés.8 Seien wir da gerecht. Ich bilde

b Klammer fehlt in O. 3 Tatsächlich ist die Nennung Eugen Kühnemanns auf der Berufungsliste unterblieben. 4 Briefe Webers an Eberhard Gothein sind im (Rest-)Nachlaß Gothein in der UB Heidelberg nicht nachgewiesen. 5 Max Scheler hatte 1906 seine Privatdozentur in Jena wegen privater Probleme aufgegeben und sich anschließend nach München umhabilitiert. 1910 waren gegen seinen Lebenswandel – sowohl im Privatleben (außereheliche Liaison) als auch als Hochschullehrer (Geldleihe von einem Studenten) – Vorwürfe in der Münchner Presse erhoben worden. Die daraufhin von Scheler angestrengte Klage gegen Zeitung und Redakteur endete jedoch mit dem Freispruch des Redakteurs und führte letztlich dazu, daß Scheler 1910 die venia legendi entzogen wurde; vgl. dazu Mader, Wilhelm, Max Scheler in Selbstzeugnissen und Dokumenten (Rowohlts Monographien, Bd. 290). – Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1980, S. 37 – 39. 6 Gemeint sind die Aufsätze Max Schelers: Der Bourgeois, in: Die Weißen Blätter, Bd. 1, Heft 6, 1914, S. 581 – 602; Die Zukunft des Kapitalismus, ebd., Bd. 1, Heft 9, 1914, S. 933 – 948; Der Bourgeois und die religiösen Mächte, ebd., Bd. 1, Heft 11 – 12, 1914, S. 1171 – 1191. Diese Artikel sind wieder abgedruckt in: ders., Abhandlungen und Aufsätze, 2 Bde. – Leipzig: Verlag der Weißen Bücher 1915. 7 Vermutlich bezieht sich Weber hier auf Schelers Kriegsäußerungen: Zur Psychologie des englischen Ethos und des Cant, in: Der Neue Merkur, Jg. 1, Bd. 2, 1915, S. 252 – 277; Der Genius des Krieges, in: Die Neue Rundschau, Bd. 25, Heft 10, 1914, S. 1327 – 1352, sowie insbesondere auf dessen Buch: Der Genius des Krieges und der Deutsche Krieg. – Leipzig: Verlag der Weißen Bücher 1915. 8 Anspielung auf eine Sezession von Künstlern in Paris – darunter Edouard Manet, Paul Cézanne und Camille Pissarro –, deren Bilder von der Académie Royale de peinture et de sculpture nicht für den „Salon“ von 1863 akzeptiert worden waren; diese Künstler stellten daraufhin im Palais de l’Industrie, dem „Salon des Refusés“, aus. Weber übernimmt diese Bezeichnung für eine Gruppe von Privatdozenten, Titularprofessoren sowie Extraordinarien, die es bislang nicht zum Ordinarius gebracht hatten.

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mir etwas darauf ein, daß frühes (und schwerlich damals ganz verdientesc) „Glück“9 mich innerlich nicht geblendet hat – denn meine echte importierte Berliner unverschämte Schnauze hatte ich auch so! – ich hoffe, entgegengesetzten Falls nicht die Stillosigkeiten Sombarts begangen zu haben – aber wer kennt sich so ganz sicher? Das unkeusche Herumreichen von „Persönlichstem“ und „Erlebtem“ als Mayonnaise für das Publikumd ist eine Zeitsünde, die hoffentlich durch die Wirkung des Krieges eliminiert wird. Aber sie hatte auch sehr tüchtige Menschen ergriffen. Und da sie auf dem Gebiet der Wissenschaft ein – der e! – Kunstfehler, Stilfehler, Geschmacksfehler ist, so rächt sie sich an Jedem, der ihn begeht. Das habe ich immer an Windelband und Ihnen geschätzt, daß Sie diese abscheuliche Stilmischung (heut Stilkunst) ablehnten und bei der „Schlichtheit“ blieben, die unsrer Kunst gemäß ist. – Simmel hilft sich da durch das Mittel unverbindlicher Relativierung, um ohne Unkeuschheit auszukommen. Aber er hat viel verschuldet! Kennte ich seine Lauterkeit nicht – – nie dürfte er hierher, so viel an mir läge. Herzliche Grüße Ihr Max Weber

c O: verdiente d e O: zweifach unterstrichen. 9 Weber hatte schon als Dreißigjähriger eine ordentliche Professur erhalten.

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Friedrich Naumann [19. November 1915]; Charlottenburg Brief; eigenhändig BA Berlin, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 106, Bl. 9 Die Datierung ist erschlossen aus dem Brief an Marianne Weber von „Freitag Mittag“, d. h. dem 19. November 1915, unten, S. 182, mit der Meldung seiner Ankunft in Charlottenburg. Das Schreiben an Naumann dürfte noch am selben Tag verfaßt worden sein. Terminus ante quem ist der 20. November 1915, da laut Brief an Marianne Weber vom selben Tage (= „Samstag abend“), unten, S. 184, eine Antwort von Naumann auf Webers Mitteilung zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingetroffen war. Auf dem Brief finden sich Bleistiftmarginalien von dritter Hand: „Mittwoch 51/2 “

Charlottenburg March-Str. 7F (Telefon: Steinplatz 3064a) Verehrter Freund, –

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lassen Sie bitte an obige Nummer telefonieren, wann und wo ich Sie, für Sie am bequemsten, sprechen kann. Ich bin für einige Zeit hier. Freundschaftliche Empfehlung Ihres Max Weber

a Besonders deutliche Bleistiftkorrektur der zweiten und vierten Ziffer der Telefonnummer von dritter Hand: 3460 > 3064

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Marianne Weber [19. November 1915; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort aus dem Briefinhalt in Verbindung mit den Briefen an Lili Schäfer, vor dem 15. November, und an Frieda Gross vom 16. November 1915, oben, S. 173 f. und 176 f., und der Tagesangabe „Freitag“ erschlossen. Danach fuhr Max Weber am 17. November von Heidelberg nach Hannover, um dort kurz seine Schwester Lili zu besuchen, und von dort aus nach Berlin, wo er bis zum 18. Dezember blieb.

Freitag Mittag Lieb Mädele, – nur schnell schnell einen Gruß um zu melden, daß ich da bin. Erst seit eben. Denn gestern Nachmittag kam ich nicht fort,1 sondern erst heut früh. Post habe ich noch nicht vorgefunden (ich dachte: Korrekturen).2 Der kleinen Lili habe ich auf ihre Bitte die 1000 Mk gleich zugewiesen (800 von der Bank, 200 aus dem Reisegeld). Sie braucht sie. Sie will schon am 29./30. etwa kommen, um Alfred noch zu sehen, der dann zurückfährt[.]3 Die Mutter ist, so viel ich sehe, in guter Verfassung, jedenfalls sehr lebhaft und „im Betrieb“. Wir haben noch nicht viel gesprochen, nur über Carl – sie ist da ganz ruhig und versöhnt mit dem Geschehenen. Der kleine Conrad M[ommsen] ist an einer recht ekligen Stelle (bei Loosa) und sehr exponiert. So ein junger Bursche und schon Kompagnieführer!4 Was soll mit dieser Jugend werden, wenn sie zurückkommt? Ich denke, was Gutes.

a Unsichere Lesung. 1 Gemeint ist: von seiner Schwester Lili Schäfer in Hannover. 2 Korrekturen zu Weber, Max, Konfuzianismus III, IV und Zwischenbetrachtung, d. h. zum zweiten Artikel der „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“, der in Band 41, Heft 2 des AfSSp am 23. Dezember 1915 erscheinen sollte. 3 Alfred Weber hatte vom 15. November an 14 Tage Fronturlaub, wie er Helene Weber in seinem Brief vom 14. Nov. 1915 (BA Koblenz, Nl. Alfred Weber, Bd. 47, Bl. 109) mitteilte. Er wollte die Tage in Heidelberg, Berlin und Icking verbringen. 4 In Loos, in der Nähe von Arras, wurde ab Ende September gekämpft. Konrad Mommsen, der Sohn von Webers Schwester Clara, war zu diesem Zeitpunkt erst 19 Jahre alt.

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Ich schicke den Gruß schnell ab, die Mutter ruft zu Tisch, herzlich küßt Dich in Eile Dein Max

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Eben fand ich doch Post vor. Schönen Dank. Das Andre ist 앚:direkt beim Postamt:앚 umbestellt. Also: Lili bezieht im Ganzen: 3900 b Mk (nicht mehr!)[,] so daß sie 7900 Mk hat, wenn Mama ihr 4000 Mk giebt.

b O: zweifach unterstrichen.

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Marianne Weber [20. November 1915; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem Briefinhalt in Verbindung mit dem Brief an Marianne Weber vom 19. November 1915, oben, S. 182 f., und der Tagesangabe „Samstag“ erschlossen.

Samstag Abend Liebstes Mädele, – einen schönen Gruß! Die Mutter ist in gutem Stande, seelisch und körperlich. Clara ist recht angegriffen (wegen Conrad natürlich, der bei Arras steht). Heut: Bibliothek. Ich habe Lili also 1000 Mk. geschickt.1 Wir werden wohl noch mehrfach bald in die Tasche greifen müssen (sie hat für Carl Manches bezahlt, soll ev. noch 800 Mk zu viel gezahltes Gehalt zurückzahlen u.s.w.)a[.]2 – Über mancherlei Anderes, mehr Innerliches, schreibe ich bald in Ruhe. – Naumann hat auf meine Anmeldung noch nicht reagiert, ist vielleicht nicht hier. Gertrud B[äumer]3 und Georg Müller4 (ist mit Familie hier!) werde ich bald besuchen. Verzeih, der Rücken leistet heut das Schreiben nicht. – Berlin ist grundhäßlich! Alles Neue, Dom, Reichstag u.s.w. Die Mutter grüßt schön und ich küsse Dich Dein Max

a Klammer fehlt in O. 1 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 19. Nov. 1915, oben, S. 182. 2 Vgl. den Brief an Lili Schäfer vom 23. Nov. 1915, unten, S. 187. 3 Gertrud Bäumer arbeitete seit 1906 eng mit Friedrich Naumann zusammen. Seit 1912 war sie für den Kulturteil der von Naumann 1894 gegründeten Zeitschrift „Die Hilfe“ verantwortlich. 4 Georg Müller, Sohn von Webers Cousine Alwine (Wina) Müller, war im Verband der Leinenindustrie tätig. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 9. Mai 1915, oben, S. 51.

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Marianne Weber [22. November 1915; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus der Tagesangabe „Montag“ und „gestern Totensonntag“ erschlossen. Der Totensonntag 1915 fiel auf den 21. November.

Montag Lieber Schnauzel, –

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eben kam Dein lieber Brief und freute uns sehr. Nein, bisher ist von „Strudel“ keine Rede. Ich arbeite auf der Bibliothek Indische CensusReporte u. dgl.1 Mittwoch werde ich Naumann sehen, dann Georg Müller, der grade von Belgien kam, besuchen, und dann abwarten, wer noch zu sprechen ist. An große „Gelegenheiten“ glaube ich nicht.2 Es ist jetzt Alles in so festen Händen. Gestern waren wir auf dem Friedhof am Totensonntag und Nachmittags bei Clara, daher kam ich nicht zum Schreiben. Die Mutter ist, wie ich immer mehr sehe, wirklich in sehr guter Verfassung. Clara dagegen recht sehr angegriffen und erregbar. Ernst3 recht wohl. Valborg4 „schneidet“ mich – was ich gern verschmerze; ich habe auch keinen Zweifel gelassen, daß wenn sie nicht auf Herabsetzung des Zuschusses eingehen,5 ich mit ihnen nichts zu schaffen haben will. – Auch heut nur diesen Gruß – ich bin durch die Luft hier etwas träge oder leistungsunfähig. Morgen wird es besser gehen. Heut nur Eines: in meinem Uniform-Mantel steckt ein Schriftstück im Kouvert (über die Ostseeprovinzen). Bitte schick es doch gleich

1 Nach dem Erscheinen des ersten und der Drucklegung des zweiten Aufsatzteils über „Konfuzianismus“ begann Weber seine Studien über „Hinduismus und Buddhismus“ zu überarbeiten. Dafür studierte er in der Preußischen Staatsbibliothek den „Census of India“, insbesondere von 1901 bis 1911; vgl. die Literaturanmerkungen zu Max Weber, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Hinduismus und Buddhismus, MWG I/20, S. 49 f. 2 Gemeint ist: für die Beteiligung an politischen Aufgaben. 3 Ernst Mommsen. 4 Valborg Weber, geb. Jahn, Ehefrau von Arthur Weber. 5 Lili Schäfer sollte zu ihrer Witwenrente von jährlich 3900 Mark einen Zuschuß von der Familie bekommen. Max Weber meinte, Arthur Weber sollte dafür auf 1000 Mark des ihm von Helene Weber gewährten Zuschusses von 3000 Mark verzichten. Vgl. auch die Briefe an Marianne Weber vom 6. Sept., 9. Sept. und 19. Nov. 1915, oben, S. 126 f., 136 f. und 182 f. mit Anm. 3, und vom 23. Nov. 1915, unten, S. 191, und an Lili Schäfer vom 7. Dez. 1915, unten, S. 205.

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durch Radler an Herrn v. Schubert,6 ich vergaß das leider. Auf Deinen Brief also morgen Antwort. Mir geht es sonst gut. Tausend herzliche Grüße! Dein Max

6 Das Schriftstück ist im Nachlaß des Kirchenhistorikers Hans von Schubert in der UB Heidelberg nicht nachgewiesen.

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Lili Schäfer [23. November 1915]; Charlottenburg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 31 – 32 Das Datum ist aus dem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Brief an Marianne Weber vom 23. November 1915, unten, S. 190 f., und in Verbindung mit der Tagesangabe „Dienstag“ erschlossen.

Ch’burg, Dienstag Liebe Lili, –

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Deine Söhne1 sind richtig einpassiert. Der Austausch war in der That vielleicht besser, da mit Mama’s „Rosa“ leider blutwenig los und Marie fort ist.2 Da geht es mit Albert wohl bequemer. – Du sprachst mir von jener Eingabe wegen der 800 Mk. Gehalts(oder Sterbequartals-)Rate.3 Wenn 앚:etwa:앚 ein 앚:abschlägiger:앚 Bescheid kommt, bitte schicke ihn mir doch, – falls ich noch hier sein sollte, hierher; ich denke die Sache läßt sich dann doch irgendwie erledigen und icha kann dazu das Geeignete thun. – Mit der Mutter sprach ich mancherlei über Martha Riegel b. Es läge ja nahe, daß sie auch an eine Übersiedlung nach Heidelberg dächte, und das wäre menschlich das Schönste.4 Aber: es sind zweierlei Bedenken, glaube ich, zu erwägen. Erstens äußerlich: daß es gelingen sollte, ihre Übernahme in den badischen Schuldienst durchzusetzen,5 muß ich leider als beinahe ausgeschlossen ansehen. Schon weil Überangebot überall da ist und steigen wird. Und dann innerlich: München ist eine viel „demokratischere“ Stadt als Heidelberg, das ist mir so sympa-

a Fehlt in O; ich sinngemäß ergänzt.

b O: Riedel

1 Lili Schäfer hatte ihre Söhne Albert und Hermann Schäfer wegen des bevorstehenden Umzugs nach Heidelberg zu Helene Weber und zu Freunden von Karl Weber nach Berlin geschickt. 2 Ursprünglich sollte der vierjährige Hermann bei der Großmutter untergebracht werden, statt seiner kam dann der zehnjährige Albert. Hermann wurde bei Freunden von Karl Weber in Lichterfelde aufgenommen. Rosa und Marie waren Dienstmädchen bei Helene Weber in Charlottenburg. 3 Lili Schäfer befürchtete, daß die letzte Gehaltsrate ihres verstorbenen Bruders Karl Weber zurückverlangt werden könnte. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 23. Nov. 1915, unten, S. 191. 4 Martha Riegel galt als Verlobte von Karl Weber. 5 Martha Riegel war Lehrerin in Bayern.

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thisch daran. Beziehungen in H[eidel]b[er]g über uns persönlich hinaus wird sie ziemlich schwer gewinnen, – solche meine ich, die ihr etwas werth sind. Ob ihr unser Kreis von Bekannten z. B. paßt, steht nicht fest. Du wirst es vielleicht beurteilen, wenn Du die Leute kennen lernst.1) Ganz einfach ist das Problem jedenfalls nicht und es sollte vielleicht sorgsam erwogen werden, nachdem sie einmal da gewesen sein wird. Hat sie nach reiflicher Erwägung später den festen Willen, so würden wir Alles thun es zu ermöglichen. Ob es gelingt, müßte man dann sehen. Ich dachte, es wäre vielleicht gut, von diesem Problem schon jetzt zu sprechen. Schön wäre es, wenn sie Weihnachten in H[eidel]b[er]g sein könnte, auch aus diesem Grund. – Und schließlich eine Sache, die ich auch jetzt schreibe, um später nie von ihr sprechen zu müssen: Es war seinerzeit meine Hoffnung, und dann meine größte Freude, Alfred nach Heidelberg kommen zu sehen.6 Aber es kam anders als ich dachte. Ich vermuthete nicht, daß Alfred, vom ersten Tage an, so stark, wie es geschah und so ausschließlich, diese Beziehung als ein „Konkurrenz“-Verhältnis empfinden würde. Ich hatte das nach der Vergangenheit nicht erwartet und vor Allem war meine, vom Schicksal bedingte, Lage doch nicht so, daß eine solche Empfindung mir zu befürchten schien. Allein es kam doch so. Ich durfte mir nicht verhehlen, daß die bloße Thatsache meines Daseins in Heidelberg ihm eine Belastung und ich ihm „im Wege“ war, – und dies griff in schlimmer Art auch auf rein menschliche Gebiete über. Und wie es uns Menschen dann leicht geht: ceine solchec innere Lage nimmt der Einzelne nicht leicht schlicht und einfach hin, – sondern entweder sucht er sich ein „Recht“, so zu empfinden (und findet es) oder, was auch, und noch mehr, die Lage verschiebt, er erbaut sich aus ihr ein tragisches „Schicksal“. Beides trat ein. 1)

Auch Dir z.B. werden sie schwerlich Alle angenehm sein (mir auch nicht immer!).

c mit dieser > eine solche 6 Alfred Weber wurde im Jahre 1907 auf einen Lehrstuhl für Nationalökonomie in Heidelberg berufen.

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Nun hatte mich das sehr geschmerzt und, ich leugne es nicht, auch stark erzürnt.d Das ist nun jetzt vorbei und vergangen. Aber natürlich: wo kein Zorn mehr ist, da ist auch manches Andre nicht mehr da. Ich wünsche für den Rest meines Lebens ohne Illusionen zu sein und habe daher einen Strich unter frühere, bessere, Zeiten gemacht und eine gegebene Gelegenheit benutzt, Alfred zu sagen: daß wir uns – soweit natürlich Rücksicht auf Dritte es zuläßt – nicht mehr sehen wollten. Dabei wird es bleiben. Denn es scheint mir „reinlicher“ so und es ist mir so auch leichter, diesem reichen und reizvollen Menschen – aus der Ferne, – voll gerecht zu werden. Ich habe gesorgt, daß Mariannes Beziehung zu ihm thunlichst erhalten blieb. So – ich schrieb dies, weil Du es doch später bemerken wirst und vor Allem, um ein für alle Mal zu sagen: Alles, was Du thust (oder: unterläßt), um Alfred Mißempfindungen fernzuhalten, wird unseres Verständnisses sicher sein. – – Auch über die Frage von Carl’s Überführung7 sprach ich mit der Mutter. Sie kann wohl erst nach dem Frieden gelöst werden. Du wirst am besten wissen, was da das Richtige ist in seinem Sinn. Leb wohl, grüß Fräulein Lisa8 und plage Dich jetzt nicht etwa mit Briefschreiben. Herzlich Dein Max

d 7 Karl Weber war am 22. August 1915 bei Brest-Litowsk gefallen. 8 Lisa von Ubisch, eine Jugendfreundin von Lili Schäfer, half ihr beim Umzug nach Heidelberg.

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23. November 1915

Marianne Weber [23. November 1915; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem Zusammenhang des Briefes mit den Briefen an Marianne Weber vom 19. und 22. November 1915, oben, S. 182 f. und 185 f., und der Tagesangabe „Dienstag“ erschlossen.

Dienstag Nachm. Liebes Schnauzele, – So – wieder ein Vormittag auf der Bibliothek. Morgen kommt Naumann, Freitag gehe ich in ein Ansorge-Konzert,1 Samstag Abend mit Sombart und Scheler, Donnerstag vielleicht bei Georg Müller’s. Heut kam Albert Schäfer hierher. Der Kleinste ist bei Frau Fey.2 Ich nehme die Jungchens dann wohl mit nach H[eidel]b[er]g, wenn es dann schon so weit ist. Mit der Mutter sprach ich über Martha Riegel. Es fragt sich: soll sie (dauernd) nach H[eidel]b[er]g gehen? Sehr fraglich! 1) wird sie ja nicht leicht übernommen.3 2) sind ihre Chancen, geeigneten und ihr gemäßen Anschluß zu finden, doch in München vielleicht größer, als in H[eidel]b[er]g, wo sie nur uns hätte. Doch das muß man überlegen. – Die Mutter hatte es sehr erregt, daß Carl, wie seine Briefe ergaben, mit der Möglichkeit einer Schwangerschaft gerechnet hatte (auch M[artha] R[iegel] selbsta) und sich doch nicht hatte trauen lassen, noch mehr, daß sie dann der Mutter schrieb: gegebenenfalls hätte sie sich das Leben genommen. Nun – das hätte er auch besser nicht gethan, das mußte ich ihr zugeben. Daß er keine Verhütungstechnik anwendete, zeigt, wie kindlich jubelnd Alles in ihm war, – und das ist ja schön. –

a Wiederholung des Wortes in betont deutlicher Schrift. 1 Vermutlich handelte es sich um ein Konzert des Pianisten Conrad Ansorge. 2 Vgl. den Brief an Lili Schäfer vom 23. Nov. 1915, oben, S. 187 mit den Anm. 1 und 2. 3 Martha Riegel war Lehrerin in Bayern.

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– Von Lili’s Kindern sollten wir, meine ich, gleich die beiden kleinen Jungen4 gegen Einjährigen-Unkosten5 und Studienunkosten versichern. Das ist billig. Albert6 ist schon zu alt dazu. Hoffentlich wird ihr nicht die letzte Gehaltsrate (800 M.)7 zurückverlangt und hoffentlich lassen sich die Unstimmigkeiten bei Emma Puppe’s Bankguthaben aufklären,8 so daß da das Vormundschaftsgericht nicht – wie es möglich ist – Ersatz verlangt. Es fehlen da Belege und das Gericht wird schwierig. – Wenn wir Lili jährlich 1000 M. geben, wird es wohl gehen: 4000 + 1000 + 3900 = 8900. Kleine Gelegenheitszuschüsse kann ja Alfred geben, hat es auch schon gethan. Lili habe ich ganz offen geschrieben:9 Da Alfred die Beziehung zu mir als „Konkurrenz“-Verhältnis empfände, stets steigend und auf allen, auch menschlichen Gebieten, hätte ich es „reinlicher“ gefunden, bei gegebener Gelegenheit ihm zu sagen: daß wir uns nicht mehr sehen wollten. Dabei werde es bleiben, denn ich wolle mein Leben ohne Illusionen zu Ende führen und könne ihm so eher gerecht werden. Ich schriebe ihr das, damit sie wisse: daß Alles, was sie thue, um ihm Mißempfindungen dieser Art fernzuhalten, mein Verständnis finden werde. Deine Beziehung zu ihm bestehe (thunlichst) fort. – Es ist richtiger so. Weiteres brauche ich dann nicht zu sagen. Sie ist ein lieber feiner Mensch, – aber ich werde wohl etwas zurückhaltend sein. Denn sie wird stark beeinflußt werden und ich bin ihr sicher nicht sehr gemäß. – Leb wohl, liebes Peterle. Noch ist kein „Strudel“ hier, sondern viel Ruhe. Es umarmt Dich Dein Max

4 Hermann und Max Schäfer. 5 Durch die Bezahlung der Gestellungskosten und der Ausrüstung (Uniform) konnten sich Wehrpflichtige mit mittlerer Reife als „einjährig-Freiwillige“ vom zweijährigen Wehrdienst befreien. 6 Albert Schäfer war zehn Jahre alt. 7 Gemeint ist die letzte Gehaltsrate von Karl Weber, der am 22. August 1915 gefallen war. 8 Emma Puppe war die Tochter der verstorbenen Haushälterin von Karl Weber in Danzig. Dieser hatte sich nach ihrem Tod im September 1908 um ihren Nachlaß und die beiden unmündigen Kinder gekümmert. Vgl. den Brief von Helene Weber an Max Weber vom 28. Sept. 1908 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). 9 Vgl. den Brief an Lili Schäfer vom selben Tag, oben, S. 188 f.

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24. November 1915

Marianne Weber [24. November 1915; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem Briefinhalt in Zusammenhang mit den Briefen an Marianne Weber vom 22. und 23. November 1915, oben, S. 185 f. und 190 f., und aus der Tagesangabe „Mittwoch“ erschlossen.

Mittwoch. Schicktest Du die Sache Schubert?1 Liebstes Schnauzele, – nur einen kurzen Gruß, denn gleich will Alfred hier vorbeikommen und ich kann ja nicht anders als ihn etwas sehen, der Mutter wegen.2 Dann kommt Naumann. Gestern Abend war Georg M[üller] da, – sehr nett wirklich und tüchtig in der Arbeit. Lilli M[üller] geht es offenbar jetzt doch „prinzipiell“ anders trotz aller Zartheit. Ich werde sie mal besuchen. Heut wieder Bibliothek. Auf N[aumann]s Eindruck bin ich begierig, es soll ihm ja nicht so besonders gehen oder gegangen sein. Sonst ist nichts passiert, die Mutter ist natürlich immer gleich im Betrieb, aber doch scheint es nicht so überlastet wie sonst. Der kl[eine] Albert Schäfer ist da und gut zu haben. – Nur diese ewigen MädchenNöte! Dies kann einem den Haushalt hier arg verleiden, die Mutter gerät da auch so aus der Façon. Warum das nur grade hier so sein muß? Was wohl Sonntag bei Dir los war?3 Es umarmt Dich herzlich Dein Max

1 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 22. Nov. 1915, oben, S. 185 f. mit Anm. 6. 2 Vgl. dazu die Briefe an Lili Schäfer und an Marianne Weber vom 23. Nov. 1915, oben, S. 188 f. und 191. 3 Gemeint ist der Besuch von Freunden und Bekannten am sonntäglichen „Jour“ in der Ziegelhäuser Landstraße 17.

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Marianne Weber [25. November 1915; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem Briefinhalt in Verbindung mit den Briefen an Marianne Weber vom 22., 23. und 24. November 1915, oben, S. 185 f., 190 f. und 192, sowie aus der Tagesangabe „Donnerstag“ erschlossen.

Donnerstag Abend. Liebes Schnäuzele, –

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Gestern war also erst Alfred da. Frau Stein und Clara saßen auch da, so ging es soweit ganz gut. Dann kam Naumann. Er ist recht müde und sieht nicht gut aus, wenn auch sein Asthma wesentlich besser geworden ist. Man möchte ihm nur einige Zeit „Ruhe“ wünschen irgendwo, wenn die Reichstagstagung zu Ende sein wird.1 Aber wo? Bei uns? – davon hätte er vielleicht nichts, auch fragt es sich[,] ob es ginge. Politisch hatte er eben auch nichts Erfreuliches zu erleben gehabt und zu berichten. Unsre Ansichten waren ziemlich ähnlich, – aber es ist ja keinerlei kraftvoller „Staatsmann“ da und mit dem Kaiser nichts zu machen. Daß sich hier für mich etwas fände, ist äußerst unwahrscheinlich, wie auch Naumann bestätigte. Nun[,] ich werde nächster Tage wohl anfangen einige Leute wenigstens aufzusuchen. (Dernburg2 oder so Jemand). Aber es ist Alles in „festen Händen“ und sie haben nur allzu viel „freiwillige Berater“ und sind darin sehr wahllos, lassen sich von Jedermann etwas vorerzählen und Jeder, der grade da ist, „hat Recht“. Sie wissen eben auch nicht wie von der Stelle zu kommen und sind durch die Österreicher stark gebunden, mit denen die Sache3 recht schwierig zu sein scheint, wie ja begreiflich ist.

1 Friedrich Naumann war Mitglied der Fraktion der Fortschrittlichen Volkspartei im Reichstag. Die Sitzungsperiode des Reichstags dauerte vom 30. November bis zum 15. Dezember 1915. 2 Bernhard Dernburg gehörte neben Lujo Brentano und Hans Delbrück zu den Initiatoren der am 27. Juli 1915 dem Reichskanzler vorgelegten Denkschrift „Gegenadresse zur sogenannten ‚Seeberg-Adresse.‘“ Max Weber war einer der 90 Unterzeichner. Vgl. MWG I/15, S. 759 – 763. 3 Gemeint sind vermutlich die zukünftigen Beziehungen zu Österreich; vgl. den Brief an Adolf v. Harnack vom 4. Dez. 1915, unten, S. 200 f.

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Gertrud B[äumer] werde ich auch schreiben oder telefonieren, wenn ich sie sprechen kann resp. ob sie Zeit und Lust dazu hat. Sonst ist nichts Neues passiert. Bibliothek Vormittags, Nachmittags hier Lesen und Plaudern. Recht „ungetrost“ ist doch in vieler Hinsicht dieser Haushalt der Mutter, icha kann mir nicht helfen, es ist doch was Trostloses, daß das nicht anders wird. Außer dem Haus hat sie jetzt offenbar nicht mehr sehr viel zu thun, jedenfalls nicht mehr als sie schaffen kann. Aber ich habe das Gefühl, daß sie es mit Mädchen nicht versteht, vor Allem nicht: sie zur Selbstverantwortlichkeit anzuleiten und zu entwickeln. Sie selbst merkt das gar nicht mehr und es ist da nichts zu machen. Aber wie viel kleinen Ärger könnte sie sich sparen und wie viel mehr Ruhe und Behagen mit Anderen haben, wäre es – nur im Ton! – etwas anders. Dies („Tante Tiede“’sche)4 Mädchen (Du erinnerst Dich) kann sie in der That nicht behalten, das hat gar keinen Zweck. Schönen Dank für Deinen Brief mein liebes Mädele und auch für den von T[obel]chen:5 nun, gut scheint es ja nicht zu gehen vorerst. Ich schreibe ihr. Lili wird also, da Alfred nicht mehr nach H[eidel]b[er]g geht, ihre Dispositionen wohl wieder ändern. Wovor sie sich scheint es etwas graust, ist Lisbeth Braus – die heterogenen Kinder sind es da natürlich, von denen sie weiß. Übrigens hat sich Clärchen Schäfer recht anmutig entwickelt[.]b Albert6 aber ist noch immerc schwierig, weil nicht ganz offen, und Mangel an vitaler Kraft. Im Ganzen aber ganz gut zu haben. Tausend herzliche Grüße, es küßt Dich Dein Max

a Unsichere Lesung durch Tintenklecks. b ()

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4 Helene Tiede, die Witwe von August Tiede, einem Kollegen von Max Weber sen. im Magistrat von Berlin, war eine Freundin der Familie sowie Patentante von Alfred Weber. 5 Mina Tobler. 6 Albert Schäfer war der älteste Sohn von Lili Schäfer.

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Gustav von Schmoller 27. November 1915; Charlottenburg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Gustav von Schmoller, Nr. 207b, Bl. 138 – 139 Der Brief steht in Zusammenhang mit der bevorstehenden Emeritierung von Adolph Wagner und der Frage der Neubesetzung seines Lehrstuhls. Nach dem Entpflichtungsantrag Wagners am 31. März 1916 (UA Humboldt-Universität, Berlin, Nr. 1467) und der ministeriellen Aufforderung vom 5. April 1916 (ebd.) zu Neuvorschlägen erstellte die Philosophische Fakultät nach längeren Beratungen ein Gutachten, das am 22. Juni 1916 (Abschrift handschriftlich, ebd.) an das Ministerium geschickt wurde. In der Vorschlagsliste wurde an erster Stelle Werner Sombart angeführt, wobei insbesondere auf die umgearbeitete Neuauflage seines „Modernen Kapitalismus“ hingewiesen wurde: „Obwohl dieses Werk noch nicht erschienen, konnte es doch, da der erste, fast 1000 Seiten umfassende Band bereits gedruckt worden ist, bei der Beurteilung Sombarts verwertet werden. […] Es bietet eine, in dieser Art bisher noch nie erreichte, theoretisch-systematische und historische Methoden virtuos verbindende Darstellung des ganzen abendländischen Wirtschaftslebens, wobei aber auch die Zusammenhänge mit allen anderen Kulturgebieten in lichtvoller Weise herausgearbeitet werden. Seine Stärke liegt in der scharfsinnigen Begriffsanalyse und Dialektik, in der feinen Einfühlung in die soziologischen, besonders aber in die wirtschaftspsychologischen Umstände, in der künstlerisch durchgeführten systematischen Gruppierung, in der die großen, durchgehenden Linien der Entwicklung kennzeichnenden Synthese und geistigen Durchleuchtung riesiger Massen weitzerstreuter Forschungsergebnisse, in der stets fesselnden, lebendigen, farbenreichen und überaus anschaulichen Darstellung. Er besitzt eine an Genialität streifende Begabung, ein glänzendes Lehrtalent und eine ungewöhnliche Produktivität. Es soll nicht in Abrede gestellt werden, daß die früheren Leistungen Sombarts der Kritik zahlreiche Angriffsflächen geboten haben. Abgesehen von mancherlei Entgleisungen ins Feuilletonistische konnte man sich nicht ganz des Eindrucks erwehren, daß er dem Marxismus zu weitgehende Zugeständnisse machte und zuweilen nur diejenigen Forschungsergebnisse beachtete, welche geeignet erschienen, seine intuitiv gewonnenen Hypothesen und Theorien zu unterstützen. Er selbst gibt jetzt auch offen zu, daß ihm arge Mißgriffe unterlaufen sind. Manche glaubten, daß er überhaupt nicht die Fähigkeit besäße, seine herrlichen Gaben immer in eine dem Ernst der Wissenschaft entsprechende Zucht zu nehmen. Man beanstandete seine Eitelkeit, sein starkes Selbstbewußtsein und die recht oft erfolgenden Veränderungen seines wissenschaftlichen Standpunktes. Dem gegenüber muß aber hervorgehoben werden, daß selbst die Irrtümer Sombarts die wissenschaftliche Problemstellung wesentlich gefördert und die aus ihnen hervorgegangenen Kontroversen häufig überaus anregend auf den Gang der Forschung eingewirkt haben. […] Mit Sombart würde unsere Universität eine der eigenartigsten, bestrickendsten und auch im Auslande bekanntesten Gestalten der deutschen Gelehrtenwelt zu den ihrigen [!] zählen.“ An zweiter Stelle wurde Heinrich Dietzel, an dritter Gerhart v. Schulze-Gaevernitz genannt. Laut Ministerialerlaß vom 16. Oktober 1916 (ebd.) wurde die Fakultät aufgefordert, neue Personenvorschläge zu machen, da zwar die „Wichtigkeit der theoretischen Forschung und Lehre […] unbestritten sei“, es jedoch „gegenüber den großen Aufgaben der Gegenwart und weiteren Zukunft“ in Betracht gezogen werden müsse, „ob nicht andere mehr praktische Zweige der wirtschaftlichen Staatswissenschaften, wie z. B. die von Exzellenz Wagner so glänzend vertretene Finanzwissenschaft, zur Zeit einer besonderen Pflege bedürf[t]en“. Als weiteres Beispiel nannte das Ministerialschreiben

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das Studium der Weltwirtschaft. In ihrem neuerlichen Gutachten vom 22. Januar 1917 (Abschrift masch.; ebd.) hat die Fakultät an ihrem ursprünglichen Dreiervorschlag festgehalten und nur unter Vorbehalt „Spezialisten der Finanzwissenschaft“ genannt, da es ihr leider „nicht möglich“ sei, „Personen zu bezeichnen, die ohne jede Bedenken vorgeschlagen werden könnten.“ Genannt wurden Georg v. Schanz, Walther Lotz und Wilhelm Gerloff. Bei Wissenschaftlern, die sich in großem Maße dem Studium der Weltwirtschaft zugewandt hatten, wurde auf das Berufungsgutachten nach der Emeritierung Gustav v. Schmollers im Jahre 1912 hingewiesen – damals waren Hermann Schumacher, Heinrich Herkner und Karl Rathgen vorgeschlagen worden (Berufungsliste vom 26. Juli 1912; Abschrift masch.; ebd., Nr. 1466) – mit der Bemerkung, „daß weder H. Rathgen noch H. Schumacher den Forderungen, deren Erfüllung der Fakultät gerade jetzt nach dem Rücktritte A. Wagners besonders wichtig erscheint, in vollem Maße genüge [!] leisten.“ Trotz dieser Vorbehalte wurde Hermann Schumacher am 10. Juli 1917 zum Ordinarius „der wirtschaftlichen Staatswissenschaften mit besonderer Berücksichtigung der finanzwissenschaftlichen und weltwirtschaftlichen Probleme“ (ebd., Nr. 1467) ernannt. Der im Gutachten von 1912 vorgetragenen Gedanke, man möge zwei Professoren berufen, die sich gut ergänzten – in jenem Fall: Schumacher und Herkner –, wurde diesmal vom Ministerium aufgegriffen. Neben Schumacher wurde Sombart am 15. Dezember 1917 zum Ordinarius ernannt (ebd., Nr. 1467).

Heidelberg z. Z. Charlottenburg 27/XI 15 Hochverehrter Herr Professor! Ich möchte, um nicht mißverstanden zu werden, nicht unterlassen, dem heut mündlich auf Ihre freundliche Anregung Gesagten hinzuzufügen: Wenn etwa die Gewinnung der Persönlichkeit K[arl] Rathgen’s für die Berliner Universität in Frage käme, – ich hatte gar nicht in Betracht gezogen, daß er 앚:überhaupt:앚 geneigt sein könnte, seine einzigartige Stellung in Hamburg1 gegen eine der vier hiesigen Professuren2 zu vertauschen – dann freilich würde die große Mehrzahl der Altersgenossen von mir wohl ebenso wie ich der Ansicht sein: daß H[ermann] Schumacher dieser Konkurrenz in gar keiner Art gewachsen wäre. Rathgen ist, wie Sie selbst wissen,3 ebenso fest, bestimmt, reich und reif, wie Schumacher, verglichen mit ihm, suggestibel, geschäftig,

1 Karl Rathgen vertrat das Fach Nationalökonomie am Kolonialinstitut in Hamburg. 2 Neben dem kurz darauf ausscheidenden Adolph Wagner waren Heinrich Herkner, Max Sering und Ludwig Bernhard ordentliche Professoren der Nationalökonomie in Berlin. 3 Karl Rathgen war Schmollers Schwager; aus diesem Grunde hatte Schmoller 1912 ausdrücklich auf eine Beteiligung an der Erstellung des Berufungsgutachtens für seine Nachfolge, in welchem Rathgen mit vorgeschlagen war, verzichtet.

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unsicher und begrenzt. Es versteht sich, daß jede Universität durch die Gewinnung einer derart unabhängigen Persönlichkeit eina Element von ungleich mehr Eigengewicht gewänne, als mit Schumacher, aller Schätzung des letzteren als eines offenbar ungewöhnlich begabten Dozenten und Fachmannes unbeschadet. – Es rechnete nur fast Niemand mehr damit, daß R[athgen] ernstlich daran dächte, von dem jetzigen Ort seiner Thätigkeit fortzugehen. Und bei Schumachers unleugbarer Begabung auf dem Fachgebiet A[dolph] Wagner’s und seinen sonstigen bekannten wertvollen Eigenschaften und Beziehungen hat Jedermann es als so selbstverständlich angesehen, daß er der in Betracht Kommende sein werde, daß man über andre Möglichkeiten gar nicht mehr nachdachte. Auch nahm ich persönlich an, daß es mit ihm am leichtesten möglich sein würde, die ganz subalternen Kreaturen vom Schlage der J[ulius] Wolf und Harms4 aus dem Felde zu schlagen. Und das würde wohl den meisten von uns wichtig scheinen. Daß Sch[umacher] eine bedeutende Stelle verdient, bestreitet Niemand und man gönnt sie ihm. Daß er sie zu allererst verdiene, behauptet wohl er selbst kaum. Dietzel 5 wird ja wohl nicht berufen werden. Aber wenn Rathgen wirklich als ernster Kandidat in Betracht käme, – dann würde von uns wohl Niemand im Zweifel sein, wie er sich entscheiden würde. – Ich hatte doch den Wunsch, dies ausdrücklich auch noch gesagt zu haben. In bekannter Verehrung Ihr stets ergebenster Max Weber

a 4 Bernhard Harms. 5 Heinrich Dietzel.

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3. Dezember 1915

Marianne Weber [3. Dezember 1915; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem Briefinhalt in Verbindung mit dem Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 9. Dezember 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) und der Tagesangabe „Freitag“ erschlossen.

Freitag. Liebes Mädele, – schönen Dank für Dein Briefchen. Lili ist hier und ganz behaglich und leistungsfähig trotz der Packerei.1 Hoffentlich kommt kein Kollaps nach, denn zart ist sie. Ein kluges Geschöpf ist sie auch, das merkt man immer mehr. – Heut Abend kommt Lisa.2 Morgen fährt Lili nach Naumburg, übermorgen zu Dir. Dann wirst Du wohl viel mit ihr zu überlegen haben, hoffentlich hast Du Zeit für sie. Deine Bettel-Erfolge3 sind ja ganz erstaunlich, aber nun ist hoffentlich „Schluß“ damit, denn das ist ja fürchterlich! Wo siehst Du denn den guten Boll? – Übrigens habe ich nun gar nichts mehr von der Rickert-Simmel-Angelegenheit4 gehört, bin wirklich gespannt was wird. Naumann hat mich also versprechen lassen, daß ich ev. hier bei einem privaten Büro für die Auseinandersetzung mit Österreich mit helfe.5 Ich würde dann wohl immer einmal wieder nach Berlin müssen, das geht ja aber. Viel verstehen thue ich von diesen Dingen nicht – es 1 Lili Schäfer bereitete ihren Umzug nach Heidelberg vor. 2 Gemeint ist Lili Schäfers Freundin Lisa von Ubisch, die ihr beim Umzug half. 3 Marianne Weber hatte für die Weihnachtsbescherung im Lazarett von den gesammelten 2000 Mark immerhin drei Viertel alleine zusammenbekommen, wie sie Max Weber in ihrem Brief vom 8. Dez. 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) schrieb. 4 Gemeint ist die Neubesetzung des Windelbandschen Lehrstuhls für Philosophie an der Universität Heidelberg. Vgl. die Editorische Vorbemerkung und den Brief an Heinrich Rickert, vor dem 31. Okt. 1915, oben, S. 149 – 151. 5 Es handelte sich um Vorgespräche für die Gründung des „Arbeitsausschusses für Mitteleuropa“, der am 22. Februar 1916 seine konstituierende, am 28. Februar 1916 die zweite und am 14. März 1916 die dritte Sitzung hatte (vgl. MWG I/15, S. 126). „Zweck des Arbeitsausschusses ist die freiwillige Unterstützung der Verhandlungen der deutschen Reichsregierung über die künftigen politischen, militärischen und insbesondere wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich, ÖsterreichUngarn, Bulgarien und der Türkei.“ So die Formulierung im Protokoll von Friedrich Naumann, BA Berlin, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 29. Vgl. auch MWG I/15, S. 645 f.

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ist viel Handelspolitik dabei. Nun, man muß sehen. Ich wollte ihm keinen Korb geben. Ich habe nun an Dernburg, Sering, Herkner geschrieben6 und werde sie aufsuchen. Man kommt dann so langsam in Verbindung mit den Leuten. Den Ministern etc. die Thüren einzulaufen ist nicht meine Art. Die haben jetzt auch Anderes zu denken. Die pekuniären Sachen werden sich schon regulieren. Lili muß einmal probieren, wie es geht. Ich glaube ja auch nicht, daß sie mit 7900 Mk7 auskommen kann. Sie meint es. Morgen Abend gehen wir in ein kl[eines] Mozart-Konzert (die Mutter und ich). – Tobelchen8 schreibt, sie ginge nach H[eidel]b[er]g zurück, da sie zwar sehr gebessert sei, aber nicht gut schliefe. Offenbar ist sie doch arg strapaziert gewesen. Merkwürdig – man merkte nie, daß ihr der Bruder so viel war. Aber sie denkt an fast nichts Anderes. Laß Dich umarmen, Kleines – die Mutter grüßt sehr, ebenso Dein Max

6 Die Briefe sind nicht nachgewiesen. 7 Vgl. dazu den Brief an Marianne Weber vom 23. Nov. 1915, oben, S. 191. 8 Mina Tobler hatte im Sommer 1915 ihren Bruder Ludwig Tobler verloren, der an den Folgen einer Blutvergiftung gestorben war.

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4. Dezember 1915

Adolf von Harnack [nach dem 4. Dezember 1915]; Charlottenburg Brief; eigenhändig SBPK zu Berlin, Nl. Adolf von Harnack Die Datierung ist erschlossen aus dem brieflichen Hinweis auf eine von Harnack nach Heidelberg geschickte Büchersendung; von dieser hatte Marianne Weber ihren Mann in ihrem Brief vom 4. Dezember 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, BSB München, Ana 446) in Kenntnis gesetzt.

Charlottenburg March-Str. 7F Telefon: Steinplatz 3064 Hochverehrter Herr Geheimer Rat! Meine Frau schreibt mir, daß eine Sendung von Ihnen in Heidelberg meiner harrt,1 aber nicht: was sie enthält. So kann ich nur für die Ehre und Liebenswürdigkeit verbindlichst und herzlich danken und muß bis zur Heimkehr in 8–10 Tagen warten, ehe ich an die Lektüre gehe. Hier bin ich teils mit dem indischen Material Ihrer Bibliothek beschäftigt,2 die davon überraschend viel für deutsche Verhältnisse enthält, – teils wollte ich nach Beendigung der militärischen Verwendung versuchen, mich an (privaten) Vorarbeiten und Überlegungen über die Zukunft der Beziehung zu Österreich zu beteiligen,3 wenn das möglich ist. Die große Verworrenheit in den Köpfen und die vielen höchst unvorsichtigen Schritte und Äußerungen machen das Geschäft nicht dankbar. Eine amtliche Verwendung zu erstreben (im Osten) habe ich nach 1 Wahrscheinlich handelt es sich um die damals gerade erschienene Neubearbeitung von Adolf v. Harnack, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, 2 Bde., 3., neu durchgearb. u. verm. Aufl. – Leipzig: J. C. Hinrichs 1915 (hinfort zitiert als: Harnack, Mission); vgl. dazu die Danksagung von Hans Lietzmann in seinem Brief an v. Harnack vom 28. Nov. 1915 für die Übersendung dieses Werkes, abgedruckt in: Glanz und Niedergang der deutschen Universität. 50 Jahre deutscher Wissenschaftsgeschichte in Briefen an und von Hans Lietzmann (1892 – 1942). Mit einer einführenden Darstellung hg. von Kurt Aland. – Berlin, New York: Walter de Gruyter 1979, S. 359 f. 2 Weber hatte für seinen Artikel über „Hinduismus und Buddhismus“ vor allem die in der Preußischen Staatsbibliothek, deren Leiter Adolf v. Harnack war, vorhandenen umfangreichen indischen „Census-Reporte“ benutzt; vgl. dazu Webers Mitteilung in seinem Brief an Marianne Weber vom 22. Nov. 1915, oben, S. 185, Anm. 1. 3 Gemeint ist die Mitarbeit Webers im zukünftigen „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“; vgl. dazu den Brief an Marianne Weber vom 3. Dez. 1915, oben, S. 198, Anm. 5.

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Lage der Umstände aufgegeben. Da ist Alles in festen Händen. Und „Berater“ haben die amtlichen Instanzen nur allzu viele. Bleibt also nur der Weg privater gedanklicher Vorarbeiten. Wenn es möglich wäre, daß ich Sie aufsuchte, ohne Ihre Zeit zu zerreißen und allzu sehr zu stören, wäre mir das wichtig[.] Könnten Sie es 1/ Stunde ermöglichen mich zu empfangen, so würde ich um Telefon2 Nachricht durch Ihren Sekretär an die obige Telefon-Nummer (Adresse meiner Mutter) bitten und wäre sehr dankbar. In Verehrung Ihr ergebenster Max Weber

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Friedrich Naumann [5. Dezember 1915]; Charlottenburg Brief; eigenhändig BA Berlin, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 106, Bl. 66 Die Datierung ist erschlossen aus dem brieflichen Hinweis auf einen Besuch Webers bei Bernhard Dernburg am vorherigen Tage. Dieses Treffen hatte laut Webers Mitteilung an Marianne Weber vom 7. Dezember 1915, unten, S. 207, am vorherigen „Samstag“, dem 4. Dezember 1915, stattgefunden. Weber antwortet in diesem Schreiben auf einen Brief aus Naumanns Sekretariat vom 3. Dezember 1915 (BA Berlin, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 106, Bl. 67).

Charlottenburg Marchstr.a 7F (Steinplatz 3064) Verehrter Freund! Prof. Wiedenfeld ist ohne „Originalität“, aber sachlich gut unterrichtet und recht intelligent.1 Gute Verbindungen in der Industrie. Gut angeschrieben bei der Regierung. Spezialität: Internationales Transportwesen (Schiffahrt mehr als Eisenbahn), vor Allem: Welt-Häfen. Ist zuverlässig, etwas regierungsfromm und strebsam, Charakter einwandfrei[.] An Dr Somary schreibe ich.2 – Gestern bei Dernburg.3 Offen[sic]htlichb ist er ohne Beziehungen und Informationen. Parole: „sich jetzt nicht vorzeitig verbrauchen“. Natürlich sprach ich ihm nicht von der Sache.4 Er fährt jetzt nach

a O: Marchst.

b Lochung.

1 Naumann hatte in dem Brief seines Sekretariats vom 3. Dez. 1915 (wie die Editorische Vorbemerkung) um „ein persönliches Urteil über Herrn Dr. Wiedenfeld in wenigen Worten“ gebeten. Dabei ging es wahrscheinlich um eine Beurteilung Kurt Wiedenfelds als möglichen Mitarbeiter im „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“. Tatsächlich ist Wiedenfeld als Referent für Eisenbahntarife benannt worden; vgl. dazu die abgedruckte Referatsliste in: Somary, Felix, Erinnerungen aus meinem Leben. – Zürich: Manesse o.J. [1959], S. 146. Zum „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“ vgl. die Briefe an Marianne Weber vom 3. Dez. 1915, oben, S. 198 f., und vom 8. Dez. 1915, unten, S. 209. 2 In dem Schreiben vom 3. Dez. 1915 (wie die Editorische Vorbemerkung) hatte Naumann anläßlich eines Gespräches mit Felix Somary von dessen Wunsch eines Zusammentreffens mit Weber berichtet; dessen in Aussicht gestellter Brief an Felix Somary ist nicht nachgewiesen. 3 Bernhard Dernburg. 4 Gemeint ist die Konstituierung des „Ausschusses für Mitteleuropa“.

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Wien, deshalb sprach ich ihm von Polen, Serbien. Er weiß cvon diesen Dingenc offenbar nichts. Ist Parvenu-Grand-Seigneur, bequem, Berliner, gesunder Menschenverst[an]dd und Augenmaße für das Mögliche sind vorhanden. Auf Wiedersehen! stets Ihr Max Weber

c davon > von diesen Dingen

d Lochung.

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Lili Schäfer [7. Dezember 1915; Charlottenburg] Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 33 – 34 Das Datum ist erschlossen aus dem Briefinhalt, der Tagesangabe „Dienstag“ und der teilweise inhaltlichen Übereinstimmung mit dem Brief an Marianne Weber vom selben Tag, unten, S. 207 f. Der Ort ist aus dem Briefinhalt erschlossen.

Dienstag Liebe Lili, – Die Mutter, die stark im Betrieb ist, bat mich, Dir diese Briefe zu schicken.1 Ich fand, Du solltest doch kurz auch Deine Ansicht sagen, denn sie ist nicht ganz sicher im Urteil und ich wage nicht recht sie in dieser Angelegenheit zu beeinflussen. Wiesbaden ist für hysterische Mädels – und wie abschreckend und typisch hysterisch ist ihr Brief – ein böses Pflaster. Aber es ist natürlich sehr schwer, da „Nein“ sagen zu wollen. – – Ich wollte nur noch sagen: wir berührten neulich einmal Emmas2 Zukunft 앚:im Allgemeinen:앚[.] Alles[,] was nach Deiner Ansicht in Carl’s Sinn und zu seinem Andenkena an ihr zu geschehen hat, muß stets geschehen, das ist klar. Und ich bitte Dich, es gegebenenfalls zu sagen, denn Du weißt das am besten. Ich natürlich sage mir gelegentlich: „hätte er sie doch Dienstmädchen werden lassen.“3 Gestern in den „Meistersingern“ (mit Clärchen M[ommsen]) mußte ich an ihn lebhaft denken. Er mochte diese musikalisch und – für Wagner! – auch menschlich sehr schöne Johannisnacht-(und: „Johannistrieb“-)Szene in dessen Werkstatt absolut nicht – und war sich damals so gar nicht klar: weshalb; das hat mich damals recht bewegt. – a 1 Vermutlich handelt es sich um Briefe von Emma Puppe, die von Karl Weber betreut worden war und sich nach dessen Tod an Helene Weber gewandt hatte. Im Oktober hatte sie ein Probewirtschaftshalbjahr bei Allenstein in Ostpreußen angetreten. Helene Weber hatte in einem Brief an ihre Schwester Emilie Benecke vom 17. Nov. 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) bezweifelt, ob Emma es dort in der Einsamkeit aushalten würde. Nun trug sie sich offenbar mit Plänen, nach Wiesbaden zu gehen. 2 Emma Puppe. 3 Emma Puppe hatte sich 1913 mit einem „gebildeten“ Straßburger verlobt. Vgl. den Brief an Helene Weber vom 10. Sept. 1913, MWG II/8, S. 326, Anm. 13.

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Nun bist Du im vollen Kramen und schon „Heidelbergerin“.4 Ein noch immer unerwarteter Gedanke. Nun, es wird gut werden, hoffentlich nicht nur für die Kinder, sondern auch für Dich selbst. – Hier geht es gut. D.h. die Mutter ist eben doch frischer und angeregter, spannkräftiger und dem Krieg gegenüber innerlich gewappneter[,] als ich dachte und als es Anfangs war. Gewiß ich weiß ja, daß ihr die Schwierigkeiten mit Artur und V[alborg] Betrübnis machen. Darüber ist nun gesprochen worden. Das ist später im Kinderspiel in Ordnung zu bringen. Nur muß ich dazu Artur sprechen. Die Schwierigkeit es zu ordnen, liegt darin: daß er s. Z. diese Geld-Dinge,5 die doch mit Sachlichkeit behandelt werden müssen und dann, wenn das geschieht, mit „Humor“b sich erledigen, nicht mit uns (Alfred und mir) erörterte, sondern stets, trotz der dringendsten Bitten, die Mutter damit maßlos quälte,c und dann unter der Parole: „im Interesse der „Ruhe“ der Mutter müßt Ihr thun was mir paßt“. Das durfte und darf nicht geschehen 앚:(um seinetwillen, denn es ist eine ganz falsched und schlimme Art!):앚 und deshalb ist es etwas erschwert, trotzdem sachlich jetzt ja Alles in Ordnung ist, diese Erörterungen anders als direkt zu führen. Dazu ist V[alborg] nicht im stand und findet A[rtur] den Entschluße vorläufig nicht leicht. Aber da er ja weiß, daß man ihm nicht „böse“ ist und sein kann, so wird er sich später schon zu einer Aussprache entschließen. Das Meinige dazu ist geschehen. Aber es will etwas Zeit, und das sieht die Mutter jetzt vielleicht mehr. Denn der schwierige Punkt warf (sein

b c d Wiederholung des Wortes in betont deutlicher Schrift. e f ist > war 4 Lili Schäfer war am 5. Dezember nach Heidelberg gefahren, um ihre neue Wohnung einzurichten. 5 Der jüngste Bruder von Max Weber, Arthur Weber, aktiver Offizier, befand sich stets in Finanznöten. Die jährliche Zuwendung von Helene Weber in Höhe von 3000 Mk reichte ihm zu seiner aufwendigen Lebensführung nicht aus, so daß er zusätzlich noch die Geschwister mehrfach um Unterstützung gebeten hatte. Max und Alfred Weber drangen daher seit 1913 darauf, daß sowohl die Mutter als auch die Geschwister bei weiteren Forderungen von Arthur hart bleiben sollten. Um Kosten einzusparen, sollte die kostspielige Wohnung aufgegeben werden, und Valborg sollte für eine gewisse Zeit nach Norwegen zu ihren Verwandten oder zu Helene Weber ziehen. Lili Schäfer benötigte nach dem Tod erst ihres Mannes, dann ihres Bruders, dem sie den Haushalt geführt hatte, eine größere Unterstützung durch die Familie. Arthur sollte deswegen 1000 Mk weniger bekommen. Vgl. die Briefe an Arthur Weber vom 2. Aug. 1913 und an Clara Mommsen vom 11. Sep. 1913, MWG II/8, S. 294 – 296 und 328 – 332, sowie die Briefe an Marianne Weber vom 6. und 9. Sept. 1915, oben, S. 126 – 128 und S. 136 f.

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Verhältnis zu Valborg)g – das hat sich erst jetzt, durch den Krieg, verbessert. Leb wohl, laß es Dirh gut gehen, „halte durch“. Dein Max

g Klammer fehlt in O. h Fehlt in O; Dir sinngemäß ergänzt.

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Marianne Weber [7. Dezember 1915; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem Briefinhalt in Verbindung mit dem Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 4. Dezember 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) und der Tagesangabe „Dienstag“ erschlossen.

Dienstag Lieber Schnauzel, –

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ich bin arg untreu im Briefschreiben. Aber gestern (Montag) war ich mit Clärchen1 in den „Meistersingern“ (Charlottenburger Opernhaus) in einer ganz guten Aufführung, auch das Orchester war gut. (Natürlich nicht wie damals2 im Prinz-Regenten-Theater!). Und vorgestern, Sonntag, war ich bei Dessoir (für Lukács, dem ich schon schrieb),3 Herkner, Sering, nachdem ich Samstag bei „Exzellenz“ Dernburg gewesen war. Denke, nicht nur der Architekt Dernburg, sondern ebenso Biermann und Buchen’sa 4 Mann (ein Arzt, Dr W…?) sind gefallen, beide mit Hinterlassung von Kindern. Also hatte Buchenb doch geheirathet und zwar schon lange und offenbar nett. Dernburg ist der richtige Parvenü-grandseigneur, ganz drollig, klug, richtiger Berliner. Er wie Alle, die die Erklärung gegen die Annexion Belgiens5 damals mit unterschrieben haben, sind absolut außer aller Beziehung zur Regierung, wissen von nichts. Die Regierung darf gar keine Beziehung zu ihnen

a Unsichere Lesung.

b Unsichere Lesung.

1 Clara Mommsen, die Tochter von Max Webers Schwester Clara Mommsen. 2 Anspielung auf die Aufführung der Meistersinger Anfang September 1911 in München. Vgl. den Brief an Helene Weber vom 15. Sept. 1911, MWG II/7, S. 275. 3 Der Brief an Georg v. Lukács ist nicht nachgewiesen. Max Weber setzte sich bei Dessoir für den Druck des Lukács-Manuskripts „Ästhetik des Romans“ ein. Die Arbeit erschien dann gekürzt 1916 in der von Max Dessoir seit 1906 geleiteten „Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft“, Band 11, S. 225 – 271 und 390 – 431, unter dem Titel „Theorie des Romans“. Vgl. dazu Lukács, Georg, Briefwechsel 1902– 1917, hg. von Eva Karádi und Eva Fekete. – Stuttgart: Metzlersche Verlagsbuchhandlung 1982, S. 362 – 369. 4 Nicht nachgewiesen. 5 Gemeint ist die Denkschrift „Gegenadresse zur sogenannten ,Seeberg-Adresse’“ vom 27. Juli 1915, MWG I/15, S. 759 – 763.

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haben, wegen der rabiaten Interessenten. Sering6 kolonisiert (in Gedanken) Kurland und Lithauen – wo Menschen und Geld herkommen sollen, fragt er nicht. Auch nicht, was Deutsche auf diesem verlorenen Posten sollen! So baut Jeder seinen Kram. Zusammenhang, – ein Staatsmann! – fehlt. Den giebt es nicht und den kann Niemand ersetzen. Herkner „müde“ und pessimistisch wie gewöhnlich. Dessoir möchte gern nach Heidelberg7 – undenkbar! Gott sei Dank. Eine entsetzliche Berlinerin zur Frau. Ich werde nun noch Jastrow, Harnack und einige jüngere Leute, die etwas machen wollen, sehen. Für mich wird schwerlich etwas herausspringen. Mit Naumann (und Dernburg) bin ich ja eigentlich ganz einer Ansicht. Aber Dernburg hat die Parole: „nicht jetzt, – wo nichts zu machen ist – sich vorzeitig verbrauchen!“ Und hat damit Recht. Ich werde doch sehen, polnisch zu lernen – wenn der Kopf es thut, was ich nicht weiß – und dann Verbindung mit den Polen suchen. Ich gehe dann im Februar mal wieder 14 Tage hierher. Große Truppenverschiebungen. Was jetzt wohl geplant ist? Schönsten Dank für Dein Briefchen,8 liebstes Mädele. Nun ist also Lili da und schon „im Betrieb“. Möge es gut gehen. Es küßt Dich Dein Max

6 Max Sering war von 1914 bis 1918 als Vorsitzender der wissenschaftlichen Kommission im Kriegsministerium tätig, besonders als Regierungsexperte für Ostfragen. Vgl. Sering, Max, Rußlands Kultur und Volkswirtschaft, hg. von Max Sering. – Berlin, Leipzig: Göschen 1913. 7 Max Dessoir interessierte sich für die Nachfolge Windelbands als Professor für Philosophie in Heidelberg. 8 In ihrem Brief vom 4. Dez. 1915 an Max Weber sprach Marianne Weber (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) von der bevorstehenden Ankunft Lili Schäfers in Heidelberg.

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Marianne Weber [8. Dezember 1915; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem Briefinhalt in Verbindung mit den Briefen an Lili Schäfer und Marianne Weber vom 7. Dezember 1915, oben, S. 204 – 206 und 207 f., und der Tagesangabe „Mittwoch“ erschlossen.

Mittwoch Liebes Mädele, –

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Gestern1 kam ich nicht zum Schreiben, da ich erst auf der Bibliothek war, Abends mit Clärchen2 in den Meistersingern – hier im Charlottenburger Opernhaus [–] und vorher Herrn Dr Somary empfing, um Politisches zu besprechen. Denn es könnte sein, daß sich doch etwas für mich entwickelte: d. h. rein private unbezahlte Arbeit über bestimmte Fragen der Beziehungen zu Österreich,3 um der Regierung Material liefern zu können. (Zusammen mit Naumann, dem Reichstagspräsidenten4 und Ballin von der HAPAG – man darf davon nicht sprechen!) Ich werde dann bis incl. Samstag in 8 Tagen hier bleiben müssen und dann später öfter hierher fahren. Ich habe ernstliche Bedenken gegen meine Qualifikation, aber ich kann ja jederzeit zurücktreten und inzwischen helfen, geeignete Leute auszusuchen. Ich werde erst nächste Woche sehen, was wird. Der junge Somary ist einer der gescheitesten Leute und nüchtern und praktisch.5 Die „Meistersinger“ waren natürlich nicht zu vergleichen mit dem[,] was wir damals im Prinzregenten-Theater erlebten.6 Aber: alle Ach-

1 Weber meinte wohl vorgestern. Vgl. die Briefe an Lili Schäfer und Marianne Weber vom 7. Dez. 1915, oben, S. 204 und 207. 2 Webers Nichte Clara Mommsen. 3 Gemeint ist die Mitarbeit an dem von Friedrich Naumann geplanten „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 3. Dez. 1915, oben, S. 198 f. mit Anm. 5. 4 Johannes Kaempf (Freisinnige Volkspartei) war von 1912 bis 1918 Reichstagspräsident. 5 Felix Somary, Österreicher und Bankexperte, war Naumann genannt worden für seinen Plan eines Ausschusses für Mitteleuropa als der „einzige Mann, der Deutsche und Österreicher an einen Tisch bringen und dort festhalten könne“. Vgl. Somary, Felix, Erinnerungen aus meinem Leben. – Zürich: Manesse o. J. [1959], S. 144. 6 Anspielung auf den Besuch der Meistersinger im September 1911 in München. Vgl. den Brief an Helene Weber vom 15. Sept. 1911, MWG II/7, S. 275.

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tung! Die Leistung war recht gut, das Orchester wuchs in seine Aufgaben hinein. Das Arrangement der Waffenszene ließ zu wünschen übrig und für den sehr großen Raum reichten nicht immer die Stimmen. Besonders bei dem „Wacht auf“ … Allein in der schönsten Partie – in der Werkstatt von Hans Sachs – war dieser durchaus auf der Höhe. Das Clärchen war sehr bei der Sache, sagt auch nicht viel – ebenso wie Helenchen7 – hat aber glaube ich eine mehr künstlerische Ader, ist eben deshalb „gefährdeter“, launisch, sinnlich, „egoistischer“, mehr mit sich befaßt, nicht eigentlich hübsch (Helenchen ist hübscher) aber interessanter und künftig einmal vielleicht fesselnd für Männer. Im Ganzen sind diese Kinder eben Berliner Kinder, aber für solche doch recht angenehm und gut geartet. Keins macht Schul-Sorgen oder sonstigen „Kummer“, kurz, darin hat es Clara – jetzt! – recht gut. Ich denke[,] ich gehe mit ihr auch noch irgendwo hin. Heut traf ich Papa Gierke in der Elektrik[.]8 Unverändert. Sehr entrüstet über Anschütz’ glattes Fortgehen:9 „reifer“ sei er nicht geworden. Ich werde ihn noch besuchen. Ebenso Jastrow, der sehr verbittert bei Seite steht. Heut Abend noch einmal Sombart und Scheler. Von letzterem habe ich dann wohl genug. Es ist nichts gegen ihn zu sagen, aber er ist doch nur Intellekt-Mensch, der aber meint, er wäre etwas Anderes. Er ist eben Katholik, wie Eberza. Morgen will mich Dr Heymann aufsuchen. Dann werde ich noch sehen, Harnack zu sehen. Was für ein Buch schickte er denn?10

a Alternative Lesung: Ebert 7 Helene und Clara Mommsen, die Töchter von Webers Schwester Clara Mommsen. 8 Bezeichnung für die elektrische Straßenbahn in Berlin. 9 Im Dezember 1915 erhielt Gerhard Anschütz einen Ruf auf den Lehrstuhl von Fritz Fleiner für Staatsrechts- und Rechtsgeschichte nach Heidelberg, dem er im Sommersemester 1916 folgte. 10 Marianne Weber hatte in ihrem Brief an Max Weber vom 4. Dez. 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) geschrieben, es liege ein zweibändiges Werk von Harnack (2. Auflage) auf seinem Schreibtisch. Es handelte sich vermutlich um v. Harnack, Mission (wie oben, S. 200, Anm. 1). Vgl. auch das Dankesschreiben an Adolf v. Harnack, nach dem 4. Dez. 1915, oben, S. 200 f.

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Ich reise dann, denke ich, mit den beiden Jungens,11 Sonntag über 8 Tage12 nach H[eidel]b[er]g. Einstweilen tausend Küsse und Grüße Dein Max

11 Hermann und Albert Schäfer. 12 Max Weber reiste am 19. Dezember 1915 nach Heidelberg zurück.

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Frieda Gross 9. Dezember 1915; Charlottenburg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 14, Bl. 15–16

z. Z. Charlottenburg March-Str. 7F 9.XII.15 Liebe Frau Frieda, – der Tod von Hanns Gross1 löst nun wohl alle Schwierigkeiten in unerwarteter Art. Er zeigt zugleich, wie töricht und verfehlt das – vom rein sachlichen Parteistandpunkt des alten Herrn aus gesehen – nicht unverständliche Unternehmen dieses Angriffs2 war. Ich nehme an, daß nun Alles zu Ihren Gunsten erledigt ist und habe bei Pellech nochmal angefragt,3 um zu hören, ob dem wirklich so ist. Ich bin nach Abschluß meiner anfänglichen, 15 Monate dauernden, Verwendung4 hier, Familiendinge zu ordnen und zu sehen, ob ich nicht doch zu etwas nutz sein kann. – Es scheint nicht. – In 10 Tagen bin ich wieder in Heidelberg. – Ob dieses Frühjahr schon eine Reise nach Ascona bringen kann, scheint fraglich. Denn der Friede liegt noch fern, so viel man sieht. Nun, dann im Herbst. Nur müssen Sie mir – wie ich schon schrieb – offen sagen, wann es grade nicht geht. Wenn es paßt, sähe ich Sie gern wieder.

1 Hans Gross, der Schwiegervater von Frieda Gross, war am selben Tag gestorben. Vermutlich hatte der Rechtsanwalt Otto Pellech telegraphiert. 2 Gemeint ist der Prozeß um die Außerehelichkeitserklärung von Eva Gross. Die Klage wurde von Hans Gross bereits am 22. Februar 1914 erhoben. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 14. März 1915, oben, S. 24. 3 Ein Brief an Otto Pellech ist nicht nachgewiesen. 4 Zum 1. Oktober 1915 war Weber als Militärisches Mitglied der Reserve-LazarettKommission ausgeschieden. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 28. Aug. 1915, oben, S. 105.

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Ich habe Ihnen nur diesen Gruß im Gedenken an die Zeit vor 2 Jahren schicken wollen. Damals um diese Zeit war ja die „Mobilmachung“5 in dieser Angelegenheit (gegen Sie) in vollem Gang. Wie mag es Ihnen gehen? Herzlich Ihr Max Weber.

5 Gemeint sind die von Hans Gross getroffenen Maßnahmen gegen Frieda Gross nach der Festnahme von Otto Gross am 9. November 1913. Nachdem Hans Gross am 9. Januar 1914 zum Pfleger seines Sohnes Otto Gross eingesetzt worden war, begann er den Prozeß um die Vormundschaft für seinen Enkel Peter. Vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung und den Brief an Frieda Gross vom 21. Nov. 1913, MWG II/8, S. 386 – 393.

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9. Dezember 1915

Marianne Weber [9. Dezember 1915; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem Zusammenhang mit dem Brief vom 8. Dezember 1915 an Marianne Weber, oben, S. 209 – 211, und der Tagesangabe „Donnerstag“ erschlossen.

Donnerstag Liebes Mädele, – also – ich weiß nicht[,] ob ich es schon schrieb – ich werde wohl erst am Sonntag über 8 Tage kommen, gegen Abend, da ich hier noch ein paara Konferenzen habe, mit Naumann und einigen andren Herren (über Österreich-Polen-Fragen u.s.w.).1 Rein privater Art. Ich erzähle dann davon. Nun wird Lili ihre Möbel wohl schon gestellt haben und Du wirst tüchtig mit in der Arbeit gesessen haben, hoffentlich nicht zu anstrengend. – Ich war gestern wieder mit Sombart und Scheler zusammen. Heut bin ich mit der Mutter bei Frau Goldschmidt,2 zusammen mit dem Musiker, dessen Mozart- und Haydn-Adaptierungen wir am Samstag im Lyzeums-Klub hörten.3 Morgen vielleicht im Figaro mit der Mutter, die ihn so sehr liebt. Heut kommt gleich noch Dr Heymann her – Du erinnerst Dich ja seiner.b Sonst ist nicht viel zu berichten. Ich arbeite täglich meine paarc Stunden auf derd Bibliothek und lese Nachmittags hier oder plaudere mit der Mutter. Seltsam, daß mir die sicherlich gute und treffliche Frau Stein4 so arg auf die Nerven fällt, – strapazierend durch ihre triviale Güte und Vortrefflichkeit. Man

a O: par b c O: par

d

1 Die Besprechungen betrafen die Gründung eines Ausschusses für Mitteleuropa. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 3. Dez. 1915, oben, S. 198 f. mit Anm. 5. 2 Adele Goldschmidt hatte mit ihrem Mann, Prof. Levin Goldschmidt, von 1862 bis 1870 in der Fallensteinschen Villa in Heidelberg gewohnt und war auch nach dem Tod ihres Mannes 1897 der Familie Weber weiter verbunden. 3 Dieses kleine Konzert fand am 4. Dezember 1915 statt. Einige Klavierübertragungen von Mozart durch Edwin Fischer sind nachgewiesen: Kontretanz für Orchester DDur, KV 534 und Allegro und Andante f-moll [Orgelwalze], KV 608. 4 Elisabeth Stein hatte mit Helene Weber eng in der Vereinigung Wohlfahrtsbestrebungen Charlottenburg zusammengearbeitet, deren Geschäftsführerin sie war. Sie stand Helene Weber nahe.

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ist aller Anstrengungen ungeachtet doch so wehrlos gegen so etwas. Ich hoffe[,] sie merkt das nicht. Aber sie „lähmt“ mich förmlich. Laß es Dir gut gehen, mein Herz, überanstrenge Dich jetzt nicht und sei umarmt von Deinem Max

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11. Dezember 1915

Marianne Weber [11. Dezember 1915; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind erschlossen aus dem Briefinhalt in Verbindung mit dem Brief an Marianne Weber vom 9. Dezember 1915, oben, S. 214 f., und der Tagesangabe „Samstag“.

Samstag Liebes Mädele, – vorgestern bei Frau Goldschmidt, gestern im „Figaro“ mit der Mutter. Die sich wieder so rein freuen konnte! Es ist doch wahr: diese Musik adelt dies heikle und teilweise burleske Thema so, daß Alles hinweggeläutert wird und nur der „Reigen“ bleibt, jenseits alles Inhalts. Sonst könnte die Mutter – und die Großmutter,1 deren dünnes Kinderstimmchen die Cherubin-Lieder sang – nicht dies so genießen und alle „erotische“ Musik so ablehnen. Bei Frau G[oldschmidt] ein junger Musikhistoriker,2 der viel erzählte und mir sehr gefiel. – Übrigens: Frieda Gr[oss’] Schwiegervater3 ist ja gestorben. Damit ist also diese Sache gewonnen und es zeigt sich doch auch, wie sinnlos das Wegnehmen des Kindes gewesen wäre.4 Nun bin ich gespannt, wie sich Alles Andre reguliert. Mit der alten Frau5 sollte Fr[ieda] sich verständigen, es wäre das Menschlichste. Hier nicht viel Neues. Ich gehe jetzt eben zu Jastrow, schreibe daher nur kurz. Schönsten Dank für Dein liebes Briefchen.6 1200 M.! Das ist ja fabelhaft! Woher nur das Geld noch kommt. Clara werde ich das

1 Emilie Fallenstein, geb. Souchay. 2 Gemeint ist Dr. Edwin Fischer. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 9. Dez. 1915, oben, S. 214, Anm. 3. 3 Hans Gross starb am 9. Dezember 1915. 4 Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 14. März 1915, oben, S. 24. 5 Gemeint ist die Schwiegermutter von Frieda Gross, Adele Gross. 6 In ihrem Brief vom 9. Dez. 1915 an Max Weber (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) hatte Marianne Weber geschrieben, sie habe 1200 Mk für die Weihnachtsfeier im Lazarett Prinz Karl gesammelt. Clara solle das Geld für den von Lili abverkauften Pelz schicken und sie wolle Lili das für sie ab 1. Januar 1916 mit 800 Mk angelegte Sparbuch, auf das noch weitere 200 Mk kommen sollten, geben. Auf diese Mitteilungen bezieht sich Weber im folgenden.

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von dem Pelzrock sagen. Eventuell giebst Du Lili Vorschuß. Ja ich meine auch, Du giebst ihr am besten jetzt das Sparkassenbuch. Der „Seeßelberg“ ist ein Riesen-Groß-Folio-Buch mit Bildern (ganz flach und dünn, aber sehr großes Format).7 Wo er steckt, weiß ich nicht. Also ich denke Sonntag (in 8 Tagen) zu kommen, werde alles dran setzen, daß es geht. Gestern sah ich Harnack; Gierkes werde ich noch aufsuchen, vielleicht auch Rirtes,a dann Carl Mommsen u. die Mommsen-Mädchen8 („Pflicht“). Leb wohl, liebstes Mädele, sei froh und gesund und gut Deinem Max

a Unsichere Lesung. 7 Seeßelberg, Friedrich, Die skandinavische Baukunst der ersten nordisch-christlichen Jahrhunderte, in ausgewählten Beispielen bildlich vorgeführt. – Berlin: Wasmuth 1897. Carl Neumann, der mit Weber befreundete Kunsthistoriker in Heidelberg, wollte das vermutlich geliehene Buch zurückhaben. Marianne Weber hatte Max Weber in ihrem Brief vom 8. Dez. 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) gefragt, wo sie dieses Buch finden könne. 8 Vermutlich meinte Max Weber die unverheirateten Schwestern von Ernst und Karl Mommsen.

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13. Dezember 1915

Verlag J. C. B. Mohr 13. Dezember 1915; Charlottenburg Telegramm VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Das Telegramm steht in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Webers Artikelserie „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69.

schicke superrevision1 heute ab bedaure verspaetung = webera

a O: webel 1 Die Superrevision bzw. der letzte Korrekturgang bezieht sich auf den Artikel: Weber, Max, Konfuzianismus III, IV und Zwischenbetrachtung. Er erschien in dem zehn Tage später ausgelieferten zweiten Heft des AfSSp-Bandes 41.

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15. Dezember 1915

Heinrich Rickert 15. Dezember [1915]; Charlottenburg Brief; eigenhändig UB Heidelberg, Heid. Hs. 2740, Erg. 93, 1.2 (Nl. Heinrich Rickert) Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Der Brief steht in Zusammenhang mit der Berufung Rickerts nach Heidelberg; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Rickert, vor dem 31. Oktober 1915, oben, S. 149 – 151.

Charlottenburg 15.XII Lieber Freund, –

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ich freue mich herzlich, daß geschehen ist, was zu geschehen hatte.1 Und hoffe, daß nun aus der Sache etwas wird. Denn es ist doch wohl wesentlich einea gesundheitliche Frage – doch auch die Wohnung! – und das Andre geht doch oder müßte arrangiert werden, wofür ev. Schwörer sorgen muß. Ich bin den ganzen Tag unterwegs hier, obwohl ich nichts Wesentliches für mich gefunden habe; es ist Alles längst „in festen Händen“. Könnte man nur den Frieden absehen und – einen Staatsmann finden, der ihn zu schließen verstände. Aber da liegt die Lückeb. Beim Militär klappt Alles glänzend, aber starke Persönlichkeiten fehlen völlig, und müssen bei uns fehlen. Ich komme Sonntag nach H[eidel]b[er]g zurück.2 Herzlichen Gruß! Ihr Max Weber

a Fehlt in O; eine sinngemäß ergänzt.

b Unsichere Lesung.

1 Dies bezieht sich auf Rickerts Annahme des Rufs nach Heidelberg, denn schon zwei Tage später bat das Ministerium für Kultus und Unterricht in seinem Erlaß vom 17. Dez. 1915 an die Philosophische Fakultät der Universität Freiburg (UA Freiburg i. Br., B 3/789) „ baldmöglichst Vorschläge“ für eine Wiederbesetzung des Rickert-Lehrstuhls „vorzulegen“. 2 D. h. am 19. Dezember 1915.

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15. Dezember 1915

Marianne Weber [15. Dezember 1915; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort erschlossen aus dem Briefinhalt in Verbindung mit dem Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 14. Dezember 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446).

Liebes Schnauzele, – die Anlage1 kam heut hierher, obwohl die Adresse an Dich lautete. Schönen Dank für Deinen lieben Brief von gestern. Nein die Reichstagsreden habe ich nicht gehört, nur gelesen.2 Die „Regie“ ist bei uns stets schlecht. Der Frieden ist noch sehr weit, sie wollen alle noch einmal eine große Anstrengung machen. Heut Abend höre ich eine Rede Sering’s über Besiedlung Kurlands (!), – Phantasien[,] als ob wir allein in der Welt wären! Gestern Mittags und Nachmittags bei Ernst und Clara, ganz behaglich, Ernst wie immer, Clara jetzt etwas weniger nervös als vor 4 Wochen. Abends war Martha Benecke hier. Vormittags Herkner, der von Besetzung der Stelle Adolf Wagner’s sprach.3 Den suche ich auch noch auf, ebenso Gierke’s. Es wird sich dann Alles wohl etwas drängen. Samstag oder Sonntag will ich dann fahren. Bis dahin ist Lili wohl aus dem Gröbsten heraus.4 Die Mutter grüßt sehr, ebenso Dein Max Seeßelberg muß oben auf m[einem] Büchergestell liegen. Tantea Neumann muß warten[.]5 a Unsichere Lesung. 1 Der Sachverhalt konnte nicht ermittelt werden. 2 Am 9. Dez. 1915 behandelte der Reichstag nach dem „Überblick zur Lage“ von Reichskanzler Theobald v. Bethmann Hollweg die „Interpellation der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion zur Friedensfrage“, die vom Abgordneten Scheidemann begründet wurde. Vgl. Schulthess 1915, Teil 1, S. 581 – 595. 3 Der zu diesem Zeitpunkt bereits 80jährige Adolph Wagner wurde kurz darauf emeritiert. Vgl. zur Frage seiner Lehrstuhlnachfolge auch die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Gustav v. Schmoller vom 27. Nov. 1915 und den Brief selber, oben, S. 195 – 197. 4 Lili Schäfer wohnte seit dem 14. Dezember 1915 in einem kleinen Häuschen in der Franz-Knauff-Straße 10 in der Heidelberger Weststadt. Vgl. den Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 14. Dez. 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). 5 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 11. Dez. 1915, oben, S. 217, Anm. 7.

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Redaktion der Frankfurter Zeitung [nach dem 19. Dezember 1915]; o.O. Brief; eigenhändig Privatbesitz Die Datierung ist erschlossen aus dem Hinweis auf einen vorherigen Aufenthalt in Berlin. Weber war am 19. Dezember nach Heidelberg zurückgekehrt; vgl. seine Ankündigung an Heinrich Rickert vom 15. Dezember 1915, oben, S. 219, daß er dies am „Sonntag“, d. h. am 19. Dezember, tun werde.

Sehr geehrte Redaktion, –

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anbei sende ich verbindlichst dankend den Bericht (Küntzel) zurück.1 Ich bin noch zu freundlich von ihm angesehen. Denn ich bin gegen jede (europäische!) Annexion, auch im Osten. Vielmehr – wenn es militärisch zu erzwingen wäre – für die Schaffung je eines polnischen, kleinrussischen, lithauischen, lettischen 앚:autonomen:앚 Nationalstaats, mit dem Recht für uns (von Warschau an nördlich)a Festungen zu bauen und zu besetzen (und ebenso strategische Bahnen), für Österreich von Warschau an südlich das Gleiche. Im Übrigen nur: Zollverband mit Polen, Lithauen, dem Letten-Staat, sonst volle Autonomie. Keinerlei deutsche staatliche Siedelungs-Politik außerhalb unsrer Grenzen. Im Westen: militärische Besetzung1) von Namur und Lüttich auf 20 Jahre, mit Pflicht der Räumung und als Pfand dafür, daß Belgien Ostende und die Südgrenze befestigt 앚:und verteidigt.:앚 Weiter nichts (in Euro1)

dauernd: von Luxemburg

a 1 Bei dem „Bericht“ könnte es sich um eine Stellungnahme zu einem memorandenartigen Artikel Webers über die allgemeinen Möglichkeiten und Bedingungen eines Friedensschlusses handeln, der möglicherweise in der Frankfurter Zeitung veröffentlicht werden sollte, aber nicht erschienen ist; vgl. dazu MWG I/15, S. 49 – 67. Bei dem erwähnten Berichterstatter handelt es sich vermutlich um den Frankfurter Historiker Georg Küntzel. Dieser war es auch, der wenig später, am 29. Januar 1916, eine Rede in Frankfurt a. M. über „Bismarck und die Gegenwart“ hielt, in der er sich offensichtlich vehement gegen den FZ-Artikel Max Webers: Bismarcks Außenpolitik und die Gegenwart, Nr. 357 vom 25. Dez. 1915, 3. Mo.Bl., S. 1 f. (MWG I/15, S. 68 – 92) wandte, wobei nach der Rede eine nationalistische Resolution gegen die „Flaumacher“, die sich auf Bismarck zu stützen glaubten, erlassen wurde. Ein Verbot der Zensurbehörde verhinderte, daß die FZ sich zu der Rede Küntzels und dessen Kritik an Weber und der FZ äußern durfte; vgl. dazu die Notizen „Bismarck und die Gegenwart“, ebd., Nr. 29 vom 30. Jan. 1916, 2. Mo.Bl., S. 3, Nr. 30 vom 31. Jan. 1916, Ab.Bl., S. 3, sowie Nr. 31 vom 1. Febr. 1916, 1. Mo.Bl., S. 2.

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pa). Also nur das militärisch Unentbehrliche, keinerlei „Annexionen“. Der Eindruck, den ich in Berlin gewann[,] und sehr einfache politische Erwägungen bestimmen mich dazu. Aber ich gebe es völlig auf, gegen abweichende Ansichten – die Ihrige kenne ich nicht – zu polemisieren. Ich vermuthe, daß das Erreichbare hinter diesen „Optimal“-Forderungen zurückbleiben wird. Mit verbindlichstem Dank und vorzüglicher Hochachtung Max Weber

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Helene Weber PSt 22. Dezember 1915; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 252 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen.

Liebe Mutter,

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schönen Dank für die Sendung. Das in dem Kouvert ist eine Sendung für Alfred, die an mich mit dem Auftrag kam, sie weiter zu schicken. Ich weiß aber seine jetzige Adresse nicht.1 Wir kamen sehr gut über. Die Kinder2 waren recht guter Dinge, Hermann schlief 3/4 Stunden ganz gut. Sonst dachten sie hauptsächlich an den Speisewagen. Lili’s Wohnung ist ganz reizend. Nun, Du wirst ja sehen. Am 24ten gehen wir dort hin, dann kommt sie Abends zu uns (ev. mit Frl. Riegel,a 3 wenn diese Neigung hat). Marianne ist wohlauf, aber tüchtig mit Bescheerung im Lazarett beschäftigt, wofür sie 2000 M4 zusammenhat außer „Fressalien“. Woher das Geld immer noch kommt? Komme bald. Es ist wirklich richtiger. Tausend herzliche Grüße Dein Max

a O: Riedel 1 Alfred Weber stand mit seiner Kompanie im südlichen Elsaß bei Muespach. 2 Max Weber war am 19. Dezember 1915 mit seinen Neffen Albert und Hermann Schäfer von Berlin nach Heidelberg gefahren. 3 Martha Riegel, die als Verlobte des gefallenen Karl Weber galt und in München lebte, war über die Weihnachtstage in Heidelberg. 4 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 3. Dez. 1915, oben, S. 198, Anm. 3.

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Georg von Lukács 23. Dezember [1915]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 22, Bl. 20Rs Der Brief findet sich auf der Rückseite eines Schreibens von Max Dessoir an Max Weber vom 20. Dezember 1915, ebd., Bl. 19 – 20. Darin hatte Dessoir über das gleichzeitig zurückgesandte Manuskript einer Arbeit von Lukács – später veröffentlicht unter dem Titel „Die Theorie des Romans“ (vgl. unten) – kritisch vermerkt: „Nach meiner Meinung ist eigentlich nur der mit II. bezeichnete Abschnitt für den Lesekreis der Z[eit]s[chrift] f[ür] Aesth[etik] geeignet; wenn es sich so einrichten ließe, daß dieser Teil, durch einige Sätze eingeleitet oder vorbereitet, für sich veröffentlicht wird, dann glaube ich versichern zu können, daß er bei allen Lesern ernsthafte u. schätzbare Beachtung finden wird. Sollte der Verf. aber darauf bestehen, daß auch von dem Vorausgehenden etwas mitgeteilt wird, so würde ich wenigstens bitten, erst mit S. 29 (salva redactione) zu beginnen.“ Weiter monierte Dessoir mangelnde „Formung“ und „Übersichtlichkeit“ des Textes: „Ich kann aus der Hypertrophie geistreicher Gedanken den Hauptgang u. die baulichen Grundlinien nur schwer herausfinden. […] Daher sollten mindestens mehr Absätze gemacht, die Hauptsachen stärker herausgehoben u. an passenden Stellen Zusammenfassungen gegeben werden. […] Endlich paßt der Titel nicht in die Gesamtrichtung meiner Zs. Es wäre besser zu sagen: ‚Die Formen der großen Epik. Ein geschichtsphilos. Versuch.‘“ Lukács bestand jedoch darauf, daß die vorliegenden Teile seiner Arbeit vollständig gedruckt würden, und bat Weber in seinem Brief vom 17. Januar 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446), sich bei Dessoir dafür zu verwenden. Offensichtlich hat Weber diesen überzeugen können, den gesamten Text zu veröffentlichen. Er ist erschienen unter dem Titel: Die Theorie des Romans. Ein geschichtsphilosophischer Versuch über die Formen der großen Epik, in: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft, Bd. 11, 1916, S. 225 – 271 und S. 390 – 431, später veröffentlicht als Buch: Dass. – Berlin: Paul Cassirer 1920.

Heidelberg 23.XII. Lieber Herr Doktor! Umstehend die Antwort Dessoir’s, die ich soeben erhalte. Soll ich Ihnen Ihr Manuscript zuschicken? Und wie stellen Sie Sich zu den Wünschen D[essoir]’s? Die äußerlichen (Absätze für die Übersichtlichkeit) werden Sie ja leicht befriedigen. Aber die Fortlassungen? Wie ich Ihnen ja schrieb,1 glaube auch ich, daß die ersten Partien für Jeden[,] der Sie nicht kennt[,] fast nicht verständlich sind. Insofern kann ich also D[essoir]’s Wunsch begreifen. 1 Der Brief an Lukács ist nicht nachgewiesen; zu dessen Inhalt heißt es in der Antwort von Lukács, Mitte Dezember 1915 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446), lapidar: „Daß meine ‚Ästhetik des Romans‘ Sie befremden mußte, sah ich voraus.“

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Mit den besten Wünschen zu Weihnachten und vielen Dank für Ihren freundlichen Brief2 Ihr stets ergebenster Max Weber

2 Gemeint ist der undatierte Brief von Mitte Dezember 1915; vgl. dazu Anm. 1.

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Heinrich Rickert 25. Dezember [1915]; o.O. Brief; eigenhändig UB Heidelberg, Heid. Hs. 2740, Erg. 93, 1.2 (Nl. Heinrich Rickert) Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Das Schreiben steht in Zusammenhang mit der Berufung Rickerts nach Heidelberg; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Rickert, vor dem 31. Oktober 1915, oben, S. 149 – 151.

25.XII. Lieber Rickert! Der Dekan (Geh. Rat Prof. v. Duhn, Werr-Gasse) sagte mir: er habe von Ihnen noch keinerlei Mitteilung, daß Sie angenommen hätten[,] und möchte doch gern in die Lage gesetzt sein, dies amtlich den Kollegen mitzuteilen.1 Auch: ob Aussicht besteht, daß Sie schon Ostern kommen? Wenn Sie Zeit haben, empfände die Fakultät eine kurze Mitteilung gewiß angenehm.2 An Simmel’s Berufung denkt die Regierung (nach Mitteilungen) nicht. Sie wird die 2te Stelle wohl bis nach dem Kriege lassen und nur als Extraordinariat besetzen.3 Driesch will die Fak[ultät] durch die Qualität als ordentl[icher] Honorar-Professor abfinden.4 Für Sie ganz angenehm, daß Ihnen Fredi5 gegenüber das Odium abgenommen wird (Dr[iesch] ist als Dozent jünger als er)[.] Frohes Fest! und gute Lösung

1 Wie der Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg, Friedrich v. Duhn, seinen Kollegen in einem Zirkular vom 21. Dez. mitteilte (UA Heidelberg, H-IV102/141), habe er bislang eine Bestätigung Rickerts für die Annahme des Rufs weder aus Karlsruhe noch aus Freiburg erhalten; er habe davon lediglich durch ein Gespräch mit Max Weber am 20. Dezember 1915 erfahren: Rickert habe durch ein Telegramm an Marianne Weber die Annahme des Rufs mitgeteilt. 2 Rickert hat sich nach Webers Benachrichtigung am 27. Dez. 1915 (UA Heidelberg, H-IV-102/141) an Friedrich v. Duhn gewandt, um ihm die Annahme des Rufs nach Heidelberg zu bestätigen. 3 Der zweite, seit 1906 vakante Lehrstuhl für Philosophie wurde 1918 mit Heinrich Maier besetzt. 4 Der entsprechende Antrag der Fakultät ging am 28. Dez. 1915 an das Ministerium für Kultus und Unterricht (UA Heidelberg, H-IV-102/141), die Ernennung erfolgte am 11. Februar 1916. 5 Friedrich Alfred Schmid.

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der Wohnungsfrage! Wir haben nun meine kleine Schwester [mi]ta Kindern6 eingerichtet. Herzliche Grüße, auch an Sophie und Arnold.7 Ihr Max Weber.

a Lochung. 6 Gemeint sind Lili Schäfer und ihre Kinder Clara, Albert, Max und Hermann. 7 Sophie Rickert und Arnold Rickert, ihr ältester Sohn.

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Heinrich Simon 25. Dezember 1915; Heidelberg Abdruck in: Weber, Max, Gesammelte Politische Schriften. – München: Drei Masken Verlag 1921, S. 459 – 460

Heidelberg, 25.12.1915 – – –a Ich bin allerdings gegen jede Annexion fremdsprachlichen Gebiets auch im Osten. Soll und kann Litauen und das lettische Gebiet (Kurland, Livland) von Rußland losgerissen werden, dann m. E. als Schutzstaaten (deutsches Garnisonsrecht usw.). Es ist doch keine „Entschädigung“ für uns, wenn wir ein Land und Volk erhalten, das uns politisch schwächer macht. Und das wäre der Fall. Die Besiedelung Kurlands und seine Einverleibung gäbe eine absolut unmögliche Grenze. Die Österreicher hätten uns für immer in der Tasche. Das weiß auch Burian1 sehr wohl. In dieser Richtung (Österreich gegenüber) ist die Lage zurzeit höchst gefährlich kompromittiert, falls wirklich, wie ich bestimmt hörte, Polen schon Österreich angeboten ist.2

a Auslassungsstriche in Abdruck. 1 Stefan Graf Burián, der österreichisch-ungarische Außenminister. 2 Gemeint ist das Promemoria vom 13. November, in Wien am 16. November überreicht, hier wiedergegeben nach: Scherer/Grunewald I, S. 211 – 215. Im eigentlichen Promemoria ist allerdings nur indirekt von der Zukunft Polens die Rede. Jedenfalls hat die österreichische Seite die deutsche Aufforderung, „in der ihr geeignet scheinenden Weise Vorkehrungen zu treffen, durch welche eine fortschreitende Slavisierung Österreichs verhindert“ werde, ebd. S. 212, als Zustimmung zu den Vorschlägen Buriáns aufgefaßt, die dieser in seiner Unterredung mit Reichskanzler v. Bethmann Hollweg am 13. August in Berlin über die Zukunft Polens unterbreitet hatte. Zu den Buriánschen Vorschlägen heißt es in einer Denkschrift des Auswärtigen Amts vom 2. September 1915 (ebd., Nr. 140, S. 174 – 179) über die Zukunft Polens: „Wien denkt sich die Angliederung Polens in der Form eines sogenannten ‚Subdualismus‘, d. h. einer Vereinigung der 6 Millionen galizischer Polen mit den neuhinzutretenden 12 Millionen Kongreßpolen in einem Königreich, welches zu Österreich etwa wie Kroatien zu Ungarn stände. Die Folge wäre die Verleihung gewisser autonomer Rechte an die Polen und ihre Ausscheidung aus dem österreichischen Reichsrat, in den sie nur für bestimmte gemeinsame Fragen eine Deputation zu entsenden hätten. Polen würde dadurch finanziell selbständig und nicht mehr[, ] wie bisher Galizien, von Österreich finanziert werden. Hieraus ergäbe sich der Vorteil einer Stärkung des Deutschtums in Österreich.“ Ebd., S. 177. In seinem Begleitschreiben an v. Falkenhayn vom 11. September 1915 bezeichnete v. Bethmann Hollweg diesen Vorschlag als die für die deutsche Seite „noch am wenigsten ungünstige Lösung.“ Ebd., S. 173. Auch schien in der Anlage zum Promemoria vom 13. November, in der u.a. ein langfristiges Zollbündnis vorgeschlagen war, die Formulierung von wirtschaftlichen Konzessionen als „Kompensation für [den]

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Vor allem aber gilt es, die „Erwartungen“ und den „Appetit“ bei uns herunterzuschrauben. Der Friede darf nicht – nicht zu stark wenigstens – hinter den erregten Erwartungen zurückbleiben. Und das ist der Erfolg der bisherigen Haltung der Regierung. (Ich habe schon im September 1914 verlangt, daß man den Ausdruck „Faustpfand“ gebrauchen solle.)3 Die Redaktion der Frankfurter Zeitung dagegen darf m. E. dem Ausland gegenüber die Forderungen nicht zu weit und zu zweifellos einschränken. Das schwächt die Position der Regierung. Ein Privatmann wie ich steht da anders.

etwaigen Verzicht auf Russisch-Polen“ für die Akzeptierung der austropolnischen Lösung zu sprechen. Ebd., S. 214. Nimmt man jedoch die eher gegensätzlichen Aussagen v. Bethmann Hollwegs in seinen Unterredungen mit Burián vom 10. und 11. November 1915 hinzu, so kann von einer eindeutigen Festlegung der deutschen Seite keine Rede sein (Aufzeichnung v. Jagows vom 14. November 1915; ebd., Nr. 167, S. 218 –221). Jedenfalls hat Max Weber das Maß des deutschen Einverständnisses immer überschätzt; vgl. dazu Mommsen, Max Weber 3, S. 232. Mochte die deutsche Haltung schwankend gewesen sein, so machte die Reichsleitung im April unter dem Druck der Heeresleitung und der deutschen Wirtschaftsinteressen eine eindeutige Kehre, indem sie „die Bildung eines autonomen Staates, der zwar nicht zum deutschen Reich gehörig, aber uns militärisch und wirtschaftlich fest angeschlossen sein sollte“, forderte (v. Jagow an Treutler vom 16. April 1916 über ein Gespräch v. Bethmann Hollwegs mit Burián; Scherer/Grunewald I, Nr. 227, S. 306 f.). Mochte der Widerstand in Wien auch zunächst groß sein, so mußte man sich nach den schweren militärischen Rückschlägen des Sommers 1916 den deutschen Vorstellungen beugen. Am 12. August 1916 kamen beide Regierungschefs in Wien überein, daß ein „selbständiges Königreich Polen mit erblicher Monarchie und konstitutioneller Verfassung errichtet werden soll[e]“ (Aufzeichnung über die Verhandlungen in Wien vom 11. und 12. August 1916; Scherer/Grunewald I, Nr. 303, S. 427 f.). Auf den Druck der deutschen Militärs hin wurde am 5. November 1916 das Königreich Polen proklamiert, in der irrigen Annahme, daß man dadurch ein gewaltiges Menschenreservoir für die Kriegsführung gewinnen könne. So wurde am 9. November 1916 auf Drängen Hindenburgs und Ludendorffs ein Appell erlassen, der zum Eintritt in eine polnische Armee unter deutscher Führung zum Kampf gegen Rußland aufforderte – Vorgänge, die Weber immer wieder kritisch beurteilt hat. – Trotz der Proklamation vom 5. November 1916 blieb Polen ein Streitobjekt zwischen der deutschen und der österreichisch-ungarischen Führung, deren wechselnde und differierende Optionen über seine Zukunft immer neue Konfliktpotentiale erzeugten und über die sie bis Ende des Krieges niemals eine definitive Einigung erzielten. 3 Eine entsprechende Äußerung Webers aus jener Zeit ist nicht überliefert.

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Helene Weber 25. Dezember [1915]; [Heidelberg] Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 253 – 254 Jahr und Ort sind aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

25.XII. Liebe Mutter! Schönsten Dank für Deine Karte und Sendung, nebst den Noten, die an die anmutige Stunde damals erinnern.1 – Ich habe s. Z. ganz vergessen, den Dr Fischer zu bitten, uns doch hier einmal zu besuchen, wenn der Weg ihn herführt. Er ist wirklich Einer von den vielen anziehenden Typen junger Leute[,] die in Deutschland jetzt aufwachsen und denen der große Krieg, soweit er sie nicht verschlingt, den festen Ernst und innere Sicherheit, neben der Freude am Leben, geben wird: Erlösung von dem ewigen „Suchen“ nach sich selbst, was doch nur der Ausdruck eines „Sich-Wichtig-Nehmens“ ist, wie es entsteht, wenn keine ernsten sachlichen Probleme den Menschen innerlich an sich binden. Dafür ist gesorgt, daß diese Krankheit nicht wieder kommt. – Gestern waren wir bei Lili. Martha Riegela ging dann nachher mit hierher, nachdem sie sich mit Carl’s Bild entfernt und wohl einmal tüchtig ausgeweint hatte. Sie blieb sehr bewegt, ist doch wirklich angenehm und fein, wenn auch einfach geartet, von viel Takt, hat Manches gesehen (Amerika) und eine Münchener Lebenskraft, von der ich glaube, daß sie ihr schon weiterhelfen wird. Wie sehr die Vergangenheit für Lili aber Vergangenheit ist, befremdete sie vielleicht. Die fühlt sich jetzt hier offenbar in der „Heimat“ geborgen und zum ersten Mal in die Lage gesetzt, ihr Leben so zu leben, wie sie es selbst sich einrichtet. Die Aufgabe, außer den – ja zum Teil 앚:für sie:앚 wirklich etwas anstrengenden, weilb verträumten, – Kindern sich auch noch um eine an-

a O: Riedel

b und > weil

1 Vermutlich handelte es sich um die Mozart- und Haydn-Klavier-Adaptierungen von Edwin Fischer, die Weber mit seiner Mutter am 4. Dezember 1915 im Lyzeums-Klub gehört hatte (vgl. die Briefe an Marianne Weber vom 3. und 9. Dez. 1915, oben, S. 199 und 214). Max Weber hatte am 9. Dezember bei Adele Goldschmidt den jungen Musikhistoriker Dr. Edwin Fischer persönlich kennengelernt. Vgl. die Briefe an Marianne Weber vom 9. und 11. Dez. 1915, oben, S. 214 und 216.

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dre Persönlichkeit zu drehen – sei sie 앚:seelisch:앚 schwer lastend wie Hermann oder körperlich gebrochen wie Carl – ist von ihr genommen. Der wäre sie allerdings bei ihrer Natur nicht gewachsen gewesen. Unsren Baum stecken wir heut an, so daß Marianne, die vorgestern ihr Lazarett bescheerte – offenbar sehr schön und zur Freude der Leute – 3 Mal Weihnachtsabend hat. Montag Abend kommt dann noch Gruhle. Hoffentlich hast Du auch so harmonische Eindrücke durchlebt, – ohne Sorgen um Conrad.2 (Von Alfred war ein kurzer Brief bei Lili: man solle sich nicht sorgen, wenn er jetzt nicht schriebe). – 1. Hast Du wohl noch Zeit, liebe Mutter, die Depot-Scheine auf die Deutsche Bank zu bringen? Wenn nicht (und es ist nicht wichtig, daß es grade jetzt geschieht), dann müßte ich für die Steuer ein Verzeichnis der darin verzeichneten Papiere haben. 2. Könntest Du wohl die Adresse von Herrn Dr Felix Somary (nicht: Somali!)c im Adreßbuch (er steht drin!) feststellen? Ich habe sie leider vergessen mir zu notieren und muß ihm was zurückschicken. Hoffentlich ist mit Valborg nichts Besondres los!3 – Marianne grüßt herzlich. Grüße bitte auch Clara und Ernst. Immer Dein getreuer Max

c Buchstabe l zweifach unterstrichen. 2 Der älteste Enkel von Helene Weber, Konrad Mommsen, kämpfte an der Westfront. 3 Valborg Weber wohnte seit Monaten bei Helene Weber. Während des Aufenthaltes von Max Weber in Berlin zog sie für vier Wochen in eine Pension. Möglicherweise hatte sich ihr Gesundheitszustand – sie war sehr abgemagert (vgl. den Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 8. Sept. 1915, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) – noch nicht gebessert.

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Frieda Gross 27. Dezember PSt 1915; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 14, Bl. 18 – 19 Die Jahresangabe ist aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen.

Heidelberg Ziegelhäuser Landstr. 17 27.XII. Liebe Frau Frieda, – Pellech schickt mir das blöde Testament des Altena (oder vielmehr den Wirrwarr von Testamenten, Beschwörungen, Verfluchungen u.s.w.[,] den er hinterlassen hat).1 Gott sei Dank, daß der Himmel nicht immer so viel Pech und Schwefel auf Vorrat hat, wie s. Z. für Sodom und Gomorrha, sonst müßte vor diesen Flüchen ja die Erde gelb werden. So viel ich sehe, wird es schwer sein, jetzt für Eva etwas zu erlangen, auch nach siegreichem Prozeß.2 Dagegen ist ja die Erziehung des Peter pekuniär gesichert. Ev[entuell] müssen eben Sie testamentarisch Eva bevorzugen, um Ausgleich zu schaffen. – Es ist gut, daß, wie P[ellech] schreibt, Ihr Bruder3 jetzt sich der Sache vielleichtb annehmen wird. Für Alles Andre wird Sie P[ellech] ja ausgezeichnet beraten. Wie schade, daß unser guter Lask dies Alles nicht mehr erlebt. Allein die Bonmots über diese „Testamente“ sind unersetzlich, die er gemacht hätte. Herzlichen Gruß! Lassen Sie auch mal etwas hören. Herzlich Ihr Max Weber

a O: alten b Alternative Lesung: wieder 1 Nach dem Testament von Hans Gross vom 12. März 1912 (Steierm. LA Graz, A IX 1089/15) war sein Enkel Peter Gross der Alleinerbe. 2 Aus dem zweiten Nachtrag des in Anm. 1 genannten Testaments vom 31. Dezember 1912 wird deutlich, daß Hans Gross die Ehelichkeit von Eva Gross durch einen Prozeß bis zur obersten Instanz anfechten und sie keinesfalls als Erbin einsetzen wollte. 3 Gemeint ist Arnold Schloffer, der Anwalt in Graz war.

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Franz Eulenburg 28. Dezember 1915; o.O. Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede und Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 9, Bl. 31 – 33 Der Brief liegt uns in zwei verschiedenen, z. T. differierenden Abschriften vor. Daher werden diese im folgenden mit den Siglen A1 und A2 annotiert. Neben der maschinenschriftlichen Abschrift, die hier zum Abdruck gelangt (A1), findet sich eine weitere, gekürzte Abschrift von der Hand Marianne Webers in: GStA Berlin, Rep. 92, Nr. 30, Bd. 10, Bl. 46 – 47 (A2). A2 ist von Marianne Weber auf den 19. Dezember 1915 datiert.

28.12.15. aIch

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habe mit Vergnügen und Zustimmung Ihren Aufsatz (Schriften des V[ereins] f[ür] S[ozial-]P[olitik]) gelesen.1 Bei weitem das Nützlichste was gegenüber dem Utopismus bisher geschrieben worden ist. Entweder volle Zolleinheit mit Zollparlament pp. (was nicht gemacht wird)2 – oder jene bescheidene Politik, die Sie bisher am besten begründet haben3 …b Völlig stimme ich Ihnen darin bei: daß neben Zoll-

a – a (S. 234) Fehlt in A2.

b Auslassungszeichen in A1.

1 Eulenburg, Franz, Die Stellung der deutschen Industrie zum wirtschaftlichen Zweibund, in: Die wirtschaftliche Annäherung zwischen dem Deutschen Reiche und seinen Verbündeten, Teil 2 (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Bd. 155, Teil 2). – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1916, S. 1 – 127. 2 Für Eulenburg (wie Anm. 1), S. 8, scheiterte die „völlige Zollunion mit Freihandel im Innern“ an „unüberwindlichen Schwierigkeiten“, wobei er als Beispiele „die Verteilung der Zolleinnahmen, die Einrichtung eines Zollparlamentes, die verschiedenen Währungsverhältnisse, die Abweichungen der Rechtsprechung in Handelssachen, endlich die ganz verschiedenen Schutzbedürfnisse der Industrien beider Länder“ nannte. 3 Eulenburg hatte für einen erweiterten Tarifvertrag mit allgemeiner Meistbegünstigung votiert: „In ihm müßten außer dem Zolltarif und dem Niederlassungsverkehr noch folgende Punkte vereinbart werden: 1. Anpassung in der Tarifierung der einzelnen Positionen […]; 2. gleichmäßige Behandlung der Tarifpolitik und Gleichstellung der Güterklassifikation mit Vermeidung der Frachtdisparitäten […]; 3. Ausgleichung der Gültigkeitsdauer des Patent-, Muster- und Markenschutzes […]; 4. Schaffung von neutralen Zollinstanzen aus Vertretern beider Länder, die nicht mehr einseitig das fiskalische Interesse lediglich eines der beiden Staaten wahrnehmen; 5. schnellere Entscheidungen in Verzollungsbestimmungen und Rücksichtnahme der Rechtsprechung auf die Interessen des anderen Landes bei Handelsstreitigkeiten; 6. Sicherung der Zahlungsbedingungen bei Lieferungen des Nachbarlandes; 7. Wesentliche Erleichterung des Veredelungsverkehrs und des freien Zollverschlusses, sowie des Durchgangsverkehrs nach dem Balkan: im Sinne einer Erleichterung des Güteraustausches.“ Wie Anm. 1, S. 13f.

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satz-Bindungen (und zu erstreben ist m. E. vor allen Dingen: langfristige Stabilität der Sätze als Voraussetzung von allem anderen, einerlei wie hoch die Sätze sind) Verwaltungs-Präferenzenc wichtig sind: gegenseitige gleichberechtigte Beteiligung bei Staats- etc. Submissionen, Zollgerichtsbarkeit gemeinsam, Warenlisten und Art der Spezialisierung gemeinsam, wenn möglich: Valuta-Umrechnungskurs fest zu regeln (nicht leicht, die wechselnde Devisennotierung müßte zugrunde gelegt werden, sonst fallen wir eklig hinein!). Gleiche Art der Abfertigung, Güterwagenkartell (für dauernd), Eisenbahn-Tarif-Abkommen, Patent etc.-Gemeinschaft usw. und dann die Bedingung für jede Meistbegünstigung höchsten Grades, daß sie nur gegen die gleichen Konzessionen Dritter gewährt wird. Ferner daß sie nur gewährt wird, wo vertragsmäßig für das Kriegsvölkerrecht die jetzige Konfiskationspraxis ausgeschlossen und die Zwangs-„Aufsicht“ über die Unternehmungen des Gegners im Inland neutralen Beamten anvertraut wird (gegen England gerichtet).a Was bei mir persönlich trotz aller der sehr berechtigten Bedenken, die am besten bisher von Ihnen formuliert sind, dend Gedanken der Propaganda für die „Annäherung“ eauch in Form von „Bevorzugung“e zur Zeit und nurf zur Zeit seinen Reiz verleiht, ist: die Chance,g daß durch den Hinweis auf die mögliche Hebung der agrarischen Leistungsfähigkeit Ungarnsh 4 deni ganz verrückten Plänenk: Autarkie in Nahrungsmitteln durch Eroberungen im Nordosten l(Ostseeprovinzen)l zu ermöglichen, wirksam entgegengetretenm werden könnte. – Aber das zentrale Problem ist nzur Zeitn Polen. Es scheint, daß das Auswärtige Amt Kongreßpolen den Österreichern schon angeboten hato mit der Anfrage: unter welchen Bedingungen Österreich es zu nehmen bereit sei.5 Diese politisch (Oberschlesien!) höchst gefähr-

c A1: Verwaltungs-präferenzen d A2: dem e In A2 eingeklammert und gestrichen. f A2: nur: g Komma fehlt in A1. h A2: Ungarns, i A1: die > den k A1: Pläne l In A2 gestrichen. m A2: entgegen getreten n A2: z. Z. o A1, A2: hat, 4 Nach Eulenburgs Urteil besaß Ungarn „den besten Weizenboden der Welt“, produzierte allerdings bisher „nur 121/ 2 mz pro Hektar gegen 191/ 2 in Deutschland“, könne aber – unter intensiver Bodenbestellung – seinen Weizenertrag verdoppeln. Wie Anm. 1, S. 104. 5 Weber bezieht sich hier auf das ihm – gerüchtweise – bekannt gewordene Promemoria des Auswärigen Amts vom 13. November 1915; vgl. dazu den Brief an Heinrich Simon vom 25. Dez. 1915, oben, S. 228 f., Anm. 2.

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liche Lage erfordert die Fragestellung: a)p wie würde sich die Beziehung zu Österreich-Ungarn dannq stellen? Es ist klar, daß wir dann rwohl oder übelr sgar nichts umhin könnten, sehr feste Bindungen einzugehen, auch ökonomische und zollpolitische. Welche? t – ub) Die Kartellorganisation ist eine wichtige Sache. Wir bekommen ja sicher Zwangskartellierungen massenhafter Art mit – nehme ich an – Pauschaltributen der zwangskartellierten Betriebe: Bier, Tabak, Schnaps, Zucker, Kali[,] vielleicht andere Montanprodukte usw. usw. aus finanziellen Gründen (wo soll das Geld sonst herkommen?) Welche? welche sind international möglich (deutsch, österreichisch, ungarisch?).6 Bei Pauschalsteuer des Kartells als solchem fällt auch das Bedenken, daß schwache Betriebe durchgeschleppt werden[,] fort. (Im Gegenteil!) Welche deutsch-österreichisch-ungarischen Kartelle sind heute überhaupt denkbar?7 In der Textilbranche (wenn überhaupt!) scheint es erst „nach 10 Jahren“, wie Sachverständige sagen. Dies Problem müßte wohl noch eingehender als bei Ihnen erörtert werden, um letzte Klarheit zu schaffen. Ich bin auch da sehr skeptisch.u Für klug halte ich es taktisch, trotz großer Skepsis[,] vorerst mit Naumann, Jäckh, Somary mitzuarbeitenv 8 unter der Annahme: w„es kommt etwas heraus“w – vielleicht etwas ganzx anderesy, äußerlich unendlich bescheideneresa als diese hoffen – um diese immerhin tüchtigen Leute nicht mit den Phantasten zusammen zu treiben. Tunb Sie das cdoch bittec gegebenenfalls auch!d Für mich ist das politische Problem: Polen das zen-

p In A2 gestrichen. q A2: dann r Fehlt in A2. s A2: garnicht t A2: Welche u – u Fehlt in A2. v A2: mitzuarbeiten w Anführungszeichen fehlen in A2. x A2: ganz y A2: Anderes a A2: Bescheideneres, b A2: Thun c A2: doch, bitte, d A2: auch. 6 Als internationale Kartelle, an dem österreichische und ungarische Betriebe bislang schon beteiligt waren, nannte Eulenburg (wie Anm. 1), S. 101, „das der Seidenfärbereien, der Druckknopffabrikanten, der Glühlampenindustrie, das Zementkartell, die Zinkkonvention“. 7 Eulenburg (wie Anm. 1), S. 101, hatte an schon bestehenden deutsch-österreichisch-ungarischen Konventionen „das Kartell der Porzellanfabrikanten, das der Kravattenstoffabriken, das Hartsteingutkartell, Jutekartell“ sowie die „Superphosphatkonvention“ aufgezählt. Allerdings hatte er ausdrücklich darauf hingewiesen, daß nicht alle Industriezweige in gleichem Maße „kartellierungsfähig“ seien: „am allerwenigsten die Industrien der Fertigprodukte und der Spezialartikel, auf denen doch zum Teil die Stärke der deutschen Ausfuhr und die Schwäche der ö[sterreichisch]-u[ngarischen] Industrie beruht.“ Ebd., S. 102. 8 Gemeint ist die Mitarbeit im „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“.

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tralee. fDas haben Sie mit Recht vorerst ausgeschaltet.f Ist aberg Einverleibung in Österreichh undiskutabeli, Einverleibung in Preußen erst recht (Freizügigkeit kdieser Judenk zu uns!l)[,]9 so muß erörtert werden, welche zollpolitische Behandlung Polens, wenn es m„Schutzstaat“m beider Mächte wird, richtig ist. Dies setzt Einverständnis und Einigung beider auch außerhalb dieses speziellen Problems voraus, sonst geht es nicht. Frage: worauf n soll sich das Einverständnis erstrecken? oErwägen Sie doch auch diese Dinge einmal.o

e A1: Zentrale f – f Fehlt in A2. g In A2 gestrichen. h A2: Östreich i A2: indiskutabel k A2: dieser Juden l A2: uns!! m Anführungszeichen fehlen in A. n A2: Worauf o Fehlt in A2. 9 Dies war auch die Auffassung der deutschen politischen Führung: „Die Annexion an Preußen […] wäre aus naheliegenden Gründen die unglücklichste Lösung für uns. Jeder Zuwachs an polnischen und jüdischen Staatsangehörigen wäre ein nationales Unglück“ (Denkschrift v. Jagows vom 2. September 1915, abgedruckt in: Scherer/Grunewald I, Nr. 140, S. 174 – 179, insbes. S. 176). Laut Adolf Friedmanns Angaben in seinem Artikel: Die Bedeutung der Ostjuden für Deutschland, erschienen in: Süddeutsche Monatshefte, Februar 1916, Jg. 13, Bd. 1, 1915/1916, S. 674 – 681, betrug die Einwohnerzahl von Kongreßpolen im Jahre 1913 9 919 000 Polen und 1 957 000 Juden. Ebd., S. 677.

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Martha Riegel 1. Januar 1916; Heidelberg Abschrift; handschriftlich Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 8, Bl. 11 – 13

Heidelberg, 1.1.1916 Liebes Fräulein Marthaa; –

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Ich möchte Sie nicht gern ohne einen herzlichen Abschiedsgruß scheiden lassen.1 Die Weihnachtszeit und die für uns Alle neue Lage mit ihren vielerlei ablenkenden Überlegungen, auch die großen Entfernungen brachten es mit sich, daß wir weniger dazu kamen von dem zu sprechen, was uns Allen am nächsten lag[,] als ich gehofft hatte, und ich kann nur hoffen, daß dieser Besuch recht bald unter günstigeren Umständen wiederholt wird. Denn Sie sind eben doch das einzig Lebendige, was uns von unsrem Bruder geblieben ist.2 Nach der Kunde, die einige schlimme Stunden der Selbst앚:un-:앚 sicherheit diesemb innerlich so vornehmen 앚:Menschen:앚 zugefügt hatten, war es eine Fügung, für die wir Alle in großer Ergriffenheit dankbar sind, daß ihm zuletzt das zu teil wurde, was Sie ihm gegeben haben.3 Er hat, noch einmal auf die Höhe des Daseins gehoben, Umschau gehalten über sein ganzes, in Vielem schweres und doch auch schönes Leben, und er hat sich vor allem, seiner selbst und seines Wertes wieder ganz sicher fühlen können. Nach langen Jahren selbstauferlegten Entbehrens grüßte ihn die warme Herrlichkeit des Lebendigen, er

a Riegel > Martha

b dieses > diesem

1 Martha Riegel, die in München lebende Freundin des verstorbenen Bruders Karl, hatte die Weihnachtszeit 1915 in Heidelberg verbracht. Vgl. den Brief an Helene Weber vom 25. Dez. 1915, oben, S. 230 f. 2 Karl Weber war am 22. August 1915 gefallen. 3 Gemeint ist vermutlich die ärztliche Mitteilung einer ernsten Herzerkrankung und die daraus sich ableitende „Selbstunsicherheit“ von Karl Weber. Zu Kriegsbeginn hatte er sich als Reserveoffizier freiwillig an die Front gemeldet, war aber nach kurzem Einsatz gesundheitlich zusammengebrochen. Ärztlicherseits war ihm deshalb von einer weiteren Kriegsteilname abgeraten worden. Nach seiner Genesung bildete er in Ingolstadt Truppen aus und lernte Martha Riegel kennen, mit der er ein Liebesverhältnis hatte. Doch sein Pflichtgefühl veranlaßte ihn, sich erneut an die Front zu melden. Vgl. die Editorische Vorbemerkung und den Brief an Helene Weber vom 4. Sept. 1915, oben, S. 115.

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wurde noch einmal jung und 앚:einig:앚 mit sich selbstc, ehe er in den Tod ging. Den hat er zwar nicht erwartet – wie gern hätte er mit Ihnen weitergelebt! – aber auch nicht gescheut. Ob sein Körper dauernd stand gehalten hätte, wenn er wiederkam, können wir heute nicht enträtseln. So wie wir, als er zuletzt hier war,4 sein Schicksal vor ihm liegen sahen, schien seine Zukunft dunkel. Und wenn er Ihnen nicht begegnet wäre, so hätte sein Tod für uns nichts Versöhnendes gehabt. Ihnen aber war es beschieden ihn sich selbst ganz zurückzugeben. Hoffnung begleitete ihn, und er ist nicht auf einem Abstieg, sondern auf der Höhe des Glücks geschieden. Schmerzvoll bleibt mir, daß dem Vertrauen[,] zu dem wir grade zuletzt miteinander gelangt waren, nicht noch einige Frist gewährt wurde. Denn in Manchem waren wir einander ähnlicher, als er vielleicht hat empfinden können. Mußte aber einmal geschieden sein, so sind wir Alle dankbar, daß es so kam dem Schicksal und vor Allem: Ihnen. Welche schwere Trauer der 앚:Verlust des:앚 Reichtums, den diese Gemeinschaft auch Ihnen, wie wir fühlen, gebracht hat, über Sie verhängt, vermögen wir wohl zu ermessen. Es ist ja nicht nur, und oft nicht einmal hauptsächlich, dies: daß das Große[,] was in unser Leben eintrat, uns nun entrissen ist und vergänglich war, was so schwer zu tragen ist. Sondern vielleicht noch mehr: daß das Leben um uns trotzdem weiter rollt und an uns den Anspruch stellt, auch von uns weiter gelebt zu werden, wo es doch so farblos und gleichgültig gewordend scheint. Das steigert uns so leichte den Eindruck der Sinnlosigkeit jenes Verlustes und so des Lebens überhaupt. Nun weiß ich wohl, daß die Eingriffe des Schicksals in unser Leben oft sinnlos oder doch ganz unverständlich sind. Aber nicht immer. Und vor Allem gebietet uns nichts an ihnen zu zerbrechen. Ihre freie und starke Natur ist Großem gewachsen und die schöne Menschlichkeit, mit der Sie diesen innerlich so echten Menschen genommen haben und nahmen[,] sichert Sie dagegen, nur das zu fühlen, was nun nicht mehr da ist. Ich danke Ihnen für das mir wertvolle Vertrauen, welches Sie mir erlauben ließ, über die Vergangenheit mit Ihnen so zu sprechen, wie

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e lange > leicht

4 Das letzte Zusammentreffen der Brüder Karl und Max Weber hatte im Februar 1915 in Heidelberg stattgefunden.

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mir zu Mute war. Es wäre noch Vieles zu sagen, und ich kann nicht denken, daß Sie uns nicht künftig gestatten werden an Ihrem Leben – von dem dies Mal so wenig die Rede war! – teilzunehmen. Ich hoffe Sie erlauben mir, wenn ich einmal nach München komme, Sie dort aufzusuchen[,] und richten sich inzwischen auf ein recht baldiges Wiederkommen ein. Inzwischen darf ich hoffen, durch Lilli5 von Ihrem Ergehen zu hören. Sollte es sich gar einmal fügen, daß wir Ihnen – irgendwie – einen Dienst leisten können, so möchte auch ich hoffen nicht aus Ihrer Erinnerung entschwunden zu sein. Nehmen Sie noch einmal unsren herzlichen Dank und die Hoffnung baldigen Wiedersehens. Ihr Max Weber.

5 Lili Schäfer stand in einem engen Kontakt zu Martha Riegel.

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Franz Eulenburg 2. Januar 1916; o.O. Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede und Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 9, Bl. 33 – 35

2.1.16. Für den Bund „Neues Vaterland“1 habe ich nach dem wenigen, was ich davon hörte, an sich nicht sehr viel Sympathie: „gute Kerle, schlechte Musikanten“,2 scheint mir vorerst. Aber das braucht doch nicht zu hindern, daß ein sachlich nützlicher Artikel von Ihnen unter dieser Flagge läuft,3 wenn das sonst nichts Verpflichtendes bedeutet. Indessen, leider bin ich da schlecht informiert, denn ich habe mich[,] seit ich militärisch überzählig wurde,4 sehr zurückgehalten und auch in Berlin, wo ich kurz war, wenig Leute gesehen. Es ist bei den Regierungsstellen Überangebot an geistigen Hilfskräften. Diese Seringsche Kolonisation von Kurland5 halte ich schon rein politisch-geographisch einfach für thöricht und sonst weiß niemand[,] was man will und wollen soll, und das 1 Der am 16. November 1914 in Berlin gegründete, pazifistisch ausgerichtete „Bund Neues Vaterland“ wandte sich in seiner Tätigkeit gegen jeglichen Annexionismus und setzte sich für internationale Völkerverständigung ein. 2 Der Spruch in seiner jetzigen Form findet sich in E. T. A. Hoffmanns „Seltsame Leiden eines Theater-Direktors“, anonym erschienen 1819, S. 198, sowie in dessen „Kater Murr“ von 1820, 2. Abschnitt. Ein ähnlicher Spruch findet sich in Clemens Brentanos Lustspiel „Ponce de Leon“, 1804, V, 2: „Diese schlechten Musikanten und guten Leute …“. Vgl. hierzu sowie zur weiteren Vorgeschichte: Geflügelte Worte. Der Zitatenschatz des deutschen Volkes, gesammelt und erläutert von Georg Büchmann, 31. Aufl., durchgesehen von Alfred Grunow. – Berlin: Haude & Spener 1964, S. 285 (hinfort zitiert als: Büchmann, Geflügelte Worte). 3 Ein entsprechender Artikel Eulenburgs ist nicht erschienen, dies auch deshalb, weil dem „Bund Neues Vaterland“ wenig später – im Februar 1916 – jegliche Tätigkeit untersagt wurde. 4 D. h. nach der Auflösung der Lazarett-Kommission in Heidelberg im August 1915; vgl. dazu die Karte an Marianne Weber vom 17. Aug. 1915, oben, S. 92. 5 Weber bezieht sich hier in erster Linie auf den Vortrag Max Serings, den dieser in Berlin in der „Deutschen Gesellschaft von 1914“ am 15. Dezember 1915 über seine Studienreise nach Kurland und Litauen gehalten hat. Nach einem Rundschreiben Serings vom 6. Dez. 1915 (BA Koblenz, Nl. Max Sering, Nr. 151) sollte sein Vortrag „am nächsten Montag“ (d. h. dem 13. Dezember 1915) stattfinden, wurde aber anscheinend um zwei Tage verschoben; vgl. dazu den Brief an Marianne Weber vom 15. Dez. 1915, oben, S. 220. Zu Serings Studienreise nach Litauen und Kurland auf Veranlassung des Auswärtigen Amtes und zu deren Bedeutung vgl. Fischer, Fritz, Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland. – Düsseldorf: Droste 1961, S. 345 – 352.

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ist das Schlimme. Wirklich, es wäre sehr wichtig, wenn Sie sich im weiteren Verfolg Ihrer Arbeit dem polnischen Problem zuwendeten. Mein Kopf akzeptiert das Polnische nicht mehr – ich versuchte es – aber unentbehrlich ist es nicht. – Schmoller und sein Kreis kann Ihnen leicht Beziehungen verschaffen. Ich sehe zur Zeit alle Ostprobleme stark unter diesem Gesichtspunkte. Es kann sein, daß wir – wenn Polen gemeinsamer „Schutzstaat“ beider Verbände6 werden sollte, einfach genötigt sind, quand même und auf Kosten aller ökonomischen Ratio in irgend ein Gemeinschaftsverhältnis (zu dritt mit Polen!) einzutreten. Ich nehme an, daß Naumann sich an Sie wenden wird7 …a Die Realteilung Polens wird uns – denn für die Polen wären natürlich nur wir das Karnickel!b – den Todeshaß der Polen zuziehen. Meinen Archivaufsatz8 schickte ich deshalb nicht, weil ich 1. nicht annahm, daß Sie ihn lesen würden, 2. weil er gedruckt[,] so wie er vor dem Kriege dalag[,] viel zu breit geblieben ist, Wiederholungen und dringend verbesserungsbedürftige Formulierungen enthält, kurz mich noch weniger befriedigt als vieles Andere, was ich verbrochen habe. Problemstellung und Methode halte ich für nützlich, die wesentlichen Resultate des Ganzenc für richtig. Und nun: „Bücher“.9 Die Art[,] wie er sich zu Ihnen und Plenge stellte, war mir seit vielen Jahren ebenso zuwider wie unverständlich. Seine Antwort „Man kann sich doch bei lebendigem Leibe rösten lassen“ auf eine entsprechende Frage von mir, sagte genug. Ich habe ihn mit seiner Krankheit und seinem eigenen, früher ja auch einmal nicht leichten, Leben in manchem entschuldigt. In der traurigen Sache mit Plenge10 damals auch etwas mit P[lenge]s ja nicht gerade bequemem Temperament. Immerhin, es war schlimm und vieles war unentschuldbar. Und

a Auslassungszeichen in Abschrift. b In Abschrift: Karnikel! c In Abschrift: ganzen 6 Gemeint sind das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn. 7 Ein entsprechendes Schreiben von Friedrich Naumann ist nicht nachgewiesen; der Nachlaß von Franz Eulenburg ist durch Kriegseinwirkungen vernichtet worden. 8 Gemeint ist: Weber, Max, Einleitung und Konfuzianismus I, II sowie III, IV und Zwischenbetrachtung. 9 Im folgenden geht es um das Verhältnis von Karl Bücher zu den langjährigen Privatdozenten Franz Eulenburg und Johann Plenge. 10 Im Jahre 1913 war es zu einem schweren Streit Plenges mit Bücher gekommen; vgl. dazu die Briefe Webers an Plenge vom 21. Jan. und 18. März 1913 (MWG II/8, S. 50, Anm. 9, sowie S. 130f.).

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jetzt die Hetze gegen sein Projekt11 (ich finde ja, er[,] P[lenge][,] macht allzu Breites daraus) durfte Bücher keinesfalls mitmachen.12 Aber was Sie jetzt schreiben, überbietet eigentlich doch alles. Und da ich weiß, daß jedes Wort, was Sie da sagen, objektiv zutrifft, so ziehe ich auch für mich die Konsequenzen. Ich werde ihn nicht mehr wiedersehen. Denn alles hat eine Grenze und das mir Unerträgliche ist, daß hier sein Tun mit dem, was er mir und Anderen ganz unaufgefordert stets über Sie und seine angeblichen Absichten Ihnen gegenüber gesagt hat, in einem Widerspruch steht, den keine Kunst zusammenbringt. Er ist offenbar ein ganz roher Knote und Egoist. Ich kann nicht umhin, ihn als Gelehrten in Vielem zu bewundern, auch heute. Aber es scheint, daß er als Mensch und akademische Persönlichkeit doch ganz im Subalternen stecken geblieben ist und auch die aller elementarsten Verpflichtungen nicht kennt, ohne welche jede persönliche Beziehung sinnlos wird. Und auch rein sachlich: Schon die Berufung von Stieda (statt Dietzel oder so manchen Andern)[,] dann gar von Schmid war unentschuldbar.13 Bei allem Respekt vor den Verdiensten jedes von Beiden. Dr. Neurath macht ja wirklich tüchtige Arbeiten (freilich eine antike Wirtschaftsgeschichte nur auf Grundlage der alten Literatur geht nicht)[.]14

11 Es geht hierbei um den Plan einer Unterrichtsanstalt für die Ausbildung praktischer Volkswirte. 12 Karl Bücher galt als Inspirator bzw. Verfasser eines anonym erschienenen Artikels, betitelt: Rheinisch-westfälische Nationalökonomie – mit dem redaktionellen Zusatz: „Aus Universitätskreisen wird uns geschrieben:“, veröffentlicht in: Vorwärts, Nr. 230 vom 21. Aug. 1915, S. 1 f. Der Artikel wandte sich in seinem letzten Teil vehement gegen Plenges Ausbildungsprojekt für angehende Volkswirte, das vom Verein deutscher Eisen- und Stahlindustrieller finanziert werden sollte. Er endete mit der Schlußfolgerung, daß, da „die bürgerlichen Parteien diese neueste Pflanze im deutschen Wissenschaftsgarten nicht als Unkraut empfinden dürften, […] es den sozialdemokratischen Abgeordneten im preußischen Abgeordnetenhaus wohl allein vorbehalten bleiben“ werde, „sich mit diesem neuesten Bemühen der Kapitalisierung der wissenschaftlichen Nationalökonomie zu befassen.“ Vgl. dazu Krüger, Dieter, Nationalökonomie im wilhelminischen Deutschland (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, hg. von Helmut Berding, Jürgen Kocka, Hans-Ulrich Wehler, Bd. 58). – Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1983, S. 105 f. 13 Wilhelm Stieda war 1898 zum ordentlichen Professor der Nationalökonomie nach Leipzig berufen worden, Ferdinand Schmid 1908 auf den dortigen Lehrstuhl für Statistik und Verwaltungslehre gelangt. 14 Neurath, Otto, Antike Wirtschaftsgeschichte (Aus Natur und Geisteswelt. Sammlung wissenschaftlich-gemeinverständlicher Darstellungen, Bd. 258). – Leipzig: B. G. Teubner 1909.

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Er ist keine Null. Aber daß ihmd etwas Ihnen gegenüber „reserviert“ werden soll, ist allem akademischen Brauch nach einfach Unsinn. – Es ist für mich und Andere seit langem peinlich – nachdem es uns selbst seinerzeit so unverhältnismäßig leicht gemacht wurde – Sie in dieser Misere und Stickluft zu wissen. Ich kann mir nicht denken, daß das noch lange dauert.15 Läßt sich ein direkter, äußerlich staubaufwirbelnder „Krach“ vermeiden, so wäre das gut; ich weiß[,] was er schadet und leider auch über welche Machtmittel B[ücher] verfügt. Und das wäre rein sachlich für künftig schade; denn der Durchschnitts-Ordinarius verzeiht Ihnen schon Ihren „Nachwuchs“ nicht.16 Ihre Beurteilung all dieser Sachen und Ihre Stellungnahme muß jeder restlos für berechtigt halten. Aber es kann ja einfach nicht so bleiben. Ich hoffe, daß es Ihnen sonst erträglich geht. Ihre Arbeitskraft scheint in gutem Stande, was ich von mir nicht sagen kann, seit Jahren.

d In Abschrift: ihn 15 Tatsächlich ist Franz Eulenburg ein Jahr später – im Jahre 1917 – an die Technische Hochschule Aachen berufen worden. 16 Anspielung auf Franz Eulenburgs Schrift: Der „akademische Nachwuchs“. Eine Untersuchung über die Lage und die Aufgaben der Extraordinarien und Privatdozenten. – Leipzig und Berlin: B. G. Teubner 1908. In dieser Enquete, die auf Beschluß des Ersten Deutschen Hochschullehrertages durchgeführt worden war, hatte Eulenburg auf die wachsende qualitative und quantitative Bedeutung der Extraordinarien und Privatdozenten im Universitätsleben bei gleichbleibender Exklusivität der Ordinarien hingewiesen. Seine Ergebnisse waren auf z. T. erbitterte Kritik gestoßen, u. a. von Lujo Brentano – vgl. dazu den Brief an Brentano vom 11. Aug. 1908 (MWG II/5, S. 629) –, und beeinflußten nach Webers Meinung in nachteiliger Weise Eulenburgs Berufungschancen.

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Hans W. Gruhle 10. Januar 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig Nl. Hans W. Gruhle, BSB München, Ana 612

Hbg 10/1 16 Verehrter Freund, – anach

Mitteilung von Gothein hat die Regierung (Schwörer) vorgeschlagen – zunächst mündlich – Jaspers zum (Titular-)Extraordinarius der Psychologie (ohne Lehrauftrag) zu machen und wird die Fakultät das wohl gern thun.a 1 Beide wesentlich deshalb, weil diese damaligen Erörterungen (Häberlin pp) endlich ihren Abschluß finden sollten.2 Ebenso wie Driesch durch eine „ordentl[iche] Honorarprofessur“ erledigt werden soll.3 Ich wollte Ihnen das doch mitteilen. Denn mit aller Schätzung, die wir 앚:beide:앚, auch bei abweichender Ansicht, von Jaspers wissenschaftlich, und aller Zuneigung, die wir – bei allen seinen etwas schärfer gewordenen Kanten – für ihn als Menschen haben, ist es mir persönlich doch eine Unadäquatheit, daß nun von Ihnen, mag Ihnen die Sache an sich erwartet und innerlich letztlich gleichgültig sein, zunächst gar keine Rede ist. Es ist ein elender Zustand, daß Sie in der medizinischen (vollends: nur in der medizinischen) Fakultät habilitiert sind,4 so sehr einzusehen ist, daß es nun einmal nicht anders, zunächst wenigstens, ging. Objektiv hätte Jaspers, dem ich das ja ebenso gönne wie Sie, an sich ruhig noch etwas warten können und auch die „Erledigung“ solcher „Fragen“ wie die der Psychologie hier an der Universität, nur um sich ein Problem (auch ein finanziell relevantes) a – a Vertikaler Randstrich mit eigenhändiger Anmerkung Max Webers: Vorerst durchaus vertraulich. 1 Tatsächlich ist Karl Jaspers – auch unter tätiger Mithilfe des neuberufenen Heinrich Rickert und der Fakultät – 1916 zum außerordentlichen Titularprofessor ernannt worden. 2 Paul Häberlin sollte im Jahre 1913 zunächst einen Lehrauftrag für Psychologie und Pädagogik, später dann ein Extraordinariat erhalten; zum Verlauf dieser Fakultäts-Initiative vgl. den Brief an Karl Jaspers vom 6. Juli 1913 (MWG II/8, S. 265, Anm. 1). 3 Dies geschah ebenfalls im Jahre 1916; vgl. dazu den Brief an Heinrich Rickert vom 25. Dez. 1915, oben, S. 266, Anm. 4. 4 Weber hatte Gruhle in seinem Brief vom 28. Juli 1913 (MWG II/8, S. 285 – 287) geraten, sich nicht nur in der Medizinischen, sondern auch in der Philosophischen Fakultät zu habilitieren; Gruhle hatte aber darauf verzichtet.

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leidlich vom Halse zu schaffen, ist mir nicht ein um seiner selbst willen erstrebenswertes Ziel. Indessen ich sehe ein, daß wohl nicht viel Anderes – nach Lage der Situation – zu machen war. Die sehr objektive Art, in der Sie uns damals mit beraten haben,5 ergab auch wenig Chancen einer befriedigenden Lösung. Auf Wiedersehen, herzlichen Gruß Ihr Max Weber

5 Vermutlich bei dem Versuch, Paul Häberlin für Heidelberg zu gewinnen; vgl. dazu Anm. 2.

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Gustav von Schmoller 10. Januar 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Gustav von Schmoller, Nr. 208a, Bl. 3 – 8 Bezug: Brief Gustav von Schmollers vom 8. Januar 1916 (Abschrift masch.; GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Gustav v. Schmoller, Nr. 157, Bl. 26). Darin hatte Schmoller auf Artikel in der „Frankfurter Zeitung“ sowie in der „Deutschen Juristen-Zeitung“ verwiesen, die sich mit Robert Michels beschäftigten, wobei dessen Name nicht mehr mit dem AfSSp in Verbindung gebracht wurde: „Ich gestehe, daß ich für Michels immer etwas übrig gehabt habe und daß es mir leid tun würde, wenn der Draht zwischen der deutschen Wissenschaft und ihm völlig risse. Daher wäre ich Ihnen zu großem Danke verpflichtet, wenn Sie mich über die Haltung von Michels seit Kriegsbeginn ein wenig aufklären und mir namentlich über die Gründe einigen Aufschluß geben würden, die zum Bruche zwischen Ihrem Archiv und Michels führten. Da Michels auch seit langem Mitarbeiter an meinem Jahrbuch ist, möchte ich vor einer Entscheidung möglichst klar sehen.“

Heidelberg 10/1 16 Hochverehrter Herr Professor! Ich beantworte gern Ihre Anfrage betr. Michels. 1. Seine Streichung vom Titel des „Archiv“ erfolgte auf seinen Wunsch,1 der begründet wurde durch seine „innere und äußere Lage“, durch die Befürchtung, Sombart könne weitere, von ihm (M[ichels]) nicht zu deckende, nationalistische Publikationen (à la „Händler und Helden“)2 von sich geben[,] und durch das Bedürfnis, sich selbst nach Belieben auch anders als uns (S[ombart] und mir) vielleicht recht sei, zu äußern. Dem Begehren wurde sofort stattgegeben. Nachträglich knüpfte sich daran eine Korrespondenz zwischen Michels und mir,3 die zu einem persönlichen Bruch führte, weil ich mich veranlaßt sah, ihn in scharfer Art auf die Pflichten aufmerksam zu machen, welche ihm seine deutsche Abkunft auferlege. Die Thatsachen waren folgende:

1 Diesen Wunsch hatte Robert Michels am 21. Mai (Abschrift masch.; GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Werner Sombart, Nr. 17, Bl. 291) geäußert; zum Inhalt seines Schreibens an die Mitherausgeber des AfSSp vgl. den Brief an Michels vom 27. Mai 1915, oben, S. 54, Anm. 1. 2 Sombart, Werner, Händler und Helden. Patriotische Besinnungen. – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1915. 3 Vgl. dazu die Briefe an Michels vom 20. Juni, 9. Sept. und 21. Okt. 1915, oben, S. 65 – 67, 132 – 135 und 145 f.

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2. M[ichels] ist Wahl-Italiener.4 Die Kinder5 sprechen1) natürlich, daa sie die italienischen Schulen besucht haben, als eigentliche Sprache italienisch (ob jetzt, weiß ich nicht, glaube es eigentlich nicht), die Frau6 verließ Italien noch weniger gern als er; wirtschaftliche Gründe erzwangen die Annahme der Stelle.7 Ganz unwahr ist, daß er sich „Michele“ etc. genannt habe. Auf Visitenkarten etc. nannte er sich in Turin Roberto – was schließlich recht einerlei und begreiflich ist. – M[ichels] liebt Italien und die Italiener mit der ihm eignen Leidenschaft, von je her. 3. Zu Anfang des Krieges war M[ichels] in Turin, wo Loria, der Schwindler (m. E.!)[,] Guglielmo Ferrero (Schwiegersohn Lombroso’s) u. A. ihn „einseiften“ und die „Hunnen“-Nachrichten der dortigen Presse ihm allein vorlagen (Belgien, Löwen! dann Reims!)[.]8 In diesem psychologisch zufällig unglücklichen Moment schrieb ihm Joël (Basel): „er möge doch angesichts der maßlosen Beschimpfungen Deutschlands in der italienischen Presse dort Dasjenige sagen, was er an Positivem für sein Vaterland zu sagen habe.“9 M[ichels] hat Das ab1)

oder sprachen in Turin

a soweit > da 4 Robert Michels und seine Familie lebten von 1907 bis 1914 in Turin; Michels war während dieser Zeit Privatdozent an der dortigen Universität. 5 Gemeint sind Mario, Manon und Daisy Michels. 6 Gisela Michels-Lindner. 7 1913 hatte Michels einen Ruf an die Universität Basel angenommen. 8 Die Erschießung von belgischen Zivilisten, der Brand von Löwen und die Zerstörung der dortigen Bibliothek sowie die Beschießung der Kathedrale von Reims durch deutsche Truppen hatten weltweite Empörung – bei Alliierten und Neutralen – ausgelöst; vgl. dazu Horne, John und Alan Kramer, Deutsche Kriegsgreuel 1914. Die umstrittene Wahrheit. – Hamburg: Hamburger Edition 2004. – „Hunnen“ wurden seit Beginn des Krieges in englischen Propagandaschriften oft die Deutschen genannt. Ausgelöst wurde diese Namensgebung durch die berühmt-berüchtigte Rede Wilhelms II. vom 27. Juli 1900, die dieser in Bremerhaven vor den Expeditionstruppen, die auf dem Wege nach China zur Niederschlagung des sog. „Boxeraufstandes“ waren, gehalten hatte: „Kommt Ihr vor den Feind, so wird er geschlagen, Pardon wird nicht gegeben; Gefangene nicht gemacht. Wer Euch in die Hände fällt, sei in Eurer Hand. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Überlieferung gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutschland in China in einer solchen Weise bekannt werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen.“ Hier zitiert nach der unretuschierten Fassung in: Weser-Zeitung, Nr. 19288 vom 28. Juli 1900, 2. Mo.Bl., S. 1. 9 Korrespondenzen von Karl Joël sind im Nachlaß Michels in der Fondazione Luigi Einaudi in Turin nicht nachgewiesen.

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gelehnt (angeblich – aber nicht von ihm zugestandener-, freilich auch nicht direkt abgeleugneter-maßen mit dem Bemerken, daß er nicht recht wisse, was erb da überhaupt, angesichts dieser Kulturzerstörungen, eigentlich sagen solle und könne). Die Kollegen in Basel, soweit sie Deutsche waren, haben ihn darauf hin mehr oder minder boykottiert, was ich begriff, aber – ebenso wie Landmann,10 der seine absolute Lauterkeit damals und weiterhin stets vertreten hat – falsch und unklug fand. 4.c Michels ließ unter der Unterschrift „von einem Italiener“ in einer Basler Zeitung einen Artikel erscheinen,11 den ich nicht kenne. Zugleich oder bald darnach unter der Unterschrift „von einem Deutschen“ in der „Neuen Zürcher Zeitung“ einen Artikel,12 den er mir schickte (später erklärted er öffentlich[,] daß jenee Unterschrift nicht von ihm, sondern Redaktionswerk sei, was sicher genau richtig ist – immerhin hatte er bei Erscheinen des Artikels und Zusendung an mich davon nichts erwähnt und nicht gegen den Zusatz remonstriert). Der letztere Artikel setzte auseinander, daß Deutschland übel gethan habe, sich statt mitf Rußland mit Österreich zu verbünden, statt zu sorgen, daß Italien zu Dem gelange, was es mit Recht beanspruche.13 Es war das in der Zeit, als der Bruch mit Italien feststand.14

b O: sich c O: 3. d versicherte > erklärte e die > jene

f

10 Der Basler Nationalökonom Julius Landmann. 11 Tatsächlich waren kurz nach der Kriegserklärung Italiens an Österreich-Ungarn zwei längere Artikel von Michels in den Basler Nachrichten anonym – mit dem redaktionellen Zusatz: „Von italienischer Seite wird uns geschrieben“ – erschienen: Die Rede Salandras, ebd., Nr. 282 vom 6. Juni 1915, Zweites Blatt, S. 1, sowie: Und zum letztenmale [1] die Rede Salandras, ebd., Nr. 299 vom 16. Juni 1915, Beilage, S. [1]. Zu diesen Artikeln sowie zu Michels’ weiteren anonym erschienenen Beiträgen in den Basler Nachrichten aus jener Zeit vgl. den Brief an Michels vom 9. Sept. 1915, oben, S. 133, Anm. 2. Alle diese Artikel haben laut der Bibliographie der „Opere di Roberto Michels“ in: Studi in memoria di Roberto Michels, erschienen in: R. Università degli studi di Perugia. Annali della Facoltà di giurisprudenza, vol. 49. – Padova: Cedam 1937, S. 56 f., Michels zum Verfasser. 12 Der Titel lautete: Zum Thema Deutschland und Italien. Von einem Deutschen, erschienen in: NZZ, Nr. 899 vom 13. Juli 1915, 2. Mittagbl., S. 1 f. 13 Zum Inhalt des Artikels (wie Anm. 12) vgl. den Brief an Michels vom 9. Sept. 1915, oben, S. 134, Anm. 3: Michels kritisierte hier Bismarcks Bündnis mit Österreich-Ungarn und die deutsche Abwendung von Rußland. 14 Am 23. Mai 1915 hatte Italien Österreich-Ungarn den Krieg erklärt. Deutschland brach noch am selben Tage die diplomatischen Beziehungen zu Italien ab; die Kriegserklärung Italiens an Deutschland erfolgte aber erst am 28. August 1916.

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5.g Vorher, Februar, hatte M[ichels] an mich mit der Bitte geschrieben, ihm zu vermitteln, daß er in der „Frankf[urter] Zeitung“ sich äußere, – er sehe, daß wir mit Riesenschritten in einen Krieg mit Italien trieben. Das that ich,15 die „Fr[ankfurter] Z[eitung]“ aber lehnte ab, da das nutzlos sei (die Zensur würde Derartiges ja sicher nicht geduldet haben, was aber die Zeitung nicht geltend machte). 6.h Was M[ichels] etwa sonst geschrieben oder gesagt haben kann, weiß ich nicht. Sicherlich nichts gegen Deutschland, das glaube ich ihm glatt. Der Artikel in der „N[euen] Zürcher Zeitung“ führte zu einer 앚:begreiflich:앚 gereizten Äußerung eines Österreichers daselbst:16 auch damals hat M[ichels] nicht die Feststellung erzwungen, daß nicht „ein Deutscher“ der Verfasser sei und sich nicht öffentlich genannt. Sondern erst, nachdem von anderer, ganz unbekannter und nicht zu ermittelnder, Seite öffentlichi seine Autorschaft festgestellt war17 und (törichte, aber wenig ernste) Angriffe auf ihn erfolgt waren (in einem Teil der deutschen Presse). Er replizierte dann in der „Fr[ankfurter] Zeitung“.18 Michels nahm in der Korrespondenz mit mir in Anspruch, daß „reinster Idealismus“ ihn getrieben habe. Das ist durchaus selbstverständlich für jeden, der ihn kennt. Er versicherte, ein prominenter deutscher akademischer Lehrer habe ihm eine Professur in Aussicht gestellt, falls er für Deutschland schreibe. Nun – er hört oft mehr heraus, als gemeint ist, aber so etwas kommt ja vor; die Ablehnung, auf die er sich berief, schien mir selbstverständlich und kein Gegenstand des Sich-Berühmens. Er hat (mündlich, zu Freunden) erklärt, er und nur er stelle

g O: 4.

h O: 5.

i In O folgt: auf

15 Ein entsprechendes Schreiben Webers an die Frankfurter Zeitung ist nicht nachgewiesen. 16 Deutschland und Italien – und Österreich. Von einem Österreicher, in: NZZ, Nr. 879 vom 29. Juli 1915, 2. Ab.Bl., S. 1 f. 17 Gemeint ist die anonym erschienene Notiz: Deutsche Juristen im feindlichen Lager, in: Deutsche Juristen-Zeitung, Jg. 20, Nr. 17/18 vom 1. Sept. 1915, Sp. 895. Dieser Beitrag enthielt „von eingeweihtester Seite“ derart detaillierte Angaben über Michels – u. a. über seine Verfasserschaft des Artikels in der Neuen Zürcher Zeitung –, daß der Informant aus dessen Basler Kollegenkreis zu kommen schien. 18 Nachdem die Frankfurter Zeitung auf den Artikel in der Juristen-Zeitung hingewiesen hatte unter dem Titel: Dr. Robert Michels, erschienen ebd., Nr. 244 vom 3. Sept. 1915, Ab.Bl., S. 3, hat dieser dann wenig später dazu eine kurze Richtigstellung publiziert: Nochmals Dr. Michels, ebd., Nr. 251 vom 10. Sept. 1915, 1. Mo.Bl., S. 3; vgl. dazu den Brief an Michels vom 9. Sept. 1915, oben, S. 132, Anm. 1.

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eine Synthese von Deutschtum und Italienertum dar, manche Dinge könne nur er so sagen – worin er sich irrt: er hat zur Debatte gar nichts von Wert beizutragen gehabt. Aber Alles geschah optima fide, auf seinen Charakter wirft Alles was ich weiß, keinerlei ungünstiges Licht und wir Deutsche sollten uns auf den Standpunkt stellen, daß – bei entsprechenden wissenschaftlichen Leistungen – es ihn auch für deutsche Professuren nicht disqualifiziert. Dagegen stellt der Vorgang sein politisches und persönliches Taktgefühl und seine menschliche Reife natürlich in ein ungünstiges Licht. In seiner inneren Lage hatte er zu schweigen, mochte es ihm auch noch so schwer fallen. Den Artikel in der „N[euen] Z[ürcher] Zeitung“ durfte er nicht schreiben, denn er konnte Verstimmungen Österreichs (und mit Recht!) erregen, falls nicht eindeutig feststand, daß das nicht die „deutsche“ Ansicht war. Vollends anonym durfte er politische Sentiments überhaupt nicht von sich geben. Da er in Aussicht stellte, späterhin noch, außer für Räumung Belgiens (auch mein Standpunkt, den zu vertreten aber nicht seine Sache ist) und für ein Plebiszit in Elsaß-Lothringen einzutreten, so habe ich ihm in scharfer Form geschrieben, daß „Anstand und Würde“ (gemeint ist: elementarer Takt) grade ihm gebieten, den Mund zu halten.19 Und da er sich in beleidigenden Unterstellungen gegen Joël erging (als ob dieser die Quelle der Angriffe gegen ihn sei), so riß mir die Geduld und ich machte ihm bemerklich, daß ein Anonymus Andren und namentlich einer solchen anima candida wie Joël Derartiges nicht unterstellen dürfe.20 Da er daraufhin ungezogen wurde („Kriegspsychose“ und Ähnliches), so besteht eine Beziehung zwischen uns fortan nicht mehr. Wissenschaftlich und bezüglich seiner Anständigkeit ändert das meine Ansicht in keiner Art. Aber er hat in seinen Presse-Äußerungen in solcher Zeit keinen Takt. Vielleicht, wahrscheinlich vielmehr, hat er etwas gelernt und – schweigt künftig. Denn darin hat er recht:

19 Brief an Michels vom 21. Okt. 1915, oben, S. 145 f. 20 Ebd.

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in Italien bleibt er ein Fremder. Dort nutzt ihm das Alles2) gar nichts und er sitzt zwischen zwei Stühlen. Ich habe versucht, Alles, was mir bekannt ist, objektiv, und 앚:daneben:앚 subjektiv bewertet, darzulegen, da Sie ein Bild zu haben wünschen. Jedes Wort dieses Briefes darf – und soll, wenn er will – Michels jederzeit lesen. Andre nur, soweit es ihm bei ihnen nicht schadet. Denn das wäre bedauerlich. In bekannter großer Verehrung Ihr ergebenster Max Weber 2)

Er schrieb: daß er die Politik Italiens billige. Nun, das ist seine Sache. Auch ich habe den „Treubruch“, angesichts des ganz unqualifizierbaren Verhaltens der Österreicher,21 nicht so tragisch genommen wie Andre, so schwer die Folgen für die Zukunft sind.

21 Webers Kritik richtete sich vermutlich auf die seiner Ansicht nach mangelnde bzw. zu spät erfolgte Kompromißbereitschaft der österreichischen Diplomatie im Vorfeld der italienischen Kriegserklärung vom 23. Mai 1915.

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Heinrich Rickert 11. Januar 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig UB Heidelberg, Heid. Hs. 2740, Erg. 93, 1.2 (Nl. Heinrich Rickert) Der Brief steht in Zusammenhang mit der Berufung Rickerts nach Heidelberg; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Rickert, vor dem 31. Oktober 1915, oben, S. 149 – 151.

Heidelberg 11/1 16 Lieber Rickert, – schönen Dank. Duhn erzählte von der Korrespondenz.1 Die Stellung der Fakultät ist – wenn ich sie richtig deute (denn mit mir sprachen diesmal nur einige wenige der Kollegen, aber ich glaube die Sache von früher her zu übersehen) – durch den Eindruck bedingt, den es machte, daß Windelband doch eben, bis er schlechthin mußte,2 jede Besetzung der 2. Professur und auch dann eine solche mit einem nicht direkt von ihm herkommenden 앚:und „abhängigen“:앚 Manne (als welcher Lask3 – letzteres mit Unrecht – galt) und erheblichen Dozenten (als welcher Lask nicht galt), hinderte. Die sich bildende Ansicht war: dies ist eine besonders fest geschlossene „Sekte“, die nichts Andres gelten läßt, weil sie nichts Andres gelten lassen kann (nach ihrer Anschauung, es enthielt das bei den Kollegen keineswegs einen „Vorwurf“). Dazu traten die – wie ja auch Sie zugeben – ungeeigneten Habilitationen (Ruge, Bubnoff). So kam eine Stimmung dahin zu stande: „einerlei, wir wollen jedenfalls zwei verschieden geprägte Leute, wenn möglich zwei Ordinarien, wenn nicht, dann einen Extr[aordinarius] anderer Ei-

1 Friedrich v. Duhn war der damalige Dekan der Heidelberger Philosophischen Fakultät. Von der Korrespondenz ist nichts bekannt; doch dürfte sie – wie aus den folgenden Passagen hervorgeht – mit der Besetzung des zweiten Philosophielehrstuhls in Zusammenhang stehen. 2 Weber denkt hier an das Verhalten Wilhelm Windelbands bei dem Versuch, im Jahre 1908 einen Vertreter für den zweiten Philosophielehrstuhl zu finden. Weber hatte damals Windelband den Vorwurf gemacht, das entsprechende Berufungsgutachten dergestalt verfaßt zu haben, daß für keine der genannten Personen, nämlich Rickert und Georg Simmel, eine Aussicht auf Berufung bestand; vgl. dazu den Brief an Georg Jellinek vom 21. März 1908 (MWG II/5, S. 467 – 470). 3 Emil Lask, ein Schüler Windelbands, war 1913 zum etatmäßigen Extraordinarius ernannt worden, da Gelder zur Besetzung des zweiten Philosophielehrstuhls im Etat nicht zur Verfügung standen.

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genart als der Ordinarius ist“. Die Janitscharenmusik,4 welche die Antworten auf die üblichen „Erkundigungen“ ergaben (bei Külpe – übrigens ist sein Tod doch sehr zu beklagen!5 – u.s.w.), können Sie Sich denken. Mich hat man diesmal nicht in die Kommission genommen, 1) weil man ganz genau wußte, was ich dachte, – 2) wegen der Häberlin-Sache,6 – 3) wegen des Konflikts in der Angelegenheit Schneegans1),7 der vielleicht mit meinem Ausscheiden aus dem Lehrkörper endet (unter uns!). Es ist ja auch sonst ganz ungewöhnlich und bei ei1)

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Prof. E[duard] Schneegans, Elsässer, Frau: Pariserin (LichtenberPazifist, schied aus dem Amt, weil seine Kinder so rabiat nationalistisch deutsch wurden, daß sie mit Vater und Mutter (die hier 앚:den Hetzern:앚 als „Spione“ gelten!) nicht mehr sprachena, um in die Schweiz zu ziehen (einer absolut ungewissen Zukunft entgegen). Darauf hat die Fakultät 앚:(und der Senat):앚 einen Bericht gemacht,9 der so gefaßt war, daß Schneegans – der für sein Deutschtum mehr gelitten hat als einer der Herren hier – als „verdächtig“ erscheinen konnte, vielleicht aber: mußte. Ganz „sachlich“ natürlich! Der Antrag (!!): man solle Schneegans internieren, wurde zwar gestrichen. Aber gegen die Fassung gaben Kollegen (Gothein) ihre abweichende Ansicht zu Proto-

ger),8

a Alternative Lesung: sprechen 4 Eigentlich Musik einer türkischen Sondertruppe, die aus ehemaligen Kriegsgefangenen rekrutiert wurde, hier im Sinne eines exotisch-dissonanten musikalischen Zusammenspiels benutzt. 5 Oswald Külpe war am 30. Dezember 1915 verstorben; seine Stellungnahme wird in der Berufungsliste vom 18. November 1915 besonders in den Passagen über Edmund Husserl zitiert; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Rickert, vor dem 31. Okt. 1915, oben, S. 150 f. 6 Weber war im Jahr 1913 Mitglied der Kommission für den Universitätsunterricht in Psychologie und Pädagogik; diese plante, den Basler Privatdozenten Paul Häberlin zunächst für einen Lehrauftrag für Psychologie und Pädagogik, später für ein neu zu errichtendes Extraordinariat für diese Fächer zu gewinnen. Vgl. dazu den Brief an Karl Jaspers vom 6. Juli 1913 (MWG II/8, S. 265, Anm. 1). Offensichtlich wurde Weber vorgeworfen, diese Ernennung durch seine distanzierte Einstellung gegenüber Häberlin verhindert zu haben. 7 Zu Webers Engagement in der „Affäre Schneegans“ vgl. den Brief an das Heidelberger Bezirksamt vom 6. Sept. 1915, oben, S. 120 – 124. 8 Anna Schneegans, geborene Lichtenberger. 9 Die Ausfertigung des Fakultätsberichts vom 16. Juli 1915 und diejenige des Engeren Senats vom 19. Juli 1915 befinden sich im GLA Karlsruhe, 235/2479 (Personalakte Schneegans).

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nem Ordinariat stilwidrig. Was man von Ihnen direkt und indirekt hörte, hat, wie zu erwarten, einen solchen Eindruck auf die Kollegen gemacht, daß jetzt eine Befriedigung und Seligkeit herrscht. Alles wird nun gemacht werden wie Sie es wünschen. Offenbar an Ihre Adresse koll 앚:(aber: machten kein Separatvotum.)b:앚.10 Schneegans ist noch heut festgehalten. Ich habe dem Generalkommando über diese feige Dummheit das Nötige gesagt (schriftlich).11 Nutzlos. Fleiner hat hier der Mehrzahl der Kollegen die Abschiedsbesuche nicht gemacht,12 da er mit „Denunzianten“ nichts zu schaffen haben wolle. Mich haben schon die Schneegans-Antezedenzien die Beziehung zu Tröltsch gekostet13 und ich werde, wenn, wie zu erwarten, die Sache in die Presse kommt, die Konsequenzen ziehen. Aber lieber vorher. Das Ganze ist „Kriegspsychose“. b Klammer fehlt in O. 10 Über den betreffenden Antrag war in einer Fakultätssitzung vom 12. Juli verhandelt worden; die entsprechende Fakultätsakte der Jahre 1914/15 (bis Ende Juli reichend) ist im UA Heidelberg nicht mehr vorhanden; zur Fakultätssitzung vom 12. Juli 1915 vgl. Hampe, Kriegstagebuch 1914 – 1919, Tagebucheintrag vom 13. Juli 1915, S. 253 f. 11 Gemeint ist Webers Schreiben an das Bezirksamt Heidelberg vom 6. Sept. 1915, oben, S. 120 – 124, dessen Weiterleitung an das Generalkommando allerdings unterblieben ist. 12 Der aus der Schweiz stammende Ordinarius für Staats- und Verwaltungsrecht, Fritz Fleiner, hatte Mitte 1915 einen Ruf nach Zürich angenommen; zu Fleiners Verhältnis zu seinen Heidelberger Kollegen in der Kriegszeit gibt eine späte, aber nicht minder deutliche Stellungnahme von Friedrich Endemann in seinem Brief an den damaligen kommissarischen Leiter der Hochschulabteilung im badischen Ministerium des Kultus und Unterrichts, Eugen Fehrle, vom 9. April 1933 (GLA Karlsruhe, 235/1970) Auskunft: „Das Verhältnis, das F[ritz] Fleiner zu Deutschland einnahm, war während des Krieges durchaus fremdländisch. Er selbst hielt sich vorsichtig zurück. Aber seine Frau machte ihrer Feindschaft gegen uns als geborene französische Schweizerin in Taten und Worten derart Luft, daß mehrfach erwogen wurde, ob sie nicht abgeschoben werden müßte. Fleiner selbst tat dagegen nichts; er hat auch nicht das geringste für uns geleistet. Die Sache wurde für uns dadurch erledigt, daß Fleiner im Sommer 1915 nach Zürich berufen wurde. Niemand und auch die Fakultät selbst nicht, hat ihm irgend einen Abschiedsgruß gewidmet. Wir waren froh, den feindlich gesinnten, glatten Kollegen los zu werden. Dem entspricht es, daß Zürich besonders in der Presse einen ausgesprochen feindlichen Standpunkt einnimmt.“ 13 Ernst Troeltsch hatte als Vorstand des Heidelberger Lazaretts in der Sandgasse verlangt, daß Friedrich Eduard Schneegans bei seinen Besuchen französischer Verwundeter von einem Soldaten begleitet werde. Weber, als Disziplinaroffizier aller Heidelberger Lazarette Vorgesetzter von Troeltsch, mißbilligte dessen Verhalten. Zwi-

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waren wohl ein paarc Bemerkungen von Kollegen (die Sie nicht kennen): ob nicht Cassirerd ein sehr begabter Mann sei und 앚:als Extr[aordinarius] cum spe ordinariatus:앚 Ihnen genehm wäre. Aber das ist Alles. Jedermann hat das Gefühl, daß die Universität endlich einmal wieder etwas Gescheidtes gethan hat. Also Sie haben eine „glänzende Presse“ (s.v.v.),14 wie zu erwarten. Hätte man vor perfekter Sache angedeutet, Sie wünschten (was ja an sich sehr verständlich war), wenn man Sie als Ord[inarius] wolle, doch auch gefragt zu werden, wen Sie sonst noch für geeignet hielten, dann wäre – einfach schon wegen Windelband – die Stimmung ganz anders gewesen (und ganz ohne Not!). Von Ruge nimmt man an, daß Sie ihn irgend wie pekuniär besser stellen und sonst so weit es Ihnen paßt ausschalten werden, so, daß er keinen Lärm schlagen kann.15 Für Fredy16 – der mir doch sehr leid thut mit seinem (gewiß: durch eigne Schuld) gänzlich verkorksten Leben und dem großen Reichtum, den er im Konkreten hat (was „Systematisieren“ auch nur im alltäglichsten Sinn heißt, ahnt er einfach nicht, – er baut leere Schachteln und denkt, das sei ein „System[“]) – nun da

c O: par d O: Cassierer schen beiden kam es deswegen im Frühjahr 1915 zu einer scharfen Auseinandersetzung. Troeltsch fühlte sich schwer beleidigt, zu einer Versöhnung ist es nicht mehr gekommen. In einem Brief an Heinrich Dietzel vom 22. Okt. 1917 erinnerte sich Troeltsch: „Am Anfang des Krieges [hatte ich] mit Max Weber einen furchtbaren Krach. Er schmiß mich in beleidigendster Weise aus seiner Wohnung hinaus. Der Grund war, daß er meine Auffassung für chauvinistisch ,ohne nationales Ehr- und Würdegefühl‘ bezeichnete. Es handelte sich um das Verhalten gegen einen pazifistischen Elsässer, dem ich Schweigen anriet, während er bedingungslos für ihn eintrat.” Zit. nach: Briefe aus dem 20. Jahrhundert, hg. von Andreas Bernard und Ulrich Raulff. – Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2005, S. 271; vgl. dazu auch Hampe, Kriegstagebuch 1914 – 1919, S. 42, sowie den Tagebucheintrag Hampes vom 11. März 1915, ebd., S. 210. 14 So war die Berufung Rickerts – einen Tag nach der Mitteilung einer entsprechenden Nachricht aus der Frankfurter Zeitung, daß Rickert den Ruf nach Heidelberg erhalten habe – im Heidelberger Tageblatt lebhaft begrüßt worden; vgl. die Notiz: Heinrich Rickert als Nachfolger Windelbands, ebd., Nr. 296 vom 18. Dez. 1915, S. 5. 15 Zwischen Arnold Ruge und Heinrich Rickert, Georg Mehlis sowie Richard Kroner war es in der Leitung der philosophischen Zeitschrift „Logos“ zu ernsthaften Differenzen und Konflikten gekommen. Sie führten dazu – z. T. auf den massiven Druck Rickerts hin, der mit seinem Ausscheiden aus der Zeitschrift drohte –, daß Ruge als Mitherausgeber zurücktreten mußte; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Rickert, vor oder am 13. März 1910 (MWG II/6, S. 428). 16 Friedrich Alfred Schmid.

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will man eine Art billiger „Dienstwohnung“ in dem Buhl’schen Haus17 (testamentar[isches] Eigentum der Universität) schaffen, worin ein Internat von Studentinnen entstehen soll (Clärchen18 als Sittenwächter 앚:für Mädchen:앚! ein Gedanke für Götter!). Aber der arme Kerl wird halt bei Seite bleiben. Driesch und Jaspers,19 das wissen Sie ja: beides hart für Fredy, der 12 Semester auf den Extr[aordinarius] warten mußte und älter ist als Dr[iesch] – der mir ein Schrecknis bleibt (mit allen seinen Vorzügen). Ein ganz ungewöhnlich lauterer und anständiger Kerl ist Ehrenberg,20 wie ich jetzt immer zweifelsfreier erkennen konnte (intellektuell ein Typus, der mir so heterogen ist wie möglich, auch Lask absolut uncongenial und deshalb von ihm auch menschlich verkannt). Aber der kommt wohl nicht heil aus dem Krieg zurück, bei der Stelle[,] wo er (nach eignem leidenschaftlichem Drängen!) steht (Champagne, Infanterie, er ist Artillerist eigentlich). Bubnoff sind wir ja los.21 (Daß Ruge in einer Eingabe das Extraordinariat als ihm von Windelband „hinterlassen“ verlangt hatte,22 wissen Sie ja, – in der That lag eine entsprechende 앚:von der Familie posthum der Fakultät zuge17 Das nach dem Tod von Elisabeth Buhl, der Witwe des Professors Heinrich Buhl, in Kraft tretende Testament sah u. a. die Übereignung des umfangreichen Anwesens an die Universität vor. Bei den Beratungen über die künftige Verwendung des Hauses im Juni 1915 in Heidelberg, bei denen der Minister des Kultus und Unterrichts, Franz Böhm, sowie der Kultusdezernent Victor Schwoerer zugegen waren, favorisierte ersterer die Vermietung des Haupthauses an die Akademie der Wissenschaften und die Verwendung des Nebenhauses als Studentenheim, während Schwoerer den Vorschlag machte, ein Studentinnenheim einzurichten. „Dieser Gedanke fand […] bei einigen Kollegen Anklang“, u. a. deswegen, weil es „sich viel leichter verwalten“ lasse „als ein Heim für Studenten“. So das Memorandum vom 19. Juli 1915, welches dem Sitzungsprotokoll des Engeren Senats vom selben Tage (UA Heidelberg, RA 825, Bl. 256 f. bzw. 259 – 267; das Zitat Bl. 263) beigefügt worden war. Über die spätere eventuelle Vermietung an Friedrich Alfred Schmid findet sich nichts in den Akten. Jedenfalls ist diese nicht zustande gekommen; vgl. dazu den Brief an Rickert, nach dem 11. Jan. 1916, unten, S. 259. 18 Cläre Schmid, die Frau von Friedrich Alfred Schmid. 19 Gemeint sind die geplante Ernennung von Hans Driesch zum persönlichen Honorarprofessor und die Verleihung des Professorentitels an Karl Jaspers. Letztere ist durch Rickert ausdrücklich forciert worden; vgl. dessen Brief an den Dekan der Philosophischen Fakultät, Friedrich v. Duhn, vom 1. Jan. 1916 (UA Heidelberg, H-IV-102/ 141). 20 Hans Ehrenberg. 21 Der aus Rußland stammende Nikolaj Bubnov hatte nach Kriegsbeginn seine venia legendi verloren. 22 In der Eingabe Ruges vom 22. Okt. 1915 ist die Rede davon, daß Windelbrand ihm mitgeteilt habe, daß „bei der Erwägung einer Neubesetzung“ Ruges Verdienste „voll in die Wagschale fallen“ sollten (UA Heidelberg, H-IV-102/141).

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stellte und zuzustellende (nach W[indelband]’s Absicht):앚 Eingabe W[indelband]’s an die Fakultät vor;23 er hat ihn noch im Sterben gefürchtet, der arme, durch eignes Verschulden ihm verpflichtete Mann!).24 So liegen, so viel ich weiß, diese Dinge. Hoffentlich kommt Maria25 hier vorbei, so daß man reden kann. Fredy übertreibt.26 Ich habe nur zugegeben, daß vielleicht die (kurze) Fahrt hinauf und hinab nervös etwas strapazieren könne (das Brummen und Vibrieren der Bremse namentlich). Sonst kostet die Fahrt hinauf nur 20 mehr als bis an den Straßeneingang (also: 1,20 Mk statt 1 Mk) und die Lage ist schön, hat recht große Vorzüge. Ganz klar war mir nicht, warum Fredy, letztlich, doch dagegen war. Natürlich wissen Sie: es ist einfach unmöglich, die „Tücken“ einer Wohnung für einen – wie wir beide es sind – nervösen Menschen zu berechnen. Auch die Nächststehenden können das meist nicht. Ich bin begierig, wo Sie die unvermeidliche Pensionszeit, währende Sofie einrichtet, was doch ca 4 Wochen dauert, zubringen und mit wem? Ich komme dann, wenn Sie Sich wohl fühlen sollten (relativ!), auch mal hin. Hoffentlich steht Ihnen die Übersiedelung nicht allzu fatal bevor; ich ermesse schon, was sie an Belastung nervös bedeutet!

e 23 Von einer solchen Eingabe ist in der Dekanatsakte 1915/16 nichts vermerkt. Im Protokoll der Fakultätssitzung vom 30. Oktober 1915 (UA Heidelberg, H-IV-102/141) wird allerdings auf die den Professoren Eberhard Gothein, Carl Bezold und Hans v. Schubert „durch Dr. W[olfgang] Windelband übermittelten letzten Grüße Windelbands“ hingewiesen „und seinen warm ausgesprochenen Wunsch, die Facultät möge beim Ministerium dafür eintreten, daß Dr. Ruge für seine elfjährige fleißige und geschickte Tätigkeit am philosophischen Seminar in würdiger Weise entschädigt werde.“ 24 Trotz der Bedenken, die gegenüber dem Charakter Arnold Ruges, des Sohnes eines Schulfreundes von Wilhelm Windelband, bestanden, ist er mit dessen Protektion 1910 habilitiert worden; vgl. dazu die Briefe an Rickert vom 13. März 1910 (MWG II/6, S. 430, Anm. 8) sowie nach dem 15. Jan. 1911 (MWG II/7, S. 47, Anm. 1). Webers Frage – mitgeteilt in seinem Brief an Rickert vom 17. Febr. 1911 (MWG II/7, S. 102) – an Wolfgang Windelband, „worauf das auffallende Interesse seines Vaters für Herrn R[uge]“ gründe, blieb unbeantwortet. 25 Maria Rickert, die Schwiegertochter von Sophie und Heinrich Rickert und Frau von Arnold Rickert. 26 Im folgenden geht es um Einzelheiten, die den Umzug Rickerts nach Heidelberg betreffen.

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Daß es mit Simmel nichts wurde (in Fr[eiburg]) war ja sicher. Dagegen freut mich besonders auch Hensel’s Vorschlag sehr.27 Persönlich. Und als Lehrer verdient er es. Sonst hat er eben die Schwungkraft etwas eingebüßt: es ist doch nicht recht, daß er sein Swift-Buch nicht gefördert hat.28 Und systematisch wiegt er leicht. Das weiß er ja selbst. Von meinem Aufsatz sollten Sie nur die „Zwischenbetrachtung“ – S. 387 ff. – lesen,29 die eine rationale „Weltanschauungs“-Systematik (religiösen Gepräges) als Idealtypik für meine Zwecke enthält. Nicht das Andre. – Der Friede ist so fern wie je. – Unglaublich! Und der liebe Gott, der sich erbärmlich benimmt (dies Wetterf für die armen Kerle) und S[eine] M[ajestät] und die Klerikalen pflücken die Früchte der deutschen Siege! Herzliche Grüße und Wünsche Ihr Max Weber

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27 In den Berufungsvorschlägen der Philosophischen Fakultät vom 23. Dez. 1915 (Abschrift masch.; UA Freiburg i. Br., B 3/789) wurden 1) Edmund Husserl, 2) Heinrich Maier, 3) Paul Hensel und 4) Fritz Medicus genannt. Als Nachfolger von Rickert wurde – wie das Ministerium der Fakultät am 17. Febr. 1916 mitteilte (Abschrift masch.; ebd.) – laut Ministerial-Entschließung vom 9. Febr. 1916 Edmund Husserl berufen (ebd.). 28 Das Buch über Jonathan Swift ist nicht zustande gekommen. 29 Gemeint ist der letzte Teil des Aufsatzes über den Konfuzianismus: Weber, Max, Zwischenbetrachtung, S. 387 – 421.

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Heinrich Rickert [nach dem 11. Januar 1916]; o.O. Brief; eigenhändig UB Heidelberg, Heid. Hs. 2740, Erg. 93, 1.2 (Nl. Heinrich Rickert) Die Datierung ist erschlossen aus dem Briefinhalt in Verbindung mit den zeitlich vorangehenden Hinweisen auf die „Affäre Schneegans“ und auf die mögliche Vermietung einer Wohnung an Friedrich Alfred Schmid im Brief an Rickert vom 11. Januar 1916, oben, S. 252 – 258.

Lieber Rickert, –

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die Schn[eegans]-Affäre wird sich, da Schn[eegans] jetzt in der Schweiz eine Anstellung erhält,1 vielleicht ohne Krach regeln, ev. durch Eingreifen des Schweizer Gesandten. Von mir aus hatte ich nie vor, etwas 앚:öffentlich:앚 zu thun. Wenn aber die Sache in die Presse kam, so war es schlechthin Anstandspflicht nicht zu schweigen, das wäre auch nach den Antezedenzien einfach unmöglich gewesen. Ich hoffe nun, es geht so ab. Vielen Dank für Ihren Brief. Ob Sie wohl thatsächlich in der Scheffel-Straße gemietet haben? Und ob Ihre Schwiegertochter2 die Pension geeignet fand? – Mit Fredi Schm[id]’s „Versorgung“ wird es nichts.3 Die Universität verfügt über das Haus anderweit. Herzliche Grüße! Ihr Max Weber

1 Friedrich Eduard Schneegans hatte Weber am 6. Jan. 1916 (Bestand Max WeberSchäfer, Deponat BSB München, Ana 446) mitgeteilt, daß er „vom Direktor des Gymnasiums in Neuenburg“ – d. h. Neuchâtel in der Schweiz – ein Angebot für „eine Lehrerstelle für Deutsch“ erhalten habe und „nur noch die Bestätigung durch den Staatsrat“ fehle; zur „Affäre Schneegans“ vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an das Bezirksamt Heidelberg vom 6. Sept. 1915, oben, S. 120 – 122. 2 Maria Rickert, Ehefrau von Arnold Rickert. 3 Es hatte zeitweise die Möglichkeit bestanden, daß Friedrich Alfred Schmid und seine Frau Cläre zur Miete in das testamentarisch der Universität vermachte Haus des verstorbenen Professors Heinrich Buhl hätten einziehen können; vgl. dazu den Brief an Rickert vom 11. Jan. 1916, oben, S. 256, Anm. 17.

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Hans W. Gruhle PSt 12. Januar 1916; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig Nl. Hans W. Gruhle, BSB München, Ana 612 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen.

V. Fr.! Nein, das Extraordinariat wird natürlich besetzt.1 Unter den Vorgeschlagenen befindet sich (Simmel hat die Regierung abgelehnt) auch Cassirera. Er käme ev. als „Extr[aordinarius] cum spe ordinariatus“. Auch Husserl war – m. W. – als Ordinarius vorgeschlagen, trotz Bedenken wegen mäßiger Lehrbegabung.2 Er ist inzwischen nach Freiburg berufen, wie Rickert mir schreibt. Ob er geht, steht nicht fest.3 – Nein, ich bin auch gar nicht der Ansicht, daß wir es hier so sehr „dick“ haben. Noch in der Zeit, als Dieterich, Marcks, Tröltsch pp. hier waren, stand es besser, und wie es in der Medizin aussieht, wissen Sie am besten. An einem Teil der jüngeren Herren und älteren Studenten hat man freilich berechtigte Freude, wenn auch meine Frau etwas zu sehr geblendet ist und 앚:z. B. auch:앚 mehr an solchen „jour’s[“]b 4 hängt als ich. Da das Haus jetzt (vielleicht) verkauft1) 5 wird, kann diese Institution bald ein Ende nehmen. Meine Mitteilung hatte nicht den Zweck festzustellen[,] daß Sie so denken wie ich es im Voraus wußte, sondern ich hielt es für richtig Sie 1)

Bitte: gänzlich vertraulich!

a O: Cassierer

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1 Dieses war seit dem Tode von Emil Lask im Jahre 1915 vakant. 2 In dem Berufungsgutachten vom 18. Nov. 1915 wurde im Gegenteil Husserls Lehrbegabung lobend hervorgehoben; vgl. dazu die Wiedergabe der Passage in der Editorischen Vorbemerkung zum Brief an Heinrich Rickert, vor dem 31. Okt. 1915, oben, S. 149 – 151. 3 Tatsächlich hat Edmund Husserl den Ruf nach Freiburg i. Br. angenommen; seine Ernennung erfolgte am 9. Februar 1916. Vgl. dazu den Brief an Heinrich Rickert vom 11. Jan. 1916, oben, S. 258, Anm. 27. 4 Die „jours“ waren die sonntäglichen Zusammenkünfte von Max und Marianne Weber mit jüngeren Wissenschaftlern in ihrem Haus. 5 Laura Hausrath, Miteigentümerin des Hauses Ziegelhäuser Landstraße 17, trug sich mit der Absicht, dieses zu verkaufen; vgl. dazu den Brief an Marianne Weber vom 15. Febr. 1916, unten, S. 292, Anm. 2.

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auf dem Laufenden zu halten. Und mein Bedauern bezüglich Ihrer Person ist sachlich. Die Psychologie ist nun in guter, aber unvollständiger und zwar in recht wichtigen Punkten unvollständiger Weise in der Phil[osophischen] Fak[ultät] vertreten,6 vorerst wenigstens. Herzl. Grüße Max Weber

6 Gemeint ist der eher geisteswissenschaftlich-hermeneutisch ausgerichtete Karl Jaspers. Schon in seinem Brief an Hans W. Gruhle vom 28. Juli 1913 (MWG II/8, S. 285 f.) hatte Weber als Grund für dessen eventuelle Habilitation in der Philosophischen Fakultät angeführt: „Eine ideale Besetzung der ‚Psychologie‘ verlangt doch beide Methoden 앚:(,verstehend‘ und ‚experimentell‘):앚“.

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Gustav von Schmoller 24. Januar 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 196, Nr. 109, Bl. 83

Heidelberg 24.1.16 Hochgeehrter Herr Professor! Ich möchte ergänzend hinzufügen1 – falls ich es nicht gesagt habe –: daß ich s. Z. auf Anfrage der Baseler Regierung Michels dorthin empfohlen habe, allerdings unter nachdrücklicher Betonung, daß Eulenburg und v. Bortkiewicz ihm unbedingt vorgehen,2 letzterer als Theoretiker, ersterer als Ökonom und Soziologe ihm unbedingt überlegen und im Gegensatz zu ihm philosophisch gebildet sind. Dabei bleibea ich natürlich. Michels fehlt es an „Takt“ heißtb in diesem Fall nicht die Möglichkeit gewöhnlicher „Taktlosigkeiten“, sondern: er weiß nicht was sich gebührt – in recht wichtigen Dingen, wie seiner Heimat gegenüber, die im Existenzkampf steht. Aber auch ich meine: auf wissenschaftliche Beziehungen sollte das nicht wirken. Auch diese Bemerkungen sind alle ihm gegenüber gänzlich „unvertraulich“. – Mit der Sitzung bitte ich sehr, auf mich keinerlei Rücksicht nehmen zu wollen.3 In Verehrung Ihr ergebenster Max Weber a Alternative Lesung: bliebe

b Unsichere Lesung.

1 Der Brief bildet eine Ergänzung zum Schreiben an v. Schmoller vom 10. Jan. 1916, oben, S. 246 – 251. 2 Anläßlich der Frage der Neubesetzung des Lehrstuhls für Nationalökonomie an der Universität Basel für den verstorbenen Theophil Kozak war die Berufungskommission 1913 auch an Weber wegen einer gutachtlichen Äußerung über mögliche Kandidaten herangetreten. Weber hatte dabei in seiner nicht überlieferten Stellungnahme in erster Linie auf Ladislaus v. Bortkiewicz und Franz Eulenburg, sodann auch auf Robert Michels hingewiesen; zum Berufungsvorgang Michels’ nach Basel vgl. die Editorische Vorbemerkung und den Brief an Gisela Michels-Lindner vom 30. Juni 1913 (MWG II/8, S. 256 – 258); ebd., S. 257, auch Webers Mitteilung über seine Berufungsvorschläge. 3 Gemeint ist die nächste Sitzung des Ausschusses des Vereins für Sozialpolitik; diese fand am 6. April 1916 in Berlin statt, bei welcher auch Max Weber zugegen war.

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Ernst Jäckh 25. Januar [1916]; [Heidelberg] Abschrift; ohne Anrede und Grußformel Abdruck in: Jäckh, Ernst, Der goldene Pflug. Lebensernte eines Weltbürgers. – Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1954, S. 187 Der Brief ist von Ernst Jäckh irrtümlich auf 1915 datiert; der Ort ist erschlossen aus der Überschrift zu dem hier abgedruckten Brief: „Von Professor Dr. Max Weber, Heidelberg“. Auslöser dieses Schreibens war ein Eilbrief Friedrich Naumanns an Weber vom 24. Januar 1916 (BA Berlin, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 106, Bl. 63 – 65), in welchem jener über den geplanten „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“ berichtete und gleichzeitig um Webers Mitarbeit bat. Im einzelnen führte Naumann aus, daß seine Rückmeldung in dieser Angelegenheit deswegen so „lange gedauert“ habe, weil „in einer auch für uns hier etwas peinlichen Weise die Zusage der Regierungsstellen nur langsam eingeholt werden konnte. Inzwischen ist nun festgestellt, daß der Arbeitsauschuß für Mitteleuropa sich formell freiwillig und auf eigene Kosten[,] aber in beständiger Fühlungnahme mit den entsprechenden Reichsämtern gestalten wird. Den Hauptteil der deutschen Verhandlungen mit Österreich und Ungarn übernimmt Unterstaatssekretär Richter im Reichsamt des Innern. Er wünscht den beständigen Verkehr mit uns. Die offizielle Konstituierung des Arbeitsausschusses ist für etwa Mitte Februar beabsichtigt, und ich würde es für sehr erwünscht ansehen, wenn Sie um diese Zeit bei uns sein könnten und von da an Ihre Kräfte und Mithilfe in den darauffolgenden Monaten den mitteleuropäischen Problemen zuwenden würden. In einer Vorbesprechung, an der die Herren Jäckh, Schacht, Somary und ich teilgenommen haben, wurde abgemacht, daß wir der konstituierenden Versammlung den Vorschlag machen wollen, daß ich den Vorsitz übernehme. [...] Die Mitglieder des Ausschusses entstehen durch Kooptation nach folgenden Gesichtspunkten: Die Beamten der Reichsämter werden nicht als Ausschußmitglieder betrachtet, sondern stellen ihre Mitwirkung in amtlicher Eigenschaft zur Verfügung. In den Ausschuß werden teils solche Herren berufen, deren wissenschaftliche und praktische Mitarbeit unentbehrlich ist, teils solche, deren finanzielle und repräsentative Bedeutung erwünscht erscheint. Das Bureau wird voraussichtlich unter meinem Vorsitz und hoffentlich unter beständiger Anteilnahme von Ihnen, Professor Jäckh und Direktor Schacht durch Herrn Dr. Somary geleitet werden. Der letztere wird seine Kräfte dem Ausschuß in vollem Maße widmen, ohne allzu sehr in die Öffentlichkeit treten zu können, da unnötigerweise gegen seine österreichische Herkunft gewisse amtliche Bedenken geäußert worden sind. Die Führung der täglichen Geschäfte liegt voraussichtlich in den Händen des Herrn Dr. Boese, Sekretär von Professor Schmoller, und Redakteur Heile von der ‚Hilfe‘. Diese beiden Herren bleiben in ihren bisherigen Stellungen, haben aber Zeit genug, dem Ausschuß regelmäßig zur Verfügung zu stehen. Was nun Ihre eigene Tätigkeit anlangt, so habe ich den Vorschlag gemacht, daß Sie nach einer gewissen grundsätzlichen Aussprache mit unserem Kreise auf Kosten des Arbeitsausschusses eine Anzahl von Wochen zunächst nach Österreich und Ungarn gehen, um dort in privater Weise sich mit den hauptsächlichsten Vertretern des mitteleuropäischen Gedankens bekannt zu machen und überhaupt das Gebiet der vorliegenden Fragen an Ort und Stelle zu studieren. Wenn Ihre eigenen Wünsche eine andere Reihenfolge der Tätigkeiten angebracht erscheinen lassen, so ist es selbstverständlich, daß wir anderen mit Ihnen einverstanden sein werden. Wir machen uns vorläufig etwa folgendes Bild: Die amtlichen Besprechungen der drei in Betracht kommenden Staaten über die Herstellung eines gemeinsamen Zollschemas dürften sich bei gutem

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Verlauf etwa bis in den Mai erstrecken. Dann müssen wir unsererseits bereit sein, eine durchgearbeitete Ansicht über das handelspolitische Gebiet zu besitzen. Während nun Dr. Somary als seine eigentliche Aufgabe die Durcharbeitung der finanziellen Probleme übernimmt, so wollen wir Sie bitten, unter Bedingungen, die von Ihnen selbst mit uns festgestellt werden, der Mittelpunkt unserer handelspolitischen Erörterungen zu sein. Ich erinnere mich dabei sehr wohl der Ausführungen, die Sie darüber gemacht haben, daß Sie von Beruf nicht eigentlich Handelspolitiker sind. Das halte ich aber in diesem Fall mehr für einen Nutzen als für einen Schaden. Die berufsmäßigen Handelspolitiker, wie etwa die Herren Lusensky, Eulenburg, Wiedenfeld in Deutschland und wie Riedl, Schüller, Szterenyi in Österreich und Ungarn stehen für jede Orientierung zur Verfügung. Ich habe aber in allen meinen bisherigen Gesprächen mit den ausführenden Organen der Handelspolitik und insbesondere auch mit den Interessentenvertretern, wie z. B. Paasche, Stresemann, Friedmann (in Wien) und anderen den Eindruck gehabt, daß diese Herren aus einem gewissen Formalismus bisheriger handelspolitischer Begriffe nicht heraus können, und erwarte von Ihrer freien und allgemein volkswirtschaftlichen Durcharbeitung eine Klärung der Schwierigkeiten, die niemals von den Facharbeitern selbst geleistet werden kann. [...] Die Sachverständigen für diese Einzelgebiete werden wir ohne Schwierigkeiten an uns heranziehen können; es ist aber auch hierbei ein ordnender Geist nötig, der über die Grenzen der verschiedenen Ressorts hinausblickt. Ich persönlich glaube, daß hier eine Aufgabe vorliegt, für die gerade Sie in einzigartiger Weise die Vorbedingungen mitbringen. Wenn ich den Vorsitz des Arbeitsausschusses übernehme, so tue ich es wesentlich mit in der Voraussetzung, daß mir Ihre tatkräftige Hilfe dabei nicht fehlen wird, da ich ja gar keinen Hehl daraus mache, daß mir selbst ein großer Teil der Kenntnisse fehlt, die an dieser Stelle vorhanden sein müßten. [...] Wenn wir unser hiesiges Bureau einrichten, so würde ich es für sehr gut halten, wenn wir Ihnen darin gleich von vornherein einen bestimmten Raum zur Verfügung stellen dürften.“ Am Briefschluß hatte Naumann um ein Duplikat von Webers Antwort an Jäckh gebeten.

25. Januar 1916a. Ich habe Naumann zugesagt:1 (1) am 15. Februar nach Berlin zu kommen (nötigenfalls: dauernd); (2) Ihnen beliebig zur Verfügung zu stehen. Wiederholt betonen mußte ich: daß ich über handelspolitische Dinge, mit denen ich seit zwanzig Jahren außer allem Konnex bin, sehr schwer arbeiten und etwas Gutes bieten kann. Aber ich stehe zu Gebot und eine Heranziehung eines andern kann zu jedem Augenblick

a Im Abdruck: 1915 1 Eine entsprechende Äußerung Webers – vermutlich ein Telegramm – ist im Nachlaß Friedrich Naumann im BA Berlin nicht nachgewiesen.

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erfolgen – ich werde weiß Gott nicht „empfindlich“ sein! (Naumann bat mich um Nachricht direkt an Sie.) P.S. Könnte ich nochmals so klärende und anregende Stunden mit Ihnen verleben wie das letztemal, als ich bei Ihnen auch unseren schwedischen Kollegen Steffenb traf?2

b Im Abdruck: Steffens 2 Ernst Jäckhs Berliner Wohnung Schöneberger Ufer 36a bildete von 1912 bis 1926 einen Treffpunkt von Vertretern der Diplomatie und Ministerien, von Parlamentariern und Wissenschaftlern; vgl. dazu Jäckh, Ernst, Der Goldene Pflug (wie im Briefkopf), S. 186. Weber hatte dort den schwedischen Nationalökonomen Gustaf Steffen kennengelernt.

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Heinrich Rickert [vor dem 28. Januar 1916]; o.O. Brief; eigenhändig UB Heidelberg, Heid. Hs. 2740, Erg. 93, 1.2 (Nl. Heinrich Rickert) Die Datierung ist erschlossen aus der Art und Weise, wie der „Fall Schneegans“ hier erwähnt wird im Vergleich zu der entsprechenden Äußerung Webers in seinem Brief an Rickert vom 28. Januar 1916, unten, S. 272 f. Beruht letztere auf der – vagen – Kenntnis der Ausreiseerlaubnis für Friedrich Eduard Schneegans in die Schweiz, so scheinen Schneegans’ Zukunftsaussichten nach Webers Äußerungen im unten abgedruckten Brief sich noch in der Schwebe zu befinden.

Lieber Rickert! Duhn1 sprach mich gestern in seiner nicht sehr taktvollen Art darauf an, ob ich nicht als Lehrer jetzt „etwas aushelfen“ wolle.2 Ich habe ihm schriftlich geantwortet: Nein.3 Denn: 1) Jede, noch immer jederzeit mögliche, öffentliche Erörterung des „Falles Schneegans“4 würde voraussichtlich mein Ausscheiden aus dem Lehrkörper bedingen, da ich nicht zu schweigen gedächte. 2) Vor Allem aber habe die Fakultät s. Z. mir das Verbleiben in der Seminardirektion und die Annahme der staatlichen Pension durch ihr Verhalten bei meinem Rücktritt unmöglich gemacht.5 Jetzt sei ich kein Nationalökonom mehr, übrigens auch nicht bereit, jene Vorgänge je-

1 Friedrich v. Duhn war zu der Zeit Dekan der Heidelberger Philosophischen Fakultät. 2 In der Fakultätsakte von 1915/16 gibt es keinerlei Hinweise auf Absichten der Fakultät, Max Weber für Vorlesungen zu gewinnen. Zwar stand Alfred Weber wegen seines Kriegsdienstes nicht zur Verfügung, doch wurde der Vorlesungsbetrieb durch Eberhard Gothein, Emil Lederer, Sally Altmann und Sigmund Schott aufrechterhalten. 3 Das entsprechende Schreiben ist nicht nachgewiesen. 4 Zum „Fall Schneegans“ vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an das Bezirksamt Heidelberg vom 6. Sept. 1915, oben, S. 120 – 122. 5 Es geht hierbei um das Verhalten der Fakultät anläßlich Webers Entlassungsgesuch aus seinem Ordinariat im Jahre 1903. Die ministerielle Anregung, zumindest einen Lehrauftrag für sein Spezialfach, die Nationalökonomie, wahrzunehmen, hat Weber in seinen Schreiben an Franz Böhm vom 5. Mai und 29. Juni 1903 (GLA Karlsruhe, Abt. 52, Nl. Franz Böhm, Fasz. 638; MWG II/4) unter ausdrücklicher Berufung auf die Bedenken der Fakultät abgelehnt: „Für die Ablehnung eines Lehrauftrags mußte für mich bestimmend sein, daß bei einigen Mitgliedern der Fakultät formale Bedenken gegen eine Vermehrung der nationalökonomischen Stimmen bestanden. Unter diesen Verhältnissen konnte eine Kombination von Spezialvorlesungen und seminaristischer intensiver Arbeit, wie sie meiner Neigung u. Begabung am nächsten läge, wegen des mangelnden Rechts der Teilnahme an den Promotionen nicht in Frage kommen.“ Brief an Böhm vom 29. Juni 1903, ebd.

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mals zu vergessen. (Ich hatte natürlich beansprucht, daß mir das Recht, an Promotionen beteiligt zu sein, fest gegeben würde. Die Art wie (durch den Senior!)6 die Fakultät dies (mündlich) ablehnte und die Thatsache, daß sie es ablehnte, genügten, denke wenigstens ich!) – Daß noch ganz andere Gründe existieren, wissen Sie, aber ich setze voraus, daß Niemand – auch nicht meine Frau – davon etwas erfährt.7 Herzlichen Gruß, auf Wiedersehen in 2 – 21/2 Wochen Ihr Max Weber

6 Der Doyen der Fakultät im Jahre 1903 war Kuno Fischer. 7 Auf welche Gründe Weber anspielt, ist nicht bekannt.

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Hans von Schubert 28. Januar 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, BSB München, Ana 446 Im Mittelpunkt dieses und der folgenden Briefe an Hans v. Schubert vom 31. Januar, nach dem 2. Februar und vom 8. Februar 1916, unten, S. 278 f., 282 f. und 288 f., sowie der beiden Briefe an Heinrich Rickert vom 28. und 31. Januar 1916, unten, S. 272 f. und 280 f., steht das problematische Verhältnis zwischen letzterem und Arnold Ruge. Zwischen diesen beiden bzw. zwischen Rickert, Georg Mehlis und Richard Kroner in Freiburg i. Br. und Arnold Ruge in Heidelberg war es im Jahre 1910 zu erheblichen Differenzen bei der Herausgeberschaft des „Logos“ gekommen, was letztlich durch den Druck Rickerts dazu führte, daß Ruge aus dem Herausgeberkreis der Zeitschrift ausschied; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung und den Brief an Heinrich Rickert, vor oder am 13. März 1910 (MWG II/6, S. 428 – 431). Die Befürchtung von Heidelberger Fakultätsmitgliedern, dieser frühere Konflikt könne zu erneuten Spannungen nach der Berufung Rickerts nach Heidelberg führen, bestätigte sich nicht. Im Gegenteil: Auf Betreiben Rickerts erhielt Ruge eine festbesoldete Assistentenstelle am Philosophischen Seminar (Antrag Rickerts an die Philosophische Fakultät vom 1. Juni 1916; UA Heidelberg, H -IV-102/141).

Bitte diesen Brief auch an Herrn Koll[egen] Oncken! Der Inhalt ist Herrn Dr Ruge gegenüber nichta vertraulich, wenn nötig. Aber nur ihm gegenüber. Heidelberg 28.I.16. Lieber Kollege,

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mein Vetter Hausrath1 richtete mir Ihre freundlichen Mitteilungen aus. Ich antworte gern: Herr Dr Ruge war s. Z. mit den gleichen Papieren betr. den „Logos“ bei mir, – etwa 3– 4 Mal m. W. Ich wurde überzeugt, daß ihm bitterlich Unrecht geschehen sei und schrieb scharf an Rickert, daß dies redressiert werden müsse, wenn anders mein Name mit auf der Zeitschrift figurieren solle.2 Es kam zu einer scharfen Korrespondenz und dann zu einer mündlichen Erörterung. Dabei nun wurden mir sämmtliche Akten betr. die Angelegenheit und die schriftlichen Aussagen (mit Erbieten der bEidesleistung) vorgelegtb. Das Ergebnis war, daß ich a O: zweifach unterstrichen.

b O: Eidesleistung vorgelegt)

1 August Hausrath. 2 Ein solches Schreiben ist nicht erhalten; vgl. jedoch die beiden Briefe an Heinrich Rickert, vor oder am 13. März 1910, sowie vom 20. März 1910 (MWG II/6, S. 428 – 431 und 434 – 436).

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– wie verlangt wurde – erklären mußte: ich sei ganz unvollständig orientiert worden, nehme Alles zurück und müsse den andren Redakteuren unbedingt Recht geben. Rickert hielt Herrn R[uge] für (im klinischen Sinn) „krank“, und ich habe das Meinige gethan, ihm zu einem Ausscheiden „mit Ehren“ zu verhelfen, aber allerdings auch: ihn dazu zu veranlassen. – Zur gleichen Zeit hat er mir, wiederholt (es war vor seiner Habilitation),3 seine Beschwerden gegen Windelband vorgetragen, insbesondre: seine ganz ungenügende Bezahlung.4 Ich halte diese Beschwerden für sachlich berechtigt: W[indelband] hat dafür einfach keinen Maßstab gehabt. Herr Dr Ruge hat den ganzen Philosophen-Kongreß hier5 – und zwar: gut – für ihn arrangiert. 50 (!) M. ist dafür keine Bezahlung, denn es hat ihn Monate gekostet. Das 20-fache wäre in der Ordnung gewesen. Ebenso mußte er ihn für die, sei es auch – wie mir entgegengehalten wurde: – unnötigen (?) und subalternen Dienste im Seminar besser entschädigen. Das habe ich R[ickert] oft gesagt und vor ca 4 Wochen nach seiner Berufung hierher geschrieben.6 Denn hier und in ähnlichen Diensten liegt der Kern des ganzen Übels: es war offensichtlich, daß Windelband selbst dabei nicht ganz behaglich war. Er hatte – noch auf dem Totenbett – Angst vor R[uge] und einem „Skandal“, den dieser auf seine, W[indelband]’s, Kosten machen könne. Dritten gegenüber hat R[uge] damit, falls er nicht habilitiert würde, gedroht. Ich persönlich habe Herrn Dr R[uge] seiner Zeit, anschließend an jene Erörterung, (schriftlich) vorgestellt: daß die Art seiner Presse-Benutzung für Reklame für seine Sachen dem Standesgefühl widerspreche und Andre verletze und ihm schade.7 (Den Antwort-Brief habe ich noch).8

3 Die Habilitation Ruges fand im Juni 1910 statt. 4 Diesen Eindruck hatte Weber schon 1910 gewonnen. So schreibt er in seinem Brief an Rickert, vor oder am 13. März 1910 (MWG II/6, S. 430): „(NB! die Art der Ausbeutung R[uge]’s durch W[indelband] ist – rein objektiv, nach den mir nicht durch R[uge] – bekannten Thatsachen – nicht anders als ,schamlos‘ zu nennen!).“ 5 Gemeint ist der III. Internationale Kongreß für Philosophie, der vom 1. bis 5. September 1908 in Heidelberg stattgefunden hatte. 6 Vgl. dazu den Brief an Heinrich Rickert vom 31. Okt. 1915, oben, S. 155 f., Anm. 6 und 8. 7 Der Brief ist im Nachlaß Ruge im GLA Karlsruhe nicht nachgewiesen. 8 Der Brief ist weder im Nachlaß Weber im GStA Berlin noch im Bestand Max WeberSchäfer in der BSB München vorhanden.

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Abgebrochen habe ich mit ihm (und seinen Besuch nicht erwidertc)[,] als ich (die Zeugnisse wurden schriftlich unter Eideserbieten – von ganz Unbeteiligten – vorgelegt!) erfuhr, in welcher auf gar keine Art zu rechtfertigenden Weise er, der Assistent 앚:Windelbands:앚[,] der schließlich nur Windelband seine Habilitation dankte (und Alles Andre), diesen Dritten gegenüber kompromittiert und indiskret geschändet hatte (in ganz persönlicher Hinsicht).9 Das durfte niemals geschehen, auch wenn er sich beklagen konnte – denn seine Geldforderungen konnte er ja schließlich stellen und verfechten! Aber W[indelband] als einen vorzeitig durch Schlemmerei geistig heruntergekommenen Menschen verklatschen, Ausländern und andren Dritten gegenüber, durfte er, der „Sohn des Hauses und Assistent“, nun und nimmermehr, so lange Treue und Pietät etwas gilt. R[uge] ist kein „schlechter Mensch“ und ich schätzte seine Vorzüge. Nur weiß er, im innerlichsten Sinn, nicht: „was sich gehört“, hat eine zu starke Größen-Vorstellung und keinen moralischen Muth. Die im Prozeß-Termin (c⁄a Koch)10 vorgelegte Korrespondenz mit der „Frankf[urter] Zeitung“11 ist höchst traurig, ebenso die dokumen-

c O: erledigt > erwiedert 9 Ruge hatte Dritten gegenüber – Rickert, Kroner, Fedor Stepun und Sergius Hessen sowie Ernst Troeltsch – behauptet, Windelband sei durch Alkohol- und Tabakkonsum senil geworden, und dieser Senilität verdanke er seine Habilitation. Vgl. dazu u. a. MWG II/7, S. 890 f. 10 Gemeint ist die Privatklage von Adolf Koch gegen Max Weber, die vom 14. bis 17. Oktober 1912 vor dem Heidelberger Schöffengericht verhandelt wurde. Grund dieser Privatklage war Webers umfangreiches Schreiben an Koch vom 25. Jan. 1912 (MWG II/7, S. 395 – 406); darin wurde Koch vorgeworfen, ein Gerücht über eine angebliche Duellverweigerung Webers gegenüber Arnold Ruge durch einen journalistischen Mittelsmann, Otto Bandmann, lanciert zu haben. Zu Entstehung und Verlauf dieses Prozesses vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an die Redaktion der Dresdner Neuesten Nachrichten vom 11. Jan. 1911 (MWG II/7, S. 31 – 33). 11 Theodor Curti von der Frankfurter Zeitung hatte am 6. Jan. 1911 Ruge gebeten, zu den diversen Zeitungsnachrichten Stellung zu nehmen, die von seiner Duellforderung an Max Weber und dessen Ablehnung berichtet hatten (GLA Karlsruhe, Nl. Arnold Ruge, Nr. 18). Ruge hatte daraufhin am 7. Jan. 1911 geantwortet (Abschrift masch., ebd.) und diese Nachrichten als für völlig aus der Luft gegriffen erklärt: „Herrn Weber eine Forderung zu überschicken lehnte ich von vornherein ab [, ] erstens weil ich diesen Weg prinzipiell für den unzweckmäßigsten halte und zweitens weil Weber ein kranker Mann ist und nur als solcher die [!] Dispens von seinem Amte genießt.“ Diese Briefe wurden im Beleidigungsprozeß Koch contra Weber in der öffentlichen Sitzung des Großherzoglichen Schöffengerichts am ersten Verhandlungstag, dem 14. Oktober 1912, verlesen (GLA Karlsruhe, 235/2195, S. 444).

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tarisch unwahre (eidliche) Aussage[,] und der Kern des Übels in der Sache, die ich nicht durchgehen lassen konnte, war: daß er nicht die Couraged hatte, auf den privaten Brief meiner Frau hin glatt zu sagen: „ich hatte eine schlimme Stunde und habe mich vergriffen“,12 – nachher konnte er ja Ansichten vertreten[,] welche immer er wollte. Wissenschaftlich kann ich Herrn R[uge] nicht beurteilen. Rickert blieb dabei: daß er schlechthin nichts Eignes geleistet habe und daß W[indelband] ihn niemals, statt mit Geld, mit einer Habilitation hätte „bezahlen“ dürfen: da steckt nach Ansicht auch Anderer der Grundfehler. Einen neuen „Skandal“ wird Niemand scheuen, er kann sich dadurch nur zu Grunde richten. Aber daß Rickert, wenn gefragt, etwas Andres sagen würde als: „ich habe mit dem Herrn Collisionen gehabt und bin daher nicht kompetent“[,] scheint mir ziemlich sicher.13 Ich vollends. Zumal ich natürlich, trotz aller Wichtigthuerei, es schätze, daß Dr R[uge] im Kriege sich tüchtig an Arbeit beteiligt hat,14 überhaupt ihn gar nicht für einen „schlechten“, nur für einen gegen sich selbst nicht wahren und nicht moralisch mutigen Menschen halte. Collegialen Gruß! Max Weber

d O: Kurage 12 Auslöser für Marianne Webers Brief war eine beleidigende Passage Arnold Ruges in einer Zuschrift über die Frauenbewegung an das Heidelberger Tageblatt vom 3. Dez. 1910, 2. Bl., S. 3. Daraufhin hat Marianne Weber in einem Privatbrief vom 6. Dez. 1910 (GLA Karlsruhe, Nl. Arnold Ruge, Nr. 18) Ruge vergeblich um eine nähere Erläuterung gebeten, ob sich dessen Polemik auch auf Heidelberger Frauen beziehe, was dieser nur ausweichend beantwortete. Weber selbst sah sich dadurch zu einem Brief an Ruge veranlaßt, worauf dieser mit einer Privatklage reagierte, die aber später zurückgezogen wurde. Zu dem Konflikt zwischen Max Weber und Ruge vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Arnold Ruge vom 13. Dez. 1910 (MWG II/6, S. 715 – 717) sowie diejenige zum Brief an Heinrich Rickert, nach dem 15. Jan. 1911 (MWG II/7, S. 46 f.). 13 Vgl. dazu den Brief an Heinrich Rickert vom selben Tage, unten, S. 272. 14 Ruge war Mitveranstalter der „Vaterländischen Volksabende“ (deren Leiter Hans v. Schubert war) sowie Mitarbeiter beim „Roten Kreuz“.

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Heinrich Rickert 28. Januar [1916]; Heidelberg Brief; eigenhändig UB Heidelberg, Heid. Hs. 2740, Erg. 93, 1.2 (Nl. Heinrich Rickert) Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Der Brief steht in Zusammenhang mit der Frage, wie sich das gespannte Verhältnis zwischen Rickert nach seiner Berufung nach Heidelberg und Arnold Ruge zukünftig gestalten werde; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Hans v. Schubert vom 28. Januar 1916, oben, S. 268.

Heidelberg 28/1 Lieber Freund, – Ruge soll sich nach zuverlässigen Nachrichten an Husserl gewendet haben (oder wenden), um in Freiburg habilitiert zu werden.1 Es ist ja doch wohl möglich, daß Sie auf Befragen antworten: „Sie hätten einen Konflikt mit ihm gehabt und lehnten es deshalb ab, Sich über ihn zu äußern“ (oder so ähnlich)a. 2 hiesige Kollegen2 baten mich, zu intervenieren, daß ihm möglichst nichts in den Weg gelegt werde. Er hatte ihnen durch Briefe etc. darzuthun gesucht, daßb ihm in der „Logos“-Sache „Unrecht“ geschehen sei (Sie erinnern Sich ja, daß auch ich s. Z. von ihm da „eingeseift“ worden war)c. Er wolle darüber ev. einen neuen „Skandal“ machen, – was ja Niemanden schreckt, aber doch unnötig wäre. Ich habe den Herren das Entsprechende über jene Sache geschrieben und gesagt: der wunde Punkt sei nur die ungenügende Bezahlung durch W[indelband] (50 M. für den Kongreß!) gewesen.3 Sonst sei R[uge] nur sein Recht geschehen, wie ich s. Z. habe anerkennen müssen. Wann übersiedeln Sie in die Pension?d Ab 15.2. bin ich ine Berlin, Wien, Budapest, Berlin (vielleicht für längere Zeit), kann aber gut einmal einige Tage herkommen. Die Schneegans-Sache4 scheint sich Gott

a Klammer fehlt in O. b c Klammer fehlt in O. d O: Pension. e 1 Briefe Arnold Ruges an Edmund Husserl sind nicht überliefert; eine Umhabilitation nach Freiburg i. Br. hat nicht stattgefunden. 2 Gemeint sind Hans v. Schubert und Hermann Oncken. 3 Brief an Hans v. Schubert – auch für Hermann Oncken bestimmt – vom selben Tage, oben, S. 269, Anm. 5. 4 Zur „Affäre Schneegans“ vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an das Bezirksamt Heidelberg vom 6. Sept. 1915, oben, S. 120 – 122.

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sei Dank zu erledigen – über Verdienst der Fakultät! Diese Erz-Rindsviecher! Ich hörte gern Gutes von Ihrem (relativen) Befinden, leider wenig Gutes von Sofie!5 Viele herzliche Grüße, ich erwarte mit Ungeduld die Zeit täglich möglichen Austauschs mit Ihnen beiden. (Wir kaufen uns jetzt hier in das z. Z. von uns bewohnte Haus ein. – Noch vertraulich!)6 Freundschaftlichen Gruß Ihr Max Weber

5 Gemeint ist Rickerts Ehefrau, Sophie Rickert. 6 Für den Fall, daß Laura Hausrath ihren Anteil am Haus Ziegelhäuser Landstraße 17 verkaufen werde, bestand die Absicht, ihren Anteil zu übernehmen. Dazu ist es nicht gekommen. Vgl. dazu den Brief an Marianne Weber vom 15. Febr. 1916, unten, S. 292, Anm. 2.

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Frieda Gross 29. Januar 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 14, Bl. 22 – 25 Mit dem folgenden Brief beginnt Webers Korrespondenz mit Frieda Gross über die Regelung der Testamentsbestimmungen des am 26. Mai 1915 gefallenen Emil Lask. Das Testament konnte nicht nachgewiesen werden. Max Weber hat es vermutlich anläßlich des in diesem Brief erwähnten Besuchs der Schwestern Lasks in Heidelberg gelesen. Darin hatte Lask seine beiden Freundinnen Frieda Gross und Lina Metzner, geschiedene Radbruch, mit einer Rente bedacht. Durch deren unbestimmte zeitliche Abfolge waren die Ansprüche beider Frauen aneinander gebunden. Weber bemühte sich in den folgenden Monaten, die Ansprüche gegeneinander abzuwägen und bei dem von ihm erstrebten Ausgleich auch den Interessen der Familie Lask gerecht zu werden. In Zusammenhang mit seinen Ausgleichsbemühungen beriet Weber Lina Metzner bezüglich ihrer Unterhaltsansprüche gegenüber ihren Schwiegereltern. Vgl. dazu den Brief vom 30. November 1916, unten, S. 562 – 565. Hinzu trat die Regulierung der Kosten aus den Prozessen zwischen Hans Gross und Frieda Gross sowie der Honorare für den Rechtsanwalt Otto Pellech, die aus dem Nachlaß von Emil Lask gezahlt werden sollten. Bis zur Abwicklung im Juli 1916 durchziehen die Fragen um die Regelung der Testamentsbestimmungen insbesondere die folgenden Briefe an Frieda Gross vom 24. Februar, vom 2. und 15. April, vom 2. und 25. Juni sowie vom 11. Juli 1916, unten, S. 309, 371, 435 – 442, 466 f. und 473. Die Problematik findet auch stellenweise ihren Niederschlag in den nachfolgenden Briefen an Marianne Weber. Zur Beziehung von Lask zu Frieda Gross vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Emil Lask vom 25. November 1913 (MWG II/8, S. 402), zur Beziehung zu Lina Radbruch vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Karl Jaspers, nach dem 26. April 1913 (MWG II/8, S. 209).

Heidelberg 29/1 16 Ziegelhäuser Landstr. 17 Liebe Frau Frieda, – Lask’s Schwestern1 waren kürzlich wegen des Testamentes hier und erzählten, daß sie s. Z. einen, wie ich mir denken konnte, sehr reizenden Brief von Ihnen hatten. Ich hätte nun ja ganz gern auch mal wieder einen gehabt1), aber ich erfuhr von Marianne, daß Sie leider einen Ich schrieb Ihnen im Ganzen 4 Mal.2 Hoffentlich hat die Briefcensur hinter unsrer Korrespondenz nicht Spionage oder so was vermutet! 1)

1 Berta Jacobsohn und Helene Lask. 2 Vgl. die Briefe an Frieda Gross, nach dem 4. Sept., vom 16. Nov., 9. und 27. Dez. 1915, oben, S. 118 f., 176 f., 212 f. und 232.

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Furunkel oder so was hatten – oder hatten Sie auch etwelche andre Hemmnisse („Complexe“?) oder hatte ich Ihnen was zu leide gethan – wofür ich in Unterthänigkeit um Pardon bitten würde – oder war es Ihnen einfach nicht drum? Nun, ich habe Sie s. Z. auch lange warten lassen. Aber jetzt wollte ich doch, oder muß ich sogar, einiges Geschäftliche mit Ihnen erörtern. L[ask]’s Testament verfügt 1) daß alle Kosten und Aufwendungen Ihres Prozesses3 Ihnen zu erstatten sind. Diese Sache ist reguliert und es entstehen nutzlose Schreibereien (wegen der Erbschaftssteuer), wenn Sie nicht darauf durch notariell beglaubigte Erklärung verzichten. Sind Sie einverstanden, – wie gesagt, die Sache mit Pellech ist in Ordnung, er hat schon abgerechnet und das Vermächtnis war nicht 앚:jetzt:앚 mehr nötig – dann werde ich Ihnen das Nötige darüber schreiben, wie es zu machen ist. – Sodann hat Lask2) Frau Lina R[adbruch], jetzige verehelichte Metzner, mit 3500 (!) Mk Rente bedacht, „so lange sie sie braucht“ (ein leider gänzlich dehnbarer Begriff!) und später, wenn sie (Lina) das nicht mehr braucht, Sie in gleicher Höhe. Die Frage ist, was macht man da. Lina M[etzner] würde ich es verdenken, wenn sie auf diese Rente Anspruch erhöbe (in voller Höhe wenigstens), – denn wie definierte doch Friedel J[affé] den Begriff des Vaters? (oder vielmehr, er fragte, wozu man ihn hätte und Frl. Hirtz4 sagte: „daß er zahlt“). 앚:Sie hat einen Mann[.]:앚 Aber nun wie steht es mit Ihnen? Verzeihen Sie, daß ich in diesem Fall etwas in Ihre Verhältnisse eindringe. Wenn Lina M[etzner] die Rente beansprucht – und das ist ihr zuzutrauen – dann werden Sie überhaupt (da sie weit jünger ist als Sie)5 kaum je „dran“ kommen. Anders wenn es gelingen sollte, Lina M[etzner] zum Verzicht zu bewegen. Erben des Kapitals sind die Kinder der Frau Berta Jacobsohn, L[ask]’s Schwester (hinter der Mutter,6 die erste Erbin ist). Die Rente nimmt so ziemlich 2)

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Es ist ein Unstern, daß er mich nicht um Rat gefragt hat. Das Testament ist höchst unpraktisch!

3 Gemeint ist der von Hans Gross angestrengte Prozeß um die Außerehelichkeitserklärung der Eva Gross. Vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 14. März 1915, oben, S. 24. 4 Fräulein Hirtz hatte im Jahre 1910 die Kinder von Else Jaffé betreut. 5 Lina Metzner war zu diesem Zeitpunkt 29, Frieda Gross 39 Jahre alt. 6 Cerline Lask.

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dena ganzen Kapital-Ertrag in Anspruch. Würden Sie mir wohl, liebe Frieda, ganz offen sagen, ob und in welcher Höhe es jetzt – wo ja wahrscheinlich nichts zu machen ist – oder künftig für Sie (Ihre Kinder sind nicht erwähnt) von Wichtigkeit werden kann, daß dieses Rentenvermächtnis besteht? Es ist einfach aus steuertechnischen Gründen wichtig, das zu wissen. Und da wir doch in guten Tagen uns über solche Geldsachen immer ganz unverblümt und unsentimental besprochen haben, – bitte thun Sie das doch auch jetzt. Ich kenne ja Ihre Verhältnisse absolut nicht. Es wäre doch vielleicht für künftig gut, wenn ein solcher, sei es auch noch so problematischer, Rückhalt in Aussicht stände? Was macht denn der Peter?7 was die Eva?8 was Herr Frick? – und haben sich die Herren Brüder9 in Graz und Prag Ihnen gegenüber noch immer nicht besser als früher betragen? – Aber lassen Sie lieber die Beantwortung dieser neugierigen Fragen und schreiben Sie mir nur ganz kurz: 1) ob Sie bereit sind, auf das erste Vermächtnis (Kosten des Prozesses) zu verzichten, da diese Verpflichtung, die L[ask] bei Lebzeiten übernommen hat, inzwischen reguliert und voll gedeckt ist? 2) wie es mit Ihren voraussichtlichen Verhältnissen künftig sonst steht? Das Testament des alten Gr[oss]10 ist eine rechte Unbequemlichkeit. Es wird sehr schwer sein, für Eva etwas durchzusetzen. Der Ausweg ist: daß Sie ein Testament machen, worin Sie verfügen: Eva wird an Ihrem Vermögen gegenüber so weit bevorzugt (vorbehaltlich des Pflichtteils für Peter), daß der durch das ungerechte Testament des Großvaters ihr gegenüber entstandene Nachteil ausgeglichen ist. Das ist absolut gerecht und in der Ordnung, Peter könnte sich darüber nicht beklagen. Und es vermindert die Notwendigkeit eines Prozesses

a das > den 7 Peter Gross. 8 Eva Gross. 9 Hermann und Arnold Schloffer. 10 Die Verlassenschaftsabhandlung des Dr. Hans Gross stammt vom 1. Mai 1912 und wurde im Bezirksgericht Graz (Steierm. LA Graz, A IX 1089/15) hinterlegt. In einem Nachtrag vom 30. Dezember 1912 hatte Hans Gross verfügt, daß die Bestreitung der Ehelichkeit von Eva Gross auch nach seinem Tod bis zur obersten Instanz fortgesetzt werden solle. Vgl. auch den Brief an Frieda Gross vom 27. Dez. 1915, oben, S. 232.

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der Eva gegen Peter, der – mit fraglichem Erfolg – sonst unvermeidlich wäre, um etwas zu erreichen. Sollten Sie – und Pellech, dem ich noch schreibe11 – im Prinzip mit dieser Lösung einverstanden sein, dann würde ich den Versuch machen, eine solche Verfügung zu entwerfen, die Sie ja dann noch immer frei prüfen, ablehnen oder akzeptieren können. Die allerherzlichsten Grüße! Freundschaftlich Ihr Max Weber

11 Ein Brief an Otto Pellech ist nicht nachgewiesen.

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Hans von Schubert 31. Januar 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, BSB München, Ana 446 Der Brief steht in Zusammenhang mit der Frage, wie sich das gespannte Verhältnis zwischen Heinrich Rickert nach seiner Berufung nach Heidelberg und Arnold Ruge zukünftig gestalten werde; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Hans v. Schubert vom 28. Januar 1916, oben, S. 268.

Heidelberg 31.1.16. Lieber Herr Kollege! Rickert antwortete mir auf meinen Wunsch, er möge sich bei Auftauchen der Frage einer Umhabilitierung Dr R[uge]’s1 „abseits“ halten – was er ja könne, da er einen Konflikt mit ihm gehabt habe –: „1) Ihm könne nichts Angenehmeres passieren, als eine 앚:solche:앚a Forthabilitierung, – 2) er bezweifle 앚:aber:앚, daß irgend eine Universität sich dazu hergeben würde, – 3) werde er ‚auf’s Gewissen‘ gefragt, so müsse er sagen: daß er Dr R[uge] für eine, wissenschaftlich, absolute Null halte, daß er ihn persönlich nur mit nicht immer voller Zurechnungsfähigkeit, begrenzt, entschuldigen könne. 4) Hier werde er ihn als ‚Luft‘ behandeln, sicher nichts thun, was ihn aus seiner Stellung drängen könne, – falls jedoch irgendwelche Konflikte entständen, ihn entlassen. Dies um so mehr, als er wisse, daß R[uge], wie schon oft, mit ‚Skandalen‘ gedroht habe und er auch den entferntesten Anschein zu vermeiden entschlossen sei, als habe er solche zub ‚fürchten‘ oder als sei R[uge] jemals ‚Unrecht‘ geschehen.“ – Dies Letztere ist thatsächlich nicht der Fall, wie ich meinerseits unter Wiederholung der Bemerkungen meines letzten Briefs,2 erneut feststellen muß. – Ich werde Rickert gern, da dies Ihrem und des Herrn Koll[egen] Oncken Wunsch, auch zweifellos dem Wunsch Windelband’s ent-

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1 Zur (nicht erfolgten) Umhabilitation nach Freiburg i. Br. vgl. den Brief an Heinrich Rickert vom 28. Jan. 1916, oben, S. 272. 2 Brief an Hans v. Schubert vom 28. Jan. 1916, oben, S. 268 – 271.

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spricht, nochmals bitten, doch diejenige Haltung einzunehmen, die ich für immerhin zulässig und objektiv für nützlich für unsre Hochschule halte, nämlich: 1) jede Auskunft abzulehnen, 2) hier diejenigen rein konventionellenc Formen zu wahren, welche jegliches amtliche Verhältnis voraussetzt.3 – Letzteres wird er m. E. sicher thun. Hoffentlich auch Ersteres. – Aber ich muß nochmals sagen: Rickert ist über Dr R[uge] sehr genau – und nicht durch mich – informiert und hat Jahre lang mit Zorn und Verachtung die Angst Windelband’s vor diesen 앚:Skandal- und:앚 Presse-Drohungen R[uge]’s mit angesehen, und es ist daher kein Wunder, wenn er entschlossen ist, Herrn Dr R[uge] zu zeigen, daß es damit jetzt ein Ende hat. Ich selbst habe in dem Prozeß mit Prof. Koch, um Windelband’s willen, Herrn Dr R[uge] mehr geschont, als Sie irgend ahnen können.4 Auch mir wäre lieb, wenn ein erneuter Spektakel vermieden würde. Aber ich glaube 앚:gar:앚 nicht daran, und irgendwelche Grenzen haben solche Rücksichten. Auch dieser Brief ist mit für Herrn Kollegen Oncken. Angelegentliche kollegiale Empfehlungen und Grüße! Ihr Max Weber

c 3 Vgl. dazu den Brief an Heinrich Rickert vom selben Tag, unten, S. 280. 4 Weber hatte im Beleidigungsprozeß Koch contra Weber – wie vorher schon im Beleidigungsprozeß Ruge contra Weber – auf den Gesundheitszustand Windelbands Rücksicht genommen; vgl. dazu den Brief an Heinrich Rickert, vor dem 14. Febr. 1911 (MWG II/7, S. 96).

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Heinrich Rickert 31. Januar 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig UB Heidelberg, Heid. Hs. 2740, Erg. 93, 1.2 (Nl. Heinrich Rickert) Der Brief steht in Zusammenhang mit der Frage, wie sich das gespannte Verhältnis zwischen Rickert nach seiner Berufung nach Heidelberg und Arnold Ruge zukünftig gestalten werde; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Hans v. Schubert vom 28. Januar 1916, oben, S. 268.

Hbg 31.1.16 Lieber Freund, – zulässig scheint mir trotz Allem: 1) daß Sie jede Auskunft ablehnen 2) daß Sie hier 앚:künftig:앚 die äußeren konventionellen Gruß-Formen und die rein amtliche geschäftliche Verhandlung nicht ablehnen.1 Beides scheint mir auch klug, letzteres notwendig, da Sie sonst R[uge] zum Abgang direkt zwingen, – was entschieden sehr verkehrt wäre, denn im Fall des Konflikts müssen Sie der Fakultät ganz sicher sein und das wäre immerhin gefährdet, wenna Sie die Veranlassung desselben wären. Und auch No 1 wäre entschieden besser. R[uge] wird von manchen Kollegen hier zu Gute gerechnet, daß er jetzt, im Kriege, an mancherlei Arbeiten verdienstlich und unter Opfern teilgenommen hat,2 und mit diesem Eindruck haben Sie etwas zu rechnen, wenn Sie schärfer werden, als absolut nötig ist. Ich habe den Herren natürlich gesagt, daß Sie begreiflicherweise auch den Anschein vermeiden wollten, als „fürchteten“ Sie R[uge]’s „Skandale“ (er wird sich hüten!) und daß ich selbst in der Logos-Affäreb s. Z., da ich auch gedacht hatte: ihm geschähe Unrecht, einen bedingungslosen Rückzug nach Einsicht der Akten hatte antreten müssen.3 – Mir ist es leid, Sie s. Z. nicht gleich zu sehen. Sorgen Sie nur, daß Sie dann Gesellschaft haben. Denn lassen Sie Sich – von mir und meiner

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b In O folgt: ich

1 Vgl. dazu den Brief an Rickert vom 28. Jan. 1916, oben, S. 279. 2 Arnold Ruge war Mitleiter der „Vaterländischen Volksabende“ sowie Mitarbeiter beim „Roten Kreuz“. 3 Vgl. dazu die Schilderung im Brief an Hans v. Schubert vom 28. Jan. 1916, oben, S. 268 f.

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Frau – gesagt sein: mindestens ein Monat geht hin, ehe Sie einziehen können. Sie würden es sonst bereuen, und Sofie und Ihre Schwiegertochter4 würden gesundheitlich leiden. Wir kennen die HandwerkerVerhältnisse pp hier genau. Also bitte stellen Sie Sich innerlich richtig ein! Freundschaftliche Grüße! Ihr Max Weber Sofie von Herzen gute Besserung!

4 D. h. Sophie Rickert, die Ehefrau von Heinrich Rickert, sowie ihre Schwiegertochter, Maria Rickert, die Frau von Arnold Rickert.

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Hans von Schubert [nach dem 2. Februar 1916]; o.O. Brief; eigenhändig Deponat Max Weber, BSB München, Ana 446 Der Brief steht in Zusammenhang mit der Frage, wie sich das gespannte Verhältnis zwischen Heinrich Rickert nach seiner Berufung nach Heidelberg und Arnold Ruge zukünftig gestalten werde; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Hans v. Schubert vom 28. Januar 1916, oben, S. 268. Das Schreiben befindet sich als Zusatz auf einem Brief von Heinrich Rickert an Max Weber vom 2. Februar 1916; die darin enthaltenen Unterstreichungen stammen alle von Weber und werden – bis auf die einzige Rotstiftunterstreichung – im folgenden nicht eigens angemerkt. Darin heißt es zu Rickerts zukünftigem Verhältnis zu Ruge: „Was R[uge] [Es folgt der eigenhändige Einschub Max Webers: „(Dr Ruge)“] betrifft, so muß ich mich in meinem letzten Briefe mißverständlich ausgedrückt haben. Es ist für mich ganz selbstverständlich, daß ich ihm gegenüber alle konventionellen Formen auf das Sorgfältigste wahren werde, und daß ich gar nicht daran denke, irgendwelche amtliche geschäftliche Verhandlung mit ihm abzulehnen. Ich werde sogar gegen ihn ganz besonders ‚höflich‘ sein und ihn genau so behandeln, wie ich etwa Bubnoff behandeln würde, wenn er noch in Heidelberg wäre. Ich könnte ihm ja gar keinen größeren Gefallen erweisen, als wenn ich ihm irgend eine Veranlassung gäbe, sich über mich zu beklagen. Was ich Ihnen geschrieben habe, bezog sich lediglich darauf, daß nach meiner Erfahrung R[uge] ein Mann ist, mit dem man nicht zusammen arbeiten kann, und erst dann, wenn er mir bei der Verwaltung des Seminars ähnliche Schwierigkeiten machen sollte, wie er sie der Logos-Redaktion gemacht hat, würde ich gezwungen sein, ihn aus seiner Stelle als Bibliotheks-Verwalter zu entfernen. Dazu habe ich, wie mir Schwörer ausdrücklich versicherte, jederzeit das Recht, auch ohne Zustimmung der Fakultät [Eigenhändige Unterstreichung Max Webers mit Rotstift]. Aber wie gesagt, dies will ich nur im äußersten Notfalle tun, und so lange sich äußerlich ein ‚gutes‘ Verhältnis mit R[uge] aufrecht erhalten läßt, soll es an mir nicht fehlen. Ich schrieb Ihnen ja doch ausdrücklich, daß ein Mann wie R[uge] auch nicht durch zu sorgfältige Bekämpfung zu einer ‚Größe‘ gemacht werden darf. Er hatte für mich Bedeutung nur so lange, als Windelband am Leben war. Jetzt hat er jede Bedeutung für mich verloren und ist mir völlig uninteressant. Aber gerade deswegen werde ich sehr höflich sein und wahrscheinlich wird er zu den Ersten gehören, denen ich in Heidelberg einen Besuch mache. Anderer Meinung als Sie bin ich dagegen über die Möglichkeit einer Habilitation an der hiesigen Universität. Es wäre ganz sinnlos, wenn ich jede Auskunft über ihn ablehnen wollte, denn dadurch würde ich ihm ja noch mehr schaden, als wenn ich ganz offen meine Meinung über ihn sage. Außerdem habe ich bereits, ehe ich an die Möglichkeit, daß er hierherkommen würde, denken konnte, nicht nur mit hiesigen Kollegen, sondern zufällig auch mit Husserl über ihn gesprochen. Ferner kommt für mich sehr wesentlich in Betracht, daß ich mich geradezu verpflichtet fühle, Mehlis und Kroner vor einem solchen ,Kollegen‘ zu schützen. Ich habe niemals etwas mit R[uge] gehabt, was mich zwingen könnte, die äußeren konventionellen Formen ihm gegenüber abzulehnen. Gegen Mehlis aber und gegen Kroner hat er sich in der Tat so benommen, daß man diesen eigentlich nicht zumuten kann, mit ihm gesellschaftlich irgendwie zu ‚verkehren‘. Das ist hier selbstverständlich vielen Leuten bekannt, und unter diesen Umständen wird doch Niemand daran denken, einen Mann, dessen wissenschaftliche Bedeutung so völlig problematisch ist, hier als Privatdozent zuzulassen. Doch wie ich schon sagte, glaube ich gar nicht, daß es überhaupt zu einer ernsthaften Anfrage an mich kommen wird. In Heidelberg hat man leider den Fehler dieser Habilitation gemacht. Ich glaube nicht,

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daß irgend eine Universität daran denken wird, diesen Fehler zu wiederholen. Er hat wissenschaftlich nichts von Bedeutung geleistet und ist durch seine Persönlichkeit vollends nicht zum Privatdozenten geeignet. Das darf ich gar nicht verschweigen, wenn mich jemand nach ihm fragt, denn ich würde mich mit Recht dem Verdacht aussetzen, als wollte ich die Dinge vertuschen, um ihn in Heidelberg loszuwerden. Mir könnte ja gar nichts Lieberes geschehen, als wenn er Heidelberg verließe, aber gerade deswegen darf ich nichts dazu tun, Freiburg in dieser Weise zu belasten.“

Lieber Kollege!

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Auch diesen Brief Rickert’s bitte ich Herrn Koll[egen] Oncken vorzulegen. So wie hier formuliert, scheinen mir R[ickert]’s Ansichten und Absichten korrekt. Von der Rechtslage, wie sie nach dem rot angestrichenen Passus liegt, wäre es wohl richtig, Herren Dr Ruge, falls er darüber im Zweifel sein sollte, Kenntnis zu geben. Ich nehme freilich an, diese Situation versteht sich hier wie überall von selbst. Außer Samstag Nachmittag bin ich jederzeit zu Hause[.] Mit bester Empfehlung Ihr Max Weber Diesen Brief bedarf ich nicht mehr.

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7. Februar 1916

Friedrich Naumann 7. Februar [1916]; Heidelberg Brief; eigenhändig BA Berlin, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 106, Bl. 59 – 60 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen sowie dem Vermerk: „vorgel. 15.2.16“.

Heidelberg 7/2 Lieber Freund, – Sie überschätzen meine Mitarbeit.1 Ich werde zwar den ganzen Tag, Wochentag wie Sonntag, von früh bis spät zur Verfügung auf dem Büro sein und Alles machen was man will. Aber ich kenne die Dinge absolut nicht und handelspolitische Arbeit will gelernt sein.2 14 Tage lang werde ich nur zuhören, ich habe seit 20 Jahren nichts Handelspolitisches und nie etwas über Österreich gearbeitet. Und bis zur letzten Minute habe ich hier absolut heterogene Dinge zu thun. – – Übrigens: gelingt es der Wilhelm-Str. nicht, die Sache mit Amerika um ajeden Preisa – um jedenb! – aus der Welt zu schaffen,3 so hat unsre Arbeit so wenig Sinn wie irgend eine andre. Dann werden wir in 3/4 Jahr bis 1 Jahr ganz andre „Probleme“ zu thun bekommen. Es ist doch zu hoffen, daß Ihre Partei4 oder daß die ernsten Politiker derselben als Einzelne jede Verantwortung in der denkbar schärfsten Form ablehnen. Daß in Deutschland Niemand wußte, was ein amerikanischer Wahlkampf ist5 und was er für Folgen hat, trotz aller Beispiele der Geschichte, ist ein Skandal sonder Gleichen. a O: zweifach unterstrichen. b O: zweifach unterstrichen. 1 D. h. die Mitarbeit im „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“. 2 Vgl. dazu den Brief an Ernst Jäckh vom 25. Jan. 1916, oben, S. 263 – 265. 3 Weber bezieht sich auf die fortlaufenden diplomatischen Auseinandersetzungen zwischen dem Deutschen Reich und den USA wegen der Versenkung der „Lusitania“; vgl. dazu den folgenden Brief an Naumann vom selben Tage, unten, S. 286 f. 4 Gemeint ist die linksliberale Fortschrittliche Volkspartei (FVP). 5 Dies bezieht sich auf die Länge des amerikanischen Wahlkampfs, der mit den ersten „primaries“ bzw. Vorwahlen in den Monaten Februar/März beginnt und sich bis zu der eigentlichen Präsidentschaftswahl im November hinzieht. Die Wahlkampflänge bedingte auch, daß in zunehmendem Maße außenpolitische Themen in den Vordergrund rückten. Weber gibt hier speziell der Meinung Ausdruck, daß die „Lusitania“-Angelegenheit in den USA aus Wahlkampfgründen emotional hochgespielt wurde – und daß die deutschen Politiker auf diese Empfindsamkeit der Amerikaner hätten eingehen sollen.

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Es ist ein Elend, daß ich nicht lieber an politische Fragen (Polen, Lithauen) komme. Aber man macht, und herzlich gern, was grade kommt. Nur: Schweigen davon, daß ich irgendwie an einer Sache mitarbeite, wo Regierungsvertreter kommen können. – Ich erzähle Ihnen da bald eine Geschichte aus Belgien.6 Ich sage Jedermann: es sei eine absolut „private“ Arbeit „mit Parteipolitikern“. Herzliche Grüße Max Weber

6 Höchstwahrscheinlich besteht ein Zusammenhang zur nicht erfolgten Betrauung Webers mit der Denkschrift über die sozialpolitischen Konsequenzen der deutschen Besetzung in Belgien; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Edgar Jaffé vom 9. Mai 1915, oben, S. 49.

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Friedrich Naumann 7. Februar 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig BA Berlin, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 106, Bl. 61 – 62

Heidelberg 7.2.16. Lieber Freund, – meine schlimmsten Befürchtungen werden durch das Interview Zimmermann’s übertroffen.1 Wie ist es möglich, so etwas zu machen und sich so öffentlich festzulegen? Anstatt zu antworten: „Selbstverständlich war der Angriff ‚völkerrechtswidrig‘. Er war 앚:aber:앚 eine Vergeltungs-Maßregel gegen ebenso schwere Völkerrechtswidrigkeiten der andren Seite. Aus hoher Schätzunga der Freundschaft Amerikas haben wir, wie bekannt, die Konsequenz gezogen, unsren U-Booten ganz neue Instruktionen zu geben und werden damit gern bis an die Grenze der überhaupt möglichen Rücksichtnahme gehen. Für die Zukunft wäre ein solcher nicht avertierter Angriff also rechtswidrig und für die Vergangenheit haben wir Entschädigung zugesagt.

a 1 Die Äußerungen des Unterstaatssekretärs im Auswärtigen Amt, Arthur Zimmermann, sind vor dem Hintergrund der anhaltenden diplomatischen Auseinandersetzungen mit den USA zu sehen, welche von deutscher Seite ein Eingeständnis der Völkerrechtswidrigkeit der „Lusitania“-Versenkung erwarteten. Am 4. Februar 1916 hatte Zimmermann in einem Interview mit „Associated Press“ diese Forderung rundweg abgelehnt und betont, „daß Deutschland keine weiteren Zugeständnisse machen könne und keinesfalls die Ungesetzlichkeit der Kriegführung der U-Boote in der Kriegszone anerkennen wolle. […] Amerika dürfe nicht zu viel fordern und Deutschland zu demütigen versuchen.“ Deutschland werde die Versenkung der „Lusitania“ nicht als „völkerrechtswidrige Tat desavouieren“, da es die „Waffe der U-Boote nicht aus der Hand legen“ könne. Hier zitiert nach der Notiz: Unterstaatssekretär Zimmermann über die deutsch-amerikanischen Streitfragen. New York, 6. Febr., in: FZ, Nr. 37 vom 7. Febr. 1916, Ab.Bl., S. 1. Ähnliches ließ Reichskanzler v. Bethmann Hollweg wenig später in einem Interview mit dem Korrespondenten der „New York World“, Karl v. Wiegand, verlauten; vgl. dazu den Artikel: Deutschland und Amerika. Der Reichskanzler über den „Lusitania“-Streitfall und den U-Boot-Krieg, in: FZ, Nr. 41 vom 11. Febr. 1916, Ab.Bl., S. 1f.: „[…] ich vermag einer Demütigung Deutschlands und des deutschen Volkes nicht zuzustimmen. Ich kann mir die Waffe der Unterseeboote nicht aus der Hand reißen lassen.“

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Damit halten wir den Zwischenfall für zu beiderseitiger Zufriedenheit erledigt.“ – Fertig! – Quem Deus perdere vult, eum dementat.2 Was hat unsre Arbeit3 noch für einen Zweck, wenn dieser Bruch erfolgt? Er bedeutet noch 2 Jahre Krieg, Ruin unsrer Wirtschaft – was liegt dann an „Mitteleuropa“? Was thut die Partei?4 Ihr Max Weber

2 „Wen Gott verderben will, den verblendet er.“ An sich überliefert als: „Quos Deus perdere vult, dementat prius.“ Der „Büchmann“ gibt keine genaue Herkunft dieses Zitats an, führt vielmehr nur eine ähnliche Formulierung bei dem römischen Komödiendichter Publilius Syrus an: „Stultum facit Fortuna quem vult perdere.“ Die Sentenz ist wahrscheinlich aus dem Griechischen entlehnt, wie ein Scholion zur „Antigone“ sowie ein Fragment bei Lykurgos belegen. Vgl. dazu: Büchmann, Geflügelte Worte (wie oben, S. 240, Anm. 2), S. 475 f. 3 Weber bezieht sich auf den „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“. 4 D. h. die Fortschrittliche Volkspartei (FVP).

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Hans von Schubert 8. Februar 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig Deponat Max Weber, BSB München, Ana 446 Der Brief steht in Zusammenhang mit der Frage, wie sich das gespannte Verhältnis zwischen Heinrich Rickert nach seiner Berufung nach Heidelberg und Arnold Ruge zukünftig gestalten werde; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Hans v. Schubert vom 28. Januar 1916, oben, S. 268.

Heidelberg 8/2 16 Lieber Herr Kollege, – um jedes Mißverständnis zu vermeiden, möchte ich nochmal zusammenfassen, was Herrn Dr Ruge als – nach meiner Kenntnis1 – Rickert’s Ansicht und Absicht mitgeteilt werden könnte, wenn Sie es für nützlich halten1). 1. Die Vergangenheit ist für ihn erledigt, – falls Herr Dr R[uge] nicht wieder davon anfängt. 2. Ohne positiven Anlaß – Konflikt – wird er ihm nicht als Assistent kündigen. 3. Seinerseits wird er alle konventionellen Formen erfüllen und keinen Konflikt suchen[.] 4. Er beansprucht, daß seine Ansicht allein im Seminar maßgebend ist. 5. R[ickert] hält – das möchte ich doch nochmals scharf betonen – eine akademische Laufbahn R[uge]’s für eigentlich undenkbar, sowohl seiner sehr weithin bekannten Eigenart wie seinen Leistungen, soweit sie vorliegen, nach. Er glaubt 앚:auch:앚 schlechthin nicht an wirklich erhebliche philosophische Original-Leistungen, und stets würden ihm 앚:überdies:앚 diese unglückseligen trivialen und dabei anmaßenden „po1)

Das einzige Bedenken kann sein, daß R[uge]’s sehr überreiztes Selbstgefühl allzu sehr (und gefährlich für die Zukunft) gesteigert werden könnte, falls der Anschein entsteht, daß Rickert das Bedürfnis hätte, mit ihm so zu sagen zu „paktieren“, – was keineswegs der Fall ist. 1 Vgl. dazu das Schreiben Heinrich Rickerts an Weber vom 2. Febr. 1916, zit. in der Editorischen Vorbemerkung zum Brief an Hans v. Schubert, nach dem 2. Febr. 1916, oben, S. 282.

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pulären“ Broschüren2 zu allerhand nicht-wissenschaftlichen Problemen nachhängen. Wenn R[uge] eine andre Stellung (Bibliothek etc.) 앚:in Ehren:앚 finden kann, so ist Jeder verpflichtet ihm deren Übernahme zu rathen. Aber Rickert kann diesen – sehr mißdeutbaren! – Rath nicht gut geben. „Chancen“ hat R[uge] auch nach meiner gewissenhaften Überzeugung nirgends im akademischen Leben, wo man ihn kennt. R[uge] stellt eben Ansprüche bezüglich seiner Person, denen diese nicht gewachsen ist und nicht entspricht und, – ich wiederhole das, wissend, daß der Anschein gelegentlich anders liegta, – es fehlt ihm an echtem Muth. Damit nun: „Schluß“. Nochmals herzlichen Dank für Ihren Besuch und herzliche Grüße! Ihr Max Weber

a Unsichere Lesung. 2 Weber bezieht sich in erster Linie auf die Broschüre Arnold Ruges, Das Wesen der Universitäten und das Studium der Frauen. Ein Beitrag zur modernen Kulturbewegung. – Leipzig: Felix Meiner 1912. 1915 waren einige Artikel Ruges als „Flugschriften“ hinzugekommen, die in die Rubrik „Kriegsliteratur“ fielen.

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Paul Siebeck PSt 14. Februar 1916; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Webers Bemerkungen finden sich auf der Mitteilungsseite eines Postzettels, der einer Manuskriptlieferung beigegeben war. Diese beinhaltete, wie aus der Antwort Paul Siebecks vom 17. Februar 1916 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) hervorgeht, die Manuskriptblätter 1 – 73 des Artikels: Weber, Max, Hinduismus und Buddhismus I.

Für das „Archiv f[ür] Sozialwissenschaft“ (3. Heft des laufenden Bandes). Ich bin mit dem Satz auch des Ganzen in Borgis, wenn nötig, einverstanden.1 Herzlichen Gruß! Max Weber

1 Dazu heißt es in Paul Siebecks Antwort vom 17. Febr. 1916 (wie oben), daß er, „[u]m das Manuscript an mehrere Setzer verteilen zu können, [...] die verschiedene Satzart beibehalten“ lasse.

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Karl Jaspers 15. Februar [1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig DLA Marbach a. N., Nl. Karl Jaspers Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Lieber Herr Kollege!

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Da ich eine etwas unfreundliche Äußerung über Frau Lina Metzner machte, erfordert es die Gerechtigkeit auch zu sagen: daß sie sich gut verhalten hat1 (sie konnte sich selbst, aber auch Andren peinliche Situationen schaffen, wenn sie es nicht that). Jene Äußerung führte übrigens – das sei vorsichtshalber gesagt – auch auf keinem noch so indirekten Wege auf Mitteilungen L[ask]’sa zurück,2 sondern auf objektiv feststehende Thatbestände, die ich nun einmal „nicht richtig“ finden konnte und auch jetzt nicht richtig finde, obwohl ich zugebe, daß die Lage für Frau M[etzner] allerdings sehr kompliziert war. Auf Wiedersehen – wann? – und beste Empfehlung, auch Ihrer lieben Frau3 Ihr Max Weber Charlottenburg, Marchstr.b 7F 15.2.

a O: L.’ b O: Marchst. 1 Vermutlich hatte Weber mit Jaspers über Lina Metzner, geschiedene Radbruch, gesprochen und sah sich nach seiner Unterredung mit dieser am 14. Februar 1916 in Hamburg dazu veranlaßt, seine Äußerungen zu ergänzen; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung und den Brief an Marianne Weber vom 15. Febr. 1916, unten, S. 292 f. 2 Emil Lask hatte 1913 eine Beziehung mit Lina Radbruch; deren Ehe war deswegen geschieden worden; vgl. dazu den Brief an Jaspers, nach dem 26. April 1913 (MWG II/8, S. 209 – 211). 3 Gertrud Jaspers.

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Marianne Weber PSt 15. Februar 1916; Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen. Max Weber war vermutlich schon am 14. Februar 1916 mit Zwischenaufenthalt in Hamburg nach Berlin gefahren. In Hamburg hatte er Lina Metzner getroffen (vgl. den Brief an Lili Schäfer, zwischen dem 18. und 20. Februar 1916, unten, S. 299 f.). Weber versuchte, zwischen den Ansprüchen der im Testament bedachten Lina Metzner und Frieda Gross zu vermitteln. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 29. Januar 1916, oben, S. 274. Die mit diesem Brief einsetzende häufige Korrespondenz mit Marianne Weber bis Juni 1916 ergab sich durch Webers Aufenthalt in Berlin.

Charlottenburg, Familienheim Marchstr. 5 Lieber Schnauzel, – Lilli1 war Sonntag Abend sehr desperat über Lauras Absicht.2 Sie – Lilli – hänge sehr am Haus. Und natürlich: den Garten bekommen sie ja nirgends, auch keine „Estrade“ etc. Aber Laura ist hartnäckig. Wenn sie hierher käme (sie würde dann Pension entsprechend den Selbstkosten an Mama zahlen, so wie ich – an ein Nach-HeidelbergGehen denkt Mama doch offenbar nicht[,] hatte nur für den Fall von Lilli’s Fortgehen nach Reims daran gedacht3 –)a[,] dann könnte ja 앚:für das halbe oder 3/4 Jahr:앚 die halbe Wohnung möbliert vermietet werden an einen Studenten oder jungen Mann etc. (Laura nähme die Möbel fort, die sie nicht mit hergeben will und stellte sie auf den Boden). Ich

a Klammer fehlt in A. 1 Lilli Hermann, geb. Hausrath, Max Webers Cousine, wohnte nach der Trennung von Fritz Hermann mit ihrer Schwester Laura in dem Haus in der Ziegelhäuser Landstraße 17. Den Geschwistern Hausrath gehörte das Haus. 2 Laura Hausrath wollte das Haus in der Ziegelhäuser Landstraße 17 verkaufen. Von stets zarter Konstitution, fühlte sie sich der Arbeit, die die Verwaltung dieses großen Hauses mit mehreren Mietern mit sich brachte, nicht gewachsen. Ihr gehörten ein Drittel des Hauses, das sie nur mit Zustimmung der anderen Eigentümer, ihres Bruders August Hausrath und ihrer Schwester Paula Schmidt, geb. Hausrath, verkaufen konnte. Da diese das Haus aber nicht ankaufen wollten – das schrieb Marianne Weber an Max Weber im Brief vom 28. Febr. 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) –, gab Laura Hausrath ihre Absicht auf. 3 Lilli Hermann wollte vermutlich als Krankenschwester nach Reims gehen. Dazu ist es nicht gekommen. Vgl. den Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 22. Juni 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446).

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will über die Frage: ob, noch mit Ernst4 sprechen. Clara hatte mancherlei Bedenken, da Mama am Donnerstag einen so ungünstigen Eindruck hatte. Aber man muß doch jeden Weg durchsprechen, der Falsches verhindert. – Also Lina M[etzner] (recht anmutig!) hat sich ordentlich verhalten, will nach einigen Jahren verzichten.5 Jetzt muß ich vor Allem ihrem Kind seine Rente von Metzner’s verschaffen. Schwierigkeit: die Londoner Run-away-Ehe6 ist wahrscheinlich nichtig (sie ist als Lina G[ötz], „spinster“, eingetragen).7 Alles sehr kompliziert! Der Mann kümmert sich nicht mehr um sie. Der Mutter ist so weit ganz wohl, und: endlich ein strammes nettes vollwertiges Mädchen! Käme Laura, so nähme sie – auf deren Kosten – eine Pflegehilfe, um einen Teil ihrer 앚:außerhäusigen:앚 Sachen beibehalten zu können. – Heut Nachmittag treffe ich Naumann, Heile, Jäckh[.]8 Tausend herzliche Grüße und Küsse Dein Max

4 Der Schwiegersohn von Helene Weber, Ernst Mommsen, sollte als Arzt über die Belastbarkeit von Helene Weber im Hinblick auf einen eventuellen Aufenthalt von Laura Hausrath in Berlin gefragt werden. 5 Lina Metzner war nach dem Testament von Emil Lask mit einer Rente von 3500 Mk bedacht worden. Nach dem von ihr in Aussicht gestellten Verzicht würde die Rente entsprechend den Testamentsbestimmungen dann nach einigen Jahren Frieda Gross zugute kommen. Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 29. Jan. 1916, oben, S. 274 – 277. Um einen möglichst früheren Verzicht bewirken zu können, wollte sich Max Weber darum kümmern, daß ihrem Kind eine Rente seitens der Familie Metzner gezahlt würde. Vgl. den Brief an Lina Metzner vom 30. Nov. 1916, unten, S. 562 – 565. 6 Lina Metzner, zu der Emil Lask 1911/12 eine Beziehung hatte, war am 2. Juli 1913 von ihrem ersten Mann, Gustav Radbruch, geschieden worden. Sie war Weber aus Heidelberg bekannt, als sie noch mit Gustav Radbruch verheiratet war. Am 13. Mai 1914 hatte sie Erwin Herbert Wolf Metzner geheiratet. Weber bezieht sich auf den Umstand, daß die Eheschließung spontan in London erfolgte. Metzner betrachtete die Eheschließung später als einen Irrtum. 7 Das Scheidungsurteil der Ehe mit Radbruch hatte bei der Eheschließung nicht vorgelegen. Lina Metzner benutzte ihren Mädchennamen Götz. 8 Die Besprechung bezog sich auf die Gründung des „Arbeitsausschusses für Mitteleuropa.“ Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 17. Febr. 1916, unten, S. 296. Friedrich Naumann hatte Weber Anfang Dezember 1915 für die Mitarbeit an diesem Ausschuß gewonnen. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 3. Dez. 1915, oben, S. 198 f., sowie den Brief an Ernst Jäckh vom 25. Jan. 1916, oben, S. 263 – 265.

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Mitte Februar 1916

Frieda Gross [Mitte Februar 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 14, Bl. 31 – 32 Der folgende Brief steht im Zusammenhang mit der Regelung der Ansprüche von Frieda Gross nach dem Testament von Emil Lask. Die Datierung ist unter Bezugnahme auf den Brief an Frieda Gross vom 24. Februar 1916, unten, S. 309, vorgenommen worden.

Charlottenburg March-Str. 7F Natürlich, liebe Frieda, ist dies schriftliche Erörtern von Geldsachen besonders unerfreulich für uns beide. Aber jetzt geht es nicht anders. Meine erste Reise, so bald es wieder geht, wird zu Ihnen sein, dessen seien Sie ganz sicher, ich freue mich jetzt schon darauf. Aber wann? Ich schreibe Pellech,1 er möge die Note des Anwalts,2 wenn er sie bekommen hat, schicken. Aber besser fordern Sie siea auch noch mal ein und schicken sie mir dann alsbald, damit die Sachen in Ordnung kommen. Und Schritte, das Erziehungsgeld für Peter zu bekommen, thun Sie doch bitte jedenfalls, sei es durch Ihren vortrefflichen Herrn Bruder,3 welcher sich Dem ja gar nicht entziehen kann, sei es durch Pellech, dem ich schon mitteilte, daß man es Ihnen nicht geschickt hat. Für heut nur diese Quittung für Ihren Brief. Hoffentlich sehr bald mehr. Wir erwarten das Gutachten des Anwalts über die zweckmäßige Regelung. Ich habe in die Wege geleitet,4 daß Frau Lina Metzner ihre Rente für ihr Kind von den Schwiegereltern bekommt. Hoffentlich

a O: Sie 1 Ein Brief an Otto Pellech ist nicht nachgewiesen. 2 Mit „Note“ ist vermutlich die Verzichtserklärung für die Prozeßkosten gemeint. Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 29. Jan. 1916, oben, S. 274 – 277. Welcher Anwalt gemeint ist, konnte nicht ermittelt werden. 3 Arnold Schloffer war Rechtsanwalt in Graz. 4 Ein diesbezügliches Schreiben, vermutlich an den Schwiegervater von Lina Metzner, Professor Rudolf Metzner in Basel, ist nicht nachgewiesen.

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glückt es! Dieb Gültigkeit dieser Runaway-Ehe in London ist fraglich.5 O was machen schöne Frauen die Probleme des Lebens kompliziert. Und doch: was wäre das Leben ohne sie? Viele sehr herzliche Grüße Ihr Max Weber

b O: die 5 Vgl. dazu den Brief an Marianne Weber vom 15. Febr. 1916, oben, S. 293, Anm. 6 und 7.

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17. Februar 1916

Marianne Weber PSt 17. Februar 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Donnerstag“ erschlossen.

Fremdenheim Marchstr. 5 Donnerstag Liebes Schnäuzele, gestern Vormittag Sitzung bei Naumann nach vorgestriger Besprechung. Die Sache kommt nun in Fluß. Dienstag ist „konstituierende“ Versammlung:1 die verschiedene Großindustrie, der Oberbürgermeister,2 Parteimitglieder etc. sollen kommen, die Reichsbehörden informiert werden. Ob nun aus der Sache viel wird, bleibt trotz Allem abzuwarten. Heut werde ich erst Mal das „Recht“ oder Nicht-Recht der kleinen Lina Metzner und ihres Kindes auf Rente 앚:bzw. Alimente:앚3 feststellen, dann heut Abend bei Jacobsohn’s4 sein. Morgen fahre ich eventuell nach Leipzig, um Eulenburg zu sprechen, der mitarbeiten soll.5 Übermorgen ist wieder eine Sitzung.6 – Ich stehe sachlich den Problemen nach 4 Monaten „Hinduismus“7 so fern, daß es wohl einige Zeit dauern wird, ehe ich in der Arbeit richtig drin stehe, vielleicht sogar recht lange. – Denn die weiten Entfernungen hier mit dem Umsteigen

1 Gemeint ist die konstituierende Sitzung des „Arbeitsausschusses für Mitteleuropa“ am 22. Februar 1916. „Zweck des Arbeitsausschusses ist die freiwillige Unterstützung der Verhandlungen der deutschen Reichsregierung über die künftigen politischen, militärischen und insbesondere wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn, Bulgarien und der Türkei.“ So die Formulierung im Protokoll von Friedrich Naumann, BA Berlin, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 29. Vgl. auch MWG I/15, S. 645 f. 2 Adolf Wermuth. 3 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 15. Febr. 1916, oben, S. 293, Anm. 5. 4 Louis Jacobsohn und seine Frau Berta, die Schwester von Emil Lask. Ihre Kinder waren nach Lasks Mutter, Cerline Lask, die Erben von Emil Lask. 5 Franz Eulenburg sollte beim „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“ mitarbeiten. Vgl. den Brief an Franz Eulenburg vom 28. Dez. 1915, oben, S. 233. 6 Gemeint ist eine Sitzung zur Vorbereitung des „Arbeitsausschusses für Mitteleuropa“. 7 Gemeint ist die Überarbeitung von Weber, Max, Hinduismus und Buddhismus I – III.

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etc. etc. strapazieren mich doch fühlbar und das Schlafen will erst wieder gelernt sein. Aber das wird ja schon kommen. – Fritz Hermanna schrieb mir: er habe mir eine „für die Familie Lilli’s8 wichtige Mitteilung zu machen“. Es wird sicher nichts Erhebliches seinb. Ich antwortete: ich sei bereit ihn zu treffen, er solle angeben: wo?9 Ev. muß ich dann nach Rastatt fahren, denn anhören muß man ihn ja. Vermutlich irgend eine Behauptung, deren angedrohte Verwendung in Lilli’s Prozeß diese einschüchtern soll. Bitte teile ihr – vorerst – nichts von der Sache mit, es giebt nur nutzlose Aufregung. Wenn ich wirklich reise, komme ich natürlich ein paar Stunden dort vorbei. Aber Alles ist unsicher, ehe ich erneut Nachricht von F[ritz] H[ermann] habe. Clara ist sehr munter, sieht viel besser aus als das vorige Mal. Die Mutter hat nun ihr 2tes Mädchen[.] Tausend herzliche Grüße, mein liebes Mädele, Dein Max

a O: Heermann

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8 Lilli Hermann lebte seit Ende 1912 getrennt von ihrem Mann, Fritz Hermann. Das Scheidungsverfahren war noch nicht abgeschlossen. Max Weber beriet seine Cousine Lilli diesbezüglich seit 1912. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Marianne Weber vom 11. Sept. 1912 (MWG II/7, S. 659). 9 Ein Brief an Fritz Hermann ist nicht nachgewiesen.

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18. Februar 1916

Marianne Weber PSt 18. Februar 1916; Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Freitag“ erschlossen.

Familienheim Marchstr. 5 Freitag. Liebe Schnäuzel, – 1 schlechte Nacht. Sonst nichts Neues. Gestern Abend bei Jacobsohn’s[.] Er1 ist ca so alt wie ich, einfach, ganz nett, nüchterner Jude, häßlich. Die ganze Sache ist kompliziert.2 – Morgen wieder bei Naumann. Otto Baumgarten kommt k. W. 2 Tage zu Mama. – Mama möchte, daß Du mit Laura über ihr Herkommen (oder: Nicht-Kommen) sprächst.3 Ich schreibe Lilli bald darüber.a 4 Morgen Abend hoffe ich Ernst und Clara darüber zu sprechen.5 – Das Schwanken bei Laura ist recht betrübt.6 – Mein Betrieb beginnt nächsten Dienstag.7 Ich bin jetzt ziemlich müde. Es ist eben doch Alles behaglicher und dadurch leichter beim Schnauzel. Begnüge Dich mit diesem kurzen Gruß für heut. Es geht mir sonst ordentlich. Man ist hier gut aufgehoben und einfach gut verpflegt. Pension: 8 Mk. Es küßt Dich Dein Max

a Drei unleserliche Worte gestrichen. 1 Louis Jacobsohn (ab 1919 Jacobsohn-Lask), von Beruf Neurologe, war der Mann von Berta Jacobsohn, der Schwester von Emil Lask. 2 Gemeint ist der Vollzug des Testaments von Emil Lask. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 29. Jan. 1916, oben, S. 274. 3 Laura Hausrath, die gesundheitlich labil war, hatte vorgeschlagen, das Haus in der Ziegelhäuser Landstraße 17 zu verkaufen und beabsichtigte eventuell zu Helene Weber nach Berlin zu ziehen; vgl. den Brief an Marianne Weber vom 15. Febr. 1916, oben, S. 292. Dazu ist es aber nicht gekommen. 4 Vgl. den Brief an Lili Schäfer, zwischen dem 18. und 20. Febr. 1916, unten, S. 299 f. 5 Ernst und Clara Mommsen machten sich Sorgen, daß Laura Hausrath für Helene Weber als Gast zu anstrengend sein könnte. 6 Berliner Ausdruck für „betrüblich“. 7 Gemeint ist die konstituierende Sitzung des „Arbeitsausschusses für Mitteleuropa“ am 22. Februar 1916.

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Lili Schäfer [zwischen dem 18. und 20. Februar 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 52 – 53 Das Datum ist aus dem Briefinhalt im Zusammenhang mit den Briefen an Marianne Weber vom 18. Februar 1916, oben, S. 298, und 20. Februar 1916, unten, S. 301 f., erschlossen.

Ch’burg Marchstr. 7F Liebe Lili, –

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das Gnadequartal ist nun also der Emma Puppe zugesprochen1 und damit diese Sache erledigt. Falls die „Filia“ die Zusendung der Policen an Dich allzu sehr verzögern sollte, bitte ich um Nachricht. Abgegangen sind sie an sie am 8.II; bis 1. III müßte doch wohl die Sache erledigt sein. Der Mutter scheint es ordentlich zu gehen, Clara augenscheinlich viel besser als im November/Dezember, wo ich etwas erschreckt war. Ich wohne noch in der Pension, übersiedle aber Mittwoch zu ihr. Dann wollen wir näher berathen (mit Ernst), wie es mit Laura gehen könnte.2 Die Mutter möchte nicht nach H[eidel]b[er]g, sondern sie hier haben, um aus ihren Sachen nicht herauszumüssen. Und da liegen die Schwierigkeiten, auch wegen des unruhigen „Betriebes“, vor dem Laura grauste. – Ich selbst muß abwarten, was wird, d. h. ob wirklich etwas Ordentliches zu arbeiten ist. Das muß sich nun bald zeigen, da wir Dienstag zum ersten Mal zusammenkommen.3 Bisher hatte ich wesentlich mit den Angelegenheiten der Frau Jacobsohn und der kleinen Frau,4 die 1 Es handelt sich vermutlich um eine Versicherung, die Karl Weber bei der Gesellschaft „Filia“, einer „Waisen-Versicherung“, für die Tochter seiner ehemaligen Haushälterin Emma Puppe abgeschlossen hatte. 2 Ernst Mommsen sollte die Belastbarkeit von Helene Weber hinsichtlich eines geplanten Besuchs ihrer Nichte Laura Hausrath in Berlin ärztlich begutachten. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 18. Febr. 1916, oben, S. 298. 3 Gemeint ist der „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“, der sich am 22. Februar 1916 konstituieren sollte. 4 Lina Metzner. Max Weber versuchte, zwischen Lasks Schwester Berta, verheiratete Jacobsohn, und Lina Metzner, die im Testament von Emil Lask mit einer Rente bedacht worden war, zu vermitteln. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 15. Febr. 1916, oben, S. 293, Anm. 4.

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ich in Hamburg traf, zu thun:a vom Hotel in London aus dort geschlossene Ehe von fraglicher Gültigkeit u.s.w. Die Frauen-Sachen sind ein kompliziertes Kapitel im Dasein eines „Amateur-Advokaten“. – Ich höre, daß die beiden Kleinen5 nicht wohl gewesen sind oder noch sind. Hoffentlich ist das nun aber bald vorbei. – Gruhle fragte uns neulich, ob er Dich wohl mal besuchen solle. Wir meinten: ja, und sagten das auch. Er ist, mit seinen zahlreichen Schwabinger Freundinnen, und manchen Eigenheiten, doch ein feiner und kluger Mensch. – Über die „Weltlage“ ist nicht viel zu sagen. Die Hauptfrage ist, ob uns diese verfluchten Draufgänger von der Marine nicht einen Krieg mit Amerika einbrocken. Sie rechnen ganz falsch. Der erste Erfolg wäre, daß 25% unsrer Handelsschiffe, die in amerikanischen Häfen liegen, konfisziert und der feindlichenb Transportflotte hinzuwüchsen. Ebenso 40 Milliarden Gold – zum Teil am Krieg verdient! – und 1/ Million Sportsleute, die einmal einen Krieg mitmachen wollten. Der 2 Himmel gebe uns Vernunft! Herzlichen Gruß! Dein Max Von Artur kam ein Telegramm, wonach er nach Dünaburg6 kommandiert ist, ohne Näheres.

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5 Hermann und Max Schäfer. 6 Stadt in Lettland.

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20. Februar 1916

Marianne Weber PSt 20. Februar 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Sonntag“ erschlossen.

Sonntag Vormittag Liebes Schnauzele, –

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ja, ich erhielt auch einen Brief,1 der verblümt Ähnliches enthielt. Bitte Lilli,2 wenn möglich, nichts davon zu sagen, damit die Frist für die Geltendmachung der Verleumdung alsa Scheidungsgrund, die von der Kenntnis an läuft, hinausgeschoben wird. Ich bat August3 um Hersendung des Briefs an Paula4 und eventueller andrer. Gestern wieder bei Naumann. Dienstag ist „constituierende Sitzung“,5 mit den Großindustriellen, Agrariern, Schifffahrtsleuten. Ob nachher was Ordentliches rauskommt, weiß man auch dann noch nicht. Politisch ist Alles hier wenig vertrauenerweckend. Niemand hier weiß, was mit Polen werden soll. Immer noch wird die sehr zweifelhafte Hoffnung auf Separatfrieden mit Rußland gehegt.6 Und vor Allem ist die Lage mit Amerika recht ernst. Man hofft hier, bei „vorauszusehenden erneuten Zwischenfällen“ durch Zögerung, Lügen, kurz „kleine Mittel“ durchzukommen. Da wird man sich irren. Aber die Marine ist wie versessen darauf, ihre neuen U-Boote zu probieren,7 und ihr ist Alles „Wurst“. Niemand weiß, wie lange die Türken noch aushalten.

a 1 Gemeint ist vermutlich eine Nachricht von Fritz Hermann. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 17. Febr. 1916, oben, S. 297. 2 Lilli Hermann, geb. Hausrath. 3 August Hausrath war ein Bruder von Lilli Hermann. 4 Paula Schmidt, geb. Hausrath, war eine Schwester von Lilli Hermann. 5 Es handelte sich um die konstituierende Sitzung des „Ausschusses für Mitteleuropa“ am 22. Februar 1916. 6 Einen Separatfrieden mit Rußland hielt Weber für problematisch, da er einen mitteleuropäischen Wirtschaftsbund unmöglich machen würde. Vgl. MWG I/15, S. 647. 7 Schon ein paar Tage später, am 29. Februar 1916, begann der verschärfte U-BootKrieg gegen bewaffnete Handelsschiffe.

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Insbesondre in der Ernährung, die stark bedroht ist. Groß, und hoffentlich nicht ganz unberechtigt, ist der Optimismus bezüglich Rumäniens. – Nun, „chi vivra verra“.8 – Bei Lili scheint es ja mit den Kindern nicht recht gegangen zu sein, sagt die Mutter. Hoffentlich bleibt sie selbst gesund. – Die Mutter hat jetzt 2 recht tüchtige und nette Mädchen, nun wird es ja wohl ordentlich gehen. Mit Laura,9 das muß man noch überlegen: ob es geht. Ob wohl dasb Bereden der „Bertha-Sache“10 mit Laura ihr etwas dauernder nützt und hilft? Daß Lilli der Verkauf des Hauses lieber ist, ist ja nun auch wieder nicht richtig. Aber Laura muß man immer wieder sagen: wir, speziell auch ich, hielten den Verkauf finanziell nicht für „nötig“ in dem Sinn, in dem sie gefragt hätte: Aber wir könnten ihr auch nicht abrathen. Laß Dirs recht gut gehen, liebes Mädele. In 8– 10 Tagen kommt ja wohl schon Onkel Rickert?11 Wie das wohl sein wird? – Also die „Marianne“ von Frau Wieland ist ein Junge! Folglich fällt dieser Anlaß, herzukommen, ja fort.12 Vielleicht komme lieber ich hin (zu Ostern). Aber das dauert ja noch lange! Leb für heut wohl[.] Es küßt Dich Dein Max

b 8 „Wer’s erlebt, wird sehen.“ Sprichwort bezeugt am Ende des 15. Jahrhunderts, zitiert bereits von Jean de La Véprie, Proverbes communs, 1498. 9 Laura Hausrath. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 15. Febr. 1916, oben, S. 292 f. 10 Bertha Schandau war Dienstmädchen bei Max und Marianne Weber. Der Sachverhalt konnte nicht ermittelt werden. 11 Der Philosoph und Freund von Max Weber, Heinrich Rickert, trat in Heidelberg die Nachfolge der Professur des am 22. Oktober 1915 verstorbenen Wilhelm Windelband an. 12 Das Pfarrerehepaar Wielandt lebte seit 1914 in Berlin. Für Lilli Wielandt war Marianne Weber eine wichtige Beraterin, die sie verehrte und mit vielen Briefen über ihre persönlichen Probleme bedachte. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Marianne Weber vom 10. März 1913 (MWG II/8, S. 120). – Vermutlich war Marianne Weber als Patin einer Tochter vorgesehen.

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Marianne Weber PSt 21. Februar 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Montag“ erschlossen.

Montag Liebes Mädele, –

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schönen Dank für das liebe Briefchen und nur einen kurzen Gruß. Ich habe eine tüchtige Erkältung und das wirkt auf den dummen Schädel. Daher spare ich mir heut Abend die „Deutsche Gesellschaft 1914“1 und Gundolf’s Feind R[udolf] Borchardt,2 der da spricht. Gestern sollte ich bei Jacobsohn’s sein – Schriftsteller-Kränzchen, „jüngstes Deutschland“, mit Vorlesen und Kritisieren, wäre sehr nett gewesen – aber ich ging nicht, der Weg ist so blödsinnig weit und ich hatte zu schreiben. Dann kam Rathgen, der kurz hier war, um zu plaudern und blieb lange sitzen. Abends: bei Clara mit Conrad (sen.),3 der jetzt recht angenehm ist (hat den schnellsten deutschen Kreuzer, war bei

1 Die Gründung der „Deutschen Gesellschaft 1914“ am 28. November 1915 wurde von Ernst Jäckh, einem führenden Publizisten, in die Wege geleitet. Ihr Vorsitzender wurde der Staatssekretär des Reichskolonialamtes, Wilhelm Solf. Weiterhin wirkten die Unterstaatssekretäre Arnold Wahnschaffe und Karl Helfferich mit. Die Finanzierung erfolgte weitgehend durch Robert Bosch, der der Gesellschaft auch das Pringsheimsche Palais in der Berliner Wilhelmstraße 67 zur Verfügung stellte, was er eigens für die Gesellschaft erworben hatte. Die Gesellschaft, die zu den bedeutendsten Klubs im 1. Weltkrieg zählt, hatte sich zum Ziel gesetzt, die Regierungspolitik zu unterstützen und den „Burgfrieden“ zu erhalten. Die Gesellschaft hatte bald 900 Mitglieder. Sie trafen sich mit Gästen wöchentlich zu Vorträgen und Diskussionen. Die Mitglieder waren einflußreiche Personen aus der Wirtschaft und der Universität, wie z.B. Walther Rathenau, Alfred Hugenberg, Robert Bosch, Hans Delbrück, Ernst Troeltsch, Adolf v. Harnack sowie Politiker wie Siegfried v. Kardorff, Matthias Erzberger und Eugen Schiffer. Der Gesellschaft gelang es jedoch nicht, „die umfassende ‚Einigkeit der Gesinnung’ vom Konservativen bis zum Sozialdemokraten, vom Großindustriellen bis zum Gewerkschaftsführer zu erwirken“. Vgl. Fricke, Dieter (Hg.), Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (1789 – 1945), Bd. 1. – Leipzig: VEB Bibliographisches Institut 1983, S. 700 – 703, Zitat S. 701. 2 Der Dichter Rudolf Borchardt war zunächst ein Anhänger Stefan Georges gewesen, bevor er sich gegen den George-Kreis wandte und heftige Angriffe gegen Friedrich Gundolf richtete. 3 Conrad Mommsen, Bruder von Ernst Mommsen, war Marineoffizier.

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der „Doggerbank“ dabei).4 Ernst5 ist jetzt anti-annexionistisch, wir waren gänzlich einig (so wirkte das Hinausgehen seines Sohnes6 auf ihn, das ihn doch offenbar sehr ergriffen hat neulich, als er hier gewesen war): „daß dies Bramarbasieren ein seelischer Stilfehler sei bei Leuten, die zuhause sitzen“. Dann kam Otto Baumgarten (wohnt jetzt bei Mama) auf der Durchreise, es geht jetzt wieder gut. – Morgen also „Eröffnungs“-Sitzung;7 na ich bin gespannt! – Ja, Erzerum8 ist betrüblich, aber vorerst nicht gefährlich. Schlimm wäre nur: Amerika.9 Auch mit Conrad Mommsen bin ich ganz einig über dies albern große Maul, das wir geführt haben und noch führen. Schönsten Gruß und Kuß, liebes Mädele, Dein Max

4 Seegefecht an der Doggerbank zwischen deutschen und britischen Schlachtkreuzern am 24. Januar 1915. 5 Ernst Mommsen. 6 Konrad Mommsen jun. 7 Gemeint ist die konstituierende Sitzung des „Ausschusses für Mitteleuropa“. 8 Weber bezieht sich auf die Einnahme des in Ostanatolien gelegenen Erzerum durch die russische Armee, die seit Januar 1916 in Armenien und Persien gegen die Türken vordrang. 9 Gemeint ist der Kriegseintritt der Vereinigten Staaten von Amerika.

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Paul Siebeck [vor dem 23. Februar 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Datierung erschlossen aus Verlagsvermerk: „23./II.16.“ Der Brief steht in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Webers Artikelserie „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69.

Charlottenburg March-Straße 7F Verehrter Freund!

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Das Mscr. für das nächste Heft des „Archiv“ wird dem Verlag zugegangen sein.1 Es ist dies der dickste (und wichtigste) Brocken des Ganzen. Es folgen nur kürzere Sachen über Buddhismus, Judentum, Islam.2 Der jetzt geschickte Teil ist ganz neu umgearbeitet und zusammengestrichen, trotzdem leider recht lang. Meine Adresse ist bis auf Weiteres die obige. Herzlichen Gruß! Max Weber Wie geht es bei Ihnen, speziell auch Ihrem Herrn Sohn?3

1 Den Erhalt des Manuskripts von: Weber, Max, Hinduismus und Buddhismus I, hatte Paul Siebeck am 17. Febr. 1916 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) bestätigt. Es umfaßte 73 Manuskriptblätter. 2 Aus dem in Aussicht genommenen kürzeren Artikel über „Buddhismus“ sind zwei umfangreiche Aufsätze geworden: Weber, Max, Hinduismus und Buddhismus II und III; das gleiche gilt für Webers Artikel über „Antikes Judentum“, dessen Publikation in sechs z. T. umfangreichen Teilen erfolgte. Ein Manuskript über „Islam“ ist nicht nachgewiesen. 3 Oskar Siebeck. Von diesem berichtet Paul Siebeck in seiner Antwort vom 23. Febr. 1916 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), daß es ihm gut gehe, daß er „auf einige Wochen ins Hauptquartier kommandiert“ sei und daß seine Kriegsverletzung langsam ausheile.

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23. Februar 1916

Marianne Weber PSt 23. Februar 1916; Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen.

Marchstr. 7F Liebes Mädl., schönen Dank für das Briefchen. Das Bank-Konto hast Du doch inzwischen erhalten?1 Anbei zwei Karten des guten Bröllinga und 1 von Hohlskammb. Herr Gott, wenn man doch wüßte, daß die Sache irgend wann mal für die armen Kerle ein Ende nähme!2 Auch Hohlskammc sollte man doch (gelegentlich) was schicken. Gestern also „Sitzung“.3 Nun, es geht langsam an. Aber es kann doch sein, daß eine Anzahl vernünftiger Arbeiten zustande kommen, so wenig begeistert auch die Interessenten im Allgemeinen sind. Wenn nur die verrückten Alldeutschen4 und Reichsmarine-Leute mit Amerika uns nichts einbrocken.5 Die Folge ist: 1) daß unsre halbe Handelsflotte1) konfisziert und gegen uns verwendet wird, so daß also zunächst eine Vermehrung der englischen Schiffszahl eintritt – was diese Esel nicht berechnen, – 2) daß wir 500 000 amerikanische Sportsmen als Freiwillige, glänzend gerüstet, gegen unsere müden Truppen bekommen, – was diese Esel nicht glauben, – 3) 40 Milliarden Mark ba1) 1/ 4

in amerikanischen[,] 1/4 in italienischen Häfen!

a Alternative Lesung: Bissing b Unsichere Lesung. c Unsichere Lesung. 1 Der Sachverhalt konnte nicht ermittelt werden. 2 Die genannten Personen und der Sachverhalt konnten nicht ermittelt werden. Vermutlich handelt es sich um deren Militärdienst. 3 Gemeint ist die konstituierende Sitzung des „Ausschusses für Mitteleuropa“ am 22. Februar 1916. 4 Seit der Denkschrift vom 18. September 1914 verfolgte der Alldeutsche Verband unter der Führung von Heinrich Claß eine Propaganda für extreme Kriegsziele. 5 Das Reichsmarineamt und Großadmiral Alfred v. Tirpitz beabsichtigten, den verschärften in einen unbeschränkten U-Boot-Krieg umzuwandeln. Vgl. dazu auch die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Gottlieb v. Jagow vom 10. März 1916, unten, S. 327 f.

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res Geld für die Gegner, – 4) noch 3 Jahre Krieg, also sicherer Ruin, – 5) Rumänien, Griechenland etc. gegen uns. Und Alles: damit Herr Tirpitz „zeigen kann, was er kann“. Etwas Blöderes ist nie erdacht worden. – Ob ich was Interessantes zu arbeiten bekomme, ist gänzlich unsicher. Vorerst schreibe ich lange Instruktionen und Berichte in Sachen Lask-Lina Metzner-Erbschaftssteuer6 u.s.w.! Ja, Ihr Mädels macht doch den meisten Krawall in der Welt, wenn Ihr etwas nett anzusehen seid! Artur kam gestern hier auf der Fahrt nach Dünaburg durch. Dort muß geschanzt werden. Es sieht so aus, als sei bei Verdun etwas beabsichtigt (?),7 die 42er Kanonend 8 sind meist dort. – Ja Lili’s Albert,9 das wird wohl nötig sein, und man thut sich wohl gut rechtzeitig danach um, was denn nun für ihn das Richtige ist (Landerziehungsheim?). Denn L[ili] bleibt sehr zart, das merkt man. Ja „Jenny Treibel“10 ist sehr gut. Diese unpathetische Kunst (wie in „Irrungen Wirrungen“11 auch – und am stärksten in dem fast ohne „Handlung“ verlaufenden „Stechlin“)12 ist in ihrer Art die typischste moderne Epik: „das Leben geht weiter“, wie Lukács es ausdrückt13 – wir fassen nur einen traumhaften Ausschnitt daraus und „leben“ ihn. Das steht so hinter diesen Romanen. „Cécile“14 und „Effi Briest“15 sind fast noch zu pathetisch – vom Fontane’schen Kunst-Ideal aus gesehen.

d Unsichere Lesung. 6 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 15. Febr. 1916, oben, S. 292 f., und den Brief an Lili Schäfer, zwischen dem 18. und 20. Febr. 1916, oben, S. 299 f. 7 Am 21. Februar 1916 begann die Schlacht von Verdun. 8 Gemeint sind die 42-cm-Mörser, die für die Zerstörung von Befestigungsanlagen zum Einsatz kamen. 9 Die Schulprobleme des zehnjährigen Albert Schäfers machten seiner Mutter Sorgen. Vgl. den Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 21. Mai 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). 10 Fontane, Theodor, Frau Jenny Treibel. – Berlin: F. Fontane & Co. 1893. 11 Ders., Irrungen, Wirrungen. – Leipzig: F. W. Steffens 1888. 12 Ders., Der Stechlin. – Berlin: F. Fontane & Co. 1899. 13 Zitat nicht nachgewiesen. 14 Fontane, Theodor, Cécile. – Berlin: F. Fontane & Co. 1892. 15 Ders., Effi Briest. – Berlin: F. Fontane & Co. 1895.

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23. Februar 1916

Mein Schnupfen ist, denke ich, im Abmarsch, von morgen ab gehe ich täglich aufs Büro (Schöneberger Ufer)16 und wohne bei Mama (Otto Baumgarten ist schon gestern Abend wieder fort). Laß Dirs gut gehen und Dich küssen, liebes Mädele, Dein Max

16 Es handelt sich um die Adresse der Geschäftsstelle des „Ausschusses für Mitteleuropa“ in den Räumen der deutsch-türkischen Vereinigung.

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24. Februar 1916

Frieda Gross PSt 24. Februar 1916; Charlottenburg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 14, Bl. 27 Das Datum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen.

Charlottenburg March-Str. 7F a Liebe Frau Frieda, –

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Nochmals: schicken Sie mir die Anwalts-Rechnungen.1 Alles Weitere dann später. Pellech giebt günstige Nachricht über die Chancen der Erbschaft.2 Auch davon später. In Freundschaft, aber in Eile Ihr Max Weber

a Darunter Straßenname in Klammern und in betont deutlicher Schrift wiederholt. 1 In seinem Brief an Frieda Gross vom 29. Jan. 1916, oben, S. 274 – 277, hatte Max Weber Frieda Gross nach Einsicht in das Testament von Emil Lask, in dem u. a. als Vermächtnis die Regelung von Friedas Prozeßkosten festgehalten war, aus erbschaftssteuerlichen Gründen um Verzicht gebeten, da die Anwaltskosten bereits bezahlt seien. Die Anwaltsrechnungen waren für die formale Abwicklung notwendig. 2 Gemeint ist die Erbschaft für Peter Gross nach dem Testament von Hans Gross, der am 9. Dezember 1915 verstorben war. Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 27. Dez. 1915, oben, S. 232.

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24. Februar 1916

Lili Schäfer [24. Februar 1916; Charlottenburg] Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 35 Datum und Ort sind aus dem Briefinhalt erschlossen.

Liebe Lili Dahlem schreibt: erst Mal müßtest Du zahlen (also: 27 Mk an Gutsvorstand Dahlem mit Aufschrift auf der Zahlkarte: zu Tagebuch G No II 217 vom 23.II.16.)a 1 Dann solltest Du bei den Veranlagungskosten Herabsetzung beantragen (das habe ich heut gethan, denn die Forderung ist unbillig). Also mußt Du erst mal „lefzen“.2 In Eile Dein herzlich grüßender Max Es scheint, daß wir den Amerikanern gegenüber nachgeben. Diese hysterische Wirtschaft hier zu beobachten, ist schauderhaft. Es war ein höchst frivoles Spiel.

a Klammer fehlt in O. 1 Auf Gut Dahlem wurde während des 1. Weltkriegs ausschließlich Milchwirtschaft betrieben. Lili Schäfer hatte vermutlich, als sie noch in Berlin lebte, von dort Milch bezogen und die Rechnung offensichtlich noch nicht beglichen. 2 Lexikalisch nicht nachgewiesen.

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Marianne Weber PSt 27. Februar 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Sonntag“ erschlossen.

Sonntag Liebes Schnäuzele,

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schönen Dank für das Briefchen. Ja – mit Albert,1 das ist eine Sache. Alle teuren Pensionen etc. sind ja unmöglich oder nur mal für kurze Zeit möglich. Einen „Pfarrer“? Ja, wo giebt es den? Es wäre doch gut, nicht zu weit fort. Nun, Lili wird sich ja Ostern erst mal „erholen“ von diesen Quälgeistern, aber es ist doch recht betrübt, daß diese gutartigen Kinder sich dazu entwickeln und dabei so wenig Manieren haben, die ihnen das Leben erleichtern würden. – Es ist schön, daß Ihr Euch so versteht. Hier geht nicht sehr viel vor. D.h. es sind immer „Besprechungen“ und „Sitzungen“,2 aber ob was daraus wird, ist absolut unsicher. Die Reichsämter stehen der Sache mit „Wohlwollen“ gegenüber, aber eigentlich schwebt ja doch Alles in der Luft. Nun wir werden ja sehen, ob was daraus wird. Inzwischen lese und höre ich mancherlei, meist Einzelheiten, die ich nicht wußte, über dies Problem. Nun steht wirklich die Sache mit Amerika vor dem Bruch!3 Ganz wie ich gesagt hatte. Und immer, weil sachliche Fragen in öffentlichen Kundgebungen auf den „point d’honneur“ gestellt werden, von „Demütigung“ und so was geredet wird und es dann keinen Weg zurück mehr giebt. Das Ganze ist schauerlich und ein Verbrechen. Und gerade jetzt, wo man sich über Verdun4 freuen möchte und fast Alles gut 1 Albert Schäfer hatte Schulprobleme. Darüber berichtete Marianne Weber in ihrem Brief an Helene Weber vom 21. Mai 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). Lili Schäfer war der Erziehung der vier Kinder, insbesondere ihres ältesten Sohnes Albert, nicht gewachsen. Daher wurde die Unterbringung in einem Internat erwogen. 2 Gemeint ist der „Ausschuß für Mitteleuropa“. Am 28. Februar 1916 fand die zweite Sitzung statt. 3 Vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Gottlieb v. Jagow vom 10. März 1916, unten, S. 327 f. 4 Am 25. Februar 1916 wurde das Fort Douaumont bei Verdun erorbert.

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27. Februar 1916

steht (bei den Türken freilich nicht!).5 Es ist als ob wir von Verrückten regiert würden. – Du fragst, was wir sollen. Jedenfalls keine großen öffentlichen Reden halten, wenn wir so was machen wollen, nicht „pathetisch“ werden und kühlen Kopf behalten und rechnen. Die Bewaffnung von Handelsschiffen ist „zur Verteidigung“ erlaubt, daran ist nichts zu ändern[,] und daß wir stets erneut gegen dies den Amerikanern „heilige“ Völkerrecht handeln, wäre nur im Fall der Sicherheit des Erfolgs verzeihlich. Aber die ist eben nicht da. Ganz im Gegenteil! Im Fall des Bruchs werden unsre Schiffe (die in amerikanischen Häfen liegen) von unsren U-Booten torpediert, denn sie werden dann gegen uns verwendet. Und dann 1/2 Million Sport-Mitkämpfer, glänzend gerüstet, auf der Gegenseite mehr, gegen unsre zunehmend verbrauchten armen Kerle, 40 Milliarden Gold, auch mehr, u.s.w. – Und das wegen ein paara Dutzend U-Booten! „Aushungern“ kann man England noch weniger als uns. Es gelingt ja nicht mal, die Truppentransporte ernstlich zu stören! – Doch genug. Es ist zu scheußlich auszudenken. Der Krieg kann dann noch Jahre dauern. Und das können z. B. die Türken gar nicht aushalten. Sie müssen dann von uns abfallen. – Jetzt wird wohl bald der kleine schwarze Eulenburg kommen.6 Leb wohl, mein liebes Mädele, es küßt Dich Dein Max

a O: par 5 Im Januar 1916 begannen die Russen gegen die Türken in Anatolien vorzudringen. 6 Franz Eulenburg sollte als Sachverständiger für die Mitarbeit am „Ausschuß für Mitteleuropa“ gewonnen werden.

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28. Februar 1916

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Lili Schäfer 28. Februar [1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 36 – 37 Das Jahr ist aus dem Briefinhalt erschlossen.

Ch’burg 28/2 Liebe Lili, –

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schönen Dank! 1. Die Angelegenheit mit der Filia-Gebühr1 ist in Ordnung (die andere war schon gezahlt). 2. Laß mich das bischen Schreiberei mit Dahlem machen.2 M.E. schuldest Du nichts. Ich berichte Dir dann. 3. Artur sprach ich, kurz aber herzlich.3 Er macht einen guten Eindruck. Es muß ihn ja Jeder gern haben. Was mich s. Z. störte,4 war Folgendes: die Menschen sind in Bezug auf „Rücksichtslosigkeit“ verschieden veranlagt. Ich z.B. habe von Natur ein gut Teil davon mitbekommen und allmählig, in der Ehe mit Marianne, gelernt, es so gut wie möglich im Zaum zu halten. Artur umgekehrt ist ein weicher Mensch. Er hatte sich, in Geld-Schwierigkeiten gerathen, bewußt gesagt: „wenn ich rücksichtslos wäre, – dann würde das Dukatenmännchen (die Mama) schon Verdauung bekommen und ich durchsetzen was ich will“. Und darnach verhielt er sich nun und verdarb dadurch in seinem eigenen Wesen Manches vom Besten[,] was er hat, – abgesehen davon, daß man in Geld-Sachen nicht rücksichtslos sein darf in der Familie. Da blieb mir schließlich nichts übrig, als auch, und noch mehr, rücksichtslos gegen ihn zu werden, und das war ich dann auch. Ich denke, diese Sache ist nun, innerlich wenigstens, erledigt.

1 Vgl. den Brief an Lili Schäfer, zwischen dem 18. und 20. Febr. 1916, oben, S. 299, Anm. 2. 2 Vgl. den Brief an Lili Schäfer vom 24. Febr. 1916, oben, S. 309. Ein Brief an das Gut Dahlem ist nicht nachgewiesen. 3 Seinen Bruder Arthur traf Max Weber vermutlich am 22. Februar 1916. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 23. Febr. 1916, oben, S. 307. 4 Weber bezieht sich auf die Auseinandersetzungen mit Arthur Weber über dessen Wirtschaftsführung. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Helene Weber vom 26. Juli 1913 und den Brief an Arthur Weber vom 2. Aug. 1913 (MWG II/8, S. 279 und 294 – 296).

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28. Februar 1916

Schreib jetzt doch nur, wenn grade etwas Geschäftliches vorliegt, liebe Lili. Du bist etwas müde und strapaziert, das schreibst Du selbst. Und ich verstehe Das. Die Kinder sind alle, in seiner Art jedes, sehr anziehend und ich mag sie leiden. Aber ich weiß auch, daß sie Dich strapazieren. Da mußt Du Dich nicht mit Ansprüchen an Dich selbst belasten. Wenn Du Dich Ostern ein paara Wochen gut ausgeruht hast nach der doch ganz gehörigen Arbeitslast dieser Monate, wird es besser gehen. Ich erwarte wirklich keine Antwort auf Briefe. Alfred möchte ich wünschen, daß er bald aus diesen Erdlöchern herauskommt.5 Aber mit Amerika steht es sehr ernst. Mama geht es gut. Herzliche Grüße in Liebe Dein Max

a O: par 5 Alfred Weber, Hauptmann der Landwehr im Landwehr-Infanterieregiment 109, befand sich südlich von Mühlhausen im Oberelsaß. Aus dem Unterstand schrieb er am 16. Februar 1916 seiner Mutter (BA Koblenz, Nl. Alfred Weber, Bd. 47): „Wir haben hier eine Woche lang eine sehr heftige Kanonade von unsrer Seite mit einem folgenden kleinen Angriff [...]. Das Ganze sollte französische Kräfte herziehen. [...] Unsre Dörfer sind seitdem zerstört und wir sitzen nun alle ausnahmslos unter der Erde.“

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2. März 1916

Marianne Weber PSt 2. März 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Donnerstag“ erschlossen.

Donnerstag Liebe Schnauzel, –

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Gestern in der „Sezession“1 hatte ich ein schändliches Pech! Mit Eulenburg im Gespräch über ein Bild trat ich einen Schritt zurück, stieß dabei an eine Holz-Console und es stürzte eine Gips-Figur (stehender Mann)2 von Haller (Tobelchens Züricher Bildhauer)3 herunter, ein Arm und ein Bruststück sowie einige sonstige Splitter sprangen ab, Reparaturfähigkeit dem Grade nach nicht sicher. Das Modell war für den Transport versichert mit 500 Mk., die ich natürlich sofort angewiesen habe zu zahlen. Aber es kostet sicher mehr, hoffentlich nicht zu viel. Ich habe sofort an Haller geschrieben,4 mich entschuldigt und vollen Ersatz angeboten. Solche Konsolen sollten ja nicht ganz unbefestigt dastehen, – aber es ist so üblich und man muß sich umsehen, also die Schuld bleibt an mir haften. Es ist unglaublich scheußlich, so für nichts und wieder nichts so viel Geld und dabei doch den Ärger des Künstlers! Ich bin noch ganz außer mir vor Wuth, und dabei lacht natürlich Jedermann. – Liebes Mädele, wegen eventueller Kriegsanleihe-Zeichnung sieh doch nach, was Mama noch an amerikanischen Papieren besitzt. Es ist noch Einiges. Bitte schreib mir die Papiere. Ebenso: was wir an Reichsanleihe besitzen. Ich weiß nicht mehr sicher, ob wir Alles an Schlössingera verkauft haben.5 a Unsichere Lesung. 1 Die Berliner „Sezession“ war eine 1899 unter anderen von Walter Leistikow und Max Liebermann gegründete Künstlervereinigung, die jährliche Ausstellungen moderner Kunst veranstaltete. Die Ausstellungen fanden seit 1905 am Kurfürstendamm statt. 2 Die Figur stellte Jack Johnson (31. März 1878 – 10. Juni 1946), den berühmten amerikanischen Boxer dar, der von 1908 bis 1915 als erster Schwarzer Weltmeister im Schwergewicht war. 3 Der Schweizer Bildhauer Hermann Haller war ein Freund von Mina Toblers am 2. Juni 1915 verstorbenen Bruder Ludwig. 4 Der Brief an Hermann Haller ist nicht nachgewiesen. 5 Der Sachverhalt konnte nicht nachgewiesen werden.

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2. März 1916

Ferner: schick mir doch die Polnische Grammatik, ich will diese Versuche fortsetzen.6 Und ebenso: je 4 von den Sonderabzügen meiner Aufsätze7 (No 1 liegt im Büchergestell als Paket, No 2 auf dem Drehbüchergestell). Schönen Dank im Voraus. Hier passiert nicht viel. Gestern war Georg Müller hier8 (Abends). Du weißt doch, daß Carlo9 einen schweren Kollaps hatte? Jetzt geht er wieder im Garten umher. Aber es war recht unangenehm und ganz unsicher: was es war (Schlag anscheinend nicht). Die Arbeit10 setzt fortwährend Konferenzen und „Vorbereitungen“ voraus, um in Gang zu kommen; immer noch ist fraglich, ob was Verständiges daraus wird. Inzwischen korrigiere ich Artikel (Hinduismus)11 und lese Litteratur über Österreich u.s.w. Arbeitskraft: „mäßig“ – merkwürdig, wie die Unrast und Ungetrostheit hier doch da wirkt, auch ist man wohl etwas verbraucht. Laß Dirs recht gut gehen, ärgere Dich nicht zu sehr über meine 앚:kostspielige:앚 Ungeschicklichkeit und laß Dich küssen von Deinem Max Daß ich Artur kurz sah, ehe er fortreiste – nur ein paarb freundliche Worte – schrieb ich doch?12

b O: par 6 Während der militärischen Übungen in Posen 1888, 1891 und 1892 und im Zusammenhang mit seiner Studie über die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland 1892 (MWG I/3) hatte sich Weber mit der polnischen Sprache befaßt. 7 Gemeint sind die beiden Artikel: Weber, Max, Einleitung und Konfuzianismus I und II sowie Konfuzianismus III, IV und Zwischenbetrachtung. 8 Georg Müller lebte seit Beginn des Krieges in Berlin und arbeitete in einer der Kriegsrohstoffgesellschaften. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 9. Mai 1915, oben, S. 51. 9 Carl (Carlo) Weber war der Bruder von Alwine (Wina) Müller in Oerlinghausen. 10 Gemeint ist die Mitarbeit im „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“. 11 Es handelte sich hierbei um den Artikel zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“, Hinduismus und Buddhismus I. Dieser erschien in Heft 3 des 41. Bandes des AfSSp, das am 29. April 1916 ausgeliefert wurde. 12 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 23. Febr. 1916, oben, S. 307. Arthur Weber kam auf der Fahrt nach Dünaburg durch Berlin; vgl. den Brief an Lili Schäfer, zwischen dem 18. und 20. Febr. 1916, oben, S. 300 mit Anm. 8.

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3. März 1916

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Marianne Weber [3. März 1916; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus der Tagesangabe „Freitag“ in Verbindung mit dem Brief an Marianne Weber vom 2. März 1916, oben, S. 315 f., der Ort aus dem Briefinhalt erschlossen.

Freitag. Liebes Schnauzele!

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Die Sache mit Haller1 wird wohl leidlich glimpflich ablaufen. Die Statuette ist vorzüglich repariert und steht wieder im Saal, ist auch wohl nicht sein einziges Modell. Es wird also auf die Reparaturkosten und diejenige Entwertung herauskommen, die sie natürlich in jedem Fall, als „repariert“, hat, ich denke, Alles in Allem 200 Mk. Ärgerlich genug wahrhaftig auch so! Aber doch nicht so schlimm, wie ich erst dachte. Den überschickten Brief habe ich beantwortet.2 Heut Verhandlungen mit einem Deutschpolen3 über die polnische Frage (nur über die – fast unlösbare – Frage der wirtschaftlichen Folgen der Loslösung von Rußland, welche den Ruin der Lodzer und Warschauer Industrie bedeutet). Sachlich recht interessant, da der Mann klug ist und sein Geld in Lodz in einer großen Fabrik stecken hat. Gestern Abend lernte ich hier, wo ich (sehr behaglich) schreibe (im Club: „Deutsche Gesellschaft 1914“) Bassermann4 kurz kennen: Typus des „Majors der Landwehr“, läuft immer mit dem Säbel herum, sehr „schöner“ Mann, martialisch, äußerst unbedeutend und verkalkt. Die Frau5 ist eine ganz andre Nummer! Sonst sprach ich nur ein paara Leute, die Dich nicht interessieren, auch über Polen. Ich lerne sachlich Einiges, wenn auch nichts für „Ewigkeitswerte“, das weiß leider der Himmel. a O: par 1 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 2. März 1916, oben, S. 315. 2 Nicht nachgewiesen. 3 Vermutlich ist Michael Lempicki gemeint. Zu diesem vgl. den Brief von Alfred Weber an Arthur Zimmermann vom 22. Sept. 1916, in: Weber, Alfred. Ausgewählter Briefwechsel, hg. von Eberhard Demm und Hartmut Soell (AWGA, Bd. 10, 1. Halbbd.). – Marburg: Metropolis-Verlag 2003, S. 232. 4 Ernst Bassermann. 5 Julie Bassermann, geb. Ladenburg.

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3. März 1916

Von Tobelchen6 einen netten, ganz gut klingenden Brief (nur durch die innere Abwendung der Lisbeth7 fühlt sie sich „sehr einsam“, – nun, jetzt kommt ja die Schwester8)b. Gestern, wie jeden Donnerstag, Frau Stein9 zu Tisch und nachher, stets gleich vortrefflich und strapazant für mich, weiß der Himmel: warum? Es ist so ungerecht! – Unglaublich der Optimismus der Militärs und Politiker bezüglich eines Kriegs mit Amerika. Ganz anders lautet es, wenn man die Leute unter 4 Augen spricht, die für unsre Wirtschaft (Rohstoff-Versorgung) verantwortlich sind. Ebenso die Industrie-Vertreter, außer den Granaten-Fabrikanten und den Agrariern, denen jede Kriegsverlängerung höhere Preise bringt. Eine Bande! Laß Dich küssen von Deinem Max

b Klammer fehlt in O. 6 Mina Tobler. 7 Elisabeth (Lisbeth) Braus. 8 Elisabeth Ott, geb. Tobler. 9 Elisabeth Stein war mit Helene Weber befreundet und deren Mitarbeiterin in der Berliner Wohlfahrtspflege.

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Hans Delbrück [vor dem 4. März 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig SBPK zu Berlin, Nl. Hans Delbrück Die Datierung ist erschlossen aus der im Brief geäußerten Bitte Webers um eine Unterredung mit Delbrück außer am „Samstag“ [= 4. März 1916], „Sonntag 12 – 1“ [= 5. März 1916], „Montag Nach mittag“ sowie „in den nächsten Tagen“. Danach dürfte das Schreiben auf den Anfang der ersten Märzwoche zu datieren sein. Das Zusammentreffen mit Delbrück fand am 5. März 1916 statt – so die entsprechende Mitteilung im Brief an Marianne Weber vom selben Tage, unten, S. 320. Max Weber benutzt Briefpapier mit dem gedruckten Briefkopf: Deutsche Gesellschaft 1914 Berlin W. Wilhelmstr. 67.

Charlottenburg, Marchstr. 7F bei Frau Helene Weber Telefon Steinplatz 3064 Hochgeehrter Herr Kollege! 5

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Könnte ich Sie wohl einmal sprechen? Ich bin bereit, Sie in Ihrer Wohnung aufzusuchen oder, falls Ihr Weg Sie hier an der „Deutschen Gesellschaft 1914“ vorbeiführt, zu einer von Ihnen anzugebenden Stunde hier zu treffen. Besetzt bin ich: Samstag,a Sonntag 12– 1, Montag Nachmittag, in den nächsten Tagen, sonst noch nicht. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster Max Weber. Ev. würden Sie mir vielleichtb Telefon-Nachricht an obige Nummer geben lassen, wann und wo es Ihnen paßt? Ich kann auch in die Universität kommen.

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5. März 1916

Marianne Weber [5. März 1916; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort erschlossen aus dem Brief an Marianne Weber vom 2. März 1916, oben, S. 315 f., und der Tagesangabe „Sonntag“.

Sonntag Liebes Mädele, – nur einen kurzen Gruß! – ich gehe dann zu Hans Delbrück1 und wollte Dir vorher nur die Postkarten schicken,2 die ich noch immer vergaß. Heut Abend mit Heinrich Simon. Übermorgen: Reichsamt des Inneren. Morgen: Besprechung. Alles noch: Vorfrage, ob die Arbeit „Sinn“ hat?3 Inzwischen ist die Gefahr mit Amerika auf dem Höhepunkt.4 Und mir ist, als ob eine Horde Irrsinniger uns regierte. Alle Leute, die vor 14 Tagen meiner Ansicht waren, sind umgefallen. Die vor 14 Tagen sagten: „Ach, die Amerikaner schlagen ja nie los“, – sagen jetzt: „Ach, die Amerikaner wollen ja den Krieg auf jeden Fall“, – ganz wie damals bei Italien. Die paara ruhigen Leute hier wissen: der Krieg ist verloren, wenn es losgeht. Finanziell, weil dann unsre Anleihen nicht gezeichnet werden[.] Wirtschaftlich, weil wir noch immer massenhaft Rohstoffe bekommen, die wir nicht entbehren können und die dann fortfallen. Außerdem: weil dann Rumänien losschlägt und die Türken in 1/2 Jahr Separatfrieden schließen, wenn unser Geld zu Ende ist. Es ist um toll zu werden. Heinrich S[imon] telefoniert: es stünde zur Zeit etwas besser. Frage ist: ist es nicht schon zu spät. Die wahnsinnige Wut, die man erregt, wenn man so einen Hetzer sachlich zu überzeugen sucht, hat etwas Unheimliches. Die Agrarier wissen: Brot muß gekauft werden, auch wenn wir unterliegen, die Industrie und Schiffahrt ist dann ruiniert, diese Konkur-

a O: par 1 Vgl. den Brief an Hans Delbrück, vor dem 4. März 1916, oben, S. 319. 2 Die Postkarten sind nicht nachgewiesen. 3 Weber bezieht sich auf den „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“. 4 Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Gottlieb v. Jagow vom 10. März 1916, unten, S. 327 f.

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renten um die Macht sind sie los. Die – teils: – Entmutigung, – teils: revolutionäre Verzweiflung der Arbeiterschaft sorgt dafür, daß sie, die Großgrundbesitzer, die Macht behalten, der Monarch ist dann in ihrer Hand. Und deshalb: „va banque“. Hoffentlich glimmt die schwache Hoffnung nicht aus, daß die Rücksicht auf die Anleihezeichnung auf die deutsche Regierung drücken wird. Das ist jetzt die einzige Chance und ich hoffe[,] sie wird ausgenutzt! Es küßt Dich Dein Max Grüße Rickerts5 viele Male[.]

5 Heinrich und Sophie Rickert waren Ende Februar 1916 von Freiburg nach Heidelberg gezogen, nachdem Heinrich Rickert zum Nachfolger Wilhelm Windelbands berufen worden war. In Heidelberg wohnten sie zunächst in der Pension Bezner, bis sie Mitte März in ihre eigene Wohnung zogen. Vgl. den Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 28. Febr. 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446).

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7. März 1916

Marianne Weber PSt 7. März 1916; Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist erschlossen aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Dienstag“.

Ch’burg.a Dienstag. Liebes Schnauzele, – nein, Bank-Eingänge sind nicht da. Nur eine Anzeige der Deutschen Bank, daß Mama 400 Mk erhalten habe.1 – Die Kriegsgefahr, die Freitag/Samstag auf der Höhe stand, ist zur Zeit vorüber. Der Reichskanzler hat über Tirpitz gesiegt,2 wir werden nachgeben. Aber: wie? ohne unsre Würde zu vergeben und ohne den Effekt der Nachgiebigkeit uns zu verderben durch große Protzer-Worte? Das ist die Frage. Tirpitz spielt ein unverantwortliches Spiel. Er mußte wissen, daß er gar nicht so viel Schiffe (2/3 der englischen Flotte und 40% unsrer Handelsmarine, die Amerika, Brasilien u.s.w. konfiszieren würden) torpedieren kann im Lauf eines Jahres, um die Engländer, wenn sie sich auf unsren Bedarfsdeckungs-Standard stellen und unsre Maßregeln (Brotkarten u.s.w.) einführen, „auszuhungern“. Das ist einfach Unsinn. – Nun aber pointierte er, wie ein desperater Spieler, immer höher und erklärte: nur wenn er alle Schiffe, die sich der englischen Küste näherten, torpediere – also auch holländische, skandinavische, spanische u.s.w., könne er den Erfolg „garantieren“, so meine er die Sache. Also: Krieg mit Holland, Dänemark u.s.w. (von Rumänien etc. ganz abgesehen). Das brachte die Wendung. Wie ein hysterischer Kollaps dieses „Heldenkaisers“: „schafft ein Mittel, ein Ende zu ma-

a 1 Weber beantwortete eine Anfrage von Marianne Weber in deren Brief an Max Weber vom 4. März 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). 2 Am 4. März 1916 war im Kronrat entschieden worden, auf einen uneingeschränkten U-Boot-Krieg zu verzichten. Damit konnte sich Reichskanzler Theobald v. Bethmann Hollweg gegen Großadmiral Alfred v. Tirpitz durchsetzen. Auf äußeren Druck reichte v. Tirpitz am 15. März 1916 seinen Rücktritt ein. Vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Gottlieb v. Jagow vom 10. März 1916, unten, S. 327 f., sowie Schulthess 1916, Teil 1, S. 88.

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chen“ die Krisis schuf, so ein Angst-Kollaps vor dem Krieg mit Amerika (wo es viel ernster steht, als unsre Zeitungen erkennen lassen) die abermalige Wendung. Ob sie nicht etwa zu spät kommt, ist abzuwarten. Es ist heillos, wie wir regiert werden, in einem Augenblick, wo unsre ganze Existenz auf dem Spiel steht. – Und College Levy3 (!) als die rechnerische und volkswirtschaftliche Autorität des Admiralstabs! Als ich das hörte, nahm ich kein Blatt vor den Mund. Mit Reisen nach Polen u.s.w. wird es nichts, das sehe ich schon. Die „amtlichen“ Stellen reagieren auf Alles mit dem Gedanken: „Muh’chenb weiß das ja schon Alles.“4 Ich kann mich da nicht aufdrängen; – weil es keinen Zweck hätte. Ob sonst was herauskommt, muß sich ja zeigen. – Ja, Mamas Haushalt! Das ältere Mädchen ist sehr tüchtig, aber Mama sitzt eben doch immer unten in der Küche. Das jüngere ist nett, aber vergeßlich und etwas steril geschäftig. Immerhin: es geht doch. Ungetrost genug bleibt es[,] und Laura5 hier? Unmöglich, falls nicht Mama wesentliche Teile ihrer Außerhaus-Arbeit6 aus der Hand giebt. Das ist so klar, daß sie es sich eigentlich hätte überlegen sollen, ehe sie mit dieser Sache kam. Und sie will das eben nicht, sondern meint, wenn sie eine Pflegerin nähme, wäre Alles gut. Das ist es nicht, denn dieser nervöse „Betrieb“ thut Niemand gut. Laß Dich herzlich küssen von Deinem Max

b Unsichere Lesung. 3 Der Nationalökonom Hermann Levy, Professor an der Handelshochschule Mannheim, lehrte von 1907–1920 auch an der Heidelberger Universität. 4 Vgl. dazu den Brief an Franz Eulenburg vom 9. März 1916, unten, S. 325 f. 5 Laura Hausrath wollte nach Berlin zu Helene Weber reisen. Davon war bereits im Brief an Marianne Weber vom 15. Febr. 1916, oben, S. 292 f., die Rede. 6 Gemeint ist Helene Webers Tätigkeit in der Wohlfahrtspflege.

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Franz Eulenburg [vor dem 9.] März 1916; Charlottenburg Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede und Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 9, Bl. 36 Die Datierung ist erschlossen aus dem Briefinhalt in Verbindung mit dem Schreiben an Franz Eulenburg vom 9. März 1916, unten, S. 325 f.

Charlottenburg März 1916 Die Sache wird[,] ehe wir Ihnen Definitives sagen können, noch einige Rücksprachen kosten.1 Das Reichsamt des Innern hat einen (unbedeutenden) Berichterstatter drüben.2 Also muß man feststellen, ob, wenn Sie hingehen, Sie nicht verschlossene Türen und latenten amtlichen Widerstand – in einem Okkupationsgebiet tödlich wirkend! – finden. Ich berichte Ihnen in einigen Tagen über die Rücksprache[,] die ich hier mit Interessenten (Levinski, Ellstätter)3 hatte, welche auch für Sie vor der evtl. Reise als Auskunftspersonen in Betracht kommen ...a Hoffentlich gereut Sie aber nicht,b kurze Zeit einmal sich die Sache überlegt zu haben, falls wider Verhoffen nichts zu machen wäre. Ich schreibe dies nur, um auch für den schlimmsten Fall gleich Klarheit zu schaffen.

a Auslassungszeichen in Abschrift. b 1 Im folgenden geht es um den – letztlich erfolglosen – Versuch, Eulenburg als ökonomischen Sachverständigen für den „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“ in Polen zu verwenden; vgl. dazu auch das folgende Schreiben an Eulenburg vom 9. März 1916, unten, S. 325 f. 2 Möglicherweise Franz v. Schönebeck. 3 Bei dem ersteren könnte es sich um Arno oder Willy v. Lewinski handeln; bei dem letzteren vermutlich um Karl Ellstaetter.

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Franz Eulenburg 9. März 1916; Charlottenburg Abschrift; maschinenschriflich ohne Anrede und Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 9, Bl. 35 – 36 Im folgenden Brief geht es um den erfolglosen Versuch, Eulenburg als ökonomischen Sachverständigen für den „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“ in Polen zu verwenden; vgl. dazu auch das Schreiben an Eulenburg, vor dem 9. März 1916, oben, S. 324.

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Gestern erzwang ich eine Unterredung mit dem Unterstaatssekretär1 über die Frage[,] ob Jemand zu dem vereinbarten Zweck nach Polen fahren oder sonst mit den polnischen Industriellen in Verbindung treten könne. Denn der Mißerfolg ist ja in diesem speziellen Fall sicher, wenn die amtlichen Instanzen direkt obstruieren. Leider tun sie das, wie die mir überaus ärgerliche Auseinandersetzung ergab[,] und zwar trotzdem ich den Vorspann eines Zentrumsabgeordneten von Rang und Einfluß2 genommen hatte: 1. Jede Verhandlung mit den Polen sei unerwünscht – 2. sie würde amtlich geführt – 3. das amtliche Material sei für uns unzugänglich. Tausend Gründe wurden angeführt, die alle Scheingründe waren. In Wahrheit wollen die Herren sich in diese polnische Sache nicht hineinsehen lassen und haben Angst vor „Konkurrenz“. Nur eine technische Untersuchung der Valutamöglichkeiten Polens wurde erbeten. Ich habe nicht verhehlt, daß ich unter diesen Verhältnissen Bedenken trage, weiter mit zu tun. Jedenfalls steht leider für uns fest, daß wir Ihnen keinen Auftrag für Polen geben oder verschaffen können. Das ist mir mehr als peinlich, denn trotz aller Erfahrungen hatte ich dies Maß von Übelwollen nicht gewärtigt, nachdem die Antezedenzien sich ganz anders angelassen hatten. „Das Auswärtige Amt würde Bedenken erheben“. Ist dem so und ist dies kein Vorwand – dann muß die Sache in den Verhandlungen mit Österreich irgendwie schwierig stehen. Zu erfahren ist das nicht. – Wir alle sind der Ansicht, daß Sie bei dem Versuch[,] ohne Fühlung mit den Interessenten[,] also auch den Polen, etwas zu arbeiten mit tiefer Enttäuschung und ideeller Unbefriedigung von der Arbeit scheiden würden. Das wenigstens

1 Gemeint ist der Unterstaatssekretär des Innern, Max Richter. 2 Vermutlich Albrecht Frhr. v. Rechenberg; vgl. dazu Mommsen, Max Weber 3, S. 241.

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möchten wir nicht verantworten …a Leben Sie für heute wohl, dieser Brief ist mir höchst ärgerlich, aber ich zog vor, Klarheit zu schaffen. Auch meine eigene Mitarbeit hier sehe ich jetzt noch skeptischer an als vorher.

a Auslassungszeichen in Abschrift.

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Gottlieb von Jagow 10. März 1916; Charlottenburg Brief; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen Max Webers PA AA Berlin, WK Geheim Nr. 18, Bl. 9, S. 3 – 4 Dieser Brief an den Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Gottlieb v. Jagow, sowie die folgenden Schreiben an den Unterstaatssekretär des Auswärtigen Amts, Arthur Zimmermann, vom 11. und 13. März 1916, unten, S. 334 und 338 f., stehen in Zusammenhang mit der seit Februar 1916 stark zunehmenden öffentlichen Agitation für den unbeschränkten U-Boot-Krieg. So war es in der verstärkten Haushaltskommission des Preußischen Abgeordnetenhauses zu einer Resolution unter Zustimmung aller Parteien mit Ausnahme der Sozialdemokratie gekommen, die am 11. Februar 1916 in den Zeitungen erschien und die an den Reichskanzler bzw. Preußischen Ministerpräsidenten gerichtet war, „daß die Kommission es im Interesse des Landes für schädlich erachten würde, wenn sich aus der Stellungnahme der Reichsleitung gegenüber Amerika die Konsequenz einer Einschränkung in unsere Freiheit ergibt, einen uneingeschränkten und dadurch voll wirksamen U-Boot-Krieg zu einem geeigneten Zeitpunkt gegen England aufzunehmen.“ Zitiert nach: Westarp, [Kuno] Graf, Konservative Politik im letzten Jahrzehnt des Kaiserreiches, Bd. 2: Von 1914 bis 1918. – Berlin: Deutsche Verlagsgesellschaft 1935, S. 118. In der Begründung dieser Resolution durch den Führer der Konservativen, Ernst v. Heydebrand, war u. a. davon die Rede, daß die „schwächliche Haltung der Regierung in einer Angelegenheit, die unsere Ehre berühre, [...] nicht wieder gutzumachen“ sei und daß es „dem deutschen Volke nicht zugemutet werden“ könne, „angesichts seiner außerordentlich günstigen Kriegslage vor den Amerikanern ins Mauseloch zu kriechen.“ Ebd., S. 119. Obwohl es Reichskanzler Bethmann Hollweg auf einer Kronratssitzung am 4. März 1916 gelungen war, den Kaiser von einer Entscheidung über den uneingeschränkten U-Boot-Krieg abzuhalten bzw. diese Entscheidung zu vertagen, ging die Propagandaoffensive der Vertreter des U-Boot-Krieges als ultima ratio der Kriegsführung weiter. Dabei spielte das Argument eine immer größere Rolle, daß Großbritannien durch den rücksichtslosen U-Boot-Einsatz innerhalb von sechs Monaten friedensbereit sein werde. Webers wachsende Besorgnis, daß diese halboffiziös gesteuerte Agitation zum Bruch mit den USA führen werde, dokumentiert sich in seinen diversen Briefen an Marianne Weber, so vom 23. und 27. Februar sowie 5. März 1916, oben, S. 306 f., 311 f. und 320, sowie vom 15. März 1916, unten, S. 343. Weber sah sich deswegen veranlaßt, z. T. in Zusammenarbeit mit Felix Somary, kurzfristig – zwischen dem 8. und 10. März 1916 (vgl. MWG I/15, S. 103) – eine Denkschrift, betitelt: „Der verschärfte U-Boot-Krieg“ (MWG I/15, S. 99 – 125), auszuarbeiten, die er am 10. März 1916 mit dem unten abgedruckten Begleitschreiben an v. Jagow schickte. Die Denkschrift hat offensichtlich ihre Wirkung nicht verfehlt, denn Weber hat daraufhin unter ausdrücklicher Zustimmung des Auswärtigen Amts 18 – z. T. heute noch erhaltene – Exemplare des Memorandums, wie es auch seine Absicht war, an eine Anzahl von Parteiführern und Parlamentariern geschickt (vgl. dazu den Brief an Zimmermann vom 13. März 1916, unten, S. 338 f.). Die schnelle Anfertigung ist auch vor dem Hintergrund der Wiedereröffnung des Reichstags am 17. März 1916 zu sehen, in welcher ein gemeinsames Vorgehen der bürgerlichen bzw. Rechtsparteien in Sachen uneingeschränkter UBoot-Krieg zu befürchten war. Dagegen sollte die Denkschrift als mögliches Palliativ wirken. Auf den Fortgang der Ereignisse hat sie anscheinend jedoch kaum Einfluß ausgeübt. Trotz des Rücktritts vom Staatssekretär des Reichsmarineamts, Alfred v. Tirpitz, dem Hauptvertreter des unbegrenzten U-Boot-Krieges, am 12. bzw. 15. März 1916 ging die öffentliche Agitation weiter, und die Verhandlungen im Reichstag zwischen den Par-

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teien in dieser Frage führten zu der mehrdeutigen Resolution vom 6. April 1917: „Nachdem sich das Unterseeboot als eine wirksame Waffe gegen die englische, auf die Aushungerung Deutschlands berechnete Kriegführung erwiesen hat, gibt der Reichstag seiner Überzeugung Ausdruck, daß es geboten ist, wie von allen militärischen Machtmitteln, so auch von den Unterseebooten denjenigen Gebrauch zu machen, der die Erringung eines die Zukunft Deutschlands sichernden Friedens verbürgt, und bei Verhandlungen mit auswärtigen Staaten, die für die Seegeltung Deutschlands erforderliche Freiheit im Gebrauch dieser Waffe unter Beachtung der berechtigten Interessen der neutralen Staaten zu wahren.“ Hier zitiert nach Westarp (wie oben), S. 128. Entscheidend für das weitere Vorgehen des Reichskanzlers war die Torpedierung des französischen Passagierdampfers Sussex am 24. März 1916, bei dessen Untergang erneut amerikanische Zivilisten ums Leben kamen, woraufhin die amerikanische Regierung in ihrer Protestnote vom 18. April mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen drohte. In einer Note vom 4. Mai 1916 wurde der amerikanischen Regierung mitgeteilt, daß man sich deutscherseits auf den „Kreuzerkrieg“ bzw. den U-Boot-Krieg nach Prisenordnung beschränken werde. Dies war schon durch eine Anordnung vom 24. April 1916 an die U-Boot-Kommandanten in die Wege geleitet worden. Durch die eigenmächtige Rückbeorderung der gesamten U-Boot-Flotte durch den Flottenchef Admiral Reinhard Scheer kam es in den nächsten Monaten zu keinen weiteren nennenswerten Aktivitäten der U-Boote. Erst ab 6. Oktober 1916 wurde der U-Boot-Krieg als Handelskrieg „nach Prisenordnung“ wieder fortgesetzt und durch die neue OHL Ende 1916/Anfang 1917 der endgültige Kurswechsel in Richtung unbeschränkter U-Boot-Krieg vollzogen. Zur definitiven Entschließung kam es im Kronrat im Obersten Hauptquartier in Pleß am 9. Januar 1917, wo auf massiven Druck von OHL und Marineleitung gegen einen resignierenden Reichskanzler der Beschluß zum unbeschränkten U-Boot-Krieg mit Beginn zum 1. Februar 1917 gefaßt wurde. Neben den Paraphen von Reichskanzler Bethmann Hollweg sowie dem Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Gottlieb v. Jagow, findet sich am linken Rand der ersten Seite ein handschriftlicher Vermerk von Arthur Zimmermann: „Die Denkschrift ist sehr lesenswert. Ich habe H[err]n Weber empfohlen, sie möglichst vielen Scharfmachern aus dem Reichstag und vor Allem auch dem Professor Ed[uard] Meyer mitzuteilen, der die öffentl[iche] Meinung in weitem Umfange gegen unseren Standpunkt zu beeinflussen sucht. Z11/3“.

Charlottenburg, den 10. März 1916 Marchstraße 7 f Tel. Steinplatz 3064. Euer Excellenz beehre ich mich beifolgend eine kurze Denkschrift zu überreichen, welche ich nach Rücksprache mit einigen anderen Herren1 in einer ganz kleinen Anzahl von Exemplaren an einige Parlamentarier zu schicken beabsichtige. Äußerlich erscheint sie oder könnte sie erscheinen, wenigstens an einigen Punkten, wie eine Kundgebung eines Mißtrauens in die leitenden Stellen, zu welchen ich gerade umgekehrt das

1 Wer außer dem Mitverfasser Felix Somary damit gemeint ist, ist unbekannt.

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bedingungsloseste Vertrauen hege. Diese Form ist ausschließlicha um deswillen gewählt, weil nur so der beabsichtigte Eindruck vielleicht erzielt werden konnte. Der Zweck ist lediglich und ganz allein: dem Druck der teilweise geradezu hysterisch erregten sogenannten b„öffentlichen Meinung“b c(eines Teils der Parlamentarier und anderer Kreise)c entgegen zu wirken, welcher auf die Entschlußfreiheit der leitenden Stellen in ihrer Politik in der U-Bootfrage einzuwirken geeignet ist oder geradezu diesed Absicht hegt. Würde ich nicht die Erfahrung gemacht haben, daß mit einem Teile dieser Kreise nachgerade überhaupt nicht mehr sachlich zu reden ist, so würde ich keinerlei Behuf zu eineme derart auffallenden und prätentiös erscheinenden Schritt verspüren. Bemerken darf ich vielleicht, daß ich Amerika aus eigener Anschauung kenne2 und dort zahlreiche Verwandte in den verschiedensten Kreisen habe, auch während des Krieges Zuschriften aus englisch-amerikanischen Kreisen, bei denen ich verkehrt habe, erhielt. Ein sonstiges besonderes Sachverständnis beanspruche ich im übrigen nicht. Ich glaube nur, die amerikanische Stimmung in ihren Gründen einigermaßen zu verstehen. In der Annahme, daß das Eingreifen Amerikas nicht gerade unseren Untergang, wohl aber den Verlust des Krieges und eine schwere Gefährdung der Stellung der Dynastie mit sich bringen könnte, weiß ich mich einig mit sachkundigen Herren, welche das Opfer des Intellekts auch gegenüber der begreiflichsten moralischen Entrüstung nicht zu bringen vermögen. Mit vorzüglicher Hochachtung Ew. Excellenz ganz ergebenster fProfessor Max Weber (Heidelberg)f Ew. Excellenz stelle ich anheim, ob von den Ausführungen von Ihrer Seite irgendwelcher weiterer Gebrauch,g gleichviel welcher Art, zu machen ist.

a Unterstreichung eigenhändig. b Anführungszeichen eigenhändig. c Klammern eigenhändig. d die > diese e einen > einem f Unterzeichnung eigenhändig. g Komma eigenhändig. 2 Weber war anläßlich der Weltausstellung in St. Louis 1904 in den USA gewesen und hatte weite Teile des Landes bereist.

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Lili Schäfer [11. März 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 38 – 39 Das Datum ist aus der Tagesangabe „Samstag“ in Verbindung mit dem Brief an Marianne Weber vom 11. März 1916, unten, S. 332 f., erschlossen, der einen teilweise übereinstimmenden Inhalt aufweist.

Ch’burg Samstag. Liebe Lili, – schönen Dank. Die 50 M. gehören doch natürlich, Karls Absichten entsprechend, Dir.1 Gestern war Alfred hier.2 Ich möchte ihm gönnen, daß er nach Warschau käme,3 wie er möchte. Ich würde ja auch sehr gern grade dahin gegangen sein, aber ich habe die Bedenken gehabt: daß diese Stellen für die Leute aus der Front, auch solche mit einem Knax, reserviert werden sollten und daß unser Einer sie ihnen nicht wegschnappen darf. Mama geht es ganz gut soweit, d. h. natürlich läßt sie der neuen Köchin auch viel zu wenig eigne Verantwortung und Selbständigkeit, was keinem Mädchen gut thut. Aber diese ist wirklich tüchtig und die andre ist nett und gutwillig, wenn auch rasend vergeßlich. Nun, es wird schon gehen. Offenbar kann Mama den „Betrieb“ nicht entbehren als Schwungrad der Lebenskraft. Ruhe und Behagen, die man ihr so gönnen möchte (und auch schön fände), wird sie im Leben nicht finden und auch nicht suchen. Politisch sieht es noch düster aus. Aber vielleicht siegt die Vernunft, es scheint jetzt fast so. Nur vom Frieden sind wir so weit wie jemals. Laß Dirs recht gut gehen!

1 Der Sachverhalt konnte nicht geklärt werden. 2 Alfred Weber war als Hauptmann der Reserve an der Front im Elsaß und suchte nach einer Verwendung in Warschau oder Berlin. Schon 1915 hatte er sich bei Karl Helfferich und Friedrich Naumann um eine Verwendung im Reichsamt des Innern oder im Reichsschatzamt bemüht. Vgl. Demm, Eberhard, Ein Liberaler in Kaiserreich und Republik. – Boppard am Rhein: Boldt Verlag 1990, S. 155. 3 Es konnte nicht ermittelt werden, um welche Aufgabe es sich dabei gehandelt hat.

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– Was hast Du nun Ostern vor? Wina4 wird ja nicht in Örl[inghausen] sein und Frl. v. Horn5 ist offenbar arg krank, so daß sie und Du nicht viel davon hättet. Ob Du doch dorthin gehst? Oder lieber an einen Erholungsort? Dann wäre mir schon beinahe lieb, Du nähmest Marianne mit, die auch gut so was brauchen kann! Ob es geht, fragt sich ja. Herzliche Grüße Dein Max

4 Alwine (Wina) Müller, geb. Weber. 5 Gemeint ist die Tochter von Freunden Alwine (Wina) Müllers aus dem benachbarten Schloß Holte, die offenbar freundschaftlichen Umgang mit Lili Schäfer pflegte, wenn diese in Oerlinghausen war.

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Marianne Weber PSt 11. März 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Samstag“ erschlossen.

Samstag. Liebes Schnauzele – anbei den Brief des Herrn Haller.1 Ganz billig wird die Sache nicht, da der Frank jetzt teurer ist als die Mark. Etwa 3/4 der Kosten muß mein Artikel Hinduismus2 bringen. Etwa 200 Mk. bleiben zu Lasten unseres Etats, ganz wie ich dachte. Bisher habe ich hier noch kein Geld erhoben, Montag erhebe ich 150 M. Alfred war gestern da, möchte natürlich gern aus der Front fort, was ihm nicht zu verdenken ist, und möglichst nach Warschau.3 Da wäre ich ja auch sehr gern hingegangen, aber die Leute von der Front, namentlich die etwas verknaxten, gehen vor, man darf ihnen diese Plätze nicht fortschnappen. Ich schicke morgen eine Denkschrift4 über Amerika an die Parteihäupter.5 Das Auswärtige Amt, dem ich sie vorher schickte,6 schrieb umgehend (durch Boten): ich möge sie ja versenden, es sei dringend erwünscht und sie werde sofort dem Reichskanzler vorgelegt. Dabei enthält sie nur Landläufiges! Es muß ihnen also das Wasser bis oben hin stehen. Die Lage ist eben recht ernst noch immer und diese verdammten „Zufälle“, – die schließlich Jeder voraussehen kann, sind das, was Einem das Gefühl giebt, auf dem Vulkan zu sitzen. Dabei Separatfriedens-Gelüste der Türkei – wer kann es ihr verdenken? [–] wir wollen Annexionen machen und was haben wir den Türken an solchen zu

1 Hermann Haller. Zum Sachverhalt vgl. den Brief an Marianne Weber vom 2. März 1916, oben, S. 315. 2 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 2. März 1916, oben, S. 316, Anm. 11. 3 Vgl. den Brief an Lili Schäfer vom 11. März 1916, oben, S. 330. 4 Gemeint ist die Denkschrift „Der verschärfte U-Boot-Krieg“ (MWG I/15, S. 99 – 125). 5 Gemeint sind 17 maßgebende Parlamentarier, die Weber von Unterstaatssekretär Zimmermann genannt worden waren. Vgl. den Brief an Arthur Zimmermann vom 11. März 1916, unten, S. 334. 6 Vgl. den Brief an Gottlieb v. Jagow vom 10. März 1916, oben, S. 327 – 329.

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bieten? Und üble Haltung Rumäniens.7 Nun, vielleicht geht Alles besser. Wenn sie nur nicht im Westen zu viel Menschen opfern!8 Unsere Spezial-Arbeit stößt auf starke Obstruktion der Behörden, grade wie ich es voraussah, und von einer Sendung nach Polen ist (aus Angst) keine Rede.9 Ich bot der „Gesellschaft 1914“ einen Vortrag über die Demokratie in Amerika an.10 Da ich aber als „Flaumacher“ gelte, so haben die Herren bei aller Höflichkeit wenig Neigung gezeigt, sich damit sehr zu beeilen. Ich bin auf die Reichstagsrede des Kanzlers gespannt11 und nach allen früheren Erfahrungen besorgt. Alle diese Leute sind so „brav“, und Keiner ist ein Staatsmann. Deshalb können wir den Krieg noch so sehr gewinnen und werden doch nichts davon haben. Nun, vielleicht kommt es dann mal wieder besser. – Mit jener „Denkschrift“ werde ich die ganze Wut der Scharfmacher auf mich laden und als 앚:„flauer“:앚 Erz-Feigling dastehen. Um so besser. Es küßt Dich herzlich Dein Max Gestern trank ich Thee mit Simmel. Unterhaltung steril. Immer nur um die eigene „Überflüssigkeit“. Und Katzenjammer, hier fort gegangen zu sein.12 – Grüße Rickerts[.]13

7 Das bei Kriegsanfang neutrale Rumänien geriet zunehmend unter den Einfluß der Entente und Rußlands. 8 Anspielung auf die verlustreichen Kämpfe um Verdun. Der deutsche Angriff begann am 21. Februar 1916. 9 Vgl. den Brief an Franz Eulenburg vom 9. März 1916, oben, S. 325 f. 10 Die „Deutsche Gesellschaft 1914“ war im November 1915 als ein liberales Diskussionsforum für Akademiker, Publizisten, Politiker und Schriftsteller gegründet worden. Weber hielt dort am 3. April 1916 den Vortrag „Demokratie im amerikanischen Leben“ (vgl. MWG I/15, S. 777 f.). 11 Bethmann Hollweg hielt die Rede am 5. April 1916. 12 Georg Simmel hatte 1914 eine ordentliche Professur für Philosophie an der Universität Straßburg übernommen und Berlin verlassen. 13 Heinrich und Sophie Rickert lebten seit kurzem in Heidelberg, wo Heinrich Rickert zum Sommersemester 1916 die Nachfolge des Windelbandschen Lehrstuhls antrat.

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Arthur Zimmermann [11. März 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig PA AA Berlin, WK Geheim Nr. 18, Bd. 9, Bl. 19 Datum erschlossen aus dem handschriftlichen Ministerialvermerk: „pr. 11. März 1916.“ sowie dem Aktenvermerk Arthur Zimmermanns: „Ich habe H[err]n Prof Weber eine Anzahl von Abgeordneten (17) genannt, die für seine Denkschrift in Frage kämen. Dies ist die Antwort. eilt Z11/3“. Der Brief steht in Zusammenhang mit der Denkschrift Max Webers „Der verschärfte U-Boot-Krieg“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Gottlieb v. Jagow vom 10. März 1916, oben, S. 327 f.

Charlottenburg Marchstr.a 7F Euer Excellenz danke ich verbindlichst für Ihre freundlichen Zeilen. Den mitgeteilten Herren wollte ich das Schriftstück ohnehin zugänglich machen,1 so daß also – da ich die entsprechenden Anweisungen schon gegeben habe – mit voller Aufrichtigkeit erklärt werden kann: daß die Zusendung an jene Herren ohne alle Einwirkung des Auswärtigen Amts, aus meiner alleinigen Initiative, erfolgt ist. Dies ist vielleicht für die Lage des Ausw[ärtigen] Amts angenehm. Mit vorzüglicher Hochachtung Ew. Excellenz ergebenster Prof. Max Weber

a O: Marchst. 1 Vgl. dazu den Brief an Zimmermann vom 13. Marz 1916, unten, S. 338, Anm. 2.

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Ignaz Jastrow [nach dem 12. März 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig British Library of Political and Economic Science, London School of Economics, Nl. Ignaz Jastrow, Misc. 114 Die Datierung ist aus der Kennzeichnung des Schreibens als „streng vertraulich“ erschlossen. Weber dürfte diesen Brief als Begleitschreiben seiner U-Boot-Denkschrift (MWG I/15, S. 99 – 125) verfaßt haben. Sie war am 12. März 1916 einer Reihe von Parlamentariern zugesandt worden, das Exemplar für Jastrow dürfte diesem ein wenig später zugeschickt worden sein.

Streng vertraulich! Charlottenburg March-Str.a 7F Verehrtester Herr Kollege! 5

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Verzeihen Sie diese Verzögerung! Nur meine Vergeßlichkeit – ich hatte bei Empfang Ihrer Karte zufällig kein Kouvert da – ist daran schuld. In bekannter großer Hochschätzung Ihr Max Weber

a O: March-St.

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Marianne Weber [13. März 1916; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem Inhalt des Briefes in Verbindung mit dem Brief an Marianne Weber vom 11. März 1916, oben, S. 332 f., und der Tagesangabe „Montag“ erschlossen.

Montag. Liebe Schnauzele Anbei die „Denkschrift“,1 deren Versendung an alle die konservativen Heißsporne nun wohl ein ungeheures Maß von Wuth auf mich zusammenhäufen wird. Nutzen thut es nicht – obwohl das „Ausw[ärtige] Amt“ Versendung an den bayrischen Ministerpräsidenten,2 und an alle möglichen hohen Tiere erbittet – aber man hat seine Pflicht gethan. Mitgethan hätte natürlich wieder mal Niemand! Bitte lasse sie Dir, wenn Du sie Jemand zeigst, das Exemplar stets zurückgeben[.] – Gestern war Lukács’a Freund Dr Baumgarten3 hier, die Stube duftete noch Stunden lang nach seinem dünnenb Parfum. Schwammig – weiches junges Gesicht, müde österreichische Ästheten-Physiognomie. Aber ein armer Kerl, an dessen wundem Fuß nun seit Jahren herumgedoktort wird ohne Erfolg, und nervös kollabiert. – Da Wina4 Ostern hier ist, Frl. v. Horn schwer krank liegt5 und ins Krankenhaus muß, meint Janne:6 Lili könne kaum gut nach Örlinghausen. Wie wär’s: Ihr beide gingt wo hin? Baden-Baden oder Jugenheim,7 oder Heppenheim, oder so was. Denn ganz einsam ist ihr nicht gut, sagt die Mutter, und fort soll und müßte sie, und Ihr vertragt Euch ja. Nur so weit fort, daß sie leicht jederzeit zurückkann und doch jedenfalls vor „Besuchen“ der Kinder pp. sicher ist. Vielleicht besucht Euch Gruhle dort und macht eine Partie mit Euch, das macht ihm ja a O: Lukacs 1 2 3 4 5 6 7

b Alternative Lesung: dummen

„Der verschärfte U-Boot-Krieg“ (MWG I/15, S. 99 – 125). Georg Graf v. Hertling. Franz Baumgarten, ungarischer Literaturkritiker und Schriftsteller. Alwine (Wina) Müller. Vgl. den Brief an Lili Schäfer vom 11. März 1916, oben, S. 331 mit Anm. 5. Marianne Zeeden, geb. Müller, Tochter von Alwine (Wina) Müller. Jugenheim war eine Sommerfrische an der Bergstraße.

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Spaß. Und die ganze Zeit brauchst Du ja nicht mit dort zu sein, wenn Du nicht kannst. – Mama dachte auch: sie könnte hierher kommen. Aber das ginge nur „incognito“, habe ich ihr gesagt. Sonst hat sie den ganzen Klüngel: Familie, Fey’s8 u.s.w. auf dem Hals und hat keine Ruhe, so gern man sie hier hätte. Rede doch mal mit ihr drüber, wie? Die „Technik“ des Lebens kostet hier so viel Zeit und Kraft, ich kann das doch sehr schwer und sehe dann immer, wie viel mein kleines Mädele mir im Stillen davon abnimmt. Heut kommt Naumann aus Österreich zurück, da geht es dann wieder los.9 Ob es was wird? Alfred möchte gern nach Warschau.10 Wäre ihm zu gönnen! Merkwürdig, wie „theatralisch“ er auf mich wirkt. Und dadurch noch fremder. Ich habe dafür jetzt mehr Toleranz, aber es ist mir doch ganz und gar unmöglich, das zu goutieren. Valborg sah ich gestern bei Clara (durch Zufall) und war natürlich so, als ob nichts passiert wäre.11 Die Bürostunde ruft, ich küsse Dich, liebstens Dein Max

8 Gemeint ist eine mit Lili Schäfer befreundete Familie. 9 Weber bezieht sich auf die Arbeit im „Ausschuß für Mitteleuropa“. 10 Vgl. den Brief an Lili Schäfer vom 11. März 1916, oben, S. 330 mit Anm. 2. 11 Gemeint sind die Auseinandersetzungen über die Höhe des Zuschusses für die Lebenshaltung von Arthur und Valborg Weber; vgl. den Brief an Marianne Weber vom 6. Sept. 1915, oben, S. 126 f. mit Anm. 6.

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Arthur Zimmermann [13. März 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig PA AA Berlin, WK Geheim Nr. 18, Bd. 9, Bl. 45 Datierung erschlossen aus dem handschriftlichem Ministerialvermerk: „pr. 13. März 1916 pm 1 Anl.“ sowie dem Hinweis im Brief auf die Exemplare der Denkschrift zum UBoot-Krieg, „welche gestern abgingen“. Der Versand der Denkschrift war am 12. März 1916 erfolgt. Der Brief steht in Zusammenhang mit der Denkschrift „Der verschärfte U-Boot-Krieg“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Gottlieb v. Jagow vom 10. März 1916, oben, S. 327 f.

Charlottenburg March-Str. 7F (Steinplatz 3064) Ew Excellenz beehre ich mich anbei ein Expl. der Reinschrift der Denkschrift über den U-Boot-Krieg sehr ergebenst zu überreichen.1 Auf den versendeten Exemplaren, welche gestern abgingen und hoffentlich die Abgeordneten rechtzeitig, d. h. heute, erreichen, wurde, außer der Nummerierung, vermerkt: daß „18 Expl. an Herren der Parlamente, 1 Expl. gleichzeitig Herren Unterstaatssekretär Zimmermann[“] versendet worden seiena.2 Wenn irgend welchen Effekt auf vielleicht einige Herren, so kann diesen die kleine „Denkschrift“ nur allenfalls dadurch machen, daß feststeht, daß sie ohne jede Anregung des Ausw[ärtigen] Amts entstanden ist. Auch aus diesem Grunde hatte ich mir nicht die Ehre gegeben, vorher Ew. Exzellenz schwer belastete Zeit durch einen Besuch in Anspruch zu nehmen, auf die Gefahr hin, im Einzelnen hie

a O: sei 1 Das Exemplar befindet sich in: PA AA Berlin, WK Geheim, Nr. 18, Bd. 9, Bl. 46 – 61, mit dem eigenhändigen Vermerk Webers auf der Anfangsseite: „20 Expl. 18 Expl. an Herren des Parlaments 1 Expl. an Herrn Unterstaatssekr[etär] Zimmermann Exc.“ 2 Von den 18 Exemplaren an „Herren des Parlaments“ sind lediglich – ohne die dazugehörigen Anschreiben – diejenigen an Matthias Erzberger, Friedrich Payer und Eugen Schiffer nachgewiesen; vgl. dazu MWG I/15, S. 113. Zu den übrigen wahrscheinlichen Adressaten Graf Hertling, Gottfried Traub, Gustav Stresemann sowie Eduard Meyer vgl. MWG I/15, S. 110, Anm. 39.

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und da Bemerkungen zu machen, die der Sachlage nicht unbedingt entsprechen. Mit vorzüglicher Hochachtung Ew Exzellenz sehr ergebenster Max Weber

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Franz Eulenburg 14. [März] 1916; Charlottenburg Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede und Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 9, Bl. 37 – 38 In der Abschrift von Marianne Weber findet sich die irrtümliche Datumsangabe: „14.7.16.“; die Monatsangabe ist aus Briefinhalt und Schreibort erschlossen.

Charlottenburg, 14.3.a16. ...b Über „Mitteleuropa“ an sich denke ich, wie Sie ja wissen, skeptisch.1 Nun liegt die Sache eben so, daß es vielleicht gar nicht anders gehen wird als in den Apfel zu beißen und daß jedenfalls diese Karte nicht aus dem Spiel darf; wir sind da für die nächste Zeit politisch nicht wahlfrei. Es gibt hier gewiß einige Leute, aber sehr wenige, die Ihre Bedenken2 nicht hätten. Die wirklichen Absichten: „pénétrationc pacifique“ Österreichs durch deutsches Kapital, um es vor der Bindung an englisch-französisches zu bewahren, die sonst eintritt, darf man öffentlich nicht sagen! Daß ich die Türkei wie Sie beurteile, sagte ich wohl schon.3 Von den dort zu machenden Nettoprofiten lebt gerade eine deutsche Mittelstadt, wenn man das mal rechnet. Aber vorerst ist keine Wahl und Jäckh ist eine der wenigen animae candidae und der

a In Abschrift: 7.

b Auslassungszeichen in Abschrift. c In Abschrift: „penetration

1 Vgl. dazu den Brief an Eulenburg vom 28. Dez. 1915, oben, S. 233 – 236. 2 Eulenburg hatte die Möglichkeiten einer engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn eher skeptisch beurteilt; vgl. dazu dessen Schrift: Die Stellung der deutschen Industrie zum wirtschaftlichen Zweibund, in: Die wirtschaftliche Annäherung zwischen dem Deutschen Reiche und seinen Verbündeten, Teil 2 (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Bd. 155, Teil 2). – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1916, S. 1 – 127. Weber äußert sich ausführlich zu dieser Schrift in seinem Brief an Eulenburg vom 28. Dez. 1915, oben, S. 233 – 236; weitere kritische Auslassungen Eulenburgs über die volkswirtschaftlichen Mitteleuropapläne finden sich in seiner Übersicht: Literatur über die wirtschaftliche Annäherung von Mitteleuropa, in: Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 7, 1916, S. 379 – 417; ebd., S. 382 – 390, eine Auseinandersetzung mit Friedrich Naumanns Mitteleuropabuch. Eine Fortsetzung dieser Bücherübersicht findet sich dann in dem Folgeartikel: Weitere Literatur über die wirtschaftliche Annäherung von Mitteleuropa, ebd., Bd. 8, 1916, S. 394 – 420.

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„Vater“ des Bündnisses, welches ohne Beziehungen zu Enverd Pascha nicht bestände.4 An deme elenden Verlauf der polnischen Sache mit Ihnen5 ist in diesem Fall absolut Niemand schuld außer dem Geh. Oberregierungsrat von Schönebeck.6 Somary und ich hatten alles getan was möglich, aber dieser Kerl ist ein Rindvieh und hat die entsprechende Angst vor der Konkurrenz jedes gescheiten Menschen. Es war einfach nichts zu machen, so wütend wir auf den Burschen waren. Gott sei Dank ist wenigstens dieser Wahnsinn des verschärften U-Boot-Krieges gebrochen und ein Bruch mit Amerika unwahrscheinlich geworden. Ich hatte übrigens dieser Tage den Parteiführern und dem Auswärtigen Amt eine Denkschrift darüber geschickt.7 Diese Kerls können ja nicht rechnen! Und Kollege H[ermann] Levy als Egeria8 des Admiralstabs!9 Unglaublich!

d Handschriftliche Korrektur von Marianne Weber in Abschrift: Enon > Evron? Abschrift: den

e In

3 Eine entsprechende Äußerung gegenüber Eulenburg ist nicht überliefert. 4 Ernst Jäckh, Mitglied des Ausschusses für Mitteleuropa und Vorsitzender der deutsch-türkischen Gesellschaft, kannte Enver Pascha, der 1914 türkischer Kriegsminister geworden war, schon seit 1908, jedoch hatte er keinen Einfluß auf das Zustandekommen des deutsch-türkischen Bündnisses vom 2. August 1914; vgl. dazu Jäckh, Ernst, Der goldene Pflug. Lebensernte eines Weltbürgers. – Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1954, S. 213. 5 Die mögliche Verwendung von Eulenburg als wirtschaftspolitischem Sachverständigen für den „Ausschuß für Mitteleuropa“ in Polen war im Reichsamt des Innern auf Ablehnung gestoßen; vgl. dazu den Brief an Eulenburg vom 9. März 1916, oben, S. 325 f. 6 Gemeint ist Franz v. Schönebeck im Reichsamt des Innern; zum Scheitern des Versuchs, Eulenburg als Wirtschaftsexperten für polnische Fragen zu gewinnen, vgl. den Brief an diesen vom 9. März 1916, oben, S. 325. 7 Vgl. dazu den Brief an Gottlieb v. Jagow vom 10. März 1916, oben, S. 327 – 329, sowie die Briefe an Arthur Zimmermann vom 11. und 13. März 1916, oben, S. 334 und 338 f. 8 Wahrsagende italische Nymphe, nach deren Eingebungen König Numa Pompilius seine Gesetze erließ; im uneigentlichen Sinn Beraterin eines Fürsten. 9 Hermann Levy war seit 1914 als wirtschaftlicher Berater im Admiralstab tätig.

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15. März 1916

Wilhelm Heile 15. März [1916]; o.O. Brief; eigenhändig BA Berlin, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 106, Bl. 58 Das Jahresdatum ist erschlossen aus einer Bleistiftnotiz von Wilhelm Heile am Briefkopf: „Mit Dr. N[aumann]’s Unterschr[ift] versehen zurückges[andt] an Prof. Weber 17.3.16“.

Mittwoch 15.III An die Redaktion der Hilfe Herrn Schriftleiter Heile

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Verehrtester Herr Heile, ich bitte Sie, Herrn Dr Naumann um Unterschrift beifolgenden Schreibens zu bitten. Da er Abgeordneter ist, wirkt das besser als wenn ich es unterschreibe. Der Brief geht dann an U. St. S. Dr Richter, Reichsamt des Innern.1 Mit den allerbesten Grüßen! Ihr Max Weber

1 Gemeint ist der Unterstaatssekretär im Reichsamt des Innern, Max Richter; das Schreiben ist nicht nachgewiesen.

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Marianne Weber [15. März 1916; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind erschlossen aus der Mitteilung im Brief: „Gestern brach Naumann hier in der Sitzung ohnmächtig zusammen“. Diese Sitzung fand am 14. März 1916 statt.

Mittwoch.a Lieber Schnauzel, –

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schönen Dank für Deinen Brief. Es muß doch inzwischen einer von mir gekommen sein? Sonst verstehe ich das nicht. – Die „Denkschrift“1 hast Du doch erhalten? Gieb sie Boll nur.2 Jetzt, nach Tirpitz’ Sturz,3 wird der Rückschlag wohl kommen. Wir haben angeblich 10 neue U-Boote. Und damit will man England blockieren! Und College H[ermann] Levy als Pythia des Admiralstabes!4 der sich schon bei der Getreide-Versorgungs-Frage so gründlich verrechnet hatte, daß er bei der Getreide-Einkaufs-Genossenschaft jetzt vollständig drunter durch ist. Das jagte mir die Angst in die Glieder, ob die Leute wohl wirklich zuverlässig rechnen. – Man nimmt an, daß Erfolge bei Sedan oder sonst im Westen bevorstehen, die Militär-Attaché’s der Neutralen sind an die Front eingeladen. Hoffentlich gelingt etwas! Die Gefahr: „Amerika“ ist noch nicht völlig beseitigt, aber doch vermindert. – Gestern brach Naumann hier in der Sitzung5 ohnmächtig zusammen, so überanstrengt kam er aus Österreich zurück! Heut geht es ihm erträglich, aber er liegt noch zu Bett. –

a O: Dienstag. 1 Gemeint ist die Denkschrift „Der verschärfte U-Boot-Krieg“ (MWG I/15, S. 99 – 125); vgl. den Brief an Marianne Weber vom 13. März 1916, oben, S. 336. 2 Franz Boll, Professor für Klassische Philologie in Heidelberg, wollte nichts vom „Nachgeben“ hören, wie Marianne Weber in ihrem Brief an Max Weber vom 12. März 1916 berichtete (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). 3 Am 15. März 1916 wurde Alfred v. Tirpitz als Staatssekretär des Reichsmarineamtes entlassen; er hatte am 12. März 1916 ein Abschiedsgesuch an den Kaiser gerichtet. 4 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 7. März 1916, oben, S. 323 mit Anm. 3. 5 Gemeint ist die 3. Sitzung des „Ausschusses für Mitteleuropa“ am 14. März 1916, deren Vorsitz von Max Weber übernommen wurde. Vgl. das Protokoll der Sitzung, MWG I/15, S. 126 – 130.

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15. März 1916

Frl. v. Horn ist von einem Pfuscher (d. h. einem Chirurgen!) auf Tuberkulose behandelt, während sie Leukämie hat! Das ist doch ein Skandal, daß so was passieren kann und eigentlich nur dort möglich. Kein innerer Arzt (Spezialist) ist gefragt, bis – endlich! – jetzt! Und der behandelnde Arzt kannte die Diagnose, die schon ein früherer nach Untersuchung des Auswurfs gestellt hatte. Jetzt ist sie so krank, daß Lili sie nicht sehen könnte.6 Carlo geht wieder im Garten spazieren,7 darf aber nicht arbeiten. Ob Lili bei uns hinlänglich isoliert ist von den Kindern? Ich glaube kaum! Geht Ihr doch 앚:erst:앚 zusammen wo hin und dann noch, incognito, 4, 5 Tage zu uns! Mama meint auch, es würde nicht genügen, daß sie so nahe bei sich wäre. Die Kinder müßten in dieser Zeit absolut von ihr ferngehalten werden, auch nicht etwa als „Pfadfinder“ sie „besuchen“. Das wird doch wohl richtig sein. – Ja für Jaspers (und Gruhle) haben Theologen (und Curtius ist Consistorialpräsident) ein jede Annäherung ausschließendes Parfum.8 Das mit Sofie9 ist wirklich zum Verzweifeln, namentlich daß es so gar nicht anders wird. Ob es das Lebensalter ist? Grüße Rickerts herzlich, es küßt Dich Dein Max

6 Lili Schäfer plante nach Oerlinghausen zu fahren, wo sie freundschaftlichen Umgang mit Frl. v. Horn pflegte. Vgl. den Brief an Lili Schäfer vom 11. März 1916, oben, S. 331. 7 Carl (Carlo) Weber. 8 Marianne Weber hatte in ihrem Brief an Max Weber vom 12. März 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) berichtet, beim letzten Jour habe Jaspers keinen Kontakt zu Friedrich Curtius gefunden. 9 Gemeint ist Sophie Rickert und ihr schlechter Gesundheitszustand.

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16. März 1916

Marianne Weber [16. März 1916; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist erschlossen aus der Tagesangabe „Donnerstag“ in Verbindung mit den vorangegangenen Briefen an Marianne Weber. Der Ort ist erschlossen aus dem Briefinhalt.

Donnerstag Abend Liebes Schnauzele, –

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unten sitzt Frau Stein, die vortreffliche, als steter Vorwurf für mich, daß sie mir auf den Nerven liegt und daß dies höchst wenig schön von mir ist, ich es aber nicht ändern kann1 – Mittag, Nachmittag, Abend unbarmherzig, – dabei stets das Essen um 1/2 Stunde hinauszögernd u.s.w. Da flüchte ich mich schnell zu Dir. a앚:Ich gebe der Mutter gern Deine Briefe, weil es sie so arg freut. Schreib also dazu nichts, es betrübt sie.:앚a Ja, Haller hat die Statue (ca 1 Meter hoch ist sie) mit 500 M. Gold versichert, also das muß jedenfalls gezahlt werden, denn es ist der Mindestwerth (man darf nicht den vollen Werth versichern).2 Kostet das Honorar von mindestens 1 Artikel.3 Gewiß könnte ich Ostern z.B. nach Jugenheim4 oder so einem Ort kommen oder wohin Du willst, falls Ihr dahin ginget. Wie wäre es mit Langenbrücken?5 – falls nicht etwa das Kurhaus zu oder Lazarett ist. Das ist ja fein, daß Rickert so froh ist in seinem neuen Heim. Und das wird hoffentlich Sofie auch etwas helfen, dem armen Wesen!6 –

a Zusatz am linken Rand, mit einer Klammer dem ersten Abschnitt zugewiesen. 1 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 3. März 1916, oben, S. 318. 2 Vgl. dazu die Briefe an Marianne Weber vom 2. und 3. März 1916, oben, S. 315 und 317. 3 Weber bezieht sich damit auf seine Aufsätze zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“. 4 Jugenheim bei Heppenheim war eine Sommerfrische an der Bergstraße. 5 Langenbrücken liegt in der Nähe von Bruchsal und verfügt über ein Schwefelbad. 6 In ihrem Brief an Max Weber vom 4. März 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) teilte Marianne Weber mit, daß Sophie Rickert an Angina erkrankt sei und mit 40 Grad Fieber das Bett hüten müsse.

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16. März 1916

Naumann liegt noch zu Bett,7 ich gehe übermorgen hin ihn zu bereden, in den „Weißen Hirsch“8 zu gehen. Einen Arzt läßt ja diese unglaubliche Frau9 nicht an ihn heran, selbst wenn er es thäte. Und diese Ohnmacht bedeutete doch einen tüchtigen Erschöpfungszustand, wenn auch nichts Bedenkliches. Gestern Abend bei Jacobsohn’s[,] wo auch Helene Lask war.10 Der Lina11 soll angeboten werden: die Rente auf 6 Jahre oder 15000 M., der Frieda12: 1800 Mk jährlich nach 6 Jahren. Dies Testament ist gräßlich in seiner Ungeschicktheit. Es kostet noch manchen Brief. (Übrigens fast hätte ich vorgeschlagen, Ihr13 solltet nach Locarno gehen, damit Ihr es warm habt!) Die rohe Art der Ausstoßung von Tirpitz – öffentliche Ankündigung, er sei „plötzlich erkrankt“, zugleich mit dem Befehl die Entlassung zu nehmen,14 – am gleichen Tag stand der herkulische Mann in der Wilhelmstraße vor dem Auswärtigen Amt und schrie, daß Jeder es hören mußte, den Geh. Rat Kiliani, der ihn fragte, an: „ob ich meinen Abschied erbeten habe? mir ist befohlen! – befohlen!! – befohlen[“]b!!! (mit Donnerstimme!) zu gehen. Das giebt furchtbar böses Blut und wirkt sicher deprimierend auf Freunde, ermutigend auf Feinde. Es ist höchst unklug, von der menschlichen Abscheulichkeit, die bei diesem Monarchen immer die gleiche bleibt, ganz abgesehen. Daß er sachlich nachgab mußte genügen. Dies ist eine Art Eingeständnis einer Nieder-

b O: dreifach unterstrichen. 7 Friedrich Naumann war am 14. März 1916 während einer Sitzung des „Ausschusses für Mitteleuropa“ zusammengebrochen. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 15. März 1916, oben, S. 343. 8 Gemeint ist das Sanatorium bei Dresden, in dem Marianne Weber 1908 zur Kur war. Vgl. u. a. die Briefe an Marie Baum vom 4. Febr., an Heinrich Rickert vom 21. März und die Karte an Marianne Weber vom 22. März 1908 (MWG II/5, S. 430, 471 und 475). 9 Gemeint ist Naumanns Ehefrau Maria Magdalena Naumann. 10 Max Weber beriet Louis Jacobsohn, seine Frau Berta, geb. Lask, und deren Schwester Helene Lask bei der Ausführung des Testamentes ihres Bruders Emil Lask, von dem auch im Folgenden die Rede ist. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 29. Jan. 1916, oben, S. 274. 11 Lina Metzner. Zu den Testamentsbestimmungen vgl. die Editorische Vorbemerkung und den Brief an Frieda Gross vom 29. Jan. 1916, ebd. 12 Frieda Gross. 13 Marianne Weber und Lili Schäfer planten einen gemeinsamen Ferienaufenthalt. 14 Zum Sachverhalt vgl. den Brief an Marianne Weber vom 7. März 1916, oben, S. 322 mit Anm. 2. Admiral v. Tirpiz hatte am 15. März seinen Rücktritt eingereicht.

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lage. Friede mit Amerika bleibt ja nun wohl sicher, aber dazu brauchte man ihn nicht mit Fußtritt fortzuschicken. Morgen Sitzung mit den Leinenwebern15 über Zollbündnis mit Österreich. Der Mutter geht es ordentlich. Grüß Rickerts und die Freunde, Du siehst, Du bist auch in den Ferien begehrt. Es küßt Dich herzlich Dein Max

15 Vermutlich meinte Weber den Verband der Leinenindustrie, in dem sein Verwandter Georg Müller als Vertreter des Familienunternehmens Carl Weber & Co. in Oerlinghausen tätig war.

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17. März 1916

Marianne Weber PSt 17. März 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Freitag“ erschlossen.

Freitag. Liebe Schnauzel, – anliegende Sachen gingen ein zu den Akten betr. Mamas Vermögen. Die Banken u.s.w. machen erst jetzt Bilanzen, daher kommen alle Eingänge so sehr spät. – Heute morgen Verhandlung mit den Leinen-Industriellen,1 ganz interessant, aber die Sache geht langsam oder nicht vorwärts. Tirpitz’ 앚:erzwungener:앚 Rücktritt2 ist so viel wie eine verlorene Schlacht, dem Eindruck im In- und Ausland nach. Er war bereit zu bleiben. Anstatt in der Sache sich so zu verhalten, daß die Gefahr von Verwicklungen ausgeschlossen wurde und die Person zu halten, torpediert man ein holländisches Schiff3 und giebt dem einzig populären Minister einen Fußtritt vor aller Welt. Resultat: mindestens 2 Milliarden weniger Anleihe-Zeichnungen als sonst zu erwarten waren. Wo immer S[eine] M[ajestät] etwas macht, – es ist sicher verkehrt. Diese Unverläßlichkeiten und jähen Umschwünge bedrücken hier jedermann und die Stimmung der Reichsämter ist offensichtlich z.Z. recht deprimiert. – Sonst nichts Neues. Mamas Mädchen sind nett, nur auch nicht pünktlich. Das scheint nur unsre Berta4 zu verstehen. Wie mag es mit Laura5 stehen? Es küßt Dich Dein Max

1 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 16. März 1916, oben, S. 347 mit Anm. 15. 2 Vgl. dazu den Brief an Marianne Weber vom 16. März 1916, oben, S. 346. 3 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 19. März 1916, unten, S. 350, Anm. 9. 4 Bertha Schandau, Dienstmädchen bei Max und Marianne Weber. 5 Gemeint ist Max Webers Cousine Laura Hausrath, über deren Besuch bei Helene Weber beraten wurde. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 15. Febr. 1916, oben, S. 292.

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Marianne Weber PSt 19. März 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Sonntag“ erschlossen.

Sonntag Liebes Mädele, –

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„tak tak tak da kommen sie“1 – die Zinsen, zunächst von Mama, hoffentlich bald auch von uns. Die Banken machen eben alle diesmal spät Bilanz. Das mit Rickert’s ist ja scheußlich.2 Und auch dem „Eckchen“ und der „Pappel“ traure ich nach.3 Hoffentlich muß er4 das so abzäunen, daß man ungestört und ohne Einblick Dritter in dem verbleibenden Rest von Garten sitzen kann! – Merkwürdig, wie stark Du, liebes Mädele, an diesem Haus hängst. Bei mir wäre es begreiflicher5 und ist auch da, aber doch nicht so stark. – Der Regierung habe ich sicher nichts Neues gesagt, sondern ihr nur einen Dienst erwiesen.6 Die Sache ging an die Abgeordneten. Vielleicht hat sie den Abg[eordneten] Schiffer und einige wenige andere beeinflußt, vielleicht auch etwas die Centrumsleute, die aber auch an sich kluga und bei der Regierung No 1 sind. Aber wirklichen Effekt hat sie sicher nur in sehr geringem Maße geübt, wenn überhaupt irgend welchen. Die Sache bei der Regierung war schon entschieden. Die Art

a 1 Zitat aus dem ersten Streich von „Max und Moritz“, in: Busch, Wilhelm, Max und Moritz. – München: Braun und Schneider 1865, 47. Aufl. o.J. [ca. 1899]. 2 Gemeint sind gesundheitliche Probleme. 3 Ein Teil des Grundstückes des Hauses Ziegelhäuser Landstraße 17 in Heidelberg war am 18. März 1916 von den Geschwistern Hausrath für 85 000 Mk an den Besitzer des westlichen Nachbargrundstücks, Edwin Reis, verkauft und dadurch der von Max und Marianne Weber genutzte Gartenanteil verkleinert worden. 4 Edwin Reis, vgl. Anm. 3. 5 Das Haus war Max Weber seit frühester Jugend vertraut. Er hatte in seiner Kindheit die Großmutter und als Student die Hausrathschen Verwandten oft besucht. 6 Gemeint: mit der Denkschrift „Der verschärfte U-Boot-Krieg“ (MWG I/15, S. 99 – 125).

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19. März 1916

der Verabschiedung von Tirpitz,7 der nachgegeben hatte und der populärste Minister ist, ist höchst töricht, giebt den Konservativen und Nat[ional-]Liberalen den Vorwand für ihre Anträge,8 die den allerschlechtesten Eindruck machen müssen, grade weil sie sicher abgelehnt werden, was im Ausland dann auch wieder einen schlechten Eindruck macht. Kurz diese Sache ist arg verfahren und Das mit der Tubantiab 9 glaubt uns ja Niemand, obwohl es anscheinend wahr ist, daß wir es nicht waren. Aber das ist ja eben die Eselei: eine Politik zu machen, bei der die Engländer Konkurrenz-Schiffe der Holländer wegtorpedieren und wir dann das Karnickel sind. – Es wird behauptet, Tirpitz habe entgegen der Abrede Instruktionen gegeben, die seinem Standpunkt entsprachen. Glaube ich nicht, – schlimm genug, daß so was geglaubt wird. Heut kommt Georg M[üller] zu Tisch, um Einiges zu bereden. Ich werde 앚:mit ihm:앚 wegen der 4 000 M. sprechen, sie können aber für die folgende Anleihe bleiben,10 denn eine kommt mindestens noch, ein Ende ist ja wieder „noch weniger“ abzusehen als bisher! Tobelchen11 schreibt, daß ihre Schwägerin12 nun da ist. Ein rechtes Glück! Schönsten Gruß, liebstes Mädele auch von der Mutter, Dein Max

b O: Tabentia 7 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 16. März 1916, oben, S. 346 f. Zum Sachverhalt vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Gottlieb v. Jagow vom 10. März 1916, oben, S. 327 f. 8 Diese Parteien hatten am 17. März 1916 im Reichstag Anträge eingebracht, in denen gefordert wurde, von der Unterseebootwaffe „der Eigenart der Waffe entsprechend“ Gebrauch zu machen; vgl. Schulthess 1916, Teil 1, S. 124. 9 Die „Tubantia“, ein Schiff der holländischen Handelsmarine, war in der Nacht vom 15. zum 16. März 1916 gesunken. Am 18. März 1916 erklärte der deutsche Admiralstab, im fraglichen Seegebiet habe kein deutsches Unterseeboot operiert, auch seien dort keine deutschen Minen gelegt worden. Die anschließenden Untersuchungen kamen im Juni 1916 zu dem Ergebnis, daß der Untergang durch einen treibenden, schon am 6. März 1916 verschossenen deutschen Torpedo verursacht wurde; vgl. Schulthess 1916, Teil 1, S. 126 und 312 – 316. 10 Vermutlich handelt es sich um eine „Ausschüttung“ der Leinenfirma in Oerlinghausen, in der Marianne Weber Gesellschafterin war. Die Auszahlung erfolgte aber erst 1917. 11 Mina Tobler. 12 Gemeint ist Bertha Tobler, die – verwitwet – mit ihren beiden Kindern im Frühjahr 1915 von Breslau nach Heidelberg gezogen war.

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Marianne Weber [21. März 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist erschlossen aus der Tagesangabe „Dienstag“ im Zusammenhang mit der Mitteilung: „Morgen […] bei […] Dr. Baumgarten“; über dessen Vortrag „gestern“ er im Brief an Marianne Weber vom 23. März 1916, unten, S. 355, berichtete.

Ch’burg Dienstag Liebes Schnauzele, –

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schönen Dank! Anbei 1 Brief von Marie Louise.1 Ich werde Werner G[othein] besuchen. Der „Jack Johnson“a (Haller)2 geht nächsterb Tage an Dich ab. Bin begierig, wie Du ihn findest. Der Artikel zur Verdienung des „Kuhfutters“c dafür ist korrigiert.3 – Mein Artikel über „Objektivität“ steht Band XIX (19) des „Archiv“.4 Wenn ein Zweck eindeutig vorausgesetzt wird, lassen sich die Mittel dazu eindeutig angeben. Also: wenn Deutschland siegen soll – dann … Nun kann Jemand sagen: „Deutschland soll, einerlei ob es siegt, den Amerikanern die Zähne zeigen, auch auf die Gefahr, ruiniert zu werden.“ Das ist dann nicht widerlegbar.5

a O: Jonson“

b O: nächste

c Unsichere Lesung.

1 Gemeint ist Marie Luise Gothein. 2 Weber hatte die Gipsstatuette „Jack Johnson“ von Hermann Haller zur Abgeltung des Schadens, den er verursacht hatte, erworben. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 2. März 1916, oben, S. 315 mit Anm. 2. 3 Gemeint ist der Aufsatz: Weber, Max, Hinduismus und Buddhismus I, der im AfSSp, Bd. 41, Heft 3, das am 29. April 1916 ausgeliefert wurde, erschien. 4 Weber, Max, Die „Objektivität“ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, in: AfSSp, Bd. 19, Heft 1, 1904, S. 22 – 87 (MWG I/7). Marianne Weber hatte sich nach diesem Artikel im Brief an Max Weber vom 17. und 18. März 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) erkundigt. 5 Marianne Weber hatte mit Hans W. Gruhle über Webers politische Ansichten diskutiert und war dabei in eine Debatte über die Objektivität von historischen und naturwissenschaftlichen Urteilen geraten. So berichtete sie an Max Weber in ihrem Brief vom 17. und 18. März 1916 (wie Anm. 4).

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21. März 1916

Ja, wenn Lili nach Ostpr[eußen] fahren will6 – doch wohl ohne Kinder? – werde ich sie begleiten, denn alleine geht das doch nicht. Ich komme dann vorher nach H[eidel]b[er]g auf „Besuch“. Ich werde wohl in den Dienst des Verbandes der Leinen-Industrie (G[eorg] Müller, Kisker pp.) treten,7 mit täglich etwas Arbeit. Damit verdiene ich die Pension an Mama. Also in 2. Instanz hat Frieda den Eva-Prozeß nicht gewonnen. Er wird nochmal in 1. Instanz verhandelt,8 ehe er weiter geht, dauert noch mindestens 1 1/2 Jahre! Das kommt davon, wenn man nicht das menschlich Richtige thut. Gestern: Vortrag von Tröltsch in der „D[eutschen] Ges[ellschaft] 1914“9. M.E. schwach („die deutschen Ideen von 1914“), zweiter Aufguß auf den schönen Mobilmachungs-Vortrag.10 Die klugen Leute waren enttäuscht, Ernst M[ommsen] entzückt. Göhre war als Leutnant (d!!) da. Ich sprach keinen von beiden. Mit H[ans] Delbrück bin ich „ein Herz und eine Seele“. Aber er ist etwas „alt“ geworden.11 Riehl sprach ich und muß ihn besuchen. Morgen (Mittwoch) Abend bei dem parfumierten Dr. Baumgarten.12 Verzeih die Eile, der Mutter geht es gut. Morgen mehr! Es küßt Dich Dein Max

d Klammer fehlt in O. 6 Lili Schäfer wollte das Grab ihres Mannes besuchen, der am 26. August 1914 bei Tannenberg gefallen war. 7 Georg Müller hatte Weber eine Tätigkeit im Verband der Leinenindustrie angeboten, was Weber aber letztlich ausschlug. Vgl. den Brief an Helene Weber vom 15. Juni 1916, unten, S. 463. 8 Nach der Aufhebung des Urteils im Prozeß über die Ehelichkeit von Eva Gross am 2. März 1916 wurde der Rechtsstreit an das Landesgericht Graz zurückverwiesen. Zum Prozeß um die Außerehelichkeitserklärung von Frieda Gross’ Tochter Eva vgl. den Brief an Frieda Gross vom 14. März 1915, oben, S. 24, Anm. 12. 9 Vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zu diesem Brief. 10 Gemeint ist: Troeltsch, Ernst, Nach Erklärung der Mobilmachung. Rede gehalten bei der von Stadt und Universität einberufenen vaterländischen Versammlung am 2. August 1914. – Heidelberg: Carl Winters Universitätsbuchhandlung 1914. Der Vortrag in Berlin ist veröffentlicht: Troeltsch, Ernst, Die Ideen von 1914. Rede, gehalten in der „Deutschen Gesellschaft 1914“, in: Die neue Rundschau 27, 1916, S. 605 – 624. 11 Delbrück war zu diesem Zeitpunkt 68 Jahre alt. 12 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 13. März 1916, oben, S. 336 mit Anm. 3.

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22. März 1916

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Lili Schäfer [22. März 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 54 – 55 Das Datum ist erschlossen aus der Tagesangabe „Mittwoch“ in Verbindung mit dem Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 20. März 1916 (Bestand Max WeberSchäfer, Deponat BSB München, Ana 446).

Ch’burg Mittwoch Liebe Lili, –

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Marianne meinte, Du würdest vielleicht Ostern nach Ostpreußen fahren wollen1 (mit Kindern? ohne Kinder?)[.] Ich würde Dich, wenn ja, gern begleiten. Nur müßte ich bald wissen: wann? Denn gern richtete ich es mir so ein, daß ich vorher 2 –3 Tage in Heidelberg wäre, um nachher für hier wieder frei zu sein. Du würdest Dich ja wohl sicher vorher und nachher je einen Tag (mindestens) hier ausruhen, wahrscheinlich über Neu-Stettin2 zurückfahren. Also wäre es gut – wenn Du den Plan hast, 1) daß Du feststelltest, wann Du von Heidelberg aus hierher und dann weiter fahren willst, damit ich mich darnach richten kann, – 2) wirst Du Dir einen Reisepaß (auf dem Bezirksamt, Karlsplatz) verschaffen müssen (Photographie nötig!) Ich werde hier dann feststellen, ob man noch andre Papiere braucht. Welcher Ort ist es denn? (in welchem Kreise?) Hier geht es soweit gut. Auch Mama. Sie sieht ja müde aus – aber das ist doch besser, als: erregt, und leistet Alles Denkbare. Clara ist in Hamburg bei Bergmanns.3 Herzliche Grüße! Dein Max

1 Lili Schäfers Mann, Hermann Schäfer, war im August 1914 bei Tannenberg in Ostpreußen gefallen und dort begraben. 2 In Neu-Stettin wohnte die Familie Schäfer von 1904 bis 1908. Dort war Hermann Schäfer als Regierungsbaumeister tätig gewesen. 3 Freunde von Clara und Ernst Mommsen.

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22. März 1916

Marianne Weber [22. März 1916; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist erschlossen aus der Tagesangabe „Mittwoch“ in Verbindung mit dem Gedenken an den im Brief erwähnten bevorstehenden 23. Verlobungstag; Max und Marianne Weber hatten sich am 23. März 1893 verlobt.

Mittwoch Lieber Schnauzel, hier ein Stoß teils geschäftlicher[,] teils vielleicht sonst interessierender Briefe. Und einen schönen Kuß zum Verlobungstag: 23 Jahre! Ist es möglich? Dein Max Hier nichts Neues. Clara fährt nach Hamburg zu Bergmann’s. Lili schrieb ich wegen Ostpreußen.1

1 Vgl. den Brief an Lili Schäfer vom 22. März 1916, oben, S. 353.

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Marianne Weber PSt 23. März 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Donnerstag“ erschlossen.

Donnerstag Liebstes Mädele,

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ich komme morgen und übermorgen schwerlich zum Schreiben. Daher gleich diese Papiere,1 damit Du sie hast. Gestern bei Dr Baumgarten. Vorlesung über „Renaissance und C[onrad] F[erdinand] Meyer“.2 Recht geistvoll unleugbar, – namentlich die Kritik M[eyer]s. Manches reizt zum Widerspruch. Anwesend: Sabine Lepsius mit Mann3 und einigen Andern (Weisbach’s,4 erinnerst Du Dich[,] aus Rom? da wo Frau Valckenberga wohnte,5 die reichen Leute, die hübsche Frau). Sabine: nicht mein Fall. Sicherlich keine an die Sache oder Person hingabefähige Natur, sondern (jetzt: altes elegantes) „Weib“. Da bin ich für Gertrud Simmel!6 Man sprach nicht sehr viel Verständiges mit ihr, sie schreibt über „deutsche Form“ u.s.w. Klug und geschickt ist sie. Heut Nachmittag treffe ich Naumann, der wieder auf ist,7 im Reichstag. Eigentliche „Arbeit“ ist noch immer nicht. Alles geht sehr langsam, weil unter Obstruktion der Reichsämter. – Selbst unter den Freisinnigen gab es U-Boot-Wüteriche (Traub). Nun, da wenigstens a O: Falkenberg 1 Der Sachverhalt konnte nicht geklärt werden. 2 Vgl. hierzu Baumgarten, Franz Ferdinand, Das Werk Conrad Ferdinand Meyers. Renaissance – Empfinden und Stilkunst. – München: Becksche Verlagsbuchhandlung 1917. 3 Reinhold Lepsius. 4 Der Kunsthistoriker Werner Weisbach war mit Eva Weisbach, geb. Lepsius, verheiratet. Diese war eine Schwester von Lili Valckenberg, geb. Lepsius. 5 Vermutlich hatten Max und Marianne Weber diese im Oktober 1913 in Rom getroffen. 6 Gertrud Simmel, die Frau von Georg Simmel, war eine langjährige Freundin von Sabine Lepsius und mit Marianne Weber befreundet. 7 Friedrich Naumann war am 14. März 1916 bei einer Sitzung des „Arbeitsausschusses für Mitteleuropa“ zusammengebrochen. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 15. März 1916, oben, S. 334.

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habe ich wohl gewirkt.8 Sonst – schwerlich! (2 – 3 nationalliberale allenfalls)[.] Der Eindruck dieser ganzen U-Affäre ist sehr übel: „die Deutschen können nicht mehr durchhalten“, daher „va banque“. Es küßt Dich Dein Max

8 Gemeint ist wohl die Reaktion der Freisinnigen und Nationalliberalen auf Webers Denkschrift „Der verschärfte U-Boot-Krieg“ (MWG I/15, S. 99 – 125).

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Friedrich Naumann [vor dem 25. März 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig BA Berlin, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 106, Bl. 13 – 14 Die Datierung ist erschlossen aus dem Hinweis auf den Heidelberger Arzt Albert Fraenkel in Verbindung mit dem Brief an Marianne Weber vom 25. März 1916, unten, S. 359 – 361. Darin hatte Weber von seinem Rat an Naumann berichtet, dieser möge zur dringend erforderlichen Kur Professor Fraenkel in Heidelberg aufsuchen.

Charlottenburg March-Str.a 7F Verehrter Freund, –

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ich hoffe Sie sind von Frankfurt nicht allzu übermüdet zurückgekehrt. Auf die Gefahr hin, abermals Ihren Unwillen zu erregen, muß ich aber die dringende Bitte an Sie richten: Reichstag – Reichstag und Ausschuß – Ausschuß sein zu lassen und vor Allem Ihre Kräfte herzustellen und zwar mit Zuziehung Sachkundiger. Dieser Krieg und diese Sache1 dauert noch sehr lange und gewisse Dienste kann Ihrer Sache gar Niemand anders leisten als grade nur Sie. Aber nur, wenn Sie weit frischer sind als jetzt. Es sind glaube ich Propaganda-Reden jetzt ziemlich ausreichend gehalten. Das Kapital, was dadurch an Stimmung geschaffen ist und was wiederum nur Sie schaffen konnten, genügt, um damit zu arbeiten – der Hebel muß jetzt an andren Stellen angesetzt werden, um den Dampf in die richtigen Röhren zu treiben. Es ist durchaus notwendig, daß Sie dafür etwa im Mai wieder die volle, ganz unbeeinträchtigte Kraft haben. Vorher muß Somary und müssen die Andren das vorarbeiten, was sie ganz gut leisten können. Aber ich gebe für die ganze Sache keinen Groschen an Zuversicht, wenn Sie es mit Ihrer Leistungsfähigkeit so weiter treiben, wie jetzt. Ich halte das für sachlich sehr schlimm und verderblich. Dieser einzelne Kollaps2 hat nichts zu sagen. Kommt er aber in kurzen Zwischenräumen öfter, so setzt er Sie unfehlbar außer Gefecht. Beruhigung, persönliche und sachliche, würde man nur haben können, wenn ein wirklich erstklassiger Arzt von ganz weitem Blick Sie a O: March-St. 1 Gemeint ist das Naumannsche „Mitteleuropa“-Projekt. 2 Naumann hatte am 14. März 1916 einen Kreislaufkollaps erlitten; vgl. dazu den Brief an Marianne Weber vom 15. März 1916, oben, S. 343.

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beriethe. Prof. Fränkel (Stabsarzt d. L.) in Heidelberg, dessen Arbeitsart ich genau kenne, der kein „Arzt“ im gewöhnlichen Sinne ist (verfehmt bei vielen seinesgleichen)[,] wäre m. E. der absolut gegebene Mann. Ich kenne gar Niemand, dem ich derart vertrauen könnte, und Sie würden an der Persönlichkeit sofort Freude haben. Voraussetzung: Herausgehen aus aller gewohnten Umgebung, völlige Ruhe für 4 Wochen in der Umgegend von Heidelberg (Kümmelsbacher Hof, Kohlhof, Molkenkur und wie die Orte heißen) und Consultation mit ihm. Er „kuriert“ nicht, reguliert aber Ihre Lebensweise so, daß Sie noch Jahrzehnte voller Arbeitsfrische vor Sich haben (bzw. wiedergewinnen) können. Ich bitte Sie sehr dringend, Sich zu entschließen. Es ist „das Gebot der Stunde“.3 Freundschaftlichen Gruß! Ihr Max Weber

3 Naumann hat Webers Bitte nicht entsprochen und auf einen Kuraufenthalt in Heidelberg verzichtet.

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Marianne Weber [25. März 1916; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist erschlossen aus der Tagesangabe „Samstag“ in Verbindung mit dem Brief an Marianne Weber vom 22. März 1916, oben, S. 354: „Clara fährt nach Hamburg zu Bergmann’s.“ Im vorliegenden Brief heißt es: „Clara ist wieder da“. Der Ort ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Samstag Liebes Mädele,

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gestern kam ich zu keinem Brief mehr, es war so viel Rederei aller Art, – ohne besondere Bedeutung. Anbei der Brief des Herrn Haller. Hoffentlich kommt der Jack Johnson nun heil an (Eilgut-Sendung geht dieser Tage ab).1 Ebenfalls anbei einige Bank-Sachen. – Vorgestern war die „Emma“2 hier. Ich habe mich ganz retiré gehalten, da ich keinerlei Lust hatte, auf „Onkel“ und „Du“ gesetzt zu werden wie die andren Geschwister. Ein schauderhafter Typus. Grob sinnlich, schwatzhaft, wichtigthuerisch, falsche „Damen“-Eleganz, dick und ohne jeden Schimmer von Anmuth, geschweige denn Feinheit, – ein absolut eindeutiger KokottenTypus. Pfui Teufel – daß der arme Karl auf so was hereinfallen mußte thut Einem in der Seele weh. Na, sie ist nun in Stellung – es bleibt abzuwarten, für wie lange. Die hängt der Familie nachher auch noch wie ein Klotz am Bein (pekuniär), das sehe ich kommen, und wenn sie – was 99/100 wahrscheinlich ist – Dirne wird, so zeigt man mit Fingern auf uns, die wir sie dazu „gemacht“ haben (indem wir sie nicht zur Rentierin machten). Es ist doch unglaublich, wie weltfremd Karl in

1 Es handelte sich um die von Max Weber während einer Ausstellung in Berlin zerbrochene, nun aber reparierte Statue des Jack Johnson von Hermann Haller, die Weber daraufhin erworben hatte. Vgl. die Briefe an Marianne Weber vom 2., 16. und 21. März 1916, oben, 315, 345 und 351. Marianne Weber konnte sich mit der Skulptur („dieser Jack mit seinem Negerkopf und den Boxer-Armen“) nicht befreunden und wollte sie nicht im Salon stehen haben (Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 12. April 1916, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). Schließlich wurde die Statue in Webers Arbeitszimmer aufgestellt; vgl. den Brief an Mina Tobler vom 22. April 1916, unten, S. 390. 2 Emma Puppe war die Tochter der ehemaligen Haushälterin von Karl Weber, die er nach deren Tod finanziell unterstützt hatte.

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solchen Erziehungsproblemen war: über das Dienstmädchen durfte sie nie hinausgezüchtet werden. Auch die Mutter sieht diese Dinge erfreulich (und betrübend) realistisch. Montag rede ich in der „Deutschen Gesellschaft“ („Demokratie im amerikanischen Leben“),3 plötzlich Knall und Fall statt Göhre’s (der als Leutnant umhergeht), der verhindert ist, gebeten, nachdem die Herren bisher stets „Angst“ hatten: was ich wohl sagen würde. Wenn möglich, käme ich lieber schon am 15. (oder 14ten) nach H[eidel]b[er]g und führe am 20. wieder. Denn die eigentlichen „Feiertage“ sind doch eine tote Sache. Pfingsten denke ich für längere Zeit (9 – 10 Tage) zu kommen, falls ich überhaupt für so lange hier bin, was recht ernstlich zweifelhaft ist. Denn auf die Dauer hat man keine Lust in einer toten Sackgasse zu sitzen und so ist es jetzt. Geht denn Gertrud B[äumer] wirklich nach Hamburg?4 Was hat denn das zu bedeuten? Damit hängt dann vielleicht auch Naumann’s Kollaps5 zusammen. – Er ist in Wildungen.6 Ich – ebenso Frau Heuß – bat ihn dringend, zu Fränkel zu gehen.7 Denn Alles hängt doch mit dem Herzen zusammen (langsam beginnende Sklerose)[.] – Ja liebes Mädele, wenn wir das mit Laura machen, müssen wir gebunden sein.8 Das ist eben der Witz von der Sache. Sonst ist das ja für 3 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 11. März 1916, oben, S. 333, Anm. 10. Der Vortrag in der „Deutschen Gesellschaft 1914“ wurde verschoben, so daß Weber ihn schließlich erst am 3. April 1916 gehalten hat. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 5. April 1916, unten, S. 372, Anm. 3. 4 Gertrud Bäumer siedelte im September 1916 nach Hamburg über und bereitete dort die Eröffnung der Hamburger Sozialen Frauenschule vor, die von Hamburger Bürgerinnen und Bürgern gegründet worden war und die sie ab Frühjahr 1917 leitete. Neben Gertrud Bäumer waren Marie Baum und Margarete Treuge als hauptamtliche Kräfte angestellt. 5 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 15. März 1916, oben, S. 343. 6 Gemeint ist der Kurort Bad Wildungen. 7 Vgl. den Brief an Friedrich Naumann, vor dem 25. März 1916, oben, S. 357 f. 8 In Zusammenhang mit der Absicht Laura Hausraths, das Haus Ziegelhäuser Landstraße 17 zu verkaufen, wodurch auch der Mietvertrag von Max und Marianne Weber gefährdet worden wäre, hatte Marianne Weber die Möglichkeit, den Anteil von Laura Hausrath zu erwerben, ins Spiel gebracht. Nachdem die Geschwister und Miteigentümer am Haus gegen den Verkauf waren, gab Laura Hausrath ihre Absicht auf. Vgl. dazu den Brief an Marianne Weber vom 15. Febr. 1916, oben, S. 292, Anm. 2. Daraufhin schlug Marianne Weber, die eine hohe affektive Bindung an das Haus hatte, Max Weber vor, sich ein Vorkaufsrecht zu sichern. Vgl. den Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 20. März 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). Darauf bezieht sich Weber mit dem Hinweis, gegebenenfalls „1/ 3“ des Hauses – das war der Anteil von Laura Hausrath – „am Bein zu haben“.

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sie keine Entlastung und da lagen auch meine Bedenken gegen das Ganze. Ziehen wir fort, dann behalten wir dies 1/3 Haus eventuell am Bein hängen und nehmen Anteil an etwaigen Minder-Erträgnissen. Sonst macht L[aura] die Sache sicherlich nicht, und sie hätte schließlich Recht damit. – Der Mutter geht es gut, sie sieht oft müde aus – auch Tante Nixel’s9 Agonie betrübt sie – aber ist nicht „erregt“. Clara ist wieder da, hätte sich beinahe mit Kohlengas vergiftet in Hamburg. Sonst nichts Neues. – Mit Amerika bleibt es ein Pulverfaß, obwohl es momentan erträglich aussieht. Es küßt Dich herzlich Dein Max

9 Helene Webers Schwester Emilie (Nixel) Benecke, geb. Fallenstein, hatte einen Schlaganfall erlitten.

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Lili Schäfer [26. März 1916; Charlottenburg] Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 40 Das Datum ist erschlossen aus der Tagesangabe „Sonntag“ in Verbindung mit einem Brief von Lili Schäfer an Max Weber vom 24. März 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). Der Ort ist erschlossen aus dem Brief an Marianne Weber vom selben Tag, unten, S. 363.

Sonntag. Liebe Lili, – ich frage Marianne noch eben wegen ihrer Wünsche: ob ich lieber vom 15. bis 19ten oder lieber vom 21ten Abends bis 25ten a in Heidelberg sein soll (Mir ist das gleich!) Je nachdem, würde ich Dir dann vorschlagen – im ersten Fall: – Dich in Schneidemühl zu treffen (am 21ten) oder – im zweiten Fall – von hier am 18ten mit Dir zu fahren.1 Je nach Ergebnis schreibe ich Dir noch. Aber wenn das Eine oder das Andre Dir oder den Neustettinern2 besser paßt, so kann ich mich gut darnach richten. Herzliche Grüße Max

a 24ten > 25ten 1 Max Weber wollte Lili Schäfer auf der Fahrt zum Grab ihres im August 1914 in Ostpreußen gefallenen Mannes begleiten. Vgl. den Brief an Lili Schäfer vom 22. März 1916, oben, S. 353. In Schneidemühl erreichte die Stichbahn von Neu-Stettin die Hauptstrecke von Berlin nach Ostpreußen. 2 Lili Schäfer wollte ihre Reise auf dem Rückweg in Neu-Stettin unterbrechen, wo sie von 1904 – 1908 gelebt hatte, um Freunde zu besuchen.

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Marianne Weber PSt 26. März 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen. Notiz ohne Anrede auf dem Brief von Lili Schäfer an Max Weber vom 24. März 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446).

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Ich habe Lili1 geschrieben, daß ich wahrscheinlich lieber sie am 21ten in Schneidemühl treffe. Ich möchte nämlich gleich nach Ostern wieder hier in Berlin sein, da vielleicht ja doch noch etwas aus der Arbeit hier wird2 und dann auch Naumann wiederkommt. Ich würde dann Samstag vor Palmsonntag nach Heidelberg kommen und also am 20. 앚:(Gründonnerstag):앚 wieder fahren, um L[ili] am 21ten zu treffen. Die „Gründung Roms“3 würden wir dann dies Jahr am 19 ten zusammen im Odenwald feiern können, wenn schön Wetter ist und Du kannst. Ist es so recht? Aber ich könnte ja auch mit Lili am 18 ten von hier fahren, dann am 앚:Freitag:앚 21 ten nach Heidelberg kommen und bis Osterdienstag 앚:früh:앚 da bleiben. Schönsten Gruß! Dein Max

1 Vgl. den Brief an Lili Schäfer vom selben Tag, oben, S. 362. 2 Gemeint ist Webers Mitarbeit im „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“. 3 Anspielung auf den Verlobungstag von Max und Marianne Weber am 23. März.

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27. März 1916

Marianne Weber [27. März 1916; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum erschlossen aus der Tagesangabe „Montag“ in Verbindung mit dem Brief an Marianne Weber vom 26. März 1916, oben, S. 363. Der Ort ist aus dem Briefinhalt erschlossen.

Montag Liebes Mädele – schönen Dank für das Briefchen. Laß nur gut sein und mich mit der kleinen Lili reisen1 – sie schien sehr „erlöst“ darüber, weil es ihr, aus inneren Gründen, als „Druck“ bevorsteht und sie entlastet wird. Sonst säße ich ja gewiß lieber in Heidelberg beim Schnäuzchen. Das Tobelkind ist – vielleicht – ein bischen „eifersüchtig“ auf Lili, wenn sie es auch nicht merkt. Ich habe ihr schon geschrieben,2 daß ich sie auch ausgiebig sprechen und sehen würde, das läßt sich ja gut machen. – Inzwischen wird sich die Lask’sche Frage3 wohl so lösen, daß Frieda4 und Lina5 mit je 15 000 Mk abgefunden werden, dazu treten noch etwa 15 000 Mk Rückstand an Pellech, dazu eine Pauschsumme für die Beendigung des Eva-Prozesses6 und die Steuern, so daß von den 125 000 M. den Kindern der Frau Jacobsohn7 etwas über 70 000 M. bleiben werden. Sie kommen so mit dem blauen Auge davon. Für die Familie ist diese Versorgung von Freundinnen für frühere „schöne Stunden“ ja recht bitter. Aber was machen? Die Sache hat viel Arbeit gemacht. – 1 Lili Schäfer wollte zum Grab ihres Mannes nach Ostpreußen reisen, der dort im August 1914 gefallen war. 2 Mina Tobler. Ein Brief an sie ist nicht nachgewiesen. 3 Gemeint ist die Regelung des Testaments von Emil Lask, um die sich Max Weber kümmerte. Darin hatte Lask seine ehemaligen Freundinnen Frieda Gross und Lina Metzner bedacht. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 29. Jan. 1916, oben, S. 274. 4 Frieda Gross. 5 Lina Metzner, geschiedene Radbruch. 6 Nach der Aufhebung des Urteils im Prozeß über die Ehelichkeit von Eva Gross am 2. März 1916 war der Rechtsstreit an das Landesgericht Graz zurückverwiesen worden. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 21. März 1916, oben, S. 352, Anm. 8. 7 Berta Jacobsohn, Emil Lasks Schwester.

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Inzwischen sagt mir Heile, daß Gertrud B[äumer] nicht voll nach H[amburg] übersiedelt, sondern in der Redaktion bleibt.8 Daß sie dem Vielzuviel der Agitation und des ewigen „Redens“ entrückt wird, wäre ein Segen. Tobelchen9 schrieb, daß Braus’ pp. gefunden hätten: das könne man in 10 Minuten sagen.10 Es wird ja sicher nicht richtig sein. Aber – auch ich fand alle ihre Vorträge etwas dünn. Es ist bei Massenbetrieb nicht anders möglich. – Tante Nixel11 scheint langsam zurückzugehen, ist der Welt entrückt. Laura’s Briefe12 machen einen recht guten Eindruck. Sie möchte also zum 1.4. die Sache rechnen und von jetzt an Alles abgeben, sieht sich den Vertrag noch an. Rücktritt auch für uns ausbedingen macht die Sache ja zur Farce und sie thäte es bei Überlegung schwerlich. Das ist ja das Opfer und war mein Bedenken. Frau Kaisers13 Hellmuth hat sich ja kriegstrauen alassen (Icha sah sie noch nicht)b mit einer Jonas (hoffentlich: mit Geld). Sonst nichts Neues. Es küßt Dich Dein Max

a O: lassen. Ich b O: nicht. 8 Gertrud Bäumer war seit 1912 Mitarbeiterin von Naumanns Zeitschrift „Die Hilfe“, Wilhelm Heile seit 1912 der leitende Redakteur. Vgl. auch den Brief an Marianne Weber vom 25. März 1916, oben, S. 360, Anm. 4. 9 Mina Tobler. 10 Marianne Weber hatte ihrem Mann in ihrem Brief vom 24. März 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, BSB München, Ana 446) geschrieben: „Gestern abend hat Trudchen Bäumer uns hier einen ganz famosen Vortrag gehalten ‚Frauenaufgaben im künftigen Deutschland’ – unpathetisch aber sachlich diesmal so gründlich durchdacht, daß er sehr überzeugend wirkte und die Leute ganz angetan davon waren.“ 11 Emilie Benecke, die Schwester von Helene Weber. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 25. März 1916, oben, S. 361, Anm. 11. 12 Laura Hausrath. Sie hatte sich nach langen Überlegungen mit ihren Geschwistern entschieden, das Haus in der Ziegelhäuser Landstraße 17 im Hausrathschen Besitz zu belassen, die Verwaltung jedoch zu ihrer Entlastung an Marianne Weber abzugeben, die die Hausverwaltung am 1. April 1916 übernahm. Bei den darüber geführten Verhandlungen spielte auch die Frage eine Rolle, wie lange Max und Marianne Weber im Falle eines Auszugs an den Vertrag gebunden sein würden. Darauf bezogen sich die Bedenken Max Webers, der an der Annahme eines möglichen Rufes auf einen Lehrstuhl offenbar zu diesem Zeitpunkt schon interessiert war. 13 Marie Kaiser war während der Heidelberger Jahre eine enge Freundin von Marianne Weber. Sie widmete ihr ein Kapitel in ihren Lebenserinnerungen. Vgl. Weber, Marianne, Lebenserinnerungen. – Bremen: Johs. Storm Verlag 1948, S. 335 – 375. Der Sohn und seine Frau konnten nicht ermittelt werden.

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Marianne Weber PSt 28. März 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Dienstag“ erschlossen.

Dienstag Nanu, – liebes Peterle? – Du mußt doch im Durchschnitt alle 2 Tage 1 Brief gehabt haben? Letztlich schickte ich fast täglich was – freilich meist Kollektionen von Geschäftsbriefen mit nur kurzen Notizen dabei. Aber das ging nicht anders. Die weiten Entfernungen (ohne Auto, immer Elektric mit Umsteigen und Laufen) verträgt mein Kopf nicht und diese Ungetrostheit hier, die ich doch immer empfinde, mit der „Hast“ der Mutter machen das nicht leichter. Ich könnte nur wirklich arbeiten, wenn etwas wirklich „in Gang käme“ und das geschieht nicht. Denn man kommt nicht voran. Diese ganze Berliner Atmosphäre, wo alle begabten Leute durch das Ressentiment der Dummheit, welches in den Reichsämtern herrscht, (und z.B. auch durch Herrn Richter vertreten ist, den Gothein so „schätzt“),1 ist höchst widerlich und nur Naumann zu Liebe, der jetzt in Wildungen sich „erholt“, statt zu Fränkel zu gehen2 (es handelt sich natürlich um arteriosklerotische Herz-Geschichten), bleibe ich noch, uma zu helfen, was sich machen läßt. Jetzt gleich will ich zu Werner Gothein – etwas unbescheiden ist es ja von Marie Louise,3 aber mich interessiert ja zu sehen[,] was so ein

a In O folgt: machen 1 Marianne Weber berichtete in ihrem Brief an Max Weber vom 27. März 1916 (von Marianne Weber fälschlicherweise auf den 29. März datiert; Bestand Max WeberSchäfer, Deponat BSB München, Ana 446), daß Eberhard Gothein bei seinem Besuch in Berlin „von der vielfältigen Tüchtigkeit in den Reichsämtern, z.B. imponiert ihm ein Handelsminister? Richter“, beeindruckt sei. Gemeint ist Max Richter, Unterstaatssekretär im Reichsamt des Innern. Vgl. den Brief an Wilhelm Heile vom 15. März 1916, oben, S. 342. 2 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 25. März 1916, oben, S. 360. 3 Marie Luise Gothein hatte Max Weber nahegelegt, ihren in Berlin lebenden Sohn Werner zu besuchen. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 21. März 1916, oben, S. 351.

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Mensch macht.4 Morgen Nachmittag kommt Hensel, der bei Lilli Dub Bois ist.5 Die Geschäftspapiere hast Du doch alle erhalten? Es waren 2 oder 3 Briefe, die solche enthielten. Hier wieder ein Schreiben. Gestern Abend in der „Deutschen Gesellschaft“.6 Wie üblich Zank mit den Alldeutschen, übrigens in ganz guter Freundschaft. Aber das entsetzlich große Maul dieses Völkchens ist offenbar durch nichts klein zu kriegen. Also entweder von 15. Abends bis 20. früh oder vom 21. Abends bis 25. früh bin ich in Heidelberg, falls sich nicht Alles noch ändern sollte. Das hängt von Lili ab.7 Ich finde, jetzt könnte mit der Hausverkauf-Geschichte8 „Schluß“ sein. Entweder – Oder. Wenn Paula9 doch nicht will, ist ja die Sache entschieden. Laura10 schrieb heut an Mama einen ganz netten sehr verständigen ruhigen Brief – fast als wäre Alles überstanden. Bliebe es doch so! Von Tobelchen11 hatte ich kurze Zettel, aus denen auch hervorgeht, wie stark die neue „Familie“12 sie beschäftigt. Ein großes Glück, da Lisbeth,13 scheint es, zunehmend abseits geht. Es ist schönes Wetter hier, aber wer mag sich an dem Frühling freuen? Ein Ende ist auch jetzt absolut nicht abzusehen. Bin begierig, was der Kanzler heut gesagt hat.14 Seine Stellung ist schwach. Man spricht

b O: De 4 Werner Gothein war Bildhauer und Maler. 5 Paul Hensel und Lili Du Bois waren Geschwister. 6 Gemeint ist die „Deutsche Gesellschaft 1914“. 7 Gemeint ist deren Entscheidung über den Termin der Reise mit Max Weber nach Ostpreußen. Vgl. den Brief an Lili Schäfer vom 26. März 1916, oben, S. 362. 8 Am 18. März 1916 hatten die Geschwister Hausrath einen Teil ihres Grundstücks Ziegelhäuser Landstraße 17 verkauft. Damit war die Gefahr des Hausverkaufs und damit auch einer möglichen Kündigung der Wohnung von Max und Marianne Weber erst einmal gebannt. Vgl. den Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 17. März 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). 9 Paula Schmidt, geb. Hausrath. 10 Laura Hausrath. 11 Mina Tobler. 12 Die Witwe ihres verstorbenen Bruders, Bertha Tobler, und deren Kinder Achim und Sibylle, waren von Breslau nach Heidelberg gezogen. 13 Elisabeth (Lisbeth) Braus. 14 Bethmann Hollweg sprach „streng vertraulich“ im Haushaltsausschuß des Reichstags zur Frage des U-Boot-Krieges. Vgl. Schulthess 1916, Teil 1, S. 146.

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von dem (Klerikalen) Fr[ei]h[errn] v. Hertling als Nachfolger, schon vor dem Frieden. Dann regiert uns, wie bei Platon, der Professor der Philosophie!15 Schönsten Dank für Dein Briefchen. Ich wollte, ich säße erst wieder in Heidelberg. Hier läßt Einen ja doch Niemand an etwas heran, was der Mühe lohnt. Es küßt Dich Dein Max

15 Georg Freiherr (seit 1914 Graf) v. Hertling war seit 1882 Professor für Philosophie in München und seit 1912 bayerischer Ministerpräsident.

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Marianne Weber PSt 1. April 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Umschlag und der Tagesangabe „Samstag“ erschlossen.

Samstag Liebes Schnauzele, –

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anliegende Mitteilung1 vergaß ich, sie sagt Dir wohl nichts Neues. Man erfährt jetzt über die Kommissionssitzung des Reichstags (U-Boote): 1. Die Admiralität hat glatt erklärt: die Abschließung Englands sei nicht möglich. (Die Zahl der jederzeit zum Dienst zu stellenden U-Boote ist noch kleiner als ich annahm). Nächsten Januar hätten wir – vielleicht – so viel U-Boote, um das zu können. (Geht m. E. auch dann nicht). 2. Helfferich hat die Verantwortung für die finanziellen Folgen der Intervention Amerikas abgelehnt. Der Eindruck von all Dem war derart, daß die frevelhafte konservative Fronde zusammenbrach. Hoffentlich für immer. Es ist ein Skandal, daß das Reichsmarineamt derart mit dem Feuer spielen konnte, und wenn der Reichskanzler da nur das „Presse-Büro“ preisgab, so waren doch ganz andre Leute in Wirklichkeit gemeint. Alles war: Bluff[.] Nun ist die Sache so: es muß so aussehen, als würde der U-Boot-Krieg verschärft geführt, – denn wir dürfen uns ja nicht „geirrt“ haben. Und deshalb – torpedieren wir drauf los und lassen die Sache dann langsam einschlafen. Aber sie kann uns – durch „Zufall“ – den Krieg mit Amerika bringen! das ist das Unqualifizierbare. Nun hoffentlich nicht, obwohl Hollands – nicht gegen uns, scheint es, gerichtete – Mobilisierung unbedingt drüben in Washington aufreizend wirkt. Die Welt wird mit wenig Verstand gelenkt, das muß man sagen!

1 Die Mitteilung ist nicht nachgewiesen.

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Eben kommt Lili’s Brief. Also sie möchte erst nach Ostpr[eußen] fahren,2 so daß ich dann am 21. IV zu Euch käme. Na schön, soll mir auch recht sein. Es küßt Dich Dein Max

2 Vgl. dazu die Briefe an Lili Schäfer vom 22. und 26. März 1916, oben, S. 353 und 362.

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Frieda Gross PSt 2. April 1916; Charlottenburg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 14, Bl. 29 – 30 Das Datum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen. Der Brief bezieht sich auf die Regelung der Ansprüche aus dem Testament von Emil Lask.

Charlottenburg March-Str. 7F Liebe Frau Frieda, –

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ich habe den Erben1 Ihre Frage mitgeteilt. Die Hauptbesorgnis richtet sich jetzt auf die weiteren Kosten dieses elenden Eva-Prozesses.2 Die Hinterbliebenen sehen da einer Schraube ohne Ende entgegen, welche ihren Kindern nichts übrig lassen werde. Es ista ja nun in der That auch nicht in der Ordnung, – wie Sie selbst finden werden – daß diese Leute ins Ungemessene dafür bluten sollen, daß Eva den Namen „Gross“ führt, – was ja, wie sich gezeigt hat, pekuniär absolut gleichgültig ist. Pellech will den Prozeß ohne Berechnung andrer als der nackten Kosten (gerichtlicher Kosten 앚:und gesetzl[icher] Gebühren:앚) führen, bis er zu Ende ist. Ich werde, wenn es Ihnen recht ist, P[ellech] um eine Schätzung des Betrages bitten, der noch entstehen kann. Alsdann muß mit dieser Sache m. E. „reine Bahn“ geschaffen werden. Ich hoffe, daß dann Alles zu einem für Sie immerhin noch leidlichen Ende kommt. Freundschaftlichen Gruß! Ihr Max Weber

a 1 Gemeint sind die Erben von Emil Lask. Vgl. die Editorische Vorbemerkung und den Brief an Frieda Gross vom 29. Jan. 1916, oben, S. 274. 2 Emil Lask hatte die Übernahme der Prozeßkosten testamentarisch verfügt. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 29. Jan. 1916 (wie Anm. 1). Der Prozeß um die Außerehelichkeit von Eva Gross war nach Aufhebung des Urteils am 2. März 1916 an das Landesgericht Graz zurückverwiesen worden.

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5. April 1916

Marianne Weber PSt 5. April 1916; Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Mittwoch“ erschlossen.

Charlottenburg March-Str.7F Mittwoch. Liebes Mädele, – schönen Dank. Aber das mit Laura wird nicht gehen, d. h. wir können diesen Anspruch nicht ernstlich stellen.1 Sie möchte doch eben endgültig von der Sache los. Anders ist es mit der Anrechnung der Verwaltungsarbeit. Darüber mußt Du dann mit August2 verhandeln, er wird darauf schon eingehen. Ob die Rede3 vorgestern Abend den Leuten „gefallen“ hat, weiß ich nicht. Sie war sehr „realistisch“, denn ich hatte die vielen Phrasen der „Ideen von 1914“ gründlich satt. Jedenfalls hörten sie 2 Stunden lang aufmerksam zu und hatten lauter Dinge anzuhören, die sie meist sicher nicht gern hörten. (Stellung der Frau, – deutsche Sexualmoral – Völkerrecht u.s.w.). Nun, ich habe gesagt, was ich sagen wollte und damit „basta“. Ja – die Torpedierung der „Sussex“4 war anerkanntermaßen eine Schweinerei sondergleichen, das Allerdummste[,] was geschehen konn1 Marianne Weber sollte von Laura Hausrath die Verwaltung des Hauses zum 1. April 1916 übernehmen. Dazu war ein neuer Vertrag auch für das Mietverhältnis erforderlich. Um welchen Ausspruch es sich handelte, konnte nicht ermittelt werden. Marianne Weber war besorgt, wie dieser Vertrag mit seiner Verpflichtung im Falle eines Auszuges aufgelöst werden könne, wie sie in ihrem Brief an Max Weber vom 4. April 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) geschrieben hatte. 2 August Hausrath, der Bruder von Laura Hausrath, war Miteigentümer. 3 Webers am 3. April 1916 bei der „Deutschen Gesellschaft von 1914“ gehaltene Rede (vgl. den Brief an Marianne Weber vom 28. März 1916, oben, S. 367) hatte den Titel: „Demokratie im amerikanischen Leben“. Die Rede ist nicht überliefert (vgl. MWG I/15, S. 777 f.). Weber dürfte bei seiner am 23. März 1918 in Heidelberg gehaltene Rede „Demokratie und Aristokratie im amerikanischen Leben“ (vgl. MWG I/15, S. 739 – 749) auf die zwei Jahre zuvor gehaltene zurückgegriffen haben. 4 Am 24. März 1916 wurde der Postdampfer „Sussex“, der zwischen Folkstone und Dieppe verkehrte, torpediert.

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te (es befanden sich auf ihr aus allen neutralen Ländern – Spanien etc. – hervorragende Leute mit Familien, und es sind wesentlich Frauen und Kinder getötet). Geht das so weiter – hoffentlich nicht! – dann haben wir den Krieg mit aller Welt sicher. Und es findet sich in den Parteien Niemand, der an maßgebender Stelle die Verantwortung ablehnte und protestierte. Mit dem Rücktritt von Tirpitz und der Resolution5 – die eine schwere Niederlage der U-Boot-Schreier war – halten Alle die Sache für schönstens erledigt. – Also gut, ich reise dann mit Lili wie abgemacht6 und komme wie verabredet am 21. Abends. Daß ich hier oder sonstwo noch Erhebliches zu arbeiten bekomme, glaube ich nicht. Ich habe jetzt Rathgen veranlaßt, einen Teil der Arbeit zu übernehmen und werde mich zunehmend meinerseits mit den Textil-Industriellen (Georg Müller) „verheiraten“.7 Bis Pfingsten etwa denke ich „das Meinige“ gethan zu haben. Eventuell komme ich dann zurück, wenn sich die Lage hier nicht stark ändert, – mit sehr gutem Gewissen. Der Mutter geht es ordentlich, nur ist sie recht bewegt und wehmütig über Tante Nixels8 langsames – friedliches – Verlöschen, möchte gern hin, aber das ist kaum zu machen, und sieht darum recht müde und oft bekümmert aus. Freitag Abend bin ich wieder bei Jacobsohn’s (mit Eva Moritz),9 um die Sache10 nun zum Klappen zu bringen. Die Frieda11 ist eine naive Seele, sie möchte bei der Gelegenheit ein Kapitälchen für – E[rnst] Frick herausschlagen. Metzner’s benehmen sich recht schäbig, „sehen

5 In einer gemeinsamen Resolution der im Reichstag vertretenen Parteien vom 30. März 1916 wurde gefordert, „von den U-Booten denjenigen Gebrauch zu machen, den die Erringung eines die Zukunft Deutschlands sichernden Friedens verbürgt“; vgl. Schulthess 1916, Teil 1, S. 148. 6 Gemeint ist die geplante Reise nach Ostpreußen. Vgl. die Briefe an Lili Schäfer vom 22. März 1916 und an Marianne Weber vom 26. März 1916, oben, S. 353 und 362. 7 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 21. März 1916, oben, S. 352. 8 Emilie (Nixel) Benecke, geb. Fallenstein, war die letzte noch lebende Schwester von Helene Weber. 9 Gemeint ist die Berliner Medizinerin, die in Freiburg auch Philosophie-Vorlesungen bei Heinrich Rickert gehört hatte und mit diesem befreundet war. 10 Gemeint ist die endgültige Regelung der Testamentsbestimmungen von Emil Lask. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 29. Jan. 1916, oben, S. 274. 11 Frieda Gross.

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gar nicht ein“, was sie für Verpflichtungen12 hätten u.s.w. Freilich: die kleine Lina13 ist wirklich auch keine „Schwiegertochter“ nach dem Herzen irgend Jemandes – aber sie hatten sie doch anerkannt und zu sich eingeladen. Auch hier war prachtvoller Frühling und ist es jetzt schön warm, neigt aber zum Regen. Leb wohl, liebstes Peterle, es küßt Dich Dein Max

12 Max Weber hatte die Schwiegereltern Lina Metzners aufgefordert, Schwiegertochter und Enkelkind finanziell zu unterstützen. Ein entsprechender Brief ist nicht nachgewiesen. 13 Lina Metzner.

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Marianne Weber PSt 7. April 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Freitag“ erschlossen.

Freitag Liebes Schnauzele, –

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gesterna Vormittag war Ausschußsitzung des V[ereins] f[ür] Soz[ial-] Politik, Mittags gemeinsames Essen, dann wieder Sitzung,1 dann Abends Vortrag des Leutnantsb der Landwehr Paul Göhre in der „Deutschen Gesellschaft“, heut war ich bei Herkner zu Tisch, Abends bei Jacobsohn’s, um die Lina- und Frieda-Sachen2 nun in die Reihe zu bringen (dann kommt Eva Moritz auch noch hin), – so komme ich nur zwischendurch zu einem kurzen Gruß und Übersendung der beifolgenden Geschäftsbriefe. Göhre erzählte hübsch von seinen religiösen Erlebnissen im Schützengraben – d. h. vom absoluten Fehlen aller religiösen Interessen bei allen Leuten seines (Landsturm-)Bataillons und jeglichen Bedürfnisses danach im Gefecht und außerhalb desselben, auch bei ihm selbst (nur 1 Mann sei religiös gewesen), – er zog sich dabei m. E. etwas allzu „nackt“ aus der Schilderung seiner religiösen Entwicklung u.s.w., sonst war Alles recht gut. Nachher sprachen wir uns und verabredeten, daß das Vergangene vergangen sein sollte, er habe sich – sagte er – ja doch wohl nun „rehabilitiert“ (er ist dekoriert) und ließ Dich grüßen.3 Oldenberg sah ich bei der Gelegenheit auch mal wieder, ebenso Sombart. – a

b O: Leutnant

1 Der Verein für Sozialpolitik führte am 24. März 1915 eine Aussprache zum Thema „Die wirtschaftlichen Annäherungen zwischen dem Deutschen Reiche und seinen Verbündeten“. In der Zwischenzeit waren die seinerzeit gehaltenen Referate im Band 155 der Schriften des Vereins für Sozialpolitik veröffentlicht worden. Über diese sollten auf der Ausschußsitzung gesprochen werden. 2 Gemeint sind die Abfindungen von Lina Metzner und Frieda Gross aus dem Testament von Emil Lask. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 27. März 1916, oben, S. 364. 3 Als Sekretär des Evangelisch-sozialen Kongresses (1891) hatte Paul Göhre mit Max Weber bei der Erhebung des Evangelisch-sozialen Kongresses über die Verhältnisse

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Die politische Luft ist ja nun etwas durchsichtiger. Diese Rede des Kanzlers4 ist ja nur möglich und zu verantworten, wenn er sicher ist: es ist auf absehbare Zeit keinerlei Aussicht auf ernsthafte Friedensverhandlungen. Und so steht es wohl auch. Geschickt und politisch klug fand ich sie auch so durchaus nicht, wenn auch – namentlich rhetorischc – besser als die frühern. Der Fehler: daß nicht von Anfang an erklärt worden ist, daß Belgien nicht behalten werden sollte, ist eben jetzt nicht mehr zu reparieren, und im Osten sind die Hoffnungen der Kurländer etc. erweckt worden. Augenmaß hat keiner für das Mögliche und Nützliche. Und vor Allem werden alle diese Dinge rein innerpolitisch behandelt. Der Kanzler mußte zeigen, daß er der „starke Mann“ sei – ebenso „stark“ wie Tirpitz, sonst war er wegen der Fronde der Konservativen verloren. Und die Politik der Konservativen und Großindustriellen ist ganz einfach: je länger der Krieg dauert, desto mehr Sozialdemokraten schwenken nach „links“ ab – um so besser für uns, die Stützen von Thron und Altar. „Nur keinen Kompromißfrieden“, – denn dann müssen Konzessionen in der Wahlrechtsfrage u.s.w. gemacht werden. Das steckte auch hinter der ganzen U-Boot-Agitation. – Die Gefahr mit Amerika ist ja nun geringer, – da wir nachgegeben haben – kann aber jeden Augenblick wieder aufflammen, so lange der Krieg dauert. Sehr viel hängt von der Ernte ab, – wird sie gut, dann werden die Engländer vielleicht die Sache aufgeben, andernfalls schwerlich. Der Kaffee reicht nur noch kurze Zeit. Zucker wird sich wieder bessern, die Fleischkarte wird sehr, sehr knapp ausfallen – weil die Agrarier lieber viele Menschen totschießen lassen als den Viehbestand vermindern – Militärbedarf ist auf alle absehbare Zeit gedeckt. –

c Alternative Lesung: oratorisch der Landarbeiter Deutschlands 1892/93 eng zusammengearbeitet. Vgl. dazu den Editorischen Bericht zu Webers Schriften „,Privatenquêten‘ über die Lage der Landarbeiter”, MWG I/4, S. 71 f. Zum Bruch der Freundschaft war es durch den Heiratsantrag gekommen, den Göhre Marianne Schnitger im Januar 1893 gemacht hatte, den diese aber zurückgewiesen hatte. Marianne Schnitger verlobte sich bald darauf mit Max Weber. 4 Gemeint ist die Rede des Reichskanzlers von Bethmann Hollweg vom 5. April 1916, vgl. Schulthess 1916, Teil 1, S. 157 – 163.

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Laura5 und August6 haben sich also mit dem Vertrag einverstanden erklärt,7 ich werde ihn nun mit den geringen vorgeschlagenen Änderungen abtypen lassen und dann kann er vollzogen werden. Also ich nehme nun an, daß ich mit Lili am 18 ten fahre und am 21ten bei Dir bin. So, – ich werde bald fortmüssen, daher genug für heut. Grüß Rikkerts sehr, es küßt Dich Dein Max

5 Laura Hausrath, 6 August Hausrath. 7 Max Weber hatte den Vertrag mit Laura und August Hausrath, der auch die Verwaltung des Hauses durch Marianne Weber regelte, neu gefaßt (vgl. den Brief an Marianne Weber vom 5. April 1916, oben, S. 372).

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Lili Schäfer [9. April 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 41 – 42 Datum erschlossen aus der Tagesangabe „Sonntag“ in Verbindung mit dem Brief an Marianne Weber vom 9. April 1916, unten, S. 380 f.

Ch’burg, Sonntag. Liebe Lili, – also wenn Du nichts Andres schreibst, nehme ich an, wir reisen Dienstag 18 ten. Sonst schreibe bitte so, daß ich eventuell am 14 ten reisen kann.1 Ich hätte ja gut die Korrespondenz mit dem Lehrer2 führen können, Du hast doch viel zu thun, – aber jetzt hast Du das wohl schon Alles gemacht? Clara ist in der Karwoche und bis Mittwoch nach Ostern fort (nebst Valborg)3 in Swinemünde, da hast Du also Mama ein paara Tage ganz allein, was wir beide ganz gut finden, und hast auch Ruhe für Lisa v. Ubisch. Lisa war übrigens gestern Abend mal hier. Neben Andrem erzählte sie auch, daß ihr Vater,4 der sich ja offenbar sehr für Albert 5 interessiert, stets erneut rathe, den Jungen doch in das Kadetten-Corps zu geben. Ich weiß ja absolut nicht, wie Du dazu stehst und ob das in Betracht kommt! – wenn ja, könnte ich mich ja gut unter der Hand mal

a O: par 1 Vgl. die Briefe an Lili Schäfer vom 22. und 26. März 1916, oben, S. 353 und 262. 2 Die Lehrerfamilie in Sauerbaum (das Dorf konnte mit einer Kleinbahn von Rothfliess in Ostpreußen erreicht werden) hatte sich bereit erklärt, Lili Schäfer bei einem Besuch des in der Nähe des Dorfes gelegenen Grabes ihres Mannes, Hermann Schäfer, aufzunehmen. Vgl. den Brief von Lili Schäfer an Max Weber vom 24. März 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). 3 Valborg Weber, die Frau von Arthur Weber. 4 Edgar v. Ubisch, der Vater von Lili Schäfers Freundin Lisa, war Berufsoffizier und Direktor des Zeughauses Berlin. Das Zeughaus wurde 1877 – 1881 im Inneren zur preußisch-brandenburgischen Ruhmeshalle und zum Militärmuseum umgestaltet. 5 Albert Schäfer, der älteste Sohn von Lili Schäfer, hatte Schwierigkeiten in der Schule.

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nach Bedingungen und Kosten erkundigen, damit eventuell diese Seite der Sache klar liegt. Ich nehme an, daß sie Dir mit der Sache kommen wird. Also auf Wiedersehen! Herzliche Grüße Dein Max

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Marianne Weber PSt 9. April 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Sonntag“ erschlossen.

Sonntag Liebes Mädele, – nichts Neues, aber schönen Dank für Dein Briefchen. Vorgestern Abend bei Jacobsohn’s mit Frl. Huch (Dichterin, mir unbekannt, gehört nicht zu jener Familie, kennt Dein Buch1) und Lask’s Bruder.2 Ist das ein abweichender Typus! – blond, rund, fleischiges gutes dickes Judengesicht, kräftig, gesund, sehr jung aussehend – in Allem das Gegenteil von E[mil] Lask. Natürlich war er noch weniger als die andre Familie erfreut über dies Testament und die Anwaltsrechnung – vor Allem aber über die Chance, daß der Eva-Prozeß ins Endlose fortgeht („noch 2 Jahre“, schrieb Pellech!) und den ganzen Rest der Erbschaft aufzehrt. Ich habe Frieda schon geschrieben: das ginge nicht.3 Es geht auch wirklich nicht. M.E. zahlt man ihr 17 000 M. (statt 25 000, wie sie akzeptierte), Lina4 auch 15 000, dann die Anwaltsrechnung (25 000 Kronen abzüglich schon bezahlter 7 000 Kronen = ca 15 000 Mk) – und damit Schluß! Gestern Abend war Lisa v. Ubisch da. Angenehm wie immer. Sprach viel über Carl (den sie ja geliebt hat!), Hermann, Lili und die Kinder.5 Der alte Ubisch schlägt das Kadetten-Corps für Albert6 vor. Das wäre ja sehr zu überlegen, Lisa war sehr dafür. Aber man muß es Lili sehr vorsichtig bringen, um nicht sie zur Resistenz gegen die „Einmischung“ zu bringen. Ich werde unter der Hand mal die Kosten feststel1 Weber, Marianne, Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Siebeck) 1907. 2 Hans Lask. 3 Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 2. April 1916, oben, S. 371. Zur Abwicklung von Emil Lasks Testament vgl. auch den Brief an Marianne Weber vom 27. März 1916, oben, S. 364. 4 Lina Metzner. 5 Hermann Schäfer und die Kinder Clara, Albert, Max und Hermann. 6 Albert Schäfer war für seine Mutter schwierig zu erziehen und sollte in ein Internat kommen.

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len und dann die Rede auf die Sache bringen. Clara ist Ostern fort, das ist ganz gut. Sonst wie gesagt nichts Besondres. Ansorge verreist grade, sonst hätte ich ihn heute besucht; ich telefonierte mit der Frau.7 앚:Alfred:앚 Jaffé (senior) ist hier, wünscht mich zu sehen; – was ich ja muß (nicht gern). – Politisch nichts Neues. Außer daß Polen nicht an Österreich gegeben wird (Mitteilung des Ausw[ärtigen] Amtes), – jedenfalls nicht das von uns besetzte Gebiet. Das vermindert die Notwendigkeit der ZollUnion. Naumann ist in Eisenach. Die „Arbeit“8 – wenn man das so nennen will – geht träge ihren Weg. Vielleicht geht es im Mai lebhafter her, da wollen wir Interessenten zusammentrommeln. Aber es ist öde, so „überflüssig“ zu sein. Fast war mir das Lazarett9 lieber! Die Entfernungen in Berlin sind eben doch sehr lästig und die Zerrissenheit. Ich werde zum Abendessen gerufen, leb wohl liebes Peterle, es küßt Dich Dein Max

7 Margarete Ansorge. 8 Die Arbeit beim „Ausschuß für Mitteleuropa“. 9 Gemeint ist die Organisation von Lazaretten in Heidelberg, mit der Weber als Militärisches Mitglied der Reserve-Lazarett-Kommission nach Kriegsbeginn bis zum 1. Oktober 1915 beauftragt worden war.

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Marianne Weber [10. April 1916; Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort erschlossen aus der Tagesangabe „Montag“ in Verbindung mit dem Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 8. April 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). Bezug: In ihrem Brief vom 8. April 1916 hatte Marianne Weber von ihrem Unwohlsein sowie von Jaspers, der Max Weber mit „großen Augen“ sehe als einen „Typus, der die Kraft hat ungeheure Spannungen seines Selbst und die Widersprüche des Lebens außer ihm trotz völliger Illusionslosigkeit zusammenzuhalten und zu überbauen“, berichtet. Jaspers meine, „es sei schade um jeden Tag, den dieser Max Weber für politische Dinge verschwende“.

Montag Liebes Mädele, – oh je, wie betrübt – nun halte Dich aber ganz ruhig! Sonst bist Du ja kaputta, wenn ich komme, und das wäre doch schade! – Ja – wenn auch der gute Jaspers etwas allzu „große Augen“ hat – irgend wann, spätestens Pfingsten, habe ich die Sache satt, wenn es, wie anzunehmen, so weitergeht. Göhre ist unverändert, etwas hübscher, aber ein Kind wie er immer war. Wir waren ganz wie früher miteinander. (Mama hatte er übrigens öfter gesehen und angesprochen auch inzwischen). Ja, auch mir ist Alles von damals fabelhaft lebendig!1 – Denk doch daran, Lili zu sagen, daß sie sich warme Sachen mitnimmt. In Ostpreußen2 ist es eisig kalt, selbst hier recht unbehaglich, obwohl der Frühling anfängt zu kommen. Ich habe Lili kurz geschrieben,3 daß der alte Ubisch sich für Albert4 und das Cadetten-Corps interessiert, damit sie sich die Sache zu überlegen anfängt, und nur zugefügt: daß wenn sie wolle, ich mich nach den Kosten erkundigen könne. Man muß sich ja hüten, sie zu drängen oder zu beeinflussen darin. Die Frage ist sehr schwierig. Darin hat Lisa5 recht: eher erträgt sie das, als a O: kaput 1 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 7. April 1916, oben, S. 375 f., Anm. 3. 2 Max Weber wollte seine Schwester auf einer Reise nach Ostpreußen begleiten. Vgl. die Briefe an Lili Schäfer vom 22. und 26. März, oben, S. 353 und 362. 3 Vgl. den Brief an Lili Schäfer vom 9. April 1916, oben, S. 378 f. 4 Albert Schäfer war der älteste Sohn von Lili Schäfer. 5 Lisa v. Ubisch, eine Freundin von Lili Schäfer.

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ihn in „Familien“-Pension zu geben. Dann fühlt sie sich „unfähig“, – weil sie das auch leisten können will. Anders beim Eintritt in eine solche Gemeinschaft, die etwas giebt, was sie gar nicht geben wollen kann. Ich bin sicher, daß die Kinder alle 4 für sie zu viel sind, sie nur 2– 3 erziehen kann. Ich muß aufs Büro,6 – leb wohl, halt Dich gut, mein Mädele es küßt Dich Dein Max

6 Die Geschäftsräume des „Ausschusses für Mitteleuropa“ befanden sich im Haus Schöneberger Ufer 260.

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Paul Siebeck [vor dem 14. April 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Datierung des Briefs erschlossen aus dem Verlagsvermerk: „14.IV앚:16:앚 dilat.“ Im Mittelpunkt dieses Briefes sowie der folgenden Schreiben an Paul Siebeck vom 14. und 23. April 1916, vor dem 5. Mai und vor dem 10. Mai 1916, unten, S. 386, 391, 407 und 410, steht die mögliche Publikation eines Beitrags für den GdS über das Thema „Wirtschaft und Krieg“ bzw. „Kriegswirtschaft“. Nachdem Paul Siebeck laut Brief seines Stellvertreters, Richard Wille, vom 15. April 1916 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) diesem Vorschlag zugestimmt und Franz Eulenburg nach brieflichen Verhandlungen mit Weber seine Bereitschaft zur Übernahme des GdS-Beitrags erklärt hatte, war es, wie Siebeck Weber am 27. Juni 1916 (ebd.) mitteilte, zu einem Vertragsabschluß gekommen. Als Umfang waren 10 Bogen vorgesehen, als Ablieferungstermin Mitte März 1917. Eine Vorarbeit von Eulenburgs GdS-Beitrag ist unter dem Titel: Zur Theorie der Kriegswirtschaft. Ein Versuch, in: AfSSp, Bd. 43, Heft 2 (Krieg und Wirtschaft, Heft 5), 1916, S. 349 – 396, erschienen: „Der folgende Entwurf soll als vorläufiger Versuch für eine Ausarbeitung über Kriegswirtschaft gelten, die ich für den ,Grundriß der Sozialökonomik‘ übernommen habe.“ Ebd., S. 349, Anm. 1. Ein zweiter Teil wurde wesentlich später mit dem Titel: Inflation (Zur Theorie der Kriegswirtschaft. II.), ebd., Bd. 45, Heft 3 (Krieg und Wirtschaft, Heft 9), 1918/19, S. 477 – 526, veröffentlicht. Auf Bitten Eulenburgs hin (Briefe an Paul Siebeck vom 22. Januar und 21. Dezember 1917; VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 375) wurde die Fertigstellung seines Beitrags erst für die Zeit nach Kriegsende in Aussicht genommen. Sie ist dann jedoch unterblieben, da Eulenburg in seinem Brief an Siebeck vom 31. Dezember 1918 (ebd., Nr. 386) zu bedenken gab, daß „eine ,Kriegswirtschaft‘ höchstens noch historische Bedeutung erlangen“ könne und es sich frage, „ob der Grundriß für eine Aufnahme einer solchen Abhandlung geeignet“ sei. Der Beitrag über „Wirtschaft und Krieg“ ist letztlich nicht erschienen.

z. Z. Charlottenburg March-Str.a 7F Verehrtester Freund! Wie denken Sie prinzipiell über die Aufnahme eines Abschnittes „Wirtschaft und Krieg“ in den G.d.S.Ö.? Eigentlich dürfte er nicht fehlen. Ich würde der Ansicht sein, in erster Linie Eulenburg, der darüber sehr viel gearbeitet hat, zu fragen (habe dies unverbindlich soeben gethan),1 – in zweiter Dr Neurath, Wien, der ebenfalls darüber arbei-

a O: March-St. 1 Ein entsprechendes Schreiben an Eulenburg ist nicht nachgewiesen.

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tet,2 nicht ganz so erfahren, aber auch sehr tüchtig ist (habilitiert sich bei Bücher).3 Wie gesagt, Eulenburg geht m. E. unbedingt vor, – aber auch Neurath wird Gutes leisten, dessen bin ich durchaus sicher. Ich habe den „Plan“ des G.d.S.Ö. nicht hier,4 kann daher jetzt nicht sicher sagen, in welcher Abteilung der Abschnittb am besten aufzunehmen wäre. Aber das findet sich, sobald das Prinzip feststeht. Am besten wohl in das letzte Buch.5 Lotz fragte an, wie es mit dem Druck seines Abschnitts stehe?6 Mit herzlichem Gruß! Ihr ergebenster Max Weber

b 2 Otto Neurath hatte sich schon vor dem Kriege intensiv mit dem Thema „Kriegswirtschaft“ beschäftigt und diverse Aufsätze darüber veröffentlicht, u. a.: Probleme der Kriegswirtschaftslehre, in: ZGS, Jg. 69, Heft 3, 1913, S. 438 – 501, Die Kriegswirtschaftslehre als Sonderdisziplin, in: Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 1, 1913, S. 342 – 348, sowie eine Literaturübersicht zur Kriegswirtschaft, in: AfSSp, Bd. 39, Heft 1, 1914, S. 197 – 215. 3 Die Habilitation Otto Neuraths in Leipzig ist nicht zustande gekommen; Neurath habilitierte sich ein Jahr später, 1917, in Heidelberg. 4 Die Einteilung des Gesamtwerkes, wie sie 1914 vorgesehen war, findet sich abgedruckt in: MWG II/8, S. 820 – 823. 5 Das letzte – fünfte – Buch des GdS trug den Titel „Die gesellschaftlichen Beziehungen des Kapitalismus und die soziale Binnenpolitik im modernen Staate“. 6 Webers Frage blieb unbeantwortet. Walther Lotz war der Bearbeiter des GdS-Artikels „Allgemeine Theorie der Preisbildung im Transportwesen“. Das Manuskript war vertragsgemäß 1912 an den Verlag geschickt worden; vgl. dazu den Brief Oskar Siebecks an Walther Lotz vom 2. Aug. 1912 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 334). Jedoch unterblieb der Druck, da der Verfasser des Beitrags über „Transportwesen“, Kurt Wiedenfeld, mit der Manuskriptablieferung im Verzuge war und blieb; zu den Problemen der Fertigstellung von Wiedenfelds Artikel vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 5. Mai 1913 (MWG II/8, S. 230 f., Anm. 30). Der Beitrag von Lotz ist nicht erschienen, da er in den 1920er Jahren auf eine Veröffentlichung verzichtet hat.

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Paul Siebeck PSt 14. April 1916; Charlottenburg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Die Karte steht in Zusammenhang mit der projektierten, aber nicht zustande gekommenen Veröffentlichung des neu hinzugekommenen Beitrags zum GdS „Wirtschaft und Krieg“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck, vor dem 14. April 1916, oben, S. 384.

Charlottenburg March-Str.a 7F Verehrtester Freund Professor Dr Franz Eulenburg ist im Prinzip bereit, den Artikel „Wirtschaft und Krieg“ zu schreiben. Würden Sie ihm – Leipzig, GrassiStr. 9 – falls Sie einverstanden sind,b einc Vertrags-Exemplar zur Kenntnis zuschicken und mir mitteilen, wie viel Raum wir ihm etwa einräumen sollten.1 Es wird sicher etwas Gutes. Ich stelle aber die Entschließung ganz Ihnen anheim[.] Mit herzlichem Gruß! Ihr Max Weber.

a O: March-St.

b

c den > ein

1 In der Antwort des Vertreters von Paul Siebeck, Richard Wille, vom 18. April 1916 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) ist von möglichen 10 – 12 Druckbogen die Rede, ohne jedoch damit eine Entscheidung Eulenburgs präjudizieren zu wollen.

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Marianne Weber PSt 15. April 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Samstag“ erschlossen.

Samstag Liebes Mädele

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heut ist der Geburtstag der Mutter, – Clara und ich haben ihr einen ganzen Hümpel Gemüseconserven geschenkt, wozu ich 60 Mk beigesteuert habe. Sie ist so frisch wie je und heut Abend ist Geburtstagsgesellschaft – ganze Familie incl. Artur der hier ist und Lisa v. Ubisch. – Dienstag früh fahre ich also mit Lili1 und bin Freitag Abend bei Dir, bleibe bis Mittwoch nach Ostern. – Gestern bei Riehl’s,2 sie hatte mich sehr dringend bitten lassen. Eine volle Stunde sprach und rätselte sie über Frieda3 und sich, – es wurmt in ihr und der Grund war schließlich immer: daß Frieda sie dem Otto Gr[oss] „preisgegeben“ habe. Alles Andre bedeute nichts, sie habe ja doch noch nach Friedas Lebenswandel sie ganz ebenso wie früher besucht u.s.w. Otto aber habe erklärt: ihre Liebe zu ihm sei nur dann „echt“, wenn sie sich darin ausdrücke, daß sie ihm Geld zukommen lasse. Das sei so gemein gewesen und das hätte Frieda nicht decken dürfen. U.s.w. – Hensel war auch kurze Zeit da. Riehl selbst ist unverändert. Auch sie sieht jetzt weitaus besser aus als früher. Donnerstag Abend war ich mit Alfred Jaffé4 zusammen. Er ist ruhiger als früher, aber noch der Alte, – man sucht immer einen Tisch zwischen sich und ihn zu bringen, sonst rückt er Einem auf den Bauch und spuckt Einem ins Gesicht. Es wurde viel politisiert, dann aber wollte er mich noch auf Edgar J[affé]’s neue Zeitschrift5 anreden, die dieser

1 Max Weber begleitete seine Schwester Lili nach Ostpreußen zum Grab ihres Mannes, Hermann Schäfer. 2 Max und Marianne Weber waren mit dem Philosophieprofessor Alois Riehl und seiner Frau Sophie seit der Freiburger Zeit bekannt. 3 Frieda Gross, Nichte von Sophie Riehl. 4 Älterer Bruder von Edgar Jaffé. 5 Es handelt sich um die von Heinrich v. Frauendorfer und Edgar Jaffé seit April 1916 herausgegebene Wochenschrift „Europäische Staats- und Wirtschaftszeitung“.

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übernehmen müsse, da sie nicht gehen wolle. Ich riet ab, er will mich aber nochmals drüber sprechen. Von seinen Kindern ist die Tochter gestorben, der Sohn 14 Jahre alt. Er ist von Monaco nun wieder hierher gezogen. – Was für alte Erinnerungen aus fernsten Zeiten! – Frau Riehl expektorierte sich übrigens auch über Frau Tröltsch, mit einigem Entsetzen. Tr[oeltsch] hatte sie weitgehend informiert über seine Schwierigkeiten. Tobelchen6 schreibt, Ihr hättet den Jack Johnson7 umhergeschleppt, jetzt aber einen schönen Platz gefunden, – nun ich bin begierig: wo? Sonst ist nichts zu vermelden. Ich bin ganz vergnügt, daß ich nun mal was Andres erleben werde als dies Herumsitzen hier, und wenn es nicht ganz anders wird, bleibe ich nur bis Pfingsten und keinenfalls länger. – Morgen will ich noch zu Frau Ansorge, die darum bat. Laß Dirs gut gehen, liebes Peterle, und strapaziere Dich jetzt nicht noch zu arg! Es küßt Dich Dein Max

6 Mina Tobler. 7 Gemeint ist eine Statuette von Hermann Haller. Vgl. die Briefe an Marianne Weber vom 2., 16., und 21. März 1916, oben, S. 315, 345 und 351.

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Mina Tobler PSt 22. April 1916; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Samstag“ erschlossen.

Samstag Liebes Tobelkind, –

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gestern Abend, nach einer Fahrt von Ostpreußen hierher,1 fand ich Ihr Geschenk.2 Ich kenne das Buch noch nicht, liebe aber den Autor sehr und freue mich darauf es auf der „Heimreise“ – Mittwoch oder Donnerstag – zu lesen. Seltsam, daß mir „Heimreise“ in die Feder fließt, obwohl ich in Berlin nicht das mindeste Heimatgefühl habe und alle Umstände recht wenig „heimelig“ sind, – es muß doch wohl die Mutter sein, die das macht. Die Fahrt nach Ostpreußen war im sehr überfüllten Zuge grade kein Genuß, – aber notwendig und, da es warm war und das Wetter sich hielt, nicht allzu strapazant. Die Eindrücke waren eigentümlich, aber mehr in der nicht leicht formulierbaren Färbung als im Inhalt. Solch ein Grab auf dem Sturzacker, zusammen mit 30 Kameraden, als Hintergrund nach der einen Seite ein Tannenwäldchen, nach der andren das wellige Ackerland des Schlachtfeldes, ist eine eigne Sache, – bei einem Menschen, dessen Leben etwas ins Leere lief,3 fast symbolisch, daß es hier im Unbekannten mündete. Das kleine „Dorf“ – wie alle diese Dörfer durch Auseinandersiedelung bei der Verkoppelung jeden plastischen Einheitscharakters beraubt und über die Flur zerstreut – halb polnisch (mehr als die Hälfte der Einwohner haben den gleichen adligen Namen, ein verarmtes und parzelliertes adliges Gut), mit dem Lehrer als der autoritären Person, – durch eine 1 Max Weber hatte seine Schwester Lili Schäfer begleitet, um das Grab ihres 1914 bei Tannenberg gefallenen Mannes aufzusuchen. 2 Mina Tobler hatte Weber zu seinem Geburtstag am 21. April ein Buch, vermutlich von Knut Hamsun, geschenkt. Vgl. den Brief an Mina Tobler vom 25. April 1916, unten, S. 397. 3 Für Hermann Schäfer hatten sich die Hoffnungen auf einen Lehrstuhl an der Technischen Hochschule in Dresden zerschlagen. Seine Stellung als Hilfsarbeiter im preußischen Ministerium für öffentliche Arbeit und als Regierungsbaurat an verschiedenen Orten war finanziell für die sechsköpfige Familie eng bemessen. Vgl. die Briefe an Lili Schäfer vom 26. Juli 1911 und 6. Oktober 1912 (MWG II/7, S. 252 und 686 f.).

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Klingelbahn mit der Hauptstrecke verbunden, gehört auch in dies Bild. Es war gut und auch nötig, daß ich mit war, allein in dieser Dorfkneipe die Nacht und den Tag wäre etwas viel für die kleine Schwester4 gewesen, die doch recht zart ist, wie man denken kann. So blieb sie ganz gut gefaßt und ruhig. Und Sie? Heut ist Ihr „Sabbath“5 und ich sitze nun hier und kann in das „goldene Himmelreich“ da droben nicht hinein, höre keine Töne aus Ihrem Flügel und kann mich nicht an dem Spiel der Abendsonne auf den Wänden freuen. Statt dessen bin ich „ein Jahr älter“ geworden. Nun ich hoffe, Sie merken Das beim Wiedersehen nicht, zu Pfingsten, und wünsche uns Allen, daß, wenn ich wieder das gleiche Schicksal habe, ein guter Friede eingekehrt ist, – so fern wir davon auch heute noch sind. Den „Jack Johnson“6 hat man jetzt auf meine Heizung gestellt. Ich muß mir doch sehr überlegen, ob er da bleiben soll. Richtig ist, daß er in den Saal nicht paßt. Grüßen Sie bitte Herrn Haller7 sehr, ich sehe ihn ja leider nicht, wenn er erst am 2.V. kommt. Und seien Sie selbst herzlich gegrüßt, in dem starken Wunsch, daß Sie wohl und kräftig hierher zurückkehren und daheim Alles möglichst gut gefunden haben. Ihr Max Weber

4 Lili Schäfer. 5 Samstags pflegte Max Weber Mina Tobler in Heidelberg zu besuchen. 6 Gemeint ist die Statue des Schweizer Künstlers Hermann Haller, die Weber gekauft hatte. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 2. März 1916, oben, S. 315. Marianne Weber gefiel die Staue nicht. Als diese in Heidelberg eintraf, schrieb sie an ihren Mann am 12. April 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446): „Gott soll mich bewahren ist das ein Kerl!! [...] Ich sehe freilich, daß dieser Jack mit seinem Negerkopf und dem Boxer-Armen in seiner frechen und gelassenen Haltung ein Kunstwerk ist, aber in unsren Saal eingeladen hätte ich ihn freilich nicht! [...] Kalt und nackt und gemütlos wie er ist.“ 7 Hermann Haller war mit Mina Tobler bekannt.

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Paul Siebeck 23. April [1916]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus dem Briefinhalt sowie dem Verlagsvermerk: „26./4.16.“. Der Brief steht in Zusammenhang mit der projektierten, aber nicht zustande gekommenen Veröffentlichung des neu hinzugekommenen Beitrags zum GdS: „Wirtschaft und Krieg“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck, vor dem 14. April 1916, oben, S. 384.

Heidelberg 23. IV. Verehrtester Freund, –

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Eulenburg ist bereit. Er fragt, um Vorschläge über Inhalt und Umfang zu machen, nach dem wünschenswerten Zeitpunkt des Erscheinens: im Krieg oder nach dem Krieg? Wie denken Sie darüber?1 Mit besten Empfehlungen Ihr ergebenster Max Weber „An sich“, schreibt E[ulenburg], könne er bis Herbst fertig werden. (Sagen wir vorsichtshalber: bis Weihnachten).

1 In seiner Antwort vom 26. April 1916 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) schrieb Richard Wille, daß nach seiner Meinung Siebeck „den Abschnitt auch im Kriege erscheinen lassen möchte, wenn der Krieg bis zur Fertigstellung des Manuscriptes noch andauert und die technische Herstellung, sowie die Beschaffung des erforderlichen Papieres im gegebenen Moment überhaupt möglich ist. Ich denke somit, daß Herr Dr. Paul Siebeck denjenigen Termin acceptieren wird, den Herr Professor Eulenburg für die Fertigstellung in Aussicht stellen kann.“

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Helene Weber 23. April [1916]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 257 – 260 Das Jahr ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 23.IV. Liebe Mutter! Heut morgen brachten mir die Kinder ein „Ständchen“, – sehr niedlich, unter Clärchen’s1 Regie und Direktion. Die Situation: daß ich zum Gegenstand einer „Feierlichkeit“ gemacht wurde, wara für mich, wie Ähnliches stets, etwas verlegen, – daß sogar Lili sich auf den Pegasus geschwungen hatte – ! – indessen es war sehr nett und ich rücke damit fühlbar in den Kreis der „alten“ Onkels, von denen bei „Max und Moritz“2 und in der „Frommen Helene“3 die Rede ist. („Onkel heißt er günst’gen Falles – aber dieses ist auch Alles“).4 Sage Lili schönsten Dank.5 Den Kindern, auch dem Albert, muß man gut sein. Aber daß sie L[ili] offenbar doch sehr strapazieren, besonders der Junge,6 ist recht schlimm. Es ist so schwer, ihr etwas zu rathen. Gegen das Kadetten-Haus werden ihre Bedenken wohl steigen[.]7 – Die Hauptsache wäre: daß sie selbst diese Schwierigkeiten mehr „an sich heran kommen“ ließe und sich nie erregte (was natürlich eine Nerven- und also eine Gesundheits-Frage von ihrer Seite ist). Denn dies wirkt, wie beim Vorgesetzten in der Compagnie, so überall bei Autoritätsverhältnissen schädlich auf die Beziehung. Die Kinder hängen ja offensichtlich leidenschaftlich an ihr, – eben deshalb a ist > war 1 Gemeint ist Clara Schäfer, die einzige Tochter von Lili Schäfer, die Max Weber mit einer Dichtung ihrer Mutter und unterstützt von ihren Brüdern nachträglich zum Geburtstag gratulierte. 2 Gemeint ist „Onkel Fritz“ aus „Max und Moritz“, in: Busch, Wilhelm, Max und Moritz. – München: Braun und Schneider 1865, 47. Aufl., o.J. [ca. 1899], S. 30 – 38. 3 Gemeint ist „Onkel Nolte“ aus „Die fromme Helene“, in: Wilhelm Busch-Album. – München: Fr. Bassermann o.J. [ca. 1915], S. 3 – 44. 4 Zitat aus Busch, Wilhelm, „Julchen“, ebd., S. 143. 5 Lili Schäfer war auf der Rückreise von Ostpreußen (vgl. unten, S. 393, Anm. 9) nach Heidelberg noch ein paar Tage in Berlin geblieben. 6 Albert Schäfer hatte große Schulprobleme. 7 Vgl. dazu den Brief an Lili Schäfer vom 9. April 1916, oben, S. 378 f.

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aber ist ihre Fügsamkeit und die Erhaltung ihres Vertrauens sehr stark davon abhängig, daß Lili diese kleinen und großen Unarten „kühl“ nimmt, bei aller Energie. So wenigstens kommt es mir bei Erinnerung an unsre Kindheit vor. – Indessen: der Außenstehende hat gut reden! Lili hat die Probleme täglich um sich und es wäre sehr anmaßend, ihr da „Ratschläge“ zu geben. Auch kenne ich die Kinder eben doch erst unvollkommen und die Entfernung ist etwas weit!8 Ich habe nur das bestimmte Gefühl, daß Lili noch einige Jahre des Einlebens in das doch stark veränderte Leben braucht, um – einfach: nervös – diesen Schwierigkeiten ohne übermäßige Belastung trotzen zu können. Sie muß sich wohl jedenfalls viel „Kinderferien“ verschaffen. Die Fahrt nach und von Ostpreußen9 war – abgesehen von meiner groben Unaufmerksamkeit bei der Rückfahrt10 – gut, auch für meinen – nicht durch „Arbeit“, sondern durch unbefriedigende „Halb“-Arbeit – sehr stumpf und müd gewordenen Kopf. Nur war ich – wie in letzter Zeit immer – etwas zum Schweigen geneigt. Dieser Eindruck da oben: das Grab auf dem Sturzacker, das kleine seltsame „adlige Dorf“, ganz aus der Façon gegangen durch Abbau, die „Weltferne“, in welcher dies eigentümlich belastete Leben hier, in einer letzten „Befreiung“ von dem Druck der allzu vielen „Aufgaben“ zu Ende ging, in schöner und sinnvoller Art, – dies Alles und viele Erinnerungen bewegten mich mehr, als ich in Worten auszudrücken vermochte und auch die Neigung hatte. Für die Kinder wäre jetzt der Eindruck noch nichts gewesen. Ich komme, denke ich, Donnerstag Abend. Würde ich denken, daß ich Lili noch träfe, so käme ich Mittwoch. Aber das ist wohl nicht der Fall? Berta11 war wieder hier, nach – im Ganzen – recht befriedigendem Eindruck – und Linchen12 hat sich wirklich gut gemacht. Laura H[ausrath] ist in vorzüglicher Verfassung, verglichen mit der Zeit, als ich fortging, – Lilli H[ermann] etwas schmal und jetzt mit einer Halsinfektion geplagt. 8 Gemeint ist zwischen der Wohnung Webers und der seiner Schwester in Heidelberg. 9 Max Weber hatte seine Schwester Lili Schäfer nach Ostpreußen begleitet, um dort das Grab ihres im August 1914 gefallenen Mannes aufzusuchen. 10 Um was es sich dabei handelte, ist nicht nachgewiesen. 11 Bertha Schandau, Dienstmädchen bei Max und Marianne Weber. 12 Lina (Linchen), Haushaltshilfe bei Max und Marianne Weber.

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Marianne fand ich sehr gut vor. Ihr unerschöpflicher Fundus von tiefer seelischer Heiterkeit hilft ihr immer wieder und wird ihr helfen, was auch kommen mag. Mich freut es zu merken, daß sie sich offenbar mit Lili sehr gut versteht, ohne alle Mühe. Das ist – wenn auch Lili später sicher von Alfred viel haben wird – doch gut für die kleinen Dinge des „Alltags“, die schließlich das Leben, auch der Seele, bestimmen. Liebe Mutter, hier erst merke ich, wie Du mich mit Deiner Küche verwöhnt hast! Es ist mir nur allzu klar, daß Du, wenn ich da bin, sicher völlig anders kochen lässest, als wenn Du allein bist – und das ist denn doch wirklich nicht richtig. Ich werde mich jetzt in Berlin mal auf Fasten-Portionen setzen, da ich meine Frühjahrs-Hungerkur in Ascona schon 2 Jahre nicht gehabt habe. Ich lasse es mir viel zu gut bei Dir schmecken! Bis Pfingsten also bleibe ich noch in Berlin. Dann aber werde ich fortgehen, da offenbar keine wirklich für mich geeignete Arbeit sich findet und Naumann anderweit versorgt sein wird.13 Auf gesundes und gutes Wiedersehen mit herzlichen Grüßen Euer Max

13 Weber bezieht sich auf seine Mitarbeit im „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“.

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Helene Weber 24. April 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 261 – 262

Heidelberg 24/IV 16 Liebe Mutter, –

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heut kam Dein Brief. Habe vielen Dank. Aber Du sprichst wieder von Dem, was Du „mir nicht bieten“ könntest. Wie seltsam – wo die Sache doch grade umgekehrt liegt. Ich meinerseits war nicht in der Lage, geistig und gemütlich viel herzugeben, und das liegt in den Umständen. Es ist ja doch eine eigentümliche Lage: ich glaube, von allen Deinen Söhnen hatte ich die stärksten angeborenen „kriegerischen“ Instinkte, und da ist es eine schiefe und unbefriedigende Lage, jetzt nicht brauchbar zu sein für Das, was in erster Linie not thut, und dann nicht einmal eine wirklich ausfüllende und zweifellos nützliche Verwendung finden zu können. Ich halte an sich, mit Maeterlinck, viel vom „ZusammenSchweigen-Können“,1 aber aucha jene etwas schwierige Lage, so sehr es gegen den Geschmack geht, angesichts der fürchterlichen Opfer, die Andre bringen, davon noch Worte zu machen, schließt Einem den Mund, zumal wenn man unter dem Druck bevorstehender schwerer Gefahren des Landes steht. Nun diese Gefahren Thatsachen geworden sind – denn ein friedlicher Ausgleich erscheint schwer denkbar und wäre wohl nur ein Aufschub – ist Das anders: es hat keinen Zweck mehr über diese Dinge und ihre Vermeidbarkeit zu grübeln. Und da ich jetzt entschlossen bin, auch die Konsequenz zu ziehen und, wenn man mich nun einmal nicht braucht resp. nicht zu etwas Nötigem braucht, einfach „Schluß“ zu machen und ruhig zu werden, bis ich vielleicht doch wirklich nützlich sein kann (was jetzt kaum der Fall war!), so werde ich weit weniger gedrückt wiederkommen als ich war. Natürlich war mir ja in der hiesigen Arbeit2 wohler, sogar sehr wohl, obgleich sie wirklich jeder Inspektor geleistet hätte – aber: das warb ja a

b ist > war

1 Gemeint ist das 1. Kapitel „Vom Schweigen“, in: Maeterlinck, Maurice, Schatz der Armen, 3. Aufl. – Jena: Eugen Diederichs 1906. 2 Weber bezieht sich auf die Einrichtung von Lazaretten in Heidelberg, mit der er von Kriegsbeginn bis zum 1. Oktober 1915 beschäftigt war.

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einerlei! Diese Berliner Sache3 war (und bleibt sicher) ein Zeitvertrödeln und -Verschwatzen mit allerhand Menschen, ohne das Gefühl, etwas zu stande zu bringen. – Also Du irrst Dich sehr, liebe Mutter, und – was wichtiger ist – Du wirst das auch merken. Herzliche Grüße Dein Max

3 Gemeint ist der „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“.

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25. April 1916

Mina Tobler PSt 25. April 1916; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen.

Oster-Dienstag Liebes Tobelkind, –

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ich habe nun den Hamsun1 gelesen, schreibe aber erst nach einigem weiteren „Überlegen“ darüber, also nächste Woche. Jedenfalls ein prachtvolles Buch, nicht ganz so reich wie der „Pan“,2 aber von gewaltiger Intensität. – Doch für heut genug darüber. – Gestern oder vielmehr: vorgestern (Ostersonntag) früh brachten mir Lili’s Kinder ein „Ständchen“. Man muß diesen Kindern gut sein, obwohl sie meine Schwester in übler Art strapazieren, so sehr, daß sie von Zeit zu Zeit immer der Absonderung und Erholung bedarf. Carl’s Braut,3 die auch hier ist, ist schmal und zart geworden, schläft noch immer nicht ohne Schlafmittel und kommt über den Verlust nicht hinweg, schließt sich ab vora allen Bekannten und ich fürchte, sie kommt gar nicht recht mehr in den „Alltag“ des Lebens (앚:auch:앚 hier nicht im Sinn der „täglichen Pflichten“ – die sie vorzüglich erfüllt – gemeint) hinein, wenn das so weiter geht. Ich will gleich nachher einmal hin und mit ihr reden. Aber es ist schwierig, denn ich „verstehe“ es so gut, halte es nur für verkehrt. Nachmittags war vorgestern und gestern Rickert hier, das eine Mal mit Gothein’s, Lederer’s, Dr Baumgarten (Freund v[on] Lukács), das andre Mal mit Schmid’s zusammen. Wenn nur erst seine Frau4 wieder in anderer Verfassung ist, – sie ist uns näher als er und ein innerlich ungewöhnlich hochstehendes selten nettes Wesen mit einem unerhört schweren und opfervollen Leben und einer zur Nicht-Entfaltung ver-

a Alternative Lesung: von 1 Der Titel des Buches ist nicht nachgewiesen. Es handelte sich wahrscheinlich um das Geburtstagsgeschenk von Mina Tobler; vgl. den Brief an Mina Tobler vom 22. April 1916, oben, S. 389. 2 Knut Hamsuns Roman „Pan“ erschien 1894 und wurde 1895 ins Deutsche übersetzt. 3 Martha Riegel. 4 Sophie Rickert.

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urteilten Künstlerseele. – Braus’ sah ich am Samstag Abend noch schnell, ehe sie abreisten, – er schien gründlich heruntergewirtschaftet zu sein und sie5 etwas angespannt. Nun hoffe ich herzlich, daß Sie in Zürich weiter so große Eindrücke – gleichviel welcher Art – mitnehmen können, wie jüngst aus der „Matthäus-Passion“ – nein, ich kenne sie leider nicht! Ich danke Ihnen für all Das, was Sie davon schrieben und was mich aufrichtig erfreut hat; es wird ja später die Zeit kommen, wo man das hier auch einmal haben und wieder unbefangen genießen kann. Das könnte ich jetzt nun einmal schlechterdings nicht, und leider dehnt sich nun die Zeit weiter ins Unabsehbare, bis man es wieder können wird. – Deutschland wird nicht klein gekriegt werden, aber die Lage wird sehr schwer, wirtschaftlich namentlich. Der Jack Johnson6 steht nun bei mir und ich freue mich an ihm, obwohl er allerdings in unser Milieu nicht gut paßt. Leben Sie für heut wohl, halten Sie Sich gut – Ihr Brief klang ja verhältnismäßig leidlich – und kommen Sie gesund zurück. Pfingsten bin ich, denke ich, wieder dauernd hier. Ihr Max Weber

5 Elisabeth (Lisbeth) Braus. 6 Gemeint ist die Statue von Hermann Haller. Vgl. den Brief an Mina Tobler vom 22. April 1916, oben, S. 390, Anm. 6.

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Marianne Weber PSt 30. April 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Sonntag“ erschlossen.

Sonntag Liebes Mädele, –

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nur einen Gruß, – ich hatte schlechte Nächte und verpuste mich davon erst allmälig. Hier ist nichts Besonderes verändert. Schellhaß1 wohnt hier – fährt morgen fort –, Ernst2 ist in Warschau zu einem medizinischen Kongreß, das Wetter wunderschön und die Mutter im Ganzen recht frisch. Alles stockt in Erwartung der Art, wie der Amerika-Konflikt gelöst werden wird.3 Gelöst muß er ja werden, das Gegenteil wäre ja leichtfertig. Es giebt halt irgend eine verhüllte Blamage für uns, das ist nicht zu ändern. Warum haben wir uns so in die Brust geworfen, wo wir wissen mußten, daß wir dann doch nur die Faust in der Tasche ballen könnten. Da ist es gut, daß der irische Aufstand4 und die englische Niederlage in Mesopotamien5 den Gegnern auch Nackenschläge geben. Killarney, Kilkee u.s.w. – all diese Namen von vor 20 Jahren tauchen auf.6 Weißt Du noch den Pferdejungen und die Ruderer in den Lakes of Killarney und dem Gap of Dunloe. Dort ist jetzt Aufstand. Ebenso in dem öden Dublin – was war es für eine greuliche Stadt! Mir ist der Eindruck sehr lebendig geblieben von damals her. Geschieht 1 Der Historiker Karl Schellhaß war ein Jugendfreund von Max Weber, aber auch mit Helene Weber bekannt. 2 Ernst Mommsen. 3 Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Gottlieb v. Jagow vom 10. März 1916, oben, S. 327 f. 4 Gemeint ist der „Osteraufstand“ vom 24. April 1916. Er wurde von der irischen Unabhängigkeitsbewegung in Dublin geführt, die die irische Republik ausrief. Die britische Armee schlug den Aufstand nieder. 5 Am 29. April 1916 hatten die Türken Ku¯t-el-Ama¯ra eingenommen. Die Engländer waren vom Persischen Golf gegen Bagdad vorgedrungen, ihre Truppen waren zur Kapitulation gezwungen worden. 6 Anspielung auf die Reise nach England, Schottland und Irland, die Max und Marianne Weber im Herbst 1895 unternommen hatten. Vgl. Weber, Marianne, Lebensbild3, S. 218 – 228.

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den Engländern schon recht! Aber die armen Kerls von Iren werden ja nichts erreichen – woher sollen sie Munition nehmen? Immerhin muß England Truppen hinschicken und dort halten. Naumann ist noch fort, soll noch recht elend sein, kommt Mittwoch. Ginge er doch zu Fränkel!7 Der gute Düring8 ist da doch kein Ersatz. Für heut leb wohl, liebes Peterle es küßt Dich Dein Max

7 Albert Fraenkel war ein angesehener Internist in Heidelberg, den Weber Friedrich Naumann schon in seinem Brief, vor dem 25. März 1916, oben, S. 357 f., empfohlen hatte. 8 Gemeint ist der Mediziner Ernst v. Düring. Er leitete das Sanatorium „Weißer Hirsch“ bei Dresden, in dem Marianne Weber 1908 Erholung gesucht hatte.

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Franz Boese [Ende April 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 196, Nr. 100, Bl. 274 Die Datierung ist erschlossen aus einem handschriftlichen Vermerk von Franz Boese, dem Schriftleiter des Vereins für Sozialpolitik: „Ende April 1916“.

Ch’burg March-Str.a 7F Sehr geehrter Herr Doktor!

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Ich mußte so viel ändern, daß der ganze Ton und Inhalt arg verschoben ist.1 Aber hätte ich nicht nunmehr, entsprechend den Streichungen des ausführlich Gesagten, kurz Angedeutetes weiter ausgesponnen, so wäre das Ganze eine absolute Nichtigkeit gewesen. Ich sprach mit Herrn Coll[egen] Herkner darüber, der der gleichen Ansicht war. –

a O: March-St. 1 Am 6. April 1916 war es auf einer Ausschußsitzung des Vereins für Sozialpolitik in Berlin u. a. zu einer Aussprache über den Gegenstand der letzten Publikation des Vereins über „Die wirtschaftliche Annäherung zwischen dem Deutschen Reiche und seinen Verbündeten“ gekommen. Über den Verlauf dieser Diskussion heißt es im entsprechenden Protokoll: „Die Aussprache wird stenographisch aufgenommen. Nach ihrer Beendigung stellt der Vorsitzende [Heinrich Herkner] die Frage an den Ausschuß, ob wohl eine Veröffentlichung der stenographischen Aufnahme ins Auge zu fassen sei. Eine kleine Debatte, an der sich die Herren Wiedenfeld, Diehl, Max Weber, Frhr. v. Berlepsch und Fuchs beteiligen, zeigt, daß die Meinungen geteilt sind. An sich sind alle Redner für die Veröffentlichung, es wird nur befürchtet, daß diese aus politischen Gründen nicht ratsam sei, vielleicht auch von der Zensur nicht freigegeben werden würde. Der Vorschlag des Vorsitzenden, daß zunächst jeder Redner seine Ausführungen im Hinblick auf die politischen Rücksichten überarbeiten oder kürzen und daß außerdem der Vorstand ermächtigt sein soll, aus den gleichen Rücksichten noch weitere Kürzungen vorzunehmen, bei eintretender Notwendigkeit aber ganz von der Veröffentlichung abzusehen, findet Annahme. Die Veröffentlichung der Aussprache wird mit dieser Maßgabe durch Mehrheit beschlossen.“ Hier zitiert nach: Protokoll der Sitzung des Ausschusses am 6. April 1916 im Preußischen Herrenhause zu Berlin, S. 2 (BA Koblenz, Nl. Max Sering, Nr. 155). Webers überarbeitete Diskussionsbeiträge sind abgedruckt in: Die wirtschaftliche Annäherung zwischen dem Deutschen Reiche und seinen Verbündeten (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Bd. 155, Teil 3: Aussprache in der Sitzung des Ausschusses vom 6. April 1916 zu Berlin, hg. von Heinrich Herkner). – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1916, S. 28 – 37, 42, 57 – 59 (MWG I/15, S. 134 – 152).

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Ende April 1916

Mir thut es leid, daß der Ausschuß Ihnen das Zwangs-Mandat der Publikation dieser nur durch ihre Intimität einen gewissen Werth besitzenden Ausspracheb gegeben hat. Besten Gruß Max Weber

b Alternative Lesung: Aussprachen

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Marianne Weber 2. Mai [1916]; [Charlottenburg] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahr und der Ort sind aus dem Briefinhalt erschlossen. Seit Ende April 1916 war Max Weber wieder in Berlin.

2/V Liebes Schnauzel, –

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Einen schönen Gruß! Ich gehe heut zu Strindberg („Traumspiel“,1 im Königgrätzer Theater), bin sehr begierig. Sonst nichts Besondres zu berichten. Mit Amerika geben wir also nach2 – aber wieder nicht mutig und offen und ohne Rückhalt, sondern mit „Wahrung des Gesichts“, das ist das Bedauerliche. Diese Kerle haben weder Augenmaß noch Würdegefühl. Es ist schon arg. Und daß sie uns diesen bösen Echec3 einbrockten[,] ist doch unverzeihlich und sehr traurig. Jeder konnte damals, als diese verdammten Interviews4 kamen, sehen, was passieren mußte. Warum nur diese Leute nicht? In Wahrheit aus feiger Angst vor den Konservativen. Jetzt wo es Ernst wurde, verkrochen sich die Schwadroneure alle in ihre Mauselöcher. Das soll dieser Bande unvergessen bleiben! Es wird schwer sein, den deprimierenden Eindruck

1 Strindberg, August, Traumspiel. – Leipzig: Seemann 1903. Das ursprünglich nach Friedrich Hebbel benannte Theater wurde 1911 in Theater in der Königgrätzer Straße umbenannt und trägt heute wieder den Namen Hebbel-Theater. 2 Am 2. Mai 1916 hatte der Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Gottlieb v. Jagow, im Reichstag über die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten gesprochen. Diese hatten in ihrer Note vom 20. April 1916 unter Bezugnahme auf die warnungslose Torpedierung des Passagierdampfers Sussex am 24. März 1916, wobei amerikanische Staatsbürger getötet und verwundet worden waren, gegen die Praxis des „verschärften“ U-Boot-Krieges protestiert und gedroht, die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abzubrechen. In der am 4. Mai 1916 veröffentlichten Antwortnote versicherte die deutsche Regierung, die Regeln des sogenannten Kreuzerkrieges einzuhalten und damit den amerikanischen Forderungen nachzukommen. 3 Frz.: Schlappe. 4 Gemeint sind die Interviews des Unterstaatssekretärs Arthur Zimmermann und des Reichskanzlers Theobald v. Bethmann Hollweg Anfang Februar 1916. Vgl. dazu Schulthess 1916, Teil 1, S. 34 und 38, sowie die Briefe an Friedrich Naumann vom 7. Febr. 1916, oben, S. 284, und an Marianne Weber vom 10. und 12. Mai 1916, unten, S. 212 f. und 416.

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abzuschwächen, den das machen muß, nachdem man so von dem „einzigen Weg“ gefaselt hat, der zu einem ehrenvollen Frieden führe! Naumann kommt morgen zurück, dann muß eine Unterhaltung über die hiesige „Arbeit“5 stattfinden. Ich hoffe, ich kann mit Ehren loskommen! Es ist wunderbares Wetter! Aber es wäre gut, wenn bald etwas Regen käme! Wie geht es Dir denn, liebes Peterle? Sag dem Clärchen Schäfer, ich würde den Geburtstagsausflug mit ihm im Sommer machen (sie hat übermorgen Geburtstag)6 und grüße Lili. Es küßt Dich Dein Max

5 Weber bezieht sich auf den „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“. 6 Clara Schäfer wurde am 4. Mai 1916 13 Jahre alt.

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Marianne Weber PSt 3. Mai 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Mittwoch“ erschlossen.

Mittwoch Abend Liebes Mädele

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O Je! das freut mich aber gar nicht!1 Bitte schick allen Besuch, außer Lili, fort und gehe keinenfalls Sonntag herunter.2 Es ist ja ganz klar, daß Du einfach „Ruhe“ brauchst, und nichts als das. Aber bitte frage auch Fränkel3 wegen der Schilddrüse. Recht bald, es ist ja gar kein Grund, das zu verschieben. „Kurgemäßes“ Leben kannst Du ja dann nach Deinem Vortrag4 anfangen, aber es wäre doch gut zu wissen[,] was oder vielmehr ob da was los ist. – Gestern bei Strindberg:5 „unerfreulich“. Indra’s (des indischen Himmelsgottes) Tochter steigt zur Erde und durchlebt nun alles Elend der Menschen und all ihre Torheit. Viel schöne Einzelbilder. Aber alles „Predigt“ und ganz schlechte Technik und rührselige krasse Mittel: ein Alterswerk. Nein, das ist nichts. Das Seltsamste: daß jetzt in dieser Zeit 40 Vorstellungen lang das Theater ausverkauft ist für so eine Sache. Eigentlich fast unbegreiflich und beelendend. Ich sehe hoffentlich noch mal einen besseren andern Strindberg hier. Irene Triesch als Indra’s Tochter, recht begabt. –

1 Marianne Weber hatte in ihrem Brief an Max Weber vom 2. Mai 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) geschrieben, sie brauche Ruhe und Erholung. Im Hotel Kohlhof, oberhalb Heidelbergs gelegen, wolle sie Kraft gewinnen für die Ausarbeitung des Vortrages „Der Krieg als ethisches Problem“, den sie am 3. Juni 1916 in Mannheim anläßlich der 17. Generalversammlung des Vereins „Frauenbildung – Frauenstudium“ halten sollte. 2 D. h. vom Hotel Kohlhof oberhalb Heidelbergs in die Stadt zum „jour“. 3 Albert Fraenkel war Internist in Heidelberg und Marianne Webers behandelnder Arzt. 4 Vgl. Anm.1. 5 Gemeint ist die Aufführung von August Strindbergs „Traumspiel“; vgl. den Brief an Marianne Weber vom 2. Mai 1916, oben, S. 403.

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3. Mai 1916

Haller bist Du doch aus dem Weg gegangen? Das hat ja unter den Umständen keinen Zweck.6 Aber bitte schick Alles fort, was da kreucht und fleucht! Jede „Ausnahme“ hat Konsequenzen und ist zwecklos. Sonst freut mich das schöne Wetter – heut Gewitterregen! – für Deine Kohlhof-Einsamkeit. Morgen wird Naumann zurück sein, ich bin gespannt auf den Eindruck! Es geht ihm schwerlich gut und auch er sollte zu Fränkel gehen!7 Nun ist die Sache mit Amerika vielleicht doch wieder wackelig.8 Der Druck der Konservativen und des Zentrums scheint sehr stark zu sein. Wenn sie nur klare Situationen schüfen! Aber eben dies ist fraglich. Wina9 ist auch hier (bei Mariännchen, die „erwartet“),10 die Mutter sah sie gestern. Nun, wenn Alfred herkommt11 – was ich ihm wahrhaftig gönnen möchte! – dann gehe ich vollends mit bestem Gewissen heim; ich habe keine Lust hier um Arbeit zu antichambrieren. Laß Dir die Ruhe gut bekommen, mein kleines Mädele, es küßt Dich Dein Max

6 Der Bildhauer Hermann Haller, dessen Statue „Jack Johnson“ Weber zerbrochen und deshalb erworben hatte, wollte am 2. Mai 1916 Mina Tobler in Heidelberg besuchen. Vgl. den Brief an Mina Tobler vom 22. April 1916, oben, S. 390 mit Anm. 6. 7 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 30. April 1916, oben, S. 400. 8 Gemeint ist der angedrohte Abbruch der diplomatischen Beziehungen durch die Vereinigten Staaten; vgl. den Brief an Marianne Weber vom 2. Mai 1916, oben, S. 403, Anm. 2. 9 Alwine (Wina) Müller. 10 Marianne Zeeden, geb. Müller, eine Tochter von Alwine Müller, die seit April 1914 mit Konrad Zeeden verheiratet war und in Berlin lebte. Sie stand kurz vor der Entbindung. 11 Alfred Weber kam am 10. Mai 1916 nach Berlin. Er war vom Reichsschatzamt angefordert worden, wurde am 8. Mai vom Frontdienst im Elsaß beurlaubt und am 1. Juli 1916 aus dem Heeresdienst entlassen.

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Paul Siebeck [vor dem 5. Mai 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Datierung erschlossen aus dem Verlagsvermerk: „5./V.16.“ Der Brief steht in Zusammenhang mit der projektierten, aber nicht zustande gekommenen Veröffentlichung des neu hinzugekommenen Beitrags zum GdS: „Wirtschaft und Krieg“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck, vor dem 14. April 1916, oben, S. 384 f.

Ch’burg March-Str.a 7F Verehrter Freund!

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Eulenburg hofft, im November (Ende) liefern zu können. Den Umfang hofft er bald zu bestimmen, – man könnte ja die Zahl der Bogen offen lassen. Ich schrieb ihm, daß Sie bis etwa 10 Bogen zu geben bereit seien.1 Definitives will er am 18. V. etwa schreiben. Herzlichen Gruß! Max Weber

a O: March-St. 1 Richard Wille hatte im Auftrag Paul Siebecks in seinem Brief vom 18. April 1916 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) von möglichen 10 –12 Druckbogen gesprochen; der Brief an Franz Eulenburg ist nicht nachgewiesen.

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6. Mai 1916

Marianne Weber [6.] Mai 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Dem Brief liegt ein Umschlag mit dem Tagesstempel vom 7. Mai 1916 bei. Der Brief ist, wie sich aus der Tagesangabe „Samstag“ ergibt, bereits am 6. Mai 1916 geschrieben worden. Der Ort ist aus dem Briefumschlag erschlossen.

Samstag Liebes Mädele, – schönen Dank für das Briefchen. Hoffentlich aber gehst Du morgen nicht zum „jour“ herunter,1 es ist ja nur Strapazea und kann doch gut unterbleiben. Gestern in Strindberg’s „Kameraden“2 (eine Kameradschafts-Ehe – bissige Kritik der Frauen-Bewegung), blendend gespielt, glänzender Dialog, die Verzerrungen des Sujets vergaß man über der Freude an der Treffsicherheit in künstlerischer Hinsicht. Amüsant das Publikum – viel Feldgraue und Kleinbürger, – diese Erleichterung und Freude der Männerwelt, als die böse emanzipierte Frau so recht den Kürzeren zog! Es war unvergleichlich besser als das „Traumspiel“3 von neulich. Vorher sah ich Naumann. Er muß noch Monate Ruhe haben, ist geistig noch nicht hergestellt, d. h. ganz normal, aber sehr müde und langsam denkend.4 Wenn wir ihn doch, wenn Dein Vortrag5 vorbei ist, einladen könnten! für ein paar Wochen. Dies hemmt natürlich auch alle unsre „Arbeit“ hier.6 Er sagte sich dann für morgen, Sonntag, Abend hier an. Mamas Prophezeiung behielt aber recht: Heute sagte sich die Frau mit an. Damit

a O: Strapatze 1 Gemeint: vom oberhalb Heidelbergs gelegenen Hotel Kohlhof, wo Marianne Weber sich erholte. 2 Strindberg, August, Kameraden. – München: G. Müller 1906. 3 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 3. Mai 1916, oben, S. 405. 4 Friedrich Naumann hatte im März einen Zusammenbruch erlitten; vgl. den Brief an Marianne Weber vom 15. März 1916, oben, S. 343. 5 Marianne Weber wollte am 3. Juni 1916 einen Vortrag halten; vgl. den Brief an Marianne Weber vom 3. Mai 1916, oben, S. 405, Anm. 1. 6 Weber bezieht sich auf die Arbeit des „Ausschusses für Mitteleuropa“.

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verliert das Ganze natürlich jeglichen Wert. Er sollte auch nicht so schwach sein, sondern ihr sagen: „liebes Kind, ich habe Dinge zu besprechen“: Es ist eine doch auch uns gegenüber unglaubliche Aufdringlichkeit dieses dürftigen und widerlichen Wesens. – Nun ist die Amerika-Note da.7 Man merkt, daß sie Zangengeburt ist. Neben sehr guten Partien im Einzelnen doch im Ganzen nur wieder das Bedürfnis: „das Gesicht zu wahren“. Jedermann weiß, daß die einmal gemachte Konzession ohne 앚:sofortige:앚 Kriegsgefahr nicht zurückgenommen werden kann. Jedermann weiß, daß je später je unmöglicher es wird, diesen Krieg zu riskieren. Jedermann weiß, daß inzwischen die Engländer sich verproviantieren. Was soll also diese Verklausulierung, wo nur ein ehrliches: „gut, wir geben nach – nun ist es Sache Eurer Ehre, das ,Völkerrecht‘ auch gegen England durchzufechten“, unser würdig war. Und dann: „äußerste“ Konzession. Immer sich so festzulegen! Es ist recht fraglich, ob uns diese Sache irgendwie vorwärts bringt. – Der Reichskanzler ist sehr nervös herunter und den Sachen gar nicht gewachsen. Am wenigsten den inneren Gegnern, die absolut skrupellos sind. Nun, – wir werden ja sehen! Heut geh ich noch in die Kneipe, ein Stündchen mit Sombart zusammen zu sein. Laß Dir’s recht gut gehen, mein liebes Peterle, es küßt Dich Dein Max

7 Die am 4. Mai 1916 erfolgte Deutsche Note an die USA erklärte die Bereitschaft, zu den völkerrechtlichen Regeln des Kreuzerkrieges zurückzukehren. Bedingung war, daß auch Großbritannien sich zur Einhaltung des Völkerrechts verpflichtete; andernfalls werde sich die deutsche Regierung die Entscheidung vorbehalten. Vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Gottlieb v. Jagow vom 10. März 1916, oben, S. 327 f., und den Brief an Marianne Weber vom 2. Mai 1916, oben, S. 403, Anm. 2.

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10. Mai 1916

Paul Siebeck [vor dem 10. Mai 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Datierung erschlossen aus dem Verlagsvermerk: „ 10./V.16.“

Charlottenburg March-Str. 7F Verehrter Freund! Wenn Lotz einverstanden ist, bin ich es sicher.1 Man wird dann vorn kurz sagen: „daß die Rücksicht auf das Erscheinen dieses Werks den Ausschluß der Finanzwissenschaft aus dem Grundriß bedingt, nun aber mit Zustimmung des Herrn Verf[assers] sein Erscheinen im Rahmen desselben ermöglicht worden sei“. An Eulenburg schrieb ich.2 Ich nehme an, er liefert erst etwa zu 1/1 17. Als Maximalumfang gab ich ihm gemäß Ihrem Brief „10 Bogen“ an. Mit freundschaftlichem Gruß Max Weber

1 Im Namen Paul Siebecks hatte dessen Vertreter Richard Wille am 2. Mai 1916 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) bei Weber nachgefragt, ob es für den Verlag opportun sei, sich an Walther Lotz wegen einer möglichen Publikation von dessen „Finanzwissenschaft“ im Rahmen des GdS zu wenden, weil das Manuskript wegen Platzmangels nicht – wie geplant – im „Handbuch des öffentlichen Rechts“ veröffentlicht werden könne. Letztlich ist das Werk von Lotz jedoch im ursprünglich dafür vorgesehenen Sammelwerk erschienen: Lotz, Walther, Finanzwissenschaft (Handbuch des öffentlichen Rechts, Einleitungsband). – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1917. 2 Der entsprechende Brief an Franz Eulenburg ist nicht überliefert. Es ging dabei um die Publikation des GdS-Artikels über „Wirtschaft und Krieg“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Paul Siebeck, vor dem 14. April 1916, oben, S. 384.

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Paul Siebeck [vor dem 10. Mai 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Datierung erschlossen aus dem Verlagsvermerk: „10.V.16.“

Charlottenburg March-Str.a 7F Verehrter Freund!

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Meine „Soziologie“? Du lieber Gott!1 Ich bin froh, wenn ich jetzt während des Krieges noch Ihnen die Aufsätze über die „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ so fertig stellen kann, daß sie mit der „Protestantischen Ethik“ zusammen herausgegeben werden können!2 Dazu muß etwas mehr wissenschaftlicher „Apparat“ zugefügt, der Text aber gekürzt werden. Das hoffe ich zu leisten. Mehr ist jetzt unmöglich. Nach Pfingsten hoffe ich die hiesige „Arbeit“ (am „Mitteleuropäischen Ausschuß“)3 los zu sein und wieder zu arbeiten. Die Soziologie muß nach dem Krieg fertig gestellt werden.4 Sie wird fertig, davor haben Sie keine Angst. Aber es wäre ewig schade, sie vor der Zeit zu publizieren. Es ist sehr viel Litteratur erschienen inzwischen. Hoffentlich bleibt Ihr Befinden gut! Und auch das Ihres Herrn Sohnes!5 Herzliche Grüße Max Weber a O: March-St. 1 Weber reagiert hier auf eine handschriftlich hinzugefügte Frage Paul Siebecks am Ende von dessen Brief vom 5. Mai 1916 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446): „Wann drucken wir denn Ihre Soziologie?“ 2 Diese Anregung hatte Weber zum ersten Mal in seinem Brief an Paul Siebeck vom 14. Juli 1915, oben, S. 74, gegeben; zur Publikationsgeschichte der „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69. 3 Zur Tätigkeit Webers im „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“ vgl. seinen Brief an Ernst Jäckh vom 25. Jan. 1916, oben, S. 263 – 265. 4 Mit der Fertigstellung der „Soziologie“ bzw. von „Wirtschaft und Gesellschaft“ hat sich Weber seit dem Jahr 1919 beschäftigt; durch seinen frühzeitigen Tod ist das Werk Fragment geblieben. 5 Oskar Siebeck.

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10. Mai 1916

Marianne Weber PSt 10. Mai 1916; Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Mittwoch“ erschlossen.

Ch’burg Mittwoch Liebes Mädele, – schönen Dank für Dein Briefchen. Das war gut, daß Du droben bliebst.1 Ja, – die amerikanische Note hat ja nun die Sache erledigt.2 Aber die Niederlage bleibt auf uns sitzen. Wir haben mit großem Trara s. Z. durch diese Interviews[,]3 die mir so auf die Nerven fielen, die Sache inszeniert, von „Demütigung“ gesprochen u.s.w. – und nun kann die Note Wilson’s feststellen, daß wir genau da stehen, wo wir standen und nichts erreicht haben, außer daß jetzt jeder „Zwischenfall“ doch noch den Krieg bedeuten kann und England die Gelegenheit wahrnahm seine Blockade zu verschärfen. Und unser dummer Vorbehalt, ev. doch wieder ungewarnt zu torpedieren, giebt W[ilson] die Mittel, zu sagen: „ich thue nichts“, sondern warte ab, ob Ihr Euch nun gut benehmt, und dann – wollen wir sehen. Und dann die Sussex-Geschichte:4 dies stupide Leugnen und nachträgliche Eingestehenmüssen ist äußerst fatal. Ich habe keinen Augenblick gezweifelt. Und welch übles Streiflicht zu unsren Ungunsten wirft das auf die „Tubantia“a.5 – Kurz, – diese ganze a O: „Tabentia“ 1 Gemeint ist das Hotel Kohlhof oberhalb von Heidelberg, wo sich Marianne Weber zur Erholung aufhielt. 2 Am 10. Mai 1916 hatten sich die Vereinigten Staaten mit der Deutschen Note vom 4. Mai 1916, in der die Regeln des Kreuzerkrieges bekräftigt wurden, zufrieden gegeben. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 6. Mai 1916, oben, S. 409, Anm. 7, und die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Gottlieb v. Jagow vom 10. März 1916, oben, S. 327 f. 3 Vgl den Brief an Marianne Weber vom 2. Mai 1916, oben, S. 403, Anm. 4. 4 Am 24. März 1916 war der französische Passagierdampfer Sussex mit amerikanischen Zivilisten an Bord torpediert worden. 5 Das holländische Schiff Tubantia sank in der Nacht vom 16. auf den 17. März 1916. Die Reichsregierung bestritt die Torpedierung; vgl. den Brief an Marianne Weber vom 19. März 1916, oben, S. 350, Anm. 9.

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Sache ist überaus betrüblich und die Kerle, die uns diese Niederlage eingebrockt haben, gehören an den Pranger. Denn man mußte wissen, ob man den Krieg mit Amerika riskieren konnte oder nicht, und wenn nicht, dann diese Sache lassen. Der Präsident6 ist sich – in seiner für uns so fatalen Pedanterie – absolut „treu“ geblieben und das ist es, was die Leute hier gar nicht begreifen, daß – Jemand rein formalistisch, wie ein Jurist im Kolleg oder Doktorexamen, Politik treibt und selbst seine Note mit einem Satz schließt, der sicher aus seinem Kollegheft über die Verantwortlichkeit im Völkerrecht stammt. Während wir auf unsre „Realpolitik“ so stolz sind! – aus der wir eine „Theorie“ gemacht haben. Dieser Präsident führt die Politik wie eine juristische Diskussion in einem wissenschaftlichen Streit. – Vielleicht fahre ich nächste Woche einmal nach Wien und Budapest, zu sehen, wie die Polenfrage dort steht. Denn da erfährt man etwas, hier nichts. Alsdann aber habe ich die Sache satt und da jetzt Alfred hier einberufen ist (ins Reichsschatzamt), kann der die Sache machen.7 Ohne „Dienststellung“ ist man – wenn man nicht antichambriert – einflußlos; jedenfalls aber nicht nötig. Und dann sehe ich nicht ein, warum ich mich hier an die Kette legen soll. H[einrich] Simon,8 den ich gestern sprach, hatte Sofie Rickert wesentlich besser gefunden. Das wäre ja sehr erfreulich! Laß Dirs recht gut gehen, Kleines, und behalte lieb Deinen Max

6 Woodrow Wilson. 7 Weber meinte, sein Bruder Alfred könnte auch seine Aufgaben im „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“ übernehmen. 8 Heinrich Simon hatte bei Heinrich Rickert in Freiburg promoviert und war Sophie und Heinrich Rickert freundschaftlich verbunden.

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12. Mai 1916

Ludo Moritz Hartmann [ca. 12. Mai 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 15, Bl. 2 Die Datierung ist erschlossen aus dem Hinweis auf Webers voraussichtlichen Abreisetermin nach Wien (und Budapest) in Verbindung mit dem Schreiben an Marianne Weber von „Freitag“ [= 12. Mai 1916], unten, S. 415 f., mit derselben Information.

Charlottenburg March-Str.a 7F Verehrtester Herr Kollege, – Sie werden Sich gewundert haben, daß ich auf Ihre so sehr liebenswürdige Einladung nicht sogleich oder doch früher geantwortet habe. Indessen ich wußte wirklich absolut nicht, ob ich kommen könnte. Nun aber muß ich in einigen privaten Angelegenheiten nach Wien und Budapest und wenn ich bei dieser Gelegenheit einige Ihrer Freunde sprechen könnte – ich bleibe ca 8 Tage – so wäre ich natürlich sehr froh. Ich würde wohl mit dem Balkanzug Samstag k. W. (20. V) eintreffen. Sind Sie dann dort? Mit freundschaftlichem Gruß Ihr Max Weber

a O: March-St.

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12. Mai 1916

Marianne Weber PSt 12. Mai 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Freitag“ erschlossen.

Deutsche Gesellschaft 1914 Berlin W. Wilhelmstr. 67. Freitag Liebes Mädele, –

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in Eile Gruß und Dank für Dein liebes Briefchen. Also ich werde wohl Ende k. W. nach Wien und Budapest fahren, um dortige Politiker zu sprechen und zu sehen, wie es eigentlich in Österreich aussieht. Ich komme dann Pfingsten nach Heidelberg und kann mir nicht recht denken, daß ich noch wieder hierher zurückgehe. Alfred ist ja jetzt hier und kann die Sache machen, da er von Handelspolitik doch viel mehr als ich versteht und außerdem „amtlich“ hier ist,1 nicht als Privatmann. Gesehen habe ich ihn noch nicht, nur die Mutter sprach ihn. Diese reist nächsten Dienstag nach Straßburg,2 kommt auf dem Rückweg nach Heidelberg. Ich sehne mich arg nach Haus, es ist ein zerrissenes unfruchtbares Arbeiten hier gegen amtliche Obstruktion und auf einem mir fremden Gebiet. Und die Leute sind so maßlos ängstlich: wenn sie sogar den Dezernenten des Reichsamtes des Inneren nicht nach Polen reisen lassen, dann kann ich als Privatmann mich in der That nicht beschweren. Und nur diese polnische Sache interessiert mich, auch sonst nur das Politische. Das Andre ist nur Mittel.

1 Alfred Weber war von dem ihm bekannten Staatssekretär Karl Helfferich ins Reichsschatzamt berufen worden. Nachdem dieser am 20. Mai 1916 zum Staatssekretär des Innern und Vizekanzler ernannt worden war, verständigte sich Alfred Weber mit dessen Nachfolger, Siegfried Graf von Roedern, und wurde am 17. Juni 1916 dessen Referent. Vgl. Demm, Eberhard, Ein Liberaler in Kaiserreich und Republik. Der politische Weg Alfred Webers bis 1920. – Boppard: Boldt Verlag 1990, S. 180. Alfred Weber sollte die Aufgaben beim „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“ übernehmen. 2 In Straßburg lebte Helene Webers Schwester Emilie (Nixel) Benecke, die einen Schlaganfall erlitten hatte.

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12. Mai 1916

– Die Note Wilson’s3 ist eine arge Ohrfeige für uns und wir sind keinen Schritt weiter. Garantie für Frieden kann auch jetzt Niemand übernehmen, es kann ja immer wieder etwas passieren und die New Yorker Börse ist dann auch noch recht sehr schwankend. Diese damaligen Interviews[,]4 die mich so rabiat machten („Demütigung“, „nicht die Waffen aus der Hand schlagen“)[,] haben eben Alles verpfuscht. Militärisch wird sonst Alles gut beurteilt und die Stimmung in Italien und selbst in England ist nicht rosig. Kommt jetzt Regen und dann wieder Sonne, dann kann die Ernte sehr gut werden und wir kommen dann sehr schön glatt durch (außer mit Fett). Es ist empfindlich kühl hier gewesen dieser Tage, – Du schreibst ja auch davon. Halt Dich recht schön ruhig, liebstes Mädele und sei verständig. Wann genau ist eigentlich der Vortrag?5 (Ich komme dann lieber erst nach ihm nach Heidelberg). Es küßt Dich herzlich Dein Max

3 Gemeint ist die Note vom 10. Mai 1916, die auf die von deutscher Seite vorgetragene völkerrechtswidrige Blockade des deutschen Seeverkehrs durch Großbritannien als Begründung für den U-Boot-Krieg nicht eingeht. Vgl. Schulthess 1916, Teil 2, S. 579. 4 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 2. Mai 1916, oben, S. 403, Anm. 4. 5 Marianne Webers Vortrag „Der Krieg als Ethisches Problem“ war für den 3. Juni 1916 in Mannheim anläßlich der 17. Generalversammlung des Vereins „Frauenbildung – Frauenstudium“ vorgesehen. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 3. Mai 1916, oben, S. 405, Anm. 1.

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Marianne Weber PSt 14. Mai 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Sonntag“ erschlossen.

Sonntag Liebes Schnauzele

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schönen Dank für Dein Briefchen. Anbei einige Geschäftssachen. Die Mutter fährt also morgen Abend nach Straßburg1 und ich sehe sie dann nicht mehr vor Pfingsten, da ich den nächsten Sonnabend mit dem Balkanzug nach Wien fahren werde.2 Ob dabei was herauskommt, muß sich ja zeigen. Aber ich denke, ich mache dann baldigst „Schluß“ mit der Sache. Ich befinde mich viel wohler mit Chinesen und Indern[.]3 Ich habe Alfred zwei Mal gesehen und sehe ihn heut ein drittes Mal.4 Immer, da es sich um sachliche Interessen handelt, sehr höflich und freundlich. Die paara sachlichen Gesichtspunkte und persönlichen Anknüpfungen, mit denen ich ihm nützen kann, habe ich ihm verschafft. Aber nicht die mindeste Lust habe ich, hier mit ihm „zusammenzuarbeiten“ oder auch nur hier zu bleiben, jetzt wo er hier ist. Denn ich kenne den dann vorauszusehenden Verlauf ganz genau, und zu häufigerem Zusammensein habe ich 앚:deshalb:앚 auch nicht die allermindeste Neigung. Es ist vielleicht ungerecht, daß ich das Wesen dieses Menschen als zunehmend „theatralisch“ empfinde, aber es ist so, und das habe ich von Jugend her nicht gemocht. Es ist besser, diesen Umgang zu meiden. Alfred seinerseits braucht und soll ja nicht die mindeste Ahnung davon haben, daß er sehr stark an meinem Fortgehen bea O: par 1 Helene Weber reiste zu ihrer Schwester Emilie (Nixel) Benecke nach Straßburg, die einen Schlaganfall erlitten hatte. 2 Weber fuhr im Auftrag des „Arbeitsausschusses für Mitteleuropa“ nach Wien, um die „Stimmung“ in Österreich zu erkunden. 3 Weber bezieht sich auf seine Arbeiten für die Aufsätze zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“. 4 Alfred Weber war seit dem 10. Mai 1916 in Berlin. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 12. Mai 1916, oben, S. 415, Anm. 1.

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teiligt ist. Wäre es anders, so wäre vielleicht jetzt die Situation so, daß ich gute Arbeit zu thun fände, denn endlich jetzt hat das Reichsamt des Inneren seine Haltung etwas geändert.5 Aber schließlich: ich habe hier fast 3 Monate gewartet, – das ist genug. Ich sehne mich recht sehr nach Heidelberg und glaube ich thue richtig, hier jetzt fortzugehen und die Sache andern zu machen zu überlassen. Ich habe jedenfalls ein äußerst „gutes Gewissen“. Sonst ist hier nicht viel zu berichten. Dr Baumgarten6 annoncierte wieder eine Dame, in Heidelberg in Fränkel’s Behandlung (Frau Blumenfeld), – ich habe gesagt, vor Pfingsten seiest Du nicht in der Stadt und auf dem Kohlhof7 müsse ich bitten Dich in Ruhe zu lassen. Nun leb wohl, liebes Mädele, – ich will noch ein paarb Sachen fertig machen, ehe es Mittagszeit wird, – und laß Dich schön küssen von Deinem Max

b O: par 5 Vermutlich im Hinblick auf Besuche in Polen; vgl. den Brief an Marianne Weber vom 12. Mai 1916, oben S. 415. 6 Der ungarische Literaturkritiker und Schriftsteller Franz Baumgarten war ein Freund von Georg Lukács. 7 Im Hotel Kohlhof, oberhalb von Heidelberg gelegen, hielt sich Marianne Weber seit Anfang Mai zur Erholung auf.

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Marianne Weber [16.] Mai 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist erschlossen aus dem beiliegenden Briefumschlag, der den Poststempel „17.5.16, 9 – 10 V“ trägt. Da ein weiterer Brief an Marianne Weber vom 17. Mai 1916 vorliegt, der die Tagesangabe „Mittwoch“ trägt, der folgende dagegen die Tagesbezeichnung „Dienstag“, ist der Brief vermutlich am Vorabend geschrieben worden. Bezug: Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 14. Mai 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446), in dem sie von ihrer Rückkehr vom Hotel Kohlhof am darauffolgenden Wochenende spricht. Außerdem freue sie sich auf den Besuch von Helene Weber, die, von Straßburg kommend, in Heidelberg Station machen wollte.

Dienstag Liebes Schnauzele, –

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anbei ein Packen Geschäftssachen, die ich gestern vergaß. Die Mutter fuhr gestern nach Straßburg ab,1 kommt also auf der Rückkehr – Mitte k. W. – nach Heidelberg. Willst Du nicht noch auf dem Kohlhof bleiben?2 Warum Sonntag schon zurück? Es ist doch so schön und gesund oben und Du bist allen Menschen entrückt! Hier nichts Neues sonst. Daß Helfferich aus dem Schatzamt in das „Innere“ gehen will, ist sehr unrecht. Er ist ein Streber. Denn jetzt dürfte er diesen dornigen Posten nicht verlassen. Er hat das Prestige, die weiteren Anleihen zu machen[,] und nur er. Und ebenso die Steuern. Daß das eine undankbare Aufgabe ist, weiß Jeder. Ich nehme ihm diese Desertion von seinem Posten sehr übel. Ich liquidiere hier das Nötigste, ehe ich fahre, gehe aber erst nach hier zurück vor Pfingsten, ehe ich nach H[eidel]b[er]g fahre.3 Die Eisenbahnreise geht auf Kosten des Ausschusses,4 der Aufenthalt nicht (ich weiß ja gar nicht, ob was dabei herauskommt)a.

a Klammer fehlt in O. 1 Helene Weber reiste zu ihrer Schwester Emilie (Nixel) Benecke nach Straßburg, die einen Schlaganfall erlitten hatte. 2 Marianne Weber hielt sich seit Anfang Mai im Hotel Kohlhof oberhalb von Heidelberg zur Erholung auf. 3 Weber reiste am 22. Mai von Berlin nach Wien und am 7. Juni wieder nach Berlin. Am 10. Juni kehrte er schließlich nach Heidelberg zurück. 4 Gemeint ist der „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“.

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Daß Marianne Müller5 ein Kind (Sohn)6 hat, hat die Mutter wohl geschrieben. Ich fühle mich so wohl und arbeitsfähig, sobald ich mit chinesischen und indischen Sachen7 zu schaffen habe; sehne mich sehr danach. Halb-Beschäftigung ist unerträglich. Grade jetzt endlich kommt nun die Sache8 in Fluß und wird interessant. Aber ich habe nun 3 Monate gewartet, das ist zu viel. Es küßt Dich Dein Max

5 Marianne Zeeden, geb. Müller. 6 Ernst Walter Zeeden, der am 14. Mai 1916 geboren wurde. 7 Gemeint ist die Arbeit für die Aufsätze zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“, genauerhin die Überarbeitung von „Hinduismus und Buddhismus“. 8 Gemeint ist die Tätigkeit des „Arbeitsausschusses für Mitteleuropa“.

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Lili Schäfer [17. Mai 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 56 – 57 Datum erschlossen aus der Tagesangabe „Mittwoch“ in Zusammenhang mit dem Brief an Marianne Weber vom 17. Mai, unten, S. 423 – 425, in dem z.T. gleiche Formulierungen stehen.

Ch’burg Mittwoch Liebe Lili,

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diese Wehrsteuer-Sache,1 zu der für Dich keinerlei Verpflichtung besteht, bringe ich in Ordnung. Hoffentlich leidest Du nicht zu sehr unter der Heidelberger Hitze und machen Dir die Kinder mehr Freude als Mühe. Clärchen2 bleibe ich bis zu meinem Wiederkommen die Geburtstags-Landpartie ebenso schuldig wie schon Hermännchen.3 Ich denke Pfingsten dort zu sein und – wahrscheinlich – zu bleiben. Denn da erfreulicherweise es Alfred gelungen ist, los und hierher zu kommen, so bin ich recht froh, nun wirklich zweifellos so überflüssig hier zu sein, wie ich es in Wahrheit schon bisher, wie die Dinge lagen, war. Denn A[lfred] versteht von Handelspolitik mehr als ich, der ich darüber kaum gearbeitet habe und vor Allem: er ist in dienstlicher Stellung,4 ich Privatmann. Ja, – dieser Kopf des Jack Johnson!5 Das ist das Seltsame an diesen Plastikern wie Haller, daß sie die Theorie haben: „materialgerecht“ sei nur die Mulatten-Fratze (Hötger6 ja ebenso!), d. h. wenn man direkt aus dem Stein arbeite, werde sich, wenn man nicht absichtlich das Gegenteil erstrebe, stets ein Mulattengesicht ergeben. (Das ist nun eine

1 Da die Finanzierung des Krieges durch Anleihen nicht mehr ausreichte, mußten Steuern erhoben werden. „Wehrsteuer“ ist ein Spezialbegriff für einen steuerlichen Ersatz für nicht geleisteten Wehrdienst. 2 Clara Schäfer. 3 Hermann Schäfer. 4 Alfred Weber war ins Reichsschatzamt berufen worden. Vgl. den Brief an Lili Schäfer vom 12. Mai 1916, oben, S. 415, Anm. 1. 5 Gemeint ist die Hallersche Statuette des amerikanischen Boxers Jack Johnson, der als erster Schwarzer Weltmeister im Boxen war. Weber hatte sie erworben, nachdem er sie bei einer Ausstellung beschädigt hatte. 6 Bernhard Hoetger, Bildhauer und Architekt, pflegte einen expressionistischen Stil.

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Theorie à la „kleiner Moritz“, aber etwas muß ja dahinter stecken, – offenbar empfinden sie nur diese Gesichter als „monumental“ in jenem hieratischen Sinn, wie es die ägyptischen Plastiken sind). Den Körper finde auch ich in seiner Balanciertheita und strengen Vereinfachung ziemlich stark als bedeutende Leistung, – den von Dir hervorgehobenen Aspekt habe ich noch nicht beachtet. Wenn ich nach H[eidel]b[er]g komme, wollen wir einmal berathen, wie es einzurichten ist, daß die beiden ältesten Kinder Dir einmal so abgenommen werden können, daß Du während der Schulzeit Dich irgendwo 앚:auswärts:앚 ausruhen kannst, um nachher in den Ferien wieder für sie da sein zu können: d. h. wenn Du es gern so hast. Albert7 könnte sehr gut zu uns. Nur zwei können wir etwas schwer unterbringen. – Doch ich weiß ja noch gar nicht, was Du selbst vorhast. Was Martha Riegel anlangt, so ist es sehr fraglich, ob man in Kriegszeiten (namentlich: Frauen) bis über den Bug kommen kann,8 ich glaube nicht (m.W. ist die Gegend jetzt von Österreichern okkupiert). Ich selbst gehe wohl auf kurze Zeit nach Wien und Budapest, ehe ich komme. Mama geht es ganz gut. Herzliche Grüße Dein Max

a O: Balanziertheit 7 Albert Schäfer. 8 Martha Riegel wollte das Grab von Karl Weber besuchen, der am 22. August 1915 in Charsy am Bug in der Nähe von Brest-Litowsk gefallen war. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 20. Mai 1916, unten, S. 427, und an Martha Riegel vom 5. Juni 1916, unten, S. 444.

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Marianne Weber PSt 17. Mai 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Mittwoch“ erschlossen.

Mittwoch Liebes Mädele, –

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schönen Dank für Dein liebes Predigt-Briefchen. Aber es geht nicht gut, auch diesmal die Sachlage auf den Kopf zu stellen. „Mißempfindungen“ würden – wie sich sofort zeigte – auf der anderen Seite entstehen, wenn ich hier zur Arbeit über genau die gleichen Probleme und mit genau den gleichen Menschen bliebe. Und diese Dinge, nach all den gleichartigen früheren Vorgängen auf akademischem und menschlichem Gebiet, nun sich hier abermals entwickeln zu sehen, würde mehr sein,a als ich ohne den allertiefsten menschlichen Widerwillen und rücksichtsloseste Ablehnung ertragen könnte. Ich würde mich diesen Empfindungen unbedingt auszusetzen verpflichtet sein, wenn ich irgendwie der Ansicht wäre, daß grade ich hier in irgend einem Sinn unentbehrlich wäre. Indessen das ist absolut nicht der Fall: die allergescheidtesten, 앚:jetzt:앚 ganz dasselbe wie ich und mit den gleichen Mitteln erstrebenden Leute sitzen hier in nicht geringer Zahl zur Verfügung der Regierung und der Politiker, und mir etwas „anzubieten“ ist das Reichsamt des Innern gar nicht in der Lage. Ich habe mich überzeugt – und in den Unterhaltungen auch darauf hingewirkt – daß Alfred1 so ziemlich genau die gleichen Richtungen innehalten wird wie ich und ihn mit den überaus tüchtigen Leuten, die dafür zur Mitarbeit zur Verfügung stehen[,] in Beziehung gesetzt und diese auf ihn und seine Eigenart „eingestellt“. Damit aber genug. Es ist sonnenklar, daß Alfred auch hier nur in der Kategorie der „Konkurrenz“ denken und fühlen kann. Dasb – d. h. die Reaktion des eignen Empfindens gegen

a Fehlt in O; sein, sinngemäß ergänzt. b 1 Max Weber wollte seine Aufgaben im „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“ an seinen Bruder Alfred übertragen. Vgl. die Briefe an Marianne Weber vom 12. und 14. Mai 1916, oben, S. 415 und 417 f.

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diese mir tief ekelhafte Situation – wäre nur zu überwinden, wenn ich dächte: es muß um der Sache willen sein; dann wäre mir Alles absolut Wurst und ich würde rücksichtslos drüber hinweggehen. So aber, da das nicht der Fall ist, bin ich durchaus und fest entschlossen, es nicht zu thun, sondern ihm (und dadurch mir) dies diesmal zu ersparen. Und auch der Mutter, der es nicht entgehen würde, wenn sich die mir im Voraus genau bekannten Konsequenzen einstellen würden. Sie wird sich – und darf sich – denken, daß es so ist, wie es ist, aber das schadet nichts und sie hat gesehen, daß wir uns äußerlich ganz gut vertrugen. Was sie nicht sah – ich aber! –, war, wie erleichtert Alfred bei dem Gedanken war, daß ich ihm hier nicht in den Weg käme und wie peinlich er, kaum einigermaßen von mir „au fait“ gesetzt, in die gewohnten Bahnen seines Empfindens einlenkte. Als sie meinte: Du würdest mißgestimmt sein, daß „wieder“ Alfred und nicht ich hier diese Geschichte2 machte, habe ich sie ausgelacht. Und die Sache ist ja so: daß ich nun mal den Ehrgeiz nicht aufbringe, eine Sache, die Andre ebenso gut, in Vielem eher besser, machenc können und werden, machen zu wollen, und daß mir der unruhige und dabei eben etwas „theatralische“ Ehrgeiz Alfreds sehr schwer erträglich ist, je länger je mehr. Dieser würde sich steigern, wenn ich ohne Not hier bliebe, und damit auch meine Ablehnung. Es ist das Alles ja nur das letzte Tüpfelchen auf das I, denn ohnehin fühle ich in diesen Tagen, wo ich wieder hinter „meinen“ Sachen gesteckt habe,3 wie wohl mir das thut, wenn ich es mit gutem Gewissen thun darf, und das darf ich nunmehr. Und dafür, daß Alfred ein gutes Gewissen hat, habe ich gesorgt und auch sorgen können. Es ist mir diese Arbeit jetzt wirklich nicht adäquat und man muß „im Dienst“ sein, um etwas fertig zu bringen. Ich bringe es nicht über mich, den geplagten Leuten in den Büros die Bude einzurennen, um „etwas machen“ zu können. Zur Verfügung – das wissen hier Alle – stehe ich jederzeit wieder. Ich fahre also (übrigens wahrscheinlich erst Montag) nach Wien und vielleicht Budapest und dann hierher zurück, dann nach Heidelberg. Also, liebes Peterle – sieh die Sache „richtig herum“! Ich gehe – außer aus andren Gründen – auch deshalb fort, weil ich ganz genau weiß,

c 2 Gemeint ist die Arbeit für den „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“. 3 Gemeint sind die Aufsätze zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“.

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was sonst von der andren Seite kommt, und weil ich dann wieder so zornig würde, wie in ähnlichen Situationen früher, und Das nicht will, weil es nicht sein muß. Es ist menschlich klüger so und „Pflichten“ stehen Dem nicht im Wege. Meine weit wichtigere Zukunfts-Sorge ist, wied ich es in den Beziehungen zu Lili vermeide, die entsprechende Situation herbeizuführen.4 Das ist viel schwieriger, wird aber irgendwie auch gehen, denn diese Beziehung kann ganz und gar durch Dich gehen und deshalb freut es mich, daß Ihr beide Euch so gut vertragt und daß Lili „klug“ ist. So, nun laß Dich küssen von Deinem Max

d 4 Weber wollte seine Schwester Lili nicht mit seinem gespannten Verhältnis zu seinem Bruder Alfred belasten, da sie einen guten Kontakt zu ihm hatte.

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Marianne Weber PSt 20. Mai 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Samstag“ erschlossen.

Samstag Abend Liebstes Mädele, – schönen Dank für das Briefchen. Ich schicke anbei „Geschäfts“-Sachen und bemerke: ich erhob 600 Mk. bei der Diskontogesellschaft. – Nein wenn es wichtig wäre, daß grade ich hier bliebe, so wäre mir Alles Eins. Aber so? Es sitzen hier die grade auf diesem Gebiet mir an Sachkunde weit überlegenen Leute herum und bekommen nichts zu thun. Und Das, was ich möchte, kann man offenbar nur in der Stellung thun, die jetzt Alfred bekommen wird.1 Und es ist gerecht, daß da die Leute aus der Front vorangestellt werden. Unter anderen Verhältnissen könnte ich ihm nun vielleicht schon so mancherlei nützen. Er ist impulsiv, suggestibel, leicht ins Extrem gehend und verliert zuweilen das Augenmaß. Aber es geht ja nicht, er ist darin doch recht schwierig und „theatralisch“ geworden, ich finde kein anderes Wort. Grade von mir wird er das Nötige nicht annehmen. Ich habe ihn mit den richtigen Leuten in Beziehung gesetzt und diesen das Erforderliche (Sachliche) gesagt. Da wird es schon gehen. Nun fahre ich also Montag früh, bina Abend spät in Wien (Wien I, Rathaus-Str. 15) bei Prof. Hartmann, den ich an der Grenze treffe (er war in Weimar)b. Ich möchte gern einen Eindruck haben und einige Leute sprechen. Soweit ich kann, – wegen der Censur – schreibe ich, das Andere erzähle ich. Es scheint mit Dir aber doch noch immer etwas wackelig zu stehen liebes Peterle! bitte sei doch vorsichtig. Und nach diesem verfluchten Vortrag:2 „Schluß“[.] a

b Klammer fehlt in O.

1 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 12. Mai 1916, oben, S. 415, Anm. 1. 2 Marianne Weber bereitete einen Vortrag über den Krieg als ethisches Problem für die 17. Mitgliederversammlung des Vereins „Frauenbildung – Frauenstudium“ in Mannheim am 3. Juni 1916 vor.

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Ich erkundigte mich heut, ob man zu Carl’s Grab kann.3 Man kann nicht, es ist Etappengebiet; Niemand wird zugelassen bis zum Frieden. Sag das doch Lili für Martha Riegel. Und nun lasse Dich küssen von Deinem Max

3 Karl Weber war am 22. August 1915 in Charsy am Bug bei Brest-Litowsk gefallen. Martha Riegel wollte sein Grab aufsuchen. Vgl. den Brief an Lili Schäfer vom 17. Mai 1916, oben, S. 422.

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25. Mai 1916

Marianne Weber PSt 25. Mai 1916; Wien Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen.

Wien I Rathausstr. 15 bei Prof L M Hartmann Liebstes Mädele Nun schon 2 1/2 Tage hier, den ganzen Tag unterwegs, mit Menschen aller Art zusammen, komme ich kaum recht zu Atem um auch nur einen Gruß zu schicken. Ich hatte mit dem Advokaten Pellech1 das Nötige abgemacht und schwimme seitdem mit Hartmann2 zusammen in lauter Bekanntschaften. Es ist interessant (und Zweck dieses Hierseins) einmal einen Eindruck von der Stimmung zu haben. Die ist, ganz anders als wir uns das denken, glänzend. Man hat für uns Angst, daß wir verhungern, – wie wir für die Österreicher. Und thatsächlich ist hier sehr Vieles, so die Nahrungsmittel, besser organisiert als bei uns. Die prachtvollen Erfolge in Südtirol thun auch das Ihrige. Jedenfalls bin ich von diesen Eindrücken sehr erfreut, die Österreicher werden durchhalten. Da ich ja nur ein Privatmann bin, der für sich selbst Eindrücke sammelt, so sehe ich natürlich nur Privatleute. Aber die gewinnende Liebenswürdigkeit und Offenheit der Österreicher ist doch etwas überaus Schönes. Hartmann’s grüßen herzlich, sind beide recht wohl. Die Tochter3 ist verheirathet, hat ein Baby und studiert, der Sohn4 steht im Feld als Arzt (Süd-Tirol). Wie mag es Dir gehen? Hoffentlich haben mich keine wichtigen Nachrichten verfehlt. Schreib mal

1 Otto Pellech vertrat Frieda Gross in den Prozessen gegen ihren Schwiegervater bzw. dessen Rechtsnachfolger. Gemeint sind vermutlich die in dem Brief an Frieda Gross vom 2. Juni 1916 (unten, S. 439 – 442) angeführten Fragen über die Prozeßkosten im Zusammenhang mit der Abwicklung des Testaments von Emil Lask. 2 Während seines Aufenthaltes in Wien wohnte Weber bei Ludo Moritz Hartmann, der mit Max und Alfred Weber befreundet war. 3 Else Paneth studierte Medizin, wurde später Ärztin und war mit dem Chemiker Fritz Paneth verheiratet. 4 Heinz Hartmann.

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ein Kärtchen, wie es steht, ich fahre einmal ein paara Tage nach Budapest zu Lukács, dann zurück hierher. Tausend herzliche Grüße in Eile Dein Max

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Marianne Weber [28. Mai 1916]; Wien Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Dem Brief liegt ein Umschlag mit dem Poststempel vom 29. Mai 1916 bei. Der Brief ist am Sonntag – so die Tagesangabe –, dem 28. Mai, geschrieben worden.

Wien, Sonntag Liebes Kind, – ich fahre nachher 2 Uhr nach Budapest und bin dort gegen 7 Uhr (Hotel Britannia) bis einschließlich Mittwoch. Lukács habe ich telegrafiert und Antwort bekommen, ich freue mich auf das Zusammenseina mit ihm sehr. Wien übt ganz seinen alten Zauber und es ist so erfreulich, diese Eindrücke der gegenwärtigen, für Österreichs Waffen so ehrenvollen Zeiten mitzumachen, wo auch die vielen Pessimisten hier ein anderes Gesicht machen als bisher. Der Friede ist ja offenbar ganz fern noch immer, trotz alles Redens davon, aber man hat doch die Zuversicht, daß Alles gut gehen wird. Und gut und wichtig ist auch, daß hier die Österreicher einmal unbezweifelbar allein die Sache gemacht und glänzend vorbereitet haben. – Es regnet jetzt und das ist für die Reise ganz bequem, ich hoffe aber, daß die paarb Tage in Budapest so sein werden, daß man doch etwas von der schönen Stadt haben kann. Was ich hier thue? Ich sehe alte und neue Bekannte jeder Art zu jeder Tageszeit vom Kaffee im Café Nachmittags bis zur Mitternacht. Das Schlafen wollte erst nicht recht, geht aber jetzt doch schon etwas besser und ich hoffe es bleibt dabei. Frau Hartmann ist wirklich sehr gescheidt und gewandt in der Unterhaltung, sehr thätig im Lazarett und sonst, – er wie immer, Du erinnerst Dich seiner1 ja, ein unendlich guter und „sauberer“ Mensch, nur grundsätzlicher Pessimist. Gestern traf ich eine ganze Anzahl recht intelligenter Industrieller. Aber Schluß! es wird Zeit. Tausend herzliche Grüße Dein Max a

b O: par

1 Marianne Weber hatte Ludo Moritz Hartmann zuletzt anläßlich der Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik (27. – 29. September 1909) in dessen Haus in Wien getroffen.

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29. Mai 1916

Marianne Weber PSt 29. Mai 1916; PSt Budapest Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Montag“ erschlossen.

Hotel „Britannia“ Szállo Budapest, Montag Liebes Kind, –

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Lukácsa ließ mir eben seinen Besuch für heut gegen Mittag ankündigen. Ich benutze die Zwischenzeit, Dir schnell einen Gruß zu schicken, da ich nicht weiß, ob ich in den nächsten Tagen dazu komme. Dein Briefchen erhielt ich noch und danke schön. Die Fahrt an der Donau – ein großer Teil der letzten Strecke vor Budapest – ist sehr schön, nachdem der erste Eintritt in das Land etwas einförmig anmuthet. So viel ich sehen konnte, stehen die Saaten vorläufig ähnlich gut, wie in Böhmen und bei uns. Beim Eintreffen hier bemerkt man natürlich, daß man diesmal wirklich in einem „fremden“ Land ist. Die Formen der Aufnahme im Hotel und die Fremdsprachigkeit an sich wirkt so stark wie nicht leicht in einem anderen Ausland. Ich hoffe, das Wetter entwickelt sich anständig und ich kann von der gerühmten Schönheit etwas sehen. Die Unterhaltungen mit Frau Hartmann gingen fast den ganzen Tag und bis tief in die Nacht über die ganze Welt und Einiges. Ich verstehe jetzt ganz gut, was Alfred an ihr angezogen hat, – ich empfinde sie mehr als einen Apparat zu fortwährenden geistigen Turnkunststücken, das kann ich nicht leugnen. Bei dem Advokaten (Pellech) werde ich mit Kollegen zusammen noch einen Abend sein müssen,1 ebenso bei D[.] Breuer (Freund von Sigm[und]b Freud) und Anderen. Ich gestehe: das geistige Niveau in Wien ist hoch; auch mit Geschäftsleuten könnte man bei uns nicht leicht solche Unterhaltungen führen. Ich bin also recht gern noch einige Tage dort, nachdem der Besuch hier beendet ist. a O: Lukacs b O: Siegm. 1 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 25. Mai 1916, oben, S. 428, Anm. 1.

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Ich will Frl. Tobler, die lange nichts von mir gehört hat, noch ein paarc Zeilen schreiben,2 deshalb begnüge Dich für heut mit diesem Gruß (den gestrigen3 aus Wien wirst Du erhalten haben) und laß Dich in die Arme schließen von Deinem Max Ich bleibe hier nur wenige Tage.

c O: par 2 Ein Brief an Mina Tobler ist nicht nachgewiesen. 3 Brief an Marianne Weber vom 28. Mai 1916, oben, S. 430.

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Marianne Weber [1. Juni 1916]; Wien Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist erschlossen aus der Tagesangabe „Donnerstag“ in Verbindung mit den vorangegangenen Briefen.

Wien, Donnerstag Rathausstr. 15 Liebes Kind, –

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ich bin nun von Budapest zurück und damit aus der „Verwaltung“ von Lukácsa wieder unter die Verwaltung von Hartmann & Frau getreten. Die letztere ist die weitaus überlegene, so überaus liebenswürdig mich die Familie in Budapest auch aufgenommen hat. Sein Vater1 ist ein von kleinsten Anfängen hochgearbeiteter Geschäftsmann von guten Formen und klarem Kopf bei großer Energie, der sehr offen und hübsch über seinen Lebensgang und seine Hoffnungen für die Zukunft seines Sohnes sprach, die Frau2 eine gute sehr unbedeutende Hausfrau, die Schwester3 anziehend und nicht uninteressant, aber vielfach gehemmt und offenbar schwierig. L[ukács] hofft, daß sie in absehbarer Zeit einmal in Heidelberg konzertieren kann. (Übrigens, daß ich es nicht vergesse, er selbst hofft – und bittet dies Lederer’s4 zu sagen, in einigen Monaten in Heidelberg sein zu können, vielleicht wenigstens). – Budapest ist eine arg durch häßliche Bauten verdorbene Stadt. Man lernt den „Klassizismus“ als etwas doch wirklich Vornehmes schätzen, wenn man diese „Jugendstil“[-]Bauten sieht. Wundervoll die alte Burg mit Krönungskirche. Fast Alles Neue scheußlich parvenühaft. Ich sprach ein paarb Industrielle, die ganz interessant erzählten. Leider sah ich das Museum nicht. Das „Ungetroste“ des ganzen Nestes, verglichen mit Wien, verbreitet eine Athmosphäre sehr starken Unbehagens. Ich denke nun in ein paarc Tagen, nachdem ich noch ein paard alte Be-

a O: Lukacs

b O: par

c O: par

d O: par

1 Joszef v. Lukács. 2 Adele v. Lukács, geb. Wertheimer, war die Mutter von Georg v. Lukács. 3 Maria (Mici) v. Lukács war Schülerin des Cellisten David Popper. 4 Emil Lederer und seine Frau Emma, geb. Seidler, waren mit Georg Lukács befreundet.

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kannte und Kollegen gesehen habe, nach Berlin zurück und dann bald nach Heidelberg zu fahren, auf welches ich mich nachgerade sehr freue. Nochmals schönsten Dank für Dein Briefchen. Meine wirst Du ja erhalten haben? Es umarmt Dich Dein Max

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Frieda Gross 2. Juni 1916; Wien Brief; maschinenschriftlich mit handschriftlichen Grußformeln GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 14, Bl. 34 – 35 Der folgende Brief steht in Zusammenhang mit Webers Bemühungen um einen Ausgleich zwischen den Ansprüchen von Frieda Gross und Lina Metzner nach dem Testament von Emil Lask (vgl. die Editorische Vorbemerkung und den Brief an Frieda Gross vom 29. Jan. 1916, oben, S. 274) und ist weithin gleichlautend mit einem Briefentwurf vom 15. April 1916. Er wurde von Weber erst verschickt, nachdem er in Wien mit dem Anwalt Otto Pellech zusammengetroffen war. Es ging dabei um die Anwaltskosten der Prozesse von Frieda Gross mit ihrem Schwiegervater, Hans Gross, beziehungsweise mit dessen Testamentsvollstrecker, Dr. Carl Rintelen. Da Emil Lask in seinem Testament bestimmt hatte, die Prozeßkosten zu übernehmen, diese sich aber durch immer erneute Berufungsverfahren beträchtlich erhöht hatten, war ihre Feststellung von großer Bedeutung für die abschließende Regelung des Laskschen Testaments. Dazu wollte Weber ein definitives Einverständnis von Otto Pellech. In seinem Briefentwurf vom 15. April 1916 hatte Weber die Ergebnisse der Beratungen mit den Erben von Emil Lask im April 1916 (vgl. auch die Briefe an Marianne Weber vom 16. und 27. März und vom 5. April 1916, oben, S. 346, 364 und 373 f.) zusammengefaßt. Dieser Briefentwurf sowie weitere Dokumente zum Erbfall Emil Lask haben sich zusammenhängend am gleichen Fundort erhalten. Sie werden im folgenden mitgeteilt, da aus ihnen die Strategie zur Lösung der im Testament aneinandergekoppelten Vermächtnisse für Lina Metzner und Frieda Gross deutlich wird. Lask hatte in seinem Testament für Lina Metzner eine Rente von 3 500 Mark ausgesetzt, „solange sie sie braucht“ (vgl. den Brief an Frieda Gross vom 29. Jan. 1916, oben, S. 274). Danach sollte die Rente in gleicher Höhe an Frieda Gross gezahlt werden. Dadurch wäre der Anspruch von Frieda Gross auf unbestimmte Zeit vertagt und das hinterlassene Kapital verbraucht worden. Um dies zu vermeiden, sollte Lina Metzner das Vermächtnis ausschlagen und dafür von den Erben eine Ausgleichszahlung erhalten. Dadurch würde es möglich, auch für Frieda Gross von den Erben eine Zuwendung zu erhalten und beide Begünstigte zu befriedigen. 1.) Briefentwurf an Frieda Gross maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen Max Webers ohne vollständige Schlußformel GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 13, Bl. 10 – 11 Charlottenburg, 15. April 1916. Marchstr. 7f. Liebe Frau Frieda!

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Die Lask’schen Erben lassen Ihnen den anliegenden 앚:aus zwei Erklärungen bestehenden:앚 Vertrag anbieten, um in der ganzen Angelegenheit definitive Verhältnisse zu schaffen. Ich halte ihn der Sachlage entsprechend für billig und glaube die Annahme anraten zu dürfen. Den Erben erscheint es für das Interesse der Kinder der Frau Jacobsohn als schwer erträglich, daß evtl. der Prozeß (um Eva) auf deren Kosten noch durch mehrere Jahre und Instanzen weitergehen soll[.] – Diese Möglichkeit hat ja niemand, auch Emil Lask nicht, in Rechnung ziehen können. Bei Mitteilung des letzten wenig günstigen Ur-

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teils hat Dr. Pellech sich nun bereit erklärt, für die weitere Führung des Prozesses nur die absoluten Mindestkosten in Rechnung zu stellen, seinerseits also umsonst zu arbeiten. Sie selbst waren andererseits bereit, die Ihnen, ungewiß ob und wann, evtl. zufallende Rente für nicht weniger als Mk. 15.000,– ablösen zu lassen. Die Erben schlagen Ihnen nun die aus dem Vertrag ersichtlichen Beträge vor, welche die 앚:Kosten einer eventuellen:앚 Fortführung des Prozesses durch Sie in den beiden höheren Instanzen sowohl wie die Rechnungen der Anwälte in Lugano und Bern, überhaupt alle evtl. noch ausstehenden und an Sie zu erstattenden Kosten mit umfassen sollen, 앚:– während die Kosten dieser Instanz von den Erben getragen werden, –:앚 und 앚:siea:앚 wollen 앚:dafür:앚 auch die 앚:mehrere Tausend Mark betragenden:앚 Kosten und Erbschaftssteuern, welche 앚:gesetzlich:앚 Ihnen 앚:als der Vermächtnisnehmerin:앚 zur Last fallen würden, ihrerseits tragen, 앚:so daß die Gesamtbelastung, außer der bisherigen Rechnung des Dr Pellech, noch 20 000 Mk. etwa betragen wird.:앚 Weitere Zahlungen möchten sieb dann nicht mehr zu leisten haben, sondern nur noch die Kosten des Zu-Endeführen des Prozesses in der jetzigen Instanz. Für Lina Metzner würde ebenfalls eine Abfindung und zwar von Mk. 15.000.– gezahlt werden. Dadurch allein ist ja die Möglichkeit geschaffen, die sonst ganz unsichere Rente an Sie überhaupt fällig werden zu lassen und also dem Gericht, welches diesen Vertrag zu genehmigen hat, die Möglichkeit zu geben, sich mit der Zahlung einer Abfindung an Sie einverstanden zu erklären. Die entstehende Gesamtbelastung des Nachlasses mit Kapitalabfindungen bleibt zwar hinter dem Kapitalwert der ausgesetzten Renten, wenn man für dessen Berechnung die Bedingung앚:en von:앚 Leibrenten-Versicherungsgesellschaften zu Grunde legt, zurück. Dies scheint mir indessen billig angesichts des Umstandes, daß 1. Kapital definitiv geopfert, 2. beiden Vermächtnisnehmerinnen Nachweise und Erörterungen erspart und Sicherheit über das was sie erhalten geboten wird, 3. die Belastung durch die Rechnung des Dr. Pellech (Kr. 25.000) zwar nach den hier maßgebenden Wiener Honorarsätzen vermutlich gerechtfertigt, objektiv aber und nach deutschen Maßstäben doch ganz außerordentlich hoch ist und den Vermögensverhältnissen Emil Lasks nicht ganz entspricht. Das Gericht, dessen Genehmigung einzuholen ist, muß auf Wahrung der Interessen der Kinder dringen. Ich möchte glauben, daß die Regelung der Angelegenheit in dieser Art für Sie annehmbar ist. Sind Sie einverstanden, so bitte ich ein Exemplar Ihrer Erklärung zu unterschreiben, die Unterschrift notariell beglaubigen und diese Beglaubigung dann durch das Konsulat legalisieren zu lassen. 앚:Mit herz:앚

a O: Sie b O: Sie

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2.) Erklärung von Frau Frieda Gross maschinenschriftlich mit dem eigenhändigen Zusatz Max Webers: „Entwurf“ GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 13, Bl. 12 – 14 Ascona, den An die testamentarischen Erben des Prof. Dr. Emil Lask.

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Im Testament des Prof. Dr. Emil Lask ist zu meinen Gunsten zweierlei verfügt: I. Die Erstattung der mir für die Sicherung der Rechte meiner Kinder und meiner eigenen erwachsenden Kosten und Auslagen. Diese Kosten bestehen 1) in den zu erwartenden Anwaltsrechnungen des Offizialanwalts meiner Tochter Eva und im Fall des Verlustes des Prozesses, des Gegenanwalts und der gerichtlichen Kosten, sämtlich entstehend im Prozeß des Prof. Dr. Hans Gross, und jetzt: seiner Rechtsnachfolger, gegen meine Tochter Eva. Der Prozeß ist nach Verhandlung in zwei Instanzen an die erste Instanz: das Gericht in Graz, Steiermark, zurückverwiesen, wird dort und evtl. in den beiden oberen Instanzen noch geraume Zeit schweben, und ich werde als Mutter meiner Tochter für die entstehenden Kosten in Anspruch genommen werden. 2. in den Rechnungen des von mir selbst in Sachen des inzwischen zu meinen Gunsten entschiedenen Erziehungsstreits des Prof. Dr. Hans Gross über meinen Sohn Peter beauftragten Anwälte in Bern und Lugano. Die Kosten hat der Gegner gesetzlich nicht zu erstatten, da das Verfahren ein Offizialverfahren ohne Anwaltszwang war und die Kosten außergerichtlich entstanden. 3. aus den mir persönlich erwachsenen Auslagen. Ich nehme dies Vermächtnis an und erkläre auf Grund der geführten Verhandlungen: Es besteht Übereinstimmung zwischen uns darüber, daß diese amtlichen Kosten und Auslagen mit Einschluß der künftig noch zu erwartenden zur Vermeidung schwieriger Rechnungen und künftiger Nachforderungen der Schätzung entsprechen auf insgesamt Mk. …… festgesetzt werden sollen. Ich erkläre mich damit für abgefunden. Ausdrücklich ist zwischen uns festgesetzt, daß selbstverständlich diese Vereinbarung ebensowenig wie das Vermächtnis selbst sich auf die etwa noch bestehende Schuld des Prof. Dr. Emil Lask an den Herrn Rechtsanwalt Dr. Pellech in Wien bezieht, welche davon ganz unberührt bleibt, da dieser Anwalt zwar von mir auf Verlangen des Herrn Prof. Dr. Lask zu seiner formellen Legitimierung bevollmächtigt, jedoch von ihm allein beauftragt und instruiert wurde, auch Erörterungen über seinen Entgelt ausschließlich zwischen Prof. Dr. Lask und ihm ohne mein Zutun geführt worden sind und Prof. Dr. Lask diese Beauftragung in jeder Hinsicht ausschließlich als seine eigene Angelegenheit behandelt hat und behandelt wissen wollte. Daß dieses Mandat mit der Entscheidung des Prozesses in der jetzigen Instanz erlischt, ist mir bekannt. II. sowohl nach dem Zeitpunkt des Eintritts meiner Ansprüche wie nach der Höhe und Dauer derselben infolgedessen unbestimmt und unberechenbar ist. Unter Berücksichtigung aller Möglichkeiten haben wir uns dann geeinigt, daß der Kapitalwert dieses Vermächtnisses für mich auf Mk. …… zu schätzen ist, zu leisten in bar oder nach Vereinbarung in geeigneten Wertpapieren einen Monat nach rechtsverbindlichem Zustandekommen dieser unserer Abmachung. Ich erkläre mich mit diesem Betrage als abgefunden für alle Ansprüche, die ich aus diesem Vermächtnis an dem Nachlaß erheben könnte.

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3.) Erklärung der Erben von Emil Lask maschinenschriftlich mit eigenhändigen Ergänzungen von Max Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 13, Bl. 15 und 16 Die Erklärung liegt in einer ersten (Bl. 15) und revidierten Fassung (Bl. 16) vor, in der die eigenhändigen Ergänzungen der ersten Fassung in die Maschinenschrift übernommen sind. Falkenberg, den Lichterfelde, den Frau Frieda Gross, geb. Schloffer. Ascona. Ich als Vorerbin aus dem Testament meines Sohnes Prof. Dr. Emil Lask nehme Ihre auf Vereinbarung mit mir beruhende Erklärung vom hiermit an und verpflichte mich zur Leistung der darin vorgesehenen Beträge von zusammen 17 500 (siebzehn tausend fünfhundert) Mark aus dem Nachlaß an Sie, frei von Kosten und Steuern. Ich bestätige dabei auch, daß die Nachlaßschuld meines Sohnes an den Herrn Advokaten Dr. Pellech in Wien, wie von dem Vermächtnis, so auch von dieser Vereinbarung nicht betroffen wird. Als Vater und gesetzlicher Vertreter der Nacherben gebe ich in deren Namen meine Zustimmung zu der vorstehenden Vereinbarung.

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4.) Erklärung von Lina Metzner maschinenschriftlich GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 13, Bl. 17 Bad Kösen1, den An die testamentarischen Erben des Herrn Prof. Dr. Emil Lask.

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Die Annahme des mir von Herrn Prof. Dr. Emil Lask hinterlassenen Rentenvermächtnisses lehne ich hiermit ab, da nach meiner rechtlichen und tatsächlichen Lage die Voraussetzung, an welche es geknüpft ist: daß ich die Rente „brauche“, für jeden Einzelfall zu praktisch undurchführbaren Erörterungen führen müßte. 5.) Erklärung der Erben von Emil Lask maschinenschriftlich GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 13, Bl. 19 Falkenberg, den Lichterfelde, den Da Frau Lina Metzner, geb. Götz, das im Testament unseres Sohnes und Schwagers Prof. Dr. Emil Lask ihr hinterlassene Rentenvermächtnis abgelehnt hat, uns aber die sittliche 1 Damaliger Wohnsitz von Lina Metzner.

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Verpflichtung obliegt, den Willen des Verstorbenen nach Möglichkeit in seinem Sinne und den jetzigen Umständen entsprechend auszuführen, verpflichte ich, die Vorerbin, mich hierdurch, an Frau Lina Metzner aus dem Nachlaß eine einmalige Zuwendung von Mk. 15 000 – zu machen, frei von Kosten und Steuern und zu leisten in bar oder nach Vereinbarung in geeigneten Wertpapieren innerhalb Monatsfrist, nachdem diese meine Zusage in rechtsverbindlicher Art zustande gekommen und von Frau Lina Metzner angenommen sein wird. Die Zuwendung soll an Frau Lina Metzner als ihr Vorbehaltsgut fallen. Ich, der Vater und gesetzliche Vertreter der Nacherben, erkläre namens meiner Kinder mein Einverständnis mit der vorstehenden Zusage der Vorerbin.

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Die Lask’schen Erben lassen Ihnen den anliegenden Vertrag1 anbieten, um in der ganzen Angelegenheit endgültigea Verhältnisse zu schaffen. Ich halte ihn nach der Sachlage für billig und glaube die Annahme anraten zu sollen. Den Erben erscheint es für das Interesse der Kinder der Frau Jacobsohn als schwer erträglich, daß eventuell der Prozeß2 auf Kosten jener Kinder noch durch mehrere Instanzen und Jahre weiter gehen soll. Es hat ja diese Möglichkeit niemand, auch nicht Emil Lask, in Rechnung ziehen können. Bei Mitteilung des letzten weniger günstigen Urteiles3 hat Herr Dr. Pellech sich nun bereit erklärt, für die Weiterführung des Prozesses nur die Mindestkosten in Rechnung zu stellen. Daraufhin sind die Erben bereit[,] die Anwaltkosten dieses Herrn noch für diese jetzige Instanz zu tragen. Sie selbst waren andererseits bereit, die Ihnen vermachte Rente, deren Zeitpunkt gänzlich im Ungewissen schwebt, für mindestens 15.000 Mark ablösen zu lassen. Daraufhin schlagen Ihnen nun die Erben für die Prozeßkosten einen Gesamtbetrag von 2 500 M-, Alles in Allem, als Ablösung vor. In diesem Betrage wären also enthalten alle schon entstandenen oder künftig entstehenden oder fällig werdenden gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten beider Prozesse,4 mit Ausnahme der Anwaltkoa O: endgiltige 1 Siehe unten, S. 442. 2 Gemeint ist der Prozeß über die Außerehelichkeit von Eva Gross. 3 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 9. April 1916, oben, S. 380. 4 Gemeint sind die Prozesse über die Vormundschaft für Peter Gross und die Außerehelichkeit von Eva Gross.

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sten des Herrn Dr. Pellech, welche bis zum Schlusse dieser Instanz die Erben tragen werden. Einbegriffen wären also die Rechnungen der Anwälte in Lugano und Bern5 und im Falle eines Verlustes des EvaProzesses die daraus entstandenen Kosten. An den Kosten und Erbschaftssteuern, welche im Betrage von 12% sonst Ihnen allein zur Last fallen würden, wollen die Erben bis zum Betrage von 1500 M- teilnehmen. Weitere Zahlungen aber möchten sie dann nicht mehr zu leisten verpflichtet sein. Alles in Allem würde also von den Erben bezahlt werden: 1. die Rechnung des Herrn Dr. Pellech von 25.000 M- an diesen, 2. an Sie selbst 15.000 M-, plus 2500 M und plus 1500 M- d.i. zus. 19.000 M-, endlich die künftige Rechnung des Herrn Dr. Pellech aus dem Eva-Prozeß für die jetzige Instanz. Die sonstigen nochb entstehenden Kosten müßten Sie Ihrerseits aus jenen an Sie gezahlten Beträgen decken. Wird der Eva-Prozeß gewonnen, dann entstehen ja solche weiteren Kosten überhaupt nicht mehr. Wird er verloren, so würden Ihnen die gerichtlichen Kosten und die Ihnen aufzuerlegenden Kosten des Herrn Dr. Rintelen zur Last fallen, im Ganzen, wie Herr Dr. Pellech annimmt, wohl etwa 1200 M- höchstens. Für Frau Lina Metzner würde ebenfalls eine Abfindung und zwar von 15.000 M- gezahlt werden. Nur dadurch haben wir die Möglichkeit geschaffen, die sonst ganz unsichere Rente für Sie überhaupt fällig werden zu lassen und also dem Gerichte, welches diesen Vertrag zu genehmigen hat, die Möglichkeit zu geben, sich mit der Zahlung einer Abfindung auch an Sie einverstanden zu erklären. Die entstehende Gesamtbelastung des Nachlasses mit Abfindungen bleibt zwar hinter dem Versicherungskapitalswert der ausgesetzten Rente zurück. Dies erscheint mir aber billig angesichts dessen, daß 1. das Kapital definitiv geopfert, 2. beiden Vermächtnisnehmerinnen unangenehme Nachweise und Erörterungen erspart und für das, was Sie erhalten, Sicherung geboten wird. 3. Die Belastung durch die Rechnung des Herrn Dr. Pellech ist zwar nach den maßgebenden Wiener

b O: nocht 5 Es handelte sich um Anwaltskosten, die im Zusammenhang mit dem Prozeß über die Außerehelichkeit von Eva Gross entstanden waren. Gemeint sind vermutlich die Anwälte Alfred Brüstlein aus Bern und Brenno Bertoni aus Lugano.

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Honorarsätzen gerechtfertigt, nach deutschem Maßstabe aber und an sich doch ganz außerordentlich hoch und den Vermögensverhältnissen Emil Lasks kaum ganz entsprechend. Das Gericht, dessen Genehmigung eingeholt werden muß, ist verpflichtet, auf Wahrung der Interessen der Kinder6 zu dringen. Sind Sie, wie ich hoffe, einverstanden, dann bitte ich, dies Exemplar des Vertrages recht bald zu unterschreiben, die Unterschrift durch einen Notar beglaubigen, diese Beglaubigung dann durch das deutsche Konsulat legalisieren und mir das Schriftstück an meine HeidelbergerAdresse zusenden zu wollen. Mit freundschaftlichen Empfehlungen Ihr aufrichtig ergebener 앚:Max Weber. Herzliche Grüße! Ich war einige Zeit hier und sprach auch mit Pellech, den ich heut noch einmal sehe. Vorstehender Brief hat als Entwurf ihm schon vorgelegen.7 Stets Ihr M.W.:앚

6 Gemeint sind die Kinder von Berta und Louis Jacobsohn. 7 Vgl. den Entwurf vom 15. April 1916, in der Editorischen Vorbemerkung, Zif. 1, oben, S. 435 f.

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Beilage Vertrag zwischen den Erben von Emil Lask und Frieda Gross, maschinenschriftlich mit eigenhändigen Zusätzen von Max Weber: „Entwurf!“ und „wird von Frau Lask und Prof. Jacobsohn unterschrieben“. GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 14, Bl. 36. Er entspricht dem Vertragsentwurf vom 15. April 1916, in der Editorischen Vorbemerkung, Zif. 3, oben, S. 438.

Falkenberg,1 den Lichterfelde,2 den Frau Frieda Gross, geb. Schloffer Ascona. Ich als Vorerbin aus dem Testament meines Sohnes Prof. Dr. Emil Lask nehme Ihre auf Vereinbarung mit mir beruhende Erklärung vom 1916 hiermit an und verpflichte mich zur Leistung der darin vorgesehenen Beträge von zusammen 17500 Mk Abfindungskapital und 1500 Mk Anteil an der auf Sie entfallenden Erbschaftssteuer aus dem Nachlaß an Sie. Ich bestätige dabei auch, daß selbstverständlich die Nachlaßschuld meines Sohnes an den Herrn Advokaten Dr. Pellech in Wien, wie von dem Vermächtnis, so auch von dieser Vereinbarung nicht betroffen wird. Als Vater und gesetzlicher Vertreter der Nacherben gebe ich in deren Namen meine Zustimmung zu der vorstehenden Vereinbarung.

1 Falkenberg war der Wohnort der Vorerbin Cerline Lask. 2 Lichterfelde bei Berlin war der Wohnort des gesetzlichen Vertreters der Nacherben, Dr. Louis Jacobsohn.

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József von Lukács 5. Juni 1916; BK Wien Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 22, Bl. 22 – 23

bei Dr. L.M. HARTMANN Wien, I. Rathausstrasse 15

5.VI.16

Hochgeehrter Herr Hofrat!

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Vor der Rückreise nach Deutschland drängt es mich, Ihnen und Ihrer verehrten Gattin1 nochmals verbindlichst für die überaus gütige Aufnahme in Ihrem Haus und die große Förderung zu danken, die ich Ihnen bei dem kurzen Besuch in Budapest dankte und ohne welche derselbe nicht so wie geschehen verlaufen wäre. Ich hoffe dringend, daß Sie Ihren Sohn, unsren Freund, einmal in Heidelberg besuchen und hoffe das Gleiche von Ihrer Frau Tochter,2 der ich mich ebenfalls bestens zu empfehlen bitte. Meine Frau und ich würden glücklich sein, Ihrer Frau Gemahlin und Frau Tochter dann Heidelberg zeigen zu dürfen. Ich hoffe sehr, daß alle Angelegenheiten Ihres Herrn Sohns sich so werden regeln lassen, wie es in seinem und im Interesse der Wissenschaft zu wünschen ist.3 Mit angelegentlicher Empfehlung Ihr in vorzüglicher Hochachtung sehr ergebenster Max Weber

1 Adele v. Lukács. 2 Mária (Mici) v. Lukács. 3 Anspielung auf die Absicht von Georg v. Lukács, sich in Heidelberg zu habilitieren.

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Martha Riegel 5. Juni 1916; Wien Abschrift; handschriftlich Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 8, Bl. 14

Wiena, 5.6.1916 Liebes Fräulein Martha! Leider erhielt ich in Berlin auf dem Kriegsministerium den Bescheid, daß während des Kriegs keinerlei Reise an Gräber in diesem Gebiet1 gestattet würden und davon auch keinerlei Ausnahmen gemacht werden. Da doch wohl Einer von uns bei einer Überführung zugegen sein müßte, kommt vor dem Frieden eine solche auch nicht in Frage. So überaus gern ich also mit Ihnen hingefahren wäre[,] müssen wir uns leider doch bis zum Frieden gedulden und können nur hoffen, daß er bald kommt, was freilich recht zweifelhaft ist. Ich hatte hier einige Angelegenheiten zu ordnen2 und fahre morgen nach Berlin, dann nach Heidelberg zurück. Ich hoffe Sie irgendwann im Sommer zu sehen. Inzwischen danke ich Ihnen herzlich für Ihr Vertrauen und bitte Sie es mir zu erhalten. Mit den herzlichsten Grüßen und Wünschen Ihr aufrichtig ergebener Max Weber.

a Heidelberg > Wien 1 Martha Riegel wollte in Begleitung von Max Weber das Grab von Karl Weber aufsuchen und die Überführung der sterblichen Überreste einleiten. Karl Weber war am 22. August 1915 in Charsy am Bug gefallen. 2 Gemeint sind die Besprechungen mit dem Rechtsanwalt Otto Pellech über die Regelung der Prozeßkosten von Frieda Gross und deren Schwiegervater. Vgl. den Brief an Frieda Gross vom 2. Juni 1916, oben, S. 435 – 442.

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Marianne Weber PSt 5. Juni 1916; Wien Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Montag“ erschlossen.

Wien Montag Liebes Kind,

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morgen früh geht es nach Deutschland zurück und ich kann vielleicht schon am Freitag Abend, vielleicht erst Dienstag 앚:k. W.:앚 Abend in Heidelberg sein, hoffentlich das Erstere. Denn da Alfred auch nur so herumsitzt ohne Thätigkeit,1 so bin ich zehnfach überflüssig und gehe definitiv nach Hause, worauf ich mich ganz maßlos freue. Hier habe ich noch viele angenehme Menschen gesehen2 und gesprochen: immer dieselbe degagiert-feine Art, die so wohl thut[,] und jenes „Weltmännische“, welches uns so fehlt. Himmlisch war (bis gestern) das Wetter und meine ganze Liebe zu Wien ist wieder da. Nächst München die schönste Stadt deutscher Zunge! Aber man geht doch gern wieder in die Heimat. Die schönen langen Fahnen, die vom Rathaus herabwehen, freuen mich, denn daß sie einem deutschen Seesieg gelten,3 ist von allen Wundern dieses Krieges doch das erstaunlichste. Wie sehr ist das unsren Flottenleuten zu gönnen! Wenn jetzt, wie zu erwarten, im Osten Alles gut geht, so ist der Krieg ja innerlich erledigt durch die Erfolge Österreichs in Italien,4 die dieser Bande dort den verdienten Denkzettel gegeben haben. Wer hätte es für möglich gehalten!

1 Alfred Weber war ins Reichsschatzamt abgeordnet. 2 Vgl. den Brief an Ludo Moritz Hartmann, vermutlich 8. Juni 1916, unten, S. 454. Josef Redlich notierte in seinem politischen Tagebuch, daß Weber ihn am Sonntag, den 4. Juni, für zwei Stunden besuchte. Vgl. Redlich, Josef, Schicksalsjahre Österreichs 1908 –1919/20. Das politische Tagebuch Josef Redlichs, hg. von Fritz Fellner. – Graz: Böhlau 1954, S. 120. 3 Die Seeschlacht vor dem Skagerrak fand am 31. Mai 1916 statt. 4 Gemeint ist die Einnahme der italienischen Stellungen von Arsiero und Asiago, südöstlich von Trient, die schwer umkämpft blieben.

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Nun hast Du wohl Deinen Vortrag5 hinter Dir und es tritt hoffentlich Ruhe und Ausspannung, – hoffentlich nicht zu viel Abspannung – ein. Bald hat man sich dann einander wieder. – Darauf freut sich ganz gewaltig Dein Max

5 Den Vortrag „Der Krieg als ethisches Problem“ hielt Marianne Weber am 3. Juni 1916 anläßlich der Hauptversammlung des Vereins „Frauenbildung – Frauenstudium“ in Mannheim.

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Marianne Weber PSt 7. Juni 1916; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Mittwoch“ erschlossen.

Mittwoch Liebstes Mädele, –

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endlich bin ich den censurierten Briefen entronnen und wieder hier. Es war ja wirklich schön in Wien,1 trotz endlosen Schwätzens und vieler Schlafmittel, aber es ist mir nun doch ganz lieb hier zu sein und vollends: bald in Heidelberg, Freitag Abend frühestens, Sonntag Spätnachmittag spätestens. Wenn schon Freitag, telegrafiere ich. Da selbst Alfred hier gänzlich auf dem Trockenen sitzt,2 bin ich wirklich vollständig überzählig. Ich freue mich fabelhaft auf zu Haus, obwohl Du mir offenbar grollst – denn ich habe nichts, rein gar nichts, von Dir gehört seit ca. 10 a Tagen oder schon mehr. Folge des verfl... Vortrags?3 Oder wovon? Ich möchte schon, ich wüßte Dich wohl und vergnügt. Hier fand ich die Mutter wie immer, – es drückt offenbar Tante Nixel4 etwas auf sie, hoffentlich geht es bald zu Ende. Von ihr hörte ich, daß Du in der Pfingstwoche in Weimar bist.5 Nun dann ordne ich inzwischen mal meine „Bibliothek“ – der Name ist ja jetzt ein reiner Hohn! Von Wien erzähle ich dann noch Manches. In offnen Briefen kann man ja nicht so schreiben. Frau H[artmann] hat mir dieses Mal recht gut gefallen, obwohl sie etwas allzu sehr auf „Konversation“ aus ist für meinen Geschmack. Aber „tüchtig“ und doch offenbar, neben der Klugheit und a O: zweifach unterstrichen. 1 Weber war vom 22. bis 28. Mai und vom 1. bis 6. Juni 1916 in Wien, dazwischen vom 28. bis 31. Mai in Budapest. 2 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 5. Juni 1916, oben, S. 445. 3 Am 3. Juni 1916 hatte Marianne Weber anläßlich der Hauptversammlung des Vereins „Frauenbildung – Frauenstudium“ in Mannheim einen Vortrag über „Der Krieg als ethisches Problem“ gehalten. 4 Emilie (Nixel) Benecke, Helene Webers Schwester, war nach einem Schlaganfall schwer leidend. 5 Anlaß des Besuchs war die Kriegstagung des Bundes deutscher Frauenvereine, die vom 26. bis 29. Juni 1916 in Weimar stattfand. Helene Weber hatte irrtümlicherweise von der Pfingstwoche gesprochen.

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der (verblühten) Anmut auch „gut“. Und er ist eine „Seele“. – Budapest dagegen ist radikal scheußlich, die Menschen Barbaren mit Firniß. Alles „ungetrost“ gegenüber der vornehmen Schönheit Wiens. Hast Du denn meine Briefe bekommen? Ich schrieb im Ganzen 5, davon 1 aus Budapest.6 Viel stand nicht drin, ich wußte ja nicht, wer sie Alles las. Also hier mache ich „Schluß“, denke ich, will nur die Leutchen noch sprechen (Somary, Jäckh, Heile).7 Clara ist mal wieder fort zu Konrad,8 – Valborg9 nach Norwegen, Alles dadurch still und friedlich. Alfred scheint hier auch schlecht zu schlafen im Haus, wohnt in einem „Damenheim“ Marchstraße, ist sehr nervös (ich sah ihn noch nicht), hat nur Presse-Sachen zu thun.10 Sie haben eben zu viel Angebot von intellektuellen Arbeitskräften, denken immer: man wolle nur „beschäftigt“ sein. Es liegt also nicht an mir, ich bin sehr beruhigt. Ob wohl noch ein Briefchen von Dir kommt, – ich bin doch einigermaßen ausgehungert, mein Kind, denke mir, es liegt an dem Vortrag, daß Du so absolut schweigst! wie noch nie! Es küßt Dich Dein Max

6 Vgl. die Briefe an Marianne Weber vom 25. und 28. Mai, vom 1. und 5. Juni aus Wien und vom 29. Mai 1916 aus Budapest, oben, S. 428 f., 430, 433 f., 445 f. und S. 431f. 7 Diese drei Personen gehörten zu den engsten Mitarbeitern von Friedrich Naumann im Arbeitsausschuß für Mitteleuropa. 8 Konrad Mommsen, der älteste Sohn von Clara Mommsen. 9 Valborg Weber, geb. Jahn, besuchte ihre Verwandten in Norwegen. 10 Karl Helfferich, dem Alfred Weber im Reichsschatzamt zugeteilt war, war am 20. Mai 1916 aus dem Amt ausgeschieden und zum Staatssekretär des Innern und Vizekanzler ernannt worden. In der Zeit bis Siegfried Graf v. Roedern die Leitung des Reichsschatzamtes übernahm, war Alfred Weber in der wirtschaftlichen Abteilung des Stellvertretenden Großen Generalstabs tätig und verfaßte Berichte über die Lage in Frankreich, Bulgarien und der Türkei. Vgl. Demm, Eberhard, Ein Liberaler in Kaiserreich und Republik. Der politische Weg Alfred Webers bis 1920. – Boppard am Rhein: Harald Boldt 1990, Bd. 1, S. 180.

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Franz Eulenburg 8. Juni 1916; o.O. Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede und Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 9, Bl. 37

8.6.16.

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...a „Mitteleuropa“ ist noch immer nicht erledigt, so sehr ich – wie stets [–] überzeugt bleibe, daß politische Gründe die Union hindern werden. Aber – bitte: nur für Sie! – Soeben hat Deutschland die Aufhebung aller Agrarzölle offiziell angeboten. Über die Garnzölle ist die Einigung perfekt oder doch so gut wie perfekt.1 Die nach dem Krieg bevorstehende Finanzkatastrophe Österreichs wird weiter im Sinn der Angliederung an uns wirken. „Polen“ ist ungelöst[,] obwohl Deutschland jetzt sehr stark von seinem Angebot zurück kommt.2 Zum Verlust der österreichischen Dynastie: die Spannung ist zur Zeit sehr stark. Ich sprach in Wien einige Minister und den Unterhändler (Schüller,3 10 mal gescheiter als unsere Tröpfe!) Also: noch ist die Sache nicht „tot“, so höchst wahrscheinlich sie es in einiger Zeit sein wird.

a Auslassungszeichen in Abschrift. 1 Weder ist es deutscherseits zu einem Angebot der Aufhebung der Agrarzölle noch zu einer Einigung über die Garnzölle gekommen; zu den diversen Versuchen, im Weltkrieg zu einem wirtschaftlichen Zusammenschluß bzw. Zollbündnis zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn zu gelangen – Verhandlungen, die mit Unterbrechungen bis zum 11. Oktober 1918 andauerten –, vgl. Gratz, Gustav und Richard Schüller, Die Wirtschaftspolitik Österreich-Ungarns. Mitteleuropäische Pläne ([Carnegie-Serie:] Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Weltkrieges). – Wien: HölderPichler-Tempsky, New Haven: Yale University Press 1925, S. 7 – 14 und 44 – 106. 2 Hatte die deutsche Regierung zunächst eine austropolnische Lösung in Erwägung gezogen, so favorisierte man ab April 1916 die Errichtung eines von Deutschland abhängigen Königreichs Polen; zur „polnischen Frage“ vgl. den Brief an Heinrich Simon vom 25. Dez. 1915, oben, S. 228 f., Anm. 2. 3 Richard Schüller.

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Georg Gothein [ca. 8. Juni 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig BA Koblenz, Nl. Georg Gothein, Nr. 33, Bl. 143 – 144 Nach Inhalt und Schreibort zu urteilen, ist der Brief während Webers kurzem Aufenthalt in Berlin im Anschluß an seine Reise nach Wien geschrieben worden. Webers Anreisetag war der 7. Juni, Abreisetag der 10. Juni 1916, so daß für dieses Schreiben der 8. oder 9. Juni 1916 in Frage kommen; jedoch dürfte Weber sich in seinem vertraulichen Brief sogleich am 8. Juni 1916 an Gothein wegen dessen Kontakten zum Auswärtigen Amt gewandt haben. Tatsächlich hat Gothein diesem eine Abschrift von Webers Brief zugehen lassen.

Charlottenburg March-Str. 7F Tel. Steinplatz 3064

Vertraulich

Hochgeehrter Herr Bergrath! Auf das kürzliche Gespräch zurückkommend teile ich Ihnen mit: Der Ministerpräsident v. Stürgkha hat s. Z. zwei Mitgliedern der österreichischen Hochschullehrerschaft (Proff. v. Philippovich und Wettstein) in Audienz1 mitgeteilt: Es liege eine Note der Deutschen Regierung (Ausw[ärtiges] Amt) –b irre ich nicht, etwa vom 19. November 1915 – vor, welche die Angliederung Kongreßpolens an Österreich betreffe.2 Es wurde nicht gesagt, daß die Note ein „Angebot“ enthalte. Vielmehr war aus dieser und einer von anderer Seite erfolgten Mitteilung zu entnehmen: daß sie die Anfrage enthielt: zu welchen Bedingungen und unter welchen Garantien wirtschaftlicher und poli-

a O: Stürgk

b

1 Gemeint ist die Audienz vom 23. Dezember 1915. Eine Deputation von Hochschullehrern, der u. a. Richard v. Wettstein und Eugen v. Philippovich angehörten, hatte an diesem Tag Handelsminister Alexander Frhr. v. Spitzmüller-Harmersbach sowie Ministerpräsident Karl Graf Stürgkh im Vorfeld der Kundgebung der österreichischen Hochschullehrerschaft am 25. Dezember 1915 aufgesucht, um sich für den wirtschaftlichen Zusammenschluß der Donaumonarchie mit dem Deutschen Reich einzusetzen; vgl. dazu Ramhardter, Günther, Geschichtswissenschaft und Patriotismus. Österreichische Historiker im Weltkrieg 1914 – 1918. – München: R. Oldenbourg 1973, S. 96. 2 Gemeint ist das Promemoria vom 13. November 1916 (Scherer/Grunewald I, Nr. 165, S. 211 – 215), in dem es allerdings hauptsächlich um eine Zollunion zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn ging; zur Note und der folgenden Diskussion um die Zukunft Polens vgl. den Brief an Heinrich Simon vom 25. Dez. 1915, oben, S. 228 f., Anm. 2.

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tisch-militärischer Art die Österr[eichisch]-Ungarische Regierung geneigt sei, Kongreßpolen zu übernehmen?3 Eine Antwort erfolgte Monate lang nicht, wurde aber für die allerjüngste Zeit (ich glaube: die letzten Tage) gewärtigt, wie ich hörte (mündliche Antwort durch den Botschafter 4 sollte darnach in Aussicht genommen sein).5 Die Sektionschefs mehrerer österreichischer Ministerien, darunter der letzthin hier anwesende Herr Riedlc, ebenso alle an jenen Kundgebungen beteiligten österreichischen Hochschullehrer, gingen – wie ich ganz positiv höre – ganz fest von der Voraussetzung eben dieser – höchst bedenklichen! – Art der „Lösung“ der Polenfrage aus.6 Mein Hierherkommen und mein Interesse für die Zollunion beruhte in erster Linie auf diesen Mitteilungen. Von Dr Naumann – jetzt abwesend – werden Sie hören können, daß (und von wem) auch ihm gegenüber von Seiten der Regierung von diesen Erörterungen wiederholtd gesprochen wurde. Es scheint fast sicher: daß diese Lösung einmal in Aussicht genommen war. Hoffen wir, daß dies der Vergangenheit angehört und das

c O: Riedel

d Mitte > wiederholt

3 In dem Promemoria vom 13. November 1915 (wie Anm. 2) findet sich der Passus: „In der Herabminderung des derzeitigen Österreichischen Vertragszollniveaus müßte die Kompensation für unseren etwaigen Verzicht auf Russisch-Polen mit in erster Linie gefunden werden.“ (Scherer/Grunewald I, Nr. 165, S. 214). 4 Gottfried Prinz zu Hohenlohe-Schillingsfürst, damaliger k. u. k. Botschafter in Berlin. 5 Diese Antwort, wie sie Weber erwartete, war indes obsolet geworden, da die deutsche Regierung seit April 1916 auf der Schaffung eines unabhängigen, an das Deutsche Reich angelehnten Polen insistierte. 6 Vgl. dazu die Tagebuchnotizen von Josef Redlich über sein Gespräch mit Max Weber am 4. Juni 1916: „Die schwerste Sorge ist nach Weber Polen! Er sagt, daß das Anerbieten, das Bethmann im November an Burián gemacht, in Deutschland unbekannt sei – im Mai habe z. B. Abg. Gothein es erst von ihm erfahren, dann sei dieser sogleich zu Zimmermann gestürzt, der sehr verlegen halb bestätigte, halb leugnete. Weber sagt, wenn man in Preußen das erfährt, kann Bethmann an die Laterne kommen: Schlesien, West- und Ostpreußen seien erbitterte Gegner einer Umklammerung Preußens durch ein österreichisches Großpolen.“ Das politische Tagebuch Josef Redlichs 1908 – 1919, Bd. 2: 1915 – 1919, bearb. von Fritz Fellner (Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs, Bd. 40). – Graz, Köln: Hermann Böhlaus Nachf. 1954, Tagebuchnotiz vom 6. Juni 1916, S. 120.

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Dementi des Herrn v. Jagow7 dies besagen sollte und auch thatsächlich bedeutet. Aber Vorsicht war – und ist vielleicht – geboten. Mit vorzüglicher Hochachtung Prof. Max Weber

7 Ein offizielles Dementi Gottlieb v. Jagows in Sachen austropolnischer Lösung ist nicht nachgewiesen. Weder in den zeitgenössischen Zeitungen, bei Scherer/Grunewald I, noch in den einschlägigen Monographien: Conze, Werner, Polnische Nation und deutsche Politik im Ersten Weltkrieg (Ostmitteleuropa in Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 4). – Köln, Graz: Böhlau 1958, sowie: Lemke, Heinz, Allianz und Rivalität. Die Mittelmächte und Polen im ersten Weltkrieg (Bis zur Februarrevolution) (Quellen und Studien zur Geschichte Osteuropas, hg. von Eduard Winter, Bd. 18). – Berlin: Akademie 1977, findet sich ein derartiger Beleg. Möglicherweise bezieht sich Weber auf eine Privatäußerung v. Jagows gegenüber Gothein, der einer der profiliertesten Gegner der austropolnischen Lösung in der FVP war; vgl. dazu Conze (wie oben), S. 141.

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Ludo Moritz Hartmann [vermutlich 8. Juni 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig MWA, BAdW München (Fotokopie des Originals) Die Datierung ist erschlossen zum einen aus der Bemerkung im vorherigen Brief an Marianne Weber vom 7. Juni 1916, oben, S. 447 f., daß er seinen Bruder Alfred noch nicht gesehen habe – was inzwischen nach der Angabe in diesem Brief geschehen war. Sodann aus den Folgeschreiben an Hartmann vom 9. Juni 1916 sowie an Paul Siebeck vom 10. Juni 1916, unten, S. 456 f. und 461 f. Falls das Datum des Schreibens an Siebeck korrekt ist, ist Weber am 10. Juni, einem Samstag, nach Heidelberg zurückgekehrt. Der vorherige Brief an Hartmann mit der Angabe: „morgen: Heidelberg“ müßte dann am 9. Juni, der hier abgedruckte, der jenem Brief inhaltlich vorangeht, am 8. Juni 1916 geschrieben worden sein.

z. Z. Charlottenburg March-Str.a 7F Sonntag: Heidelberg Lieber Freund! 5

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Ich erhielt Ihr Telegramm, welches mich bat, Schritte zur Aufhebung des Verbotes der „Internat[ionalen] Rundschau“ zu thun.1 Ich sprach die Sache mit meinem Bruder2 durch, der ja im Generalstab als Hauptmann beschäftigt ist. Man müßte durch den Reichskanzler die höchste Stelle angehen und Das halten wir nach eingehender Erwägung für nicht ratsam, da die Sache zwar wichtig ist – denn das Verbot halten wir für eine den deutschen Interessen nicht dienliche Maßregel, a O: March-St. 1 Die seit 1915 in Zürich erscheinende Zeitschrift „Internationale Rundschau“ verfolgte die Absicht, insbesondere für die Vertreter der verfeindeten Nationen ein Diskussionsforum im Geiste der Verständigung zu bieten. Naturgemäß haben sich insbesondere pazifistische, sozialistische und (links-)liberale Stimmen zu Wort gemeldet, wie z. B. Bertrand Russell, John A. Hobson, Ramsay MacDonald und Bernard Shaw von englischer, Romain Rolland von französischer sowie Eduard Bernstein, Hugo Preuß, Ludo M. Hartmann und Heinrich Lammasch von deutscher bzw. österreichischer Seite. Der Vertrieb der „Internationalen Rundschau“ war offensichtlich im Juni 1916 auf Betreiben der Brüsseler Besatzungsbehörden verboten worden; vgl. dazu die folgenden Briefe an Hartmann vom 9. und 28. Juni 1916, unten, S. 456 f. und 468 f. Wie aus dieser Korrespondenz hervorgeht, sahen sich Max und Alfred Weber außerstande, Schritte zur Aufhebung des Verbots einzuleiten. Dies erfolgte durch entsprechende Aktivität auf höherer politischer Ebene. In seinem Brief vom 22. Jan. 1917 (Bestand Max WeberSchäfer, Deponat BSB München, Ana 446) teilte Hartmann mit, daß das „Verbot der Intern[ationalen] Rundschau [...] durch Scheidemanns Intervention aufgehoben worden“ sei. 2 Alfred Weber.

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ebenso wie Sieb – aber es sicher ist, daß ein Eingreifen in diesen nicht direkt politischen Einzelfall nicht erfolgen würde. Man ermüdete den „Apparat“, an den man doch nur in wichtigen Grundfragenc herantreten sollte. – Ich werde die Sache noch erwägen und schreibe noch darüber. – Nun haben Sie und Ihre liebe Frau3 nochmals herzlichsten Dank für Ihre weit über alle Grenzen einfach freundschaftlicher Gastlichkeit hinausgehenden Opfer an Zeit, Behagen und allen Dingen, die das Leben hat und die Sie Beide mir verschwenderisch in den Schoß streuten. Ich werde diese Wiener Tage sicher nie vergessen und so bald wiederkommen als ich nur irgend kann. Darf ich Sie wohl bitten, den Herren Gottlieb, Brockhausen, Breuer jun.[,] v. Schenk, Renner, Leuthner die allerherzlichsten Grüße und den verbindlichsten Dank zu sagen? Herrn Brockhausen schreibe ich noch.4 Ich habe Mancherlei gelernt und bin dafür sehr dankbar. Vor Allem aber danke ich Ihrer lieben Frau für jene Art von zarter Fürsorge, die man nur „an ihren Früchten“5 und auch dann nur – in den Wegen[,] die sie geht – mit stark bewaffnetem Auge erkennt, weil sie wie der Christengott „im Verborgenen“6 wirkt. Ich bin aber nicht blind und habe sehr wohl und mit der größten Dankbarkeit bemerkt, was Alles für mich geschah. Möchte doch das Schicksal einmal eine „Revanche“ gewähren! Ihnen selbst, lieber Freund, wünsche ich, daß Sie Sich von dem schweren Schlag, der Sie traf,7 allmälig innerlich erholen. Ich, der diesen Verlust täglich fürchtet, weiß was er bedeutet: ein inneres „Schutzdach“ aus den Kindheitstagen fällt fort und man ragt mit dem Kopf in den leeren Weltenraum. Mögen Sie und Ihre Frau an Ihren Kindern8 – Frau Dr

b O: sie c O: zweifach unterstrichen. 3 Margarethe Hartmann. 4 Der Brief an Carl Brockhausen ist nicht nachgewiesen. 5 Anspielung auf Matthäus 7,16: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“ 6 Vgl. Matthäus 6, 18: „auf daß du nicht scheinest vor den Leuten mit deinem Fasten, sondern vor deinem Vater, welcher verborgen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten öffentlich.“ Vgl. auch aus dem Alten Testament Jesaia 45, 15: „Fürwahr, du bist ein verborgener Gott, du Gott Israels, du Heiland“. 7 Hinweis auf den Tod von Hartmanns Mutter, Bertha Hartmann. 8 Heinz Hartmann und Eva Paneth, geb. Hartmann.

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Panethd bitte ich mich bestens zu empfehlen – so überaus Schönes erleben wie bisher[.] In treuer Freundschaft Ihr Max Weber 5

Würden Sie wohl anliegenden Brief adressieren?9 Die Frankatur gehört nun wieder zu jenen zahllosen Belastungen Ihres Budgets, die ich ganz unbefangen mir gefallen ließ. Herzlichen Dank!

d O: Panneth 9 Brief und Adressat sind nicht nachgewiesen.

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Ludo Moritz Hartmann [9. Juni 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 15, Bl. 18 – 19 Datierung erschlossen aus dem Briefinhalt bzw. den darin enthaltenen Zeit- und Ortsangaben in Verbindung mit dem Brief an Paul Siebeck vom 10. Juni 1916, unten, S. 461 f.; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Hartmann vom 8. Juni 1916, oben, S. 453.

Charlottenburg morgen: Heidelberg Lieber Freund, – die Sache wurde nochmals überlegt. Daß das Verbot der „Internationalen Rundschau“1 deutschen Interessen nachteilig ist, weil es einen falschen Eindruck machen kann, ist auch unsre Ansicht. Aber zumal wenn esa von Brüssel ausgeht, können wir nichts machen. Sie wissen ja, daß und weshalb ich über Beziehungen zum dortigen Generalgouvernement nicht verfüge und zum mindesten dort auch nichts nützen kann. Von hier aus wird aber sicher Niemand in diese Verfügungen eingreifen, zumal wenn sie eine, von hier aus gesehen, relativ „unwichtige“ Sache betreffen. Es möchte sich empfehlen, daß die Herausgeber sich dorthin wenden. Wir, speziell ich, sind grade in Brüssel absolut einflußlose Kronzeugen! Aber ich glaube: in solchen (– Presse-Verbots-) – Angelegenheiten überhaupt. Nach meiner Erfahrung lassen sich grade in diesen Dingen die Behörden nur durch erfahrene PresseLeute eventuellb eines Besseren belehren, durch absolut Niemand sonst. Ich werde mit Presse-Leuten reden – die sicher Alle unsrer Ansicht sind – und abwarten, was sie thun und ob sie etwas erreichen. Selbst etwas zu thun wäre wie gesagt ein Fehlschlag und da ich bisher es stets vermieden habe, mich an Behörden zu wenden, wenn nicht ganz dringende eigne Interessen Deutschlands in Frage standen – denn es ist allzuviel, was ihnen gebracht wird – so wäre es, weil nutzlos, auch unrichtig und, wie ich schon schrieb,2 eine „Ermüdung“ des „Appa-

a b 1 Zum Verbot der „Internationalen Rundschau“ vgl. den Brief an Hartmann vom 8. Juni 1916, oben, S. 453, Anm. 1. 2 Brief an Hartmann vom 8. Juni, oben, S. 453 f.

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rats“ (der Behörden). Wüßte ich dies nicht, ich würde mich der eignen Verfolgung der Sache nicht entziehen. Haben Sie sehr vielen Dank für Ihre freundlichen Zeilen. Darf ich Sie bitten, auch Herrn Hofrath Mengerc meine angelegentlichsten Empfehlungen zu sagen? Er war so freundlich, mir grade vor der Abreise noch ein Entnikotinisierungsverfahren (d. h. die betr. Anzeige) zu schicken, ich kenne aber auch seine Adresse nicht. Herzliche Grüße an Ihre verehrte Gattin,3 deren Fürsorge ich dankbar gedenke. Hoffentlich geht bei Ihnen an der Ostfront bald wieder Alles gut!4 Herzliche Grüße Ihr Max Weber

c Unsichere Lesung. 3 Margarethe Hartmann. 4 Am 4. Juni hatte die (erste) russische Brusilov-Offensive begonnen, die zum Zusammenbruch der österreichischen Front führte und nur mit Mühe von deutschen Ersatztruppen zum Stillstand gebracht werden konnte.

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Friedrich Naumann [9. Juni 1916]; o.O. Brief; eigenhändig BA Berlin, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 106, Bl. 57 Datierung erschlossen aus dem Briefinhalt bzw. den darin genannten Zeit- und Ortsangaben in Verbindung mit dem folgenden Brief an Paul Siebeck vom 10. Juni 1916, unten, S. 461 f.

Von morgen ab: Heidelberg Ziegelhauser Landstr. 17 Lieber Freund, – ich fahre morgen nach Heidelberg zurück. Über die Wiener und Budapester Erfahrungen werde ich eine kurze Denkschrift für Zimmermann machen1 und lasse Ihnena Abschrift zukommen. Ich betrachte die Fahrt als Privatreise. „Mitteleuropa“ wird jetzt nicht, – Quelle: Schüller,2 der Unterhändler, – aber ein Handelsvertrag derart, daß scheinbar Mittel-Europa ad acta gelegt ist, in Wahrheit (infolge der künftigen Entwicklung, Finanzen Österreichs, Polen u.s.w.) die Verhältnisse mit Wucht auf seine Herstellung drängen werden, schließlich – vielleicht – unwiderstehlich. Ich nehme an, daß Sie jetzt endlich Ruhe haben und haben wollen, daher suche ich Sie nicht auf, hoffe aber ganz bestimmt, daß der Weg Sie über Heidelberg führt. Fremdenzimmer steht bereit. Sie müssen ja doch noch längere Zeit in völlige Ruhe und Einsamkeit,3 ich kenne das ja gut und meine Frau weiß auch, daß ich dann Niemand, auch sie nicht, um mich haben konnte. Also Sie erhalten Bericht! In herzlicher Verehrung und Freundschaft Ihr Max Weber a 1 Unter dem Eindruck der im Juni 1916 äußerst erfolgreich begonnenen russischen Brusilov-Offensive gegen die österreichisch-ungarischen Linien – so wurden an die 200 000 Soldaten gefangen genommen – hat Weber auf einen Erfahrungsbericht von seinen Wiener Eindrücken für das Auswärtige Amt verzichtet; vgl. dazu den Brief an Helene Weber vom 15. Juni 1916, unten, S. 465. 2 Richard Schüller. 3 Naumann hatte am 14. März 1916 einen Kreislaufkollaps erlitten; vgl. dazu die Briefe an Marianne Weber vom 15. März 1916, oben, S. 343, und an Friedrich Naumann, vor dem 25. März 1916, oben, S. 357 f.

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Felix Somary [9. Juni 1916]; Charlottenburg Abschrift; maschinenschriftlich mit handschriftlichen Korrekturen Marianne Webers GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 8, Bl. 27 Die Datierung ist erschlossen aus der Bemerkung Webers, daß er „morgen nach Heidelberg“ fahren und dort bleiben werde – in Verbindung mit den Zeitangaben in den Briefen an Ludo M. Hartmann und Friedrich Naumann vom 9. Juni 1916, oben, S. 456 und 458, sowie dem Schreiben an Paul Siebeck vom 10. Juni 1916, unten, S. 462.

Charlottenburga Lieber Doktor Somary!

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Ich fahre morgen nach Heidelberg und bleibe dort. Es drängt mich zu sagen, wie sehr mich die nähere Bekanntschaft mit Ihnen erfreute. – Sie war eigentlich das einzig Erfreuliche hier. Denn sonst war ich, da mich nur das Politische interessierte und ich handelspolitisch die nötige Personal[-] und Industrie-Kenntnis nicht habe, nicht an meinem Platz …b Ihre Bank-Politik,1 für deren Dedikation ich nochmals danke, habe ich mit sehr großer Belehrung und Vergnügen gelesen; Aufbau und Durchführung scheinen mir vortrefflich gelungen. Die Knappheit und dabei Anschaulichkeit der Fassung sind im höchsten Maße des Lobes wert, in dieser Hinsicht jedenfalls das Beste der mir bekannten Literatur. Eine Kleinigkeit: Konkursvorrechte genießen Wechselforderungen2 auch jetzt meines Wissens bei uns nicht; nur gestattet das schleunige Verfahren schnelle Pfändung und dadurch Verschaffung von Sicherheiten.3 –

a In Abschrift: Charlottenburg, Frühjahr 1916. b Auslassungszeichen in Abschrift. 1 Somary, Felix, Bankpolitik. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1915. 2 Ebd., S. 30: „Die Wechselforderung genießt im Konkurs des Schuldners Vorzugsrecht, das Wechseleintreibungsverfahren ist ungewöhnlich streng.“ 3 Weber bezieht sich hier (wie Somary in Anm. 2) auf das Prinzip der „Strenge des Wechsels“, wie sie in den einschlägigen Bestimmungen ZPO § 602 ff. („Wechselprozeß“) dokumentiert ist; vgl. dazu Müller-Erzbach, Rudolf, Deutsches Handelsrecht, 2. und 3. Aufl. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1928, S. 437.

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Möchten Sie endlich die Ihnen zukommende und sachlich unbedingt gebotene Verwendung finden. Muß man denn durchaus entweder ein Streber oder ein Esel sein[,] um von Behörden acceptabel gefunden zu werden? Was soll man zu folgender Unterredung sagen: General X im Großen Generalstab hier: „Herr Leutnant Wilbrandt. Sie schreiben da von Produktionskosten der Industrie und der Landwirtschaft, nur die Industrie hat Produktionskosten, die Landwirtschaft hat so etwas nicht. Ändern Sie das also!“ Leutnant der Landwehr Professor Wilbrandt Tübingen (im Generalstab verwendet) „Zu Befehl Exzellenz“! –?– Gott besser’sc! – Die Abschlachtung des Rindviehs wäre schon an der Zeit, wenigstens auf den Kathedern …d Mit besten Grüßen und Empfehlungen, Ihr Max Weber.

c In Abschrift: bessers d Auslassungszeichen in Abschrift.

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Paul Siebeck 10. Juni [1916]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „15./VI.16.“ sowie Briefinhalt. Bezug: Brief Paul Siebecks vom 20. Mai 1916 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), in welchem er von einer Anfrage Joseph A. Schumpeters „wegen der Redaktionsübernahme einer Zeitschrift“ berichtet: „Aus geschäftlichen Gründen kann ich Schumpeter nicht abweisen. Bevor ich aber zum Verlag einer neuen Zeitschrift die Hand biete, möchte ich noch einmal die Frage aufwerfen, ob denn Schumpeter nicht doch in die Redaktion des ‚Archiv‘ aufgenommen werden könnte. Die Gründe, die Herr Professor Sombart in einem Brief an Jaffé gegen die Aufnahme Schumpeters geltend gemacht hat, kann ich nicht ernst nehmen.“ Die Idee, Joseph A. Schumpeter als Mitherausgeber des AfSSp für den ausgeschiedenen Robert Michels zu gewinnen, hatte Edgar Jaffé zum ersten Mal in seinem Brief an Paul Siebeck vom 25. Februar 1916 angeregt (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 371) mit der Begründung, daß Schumpeter „der zukunftsreichste Gelehrte“ der Volkswirtschaftslehre in Österreich sei sowie der „Vertreter der theoretischen Seite unserer Wissenschaft, welche Vertretung bisher noch im Herausgeberkreis fehlte und die in Zukunft von steigender Bedeutung sein wird“. Während Siebeck sich sogleich mit der Mitherausgeberschaft Schumpeters einverstanden erklärte, äußerte sich Werner Sombart in seinem Schreiben an Jaffé vom 14. März 1916 (Abschrift masch.; ebd., Nr. 371) äußerst ablehnend: „Prof. Schumpeter kenne ich nur aus dem kl[einen] Aufsatz über Krisen. Das war Geschwätz. Außerdem hörte ich, las ich (bei Hainisch), daß er seine ,reine‘ Unternehmertheorie von mir abgeschrieben habe, natürlich ohne mich zu nennen. Im übrigen schimpft er auf mich. Das wäre nun irrelevant. Aber ich halte die ganze österreichische Richtung für völlig verfehlt und im Wesen unproduktiv. Wollen Sie dem ,Archiv‘ damit einen Stempel aufdrücken? Oder verzichten Sie überhaupt auf irgendwelche wissenschaftliche Färbung nach Art des Salates im ,Grundriß der Sozialökonomik‘? Beides wäre gleich bedenklich. Und warum soll der junge Sch[umpeter] die Ehre der Mitherausgeberschaft haben, da so sehr viel würdigere da sind. Haben Sie Tönnies ganz vergessen? Aber ich nehme an, Ihre Frage an mich war nur eine pro forma Frage und Sie haben irgend einen besondren Grund, Sch[umpeter] hineinzuziehen. Dann bitte.“ Während Siebeck weiter für Schumpeters Eintritt plädierte und durchaus mit dem daraus resultierenden möglichen Ausscheiden Sombarts einverstanden war, dessen „Eitelkeit“ ihm „persönlich sehr unsympathisch“ sei und bei dessen „Beiträge[n] und Beziehungen“ er sich mitunter frage, ob sie „ein Aequivalent zu seinen Honorar-Ansprüchen“ böten (Brief an Jaffé vom 27. Mai 1916, ebd., Nr. 371), war Jaffé in seiner Antwort vom 27. Mai 1916 (ebd.) der Ansicht, daß man Sombart in dieser Sache nicht einfach „überstimmen“ könne, „da auch Prof. Weber’s Votum für Schumpeter nur ein sehr bedingtes“ gewesen sei. Bei einem Zusammentreffen der drei Hauptherausgeber am 6. April 1916 in Berlin wurde beschlossen, zu diesem Zeitpunkt auf Herausgeberänderungen zu verzichten (Brief Jaffés an Siebeck vom 7. April 1916, ebd., Nr. 371). Eine neue Wendung nahm die Angelegenheit durch den oben zitierten Brief Siebecks an Weber vom 20. Mai 1916. In der Folgezeit gab es Sombarts Einverständnis zu Schumpeters Mitherausgeberschaft im „Archiv“ und ebenso Webers Zustimmung, obwohl auch dieser dabei anscheinend eine schwankende Position einnahm – vgl. das Schreiben an Jaffé, vor dem 1. Dezember 1916, unten, S. 566. Am 22. November 1916 teilte Schumpeter Siebeck mit, daß sowohl seine Pläne für eine Zeitschriftenneugründung als auch der mögliche Eintritt in die österreichische „Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung“ sich zerschlagen hätten und er

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sich „zum Eintritt in die Archiv-R[edaktion] entschlossen“ habe (ebd., Nr. 374). Tatsächlich ist Joseph A. Schumpeter 1917 Mitherausgeber des AfSSp geworden; auf dem Titelblatt des AfSSp firmiert er zum ersten Mal in Band 44 von 1917/18.

Heidelberg 10/VI Verehrtester Freund, heute erst fand ich, von Budapest – Wien kommend, Ihren Brief hier vor (ich bleibe jetzt wieder hier)a. Ich hatte und habe nichts gegen Sch[umpeter]’s Rezeption, wollte nur Sombart nicht unbedingt nötigen, da auch Jaffé nicht ganz eindeutig entschlossen schien. An sich halte ich jedoch seine Herbeiziehung zur Mitredaktion für positiv erwünscht und nützlich. Eine neue Zeitschrift wird jetzt schwerlich sehr viel Chancen haben. Sollte etwa doch Sch[umpeter]’s Gewinnung für das „Archiv“ scheitern, so könnte doch vielleicht auf das Freiwerden der Z[eitschrift] f[ür] Staatswiss[enschaft]b für Sch[umpeter] gewartet werden?1 Wie gesagt, ich werde keine Schwierigkeiten machen, sondern bin für Ihren Wunsch. Mit herzlichem Gruß Max Weber

a Klammer fehlt in O. b 1 Weber spekuliert hier auf den möglichen Rücktritt Karl Büchers als Herausgeber der „Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft“ aus Altersgründen. Karl Bücher ist jedoch noch bis 1923 Alleinherausgeber geblieben; erst 1924, ab Jahrgang 78, wurde Georg Brodnitz sein Nachfolger.

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Helene Weber [15. Juni 1916]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 281 – 283 Das Datum ist aus der Tagesangabe „Donnerstag“ in Verbindung mit dem Brief an Paul Siebeck vom 10. Juni 1916, oben, S. 461 f., dem Tag nach der Rückkehr nach Heidelberg, erschlossen.

Heidelberg, Donnerstag Liebste Mutter, –

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eben kamen Deine 4 Packete Bücher (und so weiter) für mich, hab recht vielen Dank für diese Mühe, die ich Dir noch vor meinem Verschwinden gemacht habe[,] und für die viele Geduld, die mein diesmal aus Gründen[,] die Du ja kennst, nicht sehr lebendiges Wesen Dir auferlegte. Ich werde nun hier bleiben. Denn für die Aufgaben, welche G[eorg] Müller mir gern zugewendet hätte und die an sich gewiß höchst wichtig und sehr interessant sind,1 kann ich mich nicht für sehr berufen erachten; auch ist, nach stets wiederholter „Umstellung“ auf andre Dinge, mein Gehirn zur Zeit in seiner Anpassungsfähigkeit doch fühlbar gelähmt und er würde Enttäuschungen erleben.1) Was aber die politischen Dinge anlangt, so sehe ich, daß die Auffassungen, die ich da praktisch vertreten könnte, doch jetzt von der Mehrzahl der Vernünftigen sehr ähnlich gesagt und zur Geltung gebracht werden (was nach meinem, vielleicht irrigen, Eindruck nicht immer der Fall war) und daß für praktische Arbeit die amtlichen Stellen so viel tüchtige und grundgescheidte Arbeitskräfte, die ihnen jederzeit zur Verfügung stehen, 1)

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Er sollte sich an Dr Somary, (Konstanzer Str. 1) wenden – ev. schreibe ich ihm das auch noch.2

1 Gemeint ist die Mitarbeit im Textilverband, die Georg Müller Weber Mitte Mai angeboten hatte. Vgl. den Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 21. Mai 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). Darin schrieb Marianne Weber, sie könne ihrem Mann nicht zureden, dem Wunsch von Georg Müller zu folgen und für den Textilverband wieder nach Berlin zu gehen. Max Weber habe sich wieder ganz seinem wissenschaftlichen Arbeiten zugewandt und gesagt‚ ja ,wenn es sich um eine politische Aufgabe handeln würde‘. Vgl. auch den Brief an Marianne Weber vom 21. März 1916, oben, S. 351 f. 2 Ein Brief an Georg Müller ist nicht nachgewiesen.

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ganz ungenutzt lassen, daß es töricht wäre, sich da aufdrängen zu wollen, wo man eben schlechterdings nicht gebraucht wird. Das geht auf die Dauer nicht. Hier fand ich Marianne in Gesundheit und Stimmung recht gut vor. Die „Liegetage“ (sie hat sie grade jetzt) sind noch immer häufiger als gut ist und das wird wohl so bleiben, so lange sie mit Rücksicht auf die Art ihrer Arbeit hier nicht die nun einmal gebotene Art der „Diät“ nicht innehalten kann. Aber im Ganzen darf man zufrieden sein, daß es so ist wie es ist. Lili, die ich Montag sah, ist und bleibt vorerst zart und die 4 Kinder sind etwas reichlich für sie. Wir boten ihr an, den Albert,3 sobald die Frage seiner Versetzung oder (wahrscheinlich) Nicht-Versetzung feststeht, einige Zeit hierher zu uns zu nehmen, damit sie etwas entlastet ist und frischer in die Ferien geht, während deren sie mit den Kindern, weil dann die Zumutungen von „Pflichten“ für die Schule fehlen, innerlich so viel leichter und ungetrübter zusammenlebt, davon etwas haben kann und nicht grade dann fort muß. Bei der Unterhaltung darüber stellte sich aber heraus, daß sie es weitaus vorzöge, lieber selbst während der Zeit von Lisa v. Ubisch’s Anwesenheit hier einige Wochen hierher zu uns zu ziehen und Lisa die Kinder zu lassen. Sie meint, sie hätte davon mehr als von jenem andren Vorschlag und wir wollen Das herzlich gern machen, freuen uns auch, daß sie es wünscht, – Ruhe und Einsamkeit hat sie ja hier, da Marianne und ich den ganzen Tag so oder so beansprucht sind und jetzt fast nur Sonntags Menschen kommen. Auch hat sie Lilli H[ausrath] im Haus, mit der sie sich sehr behaglich zusammenfühlt. Deshalb ist uns in Lili’s Interesse Lisa’s Besuch hier doch recht wertvoll, so gut wir verstehen, daß Du sie grade jetzt gern in Clara’s Organisationsarbeit hättest (es ist ja nicht unbedingt sicher, ob sie dazu ebenso gut paßt wie zu den Kindern, die sie offenbar vorzüglich zu behandeln versteht). Das Verhältnis Lili’s zu den beiden großen Kindern4 leidet, nach meiner 앚:und Marianne’s:앚 Überzeugung wenigstens, im Wesentlichen nur unter ihrer (Lili’s!) nervösen Angespanntheit und der daraus folgenden etwas schwankendena seelischen Balance. Sie redet, wenn sie

a 3 Albert Schäfer. 4 Clara und Albert Schäfer.

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nervös strapaziert ist, zu viel, statt einfach ruhig anzuordnen und gerät zu leicht aus der Fassung auch bei Kleinigkeiten, die sie ruhig korrigieren müßte. Es ist dann kein rechter Unterschied von „wichtig“ und „unwichtig“ da und sie wird für die Kinder unberechenbar und zuweilen zu nachgebend[,] zuweilen unvermuthet heftig. Jeder solche Mangel an Balance schwächt dann natürlich, weil die Kinder die 앚:innere:앚 Sicherheit der Mutter vermissen, die Autorität[,] und läßt sie die Korrekturen ihrer Unarten als unverhältnismäßigb – je nachdem nach der einen oder andren Seite – oder als ein „Moralisieren“ empfinden, namentlich dann, wenn sie allzu viel redet. All das ist immer nur Ausdruck von nervöser Müdigkeit, die schließlich begreiflich genug ist. Und die Abhilfe kann deshalb vorerst auch nur in Trennung von dem Jungen (der der schwierigste ist) auf jeweils einige Zeit bestehen, – vielleicht später einmal in einer Pensions-c oder Internats-Schule des Jungen für einige Jahre. Wären es nur 2 oder selbst 3 Kinder, so ginge, nach unsrer Ansicht, Alles ganz gut, obwohl gewiß Hermann’s5 Hinterlassenschaft an Nicht-Erziehung und Gehen-Lassen, welches diese Schwierigkeiten letztlich verschuldet hat, in keinem Fall leicht anzutreten war. – Gebe der Himmel uns doch endlich einen Sommer, nachdem wir ihn um einige Monate zu früh gehabt haben! Diese Naßkälte ist ganz abscheulich und auch in keiner Hinsicht gut. Die Prügel, die die Österreicher sich wieder geholt haben,6 lassen meine Wiener und Budapester Beobachtungen7 als zu sehr überholt erscheinen, als daß es sich lohnte, sie noch als „Denkschrift“ einzureichen,8 wie ich es sonst vielleicht gethan hätte. Hoffentlich rappeln sie sich wieder, nachdem nun abermals wir sie herausgehauen haben werden. – Marianne grüßt herzlich, ebenso Dein Max

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5 Der verstorbene Vater Hermann Schäfer. 6 Gemeint ist die russische Brusilov-Offensive. Zu diesem Zeitpunkt gelang den Russen der Durchbruch in Wolhynien, am 8. Juni wurde Luck eingenommen. In Italien mußten sich die Österreicher im Angriffsraum Brenta-Etsch zurückziehen. 7 Weber bezieht sich auf seine Aufenthalte vom 22. bis 28. Mai und 1. bis 5. Juni in Wien bzw. vom 28. bis 31. Mai 1916 in Budapest. 8 Vgl. den Brief an Friedrich Naumann vom 9. Juni 1916, oben, S. 458.

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25. Juni 1916

Frieda Gross 25. Juni PSt 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 14, Bl. 38 – 39 Das Jahr ist aus dem beiliegenden Briefumschlag mit den Poststempel vom 26.6.1916 erschlossen.

Heidelberg 25/6 Liebe Frau Frieda, – schönen Dank für Brief und Vertrag.1 Ich bin recht froh, daß Sie damit einverstanden sind. Denn ich befürchtete, Sie könnten finden, daß nicht genug geschehen sei. Aber wir müssen mit dem Gericht rechnen, welches den Vertrag zu bestätigen hat und es war nicht gut möglich, mehr durchzusetzen. (Der Brief,2 den ich Ihnen beilegte, war „offiziell“ und auch für die Augen des Richters bestimmt, daher so „förmlich[“].) Wie mir Dr Pellech in Wien sagte, besteht ja Chance, daß Otto Gross aus der Wahnsinns-Kuratel gelangt – dann wird ja die ganze Eva-Prozeß-Sache sich glatt regulieren.3 Daß er unter VerschwenderKuratel bleibt, ist ein wahrer Segen: ohne das käme kein Pfennig an die Kinder. – Natürlich sind Sie, schon infolge der Erwartung des österreichischen Geldes, jetzt übel dran. Es wäre gut, der Krieg ginge zu Ende, damit das besser wird. Aber so schnell kommt es denn auch nicht. Und das Leben wird an sich teurer. Wir merken das auch sehr peinlich, vor Allem im Interesse meiner jetzt hier wirtschaftenden Schwester4 mit ihren 4 Kindern. Ja – herzlich gern wäre ich längst wieder nach Ascona gekommen. So vergeßlich bin ich wirklich nicht, wie Sie glauben. Es war und ist nur wirklich schwierig. Ich saß lange in Berlin,5 um dort zu helfen – aber sie haben viel zu viel Helfer. Es ist eine elende Sache, wenn man

1 Vgl. zum Vertrag zwischen den Erben von Emil Lask und Frieda Gross den beigelegten Vertragsentwurf im Brief an Frieda Gross vom 2. Juni 1916, oben, S. 442. 2 Brief an Frieda Gross vom 2. Juni 1916, oben, S. 439 – 441. 3 Vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 21. Nov. 1913 (MWG II/8, S. 386 f.). Bei wiedererlangter Geschäftsfähigkeit hätte Otto Gross die Ehelichkeit von Eva Gross anerkannt. 4 Lili Schäfer. 5 Mit kurzen Unterbrechungen hatte sich Max Weber von Mitte Februar bis 10. Juni 1916 in Berlin aufgehalten und für den „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“ gearbeitet.

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nicht ins Feld kann. Nun hat mich dort mein Bruder Alfred so zu sagen abgelöst, d. h. ich bin jetzt noch überflüssiger als vorher, da er „dienstlich“6 dort ist und ich es nur privat war. Also 앚:die:앚 Abbondio-Wohnung7 ist aufgegeben? Das ist mir, fallsa ich hinkomme, leid, denn das war so arg bequem von Zimmer zu Zimmer; – der Weg zum panettone war so nah! Und zu Andrem auch, zum Plaudern vor Allem. – Was mag es denn sein, was Sie – wie Sie schreiben – „verwirrt“. Kann man es nicht schreiben? Denn es ist fraglich, ob ich – so lange Krieg ist – so leicht hinkomme. Nachher sehr bald, dessen seien Sie sicher. In herzlicher Freundschaft Ihr Max Weber

a Unsichere Lesung. 6 Alfred Weber hatte seit Mai eine Stelle im Reichsschatzamt. 7 Gemeint ist das Haus des Advokaten Giovanni Abbondio, die „Casa Abbondio“ in Ascona, in dem Frieda Gross einige Zimmer gemietet hatte. Auch Weber wohnte dort während seiner Aufenthalte in Ascona 1913 und 1914.

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28. Juni 1916

Ludo Moritz Hartmann 28. Juni [1916]; Heidelberg Brief; eigenhändig MWA, BAdW München (Fotokopie des Originals) Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg Ziegelhauser Landstr.a 17 28/VI Verehrtester Freund, – Wäntig hat 앚:m. W.:앚 keinen Einfluß auf die Frage der Beschlagnahme von Zeitschriften.1 Er arbeitet in Brüssel flandrische (Vlamen-)Frage, so viel ich weiß. Aber ein Brief trifft ihn unter der Adresse „Generalgouvernement Brüssel“ wohl sicher. Ich fürchte nur, es nützt nichts, nachdem einmal die Sache – m. E. ganz verkehrter Weise – geschehen ist. Eher ist das Kriegsministerium zuständig und eventuell zugänglich. Ich habe da leider keinerlei Beziehungen, mein Bruder2 auch nicht. Ja – Tisza’s Äußerungen über Polen3 eröffnen für die Zukunfts-Beziehungen allerdings absolut veränderte Perspektiven und werden in Deutschland enormen und dauernden Eindruck machen. Schade daß

a O: Landst. 1 Es geht hierbei um das Verbot der „Internationalen Rundschau“; vgl. dazu den Brief an Hartmann vom 8. Juni 1916, oben, S. 453, Anm. 1. Zu Heinrich Waentigs Tätigkeit in Brüssel während des Weltkriegs vgl. den Brief an Marianne Weber vom 23. Aug. 1915, oben, S. 101, Anm. 7. 2 Alfred Weber. 3 Weber bezieht sich auf Äußerungen des ungarischen Ministerpräsidenten, Stefan (István) Graf Tisza, anläßlich einer Diskussion über die „Lösung der polnischen Frage“ im ungarischen Abgeordnetenhaus. Dabei hatte dieser die Hoffnung geäußert, daß die Regierung „recht bald in die Lage kommen möge, sich auch über die Einzelheiten der Lösung dieser Frage zu äußern.“ Es würden „alle maßgebenden Kreise der Monarchie bestrebt sein werden, [...] der Regelung der polnischen Frage sowie den Wünschen und Lebensinteressen des polnischen Volkes in weitestem Maß Rechnung“ zu tragen. Hier zit. nach der Notiz in der FZ: Eine neue Rede Tiszas. Budapest, 15. Juni. W. B., ebd., Nr. 165 vom 16. Juni 1916, Ab.Bl., S. 2. Ein weiteres positives Signal setzte Tisza in seiner Antwort auf ein Telegramm des Obmannes des Polenklubs, Leon v. Bili´n ski: Darin äußerte er die Hoffnung, „daß es den erprobten Führern des Polenvolkes gelingen“ werde, „die Wünsche desselben mit den gegebenen politischen Möglichkeiten in Einklang zu bringen“. Zit. nach der Zeitungsnotiz: Ungarn und Polen. Wien, 19. Juni. (Priv.-Tel., zf.), in: FZ, Nr. 169 vom 20. Juni 1916, Ab.Bl., S. 2.

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ich das nicht mehr dort erlebte! – Hoffentlich geht es im Osten bald wieder ganz gut!4 Herzlichste Grüße von Haus zu Haus immer Ihr Max Weber

4 Die russische Brusilov-Offensive, die Anfang Juni 1916 begonnen und fast zum Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Front geführt hätte, wurde nur unter größter Anstrengung von deutschen Ersatztruppen aufgehalten.

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4. Juli 1916

Helene Weber [4. Juli 1916; Heidelberg] Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 270 Datum und Ort sind aus dem im folgenden Brief erwähnten Vortrag von Marianne Weber am 4. Juli 1916 in Heidelberg erschlossen.

Liebste Mutter! Schick doch diese Korrekturen nicht mehr hierher nach! Es ist Dummheit der Druckerei, das Zeug zu Dir zu schicken. Ich brauche sie gar nicht, es sind nur Aufsätze Andrer für unsre Zeitschrift.1 Die Geld-Sache2 wird erledigt. Es kann sein, daß ich im Juli nochmal 8 Tage nach Berlin komme, hoffentlich nicht grade wenn Du fort bist.3 Lili will dann im August mal sich hier bei uns etwas ausruhen, wenn Albert4 fort ist. Daß Lisa5 da ist, ist recht gut. – Wie mag es mit dem Konrad (junior)6 stehen? Der Himmel gebe, daß es jetzt im Westen – wie es scheint – und auch im Südosten gut geht. Dann ist die Entscheidung des Krieges gefallen und es kann sein, daß im Winter Frieden geschlossen wird. Aber leider ist es noch immer zu früh, daran zu glauben und zu denken. Allerschönsten Dank für Deinen Brief. – Meinem Gehirn geht es jetzt, seit einigen Wochen, wieder verblüffend gut: gelehrte Arbeit kann ich gut leisten. Das viele Laufen und Reden ohne Resultat in Berlin war das[,] was mich herunterbrachte. Marianne hält eben ihren Vortrag7 nochmal, es geht ihr recht gut, darf man sagen. Tausend herzliche Grüße Dein Max Ich schreibe bald mal auf Deine „Probleme“, die Ernst8 böse machen. 1 Gemeint ist das „Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“ (AfSSp). 2 Der Sachverhalt konnte nicht ermittelt werden. 3 Der Besuch in Berlin erfolgte erst in der zweiten Augusthälfte. 4 Albert war der älteste Sohn von Lili Schäfer. 5 Lisa v. Ubisch, eine Freundin von Lili Schäfer, entlastete Lili in der Betreuung der Kinder. 6 Konrad Mommsen war an der Westfront eingesetzt. 7 Am 4. Juli 1916 hielt Marianne Weber in Heidelberg ihren Vortrag „Der Krieg als ethisches Problem“, den sie schon am 3. Juni 1916 anläßlich der 17. Generalversammlung des Vereins „Frauenbildung – Frauenstudium“ in Mannheim gehalten hatte. 8 Ernst Mommsen war der Schwiegersohn und der ärztliche Betreuer von Helene Weber.

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Paul Siebeck 10. Juli 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Bezug: Brief Paul Siebecks vom 8. Juli 1916 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), dem in Abschrift ein Brief des Juristen Paul Krückmann aus Münster vom 6. Juli 1916 beigegeben war. Krückmann regte darin ein Buch über „Demokratie und Großfinanz“ an: „Für den kundigen Beobachter ergeben sich genügend Beweise schon aus der Tagesgeschichte, es fehlt aber meines Wissens an einer zusammenfassenden Darstellung mit den ausreichenden Belegen. Sie ist für unsere künftige Politik m. E. unentbehrlich, wird doch heute schon behauptet, daß die Reichsleitung großfinanziellen Einwirkungen in ihrer Politik mehr als gut unterliegt. Das thema probandum ist das sichere Unterliegen einer jeden Demokratie unter den Finanzmächten, Demokratie also nichts anderes als Plutokratie.“

Heidelberg 10/7 16 Verehrter Freund, –

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die Anregung des Herrn Prof. Krückmann ist inhaltlich nichts Neues. Ungezählte Federn sind beflissen gewesen, „nachzuweisen“, daß „Demokratie“ eigentlich „Plutokratie“ bedeute. Was daran Richtiges ist, ist in jedem Geschichtswerk nachzulesen. Daß jetzt das Bedürfnis bestünde, über dies triviale Thema noch besonders arbeiten zu lassen, bestreite ich. Denn die „Gefahr“ der „Demokratie“ liegt heute ganz wo anders: darin, daß sie sehr leicht zur „Bürokratisierung“ führt. Und über die absolute Sterilitäta unserer Bürokratie wird allerdings ein Wort zu sagen nötig sein und ich werde das s. Z. nicht unterlassen.1 Geschäftsleute (im Ehrenamt) und nicht Beamte sind es, welche ausnahmslos alle jene „Ideen“ erzeugt und jene Organisationen angeregt und geschaffen haben, auf deren Funktionieren unser inneres, ökonomisches, finanzielles, verwaltungstechnisches „Durchhalten“ beruht.

a Stupidität > Sterilität 1 Eine eingehende Auseinandersetzung mit der Bürokratie als Institution politischer Herrschaft findet sich in Webers Artikel: Vergangenheit und Zukunft des deutschen Parlamentarismus. II. Beamtenherrschaft und politisches Führertum, in: FZ, Nr. 157 vom 9. Juni 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 f., in überarbeiteter Form wieder abgedruckt in: ders., Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland. Zur politischen Kritik des Beamtentums und Parteiwesens. – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1918, S. 14 – 55 (MWG I/15, S. 450 – 486).

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Die Bürokratie hat nichts gethan als ihre Todsünde: die blöde Dummheit und Ideenfeindschaft, an den Tag zu legen. Ich habe das ja aus nächster Nähe gesehen – und stehe gewiß nicht im Verdacht, innere Sympathien mit „Kapitalisten“ als solchen zu haben. Vor Allem: ein Thesen-Thema, bei dem von vorn herein feststeht: was herauskommen soll und bei dem vor allen Dingen die LitteratenGepflogenheit des Raisonnierens gegen die „Demokratie“ mit dem Litteraten-Ressentiment gegen Leute, die viel Geld verdienen (welches auch der Bürokratie eignet), den Leitton angiebt, ist weniger „zeitgemäß“ als irgend etwas. Nicht daß wir „Hochfinanz“ haben, sondern daß wir leider noch viel zu wenig davon haben, daß 앚:deshalb:앚 alle Staaten der Erde auf die Finanzkräfte Englands und Frankreichs angewiesen sind, ist das Unglück unserer weltpolitischen Situation und ist – ich habe diese namentlich bei „Demokraten“ oft sehr unpopuläre Ansicht seit 25 Jahren vertreten2 – Schuld unsrer törichten Politik. Der verderbliche Druck, der auf unsre Reichsregierung ausgeübt wird, geht von absolut andren Kreisen aus als von der „Hochfinanz“, – auch das sah ich in der Nähe. Und die (direkten) Steuern, die wir brauchen, werden wir wiederum ganz andren Kreisen abringen müssen. Versagt hat bei uns: 1) die Dynastie (mehr als Außenstehende ahnen), – 2) die Bürokratie, – 3) bestimmte „maßgebende“ Parteien des Parlaments. Nicht versagt hat 1) das Offiziercorps und die Armee, – 2) alle „demokratischen“ Institutionen 앚:(und Parteien):앚 – 3) der deutsche 앚:bürgerliche:앚 Unternehmer, einerlei ob industrieller oder Bank-Unternehmer. Diese Thatsachen sind jedem Näherstehenden bekannt und leicht erweislich. Der Brief ist nicht vertraulich[.] Mit freundschaftlichem Gruß Ihr Max Weber

2 So hatte nach Webers Ansicht insbesondere das Börsengesetz von 1896 mit seinem Verbot des Terminhandels im Sinne der Interessen der ostelbischen Großgrundbesitzer dazu geführt, den Finanzstandort „Deutsches Reich“ entscheidend zu schwächen; vgl. dazu schon Webers Artikel: Börsenwesen. (Die Vorschläge der Börsenenquetekommission.), in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 1. Supplementband. – Jena: G. Fischer 1895, S. 241 – 252, insbesondere S. 252 (MWG I/5, S. 553 – 590, insbesondere S. 589).

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Frieda Gross 11. Juli 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 14, Bl. 40

Heidelberg 11/VII 16 Liebe Frau Frieda!

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Anbei die notarielle Erklärung.1 Über die zweckmäßige Art der Zahlung korrespondieren wir noch, rechtlich ist die Sache jetzt jedenfalls in Ordnung, die gerichtliche Genehmigung2 ist (in den Akten) erteilt. Es ist nicht sicher, ob Sie sehr klug thun, jetzt Alles in barem Geld (deutscher Währung) sich zahlen zu lassen. Es kommt ganz auf die Wertpapiere an, welche der Nachlaß bieten kann. Vielleicht erlauben Sie, daß ich auch darüber noch Vorschläge mache,3 wenn ich das selbst erst weiß. Inzwischen in herzlicher Freundschaft Ihr Max Weber

1 Zur Nachlaßregelung von Emil Lask vgl. den Brief an Frieda Gross vom 2. Juni 1916, oben, S. 435 – 442. 2 Gemeint ist die Genehmigung der Nachlaßregelung von Emil Lask. 3 Die Erben von Emil Lask hatten angeboten, die Zuwendung an Frieda Gross wahlweise in bar oder in Wertpapieren zu leisten. Vgl. die Erklärung von Frau Frieda Gross in der Editorischen Vorbemerkung zum Brief an Frieda Gross vom 2. Juni 1916, Zif. 2, oben, S. 437.

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13. Juli 1916

Eduard Wilhelm Mayer 13. Juli [1916]; Heidelberg Brief; eigenhändig BA Koblenz, Kl. Erw. 303 – 22 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes in Zusammenhang mit dem Schreiben an Mayer vom 29. Oktober 1916, unten, S. 556 f., erschlossen. In diesem sowie dem Brief an Eduard Wilhelm Mayer vom 29. Oktober 1916 geht es um die Publikation einer Aufzeichnung von Max v. Forckenbeck. Der Text v. Forckenbecks mit der Einleitung bzw. dem Kommentar von Mayer ist nicht zur Veröffentlichung gelangt, dessen Inhalt unbekannt geblieben. Eduard Wilhelm Mayer arbeitete im Auftrag der Nationalliberalen an einer Gesamtdarstellung ihrer Geschichte – so das Empfehlungsschreiben von Robert Friedberg, dem Vorsitzenden des Geschäftsführenden Ausschusses der Partei, vom 1. Mai 1916 (BA Koblenz, Kl. Erw. 303-22). Wegen seines frühen Todes im Jahre 1917 ist Mayer nicht mehr dazu gekommen, dieses Werk zu vollenden. Es existiert lediglich ein – nicht veröffentlichtes – Typoskript: Geschichte der Entstehung der nationalliberalen Partei, in: BA Koblenz, Kl. Erw. 303-1. Ein Teil davon ist veröffentlicht worden unter dem Titel: Aus der Geschichte der nationalliberalen Partei in den Jahren 1868 bis 1871, in: Deutscher Staat und deutsche Parteien. Beiträge zur deutschen Partei- und Ideengeschichte. Friedrich Meinecke zum 60. Geburtstag dargebracht. – München und Berlin: R. Oldenbourg 1922, S. 135 – 154. Über das Gesamtmanuskript Mayers konstatierte Paul Wentzke, ebd., S. 135, in einer Herausgeberanmerkung, daß es zwar druckreif vorliege, aber der Druck durch den Vorstand der Deutschen Volkspartei als Nachfolgerin der Nationalliberalen Partei untersagt worden sei.

Heidelberg 13/VII Sehr verehrter Herr Doktor! Leider fand ich im Nachlaß meines Vaters1 s. Z. nichts vor, was uns sehr erstaunte. Er muß diese Korrespondenzen wohl vernichtet haben. Dagegen rathe ich, Sich an die Hinterbliebenen von Exc. Arthur Hobrecht zu wenden, der sicher eine umfassende Korrespondenz geführt hat, die zweifellos noch nicht wissenschaftlich ausgebeutet ist. Er hat einen Sohn2 (Richter) und eine Tochter (Frl. Eva Hobrecht, vermutlich Lichterfelde – s. Adreßkalender!) hinterlassen. Die Frau starb erst vor Kurzem,3 wie ich hörte. H[obrecht] war kein „schöpferischer“ Politiker, aber ganz hervorragend an Charakter und auch klug. (Vermittlung dorthin etwa durch Dr Böttcher4 – eventuell bin ich bereit durch meine Mutter die Verbindung wieder anzuknüpfen). 1 Der Nachlaß von Max Weber sen. ist nicht mehr vorhanden. 2 Fritz Hobrecht. 3 Emma Hobrecht war im Jahre 1912 verstorben. 4 Gemeint ist Friedrich Böttcher, Begründer und Herausgeber der „Nationalliberalen Correspondenz“.

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Ich gedenke des Abends bei Dr Schellhaß5 mit Vergnügen und stehe jederzeit für Weiteres zur Verfügung. Mit vorzüglicher Hochachtung Prof. Max Weber

5 Der Historiker Karl Schellhass gehörte zu Webers Bekanntenkreis in den frühen 1890er Jahren in Berlin. Mayer kannte Schellhass von seiner Tätigkeit im Preußischen Historischen Institut in Rom vor Kriegsausbruch 1914.

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Mitte Juli 1916

Lili Schäfer [Mitte Juli 1916; Heidelberg] Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 62 – 63 Das Datum und der Ort sind aus dem Briefinhalt in Zusammenhang mit dem Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 15. Juli 1916 erschlossen (Bestand Max WeberSchäfer, Deponat BSB München, Ana 446). In beiden Briefen steht die Unterbringung von Lili Schäfers elfjährigem Sohn Albert in der Odenwaldschule im Mittelpunkt.

Liebe Lili, – Marianne wird Dir wahrscheinlich ziemlich stark zureden, es mal mit der Odenwaldschule1 zu versuchen, da dort wirklich „individuelle Erziehung“ garantiert ist und 800 Mk pro Jahr ein äußerst geringer Preis sind für das Gebotene. Es ist das genau entgegengesetzte Extrem wie das Kadettenhaus2 und zwischen beiden gilt es zu wählen, – das scheint ja in der That wohla gegeben. Die geistige Anregung ist natürlich bei Geheeb – der mit Marianne befreundet ist3 – ganz unvergleichlich besser[,] als selbst in der besten Kadettenanstalt sie jemals sein kann[,] und der Junge wird, wenn er doch einmal aus dem Geschwister-

a 1 Die Odenwaldschule in Oberhambach bei Heppenheim ist ein Landerziehungsheim, das 1910 von Paul und Edith Geheeb gegründet worden ist. Ihm liegt das reformpädagogische Prinzip von Hermann Lietz zu Grunde. Dazu gehören die Koedukation, das Kurssystem anstelle von Jahrgangsklassen, die Unterbringung in „Familien“, die von Erwachsenen betreut werden, sowie die zusätzliche Möglichkeit, ein Handwerk zu erlernen. – Marianne Weber hatte sich Anfang Juli 1916 an den Leiter der Odenwaldschule, Paul Geheeb, gewandt und für Albert Schäfer, der Schulprobleme hatte, einen Internatsplatz zu einem ermäßigten Preis angeboten bekommen. Der übliche Preis betrug 2000 Mk. Sie erhoffte sich dort für Albert Schäfer eine „glückliche Kindheit“. Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 15. Juli 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). 2 Bei den Überlegungen zur schulischen Zukunft von Albert Schäfer war auch dessen Eintritt in eine Kadettenanstalt zur Sprache gekommen. Vgl. den Brief an Lili Schäfer vom 9. April 1916, oben, S. 378 f. 3 Den freundschaftlichen Austausch belegen vier kurze Schriftstücke aus dem Jahr 1913 (Privatbesitz) von Marianne Weber an Paul Geheeb. Gemeinsame Themen, wie die Koedukation oder die Jugendpflege nach der Schulentlassung, brachten sie einander näher. Außerdem führte Marianne Weber den Psychiater Hans Gruhle 1913 bei Paul Geheeb ein, dessen Arbeitsschwerpunkt in dieser Zeit der Jugend galt. Vgl. Gruhle, Hans W., Die Ursachen der jugendlichen Verwahrlosung und Kriminalität. Studien zur Frage: Milieu oder Anlage (Heidelberger Abhandlungen aus dem Gesamtgebiete der Kriminalpsychologie, Heft 1). – Berlin: Julius Springer 1912.

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kreis und von Dir soll – und das ist doch wirklich bei dieser Überlastung das Richtige – später gern an diese Schulzeit denken und Dir dankbar sein. Ich selbst würde, soweit ich mir ein Urteil erlaube, in fast allen andren Fällen sagen: das spätere Leben geht hart und lieblos mit den Menschen um und kümmert sich um ihre „Individualität“ den Teufel: also ist es ihnen besser, sie erleben das als Kinder schon ebenso, – also: besser in die große unindividuelle Gemeinschaft hinein, der sie sich einfügen müssen, ob sie wollen oder nicht. Aber man kann erstens auch andere Konsequenzen ziehen und zweitens ist der Fall dieses Jungen ja wirklich ein sehr besonderer, so daß auch für diese Möglichkeit bei ihm vielleicht mehr spricht als in normalen Fällen. Auch der Gedanke: daß Du so überaus beruhigt über sein inneres und äußeres Schicksal als Schulkind sein kannst, hat etwas, was Einen doch dafür einnimmt, das möchte ich offen gestehen. Ratsam wäre es ja dann: gleich jetzt: gegen Ende August also, den Schritt zu thun, und ist das nicht auch besser? Die Lage Deiner vermutlich durch den Krieg auch bedrängten Finanzen kenne ich nicht. Macht es Schwierigkeiten, so möchte ich doch nicht unterlassen zu sagen: das wird erledigt, und künftig geht das erst recht. Ich würde Dich nur bitten, zu sagen, welchen Betrag Du, ohne Schwierigkeiten, aufwenden kannst. Also: entscheide Dich, wie es Dir scheint. 앚:Oder vielmehr: fahre vielleicht einmal mit Marianne zu der Odenwaldschule hin, um ein Bild zu gewinnen?:앚 Auch über 앚:das:앚 Karlsruher Corps4 werden wir Dir noch Nachrichten zu schaffen suchen. Die in sittlicher Hinsicht nicht ganz eindeutigen Gerüchte darüber waren der Grund, weshalb wir glaubten bei Geheeb anfragen zu sollen. Inzwischen hat Marianne wieder günstigere Nachrichten erhalten. Herzlichst Dein Max

4 Gemeint ist die 1892 gegründete Kadettenanstalt in Karlsruhe.

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22. Juli 1916

Paul Siebeck PSt 22. Juli 1916; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Die Karte steht in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Webers Artikelserie zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69. Das Schreiben befindet sich auf einem Posteinlieferungsschein. Auf der Rückseite findet sich die eigenhändige Angabe Max Webers: „Einschreiben (Manuskript)“.

oder 2 a Fortsetzungen des Artikels über „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“1 (A[rchiv] f[ür] S[ozial-]W[issenschaft])[.] Schlußartikel folgt im Herbst!2 Max Weber

a1

a O: zweifach unterstrichen. 1 Bei diesen „Fortsetzungen“ muß es sich um das gesamte Restmanuskript von Webers Studie über „Hinduismus und Buddhismus“ handeln, da von einer weiteren Manuskriptsendung bis 1917 nicht mehr die Rede ist. Dafür spricht auch, daß Emil Lederer auf seiner Karte an Paul Siebeck vom 8. Juli 1916 (VA Mohr/Siebeck, Tübingen, Nr. 372) den Titel der ihm von Weber angekündigten Fortsetzung „für das nächste Archivheft (42,2)“ wie folgt avisiert: „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Hinduismus und Buddhismus (Schluß: Die Intellektuellen und die Volksreligiosität in Asien).“ Eine Bestätigung dieses Titels erfolgte in Lederers Karte vom 12. Juli 1916 (ebd.). Dieses umfangreiche Restmanuskript ist in zwei Folgen veröffentlicht worden: „Hinduismus und Buddhismus. Fortsetzung“ [= Hinduismus und Buddhismus II] sowie „Hinduismus und Buddhismus. Schluß“ [= Hinduismus und Buddhismus III]. 2 Als „Schlußartikel“ dürfte der Beitrag zum antiken Judentum gemeint sein; allerdings ist der erste diesbezügliche Manuskriptteil erst im Laufe des Jahres 1917 von Weber an den Verlag geschickt worden.

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Lili Schäfer 25. Juli [1916]; [Heidelberg] Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 43 – 44 Das Jahr und der Ort sind aus dem Briefinhalt erschlossen; Lili Schäfer wohnte seit Dezember 1915 in Heidelberg.

25/7 Liebe Lili, –

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da morgen etwas dazwischen kommen kann und es nicht ganz sicher ist, ob ich Dich sehe, nimm, für alle Fälle, schriftlich alles Herzliche an Wünschen. Es kommt mir vor, als könnte sich für Dich hier Alles doch ganz erträglich machen; die Wohnung fand ich in der Lage jetzt im Sommer doch auch wieder ganz reizend und wie für Euch gebaut. Den Nachteil für mich, daß ich die Kinder 앚:wegen der Entfernung:앚 nicht so wie es grade einmal im Augenblick paßt, sondern nur nach Präliminarien sehen kann, kann ich nicht aus der Welt schaffen; aber in Zeiten, wo ich nicht so stark an Schreibtisch-Arbeit gebunden bin, wie (absichtlich) in der letzten Zeit, bin ich körperlich ja etwas beweglicher als ich es jetzt war. – Der Gundolf’sche „Goethe“,1 der Dir zugedacht war, kommt, wenigstens im Buchhandel, nach G[undolf]’s Mitteilung erst im September heraus, ich kann ihn Dir also nicht eher schicken. – Dagegen habe ich, während ich im Frühjahr infolge der Reiserei2 nicht viel Geld übrig hatte, jetzt Honorar zu erwarten3 und brauche es nur zum Teil. Ich muß Dich doch etwas in der Klemme vermuthen, und für Martha Riegel und Dich selbst wäre doch sicher etwas Bewegungsfreiheit recht sehr zu wünschen.4 Nimm also die etwas banausische Beilage nicht übel auf! – Grüße Lisa v. U[bisch], – auf Wiedersehen[,] sei es morgen Abend oder sonst bald mal. Dein Max 1 Gundolf, Friedrich, Goethe. – Berlin: Bondi 1916. 2 Weber hatte seine Schwester Lili Schäfer nach Ostpreußen begleitet, über Ostern einige Tage in Heidelberg verbracht, war anschließend nach Berlin gereist und war Ende Mai/Anfang Juni in Wien und Budapest gewesen. 3 Honorar für die Aufsätze im AfSSp über „Hinduismus und Buddhismus“. 4 Marianne Weber hatte in ihrem Brief an Helene Weber vom 15. Juli 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) von Lilis Geldwunsch für eine kleine Reise mit Martha Riegel berichtet.

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27. Juli 1916

Redaktion der Frankfurter Zeitung 27. Juli [1916]; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Am 27. Juli 1916, dem Tag der Absendung dieses Briefes, war in der FZ, Nr. 206, 2. Mo.Bl., S. 2, ein von sieben Berliner Professoren unterzeichneter Aufruf – Unterzeichner waren Otto v. Gierke, Wilhelm Kahl, Eduard Meyer, Dietrich Schäfer, Reinhold Seeberg, Adolph Wagner und Ulrich v. Wilamowitz-Möllendorf – mit der Überschrift: „Der Wille zum Sieg. Ein Aufruf Berliner Universitätsprofessoren“ erschienen. Darin hieß es u. a.: „Wir haben das Schwert nicht in die Hand genommen, um zu erobern. Nun wir es haben ziehen müssen, wollen, können und dürfen wir es nicht in die Scheide stecken, ohne einen Frieden gesichert zu haben, den auch die Feinde zu halten gezwungen sind. Der ist aber nicht zu erlangen ohne Mehrung unserer Macht, Ausdehnung des Bereiches, in dem unser Wille über Krieg und Frieden entscheidet. Dazu bedarf es sicherer Bürgschaften, ‚realer Garantien‘. [...] Sollten wir der kleinen Entbehrungen wegen, die uns der Tag auferlegt, unsere Zukunft in Frage stellen können, sollten das tun, obgleich wir Sieger sind? Wir verdienen nicht ein Volk zu heißen und ein Reich zu haben, wenn es so wäre. So wollen wir denn ‚durchhalten‘, unverzagt und unerschüttert durchhalten und siegen, weil, wollen wir uns selber [nicht] aufgeben, wir gar nicht anders können.“ Durch den Aufruf sah sich Weber dazu veranlaßt, umgehend an die Frankfurter Zeitung zu schreiben mit der Bitte, eventuell die Gegendarstellung abzudrucken, die er dem Brief als Anlage beifügte. Dieser Text ist anonym erschienen unter dem Titel: Der Berliner Professorenaufruf, in: FZ, Nr. 207 vom 28. Juli 1916, 1. Mo.Bl., S. 3 (MWG I/15, S. 131 – 133). Das Originalmanuskript des anonymen Leserbriefs war zur Zeit der Drucklegung von MWG I/15 noch unbekannt, so daß eine von Marianne Weber veranlaßte maschinenschriftliche Abschrift (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 10, Bl. 73) mit den annotierten Abweichungen in der FZ-Publikation zugrunde gelegt wurde. Webers eigenhändiger Originaltext wird als Anlage zu diesem Brief abgedruckt. Der textkritische Apparat beschränkt sich auf die Wiedergabe der Weberschen Korrekturen; auf eine Annotation der Varianten gegenüber der gedruckten FZ-Zuschrift wurde verzichtet.

Heidelberg 27.VII. Sehr geehrte Redaktion! Ich verstehe nicht, wie der „Aufruf“ der 6 Berliner alten Herren1 in die Öffentlichkeit kommt. Er war an zahlreiche Professoren verschickt, ich persönlich nicht nur, sondern der Lehrkörper der hiesigen Universität in corpore hat protestiert 2 (wegen der (gegen den Reichs1 Tatsächlich waren es sieben Berliner Ordinarien, die unterzeichnet hatten. 2 Ein derartiger Protest der Universität Heidelberg ist nicht nachgewiesen; weder gibt es in den Rektoratsakten des Universitätsarchivs entsprechende Dokumente noch einschlägige Notizen in den Heidelberger und überregionalen Zeitungen. Vgl. dazu die Stellungnahme von Christian Jansen, Professoren und Politik. Politisches Denken und Handeln der Heidelberger Hochschullehrer 1914 – 1935 (Kritische Studien zur Ge-

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kanzler gerichteten) Bemerkungen über mangelnde Siegeszuversicht und mangelnden Willen zum Ausharren). Es liegt also irgend eine Indiskretion vor. Ich stelle anheim, die Anlage (angelegen) abzudrucken, zu deren Autorschaft ich mich jederzeit bekennen werde. Mit vorzüglicher Hochachtung Prof. Max Weber

schichtswissenschaft, hg. von Helmut Berding, Jürgen Kocka, Hans-Ulrich Wehler, Bd. 99). – Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1992, S. 335, Anm. 11: „Daß gegen diesen Aufruf ,der Lehrkörper … in corpore protestiert‘ habe, wie M. Weber behauptete, geht aus den vorliegenden Quellen nicht hervor und dürfte eine taktische Übertreibung sein […].“

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27. Juli 1916

Anlage Aus akademischen Kreisen schreibt man uns: „Der im zweiten Morgenblatt vom 27. VII abgedruckte Aufrufa einiger Berliner Professoren kann nur durch Versehen als zur Publikation bestimmt an Sie gelangt sein. Er war ein Entwurf und zur Unterzeichnung versendet, stieß jedoch auf so scharfen Widerspruch, daß seine Veröffentlichung – wie zuverlässig verlautet – aufgegeben war. bDie Bedenken richtetenb sich gegen den gewiß nicht beabsichtigten , [] thatsächlich aber cdurch manche Wendungen ermöglichtenc falschen Schein, als bestehe in Deutschland 앚:irgendwo:앚 nicht die vollste Entschlossenheit, durchzuhalten bis zu einem solchen Frieden, wie wir ihn dim Interessed unsrer Ehre und Sicherung brauchen. eDer Aufruf konntee aus diesem Grunde 앚:sehr leicht:앚 – sicher entgegen der Absicht seiner Verfasser – ähnlich schädlich für die nationalen Interessen Deutschlands wirken, wie dies ganz funzweifelhaft jenef Quertreibereien einer kleinen Clique 앚:gethan haben:앚, welche die Stellung des Reichskanzlersg, dem sie aus 앚:rein:앚 innerpolitischen Gründen gram ist, ohne die geringste Rücksicht auf die Interessen des Vaterlands dadurch zuh erschüttern sucht, daß sie ihm öffentlich ‚Schwäche‘ vorwirft. Die Nation ist dieses Treibens überdrüssig. Nächst deri militärischen Führung genießt der gegenwärtige Reichskanzler bis in den letzten Schützengraben um deswillen Credit, weil Jedermann weiß, daß dieser Krieg nicht um abenteuerlicher Ziele willen geführt wird, sondern 앚:nur:앚 weil kund nurk so lange er für unsre Existenz notwendig ist. Diesen Credit genießt keiner seiner Gegner. Unsre Soldaten im Felde haben ein Recht darauf, daß diesem Umstand endlich Rechnung getragen werde.“

a b Der Widerspruch richtete > Die Bedenken richteten c erweckten > durch manche Wendungen ermöglichten d zu > im Interesse e Er wirkte > Der Aufruf konnte f zahlrei > unzweifelhaft jene g h i k und > und nur

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Mina Tobler [1. August 1916]; BK Nürnberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Der Brief ist am 1. August 1916 geschrieben worden, vor der für diesen Tag angekündigten Rede Max Webers „An der Schwelle des dritten Kriegsjahres“ (MWG I/15, S. 648 – 689),

Fürstenhof – Grandhotel Nürnberg Liebes Tobelkind, –

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nur einen kurzen Gruß von hier in Ihre – hoffentlich! – stille Ruhe. Wie mag es droben1 gehen? Was mag die Mutter2 machen? Was die Schwester?3 Ich bin hier recht gut untergekommen und wenn ich an der ganzen Veranstaltung4 etwas mehr innere Freude hätte, wollte ich schon etwas Gutes sagen. Aber man darf andre Ansichten nicht brüskieren und überhaupt nicht zu deutlich werden, – und das ist nicht meine Art. Gott sei Dank steht ja der Krieg so gut wie er nur irgend stehen kann, ich zweifle selbst an einem Eingreifen dieser rumänischen Schuftea 5 – und wenn, nun dann machen sieb den Bulgaren eine Freude. Hier ist und war es offenbar tüchtig heiß, eher zu wenig Regen für die Ernte als zu viel, aber auch hier steht sie gut. Sonntagc war

a Unsichere Lesung. b O: Sie c Samstag > Sonntag 1 Auf dem Albis bei Zürich verbrachte die Familie Tobler meist die Sommerferien. 2 Henriette Tobler. 3 Elisabeth Ott, geb. Tobler. 4 Die Veranstaltung war vom „Deutschen National-Ausschuß für einen ehrenvollen Frieden“ gleichzeitig in 39 Städten unter Heranziehung von bekannten Rednern organisiert worden. Der im Sommer 1916 gegründete Verein war formell selbständig, aber der Regierung nahestehend. Sein Zweck war es, die Öffentlichkeit für die Politik der Reichsregierung zu gewinnen und für gemäßigte Kriegsziele zu werben. Vgl. den Editorischen Bericht zu „An der Schwelle des dritten Kriegsjahres“, MWG I/15, S. 648 – 650. Obwohl Weber dem Verein nicht angehörte, ließ er sich als Redner für einen Vortrag in Nürnberg gewinnen; für Heidelberg war Hermann Oncken vorgesehen. 5 Zu dieser Zeit kündigte sich bereits an, daß Rumänien die Neutralität aufgeben würde. Am 17. August 1916 trat Rumänien der Entente bei, am 27. August erfolgte die Kriegserklärung an Österreich-Ungarn. Dem folgten am 28. August die Kriegserklärungen von Deutschland, dem Osmanischen Reich und Bulgarien an Rumänien. Am selben Tage erklärte Italien dem Deutschen Reich den Krieg.

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1. August 1916

Braus nochmal da, – er ist doch ein feiner liebenswürdiger Mensch, der sicher nichts aus kleinlichen Motiven thut und sagt. Ich habe ihm einige „Instruktionen“ für Lili gegeben, die ja auch nach St. Märgen geht.6 Auch Gundolf zeigte sich einmal wieder – er ist schmal und offenbar recht strapaziert, mehr innerlich als äußerlich. Von Salz hatte er nichts gehört seit endlosen Zeiten. Alles Herzliche an Wünschen und sonst Ihr Max Weber

6 Lili Schäfer verbrachte zur gleichen Zeit wie Hermann Braus und dessen Familie ihre Ferien in St. Märgen im Schwarzwald.

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Mina Tobler 7. August [1916]; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahr ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 7.a/VIII Liebes Tobelkind, –

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ich vermuthe Sie oben auf dem Albis1 und schicke einen sehr herzlichen Gruß hinauf, – schon von Nürnberg schrieb ich eine Karte,2 die Sie wohl erreicht hat. Erhalte ich „Verhandlungsberichte“ aus der Presse, so schicke ich sie.3 Im Ganzen: Vorbereitung: miserabel, Besuch: mäßig oder geringer, – sachliche Befriedigung der Anwesenden gering (für diesen „Nationalausschuß“4 begeistert man sich eben nicht leicht, es ist Alles lendenlahm und müßte ganz anders draufgehauen werden)b. Ich habe jedenfalls nicht verhohlen, daß ich die Gegner für Esel halte und das hat namentlich die Radikalen Sozialdemokraten, aber auch einige Alldeutsche arg geärgert. Die Stimmung gegenüber dem Krieg ist gut, das ist sie ja in Wahrheit überall außer bei einigen Angstmeiern und bei den stark gedrückten Schichten einiger Großstädte, bei uns aber nicht anders als anderswo auch. Der Krieg kann – leider – noch endlos dauern, aber das muß eben sein. Was mögen Sie droben thun? Also die Mutter5 ist mit? Grüßen Sie sehr herzlich mit den besten Wünschen. Ebenso die Schwester6 und Schwägerin7. Ich irre mich doch nicht: daß beide auch dort sind? Heidelberg ist nun auch tüchtig leer. Lili in St Märgen mit Else Engler und

a Unsichere Lesung.

b Klammer fehlt in O.

1 Auf dem Albis bei Zürich verbrachte die Familie Tobler meist die Sommerferien. 2 Aus Nürnberg ist nur ein Brief an Mina Tobler vom 1. August 1916, oben, S. 483 f., nachgewiesen. 3 Vgl. den Brief an Mina Tobler vom 11. Aug. 1916, unten, S. 491 f. 4 Gemeint ist der „Deutsche Nationalausschuß für einen ehrenvollen Frieden“ (vgl. dazu den Brief an Mina Tobler vom 1. Aug. 1916, oben, S. 483, Anm. 4). Weber hatte sich von diesem für einen Vortrag am 1. August 1916 in Nürnberg gewinnen lassen (An der Schwelle des dritten Kriegsjahres, MWG I/15, S. 648 – 689). 5 Henriette Tobler. 6 Elisabeth Ott, geb. Tobler. 7 Bertha Tobler.

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7. August 1916

Braus’, – hoffentlich in möglichst ungestörter Ruhe trotzdem, der Junge8 in Pommern und Alles so weit ganz ordentlich reguliert. Auch sonst sieht und hört man Niemand, – in gewissem Sinn die schönste Zeit; schade[,] daß Sie dann auch immer grade fort sind. Ich gehe wieder an meine Chinesen und Inder9 und mit großem Vergnügen; denn für die Politik tauge ich nur, wenn ich ganz deutlich sagen kann, was ich meine und will. Zumal ich doch ziemlich bestimmte Ansichten habe. Wie mag es wirtschaftlich in der Schweiz stehen nach den jüngsten Schwierigkeiten? Wie es sei, bleiben Sie wie Sie waren und vergessen Sie nicht Ihren Max Weber

8 Albert Schäfer war während seiner Sommerferien aufs Land nach Pommern geschickt worden. 9 Gemeint sind die Arbeiten zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“.

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[Ludwig Feuchtwanger] [vor dem 9. August 1916]; o.O. Abdruck in: Bloch, Ernst, Durch die Wüste. Kritische Essays. – Berlin: Paul Cassirer 1923, S. 58 Die Datierung ist erschlossen aus dem Hinweis Webers in seinem Brief an Mina Tobler vom 9. August 1916, unten, S. 488, daß auf seine Empfehlung hin eine Arbeit von Ernst Bloch „(als Buch)“ gedruckt werde. Mit der „Empfehlung“ ist sicher ein befürwortendes Schreiben, Blochs „Philosophie der Musik“ betreffend, an den Geschäftsführenden Direktor von Duncker & Humblot, Ludwig Feuchtwanger, gemeint, aus welchem – wahrscheinlich – der unten abgedruckte Auszug stammt. Dem entspricht auch Webers Bemerkung in seinem Brief an Margarete Susman vom 19. Oktober 1918 (Deponat Max Weber, BSB München, Ana 446; MWG II/10), „mit geholfen“ zu haben, „dem B[loch]’schen Buch diesen Verlag [Duncker & Humblot] zu gewinnen“. Bloch, dem offensichtlich Webers Expertise – die heute nicht mehr existiert – von Feuchtwanger zur Kenntnisnahme zugesandt wurde, hat diese dann an Georg v. Lukács mit Begleitschreiben vom 16. August 1916 weitergeleitet und zu Webers Stellungnahme kritisch vermerkt: „Sie [die Kritik Webers] ist erstaunlich in ihrer Fähigkeit das Unwesentliche zu tadeln oder zu loben, und das Andere abzulehnen oder nicht zu sehen. Nur muß ich Dich fragen: wie kann ein solcher Mann, der doch von meinen Kräften, von meinem ganzen Spezificum so wenig eine Ahnung hat, daß ich, wenn mein Name nicht ausdrücklich genannt wäre, gar nicht wüßte, daß diese Kritik über meine ,Musik‘ geht, wie kann dieser Mann mit Dir auch geistig so intim stehen?“ Zit. nach: Lukács, Georg, Briefwechsel 1902 – 17, hg. von Éva Karádi und Éva Fekete. – Stuttgart: J. B. Metzler 1982, S. 375. Blochs „Philosophie der Musik“ ist abgedruckt in seinem Buch: Geist der Utopie. – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1918, S. 79 – 234.

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Aufs Höchste zu loben ist die sehr umfassende Stoffbeherrschung. Vollkommen richtig ist das Urteil über Beethoven, über die Kammermusik; das ganze Buch enthält überhaupt eine Fülle der sachlich wichtigsten und richtigsten Einzelbemerkungen; und so bin ich dem Verfasser für zahlreiche Hinweise aufrichtig dankbar.

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9. August 1916

Mina Tobler 9. August [1916]; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahresdatum ist aus dem Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 7. August 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, BSB München, Ana 446) erschlossen, in dem auch vom Besuch von Clara Schäfer die Rede ist.

Heidelberg 9.8. Liebes Tobelkind, – einen schönen Gruß von uns Beiden zuvor! Hoffentlich geht bei Ihnen Alles gut weiter – das Wetter zum Mindesten muß ja gradezu himmlisch sein. Bei uns ist nun das kleine Clärchen Schäfer eingezogen, – man merkt nicht viel von ihm, weil es stets beim Baden oder draußen ist. Ein merkwürdig zugleich gutes, wohlgebautes und doch sehr „bäuerliches“ Kind, was der „Wandervogel“1 noch steigert. Ich sitze tief in Arbeit und komme nicht viel dazu, mich jetzt mit ihm zu beschäftigen, es geht einfach nicht. Auch eigne ich mich ja an sich nicht grade sehr zum „Pädagogen“. Sehr zum Unterschied von Ihnen! Sonst ist es leer hier. Sonntag waren Rickert’s mit ihrer Freundin Kl[äre] Kaufmann, einem sehr leidenden Mädchen, da. Sonst werden wir Donnerstag wohl Simmel sehen und das wird Alles bleiben, wenigstens wüßte ich nicht, was sonst noch (an Menschen) in Aussicht stehen könnte. Und Sie? Was lesen Sie? Was macht die Mutter2 und Schwägerin?3 Wie geht der Tag hin? Auch Musik? Wohl nicht. – Bloch’s Aufsatz wird nun also, beiläufig bemerkt, auf meine (!) Empfehlung hin gedruckt (als Buch),4 obwohl ich mich höchst vorsichtig ausgedrückt hatte. Nun – „Geist“ und musikalisches Verständnis ist darin. Ob er sonst viel bringt, ist mir fraglich. Die Grundidee ist interessant, aber nicht erweislich richtig, sondern falsch. Indessen das schadet ja nichts. 1 „Der „Wandervogel“ war eine Ende des 19. Jahrhunderts entstandene Bewegung bürgerlicher Jugendlicher und Erwachsener (Anfang der deutschen Jugendbewegung), die ihre Ideale in der Romantik fand und sich von autoritärem Druck in der Freiheit der Natur lösen wollte. 2 Henriette Tobler. 3 Bertha Tobler. 4 Vermutlich handelt es sich um: Bloch, Ernst, Philosophie der Musik, in: ders., Geist der Utopie (wie oben, S. 487, Editorische Vorbemerkung).

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Wundervolle Ernte hier! Auch sonst gute Zuversicht. Nur den Italienern gönnt man ihren, bescheidenen, Erfolg nicht.5 Hoffentlich halten die Österreicher nun aber fest. Weiter im Osten steht es ja ganz erträglich, so viel man sehen kann. Strapazieren Sie Sich nicht mit Briefschreiben, aber lassen Sie mal durch eine Karte von Sich hören. Es grüßt sehr herzlich Marianne und Ihr Max Weber

5 In der 6. Isonzoschlacht (6. bis 9. August 1916) wurde Görz von der Italienern eingenommen.

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10. August 1916

Carl Bezold 10. August 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig UA Heidelberg, PA 3943 (Victor Goldschmidt)

Heidelberg 10.VIII.16 Euer Magnifizenz beehre ich mich in Erledigung des Auftrags der Hinterbliebenen des früheren hiesigen ordentl[ichen] Professors Dr L[evin] Goldschmidt, nachher (1870 – 79) Reichsoberhandelsgerichtsrath, sodann ordentl[icher] Professor in Berlin, beifolgend aus dessen Nachlaß eine künstlerisch ausgeführte Abschiedsadresse an ihn von hiesigen Studierenden – unter ihnen sehr viele in Baden bekannte Namen – zu überreichen, mit dem Anheimstellen, ganz nach Ermessen damit zu verfahren.1 Mit vorzüglicher Hochachtung Prof. Max Weber

1 Carl Bezold als Prorektor (Rektor war bis Ende 1918 formell der Großherzog) hat die Dedikationsmappe an die Universitätsbibliothek weitergeleitet, deren Erhalt der Bibliotheksdirektor Jacob Wille am 27. Aug. 1916 (UA Heidelberg, PA 3943) bestätigte.

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11. August 1916

Mina Tobler 11. August [1916]; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahr ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Marianne Weber verbrachte im August 1916 ihre Ferien am Bodensee.

Heidelberg 11/8 Liebes Tobelkind, –

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vielen Dank für Ihren Brief. Die „Tagespost“1 in Nürnberg ist natürlich ein sozialdemokratisches Blatt. Von „Kleinmuth“ ist hier keine Rede, wir werden diesen Krieg mit Ehren zu Ende führen, selbst wenn die Rumänen wirklich so „dumm“ sein sollten.2 – Es ist nur nötig, den Großmäulern entgegenzutreten, die es giebt, und das war von Anfang an nötig und mein Bedürfnis. Wann freilich Friede kommt, weiß man heut weniger als jemals früher. Görz zu halten war von Anfang an schwierig3 und Alles Mögliche, daß die Österreicher es bisher geleistet haben. Im Westen sind die Kämpfe schwer, aber es wird gut gehen, man sieht es ja. Der Osten wird – hoffentlich – bald ein andres Bild zeigen. – Ich werde nun wohl am 16. in Berlin sein und ca 8– 10 Tage dort bleiben. Dann besuche ich Marianne am Bodensee 2 Tage. Dann bleibe ich hier. Lili schreibt sehr angethan von Br[ausen]s und Frl. Engler. Br[aus] kann man helfen, wenn man den Kindern Verständnis für ihn beibringt, was ja nicht so ganz einfach ist, Das weiß ich wohl. Er litt darunter, daß Frau und Kinder bei einer Andren, überlegenen Persönlichkeit Anlehnung suchten: – das ist menschlich. Er kann den Kindern ja nichts recht[es] „sein“, wohl aber sie ihm, und dabei werden sie ihre Befriedigung finden, wenn sie das Gefühl haben können. –

1 Die Fränkische Tagespost, Nr. 179 vom 2. Aug. 1916, berichtete über Webers Vortrag „An der Schwelle des dritten Kriegsjahres“ (MWG I/15, S. 648 – 689, hier S. 651 – 653 und 656 – 688). Den Artikel hatte Weber vermutlich Mina Tobler, wie im Brief an Mina Tobler vom 7. Aug. 1916, oben, S. 485, angekündigt, geschickt. 2 Gemeint ist die Absicht Rumäniens, in den Krieg einzutreten, was dann am 27. August 1916 geschah. 3 Görz wurde in der 6. Isonzoschlacht (vom 6. bis 9. August 1916) von den Italienern eingenommen.

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11. August 1916

Es beginnt zu regnen. Nun, – das darf es jetzt. Von ganz vereinzelten Gegenden abgesehen ist die Ernte glänzend und jede Gefahr der „Aussaugung“ jetzt geschwunden. – Ich sitze täglich – jetzt wegen der Juden – auf der Bibliothek,4 da ich nun doch mal in der Kriegsverwaltung nicht verwendet werde. Bald mehr, in Eile Alles Herzliche wie immer Ihr Max Weber

4 Max Weber arbeitete an seinem Aufsatz über „Antikes Judentum“.

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13. August 1916

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Mina Tobler [13. August 1916]; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist erschlossen aus der Tagesangabe „Sonntag“ im Zusammenhang mit dem Brief an Mina Tobler vom 11. August 1916, oben, S. 491 f., in dem Weber schreibt, daß er vom 16. August an in Berlin sei. Auf dem Briefbogen ist ein Zusatz: „In der Tasche behalten! W.“ beigefügt. Der Brief ist am Sonntag, dem 13. August, geschrieben.

Heidelberg Sonntag. Liebes Tobelkind!

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Nichts Neues. Übermorgen früh also fahre ich nach Charlottenburg, Marchstr. 7F und höre dann dort wohl mal etwas, wie es geht. Gestern bei Rickert, heut kommt Lukács, der in Budapest abkömmlich geworden ist. Ich war sehr schreibtisch- und bibliotheksgefesselt und das wird in Berlin auch so sein. Mein Schwesterchen1 kommt dieser Tage hierher zurück, Marianne geht dann bald – in 8– 9 Tagen – nach Überlingen und ich besuche sie dann dort, ehe ich zurückkehre. Könnte ich doch dann nach Zürich hinüber, aber das geht ja nicht, der Grenzschwierigkeiten halber und auch wegen der knappen Zeit. So werde ich nur nach den Bergen drüben, dem Säntis, hinüberschauen und das ist noch weit bis zum Zürichsee. – Ich bin gespannt, was die nächsten Wochen im Osten politisch und militärisch bringen, hoffe, die Österreicher werden nun bald genügend „umgruppiert“ sein[,] um mal wieder was zu leisten. Die armen Kerle haben es halt schwer, mit 10 Sprachen und nur 2 Nationen, die an dem Staat wirklich innerlich hängen. Tausend herzliche Grüße! Ihr Max Weber

1 Lili Schäfer hatte Ferientage in St. Märgen verbracht.

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14. August 1916

Georg von Lukács 14. August PSt 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig Lukács-Archiv, Budapest Das Jahresdatum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen. In diesem sowie dem folgenden Brief an Georg v. Lukács vom 23. August 1916, unten, S. 510 f., geht es um dessen geplante Habilitation im Fach Philosophie in Heidelberg. Diese war zwar schon 1912 und 1913 im Gespräch gewesen – vgl. dazu die Briefe an Georg v. Lukács vom 22. Juli 1912 (MWG II/7, S. 625 f.) und vom 11. Februar 1913 (MWG II/8, S. 88 f.) –, doch dürfte dieser Plan wegen der Skepsis Wilhelm Windelbands gegenüber der „essayistischen“ Form der bisherigen Arbeiten von Lukács auf Schwierigkeiten gestoßen sein: „Über die Möglichkeit, daß Dr v. Lukács sich etwa habilitieren wollte – vielleicht! – bitte ich Dich dringend absolut zu schweigen. – Ich glaube nicht, daß Windelband ihm entgegenkommt. Er hat eine Art von ‚Wasserscheu‘ vor allem ‚Modernen‘.“ Brief an Alfred Weber vom 9. November 1912 (MWG II/7, S. 739 f.). Auch war Lukács’ damals geplante Habilitationsschrift zur Philosophie der Kunst bis 1914 nicht ganz fertiggestellt. Nach dem Tode von Windelband am 22. Oktober 1915 und nachdem als dessen Nachfolger Georg Simmel und Heinrich Rickert in Aussicht genommen waren, hat sich Lukács erneut um eine Habilitation bemüht, was er in seinem Schreiben an Weber vom 30. Dezember 1915 wie folgt begründete: „Da bei der unabsehbaren Dauer des Krieges und bei der absoluten Unmöglichkeit, daß ich vor Friedensschluß aus dem Militairverband ausscheide, dazu noch bei der Unmöglichkeit einer wirklich-koncentrierten Arbeit an einem ‚Werk‘ (der Ästhetik etwa), die Möglichkeiten einer Habilitation, deren persönliche Voraussetzungen jetzt da waren, wieder ins Unabsehbare verschoben werden, würde es mir sehr wertvoll sein, die Sache – wenn möglich – noch während des Krieges zu erledigen. Ich meine: könnte Simmel (oder eventuell Rickert) mich nicht auf Gund der bereits vorhandenen Teile der Ästhetik habilitieren? Bis zum Sommersemester würde ich hier zwei kleine Arbeiten so vorbereiten können, daß ich für Colloquium und Vorlesung versehen wäre und ein kürzerer Urlaub, den ich in diesem Fall wahrscheinlich erhalten könnte, mir genügen würde, um beides in raschem Tempo zu erledigen“ (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). Ähnlich in seinem Brief an Weber vom 17. Januar 1916 (ebd.). Lukács hat sich allerdings erst 1918 formell wegen einer Habilitation an die Heidelberger Philosophische Fakultät gewandt. Das Habilitationsverfahren, das im Sommersemester 1918 vertagt wurde, ist vordergründig z. T. aus formalen Gründen (Fehlen von persönlichen Unterlagen, Fehlen des vollständigen Manuskripts der Habilitationsschrift) gescheitert. Ausschlaggebend waren aber politische Gründe – wie sie der Philosoph Heinrich Maier klar und deutlich in seinem Gutachten vom 24. November 1918 (UA Heidelberg, H-IV102/144) formulierte, daß nämlich „unter den gegenwärtigen Umständen“ es sich verbiete, „einen Ausländer, zumal einen ungarischen Staatsangehörigen, zur Privatdozentur zuzulassen.“ Zum Gesamtvorgang von Lukács’ Habilitationsbemühungen vgl. Gerhard Sauder, Von Formalitäten zur Politik: Georg Lukács’ Heidelberger Habilitationsversuch, in: LiLi. Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, Heft 53/54, 1984, S. 79 – 107.

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Heidelberg 14/8 Verehrter Freund, –

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ich ergänze unser gestriges Gespräch. 1. Falls Sie andrer Ansicht sind,a also Sich jetzt und für „Soziologie“ habilitieren wollen,1 werde ich den Weg zu ebnen helfen. Meinem Bruder2 sagen Sie dann bitte: „ich hätte 앚:gewisse:앚 praktische Bedenken erhoben und gerathen, jedenfalls Rickert anzugehen“. Sonst nichts. Diese Bemerkung wird ihn, wenn er Ihre Habilitation als „Soziologe“ machen will,3 bestimmt nicht davon abhalten, zumal wenn Sie hinzusetzen, daß ich Ihnen auch auf dem andren Wege gern zu helfen bereit sei.4 2. Konsequenzen: Es genügt der Widerspruch – z. B. – des Herrn Dr Ruge oder von so Jemand, um Rickert, er mag wollen oder nicht, zu zwingen, dagegen einzuschreiten, daß Sie philosophische Vorlesungen als habilitierter „Nationalökonom“ halten. Vor diesem Widerspruch sind Sie nicht bei allen Privatdozenten hier sicher. 3. Es fragt sich, ob die nachträgliche Venia für Philosophie so einfach zu haben ist, wie Sie annehmen. Auch da kann der Ordinarius die eventuelle Stellungnahme Anderer nicht einfach ignorieren. Dennoch – wenn es sein muß, muß es sein. Aber ich würde den Tag segnen, der Sie von diesem Gespenste der Vorstellung: das muß jetzt, jetzt bald, schleunigst, unbedingt gemacht werden, befreite. Denn der Weg (zumal über Frau Gothein!)5 ist doch nicht ganz Ihnen entsprechend und wäre nur ein Not-Eingang. 4.b Der grade Weg führt zu dem Mann, in dessen Fach Ihre Interessen wirklich fallen. Es steht ja nichts im Wege, daß Sie ihm offen sagen: a

b O:

1 Einen ähnlichen Gedanken hatte Lukács schon in seinem Brief an Weber vom 17. Jan. 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) formuliert: „Es wäre ja gewiß, wenn ich mich damit ernsthaft befaßt hätte, sehr leicht gewesen mich bei Ihrem Bruder [Alfred Weber] irgendwie (z. B. Soziologie) zu habilitieren; und dann würde die Rickert-Sache, als Umhabilitierung wesentlich einfacher sein.“ 2 Alfred Weber. 3 Die Pro-forma-Habilitation für Soziologie, um auf diesem Umweg zu einer Lehrberechtigung für Philosophie zu gelangen, ist unterblieben. 4 Gemeint ist wohl eine Unterstützung Webers für eine Habilitation Lukács’ für das Fach Nationalökonomie. 5 Marie Luise Gothein, die zum engeren Bekanntenkreis Lukács’ gehörte und bei der zeitweise dessen Manuskripte deponiert waren, sollte offensichtlich nach Lukács’ Vorstellungen ihren Einfluß bei ihrem Mann, Eberhard Gothein, geltend machen.

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Sie schwankten, ob Sie Sich als Dozent des „Sinnes“ oder des (empirischen) „Seins“ des Geistigen habilitieren sollten (letzterenfalls: als „Soziologe“), aber Sie zögen, wenn es möglich sei, das Erstere vor. Das sind dann ganz offene Karten und derc andre Weg ist Ihnen nicht versperrt. Ich weiß[,] daß R[ickert] Sie kennen zu lernen wünscht. Nützlich wäre, wenn Sie einige Zeit Sich zwingen könnten, auf einer Schafweide zu grasen, um Ihre Nervenkraft zu restituieren, und wenn Sie Sich dann einige Wochen in Ihre damals liegen gelassene Arbeit wieder „einlebten“. Mir kommt 앚:aber:앚 fast vor, als fürchteten Sie die Berührung mit R[ickert], weil Sie Sich von ihm mit den Blicken des „Ordinarius“ gemustert und „geprüft“ fühlten. Aber er sollte doch Ihre Geistigkeit kennen lernen. So viel Zeit muß m. E. sein für diesed Sache! R[ickert] ist nicht „kleinlich“, das würden Sie schon sehen. 5.e Ich muß so offen sein, noch Eins hinzuzusetzen. Sehr gute Freunde von Ihnen – nun also: Lask – warenf der Ansicht: „er ist geborener Essayist, er wird nicht bei systematischer (zünftiger) Arbeit bleiben; er sollte sich deshalb nicht habilitieren. Denn der Essayist ist gewiß auch nicht um Haaresbreite weniger als der zünftige Systematiker, – eventuell grade im Gegenteil! – Aber er gehört nicht an eine Universität und gereicht dort weder dem Betrieb noch, vor Allem, sich selbst zum Heil“. Auf Grund dessen, was Sie uns damals von den prachtvollen Bausteinen Ihrer Ästhetik6 vorlasen, habe ich dieser Ansicht

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e O: 4

f O: war

6 Diese Arbeiten, zu Lukács’ Lebzeiten nie veröffentlicht, sind abgedruckt in: Lukács, Georg, Heidelberger Philosophie der Kunst (1912 – 1914). Aus dem Nachlaß hg. von György Márkus und Frank Benseler (Georg Lukács, Werke, Bd. 16). – Darmstadt und Neuwied: Luchterhand 1974.

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scharf widersprochen. Weil Ihr plötzliches Abschwenken zu Dostojewskij7 pp. jener Ansicht (Lask’s) Recht zu geben schien, haßte ich diese Ihre Arbeit und hasse sie noch. Denn im Grundsatz bin ich der gleichen Ansicht. Ist es Ihnen wirklich eine unerträgliche Qual und Hemmung, eine systematische Arbeit fertig zu stellen und Andres inzwischen zu lassen, – ja dann würde ich schweren Herzens Ihnen rathen: lassen Sie die Habilitation. Nicht weil Sie sie „nicht verdienen“. Sondern weil sie Ihnen nicht frommt und den Studenten auch nicht, letztlich und im höchsten Sinn nicht. Dann ist Ihr Beruf ein anderer. – Aber Sie werden thun, was Sie für richtig halten. In herzlicher Freundschaft Ihr Max Weber

7 Diese Wende hin zu Dostojewski war im Weltkrieg erfolgt. Dazu heißt es in einem Brief von Georg v. Lukács an Paul Ernst vom März 1915: „Ich mach mich jetzt endlich an mein neues Buch: über Dostojewski (die Ästhetik ruht vorläufig). Es wird aber viel mehr als Dostojewski enthalten: große Teile meiner – metaphysischen Ethik und Geschichtsphilosophie etc.“ Hier zitiert nach: Lukács, Georg, Briefwechsel 1902 – 1917, hg. von Éva Karádi und Éva Fekete. – Stuttgart: J. B. Metzler 1982, S. 345. Von diesem Buch über Dostojewski ist nur die Einleitung bzw. der erste Teil veröffentlicht worden – zunächst in Aufsatzform (vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an v. Lukács vom 23. Dez. 1915, oben, S. 224), später als Buch: Lukács, Georg, Die Theorie des Romans. Ein geschichtsphilosophischer Versuch über die Formen der großen Epik. – Berlin: Paul Cassirer 1920.

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Verlag J. C. B. Mohr PSt 14. August 1916; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Herrn J C B Mohr’s Verlag Ich bin von morgen ab auf ca 10 Tage wieder Charlottenburg, March-앚:(March=):앚aStr. 7 F für Korrektursendungen pp. Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber

a Besonders deutliche Wiederholung des Straßennamens.

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Gustav Radbruch 15. August [1916]; Heidelberg Brief; eigenhändig Deponat Max Weber, BSB München, Ana 446 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 15/8 Sehr verehrter Herr Kollege!

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Ihren Brief werde ich wohl in Berlin vorfinden, wohin ich heute fahre.1 Aber von vorn herein möchte ich versichern: daß ich unter allen Umständen sehr froh sein werde, Sie am 5.IX hier zu sehen. Ich bin dann unter allen Umständen schon wieder hier, während meine Frau wohl noch fort sein wird. Mit herzlichen Grüßen Ihr Max Weber

1 Dazu vermerkt Weber in seinem Brief an Marianne Weber vom 18. Aug. 1916, unten, S. 503, daß Radbruch ihm von seiner Absicht, sich in Heidelberg bei Heinrich Rickert zu habilitieren, geschrieben habe; vgl. dazu auch den Brief an Radbruch, vor oder am 18. Aug. 1916, unten, S. 500 f.

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Gustav Radbruch [vor oder am 18. August 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig UB Heidelberg, Heid. Hs. 3716 III F 1301 (Nl. Gustav Radbruch) Die Datierung ist erschlossen aus dem Briefinhalt in Verbindung mit dem Schreiben an Marianne Weber vom 18. August 1916, unten, S. 503. Darin war von einer Mitteilung Radbruchs über seine beabsichtigte Habilitation in Heidelberg die Rede, von der aber Weber – wie im folgenden Schreiben – dringend abriet.

z. Z. Charlottenburg March-Str.a 7F Verehrtester und lieber Herr Kollege! Ich schrieb Ihnen, daß ich zur Verfügung stehe, und zwar sehr gern.1 Vom 3.IX ab bin ich jedenfalls wieder in Heidelberg.2 Schon jetzt aber möchte ich sagen: daß ich rathen werde, daß Sie bleiben, wo und was Sie sind, – so herzlich gern (wie Sie wissen) ich grade Sie in Heidelberg wieder begrüßen würde. Der Dekan, Herr v. Gierke,3 hat seine Kompetenzen überschritten. Schon rein formell ging, nach der Art der Abfassung des Urteils, die Sache die Fakultät gar nichts an. Vollends nicht mehr nach regulärer Eheschließung und ganz und gar nicht mehr nach dem Kriege. Daß Sie Sich nach dem Verhalten der Herren veranlaßt sahen zu sagen, „Sie würden Sich nach einer andren Stelle umsehen“, war verständlich, denn Niemand konnte 앚:von:앚 Ihnen nach diesem Vorgehen der Fakultät etwas Anderes erwarten. Aber vor der Drohung mit DisziplinarUntersuchung würde ich nicht weichen. Und eine andere Stellung setzt doch voraus: daß dieselbe Ihrer Verantwortung für den Unterhalt Ihrer Gattin4 entspricht. a O: March-St. 1 Brief an Radbruch vom 15. Aug. 1916, oben, S. 449. 2 Diesen Termin hat Weber später korrigiert; vgl. dazu den Brief an Radbruch, vor dem 4. Sept. 1916, unten, S. 523. 3 Gemeint ist Julius v. Gierke, damaliger Prorektor der Universität in Königsberg sowie Dekan der Juristischen Fakultät. Wie aus den folgenden Bemerkungen Webers hervorgeht, hatte sich die Juristische Fakultät offensichtlich über Radbruchs Ehescheidung und Wiederverehelichung geäußert. Genaueres ließ sich nicht ermitteln, da die Akten der Universität Königsberg vernichtet sind und auch die in der RadbruchGesamtausgabe abgedruckten Briefe keine entsprechenden Informationen enthalten. 4 Lydia Radbruch.

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In Heidelberg könnten grade wenn Sie so fortgehen, vielleicht Schwierigkeiten für Rickert entstehen, der neu hinkommt und doch etwas zurückhaltend in zweifelhaften Fällen sein muß. Aber freilich denke ich, daß diese vielleicht schließlichb beseitigt werden könnten, – ohne dies z. Z. garantieren zu können. So sehe ich jetzt die Sache. Mich wird es sehr freuen Sie zu sehen. Ich bin dann allein in Heidelberg und wir haben alle Ruhe zum Reden. Mit kollegialen Grüßen Ihr Max Weber

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Marianne Weber PSt 18. August 1916; Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Freitag“ erschlossen.

Chbg Freitag Liebstes Schnauzele! ich war dieser Tage ganz und gar besetzt: G[eorg] Müller, Dr Somary u.s.w. So komme ich erst jetzt zu einem schönen Gruß an Dich. Der Mutter geht es im Ganzen gut: nur das Untergesicht wird immer schmaler, weil sie halt absolut keinerlei Gebiß mehr verträgt. Clara ist recht frisch, den Umständen nach (ihr Konrad ist doch mitten drin!),1 Valborg2 nun auch wieder, offenbar recht frisch, zurückgekehrt. Sonst ist eigentlich nicht viel zu berichten. Ich werde wohl die nächste ganze Woche hier bleiben. Dann komme ich ein paar Tage zu Dir, nicht lange, denn man – ich – hält das nicht recht aus vorläufig. Die Friedensverhandlungen mit Rußland sind gescheitert.3 Über alle Landaustausche (Polen an uns, Ostgalizien an Rußland) war man einig. Aber dann wollten sie noch Geld (sehr viel!) und schließlich wollten sie doch nicht alleine abschließen. So ging die Sache in Dunst auf. Die Entschlußfähigkeit des Reichkanzlers scheint der schwächste Punkt bei ihm zu sein. Denn auch die Sache mit Österreich ist nicht wirklich vorwärts gekommen. Die Österreicher bleiben obstinant und von hier aus ist man nicht bestimmt und entschlossen. In all diesen Punkten steht es nicht gut und der Krieg kann leider wirklich noch endlos dauern. –

1 Konrad Mommsen stand in Flandern. 2 Valborg Weber, geb. Jahn, war aus Norwegen zurückgekehrt, wo sie Verwandte besucht hatte. 3 Vgl. dazu Mommsen, Max Weber3, S. 226 – 228.

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Daß Hilde Luykena, geb. Möller, gestorben ist[,]4 hast Du wohl erfahren. Die armen Leute, es ist wirklich sehr arg!5 Dabei scheint es mit dem alten Karl6 und Erwin7 immer weniger gehen zu wollen, sie vertragen sich absolut nicht. Mit Georg8 aß ich einmal zusammen und entnahm – indirekt – Dem[,] was er sagte: daß die ganze Lage in Örlinghausen doch so ist, daß Lili (unsere L[ili]) vielleicht besser nächstes Jahr hingeht, als dieses. Von Radbruch ein Brief: will sich in H[eidel]b[er]g bei Rickert habilitieren! Pßt! Ich rathe ihm entschieden zu, in Königsberg zu bleiben, es ist ja ein Unsinn!9 Alfred scheint sehr stark und sehr zur Befriedigung beschäftigt; ob ich ihn sehe weiß ich noch nicht. – Heut Abend mit dem Redakteur der Frankfurter Zeitung,10 Unterhaltung über Politik (ich hatte ihm einen Artikel geschickt).11 Im Übrigen: auf der Bibliothek. Sonntag mehr! Wie mag es Dir gehen[,] liebstes Peterle? Hoffentlich nun, wo der große Wauwau fort ist, etwas ruhiger. Die verfl.... Bernays läßt Dich auch in Ruhe? Es küßt Dich herzlich Dein Max

a O: Lüken 4 Hildegard (Hilde) Luyken war eine Tochter von Webers Cousine Hertha Möller, geb. Weber; sie war im Alter von 32 Jahren am 13. August 1916 gestorben. 5 1915 hatten Karl und Hertha Möller bereits ihre 42jährige Tochter Anna Castendyk verloren. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 9. Sept. 1915, oben, S. 137. 6 Karl Möller, Mann von Hertha Möller, geb. Weber. Er hatte mit seinem Bruder Theodor die Firma K. & Th. Möller in Kupferhammer bei Brackwede gegründet. 7 Erwin Möller, ein Sohn von Karl und Hertha Möller, war nach Abschluß seines naturwissenschaftlichen Studiums (1897 – 1904) in die väterliche Firma eingetreten. 8 Georg Müller. 9 Vgl. den Brief an Gustav Radbruch, vor oder am 18. Aug. 1916, oben, S. 500 f. 10 Vermutlich ist Bernhard Guttmann gemeint. Vgl. dazu den Brief an die Frankfurter Zeitung, vor dem 21. Aug. 1916, unten, S. 506 f. 11 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 21. Aug. 1916, unten, S. 508.

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Mina Tobler PSt 19. August 1916; Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen.

Charlottenburg Marchstr. 7F Samstag Abend Liebes Tobelkind, ich erhielt etwas verspätet hier Ihren lieben Brief und konnte gestern Nachmittag und heut bis jetzt nicht antworten – auch vorher nicht schreiben – weil ich voll besetzt und meist nicht einmal zu Haus oder in einem Büro war. Nun ist das vorbei. Mir fuhr doch ein tüchtiger Schreck in die Glieder, daß Sie offenbar einen Kollaps gehabt haben, aber ich danke Ihnen, daß Sie es mir offen schreiben. Was mag wohl der Grund gewesen sein? Ihre früheren Nachrichten und dann Ihre Karte klangen und klingen so gut, daß man sich über so ein aus heitrem Himmel hereinbrechendes Schlechtbefinden doch sehr wundert und etwas beunruhigen könnte. Ich hoffe herzlich, daß die paara Wochen, bis ich Sie wiedersehe, ungestört ablaufen und daß es auch den Ihrigen1 gut geht. Von mir ist nicht viel zu erzählen. Ich höre allerlei ganz Interessantes, was sich aber für das Schreiben nun mal nicht eignet, und bin ganz guten Mutes. Von jetzt an werde ich wieder fest auf der Bibliothek sitzen, – das ist nun mal das Einzige, wozu ich gelange. Vorher waren ganz interessante und auch amüsante Verhandlungen mit den LeinenIndustriellen2 und solche Sachen. Meine hiesige Schwester3 ist jetzt, obwohl ihr Sohn4 in der tollsten Gegend in Flandern steht, jetzt in guter Verfassung, besser als früher jedenfalls. Auch sonst von der Familie gute Nachrichten. Die Ernte ist offenbar sehr gut und das ist recht er-

a O: par 1 Mina Tobler verbrachte ihre Ferien mit ihrer Mutter, Schwester und Schwägerin auf dem Albis in der Nähe von Zürich. 2 Webers Vetter Georg Müller war während des Krieges im Verband der Leinenindustrie in Berlin tätig. 3 Clara Mommsen. 4 Konrad Mommsen.

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wünscht natürlich, denn Gott weiß wie lang das mit dem Krieg noch dauern kann. Ich bin gespannt, was Sie später aus der Schweiz erzählen werden. Da muß Manches jetzt auch nicht ganz einfach sein. Nun, Alles hat einmal ein Ende, so auch das, und ich denke: ein ganz gutes. Marianne geht nun nächster Tage nach Überlingen und ich fahre, denke ich, am Sonntag über 8 Tage (27ten, glaube ich, ist es) auch hin, für einige Tage, so bis 1./2. September etwa. Sie hören dann noch. Berlin hat sich wenig verändert. Die Schulen sind ja wieder offen und also die Stadt leidlich belebt, die Lebensmittelpolizei etwas strenger – was recht gut ist – aber keineswegs belästigend. Unsre armen Kerle draußen haben es jetzt sauer und das wird noch einige Zeit dauern. Aber sie halten es eben doch aus und werden es aushalten, so lange wie irgend Jemand sonst und so lange es nötig ist. Sie in der Schweiz lesen diesen Entente-Schwindel, – glauben Sie nichts davon. Niemand kann ja wissen und weissagen, wie ein Krieg 앚:schließlich:앚 verläuft, das ist eine alte Weisheit. Aber ich sehe ihn jetzt ebenso an wie vor 2, 11/2 und 1 Jahr. Haben Sie tausend herzliche Grüße von Ihrem Max Weber

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21. August 1916

Redaktion der Frankfurter Zeitung [vor dem 21. August 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig Privatbesitz Das Datum ist erschlossen aus dem Redaktionsvermerk am Briefkopf: „bt. 21.8.16.“

An die Redaktion der Frankfurter Zeitung. Ich erhielt Ihr gefl. Schreiben vom 18.VIII. nebst meinem Manuskript.1 Den Artikel von Dienstag2 hatte ich, weil auf der Reise, nicht gesehen. Der Ton meines Artikels hatte bestimmte Zwecke. Ich hätte, falls ich Ihre Ansichten gekannt hätte, Herrn Dr Guttmann3 noch näher darüber gesprochen. Offenbar sind Sie nicht im Einzelnen unterrichtet über die Vorgänge mit Rußland und mit Österreich (wo ich die meisten Minister und Politiker s. Z. sprach).4 Andernfalls würden Sie das – man muß wohl sagen – Landesverräterische der einzelnen Anspielungen des Herren v. Heydebrand5 erkannt haben, der diese Dinge ge1 Wie aus dem folgenden hervorgeht, handelt es sich bei dem abgelehnten – heute verschollenen – Manuskript um einen Artikel anti-alldeutschen Inhalts. 2 Gemeint ist höchstwahrscheinlich der nicht gezeichnete Bericht: Abg. v. Heydebrand über den Weltkrieg, in: FZ, Nr. 225 vom 15. Aug. 1916, 2. Mo.Bl., S. 2. Die Notiz informierte über einen Vortrag des konservativen Abgeordneten Ernst v. Heydebrand und der Lasa am 14. August 1916 in Frankfurt a. M. 3 Gemeint ist der Redakteur der FZ, Bernhard Guttmann. 4 Während seines Aufenthalts in Wien im Juni 1916 hatte Weber u. a. mit Ernest v. Koerber, Franz Klein, Josef Frhr. v. Schenk, Josef Redlich und Leon v. Bili´n ski Gespräche geführt; vgl. dazu Webers Bemerkung in seinem Brief an Fritz Wichert vom 13. Okt. 1917, unten, S. 797 f. 5 Laut Mitteilung der FZ vom 15. August 1916 (wie Anm. 2) hatte v. Heydebrand und der Lasa auf „Einladung des Bürgerausschusses für Vaterländische Veranstaltungen“, welcher „Mitglieder aller Parteien um die Schäferschen Kriegsziele versammeln“ wolle, gesprochen. Neben dem allgemeinen Kriegsziel, dem Siegfrieden, der so beschaffen sein müsse, „daß in absehbarer Zeit keine neue kriegerische Störung“ eintrete, wurde eine Reihe von speziellen Kriegszielen erörtert: „Weitersteckung der deutschfranzösischen Grenze “, zwar keine Annexion Belgiens, jedoch militärischer und wirtschaftlicher Anschluß an das Deutsche Reich, Ende der englischen Seeherrschaft. Diesen Frieden werde England „nur dann halten, wenn man es dazu zwingt. Wenn der Krieg ein Remis ergibt, so werden uns unsere Kinder und Kindeskinder und die auf den Schlachtfeldern Gefallenen anklagen. Die deutschen Stammesgenossen in Rußland dürfen nicht wieder von uns getrennt werden; denn sie sind Deutsche wie wir, und ihr Schicksal berührt uns näher als die Zukunft Polens.“ Bei der Einschränkung des

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nau weiß, auch wissen muß, wie sehr zu unsrem Nachteil bei den fremdena Regierungen seine Rede wirken muß, – dem das aber absolut gleichgültig ist. Es ist, nach den letzten diplomatischen Mißerfolgen,6 gewiß nicht sicher, ob dieser nicht sehr entschlußkräftige Kanzler sich halten läßt. Wenn aber nicht, ist es eine Lebensfrage für unsre Außenpolitik sowohl wie für die Stimmung der Truppen, daß durch schärfste Töne gegen die Alldeutschen – die ein Privatmann, für den die Redaktion nicht verantwortlich ist, leichter anschlagen kann – demonstriert wird: daß diese Leute als Staatsleiter nicht möglich sind. Einen Frieden, den die ganze Nation akzeptierte, könnte nur vielleicht Hindenburg schließen, der aber diplomatisch geschulte Beiräthe brauchte und dessen Ansichten zu wechseln scheinen. Unbedingt muß die Regierung wissen, was sie noch immer nicht begreift: daß man nicht nach beiden Seiten, West und Ost, Vorteile erlangen kann, sondern nur nach einer. Sie muß wählen. – Ich bedaure die Nicht-Aufnahme. Mit vorzüglicher Hochachtung Prof. Max Weber

a Unterseebootkrieges kritisierte v. Heydebrand, daß diese von der Reichsregierung „nicht mit technischen, sondern mit politischen Gründen erklärt“ werde. Man wolle eben keinen Krieg mit Amerika riskieren. Um aber den Hauptfeind England zu bezwingen, müsse man diesem „den Brotkorb so hoch hängen, daß es ihn überhaupt nicht mehr erreichen kann.“ Dafür biete jedoch nur der uneingeschränkte U-Boot-Krieg die Möglichkeit, den Krieg „siegreich zu beenden“. Die Rede v. Heydebrands wurde einen Tag später in einer nicht gezeichneten Kritik kommentiert: Heydebrand und der Krieg, in: FZ, Nr. 226 vom 16. Aug. 1916, 1. Mo.Bl., S. 1. Der Verfasser konzedierte dem Redner, daß seinem Vortrag „jede sichtbare Schärfe“ gefehlt habe, „wie denn die ganze Rede eine gute Leistung in der Kunst des verhüllten Stils“ gewesen sei. Jedoch betrachtete der Verfasser des Kommentars die Hauptkritik des Redners, nämlich die Führung des U-Boot-Krieges, insbesondere das „beständige Ausspielen des technischen gegen den ,bloß’ politischen Gesichtspunkt“ als „grundlos und demagogisch“, womit man aufhören solle. 6 Vgl. dazu Webers entsprechende Bemerkungen in seinen Briefen an Marianne Weber vom 18. Aug. 1916, oben, S. 502, sowie vom 21. Aug. 1916, unten, S. 508.

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Marianne Weber [21. August 1916]; PSt Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Jahr und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen, der den Stempel vom 22. August 1916 trägt. Der Brief ist jedoch mit „Montag Abend!“ überschrieben.

Deutsche Gesellschaft 1914 Berlin W. Wilhelmstr. 67 Montag Abend! Liebes Mädele, – nun hörte ich nichts von Dir – freilich war ich ja auch untugendhaft, aber auch sehr gehetzt – Du wohl auch? Vor Allem weiß ich Deine Überlinger Adresse nicht,1 so daß wohl Verspätungen eintreten werden. Gestern bei G[eorg] Müller draußen – sehr hübsch, aber sehr weit von der Stadt, am Schlachtensee. Vorher: Valborg,2 sehr gut aussehend, ganz dick gefuttert in Norwegen. Freitag Abend mit einem Redakteur der „Frankf[urter] Zeitung“3 zusammen, der ich einen anti-alldeutschen Artikel geschickt hatte, den sie nicht nehmen wollen.4 Nun, so lassen sie es. Die Stimmung ist eben sehr verbreitet, daß Bethmann „nicht zu halten“ sei, da er gegenüber Rußland bei den Friedensverhandlungen und gegenüber Österreich in der Polensache Niederlagen erlitten habe und Entschluß-unfähig sei. Das scheint in der That so. Er ist eben kein „Staatsmann“, der arme Kerl, so wenig wie Moltke (der jüngere) ein Stratege war. Aber wenn er geht, dann könnte nur Hindenburg die Nation zusammenhalten. Eine andere Persönlichkeit, die den Frieden schließen könnte, sehe ich nicht. Und der ist auch kein „Staatsmann“. Es sieht hier nicht gut aus, Alles in Allem, alle Leute so desorientiert, es ist seltsam und wieder auch nicht. Dann diese unabsehbare Kriegsdauer! 1 Marianne Weber verbrachte ab 22. August ihren Erholungsurlaub am Bodensee. 2 Valborg Weber hatte kurz zuvor in Norwegen Verwandte besucht. 3 Gemeint ist vermutlich Bernhard Guttmann. Vgl. den Brief an die Redaktion der Frankfurter Zeitung, vor dem 21. Aug. 1916, oben, S. 506. 4 Der Artikel ist nicht nachgewiesen. Vgl. den Brief an die Redaktion der Frankfurter Zeitung, vor dem 21. Aug. 1916, oben, S. 506 f.

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Hast Du noch Jemand gesehen? Lukácsa? Er hat mir nicht geantwortet auf den Brief.5 Und wie steht es mit Dir? Auf die paarb Tage 앚:Überlingen:앚 freue ich mich – Du bekommst noch Nachricht, wann ich komme. Lange halte ich es jetzt nur an Schreibtischen aus, das ist mal so. Ich schlafe übrigens erträglich und es geht mir überhaupt leidlich. Nur die „Ungetrostheit“ hier und der Zorn: daß man nicht hat verwendet werden können. – Gestern war auch Alfred da. Die – rein politische – Unterhaltung verlief freundlich, warc aber bei seiner Zappeligkeit und Eigenart sehr strapazant für mich. Nun leb wohl, liebes Peterle, – schreib die Adresse! Ich vergaß sie. Es küßt Dich Dein Max

a O: Lukacs

b O: par

c ist > war

5 Die Antwort auf den Brief an Georg v. Lukács vom 14. Aug. 1916, oben, S. 494 – 497, erhielt Weber erst am 23. August 1916; vgl. den Brief an denselben vom 23. Aug. 1916, unten, S. 510.

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Georg von Lukács PSt 23. August 1916; Charlottenburg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 22, Bl. 25 – 26 Das Datum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen. Der Brief steht in Zusammenhang mit v. Lukács’ geplanter Habilitation für Philosophie in Heidelberg; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an v. Lukács vom 14. August 1916, oben, S. 494.

z. Z. Charlottenburg March-Str. 7F Verehrter Freund! Schönen Dank! Erst heut erhielt ich Ihren Brief – durch ein Post-Versehen. Ich bin am 3. oder 4. IX wieder in Heidelberg und hoffe Sie dann zu sehen. Heute nur: 1. Lask. Ja, er hat eben Beides gesagt.1 Er hatte den allerdringendsten Wunsch, im sachlichen Interesse der Universität, daß Sie Sich habilitierten. Aber er gestand mir dann, daß ihm wiederholt jenes Bedenken gekommen sei: ob Sie wohl die Natur haben würden, bei „zünftiger“ Arbeit zu bleiben, d. h. eine systematische Arbeit fertig zu stellen. Ihr geistiges Niveau wünschte er der Hochschule zu gewinnen, – Ihre spezifisch „essayistische“ Neigung ließ ihn schwanken, ob er für Sie – und indirekt: die Hochschule – das Richtige thue, wenn er Ihnena in diese „Zwangsjacke“ zu gehen riethe und behilflich sei. Stets schwankte er: ob und wie er Ihnen dies Bedenken mitteilen solle. Ich habe es ihm ausgeredet, weil ich es für ganz grundlos hielt. Aber Sie kannten ihn ja: er wendete jegliche Sache hin und her und seine Bedenken wurden bei Widerspruch nur subtiler und schwärzer. Sie hatten an ihm, dessen seien Sie ganz sicher, einen absolut treuen Freund. Aber als ich auf den prachtvollen (und dabei echt „zünftigen“) zweiten

a Sie > Ihnen 1 Vgl. dazu Webers Bemerkungen in seinem vorherigen Brief an v. Lukács vom 14. Aug. 1916, oben, S. 496.

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Teil Ihrer Arbeit2 hinwies, wandte er ein: „ja, aber ob er sich je entschließt, wirklich den ersten3 umzugestalten? und ob er einen Abschluß, selbst einen Teil-Abschluß fertig macht?“ Das war die letzte unserer Unterhaltungen. Sie thun ihm jetzt unrecht. Gewiß, er hätte sich entschließen sollen, Ihnen diese Bedenken stets zu sagen. Es war wohl seine eigenartige Schüchternheit und Unsicherheit. – Ich wünsche Sie als Collegen, so sehr wie ich irgend etwas wünsche. Die Frage ist: der Weg. Davon mündlich. Seien Sie ganz sicher: Sie werden Rickert nicht im Licht eines „Bewerbers“ erscheinen, sondern eines ihn sehr lebhaft interessierenden Geistes! Auf Wiedersehen. Stets in aufrichtiger Freundschaft Ihr Max Weber

2 Gemeint ist der zweite Teil von v. Lukács’ „Philosophie der Kunst“, betitelt: Phänomenologische Skizze des schöpferischen und receptiven Verhaltens, postum veröffentlicht in: ders., Heidelberger Philosophie der Kunst (1912 – 1914). Aus dem Nachlaß hg. von György Márkus und Frank Benseler (Georg Lukács Werke, Bd. 16). – Darmstadt und Neuwied: Luchterhand 1974, S. 43 – 150; vgl. dazu den Brief an Georg v. Lukács vom 22. März 1913 (MWG II/8, S. 135 f.). 3 Der erste Teil der „Philosophie der Kunst“ trug die Überschrift: Die Kunst als „Ausdruck“ und die Mitteilungsformen der Erlebniswirklichkeit (wie Anm. 2), S. 7 – 41.

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Marianne Weber PSt 23. August 1916; Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München 446 Das Datum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Mittwoch“ erschlossen.

Ch’burg Mittwoch. Liebstes Mädele! Schönsten Dank! Alle Deine Briefe kamen jetzt auf einen Haufen und sind arg lieb! Daß Lili wohl ist, ist schön – ich werde ihr ein Wörtchen schreiben. Albert1 kommt ja nun morgen hier durch und geht übermorgen nach Heidelberg weiter. Möchte Alles gut gedeihen! Ich denke es ja. Ich freue mich schon arg auf die paara Tage mit Dir in Überlingen. Wenn möglich, bin ich Montag Abend dort, sonst: Dienstag Abend. Ich schreibe noch und telegrafiere außerdem am Tag vorher. Hier passiert nicht viel. Ich sitze auf der Bibliothek und spreche manchmal Menschen, aber nicht viele. Montag ein Vortrag in der Deutschen Gesellschaft (Sering,2 über Polen – schlecht wie immer!), dabei einige Menschen gesprochen, darunter den neuen preußischen Unterrichtsdezernenten, unsren früheren Kollegen C[arl] H[einrich] Becker3 (den netten anständigen Orientalisten – ich weiß nicht, ob Du ihn kennst). Endlich ein Gentleman in dieser Stellung. Gott sei Dank! – Man denkt jetzt hier mehr über die wirtschaftliche als über die Kriegslage nach; diese wird ja allmälig, scheint es, stabil werden. Aber wenn nach dem Krieg 40, 45, 50%b Steuern vom Einkommen aus Vermögen erhoben werden müssen – und das wird nötig sein, wenn der Krieg noch bis zum nächsten Sommer dauern sollte, – dann müssen wir Alle ja unsre Lebenshaltung ändern. Nun, wir thun es mit unerschüttertem Herzen, wenn es halt sein muß. Hoffentlich lohnt wenig-

a O: par b 1 Albert Schäfer hatte seine Ferien in Pommern verbracht und war auf dem Weg nach Heidelberg. Vgl. den Brief an Mina Tobler vom 7. Aug. 1916, oben, S. 486. 2 Der Vortrag von Max Sering ist bibliographisch nicht nachgewiesen. 3 Der Orientalist Carl H. Becker lehrte von 1902 bis 1908 an der Universität Heidelberg.

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stens ein anständiger Friede diese wahnsinnigen Blut- und doch auch Gut-Opfer! Aber Das liegt eben noch immer ganz im Dunklen und Fernen. Dir scheint es nicht recht gut zu gehen4 und auch die bösen Tage sind doch viel zu früh! Diese dumme Einrichtung! – Ja, was wohl in Clärchen5 vorging? Wir haben uns doch fast nicht um sie gekümmert! Und doch? Nun, hoffentlich bessern sich Lili’s Nerven, denn das ist doch der Punkt. Leb wohl, hab lieb und laß Dich küssen von Deinem Max Hoffentlich hast Du besseres Wetter als wir hier jetzt! Elend naß und kalt!

4 In ihrem Brief an Max Weber vom 22. Aug. 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) klagte Marianne Weber über etwas Kopfweh und freute sich auf die bevorstehende Ruhe am Bodensee. 5 Clara Schäfer hatte ein paar Tage bei Max und Marianne Weber in der Ziegelhäuser Landstraße 17 verbracht.

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Verlag J. C. B. Mohr PSt 27. August 1916; PSt Charlottenburg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Herrn J C B Mohr’s Verlag Tübingen Ich erbitte weitere Korrekturen1 nach Überlingen 앚:(Überlingen):앚a (Bodensee), Pension Würth. Prof. Max Weber Heidelberg

a Wiederholung des Ortsnamens in betont deutlicher Schrift. 1 Gemeint sind Korrekturen zu: Weber, Max, Hinduismus und Buddhismus II und III.

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Lili Schäfer [27. August 1916; Charlottenburg] Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 47 – 48 Datum und Ort sind von der Hand Helene Webers. Weber reiste am selben Tag nach Heidelberg.

Liebe Lili,

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verzeih den Briefbogen!1 Ich wollte Dir nur grade jetzt[,] ehe ich morgen in aller Frühe abreise, einen Gruß schicken. Ich gedenke daran, was Du vor 2 Jahren2 (ungefähr) und dann wieder jetzt vor 1 Jahr3 erlittest und daß Du jetzt den Albert hergiebst,4 – trotz Allem: ein Abschnitt! Aber ich kann mir nicht denken, daß Du es bereuen wirst, wenn es auch jetzt schwer ist. Der Junge machte übrigens hier einen vorzüglich herausgefütterten und in der Vitalität so kräftigen Eindruck. Und man fühlt doch immer, daß er in Dem, was er von Hermann hat, neben vielleicht einigen Hemmungen doch auch etwas von jener Art von „Noblesse“ mitbekommen hat, die ich immer bei H[ermann] zu empfinden glaubte oder vielmehr deren man so absolut sicher war. Aber freilich: das für Dich Überanstrengende grade mancher seiner jetzigen Züge ist eben da. Es ist doch sehr interessant, wie dies Kind sich entwickelt. Vielleicht behältst Du doch mit der „Landwirtschaft“ einmal recht. Unbedingt ist er ein „geistiger“ Junge: Sinn für Humor, weiß viel, kombiniert. Und: nicht „Wille“ fehlt, kommt mir vor, sondern „Initiative“ – vorläufig! (hatte ich auch nicht in dem Alter). – Über Clärchen5 wollte ich Dir eigentlich gleich damals schreiben. Sie ist sehr gut zu haben: natürlich beweist auch das für „zu Haus“ gar nichts: Kinder sind nun einmal auf Besuch „artig“ und zu Haus oft nicht. Sie war aber wirklich sehr gefällig. Namentlich aber erfreute

1 Weber schreibt auf einem Briefbogen, den Helene Weber bereits handschriftlich mit „Marchstr. 7F, 27.8.16“ angefangen hatte. 2 Max Weber gedachte des Todes von Hermann Schäfer. 3 Karl Weber, bei dem Lili Schäfer nach dem Tod ihres Mannes gelebt hatte, fiel ein Jahr später. 4 Der elfjährige Albert Schäfer kam im August 1916 in die Odenwaldschule. Vgl. den Brief an Lili Schäfer von Mitte Juli 1916, oben, S. 476 f. 5 Die 13jährige Clara Schäfer war das älteste Kind von Lili Schäfer. Sie hatte ein paar Tage bei Max und Marianne Weber in Heidelberg verbracht.

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mich ihr Interesse. Beim Vorlesen („Hosen des Herrn v. Bredow“)6 mit den vielen „kulturgeschichtlichen“ Gesprächen war ihr keins zu lang, sie wollte nie etwas überschlagen, wenn Marianne es vorschlug. Und sie verstand Alles, unterschied wichtig und unwichtig, erkannte, wo die Kunst des Aufbaues lag, – kurz, in der Hinsicht scheint mir, dem Eindruck nach, eine recht erfreuliche Entwicklung wahrscheinlich. Hoffentlich kommt die Zeit, wo sie Dir eine „Stütze“ ist, – irgendwann! Bei Clara (unserer Schwester) ging das ja s. Z. doch auch langsam, und so ist es wohl meist. Mich freut von Marianne zu hören, daß Dir Braus7 gefallen hat. Ich habe für ihn wirklich auch viel übrig, denn er ist innerlich fein und nobel. In Manchem hatte er es schwierig. Mit Emma Puppe geht es den befürchteten Weg,8 nach allen Symptomen zu schließen. Davon mündlich, ich würde gern Deine Ansicht hören, was man machen soll. Ich komme am 3. oder 4. IX nach Heidelberg (von Überlingen).9 Willst Du dann bei uns noch eine ruhige „Nachkur“ machen? Oder später? Grüße Marta Riegel sehr von mir. Ich hoffe sie in München zu sehen10 (Ende Oktober, Anfang November), auch wegen Carl’s Überführung,11 die vielleicht – je nach der Höhe der Steuerna nach dem Krieg – finanziell ein harter Brocken wird für Mama. Direkt ermutigen sollte man sie, meine ich, in dem Gedanken nicht. Aber: will sie es, so geschieht es natürlich s. Z. Herzliche Grüße, auf Wiedersehen! Dein Max a 6 Alexis, Wilibald, Die Hosen des Herrn von Bredow (Deutsche Schulausgaben, Bd. 152). – Bielefeld und Leipzig: Velhagen & Klasing 1915. 7 Lili Schäfer hatte die Familie Braus in ihren Ferien in St. Märgen getroffen. Vgl. den Brief an Mina Tobler vom 11. Aug. 1916, oben, S. 491. 8 Emma Puppe, die Tochter der verstorbenen Haushälterin von Karl Weber, führte ein unstetes Leben. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 25. März 1916, oben, S. 359 f. 9 Max Weber besuchte Marianne Weber in Überlingen, wo diese seit dem 22. August 1916 Ferien machte. 10 Am 27. Oktober 1916 hielt Weber in einer öffentlichen Versammlung der Fortschrittlichen Volkspartei in München eine Rede zum Thema „Deutschlands weltpolitische Lage“ (MWG I/15, S. 690 – 700). 11 Martha Riegel wollte Karl Webers Leichnam, der am 22. August 1915 bei BrestLitowsk gefallen war, überführen lassen. Vgl. den Brief an dieselbe vom 5. Juni 1916, oben, S. 446.

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Mina Tobler [27. August 1916]; Charlottenburg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus der Tagesangabe „Sonntag“ und dem Inhalt des Briefes im Zusammenhang mit dem Brief an Mina Tobler vom 19. August 1916, oben, S. 504 f., erschlossen.

Charlottenburg Sonntag Liebes Tobelkind, –

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„bist untreu Wilhelm oder tot?“1 werden Sie gedacht haben. Keines – aber ganz unsinnig besetzt in der Zeit und, wie üblich, so zerrissen, daß man nie zur Ruhe kam. Auch heut bei Naumann, dann meine Schwägerin2 hier, nachher nochmal zu meiner Nichte3 (Mommsen) und etwas Recht will die Mutter auch haben, Abends wenigstens. Und diese Entfernungen und das Laufen macht mich so blöd im Kopf, das ist ein rechtes Kreuz! Ich habe viel gearbeitet (Bibliothek, daneben auch etwas politisiert)a. Vorgestern Abend mit einem netten Schweden (Steffen, deutschfreundlicher Sozialdemokrat, Professor). Man möchte diesen Leuten so gern heraushelfen gegen Rußland, das sie arg bedrängt und an allem Handeln hindert. – Nun, Sie sehen, vorerst hat sich mein Optimismus bewährt. Die Österreicher hatten eben ein paarb dumme Streiche gemacht,4 jetzt, hoffe ich, kommt Alles wieder in die Reihe. Niemand kann wissen wie ein Krieg ausgeht, denn alle Zufälle sind da möglich. Aber ich habe nie unsre Erfolge überschätzt und so kann ich jetzt Ihre Schweizer Entente-Presse-Eindrücke nicht teilen. Es steht ganz gut, nur wird der Krieg lang dauern, bis die Gegner die Aussichtslosigkeit einsehen.

a Klammer fehlt in O. b O: par 1 Zitat aus der 1. Strophe der Ballade „Lenore“ von Gottfried August Bürger, in: ders., Bürgers Gedichte. – Leipzig und Wien: Bibliographisches Institut 1891, S. 64 – 71. 2 Valborg Weber, geb. Jahn. 3 Helene oder Clara Mommsen. 4 Gemeint sind die Rückzüge der österreichischen Truppen in Wolhynien und in der Bukowina.

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27. August 1916

Morgen fahre ich nach Frankfurt a. M., wo ich einige Journalisten spreche.5 Dann zu Marianne nach Überlingen, Pension Würth[,] wo ich von Mittwoch an bis etwa zum 3ten IX sein werde, dann Heidelberg. Auf Letzteres freue ich mich doch auch, denn der Herbst ist da so schön und ruhig, hoffentlich auch sonnig. Wie mag es Ihnen gehen? In 2 1/2 Wochen etwa sehen wir uns ja wohl in Heidelberg wieder. Inzwischen hat sich hoffentlich das Übelbefinden nicht wiederholt, was doch eigentlich eine wunderliche Sache war und wovon Sie mir noch erzählen müssen. Nicht daß es mir beunruhigend schiene, aber warum müssen so Zustände kommen? Ich will herzlich hoffen, daß Sie da oben6 nicht zu sehr frieren. Hier war es nämlich zeitweise doch ganz ausgeprägt kühl, besonders Abends; das liebe ich ganz und gar nicht, ich muß mein Quantum Sommerhitze durchaus haben, um mich wohl zu fühlen, sonst merke ich das auch im Winter. Meine Schwester Lili7 hat sich in St Märgen mit Braus (ihm) sehr angefreundet und mag ihn gut leiden. Auch sonst hat es ihr gut gethan, – heut kommt nun der Junge8 in die Odenwaldschule; es fällt ihr doch schwer! Verzeihen Sie diesen Plauderbrief, ich bin geistig nicht sehr „up to date“, wie meist in Berlin, und hoffe auf Heidelberg in dieser Hinsicht. Aber ich denke an Sie und schicke alle Wünsche und Alles Andre, stets Ihr Max Weber

5 Vgl. dazu den Brief an Bernhard Guttmann vom 4. Sept. 1916, unten, S. 524 f. 6 Gemeint ist auf dem Albis bei Zürich. 7 Lili Schäfer verbrachte zur gleichen Zeit wie die Familie Braus Ferientage in St. Märgen. 8 Albert Schäfer.

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1. September 1916

Mina Tobler PSt 1. September 1916; Überlingen Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen.

Überlingen (Bodensee) Pension H. Würth Liebes Tobelkind, –

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nun sitze ich hier mit unda wir warten – nach einem schönen Tag vorgestern – auf besseres Wetter, denn es regnet in Strömen. Das Nestchen ist reizend und enthält für ein Städtchen von 4 000 Einwohnern Erstaunliches an Erinnerungen, Sammlungen, schönen Häusern, Kirchen und malerischen Straßen. Nächst dem Zürich-See (natürlich!) ist dies doch die anmutigste mir bekannte Wasserlandschaft. Sehr friedlich und erholsam, grade wenn man nur auf dem Kanapee liegt. Ich bleibe bis Sonntag hier und fahre Montag nach Heidelberg zurück. Dann sind ja auch Ihre Ferien bald herum und ich hoffe eine „rund“ ernährte und gebräunte Freundin wiederzusehen. Denn jene bösen Anfälle haben sich doch wohl nicht wiederholt? Ich will es hoffen! – Nun ist also die rumänische „Bombe“1 geplatzt. Sie werden das Halloh der Entente-Presse dort ja aus erster Hand zu sehen bekommen. Aber wir waren immerhin insofern vorbereitet, als schon eine ganze Armee unthätig gegen diese Kerle dastand und nicht zu Schuß kam. Das Unangenehme ist also nicht die Sache selbst, sondern die Hoffnung, die sie den Feinden macht und die Verlängerung des Krieges, die dadurch hervorgerufen wird. Im Übrigen ändert das Ereignis an meinen Ansichten nichts, – unangenehm ist die Rückwirkung auf Griechenland, das ist das Wesentlichste. Nun, wir werden ja sehen, was Hindenburg macht. Seine Ernennung2 begrüße ich vor Allem auch aus politischen Gründen: einen Frieden, den er mit schließt, wird Jeder in a 1 Gemeint ist die Kriegserklärung Rumäniens an Österreich-Ungarn am 27. August 1916 und die Kriegserklärung Deutschlands an Rumänien am 28. August 1916. 2 Die Ernennung des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg zum Chef des Generalstabes erfolgte am 29. August 1916.

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1. September 1916

Deutschland akzeptieren, wie sein Inhalt auch aussehen möge. Und das ist wichtig. Aber ich höre lieber zu politisieren auf, sonst mache ich der Censur3 Ungelegenheiten und umgekehrt. Jedenfalls: wir sind und bleiben ganz guten Mutes, so schwierig gewiß die Lage ist. Marianne, deren Brief aus Heidelberg Sie ja bekommen haben werden, grüßt sehr. In Heidelberg wird wohl mein Schwesterchen,4 die nun ihren Jungen5 in die Odenwaldschule gebracht hat, ein paarb Tage zu mir kommen, zum Ausruhen. Lassen Sie es Sich recht gut gehen und seien Sie herzlich gegrüßt von Ihrem Max Weber

b O: par 3 Die Briefe durften wegen der Zensur nur eine bestimmte Länge haben. 4 Lili Schäfer. 5 Albert Schäfer.

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2. September 1916

Verlag J. C. B. Mohr 2. September PSt 1916; Überlingen Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Überlingen 2/9 Herrn J C B Mohr’s Verlag Tübingen

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Korrekturen1 erbitte ich fortan wieder nach Heidelberg (Artikel im „Archiv f[ür] Sozialwissenschaft“)[.] Mit vorzüglicher Hochachtung Prof. Max Weber

1 Korrekturfahnen zu: Weber, Max, Hinduismus und Buddhismus II und III.

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3. September 1916

Helene Weber 3. September [1916]; Überlingen Brief; handschriftlich Marianne Weber Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahr ist erschlossen aus dem Briefinhalt. Max Weber besuchte Marianne Weber in Überlingen vom 30. August bis zum 4. September 1916, wo sich diese zur Erholung aufhielt. Weber diktierte den ersten Teil des Briefes Marianne Weber. Diese setzte den Brief fort und beschrieb die schöne Pension am Bodensee und berichtete von einem Ausflug nach Konstanz, der die Erinnerungen an Webers Sanatoriumsaufenthalt infolge seines Zusammenbruchs im Sommer 1898 wachrief.

Überlingen/Bodensee 3. Sept. Pension Würth. Liebste Mutter! Ich glaube nicht, daß man mehr als den Einkaufspreis 앚:(55 000 Mk.?):앚 für das Haus1 bekommt, da es sehr verwohnt ist. Nach dem Kriege jedenfalls nicht, da dann das Geld sehr knapp wird. Ein Teil als Hypothek wäre garnicht unangenehm, da das eine leidliche Anlage ist. Nur wird der Zins nicht so hoch gewährt werden, wie bei Kriegsanleihe. Der Preis u. eventuell Zins müßte als Minimum so hoch sein, daß er die Miete Deiner neu zu nehmenden Wohnung mehr als deckt. Aber ich würde dringend wünschen, daß Alfred an einem Sonntag etwa mit dem Käufer verhandelt u. daß auch Ernst u. Klara gefragt werden, was sie von dem Preise denken. Ich möchte die beiden letzteren aber allerdings darauf aufmerksam gemacht haben, daß der früher einmal zwischen Ernst u. mir genannte Preis sicher nicht mehr zu bekommen ist u. daß die Verkäuflichkeit des Hauses nach dem Kriege äußerst fraglich wird – so weit ich urteilen kann. Auf eine Probevermietung würde ich mich auf keinen Fall einlassen. Anders bei Vermietung zu einem Preise, der die voraussichtliche Miete Deiner neuen Wohnung so bedeutend übersteigt, daß alle Lasten u. Kosten gedeckt sind u. auf sehr lange Zeit. Aber wünschenswert ist Vermietung an sich entschieden nicht, Du behältst Lasten, Ärger u. Kosten. –

1 Gemeint ist das Haus von Helene Weber in Charlottenburg, Marchstr. 7 F. Die Diskussion über den Hausverkauf begann im September 1916 und zog sich hin bis zum Sommer 1918.

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Gustav Radbruch [vor dem 4. September 1916]; Überlingen Brief; eigenhändig Deponat Max Weber, BSB München, Ana 446 Die Datierung ist erschlossen aus dem Schreibort sowie dem Briefinhalt in Verbindung mit dem Schreiben an Radbruch vom 15. August 1916, oben, S. 499, in welchem ein Zusammentreffen mit diesem am 5. September 1916 in Aussicht gestellt worden war. Dieses Treffen sollte vermutlich wegen Radbruchs Plan einer Habilitation an der Heidelberger Philosophischen Fakultät stattfinden.

Überlingen, Pension H. Würth Sehr verehrter Herr Kollege!

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Ich kann es leider nicht möglich machen, am 4. schon in Heidelberga zu sein: Sondernb ich komme erst am 4. spät Abends in H[eidel]b[er]g an. Also stünde ich am 5. früh, so früh Sie es wünschen, zur Verfügung. Ich möchte sehr hoffen, daß es Ihnen mit Ihrem Urlaub möglich ist, es so einzurichten. Wenn nicht, dann gäbe es nur das eine Mittel: daß wir uns am 4. Abends auf dem Bahnhof Heidelberg träfen.1 Ich komme mit dem Zuge Singen – Offenburg – Heidelberg, der Abends nach 9 Uhr in H[eidel]b[er]g eintrifft. Würden Sie mich dann am Zuge treffen, so könnten wir gleich zusammenbleiben. Aber vielleicht ist Ihnen der 5. früh (oder Nachmittag – zu jeder Stunde des Tages) ebenso bequem oder bequemer. Mit kollegialem Gruß Ihr Max Weber

a Hbg > Heidelberg b 1 Nach einer Mitteilung an Marianne Weber vom 8. Sept. 1916, unten, S. 534, ist es zu der Begegnung am Abend des 4. September nicht gekommen, da Radbruch Weber am Bahnhof verpaßt hatte. Vgl. dazu auch Radbruchs Tagebucheintrag vom 4. September 1916 (UB Heidelberg, Heid. Hs. 3716, I A 7; Nl. Gustav Radbruch): „Mit der Bahn nach Freiburg. Kantorowicz besucht; Abends nach Berlin. Max Weber verfehlt. 5. Morgens in Berlin.“ Ein späteres Treffen ist nicht zustande gekommen; vgl. den Brief an Marianne Weber vom 8. Sept. 1916, unten, S. 534.

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Bernhard Guttmann 4. September [1916]; Überlingen Brief; eigenhändig Zeitungsarchiv Dortmund, Nl. Bernhard Guttmann Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes sowie dem Schreibort erschlossen.

Heidelberg z. Z. Überlingen, 4.IX Sehr verehrter Herr Doktor! Ich las mit dem größten Vergnügen Ihre Huber-Cox-Geschichte.1 Ebenso meine Frau. Verzeihen Sie, daß ich darauf und auf Ihren freundlichen Brief so spät reagiere, er erreichte mich mit Verspätung und ich war hier etwas erholungsbedürftig. Ich finde die Figuren sehr gelungen und besonders Herrn „Edelhuber“.2 Die gelegentlichen Hiebe auf bekannte Kollegen sind wohlverdient. Persönlich bin ich – vermutlich wie Sie – der Ansicht, daß es nach dem Krieg im nationalen Interesse, auch im Macht-Interesse, nötig sein wird, gegen die überhandnehmende „Staats“-Vergötterung unbedingt „wider den Strom“ zu schwimmen.3 Dazu wird die Kritik an den „staatssozialistischen“ Maßnahmen freilich schon das Ihrige beitragen. Denn die kommt dann. Und man wird zu rechnen anfangen, – jetzt geht ja Alles „aus dem Vollen“, und da kann man freilich „Staatssozialist“ sein. Nachher wird es anders aussehen. Auch den Unterschied zwischen „Staat“ und „Nation“ wird man dann weit nachdrücklicher betonen dürfen. Woher die Minderleistungen der Österreicher? Woher die Sympathie Amerikas mit England? Italiens mit Frankreich? Das

1 Guttmann, Bernhard, Huber und Cox. Ein zeitgenössisches Gespräch. – Jena: Eugen Diederichs 1916. – Guttmann teilte weitgehend die Ansichten Webers über die deutsche politische Führung von 1888 – 1919 (vgl. Guttmann, Bernhard, Schattenriß einer Generation 1888–1919. – Stuttgart: Koehler 1950, Das Deutschland des Kaisers, S. 9 – 159). 2 Hinter der bramarbasierenden, hypernationalistischen Gestalt des Herrn „Oberhuber“ verbirgt sich der Autor des Kriegspamphlets „Händler und Helden“, Werner Sombart. 3 Ein schon in der Antike geläufiger Ausdruck, so im Alten Testament, Jesus Sirach 4,26: „Strebe nicht wider den Strom“, sowie bei Juvenal, Saturae 4, 89 f.: „ille igitur nunquam derexit bracchia contra torrentem.“

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sind doch auch rein machtpolitische Faktoren. „Freie Hingabe“ erzwingt der Staat, der nur Staat ist, nie. Der „Nation“ (Kulturgemeinschaft) wird sie freiwillig geschenkt, selbst gegen das staatspolitische Interesse. Ich denke gern an das Zusammensein in Frankfurt zurück, obwohl ja nicht Alles zur Aussprache kam, infolge der Anwesenheit Dritter (so angenehm die Herren waren). Wenn Einer Ihrer Herren – ich glaube, Herr Dr Müller4 –a die Frage aufwarf, „wofür wir denn nun den Krieg geführt hätten?“ – so meine ich: für unsre nackte Existenz als nationaler Machtstaat mit eigener, nur an eignen Interessen orientierter Politik. Alles was wir mehr erreichen, ist Gnadengeschenk. Und: der Dreibund ist eben gesprengt,5 unsre außenpolitische Wahlfreiheit also stark eingeschränkt. Das sehen die Herren von Rechts immer nicht. Mehr wie je gilt Bismarck’s Wort zu Schuwalow vom „längeren Hebelarm“.6 Einb Bündnis mit Rußland macht uns zum Vasallenstaat, wenn gleichzeitig im Westen nicht nur 1c (wie nach 1871), sondern 2 Todfeinde jederzeit gegen uns zu haben sind. Immer derselbe Fehler wie bei den Hohenstaufen: Eindringend in den westlich-südlichen Kulturkreis, wo die 앚:tödliche:앚e Gefahr ganz wo anders liegt! Ich wünsche Ihrer Schrift weiteste Verbreitung (und: Verständnis) und hoffe Sie bald in Heidelberg zu sehen, wie zugesagt. Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber

a b O: ; Ein sinngemäß ergänzt. e O: tötliche

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d Unsichere Lesung.

4 Oscar Müller. 5 Der 1882 zwischen dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn und Italien geschlossene Dreibund war von letzterem am 4. Mai 1915 aufgekündigt worden, am 23. Mai 1915 erfolgte der Kriegseintritt gegen die Donaumonarchie. Die Kriegserklärung Italiens an das Deutsche Reich erfolgte am 28. August 1916. 6 Weber bezieht sich auf: Bismarck, Otto Fürst von, Gedanken und Erinnerungen, Bd. 2. – Stuttgart: J. G. Cotta 1898, S. 65: „In meinem Entwurf [der Antwort an Kaiser Alexander] […] war hervorgehoben, daß ein gemeinsamer Krieg gegen die Westmächte [...] sich […] nothwendig zu einem preußisch-französischen condensiren müsse, [...] daß Rußland, entfernt von dem Kriegsschauplatze, von den Leiden des Kriegs weniger betroffen sein, [...] und daß die russische Politik dann [...] an dem längern Arme des Hebels sitzen würde und uns auch, wenn wir siegreich wären, [...] werde vorschreiben können, wie unser Friede beschaffen sein solle.“

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Mina Tobler PSt 4. September 1916; PSt Überlingen Karte; eigenhändig, ohne Anrede Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446

Noch einen kurzen Gruß, liebe Freundin, von diesem schönen Stück Erde. Heut kam Ihr Brief, der ja nicht sehr nach eigentlicher „Erholtheit“ klingt. Ich fahre heute Mittag wieder nach Heidelberg, sehe Sie wohl Sonntag? Sonst bekomme ich Nachricht oder schicke sie. Der Himmel war uns ein paara Tage sehr gnädig, jetzt bezieht er sich wieder und ich halte es nicht gut aus beim Stillsitzen ohne ablenkende Arbeit. Denn dann denkt man in der That fast nur an die da draußen, das ist nicht zu ändern. Also mache ich, daß ich heimkomme. Hier haben wir all die Stätten wiedergesehen, an denen ich vor 18 Jahren bei Ausbruch meiner Krankheit so gelitten habe.1 Es ist gut so, denn künftig kann man dann einmal ohne diese Reminiszenzen hier in das wunderbar schöne Fleckchen Erde gehen und Ruhe haben, – wenn erst der Friede da ist, was noch lange dauern wird. Wir sind guten Mutes, Sie hoffentlich auch. Stets Ihr Max Weber

a O: par 1 Gemeint ist Konstanz, wo sich Weber 1898 nach seinem psychischen Zusammenbruch in einem Sanatorium, dem „Konstanzer Hof“, aufgehalten hatte.

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Helene Weber 5. September PSt 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 264 – 265 Das Jahr ist aus dem beiliegenden Umschlag erschlossen.

Heidelberg 5. IX Liebe Mutter, –

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So, ich bin wieder hier und für heut Abend hat sich Lili angesagt für ein paara Tage zum Ausruhen. Es ist mir recht lieb, man kann einige Geldsachen und Derartiges besprechen. In Überlingen1 war es sehr schön mit Marianne – seit mehreren Jahren die ersten ganz ruhigen Tage zusammen! Die Stätten, wo ich mich vor 18 Jahren so arg geplagt habe,2 wurden besucht und einige sehr schöne Nachmittage im Wald gelegen! Ihr geht es offenbar jetzt recht gut. Nun noch wegen des Hauses!3 Ich finde, Alfred und Clara4 sollten da Alles entscheiden, ich bin ja nicht da und bin mit Allem einverstanden, was geschieht. Nachträglich fiel mir ein: der Mann muß natürlich Garantie für Zinszahlung geben, ehe das Haus ihm übereignet wird (wegen der Kriegs-Moratorien (Aufschub der Zwangsvollstreckung bei Nichtzahlung))b. Also 앚:wohl:앚 auch: Erkundigung (bei der „Auskunftei“) ob er gut zahlen kann. Sonst muß er in bar (oder 앚:in:앚 Wertpapieren, zum Kurse) zahlen. – Was magst Du von Emma P[uppe]5 nun in Erfahrung gebracht haben? Herzlichste Grüße Dein Max a O: par b Zweite schließende Klammer fehlt in O. 1 Max Weber hatte Marianne Weber vom 30. August bis zum 4. September 1916 in Überlingen besucht, wo diese Urlaub machte. 2 Nach seinem Zusammenbruch 1898 hatte sich Weber zur ärztlichen Beobachtung und Behandlung im Sanatorium „Konstanzer Hof“ in Konstanz aufgehalten. 3 Zur Absicht Helene Webers, das Haus in Charlottenburg zu verkaufen, vgl. den Brief an Helene Weber vom 3. Sept. 1916, oben, S. 522. 4 Alfred Weber und Clara Mommsen lebten in Berlin. 5 Vgl. dazu den Brief an Lili Schäfer vom 27. Aug. 1916, oben, S. 516, Anm. 8.

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Mina Tobler [6. September 1916]; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist erschlossen aus dem Briefinhalt in Zusammenhang mit der Karte an Mina Tobler vom 4. September 1916, oben, S. 526, und der Tagesangabe „Mittwoch“.

Heidelberg, Mittwoch Liebes Tobelkind, so, ich bin wieder zu Haus,1 das kleine Schwesterlein2 ist (für 3 Tage) zur „Nachkur“ hergezogen und sitzt im Garten, ich am Schreibtisch. In Überlingen hatten wir einige recht schöne warme Tage mit Liegen im Wald, nur war ich etwas stumpf, – man denkt doch immer nach draußen. Nicht in Sorge um das Endresultat, das noch in unbestimmter Ferne liegt. Sondern daß man nicht dabei ist. Das kommt grade bei „Ruhe“ über Einen. Arbeit gleichviel welcher Art thut da gut. – Sie haben doch meinen Brief aus Überlingen bekommen?3 und die Karte?4 Der Besuch der Stätten,5 wo ich vor 18 Jahren, bei Beginn meiner Krankheit, so schauderhaft gelitten habe, physisch und seelisch, war strapazant, und leider merkte Marianne das etwas. Aber es ist gut. Denn jetzt kann man künftig, im Frieden, an diese wunderbaren Punkte ohne Belastung durch diesen „Komplex“. Denn das Gedenken ist nun „gelöst“. – Nun sind Sie, Gott sei Dank, in schon baldiger Aussicht hier. Wie mag es Ihnen nur in Wahrheit gehen? Denn ganz klug werde ich aus Dem nicht und vermuthe nichts allzu Gutes, auch nach Ihrem Brief nach Überlingen. Endlich aber wird man Sie wieder sprechen können und das ist gut und höchste Zeit! Ich gehe langsam wieder an die Arbeit und hoffe bald hineinzukommen. Dann wird mir wieder ganz normal zu Muthe sein. Es wird viel zu erzählen geben, – d. h. wohl mehr von Ihrer als von meiner Seite, der ich im Ganzen doch stark in rein sachlichen Dingen und Proble1 Max Weber war am 4. September von Überlingen nach Heidelberg zurückgekehrt. 2 Lili Schäfer. 3 Vgl. den Brief an Mina Tobler vom 1. Sept. 1916, oben, S. 519 f. 4 Vgl. die Karte an Mina Tobler vom 4. Sept. 1916, oben, S. 526. 5 Weber bezieht sich auf seinen Aufenthalt im Sanatorium „Konstanzer Hof“ im Sommer 1898 in Konstanz.

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men gesteckt habe. Ich freue mich herzlich auf das Wiedersehen – Sonntag?6 Hier? Oder wann? Tausend herzliche Grüße stets Ihr Max Weber

6 Gemeint ist der sonntägliche „Jour“ in der Ziegelhäuser Landstraße 17.

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Marianne Weber PSt 6. September 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Mittwoch“ erschlossen.

Hbg Mittwoch Liebe Schnauzel, – so da sitze ich seit gestern wieder hier und auch die kleine Lili ist (seit gestern Abend und nur bis Samstag) da, ganz vernünftig und plaudersam, sehr befriedigt von Albert1 und dem Zusammensein mit Martha R[iegel],2 die jetzt sich wieder ins Leben findet. Für Samstag erwartet sie die kleine Alice Benecke, (Gretchens3 Adoptivkind, Gretchen selbst ist hier bei Schuberts4). – Radbruch hat nichts von sich hören lassen, – da hätte er mich wirklich ganz in Ruhe lassen sollen!5 Jaspers ist noch fort. Lukács lag noch im Bett, als ich heute antelefonierte. Rikkert werde ich heut Nachmittag wohl mal aufsuchen. Die Briefe mit der Deutschen Bank finde ich vorläufig nicht, liebes Mädel. Äußerstenfalls ist ja wohl Zeit, bis Du zurückkommst (Zeichnungsbeschluß Ende September).6 Aber es ist doch sonderbar. Wo sollen sie doch liegen? – Nun hoffe ich aber vor Allem, liebes Kind, daß Du Dich noch tüchtig ausruhst. Denn irgend Etwas sagt mir: daß Du das noch nicht gethan hast. Ich glaube, daß auf Dich die alten Erinnerungen an den „Kon-

1 Albert Schäfer war kurz zuvor in die Odenwaldschule gekommen. Vgl. den Brief an Lili Schäfer von Mitte Juli 1916, oben, S. 476 f. 2 Martha Riegel hatte während ihrer Schulferien im August 1916 Lili Schäfer in Heidelberg besucht. 3 Margarete Beneke, geb. Benecke. Sie hatte eine Tochter, Alice, adoptiert. 4 Der Kirchenhistoriker Hans v. Schubert und seine Familie. 5 Gustav Radbruch hatte Weber gegenüber mit dem Gedanken gespielt, sich bei Heinrich Rickert zu habilitieren. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 18. Aug. 1916, oben, S. 503. Zu einem von Radbruch vorgeschlagenen Treffen am 4. September, das Weber auf den Abend oder nächsten Tag hatte verschieben wollen, war es nicht gekommen. Vgl. den Brief an Gustav Radbruch, vor dem 4. Sept. 1916, oben, S. 523. Den darauf auf Freitag, den 15. September 1916, in Aussicht genommenen Termin hatte Radbruch abgesagt. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 8. Sept. 1916, unten, S. 534. 6 Gemeint sind Kriegsanleihen. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 8. Sept. 1916, unten, S. 534.

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stanzer Hof“ wesentlich stärker wirkten als auf mich.7 Jedenfalls aber denke ich, ziehen wir für nach dem Frieden – wann das wohl ist? – gleich einen Aufenthalt dort unten in Betracht, außerhalb der ReiseSaison, also etwa im Juni oder September des betreffenden Jahres. Es war wunderschön und wohlthuend mit Dir zusammen da im Wald und so was muß künftig viel viel öfter kommen. Hab Dank! Hier nichts Neues. Bald mehr Dein Max

7 Gemeint ist Webers Sanatoriumsaufenthalt in Konstanz im Sommer 1898.

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Helene Weber 8. September [1916]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 266 – 267. Das Jahr ist aus dem Briefinhalt erschlossen.

Hbg 8/IX Liebe Mutter! Lili las mir aus Deinem Briefe vor. Es ist mir leid, Alfred und E[rnst] Mommsen’s die Sache mit dem Haus nicht abnehmen zu können.1 Aber ich könnte die Ausgabe für eine Reise zu speziell diesem Zweck doch nur verantworten, wenn feststünde: 1) daß der Reflektant so ernste Absichten hat, daß es nur auf die Art der Bedingungen im Einzelnen noch ankommt, – 2) daß Ihr dort es zu erledigen ganz besondre Schwierigkeiten habt. Sollte Dem so sein, so würde ich natürlich auch eine Reise nur zu diesem Anlaß nicht im Mindesten scheuen. Aber über die möglichen Preise habe ich ja von hier aus weder eina sicheres Urteil noch kann ich es mir verschaffen. Das ist doch wohl für Ernst und Clara weit leichter möglich. Ich kann meinerseits nur sagen: daß ich es nicht für sicher halte – sondern für ziemlich fraglichb – ob man nach dem Krieg leicht ein gutes Angebot erhält. An der Frage: Barzahlung oder teilweise (2/3 – 3/4) Hypothek, würde ich glauben, sollte die Sache nicht scheitern. – Was dies Eintreten Rumäniens2 bedeutet, kann man ja noch nicht wissen. Die Qualität der Armee ist unbekannt und unerprobt. Die Lage ist gewiß ernst und das frevelhafte Gerede der Leute wie D[ietrich] Schäfer etc. sollte endlich aufhören. Aber ich glaube heut wie je: daß wir mit Ehren aus der Sache kommen. Freilich: die Rückwirkung auf die Zukunft ist, wie bei Italien, nicht zu beseitigen. Wir werden diplomatisch immer isolierter und in der Wahl unsrer Bündnisse und Freundschaften immer beschränkter. Das scheint mir, neben

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b unsicher > fraglich

1 Gemeint sind die Verhandlungen über den Verkauf des Hauses von Helene Weber in Charlottenburg, Marchstraße 7 F. 2 Rumänien hatte am 27. August 1916 Österreich-Ungarn den Krieg erklärt. Die deutsche Kriegserklärung an Rumänien erfolgte am 28. August 1916.

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der unbekannten militärischen, eine wichtige politische Seite, die unsrer „Weltpolitik“ den Rahmen eng zuschneidet. – Daß Hindenburg erst jetzt,3 wo der Dynastie das Wasser an den Mund steigt, geholt wird, ist bedauerlich. Aber der Friede, den er schließt, wird von der Nation akzeptiert, wie er auch aussehen mag. Das ist der Sinn der Sache. Herzlich Dein Max

3 Generalfeldmarschall v. Hindenburg wurde am 29. August 1916 als Nachfolger des Generals v. Falkenhayn zum Chef des Generalstabes des Feldheeres ernannt.

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8. September 1916

Marianne Weber 8. September PSt 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahr ist aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen.

Hbg 8. IX Freitag Liebstes Mädele – Schönsten Dank für Deinen Brief. Hoffentlich macht sich aber das Wetter wieder und Du gerätst noch nicht ganz und gar in die Tinte, denn das wäre kein Ausruhen. Die Deutsche Bank hat nun schon geantwortet: sie habe 25 300 M. 앚:Kriegsanleihe:앚 gezeichnet. Ich werde nun sehen, ob das = der richtigen Summe ist. – Gestern war Lukács zum Abend hier, recht nett, noch nicht „arbeitsfähig“, aber doch in seinen Sachen wieder drin. Er wird nun schon zurechtkommen, sieht nur tüchtig müde aus. Radbruch hat sich für Freitag k.W. abgemeldet,1 hat meinen Zug verfehlt2 und dadurch mich. Morgen, wo Lili wieder nach Haus geht,3 gehe ich mal zu Rickert, zu sehen, wie es steht. Dann erzähle ich. – Mit Lili ist es ganz nett, man kommt Nachmittags und Abends immer etwas zum Plaudern über allerlei, sie ist doch ein recht kluges Wesen. – Liebes Mädele, mich haben dort die Erinnerungen gar nicht so arg bedrückt,4 wie Du dachtest, sondern die Präokkupiertheit durch das „Massenschicksal“, was so ins Unabsehbare weiter geht. Ich gehe später gern wieder dorthin. Es war doch trotz Allem sehr schön!

1 Bei der Zusammenkunft sollte auch Radbruchs Absicht, bei Heinrich Rickert zu habilitieren, besprochen werden. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 18. Aug. 1916, oben, S. 503. 2 Zu den nicht zustande gekommenen Treffen mit Radbruch vgl. die Briefe an Marianne Weber vom 6. Sept. 1916, oben, S. 530, Anm. 5, und an Gustav Radbruch, vor dem 4. Sept. 1916, oben, S. 523. 3 Lili Schäfer wohnte nach ihrem Urlaubsaufenthalt in St. Märgen vom 5. bis 9. September bei Max Weber. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 6. Sept. 1916, oben, S. 530. 4 Gemeint sind die Erinnerungen an den Sanatoriumsaufenthalt in Konstanz 1898, über die Weber sich im Brief an Mina Tobler vom 6. Sept. 1916, oben, S. 528, deutlicher äußerte.

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Für heut nur den kurzen Gruß, mein Kind, lasse es Dir recht gut gehen (aber die Pappritz soll der Teufel holen!5 Was soll denn das?)[.] Lilli und Laura6 gehen nach St Märgen. Tausend herzliche Grüße, es küßt Dich Dein Max

5 Anna Pappritz hatte Marianne Weber zur Teilnahme an einer „vertraulichen Sittlichkeitskonferenz, in der nur Frauen über die gegenwärtigen Fragen vor Frauen sprechen sollen“, Mitte November 1916 nach Berlin eingeladen. Marianne Weber sollte einen Vortrag über „Familie und Prostitution“ halten. Vgl. den Brief von Marianne an Helene Weber vom 18. Sept. 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). 6 Lilli Hermann, geb. Hausrath, und Laura Hausrath.

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Marianne Weber 9. September [1916]; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahr ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 9.IX Liebes Mädel, – ich habe kein richtiges Briefpapier heut, entschuldige diesen Lappen. – Die Kriegsanleihe-Zeichnung ist so wie geschehen in Ordnung, ich habe die Briefe der Banken gefunden.1 – Ich meine, mit „Mutter Ickrath“,2 das wollen wir uns langsam durch den Kopf gehen lassen. Wer weiß wie lange der Kriega noch dauern kann, und so lang hat es ja mindestens Zeit. Wir müssen ja auch Hausraths gegenüber „langsam“ vorgehen, sie vorbereiten und ihnen Zeit lassen, sich einen Miether zu suchen. Wir sprechen, denke ich[,] im Lauf des Winters mal mit August3 zunächst, um Laura4 nicht zu beunruhigen. Auch meine ich, daß wir uns ja auch noch andere Wohnungen ansehen sollten. Billig ist ja „Mutter Ickrath“ nicht, angesichts der Qualität des alten Kastens und z.B. verglichen mit Lili’s so viel behaglicherer Wohnung.5 Aber mir ist sie sicher ganz recht; wenn Du bei ihr bleibst. Aber wie gesagt, man hat ja noch Zeit sich an den Gedanken zu gewöhnen, – was man freilich doch wohl thun muß oder jedenfalls klug thut zu thun. Mir wird es um Deinetwillen vor Allem – natürlich auch um meinetwillen! – nicht leicht. Denn Du passest so gut in diese Umwelt hier. – a Brief > Krieg 1 Sie lagen im „gotischen Eckschränkchen“, wie Marianne Weber am 8. Sept. 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) an Max Weber schrieb. 2 Marianne Weber hatte in ihrem Brief aus Überlingen an Max Weber vom 8. Sept. 1916 (wie Anm. 1) die Überlegung geäußert, „nach dem großen Débacle wieder zu Mutter Ickrath zu ziehen“. Bei der Familie Ickrath in der Ziegelhäuser Landstraße 27 hatten Max und Marianne Weber vom März 1906 bis April 1910 gewohnt. Sie befürchtete, die hohe Miete für die Wohnung in der Ziegelhäuser Landstraße 17 nach dem Krieg nicht mehr bezahlen zu können. 3 August Hausrath. 4 Laura Hausrath. 5 Gemeint ist Lili Schäfers Wohnung in Heidelberg, Franz-Knauff-Straße 10.

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Lili ist seit Freitag Abend wieder zu Haus.6 Es war recht nett, – zu eigentlich finanziellen Gesprächen sind wir nur sehr im Allgemeinen gekommen, d. h. ich sagte ihr, daß wir 앚:eventuell:앚 hier ausziehen müßten. Rickert’s sah ich. Sophie7 befindet sich wieder etwas schlechter: Heini8 ist Knall und Fall nach dem Osten geschickt, mit stark verkürztem Urlaub, das ist ja für sie z.Z. hart. Auch die alte Mutter scheint vor dem Tod zu stehen. Ihm geht es ganz gut[,] so viel ich sehen konnte (Frl. Bresser und Cl[äre] Kaufmann waren dabei). Lukácsb, der hier einen Abend war (schrieb ich wohl schon)[,] wird ihn demnächst erstmalig aufsuchen; zunächst in anderen wissenschaftl[ichen] Angelegenheiten, also nicht als „Candidat“.9 Er ist jetzt an der Arbeit, Gott sei Dank, findet sich aber „stumpf“. Sonst nichts Neues, ich werde sehen nun mal Tobelchen10 zu treffen, die wieder da sein muß. Laß es Dir recht gut gehen, ruh Dich recht aus und benutze das schöne Wetter, damit Dich nachher um so froher in die Arme schließen kann Dein Max

b O: Lukacs 6 Lili Schäfer wohnte vom 5. bis 9. September 1916 bei Max Weber. 7 Sophie Rickert. 8 Heinrich (Heini) Rickert. 9 Georg v. Lukács zog eine Habilitation bei Heinrich Rickert in Betracht. Vgl. den Brief an Georg v. Lukács vom 14. Aug. 1916, oben, S. 494 – 497. 10 Mina Tobler.

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Marianne Weber PSt 12. September 1916; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen. Der Brief findet sich als Zusatz auf einem Brief des Danziger „Verein Frauenwohl“ vom 11. September 1916 an Marianne Weber. Darin wird Marianne gebeten, im Rahmen der am 12. Oktober 1916 in Danzig stattfindenden Kriegstagung des Verbundes Westpreußischer Frauenvereine an Stelle der verhinderten Marie Baum einen Vortrag über „Die Stellung der Frau zur Bevölkerungsfrage“ zu halten.

Liebes Mädele, – grade wollte ich einen Brief an Dich anfangen, da kommt dieses stupide Schreiben. Ich telegrafierte: Du seiest verreist und ich würde den Brief Dir nachschicken. Willst Du Dich denn auf diese Strapatze einlassen? Das wäre doch wirklich Unsinn! Jetzt während des Krieges, wo die Leute wirklich andre Gedanken haben, ein Schlag ins Wasser. Nach dem Krieg soll man diese Dinge behandeln und besprechen. Jetzt Gesagtes ist dann, wenn diese Probleme und ihre praktische Konsequenz wieder wichtige Fragen werden, ja ganz vergessen. Es wäre in jeglicher Hinsicht höchst unökonomisch mit den Kräften jetzt so was zu bereden! Andres als diese Probleme liegt jetzt doch wahrlich näher. – Schönsten Dank für Dein liebes Briefchen! Ich freue mich auch darauf, mit Dir da1 zu sein, wenn Friede ist. Wäre das schon zur Zeit der Obstblüthe der Fall, dann gleich dann. Aber – es ist ja nicht daran zu denken. Ja, die Rumänen-Dresche ist sehr wohlthuend.2 Recht begierig, was nun Hindenburg3 machen wird. Tobelchen4 sah ich, grade war auch Lili da mit Clärchen,5 als ich hinkam. T[obel]chen ist ganz munter körperlich. Nur die Sache mit den Braus-Kindern wird nachgerade recht peinlich. Rasende Eifersucht bei

1 Gemeint ist in Überlingen am Bodensee, wo Marianne Weber derzeit Ferien machte. 2 Nach dem rumänischen Kriegseintritt meldete der General v. Mackensen, unterstützt von bulgarischen und türkischen Truppen, erste Erfolge gegen die Rumänen in der Dobrudscha. 3 Seit dem 29. August 1916 war Hindenburg Chef des Generalstabes des Feldheeres. 4 Mina Tobler. 5 Clara Schäfer, Tochter von Lili Schäfer.

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Lisbeth,6 welche sich den Kindern gegenüber arg bloßstellt und peinliche Lagen für T[obel]chen schafft, sich selbst aber übel herunterwirtschaftet (sie bleibt noch fort, wenn die Kinder wiederkommen). Es ist da schwer zu rathen. Sonst nichts Neues. Bertha und Lina sind in ganz guter Stimmung, natürlich spreche ich, jetzt wo ich auch Hausmutter bin, sie öfter persönlich an.7 Hoffentlich hast Du auch noch etwas besseres Wetter, liebstes Mädel. Es ist heut hier kühl, aber schön (gestern: Regen). Schaff Dir noch recht viel Sonne, Licht, Wald, Freude, – nicht zu viel Tinte. Der Brief 8 soll schnell fort, er kam als Eilbrief (awürde aber, laut Fahrplan,a nicht schneller gehen, wenn ich ihn mitschickeb). Es küßt Dich daher nur, ohne weitere Worte, Dein Max

a weil der U[??] > würde aber, laut Fahrplan,

b Unsichere Lesung.

6 Elisabeth (Lisbeth) Braus, die Mutter von Hedwig (Hedi) und Dorothea (Dorle) Braus, war auf Mina Tobler, die sich als Klavierlehrerin mit ihren Kindern gut verstand, eifersüchtig. 7 In ihrem Brief vom 10. September 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) hatte Marianne Weber ihren Mann ermahnt: „Sprich auch mal ein freundliches Wort mit Bertha und Lina“. Bertha Schandau und Lina waren Dienstmädchen bei Max und Marianne Weber. 8 Gemeint ist der Brief des Danziger „Vereins Frauenwohl“.

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Marianne Weber PSt 14. September 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Donnerstag“ erschlossen.

Hbg Donnerstag Liebstes Mädele, – ich vergesse immer mir Briefpapier mitzubringen, daher diese seltsamen Brief-Formen. Schönsten Dank für Dein liebes Briefchen von vorgestern, das eben kam. Du hast inzwischen wohl den Danziger „Eilbrief“ bekommen1 und hoffentlich abgelehnt. 2 x 12a Stunden Fahrt für diesen Zweck: ein Schlag ins Wasser! Gestern war ich bei Lili Abends. Mama hatte ihr geschrieben, daß sie das Haus nur für 60 000 im Barzahlungsfall 앚:„franco Spesen“:앚 55 000 Mk angeboten hat.2 Es wäre schon gut, wenn die Sache zum Abschluß käme, aber so recht glaube ich es nicht. Zub Rickert’s gehe ich heute wohl mal. Cläre Kaufmann war ein Viertelstündchen hier und erzählte, daß Sofie3 jetzt von ihrer alten Migräne schwer geplagt sei. Vielleicht könnte das ja das Gute haben, daß sich die Sache wieder mehr so, nach der psychischen Seite, entwickelte und die anderen Zustände schwänden. Indessen z.Z. ist jedenfalls der Zustand nicht erbaulich. Einen der nächsten Tage will ich dann – vielleicht Samstag – Lili mit Frl. Tobler zusammen nochmal hier Abends haben, beide hatten Lust dazu. Das mit Dora Hitz4 ist nett, was Du schreibst. Überall findest Du doch „die Menschen“. Der Stefan-George-Jünger5 ist aber wohl Ala

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1 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 12. Sept. 1916, oben, S. 538 f., der auf dem Brief des Danziger „Verein Frauenwohl“ geschrieben war. 2 Zu dem geplanten Hausverkauf von Helene Weber vgl. die Briefe an Helene Weber vom 3. und 5. Sept. 1916, oben, S. 522 und 527. 3 Sophie Rickert. 4 In ihrer Überlinger Pension hatte Marianne Weber mit der Malerin Dora Hitz Bekanntschaft gemacht. 5 Max Weber bezieht sich auf die Mitteilung Marianne Webers in ihrem Brief an ihren Mann vom 14. Sept. 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446), Dora Hitz habe in Berlin gehört, er sei ein George-Jünger.

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fred, nicht ich, gewesen, den Unterschied kennt sie doch natürlich nicht. Lili sagte mir, daß sie Frl. Dietz – die z. Z. ganz ausfällt, da sie nicht wohl ist – jetzt nur noch halbtags beschäftigen wolle und brauche. Na, das ist ja ganz gut. Sie selbst war gestern ganz plaudersam, hatte mit den Kindern einen Spaziergang gemacht nach den „Schwalbennestern“,6 die sie sehr genossen hatten. Sprach viel von ihrer Schwiegermutter7 und ihrem Schwager,8 auch von Carl. Lisa v. Ubisch, die eine Operation an sich kleinerer Art durchgemacht hatte, scheint nicht sehr wohl zu sein. Sonst nichts „Neues“. – Hier wechselt das Wetter stark, zuweilen ist es doch empfindlich kühl. Hoffentlich bei Dir nicht so. Mir ist das nicht angenehm, der Sommer brachte mir nicht genug Wärme. Laura und Lilli H[ausrath] gehen ja nun also nach der Gegend von Überlingen, d. h. in ein kleines Nest dicht dabei.9 Sie werden Dich ja wohl von sich hören lassen. Leb für heut wohl, liebes Mädele, es umarmt und küßt Dich Dein Max

6 Gemeint ist das „Schwalbennest“ bei Neckarsteinach. 7 Clara Schäfer, geb. Bensch. 8 Otto Schäfer. 9 Gemeint ist Nußdorf; vgl. den Brief an Marianne Weber vom 15. Sept. 1916, unten, S. 542.

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Marianne Weber PSt 15. September 1916; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag und der Tagesangabe „Freitag“ erschlossen.

Freitag Liebes Peterle, – es ist ganz schönes Wetter heut und ich werde vielleicht am Abend noch ein wenig ins Freie gehen. Morgen, Samstag, will dann Lili nochmal Abends herkommen und ich denke, daß Tobelchen1 auch lieber dann herkommt, als daß ich zu ihr gehe. Gestern war ich bei Rickerts. Sofie ist die Migräne etwas los, sieht aber natürlich wieder nicht gut aus; Heini2 ist in die Karpathen geschickt und man sieht doch, daß der Krieg und Alles was daran hängt eben auch mitbeteiligt ist an dem Zustand, wie könnte es auch anders sein? – Arnold R[ickert] und Frau kommen wohl dieser Tage durch (vom Urlaub nach Würzburg), Frl. Kaufmann ist noch da. Er hat tüchtig mit Zahnschmerzen zu thun und ist verstimmt, keine Schreibmamsell zu finden. – Lilli3 und Laura4 gehen also morgen nacha Nußdorf bei Überlingen und ich werde ihnen sagen, sie sollten Dich mal antelefonieren. Lili (unsre!) sagte mir neulich, daß Laura sie gebeten habe, doch Clärchen5 (!) täglich (!) ihre Blumen begießen zu lassen (!) und war nicht sehr glücklich über diese Zumutung. Da es der bekannte „Bertha“-Komplex6 ist, sob nahm ich die Gelegenheit wahr, gestern Laura beiläufig zu sagen: das werde doch weit bequemer durch Lina7 gemacht, die es sicher gern thun würde. Sie war sofort und ohne Zwang einverstanden und sagte, sie wolle dann mit Bertha (auch über noch Andres) und a

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1 Mina Tobler. 2 Heinrich (Heini) Rickert. 3 Lilli Hermann, geb. Hausrath. 4 Laura Hausrath. 5 Clara Schäfer. 6 Bertha Schandau. Vgl. dazu den Brief an Marianne Weber vom 14. Sept. 1912 (MWG II/7, S. 665). 7 Lina war ein Hausmädchen bei Webers.

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Lina sprechen. Im Übrigen macht sie einen recht entlasteten, ganz guten, wennschon zarten, Eindruck. Wally8 geht jetzt zu ihrerc Mutter (nach Westpreußen), – ein großes Glück! denn Paula9 soll ganz unmöglich und unerträglich sein; die Behandlung beginnt jetzt bald (wird ja nichts nützen). – Wie es bei Dir wohl geht? Den Danziger Brief 10 (hier abgeschickt Dienstag) hast Du doch erhalten? und doch abgelehnt? – Rickerts kennen Deine Malerin-Freundin,11 sagten, sie sei geistreich, aber sehr moquant und „boshaft“. Nun das thut Dir ja nichts. Ja, – die Morawitz ist und bleibt „unerlöst“.12 Ich sehe und höre fast von Niemandem etwas. Das Arbeiten geht, wenn auch recht langsam und nicht so wie zeitweise (Folge davon, daß es Herbst und kühl wird und daß der Krieg nun so endlos sich dehnt). Aber sonst bin ich soweit ganz vergnügt. Bertha muß ich stets verwehrend, mich nicht so sträflich zu „füttern“ und selbst ordentlich zu essen. Sie ist ganz guter Stimmung. Die Geschichte mit den Griechen ist famos, wenn sie auch ja nichts Entscheidendes bedeutet.13 Immerhin ca 25 – 30 000 Mann unblutig „erledigt“ und dann der Eindruck. Im Westen geht es hart her, hoffentlich und sehr wahrscheinlich auch diesmal gut. Und Alles hat ja mal ein Ende! Wenn nur diese infamen U-Boot-Hetzer nicht schon wieder im Betrieb wären!

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d Unsichere Lesung. Alternativ: vermahnen

8 Wally, Pflegekind und Haushaltshilfe bei Paula Schmidt, geb. Hausrath. 9 Paula Schmidt, geb. Hausrath. 10 Gemeint ist der Brief des Danziger „Verein Frauenwohl“ vom 11. Sept. 1916, den Weber beschrieben und am 12. September 1916 an Marianne Weber geschickt hatte (vgl. oben, S. 538 f.). 11 Dora Hitz. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 14. Sept. 1916, oben, S. 540. 12 In ihrem Brief vom 10. September 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München) hatte Marianne Weber Max Weber von ihrem überraschenden Zusammentreffen mit Lucia Morawitz berichtet. Sie beklage sich über „die demokratischen Manieren der ‚kleinen Leute‘“ und ihre respektlose Art, sei aber für die Leute in ihrer „herrischen Art aufreizend“. Lucia Morawitz war von ihrer Freundin Marie Baum bei Max und Marianne Weber eingeführt worden. Vgl. die Karten an Marianne Weber vom 16. und 24. April 1908 (MWG II/5, S. 523 und 542). 13 Gemeint ist das Schutzabkommen des 4. griechischen Armeekorps in Kavalla, um das dieses die OHL am 12. September 1916 ersucht hatte. Die griechischen Truppen waren durch die Landung der Entente in Saloniki im Oktober 1915 von ihren Versorgungsbasen abgeschnitten und wollten sich dem Versuch der Entente entziehen, sie auf ihre Seite zu zwingen. Vgl. Schulthess 1916, Teil 2, S. 420.

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Braus’ kommen heut zurück, so viel ich weiß. Vielleicht gehe ich Abends mal hin. – Verzeih den „Zettel“! Laß es Dir noch recht gut bekommen, sauf nicht zu viel Tinte und bekleckere Deine Pfötchen nicht zu sehr damit! Es küßt Dich 1000 Mal Dein Max

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Friedrich Naumann 18. September [1916]; Heidelberg Brief; eigenhändig BA Berlin, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 106, Bl. 55 – 56 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes sowie dem Vermerk: „geschr. 20.9.16.“ erschlossen.

Heidelberg 18/IX Lieber Freund, –

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der Wiederbeginn der U-Boot-Agitation1 legt die Frage nahe: ob denn die höchsten Stellen so sehr den Kopf oder den Muth verloren haben, daß sie diese a Erbärmlichkeit, die in keinem einzigen der feindlichen Länder eine Analogie findet: – Agitation über militärische Maßgaben! – weiter duldet. Nehmen wir einmal an – was ich nicht glaube – daß in irgend absehbarer Zeit die Lage so wäre, daß die Verwendung der UBoot-Waffe militärisch, ökonomisch und politisch unbedenklich oder minder bedenk[lich]b würde, – dann wäre es doch der Gipfel des Wahnsinns, dies vorher merken zu lassen und so dem Gegner die Warnung zu geben, sich entsprechend zu verproviantieren. Grade dann also müßte die Regierung in der Öffentlichkeit mit lauter Stimme sagen: „Unter keinen irgendwie wahrscheinlichen Umständen kommt das in Frage!“. Und müßte den blöden Parteiführern d[er]c Rechten, vertrau-

a O: dieser

b Lochung. c Lochung.

1 Die erneute Propaganda für den uneingeschränkten U-Boot-Krieg ist vor dem Hintergrund der problematischen Kriegslage im Herbst 1916 zu sehen: im Westen der Mißerfolg der Abnutzungsschlacht um Verdun und die noch anhaltende Abwehrschlacht an der Somme, im Osten die Abwehrkämpfe gegen die aufeinanderfolgenden Brusilov-Offensiven sowie der Kriegseintritt Rumäniens am 27. August 1916 gegen die Mittelmächte bzw. Österreich – Ungarn. Etwas später charakterisierte der Kommentator der Frankfurter Zeitung anläßlich der Rede des Reichskanzlers v. Bethmann Hollweg im Reichstag vom 29. September 1916 die Lage folgendermaßen: „Inzwischen haben unsere Feinde neue Hoffnungen geschöpft […]: die Russen hatten große Erfolge, Rumänien ist zur Entente abgefallen, im Westen hat das deutsche Heer den rasenden Ansturm der Franzosen und Engländer zu bestehen. Das ist nicht der Augenblick […] viel vom Frieden zu sprechen.“ Zit. nach dem ungezeichneten Tageskommentar: Frankfurt, 29. September, in: FZ, Nr. 270 vom 29. Sept. 1916, Ab.Bl., S. 1. Hinzu kam – neben dem weitverbreiteten naiven Glauben an die „Wunderwaffe“ U-Boot – das innenpolitische Kalkül der Rechten, insbesondere der sog. „Kanzlerfronde“, den als „Englandfreund“ angesehenen Reichskanzler durch die Forderung nach dem uneingeschränkten U-Boot-Krieg zu diskreditieren bzw. letztendlich zu stürzen.

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lich aber deutlich, zu Gemüth führen: daß die 앚:wirksame:앚 Verwendung der U-Boot-Waffe durch deren eignes Geschwätz unmöglich gemacht werde, die Diskussion in der Presse und in Reden aber bedingungslos verbieten und einschreiten. Das Alles ist so einfach, daß man sich scheut es besonders zu schreiben und zu sagen. Aber das Einfachste scheint heut vergessen. Ich verstehe den Reichskanzler nicht mehr, – es sei denn, daß er nicht durchsetzen kann[,] was er für richtig hält. Dann aber – sollte er gehen. Freundschaftlichen Gruß! Ihr Max Weber

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Verlag J. C. B. Mohr 22. September PSt 1916; Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Die Karte steht in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Webers Artikelserie „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69.

Heidelberg 22/9 Herrn J. C. B. Mohr Tübingen

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Korrekturen1 erhielt ich seit einiger Zeit nicht mehr. Wenn, wie ich annehme, jetzt nicht weiter gesetzt werden soll, dann wäre es mir ganz angenehm, den noch nicht gesetzten Teil des Mscr. für 8– 10 Tage zurückzuerhalten (jedoch nur, falls dies ohne Störung möglich ist)a.2 Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber Betr. „Archiv f[ür] Sozialwiss[enschaft]“ Artikel: „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“.

a Klammer fehlt in O. 1 Gemeint sind Korrekturen von: Weber, Max, Hinduismus und Buddhismus II und III. 2 Dazu heißt es in der Antwort von Richard Wille vom 25. Sept. 1916 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), daß „das ganze vorhandene Manuscript schon abgesetzt“ sei. Der „Schluß der Korrekturfahnen“ könne an Weber „im Laufe dieser Woche [...] abgehen [...]. Unter diesen Umständen sehe ich davon ab, Ihnen das restliche Manuscript noch einmal ohne die Korrektur zuzuschicken.“

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Hans Schnitger 23. September [1916]; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Kondolenzbrief an den Onkel von Marianne Weber zum Tod seines Sohnes Hans, der am 12. September 1916 gefallen war. – Marianne Weber schrieb in ihrem Brief an Helene Weber vom 18. September 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446), er sei „als einziger u. letzter gesunder lebensfähiger Abkömmling“ ihrer psychisch schwer beeinträchtigten Familie „die ganze Hoffnung und das Glück seiner Eltern“ gewesen.

Heidelberg 23/9 Hochverehrter Oheim! Mit tiefer Erschütterung erfuhr ich von Marianne, daß Hans den Tod für das Vaterland fand.1 Was hatte dieser zarte und stille Mensch aus seinem Leben gemacht! Als er vor Jahren hier nach Heidelberg kam, machte uns die Frage Sorge: wie wird er bei seiner Schüchternheit sich in dem harten Leben behaupten können? Und nun war er innerlich und äußerlich eine starke Stütze und Hilfe für Sie geworden. Seine unbestechliche, ebenso schlichte wie feine, Treue gegen Menschen und Pflichten, die unerschütterliche Tüchtigkeit und Reinheit seiner vornehmen und reservierten Natur, das Vertrauen Erweckende seines ganzen Wesens gaben ihm die starken sittlichen Kräfte, mit denen er sich jeder Aufgabe gewachsen gezeigt hat. So auch jetzt der ihm an sich gewiß innerlich fremdartigen des Krieges. Die große gleichmäßige Ruhe und Gerechtigkeit, das Fehlen aller Menschenfurcht, – die besten Eigenschaften, die ein Vorgesetzter haben kann, werden seinen Untergebenen den festen Halt in allen Furchtbarkeiten gegeben haben, den er selbst in sich trug. Nun hat er den Weg bis zu Ende gehen müssen. Der Tod für das Vaterland ist der einzige, bei dem der Mensch sicher ist, für ein irdisches Gut zu sterben, welches Dessen werth ist. Er ist nicht von jenen dunklen Geheimnissen umgeben, wie unser aller Sterben sonst es ist. So gern er für Sie noch gelebt hätte, so wenig wird es ihn gescheut haben: es ist ein schönes, weil ein sinnvolles Ende. Daß

1 In ihrem Brief vom 17. Sept. 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) hatte Marianne Weber Max Weber den Tod Hans Schnitgers mitgeteilt und zugefügt, den Eltern bedeute „das Vaterland so viel“.

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es für Sie, die er zurückließ, einen rein irdischen Trost nicht giebt, wissen wir. Möchte das ungeheure und erhabene Schicksal, welches die große Gemeinschaft durchlebt, der wir anhängen, Sie vor Bitterkeit bewahren. Wer den 70er Krieg noch in Erinnerung hat, weiß, daß er wie ein Jugendrausch war im Vergleich zu der dunklen Erhabenheit dieser größten aller Prüfungen. Hans hat sie bestanden, – versuchen wir, es auf unsre Art auch zu thun! In herzlicher Verehrung Ihr Max Weber

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2. Oktober 1916

Gerhart von Schulze-Gaevernitz 2. Oktober 1916; Heidelberg Abdruck in: Weber, Max, Gesammelte Politische Schriften. – München: Drei Masken Verlag 1921, S. 463 – 464

Heidelberg, 2. 10. 1916 Verehrter Freund! Hoffentlich läßt sich wenigstens in Ihrer Partei1 niemand durch das Gerede Lloyd Georges2 irremachen. Er ist ein Fanatiker – aber diese Sachen sind mit Berechnung gesagt: in der Hoffnung, daß die U-Boothysterie 3 (denn das ist sie) der Leute, die nicht durchhalten können, durch diese wahnwitzigen Drohungen so gesteigert werde, daß wir die U-Bootdummheit machen und uns dadurch Amerika und andere Neutrale (Holland, Dänemark) auf den Hals ziehen. Nur so sind diese Reden verständlich. Aber die wirklichen Friedensbedingungen Englands sind ja aus der konservativen englischen Presse hinlänglich bekannt. Also keine Dummheiten! Natürlich muß man die törichte Rede ausnützen als Schauerbild für unsere lendenlahmen Friedensfreunde im Lande. Aber man muß sie richtig politisch einschätzen pro foro interno. Hoffentlich ist diesmal die allein entscheidende Rechnung richtig aufgemacht: 1. Wieviel Tonnage bedarf England, um im U-Boot-Blokkadefall „durchzuhalten“, falls es a) seine Baumwoll- und Wollschiffe günstig einstellt; b) statt Getreide: Mehl, statt Vieh: Konserven und Gefrierfleisch einführt usw.

1 D. h. die Fortschrittliche Volkspartei. 2 Der britische Kriegsminister David Lloyd George hatte am 28. September 1916 der „United Press of America“ ein Interview gewährt, in welchem er jegliche Friedensgerüchte in Abrede stellte, eine „Einmischung von außen“ strikt ablehnte und den Entschluß betonte, den Krieg bis zum „Knockout“ des Gegners zu führen. Das Mittel, dem Schrecken des Krieges ein Ende zu bereiten, liege darin, „den Urhebern dieses Verbrechens gegen die Menschheit eine solche Strafe aufzuerlegen, daß die Versuchung, ihr Beginnen zu wiederholen, ein für allemal aus den Herzen der Regierenden, die einen verderbten Geist haben, getilgt wird. Das ist das, was England will.“ Zitiert nach: Schulthess 1916, Teil 2, S. 176 f. 3 Zu der damals in Deutschland herrschenden U-Boot-Hysterie vgl. auch den Brief an Friedrich Naumann vom 18. Sept. 1916, oben, S. 545 f.

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Die Rechnung war nicht gemacht, als ich die Denkschriften, die alle – auch die von Helfferich4 – gleich schlecht waren, im Frühjahr sah. Und doch kommt alles allein darauf an. Mit vier Millionen Tons, welche Tirpitz torpedieren will, ist gar nichts gewonnen.5 Das sollen sich die Herren klar machen! Wer ist es, der diese Sachen rechnet? Verzeihen Sie diese hastigen Zeilen! Aber dieser ganz unsinnige und beschämende Rummel mit den U-Booten schädigt uns unsäglich. Frevelhaft ist es, den Truppen draußen und der Bevölkerung daheim vorzuspiegeln: es gäbe ein Mittel, den Krieg zu verkürzen. Amerikas Eintritt verlängert ihn um 2– 3 Jahre. Frevelhaft wäre es, wenn man den U-Bootkrieg machen wollte, den Feind es merken zu lassen, auf daß er sich verproviantiere! Entweder Bethmann setzt ein Verbot aller und jeder direkten oder indirekten Erörterung militärischer Maßnahmen durch oder: er geht. Mit freundschaftlichem Gruß Ihr Max Weber

4 Ob Weber die Denkschrift Karl Helfferichs vom 26. Februar 1916 oder die amtliche Denkschrift des Reichskanzlers vom 29. Februar 1916 meint (vgl. dazu MWG I/15, S. 103), ist nicht zweifelsfrei zu erweisen. Über die „wenig bekannte Denkschrift Helfferichs“ vom 26. Februar 1916 vgl.: Der Hauptausschuß des Deutschen Reichstags 1915 – 1918. Eingeleitet von Reinhard Schiffers, bearb. von dems. und Manfred Koch in Verbindung mit Hans Boldt (Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien: Reihe 1, Von der konstitutionellen Monarchie zur parlamentarischen Republik, Bd. 9). – Düsseldorf: Droste 1981, S. 370 f., Anm. 19. – Abgesehen von der Denkschrift des Admiralstabes vom Dezember 1915 – vgl. dazu Anm. 5 –, an deren Erstellung Webers Heidelberger Kollege Hermann Levy mitgearbeitet hat – Verfasser war der Industrielle Fuß (vgl. dazu: Der Hauptausschuß, wie oben, S. 732, Anm. 80) –, ist nicht bekannt, welche sonstigen Memoranden Weber gekannt hat. 5 Die Erwähnung von Tirpitz in diesem Zusammenhang ist insofern irreführend, als die Behauptung, „4 Millionen Tonnen“ seien in 6 Monaten versenkbar, nicht von ihm stammt; sie findet sich vielmehr in der Denkschrift des Admiralstabs vom Dezember 1915: Die englische Wirtschaft und der U-Boot-Krieg, die dem Reichskanzler am 19. Februar 1916 überreicht wurde; vgl. dazu: Der Hauptausschuß (wie Anm. 4), S. 370 f., Anm. 19. Auf diese Denkschrift wurde im September 1916 des öfteren in den Zeitungen verwiesen, so daß in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ vom 7. Okt. 1916 – hier zitiert nach Schulthess 1916, Teil 1, S. 457 – ein Dementi erfolgte, demzufolge es sich bei diesem Memorandum nicht um ein offizielles Schriftstück, sondern lediglich um die Privatstudie eines wissenschaftlichen Mitarbeiters im Admiralstab gehandelt habe.

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21. Oktober 1916

Gerhart von Schulze-Gaevernitz 21. Oktober 1916; Heidelberg Abdruck in: Weber, Max, Gesammelte Politische Schriften. – München: Drei Masken Verlag 1921, S. 465

Heidelberg, 21. 10. 1916 Lieber Freund! Ich bin in allen wesentlichen Punkten Ihrer Ansicht, außer bezüglich Bülows.1 Der hat m. E. kein Vertrauen im Ausland und ist alt geworden. Wenn nur Jagow fortgeschafft werden könnte!2 Er ist gänzlich unfähig. – Sachlich halte ich nur – im Gegensatz zu Ihnen – neben der Dynastie auch und vor allem Ungarn (Tisza persönlich) für absolutes Hemmnis eines brauchbaren „Mitteleuropa“. Tisza ist unbelehrbar.3 Da ist nichts zu machen, solange nicht Andrassy ans Ruder kommt und das geschieht schwerlich.4 Ungarn gegen Wien „auszuspielen“, ist also m. E. ganz unmöglich. Was Polen anlangt, so wird es allerdings sehr schwer sein, es erst als Staat zu schaffen und dann sich die Preisgabe doch vorzubehalten. Ich bin aber auch der Ansicht: man sollte jetzt jedenfalls vorgehen und wenn ja, dann etwa so, wie Sie denken. Ceterum censeo: Gegen die U-Bootdemagogie muß eingeschritten werden mit Keulenschlägen von oben – sonst weiß ich nicht, wozu wir „Monarchie“ heißen. Hauptsache! Freundschaftlichen Gruß Ihr Max Weber

1 Fürst Bülow, der ehemalige Reichskanzler, wurde immer wieder – so von Gustav Stresemann und Matthias Erzberger – als möglicher Nachfolger Bethmann Hollwegs gehandelt, insbesondere nach dessen Rücktritt am 13. Juli 1917. 2 Gottlieb v. Jagow, Staatssekretär des Auswärtigen Amts. 3 Stefan (István) Graf Tisza, der ungarische Ministerpräsident, galt in Webers Augen als intransigenter Vertreter desjenigen Magyarentums, das die wirtschaftliche Annäherung der Mittelmächte vehement blockierte. 4 Gemeint ist Julius (Gyula) Graf Andrássy jun. Tatsächlich ist Andrássy nach dem Rücktritt Tiszas am 23. Mai 1917 nicht dessen Nachfolger als ungarischer Ministerpräsident geworden.

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Franz Boese 27. Oktober 1916; BK München Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Gustav von Schmoller, Nr. 157, Bl. 5 Bezug: Brief Franz Boeses an Weber vom 25. Oktober 1916 (Abschrift masch.; GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Gustav von Schmoller, Nr. 157, Bl. 27), dem er einen Artikel von Dr. E. Jenny, Verstauchter Patriotismus (Herr Professor Michels.), aus: Der Tag, Ausgabe B, Illustrierter Teil, Nr. 233 vom 4. Oktober 1916, unpag., beigefügt hatte (ebd., Bl. 45 f.). Darin war der Verfasser zu demselben Urteil über Michels’ Charakter gekommen, wie ihn Weber in seinem Brief an Schmoller vom 10. Januar 1916, oben, S. 250, beschrieben hatte: „gutgläubig aber ohne Taktgefühl“ – so Boeses Fazit in seinem Brief.

Hotel Grünwald München den 27/X 1916 Verehrtester Herr Doktor!

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Vielen Dank! Man sollte Michels nicht die von ihm erstrebte Eitelkeits-Freude machen, ihn durch die Zeitungen zu ziehen!1 Bethmann ist für uns ein schlimmes Schicksal. Das ist auch meine Ansicht immer gewesen. Nur gegen diese U-Boot-Hysterie – denn Hysteriker sind das! – stehe ich auf seiner Seite, notgedrungen. Und wo ist der Nachfolger? Jagow,2 diese blöde Null, ist unser Unstern. Der müßte fort. Mit den besten Empfehlungen Ihr Max Weber

1 Boese hatte in seinem Brief vom 25. Okt. 1916 (wie oben) bedauernd konstatiert, daß der Arbeitsausschuß für Mitteleuropa „sich etwas mühsam vorwärts“ schleppe und daß Friedrich Naumann erneut beauftragt worden sei, deswegen beim Reichskanzler vorzusprechen. „Ob das helfen wird? Ich zweifle. Sie hatten, wenn ich nicht irre, für den Kanzler immer etwas übrig. Aber ich glaube, es liegt doch an ihm, daß so garnichts erreicht wird. Mit etwas gutem Willen ist in Staatsgeschäften, zumal in solchen, nicht viel getan. Die alles niederzwingende Energie und eine Portion von durchtriebener Gewandtheit und Rücksichtslosigkeit fehlt eben. Sehr traurig für den vorwärtswollenden Patrioten.“ 2 Gottlieb v. Jagow, Staatssekretär des Äuswärtigen Amts.

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27. Oktober 1916

Martha Riegel [nach dem 27.] Oktober 1916; Heidelberg Abschrift; handschriftlich Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 8, Bl. 15 – 16 Das Datum ist erschlossen aus dem Brief Webers an Lili Schäfer vom 27. Aug. 1916, (oben, S. 515 f., mit Anm. 10), in dem er schrieb, daß er im Oktober bzw. Anfang November Martha Riegel in München sehen wolle. Am 27. Oktober 1916 hielt Weber in München einen Vortrag über „Deutschlands weltpolitische Lage“ (MWG I/15, S. 690 – 700). Vgl. auch den Brief an Franz Boese vom 27. Oktober 1916, oben, S. 553. Am 29. Oktober 1916 war er wieder in Heidelberg.

Heidelberg Okt.a 1916 Liebes Fräulein Martha! Ich bringe Lili heut Abend Ihre Sendung und möchte nochmals danken, daß Sie zwei Mal den weiten Weg gemacht haben und recht bedauern, daß wir uns dieses Mal so arg kurz gesehen haben. Ich liebe München so unendlich, daß ich fest hoffe, in nicht zu später Zeit mal wieder dort zu sein und dann richte ich mich ganz anders ein als ich, leider, diesmal konnte und hoffentlich schenken Sie mir dann wieder etwas Zeit. Ich möchte auf die Frage, die Sie zuletzt an mich richteten, gern nochmals sagen: Carl’s Verlust ist natürlich auch für Lili durch garnichts in der Welt zu ersetzen. Andrerseits lag die Sache so, daß sie 1) überzeugt war er gehe in sehr kurzer Frist schwerem Siechtum entgegen (darin glaubte sie meinem Schwager)1 und daß sie 2) auch in den zahlreichen Stunden der Verzagtheit zweifelte[,] ob sie (Lili) wohl der Aufgabe ihm Sonne und Wärme zu geben gewachsen sei, auch Angst hatte (und dies mit Recht!)[,] daß die Kinder2 ihm sehr zur Last werden würden. Alsb zwischen ihm u. ihr wiederholt von Ihnen die Rede gewesen war, hat sie ihm eines Abends gesagt: „sie hoffe, daß er (Carl) nicht etwa glaube, um ihretwillen (Lili’s willen) nicht heiraten zu sollen“. In Wahrheit hatte sie sehr gehofft, daß er dann mit Ihnen das Glück fände, welches sie selbst ihm ja nicht in dem Sinn geben

a Monatsangabe nachträglich mit Bleistift ergänzt. b 1 Ernst Mommsen, der Arzt war. 2 Die Kinder von Lili Schäfer waren mit ihrer Mutter zu Karl Weber nach Hannover gezogen.

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konnte. Seinen Tod nimmt sie als eine Fügung, die ihnc – wied sie glaubt – vor einem gesundheitlich schweren Loosee bewahrt hat, jetzt ganz ruhig, so treu sie immer seiner gedenken wird. Er bedrückt sie nicht. Auch nicht der ihres Mannes, aus den Gründen, die ich Ihnen sagte. – Es sind tatsächlich nur jene Zustände nervöser Art[,] die sie belasten. – Gäbe es doch bald Frieden, daß wir unsre Reise antreten könnten!3 Dann meine ich überlegen wir die Frage der Überführung.4 – Sie selbst wissen ja: In Carl’s Sinn leben Sie, wenn Sie leben, der Größe und Herrlichkeit des ernsten und schweren Lebens sich hingebend und freuend, wie auch er es, auch in schweren Tagen, getan hat. Bewahren Sie daneben etwas freundliche Gesinnung Ihrem 앚:Ihnen:앚 in herzlicher Zuneigung ergebenen Max Weber

c In Abschrift: ihm

d wäre > wie

e Leben > Loose

3 Zur geplanten Reise zum Grab von Karl Weber bei Brest-Litowsk vgl. den Brief an Martha Riegel vom 5. Juni 1916, oben, S. 444. 4 Martha Riegel wollte Karl Webers sterbliche Überreste überführen lassen; vgl. den in Anm. 3 genannten Brief.

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Eduard Wilhelm Mayer 29. Oktober [1916]; Heidelberg Brief; eigenhändig BA Koblenz, Kl. Erw. 303 – 22 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Dieses sowie das vorherige Schreiben an Mayer vom 13. Juli 1916, oben, S. 474 f., stehen in Zusammenhang mit dessen projektierter „Geschichte der nationalliberalen Partei“; im folgenden geht es speziell um die Publikation eines Textes von Max v. Forckenbeck. Dessen Inhalt ist unbekannt, da weder die Aufzeichnung v. Forckenbecks noch der Kommentar Mayers veröffentlicht wurden noch erhalten sind.

Heidelberg 29/X Sehr geehrter Herr Doktor! Mit einiger Schwierigkeit habe ich anbei in den Entwurf hineinkorrigiert, was der Sachlage und der Erzählung F[orckenbeck]’s (beim Mittagessen mit den Collegen vom Magistrat, welche fast all-freitäglich im Ratskeller im gesonderten Abteil zusammenkamen) entspricht. Die N[ational-]L[iberale] P[artei] (z. B. mein Vater,1 auch Bennigsen) waren der Ansicht: daß die Heerespräsenz als jährlicher Budgetposten weit sicherer und ohne Konflikt erhöhbar sei, als wenn man diese militärische Frage zu dem Kampfruf: „Parlaments- oder Königsheer“ aufbausche, es sei als Äternat oder als Septennat.2 Bismarck aber wollte dies Kampfmittel und diese Parole haben. Das darf man nicht verkennen, denn es ist ein wichtiger Punkt des Gegensatzes, der aus den Me1 Max Weber sen. 2 Vgl. dazu Webers spätere gleichlautende Bemerkungen in seinem Artikel: Deutscher Parlamentarismus in Vergangenheit und Zukunft. I. Die Erbschaft Bismarcks, in: FZ, Nr. 145 vom 27. Mai 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 f. (MWG I/15, S. 437 – 450, hier S. 445). – Die Nationalliberalen hatten jedoch frühzeitig dem liberalen Urprinzip der jährlichen Budgetbewilligung – zumindest was das Heerwesen anging – abgeschworen und schon 1874 dem Septennat, also der Bewilligung des Heeresbudgets für eine Laufzeit von sieben Jahren, zugestimmt. Deren Zustimmung zum Septennat 1874 und 1880 war als Kompromiß gegenüber der Bismarckschen Forderung des Äternats, der unbefristeten Budgetbewilligung in Heeresangelegenheiten, gedacht. Die demagogische Zuspitzung: „Parlaments- oder Kriegsheer“ findet sich in einer Rede Bismarcks vor dem Reichstag bei der zweiten Lesung der Septennatsvorlage vom 11. Januar 1887: „Wenn wir [den Reichstag] auflösen, das heißt, wenn Sie die Vorlage ablehnen, [...] so ist es nicht wegen der Zeitfrage, sondern wegen der Prinzipienfrage, ob das deutsche Reich durch ein kaiserliches Heer oder durch ein Parlamentsheer geschützt werden soll!“ Hier zitiert nach: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, hg. von Ernst Rudolf Huber, Bd. 2: Deutsche Verfassungsdokumente 1851 – 1918. – Stuttgart: W. Kohlhammer 1964, S. 406 – 409, hier S. 409.

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thoden der B[ismarck]’schen Politik folgte. Rein sachlich hatten die N[ational-]L[iberalen] völlig recht. Aber B[ismarck] sah jede solche sachliche Frage unter Machtgesichtspunkten. Die Partei sollte sich entweder (nach links) „kompromittieren“ (durch Septennat oder gar Äternat) oder sie sollte durch den Ruf: „das Heer ist in Gefahr!“ zertrümmert werden. (cf. 1887!)3 – Philippson’s Darstellung4 des Vorgangs ist „geschönt“. Stauffenberg u. Tiedemann schlage ich vor fortzulassen (die Thatsachen selbst wurden von meinem Vater so wie angegeben erzählt). – Die Adresse des Sohnes von Hobrecht5 (früher Amtsrichter in Pommern)a weiß ich nicht. Frl. Eva Hobrecht muß im Berliner Adreßbuch zu finden sein1) (Tochter!) und kann sie wohl angeben. Andernfalls bitte ich um Nachricht und werde sehen, ob ich ihn ermitteln kann. Mit bestem Gruß! Max Weber Die Veröffentlichung der Erzählung F[orckenbeck]’s ist, von mir aus jedenfalls, unbedenklich. Ob er richtig erzählt hat, ist seine Sache. Aber ich glaube wohl. Daß er, auf die Vorstellungen der Hörer, seine Dummheit ex post begriff, zeigt Phillipson’s Version. Die anliegende Formulierung schont ihn, wird aber dem Einsichtigen den Thatbestand klar machen. 1)

lebte früher in Lichterfelde.

a O: Pommern, 3 Nach der Reichstagsauflösung im Januar 1887 versuchte Bismarck auf diese Weise, die Nationalliberalen zu einem Wahlbündnis mit den konservativen Parteien, das sog. Kartell, zu bewegen. 4 Philippson, Martin, Max von Forckenbeck (Männer der Zeit. Lebensbilder hervorragender Persönlichkeiten der Gegenwart und jüngsten Vergangenheit, hg. von Gustav Diercks, Bd. 6). – Dresden und Leipzig: Carl Reissner 1898. Möglicherweise geht es um dessen Darstellung von der Zustimmung der Nationalliberalen zur Septennatsvorlage von 1874. Diese war nach Philippson wesentlich durch persönliche Gespräche Forckenbecks mit Kaiser Wilhelm I. in Gang gesetzt worden, der diesen von der Ersetzung des Äternats durch das Septennat überzeugen konnte. Die Vorlage hatte durch Forckenbecks Geschick die überwiegende Zustimmung der nationalliberalen Fraktion gefunden. Ebd., S. 257 f. 5 Fritz Hobrecht.

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Heinrich Herkner 4. November 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 18, Bl. 21

Heidelberg 4a/11 16 Verehrtester Herr Kollege! Vielen Dank für Ihre freundlichen Zeilen. Ich freue mich des Einverständnisses sehr. Ihren Vorschlag unterbreitete ich der „Hilfe“.1 Etwas modifiziert in der Form müßte ja der (durch Fortlassen der nur in den „M[ünchner] N[euesten] Nachr[ichten]“ erschienenen sehr scharfen Bemerkungen gegen die U-Boot-Hetze2 verstümmelte)b Vortrag werden. Über Finanzfragen bin ich z. Z. ganz unkompetent, ich kenne die Lage und maßgebenden Daten nicht, – gefühlsmäßig bin ich für die „große“ Maßregel (Vermögenseinziehung bis zu 50%, wenn nötig). Aber da müßte ich mich erst ganz neu hineinarbeiten. Das ist ja „Ressort“ meines Bruders,3 der nur leider wohl zum Schweigen gezwungen ist. Mit kollegialen Empfehlungen Ihr Max Weber

a Unsichere Lesung. b 1 Offensichtlich hatte Herkner Weber vorgeschlagen, dessen am 27. Oktober 1917 in München gehaltenen Vortrag über „Deutschlands weltpolitische Lage“ auch als Artikel erscheinen zu lassen. Dem hat Weber zugestimmt und ihn für den Druck bearbeitet. Er ist veröffentlicht worden unter dem Titel: Deutschland unter den europäischen Weltmächten, in: Die Hilfe, Jg. 22, Nr. 45 vom 9. Nov. 1916, S. 735 – 741, geringfügig überarbeitet wieder abgedruckt in: Deutscher Kriegs- und Friedenswille. Drei Reden (Die Hilfe, Sonderheft). – Berlin-Schöneberg: Verlag der „Hilfe“ o. J. [1916], S. 7 – 13 (MWG I/15, S. 153 – 194). Ein Schreiben an die Redaktion der „Hilfe“ ist nicht nachgewiesen. 2 Gemeint ist der Pressebericht: Deutschlands weltpolitische Lage, in: Münchner Neueste Nachrichten, Nr. 551 vom 28. Okt. 1916, Ab.Bl., S. 3 (MWG I/15, S. 690 – 698). Die dort wiedergegebene Passage über den U-Boot-Krieg ist in der Druckfassung, wie er in der „Hilfe“ erschienen ist, entfallen. 3 D. h. Alfred Weber, der seit Mai 1916 im Reichsschatzamt tätig war.

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Marianne Weber PSt 25. November 1916; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen.

Liebes Peterle!

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Welch ein Mißgeschick!1 Wann Du wohl ankamst? Heut hielt ich den Daumen. Morgen bist Du arg müd und die Familie wird Dich stark in Anspruch nehmen. Dann aber mach Schluß und habe etwas in Ruhe von der Mutter und all den Leuten, die Dich angehen. Hier nichts Neues. Heut etwas Spaziergang mit T[obel]chen.2 Gestern Abend etwas bei Lili, die vergnügt und gesprächig war. Morgen kommt Gothein mit einem „Soziologen“3 aus Holland. Montag Lili zu Abend. Mir geht es ganz gut, Arbeitskraft: „mäßig“. Sehr begierig, was Du in Berlin Alles hörst. Irgendwann komme ich auch noch mal in dies alte Haus4 den Winter, wohl erst nach Neujahr, falls nicht vorher Sitzung ist.5 (Oder hat sich der Verkauf zerschlagen?) Es küßt Dich und grüßt die Mutter Dein Max

1 Marianne Weber war erkältet und heiser, als sie in Berlin ihren Vortrag „Sittliche Gegengewichte gegen die Prostitution“ bei der von Anna Pappritz veranstalteten Sittlichkeitskonferenz hielt. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 8. Sept. 1916, oben, S. 535, Anm. 5. Gertrud Bäumer las den Vortrag zu Ende, nachdem ein Hustenreiz Marianne Weber nicht mehr losgelassen hatte. Vgl. den Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 26. Nov. 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). 2 Mina Tobler. 3 Name nicht nachgewiesen. 4 Gemeint ist das Haus Helene Webers in der Charlottenburger Marchstraße 7F, das verkauft werden sollte. 5 Gemeint ist eine Sitzung des Vereins für Sozialpolitik.

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28. November 1916

Marianne Weber 28. November [1916]; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahr ist aus dem Briefinhalt erschlossen.

Heidelberg, 28/11 Liebes Mädele, das war ja ein ausgesuchtes scheußliches Pech!1 Den Daumen hatte ich gehalten, weil ich Übles erwartete, aber es hat nichts genutzt. – Nun, jetzt bist Du wohl in Ordnung und hast die „Pflicht“-Menschen hinter Dir. – Lili hat, wie sie sagt: „die Dummheit“ gemacht, Valborg,2 halb aus Versehen zu Weihnachen aufzufordern[,] und hofft nun sehr, daß sie nicht kommt. Sie war gestern hier[,] d. h. sie war bei Laura3 zu deren Geburtstag und später bei Tobelchen4 zu Abend, aß nur hier ein Butterbrod. Sie war ganz munter, schien mir. Heut will ich mal sehen, mit den Kindern in dies „Flotten“-Kino: „Schlacht am Skager Rak“5 zu kommen, es scheint ganz gut zu sein und einmal will ich doch die vielen Versprechungen wahr machen. – Sonntag waren also Gotheins, Heyera u. Braut,6 Elli Salomon, der Holländer,7 von dem ich schrieb und der hier bleibt, da. Das Reden

a Unsichere Lesung. 1 Gemeint ist die Heiserkeit von Marianne Weber. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 25. Nov. 1916, oben, S. 559, Anm. 1. 2 Valborg Weber, geb. Jahn. 3 Laura Hausrath hatte am 27. November Geburtstag. 4 Mina Tobler. 5 Es handelte sich um den Film „Stolz weht die Flagge schwarz-weiß-rot“ von Fritz Prochnewski, Sekretär des Deutschen Flottenvereins. Das Heidelberger „Odeon- und Metropol-Theater“ annoncierte im Heidelberger Tageblatt, Nr. 277 vom 25. Nov. 1916, S. 8: Das „große Marine-Schauspiel in 5 Akten“ über „Die große Schlacht am Skagerrak. Unsere tapferen Blaujacken im Gefecht. Vorzügliche Originalaufnahmen. Der Untergang englischer Kriegsschiffe. Das ganze durchflochten von einer fesselnden dramatischen Handlung aus dem Leben eines Seemannes vom Schiffsjungen bis zum Gipfel des Seemanns-Daseins.“ 6 Von den George-Schülern Gustav Richard und Wolfgang Heyer ist hier vermutlich Gustav Richard Heyer gemeint, der 1917 Lucy Grote heiratete. Eine Braut des 1917 gefallenen Wolfgang Heyer ist nicht nachgewiesen. 7 Name nicht nachgewiesen. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 25. Nov. 1916, oben, S. 559.

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betraf wesentlich Politik, war aber recht lebhaft. Heyer ist doch etwas stark angegriffen auch jetzt noch, das merkt man. Gundolf putzt also Stiefel irgendwo im Westen8 und fühlt sich vorerst ganz gut. Ob es so bleibt? – Ich muß nach der Stadt[,] einen langen Brief an Professor Metzner, der mir schrieb, abdiktieren.9 Bei Mommsens die allerherzlichsten Glückwünsche zum Eisernen I Klasse10 – wäre er nur erst wieder daheim! Der Mutter einen schönen Gruß – ja der Hausverkauf11 ist doch wohl das Richtige! Dir selbst Frische und Freude! Es küßt Dich Dein Max

8 Friedrich Gundolf leistete seinen Kriegsdienst und war ab November 1916 der 86. Infanterie-Brigade Saarlouis zugeteilt. Dieses teilte Else Jaffé Alfred Weber mit in ihrem Brief vom 10. Nov. 1916 (BA Koblenz, Nl. Alfred Weber, Bd. 76). Gleichzeitig bat sie Alfred Weber, sich für eine geeignetere Stelle für Gundolf in einem Büro zu verwenden. 9 Vgl. den Brief an Lina Metzner vom 30. Nov. 1916, unten, S. 562 – 565. 10 Konrad Mommsen, der Sohn von Ernst und Clara Mommsen, war ausgezeichnet worden. 11 Gemeint ist der Verkauf von Helene Webers Charlottenburger Haus in der Marchstraße 7F. Vgl. die Briefe an Helene Weber vom 3. und 5. Sept. 1916, oben, S. 522 und 527, sowie den Brief an Marianne Weber vom 14. Sept. 1916, oben, S. 540.

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Lina Metzner 30. November 1916; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich ohne Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 13, Bl. 1 – 5 Der folgende Brief gehört in die Reihe der Briefe, die sich mit den Ansprüchen von Lina Metzner auf das Erbe Emil Lasks auseinandersetzen (vgl. den Brief an Frieda Gross vom 2. Juni 1916, oben, S. 435 – 442). Weber hatte erreicht, daß Frieda Gross und Lina Metzner Abfindungen bekommen sollten anstelle einer von Lask für sie bestimmten Rente. – Lina Metzner war nach der Scheidung von ihrem ersten Mann, Gustav Radbruch, am 13. Mai 1914 in London eine Ehe mit Erwin Metzner eingegangen. Dieser Verbindung entstammte die Tochter Gela, geboren am 11. September 1914. Erwin Metzner, inzwischen Soldat, hatte die Ehe als einen Irrtum angesehen und Frau und Tochter nicht unterstützt. Weber hatte zum Vater des Ehemannes, Professor Rudolf Metzner, Kontakt aufgenommen, um diesen zur Zahlung einer Unterstützung an Lina zu bewegen. Dieses Bemühen schlug fehl. Professor Metzner schrieb an Lina Metzner am 11. November 1916 (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bl. 7), sein Sohn habe die Ehe ohne Wissen und ohne den Willen der Eltern geschlossen, er sei mit Lina Metzner nicht verwandt und daher nicht unterstützungspflichtig. Dies habe er ihr bereits am 19. März 1916 mitgeteilt. Lina Metzner entschloß sich zur Scheidung. Im folgenden Brief schlägt Weber ihr vor, einen Anwalt, nämlich Dr. Robert v. Simson in Berlin, zu nehmen. Diese folgte diesem Rat. Daraufhin schrieb Weber dem Rechtsanwalt v. Simson am 17. Dezember 1916 einen nicht nachgewiesenen Brief.

Heidelberg, den 30. November 1916 Sehr verehrte Frau Metzner! Ich sende anbei den in seiner Fassung in der Tat wohl auf den guten Eindruck berechneten Brief Ihres Mannes1 zurück, aus dem nur das eine für Sie wichtige hervorgeht, daß er die Trennung der von ihm ignorierten Ehe seinerseits entschieden will, also in Ermangelung eigner Scheidungsgründe jedenfalls Ihren Schritten keine verzögernden Mittel entgegensetzen wird. Wünschenswert ist es natürlich, daß bei diesen Schritten aus eben diesem Grunde alles unnötig Verletzende vermieden wird, wie Sie dies schon bisher getan haben. Daß Ihr Mann, nachdem er sich um Sie und das Kind2 überhaupt nicht gekümmert hat, jetzt Ihnen monatlich 20 (!) Mark für das Kind zahlen will, ist eine wohl nur auf Intervention seiner Eltern erfolgte Neuerung, die nach der Höhe des Betrages und der Lebensstellung seines Vaters,3 der als

1 Erwin Metzner. 2 Gela Metzner. 3 Rudolf Metzner war seit 1895 ordentlicher Professor für Physiologie in Basel.

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Universitätsprofessor in Basel ganz andere Beträge leisten könnte, in jeder Hinsicht unangemessen ist. Ich habe inzwischen Herrn Prof. Metzner in Basel auch brieflich nahegelegt:4 ob es denn im Interesse des Kindes richtig sei, daß Sie jetzt Ihren einzigen gegenwärtigen und für künftig zu erwartenden Besitz von 10– 11 000 Mark5 Wertpapieren vollständig für das Kind verbrauchen, ehe das für dieses Richtige von Seiten der Familie geschieht. Ich rate nun, wenn Sie entschlossen sind ein Ende zu machen, die vor der Scheidungsklage unumgängliche Klage auf Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft bei dem Gericht des Wohnsitzes Ihres zur Zeit militärisch eingezogenen Mannes (Berlin W 50, Augsburgerstr. 27, Junggesellenwohnung, ich denke also: Landgericht I Berlin) anzubringen und empfehle Ihnen sehr, Herrn Rechtsanwalt Dr. von Simson in Berlin W 56, Jägerstraße 52. Der genannte Herr muß m. E. der Sohn und Nachfolger des Geh. Justizrates Dr. A[ugust] von Simson sein, eines sehr hervorragenden Anwalts, bei dem ich vor etwa 30 Jahren mit Vergnügen gearbeitet6 und eine mustergültige Behandlung der Interessen der Klienten kennen gelernt habe. Ich stelle ganz anheim, diesen Brief hier als Unterlage seiner Information beizulegen (und bitte hiermit Herrn Rechtsanwalt Dr. von Simson für diesen Fall, mich seinem Herrn Vater, falls er sich meiner erinnert, besonders angelegentlich zu empfehlen.).7 Als weitere Unterlage wäre, neben dem Brief Ihres Mannes, beizufügen: 1. Das Londoner Ehecertificat und 2. Das Scheidungsurteil Ihrer ersten Ehe.8 Herr Rechtsanwalt von Simson muß dazu wissen: Die Nichterwähnung Ihrer ersten Ehe im Certificat beruht darauf, daß das Scheidungsurteil in London versehentlich nicht zur Hand war. Der Sie und 4 Ein Brief an Rudolf Metzner ist nicht nachgewiesen. 5 Dieser Betrag entspricht der Abfindung, die die Erben von Emil Lask Lina Metzner zahlen wollten. Vgl. zu der Regelung des Lask-Nachlasses die Briefe an Marianne Weber vom 27. März und 9. April 1916, oben, S. 364 und 380, und an Frieda Gross vom 2. Juni 1916, oben, S. 435 – 442 6 Weber hatte 1888 einen Teil seiner Ausbildungszeit als Referendar in der Kanzlei des Geheimen Justizrats August v. Simson absolviert. 7 Robert v. Simson schrieb Weber in einem Brief vom 3. Jan. 1917 (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 13, Bl. 6): „Mein Vater, der sich glücklicherweise noch ganz seiner alten Arbeitskraft erfreut, erwidert Ihre Empfehlungen angelegentlichst“. 8 Die erste Ehe mit Gustav Radbruch war am 3. Juli 1913 geschieden worden.

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Ihren Mann zum Standesbeamten begleitende Barrister (so verstand ich Sie doch richtig?) hat damals diesen Umstand als ganz gleichgültig bezeichnet und sagte Ihnen: Sie hätten lediglich Ihren Geburtsnamen anzugeben. Nach den mir zugänglichen englischen Kommentaren und Erkundigungen bei einem mit der englischen Praxis bekannten Anwalt ist die Gültigkeit der Ehe auf Grund dieses Umstandes in keiner Weise anfechtbar, da eine undue publication9 nicht vorliegt. Ort und Art des Abschlusses in London waren nach geltendem internationalem Privatrecht zulässig. Hinzuzufügen wäre: daß Ihr Mann deutscher Staatsangehöriger ist, da sein jetzt in Basel an der Universität amtierender Vater, der zur Zeit seiner Geburt meines Wissens noch an der Universität Freiburg i/Br. war, es war und noch ist. Ferner die Personalien Ihres Mannes und das Alter der aus der Ehe entsprungenen Tochter. 3. Beizufügen wäre ferner eine kurze Notiz der Hauptdaten des Verhaltens Ihres Ehemannes. Vor allem: das Fehlen jeder Notiznahme von Ihnen und dem Kinde trotz Mahnungen bis zu seinem letzten Brief, der nur den Alimentensatz für ein außereheliches Kind, für Sie selbst aber garnichts zu gewähren erklärt. Sodann die wiederholte mündliche Erklärung, jetzt schriftlich wiederholt, daß die Ehe ein Irrtum gewesen sei, den er bereue. Sodann: Kurze Angabe der Gründe, aus denen Sie von Bad Nauheim Ihren, soviel ich weiß, nach Eingehung der Ehe eingenommenen Wohnsitz nach München zogen (doch wohl wesentlich: um die erforderliche Berufsvorbereitung und evtl. schon jetzt einen Nebenerwerb in die Wege zu leiten). Weiter etwa erforderliche Daten wird Herr Rechtsanwalt von Simson seinerseits bei Ihnen erheben. Ebenso wird Herr Rechtsanwalt von Simson mit Ihnen die praktische Frage erörtern können, ob und auf welchem Wege evtl. für das Kind schon jetzt etwas geschehen kann. Insbesondere: ob die Familie Metzner dazu herangezogen werden könnte. Würde schweizerisches Recht zur Anwendung kommen, so wäre dies ja nicht der Fall, da das schweizerische Zivilgesetzbuch die Voreltern erst haftbar macht, nachdem die Frau den letzten Pfennig mit dem Kinde verbraucht hat und Sie noch im Besitze jener etwas über 10 000 Mark, die Sie für Ihre Berufsvorbereitungszeit verwenden wollen, sich befinden. Herr Prof. Metzner hat in der Korrespondenz mit mir auf Zweierlei hingewiesen:

9 Gemeint ist eine unzureichende Bekanntmachung der Eheschließung.

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1. auf eine herbeizuführende Entscheidung des Vormundschaftsgerichts, 2. auf die Kriegsfürsorge, da Sie ja als Kriegersfrau eines mittellosen Wehrmanns gelten. Herr Rechtsanwalt von Simson wird vielleicht feststellen können, ob angesichts des Umstandes, daß Sie Ihrerseits eben doch jenesa kleine Wertpapiervermögen und Ihreb frühere Eheausstattung an Möbeln u.s.w. noch besitzen, überhaupt irgendwelche Chance besteht, daß Ihnen wenigstens für das Kind irgendwelche Kriegerfrauen-Unterstützung zuteil wird. Ich möchte das für sehr zweifelhaft halten, kenne allerdings die Bestimmungen nicht, bin im übrigen freilich der Ansicht, daß dieser Hinweis des Herrn Prof. Metzner bei dessen Verhältnissen nicht gerade sehr angemessen war. Immerhin wäre eine Feststellung doch erwünscht. Ob es ratsam ist, jetzt das Vormundschaftsgericht gleichzeitig mit der Klage anzugehen und was von einem solchen Erziehungsstreitverfahren für die Lage des Kindes für Vorteile zu gewärtigen sind, würde Herr Rechtsanwalt von Simson Ihnen zweifellos ebenfalls mitzuteilen in der Lage und bereit sein. Ich hoffe, daß damit eine Klärung Ihrer in der Tat unhaltbaren rechtlichen und tatsächlichen Lage trotz der Langwierigkeit des Verfahrens in absehbare Zukunft gerückt ist, es sei denn, daß etwa die Einziehung Ihres Mannes zum Dienst den Gang des Verfahrens hemmen würde, was mir nicht bekannt ist. Mit den angelegentlichsten Empfehlungen

a Jedes > jenes

b In Abschrift: ihre

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1. Dezember 1916

Edgar Jaffé [vor dem 1. Dezember 1916] ; o.O. Abschrift; von der Hand Edgar Jaffés GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Werner Sombart, Nr. 17, Bl. 8 Die folgenden Exzerpte finden sich in einem Brief Jaffés an Werner Sombart (GStA Berlin, wie oben). Im ersten Teil des Briefes berichtet Jaffé von seinen Bemühungen, einen geeigneten Rezensenten für Sombarts „Kapitalismus“-Buch zu finden: „Auf meine Anfrage betr. Besprechung Ihres ,Modernen Kapitalismus‘ 2e schreibt Max Weber mir, daß er Eberhard Gothein für am besten geeignet halte (– ich habe diesem daraufhin geschrieben –), eventuell würde er (M[ax] W[eber]) sich die Sache überlegen – er schließt:“

– das Buch gefällt mir sehr, auch wo ich abweiche. Des weiteren berichtete Jaffé von einem Brief Joseph Schumpeters vom 29. November 1915 („Vor-Gestern“), in welchem dieser ihm mitteilte, daß er, nachdem er aller Verpflichtungen gegen die projektierte österreichische Zeitschriftengründung ledig sei, nun das „Anerbieten der Mitherausgeberschaft des ,Archivs‘“ annehmen könne. „Max Weber schreibt mir hierzu:“

So hoch wie manche andere stelle auch ich Schumpeters Artikel im G.d.S.Ö. nicht (wenigstens nicht den letzten Teil).1 – Aber wir können nicht mehr von ihm zurück, nachdem er angenommen hat …a

a Auslassungszeichen in Abschrift. 1 Weber bezieht sich auf den vierten und letzten Abschnitt in Schumpeters GdS-Beitrag: „Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte“, ebd., Bd. 1. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1914: Historische Schule und die Grenznutzentheorie, S. 98 – 124; zur Frage von Schumpeters Mitherausgeberschaft im AfSSp vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 10. Juni 1916, oben, S. 461 f.

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Helene Weber PSt 2. Dezember 1916; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 269 Datum und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen.

Liebe Mutter

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ich bin mit Allem einverstanden, was Ihr beschließt.1 Es ist für mich sehr schwer zu übersehen, wie viel Du ersparst (auch vor Allem an Unbequemlichkeit des Lebens), wenn Du verkaufst, auch kenne ich die Bodenpreis-Entwicklung in Berlin nicht. Der Preis ist ja recht niedrig, das ist wahr, und das Geld ist entwerthet und der künftige Wert der anzuschaffenden Kriegsanleihen unsicher. Ich würde also jedenfalls 앚:eventuell:앚 für Bedingung: 1) bar – 2) netto (auch Bier müßte er bezahlen) – 3) soll 1. 4. Vollzahlung sein. Der Zukunftswerth des Hauses ist ja auch unsicher, es steigt schwerlich, da es eben sehr verwohnt ist. Herzlichen Gruß! Max

1 Weber wollte seiner Mutter und seinen in Berlin anwesenden Geschwistern die Entscheidung über die Modalitäten des Hausverkaufs überlassen. Vgl. dazu die Briefe an Helene Weber vom 3. und 5. Sept. 1916, oben, S. 522 und 527, und an Marianne Weber vom 14. Sept. und 28. Nov. 1916, oben, S. 540 und 560.

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Ernst Jäckh 13. Dezember 1916; [Heidelberg] Abschrift; ohne Anrede und Schlußformel Abdruck in: Jäckh, Ernst, Der Goldene Pflug. Lebensernte eines Weltbürgers. – Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1954, S. 182 Der Ort ist erschlossen aus der Überschrift zu dem hier abgedruckten Brief: „Von Professor Dr. Max Weber, Heidelberg:“

13. Dezember 1916. Ich weiß nicht, wer eigentlich unsere diplomatischen Schriftstücke redigiert. Aber ein formell so bedenkliches Aktenstück wie dies „Friedensangebot“ ist bisher kaum verfaßt worden.1 Entweder man wollte 1 Am 12. Dezember 1916 hatte Reichskanzler Theobald v. Bethmann Hollweg im Reichstag seine Friedensnote an die Ententemächte bekanntgegeben. In der Note heißt es u. a.: „Deutschland und seine Verbündeten, Österreich-Ungarn, Bulgarien und die Türkei, haben in diesem Kampfe ihre unüberwindliche Kraft erwiesen. Sie haben über ihre an Zahl und Kriegsmaterial überlegenen Gegner gewaltige Erfolge errungen. Unerschütterlich halten ihre Linien den immer wiederholten Angriffen der Heere ihrer Feinde stand. Der jüngste Ansturm im Balkan ist schnell und siegreich niedergeworfen worden. Die letzten Ereignisse beweisen, daß auch eine weitere Fortdauer des Krieges ihre Widerstandskraft nicht zu brechen vermag, daß vielmehr die gesamte Lage zu der Erwartung weiterer Erfolge berechtigt. Zur Verteidigung ihres Daseins und ihrer nationalen Entwicklungsfreiheit wurden die vier verbündeten Mächte gezwungen, zu den Waffen zu greifen. Auch die Ruhmestaten ihrer Heere haben daran nichts geändert. Stets haben sie an der Überzeugung festgehalten, daß ihre eigenen Rechte und begründeten Ansprüche in keinem Widerspruch zu den Rechten der anderen Nationen stehen. Sie gehen nicht darauf aus, ihre Gegner zu zerschmettern oder zu vernichten. Getragen von dem Bewußtsein ihrer militärischen und wirtschaftlichen Kraft, und bereit, den ihnen aufgezwungenen Kampf nötigenfalls bis zum äußersten fortzusetzen, zugleich aber von dem Wunsch beseelt, weiteres Blutvergießen zu verhüten und den Greueln des Krieges ein Ende zu machen, schlagen die vier verbündeten Mächte vor, alsbald in Friedensverhandlungen einzutreten. Die Vorschläge, die sie zu diesen Verhandlungen mitbringen werden und die darauf gerichtet sind, Dasein, Ehre und Entwicklungsfreiheit ihrer Völker zu sichern, bilden nach ihrer Überzeugung eine geeignete Grundlage für die Herstellung eines dauerhaften Friedens. Wenn trotz dieses Anerbietens zu Frieden und Versöhnung der Kampf fortdauern sollte, so sind die vier verbündeten Mächte entschlossen, ihn bis zum siegreichen Ende zu führen. Sie lehnen aber feierlich jede Verantwortung dafür vor der Menschheit und der Geschichte ab.“ Zitiert nach: Das Friedensangebot Deutschlands. Kaiserliche Order an Heer und Flotte und Rede des Deutschen Reichskanzlers im Deutschen Reichstage am 12. Dezember 1916. – Berlin: Reimar Hobbing 1916, S. 6 – 8. In der kaiserlichen Order an Heer und Marine vom gleichen Tage heißt es zum Friedensangebot im gleichlautenden Sinne: „In dem Gefühl des Sieges, den Ihr durch Euere Tapferkeit errungen habt, haben Ich und die Herrscher der treu verbündeten Staaten dem Feinde ein Friedensangebot gemacht. Ob das damit verbundene Ziel erreicht wird, bleibt dahingestellt. Ihr habt weiterhin mit Gottes Hilfe dem Feinde standzuhalten und ihn zu schlagen.“ Ebd., S. 1.

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wirklich jetzt in ernsthafte Unterhandlungen treten mit dem Ziel einer Verständigung. War es nicht so unglücklich wie möglich, den Gegnern öffentlich zu sagen: „Ihr habt Prügel bekommen und bekommt noch mehr; wollen wir uns nicht lieber vertragen?“ Man macht ihnen ernsthafte Unterhandlungen damit unmöglich. Oder: man wollte damit einen diplomatisch erwünschten Effekt gleichviel welcher Art im Ausland (neutralen, vielleicht auch in der feindlichen öffentlichen Meinung) erzielen. Dann hat man sich durch diesen prahlerischen Ton den Erfolg so weit verscherzt, als dies möglich war. Das Schriftstück wirkt in einem geradezu peinlichen Maße unvornehm, genau so, wie fast alle jene promemoriahaften Kundgebungen, welche S[eine] M[ajestät] seit 26 Jahren in der Öffentlichkeit von sich gegeben hat und die unsere politischen Interessen so schwer geschädigt haben. Das „Vornehme“ ist in der Politik gewiß sehr weit davon entfernt, immer auch das Kluge zu sein. Aber bei einer politischen Kundgebung von dieser – positiven oder negativen – Tragweite ist Sachlichkeit das objektiv Richtige, das allein Stilgerechte und vornehm Wirkende. Durch die überaus subalterne Form ist den Gegnern jetzt ein Vorteil zugewendet worden, den sie, wenn sie klug sind, benutzen können, um die – vielleicht – beabsichtigte Wirkung in ihr Gegenteil zu verkehren. Ich will vollends nicht hoffen, daß auf eine rein innerpolitische Wirkung spekuliert und aus diesem Grund diese vermeintlich „volkstümliche“ Pathetik angewendet ist. Die deutsche Regierung fürchtet sich noch immer vor den Bassermann, Westarp und Konsorten und kennt ihre eigene Stärke nicht, wie mir scheint. Der Effekt wäre bald verpufft, der Rückschlag, wenn von diesem Katheder zur Sachlichkeit zurückgekehrt wird – was ohnehin schwierig und doch notwendig werden wird – nicht erfreulich für die Zukunft. Alles in allem: Pathetik und Moralität wird besser der Presse und den Parteileuten (oder uns Privaten) zu treiben überlassen. Von allen Kundgebungen des Reichskanzlers hatten die stärkste Wirkung diejenigen, welche sich von prahlerischen Gesten am meisten freihielten, wie sie doch nur in Volksversammlungen am Platze sein können. Es ist wirklich beim besten Willen schwer, eine Regierung zu unterstützen, die sich so stark vergreift. Möchte das Schriftstück trotzdem etwas in dem Sinne nützen, in dem es gemeint war!

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17. Dezember 1916

Werner Sombart 17. Dezember 1916; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede und Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 8, Bl. 37 – 38

Heidelberg, den 17.12.16. Sie werden sich mit Grund über mein Schweigen erstens zu Ihrem Buch1 (für dessen Übersendung ich herzlich danke) und zweitens auf Ihren Brief gewundert haben. Der Grund war, ich wollte gern über Ihr großes Werk etwas sagen können und das konnte ich nicht (d. h. etwas sachlich Eingehendes). Denn ich habe es zwar (sofort!) gelesen – aber: wie? Es wäre einfach anmaßenda jetzt in die Sache einzudringen. Nur so viel: Zunächst das ist natürlich die – wohl einstimmige – Ansicht: daß es im Aufbau, Gehalt, Formgebung, Reichtum, Anregung und Tragweite die (von mir immer ganz außerordentlich hochb, bei allen sachlichen Vorbehalten gestellte) erste Auflage2 noch um ein Erstaunliches übertrifft. Es liest sich glänzend und ist dabei beste, weil strengste und sachlichste Kunstform einer Gelehrten[-]Arbeit. Und es ist sachlich so bereichert, daß mit wichtigen Punkten eine ganz neue Auseinandersetzung nötig wird, das ist klar. Zum Teil eine solche, für die ich mich nicht kompetent fühle. Die Grundrenten-Hypothese sehe ich etwas anders als Sie[;]3 aber gerade da bedürfte für das Mittelalter a

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1 Sombart, Werner, Der moderne Kapitalismus. Historisch-systematische Darstellung des gesamteuropäischen Wirtschaftslebens von seinen Anfängen bis zur Gegenwart, Bd. 1: Einleitung – Die vorkapitalistische Wirtschaft – Die historischen Grundlagen des modernen Kapitalismus, 2., neugearb. Aufl. – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1916. Bd. 2, erschienen in zwei Halbbänden, untertitelt: Das europäische Wirtschaftsleben im Zeitalter des Frühkapitalismus vornehmlich im 16., 17. und 18. Jahrhundert, ebd., ist erst 1917 veröffentlicht worden. 2 Sombart, Werner, Der moderne Kapitalismus, Bd. 1: Die Genesis des Kapitalismus. – Leipzig: Duncker & Humblot 1902, sowie dass. Bd. 2: Die Theorie der kapitalistischen Entwicklung, ebd., 1902. 3 Sombarts Grundrentenhypothese war in der ersten Auflage der Hauptkritikpunkt der Rezensenten gewesen, daß nämlich die Akkumulation städtischer Grundrente der Motor der kapitalistischen Entwicklung gewesen sei. „Jene Summen, mit denen in Italien und Flandern seit dem 13. Jahrhundert und noch früher, in den übrigen Ländern seit dem 14. Jahrhundert in größerem Stile Geld- und Handelsgeschäfte gemacht wurden, die also recht eigentlich als die Urvermögen anzusehen sind, aus denen sich das Kapital zu entwickeln vermochte: sie sind accumulierte Grundrente .“ (Wie Anm. 2), Bd. 1,

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meine Quellenkenntnis eine sehr große Erweiterung, um mitreden zu können. An anderen Punkten (Staat,)4 hätte ich meinerseits Ihre hier mehr ein Programm vorstellenden Bemerkungen zu ergänzen. In geringerem Maße ist dies auch bei einigen andren Punkten der Fall. Eigentliche Kritik ist mir – bei der entlegenen Provinz[,] in der ich jetzt arbeite (Ägypten, Babylon, Juden des AT c)[–]5 geradezu nicht möglich. Nur eine Besprechung und Hinweise auf die Problematik. Es war mir eine Freude, daß Sie den Wunsch hatten, ich möge mich – in diesem jetzt allein möglichen Sinn – mit dem großen Werk im Archiv auseinandersetzen.6 Vorher hatte Jaffé schon an mich geschrieben, ich hatte ihn an Gothein verwiesen. Ich weiß nun nicht[,] ob Jaffé an Gothein geschrieben und was dieser geantwortet hat. Er beurteilt das Werk sehr freundlich (bei Abweichungen in der Grundrenten-Hypothese); fraglich ist, wie gründlich er die Sache macht, wenn er zusagt. c In Abschrift: a.T. S. 291. Sombart hat zwar selbstkritisch in der zweiten Auflage seine Grundrententheorie als „etwas provozierende Behandlung des Gegenstandes und die allzu scharf zugespitzte Problemstellung in der ersten Auflage“ charakterisiert – im Kapitel: Die Akkumulation städtischer Grundrenten (wie Anm. 1), Bd. 1, S. 643 – 650, ebd., S. 649 –, jedoch ist er seiner These in modifizierter Form treu geblieben. In der neuen Auflage sind die Grundbesitzer als Konsumentenkategorie Initiatoren der Stadt- und Vermögensentwicklung: „Die Städte des Mittelalters sind (ökonomisch) das Werk der Grundrenten- und Steuerbezieher; die ,Kaufleute‘ existieren nur durch sie“, ebd., S. 175. Zur Kritik Webers an dieser Vorstellung vgl. die Wiedergabe seines Monitums, in: ders., Wirtschaftsgeschichte. Abriß der universalen Sozial- und Wirtschafts-Geschichte. Aus den nachgelassenen Vorlesungen hg. von S[iegmund] Hellmann und M[elchior] Palyi, 2., unveränd. Aufl. – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1924, S. 277: „[…] bezeichnend ist, daß es in der Antike keine Stadt von Bedeutung gab, die weiter als eine Tagereise vom Meere entfernt gelegen wäre: nur jene blühten, die aus politischen oder geographischen Gründen starke Chancen der Teilnahme am Handel besaßen. Daher ist es prinzipiell unrichtig, wenn Sombart meint, die Grundrente sei die Mutter der Stadt und des Handels gewesen. Er kehrt damit den Tatbestand um: Niederlassung in der Stadt ist veranlaßt durch die Möglichkeit und die Absicht, die Grundrente händlerisch zu verwerten, womit der ausschlaggebende Einfluß des Handels auf die primitive Stadtbildung gegeben ist.“ Hinter „Sombart“ bindet die Anm. 1 „Vgl. Der moderne Kapitalismus I, 149 ff.“ an. 4 Gemeint ist die kurze Skizze: Wesen und Ursprung des modernen Staates (wie Anm. 1), Bd. 1, S. 334 – 341, u. a. mit der Behauptung Sombarts, daß die „Idee des modernen Staates aus den italienischen Städtestaaten“ abgeleitet werden könne; ebd., S. 337. 5 Weber widmete sich – mit Unterbrechungen – seinen Aufsätzen zum antiken Judentum. 6 Eine Rezension ist im AfSSp – wie schon bei der ersten Auflage – nicht zustande gekommen.

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Sagt er nein, so nehme ich an. Nicht zu verkennen ist, daß ein Urteil von Gothein bei den Historikern weit stärker ins Gewicht fällt, und im sachlichen Interesse ist es doch erwünscht, daß diese etwas anders innerlich zu Ihren Sachen eingestellt werden als bisher.7 Für heute nur herzlichen Gruß! Könnte man doch in Bälde auf ein Wiedersehn im Frieden hoffen! Aber ich glaube nicht.

7 Jedenfalls hatte es bislang bei den Historikern größere Resonanz – wenn auch kritische – als bei den zünftigen Nationalökonomen gegeben.

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Helene Weber PSt 18. Dezember [1916]; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 32, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 256 Tag, Monat und Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag, das Jahr aus dem Briefinhalt erschlossen, da die Jahreszahl des Briefstempels sich auf der abgelösten Briefmarke befand.

Liebe Mutter!

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Es ist Alles in Ordnung, natürlich hat die Bank den Zettel. Die andren sind hier (von früher) und ich schrieb Dir ja (für Artur) die Zahlen von 19141 (jetzt ist es natürlich weniger und nach dem Krieg wird es durch die Steuern beträchtlich weniger). Ich nahm an, Artur wäre noch in Berlin, deshalb schrieb ich das Alles. Ihm direkt schreibe ich über so Sachen ja doch besser nicht mehr. Wenn es erwünscht ist, komme ich, da Alfred wohl voll besetzt ist, jederzeit sofort nach Charlottenburg, um mit Kaufreflektanten2 zu sprechen. Nur muß es sich um ernstliche Sachen handeln, ins Blaue kann ich nicht gut reisen. Wir freuen uns schon sehr auf Dein Kommen,3 Marianne grüßt herzlich, ebenso Dein Max

1 Nicht nachgewiesen. 2 Das Haus von Helene Weber sollte verkauft werden. 3 Helene Weber kam am 1. Januar 1917 zu Max und Marianne Weber nach Heidelberg zu Besuch, wie Max Weber am 2. Januar 1917 (unten, S. 583) an Martha Riegel schrieb.

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25. Dezember 1916

Heinrich Rickert [vor dem 25. Dezember 1916]; o.O. Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 25, Bl. 94 Die Datierung ist aus dem Inhalt des Schreibens sowie den Festtags- bzw. Weihnachtsgrüßen erschlossen. Weber nimmt hier Stellung zu einem ihm zugänglich gemachten Manuskript Rickerts für einen Gedenkartikel zum Tode von Hugo Münsterberg, der am 18. Dezember 1916 verstorben war. Der Nekrolog: Hugo Münsterberg †, ist erschienen in zwei Teilen in: FZ, Nr. 2 vom 3. Januar 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 f., sowie Nr. 3 vom 4. Januar 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 f.

Lieber Freund, – sehr gerecht und gut m. E.! Könnte aber nicht S. 11 gemildert werden?1 Jeder Leser liest mehr hinein, als die reservierte Ausdrucksweise sagen will, grade weil sie durchweg so reserviert ist. Er wird also die „schärfsten ablehnenden Aussprüche“ als „geltend“ ansehen. Und vor Allem: die „Eitelkeit“ (und ja mit Rechta) und „Sentimentalität“ (auch mit Recht), und „Oberflächlichkeit“ (auch mit Recht). Aber das wird der armen Frau2 sehr weh thun. Nun ist „Eitelkeit“ eine solche professorale Berufskrankheit, daß ihre Abwesenheit bemerkenswert ist, Oberflächlichkeit eine so inhärente Eigenschaft aller nicht streng exakten „Psychologen“ (außer Jaspers und ähnlichen, aber einschließlich Wundt, Külpe, e – tutti quanti), daß sie bei Psychologen sich von selbst versteht, wo nicht das Gegenteil gesagt ist, und „sentimental“ heute ein so böses Schimpfwort. Und er war eben doch auch sehr tapfer, wie er in den letzten 21/2 Jahren – Sie selbst sagen es ja – zeigte.3 Eine schonendere a O: recht 1 Diese und die folgenden kritischen Bemerkungen Webers zu Rickerts Entwurf für den Münsterberg-Nekrolog sind offensichtlich berücksichtigt worden, da die inkriminierten Stellen in der Druckfassung fehlen. 2 Selma Münsterberg. 3 Nach Kriegsbeginn hatte sich zwischen Münsterberg und seinen amerikanischen Kollegen an der Harvard University eine zunehmende Distanz entwickelt. Dazu schreibt Rickert, daß zwar dessen Lehrtätigkeit nicht beeinträchtigt gewesen sei, seine persönlichen Beziehungen sich jedoch entscheidend geändert hätten. „Er war nicht der Mann, schweigend hinzunehmen, was um ihn vorging. Zwei Bücher ließ er in englischer Sprache über den Krieg erscheinen und sagte darin den Amerikanern gründlich die Wahrheit. Das vertrugen sie nicht, und er schrieb mir wiederholt, seine persönlichen Beziehungen wären zum Teil abgebrochen, zum Teil so steif geworden, daß er fast wünschen müßte, sie hörten ganz auf. Hoffnungen auf eine Besserung hegte er nicht. Er, der sonst immer zukunftsfreudig und optimistisch dachte, fand keine

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Vermeidung der Ausdrücke entspräche glaube ich noch mehr Ihrer eignen ja offensichtlichen Absicht, scheint mir. Ich gebe zu, sie ist schwierig, und geht sie nicht, nun gut! Aber vielleicht lassen Sie Sich eine 1/2 Stunde der Erwägung grade dieser Sätze nicht reuen, M[ünsterberg] hat es um uns gewiß verdient. Dieser Tod ist erschütternd. Die Würdigung der „Einleitung in die Psychologie“4 würde ich gern noch etwas wärmer (im Kolorit der Sprache, nicht: im Sinn) sehen. Es ist doch die wirklich konsequente und philosophische Vollendung der Avenarius’schen Arbeit5 und insoweit genetisch in gewissem Sinn mit Ihrer eignen Entwicklung verbunden,6 die doch auch jenes DurchAussicht, daß das Zerstörte sich in absehbarer Zeit würde herstellen lassen.“ Rickert, Heinrich, Hugo Münsterberg †, in: FZ, Nr. 2 vom 3. Januar 1917, S. 2. 4 Münsterberg, Hugo, Grundzüge der Psychologie, Bd. 1. – Leipzig: Johann Ambrosius Barth 1900. 5 Vgl. dazu Webers gleichlautendes Urteil in seinem Brief an Alfred Weber vom 9. Nov. 1912 (MWG II/7, S. 738), daß nämlich Münsterberg in seinem Psychologiebuch „die Consequenzen der naturalistischen Avenarius’schen Erkenntnistheorie“ ziehe. Nach Richard Avenarius, dem Vertreter des sog. Empiriokritizismus, einer radikalen Spielart des Positivismus, können Außenwelt sowie psychische Innenwelt des Menschen nicht differenziert werden, sondern sie bilden einen Komplex, ein Ganzes von Empfindungen; das „Ich“ tritt dabei als nachträgliche Vorstellung auf. Gegenstand der Psychologie als Wissenschaft ist nach Münsterberg die psychische Seite des Erlebens, da die eigentlich psychische Seite „unmittelbar“ sei. „In dem vorgefundenen Objekt nennen wir psychisch, was nur einem Subjekt erfahrbar ist, physisch, was mehreren Subjekten gemeinsam erfahrbar gedacht werden kann“ (wie Anm. 4, S. 72). Das Psychische, so Münsterberg, lasse sich in seine Elemente, die Sinnesempfindungen, auflösen, die ihrerseits mechanisch-kausaler Analyse zugänglich seien: Die Empfindung sei „dem Übergang von Erregung zur Entladung im Rindengebiet zugeordnet“ , ebd., S. 548, und zwar dergestalt, „daß die Qualität der Empfindung von der räumlichen Lage der Erregungsbahn, die Intensität der Empfindung von der Stärke der Erregung, die Wertnuance der Empfindung von der räumlichen Lage der Entladungsbahn und die Lebhaftigkeit der Empfindung von der Stärke der Empfindung abhängt “. Ebd., S. 549. 6 Im Nekrolog (wie Anm. 3, S. 1) liest sich das wissenschaftliche Verhältnis Rickerts zu Münsterberg – beide waren ebenso wie Max Weber im Freiburg der 1890er Jahre Kollegen – etwas anders: „Ich habe bei unseren immer von neuem aufgenommenen Diskussionen auf langen Waldspaziergängen aus seinen reichen naturwissenschaftlichen und psychologischen Kenntnissen sehr viel gelernt, und daß ich ihn, der bei seinem Studiengang die Geschichte der Philosophie hatte zurücktreten lassen, auf Windelbands damals in Lieferungen erscheinendes Hauptwerk hinweisen, ihm Kant als Wert philosophen nahe bringen, die Gedanken meiner Habilitationsschrift über den ‚Gegenstand der Erkenntnis‘ seinem feinen und teilnehmenden Verständnis entwikkeln konnte und durch die Scheidung von ‚Sein‘ und ‚Sollen‘ einige Zweifel in ihm erregen über die Brauchbarkeit der Psychologie zur Lösung philosophischer Geltungsprobleme, das war mir eine ganz besondere Freude. Am schönsten aber fand ich es, daß keiner von uns bei dieser sachlichen Annäherung seine Selbständigkeit aufzugeben brauchte, denn bei ihm verband sich der Wertgedanke leicht mit seinen Willensspekulationen und ist immer darin begründet geblieben.“

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gangsstadium (als Durchgang) einmal passiert hat, wie Sie mir früher einmal hübsch auseinandersetzten. Es ist doch ein Buch, von welchem die „Psychologen“ gar nicht ahnen, wie er[nst]b grade sie es nehmen müßten.7 Herzl. Gruß! Frohes Fest! M. W.

b Lochung. 7 Nach Rickerts Ausführungen im letzten Teil seines Nekrologs über Hugo Münsterberg vom 4. Januar 1916, S. 2 (vgl. die Editorische Vorbemerkung), beinhalteten die „Grundzüge der Psychologie“ (wie Anm. 4) eine „erkenntnistheoretische […] Grundlegung“ dieser Disziplin, durch welche sie als „Spezialwissenschaft“ von der „Philosophie als Weltanschauung“ stringent abgegrenzt wurde: „Münsterberg war der erste Psychologe, der gestützt auf fachmännische Beherrschung des gesamten psychologischen Materials in einem umfassenden Werk die Trennung in überzeugender, höchst eigenartiger und konsequenter Weise durchführte, und er hat sich damit ein großes Verdienst erworben. Das prinzipienlose Durcheinander ,kausaler‘ und ,teleologischer‘ Gesichtspunkte, die unklare Vermengung von Tatsachenfragen und Geltungsproblemen, die in manchen psychologischen Schriften geradezu zum ,Prinzip‘ erhoben zu sein scheint, wird von ihm ins helle Licht gerückt.“

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29. Dezember 1916

Mina Tobler 29. Dezember 1916; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 29.XII 16a Liebe Freundin, –

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nur einen herzlichen Gruß aus dem trüben Regenwetter hier in eine hoffentlich kräftigere und Ihnen gesundheitlich zuträgliche Luft dort,1 mit Schnee, Eis, klarem Blau über dem See. Und die Hoffnung, daß Sie Ihre Frau Mutter2 in erträglichem Gesundheitszustand angetroffen haben und Ihnen beiden der Aufenthalt wohl thut. Hier passiert nichts, ich bin täglich Nachmittags im Ägyptologischen Institut oder auf der Bibliothek,3 Vormittags wird eifrig geschrieben. Ende Februar werde ich wohl in München reden4 – ja so,b das erzählte ich Ihnen ja schon, sei es „soziologisch“ sei es „prophetisch“ – lieber Ersteres als Letzteres. Übermorgen kommt die Mutter, die Sie ja dann bei der Rückkehr auch noch sehen werden, da sie bis Ende Januar etwa bleibt. Sonst wie gesagt nichts Neues zu erzählen, auch – außer von Gruhle – keine interessierenden Nachrichten von der Front und unsren Freunden dort. Gruhle geht es gut, nur sehr viel Langeweile. Kann man sich denken! Herzliche Grüße an die Geschwister5 und verehrungsvolle Empfehlung an die Mutter, stets Ihr Max Weber

a 17 > 16

b ; Alternative Lesung:

1 Über Weihnachten besuchte Mina Tobler ihre Familie in der Schweiz. 2 Henriette Tobler. 3 Max Weber arbeitete an seiner Abhandlung über „Antikes Judentum“. 4 Sein Kommen nach München kündigte Weber auch in seinem Brief an Martha Riegel vom 2. Jan. 1917 an, unten, S. 583. Er sprach nach dem 24. Januar 1917 vor dem sozialwissenschaftlichen Verein über „Die soziologischen Grundlagen des Judentums“, vgl. den Brief an Karl Loewenstein vom 10. Febr. 1917, unten, S. 596, Anm. 10. 5 Gemeint sind Elisabeth Ott und Bertha Tobler.

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30. Dezember 1916

Mina Tobler [30. Dezember 1916; Heidelberg] Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Der Brief enthält keine Gruß- und Schlußformel, ist vermutlich ein Zusatz zum Brief an Mina Tobler vom 29. Dezember 1916, einem Freitag. Diesen hatte Weber, wie er schreibt, „in der Tasche“ behalten, fügte daher am Tag darauf, einem Samstag, dem 30. Dezember 1916, die Neujahrsgrüße hinzu.

Samstag Wieder einmal behielt ich das Kärtchen in der Tasche, gestern Abend auf dem Weg zum Schwesterchen,1 – und benutze heut die Verspätung, um noch einen herzlichen Neujahrsgruß anzuschließen. Es ist ja wahrscheinlich, daß uns das Jahr den Frieden giebt, – jetzt oder später – und daß er so wird, wie wir ihn wünschen, darf man immerhin wünschen. Dann kommen alle Friedens-Werthe wieder in ihre normale Bahn und man hat nicht bei Allem das drückende Empfinden, nicht genug an die Leute da draußen im Graben zu denken, – wie es jetzt ist. Möchte es Ihnen das Allerschönste, was Sie sich wünschen, bringen, – vor Allem immer noch mehr Frische, als das vergangene, wennschon gegenüber den Vorgängern bessere, doch noch etwas labile Jahr! Dann wird man Ihr ernst und still zusammengerafftes Gesicht wieder recht oft am Instrument2 sehen, – und nachher auch Ihre Heiterkeit und Ihren Humor in allen guten Stunden. – „Und so für und für“3 – Sie sehen, ich verfalle schon in den Stil des alten Herrn v. Goethe aus den 20er Jahren des 19. Jahrh[underts]! Aber so alt bin ich deshalb doch noch nicht!

1 Lili Schäfer. 2 Gemeint ist der Flügel, auf dem Mina Tobler Weber häufig bei seinen Besuchen vorspielte. 3 Zitat aus einem Brief von Wolfgang Goethe an Wilhelm v. Humboldt vom 22. Okt. 1826 , in: Goethe, Johann Wolfgang v., Werke, Abt. 4, Bd. 41. – Weimar: Böhlau 1907, Nr. 41174, S. 202 – 205.

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Lisa von Ubisch 1. Januar 1917; Heidelberg Abschrift; handschriftlich Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 8, Bl. 6 – 9

Heidelberg 1. I. 1917 Liebes Fräulein Lisa, –

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meine Mutter gaba mir Ihren sehr guten und klugen Brief über Lili: dazu möchte ich nur einige Mitteilungen machen. Lili hatte Prof. Jaspers – obwohl sie ablehnte ihn zu „konsultieren“ – so viel von sich erzählt und Marianne, der gegenüber Lili sich sehr weitgehend ausspricht (auch über Selbstmord-Gedanken u.s.w.)[,] ihm den Rest ergänzt, so daß er im Bilde ist. Er ist sehr erfahren und vorsichtig im Urteil. Der Tatbestand ist der: Es handelt sich um zyklothymische Zustände, d. h. periodisch (Zeitraum wechselndb) schwankende Stimmungs- und Überreiztheits-Erscheinungen psychischer Art, welche spezifisch „endogen“, d. h. durch „Schicksal“, „Lebensauffassung“ u.s.w. nicht verursacht sind. Nur der jeweilige Grad des (konstitutionellen) Übels kann verschärft werden durch physische Überanstrengung, wie jetzt, wo sie ja auch nervös erschöpft ist. Während der Depressionsperioden kann therapeutisch nichts geschehen, nur stets erneut durch menschlichen Zuspruch und Verständnis subjektiv die Lage erträglicher gemacht werden. Alles kommt vielmehr darauf an, in den Perioden ohne Depression, insbesondere grade bei relativ stärkstem subjektivem Wohlgefühl, den Eintritt einer Überreizung zu hindern, 앚:also:앚 allzu viel Unternehmungslust u.s.w. zu hemmen, dann pflegen die auf und ab gehenden seelischen Wellen flacher zu werden und der Zustand kann bis zur Unmerklichkeit schwinden. So wie es jetzt ist, sind die Depressionen „medizinisch“ noch als „leicht“ zu bewerten, so peinlich sie sind.

a hat > gab b schwankend > wechselnd

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Ich selbst kenne den Zustand gut von einem sehr schweren Fall eines Freundes1 her, den ich vor vielen Jahren täglich besuchte, um ihm zu „helfen“. Daß Lili dazu veranlagt sei, vermutete ich nach einem Brief (aus Neustettin)2 vor Jahren, dessen von Glück überströmende Stimmung zu dem, was ich sonst wußte, und zu andren Äußerungen im auffälligsten Kontrast stand.1) Nun schloß ich damals (und aus eigenen Erfahrungen, obwohl mein eigner Zustand gänzlich anders bedingt ist und war) Folgendes: Eine „Lebensanschauung“ hilft Lili im entscheidenden Punkt nicht. In der Depression wird sie eine „lebensbejahende“ Weltanschauung innerlich ablehnen, je mehr sie das ist, desto schärfer, mag sie ihr im Augenblick auch einmal eingehen. Gelingt es aber ihr in den nicht depressiven Perioden eine solche beizubringen, so wird sie in der Depression nicht nur an ihrer eignen Kraft, sondern auch an jener „Weltanschauung“ und damit an Allem nun erst recht irre werden. Wäre sie z.B. religiös – was sie nicht ist und auch nicht werden kann – so würde sie in der Depression sich nicht nur unglücklich, unnütz, schuldbeladen u.s.w. besetzt, sondern „von Gott“ zur Hölle verdammt erscheinen, – womit nicht gesagt ist, daß nicht z.B. die katholische Beichte ihr (subjektiv) im Augenblick Entlastung gewähren könnte, so wie jetzt der menschliche Zuspruch und vielleicht besser. Obwohl nicht sicher: bei starker Depression tritt „Verlust“ des „Glaubens“ ein und wird dann Quelle doppelter Verzweiflung. Damit ist nun keineswegs gesagt, daß ihr garnicht zu helfen wäre. Neben der Noblesse sich selbst nicht „wichtig“ zu nehmen, die ihr bestes Erbteil ist, hat sie – wie mein Bruder Karl es hatte – eine gewisse schlichte Ehrlichkeit und Sachlichkeit, vielleicht „Wurstigkeit“ gegenüber dem Leben, die Quelle von Widerstandskraft sein kann (nicht: muß). Geht es ihr schlecht, so darf sie keine „Zumutungen“ fühlen, Lili hatte damals nach der Geburt ihres zweiten Kindes3 an Marianne geschrieben: „Mein Glück ist so groß, daß ich oft meine es nicht tragen zu können.“4 1)

1 Der Name konnte nicht nachgewiesen werden. 2 In Neustettin lebte Lili Schäfer von 1904 bis 1908. 3 Das war im Sommer 1905. 4 Diese Anmerkung ist vermutlich von Marianne Weber ihrer Abschrift des Briefes hinzugefügt worden, sie wird durch das Zeichen x bezeichnet. Der betreffende Brief von Lili Schäfer an Marianne Weber ist nicht nachgewiesen.

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sondern nur die Unterstützung des eignen Wissens: die Sache geht – erfahrungsgemäß wie sie selbst weiß – vorüber, jetzt aber ist – wie der Indianer sagt – „Manito hinter einer Wolke“5. Möglichst schlichtes Hinnehmen des Lebens und Schicksals mit der Stimmung, daß es nicht nur gelebt sein will, wie es ist, sondern immer wieder doch auch gelebt zu werden verdient, nicht emotionale, sondern schlicht herzliche Haltung zu Personen und Dingen, unkomplizierte Schlichtheit in aller „Problematik“ – all das, was in der entgegengesetzten Richtung wie die moderne Jagd nach dem „Erleben“ liegt, tue ihr objektiv gut. All das also, was Karl nach Abstreifung der gewissen Theatralik seiner jungen Jahre – bei sich entwickelt hatte. Am wohlsten tut ihr jetzt, so viel ich sehe, Marianne, und sehr begreiflicher Weise. Ebenso aus dem gleichen Grund, Jaspers, – aus dem gleichen Grund jetzt meine Mutter, weil sie darüber informiert ist, daß jetzt keine „Anforderungen“ gestellt werden dürfen. Eine solche „Anforderung“ aber würde jetzt – der Wirkung nach – auch der Versuch sein, Lili eine bestimmte allgemeine Stellungnahme zum Leben, eine „Weltanschauung“ beizubringen. Es würde scheitern wie ich glaube. Das glaube ich natürlich ebenso wie Sie, daß man ihr am besten aus einer eignen, das Leben wie es einmal ist, nehmenden und bejahenden inneren Haltung heraus innerlich helfen kann. Natürlich auch der Einzelne verschieden je nach seinen „Gaben“. Ich z.B. – bei aller Zuneigung – weniger als mancher Andre,2) obwohl ich grade die Entschlußhemmungen (und, umgekehrt: Ungehemmtheiten) sehr gut selbst kenne und verstehe. Denn ich bin 앚:etwas:앚 „anstrengend“. In Zeiten, wo es ihr normal geht, wird man Lili mancherlei anraten können, – wir haben mit Jaspers darüber gesprochen. So: gewisse einfache technische Mittel, um ihr eine Übersicht über ihren Etat zu ermöglichen und Hemmungen gegen manche unbedachte große Ausgaben – stets: für die Kinder – einzuschalten, wegen deren sie sich dann nachher Gedanken macht, u. dgl. m[ehr]. Die Kinder – so gut man ihnen sein muß – sind für Lili’s Zustand das Schlimmste. Weil sie – ich sagtec ihr das – innerlich um sie „wirbt“, was natürlich das Gegenteil 2)

das ist wieder Ausfluß der tiefen Bescheidenheit dieses Mannes.6

c 5 Zitat nicht nachgewiesen. 6 Wie Anm. 4.

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bei ihnen zur Folge hat. Das viele „Parlamentieren“ mit ihnen, statt kurzer Anordnungen, kann sie sich ja vielleicht auch etwas mehr abgewöhnen, wenn sie sich normal befindet. Alles in allem aber bleibt dieser Fall, bzw. diese Seite des Falls die schwierigste. – Marianne fuhr heute nach Berlin,7 dann München.8 Mit den allerbesten Empfehlungen und Grüßen Ihr Max Weber

7 Eine Reise von Marianne Weber nach Berlin ist nicht nachgewiesen. 8 Else Jaffé hatte in ihrem Brief an Marianne Weber vom 6. Dez. 1916 (Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446) ein Treffen für die erste Januarhälfte vorgeschlagen.

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Martha Riegel 2. Januar 1917; Heidelberg Abschrift; handschriftlich Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 8, Bl. 4

Heidelberg 2/1 1917 Liebes Fräulein Martha,

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Herzlichen Dank für Ihren Brief und ein gutes neues Jahr! Die Reise an das Grab1 machen wir sobald als es irgend geht, mir liegt daran sehr viel. Aber nach dem Frieden – frühstens im Herbst kommt er! – wird es noch Monate dauern, ehe man in diese Gegenden fahren kann, die ja dann wieder russisch sein werden.1) Sofort bei Friedensschluß werde ich die Feststellungen beginnen, ob und wann man reisen kann und was für Pässe man braucht. (Erst müssen ja wieder russische Konsuln da sein, die sie ausstellen!!) Dann denke ich, fahre ich voraus, gebe Ihnen Nachricht wo wir uns treffen (in Lemberg oder Warschau wahrscheinlich) und fahre Ihnen dahin entgegen. Jedenfalls soll keine Zeit verloren werden, dessen seien Sie ganz sicher. Aber vorher sehen wir uns noch. Ich glaube, daß Lili sehr wünschen wird, Sie Ostern hier zu haben und freue mich darauf. Ende Februar aber komme ich wahrscheinlich nach München2 und gebe Ihnen dann Nachricht. In herzlicher Zuneigung Ihr Max Weber Die Mutter – sie ist seit gestern hier – und Marianne grüßen sehr herzlich. 1)

Wlodawa

1 Gemeint ist das Grab von Karl Weber, dem jüngeren Bruder von Max Weber, der am 22. August 1915 bei Charsy am Bug gefallen war. Weber wollte schon im Herbst 1916 mit Martha Riegel, Karls Freundin, dorthin fahren, was aber nicht gestattet wurde. Vgl. den Brief an Martha Riegel vom 5. Juni 1916, oben, S. 444. Aus dem Brief an Helene Weber vom 14. April 1918 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446; MWG II/10) ist zu erfahren, daß Karl nach Wlodowa, südlich von Brest-Litowsk, auf einen großen Soldatenfriedhof umgebettet worden war. 2 Nicht nachgewiesen.

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2. Januar 1917

Mina Tobler 2. Januar 1917; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Dem Brief liegt ein Umschlag bei.

Heidelberg 2/1 17 Liebe Freundin, – so, nun ist das Neue Jahr und mit ihm die erwartete Entente-Note wirklich da.1 Sie ist wie erwartet. Vor Herbst dieses Jahres ist an Frieden nicht zu denken; die Anderen wollen es eben noch mal versuchen und hoffen auf Amerika. Ich denke aber, wir bleiben stark, klug und ruhig. Dann kann uns nichts passieren. Die Mutter ist nun auch da und doch recht frisch, so mager sie ist, das muß ich sagen. Das scheußliche Wetter hier – nun, es schafft an der Westfront unsren Leuten etwas Atempause, das ist das Gute dran – hindert jeden Spaziergang mit ihr. Aber sie kommt doch mal zur Ruhe. Und Sie? – Es scheint nach Ihrem Kärtchen, für das ich vielmals danke, daß Ihre Mutter2 doch durch die Unterernährung arg geschwächt ist, wenigstens verstehe ich Ihre Bemerkung so. Aber hoffentlich sind die quälenden sonstigen Zustände diesmal nicht da. Was Sie sonst erleben mögen? Ich gönnte Ihnen so sehr eine andere Witterung als jetzt ist, das ist sicher nicht erfrischend. – Hier passiert nichts. Ich sitze hinter meinen Sachen. Heut werde ich Braus mal besuchen, der durch Influenza an das Zimmer gefesselt ist. Sonst giebt es nur Abends Zeit zu gemeinsamem Lesen und etwas Träumerei. Halt – der Brief wird zu lang für die Censur! Herzliche Grüße, Alles Gute! Ihr Max Weber

1 Die Entente hatte am 30. Dezember 1916 das Friedensangebot Deutschlands und seiner Verbündeten vom 12. Dezember 1916 abgelehnt. 2 Henriette Tobler.

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Mina Tobler 5. Januar PSt 1917; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahr ist erschlossen aus dem beiliegenden Briefumschlag.

Heidelberg 5/1 Liebe Freundin, –

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schönen Dank für Ihre Karte, die heut eintraf. Nun rückt ja die Zeit schon wieder näher, wo Siea an die Rückreise denken, nächsten Mittwoch erwarten wir Sie wie üblich, Samstag komme ich dann zu Ihnen. Wir leben mit der Mutter, die wie ich wohl schon schrieb geistig recht frisch ist – nur durch die Kost noch magerer als vorher – und überlegen allerlei für die eben doch sehr zarte kleine Schwester.1 Ich denke, im Februar nehmen wir 1– 2 Kinder, der Rest geht wo anders hin, so daß sie dann mal absolut Ruhe bei sich selbst hat, sonst kommt sie ernstlich herunter. – Ja natürlich, daß die bekannten von der Preußischen Regierung nachträglich in die Note eingefügten Sätze zunächst in der Schweiz verstimmen könnten2 (anderswo auch), war klar. Immerhin ist das Manöver der Entente doch wohl durchschaut und ich hoffe, Deutschland antwortet so würdig und zugleich so geschickt, daß an der wirklichen Lage kein Zweifel übrig bleibt. Das Verhalten der Schweiz in der Sache ist ja tadellos. Von den Bekannten in den Schützengräben nichts Neues. Hoffentlich sorgt doch irgend Jemand, daß Gundolf aus der jetzigen für seine Gesundheit, ohne allen Nutzen, doch sehr schädlichen Verwendung in eine andre überführt wird.3 a O: sie 1 Lili Schäfer. 2 In ihrer Note vom 12. Dezember 1916 hatte die deutsche Regierung die Teilnahme von neutralen Staaten an den Friedensverhandlungen abgelehnt. Wortlaut der Note in Schulthess 1917, Teil 1, S. 78 – 80. 3 Friedrich Gundolf war im November 1916 eingezogen worden. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 28. Nov. 1916, oben, S. 561, Anm. 8. Mina Tobler hatte sich in den Briefen an ihre Mutter Henriette Tobler vom 13. Nov. und 26. Nov. 1916 (beide Privatbesitz) über die sinnlose Verwendung von Gundolf aufgeregt. Er arbeite als „Schipper“ im Westen und „putze Stiefel“ in der Garnison. Alfred Weber hatte sich für Gundolf bei dem ihm bekannten Kurt Riezler, Privatsekretär des Reichskanzlers, und

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Halt – der Brief überschreitet sonst die Censur-Länge und bleibt liegen! Viele Grüße! Alles Herzliche! auf Wiedersehen! Ihr Max Weber

im Kriegsministerium um eine Stelle bemüht. Außerdem wollte er ihm ein Extraordinariat in Heidelberg verschaffen. Vgl. den Brief Alfred Webers an Friedrich Gundolf vom 7. Jan. 1917, in: Weber, Alfred, Ausgewählter Briefwechsel, hg. von Eberhard Demm und Hartmut Soell (AWGA, Bd. 10, 1. Halbbd.). – Marburg: Metropolis-Verlag 2003, S. 234.

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Georg von Lukács PSt 7. Januar 1917; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 22, Bl. 27

Lieber Freund, –

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ein Kollege aus Leipzig1 sagt sich für morgen (Montag) Nachmittag an, ich kann ihn nicht abweisen. Sie werden Dienstag Nachmittag nicht in der Lage sein. Ich stelle anheim, ob es Ihnen morgen (Montag) oder Dienstag oder Mittwoch Vormittag (zu ganz beliebiger Zeit bis 1 Uhr) oder Mittwoch Nachmittag paßt und bitte der Sicherheit halber nur um telefonische Anmeldung. Ich freue mich sehr auf die Fortsetzung der, auf mich, sehr überzeugend wirkenden Fortsetzung2 und sie interessiert mich lebhaft. Freundschaftlichen Gruß! Ihr Max Weber

1 Vermutlich handelte es sich bei dem Leipziger Kollegen um Franz Eulenburg. 2 Ob sich diese etwas seltsame Formulierung auf die Fortsetzung v. Lukács’ „Ästhetik“ bezieht oder auf die Fortführung von Vorträgen in der Weberschen Wohnung, ist unklar.

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Ludo Moritz Hartmann 24. Januar [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 15, Bl. 3 – 4 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg Ziegelhauser Landstr. 17 24/1 Lieber Freund, – ich bin in mehrfacher Hinsicht in Ihrer – und Ihrer Frau1 – Schuld. Zunächst ist es schnöde, daß ich, nach diesem Zusammensein und dieser opfervollen Liebenswürdigkeit,2 so gar nichts von mir hören lasse. Der Druck des ewigen Denkens an die Leute draußen, auch die Sorge um die Lebenseinrichtung meiner hierhergezogenen kriegsverwittweten Schwester3 macht das allenfalls verständlich. Dann: für Ihr „Italien“.4 Sehr gerecht und schön! Vielleicht können wir über Einzelnes mündlich reden, – Sie sehen Manches in diesem Fall zu optimistisch. Ich bin im Prinzip bereit, zu sprechen1),5 bei Ersatz der (nackten) Bil-

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1)

Thema z. B.: „Propheten und Rabbinen und die Entwicklung des antiken Judentums“ (soziologisch). 1 Margarethe Hartmann. 2 Ob Weber sich (erneut) für die Gastfreundschaft Hartmanns im Mai/Juni 1916 in Wien bedankt – vgl. dazu den Brief Webers an diesen vom 8. Juni 1916, oben, S. 454 –, ist unklar; jedenfalls ist von einem späteren Wienaufenthalt im zweiten Halbjahr 1916 nichts bekannt. 3 Lili Schäfer. 4 Hartmann, Ludo M[oritz], 100 Jahre italienischer Geschichte 1815 – 1915 (Die Grundlagen des modernen Italien). – München: Georg Müller 1916. 5 Hartmann hatte in seinem Brief vom 22. Jan. 1917 (wie Anm. 2) Weber davon berichtet, daß er in der Zeitung von einem angekündigten Vortrag Marianne Webers „Mitte Februar“ in Wien gelesen habe, und dies mit der Frage verbunden, ob nicht auch Weber selbst bei der Gelegenheit einen Vortrag in der „Soziologischen Gesellschaft“ halten könne. Dieser hat prinzipiell zugesagt, dies um so lieber, als ihm auch von Julius Meinl im Namen der „Politischen Gesellschaft“ eine Anfrage zugegangen war (vgl. unten, Anm. 6). Zunächst gab es jedoch Terminprobleme. In seiner Antwort vom 29. Jan. 1917 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) schlug Hartmann die „3. Märzwoche vor dem 25.“ als „geeignete Zeit“ vor; Weber stellte in seinem Brief vom 22. Febr. 1917, unten, S. 601, als Termin „Anfang Mai “ in Aussicht, hat dann aber mit seinem Brief vom 20. April 1917, unten, S. 617 , den Vortrag „gegen

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let- und Gepäckfracht-Kosten hin und zurück (Anders geht es nicht!)[.] Die Sache geht umso leichter, als mich die „Österreichische Politische Gesellschaft“ (Commerz[ien-]Rath Meinl) zu einem Vortrag auffordert,6 die dann die Hotel-Kosten (baare Kosten) zahlen könnte, so daß ich kostenlos fortkäme. Ich brauche mein Geld jetzt für meine Schwester. – Aber: nicht schon im Februar, so lockend uns Beiden, meiner Frau wie mir, ein gemeinsamer Aufenthalt in dem von uns sehr geliebten Wien wäre. Denn 1) machen die Paß-Verhältnisse Schwierigkeiten, die Wochen in Anspruch nehmen, – 2) habe ich am 23/II hier zu reden.7 Und 3) können wir nicht gleichzeitig Beide fort, da wir ein Kind meiner Schwester,8 die sehr schonungsbedürftig ist, für ca 5 Wochen zu uns nehmen müssen. Also jedenfalls nicht vor März, besser vielleicht später. Und dann – mit dem allerherzlichsten Dank meiner Frau und meiner selbst – ohne Benutzung des „Hotel Hartmann“. Wir wissen gut, wie ganz unmöglich die Versorgungs- und DienstbotenVerhältnisse das jetzt, im Kriege, machen und zunehmend machen

den Herbst“ verschoben. Am 10. Juli 1917, unten, S. 687, sah Weber einen Termin im Oktober vor; am 24. Sept. 1917, unten, S. 784, übermittelte er Themenvorschläge für die Vorträge, und am 7. Okt. 1917, unten, S. 791, bestätigte er seinen angekündigten Vortrag über Staatssoziologie. Dieser hat schließlich am 25. Oktober 1917 stattgefunden. Ein Bericht findet sich unter dem Titel: Ein Vortrag Max Webers über die Probleme der Staatssoziologie, veröffentlicht in: NFP, Nr. 19102 vom 26. Okt. 1917, Mo.Bl., S. 10, Sp. 1 f. (MWG I/22 – 4, S. 745 – 756). 6 In seinem Vortrag in der „Politischen Gesellschaft“, einer „Gesellschaft von Herrenhäuslern u. solchen, die es werden wollen oder können“ – so Hartmanns Urteil in seinem Brief vom 29. Jan. 1917 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) –, beabsichtigte Weber, anstelle des gewünschten Themas über „Mitteleuropa“ über „Demokratie und Aristokratie in Amerika“ zu referieren; vgl. dazu den Brief an Hartmann vom 22. Febr. 1917, unten, S. 601. Offensichtlich wegen des nicht aktuellen Themas hat die „Politische Gesellschaft“ kein Interesse mehr an dem Vortrag gezeigt – so Webers Mitteilung an Hartmann vom 20. April 1917, unten, S. 617. Jedenfalls ist der Vortrag nicht zustande gekommen. Zur Geschichte der 1915 gegründeten „Politischen Gesellschaft“ vgl. Morgenbrod, Birgitt, Wiener Großbürgertum im Ersten Weltkrieg. Die Geschichte der „Österreichischen Politischen Gesellschaft“ (1916 – 1918) (Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs, Bd. 95). – Wien, Köln, Weimar: Böhlau 1994. 7 Ein Vortrag Webers am 23. Februar 1917 in Heidelberg ist nicht nachgewiesen. Laut Mitteilung des Heidelberger Tageblatts, Nr. 8 vom 10. Jan. 1917, S. 4, war unter der Rubrik „Lokale Nachrichten“ ein Vortrag von „Prof. Max Weber“ über das Thema „Demokratie und Aristokratie im Leben Amerikas“ „für diesen Winter“ in Aussicht gestellt worden, wurde aber zu dem Zeitpunkt nicht gehalten. Erst ein Jahr später – am 23. März 1918 – hat Weber in Heidelberg einen entsprechenden Vortrag über dieses Thema gehalten; zu dieser Rede von 1918 vgl. MWG I/15, S. 739 – 749. 8 Um welches Kind von Lili Schäfer es sich handelt, konnte nicht ermittelt werden.

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werden. Meine Frau bleibt ca 5 Tage in Wien und sucht Sie ganz bestimmt auf, sobald sie die erste freie Stunde hat. Sie geht in das Regina Hotel, (Teinfalt-Str.), das wir kennen. Natürlich bin ich auch jederzeit bereit, den von Ihnen erwähnten Politikern – ich nehme an: alles aufrichtigen Anhängern des deutschösterreichischen Bündnisses – etwas über meine persönlichen Ansichten und die meiner Freunde zu erzählen.9 Ich schicke gleichzeitig eine in München gehaltene Rede (Mitte Oktober)10 und eine Aufsatz-Serie11 (ohne Korrektur der paara Druckfehler und Versehen, da sonst die Censur erst Nachprüfungen der „Unbedenklichkeit“ veranstalten müßte) über soziologische Fragen. Mein Bruder12 ist sehr beschäftigt im Reichs-Schatzamt, wie ein heutiger Brief ergiebt. Herzlichen freundschaftlichen Gruß von Haus zu Haus Ihr Max Weber

a O: par 9 Hartmann hatte in seinem Brief vom 22. Jan. 1917 (wie Anm. 2) Weber gefragt, ob sich anläßlich des Vortrages „ein Hochschullehrerabend [...] zusammenbringen“ lasse, um „die Herren Kollegen ein wenig [zu] belehren über die Stimmung in Deutschland, Kriegsziele oder dgl.?“ 10 Gemeint ist vermutlich die Rede Webers über „Deutschlands weltpolitische Lage“, die er am 27. Oktober 1916 in München gehalten hatte. Diese ist – gegenüber dem Vortrag um einige polemische Passagen verkürzt – erschienen unter dem Titel: Deutschland unter den europäischen Weltmächten, in: Die Hilfe, Jg. 22, Nr. 45 vom 9. Nov. 1916, S. 735 – 741 (MWG I/15, S. 153 – 194). Vermutlich hat Weber den Separatdruck des Vortrags, publiziert in: Deutscher Kriegs- und Friedenswille. Drei Reden (Die Hilfe, Sonderheft). – Berlin-Schöneberg: Verlag der „Hilfe“ o. J. [1916], S. 7 – 13, Hartmann zugeschickt. 11 Gemeint sind die bis dahin erschienenen Artikel zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“. 12 Alfred Weber.

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Friedrich Naumann 3. Februar [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig BA Berlin, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 106, Bl. 52 – 53 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes sowie einem Vermerk von dritter Hand: „geschr. 7.2.17.“ erschlossen.

Heidelberg 3/II Lieber Freund, –

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warum fehlt nur in der Note an Amerika1 – die doch dort „Eindruck“ machen bzw. Wilson erleichtern will, vielleicht doch den Frieden zu erhalten und dazu ja die Gelegenheit an sich gut wählt – der eine entscheidende Satz: „Die Maßregel wird sofort aufgegeben werden, nachdem die Gegnera auf Grund und im Sinn der Anregung des Präsidenten W[ilson] in Friedensverhandlungen über einen Interessenausgleich auf dem Fuße der Gleichberechtigung und künftigen Vermeidung von Bedrohungen eingetreten sein werden“ –? d. h. also nach Zusammentritt einer Friedenskonferenz. Es ist doch offenbar, daß das die Lage der Gegenpartei erschwert und uns – sehr wenig gekostet hätte. Wenn beigefügt werden könnte: „wir führen keinen Eroberungskrieg“ – statt daß das nur die Österreicher sagen durften – so kostete das auch nichts und wirkte auch gut. Unterläßt man das aus Angst vor den Alldeutschen? Das wäre bedauerlich. Unsre Lage war so, daß es ratsam war – und eventuell noch ist.

a 1 Gemeint ist die Note der deutschen Reichsregierung an den amerikanischen Präsidenten vom 31. Januar 1917 mit der Ankündigung des uneingeschränkten U-BootKrieges ab 1. Februar 1917; Wortlaut der Note in: Schulthess 1917, Teil 1, S. 78 – 80.

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Ich schreibe dieser Tage einige scharfe Bemerkungen zu v. Loebell’s Polenrede.2 Nachher auch über diese Fideikommißsache.3 Und dann die Anregung: daß das Reich gesetzlich bestimmt: „jeder im Felde Stehendeb hat, nach Großjährigkeit, in seinemc Bundesstaat das Wahlrecht bester Klasse für jede gesetzgebende aus allgemeinen Wahlen hervorgehended Körperschaft“ (ist Anstandspflicht) löst praktisch die Wahlrechtsfrage und greift, formell, nur temporär in die Verfassungen ein. Müßte fortschrittliche Kampagne-Parole werden. Der „Burgfriede“ ist ja doch vorbei. Herzlichen Gruß Ihr Max Weber

b O: stehende c jedem > seinem

d

2 Weber bezieht sich auf die Äußerung des preußischen Innenministers Friedrich Wilhelm v. Loebell im Anschluß an die Rede des polnischen Abgeordneten Wojciech Korfanty im preußischen Abgeordnetenhaus während der Aussprache über Fragen der äußeren und inneren Politik am 19. Januar 1917. Korfanty hatte die „volle nationale und kulturelle Gleichberechtigung“ für die Polen verlangt, welche in der Realität „Bürger zweiter Klasse“ seien. In seiner Replik hatte v. Loebell betont, daß die Polen glücklich sein müßten, in Preußen zu leben: „Was haben Sie denn den preußischen Königen zu verdanken, die für Sie gesorgt haben? Sie sollten noch heute Gott auf den Knien danken, daß Sie eine solche Entwicklung bekommen haben.“ Schulthess 1917, Teil 1, S. 54 – 57; ebd., S. 56. Weber äußert sich zu dieser Auseinandersetzung in seinem Artikel: Deutschlands äußere und Preußens innere Politik. I. Die Polenpolitik, in: FZ, Nr. 55 vom 25. Febr. 1917, 1. Mo.Bl., S.1 f. (MWG I/15, S. 195 – 203). 3 Gemeint ist die erneute Einbringung der Fideikommißvorlage von seiten der preußischen Regierung auf Drängen der Konservativen am 16. Januar 1917. Die Vorlage beinhaltete die Vermehrung der Fideikommißstiftungen durch zusätzlich dafür bereitgestellte weitflächige Gebiete Preußens, die Abschaffung der 1913 gesetzlich geforderten Mindestgröße von 300 ha für Fideikommisse sowie die Ausdehnung der Fideikommißstiftung auf Klein- und Großgrundbesitz. Weber hatte sich schon früher gegen das Institut des Fideikommisses, d. h. eines Stammgutes, das unveräußerlich immer in der Familie des Erblassers verbleiben sollte, kritisch geäußert, da er in diesem das Sinnbild des agrarisch-konservativen und bürgerlichen Feudalismus und einen Hinderungsgrund für die Kapitalisierung der Landwirtschaft sah: Agrarstatistische und sozialpolitische Betrachtungen zur Fideikommißfrage in Preußen, in: AfSSp, Bd. 19, Heft 3, 1904, S. 503 – 574 (MWG I/8, S. 81 – 188). Webers Stellungnahme zur Fideikommißvorlage vom Januar 1917 findet sich in: Deutschlands äußere und Preußens innere Politik. II. Die Nobilitierung der Kriegsgewinne, in: FZ, Nr. 59 vom 1. März 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 f. (MWG I/15, S. 204 – 214).

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Karl Loewenstein 10. Februar [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig Amherst College Library, Nl. Karl Loewenstein Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. In dem nicht erhaltenen Bezugsschreiben dürfte Loewenstein seine Bedenken und seine Besorgnis über den Beginn des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs von seiten der deutschen Regierung am 1. Februar 1917 zum Ausdruck gebracht haben; zum Tenor von Webers Antwort heißt es treffend in einer Anmerkung von Marianne Weber zum Abdruck dieses Briefes in GPS1, S. 466: „Dieser Brief wurde mit der Absicht, zu ermutigen und zu trösten, geschrieben, deshalb der optimistische Ton.“

Heidelberg 10/II Lieber Herr Doktor, –

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1. die Lage hat sich geändert. a) Die Zahl der U-Boote hat sich gegen voriges Frühjahr wohl reichlich verfünffacht,1 so daß die Blockade auch der südeuropäischen Häfen nicht mehr unmöglich war. – b) Rumänien ist unser2 – damals nicht, – wir habena die Truppen gegen Dänemark und Holland frei, um deren Neutralität zu erzwingen. Im a Alternative Lesung: hatten 1 Im Februar 1916 standen 12, im März 1916 20 und im Februar 1917 60 große – für den Atlantikeinsatz bereite – U-Boote (d. h. Boote mit einer Wasserverdrängung von 800 t, einem Aktionsradius von ca. 8000 sm und mit ca. 8 Torpedos bestückt) zur Verfügung; die Angaben für den Februar 1916 nach: Spindler, Arno, Der Handelskrieg mit U-Booten, Bd. 3: Oktober 1915 bis Januar 1917 (Der Krieg zur See 1914 – 1918, hg. vom Marine-Archiv, Teil 6, Bd. 3). – Berlin: E. S. Mittler & Sohn 1934, S. 77. Nach den Ausführungen Eduard v. Capelles vor dem Hauptausschuß des Reichstags vom 28. März 1916 waren damals 20 große U-Boote vorhanden; hier zitiert nach: Der Hauptausschuß des Deutschen Reichstags 1915 – 1918, eingeleitet von Reinhard Schiffers, bearbeitet von dems. und Manfred Koch in Verbindung mit Hans Boldt, Bd. 2: 46. – 117. Sitzung 1916 (Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Erste Reihe, Bd. 9/II). – Düsseldorf: Droste 1981, S. 386 f.; die Angaben für 1917 nach Rohwer, Jürgen, U-Boot-Krieg, in: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, hg. von Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz. – Paderborn: Ferdinand Schöningh 2003, S. 931 – 934, ebd., S. 933. 2 Rumänien, das am 28. August 1916 Österreich-Ungarn den Krieg erklärt hatte, worauf kurz darauf die Kriegserklärungen Deutschlands, der Türkei und Bulgariens gefolgt waren, war in einem mehrmonatigen energischen Bewegungskrieg besiegt bzw. besetzt worden. Am 6. Dezember 1916 war – als Höhepunkt des Feldzugs – die Einnahme der Hauptstadt Bukarest erfolgt; damit befand sich der größte Teil Rumäniens in der Hand der Mittelmächte. Allerdings hatte es einen definitiven Sieg über die rumänische Armee nicht gegeben, da sich deren Reste hinter Sereth zurückziehen und dort gemeinsam mit den Russen die Front stabilisieren konnten.

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Frühjahr hätten sie losgeschlagen, und auch noch im Herbst.3 – c) die pazifistischen Interessen in Amerika sind jetzt weit größer als im Frühjahr v. J. und ebenso ist die damalige „Begeisterung“ für Krieg nicht da.4 Es ist daher möglich (nicht: sicher), daß der Krieg nicht mit dem Volldampf von Amerika geführt wird wie es damals geschehen wäre. – d) die Chance durch die Welt-Mißernte5 ist keine auf die Dauer eindeutige, z. Z. aber günstiger für uns, als man vermuthen konnte. e) unser „Friedensangebot“6 hat ebenfalls etwas im Sinn von No C gewirkt, wenn auch (durch Ungeschick) nicht so wie möglich gewesen wäre[.] 2. Die Chance ist: Italien (cf. Salandra’s Rede jetzt)7 und Frankreich, bei längerer Absperrung. England selbst kann m. E. nicht „ausgehun3 Nach Erich Ludendorff, Meine Kriegserinnerungen 1914 – 1918. – Berlin: Ernst Siegfried Mittler und Sohn 1919, S. 251, hatte die OHL im Herbst 1916 „gewisse Sicherheitsmaßregeln“ gegenüber Dänemark und den Niederlanden getroffen: „Ausbau der Schutzstellungen im nördlichen Schleswig“ sowie an der niederländischen Grenze die Zusammenfassung des Grenzschutzes in Divisionsverbände und dessen Unterstellung unter ein neu errichtetes Generalkommando in Münster. Jedoch konstatierte Ludendorff, ebd., S. 319, daß nach dem Beginn des unbeschränkten U-Boot-Krieges am 1. Februar 1917 „besondere Schutzmaßregeln gegen Holland und Dänemark nicht nötig wurden. Die dafür in Aussicht genommenen Stäbe und Truppen wurden für die Westfront frei.“ 4 Woodrow Wilson hatte seine Präsidentschaftswahlkampagne mit dem Motto „We didn’t go to war“ gewonnen, während seine republikanischen Widersacher Charles Evans Hughes – dieser teilweise – sowie insbesondere Theodore („Teddy“) Roosevelt eindeutig zur Kriegspartei gehört hatten. So stark die pazifistische Strömung in den USA auch gewesen ist – nach der Kriegserklärung am 6. April 1917 gab es landesweit größere Anti-Kriegsdemonstrationen –, so löste insbesondere das Bekanntwerden des Zimmermann-Telegramms im März 1917 einen drastischen Meinungs- und Stimmungsumschwung aus. Im Telegramm des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts, Arthur Zimmermann, an den deutschen Botschafter in Mexiko war von einem Bündnisangebot an Mexiko gegen die USA die Rede gewesen – mit der Zusicherung, sich deutscherseits für den mexikanischen Erwerb von Texas, Arizona und Neumexiko einzusetzen. Bei der Kriegserklärung der USA gegen das Deutsche Reich stimmten im Senat 82 für, 6 gegen den Kriegseintritt, im Repräsentantenhaus war das Verhältnis 373 zu 50; vgl. dazu Boyer, Paul S. u. a., The Enduring Vision. A History of the American People, 3rd ed. – Lexington (Massachusetts) und Toronto: D. C. Heath 1996, S. 745. 5 Die Welternte für Getreide hatte sich im Jahre 1916 drastisch verschlechtert; so waren Weizen- und Roggenernte außerhalb des Bereichs der Mittelmächte im Vergleich zum Vorjahr um ein Viertel gesunken – dies nach dem späteren Bericht des Internationalen Landwirtschaftsinstituts in Rom. Hier zitiert nach der Notiz: Die WeltMißernte, in: FZ, Nr. 102 vom 14. April 1917, 2. Mo.Bl., S. 2. 6 Gemeint ist das deutsche Friedensangebot vom 12. Dezember 1916; zu Webers Beurteilung dieser Offerte vgl. den Brief an Ernst Jaeckh vom 13. Dez. 1916, oben, S. 568 f. 7 Weber bezieht sich vermutlich auf eine eher ephemere Notiz: Salandra als Pazifist, in: Heidelberger Tageblatt, Nr. 33 vom 8. Febr. 1917, S. 2. Laut einer Mitteilung des

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gert“ werden, aber sehr schwer in seiner Dispositionsfreiheit geschädigt werden. Schon jetzt ist die ganze Offensive im Westen in Frage gestellt durch Kohlenmangel (das wirkt jetzt nur verschiebend, auf die Dauer aber sehr hemmend für alle Aktionen). Eine absolute Zwangslage für England tritt nicht ein. Aber ein wirklich großes amerikanisches Heer kostet immense Zeit, und ist nicht zu verpflegen. Die 2 – 300 000 Freiwilligen, die wir bvielleicht gegen unsb bekommen würden,8 sind immerhin schlimm genug. 3. Es war schwer zu umgehen. England wollte den Frieden keinenfalls. Die Lage wurde schwierig. 4. Trotzdem ist es „Va banque“, wenn man will. Es sind einige sehr wichtige Steine für uns im Brett und eine Anzahl mir c ganz unbekannter gegen uns. Die Abschätzung ist sehr schwierig. Gewiß es war Anfang August 14 ähnlich. Auch alsd Italien, auch als Rumänien losschlug. Möglich daß diesmal die Sache schief geht. Nun dann heißt es: „Meinst du, ich soll in die Wüste gehen, weil nicht alle Blüthenträume reiften?“ mit Prometheus.9 Haß der Welt gegen uns ist besser als die bisherige kühle Verachtung, die nicht wiederkommen wird. Hoffentlich finden wir dann die „Distanz“, die uns in der That so fehlt. Man leidet darunter, daß man nicht „dabei“ ist, das ist die Sache. Denn sonst – warum soll der politische Himmel nur uns immer lachen? Ich leide jetzt weniger als all die 25 Jahre, die ich die ekelhafte hysterische Eitelkeit dieses „Monarchen“ Alles verderben sah, was mir heilig und teuer war. Jetzt ist das „Schicksal“ geworden, was vorher menschliche Dummheit verschuldete. Und mit dem „Schicksal“ wird man fertig. Es wird sich auch später lohnen, ein Deutscher und nichts Andres zu sein, auch wenn es übel gehen sollte, – was übrigens doch b wohl > vielleicht gegen uns

c Unsichere Lesung.

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„Avanti“ sei der frühere italienische Ministerpräsident Antonio Salandra „unter die Pazifisten gegangen“, insofern als sich „alle in Bezug auf die Dauer des Krieges“ und die Opfer, die er von allen fordere, „geirrt“ hätten. Deshalb sei es nötig – unter eigener Interessenwahrung – „einen Ausweg“ zu suchen: „Gegen die feindlichen Vorschläge ist Mißtrauen gerechtfertigt. Deshalb brauchen wir aber nicht von vornherein bei einer Verleugnung der Friedensmöglichkeiten zu verharren.“ 8 Gegen Ende des Krieges standen 2 Millionen Amerikaner in Frankreich, davon 1,2 Millionen an der Front; vgl. dazu Boyer (wie Anm. 4), S. 748 und 751. 9 Nicht ganz wörtlich nach Goethes Gedicht „Prometheus“ von 1785: „Wähntest du etwa,/ Ich sollte das Leben hassen,/ In Wüsten fliehen,/ Weil nicht alle/ Blüthenträume reiften?“ Zitiert nach: Goethes Werke, hg. im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen, Bd. 2. – Weimar: Hermann Böhlau 1888, S. 77.

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recht fraglich ist. Das Schlimme ist: diese Verlängerung des Krieges, die die wahrscheinliche Folge ist. Aber: es muß „bestanden“ werden, draußen und folglich erst recht drinnen. Mit besten Grüßen Ihr Max Weber Daß übrigens diese Münchener „Soziologen“ mir nicht einmal, wie verabredet, die Reisekosten schicken, ist stark. Eine schlampige Gesellschaft! „Jahwe“ in diesem Massen-Saal ist mir in schauderhafter Erinnerung.10

10 Weber bezieht sich hier auf seinen Vortrag zum Thema „Die soziologischen Grundlagen der Entwicklung des Judentums“, den er am 24. Januar 1917 vor dem dortigen Sozialwissenschaftlichen Verein gehalten hatte; vgl. dazu MWG I/21, S. 849 – 856.

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Karl Hampe [vor dem 15. Februar 1917]; o.O. Der Brief ist nicht nachgewiesen. Er wird von Karl Hampe in seinem Kriegstagebuch unter dem 15. und 17. Februar 1917 erwähnt. Vgl. Hampe, Karl, Kriegstagebuch 1914– 1919, hg. und eingeleitet von Folker Reichart und Eike Wolgast (Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 63). – München: R. Oldenbourg Verlag 2004, S. 503.

In der Eintragung vom 17. Februar 1917 bemerkt Hampe, Weber habe ihm ausführlich über Schumacher1 geschrieben, dem er einen zu starken Anpassungsdrang an die augenblickliche Aktualität vorwerfe, ohne ihm persönlich damit irgendwie zu nahe treten zu wollen. Er möchte, soweit irgend möglich, den früheren Zustand Belgiens wiederherstellen und glaube, „die lateinischen Formen der sozialen Einrichtungen seien bei den Flamen doch für die Zukunft entscheidender als Sprache etc.“ Die Bedeutung Brüssels schätze er für den Zusammenhalt sehr hoch ein und möchte Flamen und Wallonen „sich auch weiter zerfleischen lassen“. Letzten Endes werde die Zukunftsorientierung Deutschlands gegen Osten oder Westen entscheidend sein. Weber halte nur eine antirussische und darum englandfreundliche Politik für die Zukunft für möglich.

1 Unter Bezugnahme auf die „Schumachersche Denkschrift“. Möglicherweise Hermann Schumachers Memorandum: Der deutsch-belgische Wettbewerb und seine Regelung. Als Handschrift gedruckt. – Leipzig: Poeschl & Tepte 1916; vgl. dazu Wende, Frank, Die belgische Frage in der deutschen Politik des Ersten Weltkrieges (Schriftenreihe zur auswärtigen Politik, hg. von Herbert Krüger, Bd. 7). – Hamburg: Wissenschaftlicher Verlag Eckart Böhme 1969, S. 184.

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Paul Siebeck 20. Februar [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „25.II.17“.

Heidelberg 20/2 Verehrtester Freund! Verzeihen Sie, ich hatte gedacht diese Fragen schon erledigt zu haben. Mir ist da Alles recht, was sich buchhändlerisch, also von Ihrem Standpunkt aus, rechtfertigen läßt. Das Begehren Gottl’s ist an sich nicht unverständlich.1 Läßt sich ihm ohne Schaden entgegenkommen, so soll es mich freuen[.] Es ist ja nicht notwendig Präcedens, denn man kann gegen Andre geltend machen, daß dieser Abschnitt eine „geschlossene“ Einheit bildet und „Lehrbuch“-Charakter besitzt. Er ist übrigens sehr gut gelungen. Nach langem Überlegen über einen Ersatz für Grünberg2 habe ich doch diesem nochmal sehr dringend geschrieben3 und einen letzten Termin, der nun wirklich sicher sei, gefordert. Es ist nämlich nicht leicht, ihn zu ersetzen. Leonhard in München ist doch noch etwas

1 Paul Siebeck hatte Weber am 24. Jan. 1917 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) von dem Wunsch Friedrich v. Gottl-Ottlilienfelds berichtet, eine Separatausgabe seines 1914 erschienenen GdS-Beitrags über „Wirtschaft und Technik“ (GdS, Abt. II, S. 199 – 381) veranstalten zu lassen, der Weber – so Gottl – zugestimmt habe. Da hierauf keine Antwort erfolgt war, bat Siebeck in seinem Schreiben vom 20. Febr. 1917 (ebd.) Weber erneut um eine Stellungnahme. – Zwar war es schon am 30. März 1914 zu einem Verlagsvertrag mit v. Gottl-Ottlilienfeld für eine Separatausgabe seines GdS-Beitrags gekommen, was Weber offensichtlich entfallen war, doch ist diese nie erschienen. 2 Siebeck hatte in seinem Brief vom 24. Jan. 1917 (wie Anm. 1) erneut darum gebeten, einen Ersatz für den immer noch nicht gelieferten GdS-Artikel von Karl Grünberg über „Agrarverfassung“ zu benennen. In einer beigefügten Zusammenstellung hatte Siebeck die verschiedenen Versprechungen und Ausflüchte Grünbergs seit 1914 aufgelistet. Das Problem der Manuskriptablieferung Grünbergs durchzieht den Briefwechsel Webers mit Siebeck von 1914 bis zu Webers Tod. Dies war um so mißlicher, als die übrigen Beiträge über Agrarwesen und Agrargeschichte ohne das Vorliegen dieses zentralen Artikels nicht fertiggedruckt werden konnten. Der Aufsatz von Karl Grünberg ist erst zwei Jahre nach Webers Tod veröffentlicht worden. Er ist erschienen unter dem Titel: Agrarverfassung. I. Begriffliches und Zuständliches, in: GdS, Abt. VII. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1922, S. 131 – 167. 3 Briefe Webers an Karl Grünberg sind nicht nachgewiesen.

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jung,4 Fuchs – kennen Sie ja,5 und immer wieder kommt man auf diese beiden. Und dann würde ja das auch wieder Jahre dauern und man müßte die andren Sachen dieses Abschnitts6 doch vorhera publizieren. Grünberg hat auf meine sehr energische Aufforderung noch nicht geantwortet. Ich habe von „Schadenersatz-Ansprüchen“ gesprochen, die wir riskierten und dann gegen ihn geltend machen müßten. Hoffentlich wirkt es doch. Ginge nur der Krieg zu Ende, daß ich an meinen Grundriß-Band käme!7 Es ist mir Das jetzt einfach nicht möglich innerlich und ich mache daher lieber an diesen Artikeln über Relig[ions-]Soziologie weiter. Aber meine Sehnsucht ist das Andre. Seien Sie unbesorgt wegen der Fertigstellung. Ich habe den Wunsch, das Buch Ihnen, mit Ihrer Erlaubnis, zu widmen,8 und nicht zu spät! Freundschaftliche Grüße Ihr Max Weber Ihren Söhnen geht es doch jetzt durchweg gut?9 Den hiesigen sah ich flüchtig einmal.10

a 4 Gemeint ist der 1879 geborene Münchner Nationalökonom Rudolf Leonhard. 5 Carl Johannes Fuchs, seit 1908 Nationalökonom in Tübingen, war 1897 Nachfolger Max Webers in Freiburg i. Br. geworden und damals einer der Mitherausgeber der bei Paul Siebeck erscheinenden „Volkswirtschaftlichen Abhandlungen der Badischen Hochschulen“ gewesen. 6 Die Artikel des GdS-Abschnitts: „Land- und forstwirtschaftliche Produktion“, lagen – bis auf den Beitrag Grünbergs über „Agrarverfassung“ – alle schon im Satz beim Verlag. Es handelte sich um folgende Beiträge: „Epochen der Agrargeschichte“ – in der „Einteilung des Gesamtwerkes“ von 1914 (MWG II/8, S. 822) irrtümlicherweise „Epochen der Agrarpolitik“ genannt –, „Betriebslehre der kapitalistischen Landwirtschaft“, „Ländliche Bodenpreisbildung“, „Agrarkredit“, „Landwirtschaft und Absatz“ sowie „Forstwesen“. 7 Gemeint ist Webers GdS-Beitrag zu „Wirtschaft und Gesellschaft“. 8 Das Angebot, „Wirtschaft und Gesellschaft“ Paul Siebeck zu widmen, hat dieser am 25. Febr. 1917 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) dankend angenommen; die postume, von Marianne Weber betreute Publikation von „Wirtschaft und Gesellschaft“ ist jedoch Helene Weber gewidmet. 9 Dazu schreibt Paul Siebeck in seiner Antwort vom 25. Febr. 1917 (wie Anm. 8), daß sein ältester Sohn, Oskar Siebeck, „vom Kriegspresseamt unabkömmlich geschrieben“ und „wieder felddienstfähig“ sei. „Der zweite“, Richard Siebeck, „ist von der Heidelberger Klinik reklamiert und der Jüngste,“ d. h. Werner Siebeck, „seit 14 Tagen verheiratet, tut hier seinen Zivildienst.“ 10 Richard Siebeck; vgl. dazu Anm. 9.

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Ich werde jetzt Schumacher wieder mal mahnen.11 Er war bisher ganz und gar politisch beschäftigt (Antwerpen u.s.w.)[,] ist aber jetzt davon frei[.]

11 Ein solcher Brief ist nicht nachgewiesen. Hermann Schumacher war der Bearbeiter des GdS-Abschnitts über „Börsenhandel und Börsenpolitik“. Schon in der Zeit vor Ausbruch des Weltkriegs war es zu erheblichen Verstimmungen zwischen Weber, Siebeck und Schumacher wegen der Nichtablieferung des Manuskripts gekommen. Der Beitrag ist nie erschienen.

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Ludo Moritz Hartmann 22. Februar [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig MWA, BAdW München (Fotokopie des Originals) Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 22/II Lieber Freund, –

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ich habe K[ommerzien-]R[at] Meinla ersucht, wenn die Herren auf mich reflektieren (ich würde jetzt nicht über „Mitteleuropa“ reden, sondern nur über „Amerika“ – „Demokratie und Aristokratie in A[merika]“ –) bis Anfang Mai zu warten (Kohlennoth, Kommunikation, Paß-Besorgung!).1 Das Gleiche schlage ich Ihnen für die Soziologen vor.2 Meine Frau haben Sie durch Ihre schöne Gastfreundschaft sehr erfreut und erquickt,3 sie kam mit gesteigerter Schwärmerei für das von uns Beiden ohnehin sehr geliebte Wien zurück. „Hotel Hartmann“ kann ich nur aufsuchen, wenn ich absolut sicher bin, daß wir „Kriegsküche“ (in der Kriegsküche) essen, denn ich weiß doch, daß auch hier „Gäste“ jetzt eine absolute Unmöglichkeit sind. Und ich verlasse mich auf Ihre Offenheit: ob es wirklich, auch unter diesem unbedingten Vorbehalt, geht, denn ich kann es mir fast nicht denken. Meine Frau grüßt herzlichst 앚:(Sie Beide!):앚,4 ebenso Ihr freundschaflich ergebenster Max Weber

a O: Meinel 1 Zu dem Weber von Julius Meinl angebotenen Vortrag in der „Politischen Gesellschaft“, der nicht zustande gekommen ist, vgl. den Brief an Hartmann vom 24. Jan. 1917, oben, S. 588 f., Anm. 5 und 6. 2 Zum Vortrag über Probleme der Staatssoziologie in der Wiener „Soziologischen Gesellschaft“, der letztendlich am 25. Oktober 1917 gehalten wurde, vgl. den Brief an Hartmann vom 24. Jan. 1917, oben, S. 588 f., Anm. 5. 3 Marianne Weber war Mitte Februar wegen eines Vortrags in Wien gewesen. 4 Ludo Moritz und Margarethe Hartmann.

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Redaktion der Frankfurter Zeitung 19. März 1917; Heidelberg Brief; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen von Max Weber Privatbesitz Auf die Annotierung der Unterstreichungen ist verzichtet worden; sie stammen ausnahmslos von Max Weber.

Heidelberg, den 19. März 1917. Sehr geehrte Redaktion! Es dürfte sich empfehlen, bei einem etwaigen Abdruck der Zuschrift betr. das Wahlrecht1 auch die zum Hilfsdienst herangezogene Bevölkerung, welche ja in ähnlicher Lage ist, wie die Leute draußen an der Front, nicht zu übergehen. Mithin wäre in dem provisorisch formulierten Gesetzesvorschlag als weiterer Satz einzufügen: a„Das Gleiche gilt für diejenigen, welche auf Grund gesetzlicher Bestimmungen zumb Hilfsdienst herangezogenc worden sind.“a 2 Ebenso wäre 앚:dann:앚 am Schluß, also in dem letzten Satz des jetzigen vorletzten Absatzes hinter dem Passus „das Heer, welches die Schlachten schlägt u.s.w.“ einzufügen: d„unde die Arbeitsarmee, welche den Kriegern draußen den Kampf ermöglicht.“d 3

a Anführungszeichen eigenhändig. b für den > zum c d Anführungszeichen eigenhändig. e Und > und 1 Es handelt sich um das Manuskript zu dem Artikel Max Webers: Ein Wahlrechtsnotgesetz des Reichs. Das Recht der heimkehrenden Krieger, erschienen in: FZ, Nr. 86 vom 28. März 1917, 1. Mo.Bl., S. 2 (MWG I/15, S. 215 – 221). Die von Weber im folgenden vorgeschlagenen Ergänzungen sind nicht berücksichtigt worden. 2 Der Gesetzesvorschlag, dem die Ergänzung angefügt werden sollte, lautete: „Wer während des Krieges zum Heeresdienst eingezogen gewesen und im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte ist, erlangt mit Erreichung der Großjährigkeit dauernd das Wahlrecht für jede in dem Bundesstaat seiner Staatsangehörigkeit bestehende, aus allgemeinen Wahlen hervorgehende gesetzgebende Körperschaft am Orte seines letzten Wohnsitzes in diesem Staat, und zwar, falls das Wahlrecht dort ein abgestuftes ist, in der bevorzugten Klasse oder Art “ (MWG I/15, S. 217 f.). 3 Der Passus, in dem der Zusatz eingefügt werden sollte, lautet: „Das Heer, das die Schlachten schlug, soll auch die entscheidende Stimme beim Neubau des Vaterlandes nach dem Kriege haben“ (MWG I/15, S. 221).

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Ich glaube, daß durch diese Änderungenf manche naheliegenden Bedenken beseitigt werden. Der Zweck des Ganzen ist ja ausschließlich,g durch eine in diesem Fall als unbedingt loyal zu bezeichnende h„demagogische Formel“ h den Kampf gegen das Preuß[ische] Wahlrecht 앚:schon jetzt:앚 in ein akutes Stadium zu bringen. Es ist nicht einzusehen, warum nicht die bürgerliche Presse oder die bürgerliche Linke im Parlament die Initiative dazu ergreifen soll. Nach dem Verlauf der Ereignisse in Rußland ist mit Sicherheit auf ein Schärferwerden der Tonart bei den Sozialdemokraten zu rechnen.i Die Stimmung 앚:grade der „alten Landsturmleute“:앚 ist entsprechend, wenigstens soweit ich nach Äußerungen aus der Bevölkerung urteilen kann. Natürlich aber muß ich Ihren eigenen ohne Zweifel besseren Informationen es überlassen, ob Sie trotzdem den Vorschlag zu bringen für inopportun halten. Mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst kProf. Max Weberk

f Änderung > Änderungen g Komma eigenhändig. h Anführungszeichen eigenhändig. i schließen. > rechnen. k Unterzeichnung eigenhändig.

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25. März 1917

Paul Siebeck 25. März [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „8.IV.17.“

Heidelberg 25/III Verehrtester Freund! Vielen Dank für Ihren Brief vom 25/2.1 Grünberg antwortete noch nicht, ich werde jetzt Entweder – Oder sagen, da das ja Ihrer Ansicht entspricht und ich auch keinen Ausweg sehe.2 Schumacher ist im Preuß[ischen] Finanzministerium (Steuerreform), „kann“ deshalb jetzt nicht. Da ist also für jetzt nichts zu wollen.3 Philippovich – unter uns! – war[,] als ich Mai 16 in Wien war, in schlimmem geistigem Zustand, erkannte mich nicht, machte Konfusionen aller Art in der Fakultät und sonst, – kurz es stand sehr übel und mir wurde kürzlich gesagt: die Sache gehe nach wie vor recht schlecht, es sei keine Aussicht auf Besserung. Ich teile das, da Siea den Namen erwähnen,b vertraulich mit.4 Mir thut das recht sehr leid, denn er war

a O: sie

b

1 Brief Paul Siebecks vom 25. Febr. 1917 (VA Mohr/ Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446). 2 Es geht hierbei um das Problem der Ablieferung von Karl Grünbergs GdS-Manuskript über „Agrarverfassung“; vgl. dazu den Brief an Paul Siebeck vom 20. Febr. 1917, oben, S. 598, Anm. 2. 3 Hermann Schumacher war der Bearbeiter des GdS-Abschnitts über „Börsenhandel und Börsenpolitik“; zu den Problemen wegen der Manuskriptablieferung seines Beitrags vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 20. Febr. 1917, oben, S. 600, Anm. 11. Zu Hermann Schumacher konstatiert Paul Siebeck äußerst kritisch in seiner Antwort vom 10. April 1917 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446): „Von Schumacher ist sicher nichts zu bekommen. Er hat – unter uns – ein Verlegerconsortium, das ihm die Redaktion eines großen Werkes über den Krieg anvertraut hatte, total sitzen lassen, sodaß uns schließlich nichts anderes übrig blieb, als auf ihn nicht weiter zu reflektieren und einen anderen Herausgeber zu suchen. Ich habe mit meiner Prognose, daß es so kommen werde, innerhalb des Consortiums leider gänzlich Recht behalten.“ 4 Paul Siebeck hatte in seinem Schreiben vom 25. Febr. 1917 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) Weber davon berichtet, daß Eugen v. Philippovich – nach einer brieflichen Mitteilung – in die Redaktion des Handwörterbuchs der Staatswissenschaften eingetreten sei.

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und ist ein Gentleman. Also das ist kein Grund (cmit demc Hand[-] W[örter-]B[uch]).5 Aber dennoch haben Sie recht. Nur: grade die Haupt-Personen: Gutmann vor Allem,6 sind nicht im Stande! Was hätten Sie denn grade jetzt von den andren Sachen besonders gern?7 Mit freundschaftlichen Empfehlungen Ihr Max Weber

c Alternative Lesung: weil eben 5 Im Anschluß an die Mitteilung über v. Philippovich in seinem Brief vom 25. Febr. 1917 (wie Anm. 4) hatte Siebeck Weber vorgeschlagen, sie sollten sich bei den GdSMitarbeitern in Erinnerung bringen, damit sie nicht Handbuchartikel schrieben, „bevor sie die Verträge mit uns erfüllen. Der neuen Auflage des Hdw. sollten wir möglichst zuvorkommen.“ 6 Franz Gutmann war der GdS-Bearbeiter des Abschnitts: „Geld und Kredit; Kapitalmarkt; Notenbanken“. Die Arbeit an diesem Artikel konnte er wegen seines Fronteinsatzes nicht fortsetzen. Der Beitrag ist nicht erschienen. 7 In seiner Antwort vom 10. April 1917 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) nannte Paul Siebeck in seiner Wunschliste an erster Stelle den Beitrag von Weber selbst, wobei er aber zugleich anmerkte, daß ja „daran nicht zu denken“ sei. Als weiteres Desiderat verwies er auf den GdS-Abschnitt über „Transportwesen“, dies um so mehr, als Walther Lotz, der sein Manuskript zur „Preisbildung des Transportwesens“ schon längst abgeliefert habe, „sehr ungehalten“ sei, daß die Abteilung immer noch nicht erscheine. „Ich fürchte aber, daß auch Wiedenfeld durch den Krieg in Anspruch genommen ist.“ Kurt Wiedenfeld, neben Lotz der andere Beiträger zu dieser Thematik, hatte zwar einen Teil seines Manuskripts über „Transportwesen“ schon im ersten Halbjahr 1914 an den Verlag geschickt, doch wurde die Drucklegung durch den Krieg unterbrochen. Wiedenfelds Artikel ist der letzte Beitrag, der im GdS erschienen ist: Wiedenfeld, Kurt, Transportwesen, ebd., Abt. V, Teil 3. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1930. Die Arbeit von Walther Lotz, obgleich im Satz vorliegend, ist nie zur Veröffentlichung gelangt.

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Verlag J. C. B. Mohr 5. April PSt 1917; Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Die Karte steht in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Webers Artikelserie über „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69.

Heidelberg 5/IV Herr J C B Mohr’s Verlag Archiv f. Sozialwissenschaft. Inhalts-Übersicht des nächsten Hefts: die „Wirtschafts-Ethik der Weltreligionen“ von Max Weber Untertitel: „Das Judentum“.1 (auf Anfrage und Veranlassung von Dr Lederer mitgeteilt) Hochachtungsvoll Prof. Max Weber

1 Es geht hierbei um den Artikel: Weber, Max, Antikes Judentum I.

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Redaktion der Frankfurter Zeitung 12. April [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 12/4 Sehr geehrte Redaktion!

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Erst nachträglich finde ich in dem Kouvert Ihren gefl. Brief vom 10.IV., welcher dem zurückgesendeten Mscr. des Artikels über Rußland beilag.1 Darnach bitte ich, von der Veröffentlichung abzusehen, wie sich von selbst versteht. Dankbar wäre ich für Rücksendung des Mscr. – Wenn Sie einen kurzen Artikel über Preußens staatsrechtliche Stellung im Reich brauchen können, so kann ich ihn umgehend liefern.2 Mein Onkel Jolly hat die Konventionen und Verträge mit Preußen s. Z. geschlossen3 und ich kann schon einigermaßen klar machen, warum es eine Dreistigkeit ist, zu sagen: das Wahlrecht in Pr[eußen] „gehe uns“ (Badener) „nichts an“.4 Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber Ich bedaure sehr, den Brief s. Z. übersehen zu haben. 1 Das von der Frankfurter Zeitung abgelehnte Manuskript zu dem Artikel über Rußland ist nicht erhalten. 2 Der Artikel ist in der Frankfurter Zeitung nicht erschienen. 3 Julius Jolly war von 1868 bis 1876 badischer Ministerpräsident. In seine Regierungszeit fallen der Bundesvertrag zwischen dem Norddeutschen Bund, Baden und Hessen „über Gründung des Deutschen Bundes“ vom 15. November 1870 sowie die Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bund und Baden vom 25. November 1870; Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2: Deutsche Verfassungsdokumente 1851 – 1918, hg. von Ernst Rudolf Huber. – Stuttgart: W. Kohlhammer 1964, Nr. 198 (Bundesvertrag), S. 258 – 260, sowie Nr. 199 (Militärkonvention), S. 261 – 264. 4 Der Urheber dieses Zitats ist nicht nachgewiesen; vgl. dazu jedoch eine zeitlich etwas später erfolgte, inhaltlich ähnliche Äußerung des badischen Ministerpräsidenten, Alexander v. Dusch, in der zweiten badischen Kammer: „Der Kern der Osterbotschaft beziehe sich auf die preußische Wahlrechtsfrage. Für Baden bestehe für eine Neuorientierung auf dem Gebiete der Verfassung keine Veranlassung und er könne auch seiner Freude Ausdruck geben, daß die Mehrheit der Zweiten Kammer diese Auffassung teile.“ Zitiert nach dem Bericht: Politische Fragen in der Budgetkommission der Zweiten Kammer, in: Heidelberger Zeitung, Nr. 102 vom 2. Mai 1917, S. 3.

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Friedrich Naumann 12. April [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig BA Berlin, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 106, Bl. 46 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 12/IV. Lieber Freund, – 1. die Rede Scheidemanns hier (die Annexion von Elsaß-Lothr[ingen] sei ein „Fehler“ gewesen)1 hat hier den Alldeutschen vollständig Oberwasser gegeben, wir sind völlig machtlos gegen die seitdem mit großen Mitteln begonnene Agitation. Die Bemerkung war ein entschiedener Mißgriff. Jeder weiß hier, von 1870 und vorher, welche Bedrohung der französische Besitz des Elsaß bedeutet hat. „Gleich1 Gemeint ist eine Rede, die Philipp Scheidemann am 28. Januar 1917 in Heidelberg über das Thema „Das deutsche Volk im Kriege“ gehalten hatte. Scheidemanns Äußerungen über Elsaß-Lothringen wurden in den örtlichen Zeitungen verschieden wiedergegeben. Im Heidelberger Tageblatt, Nr. 24 vom 29. Jan. 1917, S. 3, unter dem Titel: Das deutsche Volk im Kriege, finden wir die Bemerkung, daß nach Scheidemann das Bündnis zwischen „der demokratischen Republik Frankreichs und dem zaristischen Rußland“ „nur möglich“ gewesen sei „auf Grund der Annexion Elsaß-Lothringens, dessen Abtretung für Frankreich unerträglich war. Sie gab der ganzen französischen Politik die Richtung, wodurch alle kulturellen und sozialen Aufgaben vernachlässigt wurden. Jede Eroberungspolitik führt zu neuen Kriegen.“ In den Heidelberger Neuesten Nachrichten, Nr. 24 vom 29. Jan. 1917, S. 1 f., unter dem Titel: Das deutsche Volk und der Krieg. Reichstagsabgeordneter Scheidemann in Heidelberg, heißt es: „Das französisch-russische Bündnis sei die Frucht der Eroberung Elsaß-Lothringens. Aber Elsaß-Lothingen ist deutsches Land, 87 Prozent der Bevölkerung sprechen deutsch! Vierzig Jahre lang hat Frankreich an nichts als an seine Revanche gedacht, die Sozialpolitik, die Entwicklung seiner Schulen und die Arbeiterschutzgesetze dabei von Grund aus vernachlässigt.“ Im Kommentar: Zu der Rede Scheidemanns, in: Heidelberger Tageblatt, Nr. 25 vom 30. Jan. 1917, S. 2, heißt es polemisch: „Es ist [...] gefährlich, mit einer Logik zu arbeiten, nach der wir durch die Annexion von Elsaß-Lothringen die Schuld an diesem Kriege tragen. Scheidemann hat diese Behauptung wohl nicht folgerichtig bis zum Ende durchgedacht; denn sie führt auf eine sehr schiefe Bahn. Obgleich Elsaß-Lothringen altes deutsches Land ist, führte Scheidemann aus, haben wir durch seine Zurückbehaltung 1871 den Grund zum jetzigen Weltkrieg gelegt, denn zu derselben Stunde begann in Frankreich der Ruf nach Revanche. Wir sind dadurch schuld daran, daß Frankreich seitdem seine kulturellen Aufgaben (Schule) und seine sozialen Pflichten vernachlässigt hat, nur um zu rüsten, nur um Elsaß-Lothringen zurückzugewinnen. Auf solche Weise läßt sich alles bei unseren Gegnern entschuldigen und alle Schuld dem Michel aufbürden. Wie kann man nach dieser Logik jemals rechtmäßiges Eigentum von einem Räuber zurückverlangen, ohne in ihm das Gefühl der Rache zu wecken?“

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stellung“ der Elsässer im Reich – aber um Gottes willen nichts Weiteres! – darf, falls er nach Stockholm2 geht, als „proletarisches“ Ziel hingestellt werden, oder der Krieg geht weiter. 2. Miljukov ist bekanntlich seit Juli 1914 mit Nikolaj Nikolajewitsch im festen Einverständnis (der „Rjetsch“3 fiel damals urplötzlich 3 Tage nach der bekannten Unterredung beider mit einander um).4 Kerenski duldet die Kriegsmanifeste M[iljukov]’s5 und giebt seiner-

2 Nach dem Vorschlag der niederländischen Sozialisten, dem sich die skandinavischen anschlossen, war ursprünglich im Mai 1917 in Stockholm eine Zusammenkunft der sozialistischen Internationale geplant, auf der über Friedensfragen beraten werden sollte. Nach der Verschiebung der Gesamtkonferenz wurden auf französischen Vorschlag hin diverse Vorbesprechungen in Stockholm mit den einzelnen Ländervertretungen abgehalten. Die Gespräche des niederländisch-skandinavischen Komitees mit der deutschen Delegation fanden am 4. – 13. Juni in Stockholm statt. Die Vollkonferenz, mehrfach verschoben, ist nicht zustande gekommen, u. a. weil den sozialistischen Vertretern aus den alliierten Staaten die Ausstellung der Pässe zur Fahrt nach Stockholm verweigert wurde. 3 Gemeint ist die von Pavel N. Miljukov (vgl. Anm. 4) herausgegebene liberale Zeitung „Recˇ “. 4 Das Gespräch zwischen Pavel N. Miljukov, einem der Führer der liberal-bürgerlichen „Konstitutionellen Demokraten“ („Kadetten“), und dem russischen Großfürsten und Oberbefehlshaber des russischen Heeres, Nikolaj Nikolaevicˇ , wird erwähnt bei: Haller, Johannes, Die russische Gefahr im deutschen Hause (Die russische Gefahr. Beiträge und Urkunden zur Zeitgeschichte, hg. von Paul Rohrbach, Bd. 6). – Stuttgart: J. Engelshorn Nachf. 1917, S. 80, Anm. 1. Weber zitiert diesen Nachweis in seinem später erschienenen Artikel: Rußlands Übergang zur Scheindemokratie, in: Die Hilfe, Nr. 17 vom 26. April 1917, S. 272 – 279 (MWG I/15, S. 236 – 260, ebd., S. 242). 5 Weber bezieht sich vor allem auf ein Interview des russischen Außenministers vom 5. April (23. März) 1917, wiedergegeben unter dem Titel: Miljukow über die Kriegsziele, in: FZ, Nr. 98 vom 10. April 1917, Mo.Bl., S. 1 f., sowie auf dessen Zirkulartelegramm an die diplomatischen Vertreter Rußlands im Ausland vom 17. (4.) März 1917, veröffentlicht unter dem Titel: Die russische Revolution. Eine Kundgebung Miljukovs, in: FZ, Nr. 77 vom 19. März 1917, Ab.Bl., S. 1. Vgl. dazu MWG I/15, S. 238, Anm. 1. Diese Zirkulardepesche hatte – so Schulthess 1917, Teil 2, S. 665 – in französischen und italienischen Zeitungen eine andere, aggressivere Textgestalt als die in den neutralen Ländern erschienene: „Rußland hat den Krieg […] nicht gewollt. Aber das Opfer eines vorbedachten und von langer Hand vorbereiteten Angriffs, wird Rußland fortfahren, wie früher gegen den Eroberungsgeist einer räuberischen Rasse zu kämpfen, welche sich einbildet, eine unerträgliche Hegemonie über ihre Nachbarn aufrichten zu können und dem Europa des 20. Jahrhunderts die Schmach des preuß[ischen] Militarismus aufzuerlegen. Treu dem Vertrag, welcher Rußland unlöslich mit seinen ruhmvollen Verbündeten einigt, ist Rußland gleich ihnen entschlossen, der Welt um jeden Preis eine Völkerfriedensära auf Grundlage einer stabilen nationalen Organisation, welche die Achtung des Rechts und der Gerechtigkeit gewährleistet, zu sichern. Rußland wird an ihrer Seite den gemeinsamen Feind bis ans Ende ohne Pause und Schwäche bekämpfen.“ Eine weitere einschlägige – allerdings eher apokryphe Nachricht – über eine Erklärung des Außenministers vom 26. (13.) März 1917 findet sich als

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seits abweichende Erklärungen ab. Tscheidse6 widerspricht sich fortwährend. Die jetzige Regierung braucht englischen Credit – sonst kann sie nicht regieren – und ferner: daß die Bauern nicht heimkommen, sondern im Schützengraben liegen. Das erklärt dies üble Doppelspiel. Also: große Vorsicht ist nötig. 3. Unbedingt glauben müssen die Russen a) an unsre militärische Überlegenheit, – b) daran, daß nach Juli d. J. alle Nahrungsnot zu Ende ist (durch Rumänien). Sonst ist kein Friede zu haben, auch von Tscheidse nicht. 4. Programm unsrerseits könnte nur sein: a) „keine Eroberungen“ für uns (= keine Annexionen) b) Polen „wiederhergestellt“ wie 1815,7 aber „selbständig“, garantiert neutral. c) Balkan: Friede von S. Stefano 8 maßgebend für Grenze zwischen Bulgarien und Serbien mit Modifikationen gemäß Dem, was Bulgarien jetzt der Türkei und Griechenland lassen muß, also: Kompensationen für Bulgarien.

Notiz: Miljukows Kriegsziele, in: FZ, Nr. 85 vom 27. März 1917, 2. Mo.Bl., S. 2, mit den Forderungen: „Besitz von Konstantinopel“, „Befreiung der unterdrückten Nationalitäten Österreich-Ungarns“ , Errichtung eines südslawischen Reiches und Stärkung Serbiens – und dem Fazit: „Diese Kriegsziele verlangen einen vollständigen Sieg.“ 6 Der Menschewist Nikolaj S. Cˇcheidze, Vorsitzender des Petersburger (Petrograder) Sowjets, Urheber und Propagator der Formel „ohne Annexionen und Reparationen“, hatte während der Diskussion um das Manifest „an die Proletarier und Werktätigen aller Länder“ am 27. (14.) März 1917 vor dem Arbeiter- und Soldatenrat die Formel geprägt: „Der Wahlspruch der Revolution ist ,Nieder mit Wilhelm!‘“ – Izvestija, Nr. 16 vom 29. (16.) März 1917, S. 4. Vgl. dazu auch den Artikel: Rußland und die deutsche Demokratie, in: FZ, Nr. 93 vom 4. April 1917, 1. Mo.Bl., S. 1. Darin wurden französische Blätter zitiert, nach denen Cˇcheidze gesagt haben soll, „das russische Proletariat könne erst nach Absetzung der Hohenzollern mit Deutschland gehen.“ Diese angeblichen Äußerungen Cˇcheidzes veranlaßten den „Vorwärts“ zu einer kritischen Stellungnahme, derzufolge die Frage der Regierungsform in Deutschland eine interne Angelegenheit einzig und allein der deutschen Gesellschaft sei. Die Ausführungen des „Vorwärts“ waren dabei von der „Frankfurter Zeitung“ in dem Artikel in extenso wiedergegeben worden. 7 Gemäß den Bestimmungen des Wiener Kongresses wurde das ehemalige Herzogtum Warschau, um andere Gebiete vergrößert, als Königreich Polen in Personalunion mit Rußland vereinigt (Kongreßpolen). 8 Nach dem Frieden von San Stefano vom 3. März 1878 sollte Bulgarien als autonomes, jedoch der Türkei tributpflichtiges Fürstentum um Ostrumelien und Mazedonien vergrößert werden; auf dem Berliner Kongreß vom 13. Juni bis 13. Juli 1878 waren diese in Aussicht gestellten territorialen Vergrößerungen Bulgariens annulliert worden.

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d) Dardanellendurchfahrt für Rußland und Integrität der Türkei mit Autonomie Armeniens, aber unter türkischer Militärhoheit. Das ist das absolute Minimum. Polens Ost- und Nordost-Grenze nach den polnischen Ansprüchen festzustellen! Jeder russische, auch sozialdemokratische, Intellektuelle, der in die Macht kommt, wird nicht nur „national“, sondern „nationalistisch“. Große Vorsicht ist nötig. Denn wenn die Bauern erst heimkehren, beginnt die Reaktion (zuerst in sehr radikalen Formen, als Forderung der Landenteignung und -Zuteilung)a. Diese ist technisch unmöglich ohne die schärfsten Interessenkonflikte unter den Bauern (regionale Gruppen!), die nicht ohne „Diktatur“ zu lösen sind. So oder so kommt, da das Proletariat zu schwach und die Besitzenden alle (auch die „Kadetten“) daran interessiert sind, Herstellung einer Monarchengewalt und damit die alte Lage, nur mit einem stärkeren Rußland. Dagegen giebt es absolut kein Mittel. Ich weiß nicht, ob Scheidemann das deutlich genug sieht. Herzliche Grüße Ihr Max Weber

a Klammer fehlt in O.

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Helene Weber 12. April [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 271 Die Jahresangabe ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen: der „dritte Kriegsgeburtstag“.

Heidelberg 12/IV Meine liebe Mutter! Der dritte Kriegsgeburtstag!1 – aber diesmal blickst Du nicht auf ein Jahr zurück, welches Dir Verluste der Dir Nächststehenden gebracht hat[,]2 und man darf hoffen, daß sie Dir auch im kommenden Jahr erspart bleiben. Wir freuen uns, daß Conrad3 grade jetzt daheim ist und doch jedenfalls erst wieder hinauskommt, wenn die ersten unvermeidlich verlustreichen Stöße vorüber sind. Möge ihn dann sein Stern auch weiter behüten. Und ebenso Artur, von dem wir seit länger nichts gehört haben, wo er jetzt arbeitet. Was Dir nun das kommende Jahr bringen mag? Clara wird Dir das alte Häuschen zum Empfang4 behaglich hergerichtet haben und vielleicht macht Dir das den Entschluß wieder schwerer, es aufzugeben.5 Nun, Du mußt das einrichten, wie es Dir zusagt, – was dafür und dagegen spricht, ist ja nun eingehend besprochen. Hier geht es gut. Lili ist jetzt vorläufig wirklich in ganz andrer Verfassung als im Winter,6 vielleicht eher etwas zu lebendig. Aber wenn erst die beiden Jungens7 fort sind, vereinfacht sich ihr Leben so, daß man das Beste hoffen darf. Gestern machte ich mit den beiden Älte1 Helene Weber hatte am 15. April Geburtstag. 2 1914 war der Schwiegersohn Hermann Schäfer, 1915 ihr Sohn Karl Weber gefallen. 3 Konrad Mommsen, der Sohn von Ernst und Clara Mommsen, der am 21. April wieder an die Front mußte. Brief von Helene Weber an Max Weber vom 21. April 1917 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). 4 Helene Weber war erst kurz zuvor von Heidelberg, wo sie vom 1. Januar 1917 an war, nach Charlottenburg zurückgekehrt. 5 Helene Weber trug sich seit längerem mit dem Gedanken, ihr Haus in der Marchstraße 7 F in Charlottenburg zu verkaufen. Vgl. die Briefe an Helene Weber vom 3. und 5. Sept. 1916, oben, S. 522 und 527, und an Marianne Weber vom 14. Sept. und 28. Nov. 1916, oben, S. 540 und 560. 6 Lili Schäfer war nicht sehr belastungsfähig. Vgl. dazu den Brief an Lisa v. Ubisch vom 1. Jan. 1917, oben, S. 579 – 582. 7 Max und Hermann Schäfer.

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sten8 einmal einen großen Spaziergang. Sie haben mir beide wieder recht gut gefallen. Es fehlt nur die Entschlußfähigkeit und Lebensangepaßtheit, die Clara’s Kinder haben und weshalb man sich für deren Zukunft weniger Kopfzerbrechen macht als für dieses eigentümlich träumerische und dabei schwer disziplinierbare Völkchen. Den Kleinsten,9 der wirklich jetzt sehr anziehend ist (die ganze Gesellschaft war Ostern den Vormittag über hier im Garten) und auch wirklich gut begabt, wird Lili wohl sehr schmerzlich vermissen; aber er ist recht strapazant, das merkt man schon nach kurzer Zeit, und es ist besser so. – Martha R[iegel]10 war sehr müde und es kommt jetzt die tiefe Abspannung nach der Übererregung der letzten Jahre nach, sie spricht immer von „Gehirnschwund“ und dergl., wo es sich ja schließlich nur um nervöse Geschichten handelt, denn sie ist sonst ja sehr gesund. Etwas mehr ins Leben findet sie sich wohl zurück, das merkte man. Irre ich nicht, so müssen jetzt Clara’s beide Mädels11 schon auf der Abreise sein oder dicht davor. Du wirst sie sehr vermissen und mir thut es leid, keine von ihnen hier zu sehen – jetzt freilich, ohne alle Kohlen wie wir nun sind, wäre es doch nicht gegangen. Aber der unglaublich späte Vorfrühling wenigstens ist endlich gekommen, ganz feine bräunliche und grünliche Farben stellen sich ein trotz noch immer starker Kühle. Wenn wir nur erst über den Juli hinaus wären, dann geht es ja wieder ordentlicher mit der Ernährung. Vor der Zeit bis dahin freilich graust mir! Die Artikel der „Fr[an]kf[urter] Zeitung“12 werde ich suchen zu besorgen. Nun laß Dir Alles Herzliche zum neuen Lebensjahr wünschen. Ich hoffe, schon beim nächsten Wiedersehen athmet man freier, die Dinge im Osten wenigstens sehen danach aus. In der Beklemmtheit der letzten Monate war mir für alle persönlichen Dinge und Gespräche der 8 Clara und Albert Schäfer. 9 Hermann Schäfer befand sich bei der Familie von Horn, Freunden der Oerlinghäuser Verwandten Müller, in Schloß Holte bei Oerlinghausen. 10 Martha Riegel verbrachte ihre Osterferien in Heidelberg. 11 Helene und Clara Mommsen, die Töchter von Clara und Ernst Mommsen. 12 Gemeint sind folgende Artikel von Max Weber: Deutschlands äußere und Preußens innere Politik. I. Die Polenpolitik, in: FZ, Nr. 55 vom 25. Febr. 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 f. (MWG I/15, S. 195 – 203); Deutschlands äußere und Preußens innere Politik. II. Die Nobilitierung der Kriegsgewinne, in: FZ, Nr. 59 vom 1. März 1917, 1. Mo.Bl., S. 1f. (MWG I/15, S. 204 – 214); Ein Wahlrechtsnotgesetz des Reiches. Das Recht der heimkehrenden Krieger, in: FZ, Nr. 86 vom 28. März 1917, 1. Mo.Bl., S. 2 (MWG I/15, S. 215 – 221).

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Mund wie zugemauert, – Du wirst weniger als nichts von dem Beisammensein mit mir13 gehabt haben, das lag in diesen Verhältnissen. Auch Conrad M[ommsen] sen.14 viele Grüße und Wünsche. Hätten wir den U-Boot-Krieg vor einem Jahr gemacht, so stünde jetzt das amerikanische Heer im Westen gegen uns! Gott sei Dank, daß es unterblieb! Tausend herzliche Grüße Dein Max

13 Helene Weber war von Anfang Januar bis Anfang April 1917 in Heidelberg. 14 Konrad Mommsen, ein Bruder von Ernst Mommsen, war Marineoffizier.

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Friedrich Naumann 14. April [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig BA Berlin, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 106, Bl. 45 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

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falls der Herr Abg[eordnete] Scheidemann zu seiner Fahrt nach Kopenhagen (oder Stockholm)1 zu jener Konferenz einen Russen nötig hat, welcher 1) Russisch und Deutsch gleich perfekt spricht, – 2) russischer Sozialdemokrat ist, – 3) zuverlässig deutschfreundlich (und pazifistisch) ist, – Deutschfreundlichkeit ist ein sehr seltener Artikel bei allen Russen aller Parteien – dann würde ich versuchen, umgehend Herrn Dr Gutermann,2 z. Z. hier (russischer Jude), seit Jahren in Deutschland, in Rappenau interniert gewesen, zur Herausgabe des Nachlasses eines hiesigen Kollegen von mir hierher entlassen, zum Mitgehen zu veranlassen. Freilich müßte das Ausw[ärtige] Amt die Ausstellung des Passes veranlassen mit entsprechender Beschleunigung. Dr G[utermann] steht unter der für Ausländer üblichen Aufsicht des hiesigen Bezirksamtes. Von Nutzen könnte er sein: als Dolmetsch und Informator, auch der Russen, die dorthin kommen und denen er als „voll“ gelten würde, insbesondre über die militärische Stärke und unsren Willen zum Durchhalten, auch darüber, daß, wenn die Deutsche Soz[ial-]Demokratie einen schlechten Frieden schließt, wir die Reaktion der Alldeutschen nach dem Krieg haben und sie jeden Einfluß verliert. Das weiß er sehr gut (er verkehrt in unsrem Kreise) und kann Tscheidse3 (oder wer kommt) genügend aufklären. Sein „Pazifismus“ stört da nicht.

1 Zur vorgesehenen Konferenz der sozialistischen Internationale in Stockholm vgl. den Brief an Naumann vom 12. April 1917, oben, S. 609, Anm. 2. 2 Einzelheiten über die Tätigkeiten Abraham Gutermanns, eines Schülers von Gustav Radbruch, ließen sich weder aus den Beständen des UA Heidelberg noch denen des GLA Karlsruhe ermitteln. ˇ cheidze war Vorsitzender des Petersburger Sowjets. 3 Der Menschewist Nikolaj S. C

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Für sein Zurückkommen verbürge ich mich, er hat zwingende Gründe, hier zu sein. Absolute Verschwiegenheit (wegen des Ausw[ärtigen] Amtes) kann garantiert werden. Die Kosten der Reise 앚:des Herrn G[utermann]:앚 würde bis zu 1000 Mk. ich bezahlen 앚:(Er ist übrigens nicht ganz unbemittelt).:앚 Alles wenn Herr Scheidemann das Mitgehen dieses ganz zuverlässigen Mannes nützlich findet oder so etwas wünscht und nötig hat, – was ich ja nicht wissen kann. Es hängt doch viel daran, daß die Russen, die kommen, den richtigen Eindruck bekommen, daß wir nicht um Frieden zu bitten genötigt sind. Alldeutsche Einflüsse steigen hier. Herzliche Grüße Ihr Max Weber

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Ludo Moritz Hartmann 20. April [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 15, Bl. 5 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 20/4 Lieber Freund, –

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ich kann die Sache jetzt einfach pekuniär nicht machen, um ganz aufrichtig zu sein.1 Ein Wiener Aufenthalt kostet viel Geld, wir haben 앚:derzeit:앚 Alles in Kriegsanleihe festgelegt und müssen meiner kriegsverwittweten Schwester für ihre Kinder zuschießen.2 앚:Zur Zeit ist also tiefstea „Ebbe“.:앚 Die „politische Gesellschaft“ hat offenbar jetzt keinen Bedarf,3 es ist mir eigentlich recht peinlich, daß Meinl – den ich für den 앚:beauftragten:앚 Vorsitzenden hielt – mich 앚:durch seine Aufforderung:앚 in die Lage gebracht hat, mich da in 앚:meinem Antwortbrief an ihn:앚4 so zu sagen „anzubieten“, denn darauf kommt nun die Sache praktisch hinaus (Antwort 앚:der Gesellschaft:앚 erhielt ich bnatürlich garb nicht: dies nur für Sie bitte!). Und für die „Soziol[ogische] Ges[ellschaft]“ ist cübrigens auchc die Zahlung dieser Reise eine ganz unverhältnismäßige Ausgabe.5 Also lassen wir es, ich besuche Sie hoffe ich gegen den Herbst einmal. Hoffentlich haben wir dann Aussicht auf einen guten Frieden, ich denke es jetzt eigentlich, trotz allen Ungeschicks unsrer an den Verkehr mit „Demokratien“ schlechterdings nicht gewöhnten Diplomatie. Gesprochen hätte ich über: „Die soziolo-

a Unsichere Lesung.

b gar > natürlich gar c schließlich schon > übrigens auch

1 Auf welchen konkreten Vorschlag Hartmanns Weber hier antwortet, ist unbekannt. Vermutlich sollte Weber – wie aus dem folgenden hervorgeht – auf eigene Kosten nach Wien reisen, um dort in der Wiener Soziologischen Gesellschaft einen Vortrag zu halten. 2 Lili Schäfer und ihre Kinder Clara, Albert, Max und Hermann. 3 Zum nicht zustande gekommenen Vortrag in der „Politischen Gesellschaft“ vgl. die Briefe an Hartmann vom 24. Jan. 1917, oben, S. 589, Anm. 6, sowie vom 22. Febr. 1917, oben, S. 601. 4 Der Brief Webers an Julius Meinl ist nicht nachgewiesen. 5 Zum Vortrag in der Wiener „Soziologischen Gesellschaft“ über „Probleme der Staatssoziologie“, der am 25. Oktober 1917 gehalten wurde, vgl. den Brief an Hartmann vom 24. Jan. 1917, oben, S. 588 f., Anm. 5.

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gischen Bedingungen der Entstehung desd Judentums.“ Für ein solches Thema kann jetzt aber unmöglich eine Gesellschaft übere hundertf Kronen Reisegeld zahlen! Mich freut es herzlich, Ihren Herrn Sohn6 bei Ihnen zu wissen, auch namentlich für Ihre liebe Frau.7 Ich nehme an, daß auch bei der Tochter 8 Alles gut geht. Meine Frau erzählt noch immer sehr interessiert auch von diesen sehr erfreulichen persönlichen Eindrücken und Gesprächen. Ich selbst denkeg mit herzlicher Dankbarkeit Ihrer Gastlichkeit. Freundschaftliche Grüße von Haus zu Haus! Ihr Max Weber

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e [ein] par > über f O: Hundert

g Alternative Lesung: danke

6 Gemeint ist Heinz Hartmann, der spätere Psychoanalytiker. 7 Margarethe (Grete) Hartmann. 8 Else Paneth, geb. Hartmann.

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Hermann Oncken 20. [April 1917]; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede und Schlußformel, mit eigenhändigen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 8, Bl. 92 Die Abschrift ist von Marianne Weber irrtümlich auf den 20. Februar datiert; Monatsund Jahresdatum sind aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg, den 20.IV.a

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Mein Vetter brachte mir Ihren Brief.1 Das Resultat bedaure ich doch. Das gleiche Wahlrecht ist erstens der einzige Abschluß dieser vergiftenden Wahlrechtsdebatten,2 der wirklich ein Ende macht. Das ist wichtiger als alles andere und der entscheidende politische Gesichtspunkt. 2.) Voraussetzung des Anschlusses des Elsasses an Preußen, der erwünscht und sonst garnicht möglich ist. (Das kann man nicht gut öffentlich sagen!). Alles andere ist Künstelei. Kinderprivileg? Die meisten Kinder hat das Proletariat und – die Polen! Examensprivileg? Das Literatenpack ist das 앚:politisch:앚 unreifste von allen unseren Schichten. Mittelstandsprivileg? Macht die Geschäfte des Zentrums und der reaktionärsten Plebejer (Österreich). Die „Osterbotschaft“3 entspricht wörtlich dem Artikel 20 der Reichsverfassung[,] deren Abs. 2 das Reichstagswahlrecht meint, obwohl er das Wort „gleich“ vermeidet.4 a In Abschrift: II. 1 Möglicherweise ein Brief Onckens an August Hausrath in dessen Funktion als Vorsitzender der FVP in Heidelberg. 2 Gemeint sind die Auseinandersetzungen um die Reform des preußischen Dreiklassenwahlrechts. 3 In der sog. Osterbotschaft Wilhelms II. vom 7. April 1917 wurde die Reform des preußischen Wahlrechts auf der Grundlage der direkten und geheimen – aber nicht gleichen – Wahl in Aussicht gestellt. Abdruck in: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, hg. von Ernst Rudolf Huber, Bd. 2: Deutsche Verfassungsdokumente 1851 – 1918. – Stuttgart: W. Kohlhammer 1964, Nr. 331, S. 467 f. 4 Art. 20 Abs. 2 (RV): „Bis zu der gesetzlichen Regelung, welche im § 5 des Wahlgesetzes vom 31. Mai 1869 (Bundesgesetzblatt 1869 S. 145) vorbehalten ist, werden in Bayern 48, in Württemberg 17, in Baden 14, in Hessen südlich des Main 6 Abgeordnete gewählt, und beträgt demnach die Gesammtzahl der Abgeordneten 382.“ Weber konkretisiert seine Ansicht in seinem einige Tage später erschienenen Artikel: Der preußische Landtag und das Deutsche Reich, in: FZ, Nr. 114 vom 26. April 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 f. (MWG I/15, S. 533 – 596): „Die Osterbotschaft des Monarchen hält sich – was merkwürdigerweise nicht beachtet wird – genau an den Wortlaut der Reichsverfassung, deren Art. 20 auch lediglich von ,allgemeinen und direkten Wahlen mit gehei-

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Eine „preußische“ Angelegenheit ist das Wahlrecht Preußens erst dann, wenn Preußen auf die Privilegien der Artikel 5 und 37 der RV5 und auf die Militärkonvention6 verzichten würde. Preußische Behörden: Intendantur, Generalkommando, Garnisonverwaltung pp. regieren in Baden.7 Ich schickte der Frankfurter Zeitung darüber einen Artikel, weiß nicht[,] ob sie ihn druckt.8 Entweder das hört auf oder: „wir wollen nicht Vasallen preußischer Privilegierter sein.“9 Es ist ein mer Abstimmung’ spricht. Im Abs. 2 desselben Artikels wird aber das Wahlgesetz des Norddeutschen Bundes von 1869 als ohne weiteres auch für das Reich gültig zitiert, jenes Gesetz also, welches das heute geltende Reichstagswahlrecht festgelegt hat. Kein Mensch im ganzen Reiche kann, wenn er heute von ,allgemeinem Wahlrecht’ sprechen hört, etwas anderes als das heutige Reichstagswahlrecht verstehen, so wie jener Artikel der Reichsverfassung es tut.“ Ebd., S. 561. Webers Gedankengang wird verständlicher, wenn man Art. 20 des Norddeutschen Bundes heranzieht: „Der Reichstag geht aus allgemeinen und direkten Wahlen mit geheimer Abstimmung hervor, welche bis zum Erlaß eines Reichswahlgesetzes nach Maaßgabe des Gesetzes zu erfolgen haben, auf Grund dessen der erste Reichstag des Norddeutschen Bundes gewählt worden ist.“ Das Wahlgesetz für den Reichstag des Norddeutschen Bundes von 1869, 1871 als Reichsgesetz übernommen, bestimmte in § 1: „Wähler für den Reichstag des Norddeutschen Bundes ist jeder Norddeutsche, welcher das fünfundzwanzigste Lebensjahr zurückgelegt hat, in dem Bundesstaate, wo er seinen Wohnsitz hat.“ 5 Art. 5 (RV): „Die Reichsgesetzgebung wird ausgeübt durch den Bundesrath und den Reichstag. Die Übereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider Versammlungen ist zu einem Reichsgesetze erforderlich und ausreichend. Bei Gesetzesvorschlägen über das Militairwesen, die Kriegsmarine und die im Artikel 35 bezeichneten Abgaben giebt, wenn im Bundesrathe eine Meinungsverschiedenheit stattfindet, die Stimme des Präsidiums den Ausschlag, wenn sie sich für die Aufrechterhaltung der bestehenden Einrichtungen ausspricht.“ Die Präsidialstimme war dabei exklusiv Preußen vorbehalten. Art. 37 (RV): „Bei der Beschlußnahme über die zur Ausführung der gemeinschaftlichen Gesetzgebung (Art. 35) dienenden Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen giebt die Stimme des Präsidiums alsdann den Ausschlag, wenn sie sich für Aufrechthaltung der bestehenden Vorschrift oder Einrichtung ausspricht.“ 6 Gemäß den Militärkonventionen zwischen Preußen und den anderen Bundesstaaten Anfang der 70er Jahre waren deren Heere den preußischen unterstellt worden. Weber erläuerte dies folgendermaßen: „Für die auf Grund dieser Konventionen getroffenen Verfügungen gibt es keinerlei parlamentarische Verantwortlichkeit, soweit nicht Etatsrechte berührt werden und also der Reichskanzler sie wenigstens mit kontrasigniert. Denn im übrigen zeichnet sie der Kriegsminister [...]. Der Kriegsminister ist aber weder dem Reichskanzler unterstellt noch dem Reichstag verantwortlich [, ] da er preußischer Beamter ist.“ Weber, Max, Der preußische Landtag und das Deutsche Reich (wie Anm. 4; MWG I/15, S. 556). 7 Vgl. dazu Weber, Max, Der preußische Landtag und das Deutsche Reich (wie Anm. 4; MWG I/15, S. 556). 8 Der Artikel ist vier Tage später veröffentlicht worden; vgl. Anm. 4. 9 Weber, Max, Der preußische Landtag und das Deutsche Reich (wie Anm. 4): „Vasallen preußischer privilegierter Kasten zu sein, lehnen wir auf das Bestimmteste ab.“ (MWG I/15, S. 561).

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schweres Unheil, wenn diese Erledigung wieder bis nach dem Krieg verschoben wird. Indessen ist es jetzt erledigt. Aber ich fürchte[,] die Berliner Vorgänge – Produkte wirklicher Not10 – und des Auftretens Schorlemers u. a. andrer preußischer Minister11 – sind nur ein Vorspiel künftiger unangenehmer Dinge, und wir erleben dann wieder[,] daß man zu spät kommt, wie beim Friedensangebot,12 der Osterbotschaft und so ziemlich in Allem!

10 Vom 16. – 18. April 1917 war es in Berlin wegen der katastrophalen Ernährungslage zu größeren Streiks von Rüstungsarbeitern gekommen. 11 Weber bezieht sich vermutlich auf die Rede des preußischen Landwirtschaftsministers, Klemens Frhr. v. Schorlemer-Lieser, vom 7. März 1917 im Abgeordnetenhaus anläßlich der zweiten Lesung des Haushaltsplanes der landwirtschaftlichen Verwaltung. Dabei hatte dieser u. a. die Eingabe der Gewerkschaften an den Reichskanzler über Ernährungsfragen vom 21. Febr. 1917 als „Machwerk“ bezeichnet. Schulthess 1917, Teil 1, S. 252 – 256, das Zitat ebd., S. 254. 12 Gemeint ist das deutsche Friedensangebot vom 12. Dezember 1916; vgl. dazu den Brief an Ernst Jäckh vom 13. Dez. 1916, oben, S. 568 f.

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Conrad Haußmann 29. April 1917; Heidelberg Brief; eigenhändig HStA Stuttgart, Nl. Conrad Haußmann, Q 1/2, Bd. 272 Dieser Brief und die folgenden Schreiben an Haußmann vom 1. und 5. Mai 1917, unten, S. 626 f. und 628 f., stehen in Zusammenhang mit dem am 30. März 1917 auf Antrag der nationalliberalen Fraktion konstituierten Reichstagsausschuß zur Überprüfung des Verhältnisses von Parlament und Regierung. Vor dessen erster Sitzung am 2. Mai 1917 bat Conrad Haußmann als einer der Vertreter der FVP in der Kommission Max Weber, ihm ausgearbeitete Stellungnahmen zur Reform der Reichsverfassung zur Verfügung zu stellen. Daraus erwuchsen die Denkschriften bzw. Gesetzentwürfe zum Enqueterecht sowie „zur Aufhebung der Inkompatibilität der Mitgliedschaft im Reichstag und im Bundesrat, zur Verbindung des Reichskanzleramts mit der Mitgliedschaft im preußischen Staatsministerium, zur Errichtung eines Reichskronrats sowie zur Strafbarkeit unbefugter Veröffentlichung von Äußerungen der Bundesfürsten“ (MWG I/15, S. 261 – 288, Zitat: S. 278). Nach allem, was wir davon wissen (vgl. MWG I/15, S. 264), haben die Entwürfe Webers bei den Beratungen des Verfassungsausschusses, der mit Unterbrechungen vom 2. bis 11. Mai tagte, keine Rolle gespielt, da man einschneidende Verfassungsänderungen vermeiden wollte und sich mit Detailfragen begnügte. Weber hat gleichwohl seine Vorstellungen veröffentlicht, so z. B. in einem anonym erschienenen Beitrag: Die Abänderung des Artikels 9 der Reichsverfassung, in: FZ, Nr. 248 vom 8. Sept. 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 (MWG I/15, S. 307 – 313).

Heidelberg, 29/4 17 Hochgeehrter Herr! Verbindlichsten Dank für Ihren freundlichen Brief. Ich werde, Ihr Einverständnis voraussetzend, mit Prof. G[erhard] Anschütz hier in Verbindung treten1 und mir gestatten, Ihnen dann zu schreiben. Dreierlei kommt in Betracht: 1. Steigerung der 앚:(materiellen):앚 Macht des Reichstags und Reichskanzlers durch Steigerung der (formellen) Macht des Kaisers gegenüber dem „Bundesrat“. Etwa in der Richtung der (in dieser Form unerfüllbaren und nicht durchzusetzenden) Bestimmung: daß „für die Instruktion der Präsidialstimme nur der Reichskanzler verantwortlich ist“ (vielleicht wenigstens für die Fälle der Art. 5, 35, 372 R[eichs-]Verf[assung] zu bestimmen). 1 Über damalige Beratungen mit Gerhard Anschütz ist nichts bekannt. Die Gesetzentwürfe sind von Weber allein verfaßt worden und erst danach – möglicherweise – an Anschütz geschickt worden; vgl. dazu den Brief an Haußmann vom 1. Mai 1917, unten, S. 626 f. 2 Art. 5 (RV), zweiter Absatz lautet: „Bei Gesetzesvorschlägen über das Militairwesen, die Kriegsmarine und die im Artikel 35 bezeichneten Abgaben giebt, wenn im Bundesrathe eine Meinungsverschiedenheit stattfindet, die Stimme des Präsidiums den Aus-

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2. Steigerung der Machtmittel des Reichstags, sich selbständig Information zu verschaffen, insbesondre über den Gang der Verwaltung: „Enqueterecht“ als Minderheitsrecht (Antrag von je 100, 120, oder 150 Mitgliedern) mit Zeugniszwangsrecht der einzusetzenden Kommission auch gegen die Beamten. M. E. sehr wichtig und nur die Begrenzung schwierig. 3. Sehr heikel und vermutlich nicht direkt durchzusetzen: Strafbarkeit jeder Publikation von Äußerungen und Telegrammen des Monarchen, die nicht vorher von verantwortlichen Reichsbeamten genehmigt sind. Hierfür formelle Verantwortlichkeit des Reichskanzlers mit Rechtsfolgen. Ich fürchte, daß sich eine juristisch geeignete und zugleich akzeptable Form dafür nicht leicht finden läßt, obwohl die Ausschaltung dieses Faktors aus unsrer Politik gradezu Lebensfrage ist. Ich werde mir, wie gesagt, gestatten, ausführlicher auf diese und ähnliche Fragen zurückzukommen. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster Max Weber

schlag, wenn sie sich für die Aufrechterhaltung der bestehenden Einrichtungen ausspricht.“ Art. 35, erster Absatz: „Das Reich ausschließlich hat die Gesetzgebung über das gesammte Zollwesen, über die Besteuerung des im Bundesgebiete gewonnenen Salzes und Tabacks, bereiteten Branntweins und Bieres und aus Rüben oder anderen inländischen Erzeugnissen dargestellten Zuckers und Syrups, über den gegenseitigen Schutz der in den einzelnen Bundesstaaten erhobenen Verbrauchsabgaben gegen Hinterziehungen, sowie über die Maßregeln, welche in den Zollausschlüssen zur Sicherung der gemeinsamen Zollgrenze erforderlich sind.“ Art. 37: „Bei der Beschlußnahme über die zur Ausführung der gemeinschaftlichen Gesetzgebung (Art. 35) dienenden Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen giebt die Stimme des Präsidiums alsdann den Ausschlag, wenn sie sich für Aufrechterhaltung der bestehenden Vorschrift oder Einrichtung ausspricht.“

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Ludo Moritz Hartmann 1. Mai [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig MWA, BAdW München (Fotokopie des Originals) Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. In diesem sowie den folgenden Briefen an Heinrich Simon vom 8. Mai 1917, unten, S. 636, und Ludo Moritz Hartmann vom 10. Mai 1917, unten, S. 640 f., geht es um die Errichtung einer zu großen Teilen konfessionell gebundenen katholischen Universität in Salzburg. Trotz anderslautender Mitteilungen an Hartmann in diesem sowie im Brief vom 10. Mai 1917, unten, S. 640, scheint Weber eine diesbezügliche Stellungnahme aus seiner Feder für die Frankfurter Zeitung geliefert zu haben; vgl. dazu den Brief an Heinrich Simon vom 8. Mai 1917, unten, S. 636. Jedenfalls führt Marianne Weber in ihrer Biographie: Max Weber. Ein Lebensbild. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1926, in dem beigefügten „Verzeichnis der Schriften von Max Weber“, S. 715 – 719, diesen Artikel als von Weber herrührend auf; ebd., S. 718. Sie findet sich unter dem Titel: Eine katholische Universität in Salzburg, in: FZ, Nr. 128 vom 10. Mai 1917, 1. Mo.Bl., S. 2 (MWG I/13), und hat folgenden Wortlaut: „Aus akademischen Kreisen schreibt man uns: Durch die Presse ging kürzlich die Nachricht, in Salzburg solle eine Universität gegründet werden. Daran ist soviel zutreffend, daß Bestrebungen bestehen, im Anschluß an die in Salzburg bestehende theologische Fakultät eine auch für einen Teil der weltlichen Professuren konfessionell gebundene Hochschule zu errichten. Nicht etwa nur in dem Sinn, daß die Tatsache einer bestimmten Konfessionszugehörigkeit für die Übertragung bestimmter Professuren gefordert würde. Bis vor kurzem waren solche Reste älterer Zeiten bei einzelnen alten Stiftungsprofessuren auch an deutschen Universitäten noch nicht beseitigt, und hie und da ist dies vielleicht noch jetzt nicht der Fall. Wo es etwa noch besteht, ist das vom Standpunkt einer rein wissenschaftlichen Auslese der Bewerber unbedingt abzulehnen, und die Beseitigung ist auch überall im Gange. Aber solche Bestimmungen bedeuten keine innerliche konfessionelle Bindung des Lehrers. In Salzburg soll aber die kaiserliche Ernennung für nicht weniger als fünf von den weltlichen Professuren an die vorhergehende Zustimmung des Erzbischofs gebunden werden, also: eine ‚missio canonica‘ in aller Form bestehen. Eine solche Hochschule wäre natürlich keine ‚Universität‘, die irgendwelche Aussicht hätte, von akademischen Körperschaften als gleichberechtigt angesehen und als vollwertig behandelt zu werden. Anläßlich soll ein Salzburger katholischer Verein Mittel hergeben und die bisherige deutsche Universität Czernowitz dorthin verlegt werden. Dieser würde damit freilich eine schwere Degradation drohen. Der Plan entstammt den Erwerbsinteressen lokaler Salzburger Kreise. Die Behauptung dieser Interessenten: ein Ministerium eines süddeutschen Bundesstaats und sogar ein reichsdeutscher Staatssekretär seien vorher um Zusage des Anerkenntnisses der Gleichberechtigung angegangen worden und hätten zugestimmt, entspricht schwerlich den Tatsachen. Eine solche Zustimmung würde übrigens einer solchen konfessionellen Anstalt nie dazu verhelfen können, daß ihre Zöglinge für die Promotion an Volluniversitäten oder ihre Graduierten für die Habilitation an solchen als qualifiziert angesehen würden. Darüber können außerakademische Instanzen nichts verfügen.“ Das Projekt einer katholischen Universität ist nicht verwirklicht worden.

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wenn ich Bedenken trage, so wissen Sie: es geschieht nicht, weil ich persönlich mich scheute, gegen Derartiges loszuschlagen. Sondern ich frage mich: ob grade awir Reichsdeutschea jetzt, im Kriege, gut thun, in einer inner-österreichischen Angelegenheit, wie esb diese Frage der Universitätc Salzburg ist, das Wort zu nehmen. Die Beziehungen sind, wie Sie am besten wissen, politisch heikel in dem Sinn, daß in Österreich mancherlei starke Verstimmungen über und gegen uns bestehen, verschuldet durch große Ungeschicklichkeiten einzelner deutscher Seiten. Ich muß fürchten, daß eine reichsdeutsche Erörterung dieser österreichischen Frage als „Mangel an Takt“ und „Einmischung“d nicht etwa nur angesehen würde – das wäre mir natürlich absolut einerlei! – sondern daß sie so wirken würde, also die Stellung Ihrer Gegner in dieser Frage stärkt. Sie werden das bestreiten, aber ich habe doch so starke Eindrücke in dieser Richtung in Wien aufgenommen, daß ich da besonders starke Bedenken habe. Das möchte ich nicht verantworten. Denn es werden da leider auf unsrer Seite noch immer Fehler gemacht. Ich schlage also vor, die Erörterung der Angelegenheit bis zum Frieden zu lassen. Die deutsche Presse wird die Thatsache als solche ja ohnehin zweifellos bringen, denn unbekannt ist sie sicherlich in deutschen Univ[ersitäts]-Kreisen nicht. Aber ich scheue mich aus politischen Gründen, unser Konto jetzt noch stärker zu belasten, so höchst unerfreulich ich den beabsichtigten Schritt finde. Sie wissen ja, daß in Holland ähnliche Verhältnisse zu Recht bestehen, von unsren historischen und philosophischen Fach-Professuren ganz abgesehen. Da jetzt Alles auf den Krieg orientiert ist und nur auf ihn, so würde jedes solche Losschlagen überdies leider bei uns kein Echo wecken. Zumal von mir, dessen Standpunkt man kennt. Erlauben Sie also, daß ich die Sache eingehend überlege und Ihnen ev. nochmal schreibe. Vorläufig herzlichste Grüße! Ihr Max Weber

a ich > wir Reichsdeutsche d

b Fehlt in O; es sinngemäß ergänzt.

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Conrad Haußmann 1. Mai 1917; Heidelberg Brief; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen Max Webers Privatbesitz Der Brief steht in Zusammenhang mit Webers Vorschlägen zur Verfassungsreform; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Haußmann vom 29. April 1917, oben, S. 622.

Heidelberg, den 1. Mai 1917. Ziegelhäuserlandstr. 17. Hochgeehrter Herr! Ich gestatte mir gemäß Ihrer freundlichen Aufforderung anliegend einen ausgearbeiteten Vorschlag vorzulegen, in welcher Form evtl. das dem Reichstag heute fehlende Enqueterechta in die Reichsverfassung und Reichsgesetzgebung eingeführt werden könnte, da dies kaum auf anderem Wege, insbesondere nicht, wie in England, durch eine bloße Änderung der heute geltenden Geschäftsordnung des Reichstagsb möglich ist.1 Sie werden es vielleicht etwas c„professoral“c finden, wenn ich, noch dazu in Eile und mit einer ganz ungenügenden Geübtheit in der Formulierung von Gesetzesanträgen dennoch versucht habe, einen ausführlichen Entwurf und eine ebenso ausführliche Begründung d, statt einer einfachen kurzen Darlegung diesere Lücke in den Parlamentsrechten,d vorzulegen. Indessen glaube ich, daß jeder, der eine gesetzgeberische Neuerung wünscht, verpflichtet ist, den Beweis dafür wenigstens anzutreten, daß sie sich in die Formeln eines Gesetzes bringen läßt, gleichviel ob die Art der Formulierung im ganzen oder im einzelnen noch so sehr der Umgestaltung von berufener Seite bedürftig ist. Ich werde eine Abschrift meinem Kollegen, Herrn Prof. Dr. Gerhard Anschützf, hier, vorlegen2 mit der Bitte um Kritik,g und diese wird, da er zu den genauesten Kennern des deutschen a Unterstreichung eigenhändig. b O: Reichstag c Anführungszeichen eigenhändig. d Kommata eigenhändig. e der > dieser f Unterstreichung eigenhändig. g Komma eigenhändig. 1 Der Entwurf – heute nur noch als spätere Abschrift im Nachlaß Hajo Holborn in der Yale University vorliegend – findet sich abgedruckt in: MWG I/15, S. 268 – 277. 2 Eine entsprechende Abschrift ist im Nl. Gerhard Anschütz, Privatbesitz, nicht vorhanden.

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Staatsrechts gehört, voraussichtlich ungleich nützlicher sein als mein Versuch, vorausgesetzt, daß er die Zeit dazu findet. Das eingeschlagene Verfahren schien mir schneller zum Ziel zu führen, als wenn ich ihn gebeten hätte, gemeinsam mit mir eine Redaktion vorzunehmen. Denn dabei gerät man stets von vornherein zu sehr in die technischen Details. Und es entsteht meist etwas Uneinheitliches. Über die beiden andern Punkte, welche ich mir gestattete in meinem Brief zu berühren,3 werde ich mir erlauben in einigen Tagen Ihnen einige Vorschläge zur Prüfung vorzulegen.4 Sollte innerhalb der Partei irgendwelche Geneigtheit bestehen oder schon bestanden haben, in einer ähnlichen Richtung vorzugehen, und sollten Sie eine Vertretung ähnlicher Ansichten in der Presse für ersprießlich halten, so würde ich mich dieser Aufgabe gern unterziehen.5 An sich ist es mir nichth sicher, ob dadurch der Antrag der Partei, dessen Wucht doch schließlich allein entscheidet, an Gewicht gewinnen würde, da ich stark als politischer i„Einspänner“i gelte. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebenster kProf. Max Weberk

h Unterstreichung eigenhändig. i Anführungszeichen eigenhändig. k Unterzeichnung eigenhändig. 3 Brief an Haußmann vom 29. April 1917, oben, S. 622 f. 4 Vgl. dazu Webers Brief an Haußmann vom 5. Mai 1917, unten, S. 628 f. 5 Tatsächlich hat sich Weber – einer brieflichen Bitte Haußmanns vom 3. Sept. 1917 (Abschrift masch.; Privatbesitz) folgend – in einem anonym erschienenen Artikel entsprechend geäußert: Die Abänderung des Artikels 9 der Reichsverfassung, in: FZ, Nr. 248 vom 8. Sept. 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 (MWG I/15, S. 307 – 313).

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Conrad Haußmann 5. Mai 1917; Heidelberg Brief; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen Max Webers Privatbesitz Der Brief steht in Zusammenhang mit Webers Vorschlägen zur Verfassungsreform; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Haußmann vom 29. April 1917, oben, S. 622.

Heidelberg, den 5. Mai 1917. Hochgeehrter Herr! Anbei übersende ich Ihnen im Anschluß an die frühere Denkschrift1 eine weitere, welche Vorschläge für Änderung der Reichsverfassung und für die Schaffung strafrechtlicher Bestimmungen gegen die aPublikation monarchischer Reden und Telegrammea enthält.2 Es ist mir ja vollkommen unbekannt, ob auch nur die Möglichkeit vorhanden ist, daß im Verfassungsausschuß des Reichstags jetzt noch ähnliche Dinge zur Sprache gebracht werden. Im höchsten Grade wünschenswert aber würde ich die bStreichung der Bestimmung im Art. 9 b 3 finden, welche jeder parlamentarischen Regierung von vornherein die Möglichkeit abschneidet. Ebenso würde ich es für nützlich halten im Art. 154 das tatsächlich geltende Recht in aller Form zu kodifizieren. Der vorgeschlagenen Vorschrift, daß der Reichskanzler aus dem preuß[ischen] Ministerium zu entnehmenc ist, wird ja genügtd, wenn er gleichzeitig mit seiner Ernennung durch den Kaiser vom König von Preußen zum Minister des Auswärtigen ernannt wird. Ich würde es für nützlich halten, wenn von der Partei zum Ausdruck gebracht werden könnte, daße

a Unterstreichung eigenhändig. b Unterstreichung eigenhändig. c Unterstreichung eigenhändig. d genügen > genügt e In O folgt: sie 1 Gemeint ist die Denkschrift zum Enqueterecht; vgl. dazu den Brief an Haußmann vom 1. Mai 1917, oben, S. 626 f. 2 Webers Vorschläge – heute nur noch als Abschrift im Nl. Hajo Holborn in der Yale University vorliegend – finden sich abgedruckt in: MWG I/15, S. 278 – 288. 3 Gemeint ist Art. 9 (RV), letzter Satz: „Niemand kann gleichzeitig Mitglied des Bundesrathes und des Reichstages sein.“ 4 Art. 15 (RV) lautet: „Der Vorsitz im Bundesrathe und die Leitung der Geschäfte steht dem Reichskanzler zu, welcher vom Kaiser zu ernennen ist. Der Reichskanzler kann sich durch jedes andere Mitglied des Bundesrathes vermöge schriftlicher Substitution vertreten lassen.“

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die Ansicht des Herrn Prof. Anschütz, wonach der preuß[ische] Minister des Auswärtigen, der notwendig mit dem Reichskanzler identisch ist, alleinf und unter seiner g Verantwortlichkeit (natürlich auf Befehl des Kaisers 앚:u. Königs:앚) die Bundesratsbevollmächtigten instruiert, für richtig gehalten wird.5 Die Schaffung des vorgeschlagenen Reichskronrats bietet allein die Möglichkeit zu verhüten, daß die anderen Bundesregierungen und der Reichstag durch die 앚:einseitig:앚 von Preußen beeinflußte Präsidialregierung stets und immer wieder vor vollzogene Tatsachen gestellt werdenh. Im übrigen hat er allerdings den speziellen Zweck, ein Ende zu machen mit jenem Zustand kaiserlicher Reden, Telegramme und sonstiger Äußerungen, welche jede geordnete Außenpolitik Deutschlands auch für die glänzendste Diplomatie zu einer Unmöglichkeit gemacht hätten. Ich sehe da tatsächlich den entscheidenden Punkt für unsere weltpolitische Lage. Ob in dieser oder in einer anderen Form Abhilfe geschaffen werden soll, muß ich Berufeneren zu erwägen überlassen. Ihr freundlicher Brief veranlaßte mich 앚:aber:앚 zu dem Versuch, einen Weg vorzuschlagen, der vielleicht zu diesem Ziele führen kann. Ist es durch andere Mittel zu erreichen, iumso besseri; aber ich möchte es fast bezweifeln und halte den Weg an sich in der Tat für rücksichtsvoll. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebenster kProf. Max Weberk

f O: zweifach unterstrichen. g Unterstreichung eigenhändig. i O: umsobesser k Unterzeichnung eigenhändig.

h wird > werden

5 Weber bezieht sich auf: Anschütz, Gerhard, Die preußische Wahlreform (Sonderdruck aus: Annalen für soziale Politik und Gesetzgebung, Bd. 5, Heft 3, 1917, S. 273 – 307). – Berlin: Springer 1917, S. 14: „Wichtiger als der Vorsitz im Staatsministerium ist für den Reichskanzler die Innehabung des preußischen Ressorts der auswärtigen Angelegenheiten, denn damit ist [...] sichergestellt, daß er und nicht ein anderer preußischer Minister die preußischen Bundesratsstimmen zu instruieren und damit über den Einfluß Preußens im Bundesrat zu gebieten hat.“ Vgl. auch MWG I/15, S. 281 f., Anm. 7.

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Mina Tobler PSt 7. Mai 1917; PSt Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum und der Ort sind aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen.

Liebes Kind, Ich saß in sehr atemloser Arbeit (Verfassungs-Gutachten1 – voraussichtlich ohne allen Erfolg, aber schließlich doch nötig, man thut was man kann) – die heut früh fertig wurde, – nun gehe ich wieder an meine wesentlich inniger geliebten Privatarbeiten zurück. So war es ganz gut, daß es sich so traf, daß gestern nichts war,2 ich hätte wahrscheinlich die Zeit abkürzen müssen. Also nun: Mittwoch. Und Freitag wird sicher passen, wenn nichts ganz Unerwartetes dazwischen kommt. M[ittwoch] bringe ich auch den Rußland-Artikel3 mit. In wenigen Wochen soll ich ev. wieder mal in München reden,4 ich überlege noch, ob? Denn es kommt schwerlich viel dabei heraus und ich zersplittere mich so ungern. Auch das Reisen ist jetzt nicht grade bequem. – Schönsten Glückwunsch nochmal zu dem schönen und eleganten neuen Hut, ich glaube ich vergaß ganz und gar das zu sagen. Er steht doch viel feiner als der kleine, der ja auch seine „Meriten“ hat. Aber diese Form bringt den Hals und die Art der Kopfhaltung so viel mehr zum Ausdruck. Wie mag es sonst stehen? Es ist ja nun nicht Frühjahr, sondern schon Sommer, – ob da wohl die Plagen des Frühjahrs verzogen und überwunden sind? Bei mir, denke ich, nun bald. Es ist doch, als wäre Alles in der Welt ein seltsamer Traum. Fabelhafter Glanz der Magnolien-Blüte – sonst im Februar/März! Diesmal mitten in die nordische stürmische Hellgrün-Farbe hineingestellt. Und in dieser betörenden Herrlichkeit denken, daß immer noch draußen sinnlos weiter-

1 Die Vorschläge zu einzelnen Punkten einer Verfassungsänderung fanden ihren Niederschlag in den Briefen an Conrad Haußmann vom 1. und 5. Mai 1917, oben, S. 626 f. und 628 f. Haußmann war Mitglied des Verfassungsausschusses. Zum Hintergrund des Verfassungsausschusses vgl. MWG I/15, S. 261 – 265. 2 Gemeint ist: kein sonntäglicher „jour“. 3 Rußlands Übergang zur Scheindemokratie, erschienen in: Die Hilfe, 23. Jg., Nr. 17 vom 26. April 1917, S. 272 – 279 (MWG I/15, S. 236 – 260). 4 Am 8. Juni 1917 hielt Weber auf Einladung des Fortschrittlichen Volksvereins in München eine Rede über: „Was erwartet das deutsche Volk vom Verfassungs-Ausschuß des deutschen Reichstages?“ (Vgl. MWG I/15, S. 708 – 719).

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geschlachtet wird. Unglaublich! Mein kl[einer] Neffe5 ist dicht bei Arras ganz vorn. Man fürchtet jeden Brief von zu Haus. Die ganze Welt hat die Sache satt, und eine verstockte Bande von Schreibtisch-Hokkern zwingt Alle, weiterzumachen. Das ist eigentlich das Gräßliche. Wäre es die Initiative des Soldaten, – das wäre ja was Anderes. Tausend Herzliches, hoffentlich war es gestern schön, auf Wiedersehen wie immer Max

5 Gemeint ist Konrad Mommsen.

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Friedrich Naumann 8. Mai 1917; Heidelberg Brief; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen Max Webers BA Berlin, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 106, Bl. 42 – 43 Alle Unterstreichungen und Anführungszeichen sind eigenhändig, sie werden im textkritischen Apparat nicht einzeln nachgewiesen.

Heidelberg, den 8. Mai 1917. Lieber Freund! Angesichts der jetzt vorliegenden Erklärungen der russischen Machthaber,1 – gleichviel wie man ihren Wert einschätzt, und ich schätze ihn nicht hoch ein aus Gründen, die Sie kennen, – wird die Reichsregierung unmöglich eine sehr entgegenkommende Erklärung gegenüber Rußland vermeiden können, oder wir fachen nicht etwa nur den dortigen Kriegseifer gewaltig an und erbitterna die Neutralen (Skandinavien) gegen uns, sondern steigern die Verstimmung in Österreich in vielleicht gefährlicher Art und versteifen vor allen Dingen auch die Haltung unserer stark von dorther beeinflußten Sozialdemokratie. Auch und gerade, wenn man überzeugt ist, daß im Augenblicke aus Friedensverhandlungen nichts wird, ist es unter allen Umständen klug,b sich auf den Boden der russischen Erklärung zu stellen und also unter allen Umständen zu erklären: 1. daß wir mit Rußland sofort auf der Basis: keine Annexion, keine Entschädigung, gegenseitigec Garantien durch Ausschluß aller einander bedrohenden militärischen Maßregeln und Schiedsgerichtsvertrag Frieden zu schließen bereit sind, – a bekommen > erbittern seitige

b Komma eigenhändig.

c keine gegenseitigen > gegen-

1 Gemeint ist das Manifest der Provisorischen Regierung vom 9. April (27. März) 1917 (Schulthess 1917, Teil 2, S. 676 f.) sowie die Ergänzungsnote vom 4. Mai (21. April) 1917. Letztere stellte eine Korrektur der Begleitnote von Außenminister Miljukow vom 1. Mai (18. April) dar, welche wegen ihrer imperialistischen Grundhaltung auf den vehementen Widerstand des St. Petersburger Arbeiter- und Soldatenrats gestoßen war. In der Ergänzungsnote wurde noch einmal bekräftigt, daß für die Provisorische Regierung „in einem ‚entscheidenden Siege‘ der Verzicht Rußlands auf Landgewinn [...] und ebenso der Verzicht auf jede Ausdehnung der Macht Rußlands auf Kosten anderer Staaten inbegriffen sei.“ Hier zitiert nach der Notiz: Die Friedensfrage in Rußland. Eine Erklärung des Arbeiter- und Soldatenrates für Friedensbesprechungen, in: FZ, Nr. 126 vom 8. Mai 1917, 2. Mo.Bl., S. 1.

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2. daß wir Polen ebensowenig zu „knechten“ geneigt sind, wie die russ[ische] Regierung diesd tun zu wollen erklärt hat, – 3. daß wir bezüglich der Westmächtee keinerlei weitere Erklärung abgeben können, solange von dort undiskutierbare, mit der Erklärung der russ[ischen] Regierung unvereinbare Kriegsziele vertreten werden. Ich würde es für klug halten, wenn garnichts weiter hinzugesetzt und vor allem alles Moralisierenf, alle unfreundlichen Seitenblicke auf England als „Kriegshetzer“ und 앚:alles:앚 Bedauern, daß Rußland „für England bluten müsseg“ u.s.w. fortgelasssen würden.2 Keine Nation läßt sich gern auf die Schulter klopfen und bemitleiden und alle diese Wendungen in unseren früheren Erklärungen haben uns h(im Gegensatz zu Österreich, welches sie vermied)h nur geschadet. In einer etwaigen Diskussion könnte ja getrost gesagt werden: (auch vom Auswärtigeni Amt): „jedermann wisse, daß die Formulierung der österreichischen Bedingungen Österreichs Sache sei, daß wir die Integrität der Türkei und die Befriedigung der nationalen Ansprüche Bulgariens und Griechenlands mitvertreten (die Kräfteverteilung zwischen Bulgarien und Serbien war ja nach dem von Rußland erzwungenen Frieden von San Stefano3 fast genau so, wie sie nach Befriedigung Bulgariens jetzt sein würde!k), daß wir das Aufhörenl der bisherigen den Frieden bedrohenden Einmischung der Großmächte in die internen Angelegenheiten der Türkei und des Balkans wünschen, daß wir eine Festlegung kolonialer Interessensphären in kulturlosen Gebieten wie Afrika unter Austausch der zersplitterten Besitzungen wünschen, welche uns nutzd In O folgt: zu e f moralisierend > Moralisieren g müssen > müsse h Kommata eigenhändig durch Klammern ersetzt. i O: auswärtigem > Auswärtigem k Ausrufungszeichen eigenhändig. l Aufheben > Aufhören

2 Gerade dies ließ die halbamtliche „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ am 15. Mai 1917 verlautbaren: „Wenn das russische Volk noch länger blutet und leidet, […] so ist nicht Deutschland daran schuld. Die Schuld liegt dort, wo Interesse am Fortgang des Krieges besteht. Wo findet der in der Erklärung vom 10. April ausgesprochene Friedenswille des russischen Volkes den entschiedensten Widerspruch? Bei seinen eigenen Verbündeten. […] Das russische Volk wird […] seinen Verpflichtungen gegen seine Verbündeten treu bleiben. Aber das russische Volk soll wissen, daß seine Söhne noch fernerhin kämpfen und sterben müssen, weil seine Verbündeten es so wollen, um ihre eigenen Eroberungs- und Annexionspläne durchzusetzen.“ Zitiert nach Schulthess 1917, Teil 1, S. 407. 3 Zu den Bestimmungen des Vertrags von San Stefano von 1878 – Bulgarien betreffend – vgl. den Brief an Naumann vom 12. April 1917, oben, S. 610, Anm. 8.

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los mit allen möglichen Mächten in Interessenkollision bringen. Daß wir weiter Sicherung der Rechte der Flamen und endlich:m völkerrechtliche Garantienn dafür verlangen müssen, daß nicht erneut unser Recht, auch im Kriegeo mit den Neutralen unbehindert Handel zu treiben, verletzt und wir dadurch zu so scharfen Gegenmaßregeln ‚wie leider diesmal‘ gezwungen werden. Werde der Krieg fortgesetzt, dann freilich müßten wir uns angesichts der dadurch offen bekundeten Absicht der Eroberung und Bereicherung auf unsere Kosten vorbehalten, künftig alle Konsequenzen daraus zu ziehen.“ Ich bin überzeugt, daß der Krieg jetzt fortgesetzt wird, daß aber der Effekt einer solchen Erklärung im In- und Auslande umso beträchtlicher sein würde, je nüchterner und sachlicher sie abgegeben wird. Lord Salisbury sagte seinerzeit im Burenkrieg: „Wir wollen keine Diamantfelder und Goldgruben.“4 Die Erklärung wirkte sehr vorteilhaft. Als dann die 앚:militärische:앚 diplomatische Lage endgültig so war, daß er sie hatte p und gefahrlos behalten konnte, behielt er sie. Wir machten es bisher genau umgekehrt. Das halten wir für „ehrlich“. Aber es müßte doch auch den Militärsq und den zurechnungsfähigen Führern des Zentrums und der Rechten 앚:privatim:앚 klarzumachen sein, daß Lord Salisburys Verfahren das klügere von den beiden ist. Und in unserem Fall ist es auch in 앚:einem:앚 höheren Sinne ehrlich. Denn den Ausgang des Krieges kennen wir nicht. Wenn wir im nächsten Jahre diplomatisch ebenso und in der Ernährungs- und Kohlenversorgung womöglich noch etwas knapper stehen als jetzt, so wird der Krieg nach aller Voraussicht glatt verloren, weil dann 1. die inneren

m Doppelpunkt eigenhändig. n Garantie > Garantien o O: Kriege – p hatten > hatte q Militär > Militärs 4 Der britische Premier Lord Salisbury hatte sich in einer Rede auf dem Lordmayorsbankett am 9. November 1899 auch zu den Kriegsursachen geäußert und sich gegen die Unterstellungen in kontinentaleuropäischen Zeitungen gewehrt, denen zufolge „der Zweck des Krieges die Befriedigung der Gelüste habgieriger Lords sei, die die Gold- und Diamantengruben begehrten. England als Ganzes würde keinen Vorteil von dem Besitz der Goldminen haben, ausgenommen insofern, als es eine gute Regierung für die in jener Industrie thätigen Personen schaffen wolle. England wolle keine Goldfelder, keine Gebiete, sondern wünsche gleiches Recht für alle Rassen und Sicherheit für die englischen Unterthanen und das Reich.“ Zitiert nach: Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge, Jg. 1899, hg. von Gustav Roloff. – München: C. H. Becksche Verlagsbuchhandlung 1900, S. 224 – 226; das Zitat ebd. S. 226.

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Zustände schlechthin nicht mehr zu halten sind und 2. wir durch unseren dann ganz unvermeidlichen finanziellen Bankerott auch bei noch so günstigen Friedensbedingungen zu jeder Art von Welt- und Kolonialpolitik für Generationen ganz außer Stande und finanziell bündnisunfähig werden, während die amerikanischen Subsidien den Gegnern über die Katastrophe hinweghelfen und sie politisch aktionsfähig erhalten. Diese sachlichen Gründe sprechen unbedingt dafür, nichts zu tun, was den Krieg verlängert, und jede rnoch weniger entgegenkommender als die oben angegebene Erklärung oder eine ähnliche birgt diese Gefahr in sich. Am übelsten wäre es, wenn gar keine Erklärung oder eine in Bezug auf Rußland verschwommene abgegeben würde. s(Könnte man auch für Frankreich und Belgien jede „Annexion“ 앚:und „Knechtung“:앚 ausdrücklich abweisen, so wäre das gut.)s Über jene finanzielle und wirtschaftliche Konsequenz einer Verlängerung des Kriegs bis ins nächste Jahr helfen auch die glänzenden Tauchbooterfolge in keiner Weise hinweg, ganz abgesehen davon, daß die Möglichkeit, ein technisches Werkzeug durch ein anderes zu paralysieren, niemals ausgeschlossen werden kann. Ich habe immer die Besorgnis: daß der Reichskanzler sich von den Alldeutschen einschüchtern läßt. Diese Gesellschaft ist platt zu Boden geschlagen, wenn der Friede überhaupt in absehbarer Zeit zustande kommt und gleichzeitig mit dem Friedensschluß oder schon vorher die Regierung 앚:für Preußen:앚 die Parole ausgibt: daß das Wahlrecht keines Mannes, der im Felde gestanden hat, hinter dem irgend eines Daheimgebliebenen zurückstehen darf. Mit freundschaftlichem Gruß tIhr Max Webert

r andre > noch weniger entgegenkommende nung eigenhändig.

s Klammern eigenhändig. t Unterzeich-

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Heinrich Simon 8. Mai 1917; Heidelberg Brief; maschinenschriftlich Privatbesitz

Heidelberg, den 8. Mai 1917. Lieber Herr Doktor! Anbei schicke ich Ihnen die Notiz,1 von welcher wir sprachen. Für die Authentizität der Tatsachen verbürgt sich Prof. Ludo Moritz Hartmann in Wien. Die Notiz ist wichtig genug, um sie im Kulturinteresse zu bringen, andererseits absichtlich ohne scharfe a Polemik gefaßt. Über die Frage von ein oder zwei Artikeln über Entwicklung und Probleme des deutschen Parlamentarismus2 erwarte ich Ihre gelegentliche Mitteilung. Auf recht baldiges Wiedersehen! Mit den allerbesten Grüßen Ihr stets ergebenster bMax Weberb

a Unterstreichung eigenhändig. b Unterzeichnung eigenhändig. 1 Es handelt sich um eine Notiz, erschienen in der Frankfurter Zeitung vom 10. Mai 1917, über das Projekt einer konfessionell gebundenen Hochschule in Österreich; zu der geplanten Gründung einer katholischen Universität in Salzburg vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Ludo Moritz Hartmann vom 1. Mai 1917, oben, S. 624. 2 Vermutlich verbirgt sich hinter diesem Titel die spätere Artikelserie: Vergangenheit und Zukunft des deutschen Parlamentarismus. Vgl. dazu die Briefe an die Redaktion der Frankfurter Zeitung vom 19., 23. und 25. Mai 1917, unten, S. 643 f., 647 und 650 f.

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Helene Weber 8. Mai [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Die Jahresangabe ist erschlossen aus dem Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 8. Mai 1917 (Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446), dem Max Weber die folgenden Zeilen an seine Mutter anfügt.

Hbg 8/V Liebste Mutter, –

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schönen Dank für Deinen Geburtstagsbrief und auch den eben gekommenen. Wir finden es ganz und gar richtig, was Du mit Lisa1 vorhast. 150 Mk ist nicht zu viel und andrerseits willst Du ja nichts „verdienen“.2 Und auch der Ankauf a (von Gemüse) ist in der Ordnung. Wir freuen uns so sehr, daß sich das so gemacht hat, sie ist ja fein und taktvoll und wird Dich allein lassen, wenn und so viel Du es brauchst – und Du kannst ihr grade ja auch sagen: daß Du das gelegentlich haben mußt – und andrerseits liebt sie Dich sehr und ist gut zu haben. Gestern gingen wir von Dossenheim über die Berge nach dem Siebenmühlenthal. Ein fabelhafter Frühling! Hoffentlich der letzte Kriegsfrühling. Lili geht es offenbar gut, den Kindern auch. Vor Allem schläft sie sehr gut und reichlich, sieht rund aus und alle Dinge sind so viel einfacher und fröhlicher. In den Ferien möchte sie Clärchen3 zu Albert 4 in die „Oso“5 geben, wonach diese sich sehr sehnt. Sie selbst möchte mit

a 1 Lisa v. Ubisch, eine Freundin von Lili Schäfer. Helene Weber hatte sie bei sich aufgenommen. 2 Helene Weber war sich offensichtlich unsicher, wieviel Pension sie von Lisa v. Ubisch verlangen könne. Marianne Weber schrieb dazu an Helene Weber am 8. Mai 1917 (wie oben, Editorische Vorbemerkung): „Dein Abkommen mit Lisa finde ich sehr angenehm, natürlich mußt Du 150 Mk. Pension nehmen, sonst kommst Du ins Minus.“ 3 Clara Schäfer, die Tochter von Lili Schäfer. 4 Albert Schäfer, der älteste Sohn von Lili Schäfer. 5 Abkürzung für die Odenwaldschule. Albert Schäfer war seit Ende August 1916 dort im Internat.

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Lisa sein. Geht diese denn nun an die See? oder kann sie mit Lili im Schwarzwald sein?6 An die See ist ja etwas weit für Lili, sowohl physisch wie pekuniär. Tausend Grüße! Dein Max Bitte schicke mir doch das Testament bvon Papa b (d. h. Euer gemeinsames)[.] Die Steuerbehörde von Lili verlangt es. Du wirst es ja irgendwo in einer Mappe haben. Carl’s Testament für Lili c hast Du wohl nicht? Ich glaube, Lili hat es.

b O: zweifach unterstrichen.

c O: zweifach unterstrichen.

6 In ihrem Brief vom 18. und 19. April 1917 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) schrieb Helene Weber an Max Weber: „Sie [Lili] hat sich also mit Lisa verabredet im August wieder in den Schwarzwald zu gehen.“

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Helene Weber [8. Mai 1917; Heidelberg] Briefzusatz; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Zusatz auf der Rückseite des Briefes von Marianne Weber an Helene Weber vom 8. Mai 1917 (Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446). Aus ihm ergeben sich Datum und Ort.

Liebe Mutter!

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Ja, die Goethe-Gesellschaft könntest Du, meine ich, lassen.1 Sie hat ausgelebt. Wir meinen, daß 150 Mk2 nicht zu viel sind, 100 wohl jedenfalls zu wenig, denn damit kannst Du für sie schwerlich auskommen und Kosten sollten doch nicht entstehen. Sprich doch vielleicht mit ihr,3 – oder laß Clara mit ihr sprechen, – was sie sich denkt. Uns ist dann Alles ganz recht, wie ihr es abmacht. Aber L[isa] ist doch vermögend und zu Hause kostet sie auch mehr als 100 Mk monatlich. – Nicht wahr, schick mir, wie ich bat, gelegentlich Papas und Dein gemeinschaftliches Testament. Solltest Du Carl’s Testament für Lili a haben, auch das. Aber m. W. hast Du das nicht. Herzlichen Gruß Dein Max

a O: zweifach unterstrichen. 1 Vermutlich war Helene Weber Mitglied der Goethe-Gesellschaft, zu deren Kündigung Weber riet. 2 Es handelte sich um die Pensionskosten, die Lisa v. Ubisch bei Helene Weber zahlen sollte. Vgl. den Brief an Helene Weber vom selben Tag, oben, S. 637. 3 Gemeint ist Lisa v. Ubisch, eine Freundin von Lili Schäfer.

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Ludo Moritz Hartmann 10. Mai [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 15, Bl. 20 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Der Brief steht in Zusammenhang mit der geplanten Gründung einer katholischen Universität in Salzburg; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Hartmann vom 1. Mai 1917, oben, S. 624.

Heidelberg 10a/V (Donnerstag) Lieber Freund, – die „Frankf[urter] Zeitung“ bringt heut im 1. Morgenblatt eine Notiz.1 Also ist mein Eingreifen erübrigt. Ich trage, wie gesagt, Bedenken. Übrigens frage ich mich nachgerade gelegentlich: ob nicht wirklich die österreichischen Klerikalen, als die staatsklügern, die einzig möglichen Verbündeten sind. Was Teufel ist denn in die „Arbeiterzeitung“ gefahren?2 Es ist doch nicht mehr als ein gewisses Maximum von Dummheit gestattet in politischen Dingen. Was es mit der russischen „Freiheit“ auf sich hat – der Duma, den Herren Gutschkow, Rodsjanko, a 9 > 10 1 Gemeint ist die Notiz, erschienen unter der Überschrift: Eine katholische Universität in Salzburg, in: FZ, Nr. 128 vom 10. Mai 1917, 1. Mo.Bl., S. 2 (MWG I/13). 2 Webers Unmut galt insbesondere dem nichtgezeichneten Artikel: Friedenswille in Rußland, in: Arbeiter-Zeitung, Nr. 125 vom 8. Mai 1917, Mo.Bl., S. 1 (vgl. dazu auch den Brief an Hartmann vom 5. Juni 1917, unten, S. 657). Veranlaßt wurde der Artikel durch die Kundgebung des Petersburger Arbeiter- und Soldatenrates vom 3. Mai (20. April) 1917 mit seinem „unerschütterlichen Friedenswillen“ gegen Außenminister Miljukovs Versuch, durch seine Note vom 1. Mai (18. April) 1917 an die Verbündeten, die Friedensziele der Provisorischen Regierung „ins Kriegerische zu transponieren“. Es sei dem Arbeiter- und Soldatenrat zu danken, daß die Regierung sich veranlaßt gesehen habe, „aus der kriegerischen Note alle Stacheln zu entfernen“ und noch einmal ausdrücklich den Verzicht auf Annexionen bekräftigt zu haben. „Wer den Machtfrieden propagiert“ – so der Verfasser –, „der will, daß dieser Krieg fortdauere […]. Deshalb kann es wohl nicht mehr übersehen werden, daß die Bestrebungen der deutschen Imperialisten, in deren Sinn sich der Verteidigungskrieg der Mittelmächte längst zu einem brutalen Eroberungskrieg gewandelt hat, unter den Hindernissen, die dem Frieden entgegenstehen, heute an erster Stelle stehen. Denn solange das bängliche Schwanken der deutschen Reichsregierung dauert, so lange muß die gegnerische Welt meinen, daß die zügellosen Machtansprüche der scharfmacherischen Imperialisten von der Regierung geteilt werden; muß sie fürchten, daß der Friede, den Deutschland anstrebt, ein Friede der Demütigung aller Gegner sein könnte. Der Friedenswille des revolutionären Rußland steht außer Zweifel, aber seine Wirksamkeit auf die anderen Mächte der Entente vermag sich, solange über Deutschlands Kriegsziele nicht Gewißheit obwaltet, nicht zu entfalten.“

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Miljukow,3 den ärgsten Kriegshetzern und Imperialisten – könnte schließlich auch V[ictor] Adler wissen. Diese Hetze gegen Deutschland ist einfältig und gefährlich4 (und übrigens auch Ihr Artikel in der „Internat[ionalen]“ mir wenig erfreulich).5 So einfach liegen die Dinge leider nicht. Freundschaftl. Gruß! Ihr Max Weber 3 Von Aleksandr I. Gucˇkov, dem damaligen Kriegs- und Marineminister der Provisorischen Regierung, gibt es naturgemäß patriotische Äußerungen, so in einer Ansprache an der rumänischen Front, daß es gelte, „das Vaterland bis zum äußersten zu verteidigen.“ Zitiert nach der Notiz: Gutschkow an der rumänischen Front. Petersburg, 23. April (W.B.), in: FZ, Nr. 113 vom 24. April 1917, Ab.Bl., S. 2, oder der Tagesbefehl vom 4. April (23. März) 1917: „Indem der erbitterte und grausame Feind lügenhafte Worte über die Möglichkeit einer Freundschaft mit Rußland verschwendete, bereitet er sich fieberhaft vor, uns an unserer Front einen zerschmetternden Schlag zu versetzen.“ Zitiert nach: Deutscher Geschichtskalender, begründet von Karl Wippermann, hg. von Friedrich Purlitz, Jg. 33, Bd. 1, 2. Hälfte: April – Juni 1917. – Leipzig: Felix Meiner 1918, S. 817 f. – Vom damaligen Dumavorsitzenden Michail V. Rodzjanko gibt es markante Äußerungen besonders aus den ersten Maitagen 1917. So in einer Veranstaltung gemeinsam mit Pavel N. Miljukov zu Gunsten der Provisorischen Regierung am 4. Mai (22. April) 1917: „Rodsjanko sprach von dem Feinde, der das freie Vaterland bedrohe. Er ermahnte das Volk, den Krieg bis zu einem siegreichen Ende zu führen, das des großen russischen Volkes würdig sei.“ Zitiert nach: Die Politik Miljukows. Petersburg, 4. Mai (W.B.), in: FZ, Nr. 124 vom 6. Mai 1917, 1. Mo.Bl., S. 3, sowie Rodzjankos „drei energische Erklärungen“ in der „Ve cernaja ˇ vremja“. Rußland kann und darf den Krieg nicht aufgeben. Rußland muß absolut siegen. Rußland kann nicht mit seinen Verbündeten brechen.“ Zitiert nach: Die Stellung der Regierung, in: FZ, Nr. 125 vom 7. Mai 1917, Ab.Bl., S. 3. Zu den diversen Äußerungen des Protagonisten des liberalen, anglophilen russischen Imperialismus, Außenminister Pavel N. Miljukov, der mit Beharrlichkeit seit Kriegsbeginn die Annexion der Meerengen als oberstes Kriegsziel propagierte, vgl. den Brief an Friedrich Naumann vom 12. April 1917, oben, S. 609 f., Anm. 5. 4 Vgl. dazu aus der Schlußpassage des anonymen Artikels: Die Imperialisten hindern den Frieden, in: Arbeiter-Zeitung, Nr. 115 vom 28. April 1917, Mo.Bl., S. 1: „Aus dem Verzicht des Reichskanzlers über die deutschen Kriegsziele eine Erklärung abzugeben, ist zu erkennen, wie hoch der Einfluß der deutschen imperialistischen Annexionisten reicht. Unter denen, die an der Verlängerung des Krieges die Schuld tragen[, ] steht er mit obenan.“ 5 Hartmann, Ludo M., 1792 – 1917, in: Internationale Rundschau, Jg. 3, Heft 4, 1917, S. 157 – 160. Gegen Ende seines Artikels hatte Hartmann die Befürchtung geäußert, daß es möglicherweise zu einer Art Neuauflage der Heiligen Allianz kommen werde: „Wir dürfen den Krieg, den uns das zarische Regiment in seiner angeblichen Friedensliebe aufgedrängt hat, nicht im Bunde mit ihm gegen die russischen Völker weiterführen. Als unseren natürlichen Bundesgenossen müssen wir alle linksstehenden Parteien Rußlands betrachten, indem wir ihnen zeigen, daß wir ihren Imperialismus wohl bekämpfen müssen, wenn er uns bedroht, nicht aber ihre revolutionären Forderungen, die Rußland in den Kreis der zivilisierten Nationen Europas einführen werden […].“ Ebd., S. 159 f.

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13. Mai 1917

Verlag J. C. B. Mohr PSt 13. Mai 1917; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Herrn J C B Mohr’s Verlag Tübingen Darf ich fragen: 1. ist Aussicht, daß Heft 42, 3 des „Archiv f[ür] Sozialwiss[enschaft]“ bald ausgegeben wird?1 2. wird das nächste Logos-Heft bald gedruckt.2 Ich bitte das nicht als Ungeduld aufzufassen, ich möchte es aus verschiedenen Gründen nur gern wissen. Hochachtungsvoll Ihr ergebenster Prof. Max Weber (Heidelberg)

1 Band 42, Heft 3 des AfSSp sollte den Beitrag: Weber, Max, Hinduismus und Buddhismus III, enthalten. Das entsprechende Heft ist wenig später, am 16. Mai 1917, ausgegeben worden. 2 Dazu teilte Paul Siebeck in seiner Antwort vom 16. Mai 1917 mit (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446), daß „soeben das Schlußheft des VI. Bandes erschienen“ sei und daß er Papiervorrat für lediglich ein neues Heft zur Verfügung habe. Seiner Meinung nach werde das nächste Heft des Logos „im Juni und Juli gedruckt werden“. Der Druck hat sich allerdings bis in die zweite Hälfte November verzögert. Es enthält den Beitrag: Weber, Max, Der Sinn der „Wertfreiheit“ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften, erschienen in: Logos, Bd. 7, Heft 1, 1917, S. 40 – 88 (MWG I/12).

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Redaktion der Frankfurter Zeitung 19. Mai 1917; Heidelberg Brief; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen Max Webers Privatbesitz

Heidelberg, den 19. Mai 1917. Sehr geehrte Redaktion!

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Anbei übersende ich wie angekündigt den ersten Artikel über die Frage des Parlamentarismusa.1 Er ist wesentlich retrospektiv b. Wie ich aber schon mitteilte, scheint es mir in jeder Hinsicht nützlich, an die alten Traditionen der cNationalliberalen Partei der siebziger Jahrec anzuknüpfen,2 um damit die jetzige Nationalliberale Partei bei der Stange halten zu helfen. Überdies halte ich allerdings die gemachten Darlegungen auch für vollständig richtig, so sehr sie im Widerspruch mit der jetzt üblichen d„Bismarcklegende“d stehen. Wanne Sie es für nützlich halten, den Artikel abzudrucken, stelle ich Ihnen natürlich vollkommen anheim. Vielleicht eignet er sich einmal für eine sonntägliche Nummer und könnte dann die Fortsetzung, die

a Unterstreichung eigenhändig. b reprospektiv > retrospektiv c Unterstreichung eigenhändig. d Anführungszeichen eigenhändig. e Wenn > Wann 1 Es handelt sich um: Weber, Max, Deutscher Parlamentarismus in Vergangenheit und Zukunft. I. Die Erbschaft Bismarcks, erschienen in: FZ, Nr. 145 vom 27. Mai 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 f., überarbeitet wieder abgedruckt in: ders., Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland. Zur politischen Kritik des Beamtentums und Parteiwesens (Die innere Politik, hg. von Siegmund Hellmann). – München, Leipzig: Duncker & Humblot 1918, S. 1 – 13 (MWG I/15, S. 437 – 450). Zur Entstehungsgeschichte von „Parlament und Regierung“ vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Siegmund Hellmann vom 14. Juni 1917, unten, S. 660. 2 Wie Anm. 1: „Ihre [d. h. der Nationalliberalen] innerste, im internen Kreise oft ausgesprochene Absicht war: durch die Zeit der Herrschaft dieser grandiosen Persönlichkeit im Reich jene Institutionen hindurchzusteuern, auf deren Leistungsfähigkeit nun einmal später, wenn man sich auf Politiker gewöhnlicher Dimensionen würde einrichten müssen, die Stetigkeit der Reichspolitik allein beruhen könne. Zu diesen Institutionen zählten sie allerdings auch ein positiv mitbestimmendes und dadurch die großen politischen Begabungen anziehendes Parlament und: starke Parteien.“ (MWG I/15, S. 442).

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ich im Laufe der nächsten Woche senden werde,3 am darauffolgenden Sonntag erscheinen. Jedoch ist dies ein gänzlich unmaßgeblicher Vorschlag. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebenster fMax Weberf

f Unterzeichnung eigenhändig. 3 Vgl. dazu die Briefe an die Redaktion der Frankfurter Zeitung vom 23. und 25. Mai 1917, unten, S. 647 und 650 f.

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Mina Tobler [19. Mai 1917; Heidelberg] Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist erschlossen aus der Tagesbezeichnung „Samstag“ und dem Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 22. Mai 1917 (Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446), in dem Marianne Weber berichtet, daß sie Bertha Schandau, ihr langjähriges Dienstmädchen, in die Klinik gebracht habe. Der Ort ist aus dem Briefinhalt erschlossen.

Samstag Liebes Herz,

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Vorgestern stimmte die Sache mit dem Diktieren nicht, ich mußte alles umkrempeln und konnte die Zeiteinteilung nicht einrichten. Gestern hatte M[arianne] den dringenden Wunsch, schon am Frühnachmittag nach Schwetzingen zu fahren, da ich wußte, daß Du nicht konntest, versuchte ich es nicht erst, auch waren wir dann zu 4. Schließlich konnte sie nicht und ich fuhr mit L[ili] alleine. Der Flieder war über alle Begriffe, nie sah ich so etwas, dazu gleichzeitig Kastanien – rötlicher Regen von Blüthen im Sonnenschein auf die ganz davon bedeckten Tümpel und Seen – und freilich als drawback auch Knoblauchblüthe. Nur hat der Park gar keine Sitzbänke mehr (sind alle im Lazarett). Heut hielt ich Dir den Daumen im Gedenken an die Vorspiel-Stunde.1 Und Montag komme ich. Inzwischen diesen herzlichen Gruß! Du mußt nicht denken, daß ich dies Vorspiel und seine Bedeutung gering einschätze. Ich war nur im Augenblick verdrossen, daß ich Dich nicht sehen sollte2 und dann fürchtete ich auch, bei der ermüdenden Hitze, für Dich etwas von der atemlosen Arbeit. Hoffentlich ist Alles gut gegangen, Montag höre ich ja davon. Heut war ich bei Berta3 in der Klinik. Das wird wohl nichts mehr, – doch ein großer Abschied nach 29 Jahren mit einem Menschen, der mit all seinen Fehlern doch nur für

1 Gemeint sind Darbietungen der Klavier-Schüler und -Schülerinnen von Mina Tobler. 2 Üblicherweise besuchte Max Weber Mina Tobler am Samstag. 3 Über die kranke Bertha Schandau schrieb Marianne Weber an Helene Weber am 22. Mai 1917 (wie oben, Editorische Vorbemerkung): „Ich habe die gute Berta in’s Krankenhaus bringen müssen! Vor 10 Tagen bekam sie Fieber, Durchfälle und veränderte sich innerhalb drei Tagen ganz auffallend […]. Wahrscheinlich ist es Krebs.“

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Einen gelebt und Einem Alles geopfert hat, darüber kommt man nicht so leicht fort. Morgen „im großen Kreis“4 also von fern. Tausend Herzliches, immer Dein Max

4 Gemeint ist ein Wiedersehen anläßlich des sonntäglichen „jour“ bei Webers.

23. Mai 1917

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Redaktion der Frankfurter Zeitung 23. Mai [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 23/V Sehr geehrte Redaktion!

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Zu meinem großen Bedauern kann ich auch heute den II. Artikel (Parlamentarismus)1 nicht abdiktieren, da die Schreibhilfe erst morgen zu haben ist. Er geht also morgen Abend ab. Haben Sie – vermutlich wegen befürchteter allzu prononcierter Bemerkungen in dieser Fortsetzung – Bedenken, dann würde ich Aufschub des Abdrucks des ersten anheimgeben. Übrigens glaube ich, daß die Bedenken nicht begründet sind. Es handelt sich ja grade um eine – wie Sie sehen werden – beinahe „akademische“, Feststellung dessen, was in einem konstitutionell-monarchischen Bundesstaat „Parlamentarismus“ überhaupt sein kann. Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber.

1 Gemeint ist der zweite Beitrag zu der Artikelserie: Vergangenheit und Zukunft des deutschen Parlamentarismus; vgl. dazu den folgenden Brief an die Redaktion der Frankfurter Zeitung vom 25. Mai 1917, unten, S. 650, Anm. 1.

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24. Mai 1917

Paul Siebeck 24. Mai [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „30./V.17.“ sowie Briefinhalt.

Heidelberg 24/V Verehrtester Freund! Die beiden irrtümlich geschickten Hefte – die richtigen gingen inzwischen ein – schicke ich morgen zurück.1 Wie gesagt, es war nicht Ungeduld, sondern Anfragen Andrer, was die Rückfrage veranlaßte.2 Die Schwierigkeiten kenne ich wohl. Hoffentlich kann wenigstens dies Logos-Heft noch gedruckt werden. Sollte Papier für Korrekturen vorhanden sein, dann wäre mir die Korrektur des heut (eingeschrieben, zwei Kolli)3 abgehenden Mscr. für das „Archiv“ recht erwünscht;4 es ist schwerer die Zitate nachzuprüfen, wenn längere Zeit verlaufen ist. Ich gedenke, diese Aufsatz-Serie in diesem Band abzuschließen.5 Die Um- und Ausarbeitung der ersten Aufsätze für die Gesammtausgabe (wenn Sie wollen: der „Gesammelten Aufsätze[“], zusammen mit „Kapitalismus und Protestantismus“) nach dem Krieg ist im Gang.6 Ein Sonderband wäre dann für

1 Laut Mitteilung von Richard Wille und Richard Pflug vom 22. Mai 1917 (VA Mohr/ Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) waren Weber versehentlich die Hefte von AfSSp 42,1 und 43,1 anstelle von Heft 42,3 und 43,3 zugesandt worden. 2 Dies bezieht sich auf Webers Anfrage an den Verlag vom 13. Mai 1917, oben, S. 642, über den Ausgabetermin von AfSSp, Bd. 42, Heft 3, sowie den Druck des nächsten Logos-Heftes. 3 Kolli (Plural von Kollo) kaufmannssprachlich: „Frachtstücke“. 4 Es handelt sich um das Manuskript von: Weber, Max, Antikes Judentum. Da von weiteren Teillieferungen in der folgenden Korrespondenz nicht mehr die Rede ist, wird Weber das gesamte Manuskript dieses Artikels an den Verlag geschickt haben. 5 Die Manuskripte zu: Weber, Max, Antikes Judentum, waren so umfangreich, daß diese auf sechs Folgeartikel, die bis Ende 1919 im AfSSp erschienen, verteilt werden mußten. 6 Die Neubearbeitung der Aufsätze über Kapitalismus und Protestantismus – die „Protestantische Ethik“ I, II und „Sekten“ – sowie über „Konfuzianismus“ hat Weber nach dem Krieg 1919/20 noch vollenden und in den Druckfahnen korrigieren können; sie sind postum erschienen unter dem Titel: Weber, Max, Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie I. – Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1920; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69.

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die Aufsätze zur Methodologie der Sozialwiss[enschaft] (im Archiv, bei Schmoller, im Logos etc.) möglich,7 nach denen stets viel Rückfragen kommen. Zum Teil handelt es sich auch um „als Mscr.“ gedruckte Sachen (für den V[erein] f[ür] Soz[ial-]Politik)a,8 die ebenfalls verlangt werden und vergriffen sind. Also im Ganzen drei mäßige Bände, wenn diese Sammlung bis zum Christentum fortgeführt wird.9 Wir korrespondierten ja früher darüber.10 Doch das überlasse ich ganz Ihnen und ist cura posterior. Herzlichen Gruß! Ihr Max Weber

a Klammer fehlt in O. 7 Weber denkt im wesentlichen an folgende Artikel: Die „Objektivität“ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, in: AfSSp, Bd. 19, Heft 1, 1904, S. 22 – 87 (MWG I/7); Kritische Studien auf dem Gebiet der kulturwissenschaftlichen Logik, ebd., Bd. 22, Heft 1, 1906, S. 143 – 207 (MWG I/7); R. Stammlers „Überwindung“ der materialistischen Geschichtsauffassung, ebd., Bd. 24, Heft 1, 1907, S. 94 – 151 (MWG I/7); Roscher und Knies und die logischen Probleme der historischen Nationalökonomie (Erster Artikel.), in: SchmJb, Jg. 27, Heft 4, 1903, S. 1 – 41 (MWG I/7); dass. II. Knies und das Irrationalitätsproblem, ebd., Jg. 29, Heft 4, 1905, S. 89 – 150 (MWG I/7); dass., (Dritter Artikel.). II. Knies und das Irrationalitätsproblem (Fortsetzung.); ebd., Jg. 30, Heft 1, 1906, S. 81 – 120 (MWG I/7); sowie: Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie, in: Logos, Bd. 4, Heft 3, 1913, S. 253 – 294 (MWG I/12). 8 In Frage kommen: Weber, Max, Erhebung über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie. – Altenburg: Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel 1908 (MWG I/11, S. 63 – 149), sowie möglicherweise Webers Ausführungen in: Äußerungen zur Werturteildiskussion im Ausschuß des Vereins für Sozialpolitik. Als Manuskript gedruckt. – o.O. 1913, S. 83 – 120 (MWG I/12); letzteres war jedoch kurze Zeit später überholt und wurde ersetzt durch die Veröffentlichung: Der Sinn der „Wertfreiheit“ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaft; vgl. dazu die Karte an den Verlag J. C. B. Mohr vom 13. Mai 1917, oben, S. 642, Anm. 2. 9 Zu dieser Fortführung der Aufsätze zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ ist Weber nicht mehr gekommen. 10 Davon, daß diese Aufsatzserie auch das Christentum behandeln sollte, ist allein im Brief an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69 f., die Rede.

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25. Mai 1917

Redaktion der Frankfurter Zeitung 25. Mai 1917; Heidelberg Brief; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen Max Webers Privatbesitz

Heidelberg, den 25. Mai 1917. Sehr geehrte Redaktion! Ich schicke anbei die Fortsetzung des Artikels,1 bemerke aber, daß noch ein letzter Teil,2 welcher die praktischen Konsequenzen und Vorschläge für unsere deutschen Verhältnisse enthält, folgen müßte. Natürlich würde ich bitten oder vielmehr als selbstverständlich voraussetzen[,] daß dieser zweite und der dritte Artikel im Sinne des mit Herrn Dr. H[einri]ch Simon seinerzeit getroffenen Abkommens als eina Artikel angesehen werde und beine andere Art der Regulierung ablehnen.b Die Frage ist nun, ob Sie überhaupt geneigt sein können, drei c Artikel zu bringen. Den dritten könnte ich voraussichtlich morgen abend abschicken. Er könnte 앚:, wenn nötig,:앚 so gestaltet werden, daß er ziemlich unmittelbar an den ersten Artikel anschlösse, indem nämlich von diesem zweiten Artikel nur die ersten 앚:7:앚 Seiten bis zu der angezeichneten Stelle 앚:unten X:앚 abgedruckt und dann sofort die praktischen Vorschläge angefügt würden.3 Mir ist eine solche Art der Erledia Unterstreichung eigenhändig. b Unterstreichung eigenhändig. c Unterstreichung eigenhändig. 1 Weber, Max, Vergangenheit und Zukunft des deutschen Parlamentarismus. II. Beamtenherrschaft und politisches Führertum, erschienen in: FZ, Nr. 157 vom 9. Juni 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 f., sowie: dass., II. Beamtenherrschaft und politisches Führertum (Schluß.), ebd., Nr. 158 vom 10. Juni 1917, 1. Mo.Bl., S. 2, wieder abgedruckt in überarbeiteter Fassung in: ders., Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland. Zur politischen Kritik des Beamtentums und Parteiwesens (Die innere Politik, hg. von Siegmund Hellmann). – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1918, S. 13 – 55 (MWG I/15, S. 450 – 486). Zu dessen Entstehungsgeschichte vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Siegmund Hellmann vom 14. Juni 1917, unten, S. 660. 2 Dieser letzte Teil der Artikelserie ist – wie der erste – erschienen unter dem Obertitel: Deutscher Parlamentarismus in Vergangenheit und Zukunft. III. Verwaltungsöffentlichkeit und politische Verantwortung, in: FZ, Nr. 172 vom 24. Juni 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 f., erneut veröffentlicht in: Weber, Max, Parlament und Regierung, S. 55 – 99 (MWG I/15, S. 486 – 525). 3 Anscheinend ist die Redaktion diesem Vorschlag Webers gefolgt; vgl. dazu die folgende Anmerkung.

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gung durchaus recht und ich muß es für möglichd halten, daß Sie die verschiedenen Bemerkungen über die Stellung des Monarchen und die Wirkung seiner verschiedenen Enunciationen zur Zeit für inopportun halten[,] 앚:obwohl ich das bedauern würde:앚. Ich habe absichtlich diesen Artikel heute geschickt, weil ausschließlich er solche denkbarer Weise Bedenken erregenden Partien enthält.4 Der letzte Artikel befaßt sich ganz ausschließlich mit jenen wenigen technischen Problemen der Verfassungsänderung, welche eine effektive fortlaufende Kontrolle der Verwaltung ermöglichen und suchte nach Möglichkeit anschaulich zu machen, daß darin und darin alleinf das Kernproblem des deutschen Parlamentarismus der Zukunft liegen muß. Ich bitte nun nach Ihrem Ermessen zu verfahren und möchte bemerken, daß ich am gMontag abend g auf der Durchreise im hBaseler Hof h sein werde, sodaß ich Herrrn Dr. H[einrich] Simon oder jedem anderen Herrn, der zu einer Rücksprache Zeit hätte, auf telefonischen Anruf im Hotel oder an jedem sonst zu verabredenden Orte zur Verfügung stehen könnte. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebenster iMax Weberi

d nötig > möglich e suchen > sucht f Unterstreichung eigenhändig. g Unterstreichung eigenhändig. h Unterstreichung eigenhändig. i Unterzeichnung eigenhändig. 4 Offensichtlich hat es bei der Publikation der Aufsätze eine veränderte Abfolge der Texte gegeben, denn der Abschnitt, der diese kritischen Passagen über Wilhelm II. enthält, findet sich erst im letzten Artikel vom 24. Juni 1917. Gerade „diese Bedenken erregenden Partien“ haben zu einer Vorzensur gegen die Frankfurter Zeitung geführt. Die inkriminierten Passagen finden sich wieder in: Weber, Max, Parlament und Regierung, S. 80 – 99, abgedruckt unter der Überschrift: Die Beamtenherrschaft in der auswärtigen Politik (MWG I/15, S. 507 – 525).

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Mina Tobler [27. Mai 1917; Heidelberg] Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum und der Ort sind aus dem Briefinhalt erschlossen. Weber erwähnt einen „heut“ von ihm erschienenen Artikel. Es muß sich um den Artikel „Deutscher Parlamentarismus in Vergangenheit und Zukunft. I. Die Erbschaft Bismarcks“ handeln, der am 27. Mai 1917 in der Frankfurter Zeitung erschien.

Liebes Kind, – Welch himmlisches Wetter, – für uns, nicht (leider) für die Ernte. Aber heut Nachmittag wäre es nichts geworden, da Dr Simon (Frankfurt) uns aufsucht und ich ihn eingehend sprechen muß. Heut ein Artikel von mir.1 Ich schicke ihn s. Z. Morgen fahre ich nach Thüringen2 und komme Samstag Abend zurück, – können wir dann wohl für die kommende Woche etwas vereinbaren. Vielleicht gleich Montag (6)?3 Wir können ja Sonntag ein Wort darüber wechseln. Es war in letzter Zeit Manches nicht so ganz Einfache. Ich bin in München an 1. Stelle vorgeschlagen4 und war nicht sicher, ob nicht sowohl M[arianne]s leidenschaftlicher Wunsch5 wie pekuniäre Gründe mich, im Fall einer Berufung, vor eine der schwierigsten Zwangslagen stellen würden,6 die sich etwa denken lassen. Aber 1) hat M[arianne],

1 Gemeint ist der Artikel: Weber, Max, Deutscher Parlamentarismus in Vergangenheit und Zukunft. I. Die Erbschaft Bismarcks, in: FZ, Nr. 145 vom 27. Mai 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 f. (MWG I/15, S. 437 – 450). 2 Es handelt sich um die Teilnahme an der ersten Lauensteiner Kulturtagung vom 29. bis 31. Mai 1917. 3 Die Ziffer 6 bezieht sich vermutlich auf die Uhrzeit; der betreffende Montag war der 4. Juni 1916. 4 Es bestand schon seit längerer Zeit die Absicht, Weber als Nachfolger von Lujo Brentano zu berufen. Jetzt hatte die Staatswirtschaftliche Fakultät eine Liste vorgelegt, die gleichrangig Max Weber und Gerhart v. Schulze-Gaevernitz und nachrangig Moritz Julius Bonn nominierte. Das ergibt sich aus einer Stellungnahme der Juristischen Fakultät an das Rektorat der Universität München vom 25. Mai 1917 (UA München, Y - XVI – 5, Bd. 2 [„Akten des Akademischen Senats der Universität München 1916 bis 1919“]). Vgl. dazu auch den Brief an Ludo Moritz Hartmann vom 10. Juli 1917, unten, S. 687 f., Anm. 2. 5 Marianne Weber wünschte ihrem Mann wieder eine Professur. 1903 hatte sie sich dagegen gesträubt, daß Weber sein Amt niederlegte. 6 Eine Zwangslage konnte sich gegenüber Mina Tobler ergeben, weil er im Falle einer Berufung nach München die Beziehung zu ihr hätte lösen müssen.

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die jetzt erst von der Sache in München dort hörte,7 zugleich erfahren, daß nichts daraus wird (aus politischen Gründen) und 2) ist sie überhaupt vernünftig. Ich würde dann hier ev. einen Lehrauftrag annehmen (wenn die Sache doch käme) und bleiben können, denke ich. Hoffentlich und wahrscheinlich kommt sie überhaupt nicht. Denn so ganz einfach ist materiell leider die Lage,8 wenn es geschieht, nicht. Das war einer der Gründe … jetzt, wo er hoffentlich erledigt ist, kann ich leichter davon sprechen. Und natürlich auch das Politische. Es ist meine alte „heimliche Liebe“, – und diese Menschen verderben Alles, was Einem teuer war. Abgesehen von dem völligen Dunkel der Zukunft, politisch, auch persönlich – materiell, vor dem man steht. Wenn aber Einem so ein Strick um den Hals liegt und Jemand dreht daran, langsam, langsam, drei Jahre lang, immer enger, immer enger, – dann kann man nicht, man mag empfinden wie man will, sagen und schreiben, was ist.9 Das ist so, mein armes Kind, – wie es mit dem Grad des Älter-Gewordenseins steht, das kann sich erst geraume Zeit nach dem Ende dieser Verwüstung zeigen. Wäre das nur erst in Sicht! Immer Dein M

7 Marianne Weber hatte die Nachricht von einer möglichen Berufung Webers nach München vermutlich von Else Jaffé gehört, die sie am 26. Mai 1917 besucht hatte, wie Else Jaffé in ihrem Brief an Alfred Weber vom 27. Mai 1917 (BA Koblenz, Nl. Alfred Weber, Bd. 77, Bl. 137) schrieb. 8 Weber bezieht sich auf die im Laufe des Krieges sinkenden Einnahmen aus den Anteilen Marianne Webers an dem Oerlinghauser Familienunternehmen. 9 Vermutlich bezieht sich Max Weber mit dem Bild von dem „Strick um den Hals“ auf seine vergeblichen Versuche, während des Krieges Einfluß auf die deutsche Politik zu gewinnen.

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Verlag J. C. B. Mohr PSt 28. Mai 1917; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Die Karte steht in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Webers Artikelserie über „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69.

Herren J C B Mohr’s Verlag Tübingen Herr Dr Lederer mahnt mich nochmals an das Mscr. über „Judentum“1 (Fortsetzung meines Artikels im „Archiv“).2 Das Mscr. ist eingeschriebena in 2 Konvoluten „Geschäftspapiere“ an Sie abgegangen.3 Sollte es nicht angekommen sein? Dann bitte ich um alsbaldige fr[eun]dl[iche] Nachricht. Hochachtungsvoll Prof. Max Weber

a O: zweifach unterstrichen. 1 Gemeint ist das Gesamtmanuskript zu: Weber, Max, Antikes Judentum I – VI. 2 Damit ist keine Folge zu einem schon vorliegenden Teilmanuskript über das antike Judentum gemeint, sondern die Weiterführung der „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ nach Veröffentlichung von: Weber, Max, Hinduismus und Buddhismus III. Das entsprechende AfSSp-Heft (Bd. 42, Heft 3) war am 16. Mai 1917 ausgeliefert worden. 3 Dies war am 24. Mai geschehen; vgl. dazu den Brief Webers an Paul Siebeck vom selben Tage, oben, S. 648.

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Mina Tobler [2. Juni 1917]; BK Weimar Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Der Brief ist geschrieben nach der Tagung auf Burg Lauenstein in Thüringen, die vom 29. bis 31. Mai 1917 stattfand. Der Brief ist wahrscheinlich am Samstag danach, also dem 2. Juni geschrieben worden, da Max Weber im Brief auf das Treffen „morgen? bei uns“ anspielt, womit er den sonntäglichen „jour“ meinte.

Hotel Elephant, Weimar Bes.: P. Leutert, Hoftraiteur Weimar, den Liebstes Kind,

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nach einigen Hetz-Tagen allerersten Ranges – täglich Diskutiererei von Morgens bis Abends,1 dann noch „Interviews“ von allerhand Einzelnen – endlich Heimkehr! Das Schloß2 liegt wunderschön, das Wetter war prachtvoll, famose Menschen da – aber dies ging doch fast „über die Kraft“. Keine Nacht ohne starke Schlafmitteldosen, keine mehr als 4 – 5 Stunden Schlaf. Nun ist es genug. Von Briefschreiben und dgl. keine Rede und Möglichkeit, äußerlich und innerlich, auch jetzt nur Stumpfheit, – aber einen Gruß muß ich Dir doch schicken – kein Mensch außer Dir hat irgend eine Zeile bekommen, auch M[arianne] hat nichts von mir gehört, noch nicht mal, daß ich noch lebe. Dies war keine „Pfingsterholung“, – aber es war ganz gut, daß ich da war, denn es war ein „Schwindel“ in Vorbereitung und den konnte ich scharf koupieren.3 Davon mündlich, – morgen? bei uns? Und dann 1 Gemeint ist die Lauensteiner Kulturtagung vom 29. bis 31. Mai, vgl. MWG I/15, S. 701 – 707. 2 Burg Lauenstein in Thüringen. 3 Weber bezieht sich auf den konservativen Einleitungsvortrag von Max Maurenbrecher, der sich für ein neues deutsches Nationalbewußtsein aus altpreußischer Staatsgesinnung und gegen den demokratischen Individualismus Westeuropas aussprach. Vgl. den Editorischen Bericht zu den Lauensteiner Kulturtagungen, MWG I/15, S. 702. – Marianne Weber berichtete Helene Weber in ihrem Brief vom 4. Juni 1917 (Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446): „Maurenbrecher, der inzwischen Anarchist und Romantiker geworden ist und den Staat auf den Altar hebt, war dort der spiritus rektor, aber er wurde nun durch Max offenbar ganz aus den Angeln gehoben. Max redete Tage und halbe Nächte und verscheute durch seine Kritik die romantischen Nebelschwaden, die dort gebraut wurden. Seine Persönlichkeit

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auch: Verabredung, wann ich wieder kommen soll das nächste Mal. Jetzt noch ein Redaktionsbesuch in Frankfurt, dann ist diese Sache zu Ende4 und die Ruhe beginnt, d. h. die Vorbereitung auf München.5 Dann nachher kommt hoffentlich ein schöner Sommer. Denn dann habe ich des Redens genug. Immer Dein Max

scheint riesigen Eindruck gemacht zu haben, obwohl er wesentlich der verneinende Kritiker gegen die kraftlose Sehnsucht der Leute nach neuen Bindungen und Gläubigkeiten (die ihnen ja doch fehlen und die man nicht durch Konferenzen erzwingen kann) war. 4 Weber bezieht sich auf seine Artikelserie: Vergangenheit und Zukunft des deutschen Parlamentarismus, vgl. dazu die Briefe an die Redaktion der Frankfurter Zeitung vom 19., 23. und 25. Mai 1917, oben, S. 643 f., 647 und 650 f. 5 Gemeint ist die Vorbereitung für den Vortrag, den Weber am 8. Juni 1917 in München auf Einladung des Fortschrittlichen Volksvereins hielt: „Was erwartet das deutsche Volk vom Verfassungs-Ausschuß des deutschen Reichstages?“ (vgl. MWG I/15, S. 708 – 719).

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Ludo Moritz Hartmann 5. Juni [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig MWA, BAdW München (Fotokopie des Originals) Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Hbg 5/VI Lieber Freund, –

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bei der Rückkehr von einer Reise finde ich hier Ihren Brief. Daß es Klerikale dieser Art giebt, bezweifle ich keinen Augenblick. Aber es ist bisher noch keinem Klerikalen eingefallen, wie die „Arbeiterzeitung“ öffentlich zu schreiben: „dieser Krieg sei ein brutaler Eroberungskrieg Deutschlands“,1 nur um einem schlampigen Friedensbedürfnis nachzugehen. Wie das in Rußland gewirkt hat, ist mir genau bekannt: es kostet uns 앚:eventuell:앚 mehrere Monate längeren Krieg und Tausende von Menschenleben. – Aus solchen Vorkommnissen muß auch ich, da ihnen nicht entgegengetreten wird, dauernde Konzequenzen ziehen. Bisher sehe ich nicht, daß jene Äußerung des angesehensten Parteiblattes desavouiert worden wäre. – Meine Frau und ich haben nun beide Ihre schöne pietätvolle und schlichte Darstellung der Art Ihrer Mutter2 gelesen, die nicht kennen gelernt zu haben ich zu den Verlusten meines Lebens rechnen muß. Hierfür danken wir Ihnen herzlich, hinweg über alle, wie ich nach Ihrem Brief nicht verhehlen möchte, doch wohl tiefgehenden Differenzen der Ansichten. Als absolut ungleichwertige Gegengabe schicke ich

1 Weber bezieht sich auf den Artikel: Friedenswille in Rußland, in: Arbeiter-Zeitung, Nr. 125 vom 8. Mai 1917, Mo.Bl., S. 1; zum Inhalt der von Weber zitierten Passage vgl. den Brief an Hartmann vom 10. Mai 1917, oben, S. 640 f., Anm. 2. 2 Hartmann, Ludo Moritz, Dem Andenken der Mutter. Zur Erinnerung an Bertha Hartmann für ihre Freunde. – Wien: Selbstverlag 1917.

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Ihnen aalle bisherigena Hefte jener Aufsatzserie1), deren frühere Sie anscheinend nicht erreicht haben.3 Herzlichen Gruß Ihr Max Weber

1)

leider sehr reich an Druckfehlern!

a die > alle bisherigen 3 Weber hatte am 24. Jan. 1917 – so seine briefliche Mitteilung an Hartmann vom selben Tage, oben, S. 590 – die bislang erschienenen Artikel über „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ mitgesandt.

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Verlag J. C. B. Mohr 5. Juni 1917; Heidelberg Brief; von der Hand Marianne Webers VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Heidelberg 5. Juni 17 An Herrn Dr. Paul Siebeck’s Verlag, a앚:(J. C. B. Mohr):앚a 5

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Ich bitte höflich das mir zustehende Honorar immer auf mein Conto bei der hiesigen Filiale der Rheinischen Creditbank Ludwigsplatz zu überweisen. Ich erlaube mir zu bemerken[,] daß bei Ihrer diesmaligen Berechnungb offenbar mirc vier Bogen (von 71/2) honoriert sind; meines Wissens weicht dies von unsrer früheren Vereinbarung[,] derzufolge 5 Bogen veranschlagt werden sollten, ab.1 In vorzüglicher Hochachtung dMax Weberd

a Eigenhändig Max Weber. b oder c Alternative Lesung: nur d Unterzeichnung eigenhändig Max Weber. 1 In ihrer Antwort vom 8. Juni 1917 (VA Mohr/ Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) erklärten die Vertreter Paul Siebecks, Richard Wille und Richard Pflug, daß sie die Honorarauszahlung lediglich nach Anweisung von Edgar Jaffé hätten vornehmen lassen, diesen aber um entsprechende Aufklärung bitten würden. Im Folgebrief vom 18. Juni 1917 (ebd.) bestätigten sie, daß ein Versehen Jaffés vorgelegen habe und der fehlende Honorarbetrag von Mk. 80.– auf Webers Konto überwiesen werde.

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14. Juni 1917

Siegmund Hellmann 14. Juni [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 10, Bl. 4 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Dieser Brief und die folgenden Schreiben an Siegmund Hellmann vom 24. Juni, 26. Juli und 27. Dezember 1917, unten, S. 669, 732 und 849 f., sowie an den Verlag Duncker & Humblot vom 26. und 28. August, 4., 17., 20. und 26. September, 11. und 20. Oktober, 27. November sowie 3. Dezember 1917, unten, 744f., 746 f., 766, 779, 782, 787, 795, 800, 823 f. und 832, stehen in Zusammenhang mit der Entstehung und Publikation der Broschüre: Weber, Max, Parlament und Regierung. Ausgangspunkt war Webers Rede „Was erwartet das deutsche Volk vom Verfassungs-Ausschuß des deutschen Reichstages“, die er am 8. Juni 1917 in München gehalten hatte (MWG I/15, S. 708 – 719). Dazu schrieb Hellmann in seinem Bezugsbrief vom 11. Juni 1917 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446): „Das telegramm, in welchem ich Sie bat, Ihren Münchener vortrag in meiner sammlung ‚Die innere Politik‘ erscheinen zu lassen, wird, so nehme ich an, in Ihre hände gelangt sein. Sie stellten mir seinerzeit einen beitrag über (oder, wenn ich Sie recht verstanden habe, gegen) Massendemokratie, allerdings erst für die zeit nach dem kriege in aussicht. Wenn ich nun trotzdem meine bitte um Ihre mitarbeit schon für den augenblick wiederhole, so bestimmt mich dabei die hoffnung, daß mangel an zeit gegenüber einem thema, das Sie soeben erst in so glänzender weise mündlich wie publizistisch in der F. Z. zur darstellung gebracht haben, füglich nicht in frage kommen kann. [...] Ich dächte [...] an eine erweiterung ihrer [!] ausführungen etwa zu dem thema ‚Ausbau der Reichsverfassung‘ oder so ähnlich“. Wie aus der unten abgedruckten Antwort Webers hervorgeht, hat er Hellmanns Bitte zunächst eher dilatorisch behandelt, da er die Grundgedanken seiner Rede in einer Artikelserie, die damals in der Frankfurter Zeitung schon erschienen war bzw. noch erscheinen sollte, verwertet und erweitert hat. Die Aufsätze sind veröffentlicht worden unter dem Titel: Deutscher Parlamentarismus in Vergangenheit und Zukunft. I. Die Erbschaft Bismarcks, in: FZ, Nr. 145 vom 27. Mai 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 f.; Vergangenheit und Zukunft des deutschen Parlamentarismus. II. Beamtenherrschaft und politisches Führertum, ebd., Nr. 157 vom 9. Juni 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 f.; Vergangenheit und Zukunft des deutschen Parlamentarismus. II. Beamtenherrschaft und politisches Führertum. (Schluß.), ebd., Nr. 158 vom 10. Juni 1917, 1. Mo.Bl., S. 12, sowie: Deutscher Parlamentarismus in Vergangenheit und Zukunft. III. Verwaltungsöffentlichkeit und politische Verantwortung, ebd., Nr. 172 vom 24. Juni 1917, 1. Mo.Bl., S. 2. Die Bitte Hellmanns, diese Aufsatzfolge in der von ihm herausgegebenen Reihe „Die innere Politik“ veröffentlichen zu lassen, hat Weber zunächst am 24. Juni 1917, unten, S. 669, abschlägig beschieden, da er schon der Frankfurter Zeitung sein Plazet zur Herausgabe einer überarbeiteten Fassung dieser Artikel in Broschürenform erteilt hatte. Da die Frankfurter Zeitung nach Erscheinen des letzten Artikels von Weber am 24. Juni 1917 unter Präventivzensur gestellt wurde, hat sie, um weiterer Zensur zu entgehen, auf die Herausgabe der Broschüre verzichtet, so daß Weber Hellmann am 26. Juli 1917, unten, S. 732, ein neues Angebot machen konnte. Der Vertrag mit dem Verlag Duncker & Humblot kam am 3. September 1917 zustande (VA Duncker & Humblot, Berlin), die Publikation der Broschüre erfolgte im Mai 1918 und wurde veröffentlicht unter dem von Verlag und Herausgeber vorgeschlagenen Obertitel: Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland. Zur politischen Kritik des Beamtentums und Parteiwesens (Die innere Politik, hg. von Siegmund Hellmann). – Duncker & Humblot 1918 (MWG I/15, S. 421 – 596).

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Heidelberg 14.VI. Sehr verehrter Herr Kollege!

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Mit vielem Dank erhielt ich Brief und Telegramm. Alles Wesentliche des Vortrages erscheint, etwas erweitert, in der „Frankf[urter] Zeitung“ (27.V, 9. und 10.a VI, Schluß folgt). So paßt es doch keinenfalls in Ihre Sammlung, sondern nur „ausgearbeitet“. Aber ob das verlagsrechtlich geht, weiß ich nicht. Eine ganz neue Sache kann ich nicht machen, sondern eben nur „ausarbeiten“, mildern, versachlichen, illustrieren, vertiefen. Auch C[onrad] Haußmann M. d.R. wünscht Verbreitung als Broschüre, aber dann eben doch wohl populärer als Sie es brauchen können. Bitte erwägen Sie doch noch mal, ehe Sie darauf bestehen. Ich überlege dann auch noch. Mit den allerbesten Empfehlungen Ihr kollegial ergebenster Max Weber.

a O: 14.

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Ernst J. Lesser 16. Juni [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig The Jewish National and University Library, Jerusalem, Autograph Collection/ Max Weber Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Bezug: Brief Ernst J. Lessers vom 7. Juni 1917 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446), in welchem er sich ausführlich zu Webers Artikel „Deutscher Parlamentarismus in Vergangenheit und Gegenwart. I. Das Erbe Bismarcks“ in der Frankfurter Zeitung vom 27. Mai 1917 äußerte, weil der ihn „lebhaft interessiert“ und ihn „zu einigem Widerspruch gereizt“ habe: „Ob wirklich der Abgang Bismarcks 1890 so beispiellos war in der Geschichte? Auf allen – Freund wie Feind – hatte die kolossale Persönlichkeit wie ein Alpdruck gelegen. Jeder hoffte, daß er sich beim neuen Kurs ganz anders würde bewegen können, daß er einer lästigen, ewig aufmerksamen Controlle entrollen [!] sei – und ich denke mir, daß am 17. August 1786 die preußische Welt recht ähnlich empfunden haben mag. Indeß ist dies ein nebensächlicher Punkt. Die Hauptsache ist: das entmannte Parlament. Bismarck hinterließ ‚ein völlig machtloses Parlament, eine Nation ohne allen u. jeden politischen Willen, gewohnt, daß der große Staatsmann … die Politik bewegen würde‘. Andrerseits aber sagen Sie, daß Bismarck, falls er 1890 im Amte geblieben wäre, entweder den Staatsstreich oder die ‚bedingungslose Unterwerfung unter Windthorsts Willen‘ hätte wollen müssen. Dies scheint mir ein Widerspruch zu sein. Demnach war mindestens eine Partei im Parlament garnicht machtlos, u. sie wußte ihre Macht zu brauchen, denn sie trotzte Bismarck in der Franckensteinschen Clausel das ab, was die Nationalliberalen zu schwächlich waren zu erwerben. Die Bedeutungslosigkeit des Liberalismus lag demnach in den Personen der Führer begründet, die niemals – meiner Ansicht nach auch heute nicht – begriffen, daß Politik der Kampf um die Macht heißt – und nicht um die Paragraphen eines Parteiprogramms. Das erkennt man am deutlichsten aus der ‚liberalen‘ Geschichte Bismarcks von Klein-Hattingen. Seite auf Seite immer wieder der Vorwurf: Dieser zwar geniale Kerl hat kein Parteiprogramm! Er weiß nicht – a priori – sozusagen weder ob man für oder gegen Freihandel sein muß, sondern handelt von Fall zu Fall, je nachdem er es für ‚zweckmäßig‘ hält. Und hier liegt meiner Ansicht nach noch heute der Kampf. Sollen wir regiert werden durch die Bürokratie, welche nach Zweckmäßigkeit fragt von ‚engen Spezialisten‘ oder von Parlamentariern, welche zwar vom Ressort nichts verstehen, aber eine Weltanschauung u. ein Parteiprogramm besitzen – u. leichtherzig Verantwortungen übernehmen c. f. Churchill – Gallipoli. Ob unser Heer das bleibt, was es ist, wenn statt erfahrener Generäle redegewandte Advokaten Kriegsminister würden? Sind nun die Männer der liberalen Parteien von 60 – 70 derart gewesen, daß man Ihnen [!] die Führung Preußens hätte anvertrauen mögen? Virchow allein als Redner in auswärtigen Angelegenheiten, er hatte voll u. ganz den Hohn Bismarcks verdient, u. ist es ein Zufall, daß der einzige Machtpolitiker der Zeit, Lassalle, die Männer der Volkszeitung genau so grimmig haßte wie Bismarck? Gneist, Sybel, Simson höchst gebildete Leute, aber ob besser geeignet als die von Caprivi bis Bülow zur Führung des Reiches? Endlich als Bismarck ging, lebten – mit wenigen Ausnahmen – noch die großen Parlamentarier der 60er Jahre von Bennigsen Bamberger über Windthorst Rickert Richter zu Liebknecht u. Bebel – warum sorgten sie nicht für Nachwuchs? Weil dem sachlichen Deutschen allmählich die Lust an der parlamentarischen Wortschlacht vergangen, und weil Deutschland verwaltet wurde, wie kaum ein Land der Welt. Post, Eisenbahn, Zuverlässigkeit jedes Beamten, ein wenig viel Bevormundung, eine etwas sehr komplizierte

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Maschinerie, – mit etwas gutmütiger Ironie wurde auch die Kehrseite betrachtet. Das einzige, was wirklich fragwürdig – die auswärtige Politik – darin hatten sich schon die Parlamentarier der 60er Jahre gründlich blamiert. So lange unsre Parlamentarier nicht zeigen, daß das Ziel ist, dem Gegner den eignen Willen aufzuzwingen u. dem politisch gewollten alles zum Opfer zu bringen, Geld Stellung u. wenn es sein muß, das eigne Leben, so lange wird unser Parlament machtlos sein – u. uninteressant.“

Heidelberg 16/VI Verehrtester Herr Professor, –

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vielen Dank! Aber: nicht als „Partei“, sondern kraft einer gänzlich außerparlamentarischen, auf dem Papiergeld des Beichtzettels und der KaplansBürokratie ruhenden Macht zwang Windthorst Bismarck unter seinen Willen[.] Weil das Parlament machtlos und diskreditiert war – das Werk B[ismarck]’s – herrschte und herrscht sie und benutzt auch das Parlament als Postament. Bestände Parlamentsmacht und parlamentarisches Ministerium, würde v. Hertling parlamentarischer Minister – die Sache wäre zu Ende. Noch jetzt ist (außer der äußersten Rechten) nur das Zentrum gegen das palamentarische System, aus guten Gründen. Daß die alten Führer (Bennigsen pp) nach 1890 noch „lebten“, bedeutete nichts mehr. Sie waren „alt“ und verbraucht, das Parlament gebrochen. Es ist ja nicht richtig, daß sie nur „geredet“ hätten. Alle Institutionen des Reichs, Bismarcks Stellung selbst eingeschlossen, haben sie geschaffen, – entgegen der „Legende“. Nein – Jeder wußte seit 1878: es kommt nichts mehr darauf an, was sie reden und thun, – B[ismarck] macht die Sache (später B[ismarck] und das Zentrum, kraft außerparlamentarischer Macht), deshalb interessierte das Niemand mehr. Das ist in England anders. Deshalb ist das Parlament Stätte der Führer-Auslese. Deshalb horcht Jeder hin, was dort geschieht. So war es bei uns auch, so lange – in der Innenpolitik – parlamentarisch regiert wurde: 1867 –77. Nach Zersprengung der großen Parteien war das zu Ende. „Staatsmänner“ wachsen heut nur auf dem Boden arbeitender und das heißt: machtvoller, Parlamente, solcher, welche die verantwortlichen Leiter aus ihrer eignen Mitte stellen. (bei uns gesetzlich verboten: Art. 9 der R[eichs-]Verf[assung]!)1

1 Art. 9, Satz 2 (RV): „Niemand kann gleichzeitig Mitglied des Bundesrathes und des Reichstages sein.“

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– Also Sie haben nach wie vor Ruhe dort?2 Das dachten wir nicht, wenn wir in den letzten Monaten Ihrer gedachten. Wir glaubten, der Teufel wäre los gewesen (Angriff Sarrailsa).3 Hoffentlich geht die Sache in Rußland weiter in der Richtung der Anarchie (was aber nicht ganz sicher ist); dann könnte im Herbst Frieden sein. Aber das Alles ist schemenhaft und dunkel. Unglaublich, daß Niemand weiß, wie dem innerlich längst ausgelebten Krieg ein Ende zu machen! Obwohl nach menschlichem Ermessen, wenn nichts Unvermuthetes passiert, die Art des Ausgangs absehbar ist. Hoffentlich erschweren die Athener Vorgänge Ihre Lage dort unten nicht. In bgutem Gedenkenb mit herzlichen Grüßen, auch meiner Frau Ihr Max Weber.

a O: Sarailles b Alternative Lesung: guten Gedanken 2 Lesser war in Nidze Planina an der mazedonischen Grenze stationiert und sprach in seinem Brief von „dem Frontstumpfsinn u. der Tatenlosigkeit. Ich habe seit 6 Wochen überhaupt nichts mehr getan“. 3 Maurice Sarrail war der Oberkommandierende des alliierten Expeditionskorps (Orient-Armee), das seit dem 5. Oktober 1915 die Hafenstadt Saloniki besetzt hatte und es zur militärischen Operationsbasis gegen Bulgarien und die Türkei benutzte. Gegen den Widerstand des prodeutsch eingestellten griechischen Königs hatte der damalige Premierminister Eleftherios Venizelos, Hauptvertreter eines Großgriechenlands im Raum der Ägäis und Anhänger des Kriegseintritts Griechenlands an der Seite der Entente, diese zu einer Landung in Nordgriechenland veranlaßt, obgleich das Land weiterhin in der Neutralität verharrte. Der von Weber angesprochene bevorstehende Angriff der Orientarmee gegen die Mittelmächte erfolgte erst im Frühjahr 1917, ohne jedoch entscheidende Resultate zu erzielen. Erst die Offensive vom 15. September 1918 wurde für den Ausgang des Weltkriegs von mitausschlaggebender Bedeutung.

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Martha Riegel 20. Juni 1917; Heidelberg Abschrift; handschriftlich Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 10, Bl. 164 – 166

Heidelberg 20.6.1917a Meine liebe Martha!

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Ich habe, da ich lange Zeit im Kupee allein saß[,] schon damals Karl’s Briefe gelesen1 und dann jetzt nochmals in Ruhe. Mit sehr herzlicher Dankbarkeit für den großen mich sehr bewegenden Beweis von Vertrauen von Ihrer Seite, der darin liegt, – und mit tiefer Erschütterung. Die große Echtheit und Tiefe, verbunden mit der feinen Zartheit der Empfindung, die daraus so ergreifend spricht, läßt es mich nur noch schmerzlicher bedauern, daß das Band des Verständnisses, welches in den letzten Jahren sich geknüpft hatte, nicht Zeit und Gelegenheit fand, sich immer weiter zu entwickeln – man sah sich so selten und die Fremdheit der Jugendzeit, die vielen Erlebnisse[,] die Jeder seitdem selbständig gehabt hatte, ohne daß der Andre darum wußte, mußten doch erst gegenüber den neuen Gemeinsamkeiten in den Hintergrund treten. Die große Ungerechtigkeit, die wir älteren Brüder – oder wenigstens ich – Carl gegenüber begangen haben[,] als wir noch jung waren, lag wesentlich darin, daß man nicht sah, daß die Art, wie er sich damals äußerlich gab, seine Form und Geste, aber nicht, wie es der größeren Nüchternheit meiner Eigenart schien, Theatralik oder so etwas, sondern die ganz echte und berechtigte Geste des Künstlers war – was verstand denn ich damals davon? Seine Begeisterung für die Arbeit bei seinem prachtvollen Lehrer Schäfer2 machte mir einen tiefen Eindruck, aber da man sich nicht sah, brachte uns das kaum näher. Die

a Korrektur von Marianne Weber in ihrer Briefabschrift: 1916 > 1917 1 Max Weber hatte die Briefe seines am 22. August 1915 gefallenen Bruders Karl auf der Rückfahrt von München nach Heidelberg gelesen. Martha Riegel, Karl Webers Freundin, hatte sie ihm in München gegeben, als er dort am 8. Juni 1917 den Vortrag „Was erwartet das deutsche Volk vom Verfassungs-Ausschuß des deutschen Reichstages?“ auf Einladung des Fortschrittlichen Volksvereins gehalten hatte (vgl. MWG I/15, S. 708 – 719). Weber war am 6. Juni 1917 nach München gereist, der Rückreisetag konnte nicht ermittelt werden. 2 Karl Schäfer, Professor für Architektur in Berlin, später an der Technischen Hochschule in Karlsruhe.

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schweren Schicksale Karl’s, die ich ja nur teilweise vermutete, das Schwinden seiner jugendlich unbefangenen Hingabe an das Leben, der schwere Ernst, der sich auf ihn legte, wandelten in Manchem sein äußeres Wesen, und nur das sah ich, als wir uns wieder näher traten. Und es berührte mich so stark und sympathisch, daß ich ganz vergaß zu fragen, wie teuer es wohl erkauft sein möchte. Aber ich hatte doch inzwischen genug vom Leben und den Menschen gesehen, um zu wissen, wie gründlich der Irrtum über den jugendlichen Carl gewesen war und daß ihm damals Unrecht geschehen war. Es hat sich nie eine gute Stunde ergeben, die das alles einmal zur Aussprache gebracht hätte, und nun ist er nicht mehr da. Aber mit großer Freude und Bewegung sehe ich, wie sehr die mächtig ihn ergreifende Liebe zu Ihnen ihm das wiedergegeben hat, was – zumal in der letzten Zeit nach dem schlimmen, sein Herz verwundenden Erlebnis – tief verschüttet lag unter Resignation und jenen ganz unmäßigen Selbstvorwürfen, welche seine rücksichtslose Ehrlichkeit gegen sich selbst richtete, weil er arglos wie ein Kind gegen sichb und gegen Menschen denen er vertraute, gewesen war.3 Dem Schicksal sei Dank, daß esc das so mit der Wurzel ausgelöscht und ihm diese prachtvolle, reife und zugleich bezaubernd jugendliche zweite Blütezeit gegeben hat als Erfüllung eines sich nach dem Höchsten sehnsuchtsvoll streckenden Lebens. Der Wechsel von jubelnder Sicherheit und Verzagtheit in den Briefen der für Ihr Verhältniß zu einander entscheidenden Zeit ist ebenso menschlich echt wie das ehrliche Bekenntnis seiner religiösen Stellung die unserem Zeitschicksal entspricht. Dies ist mir besonders wertvoll, weil ich daraus sehe, daß er sich auch da „nichts vorgemacht“ hat, wie es heut so viele, grade auch Künstler, zu tun pflegen, schwache Seelen, die innerlich das Angesicht des heutigen Lebens nichtd ertragen können. Daß er das konnte und sich selbst nicht verlor in aller Schwere seines Schicksals und aller herben Selbstkritik, ist ein Beweis von so großer innerer Kraft, daß man ihn schon um des willen allein lieben muß. Und darum danken wir Ihnen – oder vielmehr, liebe Martha, nach diesem Beweis von Vertrauen geht es mir nicht anders

b c Fehlt in Abschrift; es sinngemäß ergänzt. d 3 Weber bezieht sich auf die seinen Bruder Karl tief verletzenden Verdächtigungen seiner Beziehung zu Emma Puppe, der Tochter seiner verstorbenen Haushälterin. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 6. Jan. 1914, MWG II/8, S. 458.

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vom Herzen, als zu sagen: – danken wir Dir für dies wundervolle Aufblühen, das Du dem schon Todgeweihten in solcher Schönheit geschenkt hast, wie die rührend schönen letzten Briefe in jeder Zeile sagen. – Wenn Du der Herrlichkeit dieses trotz allem großen Lebens offen bleibst, lebst Du am meisten so, wie es in seinem Sinn ist. Von Deiner Erlaubnis habe ich Gebrauch gemacht und Marianne diee Briefe gegeben. Sie liest sie mit zartem Herzen und wenn sie auch Karl nicht so nahe kannte, so war sie ihm doch grade in den letzten Jahren sehr zugetan, je öfter sie ihn sah, desto mehr. Sie soll sie Dir wieder mitbringen, wenn sie demnächst kommt,4 denn ich wage nicht, sie der Post anzuvertrauen. Verzeih daher die kurze Zeit, die Du sie noch entbehrst. Hoffentlich regelt sich die Art Deines Zusammenseins mit Lili gut. In herzlicher Freundschaft Dein Max.

e den > die 4 Marianne Weber war Ende Juni in München. Sie hielt dort, wie sie ihrer Schwiegermutter schrieb, einen „praktischen Vortrag“ für die Hausfrauenverbandstagung (Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 4. Juni 1917, Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446) und besuchte außerdem Else Jaffé (Brief von Else Jaffé an Alfred Weber vom 29. Juni 1917, BA Koblenz, Nl. Alfred Weber, Bd. 77, Bl. 161).

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23. Juni 1917

Franz Eulenburg 23. Juni 1917; o.O. Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede und Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 9, Bl. 38

23.6.17. ...a „Mitteleuropa“ ist als Wirtschaftsgemeinschaft erledigt. Sie wissen ja, daß ich da nur sehr geringe Erwartungen hatte.1 Politisch haben wir bei dem Haß aller Russen, ohne Ausnahme, gegen uns keine Wahl, als die Sache weiter zu pflegen und das Nötige (Militärkonvention, Handelsvertrag, Rechtsangleichung!) und Mögliche zu erreichen. Die russische Sache steht doch eben recht sehr problematisch für uns.2 Die polnische Sache ist richtig durch die Generäle verpfuscht.3 Ich trat damals aus dem Ausschuß aus.4 Sähen wir doch nur erst ein Ende dieses sinnlos gewordenen Krieges! Es ist schauerlich und gespenstisch, wenn Krieg „zum Alltag“ wird, draußen und drinnen.

a Auslassungszeichen in Abschrift. 1 Vgl. dazu die Briefe an Eulenburg vom 28. Dez. 1915 und 8. Juni 1916, oben, S. 233 – 236 und 449. 2 Gemeint ist die unbeirrte Kriegsfortsetzung von Regierung und Duma – so Weber – zur Sicherung des eigenen Machterhalts; vgl. dazu Webers Artikel: Die russische Revolution und der Friede, in: Berliner Tageblatt, Nr. 241 vom 12. Mai 1917, Ab.Bl., S. 1 f. (MWG I/15, S. 289 – 297, insbes. S. 297). 3 Zur übereilten Proklamation des Königreiches Polen war es am 5. November 1916 wegen der irrigen Annahme der deutschen Obersten Heeresleitung gekommen, dadurch ein gewaltiges Rekrutierungspotential an polnischen Truppen für den Krieg gegen Rußland zu gewinnen. 4 Das genaue Austrittsdatum Webers aus dem „Ausschuß für Mitteleuropa“ ist unbekannt; doch war die dritte Sitzung, die am 14. März 1916 unter seiner Leitung stattfand, die letzte, an der er teilgenommen hat.

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24. Juni 1917

Siegmund Hellmann 24. Juni [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 10, Bl. 6 – 7 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes sowie dem Eingangsvermerk des Verlags: „7./7.17“ erschlossen. Der Brief steht in Zusammenhang mit der Publikation von: Weber, Max, Parlament und Regierung; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Siegmund Hellmann vom 14. Juni 1917, oben, S. 660.

Heidelberg 24/VI Sehr verehrter Herr Kollege!

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Die „Frankf[urter] Zeitung“ hat von ihrem Recht Gebrauch gemacht und die Separat-Ausgabe der (etwas ausgearbeiteten) Artikel ihrerseits, auf Veranlassung vermutlich von Parteimitgliedern, in die Hand genommen.1 Alles ist im Druck und das Erscheinen steht bevor. Unter diesen Umständen kann doch eine abermalige Verarbeitung dieses Themas für Ihre Sammlung2 nicht in Betracht kommen. Ich muß nun unbedingt wieder an meine wissenschaftlichen Arbeiten3 gehen und sehe keine Möglichkeit, jetzt etwa ein ganz andres Thema für Sie zu behandeln, wie ich an sich des sehr guten Zweckes willen thäte. Denn ich wüßte im Augenblick keines[.] Möglich wäre, daß im Herbst (bei einer 앚:für dann beabsichtigten:앚 Tagung im kleinen Kreis)4 ich mich zu einera Beteiligung entschlösse und dabei Anregungen gewinnen würde, die eine geeignete Arbeit ergeben könnten. Sehr gern werde ich mich dann Ihrer freundlichen Aufforderung erinnern. Aber jetzt kann ich wirklich nicht. Denn über dies Thema habe ich nicht sehr viel Prinzipielles mehr und andres zu sagen, als geschah.

a 1 Diese Publikation ist unterblieben, da der letzte Teil von Webers Artikelserie, am selben Tag wie dieser Brief erschienen, beschlagnahmt und die Zeitung unter Präventivzensur gestellt wurde; vgl. dazu den Brief an die Redaktion der Frankfurter Zeitung vom 27. Juni 1917, unten, S. 671. 2 Gemeint ist die von Hellmann herausgegebene Broschürensammlung „Die innere Politik“. 3 Weber war mit der Weiterführung bzw. Überarbeitung seiner Aufsätze zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ beschäftigt. 4 Möglicherweise eine Anspielung auf die zweite Lauensteiner Tagung, die vom 29. September bis 3. Oktober 1917 unter Beteiligung Webers stattfand.

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Ich habe mich noch sehr für die freundliche Zusendung Ihrer Schrift5 zu bedanken. Es versteht sich, daß ich mit großem Einverständnis und lebhaftem Interesse davon Kenntnis genommen habe. Ich erwartete Sie in München ev. zu treffen und schrieb daher s. Z. nicht sofort. Mit den besten kollegialen Empfehlungen in vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster Max Weber

5 Vermutlich handelt es sich um: Hellmann, Siegmund, Deutschland und Amerika. – München und Leipzig: Duncker & Humblot 1917.

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Redaktion der Frankfurter Zeitung 27. Juni 1917; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen Max Webers SBPK zu Berlin, Nl. Hans Delbrück, Fasz. Max Weber Alle Unterstreichungen – außer bei der Ortsangabe des Adressaten im Briefkopf – sowie Anführungszeichen sind eigenhändig, sie werden im textkritischen Apparat nicht einzeln nachgewiesen. Das Schreiben trägt am Briefkopf den eigenhändigen Vermerk Max Webers: „Abschrift“.

Heidelberg, den 27. Juni 1917. An die Redaktion der Frankfurter Zeitung F r a n k f u r t a/Main. 5

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Sehr geehrte Redaktion! Die erstaunliche telefonische Mitteilung, daß die Nummer vom Sonntag von der Zensur beschlagnahmt sei,1 behalte ich natürlich durchaus für mich. Ich kenne, mit Ausnahme der skandinavischen Staaten und des Orients, sämtliche verbündeten feindlichen und neutralen Staaten aus gründlicher persönlicher Anschauung, Rußland aus seiner Presse und durch persönliche Beziehungen und habe durch zuverlässige deutsche Verwandte und Freunde auch jetzt genügend Verbindungen, um ohne Anmaßung behaupten zu dürfen, daß ich wohl besser als die meisten anderen abwägen kann, wie die freie Vertretung bestimmter kritischer Anschauungen in unserer Presse dort wirkt und ob sie realen deutschen Interessen da, wo es darauf ankommt, (und das ist nicht die Skandalpresse) schadet oder nicht. Dagegen muß ich bezweifeln, daß der Zensurbehörde der Eindruck deutlich ist, welchen eine solche Beschlagnahmemaßregel, falls sie bekannt würde, machen müßte, die ja lediglich den Erfolg hätte, für diese Nummer im Ausland ein Sensationsinteresse zu schaffen. Dafür lehne ich die Verantwortung ab.

1 Die Frankfurter Zeitung war nach Erscheinen des Artikels von Max Weber, Deutscher Parlamentarismus in Vergangenheit und Zukunft. III. Verwaltungsöffentlichkeit und politische Verantwortung, erschienen ebd., Nr. 172 vom 24. Juni 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 f. (MWG I/15, S. 486 – 525; hinfort zitiert als: Weber, Max, Verwaltungsöffentlichkeit und politische Verantwortung), nicht nur beschlagnahmt, sondern auch unter Präventivzensur gestellt worden.

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Persönlich hatte ich, mit rein wissenschaftlichen Arbeiten befaßt,2 keinerlei Bedürfnis nach irgendwelchen politischen Äußerungen während des Kriegs. Es ist erst durch gewisse Vorkommnisse, von denen ich alsbald sprechen werde, in Verbindung mit der infamen Agitation der Gegner entstanden, von denen Graf Reventlowa 3 m. E. bei weitemb noch der ehrlichste ist. Solange der von der Schwerindustrie gekauften Presse ihr Handwerk nicht gründlich gelegt wird, ist die ebenso rücksichtslose Vertretung der entgegengesetzten Ansichten Anstandspflicht. Die deutschen Zensurbehörden hätten ja durchaus die Mittel an der Hand, die obersten Instanzen rücksichtslos darüber aufzuklären, wie die in Berlin von der Zensur seit nun anderthalb Jahren zugelassene Hetze gegen die Reichsregierung, jetzt gegen den Verfassungsausschuß und die nichtkonservativen reichstreuen Parteien sie billigerweise außer Stand setzt, etwas zu tun, wenn auch Gegenäußerungen scharf ausfallen. Solange sie das was sie tun können entweder nicht tun oder erfolglos tun, bedeutet jeder solche Schritt wie der jetzt erfolgte eine rein parteipolitische Maßregel. Wenn nicht der Absicht nach, was ich keineswegs annehme, dannc jedenfalls im Effekt. Erd kann daher nur durch rücksichtslose inhaltliche und formelle Verschärfung des eigenen politischen Auftretens beantwortet werden und ich meinerseits betrachte es als eine Pflicht der Selbstachtung, diese Konsequenz fortan – natürlich außerhalb Ihrer Zeitung – ohne jede Rücksicht auf alle denkbar äußersten Folgen zu ziehen. Die Art, wie die Verfügung der Zensur sachlich begründet wurde, kenne ich ja nicht. Da die Behörde aber vielleicht der Ansicht ist, es mit einem Gelegenheitsausbruch politischer Leidenschaft zu tun zu haben, so füge ich zum sachlichen Verständnis meines Verhaltens hier hinzu: Ich nehme an, daß der deutschen Regierung die gegenwärtig gegen das Bündnis mit Deutschland in Österreich und zwar aus „deutschen“ Kreisen gerichtete Agitation bekannt ist. Vielleicht auch die Tatsache,

a Eulenburg > Reventlow b In Abschrift: weiten c In Abschrift: daß d Sie > Er 2 Weber arbeitete an den Aufsätzen zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“. 3 Gemeint ist Ernst Graf zu Reventlow, dessen Artikel in der Deutschen Rundschau so polemisch-alldeutsch und englandfeindlich waren, daß die Zeitung 1915 zeitweilig verboten und Graf Reventlow unter Präventivzensur gestellt worden war; vgl. dazu Westarp, [Kuno] Graf, Konservative Politik im letzten Jahrzehnt des Kaiserreiches, Bd. 2: Von 1914 bis 1918. – Berlin: Deutsche Verlagsgesellschaft 1935, S. 180f.

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daß von recht einflußreicher klerikaler Seite, also von einer Seite, die als staatserhaltend und bündnistreu angesehen zu werden pflegt, vor nicht langer Zeit dem neuen Monarchen eine 앚:Geheim-:앚Denkschrift in dem Sinne vorgelegt wurde: Man solle den Mächten der Entente schon jetzt ausdrücklich mitteilen, daß das Bündnis mit Deutschland den Krieg nicht oder nur der Form nach überdauern werde.4 Zu welchen weiteren Konsequenzen dieser Schritt geführt hätte, wenn er getan worden wäre, liegt auf der Hand. So vereinzelt und harmlos, wie der für diesmal gescheiterte Vorstoß erscheinen könnte, ist er nicht. Er erklärt sich keineswegs nur aus der durch die russische Revolution geschaffenen neuen Lage Österreichs. Ich bin im vorigen Jahr in Wien und Budapest gewesen5 und hatte bei dieser Gelegenheit sehr eingehende Unterhaltungen mit Politikern der verschiedensten Parteien, darunter solchen, welche Minister gewesen und von denen drei inzwischen wiederum österreichischen Kabinetten angehört haben.6 Ich bin damals von denjenigen von ihnen, die ich allen Anlaß habe als die bündnistreusten von allen anzusehen, mit auffälliger Dringlichkeit ersucht worden, dem Auswärtigene Amt, – zu dem man mir mit Unrecht und trotz meines energischen Protestes Beziehungen zuschrieb, – in dem Sinne Bericht zu erstatten: daß Österreich gegenüber die „alleräußerste Vorsicht“ geboten sei. Es wurde ein weiterer Kommentar verweigert und ich fühlte mich veranlaßt zu bemerken: daß die deutsche Regierung ihre Berichte durch ihren Botschafter erhalte und Privatpersonen wie ich, die lediglich den Zweck verfolgten[,] österreichische Politiker über die Stimmungen deutscher privater 앚:politischer:앚 Kreise aufzuklären, unmöglich die Aufgabe einer Nebenberichterstattung auf sich nehmen dürften. Hierauf wurde entgegnet: daß es sich eben doch um Dinge handelte, über welche ein Botschafter nicht wohl offiziell berichten könne. Den Dingen auf den Grund gee auswärtigen > Auswärtigen 4 Die entsprechende Denkschrift ist nicht nachgewiesen; eine solche ist weder bei Karl Fester, Die Politik Kaiser Karls und der Wendepunkt des Weltkrieges. – München: J. F. Lehmann 1925, erwähnt, noch bei Arthur Graf Polzer-Hoditz, Kaiser Karl. Aus der Geheimmappe seines Kabinettschefs. – Zürich, Leipzig, Wien: Amalthea 1926, noch bei Reinhold Lorenz, Kaiser Karl und der Untergang der Donaumonarchie. – Graz, Wien: Styria 1959. 5 Vgl. dazu die Briefe an Georg Gothein, ca. 8. Juni 1916, und Friedrich Naumann vom 9. Juni 1916, oben, S. 450 f. und 460. 6 Gemeint sind Franz Klein, Josef Frhr. v. Schenk und Ernest v. Koerber.

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hend, stellte sich heraus: daß die allgemeine Stimmung breiter österreichischer Kreise der einflußreichsten Sphäre dahinging: daß Österreich für die schweren Fehler zu büßen habe, welche die Art des öffentlichen Auftretens des deutschen Kaisers bezw. der Veröffentlichung von Äußerungen und Reden von ihm bedeutet hätten. Man sei der entschiedenen Ansicht, mit einem Staatswesen sich nicht zusammenschmieden zu können, welches seine Verbündeten dem Risiko aussetze, durch solche Äußerungen fortwährend in unerwartete Situationen und Verwickelungen hineingezogen zu werden. Diese Ansicht werde Deutschen gegenüber und vollends deutschen offiziellen Stellen gegenüber selbstverständlich niemals ausdrücklich ausgesprochen, sie sei aber der entscheidende Punkt und würde, sobald die Verhältnisse der österreichischen Politik die Hände freigeben würdenf, unweigerlich ihre Konsequenzen haben. Die tiefe Verstimmung, welche von der Dynastie bis zum letzten Offizier über die formelle Rücksichtslosigkeit und schlechte Erziehung zahlreicher Vertreter des Deutschtums im Kriege sich verbreitet habe, sei demgegenüber sekundär und mehr der populäre Ausdruck der gleichen Empfindung. Ich wurde wiederholt gefragt, ob es nicht angesichts dessen ratsam sei, das auswärtige Amt aufzuklären, damit „Garantien“ gegen die Wiederkehr solcherg Vorfälle in der internationalen Politik hgeschaffen würdenh. Es stellte sich heraus, daß die verschiedenen Äußerungen des Fürsten Bülow und früher des Freiherrn von Marschall, in welchen sie die Verantwortung für die von ihnen „gedeckten“ Äußerungen ablehnten,7 in Wien und Budapest ganz ebenso bekannt waren, wie in eingeweihten Kreisen bei uns. Ich konnte meinerseits demgegenüber nur bemerken: daß eine solche Mitteilung an das auswärtige Amt diese Behörde lediglich in Verlegenheit setzen werde, da sie ihrerseits ganz außer Stande sei, etwas zur Abhülfe zu tun. Derartige Dinge müßten zwischen den Dynastien besprochen werden. Meinerseits könne ich jedenfalls nur im Wege einer drastischen öffentlichen Erörterung der begangenen Fehler etwas zu tun versuchen; eine solche sei aber während des Krieges f In Abschrift: würde den

g In Abschrift: solche h ausgeschlossen seien > geschaffen wür-

7 Vermutlich bezieht sich Weber hier auf Äußerungen des Reichskanzlers v. Bülow während der sogenannten „Daily-Telegraph-Affäre“ im Jahre 1908 sowie auf das Verhalten des Staatssekretärs des Reichsamts des Äußeren, Adolf Frhr. Marschall v. Bieberstein, anläßlich der „Krüger-Depesche“ von Wilhelm II. 1896.

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nicht wünschenswert. Man möge auch berücksichtigen, daß während des Krieges bisher eine sichtliche Zurückhaltung in der Publikation kaiserlicher Äußerungen obgewaltet habe, von der anzunehmen sei, daß sie weiter bestehen werde. Inzwischen hat sich nun aber gezeigt, daß die gerügten skandalösen Mißstände einer öffentlichen Bekanntgabe von Äußerungen des Monarchen, welche in der privaten Unterhaltung vielleicht unschädlich oder sogar günstig wirken konnten, trotz aller Geschehnisse auch während des Kriegs ungeschwächt weiterbestehen. Von anderen Vorfällen abgesehen, ist der unerwünschte Sturz des schwedischen Ministeriums gegen wenige Stimmen Mehrheit sehr stark mitbedingt gewesen durch die schwere Verstimmung dort über die Publikation der bekannten Äußerung des Kaisers in Betreff der schwedischen Antwort an Wilson.8 Der seinerzeit ganz gleichartig bedingte Sturz Goluchowskisi hätte auch den Blindesten lehren können, daß man fremde Staatsmänner nicht ungestraft öffentlich auf die Schulter klopft.9 Diese politische Unbelehrbarkeit der höfischen Umgebung des Monarchen in Verbin-

i Bonukowskis > Goluchowskis 8 In einem Gespräch mit dem Schriftsteller Hans Müller in Wien hatte sich Wilhelm II. u. a. äußerst anerkennend über die schwedische Antwortnote vom 8. Februar 1917 an Wilson geäußert. Darin hatte die schwedische Regierung ihre Weigerung ausgedrückt, auf die deutsche Erklärung des unbeschränkten U-Boot-Kriegs mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu reagieren; vgl. dazu Schulthess 1917, Teil 2, S. 604 – 607. Für Wilhelm II. stellte die schwedische Antwort ein „für die Ewigkeit geschriebene[s] Dokument“ dar. „Nun wissen wohl die Neutralen schon insgesamt, wie sie unsere Kraft, aber auch, wie sie unseren Willen zum Frieden einzuschätzen haben. Zum ersten Male steht in gewissem Sinne der erklärte Wille der kleinen Staaten gegen die angelsächsische Welt, und Napoleons Kontinentalsperre wird aus einem Phantom zur Wirklichkeit, zu einer, die England härter trifft als alles, alles bisherige.“ Zitiert nach dem Artikel: Eine Unterredung mit dem Deutschen Kaiser. Äußerungen über das Friedensangebot und den Tauchbootkrieg. Wien 14. Febr., in: FZ, Nr. 45 vom 15. Febr. 1917, 2. Mo.Bl., S. 1. – Das konservative Kabinett Hjalmar Hammarskjöld war zwar am 29. März 1917 zurückgetreten; allerdings war dies in erster Linie auf Grund der ententefreundlichen liberal-sozialistischen Mehrheit in der zweiten Kammer geschehen. Auch in dem Buch von Inger Schuberth, Schweden und das Deutsche Reich im Ersten Weltkrieg. Die Aktivistenbewegung 1914 – 1918 (Bonner Historische Forschungen, Bd. 46). – Bonn: Ludwig Röhrscheid 1981, ist das Interview Wilhelms II. nicht als einer der Gründe für den Rücktritt der schwedischen Regierung angeführt. 9 Weber bezieht sich auf das Danktelegramm Wilhelms II. vom 13. April 1906 an den österreichisch-ungarischen Außenminister, Agenor Graf Goluchowski, für die diploma¯ tische Unterstützung Deutschlands auf der Konferenz von Algeciras. Goluchowskis ¯ Rücktritt erfolgte anschließend im Oktober 1906; vgl. MWG I/15, S. 515, Anm. 12.

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dung mit der offensichtlichen Unfähigkeit der verantwortlichen Instanzen, sich die Kontrolle über diese Publikationen k(ebenso wie über eine einheitliche und parteipolitisch tendenzfreie Handhabung der Zensur)k zu verschaffen, schließt weiteres Schweigen aus. Ich warte nur darauf, daß von Seiten der Gegner der öffentliche Protest gegen diesen Zustand als „unpatriotisch“ oder „antimonarchisch“ hingestellt wird, um durch drastische Mittel ein gerichtliches Verfahren, wenn es nicht anders geht gegen mich selbst, zu erzwingen, in welchem die sämtlichen mir hinlänglich zuverlässig bekannten nicht öffentlichen Äußerungen der Alldeutschen und konservativen Führer über jene Mißstände und über die Person des Monarchen vor aller Öffentlichkeit unter Beweis gestellt werden. Denn es muß diesem Versteckspielen ein Ende gemacht und nachgewiesen werden, daß über diese Dinge parteipolitische Meinungsverschiedenheiten in Deutschland nicht bestehen, obwohl es einigen Parteien ratsam erscheint, ihre Ansichten heuchlerisch zu verstecken. Dasl für einen Anhänger der Monarchie selbstverständliche Interessem an der Vermeidung solcher Diskussionen muß zurücktreten gegenüber den klar zu Tage liegenden und von niemand bestrittenen Lebensinteressen unserer nationalen Politik, welche das Aufhören dieser unglaublichen höfischenn Anarchie gebieterisch fordern. Ich stelle ganz anheim, diesen Brief den zuständigen Instanzen zur beliebigen Weitergabe zuzustellen und lege eine Abschrift für Exc. v. Payer10 zur ganz beliebigen Verwendung bei. Die Inanspruchnahme der Gastfreundschaft Ihrer Zeitung ist selbstverständlich für mich ausgeschlossen, nachdem sie zur Beschränkung Ihrer Bewegungsfreiheit und womöglich zur Verdächtigung Ihres Patriotismus geführt hat. Ich werde andere Wege finden, gegebenenfalls rücksichtslos zu Worte zu kommen. Beiliegender Brief interessiert vielleicht, obwohl der Prinz, wie Sie wissen,o seit langem einflußlos beiseite steht.11 Die Vorgänge der entscheidenden Zeit kennt er aber

k Klammern eigenhändig. l In Abschrift: Daß schrift: hlfischen o Komma eigenhändig.

m Interessen > Interesse n In Ab-

10 Die entsprechende Abschrift ist im Nl. Friedrich v. Payer im BA Koblenz nicht nachgewiesen. 11 Vermutlich handelt es sich hierbei um einen Brief von Prinz Max von Baden; der Brief ist nicht nachgewiesen.

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natürlich gut und die Beobachtungen über die Benutzungp der Worte des Kaisers in der Auslandspresse treffen mit meiner Kenntnis genau zusammen. Auch sehen Sie, daß die große Zurückhaltung Ihres Blattes auch in Kreisen ohne alles demokratische Gepräge als zu weitgehend beurteilt wird. In vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster qMax Weberq

p Benutung > Benutzung

q Unterzeichnung eigenhändig.

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Hans Delbrück 28. Juni [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig SBPK zu Berlin, Nl. Hans Delbrück, Fasz. Max Weber Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes sowie dem Datumsvermerk von dritter Hand „17.“ erschlossen.

Heidelberg 28.VI. Sehr geehrter Herr Kollege, – ich habe für verschiedene Zusendungen zu danken, insbesondre für den Artikel über den Verfassungsausschuß.1 Die Artikel in der „Frankf[urter] Zeitung“ werden Sie ja gesehen haben, auch den letzten, inzwischen – wie zu erwarten – beschlagnahmten.2 Den daraufhin von mir der Redaktion (zur Weitergabe) geschriebenen Brief lege ich zur Kenntnis in Abschrift bei3 und füge hinzu: Wer das politische Problem für uns überhaupt anders stellt als so: wie schaffen wir die Möglichkeit der Ausschaltung dieses Monarchen aus dem Einfluß auf die Politik, jedenfalls aus der Öffentlichkeit, – der kuriert an Symptomen und macht gegen die wirklichen Gefahren die Augen zu. Der Monarch ist unbelehrbar und was von dem Sohn zu gewärtigen ist, weiß Jedermann.4 Das Einzige, was im Kriege völlig versagt hat, war: die Dynastie, das weiß jeder Näherstehende, der Kanzler am besten. Daraus sind die Konsequenzen zu ziehen, mag man über „Parlamentarismus“ an sich denken was immer man wolle. Behält die

1 Delbrück, Hans, Die Neuorientierung, erschienen in: Preußische Jahrbücher, Bd. 168, Heft 3, 1917, S. 349 – 362. Der gemäßigt konservative Delbrück lehnte zwar „mit unbedingter Entschiedenheit“ eine Parlamentarisierung des Reiches ab (ebd., S. 353), befürwortete jedoch die Aufhebung der Bestimmung, daß „Mitglieder des Reichstages nicht gleichzeitig Mitglieder des Bundesrats sein dürfen“ (ebd., S. 356), sowie die Abschaffung des § 21 (RV), demzufolge die Annahme eines Regierungsamts den Mandatsverlust nach sich zog (ebd., S. 356). 2 Gemeint ist die dreiteilige Artikelserie über „Vergangenheit und Zukunft des deutschen Parlamentarismus“. Der dritte Teil, am 24. Juni 1917 erschienen, war daraufhin beschlagnahmt worden. 3 Brief an die Redaktion der Frankfurter Zeitung vom 27. Juni 1917, oben, S. 671 – 677. 4 Kronprinz Wilhelm war u. a. durch martialische Aussprüche aufgefallen – so bei den Übergriffen preußischer Militärs auf Bürger der elsässischen Garnisonstadt Zabern im Jahre 1913: „Immer feste druff!“.

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Nation unter dem Einfluß ihrer Publizisten den „Willen zur Ohnmacht“ im Innern, so wollen wir von deutscher Außenpol[itik]a nicht mehr reden, denn es ist dann ganz einerl[ei,]b was unternommen wird; es wird Alles verpfuscht werden, wie seit 25 Jahren. Das Tüchtigste, was dies System aufzuweisen hat, – die Militärs – sind politisch genau so urteilslos wie alle Andren (cf. die Behandlung der polnischen Frage im November).5 Schlimmer kann – rein politisch! – die korrupteste Parlamentswirtschaft nicht funktionieren: Ich sehe keinen Weg vor mir, als fortan rücksichtslos zu sagen: „was ist“. Und das ist: die Vernichtung unsrer politischen Zukunft durch die Dynastie und ihre Lobredner, interessierte wie uninteressierte. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster Max Weber

a Textverlust durch abgerissenes Blattstück. b Textverlust durch abgerissenes Blattstück. 5 Die Proklamation des Königreichs Polen am 5. Dezember 1916 war auf den Druck der Obersten Heeresleitung erfolgt in der irrigen Annahme, dadurch ein gewaltiges Rekrutierungspotential an polnischen Truppen für die Kriegsführung im Osten zu gewinnen.

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Verlag J. C. B. Mohr 1. Juli PSt 1917; Heidelberg Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Weber gibt irrtümlich als Datum: „31/VII“ an; auf der Adressatenseite befindet sich der Poststempel: „2.7.17. 10 – 11 V.“ Paul Siebecks Antwort vom 4. Juli 1917 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) bezieht sich auf die „freundlichen Zeilen“ Webers „vom 1.“ Der Brief steht in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Webers Artikelserie über „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief Webers an Paul Siebeck vom 22. Juni 1915, oben, S. 69.

Heidelberg 1a/VII Herrn J C B Mohr’s Verlag Tübingen. Die Verteilung des Artikels „Wirtsch[afts-]Ethik d. Weltreligionen“ (Archiv f. Sozialwiss[enschaft]) auf den Band stelle ich Ihnen ganz anheim.b 1 Ich schlage vor, den Beitrag wenn möglich jetzt hinter ein ander zu drucken und dann die Abteilung der Einzelabschnitte nach Ihrem Wunsch vorzunehmen, wobei ich mir zu gestatten bitte, die betreffende Stelle im Einzelnen zu bezeichnen[.] Mit vorzüglicher Hochachtung Prof. Max Weber

a O: 31

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1 Es handelt sich um das Gesamtmanuskript zu: Weber, Max, Antikes Judentum. Der umfangreiche Beitrag ist in sechs Teilen bzw. auf sechs Hefte verteilt publiziert worden.

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Helene Weber 1. Juli [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 274 Das Jahr ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 1.VII. Liebste Mutter,

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Marianne telegrafiert aus Immenstadt, daß sie erst morgen kommt, ist also mit Naumann zusammen.1 Sonst hatte ich nur eine ganz vergnügte Karte aus München.2 Die Steuerveranlagung entspricht dem gestellten Antrag, das Haus ist also nicht mehr mit 64 000 Mk, sondern jedenfalls nicht über 55000 Mk. veranschlagt, da ich Beschwerde in Aussicht gestellt hatte, falls der Preis höher angesetzt würde. Dein Vermögen ist auf 420– 440 000a Mk (375 000 Mk Wertpapiere + Preis des Hauses) angesetzt. Ich schicke die Veranlagung der Deutschen Bank. Du erhältst nun noch die Nachricht des Magistrats, an welche Hebestelle zu zahlen ist. Sobald sie eingeht, bitte schicke sie direkt an die Deutsche Bank (Berlin W 8 wie immer), der ich das ankündigte. Bertha besuchte ich letzte Woche 2 Mal,3 es geht immer auf und ab. Die Ärzte taxieren die Dauer auf („höchstens“) 1 Jahr, Zeit innerhalb dieser Grenze unbestimmt. Ich kann mich nicht entsch[eiden]b damit einverstanden zu sein, daß das alte Mädchen jetzt nach Haus4 geschickt wird, es sei denn, daß eine erhebliche „Besserung“, d. h. ein längere Zeit versprechender Stillstand eintritt, soc pekuniär hart die

a O: 44 000

b O: Textverlust durch abgerissenen Briefrand. c

1 Marianne Weber besuchte Friedrich Naumann, der sich in Immenstadt erholte, auf der Rückreise von München. Naumann erwiderte den Besuch auf seiner Rückreise nach Berlin am 4. Juli in Heidelberg. Vgl. den Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 6. Juli 1917 (Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446). 2 In München hatte Marianne Weber Ende Juni auf einer Hausfrauenverbandstagung einen Vortrag gehalten. Vgl. den Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 4. Juni 1917 (Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446). 3 Vgl. den Brief an Mina Tobler vom 19. Mai 1917, oben, S. 645, Anm. 3. 4 Bertha Schandau stammte aus Ostpreußen, wo ihre Schwester lebte. Die lange Reise konnte ihr nur zugemutet werden, wenn sich ihr Zustand verbesserte.

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Last auch ist. Vielleicht soll sie in ein „Heim“ überführt werden, ich werde den Arzt noch sprechen. Ob Linchen5 nun jetzt fortkommt, werde ich jetzt feststellen oder es doch versuchen. Wenn ja, dann gehe ich jetzt nach Örlinghausen,6 sonst später im Jahr (September). Denn mit Valborg7 zusammen hat das ja keinerlei Zweck. Schade, daß sie nicht 앚:lieber:앚 auf den Kupferhammer8 kann! Kannst Du mir den Artikel zurückschicken?9 (im Kouvert!) Er ist nicht mehr zu haben, da er beschlagnahmt wurde. Diesed Kerle sind sehr dumm, – so las ihn (schon wegen der Länge) nur wer spezielles Interesse hatte, jetzt ist für ihn Reklame gemacht. Eine Anzahl recht netter Briefe erhielt ich aus dem Anlaß. Wir freuen uns stets an dem Gedanken, daß Lisa v. U[bisch] nun bei Dir ist.10 Clara kann ja gar nicht so wie früher stets jederzeit bei Dir sein, das zeigte sich doch in den letzten Jahren. Zu Verstimmung ist also keinerlei Anlaß und das wird sehr bald schwinden. Tausend herzliche Grüße Dein Max

d 5 Das Hausmädchen Lina, das 1907 als Unterstützung für die kränkliche Bertha Schandau ins Haus genommen worden war, wurde von der Krankenkasse im Juli 1917 für drei Wochen zur Erholung nach Mudau in den Odenwald geschickt. 6 Wohnort von Alwine (Wina) Müller. 7 Die Schwägerin Valborg Weber fuhr erst im August nach Oerlinghausen, wie Marianne Weber Helene Weber in ihrem Brief vom 6. Juli 1917 (wie Anm. 1) mitteilte. 8 In Kupferhammer, in der Nähe von Oerlinghausen, wohnten Hertha und Karl Möller. Hertha Möller war eine Schwester von Alwine (Wina) Müller. 9 Gemeint ist der Artikel: Weber, Max, Verwaltungsöffentlichkeit und politische Verantwortung (wie oben, S. 671, Anm. 1). Die Frankfurter Zeitung war wegen dieses Artikels beschlagnahmt und unter Präventivzensur gestellt worden. Vgl. den Brief an die Redaktion der Frankfurter Zeitung vom 27. Juni 1917, oben, S. 671 – 677. 10 Seit einigen Wochen wohnte Lisa v. Ubisch, die Freundin von Lili Schäfer, bei Helene Weber in Pension.

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Conrad Haußmann 3. Juli [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 3/VII Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt!

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Ich weiß nicht, ob der Fall der Censur-Maßregelung der „Frankf[urter] Z[eitung]“ anläßlich meines Artikels zum Gegenstand einer Erörterung gemacht werden soll.1 An sich wäre es sachlich erwünschter, wenn die zuständige Instanz ohne öffentliche Erörterung nachgäbe, und das könnte sie ja, wenn sie statt der „Fr[ankfurter] Z[eitung]“ mich a unter Präventiv-Zensur stellen würde, – wogegen ich, da ich 앚:genug:앚 Andres zu thun habe, gar nichts hätte. Der Fall hat ja in dem Grafen Reventlow ein Präcedens.2 – Was Zeitungen anlangt, so wäre aber doch wohl ein Gesetzes-Antrag, der Präventiv-Zensur ein für alle Mal dem Reichskanzler (wenn das nicht erreichbar ist, dem Kriegsminister) vorbehält, recht angebracht. Das grobe Ungeschick dieser bornierten stellv[ertretenden] kommand[ierenden] Generale, die als Soldaten zu nichts zu brauchen sind und deshalb politisch ihr Wesen treiben dürfen, wirkt doch recht schädlich. Aus welchen sachlichen Gründen ich diese Dinge (Publikationb kaiserlicher Äußerungen) jetzt angeschnitten habe, ist in dem Brief dar-

a O: zweifach unterstrichen.

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1 Wegen des Artikels: Weber, Max, Verwaltungsöffentlichkeit und politische Verantwortung, vom 24. Juni 1917 war die Frankfurter Zeitung unter Präventivzensur gestellt worden. Tatsächlich wurde auf Veranlassung von Conrad Haußmann in einer Sitzung des Hauptausschusses des Reichstags der Antrag auf Aufhebung des Zensurerlasses gestellt. Dieser führte zwar zum Erfolg, doch wurden Ende August 1917 erneut Zensurmaßnahmen gegen die Frankfurter Zeitung ergriffen; vgl. Mommsen, Max Weber 3, S. 173. 2 Zur Präventivzensur gegen Ernst Graf zu Reventlow vgl. den Brief an die Redaktion der Frankfurter Zeitung vom 27. Juni 1917, oben, S. 672, Anm. 3.

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gelegt, welchen ich der „Fr[ankfurter] Z[eitung]“ für die Behörde und diec Abschrift für Herrn v. Payer zugestellt habe.3 Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster Prof. Max Weber Ich verfolge die Sache demnächst in einigen Publikationen weiter. Denn sie ist der Kern- und Angelpunkt der ganzen Zukunfts-Verfassungs-Frage.

c Alternative Lesung: in 3 Der Brief an die Redaktion der Frankfurter Zeitung vom 27. Juni 1917, oben, S. 671 – 677, existiert lediglich in einer autorisierten Abschrift im Nl. Hans Delbrück. Die Abschrift des Briefes an Friedrich v. Payer ist in dessen Nachlaß im BA Koblenz nicht nachgewiesen.

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Helene Weber 7. Juli PSt 1917; Heidelberg Karte; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 276

Heidelberg, 7. VII. Liebe Mutter Schönen Dank!

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Ich fahre Dienstag nach Örlinghausen und bleibe bis – höchstens – in die ersten Augusttage, wahrscheinlich aber nur bis 31. VII. dort. Lina1 fährt ebenfalls Dienstag in ihre Sommerfrische, ist sehr beseligt über das große Ereignis. – Ich war sehr schwankend, ob ich nicht, um Dich in Örl[inghausen] zu treffen, lieber im September gehen sollte. Aber ich muß jetzt fort und es ist im Juli überall Alles so voll, daß ich keine andre Wahl hatte, als jetzt hinzugehen, wo es bei Wina2 gut paßt. – Die „Frankf[urter] Zeitung“ hat ja nun in ihrem Kampf mit der Zensur gesiegt.3 Es war eine Dummheit der Militärs, so für den Artikel eine „Sensation“ zu schaffen. Tausend herzliche Grüße Dein Max

1 Vgl. den Brief an Helene Weber vom 1. Juli 1917, S. 682, Anm. 5. 2 Alwine (Wina) Müller in Oerlinghausen. 3 Gemeint ist die Aufhebung der Präventivzensur gegen die Frankfurter Zeitung, die Kriegsminister v. Stein veranlaßt hatte. Conrad Haußmann hatte die Aufhebung im Hauptausschuß des Reichstages beantragt. Vgl. MWG I/15, S. 425, und den Brief an Haußmann vom 3. Juli 1917, oben, S. 683 f.

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Eugen Diederichs 10. Juli [1917]; Oerlinghausen Brief; eigenhändig DLA Marbach a. N., VA Eugen Diederichs Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes sowie dem Vermerk von Eugen Diederichs: „16./7.17“ erschlossen. Dieser Brief und die folgenden Schreiben an Diederichs, vor dem 24. Juli und vom 30. August 1917, unten, S. 721 und 760, stehen in Zusammenhang mit der zweiten Lauensteiner Kulturtagung, die vom 29. September bis 3. Oktober 1917 auf Burg Lauenstein bei Probstzella in Thüringen stattfand. Der Initiator dieser Konferenzen war Eugen Diederichs. Die erste Tagung vom 29. bis 31. Mai 1917 war von dem Gegensatz Max Maurenbrecher – Max Weber geprägt worden; vgl. dazu MWG I/15, S. 701 – 707. Auch an der zweiten Tagung, die unter dem Leitthema „Das Führerproblem im Staate und in der Kultur“ stand, hat sich Weber beteiligt. In der gedruckten Einladung zur „geschlossenen Besprechung“ auf der Burg Lauenstein (DLA Marbach a. N., VA Diederichs, Fasz. Lauensteiner Tagungen 1917 u. 18) heißt es zur Programmabfolge: „Einleitend zur neuen Tagung soll diesmal ein Vortrag über das Thema ‚Die Persönlichkeit und die Lebensordnungen‘ gehalten werden, den Max Weber zu übernehmen bereit ist. Daran sollen sich dann Vorträge über das Führerproblem schließen […]. Der einleitende Vortrag hat den Zweck, von den zum Teil sehr allgemeine Fragen berührenden Erörterungen der ersten Tagung hinüberzuleiten zu derjenigen Sondergestaltung der Fragestellung, welche für eine fruchtbare Besprechung Voraussetzung ist.“ Über die Einzelheiten von Webers Vortrag ist nichts Näheres bekannt; zu diesem nicht überlieferten Vortrag vgl. MWG I/15, S. 707.

z. Z. Örlinghausen (Lippe) bei Frau Alwine Müller 10/VII Sehr geehrter Herr Diederichs ich möchte betonen, daß der – hoffentlich leserliche [–] „Gegenvorschlag“1 dem prinzipiellen Standpunkt meinerseits nicht vorgreift: daß es besser sei, gar keine „Generalidee“ zu Grunde zu legen, sondern ganz schlicht zu sagen: man beabsichtige eine unverbindliche Aussprache unter Leuten, die sich interessieren. Mit vorzüglicher Hochachtung Prof. Max Weber

1 Dieser Vorschlag ist im VA Diederichs im DLA Marbach a. N. nicht nachgewiesen.

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Ludo Moritz Hartmann 10. Juli [1917]; Oerlinghausen Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 15, Bl. 6 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 10/VII (z. Z. Örlinghausen, Lippe) Lieber Freund, –

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im Prinzip bin ich gern bereit.1 Am liebsten: früh, im beginnenden Winter, von den ersten Oktobertagen angefangen (etwa 5.6. X an) bin ich frei. Aber auch in der 2. Oktoberhälfte. Muß es sein, auch nachher, – aber dann sind doch wohl alle Heizungsfragen schwieriger. – Man hatte mich in München für Brentano vorgeschlagen.2 Aber

1 Zum Vortrag Webers in der Wiener „Soziologischen Gesellschaft“, der am 25. Oktober 1917 stattfand, vgl. den Brief an Hartmann vom 24. Jan. 1917, oben, S. 588 f., Anm. 5. 2 Es geht hierbei um die Neubesetzung des Lehrstuhls von Lujo Brentano. Nach dessen Emeritierung zum 1. Oktober 1916 hatte die Staatswirtschaftliche Fakultät bzw. der Senat als Kandidaten Heinrich Herkner, Gerhart v. Schulze-Gaevernitz sowie Heinrich Dietzel pari loco vorgeschlagen – dies nach der Stellungnahme Karl Theodor v. Ehebergs vom 13. Okt. 1916 (BayHStA München, MK 69316), da die eigentliche Vorschlagsliste fehlt. Herkner, der den Ruf am 25. Jan. 1917 (ebd.) erhielt, hat schon am 15. Febr. 1917 (ebd.) abgelehnt. Dem nachfolgenden Gutachten Lujo Brentanos vom April 1917 (ebd.) über Karl Diehl, Ludwig Pohle und Kurt Wiedenfeld als möglichen Berufungskandidaten ging ein längeres Statement über den Mann voraus, „der nach der bei den wissenschaftlichen Nationalökonomen Deutschlands vorherrschenden Meinung als der genialste aller dermaligen deutschen Nationalökonomen gilt. Es ist der Professor Max Weber in Heidelberg, geb. am 21. April 1864. Trotzdem ich erst neuerdings seiner zu großer Verbreitung gelangten Lehre über den Zusammenhang des ,Geistes‘ des Kapitalismus mit dem Puritanismus aufs Entschiedenste entgegengetreten bin, kann ich mich dem allgemeinen Urteil über die ganz ungewöhnliche wissenschaftliche Bedeutung Max Webers nur anschließen.“ Nach einer kurzen Schilderung der akademischen Laufbahn und der Schriften Max Webers, seiner Erkrankung und seiner wiedergewonnenen Lehrbefähigung kam Brentano zu dem Schluß, daß gerade Max Weber für München sehr geeignet sei; mit ihm werde „die weitaus hervorragendste wissenschaftliche Persönlichkeit auf dem Gebiete der Nationalökonomie damit für München gewonnen. Max Weber, Moritz J. Bonn und G. von Schulze-Gaevernitz sind die einzigen Männer ersten Ranges, welche unter den mit Rücksicht auf ihr Alter in Betracht kommenden, als meine Nachfolger in Vorschlag gebracht werden können.“ Die daraufhin von der Staatswirtschaftlichen Fakultät im Mai 1917 präsentierte Berufungsliste mit Max Weber und Gerhart v. Schulze-Gaevernitz an erster sowie Moritz Julius Bonn an zweiter Stelle (UA München, Y-XVI-5, Bd. 2 – vgl. dazu den Brief

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die Regierung hat gesagt: „als 앚:remunerierter:앚 freier Lehrer ja, als Ordinarius nein“.a Als „freier Lehrer“ aber würde ich wohl nur für

a Eigenhändiger Vertikalstrich Max Webers am Rande mit dem eigenhändigen Zusatz: nicht für die Öffentlichkeit an Mina Tobler vom 27. Mai 1917, oben, S. 652, Anm. 4) hat in den Ministerialakten keinen Niederschlag gefunden. Nach einer Aktennotiz (BayHStA München, MK 69316) wurde eine erneute Berufungsliste am 26. Juli 1917 eingereicht mit den pariloco-Vorschlägen Georg v. Schanz, Gerhart v. Schulze-Gaevernitz und Max Weber, ohne daß das Ministerium vorerst zu einem definitiven Entschluß kam. Die Frankfurter Zeitung berichtete schon in ihrer Notiz: Die Nachfolge Brentanos, ebd., Nr. 234 vom 25. Aug. 1917, 1. Mo.Bl., S. 3, davon, daß obgleich „Max Weber, Bonn und SchulzeGävernitz vorgeschlagen“ seien, es zu keiner Entscheidung gekommen sei, wobei die „Schwierigkeiten […] vielleicht weniger im Ministerium selber“ lägen „als außerhalb in gewissen Strömungen, die sich bereits in der Presse bemerkbar gemacht haben und an sehr einflußreicher Stelle begünstigt werden. Die Strömungen sind dieselben, die schon gegen Brentano gerichtet waren.“ Tatsächlich ist der Name „Max Weber“ in der konservativen bzw. großindustriell ausgerichteten Presse gerade als möglicher Kandidat für den Münchener Lehrstuhl auf vehemente Kritik gestoßen, so z. B. bei Wolfgang Aschenbrenner, Die volkswirtschaftlichen Lehrstühle der Universität München, in: Allgemeine Rundschau, Nr. 38 vom 22. Sept. 1917, S. 629 f.: „ Weber – Heidelberg hat in der ,Frankfurter Zeitung‘ Aufsätze über den Parlamentarismus und das monarchische System geschrieben, die neben zutreffenden Ansichten noch über die Freisinnstheorien hinaus weiter nach links gingen. Dabei leuchtete eine ziemlich bemerkbare Selbstgefälligkeit bei schroffster Polemik gegen andere heraus“, ebd., S. 630, sowie gleichlautend in „Regensburger Anzeiger“ Nr. 434 vom 31. Aug. 1917 und „Augsburger Zeitung“, Nr. 398 vom 31. Aug. 1917: „Politische Professuren, wie sie die SchulzeGävernitzens und Max Webers sind, möge man uns vom Leibe halten. Wir haben an der Ära Brentano genug.“ – Offensichtlich ist das Kultusministerium an Georg v. Schanz herangetreten, der aber am 19. Nov. 1917 einen Ruf nach München ablehnte (ebd.). Auf den Vorschlag v. Schanz’ hin wurden im Jahre 1918 als Kandidaten auch Alfred Weber, Arthur Spiethoff, Kurt Wiedenfeld und Karl Diehl in Erwägung gezogen und diverse Gutachten eingefordert. Erst Anfang November 1918 wurde ein neuer Berufungsvorschlag erstellt. In dem Ministerialkonzept wurde dabei noch einmal Revue passiert über die bisherigen erfolglosen Berufungsversuche und über die Gründe, sich nicht an die von der Fakultät vorgeschlagenen Kandidaten v. Schulze-Gaevernitz und Max Weber zu wenden, da sie nämlich wirtschaftspolitisch „mehr oder minder stark nach links gerichtet“ seien – „am meisten links“ stehe Max Weber. Weber gelte zwar als „einer der geistreichsten derzeitigen deutschen Nationalökonomen“, sei „aber in seinen wissenschaftlichen Anschauungen derart extrem und in seinem Auftreten so exzentrisch und rücksichtslos, daß er in zahlreichen Fällen auf Kongressen u. dgl. unliebsame Auftritte veranlasse.“ Den Ruf erhielt Adolf Weber aus Breslau, da er in wirtschaftspolitischen Dingen „einen gemäßigten“ Standpunkt einnehme. Weber hat den Ruf aber abgelehnt. Der weitere Berufungsverlauf im einzelnen ist aus der Akte nicht ersichtlich, da abrupt – nach einem Schreiben von Carl Heinrich Becker vom 5. Nov. 1918 (ebd.) sowie der folgenden Aktennotiz, Edgar Jaffé betreffend – direkt anschließend das Berufungsschreiben an Max Weber (Konzept; ebd.) vom 23. Jan. 1919 folgt.

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Soziologie1) dort hin gegangen sein, weiß also noch nicht, ob, wenn das an mich kommen sollte, es etwas wird. In Betracht wäre Beides gekommen, da ich ganz gern lehre und in Heidelberg jetzt 10 Leute sind!3 Herzliche Grüße auch Ihrer lieben Frau Ihr Max Weber Nat[ional-]Ökonomen sind genug dort,4 wenn die Stelle jetzt anderweit (wohl: Fuchs)5 besetzt wird. 1)

3 Die Zahl ist sehr hochgegriffen. Da durch kriegsbedingte Tätigkeiten Alfred Weber als Ordinarius und Hermann Levy und Arthur Salz als Privatdozenten ausfielen, war die Lehrtätigkeit auf den Ordinarius Eberhard Gothein sowie die Privatdozenten Emil Lederer, Sally Altmann und Sigmund Schott – die beiden Letztgenannten hauptamtlich an der Handelshochschule Mannheim tätig – und den neuhabilitierten Otto Neurath beschränkt. 4 An der Universität München lehrten damals zwei Ordinarien, nämlich Georg v. Mayr und Walther Lotz, ein Honorarprofessor – Theodor Zahn – und vier Privatdozenten, Edgar Jaffé, Rudolf Leonhard, Ludwig Sinzheimer und Moritz Julius Bonn. 5 Die Berufung des aus Bayern stammenden Tübinger Ordinarius Carl Johannes Fuchs ist zwar erwogen worden, jedoch unterblieben.

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Mina Tobler [10. Juli 1917]; Oerlinghausen Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Der Brief ist kurz nach Webers Ankunft in Oerlinghausen geschrieben. Das Datum ist erschlossen aus der Tagesbezeichnung „Dienstag“ und der Karte an Helene Weber vom 7. Juli 1917, oben, S. 685, auf der Weber seine Reise nach Oerlinghausen auf den folgenden Dienstag festlegte.

Örlinghausen (Lippe) bei Frau Alwine Müller Dienstag Nachm. Liebes Tobelkind, – eben angekommen, schicke ich Ihnen schnell einen schönen Gruß, da die Cousine1 noch schläft und ich allein bin. Hier ruft Alles „Heimat, Heimat“, – von all den Kindererinnerungen2 an bis zu der traumhaften merkwürdigen Zeit vor 24 Jahren.3 Zuweilen habe ich in früheren Jahren gedacht auf die alten Tage hierher zu ziehen, des erinnerte ich mich noch gut. Tiefe Stille in dem großen schönen Haus, nur ganz oben schreit das kleine Kind meiner Nichte,4 draußen in dem schönen Garten – große Rasenflächen ansteigend mit Wald dahinter, – schweigen die Vögel heut, weil Gewitterstimmung ist, und durch das eine Fenster sieht man durch eine Baumlichtung weit fort in die wunderbare westfälische Ebene bis zu den Weserbergen. Ein deutsches Land, „deutscher“ noch als Heidelberg, – was doch die eigentliche Heimat ist. Herrliches Erntewetter und tiefer Friede. Wenn nicht all die Gedanken wären! Ich habe Frau Gothein, die mich auf Clemen5 anredete, gesagt, ich könne ihn jetzt nicht sehen. Von München wußte sie auch.6 Ich werde nun einen Vorwand ergreifen, Gothein zu schreiben, weshalb

1 Alwine (Wina) Müller, geb. Weber. 2 Als Kind hatte Max Weber dort seinen Großvater Carl David Weber besucht. 3 Nach der Verlobung im Mai 1893 hatte in Oerlinghausen im September desselben Jahres die Hochzeit von Max und Marianne Weber stattgefunden. 4 Gemeint ist das Kind von Marianne Zeeden, geb. Müller, Ernst Walter Zeeden. 5 Paul Clemen war ein Freund von Marie Luise und Eberhard Gothein. 6 Gemeint ist die Listenplazierung Webers für die Nachfolge Lujo Brentanos. Vgl. den Brief an Mina Tobler vom 27. Mai 1917, oben, S. 652 f., und den Brief an Ludo Moritz Hartmann vom 10. Juli 1917, oben, S. 687 – 689.

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ich mich so wie geschehen gestellt habe und zwar so, daß es ihm sehr schwer fallen soll, nicht die Konsequenzen zu ziehen.7 Natürlich ziehen sich jetzt alle Entschlüsse aller Universitäten bis Ende des Krieges hinaus (grade wo es sich nicht um Besetzung von „Stellen“, sondern um neuesa Geld handelt)b. Aber wenigstens wissen sie dann, was los ist. Tausend Grüße Ihr immer Gedenkender Max Weber

a Unsichere Lesung. b Klammer fehlt in O. 7 Welche Konsequenzen dieser ziehen sollte, konnte nicht ermittelt werden. Vielleicht ist die Einrichtung eines besoldeten Lehrauftrages für Weber in Heidelberg gemeint. Dies deutet Weber in seinem Brief an Mina Tobler vom 27. Mai 1917, oben, S. 653, an. Gothein war Mitglied des Engeren Senats und Dekan der philosophischen Fakultät.

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Marianne Weber [10. Juli 1917]; Oerlinghausen Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus der Tagesbezeichnung „Dienstag“ in Verbindung mit der Karte an Helene Weber vom 7. Juli 1917, oben, S. 685, erschlossen.

Örl. Dienstag Nachmittag Liebes Schnauzele, – ehe Wina1 aufwacht, benutze ich die Zeit, Dir schnell einen Gruß und Kuß zu senden. Ich bin in Cöln nach großer Hetze doch richtig angekommen, dann heut morgen weiter und war hier um nach 3 Uhr etwa, schlafe in dem üblichen wunderschönen Zimmer und schreibe an dem alten Schreibtisch. Es rufta Alles doch auch „Heimat, Heimat!“, das läßt sich nicht leugnen, und das bedeckt-sonnige Wetter steht der so unendlich deutschen Landschaft wunderbar schön. Es ist doch ein großer Jammer, daß Du, liebes Mädele, nicht auch hier bist jetzt, denn überall denkt man Dich hinzu. Am Scheerenkrug – Pfingsten vor 24 Jahren – weißt Du noch?2 Mit dem kleinen Käppchen auf dem dikken kurzen Haar, ganz roth wie ein Röschen, mit spitzem Wina-Mäulchen? Und dann die Hochzeit drüben in dem Saal und anstoßenden Zimmer. Es ist still und sehr heimlich, ich denke es wird gut thun und war wohl das Richtige so. – Die Fressalien hoben mehr als garnicht, mit einem drohenden Riß im Wanst kam ich hier an. Alles mundete aber herrlich. Hoffentlich fristest Du nun auch Dein Dasein, mein liebes Mädele. Man denkt fast mit sehr schlechtem Gewissen jetzt an Deine Heidelberger Existenz.3 Hier ist man gleich aus Allem draußen. a O: ruf 1 Alwine (Wina) Müller. 2 Pfingsten 1893 gaben Max und Marianne Weber ihre Verlobung bekannt, und im Anschluß daran wurde Max Weber der Schnitgerschen Verwandtschaft vorgestellt. Möglicherweise wurde die Verlobung im Scherenkrug, einer Gaststätte in der Nähe von Oerlinghausen, gefeiert. 3 Damit spielt Max Weber auf die Vorratspolitik von Marianne Weber an. „Mein Leben ist doch arg aus dem Geleis, denn ich muß allwöchentlich jetzt 2 – 3 Tage einmachen, außer Gemüse alles besorgen u.s.w. daneben noch die Kriegerfrauen. Ich führe also eine rein praktische Existenz, die ich auf die Dauer nicht aushalten könnte“, schrieb Marianne Weber am 6. Juli 1917 an Helene Weber (Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446).

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Propheten4 – Wilh[elm] II5 – Frankf[urter] Zeitung6 – Alles ist ganz weit weg. Nächstes Jahr gegen den Herbst hin gehen wir aber beide her, – nicht? Ich denke, Winchen wird es recht sein. Ich denke sie wacht jetzt auf, auch ist nichts zu berichten, als daß es mir voraussichtlich noch sauwohler wird als es schon ist. Es küßt Dich Dein Max Wina und Marianne7 grüßen Dich herzlichst.

4 Schon seit längerem beschäftigte sich Max Weber mit dem antiken Judentum. So schrieb Marianne Weber am 12. Oktober 1916 an Helene Weber (Bestand Max WeberSchäfer, Deponat BSB München, Ana 446): „Der Max hat sich jetzt grade in das alte Testament vertieft, analysiert die Propheten, Psalmen u. das Buch Hiob – u. liest mir abends manchmal ein bißchen vom Neusten vor.“ Der Aufsatz „Antikes Judentum I“ erschien im Oktober 1917 im AfSSp, 44. Bd., Heft 1. 5 Weber hatte in der Frankfurter Zeitung die Veröffentlichung von persönlichen Äußerungen Wilhelms II. als äußerst schädlich für die deutsche Außenpolitik kritisiert. Vgl. Weber, Max, Verwaltungsöffentlichkeit und politische Verantwortung (wie oben, S. 671, Anm. 1), MWG I/15, S. 507 – 515. 6 Anspielung auf die Beschlagnahmung der Frankfurter Zeitung, Nr. 172 vom 24. Juni 1917, wegen Webers Artikel „Verwaltungsöffentlichkeit und politische Verantwortung“, vgl. den Brief an die Redaktion der Frankfurter Zeitung vom 27. Juni 1917, oben, S. 671 – 677. 7 Marianne Zeeden, geb. Müller, die Tochter von Alwine (Wina) Müller.

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Otto Thomas 12. Juli [1917]; Oerlinghausen Abschrift; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen Max Webers GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 5, Bl. 16 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Das Schreiben enthält am Briefkopf den maschinenschriftlichen, von Max Weber eigenhändig unterstrichenen Vermerk: „Abschrift:“ Die Abschrift ist auf Veranlassung von Otto Thomas erstellt worden und Weber in der Annahme, daß dieser keine Kopie habe herstellen lassen, mit seinem Antwortschreiben vom 16. Juli 1917 (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 5, Bl. 17) zugesandt worden. Die Korrekturen und Marginalien zu diesem sowie dem folgenden Brief von Thomas vom 21. Juli 1917 (ebd., Bl. 19) sind vermutlich von Weber erst später hinzugefügt worden, als er diese Schreiben Georg Hohmann zur Information, nach dem 3. September 1917, unten, S. 763 f., zugeschickt hat. Im folgenden Brief geht es um Webers Absage, auf einer am 1. August 1917 zu veranstaltenden Friedensversammlung in München gemeinsam mit dem sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Wolfgang Heine als Redner aufzutreten. Die Beweggründe für Webers Absage resultierten aus den sich überstürzenden innenpolitischen Ereignissen in Berlin: dem königlichen Erlaß vom 11. Juli 1917 zum gleichen Wahlrecht in Preußen, dem drohenden Sturz des Reichskanzlers von Bethmann Hollweg, der einen Tag später, am 13. Juli 1917, erfolgte, sowie den Auseinandersetzungen um die von Matthias Erzberger initiierte „Friedensresolution“, die am 19. Juli 1917 im Reichstag vom Zentrum, den Sozialdemokraten und der FVP mehrheitlich angenommen wurde. Außenpolitisch war Webers Absage durch die damals noch in Gang befindliche russische Kerenskij-Offensive bedingt. Webers Ablehnung rührte letztlich daher, daß er die Verquickung von Verfassungsreform und Friedensinitiative für äußerst problematisch hielt – ein durchgehender Tenor in vielen seiner folgenden Briefe, wie z. B. an Marianne Weber vom 12. bzw. 13. und 19. Juli 1917, unten, S. 698 f. und 715, sowie an Heinrich Simon vom 1. August 1917, unten, S. 733. Wenig später, am 21. Juli 1917 (wie oben, Bl. 19), hat Thomas noch einmal erfolglos versucht, Weber für einen Vortrag in München über das Thema „Für einen Verständigungsfrieden gegen einen Machtfrieden“ zu gewinnen. Dazu heißt es in einer eigenhändigen Marginalie: „NB! Ich habe abgelehnt, aus den im Schreiben vom 12.VII. dargelegten Gründen. Weber“. Offensichtlich unter dem Eindruck seiner Österreich-Reise vom Oktober 1917 hat sich Weber bereit erklärt, an der auf den 5. November 1917 verschobenen Veranstaltung in München teilzunehmen, wobei er eine Rede „Gegen die alldeutsche Gefahr“ hielt, der Vorredner Wolfgang Heine zum Thema „Der Verständigungsfriede und seine Gegner“ sprach; vgl. dazu MWG I/15, S. 720 – 732.

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앚:Herrn Arbeitersekretär Thomas, München.:앚 앚:Örl. 12/VII:앚 Sehr geehrter Herr! 5

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Ich bestätige mein gestriges Telegramma und beantworte noch den inzwischen mir ebenfalls hierher nachgegangenen Brief des Herrn Professor Jaffé b.1 Da ich hier geschäftliche Dinge zu erledigen habe, wäre es sehr schwer möglich, vorc dem 1. August nach München zu kommen und dort zu sprechen, so gern ich gerade mit Herrn Abg[eordneten] Heine zusammen reden würde. Ich nehme aber an, daß, falls die Versammlung jetzt stattfinden soll, Herr Heine, als Abgeordneter zweifellos über die gesamte, mir nur aus der Presse bekannte Lage gut informiert, mindestens so gut allein wirken wird, als wenn er sich mit mir in die Aufgabe teilt, da die Zeit für Korrespondenz über die Art der Teilung ja etwas kurz gewesen wäre. Auf zweierlei möchte ich aufmerksam machen: 1. An sich wäre es wohl wünschenswert, die Friedenspropaganda dann mit voller Stärke einsetzen zu lassen, wenn die jetzige russische Offensive2 abgewiesen, bezw. zum Stillstand gebracht sein wird, da die Sache sonst leicht wie ein Angstprodukt aussehen könnte. Indessen sprechen vielleicht andere Gründe dafür, die Versammlung grade jetzt zu halten; dafür muß die Ansicht des Herrn Heine und die Ihrige maßgebend sein. d 2. Nicht klug wäre, allzu stark den Zusammenhang der inneren eDemokratisierung fmit demf Friedene zu betonen,d der ja natürlich besteht und richtig ist. Aber erstens ist es zu mindesten bei Frankreich, aber auch bei England höchst fraglich, ob sie sich durch eine noch so weitgehende Demokratisierung zur größeren Friedensbereitschaft bea Eigenhändige anbindende Anmerkung Max Webers: 1) Wortlaut: „Widerrathe Friedensversammlung vor Herbst.“ b In Abschrift: Jaffe c Korrektur von dritter Hand: an > vor d Vertikaler Randstrich mit eigenhändiger Anmerkung Max Webers: NB! Geschieht besser überhaupt nicht! Weber e Unterstreichung eigenhändig. f In Abschrift: und den 1 Ein entspechendes Schreiben an Edgar Jaffé ist nicht nachgewiesen. 2 Gemeint ist die sog. Kerenskij-Offensive. Diese letzte große russische Großoffensive, am 1. Juli 1917 begonnen, war zu diesem Zeitpunkt noch in vollem Gange und zog sich bis 25. Juli 1917 hin, ohne entscheidende Resultate zu bringen.

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wegen lassen und nicht unerfüllbare Bedingungen stellen werden. Sie hoffen durch Demokratisierung die Schwächung Deutschlands. Und zweitens: Wir müssen zu verhüten trachten, daß wir später jahrzehntelangg von den Reaktionären den Vorwurf hören:h ihr habt dazu geholfen, daß das Ausland ider Nation die Verfassung auferlegte i, die ihm j – dem Ausland – paßte. Man kann nicht voraussehen, wie stark das, wenn der Friede einmal da ist, auf die Wähler wirkt. Und kommt trotz der Demokratisierung der Friede jetzt nicht – und das halte ich vorläufig leider für möglich – dann wird die Enttäuschung vielleicht sogar kden inneren Gegnernk zu gute kommen. Daher würde ich allen Nachdruck darauf legen, 1. daß Demokratie an sich ohne alle Rücksicht auf den Frieden, aus nationalenl Gründen notwendig und des Deutschen Volkes allein würdig ist, 2. daß der Verständigungsfrieden im nationalenm Interesse liegt, weil die Alldeutschen Kriegsziele unsinnig und schädlich sind. Möglichst wenig aber würde ich den Frieden und die Demokratie nin Verbindungn bringen, weil der Erfolg unsicher und es 앚:auch:앚 taktisch nicht klug ist. Ich nehme an, daß Herr Heine ähnlich denken wird. Ich stehe künftig stets zu Ihrer Verfügung und bedauere herzlich, diesesmal zu versagen. Mit vorzüglicher Hochachtung gez: Max Weber.

g Unterstreichung eigenhändig. h Komma eigenhändig durch Doppelpunkt ersetzt. i Unterstreichung eigenhändig. j Unterstreichung eigenhändig. k für 앚:die:앚 inneren Gegner > den inneren Gegnern l Unterstreichung eigenhändig. m Unterstreichung eigenhändig. n Unterstreichung eigenhändig.

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Marianne Weber [12. und 13. Juli 1917]; Oerlinghausen Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus der Tagesangabe „Donnerstag“ in Verbindung mit dem Brief an Marianne Weber vom 10. Juli 1917, oben, S. 692, und dem Brief an Mina Tobler vom 13. Juli 1917, unten, S. 700, erschlossen. Der Brief ist an zwei aufeinanderfolgenden Tagen geschrieben.

Örl. Donnerstag früh morgens. Liebes Schnauzele, –

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ein wunderbarer Morgen, nachdem es gestern kühl und naß gewesen war. – Wina1 und Marianne2 „tründeln“ noch vor dem Frühstück, da schicke ich rasch einen Gruß zu Dir. Möglich, daß ich heut versuche, Schnitgers3 – nach Telefon-Anmeldung – zu treffen. Man kann nämlich an einem Tag nur so hin u. zurück, daß man Mittags hin und Abends zurückfährt (sonst nur Morgens vor 6 von hier ab) und Wina hat heut dort zu thun. Es ist wie immer sehr erquicklich hier. Frl. Makerbacha, die gestern fuhr, läßt Dich schönstens grüßen. Richard4 kam gestern Abend von der Reise zurück, sieht gut aus, ist aber doch ganz überlastet. Carlo, der ebenfalls gut aussieht, ist nun ganz und gar aus dem Geschäft,5 auch geistig nicht mehr im Stande die Sache mitzumachen. Emily6 sah ich ganz kurz, traf sie gestern bei sich nicht an, gehe heut mal hin. Von a Alternative Lesung: Mallernbach 1 Alwine (Wina) Müller. 2 Marianne Zeeden, geb. Müller, Tochter von Alwine (Wina) Müller. 3 Gemeint sind Hans und Wilhelmine (Minna) Schnitger in Detmold, deren Sohn Hans im September 1916 gefallen war. Vgl. den Brief an Hans Schnitger vom 23. Sept. 1916, oben, S. 548 f. Hans war ein Bruder von Eduard Schnitger, dem Vater von Marianne Weber. 4 Richard Müller, der zweite Sohn von Alwine (Wina) Müller. Nachdem sein Vater Bruno Müller gestorben war, sein Bruder Georg in Berlin arbeitete und sein Onkel Carlo Weber sich aus dem Geschäftsleben zurückgezogen hatte, leitete Richard Müller die großväterliche Leinenweberei Carl Weber & Co. alleine. 5 Carl (Carlo) Weber, Bruder von Alwine (Wina) Müller. Er hatte Anfang 1916 einen schweren Kollaps erlitten. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 2. März 1916, oben, S. 316. 6 Emily Weber, geb. Brassert, Frau von Carlo Weber.

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den Andern gute Nachrichten. Wina ist doch ganz die alte, höchst erquicklich. – Von aller Welt halb abgeschlossen lebt man hier. Die Zeitungen kommen spät und spärlich. Die Art, wie der Abg[eordnete] Erzberger diese Sache gemacht hat, ist ein Verbrechen. Erst die Sensation im Reichstag,7 dann die Parole: Parlamentarismus, das bringt Friede! – unerhört gradezu, denn wer will das wissen? das Ausland gewinnt den Eindruck, daß wir am Ende unsrer Kräfte sind und im Inland wird es künftig heißen: „das Ausland hat uns die Demokratie aufgezwungen“. Es ist eine elende Geschichte. Man muß hoffen, daß wenigstens etwas Anständiges dabei herauskommt für unser Verfassungsleben. Nicht einmal das steht fest. Aber das ist doch möglich. – Wie mag es Dir denn gehen, mein Herz, ohne alle und jede häusliche Gesellschaft? Es ist doch ein großer Jammer, daß Du nicht mit hier bist. Denn es ist doch eine fabelhafte erinnerungsgetränkte Schönheit. Es küßt Dich Dein Max Liebes Mädele, ich behielt den Brief gestern in der Tasche und schicke ihn erst heut ab. Ich war also gestern bei Schnitger’s, und da ich Willy8 nicht sah, fahre ich nochmal hin (Es ist mit den Zügen recht kompliziert, man hat, wenn man nicht Morgens 5 Uhr aufsteht, nur 11/4 Stunden Zeit dort). Die alten Leute waren rührend, beide natürlich recht gealtert, der Onkel aber doch geistig frisch. Es ist möglich, daß auch Willy nochmal an die Front kommt. Wina ist doch recht ausgeglichen und innerlich ganz so wie immer, den Tod von Roland9 hat sie verarbeitet. Richard ist recht frisch, wenn man diese kolossale Arbeit und Verantwortung bedenkt, die er allein jetzt hat. Ich thue nichts. Das regnerische Wetter ist fort, es ist gradezu himmlisch schön. – Den Vortrag in München habe ich für jetzt (d. h. für die Zeit bis 1. VIII.) abgesagt.10 7 Mit einer Rede am 6. Juli 1917 hatte der Abgeordnete Matthias Erzberger (Zentrum) eine Friedensresolution des Reichstages gefordert. 8 Wilhelm Schnitger, der Sohn von Wilhelmine (Minna) und Hans Schnitger in Detmold. 9 Roland Müller, einer der fünf Söhne von Alwine (Wina) Müller, der als Berufsoffizier am 17. November 1916 in Frankreich gefallen war. 10 Weber sollte zusammen mit dem sozialdemokratischen Abgeordneten Wolfgang Heine auf einer am 1. August 1917 stattfindenden Kundgebung in München das Thema „Für einen Verständigungsfrieden gegen einen Machtfrieden“ behandeln. Die Veranstaltung wurde dann auf den 5. November 1917 verlegt. Weber hielt eine Rede mit dem Titel „Gegen die alldeutsche Gefahr“ (vgl. MWG I/15, S. 720 – 732).

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Nicht nur weil es mir etwas zu viel wird, sondern auch weil ich finde, man soll, so lange die russische Offensive andauert, nicht so nach „Frieden“ rufen. Das sieht wie Angst aus. Diese ganzen Vorgänge in Berlin hatten doch etwas Panik-artiges und dadurch Peinliches und die Feinde Ermutigendes, das ist das Unangenehme dran. Das schrieb ich auch nach München.11 Es küßt Dich Dein Max.

11 Vgl. den Brief an Otto Thomas vom 12. Juli 1917, oben, S. 694 – 696.

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Mina Tobler 13. Juli [1917]; Oerlinghausen Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Die Jahresangabe ist erschlossen aus den vorangehenden und nachfolgenden Briefen an Helene und Marianne Weber.

Örlinghausena bei Frau Alwine Müller 13/VII Freitag früh morgens Liebes Tobelkind, –

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Himmlisches Wetter hier, kühl und klar[,] viel Tau und gelegentlich Strichregen, wundervolle Getreidefelder mit hängenden gewaltigen Ähren, tiefe Stille – außer mir ist nur die unendlich feine Cousine,1 dann die Tochter („Mariännchen“)2 mit ihrem Balg3 im Haus, sonst Alles leer, die Riesengärten wie ausgestorben – das thut gut, denke ich, wenn ich auch vorläufig nur die Abspannung fühle, die dann kommt, wenn man aus dem „Betrieb“ herausgeht. Wie mag es wohl in Heidelberg sein, – noch habe ich von M[arianne] keinerlei Nachricht. Gestern fuhr ich einmal durch das Land, nach Detmold zu dem einzigen noch lebenden Onkel M[arianne]s,4 der s. Z. katholisch geworden ist (ein Sonderling wie mein Schwiegervater5 auch und alle seine Brüder); ein altes Ehepaar,6 was im Krieg ihren letzten Stolz, den einzigen bgeistig normalenb Sohn7 (der andre8 ist nicht gesund) verlor. Richtige alte Kleinstadtluft wie vor 50 Jahren und feste Religiosität, schwer unter dem Alter und Verlust seufzend und doch ungebrochen

a Heidelberg > Örlinghausen

b (normal) > geistig normalen

1 Alwine (Wina) Müller. 2 Marianne Zeeden, die Tochter von Alwine (Wina) Müller. 3 Gemeint ist der 14 Monate alte Ernst Walter Zeeden. 4 Hans Schnitger. 5 Eduard Schnitger. 6 Hans und Wilhelmine (Minna) Schnitger. 7 Hans Schnitger jun. war im September 1916 gefallen. Vgl. den Brief an Hans Schnitger vom 23. Sept. 1916, oben, S. 548 f. 8 Wilhelm Schnitger war psychisch krank.

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innerlich, – es ist immer mal ganz gut, so etwas zu erleben, denn das ist das alte Deutschland, vomc Sopha und den Bildchen und dem Lavendel-Duft an bis zu den Seelen der Menschen. Wie endlos fern aber liegt das für uns, fast wie eine Legende. – Im Wald hier kann man oft an Judith9 denken, died Keller’sche und die wirkliche und das geschieht auch gern und stark. Beide würden hierher fast ebenso gut passen wie in die Gegend des Zürichsees. Denn die Landschaft hat diese vornehme Art der Lieblichkeit und lebensoffenen Anmut, die auch der wunderbare See vom Balkon des Edene-Hotels und sonst hat. Baumgruppen mit großen Höhen in unendlicher Zahl, überall kleine grüne Waldstückchen zwischen den gelben oder grüngelblich schimmernden Feldern bis zu den Bergen am Horizont, es ist ein Bild, das fast den Krieg vergessen machen könnte. – Nun ist also das Wahlrecht da.10 Ich sollte nächste Woche in München sprechen (Friede),11 aber das thue ich nicht. Frühestens nach dem 1. August. Die Vorgänge in Berlin sind nicht erfreulich, weil so nervös und Panik-artig, es erweckt so sehr den Eindruck, daß jetzt Alles aus Angst geschieht und wegen der russischen Offensive. Auch deshalb sagte ich in München ab. Wie mag es bei Ihnen stehen? Schlaf? Anspannung? Nahrung? Ich hörte gern mal etwas und freue mich über jede Zeile. Immer Ihr Max Weber

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e Unsichere Lesung.

9 Die Bezeichnung „Judit“ für Mina Tobler ist erstmals nachgewiesen in der Widmung Max Webers „Der Judit“ mit dem Datum „ 24. VI. 14“ zur zweibändigen Ausgabe von Keller, Gottfried, Der grüne Heinrich. – Stuttgart: Cotta 1914. Es war ein Geschenk zu Mina Toblers 34. Geburtstag. Die Widmung war durch Notenzitate aus den „Meistersingern“ ergänzt. Das betreffende Exemplar befindet sich in Privatbesitz. 10 Gemeint ist die Abstimmung im preußischen Kronrat über das gleiche Wahlrecht am 9. Juli 1917. Vgl. Huber, Ernst Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band 5. – Stuttgart u. a.: Kohlhammer 1978, S. 300f. Der betreffende kaiserliche Erlaß erfolgte am 11. Juli 1917, vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Otto Thomas vom 12. Juli 1917, oben, S. 694. 11 Vgl. den Brief an Otto Thomas vom 12. Juli 1917, oben, S. 694 – 696.

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13. Juli 1917

Helene Weber [13.] Juli PSt 1917; Oerlinghausen Karte; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 275 Im Zusammenhang mit den vorangegangenen Schriftstücken und der Tagesangabe „Freitag“ ist davon auszugehen, daß die Karte am 13. Juli abgestempelt worden ist und die 1 durch den Stempel nicht reproduziert wurde. Auf dem Poststempel ist als Datumsangabe nur 3. Juli 1917 erkennbar. Am 3. Juli 1917 war Weber aber noch in Heidelberg.

Örlinghausen Freitag Liebe Mutter, – das ist ja ganz prächtig: hier freut sich Alles fabelhaft auf Dich1 und wir können auch dies und das bereden. Das Wetter ist himmlisch und die tiefe Stille unendlich wohlthätig. Wina2 meinte, ob Du nicht schon Sonntag (22ten) hier sein könntest? Aber ihnen paßt jede Zeit, richte Dich doch auf so lange ein, wie Du kannst. Ich bin bis 31. VII. hier. Herzlich Dein Max

1 Helene Weber wollte vom 23. bis 28. Juli 1917 nach Oerlinghausen kommen. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 15. Juli 1917, unten, S. 706. 2 Alwine (Wina) Müller.

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Mina Tobler [15. Juli 1917; Oerlinghausen] Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum und der Ort sind aus dem Zusammenhang mit der Tagesangabe „Sonntag“ erschlossen. Wolfgang Müller war zu seinem Geburtstag am 15. Juli von Berlin nach Oerlinghausen gekommen. Vgl. den ähnlichen Wortlaut im Brief an Marianne Weber von 15. Juli 1917, unten, S. 705.

Sonntag Liebes Tobelkind, –

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heut nur einen kurzen Gruß! Es ist Geburtstag1 und viel Leben in Haus und Garten, da kann ich nur grade so einmal bei Seite gehen und Ihnen für Ihren lieben Brief sehr schön danken, der mich gestern erfreute. Ich liege und träume auf dem Tönsberg – gleich hinter dem Garten – mit dem Blick über die weite Senne, – Heide, Buchweizen und Fichtenwald, ein violetter Horizont über rötlichen, weißen und schwärzlichen Farbflecken; daneben esse ich gewaltig, schwelle an, so daß ich als wohlgenährter „Rentner“ heimkommen werde. Die Mutter hat sich auch entschlossen ein paar a Tage mit mir hier zusammenzutreffen. Inzwischen habe ich die sehr vielen Verwandten zu sehen, – bei Weitem die liebste ist mir meine Kousine2 hier mit ihrer unendlichen Feinheit und anmutigen Wärme des Gemüts und Verständnisses. Alles ändert sich, die junge Generation ist herangewachsen und fordert ihr Recht: lauter tüchtige Menschen, alle „realistischer“ als die älteren, aber im Ganzen recht erfreulich. Und oben auf dem Tönsberg denke ich nach Heidelberg und das goldene Stübchen,3 wo jetzt Sonne und Wind auch ihr Spiel treiben[,] und an Alles was da gewesen ist und noch ist und sein und bleiben wird.

a O: par 1 Wolfgang Müller feierte seinen 33. Geburtstag. 2 Alwine (Wina) Müller. 3 Gemeint ist das Zimmer von Mina Tobler.

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– Die Politik ist ausgelöscht. Michaelis4 ist eine gute Nummer. Aber mögen die nun machen was sie wollen, ich kann da nicht immer so intensiv mitleben, wie bisher. Man erschwingt es nicht. Eben werde ich zu den Gästen gerufen. Auf bald! Tausend herzliche Grüße und Wünsche immer Ihr Max Weber

4 Nach dem Sturz von Bethmann Hollweg am 13. Juli 1917 wurde Georg Michaelis, bisher Unterstaatssekretär im Preußischen Finanzministerium, auf Betreiben der Obersten Heeresleitung zum Reichskanzler und preußischen Ministerpräsident berufen.

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15. Juli 1917

Marianne Weber 15. Juli [1917]; Oerlinghausen Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Die Jahresangabe ist aus dem Briefinhalt erschlossen.

Örlinghausen Sonntag 15/7 Liebes Schnauzele, –

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gestern erfreute mich Dein liebes Briefchen.1 Schönen Dank. Heut ist Wolfgang Geburtstags halber2 von Berlin da. Er ist viel ausgeglichener, da er jetzt selbständig und tüchtig leistet und Erfolg hat mit der Verkaufsstelle in Berlin.3 Von Georg4 glauben Alle, daß er in Berlin bleibt in irgend einer großen Stellung, wie sie ihm oft angeboten wird. Ein arger Verlust für das Geschäft hier! (Richard5 macht die Sache jetzt ganz alleine, Carl6 ist völlig heraus, was die Sache nur erleichtert.) Weder Lilli,7 die doch eben Großstädterin ist, „landflüchtig“, bedürftig nach der Existenz in großen Verhältnissen, sehnt sich hierher, noch, scheint es, noch G[eorg] selbst. Auch der Vergleich mit der sehr tüchtigen und sympathischen Traute8 und die Konkurrenz um die Beziehung zu Wina9 ist offenbar ein wunder Punkt, den man lieber ausschalten möchte. Das Geschäft geht zur Zeit gut, aber ich sähe Georg doch ungern daraus scheiden.10 1 Marianne Weber hatte in ihrem Brief vom 12. Juli 1917 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) vor allem von ihrer intensiven Einmacharbeit erzählt. 2 Wolfgang Müller, der dritte Sohn von Alwine (Wina) Müller, feierte am 15. Juli 1917 seinen 33. Geburtstag. 3 Wolfgang Müller hatte 1916 eine Niederlassung der Firma Carl Weber & Co. in Berlin eröffnet. 4 Georg Müller, der älteste Sohn von Alwine (Wina) Müller, lebte seit einigen Jahren in Berlin, wo er im Verband der Leinenindustrie tätig war. 5 Richard Müller, der zweitälteste Sohn von Alwine (Wina) Müller, führte inzwischen die großväterliche Firma Carl Weber & Co. in Oerlinghausen alleine. 6 Carl (Carlo) Weber hatte im Februar 1916 einen Zusammenbruch erlitten und war aus der Firmenleitung ausgeschieden. 7 Lili Müller, die Frau von Georg Müller. Sie stammte aus Antwerpen. 8 Traute Müller, geb. Riedel, war die Frau von Richard Müller. 9 Alwine (Wina) Müller. 10 Georg Müller, der neben Richard Müller, Carlo Weber und dem verstorbenen Vater Bruno Müller die Firma in Oerlinghausen geleitet hatte, war in geschäftlichen Angelegenheiten stets der Ansprechpartner für Max Weber gewesen. Vgl. die Briefe an

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Ich thue nichts, esse, schlafe, liege auf dem Tönsberg in Sonne oder Wind, schwelle daher an wie ein Elefant. Gestern waren wir in Bartholdskrug, nächster Tage gehe ich mal nach der Holte11 (per Bahn kostet es hin und zurück 2 Tage! Wagen sind sehr schwer zu haben, also: zu Fuß). Wina ist unverändert, auch in ihrer Heiterkeit, Alles hat ihr nichts angehabt,12 was man doch nicht so gedacht hätte. Die Mutter will vom 23ten –28ten herkommen, was reizend ist. Schade schade, daß Du nicht da bist, mein Kleines. Was magst Du heut13 für Gäste haben? Und wann kommt Frau Simmel (die icha schön grüße!)? Gleich werden die Kaffee-Gäste kommen, ich will mich noch etwas in Ordnung bringen, laß Dir’s recht gut gehen, hoffentlich wirst Du satt in Deinen „4 Jahreszeiten“.14 Oder bei Lili? Jaspers? Rickerts? – Michaelis15 ist eine sehr gute Nummer, hoffentlich auch der Nachfolger Zimmermann’s.16 An Frieden freilich glaube ich nicht recht. Es küßt Dich Dein Max Alles grüßt sehr!

a Fehlt in O; ich sinngemäß ergänzt. Helene Weber vom 15. Juni 1916, oben, S. 463, an Georg Müller vom 28. März und 23. Nov. 1908, MWG II/5, S. 485 f. und 700 – 702, und vom 10. Jan. 1909, MWG II/6, S. 20 – 23. 11 Schloß Holte bei dem gleichnamigen Dorf in der Senne. Dort lebte die Familie von Horn, die mit den Oerlinghäuser Verwandten befreundet war. Bei ihnen befand sich Lili Schäfers Sohn Hermann. Weber verschob den Besuch auf den 26. Juli 1917, vgl. den Brief an Lili Schäfer vom 25. und 26. Juli 1917, unten, S. 726 – 729. 12 Weber dachte vermutlich an den Tod von Alwine Müllers Sohn Roland, der am 17. November 1916 gefallen war. 13 Am Sonntag fand bei Marianne Weber der „jour“ statt. 14 Name eines vornehmen Hotels in Hamburg und München. Marianne Weber war zu dieser Zeit ganz allein in Heidelberg und beschäftigte sich vornehmlich mit Einkochen, was wohl in Webers Vorstellung Ausmaße von Vorräten, wie sie ein Hotel benötigte, annahm. 15 Georg Michaelis trat am 14. Juli 1917 die Nachfolge von Theobald v. Bethmann Hollweg an und war bis zum 1. November 1917 Reichskanzler. 16 Arthur Zimmermann war seit November 1916 Staatssekretär im Auswärtigen Amt. Er wurde am 5. August 1917 entlassen, sein Nachfolger wurde der Diplomat Richard v. Kühlmann.

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Hans Ehrenberg 16. [Juli] 1917; [Oerlinghausen] Abschrift; maschinenschriftlich ohne Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 8 [hinter Bl. 120], sowie GPS1, S. 469 – 470 Die Monatsziffer fehlt in der Erstabschrift und ist durch ein Fragezeichen ersetzt; der Brief in GPS1, S. 469 f., ist von Marianne Weber irrtümlich auf den 16. April 1917 datiert. Die Monatsdatierung ist aus dem Briefinhalt erschlossen. Schreibort des Briefes ist Oerlinghausen, wo sich Weber im Juli 1917 aufhielt; in der Abschrift führt Marianne Weber als Ort Heidelberg an. Möglicherweise hatte Weber als Ortsangabe: „Heidelberg, z. Z. Oerlinghausen“ angegeben. Da die beiden vorliegenden Abschriften zum Teil in der Textwiedergabe variieren, werden diese im textkritischen Apparat mit den Siglen A1 und A2 annotiert. Soweit die Erstabschrift aus dem Berliner Bestand reicht, wird sie im folgenden zugrunde gelegt (A1), im letzten Teil ist der Text aus GPS1, S. 469 f. (A2), übernommen.

Oerlinghausena, den b16.[7.]1917.b Lieber Herr Kollege!

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Bethmann ist c– bitte unter uns! –c durch ein Demissionsgesuch Hindenburgs und Ludendorffsd,1 die sich in alle Politik mischen, von der sie, egeniale Heerführer – wie sie sind –e fgar nichtsf verstehen g(siehe die totale Verpfuschtheit der polnischen Frage[,] unserer eigentlichen Lebensfrage[,] nur durch Ludendorffsh Schuld!)g 2 und danebeni durch a A1, A2: Heidelberg b A1: 16.?.1917.; A2: 16.4.1917. c A2: – bitte: unter uns – d A1: Ludendorfs e A2: – geniale Heerführer die sie sind – f Hervorhebung in A2. g Fehlt in A2. h A1: Ludendorfs i Fehlt in A2. 1 Sein Abschiedsgesuch vom 12. Juli 1917 hatte Ludendorff damit begründet, daß es ihm „unmöglich“ sei, „zu dem Herrn Reichskanzler das Vertrauen zu haben, das als Grundlage für eine nützliche Zusammenarbeit zwischen dem Reichskanzler und der Obersten Heeresleitung zur glücklichen Beendigung des Krieges unerläßlich“ sei. Ludendorff, Erich (Hg.), Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/ 18, 2., durchgesehene und ergänzte Aufl. – Berlin: E. S. Mittler & Sohn 1921, S. 407. 2 Auf Drängen Ludendorffs war es zur übereilten Proklamation des Königreichs Polen am 5. November 1916 gekommen, in der irrigen Annahme, dadurch ein gewaltiges Rekrutierungspotential an polnischen Truppen für den Krieg gegen Rußland zu gewinnen; vgl. dazu den Brief Ludendorffs an Arthur Zimmermann vom 17. Juli 1916, in: Scherer/Grunewald I, Nr. 259, S. 411. „Die – Schweinerei – bei den Österreichern – hört nicht auf. Die Truppe hält nicht mehr, wie auch die traurigen Ergebnisse des letzten Tages bewiesen haben. Da richtet sich mein Auge wiederum auf Polen. Der Pole ist ein guter Soldat. Versagt Öster[reich], so müssen wir uns andere Kräfte zuführen. Schaffen wir ein Großfürstentum Polen aus Warschau mit Lublin und dann eine polnische Armee unter deutscher Führung. Mal kommt die polnische Armee doch, jetzt können

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einen Fraktionsbeschluß der Nationalliberalen gestürzt,3 gegen die Linkek, die aberl ganz und gar unschuldig ist. Daher der Wirrwarr!m Keinen nSchuß Pulvern würde ich tun und keinen Pfennig Kriegsanleihe zeichneno, wenn dieser Krieg ein anderer als ein nationalerp wäre, wenn er die Staatsform beträfeq,r womöglich ein Krieg dafür, daß wir diese unfähige Dynastie und das unpolitische Beamtentum behalten. Die Staatsform ist mir völlig Wursts, twenn nur Politiker und nicht dilettierende Fatzkes wie Wilhelm II. und seinesgleichen das Land regieren (und uns durch ihre Parvenükunst vor der ganzen Nachwelt blamieren). Ich sehe jetzt keinen anderen Weg als rücksichtslose Parlamentarisierung quand mêmeu, um diese Leute „kaltzustellen“. Die Beamten sollen dem Parlament unterworfen sein. Ganz und restlos. Sie sind Techniker. Und ihre Macht bleibt im rein parlamentarischen Staat ganz genau so groß wie sonst, aber da, wo sie hingehört. Bei uns nehmen sie sich heraus, „Politik“ zu treiben und man hat gesehen, mit welchem Ergebnis! Und mit welcher Charakterlosigkeit gegenüber dem gekrönten Dilettanten! Ist das gelungen (politisches „Kaltstellen der

k A1: linke l A2: daran m A2: Wirrwarr. – n A1: Schußpulver o Hervorhebung in A2. p Hervorhebung fehlt in A2. q A1: betrete r Komma fehlt in A1. s A2: wurscht t – t fehlt in A1. u A2: meme wir sie brauchen. Politisch mag dies unbequem sein, dies verschwindet aber vor der Bedeutung der Maßnahme für den Sieg, den wir haben wollen und haben müssen. Handeln wir, so lange noch Zeit ist!“ 3 Die entsprechende Erklärung der nationalliberalen Fraktion war am Nachmittag des 12. Juli 1917 erfolgt; vgl. dazu die Notiz vom nächsten Tage in: Berliner Tageblatt, Nr. 352 vom 13. Juli 1917, Mo.Bl., S. 2: „Die nationalliberale Reichstagsfraktion sieht, wie die Telegraphen-Union von nationalliberaler Seite erfährt, die Regierungskrise beim Verweilen des Reichskanzlers v. Bethmann Hollweg nicht als gelöst an. Von einem dahingehenden Fraktionsbeschluß hat der Vorsitzende den Chef des Zivilkabinetts v. Valentini unterrichtet.“ Vgl. dazu auch: Helfferich, Karl, Der Weltkrieg. Ausgabe in einem Band. – Berlin: Ullstein 1919, S. 451, mit der Mitteilung in einem Brief Gustav Stresemanns vom 12. Juli 1917, „daß die nationalliberale Fraktion beschlossen habe, durch ihren stellvertretenden Vorsitzenden, den Prinzen Schönaich-Carolath, dem Chef des Zivilkabinetts des Kaisers mitteilen zu lassen, daß nach ihrer Ansicht eine Lösung der Krisis ohne den Rücktritt des Reichskanzlers nicht denkbar sei.“ Einen Beschluß gleichen Inhalts hatte die Zentrums-Fraktion zur selben Zeit am 12. Juli 1917 verabschiedet: „Die Zentrumsfraktion sieht in dem weiteren Verbleiben des Herrn von Bethmann Hollweg im Reichskanzleramt eine Erschwernis für Herbeiführung des Friedens. […] Aus diesem Grund hat die Zentrumsfraktion keine Veranlassung, den Reichskanzler zu halten.“ Zitiert nach: Erzberger, Matthias, Erlebnisse im Weltkrieg. – Stuttgart und Berlin: Deutsche Verlags-Anstalt, 1920, S. 262.

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Beamten durch Parlamentarisierung“) – ich fürchte ja, der deutsche Spießer liebt „seinen“ Monarchen viel zu innig, als daß er dafür mitzukriegen wäre! – dann wollen wir weiterreden. Staatsformen sind für mich Techniken wie jede andere Maschinerie. Ich würde ganz ebenso gegen das Parlament und für den Monarchen losschlagen, wenn dieser ein Politiker wäre oder es zu werden verspräche.t –––v

v Auslassungszeichen in A2.

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Mina Tobler [19. Juli 1917; Oerlinghausen] Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem Briefinhalt und der Tagesangabe „Donnerstag“ erschlossen. Der Brief ist am Donnerstag vor Montag, dem 23. Juli 1917, der Ankunft Helene Webers in Oerlinghausen, geschrieben worden.

Donnerstag früh Liebes Tobelkind, – vorgestern ein Ausflug, gestern Besuch in den ruhigen Stunden kam der Absicht, einen Gruß zu schicken, in den Weg. Auch für das zweite liebe Briefchen tausend Dank! – nur spricht daraus auch die Semestermüdigkeit, was wahrlich bei dieser Ernährung und Arbeit und der Hitze nach diesem Winter kein Wunder ist. Man wüßte Sie gern schon in der Schweiz, wo es freilich auch jetzt nicht mehr so aussehen wird wie noch voriges Jahr. Gestern war Lena Hein1 da, – die sehr zu grüßen bat. Sie ist Organistin in dem großen christlichen Krankenhaus (Heim für alle Arten hoffnungslos „Kontrakter“a) in „Bethel“ bei Bielefeld, hat Orgel- und Klavierstunde, Kompositionslehre (hatte ein paarb Hölderlin’sche Sachen ganz nett gesetzt); das Spiel ist auch jetzt nicht ganz „befreit“, Anschlag ganz erträglich, sie selbst etwas „massiv“, sonst unverändert. Vorgestern war ich mit der Kousine2 in Salzuflen, es wurde spät bis zur Heimkehr. Meine Existenz ist die eines Tieres auf der Fettweide, sie besteht aus maßlosem „Ernährtwerden“, worin sich die unendlich lieben Leute hier nicht genug thun können, Spazierengehen (jetzt durch starken Regen koupiert), Plaudern (mit dem innerlich recht anmutigen „Mariännchen“).3 Alles ist äußerst bekömmlich und ich werde sicher sehr abgerundet und ausgeruht nach Hause kommen. a Unsichere Lesung. b O: par 1 Durch Vermittlung von Max Weber hatte Mina Tobler Lena Hein auf ihre musikalische Begabung geprüft, bevor sie eine Ausbildung als Klavierlehrerin begann. Vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung und den Brief an Marianne Weber vom 3. Jan. 1914, MWG II/8, S. 451 – 455. 2 Alwine (Wina) Müller. 3 Marianne Zeeden, die Tochter Alwine (Wina) Müllers.

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Wenn nur die verdammte Politik Einen etwas mehr zur Ruhe kommen ließe. Aber da nun wohl sicher ist, daß noch 5/4 Kriegsjahre bevorstehen, ist auch unser finanzieller Ruin sicher, wie er sich auch äußern möge. Und das ist unter allen Umständen ein schweres Übel. Im Übrigen aber war die Art, wie die Reichstags-Erörterungen geführt wurden, – schon diese kopflose „Panik“ zuerst, dann dieser Wirrwar, – äußerst unangenehm, vor Allem des Eindrucks wegen. Das Ausland hofft auf „Revolution“ und das hindert den Frieden erst recht. Michaelis ist gut und energisch, aber „bigott“ (sein Bruder4 ist hier in Bielefeld Pastor) und ob ein „Staatsmann“, – wer weiß das? Auch die Art, wie diese „Friedens“-Resolution gemacht wird, gefällt mir nicht. Vor Allem nicht die Art der Partei-Konstellation.5 Indessen: man muß abwarten. Man hat doch so etwas wie ein vereistes und versteinertes Herz im Leibe. Käme endlich die Zeit, wo wie beim „Eisernen Heinrich“ diese 앚:innerlichen:앚 Reifen springen könnten!6 Es ist ein so seltsamer Zustand der „Erdenfremdheit“, von dem man gern einmal erlebte, daß er wirklich auch wieder einmal ganz verschwinden kann. Man kommt doch auch nicht zum richtigen „Träumen“, das geht in Heidelberg besser – an bestimmten Stellen und bei bestimmten Gelegenheiten wenigstens. Nur die große stille Schönheit der unendlich „deutschen“ Landschaft, die zu allen Fenstern hineinsieht – oder zu der man hinaussieht, wie ich beim Aufblicken über die weite westfälische Ebene zwischen den Stämmen der Gartenbäume hindurch – thut doch wohl sehr gut, dem Leib und auch der Seele; dieser letzteren sind auch die gemütlich unendlich feinen Menschen eine täglich neue Freude. Aber ich wäre halt doch lieber in Heidelberg, das ich nun leer von Ihnen finde, wenn ich wiederkomme. „Ablenkung“ bringt doch nur aktive geistige Anspannung. Dies ist eine hygienisch vermutlich nützliche Abwechslung und in mehr als einer Hinsicht sonst ganz gut. Aber innerlich erfrischen thut es schwerlich. – Und was mag nun bei Ihnen geschehen?

4 Walter Michaelis. 5 Die Friedensresolution vom 19. Juli 1917 wurde von der Fortschrittspartei, dem Zentrum und den Sozialdemokraten getragen. 6 Weber spielt hier auf das Grimm-Märchen „Der Froschkönig oder der Eiserne Heinrich“ an. Nach der Verwandlung des Königssohns in einen Frosch legte sich der treue Diener Heinrich aus Kummer über den Verlust seines Herrn drei eiserne Reifen ums Herz. Diese sprangen vor Glück, nachdem der Frosch wieder zum Königsohn zurückverwandelt worden war und eine Königstochter geheiratet hatte.

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Nicht wahr, ich bekomme noch die Adresse? Denn ich glaube, ich vergaß, sie aufzuschreiben, jedenfalls finde ich sie im Augenblick nicht, und der Zeitpunkt der noch weiteren Trennung rückt immerhin in greifbarere Nähe. Noch knapp 8 Tage und Sie sind fort! Montag kommt also meine Mutter her, das ist wirklich hübsch, denn hier habe ich für sie doch innerlich Zeit, mehr Zeit als sie, bei den vielen Menschen, für mich – gewöhnlich ist es ja leider umgekehrt! und deshalb kommt sie wohl auch her. Ich bin im Ganzen so wohlc und kräftig, wie ich Sie, liebes Kind, von Herzen wünschte. Denn Das wird man hier unter allen Umständen, auch unter den jetzigen Verhältnissen. Tausend Grüße fliegen zu Ihnen in den goldenen Himmel da droben.7 Immer Ihr Max Weber

c frisch > wohl 7 Gemeint ist die im vierten Stock gelegene Wohnung von Mina Tobler in der Heidelberger Bismarckstraße.

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Marianne Weber [19. Juli 1917; Oerlinghausen] Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ergibt sich aus der Tagesbezeichnung „Donnerstag“ in Verbindung mit dem Brief an Marianne Weber vom 15. Juli 1917, oben, S. 705 f., der Ort ist aus dem Briefinhalt erschlossen.

Donnerstag früh Liebes Mädele, –

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gestern kam ich nicht mehr zum Schreiben, weil wir Abends zu Carl Weber’s gingen. Seit Montag früh kam kein Briefchen an und ich bin nun begierig, was inzwischen passiert ist, ob Du satt wirst, schläfst, nicht gestohlen bist u.s.w., kurz wie die Linchen-lose Existenz1 sich definitiv anläßt. Hier besteht mein Dasein aus Essen, Spazierengehen, Schlafen (meist gut), Sichverwöhnenlassen und Plaudern, etwas Lesen. Das Spazierengehen wird jetzt wohl durch den starken und, scheint es, dauernden Regen gehemmt werden. Bis dahin war es wundervoll, namentlich morgens vor dem Frühstück auf den Tönsberg oder auch Abends in dem Wald. Diese Landschaft ist doch von ganz unglaublicher Schönheit. Die Senne verliert ja jetzt allmälig ihre einstige dem Meer ähnliche endlose Einsamkeit; statt der rötlichen Heide sieht man mehr dunkle Waldschonungen auf der einen und Getreidefelder auf der andren Seite. Aber der Blick bleibt doch ganz bezaubernd und nach der Seite der Porta Westfalicaa 2 ist er ja ganz unverändert mit dem Eindruck unermeßlicher Fruchtbarkeit und heimeliger eigenbrödlerischer Behaglichkeit. Nach beiden Seiten aber unermeßlich friedlich, – es scheint unfaßbar und unvorstellbar, daß dies Land in einem Existenzkampf begriffen ist.

a O: Westfalika 1 Lina, das Dienstmädchen von Webers, war im Juli 1917 für drei Wochen von der Krankenkasse in Ferien geschickt worden. Marianne Weber mußte sich alleine versorgen. 2 Mit Porta Westfalica wird ein 800 m breiter Wesereinschnitt (auch Weserscharte genannt) zwischen dem Wittekindsberg im Westen und dem Jakobsberg im Osten bezeichnet.

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Gestern bei Weber’s war auch Lena Hein.3 Sie ist etwas „massiv“ geworden, offenbar aber guter Dinge, sehr angethan von ihrer Stellung und vor Allem von ihren Stunden bei Lamping,4 hat im Spielen entschieden Fortschritte gemacht, wenn auch noch immer Defekte bleiben, trug aber einige ganz nette und „im Stil“ gehaltene Kompositionen Hölderlin’scher Lieder vor, geht jetzt in die Schwäbische Alb und will versuchen, Dich ein paarb Stunden zu sehen. Bei Emily5 ist die Wunde noch nicht verheilt,6 obwohl sie mit guter Manier drüber hinweg zu leben weiß. Die Entfernung zur Holte,7 wenn man nicht ganz zu Fuß geht (was mir etwas viel ist), ist jetzt derart, daß sie (per Bahn) 2 Tage hin und zurück kostet. Mit Wagen ist es sehr schlecht bestellt, man muß 8 Tage vorher akkordieren. Da habe ich geglaubt, besser zu warten, bis (Montag) die Mutter da ist,8 der die Fahrt doch auch Freude macht. Den Kupferhammer9 habe ich auch noch vertagt; auf dem Rückweg besuche ich wohl Schnitgers zum zweiten Mal, da der erste Besuch mehr als nur kurz war.10 Jetzt sitze ich mit Wina11 und Marianne12 und plaudere, wenn ich nicht lese oder spazieren gehe. b O: par 3 Lena Hein, eine Nichte von Emily Weber, geb. Brassert, fand bei Carl (Carlo) und Emily Weber nach dem Tod ihrer Eltern Aufnahme. Sie ließ sich zur Klavierlehrerin ausbilden und war auch von Mina Tobler unterrichtet worden. Vgl. den Brief an Mina Tobler vom selben Tag, oben, S. 710. 4 Wilhelm Lamping, Organist und Musikdirektor in Bielefeld, war mit Eleonore (Nora) Möller verheiratet, dadurch der Schwiegersohn von Hertha Möller, geb. Weber, einer Schwester von Alwine (Wina) Müller und der verstorbenen Mutter von Marianne Weber, Anna Schnitger, geb. Weber. Lamping war außerdem der ehemalige Klavierlehrer von Marianne Weber. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 3. Jan. 1914, MWG II/8, S. 452. 5 Emily Weber, Frau von Carlo Weber, in Oerlinghausen. 6 Carlo und Emily Weber waren sehr enttäuscht, daß Lena Hein ihren Entschluß, die Ausbildung zur Arzthelferin abzubrechen, Dritten eher mitgeteilt hatte als ihnen. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 3. Jan 1914, MWG II/8, S. 451 – 454. 7 Gemeint ist das Schloß Holte bei dem gleichnamigen Dorf in der Senne. 8 Helene Weber wollte vom 23. bis 28. Juli 1917 nach Oerlinghausen zu Besuch kommen. Sie fuhr erst am 2. August 1917 wieder nach Berlin zurück. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 1. Aug. 1917, unten, S. 735 f. 9 In Kupferhammer bei Brackwede, Sitz der Möllerschen Lederfabrik, lebten Hertha und Karl Möller. Hertha war eine Schwester von Alwine (Wina) Müller. 10 Am 12. Juli 1917 hatte Max Weber schon einmal Wilhelmine und Hans Schnitger in Detmold besucht. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 12. und 13. Juli 1917, oben, S. 697 – 699. 11 Alwine (Wina) Müller. 12 Marianne Zeeden, Tochter von Alwine (Wina) Müller.

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Physisch ernährt werde ich erstaunlich und wundre mich über meinen kolossalen Appetit. Infolgedessen habe ich das Gefühl stark „anzuschwellen“. Im Übrigen merkt man freilich doch die Erregung, die Einem diese Aussicht auf endlosen Krieg und finanziellen Ruin des Landes und die entsetzlich ungeschickte Art bereitet, wie sowohl die Parteien, namentlich Erzberger, als auch die Regierenden diese „Krise“ lösen. Heut muß sich ja das Dunkel etwas lichten.13 Aber daß die Demokratisierung mit der Friedenshoffnung14 in Beziehung gesetzt wird, ist doch ein sehr schwerer Fehler. Das Ausland vermuthet Schwäche als Grund der demokratischen Konzessionen und hofft auf mehr: Revolution, – und das verlängert den Krieg. Und im Inland wird es nun heißen: diese Konzessionen sind unter dem Druck des Auslands gemacht worden, was sehr schädlich ist. Im Übrigen ist natürlich Michaelis gut, weil er energisch ist. Aber er ist sehr bigott (Bruder des Bielefelder orthodoxen Pastors15). Die Ernährung in Berlin muß unerhört schlecht sein. Lilli Müller16 geht an den Bodensee für Monate (zu Freunden), um etwas zu essen zu bekommen, was in B[erlin] unmöglich ist. Gut daß die Mutter hierher kommt, wenn auch nur für ein paarc Tage. Nun hoffe ich, daß heut die Post mal wieder einen Gruß bringt, mein Herz. Es küßt Dich tausend Mal Dein Max

c O: par 13 Am 19. Juli 1917 wurde die Friedensresolution im Reichstag verabschiedet. 14 Zu den Bedenken Max Webers vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Otto Thomas vom 12. Juli 1917, oben, S. 694. 15 Walter Michaelis. 16 Lili Müller, die Frau von Georg Müller.

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21. Juli 1917

Mina Tobler [21. Juli 1917]; Oerlinghausen Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist erschlossen aus dem Briefinhalt, der Tagesbezeichnung „Samstag“ und dem in manchen Passagen gleichlautenden Brief an Marianne Weber vom 21. Juli 1917, unten, S. 718 f.

Örl. Samstag früh Liebes Tobelkind, – wieder ist Ihr Sabbath-Tag1 und wieder scheint – nach starkem Regen und Sturm – eine freundliche Sonne über dem schönen Land, welches ich durch das Fenster zwischen den Baumstämmen hindurch weithin überblicke. Vorher ging ich im Morgenlicht den Berg hinauf, und zu den unendlich frohen und leuchtenden Farben paßten Ihre Lieder,2 wenn man sie summte oder pfiff – d. h. nicht alle, aber die aus der Zeit vor dem Kriege, besonders das von dem „Gedanken“. Es ist seltsam, daß diese Leidenschaft mit ihrem Einschlag von Schwermut hier in diesem Wald, der scheinbar nur lieblich ist, hineinpaßt, – aber der weite Blick auf die fernen Weserberge, die aus dem Wolkendunst hervorblicken und rückwärts in die unendliche Heide der „Senne“a ist es wohl, was da den Generalbaß entsprechend abstimmt. Das Kriegslied paßte am besten in die wechselnden und unbestimmten Stimmungen, welche die Landschaft Abends zeigt, wo sie recht wohl Züge von „Größe“ aufzuweisen im stande ist. Ich thue hier eigentlich gar nichts, außer Plaudern und – für meine Ernährung sorgen; Sie würden glaube ich sehr beruhigt und schon mit dem jetzigen Zustand sehr zufrieden sein. Sonst: ein wenig Lektüre russischer Litteratur u. dgl. bei völliger eigener Unproduktivität. Ich denke[,] es ruht aus und wird sich später belohnen. – Das Leben geht so weltverlassen vor sich, daß man sich auch über den Schneckengang unserer Politik kaum wundert, als müßte das so sein. In Wahrheit ist es

a Wiederholung des Wortes „Senne“ in deutlicherer Schrift. 1 Am „Sabbath“ (Samstag) besuchte Max Weber fast regelmäßig Mina Tobler. 2 Mina Tobler hatte u. a. eine Reihe von Liedern komponiert, die nicht veröffentlicht wurden.

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fast unerträglich. Der neue Reichskanzler3 ist, nach seiner Rede4 zu schließen, schwerlich ein großer Politiker, – obwohl man sich darin ja täuschen kann. Jedenfalls ist die Art und Weise des öffentlichen Auftretens im Prinzip die gleiche: Bethmann No II, nur – das ist gewiß ein Gewinn – weit mehr Willenskraft. Aber doch wohl ein „Beamter“ – und dazu ein wirklich „frommer“! Indessen – hoffen wir, daß er besser ist als der erste, etwas mittelmäßige, Eindruck. Die Hauptsache ist schließlich: wer das Auswärtige bekommt und ob er da gut beraten wird und sich beraten läßt. Und dann: was die Armee jetzt fertig bringt. Aber schön ist die Aussicht auf noch ein Jahr Krieg wahrlich nicht, und die scheint sicher. – Was machen Sie? schon nähert sich die Zeit der Abreise und Ferien. Was spielenb Sie? was lesen Sie? was denken und fühlen Sie? Ihr Brief klang an einer Stelle doch – und wen wollte es wundern – etwas müde und fast „resigniert“. Das Wiedersehen liegt auch noch in so arg weiter Ferne und die bisherige Verbindung ist, namentlich von meiner Seite, jetzt noch weniger als sonst ein Surrogat des Sehens und Sprechens. Wie mag es in dem goldenen kleinen Himmel5 aussehen? Möchte dort auch etwas von der Sonne hinkommen, die hier äußerlich so schön leuchtet. Tausend, und noch Einiges, Herzliche Grüßec von Ihrem Max Weber

b Unsichere Lesung.

c Fehlt in O; Grüße sinngemäß ergänzt.

3 Georg Michaelis war am 14. Juli 1917 zum Nachfolger von Theobald v. Bethmann Hollweg zum Reichskanzler berufen worden. 4 Michaelis hielt seine Antrittsrede im Reichstag am 19. Juli 1917. 5 Bezeichnung für die Wohnung von Mina Tobler.

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Marianne Weber [21. Juli 1917]; Oerlinghausen Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Datum erschlossen aus der Tagesangabe „Samstag“ in Verbindung mit den Briefen an Marianne Weber vom 15. (Ankündigung des Besuchs von Helene Weber in Oerlinghausen für den 23. Juli 1917) und vom 19. Juli 1917, oben, S. 705 f. und 713 – 715.

Örl. Samstag Liebes Mädele, – gestern kam Dein liebes Briefchen, hab schönen Dank! Übermorgen kommt also die Mutter und die Leutchen1 hier spekulierten noch immer darüber[,] ob Du nicht plötzlich Dich auch noch entschlössest und herführest, so sehr ich ihnen sagte, daß dies leider nicht sehr wahrscheinlich sei. Es ist jetzt wieder himmlisch schön, an diesem frühen Morgen zumal, die Sonne weich und warm, der Blick über die fruchtbare Ebene aus dem Fenster der Herrenstube so wunderbar wie nur je, – also? Geht es wirklich nicht? Jetzt kommt wohl allerdings grade wieder das verdammte Auszahlen an die Frauchens.2 Also 300 3 – was hier die größte Sensation erregt hat! Verschließe nur diesen Schatz gut, liebes Mädele, nach all dieser Mühe wäre ein Verlust ja mehr als nur ärgerlich. Und dann noch Frau Simmel und andren Besuch, – etwas reichlich viel, finde ich, für diese Tage der „Einzelwirtschaft“.4 Hier lebt man still vor sich hin. Vorgestern war Lena Hein da, – was ich wohl schon schrieb.5 Bei dem schlechten Wetter habe ich ein wenig wieder angefangen, russische Bücher zu lesen, was nicht mehr sehr

1 Alwine (Wina) Müller und ihre Kinder. 2 Seit Beginn des Krieges war Marianne Weber bei der städtischen Fürsorge tätig. Zu ihren Aufgaben gehörte u. a. die Auszahlung der Unterstützungsgelder für die Frauen von Einberufenen, meist am Monatsende. Vgl. den Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 7. Okt. 1914 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). 3 Marianne Weber schrieb an Max Weber am 18. Juli 1917 (Bestand Max WeberSchäfer, Deponat BSB, Ana 446): „Die Ecken füllen sich mit Wintervorrat. Über 300 habe ich schon eingemacht.“ 4 Marianne Weber war zu dieser Zeit ohne Haushaltshilfe. 5 Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 19. Juli 1917, oben, S. 714.

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leicht geht, ich habe viel vergessen.6 Aber heut ist es dazu zu schön und licht draußen, ich gehe in den Wald und denke an nichts „Wissenschaftliches“. Sie „nudeln“ mich hier fabelhaft, ich fürchte, ich nehme an Seelenschönheit ab und an Körperfülle rapide zu, aber es scheint ja, daß Ihr Weiberchen dies Bestreben habt und jedenfalls thut es auch mal zwischendurch ganz gut. Denn der Winter und nächste Frühsommer wird übel werden. – Ja weshalb Bethmann gestürzt ist?7 Man übersieht die Situation von hier aus absolut nicht. Aber den Schlußstein bildete die Wahlrechts-Order.8 Man fand, daß die in einem Augenblick allgemeiner Verwirrung nicht am Platz war und daß der Nachfolger sie hätte erlassen sollen (oder B[ethmann] selbst nach Lösung der Krisis). Im Übrigen: Unentschlossenheit. Das Benehmen Erzberger’s9 war ja nicht schön und nun suchte man nach einem Sündenbock. Völlig versagt hat natürlich der Kaiser. Ebenso Helfferich. Die allgemeine Grundlage war die Wuth über die irreführenden U Boot-Versprechungen. – Der „neue Mann“10 ist sicher ein glänzender Beamter. Ob auch ein Staatsmann? Die erste Stunde beweist es noch nicht, eher das Gegenteil: ein Bethmann mit mehr Willenskraft. Das ist ja ein Vorteil, aber genügt doch nicht. Eben wird der Kaffee auf den Tisch gesetzt. Morgen mehr[.] Alles grüßt sehr und es küßt Dich Dein Max

6 Weber hatte 1905 zum Studium für seine Schriften zur Russischen Revolution (MWG I/10) in wenigen Wochen so weit Russisch gelernt, daß er die russische Tagespresse lesen konnte. 7 Marianne Weber hatte in ihrem Brief an Max Weber vom 18. Juli 1917 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) nach den Gründen für Bethmann Hollwegs Sturz gefragt. 8 Gemeint ist der Versuch, durch einen kaiserlichen Erlaß vom 11. Juli 1917 das allgemeine Wahlrecht in Preußen einzuführen. 9 Der Zentrumsabgeordnete Matthias Erzberger hatte am 6. Juli 1917 in einer Rede vor dem Hauptausschuß des Deutschen Reichstags den U-Boot-Krieg auf das schärfste kritisiert und einen Verständigungsfrieden gefordert. 10 Gemeint ist Georg Michaelis, der – bislang Unterstaatssekretär im Preußischen Finanzministerium – am 14. Juli 1917 als Nachfolger von Bethmann Hollweg deutscher Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident wurde.

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23. Juli 1917

Mina Tobler [23. Juli 1917]; Oerlinghausen Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist erschlossen aus dem Briefinhalt – Helene Weber kam am Montag, dem 23. Juli, nach Oerlinghausen – und der Tagesangabe „Montag“.

Ö 23a/VII Montag Geliebtes Kind, – ich muß Dir doch, ehe Du die Reise in die Ferne1 antrittst, noch schnell einen kurzen Gruß schicken, voll Liebe und Sehnsucht, Gedenken an all das Vergangene und namentlich das oft Schwere des letzten Jahres, auch der Hoffnung, daß einmal wieder andre Zeiten kommen und man dann noch „jung“ ist seelisch und körperlich. Eine wunderbare Sonne liegt über der Landschaft und dem Garten, kühle leichte Luft bewegt leise die Bäume, es ist herb und fast herbstlich mitten im Sommer; unbestimmt sind daher auch die Empfindungen, mit denen man der Schönheit der Farben und der dunstigen Ferne gegenübersteht, wie dem eigenen Leben. Aber Du liebes Kind bist in all dem Wandel und Fluß ein fester klarer Punkt und bleibst es, nicht wahr? auch wenn Dein seltsamer Genosse stumm oder gehemmt ist. Denn es ist in Dir eine plastische Geschlossenheit des innersten Kernes, die dauernd alle wechselnden Stimmungen überherrscht und Zuversicht und Mut auch auf Andere ausstrahlt, – hoffentlich auch auf Dich selbst! Ich bleibe in allem Wandel immer Dein Wasall Die Mutter kommt heute für einige Tage her. Bitte, wohin soll ich schreiben? Den nächsten Brief lasse ich noch nach H[eidelberg] gehen.

a O: 24 1 Mina Tobler verbrachte die Ferien in der Schweiz bei ihrer Familie.

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Eugen Diederichs [vor dem 24. Juli 1917]; Oerlinghausen Brief; eigenhändig DLA Marbach a. N., VA Eugen Diederichs Datierung erschlossen aus dem handschriftlichen Vermerk Eugen Diederichs: „24/7 17.“ sowie dem Schreibort. Der Brief steht in Zusammenhang mit der zweiten Lauensteiner Tagung, die vom 29. September bis 3. Oktober 1917 unter Beteiligung Webers stattfand; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Diederichs vom 10. Juli 1917, oben, S. 686.

Heidelberg z. Z. Örlinghausen (bei Bielefeld) bei Frau Alwine Müller (bis 30.VII.) 5

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Sehr geehrter Herr Diederichs, – ich schlage die anbei notierten kleinen Änderungen vor,1 vor Allem die Streichung meines Namens; daa andre Namen von Vortragenden nicht angegeben sind, muß ich darauf jedenfalls bestehen. Die sonstigen Vorschläge sollen nur den möglichen Kreis der Teilnehmer erweitern. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster Max Weber

a 1 Die von Weber angemerkten „kleinen Änderungen“ und „sonstigen Vorschläge“ sind im VA Diederichs in Marbach a. N. nicht nachgewiesen.

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Ludo Moritz Hartmann 24. Juli [1917]; Oerlinghausen Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 15, Bl. 7 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg (z. Z. Örlinghausen, Lippe) 24/VII Lieber Freund, schönen Dank für Ihren Brief. Mir ist der Zeitpunkt ziemlich einerlei, ich denke es geht auch im November.1 Was Sie über die Wiener Stelle schreiben, – ich glaube nicht, daß Fakultät und erst recht nicht, daß die Regierung da irgend an mich denken werden.2 Es sind doch sehr tüchtige Österreicher da (Schum1 Es geht um einen Vortrag in der Wiener „Soziologischen Gesellschaft“; vgl. dazu den Brief an Hartmann vom 24. Jan. 1917, oben, S. 588 f., Anm. 5. 2 Im folgenden geht es um eine mögliche Berufung Webers nach Wien auf einen der beiden Lehrstühle für Politische Ökonomie, die seit dem Tode Eugen v. Philippovichs und nach der Ernennung Friedrich v. Wiesers zum Minister für öffentliche Arbeiten vakant waren. Über den Willensbildungsprozeß der Fakultät und dessen Einzelheiten sind wir nicht unterrichtet – die Akten der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät sind vernichtet –, jedoch ist es mit Weber zu längeren Verhandlungen gekommen, wie sich aus der nachfolgenden Korrespondenz mit Hartmann vom 8., 17., 24. und 25. Sept. 1917, unten, S. 771 f., 780 f., 784 f. und 786, sowie 5. und 10. Okt. 1917, unten, S. 789 und 791, ergibt. Weber hat prinzipiell seine Zustimmung erklärt, den Ruf anzunehmen, sich allerdings ein Probesemester ausbedungen, ehe er eine definitive Entscheidung fällen werde. Weber wurde in einem Schreiben der Juridischen Fakultät mit einem beigefügten Gutachten am 28. Sept. 1917 (AVA Wien, Nr. 39798) unico loco vorgeschlagen: „Es wären zwar mehrere tüchtige Vertreter des Faches zu nennen, über deren Reihung man noch zu sprechen hätte; allein das Komité glaubt diese Diskussion bis zur Erstattung des Vorschlages für die zweite Kanzel aufschieben zu sollen, weil für die Besetzung der ersten Kanzel in der Person des Genannten, Max Weber , eine derart prominente und Alle anderen überragende Persönlichkeit vorhanden ist, daß das Komité nur diesen einen Gelehrten vorschlägt. […] Max Weber , geboren 1864, also 53 Jahre alt, habilitierte sich in Berlin auf Grund seiner Bücher: Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter 1889 und römische Agrargeschichte 1892 für römisches und Handelsrecht, wurde daselbst schon 1893 Extraordinarius, kam dann 1894 als Nachfolger von Philippovich nach Freiburg i.B., ging dann 1897 als Nachfolger von Knies nach Heidelberg, legte aber daselbst, wie es scheint wegen Überarbeitung 1903 sein Lehramt nieder und befindet sich seither als Honorarprofessor an dieser Universität ohne feste Lehrverpflichtung. Seine ganze Kraft widmete er in den folgenden Jahren wissenschaftlicher Forschung und verfaßte eine große Reihe von ausgezeichneten, ja berühmt gewordenen Arbeiten, die er meist in Zeit-

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peter) und in Deutschland ist Herkner doch Österreicher, wennschon etwas temperamentlos. Also das wäre zwar sehr schön, aber eine Utopie. schriften, wie in Schmoller’s Jahrbuch, Goldschmidt’s Zsch. f. Handelsrecht, dann seitdem er vom Jahre 1904 an die Mitredaktion des Archiv’s für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik übernommen hatte, in diesem publizierte. Auch einige Referate und Gutachten auf Kongressen, sowie drei große Artikel im Handwörterbuch d. Staatswissenschaften kamen aus seiner Feder. Diese Arbeiten umfassen mit gleich souveräner Beherrschung des Stoffes sowol juristische Gegenstände wie das Börsenwesen und die Wertpapiere, als auch sozialpolitische, wie das Agrarwesen des Altertums, des Mittelalters und der Neuzeit, ferner die Handelsgesellschaften und die Verhältnisse der industriellen Arbeiterschaft, sodann rein politisch-historische wie die beiden Arbeiten über Rußland im 22. und 23. und 36. Band des Archivs, endlich rein dogmatische und dogmengeschichtliche, wie die Arbeiten über Roscher und Knies in Schmoller’s Jahrbuch 1903 u. 1906, über die ‚Objektivität‘ im Archiv 19, die kritischen Studien auf dem Gebiete kulturwissenschaftlicher Logik ebda 22, die Kritik der Stammler’schen Lehre ebda 24, die Grenznutzentheorie ebda 29. In neuester Zeit hat sich Weber mehr und mehr auf soziologische Studien verlegt und zwar hat er hauptsächlich die Zusammenhänge der Religion mit dem wirtschaftlichen Leben untersucht. Neben der beschreibenden Arbeit über die Kirchen und Secten in Nordamerika (Christl[iche] Welt 1906) sind in dieser Richtung hauptsächlich seine wundervollen Untersuchungen zu nennen, in welchen er den Ursprung des modernen Kapitalismus im Protestantismus und hauptsächlich im Calvinismus nachwies (Arch[iv] 20 u. 21) und g[e]gen mehrfache Kritiker im 25. 26. u. 30. Bande glänzend verteidigte, wobei er eine außerordentliche Kenntnis der theologischen Literatur, sowol der katholischen wie der protestantischen zu Grunde legte und endlich seine umfassenden, auf einer fabelhaften Belesenheit in den entlegensten Quellen und Literaturen, besonders der englischen, beruhenden Untersuchungen über die wirtschaftlichen Zustände in den Gebieten des Islam, Indiens und Chinas und deren unlöslichen Zusammenhang mit den betreffenden Religionen in den letzten Bänden dieses Archivs. Im Besitz einer seltenen Arbeitskraft, eines Fleißes, einer Gründlichkeit, Gewissenhaftigkeit ohne Gleichen, die verbunden sind mit einem weit überschauenden und überragenden Geist, der ein ungeheures Material zu beherrschen und zu verwerten versteht, zeigt sich uns Max Weber als einer der bedeutendsten Gelehrten der Gegenwart, echt deutsch in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit wie in seinem unbeugsamen Charakter, den für unsere Universität zu erlangen, die letztere sich glücklich schätzen könnte. […] Die einzige Schwierigkeit liegt darin, daß Weber erklärt hat, er könne im Falle ihn die Regierung berufen würde, sein Lehramt erst im Sommersemester oder nächsten Wintersemester antreten. Er teilte mit, daß er ein größeres soziologisches Werk ‚Wirtschaft und Gesellschaft‘ zu zwei Dritteln fertig habe und dasselbe noch weiter fördern wolle, bevor er das Amt übernehmen könne.“ Die mündlichen Verhandlungen Webers mit dem Minister und Fakultätsmitgliedern in den letzten Oktobertagen 1917 führten dann zu den Ergebnissen, wie sie Weber in seinem Schreiben an Johann Maurus vom 31. Okt. 1917, unten, S. 805 f., rekapituliert – und zwar mit dem Hauptresultat: Berufung als Dozent mit Lehrauftrag sowie ein Rücktrittsrecht von der endgültigen Annahme des Rufs bis Ende Juni 1918. Weber hat ein Semester in Wien gelehrt und am 5. Juni 1918 sein Entlassungsgesuch eingereicht (ebd.).

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Hoffentlich sieht man bis zum Herbst auch in der Politik klarer. Inbetreff der Russen habe ich doch wohl Recht behalten. Diese Litteraten-Demokratie ist viel zu abhängig avom englischena Geld für die Aufrechterhaltung ihrer eignen Machtstellung im Innern und gegen die Heimkehr der Bauern aus den Schützengräben interessiert, so lange jene nicht gefestigt ist, als daß sie Frieden schlösse. – Unser eignes Parlament hat in letzter Zeit auch nicht grade Reklame für die Demokratie gemacht. Der Himmel bessere es! Herzliche Grüße auch an Ihre liebe Frau Ihr Max Weber

a Alternative Lesung: von englischem

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Verlag J. C. B. Mohr PSt 24. Juli 1917; PSt Oerlinghausen (Lippe) Karte; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446

Herrna J C B Mohr Tübingen

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Versehentlich unterblieb in der Korrektur für den „Logos“ die Berichtigung der Überschrift meines Aufsatzes: „Wertfreiheitb“, nicht: Wortfreiheitc, was ich noch zu berücksichtigen bitte[.]1 Hochachtungsvoll Prof. Max Weber (Heidelberg)

a O: Herr b O: zweifache Untertreichung des ersten „e“. chung des „o“.

c O: zweifache Unterstrei-

1 Die Korrektur bezieht sich auf Webers Aufsatz: Der Sinn der „Wertfreiheit“ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften, erschienen in: Logos, Bd. 7, Heft 1, 1917, S. 40 – 88 (MWG I/12).

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Lili Schäfer 25. und 26. Juli [1917]; Oerlinghausen Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 58 – 60 Die Jahresangabe ist aus dem Briefinhalt erschlossen.

Örl. 25a/VII Liebe Lili, diese Zeilen erreichen Dich zu Deinem Geburtstag nicht mehr rechtzeitig.1 Aber ich wollte gern Deinen Sprößling2 in Holte gesehen haben, ehe ich schrieb und das zögerte sich weiter und weiter hinaus. Von hier mußte man entweder laufen (denn der 앚:einzige:앚 Wagen war nicht zu haben; er ist nur ausnahmsweise vorher zu bestellen) oder aber man fährt zwei Tage (! – den einen hin, den andren zurück, mit jedesmal 4 Stunden Liegenbleiben in Bielefeld). So ließen wir es bis zum Herkommen der Mutter,3 die jetzt da ist, – ich muß sagen, recht frisch geistig und auch körperlich, bei aller Magerkeit, in leidlicher Verfassung, so daß es wirklich sehr erquicklich ist und wir alle bedauern, Dich und Marianne nicht auch hier zu haben. Man wird hier nach allen Regeln der Kunst „genudelt“ und äußerlich und innerlich verwöhnt von diesen Menschen mit ihrer selten feinen Gemütskultur und ihrem sicheren Taktgefühl im innersten Sinn des Wortes. Und dazu kommt die Landschaft, – doch wohl die „deutscheste“ die es giebt und dabei nicht ohne Größe. Zwar ist die Senne nicht mehr die alte, seit darin geackert und gegraben wird; das alte Bild des unendlichen Heidemoores ist gebrochen, wie es das 앚:der:앚 römischen Campagna seit dem „bonificamento“4 auch ist. Heut fahren wir nun zur Holte hinüber und ich lasse diesen Zettel liegen, bis wir wieder zurück sind um Dir dann noch kurz zu erzählen[,] wie wir den kleinen Mann gefunden haben.

a 26 > 25 1 Lili Schäfer hatte am 26. Juli Geburtstag. 2 Das jüngste Kind von Lili Schäfer, Hermann, war in Holte bei der Familie von Horn untergebracht. 3 Helene Weber war am 23. Juli 1917 in Oerlinghausen angekommen. 4 Mit „bonificamento“ ist die Trockenlegung und Urbarmachung der Campagna gemeint.

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Hier geht es Allen recht gut, so viel ich sehe. Traute5 sowohl wie Marianne6 erwarten zum Winter ein Kind. Carl,7 der jetzt ganz aus dem Geschäft heraus ist, macht einen ungleich wohleren Eindruck als früher und für die Andren ist es eine große Erleichterung: er ist nun einmal kein geborener Kaufmann und zu leidenschaftlich zu geschäftlichem Zusammenarbeiten. Richard8 hat die ganze Arbeit allein auf dem Rücken, 앚:ist:앚 aber merkwürdig frisch und in seiner immer größer werdenden Ähnlichkeit mit seinem Vater9 wirklich äußerst angenehm als Geschäftsleiter, nüchtern denkend und sehr ruhig und vorsichtig, jedenfalls das denkbar verläßlichste Element in schwierigen Verhältnissen. Wolfgang,10 der in Berlin die Verkaufs-Niederlassung hat und Rohstoffe beschafft, war kurz hier (vor 8 Tagen zum Geburtstag). Er ist sehr gescheidt und beweglicher als alle Andren, jetzt weit besser zu haben als oft früher, weil selbständig gestellt, obwohl er nach wie vor den „bösen Blick“ hat und man von ihm im Ganzen nur Unerfreuliches über die Menschen hört. – 26. VII. Hier kam gestern der Wagen und wir fuhren nach der Holte. Also der kleine Stöpsel11 – d. h. er ist „5 Centimeter größer geworden“ und sieht sehr kräftig aus – befindet sich, scheint es, in jeder Beziehung in vortrefflicher Verfassung. Natürlich ist er der restlos bejahte Liebling beider alten Leute und des ganzen Volks in Schule und Villa (Frau Tengeb). Aber eigentlich „verwöhnt“ scheint er nicht worden zu sein, seinem recht sittsamen Betragen nach zu schließen. Er war sehr gefällig und anstellig, das sah man. Gequängelt oder „geknurrt“c habe er anfänglich gelegentlich einmal. Aber Frau v. Horn scheint damit fertig geworden zu sein.d Eine so zugleich angenehme und 앚:feine und:앚 dabei doch immerhin 앚:innerlich:앚 einfache und unkomplizierte, „problemfreie“ Natur, wie sie doch wohl ist, hat es ja pädagogisch in Vieb Unsichere Lesung. c Unsichere Lesung. d 5 Traute Müller, geb. Riedel, Frau von Richard Müller. 6 Marianne Zeeden war die Tochter von Alwine (Wina) Müller. 7 Carl (Carlo) Weber, der Bruder von Alwine (Wina) Müller, war nach einem Zusammenbruch im Februar 1916 aus der Geschäftsleitung der väterlichen Firma ausgeschieden. 8 Richard Müller, der zweitälteste Sohn von Wina Müller. 9 Bruno Müller. 10 Wolfgang Müller. 11 Hermann Schäfer.

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lem beneidenswerth leicht mit Kindern und ist schwer erschütterbar; auch daß er allein da ist, macht Alles so leicht, und die bloße Thatsache der Anwesenheit eines Mannes erleichtert doch wohl im Ganzen auch Manches für diee Frau, wenn der Mann sich, 앚:wie hier,:앚 nicht unnötig einmischt. Gesundheitlich scheint ihm nie etwas zu fehlen; auch das Aussehen bestätigt das; und so lange der Krieg dauert würdest Du mit der sehr großen Reichlichkeit der Kost,f die hier möglich ist, in Heidelberg wohl Deine Noth haben zu konkurrieren. Daß der Junge sehr begabt ist, scheint sicher. Immerhin ist er nun doch von der Wichtigkeit der Schule durchdrungen, wie ich daraus schließe, daß er darauf bestand, sie uns zu zeigen und dazu eine ganze Strecke Wegs mit zurück machte. Daß er ein hübscher Kerl ist, weiß er ganz gut. „Jetzt kannst Du stolz sein wie ein Pfau“, habe er zu Frau von Horn gesagt, als sieg ihm zu einem Spaziergang sein grünesh Cape über den hellen Anzug gezogen hatte. Er spricht mit drollig westfälischem Akzent. Alles in Allem mußte man ihm wirklich sehr gut sein; es war sehr nett, wie eifrig bedacht er war, die Großmutter12 zu versorgen und mir Alles zu zeigen in Garten, Haus und Betrieb. Von eigentlichen KinderUngezogenheiten wußten Horn’s nur eines einzigen Falles 앚:sich:앚 zu erinnern, der sich nicht wieder ereignet hatte. Im Ganzen ist es wohl sicher, daß von allen denkbaren Möglichkeiten, den Kleinen außer Haus zu wissen, diese die denkbar beruhigendste für Dich sein kann. Ob ich nun Mäxchen13 noch hier sehe, ist sehr fraglich; für den Kleinen ist der Weg hierher doch sehr weit und ich kann nicht nochmal hin. H[ermann] freut sich sehr auf ihn, das merkte man. – Daß Albert14 Dir wieder durch Vergeßlichkeit etc. Verdruß bereitet hat und die dumme „Krätze“-Geschichte hörten wir mit Bedauern. Der Junge wird noch lange für Dich eine Art seelisches Speziali-Konto bilden, das ist wohl nicht zu ändern.

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i Konto > Spezial

12 Helene Weber. 13 Max Schäfer, das dritte Kind von Lili Schäfer, sollte seine Ferien in Oerlinghausen verbringen. 14 Am 18. Juli 1917 schrieb Marianne Weber an Max Weber (Bestand Max WeberSchäfer, Deponat BSB München, Ana 446): „Heute früh erschien auch der Albert – der einen Hautausschlag, wahrscheinlich doch so was wie Krätze mitgebracht hat, es ist aber schon im Weichen. […] Mit dem Buben ist aber natürlich immer was los, er kam wieder nur mit Fragmenten seiner Sachen, ohne Rezept etc. ohne Koffer an.“

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Ich denke Mittwochk Abend 앚:oder Nachmittag:앚 zurückzukommen und sehe Dich vielleicht nochmal, ehe Du fortgehst15 (so viel ich weiß am 4ten). Laß es Dir im neuen Lebensjahr dauernd besser gehen als, zeitweise, im letzten und sei sehr herzlich gegrüßt von Deinem Max

k Dienstag > Mittwoch 15 Zu Lilis Reiseplänen teilte Marianne Weber Max Weber am 27. Juli 1917 Folgendes mit (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446): „Sie [Lili] erwartet Lisa [v. Ubisch] am 5. Aug.[, ] geht am 8. mit ihr nach Sankt Märgen […]. Anfang Sept. kommt sie dann zu Winchen [Alwine Müller].“

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Heinrich Simon [vor oder am 26. Juli 1917]; Oerlinghausen Brief; eigenhändig Privatbesitz Die Datierung ist erschlossen aus Webers Hinweis, sich nunmehr wegen der Publikation von „Parlament und Regierung“ – so der spätere Titel – an „den Münchener Kollegen“, d. h. Siegmund Hellmann, zu wenden; dies geschah durch seinen Brief vom 26. Juli 1917, unten, S. 732.

z. Z. Örlinghausen (Lippe) bei Frau Alwine Müller Lieber Herr Doktor! Ich wende mich nun also an den Münchener Kollegen zwecks ev. Umarbeitung als Broschüre.1 In Angelegenheit C[hamberlain]2 wird wieder mal nichts zu machen sein. Ich sprach neulich mal erst mit einem Anderen als dem Fachmann (da ich diesen am ehesten dazu zu veranlassen hoffen darf). Da Einstimmigkeit erfordert wird, so ist G[uttmann] aber nicht in der Lage die Sache durchzusetzen, wenn Jemand dagegen ist. Es besteht leider kein Zweifel, daß „irgend Jemand“ oder einige „Jemande“ Schwierigkeiten machen würden und ich habe daher G[uttmann] jetzt noch gar nicht persönlich gesprochen. Nach Rückkehr (2.VIII) soll es für alle Fälle noch geschehen, jetzt konnte ich seiner nicht habhaft

1 Tatsächlich hat sich Weber am 26. Juli 1917, unten, S. 732, an Siegmund Hellmann gewandt, in dessen Reihe „Die innere Politik“ die umgearbeitete Artikelserie über „Vergangenheit und Zukunft des deutschen Parlamentarismus“ 1918 unter dem Titel „Parlament und Regierung“ veröffentlicht wurde. Die Frankfurter Zeitung, die bislang diese Artikel als Broschüre veröffentlichen wollte, war von diesem Vorhaben zurückgetreten; zur Entstehung von „Parlament und Regierung“ vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Siegmund Hellmann vom 14. Juni 1917, oben, S. 660. 2 Ob es sich hierbei und im folgenden um die Abkürzungen für Chamberlain und Guttmann handelt, ist nicht zweifelsfrei erwiesen. In den Erinnerungen des langjährigen Redakteurs der Frankfurter Zeitung, Bernhard Guttmann, Schattenriß einer Generation 1888 – 1919. – Stuttgart: K. F. Koehler 1950, ist von einem Prozeß die Rede, den Guttmann gegen Houston Stewart Chamberlain wegen dessen Behauptung anstrengen wollte, „die Frankfurter Zeitung stehe im Dienste des englisch-amerikanischen Finanzkapitals und bezwecke, die Kraft des um sein Leben ringenden Vaterlandes zu unterminieren.“ Ebd., S. 224. Zu dem Prozeß ist es allerdings erst im Jahre 1918 gekommen. Ebd., S. 225.

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werden. Aber es ist leider sicher nichts zu wollen, wie ich annehmen muß. Was ich sehr bedaure! (wie Sie Sich denken können). Herzlichen Gruß! Ihr Max Weber Paßt Ihnen jetzt ein Artikel über die „Krisis“?3 Retrospektiv: 1) möglichste Wiedergutmachung des schweren Fehlers, daß man die Demokratisierung mit dem Frieden zu eng verknüpfte. Jahrzehnte lang mußten wir hören: „das Ausland hat uns die Demokratie auferlegt!“ – 2) Grund der (sehr übel wirkenden) Reichstags-Panik: a) Fehlen des parlamentar[ischen] Systems – b) Alldeutsche Illusionen. Den Friedens-Organisations-Artikel kann ich erst in Heidelberg schreiben!4

3 Es handelt sich um den Artikel: Die Lehren der deutschen Kanzlerkrisis, erschienen in: FZ, Nr. 247 vom 7. Sept. 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 (MWG I/15, S. 298 – 306). Zum Problem der Fertigstellung dieses Artikels vgl. die Briefe an Heinrich Simon vom 1. Aug. 1917, unten, S. 733 f., und an Marianne Weber vom selben Tage, unten, S. 736. 4 Ein entsprechender Artikel ist nicht erschienen.

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Siegmund Hellmann 26. Juli [1917]; Oerlinghausen Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 10, Bl. 8 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Der Brief steht in Zusammenhang mit der Publikation: Weber, Max, Parlament und Regierung; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Siegmund Hellmann vom 14. Juni 1917, oben, S. 660.

Heidelberg z. Z. Örlinghausen (Lippe) 26/VII Sehr verehrter Herr Kollege, – Da jetzt feststeht, daß die „Frankf[urter] Zeitung“ thatsächlich Zensurschwierigkeiten haben würde, bin ich in der Lage mit Ihnen in Verhandlung zu treten und im Fall der Einigung die Ausarbeitung sofort vorzunehmen. Zu tilgen wären die scharfen Angriffe auf die Gegner, nicht zu tilgen dagegen m. E. der Charakter als politische Streitschrift, – denn das bleibt sie und soll sie auch sein. Ich bitte auch darüber um Ihre Ansicht. Im Übrigen würden 앚:auch:앚 die jetzt eingetretenen Ereignisse (Wahlrechtsversprechen, Erzberger-Krise)1 zu würdigen sein. Also: Umarbeitung, d. h. 1) Erweiterung und 2) Milderung der Form[.] Darf ich nun um Ihre Zustimmung bitten? Ev. um Ihre Vorschläge? Ich bin hier bis kommenden Sonntag. Dann (vom 1.VIII ab): Heidelberg. Baldige Nachricht wäre erwünscht, da anderweitige Offerten vorliegen, die ich ablehnte, da Sie mir schrieben, Sie wünschten ev. noch jetzt der Sache näher zua treten. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebenster Max Weber a 1 Gemeint ist der königliche Erlaß vom 11. Juli 1917 zur Gewährung des gleichen Wahlrechts in Preußen; dieser fungierte in Ergänzung zur am 7. April 1917 angekündigten Reformvorlage zum preußischen Wahlrecht (sog. „Osterbotschaft“) und forderte, diesen Gesetzentwurf „auf der Grundlage des neuen Wahlrechts aufzustellen“. Sodann die von Matthias Erzberger initiierte Friedensresolution des Reichstags vom 19. Juli 1917; zur Friedensresolution vgl. u. a. den Brief an Heinrich Simon vom 1. Aug. 1917, unten, S. 733 f., Anm. 3.

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Heinrich Simon 1. August [1917]; Oerlinghausen Brief; eigenhändig Privatbesitz Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes und der Ortsangabe erschlossen.

z. Z. Oerlinghausen b. Bielefeld bei Frau Alwine Müller 1.VIII Lieber Herr Doktor, – 5

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auf Ihr Telegramm von vorgestern hin nahm ich mir den Artikel wieder vor, um ihn fertig zu stellen.1 Aber er befriedigt mich ganz und gar nicht und will mir nicht recht gelingen, weiß der Teufel, warum. Vermutlich, weil ich doch nachgerade etwas müder und stumpfer geworden bin als ich vermuthet hatte und etwas der Erholung bedurfte. Inzwischen heißt es doch wieder: die Ernennungen ständen bevor.2 So bitte ich Sie, etwas Geduld zu haben, wenn etwa noch 8 Tage ins Land gehen sollten, und dann, wenn Ihnen der Artikel nicht zusagt, ihn bei Seite zu legen. Er sollte u. A. auch den Fehler, der in der Verquickung von „Demokratisierung“ und „Frieden“ lag, feststellen, der der Sache aller beider so schweren Schaden gethan und die Linke des Reichstags so schwer geschädigt hat. Aber so, daß die Quelle dieses Fehlers im Verhalten der Regierung aufgedeckt und das Odium vom Parlament abgewälzt würde. Das muß doch etwas überzeugend gemacht werden, um zu wirken. – Erzberger ist ja wirklich halb verrückt, scheint es. Offenbar unter dem Druck von Wiener Einflüssen hat er die Sache so zur „Panik“ ausgestaltet,3 was dem deutschen, dem demokratischen und dem Interesse des Friedens gleich sehr geschadet hat. 1 Gemeint ist der Artikel: Die Lehren der deutschen Kanzlerkrisis, den Weber offensichtlich erst Wochen später fertiggestellt hat. Er ist erschienen in: FZ, Nr. 247 vom 7. Sept. 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 (MWG I/15, S. 298 – 306). Zum Problem der Fertigstellung des Artikels vgl. auch den Brief an Marianne Weber vom 1. Aug. 1917, unten, S. 736. 2 Weber bezieht sich auf die Ernennung der neuen Staatssekretäre im Kabinett Michaelis, die am 5. August 1917 erfolgte. 3 Z. T. bedingt durch die deprimierenden Nachrichten, die Erzberger auf seiner Wienreise im April 1917 über den inneren Zustand der Donaumonarchie erhalten hatte, z. T. bedingt durch den Mißerfolg des U-Boot-Krieges, ist Matthias Erzberger zum Initiator der Friedensresolution des Reichstags vom 19. Juli 1919 geworden. Zu der Rede Erzbergers vom 6. Juli 1917, die die „Juli-Krise“ auslöste und letztlich zum Sturz des

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Ich bleibe bis 15.VIII. hier. Wie gesagt: haben Sie etwas Geduld, das Gehirn funktioniert z. Z. schlecht. Herzliche Grüße! Max Weber

Reichskanzlers v. Bethmann Hollweg führte, heißt es in den Aufzeichnungen von Conrad Haußmann: „Im weiterberatenden Hauptausschuß hat Erzberger, unter steigendem großen Eindruck, seine Rede gegen Capelle und die nicht erfüllten U-Boothoffnungen gehalten. Er hat die vom Marineamt und der Admiralität ausgehende Rechnungsart für falsch erklärt, man dürfe die Welthandelstonnage der Entente nicht erst nach Abzug der Kriegstonnage feststellen, da diese jeweils verringert werden könne. Er brachte Zahlen, sprach kategorisch, erklärte, kein Vertrauen zu Capelle mehr zu haben, und schloß mit der Forderung, sich zu einem Verteidigungskrieg wie am 4. August 1914, ohne Eroberungsabsichten, wegen der Wirkung nach innen und außen, zu erklären. Die Kommission schloß sich stimmungsmäßig den gut disponierten Ausführungen an, ebenso die Hunderte von Abgeordnetenzuhörern.“ Haußmann, Conrad, Schlaglichter. Reichstagsbriefe und Aufzeichnungen. – Frankfurt am Main: Frankfurter Societäts-Druckerei 1924, S. 98 f.

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Marianne Weber 1. August [1917]; Oerlinghausen Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Die Jahresangabe ist aus dem Briefinhalt erschlossen.

Örl. Mittwoch 1. VIII Liebes Schnauzele, –

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nun dauert es also doch noch 4 – 5 Tage,1 ehe wir uns sehen und da schicke ich Dir doch zum Wiegenfest2 einen Kuß und herzlichen Gruß. Es ist seltsam, wie selten wir an dem Tage zusammen sind, ich glaube höchstens die Hälfte der Male seit 24 Jahren.3 Nun, – auf den Tag kommt es ja nicht an und ich denke, wir freuen uns auch nächsten Montag ganz ebenso, uns hier im alten Heim zu treffen. Jedenfalls sind die guten Leute hier unendlich erfreut von der Aussicht Dich dann hier zu sehen und ich denke bis 15ten etwa können wir hier sein. Am 18. September spreche ich über „Staat und Verfassung“.4 Dann kommt schon bald Lauenstein,5 da ist es ja sehr passend (und dabei billig!) wenn wir nachher ganz in Heidelberg bleiben, es sei denn, daß Du noch ein wenig fortgingst. Die Mutter reist morgen.6 Sie hat das hier sehr genossen. Über Bertha7 hat sie Dir ja geschrieben. Hauptfrage ist die mit dem Schlaf1 Marianne Weber hatte ihre Anreise nach Oerlinghausen mehrfach verschoben mit Rücksicht auf das kranke Dienstmädchen Bertha Schandau, die an Magenkrebs erkrankt war und als unheilbar aus dem Krankenhaus in Heidelberg entlassen werden sollte. Diese wollte nun nach Ostpreußen, ihrer Heimat, zu ihrer Schwester fahren. Ihr gesundheitlicher Zustand veranlaßte mehrfach die Verschiebung der Reise. Vgl. den Brief von Marianne Weber an Max Weber vom 27. Juli 1917 (Bestand Max WeberSchäfer, Deponat BSB München, Ana 446). 2 Marianne Weber hatte am 2. August Geburtstag. 3 Marianne und Max Weber waren seit September 1893 verheiratet. 4 Weber war vom Rhein-Mainischen Verband für Volksbildung im Rahmen der „Kriegs-Volksakademie Heppenheim a. B.“ eingeladen worden, hat aber den Vortrag nicht gehalten. Vgl. dazu MWG I/15, S. 19, ferner die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Martin Spahn vom 3. Sept. 1917, unten, S. 762. 5 Auf der zweiten Lauensteiner Tagung vom 29. September bis zum 3. Oktober 1917 sprach Max Weber über „Die Persönlichkeit und die Lebensordnungen“, vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Eugen Diederichs vom 10. Juli 1917, oben, S. 686; zum Kontext vgl. MWG I/15, S. 703 f. 6 Helene Weber war am 23. Juli 1917 nach Oerlinghausen gekommen und fuhr am 2. August zurück nach Berlin. 7 Vgl. oben, Anm. 1. Die lange Reise von Bertha Schandau nach Ostpreußen mußte in Berlin unterbrochen werden, und Helene Weber sollte dabei behilflich sein.

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wagenbillet, das so früh bestellt werden muß (in Berlin 8 Tage vorher). Oder fährt B[ertha] von B[erlin] an am Tage? Wina8 erinnert Dich an polizeiliche Abmeldung behufs Lebensmittelversorgung. – Ob Du wohl Lisa9 noch siehst? Sie wollte Dich wegen ihrer eigenen Zukunft sprechen. (Das könnte ja aber auch auf der Rückreise geschehen). Es regnet jetzt hier, aber der Blick aus dem Fenster des „Herren“Zimmers, vor dem der Schreibtisch steht, ist immer gleich schön und sucht wirklich seines Gleichen in der Welt. Es geht mir recht gut, nur geistig bin ich so stumpf! Gar nichts fällt mir ein. Nicht einmal der der „Frankf[urter] Zeitung“ zugesagte Artikel10 über die „Krise“ will gelingen, trotz Telegrammen, die mich dringend mahnen: es geht nicht. Offenbar infolge der „Mastkur“ hier. Nun – das geht dann nachher hoffentlich umso besser. Leb wohl für heut, liebes Schnauzele, es freut sich fabelhaft auf Dein Herkommen11 Dein Max

8 Alwine (Wina) Müller. 9 Lisa v. Ubisch, die Freundin von Lili Schäfer, mit der diese am 8. August in den Schwarzwald fahren wollte. 10 Vgl. auch den Brief an Heinrich Simon vom 1. Aug. 1917, oben, S. 733 f. Der Artikel „Die Lehren der deutschen Kanzlerkrisis“ erschien erst in der FZ, Nr. 247 vom 7. Sept. 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 (vgl. MWG I/15, S. 298 – 306). 11 „Ich bin eben hier angelangt“, schrieb Marianne Weber an Helene Weber am 5. August 1917 (Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446) aus Oerlinghausen.

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Großherzogliches Ministerium des Kultus und Unterrichts 8. August 1917; o.O. Brief; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen Max Webers GLA Karlsruhe, 235/2643, Bl. 188 – 189 Ein zweites, nur noch unvollständiges Exemplar des Briefs befindet sich in: GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 39, Bd. 10, Bl. 86 – 88. Die Abschrift beginnt mit dem Absatz. „Ich gehe wohl kaum fehl“ (vgl. unten, S. 739) und reicht bis zur abschließenden Grußformel. Da bis auf das eigenhändig eingefügte „es“ (unten, S. 740) alle übrigen Korrekturen mit denen des abgedruckten Briefs identisch sind, ist auf die Annotation im einzelnen verzichtet worden. Der Brief steht in Zusammenhang mit der Beschlagnahme der Frankfurter Zeitung vom 24. Juni 1917 wegen des dort erschienenen Artikels von Max Weber über „Verwaltungsöffentlichkeit und politische Verantwortung“; vgl. dazu den Brief an die Redaktion der Frankfurter Zeitung vom 27. Juni 1917, oben, S. 671 – 677, sowie die Editorische Vorbemerkung zum Brief an den Verlag Duncker & Humblot vom 28. August 1917, unten, S. 746. Bezug: Schreiben des Ministeriums des Kultus und Unterrichts vom 1. August 1917 (Kanzleikonzept; GLA Karlsruhe, 235/2643, Bl. 186). Darin hatte das Ministerium von einer Mitteilung der Militärbehörde berichtet, derzufolge Weber seine Artikelserie „Deutscher Parlamentarismus in Vergangenheit und Zukunft“ einschließlich des „militärischerseits beanstandeten“ Artikels über „Verwaltungsöffentlichkeit und politische Verantwortung“ als Sonderdruck publizieren wolle: „Die Militärbehörde hält eine derartige Veröffentlichung für außerordentlich unerwünscht, da sie geeignet erscheine zu den widerstreitendsten Auseinandersetzungen zu führen und damit eine Beunruhigung der Öffentlichkeit herbeizurufen; außerdem müsse sie als ein Vorgehen angesehen werden, das sich unmittelbar gegen die früheren Maßnahmen der Militärverwaltung richte. Wir möchten nicht unterlassen, Euer Hochwohlgeboren hierauf und auf die Möglichkeit eines zwangsweisen Vorgehens der Militärverwaltung gegen eine erneute Veröffentlichung des beanstandeten Teils Ihrer Ausführungen hinzuweisen, und stellen zu Ihrer Erwägung, ob nicht die Zeitlage Ihnen Anlaß giebt, auf die Veröffentlichung des fr[a]gl[ichen] Teils Ihrer Artikelreihe freiwillig zu verzichten und damit Maßnahmen zu vermeiden, die weder im Interesse der Sache noch in Ihrem persönlichen Interesse liegen dürften. Für möglichst baldige Mitteilung Ihrer Entschließung wären wir Euer Hochwohlgeboren zu Dank verpflichtet.“ Alle Unterstreichungen – außer bei der Ortsangabe im Briefkopf – und Anführungszeichen sind eigenhändig, sie werden im textkritischen Apparat nicht einzeln nachgewiesen.

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8. August 1917– An das Großherzogl[iche] Ministerium des Kultus und Unterrichts K a r l s r u h e. Dem Großherzogl[ichen] Ministerium berichte ich auf das mir hierher nachgegangene und am 5. ds. Mts. zugestellte geneigte Schreiben vom 1. 8. Nr. A. 7797: Ich glaube das Schreiben nicht als einen Ausfluß des disziplinärena Aufsichtsrechtes, welches sich ja auf die politische Betätigung akademischer Lehrer nicht erstreckt, auffassen zu sollen, sondern darin einen Ausdruck jenes altgewohnten Wohlwollens der badischen Behörden gegenüber den Hochschuldozenten erblicken zu dürfen, welches mir von jeher in reichem Maße zuteil geworden ist. Eine gewisse Verlegenheit bereitet die Bezugnahme auf „persönliche Interessen“, welche durch Schritte der Militärverwaltung gefährdet werden könnten. Solche dürfen doch in dieser Angelegenheit keine Rolle spielen. Falls meine Beziehung zur Universität jemals der Aufsichtsbehörde Verlegenheit bereiten würde, könnte sie jederzeit geräuschlos gelöst werden. Meiner aus gesundheitlichen Gründen leider nur noch formellenb Zugehörigkeit zum Offizierkorps ein Ende zu machen steht m. W. ganz in der Hand der militärischen Instanzen. In der Sache selbst darf ich folgendes berichten:1 Die „Frankfurter Zeitung“ hatte die Absicht, die Artikel als Broschüre zu vertreiben, verzichtete aber darauf, offenbar wegen Zensurschwierigkeiten. Inzwischen war Herr Professor Hellmann von der Münchener Universität mit dem Ersuchen an mich herangetreten, die Artikel zu einer Broschüre für seine im Verlag von Duncker & Humblot, Leipzig – München erscheinende Sammlung: „Zur inneren Politik“ auszugestalten. Ich habe dies unter dem Vorbehalt zugesagt, daß sie teilweise umgearbeitet und erweitert werden, der in einem Zeitungsartikel – zumal angesichts der von der Zensur zugelassenen unerhörten Demagogie der Alldeutschen gegen Reichs- und Heeresleitung – durchaus angebrachte, rücksichtslos polemische,c Ton ausa O: diszplimären b O: formelle c Komma eigenhändig. 1 Zur Entstehung von Weber, Max, Parlament und Regierung, vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Siegmund Hellmann vom 14. Juni 1917, oben, S. 660.

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gemerzt und das Ganze demd Charakter einer mehr „akademischen“ politischen Abhandlung entsprechend geändert werden müsse und bin bei dieser Absicht entgegen seinem Wunsche, möglichst wenig zu ändern, auch geblieben. Die Umarbeitung ist im wesentlichen schon vorgenommen und in einer kurzen Vorbemerkung ausdrücklich mit Rücksichten auf den Burgfrieden und die Zensurvorschriften motiviert. Als eine Zuwiderhandlung oder Umgehung militärischer Anordnungene kann sie danach keinesfalls erscheinen. Nach den Erklärungen des stellvertretenden Reichskanzlers2 besteht eine reinpolitische Zensur in Deutschland nicht mehr. Ein freiwilliger Verzicht auf die dergestalt tiefgreifend geänderte Abhandlung scheint mir unmöglich. Es sei mir gestattet, zur Motivierung meines Vorgehens noch hinzuzufügen: Ich gehe wohl kaum fehl, wenn ich die Bemerkungen über die Veröffentlichung politischer Äußerungen des Kaisers als der militärischen Auffassung anstößig ansehe. Aus zahlreichen zustimmenden Zuschriften entnehme ich, daß darin eine unter einer Deckadresse geführte Polemik gegen den Monarchen selbst gefunden wird und grade dies hat mir Anlaß zu umfassenden Änderungen gegeben. Eine etwa unvermeidliche Polemik gegen den Monarchen persönlich würde ich unbedingt offen führen. Hier handelt es sich aber um das schwer fehlerhafte Verhalten teils der verantwortlichen politischen Leiter, teils des Civilkabinetts, teils höfischer Instanzen. Der Kaiser selbst kann nur insofern betroffen werden, als er die Konsequenzen der Veröffentlichung seiner an sich nicht selten sehr berechtigten Äußerungen nicht voll übersehen hat. Seit 20 Jahren herrscht über diese Dinge innerhalb Deutschlands ohne allen Unterschied der Parteien und Volksschichten, nachweislich selbst bis in die Kreise der regierenden deutschen Fürsten,f keinerlei Meinungsverschiedenheit. Daß hier Wandel

d den > dem e Anordnung > Anordnungen f Komma eigenhändig. 2 In der Zensurdebatte Anfang November 1916 im Reichstag hatte Helfferich als Regierungssprecher auf eine Richtlinienverfügung des Reichskanzlers vom 1. August 1916 hingewiesen: „Die Erörterung innerpolitischer und wirtschaftspolitischer Fragen unterliegt keiner Beschränkung. Gehässige oder der Gesinnung anderer Parteien und Gewerbestände herabwürdigende Auseinandersetzungen sind zu vermeiden.“ Vgl. dazu Koszyk, Kurt, Deutsche Pressepolitik im Ersten Weltkrieg. – Düsseldorf: Droste 1968, S. 180, sowie Schulthess 1916, Teil 1, S. 383.

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eintritt, ist für die deutsche Politik ungleich wichtiger, als alle wahlrechtlichen 앚:oder:앚 Verfassungsreformen. Meine politische Stellung hat sich von ganz anderen Ausgangspunkten aus lediglich unter dem Eindruck gewandelt, daß hier keinerlei andere Instanz die pflichtmäßigen Schritte tat, um einen solchen Wandel herbeizuführen. Mit rein gelehrten Arbeiten beschäftigt, würde ich es gewiß nicht für meines Amtes gehalten und der Zeitlage entsprechend gefunden haben, durch eine solche „Flucht in die Öffentlichkeit“ auf diesen schlimmsten Schaden unserer Zustände hinzuweisen, wenn nicht die völlige Unbelehrbarkeit der Umgebung des Monarchen noch während des Krieges sich gezeigt hätte. Neben anderen Vorfällen z. B. in dem Interview über die schwedische Antwort an Wilson, welche ebenso und aus den gleichen Gründen den Sturz des deutschfreundlichen Ministeriums in Schweden g(mit wenigen Stimmen Mehrheith)g beförderte,3 aus welchem seinerzeit Graf Goluchowskii der Veröffentlichung des bekannten anerkennenden Telegramms zum Opfer fiel.4 Eingehende Unterhaltungen mit maßgebenden Politikern, auch früheren Ministern 앚:in Wien:앚, zeigten mir, wie man dort über diese, jede Politik durch unerwartete Zwischenfälle störenden,k Verhältnisse denkt und daß Deutschlands Bündnisfähigkeit durch deren Fortdauer ernstlich gefährdet wird. Es ist in hohem Grade beklagenswert, daß anscheinend sowohl unentbehrliche Reformen wie unumgängliche 앚:Änderungen politischer:앚 Gepflogenheiten bei uns stets nur unter einem Druck entweder von außen oder von unten und immer erst dann vorgenommen werden, wenn es im sachlichen Interesse zu spät ist. Da das aber so ist, müssen daraus die Konsequenzen gezogen werden. Auch unter der Voraussetzung, daß das Großherzogl[iche] Ministerium nicht alles hier Ausgeführte für richtig halten sollte, glaubte ich doch es aussprechen zu sollen, um dem Eindruck entgegen zu treten, als ob esl sich hier etwa um eine journalistische Gelegenheitspolemik handele. Dem Großherzogl[ichen] Ministerium ist bekannt, daß ich an

g Klammern eigenhändig. h O: Minderheit i Kulochowski > Goluchowski k Komma eigenhändig. l Fehlt in O; es sinngemäß ergänzt. 3 Zum Sturz des Kabinetts Hjalmar Hammarskjöld in Schweden im März 1917 vgl. den Brief an die Redaktion der Frankfurter Zeitung vom 27. Juni 1917, oben, S. 675, Anm. 8. 4 Zum Telegramm Wilhelms II. an Agenor Graf Goluchowski vgl. den Brief an die Re¯ daktion der Frankfurter Zeitung vom 27. Juni 1917, oben, S. 675, Anm. 9.

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sich rein wissenschaftlichen Arbeiten und künftig vielleicht einmal wieder dem Lehrberuf zu leben beabsichtige, an der aktiven Politik nicht teilzunehmen wünsche und in meine Lehrtätigkeit politische Werturteile hineinzuziehen aus prinzipiellen Gründen weit strenger vermeide, als manche anderen akademischen Lehrer. Des Großherzogl[ichen] Ministeriums in vorzüglicher Hochachtung ergebensterm

m Unterschrift fehlt in O.

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Großherzogliches Ministerium des Kultus und Unterrichts 8. August 1917; Oerlinghausen Brief; eigenhändig GLA Karlsruhe, 235/2643, Bl. 187

Örlinghausen 8.VIII.17 Zu der Verfügung No A 7797 vom 1. VIII. Großh[erzogliches] Ministerium des Kultus und Unterrichts bitte ich geneigtest entschuldigen zu wollen, wenn der heute abgegangene Bericht1 in der durch Schwierigkeiten, hier eine Schreibhilfe zu finden, bedingten Hast der Absendung ohne Unterzeichnung abgegangen ist, wie ich mich zu erinnern glaube. Ich bedaure das Versehen lebhaft. Mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst Prof. Max Weber

1 Gemeint ist der Brief an das Ministerium vom selben Tage, oben, S. 737 – 741.

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Ludo Moritz Hartmann 11. August [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 15, Bl. 8 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 11.VIII. Lieber Freund, –

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könnte der Vortrag in der „Soziol[ogischen] Ges[ellschaft]“ nicht an den Schluß des Semesters gelegt werden?1 (ich schrieb das Gleiche auch bez. des andren Vortrages an Frhr. v. Hock).2 Ich fahre im März oder April ohnehin nach Budapest (voraussichtlich) und ich kann die Weitläufigkeiten und Strapazen dieses jetzigen Reisens über die Grenze fast nicht ertragen, verliere eine Woche „netto“, „brutto“ noch mehr und zersplittertea mich, von andren Gründen in der 1. Winterhälfte hier zu bleiben, ganz abgesehen. Ich kann wirklich im November nicht gut und bitte dringend, dies zu ändern, wenn es irgend wie möglich ist. Freundschaftlichen Gruß v. H. z. H. Ihr Max Weber

a Alternative Lesung: zersplittere 1 Diese neuerliche Verschiebung des Vortrags ist unterblieben; er wurde am 25. Oktober 1917 gehalten; vgl. dazu den Brief an Hartmann vom 24. Jan. 1917, oben, S. 588 f., Anm. 5. 2 Der Brief an Paul Frhr. v. Hock ist nicht nachgewiesen. Dabei geht es um einen Vortrag Webers beim Verein „Freie Schule“, deren Obmann seit der Gründung 1905 Frhr. v. Hock war. Der Vortrag ist nicht zustande gekommen; vgl. dazu die Briefe an Hartmann vom 17. Sept. und 7. Okt. 1917, unten, S. 780 f., sowie S. 791, Anm. 3.

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Verlag Duncker & Humblot [26. August 1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Duncker & Humblot, Berlin Datierung von der verlagsinternen Abschrift des Briefes vom 26. August 1917 übernommen; der Brief Webers selbst trägt den Eingangsvermerk des Verlages: „27.8.17“. Der Brief steht in Zusammenhang mit der Publikation von: Weber, Max, Parlament und Regierung; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Siegmund Hellmann vom 14. Juni 1917, oben, S. 660.

Heidelberg Ziegelhauser Landstr.a 17 Herrn Duncker & Humblot Verlag Mit gleicher Post schicke ich eingeschrieben („Geschäftspapiere“) Cap. I – V des Manuskriptes, über welches anliegender Entwurf lautet.1 Cap. VI folgt in ca 8 Tagen. Den Eingang bitte ich mir – nach Heidelberg – zu bestätigen und wäre mit alsbaldigem Druckbeginn sehr einverstanden.2 Rasche und weite Verbreitungb wäre wohl nützlich, daher bin ich mit Offenlassung des Verkaufspreises nach Ihrem Ermessen ganz einverstanden. Zahlreiche andre Angebote (Diederichs, Reimer, Ullstein, Neue Rundschau u.s.w.) lehnte ich ab, da mir Ihr Verlag werthvoll ist und Herr Prof. Dr Hellmann mir persönlich bekannt ist. Das Mscr. ist druckfertig. Doch bemerke ich zu § 5 der Anlage, daß Änderungen der politischen Lage auch in Ihrem Interesse sachlich Änderungen der Fassung bedingen können.3 Diese sind wohl als vorbehalten anzusehen.

a O: Landst.

b Alternative Lesung: Verteilung

1 Weber hatte in dem ihm zugesandten Vertragsentwurf vom 17. August 1917 (VA Duncker & Humblot, Berlin) als Titel „Parlamentarismus und Demokratie bei der Neuordnung Deutschlands“ eingefügt. 2 Im Vertragsentwurf vom 17. August (wie Anm. 1) hatte Weber im § 6 die Bestimmung, daß das Manuskript „zu Beginn des Jahres 1918, spätestens Ostern des gleichen Jahres“ geliefert werde, in „vor dem 15. IX. 1917“ korrigiert. 3 § 5 des Vertragsentwurfs vom 17. August 1917 (wie Anm. 1) lautete: „Herr Prof. Dr. Max Weber verpflichtet sich ein völlig druckreifes Manuskript zu liefern. Sonderkosten für die Änderungen des Verfassers gegen den Wortlaut der Druckvorlage, welche die Druckerei besonders in Rechnung zu stellen berechtigt ist, ist er verpflichtet zu ersetzen, soweit diese Kosten M 3.– für den Druckbogen übersteigen.“

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Wie Sie sehen sind nur 2 Kapitel wirklich annähernd aus der „Frankf[urter] Zeitung“ übernommen,4 das Meiste aber neu. Es ist jetzt mehr eine Streitschrift akademischen Charakters und Tonfalls. Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber

4 Tatsächlich finden sich Korrekturen z. T. erheblicher Art in allen Kapiteln.

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Verlag Duncker & Humblot 28. August [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Duncker & Humblot, Berlin Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes sowie dem Eingangsvermerk des Verlages: „30.8.17“ erschlossen. Das Schreiben steht in Zusammenhang mit der Publikation: Weber, Max, Parlament und Regierung; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Siegmund Hellmann vom 14. Juni 1917, oben, S. 660. Bezug: Brief des Verlags vom 25. August 1917 (Abschrift masch.; VA Duncker & Humblot, Berlin), dem in Abschrift eine Mitteilung des Bayerischen Kriegsministeriums an Duncker & Humblot vom 20. August (ebd.) in Sachen Zensur beigegeben war: „Dem Kriegsministerium ist bekannt geworden, daß die von Professor Max Weber in der Frankfurter Zeitung veröffentlichte Artikelreihe ‚Deutscher Parlamentarismus in Vergangenheit u. Zukunft‘ einschließlich des Artikels ‚Verwaltungsöffentlichkeit und politische Verantwortung‘ [...] im Verlage von Duncker u. Humblot als Sonderdruck erscheinen soll. Da der letztbezeichnete Artikel mehrfache Verstöße gegen die Leitsätze der seinerzeit den Verlagen u. Druckereien zugegangenen ‚Ergänzungen des Merkblattes für die Presse‘ enthält, könnte seine weitere Verbreitung in der vorliegenden Fassung nicht gestattet werden. Die Stellungnahme zu der Frage, ob eine Veröffentlichung des Artikels in abgeänderter Form aus Gründen der öffentlichen Sicherheit angängig ist, muß bis zur Vorlage des bezüglichen Manuskriptes vorbehalten bleiben. Hiernach wird dem sehr verehrlichen Verlag anheimgegeben, zur Hintanhaltung von Weiterungen das in Frage stehende Werk, soferne als Erscheinungsort München in Betracht komme sollte, im Manuskript oder wenigstens vor dem Umbrechen des Satzes beim Pressereferat des Kriegsministeriums zur Prüfung einzureichen.“ Der Verlag hatte in seinem Brief an Weber vorgeschlagen, „die Druckvorlage vor Beginn des Satzes zur Zensur vorzulegen“.

Heidelberg 28/8 Ziegelhauser Landstr.a 17 Herrn Duncker & Humblot Leipzig Auf das Schreiben des Kriegsministeriums vom 20.b VIII. rathe ich zu antworten: „daß es sich nicht um eine ‚Separat-Ausgabe‘, sondern um eine selbständige Publikation handelt, welche allerdingsc an diese und andre Artikel, welche in der Presse erschienen, angelehntd, aber ausführlicher und weniger aktuell-polemisch ist; daß ferner, nach eingeholtem Einverständnis meinerseits, die dem erwähnten Artikel entsprechen-

a O: Landst. b O: 28.

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dene Ausführungen und ihref mit enthaltenden beiden Kapitel (III und IV) des bei Ihnen lagernden Mscr. vorgelegt werden.“ Ich bemerke dabei, daß ich für das eingeschrieben an Sie geschickte Manuskript noch keine Empfangsbestätigung habe, um welche ich Sie hiermit bitte. Ob der Censor das Mscr. lesen kann, ist gleichfalls nicht sicher. Macht ihm das Schwierigkeiten, dann müßte ich es (bzw. diese Kapitel) abdiktieren, was ich der Beschleunigung halber bisher unterlassen habe. Falls Sie es für erforderlich halten, könnte das auch vorher geschehen: (Dann würde ich um schleunige Rücksendung des Mscr. bitten). Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber

e In O folgt: bzw.

f Alternative Lesung: ihn

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Alwine (Wina) Müller 28. August [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 Die Jahresangabe ist aus dem Briefinhalt erschlossen.

Heidelberg 28/8 Liebe Wina, vielen Dank für Deinen Zettel mit dem Brief der Mutter. Er brachte uns sehr gute Nachrichten über Lili’s Befinden,1 nach Briefen von Frl. v. Ubisch. Hoffentlich ist Lili mit sich etwas vorsichtig, namentlich mit Unternehmungslust, damit nicht der Winter wieder einen Rückschlag bringt, was ja vorläufig immer noch leicht passieren kann. Und hoffentlich findet sie den Kleinen2 wieder ganz munter. Ob wirklich die Feuchtigkeit des kleinen Paradieses, in dem er sich befindet, die Gefahr solcher Mandel-Affektionen steigert, und ob das Konsequenzen haben mußa, wenn es der Fall ist, könnte ja, falls Lili sich Sorge macht, nur ein sehr erfahrener Arzt entscheiden; vielleicht sollte, wenn das wirklich in Betracht kommt, auch mal erst Ernst3 gefragt werden. Denn für alle Teile, auch Frau v. Horn, wäre es eine große Enttäuschung, wenn das Kind da nicht bleiben könnte, – was wir einstweilen nicht hoffen wollen. Denn wenn es sich nur um eine gewisse Steigerung der Möglichkeit solcher Affektionen handelt, dann steht doch die große Gesundheit von Kost und Natur dort auf der Gegenseite der Rechnung und ist auch in Betracht zu ziehen. Wir haben in Detmold die beiden alten Leute,4 die uns mit ihrer sehr rührenden Güte überschütteten, verhältnismäßig ganz wohl getroffen. Man wird die Erbitterung gegen das Schicksal nicht los, wela Unsichere Lesung. 1 Lili Schäfer erholte sich in Oerlinghausen, nachdem sie mit ihrer Freundin Lisa v. Ubisch im Schwarzwald Ferien gemacht hatte. Zu Lili Schäfers labilem Gesundheitszustand vgl. den Brief an Lisa v. Ubisch vom 1. Jan. 1917, oben, S. 579 – 582. 2 Hermann Schäfer, das jüngste Kind von Lili Schäfer, war bei Frau v. Horn in Schloß Holte bei Oerlinghausen. 3 Ernst Mommsen, der Mann von Clara Mommsen, geb. Weber, war Arzt in Berlin. 4 Max und Marianne Weber hatten auf der Rückreise von Oerlinghausen nach Heidelberg Wilhelmine (Minna) und Hans Schnitger, den Bruder von Mariannes Vater, in Detmold besucht.

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ches ihrem Leben in diesem Alter seinen schönsten Sinn nahm.5 Der Onkel scheint Alles religiös als Fügungb zu nehmen, während mir schien, daß die Tante umgekehrt daran irre geworden ist. – Auch hier fanden wir gleich Trauriges. Nicht nur Frau Rickerts einer Sohn6 ist gefallen, sondern auch der prächtige Pflegesohn7 meines Vetters August Hausrath (was Lili wohl interessiert, sie wird auch wissen, was Das für ihn und Lilli Hausrath bedeutet!) Georg8 so knapp zu verfehlen ist ein Mißgeschick. Aber es kann sein, daß ich in nächster Zeit nach Berlin komme und ihn dann sehe. – Nun geht das Leben wieder an in seinen Alltagsbahnen. Ihr habt uns, liebe Wina, die ganze Zeit über in Eurer trauten Freundschaft und Liebe gehegt, verwöhnt und: beschämt, – anders kann ich es nicht gut nennen. Man fühlt sich eigentümlich geborgen gegen Alles[,] was draußen und drinnen an Schwerem drohen könnte. Habt Dank – mehr kann man ja nicht sagen, wenigstens meine schwer äußerungsfähige Natur nicht – und erhaltet uns, wenn Ihr könnt, Eure unendlich wertvolle Gesinnung. Wie ist es mit Deinem Kommen hierher? Unbedingt müßtest Du eine Unterbrechung Deiner Belastung im Hause haben. Außer zwischen dem 28.9. und 3.X.9 sind wir immer hier. – Bertha10 ist (erfolglos) operiert, es wird wohl nicht mehr sehr lange dauern. –

b Schickung > Fügung 5 Der Sohn Hans war im September 1916 gefallen. „Er war als einziger und letzter gesunder lebensfähiger Abkömmling unsrer unseligen Familie die ganze Hoffnung u. Glück seiner Eltern“, berichtete Marianne Weber an Helene Weber am 18. Sept. 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). 6 Gemeint ist der zweitälteste Sohn von Heinrich und Sophie Rickert, Heinrich (Heini Rickert), der „mit seinem warmen Wesen dem Mutterherzen am nächsten“ stand. Vgl. den Brief Marianne Webers an Helene Weber vom 5. Sept. 1917 (Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446). 7 Hermann Goos. Er fiel am 12. August 1917 als Gefreiter in einem bayerischen Regiment. 8 Georg Müller, der älteste Sohn von Alwine (Wina) Müller, der damals in Berlin lebte. Er hatte nach Webers Abreise seine Mutter in Oerlinghausen besucht. 9 Marianne und Max Weber nahmen an der zweiten Lauensteiner Tagung teil, auf der Max Weber vermutlich den Eingangsvortrag über „Die Persönlichkeit und die Lebensordnungen“ hielt. Vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Eugen Diederichs vom 10. Juli 1917, oben, S. 686; zum Kontext MWG I/15, S. 703 f. 10 Bertha Schandau, das langjährige Dienstmädchen von Marianne und Max Weber, hatte Magenkrebs.

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Wir freuen uns in dem Gedanken, daß nun unsre Schwester11 dort (innerlich und, hoffentlich, auch äußerlich) sonnige Tage haben wird. Grüße sie herzlich. Ebenso Marianne12 und Richard.13 Es umarmt Dich Dein alter Max

11 Lili Schäfer, vgl. oben, Anm. 1. 12 Marianne Zeeden, die Tochter von Alwine (Wina) Müller. 13 Richard Müller, der zweite Sohn von Alwine (Wina) Müller.

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Wilhelmine (Minna) Schnitger 28. August [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz (Kopie des Originals) Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 28/8 Verehrte liebe Tante,–

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eben kommt Deine Sendung („Weser-Zeitung“), die ich mit großem Dank gelegentlich benutzen werde. Sie ist unglaublich in ihrer naiven Offenheit, aber – leider – sehr „echt“. Den ganzen Weg bis hierher, liebe Tante, haben wir von Euren Vorräthen gezehrt,1– ich muß hoffen, daß Ihr Euch nicht, wie ich wirklich fürchte, einer wahren Hungerzeit ausgesetzt habt, nur um uns „das Leben zu retten“! Denn uns ist es ein Rätsel, wie Du liebe Tante es ermöglichst, für andre so viel zu erübrigen. Vor Allem aber danken wir Euch für die innerlichen Beweise Eurer Liebe zu uns in einer Zeit, wo Ihr selbst so Schweres durchlebt habt,2 daß man an dem Sinn der menschlichen Geschicke irre werden möchte, dächte man nicht, daß wir da doch niemals dahinter kommen. Wir haben sehr herzlich bedauert, Willy3 nicht zu sehen, und ich hoffe bestimmt, daß dies nächstes Jahr recht eingehend geschehen kann[.] Auch für ihn ist diese Verzögerung und Unterbrechung durch den Krieg keine Kleinigkeit, aber wir Alle hoffen, daß er wieder in seine Arbeit hineinfindet, wenn erst dieser Krieg zu Ende ist. Ob das vor nächstem Jahr geschieht, – wer kann das wissen? Wir haben uns herzlich gefreut, den Onkel so bei voller geistiger Frische zu finden und ich speziell erfreute mich sehr der großen Übereinstimmung der Ansichten in politischen Dingen. Habt Dank für Eure Liebe und Gastlichkeit. Marianne – die jetzt sofort tüchtig in die Arbeit mußte – grüßt herzlich, ebenso Dein getreuer Neffe Max Weber 1 Weber bezieht sich auf die Rückreise von Detmold nach Heidelberg. 2 Gemeint ist der Tod des Sohnes Hans Schnitger am 12. September 1916. Vgl. den Brief an Hans Schnitger sen. vom 23. Sept. 1916, oben, S. 548 f. 3 „Wilhelm (Willy) [Schnitger], der von psychischer Krankheit gezeichnete, war ja auch draußen u. schwer verwundet“, schrieb Marianne Weber an Helene Weber am 18. Sept. 1916 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). Er war der zweite Sohn von Hans und Wilhelmine (Minna) Schnitger.

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Mina Tobler 28. August PSt 1917; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Dem Brief ist ein Umschlag beigelegt, der den Poststempel vom 29. August 1917 trägt.

Heidelberg 28/8 Dienstag Liebes Tobelkind, – gestern Nacht kamen wir zurück, nachdem wir noch einen Tag in Detmold bei dem Onkel1 meiner Frau geblieben waren, alten Leuten, die nach mancherlei Schicksal ihren einzigen gesunden Sohn2 im Krieg verloren (auch der Sohn3 von Frau Rickert ist jetzt gefallen). Hier fanden wir Bertha4 (erfolglos) operiert vor, ich glaube nicht, daß es noch lange dauert, man kann es auch nicht wünschen. Für den Herbst hat Marianne ein ostfriesisches Mädchen engagiert, ich bin begierig, wie die sich eingewöhnt. Nun beginnen die Alltagssorgen, vor Allem um Heizmaterial für den Winter. Nun, es wird schon gehen. – Schönen Dank für Ihre Karten, die ja ganz erträglich klingen. „Geschrieben“ habe ich nichts, wenigstens nichts, was schon gedruckt wäre, sonst hätte ich es geschickt. Jetzt wird der Vortrag für Lauenstein5 (Ende September) und ein Vortrag über „Staat u. Verfassung“ für den 18. IX.6 in einer privaten Vereinigunga angenommen werden müssen. Möglich, daß ich vorher nochmal geschäftlich nach Berlin fahre, doch ist das unsicher. – Im Übrigen freue ich mich auf wissenschaftliche Arbeit, die doch, – wenn man nicht „dabei“ sein kann, – am meisten ablenkt.

a Unsichere Lesung. 1 Hans Schnitger sen. 2 Gemeint ist Hans Schnitger jun., vgl. den Brief an Wilhelmine (Minna) Schnitger vom 28. Aug. 1917, oben, S. 751. 3 Heinrich Rickert, der zweitälteste Sohn, war am 8. August 1917 gefallen. 4 Webers Dienstmädchen, Bertha Schandau. 5 Max Weber hatte für die Lauensteiner Tagung vom 29. September bis 3. Oktober 1917 den Vortrag: „Die Persönlichkeit und die Lebensordnungen“ angekündigt. 6 Diesen Vortrag sollte Weber in Heppenheim halten. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 1. Aug. 1917, oben, S. 735, Anm. 4, und die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Martin Spahn vom 3. Sept. 1917, unten, S. 762.

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In Örlinghausen fühlte man sich wirklich etwas „geborgen gegen das Schicksal“. Es ist eigen, diese Menschen, die dem Alltag so gewachsen sind, ihn so zum Rang eines seelischen Kulturproduktes zu erheben wissen und deren Leben noch so sich in sich rundet, wie das der alttestamentlichen Patriarchen. Und dabei diese fast überschwängliche Liebe zu uns, man fühlte sich wirklich als „Götze“ geniert und in Verlegenheit, und hatte ihnen doch wenig genug zu bieten. Obwohl sie geistig ja sehr kultiviert sind, – wir lasen „Faust“ und den Gundolf,7 wie ich wohl schon schrieb. Nächstes Jahr zur „silbernen Hochzeit“ – ist es glaublich, daß man schon so weit ist? – gehen wir wieder hin (September). Wie es dann wohl in der Welt aussieht? Nun, ich sehe der Zukunft jetzt mit Optimismus entgegen, so viele Sorgen auch geblieben sind. Wenn wir vernünftig sind und nicht glauben, die Welt beherrschen zu können, so kommen wir schon mit Ehren durch, militärisch und sonst auch. Aber es wäre gut, es ginge zu Ende. Denn es sind eben doch wirklich die besten, die fallen. Viel dachte ich bei den wechselnden Lichtern der letzten Wochen Ihrer und was Ihnen diese Landschaft sagen würde, die lieblich ist wie die Züricher, und in ganz andrer Art doch auch ihre Größe: den unendlichen Horizont der „Senne“ hat. Ihre Pension nimmt sich auf der Karte ja ganz entzückend aus. Gäbe es doch auch künftig mal so eine Fremden-lose Zeit dort, daß man das auch in Ruhe haben könnte! Bleiben Sie froh und stark und vergessen Sie nicht Ihren Max Weber

7 Gemeint ist: Gundolf, Friedrich, Goethe. – Berlin: Bondi 1916.

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Fritz Wichert 28. August [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig Stadtarchiv Mannheim, Nl. Fritz Wichert, Nr. 733 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Dieser Brief sowie die folgenden Schreiben an Wichert vom 8. September und insbesondere vom 13. Oktober 1917, unten, S. 775 und 797 f., könnten möglicherweise mit der Absicht des Auswärtigen Amts in Verbindung stehen, Weber als privaten, quasi inoffiziellen Reiseberichterstatter über Vorgänge in Österreich zu gewinnen, dies um so mehr, da Webers vertraulicher Brief an Georg Gothein vom 8. Juni 1916, oben, S. 450 – 452, der seine Wiener Eindrücke wiedergegeben hatte, im Auswärtigen Amt bekannt war. Fritz Wichert, der Leiter der Mannheimer Kunsthalle, war kriegsbedingt Mitarbeiter des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts, Richard v. Kühlmann. Zu einer entsprechenden Tätigkeit Webers ist es nicht gekommen.

Heidelberg N o 1401 Ziegelhauser Landstr. 17 28/8 Sehr geehrter Herr Doktor! Ich erhielt Ihren Eilbrief und Mitteilung von Ihrem Telefonanruf, versuchte aber bisher vergebens die Verbindung herzustellen. Ich habe s. Z. Exc. Zimmermann (damals Unterstaatssekretär) gelegentlich eines Briefs von ihm in der U-Boot-Frage geschrieben:1 daß es vielleicht sachlich ratsamer sei, ich suchte ihn nicht auf und verhielte mich überhaupt so, daß gegebnenfalls festgestellt werden könne: „es habe keinerlei persönliche Berührung stattgefunden“, da ein privater Schriftsteller der Regierung seines Landes unter Umständen 앚:grade:앚 dann nützlicher sein könne, wenn die völlige Unabhängigkeit und Unbeeinflußtheit seiner öffentlichen Stellungnahme nicht angezweifelt werden könne. Die Verhältnisse haben sich nun inzwischen in Manchem geändert. Ich bin gerne bereit, nach Berlin zu kommen und Exc. v. Kühlmann2 meine Aufwartung zu machen, wenn dies sachlich erwünscht erscheint. Das könnte entweder Ende dieser Woche oder zwischen dem 19ten und 25ten September geschehen. Ich würde im Hotel Esplanade absteigen, und erwarte Ihre telegraphische oder telefoni-

1 Brief an Arthur Zimmermann vom 13. März 1916, oben, S. 338 f. 2 D. h. der damalige Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Richard v. Kühlmann.

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sche Mitteilung, ob der Besuch grade jetzt erwünscht ist, da ich dann noch einige andre Angelegenheiten erledigen würde. Daß ich Ihren Brief und den eventuellen Besuch selbst als unbedingt vertraulich behandle, versteht sich – aus sehr zahlreichen Gründen – von selbst. Mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst Max Weber

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Conrad Haußmann 29. August [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 29/VIII Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt, anbei sende ich noch das gestern vergessene Rückschreiben des Badischen Ministeriums.1 Das Bad[ische] Min[isterium] hat sehr korrekt gehandelt, die Form ist sehr verbindlich. Es wäre mir persönlich nicht lieb, wenn etwa auf diese Behörde ein falscher Schein geworfen würde oder wenn ich zum Gegenstand von Presse-Erörterungen würde. Aber die Militär-Zensur ist schlechterdings unberufen, über diese politischen Dinge zu urteilen. Sachlich würde man sehr gern schweigen, falls den Gegnern die fortwährenden Angriffe auf das Parlament ebenfalls verboten würden, wenn also Parität herrschte, was aber nicht der Fall ist. Vor Allem aber müssen politische und zwar verantwortliche Instanzen die Zensur handhaben, der jetzige Zustand ist thatsächlich unerträglich. – Es lag mir in letzter Zeit nahe, Ihnen ein Gutachten über die Frage des Elsasses zuzusenden.2 Ganz verkehrt wäre die Einsetzung einer

1 Gemeint ist wahrscheinlich die Antwort des badischen Kultusministeriums auf Webers Brief vom 8. Aug. 1917, oben, S. 737 – 741. Das nicht überlieferte Schreiben des Ministeriums stammt – laut Ausfertigungsvermerk auf dem entsprechenden Ministerialkonzept vom 12. Aug 1917 (GLA Karlsruhe, 235/2643, Bl. 190) – vom 13. Aug. 1917. Die übrige vorausgehende Korrespondenz mit dem Ministerium hatte Weber offenbar einen Tag zuvor an Haußmann geschickt. Der entsprechende Begleitbrief Webers ist nicht nachgewiesen. 2 Elsaß-Lothringen hatte nach der Annexion von 1871 durch das Deutsche Reich den Sonderstatus eines Reichslandes erhalten, das zunächst unmittelbar dem Kaiser unterstellt war, seit 1879 mittelbar einem vom Kaiser ernannten und ihm verantwortlichen Statthalter, der die Regierungsgeschäfte dort übernahm. Auch nach der Konstituierung eines Landtages im Jahre 1911 blieb Elsaß-Lothringen dem kaiserlichen Statthalter unterstellt. Webers folgende Äußerungen sind vor dem Hintergrund der damaligen Diskussionen um die verfassungsrechtliche Zukunft Elsaß-Lothringens zu sehen; vgl. dazu Janßen, Karl-Heinz, Macht und Verblendung. Kriegszielpolitik der deutschen Bundesstaaten 1914 – 1918. – Göttingen, Berlin, Frankfurt, Zürich: Musterschmidt 1963.

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neuen Dynastie. Man lasse doch den Elsässischen Landtag aus der Zahl der deutschen Prinzena den Statthalter auf Lebenszeit wählen. Wollen sie ihn künftig als Erbstatthalter (den Titel führten die Oranier bekanntlich 200 Jahre lang in Holland), nun gut. Wollen sie dann später, daß er „Großherzog“ heißt, nun gut. Aber für jetzt genügt doch die Änderung 1. daß der Statthalter statt vom Kaiser ernannt, künftig gewählt wird, – 2. daß er die Immunität und den Rang eines Bundesfürsten hat, – 3. daß er1) die Stimmen Elsaß-Lothringens im Bundesrath instruiert (wie schon jetzt)[,] 4. daß er mit dem Landtag die Gesetze (Landes-Gesetze) macht (statt: der Kaiser). Damit ist E[lsaß]-L[othringen] „Bundesstaat“ und man hat die „Republik mit dem Großherzog“, auf Grund der „Selbstbestimmung“ des e[lsaß]-l[othringi]’schen Volkes, – was doch politisch (auch für den Frieden) nützlich ist. Der Vorteil ist: daß die Militärverhältnisse bleiben wie sie sind (ein jetzt ernannter „Großherzog“ hätte die Kontingentsherren-Rechte, es wäre eine Militär-Konvention nötig pp., was Alles große Schwierigkeiten macht)b. Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber Die übersendeten Schriftstücke würde ich gern zurückerhalten.3

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unter Verantwortung seines Ministers gegenüber dem e[lsaß]l[othringi]’schen Landtag

a

b Klammer fehlt in O.

3 Es handelt sich dabei um die in Anm. 1 genannten Schriftstücke; diese hat Haußmann mit seinem Antwortbrief vom 3. Sept. 1917 (Abschrift masch.; Privatbesitz) zurückgeschickt.

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Paul Siebeck 29. August [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „4./IX.17.“ sowie Briefinhalt. Bezug: Brief Paul Siebecks vom 28. August 1917 (VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mit der Anfrage an Weber wegen einer Rezension von Robert Michels, die ihm von Emil Lederer für das kommende Heft des AfSSp übersandt worden war: „Muß das sein? Ich bin wahrhaftig nicht alldeutsch, aber hier geht mir doch etwas gegen den Strich. Dies Ihnen direkt mitzuteilen, ließ Herr Professor Jaffé durch Herrn Dr. Lederer mich bitten. Nun darf und will ich mich ja in die Redaktion nicht einmischen. Indes, wer auf italienischer Seite gegen uns gekämpft hat, ist m. E. feindlicher Ausländer und es ist mir daher verboten, an ihn eine Zahlung zu leisten. Ich möchte damit etwaigen späteren Reklamationen von Seiten des Herrn Michels vorgreifen.“

Heidelberg 29/8 Verehrter Freund, Michels hat nie gegen Deutschland gefochten. Er hat nur eine „Taktlosigkeit“ begangen, indem er in einer Schweizer Zeitung („Neuen Züricher“) vor 2 Jahren die Italiener gegen Österreich in Schutz nahm und ein Bündnis Deutschlands mit Rußland (statt Österreich) empfahl1 und später einen erschossenen Irredentisten als „Märtyrer“ bezeichnete.2 Da wir im Kriege sogar den Artikel des russischen späteren Ministers Miljukow gebracht haben,3 so, meine ich, steht auch der Mitarbeit von M[ichels] nichts im Wege, (mit dem ich persönlich scharf

1 Gemeint ist der anonym erschienene Artikel von Robert Michels: Zum Thema Deutschland und Italien. Von einem Deutschen, in: NZZ, Nr. 899 vom 13. Juli 1915, 2. Mittagblatt, S. 1 f.; zu dessen Inhalt vgl. den Brief an Michels vom 9. Sept. 1915, oben, S. 132, Anm. 1. 2 Robert Michels hatte sich in seinem Artikel „Randbemerkungen zur Frage Trentino und Irredentismus“, in: NZZ, Nr. 1384 vom 2. Sept. 1916, 1. Mo.Bl., S. 1, anerkennend über das Verhalten des ehemaligen sozialistischen Abgeordneten im Wiener Parlament für das Trentino, Cesare Battisti, geäußert, der nach Kriegsausbruch auf italienischer Seite gekämpft hatte und nach seiner Gefangennahme im Juli 1916 hingerichtet worden war. Battisti – so Michels – sei „hingerichtet worden als Opfer der hohen Vaterlandsliebe eines künstlich in zentralistischer Unmündigkeit gehaltenen, nicht nur abgesprengten, sondern abgesperrt gehaltenen Teiles eines großen Kulturvolkes. Er starb wirklich den Heldentod eines Patrioten. […] Denn das Trentino, die Heimat des hingerichteten Volksvertreters und so vieler anderer Märtyrer ist Italien verfallen.“ 3 Miljukoff, Peter, Zur Geschichte des russischen Adels, erschienen in: AfSSp, Bd. 41, Heft 1, 1915, S. 88 – 109.

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aneinander gerathen bin).4 Jedenfalls besteht kein Zahlungsverbot. Auch bei Schmoller arbeitet er mit.5 Gegen Deutschland hat er nichts gesagt oder geschrieben, nur gegen Österreich und für Italien, sein Wahlvaterland. Er ist jetzt aber Schweizer Bürger.6 Nach einigem Überlegen schien mir, daß wir vornehmer handelten, wenn wir grade umgekehrt wie die Franzosen und Engländer diese Sphären trennten und mitarbeiten ließen, wer da will, so lange er nicht uns – Deutschland – direkt angreift oder beschmutzt. Das ist nicht geschehen, so wenig taktvoll ich sein Verhalten fand[.] Freundschaftlichen Gruß! Ihr Max Weber

4 Vgl. dazu die Briefe an Michels vom 20. Juni, 9. Sept. und 21. Okt. 1915, oben, S. 65 – 67, 132 – 135 und 145 f. 5 Artikel von Robert Michels sind während des Krieges in Schmollers Jahrbuch nicht erschienen. 6 Michels war 1913 zum Ordinarius für Volkswirtschaft an die Universität Basel berufen worden.

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Eugen Diederichs 30. August [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig DLA Marbach a. N., VA Eugen Diederichs (Fotokopie des Originals) Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Der Brief steht in Zusammenhang mit der zweiten Lauensteiner Tagung, die vom 29. September bis 3. Oktober 1917 unter Beteiligung Webers stattfand; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Diederichs vom 10. Juli 1917, oben, S. 686.

Heidelberg 30/8 Sehr geehrter Herr Diederichs, – an mir soll die Vertagunga 1 nicht scheitern, obwohl sie mir nach allen Dispositionen, die inzwischen getroffen sind, wirklich nicht bequem ist. S. Z. hatte ich selbst auf ganz die gleichen Umstände schon hingewiesen, aber ohne Erfolg. Was soll es aber heißen, daß nun Dr Neurath (ich schätze ihn sehr) über „Gemeinwirtschaft“ redet.2 Das giebt ja wieder den Heringssalat von heterogenen Problemen, wie das vorige Mal! Es war doch ausgemacht: „Auslese der Führer“ – und damit fertig. Was hat die „Gemeinwirtschaft“ damit zu schaffen? So geht das schlechterdings nicht mit diesen Versammlungen! Hartmann – Wien ist natürlich sehr gut.3 Aber auch da wäre die Problemstellung: Auslese der Führer doch das Wichtige. Jedenfalls paßt die „Gemeinwirtschaft“ absolut nicht in den Problemkreis, so wichtig diese Dinge an und für sich sind. Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber

a Alternative Lesung: Verlegung 1 Über eine Vertagung der Lauensteiner Zusammenkunft und deren Gründe gibt es im VA Diederichs im DLA Marbach a. N. keine Unterlagen; letztlich wurde am ursprünglich dafür vorgesehenen Termin festgehalten. 2 In einer maschinenschriftlich vorliegenden Vortragsliste (DLA Marbach a. N., VA Diederichs, Fasz. Lauensteiner Tagungen 1917 u. 18) wird ein Beitrag von Otto Neurath über: Die zukünftige Lebensordnung und ihre Wirtschaftlichkeit, genannt. Auf einem Zweitexemplar der Liste (ebd.) findet sich der Bleistiftvermerk: „Neurath, die zukünftige Wirtschaftsbildung“. Trotz der Bedenken Webers ist der Vortrag Neuraths zustande gekommen. 3 Ludo Moritz Hartmann hat an der Lauensteiner Tagung nicht teilgenommen.

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Helene Weber PSt 1. September 1917; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 3, Bl. 277

Liebe Mutter, –

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ich habe den Herren in Freiburg1 mitgeteilt, daß das Haus zu einem Netto-Mietswerth von 2 500 Mk eingeschätzt ist. Ich kann mir nicht denken, daß Jemand mehr als etwa 60 000 Mk2 dafür zahlen wird bei den jetzigen Zinssätzen, aber überlasse Alles Clara, die ja die Verhältnisse am besten übersieht.3 Lisa v. U[bisch] meldete sich für morgen an. Von Lili4 ein ganz vergnügter Brief an Marianne. Die Sache mit August’s Pflegesohn5 ist unsagbar traurig. Er sei ganz „versteinert“, sagt Lilli H[ausrath]. Tausend herzliche Grüße Dein Max

1 Gemeint sind Interessenten für das Haus von Helene Weber in Charlottenburg in der Marchstraße 7F. 2 In seinem Brief vom 1. Juli 1917 an Helene Weber (oben, S. 681) schreibt Weber, daß das Haus auf 55 000 Mark veranschlagt war. 3 Clara Mommsen lebte in Berlin und konnte daher den Immobilienmarkt am besten überschauen. 4 Lili Schäfer verbrachte einige Tage bei den Verwandten in Oerlinghausen. 5 August Hausrath, ein Vetter von Max Weber, war unverheiratet und hatte einen Pflegesohn, der gefallen war.

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Martin Spahn 3. September [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig BA Koblenz, Nl. Martin Spahn, Nr. 57 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes in Verbindung mit dem Schreiben Webers an Spahn vom 15. September 1917, unten, S. 777 f., erschlossen. In diesen beiden Briefen an Spahn geht es um Webers Redebeitrag für eine vom „Rhein-Mainischen Verband für Volksbildung“ vom 16. bis 24. September 1917 veranstaltete „Kriegs-Volksakademie Heppenheim“ über das Thema „Staat und Verfassung“. Weber hat kurzfristig auf seine Teilnahme verzichtet; vgl. dazu MWG I/15, S. 19.

Heidelberg 3/IX Sehr geehrter Herr Kollege! Ich bitte Sie, das Referat zu übernehmen und werde meinerseits korreferieren. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr Max Weber

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Georg Hohmann [nach dem 3. September 1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 5, Bl. 15 Die Datierung ist erschlossen aus dem Hinweis auf eine Mitteilung von Conrad Haußmann über die Bedeutung des Weberartikels in der Frankfurter Zeitung vom 24. Juni 1917 über „Verwaltungsöffentlichkeit und politische Verantwortung“ für die Entstehung der Julikrise in Berlin; diese Mitteilung war am 3. September 1917 (Bestand Max WeberSchäfer, Deponat BSB München, Ana 446) erfolgt.

Heidelberg Ziegelhauser Landstr. 17 Sehr geehrter Herr Doktor!

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Icha danke verbindlichst für den mir zugeschickten Artikel.1 Anbei übersende ich eine Korrespondenz, die Sie vielleicht interessiert, zur ausschließlich vertraulichen Benutzung.2 Die Schritte gegen mich gehen auf Initiativen des Hauptquartiers zurück. Der Hof sollb, – wie ich höre, – die „Frankf[urter] Zeitung“ sofort abbestellt haben, die angeblich bisher von S[einer] M[ajestät] täglich gelesen wurde. Es fragt sich nun für mich, ob ich das s. Z. gemachte freundliche Anerbieten des Herrn Redakteur Dr Müller („M[ünchner] N[eueste] N[achrichten]“)3 annehmen soll. Wie mir Conrad Haußmann schreibt,4 hat die Krise im Juli/August1) sehr stark mit unter dem Ein1)

in die August-Krise spielten die Gerard’schen Enthüllungen hin-

a O: auch > ich b hat > soll 1 Möglicherweise handelt es sich um den Artikel von Georg Hohmann, Neue Formen, neuer Inhalt, erschienen in: Münchner Neueste Nachrichten, Nr. 440 vom 1. Sept. 1917, Mo.Bl., S. 1 f. 2 Gemeint ist Webers Korrespondenz anläßlich der Beschlagnahmung der Frankfurter Zeitung nach dem Erscheinen seines Artikels: Verwaltungsöffentlichkeit und politische Verantwortung, publiziert ebd., Nr. 172 vom 24. Juni 1917, S. 1 f. (MWG I/15, S. 486 – 525); vgl. insbesondere seinen Brief an die Frankfurter Zeitung vom 27. Juni 1917, oben, S. 671 – 677. 3 Gemeint ist deren Chefredakteur Karl Eugen Müller. 4 Brief Conrad Haußmanns vom 3. Sept. 1917 (Abschrift masch.; Privatbesitz): „Vertraulich teile ich Ihnen mit, daß Ihr letzter Artikel außerordentlich stark eingeschlagen hat, was Sie aus der Präventivzensur der ‚Frankfurter Zeitung‘ wissen. Es war aber nach dessen Erscheinen im Reichskanzleramt die Ansicht verbreitet, daß der Suppentopf der Neuorientierung oder richtiger die Stimmung für dieselbe, in höchsten Kreisen zerschlagen und die Suppe ausgelaufen sei. Jedenfalls hat Ihr Aufsatz mit beigetra-

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fluß auch dieses Artikels gestanden. Aber Erzberger ist ein Esel. Es handelt sich jetzt darum, die Sache auch unter c föderalistischen Gesichtspunkten zu behandeln. Natürlich sehr vorsichtig und unter dem Vorbehalt, daß jede Korrektur, welche Dr Müller für opportun hält, vorgenommen wird. Hertling’s Einspruch gegen die Parlamentarisierung war ein rechtes Unglück.5 Der legitime Einfluß Bayerns auf die Politik des Reichs muß in andrer Art gewahrt werden. Wie? ist ja ungefähr angedeutet (der Artikel liegt bei).6 Die „München-Augsb[urger] Abendzeitung“ forderte mich s. Z. (nach der Münchener Rede)7 ein[.]8 (Von den Aufzeichnungen, die der Kaiser ihm gegeben hat, hat man in Berlin keinerlei Abschrift!! Der New York Herald publiziert täglich 앚:aus:앚 dem Briefwechsel zwischen dem Kaiser und dem Zaren aus dem Jahre 1904, ebenfalls rein persönliche politische 앚:(autokratische):앚 Erörterungen!)9 c O: über gen, die Atmosphäre zu schaffen, die im Juli zu starken und immer noch ungenügenden Entladungen geführt hat.“ Die entsprechende Wirkung in Berlin hatte Kurt Riezler in seinem Brief an Haußmann vom 25. Juni [1917] beschrieben (ebd., Bd. 54): „Leider hat die Frankfurter Zeitung durch einen im Ton gänzlich unhaltbaren Artikel von Max Weber einen mühsam gepflegten Kochtopf zerschlagen, wir stehen herum und jammern der ausgegossenen Suppe nach, die Gegner freuen sich unbändig.“ 5 Gemeint ist der nicht gezeichnete Artikel: Der Ruf nach einer Parlamentarisierung, erschienen in der offiziösen Bayerischen Tageszeitung, Nr. 159 vom 12. Juli 1917, S. 1. 6 Um welchen Artikel es sich hier gehandelt hat, ist unbekannt. 7 D. h. die Rede vom 8. Juni 1917: Was erwartet das deutsche Volk vom VerfassungsAusschuß des deutschen Reichstages? (MWG I/15, S. 708 – 719). 8 Der ehemalige amerikanische Botschafter in Berlin, James W. Gerard, hatte kurz nach seiner Rückkehr in die USA seine Memoiren: My Four Years in Germany. – London, New York, Toronto: Hodder and Stoughton 1917, veröffentlicht. Am Bandende – hinter S. 317 – war in Fotokopie ein längeres persönliches Schreiben Wilhelms II. an Präsident Wilson vom 10. Aug. 1914 wiedergegeben. Der Inhalt des Telegramms war Anfang August im „Daily Telegraph“ veröffentlicht, dessen Existenz am 13. August von der halbamtlichen „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ bestritten worden; vgl. dazu Schulthess 1917, Teil 2, S. 1000 – 1003. 9 Im August 1917 hatte der „New York Herald“ Telegramme Wilhelms II. an Nikolaus II. aus den Jahren 1904 und 1905 veröffentlicht; diese waren von dem „ehemaligen Spitzelentlarver Burzew “ der amerikanischen Zeitung zugespielt worden – so die Mitteilung in dem Artikel: Wilhelm bietet Nikolaus ein Bündnis an, in: Arbeiterzeitung, Nr. 249 vom 11. Sept. 1917, S. 4. Kurze Zeit nach Webers Brief sah sich die deutsche Regierung dazu veranlaßt, wegen „der tendenziösen Aufmachung und Ausbeutung der Schriftstücke in der Ententepresse“ die Korrespondenz vollständig in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ vom 10. – 14. Sept. 1917 zu veröffentlichen; vgl. dazu Schulthess 1917, Teil 2, S. 979 – 988; das Zitat ebd., S. 979.

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auf, ihr „sofort“ ein „ausgearbeitetes Projekt“ derd Kronrats-Idee zu schicken.10 Das habe ich abgelehnt.11 Jetzt handelt es sich darum, daß gesagt wird: Jeder Reichskanzler hat zurückzutreten, wenn nicht alle Handlungen der Reg[ierungs]-Gewalt ihm vorher e vorgelegt worden sind. Herrn Dr Müller sind Sie ermächtigt, die Anlagen12 zu zeigen (vertraulich!). Dann bitte ich sie (eingeschrieben) zurück. Mit bekannter Hochachtung und bester Empfehlung Ihr Max Weber Noch Eins: die Einladung desf Arbeitersekretariats zu einer Friedensrede habe ich s. Z. abgelehnt.13 Es ist taktisch grundverkehrt, „Demokratisierung“ oder „Parlamentarisierung“ mit der Friedenspropaganda so eng wie geschehen zu verquicken. Schriftwechsel anbei!14

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e O: zweifach unterstrichen. f

10 Weber hatte in seiner Rede (wie Anm. 7) die Idee des Kronrats als eines Beratungsorgans des Monarchen und der leitenden Regierung entwickelt (MWG I/15, S. 712). 11 Eine entsprechende schriftliche Äußerung Webers ist nicht überliefert. 12 Vgl. Anm. 2. 13 Brief an Otto Thomas vom 12. Juli 1917, oben, S. 694 – 696. 14 Neben der Briefabschrift an Otto Thomas (wie Anm. 13) enthielt die Anlage vermutlich noch Abschriften von Briefen Thomas’ und Wolfgang Heines; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Thomas vom 12. Juli 1917, oben, S. 694.

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4. September 1917

Verlag Duncker & Humblot 4. September [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Duncker & Humblot, Berlin Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „eingeg. 7.9.17“ sowie Briefinhalt. Der Brief steht in Zusammenhang mit der Publikation von: Weber, Max, Parlament und Regierung; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Siegmund Hellmann vom 14. Juni 1917, oben, S. 660.

Heidelberg 4.IX. Sehr geehrter Verlag! Anbei schicke ich 1. den Verlagsvertrag. Die Einschiebung in § 5 scheint mir unumgänglich.1 Ich werde sie bestimmt nur in Fällen der Notwendigkeita ausnutzen, falls Sie Sich bereit finden, den Vertrag – den ich für alle Fälle unterschrieben habe – so zu akzeptieren. Da keine LinienUmbrechung stattfinden kann, entstehen „Korrekturkosten“ nicht, sondern nachträgliche Setzkosten, falls es nötig wird. 2. die Kapitel III und IV, welche dem beanstandeten Artikel entsprechen.2 (Die ganze Arbeit wird bVI Kapitel b umfassen). Ich bitte sie schon jetzt der Zensur vorzulegen. Falls diese wider Erwarten Schwierigkeiten macht, bitte ich um genaue Bezeichnung der Sätze zu ersuchen, die beanstandet werden, da ich Beschwerde einlegen und nötigenfalls an den Reichstag zu gehen entschlossen bin. Der Rest folgt in Kürze nach Abdiktat[.] Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber

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b O: zweifach unterstrichen.

1 Die Seite mit dem veränderten § 5 fehlt in den Archivunterlagen von Duncker & Humblot. Im Paragraphen 5 geht es u. a. um die Korrekturkosten zu Lasten des Autors – vgl. zur ursprünglichen Fassung den Brief an Duncker & Humblot vom 26. Aug. 1917, oben, S. 744, Anm. 3. 2 Gemeint ist der Artikel über: Verwaltungsöffentlichkeit und politische Verantwortung.

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Conrad Haußmann [7.] September [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen, das Tagesdatum ist unsichere Lesung. In seinem Brief vom 3. September 1917 (Abschrift masch.; Privatbesitz) hatte Conrad Haußmann Weber davon berichtet, daß im Verfassungsausschuß „als nächste Frage“ sein Antrag betr. Art. 9, Satz 2 (RV) zur Sprache kommen werde: „Der Haupteinwand ist, es bestehe ein Konflikt zwischen einem Bundesratsbevollmächtigten, der nach Weisung abstimmen müsse und einem Reichstagsabgeordneten, der nach Überzeugung abstimmen müsse, wenn er in derselben Frage tätig zu sein habe. Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie mir über diesen Punkt einige staatsrechtliche Gedanken zu Papier bringen würden, damit ich sie mit meinen eigenen Einwänden vergleichen und diese unter Umständen ergänzen kann. Das, was Professor Anschütz über die Frage geschrieben hat, kenne ich. Falls Sie sonstige Literatur zu Artikel 9 haben, wäre ich für ein kurzes Exzerpt sehr dankbar.“ Kurze Zeit darauf hat Haußmann sich aus ähnlichen Gründen an Gerhard Anschütz gewandt: In seinem Brief vom 13. November 1917 (HStA Stuttgart, Nl. Conrad Haußmann, Q 1/2, Bd. 30) bat er diesen – nach der Berufung des FVPAbgeordneten Friedrich v. Payer zum Stellvertreter des Reichskanzlers – um eine Expertise über die Frage, ob der „Stellvertreter des Reichskanzlers in den Reichstag gewählt werden“ könne oder ob dies Art. 9, Satz 2 (RV) verbiete. Haußmanns Brief war mit der Bitte verbunden, das Schreiben auch Max Weber zugänglich zu machen. Wie Haußmann in einem Postscriptum mitteilte, war jedoch die „Rechtsfrage“ zu einer akademischen „Doktorfrage“ geworden, da v. Payer inzwischen zum preußischen Bundesratsbevollmächtigten ernannt war und „damit […] die Guillotine des Art. 9“ eintrete. Anschütz hat am 18. November 1917 (ebd.) eine Antwort mit einer handschriftlichen Expertise geschickt (ebd.), die gedruckt erschienen ist unter dem Titel: Zu Artikel 9 Satz 2 der Reichsverfassung, in: Deutsche Juristen-Zeitung, Nr. 1/2 vom 1. Januar 1918, Jg. 23, 1918, Spalte 49 f., und dabei mitgeteilt, daß Weber und er in der „rechtlichen Beurteilung der Sachlage“ einig seien: „Politisch differieren wir etwas, indem er lieber gesehen hätte, wenn Payer auf den Sitz im B[undes-]Rat verzichtet und versucht hätte, den Gedanken einer möglichst machtvollen und selbständigen Reichsregierung außerhalb des Bundesrats zur Geltung zu bringen. Auch mir ist dieser Gedanke lieb und wert, doch halte ich den Versuch, ihn jetzt gegen die ,verbündeten Regierungen‘ zu realisieren, für verfrüht und deshalb für taktisch verfehlt. Zur Zeit scheint es mir wichtiger zu sein, daß P[ayer] im B[undes-]Rat als daß er im Reichstag sitzt.“

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7. September 1917

Heidelberg 7a/IX Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Sie finden in den nächsten Tagen in der „Frankf[urter] Zeitung“ (voraussichtlich unter Chiffre) einen Artikel über Art. 9 der R[eichs-]Verf[assung] von mir.1 1. Die Kreuzzeitung, welche diesen Einwand zuerst erhoben hat,2 hat nichts gegen die Ausübung von preußischen Landtagsmandaten durch jederzeitb absetzbare Regierungsbeamte, z. B. Landräthe, obwohl diese laut Instruktion des Ministers Puttkamer die Amtspflicht haben, „die Politik der Regierung zu vertreten“.3 Hier liegt ein Gewissenskonflikt vor.

a Unsichere Lesung. b 1 Gemeint ist der anonym erschienene Artikel: Die Abänderung des Artikels 9 der Reichsverfassung, in: FZ, Nr. 248 vom 8. Sept. 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 (MWG I/15, S. 307 – 313). 2 Der Einwand der „Kreuzzeitung“ betraf die ihrer Meinung nach zu Recht bestehende Inkompatibilität der gleichzeitigen Mitgliedschaft im Bundesrat und im Reichstag. Dazu vermerkt Weber in seinem Artikel (wie Anm. 1): „Mit Belustigung findet man nun in der rechtsstehenden Presse (so vor längerer Zeit von einem, anscheinend akademischen, Anonymus in der ‚Kreuzzeitung‘) den Einwand: Durch die Verbindung eines Reichstagsmandats mit einer Stellung im Bundesrat könnten ‚Gewissenskonflikte‘ entstehen, weil der Reichstagsabgeordnete nach eigener Überzeugung, der Bundesratsbevollmächtigte aber nach den Instruktionen seiner Regierung zu stimmen habe“ (MWG I/15, S. 310f.). Der anonyme Artikel in der Neuen Preußischen Zeitung („Kreuzzeitung“) ist nicht nachgewiesen. 3 Weber bezieht sich auf einen Passus in dem von Puttkamer bzw. Bismarck verfaßten Erlaß König Wilhelms I. an das preußische Staatsministerium vom 4. Januar 1882: „Es ist die Aufgabe Meiner Minister, Meine verfassungsmäßigen Rechte durch Verwahrung gegen Zweifel und Verdunkelung zu vertreten; das Gleiche erwarte Ich von allen Beamten, welche Mir den Amtseid geleistet haben. Mir liegt es fern, die Freiheit der Wahlen zu beeinträchtigen, aber für diejenigen Beamten, welche mit der Ausführung Meiner Regierungsakte betraut sind und deshalb ihres Dienstes nach dem Disziplinargesetz enthoben werden können, erstreckt sich die durch den Diensteid beschworene Pflicht auf Vertretung der Politik Meiner Regierung auch bei den Wahlen. Die treue Erfüllung dieser Pflicht werde Ich mit Dank erkennen und von allen Beamten erwarten,

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2. Kein Gewissenskonflikt liegt im Fall des Art. 9 vor: a) Es handelt sich lediglich um preußische Bevollmächtigte (denn jeder Reichskanzler und jeder Chef eines großen Reichsamtes muß preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath sein)c. Ein Reichskanzler und Staatssekretär aber, der Instruktionen erhält, die seiner politischen Überzeugung widersprechen, hat sein Amt zu quittieren, oder er ist ein politisch charakterloser „Kleber“ (wie Bismarck sagte,4 der bekanntlich in einem solchen Fall seine Demission angeboten hat – worauf der Bundesrath seine Abstimmung änderte).5 b) Es ist nur erwünscht, wenn diese Pflicht, das Amt der Überzeugung zu opfern, durch den Besitz eines Reichstagsmandats den leitenden Reichsbeamten eingeschärft wird. Sie sollen Politiker und keine „Beamten“ sein. c) Es würde genügen, die Bestimmung so zu fassen: (Zusatz zu Art. 9) „Der vorstehende Satz findet auf den Reichskanzler und die Staatssekretäre des Reiches keine Anwendung“.6 Denn das ist der Sinn der Sache. –

c Klammer fehlt in O. daß sie sich im Hinblick auf ihren Eid der Treue von jeder Agitation gegen Meine Regierung auch bei den Wahlen fernhalten.“ Zitiert nach: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, hg. von Ernst Rudolf Huber, Bd. 2: Deutsche Verfassungsdokumente 1851 – 1918. – Stuttgart: W. Kohlhammer 1964, Nr. 220, S. 307. 4 Der Ausdruck findet sich u. a. in einer Rede Bismarcks an eine Abordnung des Bundes der Landwirte vom 9. Juni 1895: „Dann entstehn die Kleber als Minister, von denen nicht zu erwarten ist, daß sie irgend welche landwirthschaftliche Interessen mit Energie bei ihren Collegen vertreten.“ Abgedruckt in: Die Politischen Reden des Fürsten Bismarck, hg. von Horst Kohl, Bd. 13. – Stuttgart und Berlin: J. G. Cotta 1905, S. 436 – 444; Zitat S. 442. 5 Tatsächlich hat Bismarck „anläßlich eines ziemlich nebensächlichen Punktes“ – wie Weber in seinem Artikel (wie Anm. 1; MWG I/15, S. 313) anmerkt – im Jahre 1880 seinen Rücktritt angeboten. Dieses Gesuch war erfolgt, nachdem der Bundesrat aus einer Stempelsteuervorlage die Bestimmung eines unpraktikablen Quittungsstempels auf Postanweisungen gestrichen hatte. Der Bundesrat hat sich der Rücktrittsdrohung Bismarcks gebeugt und die Bestimmung wieder in die Vorlage eingefügt, was jedoch in diesem Fall irrelevant war, da der Passus über den Quittungsstempel bei der folgenden Abstimmung in einer Reichstagskommission von allen Abgeordneten – bis auf den Sohn des Kanzlers, Graf Wilhelm Bismarck – wieder eliminiert wurde. Vgl. dazu Eyck, Erich, Bismarck, Bd. 3. – Erlenbach-Zürich 1944, S. 306 f. 6 Die entsprechende Passage findet sich in: Die Abänderung des Artikels 9 der Reichsverfassung (wie Anm. 1; MWG I/15, S. 312).

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7. September 1917

Was ist das für eine Schweinerei, daß Gerard handschriftliche Notizen des Kaisers besitzt,7 die der R[eichs-]Kanzler nicht vorher gesehen hat, von denen nicht einmal Abschriften da sind? (so scheint es doch) Und der New York Herald publiziert täglich – wie ich höre – Korrespondenzen des Kaisers mit dem Zaren (von 1904),8 die bei uns nicht nachgedruckt werden dürfen und jedenfalls zeigen, daß es unwahr ist, wenn gesagt wird: wir hätten nicht die „Autokratie“ in Rußland gestützt! Es muß festgestellt werden: daß ein Reichskanzler, der Äußerungen des Kaisers „deckt“, die er nicht dvorher gebilligt d hat, durch einen Staatsgerichtshof für amtsunfähig zu erklären ist. Dieser Erzberger ist ein Esel. Die Art dieser „Friedens“-Propaganda ist ganz nutzlos und schadet der Demokratie. Die Demokratisierung muß verlangt und durchgesetzt werden. Aber man schädigt sie, wenn man sie mit deme „Frieden“f verquickt. Kommt der Friede dann trotzdem nicht, so ist die Demokratie blamiert. Könnte man sich nicht vor Wiederbeginn des Reichstags einmal sprechen? Mit vorzüglicher Hochachtung stets Ihr Max Weber

d O: zweifach unterstrichen.

e Alternative Lesung: einem

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7 Gemeint ist das Telegramm Wilhelms II. an Präsident Wilson vom 10. August 1914; vgl. dazu den Brief an Georg Hohmann, nach dem 3. Sept. 1917, oben, S. 764, Anm. 8. 8 Zur Veröffentlichung der Telegramme Wilhelms II. an Nikolaus II. aus den Jahren 1904 und 1905 im „New York Herald“ vgl. den Brief an Georg Hohmann, nach dem 3. Sept. 1917, oben, S. 764, Anm. 9.

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Ludo Moritz Hartmann 8. September [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig MWA, BAdW München (Fotokopie des Originals) Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Der Brief steht in Zusammenhang mit Webers Berufung nach Wien; vgl. dazu den Brief an Hartmann vom 24. Juli 1917, oben, S. 722 f., Anm. 2.

Heidelberg 8/IX Lieber Freund,

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auf den Brief des Herrn v. Wieser, – dessen Inhalt Sie errathen werden – habe ich geantwortet:1 1) daß ich eine Lehrthätigkeit jedenfalls nicht vor 1.X.1918 aufnehmen kann, – 2) daß ich im November nach Wien zu persönlicher Verhandlung kommen kann, vorher nicht gut, – 3) daß ich mich im Fall anderweitiger Berufungen vorher nicht binden werde, – 4) daß ich in der Sache selbst Bedenken wegen der (500!?) Rigorosa habe und überhaupt prüfen müsse, was mir an Arbeitskraft für die Wissenschaft bleibt, falls ich ein Ordinariat übernehme. Ich habe daher vorgeschlagen, jetzt die eine Stelle zu besetzen.2 Wenn dann der neue Kollege und die Fakultät mich noch wollen, so bin ich mit großen Freuden zur Verhandlung bereit. Jedenfalls sollen sie keinen Fehlruf thun, sondern die Sache vorher klargestellt werden. Das kann nur in Wien selbst geschehen. Ich habe nicht verhehlt, wie sehr ich Wien als Stadt (und überhaupt) liebe. Aber schließlich: Alles muß überlegt sein. Hier werden sie mir wohl 앚:– wie ich hörte –:앚 einen Lehrauftrag für Soziologie anbieten.3 Das bindet mich natürlich nicht, wenn ich darauf eingehe (was ich eventuell vorhabe.) In München wird wohl schwerlich eine Berufung erfolgen,4 in Göttingen auch

1 Der Brief an Friedrich v. Wieser ist nicht nachgewiesen. 2 Die Fakultät hatte zunächst darauf verzichtet, den zweiten Lehrstuhl, der durch die Ernennung v. Wiesers zum österreichischen Handelsminister vakant geworden war, zu besetzen, da man erst Webers Entscheidung abwarten wollte. 3 Vgl. dazu den Brief an Victor Schwoerer vom 14. Nov. 1917, unten, S. 809 – 812. 4 Die Berufung Webers nach München erfolgte erst im April 1919.

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kaum.5 Jedenfalls entschließe ich mich gegebenenfalls nicht, ehe ich 앚:in:앚 Wien persönlich gesprochen habe, falls sie bei ihrer Absicht bleiben. Also Sie kommen nach Lauenstein?6 Das ist ja famos! Die Sache selbst ist Schwindel (Diederichs’sche Verleger-Angelegenheit!), aber die Situation höchst pittoresk und nette Menschen da. Meine Frau grüßt Sie und die Ihrige,7 ebenso Ihr Max Weber

5 In der vom Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät, Karl Oldenberg, am 4. Aug. 1917 dem preußischen Kultusministerium in Berlin zugesandten Berufungsliste für die Nachfolge von Gustav Cohn (GStA Berlin, Rep. 76 Va, Sekt. 6, Tit. IV, Nr. 2, Bd. VII, Bl. 69 – 73) waren Max Weber an erster, Carl Johannes Fuchs und Arthur Spiethoff an zweiter Stelle aufgeführt. Das nächste Schriftstück in der Akte (ebd., Bl. 74) enthält die Bitte des Kultusministeriums an den Kurator vom 21. Mai 1918 „um Ergänzung der Liste“, da Max Weber sich in Wien „gebunden“ habe. Als Nachfolger von Gustav Cohn wurde schließlich Josef Esslen zum 1. April 1919 berufen. 6 Hartmann hat an der zweiten Lauensteiner Tagung nicht teilgenommen. 7 Margarethe Hartmann.

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Mina Tobler 8. September [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahr ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen: Die zweite Lauensteiner Kulturtagung fand vom 29. September bis 3. Oktober 1917 statt.

Hbg 8/IX Liebes Tobelkind,

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es ist recht ärgerlich, daß meine Handschrift dem Censor so mißfällt, denn ich hatte mancherlei zu erzählen. Nichts Politisches: ein paara Artikel in der Frankfurter,1 die ich schrieb, gebe ich Ihnen hier; sie sind nicht erschütternd. Aber heut wurde ich von Wien aus durch den jetzigen Handelsminister,2 bisherigen Inhaber des Fachs, amtlich gefragt: „ob ich könne“. Antwort: ich wolle im November hinkommen zu sprechen, wenn sie keine Zeit bis dahin hätten, möchten sie die Professur anderweitb besetzen. (Es sind zwei frei).3 In München ist der Vorschlag erfolgt,4 ebenso in Göttingen.5 Aber da wird nichts. Dagegen haben sie jetzt hier, scheint es, die Absicht etwas zu thun, was dann allen Zweifeln ein Ende machen würde. Thoma6 war in der Sache bei mir und ich habe ihm genau gesagt, wie es steht. Nun geht ja die Zeit Ihrer Abwesenheit dem Ende entgegen. Noch nie ist die Korrespondenz so gehemmt gewesen wie diesmal, es ist a O: par b Unsichere Lesung. 1 Es handelt sich vermutlich um die Artikel: „Die Lehren der deutschen Kanzlerkrisis“, in: FZ, Nr. 247 vom 7. Sept. 1917, 1. Mo.Bl., S. 1, und „Die Abänderung des Artikels 9 der Reichsverfassung“, in: FZ, Nr. 248 vom 8. Sept. 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 (MWG I/15, S. 298 – 306 und S. 307 – 313). 2 Gemeint ist Friedrich Freiherr v. Wieser. 3 Es handelte sich einerseits um die Professur von Friedrich Freiherr v. Wieser, die durch dessen Ernennung zum Handels- und Unterrichtsminister frei geworden war, und andererseits um die Professur von Eugen v. Philippovich, der am 4. Juni 1917 verstorben war. 4 Vgl. den Brief an Mina Tobler vom 27. Mai 1917, oben, S. 652, Anm. 4. 5 Vgl. den Brief an Ludo Moritz Hartmann vom selben Tag, oben, S. 771 f. 6 Richard Thoma wohnte im selben Haus wie Weber und war 1916/17 Mitglied des Engeren Senats und Dekan der juristischen Fakultät an der Heidelberger Universität. Von ihm erfuhr Weber vermutlich von den Plänen, ihm in Heidelberg einen Lehrauftrag für Soziologie anzubieten. Vgl. auch den Brief an Ludo Moritz Hartmann vom 17. Sept. 1917, unten, S. 780 f.

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schon unausstehlich! Hier ist herrliches Wetter, eine gewaltige Kartoffelernte steht in Aussicht, wenn es so bleibt, und nur die Kohlenfrage wird uns arges Kopfzerbrechen machen. Ihnen wahrscheinlich auch! Inzwischen der Fall von Riga!7 Hoffentlich bringt er uns dem Ende der Sache näher, – es wäre Zeit, man merkt das an seiner ganzen Konstitution. Aber die Lage war seit 21/2 Jahren nie so günstig für uns wie jetzt und dies Gesalbader der Feinde über die Bedingungen, die wir erfüllen müßten, um Frieden zu bekommen, ist wahrhaftig nachgerade einfach dumm! von dem Verbrecherischen dieses Abschlachtenlassens von Hunderttausenden für ihre Minister-Existenz ganz abgesehen. Wie sehr wünsche ich, daß Sie auch in Zürich nicht allzu bedrückende Eindrücke in sich aufnehmen! Die letzten Nachrichten über Ihre Mutter8 waren doch nicht sehr günstig. Auch daß Sie etwas von unsrem warmen Sonnenschein dort hätten wäre recht sehr zu wünschen. – Am 18. d. M. rede ich in Heppenheim.9 Am 29ten dann in Lauenstein.10 Es ist gewaltig zu thun! Leben Sie für heut wohl, in tausend guten und herzlichen Gedanken Ihr Max Weber

7 Riga wurde am 3. September 1917 von deutschen Truppen erobert. 8 Henriette Tobler. 9 Max Weber sollte über „Staat und Verfassung“ reden. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 1. Aug. 1917, oben, S. 735, Anm. 4 und die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Martin Spahn vom 3. Sept. 1917, oben, S. 762. 10 Auf der zweiten Lauensteiner Kulturtagung sprach Weber über „Die Persönlichkeit und die Lebensordnungen“. Vgl. MWG I/15, S. 703 f., dort unter dem Titel „Die Persönlichkeit und die Lebensordnungen“.

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8. September 1917

Fritz Wichert 8. September PSt 1917; Heidelberg Karte; eigenhändig Stadtarchiv Mannheim, Nl. Fritz Wichert, Nr. 733 Die Karte steht in Zusammenhang mit der vermutlichen Absicht des Auswärtigen Amts, Weber für eine Tätigkeit als privaten, informellen Berichterstatter über politische Vorgänge in Österreich bzw. Wien zu gewinnen; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Wichert vom 28. August 1917, oben, S. 754.

Heidelberg 8/IX Sehr geehrter Herr Doktor!

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Auf Ihren Eilbrief antwortete ich am gleichen Tage durch eingeschriebenen Eilbrief,1 der als „unbestellbar“ zurückkam (ich schickte ihn Ihnen als „Beleg“ seinerzeit). Der Grund war: der Vordruck Ihres Briefs lautete „Hotel Atlantic, Kaiserhof“ und ich schrieb daher an den Kaiserhof, Berlin, daß ich bereit sei, nach dort zu kommen. Ich bedaure das Versehen lebhaft und wünschte mich hiermit von dem Verdacht der Unhöflichkeit zu entlasten. Ich kann Anfang Oktober einmal in Berlin sein und hoffe, Sie dann dort zu treffen.2 Inzwischen freue ich mich, daß Sie Ihre Stellung in Mannheim behalten.3 Mit bester Empfehlung Ihr ergebenster Prof. Max Weber Ziegelhauser Landstr. 17 Ihre Adresse verdanke ich H[einrich] Simon.

1 Gemeint ist offensichtlich der Brief vom 28. Aug. 1917, oben, S. 754 f. 2 Das Treffen ist nicht zustande gekommen. 3 Wichert war Direktor der Kunsthalle Mannheim.

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10. September 1917

Robert Wilbrandt PSt 10. September 1917; PSt Heidelberg Karte; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 27, Bl. 5

Verehrtester Kollege! Ich kann jetzt nichts lesen. 2 Vorträge1 und die Verhandlung mit Wiena über die Übernahme des dortigen Ordinariats legen mich lahm. Ich publiziere die Ausführungen aus dem „V[erein] f[ür] Soz[ial-]Pol[itik]“ („Werturteile“) stark erweitert soeben im „Logos“2 (schon korrigiert, wann das Heft aber erscheint, kann ich nicht garantieren, da ich nicht weiß, wann Siebeck Papier genug hat).3 Entweder warten Sie das ab oder drucken Sie Ihre Arbeit, bei Bücher oder bei uns.4 Ich bin zu überlastet[,] um jetzt zu korrespondieren. Herzlichste Grüße! Ihr Max Weber

a Eigenhändiger Vertikalstrich Max Webers am Rande mit dem eigenhändigen Zusatz: Vertraulich! 1 Gemeint sind die beiden Vorträge, die Weber in Heppenheim und Lauenstein halten wollte; vgl. dazu den Brief an Mina Tobler vom 8. Sept. 1917, oben, S. 774, Anm. 9 und 10. 2 Weber, Max, Der Sinn der „Wertfreiheit“ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften, in: Logos, Bd. 7, Heft 1, 1917, S. 40 – 88 (MWG I/12). Der Artikel ersetzte Webers Ausführungen in: Äußerungen zur Werturteildiskussion im Ausschuß des Vereins für Sozialpolitik. Als Manuskript gedruckt. – o. O. 1913, S. 83 – 120 (MWG I/12). 3 Der genaue Publikationstermin ist unbekannt; doch dürfte das „Logos“-Heft im November 1917 erschienen sein; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Werner Siebeck vom 1. Dez. 1917, unten, S. 829. 4 Die Arbeit, um die es sich hier höchstwahrscheinlich handelt, ist wenig später in Karl Büchers Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft erschienen: Wilbrandt, Robert, Die Reform der Nationalökonomie vom Standpunkt der „Kulturwissenschaften“. Eine Antikritik, ebd., Jg. 73, 1917, S. 345 – 406. Die „Antikritik“ richtete sich gegen Webers Forderung nach der Werturteilsfreiheit wissenschaftlicher Erkenntnis.

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Martin Spahn 15. September [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig BA Koblenz, Nl. Martin Spahn, Nr. 57 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Der Brief steht in Zusammenhang mit einem beabsichtigten Vortrag Webers in Heppenheim über das Thema „Staat und Verfassung“, den er jedoch kurzfristig abgesagt hat; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Spahn vom 3. September 1917, oben, S. 762.

Heidelberg 15/9 Sehr geehrter Herr Kollege!

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Ich kommea erst jetzt zur Vorbereitung des Vortrags. Ich werde mich sehr allgemein halten und die realen Mächte des modernen Staats behandeln: „reale“ – „geschriebene“ Verfassung (in Lassalle’s Art)1 „Verfassungslücken“ und Kompromiß der geteilten Gewalten im Staat. Mächte des heutigen Staats: „Bürokratie“: – civile – militärische Verhältnis beider Monarch u. seine Funktionen Parlament ” ” ” offiziell[e] – faktische. Die Parteien als Unterlage der voluntaristischen Organisationen („Führerschaft“ und „Gefolgschaft“) Problem der Parlamentarisierung in Deutschland Schwierigkeit durch die Natur der Parteienb ” ” den Föderalismus.

a Alternative Lesung: kam

b Alternative Lesung: Partei

1 Die Dichotomie zwischen „wirklicher Verfassung“ als den realen tatsächlichen Machtverhältnissen und „geschriebener Verfassung“ als einem „Blatt Papier“ ist Gegenstand der beiden Reden Ferdinand Lassalles vom April und November 1862, betitelt: Über Verfassungswesen. Ein Vortrag gehalten in einem Berliner Bürger-BezirksVerein. – Berlin: G. Jansen 1862, sowie: Was nun? Zweiter Vortrag über Verfassungswesen. – Zürich: Meyer & Zeller 1863.

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Notwendigkeit als  1. Kontroll-Organ der Bürokratie 2. Gegengewicht 3. Auslesestätte der Führer. Ich glaube nicht, daß ich auf Einzelheiten eingehen kann, die Zeit verbietet es. Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber Ich schlage nach wie vor vor: daß Sie zuerst sprechen. Ich werde dann behandeln, was Sie übrig lassen an Problemen. Das Schema „Referat“ – „Korreferat“ ist in diesem Fall ja doch ganz unpassend, wo man sich nicht gegenseitig „kritisiert“.

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Verlag Duncker & Humblot 17. September [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Duncker & Humblot, Berlin Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „eingeg. 18.8.17“ sowie Briefinhalt. Der Brief steht in Zusammenhang mit der Publikation von: Weber, Max, Parlament und Regierung; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Siegmund Hellmann vom 14. Juni 1917, oben, S. 660.

Heidelberg 17/IX Herrn Duncker & Humblot München Sehr geehrter Herr! 5

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Zu der Mscr.[-]Sendung bemerke ich noch: daß der Schluß des VI. Kapitels1 noch fehlt und in Kürze nachgesendet wird. Die Notwendigkeit des Abdiktierens hinderte mich an Fertigstellung und inzwischen kamena andere Pflichten dazwischen. Ich hatte übrigens s. Z. nur bezüglich Kap. III und IV Ihnen vorgeschlagen, sie im Mscr. dem Kriegspresseamt vorzulegen.2 Nachdem die gesammten Manuskripte vorliegen, entsteht die Frage: wie beabsichtigen Sie Sich zu verhalten, falls die Zensur Schwierigkeiten macht? Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber

a Alternative Lesung: kommen 1 D. h. des Kapitels über „Parlamentarisierung und Föderalismus“ (MWG I/15, S. 553 – 596). 2 Gemeint ist die Neufassung des seinerzeit von der Zensur beanstandeten FZ-Artikels über: Verwaltungsöffentlichkeit und politische Verantwortung; vgl. dazu den Brief an Duncker & Humblot vom 4. Sept. 1917, oben, S. 766.

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17. September 1917

Ludo Moritz Hartmann 17. September [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig MWA, BAdW München (Fotokopie des Originals) Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Der Brief steht in Zusammenhang mit Webers Berufung nach Wien; vgl. dazu den Brief an Hartmann vom 24. Juli 1917, oben, S. 722 f., Anm. 2.

Heidelberg 17.IX. Lieber Freund, – mein Brief an Exc. v. Wieser ging umgehend als Eilbrief ab. Ist er nicht angekommen? Ich schrieb auch an Bernatzik.1 Ebenso nach Göttingen,2 um zu hindern, daß eine preußische Berufung an mich gelangte.1) Von München ist eine solche jetzt nicht zu erwarten. Mit dem hiesigen Ministerium erörterten Kollegen seit schon längerer Zeit die Frage eines soziologischen Lehrauftrags:3 das wäre 앚:selbstredend:앚 nichts gegenüber solchen Wiener Möglichkeiten Bindendes. – Aber ehe ich auf diese (überraschende) Wiener Aufforderung mich für das ganze Leben fest binde, muß ich die Existenzmöglichkeiten in Wien an Ort und Stelle erörtert haben und kann das vor Lauenstein4 앚:schon:앚 rein technisch gar nicht möglich machen. Handelt es sich in Wien um eine Augenblicksstimmung oder um die Verlegenheit, sofort Jemand zu haben und greift man deshalb auf einen zufällig amtlosen Dozenten, so ist die Sache, auch für noch so viel Geld und Ehre, nichts für mich. Für ein Ordinariat ist die Lehrpflicht, so viel ich sehe, durchaus bescheiden. Aber diese Zahl von Rigorosen sind ein großes Übel. 1)

Das geschieht nunmehr jedenfalls vorerst bestimmt nicht (Es handelt sich, möglicherweise, noch um eine andre Stelle als die dortige)[.]

1 Die Briefe an Friedrich v. Wieser und Edmund Bernatzik sind nicht nachgewiesen. 2 Wahrscheinlich an den damaligen Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät, Webers Kollegen und Bekannten aus seiner Berliner Zeit, Karl Oldenberg; der Brief ist nicht nachgewiesen. 3 Zum Lehrauftrag für Soziologie vgl. den Brief an Victor Schwoerer vom 14. Nov. 1917, unten, S. 809 – 812. 4 Die Tagung auf Burg Lauenstein fand in der Zeit vom 29. September bis 3. Oktober 1917 statt.

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Und für kein Geld gehe ich vor dem 1.X.18 in das Lehramt; es wäre einfach nicht gewissenhaft gegenüber der Fakultät. Ich kann nicht eine solche Sache innerhalb ein paara Tagen per Telegramm und Eilbrief erledigen, dazu ist sie mir wirklich zu ernsthaft. Sagen Sie bitte den Vortrag 앚:von mir für Wien:앚 ab.5 Ich kann ja ev. in der „Soziolog[ischen] Gesellschaft“ sprechen2) und, wenn ernste Absichten bestehen, dann mit den Kollegen reden. Die größte Liebe zu Wien und der größte Wunsch und Ehrgeiz, wieder als Lehrer zu wirken, darf mich nicht veranlassen, leichtfertig zu handeln. Ich werde einen Paß für Wien vorbereiten (kostet mehrere Wochen!) und stehe ev. zur Verfügung. Freundschaftliche Grüße Ihr Max Weber

2)

am liebsten: im November.

a O: par 5 Weber bezieht sich auf einen Vortrag im Verein „Freie Schule“; vgl. dazu den Brief an Hartmann vom 11. Aug. 1917, oben, S. 743, Anm. 2.

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20. September 1917

Verlag Duncker & Humblot 20. September [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Duncker & Humblot, Berlin Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „eingeg. 22.9.17“ sowie Briefinhalt. Der Brief steht in Zusammenhang mit der Publikation von: Weber, Max, Parlament und Regierung; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Siegmund Hellmann vom 14. Juni 1917, oben, S. 660. Bezug: Telegramm des Verlags Duncker & Humblot vom 20. September 1917 (Abschrift masch.; VA Duncker & Humblot, Berlin): „Kriegsministerium sendet Manuskript unentzifferbar zurück, erbitten drahtliches Einverständnis, daß hier genaueste druckfertige Abschrift unter Verwendung lesbarer Teile erfolgt und Kriegsministerium vorgelegt wird[.]“

Heidelberg 20/9 Herrn Duncker & Humblot München Sehr geehrter Herr! Diese Ermächtigung kann ich nicht geben. Ich müßte ja die Abschrift wieder durchkorrigieren. Daher beantwortete ich das Telegramm nicht. Ich schlage vor: 1) entweder: Vorlegung der korrigiertena Fahnen vor dem Umbruch, – 2) oder: Rücksendung der angeblich unleserlichen Teile behufs Abdiktats auch dieser. Ich halte das Ganze für Chikane des Militärs. Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber

a

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22. oder 23. September 1917

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Mina Tobler [22. oder 23. September 1917; Heidelberg] Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Datum und Ort sind aus dem Briefinhalt erschlossen. Dort wird mitgeteilt, daß Weber am Freitag zur Lauensteiner Kulturtagung nach Thüringen fahren wollte, das war der 28. September 1917, und daß er am Montag davor Mina Tobler besuchen wollte, demnach der 24. September 1917. Der Brief ist daher wohl am 22. oder 23. September geschrieben worden.

Liebstes Mädel,

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Ich konnte dieser Tage nicht fort, da allerhand Korrespondenz nach auswärts mich festband. So werde ich Dich erst Montag 61/4 Nachmittag sehen – hoffentlich – (ich telefoniere noch)a. Mit Wien1 wird es wohl sicher sich glatt negativ erledigen, vielleicht ohne Reise dahin. Die Leute dort schreiben mir, daß sie jetzt Jemand brauchen und das kommt natürlich gar nicht in Frage, so daß vielleicht schon daran Alles scheitert. Auch sonst sind die Briefe so, daß Niemand mir zumuthen kann hinzugehen, so gut es die Leute meinen. Die Verhältnisse sind zu trostlos. Aber natürlich „verhandle“ ich der Form wegen weiter. Was hier wird[,] weiß ich nicht.2 Eine schöne Überraschung bereitet uns Linchen:3 sie ist – in anderen Umständen! Wer hätte auf diesen „Familienzuwachs“ „gehofft“? Wir sind in arger Bredouille, da nun gegen Weihnachten wieder die Mädchen-Frage kommt. Insofern ist es recht arg. Wir fahren Freitag von hier ab – Dauer ca 5 Tage im Ganzen. Dann kommt hoffentlich Ruhe bis November. Welch wunderbares Wetter! Mag es Dir gut thun und so bleiben. – Ich bin so gespannt auf die weitere Entwicklung der „Friedens“-Frage, daß ich an sonst wenig denke – außer an Dich. Tausend Herzliches, immer Dein Max a Klammer fehlt in O. 1 Max Weber war im Gespräch für eine Berufung nach Wien. Vgl. den Brief an Ludo Moritz Hartmann vom 24. Juli 1917, oben, S. 722 f., Anm. 2. 2 In Heidelberg bestanden Pläne, Weber einen Lehrauftrag zu erteilen. Vgl. den Brief an Mina Tobler vom 8. Sept.1917, oben, S. 773, und an Ludo Moritz Hartmann vom 17. Sept. 1917, oben, S. 780. 3 Lina war Dienstmädchen bei Webers.

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24. September 1917

Ludo Moritz Hartmann 24. September [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 15, Bl. 9 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 24/9 Lieber Freund, – Ich könnte sprechen über:1 1) „Soziolog[ische] Bedingungen der Entwicklung des antiken Judentums“, – oder 2) Problematik der soziologischen Staatslehre. Den Tag bestimmen Sie bitte dort, wenn die Gesellschaft Lust hat mich zua hören[.] Zu der Berufungsfrage:2 Kollege Bernatzik schrieb mir: er wolle mich 1o Loco vorschlagen und verschweigen, daß ich jetzt nicht kommen würde. Ich habe dafür brieflich die Verantwortung entschieden abgelehntb.3 Denn ich wünsche einen Vorschlag und Ruf nur, wenn ich loyal und ernstlich darüber verhandeln kann und deshalb ist es mir so peinlich, nicht jetzt, vor allen Schritten, dort sein zu können. Aber das geht schon rein technisch nicht, von Verpflichtungen abgesehen. Die ganze Frage1) ist aus 1000 Gründenc keine Kleinigkeit, aber negativ entschieden, wenn ich in jene Lage versetzt werde. Ich kann nichts thun, als mich nach andren Seiten frei halten. Das ist geschehen und geschieht weiter. (Auch hier in Heidelberg, wo ich die Kollegen – die durch Gottlieb4 von den Absichten gehört 1)

a

dieser Umsiedelung

b O: ablehnen c

1 Im folgenden geht es um Themenvorschläge für einen Vortrag in der Wiener „Soziologischen Gesellschaft“; vgl. dazu den Brief an Hartmann vom 24. Jan. 1917, oben, S. 588 f., Anm. 5. 2 Zur Berufung Webers nach Wien vgl. den Brief an Hartmann vom 24. Juli 1917, oben, S. 722 f., Anm. 2. 3 Der Brief an Edmund Bernatzik ist nicht nachgewiesen. 4 Gemeint ist der aus Wien gebürtige Heidelberger Medizinprofessor Rudolf Gottlieb.

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24. September 1917

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hatten – gebeten habe, diese Wiener Sache nicht etwa, in der üblichen Art, als „Druckmittel“, hier etwas „durchzusetzen“, zu benutzen.)d Die hiesige Regierung ist dazu (ohnedies) bereit, wie ich weiß, aber sie wird mich weder binden wollen noch würde ich es thun. Auf Wiedersehen freundschaftlichen Gruß Ihr Max Weber

d Klammer fehlt in O.

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25. September 1917

Ludo Moritz Hartmann 25. September PSt 1917; Heidelberg Karte; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 15, Bl. 10 Die Karte steht in Verbindung mit Webers Berufung nach Wien; vgl. dazu den Brief an Hartmann vom 24. Juli 1917, oben, S. 722 f., Anm. 2.

Heidelberg 25/9 Lieber Freund, – vorausgesetzt, daß auch mein Gehalt erst vom 1.X.18 an ausbezahlt würde, wäre Das allerdings ein Weg. Aber Alles Andre mündlich und in Wien. Ich schiebe mir die Stellungnahme noch immer weit ab, der Entschluß ist keine Kleinigkeit und Alles will doch sehr genau erwogen sein. Ich kann mich (moralisch) jetzt nicht „binden“. Sie werden meinen Brief inzwischen erhalten haben.1 Ich danke Ihnen für Ihre Freundschaft. Stets Ihr Max Weber

1 Brief an Hartmann vom Vortage, oben, S. 784 f.

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26. September 1917

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Verlag Duncker & Humblot 26. September [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Duncker & Humblot, Berlin Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „eingeg. 29.9.17“ sowie Briefinhalt. Der Brief steht in Zusammenhang mit der Publikation von: Weber, Max, Parlament und Regierung; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Siegmund Hellmann vom 14. Juni 1917, oben, S. 660. Bezug: Brief des Verlages Duncker & Humblot vom 22. September 1917 (Abschrift masch.; VA Duncker & Humblot, Berlin) mit gleichzeitiger Übersendung des Manuskripts von „Parlament und Regierung“ und der Bitte, „uns sobald wie möglich eine Reinschrift als Druckvorlage zugehen zu lassen. Leider läßt sich das Manuskript nicht in glatt lesbare und schwerer leserliche Teile zerlegen, da die zahlreich eingesprengten handschriftlichen Zusätze die Schwierigkeit ausmachen.“

Adresse bis Dienstag: Burg Lauenstein bei Probstzella Dann wieder: Heidelberg, wo ich etwa Freitag wieder eintreffe. Heidelberg 26/9

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Herrn Duncker & Humblot München Sehr geehrte Herren!

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Ihre Sendung setzt mich in Verlegenheit. Aus dem Verhalten des Militärs sehe ich deutlich die Absicht der: Obstruktion. Denn wenn sie sich im Kriegsministerium an jede paara in den getypten Text geschriebenen 앚:handschriftlichen:앚 Worte klammern, ist kein Ende abzusehen. Ich kann das nicht Alles abdiktieren, das ist mir nicht zuzumuten. Das Mscr. ist druckreif. Denn jeder Setzer kann es glatt lesen, ganz vereinzelte Stellen, die ich gern nochmals typen lasse, ausgenommen, wo er vielleicht, so lange er die Handschrift nicht kennt, Schwierigkeiten haben mag. Also jede nochmalige Abschrift des Ganzen lehne ich entschieden ab.

a O: par

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26. September 1917

Es giebt die Wahl: Entweder 1) Auflösung des Verlagsvertrages. Oder 2) Satz und Vorlegung vor dem Umbruch (wie gesagt, nach Abtypen der wenigen schwerer leserlichen Stellen)b.1 Gewiß bliebe die Möglichkeit, die ganze Sache bis zum Frieden zu lassen und das Büchlein dann – umgestaltet, wenn nötig – zu drucken. Aber das ist in unsren Vereinbarungen bisher nicht vorgesehen und müßte auch erwogen werden. Jedenfalls bin ich sicher, so kommen wir nicht weiter. Wie Bleistiftstriche am Rande zeigen, hat der Zensor, wo er wollte, Alles lesen können (es handelt sich um Partien, welche die Zentrumspartei betreffen!) Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber Ich antwortete nicht gleich, weil ich mir den Fall überlegte und jetzt nach 앚:Burg:앚 Lauenstein (bei Probstzella) für 3 Tage fahren muß zu einer Tagung, also erst nachher anfangen könnte die (kleinen) Mscr.-Teile abzutypen, welche dafür in Betracht kommen. Denn das erfordert sehr viel Zeit!

b Klammer fehlt in O. 1 Diesem „Alternativ-Vorschlag“, „dem Kriegsministerium erst die Fahnen vorzulegen“, hat der Verlag am 29. Sept. 1917 (Abschrift masch.; VA Duncker & Humblot, Berlin) seine Zustimmung erteilt.

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5. Oktober 1917

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Ludo Moritz Hartmann PSt 5. Oktober 1917; Schwarzburg Karte; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 15, Bl. 11 Die Karte betrifft Webers Berufung nach Wien; vgl. dazu den Brief an Hartmann vom 24. Juli 1917, oben, S. 722 f.

(z. Z. Schwarzburg auf der Reise) Lieber Freund,

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ich antwortete Wieser,1 daß ich alle andren Sachen jetzt ablehne und definitiv entweder bleibe was und wo ich bin oder nach Wien komme, auch keinenfalls die Fakultät hinhalten werde. Sie werden meinen Wunsch, mich nicht so schnell entschließen zu müssen, bei mündlicher Erörterung schon verstehen. Ich hätte gern erst erprobt, ob ich denn auch dauernd lesen kann, ohne wieder das gleiche Schicksal zu haben, wie seiner Zeit in Heidelberg. Das Risiko ist eben doch erheblich und ich will nicht wieder eine Stelle annehmen, wo ich dann „Rücksichten“ beanspruchen muß. Alles Andre wird sich, glaube ich, regeln. Aber gern hätte ich nicht jetzt den Entschluß fassen müssen, denn das ist nicht leicht. Freundschaftliche Grüße Ihr Max Weber NB. Wieser wünscht, daß ich bald komme. Ich werde also kommen, sobald ich den Paß etc. habe (dauert einige Wochen). Könnte ich eventuell also schon Ende Oktober sprechen?2 Bernatzik schreibe ich noch.3

1 Briefe an Friedrich Freiherr v. Wieser sind nicht nachgewiesen. 2 Tatsächlich hat Weber am 25. Oktober 1917 in der „Soziologischen Gesellschaft“ seinen Vortrag über Probleme der Staatssoziologie gehalten. 3 Briefe an Edmund Bernatzik sind nicht nachgewiesen.

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5. Oktober 1917

Mina Tobler PSt 5. Oktober 1917; PSt Weimar Karte; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Obwohl die Karte den Poststempel vom „5. Okt. 1917, 11 – 12 Uhr“ trägt, ist die Karte vermutlich am Vorabend geschrieben worden.

L. T.! Wir sind auf der Rückreise,1 – endlich, nach unendlichem Reden, Diskutieren und Verhandeln, welches jede Minute beschlagnahmte und keine ruhige Zeit ließ. Aber wir kommen erst Samstag Abend, ich sehe Sie also erst Montag Abend (61/4), falls ich nichts Gegenteiliges höre. Denn ich muß noch in Frankfurt verhandeln2 und M[arianne] kann morgen nicht reisen. Die Wiener Anfrage3 ist von Minister und Fakultät4 in dringender Form erneuert, ich bin allein vorgeschlagen und sie wollen „Alles“ thun. Indessen das Resultat wird das gleiche sein. Ich fahre wohl schon bald hin, sobald ich den Paß habe. – Wie lang man sich wieder nicht sieht! Tausend Grüße Ihr MW.

1 Max und Marianne Weber befanden sich auf der Rückreise von der zweiten Lauensteiner Kulturtagung, die vom 29. September bis 3. Oktober stattgefunden hatte. – Marianne Weber berichtete im Brief vom 10. Okt. 1917 an Helene Weber (Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446): „In Lauenstein war eine Tagung Gelehrter, Künstler, Litteraten, die den ,deutschen Geist‘ durchsetzen wollen – recht gemischt, z. Teil konfus, aber doch sehr anregend. Die Gegenpole waren Max und Maurenbrecher, der durch den ewigen Wechsel seiner Anschauungen und seines Berufs eine recht problematische Schwerpunkt-lose Existenz geworden ist. Er ist jetzt konservativ-antidemokratisch.“ 2 Vermutlich mit der Redaktion der Frankfurter Zeitung. 3 Zur Berufung auf einen nationalökonomischen Lehrstuhl in Wien vgl. den Brief an Ludo Moritz Hartmann vom 24. Juli 1917, oben, S. 722 f., Anm. 2. 4 Gemeint sind der Handelsminister Friedrich Frhr. v. Wieser und der Dekan der Staatswissenschaftlichen Fakultät Hans v. Voltelini.

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7. Oktober 1917

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Ludo Moritz Hartmann 7. Oktober [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig MWA, BAdW München (Fotokopie des Originals) Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 7.X Lieber Freund!

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Also: „Probleme der Staatssoziologie“ oder „der soziologischen Staatslehre“ (nicht: der „sozialistischen“ St[aats-]L[ehre]) heißt das Thema.1 – Aber ob der Paß für 25.X fertig wird, weiß ich nicht.2 Zuweilen dauert es 3 – 4 Wochen und wir haben schon den 7.X. Ich beschleunige Alles thunlichst. Einen „Ersatzmann“ kann ich Ihnen nicht schaffen.3 Tröltsch thäte das nicht und auch andre geeignete Vortragende, die jetzt nach Wien kämen, kenne ich nicht. Kann denn der Vortrag nicht bis zu Friedenszeiten verschoben werden? Freilich, wann kommen die? Ich glaube nicht, was Wieser mir schrieb, daß wir im Frühjahr „wohl Frieden haben werden“. Wilson will nicht und Kerenskij kann nicht – konnte nie, bei Strafe der Kreditentziehung und damit: des Zusammenbruchs. – Das viele Friedensreden ist ein Elend und diskreditiert die Demokratie, die es zugleich demoralisiert. Ihre Presse ist darin in der That gründlich desorientiert! Freundschaftlichen Gruß! Ihr Max Weber

1 Zum Vortrag über „Probleme der Staatssoziologie“, den Weber am 25. Oktober 1917 in Wien gehalten hat, vgl. den Brief an Hartmann vom 24. Jan. 1917, oben, S. 588 f., Anm. 5. 2 Vgl. dazu den folgenden Brief an Hartmann vom 10. Okt. 1917, unten, S. 792. 3 Es handelt sich dabei um einen Ersatzredner für einen Vortrag im Verein „Freie Schule“, den ursprünglich Weber selbst halten wollte, dann jedoch absagte; vgl. dazu den Brief an Hartmann vom 17. Sept. 1917, oben, S. 781. Hartmann hatte in seinem Brief vom 3. Okt. 1917 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) nach Troeltsch oder einem sonstigen „Ersatzmann“ für einen Vortrag in der „Freien Schule“ gefragt.

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10. Oktober 1917

Ludo Moritz Hartmann 10. Oktober 1917; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 15, Bl. 12

Heidelberg 10.X.17 Lieber Freund, – die Paßangelegenheit regelt sich zu meiner angenehmen Überraschung schneller als bei meiner Frau (wo sie 4 Wochen dauerte!), so daß ich am 25. bestimmt reden kann,1 falls nicht das Österr[eichische] Konsulat noch Schwierigkeiten macht. Könnten Sie mir eine einfache Pension nennen wo man 5– 7 Tage bleiben kann? Oder ist Hotel Regina (Teinfalt-Str.) in Betrieb und möglich? Ich würde, denke ich, am 23.X. eintreffen, bliebe (laut Paß) bis längstens 30.X. Wenn ich dort bin, würde ich Sie dann um einige Daten bezüglich Lebenskosten bitten.2 Irgend welche unbilligen Ansprüche zu stellen wird gewiß nicht meine Sache sein, nur wünsche ich meiner Frau keine Verschlechterung der Lebenshaltung 앚:zuzumuthen:앚 und meiner kriegsverwittweten Schwester3 eine Sicherung dessen, was ich ihr geben kann, bieten zu können. Ich zweifle in diesem Punkt nicht an leichter Einigung, nach Hrn. Wieser’s Briefena. Ebenso bezüglich der Rigorosen, obwohl es mir recht peinlich ist, da eventuell eine „privilegierte“ Stellung in Anspruch nehmen zu sollen. Da liegt überhaupt die Schwierigkeit. Natürlich übt ein so ehrenvoller Vorschlag und die Briefe der Herren (abgesehen von meiner Liebe zu Wien als Stadt und der Art seiner Geistigkeit) eine starke Pression aus. Aber ich muß doch kühlen Kopf behalten und weiß: daß ich es nicht ertrüge, die Stelle nicht absolut voll auszufüllen. Ob das sicher ist, a Alternative Lesung: Briefe 1 Weber hielt am 25. Oktober 1917 in Wien vor der „Soziologischen Gesellschaft“ seinen Vortrag über „Probleme der Staatssoziologie“; vgl. dazu den Brief an Hartmann vom 24. Jan. 1917, oben, S. 588 f. 2 Im folgenden geht es um Einzelheiten, seine mögliche Berufung nach Wien betreffend; zur Berufungsfrage vgl. den Brief an Hartmann vom 24. Juli 1917, oben, S. 722 f., Anm. 2. 3 Gemeint ist Lili Schäfer, deren Mann Hermann Schäfer als Leutnant der Reserve am 26. August 1914 gefallen war.

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10. Oktober 1917

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hätte ich bgern erstb 앚:noch sicherer:앚 erprobt c, denn mißlingt es, so gehe ich sofort ab und stehe dann wurzellos da. Deshalb (und außerdem wegen der nötigen Vorbereitung der Kollegien und der Unmöglichkeit der Übersiedelung des Haushaltes während des Krieges) suchte ich den Entschluß zu verschieben und schlug Besetzung der andren Stelle vor. Ich muß also mir Freiheit der Entschließung vorbehalten, bis dort Alles genau erwogen ist. – Woher weiß denn die „Neue Freie Presse“1) von der Sache? So etwas sollte doch nicht in die Presse, ehe Alles fix und fertig ist, da das im negativen Fall doch immer peinlich wirkt. Freundschaftliche Grüße von Haus zu Haus Ihr Max Weber

1)

Sie telegrafierten mich an. Ich ersuchte darum, nichts zu publizie-

4 15 ren.

b O: zweifach unterstrichen.

c O: zweifach unterstrichen.

4 Eine Notiz über die mögliche Berufung Webers nach Wien fand sich unter der Rubrik „Kleine Chronik“ in: NFP, Nr. 19085 vom 9. Okt. 1917, Mo.Bl., S. 7. Ein Schriftwechsel Webers mit der Redaktion der „Neuen Freien Presse“ in Wien ist nicht nachgewiesen.

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10. Oktober 1917

Georg von Lukács 10. Oktober [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 22, Bl. 30 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 10/X Lieber Freund, ich benutzte die Gelegenheit meiner Paß-Sache,1 mit Amtmann Castenholz2 kurz zu sprechen und ihn zu versichern, daß alle Angaben von Ihnen oder Ihrer Frau3 absolut zuverlässig seien („politisch“ und sonst). Er entsann sich Ihrer nicht, nahm aber die Mitteilung zur Kenntnis. Ob er sich Ihrera noch s. Z. entsinnen wird, kann ich nicht wissen. Ev. kann ich Ihnen 앚:aber:앚 ein paarb höfliche Zeilen mitgeben, da ich ihn jetzt wenigstens persönlich kenne. Jolly4 könnte da nichts thun. Besten Gruß auf Wiedersehen Ihr Max Weber

a O: ihrer b O: par 1 2 3 4

Weber brauchte Visa-Unterlagen für seine beabsichtigte Reise nach Wien. Max Castenholz. Elena Grabenko. Gemeint ist der Heidelberger Stadtdirektor Karl Philipp Jolly.

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11. Oktober 1917

Verlag Duncker & Humblot 11. Oktober 1917; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Duncker & Humblot, Berlin Der Brief steht in Zusammenhang mit der Publikation von: Weber, Max, Parlament und Regierung; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Siegmund Hellmann vom 14. Juni 1917, oben, S. 660.

Heidelberg 11.X.17 Herrn Duncker & Humblot München

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Ich schicke gleichzeitig eingeschrieben das Manuskript Kap. I– IV nach Abdiktat aller Stellen, die einem Drucker irgend welche Schwierigkeiten bereiten könnten. Es war unmöglich, früher eine Schreibkraft zu finden, auch war ich 8 Tage lang verreist, daher die Verzögerung. Jetzt muß ich baldigst nach Wien zur Verhandlung über die dortige Professur. So viel möglich schicke ich noch vorher, kann aber nicht garantieren, wie viel es wird. Anfang November komme ich zurück. Ich schlage vor, diese Kapitel dann zuerst vorzulegen, sobald sie korrigiert sind. Korrekturen bitte hierher. Nachgeschickt werden sie mir nicht, sie würden ja sicherlich von der Censur, weil undurchgeprüft, nicht herausgelassen nach Österreich. Übrigens schlage ich als Titel vor: entweder den ursprünglichen: „Vergangenheit u. Zukunft des deutschen Parlamentarismus“ oder: „Das Problem des P[arlamentarismus] in Deutschland“[.]1 Die „Demokratie“ ist doch nur nebenher behandelt. Es scheint mir richtiger, falls Sie nicht Werth auf den andren Titel legen. Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber

1 Vgl. dazu den Brief an Duncker & Humblot vom 27. Nov. 1917, unten, S. 823 f.

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12. Oktober 1917

Ludo Moritz Hartmann 12. Oktober [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 15, Bl. 13 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg 12/X Lieber Freund, – ich habe Tönnies vergeblich gebeten, den ich sprach[,]1 und weiß keinen andren Ersatz. Bei der gewaltigen Erschwerung des Reisens jetzt kommt so leicht Niemand, Tröltsch keinenfalls, wie ich schon schrieb. Von hier ganz sicher Niemand. Jeder wird sagen: laßt es doch bis zum Frieden! Ich will gern bei Jedem intervenieren, den Sie mir nennen und den ich kenne. Aber ich weiß selbst wirklich Niemand. Ich schrieb Ihnen, daß ich am 22 oder 23 komme.2 Wäre es Ihnen wohl möglich, mir eine Pension oder ein mittleres Hotel oder beides zu nennen? Das letztere, wenn möglich, nahe dem Westbahnhof, die erstere einerlei wo. Man kommt ja sicher erst nach Mitternacht an, meine Frau irrte dann 11/2 Stunden nach einem Hotel umher, die Entfernungen sind riesig. Herzlichen Dank im Voraus! Ihr Max Weber Daß die Berufungssache Presse-Angelegenheit ist, ist sehr verdrießlich.3 Grade das hätte ich so gern vermieden[.]

1 Weber hatte Ferdinand Tönnies vermutlich am Rande der Lauensteiner Tagung wegen eines Vortrags im Wiener Verein „Freie Schule“, den ursprünglich er selbst hatte halten sollen, angesprochen; vgl. dazu den Brief an Hartmann vom 17. Sept. 1917, oben, S. 781. In seinem Brief vom 3. Okt. 1917 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) hatte Hartmann nach einem möglichen „Ersatzmann“ für einen Vortrag in der „Freien Schule“ gefragt. 2 Brief an Hartmann vom 7. Okt. 1917, oben, S. 791. 3 Vgl. dazu den Brief an Hartmann vom 10. Okt. 1917, oben, S. 793, Anm. 4.

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Fritz Wichert 13. Oktober [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig Stadtarchiv Mannheim, Nl. Fritz Wichert, Nr. 733 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Der Brief steht in Zusammenhang mit der Absicht des Auswärtigen Amts, Weber für eine Tätigkeit als privaten, inoffiziellen Berichterstatter über politische Vorgänge in Österreich bzw. Wien zu gewinnen; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Wichert vom 28. August 1917, oben, S. 754.

Heidelberg 13/X Sehr geehrter Herr Direktor!

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Ich fahre am 21/22 X bis 30/31 X nach Wien zur Verhandlung über die Annahme der dortigen Professur mit dem Handels- und dem Unterrichtsminister1 (Ersterer, Freiherr v. Wieser, ist der Amtsvorgänger). Ob ich annehme, ist sehr fraglich, jedenfalls nicht definitiv, sondern höchstens provisorisch als „Amtsverweser“, da die dortigen 앚:akademischen:앚 Zustände doch sehr problematisch sind.1) Ich sprach dort s. Z. (Mai 1916)2 über die durch das deutsche Angebot vom November 1915 stark verpfuschte (jetzt durch die Militärs ganz verpfuschte) polnische Frage3 als Privatmann (unter dera Firma: „Arbeitsausschuß für Mitteleuropa“ (Naumann & Genossen) mit zahlreichen Politikern – von früheren und vielleicht künftigen Mini1)

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Die Österreicher haben ein gewisses Vertrauen zu mir, weil ich von Anfang an anti-annexionistisch war, wesentlich mit Rücksicht auf das Bündnis, welches solche deutschen Ansprüche nun einmal nicht trägt, mag man sonst zu ihnen stehen wie man will. Aber ob ich Nützliches erfahre, ist völlig zufällig, da ich nicht gut „systematisch ausfragen“ kann. Das würde sich nicht gehören und keine Früchte tragen. a 1 Ludwig C´wiklin´ski. 2 Zu Webers damaligen Erfahrungen vgl. den Brief an Georg Gothein vom 8. Juni 1916, oben, S. 450 – 452. 3 Webers oft vorgetragene Kritik richtete sich gegen das angebliche Angebot der deutschen an die österreichisch-ungarische Regierung vom November 1915, einer austropolnischen Lösung zuzustimmen, sowie gegen die Proklamation des Königreichs Polen am 5. Dezember 1916 auf Druck der Militärs in der irrigen Annahme, dadurch ein gewaltiges Rekrutierungspotential an polnischen Truppen für die Kriegsführung im Osten zu gewinnen.

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13. Oktober 1917

stern: v. Körber, Klein, v. Schenk, v. Bilinski (Polenclub, nur formell), ferner die „Leibsozialdemokraten“ Renner (= Fürst Hohenlohe),4 Leuthner (= Handelsministerium), 앚:den Häuptling der Pressekorruption Sieghartb (jetzt gestürzt, Herrenhaus):앚[,]5 von Parlamentariern Redlich,6 ferner die Ruthenenführer7 und andre, in Budapest den Staatssekretär des Grafen Tisza (Lers).8 Bei der damaligen nicht sehr geschickten deutschen Leitung habe ich nicht an diese berichtet, da es mir nutzlos schien. Erfahre ich Nützliches, teile ich es Ihnen mit. Ist Ermittlung bestimmter „Stimmungen“ erwünscht2) und kann ich da unauffällig nützen, so schreiben Sie mir hierher so, daß der Brief unbedingt vor Sonntag den 21. X. 10 Uhr früh hier eintrifft. Nach Berlin komme ich Mitte Januar (Vortrag),9 vorher nur, wenn ich ganz sicher dadurch etwas nützen kann (durch passende Presse-Thätigkeit in Frankfurt oder München oder Beziehungen zu Haußmann, Payer oder Sozialdemokraten). In solchem Fall aber stehe ich zur Verfügung, empfehle nur: Diskretion in der Art der Veranstaltung. Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber

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2)

(oder umgekehrt die Vertretung bestimmter Ansichten durch einen deutschen Privatmann, wie ich es bin)

b O: Sieghardt 4 Konrad Prinz zu Hohenlohe-Schillingsfürst (der „Rote Prinz“), zur Zeit von Webers Wiener Aufenthalt Anfang Juni 1916 österreichischer Minister des Innern. 5 Rudolf Sieghart hatte insbesondere während der Jahre 1902 – 1910, in welchen er als Vorstand der Präsidialkanzlei des österreichischen Ministerratspräsidiums fungierte, ein effektives System der Pressebeeinflussung entwickelt. 1910 zum Leiter bzw. Gouverneur der Bodenkreditanstalt ernannt, war er Ende 1916 auf Betreiben Kaiser Karls nach dessen Regierungsantritt aus dieser Funktion entlassen worden. 6 Webers Zusammentreffen mit Josef Redlich ist dokumentiert in dessen Aufzeichnung vom 6. Juni 1916, abgedruckt in: Das politische Tagebuch Josef Redlichs, Bd. 2: 1915 – 1919, bearb. von Fritz Fellner (Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs, Bd. 40). – Graz, Köln: Hermann Böhlaus Nachf. 1954, S. 120. 7 Vermutlich Konstantin Lewicky (Kost’ Levickyj), Nikolaj v. Wassilko (Mykola Vasyl’ko) und Julian Romanczu´ k. 8 Vilmos Lers. 9 Gemeint ist Webers Vortrag über „Aristokratie und Demokratisierung in Deutschland“ (MWG I/15, S. 733 – 738); zu Webers Information, daß er zwei Vorträge in Berlin halten werde, vgl. den Brief an Friedrich Gundolf vom 1. Dez. 1917, unten, S. 828, Anm. 1.

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19. Oktober 1917

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Ludo Moritz Hartmann 19. Oktober PSt 1917; Heidelberg Karte; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 15, Bl. 14

Heidelberg 19/X Lieber Freund!

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Offenbar ist meine Handschrift schwer leserlich. Meine Frau kann diesmal unmöglich mitkommen, so gern sie es thäte. Ich komme also allein und zwar Dienstag den 23ten entweder von München und dann mit dem Zug nach 8 Uhr, oder direkt von hier und dann mit dem Zug nach 11 Uhr (leider meist mit starker Verspätung). Ich telegrafiere Sonntag sowohl an H[otel] Klomser in der Herrengasse wie an Sie, bitte Sie aber Sich nicht im mindesten zu bemühen. Ich gehe eventuell zu Fuß (oder per Electric) nach dem Hotel mit der Reisetasche und lasse den Handkoffer auf der Bahn bis Mittwoch. Herzl. Gruß u. Dank Max Weber

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20. Oktober 1917

Verlag Duncker & Humblot 20. Oktober PSt 1917; Heidelberg Karte; eigenhändig VA Duncker & Humblot, Berlin Die Karte steht in Zusammenhang mit der Publikation von: Weber, Max, Parlament und Regierung; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Siegmund Hellmann vom 14. Juni 1917, oben, S. 660.

Heidelberg 20/X Sehr geehrter Herr! Ich fahre 앚:morgen:앚 bis 31/X nach Wien wegen der Nachfolgerschaft für Philippovich, für die ich berufen bin. Ich kann erst dann den Rest hier abdiktieren, da Schreibhilfen jetzt absolut mangelten. Ich komme am 5.XI nach München und spreche dann ev. einmal bei Ihnen vor. Die Verzögerung thut mir recht leid, ist aber nicht zu vermeiden. Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber

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27. Oktober 1917

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Mina Tobler [vor dem 27. Oktober 1917]; PSt Wien Karte; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist auf dem Poststempel der Karte nicht lesbar. Die Datierung erfolgt im Zusammenhang mit der Karte an Mina Tobler vom 30. Oktober 1917, unten, S. 804, und der Mitteilung, die Karte werde am Samstag (= 27. Oktober 1917) Heidelberg nicht erreichen.

Liebes Tobelkind, –

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aus der Sache für den Sommer1 (Mitte April – Mitte Juli) wird wohl etwas werden, da thatsächlich ein sachliches Interesse besteht. Im Übrigen bleibe ich aber völlig frei und Herr meiner Entscheidung. Das Entgegenkommen des Ministers und der Fakultät ist wirklich sehr gewinnend und – Wien ist schön. Auf die Dauer? Es ist eben Großstadt und ich werde das kaum ertragen, bin darin auch so offen gewesen, daß eine „moralische“ Bindung nicht eintritt. Ich freue mich Sie bald wiederzusehen, ich denke nächsten Mittwoch bei uns, da ich Montag, spätestens Dienstag reisen werde.2 Wetter warm (sehr angenehme Enttäuschung!), sonst wechselnd. Wie mag es Ihnen und der Musik gehen? Die Karte wird Sie fürchte ich nicht an „Ihrem“ Sonnabend erreichen, aber der Trubel war zu groß! Tausend herzliche Grüße! Ihr Max Weber

1 Weber bezieht sich auf seine Berufung für ein Gastsemester nach Wien. 2 Gemeint ist die Reise von Wien nach Heidelberg, die Weber am Montag, dem 28. oder Dienstag, dem 29. Oktober antreten wollte. Er unterbrach die Reise in München, besuchte am 30. Oktober 1917 Else Jaffé in Wolfratshausen und kam am 31. Oktober 1917 abends zurück nach Heidelberg, wie Marianne Weber am 1. November 1917 an Helene Weber schrieb (Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446).

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30. Oktober 1917

Else Jaffé 30. Oktober [1917]; BK München Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Die Jahresangabe ist erschlossen aus dem Brief von Marianne Weber an Helene Weber vom 1. November 1917 (Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446). Der folgende Brief ist der erste überlieferte Brief Max Webers an Else Jaffé, nachdem zwischen beiden wieder ein direkter Kontakt geknüpft worden war. Eduard Baumgarten hat die ihm von Else Jaffé übergebenen Briefe chronologisch numeriert und gab diesem Brief die Nummer 8. Demnach müßten sieben Briefe von Max Weber an Else Jaffé vorausgegangen sein. Diese haben sich nicht erhalten, da Else Jaffé vorübergehend die Briefe zurückforderte und einige Briefe vernichtete. Im Jahre 1910 war im Zusammenhang mit der Liebesbeziehung von Else Jaffé zu Alfred Weber eine zunehmende Entfremdung eingetreten, die im Frühjahr 1911 zum Abbruch des Kontaktes führte. Vgl. dazu die Briefe an Marianne Weber vom 24. Januar, 11. März und 16. Mai 1910 und den Brief an Else Jaffé vom 20. Juni 1910 (MWG II/6, S. 379 – 381, 426 f., 516 f. und 567 – 570) sowie die Briefe an Marianne Weber vom 21. Jan., 11. März und am oder nach dem 7. Juni 1911 (MWG II/7, S. 56 f., 135 und 227 f.). Im Frühjahr 1911 war Else Jaffé nach Wolfratshausen im Isartal gezogen. Weber hatte sie seither nicht mehr gesehen. Er vermied es auch, ihr bei Frieda Gross in Ascona zu begegnen (vgl. den Brief an Marianne Weber vom 1. April 1914, MWG II/8, S. 584). Nur Marianne Weber hielt den Kontakt zu ihr durch Briefe und Besuche. Else Jaffé hatte nach Webers Vortrag am 27. Oktober 1916 in München die Initiative ergriffen und ihn angesprochen. Er habe, wie sie Alfred Weber in ihrem Brief vom 29. Oktober 1916 (BA Koblenz, Nl. Alfred Weber, Bd. 76, Bl. 197) schrieb, „gefroren“ reagiert. Am 17. Januar 1917 sprach Weber im Sozialwissenschaftlichen Verein in München über „Die soziologischen Grundlagen der Entwicklung des Judentums“ (MWG I/21, S. 849 – 856). Auch diesen Vortrag besuchte Else Jaffé, wie sie Alfred Weber im Brief vom 18. Januar 1917 berichtete (BA Koblenz, Nl. Alfred Weber, Bd. 77, Bl. 27). Auf der Reise nach Wien zu Berufungsverhandlungen traf Max Weber Else Jaffé vermutlich am 21. Oktober 1917. Diese kommentierte diese Begegnung im Brief an Alfred Weber vom 22. Oktober 1917 (BA Koblenz, Nl. Alfred Weber, Bd. 77, Bl. 264) als „erstaunlich unaufregend“. Der nachfolgende Brief setzt unvermittelt ein. Er macht den Eindruck eines „Nachwortes“ zu einem vorausgegangenen Gespräch mit Else Jaffé am 30. Oktober 1917, als Max Weber die Rückreise von Wien nach Heidelberg in München unterbrach und sie besuchte.

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Hotel Grünwald, München München, den 30/X 1917 Liebe Else, –

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ich wollte nur sagen, daß ich des Kindes1 gedachte und eigentlich immer mehr gedenke, je mehr das Nicht-mehr-auf Erden-Sein eine „alltägliche“ Thatsache wird. Ich blieb und hoffte zu dem kleinen Grab2 zu kommen, sehe aber, daß der Frühzug und Rückzug so unglücklich liegt, daß ich den einzigen Zug nach Heidelberg,3 mit dem ich Marianne noch wach finde, nicht erreichen würde. So mußte ich das (verspätete) Allerseelen4 für ihn hier im Gedenken begehen. Ihr Max

1 Gemeint ist Peter Jaffé, das dritte Kind von Else Jaffé, das am 15. Oktober 1915 in Wolfratshausen an Diphterie gestorben war. Peter war das Patenkind von Max Weber gewesen. Vgl. den Brief an Else Jaffé vom 28. Nov. 1917, unten, S. 826. 2 Peter Jaffé war in Wolfratshausen beerdigt. 3 Der Zugverkehr nach Wolfratshausen war wegen Kohlemangels sehr ausgedünnt. Weber kam am 31. Oktober 1917 nach Heidelberg. „Der Max kam gestern abend nach 10-tägiger Verschollenheit von Wien ganz munter heim. Man hat ihn dort sehr umworben, willigt in alle Bedingungen u. wünscht daß er im nächsten Semester ein zweistündiges Probekolleg dort liest – um zu prüfen ob seine Kräfte für ein Ordinariat ausreichen etc.“, schrieb Marianne Weber an Helene Weber am 1. November 1917 (Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446). 4 Allerseelen ist am 2. November ein katholischer Totengedenktag. Warum Weber vom „verspäteten“ Allerseelen schrieb, ist unklar.

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30. Oktober 1917

Mina Tobler PSt 30. Oktober 1917; PSt München Karte; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446

Liebstes Mädchen – endlich wieder auf deutschem Boden1 und morgen sehe ich Dich! Also ich habe diese Wiener Sache2 für den Sommer (erste Aprilwoche – Mitte Juli) angenommen, für die andre3 mir den Rücktritt „gesundheitshalber“ vorbehalten. Es ging nicht gut anders und ist ein „Kriegsopfer“ für uns beide wie damals diese Berliner Geschichte.4 Ich halte es für politisch nicht gleichgültig, dort zu sein, erzähle Dir dann davon. Ob Du die Karten5 aus Wien bekommen hast? – Was wohl Deine italienische Schwester6 jetzt schreibt? Die Leute thun einem leid, so geopfert zu werden für den Ehrgeiz von ein paara Hallunken!7 Aber der Fahnenjubelb in Wien war schön. Sonst meist Alles sehr unerfreulich. Da ist meines Bleibens nicht, wäre es auch dann nicht, wenn nicht …! Dein M.

a O: par b Unsichere Lesung. 1 Max Weber war nach Wien gereist, um über die Nachfolge auf den Lehrstuhl von Eugen v. Philippovich zu verhandeln. 2 Zu den Verhandlungen in Wien vgl. den Brief an Johann Maurus vom 31. Okt. 1917, unten, S. 805 f. 3 Gemeint ist die zweite offene Professur in Wien, vgl. den Brief an Mina Tobler vom 8. Sept. 1917, oben, S. 773. 4 Von Mitte Februar bis Anfang Juni 1916 lebte Max Weber in Berlin in der Hoffnung, eine politisch relevante Verwendung zu finden. 5 Es ist nur eine Karte an Mina Tobler (vor dem 27. Okt. 1917, oben, S. 801) nachgewiesen. 6 Mina Toblers älteste Schwester, Maria Guicciardi, lebte in Italien. 7 In der 12. Isonzoschlacht zwischen dem 24. und 27. Oktober 1917 war die italienische Front in Friaul zusammengebrochen.

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Johann Maurus 31. Oktober 1917; München Brief; eigenhändig AVA Wien, Nr. 39798 Der Brief an den Hochschuldezernenten im österreichischen Unterrichtsministerium, Johann Maurus, steht in Zusammenhang mit Webers Berufung nach Wien; vgl. dazu den Brief an Ludo Moritz Hartmann vom 24. Juli 1917, oben, S. 722 f., Anm. 2.

Heidelberg, Ziegelhauser Landstr.a 17 (z. Z. München) 31. Oktober 17 Ew. Hochwohlgeboren 5

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bestätige ich den Inhalt der gepflogenen Verhandlungen dahin: 1. daß mir im Fall der Übernahme der angebotenen Professur ein Fixum (Gehalt zuzüglich fester Zulagen) von 20 000 Kronen im Jahr gewährt werden sollte, – 2. daß eine zehnjährige frühere Dienstzeit angerechnet, – 3. daß jedoch für sieben Jahre (seit Antritt der Professur) ein Pensionsanspruch ausgeschlossen wirdb, – 4. daß ich eine fünfstündige (wöchentliche) Mindest-Kollegpflicht und die Pflicht zur Abhaltung wissenschaftlicher Seminarübungen zu übernehmen habe, – 5. daß ich die Stelle zum 1. Oktober 1918 antrete, – 6. daß mir bis Ende Juni 1918 ein Rücktrittsrecht, jedoch ausschließlich und allein aus gesundheitlichen Gründen, zusteht und dessen etwaige Ausübung nicht verübelt wird (falls jene Gründe vorliegen sollten), – 7. daß zur Erprobung meiner wiedererlangten Gesundheit mir für das Sommersemester 1918 ein Lehrauftrag gegeben werden soll, umfassend 2 Stunden Mindestkollegpflicht (ich beabsichtige daneben vorgeschrittenen Studenten Anleitung zu wissenschaftlichen Arbeiten zu geben), gegen Ersatz der mir entstehenden Kosten durch Gewährung einer Remuneration von 6 000 Kronen, zahlbar in 4 Raten praenumerando bei Eintreffen (April) und am 1ten der drei folgenden Monate, und Ersatz der Eisenbahnbilletkosten nach Wien von Heidelberg und s. Z. zurück. a O: Landst. b ist > wird

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31. Oktober 1917

Endlich wurde 8. besprochen, daß eine Nicht- oder Minderbeteiligung an den Rigorosen mir gestattet sein solle. Ich halte mich, nach Rücksprache mit dem Herren Dekan1 und einigen Herren der Fakultät, an diese Abmachungen gebunden, falls – nach der vermutlich erforderlichen Einholung der Äußerung der Fakultät – dies auch von seiten des K. K. Unterrichtsministeriums geschieht[.] Da immerhin mancherlei Vorbereitungen schon jetzt zu treffen sind, habe ich mir gestattet, den Herren Dekan zu bitten, eine etwaige Anfrage des K. K. Ministeriums so schnell beantworten zu wollen, daß ich in den nächsten Wochen Aufschluß erhalten kann, ob ich mich zum April zur Übersiedelung nach Wien bereitzuhalten habe. Ich möchte nicht verfehlen, bei dieser Gelegenheit Seiner Exzellenz2 und Euer Hochwohlgeboren für die in der Sache wie in der Form gleich entgegenkommende Art der Behandlung sehr ergebenst zu danken und hoffe, daß ich den Lehrauftrag und – wie ich vor Allem hoffe – die Professur so ausfüllen kann, daß dies Entgegenkommen nicht bedauert werden wird. Euer Hochwohlgeboren in ausgezeichneter Hochachtung sehr ergebenster Max Weber

1 Gemeint ist der Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät Hans v. Voltelini. 2 Gemeint ist der österreichische Unterrichtsminister Ludwig C´wiklin´ski.

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3. November 1917

Martha Riegel 3. November 1917; Heidelberg Abschrift; handschriftlich Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 8, Bl. 5

Heidelberg 3.11.17 Liebe Martha!

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Ich rede Montag abend in den Wagner-Sälen1 und Dienstag abend bei Studenten in München.2 Könnten wir uns wohl Dienstag Mittag sehen? (Hotel Grünwald) Ich erwarte Dich, die Zeit wann wir essen ist mir ganz einerlei, jedenfalls bitte ich Dich mit mir zu essen. Sollte es etwa an dem Mittag unmöglich werden,a (was ich nicht ganz in der Hand habe) dann schreibe ich Dir am Montag noch eine Karte. – Mit Eurem Hertling3 als Reichskanzler haben wir endlich einmal etwas Gescheidtes, jedenfalls keinen Schafskopf, an der Spitze. Ich bin recht zufrieden. Der Frieden freilich ist noch fern[,] aber er wird gut. Im Sommer werde ich allein in Wien sein und dort „auf Probe“ Vorlesungen halten. Davon mündlich. Herzliche Grüße Dein Max

a 1 Im Münchner Restaurant Wagnersäle in der Adalbertstraße in Universitätsnähe hielt Max Weber am 5. November 1917 um 20 Uhr im Rahmen einer „Volksversammlung“, die von Sozialdemokraten organisiert wurde, eine Rede „Gegen die alldeutsche Gefahr“. Vgl. MWG I/15, S. 720 – 732. 2 Auf Einladung des Freistudentischen Bundes in München hielt Weber den Vortrag „Wissenschaft als Beruf“ (MWG I/17, S. 49 – 111), der kurzfristig um einen Tag auf den 7. November 1917 verschoben wurde. Vgl. die Karte an Mina Tobler vom 7. Nov. 1917, unten, S. 808. 3 Georg Graf v. Hertling, seit 1. November 1917 deutscher Reichskanzler, war zuvor bayerischer Ministerpräsident gewesen.

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7. November 1917

Mina Tobler PSt 7. November 1917; PSt München Karte; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446

Liebstes Mädel, – die Jungens haben die Versammlung1 auf heut Abend verschoben und infolge dessen verschiebt sich Alles um einen Tag, auch mein Kommen. Ich gebe dann noch Nachricht. Vorgestern Abend eine Riesenversammlung2 und starker Beifall, während ich selbst von mir keineswegs sehr befriedigt war (ich bin psychisch „sprechmüde“, auch der Saal strengte mich, weil unübersichtlich, an). Gestern x Menschen von früh bis spät, heut Löwenstein zu Tisch, vorher Andre. Auf Wiedersehen tausend Herzliches Dein M

1 Die vom Freistudentischen Bund organisierte Versammlung, auf der Weber den Vortrag „Wissenschaft als Beruf“ (MWG I/17, S. 49 – 111) hielt. 2 Bei der vom Münchner Sozialdemokratischen Verein am 5. November 1917 veranstalteten „Volksversammlung“ im Restaurant Wagnersäle in der Adalbertstraße in Universitätsnähe hielt Max Weber die Rede „Gegen die alldeutsche Gefahr“. Vgl. MWG I/15, S. 720 – 732.

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Victor Schwoerer 14. November 1917; Heidelberg Brief; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen Max Webers GLA Karlsruhe, 235/2643, Bl. 193 – 195 Alle Unterstreichungen und Anführungszeichen sind eigenhändig; sie werden im textkritischen Apparat nicht einzeln nachgewiesen. Der Brief an den Hochschuldezernenten im badischen Ministerium für Justiz und Unterricht, Victor Schwoerer, steht in Zusammenhang mit Webers Berufung nach Wien; vgl. dazu den Brief an Ludo Moritz Hartmann vom 24. Juli 1917, oben, S. 722 f., Anm. 2.

Heidelberg, den 14. November 1917. Euer Hochwohlgeboren

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geneigtes Schreiben gestatte ich mir mit ergebenstem Dank zu beantworten: Auf eine Anfrage des zum Minister ernannten bisherigen Professors Dr. v. Wieser wegen Übernahme eines der beiden erledigten Ordinariatea für Staatswissenschaften an der Wiener Universität1 hatte ich seiner Zeit gebeten, eine geschäftliche Behandlung wenn möglich zu vermeiden, bis ich gelegentlich eines Vortrags2 dort mich an Ort und Stelle über die Verhältnisse orientiert haben würde. Auf denb gleichwohl erfolgten Vorschlag der Fakultät hin bat mich bei meiner Anwesenheit dort der K.K. Herr Unterrichtsminister3 zu sich und bot mir die Stelle mündlich mit dem Bemerken an, daß ein entsprechendes Ministerialschreiben inzwischen schon hierher abgegangen sei. Ich habe sowohl ihm selbst und dem Herrn Dezernenten4 wie den Mitgliedern der Fakultät alle Bedenken, die dagegen bestehen müssen, dargelegt und bemerkt: daß ich meinerseits mir überlegen müsse, ob ich sachlich und persönlich richtiger tue, als Gelehrter hier zu verbleiben und möglicherweise einmal in begrenztem Umfang hier Soziologie zu a Ordnariate > Ordinariate b O: dem 1 Die Lehrstühle waren durch den Tod von Eugen von Philippovich am 4. Juni 1917 sowie durch die Ernennung von Friedrich Frhr. von Wieser zum österreichischen Handelsminister am 30. August 1917 vakant geworden. 2 Gemeint ist der Vortrag über „Probleme der Staatssoziologie“, den Weber am 25. Oktober 1917 in Wien vor der „Soziologischen Gesellschaft“ gehalten hatte (vgl. MWG I/22 – 4, S. 745 – 756). 3 D. h. der österreichische Unterrichtsminister Ludwig C´wiklin´ski. 4 Johann Maurus.

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lehren5 oder die dortige unzweifelhaft verlockende Stellung mit voller Lehrpflicht für Staatswissenschaften zu übernehmen. Zu der Gewißheit, meine wissenschaftliche Arbeit für längere Zeit stark einschränken zu müssen, träte dann das Risiko, infolge der aufreibenden Großstadtexistenz bei anhaltendem Lehrbetrieb abermals zurückzutreten, da es dem Ehrgefühl widerstreiten müsse, eventuell eine gesundheitlich bedingte Rücksichtnahme in Anspruch zu nehmen. Angesichts des überaus großen Entgegenkommens erbot ich mich schließlich, eine Probe durch Übernahme eines Lehrauftrags von zwei Stunden für ein Semester in Wien zu machen, falls außer dem Ministerium auch die dortige Fakultät nach Lage der Unterrichtsinteressen 앚:dies:앚 für angängig erachten würde. Daraufhin wurden sowohl die Bedingungen dafür, wie für die Übernahme des Ordinariats 앚:selbst:앚 zum 1. Oktober 1918 auf Wunsch des Ministeriumsc alsbald vereinbart, mir aber der Rücktritt bis Ende Juni kommenden Sommers vorbehalten.6 Die Zustimmung der Fakultät ist bei dem Verhalten der Herren ziemlich sicher zu gewärtigen, obwohl ich ausdrücklich bemerkt habe, daß mir ein etwaiger Rücktritt „keinenfalls verübelt“ werden dürfe. Jedenfalls aber muß ich mich bis zur Mitteilung dieser Entschließung, die sich bei den Verkehrsverhältnissen und dem Geschäftsgang um einige Wochen verzögern kann, für gebunden halten und im Falle der Zustimmung die vereinbarte Probe in Wien loyal machen, obwohl ich über das vermutliche Ergebnis nach der Art der äußeren Existenzbedingungen sehr im Zweifel bin. Allein das Entgegenkommen war hinsichtlich der Lehrpflicht, der Entbindung von Prüfungstätigkeit und auch in materieller Hinsicht derart weitgehend, daß ich es bei den

c Minnsteriums > Ministeriums 5 Der genaue Zeitpunkt, ab wann Weber 1917 die Absicht hatte, an der Heidelberger Universität Vorlesungen über Soziologie zu halten, ist nicht bekannt, doch werden Gespräche mit dem damaligen Dekan der Philosophischen Fakultät, Eberhard Gothein, sowie mit juristischen Kollegen seinen Entschluß bestärkt haben. So befürwortete Richard Thoma in seinem Brief vom 13. Sept. 1917 (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446) wärmstens eine erneute Lehrtätigkeit Webers und bot sich an, darüber mit Minister und Dezernent zu konferieren. Auch habe er Gerhard Anschütz gefragt, was dieser von einer Vorlesung Webers u. a. über „soziologische Staatslehre“ halte: „Er ist, ganz wie ich, der Meinung, daß dies aufs Lebhafteste zu begrüßen u. ein großer Gewinn für die Universität wäre und hat nicht das Geringste einzuwenden.“ 6 Vgl. dazu den Brief an Johann Maurus vom 31. Okt. 1917, oben, S. 805 f.

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mir neu erwachsenen Versorgungspflichten7 nicht leicht hätte verantworten können, mich dem Versuch zu entziehen[.] Ich werde mir gestatten, über die endgültige Wiener Entschließung umgehend zu berichten und dieser entsprechend zu dem sehr ehrenvollen Anerbieten Stellung nehmen, für dessen Übermittlung ich nochmals ergebenst danke.8 Ich gestatte mir noch zu bemerken, daß ich dem Herrn Dekan9 gegenüber, als er mir von dem Beschluß der Fakultät Mitteilung machte,10 gesagt hatte, daß ich für den Fall eines 7 D. h. Versorgungspflichten gegenüber seiner Schwester Lili Schäfer und ihren vier Kindern, nachdem ihr Mann Hermann Schäfer gefallen war. 8 Das Schreiben selbst ist nicht nachgewiesen, jedoch läßt sich sein Inhalt aus einer Registraturseite vom 9. November 1917: „Erteilung eines Lehrauftrags an Prof. Max Weber in Heidelberg betr.“ entnehmen, die die entsprechende Aktennotiz des Dezernenten enthält: „Karlsr[uhe] 12/XI 17[. ] Mit Ermächtigung S[einer] Exz[ellenz] d[es] H[errn] Ministers Lehrauftrag für Soziologie mit Jahreshonorar von 3500 M angeboten. Voraussetzung: etwa 4 Stunden (Vorlesungen und Übungen); keine genauere Festlegung der Stundenzahl. Zeitpunkt offen gelassen (vom I/X 18? ab.) Schwoerer“ (GLA Karlsruhe, 235/3140, Bl. 216). 9 Dekan der Heidelberger Philosophischen Fakultät 1917/18 war Eberhard Gothein. 10 Das Sitzungsprotokoll der Philosophischen Fakultät vom 6. Oktober 1917 (UA Heidelberg, H -IV-102/143) vermerkt als Punkt 2: „Die Fakultät beschließt einen Antrag auf Erteilung eines Lehrauftrags für Soziologie für Herrn Prof. Max Weber beim Minister zu stellen und beauftragt den Dekan Herrn Dr. Weber ihren Dank auszusprechen, daß er eine Wiederaufnahme seiner Lehrtätigkeit in Aussicht stellt.“ Den Antrag hatte Gothein durch ein Zirkularschreiben vom 3. Oktober 1917 (ebd.) vorbereitet: Weber habe einen Ruf an die Universität Wien erhalten und „[s]ein Wunsch in die Lehrtätigkeit zurückzukehren steh[e] fest. Nach seinen wiederholten brieflichen Äußerungen mir gegenüber scheint er jedoch eine angemessene Lehrtätigkeit in Heidelberg einstweilen, natürlich vorbehaltlich einer endgiltigen Entscheidung, vorzuziehen. Nach seinen epochemachenden Leistungen auf dem Gebiet der Soziologie wünscht er dieses Fach bei uns auszugestalten – eine Aussicht für unsre Universität von größter Bedeutung. Er scheint aber, wie es nur billig ist, zu erwarten, daß Fakultät und Regierung die ersten Schritte tun. Ich habe bereits in den Ferien mit Herrn Geheimerat Schwörer darüber korrespondiert. Er will nächsten Freitag mit mir weiter mündlich verhandeln, so daß ich in der Fakultätssitzung von Samstag d. 6ten schon in der Lage sein werde, Bericht zu erstatten und einen bestimmten Antrag zu stellen.“ Der Antrag Gotheins vom 8. Oktober 1917 (GLA Karlsruhe, 235/3140, Bl. 214) für einen Lehrauftrag Max Webers lautet: „Die Wissenschaft der Soziologie oder allgemeinen Gesellschaftslehre hat im letzten Jahrzehnt einen außerordentlichen Aufschwung genommen. Sie hat sich als eine unentbehrliche Grundlegung der Volkswirtschaftslehre und der Staatswissenschaft erwiesen; sie hat reiche Früchte für Philosophie und Religionsgeschichte, wie die Arbeiten von Simmel und Troeltsch zeigen, bereits jetzt getragen. In erster Linie ist es der unermüdlichen wissenschaftlichen Arbeit von Max Weber zu danken, die unserer Universität von Neuem einen großen und dauernden Einfluß im gesamten Gebiet der Geisteswissenschaften sichern[!]. Auch in seinem durch vorübergehende und jetzt glücklich gehobenen [!] Krankheit veranlaßten Ruhestande hat Herr Dr. Weber dadurch der Universität große Dienste geleistet. Um so freudiger ist es zu begrüßen, daß Herr Dr.

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vierstündigen Lehrbetriebes eine Vergütung von etwa 1500 Mark für das betreffende Semester, für den Fall eines weniger als vierstündigen, aber mindestens zweistündigen Collegs etwa 1000 M. für das betreffende Semester erbitten müßte, falls das Großh[erzogliche] Ministerium es der Finanzlage und anderen Erfordernissen gegenüber verantworten könne, diese Beträge aufzuwenden. Es sei mir zu meinem Bedauern nicht möglich, ganz auf eine Remunerierung zu verzichten. Und ich hätte den Wunsch, zunächst mit einer zweistündigen Collegtätigkeit zu beginnen und diese später auf eine vierstündige Dauer auszudehnen. Als Vorlesungen würden neben der „Allgemeinend Soziologie“:e „Staatssoziologie“, „Religionssoziologie“ und „Rechtssoziologie“ in Betracht kommen. Euer Hochwohlgeboren in ausgezeichneter Hochachtung ergebenster fMax Weber f

d allgemeinen > Allgemeinen e Doppelpunkt eigenhändig. f Unterzeichnung eigenhändig. Weber jetzt auch zur öffentlichen Lehrtätigkeit zurückzukehren gedenkt. Wir können in sichere Aussicht stellen, daß dadurch Heidelberg der Mittelpunkt dieser Studien werden wird und seine Anziehungskraft für Studierende außerordentlich erhöhen wird. Über die Anzahl der zu lesenden Stunden und Übungen wird eine besondere Vereinbarung zu treffen sein. Doch dürfte es nicht geraten sein, Herrn Weber an eine ganz bestimmte Stundenzahl zu binden. Schon jetzt aber möchte die Fakultät hervorheben, daß in der Bemessung der Remuneration nicht die üblichen Sätze in diesem besonderen Falle eingehalten werden können.“ Der Antrag ging mit einem Schreiben des Vertreters des Engeren Senats, Friedrich Endemann, vom 15. Okt. 1917 an das Kultusministerium (ebd., Bl. 213). Zu einer Lehrtätigkeit Webers in Heidelberg ist es nicht gekommen, da er probeweise das Ordinariat in Wien annahm und 1919 nach München wechselte.

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Ernst Mommsen 2[1]. November 1917; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 9, Bl. 1 – 3 Unsichere Lesung der zweiten Ziffer des Tagesdatums.

Heidelberg 2[1]a. XI. 17 Lieber Ernst, –

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ich danke Euch vielmals für die Übersendung dieser Briefe der Großeltern,1 die ich sofort gelesen habe. Diese unendliche Güte, verbunden mit dem Fehlen alles Autoritären und der Freude an den Söhnen2 hat etwas ganz Erschütterndes, so erstaunt man zunächst ist, daßb gar keine Vorbedingungen für diese scharfe Eleganz und den fabelhaften Glanz der feinen Geistigkeit Deines Vaters erkennbar sind. Umso feiner ist die Gemüts-Kultur dieser unendlich einfachen Menschen, die doch mit dem Leben schön und tapfer fertig geworden sind, – und was haben sie der Welt unter offenbar schweren Opfern und mit Freude und Stolz geschenkt! Ich danke Euch herzlich für die schöne Sendung – auch die beiden Bilder sind interessant: diese Umgestaltung des Gesichts der Großmutter (Nase und Kinn!), aus dem Deines Vaters Gesicht doch noch mehr geschnitten scheint als aus dem des Vaters, und doch so anders! Ob sich denn die Jugendbriefe Deines Vaters nicht erhalten haben? Man sieht ja aus den Zitaten, welche feine Poesie in ihnen sich entfaltet haben muß. Auch diesen Gedichtband3 habe ich nie gesehen, von dem darin die Rede ist. Habt Ihr ihn, so möchte ich ihn gern einmal

a Unsichere Lesung. b Fehlt in O; daß sinngemäß ergänzt. 1 Briefe aus dem Elternhause Theodor Mommsens mit dem Verzeichnis der von ihm in Kiel gehörten Vorlesungen, den Enkeln und Freunden Theodor Mommsens zum 30. Nov. 1917 von seinen Söhnen und Töchtern. – Altenberg: Geibel 1917. 2 Theodor (1817 – 1903), Tycho (1819 – 1900) und August (1821 – 1913). 3 Es handelt sich um: Liederbuch dreier Freunde. Theodor Mommsen, Theodor Storm, Tycho Mommsen. – Kiel: Schwers’sche Buchhandlung 1843.

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sehen, vielleicht wenn ich im Januar (etwa 11– 18ten) zu 2 Vorträgen dort bin.4 Jeder, der ihn5 kannte, wird Euch Dank wissen. Du wirst die Mitteilung des Kollegen Gradenwitz6 von der Stiftung7 wohl erhalten haben. Ich bat ihn, selbst zu schreiben, statt, wie er wollte, durch mich. Dieser gewiß in Manchem absonderliche, aber grundanständige und selten treue Mensch war eigentlich zu bescheiden, um Dir schreiben zu wollen. Die Stiftung ist vor Allem wirklich nützlich und nicht nur lokalpatriotisch, Dein Vater hätte sie gewiß sehr gebilligt. Er war voller Freude und Eifer und eigentlich entrüstet, daß sonst so wenig geschehe. Die Übersendung dieser Briefsammlung auch an ihn würde ihn sicher sehr freuen und kommt bei ihm in richtige und pietätvolle Hände. Deshalb schreibe ich schon heute, damit, wenn Ihr noch ein Exemplar habt, er es zum 30. XI.8 haben kann. Wenige werden so wie er mit den Gedanken bei ihm sein. – Was Dein Vater mir bedeutete,9 wißt Ihr ja in der Hauptsache. Es ist schwer, es im Einzelnen in Worten auszudrücken. Ich wünschte, bei Allem was er mir gegeben hat, ich hätte mehr leisten können als das Schicksal wollte. Die Arbeiten, die er sah, konnten seine Befriedigung nur in mäßigem Grade erregen. Immer aber werde ich der Noblesse gedenken, mit der er diese „Jugendsünden“ kritisierte und das Wollen auch da anerkannte, wo das Vollbringen mir versagt blieb. 4 Am 12. Januar 1918 hielt Max Weber im Preußischen Abgeordnetenhaus den Vortrag „Das abendländische Bürgertum“ (nicht überliefert; vgl. MWG I/15, S. 781) und am 15. Januar 1918 vor dem Verein Berliner Kaufleute und Industrieller den Vortrag „Aristokratie und Demokratisierung in Deutschland“ (vgl. MWG I/15, S. 733 – 738). 5 Gemeint ist Theodor Mommsen, der Vater von Ernst Mommsen, der am 30. November 1917 100 Jahre alt geworden wäre. 6 Der Rechtshistoriker Otto Gradenwitz lebte zwischen 1909 und 1928 in Heidelberg und war ein Schüler von Theodor Mommsen. 7 Es dürfte sich um die Mitteilung der Stiftung des Berliner Verlegers Rudolf Mosse von 400 000 Mark handeln. Mit dieser Stiftung wurde 1918 das Institut für geschichtliche Rechtswissenschaft der Universität Heidelberg errichtet. Die Stiftung erfolgte nach dem Willen des Stifters „in Erinnerung an Theodor Mommsen zur Pflege der Erforschung des antiken Rechts sowie des deutschen Rechts in seiner geschichtlichen Entwicklung“. 8 Geburtstag von Theodor Mommsen. 9 Weber kannte Theodor Mommsen seit früher Jugend, außerdem war er mit Karl Mommsen, einem seiner Söhne, befreundet. In seiner Referendariatszeit hatte er Vorlesungen bei Mommsen in Berlin besucht. Mommsen, der bei der Promotion Webers interveniert hatte (vgl. Weber, Marianne, Lebensbild3, S. 121), begleitete den wissenschaftlichen Weg des jungen Gelehrten mit konstruktiver Kritik. Vgl. auch Webers Kondolenzbrief an Marie Mommsen vom 2. Nov. 1903 (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 4, Bl. 90 – 91; MWG II/4).

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Es giebt solche Menschen:c solche Gestalten von Gelehrtentum und Menschentum zugleich, heute nicht mehr. Die Briefe schließen mit einem Hinweis auf seine Beziehung zu Hebbel und ich weiß von ihm, was ihn an diesem seltsamen und großen Einsamen anzog und ihn immer mit ihm verband. Man wüßte gern, wie die persönliche Berührung verlaufen ist (mir ist nicht erinnerlich, daß Hebbel in seinen Tagebüchern davon spricht, doch habe ich sie lange nicht angesehen). Denn wie verschieden waren sie beide! Was H[ebbel] so ganz fehlte: die Aufgeschlossenheit für die Plastik des Lebens, der Zauber eines Geistes, der allein von allem innerlich Deutschen an hellenische und romanische Geistigkeit erinnert, und dabei die deutsche unerbittliche Strenge gegen sich und das leidenschaftliche Bedürfnis nach Klarheit, – das Alles hatte er. Und bei aller feinen Schärfe der epigrammatisch wirkenden Kritik an Andren diese von jedem Mißtrauen freie generöse Menschlichkeit und die unverbrüchliche Treue, gegen Gleichaltrige wie gegen ganz Junge, denen er einmal erlaubt hatte ihm näher zu kommen, und jene „Höflichkeit des Herzens“, die ich so sehr selten bei geistig so überragenden Deutschen gefunden habe, dabei die Fähigkeit mit den Frohen rückhaltlos froh zu sein, nur weil sie es waren und weil das Leben reich und stets unendlich neu war. Er gehörte zu den ganz wenigen Deutschen, deren Geist und Seele im innerlichsten Sinn „geformt“ waren, wie sonst nur ein südlicher Mensch es ist. Wir mehr Außenstehenden werden dies, Ihr mehr die Innigkeit des Verhältnisses zu Eurer Mutter und das, was er Euch selbst gewesen ist, bewundern und verehren, Alle aber werden wir uns freuen dürfen, daß Deutschland ihn eben gehabt hat und daß wir wissen: er war so, wie er war, doch schließlich nur in Deutschland und nirgends sonst möglich. Vor diesem, in seiner Eigenart, ganz vollendeten Leben hat, scheint es, auch der Tod, der sonst in unsrem Norden oft so schwer verständlich und trübe kommt, Ehrfurcht gehabt und ihn so hinweggenommen, wie er sonst nur den Menschen des Orients in ferner Vergangenheit kam: „alt und lebensgesättigt“,10 wie das Alte Testament sagt. Zu vergessen ist er nicht und wir im besonderen vergessen ihm die Art

c 10 Zitat Genesis 25,8. Theodor Mommsen starb im Alter von nahezu 86 Jahren.

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nicht, wie er, und nach seinem Beispiel Deine Geschwister, unsre Clara seinerzeit in Euren Familienkreis aufnahm.11 Er hat nicht mehr erleben können, was die Nation,d an der er mit heißer – und oft verzweifelnder – Liebe hing, in einem Schicksal ohne Gleichen leisten durfte. Aber sein eignes Lebenswerk durfte er voll sich entfalten und einer unermeßlichen Zukunft fruchtbarer Arbeit entgegenreifen sehen, wie wenig Andre, und in dieser Hinsicht getrost und unenttäuscht die Feder aus der Hand legen. Ebenso unvergänglich aber wie seine Arbeit ist seine Gestalt, die zu denen gehörte, deren Dasein und Erinnerunge zu Dem gehören, was das deutsche Leben zu einer Feierlichkeit hob, wie sie andre Nationen nicht kannten. Ich habe gezweifelt, ob ich in einer Zeitung etwas über ihn sagen sollte. Aber die Stunde gab mir nichts ein, was nicht zu „intim“ für den Markt draußen gewesen wäre. Vielleicht findet sich nachträglich noch eine Gelegenheit, vielleicht auch erst, wenn dieser jetzt ins Sinnlose auslaufende Krieg vorüber und die Freude am Leben wiedergekehrt ist, die er so sehr um sich zu verbreiten wußte. In Wien12 sprach ich mit L[udo] M[oritz] Hartmann13 von ihm, auch einem eigenartigen, aber innerlich treuen Schüler von ihm, mit dem ich im Sommer viel zusammen sein werde. Denn Ihr wißt ja, daß ich, „auf Probe“14 zunächst, dorthin gehe. Ich stehe der Probe sehr skeptisch gegenüber und habe das dort nicht verhehlt. Denn so viel besser es mit der Feder geht (fast wie ein Gesunder), so schlecht bei vielem und vor Allem anhaltendem täglichem Sprechen. Ich leugne nicht, daß ich die Intelligenz des Schicksals nicht sehr hoch anschlage. Denn sonst würde ich mich – da von Preußen auf den Göttinger Vorschlag15 so wenig ein Ruf zu erwarten war wie von München16 (aus dem gleid

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11 Dies schildert Marianne Weber Helene Weber in mehreren Briefen aus dem März 1894, dem Zeitpunkt der Verlobung von Clara Weber mit Ernst Mommsen (Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446). Die Heirat erfolgte am 4. Januar 1896. 12 In Wien war Max Weber im Oktober 1917 zu Berufungsverhandlungen. 13 Ludo Moritz Hartmann studierte zur gleichen Zeit wie Weber in Berlin, wo er 1887 mit seiner Promotion abschloß. Er war ein Schüler von Theodor Mommsen 14 Weber hatte vereinbart, zunächst „auf Probe“ im Sommersemester 1918 in Wien zu unterrichten. Vgl. den Brief an Johann Maurus vom 31. Okt. 1917, oben, S. 805 f. 15 Einen Ruf nach Göttingen hat Weber nicht erhalten. Vgl. den Brief an Ludo Moritz Hartmann vom 8. Sept. 1917, oben, S. 771. 16 Den Ruf nach München erhielt Weber Ende 1918.

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chen, politischen, Grunde) –f nicht besinnen: wir wäreng aus aller 앚:materiellen:앚 Enge in der Familie und alle Geschwister versorgt.17 Aber es wird (unter uns gesagt) nicht gehen und ich werde dann wohl die paarh Tausend Mark, die ich hier haben kann, nehmen und bleiben was ich bin. Den ernstlichen Versuch nicht zu machen aber wäre den Geschwistern gegenüber nicht zu verantworten gewesen. Was wir, immer im Gedenken an Flandern,18 Euch wünschen, braucht nicht gesagt zu werden. Wir freuen uns der Freude, die alle Eure Kinder19 Euch machen. Hoffentlich geht mit der Mutter Alles gut, es ist gewiß nicht angenehm, sie jetzt 20 reisen zu lassen. Aber wir sehen keine Wahl, denn auch die Frage mit Lili hat ihrei sehr wichtige materielle Seite und muß entschieden werden, und zwar vor dem 1. I. Georg Schm[idt]21 ist ja – wie ich bei der Lazarett-Arbeit sehen konnte, sehr gewissenhaft und Du kannst ihm die Weiterbehandlung glaube ich getrost anvertrauen. Für die Sache selbst vertrauen wir Deiner bewährten Kunst. Grüße Clara von uns recht herzlich und sei, bis zum Januar, herzlich gegrüßt von Deinem alten Max Weber

f In O folgt: mich

g h O: par i O: Ihre

17 Aufgrund des Krieges erhielt Marianne Weber geringere Erträge aus der großväterlichen Firma Carl Weber & Co. in Oerlinghausen. Helene Weber mußte aus dem Familienvermögen die Geschwister Lili Schäfer und Arthur Weber finanziell unterstützen. 18 An der dortigen Front war der Sohn Konrad eingesetzt. 19 Konrad, Helene, Clara, Theodor und Ernst-Wolf Mommsen. 20 Helene Weber verbrachte Weihnachten 1917 bei Max und Marianne Weber in Heidelberg. 21 Georg Schmidt, der Ehemann von Webers Cousine Paula, geb. Hausrath, war Chirurg in Heidelberg. Er sollte Helene Weber während ihres Aufenthaltes in Heidelberg medizinisch betreuen.

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23. November 1917

Mina Tobler [23. November 1917; Heidelberg] Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Datierung und Ortsangabe stammen von Eduard Baumgarten.

Freitag Abend Liebes Kind, – ich schicke den schönsten aller Grüße zum Sabbath und komme also um 6 Uhr etwa, wenn ich nicht abtelefoniere. Heut gabs tüchtig zu arbeiten, es ging auch leidlich, besser als sonst oft. Ich freue mich aber erst, wenn ich wieder bei den ganz abseits liegenden Dingen bin, die Einen der Gegenwart entrücken. Denn Alles, was damit zusammenhängt, ist doch irgendwie düster gefärbt und zerrt an dem eisernen Ring,1 den man sich um Brust, Kopf und Hals gelegt fühlt. Gott sei Dank ist es noch warm und hoffentlich kommt kein strenger Winter. Denn das ist doch das Ekligste. Der „Roman der Herzogin“2 geht Einem doch nicht tief. Schon ist er halb vergessen! Das wäre doch bei einem erstklassigen Werk nicht so! Ob ich wohl morgen den Debussy nochmal hören darf? – Den Schubert ein ander mal! Gute Nacht, eben fällt mir ein, daß ja die Post den Kasten erst früh morgens ausnimmt. Daran hatte ich nicht gedacht und es ist mir leid, daß der Gruß zu spät kommt. Tausend Herzliches Max

1 Anspielung auf den „Eisernen Heinrich“ in Grimms Märchen „Der Froschkönig“, vgl. den Brief an Mina Tobler vom 19. Juli 1917, oben, S. 711, Anm. 6. 2 Vermutlich handelt es sich um einen Band der Trilogie, die Heinrich Mann unter dem Titel „Die Göttinnen oder Die drei Romane der Herzogin von Assy“ (3 Bände. – München: Langen 1903) veröffentlicht hatte. Diese erschienen in einer neuen, ebenfalls dreibändigen Ausgabe in München bei Wolff 1917. – Ferner wurde unter der Regie von Valy Arnheim mit Georg Alexander und der norwegischen Schauspielerin Aud Egede Nissen ein Film gedreht unter dem Titel „Roman der Herzogin von Corvy“. Ob dieser in Heidelberg gezeigt wurde, ist nicht nachgewiesen.

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Fritz Wichert [vor dem 24. November 1917]; o.O. Brief; maschinenschriftlich Stadtarchiv Mannheim, Nl. Fritz Wichert, Nr. 733 Der Anfang des Briefes – eine oder mehrere Seiten – fehlt im Nachlaß; nur das letzte Blatt mit Briefschluß, Grußformel und eigenhändiger Unterzeichnung ist noch vorhanden. Die Datierung ist erschlossen aus einem Antwortschreiben Fritz Wicherts vom 24. November 1917 (Abschrift masch.; Stadtarchiv Mannheim, Nl. Fritz Wichert, ebd.), in welchem er mitteilt – offenbar unter Bezugnahme auf die hier abgedruckte Briefpassage Webers –, daß er dessen „Erscheinen im Januar“ in Berlin „vorgemerkt“ habe; Wicherts Brief enthielt des weiteren einen Dank für Webers „ausführliche […] Aufzeichnungen über die Stimmung in Wien“, die ihm und seinem „Freunde [Richard v. Kühlmann] von größtem Nutzen gewesen“ seien. „Haben Sie vielen Dank für all die Mühe, die Sie sich damit gemacht haben und glauben Sie bitte, daß ich alle derartigen Niederschriften von Ihrer Hand, gleichviel ob sie lang oder kurz, aufs beste verwenden kann. Auch dieses Blätterbündel wurde aufs sorgfältigste studiert und bei der Gewinnung einer bestimmten Ansicht mit anderen Mitteilungen verglichen.“

nächste Sommer bringt in jedem Fall eine noch schwierigere Lage.

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Ich bin entweder a etwa vom 7. bis 16. oder b etwa vom 14. – 22. Januar in Berlin. Mit besten Empfehlungen Ihr sehr ergebenster cMax Weberc

a Unterstreichung eigenhändig Max Weber. b Unterstreichung eigenhändig Max Weber. c Unterzeichnung eigenhändig Max Weber.

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Elisabeth Ott 26. November 1917; Heidelberg Brief; eigenhändig Privatbesitz (Henning Tobler)

Heidelberg 26.XI.1917 Hochverehrte Frau Ott, – ich erhalte von Ihrer Schwester1 die Nachricht vom Tode Ihrer hochverehrten Frau Mutter.2 Obwohl sie selbst ja das nicht hören wollte, ist es ja wohl doch so gewesen, daß nach dem traurigen Befinden in letzter Zeit man sagen muß: es ist gut, daß ihr weitere Leiden erspart blieben. Aber ich weiß gut, wie groß eben doch der Abschnitt im eignen Leben ist, den es macht, wenn die Gestalten, welche die eigne Jugend geleitet haben und weiter mit durchs Leben gingen, als lebendige Zeugen der Kindheit, langsam dahingehen, von wo man nicht wiederkehrt. Ich habe Ihre verehrte Frau Mutter selbst nur einmal3 und ganz kurz gesehen und nur den allgemeinen Eindruck eines vornehmen und fest geführten Lebens und afesten Wurzelna in den Überlieferungen unseres Bürgertums in seiner besten deutschen Eigenart mitnehmen dürfen, sonst nur von Ihrer Schwester Manches erzählt bekommen. Daß sie auch die Enkel4 hat ins Leben gehen sehen dürfen und vielleicht doch auch, daß sie das eigne Volk diesen Kampf hat bestehen erleben können, ist wohl eine Gnade des Geschicks, so schwer ihr Leben seit Jahren gewesen sein muß. Erlauben Sie mir, Ihnen und Ihrem Gatten5 und meiner treuen Freundin,6 die ich bei Ihnen weiß, herzlich teilnahmsvoll die Hand zu drücken als Jemand, der den gleichen scharfen Schnitt in das eigene Leben täglich fürchten muß. In aufrichtiger Ergebenheit Ihr Max Weber a Unsichere Lesung. 1 Mina Tobler. 2 Henriette Tobler war am 26. November 1917 gestorben. 3 Am 8. April 1914 hatte Weber Henriette Tobler in Zürich getroffen. Vgl. den Brief an Marianne Weber vom 9. April 1914, MWG II/8, S. 605 – 607. 4 Henriette Tobler hatte insgesamt sechs Enkelkinder, Diego und Enrico von der Tochter Maria Guicciardi in Italien, Alice, Renate und Ludwig von Elisabeth Ott in Zürich und Achim und Sibylle von ihrem verstorbenen Sohn Ludwig Tobler in Heidelberg. 5 Johann August (Hans) Ott. 6 Mina Tobler war zur Beerdigung ihrer Mutter nach Zürich gefahren.

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Paul Siebeck 26. November [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „7./XII.17.“ sowie Briefinhalt.

Heidelberg 26. XI Verehrter Freund!

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Gelegentlich der Berufung nach Wien (statt Philippovich) sprach ich Grünberg.1 Er war thatsächlich lange Zeit gesundheitlich gehindert und verpfändete sein Wort: bis Ende des Jahres sei das Mscr. da. Ich hoffe, diesmal kommt es. Denn Fuchs2 wäre kein voller Ersatz. Ich gehe im Sommer nach Wien, probeweise, mit Rücktrittsrecht bis Juli, falls ich die Sache dort zu strapazant und meine wissenschaftliche Arbeit schädigend finde. Ich lese: mein Buch für den Grundriß.3 Das wird ihm nützen und die Fertigstellung beschleunigen. Es ist unmenschlich viel Litteratur neu erschienen! Herzliche Grüße, stets Ihr Max Weber Wie mag es bei Ihnen gehen?

1 Es geht hierbei um den GdS-Beitrag von Karl Grünberg über „Agrarverfassung“, der letztlich erst 1922 erschienen ist. Zu den fortlaufenden Problemen wegen der Fertigstellung von Grünbergs Artikel vgl. den Brief an Siebeck vom 21. Febr. 1915, oben, S. 22, Anm. 5. 2 Zu Carl Johannes Fuchs als möglichem Ersatzautor für den Grünberg-Beitrag (wie Anm. 1) vgl. den Brief an Siebeck vom 21. Febr. 1915, oben, S. 22, Anm. 5. 3 Gemeint ist Webers Beitrag über „Wirtschaft und Gesellschaft“. Tatsächlich hielt Weber in Wien eine Vorlesung über das Thema: Wirtschaft und Gesellschaft (Positive Kritik der materialistischen Geschichtsauffassung). Vgl. die Ankündigung in: Öffentliche Vorlesungen an der K. K. Universität zu Wien im Sommer-Semester 1918. – Wien: Adolf Holzhausen 1918, S. 10.

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Mina Tobler [nach dem 26. November 1917]; o.O. Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Datum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Der Brief ist nach dem Tod von Mina Toblers Mutter, Henriette Tobler, am 26. November 1917 geschrieben. Vgl. den Brief an Elisabeth Ott vom 26. November 1917, oben, S. 820.

Liebes, nur in Eile einen warmen Gruß bei der Rückkehr!1 und vielen Dank für den lieben Brief. Es ist unendlich schwer, etwas zu sagen, grade in diesem Fall, wo man die Bedeutung der Mutter für das Leben sieht, aber im Einzelnen nicht abzuschätzen weiß, in welcher seelischen Richtung sie gelegen hat. Darüber bekomme ich wohl einmal etwas gesagt? Wie gewaltsam und tief unter allen Umständen der Einschnitt ist, das glaube ich ja zu wissen und zu fühlen, und wie schmerzlich, daß die letzten Stunden nicht miterlebt wurden, und überhaupt Alles grade jetzt, in dieser Zeit, sei es auch noch so erwartet, geschah. Das Geschehen ist immer größer als das Vorgestellte und ich muß glauben und fürchten: es wächst zunächst noch. Möchte es möglich sein, daß das Leben bald wieder wärmer und sinnvoller aussieht, als es jetzt noch immer, dank den Zeitverhältnissen, ist. Das Heroische hat ja offenbar auch im Charakter der Mutter gelegen – und es ist zum Ertragen dieses Abschieds von den Kindererinnerungen nötig! Möge es helfen! Immer M.

1 Gemeint ist die Rückkehr von Mina Tobler nach Heidelberg von der Beerdigung der Mutter in Zürich.

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Verlag Duncker & Humblot 27. November 1917; Heidelberg Brief; maschinenschriftlich mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen Max Webers VA Duncker & Humblot, Berlin Der Brief steht in Zusammenhang mit der Publikation: Weber, Max, Parlament und Regierung; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Siegmund Hellmann vom 14. Juni 1917, oben, S. 660. Alle Unterstreichungen und Anführungszeichen sind eigenhändig; sie werden im textkritischen Apparat nicht einzeln nachgewiesen.

앚:In 2a Kouverts eingeschrieben!:앚 Heidelberg, den 27. November 1917. Sehr geehrter Herr!

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Anbei schicke ich den gesamten Rest des druckfertigen Manuskripts.1 Das Abdiktat verzögerte sich leider um fast 8 Tage, da meine Zeiteinteilung mit dessen Möglichkeit nicht in Einklang zu bringen war. Auch änderte ich das 5. Kapitel derart, daß es nun in keinem Punkte eine nochmalige Behandlung schon anderweit (im Verlag der „Hilfe“) erörterter Dinge darstellt,2 sondern ganz neu ist mit Ausnahme von drei bis vier Sätzen, welche notgedrungen die gleichen Gedanken enthalten. Für den Titel stelle ich zur Wahl: 1. „Vergangenheit und Zukunft des deutschen Parlamentarismus.“ b(Möglich wäre bei diesem Titel, daß er die Zensur ärgerte und mißtrauischer machte, da er seinerzeit der Titel der Aufsätze in der Frankfurter Zeitung war.)b Oder 2. „Probleme der Parlamentarisierung in Deutschland.“ (bezw. „Bedeutung der Probleme d[er] P[arlamentarisierung] in Deutschland“). Oder

a O: zweifach unterstrichen. b Klammern eigenhändig. 1 Gemeint ist das Kapitel über: Parlamentarisierung und Demokratisierung (MWG I/15, S. 526 – 552). 2 Weber, Max, Wahlrecht und Demokratie in Deutschland (Der Deutsche Volksstaat. Schriften zur inneren Politik, hg. von Wilhelm Heile und Walther Schotte, Heft 2). – Berlin-Schöneberg: Fortschritt (Buchverlag der „Hilfe“) 1917 (MWG I/15, S. 344 – 396).

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3. einfach:c „Derd deutsche Parlamentarismus“ (an sich nicht gerade besonders geeignet für eine derart aktuelle Schrift, aber möglich.) Oder 4. „Reichsverfassung und Parlamentarisierung.“ Ich stelle Ihnen die Wahl 앚:oder andre Vorschläge:앚 gänzlich anheim.3 Der Titel „Parlamentarisierung und Demokratisierung“ wäre m. E. zu eng.4 Praktisch scheint mir nun die Hauptfrage wie Sie sich zu verhalten gedenken, falls die Zensur Schwierigkeiten machen würde; denn ich möchte bemerken: jeden einzelnen Ausdruck kann ich erforderlichenfalls gern ändern und mildern und dies ist schon jetzt weitgehend geschehen. Aber ganze Gedankenreihen könnten kaum entbehrt werden. Das vierte Kapitel über die auswärtige Politik könnte 앚:ja:앚 an und für sich vielleicht im Satz stehen bleiben, falls die Zensur es verlangt,e und dann in eine Friedensausgabe 앚:wieder:앚 eingefügtf werden, während in die jetzige Ausgabe dann eine Anzahl nicht zu beanstandender 앚:allgemeiner:앚 Sätze 앚:am Schluß von Kap. 3:앚 statt seiner aufzunehmen wären. Aber das würde eben doch 앚:wohl:앚 bedingen:g daß eine Friedensausgabe seinerzeit sofort nach Beseitigung der Zensur und ohne Rücksicht auf den vollständigen Ausverkauf der Kriegsausgabe erschiene. Das betreffende Kapitel ist natürlich eines der wichtigsten und gerade um seinetwillen werde ich stets erneut um baldige Publikation angegangen. Jedenfalls würde ich Sie bitten, im Fall einer Beanstandung durch die Zensur diese durch Rückschrift zu ersuchen: (am besten vielleicht in Gemeinschaft mit Prof. Hellmann) genau die zu beanstandenden Stellen zu bezeichnen,h mit dem Hinzufügen, daß eine Beschwerde an den Reichstag beabsichtigt und unvermeidlich sei. Nach Mitteilung Ihrer Prokuristin nehme ich im übrigen an, daß der Druck im Gange ist oder beginnt. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster iMax Weberi c Doppelpunkt eigenhändig. d der > Der e Komma eigenhändig. f eingefugt > eingefügt g Komma eigenhändig durch Doppelpunkt ersetzt. h Komma eigenhändig. i Unterzeichnung eigenhändig. 3 Auf Vorschlag des Verlags und des Herausgebers Siegmund Hellmann vom 11. März 1918 (Abschrift masch.; VA Duncker & Humblot, Berlin) wurde als definitiver Obertitel „Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland“ gewählt. 4 Einen ähnlichen Titel hatte Weber selbst vorgeschlagen; vgl. dazu den Brief an Duncker & Humblot vom 26. Aug. 1917, oben, S. 744, Anm. 1.

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Else Jaffé 28. November [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446 Das Jahr ist aus dem Briefinhalt erschlossen. Nachdem der Kontakt zwischen Else Jaffé und Max Weber wiederhergestellt war (vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Else Jaffé vom 30. Oktober 1917, oben, S. 802), bemühte sich Else Jaffé auch um die Verbesserung der Beziehungen zwischen Max und Alfred Weber. Im folgenden Brief nimmt Max Weber Bezug auf Äußerungen Alfred Webers gegenüber Else Jaffé, von denen diese ihm berichtet haben dürfte. Max Weber wollte aber die Distanz zu seinem Bruder wahren. Zum Verhältnis zu Alfred Weber vgl. auch den Brief an Lili Schäfer vom 23. Nov. 1915, oben, S. 187 – 189.

Hbg 28/11 Liebe Else, –

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fürchten Sie nichts. Die Antwort entsprach ja dem Erwarteten. Ich könnte schwer erdenken, woher neue Kollisionen entstehen sollten. „Zeit“ freilich wirkt wohl nie (wie A[lfred] meint) Positives, wenn einmal Entfremdung da ist, – und die war da, seit der erste Tag seines so sehr erhofften Kommens nach H[eidelberg]1 seine innere Lage zu meiner Nähe erkennen ließ. Vielleicht war damals ein gewisser Enttäuschungszorn menschlich verzeihlich, der dann nachwirkte, – aber wer wollte jetzt da von „Recht“ und „Unrecht“ reden. Einige Gegebenheiten sind natürlich da. Es ist z.B. nicht möglich, daß A[lfred] Ihre beiderseitige äußere und meine innere Lage durchschauen kann, noch weniger als Sie; ich konnte früher nur unter starkem Risiko, jetzt gar nicht davon offen sprechen. Vor Allem: ich wünsche, fortan mein Leben zu führen frei von allen Irrtümern über die Möglichkeiten andrer Menschen mir gegenüber. – Ich fürchte auch nicht, daß – um auch Das zu sagen – die Beziehungen zur Schwester2 hier Schwieriges schaffen. Beide werden viel von einander haben. Sie ist klug und menschenkundig, aber noch mehr als durch die schwierigen Kinder durch gesundheitliche Belastung gebunden: jene konstitutionellen Schwankungen zwischen Beschleunigung

1 Alfred Weber war im Frühjahr 1908 nach Heidelberg gezogen, nachdem er im Sommer 1907 einen Ruf auf eine Professur für Nationalökonomie erhalten hatte. 2 Lili Schäfer, die jüngste Schwester von Max und Alfred Weber, die seit 1915 ebenfalls in Heidelberg wohnte. Vgl. den Brief an Lili Schäfer vom 23. Nov. 1915, oben, S. 187 – 189.

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des inneren Tempos und peinlichen Depressionen.3 Marianne ist dafür und für Praktisches der Lebensführung wohl wie bisher die gegebene Vertraute. Nie ich, für den bei aller großen Zuneigung eine bestimmte Distanz das in ihrem Interesse Richtige ist. – – Ich danke noch für Bild und Spruch.4 An das Zimmer da droben denke ich,5 den nicht leicht zu vergessenden Rahmen des Dorffriedhofes und seiner begrenzenden Mauer und dann der weiten Landschaft werde ich wiedersehen.6 Das Traumkind7 mit dem Schweigen und dem Zugang zum Wissen in sich war seit jener Taufe8 irgend wie – ich wüßte nicht zu sagen wie noch warum – mit verschollenen Träumen von einem eignen Kind in Beziehung. Wenn Menschen durch Tod oder andre Entfernung ohne Bruch der Gesinnung getrennt werden, hat die Zeit über das Innerliche, Letzte keine Gewalt. Zwar der Alltag baut seine Jahresringe rund herum. Aber es kommen Stunden der Rückkehr in die innerliche Heimat. Oft vermittelt durch zufällige Dinge und Personen. Aber auch durch Augenblicke des Beruhens in sich, so oft man sie findet oder gewährt erhält. Peter geht Ihnen nicht unter. Sehr bezaubernd war der Kleine,9 – diese weit mehr „innerweltliche“ und doch zarte Lichtquelle: wie er wohl weiter wird? Lebenssicherheit schien früher zu entstehen, jetzt dieser feine, dabei bewegli-

3 Vgl. den Brief an Lisa v. Ubisch vom 1. Jan. 1916, oben, S. 579 – 582. 4 Beide sind nicht nachgewiesen. Else Jaffé hatte ihre Versendung im Brief an Marianne Weber vom 2. Nov. 1917 (Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446) angekündigt. Es handelte sich vermutlich im Nachgang zu Webers Besuch am 30. Oktober 1917 um ein Bild von Peter Jaffé und um dessen Taufspruch. 5 Auf der Rückreise von Wien hatte Max Weber am 30. Oktober 1917 Else Jaffé in Wolfratshausen besucht. Diese schrieb in einem Brief an Marianne Weber vom 2. Nov. 1917 (wie Anm. 4): „Du wußtest wohl, wie schon lang dieser Wunsch in mir herum werkelte. Aber mir selbst ist es überwältigend, daß er sich erfüllen konnte. Ich bin noch immer ganz benommen. Hier an demselben Tisch, an dem ich jetzt schreibe (ich bin mit Hänschen in Wolfratshausen)[, ] hat Max Weber gesessen […]. Du weist’s ja […] wie schön das ist, diese Wand zwischen uns fortgeräumt zu fühlen. Wir wollen aber doch recht froh sein, daß wir Frauen sind und das schöne Vorrecht haben, die Liebe über den point d’honneur gehen zu lassen. Das will ich noch sagen: wie gut Alfred mir schreibt darüber, wie er versteht. Es hätte mich so furchtbar betrübt, wenn ihm etwas weh getan hätte, was ich tun mußte .“ 6 Auf dem Friedhof in Wolfratshausen war Peter Jaffé begraben. Vgl. auch den Brief an Else Jaffé vom 30. Okt. 1917, oben, S. 803. 7 Peter Jaffé. 8 Bei der Taufe im Sommer 1909 wurde Max Weber Peter Jaffés Pate. 9 Hans Jaffé, das jüngste Kind von Else Jaffé.

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che und aussprachefähige innere Takt. Friedel,10 den ich auch besonders mochte, ist sich wohl ähnlich geblieben. Möchte das Schicksal Ihnen Wärme und Licht so geben, wie Sie es zum Blühen in Schönheit – die die Götter in Sie legten – brauchen. Ihr Max Weber

10 Friedrich (Friedel) Jaffé, der älteste Sohn von Else Jaffé.

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Friedrich Gundolf 1. Dezember PSt 1917; Heidelberg Brief; eigenhändig University of London, Institute of Germanic Studies, Gundolf-Archiv Das Jahresdatum ist aus dem beiliegenden Briefumschlag erschlossen.

Heidelberg 1. XII Lieber Freund, – ich werde Mitte Januar, etwa vom 12ten bis 18ten, in Berlin sein, zweier Vorträge halber[.]1 Dann hoffe ich sehr, Sie zu sehen und gebe Ihnen Nachricht, wo ich bin (vermutlich: Anhalter Hof in der Königgrätzer Straße). Mit besten Grüßen, auch meiner Frau, Ihr freundschaftlich ergebenster Max Weber

1 Gemeint sind die Vorträge vom 12. Januar 1918 im Preußischen Abgeordnetenhaus über: Das abendländische Bürgertum – vgl. zu dieser nicht überlieferten Rede MWG I/15, S. 781 –, sowie vom 15. Januar 1918 vor dem Verein Berliner Kaufleute und Industrieller über: Aristokratie und Demokratisierung in Deutschland (MWG I/15, S. 733 – 738).

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Werner Siebeck 1. Dezember [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 Jahresdatum erschlossen aus Verlagsvermerk: „7./XII.17.“ Bezug: Brief von Richard Wille in Vertretung für Werner Siebeck vom 30. November 1917 (VA Mohr/ Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446) mit der Anfrage, ob der Beitrag Webers, der in dem „dieser Tage“ erschienenen Logos-Band veröffentlicht war, auch in die „geplante Aufsatzsammlung später mit aufgenommen werden soll[e].“ Bei dem Artikel handelte es sich um: Weber, Max, Der Sinn der „Wertfreiheit“ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften, veröffentlicht in: Logos, Bd. 7, Heft 1, 1917, S. 40 – 88 (MWG I/12).

Heidelberg 1. XII. Sehr geehrter Herr Dr Siebeck

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Auf Ihre Anfrage vom 30.XI erwiedere ich ergebenst, daß ich allerdings daran dachte, auch diesen Aufsatz für die Aufnahme in die Sammlung vorzuschlagen. Ebenso den früheren im Logos über „verstehende Soziologie“ in etwas geänderter (gemeinverständlicherer) Form.1 Mit vorzüglicher Hochachtung Max Weber

1 Weber, Max, Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie, in: Logos, Bd. 4, Heft 3, 1913, S. 253 – 294 (MWG I/12). Zu einer Überarbeitung des Artikels ist Weber wegen seines plötzlichen Todes nicht mehr gekommen.

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Hans W. Gruhle 2. Dezember 1917; Heidelberg Brief; eigenhändig Nl. Hans W. Gruhle, BSB München, Ana 612

Heidelberg 2. XII. 17. Lieber Freund, – haben Sie den herzlichsten Dank für Ihre Zeilen, mit denen Sie mir mehr Freude gemacht haben als Sie wohl vermuthen. Die Sache mit Wien1 ist so: daß ich kein Hehl daraus gemacht habe: daß es „eher unwahrscheinlich“ ist, daßa die „Probe“ positiv ausfällt als das Gegenteil, daß ich sie aber loyal zu machen bereit bin, nachdem Fakultät und Minister trotz Allem darauf bestanden. Mit Rücksicht auf b meine Schwesterc 2 kann ich den Versuch nicht ablehnen, (angesichts der in jeder Hinsicht exceptionellen Bedingungen), mag ich noch so sehr glauben: daß er wahrscheinlich negativ ausfällt. Denn ich kann mir nicht recht denken, daß ich unter Großstadtbedingungen leistungsfähig bin und bin fest entschlossen, nur darnach zu fragen. Vorerst gehe ich nur als Junggeselle. Was wir Ihnen wünschen, wissen Sie! Wie schön wäre es, Sie kämen bald mal. dMitte Januar 8. –18.d bin ich fort (Berlin), sonst bis 1. IV. hier. Herzliche Grüße und Wünsche Ihr Max Weber

a b c O: Schwestern d O: (Mitte Januar 8. – 18.) 1 D. h. die Berufung nach Wien; vgl. dazu den Brief an Ludo Moritz Hartmann vom 24. Juli 1917, oben, S. 722 f., Anm. 2. 2 Anspielung auf Webers Versorgungspflicht gegenüber seiner Schwester Lili Schäfer, die Kriegerwitwe geworden war und vier Kinder zu versorgen hatte.

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Daß nun der Krieg, nach menschlichem Ermessen, doch wirklich gewonnen wird,3 ist doch eine fabelhafte Sache. Wer das erlebt hat, draußen vollends, hat erlebt, was nie zuvor geschah. Aber nur zu gut versteht man, daß das jetzt unmöglich die Stimmung sein kann.

3 Weber bezieht sich wahrscheinlich auf die Kriegsereignisse in Italien und Rußland. Bei dem Angriff der Mittelmächte an der Isonzofront bei Karfreit/Caporetto vom 24. – 27. Oktober 1917 war es zum Zusammenbruch der italienischen Armee gekommen, und an die 300 000 Italiener waren gefangengenommen worden. Erst an der Piave-Linie konnte die Front mit Hilfe französischer und britischer Truppen stabilisiert werden. – Nach der Machtergreifung der Bolschewiki am 6./7. November 1917 (25./ 26. Oktober 1917; sog. „Oktoberrevolution“) hatte Lev D. Trockij, der neue Volkskommissar des Äußeren, am 28. (15.) November 1917 einen Waffenstillstand an alle Kriegführenden vorgeschlagen.

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3. Dezember 1917

Verlag Duncker & Humblot 3. Dezember PSt 1917; Heidelberg Karte; eigenhändig VA Duncker & Humblot, Berlin Die Karte steht in Zusammenhang mit der Publikation von: Weber, Max, Parlament und Regierung; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Siegmund Hellmann vom 14. Juni 1917, oben, S. 660. Bezug: Brief des Verlags Duncker & Humblot vom 1. Dezember 1917 (Abschrift masch.; VA Duncker & Humblot, Berlin) mit der Mitteilung, daß Fahnenabzüge nach Fertigstellung des Drucks an den Autor, den Herausgeber und die Zensurstelle geschickt würden.

Heidelberg 3 XII Sehr geehrter Herr! Ich danke für Ihre gefl. Mitteilung und glaube erwarten zu dürfen, daß die Fahnen der Zensur erst vorgelegt werden, anachdem icha dieselben meinerseits in Korrektur gelesen habe, also: in Revision. Denn das Vorhandensein von Druckfehlern würde das Geschäft des Zensors nicht erleichtern und Vorwände für Verzögerung geben können. Die Korrektur erfolgt stets postwendend. Mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst Prof. Max Weber

a O: zweifach unterstrichen.

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Hermann Oncken [nach dem 3. Dezember 1917]; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede und Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 8, Bl. 93 Die Abschrift ist auf den 1. Dezember datiert, jedoch läßt die Erwähnung der „Ruska’schen Dummheiten“ darauf schließen, daß der Brief nach dem 3. Dezember 1917 verfaßt worden ist. Der Heidelberger a.o. (Titular-)Professor für Semitische Philologie, Julius Ferdinand Ruska, hatte als Anhänger der Vaterlandspartei am 3. Dezember 1917 in den Heidelberger Zeitungen, so etwa im Heidelberger Tageblatt, Nr. 283, S. 4, eine „Erklärung“ publiziert, in welcher er seinen Konflikt mit Oncken dokumentierte. In einem Rundschreiben hatte er die Professoren- und Honoratiorenschaft Heidelbergs zu einem Beitritt in die Vaterlandspartei aufgefordert – unter dem ausdrücklichen Hinweis darauf, daß „Heidelberg, einst die Hochburg vaterländischen Sinnes“, dabei nicht zurückbleiben dürfe. Oncken hatte sich daraufhin in einem Brief, der zu wesentlichen Teilen in Ruskas „Erklärung“ wiedergegeben wurde, zu dessen Behauptung geäußert, „,daß die Heidelberger Universität einst eine Hochburg nationaler Gesinnung gewesen sei. Wenn Sie auf das ,einst‘ den Nachdruck legen …, so müssen Sie sich sagen lassen, daß Sie für die Fällung eines solchen Urteils nicht kompetent sind, und daß Sie vielleicht nur zu lose und zu kurze Zeit mit der Universität verbunden sind, um zu wissen, daß die Heidelberger Universität in allen Gliedern auch heute eine Hochburg nationaler Gesinnung – wenn auch nicht im Sinne derer, die sie allein gepachtet zu haben glauben – darstellt.‘“ Auf diese Passage hin hatte Ruska Oncken vorgehalten, daß er „nicht nur ein falscher Prophet und schlechter Politiker […], sondern auch ein wenig zuverlässiger Historiker“ sei. Er wisse „seine Quellen nicht zu unterscheiden“, unterstelle ihm „Äußerungen über die Universität“, die er „nicht zu vertreten habe“, und es sei ihm „nicht bekannt“, daß seine „Beziehungen zur Stadt und Universität Heidelberg das ehrwürdige Alter von mehr als 30 Jahren“ besäßen. „Ich hätte davon Abstand genommmen, diese Dinge zu veröffentlichen, wenn nicht die Fortschrittliche Volkspartei […] am letzten Samstag mit einer Schimpforgie auf die Vaterlandspartei uns den Kampf angesagt hätte.“ Vgl. dazu auch: Hampe, Kriegstagebuch 1914– 1919, S. 630, Eintrag vpm 10. Dezember 1917, Anm. 377 und 378.

Heidelberg, dena

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Sie haben ganz recht. – Ich bot mich an[,] als mir der Wunsch ausgesprochen wurde, in der Volksversammlung zu sprechen, mit der gleichen Motivierung (kein Monopol der Aula) und hörte dann, daß Sie abgeneigt seien zu sprechen, nicht aber daß Sie die Aula schon hätten.1 Ich halte die öffentliche Feststellung: daß das Bündnis ernstlicher als

a In Abschrift folgt: 1.XII. 1 Möglicherweise bezieht sich diese nicht ganz klare Passage auf eine angekündigte Rede von Oncken über „Die weltgeschichtlichen Probleme des großen Krieges“, die

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man hier glaubt[,] bgefährdet wäre, wenn diese Dummköpfeb den Anschein erwecken könnten[,] Einfluß zu gewinnen, für angebracht, und hätte sie – in gleicher Art wie Samstag2 mit dem Ersuchen an die Presse, ihrerseits die Erwähnung zu unterlassen[,] in milder Form wiederholt. Die Lage in Wien ist infolge der Einflüsse[,] denen Kaiser Karl unterliegt 앚:(u. a. Lammasch, F[riedrich W[ilhelm] Förster u. a.):앚[,] wesentlich ungünstiger als man vielfach annimmt.3 앚:Ich habe den Herren b gefährdet ist und im Juli war. Ich habe den Herren in Wien allerdings gesagt, daß Sie [!] sich nicht gerade einen so anfälligen Politiker wie Erzberger auszusuchen brauchten[,] um ihn über die Lage, – die ja der Grund der Friedensresolution war [–,] aufzuklären. Wenn diese Dummköpfe > gefährdet wäre, wenn diese Dummköpfe dieser am 8. Dezember 1917 in der Heidelberger Aula gehalten hat; vgl. dazu den Bericht über diese Rede unter dem Titel: Die weltgeschichtlichen Probleme des großen Krieges und der neue Burgfriede, in: Heidelberger Tageblatt, Nr. 289 vom 10. Dez. 1917, S. 3, Vortrag Prof. Dr. Oncken, in: Heidelberger Zeitung, Nr. 289 vom 10. Dez. 1917, S. 3; Die weltgeschichtlichen Probleme des großen Krieges, in: Heidelberger Neueste Nachrichten, Nr. 289 vom 10. Dez. 1917, S. 2, und die Notiz in Hampe, Kriegstagebuch 1914 – 1919, S. 630. Der Vortrag war von Oncken schon kurz vorher in Königsberg i. Pr. gehalten worden und wurde später unter dem in den Heidelberger Neuesten Nachrichten angegebenen Titel veröffentlicht in der Reihe: Macht- und Wirtschaftsziele der Deutschland feindlichen Staaten, hg. von der Handelshochschule in Könisberg i. Pr., Heft 1. – Berlin: Carl Heymanns Verlag 1918. 2 Weber bezieht sich auf seine Äußerungen im Anschluß an die Rede des FVP-Abgeordneten Julius Kopsch über „Friedenskundgebung des Reichstages, Vaterlandspartei, Kanzlerwechsel“ am 1. Dezember 1917; vgl. dazu die gleichnamige Notiz in: Heidelberger Tageblatt, Nr. 283 vom 3. Dez. 1917, S. 3, mit der kurzen Charakteristik von Webers Ausführungen: „In der nachfolgenden Aussprache wandte sich u. a. Prof. Max Weber an Hand eines Flugblattes gegen die Tätigkeit und die Bestrebungen der Vaterlandspartei. Dabei machte er auch Angaben über unsere Verbündeten, die in öffentlicher Versammlung besser unterblieben wären.“ 3 Zwischen Kaiser Karl und Heinrich Lammasch sowie mit Friedrich Wilhelm Foerster war es im Laufe des Sommers 1917 zu einigen Unterredungen gekommen. Lammasch, der führende Kopf der österreichischen Friedensbewegung und ausgesprochener Gegner der Mitteleuropa-Idee, trat dezidiert für einen Sonderfriedenskurs der Donaumonarchie ein; vgl. dazu Ramhardter, Günther, Geschichtswissenschaft und Patriotismus. Österreichische Historiker im Weltkrieg 1914 – 1918. – München: R. Oldenbourg 1973, S. 66. Zu einer Unterredung des Kaisers mit Friedrich Wilhelm Foerster am 10. Juli 1917 war es wegen dessen Föderalismuskonzept für die autonome Umgestaltung der Länder der Donaumonarchie gekommen. Die daraus resultierende Idee eines „Friedensministeriums“ mit Heinrich Lammasch, Josef Redlich sowie Foerster als möglichem Erziehungsminister stieß aber auf einen derartigen Widerstand, daß sie nicht weiter verfolgt wurde; ebd., S. 68. So führte Foersters Föderalismusplan, wie er ihn am 17. Juli 1917 in der Wiener „Politischen Gesellschaft“ präsentierte, zum Eklat, indem die deutschen Zuhörer zu großen Teilen den Saal verließen – ein Zeichen dafür, daß dieses Konzept unausführbar war. Vgl. dazu Polzer-Hoditz, Arthur Graf, Kaiser Karl. Aus der Geheimmappe seines Kabinettschefs. – Zürich, Leipzig, Wien: Amalthea 1929, S. 458 – 467, Foerster, Friedrich Wilhelm, Erlebte Weltgeschichte 1869 – 1953.

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in Wien allerdings gesagt, daß sie sich nicht grade einen so „anfälligen“ Politiker wie Erzberger auszusuchen brauchten[,] um ihn über die Lage – die ja der Grund der Friedensresolution war, aufzuklären.:앚4 Was diese Ruska’schenc Dummheiten5 anlangt, so verdienen sie Spott und sonst nichts, so widerlich sie für den gerade Betroffenen sind – in diesem Fall zu meinem Bedauern für Sie.6 Aber ich würde nur mit Spott darüber quittieren, es ist das wirksamste. Sie werden einfach als Mitglied der ersten Kammer und früherer Vorsitzender der Partei7 besonders bedacht. – Persönlich halte ich die schärfste Offensive für die richtige Abwehrmethode und werde keine Gelegenheit versäumen[,] dieses Konventikel akademischer Damen und anderer Damen beiderlei Geschlechts8 als wohlmeinende aber hoffnungslose Dummköpfe zu verhöhnen. c In Abschrift: Pruska’schen Memoiren. – Zürich: Christian 1953, S. 236 – 240, sowie Benedikt, Heinrich, Die Friedensaktion der Meinlgruppe 1917/18. Die Bemühungen um einen Verständigungsfrieden, nach Dokumenten, Aktenstücken und Briefen (Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs, Bd. 48). – Graz, Köln: Hermann Böhlaus Nachf. 1962, S. 116 – 142. 4 Matthias Erzberger war im April 1917 im Auftrag von Reichskanzler Bethmann Hollweg in Österreich gewesen und hatte dort u. a. frühzeitige Kenntnis von der geheimen Denkschrift des österreichisch-ungarischen Außenministers Graf Czernin vom 12. April 1917 (Scherer/Grunewald II, Nr. 68, S. 103 – 108) erlangt, in welcher dieser den baldigen Zusammenbruch der Donaumonarchie im Fall der Weiterführung des Krieges erklärte. Erzbergers Wiener Eindrücke haben offenbar – so Webers Ansicht – eine entscheidende Rolle bei dessen plötzlicher Initiative zur Formulierung der Friedensresolution vom 19. Juli 1917 gespielt. Den Inhalt der Geheimdenkschrift vom 12. April 1917 hat Erzberger am 23. Juli 1917 auf einer Sitzung des Reichsausschusses des Zentrums zwar vertraulich mitgeteilt, jedoch ist die Denkschrift seit dem Spätsommer 1917 im Ausland bekannt gewesen, so die Mitteilung bei Fester, Richard, Die Politik Kaiser Karls und der Wendepunkt des Weltkrieges. – J. F. Lehmann 1925, S. 180 und 285f. Daß die Denkschrift durch die Frankfurter Versammlung publik geworden ist, ist wahrscheinlich, aber nicht ganz sicher, geschweige denn belegt. Vgl. dazu Epstein, Klaus, Matthias Erzberger und das Dilemma der deutschen Demokratie (Ullstein Buch Nr. 3227). – Frankfurt/M., Berlin, Wien: Ullstein 1976, S. 229 – 231. 5 Vgl. dazu die Erläuterungen in der Editorischen Vorbemerkung. 6 Zu den Angriffen, die gegen ihn – z. T. anonym – geführt wurden, hat Oncken in seiner Rede vom 8. Dezember 1917 (wie Anm. 1) Stellung genommen und – offensichtlich auf Ruska bezogen – erklärt: „Jetzt habe sich […] ein Herr gefunden, der diese Angriffe mit seinem Namen decke, und dieser könne sich nicht einmal mit der Unkenntnis akademischer Anstandsregeln entschuldigen. Er habe sich selbst an den Pranger gestellt.“ So die Wiedergabe im Heidelberger Tageblatt (wie Anm. 1). 7 D. h. der nationalliberalen Partei. 8 Gemeint ist die Heidelberger Gruppe der „Vaterlandspartei“.

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Friedrich von Duhn 5. Dezember [1917]; Heidelberg Konzept; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 5, Bl. 14 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Anlaß für dieses Briefkonzept waren Gerüchte, die offenbar im Anschluß an eine Vortragsveranstaltung der Fortschrittlichen Volkspartei vom 1. Dezember 1917 über einen angeblich dort gefallenen Ausspruch Max Webers kursierten. Nach dem Vortrag des FVP-Abgeordneten Julius Kopsch über das Thema „Friedenskundgebung des Reichstages, Vaterlandspartei, Kanzlerwechsel“ hatte sich Weber in der anschließenden Diskussion scharfer Worte gegen die Vaterlandspartei bedient. Dazu heißt es in dem Bericht der Heidelberger Zeitung: Öffentliche Versammlung der fortschrittlichen Volkspartei, Nr. 284 vom 4. Dezember 1917, S. 3: „Der Rede folgte eine Diskussion, in der u. a. auch Prof. Max Weber das Wort nahm. So interessant seine Ausführungen auch waren, so wären sie u. E. in dieser öffentlichen Versammlung, die sich nicht aus lauter Politikern zusammensetzte, doch besser unterblieben. Gutes ist damit jedenfalls nicht gestiftet worden. Die Situation während der Ausführungen Prof. Dr. Max Webers war so schwül, daß wir uns nur wundern müssen, daß dem Redner das Wort durch den anwesenden Vertreter der Aufsichtsbehörde nicht entzogen wurde.“ (MWG I/15, S. 780). Offenbar im Umfeld der einen Tag später stattfindenden Veranstaltung der Vaterlandspartei vom 2. Dezember 1917 wurde Weber der Ausspruch „die Feder mache wieder gut, was das Schwert verdorben habe“, zugeschrieben. Vor allem deutet die Erwähnung des (gestrichenen) Namens „Prof. Dr Weber – Frankfurt“ im Briefkopf (vgl. Fußnote c) darauf hin, da „Weber – Frankfurt“ der Hauptredner auf der Veranstaltung am 2. Dezember war. Jedenfalls hat Weber daraufhin an Friedrich v. Duhn als dem Ortsvorsitzenden der Vaterlandspartei das folgende Briefkonzept mit der Bitte um Aufklärung über die Urheberschaft dieser Worte aufgesetzt. Laut Mitteilung an Hermann Oncken vom 10. Dezember 1917, unten, S. 842, hat sich Weber tatsächlich an v. Duhn gewandt, eine Korrespondenz ist jedoch nicht erhalten. Die „Feder-Schwert-Angelegenheit“ hatte noch ein publizistisches Nachspiel, als wenig später eine anonyme Zuschrift im Heidelberger Tageblatt, Nr. 288 vom 8. Dezember 1917, S. 3, erschien, unterzeichnet mit „Ein Bürger, der in beiden Versammlungen war“. Darin hieß es u. a. „Der Satz, daß die Feder wieder gut macht, was das Schwert verdorben hat, – ein Satz, der in der letzten Versammlung der fortschrittlichen Volkspartei von einem hiesigen Universitätsprofessor öffentlich ausgesprochen wurde, gereicht weder der Universität noch der fortschrittlichen Volkspartei zur Ehre. Eine solch frivole Äußerung, zumal aus dem Munde eines Universitätsprofessors, ist bedauerlich.“ Weber hat mit einem „Eingesandt“, erschienen in: Heidelberger Tageblatt, Nr. 289 vom 10. Dezember 1917, S. 4, energisch gegen die ihm in den Mund gelegten Worte protestiert. Die Erklärung wurde erneut veröffentlicht unter dem Titel „Schwert und Parteikampf“, in: FZ, Nr. 344 vom 13. Dezember 1917, 1. Mo.Bl., S. 2 (MWG I/15, S. 397 – 400).

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Heidelberg 5.XII. Sehr geehrter Herr Kollege, – esa wird 앚:Ihnen:앚 die 앚:Verbreitung der:앚 Behauptungb zugeschrieben: sei hier (in H[eidel]b[erg]) die Äußerung gefallen:c es sei „diesmal Gefahr, daß 앚:was die Feder gut gemacht habe, nun:앚 durch das Schwert verdorben werde“d (odere ähnliche). fSie sollen diese (oder eine dem Sinn nach Dem entsprechende) Äußerung als „durchaus frivol“ bezeichnet und entweder mir zugeschrieben oder in einer Art weitergegeben haben, welche die Annahme nahe gelegt habe, daß sie (so oder ähnlich) von mir gemacht worden sei[.] Ich sehe mich zu der Bitte genötigt, mir freundlichst thunlichst sofort Mitteilung machen zu wollen, ob an dieser Behauptung irgend etwas Wahres ist oder – wie ich gern annehme – nicht.f Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster Max Weber cneuerdings

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a mir > es b c es sei, entweder von Ihnen oder von Herrn Prof. Dr Weber – Frankfurt, öffentlich oder privatim, erklärt worden: „ich hätte die Wendung gebraucht: > neuerdings […] gefallen: d e f – f Darf ich um umgehende Aufklärung bitten, ob Sie eine solche Angabe gemacht haben oder ob sie Ihnen gegenüber gemacht worden ist, und eventuell: von wem? Ich bemerke, daß Ihnen diese Behauptung – wenn auch ohne Nennung meines Namens – 앚:auch:앚 von sehr geachteten Kollegen zugeschrieben wird. > Sie sollen diese […] – wie ich gern annehme – nicht.

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5. Dezember 1917

Paul Ernst [5. Dezember 1917]; [Heidelberg] Brief; eigenhändig DLA Marbach a. N., Nl. Paul Ernst Das Schreiben Max Webers befindet sich als Zusatz auf einem Brief von Marianne Weber an Paul Ernst vom 5. Dezember 1917 aus Heidelberg; dieser hat folgenden Wortlaut: „Hochgeehrter lieber Herr Doktor! Verzeihen Sie[,] daß ich Ihnen erst heute einen Dankesgruß für Ihr liebes Büchlein sende, die Anforderungen der Alltage sind dauernd so groß, daß vieles was man möchte u. sollte liegen bleibt. Ich habe mich deshalb auch erst kürzlich mit Ihnen auf ‚die selige Insel‘ flüchten können[,] auf der Sie die wenigen Menschen in eine Welt von Schönheit tauchen, die ihnen sogar das Ertragen u. Lösen von Problemen[,] die in der Alltagswelt fast notwendig zerbrechen und vergiften[,] möglich macht. Ihre Dichtung ist so eigenartig und reizvoll u. hält einen von Seite zu Seite in einer schönen wohltuenden Zauberstimmung fest u. nach der südlichen Sonne u. all’ dem kindlich harmonischen Leben das sie erweckt, bekommt man schreckliche Sehnsucht. Ich denke Sie müssen jene Insel wirklich erlebt haben[,] um ihre Herrlichkeit so nahe bringen zu können. Ich habe mich in stillen Abendstunden innig an Ihrer Gabe erquickt und danke Ihnen herzlich dafür! Wir gedenken auch gern u. dankbar der guten Stunden, die wir mit Ihnen u. Ihrer Frau verleben durften. Sie werden sich gewiß künftig wiederholen. Mit besten Grüßen an Sie beide Ihre Marianne Weber.“

Sehr verehrter Herr Doktor! Auch ich habe mich herzlich an Ihrer Sendung erfreut. Der „Hullah“1 hat mir einen vergnügten Abend bereitet, vor Allem aber die Erzählung2 die Sehnsucht nach dem Süden erweckt, die wir nun wohl für lange begraben müssen. Der Chronik-artige Stil ist vortrefflich dem Objekt angepaßt und Alles dennoch in die Zeitlosigkeit jener Art von Schicksalen getauchta, welche die „Epik“ formt. Manche der bildhaften Landschaften – der Insel – sind unvergeßlich. Und die Entrückung aus allem Alltäglichen und Realen ist so durchgeführt, daß man die menschliche Schwierigkeit des großen Verzichts der jungen Mutter mit hinnimmt als „sachlich“ durch das Schicksal gefordert. Ich kann nur

a Unsichere Lesung. 1 Ernst, Paul, Der Hulla. Lustspiel in vier Aufzügen. – Berlin: Julius Bard 1907. Als „Hulla“ wird in dem Lustspiel, das im mittelalterlichen Bagdad spielt, ein angeheuerter – meist aus dem sozialen Bereich der Bettler – stammender Pro-forma-Ehemann bezeichnet, der nach der Eheschließung diese sogleich annulieren läßt, um dem vorherigen Ehemann die Wiederverheiratung zu ermöglichen. Ebd., S. 51f. Nach den Bestimmungen des Koran war nämlich eine direkte Wiederverehelichung mit derselben Frau verboten. Ebd., S. 50. 2 Wie aus den folgenden Bemerkungen hervorgeht, handelt es sich hierbei um: Ernst, Paul, Die selige Insel. – Leipzig: Insel 1909.

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hoffen, daß Ihnen recht viele so gute Stunden geschenkt werden wie die Entstehungsstunde dieses schönen Gebildes. Wir denken mit Freude an Ihren Besuch hier und hoffen auf ein Wiedersehen nach dem hoffentlich nicht zu fernen Frieden. In herzlicher Ergebenheit Ihr Max Weber

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Lili Schäfer 7. Dezember [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 61 Das Jahr ist aus dem Briefinhalt erschlossen.

Hbg 7. XII Liebe Lili, ich möchte doch vorschlagen, es diesmal zu lassen.1 Ich habe am 15. 1. in Berlin zu sprechen,2 kann also nicht gut vor dem 17a.1. früh abreisen, also erst am 18. 1. (wohl gegen Mittag) oben3 sein. Nochmal aber besonders hinzureisen kann ich mich nicht entschließen, denn ich habe dann dringend für Wien4 zu thun und bin auch etwas „redemüde“ (5. 1. Stuttgart,5 12. 1. und 15. 1. Berlin!6). Lieber ist mir also, wenn es für diesmal unterbleibt, es sei denn, daß die Schule gradezu in Verlegenheit ist, was aber doch sicher nicht der Fall sein kann.

a 16 > 17 1 Gemeint ist ein Besuch in der Odenwaldschule, die Albert Schäfer besuchte. Schon Anfang März 1917 hatte Max Weber seine Schwester Lili Schäfer zu einer Schulgemeindeversammlung begleitet. Vermutlich war bei dieser Gelegenheit die Idee entstanden, Weber für Kurse zu gewinnen. Später konkretisierte sich der Plan. In seinem Brief an Lili Schäfer vom 25. April 1918 (GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 26, Bl. 64; MWG II/10) schrieb Weber: „Ich meinerseits werde gern, wenn es Geheeb einmal paßt, und wenn sie mich wenigstens dafür logieren können (essen kann ich ja in dem Wirtshaus) einen 14 tägigen Kurs geschichtlicher (kulturgeschichtlicher und politisch-geschichtlicher) Art halten als Ferien-Vergnügen für mich, falls ich leidlich frisch bin. Etwa im Herbst nach Örlinghausen (falls es dazu kommt).“ Zur Odenwaldschule vgl. den Brief an Lili Schäfer, Mitte Juli 1916, oben, S. 476, Anm. 1. 2 Gemeint ist der Vortrag „Aristokratie und Demokratisierung in Deutschland“ (vgl. MWG I/15, S. 733 – 738). 3 In der Odenwaldschule, die oberhalb von Heppenheim an der Bergstraße liegt. 4 Gemeint sind die Vorbereitungen für das Sommersemester 1918 in Wien. 5 Nicht nachgewiesen. 6 Weber meint den Vortrag „Das abendländische Bürgertum“ (nicht überliefert; vgl. MWG I/15, S. 781) am 12. Januar 1918 sowie den oben, Anm. 2, genannten Vortrag am 15. Januar.

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Es scheint also, daß Du Dich in der Richtung eines „Ja“ bewegst.b 7 Als ich s. Z. zuerst von dem Plan hörte, war ich erstaunt und auch in dem Gedanken, daß Du fortgingst, betrübt. Auch fürchtete ich, Du thätest es wesentlich oder nur unter pekuniärem Druck, was ich wirklich unrichtig fände. Aber beim näheren Durchdenken leuchtete mir ein, daßc eine geistige „Gemeinschaft“, die zugleich eine „Gemeinschaft“ des Handelns ist, etwas ist, was Dir, wie Jedem, nicht leicht ersetzbar ist und in der That heutzutage fast nur in dieser Art von familienhaften Schulgemeinschaften sich findet, und daß diese auch den Kindern etwas Einzigartiges bietet oder doch bieten kann. Ich bin nun begierig, ob Deine sonstigen Bedenken sich zerstreuen werden und Du ohne Vorbehalt innerlich kannst (Der thatsächliche Vorbehalt: daß Du eben jederzeit nach 1, 2, 5 Jahren oder wann immer, wieder hierherziehen kannst, liegt ja in den Verhältnissen selbst). Ich meinerseits bleibe durchaus ernsthaft bei meiner Bereitwilligkeit, später (nach Wien, also nach dem 20. VII. k. J.) gelegentlich einmal einen Kurs zu halten, selbstredend nur gegen freie Station 앚:und ohne Entgelt:앚, denn ich würde das als „Ferien“ betrachten, und nur wenn es grade einmal paßt. Mich interessiert die Frage, ob man pädagogisch gewisse geschichtliche Dinge für so junge Altersklassen behandeln kann, es handelt sich also eventuell um ein „Experiment“, das mißglücken kann. Laß Dirs gut gehen und gutes Gelingen! Dein Max

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7 Lili Schäfer erwog um diese Zeit, Heidelberg zu verlassen und mit ihren jüngeren Kindern ganz in die Odenwaldschule zu ziehen, und dort mitzuwirken. „Geheeb kommt es wohl vor allem auf den Gewinn ihrer anziehenden und gewinnenden Persönlichkeit an“, schrieb Marianne Weber an Helene Weber am 12. Oktober 1917 (Bestand Eduard Baumgarten, Deponat BSB München, Ana 446).

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Hermann Oncken 10. Dezember [1917]; Heidelberg Abschrift; maschinenschriftlich ohne Anrede und Schlußformel, mit handschriftlichen Korrekturen von Marianne Weber GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 8, Bl. 93 – 94 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen.

Heidelberg, den 10.XII. Ich habe Herrn v. D[uhn] sowohl wie dem Tageblatt keinen Zweifel darüber gelassen[,] welche Konsequenzen eine Fortsetzung dieser Dummheiten – denn das sind sie ja – von meiner Seite haben würde[,]1 und da ersterer ja ausgesprochen feige ist, so dürfte dies dazu beigetragen haben, daß dieser „Club kapitalistischer Gänseriche“ für jetzt den Rückzug antritt. Ich finde[,] daß Sie diese Leute zu ernst genommen hatten[,] so sehr ich Ihre Entrüstung verstehe. – Ihr Vortrag war vortrefflich2 und in der Sache (England) haben Sie natürlich recht,3 obwohl die bekannte Geheim-Denkschrift des Fürsten Lichnowski4 ein 1 Zu den Gründen von Webers Schreiben an Friedrich v. Duhn vom 5. Dez. 1917 und seiner Zuschrift an das Heidelberger Tageblatt vom 8. Dez. 1917 („Feder-Schwert“Auseinandersetzung) vgl. die Editorische Vorbemerkung zum Brief an v. Duhn vom 5. Dez. 1917, oben, S. 836. 2 Gemeint ist Onckens Rede vom 8. Dezember 1917 in Heidelberg über das Thema: Die weltgeschichtlichen Probleme des großen Krieges; vgl. dazu den Brief an Oncken, nach dem 3. Dez. 1917, oben, S. 833 f., Anm. 1. 3 Weber bezieht sich offensichtlich – in Zusammenhang mit der anschließenden Erwähnung der Denkschrift Karl Max Fürst v. Lichnowskys (vgl. Anm. 4) – auf folgende Passage in Onckens Vortrag vom 8. Dezember 1917: „In London versuchte man […] eine Entspannung herbeizuführen, denn die deutschen Weltziele bedurften nicht eines Weltkrieges, waren vielmehr auf friedlichem Wege zu lösen, aber die Rufe der Alldeutschen über den Kanal machten den Krieg unvermeidlich.“ Zitiert nach: Die weltgeschichtlichen Probleme des großen Krieges und der neue Burgfriede, in: Heidelberger Tageblatt, Nr. 289 vom 10. Dez. 1917, S. 3. Wegen dieser offensichtlich nicht korrekt wiedergegebenen Passage hat Oncken wenig später eine Richtigstellung, um „eine[r] erneute[n] Legendenbildung“ vorzubeugen, publiziert: Oncken und die Vorgeschichte des Krieges, in: Heidelberger Tageblatt, Nr. 290 vom 11. Dez. 1917, S. 3. 4 In seiner Denkschrift von 1916: Meine Londoner Mission 1912 – 1914, hatte Karl Max Fürst von Lichnowsky, der bis Ende Juli 1914 deutscher Botschafter in London war, gravierende Vorwürfe gegen die deutsche Reichsleitung ausgesprochen, die eine erhebliche Mitschuld am Kriegsausbruch trage. Die geheime Denkschrift, in wenigen Exemplaren ausgewählten Persönlichkeiten zugänglich gemacht, gelangte durch Indiskretion ins Ausland und war offensichtlich Ende 1917 auch in Deutschland bekannt; vgl. dazu Hampe, Kriegstagebuch 1914 – 1919, Eintrag vom 6. Dez. 1917, S. 628. Im März 1918 wurde sie unautorisiert in Zürich veröffentlicht. Zur Lichnowsky-Denkschrift vgl.: Zwei deutsche Fürsten zur Kriegsschuldfrage. Lichnowsky und Eulenburg und

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Dokument einer ganz erbärmlichen Gesinnung ist. In Österreich steht die Sache übel. Wesentlich infolge der Persönlichkeit des neuen Kaisers5 und auch Czernin’s[.]6 Die vertrauliche Erklärung des österreichischen Eisenbahnministers: daß er infolge rapider und nicht mehr ausgleichbarer Abnutzung des Eisenbahnmaterials von April an für die Ernährung nicht mehr einstehe,7 ist jetzt, wo Wagen an der russischen Front frei werden, vielleicht nicht mehr so bedrohlich. Aber die Stimmung ist leider recht schwül und selbst Friedjung fragte mich in großem deutsch-österreichen Kreise: ob denn wirklich kein Arrangement über Lothringen angeboten sei – was ich für angebracht hielt kategorisch zu verneinen. Zukunftspolitisch entscheidend ist[,] daß jeder Mann bei unseren Verbündeten weiß: nach dem Krieg sind sie auf die Finanzhilfe Amerikas angewiesen, da wir ihnen nichts geben können. Ich hatte diese Konsequenz des U-Bootkriegesa seinerzeit in einer Denkschrift betont.8 Vorläufig tun ja die Bolschewiki unsere Arbeit vortrefflich. Aber der beste Kenner, der Zimmerwaldisch-radikale Sozialist Otto Bauer, Verfasser einer jetzt sehr beachteten Broschüre,9 war 3 Jahre gefangen, vier Monate im Sommer in Petersburg bei Kerenskii, jetzt in Wien – gibt

a der Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Eine Dokumentation von John C. G. Röhl. – Düsseldorf: Droste 1971. 5 Kaiser Karl drängte auf einen baldigen Friedensschluß; besonders bedenklich schien Weber der Umgang des Kaisers mit Persönlichkeiten ausgeprägt pazifistischer Grundhaltung zu sein; vgl. dazu den Brief an Oncken, nach dem 3. Dez. 1917, oben, S. 834 f., Anm. 3. 6 Seit seiner Denkschrift vom 12. April 1917, die ein besonders düsteres Bild vom damaligen Zustand der Donaumonarchie und ihrem baldigen Zusammenbruch gezeichnet hatte und die aufgrund einer Indiskretion Matthias Erzbergers am 23. Juli 1917 im Laufe des Jahres im Ausland bekannt geworden war, galt Czernin in Deutschland als Anhänger eines Sonderfriedens der Donaumonarchie bzw. als „Flaumacher“. 7 Eine entsprechende Äußerung des damaligen österreichischen Eisenbahnministers, Karl Frhr. v. Banhans, ist nicht nachgewiesen; auch die „Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Ungarisch-Österreichischen Monarchie (1914 – 1918)“, eingeleitet und zusammengestellt von Miklós Komjáthy (Publikationen des ungarischen Staatsarchivs, II. Quellenpublikationen, 10). – Budapest: Akadémiai Kiadó 1966, enthalten keinen derartigen Beleg. Vermutlich hatte Weber davon während seines Wiener Aufenthalts erfahren. 8 Gemeint ist die Denkschrift: „Der verschärfte U-Boot-Krieg“ vom März 1916 (MWG I/15, S. 99 – 125); die von Weber angeführte Passage, ebd., S. 118. 9 Weber bezieht sich auf die unter dem Pseudonym Heinrich Weber erschienene Broschüre: Die russische Revolution und das europäische Proletariat. – Wien: Wiener Volksbuchhandlung Ignaz Brand 1917.

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der Revolution bis zum bürgerlichen Staatsstreich nur Frist bis zum Frühjahr. – Die größten Dummheiten[,] die bei uns in letzter Zeit passiert sind[,] waren die Veröffentlichung der beiden Reden des Kaisers in Curteab de Arges und an der italischen Front!10 Czernin reibt sich die Hände. Hoffentlich macht Hertling mit diesen Schweinereien Schluß.

b In Abschrift: Curten? 10 Laut Schulthess 1917, Teil 1, S. 800, hat Wilhelm II. in Curtea de Arges lediglich das Grab König Carols von Rumänien besucht; in der kurzen Ansprache an die Truppenabordnung von der Moldaufront am 22. September 1917 wurde nur von dem treulosen Fürsten gesprochen, der „die Treue nicht kannte, von dem Abtrünnigen, der sich in einer Zeit, da Deutschland furchtbar kämpfen mußte, als neuer Gegner zu den Feinden des Reiches geschlagen hatte, und von dem ewigen Wunder deutscher Kraft, das sich auch diesem neuen Feinde gegenüber wiederum bewährte.“ Die Rede Wilhelms II. am 14. November 1917 in Udine an das Brandenburgische-Leib-Regiment Nr. 28 nach dessen Durchbruch an der italienischen Front schloß mit dem Fazit: „Der furchtbare Zusammenbruch des Gegners war ein Gottesgericht!“ (Schulthess 1917, Teil 2, S. 203).

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Göttinger Tageblatt 24. Dezember 1917; Heidelberg Konzept; maschinenschriftlich ohne Anrede, mit eigenhändigen Korrekturen und Zusätzen Max Webers GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 8, Bl. 35 – 36 Auf die Annotierung der Unterstreichungen und Anführungszeichen ist verzichtet worden; sie stammen ausnahmslos von Max Weber. Anlaß für Webers Schreiben war ein ungezeichneter Bericht im „Göttinger Tageblatt“: Die Studenten-Versammlung in der Kaiserhalle, ebd., Nr. 314 vom 20. Dezember 1917, S. 3. In dem Artikel wurde über eine dortige studentische Protestversammlung im Anschluß an das Rundschreiben einer Heidelberger Studentengruppe unter Federführung von Ernst Toller berichtet, welches sich gegen die neugegründete Vaterlandspartei richtete. Der Berichterstatter, der bei der einberufenen Versammlung nicht zugelassen war, gab gleichwohl ein längeres Statement über deren Gründe an: „Von Heidelberg aus ist ein Ruf ergangen, ein Unkenruf, der heut’ nach Art der Tiraden unverantwortlicher Politiker zur Propaganda für einen Verzichtfrieden auch unter den Studierenden auffordert. Das alte Heidelberg, das früher als Sitz fester nationaler Grundsätze gegolten hat, hat in seinen Mauern zwei Professoren, Weber und Oncken, die sich heute zu den Gegnern eines deutschen Friedens geschlagen und nun einen studentischen Ausschuß gegründet haben, der den studentischen Anschluß an die Deutsche Vaterlandspartei bekämpfen soll. Die sattsam bekannte, aber nie genug zu geißelnde Haltung des ,Berliner Tageblattes‘ legt die Vermutung nahe, daß es auch hierbei seine Hand im Spiele hat. Eine Sonderbeziehung zwischen diesem Blatte und der Heidelberger Universität ist ja erst in letzter Zeit noch dadurch vor aller Welt festgelegt worden, daß Herr Rudolf Mosse, der geschäftstüchtige Verleger des ,Berl[iner] T[a]g[e]bl[a]tts‘ von der juristischen Fakultät in Heidelberg zum Ehrendoktor ernannt wurde, weil er ihr – ein Stipendium von 100 000 M anläßlich des Mommsen-Gedenktages überwiesen hatte. Und kaum, daß dies geschehen, geht gerade von studentischen Kreisen in Heidelberg eine Propaganda gegen die Vaterlandspartei und damit gegen alles aus, was nicht auf dem Standpunkte steht, daß ,Frieden schließen‘ durchaus nicht gleichbedeutend sei mit einem Verzicht auf den Genuß all der reichen Früchte, die deutsche Standhaftigkeit und Tatkraft in diesem Kriege haben reifen lassen. In unsere akademische Jugend wird also von Heidelberg aus die Brandfackel der Zwietracht und Zersplitterung geworfen. Muß man dabei nicht unwillkürlich an Lloyd Georges mehr offenherziges als kluges Bekenntnis denken, er habe sich 55 Millionen Mark bewilligen lassen, um in Deutschland Zwietracht zu säen, da die Deutschen nur durch Deutsche zu besiegen seien. Sollte am Ende gar von diesen 55 Millionen ein Teil auf direktem oder indirektem Wege in Heidelberg gelandet sein und nun, im Sinne ihrer edlen Spender und Stifter, just in dem Augenblicke sich fühlbar und wirksam bemerkbar machen, da im Osten die deutsche Ernte blutigen Ringens von den Schnittern eingeholt werden soll?“

Mir kommt ein Bericht dera Nummer 314 앚:des „Göttinger Tageblatt“:앚 über eine Versammlung dortiger Studenten vor Augen, welche sich gegen einen pazifistischen Aufruf einiger Heidelberger Studenten wendete. In diesem Bericht ist gesagt:

a Ihrer > der

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„Das alte Heidelberg, das früher als Sitz fester nationaler Grundsätze gegolten hat, hat in seinen Mauern zwei Professoren, Weber und Oncken, die sich heute zu den Gegnern eines deutschen Friedens geschlagen und nun einen studentischen Ausschuß gegründet 앚:(?):앚 haben, der den studentischen Anschluß an die deutsche Vaterlandspartei bekämpfen soll.“ –b Es wird 앚:dann:앚 der Vermutung Ausdruck gegeben, daß dabei das Berliner Tageblatt seine Hand im Spiele habe, dessen Verleger hier kürzlich nach Stiftung eines Stipendiums von 100 000 Mark zum Ehrendoktor ernannt worden sei1 und es wird cunter Berufung aufc Lloyd George’s Bekenntnis:d „er habe 55 Millionen Mark bewilligen lassen, um in Deutschland Zwietracht zu säen“,2 앚:angedeutet, daß:앚 wohl „auf direktem oder indirektem Wege eine Teil dieser Summe in Heidelberg gelandet sein“ möge. –f Da mich mit Göttingen studentische Erinnerungen verbinden,3 sei dazu gesagt: ob etwag die Heidelberger Juristische Fakultät h(welcher weder Prof. Oncken noch ich angehören)h es zweckmäßig finden wird, ein Exempel zu statuieren und den Verfasser durch einen Strafantrag wegen Verleumdung darüber zu belehren, daß auch die erlaubte Dummheit ihre Grenze hat, oder ob sie dies unter ihrer Würde findet und die Beurteilung Psychiatern überläßt, weiß ich nicht. Persönlich aber bemerke ich: Prof. Oncken, welcher der Nationalliberalen Partei angehört, hat 앚:m. W. lediglich,:앚 ebenso wie ich,i den Aufruf des „Bundes für Freiheit und Vaterland“ unterschrieben,4 hinter welchem 5 Millionen organisierte Mitglieder stehen und welcher von dem alldeut-

b Gedankenstrich eigenhändig. c angedeutet: daß > unter Berufung auf d Komma eigenhändig durch Doppelpunkt ersetzt. e einen > ein f Gedankenstrich eigenhändig. g etwas > etwa h Kommata eigenhändig durch Klammern ersetzt. i Komma eigenhändig. 1 Der Verleger des Berliner Tageblatts, Rudolf Mosse, war 1917 zum Dr. h. c. der Juristischen Fakultät in Heidelberg ernannt worden; gleichzeitig hatte er 100 000 Mk. als Stipendien für Studenten zur Verfügung gestellt; vgl. dazu Hampe, Kriegstagebuch 1914 – 1919, Eintrag vom 13. Dez. 1917, S. 631 f., Anm. 381. 2 Eine entsprechende Äußerung von David Lloyd George ist nicht nachgewiesen. 3 Weber hatte im Wintersemester 1885/86 in Göttingen studiert. 4 Gemeint ist der von Weber und Hermann Oncken mitunterzeichnete „Aufruf des Volksbundes für Freiheit und Vaterland“, erschienen u. a. in: Heidelberger Tageblatt, Nr. 298 vom 20. Dez. 1917, S. 2, sowie in: FZ, Nr. 351 vom 20. Dez. 1917, 1. Mo.Bl., S. 1 (MWG I/15, S. 770 – 773).

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schen Heldentum des Mundes ebensoweit entfernt ist wie von irgend welchemk persönlich noch so ehrlich gemeinten Pazifismus, mit welchem die Politik, auch eine noch so „demokratische“ Politik, ebenso wenig arbeiten kann wie etwa mit der Ethik der Bergpredigt. Zu allem Überfluß ist seinerzeit in der Presse festgestellt:l daß hinter mjener studentischenm Erklärungn 5 kein Mitglied des hiesigen Lehrkörpers stand oder steht.6 Davon ganz abgesehen aber möchte ich mein Erstaunen aussprechen, daß man wagen darf, heutzutage der Bürgerschaft einer deutschen Universitätsstadt solchen Blödsinn (denn ein anderer Ausdruck ist nicht möglich) vorzusetzen. Wenno man dortige Studenten im

k welchen > welchem l Komma eigenhändig durch Doppelpunkt ersetzt. m der > jener studentischen n o Und wenn > Wenn 5 Eine Gruppe von Heidelberger Studenten unter Federführung von Ernst Toller hatte im November 1917 zwei Schreiben verfaßt, einmal als Eingabe an den Engeren Senat der Universität Heidelberg vom 9. Nov. 1917 (UA Heidelberg, RA 4897) mit der Forderung, die Einschränkung der studentischen Vereins- und Versammlungsfreiheit aufzuheben, zum anderen hatte sie – mit der oben genannten Eingabe zusammen – ein Rundschreiben an die deutschen Studentenschaften verbreitet, in welchem sie Kritik an der „Anmaßung der Deutschen Vaterlandspartei“ übte, „Sonderinteressen mit dem Wort ,vaterländisch‘ zu decken und zu schützen,“ und zum studentischen Protest dagegen aufrief. Dieses interne, nicht zur Veröffentlichung bestimmte Rundschreiben war von einem anonymen „Universitätsprofessor“ mit Kommentar veröffentlicht worden, erschienen unter dem Titel: Eine „vaterländische“ Kundgebung Heidelberger Studenten, in: Deutsche Zeitung, Nr. 624 vom 11. Dez. 1917, S. 3. 6 Weber bezieht sich auf die Notiz: Lokale Nachrichten. Heidelberg, 19. Dezember. (Von der Universität.), in: Heidelberger Tageblatt, Nr. 297 vom 19. Dez. 1917, S. 3. In der Zuschrift eines Anonymus aus „Professorenkreisen“ war darauf verwiesen worden, daß der Aufruf der Heidelberger Studenten erst durch „Berliner Zeitungen“ bekannt geworden sei und daß diese „Schriftstücke das Produkt eines ganz kleinen und belanglosen Kreises von hiesigen Studenten und Studentinnen“ seien, „von dessen Existenz man erst jetzt“ erfahre. Es handele „sich dabei […] um ein paar unreife Köpfe, die in dieser großen Zeit nichts als einen Tatendrang in Worten aufweisen. Sie hätten allerdings den Takt besitzen sollen, in einem Augenblick, wo so gut wie die ganze Heidelberger Studentenschaft gegen die Feinde im Felde steht, nicht in nationalen Fragen das Wort führen zu wollen. […] Auf diese kosmopolitische Wichtigtuerei wird […] der gesunde nationale Sinn der erdrückenden Majorität der hiesigen Studierenden schon die richtige Antwort zu finden wissen. Da aber ein Berliner Blatt diese Angelegenheit auch mit der politischen Haltung von Heidelberger Professoren in Verbindung zu bringen sich gemüßigt fühlt, so sei hier zu allem Überfluß noch festgestellt, daß kein Mitglied des Lehrkörpers der Universität – ganz gleich, welcher politischen Richtung es angehört – mit diesem unreifen und würdelosen Pazifismus auch nur das Geringste gemein hat.“

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Zusammenhang damit zu Entrüstungskundgebungen veranlaßt, setzt man sie dem Spott aus und sie mögen sich künftig in der Person ihrer politischen Berater mehr vorsehen. Denn:p die kapitolinischen Gänse waren zwar sehr ehrwürdige Vögel, aber:q ihr Schnabel war größer als ihr Gehirn. Heidelberg, 24. Dezember 1917. Prof. Max Weber.

p Doppelpunkt eigenhändig. q Doppelpunkt eigenhändig.

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Siegmund Hellmann 27. Dezember [1917]; Heidelberg Brief; eigenhändig GStA Berlin, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30, Bd. 10, Bl. 5 Das Jahresdatum ist aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Der Brief steht in Zusammenhang mit der Publikation von: Weber, Max, Parlament und Regierung; vgl. dazu die Editorische Vorbemerkung zum Brief an Siegmund Hellmann vom 14. Juni 1917, oben, S. 660.

Heidelberg 27.XII. Sehr verehrter Herr Kollege, –

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nachgerade muß ich doch die Frage stellen: woran es liegt, daß ich noch immer keine Korrekturen meiner Broschüre erhalte?1 Zunächst – Anfang November – wurde mir als Grund genannt: das Mscr. sei noch nicht vollständig dort. Schon das war ganz einerlei, denn ich hatte die schleunige Zusendung des Rests, so schleunig, daß eine Unterbrechung 앚:des Drucks:앚 nicht zu befürchten sei, garantiert. Bald darauf traf der Rest ein. Wiederum versprach der Verlag den Druckbeginn. Bis heut ist nichts geschehen. Ich werde durch dies 앚:vertragswidrige:앚 Verhalten ideell erheblich geschädigt, denn die Broschüre soll aktuell wirken.2 Auch muß ich immer mehr Einzelzusätze machen, je mehr die politische Diskussion fortschreitet. Daß die Zensur die Korrektur erst nach der Korrektur durch mich sehen sollte, und daß ich jede Rücksichtslosigkeit des Ausdrucks gern

1 In seinem Entschuldigungsschreiben vom 9. Jan. 1918 (VA Duncker & Humblot) hat der Verlag „Personalmangel und Wechsel in der Druckerei und die Schwierigkeit des Manuskriptes, das eine doppelte Lesung erforderte“ als Grund für die Verzögerung angegeben, versprach aber für die Zukunft prompte Übersendung der Korrekturfahnen. 2 Auch andere Autoren hatten Unmut über das Nichterscheinen ihrer Arbeiten geäußert, so Theobald Ziegler (Brief vom 9. Dez. 1917; VA Duncker & Humblot, Berlin, Fasz. Max Weber) und Hugo Preuß. Dieser monierte in seinem Brief vom 14. Dez. 1917 an den Verlag (ebd., Fasz. Max Weber): „Die in Ihrem gefl. Schreiben vom 12. d. M. mitgeteilte Nötigung, das Erscheinen der Sammlung ‚innere Politik‘ um reichlich ein Jahr zu verschieben, macht es mehr als zweifelhaft, ob dann meine Arbeit über die Voraussetzungen des parlamentarischen Systems überhaupt noch am Platze ist. Dies [...] angesichts der Tatsache, daß vorher eine Arbeit Max Webers über ‚Probleme des Parlamentarismus‘ erscheinen soll. Ich nehme als selbstverständlich an, daß diese Schrift möglichst bald herauskommen soll, was unbedingt zweckmäßig ist, weil diese Frage gegenwärtig in der Luft liegt und einer berufenen Erörterung dringendst bedarf.“

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preisgebe, um Schwierigkeiten zu vermeiden, habe ich längst erklärt.3 Ich möchte aber nachgerade gern wissen, woran ich eigentlich bin. Mit kollegialer Empfehlung und besten Grüßen Ihr stets ergebenster Max Weber Vom 9– 17/I bin ich in Berlin und erleiden Sendungen eine kleine Verspätung. Sonst bin ich hier.

3 Brief an Duncker & Humblot vom 27. Nov. 1917, oben, S. 824.

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Verzeichnisse und Register

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Personenverzeichnis

Dieses Verzeichnis berücksichtigt alle Personen, die in den Briefen Max Webers selbst Erwähnung finden, mit Ausnahme allgemein bekannter Persönlichkeiten und solcher Autoren, die in bibliographischen Angaben ohne weitere Information genannt werden.

Abbondio, Giovanni (1870 – 1922). Rechtsanwalt und Notar. Vermieter von Zimmern und Appartements in Ascona. Adler, Victor (24.6.1852 – 11.11.1918). Österreichischer sozialdemokratischer Politiker. Nach dem Studium der Medizin Arzt in Wien. 1882 zusammen mit Engelbert Pernerstorfer, 씮 Heinrich Friedjung und Georg Ritter von Schönerer u. a. Verfasser des damals noch nicht antisemitisch ausgerichteten deutsch-nationalen Linzer Programms; während eines Aufenthalts in England 1883 nach einer Begegnung mit Friedrich Engels und August Bebel endgültig für die sozialistische Sache gewonnen; zwischen 1887 und 1899 aufgrund seiner Parteiarbeit 17mal gerichtlich verurteilt und über 18 Monate in Arrest; 1886 Gründung des Wochenblattes „Gleichheit“, nach dessen Einstellung 1889 Gründer und leitender Redakteur der „Arbeiter-Zeitung“, des offiziellen Parteiorgans; veranlaßte 1888/89 die Vereinigung der sozialistischen Parteien in Zisleithanien auf dem Hainfelder Parteitag zur „Sozialdemokratischen Partei Österreichs“; bis zu seinem Tode deren Parteivorsitzender; seit 1905 im österreichischen Abgeordnetenhaus; 1918 nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung und bis zu seinem Tod Staatssekretär des Äußeren. Führender Vertreter der 2. Internationale und entschiedener Verfechter des Friedensgedankens, auch im Weltkrieg. Schwager von 씮 Heinrich Braun. Andrássy, Julius (Gyula) jun., Graf (30.6.1860 – 11.6.1929). Ungarischer Politiker und Staatswissenschaftler. 1885 liberaler Abgeordneter im ungarischen Abgeordnetenhaus, 1893 Unterstaatssekretär; 1904 aus Protest gegen die Politik 씮 István Tiszas Austritt aus der Regierungspartei; nach dem Sturz der ersten Regierung Tisza 1906 – 10 ungarischer Innenminister; 24.10. – 1.11.1918 letzter österreichisch-ungarischer Außenminister, 1921 – 26 als Führer der christlich-demokratischen Partei Mitglied der ungarischen Nationalversammlung; 1921 Teilnahme am mißglückten Oktoberputsch 씮 Kaiser Karls. Anschütz, Gerhard (10.1.1867 – 14.4.1948). Staats- und Verfassungsrechtler. 1891 Promotion zum Dr. jur. in Halle, 1896 Habilitation in Berlin; 1899 o. Professor in Tübingen, 1900 in Heidelberg, 1908 in Berlin und 1916 – 1933 in Heidelberg; Mitglied der DDP; Kommentare zur preußischen und deutschen Verfassung. Nachbarschaftliche und kollegiale Beziehungen zu Max Weber in Heidelberg. Anseele, Edward (Edouard) (26.7.1856 – 18.2.1938). Belgischer sozialistischer Politiker. 1884 Gründer und Leiter des „Vooruit“, der ersten sozialistischen Tageszeitung in Belgien, 1885 Mitbegründer der Belgischen Arbeiterpartei; 1894 – 1936 Abgeordneter im belgischen Parlament; 1918 – 21 Minister für öffentliche Arbeiten, 1925 – 27 für Eisenbahnen,

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Personenverzeichnis

Post und Telegraphenwesen, 1930 Staatsminister; 1934 Ende der politischen Karriere nach dem Zusammenbruch der Bank van de Arbeid, deren Leiter er war.

Ansorge, Conrad (15.10.1862 – 13.2.1930). Komponist, Pianist. Liszt-Schüler, vertonte u. a. Gedichte von Richard Dehmel, 씮 Stefan George und Friedrich Hölderlin. Lehrer von 씮 Mina Tobler. Verheiratet mit 씮 Margarete Ansorge. Ansorge, Margarete, geb. Wegelin (1872 – 1944). Pianistin. Verheiratet mit 씮 Conrad Ansorge. Ballin, Albert (15.8.1857 – 9.11.1918). Unternehmer; seit 1899 Generaldirektor der Hamburg-Amerika-Linie. Verfügte über gute Beziehungen zu Wilhelm II. und zur englischen Hochfinanz; Vermittler bei den deutsch-englischen Flottenverhandlungen vom Frühjahr 1912. Banhals, Karl Freiherr von (12.6.1861 – 15.7.1942). 1917/18 österreichischer Eisenbahnminister. Bassermann, Ernst (26.7.1854 – 24.7.1917). Liberaler Politiker. 1880 Rechtsanwalt in Heidelberg, 1893 – 1917 MdR für die Nationalliberalen; ab 1893 Mitglied des Vorstands, 1898 Fraktions-, 1905 Parteivorsitzender. Gegner der Kanzlerschaft 씮 Theobald von Bethmann Hollwegs; gehörte im Weltkrieg zu den Vertretern umfangreicher Annexionen. Bassermann, Julie, geb. Ladenburg (2.3.1860 – 18.9.1940). Frauenrechtlerin. 1897 Gründungsmitglied, 1898 Vorstandsmitglied und ab 1901 Vorsitzende des Mannheimer Ortsvereins Frauenbildung-Frauenstudium und Initiatorin des Mannheimer Vereinsverbandes, eines Zusammenschlusses der lokalen Frauenvereine, der 1914 zur Ortsgruppe des „Nationalen Frauendienstes“ umgestaltet wurde. Verheiratet mit 씮 Ernst Bassermann. Battisti, Giuseppe Cesare (5.2.1875 – 12.7.1916). Italienischer Geograph und sozialistischer Politiker aus dem Trentino. 1897 geographische Promotion in Florenz, 1911 sozialistischer Abgeordneter im Wiener Reichsrat, 1914 Abgeordneter im Tiroler Landtag. Nach Kriegsausbruch am 12.8.1914 Flucht nach Italien und ab 1915 Teilnahme am Krieg; nach der Gefangennahme am 10.7.1916 als Hochverräter zwei Tage später hingerichtet. Bauch, Bruno (19.1.1877 – 27.2.1942). Philosoph. 1901 Promotion zum Dr. phil. bei 씮 Heinrich Rickert in Freiburg i. Br., 1903 Habilitation bei Hans Vaihinger in Halle; 1903 – 16 Mitherausgeber der „Kant-Studien“; 1910 Titular-Professor in Halle; 1911 o. Professor in Jena; 1934 – 42 Vorsitzender der Deutschen Philosophischen Gesellschaft. Arbeiten über Immanuel Kant und zur Werttheorie. Bauer, Otto (Pseudonym: Heinrich Weber) (5.9.1881 – 4.7.1938). Österreichischer sozialdemokratischer Politiker und Publizist. 1906 Promotion zum Dr. iur. in Wien; 1907 Redakteur bei der „Arbeiter-Zeitung“ und „Der Kampf“; gleichzeitig Dozent an der ArbeiterHochschule; 1907 Sekretär des Abgeordnetenklubs im Parlament; 1914 Kriegsdienst als Leutnant, 1915 in russischer Kriegsgefangenschaft, 1917 Rückkehr nach Wien. 1918 Unterstaatssekretär und ab November Staatssekretär des Äußeren; 2.5.1919 Unterzeichnung des geheimen Anschlußprotokolls mit dem deutschen Außenminister v. Brockdorf-Rantzau, Juli 1919 Rücktritt nach dem Scheitern seiner Anschlußpolitik; 1920 – 34 sozialistischer Abgeordneter des linken Flügels im Nationalrat; 1934 Flucht nach Prag nach seiner Beteiligung an den Februarkämpfen in Wien; Gründer und Leiter des dortigen Aus-

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landsbüros der österreichischen Sozialdemokratie, 1938 Übersiedlung nach Paris. Führender Austromarxist; Hauptwerk: „Das arbeitende Volk und die Nationalitätenfrage“ (1911).

Bäumer, Gertrud (12.9.1873 – 25.3.1954). Repräsentantin der Frauenbewegung und Schriftstellerin. Zunächst Volksschullehrerin, 1892 – 98 Theologie- und Philosophiestudium in Berlin, 1904 Promotion zum Dr. phil.; seit 1912 Mitarbeiterin an 씮 Friedrich Naumanns Zeitschrift „Die Hilfe“. Zusammen mit Helene Lange Herausgeberin der Zeitschrift „Die Frau“ und des „Handbuchs der Frauenbewegung“ (1901– 06, 5 Bände); 1916 – 20 Leiterin des Sozialpädagogischen Instituts Hamburg; 1919/20 Mitglied der verfassunggebenden Nationalversammlung, 1920 – 32 MdR für die DDP, 1929 – 33 Ministerialrätin im Reichsinnenministerium. Stand in persönlichem Kontakt zu Max Weber und war befreundet mit Marianne Weber. Baumgarten, Franz (6.11.1880 – 28.1.1927). Ungarischer Schriftsteller, Ästhetiker, Kritiker und Literaturhistoriker. Schrieb in deutscher Sprache. Begründer des Baumgarten-Literaturpreises. Freund von 씮 Georg von Lukács. Baumgarten, Otto (29.1.1858 – 21.3.1934). Evangelischer Theologe. 1882– 87 im badischen Kirchendienst, 1888 Lizentiat in Halle; 1888 Prediger am Waisenhaus in BerlinRummelsburg; 1890 Privatdozent in Berlin, a. o. Professor in Jena, 1894 – 1926 o. Professor für Praktische Theologie in Kiel. 1912 – 21 Vorsitzender des Evangelisch-Sozialen Kongresses, Mitglied der DDP, 1919 Mitglied der Sachverständigen-Kommission für die Versailler Friedensverhandlungen. Vertrat ein sozial und politisch liberales Christentum, bekämpfte den Antisemitismus und die Kriegsziele der Alldeutschen. Sohn von Hermann und Ida Baumgarten, einer Schwester von 씮 Helene Weber. Seit seiner Studienzeit in Heidelberg freundschaftlich mit Max Weber verbunden. Becker, Carl Heinrich (12.4.1876 – 10.2.1933). Orientalist und preußischer Kultusminister. Studium in Lausanne, Heidelberg und Berlin; 1902 Habilitation in semitischer Philologie in Heidelberg, wo er 1906 zum a. o. Professor ernannt wurde; 1908 Professur für Geschichte und Kultur des Orients in Hamburg, 1913 Ordinarius für orientalische Philologie in Bonn. 1919 Staatssekretär im preußischen Kultusministerium, 1921 und 1925 – 30 preußischer Kultusminister. Benecke, Emilie (Nixel), geb. Fallenstein (4.3.1846 – 14.12.1922). Tochter von Georg Friedrich und 씮 Emilie Fallenstein, geb. Souchay. Heiratete 1886 Ernst Wilhelm Benecke; lebte von 1872 bis 1919 in Straßburg und gelegentlich auch in dem ihrem Manne gehörenden Haus Ziegelhäuser Landstraße 1 in Heidelberg. Schwester von 씮 Helene Weber und Tante von Max Weber. Benecke, Martha, geb. Heseler (24.5.1877 – 11.11.1957). Verheiratet mit Wilhelm Benecke (1868 – 1946), Professor für Botanik in Kiel, Bonn, Berlin und Münster, einem Sohn von 씮 Emilie Benecke und Ernst Wilhelm Benecke und Vetter von Max Weber. Beneke, Alice, geb. Jaquet (5.2.1899 – 25.8.1961). Adoptivtochter von 씮 Margarete Beneke. Beneke, Margarete, geb. Benecke (19.8.1877 – 10.1.1960). Tochter von 씮 Emilie Benekke.

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Bennigsen, Rudolf von (10.7.1824 – 7.8.1902). Nationalliberaler Politiker und Jurist; mit Johannes von Miquel Gründer des Deutschen Nationalvereins; 1867 – 71 Mitglied des Norddeutschen Reichstags, 1871 – 83 MdR; 1867 – 83 MdprAH, dessen Präsident 1873 – 79; führender Repräsentant des um Ausgleich mit Bismarck bemühten Nationalliberalismus, seit 1871 in der Fraktionsspitze der Nationalliberalen im Reichstag; lehnte 1877/78 ein Angebot Bismarcks auf Übernahme eines Ministeramts ab; 1883 Mandatsniederlegung; 1888 – 97 Oberpräsident von Hannover; Rückkehr in den Reichstag nach den „Kartellwahlen“ von 1887, MdR bis 1898. Bergmann, Familie, die mit 씮 Clara und 씮 Ernst Mommsen befreundet war und in Hamburg wohnte. Bernatzik, Edmund (28.9.1854 – 30.3.1919). Österreichischer Staats- und Völkerrechtslehrer. 1874 Promotion zum Dr. jur. in Wien. Nach Tätigkeit im richterlichen Dienst 1886 Habilitation für öffentliches Recht in Wien, 1891 o. Professor in Basel, 1893 in Graz, seit 1894 in Wien; dort zweimal Dekan und 1910/11 Rektor; Mitglied des österreichischen Reichsgerichtes. Führender österreichischer Staats- und Verwaltungsrechtler seiner Zeit. Bernays, Marie (13.5.1883 – 22.4.1939). Sozialpädagogin. 1904 Lehrerinnenexamen, 1906 Abitur in Heidelberg; studierte als eine der ersten zum Studium zugelassenen Frauen in Heidelberg; 1910 Promotion mit einer Studie über die Arbeitsverhältnisse in der Gladbacher Spinnerei und Weberei im Rahmen der Untersuchungen des Vereins für Sozialpolitik über Auslese und Anpassung der Arbeiterschaft in der geschlossenen Großindustrie, die von Alfred und Max Weber betreut wurde. 1916 gründete sie zusammen mit Elisabeth Altmann-Gottheiner die Soziale Frauenschule in Mannheim; als Mitglied der DVP von 1921 bis 1925 im badischen Landtag. 1933 Zuflucht im Kloster Beuron und Konversion. Ab 1908 häufiger Gast bei Max und Marianne Weber. Bernstein, Eduard (6.1.1850 – 18.12.1932). Sozialdemokratischer Politiker und Publizist. Seit 1872 Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschlands; 1881 – 88 Herausgeber der in Zürich erscheinenden Zeitschrift „Der Sozialdemokrat“; 1887 Emigration nach London und Mitarbeiter von Friedrich Engels, Mitarbeiter der „Neuen Zeit“ und der „Sozialistischen Monatshefte“; Theoretiker des revisionistischen Flügels der deutschen Sozialdemokratie; 1901 Rückkehr nach Deutschland; 1902– 07, 1912 – 18 und 1920 – 28 MdR für die SPD; 1910 – 18 Stadtverordneter von Berlin, 1917 – 19 Mitglied der USPD; November 1918 Beigeordneter im preußischen Finanzministerium. Bethmann Hollweg, Theobald von (29.11.1856 – 2.1.1921). Deutscher Staatsmann. Nach einer erfolgreichen Beamtenlaufbahn in der preußischen Staatsverwaltung 1905 preußischer Innenminister; 1907 Staatssekretär des Reichsamts des Innern, Stellvertreter des Reichskanzlers und Vizepräsident des Preußischen Staatsministeriums; 14.7.1909 – 14.7.1917 Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident. Bezold, Carl (18.5.1859 – 21.11.1922). Orientalist. 1880 Promotion zum Dr. phil. bei Franz Delitzsch in Leipzig, 1883 Habilitation in München, 1885– 94 Studien im Britischen Museum London, 1894 o. Professor der orientalischen Sprachen in Heidelberg. Arbeiten zur babylonischen und assyrischen Lexikographie; 1886– 1922 Herausgeber der „Zeitschrift für Assyriologie und vorderasiatische Archäologie“; 1901/02 und 1919/20 Dekan der Philosophischen Fakultät, 1916/17 Prorektor. Biermann, Johannes (11.6.1863 – 19.6.1915). Jurist. Promotion zum Dr. jur. in Berlin, 1890 Habilitation ebd.; 1895 etatmäßiger a. o. Professor ebd. als Nachfolger von Max Weber;

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seit 1896 o. Professor in Gießen; 1915 bei Lemberg gefallen. Arbeiten zum deutschen Privatrecht.

Bili´nski, Leon von (15.6.1846 – 14.6.1923). Österreichisch-polnischer Politiker und Nationalökonom. 1867 Beamter in Lemberg; Privatdozent für politische Ökonomie an der Universität Lemberg, 1874 o. Professor, 1879/80 Rektor ebd.; 1883 in den galizischen Landtag und ins Abgeordnetenhaus gewählt; 1895 – 99 Finanzminister, 1909 – 11 österreichischer Finanzminister, seit 1911 Obmann des Polenklubs, 1912 – 15 k.u.k. Finanzminister, 1918 zog er sich ins Privatleben zurück; 1919 für kurze Zeit polnischer Finanzminister. Bittmann, Carl F.J. (15.8.1851 – 24.8.1936). Chemiker und Sozialpolitiker. 1876 Promotion in Chemie in Freiburg; 1881 – 94 Technischer Direktor der Zuckerfabriken von Glauzig (1881/82), Hildesheim (1882 – 92), Hameln und Frellstedt (1892 – 94); 1895 – 1902 Königlicher Gewerbeinspektor und Gewerberat zu Trier, 1902 – 13 sowie 1917 – 18 Vorstand der badischen Fabrikinspektion und Direktor des Badischen Gewerbeaufsichtsamtes. 1914 – 17 Leiter der sozialpolitischen Abteilung beim Generalgouvernement für Belgien in Brüssel. Bloch, Ernst (8.7.1885 – 4.8.1977). Marxistischer Philosoph. 1908 Promotion zum Dr. phil. bei 씮 Oswald Külpe in Würzburg. 1914 Übersiedlung wegen seiner pazifistischen Überzeugung in die Schweiz; 1919 Rückkehr nach Deutschland; 1919– 33 als Schriftsteller in Berlin; 1933 Emigration in die Schweiz, dann nach Österreich und nach Paris, 1936 in Prag und 1938 in die USA; 1949 Professor in Leipzig, 1957 Zwangsemeritierung. Während einer Studienreise blieben er und seine Frau anläßlich des Baus der Berliner Mauer im Westen, 1962 Gastprofessur in Tübingen. Undogmatischer Marxist, der mit der Kategorie des „Noch nicht“ eine Neubestimmung des historischen Materialismus versuchte. Hauptwerk „Das Prinzip Hoffnung“ (1954 – 59). Gehörte ab 1912 durch die Vermittlung von 씮 Georg von Lukács zum Bekanntenkreis von Max und Marianne Weber. Blumenfeld, (Frau). Vermutlich Bekannte von 씮 Franz Baumgarten. Boese, Franz (2.2.1871 – 3.8.1939). Schriftführer des Vereins für Sozialpolitik; 1908 – 17 enger Mitarbeiter 씮 Gustav von Schmollers. Boll, Franz (1.7.1867 – 3.7.1924). Altphilologe. 1891 Promotion zum Dr. phil. in München. Ab 1892 Beamter der Bayerischen Staatsbibliothek ebd., 1902 Kustos ebd.; 1903 o. Professor in Würzburg, 1908 in Heidelberg; 1910/11 Dekan der Philosophischen Fakultät. Umfangreiche Studien zur Geschichte der Astronomie und Astrologie im Altertum. Borchardt, Rudolf (9.6.1877 – 10.1.1945). Dichter, Übersetzer und Kulturhistoriker. 1895 – 1902 Studium der Archäologie, der orientalischen und klassischen Sprachen in Berlin, Bonn und Göttingen; 1909 Mitherausgeber u. a. mit Hugo von Hofmannsthal des programmatischen Jahrbuches für Dichtung „Hesperus“; gehörte anfänglich zum Stefan GeorgeKreis, geriet jedoch bald in einen scharfen Gegensatz zu diesem; galt als einer der bedeutendsten Übersetzer und Sprachgestalter mittelalterlicher Dichtungen. Bortkiewicz, Ladislaus von (7.8.1868 – 15.7.1931). Nationalökonom und Statistiker. 1893 Promotion zum Dr. phil. bei Wilhelm Lexis in Göttingen, 1895 Habilitation in Straßburg; 1897 – 1900 Beamter im russischen Verkehrsministerium; 1901 a. o., 1920 – 31 o. Professor für Staatswissenschaften und Statistik in Berlin; beschäftigte sich vornehmlich mit Problemen der Wahrscheinlichkeitsrechnung in der Statistik.

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Böttcher, Friedrich (13.2.1842 – 13.5.1922). Publizist. Promotion zum Dr. phil., Gründer der „Nationalliberalen Correspondenz“; 1878 – 95 MdR für die Nationalliberalen. Braun, Heinrich (23.11.1854 – 8.2.1927). Sozialpolitiker und Publizist. 1881 Promotion zum Dr. phil. in Halle; 1883 mit Karl Kautsky und Wilhelm Liebknecht Mitbegründer der „Neuen Zeit“, seit 1888 Herausgeber des „Archivs für soziale Gesetzgebung und Statistik“ („Brauns Archiv“), das er 1903 an 씮 Edgar Jaffé verkaufte, der es mit Max Weber und 씮 Werner Sombart unter dem Titel „Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“ weiterführte; 1892 – 95 Herausgeber des „Sozialpolitischen Zentralblattes“, 1905– 07 der „Neuen Gesellschaft“ und 1911 – 13 der „Annalen für Sozialpolitik und Gesetzgebung“; 1903– 04 MdR für die Sozialdemokratie. Schwager von 씮 Victor Adler. Braus, Dorothea (Dorle) (11.11.1901 – ?). Pianistin. Schülerin von 씮 Conrad Ansorge. Tochter von 씮 Elisabeth und 씮 Hermann Braus. Braus, Elisabeth (Lisbeth), geb. Fürbringer (24.3.1879 – 11.5.1929). Verheiratet mit 씮 Hermann Braus. Braus, Hedwig (Hedi) (15.3.1900 – 4.11.1989). Schweizer Bildhauerin. Verheiratet mit 씮 Hermann Haller. Tochter von 씮 Elisabeth und 씮 Hermann Braus. Braus, Hermann (15.8.1868 – 28.11.1924). Anatom. 1892 Promotion in Jena, 1896 Habilitation ebd.; 1905 a. o. Professor in Heidelberg, 1912 o. Professor ebd. (Nachfolger von Max Fürbringer), 1921 Professor in Würzburg. Heiratete 1899 씮 Elisabeth (Lisbeth) Braus. Brentano, Lujo (18.12.1844 – 9.9.1931). Nationalökonom. 1866 Promotion zum Dr. jur. utr. in Heidelberg, 1867 Promotion zum Dr. phil. in Göttingen, 1871 Habilitation in Berlin, 1872 a. o., 1873 o. Professor in Breslau, 1882 in Straßburg, 1888 in Wien, 1889 in Leipzig und 1891 – 1916 in München; linksliberaler Vertreter der historischen Schule der deutschen Nationalökonomie; 1872 Beteiligung an der Gründung des „Vereins für Sozialpolitik“, gewerkschaftsfreundliche und freihändlerische Ansichten. Max Weber trat seit 1893 in persönliche Beziehungen zu Brentano, der ihn trotz eines Zerwürfnisses im Jahre 1912 wegen der geplanten sozialpolitischen Kundgebung als Nachfolger auf seinen Lehrstuhl vorschlug. Vetter von 씮 Georg von Hertling. Bresser, Anna (21.2.1892 – ?). Studium der Philosophie in Heidelberg. Weiteres nicht zu ermitteln. Breuer, Josef jun. Sohn von Josef Breuer (sen.), dem Mediziner, der mit 씮 Sigmund Freud die „Studien über Hysterie“ verfaßte. Brockhausen, Carl (9.5.1859 – 16.9.1951). Österreichischer Verwaltungsrechtler. 1882 Promotion zum Dr. jur. in Wien; Tätigkeit im Unterrichtsministerium und als Universitätskanzleidirektor; 1894 Habilitation mit einer verwaltungsrechtlichen Arbeit in Wien; seit 1907 o. Professor ebd. Nach dem 1. Weltkrieg setzte er sich für Pazifismus und Völkerverständigung ein; 1895 Mitbegründer der ersten volkstümlichen Universitätskurse in Europa. Brölling. Nicht nachgewiesen.

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Bubnoff, Nicolai von (7.1.1880 – 4.8.1962). Philosoph. 1902 historisch-philologisches Staatsexamen in St. Petersburg; 1902 – 03 Studium in Leipzig, Freiburg i. Br.; 1908 Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg; 1908 – 11 Eigenstudien in Freiburg i. Br., Bonn, München, Heidelberg; 1911 Habilitation in Heidelberg, 1914 – 18 Verlust der venia legendi wegen seiner russischen Staatsbürgerschaft. 1919 Lektor für russische Sprache an der Universität Heidelberg; 1921 Einbürgerung in Baden; 1921 – 24 Dolmetscher; 1924 a. o. Professor in Heidelberg; 1931 – 56 Leiter der Russischen Abteilung des Dolmetscher-Instituts in Heidelberg und Leiter des Slavischen Instituts der Universität Heidelberg; 1939 apl. Professor in Heidelberg; 1946 – 50 etatmäßiger a. o. Prof. an der Wirtschaftshochschule Mannheim; 1946 Honorar-Professor in Heidelberg. Arbeiten zur russischen Geistesgeschichte. Buchen, (Frau). Nicht nachgewiesen. Bücher, Karl (16.2.1847 – 12.11.1930). Nationalökonom. 1870 Promotion zum Dr. phil. in Bonn, 1870 – 78 Tätigkeit als Lehrer in Dortmund und Frankfurt a. M. 1878 – 80 Redakteur für Wirtschafts- und Sozialpolitik bei der „Frankfurter Zeitung“; 1881 Habilitation in München, 1882 o. Professor in Dorpat, 1883 in Basel, 1890 in Karlsruhe und 1892 – 1917 in Leipzig; seit 1874 Mitglied des „Vereins für Sozialpolitik“; gehörte zum linken Flügel dieses Vereins; mit Albert Schäffle 1901 – 03 Herausgeber der „Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft“, 1904 – 23 deren alleiniger Herausgeber; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Bülow, Bernhard Fürst von (3.5.1849 – 28.10.1929). Diplomat und Staatsmann. Seit 1897 Staatssekretär des Auswärtigen Amts; 16.10.1900 – 10.7.1909 Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident; führender Exponent der deutschen „Weltpolitik“; 1915 Sonderbotschafter in Rom, um den Kriegseintritt Italiens noch abzuwenden. Burián von Rajecz, Stefan Graf (16.1.1851 – 20.10.1922). Österreichisch-ungarischer Diplomat und Staatsmann. Nach Abschluß der Konsularakademie diplomatischer Dienst in Alexandria, 1882 – 86 Leiter des Generalkonsulats in Moskau, 1887– 95 a. o. Gesandter und bevollmächtigter Minister in Sofia, 1896 in Stuttgart, 1897 in Athen. 1903 – 12 gemeinsamer Finanzminister Österreich-Ungarns, 1915/16 Außenminister, 1916/18 wieder gemeinsamer Finanzminister, April bis Oktober 1918 erneut Außenminister. Vertreter der austropolnischen Lösung, Gegner des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs und Befürworter eines Kompromißfriedens. Busch, Dora, geb. Jellinek (5.1.1888 – 23.3.1992). Tochter von 씮 Camilla und 씮 Georg Jellinek. 1911 Heirat mit dem Psychiater 씮 Friedrich Busch; Max und Marianne Weber hielten Ansprachen bei ihrer Hochzeit. 1922 Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg und im Schuldienst, 1933 aus rassistischen Gründen entlassen; von Oktober 1944 bis Mai 1945 im Konzentrationslager Theresienstadt. Busch, Friedrich (10.8.1889 – 31.7.1915). Assistenzarzt an der Heidelberger Psychiatrie. 1911 Heirat mit 씮 Dora Busch. 1915 gefallen. Cassirer, Ernst (28.7.1874 – 13.4.1945). Philosoph. 1899 Promotion zum Dr. phil. bei Hermann Cohen in Marburg, 1906 Habilitation in Berlin, 1919 o. Professor in Hamburg; 1933 Emigration nach Großbritannien, 1933 – 35 Gastprofessor in Oxford, 1935 – 41 in Göteborg, 1941 – 44 an der Yale University in New Haven, 1944 an der Columbia Universität in New York; Werke zur Erkenntnistheorie und Geschichtsphilosophie.

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Castendyk, Anna, geb. Möller (22.3.1873 – 7.9.1915). Verheiratet mit Hermann Castendyk. Tochter von 씮 Hertha und 씮 Karl Möller. Castenholz, Max (23.3.1872 – 5.1.1947). Badischer Verwaltungsbeamter. Dr. jur.; 1908 Amtmann in Heidelberg, 1917 Oberamtmann ebd., später Direktor beim Oberversicherungsamt Mannheim. Cecil, Robert 씮 Salisbury, Robert Cecil, Lord of Chamberlain, Houston Stewart (9.9.1855 – 9.1.1927). Englischer Schriftsteller, Kulturhistoriker und Publizist; Vertreter eines deutsch-völkischen Nationalismus; besaß seit 1916 die deutsche Staatsangehörigkeit, Wohnsitz in Bayreuth; setzte sich im 1. Weltkrieg publizistisch für die Kriegsziele der Alldeutschen ein; wurde in Deutschland vor allem als Verfasser antisemitischer Schriften bekannt. Clemen, Paul (31.10.1866 – 8.7.1947). Kunsthistoriker und Denkmalpfleger. 1898 a.o. Professor in Bonn, 1899 o. Professor für Kunstgeschichte und Literatur an der Kunstakademie in Düsseldorf, 1901 o. Professor in Bonn. Seit 1893 war er erster Provinzialkonservator der Rheinprovinz. Freund von 씮 Marie Luise und 씮 Eberhard Gothein. Cohn, Jonas (2.12.1869 – 12.1.1947). Philosoph und Erziehungswissenschaftler. 1892 Promotion zum Dr. phil. in Berlin, 1897 Habilitation in Freiburg i. Br., 1901 a. o. Professor ebd.; 1919 – 33 o. Professor für Philosophie, Psychologie und Pädagogik ebd.; 1933 Emigration nach Großbritannien. Schriften zur Ästhetik, Axiologie und über die Theorie der Dialektik. Curtius, Friedrich (7.7.1851 – 5.5.1933). Jurist und liberaler Politiker. Nach dem Theologieund Jurastudium Verwaltungsbeamter im Elsaß; Kreisdirektor in Straßburg; 1902 – 14 Präsident des Direktoriums der Elsässischen Lutherischen Kirche; erregte 1907 durch die Herausgabe der Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe das Mißfallen Kaiser Wilhelms II.; 1919 gehörte er der „Heidelberger Vereinigung“ an. C´ wiklinski, Ludwig Alexis (27.7.1853 – 1943). 1917/18 österreichischer Minister des Kultus und Unterrichts. Czernin von und zu Chudenitz, Ottokar Graf (26.9.1872 – 4.4.1932). Österreichischer Politiker. 1913 Gesandter in Bukarest, 1916 – 18 Minister des Äußeren; bemühte sich vergeblich um einen Verständigungsfrieden; Rücktritt nach Bekanntwerden der Sixtus-Affäre. 1920 als Vertreter der Deutsch-Demokraten im österreichischen Nationalrat. Delbrück, Hans (11.11.1848 – 14.7.1929). Historiker, Politiker und Publizist. 1873 Promotion zum Dr. phil. in Bonn, 1874 – 79 Lehrer von Kronprinz Friedrich Wilhelms Sohn Waldemar, 1881 Habilitation in Berlin; 1885 a. o., 1895 – 1921 o. Professor für Geschichte ebd.; 1882 – 85 MdprAH und 1884 – 90 MdR für die Deutsche Reichspartei; 1883 – 1919 als Herausgeber der „Preußischen Jahrbücher“ einer der einflußreichsten Publizisten der Wilhelminischen Zeit. Trat während des 1. Weltkrieges gegen die Alldeutschen für einen Verständigungsfrieden ein und gehörte 1919 mit Max Weber der sogenannten Professorenkommission für Kriegsschuldfragen in Versailles an. Schwager von 씮 Adolf von Harnack. Dernburg (? – 1915). Architekt. Weiteres sowie verwandtschaftliches Verhältnis zu 씮 Bernhard Dernburg nicht zu ermitteln.

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Dernburg, Bernhard (17.7.1865 – 14.10.1937). Politiker. Lehre bei der Berliner Handelsgesellschaft, anschließend mehrere Jahre in einem New Yorker Bankhaus tätig, nach seiner Rückkehr nach Deutschland Sekretär der Deutschen Bank und von 1889 bis 1901 Direktor der Deutschen Treuhandgesellschaft, 1901 Direktor der Bank für Handel und Industrie in Berlin, 1906 Direktor der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts, 1907 1. Staatssekretär des neugebildeten Reichskolonialamts, 1910 Rücktritt. 1918 Mitglied der Nationalversammlung (für die DDP), von April bis Juni 1919 Reichsfinanzminister und Vizekanzler im Kabinett Scheidemann, trat aus Protest gegen den Versailler Vertrag von seinem Posten zurück. Von 1920 bis 1930 MdR für die DDP. Dessoir, Max (8.2.1867 – 19.7.1947). Philosoph und Psychologe. 1889 Promotion zum Dr. phil. in Berlin; 1892 zum Dr. med. in Würzburg und Habilitation für Philosophie; 1897 a. o., 1920 o. Professor in Berlin; 1934 emeritiert; 1909 gründete er die „Gesellschaft für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft“. Diederichs, Eugen (22.6.1867 – 2.9.1930). Verleger. Zunächst in der Landwirtschaft tätig, wurde er 1888 Buchhändler. Gründete 1896 in Florenz den nach ihm benannten Diederichs-Verlag, den er ab 1904 in Jena weiterführte; Gründer von Zeitschriften, die das öffentliche Leben reformieren sollten, so „Die Tat“ seit 1912 und die „Akademisch-Soziale Monatsschrift“ seit 1917; Initiator der kulturpolitischen Tagungen von Lauenstein. Dieterich, Albrecht (2.5.1866 – 6.5.1908). Altphilologe und Religionswissenschaftler. 1888 Promotion zum Dr. phil. in Bonn, 1891 Habilitation in Marburg; 1895 etatmäßiger a. o. Professor ebd., 1897 o. Professor in Gießen, 1903 in Heidelberg; Herausgeber des „Archivs für Religionswissenschaften“ und Redaktor der „Religionsgeschichtlichen Versuche und Vorarbeiten“. Mitglied des religionswissenschaftlichen „Eranos“-Kreises; kollegiale Beziehungen zu Max Weber. Dietz. Dienstmädchen von 씮 Lili Schäfer. Dietzel, Heinrich (19.1.1857 – 22.5.1935). Nationalökonom. 1879 Promotion zum Dr. jur. in Göttingen, 1882 zum Dr. phil. bei 씮 Adolph Wagner in Berlin; 1885 a. o., 1886 o. Professor in Dorpat, 1890 in Bonn. Gehörte zum linken Flügel des „Vereins für Sozialpolitik“, wirtschaftspolitisch ein Verfechter des Freihandels; grundlegende Arbeiten zur ökonomischen Theorie. Dilthey, Wilhelm (15.11.1833 – 1.10.1911). Philosoph. 1864 Promotion zum Dr. phil. in Berlin, 1864 Habilitation ebd.; 1866 o. Professor in Basel, 1868 in Kiel, 1871 in Breslau und 1882 – 1905 Professor für Philosophie und Ästhetik in Berlin; Arbeiten zur Geistesgeschichte der Neuzeit sowie zur Theorie der Geisteswissenschaften; gehörte zum engeren Freundeskreis von Max Weber sen. Driesch, Hans (28.10.1867 – 16.4.1941). Philosoph und Biologe. 1889 Promotion zum Dr. phil. bei Ernst Haeckel in Jena; Reisen nach England und Indien, Studienaufenthalt an der Zoologischen Station Neapel; 1900 Privatgelehrter in Heidelberg; 1908/09 Gifford-Lectures in Aberdeen, 1909 Habilitation für Naturphilosophie ebd.; 1911 a. o. (Titular-)Professor ebd., 19112 Übertritt in die Philosophische Fakultät ebd., 1916 o. Honorarprofessor, 1918 etatmäßiger a. o. Professor für Philosophie ebd., 1920 o. Professor in Köln und 1921 – 33 in Leipzig; 1926/27 Gastprofessor in den USA und Argentinien; 1933 Emeritierung; führender Vertreter des Neovitalismus. Gehörte zum engeren Bekanntenkreis von 씮 Alfred Weber in Heidelberg.

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Du Bois, Lili, geb. Hensel (24.6.1864 – 28.10.1948). Schwester des mit Max Weber befreundeten Philosophen 씮 Paul Hensel, Freundin von 씮 Sabine Lepsius. Duhn, Friedrich von (17.4.1851 – 5.2.1930). Archäologe. 1874 Promotion zum Dr. phil. in Bonn, 1879 Habilitation in Göttingen, 1880 o. Professor und Direktor des Archäologischen Instituts in Heidelberg, 1919 Emeritierung und Ernennung zum Honorar-Professor. Teilnehmer an den Ausgrabungen in Troja, 1911/12 Prorektor in Heidelberg, 1886/87, 1895/96, 1915/16 Mitglied des Engeren Senats und Dekan der Philosophischen Fakultät in Heidelberg. Düring, Ernst von (6.5.1858 – 21.12.1944). Mediziner und Heilpädagoge. 1883 Promotion in Erlangen, 1889 Professor an der Medizinschule in Konstantinopel, 1902 a. o. Professor und Direktor der Klinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Kiel, 1906– 10 ärztlicher Leiter des Sanatoriums Dr. Lahmann, Weißer Hirsch bei Dresden. Ebert, Friedrich (4.2.1871 – 28.2.1925). Sozialdemokratischer Politiker. Als Nachfolger August Bebels 1913 Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei; seit 1912 MdR, seit Januar 1916 neben 씮 Philipp Scheidemann Fraktionsvorsitzender; 1918 Vorsitzender des Hauptausschusses des Reichstags; am 9.11.1918 wurde ihm von Max von Baden das Amt des Reichskanzlers übertragen; vom 10.11.1918 – 10.2.1919 Vorsitzender des Rats der Volksbeauftragten; vom 11.2.1919 bis zu seinem Tode erster Reichspräsident. Eberz, Jacob Maria Remigius (als Schriftsteller: Otfried) (1.10.1878 – 21.3.1958). Katholischer Religions- und Geschichtsphilosoph. Studium der Klassischen Philologie und Philosophie, 1902 Promotion in Würzburg, anschließend philosophische, religionshistorische und archäologische Studien in Paris, Heidelberg, London, Florenz und Rom. In Heidelberg hielt er sich 1905 bis 1906 sowie für kürzere Besuche 1908 und 1910 auf und verkehrte unter dem Beinamen „der Ekstatiker“ auch bei 씮 Marie Luise und 씮 Eberhard Gothein. Nach Studien zur Philosophie Platons wandte er sich den theokratischen Prinzipien der katholischen Kirche zu und beschäftigte sich danach mit Forschungen zur Gnostik und Mytheninterpretation, aus der das weibliche Prinzip (Sophia) zur Führung des männlichen Prinzips (Logos) bestimmt war (Gynäkokratie). Ehrenberg, Hans (4.6.1883 – 31.3.1958). Philosoph, Theologe. 1906 Promotion zum Dr. oec. publ. in München; 1909 Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg; 1910 Habilitation ebd.; 1914 – 1918 Kriegsdienst; 1918 a. o. Professor der Philosophie ebd.; 1922 – 24 Studium der Theologie in Münster; 1924 Pfarrer in Bochum; 1933 Verzicht auf die venia legendi an der Universität Heidelberg; 1937 Amtsenthebung in Bochum; 1938 Konzentrationslager Sachsenhausen; 1939 Emigration nach Großbritannien; 1947 Rückkehr nach Deutschland; bis 1954 Pfarrer in Bielefeld. Gehörte zum Bekanntenkreis Max und Marianne Webers in Heidelberg. Eliot, Charles William (20.3.1834 – 22.8.1926). Amerikanischer Wissenschaftsorganisator. 1853 Graduierung in Harvard, 1854 Tutor ebd., 1858 Assistant Professor für Mathematik und Chemie ebd., 1863 – 65 Europareise. 1869 – 1909 Präsident von Harvard. Unter seiner Ägide erfolgte die Gründung der Harvard Law School und die Professionalisierung der Medizinerausbildung. Unterstützte Präsident 씮 Wilsons anfänglichen Neutralitätskurs im Weltkrieg sowie seine späteren Kriegsziele mit dem Projekt des Völkerbundes. Ellstaetter, Karl (15.8.1871 – ?). Kaufmann. 1904 Promotion zum Dr. oec. publ. in München; Eigentümer einer Eisengroßhandlung in Berlin; u. a. Vorstandsmitglied der Hochofenwerk Lübeck AG.

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Engler, Elisabeth (Else) (4.8.1875 – ?) Malerin. Bekannte von 씮 Hans Walter Gruhle. Ernst, Paul (7.3.1866 – 13.5.1933). Nach anfänglichem Theologiestudium Studium der Volkswirtschaftslehre, 1892 Promotion zum Dr. phil. in Bern; bis 1895 Tätigkeit in Landwirtschaft und Verwaltung; danach als Schriftsteller und Dramatiker lebend, bis 1903 in Berlin und bis 1915 in Weimar, von 1918 bis zu seinem Tode in Österreich; Vertreter des Neoklassizismus; Bekanntschaft mit 씮 Georg von Lukács. Erzberger, Matthias (20.9.1875 – 26.8.1921). Politiker. Ausbildung als Volksschullehrer; 1894 – 96 Schuldienst; 1896 Redakteur bei der Stuttgarter Zentrumszeitung „Deutsches Volksblatt“; 1903 MdR für das Zentrum; im Weltkrieg zunächst Vertreter umfangreicher Annexionen, ab Sommer 1917 dann Gegner des uneingeschränkten U-Boot-Krieges und Vertreter eines Verständigungsfriedens; maßgeblich an der Friedensresolution des Reichstags und dem anschließenden Sturz 씮 Theobald von Bethmann Hollwegs beteiligt; Oktober 1918 Staatssekretär, 1919 Minister ohne Portefeuille, 1919/20 Reichsfinanzminister und Vizekanzler; von Offizieren ermordet. Eulenburg, Franz (29.6.1867 – 28.12.1943). Nationalökonom. 1892 Promotion zum Dr. phil. bei 씮 Gustav Schmoller in Berlin, 1899 Habilitation bei 씮 Karl Bücher in Leipzig; 1905 –17 a. o. Titular-Professor in Leipzig, 1917 o. Professor an der TH Aachen, 1919 in Kiel und 1921 – 35 an der Wirtschaftshochschule in Berlin; 1943 gestorben in Gestapohaft; Mitglied im „Verein für Sozialpolitik“. Gehörte zum engeren Kollegenkreis von Max Weber; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Fallenstein, Emilie, geb. Souchay (22.9.1805 – 25.5.1881). Verheiratet mit Georg Friedrich Fallenstein; Mutter von 씮 Helene Weber; Großmutter von Max Weber. Ferrero, Guglielmo (21.7.1871 – 3.8.1942). Italienischer Althistoriker und Soziologe. Von 1930 bis zu seinem Tode als Emigrant in der Schweiz; Professor für Geschichte in Genf. Schwiegersohn von 씮 Cesare Lombroso. Feuchtwanger, Ludwig (28.11.1885 – 14.7.1947). Jurist und Verleger. 1908 Promotion zum Dr. phil. bei 씮 Gustav Schmoller in Berlin, 1915 – 33 Geschäftsführender Direktor des Verlags Duncker & Humblot, 1939 Emigration nach England. Bruder des Schriftstellers Lion Feuchtwanger. Fey, Familie, befreundet mit 씮 Lili Schäfer. Fischer, Aloys (10.4.1880 – 23.11.1937). Pädagoge, Psychologe und Philosoph. 1904 Promotion zum Dr. phil. in München; 1907 Habilitation für Philosophie ebd., 1915 a. o., 1918 o. Professor der Pädagogik ebd., 1937 zwangsemeritiert; Arbeiten zur Grundlegung einer wissenschaftlichen Pädagogik, zur pädagogischen Soziologie und zur philosophischen Phänomenologie. Fleiner, Fritz (24.1.1867 – 26.10.1937). Schweizer Staats- und Verwaltungsrechtler. 1890 Promotion zum Dr. jur. in Zürich; 1892 Habilitation ebd.; 1895 a. o. Professor ebd.; 1897 o. Professor in Basel, 1906 in Tübingen, 1908 als Nachfolger von 씮 Gerhard Anschütz in Heidelberg und von 1915 – 36 in Zürich; Arbeiten zum schweizerischen Bundesstaatsund deutschen Verwaltungsrecht.

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Foerster, Friedrich Wilhelm (2.6.1869 – 9.1.1966). Philosoph und Erziehungswissenschaftler. 1893 Promotion zum Dr. phil. in Freiburg i. Br.; 1892 zusammen mit seinem Vater Wilhelm Foerster, Georg von Gizycki und 씮 Ferdinand Tönnies Gründer der „Gesellschaft für Ethische Kultur“, 1895 – 99 Herausgeber der Zeitschrift „Ethische Kultur“, 1895 wegen scharfer Angriffe auf die Politik Wilhelms II. zu Festungshaft verurteilt, 1898 Habilitation in Zürich und Privatdozent ebd. bis 1912, 1913 a. o. Professor für Philosophie und Pädagogik in Wien, 1914 o. Professor für Pädagogik in München; 1916 wegen seiner pazifistischen Kritik an der Politik des Deutschen Reiches im Weltkrieg für zwei Semester beurlaubt; 1916/17 Aufenthalt in der Schweiz; im Sommer 1917 Gespräche mit dem österreichischen Kaiser 씮 Karl über die Möglichkeiten eines Verständigungsfriedens. Bei Wiederaufnahme seiner Vorlesungen im Herbst 1917 in München heftige Auseinandersetzungen zwischen links- und rechtsgerichteten Studenten; 1918/19 als bayerischer Gesandter der Regierung Eisner in der Schweiz, 1920 Niederlegung der Professur in München und 1922 Übersiedlung in die Schweiz, 1926 nach Frankreich, 1940 Flucht über Spanien, Portugal und Brasilien in die USA, 1942 in New York, ab 1963 wieder in der Schweiz. Forckenbeck, Max von (23.10.1821 – 26.5.1892). Nationalliberaler Politiker; 1861 Mitbegründer der Deutschen Fortschrittspartei und des Nationalvereins; 1866 Mitbegründer der Nationalliberalen Partei; ab 1858 MdprAH, 1866 – 73 dessen Präsident; 1867 – 71 Mitglied des Norddeutschen Reichstags, ab 1871 MdR, 1874 – 79 dessen Präsident; legte 1879 das Reichstagspräsidium infolge von Differenzen über Bismarcks Schutzzollpolitik nieder; 1881 Führer der Sezession; 1884 Anschluß an die Deutsche Freisinnige Partei. 1872 Oberbürgermeister in Breslau, 1878 Oberbürgermeister in Berlin. Fraenkel, Albert (3.6.1864 – 22.12.1938). Internist. 1888 medizinisches Staatsexamen in Straßburg; 1888 – 91 Assistenzarzt in München und Berlin, 1891 – 1914 Arzt in Badenweiler; 1914 – 18 Leiter des Beobachtungslazaretts und beratender Internist des XIV. Armeekorps; 1928 o. Honorarprofessor an der Universität Heidelberg; 1933 Entzug der venia legendi aus rassistischen Gründen. Begründer der intravenösen Strophantintherapie zur Behandlung von Herzkrankheiten. Freud, Sigmund (6.5.1856 – 23.9.1939). Psychiater und Neurologe, Begründer der Psychoanalyse. 1885 Habilitation in Wien, 1902 a. o. Professor, 1920 o. Professor für Neuropathologie in Wien, Psychotherapeutische Praxis. 1938 Emigration nach London. Frick, Ernst (21.9.1881 – 23.8.1956). Eisenmetallgießer, Maler, Schweizer Anarchist. Während eines Kuraufenthalts in Ascona Bekanntschaft mit Erich Mühsam, Johannes Nohl und 씮 Otto Gross. Nach einer einjährigen Haftstrafe in Zusammenhang mit seinen anarchistischen Aktivitäten 1913 Rückzug aus der anarchistischen Bewegung. Er wurde Bildhauer, Maler und Amateurarchäologe. Mitglied der Gruppe „Der große Bär“, zu der auch Marianne Werefkin gehörte. Lebte seit 1911 mit 씮 Frieda Gross zusammen und hatte mit ihr drei Töchter. Friedjung, Heinrich (18.1.1851 – 14.7.1920). Österreichischer Politiker und Historiker. Studium in Wien, Prag und Berlin; 1873 – 79 Lehrer an der Wiener Handelsakademie für Geschichte und Deutsch; wurde aus politischen Gründen entlassen und wirkte anschließend als Wissenschaftler und Publizist. 1882 Verfasser zusammen mit Georg Ritter von Schönerer und 씮 Victor Adler des deutsch-nationalen „Linzer Programms“. Politische Tätigkeit bis Mitte der 90er Jahre („Linzer Programm“); Herausgeber der „Deutschen Wochenschrift“ und 1886/87 auch Schriftleiter der „Deutschen Zeitung“; 1891– 95 im Wiener Gemeinderat tätig; aus der aktiven Politik wegen des zunehmenden Antisemitismus verdrängt.

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Fuchs, Carl Johannes (7.8.1865 – 11.12.1934). Nationalökonom. 1888 Promotion zum Dr. rer. pol. bei Georg Friedrich Knapp in Straßburg, 1889 Habilitation in Staatswissenschaften ebd.; 1891 a. o., 1893 o. Professor in Greifswald, 1897 Nachfolger Max Webers in Freiburg i. Br., von 1908 an in Tübingen; Arbeiten zur Agrarwirtschaft und zur Wohnungsfrage. Geheeb, Paul Hermann Albert Heinrich (10.10.1870 – 1.5.1961). Pädagoge. Studium der Theologie in Berlin und Jena. 1893/94 Mitarbeiter an den Trübner’schen Anstalten bei Jena. 1902 Mitarbeiter von Hermann Lietz im Landeserziehungsheim Haubinda, 1906 gründete er mit Gustav Wyneken die Freie Schulgemeinde Wickersdorf und 1910 mit seiner Frau Edith Geheeb-Cassirer die Odenwaldschule in Oberhambach bei Heppenheim an der Bergstraße, die er bis 1934 leitete. Dorthin übersiedelte 1918 씮 Lili Schäfer mit ihren Kindern. Vertrat die Koedukation und die Gemeinschaftserziehung in Eigenverantwortung der Schüler. Emigrierte 1934 in die Schweiz und gründete dort die „École d’Humanité“. George, Stefan (12.7.1868 – 4.12.1933). Dichter. Studien der Philologie, Philosophie und Kunstgeschichte in Paris, Berlin, München und Wien. 1892 Gründung der „Blätter für die Kunst“. Gruppenbildung einer geistigen Elite von Gelehrten, Dichtern und Künstlern. 1927 erster Empfänger des Goethe-Preises der Stadt Frankfurt. Hauptvertreter der deutschen Neuromantik, hymnischer Künder eines neuen ästhetisch begründeten Ethos. In Heidelberg besuchte er häufig 씮 Friedrich Gundolf und trat über diesen auch in Kontakt zu Max Weber. Gerard, James Watson (25.8.1867 – 6.9.1951). Amerikanischer Diplomat; 1913 – 17 Botschafter in Berlin. Gierke, Julius (seit der Nobilitierung seines Vaters Otto Gierke 1911) von (5.3.1875 – 2.8.1960). Handelsrechtler. 1898 Promotion zum Dr. jur. in Berlin, 1901 Habilitation in Göttingen, 1904 a. o., 1908 o. Professor in Königsberg, 1919 in Halle, 1925 in Göttingen, 1938 vorzeitig emeritiert. Einer der führenden Handelsrechtler seiner Zeit. 1917 Rektor in Göttingen. Gierke, Marie Cäcilie Elise (Lili), geb. Loening (1850 – 1936). Frau von 씮 Otto Gierke. Gierke, Otto (seit 1911:) von (11.1.1841 – 10.10.1921). Rechtshistoriker. 1860 Promotion zum Dr. jur. in Berlin, 1867 Habilitation ebd., 1871 a. o. Professor; 1872 o. Professor in Breslau, 1884 in Heidelberg und 1887 in Berlin; galt als der führende Theoretiker des deutschen Genossenschaftsrechts; nahm 1894 an der preußischen Agrarkonferenz teil; er war einer der profiliertesten Kritiker des Entwurfs des BGB vom germanistischen Standpunkt aus. Akademischer Lehrer von Max Weber. Göhre, Paul (18.4.1864 – 5.6.1928). Evangelischer Theologe und christlich-sozialer, später sozialistischer Politiker. 1885 – 88 und 1890 – 91 Studium der Theologie und Nationalökonomie in Leipzig und Berlin; 1888 – 90 Pfarrgehilfe sowie Redaktionshelfer bei der von Martin Rade herausgegebenen „Christlichen Welt“; 1891 – 94 Generalsekretär des Evangelisch-Sozialen Kongresses. 1892 – 94 Durchführung der Landarbeiterenquete des Evangelisch-Sozialen Kongresses zusammen mit Max Weber. 1894 – 97 Pfarrer in Frankfurt/Oder; 1896 gemeinsam mit 씮 Friedrich Naumann Begründer des Nationalsozialen Vereins und 1897 – 99 dessen 2. Vorsitzender; 1899 Übertritt zur Sozialdemokratischen Partei; 1901 Verzicht auf seine Rechte als Geistlicher, nachdem ein Disziplinarverfahren

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gegen ihn eröffnet wurde; seitdem als Schriftsteller tätig. 1906 Austritt aus der Kirche; 1910 – 18 MdR; 1918/19 Unterstaatssekretär im Kriegsministerium; 1919 – 23 Staatssekretär im preußischen Staatsministerium.

Goldschmidt, Adele, geb. Herrmann (1836 – 23.2.1916). Witwe von 씮 Levin Goldschmidt. Goldschmidt, Levin (30.5.1829 – 16.7.1897). Handelsrechtler. 1851 Promotion zum Dr. jur. in Halle, 1855 Habilitation in Heidelberg, 1860 a. o. (Titular-)Professor, 1866 o. Professor ebd.; 1870 – 75 Rat am Bundes- bzw. Reichsoberhandelsgericht in Leipzig; 1857 – 97 Professor für Handelsrecht in Berlin: 1875 – 77 MdR für die Nationalliberale Partei; 1858 Begründer und Herausgeber, später Mitherausgeber der „Zeitschrift für das gesammte Handelsrecht“. Führender Handelsrechtler seiner Zeit; Lehrer Max Webers. Goluchowski , Graf Agenor (25.3.1849 – 28.3.1921). Österreichischer Diplomat. 1895 – 1906 Minister des Äußeren; unterstützte in der ersten Marokkokrise auf der Konferenz von Algeciras 1906 das verbündete Deutsche Reich; im Weltkrieg Verfechter einer Angliederung Kongreßpolens an die Donaumonarchie.

Goos, Hermann (21.5.1899 – 12.8.1917). Pflegesohn von 씮 August Hausrath. Gothein, Eberhard (29.10.1853 – 13.11.1923). Nationalökonom und Kulturhistoriker. 1877 Promotion zum Dr. phil. bei 씮 Wilhelm Dilthey in Breslau, 1879 Habilitation ebd., 1882 Umhabilitation nach Straßburg; 1884 o. Professor für Nationalökonomie an der TH Karlsruhe, 1890 in Bonn, 1904 – 23 als Nachfolger Max Webers in Heidelberg; Mitbegründer der Handelshochschulen Köln (1901) und Mannheim (1909); Arbeiten zur Wirtschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts und zur Kulturgeschichte der Renaissance und Gegenreformation. Gehörte mit seiner Frau 씮 Marie Luise Gothein, zum engeren Bekanntenkreis Max Webers in Heidelberg; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Bruder von 씮 Georg Gothein. Gothein, Georg (15.8.1857 – 22.4.1940). Liberaler Politiker. Nach dem Jurastudium 1884 Bergassessor in Saarbrücken und Gleiwitz, 1885 – 87 Generalsekretär des oberschlesischen Berg- und Hüttenmännischen Vereins, 1893 – 1901 Erster Syndikus der Breslauer Handelskammer, 1893 – 1903 MdprAH für die Freisinnige Vereinigung als Freihändler und Gegner der Flottenpolitik, 1901 – 18 MdR für die Freisinnige Vereinigung und ab 1910 für die FVP; 1918 Mitbegründer der DDP und Mitglied der Nationalversammlung; 1919 Reichsschatzminister im Kabinett Scheidemann, Rücktritt mit der gesamten Regierung aus Protest gegen den Versailler Vertrag, 1919 – 23 MdR für die DDP; führender Experte in Steuer- und Budgetfragen; Bruder von 씮 Eberhard Gothein. Gothein, Marie Luise, geb. Schröter (12.9.1863 – 24.12.1931). Schriftstellerin. Tochter des Landgerichtsrates Constantin Schröter aus Breslau, verheiratet mit 씮 Eberhard Gothein. 1931 Dr. phil. h.c. der Universität Heidelberg. Gothein, Percy (22.5.1896 – 22.12.1944). Humanismusforscher, Schriftsteller, Erzieher. Meldete sich bei Beginn des Ersten Weltkrieges sofort als Freiwilliger, wurde infolge einer Verletzung noch vor Kriegsende entlassen und studierte daraufhin zunächst Philosophie in Heidelberg, Berlin und Göttingen, dann Romanistik in München; Studienaufenthalt in Italien; 1923 Promotion in Heidelberg. Gehörte schon als Schüler zum George-Kreis. Er kam im Konzentrationslager Neuengamme um. Jüngster Sohn von 씮 Marie Luise und 씮 Eberhard Gothein.

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Gothein, Werner (8.3.1890 – 2.6.1968). Maler, Bildhauer und Keramiker. Dritter Sohn von 씮 Marie Luise und 씮 Eberhard Gothein. Gottlieb, Rudolf (1.9.1864 – 31.10.1924). Österreichischer Pharmakologe. 1887 Promotion zum Dr. med. in Wien, 1890 – 98 Assistent am Pharmakologischen Institut in Heidelberg, 1892 Habilitation ebd., 1896 o. Professor, 1898 o. Professor und Direktor des Pharmakologischen Instituts ebd. Gottl-Ottlilienfeld, Friedrich Edler von (bis zur Nobilitierung des Vaters 1907: Friedrich Gottl) (13.11.1868 – 19.10.1958). Nationalökonom und Soziologe. 1897 Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg, 1900 Habilitation ebd.; 1902 a. o., 1904 o. Professor an der TH Brünn, 1908 an der TH München, 1919 Lehrstuhl für Theoretische Nationalökonomie an der Universität Hamburg, 1924 in Kiel und 1926 – 36 in Berlin; Arbeiten zur Werturteilsfrage; suchte gleich Max Weber und 씮 Werner Sombart eine Verbindung von ökonomischer Theorie und Geschichte sowie ökonomischer Theorie und Soziologie herzustellen; Versuch einer Grundlegung der Sozialwissenschaften; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Grabenko, Elena Andreevna (1889 – ?). Russische Malerin und Anarchistin. 1905 Teilnahme an der Revolution auf der Seite der Narodniki; danach Emigration in die Schweiz und nach Frankreich. 1914 – 18 Ehefrau von 씮 Georg von Lukács. 1919 in Budapest zur Zeit der Ungarischen Räterepublik, Anfang der 20er Jahre Rückkehr nach Rußland. Gradenwitz, Otto (16.5.1860 – 7.7.1935). Rechtshistoriker und Lexikograph. 1880 Promotion zum Dr. jur. in Berlin, 1885 Habilitation ebd., Mitarbeiter an Theodor Mommsens „Vocabularium Iurisprudentiae Romanae“, 1890 a. o. Professor in Berlin, 1895 a. o. Professor in Königsberg, 1896 o. Professor ebd., 1907 in Straßburg, 1909 – 28 in Heidelberg; Herausgeber des „Heidelberger Index zum Codex Theodosianus“, des „Wortverzeichnisses zum BGB“ sowie der „Laterculi vocum Latinarum“; Förderer der juristischen Papyrologie. Gross, Adele, geb. Raymann (11.3.1854 – 20.6.1942). Verheiratet mit 씮 Hans Gross, Mutter von 씮 Otto Gross. Gross, Eva Verena, später Schloffer (9.9.1910 – 5.2.2005). Tochter von 씮 Frieda Gross und 씮 Ernst Frick. Gross, Frieda, geb. Schloffer (12.5.1876 – 12.12.1950). Tochter eines Anwaltes in Graz, Nichte des Philosophen 씮 Alois Riehl in Freiburg. Seit der Pensionatszeit in Freiburg mit 씮 Else Jaffé, geb. von Richthofen, und deren Schwester Frieda Weekley, geb. von Richthofen, befreundet. 1903 Heirat mit 씮 Otto Gross in Graz, 1906 Umzug nach München, lebte seit 1911 in Ascona zusammen mit dem Maler und Anarchisten 씮 Ernst Frick. Seit 1913 Prozesse mit ihrem Schwiegervater 씮 Hans Gross um das Sorgerecht für den ehelichen Sohn 씮 Peter und um die Ehelichkeit der Tochter 씮 Eva Verena Gross; Max Weber unterstützte sie in diesen Prozessen mit juristischem Rat. Gross, Hans (26.12.1847 – 9.12.1915). Jurist, Begründer der gegenüber der normativen Strafrechtswissenschaft eigenständigen Kriminologie. Promotion zum Dr. jur. in Graz. War zunächst Untersuchungsrichter, Staatsanwalt, Landgerichtsrat, später Senatsvorsitzender am Appellationsgericht Graz. Seit 1898 Herausgeber des „Archivs für Kriminal-Anthropologie und Kriminalistik“. 1899 ohne Habilitation o. Professor für Straf- und Strafprozeßrecht an der Universität Czernowitz, 1903 in Prag, 1905 in Graz, seit 1912 Leiter des ersten europäischen Kriminalistik-Instituts in Graz. Vater von 씮 Otto Gross.

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Gross, Otto (17.3.1877 – 13.2.1920). Psychiater und Psychoanalytiker. 1899 Dr. med. in Graz, 1905 Habilitation für Psychopathologie ebd., 1903 Heirat mit 씮 Frieda Gross, 1906 Übersiedlung nach München, wo seine an die Psychoanalyse von 씮 Sigmund Freud anknüpfenden sexualtherapeutischen und anarchistischen Ideen in der Boheme Anklang fanden. Wegen Drogenmißbrauchs Entziehungskuren und Analyse bei C. G. Jung in Zürich; nach Aufenthalten in Ascona und einer psychiatrischen Anstalt in Wien 1913 Übersiedlung nach Berlin, Anschluß an anarchistische Kreise, 1913 auf Veranlassung des Vaters 씮 Hans Gross verhaftet und erneut in eine Wiener psychiatrische Anstalt eingewiesen, 1914 Entmündigung. Nach Kriegsausbruch Militärarzt bis zur Entlassung 1916 wegen neuerlichen Drogenkonsums. Lebte bis zu seinem Tod auf Reisen und zuletzt in Berlin. Gross, Peter (31.1.1907 – 21.9.1946). Sohn von 씮 Frieda und 씮 Otto Gross. Grote, Lucy (1891 – nach 1977). Atemtherapeutin. Studium der klassischen Philologie in München und Heidelberg. Schülerin von Carl Gustav Jung. 1917– 33 verheiratet mit Richard Gustav Heyer. Gruhle, Hans Walter (7.11.1880 – 3.10.1958). Psychiater und Psychologe. 1907 Promotion zum Dr. med. bei Emil Kraepelin in München, 1913 Habilitation in Heidelberg; 1916 – 18 Kriegsdienst; 1919 a. o. (Titular-)Professor ebd., 1934 a. o. Professor in Bonn und gleichzeitig kommissarischer Leiter der Bonner Nervenklinik, 1936 Direktor der Heilanstalt Zwiefalten, 1945 der Heilanstalt Weissenau; 1946 a. o. Professor und Direktor der Psychiatrischen und Nervenklinik in Bonn. Arbeiten über Verstehende Psychologie, Geisteskrankheiten und Strafrecht; Aufsätze im „Handwörterbuch der Kriminologie“; gehörte seit dem Frühjahr 1908 zum engeren Bekanntenkreis von Max und Marianne Weber. Grünberg, Carl (10.2.1861 – 2.2.1940). Jurist und Wirtschaftshistoriker. 1886 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1890 – 93 Studium bei dem Nationalökonomen und Wirtschaftshistoriker Georg Friedrich Knapp in Straßburg, 1893 Hof- und Gerichtsadvokat in Wien, 1894 Habilitation ebd.; 1900 a. o., 1909 o. Professor der politischen Ökonomie ebd., 1924 – 31 Professor für wirtschaftliche Staatswissenschaften an der Universität in Frankfurt a. M.; 1924 – 27 Mitbegründer und Direktor des Instituts für Sozialforschung der Universität Frankfurt a. M.; 1910 – 30 Gründer und Herausgeber der Zeitschrift „Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung“. Untersuchungen zur Agrarverfassung und -wirtschaft sowie zur Arbeiterbewegung. Von den Nationalsozialisten ermordet. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Guicciardi, Maria, geb. Tobler (13.5.1875 – 11.1.1950). Ärztin. 1901 Promotion in Medizin. Verheiratet mit Giuseppe Guicciardi, Professor für Medizin in Venedig. Schwester von 씮 Mina Tobler. Gundolf, Ernst (24.12.1881 – 15.5.1945). Jurist und Zeichner. Bruder des Literaturwissenschaftlers 씮 Friedrich Gundolf. Gundolf (mit bürgerlichem Namen bis 1927: Gundelfinger), Friedrich (20.6.1880– 12.7.1931). Literarhistoriker. 1903 Promotion zum Dr. phil. in Berlin; 1911 Habilitation für Neuere Deutsche Literatur in Heidelberg; 1917 a. o., 1920 o. Professor ebd.; trat als Dichter, Übersetzer (mit 씮Stefan George) des Gesamtwerkes von Shakespeare und als Verfasser literaturwissenschaftlicher Bücher hervor; Mitglied des George-Kreises. Gehörte zum Bekanntenkreis von Max Weber in Heidelberg.

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Gutermann, Abraham (5.5.1876 – ?). Russischer Student in Heidelberg, Schüler von 씮 Gustav Radbruch, 1914 interniert. Gutmann, Franz (16.3.1879 – 7.7.1967). Nationalökonom. 1906 Promotion zum Dr. rer. pol. in Straßburg; 1912 Habilitation in Tübingen; 1918 a. o. Professor ebd.; 1921 o. Professor in Jena, 1929 in Breslau, 1931 in Göttingen, 1936 aus rassistischen Gründen emeritiert; Emigration; 1939 Professor an der Universität Chapel Hill, North Carolina, USA, 1949 emeritiert; Arbeiten zur Geschichte der internationalen Wirtschaftsbewegungen sowie wirtschaftshistorische und finanzwirtschaftliche Arbeiten. Zeitweise Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“; sein Beitrag ist nicht erschienen. Gutschkow, Alexander Iwanowitsch; Tl.: Gucˇ kov, Aleksandr Ivanovicˇ (26.10.1862 – 14.2.1936). Russischer Industrieller und Politiker. 1905 Gründer und Führer der Partei der Oktobristen, zu deren rechtem Flügel er gehörte; seit 1907 Mitglied der Duma; 1910 deren Vorsitzender; November 1911 Vorsitzender der Fraktion der Oktobristen; 1915 – 17 Vorsitzender des zentralen Kriegsindustriekomitees; einer der Führer der bürgerlichen Opposition; in der 1. Provisorischen Regierung 15.3. – 15.5.1917 Kriegs- und Marineminister. Guttmann, Bernhard (24.7.1869 – 20.1.1959). Journalist und Schriftsteller. 1895 Promotion zum Dr. phil. in Berlin. Nach Reisen in Ägypten Mitarbeiter der Frankfurter Zeitung in Hamburg und Konstantinopel, 1903 Mitglied der Redaktionskonferenz der FZ, 1908 – 1914 Korrespondent in London, nach Kriegsausbruch politischer Redakteur in Frankfurt, 1919 – 1930 in Berlin. Seither freier Schriftsteller, im Dritten Reich Schreibverbot, der Deportation entgangen. Häberlin, Paul (17.2.1878 – 29.9.1960). Philosoph, Pädagoge, Psychologe. 1903 Promotion zum Dr. phil. in Basel; 1908 Habilitation ebd., 1914 o. Professor für Philosophie und Pädagogik in Bern, 1922 in Basel; naturphilosophische und anthropologische Arbeiten; entwarf eine Kulturphilosophie, gegliedert in Ästhetik, Ethik und Logik; seine pädagogischen Anregungen haben am stärksten gewirkt. Haller, Hermann (24.12.1880 – 23.11.1950). Bildhauer. Besuchte zusammen mit Paul Klee die Malschule Knirr in München, mit dem er auch 1901 ein Jahr in Italien verbrachte. 1902 – 03 arbeitete er in Stuttgart unter Leopold von Kalckreuth, wo er den Maler Karl Hofer kennenlernte. 1903 – 08 Aufenthalt in Rom, wo er sich ausschließlich der Plastik zuwandte. 1909 zog er nach Paris, seit 1914 lebte er in Zürich; nach dem 1. Weltkrieg war er regelmäßig in Berlin, wo er in den Kreisen um Paul Cassirer und Alfred Flechtheim verkehrte. 1945 Heirat in dritter Ehe mit 씮 Hedwig Braus, Klavierschülerin von 씮 Mina Tobler. Hampe, Karl (3.2.1869 – 14.2.1936). Historiker. 1893 Promotion zum Dr. phil. in Berlin, ab 1893 Mitarbeiter der Monumenta Germaniae Historica; 1898 Habilitation für mittelalterliche Geschichte in Bonn, 1901 a. o. Professor ebd., 1903 – 34 o. Professor in Heidelberg. Hauptwerke: „Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer“ (1908 u. ö.) sowie „Das Hochmittelalter. Geschichte des Abendlandes von 900 – 1250“ (1932 u. ö.). Harms, Bernhard (30.3.1876 – 21.9.1939). Nationalökonom. 1901 Promotion zum Dr. sc. pol. bei Gustav von Schönberg in Tübingen, 1903 Habilitation ebd.; 1906 o. Professor der Landwirtschaftlichen Hochschule in Hohenheim; 1906 etatmäßiger a. o. Professor in Jena, 1908 in Kiel; 1934 Honorar-Professor in Berlin; 1911 gründete er das „Institut für Seeverkehr und Weltwirtschaft“ in Kiel; Arbeiten über internationale Wirtschaftsbeziehungen und auf dem Gebiet der Wirtschaftsorganisation; 1912/13 Auseinandersetzung mit Max Weber

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über die Neugestaltung des „Handbuchs der politischen Ökonomie“ und die Berücksichtigung der Interessen der Erben von Gustav von Schönberg.

Harnack, Adolf (seit 1914) von (7.5.1851 – 10.6.1930). Evangelischer Theologe. 1873 Promotion zum Lic. theol. in Leipzig, 1874 Habilitation für Kirchengeschichte ebd., 1876 a. o. Professor ebd., 1879 o. Professor in Gießen, 1886 in Marburg und 1888 trotz massiven Widerstandes kirchlich-konservativer Kreise Berufung nach Berlin; 1888 – 21 o. Professor ebd.; 1903 – 11 Vorsitzender des „Evangelisch-sozialen Kongresses“; 1905 – 21 Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek; Initiator und Präsident der 1911 ins Leben gerufenen „Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften“; aus seinem Schülerkreis (u. a. Martin Rade) entstand 1886/87 die „Christliche Welt“. Gilt als der klassische Vertreter der liberalen Theologie des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts; bedeutend auch als Wissenschaftsorganisator; Schwager von 씮 Hans Delbrück. Setzte sich wie dieser während des Weltkriegs für einen Verständigungsfrieden ein. Harrach, Hans Albrecht Graf von (11.2.1873 – 22.10.1963). Bildhauer. 1915 im Stab des diplomatischen Beraters Oscar von der Lancken-Wakenitz beim Generalgouvernement für Belgien, eingesetzt für Kontakte zur belgischen Presse und zu maßgeblichen Persönlichkeiten. Während der Besatzungszeit war er um ein gutes Verhältnis von Belgiern und Deutschen bemüht. Er meldete sich aufgrund von Problemen mit seinem Vorgesetzten als Rittmeister an die französische Front. Hartmann, Bertha, geb. Rödiger (29.4.1839 – 3.1.1916). Verheiratet mit Moritz Hartmann (1821 – 1872); Mutter von 씮 Ludo Moritz Hartmann. Hartmann, Heinz (4.11.1894 – 17.5.1970). Österreichischer Psychiater und Psychoanalytiker; 1920 Promotion zum Dr. med. für Psychiatrie in Wien. Begründer der Ich-Psychologie; Sohn von 씮 Margarethe und 씮 Ludo Moritz Hartmann. Hartmann, Ludo Moritz (2.3.1865 – 14.11.1924). Historiker und Politiker. 1887 Promotion zum Dr. phil. in Berlin, Schüler von Theodor Mommsen; 1889 Habilitation für Römische und Mittelalterliche Geschichte in Wien, 1903 a. o., 1924 o. Professor; Mitarbeiter an den Monumenta Germaniae Historica, Mitbegründer der „Zeitschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte“; schloß sich 1901 der Sozialdemokratischen Partei an; 1918 – 21 österreichischer Gesandter in Berlin. Mit 씮 Alfred und Max Weber befreundet. Hartmann, Margarethe (Grete), geb. Chrobak (1869 – 9.3.1946). Tochter des Wiener Gynäkologen Rudolf Chrobak; verheiratet seit 1899 mit 씮 Ludo Moritz Hartmann. Hausrath, August (20.6.1865 – 15.5.1944). Altphilologe. 1888 Promotion zum Dr. phil. in Bonn; 1896 Gymnasialprofessor für Latein und Deutsch in Karlsruhe und 1910 in Heidelberg, 1919 Gymnasialdirektor in Wertheim und 1921 in Freiburg i. Br.; Sohn von Adolf Hausrath, Vetter von Max Weber. Lebte 1910 – 13 im selben Haus wie Max und Marianne Weber in der Ziegelhäuser Landstraße 17 in Heidelberg; führender linksliberaler Politiker in Heidelberg. Hausrath, Laura (27.11.1867 – 8.5.1928). Tochter von Adolf Hausrath. Lebte in Heidelberg im Haus Ziegelhäuser Landstraße 17 von 1910 bis 1919 gemeinsam mit Max und Marianne Weber; Cousine von Max Weber. Hausrath, Lilli 씮 Hermann, Lilli

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Haußmann, Conrad (8.2.1857 – 11.2.1922). Rechtsanwalt und liberaler Politiker. 1890 – 1922 MdR, zunächst für die Süddeutsche Volkspartei, dann für die Fortschrittliche Volkspartei, seit 1919 für die DDP; 14.10. – 9.11.1918 Staatssekretär ohne Portefeuille im Kabinett Max von Baden; 1919 Vizepräsident der Nationalversammlung und Vorsitzender des Verfassungsausschusses; trat im 1. Weltkrieg für die Parlamentarisierung der Reichsregierung ein; 1919 gehörte er der „Heidelberger Vereinigung“ an. Hebbel, Friedrich (18.3.1813 – 13.12.1863). Dichter. Heile, Wilhelm (18.12.1881 – 17.8.1969). Redakteur und Politiker. 1906 – 08 Herausgeber der „Deutschen Hochschule“; seit 1912 leitender Redakteur der Zeitschrift „Die Hilfe“; 1918 Begründer der Staatsbürgerschule „Freie Hochschule für Politik“ in Berlin; 1919/20 Mitglied der verfassunggebenden Nationalversammlung, 1920 – 24 MdR für die DDP. Hein, Klara Maria Helene (Lena) (25.11.1891 – 1.1.1980). Klavierlehrerin. Tochter von Elisabeth Hein und Nichte von 씮 Emilie (Emily) Weber, geb. Brassert. Heine, Wolfgang (3.5.1861 – 9.5.1944). Jurist und sozialdemokratischer Politiker; 1898 als Kandidat der Sozialdemokraten in den Reichstag gewählt, 1918/19 Vorsitzender des Staatsrates für Anhalt; 1918 Justizminister in der preußischen Revolutionsregierung; 1919/ 20 preußischer Innenminister; ab 1920 wieder als Rechtsanwalt tätig; 1933 Emigration in die Schweiz. Heinsheimer, Karl (20.10.1869 – 16.6.1929). Jurist. 1891 Promotion in Leipzig; 1903 Habilitation in Heidelberg, 1907 o. Professor ebd. Helfferich, Karl (22.7.1872 – 23.4.1924). Bankier und konservativer Politiker. 1894 Promotion zum Dr. rer. pol. bei Georg Friedrich Knapp in Straßburg, 1899 Habilitation in Berlin; 1902 – 06 Privatdozent in Berlin. Seit 1901 als Währungsfachmann in der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes, 1906 Direktor der „Anatolischen Eisenbahngesellschaft“ in Konstantinopel; 1908 Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, seit 1910 Mitglied des Zentralausschusses der Reichsbank; 31.1.1915 – 22.5.1916 Staatssekretär des Reichsschatzamts, 22.5.1916 – 23.10.1917 Leiter des Reichsamts des Innern; 1918 Gesandter in Moskau; 1920 – 24 MdR für die DNVP. Hellmann, Siegmund (19.3.1872 – 7.12.1942). Historiker. 1896 Promotion zum Dr. phil. in Berlin; 1899 Habilitation in München; 1909 a. o. (Titular-) Professor ebd.; 1923 o. Professor in Leipzig; 1933 vom Lehrstuhl entfernt, lebte er zurückgezogen in München; 1942 nach Theresienstadt deportiert. Arbeiten zur mittelalterlichen Geschichte; Mitherausgegber von Max Webers „Wirtschaftsgeschichte“ (1923). Hensel, Paul (17.5.1860 – 8.11.1930). Philosoph. 1885 Promotion zum Dr. phil. in Freiburg i. Br., 1888 Habilitation in Straßburg bei 씮 Wilhelm Windelband; 1895 a. o. Professor in Straßburg und 1898 – 1902 in Heidelberg, 1902 – 29 o. Professor in Erlangen. Mit Max Weber befreundet, mit dem er 1904 zum Gelehrtenkongreß anläßlich der Weltausstellung in St. Louis reiste. Herkner, Heinrich (27.6.1863 – 27.5.1932). Nationalökonom. 1886 Promotion zum Dr. rer. pol. bei 씮 Lujo Brentano in Straßburg; 1888 Dozent mit Lehrauftrag an der Universität Freiburg i. Br., 1890 etatmäßiger a. o., 1892 o. Professor ebd., 1892 an der TH Karlsruhe, 1898 an der Universität Zürich, 1907 an der TH Charlottenburg, 1912 als Nachfolger

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씮 Gustav von Schmollers in Berlin; 1917 – 29 1. Vorsitzender des Vereins für Sozialpolitik. Arbeiten über eine theoretisch fundierte Sozialpolitik. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Schwager von 씮 Walther Lotz.

Hermann, Friedrich Wilhelm (Fritz) (9.8.1871 – 3.5.1929). Badischer Finanzassessor. Seit 1906 verheiratet mit 씮 Lilli Hermann; die Ehe wurde 1917 für nichtig erklärt. Hermann, Lilli, geb. Hausrath (6.10.1882 – 22.6.1965). Gemeindeschwester. Tochter von Henriette und Adolf Hausrath. Heiratete 1906 씮 Friedrich Wilhelm (Fritz) Hermann, 1913 Trennung, 1917 Nichtigkeitserklärung der Ehe. Lebte von 1913 bis 1919 in Heidelberg im Haus Ziegelhäuser Landstraße 17 gemeinsam mit Max und Marianne Weber; Cousine von Max Weber. Hertling, Georg Graf von (31.8.1843 – 4.1.1919). Philosoph und konservativer Politiker. 1864 Promotion zum Dr. phil. in Berlin, 1867 Habilitation in Bonn, 1880 o. Professor ebd., 1882 in München; Gründer und Präsident (1876 – 1919) der „Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft“; 1875 – 90 und 1896 – 1912 MdR für das Zentrum; 1909 Fraktionsvorsitzender im Reichstag; 1912 bayerischer Ministerpräsident; 1.11.1917– 3.10.1918 Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident; bemühte sich vergeblich um eine Vermittlung zwischen der Reichstagsmajorität und der OHL. Vetter von 씮 Lujo Brentano. Heuß, Elly, geb. Knapp (25.1.1881 – 19.7.1952). Sozialreformerin und Gründerin des Deutschen Müttergenesungswerks. 1899 Lehrerinnenexamen, ab 1900 Tätigkeit an einer Fortschrittsschule, ab 1905 Studium der Volkwirtschaftslehre in Freiburg und Berlin. Über die Bekanntschaft mit 씮 Friedrich Naumann Mitarbeit an der Zeitschrift „Die Hilfe“. Im Dritten Reich schriftstellerisch und in der Werbung tätig. Verheiratet mit Theodor Heuß, Tochter von Georg Friedrich Knapp. Heydebrand und der Lasa, Ernst von (20.2.1851 – 15.11.1924). Konservativer Politiker. 1878 Promotion zum Dr. jur. in Jena mit dem Assessorexamen; 16 Jahre in der preußischen Verwaltung als Assessor tätig; 1895 vom Dienst verabschiedet; 1888– 1918 MdprAH und langjähriger Fraktionsvorsitzender der Deutschkonservativen; 1903– 18 MdR; während des Weltkriegs führender Gegner der preußischen Wahlrechtsreform und der Parlamentarisierung; nach dem Zusammenbruch der Monarchie zog er sich auf seine Ländereien zurück. Heyer, Gustav Richard (29.4.1890 – 19.11.1967). Internist und Psychiater. Zunächst Studium der Forstwirtschaft in Potsdam, dann der Medizin in München und Heidelberg. 1917 Studienabschluß während eines Genesungsurlaubs vom Militär. Schüler von Carl Gustav Jung. Gehörte wie sein Bruder 씮 Wolfgang Heyer zum George-Kreis. Verlobter von 씮 Lucy Grote. Heyer, Wolfgang (30.8.1892 – gefallen im Oktober 1917). Studium der Naturwissenschaften, dann Hinwendung zu Jura und Volkswirtschaft. Wurde 1913 mit Edgar Salin 씮 Stefan George als Schüler 씮 Friedrich Gundolfs vorgestellt. Bruder von 씮 Gustav Heyer. Heymann, Ernst (6.4.1870 – 2.5.1946). Jurist. 1894 Promotion über Römisches Recht in Breslau, 1896 Habilitation ebd.; 1899 a. o. Professor an der Universität Berlin, 1902 o. Professor für Deutsches Recht und Handelsrecht in Königsberg, 1904 in Marburg und von 1914 an in Berlin; 1938 – 42 Vizepräsident der Preußischen Akademie der Wissenschaften;

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Mitglied der Zentraldirektion der Monumenta Germaniae Historica und Leiter der Abteilung „Leges“.

Hindenburg, Paul von Beneckendorff und von (2.10.1847 – 2.8.1934). Generalfeldmarschall. 1903 – 13 Kommandierender General; 1914 Oberbefehlshaber der 8. Armee; gemeinsam mit Ludendorff Sieger von Tannenberg; von August 1916 bis November 1918 Chef der OHL; gewann bestimmenden Einfluß auf die deutsche Kriegspolitik und wirkte am Sturz 씮 Theobald von Bethmann Hollwegs mit; stützte sich bei seiner Vernehmung vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß im November 1919 auf die sog. Dolchstoßlegende; 1925 – 34 Reichspräsident. Hirsch, Julius (30.10.1882 – 14.8.1961). Nationalökonom und Betriebswirtschaftler. 1909 Promotion zum Dr. phil. in Bonn; 1911 Habilitation an der Handelshochschule Köln für „Privatwirtschaftslehre des Handels“; 1914 – 16 Frontsoldat; 1917 Professor an der Handelshochschule in Köln; 1919 Abteilungsleiter im Reichsernährungsministerium; 1919 Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium; wurde nach Rücktritt des sozialdemokratischen Reichswirtschaftsministers Robert Schmidt 1923 zur Disposition gestellt; 1924 Dozent für Betriebswirtschaftslehre an der Handelshochschule Berlin, 1926 an der Universität ebd.; 1928 Honorarprofessor an der Handelshochschule ebd.; war als Sachverständiger an der 1926 vom Reichstag veranlaßten Wirtschaftsenquête beteiligt; 1929 Begründer der Forschungsstelle für Handel in Berlin; 1933 Professor für Betriebswirtschaftslehre in Kopenhagen; 1940 nach der deutschen Besetzung Dänemarks zeitweise in Haft, 1941 Ausreise über die UdSSR und Japan in die USA; 1941 – 61 Professor an der New School for Social Research. Arbeiten zum Handel; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Hirtz. Früheres Kindermädchen von 씮 Else Jaffé. Hitz, Dora (31.3.1856 – 20.11.1924). Malerin. Hobrecht, Arthur (14.8.1824 – 7.7.1912). Nationalliberaler Politiker. 1841 – 44 Studium der Rechtswissenschaften in Königsberg, Leipzig und Halle; Justizdienst; 1846 höherer Verwaltungsdienst; 1847 – 49 Stellvertretender Landrat; 1860 Berufung als Hilfsarbeiter in das Innenministerium; 1863 – 73 Oberbürgermeister von Breslau; 1873 – 78 Oberbürgermeister von Berlin; in dieser Funktion 1863 – 78 MdprHH; 1878 preußischer Finanzminister, schied 1879 wegen Differenzen mit Bismarck aus. 1880 Mitglied des Abgeordnetenhauses; 1881 – 90 nationalliberaler Vertreter des Wahlkreises Marienwerder im Reichstag; 1893 nicht mehr wiedergewählt; gehörte zum Bekanntenkreis von 씮 Max Weber sen. Hobrecht, Emma, geb. Stampe (1.1.1828 – 18.3.1912). Verheiratet mit 씮 Arthur Hobrecht. Hobrecht, Eva-Doris (19.1.1858 – 31.3.1935). Tochter von 씮 Arthur und 씮 Emma Hobrecht. Hobrecht, Fritz. Jurist. Richter in Berlin; Sohn von 씮 Arthur und 씮 Emma Hobrecht. Hock, Paul Freiherr von (20.10.1857 – ?). Österreichischer Politiker und Ministerialbeamter. 1888 – 1903 politischer Beamter in Niederösterreich und Referent der Kommission der Verkehrsanlagen in Wien, Bezirkshauptmann in Floridsdorf, Referent bei der k. k. Statthalterei, dann Rat beim Verwaltungsgerichtshof Wien; 1907 – 18 Mitglied des Reichsrats für die Demokraten. Seit der Gründung 1905 Obmann des Vereins „Freie Schule“.

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Hoetger, Bernhard (4.5.1874 – 18.7.1949). Bildhauer, Architekt, Maler. Hohenlohe-Schillingsfürst, Gottfried Prinz zu (8.11.1867 – 7.11.1932). Österreichischer Diplomat. 1914 – 18 österreichischer Botschafter in Berlin. Bruder von 씮 Konrad Prinz zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Hohenlohe-Schillingsfürst, Konrad Prinz zu (16.12.1863 – 21.12.1918). Österreichischer Politiker. 1906 für einen Monat österreichischer Ministerpräsident, 1906 – 1915 Statthalter in Triest, 1915 – 16 Innenminister, 1916 österreichisch-ungarischer Finanzminister, 1917 erster Oberhofmeister. Hohlskamm. Nicht nachgewiesen. Hohmann, Georg (28.2.1880 – 5.10.1970). Orthopäde. 1903 Promotion zum Dr. med. in Berlin, danach Assistent und Oberarzt an der Universität München, 1910 eigene Praxis, 1918 Habilitation in München, 1923 a. o. (Titular-)Professor ebd., 1926 etatmäßiger a. o. Professor ebd., 1930 o. Professor in Frankfurt a. M., 1945 Rektor ebd., 1946 – 50 bzw. 54 o. Professor in München; sozialpolitisch in seiner Studentenzeit von 씮 Friedrich Naumann beeinflußt, dem Linksliberalismus nahestehend. Horn, von (Frl./Frau, Familie). Wohnte in Schloß Holte in der Nähe von Oerlinghausen. Huch, Margareta (1878 – ?). Schriftstellerin. Pseudonym: Margareta bzw. M.H. Gareth. Husserl, Edmund (8.4.1859 – 27.4.1938). 1882 Promotion zum Dr. phil. bei Leo Königsberger in Wien, 1886 Habilitation in Halle; 1894 a. o. Professor, 1901 o. Professor in Göttingen, 1916 – 28 o. Professor in Freiburg i. Br.; Begründer der Phänomenologie. Ickrath, Gretchen, geb. Gosslar (9.5.1843 – 6.4.1917). Witwe des Gastwirts Paul Ickrath. In deren Haus Ziegelhäuser Landstraße 27 wohnten Max und Marianne Weber von 1906 – 10. Jäckh, Ernst (22.2.1875 – 17.8.1959). Politischer Publizist. 1899 Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg; ließ von Stuttgart aus die „Schwäbische Zeitungs-Korrespondenz“ erscheinen und war zugleich Mitarbeiter verschiedener Tageszeitungen (1901 – 12); gehörte zum Freundeskreis von 씮 Friedrich Naumann; Vorstandsmitglied des „Nationalvereins für das liberale Deutschland“, Mitglied des „Volksbundes für Freiheit und Vaterland“ (1917), Unterzeichner des Gründungsaufrufs für den „Demokratischen Volksbund“ (1918) und Gründungsmitglied der DDP; 1908 Reise in das Osmanische Reich; 1911/12 Erkundigungsfahrt durch Bulgarien; Leiter des „Deutschen Orientkomitees“; 1914 Gründer der „Deutsch-türkischen Vereinigung“; 1914 Gründung der „Deutschen Gesellschaft von 1914“; von WS 1915/16 bis zum WS 1918/19 an der Berliner Handelshochschule; 1918 Mitbegründer der „Reichszentrale für Heimatdienst“; Lehrtätigkeit am Orientalischen Seminar der Universität Berlin; 1920 Gründer der „Deutschen Hochschule für Politik“; 1921 Präsidialmitglied des Reichswirtschaftsrats; 1933 Emigration nach London, wo er als internationaler Direktor die „New Commonwealth Society of Justice and Peace“ ausbaute. Jacobsohn, Berta, geb. Lask (seit 1919 Jacobsohn-Lask) (17.11.1878 – 28.3.1967). Schriftstellerin, Journalistin. Schwester von 씮 Emil Lask und Ehefrau von 씮 Louis Jacobsohn-Lask. Autobiographischer Familienroman „Stille und Sturm“ 1955. Anschluß an die kommunistische Partei; 1933 – 53 Emigration in die Sowjetunion.

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Jacobsohn, Louis (seit 1919 Jacobsohn-Lask) (2.3.1860 – 17.5.1940). Arzt. Etablierte als Privatdozent die Neurologie an der Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität. 1936 Emigration in die Sowjetunion. Mann von 씮 Berta Jacobsohn. Jaffé, Alfred Leopold (27.4.1859 – 27.5.1918). Kaufmann. Bruder von 씮 Edgar Jaffé. Jaffé, Edgar (14.5.1866 – 29.4.1921). Nationalökonom. 1888 – 97 kaufmännischer Teilhaber der von seinem Vater gegründeten Textilexportfirma in Manchester; 1902 Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg, 1904 Habilitation ebd.; 1909 a. o. (Titular-)Professor ebd.; 1910 a. o. Professor für Geld- und Kreditwesen an der Handelshochschule München; 1914 wissenschaftlicher Sachverständiger beim Generalgouvernement in Brüssel; November 1918 bis April 1919 Finanzminister von Bayern; seit 1904 mit 씮 Werner Sombart und Max Weber Herausgeber des „Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“; 1916 Herausgeber der „Europäischen Staats- und Wirtschaftszeitung“; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Verheiratet mit 씮 Else Jaffé. Jaffé, Else, geb. von Richthofen (8.10.1874 – 22.12.1973). Nationalökonomin. Tochter des Pionieroffiziers und Geheimen Baurates Friedrich Freiherr von Richthofen. Lehrerinnenexamen, Studium der Nationalökonomie in Freiburg, Berlin und Heidelberg; 1901 Promotion bei Max Weber in Heidelberg; 1900 – 02 erste Fabrikinspektorin in Karlsruhe; 1902 Heirat mit 씮 Edgar Jaffé, seit 1910 getrennt lebend; seit der gemeinsamen Pensionszeit in Freiburg mit 씮 Frieda Gross, geb. Schloffer, und 1907 mit 씮 Otto Gross befreundet; 1902 – 07 enge Mitarbeiterin 씮 Marianne Webers im Verein Frauenbildung–Frauenstudium in Heidelberg, 1909 Beginn der Beziehungen zu 씮 Alfred Weber und später dessen Lebensgefährtin; 1911 Übersiedlung nach Wolfratshausen im Isartal; lebte nach dem Tod von Edgar Jaffé seit 1925 wieder in Heidelberg. Schwester von Frieda Weekly, geb. von Richthofen; gehörte zu den engsten Freunden Max und Marianne Webers. Jaffé, Friedrich (Friedel) (nach seiner Emigration in die USA: Friedel Jeffrey) (geb. 28.9.1903). Jurist. Ältester Sohn von 씮 Else und 씮 Edgar Jaffé. Jaffé, Hans (25.2.1909 – 8.11.1975). Festkörperphysiker. Studium der Physik und Chemie in Heidelberg und Berlin, 1934 Promotion in Göttingen. Danach zunächst Lehrer an der Gordonstoun School des Reformpädagogen Kurt Hahn; nach der Emigration in die USA als Physiker in der Industrie tätig. Sohn von 씮 Else und 씮 Edgar Jaffé. Jaffé, Peter (24.12.1907 – 15.10.1915). Sohn von 씮 Else Jaffé aus der Beziehung mit 씮 Otto Gross. Patenkind von Max Weber. Jagow, Gottlieb von (22.6.1863 – 11.1.1935). Diplomat. Nach dem Jurastudium Eintritt in den preußischen Verwaltungsdienst; schlug ab 1895 die diplomatische Laufbahn ein; 1906 zum Vortragenden Rat im Auswärtigen Amt ernannt; 1907 Gesandter in Luxemburg; 1909 deutscher Botschafter in Rom; 11.1.1913 – 22.11.1916 Staatssekretär im Auswärtigen Amt; 1916 – 18 MdprHH; zog sich dann von der Politik zurück. Jaspers, Gertrud, geb. Mayer (26.2.1879 – 25.5.1974). Verheiratet mit 씮 Karl Jaspers; Schwester des Historikers Gustav Mayer. Jaspers, Karl (23.2.1883 – 26.2.1969). Philosoph. 1901 zunächst Jurastudium, 1902/03 Wechsel zur Medizin, 1908 Staatsexamen und Promotion zum Dr. med. in Heidelberg, bis 1915 wissenschaftliche Arbeit an der psychiatrischen Klinik in Heidelberg, 1913 Habilitation für Psychologie bei 씮 Wilhelm Windelband in der Philosophischen Fakultät der Univer-

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sität Heidelberg, 1916 a. o. (Titular-)Professor ebd., 1920 etatmäßiger a. o. Professor ebd., 1922 o. Professor für Philosophie ebd.; während der NS-Zeit mit Publikationsverbot belegt, 1937 Zwangsemeritierung; 1945 am Wiederaufbau der Heidelberger Universität beteiligt, 1948 – 61 o. Professor in Basel; umfangreiche Arbeiten zur Existenzphilosophie und Logik. Bekanntschaft mit Max Weber seit 1909.

Jastrow, Ignaz (13.9.1856 – 2.5.1937). Historiker und Nationalökonom. 1878 Promotion zum Dr. phil. in Göttingen, 1885 Habilitation für Geschichte in Berlin und 1892 für Staatswissenschaften ebd.; 1905 a. o., 1920 o. Professor an der Handelshochschule Berlin; 1906 – 09 deren erster Rektor, Herausgeber und Begründer der Zeitschriften „Soziale Praxis“ und „Berliner Jahrbuch für Handel und Industrie“; Arbeiten zur Sozialpolitik, nationalökonomischen Theorie sowie zur Geschichte. Jellinek, Camilla, geb. Wertheim (29.9.1860 – 5.10.1940). Repräsentantin der deutschen Frauenbewegung, Witwe von Georg Jellinek. 1930 Dr. jur. h.c. der Universität Heidelberg. Von 1900 bis 1933 aktiv im Bund Deutscher Frauenvereine tätig, Vorsitzende und Leiterin der Rechtsschutzkommission für Frauen in Heidelberg, 1907 Vorsitzende der Rechtskommission des Bundes Deutscher Frauenvereine, seit 1915 Mitglied des Gesamtvorstandes des Bundes, 1926 – 30 Vorsitzende des badischen Bundes für Frauenbestrebungen; kämpfte schon früh gegen den § 218. Gehörte zum Freundeskreis von Max und Marianne Weber. Joël, Karl (27.3.1864 – 22.7.1934). Philosoph. 1886 Promotion zum Dr. phil. in Leipzig. 1892/93 Habilitation in Basel; 1897 a. o., 1902 o. Professor ebd., 1913 Rektor ebd.; setzte dem in seiner Zeit landläufigen Determinismus die Freiheit des Willens entgegen; gehörte wie auch sein Freund 씮 Georg Simmel zu den Außenseitern seiner Zunft; das von seiner Schwester geführte Haus in Basel war ein beliebter Treffpunkt für viele am geistigen Austausch interessierte Zeitgenossen; u. a. Schriften über: „Ursprung der Naturphilosophie aus dem Geiste der Mystik“ (1906), „Nietzsche und die Romantik“ (1906), Gesamtdarstellung der Philosophiegeschichte. Vertreter des Neuidealismus. Jolly, Julius (21.2.1823 – 14.10.1891). Badischer Politiker. 1847 Habilitation für Staatsrecht in Heidelberg, 1857 a. o. (Titular-)Professor ebd. Mit dem Regierungsantritt des Großherzogs Friedrich I. von Baden Berufung in die badische Regierung, 1861 Regierungsrat, 1862 Ministerialrat, 1866 Präsident des Innenministeriums, 1868 Präsident des Staatsministeriums in Karlsruhe, 1876 Entlassung aus dem Regierungsamt und Ernennung zum Präsidenten der badischen Oberrechnungskammer in Karlsruhe. Zusammen mit Karl Mathy, August Lamey und Franz von Roggenbach liberaler Reformpolitiker insbesondere des Schulwesens, der Innenpolitik und der Kirchenordnung, befürwortete die Anlehnung Badens an Preußen nach 1866 und die Gründung des Deutschen Reiches 1870/71. Heiratete 1852 Elisabeth Fallenstein, eine Halbschwester von Helene Weber, dadurch Onkel Max Webers. Jolly, Karl Philipp (7.10.1857 – 19.11.1923). Badischer Verwaltungsbeamter. Amtsvorstand in Alt-Breisach, Weinheim/Bergstraße und Pforzheim; 1909 – 22 Stadtdirektor in Heidelberg. Sohn von 씮 Julius und Elisabeth Jolly, geb. Fallenstein, einer Schwester von 씮 Helene Weber; verheiratet mit Emilie Jolly, geb. Hausrath; Vetter von Max Weber. Kaempf, Johannes (18.2.1842 – 25.5.1918). Bankier, Politiker. Von 1912 bis 1918 Reichstagspräsident.

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Kaiser, Eva, geb. Jonas. Seit 1916 verheiratet mit 씮 Hellmuth Kaiser. Während der Emigration ca. 1938 in Palästina geschieden. Kaiser, Hellmuth (3.11.1893 – 12.10.1961). Psychoanalytiker. Ab 1912 zunächst Jura-Studium, dann Studium der Mathematik und Philosophie in Göttingen, seit 1915 unterbrochen durch Einsatz als Soldat in Flandern und Verdun. 1922 Promotion in München. Auf Vermittlung von Sigmund Freud Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut, 1929 Abschluß als Psychoanalytiker. 1933 Emigration nach Palästina. 1949 Übersiedlung in die USA. Sohn von 씮 Marie Kaiser. Kaiser, Marie, geb. Kohner (10.12.1865 – 1932). Verheiratet mit Karl Kaiser, von 1897 – 1902 Professor für Physiologie in Heidelberg. Freundin von 씮 Marianne Weber. Karl, Kaiser von Österreich und König von Ungarn (17.8.1887 – 1.4.1922). Nach dem Tode des Erzherzogs Franz Ferdinand 1914 Thronfolger und nach dem Tode Kaiser Franz Josephs am 21.11.1916 zum Kaiser gekrönt; bemühte sich um einen Sonderfrieden und versuchte, die Völker der Monarchie durch politische Amnestie- und Verfassungsreformvorhaben mit dem Gesamtstaat auszusöhnen; verzichtete am 11.11.1918 für Österreich, am 13.11.1918 für Ungarn auf den Thron; Versuche, von der Schweiz aus die Herrschaft in Ungarn wieder zu übernehmen, scheiterten; bis zu seinem Tode im Exil auf Madeira. Kastendyk, Anna 씮 Castendyk, Anna Kauffmann (bei Weber: Kaufmann), Cläre (17.6.1887 – vor dem 17.8.1943). Studium der Philosophie; Schülerin von 씮 Heinrich Rickert. Kerenski, Alexander F.; Tl.: Kerenskij, Aleksandr Fedoroviˇc (4.5.1881 – 11.6.1970). Russischer Politiker, seit 1912 Abgeordneter der sozialistischen Partei der Trudoviki in der Duma; nach Ausbruch der Februarrevolution 1917 einer der stellvertretenden Vorsitzenden des Exekutivkomitees der Sowjets und Justizminister in der Provisorischen Regierung; Mai 1917 Kriegsminister in der Koalitionsregierung; unter seiner Leitung Vorbereitung und Durchführung der den Alliierten zugesagten russischen Offensive vom Sommer 1917 (Kerenskij-Offensive); vom Juli bis zur Oktoberrevolution 1917 Ministerpräsident. Kiliani. Geheimrat. Kisker, Georg (1862 – 1948). Leinenfabrikant. Klein, Franz (24.4.1854 – 6.4.1926). Österreichischer Jurist. 1878 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1879 Richteramtsprüfung, 1883 Advokatenprüfung, 1878– 85 Tätigkeit in einer Advokaturkanzlei, 1885 Habilitation in Wien, 1885 – 91 Kanzleidirektor der Universität Wien, 1887 – 96 a. o. Professor an der orientalischen Akademie (Konsularakademie), 1891 Berufung in das Justizministerium als Ministerialsekretär, 1895 Sektionschef, 1905 Berufung ins Herrenhaus, 1906 – 08 und 1916 Justizminister, 1919 Mitglied der österreichischen Delegation bei den Friedensverhandlungen in St. Germain; Hauptinitiator der österreichischen Zivilprozeßreform, die eine bewußte Abkehr von der Begriffsjurisprudenz darstellte und die gesellschaftlichen Zustände in Rechnung stellte, als Sozialpolitiker vertrat er einen sozialen Gemeinschaftsgedanken. Koch, Adolf (10.3.1855 – 24.11.1924). Historiker und Journalist. 1880 Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg, 1884 Habilitation ebd., 1888 a. o. (Titular-)Professor ebd., außerdem

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seit 1881 Nebentätigkeit an der Universitätsbibliothek Heidelberg, 1888 Kustos ebd.; vertrat in Vorlesungen und Übungen das Gebiet der Journalistik und gründete die „Journalistische Bibliothek“ mit finanzieller Unterstützung von Verlegern; 1913 Entzug der venia legendi als Folge seines Prozesses gegen Max Weber; 1915/16 in politisch-diplomatischer Mission in Konstantinopel; 1916 – 20 Mitarbeiter am Orientalischen Institut in Berlin.

Koerber, Ernest von (6.9.1850 – 5.3.1919). Österreichischer Politiker. 1872 Staatsexamen und Promotion zum Dr. jur. in Wien; 1874 Eintritt in das Handelsministerium, wo er die Verwaltungsstufen sehr schnell durchlief; 1895 Erster Sektionschef im Innenministerium; 1897/98 Handelsminister; 1899 Innenminister; 1900 österreichischer Ministerpräsident, gleichzeitig verwaltete er das Innen- und seit 1902 das Justizministerium; 1904 Rücktritt nach seinem Scheitern in der Nationalitätenfrage; lebte bis 1915 zurückgezogen; 1915 gemeinsamer Finanzminister der Gesamtmonarchie; 31.10.1916 österreichischer Ministerpräsident, 13.12.1916 Rücktritt wegen unüberbrückbarer Differenzen zum Kaiser. Kroner, Richard (8.3.1884 – 2.11.1974). Philosoph. 1908 Promotion zum Dr. phil. bei 씮 Heinrich Rickert in Freiburg i. Br., 1912 Habilitation ebd., 1919 a. o. Professor ebd., 1924 o. Professor an der TH in Dresden, 1929 in Kiel, 1934 in Frankfurt a. M.; 1935 Entzug der venia legendi aus rassistischen Gründen; 1938 Emigration nach Großbritannien, 1941 in die USA; 1941 – 52 Lehrtätigkeit am protestantischen Union Theological Seminary New York und danach an der Temple University Philadelphia; arbeitete über die Philosophie Kants und Hegels. Mitherausgeber des „Logos“. Krückmann, Paul (25.10.1866 – 10.10.1943). Zivilrechtler. 1892 Promotion zum Dr. jur. in Göttingen; 1894 Habilitation ebd.; 1898 a. o. Professor in Greifswald; 1902 – 35 o. Professor in Münster. Arbeiten zur Rechtsdogmatik des BGB. Kühlmann, Richard von (3.5.1873 – 6.2.1948). Diplomat und Politiker; seit 1900 im diplomatischen Dienst; 1915 Gesandter in Den Haag, 1916– 17 Botschafter in Konstantinopel; 7.8.1917 – 9.7.1918 Staatssekretär des Auswärtigen Amtes; Leiter der deutschen Friedensdelegation bei den Verhandlungen von Brest-Litovsk, war aufgrund seiner gemäßigten Haltung in diesen Verhandlungen den Angriffen der OHL und der Rechtsparteien ausgesetzt; Rücktritt im Juli 1918 als Folge der Auseinandersetzungen um seine Bemühungen, einen Verständigungsfrieden zu erreichen. Kühnemann, Eugen (28.7.1868 – 12.5.1946). Philosoph und Literarhistoriker. 1889 Promotion zum Dr. phil. in München, 1894 gescheiterte Habilitation bei 씮 Wilhelm Dilthey in Berlin, 1895 Habilitation in Marburg, 1903 Gründungsrektor der Akademie in Posen, 1906 – 35 o. Professor in Breslau, sechs Amerikareisen mit einigen Gastprofessuren; biographische Arbeiten über Herder, Schiller, Goethe und Kant. Külpe, Oswald (3.8.1862 – 30.12.1915). Philosoph und Psychologe. 1887 Promotion zum Dr. phil. bei Wilhelm Wundt in Leipzig, 1888 Habilitation ebd.; 1887 – 94 Assistent an Wundts Institut für experimentelle Psychologie; 1894 o. Professor in Würzburg, 1909 in Bonn und 1914 in München als Nachfolger von Theodor Lipps; Begründer der Würzburger Schule der Denkpsychologie, in der er einen kritischen Realismus vertrat. Kümmel, Marie, geb. Ulmann (23.9.1873 – 5.4.1915). Verheiratet mit 씮 Werner Kümmel. Kümmel, Werner (29.4.1866 – 19.11.1930). Otologe. 1888 Promotion zum Dr. med. in Straßburg, 1895 Habilitation in Breslau, 1899 etatmäßiger a. o. Professor für Ohren-, Nasen- und Kehlkopfkrankheiten ebd., 1902 a. o. Professor und Direktor der Ohrenklinik in

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Heidelberg, 1907 o. Honorarprofessor ebd., 1926 o. Professor ebd. Verheiratet mit 씮 Marie Kümmel, geb. Ulmann. Vater des Theologen Werner Georg Kümmel.

Küntzel, Georg (20.11.1870 – 7.5.1945). Historiker. 1899 Habilitation, 1906 etatmäßiger Professor für Geschichte an der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften in Frankfurt a. M., 1914 – 34 o. Professor an der Nachfolgeinstitution der Akademie, der neugegründeten Universität Frankfurt a. M.; Arbeiten zur preußischen Geschichte. Lammasch, Heinrich (21.5.1853 – 6.1.1920). Österreichischer Straf- und Völkerrechtslehrer. 1876 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1879 Habilitation für Strafrecht ebd.; a. o. Professor ebd., 1885 – 89 o. Professor in Innsbruck, 1889 – 1914 in Wien; 1899 – 1914 als Vertreter der Mittelpartei MdöHH. Als Strafrechtler maßgeblich am Reformentwurf des ÖStGB von 1912 beteiligt; 1899 und 1907 wissenschaftlicher Berater der österreichisch-ungarischen Delegation bei den beiden Haager Friedenskonferenzen; als Mitglied des Haager Schiedshofes viermal zum wissenschaftlichen Schiedsrichter berufen; im Weltkrieg als aktiver Vertreter der Friedensbewegung und des Völkerbundgedankens Gegner des deutsch-österreichischen Bündnisses und Verfechter eines Verständigungsfriedens; 1917 Ablehnung eines Regierungsamts, amtierte jedoch vom 25.10. – 11.11.1918 als letzter österreichischer Ministerpräsident der Donaumonarchie; 1919 Berater der österreichischen Delegation in St. Germain. Lamping, Wilhelm (Willy) (21.5.1861 – 7.9.1929). Organist. Musikdirektor in Bielefeld. Schwiegersohn von 씮 Hertha und 씮 Karl Möller; Klavierlehrer von 씮 Marianne Weber in Bielefeld. Landmann, Julius (6.8.1877 – 8.11.1931). Nationalökonom. 1900 Promotion zum Dr. phil. in Bern, 1901 – 06 Sekretär beim Internationalen Arbeitsamt in Basel, 1907 Vorsteher des Statistischen Büros der Schweizerischen Nationalbank, 1909 ohne Habilitation o. Professor in Basel, 1927 in Kiel. Arbeiten zur schweizerischen Sozialpolitik und zum Bankenwesen; stand dem George-Kreis nahe. Lang, Otto (15.7.1863 – 23.3.1936). Schweizer Jurist und sozialdemokratischer Politiker. 1883 – 87 Studium der Rechtswissenschaften in München, Heidelberg, Zürich und Berlin. 1888 Bezirksanwalt in Zürich, 1893 Rechtsanwalt ebd., 1896– 1900 Bezirksrichter ebd., 1900 Wahl ins Obergericht, 1910 Wahl zum Vizepräsidenten des Obergerichts, 1914 Obergerichtspräsident; 1916 – 19 sozialdemokratischer Stadtrat der Stadt Zürich; 1920 Rückkehr ans Obergericht. Gilt als Mitbegründer der Schweizer Sozialdemokratie. Befreundet mit 씮 Frieda Gross. Lask, Berta 씮 Jacobsohn, Berta Lask, Cerline, geb. Kohn (19.6.1849 – 14.3.1921). Lehrerin. Mutter von 씮 Berta und 씮 Emil Lask. Lask, Emil (25.9.1875 – 25.5.1915). Philosoph. 1902 Promotion zum Dr. phil. bei 씮 Heinrich Rickert in Freiburg i. Br., 1905 Habilitation bei 씮 Wilhelm Windelband in Heidelberg; 1910 a. o. (Titular-)Professor in Heidelberg, 1913 etatmäßiger a. o. Professor ebd.; 1915 als Kriegsfreiwilliger bei Turza-Mata in Galizien gefallen; bedeutendster Schüler der beiden Begründer des südwestdeutschen Neukantianismus, 씮 Windelband und 씮 Rickert. Freundschaftliche Beziehungen zu Max und Marianne Weber. Freund von 씮 Frieda Gross, bedachte sie in seinem Testament.

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Lask, Hans (1884 – 9.2.1918). An der Ostfront gefallener Bruder von 씮 Berta und 씮 Emil Lask. Lask, Helene (14.4.1877 – vermutlich 1943). Lehrerin. 1942 nach Riga deportiert und seit 1943 verschollen (wahrscheinlich im Konzentrationslager ermordet). Schwester von 씮 Berta und 씮 Emil Lask. Lassalle, Ferdinand (11.4.1825 – 31.8.1864). Einer der Begründer der deutschen Arbeiterbewegung; 1849 Mitarbeiter der „Neuen Rheinischen Zeitung“; 1863 Gründung des „Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins“; demokratisch-sozialistisches Programm; Verfechter der Schaffung von Produktivassoziationen mit Staatshilfe; Befürworter eines preußisch-deutschen Nationalstaates. Lederer, Emil (22.7.1882 – 29.5.1939). Nationalökonom. 1906 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1911 Promotion zum Dr. oec. publ. bei 씮 Lujo Brentano in München, 1912 Habilitation in Heidelberg; 1918 a. o. (Titular-)Professor ebd., 1920 etatmäßiger a. o., 1922 o. Professor ebd., 1922 – 25 in Tokyo, 1932 in Berlin; 1933 Emigration in die USA, Professur an der New School of Social Research in New York. 1919 Mitglied der volkswirtschaftlichen Abteilung in der österreichischen Staatskommission zur Sozialisierung; 1920/21 Mitglied der deutschen Sozialisierungskommission; seit 1910 Redaktionssekretär und 1921 – 33 neben 씮 Joseph Alois Schumpeter und 씮 Alfred Weber Mitherausgeber des AfSSp. Arbeiten zur Wirtschaftstheorie, Krisen- und Lohnpolitik, zur Lage der Angestellten und zur politischen Soziologie; stand der Sozialdemokratie nahe. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“, den er von 1923 als leitender Herausgeber bis 1933 betreute. Lederer, Emmy, geb. Seidler (1879 – 1933). Verheiratet mit 씮 Emil Lederer. Leonhard, Rudolf (26.3.1879 – 9.10.1918). Nationalökonom. Nach einem landwirtschaftlichen Studium 1903 Promotion zum Dr. phil. in Breslau, 1906 Promotion zum Dr. oec. publ. bei 씮 Lujo Brentano in München, 1909 Habilitation ebd., a. o. (Titular-)Professor ebd. Lepsius, Reinhold (14.6.1857 – 14.3.1922). Maler (Portraitmaler). Seit 1892 verheiratet mit 씮 Sabine Lepsius. Lepsius, Sabine, geb. Graef (15.1.1864 – 22.11.1942). Malerin. Seit 1892 verheiratet mit 씮 Reinhold Lepsius. Unterhielt mit ihrem Mann in Berlin einen berühmten Salon, der u. a. von 씮 Stefan George und 씮 Georg Simmel besucht wurde. Lers, Vilmos (Wilhelm) (4.5.1869 – 3.3.1923). Ungarischer Jurist und Politiker. 1891 Promotion zum Dr. jur. in Budapest, 1904 Habilitation ebd.; nach dem Abschluß des Jurastudiums im Handelsministerium, 1905 Leiter der Sektion für Handelspolitik, 1907 Leiter der Sektion für Handelsangelegenheiten, 1913 Staatssekretär für Handelsangelegenheiten. Lesser, Ernst Josef (7.12.1879 – 1.3.1928). Physiologe. 1903 Promotion zum Dr. med. in München; 1906 Staatsprüfung als Nahrungsmittelchemiker; 1906 Assistent am Physiologischen Institut in Halle; 1906 Habilitation ebd.; 1910 Leitung des Laboratoriums in den Mannheimer Krankenanstalten, das er bis 1922 zu einem modernen Forschungsinstitut ausgestaltete; befaßte sich mit dem Kohlenhydratstoffwechsel, insbesondere mit der Zuckerkrankheit; erfaßte als einer der ersten das native Insulin anhand der blutzuckersenkenden Wirkung von Extrakten aus der Bauchspeicheldrüse; war aktiv in der zionistischen Ortsgruppe Mannheim; SPD-Mitglied; politische Korrespondenz mit seinem

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Schwager Theodor Heuß; Schwiegersohn von Georg Friedrich Knapp; mit Max Weber befreundet.

Leut(h)ner, Karl (12.10.1869 – 8.5.1944). Österreichischer Journalist und sozialdemokratischer Politiker. Seit 1895 Redakteur der „Arbeiterzeitung“; 1911 – 18 Abgeordneter des Reichsrats; 1919 – 34 Abgeordneter zum Nationalrat. Gehörte zum rechten Flügel der österreichischen Sozialdemokraten. Levy, Hermann (Pseudonym: Hermann Lint) (22.5.1881 – 16.1.1849). Nationalökonom. 1902 Promotion zum Dr. oec. publ. bei 씮 Lujo Brentano in München, 1905 Habilitation in Halle, 1907 Umhabilitation nach Heidelberg; 1907 – 20 hauptamtlicher Dozent an der Handelshochschule in Mannheim, 1910 a. o. (Titular-)Professor in Heidelberg; während des Krieges wirtschaftspolitischer Berater des deutschen Admiralstabes; 1920– 33 a. o. Professor an der TH Berlin; 1933 Emigration nach Großbritannien. Seine Arbeiten über den englischen Wirtschaftsliberalismus wurden von Max Weber sehr geschätzt. Levyc’kyj, Kost’ (18.11.1859 – 12.11.1941). Ruthenischer (ukrainischer) Politiker. Führender Vertreter der Jungruthenen im österreichischen Reichsrat. Lewinski, Arno von. Industrieller. Mitglied des Aufsichtsrats der Marienborn-Beendorfer Kleinbahn-Actiengesellschaft in Berlin. Lewinski, Willy von (9.12.1865 – 6.4.1943). Preußischer Bergassessor, später Bergwerksbesitzer zu Weißwasser. Lichnowsky, Karl Max Fürst (8.3.1860 – 27.2.1928). Diplomat. 1882 Eintritt in das GardeHusaren-Regiment; 1883 auswärtiger Dienst in der Londoner Botschaft; 1887 Dienst in Stockholm, Konstantinopel, Dresden und Bukarest; Botschaftssekretär in Wien; 1899 Vortragender Rat im Auswärtigen Amt. 1904 zog er sich auf seine schlesischen Güter zurück. 1912 wurde er von Kaiser Wilhelm infolge seines Aufsatzes „Deutsch-englische Mißverständnisse“ zum Botschafter in London ernannt; hier versuchte er 1914, den Krieg zu verhindern; auf Betreiben Theobald von 씮 Bethmann Hollwegs wurde er Ende 1914 entlassen; in seiner durch Indiskretion 1917 bekanntgewordenen Denkschrift „Meine Londoner Mission“, publiziert 1918, behauptete er die durch das Bündnis mit Österreich-Ungarn bedingte Schuld des Deutschen Reiches am Kriegsausbruch, daraufhin Ausschluß aus dem Preußischen Herrenhaus; nach dem Krieg vorübergehend Mitglied der DDP; lebte dann zurückgezogen. Lina (Linchen). 1909 – 18 Haushaltshilfe bei Max und Marianne Weber. Lloyd George of Dwayfar, David (17.1.1863 – 26.3.1945). Britischer Staatsmann; gelangte 1890 als Kandidat der liberalen Partei ins Unterhaus, dort Anhänger des äußersten linken Flügels; 1905 – 08 Handelsminister; 1908 – 15 Schatzkanzler und Initiator der englischen Reformpolitik; 1915/16 Munitionsminister, 1916 Heeresminister; Dezember 1916 – 18 Premierminister und Leiter des neugebildeten Kriegskabinetts; 1918– 22 Premierminister einer Koalitionsregierung von Liberalen und Konservativen. Loebell, Friedrich Wilhelm von (17.9.1855 – 21.11.1931). Konservativer Politiker; seit 1883 im preußischen Verwaltungsdienst tätig; 1885 Landrat von Neuhaus, 1898– 1900 MdR für die Deutschkonservativen und 1901 – 04 des Preußischen Abgeordnetenhauses; 1904 Vortragender Rat und 1907 Unterstaatssekretär der Reichskanzlei; 1914 preußischer

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Innenminister, 1917 Oberpräsident der Provinz Brandenburg, Ende 1919 Präsident des Reichsbürgerrats.

Loewenstein, Karl (9.11.1891 – 10.7.1973). Verfassungsrechtler und Politologe. Nach Studienjahren in Paris, Heidelberg und Berlin 1914 Promotion zum Dr. jur. in München; 1914 – 17 Kriegsteilnahme, 1917 bei der Preiskontrollbehörde in München; 1919 – 33 Anwalt ebd., 1931 Habilitation ebd.; 1933 Emigration in die USA, 1934– 36 Professor für Recht und Politische Wissenschaft an der Yale University in New Haven und 1936 – 61 am Amherst College. Bedeutende Arbeiten zum vergleichenden Verfassungsrecht, zur parlamentarischen Regierungsform und zum plebiszitären Führerstaat; Einflüsse Max Webers und dessen sozialwissenschaftliche Fragestellung waren für seine Werke prägend. Gehörte zum Heidelberger Bekanntenkreis von Max und Marianne Weber. Lombroso, Cesare (6.11.1835 – 19.10.1909). Italienischer Mediziner und Kriminologe. Bekannt geworden durch seine Konzeption des durch Vererbung determinierten, an seiner Physiognomie erkennbaren „geborenen Verbrechers“. Schwiegervater von 씮 Guglielmo Ferrero. Loria, Achille (2.3.1857 – 6.11.1943). Italienischer Nationalökonom und Soziologe. 1877 Promotion in Bologna; 1881 a. o., 1884 o. Professor in Siena, 1891 in Padua, 1903 – 32 in Turin; entwarf eine eigenständige Theorie kapitalistischer Entwicklung im Gegensatz zum Marxschen Werk; gilt als einer der italienischen Revisionisten. Lotz, Walther (21.3.1865 – 13.12.1941). Nationalökonom. 1887 Promotion zum Dr. rer. pol. bei 씮 Lujo Brentano in Straßburg; 1888/89 Beschäftigung im Bankfach; 1890 Habilitation bei Lujo Brentano in Leipzig; 1891 Honorar-, 1892 a. o., 1897 – 1935 o. Professor in München; Arbeiten über Finanzwissenschaft. Schwager von 씮 Heinrich Herkner. Seit der Studienzeit mit Max Weber befreundet; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“; sein Beitrag ist nicht erschienen. Ludendorff, Erich (9.4.1865 – 20.12.1937). General. 1908 – 12 Chef der Organisationsabteilung im Großen Generalstab; ab 1914 Oberquartiermeister im Armeeoberkommando 2; Ende August 1914 Generalstabschef der 8. Armee im Osten; ab August 1916 als 1. Oberquartiermeister neben 씮 Paul von Hindenburg mit der militärischen Gesamtleitung des Krieges beauftragt; setzte im Januar 1917 den uneingeschränkten U-Boot-Krieg durch; im Juli 1917 maßgeblich beteiligt am Sturz 씮 Theobald von Bethmann Hollwegs; verfolgte mit den Verhandlungen von Brest-Litovsk eine weitreichende Annexionspolitik; verlangte Ende September 1918 den sofortigen Waffenstillstand; Entlassung am 26. Oktober 1918; Teilnahme am Kapp-Putsch im März 1920 und am Hitler-Putsch im November 1923. Lukács, Adele von, geb. Wertheimer (1860 – 1917). Verheiratet mit 씮 József von Lukács, Mutter von 씮 Georg und 씮 Maria (Mici) von Lukács. Lukács (bis 1899: Löwinger), Georg bzw. György (bis 1918) von (13.4.1885 – 4.6.1971). Ungarischer Philosoph, Literarhistoriker und -theoretiker. 1906 Promotion zum Dr. jur. in Budapest; 1908/09 Studium der Philosophie in Berlin; 1909 Promotion zum Dr. phil. in Budapest; 1910 Übersiedlung nach Berlin, seit 1912 in Heidelberg; 1917 Rückkehr nach Budapest, Mitglied des „Sonntagskreises“, aus dem 1917 die „Freie Schule für Gesellschaftswissenschaften“ hervorging (Bewegung gegen Positivismus und Materialismus der Universitäten); 1918 Ablehnung eines Habilitationsantrags in Heidelberg; seit 1918 Mitglied der Kommunistischen Partei; während der ungarischen Räterepublik 1919 Stellvertretender Volkskommissar für Erziehung, nach der Niederschlagung der Räterepublik

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Flucht nach Wien, in Abwesenheit zum Tode verurteilt; 1929 – 31 Aufenthalt in Moskau, 1931 – 33 in Berlin, 1933 – 45 in Moskau, wo er die Grundlagen einer marxistischen Ästhetik entwarf; 1945 – 58 Professor der Philosophie in Budapest; sein Werk „Geschichte und Klassenbewußtsein“ (1923) trug entscheidend zur Linksorientierung der europäischen Intellektuellen in den zwanziger Jahren bei; verkehrte in Heidelberg im Kreis um Max Weber.

Lukács (bis 1899: Löwinger), József (bis 1918) von (1857 – 1928). Ungarischer Bankdirektor. Mit 25 Jahren Direktor der Englisch-österreichischen Bank in Budapest. Bedeutender Kunstmäzen. Bekanntschaft mit Thomas Mann und 씮 Paul Ernst. Vater von 씮 Georg von Lukács. Verheiratet mit 씮 Adele von Lukács, geb. Wertheimer. Lukács, Mária (Mici) von (1887 – 1980). Schwester von 씮 Georg von Lukács. Luyken, Hildegard (Hilde), geb. Möller (2.11.1883 – 13.8.1916). Cousine von 씮 Marianne Weber. Maeterlinck, Maurice (19.8.1862 – 6.5.1949). Belgischer Dichter und Essayist. Maier, Heinrich (5.2.1867 – 28.11.1933). Philosoph. Studium der Theologie und Philosophie in Tübingen; 1892 Promotion zum Dr. phil. ebd.; 1896 Habilitation ebd., 1900 a. o., 1901 o. Professor in Zürich; 1902 o. Professor in Tübingen, 1911 in Göttingen, 1918 in Heidelberg, 1922 – 33 in Berlin. Arbeiten zur Philosophiegeschichte, Philosophie der Emotion sowie zur Erkenntnistheorie. Marcks, Erich (17.11.1861 – 22.11.1938). Historiker. 1884 Promotion zum Dr. phil. in Straßburg, 1887 Habilitation in Berlin; 1892 o. Professor in Freiburg i. Br., 1894 in Leipzig, 1901 in Heidelberg, 1907 o. Professor am Kolonialinstitut in Hamburg, 1913 in München und 1922 – 28 in Berlin; zahlreiche Arbeiten zur Geschichte des deutschen Kaiserreiches und zur Reformation und Gegenreformation; Schüler Hermann Baumgartens; gehörte zum engeren Bekanntenkreis Max Webers in Berlin und Heidelberg. Marie. Dienstmädchen von 씮 Helene Weber. Marschall von Bieberstein, Adolf Hermann Freiherr von (12.10.1842 – 24.9.1912). Diplomat. 1871 Eintritt in den badischen Justizdienst; 1875 Mitglied der Ersten Kammer; 1878 MdR für die Deutschkonservativen; 1883 als Gesandter Badens in Berlin; 1890 als Nachfolger Herbert von Bismarcks Staatssekretär des Auswärtigen Amts, 1894 auch preußischer Staatsminister; 1897 deutscher Botschafter in Konstantinopel, 1907 Vertreter des Deutschen Reichs auf der 2. Haager Friedenskonferenz; 1912 Botschafter in London Befürworter der deutsch-englischen Verständigung. Maurus, Johann. 1917 Dezernent im österreichischen Ministerium des Kultus und Unterrichts. Mayer, Eduard Wilhelm (16.4.1888 – 17.9.1917). Historiker. 1912 Promotion zum Dr. phil. bei Friedrich Meinecke in Freiburg i. Br. Meinl, Julius (18.1.1869 – 16.5.1944). Österreichischer Großkaufmann und Industrieller. 1915 Gründer der „Österreichischen Politischen Gesellschaft“. Führender österreichischer Vertreter eines Verständigungsfriedens im Ersten Weltkrieg.

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Menger, Carl (23.2.1840 – 26.2.1921). Österreichischer Nationalökonom. 1867 Promotion zum Dr. jur. in Krakau; 1872 Habilitation in Wien; 1873 a. o., 1879 o. Professor für politische Ökonomie und Statistik ebd., 1876 – 78 Lehrer des Kronprinzen Rudolf; Begründer der sog. österreichischen Schule der Nationalökonomie; trat für eine neue theoretisch-deduktive Forschungsmethode in der Nationalökonomie ein; Arbeiten zur Wertlehre. Metzner, Erwin (17.7.1890 – nach 1968). Studium der Geschichte, Volkswirtschaftslehre und Neuere Sprachen. Teilnahme am 1. Weltkrieg. Nach Kriegsende Landwirt, ab 1922 politische Betätigung in der NSDAP. Verheiratet mit 씮 Lina Metzner. Metzner, Gela (11.9.1914 – 4.10.1942). Tochter von 씮 Lina und 씮 Erwin Metzner. Metzner, Lina, geb. Götz, geschiedene Radbruch (2.1.1887 – 26.7.1970). Scheidung von Gustav Radbruch am 2.7.1913, Heirat mit 씮 Erwin Metzner im Mai 1914 in London. Im September 1914 Geburt der Tochter 씮 Gela Metzner in Berlin. Metzner, Rudolf (24.5.1858 – 5.1.1935). Physiologe. 1889 Promotion in Berlin, 1889/90 Assistent in Leipzig bei Karl Ludwig und 1890 – 94 in Freiburg bei Johannes von Kries, 1892 Habilitation ebd., 1895 o. Professor in Basel. Vater von 씮 Erwin Metzner. Meyer, Conrad Ferdinand (11.10.1825 – 28.11.1898). Schweizer Dichter. Meyer, Eduard (25.1.1855 – 31.8.1930). Althistoriker. 1875 Promotion in Leipzig; 1879 Habilitation ebd.; 1884 a. o. Professor ebd., 1885 o. Professor in Breslau, 1889 in Halle, 1902 – 23 in Berlin. Meyer war der letzte Historiker, dessen Arbeiten die gesamte Antike umfaßten. Weber hat sich intensiv mit dessen Werken auseinandergesetzt. Im Ersten Weltkrieg Exponent des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs und des Siegfriedens; gehörte 1917 zu den Gründern der extrem nationalistischen „Vaterlandspartei“. Michaelis, Georg (8.9.1857 – 27.7.1936). Verwaltungsfachmann und Politiker. Seit 1889 im preußischen Staatsdienst; 1909 Unterstaatssekretär im Finanzministerium; Februar 1917 preußischer Staatskommissar für Volksernährung; 14.7. – 1.11.1917 als Nachfolger 씮 Theobald von Bethmann Hollwegs deutscher Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident; Rücktritt von beiden Ämtern wegen seines Unvermögens, die Differenzen zwischen Reichstagsmehrheit und OHL beizulegen. Michaelis, Walter (4.3.1866 – 9.10.1953). Evangelischer Theologe und Pfarrer. Dozent in Bethel. 1906 – 11 Vorsitzender des Gnadauer Verbandes, einer aus der pietistischen Tradition hervorgegangenen innerprotestantischen Erneuerungsbewegung. Bruder von 씮 Georg Michaelis. Michels, Daisy (1906 – 9.4.1993). Tochter von 씮 Gisela und 씮 Robert Michels. Michels, Manon (17.8.1904 – 27.10.1990). Tochter von 씮 Gisela und 씮 Robert Michels. Michels, Mario (3.12.1901 – 27.4.1940). Sohn von 씮 Gisela und 씮 Robert Michels. Michels, Robert (9.1.1876 – 3.5.1936). Deutsch-italienischer Sozialwissenschaftler. 1900 Promotion zum Dr. phil. bei Gustav Droysen jun. in Halle; 1900 – 07 Mitglied zunächst der italienischen sozialistischen Partei, dann der deutschen Sozialdemokratie; Mitglied einer anarcho-syndikalistischen Gruppe in Marburg; 1903 – 05 Dozent an der „Université Nouvelle“ in Brüssel; 1905 Aufenthalt in Paris; wegen seiner Mitgliedschaft in der Sozial-

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demokratie Scheitern von Habilitationsversuchen in Marburg und Jena, daraufhin 1907 Habilitation bei Achille Loria in Turin; 1914 – 28 o. Professor in Basel, 1920 – 27 Lehraufträge an italienischen Universitäten und in Chicago, 1928– 33 in Perugia. Durch seine 1911 erschienene „Soziologie des Parteiwesens“, die er Max Weber widmete, wurde er zu einem Begründer der modernen politischen Soziologie; 1911 – 15 Mitherausgeber des AfSSp. Seit 1906 mit Max Weber freundschaftlich verbunden, 1915 trat eine kriegsbedingte Distanzierung ein infolge der Parteinahme Michels’ für seine Wahlheimat Italien. Später Anhänger des italienischen Faschismus. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“.

Michels-Lindner, Gisela (14.10.1878 – 9.11.1954). Tochter des Hallenser Historikers Theodor Lindner. Verfasserin zahlreicher wissenschaftlicher Aufsätze, verheiratet mit  Robert Michels. Miljukow, Paul N.; Tl.: Miljukov, Pavel Nikolaeviˇc (15.1.1859 – 31.3.1943). Russischer Historiker und liberaler Politiker. 1886 – 95 Privatdozent an der Universität Moskau, dort 1895 im Zusammenhang mit studentischen Unruhen entlassen; lebte 1897– 1905 im Exil in Bulgarien, der Türkei und den USA, lehrte dort an den Universitäten Sofia und Chicago; 1905 Rückkehr nach Rußland; Mitglied des „Sojuz Osvoboˇzdenija“, 1905 Mitbegründer und Führer der liberal-bürgerlichen „Konstitutionellen Demokraten“ (Kadetten), seit 1907 Vorsitzender der Partei, seit 1906 leitender Redakteur des Parteiorgans Reˇc’; Mitglied der Dritten und Vierten Duma; von März bis Mai 1917 Außenminister der Provisorischen Regierung. Ein Artikel von Miljukow wurde noch 1915 im AfSSp veröffentlicht. Misch, Georg (5.4.1878 – 10.6.1965). Philosoph. 1900 Promotion bei  Wilhelm Dilthey in Berlin, 1905 Habilitation ebd., 1911 Professor in Marburg, 1916 a.o., 1919 o. Professor in Göttingen; 1934 aus rassistischen Gründen in den Ruhestand versetzt, 1939– 46 im Exil in England; ab 1946 wieder in Göttingen. Schwiegersohn von Wilhelm Dilthey; Herausgeber von dessen gesammelten Schriften; Arbeiten zur Phänomenologie, Lebensphilosophie sowie zur Geschichte der Autobiographie. Möller, Elfriede (20.2.1877 – 2.12.1924). Tochter von  Hertha und  Karl Möller. Verheiratet mit Wilhelm Luyken. Möller, Erwin (14.12.1874 – 2.5.1927). Sohn von  Hertha und  Karl Möller. Möller, Hertha, geb. Weber (20.2.1853 – 20.4.1934). Verheiratet mit  Karl Möller. Tochter von  Carl David Weber, Cousine von Max Weber und Tante von Marianne Weber. Möller, Karl (1.5.1837 – 27.9.1918). Fabrikant. Studium der Naturwissenschaften und der Bergbautechnik, Dr. phil., gründete 1862 zusammen mit seinem Bruder Theodor die Maschinenfabrik K. & Th. Möller in Kupferhammer (Brackwede bei Bielefeld). 1878, nach dem Tode des Vaters, zusammen mit seinem Bruder Inhaber bzw. Gesellschafter der Lederfabrik in Kupferhammer. Er modernisierte das Unternehmen, machte technische Erfindungen und unterstützte soziale Projekte. Verheiratet mit  Hertha Möller, geb. Weber, und über diese mit Max und Marianne Weber verschwägert. Moltke, Helmuth (23.5.1848 – 18.6.1916). Preußischer General. Mommsen, August (25.7.1821 – 18.7.1913). Klassischer Philologe, Gymnasiallehrer. Bruder von  Theodor Mommsen.

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Mommsen, Clara, geb. Weber (5.9.1875 – 14.1.1953). Heiratete 1896  Ernst Mommsen; Schwester von Max Weber. Mommsen, Clara (Clärchen) (14.2.1901 – 16.6.1994). Drittes Kind von  Clara und  Ernst Mommsen. Verheiratet mit Joachim Fintelmann. Mommsen, Ernst (8.7.1863 – 14.3.1930). Mediziner. Praktischer Arzt und Sanitätsrat in Berlin. Sohn von Theodor Mommsen; verheiratet mit  Clara Mommsen, einer Schwester von Max Weber. Mommsen, Ernst-Wolf (12.5.1910 – 23.1.1979). Jurist und Industriemanager. Sohn von  Clara und  Ernst Mommsen. Mommsen, Helene (13.8.1898 – 13.5.1980). Zweites Kind von  Clara und  Ernst Mommsen. Mommsen, Jens (24.6.1783 – 18.2.1851). Pfarrer. Vater von  Theodor Mommsen. Mommsen, Karl (19.4.1861 – 28.7.1922). Jurist, später Direktor der Mitteldeutschen Kreditbank in Frankfurt. Zweitältester Sohn von  Theodor Mommsen. Befreundet mit Max Weber; 1889, damals Gerichtsreferendar, einer der Opponenten bei dessen Promotion. Mommsen, Konrad (10.5.1871 – 4.11.1946). Marineoffizier, Admiral. Bruder von  Ernst Mommsen. Mommsen, Konrad (8.10.1896 – 18.2.1973). Kaufmann, nach 1948 Journalist. Sohn von  Clara und  Ernst Mommsen. Mommsen, Maria Auguste (Marie), geb. Reimer (14.10.1832– 6.3.1907). Tochter des Verlegers Georg Reimer; verheiratet mit  Theodor Mommsen. Mommsen, Sophia Elisabeth, geb. Krumbhaar (9.2.1792 – 2.3.1855). Mutter von  Theodor Mommsen. Mommsen, Theodor (30.11.1817 – 1.11.1903). Jurist, Historiker, Epigraphiker. Bedeutender Erforscher der römischen Geschichte. Hauptwerke u. a.: „Römische Geschichte“ (Band 1 – 3, zuerst 1854 – 56; Band 5, 1885); „Römisches Staatsrecht“ (3 Bände, 1871 – 88); „Römisches Strafrecht“ (1899); Begründer der umfassenden lateinischen Inschriftensammlung des Corpus Inscriptionum Latinarum (CIL, 1863 ff.). 1848 a. o. Professor in Leipzig, 1850 wegen seiner Teilnahme an der demokratischen Bewegung entlassen. 1852 a. o. Professor für römisches Recht in Zürich, 1854 in Breslau, 1858 o. Professor für Alte Geschichte in Berlin, 1874 – 95 Scholar der Preußischen Akademie der Wissenschaften, 1902 Nobelpreis für Literatur. 1863 – 66 und 1873 – 79 Abgeordneter des preußischen Abgeordnetenhauses, 1881 – 84 MdR der Deutschen Freisinnigen Partei. Mommsen verkehrte im Elternhaus Webers. Max Weber selbst war mit seinem Sohn  Karl befreundet, seine Schwester  Clara heiratete 1896 Mommsens Sohn  Ernst. Mommsen, Theodor Ernst (11.7.1905 – 11.7.1958). Historiker für mittlere Geschichte. 1936 in den USA Professor an der Cornell University, Ithaca, New York. Sohn von  Clara und  Ernst Mommsen. Mommsen, Tycho (23.5.1819 – 1.12.1900). Klassischer Philologe, Gymnasialdirektor in Frankfurt a. M. 1864 – 85. Bruder von  Theodor Mommsen.

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Morawetz (bei Weber: Morawitz), Lucia (15.11.1870 – ?). Schweizer Nervenärztin. 1900/01 Promotion in Zürich; lebte in Wien; gehörte zum Bekanntenkreis von Max und Marianne Weber. Moritz, Eva Sophie (27.9.1879 – 26.4.1964). Ärztin in Berlin. 1911 Promotion zum Dr. med. in Freiburg i. Br. Während des Medizinstudiums in Freiburg studierte sie auch Philosophie bei  Heinrich Rickert. Müller, Alwine (Wina), geb. Weber (10.10.1855 – 17.7.1936). Tochter von  Carl David Weber, Cousine von Max Weber und Tante von Marianne Weber. Verheiratet mit  Bruno Müller, Mutter von  Georg,  Richard, Wolfgang,  Roland, Marianne und Berthold Müller; lebte in Oerlinghausen und bildete dort den Mittelpunkt der Familie. Marianne Weber verbrachte einen Teil ihrer Jugend in ihrem Hause. Müller, Bruno (31.10.1848 – 6.3.1913). Fabrikant. Leitete mit seinem Schwager  Carl Weber und seinen Söhnen  Georg und  Richard die von seinem Schwiegervater  Carl David Weber gegründete Leinenweberei Carl Weber & Co. in Oerlinghausen. Verheiratet mit  Alwine Müller, Bruder von  Wilhelm Müller, der mit  Eleonore Müller verheiratet war. Müller, Eleonore (Nora), geb. Weber (10.8.1861 – 19.1.1948). Tochter von  Carl David Weber, Schwester von  Alwine Müller; verheiratet mit  Wilhelm Müller, einem Bruder ihres Schwagers  Bruno Müller; Cousine von Max Weber und Tante von Marianne Weber. Müller, Erich (23.9.1883 – 30.3.1960). Chemiker. 1908 Promotion in Berlin. Sohn von  Eleonore und  Wilhelm Müller; Vetter von Marianne Weber. Müller, Georg (22.4.1878 – 25.1.1954). Fabrikant. Leitete mit seinem Vater  Bruno Müller, seinem Onkel  Carl Weber und seinem Bruder  Richard Müller die großväterliche Leinenweberei in Oerlinghausen; verheiratet mit  Lili Müller. Enkel von  Carl David Weber, Vetter von Marianne Weber und Neffe von Max Weber. Müller, Ina (1887 – 1947). Tochter von  Eleonore und  Erich Müller. Müller, Karl Eugen (1877 – 1951). Dr. phil., Historiker, 1918 – 20 Chefredakteur der Münchner Neuesten Nachrichten, 1920 – 24 Chefredakteur der Danziger Zeitung, 1924 – 28 beim Berliner Tageblatt, seit 1931 freier Journalist in Berlin, 1946/47 Leiter des Archivs der Süddeutschen Zeitung, 1947 Chefredakteur des Mannheimer Morgen. Vater der bekannten UFA-Schauspielerin Renate Müller (1906 – 37). Müller, Lili, geb. Tiemann (20.6.1887 – Januar 1939). Verheiratet mit  Georg Müller. Müller, Oscar. Redakteur der Frankfurter Zeitung. Müller, Richard (7.3.1880 – 17.10.1937). Fabrikant. Leitete mit seinem Vater  Bruno Müller, seinem Onkel  Carl Weber und seinem Bruder  Georg Müller die großväterliche Leinenweberei in Oerlinghausen. Verheiratet mit  Traute Müller. Enkel von  Carl David Weber, Neffe von Max und Vetter von Marianne Weber. Müller, Roland (6.1.1890 – 17.11.1916). Offizier, gefallen. Sohn von  Alwine und  Bruno Müller. Neffe von Max und Vetter von Marianne Weber.

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Müller, Traute, geb. Riedel (1889 – 1952). Frau von  Richard Müller. Müller, Wilhelm (12.5.1850 – 8.4.1915). Offizier. Zuletzt Generalmajor. Verheiratet mit  Eleonore Müller. Bruder von  Bruno Müller. Müller, Wolfgang (15.7.1884 – 28.7.1958). Fabrikant. Sohn von  Alwine und  Bruno Müller. Ein Reitunfall 1904 machte die geplante Offizierslaufbahn zunichte; Ausbildung zum Kaufmann mit verschiedenen Auslandsstationen, schließlich Geschäftsführer in der großväterlichen Firma in Oerlinghausen. Neffe von Max und Vetter von Marianne Weber. Münsterberg, Hugo (1.7.1863 – 16.12.1916). Psychologe und Philosoph. 1885 Promotion zum Dr. phil. bei Wilhelm Wundt in Leipzig und 1887 zum Dr. med. in Heidelberg, 1887 Habilitation für Philosophie in Freiburg i. Br.; 1891 a. o. (Titular-)Professor ebd., 1893 auf Veranlassung von William James o. Professor für experimentelle Psychologie an der Harvard Universität in Cambridge/Massachusetts; 1895 Rückkehr nach Deutschland; 1897 endgültige Übersiedlung in die USA; 1904 Organisator des wissenschaftlichen Kongresses anläßlich der Weltausstellung in St. Louis, 1908 Gründer des Amerika-Institutes und 1910 – 11 Austauschprofessor in Berlin. Entwickelte eine physiologische Psychologie und förderte die Angewandte Psychologie bzw. Psychotechnik; entwarf den ersten wissenschaftlichen Berufseignungstest. Kollegiale Beziehungen zu Max Weber aus der gemeinsamen Freiburger Zeit; bewirkte dessen Einladung zum Gelehrtenkongreß in St. Louis 1904. Münsterberg, Selma, geb. Oppler. Verheiratet mit  Hugo Münsterberg. Naumann, Friedrich (25.3.1860 – 24.8.1919). Evangelischer Theologe, Sozialpolitiker und Publizist. 1883 – 85 Oberhelfer im „Rauhen Haus“ in Hamburg, 1886 Pfarrer in Langenberg (Sachsen), 1890 bei der Inneren Mission in Frankfurt a. M., lebte seit 1898 nach Aufgabe des Pfarramtes als Schriftsteller in Berlin. 1894 Gründung der Wochenzeitschrift „Die Hilfe“; 1896 Austritt aus der christlich-sozialen Bewegung Adolf Stoeckers und Gründung des „Nationalsozialen Vereins“, 1903 Anschluß an die Freisinnige Vereinigung; seit 1907 MdR, zunächst als Abgeordneter der Freisinnigen Vereinigung, seit 1910 der Fortschrittlichen Volkspartei; im Weltkrieg Verfechter eines mitteleuropäischen Staatenblocks; 1918 Mitbegründer, 1919 Vorsitzender der DDP und Mitglied der Weimarer Nationalversammlung; Vertreter einer sozial-liberalen Innen- und nationalen Außenpolitik. Freundschaftliche Beziehungen zu Max Weber, enger politischer Gedankenaustausch, persönliche Kontakte auch zu  Helene Weber. Naumann, Maria Magdalena, geb. Zimmermann (1859 – 1938). Verheiratet mit  Friedrich Naumann. Neumann, Carl (1.7.1860 – 9.10.1934). Kunsthistoriker. 1882 Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg, 1894 Habilitation ebd.; 1897 a. o. (Titular-)Professor ebd., 1903 a. o. Professor in Göttingen, 1904 in Kiel, 1911 – 29 in Heidelberg. Neben historischen Arbeiten über Byzanz sowie Jacob Burckhardt Arbeiten zur niederländischen Malerei, insbesondere über Rembrandt. Seit den 1890er Jahren freundschaftliche Beziehungen zu Max und Marianne Weber. Neurath, Otto (10.12.1882 – 22.12.1945). Philosoph, Soziologe und Bildungspolitiker. 1902 – 06 Studium an den Universitäten Wien und Berlin; 1906 Promotion zum Dr. phil. bei  Eduard Meyer und  Gustav Schmoller in Berlin; 1906 – 14 Dozent an der Neuen

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Handelsakademie in Wien; 1917 Habilitation für Nationalökonomie in Heidelberg; seit März 1919 Staatskommissar und Leiter des Zentralwirtschaftamts in München und später der bayerischen Räterepublik; von der Regierung Hoffmann am 15. Mai entlassen und inhaftiert; in einem Standgerichtsprozeß zu 18 Monaten Festungshaft verurteilt; auf Veranlassung von  Otto Bauer vor Strafantritt nach Wien ausgewiesen; nahm 1920 seine wissenschaftliche Tätigkeit ebd. wieder auf, wo er zu den führenden Vertretern der neopositivistischen „Wiener Schule“ gehörte. 1925 – 34 Dierektor des Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum in Wien; 1934 in die Niederlande emigriert; im selben Jahr Direktor der International Foundation for Visual Education und des Mundaneum-Instituts in Den Haag; 1940 Flucht nach Großbritannien; 1942 – 45 Studiendirektor und Sekretär des Isotype Institute in Oxford. Arbeiten zur antiken Agrargeschichte, zur Kriegswirtschaft; führender Vertreter des logischen Positivismus in der Philosophie.

Nikolajewitsch, Nikolai; Tl.: Nikolaj Nikolaevicˇ (18.11.1856 – 5.1.1929). Großfürst; 1914/15 Oberkommandierender des russischen Heeres; 1915 – 17 Statthalter und Oberbefehlshaber im Kaukasus. Oldenberg, Karl (23.9.1864 – 20.6.1936). Nationalökonom. 1888 Promotion zum Dr. phil. bei  Gustav Schmoller in Berlin, 1891 Habilitation für Staatswissenschaften ebd.; 1888– 97 Assistent von Gustav Schmoller in der Redaktion des „Jahrbuchs für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich“; 1897 a. o. Professor in Marburg, 1902 o. Professor in Greifswald und 1914 – 29 in Göttingen. Vorkämpfer agrarischer Schutzzölle, Gegner einer übersteigerten Industrialisierung Deutschlands. Gehörte in den frühen 1890er Jahren in Berlin zu Max Webers Bekanntenkreis; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Oncken, Hermann (16.11.1869 – 28.12.1945). Historiker. 1891 Promotion zum Dr. phil. in Berlin, 1897 Habilitation bei Max Lenz ebd.; 1905/06 Austauschprofessor in Chicago, 1906 o. Professor in Gießen, 1907 in Heidelberg, 1923 in München, 1928 in Berlin; 1935 Zwangsemeritierung aus politischen Gründen; im Kaiserreich Mitglied der nationalliberalen Partei; Veröffentlichungen zur deutschen Politik im Kaiserreich und zur Schuldfrage am 1. Weltkrieg; Mitglied des „Janus“-Kreises in Heidelberg. Ostendorf, Friedrich (17.10.1871 – 17.3.1915). Architekt. Schüler von  Karl Schäfer. Regierungsbaumeister in Düsseldorf, 1904 Professor an der TH Danzig, 1907 TH Karlsruhe als Nachfolger seines Lehrers. Ott, Elisabeth (Elsa), geb. Tobler (19.12.1878 – 22.4.1967). Musikpädagogin in Zürich. Ältere Schwester von  Mina Tobler. Ott, Johann August (Hans) (19.6.1883 – 23.2.1965). Gymnasiallehrer für Mathematik und Naturwissenschaften in Zürich. Seit 1912 Schulleiter eines Mädchenpensionats ebd., das er von seine Schwiegermutter übernommen hatte. Verheiratet mit  Elisabeth (Elsa) Ott, der älteren Schwester von  Mina Tobler. Paneth, Else (25.10.1893 – 1978). Verheiratet mit Fritz Paneth; Tochter von  Margarethe und  Ludo Moritz Hartmann. Pappritz, Anna (9.5.1861 – 8.7.1939). Liberale Repräsentantin der Frauenbewegung. Arbeitete im Bereich der Gefährdetenfürsorge, die sie mit Frieda Duensing gegründet hatte;

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schuf 1899 den ersten deutschen Zweigverein der Internationalen Abolitionistischen Föderation in Berlin; 1902 Vorstandsmitglied und 1907 – 14 Schriftführerin des Bundes Deutscher Frauenvereine. Gehörte zum näheren Bekanntenkreis von  Marianne Weber.

Payer, Friedrich von (12.6.1847 – 14.7.1931). Jurist und liberaler Politiker; 1871 Rechtsanwalt; 1894 – 1912 Mitglied der württembergischen Abgeordnetenkammer, ab 1894 deren Präsident; 1877 – 1917 MdR für die südwestdeutsche Deutsche Volkspartei bzw. ab 1910 für die Fortschrittliche Volkspartei; im Krieg als Fraktionsvorsitzender Einsatz für Wahlrechtsreform und Parlamentarisierung; Mitinitiator des in der Julikrise 1917 begründeten Interfraktionellen Ausschusses; 1917 – 18 Vizekanzler unter  Graf Hertling und Prinz Max von Baden; 1919 Mitbegründer der DDP. Pellech, Otto (10.8.1872 – 18.5.1922). Rechtsanwalt in Wien, Rechtsbeistand von Frieda Gross im Rechtsstreit mit ihrem Schwiegervater  Hans Gross um die Ehelichkeit ihrer Tochter  Eva Gross und um das Sorgerecht für ihren Sohn  Peter Gross. Peltzer, Alfred (16.8.1876 – 31.12.1914). Kunsthistoriker. 1899 Promotion in Heidelberg, 1902 Habilitation ebd., 1909 a. o. Professor ebd. 1912 aus dem Lehrkörper ausgeschieden. Peltzer, Luise, geb. Roemer (6.1.1882–nach 1932). Verheiratet mit  Alfred Peltzer. Pflug, Richard (3.3.1865 – 24.12.1933). Mitarbeiter des Verlages J. C. B. Mohr (Paul Siebeck). Philippovich, Eugen Freiherr (seit 1860) von Philippsberg (5.3.1858 – 4.6.1917). Nationalökonom und Finanzwissenschaftler. 1882 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1884 Habilitation ebd.; 1885 a. o. Professor in Freiburg i. Br., 1903 – 17 o. Professor der politischen Ökonomie und Finanzwissenschaften in Wien; 1896 Mitbegründer der „Sozialpolitischen Partei“, 1907 Berufung in das österreichische Herrenhaus; Herausgeber der „Zeitschrift für Volkswirtschaftslehre, Sozialpolitik und Verwaltung“. Vermittler zwischen der österreichischen Grenznutzenschule und der deutschen jüngeren historischen Schule. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Vorgänger Max Webers in Freiburg. Philippson, Martin (27.6.1846 – 2.8.1916). Historiker. 1866 Promotion zum Dr. phil. in Bonn, 1871 Habilitation ebd., 1875 Ernennung zum a. o. (Titular-)Professor ebd.; zwei Berufungen auf einen Lehrstuhl für Deutsche Geschichte scheiterten am Veto des preußischen Kultusministeriums wegen seiner jüdischen Religionszugehörigkeit; 1879– 91 Professor an der Universität Brüssel; kurzfristig bekleidete er 1890 das Amt des Rektors, das er noch im selben Jahr nach Konflikten mit Studenten niederlegte; seit 1891 als freier Schriftsteller in Berlin lebend; daneben als führender Vertreter des jüdischen Vereinslebens in Deutschland tätig; Arbeiten zur neueren Geschichte Westeuropas, Preußens und des Judentums. Plenge, Johann (7.7.1874 – 11.9.1963). Nationalökonom und Soziologe. 1898 Promotion zum Dr. phil. bei  Karl Bücher in Leipzig, 1903 Habilitation ebd.; 1903– 05 Forschungsaufenthalt in den USA, 1909 a. o. (Titular-)Professor in Leipzig, 1913 o. Professor für wirtschaftliche Staatswissenschaften in Münster; 1920 – 23 Begründer und Leiter des staatswissenschaftlichen Unterrichtsinstituts in Münster, 1923 – 35 Honorarprofessor und Leiter des Forschungsinstituts für Organisationslehre und vergleichende Soziologie ebd.; 1935 frühzeitige Zwangsemeritierung. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“; sein Beitrag ist nicht zustande gekommen.

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Puppe, Emma. Tochter der verstorbenen Haushälterin  Karl Webers in Danzig. Puppe, Rudi. Sohn der verstorbenen Haushälterin  Karl Webers in Danzig. Puttkamer, Robert von (5.5.1828 – 15.3.1900). Konservativer preußischer Verwaltungsbeamter und Politiker. Nach dem Jurastudium in Berlin, Heidelberg und Genf seit 1854 in der preußischen Verwaltung tätig; 1874 – 85 MdR; 1882 – 85 MdprAH; 1877 Oberpräsident von Schlesien; 1879 preußischer Kultusminister; 1881 preußischer Innenminister; bekannt für sein rigoroses Vorgehen gegen Staatsbeamte, die von der Linie der Regierungspolitik abwichen; 1888 von Kaiser Friedrich entlassen; 1891– 99 Oberpräsident von Pommern. Radbruch, Gustav (21.11.1878 – 23.11.1949). Strafrechtler und Rechtsphilosoph. 1902 Promotion zum Dr. jur. bei Franz von Liszt in Berlin, 1903 Habilitation in Heidelberg; 1906 Lehrauftrag an der Handelshochschule Mannheim; 1910 a. o. (Titular-)Professor in Heidelberg, 1914 a. o. Professor in Königsberg, 1915 – 18 Kriegsdienst, 1919 a. o. Professor in Kiel, 1926 o. Professor und Direktor des juristischen Seminars in Heidelberg, 1933 Entlassung aus der Universität aus politischen Gründen; 1945– 48 Wiedereinsetzung als o. Professor in Heidelberg auf Lebenszeit; 1920 – 24 MdR für die SPD, 1921/22 und 1923 Reichsjustizminister. Gehörte zum engeren Bekanntenkreis von Max und Marianne Weber. Radbruch, Lydia, geb. Schenk, geschiedene Aderjahn (1888 – 1974). Frau von  Gustav Radbruch. Ramsay, Sir William (2.10.1852 – 23.7.1916). Britischer Chemiker. 1871 Promotion zum Dr. phil. in Tübingen, 1874 Assistent im Chemie-Department der Universität Glasgow, 1880 Professor am University College Bristol, ab 1887 am University College London. Berühmt für seine Entdeckung der Edelgase Argon, Helium, Neon, Krypton und Xenon. Entdecker der Heliumproduktion beim radioaktiven Zerfall von Radium. Nobelpreis 1904. Rathgen, Karl (19.12.1856 – 6.11.1921). Nationalökonom und Kolonialpolitiker. 1881 Promotion zum Dr. rer. pol. bei Georg Friedrich Knapp in Straßburg, 1882 – 90 o. Professor an der Reichsuniversität Tokyo/Japan, 1892 Habilitation in Berlin; 1893 a. o. (Titular-)Professor, 1894 a. o., 1895 o. Professor in Marburg, 1900 in Heidelberg und seit 1907 am deutschen Kolonial-Institut in Hamburg; 1919 o. Professor an der neugegründeten Universität Hamburg; grundlegende Arbeiten über die japanischen Wirtschafts- und Finanzverhältnisse sowie über Kolonialwirtschaft; Schwager von  Gustav Schmoller. Kollege Max Webers in Heidelberg. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“; sein Beitrag ist nicht erschienen. Rechenberg, Albrecht Freiherr von (15.9.1861 – 26.2.1935). 1893 Richter und Bezirksamtmann in Deutsch-Ostafrika, 1896 Vizekonsul, dann Konsul in Sansibar, 1900 Konsul in Moskau, 1905 Generalkonsul in Warschau, 1906 – 12 Gouverneur von Deutsch-Ostafrika; 1914 – 18 MdR für das Zentrum. Nach Kriegsbeginn 1914 Hilfsarbeiter im RdI und als Ostexperte mit der Zukunft von Kongreßpolen befaßt. Redlich, Josef (18.6.1869 – 12.11.1936). Österreichischer Jurist und Politiker; 1891 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1902 Habilitation ebd., 1906 a. o. Professor ebd.; o. Professor an der TH Wien; 1906 in den mährischen Landtag, 1907 in das Abgeordnetenhaus des Reichsrats für die Deutsche Fortschrittspartei gewählt, 27.10 – 11.11.1918 österreichischer Finanzminister und erneut 1931; 1926 – 35 Professor für vergleichende Rechtswissenschaft an der Harvard University in Cambridge/Massachusetts, USA.

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Reis, Edwin (30.5.1871 – nach 1946). Kaufmann. Grundstücksnachbar in der Ziegelhäuser Landstraße in Heidelberg. Renner, Karl (Pseudonym u. a.: Synopticus, Rudolf Springer) (14.12.1870 – 31.12.1950). Österreichischer Politiker und Publizist; 1898 Promotion zum Dr. jur. in Wien; 1896 – 1932 Parlamentsbibliothekar; 1907 in das Abgeordnetenhaus, 1908 auch in den Niederösterreichischen Landtag für die Sozialdemokratie gewählt, ab 1911 auch in der Genossenschaftsbewegung tätig; 1918/19 Leiter der Staatskanzlei, 1919 zeitweise Staatssekretär für Inneres und Unterricht und Staatssekretär für Äußeres, 1919/20 erneut diese Position; 1919 Leiter der Verhandlungen in St. Germain; 1931 – 33 Präsident des Nationalrates; 1945 Staatskanzler in der provisorischen österreichischen Regierung; 1945 – 50 Bundespräsident von Österreich. Reventlow, Ernst Graf zu (18.8.1869 – 21.11.1943). Rechtsradikaler Publizist. Zunächst Marineoffizier, dann politischer Schriftsteller, dem Alldeutschen Verband nahestehend, militanter Gegner Englands im Weltkrieg, nach dem Krieg in völkischen Kreisen beheimatet, 1924 MdR; seit 1927 Mitglied der NSDAP. Bruder von  Franziska Gräfin zu Reventlow. Reventlow, Franziska Gräfin zu (Pseudonym: F.v. Revent) (18.5.1871 – 25.7. 1918). Schriftstellerin und Übersetzerin. Tochter des Landrats in Husum, Ludwig Graf zu Reventlow; entzog sich nach ihrer Volljährigkeit der elterlichen Autorität; 1893 München, um sich als Malerin ausbilden zu lassen; 1894 Heirat mit dem Hamburger Gerichtsassessor Lüpke, 1895 Trennung, 1897 Scheidung; 1897 Geburt ihres Sohnes Rolf; seit 1910 lebte sie überwiegend in der Schweiz; 1911 Scheinehe mit dem Baron Alexander von Rechenberg-Linten. Sie übte aus finanziellen Gründen verschiedene Berufe aus: führte ein Milchgeschäft, war Glasmalerin, Übersetzerin und schließlich Schriftstellerin. In ihrer Münchener Zeit Protagonistin der „Schwabinger Bohème“, deren Leben sie in ihren Romanen und Briefen dokumentierte. Ihre Bücher sind überwiegend autobiographisch. Freundschaft mit Ludwig Klages, Rainer Maria Rilke und  Hans Walter Gruhle; in Ascona befreundet mit  Frieda Gross. Schwester von  Ernst Graf zu Reventlow. Reventlow, Rolf (1.9.1897 – 12.1.1981). Journalist. 1916 als Soldat in die bayerische Armee eingezogen, 1917 Desertion und Flucht in die Schweiz. 1926 – 33 Redakteur sozialistischer Zeitschriften. 1933 Emigration nach Prag. 1936 Teilnehmer am Spanischen Bürgerkrieg. 1939 Flucht nach Algerien. 1953 Rückkehr nach Deutschland, Funktionär der SPD in München. Sohn von  Franziska Gräfin zu Reventlow. Richter, Max (26.12.1856 – 11.5.1921). Nach Tätigkeit im preußischen Handelsministerium 1893 – 94 Reichskommissar der Weltausstellung in Chicago, 1896 – 1900 dasselbe in Paris, 1909 – 17 Unterstaatssekretär im Reichsamt des Innern. Rickert, Arnold (10.7.1889 – 28.4.1974). Bildhauer. 1914 – 28 freischaffender Bildhauer in Freiburg i. Br., 1928 – 55 Professor an der Werkkunstschule in Bielefeld, Kirchenausstattungen, Grabdenkmäler, Privatbüsten. Sohn von  Sophie und  Heinrich Rickert. Schuf 1922 das Grabmal für Max Weber auf dem Heidelberger Bergfriedhof. Rickert, Heinrich (25.5.1863 – 25.7.1936). Philosoph. 1888 Promotion zum Dr. phil. bei  Wilhelm Windelband in Straßburg, 1891 Habilitation in Freiburg i. Br.; 1894 a. o. Professor, 1896 – 1915 o. Professor in Freiburg i. Br., 1916 – 32 in Heidelberg; neben Windelband Begründer der Südwestdeutschen Schule des Neukantianismus. Seit der Gymnasialzeit mit Max Weber befreundet.

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Rickert, Heinrich (Heini) (25.12.1891 – 8.8.1917). Stud. phil. Gefallen in den Karpaten. Sohn von  Sophie und  Heinrich Rickert. Rickert, Maria Katharina, geb. Beck (7.3.1891 – 2.4.1981). 1920 – 28 Leiterin einer Werkstatt für Handstrickerei. Ehefrau von  Arnold Rickert. Rickert, Sophie, geb. Keibel (17.2.1864 – 1.11.1951). Bildhauerin. Verheiratet mit  Heinrich Rickert; gehörte mit ihrem Mann zum Freundeskreis von Max und Marianne Weber. Riedl, Richard (18.12.1865 – 9.3.1944). Österreichischer Politiker. 1909 – 18 Sektionschef im österreichischen Handelsministerium, 1920 – 25 österreichischer Gesandter in Berlin. Riegel, Martha (26.2.1884 – 17.8.1962). Lehrerin. Galt als Verlobte von  Karl Weber. Riehl, Alois (27.4.1844 – 21.11.1924). Philosoph. 1868 Promotion zum Dr. phil. in Innsbruck, 1870 Habilitation in Graz; 1873 a. o. Professor, 1878 o. Professor ebd., 1882 in Freiburg i. Br., 1896 in Kiel, 1898 in Halle und 1905 – 22 als Nachfolger von  Wilhelm Dilthey in Berlin, 1913 in Princeton/USA; grundlegende Arbeiten über den philosophischen Kritizismus. Das Ehepaar Riehl gehörte in der Freiburger Zeit zum engeren Bekanntenkreis von Max und Marianne Weber. Riehl, Sophie, geb. Reyer (1855 – ?). Verheiratet mit  Alois Riehl und Tante von  Frieda Gross. Weiteres nicht zu ermitteln. Rintelen, Carl (27.8.1872 – 24.5.1933). Rechtsanwalt in Graz. Rirte. Nicht nachgewiesen. Rodsjanko, Michael W.; Tl.: Rodzjanko, Michail Vladimiroviˇc (12.4.1859 – 19.1.1924). Russischer Politiker und Unternehmer; Mitglied der Oktobristen; Mitglied der 3. und Vorsitzender der 4. Duma; 1917 Vorsitzender des Provisorischen Dumakomitees; 1920 Emigration. Romancˇuk, Julijan (24.2.1842 – 22.4.1932). Ruthenischer (ukrainischer) Politiker. Führender Vertreter der Jungruthenen im österreichischen Reichsrat. Rosa. Dienstmädchen von  Helene Weber. Ruge, Arnold (1.1.1881 – 24.12.1945). Philosoph. 1908 Promotion zum Dr. phil. bei  Wilhelm Windelband in Heidelberg, 1910 Habilitation ebd.; 1920 Entzug der venia legendi; 1933 wissenschaftlicher Hilfsarbeiter am Generallandesarchiv Karlsruhe, 1934 Archivrat ebd., 1935 a. o. Professor an der TH Karlsruhe; Mitglied der NSDAP seit 1934; Arbeiten zur Kantischen Erkenntnistheorie; 1910 – 11 Mitherausgeber des „Logos“. Ruska, Julius Ferdinand (9.2.1867 – 11.2.1949). Semitist. 1889 philologisches Staatsexamen in Heidelberg, 1896 Promotion zum Dr. phil. ebd., dann im Schuldienst, 1911 Habilitation in Heidelberg; 1916 a. o. (Titular-)Professor für Semitische Philologie ebd., seit 1927 Honorarprofessor in Berlin, 1931 – 38 Abteilungsvorsteher am Institut für Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften. Im 1. Weltkrieg Mitglied der nationalistischen „Vaterlandspartei“.

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Sachs, Hans (5.11.1489 – 19.1.1576). Nürnberger Meistersinger. Salandra, Antonio (13.8.1853 – 9.12.1931). Italienischer Politiker. 1914 – 16 Ministerpräsident. Salisbury, Robert Cecil, Lord von (30.6.1830 – 22.8.1903). Britischer Politiker. 1881 Nachfolger Disraelis als Chef der konservativen Partei, 1885 bis Januar 1886, August 1886 bis 1892 und 1895 – 1902 Premierminister und Minister des Auswärtigen; herausragende außenpolitische Ereignisse während seiner Amtszeit waren die Faschodakrise von 1898 und der Krieg gegen die Buren 1899 – 1902. Salomon, Elisabeth Agnes (Elli) (10.11.1893 – 13.2.1958). Heiratete 1926  Friedrich Gundolf. Salz, Arthur (31.12.1881 – 10.8.1963). Österreichischer Nationalökonom. 1905 Promotion zum Dr. oec. publ. bei - Lujo Brentano in München, 1909 Habilitation in Heidelberg, 1914 – 18 Kriegsdienst, 1918 a. o. (Titular-)Professor in Heidelberg, 1919 freiwilliger Verzicht auf die venia legendi, 1919 – 27 Professor an der Akademie der Arbeit in Frankfurt a. M., 1927 Erneuereung der venia legendi und Einreihung unter a. o. Professoren in Heidelberg, 1933 Entzug der Lehrbefugnis aus rassistischen Gründen und Emigration nach England; 1933 Visiting Professor in Cambridge, 1934 – 52 Full Professor an der State University Ohio in Columbus; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Dem Kreis um  Stefan George nahestehend; mit  Friedrich Gundolf und  Alfred Weber befreundet. Gehörte auch zum Kreis von Marianne und Max Weber. Sarrail, Maurice (6.4.1856 – 23.3.1929). Französischer General; 1915 – 17 Oberkommandierender der alliierten Streitkräfte in Thessaloniki. Schäfer (seit 1927: Weber-Schäfer), Albert (17.6.1905 – 31.12.1972). Ingenieur. Sohn von  Lili und  Hermann Schäfer; 1927 Adoption durch Marianne Weber. Schäfer, Clara, geb. Bensch (28.12.1850 – 1.5.1906). Verheiratet mit  Karl Schäfer, Mutter von Max Webers Schwager  Hermann Schäfer. Schäfer (seit 1927: Weber-Schäfer), Clara (4.5.1903 – 1./2.11.1991). Tochter von  Lili und  Hermann Schäfer. 1927 Adoption durch Marianne Weber; 1929 Heirat mit dem Pfarrer Hans-Hermann Brandt. Schäfer, Dietrich (16.5.1845 – 12.1.1929). Historiker. 1871 Promotion zum Dr. phil. in Göttingen; 1877 a. o. Professor, 1883 o. Professor für Geschichte in Jena, 1885 in Breslau, 1888 in Tübingen, 1896 in Heidelberg, 1903 – 21 in Berlin; Mitglied des Alldeutschen Verbandes; im 1. Weltkrieg Vorsitzender des annexionistischen „Unabhängigen Ausschusses für einen deutschen Frieden“; im September 1917 Mitbegründer der Vaterlandspartei; mit seinen Hauptwerken „Weltgeschichte der Neuzeit“ (1907) und „Deutsche Geschichte“ (1910) beeinflußte er weithin das nationalpolitische Denken im Kaiserreich. Schäfer, Hermann (24.9.1871 – 26.8.1914). Architekt. Sohn und Schüler von  Karl Schäfer; 1904 Regierungsbaumeister in Neustettin/Pommern, 1908 mit der Wiederherstellung des Doms zu Altenburg bei Köln beauftragt, Regierungsbaurat in Berlin. Seit der gemeinsamen Studienzeit mit  Karl Weber befreundet, seit 1902 verheiratet mit  Lili Schäfer, geb. Weber, Schwager von Max Weber. Gefallen als Leutnant der Reserve bei Tannenberg.

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Schäfer (seit 1927: Weber-Schäfer), Hermann (24.4.1911 – 14.3.1929). Sohn von  Lili und  Hermann Schäfer. 1927 Adoption durch Marianne Weber. Schäfer, Karl (18.1.1844 – 5.5.1908). Architekt. Besuch der Höheren Gewerbeschule und der Akademie in Kassel, 1870 – 77 Stadt- und Universitätsbaumeister in Marburg; 1878 Habilitation; 1884 Privatdozent, 1885 Professor an der Bauakademie (der späteren Technischen Hochschule) in Berlin-Charlottenburg, 1894 – 1907 Professor an der TH Karlsruhe. Einflußreicher Vertreter einer historisierenden und restaurierenden Architektur, von seinen Plänen zum Wiederaufbau des Heidelberger Schlosses konnte er nur den Ausbau des Friedrichsbaus 1897 – 1900 verwirklichen. Lehrer von  Karl Weber und  Hermann Schäfer. Schäfer, Lili, geb. Weber (26.7.1880 – 7.4.1920). Verheiratet mit  Hermann Schäfer, jüngste Schwester von Max Weber. Nach dem Tod ihres Mannes Erzieherin in der 1910 von  Paul Geheeb gegründeten Odenwaldschule in Oberhambach an der Bergstraße. Ihre Kinder  Clara,  Albert,  Max und  Hermann wurden 1927 von Marianne Weber adoptiert. Schäfer (seit 1927: Weber-Schäfer), Max (21.11.1908 – 7.1.1998). Ingenieur. Sohn von  Lili und  Hermann Schäfer; Patenkind von Max Weber; 1927 Adoption durch Marianne Weber. Schäfer, Otto. Sohn von  Karl Schäfer. Schandau, Bertha (1867 – 1918). Dienstmädchen. Stammte aus Pasequick/Ostpreußen und war von 1893 – 1917 im Dienst bei Max und Marianne Weber. Scheidemann, Philipp (26.7.1865 – 29.11.1939). Sozialdemokratischer Politiker. 1890 Drucker und Redakteur für die sozialdemokratische Parteipresse; 1903 – 18 MdR; 1912 und 1918 dessen Vizepräsident; führte während des 1. Weltkriegs mit  Friedrich Ebert den gemäßigten Flügel der Fraktion; 1917/18 Mitglied des Interfraktionellen Ausschusses des Reichstags; im Oktober 1918 im Kabinett Max von Baden Staatssekretär ohne Portefeuille; rief am 9.11.1918 die Deutsche Republik aus; 1919 Reichskanzler; Rücktritt mit der gesamten Regierung wegen der Versailler Friedensbedingungen; 1919 – 25 Oberbürgermeister von Kassel; 1920 – 33 MdR, 1933 zur Emigration gezwungen; lebte seit 1934 in Kopenhagen. Scheler, Max (22.8.1874 – 19.5.1928). Philosoph. Studium der Medizin und Philosophie in Jena; 1897 Promotion zum Dr. phil. bei Rudolf Eucken in Jena, 1899 Habilitation ebd.; Treffen mit  Edmund Husserl; 1906 Umhabilitierung nach München und Eintritt in den dortigen Kreis der Phänomenologen; persönliche Verwicklungen führten 1910 zum Verlust der Dozentur in München; seitdem als Privatgelehrter in Göttingen lebend; 1917/18 Tätigkeit in Genf und in Den Haag; 1919 o. Professor für Philosophie und Soziologie an der neugegründeten Universität in Köln; 1928 in Frankfurt a. M. Arbeiten zur Phänomenologie, zur Soziologie des Wissens und zur philosophischen Anthropologie. Schellhass, Karl (24.2.1862 – 1951). Historiker. 1885 Promotion zum Dr. phil. in Berlin; bis 1922 2. Sekretär des preußischen historischen Instituts in Rom. Freund Max Webers in den 1890er Jahren. Schenk, Josef Wilhelm Freiherr von (23.8.1858 – 16.4.1944). Österreichischer Jurist und Politiker. 1882 Dr. jur. in Wien; 1880 niederösterreichischer Finanzprokuratur, 1883 als Fi-

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nanzprokuratur nach Lemberg, 1884 zur Finanzprokuratur nach Czernowitz versetzt; 1885 Ministerialkonzipist im Finanzministerium; 1888 Ministerialvizesekretär, 1892 Ministerialsekretär, 1894 Sektionsrat; 1895 Rat, 1906 Senatspräsident des Verwaltungsgerichtshofes, 1916/17 Justizminister; 1918 Präsident der Schutzstelle für deutsch-österreichisches Vermögen im Ausland; 1920 – 35 Präsident des Abrechnungsamtes.

Schiffer, Eugen (14.2.1860 – 5.9.1954). Jurist und liberaler Politiker. 1903 – 18 MdprAH; 1912 – 17 MdR für die Nationalliberale Partei; ab August 1917 Unterstaatssekretär, 1918 Staatssekretär im Reichsschatzamt; 1919 – 20 Mitglied der verfassunggebenden Nationalversammlung, 1920 – 24 MdR für die DDP; Februar bis April 1919 Reichsfinanzminister und Vizekanzler, Oktober 1919 bis März 1920 Reichsjustizminister und Vizekanzler; im Mai 1921 erneut Reichsjustizminister. 1922 Vertreter des Deutschen Reiches beim Internationalen Gerichtshof im Haag. Schloffer, Arnold (9.11.1870 – 12.4.1931). Rechtsanwalt in Graz. Bruder von  Frieda Gross. Schloffer, Hermann (18.5.1868 – 21.1.1937). Chirurg. Studium in Graz und Freiburg; 1892 Dr. med. in Graz; 1900 Habilitation; 1902 a. o. Professor, 1903 o. Professor in Innsbruck; 1911 o. Professor und Leitung der Chirurgischen Klinik der Universität Prag; 1936 emeritiert. Bruder von  Frieda Gross. Schlössinger. Weiteres nicht zu ermitteln. Schmid, Clara (Cläre), geb. Rosenberger (genannt: Schmid-Romberg) (26.8.1880 – 1960). Schauspielerin. Verheiratet mit  Friedrich Alfred Schmid, gehörte zum engeren Bekanntenkreis von Max und Marianne Weber. Schmid, Ferdinand (18.8.1862 – 20.2.1925). Österreichischer Jurist und Statistiker. 1885 Promotion zum Dr. jur. in Wien; danach als Statistiker in verschiedenen k.u.k. Behörden tätig; Habilitation für Statistik in Wien; 1895 – 98 Dozent für Nationalökonomie an der Handelshochschule ebd., 1901 a. o. Professor für Statistik und Verwaltungsrecht in Innsbruck, 1904 o. Professor ebd., 1908 o. Professor für Statistik und Verwaltungslehre in Leipzig. Schmid (seit 1942: Schmid Noerr), Friedrich Alfred (Fredi) (30.7.1877 – 12.6.1969). Philosoph und Schriftsteller. 1902 Promotion zum Dr. phil. bei  Heinrich Rickert in Freiburg i. Br., 1905 Habilitation für Philosophie in Heidelberg; 1911 – 19 a. o. (Titular-)Professor ebd.; lebte seit 1917 als Privatgelehrter und freier Schriftsteller in München und in Percha bei Starnberg; kultur-, geschichts- und religionsphilosophische Werke über die Erneuerung des Mythos als Urform volkstümlicher Dichtung und die Vermittlung von altgermanischer und christlicher Glaubenswelt. Lyrik, Dramen und Erzählungen. Verheiratet in erster Ehe mit  Clara Schmid; gehörte zum engeren Bekanntenkreis von Max und Marianne Weber in Heidelberg. Schmidt, Georg (18.3.1860 – 2.6.1935). Professor für Chirurgie in Heidelberg. Ehemann von  Paula Schmidt. Schmidt, Paula, geb. Hausrath (11.3.1872 – 30.12.1958). Tochter von Adolf und Henriette Hausrath, geb. Fallenstein; seit 1893 verheiratet mit  Georg Schmidt. Cousine von Max Weber.

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Schmoller, Gustav (seit 1908) von (24.6.1838 – 27.6.1917). 1861 Promotion zum Dr. oec. publ. in Staatswissenschaften in Tübingen; 1864 ohne Habilitation a. o., 1865 o. Professor für Staatswissenschaften in Halle, 1872 in Straßburg, 1882– 1912 in Berlin; seit 1884 Mitglied des preußischen Staatsrates; seit 1899 Vertreter der Universität Berlin im preußischen Herrenhaus; beeinflußte sowohl als Führer der jüngeren Historischen Schule der Nationalökonomie als auch als Mitbegründer und seit 1890 als Vorsitzender des „Vereins für Sozialpolitik“ die staatliche Sozialpolitik und die Entwicklung der Nationalökonomie in Deutschland. Schneegans, Anna, geb. Lichtenberger (23.9.1873 – 24.9.1943). Frau von  Friedrich Eduard Schneegans. Schneegans, Friedrich Eduard (5.5.1867 – 11.3.1942). Philologe. 1891 Promotion zum Dr. phil. in Straßburg und Staatsexamen für höheres Lehramt; 1892 Lektor an der Universität Heidelberg; 1897 Habilitation ebd.; 1900 a. o. (Titular-)Professor; 1902 etatmäßiger a. o. Professor ebd.; 1916 o. Professor in Neuenburg (Schweiz); 1919 Gymnasialprofessor in Straßburg; 1926 a. o. Professor ebd.; 1928 – 36 o. Professor ebd. Verheiratet mit  Anna Schneegans. Schnitger, Eduard (28.10.1845 – 17.5.1903). Mediziner. 1869 Arzt in Oerlinghausen, 1873 in Lemgo, später in Lage. Heiratete 1869 Anna Weber (9.4.1851 – 9.3.1873), die älteste Tochter von  Carl David Weber; Vater von  Marianne Weber, Schwiegervater von Max Weber. Litt unter Depressionen und Verfolgungsvorstellungen, konnte aber seine ärztliche Praxis fortführen. Schnitger, Hans (24.6.1843 – 19.12.1920). Rechtsanwalt. Onkel von Marianne Weber. Schnitger, Hans (7.1.1885 – 12.9.1916). Als Soldat gefallen. Sohn von  Wilhelmine (Minna) und  Hans Schnitger. Schnitger, Wilhelm (17.7.1886 – 3.5.1972). Sohn von  Wilhelmine (Minna) und  Hans Schnitger. Schnitger, Wilhelmine (Minna), geb. Lindemann (20.3.1846 – 2.10.1928). Frau von  Hans Schnitger. Schönebeck, Franz von (18.6.1868 – 8.8.1940). Dr. jur.; Ministerialdirektor im Reichsamt des Innern, im Weltkrieg Referent für Handelsfragen, insbesondere für Belgien und Polen. Schöngarth, Wilhelm (28.5.1850 – 14.5.1932). Oberstleutnant a.D. Er war Kommandeur des Bezirkskommandos für die Ämter Heidelberg, Sinsheim und Weinheim, dem das Hauptmeldeamt und das Garnisonskommando der königlichen Militärbehörde unterstanden. Schorlemer-Lieser, Klemens Freiherr von (29.9.1856 – 6.7.1922). Konservativer, dem Zentrum nahestehender Politiker. 1888/89 Landrat im Kreis Neuß, 1889 Vorsitzender der rheinischen Landwirtschaftskammer, 1901 MdprHH, 1905 Oberpräsident der Rheinprovinz, 1910 preußischer Landwirtschaftsminister, 1917 wieder Oberpräsident, 1919 Vorsitzender des Landwirtschaftsrates.

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Schubert, Hans von (12.12.1859 – 6.5.1931). Kirchenhistoriker. 1884 Promotion zum Dr. phil. in Straßburg, 1891 a. o. Professor ebd., 1892 o. Professor in Kiel, 1906 – 28 in Heidelberg. Arbeiten zur frühen Kirchengeschichte; Bekannter von  Otto Baumgarten und Max Weber in den 1880er Jahren in Straßburg. Schüller, Richard (28.5.1870 – 14.5.1972). Österreichischer Wirtschaftsfachmann. 1892 Promotion zum Dr. jur. in Wien; 1899 Habilitation für Nationalökonomie ebd., 1906 a. o. Professor ebd.; 1898 im Handelsministerium, wo er 1917 Sektionschef wurde; 1918 Staatsamt des Äußeren; 1918 vertrat er Österreich bei den wichtigen internationalen Konferenzen in Brest-Litowsk, 1919 in St. Germain und bei der Völkerbundstagung in Genf; 1938 Flucht aus Österreich zunächst nach Italien, dann nach London und schließlich in die USA, wo er an den Versuchen der österreichischen Emigration, eine Exilregierung zu bilden, Anteil nahm; 1940 – 52 lehrte er an der New School for Social Research. Schulze-Gaevernitz, Gerhart (bis zur Nobilitierung des Vaters 1888: Gerhart Schulze) von (25.7.1864 – 10.7.1943). Nationalökonom. 1886 Promotion zum Dr. jur. in Göttingen, 1891 zum Dr. phil. in Leipzig, im selben Jahr Habilitation ebd.; 1893 a. o., 1896 – 1923 o. Professor in Freiburg i. Br.; legte 1923 die ordentliche Professur nieder; Honorarprofessor, Gastdozent in den USA (1924), Rußlandreisen in den 1890er Jahren. 1912 – 18 MdR für die FVP, 1919/20 als Mitglied der DDP in der Nationalversammlung und 1922 MdR für die DDP. Arbeiten zur Sozialreform, Kreditwirtschaft und Weltwirtschaft unter besonderer Berücksichtigung Englands, Rußlands und der USA sowie Studien zur Kulturgeschichte und zum Verhältnis von Kant und Marx; gehörte im „Verein für Sozialpolitik“ zum sozialreformerischen Flügel im Anschluß an  Lujo Brentano. Seit den gemeinsamen Jahren an der Universität Freiburg i. Br. bestand eine freundschaftlich-kollegiale Beziehung zu Max Weber; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Schumacher, Hermann (6.3.1868 – 3.10.1952). Nationalökonom. 1891 Promotion zum Dr. jur. in Jena; 1896 – 1901 Hilfsarbeiter im preußischen Ministerium der Öffentlichen Arbeiten, Studienreisen nach Ostasien und Amerika; 1899 a. o. Professor der Staatswissenschaften in Kiel, 1900 in Köln und Bonn, 1901 erster Studiendirektor der Handelshochschule in Köln und gleichzeitig a. o. Professor in Bonn, 1904 – 17 o. Professor ebd., 1906/ 07 Inhaber der Kaiser Wilhelm Professur an der Columbia University in New York, 1917 –35 o. Professor in Berlin. Veröffentlichungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der USA und Ostasiens. Gehörte zum Bekanntenkreis Max Webers seit den frühen 1890er Jahren in Berlin; zeitweiliger Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“; sein Beitrag ist nicht erschienen. Schumpeter, Joseph Alois (8.2.1883 – 8.1.1950). Österreichischer Nationalökonom und Soziologe. 1906 Promotion zum Dr. jur. in Wien, 1909 Habilitation ebd., im selben Jahr a. o. Professor in Czernowitz, 1911 o. Professor in Graz, 1913/14 Austauschprofessor an der Columbia-University in New York, März bis Oktober 1919 österreichischer Finanzminister im Kabinett Renner; 1921 Verzicht auf das Grazer Ordinariat; 1921 – 24 Präsident der Biedermannbank in Wien, die 1924 in Konkurs ging und ihn sein Vermögen kostete; 1925 o. Professor für Volkswirtschaftslehre in Bonn als Nachfolger von Heinrich Dietzel, 1932 – 50 an der Harvard University in Cambridge/Massachusetts, USA. Gehörte zu den bedeutendsten Vertretern der österreichischen Grenznutzenschule in der Nationalökonomie. Arbeiten zur methodologischen Grundlegung der ökonomischen Theorie, zur theoretischen Grundlegung der wirtschaftlichen Entwicklung sowie zur ökonomischen Dogmengeschichte. Verband in einzigartiger Weise theoretische Präzision mit historischem Denken. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“.

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ˇ Schuwalow, Peter Graf; Tl.: Suvalov, Petr Andreeviˇc (15.7.1827 – 22.3.1889). Russischer Diplomat. 1874 – 79 russischer Botschafter in London, 1878 zweiter Vertreter der russiˇ schen Delegation auf dem Berliner Kongreß; Bruder von Pavel Andreevi´c Suvalov (1830 – 1908), von 1885 – 94 russischer Botschafter in Berlin.

Schwoerer, Victor Freiherr von (10.10.1865 – 2.2.1943). Jurist und Ministerialbeamter. Nach dem Studium der Jurisprudenz in Freiburg i. Br. zunächst richterliche Laufbahn: 1893 Amtsrichter in Oberkirch; 1895 Hilfsreferent im Badischen Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts; 1897 Oberamtsrichter in St. Blasien; 1900 Landgerichtsrat in Freiburg i. Br.; 1905 Staatsanwalt in Karlsruhe; 1908 erster Staatsanwalt in Konstanz; 1910 Ministerialrat im badischen Ministerium der Justiz, des Kultus und des Unterrichts in Karlsruhe; 1911 – 19 Leiter der Hochschulabteilung ebd.; ab 1919 in Berlin Stellvertretender Präsident der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft; 1935 ging er in den Ruhestand, da seine Arbeit durch die nationalsozialistische Regierung erschwert wurde. Seligman, Edwin Robert Anderson (25.4.1861 – 18.7.1939). Amerikanischer Nationalökonom und Finanzwissenschaftler. 1884 Promotion zum Ph.D. in Columbia, 1885 Lecturer in Political Economy ebd., 1888 Adjunkt-Professor und 1891 – 1931 Professor of Political Economy and Finance; 1902 – 04 Mitbegründer und erster Präsident der „American Economic Association“. 1827 – 1935 Gründer und Hauptherausgeber der „Encyclopedia of the Social Sciences“. Hauptwerke: „The Shifting Incidence of Taxation“, „The Income Tax“ (1911) sowie seine bei Historikern einflußreiche „Economic Interpretation of History“. Sering, Max (18.1.1857 – 12.11.1939). Nationalökonom. 1881 Promotion zum Dr. rer. pol. in Straßburg, 1883 Habilitation in Bonn; 1885 a. o. Professor für Staatswissenschaften ebd., 1889 – 1906 o. Professor an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin, seit 1893 zusätzlich a. o., 1897 – 1925 o. Professor an der Universität in Berlin; maßgeblich beteiligt an der Landarbeiterenquete des Vereins für Sozialpolitik 1892, deren ostelbischen Teil Max Weber bearbeitete; 1894 Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz; 1914 – 18 Vorsitzender der wissenschaftlichen Kommission im Kriegsministerium; 1919 Leiter des Ständigen Ausschusses für das Siedlungswesen in Berlin; hatte maßgeblichen Einfluß auf die Reichssiedlungsgesetze in der Weimarer Republik; 1927 Vertreter Deutschlands in der Agrarkommission der Weltwirtschaftskonferenz des Völkerbundes in Genf. Zählte in den 1890er Jahren zu Max Webers Berliner Bekanntenkreis und war Schulfreund von dessen Vetter  Otto Baumgarten. Zeitweise Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“; sein Beitrag ist nicht erschienen. Siebeck, Oskar (29.7.1880 – 24.2.1936). Verleger. Studierte Nationalökonomie, 1904 Promotion zum Dr. phil. bei  Karl Bücher in Leipzig, 1906 Eintritt in den väterlichen Verlag, seit 1920 verantwortlicher Leiter und Inhaber der Firmen J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) und H. Laupp’sche Buchhandlung. Nach dem Tode seines Vaters  Paul Siebeck betreute er die postum von  Marianne Weber herausgegebenen Veröffentlichungen und Sammelbände mit Werken Max Webers sowie ihre Biographie „Max Weber. Ein Lebensbild“, 1926. Siebeck, Paul (7.3.1855 – 20.11.1920). Verleger. Erwarb 1878 den in Heidelberg ansässigen Verlag J. C. B. Mohr und gründete in Freiburg i. Br. die neue Firma J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), 1899 Übersiedlung nach Tübingen und Vereinigung mit der dortigen Laupp’schen Buchhandlung; schuf einen führenden Wissenschaftsverlag für evangelische Theologie, Rechtswissenschaft, Medizin, Philosophie sowie Staats- und Sozialwissenschaften. Bekanntschaft mit Max Weber 1894 in Freiburg i. Br. und seither Entwicklung einer freundschaftlichen Beziehung; verlegte 1895 Webers Antrittsvorlesung „Der Natio-

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nalstaat und die Volkswirtschaftspolitik“ und seit 1904 das von  Werner Sombart, Max Weber und  Edgar Jaffé herausgegebene „Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“ sowie das Buch von Marianne Weber „Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung“, 1907; Weber beriet ihn in zahlreichen Verlagsprojekten, insbesondere bei der Herausgabe des Handwörterbuches „Die Religion in Geschichte und Gegenwart“, 5 Bände, 1909 – 13, und bei der Planung einer Neuausgabe des von Gustav von Schönberg herausgegebenen „Handbuchs der Politischen Ökonomie“; daraus entstand zum Jahresende 1908 der Plan für den „Grundriß der Sozialökonomik“, den Max Weber gestaltete und herausgeberisch betreute und der ab 1914 in Lieferungen erschien.

Siebeck, Richard (10.4.1883 – 15.5.1965). Mediziner. 1906 Staatsexamen in Tübingen, 1908 Promotion zum Dr. med. in Heidelberg, 1912 Habilitation für Innere Medizin ebd., 1918 a. o. Professor ebd., 1924 o. Professor in Bonn, 1931 in Heidelberg als Nachfolger von Ludolf von Krehl, 1934 in Berlin und 1941 – 51 wieder in Heidelberg; Sohn von  Paul Siebeck und Bruder von  Oskar und  Werner Siebeck. Siebeck, Werner (14.3.1891 – 10.9.1934). Verleger. Sohn von  Paul Siebeck. Sieghart, Rudolf (13.3.1866 – 14.8.1934). Österreichischer Jurist und Politiker. Jurastudium in Wien; 1892 Promotion, danach Promotion für politische Ökonomie in Wien; Tätigkeit als Parlamentsjournalist, als Berater  Ernest von Koerbers bedeutender Einfluß auf die österreichische Politik; 1902 – 10 Vorstand der Präsidialkanzlei des Ministerpräsidiums; 1910 – 16 und 1919 – 28 Gouverneur bzw. Präsident der Bodenkreditanstalt; seit 1912 MdöHH; seit 1900 Dozent für politische Ökonomie an der Universität in Wien. Simmel, Georg (1.3.1858 – 26.9.1918). Philosoph und Soziologe. 1881 Promotion zum Dr. phil. in Berlin, 1885 Habilitation für Philosophie ebd., 1901 etatmäßiger a. o. Professor ebd., 1914 o. Professor in Straßburg. Gehörte mit seinen Schriften seit 1890 zu den Begründern der Soziologie in Deutschland. Er stand in freundschaftlicher Beziehung zu Max Weber, der sich 1908 für seine Berufung nach Heidelberg einsetzte und mit ihm 1909 zu den Gründern der Deutschen Gesellschaft für Soziologie gehörte; auch zu Marianne Weber bestanden freundschaftliche Beziehungen, ihr widmete er sein Buch „Goethe“, 1913. Simmel, Gertrud, geb. Kinel (7.3.1864 – 20.7.1938). Schriftstellerin. Ausbildung als Malerin in Berlin; verfaßte unter dem Pseudonym Marie Luise Enckendorff philosophische Betrachtungen: 1906 „Vom Sein und Haben der Seele“, 1910 „Realität und Gesetzlichkeit im Geschlechtsleben“, womit sie zur zeitgenössischen Debatte um die Neubestimmung des Wesens der Frau beitrug, 1919 „Über das Religiöse“, 1927 „Kindschaft zur Welt“. Heiratete 1890  Georg Simmel und zog mit diesem 1914 nach Straßburg. Nach ihrer Ausweisung 1918 wohnte sie kurze Zeit bei Marianne und Max Weber in Heidelberg und lebte dann an den Wohnorten ihres Sohnes in Jena, Gera und Stuttgart. Gehörte zum engeren Bekanntenkreis von Max und Marianne Weber und war mit letzterer befreundet. Simon, Heinrich (31.7.1880 – 6.5.1941). Journalist und Verleger. 1905 Promotion zum Dr. phil. bei  Heinrich Rickert in Freiburg i. Br.; 1906 Eintritt in die Frankfurter Societätsdrukkerei und in die Redaktion der von seinem Großvater, Leopold Sonnemann, gegründeten „Frankfurter Zeitung“; 1914 – 34 Vorsitzender der Redaktionskonferenz. 1934 Emigration nach Palästina, dort Geschäftsführer des Palestine Philharmonic Orchestra, 1939 über Großbritannien in die USA; gab in Washington Musikkurse in einem College; 1941 ermordet. Gehörte zum Bekanntenkreis von Max und Marianne Weber.

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Simon, Kurt (26.11.1881 – Oktober 1957). Jurist und Verleger. Abschluß des Jurastudiums in Heidelberg mit der Promotion zum Dr. jur. 1907 Eintritt in die Geschäftsführung der Frankfurter Societätsdruckerei, seit 1910 als Prokurist für deren administrative und kaufmännische Leitung verantwortlich. 1934 Emigration über die Schweiz in die USA. Bruder von  Heinrich Simon. Simson, August von (17.9.1837 – 3.1.1927). Rechtsanwalt in Berlin. Geh. Justizrat. In seiner Kanzlei arbeitete Max Weber während seiner Referendarzeit. Simson, Robert von. Rechtsanwalt und Notar in Berlin. Sohn von  August von Simson. Weiteres nicht zu ermitteln. Somary, Felix (20.11.1881 – 11.7.1956). Bankier und Finanzpolitiker; nach Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Wien 1905 Finanzsekretär der Anglo-Austrian Bank ebd.; 1910 – 1914 Professor an der Hochschule für staatswissenschaftliche Fortbildung sowie Bankier in Berlin; im Weltkrieg 1914 – 15 Leiter der Bankabteilung in Belgien und Mitglied der Zivilverwaltung; 1916 – 18 Mitarbeit im Arbeitsausschuß für Mitteleuropa, dort Zusammenarbeit mit Max Weber; seit 1919 Bankier in Zürich; Gastprofessor an der Universität Heidelberg und an verschiedenen amerikanischen Universitäten. 1918– 19 Mitglied der Hoover-Kommission für Österreich; 1939 – 40 Chef der Schweizer Delegation für die Kriegswirtschaftsverträge zwischen der Schweiz und den USA; 1941 – 43 Adviser des American War Department für internationale Finanzfragen. Sombart, Werner (19.1.1863 – 18.5.1941). Nationalökonom. 1888 Promotion zum Dr. phil. bei  Gustav Schmoller in Berlin, 1888 Syndikus der Handelskammer in Bremen; 1890 – 1906 a. o. Professor in Breslau, 1906 Professor an der Handelshochschule Berlin; 1917 – 31 als Nachfolger von  Adolph Wagner o. Professor an der Universität Berlin; ab 1892 im Ausschuß des „Vereins für Sozialpolitik“, 1930 stellvertretender und 1932 Erster Vorsitzender des Vereins; 1909 Mitbegründer der „Deutschen Gesellschaft für Soziologie“; 1904 – 20 zusammen mit  Edgar Jaffé und Max Weber Mitherausgeber des AfSSp, das er nach Webers Tod verließ, da ihm die Zeitschrift zu linkslastig geworden war. Arbeiten zur Wirtschaftsgeschichte, insbesondere zur Entstehung und Entwicklung des Kapitalismus auf systematisch-empirischer Grundlage sowie über die sozialen Bewegungen des 19. Jahrhunderts. Seit den späten 1880er Jahren freundschaftliche Beziehungen zu Max Weber; in der Kriegs- und Nachkriegszeit zunehmende Distanz; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Spahn, Martin (7.3.1875 – 12.5.1945). Historiker. 1896 Promotion zum Dr. phil. bei  Gustav Schmoller in Berlin, 1898 Habilitation ebd.; 1901 a. o. Professor in Bonn, 1901 a. o., 1902 – 18 o. Professor in Straßburg, 1920 – 40 in Köln; wurde gegen den Willen der Fakultät nach Straßburg auf den neuen, von einem Katholiken zu besetzenden Lehrstuhl für neue Geschichte gesetzt, was in der deutschen Gelehrtenwelt zu massiven Protesten führte („Voraussetzungslosigkeit der Wissenschaft“); seit 1908 für die Zentrumspartei im Gemeinderat in Straßburg; 1910 – 12 MdR für den rechten Zentrumsflügel, 1924 – 32 MdR für die DNVP, 1933 Eintritt in die NSDAP. Spranger, Eduard (27.6.1882 – 17.9.1963). Philosoph. 1905 Promotion zum Dr. phil. in Berlin, 1911 a. o. Professor, 1912 o. Professor in Leipzig, 1920 o. Professor in Berlin, 1946 o. Professor in Tübingen. Stäckel, Paul (20.8.1862 – 12.12.1919). Mathematiker. 1885 Promotion in Berlin, 1886 Oberlehrerprüfung ebd., 1887/88 pädagogisches Probejahr am Königlichen Wilhelms-

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Gymnasium ebd., 1888 – 91 Eigenstudien ebd., 1891 Habilitation Halle/S.; 1895 a. o. Professor in Königsberg, 1897 in Kiel, 1899 o. Professor ebd., 1905 etatmäßiger Professor an der TH Hannover, 1908 o. Professor an der TH Karlsruhe, 1913 o. Professor in Heidelberg. 1914 – 1916 Kriegsdienst.

Stauffenberg, Franz Schenk von (3.8.1834 – 2.6.1901). Liberaler Politiker. 1868 – 71 Mitglied des Norddeutschen Reichstags; 1871 – 93 MdR, zunächst für die Nationalliberale Partei, 1880 – 84 für die Liberale Vereinigung; 1884 – 93 Führer der Deutschen Freisinnigen Partei; 1874 – 79 Vizepräsident des Reichstags. Steffen, Gustaf Fredrik (4.5.1864 – 15.4.1929). Schwedischer Sozialwissenschaftler und Sozialist. Nach dem Studium der Naturwissenschaften in Aachen und Berlin 1887– 97 als Korrespondent für „Göteborgs handels- och sjöfarts-tidning“ in London, danach bis 1902 in Florenz. 1902 Promotion zum Dr. phil. in Rostock; seit 1903 Professor für Nationalökonomie und Soziologie in Göteborg; ab 1910 Sozialdemokrat, 1915 Parteiausschluß wegen seiner Parteinahme im Weltkrieg für Deutschland. Hauptwerke: „Soziologi“ (4 Bde., 1910– 11), „Krig och kultur“ (4 Bde., 1914 – 17) und „Världsåldrama“ (3 Bde., 1918 – 20). Stein, Elisabeth (1857 – 18.10.1928). Geschäftsführerin der Vereinigung Wohlfahrtsbestrebungen Charlottenburg; Vorstandsmitglied des 1916 gegründeten Deutschen Verbandes der Sozialbeamtinnen. Befreundet mit  Helene Weber. Stieda, Wilhelm (1.4.1852 – 21.10.1933). Nationalökonom und Historiker. 1875 Promotion zum Dr. sc. pol. in Tübingen, 1876 Habilitation in Straßburg; 1878 a. o., 1879 o. Professor für Statistik und Volkswirtschaftslehre in Dorpat, 1884 – 98 in Rostock, 1898 – 1922 in Leipzig; 1875/76 im Preußischen Statistischen Bureau in Berlin; 1882 – 84 Regierungsrat des Statistischen Amtes des Deutschen Reiches ebd. Hauptsächlich Arbeiten zur mittelalterlichen Wirtschaftsgeschichte. Stürgkh, Karl Graf (30.10.1859 – 21.10.1916). Österreichischer Jurist und Politiker. 1881 Promotion zum Dr. jur. in Wien; trat danach in den Staatsdienst ein; 1881 – 95 und 1897 – 1907 Abgeordneter im Reichsrat, wo er sich der Vereinigten Deutschen Linken anschloß; 1907 Mitglied des Herrenhauses, 1909 – 11 Unterrichtsminister; 1911 Ministerpräsident. Nach einsetzender Obstruktion im Reichsrat schaltete Stürgkh am 16.3.1914 das Parlament aus und vertagte den Reichsrat. Von da an regierte er autoritär mit Notverordnungen und bediente sich nach Beginn des 1. Weltkrieges der „Ausnahmeverfügung für den Kriegsfall“. Er weigerte sich wiederholt, die Volksvertretung wiedereinzuberufen und verhängte eine strenge Zensur. Dies waren auch die Gründe, weswegen ihn der Sozialdemokrat Friedrich Adler, ein Sohn  Victor Adlers, erschoß. Tenge, (Frau). Nicht nachgewiesen. Thode, Henry (13.1.1857 – 9.11.1920). Kunsthistoriker. 1880 Promotion in Wien; 1886 Habilitation in Bonn; 1889 – 91 Direktor des Städel’schen Kunst-Instituts in Frankfurt a. M.; 1893 planmäßiger a. o. Professor in Heidelberg; 1896 o. Professor ebd.; 1911 auf eigenen Wunsch entlassen. Seit 1911 Privatgelehrter. Thoma, Helene, geb. Fieser (1881 – ?). Verheiratet mit  Richard Thoma. Thoma, Richard (19.12.1874 – 26.6.1957). Staatsrechtler. 1900 Promotion zum Dr. jur. in Freiburg, 1906 Habilitation ebd.; 1908/09 Professor am Kolonial-Institut Hamburg; 1909 o.

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Professor in Tübingen, 1911 in Heidelberg; 1928 o. Professor in Bonn; 1945 Emeritierung. Das Ehepaar Thoma wohnte von 1919 bis 1928 in der Ziegelhäuser Landstraße 17. Neben  Gerhard Anschütz einer der führenden demokratischen Verfassungsrechtler in der Weimarer Republik.

Thomas, Otto. Arbeiterführer. Tiede, Helene, geb. Richter (15.11.1833 – August 1915). Patentante von  Alfred Weber. Tiedemann, Christoph (seit 1883) von (24.9.1836 – 20.7.1907). Konservativer Politiker und Publizist. 1872 Landrat im Kreis Mettmann (Rheinprovinz), 1876 Vortragender Rat im preußischen Staatsministerium, 1878 – 81 Leiter der neugebildeten Reichskanzlei, 1881 Regierungspräsident in Bromberg; 1873 – 76 und 1879 – 1903 MdprAH für die Freikonservativen und MdR 1898 – 1906. Publikationen über die Bismarck-Zeit. Tirpitz, Alfred von (19.3.1849 – 6.3.1930). Großadmiral; 1892 – 95 Chef des Stabes beim Oberkommando der Kriegsmarine; 1897 – 1916 Staatssekretär des Reichsmarineamts; Initiator der gegen England gerichteten Flottenpolitik; schuf zur Unterstützung seiner politischen Ideen einen umfänglichen Propagandaapparat; besaß das Immediatsrecht und genoß das enge Vertrauen Wilhelms II.; trat 1915/16 für den rücksichtslosen Einsatz der UBoot-Waffe ein; am 15. März 1916 wegen Differenzen mit  Theobald von Bethmann Hollweg über Seekriegsführung zurückgetreten; 1917 Mitbegründer der Deutschen Vaterlandspartei; 1924 – 28 MdR (DNVP). Tisza, István (Stefan) (seit 1897 Graf) (22.4.1861 – 31.10.1918). Ungarischer Nationalökonom und Politiker. 1886 Wahl in das ungarische Abgeordnetenhaus; 1910 Gründer der „Nationalen Arbeiterpartei“, mit der er 1912 einen großen Wahlsieg errang; 1903 – 05 und 1913 – 17 ungarischer Ministerpräsident; rigoroser Vertreter der magyarischen Vorherrschaft in der ungarischen Reichshälfte unter Ablehnung der politischen und kulturellen Bestrebungen der nationalen Minderheiten; 1918 von meuternden Soldaten erschossen. Tobler, Achim (11.3.1908 – 2.1.1995). Jurist. Sohn von  Bertha und  Ludwig Tobler. Tobler, Adolf (23.5.1835 – 18.3.1910). Schweizer. Romanist. Seit 1867 a. o., ab 1870 o. Professor an der Universität Berlin. Onkel von  Mina Tobler. Tobler, Bertha, geb. Scholl (21.10.1883 – 21.6.1957). Verheiratet mit  Ludwig Hermann Tobler. Tobler, Henriette, geb. Hattemer (15.8.1836 – 26.11.1917). Mutter von  Ludwig Hermann Tobler und  Mina Tobler. Leiterin einer Privatschule mit Mädchenpensionat in Zürich. Tobler, Johann Ludwig (1.6.1827 – 15.8.1895). Schweizer Sprachwissenschaftler, Philologe sowie Volkskundler. 1866 a. o. Professor für allgemeine Sprachwissenschaft und Germanistik in Bern und 1873 in Zürich, dort 1893 o. Professor. Vater von  Mina Tobler. Tobler, Ludwig Hermann (2.5.1877 – 2.6.1915). Kinderarzt. 1903 Assistent, 1907 – 11 Oberarzt an der Universitäts-Kinderklinik Heidelberg, 1905 Habilitation ebd.; 1911 a. o. Professor ebd.; 1911 o. Professor und Direktor der Universitäts-Kinderklinik Breslau. Der Bruder von  Mina Tobler starb an den Folgen einer Blutvergiftung.

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Tobler, Mina (26.6.1880 – 5.1.1967). Schweizer Pianistin, Musiklehrerin. Lebte seit 1905 in Heidelberg;  Emil Lask führte sie 1909 bei Max und Marianne Weber ein, zu deren engstem Freundeskreis sie bald gehörte. Tobler, Sibylle (3.7.1915 – 18.3.1996). Tochter von  Bertha und  Ludwig Tobler. Tönnies, Ferdinand (26.7.1855 – 9.4.1936). Philosoph, Soziologe und Nationalökonom. 1877 Promotion zum Dr. phil. in Tübingen, Reisen nach England zum Studium des Philosophen Thomas Hobbes, 1881 Habilitation bei Benno Erdmann in Kiel; 1909 etatmäßiger a. o. Professor ebd., 1910 o. Honorar-Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaften ebd., 1913 – 33 o. Professor ebd.; ab 1921 Lehrauftrag für Soziologie ebd.; 1909– 33 erster Präsident der von ihm u. a. mit Max Weber,  Werner Sombart und  Georg Simmel gegründeten „Deutschen Gesellschaft für Soziologie“. Kollegiale Beziehungen zu Max Weber, die nur zeitweise durch Webers Konflikt mit Tönnies’ Freund  Bernhard Harms getrübt wurden. Traub, Gottfried (11.1.1869 – 22.9.1956). Evangelischer Theologe und Politiker. Seit 1901 Pfarrer in Dortmund, wegen Differenzen mit der Kirchenleitung 1912 entlassen, 1920 aber rehabilitiert. Politischer Rechtsruck vom Anhänger  Friedrich Naumanns über die FVP, für die er von 1913 – 17 Mitglied im Preußischen Abgeordnetenhaus war, zur DVP und schließlich zur DNVP, die er 1919/20 in der deutschen Nationalversammlung vertrat. 1920 Kultusminister in der Putschregierung von Wolfgang Kapp. Trent, William Peterfield (10.11.1862 – 6.12.1939). Amerikanischer Literarhistoriker. 1883 B.Litt., 1884 A.M. an der University of Virginia, 1888 Professor für „English Language and Literature“ in Sewanee, Tennesse, ab 1900 an der Columbia University. Seine prodeutsche Einstellung im Weltkrieg entfremdete ihn für die Dauer des Krieges seinen Kollegen. 1927 Ende der Lehrtätigkeit durch einen Schlaganfall. Werke zur amerikanischen Literaturgeschichte, Mitherausgeber der „Cambridge History of American Literature“ (1917 – 21), Initiator und Leiter bis 1927 der „Works of John Milton“. Triesch, Irene (13.4.1877 – 24.11.1964). Schauspielerin in München, Frankfurt und v.a. Berlin, spielte häufig in Stücken Henrik Ibsens. Troeltsch, Ernst (17.2.1865 – 1.2.1923). Evangelischer Theologe, Politiker, Philosoph und Historiker. 1891 Promotion zum lic. theol. in Göttingen, 1891 Habilitation ebd.; 1892 a. o. Professor für Systematische Theologie an der Universität Bonn, 1894 o. Professor in Heidelberg, im Wintersemester 1909/10 Lehrauftrag an der Philosophischen Fakultät ebd., 1915 Berufung auf den Lehrstuhl für „Kultur-, Geschichts- und Religionsphilosophie“ an der Philosophischen Fakultät der Universität Berlin; 1918 Mitbegründer der DDP, 1919 – 22 Unterstaatssekretär, 1922 Staatssekretär im preußischen Kultusministerium. Enge Zusammenarbeit mit Max Weber in religionssoziologischen Fragen der Kulturbedeutung des Christentums im allgemeinen, des Protestantismus im besonderen sowie der protestantischen Sekten; Mitglied des religionswissenschaftlichen „Eranos“-Kreises in Heidelberg; wohnte von 1910 – 15 im selben Haus wie Max Weber; freundschaftliche Beziehungen zu Max Weber, jedoch im Weltkrieg Zerwürfnis. Troeltsch, Marta (Mokka), geb. Fick (24.4.1874 – 17.11.1947). Heiratete 1901  Ernst Troeltsch, lebte von 1910 – 15 im gleichen Haus wie Max und Marianne Weber in Heidelberg, Ziegelhäuser Landstraße 17.

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´ Tscheidse, Nikolai S.; Tl.: Cheidze, Nikolaj Semenoviˇc (1864 – 1926). Russischer sozialdemokratischer Politiker; 1907 Mitglied der 3. Duma; Führer der Fraktion der Menschewiki in der 4. Duma; 1917 Mitglied des provisorischen Duma-Komitees; nach der Februar-Revolution Vorsitzender des Petersburger Sowjets; 1921 Emigration.

Ubisch, Edgar von (1848 – nach 1922). Berufsoffizier, Direktor des Zeughauses in Berlin. Vater von  Lisa von Ubisch. Ubisch, Lisa von (24.9.1880 – 1.8.1938). Enge Freundin von  Lili Schäfer, Tochter von  Edgar von Ubisch, Direktor des Berliner Zeughauses, Großnichte von  Adele Goldschmidt. Valckenberg, Lili (Klara Elise), geb. Lepsius (15.10.1881– 23.3.1969). Von 1905 bis 1906 verheiratet mit Josef Valckenberg. Schwester von  Eva Weisbach. Vandervelde, Emile (25.1.1866 – 27.12.1938). Belgischer Jurist und Politiker. Studium der Fächer Rechtswissenschaften, Sozialwissenschaften und Nationalökonomie; Promotion 1891, nach Abschluß des Studiums Rechtsanwalt in Brüssel; 1895 o. Professor an der „Université Nouvelle“; 1896 Rektor ebd.; 1900 Rücktritt; 1894 Wahl ins belgische Parlament; Mitarbeit am Blatt „Le Peuple“; 1913 Wahl in die Belgische Akademie der Wissenschaften; 1894 – 1938 Abgeordneter; 1916 Innenminister; 1918 – 21 Justizminister; 1925 – 27 Außenminister; 1935 Minister ohne Portefeuille, dann stellvertretender Ministerpräsident; 1937 Ausstieg aus der Regierung; Vorsitzender der Belgischen Arbeiterpartei und führender Vertreter der 2. Internationale. Voelcker, Friedrich (22.6.1872 – 19.3.1955). Chirurg. Schüler und Assistent des Chirurgen Vincenz Czerny, 1895 Promotion zum Dr. med. in München, 1902 Habilitation in Heidelberg; 1906 – 19 a. o. Professor und ab1910 Leiter der Chirurgischen Universitätsklinik in Heidelberg, 1919 – 37 o. Professor für Chirurgie in Halle. Verheiratet mit Lili Voelcker, geb. Stengel. Voltelini, Hans von (31.7.1862 – 25.6.1938). Österreichischer Rechtshistoriker. 1887 Promotion zum Dr. phil. in Wien, 1892 Promotion zum Dr. jur. ebd., 1886 – 1900 Beamter des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, 1900 Habilitation in der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Wien, 1900 a. o., 1902 o. Professor für österreichische Geschichte in Innsbruck, 1908 o. Professor für deutsches Recht und österreichische Reichsgeschichte in Wien; 1917/18 Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät. Arbeiten zur österreichischen Geschichte und Rechtsgeschichte. Waentig, Heinrich (21.3.1870 – 20.12.1943). Nationalökonom. 1893 Promotion zum Dr. phil. in Leipzig; 1895 Habilitation in Marburg, 1897 a. o. Professor ebd., 1898 a. o. Professor in Greifswald, 1899 o. Professor ebd., 1902 in Münster, 1904 in Halle; 1909 in Tokyo und 1913 – 27 in Halle; 1921 – 27 MdprL für die SPD, 1927 – 30 Oberpräsident der Provinz Sachsen, 1930 Preußischer Innenminister; Mitglied des „Vereins für Sozialpolitik“. Unterzeichner des Beitrittsaufrufs zur DGS 1909. Arbeiten zur Entwicklung der Sozialwissenschaften. Wagner, Adolph (25.3.1835 – 8.11.1917). Nationalökonom und Finanzwissenschaftler. 1857 Promotion zum Dr. phil. in Göttingen; 1858 Professor für Nationalökonomie an der Handelsakademie in Wien, 1864 o. Professor für Statistik in Dorpat, 1868 in Freiburg i. Br.,

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1870 in Berlin; führender deutscher Nationalökonom neben  Gustav Schmoller; gründete zusammen mit Adolf Stoecker 1878 die „Christlich-Soziale Arbeiterpartei“; 1882 – 85 MdprAH für die Konservative Partei, seit 1910 Mitglied des Herrenhauses; Mitbegründer und Leiter des „Evangelisch-Sozialen Kongresses“.

Wagner, Richard (22.5.1813 – 13.2.1883). Komponist. Wally. Pflegekind oder Hilfe bei  Paula Schmidt. Wassilko, Nikolaus von; Tl.: Vasyl’ko, Mykola (1868 – 1924). Ruthenischer (ukrainischer) Politiker. Führender Vertreter der Jungruthenen im österreichischen Reichsrat. Weber, Alfred (30.7.1868 – 2.5.1958). Nationalökonom und Soziologe. 1897 Promotion zum Dr. phil. bei  Gustav Schmoller in Berlin und 2. Juristisches Staatsexamen ebd., 1899 Habilitation für Nationalökonomie ebd., 1904 o. Professor in Prag, 1908 – 33 und 1945 – 55 o. Professor für Nationalökonomie, seit 1926 auch für Soziologie in Heidelberg. 1914 – 16 Kriegsdienst als Reserveoffizier; 1916 – 18 dienstverpflichteter Mitarbeiter im Reichsschatzamt in Berlin, 1918 Mitarbeiter im Bureau für Ostpolitik; Gründungsmitglied und von November bis Dezember 1918 Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der DDP. 1945 Eintritt in die SPD. Arbeiten zur Hausindustrie, Standorttheorie, Kultursoziologie und Geschichtsphilosophie, politische Aufsätze. Leitung der Untersuchung des „Vereins für Sozialpolitik“ über „Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft in der geschlossenen Großindustrie“. Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Seit 1909 Lebensgefährtin von  Else Jaffé; Bruder Max Webers. Weber, Arthur (1.2.1877 – 19.2.1952). Offizier. 1898 Leutnant, 1913 Hauptmann bei den Garde-Pionieren in Berlin, 1943 als Oberstleutnant pensioniert. 1903 Eheschließung mit  Valborg Weber, geb. Jahn, Scheidung 1924; zweite Ehe mit Helene Weinstein. Jüngster Bruder von Max Weber. Weber, Carl (Carlo) (15.10.1858 – 24.4.1923). Fabrikant. Leitete mit seinem Schwager  Bruno Müller die väterliche Leinenweberei in Oerlinghausen. Verheiratet mit  Emilie Weber, geb. Brassert; Sohn von  Carl David Weber, Vetter von Max Weber, Onkel von Marianne Weber. Weber, Carl David (17.4.1824 – 21.7.1907). Fabrikant. Gründer der Leinenweberei in Oerlinghausen. Bruder von  Maximilian (Max) Weber; Großvater von Marianne und Onkel von Max Weber. Weber, Emilie (Emily), geb. Brassert (18.8.1860 – 1.3.1949). Verheiratet mit  Carl Weber. Weber, Helene, geb. Fallenstein (15.4.1844 – 14.10.1919). Tochter von Friedrich Georg Fallenstein und Emilie Fallenstein, geb. Souchay, heiratete 1863 Maximilian (Max) Weber, Mutter von Max Weber. Zeitlebens starkes religiöses und soziales Engagement; gründete den Charlottenburger Hauspflegeverein, tätig in der Charlottenburger Wohlfahrtszentrale; 1904 als erste Frau in Preußen Mitarbeiterin der Charlottenburger Stadtverwaltung für das Armenwesen. Weber, Karl (3.10.1870 – 22.8.1915). Architekt. Regierungsbaumeister in der Kirchenbauabteilung des preußischen Ministeriums der öffentlichen Arbeiten, Schüler von  Karl Schäfer; 1907 etatmäßiger Professor an der TH Danzig, 1913 an der TH Hannover. Vertrat eine an deutsche Bautraditionen anknüpfende Architektur und widmete sich der Wieder-

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herstellung verschiedener Landkirchen, insbesondere 1904 der Schloßkirche von Dobrilugk in der Lausitz (Frühbarock, zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts) und der Klosterkirche in Oliva bei Danzig, baute das Kurhaus in Zoppot. Gefallen als Hauptmann der Reserve bei Brest-Litowsk; verlobt mit  Martha Riegel. Bruder von Max Weber.

Weber, Marianne, geb. Schnitger (2.8.1870 – 12.3.1954). Repräsentantin der Frauenbewegung, Schriftstellerin. Tochter von  Eduard Schnitger und Enkelin von  Carl David Weber. 1893 Heirat mit Max Weber; 1894 – 97 Studien bei  Heinrich Rickert in Freiburg; nach 1897 in Heidelberg Gasthörerin bei  Wilhelm Windelband,  Emil Lask und  Karl Jaspers. 1897 Gründung und Leitung der Heidelberger Abteilung des Vereins Frauenbildung–Frauenstudium, Vorstandsmitglied, und 1919 – 21 Vorsitzende des Bundes Deutscher Frauenvereine; 1919 Mitglied der verfassunggebenden Badischen Nationalversammlung für die DDP. Nach dem Tode Max Webers 1920 in München Rückkehr nach Heidelberg und Herausgabe der nachgelassenen Manuskripte zu „Wirtschaft und Gesellschaft“ sowie der Aufsätze Max Webers in mehreren Sammelbänden; 1926 Veröffentlichung von „Max Weber. Ein Lebensbild“. Für ihr Buch „Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung“ (1907), erhielt sie 1924 den Grad eines Ehrendoktors der Universität Heidelberg. Sie veröffentlichte zahlreiche Aufsätze und Bücher zur Frauenfrage und zur Neubestimmung weiblicher Leitbilder. Weber, Maximilian (Max sen.) (31.5.1836 – 10.8.1897). Jurist und nationalliberaler Politiker. Studium in Göttingen und Berlin. 1862 – 69 Stadtrat in Erfurt, 1869 – 93 in Berlin, dann Mitglied der Reichsschuldenkommission; 1872 – 77 und 1879 – 84 MdR, 1868 – 97 MdprAH. Führendes Mitglied der Nationalliberalen. Verheiratet mit  Helene Weber, Vater von Max Weber. Weber, Valborg, geb. Jahn (19.11.1878 – 29.4.1959). Tochter von Kristian Fredrik Jahn aus Trondheim/Norwegen; heiratete 1903  Arthur Weber; Schwägerin von Max Weber. Weisbach, Eva, geb. Lepsius (30. 6.1879 – 23.1.1945). Verheiratet mit  Werner Weisbach. Schwester von  Lili Valckenberg. Weisbach, Werner (1.9.1873 – 9.4.1953). Kunsthistoriker. 1896 Promotion zum Dr. phil. in Berlin, 1903 Habilitation ebd., Privatdozent und seit 1921 a. o. Professor ebd., 1933 entlassen, lebte seitdem als Privatgelehrter in Basel. Von 1902 – 21 verheiratet mit  Eva Weisbach, geb. Lepsius. Wermuth, Adolf (23.3.1855 – 11.10.1927). Von 1912 bis 1920 Oberbürgermeister von Berlin. Westarp, Kuno Graf von (12.8.1864 – 30.7.1945). Konservativer Politiker. 1893 Landrat in Bomst, 1900 in Radow; 1903 Polizeipräsident in Schöneberg, 1908 Oberverwaltungsgerichtsrat in Berlin; 1908 – 18 MdR für die Deutsch-Konservativen; seit 1912 Vorsitzender der Fraktion, im Weltkrieg Führer der Minderheit gegen den von der Reichstagsmehrheit geforderten Verständigungsfrieden; widersetzte sich allen Bemühungen um parlamentarische Reformen; ab 1920 erneut MdR (DNVP). 1930 Gründer der Konservativen Volkspartei. Wettstein, Richard von (30.6.1863 – 10.8.1931). Österreichischer Botaniker und Politiker. 1885 Promotion zum Dr. phil. in Wien, 1887 Habilitation ebd., 1892 o. Professor an der deutschen Universität in Prag, 1899 in Wien, 1913/14 Rektor; 1901 einjährige Expedition

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nach Brasilien; 1917 MdöHH; 1917 – 19 Präsident der Österreichischen Politischen Gesellschaft.

Wichert, Fritz (22.8.1878 – 24.1.1951). Kunsthistoriker. 1906 – 09 Assistent an der Städelschen Gemäldegalerie in Frankfurt a. M., gleichzeitig Kunstreferent bei der „Frankfurter Zeitung“. 1909 Direktor der Städtischen Kunsthalle in Mannheim; 1915 Diplomat an der deutschen Botschaft in Den Haag; 1917 Privatsekretär des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts,  Richard von Kühlmann, in Berlin; 1923 Direktor der Frankfurter Kunstschule. Wollte im Gefolge von Alfred Lichtwark Kunst in allen Volksschichten lebendig machen; gründete 1911 bei einer Massenversammlung in der Mannheimer Parkanlage „Rosengarten“ den „Freien Bund zur Einbürgerung der Bildenden Kunst“. Wiedenfeld, Kurt (30.9.1871 – 25.12.1955). Nationalökonom. 1892 Promotion zum Dr. jur. in Leipzig, 1900 zum Dr. phil. in Berlin, 1902 Habilitation ebd.; 1903 Professor an der Akademie in Posen, 1904 – 14 Professor der Staatswissenschaften an der Handelshochschule Köln, 1914 o. Professor in Halle, 1923 – 36 in Leipzig; 1897 – 1903 Redakteur der Verkehrszeitschriften im Preußischen Ministerium für Öffentliche Arbeiten; 1915 – 18 stellvertretender Vorsitzender der Wissenschaftlichen Kommission und 1916 – 18 wirtschaftlicher Generalreferent in der Kriegsrohstoffabteilung des Preußischen Kriegsministeriums; 1918 – 21 Leiter der Abteilung Außenhandelsförderung im Auswärtigen Amt; 1921 Vertreter der Reichsregierung in Moskau. Arbeiten vor allem über die ökonomische Bedeutung des Transportwesens; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Wielandt, Elisabeth Bertha Margarete (Lilli), geb. Treiber (8.7.1887 – 1936). Frau des evangelischen Pfarrers Rudolf August Wielandt. 1908 in den Vorstand des Vereins Frauenbildung–Frauenstudien in Heidelberg kooptiert; nach ihrem Umzug 1909 von Heidelberg ins ländliche Südbaden reger Briefkontakt mit  Marianne Weber, ab 1914 in Berlin. Wieser, Friedrich Freiherr von (10.7.1851 – 23.7.1926). Nationalökonom. 1875 Promotion zum Dr. jur. in Wien; 1883 Habilitation ebd.; 1884 a. o., 1889 o. Professor in Prag, als Nachfolger von Carl Menger 1903 – 17 und 1919 – 22 o. Professor in Wien; dazwischen 1917/18 Handelsminister, Mitglied des Herrenhauses; neben  Carl Menger und Eugen von Böhm-Bawerk einer der Begründer der Österreichichen Schule der Nationalökonomie; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“. Wilbrandt, Robert (29.8.1875 – 4.2.1954). Österreichischer Nationalökonom. 1899 Promotion zum Dr. phil. bei  Gustav Schmoller in Berlin, 1904 Habilitation ebd.; 1908 – 29 o. Professor in Tübingen, 1929 – 33 an der TH Dresden; 1933 aus politischen Gründen entlassen; gehörte zum linken Flügel des Vereins für Sozialpolitik; Mitarbeiter am „Grundriß der Sozialökonomik“; setzte sich in mehreren Schriften mit Webers Forderung der Werturteilsfreiheit auseinander. Wille, Richard (29.9.1872 – 17.5.1920). Mitarbeiter des Verlages J. C. B. Mohr (Paul Siebeck). Wilson, Thomas Woodrow (28.12.1856 – 3.2.1924). Amerikanischer Staatsmann. Seit 1885 Professor der Geschichte und Volkswirtschaftslehre, seit 1890 Professor der Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Princeton; seit 1902 deren Präsident; 1911 – 12 demokratischer Gouverneur in New Jersey; 1912 – 21 Präsident der USA. Trat für eine demokratische Weltfriedensordnung ein; seine „Vierzehn Punkte“ von Januar 1918 sollten die Grundlage eines europäischen Friedensschlusses bilden.

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Windelband, Wilhelm (11.5.1848 – 22.10.1915). Philosoph. 1870 Promotion zum Dr. phil. in Göttingen, 1873 Habilitation in Leipzig; 1876 o. Professor in Zürich, 1877 in Freiburg i. Br., 1882 in Straßburg und 1903 – 15 in Heidelberg; mit  Heinrich Rickert führender Vertreter des südwestdeutschen Neukantianismus. Kollegiale Beziehungen zu Max Weber. Windthorst, Ludwig (17.1.1812 – 14.3.1891). Zentrumspolitiker. 1851 – 53 und 1862 – 65 hannoverscher Justizminister; ab 1867 MdprAH; 1867– 71 Mitglied des Norddeutschen Reichstags als fraktionsloser Abgeordneter, ab 1871 MdR für das Zentrum; als dessen Führer Gegenspieler Bismarcks im Kulturkampf; einer der bedeutendsten Parlamentarier der Bismarckzeit. Wobbermin, Georg (27.10.1869 – 15.10.1943). Evangelischer Theologe. 1894 Promotion zum Dr. phil. in Berlin, 1895 Lizentiatenprüfung ebd.; 1898 Habilitation ebd.; 1904 TitularProfessor ebd.; 1906 a. o. Professor in Marburg; 1907 o. Professor in Breslau; 1914 in Heidelberg als Nachfolger von  Ernst Troeltsch; 1922 in Göttingen; 1935 in Berlin. Das Ehepaar Wobbermin übernahm 1915 die Wohnung von Troeltsch in der Ziegelhäuser Landstraße 17. Wobbermin, Theodora, geb. Brockhausen (1879 – ?). Ehefrau von  Georg Wobbermin. Wolf, Julius (20.4.1862 – 1.5.1937). Nationalökonom. Promotion zum Dr. jur., 1885 Habilitation in Zürich, 1888 a. o., 1889 o. Professor ebd., 1897 in Breslau, 1913 – 23 an der TH in Berlin; Mitbegründer und Herausgeber der „Zeitschrift für Sozialwissenschaften“; nach dem 1. Weltkrieg an Neuordnung der Notenbank und an Steuerreformen beteiligt; Arbeiten zu allen Gebieten politischer Wirtschaftsfragen; Doktorvater von Rosa Luxemburg. In seinen Schriften erklärter Gegner des sog. Kathedersozialismus und der „ethischen Nationalökonomie“. Wundt, Wilhelm (16.8.1832 – 31.8.1920). Psychologe und Philosoph. 1850 Promotion zum Dr. med. in Heidelberg, 1857 Habilitation ebd.; 1864 a. o. Professor ebd., 1874 o. Professor in Zürich, 1875 – 1917 in Leipzig; 1879 Gründer des ersten psychologischen Instituts für experimentelle Psychologie in Leipzig; 1869 – 68 Vertreter Heidelbergs in der Badischen Kammer. Zeeden, Ernst Walter (14.5.1916). Historiker. Emeritierter Professor für mittlere und neuere Geschichte an der Universität Tübingen. Sohn von  Marianne Zeeden. Zeeden, Marianne, geb. Müller (1886 – 1934). Tochter von  Alwine (Wina) und  Bruno Müller. Zimmermann, Arthur (5.10.1864 – 7.6.1940). Diplomat. 1911 – 16 Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt, 25.11.1916 – 5.8.1917 Staatssekretär des Auswärtigen Amts; Repräsentant einer aggressiven Richtung in der Außenpolitik des Deutschen Reiches.

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Bezirksamt Heidelberg 6. Sept. 1915, 120 – 124 Bezold, Carl 10. Aug. 1916, 490 Boese, Franz Ende April 1916, 401 f.; 27. Okt. 1916, 553 Delbrück, Hans vor dem 4. März 1916, 319; 28. Juni 1917, 678 f. Diederichs, Eugen 10. Juli 1917, 686; vor dem 24. Juli 1917, 721; 30. Aug. 1917, 760 Duhn, Friedrich von 5. Dez. 1917, 836 f. Ehrenberg, Hans 16. Juli 1917, 707 – 709 Ernst, Paul 5. Dez. 1917, 838 f. Eulenburg, Franz 28. Dez. 1915, 233 – 236, 2. Jan. 1916, 240 – 243; vor dem 9. März 1916, 324; 9. März 1916, 325 f.; 14. März 1916, 340 f.; 8. Juni 1916, 449; 23. Juni 1917, 668 Feuchtwanger, Ludwig 16. Aug. 1916, 487 Gothein, Georg ca. 8. Juni 1916, 450 – 452 Göttinger Tageblatt 24. Dez. 1917, 845 – 848 Gross, Frieda 14. März 1915, 24 – 28; 8. Mai 1915, 45 f.; 14. Mai 1915, 53; 11. Juni 1915, 55; nach dem 17. Juni 1915, 61; nach dem 4. Sept. 1915, 118 f.; 16. Nov. 1915, 176 f.; 9. Dez. 1915, 212 f.; 27. Dez. 1915, 232; 29. Jan. 1916, 274 – 277; Mitte Febr. 1916, 294 f.; 24. Febr. 1916, 309; 2. April 1916, 371; 2. Juni 1916, 435 – 442; 25. Juni 1916, 466 f.; 11. Juli 1916, 473 Großherzogliches Ministerium des Kultus und Unterrichts 8. Aug. 1917, 737 – 741; 8. Aug. 1917, 742 Gruhle, Hans W. 10. Jan. 1916, 244 f.; 12. Jan. 1916, 260 f.; 2. Dez. 1917, 830 f. Gundolf, Friedrich 1. Dez. 1917, 828 Guttmann, Bernhard 4. Sept. 1916, 524 f.

Hampe, Karl vor dem 15. Febr. 1917, 597 Harnack, Adolf von nach dem 4. Dez. 1915, 200 f. Hartmann, Ludo Moritz ca. 12. Mai 1916, 414; vermutlich 8. Juni 1916, 453 – 455; 9. Juni 1916, 456 f.; 28. Juni 1916, 468 f.; 24. Jan. 1917, 588 – 590; 22. Febr. 1917, 601; 20. April 1917, 617 f.; 1. Mai 1917, 624 f.; 10. Mai 1917, 640 f.; 5. Juni 1917, 657 f.; 10. Juli 1917, 687 – 689; 24. Juli 1917, 722 – 724; 11. Aug. 1917, 743; 8. Sept. 1917, 771 f.; 17. Sept. 1917, 780 f.; 24. Sept. 1917, 784 f.; 25. Sept. 1917, 786; 5. Okt. 1917, 789; 7. Okt. 1917, 791; 10. Okt. 1917, 792 f.; 12. Okt. 1917, 796; 19. Okt. 1917, 799 Haußmann, Conrad 29. April 1917, 622 f.; 1. Mai 1917, 626 f.; 5. Mai 1917, 628 f.; 3. Juli 1917, 683 f.; 29. Aug. 1917, 756 f.; 7. Sept. 1917, 767 – 770 Heile, Wilhelm 15. März 1916, 342 Hellmann, Siegmund 14. Juni 1917, 660 f.; 24. Juni 1917, 669 f.; 26. Juli 1917, 732; 27. Dez. 1917, 849 f. Herkner, Heinrich 4. Nov. 1916, 558 Hohmann, Georg nach dem 3. Sept. 1917, 763 – 765 Jäckh, Ernst 25. Jan. 1916, 263 – 265; 13. Dez. 1916, 568 f. Jacobsohn, Berta 17. Juni 1915, 56 – 58 Jaffé, Edgar 5. April 1915, 32; 9. Mai 1915, 49 f.; 71 f.; 31. Juli 1915, 82; vor oder am 6. Aug. 1915, 83; 21. Aug. 1915, 98 f.; 24. Sept. 1915, 138; 30. Sept. 1915, 142; vor dem 1. Dez. 1916, 566 Jaffé, Else 30. Okt. 1917, 802 f.; 28. Nov. 1917, 825 – 827 Jagow, Gottlieb von 10. März 1916, 327 – 329 Jaspers, Karl 15. Febr. 1916, 291 Jastrow, Ignaz nach dem 12. März 1916, 335

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Register der Briefempfänger

Kümmel, Werner 8. April 1915, 35 Lesser, Ernst J. 16. Juni 1917, 662 – 664 Loewenstein, Karl 10. Febr. 1917, 593 – 596 Lukács, Georg von 23. Dez. 1915, 224 f.; 14. Aug. 1916, 494 – 497; 23. Aug. 1916, 510 f.; 7. Jan. 1917, 587; 10. Okt. 1917, 794 Lukács, József von 5. Juni 1916, 443 Maurus, Johann 31. Okt. 1917, 805 f. Mayer, Eduard Wilhelm 13. Juli 1916, 474 f.; 29. Okt. 1916, 556 f. Metzner, Lina 30. Nov. 1916, 562 – 565 Michels, Robert 27. Mai 1915, 54; 20. Juni 1915, 65 – 67; 9. Sept. 1915, 132 – 135; 21. Okt. 1915, 145 f. Mommsen, Ernst 21. Nov. 1917, 813 – 817 Müller, Alwine (Wina) 28. Aug. 1917, 748 – 750 Müller, Eleonore (Nora) 11. April 1915, 36 f. Naumann, Friedrich 2. Nov. 1915, 157 f.; 19. Nov. 1915, 181; 5. Dez. 1915, 202 f.; 7. Febr. 1916, 284 f.; 7. Febr. 1916, 286 f.; vor dem 25. März 1916, 357 f.; 9. Juni 1916, 458; 18. Sept. 1916, 545 f.; 3. Febr. 1917, 591 f.; 12. April 1917, 608 – 611; 14. April 1917, 615 f.; 8. Mai 1917, 632 – 635 Oncken, Hermann 20. April 1917, 619 – 621; nach dem 3. Dez. 1917, 833 – 835; 10. Dez. 1917, 842 – 844 Ott, Elisabeth 17. Juni 1915, 59 f.; 26. Nov. 1917, 820 Plenge, Johann 13. Aug. 1915, 88 f. Radbruch, Gustav 15. Aug. 1916, 499; vor oder am 18. Aug. 1916, 500 f.; vor dem 4. Sept. 1916, 523 Redaktion der Frankfurter Zeitung vor dem 24. April 1915, 43 f.; nach dem 19. Dez. 1915, 221 f.; 27. Juli 1916, 480 – 482; vor dem 21. Aug. 1916, 506 f.; 19. März 1917, 602 f.; 12. April 1917, 607; 19. Mai 1917, 643 f.; 23. Mai 1917, 647; 25. Mai 1917, 650 f.; 27. Juni 1917, 671 – 677

Rickert, Heinrich vor dem 31. Okt. 1915, 149 – 153; 31. Okt. 1915, 154 – 156; 3. Nov. 1915, 159 f.; 5. Nov. 1915, 161 – 163; 5. Nov. 1915, 164 f.; nach dem 5. Nov. 1915, 167; nach dem 7. Nov. 1915, 168 f.; 12. Nov. 1915, 171; vor dem 19. Nov. 1915, 178 – 180; 15. Dez. 1915, 219; 25. Dez. 1915, 226 f.; 11. Jan. 1916, 252 – 258; nach dem 11. Jan. 1916, 259; vor dem 28. Jan. 1916, 266 f.; 28. Jan. 1916, 272 f.; 31. Jan. 1916, 280 f.; vor dem 25. Dez. 1916, 574 – 576 Riegel, Martha 1. Jan. 1916, 237 – 239; 5. Juni 1916, 444; nach dem 27. Okt. 1916, 554 f.; 2. Jan. 1917, 583; 20. Juni 1917, 665 – 667; 3. Nov. 1917, 807 Schäfer, Lili 7. Sept. 1915, 129 f.; 27. Sept. 1915, 139; 28. Sept. 1915, 140 f.; vor dem 15. Nov. 1915, 173 f.; 23. Nov. 1915, 187 – 189; 7. Dez. 1915, 204 – 206; zwischen dem 18. und 20. Febr. 1916, 299 f.; 24. Febr. 1916, 310; 28. Febr. 1916, 313 f.; 11. März 1916, 330 f.; 22. März 1916, 353; 26. März 1916, 362; 9. April 1916, 378 f.; 17. Mai 1916, 421 f.; Mitte Juli 1916, 476 f.; 25. Juli 1916, 479; 27. Aug. 1916, 515 f.; 25. und 26. Juli 1917, 726 – 729; 7. Dez. 1917, 840 f. Schmoller, Gustav von 27. Nov. 1915, 195 – 197; 10. Jan. 1916, 246 – 251; 24. Jan. 1916, 262 Schnitger, Hans 23. Sept. 1916, 548 f. Schnitger, Wilhelmine (Minna) 28. Aug. 1917, 751 Schubert, Hans von 28. Jan. 1916, 268 – 271; 31. Jan. 1916, 278 f.; nach dem 2. Febr. 1916, 282 f.; 8. Febr. 1916, 288 f. Schulze-Gaevernitz, Gerhart von 2. Okt. 1916, 550 f.; 21. Okt. 1916, 552 Schwoerer, Victor 14. Nov. 1917, 809 – 812 Siebeck, Paul 21. Febr. 1915, 21 – 23; 29. März 1915, 29 – 31; 5. April 1915, 33 f.; 18. April 1915, 40 f.; 22. April 1915, 42; 20. Juni 1915, 68; 22. Juni 1915, 69 f.; 1. Juli 1915, 73; 14. Juli 1915, 74; 18. Juli 1915, 75 f.; 21. Juli 1915, 77; 29. Juli 1915, 78; 15. Aug. 1915, 90; vor dem 21. Aug. 1915, 97; 8. Sept. 1915, 131; 10. Okt. 1915, 144; 30. Okt. 1915, 147 f.; 8. Nov. 1915, 170; 12. Nov. 1915, 172; 15. Nov.

Register der Briefempfänger 1915, 175; 14. Febr. 1916, 290; vor dem 23. Febr. 1916, 305; vor dem 14. April 1916, 384 f.: 14. April 1916, 386; 23. April 1916, 391; vor dem 5. Mai 1916, 407; vor dem 10. Mai 1916, 410; vor dem 10. Mai 1916, 411; 10. Juni 1916, 461 f.; 10. Juli 1916, 471 f.; 22. Juli 1916, 478; 20. Febr. 1917, 598 – 600; 25. März 1917, 604 f.; 24. Mai 1917, 648 f.; 29. Aug. 1917, 758 f.; 26. Nov. 1917, 821 Siebeck, Werner 1. Dez. 1917, 829 Simon, Heinrich 25. Dez. 1915, 228 f.; 8. Mai 1917, 636; vor oder am 26. Juli 1917, 730 f.; 1. Aug. 1917, 733 f. Somary, Felix 9. Juni 1916, 459 f. Sombart, Werner 30. Juli 1915, 79 – 81; 17. Dez. 1916, 570 – 572 Spahn, Martin 3. Sept. 1917, 762; 15. Sept. 1917, 777 f. Thomas, Otto 12. Juli 1917, 694 – 696 Tobler, Bertha vor dem 20. Juni 1915, 62 – 64 Tobler, Mina 7. Aug. 1915, 84 – 86; 10. Aug. 1915, 87; 20. Aug. 1915, 94; 23. Aug. 1915, 100; 24. Aug. 1915, 103 f.; 28. Aug. 1915, 107 f.; 30. Aug. 1915, 112 f.; 6. Sept. 1915, 125; 22. April 1916, 389 f.; 25. April 1916, 397 f.; 1. Aug. 1916, 483 f.; 7. Aug. 1916, 485 f.; 9. Aug. 1916, 488 f.; 11. Aug. 1916, 491 f.; 13. Aug. 1916, 493; 19. Aug. 1916, 504 f.; 27. Aug. 1916, 517 f.; 1. Sept. 1916, 519 f.; 4. Sept. 1916, 526; 6. Sept. 1916, 528 f.; 29. Dez. 1916, 577; 30. Dez. 1916, 578; 2. Jan. 1917, 584; 5. Jan. 1917, 585 f.; 7. Mai 1917, 630 f.; 19. Mai 1917, 645 f.; 27. Mai 1917, 652 f.; 2. Juni 1917, 655 f.; 10. Juli 1917, 690 f.; 13. Juli 1917, 700 f.; 15. Juli 1917, 703 f.; 19. Juli 1917, 710 – 712; 21. Juli 1917, 716 f.; 23. Juli 1917, 720; 28. Aug. 1917, 752 f.; 8. Sept. 1917, 773 f.; 22. oder 23. Sept. 1917, 783; 5. Okt. 1917, 790; vor dem 27. Okt. 1917, 801; 30. Okt. 1917, 804; 7. Nov. 1917, 808; 23. Nov. 1917, 818; nach dem 26. Nov. 1917, 822 Ubisch, Lisa von 1. Jan. 1917, 579 – 582

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Verlag Duncker & Humblot 26. Aug. 1917, 744 f.; 28. Aug. 1917, 746 f.; 4. Sept. 1917, 766; 17. Sept. 1917, 779; 20. Sept. 1917, 782; 26. Sept. 1917, 787 f.; 11. Okt. 1917, 795; 20. Okt. 1917, 800; 27. Nov. 1917, 823 f.; 3. Dez. 1917, 832 Verlag J.C.B. Mohr 13. Dez. 1915, 218; 14. Aug. 1916, 498; 27. Aug. 1916, 514; 2. Sept. 1916, 521; 22. Sept. 1916, 547; 5. April 1917, 606; 13. Mai 1917, 642; 28. Mai 1917, 654; 5. Juni 1917, 659; 1. Juli 1917, 680; 24. Juli 1917, 725 Weber, Helene 13. April 1915, 38 f.; 4. Sept. 1915, 115 f.; 3. Okt. 1915, 143; 5. Nov. 1915, 166; 22. Dez. 1915, 223; 25. Dez. 1915, 230 f.; 23. April 1916, 392 – 394; 24. April 1916, 395 f.; 15. Juni 1916, 463 – 465; 4. Juli 1916, 470; 3. Sept. 1916, 522; 5. Sept. 1916, 527; 8. Sept. 1916, 532 f.; 2. Dez. 1916, 567; 18. Dez. 1916, 573; 12. April 1917, 612 – 614; 8. Mai 1917, 637 f.; 8. Mai 1917, 639; 1. Juli 1917, 681 f.; 7. Juli 1917, 685; 13. Juli 1917, 702; 1. Sept. 1917, 761 Weber, Marianne 8. Mai 1915, 47 f.; 9. Mai 1915, 51 f.; 16. Aug. 1915, 91; 17. Aug. 1915, 92 f.; 20. Aug. 1915, 95 f.; 23. Aug. 1915, 101 f.; 24. Aug. 1915, 105 f.; 28. Aug. 1915, 109 f.; 29. Aug. 1915, 111; 30. Aug. 1915, 114; 4. Sept. 1915, 117; 6. Sept. 1915, 126 – 128; 9. Sept. 1915, 136 f.; 19. Nov. 1915, 182 f.; 20. Nov. 1915, 184; 22. Nov. 1915, 185 f.; 23. Nov. 1915, 190 f.; 24. Nov. 1915, 192; 25. Nov. 1915, 193 f.; 3. Dez. 1915, 198 f.; 7. Dez. 1915, 207 f.; 8. Dez. 1915, 209 – 211; 9. Dez. 1915, 214 f.; 11. Dez. 1915, 216 f.; 15. Dez. 1915, 220; 15. Febr. 1916, 292 f.; 17. Febr. 1916, 296 f.; 18. Febr. 1916, 298; 20. Febr. 1916, 301 f.; 21. Febr. 1916, 303 f.; 23. Febr. 1916, 306 – 308; 27. Febr. 1916, 311 f.; 2. März 1916, 315 f.; 3. März 1916, 317 f.; 5. März 1916, 320 f.; 7. März 1916, 322 f.; 11. März 1916, 332 f.; 13. März 1916, 336 f.; 15. März 1916, 343 f.; 16. März 1916, 345 – 347; 17. März 1916, 348; 19. März 1916, 349 f.; 21. März 1916, 351 f.; 22. März 1916, 354; 23. März 1916, 355 f.; 25. März 1916, 359 – 361; 26. März 1916, 363; 27. März

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Register der Briefempfänger

1916, 364 f.; 28. März 1916, 366 – 368; 1. April 1916, 369 f.; 5. April 1916, 372 – 374; 7. April 1916, 375 – 377; 9. April 1916, 380 f.; 10. April 1916, 382 f.; 15. April 1916, 387 f.; 30. April 1916, 399 f.; 2. Mai 1916, 403 f.; 3. Mai 1916, 405 f.; 6. Mai 1916, 408 f.; 10. Mai 1916, 412 f.; 12. Mai 1916, 415 f.; 14. Mai 1916, 417 f.; 16. Mai 1916, 419 f.; 17. Mai 1916, 423 – 425; 20. Mai 1916, 426 f.; 25. Mai 1916, 428 f.; 28. Mai 1916, 430; 29. Mai 1916, 431 f.; 1. Juni 1916, 433 f.; 5. Juni 1916, 445 f.; 7. Juni 1916, 447 f.; 18. Aug. 1916, 502 f.; 21. Aug. 1916, 508 f.; 23. Aug. 1916, 512 f.; 6. Sept. 1916, 530 f.;

8. Sept. 1916, 534 f.; 9. Sept. 1916, 536 f.; 12. Sept. 1916, 538 f.; 14. Sept. 1916, 540 f.; 15. Sept. 1916, 542 – 544; 25. Nov. 1916, 559; 28. Nov. 1916, 560 f.; 10. Juli 1917, 692 f.; 12. und 13. Juli 1917, 697 – 699; 15. Juli 1917, 705 f.; 19. Juli 1917, 713 – 715; 21. Juli 1917, 718 f.; 1. Aug. 1917, 735 f. Wichert, Fritz 28. Aug. 1917, 754 f.; 8. Sept. 1917, 775; 13. Okt. 1917, 797 f.; vor dem 24. Nov. 1917, 819 Wilbrandt, Robert 10. Sept. 1917, 776 Zimmermann, Arthur 11. März 1916, 334; 13. März 1916, 338 f.

Personenregister

Gerade gesetzte Zahlen verweisen auf Webers Text, kursiv gesetzte Zahlen auf die Herausgeberrede. Max Weber wird nur im Zusammenhang mit seinen Schriften aufgeführt.

Abbondio, Giovanni 27, 467, 853 Adler, Victor 641, 853 Aland, Kurt 200 Alexander (russischer Zar) 525 Alexander, Georg 818 Alexis, Willibald 516 Altmann, Sally 266, 689 Andrássy, Julius (Gyula) jun., Graf 552, 853 Anschütz, Gerhard 210, 622, 626 f., 629, 767, 810, 853 Anseele, Edward (Edouard) 99, 853 f. Ansorge, Conrad 190, 381, 854 Ansorge, Margarete 381, 388, 854 Arnheim, Valy 818 Aschenbrenner, Wolfgang 688 Avenarius, Richard 575 Ballin, Albert 209, 854 Bamberger, Ludwig 662 Bandmann, Otto 270 Banhals, Karl Frhr. von 843, 854 Bassermann, Ernst 317, 569, 854 Bassermann, Julie 317, 854 Battisti, Giuseppe Cesare 758, 854 Bauch, Bruno 171, 178, 854 Bauer, Johannes 120 Bauer, Otto 843, 854 f. Baum, Marie 95, 346, 360, 538, 543 Bäumer, Gertrud 52, 184, 194, 360, 365, 559, 855 Baumgarten, Anna 39 Baumgarten, Eduard 1, 802, 818 Baumgarten, Emmy 39 Baumgarten, Franz 336, 351, 352, 355, 397, 418, 855 Baumgarten, Otto 298, 304, 308, 855 Bebel, August 662 Becker, Carl Heinrich 512, 688, 855 Beethoven, Ludwig van 487

Benecke, Emilie (Nixel) 204, 361, 365, 373, 415, 417, 419, 447, 855 Benecke, Martha 220, 855 Benedikt, Heinrich 834 f. Beneke, Alice 530, 855 Beneke, Margarete 530, 855 Bennigsen, Rudolf von 556, 662, 663, 856 Benseler, Frank 496, 511 Berding, Helmut 242, 481 Bergmann (Familie) 353, 354, 359, 856 Berlepsch, Hans Hermann Frhr. von 401 Bernard, Andreas 255 Bernatzik, Edmund 780, 784, 789, 856 Bernays, Marie 503, 856 Bernhard, Ludwig 196 Bernstein, Eduard 80, 453, 856 Bertoni, Brenno 440 Bethmann Hollweg, Theobald von 5, 9, 220, 228 f., 286, 322, 327 f., 332, 367, 369, 376, 403, 409, 451, 480 – 482, 502, 507 f., 545, 546, 551, 552, 553, 568, 569, 621, 635, 678, 683, 694, 704, 706, 707, 708, 717, 719, 734, 770, 835, 856 Bezold, Carl 156, 257, 490, 856 Biermann, Johannes 207, 856 f. Bilin´ ski, Leon von 468, 506, 798, 857 Bismarck, Otto Fürst von 134 f., 146, 158, 248, 525, 556 f., 643, 662, 663, 768, 769 Bismarck, Wilhelm Graf 769 Bissing, Moritz von 96, 101, 112 Bittmann, Carl F.J. 49, 95 f., 142, 857 Bloch, Ernst 487, 488, 857 Blumenfeld, Frau 418, 857 Bodmann, Johann Heinrich Frhr. von 122 Boese, Franz 263, 401 f., 553, 554, 857 Böhm, Franz 256, 266 Boldt, Hans 551, 593 Boll, Franz 149, 198, 343, 857 Bonn, Moritz Julius 652, 687 – 689

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Personenregister

Borchardt, Rudolf 303, 857 Bortkiewicz, Ladislaus von 262, 857 Bosch, Robert 303 Böttcher, Friedrich 474, 858 Boyer, Paul S. 594 f. Braun, Adolf 80 Braun, Heinrich 98, 858 Braune, Wilhelm 162 Braus, Dorothea (Dorle) 125, 127, 194, 491, 538 f., 858 Braus, Elisabeth (Lisbeth) 47, 125, 127, 194, 318, 365, 367, 398, 486, 491, 539, 544, 858 Braus, Hedwig (Hedi) 125, 125, 194, 491, 538 f., 858 Braus, Hermann 62, 125, 127, 365, 398, 484, 486, 491, 516, 518, 544, 584, 858 –, dessen Familie 484, 516 Brenk, Beat 178 Brentano, Clemens 240 Brentano, Lujo 3, 12 f., 81, 193, 243, 652, 687, 688, 690, 858 Bresser, Anna 537, 858 Breuer, Josef jun. 431, 454, 858 Brockhausen, Carl 454, 858 Brodnitz, Georg 462 Brölling 306, 858 Brusilov, Alexej A. 457 f., 465, 469, 545 Brüstlein, Alfred 440 Bubnoff, Nicolai von 156, 252, 256, 282, 859 Buchen, Frau 207, 859 Bücher, Karl 241 – 243, 385, 462, 776, 859 Büchmann, Georg 240, 287 Buhl, Elisabeth 256 Buhl, Heinrich 256, 259 Bülow, Bernhard Fürst von 552, 662, 674, 859 Burián von Rajecz, Stefan 228, 229, 859 Bürger, Gottfried August 517 Burzew, Wladimir 764 Busch, Dora 84, 859 –, deren Töchter 84 Busch, Friedrich 84, 859 Busch, Wilhelm 349, 392 Capelle, Eduard von 593, 734 Caprivi, Leo Graf von 157, 662 Cassirer, Ernst 151, 152, 153, 159, 178, 255, 260, 859 Castendyk, Anna 137, 503, 860

Castenholz, Max 794, 860 Cecil, Robert 씮 Salisbury, Robert Cecil, Lord of Cézanne, Paul 179 Chamberlain, Houston Stewart 730, 860 Churchill, Winston 662 Claß, Heinrich 306 Clemen, Paul 690, 860 Cohen, Hermann 153 Cohn, Gustav 772 Cohn, Jonas 155, 860 Curti, Theodor 270 Curtius, Friedrich 344, 860 C´ wiklinski, Ludwig Alexis 797, 806, 809, 860 Czernin von und zu Chudenitz, Ottokar Graf 835, 843 f., 860 Debussy, Claude 818 Deichmann, Friedrich Wilhelm 178 Delbrück, Hans 3, 193, 303, 319 f., 352, 678 f., 860 Demm, Eberhard 317, 330, 415, 448, 586 Dernburg (Architekt) 207, 860 Dernburg, Bernhard 193, 199, 202, 207 f., 861 Dessoir, Max 207 f., 224, 861 Diederichs, Eugen 686, 721, 749, 760, 861 Diehl, Karl 401, 687 f. Diercks, Gustav 557 Dieterich, Albrecht 260, 861 Dietz (Dienstmädchen) 541, 861 Dietzel, Heinrich 195, 197, 242, 255, 687, 861 Dilthey, Wilhelm 155, 159, 163, 168, 861 Dostojewski, Fjodor 496 Driesch, Hans 156, 160 f., 226, 244, 256, 861 Du Bois, Lili 367, 862 Duhn, Friedrich von 149, 161, 164, 226, 252, 256, 266, 836 f., 842, 862 Düring, Ernst von 400, 862 Dusch, Alexander von 607 Ebert, Friedrich 210, 862 Eberz, Jacob Maria Remigius 210, 862 Eheberg, Karl Theodor von 687 Ehrenberg, Hans 256, 707 – 709, 862 Eliot, Charles William 67, 862 Ellstaetter, Karl 324, 862 Endemann, Friedrich 254, 812

Personenregister Engler, Elisabeth (Else) 485, 491, 863 Enver Pascha, Ismail 341 Epstein, Klaus 835 Ernst, Paul 496, 838 f., 863 –, dessen Frau 838 Erzberger, Matthias 303, 338, 552, 694, 698, 708, 715, 719, 732 f., 734, 764, 770, 835, 843, 863 Esslen, Josef 772 Etzel (Hunnenkönig) 247 Eulenburg, Franz 6, 9, 233 – 236, 240 – 243, 262, 264, 296, 312, 315, 323, 324 – 326, 333, 340 f., 384 – 386, 391, 407, 410, 449, 587, 668, 863 Eyck, Erich 769 Falkenhayn, Erich von 228, 533 Fallenstein, Emilie 216, 349, 863 Fallenstein, Georg Friedrich 18 Fehrle, Eugen 254 Fekete, Eva 207, 487, 496 Fellner, Fritz 451, 798 Ferrero, Guglielmo 247, 863 Fester, Richard 673, 835 Feuchtwanger, Ludwig 487, 863 Fey (Familie) 190, 337, 863 Fischer, Aloys 155, 863 Fischer, Edwin 214, 216, 230 Fischer, Fritz 240 Fischer, Kuno 149, 267 Fleiner, Fritz 123, 210, 254, 863 –, dessen Frau 254 Foerster, Friedrich Wilhelm 834, 864 Fontane, Theodor 307 Forckenbeck, Max von 474, 556 f., 864 Fraenkel, Albert 115, 127, 129, 357, 358, 360, 366, 400, 405 f., 418, 864 Franckenstein, Georg Arbogast Frhr. von 662 Frauendorfer, Heinrich von 387 Freud, Sigmund 431, 864 Frick, Ernst 24, 26 f., 46, 119, 276, 373, 864 Fricke, Dieter 303 Friedberg, Robert 474 Friedjung, Heinrich 843, 864 Friedmann, Adolf 236, 264 Fuchs, Carl Johannes 401, 599, 689, 772, 821, 865 Fuß, Richard (Direktor der DiscontoGesellschaft Magdeburg) 551

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Geheeb, Edith 476 Geheeb, Paul 476 f., 840 f., 865 Gehrig, Hans 95, 101 George, Stefan 91 f., 107, 111, 303, 540, 560, 865 Gerard, James Watson 763 f., 770, 865 Gerloff, Wilhelm 196 Gierke, Julius von 500, 865 Gierke, Marie Cäcilie Elise (Lili) 217, 220, 865 Gierke, Otto von 210, 217, 220, 480, 865 Gneist, Rudolf von 662 Goethe, Johann Wolfgang von 479, 578, 595, 639 Göhre, Paul 352, 360, 375, 376, 382, 865 f. Goldschmidt, Adele 214, 216, 230, 866 Goldschmidt, Levin 214, 490, 723, 866 –, dessen Hinterbliebene 490 Goluchowski, Agenor Graf 675, 740, 866 Gonze, Werner 452 Goos, Hermann 749, 761, 866 Gothein, Eberhard 110 f., 113, 117, 149, 152, 153 – 155, 159, 163 f., 167, 171, 179, 244, 253, 257, 266, 366, 397, 495, 559 f., 566, 571 f., 689, 690 f., 810, 811, 866 Gothein, Georg 6, 450 – 452, 673, 754, 797, 866 Gothein, Marie Luise 110 f., 113, 117, 351, 366, 397, 495, 560, 690, 866 Gothein, Percy 110, 113, 117, 866 Gothein, Werner 351, 366 f., 866 Gottlieb, Rudolf 454, 784, 867 Gottl-Ottlilienfeld, Friedrich Edler von 598, 867 Grabenko, Elena Andreevna 794, 867 Gradenwitz, Otto 814, 867 Gratz, Gustav 449 Gross, Adele 216, 867 Gross, Eva Verena 24, 27, 45, 46, 51, 57, 118, 119, 176, 212, 232, 275, 276, 352, 364, 371, 380, 435, 437, 439, 440, 466, 867 Gross, Frieda 14 f., 24 – 28, 45 – 47, 51, 53, 55 – 57, 61, 85, 118 f., 126, 176 f., 182, 212 f., 216, 232, 274 – 277, 292 f., 294 f., 298, 309, 346, 352, 364, 371, 373, 375, 380, 380, 428, 435 – 442, 444, 466 f., 473, 562 f., 802, 867 Gross, Hans 24, 26, 45, 51, 53, 212, 213, 216, 232, 274 f., 276, 309, 428, 435, 437, 444, 867 Gross, Otto 57, 213, 380, 466, 868

922

Personenregister

Gross, Peter 24, 26, 27, 45, 46, 47, 51, 57, 119, 177, 213, 216, 232, 276 f., 294, 309, 437, 439, 466, 868 Grote, Lucy 560, 868 Gruhle, Hans Walter 25, 110, 127 f., 231, 244 f., 260 f., 300, 336, 344, 351, 476, 577, 830 f., 868 Grünberg, Carl 22, 598 f., 604, 821, 868 Grunewald, Jacques 228 f., 236, 450 – 452, 707, 835 Grunow, Alfred 240 Guicciardi, Diego 820 Guicciardi, Enrico 820, 868 Guicciardi, Maria 804, 820, 868 Gundolf, Ernst 91, 868 Gundolf, Friedrich 91 f., 107, 111, 303, 479, 484, 561, 585, 586, 753, 798, 828, 868 Gutermann, Abraham 615 f., 869 Gutmann, Franz 605, 869 Gutschkow, Alexander Iwanowitsch 641, 869 Guttmann, Bernhard 503, 506, 508, 524 f., 730, 869 Häberlin, Paul 244, 245, 253, 869 Hainisch, Michael 461 Haller, Hermann 315, 317, 332, 345, 351, 359, 388, 390, 398, 406, 421, 869 Haller, Johannes 609 Hammarskjöld, Hjalmar 675, 740 Hampe, Karl 3 – 5, 254 f., 597, 833, 846, 869 Hamsun, Knut 389, 397 Harms, Bernhard 197, 869 f. Harnack, Adolf von 9, 147, 193, 200 f., 208, 210, 217, 303, 870 Harrach, Hans Albrecht Graf von 8, 101, 870 Harrach, Wichard Graf 102 Hartmann, Bertha 454, 657, 870 Hartmann, Heinz 428, 454, 618, 870 Hartmann, Ludo Moritz 13, 414, 426, 428, 430, 433, 445, 448, 453 – 457, 468 f., 588 – 590, 601, 617 f., 624 f., 636, 640 f., 652, 657 f., 687 – 689, 690, 722 – 724, 743, 760, 771 f., 773, 780 f., 783, 784 – 786, 789, 790, 791 – 793, 796, 799, 805, 809, 816, 830, 870 Hartmann, Margarethe (Grete) 428, 430 f., 433, 447, 454, 457, 588, 601, 618, 689, 724, 772, 870 Hasbach, Wilhelm 162

Hausrath, August 268, 292, 301, 349, 367, 372, 377, 536, 619, 749, 761, 870 Hausrath, Laura 39, 260, 273, 292 f., 298 f., 302, 323, 348, 349, 360 f., 365, 367, 372, 377, 393, 535 f., 541 f., 560, 870 Hausrath, Lilli 씮 Hermann, Lilli Haußmann, Conrad 7, 9, 622 f., 626 – 629, 630, 661, 683 f., 734, 756 f., 763 f., 767 – 770, 798, 871 Haydn, Josef 214, 230 Hebbel, Friedrich 403, 815, 871 Heile, Wilhelm 263, 293, 342, 365, 366, 448, 823, 871 Hein, Lena 710, 714, 718, 871 Heine, Wolfgang 694, 695 f., 698, 765, 871 Heinsheimer, Karl 127, 871 Helfferich, Karl 10, 162, 303, 330, 369, 415, 419, 448, 551, 708, 719, 739, 871 Hellmann, Siegmund 643, 650, 660 f., 669 f., 730, 732, 738, 744, 746, 766, 779, 782, 787, 795, 800, 823, 824, 832, 849 f., 871 Hensel, Paul 164, 258, 367, 387, 871 Herkner, Heinrich 50, 196, 199, 207 f., 220, 375, 401, 558, 687, 723, 871 f. Hermann, Friedrich Wilhelm (Fritz) 292, 297, 301, 872 Hermann, Lilli 39, 292, 297, 301 f., 349, 367, 393, 464, 535, 541 f., 749, 761, 872 Hertling, Georg Graf von 336, 338, 368, 663, 764, 807, 844, 872 Hessen, Sergius 270 Hettner, Alfred 120 Heuß, Elly 360, 872 Heydebrand und der Lasa, Ernst von 327, 506 f., 872 Heyer, Gustav Richard 560 f., 872 Heyer, Wolfgang 560, 872 Heymann, Ernst 210, 214, 872 f. Hindenburg, Paul von Beneckendorff und von 229, 507 f., 519, 533, 538, 707, 873 Hirsch, Julius 22 f., 873 Hirschfeld, Gerhard 593 Hirtz (Kindermädchen) 275, 873 Hitz, Dora 540, 543, 873 Hobrecht, Arthur 474, 557, 873 Hobrecht, Emma 474, 873 Hobrecht, Eva-Doris 474, 557, 873 Hobrecht, Fritz 474, 557, 873 Hobson, John A. 453

Personenregister Hock, Paul Frhr. von 743, 873 Hoeres, Peter 89 Hoetger, Bernhard 421, 874 Hoffmann, E.T.A. 240 Hohenlohe-Schillingsfürst, Gottfried Prinz zu 451, 874 Hohenlohe-Schillingsfürst, Konrad Prinz zu 798, 874 Hohlskamm 306, 874 Hohmann, Georg 694, 763 – 765, 770, 874 Hölderlin, Friedrich 710, 714 Homer 104 Hoover, Herbert 105 Horn, Frl./Frau von 331, 336, 344, 727 f., 748, 874 –, Familie 613, 706, 726, 874 Horne, John 67, 101, 247 Huber, Ernst Rudolf 556, 607, 619, 701, 769 Hübinger, Gangolf 4 Huch, Margareta 380, 874 Hugenberg, Alfred 303 Hughes, Charles Evans 594 Humboldt, Wilhelm von 578 Husserl, Edmund 150 – 152, 155, 159, 164 f., 168, 178, 253, 258, 260, 272, 282, 874 Ickrath, Gretchen 536, 874 Jäckh, Ernst 235, 263 – 265, 284, 293, 303, 340 f., 411, 448, 568 f., 594, 621, 874 Jacobsohn, Berta 2, 27, 55 – 58, 61, 274 f., 296, 298 f., 303, 346, 364, 373, 375, 380, 435, 439, 441, 874 –, deren Kinder 275, 364, 435, 438 f. 441 f. Jacobsohn, Louis 296, 298, 303, 346, 373, 375, 380, 438 f., 441 f., 875 Jaffé, Alfred Leopold 381, 387 f., 875 –, dessen Kinder 388 Jaffé, Edgar 8, 11, 29, 30 – 34, 40, 42, 49 f., 68, 70 – 72, 73 f., 79, 82 f., 87, 92 – 95, 98 f., 101, 102 f., 106, 112, 138, 140, 142, 144, 147, 172, 285, 387, 461, 462, 566, 571 f., 659, 688 f., 695, 758, 875 Jaffé, Else 1, 15, 99, 136, 177, 275, 561, 582, 653, 667, 801, 802 f., 825 – 827, 875 Jaffé, Friedrich (Friedel) 275, 827, 875 Jaffé, Hans 826, 875 Jaffé, Peter 15, 177, 803, 826, 875

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Jagow, Gottlieb von 9, 229, 236, 306, 311, 320, 327 – 329, 332, 334, 338, 341, 399, 403, 409, 412, 452, 552 f., 875 Jameson, Leander Starr 157 Jansen, Christian 480 Janßen, Karl-Heinz 756 Jaspers, Gertrud 291, 875 Jaspers, Karl 244, 253, 256, 261, 274, 291, 344, 382, 530, 574, 579, 581, 706, 875 f. Jastrow, Ignaz 208, 210, 216, 335, 876 Jellinek, Camilla 84, 876 Jellinek, Georg 153, 155, 161, 252 Jenny, E. 553 Joël, Karl 145, 178, 247, 250, 876 Johnson, Jack 315, 351, 359, 388, 390, 398, 406, 421 Jolly, Julius 607, 876 Jolly, Karl Philipp 121, 794, 876 Kaempf, Johannes 209, 876 Kahl, Wilhelm 480 Kaiser, Eva 365, 877 Kaiser, Hellmuth 365, 877 Kaiser, Marie 52, 365, 877 Kant, Immanuel 575 Karádi, Eva 207, 487, 496 Kardorff, Siegfried von 303 Karl (Kaiser von Österreich und König von Ungarn) 673, 798, 834, 843, 877 Kastendyk, Anna 씮 Castendyk, Anna Kauffmann, Cläre 488, 537, 540, 542, 877 Keller, Gottfried 701 Kerenski, Alexander F. 609 f., 694 f., 791, 843, 877 Keudell, Robert von 135 Kiliani (Geheimrat) 346, 877 Kisker, Georg 352, 877 Klages, Ludwig 25 Klein, Franz 506, 673, 798, 877 Klein-Hattingen, Oskar 662 Knies, Karl 722 f. Koch, Adolf 270, 279, 877 f. Koch, Manfred 551, 593 Kocka, Jürgen 242, 481 Koerber, Ernest von 506, 673, 798, 878 Kohl, Horst 769 Komjáthy, Miklós 843 Kopsch, Julius 834, 836 Korfanty, Wojciech 592 Koszyk, Kurt 739 Kozak, Theophil 262

924

Personenregister

Kramer, Alan 67, 101, 247 Kroner, Richard 164, 255, 268, 270, 282, 878 Krückmann, Paul 471, 878 Krüger, Dieter 88, 242 Krüger, Herbert 597 Krüger, Paulus 157 Krumeich, Gerd 593 Kühlmann, Richard von 102, 706, 754, 819, 878 Kühnemann, Eugen 152, 153, 163, 178 f., 878 Külpe, Oswald 151, 161 f., 171, 253, 574, 878 Kümmel, Marie 35, 878 Kümmel, Werner 35, 878 f. Küntzel, Georg 221, 879 Lammasch, Heinrich 453, 834, 879 Lamping, Wilhelm (Willy) 714, 879 Lancken-Wakenitz, Oscar Frhr. von der 101 f., 105 Landmann, Julius 248, 879 Lang, Otto 26, 45, 47, 879 Lange, Annemarie 67 Lask, Berta 씮 Jacobsohn, Berta Lask, Cerline 58, 275, 296, 438 f., 442, 879 Lask, Emil 14, 27, 45 f., 51, 55 – 59, 85, 118, 126, 149, 151, 152, 154 f., 161, 232, 252, 256, 260, 274, 275 f., 291, 293 f., 296, 298 f., 307, 309, 346, 364, 371, 373, 375, 380, 428, 435 – 438, 441 f., 466, 473, 496, 510 f., 562 f., 879 –, dessen Erben/Familie 14, 177, 274, 371, 435 f., 439, 473 –, dessen Cousine 85 Lask, Hans 58, 380, 880 Lask, Helene 58, 274, 346, 880 Lassalle, Ferdinand 662, 777, 880 Lederer, Emil 70, 71, 79, 83, 97, 266, 397, 433, 478, 606, 654, 689, 758, 880 Lederer, Emmy 397, 433, 880 Leistikow, Walter 315 Lemke, Heinz 452 Lempicki, Michael 317 Leonhard, Rudolf 598 f., 689, 880 Lepsius, M. Rainer 15 Lepsius, Reinhold 355, 880 Lepsius, Sabine 355, 880 Lers, Vilmos (Wilhelm) 798, 880 Leser, Emmanuel 162

Lesser, Ernst Josef 662 – 664, 880 f. Leut(h)ner, Karl 454, 798, 881 Levy, Hermann 323, 341, 343, 551, 689, 881 Levyc’kyi, Kost’ 798, 881 Lewinski, Arno von 324, 881 Lewinski, Willy von 324, 881 Lichnowsky, Karl Max Fürst 842, 881 Lichtenberger, Anna 씮 Schneegans, Anna Lichtenberger, Henri 121 Lichtenberger (Schriftstellerfamilie) 120 f., 253 Liebermann, Max 315 Liebknecht, Karl 662 Lietz, Hermann 476 Lietzmann, Hans 200 Lina (Linchen, Haushaltshilfe) 173, 393, 539, 542 f., 682, 685, 713, 783, 881 Lloyd George of Dwayfar, David 550, 845, 846, 881 Loebell, Friedrich Wilhelm von 592, 881 f. Loewenstein, Karl 577, 593 – 596, 808, 882 Lombroso, Cesare 247, 882 Loria, Achille 247, 882 Lorenz, Reinhold 673 Lotz, Walther 196, 385, 410, 604, 689, 882 Ludendorff, Erich 229, 594, 707, 882 Lukács, Adele von 433, 443, 882 Lukács, Georg von 12, 56, 207, 224 f., 307, 336, 397, 418, 429 – 431, 433, 443, 487, 493 – 497, 509 – 511, 530, 534, 537, 587, 794, 882 f. Lukács, Jószef von 433, 443, 883 Lukács, Mária (Mici) von 433, 443, 883 Lusensky, Franz Frhr. von 264 Luyken, Hildegard (Hilde) 503, 883 MacDonald, Ramsay 453 Mackensen, August von 538 Mader, Wilhelm 179 Maeterlinck, Maurice 395, 883 Maier, Heinrich 151, 161, 167, 226, 258, 494, 883 Makerbach, Frl. 697 Manet, Edouard 179 Mann, Heinrich 818 Manzer, Michael 110 Marcks, Erich 260, 883 Marie (Dienstmädchen) 187, 883 Márkus, György 496, 511

Personenregister Marschall von Bieberstein, Adolf Hermann Frhr. von 674, 883 Maurenbrecher, Max 655, 686, 790 Maurus, Johann 13, 723, 804, 805 f., 809, 810, 816, 883 Max von Baden, Prinz 676 Mayer, Eduard Wilhelm 474 f., 480, 556 f., 883 Mayr, Georg von 689 Medicus, Fritz 258 Mehlis, Georg 255, 268, 282 Meinl, Julius 588, 589, 601, 617, 883 Menger, Carl 457, 884 Metzner, Erwin 293, 562 – 565, 884 Metzner, Gela 293 f., 296, 374, 562 – 565, 884 Metzner, Lina 14, 274, 275, 291, 292, 293 f., 296, 299, 307, 346, 364, 374 f., 380, 435, 436, 438 – 440, 561, 562 – 565, 884 Metzner, Rudolf 274, 293 f., 373 f., 561 – 565, 884 Meurer, Bärbel 15 Meyer, Conrad Ferdinand 355, 884 Meyer, Eduard 328, 338, 884 Michaelis, Georg 704, 706, 711, 715 f., 719, 733, 884 Michaelis, Walter 711, 715, 884 Michels, Daisy 247, 884 Michels, Manon 247, 884 Michels, Mario 247, 884 Michels, Robert 12, 54, 65 – 68, 80 f., 132 – 135, 145 f., 246 – 251, 262, 461, 553, 758, 884 f. Michels-Lindner, Gisela 247, 262, 885 Miljukow, Paul N. 609, 610, 632, 641, 758, 885 Misch, Georg 155, 159, 164, 169, 885 Moellendorff, Wichard von 51 Möller, Eleonore (Nora) 714 Möller, Elfriede 141, 885 Möller, Erwin 503, 885 Möller, Hertha 137, 141, 503, 682, 714, 885 Möller, Karl 141, 503, 682, 714, 885 Möller, Theodor 503 Moltke, Helmuth 508, 885 Mommsen, August 813, 885 Mommsen, Clara 17, 52, 127, 140, 182, 184 f., 193, 205, 207, 210, 216, 220, 231, 293, 297 – 299, 303, 337, 353 f., 359, 361, 378, 381, 387, 448, 464, 502, 504, 516, 522, 527, 532, 561, 612 f., 639, 748, 761, 816 f., 886

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Mommsen, Clara (Clärchen) 204, 207, 209 f., 517, 613, 682, 817, 886 Mommsen, Ernst 17, 140, 185, 217, 220, 231, 293, 298 f., 303, 304, 352, 353, 399, 470, 522, 532, 554, 561, 612, 614, 748, 813 – 817, 886 –, Schwestern von Ernst Mommsen 217 Mommsen, Ernst-Wolf 613, 817, 886 Mommsen, Helene 210, 517, 613, 817, 886 Mommsen, Jens 813, 886 Mommsen, Karl 217, 814, 816, 886 Mommsen, Konrad 303 f., 614, 816, 886 Mommsen, Konrad jun. 182, 184, 231, 304, 448, 470, 502, 504, 561, 612, 631, 817, 886 Mommsen, Maria Auguste (Marie) 814, 815, 886 Mommsen, Sophia Elisabeth 813, 886 Mommsen, Theodor 813 – 816, 845, 886 Mommsen, Theodor Ernst 817, 886 Mommsen, Tycho 813, 886 Mommsen, Wolfgang J. 3 f., 8, 49, 87, 96, 101, 112, 229, 325, 502, 683 Morawetz (Morawitz), Lucia 543, 887 Morgenbrod, Birgitt 589 Moritz, Eva Sophie 373, 375, 887 Mosse, Rudolf 814, 845, 846 Mozart, Wolfgang Amadeus 214, 230 Müller, Alwine (Wina) 36, 137, 184, 316, 331, 336, 406, 682, 685, 690, 692 f., 697 f., 700, 702 f., 705 f., 710, 714, 718, 727, 729, 736, 748 – 750, 887 Müller, Bruno 36, 697, 705, 727, 887 Müller, Eleonore (Nora) 36 f., 39, 887 Müller, Erich 36 f., 887 Müller, Georg 51, 184 f., 190, 192, 316, 347, 350, 352, 373, 463, 502 f., 504, 508, 697, 705, 749, 887 –, dessen Familie 184 Müller, Hans 675 Müller, Ina 37, 887 Müller, Karl Eugen 763 – 765, 887 Müller, Lili 192, 705, 715, 887 Müller, Oscar 525, 887 Müller, Richard 697 f., 705, 727, 750, 887 Müller, Roland 698, 706, 887 Müller, Traute 705, 727, 888 Müller, Wilhelm 36 f., 39, 888 Müller, Wolfgang 703, 705, 727, 888 Müller-Erzbach, Rudolf 459 Münsterberg, Hugo 574 – 576, 888 Münsterberg, Selma 574, 888 Muthesius, Hermann 126

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Personenregister

Napoleon Bonaparte 675 Natorp, Paul 153 Naumann, Friedrich 5 f., 9, 52, 143, 157 f., 181, 184 f., 190, 192 f., 198 f., 202 f., 208 f., 214, 235, 241, 263, 264 f., 284 – 287, 293, 296, 298, 301, 330, 337, 340, 342 f., 346, 355, 357 f., 360, 363, 366, 381, 394, 400, 403, 404, 406, 408 f., 448, 451, 458, 465, 517, 545 f., 550, 553, 591 f., 608 – 611, 615 f., 632 – 635, 641, 673, 681, 797, 888 Naumann, Maria Magdalena 346, 408 f., 888 Neumann, Carl 149, 217, 220, 888 Neurath, Otto 243, 384 f., 689, 760, 888 f. Nietzsche, Friedrich 150 Nikolajewitsch, Nikolai 609, 889 Nikolaus II. (russischer Zar) 764, 770 Nissen, Aud Egede 818 Oldenberg, Karl 22, 92, 375, 772, 780, 889 Oncken, Hermann 149, 156, 268, 272, 278 f., 283, 483, 619 – 621, 833 – 835, 836, 842 – 844, 845, 846, 889 Ostendorf, Friedrich 116, 126, 129, 889 Ott, Alice 820 Ott, Elisabeth (Elsa) 59 f., 112, 318, 483, 485, 577, 820, 822, 889 Ott, Johann August (Hans) 112, 820, 889 Ott, Ludwig 820 Ott, Renate 820 Paasche, Hermann 264 Paneth, Else 428, 454 f., 618, 889 –, deren Kind 428 Paneth, Fritz 428 Pappritz, Anna 52, 117, 127, 535, 559, 889 f. Payer, Friedrich von 9, 338, 676, 684, 767, 798, 890 Pellech, Otto 26, 45, 47, 53, 176, 212, 232, 274, 275, 277, 294, 309, 364, 371, 380, 428, 431, 435, 436 – 442, 444, 466, 890 Peltzer, Alfred 111, 890 Peltzer, Luise 111, 890 Pflug, Richard 97, 147, 648, 659, 890 Philippovich, Eugen von 13, 21, 450, 604 f., 722, 773, 800, 804, 809, 821, 890 Philippson, Martin 557, 890 Pissarro, Camille 179 Plato 85, 104, 368 Plenge, Johann 88 f., 241 f., 890

Poelzig, Hans 126 Pohle, Ludwig 687 Polzer-Hoditz, Arthur Graf 673, 834 Popper, David 433 Preuß, Hugo 453, 849 Prochnewski, Fritz 560 Puppe (Haushälterin von Karl Weber) 174, 191, 299, 359, 516, 666 Puppe, Emma 174, 191, 204, 299, 359 f., 516, 527, 666, 891 Puppe, Rudi 174, 191, 891 Purlitz, Friedrich 641 Puttkamer, Robert von 768, 891 Radbruch, Gustav 14, 293, 499 – 501, 503, 523, 530, 534, 562 f., 615, 891 Radbruch, Lydia 500, 891 Ramhardter, Günther 450, 834 Ramsay, Sir William 66, 891 Rathenau, Walther 51, 303 Rathgen, Karl 95, 101, 162, 163, 196 f., 303, 373, 891 Raulff, Ulrich 255 Rechenberg, Albrecht Frhr. von 325, 891 Redlich, Josef 445, 451, 506, 798, 834, 891 Reichert, Folker 3, 597 Reis, Edwin 349, 892 Renner, Karl 454, 798, 892 Renz, Irina 593 Reventlow, Ernst Graf zu 672, 683, 892 Reventlow, Franziska Gräfin zu 25, 46, 892 Reventlow, Rolf 25, 366, 892 Richard, Gustav 560 Richter, Eugen 622 Richter, Max 6, 263, 325, 342, 366, 892 Rickert, Arnold 227, 257, 259, 281, 542, 892 Rickert, Heinrich 12, 85, 149 – 156, 159 – 165, 167 – 169, 171, 178 – 180, 198, 219, 221, 226 f., 244, 252 – 260, 266 – 269, 270, 271 – 273, 278 – 281, 282, 283, 288 f., 302, 321, 333, 344 f., 346, 347, 349, 373, 377, 397, 413, 488, 493, 494, 495 f., 499, 501, 503, 511, 530, 534, 537, 540, 542 f., 574 – 576, 662, 706, 749, 892 –, dessen Mutter oder Schwiegermutter 537 Rickert, Heinrich (Heini) 537, 542, 749, 752, 893 Rickert, Maria 257, 259, 281, 542, 893

Personenregister Rickert, Sophie 156, 160, 227, 257, 273, 281, 321, 333, 344 f., 347, 349, 377, 397, 413, 488, 537, 540, 542 f., 749, 752, 893 Riedl, Richard 264, 451, 893 Riegel, Martha 127, 136, 187, 190, 223, 230, 237 – 239, 397, 422, 427, 444, 479, 516, 530, 554 f., 573, 577, 583, 613, 665 – 667, 807, 893 Riehl, Alois 352, 387, 893 Riehl, Sophie 387 f., 893 Riezler, Kurt 585, 764 Rintelen, Carl 435, 440, 893 Rirte 217, 893 Rodsjanko, Michael W. 641, 893 Roedern, Siegfried Graf von 415, 448 Röhl, John C.G. 843 Rohwer, Jürgen 593 Rolland, Romain 453 Roloff, Gustav 634 Romancuk, ˇ Julijan 798, 893 Roosevelt, Theodore 594 Rosa (Dienstmädchen) 187, 893 Roscher, Wilhelm 723 Ruge, Arnold 155 f., 252, 255 f., 257, 268 – 272, 278 – 280, 282, 283, 288 f., 495, 893 Ruska, Julius Ferdinand 833, 835, 893 Russell, Bertrand 453 Sachs, Hans 210, 894 Salandra, Antonio 133, 146, 248, 594, 595, 894 Salisbury, Robert Cecil, Lord von 634, 894 Salomon, Elisabeth Agnes (Elli) 91, 111, 560, 894 Salz, Arthur 484, 689, 894 Sarrail, Maurice 664, 894 Sauder, Gerhard 494 Schacht, Hjalmar 263 Schäfer, Albert 14, 115, 126 f., 130, 139, 173, 187, 190 – 192, 194, 211, 223, 227, 230, 302, 307, 311, 314, 344, 352 f., 378, 380, 382 f., 392 f., 397, 421, 464 – 466, 470, 476 f., 479, 486, 512, 515, 518, 520, 530, 541, 554, 560, 580 – 582, 612 f., 617, 637, 728, 811, 830, 840, 894 Schäfer, Clara (Schwiegermutter von Lili Schäfer) 541, 894 Schäfer, Clara (Tochter von Lili und Hermann Schäfer) 14, 115, 126 f., 130, 139, 173, 194, 227, 230, 302, 314, 344, 352 f., 380, 383, 392 f., 397, 404, 421 f.,

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464 – 466, 476 f., 479, 488, 513, 515 f., 538, 541 f., 554, 560, 581 f., 612 f., 617, 637, 811, 830, 841, 894 Schäfer, Dietrich 162, 480, 532, 894 Schäfer, Hermann 2, 14, 17, 115, 116, 118, 126, 127, 129, 139, 231, 352 f., 362, 364, 378, 380, 387, 389, 393, 465, 515, 555, 612, 792, 811, 894 Schäfer, Hermann jun. 14, 115, 126 f., 130, 139, 187, 190 f., 211, 223, 227, 230, 300, 302, 314, 344, 352 f., 380, 383, 392 f., 397, 421, 464 – 466, 476 f., 479, 541, 554, 560, 581 f., 612 f., 617, 637, 706, 748, 811, 830, 841, 895 Schäfer, Karl 116, 126, 129, 665, 726 – 728, 895 Schäfer, Lili 2, 14, 17, 52, 84, 115 f., 125 – 127, 129 f., 136, 139 – 141, 143, 147, 173 f., 182 – 184, 185, 187 – 189, 191, 192, 194, 198 f., 204 – 206, 208, 214, 216, 217, 220, 223, 227, 230 f., 239, 292, 298 – 300, 302, 307, 310 f., 313 f., 316, 330 f., 332, 336, 337, 344, 352 – 354, 362 – 364, 367, 370, 373, 377 – 380, 382, 387, 389, 390, 392 – 394, 397, 404 f., 421, 425, 427, 464 – 466, 470, 476 f., 479, 484 f., 491, 493, 503, 512 f., 515 f., 518, 520, 527 f., 530, 532, 534, 536 – 538, 540 – 542, 554 f., 559 f., 578 – 583, 585, 588 f., 612 f., 617, 637 f., 639, 645, 667, 682, 706, 726 – 729, 736, 748 – 750, 761, 792, 811, 817, 825, 830, 840 f., 895 Schäfer, Max 14, 115, 126 f., 130, 139, 191, 227, 230, 300, 302, 314, 344, 346, 352 f., 380, 383, 392 f., 397, 421 f., 464 – 466, 476 f., 479, 541, 554, 560, 581 f., 612, 617, 637, 728, 811, 830, 841, 895 Schäfer, Otto 541, 895 Schandau, Bertha 14, 117, 173, 302, 348, 393, 539, 542 f., 645, 681, 735 f., 749, 752, 895 –, deren Schwester 735 Schanz, Georg von 196, 688 Scheer, Reinhard 328 Scheidemann, Philipp 220, 453, 608 f., 611, 615 f., 895 Scheler, Max 109, 155, 164, 169, 179, 190, 210, 214, 895 Schellhass, Karl 399, 475, 895 Schenk, Josef Wilhelm Frhr. von 454, 506, 673, 798, 895 f.

928

Personenregister

Scherer, André 228 f., 236, 450 – 452, 707, 835 Schiffer, Eugen 303, 338, 349, 896 Schiffers, Reinhard 551, 593 Schivelbusch, Wolfgang 101, 106 Schloffer, Arnold 53, 232, 276, 294, 896 Schloffer, Hermann 276, 896 Schlössinger 315, 896 Schmid, Clara (Cläre) 108, 110 f., 113, 256, 259, 397, 896 Schmid, Ferdinand 243, 896 Schmid, Friedrich Alfred (Fredi) 108, 111, 113, 160, 226, 255 – 257, 259, 397, 896 Schmidt, Georg 817, 896 Schmidt, Paula 292, 301, 349, 367, 543, 817 Schmidthenner, Paul 126, 896 Schmoller, Gustav von 12, 161, 195 – 197, 220, 241, 246 – 251, 262, 263, 553, 649, 723, 759, 897 Schneegans, Anna 12, 120 f., 122 f., 253 f., 897 Schneegans, Friedrich Eduard 12, 120 f., 122 – 124, 253, 259, 266, 272, 897 –, dessen Kinder 121 Schnitger, Anna 714 Schnitger, Eduard 697, 700, 748, 897 Schnitger, Hans 548 f., 697 f., 700, 714, 748 f., 751 f., 897 Schnitger, Hans jun. 548 f., 697, 700, 749, 751, 752, 897 Schnitger, Wilhelm 698, 700, 751, 897 Schnitger, Wilhelmine (Minna) 697 f., 700, 714, 748 f., 751 f., 897 Schönaich-Carolath, Heinrich Prinz zu 708 Schönebeck, Franz von 324, 341, 897 Schöngarth, Wilhelm 109, 897 Schönitz, Hans 144 Schopenhauer, Arthur 150 Schorlemer-Lieser, Klemens Frhr. von 621, 897 Schott, Sigmund 266, 689 Schotte, Walther 823 Schubert, Franz 818 Schubert, Hans von 156, 186, 192, 257, 268 – 272, 278 f., 280, 282 f., 288 f., 530, 898 Schuberth, Inger 675 Schuchard, Jutta 129 Schüller, Richard 264, 449, 458, 898 Schulte, Jürgen 67

Schulthess, Heinrich 220, 322, 350, 367, 373, 376, 403, 416, 543, 550 f., 585, 591 f., 609, 621, 632, 634, 675, 739, 764, 844 Schulze-Gaevernitz, Gerhart von 144, 195, 550 – 552, 652, 687 f., 898 Schumacher, Fritz 126 Schumacher, Hermann 22 f., 102, 109, 196 f., 597, 600, 604, 898 Schumpeter, Joseph Alois 461, 462, 566, 722 f., 898 Schuwalow, Peter Graf 525, 899 Schwoerer, Victor Frhr. von 13, 120, 149, 154, 171, 219, 244, 256, 282, 771, 780, 809 – 812, 899 Seeberg, Reinhold 480 Seeßelberg, Friedrich 217, 220 Seligman, Edwin R.A. 43, 899 Sering, Max 196, 199, 208, 220, 240, 512, 899 Shaw, Bernard 453 Siebeck, Oskar 31, 74, 76, 305, 385, 411, 599, 899 Siebeck, Paul 1 f., 10 f., 21 – 23, 29 – 34, 40 – 42, 68 – 71, 72, 73 – 78, 79, 83 f., 90, 97, 99, 131, 144, 147 f., 170, 172, 175, 290, 305, 384 – 386, 391, 407, 410 f., 453, 456, 458, 461 f., 463, 471 f., 478, 566, 598 – 600, 604 f., 648 f., 654, 680, 758 f., 776, 821, 899 f. Siebeck, Richard 31, 74, 76, 599, 900 Siebeck, Werner 31, 74, 76, 599, 776, 829, 900 Sieghart, Rudolf 798, 900 Simmel, Georg 82 f., 149 f., 152 – 154, 159, 161, 163 f., 167 f., 171, 178, 180, 198, 226, 252, 258, 260, 333, 355, 488, 494, 811, 900 Simmel, Gertrud 355, 706, 718, 900 Simon, Heinrich 9 f., 43, 101, 228 f., 234, 320, 413, 449 f., 624, 636, 650 – 652, 730 f., 732, 733 f., 736, 775, 900 Simon, Kurt 101, 901 Simson, August von 563, 901 Simson, Robert von 562, 563 – 565, 901 Sinzheimer, Ludwig 689 Soell, Hartmut 317, 586 Sokrates 86 Solf, Wilhelm 303 Somary, Felix 5, 202, 209, 231, 235, 263 f., 327, 328, 341, 357, 448, 459 f., 463, 502, 901 Sombart, Werner 12, 66, 69, 79 – 83, 98, 162, 172, 179 f., 190, 195 f., 210, 214, 246,

Personenregister

929

375, 409, 461, 462, 524, 566, 570 – 572, 901 Sonnino, Sidney 146 Spahn, Martin 735, 752, 762, 774, 777 f., 901 Spiethoff, Arthur 688, 772 Spindler, Arno 593 Spitzmüller-Harmersbach, Alexander Frhr. von 450 Spranger, Eduard 151, 152, 155, 159, 161 – 164, 169, 171, 178, 901 Sprengel, Peter 67 Stäckel, Paul 117, 901 f. Stauffenberg, Franz Schenk von 557, 902 Steffen, Gustaf Fredrik 265, 517, 902 Stein, Elisabeth 193, 214 f., 318, 345, 902 Stein, Hermann von (Kriegsminister) 683, 685 Stepun, Fedor 270 Stieda, Wilhelm 243, 902 Storm, Theodor 813 Stresemann, Gustav 264, 338, 552, 708 Strindberg, August 403, 405, 408 Stürgkh, Karl Graf 450, 902 Susman, Margarete 487 Swift, Jonathan 258 Szabó, Erwin 80 Szterényi, József 264

Tobler, Johann Ludwig 56, 903 Tobler, Ludwig Hermann 59 f., 62 – 64, 84 f., 110, 199, 315, 820, 903 Tobler, Mina 1, 3, 8, 13 – 15, 47, 49, 51, 56, 59 f., 62, 64, 84 – 87, 92, 94, 100, 103 f., 106, 107 f., 109, 110, 112 f., 114, 117, 125, 127, 194, 199, 315, 318, 350, 359, 364 f., 367, 388 – 390, 397 f., 406, 432, 483 – 486, 487, 488 f., 491 – 493, 504 f., 512, 516, 517 – 520, 526, 528 f., 534, 537 – 540, 542, 559 f., 577 f., 584 – 586, 630 f., 645 f., 652 f., 655 f., 681, 687, 690 f., 697, 700 f., 703 f., 710 – 712, 714, 716 f., 720, 752 f., 773 f., 776, 783, 790, 801, 804, 808, 818, 820, 822, 904 Tobler, Sibylle 60, 62, 64, 367, 820, 904 Toller, Ernst 845, 847 Tönnies, Ferdinand 2, 82 f., 461, 796, 904 Traub, Gottfried 338, 355, 904 Trent, William Peterfield 43, 44, 904 Treuge, Margarete 360 Treutler, Carl Georg von 229 Triesch, Irene 405, 904 Troeltsch, Ernst 12, 39, 150 f., 254, 255, 260, 270, 303, 352, 388, 791, 796, 811, 904 Troeltsch, Marta (Mokka) 12, 388, 904 Trockij, Lev. D. 831 Tscheidse, Nikolai S. 610, 615, 905

Tenge, Frau 727, 902 Thode, Henry 111, 902 Thoma, Helene 127, 902 Thoma, Richard 127, 773, 902 f. Thomas, Otto 7, 694 – 696, 699, 701, 715, 765, 903 Thorbecke, Clara 52 Tiede, August 194 Tiede, Helene 194, 903 Tiedemann, Christoph 557, 903 Tirpitz, Alfred von 5, 306, 307, 322, 327, 343, 346, 348, 350, 373, 376, 551, 903 Tisza, István (Stefan) Graf 468, 552, 798, 903 Tobler, Achim 60, 62, 64, 367, 820, 903 Tobler, Adolf 56, 903 Tobler, Bertha 60, 62 – 64, 85, 94, 110, 350, 367, 485, 488, 577, 903 Tobler, Henning 86 Tobler, Henriette 60, 62, 84 f., 94, 100, 103, 110, 112, 127, 483, 485, 488, 577, 584, 585, 774, 820, 822, 903

Ubisch, Edgar von 378, 380, 382, 905 Ubisch, Lisa von 189, 198, 378, 380, 382, 387, 464, 470, 479, 541, 579 – 582, 612, 637 – 639, 682, 729, 736, 748, 761, 826, 905 Valckenberg, Klara Elise (Lili) 355, 905 Valentini, Rudolf von 708 Vandervelde, Emile 99, 905 Velde, Henry van der 126 Venizelos, Eleftherios 664 Véprie, Jean de La 302 Virchow, Rudolf 662 Vittorio Emanuele II. (italienischer König) 67 Voelcker, Friedrich 111, 905 Voigt, Johannes 116 Voltelini, Hans von 790, 806, 905 Waentig, Heinrich 95, 101, 468, 905 Wagner, Adolph 195 f., 197, 220, 480, 905 f. Wagner, Otto 126

930

Personenregister

Wagner, Richard 204, 906 Wahnschaffe, Arnold 303 Wally (Pflegekind) 543, 906 –, deren Mutter 543 Wassilko, Nikolaus von 798, 906 Weber, Adolf 688, 906 Weber, Alfred 2, 9 f., 17, 173, 182, 188 f., 191 – 194, 205, 223, 231, 266, 314, 317, 330, 332, 337, 394, 406, 413, 415, 417, 421, 423 f., 425, 426, 428, 431, 445, 447 f., 453, 467 f., 494, 495, 503, 509, 522, 527, 532, 540 f., 558, 561, 573, 575, 585 f., 590, 653, 667, 688 f., 802, 825, 826, 906 Weber, Arthur 17, 126 f., 136, 147, 185, 205, 300, 307, 313, 316, 337, 378, 387, 573, 612, 817, 906 Weber, Carl (Carlo) 316, 344, 697, 705, 713 f., 727, 906 Weber, Carl David 18, 690, 906 Weber, Emilie (Emily) 697, 714, 906 Weber, Helene 2, 9, 17, 36, 38 f., 47, 48, 51, 52, 85, 115 – 117, 125, 126, 127, 129, 130, 136, 138, 140, 143, 166, 177, 182 – 185, 187 f., 190, 191, 192, 194, 199, 204 f., 207, 209, 214, 216, 220, 223, 230 f., 237, 292 f., 298 f., 302, 304, 307, 311, 313 – 315, 318, 323, 330, 336 f., 344 f., 347 – 349, 352 f., 360 f., 365, 366 f., 373, 378, 382, 387, 389, 392 – 396, 399, 406, 408, 415, 417, 419, 422, 424, 447, 458, 463 – 465, 470, 474, 476, 479, 488, 502, 515, 516 f., 522, 527, 532 f., 535, 540, 548, 559, 561, 567, 573, 579, 581, 583 – 585, 599, 612 – 614, 637 – 639, 655, 667, 681 f., 685, 690, 692 f., 702 f., 706, 710, 712, 714 f., 718, 720, 726, 728, 735, 736, 748, 749, 751, 761, 790, 801 f., 816, 817, 841, 906 Weber, Karl 2, 14, 17, 84, 115 – 118, 125 – 127, 129, 131, 139, 140, 141, 173 f., 182, 184, 187, 188, 190, 191, 204, 230 f., 237 f., 299, 330, 359, 380, 422, 427, 444, 515, 516, 541, 554 f., 580 f., 583, 612, 638 f., 665 – 667, 906 f. Weber, Marianne 1, 4 f., 9 – 15, 17 f., 25, 26 f., 28, 36, 39, 45, 47 f., 49, 51 f., 56, 57, 62, 64, 84 f., 87, 91 – 93, 94, 95 f., 98, 101 f., 103 f., 105 f., 107 f., 109 – 111, 112 f., 114 – 117, 118, 119, 126 – 128, 129, 132, 136 f., 139, 141, 142, 143, 145, 147, 173, 178, 181, 182 – 186, 187, 189 – 194, 198 – 200, 202, 204 f., 207 – 211, 212, 214 – 217, 220, 223, 226, 230, 231, 233, 240, 260, 267,

271, 273, 274, 280 f., 291, 292 f., 295, 296 – 298, 299, 301 – 304, 306 – 308, 311 – 313, 315 – 318, 319, 320 – 323, 324 f., 326, 330, 331 – 333, 336 f., 340, 343 – 356, 357, 359 – 370, 372 – 377, 378, 380 – 383, 387 f., 390, 393, 394, 399 f., 403 – 406, 408 f., 412 f., 414, 415 – 420, 422, 423 – 434, 435, 439, 443, 445 – 448, 449, 453, 458, 459, 463, 464 f., 470, 476 f., 479 f., 488 f., 491, 493, 499, 500, 502 f., 505, 507, 508 f., 512 f., 515, 516, 518 – 520, 522 f., 524, 527, 530 f., 534 – 544, 548, 559 – 561, 563, 567, 570, 573, 579 – 583, 585, 588, 589 f., 593, 599, 601, 612, 618, 619, 624, 637, 639, 645, 652 f., 655, 657, 664, 666, 667, 668, 681, 682, 690, 692 f., 694, 697 – 700, 702 f., 705 f., 707, 713 – 715, 716, 718 f., 726, 729, 731, 733, 735 f., 748 f., 751 f., 761, 772, 774, 790, 792, 796, 799, 801 f., 803, 814, 816 f., 820, 826, 828, 833, 838, 841, 907 Weber, Max sen. 18, 474, 556 f., 638 f., 907 Weber, Max – Die Abänderung des Artikels 9 der RV (1917) 622, 627, 768 f., 773 – Das abendländische Bürgertum (Vortrag 1918) 814, 828, 840 – Agrarstatistische Betrachtungen zur Fideikommißfrage in Preußen (1904) 592 – Die wirtschaftliche Annäherung (Diskussionsbeiträge VfSp 1916) 401 – Antikes Judentum (1917 – 1919/21) 11 f., 69, 70, 305, 478, 492, 571, 577, 606, 648, 654, 680, 693 – Aristokratie und Demokratisierung in Deutschland (Vortrag 1918) 798, 814, 828, 840 – Äußerungen zur Werturteildiskussion (1913) 649, 776 – Die badische Fabrikinspektion (1907) 95 – Berliner Professorenaufruf (1916) 480, 482 – Bismarcks Außenpolitik und die Gegenwart (1915) 221 – Börsenwesen (1895) 472 – Demokratie im amerikanischen Leben (Vortrag 1916) 333, 360, 372 – Demokratie und Aristokratie im amerikanischen Leben (Vortrag 1918) 372, 589, 601

Personenregister – Denkschriften bzw. Gesetzentwürfe zum Enqueterecht (1917) 622, 626, 628 – Deutschland unter den europäischen Weltmächten (1916) 558 – Deutschlands äußere und Preußens innere Politik (1917) 6, 592, 613 – Deutschlands weltpolitische Lage (1916) 554, 558, 590 – Abschließender Erfahrungsbericht über die Lazarettverwaltung (1915) 14, 92 – Erhebung über Auslese und Anpassung (1908) 649 – GdS/Einteilung des Gesamtwerkes (1914) 599 – Gegen die alldeutsche Gefahr (1917) 694, 807 f. – Gegenadresse zur sog. „SeebergAdresse“ (1915) 3, 193, 207 – Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie (1920/21) 12, 69, 74, 75, 648 – Zur Geschichte der Handelsgesellschaften (1889) 722 – Handbuch der politischen Ökonomie/ Stoffverteilungsplan (von 1910) 95, 102 – Hinduismus und Buddhismus (1916/17) 9, 11, 69, 70, 147, 170, 185, 200, 290, 296, 305, 316, 332, 351, 417, 420, 478 f., 486, 514, 521, 547, 642, 654 – Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie (1913) 649, 829 – Kirchen und Sekten (1906/20) 69, 648, 723 – Konfuzianismus und Taoismus (1915/ 20) 11 f., 69, 70 – 72, 74 f., 76, 77 f., 84, 88, 97, 131, 143, 147 f., 170, 175, 182, 185, 218, 241, 316, 417, 486, 648 – Kritische Studien auf dem Gebiet der kulturwissenschaftlichen Logik (1906) 649, 723 – Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland (1892) 316 – Lauensteiner Kulturtagungen (Vorträge 1917) 10, 655, 686, 735, 749, 752, 774, 776 – Lauensteiner Kulturtagungen/Die Persönlichkeit und die Lebensordnungen (1917) 686, 735, 749, 752, 774

931

– Die Lehren der deutschen Kanzlerkrisis (1917) 731, 733, 736, 773 – Die „Objektivität“ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis (1904) 351, 649, 723 – Parlament und Regierung (1918) 7, 471, 643, 650 f., 660, 669, 730, 732, 738, 744, 746, 766, 779, 782, 787, 795, 800, 823 f., 832, 849 – Parlament und Regierung/Deutscher Parlamentarismus in Vergangenheit und Zukunft (1917) 556, 643, 650, 652, 660, 662, 671, 682 f., 693, 737, 746, 763, 766, 779 – Parlament und Regierung/ Vergangenheit und Zukunft des deutschen Parlamentarismus (1917) 471, 636, 647, 650, 660, 656, 678, 730 – Der preußische Landtag und das Deutsche Reich (1917) 619 f. – „Privatenquêten“ über die Lage der Landarbeiter (1892) 376 – Probleme der Staatssoziologie (Vortrag 1917) 589, 617, 784, 789, 791 f., 809 – Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (1904/05/20) 12, 69, 70, 74, 75 f., 77, 411, 648, 723 – Protokoll der 3. Sitzung des Arbeitsausschusses für Mitteleuropa (1916) 343 – Die römische Agrargeschichte (1892) 722 – Roscher und Knies (1903/05/06) 649, 723 – Die russische Revolution und der Friede (1917) 668 – Rußlands Übergang zur Scheindemokratie (1917) 609, 630 – Schriften zur russischen Revolution (1905) 172 – An der Schwelle des dritten Kriegsjahres (1916) 483, 485, 491 – Schwert und Parteikampf (1917) 836 – Der Sinn der „Wertfreiheit“ (1917) 642, 649, 725, 776, 829 – Die soziologischen Grundlagen der Entwicklung des Judentums (Vortrag 1917) 596, 784, 802

932

Personenregister

– R. Stammlers „Überwindung“ der materialistischen Geschichtsauffassung (1907) 649, 723 – Der verschärfte U-Boot-Krieg (1916) 5, 327, 332, 334 f., 336, 338, 341, 343, 349, 356, 843 – Eine katholische Universität in Salzburg (1917) 624 – Vorschläge zur Reform der Verfassung des Deutschen Reiches 7, 622, 626, 628 – Wahlrecht und Demokratie in Deutschland (1917) 10, 823 – Ein Wahlrechtsnotgesetz des Reichs (1917) 7, 602, 613 – Was erwartet das deutsche Volk vom Verfassungs-Ausschuß …? (1917) 630, 656, 660, 665, 764 – WEWR (1915 – 1920) 9 – 11, 69, 71, 73 – 75, 77, 78, 79, 82 f., 97, 131, 147, 170, 172, 175, 182, 185, 218, 305, 316, 345, 411, 417, 420, 424, 478, 486, 547, 590, 606, 649, 654, 658, 669, 672, 680 – WEWR/Christentum 11 f., 69, 70, 649 – WEWR/Einleitung (1915/20) 11, 69, 71, 73 f., 78, 84, 97, 131, 147, 241, 316 – WEWR/Islam 11 f., 69, 70, 305 – WEWR/Zwischenbetrachtung (1915/ 1920) 11, 69, 148, 170, 175, 182, 218, 241, 258, 316 – Wirtschaftsgeschichte (1923) 571 – Wissenschaft als Beruf (Vortrag 1917) 807 f. – WuG 11., 21, 69 f., 413, 599, 723, 821 – WuG/Religionssoziologie (1921) 69 f., 599 Weber, Valborg 17, 185, 205 f., 231, 337, 378, 448, 502, 508, 517, 560, 682, 907 Wehler, Hans-Ulrich 242, 481 Weisbach, Eva 355, 907 Weisbach, Werner 355, 907 Wende, Frank 597 Wentzke, Paul 474 Wermuth, Adolf 296, 907 Westarp, Kuno Graf von 327 f., 569, 672, 907 Wettstein, Richard von 450, 907 f. Wichert, Fritz 6, 506, 754 f., 775, 797 f., 819, 908

Wiedenfeld, Kurt 202, 264, 385, 401, 605, 687 f., 908 Wiegand, Karl von 286 Wieland, Lothar 101 Wielandt, Elisabeth Bertha Margarethe (Lilli) 52, 302, 908 –, deren Sohn 302 Wielandt, Rudolf August 302 Wieser, Friedrich Frhr. von 722, 771, 773, 780, 789 – 792, 797, 809, 908 Wilamowitz-Möllendorf, Ulrich von 480 Wilbrandt, Robert 459 f., 776, 908 Wilhelm I. (deutscher Kaiser und König von Preußen) 768 Wilhelm II. (deutscher Kaiser und König von Preußen) 6 f., 67, 157, 193, 247, 258, 321 f., 327, 343, 346, 348, 557, 569, 595, 610, 619, 651, 674 – 678, 693, 708 f., 719, 739 f., 763 f., 770, 844 Wilhelm (Kronprinz) 678 Wille, Jacob 490 Wille, Richard 76, 97, 147, 170, 172, 384, 386, 391, 407, 410, 547, 648, 659, 829, 908 Wilson, Thomas Woodrow 412 f., 416, 591, 594, 675, 740, 764, 770, 791, 908 Windelband, Wilhelm 149 f., 153, 155 f., 161, 168, 180, 198, 208, 252, 255, 256 f., 269 – 272, 278 f., 282, 302, 321, 333, 494, 575, 909 Windthorst, Ludwig 662, 663, 909 Wippermann, Karl 641 Wobbermin, Georg 39, 909 Wobbermin, Theodora 39, 909 Wolf, Julius 197, 909 Wolff, Theodor 3 Wolgast, Eike 3, 597 Wundt, Wilhelm 574, 909 Zahn, Theodor 689 Zeeden, Ernst Walter 420, 690, 700, 909 Zeeden, Konrad 406 Zeeden, Marianne 336, 406, 420, 690, 693, 697, 700, 710, 714, 727, 750, 909 Zeller, Eduard 168 Ziegler, Theobald 849 Zimmermann, Arthur 5, 286, 317, 328, 332, 334, 338 f., 341, 403, 451, 458, 594, 706, 707, 754, 909

Ortsregister

Nicht berücksichtigt wurden die Absendeorte der Briefe sowie die im Personenverzeichnis genannten Orte. Gerade gesetzte Zahlen verweisen auf Webers Text, kursiv gesetzte Zahlen auf die Herausgeberrede.

Aachen 243 adriatische Ostküste 146 Afrika 633 Ägypten 571 Albis (Höhenrücken in der Schweiz) 84, 112, 483, 485, 504, 518 Algeciras 675 Allenstein (Ostpreußen) 204 Amerika, amerikanisch 3 – 5, 43, 67, 101, 158, 230, 284, 286, 300 f., 304, 306, 310 – 312, 314, 318, 320, 322 f., 327 f., 329, 332 f., 341, 343, 347, 351, 361, 369, 376, 399, 403, 406, 409, 412 f., 507, 524, 550 f., 574, 584, 591, 594 f., 601, 614, 635, 730, 764, 843 Anatolien 304, 312 Antwerpen 23, 102, 600, 705 Arizona 594 Armenien 304, 611 Arras 182, 184, 631 Arsiero (Italien) 445 Asiago (Italien) 445 Ascona 27, 56, 118, 176, 212, 394, 466, 467, 802 Athen 664 Babylon 571 Bad Nauheim 564 Bad Wildungen 360, 366 Baden, badisch 95, 120, 149 – 151, 154, 187, 254, 490, 607, 619, 620, 738, 756, 809 Baden-Baden 336 Badenweiler 115 Bagdad 399, 838 Balkan 110, 233, 568, 610, 633 Baltikum 3 Basel 133, 135, 145, 247 f., 249, 253, 262, 294, 562, 563 f., 759

Bayern, bayerisch 187, 190, 368, 619, 689, 746, 749, 764, 807 Belgien, belgisch 2, 4, 8 f., 23, 49, 65, 67, 82, 87, 89, 92, 94 – 96, 99, 101 f., 103, 105 f., 107, 110, 111 f., 133, 138, 142, 185, 207, 221, 247, 250, 285, 376, 506, 597, 635 Belgisch-Kongo 95 Berlin 6, 9 – 11, 14, 36, 38, 47, 51 f., 67, 74, 116, 125, 126, 143, 147, 151, 158, 168, 173, 176, 178, 180, 182, 184, 194, 196, 198, 203, 207 f., 210, 221, 222, 223, 231, 240, 262, 264, 265, 272, 292, 298, 302 f., 310, 315 f., 318, 323, 330, 333, 352, 359, 362, 363, 366, 373, 378, 381, 389, 392, 394, 396, 401, 406, 417, 419, 434, 442, 444, 450 f., 461, 463, 466, 470, 475, 479, 480, 490 f., 493, 499, 504, 505, 518, 523, 527, 535, 540, 557, 559, 563, 567, 573, 582, 610, 621, 665, 672, 681, 694, 697, 701, 703, 705, 714, 715, 722, 727, 736, 748, 749, 752, 754, 761, 764, 772, 775, 780, 798, 804, 814, 816, 819, 828, 830, 840, 848, 850 씮 auch: Charlottenburg, Lichterfelde Bern 121, 124, 436 f., 440 Bethel (bei Bielefeld) 141, 710 Bielefeld 710 f., 715, 726 Bodensee 491, 508, 513, 514, 538, 715 Böhmen 431 Bonn 102 Bozen 113 Brackwede 503, 714 Brandenburg, brandenburgisch 67, 378 Brasilien 322 Bremerhaven 247 Brenta (Fluß) 465 Breslau 59, 64, 350, 367, 688 Brest-Litowsk 6, 115, 118, 189, 422, 427, 516, 555, 583

934

Ortsregister

Bruchsal 345 Brüssel 4, 8, 49, 82, 83, 87, 92, 93, 94 f., 98, 100 – 105, 109, 111 f., 114, 138, 140, 142, 453, 458, 468, 597 Budapest 6, 10, 272, 413 – 415, 422, 424, 429 – 431, 433, 443, 447, 448, 460, 462, 465, 479, 493, 673 f., 743, 798 Bug (Fluß) 422 Bukarest 593 Bukowina 517 Bulgarien 110, 198, 296, 448, 483, 538, 568, 593, 610, 633, 664 Campagna 726 Champagne 256 Charlottenburg 175 f., 181, 187, 207, 209, 214, 493, 522, 527, 532, 561, 573, 612, 761 씮 auch: Berlin Charsy am Bug 115, 422, 427, 444, 583 China 247, 723 Churwalden 85 Cöln 씮 Köln Curtea de Arges 844 Czernowitz 624 Dahlem (Gut) 310, 313 Dänemark 322, 550, 593, 594 Danzig 174, 191, 538 f., 540, 543 Dardanellen 611 Detmold 700, 714, 748, 751, 752 Deutsches Reich 씮 Deutschland Deutschland, deutsch 2 – 6, 12, 28, 38, 47, 65 – 67, 79, 87, 89, 95 f., 101 f., 105, 106, 112, 120 f., 123, 132 f., 134 f., 140, 145 f., 158, 198, 200, 209, 221, 228 – 230, 234, 235, 236, 241, 246 – 250, 253, 258, 263 f., 284, 285 f., 296, 303 f., 308, 321, 327 f., 333, 340, 341, 350, 351, 356, 398, 403, 409, 416, 436, 441, 443, 445, 449 f., 451, 453, 458, 459, 468, 469, 472 f., 483, 488, 506, 519, 520, 525, 532, 545, 564, 568, 569, 584, 585, 590, 591, 593 f., 595, 597, 608, 610, 615, 625, 629, 633, 640, 641, 651, 653, 655, 657, 662, 668, 671 – 674, 675, 678, 690, 692, 696, 701, 709, 711, 723, 726, 733, 739 f., 756, 758 f., 764, 774, 790, 797 f., 804, 807, 815 f., 834, 842 – 845, 846 f. 씮 auch: Süddeutschland, Südwestdeutschland deutsch-österreichisch 씮 Österreich

Dieppe 372 Dobrudscha 538 Doggerbank (Sandbank in der Nordsee) 304 Donau 431 Dossenheim 637 Douaumont, Fort Douaumont (bei Verdun) 311 Dresden 346, 389, 400 Dublin 399 Dünaburg (Lettland) 300, 307, 316 Eisenach 381 Elsaß 10, 12, 120 f., 123 f., 173, 223, 253, 255, 314, 330, 406, 619, 678, 756 f. Elsaß-Lothringen 66, 250, 608 f. England, englisch 4, 7, 28, 66, 80, 89, 110, 134, 146, 157, 158, 247, 304, 312, 322, 327 f., 329, 340, 343, 350, 369, 376, 399 f., 409, 412, 416, 453, 506 f., 524, 545, 550, 560, 564, 574, 594 f., 597, 610, 626, 633, 634, 663, 672, 675, 695, 723, 724, 730, 759, 831, 842 Ettlingen 127 Etsch (Fluß) 465 Erzerum (Ostanatolien) 304 Europa, europäisch 221 f., 634, 641 씮 auch: Mitteleuropa, Osteuropa, Südeuropa Falkenberg 442 Flandern 4, 468, 502, 504, 570, 597, 634, 817 Folkstone 372 Fort Douaumont 씮 Douaumont Frankfurt a.M. 75, 357, 518, 525, 652, 656, 790, 798, 835 f. Frankreich, französisch 12, 28, 89, 110, 120 f., 124, 134, 140, 158, 254, 314, 328, 340, 412, 448, 453, 506, 524, 525, 545, 594, 595, 608, 609 f., 635, 695, 698, 759, 831 Freiburg i.Br. 14, 85, 144, 151, 154, 156, 164, 165, 219, 226, 258, 260, 268, 272, 278, 283, 321, 373, 387, 413, 523, 564, 599, 722, 761 Friaul 804 Galizien 6, 56, 57, 85, 151, 228, 502 Gallipoli (Türkei) 662 Gap of Dunloe 399

Ortsregister Görz 489, 491 Göttingen 13, 771, 773, 780, 816, 846 Graz 24, 26, 53, 176, 232, 276, 294, 352, 364, 371, 437 Griechenland, griechisch 307, 519, 543, 610, 633, 664 Grodno (russische Festung) 110 Großbritannien 씮 England Halle 101 Hamburg 95, 196, 291 f., 300, 353 f., 359, 360 f., 365, 706 Handschuhsheim (Stadtteil von Heidelberg) 173 Hannover 115, 116, 127, 129 f., 139 f., 141, 143, 173, 182, 554 Heidelberg 2 f., 8 – 15, 21 f., 24, 27, 38, 46, 48, 49, 51, 58, 64, 75, 84 f., 92, 94, 95, 96, 98, 102, 104 f., 108 f., 111, 115, 120 – 122, 123, 127, 129 – 131, 136, 138 – 140, 149 – 152, 154, 159 f., 163 f., 167, 171, 173, 178, 182, 187 f., 189, 190, 194, 198, 199 f., 205, 208, 210, 211 f., 214, 217, 219, 220 f., 223, 226, 237 f., 240, 245, 252, 254 – 257, 259, 266, 268 – 272, 278, 280, 282 f., 288, 292, 293, 299, 302, 321, 323, 333, 343, 349 f., 352 f., 357, 358, 360, 362 – 364, 365, 367 f., 372, 381, 385, 390, 392 f., 395, 400, 405 f., 408, 412, 415 f., 418 f., 421 f., 424, 433 f., 441, 443 – 445, 447, 453, 456, 460, 463, 470, 479 f., 483, 485, 494, 499, 500 f., 503, 510, 512, 515, 516, 518 – 521, 523, 525 f., 530, 536, 548, 551, 554, 573, 586, 589, 599, 608, 612 – 614, 619, 665, 681, 687 f., 689 f., 691, 692, 700, 702, 703, 706, 711, 712, 720, 722, 728, 731 f., 735, 744, 748, 751, 773, 783, 784, 787, 789, 801 f., 803, 805, 810 – 812, 814, 817 f., 820, 822, 825, 833, 835, 837, 838, 841 f., 845 f., 847 f. Heppenheim (an der Bergstraße) 336, 345, 476, 752, 762, 774, 776 f., 840 Hessen 607, 619 Hohenschwangau 85, 91, 96, 102, 117 f., 126 Holland, holländisch 99, 322, 348, 350, 369, 412, 550, 559 f., 593, 594, 609, 625, 757 Holte (Dorf und gleichnamiges Schloß bei Oerlinghausen) 331, 613, 706, 714, 726 f., 748

935

Ilten (bei Hannover) 141 Immenstadt 681 Indien, indisch 170, 723 Ingolstadt 115, 237 Inor (bei Sedan) 74 Irland 399 f. Isonzo (Fluß) 489, 491, 804, 831 Italien, italienisch 12, 28, 38, 47, 54, 65, 67, 68, 80, 132, 133, 134, 145, 146, 247 – 251, 306, 320, 416, 445, 465, 483, 489, 491, 524, 525, 570, 588, 594 f., 758, 804, 820, 831, 844 Jakobsberg (Weserberg) 713 Jena 179 Jugenheim (an der Bergstraße) 336, 345 Karfreit, ital. Caporetto 831 Karlsruhe 96, 126, 149, 151, 167, 226, 477, 665 Karpathen 27, 542 Kiel 813 Kilkee 399 Killarney 399 Köln 137, 692 Königsberg 500, 503 Konstantinopel 610 Konstanz 25, 522, 526 – 528, 531, 534 Kopenhagen 615 Kreuzlingen 25 Kroatien 228 Kupferhammer (bei Brackwede) 503, 682, 714 Kurland 5, 208, 220, 228, 240, 376 K¯ut-el-Am¯ara 399 Langenbrücken 345 Lausanne 68 Leipzig 164, 242, 296, 385, 386, 587 Lemberg 583 Lettland 5, 221, 228, 300 Lichterfelde 187, 442, 474, 557 씮 auch: Berlin Litauen 5, 113, 208, 221, 228, 240, 285 Livland 208 Locarno 56, 346 Lodz 317 London 146, 293, 295, 300, 564, 842 Loos (bei Arras) 182 Lothringen 115, 843 Löwen (Belgien) 101, 103, 106, 247

936

Ortsregister

Lublin 707 Luck (Wolhynien) 465 Lugano 436 f., 440 Lüttich 221 Luxemburg 221 Main 619 Mannheim 323, 405, 416, 426, 446 f., 470, 689, 775 Marmarameer 67 Mazedonien 610, 664 Mesopotamien 399 Mexiko 594 Mitteleuropa 5 f., 157, 202, 209, 214, 235, 263, 284, 287, 293, 296, 298 f., 301, 304, 306, 308, 311 f., 316, 320, 324 f., 336, 340, 341, 343, 346, 355, 357, 363, 381, 383, 394, 396, 404, 408, 411, 413, 415, 417, 419 f., 423 f., 448, 449, 460, 466, 552, 553, 589, 601, 668, 797, 834 Moldau 844 Monaco 388 Mudau (im Odenwald) 682 Muespach (Elsaß) 223 Mühlhausen (Oberelsaß) 314 München 10, 12 f., 14, 29, 33, 119, 127, 128, 136, 179, 187, 190, 207, 209, 223, 230, 237, 239, 368, 445, 516, 554, 558, 564, 577, 582 f., 590, 596, 598, 630, 652 f., 656, 660, 665, 667, 670, 681, 687, 688 f., 690, 694, 695, 698 f., 701, 706, 730, 738, 746, 764, 771, 773, 780, 798 – 800, 801 f., 807, 808, 812, 816 Münster 471, 594 Namur 221 Naumburg 198 Neckarsteinach 541 Neuchâtel (Neuenburg, Schweiz) 122, 259 Neumexiko 594 Neustettin 353, 362, 580 New York 43 Nîdze Plânina 664 Niederlande 씮 Holland Nordfrankreich 110 씮 auch: Frankreich Norwegen 205, 448, 502, 508, 818 Novogeorgievsk (Modlin) 103 Nürnberg 483, 485, 491 Nußdorf 541, 542

Oberelsaß 씮 Elsaß Oberhambach (bei Heppenheim) 476 Oberschlesien 234 씮 auch: Schlesien Odenwald 363, 682 Oerlinghausen 12, 14 f., 36, 137, 316, 331, 336, 344, 347, 350, 503, 613, 653, 682, 685, 690, 692, 702 f., 705 f., 710, 714, 718, 720, 726, 728, 735 f., 748 f., 753, 761, 817, 840 Offenburg 523 Osmanisches Reich 씮 Türkei Ostanatolien 304 씮 auch: Anatolien ostelbisch 472 Ostende 221 Österreich, österreichisch 5 f., 28, 38, 47, 65 – 67, 110, 132 f., 134, 146, 157, 193, 198, 200, 209, 214, 221, 228 f., 234 – 236, 241, 248 – 251, 263 f., 284, 296, 316, 325, 336 f., 340, 343, 347, 381, 415, 417, 422, 428, 430, 445, 449 – 451, 453, 459, 460, 461, 465 f., 469, 483, 489, 491, 493, 502, 506, 508, 517, 519, 524, 525, 532, 545, 566, 568, 589 – 591, 593, 610, 619, 625, 632, 636, 640, 672 – 674, 675, 694, 707, 722 f., 754, 758 f., 771, 775, 792, 795, 797, 798, 805 f., 809, 834 f., 842, 843 Österreich-Ungarn 씮 Österreich Osteuropa 6, 134 Ostgalizien 502 씮 auch: Galizien Ostpreußen 6, 14, 204, 352 – 354, 362, 364, 367, 370, 373, 378, 382, 387, 389, 392 393, 451, 479, 681, 735 씮 auch: Preußen Ostrumelien 610 Ostseeprovinzen 185 Paris 179, 253 Partenkirchen 117 – 119, 126, 127, 136 Persien 304 Persischer Golf 399 Petersburg 씮 St. Petersburg Piave (Fluß) 831 Piemont 66 Pleß 328 Polen, polnisch 2, 5 f., 9, 113, 203, 208, 214, 221, 228 f., 234 – 236, 241, 285, 301, 316 f., 323, 324, 325, 333, 341, 381, 389, 413, 415, 418, 449 – 451, 460, 468, 502, 506,

Ortsregister 508, 512, 552, 592, 610 f., 619, 633, 668, 679, 707, 797 f. Pommern 486, 512, 557 Porta Westfalica 713 Posen 316 Prag 276 Preußen, preußisch 6, 67, 88, 134, 236, 327, 378, 389, 451, 525, 585, 592, 603 f., 607, 609, 619 f., 628, 635, 662, 678, 694, 701, 719, 732, 768, 769, 772, 780, 814, 816 씮 auch: Ostpreußen, Westpreußen Propstzella (Thüringen) 686, 787 f. Rappenau 615 Rastatt 297 Reims 247, 292 Riga 774 Rom 66, 178, 355, 363, 475, 594 Rostock 149 Rothfliess (Ostpreußen) 378 Rumänien 302, 307, 320, 322, 333, 483, 491, 519, 532, 538, 545, 593, 595, 610, 641, 844 Rußland, russisch 5 f., 28, 66, 110, 134, 146, 221, 228 f., 248, 256, 301, 304, 312, 317, 333, 459 f., 465, 469, 502, 506, 507, 508, 517, 525, 545, 583, 593, 597, 603, 607, 608 f., 610 f., 615 f., 632, 635, 640, 641, 657, 664, 668, 671, 673, 694, 695, 699, 701, 707, 716, 718, 719, 723, 724, 758, 770, 831, 843 Saarlouis 561 Saloniki 543, 664 Salzburg 624, 625, 636, 640 Salzuflen 710 San Stefano 610, 633 Säntis (Berg in der Schweiz) 493 Sauerbaum (Ostpreußen) 378 Schlesien 234, 451 Schleswig 594 Schneidemühl 362 f. Schonach bei Triberg 122 Schottland 399 Schwäbische Alb 714 Schwarzwald 638, 736, 748 Schweden, schwedisch 66, 265, 517, 675, 740 Schweiz, schweizerisch 3, 66, 113, 118, 120 f., 122 f., 132 f., 253, 254, 259, 266, 486, 505, 517, 564, 577, 585, 710, 720, 758 f.

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Schwetzingen 47, 645 Sedan 74, 343 Senne (bei Oerlinghausen) 713, 714, 716, 726, 753 Serbien 110, 203, 610, 633 Sereth 593 Siebenmühlenthal (bei Heidelberg) 637 Singen 523 Sizilien 66 Skagerrak 445, 560 Skandinavien 322, 609, 632, 671 Somme (Fluß) 545 Sowjet-Rußland 씮 Rußland Spanien, spanisch 322, 373 Steiermark 437 St. Louis 329 St. Märgen (im Schwarzwald) 484 f., 493, 516, 518, 534, 535, 729 St. Petersburg 610, 632, 843 Stockholm 609, 615 Straßburg 123, 150, 154, 164, 204, 333, 415, 417, 419 Stuttgart 39, 840 Süddeutschland 10, 168 씮 auch: Deutschland Südeuropa 134, 593 Südtirol 428 Südwestdeutschland, südwestdeutsch 150 씮 auch: Deutschland Swinemünde 378 Tannenberg 118, 352 f., 389 Texas 594 Thüringen 652, 655, 686, 783 Tönsberg (bei Oerlinghausen) 703, 706, 713 Trentino 758 Trient 132, 445 Triest 132 Tübingen 66, 74, 457, 599, 689 Turin 247 Türkei 110, 198, 296, 301, 304, 308, 312, 320, 332, 340, 341, 399, 448, 483, 538, 568, 593, 610 f., 633, 664 Turza-Mata (Galizien) 56 Überlingen 493, 505, 508 f., 512, 514, 516, 518, 522, 527 f., 536, 538, 540, 541 f. Udine 844 Ungarn, ungarisch 228, 234 f., 263 f., 418, 468, 494, 552

938

Ortsregister

USA 씮 Amerika Verdun 307, 311, 333, 545 Vereinigte Staaten von Amerika 씮 Amerika Wallonien 4, 597 Warschau 6, 221, 317, 330, 332, 337, 399, 583, 610, 707 Washington 369 Weimar 47, 111, 426, 447 Weser, Weserberge 713, 716 Westfalen, westfälisch 711 Westpreußen 451, 543 씮 auch: Preußen Wien 6, 10, 13, 15, 75, 146, 157, 176, 202, 228 f., 264, 272, 384, 413 – 415, 417, 419, 422, 424, 426, 430 – 433, 435, 436 – 438, 440, 442, 445, 447 – 449, 450, 454, 460, 462, 465 f., 479, 506, 552, 588, 589, 601,

604, 610, 617, 625, 636, 673 f., 687, 722, 723, 733, 740, 754, 758, 760, 771 – 773, 775, 776, 780 f., 783, 784, 785 f., 789 – 792, 793 f., 795, 796, 797, 798, 800 f., 802 f., 804 – 807, 809 – 811, 812, 816, 819, 821, 826, 830, 834 f., 840 f., 843 Wiesbaden 204 Wittekindsberg (Weserberg) 713 Wlodawa (Wlodowa) 583 Wolfratshausen (im Isartal) 136, 801 – 803, 825 Wolhynien 465, 517 Würzburg 542 Württemberg 619 Zabern (im Elsaß) 678 Zürich 108, 112 f., 123, 133 f., 254, 315, 398, 483, 485, 493, 504, 518, 753, 774, 820, 822, 842 Zürichsee 84, 112, 493, 519, 701

Aufbau und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe Abteilung II: Briefe

1. Aufbau der Gesamtausgabe In der Max Weber-Gesamtausgabe werden die veröffentlichten und die nachgelassenen Texte und Briefe Max Webers mit Ausnahme seiner Exzerpte, Marginalien, Anstreichungen oder redaktionellen Eingriffe in die Texte anderer wiedergegeben. Liegen mehrere Fassungen eines Textes vor, so werden diese sämtlich, gegebenenfalls als Varianten, mitgeteilt. Editionen der Texte Webers, die er nicht selbst zum Druck gegeben hat, werden nur dann berücksichtigt, wenn dem betreffenden Herausgeber Manuskripte vorlagen, die uns nicht mehr überliefert sind. Die Max Weber-Gesamtausgabe gliedert sich in drei Abteilungen: Abteilung I: Schriften und Reden Abteilung II: Briefe Abteilung III: Vorlesungen

2. Aufbau der Abteilung II: Briefe In Abteilung II werden alle bislang bekanntgewordenen Briefe Max Webers veröffentlicht. Unter Briefen werden verstanden: Briefe im engeren Sinne, sowie Briefkonzepte, Postkarten und Telegramme. Sie werden vollständig aufgenommen. Briefe im Sinne dieser Definition, die nicht überliefert, aber nachgewiesen sind, werden im editorischen Apparat verzeichnet. Die an Max Weber gerichteten Briefe werden nicht abgedruckt, es wird von ihnen auch kein Verzeichnis erstellt. Die Briefe werden chronologisch nach den Schreibtagen ediert. Die einzelnen Bände umfassen geschlossene Jahrgänge, der jeweilige Zeitraum wird im Bandtitel angegeben. Die Bandfolge lautet: Band Band Band Band Band

1: 2: 3: 4: 5:

Jugendbriefe bis 1886 Briefe 1887 –1894 Briefe 1895 –1902 Briefe 1903 –1905 Briefe 1906 –1908 Hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön; 1990

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Band 6: Briefe 1909 –1910 Hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön; 1994

Band 7: Briefe 1911 –1912 Hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön; 2 Halbbände, 1998

Band 8: Briefe 1913 –1914 Hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön; 2003

Band 9: Briefe 1915 –1917 Hg. von Gerd Krumeich und M. Rainer Lepsius in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön; 2008

Band 10: Briefe 1918 –1920 Band 11: Nachträge und Gesamtregister In Band 11 werden als Nachträge auch solche Briefe aufgenommen, die nach Erscheinen der einschlägigen Bände noch aufgefunden werden oder die nicht datierbar sind.

3. Aufbau der Bände Jeder Band enthält ein chronologisches Verzeichnis der edierten Briefe, eine Einleitung der Herausgeber, die historisch-kritisch bearbeiteten Briefe Max Webers sowie Verzeichnisse und Register. Die Briefe werden in chronologischer Folge abgedruckt. Läßt sich diese bei Briefen vom selben Tag nicht bestimmen, so gilt die alphabetische Ordnung nach Empfängern. Briefe, die nur annähernd datierbar sind, werden am Ende des fraglichen Zeitraums eingeordnet.

4. Chronologisches Verzeichnis der Briefe Das chronologische Verzeichnis informiert über Datum, Schreibort und Empfänger der Briefe.

5. Einleitung Die Einleitung der Herausgeber informiert über den biographischen Kontext sowie die Überlieferungslage der Briefe im jeweiligen Band sowie über bandspezifische Editionsfragen.

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6. Briefe Bearbeitung und Präsentation der Briefe folgen der historisch-kritischen Methode. Dies geschieht mit Hilfe eines Vorspanns und von drei Apparaten: dem Korrekturen- und dem Variantenapparat, die zum textkritischen Apparat zusammengefaßt sind, und dem Erläuterungsapparat.

6.1 Vorspann Jedem Brief werden Angaben über Empfänger, Datum, Schreibort und Fundort sowie Zeugenbeschreibungen vorangestellt. Abschriften und Vordrucke von Briefen werden nur nachgewiesen, wenn sie die Quelle der Edition darstellen. Ergeben sich Datierung oder Schreibort nur aus dem Poststempel oder einem Aufdruck des Briefes (Briefkopf), so wird dies durch ein vorgesetztes PSt oder BK kenntlich gemacht. Andere Ergänzungen oder Erschließungen von Datum oder Schreibort stehen in eckigen Klammern. Der Vorspann enthält außerdem ggf. eine Editorische Vorbemerkung, in der Erschließung und Ergänzungen von Datum oder Schreibort begründet und zusätzliche Informationen zur Zeugenbeschreibung gegeben werden. Liegen mehrere Fassungen eines Briefes vor, wird hier auch dargelegt, welche als Text abgedruckt und welche als Varianten mitgeteilt werden. Hier werden auch alle weiteren editorischen Entscheidungen in Hinsicht auf den edierten Brief begründet. Dazu gehört unter anderem die Behandlung von Eigentümlichkeiten des Briefes. Ferner umfassen die Editorischen Vorbemerkungen Regesten solcher Korrespondenda bzw. Kontextdarstellungen, deren Kenntnis für das Verständnis des Briefes notwendig ist.

6.2 Textkritischer Apparat Im textkritischen Apparat werden Textentwicklung und Texteingriffe nachgewiesen.

6.2.1 Textentwicklung Liegt ein Brief in mehreren Fassungen vor, wird eine Fassung zum Edierten Text bestimmt. Dies ist in der Regel der eigenhändig niedergeschriebene Originalbrief. Der Originalbrief bzw. die abgedruckte Fassung trägt die Sigle O. Liegen parallele Ausfertigungen des Originalbriefs oder mehrere zu edierende Abschriften vor, werden diese mit O1, O2 usw. sigliert. Abschriften oder Nachdrucke werden nur berücksichtigt, wenn der Originalbrief fehlt. Jede zur Variante bestimmte Fassung wird im textkritischen Apparat mitgeteilt, in der Regel mit Hilfe eines negativen Apparats. Ebenso werden im textkritischen Apparat Webers Streichungen und seine Änderungen am Wortlaut der Briefe nachgewiesen. Wo es die Sachlage erfordert, insbesondere bei umfangreichen Varianten, ist der positive Apparat oder die synoptische Darstellung gewählt.

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6.2.2 Texteingriffe Texteingriffe sind auf ein Minimum beschränkt. Sie werden bei Textverderbnissen vorgenommen. Als verderbt gelten Textstellen, die den Sinnzusammenhang zerstören, sowie fehlerhaft geschriebene Namen (Ausnahme: Tröltsch, Örlinghausen) und falsche Datumsangaben. Der Eingriff wird dadurch nachgewiesen, daß die verderbte Stelle im textkritischen Apparat mitgeteilt wird. Läßt sich eine unklare Stelle nicht eindeutig als verderbt erkennen, so wird sie unverändert gelassen. Je nach Sachlage bietet der Apparat dann Lesarten in Voreditionen oder andere Verständnishilfen an. Nicht als Textverderbnis gelten Spracheigentümlichkeiten, einschließlich regelwidriger, aber nicht sinnentstellender grammatischer Konstruktionen, nicht mehr gebräuchlicher Lautstand, veraltete Orthographie und Interpunktion. Nur in folgenden Fällen werden Texteingriffe ohne Nachweis im textkritischen Apparat vorgenommen: a) Bei der Gestaltung von Gliederungsmerkmalen (z.B. Paragraphen) sowie Hervorhebungen: Sie werden typographisch vereinheitlicht. b) Bei Umlauten: Sie werden der heutigen Schreibweise angeglichen (Ä statt Ae). Die Schreibweise ss für ß wird zu ß vereinheitlicht. c) Bei Abkürzungen: Sie werden, sofern sie schwer verständlich und heute nicht mehr üblich sind, in eckigen Klammern ausgeschrieben. Webers Abkürzungen in Datumszeile, Anrede und Schlußformel sind vieldeutig und werden daher nicht aufgelöst. d) Bei offensichtlichen Schreibfehlern: Sie werden korrigiert (z.B. „agarhistorischen“, „Lugenentzündung“). e) Bei der Numerierung von Webers Anmerkungen: Sie werden briefweise durchgezählt.

6.3 Erläuterungsapparat Der Erläuterungsapparat dient dem Nachweis, der Ergänzung oder der Korrektur der Zitate und der Literaturangaben sowie der Sacherläuterung und enthält Regesten solcher Korrespondenda, deren Kenntnis für das Verständnis einzelner Briefstellen notwendig ist. Jeder Brief wird dabei als ein selbständiger Text behandelt. Wiederholungen von Erläuterungen gleicher Sachverhalte in mehreren Briefen bzw. Rückverweise auf Erläuterungen sind daher nicht zu vermeiden.

6.3.1 Zitate Webers Zitate werden überprüft. Sind sie indirekt, unvollständig oder fehlerhaft, gibt der Apparat den richtigen Wortlaut wieder. Hat Weber ein Zitat nicht belegt, wird es im Apparat nachgewiesen. Ist ein Nachweis nicht möglich, so lautet die Anmerkung: „Als Zitat nicht nachgewiesen“.

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6.3.2 Literaturangaben Webers Literaturangaben werden überprüft. Sind sie nicht eindeutig oder fehlerhaft, werden sie ergänzt oder berichtigt, wenn möglich, unter Verwendung der von Weber benutzten Ausgabe. Verweist Weber ohne nähere Angaben auf Literatur, so wird diese, wenn möglich, im Apparat nachgewiesen.

6.3.3 Sacherläuterung Erläutert werden Ereignisse und Begriffe, deren Kenntnis für das Verständnis des Briefes unerläßlich erscheint, soweit diese nicht in den Editorischen Vorbemerkungen behandelt worden sind. Informationen über Personen finden sich im Personenverzeichnis am Ende des Bandes. Erfordert eine Textstelle darüber hinausgehende Informationen über eine Person, so bietet sie der Apparat. Sachliche Fehler werden im Apparat berichtigt. Für Wörter aus fremden Schriftsystemen verwendet der Editor in seinen Erläuterungen die Transliteration nach den heute gültigen Richtlinien.

6.4 Präsentation Um die Benutzung der Ausgabe zu erleichtern, erscheinen Webers Briefe und die dazugehörigen Apparate in der Regel auf derselben Seite. Um die Herausgeberrede von Webers Text abzuheben, ist sie in anderer Schrifttype gesetzt. Die Briefe werden nicht abgebildet. Doch weist der textkritische Apparat Streichungen nach. Diakritische Zeichen machen von Weber nachträglich eingeschobene Wörter und Passagen kenntlich. Webers Randnotizen erscheinen – soweit sie weder als Textnachträge noch als Fußnoten zu verstehen sind – im textkritischen Apparat. Kursiver Druck charakterisiert unterstrichene Textstellen des Brieforiginals. Verwendet Weber vorgedrucktes Briefpapier, so werden diejenigen Teile des Briefkopfes, die er in seine Orts- und Datumsangabe integriert, in einer abweichenden, kursiven Schrifttype wiedergegeben. Edierter Text und Varianten sind gleichwertig. Die Varianten werden so präsentiert, daß der Leser die Textentwicklung erkennen kann. Kleine lateinische Buchstaben verbinden den Edierten Text mit dem textkritischen Apparat. Sie stehen hinter dem varianten oder emendierten Wort. Bezieht sich die textkritische Anmerkung auf mehr als ein Wort, so markiert ein gerade gesetzter Index den Anfang und ein kursiv gesetzter Index das Ende der fraglichen Wortfolge (amit Amerikaa). Die historisch-kritisch bearbeiteten Briefe Webers und die Erläuterungen des Herausgebers sind durch arabische Ziffern ohne Klammern miteinander verbunden.

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MWG Abteilung II · Aufbau und Editionsregeln

7. Verzeichnisse und Register Dem Band sind folgende Verzeichnisse und Register beigefügt: 1. Ein Inhaltsverzeichnis 2. Ein chronologisches Verzeichnis der edierten Briefe, geordnet nach Datum, Ort und Empfänger. 3. Ein Verzeichnis der Siglen, Zeichen und Abkürzungen. 4. Ein Personenverzeichnis: Aufgenommen sind alle Personen, die Weber erwähnt; ausgenommen sind allgemein bekannte Persönlichkeiten (z.B. Bismarck, Nietzsche, Wilhelm II.) und solche Autoren und Namen, die in bibliographischen Angaben ohne nennenswerte weitere Information genannt oder aufgezählt werden. Das Personenverzeichnis liefert die wichtigsten Lebensdaten, gibt die berufliche oder politische Stellung an und führt ggf. die verwandtschaftlichen oder persönlichen Beziehungen zu Weber auf. Das Personenverzeichnis hat den Zweck, den Erläuterungsapparat zu entlasten. 5. Verwandtschaftstafeln der Familien von Georg Friedrich Fallenstein und von Carl David Weber: Sie zeigen die Verwandtschaftsverhältnisse der Familie Max Webers. 6. Ein Register der Briefempfänger: Es dient dem Auffinden aller Briefe an einen bestimmten Empfänger. 7. Ein Personenregister: Es verzeichnet sämtliche von Weber und vom Editor erwähnten Personen einschließlich der Autoren der von Weber und vom Editor zitierten Literatur. 8. Ein Ortsregister: Es verzeichnet alle geographischen Namen, mit Ausnahme der Verlagsorte in Literaturangaben und der Archivorte. Es werden die Namen benutzt, die im deutschen Sprachraum vor 1920 üblich waren oder amtlich gebraucht wurden. Kann ein Ort nicht als bekannt vorausgesetzt werden, wird zur Erläuterung die Verwaltungseinheit (z.B. Kreis, Regierungsbezirk) und ggf. auch der heute amtliche Name beigefügt. Die Empfänger-, Personen- und Ortsregister erfassen Webers Texte und die Herausgeberrede. Gerade gesetzte Zahlen verweisen auf Webers Text, kursiv gesetzte Zahlen auf die Herausgeberrede.

8. Indices und Zeichen Folgende Indices werden verwendet: a) Arabische Ziffern mit runder Schlußklammer (1), 2), 3) …) kennzeichnen Webers eigene Anmerkungen. b) Arabische Ziffern ohne Klammern (1, 2, 3 …) und in von a) abweichender Schrift markieren die Erläuterungen des Editors. c) Kleine lateinische Buchstaben ( a, b, c …) kennzeichnen eine textkritische Anmerkung.

MWG Abteilung II · Aufbau und Editionsregeln

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Folgende Zeichen werden verwendet: a) Im Text – 앚: :앚 charakterisieren, daß es sich um einen nachträglichen Einschub Webers in seinen Text handelt. – Das Zeichen [ ] markiert Hinzufügungen zum Text durch den Editor. – Das Zeichen [??] gibt an, daß ein Wort oder mehrere Wörter nicht lesbar sind; den Sachverhalt erläutert eine textkritische Fußnote. b) In den textkritischen Fußnoten – In 具 典 werden gestrichene Textstellen wiedergegeben. Diese Streichungen folgen im Brieforiginal unmittelbar auf die durch den Index (a, b, c …) bezeichnete Stelle. – Textersetzungen Webers werden mit > bezeichnet. Die Fußnoten geben die von Weber getilgte und seine endgültige Formulierung wieder. Die Indizierung im Text bindet an diese endgültige Formulierung an. – In [ ] stehen unsichere oder alternative Lesungen im Bereich der von Weber getilgten oder geänderten Textstellen. – Die Angabe „O:“ verweist bei Emendationen und sonstigen textkritischen Mitteilungen auf das Original der edierten Textvorlage.

Bandfolge der Abteilung I: Schriften und Reden

Band 1:

Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter Schriften 1889 – 1894 Hg. von Gerhard Dilcher und Susanne Lepsius; 2008

Band 2:

Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staatsund Privatrecht 1891 Hg. von Jürgen Deininger; 1986 (Studienausgabe: 1988)

Band 3:

Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland 1892 Hg. von Martin Riesebrodt; 2 Halbbände, 1984

Band 4:

Landarbeiterfrage, Nationalstaat und Volkswirtschaftspolitik Schriften und Reden 1892 – 1899 Hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Rita Aldenhoff; 2 Halbbände, 1993

Band 5:

Börsenwesen Schriften und Reden 1893 – 1898 Hg. von Knut Borchardt in Zusammenarbeit mit Cornelia Meyer-Stoll; 2 Halbbände, 1999/2000

Band 6:

Zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Altertums Schriften und Reden 1893 – 1908 Hg. von Jürgen Deininger; 2006

Band 7:

Zur Logik und Methodik der Sozialwissenschaften Schriften und Reden 1900 – 1907

Band 8:

Wirtschaft, Staat und Sozialpolitik Schriften und Reden 1900 – 1912 Hg. von Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Peter Kurth und Birgitt Morgenbrod; 1998 (Studienausgabe: 1999); Ergänzungsheft 2005

Band 9:

Asketischer Protestantismus und Kapitalismus Schriften und Reden 1904 – 1911

Band 10: Zur Russischen Revolution von 1905 Schriften und Reden 1905 – 1912 Hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Dittmar Dahlmann; 1989 (Studienausgabe: 1996)

MWG Abteilung I · Bandfolge

Band 11: Zur Psychophysik der industriellen Arbeit Schriften und Reden 1908 – 1912 Hg. von Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Sabine Frommer; 1995 (Studienausgabe: 1998)

Band 12: Verstehende Soziologie und Werturteilsstreit Schriften und Reden 1908 – 1920 Band 13: Hochschulwesen und Wissenschaftspolitik Schriften und Reden 1895 – 1920 Band 14: Zur Musiksoziologie Nachlaß 1921 Hg. von Christoph Braun und Ludwig Finscher; 2004

Band 15: Zur Politik im Weltkrieg Schriften und Reden 1914 – 1918 Hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Gangolf Hübinger; 1984 (Studienausgabe: 1988)

Band 16: Zur Neuordnung Deutschlands Schriften und Reden 1918 – 1920 Hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Wolfgang Schwentker; 1988 (Studienausgabe: 1991)

Band 17: Wissenschaft als Beruf 1917/1919 – Politik als Beruf 1919 Hg. von Wolfgang J. Mommsen und Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Birgitt Morgenbrod; 1992 (Studienausgabe: 1994)

Band 18: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus Schriften 1904 – 1920 Band 19: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Konfuzianismus und Taoismus Schriften und Reden 1915 – 1920 Hg. von Helwig Schmidt-Glintzer in Zusammenarbeit mit Petra Kolonko; 1989 (Studienausgabe: 1991)

Band 20: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Hinduismus und Buddhismus 1916 – 1920 Hg. von Helwig Schmidt-Glintzer in Zusammenarbeit mit Karl-Heinz Golzio; 1996 (Studienausgabe: 1998)

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MWG Abteilung I · Bandfolge

Band 21: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike Judentum Schriften und Reden 1911 – 1920 Hg. von Eckart Otto unter Mitwirkung von Julia Offermann; 2 Halbbände, 2005

Band 22: Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß Teilband 1: Gemeinschaften Hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Michael Meyer; 2001

Teilband 2: Religiöse Gemeinschaften Hg. von Hans G. Kippenberg in Zusammenarbeit mit Petra Schilm unter Mitwirkung von Jutta Niemeier; 2001 (Studienausgabe: 2005)

Teilband 3: Recht Teilband 4: Herrschaft Hg. von Edith Hanke in Zusammenarbeit mit Thomas Kroll; 2005

Teilband 5: Die Stadt Hg. von Wilfried Nippel; 1999 (Studienausgabe: 2000).

Teilband 6: Materialien und Register Band 23: Wirtschaft und Gesellschaft. Soziologie Unvollendet 1919 – 1920.

MWG Abteilung III · Bandfolge

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Bandfolge der Abteilung III: Vorlesungen und Vorlesungsnachschriften

Band 1: Band Band Band Band

2: 3: 4: 5:

Allgemeine („theoretische“) Nationalökonomie. Vorlesungen 1894 – 1898 Praktische Nationalökonomie. Vorlesungen 1895 – 1899 Finanzwissenschaft. Vorlesungen 1894 – 1897 Arbeiterfrage und Arbeiterbewegung. Vorlesungen 1895 – 1898 Agrarrecht, Agrargeschichte, Agrarpolitik. Vorlesungen 1894 – 1899 Hg. von Rita Aldenhoff-Hübinger; 2008

Band 6: Band 7:

Abriß der universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Mit- und Nachschriften 1919 – 1920 Allgemeine Staatslehre und Politik (Staatssoziologie). Mit- und Nachschriften 1920