Mathematische Grundlagen für die Natur- und Ingenieurwissenschaften: Elementarmathematik, Mengenlehre, Funktionen, komplexe Zahlen und Computerarithmetik [1 ed.] 3658032650, 9783658032654

Dieses Lehrbuch enthält ausführliche Darstellungen zu Elementarmathematik, Mengenlehre, Funktionen und komplexen Zahlen,

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Mathematische Grundlagen für die Natur- und Ingenieurwissenschaften: Elementarmathematik, Mengenlehre, Funktionen, komplexe Zahlen und Computerarithmetik [1 ed.]
 3658032650, 9783658032654

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1 Elementarmathematik
1.1 Regeln beim Rechnen mit reellen Zahlen
1.2 Betrag einer reellen Zahl
1.3 Binomialkoeffizienten
1.4 Summen- und Produktzeichen
1.5 Potenzen und Wurzeln
1.6 Die irrationalen Zahlen π und e
1.7 Logarithmen
1.8 Winkel- und Strahlensätze
2 Grundbegriffe der Mengenlehre
2.1 Definitionen, Schreibweisen und Mengenoperationen
2.2 Lösen von Ungleichungen
2.3 Produktmengen und Abbildungen
3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen
3.1 Definition und Eigenschaften von Funktionen
3.1.1 Nullstellen und Schnittpunkte mit der y-Achse
3.1.2 Monotonie
3.1.3 Beschränktheit
3.1.4 Verkettung von Funktionen
3.1.5 Umkehrbarkeit von Funktionen
3.1.6 Periodizität und Symmetrie
3.1.7 Funktionen der Gestalt y = cf(ax+b)+d
3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen
3.2.1 Potenz- und Wurzelfunktionen
3.2.2 Ganze rationale Funktionen – Polynome
3.2.3 Gebrochen rationale Funktionen
3.2.4 Exponential- und Logarithmusfunktionen
3.2.5 Hyperbolische und Area-Funktionen
3.2.6 Trigonometrische und Arkus-Funktionen
3.3 Lösung nichtlinearer Gleichungen
3.3.1 Lösen von Polynomgleichungen
3.3.2 Lösen von Wurzelgleichungen
3.3.3 Lösen von Gleichungen mit Exponential- und Logarithmenausdrücken
3.3.4 Lösen goniometrischer Gleichungen
4 Komplexe Zahlen
4.1 Definition und Darstellung einer komplexen Zahl
4.2 Rechenoperationen mit komplexen Zahlen
5 Computerarithmetik
5.1 Absoluter und relativer Fehler, Kondition eines Problems
5.2 Zahlendarstellung und Computerarithmetik
Index
Literaturverzeichnis

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Michael Jung

Mathematische Grundlagen für die Natur- und Ingenieurwissenschaften Elementarmathematik, Mengenlehre, Funktionen, komplexe Zahlen und Computerarithmetik

Mathematische Grundlagen für die Natur- und Ingenieurwissenschaften

Michael Jung

Mathematische Grundlagen für die Natur- und Ingenieurwissenschaften Elementarmathematik, Mengenlehre, Funktionen, komplexe Zahlen und Computerarithmetik

Michael Jung Fakultät Informatik/Mathematik Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden, Deutschland

ISBN 978-3-658-03265-4 ISBN 978-3-658-03266-1 https://doi.org/10.1007/978-3-658-03266-1

(eBook)

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Iris Ruhmann Springer Spektrum ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort Das vorliegende Lehrbuch entstand auf der Grundlage von Mathematik-Vorlesungen, welche ich an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden für Studierende des Diplomstudiengangs Vermessungswesen und des Bachelorstudiengangs Geomatik Vermessung/Kartographie/Geoinformatik seit dem Wintersemester 2004/05 gehalten habe. In diesem Lehrbuch werden ganz grundlegende Themen behandelt, welche für das Verständnis vieler Problemstellungen aus den Ingenieur- und Naturwissenschaften sowie zur Entwicklung entsprechender Lösungsstrategien notwendig sind. Im ersten Kapitel werden wichtige Begriffe wie z. B. der Betrag, die Potenz, die Wurzel und der Logarithmus einer reellen Zahl eingeführt und entsprechende Gesetze für das Rechnen mit Beträgen, Potenzen, Wurzeln und Logarithmen angegeben. Dabei wird auch anschaulich gezeigt, warum die entsprechenden Gesetzmäßigkeiten gelten. Im zweiten Kapitel werden einige Grundelemente der Mengenlehre zusammengestellt, welche man beispielsweise benötigt, um Lösungsmengen von Ungleichungen und Definitions- sowie Wertebereiche von Funktionen mathematisch beschreiben zu können. Ausführlich wird in diesem Kapitel auch auf das Rechnen mit Ungleichungen eingegangen. Dies ist später hilfreich bei der Bestimmung des Definitions- und Wertebereichs von Funktionen sowie bei der mathematischen Analyse von Messabweichungen. Das umfangreichste Kapitel dieses Lehrbuchs ist das Kapitel 3, in welchem Funktionen einer reellen Veränderlichen behandelt werden. Kenntnisse über Funktionen und deren Eigenschaften werden in vielen Teilbereichen der Mathematik sowie in den Ingenieur- und Naturwissenschaften benötigt, denn viele physikalisch-technische Erscheinungen werden mittels funktionaler Zusammenhänge von Zustandsgrößen und Erhaltungsgesetzen beschrieben. Potenzfunktionen treten beispielsweise bei der Beschreibung von Bewegungen auf. Mittels Exponentialfunktionen können Wachstumsund Zerfallsprozesse beschrieben werden. Die trigonometrischen Funktionen und deren Umkehrfunktionen spielen eine zentrale Rolle bei Dreiecksberechnungen in der ebenen und sphärischen Trigonometrie und schließlich allgemein bei geodätischen Berechnungen. Ebenso kann man mit Hilfe der trigonometrischen Funktionen mechanische Schwingungen oder Wechselströme in der Elektrotechnik beschreiben. Zuerst werden in diesem Kapitel allgemeine Eigenschaften wie Monotonie, Beschränktheit, Umkehrbarkeit, Symmetrieeigenschaften und Periodizität von Funktionen diskutiert. Dabei wird auch besonders auf Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Eigenschaften eingegangen. Im zweiten Abschnitt dieses Kapitels werden die Grundfunktionen, d. h. Potenzfunktionen, Exponentialfunktionen sowie trigonometrische Funktionen (Winkelfunktionen) einschließlich ihrer Umkehrfunktionen behandelt und deren Eigenschaften

vi

Vorwort

diskutiert. Der dritte Abschnitt dieses Kapitels ist der Lösung von sogenannten nichtlinearen Gleichungen gewidmet, d. h. der Lösung von Polynomgleichungen sowie der Lösung von Gleichungen, in welchen Exponential- und Logarithmenausdrücke bzw. trigonometrische Funktionen vorkommen. Hierbei werden Lösungsstrategien aufgezeigt und diese auch anhand von Anwendungsproblemen demonstriert. Der Gegenstand des Kapitels 4 ist der Bereich der komplexen Zahlen. Dieser Zahlenbereich ist eine Erweiterung des Bereichs der reellen Zahlen. Durch diese Zahlenbereichserweiterung wird es möglich, auch Wurzeln von negativen reellen Zahlen zu berechnen. Zunächst werden verschiedene Möglichkeiten zur Darstellung komplexer Zahlen vorgestellt. Danach werden die Rechenoperationen wie Addition/Subtraktion, Multiplikation, Division, Potenzieren und Radizieren mit diesen Zahlen erklärt. Da zur mathematischen Lösung der meisten Probleme Computer eingesetzt werden, sollte jeder Anwender auch grundlegende Kenntnisse darüber haben, wie Zahlen im Computer gespeichert werden, Rechenoperationen ablaufen und welche Probleme dabei auftreten können. Deshalb ist Computerarithmetik auch Thema eines Kapitels dieses Lehrbuchs. Im Kapitel 5 wird diskutiert, wie reelle Zahlen im Computer gespeichert werden und wie Grundrechenoperationen im Computer durchgeführt werden. Dabei wird gezeigt, dass man bei der Nutzung eines Computers nur selten das exakte Ergebnis einer Rechenaufgabe erhält. Es wird erläutert was die Ursachen dafür sind und wie Fehlereinflüsse möglichst gering gehalten werden können. Das Buch enthält einige Stellen, an denen vorher dargelegte Sachverhalte noch näher erläutert werden, wobei diese Erläuterungen für das weitere Verständnis der folgenden Themen nicht unbedingt erforderlich sind. Deshalb sind diese Textstellen in einer kleineren Schrift gesetzt. Zum Entstehen dieses Lehrbuchs haben viele Personen beigetragen. Mein besonderer Dank gilt allen meinen Studentinnen und Studenten, die durch ihre Fragen viele Anregungen zur Aufbereitung des Lehrstoffs gegeben haben. Meiner Frau Beate danke ich für das Korrekturlesen des Buchmanuskripts ganz herzlich. Meiner Lektorin vom Springer-Verlag, Frau Iris Ruhmann, die mit viel Geduld das Entstehen dieses Lehrbuchs begleitet hat, danke ich ganz herzlich für die stets freundlichen und motivierenden Diskussionen. Gleichzeitig bedanke ich mich bei Frau Agnes Herrmann vom Springer-Verlag für die Unterstützung bei der technischen Herstellung des Buchmanuskripts und bei der Lektorin, Frau Kerstin Hoffmann, für die intensiven Diskussionen in der Startphase des Buchprojektes. Dresden, im April 2021

Michael Jung

Inhaltsverzeichnis 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8

Elementarmathematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regeln beim Rechnen mit reellen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betrag einer reellen Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Binomialkoeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Summen- und Produktzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Potenzen und Wurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die irrationalen Zahlen π und e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Logarithmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Winkel- und Strahlensätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 4 7 13 19 43 52 57

2 2.1 2.2 2.3

Grundbegriffe der Mengenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definitionen, Schreibweisen und Mengenoperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lösen von Ungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Produktmengen und Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67 67 76 93

3 3.1

Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition und Eigenschaften von Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Nullstellen und Schnittpunkte mit der y-Achse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Monotonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Beschränktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Verkettung von Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.5 Umkehrbarkeit von Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.6 Periodizität und Symmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.7 Funktionen der Gestalt y = cf (ax + b) + d . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundfunktionen und elementare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Potenz- und Wurzelfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Ganze rationale Funktionen – Polynome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Gebrochen rationale Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Exponential- und Logarithmusfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5 Hyperbolische und Area-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.6 Trigonometrische und Arkus-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lösung nichtlinearer Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Lösen von Polynomgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Lösen von Wurzelgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Lösen von Gleichungen mit Exponential- und Logarithmenausdrücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Lösen goniometrischer Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99 100 103 108 113 117 122 128 132 135 135 148 159 162 176 182 231 232 237

3.2

3.3

246 256

viii

Inhaltsverzeichnis

4 4.1 4.2

Komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Definition und Darstellung einer komplexen Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Rechenoperationen mit komplexen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280

5 5.1 5.2

Computerarithmetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Absoluter und relativer Fehler, Kondition eines Problems . . . . . . . . . . . . . . . 294 Zahlendarstellung und Computerarithmetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297

Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319

1 Elementarmathematik

Übersicht 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8

Regeln beim Rechnen mit reellen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betrag einer reellen Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Binomialkoeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Summen- und Produktzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Potenzen und Wurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die irrationalen Zahlen π und e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Logarithmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Winkel- und Strahlensätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 4 7 13 19 43 52 57

In diesem ersten Kapitel führen wir grundlegende Begriffe wie z. B. den Betrag, die Potenz, die Wurzel und den Logarithmus einer reellen Zahl ein und wir geben entsprechende Gesetze für das Rechnen mit Beträgen, Potenzen, Wurzeln und Logarithmen an. Ein sicherer Umgang mit diesen Rechenregeln ist für das Verständnis aller weiteren in diesem Lehrbuch behandelten Themen und überhaupt für das Lösen von Anwendungsproblemen mit mathematischen Mitteln unbedingt erforderlich.

1.1

Regeln beim Rechnen mit reellen Zahlen

In diesem Abschnitt stellen wir einige Regeln zusammen, welche beim Rechnen mit reellen Zahlen gelten. Seien x, y und z beliebige reelle Zahlen. Dann gelten die folgende Rechengesetze: Kommutativgesetz bei der Addition x+y =y+x

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 M. Jung, Mathematische Grundlagen für die Natur- und Ingenieurwissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03266-1_1

(1.1)

2

1 Elementarmathematik Kommutativgesetz bei der Multiplikation x·y =y·x

(1.2)

(x + y) + z = x + (y + z)

(1.3)

Assoziativgesetz bei der Addition

Assoziativgesetz bei der Multiplikation (x · y) · z = x · (y · z)

(1.4)

(x + y) · z = x · z + y · z

(1.5)

z · (x + y) = z · x + z · y

(1.6)

(x − y) · z = x · z − y · z

(1.7)

z · (x − y) = z · x − z · y

(1.8)

Distributivgesetze

Das Kommutativgesetz bedeutet, dass bei der Addition die Summanden und bei der Multiplikation die Faktoren vertauscht werden können. Hat man mehr als zwei Summanden bzw. Faktoren, dann besagt das Assoziativgesetz, dass es egal ist, welche Summanden man zuerst addiert bzw. welche Faktoren man zuerst miteinander multipliziert. Nach dem Distributivgesetz gilt, dass man das gleiche Rechenergebnis erhält, wenn man zwei Summanden zuerst addiert und dann die Summe mit einem Faktor multipliziert oder wenn man zuerst beide Summanden mit diesem Faktor multipliziert und danach die beiden erhaltenen Produkte addiert. Das Distributivgesetz bildet die Grundlage für das sogenannte Ausklammern. Beispiel 1.1 Wir demonstrieren die Rechengesetze (1.1) – (1.6) anhand von Zahlenbeispielen. a) Es gilt

2+5=7

und

5 + 2 = 7,

x+y =y+x ↓ ↓ ↓ ↓ d. h. 2 + 5 = 5 + 2

(siehe (1.1)). b) Es gilt

3 · 7 = 21 (siehe (1.2)).

und

7 · 3 = 21 ,

x·y =y·x ↓ ↓ ↓ ↓ d. h. 3 · 7 = 7 · 3

1.1 Regeln beim Rechnen mit reellen Zahlen

3

c) Es gilt (2 + 11) + 17 = 13 + 17 = 30

und

2 + (11 + 17) = 2 + 28 = 30 ,

d. h. (x + y) + z = x + (y + z) ↓ ↓ ↓ ↓ ↓ ↓ (2 + 11) + 17 = 2 + (11 + 17) (siehe (1.3)). d) Es gilt (4 · 8) · 3 = 32 · 3 = 96

und

4 · (8 · 3) = 4 · 24 = 96 ,

d. h. (x · y) · z = x · (y · z) ↓ ↓ ↓ ↓ ↓ ↓ (4 · 8) · 3 = 4 · (8 · 3) (siehe (1.4)). e) Es gilt (5 + 13) · 4 = 18 · 4 = 72

und

5 · 4 + 13 · 4 = 20 + 52 = 72 ,

d. h. (x + y) · z = ↓ ↓ ↓ (5 + 13) · 4 =

x·z+y · z ↓ ↓ ↓ ↓ 5 · 4 + 13 · 4

(siehe (1.5)). f) Die Distributivgesetze nutzt man beispielsweise, um Rechenformeln so zu vereinfachen, dass Rechenaufwand eingespart werden kann. Sei z. B. die Oberfläche eines Quaders mit den Kantenlängen a, b und c zu berechnen. Der Oberflächeninhalt ist die Summe der Flächeninhalte der sechs Begrenzungsflächen (Rechtecke), d. h. O = a·b+a·b+a·c+a·c+b·c+b·c = 1·a·b+1·a·b+1·a·c+1·a·c+1·b·c+1·b·c = (1 + 1) · a · b + (1 + 1) · a · c + (1 + 1) · b · c = 2·a·b+2·a·c+2·b·c = 2 · (a · b + a · c + b · c) .

4

1 Elementarmathematik Bei der Berechnung des Oberflächeninhalts nach dieser Beziehung müssen wir folglich vier Multiplikationen und zwei Additionen ausführen. Die ersten beiden Summanden in der obigen Formel enthalten beide den Faktor a. Deshalb können wir gemäß des Distributivgesetzes (1.6) diese Formel wie folgt umformen, d. h. wir können den Faktor a ausklammern, O = 2 · (a · b + a · c + b · c) = 2 · (a · (b + c) + b · c) . Nutzen wir die letzte Beziehung zur Berechnung des Oberflächeninhalts des Quaders, so sind nur noch drei Multiplikationen und zwei Additionen auszuführen. Wir sparen also eine Multiplikation. Wir haben somit den Rechenaufwand von sechs arithmetischen Operationen auf fünf arithmetische Operationen reduziert, d. h. ein Sechstel an Rechenaufwand wird eingespart. Dies mag im Moment wenig klingen, aber wenn man beispielsweise komplexe Computersimulationen technischer Prozesse durchführt, dann muss man gegebenenfalls gewisse Formeln mehrere tausendmal oder millionenfach ausführen. Dann ist eine Einsparung von einem Sechstel des Rechenaufwands schon ein deutlicher Gewinn.

1.2

Betrag einer reellen Zahl

Definition 1.1 Der Betrag einer reellen Zahl x ist definiert durch |x| =

⎧ ⎨

x , falls x ≥ 0 , ⎩ −x , falls x < 0 .

(1.9)

Bemerkung 1.1 Aus der obigen Definition des Betrags einer reellen Zahl folgt sofort, dass dieser eine nichtnegative reelle Zahl ist. Es gilt

 |z|

> 0 , falls z = 0 = 0 , falls z = 0 .

1.2 Betrag einer reellen Zahl

5

Beispiel 1.2 Entsprechend der Definition 1.1 des Betrags einer reellen Zahl gilt z. B. |3.1| = 3.1 , denn es ist 3.1 ≥ 0. Für die negative reelle Zahl −7.4 gilt | − 7.4| = −(−7.4) = 7.4 .

Ausgehend von der Definition 1.1 lässt sich eine Rechenregel ableiten. Aus ⎧ ⎧ ⎨ x , falls x ≥ 0 , ⎨ y , falls y ≥ 0 , und |y| = |x| = ⎩ −x , falls x < 0 ⎩ −y , falls y < 0 folgt

|x| · |y| =

⎧ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎨ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩

x · y , falls x ≥ 0 und y ≥ 0 , −x · y , falls x < 0 und y ≥ 0 , x · (−y) , falls x ≥ 0 und y < 0 ,

(1.10)

(−x) · (−y) , falls x < 0 und y < 0 .

Unter Nutzung des Kommutativgesetzes der Multiplikation (siehe (1.2)), d. h. der Vertauschbarkeit von Faktoren, gilt (−x) · (−y) = (−1) · x · (−1) · y = (−1) · (−1) · x · y = 1 · x · y = x · y und x · (−y) = x · (−1) · y = (−1) · x · y = (−1) · (x · y) = −(x · y) . Folglich können wir die Beziehung (1.10) auch in der Form ⎧ ⎨ x · y , falls x ≥ 0 und y ≥ 0 oder x < 0 und y < 0 , |x| · |y| = ⎩ −(x · y) , falls x < 0 und y ≥ 0 oder x ≥ 0 und y < 0 aufschreiben. Außerdem gilt gemäß der Definition 1.1 ⎧ ⎪ x · y , falls x · y ≥ 0 , d. h. x ≥ 0 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎨ oder x < 0 |x · y| = ⎪ ⎪ −(x · y) , falls x · y < 0 , d. h. x < 0 ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ oder x > 0

(1.11)

und y ≥ 0 und y < 0 , und y > 0 und y < 0 .

In den beiden Fällen x < 0, y = 0 und x = 0, y < 0 gilt |x| · |y| = |x · y| = 0.

(1.12)

6

1 Elementarmathematik

Aus dem Vergleich der Beziehungen (1.11) und (1.12) sowie der soeben getroffenen Aussage ergibt sich das Rechengesetz |x · y| = |x| · |y| .

(1.13)

Eine zu (1.13) analoge Beziehung gilt i. a. nicht für die Addition. Man muss bei der Addition zwei Fälle unterscheiden, nämlich den Fall, dass beide Summanden das gleiche Vorzeichen haben, und den Fall, dass die Vorzeichen der beiden Summanden verschieden sind. Falls x ≥ 0 und y ≥ 0 ist x = |x|

y = |y|

und

(siehe die Definition 1.1 des Betrags einer reellen Zahl) sowie x+y ≥0

|x + y| = x + y .

und somit

Daraus folgt |x + y| = x + y = |x| + |y| . Sind x und y beide negativ, d. h. ist x < 0 und y < 0, dann gilt |x| = −x

und

|y| = −y .

Außerdem ist dann x+y 0 und y < 0 oder x < 0 und y > 0 . (1.15)

1.3

Binomialkoeffizienten

Binomialkoeffizienten benötigt man beispielsweise zur Angabe von einigen Berechnungsformeln, z. B. im binomischen Satz (siehe (1.74) im Abschnitt 1.5), bei Formeln zur Berechnung des Sinus- oder Kosinuswertes vom m-fachen eines Winkels (siehe (3.76) und (3.77) im Abschnitt 3.2) und bei der Berechnung von Wahrscheinlichkeiten im Zusammenhang mit der Binomialverteilung. Um Binomialkoeffizienten einführen zu können, erklären wir zunächst den Begriff Fakultät einer natürlichen Zahl.

8

1 Elementarmathematik

Definition 1.2 Unter der Fakultät einer natürlichen Zahl n, n ≥ 1, versteht man das Produkt der natürlichen Zahlen 1 bis n. Man schreibt n! = 1 · 2 · . . . · n . Außerdem wird 0! = 1 gesetzt. Aus der Definition der Fakultät einer natürlichen Zahl, d. h. aus n! = 1 · 2 · . . . · (k − 1) · k · (k + 1) · . . . · n und k! = 1 · 2 · . . . · k, folgt das Rechengesetz n! = k! · (k + 1) · (k + 2) · . . . · n

für

k < n,

(1.16)

d. h. insbesondere für k = n − 1 n! = (n − 1)! · n .

(1.17)

Beispiel 1.3 Es gilt 1! = 1 , 2! = 1 · 2

= 1! · 2

=

2,

3! = 1 · 2 · 3

= 2! · 3

=

6,

4! = 1 · 2 · 3 · 4

= 3! · 4

=

24 ,

5! = 1 · 2 · 3 · 4 · 5

= 4! · 5

=

120 ,

6! = 1 · 2 · 3 · 4 · 5 · 6

= 5! · 6

=

720 ,

7! = 1 · 2 · 3 · 4 · 5 · 6 · 7

= 6! · 7

=

5040 ,

8! = 1 · 2 · 3 · 4 · 5 · 6 · 7 · 8

= 7! · 8

=

40320 ,

9! = 1 · 2 · 3 · 4 · 5 · 6 · 7 · 8 · 9

= 8! · 9

=

362880 ,

10! = 1 · 2 · 3 · 4 · 5 · 6 · 7 · 8 · 9 · 10

= 9! · 10

=

3628800 ,

11! = 1 · 2 · 3 · 4 · 5 · 6 · 7 · 8 · 9 · 10 · 11

= 10! · 11 =

39916800 ,

12! = 1 · 2 · 3 · 4 · 5 · 6 · 7 · 8 · 9 · 10 · 11 · 12

= 11! · 12 =

479001600 ,

13! = 1 · 2 · 3 · 4 · 5 · 6 · 7 · 8 · 9 · 10 · 11 · 12 · 13

= 12! · 13 =

6227020800 ,

14! = 1 · 2 · 3 · 4 · 5 · 6 · 7 · 8 · 9 · 10 · 11 · 12 · 13 · 14 = 13! · 14 = 87178291200 .

1.3 Binomialkoeffizienten

9

Definition 1.3 Seien n und k zwei natürliche Zahlen mit n ≥ k. Dann versteht man unter dem n Binomialkoeffizienten die natürliche Zahl k n n! . (1.18) = k k! · (n − k)!

Aus dieser Definition können wir einige Rechenregeln ableiten. Für beliebige natürliche Zahlen n gilt unter Nutzung der Festlegung 0! = 1 n n! n! = =1 = 0 0! · (n − 0)! 1 · n! und unter Anwendung der Rechenregel (1.17) n (n − 1)! · n n! = = n. = 1 1! · (n − 1)! 1 · (n − 1)! Weiterhin gilt für beliebige natürliche Zahlen n und k mit k ≤ n (siehe Formel (1.18) mit n − k anstelle von k)  n  n n! n! n! = . = = = n−k k (n − k)! · (n − (n − k))! (n − k)! · k! k! · (n − k)! Außerdem ergibt sich unter Nutzung der Beziehung (1.17) n  n  n! n! + + = k k+1 k! · (n − k)! (k + 1)! · (n − (k + 1))! =

n! n! + k! · (n − k)! (k + 1)! · (n − k − 1)!

=

n! n! + k! · (n − k − 1)! · (n − k) k! · (k + 1) · (n − k − 1)!

Erweitern wir auf der rechten Seite der obigen Beziehung den ersten Summanden mit (k + 1) und den zweiten Summanden mit (n − k), dann erhalten wir n  n  + k k+1 =

n! · (n − k) n! · (k + 1) + k! · (k + 1) · (n − k − 1)! · (n − k) k! · (k + 1) · (n − k − 1)! · (n − k)

=

n! · k + n! · 1 + n! · n − n! · k n! · (k + 1) + n! · (n − k) = k! · (k + 1) · (n − k − 1)! · (n − k) k! · (k + 1) · (n − k − 1)! · (n − k)

=

n! · (1 + n) n! · 1 + n! · n = . k! · (k + 1) · (n − k − 1)! · (n − k) k! · (k + 1) · (n − k − 1)! · (n − k)

10

1 Elementarmathematik

Mittels der Beziehung (1.17) folgt daraus

n k

+

 n  (n + 1)! (n + 1)! = = k+1 (k + 1)! · (n − k)! (k + 1)! · (n + 1 − (k + 1))! n + 1 = . k+1

Im letzten Schritt haben wir die Beziehung (1.18) mit n + 1 anstelle von n und k + 1 anstelle von k verwendet. Damit haben wir die folgenden Rechenregeln gefunden:

 n  n n n  n  n = , = = 1, = =n n−k k n 0 n−1 1 n

und

k

+

 n  n + 1 = . k+1 k+1

(1.19)

(1.20)

Diese Rechengesetze veranschaulichen wir uns im Beispiel 1.4. Bevor wir dieses Beispiel angeben, diskutieren wir noch verschiedene Möglichkeiten zur Berechnung der Binomialkoeffizienten. Wie das Beispiel 1.3 zeigt, ist n! schon für relativ kleine Zahlen n sehr groß. In jedem Computerprogramm gibt es für die darstellbaren (speicherbaren) Zahlen eine obere Schranke. Bei höheren Programmiersprachen wie zum Beispiel C, Fortran oder Java ist diese für natürliche Zahlen je nach verwendetem Datentyp gleich 216−1 = 65535 oder 232 − 1 = 4294967295. Ab einer bestimmten Zahl n∗ überschreitet n! für alle n ≥ n∗ diese Schranke, so dass dann n! nicht mehr berechenbar ist. Im Beispiel 1.3 sehen wir, dass 9! > 65535 und 13! > 4294967295 ist. Mit einigen Taschenrechnern kann man n! für alle n ≤ 298 berechnen. Um bei der Berechnung der Binomialkoeffizienten in vielen Fällen die Berechnung von n! von zu großen Zahlen n umgehen zu können, leiten wir eine zur Beziehung (1.18) äquivalente Berechnungsvorschrift her. Dazu formen wir die rechte Seite in der Formel (1.18) unter Nutzung der Beziehung (1.16) mit n − k anstelle von k wie folgt um: n! (n − k)! · (n − k + 1) · (n − k + 2) · . . . (n − 1) · ·n = k! · (n − k)! k! · (n − k)! =

(n − k + 1) · (n − k + 2) · . . . · (n − 1) · n . k!

Damit haben wir zur Berechnung der Binomialkoeffizienten die Beziehung

1.3 Binomialkoeffizienten

11

k Faktoren

n k



n · (n − 1) · . . . · (n − k + 2) · (n − k + 1) = 1 · 2 · . . . · (k − 1) · k

(1.21)

k Faktoren

gefunden. Zum Beispiel erhalten wir

 15  5

5 Faktoren



15 · 14 · 13 · 12 · 11 = = 3003 . 1 3 · 4 · 5

· 2 · 5 Faktoren

Zur Berechnung von Binomialkoeffizienten kann man auch das Pascalsche1 Dreieck nutzen. Die dabei verwendete Vorgehensweise beruht auf der Beziehung (1.20). Ausgehend von den Beziehungen (1.19) mit n = 0 bzw. n = 1 und k = 0, d. h.

0 0

=

1 0

=

1 1

= 1,

werden im unten angegebenen Schema alle Binomialkoeffizienten, auf welche zwei Pfeilspitzen zeigen, aus der Summe der beiden Binomialkoeffizienten berechnet, von welchen die beiden Pfeile ausgehen. Die anderen Binomialkoeffizienten sind alle gleich 1. Wir erhalten also

  n=0

  n=1

 

  n=4  ···

4 0

 ···

  1 1

 



 



 



 



 



 













  3 0





n=2 n=3

1 0

0 0

2 0

4 1

3 1

···

2 1

4 2

3 2

···



  2 2

4 3



  3 3

 

···

  4 4

 ···

1 Blaise Pascal, geb. 19.6.1623 in Clermont-Ferrand, gest. 19.8.1662 in Paris, französischer Mathematiker und Physiker

12

1 Elementarmathematik

d. h. n=0

1 



















n=1

1

n=2

1

1 

n=3

2

1

n=4

3









1  ···

1









4

(1.22) 1









6

···



3 







4

···

···

1 ···

 ···

Von diesem Schema können wir beispielsweise 4 =6 2 sofort ablesen. Bemerkung 1.2 (Hinweis zur Nutzung von Taschenrechnern)

 Zur Berechnung des Binomialkoeffizienten nk gibt es bei vielen Taschenrechnern die Funktion nCr(n, k) . Zum Beispiel liefert die Eingabe von nCr(15, 5)

 15 

den Wert

5

= 3003 .

Beispiel 1.4 Wir demonstrieren die Rechenregeln (1.19) und (1.20) anhand der folgenden Zahlenbeispiele. Gemäß der Beziehungen (1.19) ist

 15  0

=

 15  15

=1

und

 15  1

=

 15   15  = = 15 . 15 − 1 14

Weiterhin gilt

 15  3

3 Faktoren

15 · 14 · 13 = = 455 1 2 · 3

· 3 Faktoren

(1.23)

1.4 Summen- und Produktzeichen

13

und 12 Faktoren

 15   15  15 · 14 · 13 · 12 · 11 · 10 · 9 · 8 · 7 · 6 · 5 · 4 15 · 14 · 13 = 455 , = = = 15 − 3 12 1 7 · 8 · 9 · 10 · 11 · 12

1·2·3 · 2 · 3 · 4 · 5 · 6 · 12 Faktoren

 15 

 15   15  = 3 15 − 3 12 (siehe (1.19)). Zur Demonstration der Beziehung (1.20), d. h. von n  n  n + 1 + = k k+1 k+1

d. h.

=

betrachten wir das folgende Zahlenbeispiel. Es ist  14   14   14   14  14 · 13 14 · 13 · 12 + = 91 + 364 = 455 + = + = 2 2+1 2 3 1·2 1·2·3

 15 

und

3 (siehe (1.23)), d. h.

 14  2

1.4

+

 14  3

=

= 455

 14 + 1  2+1

=

 15  3

.

Summen- und Produktzeichen

Wenn man Summen mit sehr vielen Summanden oder Produkte mit sehr vielen Faktoren aufschreiben muss, nutzt man häufig sogenannte Summen- und Produktzeichen zur kompakteren Schreibweise für die Summen bzw. Produkte. Eine Voraussetzung dafür ist, dass sich alle Summanden bzw. Faktoren mit Hilfe einer allgemeinen Formel angeben lassen. Wollen wir beispielsweise die Summe aller natürlichen Zahlen von 1 bis 100 aufschreiben, dann geschieht dies auf die folgende Weise: 1 + 2 + · · · + 99 + 100 =

100 

k.

k=1

Dabei steht Σ für die Summation und k für den Summanden, d. h. für eine natürliche Zahl. Unter das Summenzeichen Σ schreibt man den kleinsten Wert, den k annehmen soll. Da bei der obigen Summation mit der natürlichen Zahl 1 begonnen werden soll, schreiben wir k = 1 unter das Summenzeichen. Der letzte Summand in der obigen Summe ist die natürliche Zahl 100, d. h. der größte Wert, den k annehmen soll, ist 100. Diesen Wert schreiben wir über das Summenzeichen Σ.

14

1 Elementarmathematik

Beispiel 1.5 a) Die Schreibweise 20 

k

k=10

steht für die Summe 10 + 11 + 12 + 13 + 14 + 15 + 16 + 17 + 18 + 19 + 20 , denn der kleinste Wert des Summanden k soll gleich 10 und der größte Wert gleich 20 sein. b) Wollen wir die Summe der ersten 10 geraden natürlichen Zahlen unter Nutzung des Summenzeichens aufschreiben, dann benötigen wir zunächst eine Formel, mit Hilfe derer man ausdrücken kann, dass die Summanden gerade Zahlen sind. Da jede gerade Zahl durch 2 teilbar ist, können wir eine gerade Zahl m in der Form m=2·k mit der natürlichen Zahl k =

m 2

angeben, z. B. 6 = 2 · 3.

Wir können deshalb die Summe der ersten 10 geraden Zahl, d. h. 2 + 4 + 6 + 8 + 10 + 12 + 14 + 16 + 18 + 20 = 2 · 1 + 2 · 2 + 2 · 3 + 2 · 4 + 2 · 5 + 2 · 6 + 2 · 7 + 2 · 8 + 2 · 9 + 2 · 10 , in der Form

10 

2·k

(1.24)

(1.25)

k=1

aufschreiben. Wie wir von (1.24) ablesen können, ist der kleinste Wert für k gleich 1 und der größte Wert gleich 10, so dass wir unter das Summenzeichen k = 1 und über dem Summenzeichen 10 schreiben müssen. c) Da jede ungerade natürliche Zahl der Vorgänger einer geraden natürlichen Zahl ist, können wir jede ungerade Zahl  in der Form =2·k−1 mit der natürlichen Zahl k=

+1 2

1.4 Summen- und Produktzeichen

15

angeben. Deshalb können wir beispielsweise die Summe der ersten 8 ungeraden natürlichen Zahlen, d. h. 1 + 3 + 5 + 7 + 9 + 11 + 13 + 15 = (2 · 1 − 1) + (2 · 2 − 1) + (2 · 3 − 1) + (2 · 4 − 1)

(1.26)

+ (2 · 5 − 1) + (2 · 6 − 1) + (2 · 7 − 1) + (2 · 8 − 1) , wie folgt aufschreiben:

8 

(2 · k − 1) .

(1.27)

k=1

Wie wir in (1.26) sehen, ist der kleinste Wert für k gleich 1 und der größte Wert gleich 8, weshalb wir unter das Summenzeichen k = 1 und über das Summenzeichen 8 geschrieben haben. d) Summieren wir n-mal den gleichen Summanden, z. B. die 1, d. h. 1 + 1 + ··· + 1 + 1 = n,

n Summanden

dann können wir dies wie folgt aufschreiben n 

1 = n.

(1.28)

k=1

e) Hat man eine Summe, in welcher das Vorzeichen der Summanden abwechselnd „+“ bzw. „−“ ist, z. B. 1 − 2 + 3 − 4 + · · · − 18 + 19 − 20 , dann kann man wegen

 (−1)

k−1

=

1 , falls k ungeradzahlig ist −1 , falls k geradzahlig ist

(siehe Definition 1.4 im Abschnitt 1.5 bezüglich der Berechnung von (−1)k−1 ) die obige Summe in der Form (−1)1−1 · 1 + (−1)2−1 · 2 + (−1)3−1 · 3 + (−1)4−1 · 4 + · · · + (−1)18−1 · 18 + (−1)19−1 · 19 + (−1)20−1 · 20 aufschreiben und somit in der kompakten Form 20  k=1

angeben.

(−1)k−1 · k

16

1 Elementarmathematik

Bei einigen Summationen lässt sich sogar eine allgemeine Formel für den Wert der Summe angeben, z. B. für die Summe der ersten n natürlichen Zahlen. Die Idee, wie man zu dieser Formel gelangt, stammt von Carl Friedrich Gauß2 . Wir erklären diese Idee für die Summe der ersten 10 natürlichen Zahlen, d. h. für 1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6 + 7 + 8 + 9 + 10 . Aufgrund der Vertauschbarkeit von Summanden (siehe das Kommutativgesetz (1.1)) können wir die Reihenfolge der Summanden ändern, so dass wir zunächst den ersten und den letzten Summanden, den zweiten und den vorletzten Summanden, den dritten und den vorvorletzten Summanden, usw. addieren und danach diese Summen aufsummieren: (1 + 10) + (2 + 9) + (3 + 8) + (4 + 7) + (5 + 6)









=

11

+

11

+

11

+

11

11 .

+

Wie wir sehen, ist jeder Summand gleich 10 + 1 = 11 und wir haben 10 2 = 5 Summanden. Damit ergibt sich für die Summe der ersten 10 natürlichen Zahlen 1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6 + 7 + 8 + 9 + 10 =

10 · (10 + 1) 10 · (10 + 1) = = 55 . (1.29) 2 2

In dieser Summe haben wir eine gerade Anzahl von Summanden. Wir demonstrieren im Folgenden, dass die obige Idee für die Summation auch im Fall einer ungeraden Anzahl von Summanden anwendbar ist. Dazu betrachten wir die Summation der ersten 11 natürlichen Zahlen: 1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6 + 7 + 8 + 9 + 10 + 11 . Wir addieren zunächst wieder den ersten und den letzten Summanden, den zweiten und den vorletzten Summanden usw.: (1 + 11) + (2 + 10) + (3 + 9) + (4 + 8) + (5 + 7) + 6









=

12

+

12

+

12

+

12

+

12

+ 6

2 Carl Friedrich Gauß, geb. 30.4.1777 in Braunschweig, gest. 23.2.1855 in Göttingen, deutscher Mathematiker, Astronom, Geodät und Physiker

1.4 Summen- und Produktzeichen

17

Jetzt haben wir 11−1 = 5 Summanden, welche gleich 11 + 1 = 12 sind und einen 2 Summanden, welcher gleich 11+1 = 6 ist. Damit erhalten wir 2 1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6 + 7 + 8 + 9 + 10 + 11 11 + 1 11 − 1 1 11 − 1 · (11 + 1) + = · (11 + 1) + · (11 + 1) 2 2 2 2  11 − 1 1  11 + · (11 + 1) · (11 + 1) = = 2 2 2

=

=

11 · (11 + 1) 2

(1.30)

= 66 .

Die soeben durchgeführten Überlegungen bezüglich der Summation der ersten n = 10 bzw. n = 11 natürlichen Zahlen können auf analoge Weise für jede andere natürliche Zahl n durchgeführt werden. Man erhält die allgemeine Summenformel für die Summe der ersten n natürlichen Zahlen n  k=1

k=

n · (n + 1) 2

(1.31)

(siehe auch die Beziehungen (1.29) mit n = 10 und (1.30) mit n = 11). Aus dieser Formel lassen sich Summenformeln für die Summe der ersten n geraden bzw. ersten n ungeraden natürlichen Zahlen herleiten. Wir erhalten für die Summe der ersten n geraden natürlichen Zahlen (siehe auch (1.25) mit n = 10) n 

2 · k = 2 · 1 + 2 · 2 + · · · + 2 · (n − 1) + 2 · n

k=1

= 2 · (1 + 2 + · · · + (n − 1) + n) = 2·

n 

k = 2·

k=1

n · (n + 1) = n · (n + 1) 2

und für die Summe der ersten n ungeraden natürlichen Zahlen (siehe (1.27) mit n = 8) n 

(2 · k − 1) = (2 · 1 − 1) + (2 · 2 − 1) + · · · + (2 · (n − 1) − 1) + (2 · n − 1)

k=1

= 2 · 1 + 2 · 2 + · · · + 2 · (n − 1) + 2 · n −1 − 1 − · · · − 1

n Summanden

= 2 · (1 + 2 + · · · + (n − 1) + n) − (1 + 1 + · · · + 1 + 1)

= 2·

n  k=1

= n +n−n 2

n Summanden

n · (n + 1) − n = n · (n + 1) − n k−n = 2· 2 = n2 .

18

1 Elementarmathematik

Wir haben somit die beiden folgenden beiden Summenformeln ermittelt: Summe der ersten n geraden natürlichen Zahlen n 

2 · k = n · (n + 1)

(1.32)

k=1

Summe der ersten n ungeraden natürlichen Zahlen n 

(2 · k − 1) = n2

(1.33)

k=1

Beispiel 1.6 Wir überzeugen uns noch von der Gültigkeit der beiden Summenformeln (1.32) und (1.33) anhand einiger konkreter Werte für n. Wir erhalten z. B. für die Summe der ersten n geraden Zahlen mit 6 = 2 · (2 + 1) ,

n=2 :

2+4

=

n=3 :

2+4+6

= 12 = 3 · (3 + 1) ,

n=4 :

2 + 4 + 6 + 8 = 20 = 4 · (4 + 1)

und für die Summe der ersten n ungeraden Zahlen mit n=2 :

1+3

=

4 = 22 ,

n=3 :

1+3+5

=

9 = 32 ,

n=4 :

1 + 3 + 5 + 7 = 16 = 42 .

Weitere Summenformeln geben wir im Abschnitt 1.5 an, wenn wir uns mit Potenzen beschäftigen (siehe Formeln (1.48) – (1.51)). Nachdem wir ausführlich die Nutzung des Summenzeichens diskutiert haben, betrachten wir jetzt wie wir Produkte kompakt aufschreiben können. Dies erfolgt vollkommen analog zur Nutzung des Summenzeichens. Wir nutzen nur anstelle des Symbols Σ das Symbol Π. Zum Beispiel steht n  k=1

k

1.5 Potenzen und Wurzeln

19

für das Produkt der ersten n natürlichen Zahlen, d. h. für 1 · 2 · . . . · (n − 1) · n = n! (siehe auch die Definition 1.2 der Fakultät einer natürlichen Zahl im Abschnitt 1.3).

1.5

Potenzen und Wurzeln

Definition 1.4 (i) Unter der k -ten Potenz (k eine natürliche Zahl, k ≥ 1) einer reellen Zahl x versteht man das Produkt xk = x · x · . . . · x .

k Faktoren

Die reelle Zahl x bezeichnet man als Basis und k wird Exponent genannt. (ii)

Für x = 0 setzt man x0 = 1 .

(iii)

Die Potenz x−k mit x = 0 und einer natürlichen Zahl k ≥ 1 ist durch x−k =

1 . xk

(1.34)

definiert.

Beachte: Es gilt 0k = 0 für k = 0 , 00 ist nicht erklärt.

Beispiel 1.7 Es ist beispielsweise 53 = 5 · 5 · 5

= 125 ,

(−7)4 = (−7) · (−7) · (−7) · (−7) = 2401 ,

20

1 Elementarmathematik

 3 0 8

= 0,

3−4 =

1 1 1 = . = 34 3·3·3·3 81

Im Folgenden geben wir Rechenregeln, sogenannte Vorrangregeln und Potenzgesetze, sowie äquivalente Schreibweisen an. Vorrangregeln Seien x, r und s reelle Zahlen und seien k ≥ 1,  ≥ 1 natürliche Zahlen. Dann gilt rxk = r · xk = r · (xk ) ,

(1.35)

rxk + sxk = r · xk + s · xk = (r + s) · xk = (r + s)xk ,

(1.36)

rxk − sxk = r · xk − s · xk = (r − s) · xk = (r − s)xk ,

(1.37)

rxk + rx = r · xk + r · x = r · (xk + x ) = r(xk + x ) ,

(1.38)

rxk − rx = r · xk − r · x = r · (xk − x ) = r(xk − x ) .

(1.39)

Zum Beispiel ist rxk = r · xk keine Rechenregel, sondern es sind nur zwei gleichwertige Schreibweisen. Häufig lässt man den Punkt für die Multiplikation zwischen den beiden Faktoren weg, wenn dies zu keinen Missverständnissen führen kann. Beispiel 1.8 a) Mit r = 2, x = 6 und k = 3 erhalten wir entsprechend der Regel (1.35) r · xk = r · (xk ) ↓ ↓↓ ↓ ↓↓ 2 · 63 = 2 · (63 ) = 2 · (6 · 6 · 6) = 2 · 216 = 432 . b) Mit r = 2, s = 7, x = 4 und k = 3 ergibt sich r · xk + s · xk ↓ ↓↓ ↓ ↓↓ 2 · 43 + 7 · 43 = 2 · 64 + 7 · 64 = 128 + 448 = 576 und (r + s) · xk ↓ ↓ ↓↓ (2 + 7) · 43 = 9 · 64 = 576 ,

1.5 Potenzen und Wurzeln

21

d. h. es gilt tatsächlich die Vorrangregel (1.36) r · xk + s · xk = (r + s) · xk ↓ ↓↓ ↓ ↓↓ ↓ ↓ ↓↓ 3 3 2 · 4 + 7 · 4 = (2 + 7) · 43 = 576 . c) Wir vereinfachen den Ausdruck 4a + 3(a3 + a4 ) − 5a3 . Mittels der Rechenregel (1.38) erhalten wir 4a + 3(a3 + a4 ) − 5a3 = 4 · a + 3 · (a3 + a4 ) − 5 · a3 ↑ ↑↑ ↑↑ r · (xk + x ) = r · xk + r · x ↓ ↓↓ ↓ ↓↓ = 4 · a + 3 · a3 + 3 · a4 − 5 · a3 . Umordnen der Terme nach Potenzen von a und anschließende Anwendung der Rechenregel (1.37) liefert 4a + 3(a3 + a4 ) − 5a3 = 4 · a + 3 · a3 + 3 · a4 − 5 · a3 = 4 · a + 3 · a3 − 5 · a3 + 3 · a4 ↑ ↑↑ ↑ ↑↑ r · xk − s · xk = (r − s) · xk ↓ ↓ ↓↓ = 4 · a + (3 − 5) · a3 + 3 · a4 = 4 · a + (−2) · a3 + 3 · a4 = 4a − 2a3 + 3a4 . Bevor wir die Potenzgesetze angeben, führen wir die folgenden Überlegungen durch. Mit natürlichen Zahlen k ≥ 1 und  ≥ 1 gilt xk · x = x · x · . . . · x · x · . . . · x = x · . . . · x = xk+ . · x · x k Faktoren

 Faktoren

k+ Faktoren

Für x = 0 und k >  ≥ 1 erhalten wir k Faktoren



x x x x · x · ... · x · x x = = · · . . . · · x · x · . . . · x = 1 · 1 · . . . · 1 · x · x · . . . · x = xk− , x x · x · . . . · x x x x







k

 Faktoren

 Faktoren

k− Faktoren

 Faktoren

k− Faktoren

22

1 Elementarmathematik

für k =  ≥ 1, d. h. k −  = 0, k Faktoren



x x x xk x · x · ... · x · x = = · · . . . · = 1 · 1 · . . . · 1 = 1 = x0 = xk− , x x · x · . . . · x · x x x x





 Faktoren

k= Faktoren

k= Faktoren

sowie für  > k ≥ 1 k Faktoren

k

x x



x · x · ... · x x 1 1 1 1 x x 1 1 · · ... · · · · ... · = = = 1 · 1 · ... · 1· · · ... · x · x · . . . · x · x x x x x x x x x x







 Faktoren

k Faktoren

−k Faktoren

1 1 = 1· = −k = x−(−k) x · . . . · x

x · x

k Faktoren

−k Faktoren

= xk− .

−k Faktoren

Für zwei reelle Zahlen x1 und x2 sowie eine natürliche Zahl k ≥ 1 ergibt sich aufgrund der Vertauschbarkeit von Faktoren bei der Multiplikation (Kommutativität der Multiplikation, siehe (1.2) im Abschnitt 1.1) xk1 · xk2 = (x1 ·x1 · . . .·x1 ) · (x2 ·x2 ·. . .·x2 ) = (x1 ·x2 ) · (x1 ·x2 ) ·. . .· (x1 ·x2 ) = (x1 · x2 )k





k Faktoren

k Faktoren

k Faktoren

und falls x2 = 0 k Faktoren



 x k x1 x1 x1 x1 · x1 · . . . · x1 xk1 1 = = · · . . . · = . x2 · x2 · . . . · x2 x2 x2 x2 x2 xk2



k Faktoren

k Faktoren

Schließlich gilt noch für natürliche Zahlen k ≥ 1 und  ≥ 1 (xk ) = xk · xk · . . . · xk

 Faktoren

= (x · x · . . . · x) · (x · x · . . . · x) · . . . · (x · x · . . . · x) = x·k = xk·







k Faktoren

k Faktoren

k Faktoren





·k Faktoren

und analog (x )k = x · x · . . . · x  = (x · x · . . . · x) · (x · x · . . . · x) · . . . · (x · x · . . . · x) = xk· .





k Faktoren



 Faktoren

 Faktoren



k· Faktoren

 Faktoren



1.5 Potenzen und Wurzeln

23

Damit haben wir die Gültigkeit der folgenden Potenzgesetze begründet. Potenzgesetze x1 = x , x0 = 1 (x = 0) ,

(1.40)

Beachte: 0k = 0 für k = 0 , 00 ist nicht erklärt. Für natürliche Zahlen k ≥ 1,  ≥ 1 und reelle Zahlen x, x1 , x2 gilt: xk · x = xk+ ,

(1.41)

k

x = xk− mit x = 0 , x xk1 · xk2 = (x1 · x2 )k ,  x k xk1 1 = mit x2 = 0 , x2 xk2 (xk ) = xk· = (x )k . Wegen x−k =

(1.42) (1.43) (1.44) (1.45)

 1 k 1 1k = k = k x x x

(siehe die Definition der Potenz mit einem negativen Exponenten (1.34) und das Potenzgesetz (1.44)) gilt z. B. unter Nutzung der Potenzgesetze (1.44) und (1.41) x−k ·x− =

 1 k  1  1k 1 1 1 1 1 · = k ·  = k ·  = k  = k+ = x−(k+) = x(−k)+(−) , x x x x x x x ·x x

d. h. das Potenzgesetz (1.41) gilt auch für negative Exponenten. Auf analoge Weise kann man Folgendes zeigen: Die Potenzgesetze (1.41) – (1.45) gelten auch für negative Exponenten.

Wenn x = 0 gilt und bei dem Produkt xk · x ein Exponent gleich Null ist, z. B. k = 0, dann erhält man x0 · x = 1 · x = 1 · x = (1 · x) = x = x0+ , d. h. auch in diesem Fall gilt das Potenzgesetz (1.41). Analog kann man zeigen:

24

1 Elementarmathematik

Die Potenzgesetze (1.41) – (1.45) gelten auch wenn mindestens ein Exponent gleich Null ist. Es muss dann aber die entsprechende Basis von Null verschieden sein.

Folgerung 1.1 Aus dem Potenzgesetz xk+ = xk ·x (siehe (1.41)) und dem Rechengesetz |x·y| = |x|·|y| (siehe (1.13)) folgt |xk | = |xk−1 · x| = |xk−1 | · |x| = |xk−2 · x| · |x| = |xk−2 | · |x| · |x| = |xk−2 | · |x|2 und daraus schließlich |xk | = |x|k .

(1.46)

Ist k eine natürliche Zahl und geradzahlig, dann gilt wegen des Potenzgesetzes (1.43) (−x)k = ((−1) · x)k = (−1)k · xk = 1 · xk = xk . Außerdem ist (siehe auch (1.9) in der Definition 1.1 des Betrags einer reellen Zahl)

 |x|k =

falls x ≥ 0

xk , k

(−x) , falls x < 0

.

Folglich erhalten wir |x|k = xk , falls k geradzahlig ist.

Beispiel 1.9 a) Mittels des Potenzgesetzes (1.41), d. h. xk · x = xk+ , erhalten wir xk · x = xk+ ↓↓ ↓↓ ↓ ↓ 43 · 42 = 43+2 = 45 = 4 · 4 · 4 · 4 · 4 = 1024 .

(1.47)

1.5 Potenzen und Wurzeln

25

b) Unter Anwendung des Potenzgesetzes (1.42), d. h.

xk = xk− , ergibt sich x

xk ↓↓

xk− ↓↓ 65 = 65−2 = 63 = 6 · 6 · 6 = 216 . 62 ↑↑ x

c) Die Anwendung des Potenzgesetzes (1.43), d. h. xk1 · xk2 = (x1 · x2 )k , liefert xk1 · xk2 = (x1 ·x2 )k ↓↓ ↓↓ ↓ ↓ ↓ 1 1 2−3 · 5−3 = (2 · 5)−3 = 10−3 = 3 = . 10 1000 d) Wir erhalten unter Nutzung des Potenzgesetzes (1.44), d. h. xk1 ↓↓

x1  k

xk1 = xk2



 x1 k , x2

x2

↓ ↓  20 3 203 = = 43 = 4 · 4 · 4 = 64 . 53 5 ↑↑ xk2 e) Mittels des Potenzgesetzes (1.45), d. h. (xk ) = xk· , ergibt sich (xk ) = xk· ↓↓ ↓ ↓↓↓ (52 )3 = 52·3 = 56 = 5 · 5 · 5 · 5 · 5 · 5 = 15625 . Wir müssen hier beachten, dass die Klammern wichtig sind, denn betrachten wir 3 den Ausdruck 52 , dann ist 23 = 8 der Exponent und wir erhalten 3

52 = 58 = 5 · 5 · 5 · 5 · 5 · 5 · 5 · 5 = 390625 . f) Wir vereinfachen den Term a3 · b−2 (c · d2 · b3 )2 · , c2 · d5 a4 wobei a, b, c, d beliebige von Null verschiedene reelle Zahlen sind. Durch zweimalige Anwendung des Potenzgesetzes (1.43), d. h. xk1 · xk2 = (x1 · x2 )k mit x1 = c · d2 , x2 = b3 , k = 2 bzw. x1 = c, x2 = d2 und k = 2, erhalten wir a3 · b−2 (c · d2 )2 · (b3 )2 a3 · b−2 c2 · (d2 )2 · (b3 )2 a3 · b−2 (c · d2 · b3 )2 · = · = · . c2 · d5 a4 c2 · d5 a4 c2 · d5 a4

26

1 Elementarmathematik Mittels des Potenzgesetzes (1.45), d. h. (xk ) = xk· mit x = d, k = 2,  = 2 bzw. x = b, k = 3,  = 2 ergibt sich daraus a3 · b−2 c2 · (d2 )2 · (b3 )2 a3 · b−2 c2 · d2·2 · b3·2 a3 · b−2 c2 · d4 · b6 · = · = · . c2 · d5 a4 c2 · d5 a4 c2 · d5 a4 Nun sortieren wir die Faktoren nach Potenzen von a, b, c und d: a3 c2 d4 a3 · b−2 c2 · d4 · b6 · = 4 · (b−2 · b6 ) · 2 · 5 . 2 5 4 c ·d a a c d xk

Mit Hilfe der Potenzgesetze (1.41) und (1.42), d. h. xk · x = xk+ und  = xk− , x erhalten wir c2 d 4 1 1 a3 −2 6 · (b · b ) · · = a3−4 · b−2+6 · c2−2 · d4−5 = a−1 · b4 · c0 · d−1 = · b4 · 1 · . a4 c2 d5 a d Hierbei haben wir genutzt, dass c0 = 1 gilt (siehe (1.40)). Den letzten Ausdruck können wir noch etwas anders aufschreiben, so dass sich schließlich b4 1 1 a3 · b−2 (c · d2 · b3 )2 · = · b4 · 1 · = 2 5 4 c ·d a a d a·d ergibt.

Im Abschnitt 1.4 haben wir u. a. Summenformeln für die Summe der ersten n natürlichen Zahlen, der ersten n geraden natürlichen Zahlen und der ersten n ungeraden natürlichen Zahlen kennengelernt. Im Folgenden geben wir noch einige Summenformeln für Summen von Potenzausdrücken an. Wir verzichten hier auf den Nachweis der Gültigkeit dieser Summenformeln. Wir überzeugen uns aber anhand einiger Beispiele, dass man mit diesen Formeln zum korrekten Ergebnis gelangt. Es gilt Summe der ersten n Quadratzahlen n 

k2 =

k=1

n · (n + 1) · (2n + 1) 6

Summe der ersten n Kubikzahlen  2  2 n n  n · (n + 1) 3 k = k = 2 k=1

(1.48)

(1.49)

k=1

Summe von Potenzen q n , wobei q eine positive reelle Zahl mit q = 1 ist n  k=0

qk =

q n+1 − 1 q−1

(1.50)

1.5 Potenzen und Wurzeln

27

Daraus ergibt sich für q = 2 n 

2k =

k=0

2n+1 − 1 = 2n+1 − 1 . 2−1

(1.51)

Beispiel 1.10 a) Wir erhalten für die Summe der ersten n Quadratzahlen n = 2 : 12 + 22

=5

und

2·3·5 30 2 · (2 + 1) · (2 · 2 + 1) = = = 5 6 6 6

n = 3 : 12 + 22 + 32

= 14 und

3·4·7 84 3 · (3 + 1) · (2 · 3 + 1) = = = 14 6 6 6

n = 4 : 12 + 22 + 32 + 42 = 30 und

4·5·9 180 4 · (4 + 1) · (2 · 4 + 1) = = = 30 6 6 6

(siehe die Formel (1.48)). b) Zur Demonstration der Gültigkeit der Formel (1.49) für die Summe der ersten n Kubikzahlen betrachten wir die folgenden Beispiele: n=2 :

13 + 23

=

n=3 :

13 + 23 + 33

= 36 und

n=4 :

13 + 23 + 33 + 43 = 100 und

9 und

 2 · (2 + 1) 2 2

 3 · (3 + 1) 2 2

 4 · (4 + 1) 2 2

= = =

 6 2 2

 12 2 2

 20 2 2

= 32 =

9

= 62 = 36 = 102 = 100 .

c) Für die Summe von Potenzen von 2 gilt 7 und 22+1 − 1 = 23 − 1 =

8−1 =

n=2 :

20 + 21 + 22

=

n=3 :

20 + 21 + 22 + 23

= 15 und 23+1 − 1 = 24 − 1 = 16 − 1 = 15

n=4 :

20 + 21 + 22 + 23 + 24 = 31 und 24+1 − 1 = 25 − 1 = 32 − 1 = 31

7

(siehe die Formel (1.51)).

Nachdem wir Potenzen mit ganzzahligen Exponenten und entsprechende Rechengesetze kennengelernt haben, betrachten wir im Folgenden Potenzen, bei denen der Exponent eine gebrochene Zahl ist, d. h. sogenannte Wurzelausdrücke.

28

1 Elementarmathematik

Definition 1.5 Es sei x eine nicht negative reelle Zahl, d. h. x ≥ 0, und k eine natürliche Zahl mit √ k > 1. Den Ausdruck k x bezeichnet man als k -te Wurzel der reellen Zahl x . Man versteht darunter diejenige nicht negative reelle Zahl y, für die y k = x gilt. Die reelle Zahl x bezeichnet man als Radikand und die natürliche Zahl k als Wurzelexponent. √ Wenn k = 2, schreibt man nur x.

Das Berechnen der Wurzel einer nicht negativen reellen Zahl bezeichnet man auch als Radizieren. Beachte: Die k-te Wurzel einer reellen Zahl ist nur für nicht negative reelle Zahlen definiert.

Anstelle von

√ k

x schreibt man manchmal auch 1

xk . Ausgehend von den Potenzgesetzen (1.41) – (1.45) kann man Wurzelgesetze, d. h. Regeln beim Rechnen mit Wurzelausdrücken, herleiten. Wir erhalten z. B. aus (siehe die Definition 1.5 der k-ten Wurzel einer reellen Zahl) y1 =

√ k

x1 ⇔ y1k = x1

und

y2 =

√ k

x2 ⇔ y2k = x2

mittels des Potenzgesetzes (1.43) die Beziehung x1 · x2 = y1k · y2k = (y1 · y2 )k und daraus

√ k

x1 · x2 = y1 · y2 =

√ k

x1 ·

√ k

x2 .

(1.52)

Auf analoge Weise ergibt sich mittels des Potenzgesetzes (1.44) und der Definition 1.5 der k-ten Wurzel einer reellen Zahl  √  y k k x x1 x1 y1k y1 1 1 = k = ⇔ k = = √ . (1.53) k x x2 y2 x2 y2 y2 2 Weiterhin gilt unter Nutzung der Definition 1.5 und des Potenzgesetzes (1.45) y=

√ k

x ⇔ yk = x ⇔ (y k ) = x ⇔ (y  )k = x √ √

 √  k k ⇔ y  = x ⇔ k x = x

(1.54)

1.5 Potenzen und Wurzeln und y=

√ k

29

x ⇔ yk = x ⇔ (y k ) = x ⇔ y k· = x √ √ √ k· k· ⇔ y= x ⇔ k x = x .

(1.55)

Wegen (1.55) und (1.54) ist √ k

x=



k·

x =

k· √  x .

Außerdem gilt unter Nutzung des Potenzgesetzes (1.45) y=

√ k

x ⇔ yk = x ⇔ y k· =

√ k

xk·

⇔ (y k )k· = xk· ⇔ (y k· )k = xk· √ √ k k ⇔ (y k ) = xk· ⇔ x = xk· .

(1.56)

Da die Wurzel nur für nicht negative reelle Zahlen definiert ist, gelten die obigen Rechengesetze auch nur für nicht negative reelle Zahlen. Wir können aber das Rechengesetz (1.56) etwas anders angeben, wenn k oder  geradzahlig ist. Dann ist nämlich k ·  geradzahlig und somit xk· für jede beliebige reelle Zahl nicht negativ, so dass der √ k Wurzelausdruck xk· für jede beliebige reelle Zahl berechnet werden kann. Da eine √ k Wurzel stets eine nicht negative reelle Zahl ist (siehe Definition 1.5), ist xk· ≥ 0. Damit auf beiden Seiten des Rechengesetzes (1.56) eine nicht negative Zahl steht, müssen wir dann |x| schreiben, d. h. √ k xk· = |x| . Dass dies tatsächlich richtig ist, folgt analog wie in (1.56), d. h.  ⇔ (y k )k· = |x|k· ⇔ (y k· )k = |x|k· y = k |x| ⇔ y k = |x|    ⇔ y k· = k |x|k· ⇔ (y k ) = k |x|k· ⇔ |x| = k |x|k· √ k ⇔ |x| = xk· .

(1.57)

Hierbei haben wir im letzten Schritt genutzt, dass k ·  geradzahlig ist und somit |x|k· = xk· gilt (siehe (1.47)). √ √ k· Aus der Beziehung k x = x (siehe (1.55)) bzw. der analogen Beziehung √ √ ·k  k x= x sowie der Rechenregel (1.52) und dem Potenzgesetz (1.41) folgt √ √ √ √ √ √ √ √ k· ·k k· k· k· k· k x· x= x · xk = x · xk = x · xk = x+k . (1.58) Unter Anwendung der Rechenregeln (1.55) und (1.53) sowie des Potenzgesetzes (1.42) erhalten wir  √ √ √ k· k· k  √ x x x k· k· x √ √ = k· √ = = ·k = x−k . (1.59)  k x x xk xk Wir überlegen uns noch ein Rechengesetz beim mehrfachen Radizieren. Sei  k √  x. z=

30

1 Elementarmathematik

Dann ist gemäß der Definition 1.5 der Wurzel einer reellen Zahl z=

√ k

y

mit y =

√ 

x ⇔ zk = y

mit

y = x .

Damit ergibt sich (z k ) = y  = x und unter Nutzung des Potenzgesetzes (xk ) = xk· (siehe (1.45)) z k· = x , d. h. z=

 k √ 

x=



k·

x.

(1.60)

Wir fassen die soeben hergeleiteten Wurzelgesetze (1.52) – (1.60) zusammen. Wurzelgesetze Seien k eine natürliche Zahl mit k > 1 und x1 , x2 reelle Zahlen mit x1 ≥ 0, x2 ≥ 0. Dann gilt: √ √ √ k x1 · k x2 = k x1 · x2 . (1.61) Ist außerdem x2 = 0, gilt

 √ k x x1 1 = k . √ k x x2 2

(1.62)

Seien k und  natürliche Zahlen mit k > 1 und  ≥ 1 sowie x eine reelle Zahl mit x ≥ 0. Dann gilt √

√  k x = k x , (1.63) √ √ k· k x = x . (1.64) Weiterhin gilt √ k

x·k

⎧  ⎪ ⎪ ⎨ |x| für alle reellen Zahlen x , falls k oder  geradzahlig ist = ⎪ ⎪ ⎩  x für alle reellen Zahlen x ≥ 0 .

Speziell folgt daraus für  = 1 ⎧ ⎨ |x| für alle reellen Zahlen x , falls k geradzahlig ist √ k xk = ⎩ x für alle reellen Zahlen x ≥ 0 .

(1.65)

(1.66)

1.5 Potenzen und Wurzeln

31

Sind k und  natürliche Zahlen mit k > 1 und  > 1 sowie x eine nicht negative reelle Zahl, dann gilt √ √ √ k· k x· x= xk+ . (1.67) Ist außerdem x = 0, gilt

√ k √ x k· √ = x−k .  x

(1.68)

Für jede nicht negative reelle Zahl x sowie natürliche Zahlen k und  mit k > 1,  > 1 gilt  √ k √  x = k· x . (1.69)

Bemerkung 1.3 a) Aus dem Wurzelgesetz (1.66) folgt, dass das Berechnen der k-ten Wurzel einer nicht negativen reellen Zahl x die Umkehroperation vom Berechnen der k-ten Potenz der Zahl x ist. √ 1 b) Nutzen wir die Schreibweise x k für k x, dann lauten die Wurzelgesetze (1.67) und (1.68) 1 1

1

−k  k· 1 1 xk und x . x k · x  = xk+ k· 1 = x Wegen 1 1 +k 1 + = = ( + k) · k  k· k·

und

1 1 −k 1 − = = ( − k) · k  k· k·

erhalten wir diese beiden Wurzelgesetze auch, wenn wir in den Potenzgesetzen (1.41) und (1.45) bzw. (1.42) und (1.45) als Exponenten die gebrochenen Zahlen 1 1 1 k ,  und k· nutzen, d. h.

1 +k 1 1 1 1 1 x k · x  = x k +  = x k· = x(+k)· k· = x+k k· und

1

xk x Da

sowie

√ k

1 

x1 ·

1 −k 1 1 1 = x k −  = x k· = x(−k)· k· = x−k k· . √ k

1

1

x2 = x1k · x2k

1 √ k x x1k 1 = 1 √ k x 2 x2k

und

und

1

(x1 · x2 ) k =

 x  k1 1

x2

 =

k

√ k

x1 x2

x1 · x2

32

1 Elementarmathematik √ √ √ gilt, können wir die Wurzelgesetze (1.61), d. h. k x1 · k x2 = k x1 · x2 , und (1.62),  √ k x 1 = k xx12 , auch als die Potenzgesetze (1.43) und (1.44) mit den gebroched. h. √ k x 2 nen Exponenten

1 k

interpretieren. d. h. 1

1 k

1 k

x1 · x2 = (x1 · x2 ) Wegen

 k √

1 k

x1k

und

1 k

=

x2

11 x = x k

 x  k1 1

x2

und x k ·  = x k· = √ √ sowie des Wurzelgesetzes (1.69), d. h. k  x = k· x, ist 

1

1

x

 k1

1

1



k·

.

x

1

= x k· .

Folglich kann das Wurzelgesetz (1.69) auch als Potenzgesetz (1.45) mit den gebrochenen Exponenten k1 und 1 interpretiert werden. Beispiel 1.11 a) Wir berechnen

√ 3



√ 3

4.

Mittels des Wurzelgesetzes (1.61) erhalten wir √ √ x1 · k x2 = k x1 · x2 ↓ ↓ ↓ √ √ √ √ 3 3 3 2 · 4 = 2 · 4 = 3 8.

√ k

Wegen 8 = 23 ergibt sich daraus mittels des Wurzelgesetzes (1.66) √ k

xk = x ↓ ↓ √ √ 3 3 3 8 = 2 = 2. Folglich gilt

√ 3 √ 3

√ 3



√ 3

4 = 2.

Die Berechnung von 2 · 4 können wir auch wie folgt durchführen. Wir schreiben die Wurzelausdrücke als Potenzen mit gebrochenzahligen Exponenten und nutzen dann das Potenzgesetz (1.43) sowie das Potenzgesetz (1.45) (siehe auch Bemerkung 1.3b)), d. h. √ 3



√ 3

1

1

1

1

1

1

4 = 2 3 · 4 3 = (2 · 4) 3 = 8 3 = (23 ) 3 = 23· 3 = 21 = 2 .

1.5 Potenzen und Wurzeln

33

b) Wir berechnen

√ 3

√ 4



15 ·



12

10 .

Damit wir das Wurzelgesetz (1.61) anwenden können, benötigen wir bei allen drei Wurzelausdrücken den gleichen Wurzelexponenten. Als gleichen Wurzelexponenten können wir 12 nehmen, denn multiplizieren wir den Wurzelexponenten 3 beim ersten Wurzelausdruck mit 4 und den Wurzelexponenten 4 beim zweiten Wurzelausdruck mit 3, dann erhalten wir genauso wie beim dritten Wurzelausdruck den Wurzelexponenten 12. Mittels des Wurzelgesetzes (1.64) ergibt sich dann √ k



k·

x ↓ √ √ √ 3·4 54 · 4 15 · 12 10 √ k x = ↓ √ √ √ 12 4 625 · 15 · 12 10 = = √ √ √ = 12 625 · 12 3375 · 12 10 .

x = ↓ √ √ √ 3 5 · 4 15 · 12 10 =



k·

x ↓ √ √ √ 4·3 12 625 · 153 · 12 10

Jetzt können wir das Wurzelgesetz (1.61) anwenden: √ k √

12

x1 · ↓

625 ·

√ k √

12

x2 ↓

√ k

=

3375 ·



12

√ 625 · 3375 · 12 10 √ √ k x · k x2 = 1 ↓ ↓ √ √ 12 12 2109375 · 10 = = √ = 12 21093750 .

10 =



x1 · x2 ↓

12

√ k √

12

x1 · x2 ↓

2109375 · 10

Damit haben wir √ 3



√ 4

15 ·



12

10 =



12

21093750 ≈ 4.07705105

erhalten. Zur Berechnung dieses Wurzelausdrucks haben wir einen Taschenrechner genutzt. c) Wir berechnen

√ √ 3 5 · 5.

√ √ Da 5 die Kurzschreibweise für 2 5 ist, können wir den obigen Ausdruck auch in der Form √ √ 2 3 5· 5

34

1 Elementarmathematik schreiben. Mittels des Wurzelgesetzes (1.67) erhalten wir √ √ √ k· k x· x= xk+ ↓ ↓ ↓ √ √ √ √ √ 2·3 6 2 3 5· 5= 52+3 = 55 = 6 3125 ≈ 3.82362246 . √ √ Wir können die Berechnung von 2 5 · 3 5 auch durchführen, indem wir die Wurzelausdrücke als Potenzen mit gebrochenzahligen Exponenten schreiben und dann das Potenzgesetz (1.41) (siehe auch Bemerkung 1.3b)) nutzen, d. h. √ √ √ 3+2 1 1 1 1 5 6 2 3 5 · 5 = 5 2 · 5 3 = 5 2 + 3 = 5 6 = 5 6 = 55 ≈ 3.82362246 .

d) Wir berechnen

 3 √ 4

4096 .

Mittels des Wurzelgesetzes (1.69) ergibt sich  √ √ k  x = k· x ↓ ↓  √ √ √ 3 4 3·4 4096 = 4096 = 12 4096 . Wegen 4096 = 212 folgt daraus unter Anwendung des Wurzelgesetzes (1.66) √ k xk = x ↓ ↓  √ √ √ 3 12 4 12 12 4096 = 4096 = 2 = 2. Nachdem wir uns mit den Potenz- und Wurzelgesetzen befasst haben, geben wir noch die binomischen Formeln an und diskutieren eine Anwendung der binomischen Formeln, nämlich die quadratische Ergänzung. Es gilt unter Anwendung der Distributivgesetze (1.5), (1.6) und des Kommutativgesetzes (1.2) (a + b)2 = (a + b) · (a + b)

= (a + b) · a + (a + b) · b

= a·a+b·a+a·b+b·b = a·a+a·b+a·b+b·b = a2 + 2 · a · b + b2

= a2 + 2ab + b2 .

Auf analoge Weise erhält man (a − b)2 = a2 − 2ab + b2 .

1.5 Potenzen und Wurzeln

35

Außerdem ergibt sich unter Anwendung der Distributivgesetze (1.8) und (1.5) sowie des Kommutativgesetzes (1.2) (a + b) · (a − b) = (a + b) · a − (a + b) · b

= a·a+b·a−a·b−b·b

= a · a + a · b − a · b − b · b = a2 − b2 . Damit haben wir die folgenden drei binomischen Formeln erhalten: 1. binomische Formel (a + b)2 = a2 + 2ab + b2

(1.70)

(a − b)2 = a2 − 2ab + b2

(1.71)

(a + b) · (a − b) = a2 − b2

(1.72)

2. binomische Formel

3. binomische Formel

Aus den binomischen Formeln lassen sich auch Formeln für höhere Potenzen von (a+b) bzw. a − b entwickeln, z. B. (a + b)3 = (a + b) · (a + b)2

= (a + b) · (a2 + 2ab + b2 )

= a · a2 + a · 2ab + a · b2 + b · a2 + b · 2ab + b · b2 = a3 + 2a2 b + ab2 + a2 b + 2ab2 + b3 = a3 + 3a2 b + 3ab2 + b3 , (a − b)3 = (a − b) · (a − b)2

= (a − b) · (a2 − 2ab + b2 )

= a · a2 + a · (−2ab) + a · b2 − b · a2 − b · (−2ab) − b · b2 = a3 − 2a2 b + ab2 − a2 b + 2ab2 − b3 = a3 − 3a2 b + 3ab2 − b3 und (a + b)4 = (a + b)2 · (a + b)2 = (a2 + 2ab + b2 ) · (a2 + 2ab + b2 ) = a2 · a2 + a2 · 2ab + a2 · b2 + 2ab · a2 + 2ab · 2ab + 2ab · b2 + b2 · a2 + b2 · 2ab + b2 · b2 = a4 + 2a3 b + a2 b2 + 2a3 b + 4a2 b2 + 2ab3 + a2 b2 + 2ab3 + b4 = a4 + 4a3 b + 6a2 b2 + 4ab3 + b4 ,

(1.73)

36

1 Elementarmathematik (a − b)4 = (a − b)2 · (a − b)2 = (a2 − 2ab + b2 ) · (a2 − 2ab + b2 ) = a2 · a2 + a2 · (−2ab) + a2 · b2 − 2ab · a2 + (−2ab) · (−2ab) − 2ab · b2 + b2 · a2 + b2 · (−2ab) + b2 · b2 = a4 − 2a3 b + a2 b2 − 2a3 b + 4a2 b2 − 2ab3 + a2 b2 − 2ab3 + b4 = a4 − 4a3 b + 6a2 b2 − 4ab3 + b4 .

Allgemein gilt: binomischer Satz (a + b)n =

n    n k=0

k

an−k bk

= an + nan−1 b +

n 2

an−2 b2 + · · · +

 n  a2 bn−2 n−2

(1.74)

+ nabn−1 + bn (a − b)n =

n  k=0

(−1)k ·

n k

= an − nan−1 b +

an−k bk

n 2

an−2 b2 − · · · + (−1)n−2 ·

 n  a2 bn−2 n−2

+(−1)n−1 · nabn−1 + (−1)n · bn (1.75)

 Dabei sind nk die im Abschnitt 1.3 definierten Binomialkoeffizienten (siehe Definition 1.3) und n ist eine natürliche Zahl.

Bemerkung 1.4

 Die Binomialkoeffizienten nk , k = 0, 1, . . . , n, in den Summen (1.74) und (1.75) kann man auch vom Pascalschen Dreieck (1.22) ablesen. Man erhält zum Beispiel für n = 4 die Binomialkoeffizienten 4 4 4 4 4 = 1, = 4, = 6, = 4, =1 0 1 2 3 4

1.5 Potenzen und Wurzeln

37

und damit aus (1.74) (a + b)4 =

4    4 k=0

=

4

k

a4−k bk

· a4−0 b0 +

4

· a4−1 b1 +

0 1 4 4 + · a4−3 b3 + · a4−4 b4 3 4

4 2

· a4−2 b2

= 1 · a4−0 b0 + 4 · a4−1 b1 + 6 · a4−2 b2 + 4 · a4−3 b3 + 1 · a4−4 b4 = a4 + 4a3 b + 6a2 b2 + 4ab3 + b4 (siehe auch (1.73)). Weiterhin gilt zum Beispiel (a − b) · (a2 + ab + b2 ) = a · a2 + a · ab + a · b2 − b · a2 − b · ab − b · b2 = a3 + a2 b + ab2 − a2 b − ab2 − b3 = a3 − b3 und (a − b) · (a3 + a2 b + ab2 + b3 ) = a · a3 + a · a2 b + a · ab2 + a · b3 − b · a3 − b · a2 b − b · ab2 − b · b3 = a4 + a3 b + a2 b2 + ab3 − a3 b − a2 b2 − ab3 − b4 = a4 − b4 , woraus a 3 − b3 = a2 + ab + b2 a−b

und

a4 − b4 = a3 + a2 b + ab2 + b3 a−b

folgt. Analog erhalten wir (a + b) · (a2 − ab + b2 ) = a · a2 + a · (−ab) + a · b2 + b · a2 + b · (−ab) + b · b2 = a3 − a2 b + ab2 + a2 b − ab2 + b3 = a3 + b3 und (a + b) · (a3 − a2 b + ab2 − b3 ) = a · a3 + a · (−a2 b) + a · ab2 + a · (−b3 ) + b · a3 + b · (−a2 b) + b · ab2 + b · (−b3 ) = a4 − a3 b + a2 b2 − ab3 + a3 b − a2 b2 + ab3 − b4 = a4 − b4 ,

38

1 Elementarmathematik

so dass a3 + b3 = a2 − ab + b2 a+b

und

a4 − b4 = a3 − a2 b + ab2 − b3 a+b

gilt. Allgemein kann man Folgendes zeigen. Für n = 2, 3, 4, . . . gilt n  an − bn = an−k bk−1 a−b

(1.76)

k=1

n−1

= a

n−2

+a

b + ··· + a b

n−3 2

b+a

2 n−3

n−2

+ ab

+b

n−1

.

Für n = 2, 4, 6, . . . gilt n  an − b n = (−1)k−1 · an−k bk−1 a+b k=1

= an−1 − an−2 b + an−3 b2 − an−4 b3 + · · · − a2 bn−3 + abn−2 − bn−1 . (1.77) Für n = 3, 5, 7, . . . gilt n  an + bn = (−1)k−1 · an−k bk−1 a+b k=1

(1.78)

= an−1 − an−2 b + an−3 b2 − · · · + a2 bn−3 − abn−2 + bn−1 .

Beispiel 1.12 a) Mittels der 1. binomischen Formel (siehe (1.70)) erhalten wir (a + b)2 = a2 + 2 · a · b + b2 ↓ ↓ ↓ ↓↓ ↓ ↓ ↓ ↓↓ (3 + x)2 = 32 + 2 · 3 · x + x2 = 9 + 6x + x2 . b) Wir wollen den Bruch

√ √ 6− 2 √ √ 6+ 2

so vereinfachen, dass der Nenner keine irrationale Zahl mehr ist. Dies wird auch als Rationalmachen des Nenners bezeichnet. Die Grundidee der Vorgehensweise besteht dabei darin, dass man den Bruch mit einem Faktor so erweitert, dass dann im Nenner mit Hilfe der 3. binomischen Formel die Wurzelausdrücke beseitigt

1.5 Potenzen und Wurzeln

39

werden können. Allgemein geht man wie folgt vor. Steht z. B. im Nenner ein Term √ √ √ √ der Form a − b, dann erweitert man den Bruch mit a + b. Ist der Nenner √ √ √ √ von der Gestalt a + b, dann erweitert man mit a − b. √ √ Wir multiplizieren zuerst im obigen Bruch den Zähler und den Nenner mit 6 − 2 und wenden im Nenner dann die 3. binomische Formel an. Dies ergibt √ √ √ √ √ √ √ √ √ √ ( 6 − 2)2 ( 6 − 2) · ( 6 − 2) ( 6 − 2) · ( 6 − 2) √ √ √ √ = √ √ √ = √ . ( 6 + 2) · ( 6 − 2) ( 6)2 − ( 2)2 ( 6)2 − ( 2)2 ↑ ↑ ↑ ↑ ↑↑ ↑↑ 2 b2 (a + b) · (a − b) = a − Aufgrund der Wurzelgesetze (1.63) mit  = k = 2 und (1.66) gilt √ √ k ( k x)k = xk = x ↓ ↓ ↓ √ √ √ 2 2 2 2 2 ( 6) = ( 6) = 6 = 6

und

√ ( 2)2 = 2 .

Damit erhalten wir √ √ √ √ √ √ ( 6 − 2)2 ( 6 − 2)2 ( 6 − 2)2 √ √ = . = 6−2 4 ( 6)2 − ( 2)2 √ √ Wir haben jetzt im Nenner anstelle der irrationalen Zahl 6+ 2 die rationale Zahl 4 stehen. Damit ist unser Ziel einen Bruch zu haben, in welchem der Nenner eine rationale Zahl ist, erreicht. Wir können den Bruch aber noch weiter vereinfachen. Mittels der 2. binomischen Formel (siehe (1.71)) lässt sich der Zähler im obigen Bruch wie folgt umformen: (a − b)2 = a2 − 2 · a · b + b2 ↓ ↓↓ ↓↓ ↓ ↓ ↓ ↓↓ √ √ 2 √ 2 √ √ √ 2 ( 6 − 2) ( 6) − 2 · 6 · 2 + ( 2) = 4 4 √ √ 6−2· 6· 2+2 = 4 √ √ 8−2· 6· 2 = . 4

40

1 Elementarmathematik Die Anwendung der Wurzelgesetze (1.61) und (1.66) im Zähler führt auf √ √ k x1 · k x2 = x1 · x2 ↓ ↓ ↓ √ √ √ 8−2· 6·2 8−2· 6· 2 = 4 4 √ k

√ k

x1 · x2 ↓ √ 8−2· 3·4 = 4 √ k xk ↓ √ √ 2 8 − 2 · 3 · 22 = 4 √ 8−4· 3 = 4

8−2· = 4



12

√ k

√ x1 · k x2 ↓ ↓ √ √ 8−2· 3· 4 = 4

=

x ↓

=

√ 8−2· 3·2 = 4 = 2−



3.

√ √ √ 6− 2 √ =2− 3 √ 6+ 2

Damit haben wir

erhalten. c) Wir vereinfachen den Bruch x3 + 1 . x+1 Damit wir besser erkennen, dass wir zur Vereinfachung dieses Bruchs die Beziehung (1.78) im Fall n = 3 nutzen können, schreiben wir den Zähler zunächst etwas anders auf, d. h. wir schreiben anstelle der 1 den äquivalenten Wert 13 . Dann gilt a3 + b3 = a3−1 − a3−2 · b + b3−1 a+b ↓ ↓ ↓ ↓ ↓ x3 + 13 x3 + 1 = = x3−1 − x3−2 · 1 + 13−1 = x2 − x + 1 . x+1 x+1 Zum Abschluss dieses Abschnitts erklären wir noch was man unter einer quadratischen Ergänzung versteht. Im Weiteren besteht das Ziel darin, einen Term der Gestalt x2 + px + q

1.5 Potenzen und Wurzeln

41

in die Form (x + d)2 + e zu überführen. Dies nutzt man beispielsweise, wenn man die Koordinaten des Scheitelpunktes des Funktionsgraphen eines quadratischen Polynoms bestimmen will (siehe Beispiel 3.26 im Abschnitt 3.2.2) oder wenn man die allgemeine Form einer Ellipsengleichung in die kanonische Form der Ellipsengleichung überführen will (siehe z. B. Jung [2021a]. Um einen Weg zu finden, wie wir unser oben formuliertes Ziel erreichen können, schreiben wir den Term x2 + px + q etwas anders auf: x2 + px + q = x2 + 2 ·

p ·x+q. 2

Vergleichen wir diesen Ausdruck mit der 1. binomischen Formel a2 + 2 · a · b + b2 = (a + b)2 (siehe (1.70)), dann sehen wir, dass sich im Fall q = in die gewünschte Form überführen lässt, nämlich x2 + px +

 p 2 2

= x2 + 2 ·

p 2 2

der Term x2 + px + q sofort

 p 2  p p 2 ·x+ = x+ . 2 2 2

Im Allgemeinen ist aber q = p2 . Dann können wir aufgrund der vorangegangenen Überlegung wie folgt vorgehen. Wir addieren einfach zum Term x2 + px + q den Term

2 2 0 = p2 − p2 und erhalten dann

 p 2  p 2 x2 + px + q = x2 + px + − +q 2 2

  p 2 p 2 x+ − +q. = 2 2 Vom letzten Ausdruck können wir sofort d und e aus der Darstellung (x + d)2 + e ablesen, nämlich d=

p 2

und

e=−

 p 2 2

+q =q−

 p 2 2

= q − d2 .

Wir fassen unsere Überlegungen in dem folgenden Algorithmus zusammen.

42

1 Elementarmathematik

Algorithmus 1.1 (Quadratische Ergänzung I) Überführung des Terms x2 + px + q in die Form (x + d)2 + e 1. Berechne d= 2. Berechne e=q−

p . 2

 p 2 2

= q − d2 .

Beispiel 1.13 Wir führen für den Term x2 + 8x + 2 eine quadratische Ergänzung durch. Es ist p=8 Damit erhalten wir p 8 d= = =4 2 2 Folglich gilt

und

und

q = 2.

e = q − d2 = 2 − 42 = 2 − 16 = −14 .

x2 + 8x + 2 = (x + 4)2 − 14 .

Wir betrachten noch die Überführung eines Terms ax2 + bx + c in die Form a(x + d)2 + e . Dazu klammern wir aus den ersten beiden Summanden in ax2 + bx + c den Faktor a aus:  b  ax2 + bx + c = a x2 + x + c . a Für den Ausdruck in den eckigen Klammern führen wir mittels des Algorithmus 1.1 eine quadratische Ergänzung durch. Mit p = ab und q = 0 erhalten wir d=

b a

2

=

b 2a

und

e=0−

 b 2  b 2 =− . 2a 2a

1.6 Die irrationalen Zahlen π und e

43

Somit gilt

    b 2 b 2  b 2 b 2 ax + bx + c = a x + − +c=a x+ −a +c 2a 2a 2a 2a 2

und folglich

 b 2 b sowie e = −a · + c = c − ad2 . 2a 2a Damit haben wir die Idee des folgenden Algorithmus erklärt. d=

Algorithmus 1.2 (Quadratische Ergänzung II) Überführung des Terms ax2 + bx + c in die Form a(x + d)2 + e 1. Berechne d=

b . 2a

2. Berechne e = c − ad2 .

Beispiel 1.14 Wir überführen den Term ax2 + bx + c = 9x2 + 36x + 12 in die Form a(x + d)2 + e. Gemäß Algorithmus 1.2 berechnen wir mit a = 9, b = 36 und c = 12 36 b = = 2 und e = c − ad2 = 12 − 9 · 22 = −24 . d= 2a 2·9 Damit ist 9x2 + 36x + 12 = 9(x + 2)2 − 24 .

1.6

Die irrationalen Zahlen π und e

In diesem Abschnitt beschäftigen wir uns mit zwei irrationalen Zahlen, die in der Mathematik eine besonders große Rolle spielen. Dies sind die Kreiszahl π = 3.141592653589793238 . . .

(1.79)

44

1 Elementarmathematik

und die Eulersche Zahl e = 2.718281828459045235 . . .

(1.80)

Die Zahl π tritt beispielsweise bei der Definition des Bogenmaßes von Winkeln (siehe Abschnitt 3.2), bei der Berechnung des Flächeninhalts ebener Flächen und Flächen im Raum, bei Volumenberechnungen von Körpern sowie der Berechnung der Länge von Kurven auf. Aus der Schulmathematik sind sicher noch die Formeln zur Berechnung des Flächeninhalts F und des Umfangs U eines Kreises mit dem Durchmesser d bekannt, nämlich π F = d2 und U = πd . 4 Die Zahl e benötigt man im Zusammenhang mit der sogenannten e-Funktion, mit welcher man z. B. Wachstumsprozesse mathematisch beschreiben kann (siehe Beispiel 3.29 im Abschnitt 3.2). Sie tritt auch auf, wenn man den Durchhang eines nur durch sein Eigengewicht belasteten Seils (siehe Beispiel 3.30) berechnet oder spiralförmige Kurven mathematisch beschreibt. Ausgehend von der Formel für den Umfang eines Kreises mit dem Radius d kann man einen Näherungswert für π folgendermaßen ermitteln. Man markiert auf einem Kreis mit dem Durchmesser d = 1, der eine Gerade berührt, den Punkt in welchem die Berührung erfolgt. Dann lässt man den Kreis auf dieser Geraden solange abrollen bis der Markierungspunkt auf dem Kreis wieder Berührungspunkt des Kreises mit der Geraden ist (siehe Abbildung 1.1). Der Abstand zwischen den beiden Berührungspunkten auf der Geraden ist gleich π, denn bei einem Kreis mit dem Durchmesser d = 1 ist der Umfang U gleich π.

s

s 

s π

-

Abb. 1.1 Bestimmung von π

Im Folgenden geben wir einige Möglichkeiten an, wie man Näherungswerte für π und e berechnen kann. Unser Ziel ist es dabei, Näherungswerte auf 15 Stellen (14 Nachkommastellen) genau anzugeben. Dies ist die Genauigkeit in der Zahlendarstellung, welche man hat, wenn man in den üblichen Programmiersprachen wie z. B. der Programmiersprache C doppelt genaue Zahlen (double precision) nutzt (siehe auch Bemerkung 5.4 im Abschnitt 5.2).

1.6 Die irrationalen Zahlen π und e

45

Archimedes3 ermittelte Näherungswerte für π, indem er Vielecke (6-Eck, 12-Eck, . . ., 96-Eck) in einen Kreis einbeschrieb bzw. den Kreis mit den Vielecken umschrieb. Dabei erhielt er mittels der Umfänge der Vielecke die Einschachtelung 3+

223 10 22 10 = ≈ 3.140845 < π < 3 + = ≈ 3.142857 . 71 71 70 7

Ein Vergleich mit (1.79) zeigt, dass man so die Zahl π mit zwei Nachkommastellen Genauigkeit erhält. Im Jahr 1593 entwickelte Viète4 die folgende Formel mit unendlich vielen Faktoren zur Darstellung von π2 .     √   √ √ √ 2 + 2 + 2+ 2 2 + 2 + 2 2 2 2+ 2 = · · · · ··· (1.81) π 2 2 2 2 Berechnet man nur das Produkt der ersten n Faktoren (n eine natürliche Zahl, welche man sich vorgibt), dann erhält man einen Näherungswert für π2 und daraus einen Näherungswert für π. In der folgenden Tabelle 1.1 geben wir an, wieviele Faktoren man im obigen Produkt benötigt, um einen Näherungswert für π mit k exakten Stellen zu bestimmen: Tab. 1.1 Unter Nutzung der Formel von Viète berechnete Näherungswerte für π Näherungswert für π

Anzahl n der Faktoren in (1.81)

Anzahl k der exakten Stellen

3 .061467458920718 3.1 3.121445152258051 3.14 3.140331156954752 3.141 3.141277250932772 3.1415 3.141513801144300 3.14159 3.141591421511199 3.141592 3.141592345570117 3.1415926 3.141592634338562 3.14159265 3.141592652386590 3.141592653 3.141592653288992 3.1415926535 3.141592653514593 3.14159265358 3.141592653585093 3.141592653589 3.141592653589500 3.1415926535897 3.141592653589720 3.14159265358979 3.141592653589792

2 3 5 6 7 10 11 13 15 16 17 19 21 22 25

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

3 Archimedes von Syrakus, geb. um 287 v. Chr., gest. 212 v. Chr. vermutlich in Syrakus (Sizilien), griechischer Mathematiker, Physiker und Ingenieur 4 François Viète, latinisiert Franciscus Vieta, geb. 1540 in Fontenay-le-Comte, gest. 1603 in Paris, französischer Advokat und Mathematiker

46

1 Elementarmathematik

Wallis5 entwickelte 1655 die folgende Darstellungsformel für

π 2:

∞  2k 2 2 4 4 6 6 π 2k = · = · · · · · · ··· . 2 2k − 1 2k + 1 1 3 3 5 5 7

(1.82)

k=1

Nutzt man nur die ersten n Faktoren im obigen Produkt erhält man Näherungswerte für π2 und damit für π (siehe Tabelle 1.2). Tab. 1.2 Unter Nutzung der Formel von Wallis berechnete Näherungswerte für π Näherungswert für π

Anzahl n der Faktoren in (1.82)

Anzahl k der exakten Stellen

3 .555555555555555 3.1 3.198184286610794 3.14 3.149959034324206 3.141 3.141000179743544 3.1415 3.141500009935133 3.14159 3.141599999947270 3.141592 3.141592000000156 3.1415926 3.141592600000000 3.14159265 3.141592659999999 3.141592653 3.141592653000000 3.1415926535 3.141592653500000 3.14159265358 3.141592653580000 3.141592653589 3.141592653589000 3.1415926535897 3.141592653589700 3.14159265358979 3.141592653589790

3 27 187 2650 16954 213819 2403322 29254976 199932851 383761692 386800998 387350266 387413282 387418192 387418826

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Im Jahr 1674 veröffentlichte Leibniz6 die folgende Darstellungsformel für

π 4:

1 1 1 1 1 π  = = 1 − + − + · · · + (−1)n−1 · · · · . (1.83) (−1)k−1 · 4 2k − 1 3 5 7 2n − 1 ∞

k=1

Berechnen wir nur die Summe der ersten n Summanden, ergibt sich ein Näherungswert für π4 und somit für π. Diese Näherungswerte sind in der Tabelle 1.3 angegeben.

5 John Wallis, geb. 3.12.1616 in Ashford, Kent, gest. 8.11.1703 in Oxford, englischer Mathematiker 6 Gottfried Wilhelm Leibniz, geb. 1.7.1646 in Leipzig, gest. 14.11.1716 in Hannover, Philosoph, Mathematiker, Physiker, Historiker, 1672/73 Konstruktion einer Rechenmaschine für die vier Grundrechenarten, Entwickler der Differential- und Integralrechnung

1.6 Die irrationalen Zahlen π und e

47

Tab. 1.3 Unter Nutzung der Formel von Leibniz berechnete Näherungswerte für π Näherungswert für π

Anzahl n der Summanden in (1.83)

3 .466666666666666 3.1 3.194187909231942 3.14 3.149995866593469 3.141 3.141000236580159 3.1415 3.141500009528465 3.14159 3.141599999994785 3.141592 3.141592000000232 3.1415926 3.141592600000000 3.14159265 3.141592659999999 3.141592653 3.141592653000000

3 19 119 1688 10794 136121 1530012 18660304 155973041 1700659132

Anzahl k der exakten Stellen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, benötigt man ungefähr 1.7 Milliarden Summanden, damit man wenigstens zehn exakte Ziffern erhält. Mit dieser Formel ist es also extrem aufwändig, sehr genaue Näherungswerte für π zu bestimmen. Euler7 publizierte im Jahr 1748 eine Reihe von Darstellungsformeln für π, z. B. die Formel

 1 π2 1 1 1 1 = = 1 + 2 + 2 + 2 + ··· + 2 + ··· . 6 k2 2 3 4 n ∞

(1.84)

k=1

Berechnet man nur die Summe aus den ersten n Summanden, dann erhält man einen 2 Näherungswert für π6 und daraus einen Näherungswert für π. Derartige Näherungswerte sind in der Tabelle 1.4 angegeben. Tab. 1.4 Unter Nutzung der Formel von Euler (1.84) berechnete Näherungswerte für π Näherungswert für π 3 .011773947846214 3.1 3.100697301395177 3.14 3.140002027036458 3.141 3.141000025786488 3.1415 3.141500008065816 3.14159 3.141590000000166 3.141592 3.141592000000416 3.1415926 3.141592600000001

Anzahl n der Summanden in (1.84) 7 23 600 1611 10307 359863 1461054 17820378

Anzahl k der exakten Stellen 1 2 3 4 5 6 7 8

7 Leonhard Euler, geb. 15.4.1707 in Basel, gest. 18.9.1783 in Sankt Petersburg, Mathematiker und Physiker

48

1 Elementarmathematik

Auch bei dieser Formel benötigt man sehr viele Summanden, um einen recht genauen Näherungswert für π zu erhalten. Da die Summanden für große Werte von n sehr klein sind, haben sie ab einem gewissen n keinen Einfluss mehr bei der Addition in der Computerarithmetik (siehe Abschnitt 5.2, insbesondere auch Beispiel 5.11), so dass sich der Näherungswert für π auch nicht mehr verbessern lässt. Eine weitere von Euler veröffentlichte Darstellungsformel für π ist die Formel

 π2 1 1 1 1 1 = = 1 + 2 + 2 + 2 + ··· + + ··· . 8 (2k − 1)2 3 5 7 (2n − 1)2 ∞

(1.85)

k=1

Näherungswerte für π, welche man bei Nutzung dieser Formel erhält, sind in der Tabelle 1.5 ersichtlich. Tab. 1.5 Unter Nutzung der Formel von Euler (1.85) berechnete Näherungswerte für π Näherungswert für π 3 .034615113797611 3.1 3.101600903283900 3.14 3.140000704127709 3.141 3.141000943973225 3.1415 3.141500012560330 3.14159 3.141590000011233 3.141592 3.141592000000234 3.1415926 3.141592600000000 3.14159265 3.141592659240904

Anzahl n der Summanden in (1.85) 3 8 200 538 3436 119955 487018 5939849 4801919418

Anzahl k der exakten Stellen 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Wie wir aus dieser Tabelle erkennen können, ist es ebenfalls schwierig mittels der Formel (1.85) sehr genaue Näherungswerte für π zu bestimmen. Die folgende Formel von Euler ist wesentlich besser zur Bestimmung von Näherungswerten für π geeignet. ∞  π−3 1 = (−1)k−1 · 4 2k · (2k + 1) · (2k + 2) k=1

=

1 1 1 1 − + − · · · (−1)n−1 · ··· 2·3·4 4·5·6 6·7·8 2n · (2n + 1) · (2n + 2) (1.86)

Die Tabelle 1.6 enthält Näherungswerte für π, welche man unter Nutzung der obigen Formel erhält.

1.6 Die irrationalen Zahlen π und e

49

Tab. 1.6 Unter Nutzung der Formel von Euler (1.86) berechnete Näherungswerte für π Näherungswert für π 3.1 3.166666666666666 3.14 3.145238095238095 3.141 3.141254823607764 3.1415 3.141518985595275 3.14159 3.141599007405716 3.141592 3.141592011095012 3.1415926 3.141592601798007 3.14159265 3.141592659950400 3.141592653 3.141592653004256 3.1415926535 3.141592653500038 3.14159265358 3.141592653580005 3.141592653589 3.141592653589000 3.1415926535897 3.141592653589700 3.14159265358979 3.141592653589799

Anzahl n der Summanden in (1.86) 1 3 8 14 33 72 168 339 752 1406 2944 6806 13940 31003

Anzahl k der exakten Stellen 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Von Bailey8 , Borwein9 und Plouffe10 wurde 1995 die folgende Formel (BBP-Formel) zur Berechnung von π entwickelt (siehe auch Bailey et al. [1997]). ∞  2 1 1  1  4 − − − 16k 8k + 1 8k + 4 8k + 5 8k + 6 k=0  2 1 1 2 1 1 1 4 − − − = 4− − − + 4 5 6 16 9 12 13 14  4 2 1 1  1 − − − +··· + n + ··· . 16 8n + 1 8n + 4 8n + 5 8n + 6

π =

(1.87)

Wie die Tabelle 1.7 zeigt, erhält man schon mit sehr wenigen Summanden dieser Summe sehr genaue Näherungswerte für π. Nachdem wir verschiedene Möglichkeiten zur Berechnung von Näherungswerten für π vorgestellt haben, diskutieren wir im Folgenden die näherungsweise Berechnung der Eulerschen Zahl e. Die Eulersche Zahl wird als Grenzwert der Zahlenfolge  ∞ 1 n ∞ (an )n=1 = 1+ (1.88) n n=1

8

David Harold Bailey, geb. 14.8.1948, US-amerikanischer Mathematiker und Informatiker Peter Benjamin Borwein, 5.10.1953 in St Andrews, kanadischer Mathematiker 10 Simon Plouffe, geb. 11.6.1956 in Saint-Jovite, Québec, kanadischer Mathematiker 9

50

1 Elementarmathematik

Tab. 1.7 Unter Nutzung der BBP-Formel berechnete Näherungswerte für π Näherungswert für π

Anzahl n + 1 der Summanden in (1.86)

Anzahl k der exakten Stellen

3.1 3.133333333333333 3.141 3.141422466422466 3.1415 3.141587390346581 3.141592 3.141592457567435 3.1415926 3.141592645460336 3.141592653 3.141592653228087 3.1415926535 3.141592653572880 3.14159265358 3.141592653588972 3.1415926535897 3.141592653589752 3.14159265358979 3.141592653589791

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

2 4 5 7 8 10 11 12 14 15

definiert (siehe auch Papula [2014], Jung [2021b], d. h.

 e = lim

n→∞

1+

1 n n

Man kann zeigen, dass für wachsende Werte von n die sogenannten Folgeglieder

n an = 1 + n1 immer größer werden, aber die Zahl e nicht überschreiten (siehe z. B. Meyberg und Vachenauer [2001a], Jung [2021b]). Deshalb kann man erwarten, dass man für hinreichend große Werte von n gute Näherungswerte für e erhält. Dieser Idee sind aber auf jedem Computer Grenzen gesetzt. Ab einem gewissen n∗ führt eine weitere Vergrößerung von n zu keinem genaueren Näherungswert für die Eulersche Zahl e (siehe Beispiel 5.11 im Abschnitt 5.2). Wie groß man n wählen muss, damit man einen Näherungswert für e mit k exakten Stellen erhält, ist in der Tabelle 1.8 ersichtlich. Eine andere Möglichkeit zur näherungsweisen Berechnung von e ist die Nutzung der Summe

e =

∞  1 1 1 1 1 1 = + + + + ··· + + ··· k! 0! 1! 2! 3! n! k=0

(1.89)

1 1 1 + ··· = 1 + 1 + + + ··· + 2 6 1 · 2 · · · · · (n − 1) · n (siehe auch Papula [2014], Meyberg und Vachenauer [2001a], Jung [2021b] bezüglich der Taylorentwicklung der e-Funktion). In der Tabelle 1.9 geben wir an, wie groß n

1.6 Die irrationalen Zahlen π und e

51

Tab. 1.8 Unter Nutzung der Zahlenfolge (1.88) berechnete Näherungswerte für e Näherungswert für e

n in (1.88)

Anzahl k der exakten Stellen

2 .000000000000000 2.7 2.700139678846832 2.71 2.710040437932754 2.718 2.718000019542346 2.7182 2.718200001379015 2.71828 2.718280000070016 2.718281 2.718281000071943 2.7182818 2.718281800011852 2.71828182 2.718281820087948 2.718281828 2.718281828014652 2.7182818284 2.718281828403200 2.71828182845 2.718281828458244 2.718281828459 2.718281828459916 2.7182818284590 2.718281828459070 2.71828182845904 2.718281828459041

1 74 164 4822 16609 743198 1639286 31064651 48423998 51978772 52012934 52105193 67217174 67374142 82162639

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

sein muss, damit die Summe der ersten n + 1 Summanden in der Formel (1.89) für e einen Näherungswert liefert, welcher k exakte Stellen hat. Tab. 1.9 Unter Nutzung der Summe (1.89) berechnete Näherungswerte für e Näherungswert für e

Anzahl n + 1 der Summanden in (1.89)

Anzahl k der exakten Stellen

2 .000000000000000 2.7 2.708333333333333 2.71 2.716666666666666 2.718 2.718055555555555 2.7182 2.718253968253968 2.718281 2.718281525573192 2.7182818 2.718281801146384 2.71828182 2.718281826198492 2.718281828 2.718281828286168 2.7182818284 2.718281828446759 2.71828182845 2.718281828458230 2.71828182845904 2.718281828459042 2.718281828459045

2 5 6 7 8 10 11 12 13 14 15 17 18

1 2 3 4 5 7 8 9 10 11 12 15 16

52

1 Elementarmathematik

1.7

Logarithmen

Definition 1.6 Unter dem Logarithmus einer positiven reellen Zahl x zur Basis a, wobei a eine reelle Zahl mit a > 0, a = 1 ist, versteht man diejenige reelle Zahl b, für die ab = x gilt. Man schreibt loga x = b

Beachte: Der Logarithmus ist nur für positive reelle Zahlen definiert. Im Abschnitt 1.5 haben wir nur erklärt wie man Potenzen berechnet, bei denen der Exponent eine ganze oder eine gebrochene Zahl ist. Die Berechnung einer Potenz mit einer reellen Zahlen als Exponenten haben wir noch nicht diskutiert. Im Fall a = e ist der Exponentialausdruck eb der Grenzwert einer Zahlenfolge, nämlich  b k eb = lim 1 + k→∞ k (siehe Meyberg und Vachenauer [2001a], Jung [2021b]). Wie ein Exponentialausdruck ab im Fall a = e definiert ist, erklären wir in der Bemerkung 1.6. Bemerkung 1.5 In der Praxis sind folgende Logarithmen von Bedeutung: Basis

Bezeichnung

natürlicher Logarithmus (logarithmus naturalis)

a=e

ln

Zehnerlogarithmus (dekadischer Logarithmus)

a = 10

lg oder log

Zweierlogarithmus (logarithmus dualis)

a=2

ld

Beispiel 1.15 Es gilt a)

=b loga x ↓ ↓ ↓ log10 100 = lg 100 = 2 ,

ab = x ↓↓ ↓ 2 denn 10 = 100

1.7 Logarithmen

53

b) loga x = b ↓↓ ↓ 1 log3 = −2 , 9

ab ↓↓ denn 3−2

=x ↓ 1 1 = 2 = 3 9

c) loga x ↓↓

ab = x ↓↓ ↓

=b ↓

log0.5 0.125 = 3 ,

denn 0.53 = 0.125

Aus der Definition des Logarithmus einer reellen Zahl ergeben sich sofort die folgenden Rechengesetze: Für alle a ∈ R, a > 0 und a = 1 gilt loga 1 = 0 ,

denn a0 = 1 ,

loga a = 1 ,

denn a1 = a ,

loga ax = x , denn ax = ax , aloga x = x ,

loga x = loga x .

denn

Wir überlegen uns noch weitere Rechengesetze für Logarithmenausdrücke. Bei unseren Überlegungen nutzen wir die Potenzgesetze (1.41), (1.42) und (1.45), deren Gültigkeit wir im Abschnitt 1.5 für ganzzahlige Exponenten und in der Bemerkung 1.3b) bei Potenzen mit gebrochenen Zahlen als Exponenten begründet haben. Die Gesetze gelten auch, wenn die Exponenten reelle Zahlen sind. Auf den Nachweis dafür verzichten wir hier, denn er erfordert eine tiefere Kenntnis im Rechnen mit Zahlenfolgen (siehe z. B. Jung [2021b]). Aus loga x1 = b1 ⇔ ab1 = x1

loga x2 = b2 ⇔ ab2 = x2

und

folgt ab1 · ab2 = x1 · x2 ⇔ ab1 +b2 = x1 · x2 ⇔ loga (x1 · x2 ) = b1 + b2 = loga x1 + loga x2 und analog x1 ab1 = b 2 a x2

⇔ ab1 −b2 =

x1 x2

⇔ loga

x  1

x2

= b1 − b2 = loga x1 − loga x2 .

Aus loga x = b ⇔ ab = x

54

1 Elementarmathematik

und dem Potenzgesetz (1.45) ergibt sich (ab )r = xr ⇔ ab·r = xr ⇔ loga xr = b · r = loga x · r . Weiterhin ergibt sich aus loga c = b ⇔ ab = c unter Verwendung des Potenzgesetzes (ak ) = ak· 1

1

ab = c ⇔ (ab ) b = c b

1

1

⇔ ab· b = c b

1

⇔ a = cb

d. h. loga c =

⇔ logc a =

1 1 ⇔ b= , b logc a

1 . logc a

Wir fassen die soeben gefundenen Rechengesetze, die sogenannten Logarithmengesetze, zusammen: Seien a, c, x, x1 , x2 , r beliebige reelle Zahlen mit a, c > 0, a, c = 1 und x, x1 , x2 > 0, dann gilt: loga 1 = 0

(1.90)

loga a = 1

(1.91)

x

= x

(1.92)

loga x

= x

(1.93)

loga (x1 · x2 ) = loga x1 + loga x2 x  1 = loga x1 − loga x2 loga x2

(1.94)

loga a a

loga xr = r · loga x loga c =

1 logc a

(1.95) (1.96) (1.97)

Bemerkung 1.6 Mit Hilfe des Logarithmengesetzes (1.93) können wir jetzt erklären, wie der Exponentialausdruck ab definiert ist. Setzen wir in (1.93) a = e und x = a, dann gilt a = eloge a = eln a und damit ab = (eln a )b = eb ln a .

1.7 Logarithmen

55

Beispiel 1.16 a) Unter Nutzung der Logarithmengesetze (1.94) und (1.96) gilt loga x1 + loga x2 = loga (x1 · x2 ) ↓↓ ↓↓ ↓ ↓ ↓

loga xr = r · loga x ↓ ↓ ↓↓ ↓↓

log4 8 + log4 128 = log4 (8 · 128) = log4 1024 = log4 45 = 5 · log4 4 . Mittels des Logarithmengesetzes (1.91) folgt schließlich loga a = ↓↓

1 ↓

log4 8 + log4 128 = 5 · log4 4 = 5 · 1 = 5 . b) Wir berechnen log6 108 − log6 3 . Mittels der Logarithmengesetze (1.95) und (1.96) erhalten wir

x  loga xr = r · loga x loga x1 − loga x2 = loga 1 x2 ↓ ↓ ↓ ↓ ↓↓ ↓ ↓  ↓↓ ↓↓ 108 2 log6 108 − log6 3 = log6 = log6 36 = log6 6 = 2 · log6 6 . 3 Wenden wir noch das Logarithmengesetz (1.91) an, dann ergibt sich loga a = ↓↓

1 ↓

log6 108 − log6 3 = 2 · log6 6 = 2 · 1 = 2 . c) Wir vereinfachen den Term loga (x2 − 1) − loga (x − 1) . Da der Logarithmus nur von positiven reellen Zahlen berechnet werden kann, ist dieser Term nur für alle x > 1 definiert, denn dann ist sowohl x2 − 1 > 0 als auch x − 1 > 0. Mittels des Logarithmengesetzes (1.95) erhalten wir

x  loga x1 − loga x2 = loga 1 ↓ ↓

↓ ↓

x2



loga (x2 − 1) − loga (x − 1) = loga

↓  x2 − 1  x−1

Aufgrund der 3. binomischen Formel (1.72) gilt a2 − b2 = (a + b) · (a − b) ↓ ↓ ↓↓ ↓ ↓ ↓ ↓ x2 − 1 = x2 − 12 = (x + 1) · (x − 1) .

.

56

1 Elementarmathematik Damit folgt loga (x2 − 1) − loga (x − 1) = loga

 x2 − 1  x−1

= loga

(x + 1) · (x − 1) = loga (x + 1) . (x − 1)

d) Wir wollen den Term 2 · log3 (z + 7) + log3 (z − 2) vereinfachen. Wir überlegen uns erst einmal, für welche reellen Zahlen z dieser Term überhaupt definiert ist. Da der Logarithmus nur von positiven reellen Zahlen berechnet werden kann, muss z + 7 > 0 und z − 2 > 0, d. h. z > −7 und z > 2, gelten. Folglich ist der obige Term nur für alle z > 2 berechenbar. Die Vereinfachung des Terms soll so erfolgen, dass nur noch ein Logarithmus zu berechnen ist. Aufgrund des Faktors 2 vor dem ersten Summanden können wir nicht sofort das Logarithmengesetz (1.94) anwenden. Den Faktor 2 können wir aber unter Nutzung des Logarithmengesetzes (1.96) beseitigen: r · loga x ↓ ↓↓

= loga xr  ↓↓

2 · log3 (z + 7) + log3 (z − 2) = log3 (z + 7)2 + log3 (z − 2) . Jetzt kann das Logarithmengesetz (1.94) angewendet werden. Wir erhalten damit loga x1 ↓↓

= loga (x1 · x2 )  ↓ ↓

+ loga x2 ↓↓

2 · log3 (z + 7) + log3 (z − 2) = log3 (z + 7)2 + log3 (z − 2) = log3 ((z + 7)2 · (z − 2)) . e) Wir berechnen ln(ln e) . Mittels des Logarithmengesetzes (1.91) erhalten wir loga a = ↓↓

1 ↓

ln(ln e) = loge (loge e) = loge 1 und daraus unter Nutzung des Logarithmengesetzes (1.90) loga 1 = 0 ↓↓ ↓ ln(ln e) = loge (loge e) = loge 1 = 0 .

1.8 Winkel- und Strahlensätze

57

Mit den meisten Taschenrechnern können nur natürliche Logarithmen berechnet werden. Auch in den verschiedenen Programmiersprachen wie z. B. Java oder C stehen nur Funktionen für einige ausgewählte Logarithmen zur Verfügung, beispielsweise Logarithmen mit der Basis e oder der Basis 10. Will man aber Logarithmen mit anderen Basen berechnen, benötigt man entsprechende Rechengesetze. Es gilt

logb c =

loga c , a, b, c > 0 , a = 1 , b = 1 . loga b

(1.98)

Dieses Rechengesetz folgt aus den Logarithmengesetzen (1.93) und (1.96): (1.93)

(1.96)

c = blogb c ⇔ loga c = loga blogb c = logb c · loga b ⇔ logb c =

loga c . loga b

Beispiel 1.17 Zu berechnen ist ld 10 = log2 10 . Wir gehen davon aus, dass wir mit unserem Taschenrechner nur natürliche Logarithmen, d. h. Logarithmen mit der Basis e, berechnen können. Dann ergibt sich mittels der Formel (1.98) mit c = 10, b = 2 und a = e ld 10 = log2 10 =

1.8

ln 10 loge 10 = ≈ 3.321928 . loge 2 ln 2

Winkel- und Strahlensätze

Zuerst geben wir in diesem Abschnitt einige Winkelsätze an, welche man beispielsweise benötigt, um Beziehungen in Dreiecken herleiten zu können (siehe z. B. Jung [2021a]). Gegeben seien zwei sich schneidende Geraden (siehe Abbildung 1.2).

α β

δ

γ

Abb. 1.2 Neben- und Scheitelwinkel

58

1 Elementarmathematik

Die Winkelpaare α und β, β und γ, γ und δ sowie δ und α bilden jeweils einen gestreckten Winkel, d. h. es gilt α + β = β + γ = γ + δ = δ + α = 180◦ . Man nennt diese Winkelpaare Nebenwinkel. Die beiden Winkelpaare α, γ und β, δ bezeichnet man als Scheitelwinkel. Wegen α + β = 180◦ ⇔ β = 180◦ − α

β + γ = 180◦ ⇔ β = 180◦ − γ

und

gilt 180◦ − α = 180◦ − γ ⇔ α = γ . Analog lässt sich zeigen, dass β=δ ist. Damit haben wir die beiden folgenden Aussagen erhalten:

a) Die Winkelsumme zweier Nebenwinkel ist gleich 180◦ . b) Zwei Scheitelwinkel sind stets gleich groß.

Wir betrachten im Folgenden zwei parallele Geraden g1 und g2 sowie eine dritte Gerade g3 , welche die beiden parallelen Geraden schneidet (siehe Abbildung 1.3). (a)

C

(b)

B g2

g2 β γ

α

C = A

δ

g1

γ

B

α

β

α

A

g1

α

δ g3

g3

Abb. 1.3 Stufenwinkel

Man bezeichnet die Winkelpaare α, α und β, β  und γ, γ  und δ, δ  als Stufenwinkel an geschnittenen Parallelen. Es gilt

1.8 Winkel- und Strahlensätze

59

Stufenwinkel an geschnittenen Parallelen sind gleich groß.

Dies lässt sich folgendermaßen begründen. In der Abbildung 1.3(b) ist das Dreieck ΔA B  C  durch eine Parallelverschiebung des Dreiecks ΔABC mit dem Verschie−→

bungsvektor AA entstanden. Da bei einer Parallelverschiebung eines geometrischen Objektes nur eine Lageveränderung und keine Gestaltsänderung erfolgt, haben beide Dreiecke die gleichen Innenwinkel. Folglich gilt für die beiden Winkel beim Punkt A bzw. A die Beziehung α = α . Da α und γ sowie α und γ  Scheitelwinkel sind, muss wegen α = α auch γ = γ  sein. Weiterhin sind α und β sowie α und β  Nebenwinkel. Deshalb folgt β = 180◦ − α = 180◦ − α = β  . Auf analoge Weise ergibt sich, dass δ = δ  gilt.

g2 δ α

γ β

g1 α

β

δ

γ g3

Abb. 1.4 Wechselwinkel

Die Winkelpaare α, α und β, β  und γ, γ  und δ, δ  in der Abbildung 1.4 werden Wechselwinkel an geschnittenen Parallelen genannt. Es gilt Wechselwinkel an geschnittenen Parallelen sind gleich groß.

Wir begründen, dass α = α gilt. In der Abbildung 1.4 sind α und γ  Stufenwinkel an geschnittenen Parallelen. Folglich ist α = γ . Die Winkel γ  und α sind Scheitelwinkel, so dass γ  = α

60

1 Elementarmathematik

gilt. Somit erhalten wir α = γ  = α . Im zweiten Teil dieses Abschnitts geben wir noch die Strahlensätze an. Diese werden beispielsweise in geodätischen Berechnungen (siehe Beispiel 1.18 und Beispiel 1.19) oder bei der grafischen Veranschaulichung der Definition der Tangens-Funktion (siehe Abbildung 3.42 im Abschnitt 3.2) genutzt. Gegeben seien zwei Strahlen s1 und s2 , welche von einem Punkt S ausgehen, bzw. zwei Geraden g3 und g4 , welche sich in einem Punkt S schneiden. Außerdem seien g1 und g2 zwei zueinander parallele Geraden, welche die beiden Strahlen s1 und s2 in den Punkten A und C sowie B und D schneiden (siehe Abbildung 1.5(a)) bzw. die beiden Geraden g3 und g4 in den Punkten B und C bzw. A und D (siehe Abbildung 1.5(b)) schneiden. Dann gilt: 1. Strahlensatz

|SB| |SA| |SC| |SA| = ⇔ = |SC| |SD| |SB| |SD|

(1.99)

|SA| |SC| |AC| = = |SB| |SD| |BD|

(1.100)

|AB| |SA| |SB| = = |CD| |SC| |SD|

(1.101)

und

2. Strahlensatz

g1

(a)

g2

s2

g1

(b)

g2

D g4

B

B

D

S S

C A C

s1

A

g3

Abb. 1.5 Strahlensatz

Wir begründen die Gültigkeit des 1. Strahlensatzes. Da die beiden Geraden g1 und g2 parallel zueinander sind, ist die Länge der Strecken CP und DQ gleich (siehe Abbildung 1.6(a)), d. h. |CP | = |DQ| .

1.8 Winkel- und Strahlensätze g1

(a)

61 g2

Q

g1

(b)

g2

s2

s2

D

D

B

B

R S

S

P A

A C

s1

T

C

s1

Abb. 1.6 Hilfsdreiecke zur Begründung des 1. Strahlensatzes

Der Flächeninhalt F eines Dreiecks ergibt sich aus F =

1 · Grundseite · Höhe 2

(1.102)

(siehe Merzinger et al. [2018], Jung [2021a]). Danach gilt für das Dreieck ΔBAC und das Dreieck ΔBAD (siehe auch Abbildung 1.6(a)) FΔBAC =

1 · |AB| · |CP | 2

und

FΔBAD =

1 · |AB| · |DQ| . 2

Da |CP | = |DQ| gilt, ist folglich FΔBAC = FΔBAD .

(1.103)

Weiterhin gilt (siehe Abbildung 1.6(b)) FΔSCB = FΔSAB + FΔACB

und

FΔDSA = FΔDBA + FΔBSA .

Wegen ΔSAB = ΔBSA, ΔACB = ΔBAC und ΔDBA = ΔBAD ist dies äquivalent zu FΔSCB = FΔSAB + FΔBAC und FΔDSA = FΔBAD + FΔSAB und da FΔBAC = FΔBAD folgt dann FΔSCB = FΔDSA ⇔

FΔSCB = 1. FΔDSA

(1.104)

62

1 Elementarmathematik

Die Strecke BT ist sowohl Höhe auf der Seite SC im Dreieck ΔSCB als auch auf der Seite SA im Dreieck ΔSAB (siehe Abbildung 1.6(b)). Analog ist die Strecke AR sowohl Höhe auf der Seite SD im Dreieck ΔDSA als auch auf der Seite SB im Dreieck ΔSAB (siehe Abbildung 1.6(b)). Deshalb ergibt sich aus (1.104) und der Formel (1.102) zur Berechnung des Flächeninhalts eines Dreiecks FΔSAB FΔSCB =1= ⇔ FΔDSA FΔSAB

1 2 1 2

· |SC| · |BT | · |SD| · |AR|



|SC| |SA| = |SD| |SB|



|SA| |SB| = . |SC| |SD|

=

1 2 1 2

· |SA| · |BT | · |SB| · |AR| (1.105)

Damit haben wir die Beziehung (1.99) gezeigt. Wegen ΔBAC = ΔACB und ΔBAD = ΔDBA können wir die Beziehung (1.103) auch wie folgt aufschreiben FΔACB = FΔDBA ⇔

FΔACB = 1. FΔDBA

(1.106)

Im Dreieck ΔACB ist die Strecke BT die Höhe auf der Seite AC und im Dreieck ΔDBA ist die Strecke AR die Höhe auf der Seite DB (siehe Abbildung 1.6(b)). Außerdem ist BT die Höhe auf der Seite SA im Dreieck ΔSAB und AR die Höhe auf der Seite SB im Dreieck ΔSAB. Dann erhalten wir aus (1.106) unter der Nutzung der Formel (1.102) für den Flächeninhalt eines Dreiecks FΔSAB FΔACB =1= FΔDBA FΔSAB



1 2 1 2

· |AC| · |BT | · |DB| · |AR|

=

1 2 1 2

· |SA| · |BT | · |SB| · |AR|



|AC| |SA| = . |DB| |SB|

Da |DB| = |BD| können wir die letzte Beziehung auch in der Form |AC| |SA| = |BD| |SB| aufschreiben. Aus (1.107) und (1.105) erhalten wir |SA| |SC| |AC| = = |BD| |SB| |SD| Damit haben wir die Gültigkeit der Beziehungen (1.100) begründet.

(1.107)

1.8 Winkel- und Strahlensätze

63 g2

g1

s2

D B g E S A

s1

C

Abb. 1.7 2. Strahlensatz

Mit Hilfe des 1. Strahlensatzes können wir die Beziehungen (1.101), d. h. die Aussage des 2. Strahlensatzes, begründen. Dazu zeichnen wir eine zum Strahl s2 parallele Gerade g, welche durch den Punkt A verläuft, in die Strahlensatzfigur ein (siehe Abbildung 1.7). Ausgehend vom Punkt C erhalten wir gemäß des 1. Strahlensatzes (siehe Beziehung (1.100)) |CS| |AS| = . (1.108) |CD| |ED| Da der Strahl s2 und die Gerade g zueinander parallel sind sowie g1 und g2 zwei parallele Geraden sind, ist das Viereck AEDB ein Parallelogramm. Folglich ist |ED| = |AB|. Außerdem ist |CS| = |SC| und |AS| = |SA|. Deshalb ist die Beziehung (1.108) äquivalent zu |SA| |SA| |AB| |SC| = ⇔ = . |CD| |AB| |SC| |CD| Zusammen mit den Beziehungen (1.99) gilt dann |SA| |SB| |AB| = = , |CD| |SC| |SD| d. h. die Beziehung (1.101). Beispiel 1.18 (Höhenbestimmung mit Hilfe des Försterdreiecks) Zur Bestimmung der Höhe von Türmen, Hauswänden, Bäumen u. ä. kann man das sogenannte Försterdreieck nutzen. Dies ist ein rechtwinkliges Dreieck. Die Bezeichnung dieses Dreiecks stammt aus seiner ursprünglichen Anwendung in der Forstwirtschaft. Zu bestimmen sei die Höhe einer Hauswand (siehe Abbildung 1.8). Dazu nutzen wir ein Försterdreieck ΔSAB, welches in unserem Beispiel die Kathetenlängen |SA| = 0.3 m und |AB| = 0.2 m hat. Zuerst markiert man an der Hauswand die Augenhöhe hAuge (Punkt C). Es sei hAuge = 1.72 m. Dann geht man von der Hauswand soweit weg bis man den höchsten Punkt der Hauswand (Punkt D) mit dem Eckpunkt B des Dreiecks ΔSAB anpeilen kann. Dabei muss die Dreiecksseite SA zum

64

1 Elementarmathematik

an der Hauswand markierten Punkt C zeigen. Nun misst man die Entfernung seines Standpunktes zur Hauswand (Strecke SC). Diese sei 15.42 m.

hWand

|SA| S

B A

C

hAuge

|AB|

|CD|

D

|SC|

Abb. 1.8 Höhenbestimmung mit Hilfe des Försterdreiecks

Die Höhe der Hauswand ergibt sich dann wie folgt: hWand = hAuge + |CD| . Die Länge der Strecke CD können wir mit Hilfe des 2. Strahlensatzes (siehe (1.101)) ermitteln: |AB| · |SC| |SA| |AB| 0.2 m · 15.42 m = 10.28 m . = ⇔ |CD| = = 0.3 m |SC| |CD| |SA|

(1.109)

Damit erhalten wir für die Höhe der Hauswand hWand = hAuge + |CD| = 1.72 m + 10.28 m = 12.00 m . Die Berechnungen vereinfachen sich, wenn man ein gleichschenkliges Försterdreieck nutzt. Dann ist |SA| = |AB| und somit wegen |SA| |AB| |SC| |SA| = ⇔ = =1 |SC| |CD| |CD| |AB| (siehe (1.109)) |CD| = |SC| , d. h. die Höhe ergibt sich dann einfach aus der Summe der Augenhöhe und der Entfernung des Standpunktes von der Hauswand.

1.8 Winkel- und Strahlensätze

65

Beispiel 1.19 (Entfernungsberechnungen) Zu bestimmen ist die Entfernung von zwei Punkten A und B (siehe Abbildung 1.9). S C A

D

@ B

Abb. 1.9 Entfernung zwischen A und B

Aufgrund eines Hindernisses besteht zwischen diesen beiden Punkten keine Sicht, so dass die Entfernung nicht direkt messbar ist. Deshalb misst man ausgehend von einem Hilfspunkt S die Länge der Strecken SA und SB. Danach legt man auf der Strecke SA einen Punkt C fest, dessen Abstand zum Punkt S ein vorgegebenes Vielfaches λ der Länge der Strecke SA beträgt (siehe Abbildung 1.9). Sei z. B. |SC| = 13 |SA|. Auf analoge Weise legt man auf der Strecke SB einen Punkt D fest, dessen Abstand zum Punkt S das λ-fache der Länge der Strecke SB beträgt. Die Strecke CD verläuft somit parallel zur Strecke AB (siehe Abbildung 1.9). Man misst die Länge der Strecke CD und berechnet mit Hilfe des Strahlensatzes (1.101) die Länge der Strecke AB. Sei |SA| = 214.52 m , |SB| = 312.78 m , |SC| =

1 1 |SA| , |SD| = |SB| 3 3

und |CD| = 104.56 m . Mittels des Strahlensatzes (1.101), d. h. der Beziehung |SA| |AB| = , |SC| |CD| erhalten wir |AB| =

|SA| |SA| · |CD| = 1 · |CD| = 3 · |CD| = 3 · 104.56 m = 313.68 m . |SC| 3 |SA|

2 Grundbegriffe der Mengenlehre

Übersicht 2.1 2.2 2.3

Definitionen, Schreibweisen und Mengenoperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Lösen von Ungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Produktmengen und Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

In diesem Kapitel stellen wir einige Grundelemente der Mengenlehre zusammen. Diese benötigen wir beispielsweise, um Lösungsmengen von Ungleichungen und Definitionssowie Wertebereiche von Funktionen mathematisch beschreiben zu können. Einige Rechengesetze für Mengenoperationen gelten in analoger Weise in der Wahrscheinlichkeitsrechnung bei Operationen mit Ereignissen, so dass dieses Kapitel auch Grundlagen für die Wahrscheinlichkeitsrechnung legt. Wir diskutieren im Folgenden auch Lösungsalgorithmen für Ungleichungen. Der sichere Umgang mit Umformungsschritten bei Ungleichungen ist später hilfreich, wenn wir Definitions- und Wertebereiche von Funktionen bestimmen. Ungleichungen benötigt man auch in der Wahrscheinlichkeitsrechnung, wenn man sich beispielsweise mit Messabweichungen beschäftigt. Am Ende dieses Kapitels führen wir den Begriff Abbildung ein. Im nachfolgenden Kapitel werden dann Funktionen als eine spezielle Art von Abbildungen ausführlich besprochen.

2.1

Definitionen, Schreibweisen und Mengenoperationen

Zuerst geben wir eine Definition des Begriffs Menge an. Diese Definition geht auf Georg Cantor1 zurück. Definition 2.1 Eine Menge ist eine Zusammenfassung bestimmter wohlunterschiedener Objekte unserer Anschauung oder unseres Denkens zu einem Ganzen. Die Objekte der Menge heißen Elemente der Menge. __________ 1

Georg Ferdinand Ludwig Philipp Cantor, geb. 13.3.1845 in Sankt Petersburg, gest. 6.1.1918 in Halle/Saale, deutscher Mathematiker, Begründer der Mengenlehre

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 M. Jung, Mathematische Grundlagen für die Natur- und Ingenieurwissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03266-1_2

68

2 Grundbegriffe der Mengenlehre

Im Allgemeinen bezeichnen wir Mengen mit großen lateinischen Buchstaben, z. B. A, B, . . . . Zur Bezeichnung der Elemente der Menge werden häufig kleine lateinische Buchstaben genutzt, z. B. a, b, . . . . Mittels folgender Symbolik kennzeichnen wir, ob ein Element zu einer Menge gehört oder nicht: a∈A

bedeutet „a ist Element der Menge A“,

a∈ /A

bedeutet „a ist nicht Element der Menge A“.

Falls die Menge A kein Element enthält, dann ist A die leere Menge und wir schreiben A = ∅. Werden alle Elemente einer Menge angegeben oder die Menge durch eine mengenbildende Eigenschaft beschrieben, so schreibt man die Elemente bzw. die mengenbildende Eigenschaft innerhalb geschweifter Klammern. Beispiel 2.1 A = {1, 2, 3}



Menge, welche nur die drei natürlichen Zahlen 1, 2 und 3 enthält

B = {reelle Zahlen x | x ≥ 5}



Menge aller reellen Zahlen x mit der Eigenschaft, dass x ≥ 5 gilt

Bei der Angabe der Menge B haben wir eine mengenbildende Eigenschaft genutzt, nämlich, dass die Menge B aus allen reellen Zahlen gebildet wird, welche größer oder gleich 5 sind. Das Symbol „ | “ wird als „mit der Eigenschaft“ gelesen.

Definition 2.2 Die Menge A heißt Teilmenge der Menge B, wenn jedes Element von A auch Element von B ist. Wir schreiben symbolisch A⊆B. Falls es in B Elemente gibt, die nicht Element von A sind, dann nennt man A eine echte Teilmenge von B. Wir schreiben symbolisch A⊂B.

2.1 Definitionen, Schreibweisen und Mengenoperationen

69

Beispiel 2.2 Die folgenden Mengen sind echte Teilmengen der Menge der reellen Zahlen R: N = {0, 1, 2, 3, . . .}

– Menge der natürlichen Zahlen,

Z = {. . . , −2, −1, 0, 1, 2, . . .} r    Q=  r ∈ Z und s ∈ Z , s = 0 s

– Menge der ganzen Zahlen, – Menge der rationalen Zahlen.

Es gilt N ⊂ Z ⊂ Q ⊂ R . Im Weiteren benötigen wir auch Intervalle als Teilmengen der Menge der reellen Zahlen, z. B. für die Angabe der Lösungsmenge von Ungleichungen bzw. die Angabe des Definitions- und Wertebereichs von Funktionen. Bei der Angabe von Intervallen müssen wir beachten, ob die Intervallgrenzen zur Teilmenge gehören oder nicht. Als Symbolik nutzen wir eckige Klammern [ bzw. ] , wenn die jeweilige Grenze zum Intervall gehört und runde Klammern ( bzw. ) , wenn sie nicht zum betrachteten Intervall gehört. In manchen Lehrbüchern werden anstelle der runden Klammern ( und ) die Klammern ] und [ verwendet. Wir unterscheiden folgende Arten von Intervallen: abgeschlossenes Intervall

[a, b] = {x ∈ R | a ≤ x ≤ b} ,

offenes Intervall

(a, b) = {x ∈ R | a < x < b} ,

linksseitig offenes Intervall

(a, b] = {x ∈ R | a < x ≤ b} ,

rechtsseitig offenes Intervall

[a, b) = {x ∈ R | a ≤ x < b} ,

wobei für die reellen Zahlen a und b die Beziehung a < b gelte. Beispiel 2.3 a) Die Menge A aller reellen Zahlen, welche größer als oder gleich 3 und kleiner als oder gleich 7 sind, können wir mittels des abgeschlossenen Intervalls A = [3, 7] beschreiben. Wir müssen hier die eckigen Klammern nutzen, da sowohl die Zahl 3 als auch die Zahl 7 zur Menge A gehören. b) Die Menge B aller reellen Zahlen, welche größer als −1.5 und kleiner als 12.1 sind, kann mittels des offenen Intervalls B = (−1.5, 12.1) angegeben werden. Hier müssen wir die runden Klammern nutzen, denn sowohl die reelle Zahl −1.5 als auch die reelle Zahl 12.1 gehören nicht zur Menge B. Eine äquivalente Schreibweise für dieses Intervall ist ] − 1.5, 12.1[ .

70

2 Grundbegriffe der Mengenlehre

c) Die Menge C aller reellen Zahlen, welche größer als −20 und kleiner als oder gleich 100.2 sind, wird durch das linksseitig offene Intervall C = (−20, 100.2] beschrieben. Links steht die runde Klammer, da die reelle Zahl −20 nicht zur Menge A gehört. Die reelle Zahl 100.2 ist ein Element der Menge C, so dass wir rechts die eckige Klammer schreiben müssen. d) Die Menge D aller reellen Zahlen, welche größer als oder gleich 17 und kleiner als 32 sind, kann man mittels des rechtsseitig offenen Intervalls D = [17, 32) beschreiben. Hier steht links die eckige Klammer, da die reelle Zahl 17 zur Menge D gehört, und rechts steht die runde Klammer, da die Zahl 32 kein Element der Menge D ist. Weiterhin nutzen wir das Unendlichsymbol ∞, z. B. bei der Beschreibung von Intervallen der Gestalt (−∞, 0) = {x ∈ R | x < 0} , [3, ∞)

= {x ∈ R | x ≥ 3} ,

(−∞, ∞) = R .

Beachte: ∞ ist keine reelle Zahl. Das Symbol ∞ steht für eine beliebige sehr große reelle Zahl und −∞ für eine negative Zahl, deren Betrag beliebig groß ist.

Definition 2.3 Zwei Mengen A und B heißen gleich, wenn jedes Element der Menge A auch zur Menge B gehört und jedes Element der Menge B auch Element der Menge A ist, d. h. wenn A ⊆ B und B ⊆ A gilt. Wir schreiben A=B.

Beispiel 2.4 a) Gegeben seien die beiden Mengen A = {5, 2, 12, −3}

und

B = {−3, 2, 5, 12} .

2.1 Definitionen, Schreibweisen und Mengenoperationen

71

Diese beiden Mengen sind gleich, denn alle Elemente der Menge A gehören auch zur Menge B und alle Elemente der Menge B sind auch Elemente von A. b) Sei C die Menge aller Dreiecke mit drei gleichlangen Seiten und D die Menge aller Dreiecke, deren Innenwinkel gleich 60◦ sind. Sowohl die Menge C als auch die Menge D ist die Menge aller gleichseitigen Dreiecke, d. h. es gilt C = D. c) Die beiden Mengen E = {x ∈ R | 3 < x ≤ 25} = (3, 25]

und

F = {x ∈ R | 3 < x < 25} = (3, 25)

sind nicht gleich, denn die Zahl x = 25 ist Element der Menge E, aber kein Element der Menge F . Die Menge F ist eine echte Teilmenge der Menge E, denn alle Elemente von F liegen in E und es gibt in E wenigstens ein Element, welches nicht in der Menge F liegt. Die Menge E und die Menge G = {x ∈ R | 3 ≤ x < 25} = [3, 25) sind ebenfalls nicht gleich, denn die Zahl 25 gehört zur Menge E, aber nicht zur Menge G und die Zahl 3 liegt in der Menge G, aber nicht in der Menge E. Deshalb ist auch weder E eine Teilmenge von G noch G eine Teilmenge von E.

Definition 2.4 Gegeben sei eine Menge M und die Menge A sei eine Teilmenge der Menge M . Die Menge, welche alle Elemente von M enthält, die nicht Element der Menge A sind, heißt Komplementärmenge von A bezüglich M . Man bezeichnet diese ¯ Menge mit A. Die Menge M wird auch als Grundmenge bezeichnet.

Beispiel 2.5 Sei M die Menge der reellen Zahlen R , d. h. M = R, und A = {x ∈ R | x > 0} , d. h. die Menge der positiven reellen Zahlen . Dann ist die Menge der nicht positiven reellen Zahlen A¯ = {x ∈ R | x ≤ 0} die Komplementärmenge der Menge A bezüglich der Menge M .

72

2 Grundbegriffe der Mengenlehre

Durch Mengenoperationen werden aus gegebenen Mengen neue Mengen gebildet. Im Folgenden definieren wir die Vereinigung, den Durchschnitt und die Differenz zweier Mengen.

Definition 2.5 Es seien A und B Teilmengen einer Grundmenge M . Vereinigung von A und B

(i)

Schreibweise:

A∪B

Sprechweise:

„A vereinigt B“

Die Menge A ∪ B enthält alle Elemente, die zumindest zu einer der beiden Mengen A oder B gehören. (ii)

Durchschnitt von A und B Schreibweise:

A∩B

Sprechweise:

„A geschnitten B“

Die Menge A ∩ B enthält alle Elemente, die sowohl zur Menge A als auch zur Menge B gehören. Gilt A ∩ B = ∅, dann nennt man die Mengen A und B disjunkt. (iii)

Differenzmenge von A und B Schreibweise:

A\B

Sprechweise:

„A minus B“

Die Menge A \ B enthält alle Elemente, die zur Menge A aber nicht zur Menge B gehören.

Zur geometrischen Veranschaulichung der Mengenoperationen kann man Mengendiagramme, sogenannte Venn-Diagramme, verwenden (siehe Abbildung 2.1). Der gestreift dargestellte Bereich symbolisiert die Elemente der Menge A ∪ B, A ∩ B bzw. A \ B. A∪B

A

A∩B

B

A

A\B

B

A

Abb. 2.1 Venn-Diagramme zur Veranschaulichung von Mengenoperationen

B

2.1 Definitionen, Schreibweisen und Mengenoperationen

73

Beispiel 2.6 Die Durchführung von Mengenoperationen mit Intervallen lässt sich gut auf der Zahlengeraden demonstrieren. Gegeben seien die Grundmenge M = R und die Mengen A = {x ∈ R | x ≤ 6}

= (−∞, 6] ,

B = {x ∈ R | x > 3}

= (3, ∞) ,

C = {x ∈ R | 8 ≤ x < 9} = [8, 9) . Gesucht sind die Mengen A ∪ B, A ∩ B, A \ B, A ∩ C, A ∪ C und C \ A. A ∪ B: Die Menge A ∪ B ist die Menge aller reellen Zahlen, welche mindestens in einem der beiden Intervalle A = (−∞, 6] und B = (3, ∞) liegen. Wir markieren auf der Zahlengeraden alle Zahlen aus der Menge A beispielsweise mit grüner Farbe und alle Zahlen aus der Menge B mit blauer Farbe. A∪B

−1

B

(

A 0

1

3

6

8

9

Zur Menge A ∪ B gehören alle Zahlen, die in Bereichen auf der Zahlengeraden liegen, welche durch mindestens eine der beiden Farben zur Kennzeichnung der Mengen A und B markiert worden sind. Da alle Teile des Zahlenstrahls durch wenigstens eine dieser beiden Farben markiert worden sind, gilt folglich A ∪ B = (−∞, 6] ∪ (3, ∞) = (−∞, ∞) . A ∩ B: Die Menge A ∩ B ist die Menge aller reellen Zahlen, die sowohl zur Menge A als auch zur Menge B gehören, d. h. die in Bereichen auf der Zahlengeraden liegen, welche mit beiden Farben zur Kennzeichnung der Mengen A und B markiert worden sind. In unserem Beispiel erhalten wir deshalb A ∩ B = (−∞, 6] ∩ (3, ∞) = (3, 6] . ( (

A −1

0

1

3

A∩B B 6

8

9

74

2 Grundbegriffe der Mengenlehre

A \ B: Die Menge A \ B umfasst alle reellen Zahlen, die zur Menge A = (−∞, 6], aber nicht zur Menge B = (3, ∞) gehören. Dies ist auf der Zahlengeraden der Bereich, welcher nur mit der grünen Farbe zur Kennzeichnung der Menge A, aber nicht mit der blauen Farbe zur Kennzeichnung der Menge B markiert worden ist. A\B

−1

B

(

A 0

1

3

6

8

9

Von der obigen Abbildung können wir deshalb ablesen, dass A \ B = (−∞, 6] \ (3, ∞) = (−∞, 3] gilt. A ∪ C: Zur Menge A ∪ C gehören alle reellen Zahlen, welche in wenigstens einem der beiden Intervalle A = (−∞, 6] oder C = [8, 9) liegen. Wir markieren auf der Zahlengeraden die Zahlen aus der Menge A wieder mit grüner Farbe und die Zahlen aus der Menge C mit der Farbe Cyan. Die Menge A ∪ C ist der Bereich auf der Zahlengeraden, welcher mit wenigstens einer der beiden Farben gekennzeichnet worden ist. A∪C A −1

C 0

1

3

6

8

) ) 9

Damit ergibt sich A ∪ C = (−∞, 6] ∪ [8, 9) . Im Unterschied zur Menge A ∪ B besteht die Menge A ∪ C aus zwei nicht zusammenhängenden Teilintervallen. A ∩ C: Da es keine reellen Zahlen gibt, die sowohl zur Menge A = (−∞, 6] als auch zur Menge C = [8, 9) gehören, ist der Durchschnitt der beiden Mengen A und C gleich der leeren Menge, d. h. A ∩ C = ∅. Auf der Zahlengeraden sehen wir, dass es keinen Bereich gibt, der sowohl mit der grünen Farbe zur Kennzeichnung der Menge A als auch mit der Farbe Cyan zur Kennzeichnung der Menge C markiert ist. Daraus folgt ebenfalls, dass der Durchschnitt A ∩ C gleich der leeren Menge ist. C

A −1

0

1

3

6

8

) 9

2.1 Definitionen, Schreibweisen und Mengenoperationen

75

C \ A: Die Menge C \ A umfasst alle reellen Zahlen, die zur Menge C, aber nicht zur Menge A gehören. Da alle Zahlen aus C = [8, 9) nicht in der Menge A liegen, gilt C \ A = [8, 9) \ (−∞, 6] = [8, 9) = C . Dies wird auf der Zahlengeraden dadurch deutlich, dass kein Teil der Zahlengeraden, welcher mit der Farbe Cyan zur Kennzeichnung der Menge C markiert worden ist, auch mit der grünen Farbe zur Kennzeichnung der Menge A markiert wurde. C \A C

A −1

0

1

3

6

8

) )

9

Bemerkung 2.1 Für die Mengenoperationen gelten analog zur Addition und Multiplikation mit reellen Zahlen (siehe Abschnitt 1.1) Kommutativgesetze und Assoziativgesetze. Außerdem gelten Distributivgesetze, die De Morganschen2 Regeln und Itempotenzgesetze. Alle diese Gesetze gelten in analoger Weise bezüglich von Operationen mit Ereignissen in der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Kommutativgesetze:

A ∪ B = B ∪ A,

A∩B =B∩A

Assoziativgesetze:

(A ∪ B) ∪ C = A ∪ (B ∪ C) , (A ∩ B) ∩ C = A ∩ (B ∩ C)

Distributivgesetze:

A ∪ (B ∩ C) = (A ∪ B) ∩ (A ∪ C) , A ∩ (B ∪ C) = (A ∩ B) ∪ (A ∩ C)

Idempotenzgesetze:

A ∪ A = A,

¯, De Morgansche Regeln: A ∪ B = A¯ ∩ B A ∪ ∅ = A,

A∩A=A ¯ A ∩ B = A¯ ∪ B A∩∅=∅

¯ A\B =A∩B

Die in diesem Abschnitt betrachteten Operationen mit Teilmengen reeller Zahlen spielen eine wichtige Rolle beim Lösen von Ungleichungen. Damit beschäftigen wir uns im folgenden Abschnitt.

2 Diese Regeln wurden nach dem englischen Mathematiker Augustus de Morgan, geb. 27.6.1806 in Madurai (Indien), gest. 18.3.1871 in London benannt.

76

2 Grundbegriffe der Mengenlehre

2.2

Lösen von Ungleichungen

Definition 2.6 (i)

Reelle Zahlen und Variable (für reelle Zahlen), verknüpft durch arithmetische Operationen und reelle Funktionen, bilden einen Term (oder auch Ausdruck genannt).

(ii)

Zwei Terme verknüpft durch eines der Relationszeichen „“, „≤“ oder „≥“ bilden eine Ungleichung.

(iii)

Die Menge D, deren Elemente man für die Variablen einer Ungleichung einsetzen darf, so dass damit alle Terme in der Ungleichung berechenbar sind, heißt Definitionsmenge der Ungleichung. Die Teilmenge L ⊆ D, deren Elemente beim Einsetzen für die Variablen der Ungleichung zu einer wahren Aussage führen, heißt Lösungsmenge der Ungleichung.

Bemerkung 2.2 Folgende Regeln sind bei der Bestimmung der Lösungsmenge von Ungleichungen nützlich. Seien a, b, c und d Terme. a) a ≤ b und b ≤ a ist gleichbedeutend mit a = b. b) Aus a < b und b < c folgt a < c, aus a ≤ b und b ≤ c folgt a ≤ c. c) a < b ist gleichbedeutend mit a + c < b + c und a ≤ b ist gleichbedeutend mit a + c ≤ b + c. d) Falls c > 0 , ist a < b gleichbedeutend mit a · c < b · c bzw. und

b a < c c

b a ≤ , c c d. h. werden beide Seiten einer Ungleichung mit einem positiven Term multipliziert bzw. durch einen positiven Term dividiert, dann ändert sich das Relationszeichen nicht. a ≤ b ist gleichbedeutend mit a · c ≤ b · c bzw.

2.2 Lösen von Ungleichungen

77

e) Falls c < 0 , ist a < b gleichbedeutend mit a · c > b · c bzw.

b a > c c

und

b a ≥ , c c d. h. wird die linke und rechte Seite einer Ungleichung mit einem negativen Term multipliziert bzw. durch einen negativen Term dividiert, dann ändert sich das Relationszeichen. a ≤ b ist gleichbedeutend mit a · c ≥ b · c bzw.

f) Aus 0 ≤ a und a < b folgt a2 < b2 sowie aus 0 ≤ a und a ≤ b folgt a2 ≤ b2 . Aus b ≤ 0 und a < b folgt a2 > b2 sowie aus b ≤ 0 und a ≤ b folgt a2 ≥ b2 . g) Aus a < b und c < d folgt a + c < b + d sowie aus a ≤ b und c ≤ d folgt a + c ≤ b + d . h) Aus a < b und 0 ≤ c < d und b > 0 folgt a · c < b · d sowie aus a ≤ b und 0 ≤ c ≤ d und b ≥ 0 folgt a · c ≤ b · d . i) Aus a < b und c < d ≤ 0 und a < 0 folgt a · c > b · d sowie aus a ≤ b und c ≤ d ≤ 0 und a ≤ 0 folgt a · c ≥ b · d .

Wir veranschaulichen uns die beiden Rechenregeln d) und e) an einem Zahlenbeispiel.

Beispiel 2.7 Multiplizieren wir in der Ungleichung 3 −28 , d. h. anstelle des Relationszeichens „“.

78

2 Grundbegriffe der Mengenlehre

Algorithmus 2.1 (Lösen von Ungleichungen) Bei der Bestimmung der Lösungsmenge einer Ungleichung müssen folgende Schritte durchgeführt werden: 1. Bestimmung der Definitionsmenge (oder auch Definitionsbereich genannt) 2. Anwendung von Rechenregeln zur Überführung der gegebenen Ungleichung in eine Ungleichung, von welcher man die Lösungsmenge sofort ablesen kann. Dabei sind gegebenenfalls Fallunterscheidungen durchzuführen. 3. Angabe der Lösungsmenge

Beispiel 2.8 Gesucht ist die Lösungsmenge der Ungleichung x − 9 < 4x + 12 .

(2.2)

1. Bestimmung der Definitionsmenge Sowohl die linke als auch die rechte Seite in der Ungleichung (2.2) ist für alle reellen Zahlen berechenbar. Folglich ist die Definitionsmenge D = R = (−∞, ∞) . 2. Umformung der gegebenen Ungleichung Wir formen die Ungleichung (2.2) so um, dass auf einer Seite der durch die Umformung entstehenden Ungleichung die Variable x allein steht. Dann können wir die Lösungsmenge sofort ablesen. Wir addieren beispielsweise zu beiden Seiten der Ungleichung (2.2) die Zahl 9. Dies ergibt x − 9 < 4x + 12 ⇔ x − 9 + 9 < 4x + 12 + 9 ⇔ x < 4x + 21 . Nach Subtraktion von 4x von beiden Seiten dieser Ungleichung erhalten wir x − 4x < 4x + 21 − 4x ⇔ −3x < 21 . Schließlich dividieren wir beide Seiten der obigen Ungleichung durch (−3). Dabei müssen wir beachten, dass sich das Relationszeichen in der Ungleichung ändert, denn wir dividieren durch eine negative Zahl: (−3x) 21 > ⇔ x > −7 . (−3) (−3)

(2.3)

2.2 Lösen von Ungleichungen

79

3. Angabe der Lösungsmenge Von der Ungleichung (2.3) können wir die Lösungsmenge der Ungleichung (2.2) sofort ablesen, nämlich L = {x ∈ R | x > −7} (2.4) oder in Intervallschreibweise L = (−7, ∞) . Wir können uns grob vergewissern, ob diese Lösungsmenge richtig sein kann, indem wir beispielsweise einen beliebigen Wert aus der Lösungsmenge für die Variable x in die linke und rechte Seite der gegebenen Ungleichung (2.2) einsetzen. Wir erhalten z. B. mit x = −6.9 −6.9 − 9 = −15.9

und

4 · (−6.9) + 12 = −15.6

und es gilt −15.9 < −15.6 , d. h. x = −6.9 > −7 ist tatsächlich eine Lösung der gegebenen Ungleichung. Wir setzen auch noch einen Wert für x ein, welcher nicht in der gefundenen Lösungsmenge liegt, z. B. x = −7.3. Damit gilt für die linke und rechte Seite der Ungleichung (2.2) −7.3 − 9 = −16.3 und 4 · (−7.3) + 12 = −17.2 . Da −16.3 < −17.2 ist x = −7.3 > −7 tatsächlich keine Lösung der Ungleichung (2.2). Die soeben durchgeführten Rechnungen sind natürlich keine vollständige Kontrolle dafür, dass die gefundene Lösungsmenge (2.4) tatsächlich die Lösungsmenge der Ungleichung (2.2) ist. Wir haben aber einen Hinweis dafür erhalten, dass die Lösungsmenge (2.4) die gesuchte Lösungsmenge sein kann. Beispiel 2.9 Wir ermitteln die Lösungsmenge der Ungleichung 3 > −4 . x−5 1. Bestimmung der Definitionsmenge Wir bestimmen die Menge aller reellen Zahlen, für welche man den Ausdruck auf der linken Seite der Ungleichung berechnen kann. Da eine Division durch Null nicht erklärt ist, darf der Nenner x − 5 nicht gleich Null sein, d. h. es muss x − 5 = 0 ⇔ x = 5

80

2 Grundbegriffe der Mengenlehre sein. Die Definitionsmenge ist somit die Menge D = {x ∈ R | x = 5} = (−∞, ∞) \ {5} = (−∞, 5) ∪ (5, ∞) .

2. Fallunterscheidung und Anwendung von Umformungsregeln bei Ungleichungen Bei der Bestimmung der Lösungsmenge werden wir die gegebene Ungleichung so umformen, dass auf einer Seite der Ungleichung nur noch die Variable x steht, so dass wir dann die Lösungsmenge ablesen können. Um dahin zu gelangen, werden wir u. a. beide Seiten der gegebenen Ungleichung mit dem Nenner x − 5 multiplizieren. Wir wissen (siehe Rechenregeln e) und d) aus der Bemerkung 2.2), dass das Relationszeichen in einer Ungleichung erhalten bleibt, wenn wir beide Seiten der Ungleichung mit einem positiven Term multiplizieren und dass sich das Relationszeichen ändert, wenn wir beide Seiten mit einem negativen Term multiplizieren. Da x − 5 sowohl negative Werte als auch positive Werte annehmen kann, müssen wir deshalb zwei Fälle unterscheiden, nämlich den Fall x − 5 > 0 und den Fall x − 5 < 0. Wegen x−5>0 ⇔ x>5



ist x−5

x−5 5 ⇔ x ∈ (5, ∞) < 0 für x < 5 ⇔ x ∈ (−∞, 5) .

Wenn wir demzufolge die Ungleichung für x ∈ (−∞, 5) mit dem Nenner x − 5 multiplizieren, ändert sich das Relationszeichen und im Fall x ∈ (5, ∞) nicht. Wir zerlegen deshalb die Definitionsmenge D in die beiden Teilmengen D1 = {x ∈ R | x < 5} = (−∞, 5)

D2 = {x ∈ R | x > 5} = (5, ∞)

und

D1 −1

D2

)( 0

1

1

3

4

5

6

und führen die folgende Fallunterscheidung durch. Fall 1:

x ∈ D1 = (−∞, 5)

In diesem Intervall ist x−5 < 0. Deshalb ändert sich bei der Multiplikation der beiden Seiten der gegebenen Ungleichung mit dem Nenner x − 5 das Relationszeichen, d. h. 3 3 > −4 ⇔ · (x − 5) < −4(x − 5) ⇔ 3 < −4x + 20 . x−5 x−5 Subtrahieren wir nun von beiden Seiten dieser Ungleichung 20 und dividieren wir anschließend beide Seiten durch die negative Zahl (−4), dann erhalten wir 3 − 20 < −4x + 20 − 20 ⇔ −17 < −4x ⇔

(−4x) 17 (−17) > ⇔ > x. (−4) (−4) 4

2.2 Lösen von Ungleichungen

81

 ˜ 1 = − ∞, 17 . Da wir zu dieser Die letzte Ungleichung gilt also für alle x ∈ L 4 Ungleichung unter der Voraussetzung, dass x ∈ D1 = (−∞, 5), gekommen sind, können zur Lösungsmenge auch nur die x gehören, die sowohl in der Menge D1 als ˜ 1 , liegen. ˜ 1 , d. h. im Durchschnitt der beiden Mengen D1 und L auch in der Menge L Wir erhalten deshalb als Lösungsmenge vom Fall 1 die Menge     ˜ 1 = (−∞, 5) ∩ − ∞, 17 = − ∞, 17 . L1 = D1 ∩ L 4 4 L1 D1 ˜1 L −1

Fall 2:

) ) ) 0

1

2

3

17 4

5

6

x ∈ D2 = (5, ∞)

In Intervall (5, ∞) ist x − 5 > 0. Deshalb ändert sich bei der Multiplikation der beiden Seiten der gegebenen Ungleichung mit dem Nenner x − 5 das Relationszeichen nicht, d. h. 3 3 > −4 ⇔ · (x − 5) > −4(x − 5) ⇔ 3 > −4x + 20 . x−5 x−5 Analog wie im Fall 1 erhalten wir daraus (−17) (−4x) 17 < ⇔ < x. (−4) (−4) 4

 ˜ 2 = 17 , ∞ . Bei der Bestimmung der Die letzte Ungleichung gilt also für alle x ∈ L 4 Lösungsmenge in diesem Fall müssen wir beachten, dass nur diejenigen x zur Lösungsmenge gehören können, die auch in der Menge D2 liegen, denn nur für diese x sind wir zur obigen Ungleichung gelangt. Deshalb ist im Fall 2 die Lösungsmenge die Menge   ˜ 2 = (5, ∞) ∩ 17 , ∞ = (5, ∞) . L2 = D2 ∩ L 4 3 − 20 > −4x + 20 − 20 ⇔ −17 > −4x ⇔

L2 D2 ˜2 L

( ( ( −1

0

1

2

3

17 4

5

6

3. Angabe der Lösungsmenge Die Lösungsmenge der gegebenen Ungleichung ergibt sich aus der Vereinigung der beiden Lösungsmengen L1 und L2 aus den oben betrachteten Fällen 1 und 2, d. h.  17  ∪ (5, ∞) . L = L1 ∪ L2 = − ∞, 4

82

2 Grundbegriffe der Mengenlehre

Wir setzen für x wieder stichprobenartig ein paar Werte ein, um uns zu vergewissern, ob die ermittelte Lösungsmenge tatsächlich die Lösungsmenge sein kann: x=0∈L :

3 3 = − > −4 0−5 5

x = 4.5 ∈ /L :

3 = −6 > −4 4.5 − 5

x=6∈L :

3 = 3 > −4 6−5

Wir weisen nochmals daraufhin, dass dies kein Beweis dafür ist, dass wir die korrekte Lösungsmenge gefunden haben. Hinweis: Ob bei der Fallunterscheidung tatsächlich die gesamte Definitionsmenge D betrachtet wurde, lässt sich leicht überprüfen. Es muss D = D1 ∪ · · · ∪ Dm gelten, wenn m Fälle in der Fallunterscheidung auftreten. In unserem Beispiel gilt D1 ∪ D2 = (−∞, 5) ∪ (5, ∞) = {x ∈ R | x = 5} = D .

Beispiel 2.10 Gesucht ist die Lösungsmenge der Ungleichung x−7 < x. 6 + 3x

(2.5)

1. Bestimmung der Definitionsmenge Wir bestimmen die Menge aller reellen Zahlen, welche wir in der linken und rechten Seite der Ungleichung für die Variable x einsetzen können, so dass die linke und rechte Seite berechenbar sind. Auf der linken Seite der gegebenen Ungleichung steht ein Quotient. Da eine Division durch Null nicht erklärt ist, können wir die linke Seite also für alle die x nicht berechnen, für welche 6 + 3x = 0 gilt. Aus dieser Beziehung erhalten 3x = −6 ⇔ x = −2 . Demzufolge ist die linke Seite der Ungleichung (2.5) für x = −2 nicht berechenbar. Setzen wir eine beliebige von −2 verschiedene reelle Zahl für x ein, dann kann die linke und rechte Seite der Ungleichung berechnet werden. Folglich ist der Definitionsbereich der Ungleichung die Menge D = {x ∈ R | x = −2} = (−∞, ∞) \ {−2} = (−∞, −2) ∪ (−2, ∞) .

2.2 Lösen von Ungleichungen

83

2. Fallunterscheidung und Anwendung von Umformungsregeln bei Ungleichungen Zur Ermittlung der Lösungsmenge der gegebenen Ungleichung formen wir diese so um, dass wir eine Ungleichung erhalten, von der wir leicht ablesen können, für welche reellen Zahlen sie gilt. Dafür ist es zweckmäßig, zuerst die linke und rechte Seite der Ungleichung (2.5) mit dem Nenner der linken Seite zu multiplizieren. Dabei müssen wir aufgrund der Rechenregeln d) und e) aus der Bemerkung 2.2 beachten, dass der Nenner 6 + 3x bei x = −2 sein Vorzeichen wechselt, d. h. es gilt ⎧ ⎨ > 0 für 6 > −3x ⇔ −2 < x ⇔ x ∈ (−2, ∞) , 6 + 3x (2.6) ⎩ < 0 für 6 < −3x ⇔ −2 > x ⇔ x ∈ (−∞, −2) . Folglich ändert sich in der Ungleichung (2.5) das Relationszeichen, wenn wir beide Seiten mit dem Nenner 6 + 3x für x < −2 multiplizieren. Für x > −2 ändert sich hingegen das Relationszeichen nicht. Wir zerlegen deshalb die Definitionsmenge D in die beiden Teilmengen D1 = {x ∈ R | x < −2} = (−∞, −2) und D2 = {x ∈ R | x > −2} = (−2, ∞) D1

D2

)( −3 −2 −1

0

1

und betrachten die Ungleichung über den beiden Teilbereichen D1 und D2 getrennt, d. h. wir führen die folgende Fallunterscheidung durch: Fall 1:

x ∈ D1 = (−∞, −2)

Da in diesem Intervall 6 + 3x < 0 gilt, ändert sich beim Multiplizieren der linken und der rechten Seite der Ungleichung (2.5) mit 6 + 3x das Relationszeichen. Wir erhalten x−7 x−7 x · (6 + 3x) ⇔ x − 7 > x(6 + 3x) . 6 + 3x 6 + 3x Wir formen diese Ungleichung weiter um. Ausmultiplizieren des Ausdrucks auf der rechten Seite ergibt x − 7 > x(6 + 3x) ⇔ x − 7 > 6x + 3x2 ⇔ x − 7 > 3x2 + 6x . Nach Addition von 7 zu beiden Seiten dieser Ungleichung, Subtraktion von x von beiden Seiten der Ungleichung und anschließender Division beider Seiten der Ungleichung durch 3 erhalten wir x − 7 > 3x2 + 6x ⇔ x − 7 + 7 > 3x2 + 6x + 7 ⇔ x > 3x2 + 6x + 7 ⇔ x − x > 3x2 + 6x + 7 − x ⇔ 0 > 3x2 + 5x + 7 7 5 ⇔ 0 > x2 + x + . 3 3

84

2 Grundbegriffe der Mengenlehre Von dieser Ungleichung lässt sich noch nicht ohne Weiteres ablesen, für welche reellen Zahlen sie erfüllt ist. Wir führen deshalb eine weitere Umformung mittels quadratischer Ergänzung durch (siehe Algorithmus 1.1 im Abschnitt 1.5):   7 5 5 2 7  5 2 5 2 7 25 ⇔ 0> x+ + − ⇔ 0> x+ + − 0 > x2 + x + 3 3 6 3 6 6 3 36     2 2 5 84 − 25 5 59 ⇔ 0> x+ + + ⇔ 0> x+ 6 36 6 36 5 2 59  > x+ . ⇔ − 36 6 Auf der linken Seite der letzten Ungleichung steht eine negative Zahl und auf der rechten Seite ein quadratischer Term, der immer nicht negativ ist. Da eine negative Zahl niemals größer als eine nicht negative Zahl ist, wird diese Ungleichung für keine reelle Zahl x erfüllt. Folglich ist die Lösungsmenge im jetzt betrachteten Fall, nämlich x ∈ (−∞, −2), die leere Menge, d. h. L1 = ∅ . Fall 2:

x ∈ D2 = (−2, ∞)

In diesem Intervall gilt 6 + 3x > 0 (siehe (2.6)). Folglich ändert sich bei der Multiplikation der linken und rechten Seite der Ungleichung (2.5) mit dem Term 6 + 3x das Relationszeichen nicht, d. h. x−7 < x ⇔ x − 7 < x(6 + 3x) . 6 + 3x Analoge Umformungen wie im Fall 1 ergeben 5 2 59  (2.7) < x+ . 36 6 Die letzte Ungleichung gilt für alle reellen Zahlen x, da der Term auf der linken Seite negativ und der Term auf der rechten Seite als Quadrat einer reellen Zahl nicht negativ ist. Folglich ist die Menge aller x, welche die Ungleichung (2.7) ˜2, erfüllen, die Menge aller reellen Zahlen. Wir bezeichnen diese Menge mit L ˜ d. h. L2 = R = (−∞, ∞). Wir müssen aber noch beachten, dass in dem derzeit betrachteten Fall nur Werte für x aus der Menge D2 zulässig sind. Daher gehören zur Lösungsmenge der gegebenen Ungleichung (2.5) nur alle die x, die sowohl in der ˜ 2 liegen. Somit erhalten wir die Lösungsmenge Menge D2 als auch in der Menge L x − 7 < x(6 + 3x) ⇔ −

˜ 2 = (−2, ∞) ∩ (−∞, ∞) = (−2, ∞) . L2 = D2 ∩ L ( ( −2 −1

L2 D2 ˜2 L 0

1

2.2 Lösen von Ungleichungen

85

3. Angabe der Lösungsmenge: Die Lösungsmenge für die gegebene Ungleichung (2.5) ergibt sich aus der Vereinigung der Lösungsmengen aus den beiden Fällen 1 und 2, d. h. L = L1 ∪ L2 = ∅ ∪ (−2, ∞) = (−2, ∞) .

Im Folgenden betrachten wir noch Ungleichungen, in denen Beträge vorkommen. Deshalb wiederholen wir die Definition des Betrags einer reellen Zahl (siehe Definition 1.1 im Abschnitt 1.2): Der Betrag einer reellen Zahl x ist definiert durch ⎧ ⎨ x , falls x ≥ 0 ⇔ x ∈ [0, ∞) , |x| = ⎩ −x , falls x < 0 ⇔ x ∈ (−∞, 0) .

(2.8)

Beispiel 2.11 Welche reellen Zahlen erfüllen die Ungleichung |x| < 5 ?

(2.9)

1. Bestimmung der Definitionsmenge Da wir den Betrag von jeder reellen Zahl berechnen können, ist die Definitionsmenge dieser Ungleichung die Menge aller reellen Zahlen, d. h. D = R. 2. Fallunterscheidung Gemäß der Definition (2.8) des Betrags einer reellen Zahl betrachten wir die beiden Fälle x < 0, d. h. x ∈ D1 = (−∞, 0), und x ≥ 0, d. h. x ∈ D2 = [0, ∞). Fall 1: x ∈ D1 = (−∞, 0) In diesem Intervall gilt, da x < 0 (siehe auch (2.8)), |x| = −x . Damit hat die Ungleichung (2.9) die Form −x < 5 . Multiplizieren wir beide Seiten dieser Ungleichung mit (−1), erhalten wir x > −5 .

(2.10)

86

2 Grundbegriffe der Mengenlehre Da im betrachteten Fall x ∈ (−∞, 0) vorausgesetzt wird, haben wir zusätzlich noch die Bedingung x < 0. Zusammen mit der Ungleichung (2.10) ergibt sich deshalb im betrachteten Fall die Menge L1 = {x ∈ R | − 5 < x < 0} = (−5, 0) als Lösungsmenge der Ungleichung (2.9). Fall 2: x ∈ D2 = [0, ∞) Im Intervall [0, ∞) gilt |x| = x, da x ≥ 0. Somit kann die Ungleichung (2.9) in der Form x a ⇔ x < −a oder x > a ,

(2.13)

|x| ≥ a ⇔ x ≤ −a oder x ≥ a .

(2.14)

Beispiel 2.13 In der mathematischen und in der geodätischen Statistik betrachtet man beispielsweise folgendes Problem. Die Länge einer Strecke sei n-mal gemessen worden. Die n Messwerte sind aufgrund von Messabweichungen in der Regel voneinander verschieden. Man bildet deshalb beispielsweise den arithmetischen Mittelwert der Messwerte und nutzt diesen als Näherungswert für die tatsächliche Länge der Strecke. Dann interessiert man sich u.a. für die Wahrscheinlichkeit, mit welcher sich der arithmetische Mittelwert X der Messergebnisse von der tatsächlichen Länge X ∗ der Strecke um weniger als einen vorgegebenen Wert c unterscheidet. Wie können wir die Tatsache mathematisch ausdrücken, dass sich der arithmetische Mittelwert X um weniger als c von der tatsächlichen Länge X ∗ der Strecke unterscheidet? Wenn sich X und X ∗ um weniger als c unterscheiden sollen, muss X < X∗ + c

und

X > X∗ − c ,

X∗ − c < X < X∗ + c ,

d. h.

gelten. Die letzte Ungleichungskette können wir auch in der Form −c < X − X ∗ < c aufschreiben. Aufgrund der Beziehungen (2.11) ist dies äquivalent zur Ungleichung |X − X ∗ | < c .

Allgemein gilt mit vorgegebenen reellen Zahlen b und c mit c > 0: |x − b| < c ⇔ −c < x − b < c ⇔ −c + b < x < c + b ,

(2.15)

|x − b| ≤ c ⇔ −c ≤ x − b ≤ c ⇔ −c + b ≤ x ≤ c + b ,

(2.16)

|x − b| > c ⇔ x − b < −c

oder

x−b>c

(2.17)

⇔ x < −c + b

oder

x > c + b,

|x − b| ≥ c ⇔ x − b ≤ −c

oder

x−b≥c

⇔ x ≤ −c + b

oder

x ≥ c + b.

(2.18)

88

2 Grundbegriffe der Mengenlehre

Beispiel 2.14 Gesucht ist die Lösungsmenge der Ungleichung |x − 4| ≤ 6 .

(2.19)

Gemäß der Beziehung (2.16) ist die Ungleichung (2.19) äquivalent zur Ungleichung −6 ≤ x − 4 ≤ 6 ⇔ −6 + 4 ≤ x ≤ 6 + 4 ⇔ −2 ≤ x ≤ 10 . Die Lösungsmenge der Ungleichung (2.19) ist folglich die Menge L = {x ∈ R | − 2 ≤ x ≤ 10} = [−2, 10] .

Beispiel 2.15 Gesucht ist die Lösungsmenge der Ungleichung |x − 2| ≤ |x + 4| .

(2.20)

1. Bestimmung der Definitionsmenge Da die beiden Terme |x − 2| und |x + 4| für jede beliebige reelle Zahl x berechnet werden können, lautet die Definitionsmenge der Ungleichung D = R = (−∞, ∞) . 2. Fallunterscheidung Im Folgenden wollen wir die Ungleichung (2.20) derart aufschreiben, dass sie keine Ausdrücke mit Beträgen mehr enthält. Dann können wir die Ungleichung durch einfache Umformungen in eine Form überführen, von welcher sich die Lösungsmenge leicht ablesen lässt. Gemäß der Definition 1.1 des Betrags einer reellen Zahl (siehe auch (2.8) mit x − 2 bzw. x + 4 anstelle von x) gilt für die in der Ungleichung auftretenden Ausdrücke mit Beträgen ⎧ ⎨ x − 2 , falls x − 2 ≥ 0 ⇔ x ≥ 2 ⇔ x ∈ [2, ∞) (2.21) |x − 2| = ⎩−(x − 2) , falls x − 2 < 0 ⇔ x < 2 ⇔ x ∈ (−∞, 2) und |x + 4| =

⎧ ⎨

x + 4 , falls x + 4 ≥ 0 ⇔ x ≥ −4 ⇔ x ∈ [−4, ∞) ⎩−(x + 4) , falls x + 4 < 0 ⇔ x < −4 ⇔ x ∈ (−∞, −4) .

(2.22)

Wir haben also zwei Stellen, nämlich x = −4 und x = 2, die bei der Auflösung der Beträge eine besondere Rolle spielen. Derartige Stellen werden auch als kritische Stellen bezeichnet. Dies sind genau die Stellen, bei denen x−2=0

bzw.

x+4=0

2.2 Lösen von Ungleichungen

89

gilt. Wie schon oben bemerkt, wollen wir für die Bestimmung der Lösungsmenge der gegebenen Ungleichung die Beträge auflösen. Deshalb zerlegen wir den Definitionsbereich D in Teilintervalle, in denen eine einheitliche Beziehung für das Auflösen der Beträge gilt. Dabei wählen wir die kritischen Stellen als Grenzen der Teilintervalle. Wir betrachten also in unserem Beispiel die Teilintervalle D1 = {x ∈ R | x < −4} = (−∞, −4) , D2 = {x ∈ R | − 4 ≤ x < 2} = [−4, 2) und D3 = {x ∈ R | 2 ≤ x} = [2, ∞) .

D1

Fall 1:

[ )

D2

−4

−1

[ ) 0

1

D3

2

x ∈ D1 = (−∞, −4)

Wir überlegen uns, wie wir in diesem Intervall die Beträge |x − 2| und |x + 4| durch Ausdrücke ohne Beträge ersetzen können. Für unsere Überlegung nutzen wir die Beziehungen (2.21) und (2.22). Aufgrund der Teilmengenbeziehung (−∞, −4) ⊂ (−∞, 2) gilt in D1 (siehe (2.21)) |x − 2| = −(x − 2) = −x + 2 und wegen (2.22) gilt in D1 = (−∞, −4) |x + 4| = −(x + 4) = −x − 4 . Die Ungleichung (2.20) lautet somit −x + 2 ≤ −x − 4 . Diese können wir, indem wir x zu beiden Seiten der Ungleichung addieren, wie folgt umformen: −x + 2 ≤ −x − 4 ⇔ 2 ≤ −4 . Die letzte Ungleichung ist für keine reelle Zahl erfüllt. Somit erhalten wir im gerade betrachteten Fall 1 die Lösungsmenge L1 = ∅ . Fall 2:

x ∈ D2 = [−4, 2)

Aufgrund der Teilmengenbeziehung [−4, 2) ⊂ (−∞, 2) gilt wegen (2.21) in D2 |x − 2| = −(x − 2) = −x + 2

90

2 Grundbegriffe der Mengenlehre und wegen [−4, 2) ⊂ [−4, ∞) sowie (2.22) |x + 4| = x + 4 . Damit ergibt sich für die gegebene Ungleichung |x − 2| ≤ |x + 4| ⇔ −x + 2 ≤ x + 4 ⇔ 2 ≤ 2x + 4 ⇔ −2 ≤ 2x ⇔ −1 ≤ x

⇔ x ≥ −1 .

Wir erhalten also zunächst als Menge aller x, welche diese Ungleichung erfüllen, die Menge ˜ 2 = {x ∈ R | x ≥ −1} = [−1, ∞) . L Wir müssen aber noch berücksichtigen, dass wir die obigen Umformungen unter der Annahme, dass x ∈ D2 = [−4, 2) gilt, durchgeführt haben. Zur Lösungsmenge ˜ 2 als auch in gehören daher nur die reellen Zahlen, die sowohl in der Menge L ˜2 der Menge D2 liegen, d. h. die zum Durchschnitt der beiden Mengen D2 und L gehören. Deshalb erhalten wir als Lösungsmenge im Fall 2 ˜ 2 = [−4, 2) ∩ [−1, ∞) = [−1, 2) . L2 = D2 ∩ L L2

[

) ˜2 L

[

Fall 3:

[

D2

−4

−1

) 0

1

2

x ∈ D3 = [2, ∞)

Wegen (2.21) gilt in D3 = [2, ∞) |x − 2| = x − 2 und aufgrund der Teilmengenbeziehung [2, ∞) ⊂ [−4, ∞) gilt wegen (2.22) |x + 4| = x + 4 , so dass wir die gegebene Ungleichung wie folgt umformen können |x − 2| ≤ |x + 4| ⇔ x − 2 ≤ x + 4 ⇔ −2 ≤ 4 . Diese Ungleichung ist natürlich erfüllt. Wir erhalten deshalb als Lösungsmenge im Fall 3 L3 = D3 = [2, ∞) .

2.2 Lösen von Ungleichungen

91

3. Angabe der Lösungsmenge Die Gesamtlösungsmenge der Ungleichung (2.20) erhalten wir aus der Vereinigung der drei Lösungsmengen L1 , L2 und L3 aus den Fällen 1 bis 3: L = L1 ∪ L2 ∪ L3 = ∅ ∪ [−1, 2) ∪ [2, ∞) = [−1, ∞) . L

[ L2

[ −2 −1

[ )

0

1

L3

2

Wir überprüfen noch, ob wir bei der Fallunterscheidung den gesamten Definitionsbereich D = R berücksichtigt haben. Wegen D1 ∪ D2 ∪ D3 = (−∞, −4) ∪ [−4, 2) ∪ [2, ∞) = (−∞, ∞) = R = D ist dies tatsächlich der Fall. Zum Abschluss dieses Abschnitts geben wir noch zwei Ungleichungen mit Beträgen an, auf welche wir später oft zurückgreifen werden. Für beliebige reelle Zahlen a und b gilt |a ± b| ≤ |a| + |b| ,   |a| − |b| ≤ |a ± b| .

(2.23) (2.24)

Die Ungleichung (2.23) wird auch als Dreiecksungleichung bezeichnet. Die Gültigkeit dieser Ungleichung lässt sich leicht nachweisen. Wegen |a| ≤ |a| und |b| ≤ |b| gilt unter Nutzung der Beziehung (2.12) mit x = a bzw. x = b −|a| ≤ a ≤ |a|

und

− |b| ≤ b ≤ |b| .

Addition dieser beiden Ungleichungsketten liefert (siehe g) in der Bemerkung 2.2) −|a| − |b| ≤ a + b ≤ |a| + |b| ⇔ −(|a| + |b|) ≤ a + b ≤ |a| + |b| . Daraus folgt unter Anwendung der Beziehungen (2.12) |a + b| ≤ |a| + |b| . Ersetzen wir in dieser Ungleichung b durch −b, so ergibt sich |a + (−b)| ≤ |a| + | − b| ⇔ |a − b| ≤ |a| + |b| .

92

2 Grundbegriffe der Mengenlehre

Damit haben wir die Gültigkeit der Ungleichung (2.23) gezeigt. Von der Richtigkeit der Ungleichung (2.24) können wir uns wie folgt überzeugen. Mit a = a + b − b = (a + b) − b erhalten wir unter Nutzung der Dreiecksungleichung (2.23) |a| = |(a + b) − b| ≤ |a + b| + |b| ⇔ |a| − |b| ≤ |a + b|

(2.25)

und mit b = b + a − a = (a + b) − a die Ungleichung |b| = |(a + b) − a| ≤ |a + b| + |a| ⇔ |b| − |a| ≤ |a + b|

(2.26)

⇔ −(|b| − |a|) ≥ −|a + b| ⇔ |a| − |b| ≥ −|a + b| . Aus den jeweils letzten Ungleichungen in (2.25) und (2.26) folgt −|a + b| ≤ |a| − |b| ≤ |a + b| was aufgrund der Beziehungen (2.12) äquivalent zu   |a| − |b| ≤ |a + b| ist. Ersetzen wir wieder b durch −b, so erhalten wir die Ungleichung     |a| − | − b| ≤ |a + (−b)| ⇔ |a| − |b| ≤ |a − b| . Damit haben wir auch die Gültigkeit der Ungleichung (2.24) bewiesen.

Bemerkung 2.3 Wenn a und b das gleiche Vorzeichen haben, d. h. wenn a ≥ 0 und b ≥ 0 oder a < 0 und b < 0, dann gilt sogar |a + b| = |a| + |b| . (siehe (1.14) im Abschnitt 1.2). Die Dreiecksungleichung (2.23) lässt sich auf den Fall von mehr als zwei Summanden verallgemeinern. Wir erhalten z. B. bei drei Summanden a1 , a2 und a3 durch zweimaliges Anwenden der Ungleichung (2.23) |a1 + a2 + a3 | = |(a1 + a2 ) + a3 | ≤ |a1 + a2 | + |a3 | ≤ |a1 | + |a2 | + |a3 | . Allgemein gilt |a1 + a2 + · · · + an | ≤ |a1 | + |a2 | + · · · + |an | .

(2.27)

2.3 Produktmengen und Abbildungen

2.3

93

Produktmengen und Abbildungen

Bei einer Menge spielt die Anordnung ihrer Elemente keine Rolle, z. B. sind die Mengen A = {1, 3} und B = {3, 1} gleich. Im Folgenden betrachten wir Elementepaare, bei denen die Reihenfolge von Bedeutung ist.

Definition 2.7 Ein Elementepaar, das aus den beiden Elementen a und b besteht und bei dem die Reihenfolge der Anordnung berücksichtigt wird, nennt man geordnetes Paar. Wir schreiben dafür (a, b). Dabei heißt a erste und b zweite Komponente des geordneten Paares.

Zwei geordnete Paare (a1 , b1 ) und (a2 , b2 ) sind genau dann gleich, wenn jeweils die ersten und zweiten Komponenten übereinstimmen, d. h. (a1 , b1 ) = (a2 , b2 ) genau dann, wenn a1 = a2 und b1 = b2 gilt .

Definition 2.8 Unter der Produktmenge von A und B versteht man die Menge aller geordneten Paare (a, b), deren erste Komponente a Element der Menge A ist und deren zweite Komponente b zur Menge B gehört. Schreibweise:

A×B

Sprechweise:

„A kreuz B“

Produktmengen lassen sich wie folgt geometrisch veranschaulichen. Man wählt ein Koordinatensystem mit zwei senkrecht aufeinander stehenden Achsen. Auf der waagerechten Achse wird die erste und auf der senkrechten Achse die zweite Komponente dargestellt. Beispiel 2.16 a) Gegeben seien die beiden Mengen A = {1, 2, 4}

und

B = {3, 6} .

Damit erhalten wir die beiden Produktmengen A × B = {(1, 3), (1, 6), (2, 3), (2, 6), (4, 3), (4, 6)} , B × A = {(3, 1), (3, 2), (3, 4), (6, 1), (6, 2), (6, 4)} . Diese beiden Mengen veranschaulichen wir in der Abbildung 2.2.

94

2 Grundbegriffe der Mengenlehre

6

6 s

s

s

5

c

4 3

s

s

c

c c

2 1

s A×B

s c c

c B×A -

1

2

3

4

5

Abb. 2.2 Darstellung von A × B und B × A aus dem Beispiel 2.16a)

6

b) Mittels der beiden Mengen A = {x ∈ R | − 4 ≤ x ≤ 1} = [−4, 1] und B = {y ∈ R | 3 ≤ y ≤ 6} = [3, 6] können wir die beiden Produktmengen A × B = {(x, y) ∈ R × R | − 4 ≤ x ≤ 1 und 3 ≤ y ≤ 6} = [−4, 1] × [3, 6] und B × A = {(y, x) ∈ R × R | 3 ≤ y ≤ 6 und − 4 ≤ x ≤ 1} = [3, 6] × [−4, 1] bilden. Diese beiden Produktmengen sind in der Abbildung 2.3 dargestellt. 7 6

6

A×B 3 2 1 -4 -3 -2 -1 -1 -2

1

2 3

6 7

B×A

-3 -4

Abb. 2.3 Darstellung der Produktmengen A × B und B × A aus dem Beispiel 2.16b)

2.3 Produktmengen und Abbildungen

95

c) Produktmengen treten auch auf, wenn man sich mit Funktionen mehrerer reeller Veränderlicher beschäftigt. Beispielsweise ist der Definitionsbereich von Funktionen, welche von zwei Variablen abhängen, eine Teilmenge der Produktmenge R×R. Wir bezeichnen die Menge R × R auch kurz mit R2 . Wie die Beispiele 2.16a) und b) zeigen, ist die Bildung von Produktmengen im Allgemeinen nicht kommutativ, d. h.: Im Allgemeinen gilt A × B = B × A .

Definition 2.9 Eine Abbildung F aus der Menge D in die Menge W ist eine Teilmenge der Produktmenge D × W , d. h. eine Menge von geordneten Paaren, deren erste Komponente Element der Menge D und deren zweite Komponente Element der Menge W ist. Man schreibt: F : D→W. Die Menge DF = {x | (x, y) ∈ F } heißt Definitionsbereich der Abbildung F und die Menge WF = {y | (x, y) ∈ F } Wertebereich von F . Die Elemente der Menge DF nennen wir Urbilder und die Elemente der Menge WF Bilder der Abbildung F .

Definition 2.10 Eine Abbildung F heißt eindeutig oder Funktion genau dann, wenn jedem x ∈ DF genau ein Bildelement y ∈ WF zugeordnet wird. Andernfalls heißt die Abbildung mehrdeutig.

Beispiel 2.17 Gegeben seien die Mengen D = {1, 2, 4}

und

W = {3, 6}

96

2 Grundbegriffe der Mengenlehre

(siehe auch Beispiel 2.16a)) sowie die Abbildungen F1 = {(1, 3), (1, 6), (2, 3), (2, 6), (4, 3), (4, 6)} , DF1 = {1, 2, 4} , WF1 = {3, 6} , F2 = {(1, 3), (2, 3), (4, 6)} ,

DF2 = {1, 2, 4} , WF2 = {3, 6} ,

F3 = {(1, 3), (1, 6), (2, 3)} ,

DF3 = {1, 2} ,

WF3 = {3, 6} ,

F4 = {(2, 3), (4, 6)} ,

DF4 = {2, 4} ,

WF4 = {3, 6}

(siehe Abbildung 2.4). F1

6 6r r 5 4 3 2 1

r r

r

6 6

r

5 4 3 2 1

1 2 3 4

F2

r r r -

1 2 3 4

6 6r 5 4 3 2 1

F3

6 6

r r 1 2 3 4

5 4 3 2 1

F4

r r -

1 2 3 4

Abb. 2.4 Darstellung der Abbildungen F1 , F2 , F3 und F4

F2 und F4 sind Funktionen, denn jedem Element aus dem Definitionsbereich dieser Abbildungen wird jeweils genau ein Bildelement zugeordnet. F1 und F3 sind keine Funktionen, denn zum Beispiel werden dem Urbild 1 zwei Bildelemente zugeordnet.

Definition 2.11 Eine Funktion F heißt eineindeutig, wenn zu jedem Bildelement y ∈ WF genau ein Urbild x ∈ DF existiert. Die Menge aller geordneten Paare (y, x) mit (x, y) ∈ F nennt man inverse Funktion oder Umkehrfunktion der eineindeutigen Funktion F .

Die Abbildung F4 aus dem Beispiel 2.17 ist eine eineindeutige Abbildung, denn jedem Urbild wird genau ein Bildelement zugeordnet und zu jedem der beiden Bildelemente 3 und 6 existiert genau ein Urbild. Beispiel 2.18 a) Wir betrachten die Abbildung F1 = {(x, y) ∈ R × R | x ≥ 0 , y = x2 } .

2.3 Produktmengen und Abbildungen

97

Diese Abbildung hat den Definitionsbereich DF1 = [0, ∞) und wegen y = x2 ≥ 0 den Wertebereich WF1 = [0, ∞). Die Abbildung F1 ist eine eineindeutige Abbildung, denn jedem x∗ ∈ DF1 wird genau ein y∗ ∈ WF1 zugeordnet, nämlich y∗ = x2∗ , und zu jedem y∗∗ ∈ WF1 gibt es √ genau ein x∗∗ ∈ DF1 , nämlich x∗∗ = y∗∗ (siehe Abbildung 2.5). Die Abbildung F2 = {(y, x) ∈ R × R | x ≥ 0 , y = x2 } hat wegen x ≥ 0, den Wertebereich WF2 = [0, ∞) und wegen y = x2 ≥ 0 den Definitionsbereich DF2 = [0, ∞). Die Abbildung F2 ist ebenfalls eine eineindeutige Abbildung, denn jedem y∗ ∈ DF2 = [0, ∞) wird genau ein x∗ ∈ WF2 = [0, ∞) √ zugeordnet, nämlich x2∗ = y∗ , d. h. x∗ = y∗ ≥ 0, und zu jedem x∗∗ ∈ WF2 existiert genau ein y∗∗ ∈ DF2 , nämlich y∗∗ = x2∗∗ . F2 ist die inverse Funktion von F1 . y y∗∗

6

x

F1

y∗ = x2∗

F2 √ x∗ = y ∗

1 x∗∗ = 0

6

1 x∗



y∗∗

x

1 x∗∗ 0

y∗∗ = x2∗∗ 1

y∗

y

Abb. 2.5 Darstellung der Abbildungen F1 und F2

b) Die Abbildung F3 = {(x, y) ∈ R × R | − ∞ < x < ∞ , y = x2 } ist eine eindeutige Abbildung, denn jedem x∗ ∈ DF3 = (−∞, ∞) wird genau ein y∗ ∈ WF3 = [0, ∞) zugeordnet, nämlich y∗ = x2∗ (siehe Abbildung 2.6). Sie ist aber nicht eineindeutig, denn zu jedem y∗∗ ∈ WF3 mit y∗∗ = 0 existieren zwei Werte √ √ x∗∗ ∈ DF3 , nämlich x∗∗,1 = y∗∗ und x∗∗,2 = − y∗∗ . Die Abbildung F4 = {(y, x) ∈ R × R | − ∞ < x < ∞ , y = x2 } ist keine eindeutige Abbildung, denn jedem Urbild y∗ ∈ DF4 = [0, ∞) wird x2∗ = y∗ √ √ zugeordnet, und damit für y∗ = 0 die zwei Werte x∗,1 = y∗ sowie x∗,2 = − y∗ . Die unterschiedlichen Eigenschaften der Abbildungen F1 und F3 bzw. F2 und F4 werden nur durch die unterschiedlichen Bereiche für x hervorgerufen, nämlich x ≥ 0 bei den Abbildungen F1 sowie F3 und −∞ < x < ∞ bei den Abbildungen F2 und F4 .

98

2 Grundbegriffe der Mengenlehre y y∗ = x2∗

6

x

F3

6

y∗∗ x∗,1 = 1

0 √ x∗∗,2 = − y∗∗



y∗

F4

1

1

x

x∗

x∗∗,1 =



y∗∗

Abb. 2.6 Darstellung der Abbildungen F3 und F4

0 √ x∗,2 = − y∗

1

y∗

y

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Übersicht 3.1 3.2 3.3

Definition und Eigenschaften von Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Grundfunktionen und elementare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Lösung nichtlinearer Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

Nachdem wir uns im vorangegangenen Kapitel allgemein mit Mengen und Abbildungen beschäftigt haben, betrachten wir in diesem Kapitel eine spezielle Klasse von eindeutigen Abbildungen, nämlich reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen. Dies sind Abbildungen, bei denen sowohl der Definitionsbereich als auch der Wertebereich eine Teilmenge der reellen Zahlen ist. Im ersten Abschnitt dieses Kapitels diskutieren wir allgemeine Eigenschaften von Funktionen wie Monotonie, Beschränktheit, Umkehrbarkeit, Symmetrie und Periodizität. Danach werden wir spezielle Klassen von Funktionen einer reellen Veränderlichen kennenlernen. Die trigonometrischen Funktionen und deren Umkehrfunktionen sind beispielsweise für Berechnungen in der Kartographie und der Geodäsie von besonderer Bedeutung. Man benötigt diese bei Dreiecksberechnungen, bei Koordinatentransformationen, bei der mathematischen Beschreibung der Erde mit Hilfe einer Kugel oder eines Rotationsellipsoids, bei der Abbildung der Kugeloberfläche in eine Ebene, d. h. bei der Erstellung von Karten, und bei der Berechnung von Entfernungen auf der Kugeloberfläche. Eine andere wichtige Klasse von Funktionen sind die Polynome. Der Vorteil von Polynomen ist, dass zur Berechnung der Funktionswerte nur die Grundrechenoperationen Addition, Subtraktion und Multiplikation erforderlich sind. Dies sind genau die Operationen, welche leicht auf einem Computer realisierbar sind. Die Berechnung von Funktionswerten anderer Funktionen führt man häufig auf die Berechnung von Funktionswerten von Polynomen zurück, indem man die jeweilige Funktion durch ein Polynom annähert. Polynome werden auch zur mathematischen Beschreibung von Kurven genutzt, z. B. um Straßen- und Flussverläufe auf Karten darstellen zu können.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 M. Jung, Mathematische Grundlagen für die Natur- und Ingenieurwissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03266-1_3

100

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Im dritten Abschnitt dieses Kapitels beschäftigen wir uns mit der Lösung von sogenannten nichtlinearen Gleichungen. Typische Beispiele für nichtlineare Gleichungen sind quadratische Gleichungen, für welche wir aus der Schulmathematik eine Formel zur Bestimmung der Lösungen kennen. Wir werden jetzt auch Methoden kennenlernen, wie man einige Gleichungen, welche Funktionsausdrücke von Exponential- und Logarithmusfunktionen bzw. trigonometrischer Funktionen enthalten, lösen kann.

3.1

Definition und Eigenschaften von Funktionen

Zuerst definieren wir in diesem Abschnitt den Begriff der reellen Funktion einer reellen Veränderlichen. Danach diskutieren wir allgemeine Eigenschaften von Funktionen. Zur Demonstration dieser Eigenschaften nutzen wir in diesem Abschnitt nur lineare und quadratische Funktionen sowie die Quadratwurzelfunktion. Wir setzen voraus, dass diese Funktionen aus der Schulmathematik bekannt sind.

Definition 3.1 Eine eindeutige Abbildung f aus der Menge der reellen Zahlen in die Menge der reellen Zahlen nennt man reelle Funktion einer reellen Veränderlichen. Man schreibt beispielsweise f : Df ⊆ R −→ Wf ⊆ R oder y = f (x). Dabei bezeichnet man die Urbilder x als Argumente oder unabhängige Veränderliche (Variable) der Funktion f und die Bilder y = f (x) werden als Funktionswerte bezeichnet. Die Menge aller Argumente x, die betrachtet werden, bildet den Definitionsbereich Df der Funktion und die Menge aller zugehörigen Funktionswerte y = f (x) den Wertebereich Wf .

Bemerkung 3.1 Zum größtmöglichen Definitionsbereich Df der Funktion y = f (x) gehören alle reellen Zahlen x, für welche man den Ausdruck f (x) berechnen kann. Mit anderen Worten: Den größtmöglichen Definitionsbereich erhalten wir, wenn wir aus der Menge aller reellen Zahlen diejenigen ausschließen, für welche f (x) nicht berechenbar ist. Der zugehörige Wertebereich sind alle die reellen Zahlen, die wir erhalten, wenn wir f (x) für alle x ∈ Df berechnen.

3.1 Definition und Eigenschaften von Funktionen

101

Funktionen können auf verschiedene Weise dargestellt werden. Angabe einer Wertetabelle Man gibt sich n ausgewählte Argumente x1 , x2 , . . . , xn aus dem Definitionsbereich der Funktion vor und berechnet jeweils den zugehörigen Funktionswert y1 = f (x1 ), y2 = f (x2 ), . . . , yn = f (xn ). Die Wertepaare (xi , yi ) = (xi , f (xi )), i = 1, 2, . . . , n, werden in einer sogenannten Wertetabelle zusammengestellt. Beispiel 3.1 Für die Funktion y = f (x) = x2 ist die folgende Tabelle eine Wertetabelle. xi

−2

−1.8

−1.5

−1

−0.5

0

0.5

1

1.5

2

yi = f (xi )

4

3.24

2.25

1

0.25

0

0.25

1

2.25

4

Die Wertepaare (xi , yi ), i = 1, 2, . . . , n, kann man grafisch veranschaulichen. Man ordnet jedem Wertepaar (xi , yi ) aus der Wertetabelle den Punkt mit den Koordinaten xi und yi in einem Koordinatensystem zu (siehe Abbildung 3.1(a)). (a)

y

r

(b)

r

6

y

r

r

(c)

r

6

y

6

r r

r r 1 r r r r

−1 0

1

r

-

x

r r 1 r r r r

−1 0

1

1

-

x

−1 0

1

x

Abb. 3.1 (a) Grafische Darstellung der Wertepaare (xi , yi ) = (xi , f (xi )), (b) näherungsweise Darstellung des Funktionsgraphen durch einen Polygonzug und (c) Funktionsgraph

Darstellung der Funktion durch einen Funktionsgraph Um eine erste Vorstellung über den Funktionsgraph zu erhalten, kann man eine Wertetabelle der Funktion nutzen und wie oben beschrieben die Wertepaare (xi , yi ) grafisch veranschaulichen. Verbindet man die Punkte mit den Koordinaten (xi , yi ) und (xi+1 , yi+1 ), i = 1, 2, . . . , n − 1, d. h. „benachbarte Punkte“, so erhält man einen Polygonzug als Näherung für den Funktionsgraph (siehe zum Beispiel Abbildung 3.1(b)). Der Funktionsgraph ergibt sich schließlich als Menge aller Punkte P (x, y) mit x ∈ Df und y = f (x) (siehe beispielsweise Abbildung 3.1(c)). Wir geben im Folgenden einige Beispiele für Funktionen an. Anhand dieser Funktionen werden wir später verschiedene Eigenschaften von Funktionen demonstrieren.

102

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Beispiel 3.2 a) Lineare Funktion: y = f (x) = x, Df = R und Wf = R (siehe Abbildung 3.2(a)). y

(a)

y

(b)

6

1

1 0

a

-

x

1

6

1

−1 −1

y

(c)

6

−1 0 −1

1

x

a −1 0 −1

a

-

x

1

a Abb. 3.2 (a) lineare Funktion, (b) Betragsfunktion, (c) Integerfunktion (◦ bedeutet, dass der von diesem kleinen Kreis umschlossene Punkt nicht zum Funktionsgraph gehört)

b) Betragsfunktion y = f (x) = |x| =

⎧ ⎨

x für x ≥ 0

⎩ −x für x < 0

(3.1)

(siehe Abbildung 3.2(b) und die Definition 1.1 des Betrags einer reellen Zahl). Für diese Funktion gilt Df = R und Wf = {y ∈ R | y ≥ 0} = [0, ∞). c) Integerfunktion (Entier-Funktion) y = f (x) = |[x]| = k für x ∈ [k, k + 1) , k ∈ Z

(3.2)

(siehe Abbildung 3.2(c)). Der Definitions- und Wertebereich dieser Funktion sind Df = R und Wf = Z.

Definition 3.2 Zwei Funktionen f (x) mit x ∈ Df und g(x) mit x ∈ Dg heißen gleich, wenn sowohl die Zuordnungsvorschriften f und g als auch die Definitionsbereiche übereinstimmen.

Beispiel 3.3 Die beiden Funktionen f (x) = 1 − x mit Df = R und g(x) =

(1 − x)(1 + x) 1 − x2 = = 1 − x mit Dg = R \ {−1} 1+x 1+x

3.1 Definition und Eigenschaften von Funktionen

103

sind nicht gleich, da ihre Definitionsbereiche verschieden sind. Dass die beiden Funktionen nicht gleich sind, erkennt man auch an den beiden Funktionsgraphen (siehe Abbildung 3.3). Der Punkt P (−1, 2) gehört zum Funktionsgraph der Funktion f (x), aber nicht zum Graph der Funktion g(x). y

6

@ @

y

6

@

@a @

1@

1

-

−1 −1

−1 −1

x

1

@

-

1@

x

@

@

@

g(x)@ @

f (x)

Abb. 3.3 Die Funktionen f (x) und g(x) sind nicht gleich, Df = Dg .

3.1.1

Nullstellen und Schnittpunkte mit der y -Achse

Definition 3.3 Eine Stelle x∗ ∈ Df , an der f (x∗ ) = 0 gilt, nennt man Nullstelle der Funktion f (x).

In Punkten, in denen der Funktionsgraph die x-Achse schneidet (siehe z. B. Abbildung 3.4(a)) oder berührt (siehe Abbildung 3.4(b)), liegt eine Nullstelle. (a)

y

(b)

6

1

6

1

s −1 0 −1

y

1

s

-

x

s −1 0 −1

1

-

x

Abb. 3.4 Mit • gekennzeichnete Stellen sind Nullstellen der Funktionen

104

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Ob eine Funktion Nullstellen hat, erkennt man beispielsweise auch am Wertebereich der Funktion. Da eine Nullstelle eine Stelle ist, an welcher der Funktionswert gleich Null ist, muss die Null ein Element des Wertebereichs sein, wenn es Nullstellen gibt. Zur Bestimmung der Nullstellen einer Funktion muss die im Allgemeinen nichtlineare Gleichung f (x) = 0 gelöst werden. Mit der Lösung nichtlinearer Gleichungen werden wir uns im Abschnitt 3.3 intensiver beschäftigen. Als ein erstes Beispiel für die Berechnung von Nullstellen einer Funktion betrachten wir hier die Berechnung der Nullstellen quadratischer Funktionen y = f (x) = x2 + px + q . Zur Bestimmung der Lösungen der entsprechenden nichtlinearen Gleichung, d. h. der quadratischen Gleichung 0 = f (x) = x2 + px + q , (3.3) gibt es eine Lösungsformel, welche wir wie folgt erhalten. Mittels quadratischer Ergänzung (siehe Algorithmus 1.1 im Abschnitt 1.5) ergibt sich   p 2 p 2 0 = x2 + px + q = x + +q− 2 2



und daraus

x+

 2 Wenn

p 2

p 2  p 2 = −q. 2 2

− q ≥ 0, dann folgt (siehe auch Wurzelgesetz (1.66) im Abschnitt 1.5)

  x + 

   p 2 p  = −q.  2 2

Daraus erhalten wir, falls x + p2 ≥ 0 (siehe die Definition 1.1 des Betrags einer reellen Zahl)     p 2 p 2 p p x+ = −q ⇔ x=− + −q 2 2 2 2 und falls x +

p 2

  p − x+ = 2

0, hat die quadratische Gleichung (3.3), d. h. die Gleichung 0 = x2 + px + q , genau zwei reelle Lösungen, nämlich p √ x1 = − + D 2

und

p √ x2 = − − D 2

mit

D=

 p 2 2

−q =

p2 −q. 4

Falls D = 0, hat die quadratische Gleichung (3.3) genau eine reelle Lösung, nämlich p x=− . 2 Falls D < 0, hat die quadratische Gleichung (3.3) keine reelle Lösung, sondern ein paar konjugiert komplexer Lösungen (siehe Beispiel 4.10 im Abschnitt 4.2).

Diese Lösungen sind die Nullstellen der quadratischen Funktion y = f (x) = x2 + px + q Wir diskutieren noch eine Möglichkeit wie man überprüfen kann, ob bei einer konkreten Aufgabe die Nullstellen richtig berechnet wurden. Es gilt 0 = x2 + px + q = (x − x1 )(x − x2 ) ,

 p √  p √  + D x− − − D 2 2  p  √  p √  = x+ − D x+ + D . 2 2 Daraus folgt unter Anwendung der 3. binomischen Formel (a − b)(a + b) = a2 − b2 und der 1. binomischen Formel (a + b)2 = a2 + 2ab + b2 (siehe (1.72) und (1.70) im Abschnitt 1.5)   p 2 √ p 2 p (x − x1 )(x − x2 ) = x + − ( D)2 = x2 + 2 · · x + −D 2 2 2  p 2  p 2  − − q = x2 + px + q . = x2 + px + 2 2 denn

(x − x1 )(x − x2 ) =



x−





106

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Weiterhin gilt x2 + px + q = (x − x1 )(x − x2 ) = x2 − xx2 − x1 x + x1 x2 = x2 − (x1 + x2 )x + x1 x2 . Daraus folgt die Aussage des Vietaschen Wurzelsatzes: p = −(x1 + x2 )

und

q = x1 · x2 .

(3.5)

Die Aussage des Vietaschen Wurzelsatzes kann man zur Kontrolle der berechneten Lösungen x1 und x2 nutzen. Man wendet ihn auch in Computerprogrammen zur Lösung quadratischer Gleichungen an, um den Einfluss von Rundungsfehlern zu mindern (siehe Abschnitt 5.2, insbesondere Algorithmus 5.2 und Beispiel 5.14). Beispiel 3.4 Für die in der Abbildung 3.4(a) dargestellte Funktion y = f (x) = x2 − 4x + 3 erhalten wir gemäß der Lösungsformel (3.4) mit p = −4 und q = 3   √ √ −4 2 (−4) ± −3=2± 4−3=2± 1=2±1 x1,2 = − 2 2 und folglich die beiden reellen Nullstellen x1 = 2 + 1 = 3 und x2 = 2 − 1 = 1 . Wir können unser Ergebnis mittels des Vietaschen Wurzelsatzes überprüfen. Es gilt tatsächlich −(x1 + x2 ) = −(3 + 1) = −4 = p

x1 · x2 = 3 · 1 = 3 = q .

und

Zur Bestimmung der Nullstellen einer allgemeinen quadratischen Funktion y = f (x) = ax2 + bx + c

mit

a = 0

geht man wie folgt vor. Ausgehend von der quadratischen Gleichung 0 = ax2 + bx + c erhalten wir nach Division durch a die Gleichung 0 = x2 +

c b x+ , a a

3.1 Definition und Eigenschaften von Funktionen

107

also eine Gleichung der Form 0 = x2 + px + q mit p = ab und q = ac . Zur Lösung dieser Gleichung nutzen wir dann wieder die Lösungsformel (3.4), d. h.     2 b b b c b 2 c a a x1,2 = − ± = − ± − − 2 2 a 2a 2a a   b b c b2 b2 − 4ac = − ± = − ± − 2a 4a2 a 2a 4a2 und somit

x1,2 =

−b ±



b2 − 4ac . 2a

Diese Formel wird auch umgangssprachlich als Mitternachtsformel bezeichnet. In den Nullstellen schneidet bzw. berührt der Funktionsgraph die x-Achse. Manchmal interessiert man sich auch dafür, ob der Funktionsgraph die y-Achse schneidet und wenn ja, an welcher Stelle. Ob der Graph einer Funktion einen Schnittpunkt mit der y-Achse besitzt, erkennt man beispielsweise am Definitionsbereich der Funktion. Da jeder Punkt auf der y-Achse die x-Koordinate x = 0 hat, also auch ein Schnittpunkt des Funktionsgraphen mit der y-Achse, muss die Null ein Element des Definitionsbereichs sein, wenn der Funktionsgraph die y-Achse schneidet. Die Berechnung des Schnittpunktes mit der y-Achse ist in der Regel wesentlich einfacher als die Bestimmung der Nullstellen. Man geht bei der Bestimmung des Schnittpunktes mit der y-Achse wie folgt vor: Algorithmus 3.1 (Schnittpunkt des Graphen von f (x) mit der y -Achse) Liegt die Stelle x = 0 nicht im Definitionsbereich Df der Funktion f (x), so gibt es keinen Schnittpunkt des Graphen der Funktion f (x) mit der y-Achse. Wenn 0 ∈ Df , dann berechnet man f (0) und der Schnittpunkt des Graphen der Funktion mit der y-Achse ist der Punkt Sy (0, f (0)). Beachte: Es kann höchstens einen Schnittpunkt mit der y-Achse geben, denn bei einer Funktion gibt es zu jedem Argument x ∈ Df genau einen Funktionswert f (x).

108

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Beispiel 3.5 Wir bestimmen den Schnittpunkt des in der Abbildung 3.4(b) dargestellten Graphen der Funktion f (x) = (x − 1)2 , x ∈ Df = R, mit der y-Achse. Da 0 ∈ Df , hat der Graph der Funktion f (x) = (x − 1)2 einen Schnittpunkt mit der y-Achse. Um die y-Koordinate dieses Schnittpunktes zu bestimmen, setzen wir für x den Wert 0 in die Abbildungsvorschrift ein, d. h. wir berechnen f (0) = (0 − 1)2 = 1 . Folglich schneidet der Graph der Funktion f (x) = (x − 1)2 die y-Achse im Punkt Sy (0, 1) (siehe auch die Abbildung 3.4(b)). Als nächstes diskutieren wir die Monotonie und Beschränktheit einer Funktion.

3.1.2

Monotonie

Definition 3.4 Die Funktion y = f (x) mit Df ⊆ R heißt im Intervall I ⊆ Df (i)

monoton wachsend oder auch monoton steigend, falls f (x1 ) ≤ f (x2 ) für alle x1 , x2 ∈ I mit x1 < x2 ,

(ii)

streng monoton wachsend oder auch streng monoton steigend, falls f (x1 ) < f (x2 ) für alle x1 , x2 ∈ I mit x1 < x2 ,

(iii)

monoton fallend, falls f (x1 ) ≥ f (x2 ) für alle x1 , x2 ∈ I mit x1 < x2 ,

(iv)

streng monoton fallend, falls f (x1 ) > f (x2 ) für alle x1 , x2 ∈ I mit x1 < x2

gilt.

Streng monoton wachsend bedeutet geometrisch Folgendes: Bewegt man sich von links nach rechts auf dem Funktionsgraph, dann steigen die Funktionswerte an, d. h. für größer werdende Argumente x werden die Funktionswerte y = f (x) auch größer (siehe

3.1 Definition und Eigenschaften von Funktionen

109

Abbildung 3.5(a)). Im Fall einer streng monoton fallenden Funktion werden die Funktionswerte für größer werdende Argumente x immer kleiner (siehe Abbildung 3.5(b)). Monoton wachsend bzw. monoton fallend heißt, dass die Funktion auch über gewissen Teilintervallen des Intervalls I konstant sein kann (siehe Abbildung 3.5(c) für eine monoton wachsende Funktion). (a)

y

6

f (x)

y

(b)

1 −1 −1

6

y

(c)

1

1

x

−1 −1

6

f (x)

1

x

1

−1 −1

1

x

f (x)

Abb. 3.5 (a) streng monoton wachsende Funktion, (b) streng monoton fallende Funktion, (c) monoton wachsende Funktion

Beispiel 3.6 a) Die lineare Funktion y = f (x) = x ist im Intervall I = (−∞, ∞) streng monoton wachsend, denn für beliebige x1 , x2 ∈ I mit x1 < x2 gilt f (x1 ) = x1 < x2 = f (x2 ) , d. h. f (x1 ) < f (x2 ) (siehe auch Abbildung 3.2(a)). b) Die Betragsfunktion (3.1) ist im Intervall (−∞, 0] streng monoton fallend, denn für beliebige x1 , x2 ∈ (−∞, 0] mit x1 < x2 gilt −x1 > −x2 und damit f (x1 ) = |x1 | = −x1 > −x2 = |x2 | = f (x2 ) , d. h. f (x1 ) > f (x2 ) (siehe auch Abbildung 3.2(b)). Im Intervall [0, ∞) ist die Betragsfunktion streng monoton wachsend. Dies kann man genauso zeigen wie für die Funktion y = f (x) = x. c) Die Integerfunktion (3.2) ist in den Intervallen [k, k +1) mit k ∈ Z sowohl monoton wachsend als auch monoton fallend, denn sie ist in diesen Intervallen konstant. Im gesamten Definitionsbereich Df = R ist sie eine monoton wachsende Funktion, denn es gilt für beliebige x1 , x2 ∈ R mit x1 < x2 f (x1 ) ≤ f (x2 ) (siehe auch die Abbildung 3.2(c)).

110

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Folgerung 3.1 Besitzt man Kenntnisse über das Monotonieverhalten einer Funktion, so kann man daraus weitere Aussagen über diese Funktion erhalten. Es gilt beispielsweise

a) Jede streng monotone Funktion hat höchstens eine reelle Nullstelle. b) Ist eine Funktion f (x) im Intervall I = [a, b] streng monoton wachsend, gilt f (a) < f (x) < f (b)

für alle x ∈ (a, b) ⇔ a < x < b .

Folglich hat dann die Funktion f (x) am linken Intervallende, d. h. bei x = a, ihren minimalen Funktionswert und am rechten Intervallende, d. h. bei x = b, ihren maximalen Funktionswert. Ist eine Funktion f (x) im Intervall I = [a, b] streng monoton fallend, gilt f (a) > f (x) > f (b)

für alle x ∈ (a, b) ⇔ a < x < b .

Folglich hat diese Funktion bei x = a ihren maximalen Funktionswert und bei x = b ihren minimalen Funktionswert. c) Aus b) folgt, dass eine streng monoton wachsende bzw. streng monoton fallende Funktion im Inneren des Intervalls [a, b], d. h. im Intervall (a, b), keine Extremalstellen hat, d. h. dass es im Intervall (a, b) keine Stellen gibt, an denen die Funktion f (x) ihren maximalen bzw. minimalen Funktionswert annimmt. d) Streng monoton wachsende bzw. streng monoton fallende Funktionen sind eineindeutige Funktionen. Sie sind deshalb stets umkehrbar (siehe auch Definition 3.8). e) Streng monoton wachsende bzw. streng monoton fallende Funktionen sind niemals gerade Funktionen (siehe Definition 3.10 bezüglich gerader Funktionen).

Beispiel 3.7 Für die Funktion f (x) = x + 1 , x ∈ Df = R = (−∞, ∞) (siehe Abbildung 3.6), gilt für beliebige x1 , x2 ∈ R mit x1 < x2 x1 < x2 ⇔ x1 + 1 < x2 + 1 ⇔ f (x1 ) < f (x2 ) . Folglich ist die Funktion f (x) = x + 1 eine im Intervall (−∞, ∞) streng monoton wachsende Funktion. Die Funktion f (x) = x + 1 hat wegen 0 = x + 1 ⇔ x = −1 nur eine Nullstelle und zwar x∗ = −1 (siehe auch Folgerung 3.1a)).

3.1 Definition und Eigenschaften von Funktionen

111

y f (x) = x + 1 6 6

1 −3

−1 −2

-

1

5x

Abb. 3.6 Funktion f (x) = x + 1

Da die Funktion f (x) = x + 1 in Df = R streng monoton wachsend ist, ist sie auch in jedem abgeschlossenen Intervall I = [a, b] ⊂ R eine streng monoton wachsende Funktion, zum Beispiel im Intervall I = [−3, 5]. Es gilt −3 < x < 5 ⇔ −3 + 1 < x + 1 < 5 + 1 ⇔

f (−3) < f (x) < f (5)

für alle x ∈ (−3, 5), d. h. die Funktion f (x) = x + 1, x ∈ [−3, 5], hat am linken Intervallende ihren minimalen Funktionswert f (−3) = −3 + 1 = −2 und am rechten Intervallende den maximalen Funktionswert f (5) = 5 + 1 = 6 (siehe auch Folgerung 3.1b)).

Bemerkung 3.2 Monotonieuntersuchungen von Funktionen kann man beispielsweise mit Hilfe der Differentialrechnung durchführen (siehe z. B. Papula [2014], Meyberg und Vachenauer [2001a], Jung [2021b]). Die Berechnung der benötigten Ableitungen und deren Nullstellen kann manchmal recht schwierig sein. Mit Hilfe der im Folgenden angegebenen Regeln und der Kenntnis der Eigenschaften der Grundfunktionen (siehe Abschnitt 3.2) kann man oft auf einfache Weise das Monotonieverhalten von Funktionen ermitteln. Allgemein gilt: a) Addiert man zu einer Funktion eine Konstante oder subtrahiert man eine Konstante, so ändert sich das Monotonieverhalten nicht. b) Die Summe zweier monoton wachsender Funktionen ist eine monoton wachsende Funktion und die Summe zweier monoton fallender Funktionen ist eine monoton fallende Funktion. c) Die Multiplikation einer Funktion mit einer positiven reellen Zahl ändert das Monotonieverhalten nicht. d) Ist die Funktion f (x) monoton wachsend und c eine negative reelle Zahl, dann ist die Funktion cf (x) monoton fallend. Ist f (x) monoton fallend und c negativ, dann ist cf (x) monoton wachsend.

112

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

e) Ist f (x) eine positive oder negative monoton wachsende Funktion, d. h. sind alle Funktionswerte positiv oder negativ, so ist die Funktion 1 eine monoton f (x)

fallende Funktion. Ist f (x) positiv oder negativ und monoton fallend, dann ist

1 monoton f (x)

wachsend. f) Das Produkt zweier positiver monoton wachsender Funktionen ist eine monoton wachsende Funktion. Multipliziert man eine positive monoton fallende Funktion mit einer positiven monoton fallenden Funktion, so erhält man eine monoton fallende Funktion. Diese Aussagen gelten auch, wenn monoton wachsend bzw. monoton fallend durch streng monoton wachsend bzw. streng monoton fallend ersetzt wird. g) Das Produkt zweier nicht negativer monoton wachsender Funktionen ist eine monoton wachsende Funktion. Multipliziert man eine nicht negative monoton fallende Funktion mit einer nicht negativen monoton fallenden Funktion, so erhält man eine monoton fallende Funktion. In der Regel gilt nicht, dass die Differenz zweier monoton wachsender bzw. monoton fallender Funktionen eine monoton wachsende bzw. monoton fallende Funktion ist.

Im folgenden Beispiel betrachten wir die Situation, dass die Differenz zweier streng monoton wachsender Funktionen eine streng monoton wachsende aber auch eine streng monoton fallende Funktion sein kann. Beispiel 3.8 Gegeben seien die beiden streng monoton wachsenden Funktionen f (x) = 2x und g(x) = 3x (siehe Abbildung 3.7(a)). Die Summe dieser beiden Funktionen f (x) + g(x) = 2x + 3x = 5x ist eine streng monoton wachsende Funktion (siehe Abbildung 3.7(b)). Die Differenz f (x) − g(x) = 2x − 3x = −x ist eine streng monoton fallende Funktion. Hingegen ist die Differenz g(x) − f (x) = 3x − 2x = x eine streng monoton wachsende Funktion (siehe Abbildung 3.7(c)).

3.1 Definition und Eigenschaften von Funktionen (a) y

6 g(x)

f (x)

(b) y

6

f (x) + g(x)

113 y

(c)

f (x) − g(x)

1

1

g(x) − f (x)

1

1

6

-

x

-

x

1

−1

1

x

Abb. 3.7 Monotonieverhalten von der Summe und Differenz zweier streng monoton wachsender Funktionen

Die Regeln aus der Bemerkung 3.2 lassen sich mit Hilfe der Rechenregeln bei Ungleichungen (siehe die Bemerkung 2.2 im Abschnitt 2.2) begründen. Wir führen im Folgenden exemplarisch die Begründung der Eigenschaft g) aus der Bemerkung 3.2 durch, d. h. wir zeigen warum das Produkt zweier nicht negativer monoton wachsender Funktionen eine monoton wachsende Funktion ist. Seien die Funktionen f (x) und g(x) in einem Intervall I monoton wachsend und nicht negativ. Dann gilt 0 ≤ f (x1 ) ≤ f (x2 ) und 0 ≤ g(x1 ) ≤ g(x2 )

für beliebige x1 , x2 ∈ I mit x1 < x2 .

Nach den Rechenregeln für Ungleichungen (Regel h) in der Bemerkung 2.2 im Abschnitt 2.2) ergibt sich aus den beiden obigen Ungleichungen die Beziehung f (x1 ) · g(x1 ) ≤ f (x2 ) · g(x2 )

für beliebige x1 , x2 ∈ I mit x1 < x2 ,

d. h. die Funktion f (x) · g(x) ist monoton wachsend.

3.1.3

Beschränktheit

Definition 3.5 Eine Funktion y = f (x), x ∈ Df , heißt im Intervall I ⊆ Df beschränkt, wenn reelle Zahlen cu und co existieren, so dass cu ≤ f (x) ≤ co für alle x ∈ I gilt.

114

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Man nennt die Funktion nach oben beschränkt bzw. nach unten beschränkt, wenn eine reelle Konstante co bzw. cu existiert, so dass f (x) ≤ co bzw. f (x) ≥ cu für alle x ∈ I gilt. Die Konstante co bzw. cu bezeichnet man als obere bzw. untere Schranke der Funktion. Eine Funktion, die im Intervall I ⊆ Df weder nach oben noch nach unten beschänkt ist, nennt man unbeschränkt im Intervall I.

Die in der obigen Definition angegebenen Bedingungen bedeuten mit anderen Worten: Eine Funktion f (x) ist im Intervall I ⊆ Df beschränkt, wenn die Funktionswerte einen Wert cu nicht unterschreiten und einen Wert co nicht überschreiten. Eine Funktion ist nach oben beschränkt im Intervall I, wenn alle Funktionswerte f (x), x ∈ I, einen Wert co nicht überschreiten. Wenn alle Funktionswerte f (x), x ∈ I, einen Wert cu nicht unterschreiten, dann nennt man die Funktion im Intervall I nach unten beschränkt. Bemerkung 3.3 Anstelle der Aussage, dass eine Funktion in einem Intervall I beschränkt ist, wenn es Zahlen cu und co gibt. so dass cu ≤ f (x) ≤ co

für alle x ∈ I

(3.6)

gilt, nutzt man manchmal auch die Bedingung, dass es eine Zahl c gibt, so dass |f (x)| ≤ c

für alle x ∈ I

(3.7)

ist. Diese Bedingung ist äquivalent zu −c ≤ f (x) ≤ c

für alle x ∈ I

(siehe (2.12) im Abschnitt 2.2). Deshalb folgt (3.7) aus der Bedingung (3.6), wenn wir c = max{|cu |, |co |} setzen und (3.6) aus (3.7), wenn wir cu = −c und co = c setzen. Beispiel 3.9 a) Die lineare Funktion y = f (x) = x ist im Intervall I = (−∞, ∞) unbeschränkt, denn es gibt keine reellen Zahlen co bzw. cu , die von den Funktionswerten niemals über- bzw. unterschritten werden. Für jede reelle Zahl cu gibt es stets Funktionswerte f (x) = x, welche kleiner als cu sind, nämlich f (x) = x für x < cu . Ebenfalls gibt es für jede reelle Zahl co Funktionswerte f (x), welche größer als co sind, nämlich alle Funktionswerte f (x) = x mit x > co .

3.1 Definition und Eigenschaften von Funktionen

115

b) Die Betragsfunktion (3.1) ist im Intervall I = (−∞, ∞) nach unten beschränkt, denn f (x) = |x| ≥ cu = 0 für alle x ∈ I . Die Betragsfunktion ist aber nicht nach oben beschränkt, denn die Funktionswerte können beliebig groß werden. Folglich gibt es keine reelle Zahl co , die von den Funktionswerten niemals überschritten wird. c) Die Integerfunktion (3.2) ist im Intervall I = (−∞, ∞) unbeschränkt. Sie ist aber in jedem Intervall [k, k + 1), k ∈ Z, beschränkt. In jedem dieser Intervalle gilt cu ≤ f (x) ≤ co

mit

cu = co = k .

Wenn eine Funktion durch die Konstante co nach oben bzw. cu nach unten beschränkt ist, dann sind reelle Zahlen co mit co > co bzw. cu mit cu < cu ebenfalls obere bzw. untere Schranken. Beispielsweise ist bei der Betragsfunktion cu = −1000 < cu = 0 auch eine untere Schranke, denn es gilt f (x) = |x| ≥ 0 > −1000

für alle x ∈ R .

Definition 3.6 Die kleinste obere bzw. größte untere Schranke einer auf einem Intervall I ⊆ Df nach oben bzw. unten beschränkten Funktion f (x), x ∈ I, nennt man Supremum bzw. Infimum von f auf I. Man schreibt: sup f (x) bzw. inf f (x) . x∈I

x∈I

Gibt es Argumente x ∈ I ⊆ Df , für die f (x) gleich dem Supremum bzw. Infimum ist, dann bezeichnet man das Supremum als Maximum bzw. das Infimum als Minimum von f auf I. Man schreibt: max f (x) bzw. min f (x) . x∈I

x∈I

Beispiel 3.10 a) Wegen |x − 1| ≥ 0 für alle x ∈ I = (−∞, ∞) und |x − 1| = 0 für x = 1 gilt für das Infimum der Funktion ⎧ ⎨ x−1 für x ∈ [1, ∞) f (x) = |x − 1| = ⎩ −(x − 1) = −x + 1 für x ∈ (−∞, 1)

116

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

(siehe Abbildung 3.8) f (x) =

inf x∈I=(−∞,∞)

inf x∈I=(−∞,∞)

|x − 1| = 0 .

Es gibt ein Argument x, für welches der Funktionswert gleich dem Infimum ist, nämlich für x = 1 gilt f (1) = |1 − 1| = 0 . Folglich ist das Infimum das Minimum der gegebenen Funktion, d. h. min f (x) = min |x − 1| = 0 = f (1) . x∈I

@ @

y

x∈I

6

@

1@

@

@

−1

0

-

x Abb. 3.8 Funktion f (x) = |x − 1|

1

b) Die Funktionswerte der Funktion f (x) =

1 , x ∈ I = (0, ∞) x

(siehe Abbildung 3.9) nähern sich für größer werdende Werte von x immer mehr der Null. Es gilt inf x∈I=(0,∞)

1 1 =0< x x

für alle x ∈ I = (0, ∞) .

Es gibt jedoch kein Argument x ∈ I mit f (x) = 0. Folglich existiert min f (x) nicht. x∈I

y

6

1 0

1

- Abb. 3.9 Funktion f (x) = 1 x

x

3.1 Definition und Eigenschaften von Funktionen

117

Bemerkung 3.4 Wenn der Wertebereich einer Funktion bekannt ist, dann kann man von diesem leicht eine Aussage über die Beschränktheit ablesen. Hat eine Funktion z. B. den Wertebereich: Wf = [cu , co ],

dann ist die Funktion beschränkt und cu ist ihr Minimum sowie co ihr Maximum

Wf = (cu , co ),

dann ist die Funktion beschränkt und cu ist ihr Infimum sowie co ihr Supremum

Wf = (−∞, co ],

dann ist die Funktion nach unten unbeschränkt und nach oben beschränkt, co ist ihr Maximum

Wf = (−∞, co ),

dann ist die Funktion nach unten unbeschränkt und nach oben beschränkt, co ist ihr Supremum

Wf = [cu , ∞),

dann ist die Funktion nach unten beschränkt und nach oben unbeschränkt, cu ist ihr Minimum

Wf = (cu , ∞),

dann ist die Funktion nach unten beschränkt und nach oben unbeschränkt, cu ist ihr Infimum

Wf = (−∞, ∞),

dann ist die Funktion unbeschränkt

3.1.4

Verkettung von Funktionen

Durch Nacheinanderausführung von Funktionen kann man neue Funktionen bilden. Um dies näher zu erläutern, führen wir zunächst den Begriff der mittelbaren oder verketteten Funktion ein.

Definition 3.7 Seien f (u) und g(x) Funktionen mit f : Df → Wf und g : Dg → Wg . Wenn Wg ⊆ Df gilt, dann existiert die mittelbare oder verkettete Funktion h y = h(x) = f (g(x)) , x ∈ Dg .

Beispiel 3.11 a) Sei f (u) = 5u + 4 und u = g(x) = x2 . Dann gilt Dg = R , Wg = [0, ∞) ⊂ Df = R und Wf = R .

118

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Da Wg ⊆ Df kann die Verkettung der beiden Funktionen f (u) und g(x) für alle x ∈ Dg ausgeführt werden. Indem wir für u in der Funktion f (u) die Funktion u = g(x) = x2 einsetzen, erhalten wir die verkettete Funktion h(x) = f (g(x)) = 5x2 + 4 mit Dh = Dg = R . Wir ermitteln noch den Wertebereich der Funktion h(x). Da x2 ≥ 0 für alle x ∈ R gilt, folgt 5x2 ≥ 0 für alle x ∈ R und somit 5x2 + 4 ≥ 4 für alle x ∈ R. Der Wertebereich der Funktion h(x) ist folglich Wh = [4, ∞). b) Sei f (u) = 2 +



u und u = g(x) = 1 − x2 .

Weil die Wurzel nur von einer nicht negativen reellen Zahl berechnet werden kann, gilt Df = [0, ∞) . Der Ausdruck 1 − x2 ist für alle reellen Zahlen berechenbar. Somit hat die Funktion g den Definitionsbereich Dg = (−∞, ∞) . Der Wertebereich der Funktionen f und g ergibt sich wie folgt. Aus √

u≥0

folgt 2+



für alle u ∈ Df = [0, ∞) u ≥ 2 + 0 ⇔ f (u) ≥ 2

und somit Wf = [2, ∞) . Wegen x2 ≥ 0 für alle x ∈ R gilt −x2 ≤ 0

für alle x ∈ R

und folglich −x2 + 1 ≤ 0 + 1 = 1 ⇔ g(x) = 1 − x2 ≤ 1 . Der Wertebereich der Funktion g(x) ist daher Wg = (−∞, 1]. Da Wg = (−∞, 1] ⊆ Df = [0, ∞) , kann die verkettete Funktion f (g(x)) nicht auf Dg gebildet werden. Wir dürfen daher nur solch einen Teilbereich Dg∗ des Definitionsbereichs Dg betrachten, für den Wg∗ = {u | u = g(x) , x ∈ Dg∗ } ⊆ Df = [0, ∞)

3.1 Definition und Eigenschaften von Funktionen

119

gilt. Da wir folglich nur die x betrachten dürfen, für die u = g(x) ≥ 0 gilt, und da Wg = (−∞, 1] ist, muss also Dg∗ alle die Argumente x enthalten, für welche 0 ≤ 1 − x2 ≤ 1 ⇔ −1 ≤ −x2 ≤ 0 ⇔ 1 ≥ x2 ≥ 0 ⇔ 1 ≥ |x| ≥ 0 ⇔ 0 ≤ |x| ≤ 1

⇔ −1 ≤ x ≤ 1

gilt. Wir betrachten deshalb als Definitionsgebiet Dg∗ nur das Intervall [−1, 1]. Dann gilt Wg∗ = [0, 1] ⊆ Df = [0, ∞) und die verkettete Funktion lautet h(x) = f (g(x)) = 2 +



1 − x2 .

Diese hat den Definitionsbereich Dh = Dg∗ = [−1, 1]. Den zugehörigen Wertebereich erhalten wir wie folgt. Wegen x ∈ [−1, 1] ⇔ −1 ≤ x ≤ 1 ⇔ 0 ≤ x2 ≤ 1

⇔ 0 ≥ −x2 ≥ −1

⇔ 1 + 0 ≥ 1 − x2 ≥ 1 − 1 ⇔ 1 ≥ 1 − x2 ≥ 0 √ √ √ √ ⇔ 1 ≥ 1 − x2 ≥ 0 ⇔ 1 ≥ 1 − x2 ≥ 0 ergibt sich 2+0≤2+



1 − x2 ≤ 2 + 1 ⇔ 2 ≤ h(x) ≤ 3

und somit der Wertebereich Wh = [2, 3] der Funktion h(x). Bemerkung 3.5 Bezüglich des Monotonieverhaltens verketteter Funktionen gelten beispielsweise folgende allgemeine Aussagen.

a) Sei die Funktion g in einem Intervall I ⊆ Dg monoton wachsend. Die Funktion f sei auf Wg(I) = {u | u = g(x) mit x ∈ I} monoton wachsend. Dann ist die Funktion f (g(x)) im Intervall I monoton wachsend. b) Ist die Funktion g in einem Intervall I ⊆ Dg monoton fallend und die Funktion f in Wg(I) monoton wachsend, so ist f (g(x)) im Intervall I monoton fallend. c) Ist die Funktion g in einem Intervall I ⊆ Dg monoton wachsend und die Funktion f in Wg(I) monoton fallend, dann ist f (g(x)) in I monoton fallend. d) Ist die Funktion g in einem Intervall I ⊆ Dg monoton fallend und die Funktion f in Wg(I) monoton fallend, dann ist f (g(x)) in I monoton wachsend. Diese Aussagen gelten auch, wenn wir monoton durch streng monoton ersetzen.

120

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Wir begründen zunächst die Eigenschaften c) und d). Anstelle der Begründung der Eigenschaften a) und b) geben wir jeweils ein Beispiel an (siehe Beispiel 3.12). Sei die Funktion u = g(x) in einem Intervall I ⊆ Dg monoton wachsend. Dann gilt u1 = g(x1 ) ≤ g(x2 ) = u2 für alle x1 , x2 ∈ I mit x1 < x2 .

(3.8)

Wenn f in Wg(I) = {u | u = g(x) mit x ∈ I} monoton fallend ist, bedeutet dies f (u1 ) ≥ f (u2 ) für alle u1 , u2 ∈ Wg(I) mit u1 < u2 , Damit folgt unter Nutzung von (3.8) f (g(x1 )) ≥ f (g(x2 )) für alle x1 , x2 ∈ I mit x1 < x2 . Folglich ist die Funktion f (g(x)) eine monoton fallende Funktion in I. Damit haben wir die Eigenschaft c) begründet. Seien nun die Funktion u = g(x) im Intervall I monoton fallend und die Funktion f (u) in Wg(I) monoton fallend. Dann gilt u1 = g(x1 ) ≥ g(x2 ) = u2 für alle x1 , x2 ∈ I mit x1 < x2 . Daraus folgt unter der Voraussetzung, dass f auf Wg(I) monoton fallend sein soll, d. h. dass f (u1 ) ≤ f (u2 ) , falls u1 ≥ u2 gilt, die Beziehung f (g(x1 )) ≤ f (g(x2 )) für alle x1 , x2 ∈ I mit x1 < x2 . Somit ist die Funktion f (g(x)) im Intervall I monoton wachsend. Beispiel 3.12 √ Wir untersuchen das Monotonieverhalten der Funktion h(x) = 4 − x2 . Die Funktion h ist eine verkettete Funktion. Es gilt  √ h(x) = f (g(x)) = 4 − x2 mit f (u) = u und u = g(x) = 4 − x2 . Der Definitionsbereich der Funktion h ist Dh = [−2, 2] , da wir eine Wurzel nur von einer nichtnegativen reellen Zahl berechnen können und somit die Bedingung √ √ 4 − x2 ≥ 0 ⇔ 4 ≥ x2 ⇔ 4 ≥ x2 ⇔ 2 ≥ |x| ⇔ |x| ≤ 2 ⇔ −2 ≤ x ≤ 2

3.1 Definition und Eigenschaften von Funktionen u

y

6 g(x)

121 y

6

6 f (g(x))

f (u) 1

1

1

-

−2

−1 0

1

2 x

0

1

-

u

2 Abb. 3.10 Funktionen √ g(x) = 4−x , x ∈ [−2, 2], f (u) = Funktion f (g(x)) = 4 − x2 , x ∈ [−2, 2]



−2

−1 0

1

2 x

u, u ∈ [0, ∞) und die verkettete

√ erfüllt sein muss. Bei den obigen Umformungen war zu beachten, dass x2 = |x| (siehe (1.66) im Abschnitt 1.5) gilt und wir haben die Beziehung (2.12) aus dem Abschnitt 2.2 genutzt. √ Zur Untersuchung des Monotonieverhaltens der Funktion h(x) = 4 − x2 nutzen wir die Eigenschaften a) und b) hinsichtlich der Monotonie verketteter Funktionen (siehe Bemerkung 3.5). Die Funktion g(x) = 4 − x2 ist im Intervall I1 = [−2, 0] streng mononton wachsend und im Intervall I2 = [0, 2]

streng mononton fallend.

Dies können wir wie folgt begründen. Die Funktion g1 (x) = x2 ist wegen x1 < x2 , x1 , x2 ∈ [−2, 0] ⇔ g1 (x1 ) = x21 > x22 = g1 (x2 ) (siehe Regel f) in der Bemerkung 2.2 im Abschnitt 2.2) streng monoton fallend im Intervall I1 = [−2, 0]. Dann ist die Funktion g2 (x) = −x2 in diesem Intervall streng monoton wachsend, denn die Multiplikation der Funktion g1 (x) mit der negativen Zahl −1 führt zur Änderung des Monotonieverhaltens (siehe Eigenschaft d) in der Bemerkung 3.2). Die Funktion g(x) = 4 − x2 erhalten wir, indem zur Funktion g2 (x) = −x2 die Konstante 4 addiert wird. Dies führt zu keiner Änderung des Monotonieverhaltens (siehe Eigenschaft a) in der Bemerkung 3.2). Folglich ist die Funktion g(x) = 4−x2 im Intervall [−2, 0] streng monoton wachsend. Analog lässt sich zeigen, dass g(x) = 4 − x2 im Intervall [0, 2] streng monoton fallend ist (siehe auch Abbildung 3.10). Weiterhin gilt Wg(I1 ) = Wg(I2 ) = [0, 4] , denn aus x ∈ I1 = [−2, 0] folgt −2 ≤ x ≤ 0 ⇔ 0 ≤ x2 ≤ 4 ⇔ 0 ≥ −x2 ≥ −4 ⇔ 4 ≥ 4 − x2 ≥ 0

122

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

und analog aus x ∈ I2 = [0, 2] 0 ≤ x ≤ 2 ⇔ 0 ≤ x2 ≤ 4 ⇔ 0 ≥ −x2 ≥ −4 ⇔ 4 ≥ 4 − x2 ≥ 0 . Die Wurzelfunktion f (u) = √

u1
0, y ∗ ∈ Wg = [0, ∞), gibt es zwei Werte x∗ ∈ Dg , für die y ∗ = g(x∗ ) = (x∗ )2 √ √ gilt, nämlich x∗ = y ∗ und x∗ = − y ∗ (siehe Abbildung 3.11(b)). y

(a)

(b)

6

y

6

g

y∗ y∗

f

1

1

−1

0

1

x

x∗

Abb. 3.11 Funktionen f (x) =

1 2

√ − y ∗ −1

0

1



y∗

x

x + 1 und g(x) = x2

Warum ist man an der Kenntnis der Umkehrfunktion einer Funktion f (x) interessiert? Gegeben sei beispielsweise ein Funktionswert c ∈ Wf einer umkehrbaren Funktion und man sucht das zugehörige Argument x, d. h. gesucht ist x ∈ Df , für welches c = f (x) gilt. Um das entsprechende Argument x zu ermitteln, müssen wir diese im Allgemeinen nichtlineare Gleichung lösen. Kennen wir die Umkehrfunktion f −1 , dann brauchen wir nur x = f −1 (c) zu berechnen. Ist c = 0, d. h. sind wir an der Nullstelle x∗ der umkehrbaren Funktion f (x) interessiert, dann können wir diese ermitteln, indem wir x∗ = f −1 (0) berechnen.

124

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Die Bestimmung der Umkehrfunktion einer Funktion f wird wie folgt durchgeführt: Sei die Funktion f (x) in einem Intervall I ⊆ Df eineindeutig. Man löst die Gleichung y = f (x) nach x auf und erhält für die Umkehrfunktion eine Gleichung x = f −1 (y) für alle y ∈ {y ∈ Wf | y = f (x) , x ∈ I ⊆ Df }. Damit man die Funktion f (x) und ihre Umkehrfunktion in ein und demselben Koordinatensystem darstellen kann, vertauscht man üblicherweise noch die Variablen x und y, so dass die Umkehrfunktion auch als Funktion der unabhängigen Variablen x vorliegt.

Beispiel 3.14 Wir betrachten die Funktion y = f (x) = (x − 1)2 − 2

(3.9)

im Intervall Df = I = [1, ∞). Zuerst bestimmen wir den zu diesem Definitionsbereich gehörigen Wertebereich und überlegen uns, ob diese Funktion im Intervall [1, ∞) umkehrbar ist. Für die Argumente x ∈ [1, ∞) gilt x≥1 ⇔ x−1≥1−1 ⇔ x−1≥0 (3.10) und damit (x − 1)2 ≥ 02 ⇔ (x − 1)2 − 2 ≥ 0 − 2 ⇔ f (x) ≥ −2 . Folglich ist Wf = {y ∈ R | y = (x − 1)2 − 2 , x ∈ [1, ∞)} = [−2, ∞) der Wertebereich der Funktion f . Nun prüfen wir, ob die gegebene Funktion umkehrbar ist. Um dies herauszufinden, untersuchen wir das Monotonieverhalten dieser Funktion, denn wir wissen aus der Bemerkung 3.6, dass jede streng monoton wachsende bzw. streng monoton fallende Funktion umkehrbar ist. Die Funktion y = f (x) = (x − 1)2 − 2 ist eine verkettete Funktion der Gestalt y = f (u) = u2 − 2 mit u = g(x) = x − 1 . Die Funktion g(x) ist im Intervall I = [1, ∞) streng monoton wachsend und für ihren Wertebereich gilt Wg(I) = [0, ∞) (siehe auch (3.10)). Die Funktion f (u) ist in Wg(I) streng monoton wachsend, denn für beliebige u1 , u2 ∈ Wg(I) mit u1 < u2 gilt u21 < u22 ⇔ f (u1 ) = u21 − 2 < u22 − 2 = f (u2 ) .

3.1 Definition und Eigenschaften von Funktionen

125

Entsprechend der Eigenschaft a) bezüglich der Monotonie verketteter Funktionen (siehe Bemerkung 3.5) ist die Funktion f (g(x)) = (x − 1)2 − 2 als verkettete Funktion der beiden streng monoton wachsenden Funktionen f (u) und g(x) im Intervall Dg = [1, ∞) streng monoton wachsend. Somit ist die Funktion f (g(x)) in diesem Intervall eineindeutig, d. h. umkehrbar (siehe Bemerkung 3.6). Zur Bestimmung der Umkehrfunktion lösen wir die Beziehung (3.9) nach x auf. Wir erhalten y = (x − 1)2 − 2 ⇔ y + 2 = (x − 1)2 ⇔



y + 2 = |x − 1| .

Wegen x ∈ [1, ∞), gilt x − 1 ≥ 0 und folglich |x − 1| = x − 1. Damit ergibt sich    y + 2 = |x − 1| ⇔ y + 2 = x − 1 ⇔ x = y + 2 + 1. Somit haben wir die Umkehrfunktion x = f −1 (y) =

 y+2+1

gefunden. Da wir diesen Funktionsausdruck durch äquivalente Umformungen der Gleichung (3.9) erhalten haben, ist die Menge der x und y, welche wir betrachten, noch die gleiche wie bei der Funktion y = f (x). Folglich gilt Df −1 = Wf = [−2, ∞)

und

Wf −1 = Df = [1, ∞) .

Um die Funktion f (x) und ihre Umkehrfunktion in ein und demselben Koordinatensystem darstellen zu können, vertauschen wir bei der Umkehrfunktion die Variablen x und y, so dass wir y = f −1 (x) =



x + 2 + 1 , x ∈ Df −1 = Wf = [−2, ∞) ,

schreiben. Der Graph der Funktion f (x) und ihrer Umkehrfunktion f −1 (x) sind in der Abbildung 3.12 dargestellt. y

6 f −1 (x)

f (x)

1

-

0 −1 −1

1

x

Abb. 3.12 Funktion f (x) = (x − 1)2 − 2, x ∈ [1, ∞), und deren Umkehrfunktion

126

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Die Tatsache, dass Df −1 = Wf und Wf −1 = Df gelten muss, können wir nutzen, um zu überprüfen, ob die ermittelte Umkehrfunktion fehlerhaft ist. Dabei muss der Definitionsbereich Df −1 der Umkehrfunktion nicht der größtmögliche Definitionsbereich der durch die Abbildungsvorschrift f −1 (x) beschriebenen Funktion sein, sondern er kann auch nur eine echte Teilmenge des größtmöglichen Definitionsbereichs sein. √ Zur Kontrolle der ermittelten Umkehrfunktion f −1 (x) = x + 2 + 1 überlegen wir uns, ob [−2, ∞) tatsächlich der Definitionsbereich und [1, ∞) der Wertebereich dieser Umkehrfunktion sein kann. Da die Wurzel nur für nicht negative reelle Zahlen berechnet werden kann, erhalten wir für die Bestimmung des Definitionsbereichs der Funktion f −1 die Bedingung x + 2 ≥ 0, d. h. x ≥ −2. Folglich hat die Umkehrfunktion den Definitionsbereich Df −1 = [−2, ∞) . √ √ Weil x + 2 ≥ 0 für alle x ∈ [−2, ∞) gilt, folgt x + 2 + 1 ≥ 1 für alle x ∈ [−2, ∞) . Der Wertebereich der Umkehrfunktion lautet somit Wf −1 = [1, ∞) . Es gilt für die von uns ermittelte Umkehrfunktion also tatsächlich Df −1 = Wf und Wf −1 = Df . Bemerkung 3.7 Beziehungen zwischen einer Funktion f und ihrer Umkehrfunktion:

a) Es gilt f (f −1 (x)) = x , f −1 (f (x)) = x b) Den Graph der Umkehrfunktion f −1 (x) erhält man durch Spiegelung des Graphen der Funktion f (x) an der Geraden y = x (siehe zum Beispiel Abbildung 3.12). c) Alle Schnittpunkte der beiden Funktionsgraphen liegen auf der Geraden y = x. d) Die Funktionen f und f −1 haben immer das gleiche Monotonieverhalten. (Im Beispiel 3.14 sind beide streng monoton wachsend.) e) Df −1 = Wf , Wf −1 = Df . f) Ist Sx (a, 0) ein Schnittpunkt des Graphen der Funktion f (x) mit der x-Achse, so schneidet der Graph der Umkehrfunktion f −1 (x) die y-Achse im Punkt Sy (0, a). Wenn der Graph der Funktion f (x) die y-Achse im Punkt Sy (0, b) schneidet, so ist der Punkt Sx (b, 0) Schnittpunkt des Graphen der Umkehrfunktion f −1 (x) mit der x-Achse.

3.1 Definition und Eigenschaften von Funktionen

127

Bemerkung 3.8 Wir dürfen die Schreibweise f −1 (x) für die Umkehrfunktion der Funktion f (x) nicht mit (f (x))−1 verwechseln. Die Funktion (f (x))−1 ist die Funktion Funktionen f −1 (x) und (f (x))−1 =

1 . Die beiden f (x)

1 sind verschiedene Funktionen. Zum Beispiel f (x)

gilt für die Funktion f (x) = x + 1 f −1 (x) = x − 1 ,

aber (f (x))−1 =

1 1 = f (x) x+1

(siehe auch die Abbildung 3.13). y

y

f (x)

6

6

f −1 (x) 1

1

(f (x))−1

−1 0 −1

1

x

−1 0 −1

1

x

Abb. 3.13 Umkehrfunktion f −1 (x) = x − 1 der Funktion f (x) = x + 1 und die Funktion 1 (f (x))−1 = x+1

Wir betrachten noch ein Beispiel zur Anwendung der Umkehrfunktion. Beispiel 3.15 Ein Körper befindet sich zum Zeitpunkt t = 0 in der Höhe h0 = 50 m. Nach welcher Zeit befindet er sich im freien Fall auf der Höhe h = 20 m? Es gilt

g 2 t , t ∈ [0, te ] . (3.11) 2 m Dabei sind g = 9.81 s2 die Erdbeschleunigung und te die Zeit, nach welcher der Körper auf dem Boden aufschlägt. Die gesuchte Zeit können wir mit Hilfe der quadratischen Gleichung m 9.81 2 g s t2 h(t) = h0 − t2 ⇔ 20 m = 50 m − 2 2 ermitteln. Wir können sie aber auch unter Nutzung der Umkehrfunktion der Funktion h(t) aus (3.11) bestimmen. Aus g g g 2 2 t = h0 − h ⇔ t2 = (h0 − h) h = h0 − t2 ⇔ h + t2 = h0 ⇔ 2 2 2 g h(t) = h0 −

128

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen



erhalten wir |t| =

2 (h0 − h) . g

Da wir nur Zeitpunkte t mit t ≥ 0 betrachten, gilt |t| = t. Somit ergibt sich die Umkehrfunktion  2 t= (h0 − h) . g Wir vertauschen hier die Bezeichnung der Variablen h und t nicht, damit die physikalische Bedeutung der Größen weiterhin erkennbar ist. Setzen wir h = 20 m in die Umkehrfunktion ein, so ergibt sich für die gesuchte Zeit   2 2 (h0 − 20 m) ⇔ t = t= m (50 m − 20 m) ≈ 2.47 s . g 9.81 s2

Nach einer Fallzeit von ungefähr 2.47 s befindet sich der Körper in einer Höhe von 20 m.

3.1.6

Periodizität und Symmetrie

Später werden wir uns ausführlicher mit Maxima und Minima von Funktionen beschäftigen. Die Bestimmung der Maxima und Minima lässt sich teilweise vereinfachen, wenn man weiß, ob die gegebene Funktion periodisch ist oder gewisse Symmetrieeigenschaften besitzt. Kenntnisse über Periodizität und Symmetrieeigenschaften einer Funktion sind auch hilfreich bei der Lösung nichtlinearer Gleichungen (siehe z. B. Abschnitt 3.3.4). Deshalb erläutern wir noch die Begriffe Periodizität einer Funktion und gerade bzw. ungerade Funktionen.

Definition 3.9 Eine Funktion f (x) nennt man periodisch, wenn eine Zahl p existiert, so dass f (x) = f (x + p) für alle x ∈ Df

(3.12)

gilt. Die kleinste Zahl p, für welche die Beziehung (3.12) erfüllt ist, bezeichnet man als Periodenlänge der Funktion f .

Beispiel 3.16 Ein Beispiel für eine periodische Funktion ist die in der Abbildung 3.14 dargestellte Funktion. Ihre Periodenlänge ist gleich 2.

3.1 Definition und Eigenschaften von Funktionen y

B  B  B −2

B  B  B

6

1B

B  B

 

B  B

−1 0

B

B





B  B

B

B

B  B

1

B  B





B

B  B

129

 

B





B  B -

x

2

Abb. 3.14 Periodische Funktion

Definition 3.10 Man nennt eine Funktion f (x), x ∈ Df , eine gerade Funktion, wenn f (−x) = f (x) für alle x ∈ Df gilt. Die Funktion f (x) heißt ungerade, wenn f (−x) = −f (x) für alle x ∈ Df erfüllt ist.

Beispiel 3.17 Die Funktion f (x) = x2 , x ∈ Df = (−∞, ∞), ist eine gerade Funktion, denn es gilt f (−x) = (−x)2 = ((−1) · x)2 = (−1)2 · x2 = x2 = f (x) für alle x ∈ Df . Die Funktion g(x) = x3 , x ∈ Df = (−∞, ∞), ist wegen g(−x) = (−x)3 = ((−1) · x)3 = (−1)3 · x3 = −x3 = −g(x) für alle x ∈ Df eine ungerade Funktion. Die Funktionsgraphen von f (x) und g(x) sind in der Abbildung 3.15 dargestellt. (a)

y

6

f (x)

(b)

1 −1 0 −1

y

g(x)

6

1

1

x

−1 0 −1

1

x

Abb. 3.15 (a) Gerade Funktion, (b) ungerade Funktion

130

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Bemerkung 3.9 Gerade bzw. ungerade Funktionen besitzen die folgenden Eigenschaften:

a) Eine gerade Funktion hat zu Argumenten x und −x die gleichen Funktionswerte. Bei einer ungeraden Funktion sind die Funktionswerte zu Argumenten x und −x betragsmäßig gleich, haben aber unterschiedliche Vorzeichen. Folglich ist der Graph einer geraden Funktion symmetrisch zur y-Achse und der Graph einer ungeraden Funktion punktsymmetrisch zum Koordinatenursprung. b) Der Definitionsbereich einer geraden bzw. ungeraden Funktion ist symmetrisch zur Null, d. h. er ist beispielsweise von der Gestalt Df = (−b, b)

mit

b ∈ R, b > 0

oder

b=∞

bzw. Df = [−b, b] bzw. Df = (−b, −a) ∪ (a, b)

mit

0 0 und um |¯b| Einheiten nach rechts, falls ¯b < 0. Der Parameter c bewirkt – für |c| > 1 eine Streckung und – für 0 < |c| < 1 eine Stauchung des Graphen der Funktion f (x) in y-Richtung mit dem Faktor |c|. Falls c < 0, wird der Graph zusätzlich noch an der x-Achse gespiegelt.

f (x)

6

1 0

π

−1

2

y

π

0

1

π

-

2π x

2

−1

y

2π x

a=2

6

1

-

π

¯b = − π 2

6

0

π

−1

2

y 1.5 6

0

x



c = 1.5

π 2

−1.5

-

π

π

-

2π x

3.1 Definition und Eigenschaften von Funktionen

Der Parameter d bewirkt eine Verschiebung des Graphen der Funktion f (x) um d Einheiten nach oben, falls d > 0 und um |d| Einheiten nach unten, falls d < 0.

f (x) + d

133

y 1 0.5

d = 0.5

6

0

π

−1

2

-

π

2π x

Nachdem wir in der obigen Tabelle die Auswirkungen von jeweils einem Parameter beschrieben haben, betrachten wir im folgenden Beispiel die allgemeine Situation y = cf (ax + b) + d = cf (a(x + ¯b)) + d. Beispiel 3.19 Unser Ziel ist es, den Graph der Funktion y = h(x) = −0.25(x + 1)2 + 1.5 zu skizzieren. Diese Funktion ist von der Gestalt cf (a(x + ¯b)) + d mit f (u) = u2 , a = 1 , ¯b = 1 , c = −0.25 , d = 1.5 . Ausgehend vom Graph der Funktion y = x2 führen wir folgende Schritte beim Skizzieren des Funktionsgraphen durch: 1.

f1 (x) = x2

y

2. f2 (x) = (x + ¯b)2 = (x + 1)2 ¯b = 1 > 0: Verschiebung des Funktionsgraphen um ¯b = 1 Einheiten nach links y

6

6

=⇒

=⇒

1 −1 0 3.

1

1

x

−1 0

-

1x

f3 (x) = c(x + ¯b)2 = −0.25(x + 1)2 4. f (x) = c(x + ¯b)2 + d = −0.25(x + 1)2 + 1.5 |c| = 0.25 < 1: Stauchung in y-Richtung d = 1.5 > 0: Verschiebung des Funktionsmit Faktor |c| = 0.25 graphen um d = 1.5 Einheiten c = −0.25 < 0: Spiegelung an der x-Achse nach oben y y

6

1 −1 0 −1

6

=⇒

1.5 1

-

1x

−1 0 −1

-

1x

Abb. 3.16 Schritte zur Skizze des Graphen der Funktion y = h(x) = −0.25(x + 1)2 + 1.5

134

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Man kann die Funktion h(x) = −0.25(x + 1)2 + 1.5 auch in der Form h(x) = −(0.5(x + 1))2 + 1.5 darstellen, d. h. in der Form h(x) = cf (a(x + ¯b)) + d

a = 0.5 , ¯b = 1 , c = −1 und d = 1.5 .

mit

Dann müssen der zweite und dritte Schritt bei der obigen Vorgehensweise, d. h. die Darstellung der Funktionen f2 (x) = (x + 1)2 und f3 (x) = −0.25(x + 1)2 , durch die drei in der Abbildung 3.17 dargestellten Schritte ersetzt werden. 2.

f2 (x) = (ax)2 = (0.5x)2 a = 0.5 < 1: Streckung in x-Richtung um den Faktor a−1 = 2 y 1 6 −1 0 −1 3.2.

=⇒

3.1

f3 (x) = (a(x + ¯b))2 = (0.5(x + 1))2 ¯b = 1 > 0: Verschiebung des Funktionsgraphen um ¯b = 1 Einheiten nach links y 1 6

=⇒

-

1x

−1 0 −1

-

1x

f4 (x) = c(a(x + ¯b))2 = −(0.5(x + 1))2 c = −1: Spiegelung des Funktionsgraphen an der x-Achse y 1 6 −1 0 −1

-

1x

Abb. 3.17 Schritte 2 und 3 zur Skizze des Graphen der Funktion y = h(x) = −(0.5(x + 1))2 + 1.5

Bemerkung 3.10 Ist x0 eine Nullstelle der Funktion f (x), d. h. gilt f (x0 ) = 0 , dann hat die Funktion h(x) = cf (ax + b), a, b, c ∈ R, a, c = 0, die Nullstelle x0h = denn



b x0 − h a a



b x0 − , a a

(3.13)

   b x0 − = cf a +b = cf (x0 − b + b) = cf (x0 ) = c · 0 = 0 . a a

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

135

Bemerkung 3.11 Gegeben sei eine periodische Funktion f (u), u ∈ R. Die Periodenlänge sei p. Gesucht ist die Periodenlänge der Funktion h(x) = cf (ax + b) + d mit a, b, c, d ∈ R und a = 0, c = 0. Wenn die Funktion f (u) p-periodisch ist, gilt f (u) = f (u + p) für alle u ∈ R . Daraus erhalten wir mit u = ax + b h(x) = cf (ax + b) + d = cf (ax + b + p) + d und somit

    p p h(x) = cf (ax + b + p) + d = cf a x + +b +d=h x+ für alle x ∈ R , a a d. h. die Funktion h(x) = cf (ax + b) + d ist periodisch mit der Periodenlänge

3.2

p . a

Grundfunktionen und elementare Funktionen

In diesem Abschnitt diskutieren wir Eigenschaften der sogenannten Grundfunktionen, d. h. der Potenzfunktionen, der Exponentialfunktionen und der trigonometrischen Funktionen sowie ihrer Umkehrfunktionen. Durch Verknüpfungen, wie zum Beispiel Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division, der Grundfunktionen erhalten wir elementare Funktionen, zum Beispiel Polynome, gebrochen rationale Funktionen und die hyperbolischen Funktionen.

3.2.1

Potenz- und Wurzelfunktionen

Definition 3.11 Die Funktion y = f (x) = xa , x ∈ Df , wobei a eine fest vorgegebene reelle Konstante ist, nennt man Potenzfunktion mit dem Exponenten a. Wir betrachten im Folgenden drei Fälle bezüglich des Exponenten a.

136

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

1. a = k ∈ N Was man unter der k-ten Potenz einer reellen Zahl versteht, haben wir im Abschnitt 1.5 (siehe Definition 1.4) erklärt und wir haben dort entsprechende Rechenregeln (Potenzgesetze (1.40) – (1.45)) kennengelernt. Da die k-te Potenz von jeder reellen Zahl berechnet werden kann, haben die Potenzfunktionen als Definitionsbereich die Menge aller reellen Zahlen. Für x ≥ 0 ist auch xk ≥ 0. Wenn x < 0 ist, d. h. für negative Argumente x, die wir in der Form x = −|x| darstellen können (siehe Definition 1.9 des Betrags einer reellen Zahl im Abschnitt 1.2), gilt bei einem geradzahligen Exponenten k = 2m mit m ∈ N, m ≥ 1 x2m = (−1·|x|)2m = (−1)2m |x|2m = ((−1)2 )m |x|2m = 1m ·|x|2m = 1·|x|2m = |x|2m > 0 (hier haben wir die Potenzgesetze (1.43) und (1.45) sowie die Eigenschaft |x| > 0, wenn x = 0 genutzt). Folglich sind bei einem geradzahligen Exponenten alle Funktionswerte xk größer oder gleich Null. Diese Funktionen haben somit den Wertebereich Wf = [0, ∞) und sind deshalb nach unten beschränkte Funktionen. Eine untere Schranke ist cu = 0. Im Fall eines ungeradzahligen Exponenten k = 2m + 1, m ∈ N, erhalten wir für negative Argumente x x2m+1 = (−1 · |x|)2m+1

= (−1)2m+1 |x|2m+1 = ((−1)2 )m · (−1)1 · |x|2m+1

= 1m · (−1) · |x|2m+1 = 1 · (−1) · |x|2m+1 = −|x|2m+1

< 0.

Die Funktionswerte sind also negativ, wenn x < 0 ist und nicht negativ, wenn x ≥ 0 ist. Die Potenzfunktionen mit einem ungeradzahligen Exponenten haben somit als Wertebereich die Menge aller reellen Zahlen und sind folglich unbeschränkte Funktionen. Da sowohl bei einem geradzahligen als auch bei einem ungeradzahligen Exponenten 0 ∈ Wf gilt, haben alle Potenzfunktionen mit einem natürlichen Exponenten k ≥ 1 die Nullstelle x0 = 0. Wegen (−x)2m = ((−1) · x)2m = (−1)2m · x2m = ((−1)2 )m · x2m = 1m · x2m = x2m für alle x ∈ R sind die Potenzfunktionen mit geradzahligem Exponenten gerade Funktionen. Die Potenzfunktionen mit ungeradzahligem Exponenten sind wegen (−x)2m+1 = ((−1) · x)2m+1

= (−1)2m+1 · x2m+1

= ((−1)2 )m · (−1)1 · x2m+1 = 1m · (−1) · x2m+1 = −x2m+1 für alle x ∈ R ungerade Funktionen. Die soeben diskutierten Eigenschaften und weitere Eigenschaften der Potenzfunktionen mit einer natürlichen Zahl als Exponenten fassen wir in der folgenden Tabelle zusammen:

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

137

y = f (x) = xa a = k geradzahlig,

a = k ungeradzahlig,

k ∈ N, k ≥ 2

a=0

k∈N

Definitionsbereich

Df = R = (−∞, ∞)

Df = R = (−∞, ∞)

Df = R = (−∞, ∞)

Wertebereich

Wf = [0, ∞)

Wf = R = (−∞, ∞)

Wf = {1}

unbeschränkt

beschränkt,

Beschränkt- nach unten beschränkt, heit:

xk ≥ 0 für alle x ∈ Df

Nullstellen:

x0 = 0

x0 = 0

keine

Monotonie-

streng monoton fallend

streng monoton wach-

monoton wach-

verhalten:

in (−∞, 0], streng monoton wachsend in [0, ∞)

send in Df

send und fallend in Df

Symmetrie:

gerade Funktion

ungerade Funktion

gerade Funktion

Im Fall a = 0 ist für x∗ = 0 die Potenz x∗ = 0 den Funktionswert f (x∗ ) = 1.

x0 = 1 für alle x ∈ Df

xa∗

nicht erklärt. Wir setzen an der Stelle

Die Funktionsgraphen von Potenzfunktionen mit einer natürlichen Zahl als Exponenten sind in der Abbildung 3.18 dargestellt. (a)

f (x) = x4

(b) y

y

6 f (x) = x6

5

f (x) = x 6

f (x) = x3

f (x) = x2 f (x) = x

1

1 f (x) = x0

−2

−1

1

2 x

−1

0

1

x

Abb. 3.18 (a) Potenzfunktionen f (x) = xa mit geradzahligem Exponenten a ∈ N, (b) mit ungeradzahligem Exponenten a ∈ N

138

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Bei geradzahligem Exponenten a liegen die Punkte P1 (−1, 1) und P2 (1, 1) auf dem Graph der Funktion f (x) = xa . Für alle ungeradzahligen a verläuft der Funktionsgraph durch die beiden Punkte P2 (1, 1) und P3 (−1, −1) (siehe auch die Abbildungen 3.18(a) und (b)). Den Funktionsgraph der Potenzfunktionen mit einem natürlichen Exponenten k > 1 bezeichnet man als Parabel k -ter Ordnung. 2. a =

1 , k ∈ N, k ≥ 2 k

Anstelle von 1

xk schreibt man oft auch

√ k

x.

√ Die k-te Wurzel k x einer reellen Zahl haben wir im Abschnitt 1.5 definiert (siehe Definition 1.5) und entsprechende Rechengesetze (Wurzelgesetze (1.61) – (1.68)) diskutiert. Die Funktionen 1

y = f (x) = x k =

√ k

x

werden als Wurzelfunktionen bezeichnet. Die Wurzelfunktionen besitzen folgende Eigenschaften. Da eine Wurzel nur von einer nicht negativen reellen Zahl berechnet werden kann und die k-te Wurzel einer reellen Zahl eine nicht negative reelle Zahl ist (siehe Definition 1.5 im Abschnitt 1.5), ist der Definitions- und der Wertebereich der Wurzelfunktion das Intervall [0, ∞). Folglich ist die Wurzelfunktion eine nach unten √ √ beschränkte Funktion mit der unteren Schranke cu = 0. Wegen k 0 = 0 und k x = 0, wenn x = 0, ist x0 = 0 die einzige Nullstelle der Wurzelfunktion. Wir fassen diese Eigenschaften der Wurzelfunktionen in der folgenden Tabelle zusammen:

y = f (x) =

√ k

x, k ∈ N, k ≥ 2

Definitionsbereich:

Df = [0, ∞)

Wertebereich:

Wf = [0, ∞)

Beschränktheit:

nach unten beschränkt,

Nullstelle:

x0 = 0

Monotonieverhalten:

streng monoton wachsend in Df

√ k

x ≥ 0 für alle x ∈ Df

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen Der Funktionsgraph der Wurzelfunktionen f (x) = Punkt P (1, 1) (siehe Abbildung 3.19). y

139 √ k

x verläuft für alle k durch den

6

f (x) = f (x) = f (x) =



x

√ 3 √ 6

x x

1

0

x

1

Abb. 3.19 Wurzelfunktionen

Die Wurzelfunktion f −1 (x) = y = f (x) = xk , x ∈ [0, ∞).

√ k

x, x ∈ [0, ∞), ist die Umkehrfunktion der Funktion

Bemerkung 3.12 Wenn k eine ungerade Zahl ist, kann man die Wurzelfunktionen auch für x < 0 definieren. Man setzt ⎧ k ⎨ √ x für x ≥ 0 f (x) = √ ⎩ − k −x für x < 0 . 3. a = −k , k ∈ N \ {0} Die Berechnung von x−k bedeutet den Ausdruck

 1 k

x zu berechnen (siehe auch Abschnitt 1.5).

=

1 xk

Da eine Division durch Null nicht definiert ist und 0k = 0 gilt, gehört die Null nicht zum Definitionsbereich der Potenzfunktionen mit negativem ganzzahligen Exponenten. Für alle x = 0 ist der Funktionsausdruck x1k aber berechenbar. Folglich ist der Definitionsbereich dieser Funktionen Df = R \ {0} = (−∞, 0) ∪ (0, ∞). Weil xk > 0 für alle x = 0 gilt, wenn k geradzahlig ist, haben Potenzfunktionen mit einem geradzahligen negativen Exponenten den Wertebereich Wf = (0, ∞). Somit sind diese Funktionen nach unten beschränkt mit der unteren Schranke cu = 0. Im Fall eines ungeradzahligen Exponenten ist xk < 0, wenn x < 0 ist und xk > 0 für x > 0. Die Funktionswerte x1k können in diesem Fall also beliebige von Null verschiedene reelle Zahlen sein, so dass der Wertebereich bei einem ungeradzahligen negativen Exponenten die Menge Wf = R \ {0} ist. Folglich sind diese Funktionen unbeschränkt. Da

140

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

die Null nicht zum Wertebereich der Potenzfunktionen mit negativem ganzzahligen Exponenten gehört, haben sie keine Nullstellen. Die soeben angegebenen Eigenschaften der Potenzfunktionen mit negativem ganzzahligen Exponenten und weitere Eigenschaften fassen wir in der folgenden Tabelle zusammen:

y = f (x) = xa = x−k =

1 , k ∈ N, k ≥ 1 xk

a = −k geradzahlig, k ≥ 2

a = −k ungeradzahlig

Definitionsbereich:

Df = R \ {0}

Df = R \ {0}

Wertebereich:

Wf = (0, ∞)

Wf = R \ {0}

Beschränktheit

nach unten beschränkt,

unbeschränkt

−k

x

> 0 für alle x ∈ Df

Nullstellen:

keine

keine

Monotonieverhalten:

streng monoton wachsend

streng monoton fallend

in (−∞, 0),

in (−∞, 0),

streng monoton fallend

streng monoton fallend

in (0, ∞)

in (0, ∞)

gerade Funktion

ungerade Funktion

Symmetrie

Beispiele derartiger Funktionen sind in der Abbildung 3.20 dargestellt. (a)

f (x) = x−4 f (x) = x−6

f (x) = x−2

(b)

?y ? 6

f (x) = x−1 f (x) = x−3 y

?? 6 -

1 1

-

1 −1 0

1

x

f (x) = x−5

x

Abb. 3.20 (a) Potenzfunktionen mit Exponenten a = −k, k geradzahlig, (b) Potenzfunktionen mit Exponenten a = −k, k ungeradzahlig, k ∈ N , k ≥ 1

Die Funktionsgraphen der Potenzfunktionen mit negativen ganzzahligen Exponenten −k bezeichnet man als Hyperbeln k -ter Ordnung.

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

141

Falls k geradzahlig ist, dann liegen die beiden Punkte P1 (−1, 1) und P2 (1, 1) auf dem Graph der Funktion f (x) = x−k . Bei allen ungeradzahligen k verläuft der Funktionsgraph durch die beiden Punkte P2 (1, 1) und P3 (−1, −1). Durch Kombination der bisher betrachteten Fälle bezüglich der Gestalt des Exponenten a kann man die Potenzfunktion m

y = f (x) = x n =

√ n

xm =

√ m n x für x ≥ 0 , n ∈ N , n ≥ 2 , m ∈ Z

erhalten. Potenzfunktionen mit einem irrationalen Exponenten betrachten wir später (siehe Bemerkung 3.19). Wir wenden die bisher erworbenen Kenntnisse über Funktionen nun bei der Untersuchung einer Funktion mit einem komplizierteren Funktionsausdruck, welcher einen Wurzelterm enthält, an. Beispiel 3.20 Gegeben sei die Abbildungsvorschrift y = f (x) = 2 −

√ x + 3.

(3.14)

Gesucht sind der größtmögliche Definitionsbereich und der Wertebereich der durch diese Abbildungsvorschrift beschriebenen Funktion. Außerdem sollen die Schnittpunkte des Funktionsgraphen mit den Koordinatenachsen rechnerisch bestimmt werden. Weiterhin sind Aussagen über die Beschränktheit und das Monotonieverhalten dieser Funktion zu treffen. Falls vorhanden, ist die Umkehrfunktion zu bestimmen sowie deren Definitions- und Wertebereich zu ermitteln. Wir überlegen uns zuerst wie wir ausgehend von einem gegebenen Argument x den Funktionswert y = f (x) berechnen. Dies wird uns u. a. bei der Bestimmung des Wertebereichs und des Mononotieverhaltens helfen. Wir berechnen der Reihe nach +3



x −→ x + 3 −→



√ √ √ ·(−1) +2 x + 3 −→ − x + 3 −→ y = − x + 3 + 2 = 2 − x + 3 . (3.15)

a) größtmöglicher Definitionsbereich: Da eine Wurzel nur von einer nicht negativen reellen Zahl berechnet werden kann, muss x + 3 ≥ 0 , d. h. x ≥ −3 , gelten. Die Multiplikation des Wurzelausdrucks mit (−1) und die Addition der 2 bringen keine weiteren Einschränkungen an die Variable x. Folglich lautet der größtmögliche Definitionsbereich der durch die Abbildungsvorschrift (3.14) beschriebenen Funktion Df = [−3, ∞) .

142

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

b) Wertebereich: Bei der Bestimmung des Wertebereichs nutzen wir die Folge (3.15) der Schritte zur Berechnung der Funktionswerte y = f (x). Aufgrund des Definitionsbereichs gilt −3 ≤ x < ∞ ⇔ 0 ≤ x + 3 < ∞ . Da die Wurzelfunktion eine streng monoton wachsende Funktion ist, folgt daraus √ √ √ √ 0 ≤ x + 3 < „ ∞ “ ⇔ 0 ≤ x + 3 < ∞. √ Dabei ist „ ∞ “ eine symbolische Schreibweise für die Quadratwurzel einer beliebig großen Zahl, denn ∞ steht für eine beliebig große Zahl. Da die Wurzel aus einer beliebig großen Zahl wieder eine große Zahl ergibt, können wir in der zweiten Ungleichungskette ∞ schreiben. Aus der obigen Ungleichungskette ergibt sich nach Multiplikation mit (−1) und anschließender Addition von 2 (beachte, dass sich bei der Multiplikation mit einer negativen Zahl die Relationszeichen in den Ungleichungen ändern) √ √ 0 ≥ − x + 3 > −∞ ⇔ 0 + 2 ≥ − x + 3 + 2 > „ − ∞ + 2 “ √ ⇔ 2 ≥ 2 − x + 3 > −∞ , d. h. y =2−

√ x + 3 ∈ (−∞, 2] .

Folglich ist der Wertebereich der gegebenen Funktion Wf = (−∞, 2] . c) Schnittpunkte des Funktionsgraphen mit der x-Achse, d. h. Nullstellen der gegebenen Funktion: Da 0 ∈ Wf = (−∞, 2] hat die gegebene Funktion mindestens eine Nullstelle, d. h. der Funktionsgraph hat mindestens einen Schnittpunkt mit der x-Achse. Jeder Punkt auf der x-Achse hat die y-Koordinate y = 0, so dass dies auch für die Schnittpunkte des Funktionsgraphen mit der x-Achse gilt. Um die zugehörigen xKoordinaten der Schnittpunkte zu erhalten, setzen wir in der Abbildungsgleichung (3.14) für y den Wert Null ein: 0=2−



x + 3.

(3.16)

Die Lösungen dieser Wurzelgleichung erhalten wir wie folgt. Wir addieren den Term √ x + 3 zu beiden Seiten dieser Gleichung: √

x + 3 = 2.

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

143

Nach Quadrieren beider Seiten dieser Gleichung erhalten wir √ ( x + 3)2 = 22 ⇔ x + 3 = 4 . Subtrahieren wir nun noch 3 von beiden Seiten der letzten Gleichung, so ergibt sich x = 4 − 3 = 1. Wir überprüfen, ob der Punkt Sx (1, 0) tatsächlich ein Schnittpunkt des Graphen √ der Funktion y = f (x) = 2 − x + 3 mit der x-Achse ist. Dazu setzen wir für x den ermittelten Wert 1 ein. Dies ergibt y =2−

√ √ 1 + 3 = 2 − 4 = 2 − 2 = 0.

Der Punkt Sx (1, 0) ist also tatsächlich Schnittpunkt des Graphen der gegebenen Funktion f (x) mit der x-Achse, d. h. die Funktion f (x) hat bei x = 1 eine Nullstelle. Dies ist die einzige Nullstelle der Funktion f (x), denn die Gleichung (3.16) hat nur die eine Lösung x = 1. d) Schnittpunkt des Funktionsgraphen mit der y-Achse: Da 0 ∈ Df = [−3, ∞), hat der Funktionsgraph der gegebenen Funktion einen Schnittpunkt mit der y-Achse. Weil alle Punkte auf der y-Achse die x-Koordinate x = 0 haben, muss dies auch für die x-Koordinate dieses Schnittpunktes gelten. Wir setzen deshalb in (3.14) für x den Wert Null ein und erhalten als y-Koordinate für den Schnittpunkt y =2−

√ √ 0 + 3 = 2 − 3 ≈ 0.268 ,

d. h. der Schnittpunkt des Funktionsgraphen mit der y-Achse ist der Punkt Sy (0, 2 −



3) ≈ Sy (0, 0.268) .

e) Beschränktheit: Aus dem in b) ermittelten Wertebereich Wf = (−∞, 2] folgt, dass die Funktion nach unten unbeschränkt ist. Nach oben ist die Funktion beschränkt. Eine obere Schranke ist dabei co = 2 , denn die Funktionswerte sind alle kleiner oder gleich 2. Da ein Argument x ∈ Df √ existiert, so dass f (x) = 2 − x + 3 = 2 gilt, nämlich x = −3, ist co = 2 das Maximum der gegebenen Funktion f (x).

144

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

f) Monotonieverhalten: Zur Ermittlung des Monotonieverhaltens nutzen wir die Aussagen bezüglich der Monotonie von Funktionen, welche in den Bemerkungen 3.2 und 3.5 in den Abschnitten 3.1.2 und 3.1.5 angegeben sind. Dafür ist es zweckmäßig, dass wir uns erst einmal überlegen, wie die gegebene Funktion aufgebaut ist. Dies erkennen wir anhand der Schritte (3.15) zur Berechnung der Funktionswerte y = f (x). Ausgehend von dieser Berechnungsreihenfolge gilt f1 (x) = x

ist eine streng monoton wachsende Funktion in R und damit auch in Df = [−3, ∞),



f2 (x) = x + 3

ist streng monoton wachsend in Df = [−3, ∞) (Addition einer Konstanten ändert das Monotonieverhalten nicht, siehe a) in der Bemerkung 3.2 im Abschnitt 3.1.2),



f3 (x) =



√ f5 (x) = − x + 3



f (x) = 2 −



x+3



x+3

ist eine im Intervall [−3, ∞) streng monoton wachsende Funktion (Verkettung der zwei streng monoton wachsenden Funktionen u = f2 (x) = x + 3 und √ f4 (u) = u ergibt eine streng monoton wachsende Funktion, siehe a) in der Bemerkung 3.5 im Abschnitt 3.1.4), ist eine im Intervall [−3, ∞) streng monoton fallende Funktion (Multiplikation mit (−1) ändert das Monotonieverhalten, siehe d) in der Bemerkung 3.2), ist eine im Intervall [−3, ∞) streng monoton fallende Funktion (Addition der Konstanten 2 ändert das Monotonieverhalten nicht, siehe a) in der Bemerkung 3.2).

g) Umkehrfunktion: Da die gegebene Funktion nach den Überlegungen in f) eine streng monoton fallende Funktion ist, ist sie umkehrbar (siehe Bemerkung 3.6 im Abschnitt 3.1.5). √ Zur Bestimmung der Umkehrfunktion stellen wir die Gleichung y = 2 − x + 3 nach x um. Die dafür durchzuführenden Schritte ergeben sich aus der Umkehrung der Reihenfolge der Schritte (3.15) bei der Berechnung der Funktionswerte

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

145

y = f (x). In jedem Schritt muss dabei die entsprechende Umkehroperation oder Umkehrfunktion genutzt werden, d. h. (−(y − 2))2 − 3 = x

x ⏐  +3

⏐ −3 (−(y − 2))2 = x + 3

x+3 ⏐√  √

⏐ ( )2 √ −(y − 2) = x + 3

x+3 ⏐  ·(−1)

⏐ : (−1) √ y−2=− x+3

√ − x+3 ⏐  +2

⏐ −2 √ y =2− x+3

√ 2− x+3

=y

Wegen (−(y − 2))2 = (y − 2)2 ergibt sich die Umkehrfunktion x = f −1 (y) = (y − 2)2 − 3 . Da wir die Funktion f (x) und ihre Umkehrfunktion in einem Koordinatensystem darstellen wollen, vertauschen wir in der Umkehrfunktion noch die Bezeichnungen x und y, so dass wir f −1 (x) = (x − 2)2 − 3 schreiben. Der Definitions- und Wertebereich dieser Umkehrfunktion sind Df −1 = Wf = (−∞, 2]

und

Wf −1 = Df = [−3, ∞)

(siehe e) in der Bemerkung 3.7 sowie a) und b) in diesem Beispiel). Gemäß der Aussage d) in der Bemerkung 3.7 hat die Umkehrfunktion das gleiche Monotonieverhalten wie die gegebene Funktion, d. h. entsprechend der Überlegungen in f) ist die ermittelte Umkehrfunktion im Definitionsbereich Df −1 somit streng monoton fallend (siehe auch Abbildung 3.22).

146

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

h) Skizze des Graphen der Funktion f (x) und der Umkehrfunktion f −1 (x): Beim Anfertigen einer Skizze der Funktionsgraphen nutzen wir die Überlegungen zur Skizzierung von Funktionsgraphen, welche wir im Abschnitt 3.1.7 durchgeführt √ haben. Ausgehend vom Graph der Funktion y = x (siehe Abbildung 3.21(a)) √ skizzieren wir den Graph der Funktion y = x + 3. Dabei bewirkt die Addition √ der 3 eine Verschiebung des Graphen der Funktion y = x um 3 Einheiten nach links (siehe Abbildung 3.21(b)). Danach zeichnen wir den Graph der Funktion √ y = − x + 3. Die Multiplikation mit (−1) hat eine Spiegelung des Funktionsgraphen aus der Abbildung 3.21(b) an der x-Achse zur Folge (siehe Abbildung 3.21(c)). √ Der Graph der gegebenen Funktion f (x) = 2 − x + 3 ergibt sich schließlich durch √ Verschiebung des Graphen der Funktion y = − x + 3 um 2 Einheiten in positiver y-Richtung (siehe Abbildung 3.21(d)). (a) y 2 6

(b) y=



y 2

x

1

6

y=



x+3

1

0

1

2

3 y 2

(c)

4

5

x

−3

−2

−1

y 2

(d)

6

0

1

−2

−1

0

1

2

x

y =2− −3

−2

−1

−1 −2

0

2

x

6

1

−3

1

1

√ 2

x+3

-

x

−1 √ y =− x+3

Abb. 3.21 Skizze des Graphen der Funktion f (x) = 2 −

−2



x+3

Der Graph der Umkehrfunktion f −1 (x) = (x − 2)2 − 3, x ∈ (−∞, 2], ist das √ Spiegelbild des Graphen der Funktion f (x) = 2 − x + 3 bei Spiegelung an der Geraden y = x (siehe b) in Bemerkung 3.7). Gemäß der Aussage f) in der Bemerkung 3.7 und den Überlegungen in c) und d) in diesem Beispiel, d. h. dass der Graph der Funktion f (x) die x-Achse im Punkt √ Sx (1, 0) und die y-Achse im Punkt Sy (0, 2 − 3) schneidet, hat der Graph der √ Umkehrfunktion f −1 (x) mit der x-Achse den Schnittpunkt S¯x (2 − 3, 0) und mit der y-Achse den Schnittpunkt S¯y (0, 1) (siehe auch Abbildung 3.22).

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen f −1 (x) = (x − 2)2 − 3 y

147

6

2

r S¯y

1

Sy −3

−2

−1

0

r

r Srx S¯x 1

2

x

f (x) = 2 −



x+3

−1 −2 −3

Abb. 3.22 Graph der Funktion f (x) = 2 −

√ x + 3 und ihrer Umkehrfunktion

Beispiel 3.21 Potenzfunktionen spielen in verschiedenen Anwendungsgebieten eine Rolle. Bei einer geradlinigen, gleichmäßig beschleunigten Bewegung gilt für den nach t Zeiteinheiten zurückgelegten Weg s(t) s(t) =

a 2 t . 2

Dabei ist a die Beschleunigung und wir setzen voraus, dass die Anfangsgeschwindigkeit gleich Null ist. Die zurückgelegte Wegstrecke ist also eine quadratische Funktion in der Zeit t. Die Schwingungsdauer einer vollständigen Schwingung eines Fadenpendels der Länge  berechnet sich aus   T () = 2π g mit der Erdbeschleunigung g ≈ 9.81 zelfunktion in der Pendellänge .

m . s2

Die Schwingungsdauer ist somit eine Wur-

Für ein ideales Gas gilt pV = mRs T , wobei p der Druck, V das Volumen, m die Masse des im Volumen V eingeschlossenen Gases, Rs die spezifische Gaskonstante und T die Temperatur des Gases bezeichnen. Im Fall eines isothermen Zustandes, d. h. bei konstanter Temperatur T = Tc , gilt für das Volumen V (p) =

mRs Tc = mRs Tc p−1 , p

d. h. das Volumen ist eine Potenzfunktion mit dem ungeradzahligen negativen Exponenten −1 bezüglich des Drucks p.

148

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Nach dem Gravitationsgesetz ziehen sich zwei Körper mit den Massen m1 und m2 , deren Schwerpunkte sich in einem Abstand r befinden, mit der Kraft m 1 m2 = γ m1 m2 r−2 F (r) = γ r2 2

an. Dabei ist γ ≈ 6.674 · 10−11 Nm die Gravitationskonstante. Die Kraft F ist also kg2 bezüglich der Variablen r eine Potenzfunktion mit dem negativen ganzzahligen Exponenten −2. Nach dem Coulombschen Gesetz gilt für die Kraft mit der zwei kleine punktförmige Ladungen q1 und q2 aufeinander wirken F (r) = k

q1 q 2 = k q1 q2 r−2 r2

mit

k=

1 . 4πε0 ε

As Dabei ist r der Abstand der beiden Ladungen, ε0 ≈ 8.854 · 10−12 Vm die elektrische Feldkonstante und ε die relative Dielektrizitätszahl (Permittivitätszahl) des Mediums, in welchem sich die Ladungen befinden. Diese Kraft F ist also wie beim Gravitationsgesetz bezüglich des Abstands r eine Potenzfunktion mit dem negativen ganzzahligen Exponenten −2.

Mittels der Potenzfunktionen lassen sich ganze rationale und gebrochen rationale Funktionen definieren. Diese elementaren Funktionen betrachten wir in den folgenden Abschnitten.

3.2.2

Ganze rationale Funktionen – Polynome

Polynome finden beispielsweise in der Computergrafik bei der näherungsweisen Darstellung komplizierter Kurven und in der Kartographie bei der Darstellung von Straßen- und Flussverläufen auf Karten ihre Anwendung. Komplizierte nichtlineare Gleichungen können mit Hilfe von Polynomen näherungsweise gelöst werden. Bestimmte Integrale lassen sich näherungsweise leicht berechnen, wenn der Integrand durch ein geeignet gewähltes Polynom ersetzt wird (siehe z. B. Papula [2014], Meyberg und Vachenauer [2001a], Jung [2021b]) Definition 3.12 Die Funktion y = pn (x) = an xn + an−1 xn−1 + · · · + a2 x2 + a1 x + a0 =

n 

ak xk , x ∈ R , (3.17)

k=0

mit reellen Konstanten ak , k = 0, 1, . . . , n, an = 0, nennt man ganze rationale Funktion oder Polynom n -ten Grades. Polynome 2. Grades bezeichnet man auch als quadratische Polynome und Polynome 3. Grades als kubische Polynome.

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

149

Zur effektiven Berechnung von Funktionswerten des Polynoms pn (x) kann man das Horner-Schema1 nutzen. Diesem Schema liegen die folgenden Überlegungen zugrunde. Gesucht ist der Funktionswert des Polynoms n-ten Grades an der Stelle x = x0 . Es gilt + · · · + a1 x0 + a0 pn (x0 ) = an xn0 + an−1 xn−1 0 = x0 (an xn−1 + an−1 xn−2 + · · · + a1 ) + a0 0 0

 n−2 n−3 = x0 x0 (an x0 + an−1 x0 + · · · + a2 ) + a1 + a0 .. .. . .

 = x0 x0 (x0 . . . (x0 ( an x0 + an−1 ) + an−2 ) + · · · + a2 ) + a1 + a0

bn−1







bn−2 ..



.





b0







pn (x0 )

Aus diesen Überlegungen ergibt sich das folgende Rechenschema Algorithmus 3.2 (Horner-Schema) an x0

↓ ↓  bn−1

an−1

an−2

···

a2

a1

a0

+x0 bn−1

+x0 bn−2

···

+x0 b2

+x0 b1

+x0 b0

↓ bn−2



↓ bn−3

 ↓  ↓  ↓  ↓ ···

b1

b0

pn (x0 )

Die Berechnung des Funktionswertes pn (x0 ) erfordert bei diesem Rechenschema nur n Multiplikationen und n Additionen. Wird hingegen zur Funktionswertberechnung die Definition (3.17) genutzt, d. h. wird x0 in pn (x) eingesetzt, dann müssen außerdem die Potenzen xk0 , k = 1, 2, . . . , n, berechnet werden. Dies erfordert zusätzlich n − 1 Multiplikationen. Um kurze Rechenzeiten bei der Funktionswertberechnung zu haben, wird deshalb in Computerprogrammen das Horner-Schema zur Berechnung von Funktionswerten von Polynomen genutzt. 1 William George Horner, geb. 9.6.1786 in Bristol, gest. 22.9.1837 in Bath, englischer Mathematiker, Veröffentlichung des Horner-Schemas 1819

150

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Beispiel 3.22 Gesucht ist der Funktionswert des Polynoms p4 (x) = 2x4 − 3x3 + 4x2 + 1 an der Stelle x0 = 2. Wir nutzen zur Berechnung dieses Funktionswertes das Horner-Schema. Dazu schreiben wir in der ersten Zeile dieses Schemas die Koeffizienten (Faktoren) vor den Potenzen von x des gegebenen Polynoms p4 (x) auf. Wir beginnen mit dem Koeffizienten der höchsten Potenz von x, d. h. von x4 , danach wird der Koeffizient vor der Potenz x3 aufgeschrieben, usw. Da das Polynom keinen Term mit der Potenz x1 = x enthält, müssen wir als Koeffizienten die Zahl 0 ins Schema eintragen. Es ergibt sich 2

2

−3

4

0

↓ +2·2 +2·1 +2·6 ↓ ↓  ↓  ↓  2

1

6

1 + 2 · 12

12

↓ 25

Damit haben wir den Funktionswert p4 (2) = 25 erhalten. Eine wichtige Eigenschaft von Polynomen, die man beispielsweise in der Integralrechnung bei der Integration gebrochen rationaler Funktionen benötigt (siehe z. B. Papula [2014], Meyberg und Vachenauer [2001a], Jung [2021b]) fassen wir im folgenden Satz zusammen. Satz 3.1 Jedes Polynom n-ten Grades lässt sich als Produkt pn (x) = an (x−x1 )k1 ·. . .·(x−xr )kr ·(x2 +p1 x+q1 )1 ·. . .·(x2 +ps x+qs )s (3.18) darstellen, wobei x1 , x2 , . . . , xr , p1 , p2 , . . . , ps und q1 , q2 , . . . , qs reelle Zahlen sind sowie n = k1 + k2 + · · · + kr + 21 + 22 + · · · + 2s gilt. Die x1 , x2 , . . . , xr sind die paarweise verschiedenen reellen Nullstellen des Polynoms pn (x). Den Exponenten k1 , k2 bzw. kr bezeichnet man als Vielfachheit der Nullstelle x1 , x2 bzw. xr . Die verschiedenen Terme (x2 + pj x + qj )j , j = 1, 2, . . . , s, repräsentieren die komplexen Nullstellen zusammen mit den konjugiert komplexen Nullstellen von den quadratischen Polynomen p2,j (x) = x2 + pj x + qj entsprechend ihrer Vielfachheit j (siehe auch Beispiel 4.10).

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

151

Folgerung 3.2 Da 21 + 22 + · · · + 2s = 2(1 + 2 + · · · + s ) geradzahlig ist, muss wegen n = k1 + k2 + · · · + kr + 21 + 22 + · · · + 2s die Summe der Vielfachheiten der reellen Nullstellen k1 + k2 + · · · + kr geradzahlig sein, wenn n geradzahlig ist. Falls n ungeradzahlig ist, muss k1 + k2 + · · · + kr auch ungeradzahlig sein. Deshalb gilt die folgende Aussage: Die Anzahl der mit ihrer Vielfachheit gezählten reellen Nullstellen eines Polynoms ist genau dann geradzahlig bzw. ungeradzahlig, wenn der Grad des Polynoms gerade bzw. ungerade ist. Daraus folgt, dass jedes Polynom mit einem ungeraden Grad wenigstens eine reelle Nullstelle besitzt. Bemerkung 3.13 Polynome besitzen folgende weitere Eigenschaften: a) Ein Polynom n-ten Grades hat genau n i. a. komplexe Nullstellen xi , wobei diese entsprechend ihrer Vielfachheit gezählt werden (siehe Kapitel 4 bezüglich der komplexen Zahlen). b) Hat das Polynom p(x) eine komplexe Nullstelle z, dann ist auch die konjugiert komplexe Zahl z¯ eine Nullstelle (siehe Abschnitt 4.1 sowie die beiden Beispiele 4.10 und 4.11 im Abschnitt 4.2). c) Nach dem Vietaschen Wurzelsatz gilt für die Nullstellen eines Polynoms n-ten Grades k1 x1 + k2 x2 + . . . + kr xr + 1 (z1 + z¯1 ) + . . . + s (zs + z¯s ) = −

an−1 an

und xk11 · xk22 · . . . · xkr r · (z1 · z¯1 )1 · . . . · (zs · z¯s )s = (−1)n ·

a0 an

(3.19)

(siehe auch die Beziehungen (3.5) im Abschnitt 3.1.1). Dabei sind die xi , i = 1, 2, . . . , r, die paarweise verschiedenen reellen Nullstellen mit der Vielfachheit ki und zj , z¯j das Paar konjugiert komplexer Nullstellen des Polynoms j p2,j (x) = (x2 + pj x + qj )j , j = 1, 2, . . . , s, mit der Vielfachheit j (siehe auch Beispiel 4.10). d) Ist die Vielfachheit einer reellen Nullstelle ungeradzahlig, dann wechseln die Funktionswerte des Polynoms an dieser Stelle ihr Vorzeichen. Bei geradzahliger Vielfachheit der Nullstelle findet kein Vorzeichenwechsel statt. Anhand des Funktionsgraphen erkennt man wie folgt, ob eine Nullstelle eine geradzahlige oder eine ungeradzahlige Vielfachheit hat: In Punkten, in denen der Funktionsgraph die x-Achse berührt, hat die Funktion eine Nullstelle mit geradzahliger Vielfachheit. In Punkten, in denen der Funktionsgraph die x-Achse

152

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen schneidet, liegt eine Nullstelle mit ungeradzahliger Vielfachheit (siehe auch Beispiel 3.23).

e) Ist xi eine reelle Nullstelle mit geradzahliger Vielfachheit und gilt pn (x) > 0 in einer Umgebung von xi , welche keine weitere Nullstelle enthält, so ist xi eine lokale Minimalstelle des Polynoms pn (x) (siehe auch Abbildung 3.23(b)). Falls pn (x) < 0 in solch einer Umgebung gilt, ist xi eine lokale Maximalstelle von pn (x). Dabei ist eine lokale Minimalstelle eine Stelle, in welcher der Funktionswert kleiner ist als die Funktionswerte in der Umgebung dieser Stelle. Eine lokale Maximalstelle ist eine Stelle, in welcher der Funktionswert größer ist als die Funktionswerte in der Umgebung dieser Stelle. f) Enthält ein Polynom nur Summanden mit geradzahligen Potenzen, dann ist das Polynom eine gerade Funktion. Ein Polynom ist eine ungerade Funktion, wenn es nur Summanden mit ungeradzahligen Potenzen enthält.

Beispiel 3.23 Das quadratische Polynom p2 (x) = x2 − 5x + 6 = (x − 2)(x − 3) = (x − 2)1 (x − 3)1 , x ∈ R , hat die beiden reellen Nullstellen x1 = 2 und x2 = 3 mit der Vielfachheit 1, denn in der obigen Produktdarstellung hat der Term x − x1 = x − 2 und x − x2 = x − 3 jeweils den Exponent 1. Da die Vielfachheit dieser Nullstellen ungeradzahlig ist, wechseln die Funktionswerte an diesen Stellen ihr Vorzeichen. Es gilt zum Beispiel für x = 1.5 < x1  > x1 für x = 2.5 < x2

: f (1.5) = 0.75 > 0 ,

für x = 3.5 > x2

: f (3.5) = 0.75 > 0 .

: f (2.5) = −0.25 < 0

und

Der Funktionsgraph schneidet die x-Achse bei x1 = 2 und x2 = 3 (siehe Abbildung 3.23(a)). Das quadratische Polynom p2 (x) = 4x2 + 8x + 4 = 4(x + 1)2 , x ∈ R , hat nur die eine reelle Nullstelle x1 = −1 mit der Vielfachheit 2, denn der Term x − x1 = x − (−1) = x + 1 hat den Exponent 2. Da die Vielfachheit dieser Nullstelle geradzahlig ist, findet bei x1 kein Vorzeichenwechsel der Funktionswerte statt. Es gilt zum Beispiel für x = −1.1 < x1 : f (−1.1) = 0.04 > 0 und für x = −0.9 > x1 : f (−0.9) = 0.04 > 0 .

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen (a)

(b)

y

6

y

153 (c)

6

y

6

1 −1

1 0

1

2

3

x

1 −2 −1 0

-

0 1x

1

x

Abb. 3.23 (a) Funktion f (x) = (x − 2)(x − 3), (b) Funktion f (x) = 4(x + 1)2 , (c) Funktion f (x) = x(x2 + 1)

Der Funktionsgraph berührt die x-Achse bei x1 = −1 (siehe Abbildung 3.23(b)). Da p2 (x) = 4(x + 1)2 > 0 für alle x ∈ R \ {−1} ist die Nullstelle x1 = −1 eine lokale Minimalstelle (siehe e) in der Bemerkung 3.13). Das kubische Polynom p3 (x) = x3 + x = x(x2 + 1) = (x − 0)1 (x2 + 1)1 , x ∈ R , besitzt die reelle Nullstelle x1 = 0 mit der Vielfachheit 1, denn der Term x−x1 = x−0 hat den Exponent 1. Es gibt keine reelle Zahl, für die x2 + 1 = 0 gilt. Wie wir im Kapitel 4 sehen werden, wird diese Gleichung durch ein paar konjugiert komplexer Zahlen erfüllt. Folglich hat das betrachtete Polynom p3 (x) die reelle Nullstelle x1 = 0 mit der Vielfachheit 1 und ein Paar konjugiert komplexer Nullstellen der Vielfachheit 1. Bei x1 = 0, d. h. in der reellen Nullstelle x1 mit der ungeradzahligen Vielfachheit 1, schneidet der Funktionsgraph die x-Achse (siehe Abbildung 3.23(c)). Wie wir gesehen haben, können wir von der Produktdarstellung (3.18) eines Polynoms zum Beispiel die Lage der Nullstellen sowie deren Vielfachheit ablesen und damit Aussagen über das Verhalten der Funktion in der Umgebung der Nullstellen treffen. Die Produktdarstellung ist also eine sehr informative Darstellung eines Polynoms. Im Folgenden beschäftigen wir uns damit, wie man zur Produktdarstellung eines Polynoms gelangen kann. Jedes Polynom n-ten Grades lässt sich in der Form pn (x) = (x − x1 )(bn−1 xn−1 + bn−2 xn−2 + · · · + b1 x + b0 ) + pn (x1 )

(3.20)

154

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

darstellen, wobei x1 eine beliebige reelle Zahl ist und bn−1 , bn−2 , . . . , b1 , b0 die im Horner-Schema berechneten Größen sind, wenn der Funktionswert des Polynoms pn (x) an der Stelle x1 berechnet wird (siehe Algorithmus 3.2 mit x1 anstelle von x0 ). Dies lässt sich dadurch begründen, dass wir den Klammerausdruck (x − x1 )(bn−1 xn−1 + bn−2 xn−2 + · · · + b1 x + b0 ) + pn (x1 ) ausmultiplizieren, nach Potenzen von x ordnen und dann den Koeffizienten vor jeder Potenz von x mit dem Koeffizienten der gleichen Potenz von x im Polynom pn (x) vergleichen: + an−1 xn−1 + · · · + a 2 x2 + a1 x + a0 pn (x) = an xn n n−1 = bn−1 x + bn−2 x + · · · + b1 x2 + b0 x − bn−1 xn−1 x1 − · · · − b2 x2 x1 − b1 xx1 − b0 x1 + pn (x1 ) Koeffizientenvergleich liefert: an = bn−1 an−1 = bn−2 − bn−1 x1 .. . a2 = b1 − b2 x1 a1 = b0 − b1 x1 a0 = −b0 x1 + pn (x1 )

⇔ bn−1 ⇔ bn−2 .. . ⇔ b1 ⇔ b0 ⇔ pn (x1 )

= = .. . = = =

an an−1 + bn−1 x1

a 2 + b2 x 1 a 1 + b1 x 1 a 0 + b0 x 1

Die erhaltenen Beziehungen für bn−1 , bn−2 , . . . , b1 , b0 sind tatsächlich genau die entsprechenden Beziehungen aus dem Horner-Schema (Algorithmus 3.2 mit x1 anstelle von x0 ).

Will man eine Faktorisierung der Gestalt (3.18) von einem gegebenen Polynom ermitteln, dann kann man dazu die Darstellung (3.20) nutzen. Ist x1 eine Nullstelle des Polynoms pn (x), d. h. gilt pn (x1 ) = 0, dann folgt aus der Beziehung (3.20) pn (x) = (x − x1 )(bn−1 xn−1 + bn−2 xn−2 + · · · + b1 x + b0 ) = (x − x1 )pn−1 (x) . (3.21) Ist eine Nullstelle des so berechneten Polynoms pn−1 (x) bekannt, dann kann dies auf analoge Weise in die Form (3.21) gebracht werden. Wiederholte Anwendung dieser Idee liefert schließlich eine Faktorisierung der Form (3.18). Beispiel 3.24 Zu bestimmen ist eine Produktdarstellung (Faktorisierung) des Polynoms p5 (x) = 2x5 + 4x4 − 4x3 − 8x2 + 2x + 4 , x ∈ R .

(3.22)

Zur Bestimmung der Produktdarstellung benötigen wir zunächst eine Nullstelle des gegebenen Polynoms p5 (x). Zur Berechnung der Nullstellen eines Polynoms fünften Grades gibt es keine Formel wie beispielsweise zur Ermittlung der Nullstellen eines Polynoms zweiten Grades. Wir könnten eine Nullstelle mittels eines numerischen Verfahrens, zum Beispiel des Newton-Verfahrens oder der Regula falsi, näherungsweise bestimmen (siehe z. B. Papula [2014], Meyberg und Vachenauer [2001a], Jung [2021b]). Da wir diese Verfahren noch nicht kennengelernt haben, müssen wir versuchen, auf einem anderen Weg eine Nullstelle zu finden. Aus dem Vietaschen Wurzelsatz (siehe (3.19)) folgt, dass ein Teiler von (−1)n ·

a0 4 = (−1)5 · = −2 an 2

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

155

ein Kandidat für eine Nullstelle ist. Ein Teiler von −2 ist beispielsweise x1 = 1. Um zu überprüfen, ob x1 = 1 eine Nullstelle ist, berechnen wir den Funktionswert p5 (x1 ) mittels des Horner-Schemas. Wie die folgende Rechnung zeigt, gilt p5 (x1 ) = 0, und somit ist x1 = 1 tatsächlich eine reelle Nullstelle des Polynoms p5 (x). Wir wenden nun wiederholt das Horner-Schema zur Bestimmung der Produktdarstellung des Polynoms p5 (x) = 2x5 + 4x4 − 4x3 − 8x2 + 2x + 4 an. Dabei benötigen wir in jedem Schritt jeweils eine Nullstelle des Restpolynoms. Diese können wir durch analoge Überlegungen wie bei der Bestimmung der Nullstelle x1 = 1 des Polynoms p5 (x) ermitteln. Es gilt 2

1

↓ ↓ 2

4

−4

−8

2

4

+1·2

+1·6

+1·2

+ 1 · (−6)

+ 1 · (−4)





6





2



−6







−4

↓ 0

=⇒ p5 (x) = (x − 1) (2x + 6x + 2x − 6x − 4)

4

3

2

Hat z. B. die Nullstelle x = 1.

1

↓ ↓ 2

+1·2

+1·8





8



+ 1 · 10



10



+1·4





4

0

=⇒ p5 (x) = (x − 1)(x − 1) (2x + 8x2 + 10x + 4)

3

Hat z. B. die Nullstelle x = −1.

−1

↓ ↓ 2

+ (−1) · 2



+ (−1) · 6



6

↓ 4

+ (−1) · 4



↓ 0

=⇒ p5 (x) = (x − 1)(x − 1)(x − (−1)) (2x2 + 6x + 4)

−2

↓ ↓ 2

Hat z. B. die Nullstelle x = −2.

+ (−2) · 2

↓ 2

+ (−2) · 2





0 =⇒ p5 (x) = (x − 1)(x − 1)(x − (−1))(x − (−2))(2x + 2)

Folglich besitzt das Polynom (3.22) die Produktdarstellung (Faktorisierung) p5 (x) = (x − 1)(x − 1)(x − (−1))(x − (−2))(2x + 2) = (x − 1)(x − 1)(x + 1)(x + 2) · 2(x + 1) = 2(x − 1)2 (x + 1)2 (x + 2) .

156

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Von dieser Faktorisierung des in (3.22) gegebenen Polynoms 5. Grades können wir ablesen, dass dieses Polynom drei reelle Nullstellen hat, nämlich x1 = −2 , x2 = −1

und x3 = 1 .

Dabei ist x1 = −2 eine Nullstelle mit der Vielfachheit 1, also mit ungeradzahliger Vielfachheit. Folglich schneidet der Funktionsgraph des gegebenen Polynoms die x-Achse bei x1 = −2. Da sowohl x2 = −1 als auch x3 = 1 Nullstellen mit der Vielfachheit 2, also mit geradzahliger Vielfachheit sind, berührt der Funktionsgraph die x-Achse in diesen Stellen (siehe auch Abbildung 3.24). y 8

6

4

−2

−1

0

1

x

−4 −8

Abb. 3.24 Funktionsgraph des Polynoms p5 (x) = 2(x − 1)2 (x + 1)2 (x + 2)

Wir können auch noch eine Aussage darüber treffen, ob das Polynom an den Stellen x2 = −1 und x3 = 1 eine lokale Minimalstelle bzw. eine lokale Maximalstelle hat, d. h. eine Stelle, in welcher der Funktionswert kleiner bzw. größer ist als die Funktionswerte in der Umgebung dieser Stelle (siehe Aussage e) in der Bemerkung 3.13). Beispielsweise ist in der Umgebung (−1.2, −0.8) der Stelle x2 = −1, welche keine weitere Nullstelle enthält, p5 (x) > 0. Dies ergibt sich aus der folgenden Überlegung. Da das Intervall (−1.2, −0.8) keine weiteren Nullstellen enthält und die Vielfachheit der Nullstelle x2 = −1 geradzahlig ist, findet in dieser Umgebung kein Vorzeichenwechsel der Funktionswerte des Polynoms p5 (x) statt. Um herauszufinden ob die Funktionswerte positiv oder negativ sind, reicht es deshalb aus p5 (x) an einer beliebigen Stelle dieses Intervalls zu berechnen. Wir erhalten z. B. für x = −1.1 den Funktionswert p5 (x) = 2 · (−1.1 − 1)2 · (−1.1 + 1)2 · (−1.1 + 2) = 2 · 4.41 · 0.01 · 0.9 = 0.07938 > 0 . Gemäß der Aussage e) in der Bemerkung 3.13 hat das Polynom p5 (x) an der Stelle x2 = −1 eine lokale Minimalstelle. Analog lässt sich zeigen, dass x3 = 1 auch eine lokale Minimalstelle ist (siehe auch Abbildung 3.24).

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

157

Beispiel 3.25 Gesucht ist eine Faktorisierung der Gestalt (3.18) des Polynoms p4 (x) = x4 − 4x3 + 5x2 − 4x + 4 = 1x4 − 4x3 + 5x2 − 4x + 4 , x ∈ R .

(3.23)

Kandidat für eine Nullstelle dieses Polynoms ist ein Teiler von (−1)4 ·

4 a0 = =4 a4 1

(siehe Beziehung (3.19) aus dem Vietaschen Wurzelsatz), zum Beispiel x1 = 2. Ob dies tatsächlich eine Nullstelle des gegebenen Polynoms ist, überprüfen wir mittels des Horner-Schemas. Wir erhalten: 1

2

−4

↓ +2·1 ↓ ↓  1

−2

5

−4

4

+ 2 · (−2)

+2·1

+ 2 · (−2)



 ↓ 



1

−2

0

=⇒ p4 (x) = (x − 2) (1x3 − 2x2 + 1x − 2)

2

↓ +2·1 ↓ ↓  1

0

Hat z. B. die Nullstelle x = 2.

+2·0

+2·1



 ↓

1

0 =⇒ p4 (x) = (x − 2)(x − 2)(1x2 + 0x + 1)

Das Polynom p2 (x) = 1x2 + 0x + 1 = x2 + 1 hat keine reellen Nullstellen, so dass dieses nicht weiter faktorisiert wird. Wir erhalten somit für das Polynom (3.23) die Produktdarstellung (3.24) p4 (x) = (x − 2)2 (x2 + 1) . Von dieser Faktorisierung können wir ablesen, dass das in (3.23) gegebene Polynom 4. Grades nur die eine reelle Nullstelle x1 = 2 mit der Vielfachheit 2, d. h. mit einer geradzahligen Vielfachheit, hat. Der Funktionsgraph dieses Polynoms berührt folglich die x-Achse bei x1 = 2. Es gibt also keinen Schnittpunkt des Funktionsgraphen mit der x-Achse. Da (x − 2)2 ≥ 0 und x2 + 1 ≥ 0 für alle x ∈ R gilt, ist p4 (x) ≥ 0 für alle x ∈ R. Deshalb liegt der Funktionsgraph oberhalb der x-Achse (siehe auch Abbildung 3.25). Bemerkung 3.14 Aus den vorangegangenen Beispielen 3.24 und 3.25 könnte der Eindruck entstehen, dass die Nullstellen eines Polynoms mit ganzzahligen Koeffizienten a0 , a1 , . . . , an immer ganzzahlig sind. Dies ist aber nicht der Fall, zum Beispiel hat das Polynom zwei√ ten Grades p2 (x) = x2 − 3 die beiden nicht ganzzahligen Nullstellen x1 = − 3 und √ x2 = 3.

158

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen y

6

6

4

2

0

1

2

x

Abb. 3.25 Funktionsgraph des Polynoms p4 (x) = (x − 2)2 (x2 + 1)

Beispiel 3.26 Hat man ein Polynom 2. Grades gegeben, dann kann man mit Hilfe quadratischer Ergänzung (siehe Algorithmen 1.1 und 1.2 im Abschnitt 1.5) die Funktionsgleichung in die sogenannte Scheitelpunktsform überführen, d. h. aus der Funktionsgleichung p2 (x) = ax2 + bx + c erhält man die Gleichung p2 (x) = a(x + d)2 + e . Den Punkt S(−d, e) nennt man Scheitelpunkt der Parabel. Von der Scheitelpunktsform der Funktionsgleichung kann man beispielsweise falls a > 0 den kleinsten bzw. falls a < 0 den größten Funktionswert ablesen. Dieser Funktionswert wird an der Stelle x0 = −d angenommen und ist gleich e. Dies gilt aufgrund der folgenden Überlegung. Sei a > 0, dann ist a(x + d)2 ≥ 0 und somit p2 (x) = a(x + d)2 + e ≥ e . Bei x = −d ist a(−d + d)2 = 0, so dass wir bei x = −d tatsächlich den kleinsten Funktionswert y = e erhalten. Gegeben sei das Polynom p2 (x) = ax2 + bx + c = 2x2 + 4x − 1 . Entsprechend des Algorithmus 1.2 im Abschnitt 1.5 berechnen wir 4 b = =1 2a 2·2 Damit erhalten wir d=

und

e = c − ad2 = −1 − 2 · 12 = −3 .

p2 (x) = 2x2 + 4x − 1 = 2(x + 1)2 − 3 . Da a = 2 > 0 hat das gegebene Polynom bei x = −d = −1 seinen kleinsten Funktionswert, nämlich y = −3 (siehe auch Abbildung 3.26).

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen y

159

6

1

−1 −1

0

−3

3.2.3

x

Abb. 3.26 Funktionsgraph des Polynoms p2 (x) = 2(x + 1)2 − 3

Gebrochen rationale Funktionen

Definition 3.13 Die Funktion m !

am x + am−1 x pm (x) + · · · + a1 x + a0 y = f (x) = = = k=0 n ! pn (x) bn xn + bn−1 xn−1 + · · · + b1 x + b0 m

m−1

ak xk b x

=0

mit reellen Konstanten a0 , a1 , . . . , am und b0 , b1 , . . . , bn (am = 0, bn = 0) nennt man gebrochen rationale Funktion. Bemerkung 3.15 a) Der Definitionsbereich der gebrochen rationalen Funktionen ist n      Df = x ∈ R  b x = bn xn + bn−1 xn−1 + · · · + b1 x + b0 = 0 . =0

b) Ist der Grad des Zählerpolynoms kleiner als der Grad des Nennerpolynoms, d. h. gilt m < n, dann bezeichnet man die gebrochen rationale Funktion als echt gebrochen rationale Funktion, andernfalls wird sie als unecht gebrochen rationale Funktion bezeichnet. Satz 3.2 Jede unecht gebrochen rationale Funktion f (x) lässt sich in der Form f (x) = f1 (x) + f2 (x)

(3.25)

darstellen, wobei f1 (x) ein Polynom und f2 (x) eine echt gebrochen rationale Funktion ist.

160

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Eine Darstellung der Form (3.25) einer unecht gebrochen rationalen Funktion erhält man mittels Polynomdivision. Beispiel 3.27 Gesucht ist die Darstellung der unecht gebrochen rationalen Funktion 3x6 + 4x5 − 16x4 + 12x3 − 22x2 + 18x − 7 x2 + 2x − 5 als Summe eines Polynoms und einer echt gebrochen rationalen Funktion. f (x) =

(3.26)

Zur Ermittlung einer derartigen Darstellung führen wir eine Polynomdivision durch. Dabei dividieren wir zuerst den Term mit der höchsten Potenz im Zählerpolynom durch den Term mit der höchsten Potenz im Nennerpolynom, d. h. 3x6 = 3x4 . x2 Danach multiplizieren wir das Nennerpolynom mit diesem Quotienten. Dies ergibt das Polynom (x2 + 2x − 5) · 3x4 = x2 · 3x4 + 2x · 3x4 − 5 · 3x4 = 3x6 + 6x5 − 15x4 . Dieses Polynom subtrahieren wir vom Zählerpolynom: (3x6 + 4x5 − 16x4 + 12x3 − 22x2 + 18x − 7) : (x2 + 2x − 5) = 3x4 −(3x6 + 6x5 − 15x4 ) ———————————————————— − 2x5 −

x4 + 12x3 − 22x2 + 18x − 7

Im nächsten Schritt dividieren wir den Term mit der höchsten Potenz im Restpolynom p5 (x) = −2x5 − x4 + 12x3 − 22x2 + 18x − 7, d. h. den Term −2x5 , durch den Term mit der höchsten Potenz im Nennerpolynom, d. h. den Term x2 . Dies ergibt den Quotienten (−2x5 ) = −2x3 . x2 Wir multiplizieren das Nennerpolynom mit diesem Quotienten und subtrahieren das erhaltene Polynom vom Restpolynom. (3x6 + 4x5 − 16x4 + 12x3 − 22x2 + 18x − 7) : (x2 + 2x − 5) = 3x4 − 2x3 −(3x6 + 6x5 − 15x4 ) ———————————————————— − 2x5 −

x4 + 12x3 − 22x2 + 18x − 7

− (−2x5 − 4x4 + 10x3 ) ——————————————————– 3x4 + 2x3 − 22x2 + 18x − 7

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

161

Auf das neu entstandene Restpolynom p4 (x) = 3x4 + 2x3 − 22x2 + 18x − 7 wird der obige Algorithmus erneut angewendet. Schließlich führen wir den Algorithmus solange durch bis der Polynomgrad des Restpolynoms kleiner als der Polynomgrad des Nennerpolynoms ist. Wir erhalten (3x6 + 4x5 − 16x4 + 12x3 − 22x2 + 18x − 7) : (x2 +2x−5) = 3x4 −2x3 +3x2 −4x+1 −(3x6 + 6x5 − 15x4 ) ———————————————————— − 2x5 − x4 + 12x3 − 22x2 + 18x − 7 − (−2x5 − 4x4 + 10x3 ) ——————————————————– 3x4 + 2x3 − 22x2 + 18x − 7 − (3x4 + 6x3 − 15x2 ) ——————————————– − 4x3 − 7x2 + 18x − 7 − (− 4x3 − 8x2 + 20x) ————————————– x2 − 2x − 7 − (x2 + 2x − 5) ———————– − 4x − 2 Damit haben wir für die gebrochen rationale Funktion aus (3.26) die Darstellung f (x) =

3x6 + 4x5 − 16x4 + 12x3 − 22x2 + 18x − 7 x2 + 2x − 5

= 3x4 − 2x3 + 3x2 − 4x + 1 +

(−4x − 2) x2 + 2x − 5

= 3x4 − 2x3 + 3x2 − 4x + 1 −

4x + 2 x2 + 2x − 5

gefunden, d. h. die Funktion f (x) aus (3.26) ist als Summe f (x) = f1 (x) + f2 (x) mit dem Polynom f1 (x) = 3x4 − 2x3 + 3x2 − 4x + 1 und der echt gebrochen rationalen Funktion f2 (x) = − darstellbar.

4x + 2 x2 + 2x − 5

162

3.2.4

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Exponential- und Logarithmusfunktionen

Definition 3.14 Es sei a > 0 eine reelle Konstante. Die Funktion y = f (x) = ax , x ∈ R ,

(3.27)

nennt man Exponentialfunktion mit der Basis a .

Beachte: Im Unterschied zu den Potenzfunktionen, bei denen der Exponent eine fest vorgegebene Zahl ist und die Basis die veränderliche Größe ist, wird bei den Exponentialfunktionen die Basis fest vorgegeben und der Exponent ist die Veränderliche.

Bemerkung 3.16 In der Praxis benötigt man häufig die Exponentialfunktion mit der Eulerschen Zahl e ≈ 2.718281828 . . . als Basis (siehe auch Abschnitt 1.6 bezüglich der Eulerschen Zahl e). Die Funktion y = f (x) = ex bezeichnet man als e-Funktion. Bemerkung 3.17 Im Fall a = e ist der Exponentialausdruck ex der Grenzwert einer Zahlenfolge, nämlich ex = lim

k→∞

 1+

x k k

(siehe auch Abschnitt 1.7 und Meyberg und Vachenauer [2001a], Jung [2021b]). Wie ein Exponentialausdruck ax im Fall a = e definiert ist, haben wir in der Bemerkung 1.6 im Abschnitt 1.7 erklärt. Für die weiteren Betrachtungen in diesem Abschnitt ist es nicht wichtig, dass wir im Moment noch keine Kenntnisse über Grenzwerte von Zahlenfolgen besitzen, denn zur Berechnung der Exponentialausdrücke nutzen wir ohnehin Rechenhilfsmittel wie z. B. den Taschenrechner.

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

163

Die Exponentialfunktionen haben für a = 1 folgende Eigenschaften: y = f (x) = ax , a > 0, a = 1 Definitionsbereich:

Df = R

Wertebereich:

Wf = (0, ∞)

Beschränktheit:

nach unten beschränkt, ax > 0 für alle x ∈ Df

Nullstellen:

keine

Monotonieverhalten:

für a > 1

streng monoton wachsend in Df

für 0 < a < 1 streng monoton fallend in Df

In der Abbildung 3.27 sind die Funktionsgraphen der e-Funktion sowie der Funktionen

x y = f (x) = 10x , y = f (x) = 2x und y = f (x) = 1e dargestellt. y

y = 10x

y = ex

6

 x

1 y= −1

0 −1

y = 2x

1

1 e

x

Abb. 3.27 Exponentialfunktionen

Im Fall a = 1 ist die Exponentialfunktion gleich der konstanten Funktion y = f (x) = 1x = 1 . Da die Exponentialfunktion mit a = 1 im gesamten Definitionsgebiet Df = R streng monoton ist, besitzt sie eine Umkehrfunktion (siehe auch Bemerkung 3.6 im Abschnitt 3.1.5).

164

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Definition 3.15 Die Umkehrfunktion der Exponentialfunktion y = f (x) = ax mit a ∈ R, a > 0, a = 1, wird als Logarithmusfunktion mit dem Logarithmus zur Basis a bezeichnet. Man schreibt y = f (x) = loga x , x > 0 . Dabei versteht man unter loga x diejenige reelle Zahl y, für welche ay = x gilt (siehe auch die Definition 1.6 des Logarithmus einer positiven reellen Zahl im Abschnitt 1.7).

Bemerkung 3.18 In der Praxis sind folgende Logarithmen von Bedeutung:

Basis

Bezeichnung

natürlicher Logarithmus (logarithmus naturalis)

a=e

ln

Zehnerlogarithmus (dekadischer Logarithmus)

a = 10

lg oder log

Zweierlogarithmus (logarithmus dualis)

a=2

ld

Die folgenden Eigenschaften der Logarithmusfunktionen folgen unmittelbar aus den Eigenschaften der Exponentialfunktionen und den Beziehungen zwischen einer Funktion f und ihrer Umkehrfunktion f −1 , nämlich, dass Df −1 = Wf , Wf −1 = Df gilt sowie dass die Funktionen f (x) und deren Umkehrfunktion das gleiche Monotonieverhalten haben (siehe Bemerkung 3.7 im Abschnitt 3.1.5).

y = f (x) = loga x, a > 0, a = 1 Definitionsbereich:

Df = (0, ∞)

Wertebereich:

Wf = R

Beschränktheit:

unbeschränkt

Nullstelle:

x0 = 1

Monotonieverhalten:

für a > 1

streng monoton wachsend in Df

für 0 < a < 1 streng monoton fallend in Df

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

165

In der Abbildung 3.28(a) sind Logarithmusfunktionen mit verschiedenen Basen dargestellt. Die Abbildung 3.28(b) zeigt die e-Funktion und ihre Umkehrfunktion y = ln x.

(a)

y

(b)

6

y

y = ex

6

y = ld x

y = ln x

1 0 −1 −1

1

y = lg x x y = log1/e x

y = ln x

1

-

0 −1 −1

1

x

Abb. 3.28 (a) Logarithmusfunktionen, (b) e- und ln-Funktion

Bemerkung 3.19 Wir kehren nochmals zu den Potenzfunktionen zurück. Bisher haben wir nur Potenzfunktionen mit Exponenten, die rationale Zahlen sind, betrachtet. Für einen beliebigen reellen Exponenten α wird die Potenzfunktion durch y = f (x) = xα = (eln x )α = eα ln x für alle x > 0 definiert. Wir wollen im Folgenden die bisher erworbenen Kenntnisse über Exponential- und Logarithmusfunktionen sowie über allgemeine Eigenschaften von Funktionen nutzen, um Funktionen mit etwas komplizierteren Funktionsausdrücken, welche Exponentialoder Logarithmusterme enthalten, genauer zu untersuchen. Beispiel 3.28 Gegeben sei die Abbildungsvorschrift y = f (x) = 1 − e−x/2 .

(3.28)

Eine derartige Funktion spielt beispielsweise eine Rolle, wenn man die Spannung eines Kondensators bei dessen Aufladung berechnen will (siehe auch Beispiel 3.29).

166

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Gesucht sind der größtmögliche Definitionsbereich und der Wertebereich der durch die Abbildungsvorschrift (3.28) gegebenen Funktion. Weiterhin sind die Schnittpunkte des Funktionsgraphen mit den Koordinatenachsen zu ermitteln und Aussagen über das Monotonieverhalten sowie die Beschränktheit der Funktion zu treffen. Falls vorhanden, soll die Umkehrfunktion bestimmt werden. Schließlich ist der Graph der Funktion f (x) zu skizzieren. Zuerst überlegen wir uns wie ausgehend von einem gegebenen Argument x der zugehörige Funktionswert y = f (x) berechnet wird. Dies hilft uns später z. B. bei der Bestimmung des Wertebereichs und des Monotonieverhaltens. Man berechnet ·(− 1 )

2 x −→ −

x e( ) −x/2 ·(−1) +1 −→ e −→ −e−x/2 −→ y = f (x) = 1 − e−x/2 . 2

(3.29)

a) größtmöglicher Definitionsbereich: Da −∞ < −

x − > ∞· − ⇔ ∞ > − > −∞ . „ 2 2 „ 2 2

1 Hierbei ist z. B. „∞ · − 2 “ eine symbolische Schreibweise für die Multiplikation einer beliebig großen positiven Zahl mit − 12 , was eine betragsmäßig große negative reelle Zahl ergibt. Dafür können wir dann −∞ schreiben. Da die Exponentialfunktion f (z) = ez eine streng monoton wachsende Funktion ist, folgt „ e∞ “ > e−x/2 > „ e−∞ “ ⇔ „ e∞ “ > e−x/2 > ⇔ ∞ > e−x/2 > 0 .

1 “ 1 “ ⇔ ∞ > e−x/2 > „ e∞ „∞

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

167

Daraus erhalten wir weiter ∞ > e−x/2 > 0

⇔ −∞ < −e−x/2 < 0

⇔ „ − ∞ + 1“ < −e−x/2 + 1 < 0 + 1 ⇔ −∞ < 1 − e−x/2 < 1 ⇔ −∞ < y < 1 , d. h. der Wertebereich der gegebenen Funktion ist Wf = (−∞, 1) . c) Schnittpunkte des Funktionsgraphen mit der x-Achse, d. h. Nullstellen der Funktion f (x): Da 0 ∈ Wf = (−∞, 1) hat die gegebene Funktion mindestens eine Nullstelle, d. h. der Funktionsgraph hat mindestens einen Schnittpunkt mit der x-Achse. Da jeder Punkt auf der x-Achse die y-Koordinate y = 0 hat, gilt dies auch für die Schnittpunkte des Funktionsgraphen mit der x-Achse. Wir setzen deshalb in (3.28) y = 0, d. h. 0 = 1 − e−x/2 . Daraus ergibt sich nach Addition von e−x/2 zu beiden Seiten dieser Gleichung e−x/2 = 1 .

(3.30)

Zur Lösung dieser Gleichung gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wir diskutieren hier zwei Lösungswege. Weil e0 = 1 gilt, folgt aus der obigen Gleichung e−x/2 = 1 ⇔ e−x/2 = e0 ⇔ −

x = 0, 2

d. h. x = 0. Eine andere Möglichkeit zur Lösung der Gleichung (3.30) besteht in Folgendem. Da die Logarithmusfunktion mit der Basis e im Intervall (−∞, ∞) eine streng monoton wachsende Funktion ist, gilt e−x/2 = 1 ⇔ ln e−x/2 = ln 1 . Unter Nutzung des Logarithmengesetzes ln z r = r ln z (siehe (1.96) im Abschnitt 1.7) und der Beziehungen ln e = 1 sowie ln 1 = 0 (siehe (1.91) sowie (1.90)) folgt x x x − ln e = ln 1 ⇔ − · 1 = 0 ⇔ − = 0 ⇔ x = 0 . 2 2 2 Der Funktionsgraph schneidet also die x-Achse im Punkt S(0, f (0)) = S(0, 1 − e−0/2 ) = S(0, 1 − 1) = S(0, 0) .

168

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

d) Schnittpunkt des Funktionsgraphen mit der y-Achse: Da der Funktionsgraph nach c) durch den Koordinatenursprung verläuft, ist der Schnittpunkt des Funktionsgraphen mit der y-Achse ebenfalls der Punkt S(0, 0). Weitere Schnittpunkte mit der y-Achse kann es nicht geben, da jeder Funktionsgraph die y-Achse nur in höchstens einem Punkt schneiden kann. (siehe auch Algorithmus 3.1 zur Berechnung des Schnittpunktes mit der y-Achse im Abschnitt 3.1.1). e) Beschränktheit: Aus dem in b) ermittelten Wertebereich Wf = (−∞, 1) folgt, dass die Funktion f (x) nach unten unbeschränkt und nach oben beschränkt ist. Jeder Funktionswert ist kleiner als 1, so dass co = 1 eine obere Schranke ist. Für sehr große Werte von x ist e−x/2 fast gleich Null und positiv. Somit ist der Funktionswert f (x) = 1 − e−x/2 fast gleich 1, aber etwas kleiner als 1. Je größer wir x wählen, umso näher liegt der Funktionswert bei 1, aber die 1 wird niemals erreicht. Deshalb ist co = 1 das Supremum der gegebenen Funktion f (x), aber kein Maximum (siehe Definition 3.6). f) Monotonieverhalten: Für die Untersuchung des Monotonieverhaltens verwenden wir die Aussagen bezüglich der Monotonie von Funktionen, welche in den Bemerkungen 3.2 und 3.5 angegeben sind. Entsprechend der Reihenfolge der Schritte (3.29) bei der Berechnung der Funktionswerte y = f (x) können wir wie folgt das Monotonieverhalten ermitteln: f1 (x) = x ist eine streng monoton wachsende Funktion in R, x 2



f2 (x) = −



f3 (x) = e−x/2

ist eine streng monoton fallende Funktion in R (Verkettung der streng monoton wachsenden Funktion f4 (u) = eu und der streng monoton fallenden Funktion u = f2 (x) = − x2 ergibt eine streng monoton fallende Funktion, siehe b) in der Bemerkung 3.5 im Abschnitt 3.1.4),



f5 (x) = −e−x/2

ist eine streng monoton wachsende Funktion in R (Multiplikation mit der negativen Zahl (−1) ändert das Monotonieverhalten, siehe d) in der Bemerkung 3.2),



f (x) = 1 − e−x/2

ist eine streng monoton wachsende Funktion in R (Addition der Konstanten 1 ändert das Monotonieverhalten nicht, siehe a) in der Bemerkung 3.2).

ist eine streng monoton fallende Funktion in R (Multiplikation mit einer negativen reellen Zahl ändert das Monotonieverhalten, siehe d) in der Bemerkung 3.2 im Abschnitt 3.1.2),

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

169

g) Umkehrfunktion: Da die gegebene Funktion f (x) nach den Überlegungen in f) eine streng monoton wachsende Funktion ist, ist sie umkehrbar (siehe Bemerkung 3.6 im Abschnitt 3.1.5). Zur Bestimmung der Umkehrfunktion stellen wir den Funktionsausdruck y = 1 − e−x/2 nach x um. Die dafür notwendigen Schritte ergeben sich unmittelbar aus der Umkehrung der Reihenfolge (3.29) der Schritte bei der Berechnung der Funktionswerte y. Dabei muss in jedem Schritt die entsprechende Umkehroperation bzw. Umkehrfunktion genutzt werden, d. h.

 x (−2) · ln(−(y − 1)) = (−2) · ln e−x/2 ⏐ 1

 · − ⏐ : − 1 ⇔ ·(−2) 2 2

 x ln(−(y − 1)) = ln e−x/2 − 2 ⏐ ( ) e ⏐ ln( ) e−x/2 ⏐  ·(−1)

−(y − 1) = e−x/2 ⏐ : (−1)

−e−x/2 ⏐  +1

y − 1 = −e−x/2 ⏐ −1

−e−x/2 + 1

y = 1 − e−x/2

=y

Die Gleichung

 (−2) · ln(−(y − 1)) = (−2) · ln e−x/2

formen wir unter Nutzung der Beziehungen

 x x x −(y − 1) = 1 − y sowie ln e−x/2 = − ln e = − · 1 = − 2 2 2 um und erhalten  x (−2) · ln(1 − y) = (−2) · − ⇔ x = f −1 (y) = −2 ln(1 − y) . 2 Nach Vertauschen der Bezeichnungen für die Variablen ergibt sich daraus die Umkehrfunktion f −1 (x) = −2 ln(1 − x) . Der Definitions- und Wertebereich der Umkehrfunktion sind Df −1 = Wf = (−∞, 1)

und

Wf −1 = Df = R

(siehe e) in der Bemerkung 3.7 sowie bezüglich von Df und Wf die Teile a) und b) in diesem Beispiel). Entsprechend der Aussage d) in der Bemerkung 3.7 hat die Umkehrfunktion das gleiche Monotonieverhalten wie die gegebene Funktion, d. h. die ermittelte Umkehrfunktion ist im Definitionsbereich Df −1 streng monoton wachsend (siehe f) und die Abbildung 3.30).

170

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

h) Skizze des Graphen der Funktion f (x) und der Umkehrfunktion f −1 (x): Zum Skizzieren des Graphen der Funktion f (x) und ihrer Umkehrfunktion nutzen wir die Überlegungen, welche wir im Abschnitt 3.1.7 durchgeführt haben. Der Ausgangspunkt des Anfertigens der Skizze ist der Graph der Funktion y = ex (siehe Abbildung 3.29(a)). Der Faktor − 12 vor x in der Funktion y = e−x/2 bewirkt eine Stre −1 ckung dieses Funktionsgraphen mit dem Faktor  − 1  = 2 in x-Richtung (siehe 2

Abbildung 3.29(b)) und da der Faktor negativ ist noch eine anschließende Spiegelung des Graphen der Funktion y = ex/2 an der y-Achse (siehe Abbildung 3.29(c)). Der Faktor (−1) vor dem e-Term in der Funktion y = −e−x/2 hat eine Spiegelung des Funktionsgraphen der Funktion y = e−x/2 an der x-Achse zur Folge (siehe Abbildung 3.29(d)). Den Graph der gegebenen Funktion f (x) = 1 − e−x/2 erhalten wir schließlich durch Verschieben des Graphen der Funktion y = −e−x/2 um eine Einheit in positive y-Richtung (siehe Abbildung 3.29(e)). Dies wird durch den Summanden 1 bewirkt. y 4

(a)

y = ex

3

3

2

2

1

y 4

1

2x

−5 −4 −3 −2 −1 0 (d)

6

−2 −1 0 −1

2

−2

−2 −1 0 (e)

y

3

1

y 1 −2 −1 0 −1

1

2

3

y = e−x/2 4 5 x

6

1

−3 −4

y = 1 − e−x/2

6

1

2

3

4

5

6

1

y = ex/2

-

−2 −1 0 (c)

y 4

(b)

6

x

−2 −3

Abb. 3.29 Skizzieren des Graphen der Funktion f (x) = 1 − e−x/2

2

-

1

2

3x

y = −e−x/2 3 4 5 x

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

171

In der Abbildung 3.30 sind der Graph der Funktion f (x) = 1 − e−x/2 und ihrer Umkehrfunktion f −1 (x) = −2 ln(1 − x) dargestellt. Der Graph der Umkehrfunktion f −1 (x) ergibt sich durch Spiegelung des Graphen der Funktion f (x) an der Geraden y = x (siehe b) in der Bemerkung 3.7). y

f −1 (x) = −2 ln(1 − x)

6

5 4

y=x

3 2 f (x) = 1 − e−x/2

1 −2 −1

1

2

3

4

5

x

−1 −2 −3

Abb. 3.30 Graphen der Funktionen f (x) = 1 − e−x/2 und f −1 (x) = −2 ln(1 − x)

Beispiel 3.29 Exponential- und Logarithmusfunktionen treten beispielsweise bei der Beschreibung folgender Sachverhalte auf. Der Luftdruck in der Höhe h über dem Meeresspiegel kann näherungsweise mittels der Barometrischen Höhenformel p(h) = p0 e−0 gh/p0 , h ≥ 0 ,

(3.31)

berechnet werden. Dabei ist p0 der Luftdruck auf Meereshöhe, g = 9.81 sm2 die Erdkg beschleunigung und 0 = 1.29 m die Dichte der Luft. Die obige Formel ist nur 3 eine Idealisierung, denn es wird vorausgesetzt, dass Masse und Temperatur der Luft längs der Höhe konstant sind. Will man beispielsweise die Höhe bestimmen, bei welcher der Luftdruck nur noch die Hälfte des Luftdrucks p0 auf Meereshöhe beträgt, dann kann man zu deren Bestimmung die Umkehrfunktion der Funktion p(h) nutzen. Diese erhalten wir, indem wir die Beziehung (3.31) nach h umstellen und dabei die Logarithmengesetze

172

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

ln(ab) = ln a + ln b, ln ar = r ln a sowie ln e = 1 (siehe (1.94), (1.96) und (1.91) im Abschnitt 1.7) nutzen:



 p = p0 e−0 gh/p0 ⇔ ln p = ln p0 e−0 gh/p0 ⇔ ln p = ln p0 + ln e−0 gh/p0  gh 

0 gh 0 ⇔ ln p = ln p0 + − ln e ⇔ ln p = ln p0 − p0 p0 ⇔

0 gh = ln p0 − ln p p0

⇔ h=

p0 (ln p0 − ln p) .

0 g

Der Graph der Funktion p(h) und deren Umkehrfunktion h(p) sind in der Abbildung 3.31 dargestellt. (a)

(b)

h [m]

6

5000

p [hPa] 1000

6

500

1000

1000

5000

-

h [m]

500 1000

p [hPa]

Abb. 3.31 (a) Graph der Funktion p(h) und (b) Graph der Funktion h(p)

Wir bestimmen nun die Höhe, bei welcher der Luftdruck p nur noch die Hälfte des Luftdrucks p0 auf Meereshöhe beträgt, d. h. auf welcher p = p20 gilt. Mittels der Formel p0 (ln p0 − ln p) h(p) =

0 g ergibt sich p  p0  p0  p0 0 (ln p0 − (ln p0 − ln 2)) = ln p0 − ln = h 2

0 g 2

0 g =

p0 p0 (ln p0 − ln p0 + ln 2) = ln 2 .

0 g

0 g

Sei zum Beispiel der Luftdruck auf Meereshöhe p0 = 1013.25 hPa = 1.01325 · 105

kg . m s2

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

173

Dann erhalten wir die Höhe h

p  0

2

kg

1.01325 · 105 p0 m s2 ln 2 ≈ 5550 m . ln 2 = = kg m

0 g 1.29 3 · 9.81 2 m

s

Spannungsverlauf in einem Kondensator Ohmscher Widerstand

Kondensator

r R

C

b aus b

ein

U0

b

Abb. 3.32 Stromkreis mit einem Kondensator und einem Ohmschen Widerstand

Die Spannung U an einem Kondensator mit der Kapazität C in einem Stromkreis mit einem Ohmschen Widerstand R (siehe Abbildung 3.32) wird beim Laden bzw. Entladen durch die Funktionen U (t) = U0 (1 − e−t/(RC) )

bzw.

U (t) = U0 e−(t−te )/(RC)

beschrieben. Dabei bezeichnen U0 die angelegte Ladespannung, t die Zeit und te den Zeitpunkt des Beginns der Entladung (z. B. te ≈ 10RC). In der Abbildung 3.33 ist die Funktion U (t) dargestellt. U U0

6

0

te

t

Abb. 3.33 Spannungsverlauf an einem Kondensator beim Laden und Entladen des Kondensators

Populationsmodelle Mathematische Modelle für Populationen helfen, dynamische Prozesse in Populationen zu verstehen und Vorhersagen über deren Entwicklung treffen zu können. Wir betrachten Modelle zur Beschreibung des Wachstums einer Population. Seien zum Zeitpunkt t = 0 in der Population N0 Individuen vorhanden.

174

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

– exponentielles Wachstum Wir gehen davon aus, dass sich die Anzahl der in der Population lebenden Individuen nur durch Geburten und Sterbefälle ändert. Es sollen keine Migrationsbewegungen stattfinden, d. h. es sollen keine Individuen von außen zur Population hinzukommen und keine die Population lebend verlassen. Dann kann die Anzahl der Individuen zum Zeitpunkt t durch die Funktion N (t) = N0 e(b−d)t , t ≥ 0 ,

(3.32)

modelliert werden. Dabei sind b und d die Pro-Kopf-Geburtenrate bzw. Pro-KopfSterberate. In der Abbildung 3.34 ist der zeitliche Verlauf der Anzahl der Individuen dargestellt. (a) N (t)

(b) N (t)

6

2N0

2N0

N0

N0

6

0

1

2

t

0

1

2

t

Abb. 3.34 Zeitlicher Verlauf der Anzahl der Individuen (a) b = 0.8, d = 1.2 und (b) b = 1.2, d = 0.9

Sowohl von der Funktion (3.32) als auch aus der Abbildung 3.34 ist ersichtlich, dass die Population ausstirbt, wenn die Pro-Kopf-Sterberate größer als die Pro-KopfGeburtenrate ist. Ist hingegen die Pro-Kopf-Geburtenrate größer als die Pro-KopfSterberate, dann findet entsprechend diesem Wachstumsmodell ein unbeschränktes Wachstum der Population statt. Dieses Modell ist über längere Zeiträume unrealistisch, denn beispielsweise ist die Menge des zur Verfügung stehenden Futters beschränkt, so dass ein unbegrenztes Wachstum nicht möglich ist. Wir betrachten deshalb ein anderes Wachstumsmodell, in welchem Ressourcenbeschränkungen berücksichtigt werden. – logistisches Wachstum (Populationsmodell von P.-F. Verhulst2 (siehe Verhulst [1838, 1845]) In diesem Modell wird davon ausgegangen, dass die Pro-Kopf-Geburtenrate und Pro-Kopf-Sterberate nicht konstant sind, sondern, dass diese von der Anzahl der 2 Pierre-François Verhulst, geb. 28.10.1804 in Brüssel, gest. 15.2.1849 in Brüssel, belgischer Mathematiker

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

175

Individuen abhängen. Man geht von einer Wachstumsrate (Geburten- und Sterberate) pro Kopf in der Form  K r 1− N aus, wobei K die Kapazitätsgrenze des Lebensraumes ist. Diese wird im Wesentlichen durch die zur Verfügung stehenden Ressourcen wie z. B. Futter bestimmt. Die Anzahl der Individuen in der Population zum Zeitpunkt t wird durch die Funktion N (t) =

N0 Kert , t > 0, K + N0 (ert − 1)

modelliert. Die Abbildung 3.35 zeigt den zeitlichen Verlauf der Anzahl der Individuen in der Population für verschiedene Anzahlen von Individuen zum Zeitpunkt t = 0. N (t)

r = 0.8

6

(a)

(a)

(b)

K

(c)

(b)

N0 > K K < N0 < K 2 K N0 < 2





4 K 3   2 N0 = K 3   1 N0 = K 10 N0 =

(c)

0

1

2

t

Abb. 3.35 Zeitlicher Verlauf der Anzahl der Individuen beim logistischen Wachstum

Mit wachsender Zeit nähert sich die Anzahl der Individuen der Kapazitätsgrenze K an (siehe Abbildung 3.35). Zerfall radioaktiver Substanzen Die Anzahl N (t) der zum Zeitpunkt t vorhandenen Atomkerne einer radioaktiven Substanz wird durch die Funktion N (t) = N0 e−λt beschrieben. Dabei ist N0 die Anzahl der Atomkerne zum Zeitpunkt t = 0 und λ die Zerfallskonstante. Diese ergibt sich aus λ = ln 2/T0.5 , wobei T0.5 die Halbwertszeit ist, d. h. die Zeit, nach der nur noch die Hälfte der zum Zeitpunkt t = 0 vorhandenen Kerne existiert.

Mittels der Exponentialfunktion werden die hyperbolischen Funktionen definiert.

176

3.2.5

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Hyperbolische und Area-Funktionen

Definition 3.16 Die hyperbolischen Funktionen sind wie folgt definiert: Sinus-Hyperbolicus-Funktion y = f (x) = sinh x =

ex − e−x , x∈R 2

Kosinus-Hyperbolicus-Funktion y = f (x) = cosh x =

ex + e−x , x∈R 2

Tangens-Hyperbolicus-Funktion y = f (x) = tanh x =

ex − e−x sinh x = x , x∈R cosh x e + e−x

Kotangens-Hyperbolicus-Funktion y = f (x) = coth x =

ex + e−x cosh x = x , x ∈ R\{0} sinh x e − e−x

Die hyperbolischen Funktionen besitzen die folgenden Eigenschaften:

y = f (x) = sinh x

y = f (x) = cosh x

Definitionsbereich:

Df = R

Df = R

Wertebereich:

Wf = R

Wf = [1, ∞)

Beschränktheit:

unbeschränkt

nach unten beschränkt cosh x ≥ 1 für alle x ∈ Df

Nullstellen:

x0 = 0

keine

Monotonie-

streng monoton wachsend

streng monoton fallend

verhalten:

in Df

in (−∞, 0], streng monoton wachsend in [0, ∞)

Symmetrie:

ungerade Funktion

gerade Funktion

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

177

y = f (x) = tanh x

y = f (x) = coth x

Definitionsbereich:

Df = R

Df = R \ {0}

Wertebereich:

Wf = (−1, 1)

Wf = (−∞, −1) ∪ (1, ∞)

Beschränktheit:

beschränkt; für alle x ∈ Df gilt

unbeschränkt

−1 < tanh x < 1 Nullstellen:

x0 = 0

keine

Monotonie-

streng monoton wachsend

streng monoton fallend

verhalten:

in Df

in (−∞, 0) und (0, ∞)

Symmetrie:

ungerade Funktion

ungerade Funktion

Die Funktionsgraphen der hyperbolischen Funktionen sind in der Abbildung 3.36 dargestellt. y

y

6

y = cosh x

1

1

0

−1 y = sinh x

6 y = coth x

0

1

x

−1

−1

y = tanh x 1

−1

Abb. 3.36 Hyperbolische Funktionen

Im Folgenden geben wir noch einige Rechenregeln (Additionstheoreme) an:

x

178

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Für alle x, x1 und x2 aus dem Definitionsbereich der jeweiligen Funktion gilt sinh(−x) = − sinh x

(3.33)

cosh x

(3.34)

tanh(−x) = − tanh x

(3.35)

coth(−x) = − coth x

(3.36)

cosh(−x) =

sinh(x1 + x2 ) = sinh x1 · cosh x2 + cosh x1 · sinh x2

(3.37)

cosh(x1 + x2 ) = cosh x1 · cosh x2 + sinh x1 · sinh x2

(3.38)

cosh x − sinh x = 1 2

2

(3.39)

Wir zeigen die Gültigkeit der Additionstheoreme (3.33) und (3.39). Die anderen Additionstheoreme lassen sich auf ähnliche Weise begründen. Unter Nutzung der Definition 3.16 der Sinus-Hyperbolicus-Funktion können wir die Gültigkeit der Beziehung (3.33) wie folgt zeigen: sinh(−x) =

e(−x) − e−(−x) e−x − ex = 2 2

= −

−e−x + ex 2

= −

=

−(−e−x + ex ) 2

ex − e−x = − sinh x . 2

Aus den Beziehungen (3.33) – (3.36) folgt, dass die Sinus-Hyperbolicus-, TangensHyperbolicus- und Kotangens-Hyperbolicus-Funktionen ungerade Funktionen sind und dass die Kosinus-Hyperbolicus-Funktion eine gerade Funktion ist. Die Regel (3.39) lässt sich wie folgt begründen. Mittels der Beziehungen cosh x =

ex + e−x 2

und

sinh x =

ex − e−x 2

(siehe Definition 3.16) sowie der 1. bzw. 2. binomischen Formel (a + b)2 = a2 + 2ab + b2 bzw. (a − b)2 = a2 − 2ab + b2 (siehe (1.70) und (1.71) im Abschnitt 1.5 mit a = ex , b = e−x ) und der Potenzgesetze (ex ) = e·x (mit  = 2 bzw.  = −2), ex ·e−x = ex+(−x) (siehe (1.45) und (1.41) im Abschnitt 1.5) ergibt sich

 2

cosh x =

ex + e−x 2

2 =

 1 x 2 (e ) + 2ex e−x + (e−x )2 4

=

  1 2x 1 2x e + 2ex+(−x) + e−2x = e + 2 · e0 + e−2x 4 4

=

 1 2x e + 2 · 1 + e−2x 4

=

 1 2x e + 2 + e−2x , 4

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

 2

sinh x = =

ex − e−x 2

179

2 =

 1 x 2 (e ) − 2ex e−x + (e−x )2 4

  1 2x 1 2x e − 2ex+(−x) + e−2x = e − 2 + e−2x 4 4

und damit

 1  1 2x e + 2 + e−2x − e2x − 2 + e−2x 4 4  1 2x 1 · 4 = 1. = e + 2 + e−2x − e2x + 2 − e−2x = 4 4

cosh2 x − sinh2 x =

Beispiel 3.30 Die Kosinus-Hyperbolicus-Funktion spielt beispielsweise in folgender Situation eine Rolle. Befestigt man ein homogenes, nur durch sein Eigengewicht belastetes Seil an beiden Enden auf gleicher Höhe, dann kann die Gestalt des durchhängenden Seils durch eine Funktion der Form x − b f (x) = a cosh +c a beschrieben werden, wobei a, b und c gewisse reelle Konstanten sind. Man bezeichnet den Funktionsgraphen auch als Kettenlinie. y

6

a+c

-

x Abb. 3.37 Durchhängendes Seil

b

Die Sinus-Hyperbolicus-, Tangens-Hyperbolicus- und Kotangens-Hyperbolicus-Funktion sind auf ihrem gesamten Definitionsbereich eineindeutig, d. h. zu jedem Argument x ∈ Df gibt es genau ein y ∈ Wf und zu jedem y ∈ Wf genau ein x ∈ Df (siehe auch die Abbildung 3.36). Folglich sind diese Funktionen in ihrem gesamten Definitionsbereich umkehrbar. Die Kosinus-Hyperbolicus-Funktion hingegen ist in ihrem gesamten Definitionsbereich nicht eindeutig, denn zu jedem Funktionswert y ∈ (1, ∞) gibt es zwei Argumente x. Zur Bestimmung der Umkehrfunktion der Kosinus-HyperbolicusFunktion betrachten wir diese deshalb nur auf dem Intervall [0, ∞), über welchem sie streng monoton wachsend und somit eineindeutig ist. Wir bestimmen im Folgenden die Umkehrfunktion der Sinus-Hyperbolicus-Funktion. Es gilt y = sinh x =

ex − e−x 2

⇔ 2y = ex − e−x ⇔ 0 = ex − 2y − e−x .

180

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Multiplizieren wir beide Seiten der letzten Gleichung mit ex dann erhalten wir 0 = ex ex − 2yex − e−x ex ⇔ 0 = (ex )2 − 2yex − 1 . Setzen wir z = ex , dann ergibt sich daraus die quadratische Gleichung z 2 − 2yz − 1 = 0 , welche die beiden Lösungen  z1 = y + y 2 + 1 > 0

und

z2 = y −



y2 + 1 < 0

hat. Da z = ex > 0 gilt, entfällt die Lösung z2 . Damit folgt    z = y + y 2 + 1 ⇔ ex = y + y 2 + 1 ⇔ ln ex = ln(y + y 2 + 1)   ⇔ x ln e = ln(y + y 2 + 1) ⇔ x = ln(y + y 2 + 1) . Damit haben wir als Umkehrfunktion der Sinus-Hyperbolicus-Funktion die Funktion  x = f −1 (y) = ln(y + y 2 + 1) gefunden. Um beide Funktionen in ein und demselben Koordinatensystem darstellen zu können, werden noch die Variablen x und y vertauscht, was zur Funktion  y = f (x) = ln(x + x2 + 1) führt. Auf analoge Weise kann man die Umkehrfunktionen der anderen hyperbolischen Funktionen ermitteln. Diese Umkehrfunktionen werden als Area-Funktionen bezeichnet. Im Folgenden geben wir die Umkehrfunktionen der Sinus-Hyperbolicus-, der Kosinus-Hyperbolicus-, der Tangens-Hyperbolicus- und der Kotangens-HyperbolicusFunktion, die sogenannten Area-Funktionen, an.

Definition 3.17 Die Umkehrfunktionen der hyperbolischen Funktionen, d. h. die Area-Funktionen, sind wie folgt definiert: Area-Sinus-Hyperbolicus-Funktion y = f (x) = arsinh x = ln(x +

 x2 + 1) , x ∈ R ,

Area-Kosinus-Hyperbolicus-Funktion  y = f (x) = arcosh x = ln(x + x2 − 1) , x ∈ R , x ≥ 1 ,

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

181

Area-Tangens-Hyperbolicus-Funktion y = f (x) = artanh x =

1+x 1 ln , x ∈ R , |x| < 1 , 2 1−x

Area-Kotangens-Hyperbolicus-Funktion y = f (x) = arcoth x =

1 x+1 ln , x ∈ R , |x| > 1 2 x−1

Die Funktionsgraphen der hyperbolischen Funktionen und ihrer Umkehrfunktionen, der Area-Funktionen, sind in den Abbildungen 3.38 und 3.39 dargestellt. y

y = sinh x

y = coshx

6

y

y = arsinh x

1 0 −1 −1

6

1

x

y = arcosh x 1

0

x

1

Abb. 3.38 Sinus-Hyperbolicus-, Area-Sinus-Hyperbolicus-, Kosinus-Hyperbolicus-, und Area-Kosinus-Hyperbolicus-Funktion

Die Eigenschaften der Area-Funktionen ergeben sich aus den Eigenschaften der hyperbolischen Funktionen und den Beziehungen zwischen einer Funktion und ihrer Umkehrfunktion, z. B. Df −1 = Wf , Wf −1 = Df (siehe Bemerkung 3.7). y = f (x) = arsinh x

y = f (x) = arcosh x

Definitionsbereich:

Df = R

Df = [1, ∞)

Wertebereich:

Wf = R

Wf = [0, ∞)

Beschränktheit:

unbeschränkt

nach unten beschränkt arcoshx ≥ 0 für alle x ∈ Df

Nullstellen:

x0 = 0

x0 = 1

Monotonieverhalten:

streng monoton wachsend in Df

streng monoton wachsend in Df

Symmetrie:

ungerade Funktion

182

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen y

y = artanh x y

6

1 −1 0 −1

1

y = tanh x

-

1

y = coth x

6

x

y = arcoth x

-

0 −1 −1

1

x

Abb. 3.39 Tangens-Hyperbolicus-, Area-Tangens-Hyperbolicus-, Kotangens-Hyperbolicusund Area-Kotangens-Hyperbolicus-Funktion

y = f (x) = artanh x

y = f (x) = arcoth x

Definitionsbereich:

Df = (−1, 1)

Df = (−∞, −1) ∪ (1, ∞)

Wertebereich:

Wf = R

Wf = R \ {0}

Beschränktheit:

unbeschränkt

unbeschränkt

Nullstellen:

x0 = 0

keine

Monotonieverhalten:

streng monoton wachsend

streng monoton fallend

in Df

in (−∞, −1) und (1, ∞)

ungerade Funktion

ungerade Funktion

Symmetrie:

3.2.6

Trigonometrische und Arkus-Funktionen

Bevor wir die trigonometrischen Funktionen und ihre Umkehrfunktionen einführen, diskutieren wir verschiedene Winkelmaße. Zur Angabe der Größe eines Winkels sind die folgenden drei Maße gebräuchlich: Gradmaß Einheit Vollwinkel

Grad [ ◦

360



]

Bogenmaß

Gonmaß

Radiant [rad]

Gon [gon]



400 gon

Das Gonmaß wird insbesondere im Vermessungswesen angewendet. Werden Winkel im Bogenmaß angegeben, dann lässt man meistens die Einheit rad weg.

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

183

Eine geometrische Interpretation des Bogenmaßes ist in der Abbildung 3.40 dargestellt. Das Bogenmaß eines Winkels α ist die Länge des Kreisbogenstücks mit dem Radius R = 1 und dem Öffnungswinkel α. P1

P2

R=1

α

P2

α·



α

π mit α im Gradmaß P1 180◦ -

Abb. 3.40 Geometrische Interpretation des Bogenmaßes

Bemerkung 3.20 Bei der Angabe von Winkeln im Gradmaß gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man gibt die Maßzahl als Dezimalzahl an oder man nutzt eine Angabe in der Form Grad, Minuten und Sekunden. Dabei gilt 1◦ = 60 = 3600 , d. h. in Worten ein Grad sind 60 Minuten bzw. 3600 Sekunden. Die Angabe in Grad, Minuten und Sekunden wird häufig bei der Angabe der geographischen Koordinaten von Orten genutzt, z. B. sind die geographischen Koordinaten von der Dresdner Frauenkirche 51◦ 3 6.74 n.B. und 13◦ 44 29.48 ö.L. Dabei steht n.B. für nördliche Breite und ö.L. für östliche Länge. Die Abbildung 3.41 enthält zwei andere Punkte, deren Koordinaten in der Form Grad, Minuten und Sekunden angegeben sind.

Abb. 3.41 Geodätischer Referenzpunkt beim Kronentor vom Dresdner Zwinger und Markierung des nördlichen Polarkreises bei Rovaniemi in Finnland

184

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Wir erklären im Folgenden wie man Grad in Grad, Minuten und Sekunden umrechnen kann bzw. wie die Umrechnung umgekehrt erfolgt? Gegeben sei eine Winkelangabe in der Form xxx.yyyy ◦ . Dabei stehen xxx und yyyy für nichtnegative ganze Zahlen. Zur Umrechnung in eine Darstellung xxx◦ zz  vv.ss führen wir die folgenden Schritte durch: 1. Schritt:

xxx.yyyy

2. Schritt:

0.yyyy · 60



3. Schritt:

0.www · 60





xxx◦ ,

zz.www



zz  ,

vv.ss



vv.ss .

Damit erhalten wir xxx.yyyy ◦ = xxx◦ zz  vv.ss . Sei zum Beispiel 30.7731◦ umzurechnen. Nach der obigen Vorgehensweise ergibt sich 1. Schritt:

30.7731

2. Schritt:

0.7731 · 60



3. Schritt:

0.386 · 60





30◦ ,

46.386



46 ,

23.16



23.16 ,

d. h. 30.7731◦ = 30◦ 46 23.16 . Liegt nun umgekehrt eine Angabe in der Form xxx◦ zz  vv.ss vor und soll diese Angabe in Grad umgerechnet werden, dann geht man wie folgt vor:

 xxx◦ zz  vv.ss =

xxx +

vv.ss zz + 60 3600

◦ .

Zum Beispiel ergibt sich

 ◦





43 27 19.41 =

27 19.41 + 43 + 60 3600

◦

≈ 43.4554◦ .

Bei einigen Taschenrechnern steht die Funktion dms bzw. in deutscher Sprache gms für diese Umrechnungen zur Verfügung. Beachte: Bei der Nutzung eines Taschenrechners muss immer das Winkelmaß eingestellt werden, bezüglich dessen im Folgenden die entsprechenden Maßzahlen eingegeben werden. Ist der Taschenrechner auf Gra bzw. Deg (Winkelmaß in Grad) eingestellt,

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

185

dann wird zum Beispiel die Eingabe der Zahl 90 als 90◦ interpretiert. Ist der Taschenrechner hingegen auf Bog bzw. Rad eingestellt, wird die Eingabe der Zahl 90 als 90 rad in den weiteren Rechnungen genutzt. Bei der Einstellung des Taschenrechners auf das Gonmaß (Gon) wird die Eingabe der Zahl 90 als 90 gon interpretiert. Zwischen den verschiedenen Winkelmaßen gelten folgende Umrechnungsregeln: 10 π rad = gon ≈ 1.11 gon 180 9 π 1 gon = rad = 0.9◦ 200 1◦ =

1 rad =

200 180◦ = gon π π

Beispiel 3.31 Mittels der obigen Umrechnungsformeln erhalten wir zum Beispiel 90◦ = 90 ·

π π rad = rad 180 2

10 gon = 100 gon 9 π π 50 gon = 50 · rad = rad 200 4 90◦ = 90 ·

50 gon = 50 · 0.9◦

= 45◦

π 180◦ π rad = · 3 3 π

= 60◦

π π 200 200 rad = · gon = gon 3 3 π 3

Wir geben im Folgenden einige spezielle Winkel in den drei Maßeinheiten an. 0◦

30◦

45◦

60◦

90◦

120◦

135◦

150◦

180o

0

π 6

π 4

π 3

π 2

2π 3

3π 4

5π 6

π

0 gon

100 200 gon 50 gon gon 100 gon 3 3

400 500 gon 150 gon gon 200 gon 3 3

186

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Zur Definition der trigonometrischen Funktionen betrachten wir zunächst den Einheitskreis, d. h. einen Kreis mit dem Radius R = 1. Auf die in der Abbildung 3.42(a) dargestellte Weise ordnen wir jedem Winkel x einen Punkt P (c, s) auf dem Einheitskreis zu. Dabei tragen wir für x > 0 den Winkel entgegengesetzt dem Uhrzeigersinn und für x < 0 im Uhrzeigersinn ab. Die Winkel werden im Bogenmaß angegeben. (b)

(a)

w = tan x 1

1 P (c, s) P (c, s)

s

s

x 0

x c

1

0

c

1

Abb. 3.42 (a) Definition der Sinus- und Kosinus-Funktion am Einheitskreis, (b) geometrische Interpretation der Tangens-Funktion

Definition 3.18 Jedem x ∈ R wird eindeutig ein Punkt P (c, s) auf dem Einheitskreis zugeordnet (siehe Abbildung 3.42(a)). Durch diese Zuordnung werden die trigonometrischen Funktionen wie folgt definiert: Sinus-Funktion sin x = s , x ∈ R Kosinus-Funktion cos x = c , x ∈ R Tangens-Funktion tan x =

sin x s = , x ∈ {x ∈ R | c = 0} cos x c

Kotangens-Funktion cot x =

cos x c = , x ∈ {x ∈ R | s = 0} sin x s

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

187

Aus der Definition der Kotangens- und der Tangens-Funktion folgt cot x =

1 cos x = sin x sin x cos x

und damit

cot x =

1 1 ⇔ tan x = . tan x cot x

(3.40)

Geometrische Interpretation der trigonometrischen Funktionen Der zum Winkel x gehörige Funktionswert der Kosinus-Funktion ist die erste Koordinate des Punktes P (c, s) und der Funktionswert der Sinus-Funktion die zweite Koordinate des Punktes P (c, s) (siehe Abbildung 3.42(a)). Nach dem 2. Strahlensatz (siehe (1.101) im Abschnitt 1.8 und Abbildung 3.42(b)) gilt (siehe Abbildung 3.42(b)) c s = w 1

und somit

w=

s = tan x . c

Die im Folgenden angegebenen Eigenschaften der trigonometrischen Funktionen ergeben sich aus den folgenden Überlegungen. Jedem Winkel x kann auf die oben beschriebene Weise ein Punkt P (c, s) zugeordnet, werden, d. h. für jedes x ∈ R gibt es einen entsprechenden Wert c und s. Folglich sind die Sinus- und die Kosinus-Funktion für alle x ∈ R definiert. Da die Punkte P (c, s) auf einem Kreis mit dem Radius R = 1 liegen, kann sowohl c als auch s nur aus dem Intervall [−1, 1] sein, d. h. der Wertebereich der Sinus- und der Kosinus-Funktion ist das Intervall [−1, 1]. Wächst beispielsweise x von 0 bis π2 , dann wird die Koordinate s des entsprechenden Punktes P größer (siehe Abbildung 3.42(a)). Folglich ist die Sinus-Funktion im Intervall [0, π2 ] streng monoton wachsend. Wächst x von π2 bis 3π 2 weiter an, dann werden die s-Koordinaten der Punkte P (c, s) kleiner, d. h. die Sinus-Funktion ist im Intervall [ π2 , 3π 2 ] streng monoton bis 2π vergrößert, dann wachsen auch wieder fallend. Wird der Winkel x weiter von 3π 2 3π die s-Koordinaten, d. h. im Intervall [ 2 , 2π] ist die Sinus-Funktion streng monoton wachsend. Für x = 0, x = π und x = 2π ist s = 0, d. h. dies sind Nullstellen der SinusFunktion. Einem Winkel x ∈ [2π, 4π] wird der gleiche Punkt P (c, s) zugeordnet wie dem Winkel x − 2π. Folglich wiederholen sich die Eigenschaften der Sinus-Funktion mit der Periode 2π, d. h. die Sinus-Funktion ist eine periodische Funktion mit der Periodenlänge 2π. Analog zu den gerade durchgeführten Betrachtungen bezüglich der Eigenschaften der Sinus-Funktion kann man sich auch die Eigenschaften der KosinusFunktion überlegen. Wir fassen die Eigenschaften der Sinus- und der Kosinus-Funktion im Folgenden zusammen.

188

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

y = f (x) = sin x

y = f (x) = cos x

Definitionsbereich

Df = R

Df = R

Wertebereich:

Wf = [−1, 1]

Wf = [−1, 1]

Beschränktheit:

beschränkt; für alle x ∈ Df

beschränkt; für alle x ∈ Df

gilt −1 ≤ sin x ≤ 1

gilt −1 ≤ cos x ≤ 1

Nullstellen:

xk = kπ, k ∈ Z

xk =

Periodenlänge:





Monotonie-

streng monoton wachsend   π π in − + 2kπ, + 2kπ , k ∈ Z

streng monoton wachsend

streng monoton fallend   π 3π in + 2kπ, + 2kπ , k ∈ Z

streng monoton fallend

ungerade Funktion

gerade Funktion

verhalten:

2

2

2

Symmetrie:

2

π + kπ, k ∈ Z 2

in [(2k − 1)π, 2kπ], k ∈ Z

in [2kπ, (2k + 1)π], k ∈ Z

Die Funktionsgraphen der Sinus- und der Kosinus-Funktion sind in der Abbildung 3.43 dargestellt. y 1

6

y = cos x

-

−2π

−π

0 −1

π

2π x y = sin x

Abb. 3.43 Sinus- und Kosinus-Funktion

Da die Tangens-Funktion der Quotient aus der Sinus- und der Kosinus-Funktion ist und eine Division durch Null nicht erlaubt ist, können alle Nullstellen der KosinusFunktion nicht zum Definitionsbereich der Tangens-Funktion gehören, d. h. wir müssen diese aus der Menge aller reellen Zahlen ausschließen. Weil der Wertebereich der Sinusund der Kosinus-Funktion das Intervall [−1, 1] ist und der Quotient aus zwei Zahlen aus diesem Intervall eine beliebige reelle Zahl ergeben kann, ist der Wertebereich sin x der Tangens-Funktion die Menge aller reellen Zahlen. Der Quotient cos x ist gleich Null, wenn der Zähler sin x gleich Null ist. Folglich sind die Nullstellen der SinusFunktion auch die Nullstellen der Tangens-Funktion. Analoge Überlegungen kann man auch für die Kotangens-Funktion durchführen. Die soeben ermittelten Eigenschaften

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

189

der Tangens-Funktion und weitere Eigenschaften der Tangens- und der KotangensFunktion fassen wir in der folgenden Tabelle zusammen.

y = f (x) = tan x = Definitionsbereich:

sin x cos x

  π  Df = x ∈ R  x = + kπ, 2

y = f (x) = cot x =

cos x sin x

Df = {x ∈ R | x = kπ,

k ∈ Z}

k ∈ Z}

Wertebereich:

Wf = R

Wf = R

Beschränktheit:

unbeschränkt

unbeschränkt

Nullstellen:

xk = kπ, k ∈ Z

xk =

Periodenlänge:

π

π

Monotonie-

streng monoton fallend

verhalten:

streng monoton wachsend   π π in − + kπ, + kπ , k ∈ Z

Symmetrie:

ungerade Funktion

ungerade Funktion

2

2

π + kπ, k ∈ Z 2

in (kπ, (k + 1)π), k ∈ Z

Die Graphen der Tangens- und der Kotangens-Funktion sind in der Abbildung 3.44 dargestellt. y

y

6

1 −π 3 − π 2

1

−1

y = cot x

6

0

1 π 2

π

3 π 2

x

−π

-

0 1 − π−1 2

1 π 2

π x

y = tan x

Abb. 3.44 Tangens- und Kotangens-Funktion

In der Definition 3.18 haben wir die trigonometrischen Funktionen für Winkel x im Bogenmaß definiert und bei der Beschreibung der Eigenschaften dieser Funktionen

190

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

auch stets das Bogenmaß genutzt. In praktischen Anwendungen sind die Winkel aber oft im Gradmaß bzw. im Gonmaß gegeben. Wenn wir zum Beispiel sin(30◦ )

bzw.

sin(40 gon)

schreiben, dann ist dies nur eine verkürzte Schreibweise für    π  π bzw. sin 40 gon · . sin 30◦ · 180◦ 200 gon

(3.41)

Wird ein Taschenrechner zur Berechnung der Funktionswerte der trigonometrischen Funktionen genutzt, dann übernimmt der Taschenrechner intern die Umrechnung des Grad- bzw. Gonmaßes ins Bogenmaß. Es muss dabei beachtet werden, dass der Taschenrechner auf das passende Winkelmaß eingestellt ist. Schreibt man hingegen selbst ein Programm in einer höheren Programmiersprache, zum Beispiel in C, dann muss man die Umrechnung des Grad- bzw. Gonmaßes ins Bogenmaß selbst programmieren, d. h. man muss die Beziehungen (3.41) im Quellcode umsetzen. Wir geben im Weiteren eine Reihe von Beziehungen für die einzelnen trigonometrischen Funktionen und Beziehungen zwischen den trigonometrischen Funktionen an. (b)

(a)

sx = sπ−x

HH

H j H

sx = sπ−x π−x x cπ−x

x cx

cx

6cπ−x

π−x

Abb. 3.45 Beziehungen sin(π − x) = sin x und cos(π − x) = − cos x für (a) x ∈ [0, π2 ] und (b) x ∈ [ π2 , π]

Aus der Abbildung 3.45 ist ersichtlich, dass sx = sπ−x

und

cπ−x = −cx

gilt. Für x ∈ [0, π] folgt daraus gemäß der Definition von sin x und cos x (siehe Definition 3.18)

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

191

sin(π − x) = sin x ,

(3.42)

cos(π − x) = − cos x

(3.43)

und wegen tan(π − x) =

sin x sin x sin(π − x) = =− = − tan x cos(π − x) (− cos x) cos x

cot(π − x) =

cos(π − x) (− cos x) cos x = =− = − cot x sin(π − x) sin x sin x

sowie

tan(π − x) = − tan x ,

(3.44)

cot(π − x) = − cot x .

(3.45)

Man kann zeigen, dass die Beziehungen (3.42) – (3.45) sogar für alle x ∈ R gelten. Weiterhin gilt, siehe Abbildung 3.46, sπ+x = −sx , cπ+x = −cx (a)

sowie

s2π−x = −sx , c2π−x = cx

(b)

sx cπ+x

sx

π+x

2π − x

x

x

c2π−x = cx

cx sπ+x

s2π−x

Abb. 3.46 (a) Beziehungen sin(π + x) = − sin x , cos(π + x) = − cos x und (b) sin(2π − x) = − sin x , cos(2π − x) = cos x

und somit sin(π + x) = − sin x

(3.46)

cos(π + x) = − cos x

(3.47)

sin(2π − x) = − sin x

(3.48)

cos(2π − x) = cos x

(3.49)

192

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Daraus ergibt sich aufgrund der Definition von tan x sowie cot x

tan(π + x) = tan x

(3.50)

cot(π + x) = cot x

(3.51)

tan(2π − x) = − tan x

(3.52)

cot(2π − x) = − cot x

(3.53)

Einige häufig benötigte Funktionswerte der trigonometrischen Funktionen fassen wir in der Tabelle 3.1 zusammen. Tab. 3.1 Tabelle spezieller Funktionswerte

0◦ x

0 0 gon

sin x

0

cos x

1

tan x cot x

0 − 180

sin x cos x tan x cot x

45◦

π 6 100 gon 3 1 2 1√ 3 2 1√ 3 3

π 4





x

30◦

3 ◦

210

50 gon 1√ 2 2 √ 1 2 2

60◦



1

3 √ 1 3

1

3 ◦

225

90◦

π π 3 2 200 gon 100 gon 3 √ 1 3 1 2 1 0 2

240



− 0

120◦

135◦

150◦

2π 3 400 gon 3 √ 1 3 2 1 − 2

3π 4

5π 6 500 gon 3 1 2 1√ − 3 2 1√ − 3 3



270

2

− 3 1√ − 3

−1 −1

√ − 3

300◦

315◦

330◦

3



150 gon 1√ 2 2 √ 1 − 2

7π 5π 4π 3π 5π 7π 11π 6 4 3 2 3 4 6 700 800 1000 1100 200 gon gon 250 gon gon 300 gon gon 350 gon gon 3 3 3 3 √ √ √ √ 1 1 1 1 1 1 0 − − 2 − 3 −1 − 3 − 2 − 2 2 2 2 2 2 1√ 1√ 1 1 1√ 1√ −1 − 3 − 2 − 0 2 3 2 2 2 2 2 2 √ √ √ √ 1 1 0 3 1 3 − − 3 −1 − 3 3 3 √ √ 1√ 1√ − 3 1 3 0 − 3 −1 − 3 3 3

π

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

193

Die Funktionswerte für die Sinus- und Kosinus-Funktion kann man sich beispielsweise wie folgt merken: 1√ 1√ sin 0◦ = 0 ( = 0) , cos 0◦ = 4 ( = 1) , 2 2   1√ 1 1√ 1 = , cos 30◦ = 3, sin 30◦ = 2



sin 45

1√ = 2, 2

sin 60◦ = sin 90◦ =

2

2

cos 45

1√ 3, 2 1√ 4 2



=

cos 60◦ = ( = 1) ,

cos 90◦ =

1√ 2, 2 1√ 1 2 1√ 0 2

 =

1 2

 ,

( = 0) .

In praktischen Anwendungen, zum Beispiel bei Schwingungsproblemen, treten trigonometrische Funktionen auf, die als Argument einen linearen Ausdruck der Form ax + b, a, b ∈ R, a = 0, haben. Wir diskutieren im Folgenden die Eigenschaften derartiger Funktionen. Als Beispiel betrachten wir Funktionen der Gestalt y = f (ax + b) = sin(ax + b) .

(3.54)

Da ax + b ∈ R für jede beliebige reelle Zahl x gilt und der Definitionsbereich der Sinus-Funktion die Menge aller reellen Zahlen ist, hat auch die durch die Abbildungsvorschrift (3.54) beschriebene Funktion die Menge aller reellen Zahlen als Definitionsbereich. Die Funktionswerte der Sinus-Funktion liegen für beliebige Argumente im Intervall [−1, 1]. Folglich hat auch die Funktion y = sin(ax + b) den Wertebereich Wf = [−1, 1]. Die Nullstellen der Funktion y = f (z) = sin z sind z = kπ, k ∈ Z. Wegen zk = kπ = axk + b ⇔ axk = kπ − b ⇔ xk =

kπ − b a

hat die Funktion y = sin(ax + b) die Nullstellen xk = k ·

b π − , k∈Z a a

(3.55)

(siehe auch die Beziehung (3.13) in der Bemerkung 3.10 im Abschnitt 3.1.7). Beim Studium der Monotonieeigenschaften der Funktion y = sin(ax + b) müssen wir die beiden Fälle a > 0 und a < 0 getrennt betrachten. Fall a > 0: Die Funktion y = sin x ist in den Intervallen   π π − + 2kπ, + 2kπ , k ∈ Z , 2 2 streng monoton wachsend. Daraus folgt wegen   1 2π π π + 2b π +k· − + 2kπ − b ⇔ x=− ax + b = − + 2kπ ⇔ x = 2 a 2 2a a

194

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

und ax + b =

π 1 + 2kπ ⇔ x = 2 a



π + 2kπ − b 2

 ⇔ x=

2π π − 2b +k· , 2a a

dass die Funktion y = sin(ax + b) in den Intervallen   π + 2b 2π π − 2b 2π − , k ∈ Z, +k· , +k· 2a a 2a a

(3.56)

streng monoton wachsend ist. Auf analoge Weise ergeben sich aus den Intervallen   π 3π + 2kπ, + 2kπ , k ∈ Z , 2 2 in denen die Funktion y = sin x streng monoton fallend ist, die Intervalle   π − 2b 2π 3π − 2b 2π +k· , +k· , k ∈ Z, 2a a 2a a

(3.57)

in welchen die Funktion y = sin(ax + b) streng monoton fällt. Fall a < 0: In diesem Fall müssen wir berücksichtigen, dass der Parameter a in der Funktion   b  y = sin(ax + b) = sin a x + a neben der Streckung bzw. Stauchung des Graphen der Funktion y = sin x mit dem Faktor |a|−1 in x-Richtung auch noch eine Spiegelung an der y-Achse zur Folge hat (siehe auch die Diskussion des Parameters a im Abschnitt 3.1.7). Dadurch erhalten wir aus den Intervallen, in denen die Funktion y = sin x streng monoton wächst, die Intervalle, in denen die Funktion y = sin(ax + b) streng monoton fällt, und aus den Intervallen, in denen die Funktion y = sin x streng monoton fallend ist, die Intervalle, in denen die Funktion y = sin(ax + b) streng monoton wachsend ist. Aus y = sin x ist streng monoton wachsend in   π π − + 2kπ, + 2kπ , k ∈ Z , 2 2 folgt die Aussage, dass die Funktion y = sin(ax + b) in   π − 2b 2π π + 2b 2π +k· ,− +k· , k ∈ Z, 2a a 2a a

(3.58)

streng monoton fallend ist. Im Unterschied zu (3.56) sind die Intervallgrenzen vertauscht. Die Ursache dafür ist, dass a < 0 gilt und die untere Intervallgrenze kleiner als die obere Grenze sein muss. Analog zu den soeben durchgeführten Überlegungen und zu (3.57) ergibt sich, dass die Funktion y = sin(ax + b) mit a < 0 in den Intervallen   3π − 2b 2π π − 2b 2π +k· , +k· , k ∈ Z, (3.59) 2a a 2a a streng monoton wächst.

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

195

Wir bestimmen noch die Periodenlänge der Funktion y = sin(ax + b). Die SinusFunktion ist 2π-periodisch, d. h. es gilt für alle x ∈ R .

sin x = sin(x + 2π) Dann gilt auch

sin(ax + b) = sin(ax + b + 2π)

für alle x ∈ R .

Damit folgt

    2π  2π  +b =h x+ , h(x) = sin(ax + b + 2π) = sin(ax + 2π + b) = sin a x + a a 2π

(siehe d. h. die Funktion y = sin(ax + b) ist periodisch mit der Periodenlänge p = a auch die Bemerkung 3.11 im Abschnitt 3.1.7). Beispiel 3.32 a) Wir betrachten die Funktion y = sin

1 2

x+

1 π 2  = sin x+ π . 3 2 3 1

(3.60) π

Dies ist eine Funktion der Gestalt y = sin(ax + b) mit a = und b = . Gemäß 2 3 (3.55) hat diese Funktion die Nullstellen xk = k ·

π 1 2



π 3 1 2

= k · 2π −

2 2 π = 2kπ − π , k ∈ Z 3 3

(siehe auch Abbildung 3.47(iii)). Mit (3.56) ergibt sich, dass die Funktion (3.60) in den Intervallen     π + 2 · π3 2 2π π − 2 · π3 2π 2 − +k· 1 , + k · 1 = − π − π + 4kπ, π − π + 4kπ , k ∈ Z , 3 3 2 · 12 2 · 12 2 2 streng monoton wachsend ist (siehe auch Abbildung 3.47(iii)). Unter Nutzung von (3.57) erhalten wir, dass die Funktion (3.60) in den Intervallen     π − 2 · π3 2 2π 3π − 2 · π3 2π 2 π + 4kπ, 3π − π + 4kπ + k · , + k · = π − , k ∈ Z, 1 1 3 3 2 · 12 2 · 12 2 2 streng monoton fällt. Die Periodenlänge der Funktion (3.60) ist 2π 1 2

= 4π .

Den Funktionsgraph der Funktion y = sin

1

2  x+ π 2 3

196

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

erhalten wir ausgehend vom Graph der Funktion y = sin x wie folgt (siehe auch die Ausführungen bezüglich des Skizzierens von Funktionsgraphen im Abschnitt 3.1.7). Der Faktor a = 12 bewirkt eine Streckung des Graphen der Funktion y = sin x mit  −1 dem Faktor  12  = 2 in x-Richtung (siehe Abbildung 3.47(ii)). Der Summand

 + 23 π führt zu einer Verschiebung des Graphen der Funktion y = sin 21 x längs der x-Achse um 23 π Einheiten nach links (siehe Abbildung 3.47(iii)). y 1

(i)

s

s −π

s − π2

s

π

−2π − s

−π − 23 π

s − π2

−2π

y 1

−1

-

s

-

x

6 π − 23 π

2π − 23 π s π

π 2

Abb. 3.47 Funktionen (i) f (x) = sin x, (ii) f (x) = sin

1  2

x



−1

− 23 π

s

6 s

−π

(iii) 2 3π

s π

π 2

−1 y 1

(ii)

−2π

6

3π − 23 π

x , (iii) f (x) = sin

b) Wir diskutieren noch das Verhalten der Funktion  π y = sin − 2x + . 4

-

x



1 2

x+

π 3



(3.61) π

Auch dies ist eine Funktion der Gestalt y = sin(ax + b) mit a = −2 und b = . Die 4 Nullstellen dieser Funktion können wir mit Hilfe der Beziehung (3.55) berechnen: xk = k ·

π π π π − 4 = −k · + , k ∈ Z (−2) (−2) 2 8

(siehe auch Abbildung 3.48(iv)). Gemäß der Beziehungen (3.58) und (3.59) ist die gegebene Funktion in den Intervallen     π − 2 · π4 π + 2 · π4 2π 2π 3π π +k· ,− +k· − kπ , k ∈ Z , = − − kπ, 2 · (−2) (−2) 2 · (−2) (−2) 8 8 streng monoton fallend und in den Intervallen     3π − 2 · π4 2π π − 2 · π4 2π π 5π +k· , +k· − kπ, − − kπ , k ∈ Z , = − 2 · (−2) (−2) 2 · (−2) (−2) 8 8

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

197

streng monoton wachsend (siehe auch Abbildung 3.48(iv)). Die Funktion (3.61) ist periodisch mit der Periodenlänge 2π 2π p= = = −π . a (−2) Den Graph der Funktion



  π π  = sin − 2 x − 4 8 erhalten wir ausgehend vom Graph der Funktion y = sin x wie folgt. Der Faktor −2 bewirkt eine Stauchung des Graphen der Funktion y = sin x mit dem Faktor | − 2|−1 = 12 in x-Richtung (siehe Graph der Funktion y = sin(2x) in der Abbildung 3.48(ii)) und wegen −2 < 0 eine Spiegelung des Graphen der Funktion y = sin(2x) an der y-Achse (siehe Abbildung 3.48(iii)). Schließlich führt der Summand − π8 zu einer Verschiebung des Graphen der Funktion y = sin(−2x) um  π π  −  = Einheiten nach rechts längs der x-Achse (siehe Abbildung 3.48(iv)). 8 8 y = sin

− 2x +

y 1

(i)

s

s −π

− π2

y 1

s

s

s

s

−π

−2π

−1 y 1

(iii)

s

s

s

s

s

−π

−2π

−1 y

(iv) π 5π 8− 2

π 3π π 8 −2π 8 − 2

s

s

s

− 17π 8

π π 8−2

s

1

s

− 13π 8

− 9π 8

6 π 8

s

−π

−2π

− 21π 8

π 8 −π

s

s

π 2

π

s

s

s

π 2

π

π π 8+2

π 8 +π

s

s

x

3π 8

π 3π 8+ 2

s 7π 8

s

s -

x



π 5π π 8 +2π 8 + 2

s

s

s-

x



−1

− π8

s -



π

− 5π 8

s

x

6 s

− π2

-

6 s

− π2

s π

π 2

−1

(ii)

s

6

11π 8

15π 8

19π 8

Abb. 3.48 Funktionen (i) f (x) = sin x, (ii) f (x) = sin(2x), (iii) f (x) = sin(−2x), (iv) f (x) = sin − 2x + π4

198

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Wir fassen die Eigenschaften der Funktion f (x) = sin(ax + b) zusammen: y = sin(ax + b) mit a, b ∈ R, a = 0 Definitionsbereich:

Df = R

Wertebereich:

Wf = [−1, 1]

Beschränktheit:

beschränkt; für alle x ∈ Df gilt −1 ≤ sin(ax + b) ≤ 1

Nullstellen:

xk = k ·

Periodenlänge:

p=

Monotonieverhalten:

a > 0: streng monoton wachsend in   2π π − 2b 2π π + 2b +k· , +k· − , k∈Z 2a a 2a a

b π − , k∈Z a a

2π a

streng monoton fallend in   2π 3π − 2b 2π π − 2b +k· , +k· , k∈Z 2a a 2a a a < 0: streng monoton wachsend in   3π − 2b 2π π − 2b 2π +k· , +k· , k∈Z 2a a 2a a streng monoton fallend in   2π π + 2b 2π π − 2b +k· ,− +k· , k∈Z 2a a 2a a

Auf analoge Weise wie bei der Sinus-Funktion lassen sich auch ausgehend von den Eigenschaften der Kosinus-, Tangens- bzw. Kotangens-Funktion Eigenschaften der Funktionen f (x) = cos(ax + b), f (x) = tan(ax + b) und f (x) = cot(ax + b) herleiten. Wir geben im Folgenden einige wichtige Rechengesetze für die trigonometrischen Funktionen, sogenannte Additionstheoreme, an. Die bei der Herleitung dieser Additionstheoreme genutzten Vorgehensweisen kann man auch anwenden, um noch weitere Additionstheoreme zu finden.

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

199

Unter Anwendung des Satzes des Pythagoras gilt, siehe Abbildung 3.42, s2 + c2 = 12 . Damit ergibt sich gemäß der Definition der Sinus- und der Kosinus-Funktion (siehe Definition 3.18) sin2 x + cos2 x = 1 .

(3.62)

Diese Beziehung wird auch als trigonometrischer Pythagoras bezeichnet. Außerdem gilt (siehe auch die Abbildungen 3.43 und 3.44): sin(−x) = − sin x ,

cos(−x) = cos x ,

tan(−x) = − tan x , cot(−x) = − cot x .

(3.63)

Von den folgenden vier Additionstheoremen

sin(x1 + x2 ) = sin x1 cos x2 + cos x1 sin x2 ,

(3.64)

sin(x1 − x2 ) = sin x1 cos x2 − cos x1 sin x2 ,

(3.65)

cos(x1 + x2 ) = cos x1 cos x2 − sin x1 sin x2 ,

(3.66)

cos(x1 − x2 ) = cos x1 cos x2 + sin x1 sin x2

(3.67)

werden wir eine Reihe weiterer Additionstheoreme ableiten. Die Gültigkeit des Additionstheorems (3.64) lässt sich beispielsweise mittels des Sinussatzes in ebenen Dreiecken zeigen und die Gültigkeitkeit des Additionstheorems (3.67) mit Hilfe des Skalarproduktes zweier Vektoren (siehe z. B. Jung [2021a]). Mit x1 = x2 = x ergibt sich aus dem Additionstheorem (3.64) sin(x + x) = sin x cos x + cos x sin x , d. h. sin(2x) = 2 sin x cos x . Aus dem Additionstheorem (3.66) folgt mit x1 = x2 = x sowie sin2 x + cos2 x = 1 ⇔ sin2 x = 1 − cos2 x ⇔ cos2 x = 1 − sin2 x

(3.68)

200

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

die Beziehung = cos x cos x − sin x sin x ⎧ ⎨ cos2 x − (1 − cos2 x) = 2 cos2 x − 1 = cos2 x − sin2 x = ⎩ 1 − sin2 x − sin2 x = 1 − 2 sin2 x ,

cos(2x) = cos(x + x)

d. h. cos(2x) = cos2 x − sin2 x = 2 cos2 x − 1 = 1 − 2 sin2 x .

(3.69)

Unter Nutzung der drei Additionstheoreme (3.64), (3.68), (3.69) und der Beziehung cos2 x = 1 − sin2 x erhalten wir sin(3x) = sin(2x + x)

= sin(2x) cos x + cos(2x) sin x

= (2 sin x cos x) cos x + (cos x − sin x) sin x 2

2

= 2 sin x cos2 x + cos2 x sin x − sin3 x = 3 sin x cos2 x − sin3 x = 3 sin x(1 − sin2 x) − sin3 x

= 3 sin x − 3 sin3 x − sin3 x

= 3 sin x − 4 sin3 x , d. h. sin(3x) = 3 sin x cos2 x − sin3 x = 3 sin x − 4 sin3 x .

(3.70)

Auf analoge Weise lässt sich unter Nutzung der Additionstheoreme (3.66), (3.69), (3.68) sowie der Beziehung sin2 x = 1 − cos2 x ein Additionstheorem für cos(3x) entwickeln: cos(3x) = cos(2x + x)

= cos(2x) cos x − sin(2x) sin x

= (cos2 x − sin2 x) cos x − (2 sin x cos x) sin x = cos3 x − sin2 x cos x − 2 sin2 x cos x = cos3 x − 3 sin2 x cos x = cos3 x − 3(1 − cos2 x) cos x

= cos3 x − 3 cos x + 3 cos3 x

= 4 cos3 x − 3 cos x , d. h. cos(3x) = cos3 x − 3 sin2 x cos x = 4 cos3 x − 3 cos x .

(3.71)

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

201

Mittels der Additionstheoreme (3.64), (3.70) und (3.71) sowie der Beziehung cos2 x = 1 − sin2 x ergibt sich sin(4x) = sin(3x + x)

= sin(3x) cos x + cos(3x) sin x

= (3 sin x cos2 x − sin3 x) cos x + (cos3 x − 3 sin2 x cos) sin x = 3 sin x cos3 x − sin3 x cos x + cos3 x sin x − 3 sin3 x cos x = 4 sin x cos3 x − 4 sin3 x cos x

= 4 sin x cos x(cos2 x − sin2 x)

= 4 sin x cos x(1 − sin2 x − sin2 x) = 4 sin x cos x − 8 sin3 x cos x d. h. sin(4x) = 4 sin x cos3 x − 4 sin3 x cos x = 4 sin x cos x − 8 sin3 x cos x .

(3.72)

Die Anwendung der Additionstheoreme (3.66), (3.71) und (3.70), der Beziehung sin2 x = 1 − cos2 x sowie der 2. binomischen Formel (a − b)2 = a2 − 2ab + b2 (siehe (1.71) im Abschnitt 1.5) liefert = cos(3x) cos x − sin(3x) sin x

cos(4x) = cos(3x + x)

= (cos x − 3 sin x cos x) cos x − (3 sin x cos2 x − sin3 x) sin x 3

2

= cos4 x − 3 sin2 x cos2 x − 3 sin2 x cos2 x + sin4 x = cos4 x − 6 cos2 x sin2 x + sin4 x

.

= cos x − 6 cos x(1 − cos x) + (1 − cos x) 4

2

2

2

2

= cos4 x − 6 cos2 x + 6 cos4 x + 1 − 2 cos2 x + cos4 x = 8 cos4 x − 8 cos2 x + 1 , d. h. cos(4x) = cos4 x − 6 cos2 x sin2 x + sin4 x = 8 cos4 x − 8 cos2 x + 1 .

(3.73)

Wir ermitteln noch Additionstheoreme für sin(5x) und cos(5x). Zur Bestimmung eines Additionstheorems für sin(5x) nutzen wir die Additionstheoreme (3.64) und (3.72), (3.73). Wir erhalten sin(5x) = sin(4x + x) = sin(4x) cos x + cos(4x) sin x = (4 sin x cos3 x − 4 sin3 x cos x) cos x +(cos4 x − 6 cos2 x sin2 x + sin4 x) sin x = 4 sin x cos4 x − 4 sin3 x cos2 x + cos4 sin x − 6 cos2 x sin3 x + sin5 x = 5 sin x cos4 x − 10 sin3 x cos2 x + sin5 x .

202

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Nutzen wir noch die Beziehung cos2 x = 1 − sin2 x sowie die 2. binomische Formel (a − b)2 = a2 − 2ab + b2 (siehe (1.71) im Abschnitt 1.5), dann folgt sin(5x) = 5 sin x(1 − sin2 x)2 − 10 sin3 x(1 − sin2 x) + sin5 x = 5 sin x(1 − 2 sin2 x + sin4 x) − 10 sin3 x(1 − sin2 x) + sin5 x = 5 sin x − 10 sin3 x + 5 sin5 x − 10 sin3 x + 10 sin5 x + sin5 x = 16 sin5 x − 20 sin3 x + 5 sin x , d. h. sin(5x) = 5 sin x cos4 x − 10 sin3 x cos2 x + sin5 x = 16 sin5 x − 20 sin3 x + 5 sin x .

(3.74)

Zur Herleitung eines Additionstheorems für cos(5x) nutzen wir zuerst die Additionstheoreme (3.66) und (3.73), (3.72): cos(5x) = cos(4x + x) = cos(4x) cos x − sin(4x) sin x = (cos4 x − 6 cos2 x sin2 x + sin4 x) cos x −(4 sin x cos3 x − 4 sin3 x cos x) sin x = cos5 x − 6 cos3 x sin2 x + sin4 x cos x − 4 sin2 x cos3 x + 4 sin4 x cos x = cos5 x − 10 sin2 x cos3 x + 5 sin4 x cos x .

.

Mit sin2 x = 1 − cos2 x (siehe Additionstheorem (3.62)) und der 2. binomische Formel (a − b)2 = a2 − 2ab + b2 (siehe (1.71) im Abschnitt 1.5) ergibt sich daraus cos(5x) = cos5 x − 10(1 − cos2 x) cos3 x + 5(1 − cos2 x)2 cos x = cos5 x − 10(1 − cos2 x) cos3 x + 5(1 − 2 cos2 x + cos4 x) cos x = cos5 x − 10 cos3 x + 10 cos5 x + 5 cos x − 10 cos3 x + 5 cos5 x = 16 cos5 x − 20 cos3 x + 5 cos x , d. h. cos(5x) = cos5 x − 10 sin2 x cos3 x + 5 sin4 x cos x = 16 cos5 x − 20 cos3 x + 5 cos x .

(3.75)

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

203

Der soeben beschriebene Weg zur Herleitung der Additionstheoreme zur Berechnung der Sinus- und Kosinuswerte des drei-, vier- und fünffachen eines Winkels lässt sich weiter fortführen, so dass man eine allgemeine Formel zur Berechnung der Sinus- und Kosinuswerte des m-fachen Winkels x erhält. Es gilt

m

sin x cosm−1 x −

m

sin3 x cosm−3 x 1 3 m m sin5 x cosm−5 x − . . . + (−1)(k−1)/2 sink x cosm−k x + 5 k (3.76) mit k = m, falls m ungeradzahlig und k = m − 1, falls m geradzahlig ist, sin(mx) =

und cos(mx) = cosm x −

m 2

. . . + (−1)k/2

sin2 x cosm−2 x +

m k

m 4

sin4 x cosm−4 x − . . .

sink x cosm−k x (3.77)

mit k = m, falls m geradzahlig und k = m−1, falls m ungeradzahlig ist.

 Wie man die Binomialkoeffizienten m berechnet, haben wir im Abschnitt 1.3 (siehe k Formel (1.21)) erklärt. Wir demonstrieren im Folgenden die Anwendung der Additionstheoreme (3.76) und (3.77). Zum Beispiel ergibt sich für sin(4x) aus der Beziehung (3.76) mit m = 4 und somit k = 4 − 1 = 3 4 4 sin x cos4−1 x − sin3 x cos4−3 x = 4 sin x cos3 x − 4 sin3 x cos x sin(4x) = 1 3 (siehe auch das Additionstheorem (3.72)). Mit m = 5 und somit k = 5−1 = 4 erhalten wir aus der Beziehung (3.77) 5 5 sin2 x cos5−2 x + sin4 x cos5−4 x cos(5x) = cos5 x − 2 4 = cos5 x − 10 sin2 x cos3 x + 5 sin4 x cos x (siehe auch das Additionstheorem (3.75)). Für m = 6 liefert die Formel (3.77) wegen k = m = 6 das Additionstheorem 6 6 sin2 x cos6−2 x + sin4 x cos6−4 x cos(6x) = cos6 x − 2 4 6 +(−1)6/2 sin6 x cos6−6 x 6 = cos6 x − 15 sin2 x cos4 x + 15 sin4 x cos2 x − sin6 x .

204

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Aus dem Additionstheorem (3.69) lassen sich wie folgt Additionstheoreme für den Sinus- bzw. Kosinuswert eines halben Winkels ableiten. Setzen wir in diesem Additionstheorem x = z2 , dann erhalten wir  z z  z  cos 2 · = 1 − 2 sin2 ⇔ cos z = 1 − 2 sin2 2 2 2 z  1 ⇔ sin2 = (1 − cos z) 2 2    1 z  (1 − cos z) ⇔  sin  = 2 2

 z z  z  cos 2 · = 2 cos2 − 1 ⇔ cos z = 2 cos2 −1 2 2 2 z  1 = (1 + cos z) ⇔ cos2 2 2    1 z  (1 + cos z) . ⇔  cos  = 2 2

und

Daraus ergeben sich die beiden Additionstheoreme (wir schreiben jetzt wieder anstelle des Variablennamens z die Bezeichnung x)

⎧ ⎪ ⎪ ⎪ ⎨

sin



1 (1 − cos x) , falls x ∈ [2kπ, 2π + 2kπ] 2

x =  2 ⎪ ⎪ 1 ⎪ ⎩− (1 − cos x) , falls x ∈ (2π + 2kπ, 4π + 2kπ) , k ∈ Z 2

und

⎧ ⎪ ⎪ ⎪ ⎨

(3.78)



1 (1 + cos x) , falls x ∈ [−π + 2kπ, π + 2kπ] x 2 cos =  2 ⎪ ⎪ 1 ⎪ ⎩− (1 + cos x) , falls x ∈ (π + 2kπ, 3π + 2kπ) , k ∈ Z . 2

(3.79)

Weiterhin gilt x

x

2

2

x

x

x

sin sin 2 cos 2 sin cos x 2 = 2 · 2 2 2 . tan = x = x x 2 x 2 2 cos cos cos 2 cos 2 2

Daraus ergibt sich mittels der beiden Additionstheoreme (3.68) und (3.69) mit anstelle von x, d. h.

x x x sin 2 · = sin x = 2 sin cos 2 2 2

x 2

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen und

205

x x x cos 2 · = cos x = 2 cos2 − 1 ⇔ 1 + cos x = 2 cos2 2 2 2

tan

sin x x = . 2 1 + cos x

(3.80)

Multiplizieren wir in der obigen Formel den Zähler und den Nenner mit 1 − cos x und wenden wir danach im Nenner die 3. binomische Formel sowie das Additionstheorem (3.62), d. h. sin2 x + cos2 x = 1 ⇔ 1 − cos2 x = sin2 x an, so folgt tan

sin x sin x(1 − cos x) sin x(1 − cos x) sin x(1 − cos x) x , = = = = 2 1 + cos x (1 + cos x)(1 − cos x) 1 − cos2 x sin2 x

und daraus

tan

1 − cos x x = . 2 sin x

(3.81)

1 Wegen cot z = tan z (siehe (3.40)) ergibt sich aus den beiden Additionstheoremen (3.80) und (3.81)

cot

1 + cos x sin x x = = . 2 sin x 1 − cos x

Mit Hilfe der Definition 3.18 der Tangens-Funktion sowie der beiden Additionstheoreme (3.64) und (3.66) können wir ein Additionstheorem für den Tangens von der Summe zweier Winkel entwickeln. Es gilt tan(x1 + x2 ) = =

=

sin(x1 + x2 ) cos(x1 + x2 )

=

sin x1 cos x2 + cos x1 sin x2 cos x1 cos x2 − sin x1 sin x2

sin x1 cos x2 + cos x1 sin x2 sin x1 cos x2 + cos x1 sin x2 =

sin x1 sin x2  sin x1 sin x2  cos x1 cos x2 1 − cos x1 cos x2 1 − cos x1 cos x2 sin x1 cos x2 cos x1 sin x2 + cos x1 cos x2 cos x1 cos x2 sin x1 sin x2 1− cos x1 cos x2

cos x1 cos x2

sin x1 sin x2 + cos x1 cos x2 = sin x1 sin x2 1− cos x1 cos x2

und damit das Additionstheorem

tan(x1 + x2 ) =

tan x1 + tan x2 . 1 − tan x1 tan x2

(3.82)

206

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Auf analoge Weise erhalten wir die folgenden drei Additionstheoreme

tan(x1 − x2 ) =

tan x1 − tan x2 , 1 + tan x1 tan x2

(3.83)

cot(x1 + x2 ) =

cot x1 cot x2 − 1 , cot x1 + cot x2

(3.84)

cot(x1 − x2 ) =

cot x1 cot x2 + 1 . cot x2 − cot x1

(3.85)

Unter Nutzung der Beziehung cot x = tan1 x (siehe (3.40)) können wir die beiden Additionstheoreme (3.84) und (3.85) auch in einer anderen Form aufschreiben. Es gilt cot(x1 + x2 ) =

1 = tan(x1 + x2 )

1 tan x1 + tan x2 1 − tan x1 tan x2

und somit

cot(x1 + x2 ) =

1 − tan x1 tan x2 . tan x1 + tan x2

(3.86)

Auf analoge Weise erhält man aus (3.85) die äquivalente Beziehung

cot(x1 − x2 ) =

1 + tan x1 tan x2 . tan x1 − tan x2

(3.87)

Wir erläutern noch wie man mittels der bisher angegebenen Additionstheoreme zu entsprechenden Additionstheoremen für die Summe und Differenz von Sinus- und Kosinuswerten gelangen kann. Mittels der Additionstheoreme (3.64) und (3.67) erhalten wir x1 − x2 x1 + x2 cos 2 sin 2 2 x  x x2 x2  1 1 = 2 sin + − cos 2 2 2 2    x2 x1 x2 x2 x1 x2 x1 x1 cos + cos sin cos + sin sin = 2 sin cos 2 2 2 2 2 2 2 2

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

207

Ausmultiplizieren der Klammerausdrücke und anschließendes Umsortieren der Terme liefert x1 + x2 x1 − x2 2 sin cos 2 2 x2 x1 x2 x1 x2 x1 x2 x1 cos cos cos + 2 sin cos sin sin 2 2 2 2 2 2 2 2 x1 x2 x1 x2 x1 x2 x1 x2 + 2 cos sin cos cos + 2 cos sin sin sin 2 2 2 2 2 2 2 2 x2 x1 x1 x1 x2 x2 = 2 sin cos cos2 + 2 sin2 cos sin 2 2 2 2 2 2 x x x x x x2 1 2 2 1 1 +2 cos2 sin cos + 2 cos sin sin2 2 2 2 2 2 2     x2 x2 x1 x1 x1 x2 x2 x1 cos + sin2 + cos2 sin . cos2 + 2 sin2 cos = 2 sin 2 2 2 2 2 2 2 2

= 2 sin

Da laut Additionstheorem (3.62) sin2 x + cos2 x = 1 für jede reelle Zahl x gilt, ist dies auch mit x = x21 bzw. x = x22 gültig. Damit ergibt sich 2 sin

x1 + x2 x1 − x2 x1 x1 x2 x2 cos = 2 sin cos + 2 cos sin . 2 2 2 2 2 2

Unter Anwendung des Additionstheorems (3.68), d. h. sin(2x) = 2 sin x cos x, mit x = x21 bzw. x = x22 erhalten wir schließlich x1 + x2 x1 − x2 cos = sin x1 + sin x2 . 2 2 Damit haben wir das folgende Additionstheorem gezeigt: 2 sin

sin x1 + sin x2 = 2 sin

x1 − x2 x1 + x2 cos . 2 2

(3.88)

Auf analoge Weise können wir auch die nächsten Additionstheorem herleiten. x1 + x2 x1 − x2 cos , 2 2 x1 − x2 x1 + x2 cos , = 2 cos 2 2 x1 − x2 x1 + x2 sin . = −2 sin 2 2

sin x1 − sin x2 = 2 sin

(3.89)

cos x1 + cos x2

(3.90)

cos x1 − cos x2 Wegen tan x1 + tan x2 =

sin x1 sin x2 sin x1 cos x2 + sin x2 cos x1 + = cos x1 cos x2 cos x1 cos x2

(3.91)

208

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

ergibt sich unter Nutzung des Additionstheorems (3.64) die Beziehung sin(x1 + x2 ) . cos x1 cos x2

(3.92)

tan x1 − tan x2 =

sin(x1 − x2 ) , cos x1 cos x2

(3.93)

cot x1 + cot x2 =

sin(x1 + x2 ) , sin x1 sin x2

(3.94)

cot x1 − cot x2 =

sin(x2 − x1 ) . sin x1 sin x2

(3.95)

tan x1 + tan x2 = Analog erhält man die Additionstheoreme

Weiterhin gilt unter Anwendung des Additionstheorems (3.64) und der beiden Funk√ tionswerte sin π4 = cos π4 = 12 2 (siehe Tabelle 3.1) π  √   √ 1 √  √ π π 1√ + x = 2 sin cos x + cos sin x = 2 2 sin 2 cos x + 2 sin x 4 4 4 2 2 = cos x + sin x . Zwei weitere Additionstheoreme sind also die beiden Beziehungen (3.96) und (3.97) ((3.97) lässt sich analog zu (3.96) zeigen):

π  √ +x , 2 sin 4 π  √ −x . cos x − sin x = 2 sin 4

cos x + sin x =

(3.96) (3.97)

Aus dem Additionstheorem (3.67) folgt unter Verwendung der Funktionswerte cos π2 = 0 und sin π2 = 1 (siehe Tabelle 3.1)  π π π cos x − = cos x cos + sin x sin = cos x · 0 + sin x · 1 = sin x . 2 2 2 Da die Kosinus-Funktion eine gerade Funktion ist, gilt außerdem     π  π π  π −x . = cos − x − = cos − x + = cos cos x − 2 2 2 2 Damit haben wir folgendes gezeigt:

 π  π − x = sin x . cos x − = cos 2 2

(3.98)

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

209

Auch die Abbildung 3.43 zeigt, dass sich der Graph der Sinus-Funktion durch Verschiebung des Graphen der Kosinus-Funktion um π2 Einheiten nach rechts ergibt (siehe auch Abschnitt 3.1.7 bezüglich der Wirkung des Summanden b = − π2 ). Analog zu den soeben durchgeführten Überlegungen erhält man noch weitere Additionstheoreme:

sin



 − x = cos x ,

2 π  − x = tan x , cot 2 π  − x = cot x tan 2

(3.99) (3.100) (3.101)

und

cos



 + x = − sin x ,

2 π  + x = cos x , sin 2 π  + x = − cot x , tan 2 π  cot + x = − tan x . 2

(3.102) (3.103) (3.104) (3.105)

Die Additionstheoreme (3.40) und (3.98) – (3.105) werden häufig benötigt, wenn man sich mit Berechnungen von Seiten und Winkeln sphärischer Dreiecke, d. h. von Dreiecken auf der Kugeloberfläche, beschäftigt. In einer Reihe der entsprechenden Berechnungsformeln tritt die Kotangens-Funktion auf, aber mit vielen Taschenrechnern können Funktionswerte der Kotangens-Funktion nicht direkt berechnet werden. Man muss dann mittels eines der Additionstheoreme (3.40) oder (3.100) die Funktionswertberechnung auf die Berechnung von Funktionswerten der Tangens-Funktion zurückführen. Zum Beispiel erhält man unter Nutzung des Additionstheorems (3.40) cot 50◦ =

1 1 ≈ 0.8390996 ≈ tan 50◦ 1.191754

und mittels des Additionstheorems (3.100) cot(90◦ − 20◦ ) = tan 20◦ ≈ 0.3639702 . Da wir hier das Argument x = 20◦ im Gradmaß angegeben haben, müssen wir im Additionstheorem (3.100) π2 durch 90◦ ersetzen.

210

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Das folgende Additionstheorem benötigt man beispielsweise, wenn man sich mit Kartennetzentwürfen und Projektionen, d. h. der Abbildung der Erdoberfläche in eine Ebene, beschäftigt. Es gilt unter Nutzung der Definition 3.18 der Tangens-Funktion sowie der beiden Additionstheoreme (3.65) und (3.67)

π x π x π x π x sin sin cos − cos sin − 4 2 4 2 4 2 . − = tan

π x = π x π x 4 2 cos cos cos + sin sin − Wegen sin

π 4

= cos

π 4

=

1 2



4

2

4

2

4

2

2 (siehe Tabelle 3.1) ergibt sich daraus

1√ x 1√ x x x cos − sin 2 cos − 2 sin x 2 2 2 2 2 2 . − = 1√ = tan x 1√ x x x 4 2 2 cos + 2 sin cos + sin



2

2

2

2

2

2

Multiplizieren wir den Zähler und Nenner mit dem Term cos − sin und wenden wir danach im Zähler die 2. binomische Formel sowie im Nenner die 3. binomische Formel (siehe Formeln (1.71) und (1.72) im Abschnitt 1.5) an, dann erhalten wir

x x  x x x x x x π x cos2 − 2 sin cos + sin2 cos − sin cos − sin 2 2 2 2 2 2 2 2 tan − = = x x  x x x 2 x 4 2 2 cos + sin cos − sin cos − sin x 2

2

2 x x cos + sin − 2 sin cos 2 2 2 2 . = x 2 x 2 cos − sin 2 2 2 x

2

2

x 2

2

2

2 x

Unter Nutzung der Additionstheoreme (3.62), d. h. cos2 x + sin2 x = 1, (3.68), d. h. sin(2x) = 2 sin x cos x, und (3.69), d. h. cos(2x) = cos2 x − sin2 x, mit x2 anstelle von x folgt dann

tan

π 4



x  1 − sin x . = 2 cos x

(3.106)

Nach Multiplikation des Zählers und Nenners in der obigen Beziehung mit 1 + sin x, der Anwendung der 3. binomischen Formel und der Beziehung cos2 x = 1 − sin2 x erhält man  π x  (1 − sin x)(1 + sin x) 1 − sin2 x cos2 x − = = = tan 4 2 cos x(1 + sin x) cos x(1 + sin x) cos x(1 + sin x) und somit tan

π 4



x cos x . = 2 1 + sin x

(3.107)

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

211

Auf analoge Weise ergibt sich unter Nutzung der beiden Additionstheoreme (3.64) und √ (3.66) sowie der Beziehungen sin π4 = cos π4 = 12 2

π x π x π x π x sin sin cos + cos sin + 4 2 4 2 4 2 tan + = =

π x π x π x 4 2 cos cos cos − sin sin + 4 2 1√ x 1√ x 2 cos + 2 sin 2 2 2 2 . = 1√ x 1√ x 2 cos − 2 sin 2 2 2 2

x x  x cos + sin cos + sin 2 2 2 = x x  x cos − sin cos + sin 2 2 2 x x x 2 2 cos + sin + 2 sin cos 2 2 2 = x 2 x 2 cos − sin 2 2

x 2 x 2 x 2 .

4 2 4 2 x x cos + sin 2 2 . = x x cos − sin 2 2 x x x 2 x cos + 2 sin cos + sin2 2 2 2 2 = x 2 x 2 cos − sin 2 2

Nutzen wir noch die Additionstheoreme (3.62), d. h. cos2 x + sin2 x = 1, (3.68), d. h. sin(2x) = 2 sin x cos x, und (3.69), d. h. cos(2x) = cos2 x − sin2 x, mit x2 anstelle von x so folgt dann

tan

π 4

+

x  1 + sin x . = 2 cos x

(3.108)

Multiplizieren wir den Zähler und Nenner in der obigen Beziehung mit 1 − sin x und wenden wir die 3. binomische Formel sowie die Beziehung cos2 x = 1 − sin2 x an, so erhalten wir  π x  (1 + sin x)(1 − sin x) 1 − sin2 x cos2 x + = = . = tan 4 2 cos x(1 − sin x) cos x(1 − sin x) cos x(1 − sin x) Somit gilt

tan

π 4

+

x cos x . = 2 1 − sin x

(3.109)

Wir geben noch zwei weitere Additionstheoreme an, welche bei der Angabe der 1. Ableitung der Tangens- und Kotangens-Funktion genutzt werden (siehe z. B. Jung [2021b]). Aus sin x tan x = cos x und dem Additionstheorem (3.62), d. h. sin2 x + cos2 x = 1, ergibt sich  sin x 2 cos2 x + sin2 x 1 sin2 x = = . =1+ 1 + tan2 x = 1 + (tan x)2 = 1 + cos x cos2 x cos2 x cos2 x

212

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Auf analoge Weise erhalten wir auch eine entsprechende Beziehung für 1 + cot2 x. Es gelten somit die folgenden beiden Additionstheoreme:

1 + tan2 x =

1 , cos2 x

(3.110)

1 + cot2 x =

1 . sin2 x

(3.111)

Wir leiten noch weitere Beziehungen her, die man nutzen kann, um eine der trigonometrischen Funktionen durch eine andere auszudrücken. Aus (3.110) folgt cos2 x =

1 . 1 + tan2 x

(3.112)

Wegen cos x ≥ 0 für x ∈ [− π2 +2kπ, π2 +2kπ] und cos x < 0 für x ∈ ( π2 +2kπ, 32 π +2kπ) folgt daraus

⎧ ⎪ ⎪ ⎪ ⎨

 π  π 1  , falls x ∈ − + 2kπ, + 2kπ 2 2 1 + tan2 x cos x =   ⎪ π 3 1 ⎪ ⎪ + 2kπ, π + 2kπ , k ∈ Z . , falls x ∈ ⎩ − 2 2 1 + tan2 x

(3.113)

Unter Nutzung des Additionstheorems (3.62), d. h. sin2 x + cos2 x = 1 ⇔ cos2 x = 1 − sin2 x ⇔ sin2 x = 1 − cos2 x ,

(3.114)

erhalten wir aus (3.112) 1 − sin2 x =

1 1 1 + tan2 x − 1 ⇔ 1− = sin2 x ⇔ = sin2 x , 2 2 1 + tan x 1 + tan x 1 + tan2 x

d. h.

sin2 x =

tan2 x . 1 + tan2 x

(3.115)

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

213

Wegen sin x < 0 , tan x < 0 für x ∈ (− π2 π + 2kπ, 2kπ) , sin x ≥ 0 , tan x ≥ 0 für x ∈ [2kπ, π2 + 2kπ) , sin x ≥ 0 , tan x ≤ 0 für x ∈ ( π2 + 2kπ, π + 2kπ] ,

(3.116)

sin x < 0 , tan x > 0 für x ∈ (π + 2kπ, 32 π + 2kπ) folgt aus (3.115)

⎧ ⎪ ⎪ ⎪ ⎨

 π  tan x π  für x ∈ − + 2kπ, + 2kπ 2 2 1 + tan2 x sin x =   ⎪ 3 tan x π ⎪ ⎪ + 2kπ, π + 2kπ , k ∈ Z . für x ∈ ⎩ − 2 2 1 + tan2 x

(3.117)

Weiterhin folgt aus der Definition der Tangens-Funktion unter Nutzung der Beziehungen (3.114)

tan2 x =

1 − cos2 x sin2 x sin2 x = = . 2 2 cos x cos2 x 1 − sin x

(3.118)

Mit (3.116) folgt daraus

⎧ ⎪ ⎪ ⎪ ⎨ tan x =

⎪ ⎪ ⎪ ⎩

 π π + 2kπ, + 2kπ 2 2 1 − sin2 x   3 sin x π für x ∈ + 2kπ, π + 2kπ , k ∈ Z . − 2 2 1 − sin2 x 

sin x

für x ∈





(3.119)

Wegen cos x > 0 , tan x ≥ 0 für x ∈ [2kπ, π2 + 2kπ) , cos x < 0 , tan x ≤ 0 für x ∈ ( π2 + 2kπ, π + 2kπ] , cos x < 0 , tan x > 0 für x ∈ (π + 2kπ, 32 π + 2kπ) , cos x > 0 , tan x < 0 für x ∈ ( 32 π + 2kπ, 2π + 2kπ) ergibt sich aus (3.118)

(3.120)

214

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

⎧ √   π  1 − cos2 x π ⎪ ⎪ ⎪ für x ∈ + 2kπ + 2kπ, (2k + 1)π 2kπ, ∪ ⎨ cos x 2 2 tan x = √ ⎪     2 ⎪ ⎪ ⎩− 1 − cos x für x ∈ (2k + 1)π, 3 π + 2kπ ∪ 3 π + 2kπ, (2k + 2)π cos x 2 2 (3.121) mit k ∈ Z . Wir haben jetzt eine ganze Reihe von Additionstheoremen zusammengestellt, welche man beispielsweise bei der Entwicklung von Formeln für Berechnungen in ebenen und sphärischen Dreiecken, in der analytischen Geometrie, bei der Lösung von sogenannten goniometrischen Gleichungen (siehe Abschnitt 3.3.4) sowie bei der Entwicklung und Analyse von Kartennetzentwürfen, d. h. bei der Abbildung der Erdoberfäche in eine Ebene, benötigt. Natürlich gibt es auch noch viele andere als die in diesem Abschnitt aufgeführten Beziehungen zwischen den verschiedenen trigonometrischen Funktionen. Im Weiteren beschäftigen wir uns mit den Umkehrfunktionen der trigonometrischen Funktionen. Da die Sinus-, Kosinus-, Tangens- und Kotangens-Funktion nicht in ihrem gesamten Definitionsbereich eineindeutig sind, betrachten wir   π π die Sinus-Funktion im Intervall − , , 2 2

die Tangens-Funktion

im Intervall [0, π] ,   π π im Intervall − , ,

und die Kotangens-Funktion

im Intervall (0, π) .

die Kosinus-Funktion

2 2

In diesen Intervallen sind die Sinus- und Tangens-Funktion streng monoton wachsend sowie die Kosinus- und Kotangens-Funktion streng monoton fallend. Somit sind diese Funktionen in den entsprechenden Intervallen eineindeutig und folglich umkehrbar (siehe auch Bemerkung 3.6 im Abschnitt 3.1.5). Die Umkehrfunktionen nennt man Arkus-Funktionen oder auch zyklometrische Funktionen. Die Umkehrfunktion der Sinus-Funktion ist die Arkussinus-Funktion, der Kosinus-Funktion die Arkuskosinus-Funktion, der Tangens-Funktion die Arkustangens-Funktion, der Kotangens-Funktion die Arkuskotangens-Funktion. Die Funktionsgraphen dieser Umkehrfunktionen sind in den Abbildungen 3.49 und 3.50 dargestellt. Diese ergeben sich durch Spiegelung der Funktionsgraphen der trigonometrischen Funktionen über den oben genannten Definitionsbereichen an der Geraden y = x.

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen y = arccosx π

y

π 2

6

215

y = arcsinx

y

6

1 y = sin x π 2

x

− π2

−1

0

1

1

π 2

−1

x

−1

− π2

0

1

π

π 2

−1 y = cos x

Abb. 3.49 Sinus- und Arkussinus-Funktion sowie Kosinus- und Arkuskosinus-Funktion

Die Eigenschaften der Arkus-Funktionen ergeben sich aus den Eigenschaften der entsprechenden trigonometrischen Funktionen sowie den Beziehungen zwischen einer Funktion und ihrer Umkehrfunktion (siehe Bemerkung 3.7 im Abschnitt 3.1.5). Da wir " # beispielsweise von der Sinus-Funktion über dem Intervall − π2 , π2 , wo deren Funktionswerte im Intervall [−1, 1] liegen, die Umkehrfunktion bilden, hat die Arkussinus" # Funktion den Definitionsbereich Df = [−1, 1] und den Wertebereich − π2 , π2 . Weil eine Funktion und ihre Umkehrfunktion das gleiche Monotonieverhalten haben und die " # Sinus-Funktion im Intervall − π2 , π2 streng monoton wachsend ist, ist die ArkussinusFunktion in ihrem Definitionsbereich auch streng monoton wachsend. Diese soeben genannten Eigenschaften der Arkussinus-Funktion und die Eigenschaften der anderen Arkus-Funktionen fassen wir im Folgenden zusammen. y = f (x) = arcsin x

y = f (x) = arccos x Df = [−1, 1]

Wertebereich:

Df = [−1, 1]   π π Wf = − ,

Beschränktheit:

beschränkt; für alle x ∈ Df

beschränkt; für alle x ∈ Df

π | arcsin x| ≤ 2

0 ≤ arccos x ≤ π

Nullstellen:

x0 = 0

x0 = 1

Monotonieverhalten:

streng monoton wachsend in Df

streng monoton fallend in Df

Definitionsbereich:

2 2

Wf = [0, π]

216

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

y

y = tan x

y

6

y = cot x

6

π

π 2

π 2

1

1

y = arctan x

y = arccot x

x

− π2 −1

0

−1

− π2 −1

1 π 2

0

1 π

−1

− π2

π

x

2

− π2

Abb. 3.50 Tangens- und Arkustangens-Funktion sowie Kotangens- und ArkuskotangensFunktion

y = f (x) = arctan x

y = f (x) = arccot x Df = R

Wertebereich:

Df = R   π π Wf = − ,

Beschränktheit:

beschränkt; für alle x ∈ Df

beschränkt; für alle x ∈ Df

π | arctan x| < 2

0 < arccot x < π

Nullstellen:

x0 = 0

keine

Monotonieverhalten:

streng monoton wachsend in Df

streng monoton fallend in Df

Definitionsbereich:

2 2

Wf = (0, π)

3 π 4

arccot x

x

arctan x

x −45◦ π − 4

−60◦

π − 3 200 − gon 3

135◦ 3 π 4

150◦

5 π 6 500 gon 3

150 gon

−1

√ − 3

−50 gon

−1

√ − 3

200 gon

π

5 π 6 500 gon 3

arccos x

135◦

150◦

180◦

1√ 3 2

1√ 2 2

1√ 3 3

1√ 3 3

2 π 3 400 gon 3

120◦



π − 6 100 − gon 3

−30◦



150 gon



−50 gon



π 4

−1



x

π 3 200 −100 gon − gon 3



1√ 2 2

−45◦





π 2

−60◦

−90◦

1√ 3 2



−1

arcsin x

x

1 2

1 2

π 3 200 gon 3

100 gon

60◦ π 2

1√ 3 3

π 6 100 gon 3

30◦

1√ 3 3

50 gon

π 4

45◦

1

50 gon

π 4

45◦

1

π 3 200 gon 3

π 2

100 gon

60◦

1 2

π 6 100 gon 3

30◦

1 2

90◦

0

0 gon

0

0◦

0

90◦

0

0 gon

0

0◦

0

2 π 3 400 gon 3

120◦



π 6 100 − gon 3



−30◦



3

3 π 6 100 gon 3

30◦



200 gon 3

π 3

60◦



50 gon

π 4

45◦

1√ 2 2

50 gon

π 4

45◦

1√ 2 2

90◦

1

π 6 100 gon 3

30◦

1√ 3 2

0 gon

0

0◦

1

π π 3 2 200 gon 100 gon 3

60◦

1√ 3 2

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen 217

In der folgenden Tabelle 3.2 geben wir einige häufig benötigte Funktionswerte der Arkus-Funktionen an (siehe auch die Tabelle 3.1 spezieller Funktionswerte der trigonometrischen Funktionen).

Tab. 3.2 Spezielle Funktionswerte der Arkus-Funktionen

218

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Bemerkung 3.21 (Quadrantenbeziehungen)  Die Funktionswerte der Arkustangens-Funktion liegen im Intervall (− π2 , π2 . Da die Tangens-Funktion eine π-periodische Funktion ist, haben alle Winkel x∗ + kπ den gleichen Funktionswert y∗ = tan x∗ . Dabei ist x∗ ein beliebiger Winkel aus dem Intervall  (− π2 , π2 . In Anwendungen wie z. B. bei der Umrechnung von kartesischen Koordinaten in Polarkoordinaten oder bei der Bestimmung von Richtungswinkeln in der Geodäsie benötigt man entsprechende Winkel aus dem Intervall [0, 2π) = [0 gon, 400 gon). Es gilt s s θ = arctan θ = arctan c c s ≥ 0, c > 0 s ≥ 0, c < 0 s

 π θ ∈ 0, 2  π ϕ ∈ 0, 2

ϕ θ c

c ϕ θ s

θ∈

ϕ

θ

θ

c

ϕ=π+θ

s < 0, c < 0

s < 0, c > 0 c

ϕ θ s

ϕ=π+θ

π  ,0 2  3π  , 2π ϕ∈ 2 θ∈

falls s ≥ 0, c = 0 : ϕ =

π 2

und falls s < 0, c = 0 : ϕ =

3π . 2

Wir betrachten dazu die folgenden Zahlenbeispiele 4 , 3

d. h. s = 4 ≥ 0, c = 3 > 0 ⇒ θ ≈ 0.9273 ≈ 59.03 gon ⇒ ϕ ≈ 0.9273 ≈ 59.03 gon

arctan





ϕ = 2π + θ

Weiterhin gilt:

arctan



ϕ=θ

 π θ ∈ 0, 2  3π  ϕ ∈ π, 2

θ

π  − ,0 2 π  ,π ϕ∈ 2

s

2 , d. h. s = 2 ≥ 0, c = −5 < 0 (−5) ⇒ θ ≈ −0.3805 ≈ −24.22 gon ⇒ ϕ ≈ π + (−0.3805) ≈ 2.7611 ≈ 200 gon + (−24.22 gon) = 175.78 gon

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

arctan

219

(−7) , d. h. s = −7 < 0, c = −2 < 0 (−2) ⇒ θ ≈ 1.2925 ≈ 82.28 gon ⇒ ϕ ≈ π + 1.2925 ≈ 4.4341

≈ 200 gon + 82.28 gon = 282.28 gon (−9) , d. h. s = −9 < 0, c = 7 > 0 arctan 7 ⇒ θ ≈ −0.9098 ≈ −57.92 gon ⇒ ϕ ≈ 2π + (−0.9098) ≈ 5.3734 ≈ 400 gon + (−57.92 gon) = 342.08 gon Für die Arkus-Funktionen gelten u. a. folgende Rechenregeln (Additionstheoreme): arcsin(−x) = − arcsin x , arccos(−x) = π − arccos x arctan(−x) = − arctan x , arccot (−x) = π − arccot x ⎧ 1 ⎪ arctan + π für x < 0 ⎪ ⎪ x ⎪ ⎪ ⎨ π π für x = 0 arccot x = − arctan x = 2 ⎪ 2 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ arctan 1 für x > 0 x π arcsin x + arccos x = 2 π arctan x + arccot x = 2

(3.122)

(3.123)

(3.124) (3.125)

Die Rechenregel (3.123) lässt sich beispielsweise wie folgt begründen. Da die Arkustangens-Funktion die Umkehrfunktion der Tangens-Funktion ist, gilt (siehe Beziehung a) in der Bemerkung 3.7 im Abschnitt 3.1.5 bezüglich der Eigenschaften einer Funktion und ihrer Umkehrfunktion) tan(arctan x) = x . (3.126) Unter Nutzung des Additionstheorems (3.85) erhalten wir cot

π 2

−arctan x



π cot(arctan x) + 1 1 0 · cot(arctan x) + 1 2 = , = π = cot(arctan x) − 0 cot(arctan x) cot(arctan x) − cot 2

cot

220

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

woraus sich mit Hilfe des Additionstheorems (3.40) und der Beziehung (3.126) π  1 1 1 cot − arctan x = = = 1 =x 1 2 cot(arctan x) tan(arctan x)

x

ergibt. Da die Kotangens-Funktion im Intervall (0, π) streng monoton fallend ist, folgt dann π  π cot(arccot x) = x = cot − arctan x ⇔ arccot x = − arctan x . 2 2 Die Regel (3.123) benötigt man beispielsweise bei der Berechnung von Seiten und Winkeln sphärischer Dreiecke, denn in einigen der entsprechenden Formeln tritt die Arkuskotangens-Funktion auf, aber diese steht bei den meisten Taschenrechnern nicht zur Verfügung. Mittels der Beziehung (3.123) führt man die Berechnung von Funktionswerten der Arkuskotangens-Funktion auf die Berechnung von Funktionswerten der Arkustangens-Funktion zurück. Diese Funktionswerte kann man dann mit Hilfe eines Taschenrechners berechnen. Beispielsweise erhalten wir arccot 2 =

π π − arctan 2 ≈ − 1.107149 ≈ 0.46365 ≈ 26.565◦ 2 2

bzw. äquivalent dazu arccot 2 = arctan

1 ≈ 0.46365 ≈ 26.565◦ 2

und arccot (−3) =

π π − arctan(−3) ≈ − (−1.24905) ≈ 2.81984 ≈ 161.57◦ 2 2

bzw.

 arccot (−3) = arctan



1 + π ≈ −0.32175 + π ≈ 2.81984 ≈ 161.57◦ . 3

Die Gültigkeit der Regel (3.124) wollen wir hier nicht begründen. Mit Hilfe der in der Tabelle 3.2 angegebenen Funktionswerte der Arkus-Funktionen für spezielle Argumente x können wir zumindest überprüfen, ob diese Formel richtig sein kann. Es gilt z. B. 1√  1√  π π π 3 + arccos 3 = + = . arcsin 2 2 3 6 2 Die Regel (3.125) folgt unmittelbar aus der Rechenregel (3.123), denn arctan x + arccot x = arctan x +

π π − arctan x = . 2 2

Wir stellen noch einige Beziehungen zwischen den trigonometrischen und den ArkusFunktionen zusammen. Diese folgen unmittelbar aus der Aussage a) in der Bemerkung 3.7 im Abschnitt 3.1.5.

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

sin(arcsin x) = x , tan(arctan x) = x , arcsin(sin x) = x , arccos(cos x) = x ,

221

cos(arccos x) = x für x ∈ [−1, 1]

(3.127)

cot(arccot x) = x für x ∈ R  π π arctan(tan x) = x für x ∈ − , 2 2 arccot (cot x) = x für x ∈ (0, π)

(3.128) (3.129) (3.130)

Bemerkung 3.22 Die Beziehungen (3.129) und (3.130) gelten nur für Argumente x, welche zum Wertebereich der jeweiligen Arkus-Funktion gehören. Man erhält z. B. für x = π6  π π 1 arcsin sin = arcsin = . 6 2 6 " # 7π Hingegen erhält man für x = 6 , was nicht im Wertebereich − π2 , π2 der ArkussinusFunktion liegt,   1 7π 7π  π arcsin sin . = arcsin − = − = 6 2 6 6 Man kann auch noch eine Reihe von Beziehungen herleiten, wenn als Argument einer trigonometrischen Funktion die Arkus-Funktion einer anderen trigonometrischen Funktion auftritt. Wir überlegen uns drei solcher Beziehungen. Aus dem Additionstheorem sin2 x + cos2 x = 1 (siehe (3.62)) folgt  sin2 x = 1 − cos2 x ⇔ | sin x| = 1 − cos2 x . Wegen arccos x ∈ [0, π] ist sin(arccos x) ≥ 0. Dann ergibt sich aus der obigen Beziehung   | sin(arccos x)| = 1 − cos2 (arccos x) ⇔ sin(arccos x) = 1 − cos2 (arccos x) und daraus unter Nutzung der Beziehung (3.127)  sin(arccos x) = 1 − x2 . Aufgrund des Additionstheorems (3.117) gilt sin x = 

Da arctan x ∈ − π2 ,

 π 2

tan x 1 + tan2 x

für

x∈





π π , . 2 2

und tan(arctan x) = x gilt, folgt daraus

tan(arctan x) x sin(arctan x) =  . = √ 2 1 + x2 1 + tan (arctan x) Wegen tan x =

1 cot x

(siehe (3.40)) und (3.128) gilt tan(arccot x) =

1 1 = . cot(arccot x) x

222

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Wir fassen diese und weitere analoge Beziehungen im Folgenden zusammen.

 1 − x2 ,  1 − x2 , cos(arcsin x) = x , sin(arctan x) = √ 1 + x2 1 cos(arctan x) = √ , 1 + x2 sin(arccos x) =

1 , x π arctan(cot x) = arccot(tan x) = − x . 2

tan(arccot x) = cot(arctan x) =

(3.131) (3.132) (3.133) (3.134) (3.135) (3.136)

Bemerkung 3.23 (Hinweise zur Arbeit mit dem Taschenrechner) a) Der Taschenrechner muss immer auf das Winkelmaß eingestellt werden, bezüglich dessen die Eingabewerte vorliegen. Wollen wir beispielsweise sin 45◦ berechnen, dann muss der Taschenrechner auf Gra bzw. Deg eingestellt sein. b) Zur Berechnung von Funktionswerten der Sinus-, Kosinus- und Tangensfunktion gibt es bei den meisten Taschenrechnern die Tasten sin , cos und tan und zur Berechnung von Funktionswerten der Arkussinus-, Arkuskosinus- und Arkustangens-Funktion stehen oft die Tasten bzw. Menüeinträge sin−1 , cos−1 und

tan−1 zur Verfügung.

c) Will man Funktionswerte der Kotangens-Funktion mittels eines Taschenrechners berechnen, dann nutzt man die Tangensfunktion und die Beziehung cot x =

1 . tan x

d) Zur Berechnung von Funktionswerten der Arkuskotangens-Funktion nutzt man die Arkustangens-Funktion und die Beziehung arccot x =

π − arctan x . 2

Nachdem wir die trigonometrischen Funktionen und deren Umkehrfunktionen kennengelernt haben, betrachten wir im Folgenden eine Funktion, welche aus der Verkettung der Sinus-Funktion mit einer Wurzelfunktion entsteht. Anhand dieses Beispiels wollen wir nochmals demonstrieren wie wir die Eigenschaften (Definitionsbereich, Wertebereich, Beschränktheit, Monotonie, Symmetrie, Umkehrbarkeit) einer Funktion ermitteln können.

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

223

Beispiel 3.33 Gegeben sei die Abbildungsvorschrift f (x) = sin



π 2 − x2 + 2 .

(3.137)

Genauso wie in den Beispielen 3.20 und 3.28 schreiben wir uns zuerst auf, welche Rechenoperationen ausgeführt werden müssen, um für ein gegebenes Argument x den zugehörigen Funktionswert y zu erhalten: √ √ ·(−1) ( )2 +π 2 x −→ x2 −→ −x2 −→ π 2 − x2 −→ π 2 − x2 √ √ sin() +2 −→ sin π 2 − x2 −→ y = sin π 2 − x2 + 2 .

(3.138)

a) Definitionsbereich: Die Funktionswerte der Sinus-Funktion können für jede beliebige reelle Zahl be√ rechnet werden und damit auch für π 2 − x2 . Da aber die Wurzel nur von einer nichtnegativen reellen Zahl berechnet werden kann, muss π 2 − x2 ≥ 0 ⇔ π 2 ≥ x2 ⇔ π ≥ |x| ⇔ −π ≤ x ≤ π

(3.139)

(siehe auch die Ungleichung (2.12) im Abschnitt 2.2) gelten. Folglich ist der größtmögliche Definitionsbereich der durch die Abbildungsvorschrift (3.137) beschriebenen Funktion Df = [−π, π] . b) Wertebereich: Zur Bestimmung des Wertebereichs nutzen wir die Reihenfolge (3.138) der Rechenoperationen bei der Berechnung eines Funktionswertes y = f (x). Ausgehend vom in a) ermittelten Definitionsbereich gilt −π ≤ x ≤ π ⇔ 0 ≤ x2 ≤ π 2 ⇔ 0 ≥ −x2 ≥ −π 2 ⇔ π 2 ≥ π 2 − x2 ≥ 0 . Da die Wurzelfunktion eine streng monoton wachsende Funktion ist, ergibt sich daraus   √ √ 0 ≤ π 2 − x2 ≤ π 2 ⇔ 0 ≤ π 2 − x2 ≤ π . (3.140) Für Argumente aus dem Intervall [0, π] liegen die Funktionswerte der SinusFunktion im Intervall [0, 1] (siehe auch die Abbildung 3.43). Somit gilt wegen (3.140)  0 ≤ sin π 2 − x2 ≤ 1 . Nach Addition der Zahl 2 zu allen Seiten der obigen Ungleichung erhalten wir   0 + 2 ≤ sin π 2 − x2 + 2 ≤ 1 + 2 ⇔ 2 ≤ sin π 2 − x2 + 2 ≤ 3 , d. h. der Wertebereich der gegebenen Funktion ist Wf = [2, 3] .

224

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

c) Nullstellen: Da 0 ∈ / Wf = [2, 3], gibt es kein x ∈ Df , so dass f (x) = 0 gilt, d. h. die gegebene Funktion hat keine Nullstellen. d) Schnittpunkt des Funktionsgraphen mit der y-Achse: Da 0 ∈ Df = [−π, π], hat der Funktionsgraph der gegebenen Funktion einen Schnittpunkt mit der y-Achse. Weil jeder Punkt auf der y-Achse die x-Koordinate x = 0 hat, muss dies auch für diesen Schnittpunkt gelten. Mit x = 0 erhalten wir  √ f (0) = sin π 2 − 02 + 2 = sin π 2 + 2 = sin π + 2 = 0 + 2 = 2 , d. h. der Funktionsgraph schneidet die y-Achse im Punkt Sy (0, 2). e) Beschränktheit: Es gilt 2 ≤ y = f (x) ≤ 3 (siehe den in b) ermittelten Wertebereich), d. h. die gegebene Funktion ist eine beschränkte Funktion. Eine untere Schranke ist cu = 2 und eine obere Schranke co = 3. Da beispielsweise für x = π  √ f (π) = sin π 2 − π 2 + 2 = sin 0 + 2 = sin 0 + 2 = 0 + 2 = 2 gilt, ist cu = 2 das Minimum der gegebenen Funktion. Wir prüfen noch, ob co = 3 das Maximum der gegebenen Funktion ist, d. h. ob es ein x ∈ Df gibt, so dass f (x) = 3 gilt. Diese Gleichung ist äquivalent zu   sin π 2 − x2 + 2 = 3 ⇔ sin π 2 − x2 = 1 . Mit Hilfe der Arkussinus-Funktion ergibt sich dann unter Nutzung der Beziehungen arcsin(sin x) = x (siehe Beziehung (3.129)) und arcsin 1 = π2 (siehe Tabelle 3.2) arcsin(sin



π 2 − x2 ) = arcsin 1 ⇔

 π 2  π π 2 − x2 = ⇔ π 2 − x2 = 2 2

⇔ π 2 − x2 = ⇔

π2 4

3 2 π = x2 4



d. h. für x1 = −

3 π 2

π2 = x2 4 √ 3 π, ⇔ |x| = 2

⇔ π2 −

(3.141)

√ und

x2 =

3 π 2

gilt f (x1 ) = f (x2 ) = co = 3. Somit ist co = 3 das Maximum der gegebenen Funktion.

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

225

f) Symmetrieeigenschaften: Wir untersuchen, ob die durch die Abbildungsvorschrift (3.137) beschriebene Funktion eine gerade oder eine ungerade Funktion ist, oder ob sie weder gerade noch ungerade ist. Es gilt   f (−x) = sin π 2 − (−x)2 + 2 = sin π 2 − x2 + 2 = f (x) für alle x ∈ Df . Folglich ist die gegebene Funktion eine gerade Funktion (siehe auch die Abbildung 3.51). g) Monotonieverhalten: Da die gegebene Funktion eine gerade Funktion ist, können wir zunächst unsere Monotoniebetrachtungen auf das Intervall [0, π] beschränken. Aufgrund dessen, dass bei einer geraden Funktion der Funktionsgraph symmetrisch zur y-Achse ist, können wir dann auf das Monotonieverhalten im Intervall [−π, 0] schließen. Unter Nutzung der Reihenfolge der Rechenoperationen (3.138) bei der Bestimmung eines Funktionswertes führen wir bei der Ermittlung des Monotonieverhaltens die folgenden Überlegungen durch. f1 (x) = x

ist eine streng monoton wachsende Funktion in [0, π]



f2 (x) = x2

ist eine streng monoton wachsende Funktion in [0, π] (Verkettung der im Intervall [0, π] streng monoton wachsenden Funktion f3 (u) = u2 mit der streng monoton wachsenden Funktion u = f1 (x) ergibt eine streng monoton wachsende Funktion, siehe a) in der Bemerkung 3.5 im Abschnitt 3.1.4)



f4 (x) = −x2

ist eine streng monoton fallende Funktion in [0, π] (Multiplikation mit der negativen Zahl −1 ändert das Monotonieverhalten, siehe d) in der Bemerkung 3.2 im Abschnitt 3.1.2)



f5 (x) = π 2 − x2

ist eine streng monoton fallende Funktion in [0, π] (Addition der Konstanten π 2 ändert das Monotonieverhalten nicht, siehe a) in der Bemerkung 3.2)



f6 (x) =



π 2 − x2

ist eine streng monoton fallende Funktion in [0, π] (Verkettung der streng monoton wachsenden Funktion √ f7 (u) = u mit der streng monoton fallenden Funktion u = f5 (x) ergibt eine streng monoton fallende Funktion, siehe b) in der Bemerkung 3.5).

Da die Sinus-Funktion keine streng monotone Funktion ist, müssen wir im Weiteren eine Fallunterscheidung durchführen, um eine Aussage über das Monotonieverhal-

226

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

ten der Funktion f8 (x) = sin (3.140))



π 2 − x2 treffen zu können. Für x ∈ [0, π] gilt (siehe 0≤



π 2 − x2 ≤ π .

Die Sinus-Funktion ist

 π streng monoton wachsend und im Intervall 0, 2 π  , π streng monoton fallend . im Intervall 2

Wir ermitteln nun, für welche Werte x ∈ [0, π]  π π 2 − x2 = 2 √

gilt. In (3.141) haben wir erhalten, dass dies für x = 23 π der Fall ist. Da außerdem √ √ √ π 2 − 02 = π und π 2 − π 2 = 0 gilt und die Funktion f6 (x) = π 2 − x2 im Intervall [0, π] streng monoton fallend ist, folgt  π  √3   2 2 f6 (x) = π − x ∈ Wf6 (I1 ) = 0, π, π , für x ∈ I1 = 2 2 π   √3   f6 (x) = π 2 − x2 ∈ Wf6 (I2 ) = , π für x ∈ I2 = 0, π . 2 2 √ Da die Funktion f6 (x) = π 2 − x2 im Intervall I1 streng monoton fallend ist und die Sinus-Funktion auf Wf6 (I1 ) streng monoton wächst, ist f8 (x) = sin



π2



x2

im Intervall I1 =

 √3 2

 π, π

streng monoton fallend

√ (siehe b) in der Bemerkung 3.5). Im Intervall I2 ist die Funktion f6 (x) = π 2 − x2 ebenfalls streng monoton fallend und die Sinus-Funktion ist auf Wf6 (I2 ) auch streng monoton fallend. Dann ergibt die Verkettung dieser beiden streng monoton fallenden Funktionen eine streng monoton wachsende Funktion (siehe d) in der Bemerkung 3.5), d. h.  √3   2 2 f8 (x) = sin π − x ist im Intervall I2 = 0, π streng monoton wachsend. 2 Die Addition der Konstanten 2, die zum gegebenen Funktionsausdruck (3.137) führt, ändert am bisher ermittelten Monotonieverhalten nichts. Da die gegebene Funktion f (x) eine gerade Funktion ist (siehe f)), ist der Funktionsgraph für

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

227

x ∈ [−π, 0] das Spiegelbild des Funktionsgraphen für x ∈ [0, π] bei Spiegelung an der y-Achse. Daraus folgt (siehe auch die Abbildung 3.51) √  ⎧  3 ⎪ ⎪ streng monoton wachsend für x ∈ − π, − π , ⎪ ⎪ 2 ⎪ √ ⎪   ⎪ ⎪ 3 ⎪ ⎨ streng monoton fallend π, 0 , für x ∈ − 2 f (x) ist √   ⎪ 3 ⎪ ⎪ ⎪ streng monoton wachsend für x ∈ 0, 2 π , ⎪ ⎪ ⎪ √  ⎪ ⎪ 3 ⎩ streng monoton fallend π, π . für x ∈ 2

h) Umkehrbarkeit: Aus den vorangegangenen Monotoniebetrachtungen folgt, dass die gegebene Funktion keine eineindeutige Funktion ist, d. h. sie ist nicht über dem gesamtem Definitionsbereich Df = [−π, π] umkehrbar. Wir können über einem der Teilintervalle, in denen die Funktion streng monoton√ist, die Umkehrfunktion ermitteln. Wir be" # trachten beispielsweise das Intervall 23 π, π , in welchem die gegebene Funktion streng monoton fallend und somit eineindeutig ist. Bei der Ermittlung der Umkehrfunktion kehren wir die Reihenfolge (3.138) der Rechenoperationen zur Berechnung eines Funktionswertes y um und nutzen in jedem Schritt die entsprechende Umkehroperation bzw. Umkehrfunktion:  2 x − arcsin(y − 2) + π 2 = |x| ⏐  ( )2 ⏐√

2 x2 − arcsin(y − 2) + π 2 = x2 ⏐  ·(−1) ⏐ : (−1)

2 −x2 arcsin(y − 2) − π 2 = −x2 ⏐  +π2 ⏐ −π2

2 π 2 − x2 arcsin(y − 2) = π 2 − x2 ⏐√  ⏐ ( )2 √ √ π 2 − x2 arcsin(y − 2) = π 2 − x2 ⏐  sin( ) ⏐ arcsin( ) √ √ sin π 2 − x2 y − 2 = sin π 2 − x2 ⏐  +2 ⏐ −2 √ √ y = sin π 2 − x2 + 2 y = sin π 2 − x2 + 2 "√ # Wegen x ∈ 23 π, π gilt x ≥ 0 und somit |x| = x, so dass wir   x = −(arcsin(y − 2))2 + π 2 = π 2 − (arcsin(y − 2))2

228

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

erhalten. Nach Vertauschen der Variablenbezeichnungen x und y erhalten wir die Umkehrfunktion  y = f −1 (x) = π 2 − (arcsin(x − 2))2 mit Df −1 = [2, 3] , Wf −1 =

 √3 2

 π, π .

i) Skizze des Funktionsgraphen: y 3

6

2 1 √ −π − 3 π 2

√ 3 π 2 π

0

-

x

Abb. 3.51 √Graph der Funktion f (x) = sin π 2 − x2 + 2 für x ∈ [−π, π]

Wir betrachten im Folgenden zwei Beispiele aus der ebenen bzw. sphärischen Trigonometrie, in denen die trigonometrischen Funktionen angewendet werden. Beispiel 3.34 Zu bestimmen ist die Entfernung von zwei Punkten A und B (siehe Abbildung 3.52). C b

γ

A

a

c B Abb. 3.52 Entfernung zwischen A und B

Aufgrund eines Hindernisses besteht zwischen diesen beiden Punkten keine Sicht, so dass die Entfernung nicht direkt messbar ist. Deshalb wird ein Hilfspunkt C gewählt und es werden die Strecken a = BC, b = AC sowie der von den Strecken BC und AC eingeschlossene Winkel γ gemessen (siehe Abbildung 3.52). Es wurden die Längen a = 312.78 m und b = 214.52 m sowie der Winkel γ = 78.04 gon ermittelt. Für die Länge der Strecke c = AB ergibt sich mit Hilfe des Kosinussatzes:  a2 + b2 − 2ab cos γ c =  312.782 m2 + 214.522 m2 − 2 · 312.78 m · 214.52 m · cos(78.04 gon) = ≈ 313.80 m .

3.2 Grundfunktionen und elementare Funktionen

229

Beispiel 3.35 Gesucht ist die kürzeste Entfernung zwischen den beiden Städten Dresden und Paris (siehe Abbildung 3.53). Die geographischen Koordinaten dieser beiden Städte sind Dresden:

λD = 13◦ 45 ö.L.,

ϕD = 51◦ 16 n.B.,

Paris:

λP = 2◦ 20 ö.L.,

ϕP = 48◦ 50 n.B.

Nordpol

Paris

Dresden

Abb. 3.53 Kürzeste Entfernung zwischen Dresden und Paris

Die kürzeste Entfernung zwischen Dresden und Paris wird nach der Formel =d·

π ·R 180◦

berechnet, wobei R ≈ 6371 km der Erdradius ist und d mittels der Beziehung cos d = sin ϕD sin ϕP + cos ϕD cos ϕP cos(λD − λP ) bestimmt wird. Mit den geographischen Koordinaten für Dresden und Paris erhalten wir cos d = sin(51◦ 16 ) sin(48◦ 50 ) + cos(51◦ 16 ) cos(48◦ 50 ) cos(13◦ 45 − 2◦ 20 ) ≈ 0.99095 . Daraus ergibt sich d = arccos 0.99095 ≈ 7.7146◦ und somit als kürzeste Entfernung zwischen Dresden und Paris =d·

π π · R ≈ 7.7146◦ · · 6371 km ≈ 858 km . 180◦ 180◦

230

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Wir geben noch ein Beispiel aus der Physik an, bei welchem die trigonometrischen Funktionen zur Beschreibung eines physikalischen Vorgangs genutzt werden. Beispiel 3.36 Mittels trigonometrischer Funktionen lassen sich Schwingungsvorgänge beschreiben. Wir betrachten beispielsweise einen Federschwinger (siehe Abbildung 3.54).

v

x(t) x=0

66 ?

Aufhängung

Masse m

? Dämpfung

Abb. 3.54 Federschwinger

Sei m die angehängte Masse, D die Federkonstante und μ der Reibungskoeffizient beim Dämpfungselement. Weiterhin sei  μ D α= , ω02 = und ω1 = ω02 − α2 . 2m m Im Fall einer ungedämpften Schwingung, d. h. α = 0, wird die Auslenkung x(t) der Masse m zum Zeitpunkt t durch die Funktion x(t) = c1 cos(ω1 t) + c2 sin(ω1 t) beschrieben (siehe Abbildung 3.55(a)) und im Fall einer schwach gedämpften Schwingung (α2 − ω02 < 0) durch x(t) = e−αt (c1 cos(ω1 t) + c2 sin(ω1 t)) (siehe Abbildung 3.55(b)) mit Konstanten c1 und c2 , welche von der Anfangsauslen˙ 0 ) abhängen (siehe auch kung x0 = x(t0 ) und der Anfangsgeschwindigkeit x˙ 0 = x(t Meyberg und Vachenauer [2001a], Papula [2015]).

3.3 Lösung nichtlinearer Gleichungen

231

(a) α = 0.0 , ω0 = 3.5 , x0 = 3.0 , x˙ 0 = 0.0 x x0

(b) α = 0.4 , ω0 = 3.5 , x0 = 3.0 , x˙ 0 = 0.0 x

6

x0

6

e−αt



-

t

−x0

-

t

−x0

Abb. 3.55 (a) ungedämpfte Schwingung, (b) gedämpfte Schwingung

3.3

Lösung nichtlinearer Gleichungen

Jede Gleichung, welche nicht von der Gestalt 0 = ax + b mit gegebenen reellen Konstanten a (a = 0) und b ist, nennt man nichtlineare Gleichung. Eine solche Gleichung muss man beispielsweise lösen, wenn man die Nullstellen einer nichtlinearen Funktion, d. h. einer Funktion, welche nicht von der Gestalt f (x) = ax + b ist, bestimmen will. Dieses Problem tritt u. a. auf, wenn man Extremalstellen von Funktionen mit Hilfe der Differentialrechnung ermitteln will (siehe z. B. Papula [2014], Meyberg und Vachenauer [2001a], Jung [2021b]). Im Folgenden werden wir eine Reihe weiterer Anwendungsbeispiele diskutieren, bei denen nichtlineare Gleichungen zu lösen sind. Nachdem wir uns im Abschnitt 3.1.1 bereits mit der Lösung quadratischer Gleichungen beschäftigt haben, diskutieren wir in diesem Abschnitt die Berechnung der Lösungen von weiteren nichtlinearen Gleichungen, zum Beispiel von Gleichungen, die Potenz- und Wurzelausdrücke enthalten. Weiterhin betrachten wir Gleichungen, in denen Exponential- und Logarithmenausdrücke vorkommen sowie sogenannte goniometrische Gleichungen, d. h. Gleichungen in denen trigonometrische Terme auftreten. Das Kennenlernen von Möglichkeiten zur Lösung von Polynomgleichungen ist insbesondere auch wichtig, weil sich andere nichtlineare Gleichungen manchmal durch geeignete Substitutionen auf Polynomgleichungen zurückführen lassen. Für die Lösung nichtlinearer Gleichungen gibt es kein einheitliches Rezept und nicht jede nichtlineare Gleichung kann exakt gelöst werden. Man kann aber gewisse Typen nichtlinearer Gleichungen nach einem einheitlichen Prinzip lösen. Diese Vorgehensweise werden wir in den folgenden Abschnitten nutzen. Numerische Methoden

232

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

zur näherungsweisen Lösung nichtlinearer Gleichungen werden z. B. in Papula [2014], Quarteroni et al. [2002], Jung [2021b] beschrieben.

3.3.1

Lösen von Polynomgleichungen

In diesem Abschnitt betrachten wir einige spezielle Polynomgleichungen. Gesucht sind die Lösungen der Polynomgleichung n-ten Grades der Gestalt 0 = an xn + an−1 xn−1 + · · · + ak xk , k eine natürliche Zahl, 0 < k < n , an = 0 , d. h. die Lösungen einer Polynomgleichung, welche kein Absolutglied enthält. Algorithmus 3.3 (Lösen einer Polynomgleichung ohne Term a0 ) 1. Klammere den Term xk aus: 0 = xk (an xn−k + an−1 xn−1−k + · · · + ak+1 x + ak ) . 2. Aus der in 1. angegebenen Darstellung folgt, dass x0 = 0 eine Lösung mit der Vielfachheit k ist. Die weiteren Lösungen der gegebenen Polynomgleichung sind die Lösungen der Gleichung (n − k)-ten Grades 0 = an xn−k + an−1 xn−1−k + · · · + ak+1 x + ak . Wir betrachten zuerst das folgende Beispiel. Durch die Gleichung (x2 + y 2 )2 − 2a2 (x2 − y 2 ) = 0

(3.142)

mit einer positiven reellen Zahl a wird die in der Abbildung 3.56 dargestellte Lemniskate beschrieben. y

√ − 2a

−a

6

a



2a

x

Abb. 3.56 Lemniskate

3.3 Lösung nichtlinearer Gleichungen

233

Zur Übertragung von Antriebs- und Bremskräften zwischen dem Fahrzeug und dem Radsatz bei Schienenfahrzeugen dient ein sogenannter Lemniskatenlenker. Der Radsatz bewegt sich dabei vertikal längs einer Lemniskate. Das Unendlichsymbol in der Mathematik hat auch die Form einer Lemniskate. Beispiel 3.37 Gesucht sind die Schnittpunkte der durch die Gleichung (3.142) beschriebenen Lemniskate mit der x-Achse. Die Schnittpunkte mit der x-Achse haben die y-Koordinate y = 0. Damit ergibt sich aus (3.142) die Gleichung (x2 )2 − 2a2 x2 = 0 ⇔ x4 − 2a2 x2 = 0

(3.143)

zur Bestimmung der x-Koordinaten der gesuchten Schnittpunkte. Wir erhalten also eine Gleichung 4. Grades, welche kein Absolutglied enthält. Durch Ausklammern von x2 in der obigen Gleichung ergibt sich die Beziehung x2 (x2 − 2a2 ) = 0 . Diese Gleichung ist erfüllt, wenn einer der beiden Faktoren x2 bzw. (x2 − 2a2 ) gleich Null ist. Aus x2 = 0 folgt x=0 und aus x2 − 2a2 = 0 erhalten wir

√ √ x2 = 2a2 ⇔ x = ± 2a2 = ± 2a .

Die Gleichung (3.143) hat also die drei verschiedenen Lösungen x1 = 0 , x2 =

√ 2a

und

√ x3 = − 2a .

Somit hat die Lemniskate mit der x-Achse die drei Schnittpunkte √ S1 (0, 0) , S2 ( 2a, 0) (siehe auch die Abbildung 3.56).

und

√ S3 (− 2a, 0)

234

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Gesucht sind die reellen Lösungen der Polynomgleichung 2n-ten Grades der Gestalt 0 = a2n x2n + a2n−2 x2n−2 + · · · + a2 x2 + a0 , (3.144) d. h. die Lösungen einer Polynomgleichung, welche nur Potenzausdrücke mit geradzahligen Potenzen enthält. Algorithmus 3.4 (Polynomgleichung mit geradzahligen Exponenten) 1. Substituiere (ersetze) in der Gleichung (3.144) x2 durch die neue Variable z. Dies ergibt die Polynomgleichung n-ten Grades 0 = a2n z n + a2n−2 z n−1 + · · · + a2 z + a0 .

(3.145)

2. Bestimme mit einer bekannten Methode die Lösungen dieser Gleichung. Zum Beispiel kann, falls n = 2 gilt, die Lösungsformel (3.4) (siehe Abschnitt 3.1.1) für quadratische Gleichungen genutzt werden. 3. Führe für alle Lösungen zk der Gleichung (3.145), für welche zk ≥ 0 gilt, die Rücksubstitution durch, d. h. berechne xk,1 =

√ √ zk , xk,2 = − zk .

4. Die in 3. berechneten Lösungen sind die reellen Lösungen der Polynomgleichung (3.144).

Beispiel 3.38 Gesucht ist der exakte Funktionswert sin

π = sin 36◦ . 5

 π sin 5 · = sin π = 0 5 erhalten wir unter Nutzung des Additionstheorems

Wegen

sin(5x) = 16 sin5 x − 20 sin3 x + 5 sin x (siehe Additionstheorem (3.74) im Abschnitt 3.2.6) die Gleichung  π π π π 0 = sin 5 · = 16 sin5 − 20 sin3 + 5 sin 5 5 5 5  π 5  π 3 π − 20 sin + 5 sin = 16 sin 5 5 5

3.3 Lösung nichtlinearer Gleichungen

235

zur Bestimmung von sin π5 . Ersetzen wir sin π5 durch x, dann lautet diese Gleichung 0 = 16x5 − 20x3 + 5x = x(16x4 − 20x2 + 5) (siehe auch Algorithmus 3.3). Da π5 keine Nullstelle der Sinusfunktion ist, d. h. da sin π5 = 0, können wir beide Seiten dieser Gleichung durch x = sin π5 dividieren. Dies ergibt die Gleichung 0 = 16x4 − 20x2 + 5 = 16(x2 )2 − 20x2 + 5 . Diese Gleichung können wir mittels des Algorithmus 3.4 lösen. Wir ersetzen x2 durch die neue Variable z und erhalten dadurch die quadratische Gleichung 0 = 16z 2 − 20z + 5 . Um die Lösungen dieser Gleichung mittels der Lösungsformel (3.4) (siehe Abschnitt 3.1.1) bestimmen zu können, dividieren wir beide Seiten der obigen Gleichung noch durch 16: 5 5 0 = z2 − z + . 4 16 Diese Gleichung hat die beiden Lösungen  

5   5   −4 −4 2 5 5 5 5 25 25 − 20 + = + − = + − z1 = − 2 2 16 8 64 16 8 64 √ √ 5 5+ 5 5 = + = 8 8 8 und z2 =

√ 5− 5 . 8

Aus der Substitutionsgleichung z = x2 =

 sin

π 2 5

ergeben sich zunächst die vier Lösungen     √ √ √ √ 5+ 5 5+ 5 5− 5 5− 5 x11 = , x12 = − , x21 = , x22 = − . 8 8 8 8 Da sin α ≥ 0 für alle α ∈ [0, π], muss sin π5 ≥ 0 gelten. Deshalb entfallen die beiden " # negativen Lösungen x12 und x22 . Außerdem ist die Sinus-Funktion im Intervall 0, π2 eine streng monoton wachsende Funktion. Folglich muss beispielsweise √ 2 ◦ ◦ sin 36 < sin 45 = 2

236

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

sein. Wegen



√ √ 5+ 5 2 ≈ 0.9511 > ≈ 0.7071 8 2



√ √ 5− 5 2 ≈ 0.5878 < ≈ 0.7071 8 2  √ 5− 5 ◦ sin 36 = 8

x11 = und x21 = ist

der gesuchte Funktionswert. Beispiel 3.39 Will man die durch die Gleichung (3.142) beschriebene Lemniskate skizzieren, dann gibt man sich beispielsweise Werte x∗ für die x-Koordinate von Punkten auf der Lemniskate vor und ermittelt die dazugehörigen y-Koordinaten, indem man die Gleichung (x2∗ + y 2 )2 − 2a2 (x2∗ − y 2 ) = 0 ⇔ x4∗ + 2x2∗ y 2 + y 4 − 2a2 x2∗ + 2a2 y 2 = 0 ⇔ y 4 + 2(x2∗ + a2 )y 2 − 2a2 x2∗ + x4∗ = 0

(3.146)

löst. Die letzte Gleichung ist in y eine Gleichung 4. Grades, welche nur geradzahlige Potenzen von y enthält. Wir substituieren z = y2 und erhalten damit die quadratische Gleichung 0 = z 2 + 2(x2∗ + a2 )z − 2a2 x2∗ + x4∗ . Diese hat die Lösungen, siehe die Lösungsformel (3.4) für quadratische Gleichungen im Abschnitt 3.1.1,   2(x2 + a2 ) 2 2(x2∗ + a2 ) ∗ ± − (−2a2 x2∗ + x4∗ ) z1,2 = − 2 2  = −(x2∗ + a2 ) ± (x2∗ + a2 )2 + 2a2 x2∗ − x4∗ = −(x2∗ + a2 ) ± = −(x2∗ + a2 ) ± = −(x2∗ + a2 ) ±

  

x4∗ + 2x2∗ a2 + a4 + 2a2 x2∗ − x4∗ 4x2∗ a2 + a4 a2 (4x2∗ + a2 )

 = −(x2∗ + a2 ) ± |a| 4x2∗ + a2  = −(x2∗ + a2 ) ± a 4x2∗ + a2 ,

3.3 Lösung nichtlinearer Gleichungen

237

da a > 0, d. h.

 z1 = −(x2∗ + a2 ) + a 4x2∗ + a2

und

 z2 = −(x2∗ + a2 ) − a 4x2∗ + a2 .

 Wegen a > 0, x2∗ + a2 > 0 und 4x2∗ + a2 > 0 ist z2 < 0. Da aber aufgrund der Substitution z = y 2 ≥ 0 gelten muss, entfällt z2 für die weiteren Betrachtungen. Falls z1 ≥ 0 gilt, erhalten wir für die y-Koordinaten der Punkte auf der Lemniskate mit der x-Koordinate x∗   √ y∗,1 = z1,1 = z1 = −(x2∗ + a2 ) + a 4x2∗ + a2 und y∗,2 = z1,2

  √ = − z1 = − −(x2∗ + a2 ) + a 4x2∗ + a2 .

Ist z1 < 0, dann gibt es keine reellen Lösungen der Gleichung (3.146), d. h. es gibt keine Punkte auf der Lemniskate mit der x-Koordinate x∗ . Wie wir im Beispiel 3.37 ermittelt haben, liegen die x-Koordinaten der Punkte auf der Lemniskate im Intervall √ √ [− 2a, 2a], d. h. es gilt √ √ √ − 2a ≤ x∗ ≤ 2a ⇔ |x∗ | ≤ 2a . Daraus folgt |x∗ |2 ≤ 2a2 ⇔ x2∗ ≤ 2a2

⇔ x4∗ ≤ 2x2∗ a2

⇔ x4∗ + 2x2∗ a2 + a4 ≤ 4x2∗ a2 + a4 ⇔ (x2∗ + a2 )2 ≤ a2 (4x2∗ + a2 )   ⇔ 0 ≤ −(x2∗ + a2 ) + a 4x2∗ + a2 , ⇔ x2∗ + a2 ≤ a 4x2∗ + a2 √ √ d. h. für alle x∗ ∈ [− 2a, 2a] ist z1 ≥ 0.

3.3.2

Lösen von Wurzelgleichungen

Bei der Lösung von Gleichungen, welche Wurzelausdrücke enthalten, gehen wir wie folgt vor: Algorithmus 3.5 (Lösen von Wurzelgleichungen) 1. Bestimmung der Definitionsmenge der Gleichung 2. Enthält die Gleichung nur einen Wurzelausdruck, dann forme die Gleichung so um, dass der Wurzelausdruck der einzige Term auf einer der beiden Seiten der Gleichung ist. Enthält die Gleichung zwei oder mehr Wurzelausdrücke, dann forme die Glei-

238

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen chung so um, dass auf beiden Seiten der Gleichung wenigstens ein Wurzelausdruck steht.

3. Quadriere beide Seiten der im Schritt 2 erhaltenen Gleichung. 4. Enthält die im Schritt 3 erhaltene Gleichung noch Wurzelausdrücke, dann gehe zu 2., andernfalls bestimme die Lösungen der erhaltenen Gleichung mittels einer bekannten Methode. 5. Prüfe, ob die im Schritt 4 erhaltenen Lösungen tatsächlich Lösungen der gegebenen Gleichung mit den Wurzelausdrücken sind, d. h. setze die erhaltenen Lösungen in die Wurzelgleichung ein und prüfe, ob diese tatsächlich erfüllt ist. 6. Angabe der Lösungsmenge

Beispiel 3.40 Gesucht sind die Lösungen der Gleichung √ 4 x − 11 − 20 = 0 .

(3.147)

Wir bestimmen zuerst die Definitionsmenge dieser Gleichung. Da eine Wurzel nur von einer nicht negativen reellen Zahl berechnet werden kann, muss x − 11 ≥ 0 ⇔ x ≥ 11 gelten. Folglich ist die Definitionsmenge die Menge D = {x ∈ R | x ≥ 11} = [11, ∞) . √ Die Gleichung (3.147) enthält nur den einen Wurzelausdruck x − 11. Wir formen die Gleichung so um, dass nur dieser Wurzelausdruck auf einer der beiden Seiten der Gleichung steht. Dazu addieren wir 20 zu beiden Seiten der Gleichung und dividieren anschließend beide Seiten der Gleichung durch 4: √ √ √ x − 11 = 5 . 4 x − 11 − 20 = 0 ⇔ 4 x − 11 = 20 ⇔ Quadrieren der beiden Seiten dieser Gleichung ergibt: √ ( x − 11)2 = 52 ⇔ x − 11 = 25 . Addieren wir 11 zu beiden Seiten dieser Gleichung, so erhalten wir x = 25 + 11 = 36 .

3.3 Lösung nichtlinearer Gleichungen

239

Da x = 36 in der Definitionsmenge D = [11, ∞) liegt, kann dies eine Lösung der gegebenen Wurzelgleichung sein. Wir überprüfen, ob x = 36 tatsächlich Lösung der Gleichung (3.147) ist. Dazu setzen wir in der Gleichung (3.147) für x den Wert 36 ein: √ √ 4 36 − 11 − 20 = 4 25 − 20 = 4 · 5 − 20 = 20 − 20 = 0 , d. h. x = 36 erfüllt die gegebene Gleichung. Die Lösungsmenge der Gleichung (3.147) lautet also L = {36} .

Als nächstes Beispiel in diesem Abschnitt betrachten wir die Bestimmung der Flughöhe eines geostationären Satelliten. Bewegt sich ein Satellit auf einer Kreisbahn um die Erde, dann wird seine Umlaufzeit T näherungsweise wie folgt berechnet. Durch Gleichsetzen der auf den Satelliten wirkenden Gravitations- und Zentripetalkraft erhalten wir mE mS 2π(R + h) mS v 2 γ mit v = . (3.148) = 2 (R + h) R+h T 2

Dabei sind R ≈ 6378.137 km der Radius der Erde am Äquator, γ ≈ 6.6738 · 10−11 Nm kg2 die Gravitationskonstante, h die Höhe des Satelliten über der Erdoberfläche, mS die Masse des Satelliten, mE ≈ 5.9736 · 1024 kg die Erdmasse und T die Umlaufzeit des Satelliten. Für die Umlaufzeit ergibt sich aus (3.148)

 γ

mE mS = (R + h)2

mS

 2π(R + h) 2 T R+h

⇔ γ

mE mS 4π 2 mS (R + h) = (R + h)2 T2

⇔ T2 =

4π 2 (R + h)3 , γmE



und somit T =

4π 2 (R + h)3 . γmE

(3.149)

Beispiel 3.41 Gesucht ist die Höhe über der Erdoberfläche, in welcher sich ein geostationärer Satellit befindet. Die Umlaufzeit eines geostationären Satelliten beträgt durchschnittlich einen Sterntag, d. h. ungefähr 23 h 56 min 4.1 s = 86164.1 s. Damit erhalten wir aus (3.149) zur Berechnung der Flughöhe h die Wurzelgleichung  4π 2 (R + h)3 . 86164.1 s = γmE

240

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Zur Bestimmung von h quadrieren wir zuerst beide Seiten dieser Gleichung. Dadurch ergibt sich die Gleichung (86164.1 s)2 =

4π 2 (R + h)3 . γmE

Multiplikation beider Seiten dieser Gleichung mit γmE und Division durch 4π 2 liefert die Beziehung (86164.1 s)2 γmE = (R + h)3 . 4π 2 Nun berechnen wir die dritte Wurzel beider Seiten dieser Gleichung und subtrahieren anschließend R von beiden Seiten der Gleichung:   2 2 3 (86164.1 s) γmE 3 (86164.1 s) γmE =R+h ⇔ h= −R. 2 2 4π 4π Mit den bekannten Werten für die Gravitationskonstante, den Erdradius und die Erdmasse erhalten wir $ % 2 % 2 −11 Nm · 5.9736 · 1024 kg 3 (86164.1 s) · 6.6738 · 10 & kg2 − 6378.137 km h ≈ 4π 2 $ % 2 % 2 −11 kg · m · m · 5.9736 · 1024 kg 3 (86164.1 s) · 6.6738 · 10 & s2 · kg2 = − 6378137 m 4π 2 ≈ 35788351 m ≈ 36000 km . Wir überprüfen unser Ergebnis, indem wir den für h erhaltenen Wert in die Gleichung (3.149) einsetzen: $ % 4π 2 (6378137 m + 35788351m)3 % ≈ 86164.10 s = 23 h 56 min 4.1 s . & kg · m · m2 6.6738 · 10−11 2 · 5.9736 · 1024 kg 2 s · kg

Die Entfernung des geostationären Erdsatelliten von der Erdoberfläche beträgt also rund 36000 km. Im Folgenden diskutieren wir die Lösung von Wurzelgleichungen, in denen mehr als ein Wurzelausdruck vorkommt. Beispiel 3.42 Gesucht sind die Lösungen der Gleichung √ √ x + 2 + x − 6 = 4.

(3.150)

3.3 Lösung nichtlinearer Gleichungen

241

Wir bestimmen zuerst die Definitionsmenge dieser Gleichung. Da eine Wurzel nur von einer nicht negativen reellen Zahl berechnet werden kann, muss x + 2 ≥ 0 ⇔ x ≥ −2

und

x−6≥0 ⇔ x≥6

gelten. Die Definitionsmenge ist somit die Menge aller reellen Zahlen, die sowohl größer oder gleich −2 als auch größer oder gleich 6 sind, d. h. die Menge D = {x ∈ R | x ≥ 6} = [6, ∞) . Die Gleichung (3.150) enthält zwei Wurzelausdrücke. Um durch Quadrieren die Wurzelausdrücke beseitigen zu können, formen wir die Gleichung so um, dass beide Seiten der Gleichung einen Wurzelausdruck enthalten. Dazu subtrahieren wir beispielsweise √ von beiden Seiten der Gleichung den Term x − 6: √

x+2+



x−6=4 ⇔



x+2=4−

√ x − 6.

Quadrieren der beiden Seiten dieser Gleichung ergibt unter Anwendung der 2. binomischen Formel (a − b)2 = a2 − 2ab + b2 (siehe Formel (1.71) im Abschnitt 1.5): √ √ √ √ √ ( x + 2)2 = (4 − x − 6)2 ⇔ ( x + 2)2 = 42 − 2 · 4 · x − 6 + ( x − 6)2 √ ⇔ x + 2 = 16 − 8 x − 6 + x − 6 (3.151) √ ⇔ x + 2 = 10 − 8 x − 6 + x √ ⇔ x + 2 = x + 10 − 8 x − 6 . Wir haben damit eine Gleichung erhalten, welche nur noch einen Wurzelausdruck enthält. Damit nach nochmaligem Quadrieren eine Gleichung entsteht, welche keinen Wurzelausdruck mehr enthält, formen wir die obige Gleichung so um, dass der Wurzelausdruck allein auf einer der beiden Seiten der Gleichung steht. Wir subtrahieren von beiden Seiten der Gleichung x + 10 und dividieren anschließend beide Seiten der Gleichung durch −8: √ √ x + 2 = x + 10 − 8 x − 6 ⇔ x + 2 − (x + 10) = −8 x − 6 √ ⇔ x + 2 − x − 10 = −8 x − 6 √ ⇔ −8 = −8 x − 6 √ ⇔ 1 = x − 6. Quadrieren der beiden Seiten dieser Gleichung liefert √ 12 = ( x − 6)2 ⇔ 1 = x − 6 ,

242

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

woraus sich nach Addition von 6 zu beiden Seiten der Gleichung x=7 ergibt. Da x = 7 in der Definitionsmenge D = [6, ∞) liegt, kann dies eine Lösung der gegebenen Wurzelgleichung (3.150) sein. Wir überprüfen, ob x = 7 tatsächlich die gesuchte Lösung ist. Dazu setzen wir in der Gleichung (3.150) für x den Wert 7 ein: √ √ ? √ √ ? 7+2+ 7−6=4 ⇔ 9+ 1=4 ?

⇔ 3+1=4 ⇔ 4 = 4, d. h. x = 7 erfüllt die gegebene Gleichung. Die Lösungsmenge der Wurzelgleichung (3.150) ist somit L = {7} . Hätten wir die letzte Gleichung in (3.151) sofort quadriert, dann hätten wir

2 √ (x + 2)2 = x + 10 − 8 x − 6 √ √ ⇔ x2 + 2 · x · 2 + 22 = (x + 10)2 − 2 · (x + 10) · 8 x − 6 + (8 x − 6)2 √ √ ⇔ x2 + 4x + 4 = x2 + 2 · x · 10 + 102 − 16(x + 10) x − 6 + 82 ( x − 6)2 √ ⇔ x2 + 4x + 4 = x2 + 20x + 100 − 16(x + 10) x − 6 + 64(x − 6) √ ⇔ x2 + 4x + 4 = x2 + 20x + 100 − 16(x + 10) x − 6 + 64x − 384 √ ⇔ x2 + 4x + 4 = x2 + 84x − 284 − 16(x + 10) x − 6 √ ⇔ −80x + 288 = −16(x + 10) x − 6 √ ⇔ 5x − 18 = (x + 10) x − 6 erhalten und folglich den Wurzelausdruck nicht beseitigt. Beispiel 3.43 Gesucht sind die Lösungen der Gleichung √ √ √ 4x + 17 − x + 7 − 2x = 0 .

(3.152)

Wir bestimmen die Definitionsmenge dieser Gleichung. Aus der Kenntnis, dass wir eine Wurzel nur von nicht negativen reellen Zahlen berechnen können, erhalten wir die drei Bedingungen   17 17 ⇔ x ∈ − ,∞ , 4x + 17 ≥ 0 ⇔ x ≥ − 4

4

x+7≥0

⇔ x ≥ −7

⇔ x ∈ [−7, ∞) ,

2x ≥ 0

⇔ x≥0

⇔ x ∈ [0, ∞) .

3.3 Lösung nichtlinearer Gleichungen

243

Da alle drei Bedingungen erfüllt sein müssen, ergibt sich die Definitionsmenge   17 D = − , ∞ ∩ [−7, ∞) ∩ [0, ∞) = [0, ∞) . 4

Um die Lösungen der Gleichung (3.152) bestimmen zu können, formen wir diese zuerst so um, dass auf beiden Seiten der Gleichung mindestens ein Wurzelausdruck steht. Wir √ können beispielsweise den Term 2x zu beiden Seiten der Gleichung addieren. Dies ergibt √ √ √ √ √ √ 4x + 17 − x + 7 − 2x = 0 ⇔ 4x + 17 − x + 7 = 2x . Um Wurzelausdrücke zu beseitigen, quadrieren wir beide Seiten dieser Gleichung. Unter Nutzung der 2. binomischen Formel (a − b)2 = a2 − 2ab − b2 sowie des Wurzelge√ √ √ setzes a b = ab (siehe (1.61)) erhalten wir √ √ √ ( 4x + 17 − x + 7)2 = ( 2x)2 √ √ √ √ √ ⇔ ( 4x + 17)2 − 2 4x + 17 x + 7 + ( x + 7)2 = ( 2x)2  ⇔ 4x + 17 − 2 (4x + 17)(x + 7) + x + 7 = 2x  ⇔ 5x + 24 − 2 (4x + 17)(x + 7) = 2x . Um auch noch den Wurzelausdruck in dieser Gleichung zu beseitigen, formen wir diese zunächst so um, dass der Wurzelausdruck allein auf einer der beiden Seiten der Gleichung steht. Dazu subtrahieren wir von beiden Seiten der Gleichung den Term 2x  und addieren zu beiden Seiten der Gleichung den Term 2 (4x + 17)(x + 7):

  5x + 24 − 2 (4x + 17)(x + 7) = 2x ⇔ 5x + 24 − 2x = 2 (4x + 17)(x + 7) √ ⇔ 3x + 24 = 2 4x2 + 28x + 17x + 17 · 7 √ ⇔ 3x + 24 = 2 4x2 + 45x + 119 . Quadrieren der beiden Seiten der letzten Gleichung und anschließende Anwendung der 1. binomischen Formel (a + b)2 = a2 + 2ab + b2 (siehe Formel (1.70)) liefert

√ 2 (3x + 24)2 = 2 4x2 + 45x + 119 ⇔ (3x)2 + 2 · 3x · 24 + 242 = 22 (4x2 + 45x + 119) ⇔ 9x2 + 144x + 576 = 16x2 + 180x + 476 ⇔ 0 = 7x2 + 36x − 100 . Nach Division durch 7 ergibt sich schließlich die quadratische Gleichung 0 = x2 +

100 36 x− , 7 7

244

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

deren Lösungen wir mittels der Formel (3.4) bestimmen können. Mit p= erhalten wir x1,2

36 = − ± 14 36 = − ± 14 = −

 

36 14

36 7

und

2

 −

q=−

100 − 7

1296 + 28 · 100 196



100 7

36 = − ± 14 36 = − ± 14

 

1296 100 + 196 7 4096 196

36 64 ± , 14 14

d. h.

28 100 36 64 36 64 + = = 2 und x2 = − − =− . 14 14 14 14 14 14 Wir müssen nun prüfen, ob x1 und x2 tatsächlich Lösungen der Wurzelgleichung (3.152) sind. Da x2 = − 100 14 ∈ D = [0, ∞), kann dies keine Lösung sein. Weil aber x1 = 2 in der Definitionsmenge liegt, kann dies eine Lösung sein. Wir prüfen, ob es tatsächlich eine Lösung ist. Dazu setzen wir in der Gleichung (3.152) für x den Wert 2 ein: √ √ √ √ ? √ √ ? ? 4 · 2 + 17 − 2 + 7 − 2 · 2 = 0 ⇔ 25 − 9 − 4 = 0 ⇔ 5 − 3 − 2 = 0 x1 = −

⇔ 0 = 0, d. h. x1 = 2 erfüllt die Wurzelgleichung (3.152). Die Lösungsmenge dieser Gleichung lautet somit L = {2} .

Im Moment könnte man meinen, dass es ausreichend ist zu prüfen, ob ein ermittelter Wert in der Definitionsmenge liegt, damit er tatsächlich eine Lösung der gegebenen Wurzelgleichung ist. Wie das folgende Beispiel zeigt, ist aber das Überprüfen durch Einsetzen der erhaltenen Werte in die Gleichung unerlässlich. Auch wenn ein ermittelter Wert in der Definitionsmenge liegt, muss er trotzdem keine Lösung sein. Beispiel 3.44 Gesucht sind die Lösungen der Gleichung √

x+4+



√ x + 2 = 2 x.

(3.153)

3.3 Lösung nichtlinearer Gleichungen

245

Wir bestimmen wieder zuerst die Definitionsmenge der gegebenen Gleichung. Da wir nur von nicht negativen reellen Zahlen die Quadratwurzel berechnen können, muss x + 4 ≥ 0 ⇔ x ≥ −4 ⇔ x ∈ [−4, ∞) , x + 2 ≥ 0 ⇔ x ≥ −2 ⇔ x ∈ [−2, ∞) , x≥0

⇔ x ∈ [0, ∞)

gelten. d. h. die Definitionsmenge ist die Menge D = [−4, ∞) ∩ [−2, ∞) ∩ [0, ∞) = [0, ∞) . Da beide Seiten der gegebenen Gleichung einen Wurzelausdruck enthalten, können wir die Umformungen dieser Gleichung sofort mit dem Quadrieren der beiden Seiten der Gleichung beginnen. Wir erhalten unter Anwendung der 1. binomischen Formel √ √ √ (a + b)2 = a2 + 2ab + b2 und des Wurzelgesetzes a b = ab √ √ √ ( x + 4 + x + 2)2 = (2 x)2 √ √ √ √ √ ⇔ ( x + 4)2 + 2 x + 4 x + 2 + ( x + 2)2 = 22 ( x)2  ⇔ x + 4 + 2 (x + 4)(x + 2) + x + 2 = 4x √ ⇔ 2x + 6 + 2 x2 + 2x + 4x + 8 = 4x √ ⇔ 2 x2 + 6x + 8 = 2x − 6 √ ⇔ x2 + 6x + 8 = x − 3 . Nochmaliges Quadrieren ergibt die Gleichung √ ( x2 + 6x + 8)2 = (x − 3)2 ⇔ x2 + 6x + 8 = x2 − 6x + 9 ⇔ 12x = 1 ⇔ x=

1 . 12

1 in der Definitionsmenge D = [0, ∞) liegt, kann dieser Wert eine Lösung Da x = 12 der gegebenen Wurzelgleichung (3.153) sein. Wir überprüfen, ob dies tatsächlich eine 1 in diese Gleichung ein: Lösung ist. Dazu setzen wir für x den Wert 12



     1 1 1 49 25 ? 1 ? +4+ +2=2· ⇔ + =2· 12 12 12 12 12 12      1 1 ? 1 1 1 +5· ⇔ 12 · = 2 · . =2· ⇔ 7· 12 12 12 12 12

246

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

1 Folglich ist x = 12 keine Lösung der gegebenen Gleichung, d. h. die Gleichung besitzt gar keine Lösung. Als Lösungsmenge erhalten wir also die leere Menge

L = ∅. 1 in der Definitionsmenge liegt, ist er dennoch, Obwohl der ermittelte Wert x = 12 wie die oben durchgeführte Rechnung zeigt, keine Lösung der gegebenen Gleichung. Folglich ist das Nachrechnen, ob ein ermittelter Wert tatsächlich eine Lösung der gegebenen Wurzelgleichung ist, unerlässlich. Es reicht nicht aus nur zu prüfen, ob ein ermittelter Wert in der Definitionsmenge liegt.

3.3.3

Lösen von Gleichungen mit Exponential- und Logarithmenausdrücken

Zuerst betrachten wir die Lösung von Gleichungen, welche nur einen Exponentialausdruck enthalten. Gesucht sind die Lösungen der Gleichung 0 = c1 af (x) + c2 ,

(3.154)

wobei a eine positive reelle Zahl mit a = 1 ist sowie c1 und c2 reelle Konstanten mit c1 = 0 und c1 c2 < 0 sind. f (x) ist eine gegebene Funktion. Algorithmus 3.6 (Gleichung mit einem Exponentialausdruck) 1. Subtrahiere von beiden Seiten der Gleichung (3.154) den Term c2 und dividiere anschließend beide Seiten der Gleichung durch c1 : af (x) = −

c2 . c1

(3.155)

2. Bilde von beiden Seiten der Gleichung (3.155) den Logarithmus zur Basis a:   c2 f (x) = loga − . loga a c1 Aufgrund der Logarithmengesetze loga br = r loga b und loga a = 1 (siehe (1.96) und (1.91) im Abschnitt 1.7) ergibt sich daraus die Gleichung   c2 . (3.156) f (x) = loga − c1

3.3 Lösung nichtlinearer Gleichungen

247

3. Löse die Gleichung (3.156). 4. Die Lösungen der Gleichung (3.156) sind auch die Lösungen der Gleichung (3.154).

Bemerkung 3.24

 Falls a = e gilt und beispielsweise ein Taschenrechner zur Berechnung von loga − cc21 genutzt werden soll, dann müssen wir den Logarithmenausdruck mit Hilfe der Formel (1.98) umrechnen, d. h.     ln − c2 c2 c1 loga − . = c1 ln a Beispiel 3.45 Die Spannung U an einem Kondensator mit der Kapazität C in einem Stromkreis mit einem Ohmschen Widerstand R (siehe Abbildung 3.32 im Beispiel 3.29 im Abschnitt 3.2.4) wird beim Laden durch die Funktion U (t) = U0 (1 − e−t/(RC) )

(3.157)

beschrieben. Dabei bezeichnet U0 die angelegte Ladespannung, R den Ohmschen Widerstand und C die Kapazität des Kondensators (siehe auch Beispiel 3.29). Nach welcher Zeit ist die Spannung am Kondensator gleich der Hälfte der angelegten Spannung U0 ? Zur Beantwortung dieser Frage betrachten wir die Gleichung U0 = U0 (1 − e−t/(RC) ) . (3.158) 2 Diese Gleichung können wir nach Division durch U0 in der äquivalenten Form 1 1 = 1 − e−t/(RC) ⇔ 0 = −e−t/(RC) + 2 2 aufschreiben. Die letzte Gleichung ist also von der Gestalt (3.154) mit a = e, c1 = −1, t (im Unterschied zur Gleichung (3.154) haben wir jetzt die c2 = 12 und f (t) = − RC Variable nicht mit x sondern mit t bezeichnet). Wir subtrahieren von beiden Seiten der Gleichung 12 und dividieren anschließend beide Seiten der Gleichung durch (−1). Damit erhalten wir 1 = −e−t/(RC) ⇔ 2 Nun bilden wir von beiden Seiten d. h. den Logarithmus mit der Basis −

1 1 = e−t/(RC) ⇔ e−t/(RC) = . 2 2 dieser Gleichung den natürlichen Logarithmus, e:

ln(e−t/(RC) ) = ln

1 . 2

248

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Die Anwendung der Logarithmengesetze loga br = r loga b und loga a = 1, d. h. ln e = 1, liefert 1 t 1 t ln e = ln ⇔ − = ln . − RC 2 RC 2 Multiplizieren wir noch beide Seiten der letzten Gleichung mit (−RC), so ergibt sich t = −RC ln

1 . 2

Dies ist die Lösung der Gleichung (3.158). Diese Lösung können wir mittels der beiden Logarithmengesetze loga dc = loga c − loga d und loga 1 = 0 (siehe Beziehungen (1.95) und (1.90)) weiter vereinfachen: t = −RC ln

1 ⇔ t = −RC(ln 1 − ln 2) ⇔ t = −RC(0 − ln 2) ⇔ t = RC ln 2 . 2

Nach der Zeit t = RC ln 2 beträgt die Spannung am Kondensator die Hälfte der angelegten Ladespannung. Hätten wir die Umkehrfunktion der Funktion U (t) aus (3.157) gekannt, dann hätten wir damit die zu ermittelnde Zeit berechnen können. Analog zum Beispiel 3.28, insbesondere Teil g), aus dem Abschnitt 3.2.4 ergibt sich die Umkehrfunktion   U t = −RC ln 1 − . U0 (Wir haben bei der Umkehrfunktion die Bezeichnungen der Variablen t und U nicht vertauscht, damit weiterhin die physikalische Bedeutung der Variablen erkennbar ist.) Mit U = U20 erhalten wir dann

' t = −RC ln

U0 1− 2

(

U0

= −RC ln 2−1

  1 1 = −RC ln 1 − = −RC ln 2 2 = −RC · (−1) ln 2

= RC ln 2 ,

d. h. ebenfalls die gesuchte Zeit. Wir betrachten nun Gleichungen, in welchen mehrere Exponentialausdrücke vorkommen. Gesucht sind die Lösungen der Gleichung f (x)

a11

f (x)

= a22

,

(3.159)

wobei sich a2 als Potenz von a1 darstellen lässt, d. h. a2 = ar1 , und a1 > 0, a1 = 1 gilt.

3.3 Lösung nichtlinearer Gleichungen

249

Algorithmus 3.7 (Gleichung mit zwei Exponentialausdrücken) 1. Schreibe die Gleichung (3.159) in der Form f (x)

a11

= (ar1 )f2 (x) .

2. Überführe mittels des Potenzgesetzes (ar )s = ars (siehe (1.45) im Abschnitt 1.5) die obige Gleichung in die Gleichung f (x)

a11

rf2 (x)

= a1

,

woraus sich die f1 (x) = rf2 (x)

(3.160)

ergibt. 3. Bestimme die Lösungsmenge der Gleichung (3.160). 4. Die Lösungen der Gleichung (3.160) sind auch die Lösungen der gegebenen Gleichung (3.159).

Beispiel 3.46 Gesucht sind die Lösungen der Gleichung 4−x+3 = 22x

2

+2

.

(3.161)

Wegen 4 = 22 können wir diese Gleichung auch in der Form (22 )−x+3 = 22x

2

+2

schreiben. Mittels des Potenzgesetzes (ar )s = ars ergibt sich daraus 22·(−x+3) = 22x

2

+2

⇔ 2−2x+6 = 22x

2

+2

.

Diese Gleichung ist erfüllt, wenn die Exponenten auf beiden Seiten der Gleichung gleich sind, d. h. wenn −2x + 6 = 2x2 + 2 ⇔ 0 = 2x2 + 2x − 4 ⇔ 0 = x2 + x − 2 gilt. Diese quadratische Gleichung können wir mittels der Lösungsformel für quadratische Gleichungen (siehe (3.4) mit p = 1 und q = −2) lösen. Wir erhalten     1 1 3 1 1 1 2 1 9 x1,2 = − ± +2=− ± =− ± , − (−2) = − ± 2 2 2 4 2 4 2 2

250

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

d. h.

1 3 1 3 x1 = − + = 1 und x2 = − − = −2 . 2 2 2 2 Wir überprüfen noch, ob x1 = 1 und x2 = −2 tatsächlich Lösungen der gegebenen Gleichung sind: 2 ? ? 4−1+3 = 22·1 +2 ⇔ 42 = 24 ⇔ 16 = 16 und 4−(−2)+3 = 22·(−2) ?

2

+2

?

⇔ 45 = 210 ⇔ 1024 = 1024 .

Da x1 = 1 und x2 = −2 die gegebene Gleichung erfüllen, sind beide Lösungen der gegebenen Gleichung. Die Lösungsmenge der Gleichung (3.161) ist somit L = {−2, 1} . Wir betrachten noch einen weiteren Typ von Gleichungen mit Exponentialausdrücken. Gesucht sind die Lösungen der Gleichung a2x + b · ax+c + d = 0

(3.162)

mit der positiven reellen Basis a, a = 1, sowie reellen Konstanten b, c und d. Algorithmus 3.8 (Quadratische Gleichung mit Exponentialausdrücken) 1. Schreibe unter Nutzung der beiden Potenzgesetze ak+ = ak · a und ak· = a·k = (a )k (siehe (1.41) und (1.45) im Abschnitt 1.5) die Gleichung (3.162) in die äquivalente Form 0 = a2x + b · ac · ax + d ⇔ 0 = (ax )2 + ac b · ax + d um. 2. Ersetze ax durch die neue Variable z. Damit ergibt sich die quadratische Gleichung 0 = z 2 + ac bz + d = 0 . (3.163) 3. Bestimme die Lösungen dieser quadratischen Gleichung mittels der Lösungsformel (3.4). Falls die quadratische Gleichung (3.163) keine reellen Lösungen besitzt, dann ist die Lösungsmenge der Gleichung (3.162) die leere Menge, andernfalls gehe zu 4. 4. Seien z1 und z2 die Lösungen der quadratischen Gleichung (3.163). Wegen a > 0 gilt z = ax > 0. Deshalb entfallen für die weiteren Betrachtungen die nichtpositiven Lösungen der quadratischen Gleichung. Führe mit den positiven

3.3 Lösung nichtlinearer Gleichungen

251

reellen Lösungen zi , i ∈ {1, 2}, eine Rücksubstitution durch, d. h. ermittle die Lösungen xi der Gleichung (3.162) aus der Substitutionsgleichung axi = zi durch Bildung des Logarithmus zur Basis a. Damit ergeben sich xi = loga zi als Lösungen der Gleichung (3.162).

Beispiel 3.47 Gesucht sind die Lösungen der Gleichung 0 = 32x − 2 · 3x+2 − 319 .

(3.164)

Zuerst schreiben wir diese Gleichung unter Nutzung der Potenzgesetze ak+ = ak · a und ak· = a·k = (a )k (siehe (1.41) und (1.45) im Abschnitt 1.5) in der äquivalenten Form 0 = 32x − 2 · 3x · 32 − 319 ⇔ 0 = (3x )2 − 18 · 3x − 319 auf. In der letzten Gleichung ersetzen wir den Term 3x durch die neue Variable z, d. h. wir substituieren 3x = z . Dies ergibt die quadratische Gleichung 0 = z 2 − 18z − 319 . Die Lösungen dieser Gleichung berechnen wir mittels der Lösungsformel (3.4) mit p = −18 und q = −319. Wir erhalten  2 √ √ (−18) (−18) ± − (−319) = 9 ± 81 + 319 = 9 ± 400 = 9 ± 20 z1,2 = − 2 2 und damit z1 = 9 + 20 = 29 , z2 = 9 − 20 = −11 . Da 3x für beliebiges x positiv ist, muss z = 3x > 0 gelten. Folglich entfällt für die weiteren Betrachtungen die negative Lösung z2 = −11. Mit der positiven Lösung z1 = 29 führen wir eine Rücksubstitution durch. Aus 3x = 29

252

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

ergibt sich nach Bildung des Logarithmus zur Basis a = 3 auf beiden Seiten dieser Beziehung log3 3x = log3 29 . Mittels der Logarithmengesetze loga br = r loga b und loga a = 1 (siehe (1.96) und (1.91) im Abschnitt 1.7) folgt daraus x log3 3 = log3 29 ⇔ x = log3 29 . Die Lösungsmenge der Gleichung (3.164) ist also L = {log3 29} . Wir führen noch eine Probe durch. Es gilt unter Nutzung des Logarithmengesetzes r loga b = loga br , des Potenzgesetzes ak+ = ak · a und des Logarithmengesetzes aloga c = c 2

32·log3 29 − 2 · 3log3 29+2 − 319 = 3log3 29 − 2 · 3log3 29 · 32 − 319 = 292 − 2 · 29 · 9 − 319 = 0, d. h. die ermittelte Lösung erfüllt tatsächlich die gegebene Gleichung. Nun könnten wir noch an einem Näherungswert für log3 29 interessiert sein. Mit Hilfe des Taschenrechners wird sich dieser nicht unmittelbar berechnen lassen. Deshalb nutzen wir die Formel (1.98) mit b = 3, c = 29 und a = e. Wir erhalten log3 29 =

loge 29 ln 29 = ≈ 3.0650 . loge 3 ln 3

Im Folgenden betrachten wir Gleichungen, welche Logarithmenausdrücke enthalten. Gesucht sind die Lösungen der Gleichung loga f (x) = c ,

(3.165)

wobei f (x) eine gegebene positive Funktion, a eine positive reelle Zahl mit a = 1 und c eine vorgegebene reelle Konstante ist. Algorithmus 3.9 (Gleichung mit einem Logarithmenausdruck) 1. Schreibe gemäß der Definition des Logarithmus (siehe Definition 1.6 im Abschnitt 1.7) die Gleichung (3.165) in der Form ac = f (x) .

(3.166)

3.3 Lösung nichtlinearer Gleichungen

253

2. Bestimme die Lösungsmenge der Gleichung (3.166). 3. Die Lösungen der Gleichung (3.166) sind auch die Lösungen der Gleichung (3.165).

Beispiel 3.48 Wie hoch muss der jährliche Zinssatz sein, wenn ein fest angelegter Geldbetrag sich nach 30 Jahren um die Hälfte erhöht haben soll und die jährlich anfallenden Zinsen nicht vom Konto abgehoben werden? Nach 30 Jahren soll also der Kontostand das 1.5fache des fest angelegten Geldbetrages sein. Wir führen die folgenden Überlegungen durch. Wenn ein Geldinsitut für eine Geldanlage einen jährlichen Zinssatz p (in %) anbietet und die Zinsen immer wieder mit verzinst werden, dann gilt Folgendes. Sei K0 der Geldbetrag, welcher angelegt wird. Dann hat man nach einem Jahr einen Geldbetrag von  p p  K1 = K0 + K0 · = K0 · 1 + 100% 100% auf seinem Konto und nach zwei Jahren einen Geldbetrag von   p p  p 2 = K1 · 1 + K2 = K1 + K1 · = K0 · 1 + . 100% 100% 100% Auf analoge Weise erhält man, dass der Kontostand nach  Jahren  p  K = K0 · 1 + 100% ist. Wenn sich nach  = 30 Jahren der einmalig angelegte Geldbetrag K0 um die Hälfte erhöht haben soll, dann lautet diese Gleichungmit K = 1.5 · K0   p 30 p 30 1.5 · K0 = K0 · 1 + ⇔ 1.5 = 1 + . (3.167) 100% 100% Bilden wir auf beiden Seiten dieser Gleichung beispielsweise den natürlichen Logarithmus, dann ergibt sich unter Nutzung des Logarithmengesetzes ln ar = r ln a   p 30 p  ln 1.5 = ln 1 + ⇔ ln 1.5 = 30 · ln 1 + 100% 100% (3.168)   p ln 1.5 . ⇔ ln 1 + = 100% 30 p Die letzte Gleichung ist eine Gleichung vom Typ (3.165) mit a = e, f (p) = 1 + 100% (wir haben jetzt anstelle der Bezeichnung x für die Variable die Bezeichnung p) und c = ln 1.5 30 . Wir schreiben die letzte Gleichung in (3.168) unter Nutzung der Definition 1.6 des Logarithmus in der Form p 1+ = e(ln 1.5)/30 100%

254

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

und erhalten daraus

 p = e(ln 1.5)/30 − 1 · 100% ≈ 1.36% . Bei einer jährlichen Verzinsung mit rund 1.36% besitzt man also nach 30 Jahren das 1.5fache eines einmalig angelegten Geldbetrages. Eine andere Möglichkeit p aus der Gleichung (3.167) zu ermitteln, ist die folgende:  √ √ p p 30 p 30 30 1.5 = 1 + ⇔ = ⇔ 1.5 = 1 + 1.5 − 1 100% 100% 100% √

30  ⇔ p= 1.5 − 1 · 100% ⇔ p ≈ 1.36% .

Wir diskutieren noch die Lösung von Gleichungen, welche mehr als zwei Logarithmenausdrücke enthalten. Gesucht sind die Lösungen der Gleichung loga f1 (x) + loga f2 (x) = c ,

(3.169)

wobei f1 (x), f2 (x) gegebene positive Funktionen sind sowie a eine positive reelle Zahl mit a = 1 und c eine gegebene reelle Zahl sind. Algorithmus 3.10 (Gleichung mit zwei Logarithmenausdrücken) 1. Schreibe mittels des Logarithmengesetzes loga b1 + loga b2 = loga (b1 · b2 ) (siehe (1.94) im Abschnitt 1.7) die Gleichung (3.169) in der Form loga (f1 (x) · f2 (x)) = c .

(3.170)

2. Schreibe die Gleichung (3.170) gemäß der Definition des Logarithmus (siehe Definition 1.6 im Abschnitt 1.7) als f1 (x) · f2 (x) = ac .

(3.171)

3. Bestimme die Lösungsmenge der Gleichung (3.171). 4. Nur die Lösungen der Gleichung (3.171), für welche die Funktionswerte f1 (x) und f2 (x) positiv sind, sind auch die Lösungen der Gleichung (3.170).

Bemerkung 3.25 Ist anstelle der Gleichung (3.169) eine Gleichung der Gestalt loga f1 (x) − loga f2 (x) = c

3.3 Lösung nichtlinearer Gleichungen

255

zu lösen, dann formen wir diese mittels des Logarithmengesetzes loga b1 − loga b2 = loga bb12 (siehe (1.95)) um. Wir erhalten die Gleichung loga

f1 (x) = c. f2 (x)

Die weiteren Lösungsschritte sind analog wie im Algorithmus 3.10. Beispiel 3.49 Gesucht sind die Lösungen der Gleichung

 45  = 2. lg(x + 15) + lg x − 2

(3.172)

Mittels des Logarithmengesetzes loga b1 + loga b2 = loga (b1 · b2 ) schreiben wir diese Gleichung in der Form    675  45  45 lg (x + 15) · x − x + 15x − = 2 ⇔ lg x2 − =2 2 2 2  675  15 x− = 2. ⇔ lg x2 − 2 2 Da lg den Logarithmus mit der Basis a = 10 bezeichnet, erhalten wir gemäß der Definition des Logarithmus aus dieser Gleichung die Beziehung 675 15 x− = 102 , 2 2

x2 − d. h. die quadratische Gleichung x2 −

675 875 15 15 x− − 102 = 0 ⇔ x2 − x− = 0. 2 2 2 2

Mittels der Lösungsformel für quadratische Gleichungen (3.4) ergibt sich mit p = − 15 2 und q = − 875 2

   15  2   − 15 − 2 225 875 · 8 875 15 2 ± ± + = − − − = 2 4 2 4 16 16  7225 15 15 85 = ± = ± , 4 16 4 4

x1,2

d. h. x1 =

100 15 85 + = = 25 4 4 4

und

x2 =

70 35 15 85 − =− =− . 4 4 4 2

Für x2 ist x2 + 15 = −

5 35 + 15 = − < 0 2 2

und

x2 −

35 45 80 45 =− − =− = −40 < 0 . 2 2 2 2

256

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Da der Logarithmus aber nur für positive reelle Zahlen definiert ist, sind beide Logarithmenterme in der zu lösenden Gleichung (3.172) für x2 nicht definiert. Somit kann x2 keine Lösung der Gleichung (3.172) sein. Für x1 = 25 sind sowohl x1 + 15 = 40 als 5 auch x1 − 45 2 = 2 positiv. Folglich ist x1 = 25 Lösung der gegebenen Gleichung. Wir führen auch noch eine Probe durch. Es gilt   45  5 5 = lg 40 · = lg 40 + lg = lg 100 lg(25 + 15) + lg 25 − 2 2 2 = lg 102

= 2 · lg 10

= 2 · 1 = 2,

d. h. x1 = 25 ist tatsächlich Lösung der Gleichung (3.172). Die Lösungsmenge dieser Gleichung ist also L = {25} .

3.3.4

Lösen goniometrischer Gleichungen

Gleichungen, welche Terme mit trigonometrischen Funktionen enthalten, nennt man goniometrische Gleichungen. Zuerst diskutieren wir die Bestimmung der Lösungen von Gleichungen der Form sin x = c , cos x = c , tan x = c , cot x = c mit einer gegebenen reellen Konstanten c. Da die Sinus-Funktion als Wertebereich das Intervall [−1, 1] hat, besitzt die Gleichung sin x = c (3.173) nur für c ∈ [−1, 1] Lösungen. Bei der Berechnung der Lösungen dieser Gleichung nutzen wir zunächst die Arkussinus-Funktion. Damit erhalten wir  π π x = arcsin c mit x ∈ − , . 2 2 Wegen sin(π − x) = sin x (siehe Additionstheorem (3.42) im Abschnitt 3.2.6), gilt sin(π − arcsin c) = sin(arcsin c) = c , Folglich ist x = π − arcsin c eine weitere Lösung der Gleichung sin x = c. Da die Sinus-Funktion außerdem 2πperiodisch ist, d. h. da sin(x + 2kπ) = sin x mit k ∈ Z gilt, sind auch x = arcsin c + 2kπ

und

x = π − arcsin c + 2kπ , k ∈ Z ,

3.3 Lösung nichtlinearer Gleichungen

257

Lösungen der Gleichung (3.173). Damit haben wir folgendes erhalten: Die Gleichung sin x = c

mit gegebenem c ∈ [−1, 1]

hat die Lösungsmenge L = {x ∈ R | x = arcsin c + 2kπ oder x = π − arcsin c + 2kπ mit k ∈ Z} . (3.174) Wir demonstrieren unsere obigen Überlegungen noch anhand der Abbildung 3.57.

r

y 1 c

b

−π −2π arcsin c − 2π π − arcsin c − 2π

6

r

b

r

b -

2π 3π x arcsin c + 2π π − arcsin c + 2π

π −1

arcsin c π − arcsin c

Abb. 3.57 Veranschaulichung der Lösungen der Gleichung sin x = c

Analoge Überlegungen wie bei der Lösung der Gleichung sin x = c führen auf die folgenden Aussagen: Die Gleichung cos x = c

mit gegebenem c ∈ [−1, 1]

hat die Lösungsmenge (siehe auch Abbildung 3.58) L = {x ∈ R | x = arccos c + 2kπ oder x = − arccos c + 2kπ mit k ∈ Z} . (3.175)

b

y 1 b c

r

−2π arccos c − 2π − arccos c − 2π

6

r

b

r -

−π

π − arccos c −1

arccos c

2π arccos c + 2π − arccos c + 2π

Abb. 3.58 Veranschaulichung der Lösungen der Gleichung cos x = c



x

258

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Die Gleichung tan x = c

mit gegebenem c ∈ R

hat die Lösungsmenge L = {x ∈ R | x = arctan c + kπ mit k ∈ Z} . Die Lösungsmenge der Gleichung cot x = c

mit gegebenem c ∈ R

ist L = {x ∈ R | x = arccot c + kπ , k ∈ Z}    π  = x ∈ R  x = − arctan c + kπ , k ∈ Z 2 (siehe auch Abbildung 3.59).

y

(a)

s

y = tan x

6

s

c

(b)

s

s

s

1 3 −π − π 2 arctan c − π

y

6

c

s

y = cot x

s

1

-x 0

1 π 2

arctan c

π

3 π 2

arctan c + π

−2π

−π 3 1 − π − π 2 2

-x 0

arccot c − 2π arccot c − π

1 π 2 arccot c

π

3 π 2

arccot c + π

Abb. 3.59 Veranschaulichung der Lösungsmenge der Gleichungen (a) tan x = c und (b) cot x = c

Beispiel 3.50 Gesucht sind die Lösungen der Gleichung sin x = 0.75 .

3.3 Lösung nichtlinearer Gleichungen

259

Wir erhalten zum Beispiel unter Nutzung der Taschenrechner-Funktion sin−1 , d. h. mittels der Arkussinus-Funktion, x = arcsin 0.75 ≈ 0.84806 ≈ 48.59◦ und somit die Lösungsmenge (siehe (3.174)) L = {x ∈ R | x = 0.84806 + 2kπ oder x = π − 0.84806 + 2kπ mit k ∈ Z} = {x ∈ R | x = 0.84806 + 2kπ oder x = 2.29353 + 2kπ mit k ∈ Z} oder in äquivalenter Schreibweise L = {. . . , 48.59◦ − 2 · 360◦ , 48.59◦ − 360◦ , 48.59◦ , 48.59◦ + 360◦ , 48.59◦ + 2 · 360◦ , . . . , 180◦ − 48.59◦ − 2 · 360◦ , 180◦ − 48.59◦ − 360◦ , 180◦ − 48.59◦ , 180◦ − 48.59◦ + 360◦ , 180◦ − 48.59◦ + 2 · 360◦ , . . .} = {. . . , −671.41◦ , −311.41◦ , 48.59◦ , 408.59◦ , 768.59◦ , . . . , − 588.59◦ , −228.59◦ , 131.41◦ , 491.41◦ , 851.41◦ , . . .} . Beispiel 3.51 Gesucht sind die Winkel β und γ sowie die Seite c aller Dreiecke, bei denen der Winkel α gleich 30◦ , die diesem Winkel gegenüberliegende Seite a gleich 4 m und die Seite b gleich 6 m ist (siehe Abbildung 3.60 bezüglich der Bezeichnungen der Seiten und Winkel der Dreiecke). C γ b

A

a

α

β c

B

Abb. 3.60 Dreieck mit Bezeichnungen

Gemäß des Sinussatzes der ebenen Trigonometrie (siehe Merzinger et al. [2018], Gruber und Joeckel [2020], Jung [2021a]) gilt a b = sin α sin β

⇔ sin β =

b sin α . a

Mit den gegebenen Werten für α, a und b erhalten wir sin β =

6m 6 1 · sin 30◦ = · = 0.75 . 4m 4 2

260

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Für diese Gleichung haben wir im Beispiel 3.50 bereits die Lösungsmenge ermittelt, nämlich L = {. . . , −671.41◦ , −311.41◦ , 48.59◦ , 408.59◦ , 768.59◦ , . . . , − 588.59◦ , −228.59◦ , 131.41◦ , 491.41◦ , 851.41◦ , . . .} . Nicht alle Lösungen aus dieser Lösungsmenge sind auch Lösungen für unsere jetzt gestellte Aufgabe. Wir wissen, dass in einem ebenen Dreieck jeder Innenwinkel einen Wert zwischen 0◦ und 180◦ hat und dass der größeren Dreiecksseite stets der größere Winkel gegenüberliegt Aus der obigen Lösungsmenge liegen nur die beiden Winkel β1 ≈ 48.59◦

und

β2 ≈ 131.41◦

im Intervall (0◦ , 180◦ ). Wegen b > a muss β > α gelten. Dies ist sowohl für β1 als auch für β2 der Fall, denn β1 ≈ 48.59◦ > α = 30◦

und

β2 ≈ 131.41◦ > α = 30◦ .

Es gibt also zwei ebene Dreiecke mit dem Winkel α = 30◦ und den beiden Seiten a = 4 m, b = 6 m. Wir bestimmen für diese beiden Dreiecke noch den dritten Winkel und die dritte Seite. Da die Winkelsumme in einem ebenen Dreieck 180◦ beträgt, erhalten wir γ1 = 180◦ − α − β1 ≈ 180◦ − 30◦ − 48.59◦

= 101.41◦ ,

γ2 = 180◦ − α − β2 ≈ 180◦ − 30◦ − 131.41◦ =

18.59◦ .

Bei der Berechnung der dritten Seite wenden wir den Kosinussatz der ebenen Trigonometrie an (siehe Merzinger et al. [2018], Gruber und Joeckel [2020], Jung [2021a]), d. h.  a2 + b2 − 2ab cos γ1 c1 =  ≈ (4 m)2 + (6 m)2 − 2 · 4 m · 6 m · cos 101.41◦ ≈ 7.84 m und

 a2 + b2 − 2ab cos γ2  ≈ (4 m)2 + (6 m)2 − 2 · 4 m · 6 m · cos 18.59◦

c2 =

≈ 2.55 m . Die beiden Dreiecke mit den Seiten und Winkeln a = 4 m, b = 6 m, c ≈ 7.84 m

und

α = 30◦ , β ≈ 48.59◦ , γ ≈ 101.41◦

3.3 Lösung nichtlinearer Gleichungen

261

bzw. a = 4 m, b = 6 m, c ≈ 2.55 m

und

α = 30◦ , β ≈ 131.41◦ , γ ≈ 18.59◦

haben die gegebenen zwei Seiten a und b sowie den gegebenen Innenwinkel α. Im Folgenden diskutieren wir Lösungsmöglichkeiten für Gleichungen, welche mehr als einen Term mit einer trigonometrischen Funktion enthalten. Dabei betrachten wir drei verschiedene Typen derartiger Gleichungen und demonstrieren die Lösungsstrategie jeweils anhand eines Beispiels. • Gegeben sei eine Gleichung, welche verschiedene Terme mit jeweils der gleichen trigonometrischen Funktion und dem gleichen Argument in der trigonometrischen Funktion enthält. Grundidee zur Lösung einer derartigen Gleichung: Ersetze den Ausdruck mit der trigonometrischen Funktion durch eine neue Variable. Damit kann man gegebenenfalls eine Polynom- oder Wurzelgleichung erhalten.

Beispiel 3.52 Gesucht sind die Lösungen der Gleichung 2 cos2 x − 3 cos x + 1 = 0 .

(3.176)

Zuerst bestimmen wir die Definitionsmenge dieser Gleichung, d. h. die Menge aller reellen Zahlen x, für welche alle Terme in der obigen Gleichung berechenbar sind. Da die Kosinus-Funktion den Definitionsbereich Df = R hat, können alle Terme in der obigen Gleichung für alle x ∈ R berechnet werden. Somit ist D = R die Definitionsmenge der gegebenen Gleichung. Um besser zu erkennen, wie wir die Lösungsmenge der gegebenen Gleichung ermitteln können, schreiben wir die Gleichung zunächst in einer etwas anderen Form auf: 2(cos x)2 − 3 cos x + 1 = 0 . Hier erkennen wir sofort, dass dies eine quadratische Gleichung in cos x ist. Wir ersetzen den Funktionsausdruck cos x durch die neue Variable z, d. h. wir substituieren cos x = z. Dies ergibt die quadratische Gleichung 2z 2 − 3z + 1 = 0 ⇔ z 2 −

1 3 z + = 0. 2 2

262

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Die Lösungen dieser Gleichung berechnen wir mittels der Lösungsformel für quadratische Gleichungen (3.4) mit p = − 32 und q = 12 . Wir erhalten  

3   3   2 −2 −2 9 1 3 1 3 3 1 1 ± − = ± = ± z1,2 = − − = ± 2 2 2 4 16 2 4 16 4 4 und somit

1 3 1 3 1 + = 1 und z2 = − = . 4 4 4 4 2 Wir führen nun die Rücksubstitution durch, denn wir sind an Lösungswerten bezüglich der Variablen x interessiert. Aus der Substitutionsgleichung cos x = z ergibt sich 1 cos x1 = z1 = 1 bzw. cos x2 = z2 = . 2 Diese beiden Beziehungen sind Gleichungen der Form cos x = c. Die Gleichung cos x1 = z1 = 1 hat gemäß (3.175) die Lösungsmenge ) * L1 = x ∈ R | x = arccos 1 + 2kπ oder x = − arccos 1 + 2kπ mit k ∈ Z ) * = x ∈ R | x = 0 + 2kπ oder x = −0 + 2kπ mit k ∈ Z z1 =

= {x ∈ R | x = 2kπ mit k ∈ Z} und die Gleichung cos x2 = z2 = 12 die Lösungsmenge  + ,  1 1  L2 = x ∈ R  x = arccos + 2kπ oder x = − arccos + 2kπ mit k ∈ Z 2 2  + ,  π π = x ∈ R  x = + 2kπ oder x = − + 2kπ mit k ∈ Z . 3 3 Alle Elemente der beiden Mengen L1 und L2 liegen in der Definitionsmenge D = R der gegebenen Gleichung, so dass sie Lösungen der Gleichung (3.176) sein können. Wir überprüfen, ob sie tatsächlich Lösungen der gegebenen Gleichung sind. Aufgrund dessen, dass die Kosinus-Funktion 2π-periodisch ist, ist es ausreichend, die Probe nur für x = 0, x = π3 und x = − π3 durchzuführen: 2 cos2 0 − 3 cos 0 + 1

= 2 · 12 − 3 · 1 + 1 = 0,   π 1 2 π 1 = 2· − 3 · + 1 = 0, 2 cos2 − 3 cos + 1 3 3 2 2  π  π  1 2 1 2 cos2 − − 3 cos − +1 = 2· − 3 · + 1 = 0. 3 3 2 2 Die Elemente der Mengen L1 und L2 erfüllen also die gegebene Gleichung. Die Lösungsmenge der Gleichung (3.176) ergibt sich somit aus der Vereinigung der beiden Teillösungsmengen L1 und L2 :  + ,  π π  L = L1 ∪L2 = x ∈ R  x = − +2kπ oder x = +2kπ oder x = 2kπ mit k ∈ Z . 3 3

3.3 Lösung nichtlinearer Gleichungen

263

Beispiel 3.53 Beim Kartennetzentwurf Eckert V zur Abbildung der Erdkugel auf eine ebene Karte (siehe Abbildung 3.61) werden zwei Breitenkreise längentreu abgebildet. Längentreu bedeutet, dass die Länge dieser Breitenkreise im Kartenbild und die Länge dieser Breitenkreise auf der Erdkugel gleich sind. Natürlich wird z. B. in einem Atlas das Kartenbild entsprechend eines dem Papierformat angepassten Maßstabes dann vekleinert dargestellt. Zur Bestimmung dieser Breitenkreise muss man die goniometrische Gleichung (1 + cos ϕ)2 = (2 + π) cos2 ϕ lösen. Wir formen zunächst diese Gleichung etwas um. Es gilt (1 + cos ϕ)2 = (2 + π) cos2 ϕ ⇔ 1 + 2 cos ϕ + cos2 ϕ = (2 + π) cos2 ϕ ⇔ 0 = (2 + π) cos2 ϕ − cos2 ϕ − 2 cos ϕ − 1 ⇔ 0 = (2 + π − 1) cos2 ϕ − 2 cos ϕ − 1 ⇔ 0 = (1 + π) cos2 ϕ − 2 cos ϕ − 1 . Dies ist eine quadratische Gleichung in cos ϕ. Wenn wir cos ϕ durch eine neue Variable z ersetzen, d. h. wenn wir in der obigen Gleichung cos ϕ = z setzen, erhalten wir daraus die quadratische Gleichung 0 = (1 + π)z 2 − 2z − 1 ⇔ 0 = z 2 −

1 2 z− . 1+π 1+π

Diese Gleichung hat die beiden Lösungen   1 2 1 1 1 1 1+π z1,2 = ± = ± + + 1+π 1+π 1+π 1+π (1 + π)2 (1 + π)2  √ 2+π 2+π 1 1 ± ± , = = 1+π (1 + π)2 1+π 1+π d. h.

√ 1+ 2+π ≈ 0.7889 > 0 z1 = 1+π

√ 1− 2+π ≈ −0.3060 < 0 . z2 = 1+π " π π# Da für einen Breitenkreis ϕ ∈ − 2 , 2 = [−90◦ , 90◦ ] ist, gilt cos ϕ ≥ 0. Aufgrund der Substitution z = cos ϕ, muss somit z ≥ 0 sein. Folglich entfällt für die weiteren Betrachtungen die Lösung z2 . Die Gleichung √ 1+ 2+π ≈ 0.7889 cos ϕ = z1 = 1+π und

264

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

für die Rücksubstitution hat die Lösungsmenge (siehe (3.175))  √ +  1+ 2+π  L = ϕ ∈ R  ϕ = arccos + 2kπ 1+π √ , 1+ 2+π oder ϕ = − arccos + 2kπ mit k ∈ Z . 1+π " # Weil für Breitenkreise ϕ ∈ − π2 , π2 gilt, sind bei dieser Anwendungsaufgabe nur die beiden Lösungen √ 1+ 2+π ϕ1 = arccos ≈ 0.6617 ≈ 37.91◦ 1+π und √ 1+ 2+π ≈ −0.6617 ≈ −37.91◦ ϕ2 = − arccos 1+π von Interesse. Die beiden Breitenkreise ϕ ≈ ±37.91◦ , d. h. ϕ ≈ 37.91◦ n.B. und ϕ ≈ 37.91◦ s.B. werden somit längentreu abgebildet (siehe auch die Abbildung 3.61).

ϕ = 37.91◦ n.B.

ϕ = 37.91◦ s.B.

Abb. 3.61 Weltkarte bei Abbildung Eckert V

• Gegeben sei eine Gleichung, welche verschiedene Terme mit jeweils der gleichen trigonometrischen Funktion, aber verschiedenen Argumenten in der trigonometrischen Funktion enthält. Grundidee zur Lösung einer derartigen Gleichung: Forme die Gleichung unter Anwendung geeigneter Additionstheoreme so um, dass alle Terme mit trigonometrischen Funktionen stets das gleiche Argument haben. Dabei können Terme mit verschiedenen trigonometrischen Funktionen entstehen. Wende dann entsprechende Additionstheoreme an, so dass danach alle Terme mit trigonometrischen Funktionen die gleiche Funktion mit dem gleichen Argument enthalten.

3.3 Lösung nichtlinearer Gleichungen

265

Beispiel 3.54 Gesucht sind die Lösungen der Gleichung √ sin(2x) − 3 sin x = 0 .

(3.177)

Der Definitionsbereich der Sinus-Funktion ist D = R. Folglich sind alle Terme in der obigen Gleichung für alle x ∈ R berechenbar. Die Definitionsmenge der gegebenen Gleichung ist somit D = R. Die Gleichung (3.177) enthält nur Terme mit der Sinus-Funktion, wobei die SinusFunktion verschiedene Argumente hat, nämlich das Argument x bzw. 2x. Unser Ziel besteht zunächst darin, diese Gleichung so umzuformen, dass nur noch eines der beiden Argumente auftritt. Mittels des Additionstheorems sin(2x) = 2 sin x cos x (siehe die Beziehung (3.68)) können wir dies erreichen. Wir erhalten damit die zur gegebenen Gleichung äquivalente Gleichung √ (3.178) 2 sin x cos x − 3 sin x = 0 . Ausklammern des Terms sin x liefert die Gleichung √ sin x(2 cos x − 3) = 0 . Diese Gleichung ist erfüllt, wenn einer der beiden Faktoren gleich Null ist, d. h. wenn √ sin x = 0 oder 2 cos x− 3 = 0 gilt. Deshalb betrachten wir die folgenden beiden Fälle. (i) sin x = 0 Gemäß (3.174) hat diese Gleichung die Lösungsmenge L1 = {x ∈ R | x = arcsin 0 + 2kπ oder x = π − arcsin 0 + 2kπ mit k ∈ Z} = {x ∈ R | x = 0 + 2kπ oder x = π − 0 + 2kπ mit k ∈ Z} = {x ∈ R | x = kπ mit k ∈ Z} . (ii) 2 cos x −



(3.179) 3=0

Dies ist äquivalent zur Gleichung

√ cos x =

3 . 2

Gemäß (3.175) hat diese Gleichung die Lösungsmenge √ √  + ,  3 3  + 2kπ oder x = − arccos + 2kπ mit k ∈ Z L2 = x ∈ R  x = arccos 2 2  + ,  π π  = x ∈ R  x = + 2kπ oder x = − + 2kπ mit k ∈ Z . 6 6 (3.180)

266

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

Da alle Elemente der beiden Mengen L1 und L2 in der Definitionsmenge D = R liegen, können diese Lösungen der gegebenen Gleichung sein. Wir überprüfen, ob sie tatsächlich Lösungen sind, d. h. ob alle Elemente aus den Mengen (3.179) und (3.180) die gegebene Gleichung (3.177) erfüllen. Aufgrund dessen, dass die Funktionen y = sin(2x) und y = sin x periodische Funktionen mit der Periodenlänge π bzw. 2π sind sowie sin(kπ) = 0 gilt, ist es ausreichend nachzurechnen, ob die Gleichung (3.177) für x = π6 , x = − π6 und x = 0 erfüllt ist:

 π √ √ 1 1√ π = = 0, − 3 sin 3− 3· sin 2 · 6 6 2 2   π  √  π √  1 1√ − 3 sin − = − 3− 3· − = 0, sin 2 · − 6 6 2 2 √ √ sin(2 · 0) − 3 sin 0 = 0− 3·0 = 0. Folglich ist die Gleichung (3.177) für alle Elemente der beiden Mengen (3.179) und (3.180) erfüllt. Die Vereinigung der beiden Mengen (3.179) und (3.180) ergibt somit die Lösungsmenge der gegebenen Gleichung (3.177), nämlich die Menge  + ,  π π  L = L1 ∪ L2 = x ∈ R  x = + 2kπ oder x = − + 2kπ oder x = kπ mit k ∈ Z . 6 6

• Gegeben sei eine Gleichung, welche verschiedene Terme mit verschiedenen trigonometrischen Funktionen enthält. Grundidee zur Lösung einer derartigen Gleichung: Forme die Gleichung unter Anwendung geeigneter Additionstheoreme so um, dass alle Terme mit trigonometrischen Funktionen stets die gleiche trigonometrische Funktion mit dem gleichen Argument enthalten.

Beispiel 3.55 Gesucht sind die Lösungen der Gleichung sin x +

3 3 cot x = . 2 2 sin x

(3.181)

Wir bestimmen zuerst die Definitionsmenge dieser Gleichung. Die Kotangens-Funktion ist für x = kπ mit k ∈ Z nicht definiert (siehe die Eigenschaften der KotangensFunktion im Abschnitt 3.2.6). Die Nullstellen der Sinus-Funktion sind xk = kπ, k ∈ Z,

3.3 Lösung nichtlinearer Gleichungen

267

so dass die rechte Seite in der obigen Gleichung für diese Argumente x nicht berechenbar ist. Für alle anderen reellen Zahlen x sind alle Terme in der Gleichung (3.181) berechenbar. Folglich ist die Definitionsmenge der gegebenen Gleichung die Menge D = {x ∈ R | x = kπ mit k ∈ Z} .

(3.182)

Unser Ziel besteht im Weiteren darin, die Gleichung (3.181) so umzuformen, dass sie nur noch eine trigonometrische Funktion enthält. Wegen cot x =

cos x sin x

(siehe die Definition 3.18 der Kotangens-Funktion) können wir die Gleichung (3.181) in der Form 3 cos x 3 sin x + = 2 sin x 2 sin x schreiben. Nach Multiplikation beider Seiten dieser Gleichung mit 2 sin x ergibt sich 2 sin2 x + 3 cos x = 3 .

(3.183)

Auch diese Gleichung enthält noch zwei verschiedene trigonometrische Funktionen, nämlich die Sinus- und die Kosinus-Funktion. Nutzen wir das Additionstheorem sin2 x + cos2 x = 1 (siehe die Beziehung (3.62)), aus welchem sin2 x = 1 − cos2 x folgt, so erhalten wir aus (3.183) die Gleichung 2(1 − cos2 x) + 3 cos x = 3

⇔ 2 − 2 cos2 x + 3 cos x − 3 = 0

⇔ −2 cos2 x + 3 cos x − 1 = 0 ⇔ 2 cos2 x − 3 cos x + 1 = 0 . Die letzte Gleichung haben wir im Beispiel 3.52 gelöst und die Lösungsmenge  + ,  π π x ∈ R  x = − + 2kπ oder x = + 2kπ oder x = 2kπ mit k ∈ Z 3 3 erhalten. Da kπ ∈ D (siehe (3.182)), kann x = 2kπ keine Lösung der gegebenen Gleichung sein. Für x = − π3 und x = π3 gilt (siehe die Gleichung (3.181))       √ π 3 π 1√ 3 1√ sin − + · cot − =− 3+ · − 3 =− 3 3 2 3 2 2 3 und

√ 3 3 3 √ √ 3 = − = − π = 2 sin(− 3 ) 2 · (− 12 3) 3

268

3 Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen

sowie sin und

√ π 3 π 1√ 3 1√ + · cot = 3+ · 3= 3 3 2 3 2 2 3 √ 3 3 3 √ = √ = 3. = 1 2 sin π3 2· 2 3 3

Da die Sinus-Funktion 2π-periodisch und die Kotangens-Funktion π-periodisch ist, ist die Gleichung (3.181) dann auch für x = − π3 + 2kπ und x = π3 + 2kπ, k ∈ Z, erfüllt. Somit lautet die Lösungsmenge der Gleichung (3.181)  + ,  π π  L = x ∈ R  x = − + 2kπ oder x = + 2kπ mit k ∈ Z . 3 3

4 Komplexe Zahlen

Übersicht 4.1 4.2

Definition und Darstellung einer komplexen Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Rechenoperationen mit komplexen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280

In diesem Kapitel wollen wir den Bereich der reellen Zahlen erweitern. Zahlbereichserweiterungen sind schon in der Schulmathematik durchgeführt worden. Im Bereich der natürlichen Zahlen sind die Division und die Subtraktion zweier Zahlen nicht uneingeschränkt durchführbar. Um diesen „Mangel“ zu beseitigen, wurden die gebrochenen Zahlen eingeführt, so dass damit die Division (bis auf die Division durch Null) uneingeschränkt durchführbar ist. Durch Hinzunahme der negativen Zahlen, d. h. der mit −1 multiplizierten gebrochenen Zahlen, gelangt man zum Bereich der rationalen Zahlen, in dem auch die Subtraktion uneingeschänkt durchgeführt werden kann. Im Bereich der rationalen Zahlen kann man somit die vier Grundrechenoperationen ohne Einschränkungen (außer die Division durch Null) ausführen. Man kann aber beispielsweise nicht √ die Quadratwurzel aus einer beliebigen rationalen Zahl ermitteln, zum Beispiel ist 2 im Bereich der rationalen Zahlen nicht berechenbar. Um dieses Problem zu beseitigen, wurden zu den rationalen Zahlen noch die irrationalen Zahlen eingeführt, was zur Menge der reellen Zahlen führt. Im Bereich der reellen Zahlen können Wurzeln von beliebigen nicht negativen reellen Zahlen berechnet werden. In diesem Zahlenbereich gibt es aber auch Situationen, welche eine Erweiterung erfordern. Nicht alle Gleichungen n-ten Grades haben im Bereich der reellen Zahlen Lösungen, zum Beispiel hat die quadratische Gleichung x2 + q = 0 keine reellen Lösungen, falls q > 0 gilt. Die Ursache dafür ist, dass die Wurzel aus einer negativen Zahl nicht definiert ist. Wir erweitern im Folgenden den Bereich der reellen Zahlen zum Bereich der komplexen Zahlen, so dass in diesem Zahlenbereich jede Gleichung n-ten Grades lösbar ist. Komplexe Zahlen spielen auch bei der Beschreibung von Schwingungsvorgängen und in der Elektrotechnik bei der Berechnung von Widerständen in Wechselstromkreisen eine Rolle. Im Beispiel 3.36 im Abschnitt 3.2.6, haben wir angegeben, dass die Aus-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 M. Jung, Mathematische Grundlagen für die Natur- und Ingenieurwissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03266-1_4

270

4 Komplexe Zahlen

lenkung eines Federschwingers im Fall einer schwach gedämpften Schwingung durch eine Funktion der Gestalt x(t) = e−αt (c1 cos(ω1 t) + c2 sin(ω1 t)) mit gewissen reellen Konstanten c1 und c2 beschrieben werden kann (siehe auch Abbildung 3.55(b)). Dabei sind −α der Realteil und ω1 der Imaginärteil der komplexen Lösungen einer gewissen quadratischen Gleichung (siehe Meyberg und Vachenauer [2001b], Papula [2015]).

4.1

Definition und Darstellung einer komplexen Zahl

Zuerst führen wir ein neues Zahlensymbol ein.

Definition 4.1 Die Zahl i mit der Eigenschaft i2 = −1 heißt imaginäre Einheit.

Manchmal wird die imaginäre Einheit in der Literatur auch mit j bezeichnet. Wir vereinbaren, dass mit der imaginären Einheit i die gleichen Rechenoperationen durchgeführt werden können wie mit reellen Zahlen. Unter Nutzung der imaginären Einheit können wir die Gleichung x2 + 1 = 0 , welche zur Gleichung x2 = −1 äquivalent ist, lösen. Wir erhalten die beiden Lösungen x1 = i

und

x2 = −i ,

denn i2 = −1

und

(−i)2 = (−1 · i)2 = (−1)2 · i2 = 1 · (−1) = −1 .

Die komplexen Zahlen werden wie folgt definiert.

4.1 Definition und Darstellung einer komplexen Zahl

271

Definition 4.2 Unter einer komplexen Zahl z verstehen wir einen Ausdruck der Form x + y · i, wobei x und y reelle Zahlen sind. Wir bezeichnen x als Realteil und y als Imaginärteil der komplexen Zahl z und schreiben dafür x = Re(z) , y = Im(z) . Die Menge C = {z | z = x + y · i , x, y ∈ R} heißt Menge der komplexen Zahlen.

Bemerkung 4.1 a) Die Darstellungsform z = x + y · i einer komplexen Zahl wird als kartesische Form oder als arithmetische Form bezeichnet. Später werden wir noch weitere Darstellungsformen komplexer Zahlen kennenlernen. b) Alle reellen Zahlen können als komplexe Zahlen der Form z = x + 0 · i aufgefasst werden. c) Komplexe Zahlen, deren Realteil identisch Null ist, d. h. komplexe Zahlen der Gestalt z = y · i, nennt man imaginäre Zahlen. Jeder komplexen Zahl z können wir eineindeutig einen Punkt P (z) = P (x, y) in der Gaußschen Zahlenebene zuordnen (siehe Abbildung 4.1). Die erste Koordinate des Bildpunktes ist der Realteil der komplexen Zahl z und die zweite Koordinate der Imaginärteil. Im(z) y

6

rP (z)

x

Re(z)

Abb. 4.1 Gaußsche Zahlenebene

In technischen Anwendungen wird eine komplexe Zahl oft durch einen Zeiger (Pfeil), der im Koordinatenursprung beginnt und dessen Spitze im Punkt P endet, dargestellt (siehe Abbildung 4.1).

272

4 Komplexe Zahlen

Die Bildpunkte der komplexen Zahlen mit Imaginärteil identisch Null, d. h. der reellen Zahlen, liegen auf der horizontalen Koordinatenachse. Wir bezeichnen diese Koordinatenachse deshalb auch als reelle Achse. Da auf der vertikalen Koordinatenachse die Bildpunkte der imaginären Zahlen liegen, wird diese als imaginäre Achse bezeichnet.

Definition 4.3 (i)

Zwei komplexe Zahlen z1 = x1 + y1 · i und z2 = x2 + y2 · i heißen gleich, wenn x1 = x2 und y1 = y2 gilt, d. h. wenn Real- und Imaginärteil übereinstimmen.

(ii) (iii)

Die komplexe Zahl z¯ = x + y · i = x−y·i heißt konjugiert komplexe Zahl von z = x + y · i.  Der Betrag der komplexen Zahl z = x+y ·i wird durch |z| = x2 + y 2 definiert.

Eine komplexe Zahl z und ihre konjugiert komplexe Zahl z¯ haben also den gleichen Realteil und ihr Imaginärteil unterscheidet sich nur durch das Vorzeichen (siehe auch Abbildung 4.2). Die konjugiert komplexe Zahl einer komplexen Zahl z bezeichnet man manchmal auch mit z ∗ . Der Betrag |z| der komplexen Zahl z ist der Abstand des Bildpunktes P (z) vom Koordinatenursprung in der Gaußschen Zahlenebene, denn nach dem Satz des Pythagoras (siehe Merzinger et al. [2018], Gruber und Joeckel [2020]) ergibt sich für den Abstand  gerade x2 + y 2 (siehe auch die Abbildung 4.1). Beispiel 4.1 Die konjugiert komplexe Zahl zur komplexen Zahl z =4+3·i ist die Zahl z¯ = 4 − 3 · i (siehe auch die Abbildung 4.2). Für den Betrag der komplexen Zahl z erhalten wir  √ √ |z| = 42 + 32 = 16 + 9 = 25 = 5

4.1 Definition und Darstellung einer komplexen Zahl Im(z) 3

273

6 rP (z)

-

4 Re(z)

−3

r

P (¯ z)

Abb. 4.2 Komplexe Zahl z und konjugiert komplexe Zahl z¯

und für den Betrag der konjugiert komplexen Zahl z¯  √ √ |z| = 42 + (−3)2 = 16 + 9 = 25 = 5 , d. h. beide Beträge sind gleich. Dies ist eine generelle Eigenschaft, denn für eine komplexe Zahl z = x + y · i und ihre konjugiert komplexe Zahl z¯ = x − y · i gilt |z| =

  x2 + y 2 = x2 + (−y)2 = |¯ z| .

Bisher haben wir die kartesische Darstellung komplexer Zahlen kennengelernt. Da wir eine komplexe Zahl z durch eine algebraische Summe der Form z =x+y·i dargestellt haben, wird diese Darstellung auch als algebraische Darstellung bezeichnet. In der Abbildung 4.1 haben wir den Bildpunkt P (z) in der Gaußschen Zahlenebene einer komplexen Zahl z durch seine x- und y-Koordinate charakterisiert. Zu seiner Charakterisierung kann man aber auch die Länge r des Zeigers, d. h. den Betrag |z|, und den Winkel ϕ, den der Zeiger mit der positiven reellen Achse einschließt, nutzen (siehe Abbildung 4.3). Aufgrund der trigonometrischen Beziehungen im rechtwinkligen Dreieck (Merzinger et al. [2018], Jung [2021a]) sin ϕ =

Gegenkathete Hypotenuse

und

cos ϕ =

Ankathete Hypotenuse

274

4 Komplexe Zahlen

Im(z)

6 sP (z)

y

r

ϕ

x

Re(z)

Abb. 4.3

Darstellung komplexer Zahlen

gilt (siehe Abbildung 4.3) cos ϕ =

x r

und

sin ϕ =

y . r

(4.1)

Nach Multiplikation beider Gleichungen mit r ergibt sich x = r cos ϕ und y = r sin ϕ ,

(4.2)

woraus wir für die komplexe Zahl z = x + y · i die trigonometrische Darstellung z = r (cos ϕ + sin ϕ · i)

erhalten. Die trigonometrische Darstellung wird auch als Darstellung in Polarkoordinaten bezeichnet.

Definition 4.4 Die Zahl r in der trigonometrischen Darstellung z = r(cos ϕ + sin ϕ · i) einer komplexen Zahl z bezeichnet man als Betrag der Zahl z und der Winkel ϕ wird als Argument der Zahl z bezeichnet. Man schreibt r = |z| und ϕ = arg(z).

Bemerkung 4.2 Wegen cos ϕ = cos(ϕ + 2kπ) und sin ϕ = sin(ϕ + 2kπ), k ∈ Z, ist das Argument einer komplexen Zahl nicht eindeutig bestimmt, d. h. ist ϕ Argument von z, so ist es auch ϕ + 2kπ. Wir bezeichnen das Argument ϕ mit der Eigenschaft −π < ϕ ≤ π als Hauptargument von z.

4.1 Definition und Darstellung einer komplexen Zahl

275

Mittels der von L. Euler eingeführten Formel eiϕ = cos ϕ + sin ϕ · i

erhalten wir aus der trigonometrischen Darstellung einer komplexen Zahl die exponentielle Darstellung z = reiϕ ,

die auch als Eulersche Darstellung bezeichnet wird. Im Folgenden erklären wir, wie die verschiedenen Darstellungsformen ineinander umgewandelt werden können. • Ist eine komplexe Zahl in ihrer trigonometrischen oder exponentiellen Darstellung gegeben, d. h. z = r(cos ϕ + sin ϕ · i) oder z = reiϕ , dann erhält man wegen z = x + y · i = r(cos ϕ + sin ϕ · i) = r cos ϕ + r sin ϕ · i als Real- und Imaginärteil der Zahl z x = Re(z) = r cos ϕ und y = Im(z) = r sin ϕ

und somit die kartesische Darstellung z = x + y · i. • Soll eine komplexe Zahl, die in kartesischer Darstellung vorliegt, in trigonometrischer oder exponentieller Darstellung angegeben werden, dann führen wir folgende Schritte durch:

Algorithmus 4.1 (Umwandlung kartesische in trigonometrische Form) 1. Berechnung des Betrags r der Zahl z: r = |z| =



x2 + y 2

2. Berechnung des Arguments ϕ von z: Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten.

(4.3)

276

4 Komplexe Zahlen 1. Möglichkeit: Man berechnet zunächst ein Hilfsargument ϕ˘ aus der Beziehung ϕ˘ = arccos

x r

(4.4)

mit der Eigenschaft 0 ≤ ϕ˘ ≤ π (siehe auch die Beziehung (4.1)). Für das Argument ϕ = arg(z) gilt dann falls y = Im(z) ≥ 0 , |z| > 0

ϕ = ϕ˘ ,

(4.5)

ϕ = −ϕ˘ , falls y = Im(z) < 0 , |z| > 0 . Für eine komplexe Zahl mit |z| = 0 ist das Argument ϕ nicht definiert.

Wir veranschaulichen uns die Berechnung des Argumentes ϕ anhand der Abbildung 4.4. (a)

Im(z)

(b)

6

rP (x, y)

y

r

r

Im(z) |y|

6

r

ϕ=ϕ ˘ ϕ ˘ x

Re(z)

ϕ ˘

ϕ = −ϕ ˘

ϕ

x

Re(z)

r

r P (x, y)

y

Abb. 4.4 Bestimmung des Arguments von z gemäß der 1. Möglichkeit aus dem Algorithmus 4.1, (a) y ≥ 0, (b) y < 0

Algorithmus 4.1 (Fortsetzung) 2. Möglichkeit: Zuerst berechnet man das Hilfsargument ϕ˜ = arctan

|y| π , falls x = 0 bzw. ϕ˜ = , falls x = 0 . |x| 2

(4.6)

Danach ermittelt man das Argument ϕ unter Nutzung des Hilfsarguments ϕ˜

4.1 Definition und Darstellung einer komplexen Zahl

277

und der Vorzeichen des Real- und Imaginärteil der Zahl z: x = Re(z) ≥ 0 , y = Im(z) ≥ 0 ⇒ ϕ = ϕ˜ x = Re(z) ≥ 0 , y = Im(z) < 0 ⇒ ϕ = −ϕ˜ x = Re(z) < 0 , y = Im(z) ≥ 0 ⇒ ϕ = π − ϕ˜

(4.7)

x = Re(z) < 0 , y = Im(z) < 0 ⇒ ϕ = ϕ˜ − π Wir geben eine Begründung für die Gültigkeit dieser Formeln zur Berechnung des Arguments ϕ an. Sei zunächst x = Re(z) > 0 und y = Im(z) > 0. Aus den Beziehungen (4.2) folgt y x und r = . r= cos ϕ sin ϕ Gleichsetzen dieser beiden Beziehungen liefert y sin ϕ y y x = oder in äquivalenter Form = , d. h. tan ϕ = . cos ϕ sin ϕ cos ϕ x x Wegen x = Re(z) > 0, y = Im(z) > 0 gilt x = |x|, y = |y| und somit ergibt sich ϕ = arctan

y |y| = arctan = ϕ˜ . x |x|

Betrachten wir noch den Fall x = Re(z) < 0 und y = Im(z) > 0 (siehe Abbildung 4.5). Wir erhalten das Hilfsargument ϕ˜ mit 0 < ϕ˜ < π/2. Das Argument ϕ ergibt sich dann aus π − ϕ. ˜ Für die anderen Fälle können analoge Betrachtungen durchgeführt werden. Im(z) P (x, y)

6

sP (|x|, |y|)

y

s

ϕ ϕ ˜ x

ϕ ˜

|x|

Re(z)

Abb. 4.5 Bestimmung des Arguments von z gemäß der 2. Möglichkeit

• Aus der trigonometrischen Darstellung z = r(cos ϕ + sin ϕ · i) einer komplexen Zahl z lässt sich sofort die exponentielle Darstellung z = reiϕ ableiten und umgekehrt.

278

4 Komplexe Zahlen

Beispiel 4.2 Gegeben sei die komplexe Zahl

 z=2

cos

π  π + sin · i 4 4

in trigonometrischer Darstellung. Wegen cos

π π 1√ = sin = 2 4 4 2

ergibt sich die kartesische Darstellung 1√  √ √ 1√ z=2 2+ 2·i = 2+ 2·i 2 2 (siehe auch die Abbildung 4.6). Im(z) √

6 rP (z)

2

-

π/4 √

2

Re(z)

Abb. 4.6

Darstellung der Zahl z

Beispiel 4.3 Gesucht sind die trigonometrische und exponentielle Darstellung der komplexen Zahl z =x+y·i=−

3 3√ 3 − · i. 2 2

(4.8)

Wir erhalten für den Betrag dieser komplexen Zahl (siehe (4.3))     3 √ 2  3  2 27 9 36 √ 2 2 + = = 9 = 3. − 3 + − = r = x +y = 2 2 4 4 4 Die Bestimmung des Arguments ϕ demonstrieren wir anhand beider Möglichkeiten aus dem Algorithmus 4.1. Bei Nutzung der ersten Möglichkeit berechnen wir zuerst das Hilfsargument 3√  1√  − 3 x ϕ˘ = arccos = arccos 2 = arccos − 3 r 3 2

(siehe (4.4)), woraus wir ϕ˘ =

5 π 6

4.1 Definition und Darstellung einer komplexen Zahl

279

erhalten. Wegen y = Im(z) = −

3 0 z2 r2 r2

Wir begründen die Gültigkeit der Rechenregel für die Multiplikation. Unter Nutzung der Definition 4.5(iii) der Multiplikation in kartesischer Darstellung erhalten wir z1 · z2 = r1 · (cos ϕ1 + sin ϕ1 · i) · r2 · (cos ϕ2 + sin ϕ2 · i) = (r1 · cos ϕ1 + r1 · sin ϕ1 · i) · (r2 · cos ϕ2 + r2 · sin ϕ2 · i) = (r1 · cos ϕ1 · r2 · cos ϕ2 − r1 · sin ϕ1 · r2 · sin ϕ2 ) +(r1 · cos ϕ1 · r2 · sin ϕ2 + r1 · sin ϕ1 · r2 · cos ϕ2 ) · i

 = r1 · r2 · (cos ϕ1 · cos ϕ2 − sin ϕ1 · sin ϕ2 ) + (cos ϕ1 · sin ϕ2 + sin ϕ1 · cos ϕ2 ) · i .

284

4 Komplexe Zahlen

Die beiden Additionstheoreme (siehe (3.66) und (3.64) im Abschnitt 3.2.6) cos(ϕ1 + ϕ2 ) = cos ϕ1 · cos ϕ2 − sin ϕ1 · sin ϕ2 und sin(ϕ1 + ϕ2 ) = sin ϕ1 · cos ϕ2 + cos ϕ1 · sin ϕ2 liefern uns schließlich die Rechenregel (i) aus dem Satz 4.2. Die Rechenregel (ii) kann auf analoge Weise gezeigt werden. Beispiel 4.6 Gegeben seien die beiden komplexen Zahlen

 z1 = r1 · (cos ϕ1 + sin ϕ1 · i) = 6 ·



und z2 = r2 · (cos ϕ2 + sin ϕ2 · i) = 2 ·

cos

 π π + sin · i 4 4

 π π cos + sin · i . 3 3

Gemäß der Rechenregeln aus dem Satz 4.2 erhalten wir z1 · z2 = r1 · r2 · (cos(ϕ1 + ϕ2 ) + sin(ϕ1 + ϕ2 ) · i)  π π π π  = 6 · 2 · cos + + + sin ·i 4 3 4 3   7π   7π  ·i = 12 · cos + sin , 12 12 r1 z1 = · (cos(ϕ1 − ϕ2 ) + sin(ϕ1 − ϕ2 ) · i) z2 r2  π π π π  6 · cos − − + sin ·i = 2 4 3 4 3   π  π  = 3 · cos − + sin − ·i . 12 12

Im Folgenden beschäftigen wir uns noch mit dem Potenzieren und Radizieren komplexer Zahlen. Die Berechnung der n-ten Potenz z n , n ∈ N, einer komplexen Zahl z kann für komplexe Zahlen in der kartesischen, trigonometrischen und exponentiellen Darstellung durchgeführt werden. Es gilt i2 = −1 , i3 = i · i2 = i · (−1) = −i , i4 = i · i3 = i · (−i) = −i2 = −(−1) = 1

4.2 Rechenoperationen mit komplexen Zahlen

285

und somit allgemein

in =

⎧ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎨

1 für n = 4k , k ∈ N , i für n = 4k + 1 , k ∈ N ,

⎪ −1 für n = 4k + 2 , k ∈ N , ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ −i für n = 4k + 3 , k ∈ N .

Wegen z n = z · z · · · z

n Faktoren erhalten wir für eine komplexe Zahl in kartesischer Darstellung unter Anwendung des binomischen Satzes (siehe Formel (1.74) im Abschnitt 1.5) z n = (x + y · i)n =

n    n k=0

k

· xn−k · (y · i)k =

n    n k=0

k

· xn−k · y k · ik .

Die Anwendung dieser Formel ist jedoch für große n sehr rechenaufwändig. Zweckmäßiger ist es, die Zahl zuerst in die trigonometrische oder exponentielle Darstellung umzuwandeln und dann das Potenzieren durchzuführen. In trigonometrischer Darstellung gilt unter Nutzung der Rechenregel (i) aus dem Satz 4.2

n z n = r · (cos ϕ + sin ϕ · i)

n−2 = r · (cos ϕ + sin ϕ · i) · r · (cos ϕ + sin ϕ · i) · r · (cos ϕ + sin ϕ · i)

n−2 2  = r · (cos ϕ + sin ϕ · i) · r · cos(ϕ + ϕ) + sin(ϕ + ϕ) · i

n−2 2  = r · (cos ϕ + sin ϕ · i) · r · cos(2ϕ) + sin(2ϕ) · i

n−3

 = r · (cos ϕ + sin ϕ · i) · r · (cos ϕ + sin ϕ · i) · r2 · cos(2ϕ) + sin(2ϕ) · i

n−3 3 = r · (cos ϕ + sin ϕ · i) · r · (cos(ϕ + 2ϕ) + sin(ϕ + 2ϕ) · i)

n−3 3  = r · (cos ϕ + sin ϕ · i) · r · cos(3ϕ) + sin(3ϕ) · i = ···

 = rn · cos(nϕ) + sin(nϕ) · i . Damit haben wir die Aussage des folgenden Satzes gezeigt. Satz 4.3 Es sei z = r · (cos ϕ + sin ϕ · i) = r · eiϕ und n ∈ N. Dann gilt

n

 z n = r · (cos ϕ + sin ϕ · i) = rn · cos(nϕ) + sin(nϕ) · i = rn · einϕ .

(4.9)

286

4 Komplexe Zahlen

Aus dem Satz 4.3 folgt die Formel (cos ϕ + sin ϕ · i)n = cos(nϕ) + sin(nϕ) · i ,

welche als Formel von Moivre1 bezeichnet wird. Beispiel 4.7 Zu berechnen ist

√ z 8 = ( 3 − i)8 .

Wir bestimmen zuerst die trigonometrische Darstellung der komplexen Zahl √ √ z = x + y · i = 3 − i = 3 − 1 · i. Für den Betrag dieser komplexen Zahl gilt (siehe (4.3)) √  √ r = x2 + y 2 = ( 3)2 + (−1)2 = 3 + 1 = 2 . √ Zur Bestimmung des Arguments ϕ der komplexen Zahl z = 3 − i berechnen wir (siehe (4.4)) √ x π 3 ϕ˘ = arccos = arccos = . r 2 6 Da Im(z) = −1 < 0, ergibt sich (siehe (4.5)) π ϕ = −ϕ˘ = − . 6 √ Folglich lautet die trigonometrische Darstellung der Zahl z = 3 − i:   π  π  + sin − ·i . z = 2 · cos − 6 6 Nach der Aussage des Satzes 4.3 ergibt sich z 8 = r8 · (cos(8ϕ) + sin(8ϕ) · i)    π    π   8 = 2 · cos 8 · − + sin 8 · − ·i 6 6   4π   4π   8 = 2 · cos − + sin − ·i 3 3  1 1√  √ = 256 · − + 3 · i = −128 + 128 3 · i . 2 2

1 Abraham de Moivre, geb. 26.5.1667 in Vitry-le-François, gest. 27.11.1754 in London; französischer Mathematiker

4.2 Rechenoperationen mit komplexen Zahlen

287

Abschließend erläutern wir noch das Radizieren.

Definition 4.6 Eine komplexe Zahl z∗ heißt eine n-te Wurzel der komplexen Zahl z = r(cos ϕ + sin ϕ · i), wenn sie der algebraischen Gleichung z∗n = z

(4.10)

genügt.

Satz 4.4 Jede komplexe Zahl z∗,k =

√ n



 cos

 ϕ + 2kπ  n

+ sin

 ϕ + 2kπ  n

 ·i

(4.11)

ist für k = 0, 1, . . . , n − 1 eine Lösung der Gleichung z∗n = z, d. h. eine n-te Wurzel von z.

Die Gültigkeit der Aussage dieses Satzes lässt sich unter Anwendung der Beziehung (4.9) aus dem Satz 4.3 wie folgt begründen:    ϕ + 2kπ   ϕ + 2kπ  n √ n n z∗,k = r · cos + sin ·i n n   ϕ + 2kπ   ϕ + 2kπ   √ = ( n r)n · cos n · + sin n · ·i n n

 = r · cos(ϕ + 2kπ) + sin(ϕ + 2kπ) · i = r · (cos ϕ + sin ϕ · i) = z . Im letzten Schritt haben wir die 2π-Periodizität der Kosinus- und der Sinus-Funktion genutzt. Beispiel 4.8 Gesucht sind die Lösungen der Gleichung z∗3 = 8 . Die rechte Seite dieser Gleichung, d. h. die reelle Zahl z = 8, welche wir als komplexe Zahl in der Form z =x+y·i=8+0·i

288

4 Komplexe Zahlen

aufschreiben können, hat den Betrag (siehe (4.3))   √ r = x2 + y 2 = 82 + 02 = 82 = 8 . Zur Berechnung des Arguments ϕ berechnen wir zunächst das Hilfsargument (siehe (4.4)) 8 x ϕ˘ = arccos = arccos = arccos 1 = 0 . r 8 Da Im(z) = 0 ≥ 0, ist dann ϕ = ϕ˘ = arg(z) = 0 (siehe (4.5)). Die trigonometrische Form der Zahl z = 8 = 8 + 0 · i lautet somit z = 8 · (cos 0 + sin 0 · i) . Gemäß der Formel (4.11) erhalten wir mit n = 3 und k Gleichung z 3 = 8, d. h.  √ 0+2·0·π  0+2·0·π 3 z∗,0 = + sin ·i = 8 · cos 3 3 = 2+0·i  √ 0+2·1·π  0+2·1·π 3 z∗,1 = + sin ·i = 8 · cos 3 3  1 1√  √ = 2· − + 3 · i = −1 + 3 · i 2 2  √ 0+2·2·π  0+2·2·π 3 z∗,2 = + sin ·i = 8 · cos 3 3  1 1√  √ = 2· − − 3 i = −1 − 3 · i . 2 2

= 0, 1, 2 die Lösungen der

2 · (cos 0 + sin 0 · i)





 cos

2π  2π + sin ·i 3 3

cos

4π  4π + sin ·i 3 3



In der Abbildung 4.8(a) sind diese drei Lösungen grafisch in der Gaußschen Zahlenebene veranschaulicht. Bemerkung 4.4 Im Bereich der reellen Zahlen ist die Wurzel aus einer nicht negativen Zahl r eindeutig √ bestimmt als diejenige nicht negative reelle Zahl, für die ( n r)n = r gilt. Im Bereich der komplexen Zahlen erhalten wir gemäß der Formel (4.11) n verschiedene komplexe n-te Wurzeln (siehe Beispiel 4.8). Beispiel 4.9 Gesucht sind die Lösungen der Gleichung 3 3√ 3 · i. z∗4 = − + 2 2

4.2 Rechenoperationen mit komplexen Zahlen (a)

Im(z) P (z∗,1 )

289

(b)

6

Im(z)

2

r

6

2 P (z∗,1 )

1

r

rP (z∗,0 )

rP (z∗,0 ) −2

−1

P (z∗,2 )

r

1

2

−2 r P (z∗,2 )

Re(z)

−1

r

√ 4 3

2

Re(z)

P (z∗,3 )

−2

−2

Abb. 4.8 Darstellung der Wurzeln (a) Beispiel 4.8, (b) Beispiel 4.9

Der Betrag der Zahl z = x + y · i = − 32 + r=



 x2

+

y2

=

3 2



3 · i ist (siehe (4.3))

  9 27 36 √ 3  2  3 √ 2 + = = 9 = 3. − + 3 = 2 2 4 4 4

Mit

3  1  2π − x ϕ˘ = arccos = arccos 2 = arccos − = r 3 2 3 3√ 3 > 0 gilt (siehe (siehe (4.4)) erhalten wir das Hilfsargument ϕ˘ und da Im(z) = 2 (4.5)), 2π . ϕ = arg(z) = ϕ˘ = 3 √ Die trigonometrische Darstellung der Zahl − 23 + 32 3 · i lautet also

z =3·

 cos

2π  2π + sin ·i . 3 3

Mittels der Formel (4.11) ergeben sich mit n = 4 und k = 0, 1, 2, 3 die Lösungen

  1  2π   1  2π   + 2 · 0 · π + sin +2·0·π ·i 3 · cos 4 3 4 3    √ √ √ π π 1  1 4 4 = 3 · cos + sin · i = 3· 3+ ·i 6 6 2 2         √ 1 2π 1 2π 4 + 2 · 1 · π + sin +2·1·π ·i = 3 · cos 4 3 4 3    1 1√  √ √ 2π 2π 4 4 + sin ·i = = 3 · cos 3· − + 3·i 3 3 2 2

z∗,0 =

z∗,1

√ 4

290

4 Komplexe Zahlen

  1  2π   1  2π   + 2 · 2 · π + sin +2·2·π ·i 3 · cos 4 3 4 3    √ √ 7π 7π 1√ 1  4 4 + sin ·i = = 3 · cos 3· − 3− ·i 6 6 2 2         √ 1 2π 1 2π 4 + 2 · 3 · π + sin +2·3·π ·i = 3 · cos 4 3 4 3   1 1√  √ √ 5π 5π 4 4 + sin ·i = − = 3 · cos 3· 3·i 3 3 2 2

z∗,2 =

z∗,3

√ 4

Diese Lösungen sind in der Abbildung 4.8(b) grafisch veranschaulicht. Bemerkung 4.5 Wie aus den beiden vorangegangenen Beispielen ersichtlich ist, liegen die Wurzeln der  Gleichung z∗n = z immer gleichmäßig verteilt auf einem Kreis mit dem Radius n |z| (siehe auch Abbildung 4.8). Wir betrachten nun noch die Lösung einer quadratischen und einer kubischen Gleichung mit reellen Koeffizienten. Beispiel 4.10 Gesucht sind die Lösungen der quadratischen Gleichung x2 + 6x + 25 = 0 .

(4.12)

Mittels der Lösungsformel (3.4) (siehe Abschnitt 3.1.1) für quadratische Gleichungen erhalten wir   √ √ 6 2 6 x1,2 = − ± − 25 = −3 ± 9 − 25 = −3 ± −16 . (4.13) 2 2 √ Im Bereich der reellen Zahlen ist −16 nicht berechenbar. Wir betrachten deshalb im Bereich der komplexen Zahlen die Gleichung z∗2 = z = −16 = −16 + 0 · i . Die komplexe Zahl z = x + y · i = −16 + 0 · i hat den Betrag   √ r = x2 + y 2 = (−16)2 + 02 = 162 = 16 . Zur Ermittlung des Arguments ϕ der Zahl z = −16 + 0 · i, berechnen wir das Hilfsargument (−16) x = arccos(−1) = π . ϕ˘ = arccos = arccos r 16 Da Im(z) = 0 ≥ 0, hat die Zahl z = −16 + 0 · i das Argument ϕ = ϕ˘ = π. Die trigonometrische Darstellung der Zahl z = −16 = −16 + 0 · i ist folglich z = 16 · (cos π + sin π · i) .

4.2 Rechenoperationen mit komplexen Zahlen

291

Gemäß der Beziehung (4.11) erhalten wir von dieser Zahl die beiden Quadratwurzeln z∗,0 =



16 ·

 cos

 π+2·0·π  π  π+2·0·π π + sin · i = 4 · cos + sin · i 2 2 2 2

= 4 · (0 + 1 · i)

= 4·i

und z∗,1 =



16 ·

 cos

 π+2·1·π  3π  π+2·1·π 3π + sin · i = 4 · cos + sin ·i 2 2 2 2

= 4 · (0 + (−1) · i)

= −4 · i .

Zusammen mit (4.13) ergeben sich als Lösungen der quadratischen Gleichung (4.12) x1 = −3 + 4 · i

und

x2 = −3 − 4 · i .

Die Gleichung (4.12) hat also als Lösungen ein paar konjugiert komplexer Zahlen.

Beispiel 4.11 Gesucht sind die Lösungen der Gleichung 0 = x3 − 6x2 + 13x .

(4.14)

Wie wir es im Algorithmus 3.3 im Abschnitt 3.3.1 beschrieben haben, klammern wir in der Gleichung (4.14) zuerst den Term x aus. Dies ergibt 0 = x(x2 − 6x + 13) . Diese Gleichung ist erfüllt, wenn x = x1 = 0

oder

x2 − 6x + 13 = 0

gilt. Die Lösungen der quadratischen Gleichung 0 = x2 − 6x + 13 bestimmen wir mit Hilfe der Lösungsformel (3.4):   (−6) 2 √ √ (−6) x2,3 = − ± − 13 = 3 ± 9 − 13 = 3 ± −4 . (4.15) 2 2 √ Da im Bereich der reellen Zahlen −4 nicht definiert ist, hat die quadratische Glei√ chung also keine reellen Lösungen. Wir berechnen nun −4 im Bereich der komplexen Zahlen. Mittels der Formel (4.11) ermitteln wir dafür die Lösungen der Gleichung z∗2 = z = −4 = −4+0·i. Die Zahl z = −4+0·i lautet in trigonometrischer Darstellung z = 4 · (cos π + sin π · i) .

292

4 Komplexe Zahlen

Damit ergeben sich gemäß (4.11) als Lösungen der Gleichung z∗2 = −4 z∗,0 =

z∗,1





 cos

√  π+2·0·π  π  π+2·0·π π + sin · i = 4 · cos + sin · i 2 2 2 2

= 2 · (0 + 1 · i) = 2 · i,   √ √  π+2·1·π 3π  π+2·1·π 3π + sin · + sin ·i = 4 · cos = 4 · cos 2 2 2 2 = 2 · (0 + (−1) · i)

= −2 · i .

Damit ergibt sich aus (4.15) x2 = 3 + 2 · i

und x3 = 3 − 2 · i .

Die kubische Gleichung (4.14) hat also die reelle Lösung x1 = 0 und das Paar konjugiert komplexer Lösungen x2 = 3 + 2 · i , x3 = 3 − 2 · i .

5 Computerarithmetik

Übersicht 5.1 5.2

Absoluter und relativer Fehler, Kondition eines Problems . . . . . . . . . . . . . . . 294 Zahlendarstellung und Computerarithmetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297

Bei der Lösung vieler Anwendungsprobleme nutzen wir den Computer. Dabei sollten wir uns immer bewusst sein, dass Computerergebnisse in der Regel fehlerbehaftet sind. Um diese Fehler in Lösungsalgorithmen so klein wie möglich zu halten, muss man Kenntnisse über deren Ursachen haben. Deshalb stellen wir in diesem Abschnitt einige Fehlerursachen vor und diskutieren Wege wie man Fehler reduzieren kann. Zunächst nennen wir aber erst einmal einige Situationen, welche bei der Durchführung von Rechenoperationen mit Hilfe von Computern auftreten und zu Fehlern führen. Der in einem Computer zur Verfügung stehende Speicherplatz ist endlich. Deshalb können beispielsweise irrationale Zahlen, d. h. Dezimalzahlen mit unendlich vielen Nachkommastellen, aber auch manche Zahlen mit endlich vielen Nachkommastellen, z. B. 0.1 (siehe Beispiel 5.8), nicht exakt im Computer dargestellt werden. Man muss diese Zahlen runden und rechnet somit nicht mit den exakten Werten, sondern nur mit Näherungswerten. Es tritt ein sogenannter Rundungsfehler auf. Bei der Berechnung von Funktionswerten ein und derselben Funktion an verschiedenen Stellen aus dem Definitionsbereich können gleiche Ungenauigkeiten in den Argumenten zu unterschiedlich großen Ungenauigkeiten in den berechneten Funktionswerten führen (siehe Beispiel 5.5). Bei der Durchführung von arithmetischen Operationen können ebenfalls Rundungsfehler auftreten. Eine Folge davon ist, dass beispielsweise das Assoziativ- und Distributivgesetz in der Computerarithmetik nicht gelten. Beispielsweise können verschiedene Summationsreihenfolgen zu verschiedenen Ergebnissen führen (siehe Beispiel 5.12). Auch die Berechnung mathematisch äquivalenter Ausdrücke kann bei der Nutzung eines Computers zu verschiedenen Ergebnissen führen (siehe Beispiel 5.13).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 M. Jung, Mathematische Grundlagen für die Natur- und Ingenieurwissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03266-1_5

294

5 Computerarithmetik

Um dies zu verstehen, diskutieren wir im folgenden die in Computern genutzte Zahlendarstellung und die Durchführung von arithmetischen Operationen im Computer. Zuvor führen wir aber noch Fehlermaße ein, um Fehler beurteilen zu können.

5.1

Absoluter und relativer Fehler, Kondition eines Problems

Sei x ˜ ein Näherungswert für x. Dann gibt es zwei Möglichkeiten den Grad der Abweichung von x ˜ gegenüber x zu messen.

Definition 5.1 Der absolute Fehler von x ˜ als eine Näherung für x ist die Zahl δ = |˜ x − x| .

Bemerkung 5.1 Der absolute Fehler misst den Abstand zwischen x ˜ und x. In vielen Anwendungen ist nur der Näherungswert x ˜ bekannt. Folglich ist die Berechnung des absoluten Fehlers dann unmöglich. Oft kann man aber obere Schranken für den absoluten Fehler angeben. Beispiel 5.1 Sei x ˜ ein Näherungswert für x = 40.33333 . . . mit einem absoluten Fehler von rund 0.0003, z. B. x ˜ = 40.333. Dann stimmen x und x ˜ bis auf drei Stellen nach dem Dezimalpunkt überein. Ist x = 0.00066666 . . . und der absolute Fehler rund 0.0003, dann kann zum Beispiel x ˜ = 0.001 und damit das rund 1.5fache von x sein. Praktisch gesehen ist dieser Näherungswert trotz des scheinbar kleinen Fehlers unbrauchbar. Dieses Beispiel zeigt, dass es schwierig ist, den absoluten Fehler ohne zusätzliche Informationen über den wahren Wert x zu interpretieren. Aussagekräftiger ist der im Folgenden definierte relative Fehler.

Definition 5.2 Sei x = 0. Der relative Fehler von x ˜ als eine Näherung von x ist die Zahl δx =

|˜ x − x| . |x|

5.1 Absoluter und relativer Fehler, Kondition eines Problems

295

Beispiel 5.2 Wir betrachten genauso wie im Beispiel 5.1 die Zahlen x1 = 40.33333 . . . und ˜1 = 40.333 und x ˜2 = 0.001, bei x2 = 0.00066666 . . . sowie zugehörige Näherungen x welchen wir in beiden Fällen einen absoluten Fehler von rund 0.0003 haben. Für den relativen Fehler von x ˜1 als Näherung von x1 erhalten wir δx1 =

|40.333 − 40.33333 . . . | |˜ x1 − x1 | = ≈ 0.83 · 10−5 |x1 | |40.33333 . . . |

und für den relativen Fehler von x ˜2 als Näherung von x2 δx2 =

|0.001 − 0.00066666 . . . | |˜ x2 − x2 | = ≈ 0.5 . |x2 | |0.00066666 . . . |

Der relative Fehler von x ˜2 als Näherung von x2 ist also deutlich größer als der relative Fehler von x ˜1 als Näherung von x1 . Bemerkung 5.2 Der relative Fehler liefert eine Aussage, wieviele Ziffern zweier Zahlen übereinstimmen. Es gilt die folgende Faustregel: Stimmen zwei Zahlen x und x ˜ bis zur k-ten Ziffer überein, dann ist der relative Fehler von x ˜ als Näherung von x in der Größenordnung von 10−k . Dabei wird die Anzahl der übereinstimmenden Ziffern von links beginnend mit der ersten von Null verschiedenen Ziffer gezählt.

Beispiel 5.3 Bei den beiden Zahlen x1 = 40.33333 . . . und x ˜1 = 40.333 aus dem Beispiel 5.2 haben wir einen relativen Fehler von 0.83 · 10−5 , d. h. von rund 10−5 , und bei beiden Zahlen stimmen die ersten 5 Ziffern überein. Beispiel 5.4 Für die reelle Zahl π = 3.14159265 . . . gilt bei verschiedenen Näherungen x ˜: Näherung x ˜ 3.1 3.14 3.141 3.1415 3.14159

relativer Fehler −2

≈ 1.3 · 10

−4

≈ 5.1 · 10

−4

≈ 1.9 · 10

−5

≈ 2.9 · 10

−7

≈ 8.4 · 10

Anzahl übereinstimmender Ziffern mit x

−2

2

−3

3

−4

4

−5

5

−6

6

≈ 10 ≈ 10 ≈ 10 ≈ 10 ≈ 10

296

5 Computerarithmetik

Im Folgenden diskutieren wir die Kondition eines Problems. Die Kondition beschreibt die Abhängigkeit der Lösung eines Problems von Störungen in den Eingangsdaten.

Definition 5.3 Ein mathematisches Problem heißt gut konditioniert, wenn relativ kleine Änderungen in den Eingangsdaten auch nur relativ kleine Änderungen in der Lösung bewirken. Ist dies nicht der Fall, dann nennt man das Problem schlecht konditioniert. Als Maß für die Kondition eines Problems führen wir die Konditionszahl κ ein: κ=

relative Änderung im Ergebnis . relative Änderung in den Eingangsdaten

(5.1)

Folgerung 5.1 Falls κ  1 folgt aus der Beziehung (5.1), dass kleine Änderungen in den Eingangsdaten zu starken Abweichungen im Ergebnis führen. Man nennt daher Probleme mit einer großen Konditionszahl schlecht konditioniert. Probleme mit einer kleinen Konditionszahl sind gut konditionierte Probleme. Beispiel 5.5 Wir betrachten die Berechnung von Funktionswerten der Kosinus-Funktion. a) Gesucht sei der Funktionswert der Kosinus-Funktion an der Stelle x = 1.570796, d. h. in der Nähe von π2 . Anstelle des Funktionswertes an dieser Stelle x berechnen wir den Funktionswert an der Stelle x ˜ = 1.5708. Wir erhalten cos x ˜ = cos 1.5708 ≈ −3.6732 · 10−6 anstelle von cos x = cos 1.570796 ≈ 3.2679 · 10−7 . Der relative Fehler δy ist somit δy =

| − 3.6732 · 10−6 − 3.2679 · 10−7 | | cos x ˜ − cos x| ≈ ≈ 12.24 . | cos x| |3.2679 · 10−7 |

Der relative Fehler in den Eingangsdaten ist δx =

|˜ x − x| |1.5708 − 1.570796| = ≈ 2.55 · 10−6 . |x| |1.570796|

Der relative Fehler im Ergebnis (Funktionswert) ist das rund 4810000-fache des relativen Fehlers im Argument. Die Konditionszahl ist κ=

δy 12.24 ≈ ≈ 4810000 . δx 2.55 · 10−6

5.2 Zahlendarstellung und Computerarithmetik

297

b) Wir betrachten nun die Berechnung von Funktionswerten der Kosinus-Funktion an Stellen x in der Nähe von π4 ≈ 0.78539816 . . .. Gesucht sei der Funktionswert der Kosinus-Funktion an der Stelle x = 0.785398. Anstelle dieses Funktionswertes berechnen wir den Funktionswert der KosinusFunktion an der Stelle x ˜ = 0.7854. Es gilt δx =

|˜ x − x| |0.7854 − 0.785398| = ≈ 2.55 · 10−6 . |x| |0.785398|

Dieser relative Fehler im Argument x ist also etwa genauso groß wie im vorangegangenen Beispiel. Für den relativen Fehler im Funktionswert erhalten wir δy =

|0.70710548 − 0.70710690| | cos x ˜ − cos x| ≈ ≈ 2 · 10−6 . | cos x| |0.70710690|

Die relativen Fehler in den Eingangsdaten und im Ergebnis sind fast gleich. Die kleine Störung im Eingangswert (Argument der Kosinus-Funktion) hat also nur zu einem kleinen relativen Fehler im Ergebnis (berechneter Funktionswert) geführt. Es handelt sich somit um ein gut konditioniertes Problem. Die Konditionszahl ist κ=

2 · 10−6 δy ≈ ≈ 0.79 . δx 2.55 · 10−6

Dieses Beispiel zeigt, dass die Stärke der Auswirkung von Störungen im Argument auf den Fehler im berechneten Funktionswert davon abhängen kann, an welcher Stelle man den Funktionswert berechnet. Um vorab beurteilen zu können, an welchen Stellen sich Störungen im Argument stark oder nur gering auf den Fehler im berechneten Funktionswert auswirken, kann man Schätzungen für die Konditionszahl nutzen (siehe z. B. Quarteroni et al. [2002], Jung [2021b]).

5.2

Zahlendarstellung und Computerarithmetik

Problem: Es kann nicht der gesamte Bereich der reellen Zahlen im Computer dargestellt werden. Beispiel 5.6 √ Die irrationale Zahl 2 = 1.41421356 . . . hat eine Dezimaldarstellung mit unendlich vielen Nachkommastellen. Eine exakte Darstellung dieser Zahl im Computer ist nicht möglich, da zu ihrer Darstellung unendlich viele Speicherplätze benötigt werden, der zur Verfügung stehende Speicherplatz aber endlich ist. Folglich kann nur ein Nähe√ rungswert für 2 im Computer dargestellt werden. Damit entsteht eine Ungenauigkeit in der Zahlendarstellung, d. h. ein sogenannter Rundungs- oder Abschneidefehler. Derartige Fehler sind also unvermeidlich.

298

5 Computerarithmetik

Im Folgenden diskutieren wir, wie reelle Zahlen im Computer dargestellt werden. Wir nehmen an, dass N Speicherpositionen für die Speicherung einer Zahl zur Verfügung stehen. Ausgangspunkt unserer Erläuterungen ist die Gleitpunkt-Darstellung reeller Zahlen: x = (−1)s · (0.a1 a2 . . . at ) · β e = (−1)s · m · β e−t .

(5.2)

Dabei sind: β ∈ N, β ≥ 2

die sogenannte Basis,

t∈N

die Anzahl der erlaubten signifikanten Stellen ai , 0 ≤ ai ≤ β − 1,

m = a1 a2 . . . at

eine ganze Zahl, die sogenannte Mantisse,

e

eine ganze Zahl, der Exponent.

Beispiel 5.7 Wenn wir Aufgaben lösen, dann rechnen wir üblicherweise im Dezimalsystem. In diesem Fall haben wir in der obigen Zahlendarstellung die Basis β = 10. Beispielsweise hat die Zahl 143.96578 = 1 · 102 + 4 · 101 + 3 · 100 + 9 · 10−1 + 6 · 10−2 + 5 · 10−3 + 7 · 10−4 + 8 · 10−5 = (1 · 10−1 + 4 · 10−2 + 3 · 10−3 + 9 · 10−4 + 6 · 10−5 + 5 · 10−6 + 7 · 10−7 + 8 · 10−8 ) · 103 , welche t = 8 Stellen besitzt (drei vor und fünf nach dem Dezimalpunkt), die Gleitpunkt-Darstellung 0.14396578 · 103 = 14396578 · 103−8 . Bei der Zahlendarstellung in Computern nutzt man das Dualsystem, d. h. es wird die Basis β = 2 verwendet. Die Zahl 20.62510 , d. h. die Zahl 20.625 im Dezimalzahlensystem, hat dann wegen 20.62510 = 16 + 4 + 0.5 + 0.125 = 1 · 24 + 0 · 23 + 1 · 22 + 0 · 21 + 0 · 20 + 1 · 2−1 + 0 · 2−2 + 1 · 2−3 die Darstellung 10100.1012

5.2 Zahlendarstellung und Computerarithmetik

299

im Dualzahlensystem. Um zu kennzeichnen, in welcher Basis die betrachtete Ziffernfolge zu verstehen ist, haben wir die Ziffernfolgen mit dem tiefgestellten Index β versehen, d. h. mit dem Index 10 im Fall des Dezimalsystems und mit dem Index 2 im Fall des Dualsystems. Wegen 1 · 24 + 0 · 23 + 1 · 22 + 0 · 21 + 0 · 20 + 1 · 2−1 + 0 · 2−2 + 1 · 2−3 = (1 · 2−1 + 0 · 2−2 + 1 · 2−3 + 0 · 2−4 + 0 · 2−5 + 1 · 2−6 + 0 · 2−7 + 1 · 2−8 ) · 25 ergibt sich für die Zahl 20.62510 = 10100.1012 im Dualsystem die GleitpunktDarstellung 0.10100101 · 25 = 10100101 · 25−8 .

Sei L ≤ e ≤ U , L < 0 und U > 0, d. h. sei L der kleinstmögliche Exponent e und U der größtmögliche Exponent. Die zur Verfügung stehenden N Speicherpositionen für eine Zahl werden wie folgt aufgeteilt:

1

Position für das Vorzeichen,

t

Positionen für die Mantisse,

N −t−1

Positionen für den Exponenten.

Typischerweise stehen auf Computern zwei Formate für die Darstellung von Gleitpunkt-Zahlen (mit Basis β = 2) zur Verfügung. N = 32 Bits (einfach genau) 1 8 Bits 23 Bits s

e

m

N = 64 Bits (doppelt genau) 1 11 Bits s

52 Bits

e

m

Um Eindeutigkeit in der Zahlendarstellung (5.2) zu erzwingen, nehmen wir an, dass a1 = 0 gilt. Dann heißt a1 führende signifikante Stelle und at letzte signifikante Stelle. Die Darstellung einer Zahl x nennt man dann normalisiert.

300

5 Computerarithmetik

Bemerkung 5.3 Da bei der Basis β = 2 die Mantissenstellen ai nur gleich 0 oder gleich 1 sein können, muss bei einer normalisierten Gleitpunkt-Zahl mit der Basis β = 2 die führende signifikante Ziffer a1 immer gleich 1 sein. Folglich muss man die Ziffer a1 nicht abspeichern. Beim Rechnen mit den Zahlen muss man dann natürlich beachten, dass a1 = 1 gilt. Wir bezeichnen die Menge aller Gleitpunkt-Zahlen (5.2) mit der Basis β, t signifikanten Stellen (Mantissenstellen), und L ≤ e ≤ U , U > 0 mit F (β, t, L, U ) . Damit gleiche Rechenprogramme auf verschiedenen Computern gleiche Rechenergebnisse liefern, wurde im Standard IEC5591 festgelegt, dass die folgenden beiden Zahlensysteme genutzt werden: System F (2, 24, −125, 128) für einfache Genauigkeit (single precision),

(5.3)

System F (2, 53, −1021, 1024) für doppelte Genauigkeit (double precision). (5.4) Führen wir Berechnungen mit reellen Zahlen auf einem Computer durch, dann tritt das Problem auf, dass nicht jede reelle Zahl zu einer der beiden Zahlenmengen (5.3) und (5.4) gehört. Wie wir im Beispiel 5.6 diskutiert haben, können für die irrationalen Zahlen nur Näherungswerte im Computer gespeichert werden. Das folgende Beispiel zeigt, dass dies auch für manche rationalen Zahlen gilt, von denen man es vielleicht gar nicht denkt, wenn man sich nicht mit Zahlendarstellungen im Computer beschäftigt. Beispiel 5.8 Die Dezimalzahl 0.1 hat im Dualsystem die Darstellung 0.110 = 0.0001100110011001100 . . . 2 . Folglich lässt sich die Dezimalzahl 0.1 nicht exakt durch eine 32-Bit- bzw. 64-BitGleitpunktzahl im Dualsystem darstellen. Die Dezimalzahl 0.1 gehört also weder zur Menge F (2, 24, −125, 128) noch zur Menge F (2, 53, −1021, 1024) der Computerzahlen.

1

1985: Entwicklung des Standards durch das „Institute of Electrical and Electronics Engineers“ (IEEE), 1989: Billigung des Standards durch die „International Electronical Commission“

5.2 Zahlendarstellung und Computerarithmetik

301

Um dies noch zu verdeutlichen, betrachten wir die beiden folgenden Zahlen (einfach genaue Darstellung), welche zwei aufeinanderfolgende Zahlen der Menge F (2, 24, −125, 128) sind und die Dezimalzahl 0.1 einschließen: V (1 bit) Exponent (8 bits)

Mantisse (23 bits)

Zahlenwert

0

01111011

10011001100110011001100 0.0999999940 . . .

0

01111011

10011001100110011001101 0.1000000014 . . .

= -−4+127=123

Die Mantisse der dargestellten Zahl besteht aus den obigen 23 Ziffern und einer vorangestellten 1. Da bei normalisierten Zahlen die erste Ziffer stets eine 1 ist, wird diese nicht gespeichert. Der Exponent ergibt sich aus 0.000110011 . . .

2

= 1.1001100 . . .

2

· 2−4

Abspeicherung des Exponenten: Man addiert zum Exponenten einen sogenannten bias von 2−1 −1 (= 127 bei  = 8 Bits) und speichert das Ergebnis als vorzeichenlose 8-Bit-Zahl.

In der Computerarithmetik wird jede reelle Zahl x durch ihren Repräsentanten fl(x) ∈ F (β, t, L, U ) ersetzt. Dieser ist durch

 fl(x) = (−1) · (0.a1 a2 . . . a ¯t ) · β , a ¯t = s

e

at ,

wenn at+1 < β/2

at + 1 , wenn at+1 ≥ β/2

definiert. Die Abbildung fl : R → F (β, t, L, U ) wird Rundung genannt. Beispiel 5.9 Der Repräsentant der Zahl x = 0.110 = 0.0001100110011001100110011001 . . . = 0.1100110011001100110011001 . . . · 2

2

−3

 24. Stelle 25. Stelle

in der Menge F (2, 24, −125, 128) ist wegen at+1 = a24+1 = a25 = 1 ≥ β/2 = 2/2 = 1

(5.5)

302

5 Computerarithmetik

und somit a ¯t = a ¯24 = at + 1 = a24 + 1 = 0 + 1 = 1 die Zahl fl(x) = 0.110011001100110011001101 · 2−3 = 0.10000000149011611938476562510 .

Bemerkung 5.4 Die Rundung hat die folgenden Eigenschaften. fl(x) = x für alle x ∈ F fl(x) ≤ fl(y), wenn x ≤ y, x, y ∈ R Für den absoluten Fehler |fl(x) − x| gilt ¯t ) · β e − (−1)s · (0.a1 a2 . . . at at+1 . . .) · β e | |fl(x) − x| = |(−1)s · (0.a1 a2 . . . a = |(−1)s · (0.a1 a2 . . . a ¯t − 0.a1 a2 . . . at at+1 . . .) · β e | = |(0.a1 a2 . . . a ¯t − 0.a1 a2 . . . at at+1 . . .) · β e | = |(a1 a2 . . . at−1 .¯ at − a1 a2 . . . at−1 .at at+1 . . .) · β e−(t−1) | = |(0.¯ at − 0.at at+1 . . .) · β e−(t−1) | = |0.¯ at − 0.at at+1 . . . | · β e−(t−1) . Aufgrund der Rundung (siehe (5.5)) ist |0.¯ at − 0.at at+1 . . . | ≤

1 −1 β . 2

Damit folgt dann

|fl(x) − x| ≤

Für den relativen Fehler

1 −1 e−(t−1) 1 β ·β = β e−t . 2 2

(5.6)

|fl(x) − x| |x|

ergibt sich unter Nutzung der Abschätzung (5.6) für den absoluten Fehler |fl(x) − x| ≤ |x|

1 2

β e−t . |x|

(5.7)

5.2 Zahlendarstellung und Computerarithmetik

303

Wegen |x| = |(−1)s · (0.a1 a2 . . . at at+1 . . .) · β e | = |0.a1 a2 . . . at at+1 . . . | · β e ≥ 0.10 . . . 00 . . . · β e = 1 · β −1 · β e = β e−1 folgt aus (5.7) für den relativen Fehler die Abschätzung 1 e−t β |fl(x) − x| 1 ≤ 2 e−1 = β 1−t . |x| β 2

(5.8)

Die Größe β 1−t bezeichnet man auch als Rundungseinheit oder Mantissengenauigkeit. Im Fall der Zahlenmenge F (2, 24, −125, 128) (single precision Zahlen) ergibt sich aus der Abschätzung des relativen Fehlers (5.8) 1 |fl(x) − x| ≤ · 21−24 = 2−24 ≈ 5.96 · 10−8 ≈ 10−7 . |x| 2 Entsprechend der in der Bemerkung 5.2 angegebenen Faustregel stimmen dann bei x und fl(x) die ersten 7 Ziffern überein. Nutzen wir die Zahlenmenge F (2, 53, −1021, 1024) (double precision Zahlen), dann ist der relative Fehler von fl(x) als Näherung von x kleiner als 2−53 ≈ 1.11 · 10−16 , d. h. bei x und fl(x) stimmen dann mindestens die ersten 15 Ziffern überein. Im Folgenden diskutieren wir die Durchführung von Rechenoperationen mit den Gleitpunkt-Zahlen. Wie das folgende Beispiel zeigt, können arithmetische Operationen mit Zahlen aus den Mengen F (2, 24, −125, 128) bzw. F (2, 53, −1021, 1024) zu Ergebnissen führen, welche nicht zu diesen Mengen gehören. Dann muss das Ergebnis entsprechend der Beziehung (5.5) gerundet werden. Folglich erhalten wir ein fehlerbehaftetes Ergebnis.

Beispiel 5.10 Gegeben seien die beiden Zahlen x = 101.00000000000012 = (1 · 2−1 + 1 · 2−3 + 1 · 2−16 ) · 23 und y = 0.10000000000112 = 1 · 2−1 + 1 · 2−12 + 1 · 2−13 ,

304

5 Computerarithmetik

welche beide aus der Menge F (2, 24, −125, 128) sind. Wir erhalten x · y = (1 · 2−1 + 1 · 2−3 + 1 · 2−16 ) · 23 · (1 · 2−1 + 1 · 2−12 + 1 · 2−13 ) = 1 · 21 + 1 · 2−10 + 1 · 2−11 + 1 · 2−1 + 1 · 2−12 + 1 · 2−13 + 1 · 2−14 + 1 · 2−25 + 1 · 2−26 = 1 · 21 + 1 · 2−1 + 1 · 2−10 + 1 · 2−11 + 1 · 2−12 + 1 · 2−13 + 1 · 2−14 + 1 · 2−25 + 1 · 2−26 = 0.1010000000011111000000000011 · 22 , d. h. eine Zahl mit einer 28-stelligen Mantisse. Somit ist x · y keine Zahl aus der Menge F (2, 24, −125, 128). Das Ergebnis wird entsprechend der Rundungsregel (5.5) auf 0.101000000001111100000000 · 22 gerundet. Im Dezimalsystem ist x = 5.000122070312510 , y = 0.500366210937510 , x · y = 2.5018921345472335815429687510 und das gerundete Ergebnis 2.5018920898437510 . Die ersten sieben Ziffern im exakten und im gerundeten Produkt stimmen überein.

Wir erklären nun allgemein, wie die Addition zweier Gleitpunkt-Zahlen erfolgt. Algorithmus 5.1 (Addition zweier Gleitpunkt-Zahlen) Sei z1 = m1 β e1 , z2 = m2 β e2 , z1 , z2 ∈ F (β, t, L, U ) 1. Veränderung der Mantisse von z1 und z2 so, dass die Exponenten gleich sind: m1 → m1 , m2 → m2 , e1 , e2 → e 2. Bildung der Summe/Differenz der Mantissen m1 , m2 : m = m1 ± m2 (m genügt i.a. nicht der Normierungsbedingung) 3. Durch Verschiebung des Exponenten e → e wird die Normierungsbedingung a1 = 0 erfüllt und durch eventuelle Rundung die Mantissenlänge realisiert.

5.2 Zahlendarstellung und Computerarithmetik

305

Beispiel 5.11 Zu berechnen ist die Summe 1 . n Wir betrachten die Summenbildung für 32-Bit-Gleitpunkt-Zahlen, d. h. für Zahlen aus der Menge F (2, 24, −125, 128). 1+

Sei n = 224 . Dann gilt 1 = 1 · 20

und

1 = 1 · 2−24 . n

Addition beider Zahlen: 1

= -

0 1. 00000000000000000000000

·2

23 bits (werden gespeichert) −24

+2

= - + 0.000000000000000000000001 · 20 ↑ wird nicht gespeichert

1 ⊕ 2−24 = -

1.00000000000000000000000 · 20 ,

d. h. in der Gleitpunkt-Arithmetik bei 32-Bit-Zahlen gilt 1 + 2−24 = 1 . Mit ⊕ haben wir die Addition der 32-Bit-Zahlen mit anschließender Rundung auf eine 32-Bit-Zahl bezeichnet. Wie wir schon im Abschnitt 1.6 erwähnt haben, könnte man erwarten, dass man für

n immer größer werdendes n mittels 1 + n1 einen immer genaueren Näherungswert für die Eulersche Zahl e erhält, denn für wachsendes n wird dieser Ausdruck immer größer, aber überschreitet die Zahl e nicht. Wie dieses Beispiel zeigt, sind dieser Idee jedoch Grenzen gesetzt, denn die Summe 1 + n1 ist in der Computerarithmetik eben ab einem gewissen n identisch 1, so dass man mit einem immer weiter wachsenden n keinen genaueren Näherungswert für e mehr erhalten kann. Das Beispiel 5.11 können wir nutzen, um zu zeigen, dass im Allgemeinen die Addition in der Computerarithmetik nicht assoziativ ist, d. h. dass im Allgemeinen (x ⊕ y) ⊕ z = x ⊕ (y ⊕ z)

gilt. Hierbei bezeichnet wieder ⊕ die Addition zweier Zahlen aus der Menge F (β, t, L, U ) mit anschließender Rundung der Summe auf eine Zahl aus der Menge F (β, t, L, U ).

306

5 Computerarithmetik

Beispiel 5.12 Bei der Addition von 32-Bit-Gleitpunkt-Zahlen gilt



1 1 ⊕ 24 2

 ⊕

1 1 = 1 ⊕ 24 = 1 224 2

(siehe auch Beispiel 5.11), aber   1 1 1 ⊕ 24 = 1 ⊕ 23 =  1. 1⊕ 224 2 2

Im Folgenden stellen wir einige Aussagen darüber zusammen, wie sich Fehler in den Eingangsdaten (Operanden) auf das Ergebnis von Rechenoperationen auswirken, d. h. wie sich die Fehler fortpflanzen.

a) Bei der Addition zweier Zahlen mit gleichem Vorzeichen, d. h. zweier positiver oder zweier negativer Zahlen, ist der relative Fehler im Ergebnis maximal doppelt so groß wie der relative Fehler in den Summanden. Daraus folgt, dass viele Summanden zu einem großen relativen Fehler im Ergebnis führen können. b) Bei der Addition zweier Zahlen mit verschiedenem Vorzeichen, d. h. einer positiven und einer negativen Zahl, kann im Vergleich zu den relativen Fehlern in den Summanden ein sehr großer relativer Fehler in der Summe entstehen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn von beiden Summanden der Betrag fast gleich ist, d. h. wenn man zwei fast gleich große Zahlen subtrahiert.

Wir demonstrieren diese Aussagen anhand der folgenden Beispiele. Beispiel 5.13 Sei x= und y=



1001 ≈ 31.638584039112750190 . . .

√ 1000 ≈ 31.622776601683792563 . . . .

Die Repräsentanten dieser Zahlen in der Menge F (2, 24, −125, 128) sind fl(x) = 1.11111010001101111010010 · 24 = 0.31638584136962890625 · 102

5.2 Zahlendarstellung und Computerarithmetik

307

und fl(y) = 1.11111001111101101110010 · 24 = 0.31622776031494140625 · 102 . Damit ergeben sich die relativen Fehler |fl(x) − x| ≈ 0.3093 · 10−8 |x|

und

|fl(y) − y| ≈ 0.1803 · 10−7 . |y|

Für die Summe der beiden Zahlen erhalten wir fl(x) ⊕ fl(y) =

1.11111010001101111010010 · 24 +1.11111001111101101110010 · 24

= 11.1111010000101110100010 · 24

(5.9)

= 1.11111010000101110100010 · 2

5

= 0.6326136016845703125 · 102 . mit einem relativen Fehler von |fl(x) ⊕ fl(y) − (x + y)| ≈ 0.7466 · 10−8 . |x + y| Dieser relative Fehler ist ungefähr das Zweifache des relativen Fehlers von fl(x). Für die Differenz von x und y ergibt sich fl(x)  fl(y) =

1.11111010001101111010010 · 24 −1.11111001111101101110010 · 24

=

0.00000000010000001100000 · 24

=

0.10000001100000 · 2−5

= 0.1580810546875 · 10−1 . Wir haben hier die Bezeichnung  für die Subtraktion zweier Zahlen aus der Menge F (2, 24, −125, 128) mit anschließender Rundung der Differenz auf eine Zahl aus der Menge F (2, 24, −125, 128) genutzt. Der relative Fehler der berechneten Differenz ist |fl(x)  fl(y) − (x − y)| ≈ 0.4226 · 10−4 . |x − y| Dieser relative Fehler ist ungefähr das 13000-fache des relativen Fehlers von fl(x) als Näherung von x und ungefähr das 2000-fache des relativen Fehlers von fl(y) als Näherung von y.

308

5 Computerarithmetik

Die Subtraktion der beiden fast gleichen Zahlen x und y können wir vermeiden, √ √ wenn wir den Ausdruck 1001 − 1000 etwas anders aufschreiben. Es gilt unter Nutzung der 3. binomischen Formel (a − b)(a + b) = a2 − b2 (siehe Formel (1.72) im Abschnitt 1.5) √ √ √ √ √ √ ( 1001 − 1000) · ( 1001 + 1000) √ √ 1001 − 1000 = 1001 + 1000 √ √ ( 1001)2 − ( 1000)2 1001 − 1000 √ √ √ = √ = 1001 + 1000 1001 + 1000 = √

1 √ . 1001 + 1000

Mit fl(x) ⊕ fl(y) = 1.11111010000101110100010 · 25 (siehe (5.9)) erhalten wir 1  (fl(x) ⊕ fl(y)) = 0.100000010111111010011001 · 2−5 = 0.1580743677914142608642578125 · 10−1 . Dabei bezeichnen ⊕ und  die Addition bzw. Division zweier Zahlen aus der Menge F (2, 24, −125, 128) mit anschließender Rundung der Summe bzw. des Quotienten auf eine Zahl aus der Menge F (2, 24, −125, 128). Der relative Fehler des Quotienten ist √ √ |1  (fl(x) ⊕ fl(y)) − 1/( 1001 + 1000)| √ √ ≈ 0.4111 · 10−7 . | 1001 + 1000| Dieser relative Fehler ist nur etwa das 13.3-fache des relativen Fehlers von fl(x) als Näherung von x und etwa das 2.3-fache des relativen Fehlers von fl(y) als Näherung von y. Er ist damit wesentlich kleiner als der relative Fehler, den wir erhalten, wenn √ √ die Differenz 1001 − 1000 direkt berechnet wird. Das Problem, dass zwei Zahlen zu addieren sind, die betragsmäßig fast gleich groß sind, aber verschiedene Vorzeichen haben, kann beispielsweise auch bei der Berechnung der Lösungen quadratischer Gleichungen 0 = x2 + px + q mittels der Lösungsformel (3.4) (siehe Abschnitt 3.1.1), d. h. mittels der Formel  p 2 p √ −q, x1,2 = − ± D mit D = 2 2 auftreten. Ist p positiv und q sehr klein im Vergleich zu p, dann ist   √ p p p 2 D= − q ≈ > 0, − < 0 und 2 2 2 so dass bei der Berechnung der Lösung p √ x1 = − + D 2

5.2 Zahlendarstellung und Computerarithmetik

309

zwei Zahlen zu addieren sind, deren Betrag fast gleich groß ist, die aber verschiedene Vorzeichen haben. Dies kann dazu führen, dass die Lösung x1 einen großen relati√ ven Fehler im Vergleich zu den relativen Fehlern von −p/2 und D besitzt. Bei der Berechnung von p √ x2 = − − D 2 hingegen sind dann zwei negative Zahlen zu addieren, so dass der relative Fehler der Lösung x2 höchstens etwa doppelt so groß ist wie der von den beiden Summanden √ −p/2 und − D. Das Entstehen eines großen relativen Fehlers in der Lösung x1 im √ Vergleich zu den relativen Fehlern in −p/2 und D kann man vermeiden, wenn man x1 unter Nutzung des Vietaschen Wurzelsatzes (siehe (3.5) im Abschnitt 3.1.1), d. h. unter Nutzung der Beziehung q = x1 · x2 , ermittelt. Man kann x1 also gemäß x1 =

q x2

berechnen. Wenn man ein Computerprogramm zur Lösung von quadratischen Gleichungen 0 = x2 + px + q schreibt, dann sollte man deshalb immer folgende Vorgehensweise zugrunde legen: Algorithmus 5.2 (Lösen einer quadratischen Gleichung) Berechne  p 2 D= −q 2 und p √ q , falls p < 0 : x1 = − + D , x2 = 2 x1 p √ q . falls p ≥ 0 : x2 = − − D , x1 = 2 x2

Beispiel 5.14 Gesucht sind die Lösungen der quadratischen Gleichung x2 + 105 x + 1 = 0 .

(5.10)

Wir demonstrieren beide Wege zur Berechnung der Lösungen dieser Gleichung, nämlich zum einen die Berechnung beider Lösungen mittels der Lösungsformel und zum anderen die Berechnung einer Lösung mittels der Lösungsformel und die Ermittlung der anderen Lösung unter Nutzung des Vietaschen Wurzelsatzes.

310

5 Computerarithmetik

Wir führen die Rechnungen mit 32-Bit-Gleitpunkt-Zahlen aus. d. h. mit Zahlen aus der Menge F (2, 24, −125, 128). Die angegebenen Rechenergebnisse wurden unter Nutzung eines Computerprogramms in der Programmiersprache Fortran 77 (Compiler gfortran) ermittelt. Berechnung beider Lösungen mittels der Lösungsformel.

  p 2 − q = 0.0 2   p 2 p − q = −0.1 · 106 x2 = − − 2 2

p x1 = − + 2

Für diese beiden Lösungen ergeben sich die relativen Fehler δx1 ≈ 1.0

und

δx2 ≈ 0.1 · 10−9 ,

wenn wir bei der Berechnung der relativen Fehler als exakte Lösungen die Lösungen nutzen, welche wir bei der Lösung der quadratischen Gleichung (5.10) unter Nutzung von 64-Bit-Gleitpunkt-Zahlen erhalten. Berechnung einer Lösung mittels der Lösungsformel und der anderen unter Nutzung des Vietaschen Wurzelsatzes Da p = 105 > 0, berechnen wir die Lösung x2 mittels der Lösungsformel, d. h.   p p 2 − q = −0.1 · 106 , x2 = − − 2 2 und erhalten damit die Lösung x1 aus x1 =

q 1 = ≈ −0.999999974737875 · 10−5 . x2 x2

Für diese beiden Lösungen ergeben sich die relativen Fehler δx1 ≈ 0.2536 · 10−7

und

δx2 ≈ 0.1 · 10−9 .

Der relative Fehler der Lösung x1 ist jetzt wesentlich kleiner als wenn wir diese Lösung auch mittels der Lösungsformel berechnen.

Index Symbole C, 271 N, 69 Q, 69 R, 69 Z, 69 e, 44 Grenzwert, 50 Summe (Reihe), 50 π, 43 Formel von Archimedes, 45 Formel von Bailey, Borwein, Plouffe, 49 Formel von Euler, 47, 48 Formel von Leibniz, 46 Formel von Viète, 45 Formel von Wallis, 46 k-te Potenz einer komplexen Zahl, 286 einer reellen Zahl, 19 A Abbildung, 95 Bild, 95 Definitionsbereich, 95 eindeutige, 95 eineindeutige, 96 mehrdeutige, 95 Urbild, 95 Wertebereich, 95 Addition Assoziativitätsgesetz, 2 Kommutativitätsgesetz, 2 komplexer Zahlen, 280 Additionstheoreme Arkus-Funktionen, 219 hyperbolische Funktionen, 177 trigonometrische Funktionen, 198 Archimedes von Syrakus, 45 Area-Funktionen, 181 Area-Kosinus-Hyperbolicus-Funktion Beschränktheit, 181 Definition, 181 Definitionsbereich, 181 Funktionsgraph, 181 Monotonieverhalten, 181 Nullstellen, 181 Symmetrieeigenschaften, 181 Wertebereich, 181 Area-Kotangens-Hyperbolicus-Funktion Beschränktheit, 182

Definition, 181 Definitionsbereich, 182 Funktionsgraph, 182 Monotonieverhalten, 182 Nullstellen, 182 Symmetrieeigenschaften, 182 Wertebereich, 182 Area-Sinus-Hyperbolicus-Funktion Beschränktheit, 181 Definition, 181 Definitionsbereich, 181 Funktionsgraph, 181 Monotonieverhalten, 181 Nullstellen, 181 Symmetrieeigenschaften, 181 Wertebereich, 181 Area-Tangens-Hyperbolicus-Funktion Beschränktheit, 182 Definition, 181 Definitionsbereich, 182 Funktionsgraph, 182 Monotonieverhalten, 182 Nullstellen, 182 Symmetrieeigenschaften, 182 Wertebereich, 182 Argument einer Funktion, 100 Arkus-Funktionen, 214 Additionstheoreme, 219 spezielle Funktionswerte, 217 Arkuskosinus-Funktion, 214 Beschränktheit, 215 Definitionsbereich, 215 Funktionsgraph, 214 Monotonieverhalten, 215 Nullstellen, 215 Wertebereich, 215 Arkuskotangens-Funktion, 214 Beschränktheit, 216 Definitionsbereich, 216 Funktionsgraph, 215 Monotonieverhalten, 216 Nullstellen, 216 Wertebereich, 216 Arkussinus-Funktion, 214 Beschränktheit, 215 Definitionsbereich, 215 Funktionsgraph, 214 Monotonieverhalten, 215 Nullstellen, 215

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 M. Jung, Mathematische Grundlagen für die Natur- und Ingenieurwissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03266-1

312

Wertebereich, 215 Arkustangens-Funktion, 214 Beschränktheit, 216 Definitionsbereich, 216 Funktionsgraph, 215 Monotonieverhalten, 216 Nullstellen, 216 Quadrantenbeziehungen, 218 Wertebereich, 216 Assoziativgesetz Addition von Zahlen, 2 Durchschnitt von Mengen, 75 Multiplikation von Zahlen, 2 Vereinigung von Mengen, 75 B Bailey, David Harold, 49 Basis der k-ten Potenz, 19 Exponentialfunktionen, 162 Gleitpunkt-Darstellung, 298 Logarithmus einer reellen Zahl, 52 Logarithmusfunktionen, 164 Beschränktheit Area-Kosinus-Hyperbolicus-Funktion, 181 Area-Kotangens-Hyperbolicus-Funktion, 182 Area-Sinus-Hyperbolicus-Funktion, 181 Area-Tangens-Hyperbolicus-Funktion, 182 Arkuskosinus-Funktion, 215 Arkuskotangens-Funktion, 216 Arkussinus-Funktion, 215 Arkustangens-Funktion, 216 Exponentialfunktionen, 163 Kosinus-Funktion, 189 Kosinus-Hyperbolicus-Funktion, 176 Kotangens-Funktion, 189 Kotangens-Hyperbolicus-Funktion, 177 Logarithmusfunktionen, 165 Potenzfunktionen, 137, 140 Sinus-Funktion, 189 Sinus-Hyperbolicus-Funktion, 176 Tangens-Funktion, 189 Tangens-Hyperbolicus-Funktion, 177 Wurzelfunktionen, 139 Betrag einer komplexen Zahl, 272 einer reellen Zahl, 4, 85 Betragsfunktion, 102 Beschränktheit, 115 Definitionsbereich, 102 Funktionsgraph, 102 Monotonie, 109 Wertebereich, 102 Binomialkoeffizient

Index

Berechnungsmöglichkeit, 10 Definition, 9 Rechengesetze, 10 binomische Formeln, 35 binomischer Satz, 36 Bogenmaß, 182 Borwein, Peter Benjamin, 49 Bruch Rationalmachen des Nenners, 39 C Cantor, Georg Ferdinand Ludwig Philipp, 67 D de Moivre, Abraham, 286 de Morgan, Augustus, 75 De Morgansche Regeln Durchschnitt und Vereinigung von Mengen, 75 Definitionsbereich Area-Kosinus-Hyperbolicus-Funktion, 181 Area-Kotangens-Hyperbolicus-Funktion, 182 Area-Sinus-Hyperbolicus-Funktion, 181 Area-Tangens-Hyperbolicus-Funktion, 182 Arkuskosinus-Funktion, 215 Arkuskotangens-Funktion, 216 Arkussinus-Funktion, 215 Arkustangens-Funktion, 216 einer Abbildung, 95 einer Funktion, 100 Exponentialfunktionen, 163 größtmöglicher, 100 Kosinus-Funktion, 189 Kosinus-Hyperbolicus-Funktion, 176 Kotangens-Funktion, 189 Kotangens-Hyperbolicus-Funktion, 177 Logarithmusfunktionen, 165 Potenzfunktionen, 137, 140 Sinus-Funktion, 189 Sinus-Hyperbolicus-Funktion, 176 Tangens-Funktion, 189 Tangens-Hyperbolicus-Funktion, 177 Wurzelfunktionen, 139 Differenz komplexer Zahlen, 280 von Mengen, 72 Distributivgesetz Addition und Multiplikation von Zahlen, 2 Durchschnitt und Vereinigung von Mengen, 75 Division komplexer Zahlen, 280, 283

Index

Dreieck Pascalsches, 11 Dreiecksungleichung, 91 Durchschnitt von Mengen, 72 E Elemente, 67 Entier-Funktion, 102 Beschränktheit, 115 Definitionsbereich, 102 Funktionsgraph, 102 Monotonie, 109 Wertebereich, 102 Euler, Leonhard, 47 Eulersche Zahl e, 44, 162 Exponent der k-ten Potenz, 19 Gleitpunkt-Darstellung, 298 Exponentialfunktionen, 162 Beschränktheit, 163 Definition, 162 Definitionsbereich, 163 Funktionsgraph, 163 Monotonieverhalten, 163 Wertebereich, 163 F Fakultät einer natürlichen Zahl, 8 Fehler absoluter, 294 relativer, 295 Formel von Moivre, 286 Formel von Archimedes für π, 45 Formel von Bailey, Borwein, Plouffe für π, 49 Formel von Euler für π, 47, 48 Formel von Leibniz für π, 46 Formel von Viète für π, 45 Formel von Wallis für π, 46 Formeln binomische, 35 Funktion, 95 Area-Funktionen, 180 Area-Kosinus-Hyperbolicus-Funktion, 181 Area-Kotangens-Hyperbolicus-Funktion, 181 Area-Sinus-Hyperbolicus-Funktion, 181 Area-Tangens-Hyperbolicus-Funktion, 181 Argument, 100 Arkuskosinus-Funktion, 214 Arkuskotangens-Funktion, 214 Arkussinus-Funktion, 214

313

Arkustangens-Funktion, 214 beschränkte, 114 Betragsfunktion, 102 Definitionsbereich, 100 e-Funktion, 162 echt gebrochen rationale, 159 eineindeutige, 122 Entier-Funktion, 102 Exponentialfunktion, 162 Funktionswert, 100 ganze rationale, 148 gebrochen rationale, 159 gerade, 129 hyperbolische, 176 Infimum, 115 Integerfunktion, 102 inverse, 96, 122 invertierbare, 122 Kosinus-Funktion, 186 Kosinus-Hyperbolicus-Funktion, 176 Kotangens-Funktion, 186 Kotangens-Hyperbolicus-Funktion, 176 Logarithmusfunktionen, 164 Maximum, 115 Minimum, 115 mittelbare, 117 monoton fallende, 108 monoton steigende, 108 monoton wachsende, 108 nach oben beschränkte, 114 nach unten beschränkte, 114 Nullstelle, 103 obere Schranke, 114 periodische, 128 Polynom, 148 Potenzfunktion, 135 reelle, 100 Schnittpunkt mit der y-Achse, 107 Sinus-Funktion, 186 Sinus-Hyperbolicus-Funktion, 176 streng monoton fallende, 108 streng monoton steigende, 108 streng monoton wachsende, 108 Supremum, 115 Tangens-Funktion, 186 Tangens-Hyperbolicus-Funktion, 176 trigonometrische, 186 umkehrbar eindeutige, 122 Umkehrfunktion, 122 unbeschränkte, 114 unecht gebrochen rationale, 159 ungerade, 129 untere Schranke, 114 verkettete, 117 Wertebereich, 100

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Wurzelfunktion, 138 zyklometrische, 214 Funktionen Gleichheit, 102 Funktionsgraph Area-Kosinus-Hyperbolicus-Funktion, 181 Area-Kotangens-Hyperbolicus-Funktion, 182 Area-Sinus-Hyperbolicus-Funktion, 181 Area-Tangens-Hyperbolicus-Funktion, 182 Arkuskosinus-Funktion, 214 Arkuskotangens-Funktion, 215 Arkussinus-Funktion, 214 Arkustangens-Funktion, 215 Exponentialfunktionen, 163 Kosinus-Funktion, 188 Kosinus-Hyperbolicus-Funktion, 177 Kotangens-Funktion, 189 Kotangens-Hyperbolicus-Funktion, 177 Logarithmusfunktionen, 165 Potenzfunktionen, 137, 140 Schnittpunkt mit der y-Achse, 107 Schnittpunkte mit der x-Achse, 103 Sinus-Funktion, 188 Sinus-Hyperbolicus-Funktion, 177 Tangens-Funktion, 189 Tangens-Hyperbolicus-Funktion, 177 Wurzelfunktionen, 139 Funktionswert, 100 G Gauß, Carl Friedrich, 16 Gaußsche Zahlenebene, 271 imaginäre Achse, 272 reelle Achse, 272 geordnetes Paar, 93 Gleichheit zweier Funktionen, 102 zweier Mengen, 70 Gleichung goniometrische, 256 mit einem Exponentialausdruck, 246 mit einem Logarithmenausdruck, 252 mit Wurzelausdrücken, 237 mit zwei Exponentialausdrücken, 248 mit zwei Logarithmenausdrücken, 254 nichtlineare, 231 Polynomgleichung, 232, 234 quadratische, 104 Mitternachtsformel, 107 Gleitpunkt-Darstellung Basis, 298 Exponent, 298 Mantisse, 298 normalisiert, 299

Index

goniometrische Gleichung, 256 Gonmaß, 182 Gradmaß, 182 H Horner, William George, 149 Horner-Schema, 149 Hyperbeln k-ter Ordnung, 140 hyperbolische Funktionen Additionstheoreme, 177 Definition, 176 I imaginäre Einheit, 270 imaginäre Zahlen, 271 Infimum einer Funktion, 115 Integerfunktion, 102 Beschränktheit, 115 Definitionsbereich, 102 Funktionsgraph, 102 Monotonie, 109 Wertebereich, 102 Intervall abgeschlossenes, 69 linksseitig offenes, 69 offenes, 69 rechtsseitig offenes, 69 Itempotenzgesetz, 75 K Kommutativgesetz Addition von Zahlen, 2 Durchschnitt von Mengen, 75 Multiplikation von Zahlen, 2 Vereinigung von Mengen, 75 komplexe Zahl, 271 algebraische Darstellung, 273 Argument, 274 arithmetische Form, 271 Betrag, 272 Darstellung in Polarkoordinaten, 274 Eulersche Darstellung, 275 exponentielle Darstellung, 275 Gleichheit, 272 Hauptargument, 274 Imaginärteil, 271 kartesische Form, 271 konjugiert komplexe Zahl, 272 Potenzieren, 286 Radizieren, 287 Realteil, 271 trigonometrische Darstellung, 274

Index

komplexe Zahlen Addition, 280 Division, 280, 283 Multiplikation, 280, 283 Potenzieren, 284 Radizieren, 287 Subtraktion, 280 Kondition eines Problems, 296 Konditionszahl eines Problems, 296 Kosinus-Funktion, 186 Beschränktheit, 189 Definition, 186 Definitionsbereich, 189 Funktionsgraph, 188 Monotonieverhalten, 189 Nullstellen, 189 Periodizität, 189 Symmetrieeigenschaften, 189 Wertebereich, 189 Kosinus-Hyperbolicus-Funktion, 176 Beschränktheit, 176 Definition, 176 Definitionsbereich, 176 Funktionsgraph, 177 Monotonieverhalten, 176 Nullstellen, 176 Symmetrieeigenschaften, 176 Wertebereich, 176 Kotangens-Funktion, 186 Beschränktheit, 189 Definition, 186 Definitionsbereich, 189 Funktionsgraph, 189 Monotonieverhalten, 189 Nullstellen, 189 Periodizität, 189 Symmetrieeigenschaften, 189 Wertebereich, 189 Kotangens-Hyperbolicus-Funktion, 176 Beschränktheit, 177 Definition, 176 Definitionsbereich, 177 Funktionsgraph, 177 Monotonieverhalten, 177 Nullstellen, 177 Symmetrieeigenschaften, 177 Wertebereich, 177 Kreiszahl π, 43 L Lösungsformel Mitternachtsformel, 107 quadratische Gleichung, 104

315

Leibniz, Gottfried Wilhelm, 46 Logarithmengesetze, 54 Logarithmus dekadischer, 52, 164 dualer, 52, 164 dualis, 164 einer reellen Zahl, 52 natürlicher, 52, 164 naturalis, 164 Zehnerlogarithmus, 52, 164 Zweierlogarithmus, 52, 164 Logarithmusfunktionen, 164 Beschränktheit, 165 Definition, 164 Definitionsbereich, 165 Funktionsgraph, 165 Monotonieverhalten, 165 Nullstellen, 165 Wertebereich, 165 M Mantisse Gleitpunkt-Darstellung, 298 Mantissengenauigkeit, 303 Maximum einer Funktion, 115 Menge, 67 echte Teilmenge, 68 Elemente, 67 Grundmenge, 71 Komplementärmenge, 71 leere, 68 Produktmenge, 93 Teilmenge, 68 Mengen Differenz, 72 disjunkte, 72 Durchschnitt, 72 Gleichheit, 70 Mengendiagramme, 72 Venn-Diagramme, 72 Vereinigung, 72 Mengenoperationen Assoziativgesetze, 75 De Morgansche Regeln, 75 Differenz, 72 Distributivgesetze, 75 Durchschnitt, 72 Itempotenzgesetze, 75 Kommutativgesetze, 75 Vereinigung, 72 Minimum einer Funktion, 115 Minuten Winkelmaß, 183

316

Mitternachtsformel, 107 Monotonieverhalten Area-Kosinus-Hyperbolicus-Funktion, 181 Area-Kotangens-Hyperbolicus-Funktion, 182 Area-Sinus-Hyperbolicus-Funktion, 181 Area-Tangens-Hyperbolicus-Funktion, 182 Arkuskosinus-Funktion, 215 Arkuskotangens-Funktion, 216 Arkussinus-Funktion, 215 Arkustangens-Funktion, 216 Exponentialfunktionen, 163 Kosinus-Funktion, 189 Kosinus-Hyperbolicus-Funktion, 176 Kotangens-Funktion, 189 Kotangens-Hyperbolicus-Funktion, 177 Logarithmusfunktionen, 165 Potenzfunktionen, 137, 140 Sinus-Funktion, 189 Sinus-Hyperbolicus-Funktion, 176 Tangens-Funktion, 189 Tangens-Hyperbolicus-Funktion, 177 verketteter Funktionen, 119 Wurzelfunktionen, 139 Multiplikation Assoziativitätsgesetz, 2 Kommutativitätsgesetz, 2 komplexer Zahlen, 280, 283 N Näherungsformel für e, 50 Näherungsformel für π, 45–49 Nebenwinkel, 58 Winkelsatz, 58 nichtlineare Gleichung, 231 Nullstelle, 103 Nullstellen Area-Kosinus-Hyperbolicus-Funktion, 181 Area-Kotangens-Hyperbolicus-Funktion, 182 Area-Sinus-Hyperbolicus-Funktion, 181 Area-Tangens-Hyperbolicus-Funktion, 182 Arkuskosinus-Funktion, 215 Arkuskotangens-Funktion, 216 Arkussinus-Funktion, 215 Arkustangens-Funktion, 216 Kosinus-Funktion, 189 Kosinus-Hyperbolicus-Funktion, 176 Kotangens-Funktion, 189 Kotangens-Hyperbolicus-Funktion, 177 Logarithmusfunktionen, 165 Potenzfunktionen, 137, 140 Sinus-Funktion, 189 Sinus-Hyperbolicus-Funktion, 176

Index

Tangens-Funktion, 189 Tangens-Hyperbolicus-Funktion, 177 Vielfachheit, 150 Wurzelfunktionen, 139 P Parabel k-ter Ordnung, 138 Scheitelpunkt, 158 Pascal, Blaise, 11 Pascalsches Dreieck, 11 Periodenlänge einer Funktion, 128 Periodizität Kosinus-Funktion, 189 Kotangens-Funktion, 189 Sinus-Funktion, 189 Tangens-Funktion, 189 Plouffe, Simon, 49 Polynom, 148 m-ten Grades, 148 Faktorisierung, 150 kubisches, 148 Produktdarstellung, 150 quadratisches, 148 Scheitelpunktsform, 158 Polynomdivision, 160 Polynomgleichungen mit geradzahligen Exponenten, 234 ohne Absolutglied, 232 Populationsmodell, 173 exponentielles Wachstum, 174 logistisches Wachstum, 174 von Verhulst, 174 Potenzen Vorrangregeln, 20 Potenzfunktionen, 135, 136, 139, 141 Beschränktheit, 137, 140 Definition, 135 Definitionsbereich, 137, 140 Funktionsgraph, 137, 140 mit gebrochenzahligem Exponent, 141 mit irrationalem Exponent, 165 mit negativem ganzzahligen Exponent, 139 mit positivem ganzzahligen Exponent, 136 Monotonieverhalten, 137, 140 Nullstellen, 137, 140 Symmetrieeigenschaften, 137, 140 Wertebereich, 137, 140 Potenzgesetze, 23 Potenzieren komplexe Zahlen, 284 reelle Zahlen, 19 Produktzeichen, 18

Index

Pythagoras trigonometrischer, 199 Q Quadrantenbeziehungen, 218 quadratische Ergänzung, 42, 43 R Radiant, 182 Radikand, 28 Radizieren komplexe Zahlen, 287 reelle Zahlen, 28 Rationalmachen des Nenners Bruch, 39 Rundung, 301 Rundungseinheit, 303 S Scheitelpunkt Parabel, 158 Scheitelpunktsform quadratisches Polynom, 158 Scheitelwinkel, 58 Winkelsatz, 58 Schranke obere, 114 untere, 114 Sekunden Winkelmaß, 183 Sinus-Funktion, 186 Beschränktheit, 189 Definition, 186 Definitionsbereich, 189 Funktionsgraph, 188 Monotonieverhalten, 189 Nullstellen, 189 Periodizität, 189 Symmetrieeigenschaften, 189 Wertebereich, 189 Sinus-Hyperbolicus-Funktion, 176 Beschränktheit, 176 Definition, 176 Definitionsbereich, 176 Funktionsgraph, 177 Monotonieverhalten, 176 Nullstellen, 176 Symmetrieeigenschaften, 176 Wertebereich, 176 Stufenwinkel, 58 Winkelsatz, 59 Subtraktion komplexer Zahlen, 280 Summenformel

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gerade natürliche Zahlen, 18 Kubikzahlen, 27 natürliche Zahlen, 17 Potenzen 2k , 27 Potenzen q k , 27 Quadratzahlen, 27 ungerade natürliche Zahlen, 18 Summenzeichen, 13 Supremum einer Funktion, 115 Symmetrieeigenschaften Area-Kosinus-Hyperbolicus-Funktion, 181 Area-Kotangens-Hyperbolicus-Funktion, 182 Area-Sinus-Hyperbolicus-Funktion, 181 Area-Tangens-Hyperbolicus-Funktion, 182 Kosinus-Funktion, 189 Kosinus-Hyperbolicus-Funktion, 176 Kotangens-Funktion, 189 Kotangens-Hyperbolicus-Funktion, 177 Potenzfunktionen, 137, 140 Sinus-Funktion, 189 Sinus-Hyperbolicus-Funktion, 176 Tangens-Funktion, 189 Tangens-Hyperbolicus-Funktion, 177 T Tangens-Funktion, 186 Beschränktheit, 189 Definition, 186 Definitionsbereich, 189 Funktionsgraph, 189 Monotonieverhalten, 189 Nullstellen, 189 Periodizität, 189 Symmetrieeigenschaften, 189 Wertebereich, 189 Tangens-Hyperbolicus-Funktion, 176 Beschränktheit, 177 Definition, 176 Definitionsbereich, 177 Funktionsgraph, 177 Monotonieverhalten, 177 Nullstellen, 177 Symmetrieeigenschaften, 177 Wertebereich, 177 Teilmenge, 68 echte, 68 Term, 76 trigonometrische Funktionen Additionstheoreme, 198 Definition, 186 spezielle Funktionswerte, 192

318

U Umkehrfunktion, 122 Ungleichung, 76 Definitionsmenge, 76 Dreiecksungleichung, 91 Lösungsmenge, 76 Rechenregeln, 77 V Venn-Diagramme, 72 Vereinigung von Mengen, 72 Verhulst, Pierre-François, 174 verkettete Funktionen Definition, 117 Monotonieverhalten, 119 Viète, François, 45, 106 Vietascher Wurzelsatz, 106, 152 Vorrangregeln Potenzen, 20 W Wallis, John, 46 Wechselwinkel, 59 Winkelsatz, 59 Wertebereich Area-Kosinus-Hyperbolicus-Funktion, 181 Area-Kotangens-Hyperbolicus-Funktion, 182 Area-Sinus-Hyperbolicus-Funktion, 181 Area-Tangens-Hyperbolicus-Funktion, 182 Arkuskosinus-Funktion, 215 Arkuskotangens-Funktion, 216 Arkussinus-Funktion, 215 Arkustangens-Funktion, 216 einer Abbildung, 95 einer Funktion, 100 Exponentialfunktionen, 163 Kosinus-Funktion, 189 Kosinus-Hyperbolicus-Funktion, 176 Kotangens-Funktion, 189 Kotangens-Hyperbolicus-Funktion, 177

Index

Logarithmusfunktionen, 165 Potenzfunktionen, 137, 140 Sinus-Funktion, 189 Sinus-Hyperbolicus-Funktion, 176 Tangens-Funktion, 189 Tangens-Hyperbolicus-Funktion, 177 Wurzelfunktionen, 139 Wertetabelle, 101 Winkel Nebenwinkel, 58 Scheitelwinkel, 58 Stufenwinkel, 58 Wechselwinkel, 59 Winkelmaß Bogenmaß, 182 Gon, 182 Grad, 182 Minuten, 183 Radiant, 182 Sekunden, 183 Winkelsatz Nebenwinkel, 58 Scheitelwinkel, 58 Stufenwinkel, 59 Wechselwinkel, 59 Wurzel einer reellen Zahl, 28 Wurzelexponent, 28 Wurzelfunktionen, 138 Beschränktheit, 139 Definitionsbereich, 139 Funktionsgraph, 139 Monotonieverhalten, 139 Nullstellen, 139 Wertebereich, 139 Wurzelgleichung, 237 Z Zahlendarstellung doppeltgenau, 299 einfachgenau, 299 Gleitpunkt-Darstellung, 298 zyklometrische Funktionen, 214

Literaturverzeichnis D. H. Bailey, P. B. Borwein und S. Plouffe. On the rapid computation of various polylogarithmic constants. Mathematics of Computation, 66(218):903–913, 1997. F. J. Gruber und R. Joeckel. Formelsammlung für das Vermessungswesen. Springer Vieweg, 20. Auflage, 2020. M. Jung. Ebene Trigonometrie und Analytische Geometrie mit Anwendungen in der Kartographie, Geodäsie und verwandten Disziplinen. Springer Spektrum, 2021a. M. Jung. Differential- und Integralrechnung für die Natur- und Ingenieurwissenschaften mit zahlreichen Anwendungen. Springer Spektrum, 2021b. G. Merzinger, G. Mühlbach, D. Wille und Th. Wirth. Formeln + Hilfen zur Höheren Mathematik. Binomi Verlag, Springe, 8. Auflage, 2018. K. Meyberg und P. Vachenauer. Höhere Mathematik 1. Springer–Verlag, Berlin Heidelberg New York, 6. Auflage, 2001a. K. Meyberg und P. Vachenauer. Höhere Mathematik 2. Springer–Verlag, Berlin Heidelberg New York, 4. korr. Auflage, 2001b. L. Papula. Mathematik für Ingenieure und Naturwissenschaftler, Band 1. Springer Vieweg, 14. überarbeitete und erweiterte Auflage, 2014. L. Papula. Mathematik für Ingenieure und Naturwissenschaftler, Band 2. Springer Vieweg, 14. überarbeitete und erweiterte Auflage, 2015. A. Quarteroni, R. Sacco und F. Saleri. Numerische Mathematik 1. Springer-Verlag, BerlinHeidelberg-New York, 2002. P.-F. Verhulst. Notice sur la loi que la populations suit dans son accroissement. Corr. Math. et Phys., 10:113–121, 1838. P.-F. Verhulst. Recherches mathématiques sur la loi d’accroissement de la population. Technical Report 10, Nouveaux mémoires de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Bruxelles, 1845.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 M. Jung, Mathematische Grundlagen für die Natur- und Ingenieurwissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-658-03266-1

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