Magie in neutestamentlicher Zeit 9783666530814, 3525530811, 9783525530818

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Magie in neutestamentlicher Zeit
 9783666530814, 3525530811, 9783525530818

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Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Dietrich-Alex Koch, Matthias Köckert, Christopher Tuckett und Steven McKenzie

Band 218

Vandenhoeck & Ruprecht

Peter Busch

Magie in neutestamentlicher Zeit

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 10: 3-525-53081-1 ISBN 13: 978-3-525-53081-8

© 2006, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Druck und Bindung: b Hubert & Co, Göttingen. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

Vorwort ..........................................................................................................7 Teil I:

Was ist Magie? .................................................................................9 Einführung......................................................................................11

Teil II: Die Zeugnisse.................................................................................23 Amulette .........................................................................................25 Defixionen......................................................................................31 Einführung in die griechischen Zauberpapyri................................45 Zaubertexte in Qumran?.................................................................68 Teil III: Die Innensicht der Magie ...............................................................83 Positive Rezeption magischer Praktiken im Umfeld des NT.........85 Spuren antiker Magier....................................................................86 Magie und Magier im Neuen Testament........................................97 Teil IV: Die Magiepolemik........................................................................113 Einführung....................................................................................115 Griechisch – römische Magiepolemik .........................................116 Christliche Magiepolemik............................................................127 Phänomene, die den Magie verdacht evozieren...........................152 Essayistischer Epilog .................................................................................155 Ein früher Leser mit magischer Brille..........................................155 Ablehnung öffentlich betriebener Magie .....................................158 Göttliche Kraft statt Magie bei Jesus ...........................................160 Bevollmächtigung statt Magie bei den Aposteln .........................162 Alternativkonzepte zu Magie in der Briefliteratur.......................165 Conclusio: Neues Testament und Magie .....................................170 Literatur......................................................................................................173 Stellenregister.............................................................................................185

Drum hab’ ich mich der Magie ergeben, Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis würde kund J.W. v. Goethe, Faust I, „Nacht“

Vorwort

Doktor Faust, des Nachts im gotischen Zimmer sitzend, bekennt sich zur Magie, nachdem jedwede seriöse Wissenschaft gescheitert ist – so führt Goethe die Leserschaft in seine große Tragödie ein. Die tragische Dynamik des Werkes mag klassisch sein, doch der Stoff, aus dem es sich nährt, ist antik. Die eigentümliche Mischung von Gelehrsamkeit, von Erfahrung persönlichen Scheiterns und von der Ahnung wirkmächtiger Transzendenz, verbunden mit dem gewissen Reiz, der jedem Spiel mit großer Macht zu eigen ist, führt uns direkt in die Welt der Zauberpapyri und Beschwörungen, der Amulette und Defixionen, der Bettelmännchen und Fluchtäfelchen, die uns von der antiken Volksreligiosität überliefert sind. Die Beschäftigung mit der Magie als dem Gegenstand der neutestamentlichen Wissenschaft ist noch nicht sehr alt. Von dogmatischer Seite als heidnischer Aberglaube verpönt, wird sie erst seit Adolf Deißmann als ein Spektrum des „Lichts vom Osten“ zögerlich wahrgenommen, das in die neutestamentliche Exegetenstube fällt und die kanonischen Texte in eigener Färbung erscheinen lässt. Ebendiese Färbung kräftiger nachzuzeichnen und abschließend ein „neutestamentliches“ Profil zum Umgang mit dem Komplex „Magie“ vorzuschlagen, ist Absicht der vorliegenden kleinen Studie. Harthausen, Mai 2006

Peter Busch

Teil I: Was ist Magie?

Einführung Einführung Magie In den apokryphen Pilatusakten aus der Spätantike (etwa 4./5. Jh. AD) lesen wir folgende fiktive Begebenheit, die sich unmittelbar vor dem Verhör Jesu durch Pontius Pilatus zugetragen haben soll: Die Hohenpriester und Schriftgelehrten Annas und Kaiphas, Semes, Dathaes und Gamaliel, Judas, Levi und Nephthalim, Alexander und Jairus und die übrigen Juden hielten nämlich eine Ratssitzung ab und kamen dann zu Pilatus, um Jesus wegen vieler Vergehen anzuklagen. Sie erklärten: Wir wissen, dass dieser der Sohn des Zimmermanns Joseph und von Maria geboren ist; trotzdem behauptet er, er sei Gottes Sohn und ein König. Aber er schändet auch den Sabbat und will unser väterliches Gesetz abschaffen. Pilatus entgegnete: Was tut er denn, dass er es abschaffen will? Darauf die Juden: Wir haben ein Gesetz, am Sabbat solle man keinen heilen. Dieser aber hat Lahme, Bucklige, Ausgemergelte, Blinde, Paralytiker und Besessene am Sabbat mit verwerflichen Mitteln geheilt. Pilatus fragte sie: Mit welchen verwerflichen Mitteln? Sie entgegneten ihm: Er ist ein Magier und vertreibt mit Hilfe Beelzebubs, des Herrschers der Teufel, die bösen Geister, und alles ist ihm untertänig. Darauf Pilatus zu ihnen: Das bedeutet nicht mit Hilfe eines unreinen Geistes die Dämonen austreiben, sondern mit Hilfe des Gottes Asklepios.1

Besonderes Augenmerk richten wir auf die Interpretation der Sabbatheilungen Jesu in der Wirkungsgeschichte von Mk 3,1–6. Wie in Mk 3,2 vorbereitet, wird hier von den jüdischen Gegnern der Sabbatbruch Jesu zum markanten Anklagepunkt. Die Dialogform – die Nachfrage des Pilatus, die ausführliche Antwort der Gegner mit der katalogartigen Aufzählung der Wundertaten Jesu – ist als weitere Ausgestaltung dieser neutestamentlichen Szene zu verstehen. An einem wesentlichen Punkt allerdings weicht der Vorwurf der jüdischen Gegner jedoch von der biblischen Vorlage ab: die „verwerflichen Mittel“, die Jesus angeblich benutzt hatte. Nicht nur die Tatsache, dass Jesus am Sabbat heilt, gibt hier Anlass zur Klage, sondern weiterhin die Mittel der Heilung. In der Pointe der Geschichte wird der Leser vom eigentlichen Vorwurf des Sabbatbruches zum Magievorwurf geleitet: Die jüdischen Gegner erkennen magisches Handeln und klagen Jesus deswegen an.

1

Übersetzung nach Scheidweiler, in: Schneemelcher, Bd. 1, 1990, 400f; vgl. zu den Magieanklagen in den ActPilat Bammel, 1997, 10f.

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Magie

Pilatus hingegen sieht – in seiner Funktion als heidnischer Statthalter – die legitime Wirkkraft des griechischen Heilgottes Asklepios am Werk.2 Ein und dieselbe Handlung wird in diesem Beispiel in verschiedenen Kategorien interpretiert: Einmal ist es Magie (so die jüdischen Gegner Jesu), zum anderen Ausdruck religiöser Vollmacht (so Pilatus). Dies mag zeigen, dass die Auseinandersetzung um das Phänomen „Magie“ historisch tiefe Wurzeln hat. Würde man diese fiktive Unterhaltung in den oben zitierten Pilatusakten auf ihre religionswissenschaftliche Problematik hin untersuchen, so ließen sich in etwa die folgenden Desiderate feststellen: – Der Unterschied zwischen „Magie“ und „Religion“ ist ungeklärt. – Eindeutige Kriterien für das Phänomen „Magie“ müssen ermittelt werden.

Diese beiden Themenkomplexe wurden in der Neuzeit in der Religionswissenschaft, der Soziologie und der Altertumswissenschaft diskutiert, und es liegen bis dato eine Vielzahl von Deutungsmöglichkeiten vor.3 Es ist kaum übertrieben, wenn man für die jüngere Magiedebatte in Deutschland, aber auch international, angesichts der unbefriedigenden Antworten gerade der oben aufgeworfenen Fragestellungen eine gewisse Aporie diagnostiziert: So spricht Kippenberg gerade aufgrund der unzähligen gescheiterten Versuche, den Begriff „Magie“ religionswissenschaftlich konsensfähig zu machen, schon Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts von einem „Zerfall der Kategorie“.4 Die folgenden Ausführungen sind an dieser Stelle von etwas mehr Optimismus geprägt, zumal sie sich – im Gegensatz zur Religionswissenschaft, die sich um allgemeingültige Begriffsbestimmungen bemüht – lediglich auf den zwar schillernden, aber dennoch grob abgrenzbaren Magiebegriff der griechisch-römischen Antike des Mittelmeerraumes beziehen. Die Magiedebatte für das christliche Mittelalter oder für die Religionen Südostasiens etwa wird an dieser Stelle nicht reflektiert.

2

Die Parallele Christus – Asklepios, die möglicherweise schon in Joh 5 anklingt, ist eine häufig benutzte Kategorie. Justin, 1Apol 22 vermerkt sie in einer Reihung von Analogien der Jesuserzählungen zur paganen Mythologie. Aus 1Apol 54 wird deutlich, dass die Jesus-AsklepiosParallele polemisch gegen die Jesusüberlieferung kursierte: Die mosaischen Weissagungen von der Krankenheilung und Totenerweckung durch Jesus wird von Anhängern der paganen Mythologie mit Asklepios in Verbindung gebracht. In Dial 69,3 wird der griechische Asklepiosmythos als teuflische Nachäfferei der christlichen Prophezeiung gewertet. 3 Vgl. Graf, 1996, 15–23. 4 Vgl. Kippenbergs Einleitung in Kippenberg/Luchesi, 1995, 9–51, bes. 38f; auch Kippenberg, 1998.

Einführung

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Gibt es eine „magische“ Entwicklungsstufe menschlicher Erkenntnis? Die Debatte um eine Definition von „Magie“, die sich in deutlichem Kontrast zu „Religion“ verstehen will, wurde in der neueren Religionswissenschaft hauptsächlich durch John Frazer angestoßen,5 der hier in der Abfolge Magie–Religion–Wissenschaft Entwicklungsstufen menschlicher Erkenntnis vom Primitiven zum Komplexen hin erkannte.6 Nach Frazer wirkt der Mensch mittels Magie im Rahmen einer bestimmten Weltsicht (nämlich der sympathetischen, also alles in der Welt in Verbundenheit erfassenden) unmittelbar und zwingend auf die Welt ein, in der Religion dann vermittelt durch Götter. Dieses vom Ethos der Aufklärung geprägte und gegen jedwede zeitgenössische Romantik gerichtete Modell (Magie als primitiv, vorreligiös, aber Religion dagegen höher entwickelt, Wissenschaftlichkeit als Reife) hat theologisch und religionswissenschaftlich bis heute eine ausgeprägte Wirkungsgeschichte,7 reizte aber durchaus auch zum direkten Widerspruch. Beispielsweise wurde eine direkte Umkehrung der Entstehungsabfolge Magie – Religion von Barb vorgeschlagen, der einen ursprünglich religiösen Rahmen voraussetzt, der dann aufgrund menschlicher Unzulänglichkeit zur weißen Magie und letztendlich zur Goetie degenerieren kann.8 Gibt es klare Kategorien für „Magie“? Wurde die von Frazer angestoßene Diskussion diachron im Horizont der Frage nach der kulturellen Entwicklung der Menschheit geführt, so sind parallel dazu auch Ansätze erkennbar, die synchron nach konkreten, nach5

Vgl. hierzu Graf, 1996, 15f; Mürmel, 1991. Vgl. Frazer, 1968, 78: „In erster Linie vermag uns eine Betrachtung der Grundbegriffe der Magie und Religion zu der Annahme berechtigen, dass die Magie in der Geschichte der Menschheit älter ist als die Religion“. 7 Schäfer, 1996, 541 betont, dass nicht nur im Protestantismus, sondern auch in der modernen jüdischen Magiedebatte das Modell Frazers positiv rezipiert wurde. Beispielsweise Staudinger, 2000, 19, geht ganz ungeniert von aus, dass magische und mythische Wirklichkeitsdeutungen in „alter Zeit“ vorherrschen, und „von ihnen herrschte die magische anscheinend in frühesten Zeiten vor“. An anderer Stelle sind bei Staudinger apologetische Tendenzen bei der Rezeption eines Entwicklungsschemas á la Frazer erkennbar: Magie sei ein außer- und vorchristliches Deuteschema der Welt, das von der christlichen Deutung abgelöst wurde, vgl. Staudinger, 1998: Magie und Mythologie seien menschliche Wege der Wahrheitsdeutung, „mit dem Erscheinen Jesu Christi beginne allerdings eine völlig neue Phase der Wahrheitserkenntnis und Wahrheitsvermittlung“ (a.a.O., 59), da in Jesus Christus die Wahrheit selbst in die Welt eingetreten sei. 8 Barb, 1964, 101: „Religion does not evolve from primitive magic; on the contrary, magic derives from religion, which, as it becomes tainted by human frailty, deteriorates into so-called white magic (the Greeks called it theurgia – working things divine), gradually losing its whiteness and turning from more or less dirty grey into black magic, called in Greek goeteia, from the evilsounding recitation of spells“. 6

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Magie

weisbaren Kriterien für das Phänomen „Magie“ suchen. Hier ist vor allem die vom Strukturalismus geprägte idealtypische Charakterisierung von „Magie“ und „Religion“ anhand verschiedener Oppositionspaare zu nennen,9 durch die man sich Eindeutigkeit bezüglich des Phänomens „Magie“ erhoffte. Vor allen Dingen die Auffassung, dass die Magier die Gottheit mithilfe seiner Künste manipuliere, während der religiöse Gläubige Gott bittend gegenüber trete, durchzieht die Magiedebatte wie ein roter Faden.10 Ebenso verleitet die „technische“ Seite der magischen Beschwörungen in der neueren Diskussion oftmals zur Einführung eines Kriteriums; Magie ist dann eine erlernbare Kunst, für die bestimmte magische Techniken konstitutiv sind.11 All diese Kriterien für eine eindeutige Begriffsbestimmung der Magie können nur idealtypisch gelten und führen in der exegetischen Praxis schnell in die Aporie.12 Beispielsweise das Kriterium „Zwang“ vs. „Bitte“: Ist die sonntäglich bei jedem Gottesdienst gesprochene Fürbitte, die ja allgemein als religiöse und nichtmagische Äußerung gilt, nicht auch in gewissem Sinne manipulativ und damit magisch? Schließlich hat hier die Formelhaftigkeit des Ausdrucks (etwa bei der Ektenie) oder das Schema kleine Tätigkeit – große Wirkung (durch eine kurze Bitte an Gott wird umfassende Hilfe für diejenigen erhofft, für die gebetet wird) eine Nähe zu Texten, die allgemein der Magie zugeordnet werden: Formelhafte, rituelle Wendungen und kleine Symbolhandlungen, denen man große Wirkung zutraut, finden wir auch in den Zauberpapyri. Wären dann die Exorzismen Jesu nicht auch magische Handlungen, weil hier übersinnliche Mächte gezwungen und manipuliert werden? Der Zwang einer Gottheit oder eines Dämons, etwa mit den Worten: „ich beschwöre dich [...]“ soll dessen eigenen Willen maginalisieren und ihn dem Willen 9 Vgl. Goode, 1951, 53f, in Deutschland rezipiert bei Trunk, 1994, 377 und Klauck, 1995, 175. Je nach Einschätzung werden die Begriffspaare auf eine Grundopposition zugespitzt, beispielsweise: Magie sei unpersönlich vs. Religion sei persönlich (Smith, 1978, 431), oder: der Magier zwinge den Gott, etwas zu tun, aber der Religiöse unterwerfe sich dem Gott und lasse ihm die Handlungsfreiheit (de Vries, 1962; Öhler 1997, 148, Anm. 206; Klauck, 1995, 175). 10 Vgl. zur Manipulation Hopfner, 1928, 301ff; Zwang als Kriterium für Magie wurde mit nachhaltiger Wirkung von Festugière, 1932, 281ff vorgeschlagen; Weitere Würdigung bei Remus, 1983, 62ff. Auch die auf den psychologischen Hintergrund der Magie zielende Studie von Fauth, 1998, 44, legt den Zwang zugrunde. Ebenso ist N. Söderblom, 1949, 33 zu nennen, nach dem der Mensch in der Religion der Gottheit verehrt, in der Magie allerdings für seine eigenen Zwecke benutzt. 11 Vgl. Theißen, 1998, 231. 12 Die strenge Dichotomie von Magie und Religion wurde allerdings parallel zu den entsprechenden Vorschlägen schon kritisiert, vgl. Goldin, 1976, 122; Gager, 1992, 24ff. Becker, 2002, nennt (unter Bezugnahme der Arbeiten von Daniel O’Keefe) S. 3ff neben diesen idealtypischen Begriffs- und Verhältnisbestimmungen (es gib bestimmte Abgrenzungskriterien) noch „Identitätsmodelle“ (Magie ist Religion), „Integrations- und Überlappungsmodelle“ für die Verhältnisbestimmung von Magie und Religion.

Einführung

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des Beschwörers allein unterwerfen – in ähnlicher Weise wären die Exorzismen Jesu ja zu verstehen. Versteift man sich bei einer Magiedefinition auf die „technische“ Seite einer religiösen Handlung, so wäre etwa zu fragen, ob die agendarisch minutiös vorgeschriebenen Handlungs- und Redeabläufe unserer heutigen kirchlichen Abendmahls- und Taufpraxis nicht auch magischen Charakter haben könnten, da hier eine ausgeprägte „technische“ Seite des Rituals vorliegt. Wie man an diesen wenigen Beispielen sieht, kann durch diese Ansätze die oben in den Pilatusakten erkennbare Diskussion um „magisch“ oder „nichtmagisch“ keineswegs beendet werden, sondern erhält eher noch weitere Nahrung. „Magie“ und „Religion“ scheinen derart miteinander verwandt, dass eine religionsphänomenologische Unterscheidung nach klaren Kriterien nicht möglich ist. Dennoch ist die Diskussion seit Jahrzehnten virulent und verlangt eine Positionierung. An dieser Stelle erscheint es mir am wenigsten gezwungen, die „Magie“ in das weite Feld der „Religion“ als eine mögliche Ausdrucksform einzuordnen. Die jeweilige Grenzziehung der Phänomene ist meiner Meinung nach dem jeweiligen gesellschaftlichen Umfeld, also der soziologischen Referenzgruppe, zu überlassen, wie es der folgende Abschnitt markieren mag. Ist „Magie“ ein gesellschaftliches Phänomen? Magie ist seit langem Thema soziologischer Untersuchungen. Dabei kommen die Einschätzungen zur Bedeutung der Magie für eine soziologische Bezugsgröße unterschiedlich zum Ausdruck. Einerseits ist Magie, Zauberei und Mantik als positiv und tragend für eine Gesellschaft empfunden worden. Evans-Pritchard sah hier eine wichtige Funktion für personale Beziehungen und für Unglückssituationen.13 Andererseits wurde von soziologischer Seite auf das Verhältnis von Magiern zur soziologischen Bezugsgröße eingegangen. Da, wie oben erkennbar wurde, Magie sich kaum eindeutig von Religion abgrenzen lässt, ist es möglich, die Unterscheidung von Magie und Religion dem jeweiligen Urteil der Zeitgenossen zu überlassen.14 Eine konzeptuelle Basis zu dieser Sicht der Dinge liefert die Soziologie strukturalistischer Prägung; mit E. Durkheim operiert Magie außerhalb der üblichen religiösen Gemeinschaft.15 13

Evans-Pritchard, 1937, 63–117; vgl. auch Brown, 1970, 17ff. Vgl. hierzu die Darstellung der kontroversen Diskussion bei Segal, 1995. 15 Vgl. Durkheim, 1966, 57ff, ebenso die Darstellung von Aune, 1980, 1514 und bei Trunk, 1994, 378f (hier „systemtheoretische“ bzw. „funktionale“ Begriffsunterscheidung von Magie und Religion). 14

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Magie

Im Gefolge dieser Absetzbewegungen von Magie und „üblicher“ Religiosität hat M. Mauss auf der Folie eines unhinterfragten Glaubensmusters innerhalb einer soziologischen Einheit Magie als etwas Anormales, letztlich Illegales in Bezug zu diesem Glaubensmuster beschrieben.16 Magie ist damit also keine überzeitlich definierbare Erscheinung (etwa im Sinne Frazers und klar unterscheidbar von Religion), sondern ein soziales Phänomen, hängt damit also von Glaubensmustern und damit unhinterfragten Meinungen soziologischer Bezugsgrößen ab. Was sich in religiösen Dingen gegen das Übliche richtet, wird als Magie bezeichnet. Dieser soziologische Magiebegriff wird von Aune auf den Punkt gebracht, magische Praxis sei „alternate to those normally sanctioned by the dominant religious institutions“ und in der gegenwärtigen Forschung häufig vorausgesetzt.17 Anhänger dieser Sicht der Dinge rechnen – im Gegensatz etwa zu Frazer – nicht mit einer bestimmten Begriffsbestimmung von „Religion“ oder „Magie“, sondern lassen wandelnde Auffassungen dieser beiden Größen in den jeweiligen soziologischen Bezugsfeldern zu. Auf dieser Basis stellte – mit ausdrücklicher Rezeption der Thesen Mauss‘ – in neuerer Zeit F. Graf heraus, dass auch antike Magieanklagen sich gegen Menschen richten, die von außen in ein festes Sozialgefüge hineinkommen und dies stören18 und führt als Beispiel den Prozess gegen C. Furius Cresimus (Plinius, NH 18) und gegen Apuleius von Madaura (Apuleius, Apol) an. Auch hier ist es die öffentliche Meinung, die jemanden zum Magier stempelt, weil er von außen in ein festes Sozialgefüge – zu dessen Schaden – einbricht. Eine differenzierte Position nahm in diesem Zusammenhang Goldin ein: Die Reaktion auf magisches Treiben wird hier mit dem Begriff der „ambiguity“ bezeichnet. Die Einstellung der Antike zur Magie war stets mit gemischter Attitüde belegt.19 Der Nachteil dieses Ansatzes liegt darin, dass „Magie“ dann schon als substantielles Phänomen vorausgesetzt wird. Ein bestimmter „Magiebegriff“ ist dann schon impliziert – weswegen Goldin auch später kritisiert wurde.20 16

Vgl. Mauss, 1972, 24–32. Vgl. z.B. McCollony/Glazier-McDonald, 1997, 144 bei der Edition des Fieberamuletts von Sepphoris; in sachlicher Übereinstimmung dazu Bammel, 1997, 5 bei der Unterscheidung von Wundern und Magie im jüdischen Bereich. Dagegen ist allerdings von fachkundiger Seite die mangelnde Rezeption des Mauss’schen Ansatzes – etwa im Vergleich zu dem Frazers – beklagt wurden, vgl. Mürmel, 1991. 18 Graf, 1996, 58ff ebenso erwägt Kollmann, 1996, 55, dass die „soziale Reputation“ und die „Konformität mit dem vorherrschenden Religions- und Wissenschaftsverständnis“ die Identifikation als Magier, göttlicher Mensch und dergleichen entscheidend mitbestimme. 19 Vgl. Goldin, 1976, 119. 20 Vgl. Lyons/Reimer, 1998, 19f; die Kritik richtete sich an die (implizite) Gleichsetzung von „magisch“ = „dämonisch“ bei einer Geschichte in Pesq de Rav Kahana (Goldin, 1976, 122f). 17

Einführung

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Wenn damit das Phänomen „Magie“, um es unter Rezeption der soziologischen Ansätze vorsichtig auszudrücken, von den soziologischen Bezugsgrößen bestimmt und definiert wird, so könnte man „Magie“ als „Konsensphänomen“ auffassen, wie es der folgende Abschnitt darzulegen versucht: Antike Magie als Konsensphänomen Die soziologisch bestimmte Debatte um die Magie hat den Blick dafür geschärft, Phänomene wie „Magie“ und „Religion“ nicht absolut, quasi als anthropologische Grundkonstanten zu setzen und definieren zu wollen, sondern sie stets in Relation zu ihrem jeweiligen zeitgenössischen Bezugsrahmen zu beschreiben. In diese Richtung werden auch die weiteren Ausführungen tendieren. In der exegetischen Praxis erweisen sich Magiedefinitionen als problematisch, die Magie als ein eigenes, von anderen Erscheinungen durch Kriterien deutlich unterscheidbares Phänomen bestimmen wollen und dabei substantielle Kriterien vorschlagen, die „Magie“ von anderen Phänomenen abheben. Ein Beispiel für die derartige Begriffsbestimmung liefert Ratschow im einschlägigen TRE – Artikel (I. Religionsgeschichtlich): Magie wird als eine zur heutigen Weltsicht alternative Weltanschauung früher Kulturen umrissen, vom Charakter der „ex opere operato“ – Wirksamkeit und der sympathetischen Praxis geprägt, die in Riten in nicht-utilitaristischer Weise urzeitliche Ereignisse abbildet.21 Eine derartige Begriffsbestimmung liefert einige Kriterien, die an entsprechende Texte, Äußerungen oder Riten angelegt werden können, um sie als „magisch“ zu charakterisieren. Je nach Präferenz derartiger Kriterien wird man bei der Exegese etwa der Exorzismen Jesu oder der Einsetzung der Sakramente diskutieren können, ob diese magischen Charakter haben oder nicht. Die Fragestellung, die wir in dieser Studie an die antiken Texte richten, wird eine andere sein. Wir fragen nicht, ob die Handlungen und Worte Jesu und der frühen Christen „magisch“ sind. Wir fragen, inwieweit und warum diese als „magisch“ verstanden wurden. Hierbei kommen die antiken Texte selbst zu Wort, denn Gegenstand der Untersuchung ist hier das Verständnis von „Magie“ in den einzelnen Texten. Es geht hier also nicht um das Phänomen, sondern um die Bedeutungsvielfalt des Wortes.

21

Vgl. die Charakterisierung von Ratschow, 1991, 690.

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Magie

Als Beispiel kann hier wieder der TRE – Artikel Magie dienen (III. Historisch): Drei Aspekte der „abendländischen Begriffsgeschichte“ der Magie werden genannt: 1. „Magie als Wissenschaft und Weisheit von den göttlichen Kräften in der Natur und Schöpfung (magia naturalis), 2. „Magie“ als praktische Nutzung dieses Wissens in Divination, Orakel und Zauberei, und 3. Betrügerische Zauberei.“22

Hier zeigt sich deutlich eine gelungene deskriptive Zusammenfassung von Bedeutungsinhalten des Begriffs „Magie“ in antiken Texten. Dieser deskriptive Weg, nach dem Magieverständnis in den jeweiligen Texten zu fragen und daraus die Bedeutungsvielfalt des Wortes zu umreißen, soll in der vorliegenden Untersuchung gegangen werden.23 Auf die lapidare Frage nach einer allgemeingültigen Definition von „Magie“ könnte man dann im Horizont der oben skizzieren Annährungsweise ganz platt antworten: Magie ist das, was die Menschen eines bestimmten Milieus unter Magie eben verstehen. Bezogen auf die Textwelt der griechisch-römischen Antike bedeutet dies: Magie ist das, was die jeweiligen antiken Autoren unter Magie verstehen. Sie könnten einerseits im Rahmen einer Außensicht den Magiebegriff polemisch benutzen und jemanden als Magier denunzieren bzw. einen Menschen magischer Handlungen bezichtigen. Dann wäre die Aufgabe des Exegeten, die Vorstellungswelt und die soziologischen Rahmenbedingungen hierfür zu ermitteln. Andererseits könnten in Texten – im Rahmen einer Innensicht – Magier 22

Harmening, 1991, 696; Diese dreifache Definition drückt eine Tendenz der neueren Magiediskussion aus, das Phänomen „Magie“ nicht mehr einsträngig, sondern sehr komplex fassen zu wollen. Konsequenz sind dann Dreifachdefinitionen wie die oben oder auch die wegweisende Einteilung von Nock, 1972, 315, der drei Verwendungsmöglichkeiten für das Wort „Magie“ in der Antike vorschlug: 1. „the profession by private individuals of the possession of technical ability enabling them to supply recipes or perform rites to help their clients and damage their clients‘ enemies“, 2. Der Gebrauch von „recipes and rites”, andere zu schädigen, 3. „to denote the religious belonging to aliens or on any general ground disapproved“. Als Zweifachdefinition, die viele herkömmliche Diskussionsstränge zur Magieforschung zu integrieren versucht, mögen die beiden vielbeachteten Sätze von Aune, 1980, 1515 zitiert werden: 1. „magic is defined as that form of religious deviance whereby individual or social goals are sought by means alternate to those normally sanctioned by the dominant religious groups“ und 2.: „goals sought within the context of religious deviance are magical when attained through the management of supernatural powers in such a way that results are virtually guaranteed”. 23 Vgl. hierzu auch Graf, 1996, 22f: „Damit aber bleiben bloß zwei Möglichkeiten. Entweder schafft man eine moderne Definition des Ausdrucks, von der man sowohl die antiken wie die frazerianischen Bedeutungen strikt fernhält, nicht aber die neueren ethnologischen und sozialanthropologischen Diskussionen; oder man verwendet den Ausdruck strikt in seiner antiken Bedeutung, hält nicht nur Frazer, sondern die gesamte moderne Diskussion fern und ist sich bewusst, dass die antike Normativität der Verwendung nicht in die moderne Deskription übernommen werden darf. Im Folgenden soll dieser zweite Weg eingeschlagen werden [...] Statt also eine strenge, aber künstliche Terminologie zu schaffen, verfolgt man die antiken Bedeutungen der Terminologie als Teil eines Diskurses über die Beziehungen zwischen Menschen und Göttern“.

Einführung

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selbst zu Wort kommen, und die exegetische Fragestellung würde sich auf das jeweilige Selbstverständnis eines derartigen Magiers richten. Eine derartige Begriffsbestimmung lehnt sich in konstruktivistischer Weise an die Art und Weise an, in der beispielsweise H.U. Hoche auf die Frage nach dem Wesen der Philosophie Antwort gibt: „Philosophie ist das, was Personen, über deren Bezeichnung als ‚Philosophen‘ weitgehend Einigkeit herrscht, während ihrer Berufsstunden tun“.24 Analog dazu ist ein antiker Magier nur im Konsens seiner jeweiligen Umgebung ein Magier, und Magie ist das, was er in seiner Eigenschaft als Magier betreibt. Wie Marcel Mauss es ausgedrückt hat, ist es eben nichts anderes als der allgemeine Konsensus, der jemanden zum Magier macht.25 Dabei sei allerdings vermerkt, dass es sich bei einer derartigen Begriffsbildung um das zeitgenössische Verständnis der jeweiligen Texte und nicht um einen modernen Konsens zum Begriff Magie handelt, der auf die antiken Texte übertragen wird.26 Ebenso werden wir methodisch streng zwischen der „Außensicht“ von Magie (was bezeichnen Außenstehende – meist polemisch – als Magie?) und der Innensicht (welche Leute dagegen von sich: „Ich betreibe Magie“?) unterscheiden. Wer auf diesem Weg der Magie nachspürt, hat den jeweiligen Konsens und den Dissens über Magie zu beachten, sieht Magie als konsensabhängiges Phänomen, das jeweils Gegenstand der Diskussionen ist – wie beispielsweise die antiken Magieanklagen und die Apologien dagegen oder andererseits die Handlungen der „echten“ Magier und der beißende Spott Lukians darüber zeigen. Dieser für die exegetischen Wissenschaften vorgeschlagene, deskriptive Weg zur Klärung des Phänomens „Magie“ wird in den Nachbarwissenschaften, die sich mit Magie beschäftigen, übrigens teilweise ähnlich angewendet. In der Missionswissenschaft beschreibt dies beispielsweise H. Schütte für die Religiosität in Neuguinea von „Religion“: „Das, was in gegebener Vision der Dinge als religiös bezeichnet wird, ist also kulturell bestimmt“.27 Religion gilt hier konsensabhängiges Deutemuster der Wirklichkeit, und für Magie ist aus ethnologischer Sicht Gleiches nachweisbar: „Traumgesichte, die ihre Basis im Volksglauben haben, werden im Lauf des zivilisatorischen Prozesses zu Aberglauben erklärt, 24

Hoche, 1990, 3; Dieser Begriff ist in den Augen Hoches keine „Definition“, sondern „eine Anweisung zur Gewinnung einer Begriffsklärung“. 25 Vgl. Mauss, 1973, 24: „C’est [...] l’opinion qui crée le magicien […]“. 26 Vgl. hierzu Alexander, 1997, der bei seinen Überlegungen zur Magie in den Qumrantexten von ebenjener „pragmatic, commonsense definition of magic“ ausgeht (a.a.O., 318, Anm. 1): Eine Definition der Magie sei in Dtn 18,9–14 gegeben, und die dort verbotenen Aktivitäten würden auch vom modernen Englischsprecher als magisch bezeichnet. Die Folge dieses Ansatzes ist dann die von Lyons/Reimer, 1998 beklagte Gleichsetzung von Dämonenglaube und Magie in den Qumrantexten. 27 Schütte, 1997, 4.

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Magie

dann der Zauberei angenähert“.28 Auch der Begriff „Aberglaube“ wird in ähnlicher Weise diskutiert, etwa als der von den maßgeblichen Kräften einer bestimmten Gesellschaft abgelehnte Glaube.29 Versuch der Konsensbeschreibung Wie aus obigen Ausführungen deutlich werden sollte, liegen dem hier vertretenen Magiebegriff zwei wichtige Vorentscheidungen zugrunde: – Die strenge methodische Unterscheidung zwischen der Außen- und der

Innensicht von „Magie“, – der Konsenscharakter der antiken Magie.

Gerade für letzteren Punkt mag der Leser zu Recht fragen: Wodurch wird denn der Konsens erkennbar, auf dem die antiken Anschauungen basieren? Für die Außensicht ist auf die antike Magiepolemik zu verweisen, die in ihren vielfachen Nuancierungen Gegenstand von Teil III dieses Buches ist. Gerade die zusammenfassende Übersicht der Phänomene, die den Magieverdacht evoziert hatten, gibt Einblick in den gesellschaftlichen Konsens dieser Diffamierungen: Plötzliches Verliebtsein, Erfolg als Außenseiter oder eine unübliche religiöse Praktik können einen Magieverdacht zur Folge haben, der dem jeweiligen Umfeld völlig plausibel ist. Für die Innensicht wird in diesem Buch der Weg gegangen, den oben postulierten Konsens in der Benutzung der materiell greifbaren magischen Literatur dingfest zu machen. Magie aus der Innensicht ist dann nichts anderes als die Tradierung und Nutzung der antiken magischen Literatur, ein Magier ist ein Tradent und Nutzer derselben. Damit erweist sich die in dieser Studie vorgeschlagene Herangehensweise als eine soziologische. Es wird keineswegs phänomenologisch nach milieuunabhängigen Kriterien zur Begriffsbestimmung von Magie gefragt, sondern die Beschäftigung mit der „Magie“ ist zuvörderst Beschäftigung mit ihren Nutzern: Mit denen, die aktiv Magie treiben und magische Tradition anwenden und fortschreiben einerseits, und mit denen, die ein eigenes wie auch immer geartetes Magiebild in polemischer Absicht auf andere projizieren, um diese im Diskurs unmöglich zu machen. Dieser Ansatz begründet, dass in Teil II zunächst die überlieferte magische Literatur kurz vorgestellt wird, denn sie ist der Dreh- und Angelpunkt alles Weiteren. Der Autor dieser Zeilen ist sich freilich bewusst, dass er eine definitorische Abgrenzung von „magischer Literatur“ bislang schuldig 28 29

Schütte, 1997, 13. Vgl. Theißen, 1998, 230; Remus, 1983, X.

Einführung

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bleibt. Doch wird bei der Lektüre schnell deutlich, dass die in diesem Buch vorgestellten antiken Relikte, also die Amulette, Defixionstäfelchen und Zauberpapyri eine gleiche grundsätzliche Stoßrichtung haben: Sie zeugen vom Konsensus einer sympathetischen Wirkkraft der Worte und Rituale einerseits und einer Tradierung und Nutzung derselben andererseits; und dies befähigt sie, das Fenster für die Innensicht der antiken Magie zu sein.

Teil II: Die Zeugnisse

Amulette

Amulette als apotropäischer Schutzzauber Die Angst vor dem Übernatürlichen ist in der Antike in vielerlei Ausprägungen spürbar, nicht zuletzt hat sie sich lexikalisch im griechischen Wort „deisidaimoni/a“ – nur unzureichend mit „Aberglauben“ übersetzbar, sondern vielmehr mit „Angst vor der Geisterwelt“ – niedergeschlagen. Diese Angst war auch Gegenstand gelehrter Abhandlungen, beispielsweise die einschlägige Monographie „peri\ deisidaimoni/aj“ aus der Feder Plutarchs in der Entstehungszeit der neutestamentlichen Schriften; auch einige Jahrhunderte früher beschrieb der Athener Theophrast in seinen „Charakteren“ den Typ des „deisidai/mwn“, des abergläubisch Ängstlichen unter seinen Zeitgenossen, den der heutige Leser allerdings genauso in seiner eigenen, postaufgeklärten Umwelt wieder finden kann. In einer Welt, in der sich der Mensch unwillkürlichen Angriffen übernatürlicher Mächte ausgeliefert sieht, ist das Bedürfnis nach wirksamem Schutz hiergegen übermächtig. Als Beispiel mag die vor Genugtuung strotzende biographische Abhandlung des Diogenes Laertios in Vit 4,54 über den überzeugten Atheisten Bias dienen, der an seines Lebens Ende und von schwerer Krankheit bedroht dann doch noch Schutz vor dem Übernatürlichen beim Übernatürlichen selbst suchte: kaiìȱ uÀstero/nȱpoteȱe)mpeswÜnȱei¹jȱno/son,ȱw¨jȱeÃfaskonȱoi¸ȱ e)n ȱXalki¿di®ȱau)to/qi ȱga\rȱkaiìȱ kate/streye®ȱ peri¿aptaȱ labeiÍnȱ e)pei¿sqhȱ kaiìȱ metaginw¯skeinȱ e)f'ȱ oiâjȱ e)plhmme/lhsenȱ ei¹jȱto\ȱqeiÍon.

Und danach, als er einer Krankheit verfiel – so erzählte man in Chalkis, wo er auch gestorben ist –, ließ es sich überreden, Amulette zu tragen und all das zu bereuen, was er gegen das Göttliche gefrevelt hatte.

Bias bringt also angesichts des Todes sein Verhältnis zur Götterwelt ins Reine und versucht sich überdies noch mit Amuletten zu schützen. Dies führt uns in einen Bereich der apotropäischen, also Unheil abwehrenden Magie, der auch uns Heutigen keineswegs fremd ist – die zahlreichen Christopherusanhänger, Schutzbändchen oder Hufeisen auf Autokühlern sprechen hier eine deutliche volksreligiöse Sprache. In der Antike haben diese apotropäischen Schutzmittel eine Vielfalt von Namen. Im Lateinischen begegnet uns neben „amolimentum“ auch „fascinum“, „(al)ligatura“ oder „praebia“. Das Wort „amuletum“ wird bei Varro mit dem

26

Die Zeugnisse

griechischen „fulakth/rion“gleichgesetzt,1 bedeutet aber nach Plinius, NH 28,38 nicht nur einen übelabwehrenden Gegenstand, sondern auch eine entsprechende Handlung.2 Im Griechischen begegnet uns weiterhin „a)potro/paion“, „(pro-) baska/nion“, „peri/amma“ oder auch „te/lesma“, im jüdischen Sprachraum {ys+ bzw. (ymq. Die vielen archäologischen Zeugen dieser Schutzpraxis lassen auf ein breites Muster schließen, das gerade in christlich – jüdischem Rahmen sehr umstritten ist, weil es mit den ersten beiden der zehn Gebote (Ein-Gott – Glaube und Bilderverbot) nicht immer vereinbar erscheint. Beispielsweise ist uns in 2Makk 12,39f aus der Zeit der Makkabäerkriege eine Anekdote überliefert, die Aufschluss über die strenge jüdische Position zu Amuletten bietet. Nach der Schlacht kümmern sich Judas Makkabäus und seine Gefolgsleute um die Gefallenen: euÂron de\ e(ka/stou tw½n teqnhko/twn u(po\ tou\j xitw½naj i¸erw¯mata tw½n a)po\ Iamnei¿ajȱ ei¹dw¯lwn, a)f' wÒn o(no/moj a)pei¿rgei tou\j Ioudai¿ouj toiÍj de\ pa=si safe\j e)ge/neto dia\ th/nde th\n ai¹ti¿an tou/sde peptwke/nai.

Sie fanden aber unter dem Rock eines jeden Gefallenen Amulette der Götzen von Jamnia, von denen das Gesetz die Juden fernhält. Damit wurde es allen klar, dass jene aus diesem Grund gefallen waren.

Die observanten jüdischen Kämpfer fanden also bei ihren toten Kameraden „i(rew/mata“, eigentlich nur „heilige Dinge“. Es scheint sich dabei – auch im lexikalischen Vergleich mit den Erwähnungen bei Josephus, Ant 1,119 und 1,322 – um kleine Götterstatuen gehandelt zu haben, die von den Männern bei der Schlacht als Schutzmittel getragen wurden.3 Diese kurze Notiz eröffnet uns einen Zugang zu einer gerade im jüdischen Kontext sehr umstrittenen volksreligiösen Praxis. Einerseits ist es nach der Thora streng verboten, sich ein Schnitzbild (to\ glupto/n, vgl. Dtn 7,25f; 27,15) eines fremden Gottes zu machen und bei sich aufzustellen; andererseits scheint dies schon zur Zeit der Abfassung des Deuteronomium verbreitete volksreligiöse Praxis gewesen zu sein, die ebenso von den gefallenen Juden in oben wiedergegebener Anekdote erkennbar war.

1

Varro in einem Zitat bei Charisius (4. Jh. AD) in seiner Ars Grammatica 1,105,9: „fulakth/rion, quod Graeci appellant, amuletum latine dicimus; nam et Varro divinarum XIII ita dixit sive a molliendo id est infringendo vim mali, sive ab aemulatione.“ In PGM 4,79ff wird entsprechend ein beschriebenes Stück Papyrus in apotropäischer Absicht am Körper getragen. 2 Weiterhin ist zu vermerken, dass das Amulett selbst oft mit den dort angerufenen Geistern identifiziert wird. So heißt es etwa bei P. Heid. Inv. 544b nach der Nennung verschiedener Engelnamen: „Ich rufe euch an [...] dass ihr herausbringt das kalte Fieber [...] aus Achmed, dem Sohn der Maria, in der Stunde, in der er euch tragen wird“ (Quecke, 1963, 251.254f, dort auch weitere Belege). Das „Amulett“ tragen bedeutet hier, die Geister zu tragen. 3 Zu den „Götzen von Jamnia“ vgl. Habicht, 1976, 265.

Amulette

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Neben diesen Götterstatuen treten ab der Zeitenwende verstärkt Gemmen auf, wie aus der beigefügten Abbildung deutlich werden soll:4 Die Gemme aus grünem Jaspisstein stammt aus dem ersten oder zweiten Jahrhundert nach Christus und verweist mit ihrer Ikonographie nach Ägypten: Deutlich ist die Muttergöttin Isis zu sehen, die den Horusknaben säugt (Isis-Lactans-Darstellung, in späteren Mariendarstellungen von christlicher Seite übernommen). Ähren und Getreide unterstreichen die Konnotation der Fruchtbarkeit. Ein zaubermächtiger Name „Iao“ ist spiegelverkehrt zu sehen, der auf den jüdischen „Jahwe“ verweist. Dies muss keinesfalls bedeuten, dass das Amulett jüdischen Ursprungs war oder von einer Jüdin (etwa zum Schutz vor allerlei Unbill während der Schwangerschaft) getragen wurde. Der Name „Jao“ wurde wohl in magischen Kreisen schon Abb. 1: Gemme, Staatl. Museum lange Zeit vor der Herstellung dieses Amuletts als Kassel, 154: Isis wirkmächtiger Name kolportiert und ist damit Zeugnis Lactans (1./2. Jh.) für religiösen Synkretismus in der Antike. Neben Statuen, Symbolen oder Gemmen fühlte man sich durch Inschriften geschützt, die man auf „lamellae“ genannte Metallplättchen einritzte und in einer Dose, einer Kapsel oder einem Stoffsäckchen bei sich führte. Die ältesten Texte des Alten Testaments sind uns in dieser Form überliefert und wohl auch in apotropäischem Kontext gebraucht.5 Es handelt sich hier um biblische Texte – etwa Varianten des „Aaronitischen Segens“ Num 6,24–26, der als besonders wirkmächtig galt. Neben diesen Metallamuletten werden auch Papyri oder Pergamentstücke beschrieben, eng zusammengefaltet und als Päckchen am Leib getragen. Die Zuweisung eines derartigen Schriftstückes als „Amulett“ erfolgt über die Faltspuren.6 In späterer Zeit suchte man offensichtlich nicht nur Schutz durch wirkmächtige Texte oder Göttersymbole, die für jeden gelten konnten, sondern man ließ sich durch Spezialisten Individualanfertigungen machen, die auf einer Inschrift den Namen ihres Trägers verzeichnet haben und zusätzlich eine genaue Beschreibung dessen, vor was sie schützen sollen.7 Als ein 4

Bild der Gemme Staatl. Museum Kassel Nr. 154 aus Michel, 2001, Nr 10. Forschungsgeschichte der Gemmen bei Nagy, 2002. 5 Vgl. Renz/Röllig, 1997, 447ff; auch Jaros, 1997; zur Neuevaluation und apotropäischen Lesart: Barkay u.a., 2003; ders. u.a., 2004. 6 Vgl. etwa Quecke, 1963, 248 für P. Heid. Inv. 544b; Gelzer, 1999, für die Lamella Bernensis. Es ist an dieser Stelle auf die christliche Praxis der Spätantike hinzuweisen, Evangelientexte als Amulette am Hals zu tragen, vgl. Nestle, 1907; zur Diskussion um P.Oxy 840 als MiniaturEvangelienkodex und gleichzeitig Amulett vgl. Kruger, 2002. 7 Vgl. Gager, 1992, 220; zum Herstellungsprozess der Amulette vgl. die eingehenden Beschreibungen bei Gelzer, 1999, 5ff; Anweisungen für ein fulakth/rion sind beispielsweise in PGM

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Die Zeugnisse

typisches Beispiel in jüdischem Umfeld hierfür könnte ein Fieberamulett aus Horvat Kanav (etwa 4 km vom See Genezareth entfernt) gelten, das – der Beschreibung der Ausgräber gemäß – in byzantinischem Kontext des 6./7. nachchristlichen Jahrhunderts gefunden wurde:8 Amulett, gut um zu heilen Jaitah, die Tochter von Marian, von Fieber und Schüttelfrost und bösem Blick – Abraxas Jah Jah Jahu

[ht]rb hty)y hys)m b+ (ymq hny(w htyr(w ht#) }m }yrmd why hy hy sksrb) ht#yb

[...]

Hier ist offenbar ein Amulett für eine – offensichtlich an einer Fieberkrankheit leidende – Frau speziell angefertigt worden, indem auf ein Kupferplättchen die wirkmächtige Inschrift eingeritzt wurde. Dabei hat der Hersteller – möglicherweise eine professioneller Magier – wahrscheinlich auf feste Formeln zurückgegriffen. Derartige feste Formulare, die den Amuletttexten zugrunde liegen, sind beispielsweise detailliert bei den Untersuchungen zur „Lamella Bernensis“, dem „Tablette Magique de Beyrouth“ und PGM 35 durch Gelzer, Lurje und Schäublin ermittelt worden – diese drei Amuletttexte sind auf ein gemeinsames Formular zurückführbar, das den Autoren wohl in verschiedenen Rezensionen vorlag.9 4,255ff zu lesen; auf ein Silbertäfelchen ist mit ehernem Griffel der „hundertbuchstabige Name zu schreiben, dann ist es an einen Riemen aus Eselshaut zu hängen und zu tragen. Phylakterien sind oft begleitend zur Handlung anzufertigen und zu tragen, so in PGM 4,1316ff: fulakth/rion th=j pra/cewj. Besonders wichtig ist das Schutzmittel anscheinend für den Magier, wenn er einen Schadenszauber ausübt. Bei der Anleitung zur diabolh/ in PGM 4,2625ff ist nach der Überschrift und den einleitenden Worten zuerst die Anleitung zur Anfertigung eines Schutzamuletts gegeben. Wenn bei einer Zauberhandlung ein Gott erscheint, muss der Ausführende durch ein Amulett geschützt sein, beispielsweise bei dem „Orakel des Kronos“ in PGM 4,3089ff. 8 Naveh/Shaked, 1987, 44–49. Zur Formgeschichte speziell der jüdischem Amulette sind v.a. folgende Arbeiten zu nennen: Swartz, 1990, arbeitete bezüglich der jüdischem Amuletttexte eine Struktur heraus, bestehend aus: Anrufung („be-shem, im Namen von ...“), Beschwörung, gefolgt von Anweisungen an die Engel oder Dämonen; diese seien verbunden mit den magischen Namen oder Bibelzitaten. Der Spruch endet mit einem Schlußformular (amen oder Selah). Schäfer/Shaked unterscheiden in ihrem zweibändigen Werk zu den magischen Texten der Kairoer Geniza (Schäfer/Shaked, 1994, vgl. auch die Besprechung von Bd. 1 durch Geller/Levene, 1998. Schäfer, 1990 hatte schon Überlegungen zur literarischen Typisierung der magischen Gattungen in incantation prayers, magic speech, the magical Act angestellt) bei den Texten aufgrund der Überlieferungsform und des Verwendungszwecks der Texte zwischen angewandten magischen Texten (Amulette) und Handbüchern und untersuchen diese Formen nach Gattungen, Komponenten und Strukturelementen. Betz, 1998 vergleicht vier „uterus spells“ miteinander, drei griechische und einen aus der Kairoer Geniza, um der Frage nach den jüdischen Elementen in griechischen Zaubertexten nachzugehen, die sich angesichts des durch P. Schäfer neu aufbereiteten jüdischen Materials erneut stellt. Dabei strukturiert er jeden Text unter Verwendung folgender Elemente: title, adjuration, therapy, invocation, liturgical conclusion, wobei jeder dieser Hauptabschnitte wiederum untergliedert ist. Als Ergebnis könne als „typisch jüdisch“ die Tendenz genannt werden, die Uterusbeschwerden als Störung der Schöpfungsordnung und nicht als dämonologische Erklärung aufzufassen. 9 Vgl. Gelzer u.a., 1999, Engemann, 2000.

Amulette

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Amulette und das NT Im Neuen Testament begegnet uns die in der antiken Religiosität breit belegbare Amulettpraxis nur ein einziges Mal explizit, und hierbei auch noch in polemischem Kontext, nämlich in Mt 23,5 im Rahmen eines Weherufes aus Jesu Mund gegen Schriftgelehrte und Pharisäer:10 pa/nta de\ ta\ eÃrga au)tw½n poiou=sin pro\j to\ qeaqh=nai toiÍj a)nqrw¯poij platu/nousin ga\r ta\ fulakth/ria au)tw½n kaiì megalu/nousin ta\ kra/speda [...].

Aber ihr ganzes Handeln ist darauf ausgerichtet, von den Menschen gesehen zu werden: Ihre Amulette machen sie nämlich breit und ihre Quasten groß [...].

Dieses ursprünglich aus der Logienquelle stammende Logion (Q 11,43) wurde von Matthäus durch redaktionelle Eingriffe deutlich verändert, vor allem wurde das Wort „Phylakterion“ eingefügt, was in der paganen Gräzität durchaus mit „Amulett“ wiederzugeben ist. In den gängigen deutschen Übersetzungen der Lutherbibel und der Einheitsübersetzung hat man sich interpretierend für „Gebetsriemen“ entschieden, was den Sinn der matthäischen Polemik sicherlich trifft: Die Gebetsriemen der jüdischen Gebetspraxis werden hier diffamierend „Amulette“ genannt und dadurch in die Nähe des Aberglaubens gerückt. Diese schmale und zudem noch negativ konnotierende neutestamentliche Textbasis für die aus der antiken Volksreligiosität nicht weg zu denkende Amulettpraxis bedarf einer Erklärung. Meiner Ansicht nach ist ein Grund vor allem darin zu suchen, dass das eigentliche theologische Anliegen der antiken Amulettpraxis – der Schutz vor widrigen Mächten – durch die soteriologischen Entfaltungen der ntl Schriften aufgehoben wurden und diese darum thematisch nicht weiter behandelt werden müssen. Ich möchte auf folgende Konzeptionen hinweisen, die als theologische Alternativen für die Amulettpraxis rangieren könnten: – Allgemein sollen Amulette vor lebensbedrohlichen Widrigkeiten schüt-

zen, etwa Krankheiten, Todesgefahr im Krieg (wie das o.a. Bespiel aus 2Makk 12,39f. zeigt) oder bösen Mächten. Dies wird im NT durchaus aufgehoben in christologisch orientieren Soteriologien, nach denen Christus als Herr gerade der widrigen Mächte gilt. Besonders Röm 8,31–39 ist hier zu nennen: Weder Tod noch Mächte und Gewalten können den Gläubigen von der Liebe Gottes trennen. Nach dieser Konzeption erfüllt Christus die on der volksreligiösen Praxis herhoffte Aufgabe der Amulette und macht diese damit obsolet.

10

Zur Komposition und Theologie der Perikope Mt 23,2–7 im Gesamtrahmen des Evangeliums vgl. Powell, 1995; zum halachischen Hintergrund vgl. Rabbinowitz, 2003.

30

Die Zeugnisse

– Die in Röm 5 skizzierte Pneumatologie garantiert denen, die „im Geist

wandeln“ Freiheit von den schädlichen Begierden und schützt auch vor religiösen Verirrungen, beispielsweise vor Götzendienst und „pharmaka“, was mit Zauberei durchaus wiederzugeben wäre. Damit erfüllt der Geist konzeptionell das, was die Amulette üblicherweise leisten. – Bei einigen Spielarten der ntl. Tauftheologien wird die Taufe in apotropäischem Sinne verstanden und befreit somit den Menschen vor dem, was ihn bedroht.11 So bewirkt die (Wasser-)Taufe in Jesu Namen in Acta 22,16 eine Abwaschung der Sünden. Und die rettende Taufe in 1Petr 3,21f. ist mit Jesu Überwindung der kosmischen Mächte verbunden. Dadurch kann die Taufe schon prinzipiell das abdecken, was durch ein Amulett erreicht werden soll. – In Eph 6,10ff schützt der Glaube und vor allem das Gebet gegen die feindlichen Mächte. Das, was üblicherweise Amulette leisten, kann durch ein in Glaubensgewissheit gesprochenes Gebet erreicht. Bei diesen kurz vorgestellten neutestamentlichen Konzeptionen wird deutlich, dass es im NT durchaus eigenständige theologische Alternativen zur volksreligiösen Amulettpraxis gibt. Zu nennen wären Christus, Taufe, Geist und Gebet, die allesamt Schutz vor widrigen Mächten bieten können. Eine Entfaltung der Amulettpraxis ist darum im NT konzeptionell kaum notwendig, was sich aber sicherlich nicht auf die Praxis des frühen christlichen Alltagslebens ausgewirkt hat; wenn auch Amulette im NT theologisch nicht bedacht sind, so bedeutet das nicht, dass ein Christ ein derartiges Schutzmittel nicht um den Hals hätte getragen haben können – die Verwobenheit des frühen Christentums mit der volksreligiösen Praxis der zeitgenössischen Umwelt muss als gegeben angesehen werden, und dafür zeugen schließlich auch die materiell nachweisbaren „christlichen“ Amulette seit der der Spätantike.

11

Vgl. Berger, 1995, 123ff.

Defixionen

Die Zeugnisse des Bindezaubers, die „Defixionen“ (lat: defixio, gr: kata/desmoj), sind uns zumeist als Einritzungen auf Metalltäfelchen überliefert. Sicherlich hatte man in der Antike auch Wachs als Träger benutzt,12 doch dies ist uns freilich nicht mehr erhalten. Als Material der Defixionstäfelchen nimmt Blei eine herausragende Rolle ein; Blei galt als Inbegriff der Schwere und Dumpfheit und war in der Spätantike Sympathiemetall für die Unheil wirkenden Planeten Kronos und Saturn.13 Doch darüber hinaus war es aufgrund seiner Weichheit einfach zu bearbeiten und überdies noch recht billig, und hier dürfte die Hauptursache für seine Benutzung im Schadenszauber gelegen haben – schließlich ist Blei als Träger, wie D. Jordan akribisch auflistete, keinesfalls nur für Defixionen, sondern für Inschriften verschiedenster Kontexte belegbar.14 Als einführendes Beispiel für eine frühe griechische Defixion aus der Zeit um 400 BC soll ein Grabfund aus dem Athener Kerameikos dienen, der im engen Kontext mit einem Skelett entdeckt wurde. Es handelt sich um eine ovale Bleischachtel, die ein schwach ithyphallisch modelliertes Püppchen enthält;15 in deren Deckel ist eine Inschrift eingeritzt, die hauptsächlich die Namen der zu bindenden Gegner auflistet: (Barburtides Xophugos, Nikomachus Oinokles, Mnesimachos, Chamaios Teisonides, Charisandros, Demokles) kai\ e)/ tij a)/lloj met' e)ke/no cu/ndiko/j e)sti e)\ ma/rtuj

Und wenn noch jemand anderes mit ihnen ist, sei es Anwalt oder Zeuge

Auf dem rechten Bein des Püppchens ist der Name „Mnesimachus“ eingeritzt – es handelte sich wahrscheinlich um den Hauptgegner des Auftraggebers, er ist auch auf der Inschrift erwähnt. Diesen auszuschalten und damit einen Gerichtsprozess im eigenen Sinne zu beeinflussen – das dürfen wir uns als Ziel obiger Zauberhandlung vorstellen. Es ist wahrscheinlich, dass die Herstellung des Kästchens – möglicherweise sogar durch einen profes12 Vgl. Faraone, 1991, 7; zu weiteren Trägermaterialien äußerte sich ausführlich schon Kagarow, 1929, 9f. 13 Vgl. Preisendanz, 1972, 3; insbesondere kann auf die „Dumpfheit“ des Bleis hingewiesen werden, wenn etwa zwei Bleiplatten zusammengeschlagen werden, vgl. hierzu die textkritisch schwierige Stelle in TSal 4,8. 14 Vgl. Jordan, 1980, 226f. 15 Abbildung und Kommentierung bei Gager, 1992, 128; Text: vgl. Jordan, 1985a, Nr. 9.

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Die Zeugnisse

sionellen Magier – mit Ritualen und Beschwörungsgebeten vonstatten ging. Darum genügte es, die Namen der Opfer aufzuschreiben, der eigentliche Fluch wurde dann mündlich ausgesprochen und ist nicht mehr erhalten. Als Beispiel für eine lateinische Defixion soll das folgende bislang älteste spanische Zeugnis aus Carmona (bei Sevilla) dienen; es stammt aus der 2. Hälfte des 1. Jh. BC.16 Dis imferis vos rogo utei recipiates nomen Luxsia A(uli) Antesti filia caput cor co(n)s[i]lio(m) valetudine(m) vita(m) membra omnia accedat morbo cotidea et sei faciatis votum quod faccio solva(m) vostris meritis An die Unterweltgötter; ich beschwöre euch, dass ihr meinem Gesuch gegen Luxia, Tochter des Aulus Antestius stattgebt, dass die Krankheit ihren Kopf, Herz, Verstand, Gesundheit, Leben und alle ihre Körperteile jeden Tag angreift. Und wenn Ihr die Bitte, die ich mache, erhört, werde ich euch für eure Gunst belohnen.

Auf einem Bleiplättchen wurde der Defixionstext eingeritzt, das Plättchen wurde ausnahmsweise nicht gefaltet oder gerollt, sondern wohl mit der Schriftseite nach unten auf einen (nicht mehr erhaltenen Gegenstand) aufgenagelt. Es beschwört die Unterweltgötter, aus welchen Gründen auch immer einer bestimmten Frau Schaden zuzufügen.

Inhaltliche Aspekte Die zahlreichen aus der Antike auf uns gekommenen Defixionstäfelchen – ihre Zahl hat die Tausend inzwischen überschritten17 – zeugen von dem verbreiteten volksreligiösen Brauch, andere Menschen mit übermenschlicher Hilfe in ihren Handlungs- und Entfaltungsmöglichkeiten hemmen zu wollen.18 Dieser Brauch begegnet uns ab dem fünften vorchristlichen Jahrhundert und hält sich ein gutes Jahrtausend bis über die Spätantike hinaus etwa ins sechste nachchristliche Jahrhundert.19 Die Vorstellungswelt hinter diesen Täfelchen ist allerdings älter und schon in der archaischen Epoche 16

Text und Übersetzung nach Corell, 1993, 262. Zur quantitativen Angabe vgl. Jordan, 1985a, 151; Faraone, 1991, 3; hinzukommen die zahlreichen Veröffentlichungen der beiden letzten Dekaden in entsprechenden Fachzeitschriften, beispielsweise der ZPE. Als die wichtigsten Sammeleditionen können neben den beiden Klassikern von Wünsch, 1897 und Audollent, 1904, in neuerer Zeit vor allem Jordan, 1985a und Jordan, 2000b angesprochen werden. 18 Zu den Begriffen katadesmo/j und defixio sowie zur Forschungsgeschichte der Fluchtafeln seit den klassischen Veröffentlichungen von Wünsch, 1897 und Audollent, 1904: vgl. Faraone, 1991; Gager, 1992, 30, Anm. 1.3; Tomlin, 1988, 59. 19 Zur Zeitangabe der besonders in Magna Graecia hergestellten frühen Texte vgl. Preisdendanz, 1972, 18f, weiterhin Faraone, 1991, 3; Jordan, 1985a, 151. 17

Defixionen

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greifbar. In den frühesten Schichten der griechischen Literatur begegnet uns die Vorstellung, dass die Götter Willenskraft und Handlungsmöglichkeit einzelner Menschen binden, wie folgendes Beispiel aus Homer, Il 14,72f belegen mag (Agamemnon zu Nestor über den Göttervater Zeus): oiåda de\ nu=n oÀte tou\j me\n o(mw½j maka/ressi qeoiÍsi kuda/nei, h(me/teron de\ me/noj kaiì xeiÍraj eÃdhsen.

Ich weiß nun, wann er [sc.: Zeus] jene [sc.: die Feinde] zum Ruhm wie die seligen Götter ausersieht, doch uns hat er Mut und Hände gefesselt.20

Diese der Götterwelt zugeschriebene Kraft macht man sich in der Defixionspraxis zunutze und versucht, hemmend und hindern auf einen Gegner einzuwirken. Dabei scheint es, dass sich die Defixionspraxis in einer längeren Entwicklung auf verschiedene inhaltliche Bereiche ausgedehnt hat.21 Sehr früh sind uns Belege überliefert, die sich auf die kommerzielle Konkurrenz beziehen, wie etwa ein Bleitäfelchen aus Kamarina in Sizilien (ca. 450–425 BC):22 [oi(/]de[oder toi/]de gegra/batai e)pi\ duspragi/[ai to\n] ke/rdon [+ Namensliste]

Diese Leute sind niedergeschrieben für ein Abflauen ihres Ertrages.

Hier erhofft sich der Auftraggeber, auf magischem Wege einen Geschäftseinbruch bei seinen Konkurrenten zu erreichen. In dieser Hinsicht ist der bei Plinius, NH 18,41–43 für die Frühzeit Roms erwähnte Prozess gegen C. Furius Cresimus, der im Verdacht stand, dass er „fruges alienas perliceret veneficiis“ („fremde Feldfrüchte mittels magischer Praktiken einholte“) oder der entsprechende Passus aus dem frühen römischen Zwölftafelgesetz, Tab VIII: qui fruges excantassit [...] („wer die Feldfrüchte weggezaubert hat [...]“) plausibel. Es kann durchaus erwogen werden, dass derartige rechtliche Formulierungen Reaktionen auf eine im Mittelmeerraum verbreitete Praxis der magischen Schädigung von Konkurrenten durch entsprechende Defixionen darstellen. Ebenso finden wir Defixionen im Zusammenhang mit Wettkämpfen in früher Zeit.23 Faraone nennt das Gebet des Pelops an Poseidon in Pindar, Olymp 1,75–78 als literarischen Niederschlag dieser Defixionspraxis:24 Der

20

Übertragung nach Rupé, 1989. An dieser Stelle ist besonders J. Gagers Buch (1992) zu erwähnen, das kapitelweise Beispiele für die einschlägigen Lebensbereiche bespricht, vor allem für sportliche Wettkämpfe, Liebe, Gerichtsprozesse, geschäftliche Konkurrenz und Rache. 22 Text nach Jordan, 1985a, Nr. 88; vgl. Faraone, 1991, 11. 23 Vgl. Gager, 1992, 42ff; Heintz, 1998. 24 Faraone, 1991, 11. Die entsprechende Sequenz lautet Posei¿daon, [...] pe/dason eÃgxoj Oi¹noma/ou xa/lkeon, e)me\ d' e)piì taxuta/twn po/reuson a(rma/twn e)j åAlin, kra/tei de\ pe/lason. 21

34

Die Zeugnisse

Gott wird gebeten, den Gegner zu hemmen und den eigenen Sieg zu forcieren. Auf den Defixionstäfelchen sind es dann die Geister der Zwischenwelt, deren Beistand im sportlichen Wettkampf man dann auf magische Weise erwirken möchte. Als Beispiel sei ein von R. Wünsch und J. Gager besprochenes Bleitäfelchen aus dem 1.–3. Jh. vorgestellt, das in einem römischen Beamtengrab bei Bir el Djebanna, beim römischen Karthago, gefunden wurde:25 Semesilam damatameneuj lhssnallelam laikam ermoubelh iakoub ia iwerbhq iwpakerbhq hwmalqabhq allasan. kata/ra e)corki/zw u(ma=j kata\ tw=n mega/lwn o)noma/twn i(/na katadh/shsqe pa=n me/loj kai\ pa=n neu=ron Biktwrikou= o(\n e)/teken gh= mh/thr panto\j e)nyu/xou, tou= h(nio/xou tou= bene/tou, kai\ tw=n i(/ppwn au)tou= w(=n me/lli e)lau/nin.

Fluch. Ich beschwöre euch durch diese großen Namen, dass ihr binden möget jedes Glied und jede Sehne des Victoricus, den geboren hat die Erde, die Mutter alles Lebendigen, den Wagenlenker der Blauen – und seine Pferde, die rennen werden.

Auf diesem Fluchtäfelchen werden zahlreiche unbekannte Dämonen beschworen, einen gegnerischen Wagenlenker zu hemmen. Um sicher zu gehen, dass die Dämonen diese Anweisungen auch befolgen, werden wirkmächtige Namen genannt, die unbedingten Gehorsam einfordern sollen. Diese Namen setzen schon eine gewisse Tradition voraus – der zweite der Zaubernamen etwa gehört zu den so genannten „Ephesia grammata“, die in der Antike als besonders wirkmächtig kursierten. Die genaue Kenntnis der Namen und deren richtige Verwendung gilt als unabdingbar für einen wirkmächtigen Zauber und war ein wichtiges Element der Professionalität und der Bildung des jeweiligen Magiers. Auf diesem Hintergrund wird der Dilettantismus der Skeuas – Söhne aus Acta 19,13ff überdeutlich,26 die in Acta 13,13 mit dem falschen Namen operieren und darum fürchterliche Konsequenzen zu tragen haben. Man kann m.E. ruhigen Gewissens die Kenntnis der antiken Defixionspraxis und das Wissen um die Wirkmacht der korrekt verwendeten Geistkräfte bei den frühen Lesern der Apostelgeschichte voraussetzen und damit auf den plakativ-sarkastischen Unterton

(„Poseidon [...] hemme des Oinomaos eherne Lanze, mich aber bring nach Elis mit schnellem Gespann und schenke mir den Sieg“). 25 Wünsch, 1912, Nr. 3 und Gager, 1992, 65f. 26 Zur Stellung der Passage im Rahmen der Apostelgeschichte vgl. Tuckett, 2003. Die oben vorgeschlagene Deutung lehnt sich an Twelftree, 1993, 30ff; dieser sieht in den Scevassöhnen heidnische Exorzisten, die den Namen Jesu in ihre Inkantationen aufgenommen hatten. Die Zauberformel: „Ich beschwöre euch bei dem Jesus, den Paulus predigt“ war die exorzistische Methode, einen ehemals obskuren Namen als bevollmächtigt zu identifizieren (a.a.O., 34). Dies weist auf Exorzisten, die ohne Unterstützung von „cultic performance“ sich allein auf mögliche bevollmächtigte Namen bei ihrer Tätigkeit berufen.

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schließen, mit dem Lukas bei seinen Lesern die Unprofessionalität der sieben Pseudo-Exorzisten karikiert. Über den Verfluchenden erfahren wir bei der oben angegebenen Defixion nichts. Dennoch lässt die Art, wie der Fluch hier gebraucht wurde, gewisse Rückschlüsse zu: – Es fällt auf, dass die Überschrift des Fluches („Fluch“) am Anfang ge-

nannt wird. Möglicherweise ist dies ein Hinweis auf die Vorlage: Der Schreiber hat das Fluchformular aus einem Zauberbuch entnommen, in dem üblicherweise, wie bei den von Preisendanz veröffentlichten PGM leicht nachprüfbar, die einzelnen „Zauberpraxeis“ mit Überschrift zur leichteren Auffindung notiert wurden. Die Erwähnung der Überschrift kommt bei Defixionen manchmal vor. Beispielsweise ist auf einem Bleitäfelchen aus Beirut (2./3. Jh.) der Titel „katoxoj ippwn kehnixwn“ („Binden von Pferden und Wagenlenkern“) aus der literarischen Vorlage des Täfelchens ebenso mit auf das Defixionstäfelchen übernommen.27 Dies ist dann ein Hinweis auf den laienhaften Gebrauch der Zauberliteratur – ein professioneller Magier würde die Überschrift weglassen und nur das Formular zitieren. War also hier ein „Laie“ am Werk, etwa der Auftraggeber selbst? – Weiterhin können wir davon ausgehen, dass der Schreiber des Täfelchens nicht viel von seinem Opfer wusste – er kannte nur seinen Namen und seine Funktion als Wagenlenker der Blauen. In seiner Vorlage selbst dürfte der Name der Mutter als auszufüllende Leerstelle gefordert worden sein, doch der Schreiber kannte diesen nicht und setzte darum die Allmutter Erde ein, denn damit ist dem Formular Genüge getan und man kann nichts falsch machen. Es ist also kein eng bekannter, persönlicher Feind, der hier zur Magie greift. Ist es ein Konkurrent? Oder einer, der eine Wette auf die gegnerische Mannschaft abgeschlossen hat? – Ziel des Fluches ist nicht nur der Wagenlenker, sondern auch dessen Pferde. Man könnte daraus schließen, dass beim Auftraggeber dieser Defixion keine „persönliche Feindschaft“ im Hintergrund stand, sondern Victorinus wird in seiner Eigenschaft als Wagenlenker mitsamt seinen Arbeitsmitteln angegriffen. Es ist wahrscheinlich, dass die antike Wettpraxis hier den Referanzrahmen bildet – der Auftraggeber des Fluches hat auf eine andere Mannschaft, nicht auf die (vielleicht als Favoriten geltenden?) „Blauen“, gesetzt und möchte seine Chancen durch eine Defixion steigern. Wie die o.a. Überlegungen zeigten, scheinen weniger persönliche Aversionen, sondern vielmehr ganz „handfeste“ Gründe wie Wetten und Geldein27

SEG 7,213; Abdruck, Einleitung und engl. Übersetzung bei Gager, 1992, 53–56.

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sätze die Motivation für eine Defixion zu bilden. Dies ist allerdings nicht ausschließlich der Fall, wie viele andere Lebensbereiche zeigen, die sich uns aus den erhaltenen Fluchtäfelchen entgegenspiegeln. Aus sehr früher Zeit sind uns Defixionen überliefert, die den Ankläger bei Gericht binden sollen – die oben zitierte Inschrift auf dem Deckel des Bleikästchens aus dem Athener Kerameikos mag dafür als Beispiel dienen.28 Ebenso ist der Liebeszauber ein immer wiederkehrendes Thema der Defixionstäfelchen. Obwohl die Zeugnisse erst relativ spät als Defixionen auf uns gekommen sind, wird in der Forschung eine lange, bis auf Homer (vgl. Il 14,216ff) zurückgehende Entwicklung des Liebeszaubers diskutiert.29 Es ist anzunehmen, dass eine zeitlich frühere Defixionspraxis sekundär auf den Bereich von Liebe und Sexualität ausgeweitet wurde.30

Formgeschichtliche Aspekte Die Defixionstexte folgen meist bestimmten formalen Kriterien; in der Forschungsgeschichte sind hierzu schon verschieden ausdifferenzierte Muster vorgeschlagen worden.31 Grundsätzlich gilt – und dies lässt sich schon an den in diesem Kapitel vorgestellten Texten beobachten –, dass uns bestimmte Elemente immer wieder begegnen: Der Inhalt des Fluches: Hierzu zählt die Aussage, ein Gegner solle gebunden werden (meist Verwendung des griechischen Worten „dei=n“, binden). Die Art des Bindens ist oft genauer bestimmt: Das Opfer soll bei Gericht kein Wort herausbringen, es soll in brennender Liebe erglühen, es soll an allen oder bestimmten Gliedern gelähmt werden, seine Ernten sollen verderben oder dergleichen mehr – diese Ausformulierungen des Bindezaubers erschließen uns dann den konkreten Lebenskontext der Defixion. Das Täfelchen wurde dann zumeist in Verbindung zur Erde gebracht, in einen Brunnen geworfen, unter eine Türschwelle gelegt oder in ein Grab, vornehmlich eines vorzeitig durch ein Gewaltverbrechen oder eine Hinrichtung Gestorbenen, verbracht. In diesen Fällen begegnet bei einigen Texten die so genannte „Similia – Similibus“ – Formel („Wie dieser Leichnam daliegt, ohne sein Ziel erreicht zu haben, so 28 So beispielsweise das Bleitäfelchen SEG 26.1113 (= Jordan, 1985a, 95) aus Selinunte, Sizilien ca. 500 BC (kommentiert bei Gager, 1992, 138f; dort a.a.O., 116ff Systematisierung der Defixionen juristischen Inhalts). 29 Vgl. Gager, 1992, 78f. 30 Vgl. Faraone, 1991, 15f; Gager, 1992, 79f. 31 Kagarow, 1929, 28ff etwa nennt 18 „Grundtypen” der Fluchtexte; Faraone, 1991, 5f schlägt vier Grundmuster vor.

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sollst auch du dein Ziel nicht erreichen“).32 Wie man daran eindrücklich erkennen kann, ist nicht nur der reine Defixionstext selbst, sondern der Vorgang von der Erstellung bis zur Deponierung des Täfelchens Teil der magischen Handlung. Das Subjekt des Fluches: Entweder bindet der Schreibende selbst („katadw= to\n dei=na“, „ich binde den NN“), oder er ruft wirkmächtige Geister an und bittet etwa „kate/xete to\n dei=na“, („hemmt den NN“). Beachtet man die Chronologie der Fluchtäfelchen, so zeigen die früheren Defixionstexte die Tendenz zur ersten dieser beiden Möglichkeiten, der Magier oder Schreiber redet in der Ich – Form. Wahrscheinlich hatte er dabei auch ein magisches Ritual vollzogen, das uns freilich nicht mehr überliefert ist. In späteren Texten rückt dann die Person des Magiers („ICH binde“) in den Hintergrund, die eigentliche magische Handlung wird verstärkt wirkkräftigen Geistern zugeschrieben. Dies hat dann zur Folge, dass sich Bittformen in verschiedenster Ausgestaltung entwickeln, mittels derer die Geister angerufen werden. In diesem Falle begegnen uns dann auch oft die Namen der angerufenen Geister und/oder zaubermächtige Namen, die den Fluch verstärken sollen. Die Defixionen werden dadurch wortgewaltiger und ins Zentrum rückt die Geisterwelt: Die Anrufung der Geister bzw. die wirkmächtigen Namen und die Bitten um den Untergang des Feines entfalten sich, ebenso wie die Formulierung des „bösen Wunsches“. Wie ist dieser Subjektwechsel vom Magier zu den wirkmächtigen Geistern erklärbar? Schon Kagarow dachte in seiner frühen und ausführlichen Studie,33 dass dies etwas mit dem magischen Ritual zu tun haben könnte, das mit der Erstellung der Texte einherging. Dies sei in Vergessenheit geraten, und dadurch habe man es durch die Anrufung der Geister ersetzt. War diese These damals auch in sehr gelehrter Weise und mit einer Unmenge von Material belegt worden – Kagarow war der erste, der präzise Entwicklungstendenzen der Fluchtäfelchen zu ziehen wagte –, so dürfen wir nicht vergessen, dass seit seinen Studien heute eine Menge an neuem zu berücksichtigendem Material (beispielsweise schon Preisendanz’ zweiter Band der PGM) vorliegt, das zu anderen Ergebnissen verleiten könnte. In der vorliegenden Studie wird die Ansicht vertreten, dass dieser Subjektwechsel in erster Linie etwas mit der Entwicklung der antiken Publizistik des magischen Materials zu tun hat, genauer mit der Entstehung der Zauberbücher seit der späten hellenistischen Zeit. Diese garantieren eine traditionsgeschichtliche Festigung der Gebete, Anrufungen und Formeln, wobei derar32 33

So die Formulierung eines Athener Täfelchens bei Audollent, 1904, Nr. 68. Kagarow, 1929, 46ff.

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tige Formen dann kombinierbar sind. Ein professioneller Magier, der Zugriff zu einem Zauberbuch hat, wird also in seine Defixionen die Listen wirkmächtiger Namen oder einschlägiger Geister aufnehmen, weil er sie eben vorfindet. Er wird auch die Gebete an diese Mächte aufnehmen, weil diese – möglicherweise durch entsprechende Notizen in den Zauberbüchern – als besonders erfolgsversprechend erwähnt sind. Das Objekt des Fluches: Durch die Zeiten hinweg ist der Name des Opfers fester Bestandteil der Defixion, oft genauer bestimmt durch den Namen der Mutter (nicht des Vaters!). Ein eindeutiges Erklärungsmodell hierfür steht momentan noch aus: Ist der Vatername etwa nicht präzis genug? Ist der Muttername ein Hinweis auf die ägyptische Provenienz der Defixionspraxis? Als sehr erwägenswert dürfte der Vorschlag von F. Graf gelten,34 hier als Hintergrund die für die Magie typische rituelle Verkehrung („Inversion“) der Alltagswelt anzunehmen. Der magische Kontext: In der Forschung wurde die Frage nach den genauen Umständen der Herstellung derartiger Defixionstäfelchen diskutiert. Die festgeprägte formelhafte Sprache und die Anleitungen in den späteren Zauberpapyri sind Indizien, dass die Täfelchen nicht nur aus Eigenproduktion der jeweiligen Veranlasser entstanden sind,35 sondern dass vielmehr im Rahmen einer Auftragsarbeit professionelle Hände hier mitgewirkt haben – etwa Schreiber36 oder eben professionelle Magier. Vielleicht bietet die recht frühe Notiz bei Plato, Resp II,364B einen literarischen Niederschlag hiervon. Plato berichtet von umherziehenden Profis, die Angehörigen der Oberschicht ihre von den Göttern verliehene Kraft angeboten hätten. Wenn die Kunden auch hier einer hohen sozialen Schicht entstammen, so handelt es sich bei den durch die Defixionen zu lösenden „Probleme“ der nächsten Jahrhunderte nach Plato um Alltagssorgen von Menschen jeglichen, auch und gerade des niederen Standes: Liebeskummer, Wetten, Sorgen vor einem anstehenden Gerichtsprozess und Rache. Der Kontakt zu Magiern war hier sicherlich kein Oberschichtphänomen mehr, wie es Plato noch anzudeuten scheint. John Gager hat eine Szenerie entworfen,37 nach der der Magier seinem 34

Graf, 1996, 116. Vgl. Faraone, 1991. 36 Vgl. Jordan, 1989, 55. 37 Gager, 1992, 118. In diesem Sinne ist auch die „minimalist definition of curse tablets and binding spells“ zu verstehen, die Gager, 1992, 175 mit Verweis auf Jordan, 1985a, 151, angibt: „inscribed sheets, of metal or other material that were used and generally commissioned, at least in the Roman period, by private individuals (clients) in order to influence – against their will and 35

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Kunden für dessen Bedürfnisse mehrere Optionen – gestuft nach der Höhe der Vergütung – zur Auswahl anbot und nach der Wahl des Kunden den Text auf einem Metallplättchen niederlegte bzw. in einen schon vorher ausgearbeiteten Text die notwendigen Namen und einige Details zum vorliegenden Fall eintrug. Daraufhin sorgte der Magier dafür, dass das Täfelchen an einen wirkmächtigen Platz deponiert wurde. Diese Orte haben in irgendeiner Form eine Beziehung zum Inhalt der Defixion. Als Beispiel soll eine späte, wohl aus dem 3./4. Jh. AD stammende Herstellungsanweisung für eine Defixion dienen (PGM 7, 396–404): Fimwtiko\n kaiì u(potaktiko\n. gennaiÍon kaiì ka/toxoj. labwÜn mo/libon a)po\ yuxrofo/rou swlh=noj poi¿hson la/mnan kaiì e)pi¿grafe xalk%½ grafei¿%, w¨j u(po/keitai, kaiì qe\j para\ aÃwron „(Zauberzeichen) Baxux (Zauberzeichen) aalougiki ¹Elwai¿, Bainxwwwx (Zauberzeichen) eu)lamw fnoubene eizoxor mobor fw xorba zaxei anaxia (Zauberzeichen) Fwrforba Fwrborba Semesila/m, ¸Arxentexqa ¹Asxelidonh/l kata/sxe“. koina/, w¨j aÄn bou/lv.

Vorzügliches Mittel zum Fesseln und Unterwerfen und Bindezwang. Nimm Blei vom Rohr einer Kaltwasserleitung, mach eine Platte daraus und schreib auf sie mit Erzgriffel wie folgt und leg sie zu einem vorzeitig Gestorbenen: „(Zauberzeichen) Bachych (Zauberzeichen) Alugiki Eloai Bainchoooch (Zauberzeichen) Eulamo Phneubene Eizochor Mobor Pho Chorba Zachei Anachia (Zauberzeichen) Phorphorba Phorborba Semesilam Archentechtha Asche Lidonel: HALT FEST. Nach Belieben, wie du willst.“

Diese Handlungsanweisung beinhaltet eine Defixion mit einfachsten Mitteln. Die Überschrift „vorzügliches Mittel“ suggeriert, dass der Zauber als erfolgreich kolportiert wurde und damit eine längere Traditionsgeschichte hat. Der Hersteller oder Magier wird einfach nur die Zauberformeln abzuschreiben haben und diese dann in ein entsprechendes Grab deponieren müssen. Die abschließende Wendung „Nach Belieben“ gibt ihm Freiheit, ein Ritual entsprechend seiner Vorstellungen zu gestalten bzw. ein zaubermächtiges Gebet aus einer anderen Stelle seiner Vorlage herauszusuchen. Die Befehlsformel „haltet fest“ richtet sich an die wirkenden Geister, die man in der Nähe der Gräber zu finden glaubt. Die Verstecke in Gräbern oder auch in Brunnen geben eine Nähe zu den Unterweltgöttern an, die bei den Defixionstäfelchen oft als wirkmächtige Geister angerufen werden. In dieser Hinsicht werden auch die in Tempelruinen aufgefundenen Täfelchen zu deuten sein – die Nähe zu der Gottheit ist hier ausschlaggebend. Etwas anderes ist es, wenn die Defixionen unter der Hausschwelle des Opfers verborgen wurde; hier ist es die rein physische Nähe

through the agency of spirits, daimones, and deities – the behavior and welfare of personal enemies and rivals (targets)“.

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des Fluches zum Verfluchten, von der sich der Auftraggeber eine besondere Wirkung erhofft. Möglicherweise ging die Deponierung oder auch die Erstellung des Täfelchens (vielleicht gar vor den Augen der Kunden) mit einer rituellen Handlung einher – es ist denkbar, dass die Namen der Opfer, die in das Bleiplättchen eingeritzt wurden, laut und feierlich ausgesprochen wurden oder dass Gebete bei der Erstellung, der Faltung und/oder Nagelung der Täfelchen eine Rolle spielen. In diesem Zusammenhang ist in der Forschung des Öfteren auf die formelhafte Sprache der Defixionstexte hingewiesen worden.38 Besondere Beachtung verdient der enge Zusammenhang zwischen Handlung und Text bei den Fluchtafeln; speziell die Bindeformel (Ich binde NN!) trägt performative oder illokutive Züge, denn durch das Schreiben oder (zusätzliche) formelhafte Sprechen wird der Bindeakt vollzogen. Hier sind Text und Handlung sehr eng miteinander verbunden. Derartiges verstärkte im antiken Referenzrahmen durchaus den Glauben an die Wirkmächtigkeit der magischen Praktiken. Der Auftraggeber des jeweiligen Magiers hatte schließlich ein Problem, das er einem Fachmann – dem „Magier“ – schilderte und sah, wie dieser – unter Zuhilfenahme von Zauberbüchern, Zauberworten, magischen Bildern und Ritualen – fachmännisch einen zeitgenössisch allgemein akzeptierten Lösungsweg einschlug. Die Frage von Tomlin bei der Besprechung der Defixionstäfelchen des englischen Bath, „Did the Bath tablets work?“39 ist ganz in diesem Horizont zu beantworten. Natürlich war man davon überzeugt, dass derartige Defixionen Wirkung entfalteten, sonst würden moderne Archäologen beispielsweise in Bath, dem römischen Sulis, keine lückenlose Defixionspraxis vom zweiten bis zum vierten nachchristlichen Jahrhundert nachweisen können. Entwickelte sich das Problem des Auftraggebers in seinem Sinne, so war dies dann im genannten Verständniszirkel sicherlich auf die Defixion zurückzuführen. Entwickelte es sich anders, so musste man gegebenenfalls mit einem wirkmächtigen Gegenzauber rechnen, im amerikanischen Sprachraum oft „counter binding“ genannt. Dass wir einen derartigen auch im engen geographischen Kontext der Jesusbewegung finden, wenn auch in großem zeitlichen Abstand hiervon, mag ein jüdischer Gegenauber aus Nazareth belegen (um 500 AD), auf der zu lesen ist:40 b+l ywhml }why$rx \wp) :

Wende ihre Zaubereien ins Gute!

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Faraone, 1991, 4–10; Gager, 1992, 13. Tomlin, 1988, 101ff; vgl. auch die Fragestellung von Bötsch, 1998. 40 Hamilton, 1996, 219. 39

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Defixionen und das NT Die Frage, inwieweit die verbreitete antike Defixionspraxis auch im neutestamentlichen Schriftgut ihr Echo findet, ist in verschiedener Hinsicht diskutiert worden. Allgemein kann man sagen, dass wir keine direkten Hinweise dafür finden, dass Jesus oder andere Gestalten des NT einen entsprechenden Zauber positiv gewertet oder gar gewirkt haben. Dennoch verleiht die oben skizzierte antike Defixionspraxis einigen Passagen des NT ein besonderes Profil, liest man diese auf dem Hintergrund der antiken Zaubertäfelchen:

1. Die Heilung des Taubstummen nach Mk 7,35 kaiì [eu)qe/wj] h)noi¿ghsan au)tou= ai¸ a)koai¿, kaiì e)lu/qh o( desmo\j th=j glw¯sshj au)tou=, kaiì e)la/lei o)rqw½j.

Und sogleich öffneten sich seine Ohren und die Fessel seiner Zunge löste sich und er sprach richtig.

Die Szene findet am See Genezareth in der Dekapolis statt, man könnte in den umgebenden Gebieten der Städte Hippos oder Gadara denken. Die Frage nach der Verortung der Magie in Galiläa wurde – schon aufgrund der lokalen Nähe zur Jesusbewegung und der Frage nach der Nähe des Urchristentums zur Magie – immer wieder gestellt. Hier haben sich verschiedene Modelle entwickelt, die in irgendeiner Form ein „magisches“ Kolorit Galiläas zeichnen, sei es die These von speziellen galiläischen Wundertätern durch Geza Vermes41 oder die Skizzierung Jesu als Magier durch Morton Smith.42 Aus byzantinischer Zeit sind durchaus Zeugnisse magischen Handelns in Galiläa gefunden worden.43 Aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert ist aus PGM 20,5 eine e)paoidh/ „der Syrerin aus Gardara gegen jede Art von Verbrennung“ überliefert. Hier haben wir ein direktes Zeugnis für eine Magierin direkt aus der Dekapolis, also dem Gebiet, in dem die angegebene Heilungsperikope spielt. Diese Syrerin war ursprünglich wohl auch namentlich genannt, doch ist der Name weggebrochen. Weiterhin haben Bliss und Macalister bei ihren Grabungen am Tel esSandahanna, dem hellenistischen Marissa (in der Küstenlandschaft Israels gelegen) 1900 einen Hort mit 16 Figurinen gefunden, die typische Kennzeichen der „Bettelmännchen“ im Defixionszauber aufwiesen und als Über-

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Vermes, 1993. Smith, 1981. 43 Vgl. McCollough/Glazier-McDonald, 1997; Hamilton, 1996. 42

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bleibsel eines hellenistischen Magiers gelten dürfen.44 Aus römischer Zeit stammen drei gerollte Bleitäfelchen aus Beth-Guvrin45 und aus späterer Zeit wären die etwa 60 zur Zeit der Drucklegung dieser Studie noch unveröffentlichten Bleitäfelchen aus einem Brunnen des herodianischen Praetorium in Caesarea Maritima (wohl aus dem 4. Jh. AD) zu erwähnen.46 Durch diese wenigen Beispiele aus der Umwelt Galiläas dürfte deutlich werde, dass magisches Treiben in dieser Gegend – auch zur Zeit Jesu – keineswegs ausgeschlossen werden darf. Besonders die Wendung in V.35, „die Bande seiner Zunge fielen ab“, bringt die Heilungsgeschichte in ein direktes Verhältnis zu einem Bindezauber. Ist es nicht vorstellbar, dass – im direkten Milieu des Taubstummen – kolportiert wurde, dieser sei durch eine Defixion verzaubert? Es ist durchaus denkbar, dass die Zeitgenossen des Taubstummen – und womöglich auch der Evangelist Markus – an einen Fluchzauber dachten, der sich besonders auf die Stimme des Opfers richtet. Ein derartiger ist uns beispielsweise schon aus dem 3. Jh. BC aus Attika überliefert:47 Katadw= Qeage/nhn glttag (sic!) kai\ yuxh\n kai\ lo/gon o(/meletai=.

Ich binde den Theagenes, Zunge, Wesen, Rede, mit was er eben Kontakte pflegt.

Diese Defixion – wohl gegen einen juristischen Gegner – ist noch in einem altertümlichen Stil verfasst – das „Ich“ des Magiers ist noch nicht hinter der Wirkmächtigkeit der Geisterwelt zurückgetreten. In neutestamentlicher Zeit, also während der ersten Tradierung der Heilungsgeschichte des Taubstummen im frühen Christentum, würde man vielleicht eher eine Fluchformel erwarten, die als Bitte an die Geisterwelt mit „kate(xete to\n Qeage/nhn“, „bindet den Theagenes“ beginnt und dann eine Reihung von wirkmächtigen Namen aufzählt (darunter vielleicht auch das Theonym „Iao“). Dieses Täfelchen könnte dann mittels einer gebundenen Figur (in der Art der Tonfiguren aus Marissa) beim Grab eines vorzeitig Verstorbenen oder in einem Brunnen deponiert worden sein. Sicherlich ist es reine Spekulation, aber an einen derart konstruierten Bindezauber könnte man im direkten Umfeld des Taubstummen gedacht haben, und dementsprechend empfand man dann die Handlung Jesu als eine Art „Gegenzauber“. Dies legen die magischen Elemente der Handlung Jesu (Berührung, eine Art magisches Ritual mit Speichel, Äußerung eines „Zauberwortes“, nämlich „Hefata“) nahe. „Jesus ist das beste Antidot gegen Fluchzauber“, so könnte es ein Werbefachmann im oben vorgetragenen Sinne pointiert formulieren. Beachtenswert erscheint mir der Zug, lesen wir den oben angegebenen Text in 44

Vgl. Bliss, 1900; Bliss/Macalister, 1902, 173–176; Gager, 1992, 204ff (mit Abb.). Vgl. Jordan, 2000b, 26. 46 Vgl. Burell, 1998; Jordan, 2000b, 25. 47 Audollent, 1904, 49; vgl. Gager, 1992, 131f. 45

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dieser Richtung, dass hier magisches Handeln implizit eher adaptiert denn abgewiesen wird. Können wir im Markusevangelium ein tendenziell ungebrochenes Verhältnis zur Magie annehmen? Es scheint fast so. Bei Lukas scheint dies in ähnlicher Richtung deutbar zu sein, wenn wir die zweite Stelle wahrnehmen, an der ein Bezug zu Defixionen vorschlagbar ist:

2. Die Heilung der verkrüppelten Frau am Sabbat nach Lk 13,16 In der Sondergutgeschichte Lk 13,10–17 heilt Jesus in einer Synagoge am Sabbat eine kranke Frau und kommentiert dies in Lk 13,16:48 tau/thn de\ qugate/ra ¹Abraa\m ouÅsan, hÁn eÃdhsen o( Satana=j i¹dou\ de/ka kaiì o)ktwÜ eÃth, ou)k eÃdei luqh=nai a)po\ tou= desmou= tou/tou tv= h(me/r# tou= sabba/tou

Sollte dann nicht diese, die doch Abrahams Tochter ist und die der Satan schon achtzehn Jahre lang gebunden hatte, nicht am Sabbattag von ihrer Fessel gelöst werden?

Hier ist eine ähnliche Kommunikationssituation wie in der vorherigen Passage anzunehmen: Es ist vorstellbar, dass der Evangelist hier durch den Mund Jesu die verbreitete Meinung der Umgebung aufnimmt: Diese Frau ist „durch den Satan“ gebunden; dabei fungiert der Satan als der wirkmächtige Geist, der in den Defixionstäfelchen zur Umsetzung des Fluches angerufen wird. Damit wird diese Passage mit der Terminologie „binden – lösen“ auf dem Hintergrund der antiken Defixionspraxis plausibel.49 Erhärtet wird dieser Verdacht dadurch, dass der Evangelist den Heilungsvorgang durch Jesus auch mit dem Wortstamm „lu/w“ beschreibt, der in den Magica für das „Lösen“ eine Defixion verwendet wird: gu/nai, a)pole/lusei th=j a)sqenei/aj sou – Frau, sei gelöst von deinem Leiden“, so sagt Jesus, während er ihr die Hände auflegt. Es ist nicht auszuschließen, dass die frühen Leser des Evangeliums diese Passagen als Gegenzauber verstanden haben könnten. Es kann freilich nicht mit letzter Sicherheit behauptet werden, dass die neutestamentlichen Autoren Markus und Lukas bei der Niederschrift dieser Stellen konkret an die Defixionspraxis gedacht hatten und Jesu Handeln in diesen Zusammenhang positionieren wollten. Dazu sind die Texte zu vieldeutig. Doch die „Textmaschine“, um einen Begriff aus der Rezeptionsästhetik nach Umberto Eco aufzugreifen, erlaubt es uns Späteren, die beiden genannten Textstücke auf dem Hintergrund der antiken Defixionspraxis als eine mögliche Interpretation neben unendlich vielen anderen vorzuschlagen. Und was für uns heute gilt, können wir auch von den frühen oder gar ersten Lesern der Evangelien annehmen. Eine gewisse Affinität zur magi48 49

Vgl. z.St. O’Toole, 1992; Kilgallen, 2001. Dies führt schon Deissmann, 1923, 260ff, mit zahlreichen Belegen aus.

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schen Defixionspraxis, sei sie nun von den Evangelisten im Rahmen einer „intentio auctoris“ beabsichtigt oder nicht, kann in der „intentio lectoris“ durchaus erkannt werden. Dies mag als ein Hinweis darauf gelten, dass Teile des Neuen Testaments zumindest eine gewisse Schnittmenge mit dem Milieu haben, in dem sich bis zur Spätantike die magischen Traditionen in den Defixionen und Zauberpapyri zur Blüte entfalten.

Einführung in die griechischen Zauberpapyri

Einführung Wir dürfen voraussetzen, dass die Gattung „Zauberbuch“ eine verbreitete Publikationsform der antiken Magie dargestellt hat; wenn auch der Löwenanteil der bei Betz (1986) gesammelten 130 Zauberpapyri aus der Spätantike stammt, so können wir doch aufgrund literarischer Zeugnisse aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert,50 aufgrund der Qumranschriften (möglicherweise 4Q560?), aufgrund der Notiz in Acta 19,19 und schließlich aus einigen Fragmenten früher Zauberpapyri sicher schließen, dass die Zauberbücher auch schon vor und während der Abfassungszeit des NT im entsprechenden Publikationsraum kursiert sind und bekannt waren. Im Folgenden sollen drei der frühesten Zeugnisse der griechischen Zauberbücher kurz vorgestellt werden.51 PGM 40 Bei PGM 40 (Nat.Bibl. Wien, P.gr.1) handelt es sich um eine Verwünschung einer gewissen Artemisia aus Ägypten aus dem 4. vorchristlichen Jahrhundert. Artemisia verflucht den Vater ihrer verstorbenen Tochter in der Art similia similibus: Weil er dem Mädchen kein Begräbnis gewährt hatte, sollen ihm die Götter ebenso das Begräbnis verwehren. Teil 2 des Textes handelt von der wohl öffentlichen Niederlegung an einen allgemein zugänglichen Ort – die Herausgeber der PGM denken an das Zentralheiligtum des Oserapis im Serapeum von Memphis. Dies wird plausibel durch die Anrede an den Gott und die um ihn thronenden Götter – 50 Beispiele: Bei Lukian, Philops 12, zitiert ein chaldäischer Magier aus einem alten Buch. In Philops 30f benutzt Arignotus in Korinth Zauberbücher aus Ägypten. Apuleius lässt in Apol 36,5 „de magicis meis“ vorlesen und meint damit seine naturwissenschaftlichen Abhandlungen über Fische. Die Ablehnung beim jüdischen Phocylides lässt auf Verbreitung schließen: PsPhocyl 149: fa/rmaka mh\ teu/xein magikw=n bi/blwn a)pe/xesqai, „Bereite nicht Zaubertränke – halte dich fern von Zauberbüchern“ (Text nach van der Horst, 1978; Übers. Walter, 1983). 51 Es handelt sich dabei um PGM 40 (4. Jh. BC), PGM 20 (2./1. Jh. BC) und PGM 122 (1. Jh. BC/1. Jh. AD); zusätzlich wäre noch auf PGM 117 (1. Jh. BC) hinzuweisen, doch dieser Text ist zu fragmentarisch erhalten um als einführendes Beispiel angegeben werden zu können; die grundlegende Sammlung der griechischen Zauberpapyri von Preisendanz (PGM 1–81) bietet den griechischen Text mit einer deutschen Übersetzung; das Sammelwerk von Betz, 1986, bietet eine englische Übersetzung der Preisendanz’schen Texte sowie englische Übersetzungen zusätzlicher griechischer Zauberpapyri (PGM 82–130) und einiger demotischer Zaubertexte (PDM). Zur Datierung der Zauberbücher vgl. die Liste bei Brashear, 1995, 3491–3493.

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man mag hier an das Kolorith eines Serapeums denken können. Doch ebenso gut hätte Artemisia ihre Bittschrift an ein Grab mit entsprechender szenischer Bemalung niederlegen können:52 åW de/spot' ¹Osera=pi kaiì qeoiì oi¸ meta\ tou= ¹Oser[a/pio]j ka[qh/menoi, euÃxom]ai u(miÍn, ¹Artemisi¿h hÀd', ¹Ama/sioj quga/thr, kata\ to= patro\j th=j qugatro/j, [oÁj au)th\n t]w½[n] kt[er]e/wn a)peste/rhse kaiì th=j qh/khj. ei¹ me\n ouÅn di¿kaia me\ e)poi¿hse e)me\ kaiì ta\ te/kna tau)tosauto=, wÐsper me\n ouÅn aÃdika e)me\ kaiì ta\ te/kna tu)tosauto= e)poi¿hse, do/h de/ oi¸ ¹Osera=pij kaiì oi¸ qeoiì mh\ tuxeiÍn e)k pai¿dwn qh/khj m[h]de\ au)to\n gone/aj tou\j au)tosautou= qa/yai. th=j de\ kataboih=j e)nqu=ta keime/nhj, kakw½j a)pollu/oito ke)g gh=i ke)n qala/sshi kau)to\j kaiì ta\ au)tou= u(po\ tou= ¹Oser[a/]pioj kaiì tw½n qew½n tw½n a)mp' ¹Osera=pi kaqhme/nwn, mhde\ i¸la/onoj tuxa/noi ¹Osera/pioj mhde\ tw½n qe[w½]n [tw½]n meta\ tou= ¹Osera/pioj ka[q]hme/nwn. kate/qhken ¹Artemisi¿h th\n i¸kethri¿hn ta[u/]thn, i¸ketu/ousa to\n ¹Os[e]ra=pin th\n di¿khn dika/[sai kaiì to]u\j qeou\j tou\j meta\ tou= ¹Osera/pioj kaqhme/nouj, th=[j] d' i¸kethri¿aj e)nqau=[ta kei]me/nhj, mhdamw½[j] i¸lao/n[w]n [tw½]n qew½n tuxxa/noi o( path\r th=j paidi¿skhj. [oÁ]j d' aÄ[n eÀloi] ta\ gra/mmata tau=ta [ka]iì a)dikoiÍ ¹Artemisi¿hn, o( qeo\j au)tw½i th\n di¿khn e)piq[ei¿h m]hdeniì qerapuo[...]bonti, oÀti mh\ tou\j ¹Arthmisi¿h kelu/ei, oÀti[...] tode[...] wÐsper kou)k e)parke/sai [...] me perieiÍde e)pid[eh=] ka)moiì th=i zw¯shi [...] perieiÍde e)pide?[h=!!!].

O Herr Oserapis und ihr Götter, die ihr mit Oserapis thront, zu euch [flehe ich], ich Artemisiê, Tochter des Amasis, gegen den Vater meiner Tochter, [der sie] der Totenbeigaben beraubt hat und des Begräbnisses. Wenn er nun an mir nicht recht getan hat und an seinen Kindern — wie er ja auch unrecht an mir und seinen Kindern getan hat — so mögen ihm Oserapis und die Götter erwirken, dass er kein Begräbnis erhalte von seinen Kindern, und dass er auch seine Eltern nicht begrabe; solang aber mein Hilferuf hier aufliegt, soll er elend zugrund gehen, es sei zu Land oder Wasser, er und das Seinige, durch Oserapis und die Götter, die um Oserapis herum thronen, und er soll weder Oserapis noch die mit Oserapis thronenden Götter gnädig finden. Niedergelegt hat Artemisiê diese Bittschrift mit der Bitte an Oserapis und die mit Oserapis thronenden Götter, den Urteilsspruch zu fällen; solang aber die Bittschrift hier aufliegt, soll der Vater des Mädchens in keiner Weise die Götter gnädig finden. Doch wer etwa diese Schrift wegnimmt und damit gegen Artemisiê übel handelt, dem soll der Gott seine Strafe auferlegen, keinem [...] außer wem es Artemisiê befiehlt [...] wie auch dass nicht hinreiche [...]. Er sah mit an, dass ich bedürftig [...]. Und mir, die ich lebe [...]. Er sah mit an, dass (ich) bedürftig [...].

PGM 20 PGM 20 (Staatl. Museum Berlin, P.gr.7504 Recto) aus dem 2./1. vorchristlichen Jahrhundert beinhaltet anscheinend einen Katalog magisch-

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Text und Übersetzung nach Preisendanz, Bd. 2, 1974.

Einführung in die griechischen Zauberpapyri

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medizinischer Rezepte, von denen zwei fragmentarisch erhalten sind. Bei beiden werden die überliefernden Magierinnen notiert: pro\]j? kefalh=j [po/non] [lo/go]j? [...] [s]u\ ga\r eiå qnh[toiÍ] ¼?![...]!foloij p![...]wn t?[e/][leson te]le/an e)paoid?[h/]n. [...]aj Su/raj Gadarhnh=j [...] [e)paoidh\] pro\j pa=n kata/kaum[a.] [m]ustodo/?k?oj kateka?[u/qh] [u(y]o?ta/t%? d' e)n oÃrei katekau/q?[h] e(pta\ lu/[k]wn krh/naj, eÀpt' aÃr[ktwn], e(pta\ leo/ntwn. e(pta\ de\ parqenikaiì ku[a]nw¯pidej hÃrusan [uÀ]dwr ka/lp[i]si kuane/aij kaiì eÃsbesan a)k[a/m]aton pu=r Fili¿nnhj Qe[ss]alh=j e)paoidh\ p[ro\j] kefalh=j p[o/]non feu=g' o)du/n[h k]efalh=j, feu=ge fq?[i¿nous'] u(po\ pe/t[ra]n? feu/gousin de\? [lu/]koi, feu/g?[ousi] de\ mw¯nuxe?j [iàp]poi [...] plhg?aiÍj u(p? [...]

[Spruch] gegen Kopf[weh] [...] denn du bist den Sterblichen [...] vollende die vollkommene Besprechung! Besprechung der Syrerin [Name] aus Gadara gegen jede Art von Verbrennung. [...] von Mysten geriet in Brand, auf dem Bergesgipfel geriet [es] in Brand. [Lücke im Sinn] Sieben Quellen der Wölfe, sieben der Bären, sieben der Löwen. Doch sieben dunkeläugige Jungfrauen schöpften Wasser mit dunkelfarbigen Krügen und löschten das unermüdliche Feuer. Besprechung der Thessalerin Philinna gegen Kopfweh. Flieh, Kopfschmerz, entflieh und schwinde unter den Felsen. Es fliehen die Wölfe, es fliehen die einhufigen Rosse, [eilend] unter den Schlägen [? meiner vollkommenen Besprechung].

PGM 122 Zwischen vielerlei Urkunden aus Privatarchiven, die in einem Mumiensarg aus dem ägyptischen Abusir el Melek gefunden worden waren, befand sich auch ein Relikt eines Zauberbuches aus der Zeit des Augustus, also des Kaisers, in dessen Herrschaftszeit Jesus geboren worden war.53 e)cagwgh\ e)p%dw=n e)k th=j eu(reqei/shj e)n (Hli/ouj po/lei e)n t$= i(er#= bu/blwi th=i kaloume/n$= (/Ermou= e)n tw=i a)du/twi Ai)gupti/oij gra/mmasin kai\ diermhneuqe/ntwn ( Ellhnikoi=j e)pi\ mh/loij e)p%dh/. tri/j. [...] pro\j kefalalgi/an. )/Oseirij ponei= th\n kefalh/n. o( )/Ammwn ponei= tou\j krota/fouj th=j kefalh=j. )Hsenefquj ponei= to\ peri/metron th=j kefalh=j. ou) mh\ pau/shtai )/Oseirij ponw=n th\n kefalh/n, ou) mh\ pau/shtai o( )/Ammwn po/nwn tou\j krota/fouj th=j kefalh=j, ou) mh\ pau/shtai )Hsenefquj ponou=sa to\ peri/metron th=j kefalh=j, e(/wj pau/shtai

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Edition, Übersetzung und Kommentar bei Brashear, 1979; englische Übersetzung als PGM 122 bei Betz, 1986, 316ff.

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prw=ton o( dei=na pa/nta[...]

Auszug von Zaubersprüchen aus dem in Heliopolis, im Tempel, und zwar in der Bibliothek gefundenen heiligen Buch, genannt „Buch des Hermes“, in Ägyptisch geschrieben und ins Griechische übersetzt. Zauberei auf der Grundlage von Äpfeln. Dreimal. [...] Gegen Kopfschmerzen. Osiris tut der Kopf weh. Ammon tun die Schläfen des Kopfes weh. Esenephthys tut es rings um den Kopf herum weh. Mögen des Osiris’ Schmerzen am Kopf nicht aufhören. Mögen des Ammon Schmerzen an den Schläfen des Kopfes nicht aufhören, mögen der Esenephthys Schmerzen rings um den Kopf herum nicht aufhören. Bis zuerst NN beendet hat alle [...

Der oben in Auszügen zitierte Papyrus ist vielleicht schon vor der Geburt Jesu aufgeschrieben worden und dürfte auch noch während Jesu Lebzeiten in Ägypten gelesen worden sein. Er soll im Folgenden exemplarisch näher betrachtet werden, denn eine eingehendere Besprechung könnte Hinweise auf die Publizistik der Zauberbücher in neutestamentlicher Zeit geben. Diese soll nun Thema der weiteren Überlegungen sein: Inwieweit sind Elemente einer „magischen Publizistik“ anhand des vorliegenden Materials konstruierbar?

Magische Publizistik und ihre Terminologie Schon der Anfang des oben überlieferten Zaubertextes – e)cagwgh\ e)p%dw=n, also „Auszug von Zaubersprüchen“ – macht darauf aufmerksam, dass sich schon in der frühen magischen Literatur eine Art „magischer Fachsprache“ zeigt. Dies kann zunächst anhand des Wortes „e)p%dh/“ gezeigt werden, das in oben zitiertem Text gleich zweimal vorkommt und soviel wie „Zauberspruch“ heißt.54 Auch in PGM 20 ist dieses Wort mehrfach als „Zauberspruch“ oder „Besprechung“ gebraucht. Diese Fachsprache entfaltete sich im Laufe der Jahrhunderte und liegt in den breit belegten Zauberpapyri des 4. und 5. Jahrhunderts voll entwickelt vor. Sie orientierte sich an der üblichen griechischen Umgangssprache: Eine magische Handlung ist eine „Praxis“ (pra=cij, von pra/ssein, „tun, handeln“),55 ein Zauberspruch ein „Logos“ (lo/goj, das „Wort“), eine Dä-

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Zum Terminus vgl. Pfister, 1924. Eine pra=cij (auch praktiko/n) ist eine Zauberhandlung, die ein Ergebnis zur Folge haben soll (vgl. etwa im Pariser Zauberpapyrus PGM 4,160: a)pe/steila/ soi th/nde th\n pra=cin e)n pa=s$ eu)kopi/# i(era\n e)piteloume/nhn e)ne/rgeian: „ich sende dir diese Zauberhandlung, die in aller 55

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monen- oder Götterbeschwörung ein „Exorkismos“ (e)corki/smoj, von o(rki/zein, „beschwören“), ein Liebeszauber ein „Philtron“, (fi/ltron, von „filei=n, „lieben“) die Herbeiführung eines Dämons eine „Agoge“ (a)gwgh/ von a)gein, „führen“). Darum ist es in der nicht dezidiert magischen Literatur auch oft schwierig zu entscheiden, ob ein Ausdruck nun als magischer Fachterminus verstanden wurde oder ob nicht. Dies wurde im neutestamentlichen Kontext besonders in der von Morton Smith 1978 angestoßenen Diskussion um die Nähe Jesu zur Magie virulent. Hat Jesus magische Fachliteratur benutzt? Nur soviel zeichnet sich ab, dass sich diese Fachterminologie – wenn überhaupt – nur in Spuren in der Jesusüberlieferung niederschlägt. Das Wort „e)corki/smj“ beispielsweise als theoretischer Fachbegriff kommt in der neutestamentlichen Jesusüberlieferung nicht vor, ebenso wenig „fi/ltron“ oder „a)gwgh“ (und außerhalb der Jesusüberlieferung in 2Tim 3,10 keinesfalls als magischer Fachterminus). Obwohl Jesu Exorzismusbefehl (o(rki/zw ...) oder auch die Verwendung etwa von „desmo/j“ in Mk 7,35 durchaus in magischem Kontext gelesen werden könnten, so ist eine breite Verwendung der magischen Fachsprache in der Jesusüberlieferung nicht belegbar. Diese Fachsprache hat allerdings schon zur Zeit Jesu und der Entstehung des neutestamentlichen Schrifttums kursiert. Sie war kaum eine geheime Terminologie, denn auch aus nichtmagischer Seite sind uns Listen überliefert, die auf Kenntnisse der magischen Sprachgepflogenheiten schließen lassen. Irenäus von Lyon etwa liefert in Haer 1,23,4 einen Katalog magischer Praktiken, die angeblich die häretische Sekte der Simonianer betreiben. Dieser Katalog magischer Fachtermini soll nun der Ausgangspunkt unserer weiteren Überlegungen sein. Irenäus, Haer 1,23,4: Igitur horum mystici sacerdotes libidinose quidem vivunt, magias autem perficiunt, quemadmodum potest unusquisque ipsorum. Exorcismis et incantationibus utuntur. Amatoria quoque et agogima et qui dicuntur paredri et oniropompi et quaecumque sunt alia perierga apud eos studiose exercentur. Imaginem quoque Simonis habent factam ad figuram Iovis, et Helenae in figuram Minervae, et has adorant; habent quoque et vocabulum a principe impiissimae sententiae Simone, vocati Simoniani, a quibus falsi nominis scientia accepit initia, sicut ex ipsis assertionibus eorum adest discere. Ihre Mysterienpriester leben folglich rein nach Lustbedürfnis dahin, treiben indes nach Kräften Magie. Exorzismus (exorcismi) und Zaubersprüche (incantationes) Leichtigkeit eine heilige Wirkung erzielen soll“). Deren Durchführungsanweisung wird poi/hsij genannt, etwa in PGM 2,142: poi/hsij th=j pra/cewj („Durchführung der Praxis“). Die pra=cij kann als Oberbegriff für alle folgenden Zauberhandlungen gesehen werden. Beispielsweise wird über die in PGM 3,430ff beschriebene pro/gnwsij („Vorausschau“) in PGM 3,439f gesagt: th=j pra/cewj tau/thj mei/zwn ou)k e)/stin („Eine größere Zauberhandlung als diese gibt es nicht“).

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benutzen sie. Liebestränke (amatoria) und Verführungsmittel (agogima), sogenannte Beistandsgeister (paredri) und solche, die Träume senden (oniropompi), und was es bei ihnen an Praktiken (perierga) gibt, das alles wird eifrig praktiziert. Sie haben auch ein Bild von Simon, der Gestalt des Zeus nachgebildet, und eines von Helena nach der Gestalt der Minerva, und die beten sie an. Sie haben auch einen Namen: Nach dem Erfinder der verwerflichen Lehre, Simon, nennen sie sich Simonianer. Mit ihnen hat die fälschlich so genannte Gnosis (vgl. 1Tim 6,20) ihren Anfang genommen, wie man auf ihre eigenen Behauptungen hin sagen darf.56

Die bei Irenäus genannten Termini begegnen in den Zauberpapyri wieder und geben Kunde davon, welche magischen „Gattungen“ im zweiten nachchristlichen Jahrhundert als verbreitet angenommen werden dürfen: Exorcismi Die griechische Lehnwort (o(rkismo/j oder e)corkismo/j in den PGM genannt, die Eidesformel allerdings o(/rkoj)57 bezieht sich auf Beschwörungen von Geistern oder Dämonen. Hier werden höhere Mächte angerufen, dem Willen des (menschlichen) Beschwörers zu willfahren. Die Terminologie hierfür ist in der neueren Diskussion nicht einheitlich; neben „adjuration“ 58 wurde hierfür auch „incantation prayer“59 vorgeschlagen. Beispiele: Täfelchen aus Kleinasien, Oberes Mäandertal, 2. Jh. AD:60 o(rki/zw u(ma=j, dai/monej, kata\ tou= e)ngegramme/nou o)no/matoj [...]. In PGM 16,1ff (1. Jh. AD) ist eine Reihung von Beschwörungen für den Liebeszauber überliefert, die mit der Formel „o(/rki/zw se + Dämonennamen“ beginnen. Typisch für den Exorzismus ist die Formel (e)c)orki/zw + doppelter Akkusativ (se to\n qeo/n [...])61 In der späteren jüdischen Magie – zuvörderst im Sepher ha-Razim – ist die Beschwörungsformel „\yl( hn) (b$m“ (mashbia ani alekha/alehkem) breit belegt,62 das hebräische Äquivalent zu o(/rki/zw se. In lateinischer

56 Übers Brox, 1993. Ein ähnlicher Katalog ist bei Lukian, Alex 4 überliefert: „Unter seinen Liebhabern war auch ein Goet, der Magie und göttliche Gesänge (e)p%da\j qespesi/ouj), ebenso Gunstzauber für die Liebhaber (xa/ritej e)pi\ toi=j e)rwtikoi=j), Zwingzauber für die Gegner (e)agogai\ toi=j e)/xqroij), auch Schatzfunde und Erbschaften.“ Vgl. weiterhin den Vergleich der Kataloge bei den Nachfolgern des Simon Magus unten S.147. 57 Beispielsweise wird in PGM 1,80 ist auf eine Beschwörung angespielt (su\ de\ au)to\n e)co/rkize t%=de t%= o(/rk% [...]), die in PGM 1,163–166 ausführlich zitiert wird. 58 Betz, 1998. 59 Schäfer, 1990, 76ff im Zusammenhang mit der Hekalotliteratur. 60 Jordan, 1985a, Nr 168. 61 Zur Formel und zu den grammatischen Varianten vgl. Gelzer, 1999, 73f. 62 Zur Beschwörungsformeln der spätantik-mittelalterlichen jüdischen Magie vgl. Niggemeyer, 1975 (zum Sepher ha-Razim); Schäfer, 1990, 79ff. Zur Exorzismusformel auf Gemmen vgl. Mastrocinque, 1998, 110f.

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Sprache lesen wir für die Exorzismusformel „rogo vos“ (zum Beispiel auf der oben zitierten Defixion aus Carmona, Spanien, 2. Hälfte 1. Jh. BC).63 Incantationes Dieser Begriff heißt eigentlich soviel wie „Gesang“ und bezeichnet wohl den formelhaft dargebrachten Zauberspruch. Schon sehr früh im römischen Rechtsleben, im Zwölftafelgesetz, begegnet auf Tafel 8 das Delikt „Qui fruges excantassit“ [...]64, „wer die Feldfrüchte heraussingt [...]“, und damit ist wohl auch der Schadenszauber durch einen Spruch gemeint. Im Griechischen begegnet hierfür das Wort „logos“, dessen Bedeutungsvielfalt nicht nur Auslegern von Joh 1 vor große exegetische Herausforderungen stellt, sondern auch Lesern der Zauberpapyri als Terminus für „Zauberspruch“ bekannt ist. Diese „logoi“ entfalten sich in den späteren Papyri in vielfältigster Ausformung und sind oft asemantisch gehalten, also Reihungen von Vokalen und praktisch unaussprechlich lange Wortreihen. Hierfür ist in der Forschung der Begriff der „Rhesis Barbarike“ („barbarische Rede“ oder Zaubersprache) bzw. „voces mysticae“ (geheimnisvolle Worte) gebräuchlich. Sind diese Reihungen asemantischer wirkmächtiger Namen (oft auch mit Zeichnungen verbunden) in den früheren magischen Zeugnissen noch recht spärlich vorhanden, steigt ihre Zahl ab der Zeitenwende sprunghaft an und formt sich bin in die Spätantike vielfältig aus, so dass hier ein wichtiges Kriterium für die Datierung magischer Zeugnisse vorliegt.65 Es machte anscheinend auf die Kunden der Magier großen Eindruck, wenn sie die von diesem gemurmelten Worte eben nicht verstehen konnten – dies unterstrich in der Kommunikationssituation mit dem Kunden den Eindruck der exklusiven Professionalität des Magiers. An dieser Stelle kann der Zusammenhang zwischen der Zaubersprache und der Glossolalie angesprochen werden.66 Klauck ordnet die voces mysticae in einem Stufenmodell, beginnend mit einfachen Vokalreihen (1. Stufe: Beispiel etwa PGM 1,11–19) über monoton wirkende Vokal-Konsonantenverbindungen (2. Stufe: Beispiel etwa PGM 1,146f) bis hin zu einer „pseudolinguistischen Strukturierung“, die, obwohl asemantisch, dennoch eine Sprachmelodie vortäuscht (3. Stufe: Beispiel: PGM 4,200–208).67 Klauck gibt als Sinn dieser Zaubersprache mit Apuleius, Apol 26,3 die Sehnsucht nach der „communio loquendi cum deis“, der mit den Göttern gemeinsame Redeweise, an und setzt sie damit parallel zur Glossolalie. 63

Corell, 1993. Düll, 1995, 48. 65 Vgl. Preisendanz, 1956, 114. 66 Vgl. Klauck, 1999, 298f. 67 Klauck, 1999, 300ff. 64

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Besonders in den späteren Zaubertexten kehren dann – wie etwa bei unserem „Abrakadabra“ – bestimmte Zaubersprüche immer wieder, die als fest und unveränderlich bekannt sind. Beispiele hierfür sind etwa die „Ephesinischen Lettern“68, der Ialda-Logos,69 der Maskelli-MaskelloLogos70, der QwQw-Logos71.

Amatoria Der Liebeszauber (der griechische Terminus ist fi/ltron)72 bildet ein eigenes Themenfeld bei der Defixionspraxis.73 Als Beispiel sei eine Praxis aus PGM 7,460ff (2./4. Jh. AD) genannt: Zum Zweck, eine Person verliebt zu machen: Herrlicher Liebeszauber (fi/ltron ka/lliston). Schreibe durch Einritzen auf eine Zinnplatte. Schreib und leg sie nieder, darüber tretend. Und zwar lautet das Geschriebene: Ich beschwöre dich (e)corki/zw se) beim gepriesenen Namen des Bakchos (und dann das übrige, was immer du willst).

Der vielfältigen Variationen in der Praxis des Liebeszaubers wurde von Seiten der modernen Forschung durch mehrere Klassifikationsversuche Rechnung getragen. Untergliederungen nach dem jeweiligen Zweck des Liebeszaubers bieten Faraone74 („separation spells“ und „attraction spells“) und Winkler75; Gager76 richtete sich bei seinen Klassifizierungen nach dem natürlichen Geschlecht der Aktanten (Zauber von Frauen in Bezug zu Männern; von Frauen in Bezug zu Frauen; von Männern in Bezug zu Männern; von Männern in Bezug zu Frauen); dagegen berücksichtigte Petropoulos77 bei seiner Differenzierung die einschlägige Fachsprache der überlieferten 68

Diese prangten der Überlieferung nach am Kultbild der Artemis in Ephesos. Der Lexigraph Hesych benennt im Lexikoneintrag zu „Efe/sia gra/mmata“ die Namen der ursprünglichen sechs Lettern als „aÃskion, kata/skion, li¿c, tetra/c, damnameneu/j, aiãsion“; vgl. auch Jordan, 2000. 69 Etwa PGM 1,203–207; 4,1196–99; 13,971–74 schon von Preisendanz in PGM, Bd. 3 rekonstruiert, vgl. Faraone, 1994. 70 Ab etwa 2. Jh. belegbar (Audollent, Taf. 251, Zusammenstellung bei Jordan, 1994, 328f; auch MacDaniel Pl. IV.1 Phylacterium bei Heintz, 1996) 71 Vgl. MacDaniel Pl. IV.1 Phylacterium (Zauberworte wie in PGM 19a) bei Heintz, 1996. 72 Zum Begriff vgl. auch Graf, 1996, 159 (bei Theokrit, Id 2). Manchmal liest man in den Zauberpapyri auch den Begriff „xarith/sia“ (Gunstzauber), ein Begriff, den Irenäus schon in HE 1,25,3 nennt („charitesia“); in PGM 4,2227 werden xarit/sia synonym mit fi/ltra gebraucht; PGM 13,338 erwähnt xarith/sia in einem ähnlichen Katalog magischer Künste zusammen mit a)gwga/j, o)neiropompa/ und o)neiraithta/. Lukians „xa/ritej e)pi\ toi=j e)rwtikoi=j“ in Alex 5 dürfte sich ebenso darauf beziehen. 73 Zum Liebeszauber vgl. Petropoulos, 1988; Winkler, 1991; Gager, 1992, 78ff. 74 Vgl. Faraone, 1991, 13. 75 Vgl. Winkler, 1991, 94. 76 Vgl. Gager, 1992, 80. 77 Vgl. Petropoulos, 1988, 216.

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Texte und untergliederte in a)gwgai/, filtrokata/desmoi, fi/ltra, ka/toxoi, poth/ria, diakopoi/, fusiklei/dia. Agogima Auch hier nimmt Irenäus ein griechisches Lehnwort auf. Die a)gwgh,/78 „Herbeiführung“, dient dazu, jemanden in magischer Weise herbeizuzwingen. Eine a)gwgh/ zur Zeit Kaiser Hadrians ist in PGM 4,2444ff überliefert: a)gwgh/. Werkzeug (skeuh/) eines Rauchopfers an Selene, das Unwiderstehliches und

ohne Zauberstoff Gewonnenes für einen Tag79 zuführt. Es wirft heftig aufs Lager und beseitigt gewaltsam, es sendet in schönster Weise Träume (o)neiropompei=) und fordert in wundersamer Weise Träume (o)neiraithtei=) und wurde in zahlreichen Vorführungen (e)n plei/staij a)podei/cesin) bewundert, da es in diesen Dingen niemals nachgab. Rauchopfer: Vorgeführt hat es Pachrates, der Prophet aus Heliopolis, dem König Hadrian und bewies (e)pedei/cato) ihm dabei die Wirkung (du/namij) seiner göttlichen Magie (qei/a magei/a) Er zwang nämlich binnen einer Stunde herbei (h)/cen mono/wron), warf in 2 Stunden aufs Lager, tötete (a)nei=len) binnen 7 Stunden und beschickte den König selbst mit Träumen (o)neiropo/mphsen), als er ihm die ganze Wahrheit seiner Magie erwies.

Wichtig hierbei ist, dass die Beiführung wohl öffentlich vollzogen wird, sodass es jeder sieht. Diese Art von Vorführung ist wohl auch bei Iren, Haer 1,23,4 vorausgesetzt.80 Bei Lukian, Alex 5 lesen wir: „e)agogai\ toi=j e)/xqroij“ (Zwingzauber für die Gegner). Oniropompi Wie bei der oben zitierten Agoge deutlich wurde, ist auch eine „Traumvision“, eine „o)neiropo/mph“ aufgenommen. Es geht hierbei um eine Praxis mit dem Ziel, im Traum Visionen zu empfangen, beispielsweise in einem späten Zeugnis in PGM 4,3174ff (4. Jh. AD). Paredri Ein Parhedros oder „Beisitzer“ ist ein Schutzgeist, der vom Zauberer zu Dienstzwecken herbeigerufen wird. Als – spätes – Beispiel sei auf eine Liste von Möglichkeiten des „Beisitzers“ aus dem Berliner Papyrus PGM

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Zum Begriff vgl. Graf, 1996, 161f. Preisendanz in PGM, Bd. 1 übersetzt monohme/rouj mit „noch am selben Tag“; die o.a. Übersetzung richtet sich nach Betz, 1986, 82f. 80 Vgl. zum Vergleich der „Agogima“ und der „Charitesia, etwa der Karpokratianer, unten S. 147. 79

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1,96–120 (4.–5. Jh. BC) hingewiesen. Hier wird deutlich, zu was ein „Beisitzer“ alles fähig ist.81 Das ist die heilige Gewinnung des Beisitzers. Man erkennt aus ihr, dass er der Gott ist; ein Luftgeist ist er, den du sahst. Wenn du ihm einen Auftrag gibst, führt er das Werk auf der Stelle aus: er sendet Träume, er führt Weiber, Männer ohne Zauberstoff herbei, er beseitigt, er unterwirft, er schleudert Winde aus der Erde empor, er bringt Gold, Silber, Erz und gibt es dir, wenn du dessen bedarfst, er löst aber auch aus den Banden einen, der in Ketten bewacht wird, er öffnet Türen, er macht unsichtbar, damit dich überhaupt keiner erblickt, er bringt Feuer, er trägt Wasser, er bringt Wein, Brot und was du sonst von Esswaren willst: Öl, Essig, abgesehen von Fischen allein, von Gemüse wird er die Menge, die du willst, bringen, Schweinefleisch aber – das gebiete ihm überhaupt nie zu bringen. Und wenn du ein Gastmahl veranstalten willst, so gib es an, und jeden passenden Platz, den du dafür ersehen, befiehl ihm schnell und kurzerhand zu bereiten: sofort wird er Zimmer mit goldenen Decken [rings] herstellen, und du wirst ihre Wände in Marmor glänzen sehen — und das hältst du zum Teil für Wahrheit, z. T. nur für Schein — auch köstlichen Wein, wie es sich gehört, um das Mahl glänzend auszustatten, und rasch Dämonen wird er bringen und die Ausstattung deiner Diener anordnen. Er macht es auf der Stelle. Und sooft du ihm befiehlst, Dienste zu verrichten, wird er es tun, und du wirst sehen, wie er sich auch in anderem hervortut: er bannt Schiffe und löst sie wieder, er bannt schlimme Dämonen in Menge, er bringt die wilden Tiere zur Ruhe und zerbricht die Zähne der wilden Kriechtiere sogleich, er schläfert Hunde ein und bannt sie zur Lautlosigkeit, er verwandelt in jede beliebige Gestalt eines geflügelten Tieres, eines Wassertieres, eines Vierfüßlers oder eines Kriechtieres. Er wird dich in die Luft tragen und wird dich wieder herab werfen in den Wogenschwall der Meeresströme und in die Strömungen der See, er wird Flüsse und Meer auf der Stelle festmachen, damit du sogar aufrecht darauf laufen kannst, wie du willst [...].

Perierga Das Lehnwort „perierga” bezeichnet Zaubereien im pejorativen Sinne. Es ist im Neuen Testament in Acta 19,19 in diesem Sinne erwähnt: „Viele derer, die Zauberei betrieben (peri/erga pra/cantej), brachten ihre Bücher zusammen und verbrannten sie öffentlich“.82 Perierga ist damit aus der Außensicht als polemischer Begriff für Zauberei verwendet. Die Bedeutungsdimension des Wortes schwankt zwischen abergläubischer Zauberei und fremdartigem Bezaubern, jedenfalls all das, was dem üblichen Umgang mit der Geisterwelt widerspricht.83 Dies ist auch in den Zauberpapyri selbst 81 Übersetzung nach Preisendanz, Bd. 1. Zur Funktion und Bedeutung des Parhedros vgl. Graf, 1996, 99ff. 82 Zur Auslegung der Stelle s.u., S. 79ff. 83 Dies ist beispielsweise in P.Yale 299 zu erkennen, ein Rundschreiben von 199 AD des ägyptischen Präfekten über Magie und Divination, wird befohlen aufzuhören mit den Verführungen dieser Periergie („th=j e)pisfalou=j tau/thj periergi/aj“, Parásoglou, 1976, 266). Die genaue Bedeutung von periergi/a in diesem Umfeld – abergläubische Zauberei (superstitio) oder eher

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aufgenommen; wie im unten noch zu zitierenden PGM 12,404 (ca. 300–350 AD) ist der Gegensatz von denjenigen, die Zauberei betreiben („peri/erga pra/ssein“) und denjenigen, die echte Zauberbücher besitzen, die Rede. Wenn Irenäus also das Wort „perierga“ aufgreift, verlässt er die magische Fachsprache, die er bislang zitiert hatte, und benutzt ein Wort aus der allgemeinen Magiepolemik seiner Zeit.

Autoritäten der magischen Publizistik Das oben zitierte Zauberbuch aus Abusir el Melek will von einem älteren abgeschrieben sein, einem Buch des legendären ägyptischen Gottes der Offenbarung und der Schriftgelehrsamkeit Thot, bzw. Hermes Trismegistos. Es beruft sich damit auf unbestreitbare Autoritäten und gibt diese auch in der Überschrift an. Zusätzlichen Nimbus der Heiligkeit gewinnen die dann zitierten Zaubersprüche noch durch den Umstand, dass die schriftliche Vorlage wohl in der Bibliothek (dem „Adyton“) des Tempels von Hierapolis, dem legendären geistigen Zentrum ägyptischen esoterischen Wissens, einlagerte. Der Wahrheitsgehalt dieser Eingangsnotiz kann aus kritischer exegetischer Distanz durchaus angezweifelt werden – der Bezug zur sagenumwobenen Weisheit der alten Ägypter ist doch sehr dick aufgetragen und lässt hier durchaus den Zug der Pseudonymität vermuten. Besonders die Notiz, dass die hier wiedergegebenen Zaubersprüche ursprünglich in ägyptischer Sprache verfasst und dann ins Griechische übersetzt worden seien, ist in der Forschung mit Recht angezweifelt worden – angesichts der (hier nicht mehr zitierten) griechisch-römischen Traditionen bei dem „Zauberspruch auf der Grundlage von Äpfeln“ wäre eine Entstehung im griechischen Kulturkreis durchaus denkbar.84 Diese Berufung auf Autoritäten ist schon bei den ältesten Zeugnissen erkennbar. An dieser Stelle ist nochmals oben auf PGM 20 zu verweisen, wo neben den magischen Rezepten auch deren Autorinnen genannt werden.85 Diese Namensnennungen müssen keineswegs alle pseudepigraphisch sein, sie zeigen aber das Bedürfnis, die Texte bei einem Gewährsmann oder einer Gewährsfrau historisch zu verorten. Als späteres Beispiel aus dem 4. Jh. AD sei aus PGM 13,24ff ein Katalog von mächtigen Namen angeführt, der auf die ausgeprägte literarische Gelehrsamkeit des Kompilators schließen lässt:86 Neugierde (curiositas) – ist Interpretationssache, der Herausgeber des Papyrus neigt aufgrund der Parallele im Edikt von Constantius (Cod Theod 9.16.4 = Cod Iust 9,18,5) dazu, den Text im Sinne von „curiositas“ zu deuten, Parásoglou, 1976, 268f. 84 Vgl. Brashear, 1979, 265f. 85 Vgl. oben S. 46.

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Wie der Gotteskünder (qeo/logoj) Orpheus überliefert hat in seiner „Parastichis“: (Zauberworte), Erotylos in den „Orphica“: (Zauberworte), Hieros aber folgendermaßen: (Zauberworte), wie aber der heilige Name in der Schrift an König Ochos von Thphe, dem Hieroglyphenschreiber ausgesprochen wird: (Zauberworte), in den Erinnerungen des Euenos heißt es, der Name klinge bei den Ägyptern und Syrern (Zauberworte), nach Zoroaster dem Perser: (Zauberworte), in den Schriften des Purros aber: (Zauberworte), nach Mose aber in der „Archangelike“87: (Zauberworte), wie es aber im „Gesetz“ auf hebräisch gelöst wird: Abraam, Isak, Iakob, aeo, eoa, oae, Ieu iee, ieo, Iao ia, ie, ao, ee, oe, eo, wie es aber im fünften Buch der Ptolemaika „eins ist auch das Ganze“, in diesem vortrefflichen Buch lautet (es beinhaltet die Entstehung des Geistes von Feuer und Finsternis): Herr der Ewigkeit, der Allschöpfer, alleiniger Gott, Unaussprechlicher (Zauberworte), und der große Name in Jerusalem, mit dem man das Wasser herauslockt, wenn sich keines in der Zisterne findet: (Zauberworte).

Bei der Lektüre fällt auf, dass auch zentrale Gestalten aus dem AT – Mose, Abraham, Isaak, Jakob – als Autoritäten aufgenommen sind. Dies will nun keineswegs heißen, dass der Autor des oben zitierten Textes ein Jude war oder den Text aus jüdischem Traditionsgut übernommen hatte. Diese aus dem AT bekannten Figuren waren auch in ihrer paganen Umwelt inzwischen bekannt geworden. Mose traute man aufgrund der Erzählungen von ihm und den ägyptischen Zauberern allerhand Magisches zu, Zaubersprüche im Namen Abrahahms, Isaaks, Jakobs galten als besonders wirkmächtig, der Name des jüdischen Gottes wurde in der Form „Jao“ oder „Jeu“ als Garant für Erfolg angerufen, und Salomo war generell als Spezialist für die geheimen Künste und als Herr über die dunklen Mächte bekannt. Also galten auch und gerade jüdische Autoritäten in der griechisch-römischen Umwelt als wichtige Gewährsmänner für gelingende Magie.

Netzwerk der magischen Publizistik Wie der Text schon zu Anfang angibt, handelt es sich um einen Auszug.88 Dieser Hinweis auf eine Benutzung und auf die schriftliche Tradierung älterer Texte ist ein typischer und immer wieder begegnender Zug der magischen Literatur. Magie begegnet uns hier als eine Schriftgelehrsamkeit,

86

Knappe Kommentierung bei Betz, 1986, 193f. Die „Archangellike“ des Mose, die wirkmächtige Zaubernamen enthält, ist auch in der „Titellosen Schrift“ in NHC 2,5,102,8f erwähnt. Auch hier geht es um die Wirkmacht von Namen. Reitzenstein, 1904, 292f wies schon vor der Entdeckung der Nag-Hammadi-Codices auf eine mögliche mittelalterliche Zitierung dieser Schrift hin. Zum Ganzen vgl. Gager, 1972, 150. 88 Das griechische Wort „e)cagwgh/“ ist in seiner Bedeutung nicht ganz klar, vielleicht könnte man auch „e)c a)gwgw=n“, also „aus den Herbeiführungszaubern“ lesen, vgl. Brashear, 1979, 265. Dennoch ist die o.a. Lesart sinnstiftend und wahrscheinlich. 87

Einführung in die griechischen Zauberpapyri

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die sich in einem Netzwerk von immer wieder benutzter, veränderter oder fortgeschriebener Literatur äußert.89 Dieses Netzwerk können wir einerseits implizit erschließen, andererseits wird auch immer wieder explizit darauf verwiesen:

Explizite Hinweise auf literarische Benutzung „Abschrift“ (a)nti/grafon) In späteren magischen Texten wird immer wieder die Bezeichnung „a)nti/grafon“, „Abschrift“, verwendet, wie beispielsweise in PGM 3,424ff (4. Jh. AD): a)nti/grafon a)po\ i(era=j bi/blou, „Abschrift aus einem heiligen Buch“. Direkte Buchzitate Wie es schon im oben zitierten Text angelegt ist, wurde auch in den späteren Zeugnissen der Zauberliteratur das Buch direkt zitiert, beispielsweise PGM 7,620ff (3./4. Jh. AD): e)k tou= Diadh/matoj Mouse/wj: Hier dürfte eine Sammlung von Zaubersprüchen bzw. ein Zauberbuch mit dem Titel „Diadem des Mose“ zugrunde liegen, oder aus dem 3. Jh. AD PGM 24a: „Große Isis, die Herrin. Abschrift eines heiligen Buches, das in den Magazinen des Hermes gefunden wurde.“ Als spätes Beispiel aus dem 4. Jh. AD sei PGM 12,402ff zitiert: ¸Ermhneu/mata e)k tw½n i¸erw½n meqhrmhneume/na, oiâj e)xrw½nto oi¸ i¸erogrammateiÍj. dia\ th\n tw½n pollw½n periergi¿an ta\j bota/naj kaiì ta\ aÃl[l]a, oiâj e)xrw½nto, ei¹j qew½n eiãdwla e)pe/grayan, oÀpwj mh\ eu)labou/menoi perierga/zwntai mhde\n dia\ th\n e)cakolou/qhsin th=j a(marti¿aj. h(meiÍj de\ ta\j lu/seij h)ga/gomen e)k tw½n pollw½n a)ntigra/fwn kaiì krufi¿mwn pa/ntwn.

Deutungen, aus den Tempeln gegeben, wie sie die Tempelschreiber anwandten. Wegen der Zaubergier (periergi/a) der Menge schrieben sie die Pflanzen und das andere, mit dem sie umgingen, auf Götterbilder, damit sie ja nicht ohne die nötige Vorsicht Zauberei mit ihnen treiben könnte, wegen der damit verbundenen Irrtümer. Wir aber entnahmen die Lösungen den vielen Abschriften und Geheimschriften.

Interessant ist, dass hier auch der Begriff „periergi/a“ verwendet wird, der in Acta 19,19 für die „Zauberbücher“ verwendet wurde. Im Gegensatz zu Acta 19,19 ist in diesen Zeilen kein Zusammenhang zwischen periergi/a und den Zauberbüchern zu erkennen: Die allgemeine Zaubergier ist eine 89

Doch die Gelehrsamkeit der Magier hat anscheinend auch Grenzen. So hat Betz, 1995, 166– 169 beispielsweise darauf hingewiesen, dass trotz völliger Unkenntnis der Hieroglyphenschrift mehrfach dilettantische Deutungsversuche in den PGM belegbar sind (z.B. PGM 4,886f; 12,401– 444).

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Die Zeugnisse

Sache, aber die wahren Lösungen stehen in Zauberbüchern, die nur den Magiern (h(mei=j) zur Verfügung stehen. Dagegen werden in Acta 19,19 diejenigen, die Zauberbücher besitzen, als solche bezeichnet, die Machwerke betreiben (perie/rga pra/ssein). „Weitergabe“ (para/dosij) In PGM 1,55 ist eine para/dosij von der Gewinnung (lh=yij) eines Parhedros genannt; daraus geht deutlich hervor, dass der Autor hier auf älteres Material zurückgegriffen hat (vgl. auch PGM 4,475). In PGM 5,98ff wird aus einer e)pistolh/ die „sth/lh tou= )Ie/ou tou= zwgra/fou“ zitiert, in der ein a)ke/faloj angerufen wird: e)gw/ ei)mi Moush=j o( profh/thj sou, %= pare/dwkaj ta\ musth/ria/ sou ta\ suntelou/mena )Israh/l.

Moses sind die von Israel gefeierten Mysterien übergeben worden. Hinweise auf Bücher oder Texte In Acta 19,19 werden die „Ephesinischen Zauberbücher“ verbrannt – Hinweise auf kursierende magische Literatur. Auf den Zusammenhang zwischen den in Acta 19,19 genannten Zauberbüchern mit den PGM und den zahlreichen ägyptischen Handbüchern zur Magie wird gängigerweise hingewiesen, nicht nur in den Kommentaren zu Acta.90 In den PGM begegnen uns ganz eigenständige magische Bücher, die aber keineswegs auf die pagane Antike beschränkt sind; auch in der jüdischen Magie zeigen die Genizafragmente deutliche Spuren, dass sie magischen Handbüchern entstammen.91 In PGM 1,45f ist von „allen, uns in unzähligen Büchern hinterlassenen Vorschriften“ (ta\ pa/nta kataleipo/mena h(mi=n e)n bi/bloij muri/aij sunta/gmata) die Rede. In PGM 7,863 steht als Anmerkung zu den folgenden Anweisungen: „Dieses Buch, zwölf Göttern eigen, wurde in Aphroditopolis gefunden, bei der größten Göttin Aphrodite Urania.“ Hier ist, wie auch in unserem oben zitierten Ausgangstext, ein deutlicher Hinweis auf die Heiligkeit der Bücher gegeben.92 Nicht nur auf Bücher, sondern auch auf kursierende Zauberpapyri wird hingewiesen. Der griechische Begriff der xa/rthj i(eratiko/n wird als Lehnwort auch in der jüdischen Magie übernommen, so in Sefer ha-Razim 1,95 als }wqy+ry sytrk. Briefe In PGM 1,42–54 wird eine pra=cij zur Gewinnung eines Parhedros als Brief gesendet. Der Eingeweihte (ei)dw/j, 1,44) sendet einem „Mysten der heiligen 90

Vgl. beispielsweise Jordan, 1985, 233f. Vgl. Schäfer, 1990, 88f. 92 Vgl. van der Horst, 1998. 91

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Magie“ (vgl. 1,127) die entsprechende Praxis mit dem Eingangsformular: „Pnou/qioj Kh/ruki se[bazome/n% t]o\n qeo\n xai/rein“. Weitere Beispiele: Im Großen Pariser Zauberpapyrus PGM 4,157ff schreibt ein Nephotes an den Pharao in Briefform eine pra=cij zur Befragung eines Gottes. Psammetich wird im Verlauf des Textes immer wieder angesprochen, beispielsweise in 4,244: basileu= me/giste kai\ ma/gwn kaqhgemw/n. In PGM 4,2008ff ist unter dem Titel „Pi/tuoj a)gwgh/“ eine Herbeiführung zitiert, die dem Kompilator der Papyros wohl als Brief des Pitys an den König Ostanes vorlag (basilei= )Osta/n$ Pi/tuj xai/rein). Dabei geht aus den Anfangszeilen hervor, dass Pity mit dem König schon länger in Briefwechsel stand, da der König ihm „bei jeder Gelegenheit“ über die Befragung von Schädeln schrieb. Hinweise auf Bekanntes Immer wieder ist zu erkennen, dass in den Anweisungen der Zauberliteratur auf bekannte Formeln oder Techniken angespielt wird. Beispiel: Bei der poi/hsij eines Liebeszaubers im „großen Pariser Zauberpapyrus“ heißt es als Anweisung zum Zauberspruch in PGM 4,330f: „sprich dabei das dir bekannte „Abraxas, halt fest!“ (le/gwn, w(j oi)/daj (/Abra/caj, kata/cxej)

Implizite Hinweise auf literarische Benutzung Formeln Die Verwendung gleicher Formeln schließt auf die Benutzung gleicher Vorlagen hin. Hierzu gehören beispielsweise die (erst recht spät belegbaren) Zaubersprüche wie der Ialda-Logos93, die „Ephesia Grammata“, etwa von Himera, Selinous, Phalasarna, Lokroi94 oder der Maskelli-MaskelloLogos95. Kataloge/Sammlungen Die für den Zauber in PGM 1,42–95 benötigten fünf Zaubersprüche werden im fortlaufenden Text nicht genannt, sondern im Anschluss in PGM 1,139– 170 als Katalog überliefert. Hier scheint der Kompilator aus weiteren Schriften zusätzliches Material zur Verfügung gehabt zu haben, das er hinzufügte. In PGM 2,44ff ist ein Variantenkatalog überliefert, der einige Zaubersprüche umfasst. Dieser zeigt die Gelehrsamkeit des Kompilators, der aus vorliegendem Material zitiert. 93

Faraone, 1994. Jordan, 2000a. 95 Zusammenstellung bei Jordan, 1994, 328f. 94

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Die Zeugnisse

Interne Textbezüge Oftmals werden innerhalb eines Zaubers notwendige Elemente nicht an der entsprechenden Stelle angeführt, sondern erst nach dem Handlungsverlauf als Anhang überliefert. Beispielsweise werden die für die pra=cij in PGM 1,42–95 benötigten fünf Zaubersprüche im fortlaufenden Text nicht genannt, sondern im Anschluss in PGM 1,139–170 als Katalog überliefert. Auch in PGM 4,79–83 wird ein „fulakth/rion tou= prokeime/nou“ beschrieben, das sich wohl auf die zuvor in PGM 4,54–78 überlieferte Reinheitspoi/hsij bezieht; in dieser ist allerdings von einem fulakth/rion nicht die Rede. Darauf kann geschlossen werden, dass die Kompilation der Reinheits-poi/hsij und des fulakth/rion eine eigene redaktionelle Leistung des Autors von PGM 4 darstellt, der damit eine magische Innovation produziert. Geheimhaltungsgebote Die Aufforderungen zur Geheimhaltung sind deutliche Hinweise darauf, dass die Literatur gelesen und benutzt werden soll, allerdings mit Vorsicht.96 Man könnte über den Sinn dieser Geheimhaltungsanweisungen spekulieren. Einerseits fördern sie sicherlich die Attraktivität des Beschriebenen (was geheim ist, das ist auch interessant) und können damit als literarisches Stilmittel gesehen werden, um den Inhalt der Zauberbücher aufzuwerten. Andererseits können sie aber auch als Reflex auf die Rechtslage bezüglich der Magie gelten, die in den fortschreitenden nachchristlichen Jahrhunderten rigider zu werden scheint.97 Die folgenden Beispiele stammen hauptsächlich aus der Zeit nach dem 3. Jh. AD, zu dessen Beginn uns eine Auslegung der einschlägigen Lex Cornelia de sicariis et veneficiis des Juristen Paulus in Sent 5,23.18 überliefert: „libros magicae artis apud se neminem habere licet“ (Bücher mit magischer Kunst zum Inhalt darf niemand bei sich haben). Die Strafen sind drakonisch, Beschlagnahme des Vermögens und Deportation auf eine Insel, bei Angehörigen niedrigeren Standes die Todesstrafe. Dies mag der Leser bedenken, wenn er folgende Beispiele der Geheimhaltungsgebote aus den Zauberpapyri wahrnimmt: PGM 1,41: kru/be th\n pra=cin („Halte den Zauber geheim!“). In PGM 1,130f. wird als Auftakt zu einem Katalog von Zaubersprüchen der Adressat angehalten, das „hohe Geheimnis“ (to\ me/ga musth/rion) niemandem mitzuteilen (mhdeni\ a)/ll% metad%=j, a)lla\ kru/be, pro\j (Hli/ou, a)ciwqei\j u(po\ tou= kur/ou qeou=). In PGM 1,192 steht am Ende eines langen Abschnitts zur Gewinnung eines Parhedros: tau=ta ou)=n mhdeni\ paradi/dou, ei) mh\ mo/n% 96 H.D. Betz, 1995, hatte auf die Geheimhaltungsbefehle und besonders auf die geheimen Namen in den PGM hingewiesen. 97 Vgl. unten S. 116.

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sou i)sxuv%= ui(%= sou. Nur dem eigenen Sohn ist dieser Zauber demnach zu

überliefern. Die Geheimhaltungsgebote sind auch oft fremdsprachig gehalten, so dass hier auf der Ebene der Einzelsprache eine zusätzliche „Geheimhaltung“ vorgegeben ist: Sogar das Geheimhaltungsgebot selbst ist mit den entsprechend geheimzuhaltenen lo/goi geheim, wie etwa in PGM 4,76 auf Koptisch (kroubei [kroubei]). PGM 4,851–857: Direkt nach der Überschrift der Praxis „Salomos Niederwerfen“ (Solomw=noj kata/ptwsij): „Ich beschwöre dich, niemandem die Handlungen Salomos mitzuteilen“. PGM 4,1227–1262, exorzistische Praxis mit jüdischen Traditionsstücken:98 kru/be. e)pra/xqh. PGM 4,1874: mhde/na di/daske. PGM 12,94f: Der Beter verspricht dem Gott, dessen offenbarten heiligen Namen nur „toi=j soi=j sunmu/staij ei)j ta\j sa\j i(era\j teleta/j“ preiszugeben. PGM 13,231ff (8. Buch Mose, Rec.A): „Vollständig wurde dir, Kind, die Weihe (teleth/) der ‚Monas’ angegeben. Ich will aber, Kind, für dich folgen lassen die Rezepte des heiligen Buches (ta\j xrei/aj th=j i(era=j bi/blou), die alle Weisen (sofistai/) nach diesem heiligen und Glück bringenden Buch ausführen. Wie ich dich beschworen habe (e)cw/rkisa), Kind, im Heiligtum von Jerusalem: bist du erfüllt von der Gottesweisheit, mach das Buch unauffindlich.“ In der Rec.B ist in PGM 13,740ff zu lesen: „Ich habe dir aber den Eid, der für das Buch vorliegt, vorgelegt. hast du nämlich einmal die Wirkkraft des Buches erkannt, dann halte es geheim, Kind. Denn in ihm liegt der Name des Herrn verborgen.“ Feste Überlieferungen Immer wieder ist in den Zauberpapyri der Hinweis zu lesen, dass die folgenden Zitate und Formeln wortgetreu zu wiederholen sind.99 Dies ist in PGM 13,441 expliziert: e)/stin de\ h( e)pi/klhsij ou(/twj, w(j kei=tai pa/nta a)kribw=j. Leerstellen Die Zaubersprüche der überlieferten Zauberliteratur sind so gehalten, dass sie auf jeden speziellen Fall anwendet werden können. Darum haben sie an der Stelle, an der der Magier die Namen seines Kunden bzw. des zu Schädigenden eintragen soll, die Formel „o( dei=na“, also unser „NN“, oder „jeden beliebigen“. Dies ist auch an unserem oben zitierten Ausgangstext Aus Abusir el Melek beobachtbar. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass 98 99

Vgl. Kollmann, 1996, 83. Zu festen Formeln in den Zauberpapyri vgl. Klinghardt, 1999, 50f.

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Die Zeugnisse

der entsprechende Zauber bei speziellen Fällen benutzt werden soll. Diese Leerstelle ist typische für die Zauberbücher, weswegen sie als Kriterium für die Zuweisung eines magischen Textes als Teil eines Zauberbuches gilt.100 Varianten Die immer wieder genannten Textvarianten lassen auf die Tätigkeit des Exzerpierens schließen101: PGM 2,44: a)/lloi e)pa/nagkoi; PGM 2,49: e)/nioi de\ [fh=sin]; PGM 4,464: a)/llwj to\ o/noma (es folgen zu vorherigen alternative Zauberworte) [...] a)llwj (wieder Zauberworte) Konkrete Hinweise auf die Benutzung schriftlicher Vorlagen ist ebenso zu erkennen: Für die Prognose in PGM 3,480ff sind fragmentarisch zwei Varianten als „andere Abschrift“ (a(/llh a)ntigrafh/) zitiert. In PGM 4,775: tou/tou mei/zon ou)x eu(/ron e)n t%= ko/sm% pragmatei/an. Daraus kann man schließen, dass der Autor in gelehrter Weise Varianten geprüft und nur die beste ausgewählt hat. PGM 4,1300: a)/llwj o( prw=toj lo/goj, das erste Gebet in anderer Fassung: Hier wird eine Variante zum Zauberspruch im Text angegeben. PGM 4,2430ff: Bei der Anleitung zur magischen Beschriftung eines „Bettelmännchens“ zitiert der Kompilator verschiedene Varianten: zunächst die eines Epaphroditos, danach vermerkt er, dass in seiner Vorlage (e)n t%= xa/rt$) die Zauberworte geändert waren. Dies lässt auf einen Redaktionsprozess bei der Vorlage schließen. Einige Varianten ergeben sich anscheinend aufgrund magischer Erfahrung: PGM 4,2081f: Der Kompilator berichtet, dass „plei=stoi tw=n ma/gwn“ die überlieferte Praxis ohne ihre Zaubergeräte, sondern allein mit Hilfe eines Parhedros vollbrächten. Hier scheint auf die Erfahrungskenntnis der „Zunft“ angespielt zu sein. PGM 11a,40: Die pra=cij namens „Apollonios von Tyanas alte Dienerin“ endet mit dem Hinweis: h( pra=cij dedoki/mastai, die Praxis ist erprobt. Rezensionen Das 8. Buch Mose ist bei Preisendanz, PGM 13 schon in zwei Rezensionen veröffentlicht. Deutliche Hinweise, dass es noch mehr Rezensionen gab, ist in PGM 13,732f: „In einem anderen Exemplar, das ich fand, war geschrieben: Des Moses geheimes Buch vom großen Namen, das für alles wirkt, in dem der Name dessen steht, der alles ordnet“.

100 101

Vgl. Satzinger u.a., 1988, für Papyrus Moen III. Vgl. hierzu Preisendanz 1956, 116f.

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Anrufungsformen der magischen Publizistik Im oben zitierten Text PGM 122 ist am Schluss in Mittel gegen Kopfschmerzen zitiert. Der Magier nennt drei ägyptische Gottheiten und bedroht diese mit Kopfweh, bis der jeweils zu nennende Klient geheilt ist. Typisch für die magischen Formen der Zauberpapyri ist ein deutlicher Bezug zur Gottheit. Auch in der biblischen Überlieferung – etwa in Acta 19,13–17 – ist die Berufung auf den „Namen Jesu“ bei einer exorzistischen Handlung in dieser Hinsicht interpretierbar. Man wendet sich an numinose Mächte, um von diesen Hilfe für die initiierte Praxis zu erhalten. Dies kann freilich auf verschiedene Arten geschehen. Die Bedrohung der Gottheit, wie in oben zitiertem Text zu lesen, ist in der magischen Literatur und auch in der Volksreligiosität nichts Ungewöhnliches,102 doch kann der Kontakt zu Göttern auch anders beschrieben sein. Es ist eine Anrufung (klh/sij)103 denkbar, auch Gebete (eu)xai/),104 möglicherweise ein Vereinungsgebet (su/stacij),105 eine Bitte (ai)thsij)106 oder auch ein „heiliger Gesang“ (i(era\ e)paoidh)107. Eine zu bindende Person kann bei der Gottheit mittels

102

Vgl. Brashear, 1979, 276. Anrufungen (Betz, 1998, benutzt den Terminus „invocation“) nennen den Namen der Gottheit, an die sich der Magier wendet. Sie sind konstitutiver Bestandteil der Zaubersprüche und gehen oft der exorzistischen Handlung voran (vgl. Gelzer, 1999, 62ff zur LB, TMB und PGM 35). Die Anrufung kann geschehen im Namen ({$b), e)pi\ t%= o)no/mati, im christlichen Kontext eben „im Namen Jesu“. Oftmals werden auch mehrere Namen genannt; ein Katalog von 31 Engelsnamen, die zur Hilfe angerufen werden, findet sich beispielsweise auf dem syrischen Goldamulett J. Paul Getty Museum, 80.AM.55.2. (Kotansky, 1991a, 274ff). 104 Die eu)xai/ begleiten die Praktiken, beispielsweise in PGM 4,2785ff: Eu)xh\ pro\j Selh/nhn e)pi\ pa/shj pra/cewj (Gebet zu Selene bezüglich jedes Zaubers). Die Gebete sind dabei in den Zauberpapyri oft fest vorformuliert und haben einen ähnlich fixen Charakter wie die öffentlich gesprochenen Gebetsformeln der offiziellen Religionen (zu den fest formulierten Gebetsformel vgl. Klinghardt, 1999; die dort S. 14 angerissene These, dass es der magische Charakter des Gebets sei, der durch eine feste Formelsprache vermieden werden solle, erscheint angesichts der Tatsache als fraglich, dass auch in den authentischen Zeugnissen der Zauberpapyri fixe Gebetsformeln überliefert sind. „Festes“ vs „freies“ Gebet ist hier kaum Unterscheidungskriterium von Religion und Magie). 105 Beispiel: PGM 3,198ff; 4,251ff: su/stacij th\j pra/cewj, „Vereinigungsgebet der Zauberpraxis“. Ein Vereinungsgebet an Typhon ist in PGM 4,180–221 überliefert, nach dessen Ende als „shmei=on th=j sunta/cewj“ (Zeichen der Vereinigung) ein Sperber auftritt. Nach einigen Anweisungen zur Person und zur Handlung ist daraufhin eine Vereinigungsformel zu sprechen (sunesta/qhn sou t$= i(er#= morf$= [...]), und der Angewiesene wird Zaubermacht empfangen haben. 106 PGM 4,435ff: e)cai/thsij th=j pra/cewj [...] („Bitte der Zauberpraxis“; es folgt ein langes Gebet an Helios zum Gelingen der Praxis, in diesem Falle des Liebeszaubers). Einige Bitten werden mit dem sog. „Bettelmännchen“ (e)paithta/rion) verstärkt (PGM 4,2371ff). 107 Dies sind besondere Gesänge, die auch der Gott gesungen hat oder gehabt haben könnte und dienen dazu, etwas zu erwirken (PGM 1,319: pe/myon dai/mona tou=ton e)mai=j i(erai=j e)paoidai=j „ich sende diesen Dämon durch meine heiligen Gesänge“); vgl. auch die i(era\ a)oidh/ an Apoll in 103

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Die Zeugnisse

einer „Verleumdung“ (diabolh/) diffamiert werden.108 Mittels einer „Übergabe“ (pada/dwsij) wird eine Person einer Gottheit oder einem Dämon rituell übergeben.109 Die Hinwendung zu der Gottheit ist besonders dann wichtig, wenn der Gott im Rahmen der Mantik zur Verkündung eines Orakels (manti/a) gebracht werden soll.110

PGM 2,82ff. Lukian nennt in Alex 6 in polemischem Kontext „e)p%da\j qespesi/ouj“ als Element goetischen Repertoires. 108 Hierbei beschuldigt man die zu bindende Person bestimmter Vergehen gegen die (helfende) Gottheit (zum Begriff vgl. Graf, 1996, 163ff). PGM 4,2624: Diabolh\ pro\j Selh/nh. Im Anschluss an diese Überschrift wird der Effekt dieser Praxis beschrieben: sie führt binnen einer Stunde herbei, schickt Träume, wirft nieder, lässt Traumgesichte schauen, beseitigt Feinde. 109 Typische Formulare beinhalten meist die Anrufung eines Gottesnamens + paradi/dwmi + Name des zu Übergebenden. Beispiel: Der Magier der Handschrift A aus „well“ V der Athener Agora (frühes 3. Jh. AD) benutzt die Paradosis, um (wohl in Auftragsarbeit) bestimmte Wettkampfergebnisse (Täfelchen 1–7) sowie Liebeszauber (Täfelchen 8–9) zu erwirken. Täfelchen 9: bwrforbabarforba [...] rbaborarbab[aih krate/e] Betpu, paradi/dwmi/ soi )Ioulianh/n, h\(n e)/te[ken Marki/a,] kai\ Polu/neikon i(/na katayu/c$j au)tou/[j kai\ th\n gnw/]mhn ([Zaubernamen] mächtiger Betpy, ich übergebe dir Juliane, die Tochter der Markia, und Polyneikos, damit du sie erstarren lässt und ihren Verstand [...], vgl. Jordan, 1985, 227f). Diese Formel geht auf ein Formular zurück (vgl. die Rekonstruktion dieses Formulars bei Jordan, 1985, 236ff durch Synopse der Einzeltäfelchen) und begegnet in ähnlicher Form in den Zauberpapyri wieder. In PGM 7,429ff (3./4. Jh. AD) beispielsweise ist ein für viele Handlungen einsetzbares Bannmittel (ka/toxoj) überliefert, das ausdrücklich auch für das Wagenrennen wirksam ist. Dabei ist auf eine Bleiplatte einzuritzen: (Zauberworte+) paradi/dwmi/ soi, de/spota )/Osiri, kai\ parati/qemai/ soi th\nde th\n pra=cin. (koino/n) (ich übergebe dir, Herr Osiris, und lege dir diese Zauberhandlung nieder (nach Belieben)). Die Bleiplatte wird dann an einem unterirdischen Ort angebracht. Interessanterweise ist hier ergebnisorientiert schriftlich fixiert, was an anderen Stellen in den Zauberpapyri mündlicher Teil eines Rituals ist. PGM 5,302ff (4. Jh. AD) beispielsweise beinhaltet Anweisungen für ein Binderitual, das zu verschiedenen Zwecken benutzt werden kann. Nach Anweisungen zum Material und zur Formulierung des Bindetäfelchens wird das Ritual geschildert, durch das das Täfelchen am Grab eines vorzeitig Gestorbenen niedergelegt werden soll. Dabei ist die Formel zu sprechen: nekudai/mwn, o(/stij pot‘ ou)=n ei=), paradi/dwmi soi to\n dei=na [...] (Totendämon, wer auch immer du bist, ich übergebe dir den NN). Auch im Sefer ha-Razim 1,64 und 2,65 ist diese Beschwörung mündlicher Teil des Rituals. 110 Hier wird ein Gott herbeigerufen, der zu einer bestimmten Sache Auskunft geben soll; Beispiel: Manti/a Kronikh\ zhtoume/nh („begehrtes Orakel des Kronos“); die dort zwischen Zauberworten formulierte Aufforderung in Zauberspruch lautet: e)lqe, de/spota, qee/, kai\ le/ge moi e)n a)na/gk$ peri\ tou= dei=noj pra/gmatoj („komm, Herr, Gott, und künde mir im Zwang über die betreffende Sache“). Bei der Mantie werden schon in der antiken Reflexion verschiedene Arten unterschieden. Die Hydromantie, ein Wasserorakel, soll nach Augustin, Civ dei 7, 25 Numa Pompilius betrieben haben: Im Wasser sah er die Bilder der Götter; Nekyomantie, das Hervorzaubern der Toten zu Orakelzwecken, beschreibt Augustin ebd, Hom, Od 11; Herodot, Hist 5,92; Verg Aen 6; 1Sam 28; ein „Schalenorakel“ ist beschrieben etwa bei Delatte, 1927, 617: a)rxh\ th\j lekanomantei/aj („Anfang des Schalenorakels“).

Einführung in die griechischen Zauberpapyri

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Durchführungsbestimmungen der magischen Publizistik Im oben wiedergegebenen Zaubertext taucht die Anmerkung „dreimal“ auf. Dies bezieht sich auf eine konkrete Anweisung zur Durchführung der Zauberhandlung, in diesem Fall ein dreimaliges Wiederholen des Zauberspruches. Derartige „Durchführungsbestimmungen“ beziehen sich auf das Zauberritual,111 das in der griechischen magischen Literatur zumeist als poi/hsij oder auch oi)konomi/a genannt wird.112 Sie sind typisch für die antike Zauberliteratur und entfalten sich durch die Jahrhunderte zu groß angelegten Ritualanweisungen. Es wird also nicht nur beschrieben, was gesagt oder aufgeschrieben werden soll, sondern auch die Umstände der eigentlichen Zauberhandlung werden genauestens notiert. Die Anweisungen beziehen sich auf den Ort oder die Zeit,113 auf die Person des Durchführenden,114 auf die zur Durchführung notwendige Materie115 oder auf den Zauberspruch.116

111

Trunk, 1994, 395ff formulierte (aufbauend auf einer von Hopfner entlehnten Systematisierung) einen Standardablauf eines Rituals mit: Logos – Opfer – Praxis – Entlassung. Der Zauberspruch (lo/goj) kann dabei die Elemente der Anrufung (klh=sij, e)pi/klhsij) und der Bitte bzw. Beschwörung enthalten und wird manchmal durch eine Opferhandlung ergänzt, mit der die Gottheit herbeigelockt werden soll. Die Zauberhandlung (pra=cij, poi/hsij) enthalte oft symbolische und sympathetische Elemente. Die Entlassung (a)po/lysij) ist nicht immer feststellbar. 112 Beispiel: PGM 2,21ff: poi/hsij au(/th. Darauf folgen: Anweisungen zu Zeit/Ort (abends), Anweisungen zur Handlung (reinige dein Lager mit Eselsmilch), eine Epiklese (sprich folgende Anrufung), Anweisungen zur Materie (dein Bett soll am Boden sein), Anweisungen zur Person (liege auf der rechten Seite) und Anweisungen zum Zeichen (schreib folgendes Zeichen). PGM 4,2011ff: In einer vom Magier Pitys an König Ostanes brieflich mitgeteilten a)gwgh/ wird explizit zuerst die oi)konomi/a als Verfahren des Zaubers mitgeteilt, danach sollen spezielle Anweisungen zur Materie (speziell zur Tinte) gemacht werden. 113 Beispiele: PGM 2,21: e(spe/raj (am Abend); PGM 2,80: xrw= de\ e)n toi=j a)natolikoi=j (bei Sonnenaufgang); in PGM 7,155ff werden für jeden Monatstag die Tageszeiten angegeben, an denen die Homeromantie durchführbar ist. 114 Wie soll sich der Magier verhalten? Beispiel: pi/e nh/sthj PGM 1,236 (in nüchternem Zustand). 115 Die Zaubermaterie wird in den Texten oft ou)si/a genannt. Was wird wie benutzt? Beispiel aus PGM 4,2100: e)/stin de\ ta\ mela/nia th=j pragmatei/aj. („die Schreibstoffe für die Handlung sind folgende [...]"). 116 In welcher Art ist der lo/goj aufzusagen, zu memorieren oder aufzuschreiben? Beispiel PGM 2,4f: le/ge tou=to to\ o)/noma kai\ au)to\ e(/n u(fairw=n pterugoeidw=j („Sprich diesen Namen und auch ihn, in Schwindeform, flügelförmig“). Unter diese Anweisungen sind auch die zur Gestaltungen der Phylakterien subsummierbar, wie beispielsweise PGM 4,1880ff.

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Die Zeugnisse

Zweckbestimmungen der magischen Publizistik Bei oben zitiertem Fragment aus Abusir el Melek ist eine Überschrift erkennbar, um die es bei der betreffenden Zauberpraxis geht: „Gegen Kopfweh“, so heißt es lapidar. Derartige Zweckbestimmungen sind in der Zauberliteratur üblich, da die Zauberpapyri selbst katalogartige Sammlungen verschiedenster Handlungen waren, erleichterten die Überschriften dem Magier das schnelle Auffinden einer einschlägigen Praxis.117 Die Zweckbestimmung dominiert bei den Überschriften,118 doch wird auch oft der Name des Magiers genannt, durch den die betreffende Praxis als überliefert kolportiert wurde.119 Die kurzen und prägnanten Überschriften der einzelnen poihsei=j sind aufgrund ihrer Publizistik begründbar: Die Sammlung in magischen Büchern erforderte eine prägnante Überschrift, damit die einzelnen Rezepte leichter auffindbar waren. Sie haben demnach im Wesentlichen etwas mit dem Gebrach der Texte zu tun, den sie erleichtern sollen. Damit haben die Zauberpapyri durch die Zweckbestimmungen eine inhaltsorientierte Gliederung, die sie letztendlich der Gattung „Katalog“ zuordenbar machen. Die erhaltenen Zauberpapyri sind Gebrauchstexte, sie werden exzerpiert und kommentiert und dienen als Kataloge für komplexe magische Handlungen, die dann in vielfältiger Weise in die Praxis umgesetzt werden.

Zauberpapyri und die „Physika“ – Literatur Die griechischen Zauberpapyri haben wir als katalogartige Sammlungen von Rezepten kennen gelernt, die besonderes Vertrauen auf die Kenntnis und Tradierung wirkkräftiger Zaubernamen und Rituale an den Tag legen. 117 Vgl. zu diesem publizistischen Aspekt Schäfer, 1990, 88f. Auf Amuletten erfüllt die Überschrift einen anderen Zweck. Derartige Sätze stellen zugleich Handlungen dar und sind m.E. im Rahmen einer Sprechakttheorie als illokutive Akte beschreibbar. Syrisches Goldamulett, Paul Getty Museum 80.AM.55.1 (vgl. Kotansky, 1991a, 271f mit weiteren Beispielen für derartige Überschriften): y)wnysr) ys)tt yd )n) btk: „Ich schreibe, dass Arsinoe geheilt wird“. 118 Beispiel aus PGM 1,1f: paredrikw=j prosgi/netai dai/mwn [...] („nach Art des Beisitzers wird ein Dämon gewonnen [...]“); PGM 2,17: pro\j de\ to\ mnhmnoneu/ein ta\ lego/mena [...] („um sich an das Gesagte zu erinnern [...]“). Zu den Zweckbestimmungen gehören auch die schlagwortartigen Namen der einzelnen Formeln. Sie sind kein Gattungsbegriff, sondern beschreiben in der Überschrift den Zweck des jeweiligen Zaubers: PGM 12,365: diakopo/j, „Zwiespaltstifter“. 119 Mit dem Namen eines Magiers: PGM 7,863: Klaudianou= selhniako/n, „des Klaudianos Mondräucherwerk“; PGM 11a,1: Grau=j )Apollwni/ou Tuane/wj u(phreti/j, „Apollonios von Tyanas alte Dienerin“; PGM 12,351: Dhmokri/tou Sfai=ra, „Demokrits Sphären“. Mit dem Namen einer Gottheit: PGM 7,919: nikhtiko\n qaumasto\n tou= (Ermou=, „wunderbares Siegesmittel des Hermes“. In der jüdischen Zauberliteratur ist die Zweckbestimmung oft durch die feste Formel $qbt {) oder t$qb {) oder tycr {) überliefert (vgl. Schäfer, 1990, 85ff).

Einführung in die griechischen Zauberpapyri

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Diese Art der Rezeptsammlung ist für die antike Magie sicherlich konstitutiv, wird allerdings von anderen Textarten flankiert, die ebenso zu beachten sind. Besonders zu nennen ist hier die so genannte „Physika“-Literatur. Damit sind Betrachtungen und Zusammenstellungen wunderbarer Wirkkräfte der Naturobjekte gemeint, wie es uns beispielsweise bei den Kyraniden erhalten ist.120 Bei den Kyraniden beispielsweise werden in den vier von Kaimakis herausgegebenen Büchern in alphabetischer Reihenfolge die Dinge einer Gattung („stoixei=a, bestehend aus Pflanze, Vogel, Fisch und Stein gleichen Anfangsbuchstabens in Buch 1, Viefüßler in Buch 2, Vögel in Buch 3 und Fische in Buch 4) dargestellt und anschließend die medizinisch-magische Anwendung eines jeden beschrieben.121 Dabei kommen Hinweise auf die Wirkung gegen Dämonen gehäuft vor. Folgendes wird mit dämonenabweisender Wirkung beschrieben: In Buch 1 (die stoixei=a in alphabetischer Reihenfolge): die Wurzel der Pfingstrose (Kap 3), die Galle der Eule (glau=koj pthno/n) bzw. des Fisches Glaukos (glau=koj i)xqu/j, Kap. 3), die Wurzel des Eryngium (Kap 7), der Nemesis-Stein (Kap. 13), das Wachtelauge (Kap 15), der Skorpion (Jap 24); in Buch 2 (über die Vierfüßler): das Esel-Hufeisen oder der Eselshuf (Kap 31); der „Rhinozerosstein“ (Kap 34; auch 1,17), die Hyänenaugen (Kap 40). In Buch 3 (über die Vögel): der Genuss eines mit Flügeln gebratenen Sperlings (Kap 1); die „Adlersteine“, die hinter jedem Augenwulst eines Adlers befindlich sind (Kap 1); der Geierschnabel sowie dessen Zunge (Kap 9); Pfauenblut (Kap 42); Gänsemist (Kap 51); der Papageienschnabel (Kap 52). In Buch 4 (über die Fische): die Gräten des „Adlerfisches (a)eto\j i)xqu/j), sofern diese auf Rebenholz verbrannt werden (Kap 1); die verbrannten Gräten des Flusswels (gla/neoj i)xqu/j, Kap 13); die Zähne der coris iulis (i)/ouloj, Kap 26); das Maul des Hornhechtes (r(afi/j belone arcus, Kap 55; auch 1,17); das Fell der Robbe (Kap 67; auch 1, 21 zusammen mit der Kröte); die Haut des Schweinefisches (xoi=roj, Kap 68). Wie man sieht, sind es hier nicht wirkmächtige Zaubernamen, sondern es sind Wirkkräfte der Natur, die den Inhalt der Kataloge bilden. Als Beispiel für die Unterschiedlichkeit dieser beiden Literaturgattungen sollen zwei Rezepte gegen Kopfschmerzen nebeneinander gestellt sein: einmal aus Plinius, NH 29,112 ein Teil einer Rezeptur, die Plinius offensichtlich aus einer Sammlung der „physika“ – Literatur entnommen hat. Dagegen steht 120

Vgl. Kaimakis, 1976. Vgl. zur Diskussion um den Quellenwert der Kyraniden die kurze Zusammenfassung bei Bain, 2003, 208f (mit zahlreicher Literatur). 121

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der uns schon oben bekannte Zauberspruch gegen Kopfschmerzen aus PGM 20 als Beispiel für die Zauberliteratur: Plinius, NH 29,112pitis doloribus remedio sunt coclearum, quae nudae inveniuntur nondum peractae, ablata capita et his durtia lapidea exempta – est autem calculi latitudine –, quae adalligatur, vel minutae fronti inlinuntur tritae, item oesypum [...]. Gegen Kopfschmerzen dienen als Heilmittel die abgeschnittenen Köpfe von Schnecken, die man nackt und noch nicht fertig ausgebildet findet, und die ihnen entnommene steinartige Verhärtung– sie hat die Größe eines Kieselsteins–, die man anbindet, oder wenn (die Verhärtungen) klein sind, zerrieben auf die Stirne streicht; ebenso (verwendet man) den Schmutz der Schafwolle [...]. PGM 20 (1. Jh. BC): Fili¿nnhj Qe[ss]alh=j e)paoidh\ p[ro\j] kefalh=j p[o/]non feu=g' o)du/n[h k]efalh=j, feu=ge fq?[i¿nous'] u(po\ pe/t[ra]n?: feu/gousin de\? [lu/]koi, feu/g?[ousi] de\ mw¯nuxe?j [iàp]poi plhg?aiÍj u(p?[...] Spruch der Thessalierin Philinna gegen Kopfweh: Flieh, Kopfschmerz, entflieh und schwinde unter den Felsen. Es fliehen die Wölfe, es fliehen die einhufigen Rosse [eilend] unter den Schlägen [?meiner vollkommenen Besprechung].

Deutlich ist erkennbar, dass bei ersterem durch Nutzung der Heilkräfte der Natur eine Linderung erreicht werden soll, bei letzterem durch einen wirkmächtigen „Logos“ („e)paoidh“). Die Unterscheidung dieser beiden Gattungen, der Physika- und der Zauberliteratur, ist sinnvoll, weil zwei verschiedene soziologische Größen als Tradenten anzunehmen sind, nämlich die Magier der Zauberbücher und die der „Physika“. Dies soll unten genauer zur Sprache kommen.122

Die Diskussion um Zaubertexte in Qumran Die Frage nach magischen Texten in Qumran ist seit den Veröffentlichungen der letzten Fragmente Mitte der neunziger Jahre wieder verstärkt diskutiert worden. Die reich entfaltete Geisterwelt, die in vielen Schriften vom Toten Meer begegnet, hat hauptsächlich zur Motivation beigetragen, nach Spuren der Dämonologie und des Exorzismus zu suchen.123 Diese Untersuchungen stehen dabei im großen Rahmen der Erforschung des facettenreichen „Second Temple Judaism“ und dienen als Belege dafür, dass Magie und Divination keineswegs als heterodoxe Phänomene aus der jüdischen Geisteswelt ausgeklammert waren, „but were an integral part of jewish

122 123

Vgl. unten S. 89. Vgl. Kirchschläger, 1976; Baumgarten, 1992; Swartz, 2001.

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belief and thought“.124 Freilich ist diese Diskussion überlagert von den allgemeinen kontroversen Ansichten zur Interpretation der Qumranschriften, etwa die Frage nach den Trägergruppen (Essener oder nicht) und nach dem Fundkontext (Produkt der nahe gelegenen Hirbe oder nicht),125 doch ist die Einzelexegese der Texte von derartigen Kontroversen nicht substanziell beeinflusst. Interessanterweise wird bei der Behandlung exorzistischer Texte aus Qumran immer wieder ein Bezug zur Magie hergestellt, es scheint manchmal sogar, dass Magie und Dämonenglaube gar nicht mehr unterschieden werden. Beispielsweise schließt B. Nitzan bei der Interpretation von 4Q510/4Q511 unvermittelt von den Erwähnungen von Geistern auf magische Incantationen,126 A. Lange subsumiert „exorcisms and incantations“ unter eine Überschrift,127 Alexander, 1997 und 2000 sieht in der Dämonenabwehr eine der beiden Gruppen qumranischer Magie128 und Kister, 1999, erkennt in den „apotropaic prayers“ eine Nähe zur Magie.129 Diese Gleichsetzung von allgemeinem Dämonenglauben und Magie wurde in jüngerer Zeit durch Lyons/Reimers heftig kritisiert;130 die im o.a. methodischen Vorgehen einen „demonic virus“ erkannten, der sich in der Religionsgeschichte und in der neutestamentlichen Wissenschaft breit gemacht habe und nunmehr auch die Qumranstudien zu befallen drohe. Dabei beziehen sich die Kritiker positiv auf den ANRW – Artikel zur Magie von Aune, in dem die „Devianztheorie“ der Magie vertreten wurde:131 Magie ist als Devianz zu üblichen religiösen Institutionen zu verstehen. In einer Ge-

124

Vgl. Lange, 1997, 408, der allerdings auch darauf hinweist, dass die Qumrantexte – neben breiter Magierezeption – auch deutliche Kritik an magischen Praktiken zeigen, a.a.O., 397ff, freilich mit deutlicher Trennung von „essenischen“ und „nicht-essenischen“ Texten unter den Qumranfragmenten. Lange nennt die Zuweisung von Beschwörungen bzw. Astrologie zu den Wächtern in Jub 8 bzw. 1Hen 8,3, die Ambivalenz der Traumdeutung, die Polemik im „Buch der Geheimnisse“ 1Q27; 4Q299–301. Unter den „essenischen“ Gesetzestexten werde die Nekromantie als einzige divinatorische Praxis explizit benannt. Alexander, 2000, teilt in seinem kurzen Artikel die „magischen“ Texte der „Qumrangemeinde“ in zwei Bereiche ein: Exorzismen, Heilungen und Dämonenbeschwörungen einerseits (4Q510–511; 4Q560; 11Q11) und Divination (mit zahlreichen Unterkategorien) andererseits (4Q186; 4Q561; 4Q311; 4Q186; 4Q318). Differenzierter und mit deutlichem Fingerzeig auf die tatsächliche magische Aktivität innerhalb der „Qumrangemeinde“: Martinez, 2002. 125 So setzt die materialreiche Untersuchung von Lange, 1997 einen weitgehend essenischen Kontext der Schriften voraus, und Unterscheidungskriterien zwischen „essenischen“ Schriften und „nichtessenischem“ Schrifttum werden als gegeben angenommen. 126 Vgl. Nitzan, 1992, 53f. 127 Lange, 1997, 379. 128 Alexander, 1997, 319. 129 Kister, 1999, 170. 130 Lyons/Reimer, 1998, 17. 131 Aune, 1980, 1515.

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meinschaft, in der Dämonen als Bedrohung angesehen werden würden, sei der Exorzismus kein Devianzphänomen, sondern übliche religiöse Praxis.132 Diese kritischen Impulse sollen bei der nachfolgenden Besprechung der Vorschläge zu „magischen“ Texten in Qumran aufgenommen werden. Exorzismus und Magie sind keine identischen Phänomene, wie beispielsweise die (nichtmagische) Beurteilung der Exorzismen der Apostel in den apokryphen Apostelakten im Gegensatz zu den (magisch interpretierten) Exorzismen der Gegner, zuvörderst Simons, zeigen. Bei den Qumrantexten, für die eine Nähe zur Magie vorgeschlagen wurde, handelt es sich um Beschwörungen verschiedener Art, wobei hier unterschieden werden muss in Beschwörungsgebete, die an Gott gerichtet sind und in solche, die Geister beschwören.

Beschwörungsgebete an Gott 1QGenAp 20,12–16 (12) In jener Nacht betete, bat und flehte ich und sprach in Betrübnis und meine Tränen flossen (dabei) herab: „Gepriesen bist Du, Höchster Gott, Herr für alle (13) Zeiten und Welten! Denn Du bist Herr und Herrscher über alles und über alle Könige der Erde bist Du Herrscher, um an ihnen allen Gericht zu üben! Hier (14) führe ich Klage vor Dir, Mein Herr, über den Pharao Zoans, den König von Ägypten, weil er mir meine Frau mit Gewalt weggenommen. Schaffe mir Recht ihm gegenüber, daß ich sehe Deine große Hand (15) gegen ihn und gegen sein ganzes Haus, und damit er in dieser Nacht nicht die Kraft habe, meine Frau für mich zu verunreinigen, denn Du bist Herr für alle Könige (16) der Erde!“ Und ich weinte und verstummte. In jener Nacht schickte der Höchste Gott einen Plagegeist, um ihn zu schwächen, und zu jeden (anderen) Mann seines Hauses, einen bösen (17) Geist, und der schwächte ihn und alle Männer seines Hauses [...].

Dieser Text erzählt ein Gebet Abrahams, in dem dieser Gott um Hilfe bittet, daß Pharao ihm nicht seine Frau Saraj wegnimmt. Gott schickt daraufhin einen „Plagegeist“ (#dkm xwr)

132

Die Entfaltung dieser kritischen These macht auf viele methodische Aporien der Forschung aufmerksam, etwa die oft unhinterfragte Rezeption des Oppositionspaares Magie = Manipulation, Religion = Bitte und der damit einhergehenden Ansicht, daß alle exorzistischen Vorstellungen von vornherein magisch seien, vgl. Lyons/Reimer, 1998 16–19.

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Nach der Interpretation Langes handelt es sich beim Gebet Abrahams um eine Incantation,133 weil der Plagegeist Gottes auf Bitten Abrahams gesendet wird. Diese Deutung ist allerdings aus mehreren Gründen kritisierbar: – In formgeschichtlicher Hinsicht enthält das Gebet Abrahams nicht die

Beschwörungsformel \yl( hn) (b$m, die in der jüdischen Magie oft verwendet wird.134 – Abraham bittet auch nur um sein Recht, die technischen Details, etwa die Bitte um Entsendung bestimmter Plagegeister oder die Beschwörung derselben fehlt. Somit ist die Verbindung zwischen dem Gebet und der konkreten Handlung Gottes arbiträr und nicht in einer eindeutigen magischen Handlung vollzogen. – Insgesamt sind im Text keine eindeutigen Hinweise auf eine magische Deutung Abrahams gegeben; Im Gegenteil wird er als frommer Beter und Heiler mit den ägyptischen Zauberern und Ärzten kontrastiert; gerade die Konkurrenz zu den Zauberern lässt eine nichtmagische Interpretation der vorliegenden Abrahamepisode wahrscheinlich werden.

Beschwörungen von Geistern (Exorzismen) Das Ergriffensein von bösen Geistern, das in der erzählenden Literatur des Neuen Testaments an vielen Stellen begegnet, findet sich auch in einigen Qumranschriften wieder. In diesem Zusammenhang wurde 4Q184 gesehen, denn dieser Text schildert nach den Ausführungen von J.M. Baumgarten135 das Wirken einer verführerischen Dämonin, doch geht diese dämonologische Deutung nicht klar aus dem Text hervor. Ungezwungener ist die von A. Lange wiedergegebene traditionelle Deutung, dass es sich bei der Frau in 4Q184 um die Beschreibung der Torheit (im weisheitlichen Kontext, wie er beispielsweise in Prov 2,7f gegeben ist) handelt.136 Damit ist ein eindeutiger Bezug zur Besessenheit nicht gegeben. Ebenso geht aus dem stark beschädigen Fragment 4Q444137 die Opposition von guten und bösen Geistern zu erkennen, ohne dass ein eindeutiger Hinweis auf die Besessenheit durch böse Geister ermittelt werden kann. Trotz dieser zweifelhaften Belege für dämonische Besessenheit sind in anderen Qumrantexten, beispielsweise in CD 12,2f oder 11QPs 27, eindeu133

Lange, 1996; ders., 1997, 382. Zur Beschwörungsformeln der spätantik-mittelalterlichen jüdischen Magie vgl. Niggemeyer, 1975 (zum Sepher ha-Razim); Schäfer, 1990, 79ff. 135 Zur dämonischen Interpretation vgl. Baumgarten, 1992 136 Lange, 1997, 379f. 137 García Martínez/Tigchelaar, 1998, Bd. 2, 924f überschreiben die Edition und engl. Übersetzung mit „4QIncantation“. 134

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tige Aussagen darüber zu finden. Diese Vorstellung bietet die Voraussetzung dafür, dass böse Geister zum Zweck der Austreibung beschworen werden. In diesem Zusammenhang werden die drei Texte 1QGenAp 20,16– 29, 4QOrNab und 11QPsa genannt, die im Folgenden besprochen werden sollen: 1QGenAp 20,16–29 Bei der Deutung von 1QGenAp 20,16–29 wurde Abraham als Exorzist interpretiert:138 Den „Plagegeist“ (#dkm xwr), der aufgrund des Gebets Abrahams auf Pharao gesendet wurde, können nicht einmal die ägyptischen Zauberer ()yp#), wie auch in Dan 4,4; 5,7.15 die unfähigen Zauberer Belzazars) vertreiben. Pharao bittet daraufhin Abraham, diesen Plagegeist wieder wegzunehmen, was Abraham durch Handauflegung leistet. (16) In jener Nacht schickte der Höchste Gott einen Plagegeist, um ihn zu schwächen, und zu jeden (anderen) Mann seines Hauses, einen bösen (17) Geist, und der schwächte ihn und alle Männer seines Hauses und er konnte sich ihr nicht nähern und „erkannte“ sie nicht, obschon sie bei ihm blieb (18) zwei Jahre lang. Gegen Ende der zwei Jahre verstärkten und häuften sich die Beschwerden und Plagen an ihm und an jedem Mann seines Hauses, daher schickte er hin, (19) rief alle [Weisen] Ägyptens und alle Beschwörer mit allen Medizinmännern Ägyptens, ob sie imstande wären, ihn von dieser Plage zu heilen, und (auch) die Männer (20) seines Hauses. Aber alle die Medizinmänner und alle die Weisen waren nicht imstande, ihn zu heilen, denn derselbe Geist schlug auch sie alle (21) und sie flohen. Danach kam zu mir ChRQNWSh und bat mich, dass ich komme und dass ich bete für (22) den König und meine Hände auf ihn lege, damit er am Leben bleibe, denn in einem Traum habe er [...]. (29) Und ich legte meine Hände auf seinen [Ko]pf. Da wurde von ihm die Plage entfernt und [von ihm der] böse [Geist] vertrieben und er lebte auf und erholte sich.139

Abraham beschwört Dämonen und treibt sie aus. Trunk, 1994, rückt den Text eher in die Nähe einer Krankenheilung denn eines Exorzismus, weil der böse Geist keine Besessenheit, sondern eine Krankheit verursacht habe.140 Dieser Interpretation ist m.E. zu folgen, da Abraham den Dämon nicht persönlich anspricht und beschwört. Er betätigt sich eher als Heiler denn als Exorzist.

138

Vgl. Kirchschläger, 1976. Übers. Maier, Bd. 1, 1995, 219–221. 140 Vgl. Trunk, 1994, 278f. 139

Die Diskussion um Zaubertexte in Qumran

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4QOrNab (4Q242) In 4QOrNab (4Q242) ist uns eine traditionsgeschichtlich möglicherweise ältere Parallele zu Dan 4 überliefert,141 die das Gebet des babylonischen Königs Nabonid zum Inhalt hat: (1) Worte des Ge[be]ts, welches Nabonaj gebetet hat, König des L[andes von Ba]bel, der [Groß]könig, [als er geschlagen war] (2) mit der bösen Entzündung auf Geheiß des [Höchst]en Go[ttes] in Teman. [„Ich, Nabonaj, bin mit der bösen Entzündung] (3) geschlagen worden für sieben Jahre und [...] war i[ch] gleich(/gesetzt) (4) meine Vergehen (?), ließ ihm einen Wahrsager (rzg) und de[r (war) ein j]üdischer [Mann] vo[n ...] (5) Gib bekannt und schreib, um Ehre zu erweisen und [...] dem Namen des [Höchsten] G[ottes ...] (6) Geschlagen war ich mit der b[ösen] Entzündung [... in Teman [...] (7) sieben Jahre habe [ich] gebetet [vor allen] Göttern von Silber und Gold[...] (8) Holz, Stein, Ton, denn [ich war der Mein]ung, dass sie Götter [waren]“.142

Dieser Text ist seit der Übersetzung von rzg als „exorciste“ durch DupontSommer als exorzistischer Text diskutiert worden;143 da sich in der Forschung allerdings die Übersetzung „Wahrsager“ durchsetzte und der Hinweis gewichtet wurde, dass in 4QprNab Gott selbst die Sünden vergibt, und nicht der rzg, wird eine Interpretation des Textes als Exorzismus weitgehend abgelehnt.144 11QPsa Nach 11QPsa 27,9f. spielt David 4 Lieder zu den {y(wgp. J. Maier, der für {y(wgp in der deutschen Übersetzung bestimmte Tage des Sonnenkalenders vorschlägt,145 zieht auch die Alternativübersetzung „über den Besessenen“, „über den Dämonen“ in Betracht.146 Dann wäre in 11QPsa auf die Tradition vom Exorzismus Davids durch Lieder angespielt, die uns – als Ausgestaltung der Geschichte von David und Saul nach 1Sam 16,24–23 – bei Josephus in Ant 6,166–168 überliefert ist. Leider sind diese vier Lieder in 11QPsa nicht zitiert, doch wurden sie an anderer Stelle in den Qumranschriften hypothetisch geortet: 11QPsApa147 beinhaltet nichtbiblische Psalmen, die auf einer Schriftrolle gemeinsam mit 141

So Milik, 1956; Beyer, 1984, 223. Übers. Maier, Bd. 2, 1995, 186; vgl. Beyer, 1984, 223f. 143 Vgl. Dupont-Sommer, 1960. Trotz philologischer Vorbehalte schließt sich Kirchschläger, 1976, sachlich der Exorzismusinterpretation an, ähnlich auch García Martínez, 1994, 125f. 144 So in jüngerer Zeit Trunk, 1994, 275–277; Lange, 1997, 379 (in Anm. 7 wird Trunk von Lange in die Nähe der exorzistischen Deutung gerückt, was allerdings falsch ist). 145 Maier, 1995, 341. 146 Vgl. hierzu Lange, 1997, 380 mit ausführlicher Begründung. 147 Zur Rekonstruktion des fragmentarischen Textes: Puech, 1990. Dieser hält a.a.O., 402f die Psalmen für präqumranisch, hasidäischem Kontext entstammend und von den Essenern für die Dämonenbeschwörung eingesetzt. 142

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Ps 91 verzeichnet sind. Aufgrund der Wurzel (gp in 11QPsApa 4,2 wird dieses Fragment mit 11QPsa in Verbindung gebracht; dann könnte die Möglichkeit bestehen, dass die 4 in 11QPsApa sehr fragmentarisch erhaltenen Psalmen genau die in 11QPsa Bezeichneten sind.148 In zwei Qumranfragmenten kommt ein Exorzist selbst zu Wort: 4Q510–511 4Q510149: (4) [...] Und ich als Maskil künde die Majestät Seiner Hoheit, um in Schrecken und Furcht zu ver[setzen] (5) alle Geister und Schadensengeln und Geister von Gestirnen (/Bastarden), Schakalen Dämonen, Lilit, Eulen und [...], (6) die einen plötzlichen Schlag ausführen, um einen Geist von Einsicht irrezuführen und um ihr Herz zu verstören und ihr[e Seele (?)] in der Zeit einer Herr[schaft] von (7) Frevel und von Fastenbezeugungen von Lich[t]söhnen in der Schuld von Zelten von Verschuldungen (-Geschlagenen), aber nicht zu ewiger Vernichtung, (8) [sonde]rn für eine Zeit von Vergehens-Fastenübungen. [(leer)] 4Q511, Frg 10: (1*) [...] Preisgesänge von Segnun[gen für den Kön]ig der Herrlichkeit. Worte von Lobliedern in Psalmen (2*) [...] Dem Gott von Erkenntnissen (ziemt) Hoheit von Ma[chttat]en, (als dem) Gott Göttlicher, Herr(n) für alle Heiligen, und [Seine] Herrschaf[t] (liegt) (3*) auf allen Krafthelden und vor der Kraft Seiner Mach[t] erschrecken und zerstreuen sich alle und sie flüchten vor der Pracht der Stät[te] (4*) der Herrlichkeit Seiner Königsherrschaft. [(leer)]. Und ich als Maskil künde die Majestät Seiner Hoheit, um in Schrecken und Furcht zu ver[setzen] (5*) alle (l)[Geister von Schadensengeln und Geister von Gestirnen (/Bastarden), Dämon(en) von Schakalen,] Lili[t], (2) [Eulen und [...] (6*) die einen plötzlichen Schlag ausführen, um] irrezuführen einen Geist (3) [von Einsicht und um ihr Herz zu verstören und ihre Seele (?) in ]der Endzeit der Herrschaft (7*) von Frevel (4) [und der Fastenübungsbezeugungen von Lichtsöhnen in der Schul]d der Zeiten (Geschlagener) (5) [durch Verschuldungen, aber nicht zu Vernichtung (auf) ewi]g, [...] (8*) sondern für eine Endeit (6) [von Vergehens-Fastenübungen).

Seit der editio princeps von M. Baillet in DJD VII wurden 4Q510 und 4Q511 zusammen gelesen, in jüngerer Zeit allerdings durch das Fragment 8Q5 ergänzt.150 Der Forschungskonsens, dass es sich hierbei um ein exorzistisches Stück handelt, wird durch die Versuche, den „anonymen Exorzisten“151 in diesem Stück genauer zu bestimmen, gestört. B. Nitzan sah ihn aufgrund des Themas (Schutz vor bösen Geistern) als Magier152 und wurde 148

Dies erwägt Puech, 1990; Trunk, 1994, 280f; Maier, 1995, 357; auch Lange, 1997, 380f. Text nach Maier, 1995, 642ff; vgl. dazu Baillet, 1962, 216; Nitzan, 1992; Trunk, 1994, 283–287; Penney/Wise, 1994; Naveh 1998 (Fragments) (jeweils mit früherer Literatur) und die Ausführungen von Lange, 1997, 432, Lyons/Reimer, 1998, 20f; Kister, 1999, 173ff. 150 Dimant, 1995. 151 Vgl. Delcor, 1987,68: „exorciste anonyme de la secte“. 152 Nitzan, 1992, 54. Vgl. auch Alexander, 1997, 319ff: auf Nitzan aufbauend wird der Text im Rahmen der jüdischen Dämonologie, v.a. Jub 10 und 1Hen 7.10.15 diskutiert. Das Fehlen magi149

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deswegen in diesem methodischen Kurzschluss von Lyons/Reimer heftig kritisiert.153 Alternativ zur „interpretatio magica“ wurde der anonyme Exorzist von Trunk, 1994, in die Nähe eines Liturgen gerückt und von einem „charismatischen Wunderheiler“, wie er in der Jesusüberlieferung bezeugt ist, separiert.154 Wir haben es also hier mit einem Exorzisten zu tun, doch gibt es keine Anzeichen, daß dieser sich als Magier verstanden hat oder als Magier gesehen wurde. 4Q560 Als dieser fragmentarische Text erstmals von Eisenman/Wise einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt wurde,155 wurde er als frühestes Exemplar einer jüdischen Beschwörungsformel gefeiert. Bei Eisenman/Wise, 1992, 269– 271 wird es noch offen gelassen, ob dieser Zauberspruch Teil eines „Zauberbuches“ oder ein Einzelexemplar, etwa ein Phylakterium, ist. Während Beyer für einen Amuletttext votiert,156 machen Penney/Wise, 1994, 650 darauf aufmerksam, dass das Originalfragment keine Knick- oder Rollspuren aufweise und darum kein Inhalt eines Phylakteriums dargestellt haben könne; somit müsse es Teil eines „Zauberbuches“ sein.157 Auch Naveh, 1998 (Fragments), 261, interpretiert es als ein Rollenfragment aus der späten Hasmonäerzeit (etwa 50 BC), das nun einen klaren Beweis für die Existenz jüdischer Zauberbücher in diesem Zeitabschnitt liefere. Wird in der Forschung damit die Bedeutung dieses Rollenfragments einhellig als sehr groß eingeschätzt, gehen allerdings die semantischen Analysen an vielen Stellen weit auseinander.158 Die Fragmente des aus zwei Kolumnen bestehenden Textes lauten wie folgt:159 scher Rituale, der materia magica und Beschwörungsformeln wird mit einer speziellen magischen Praxis der Qumrangemeinschaft in Verbindung gebracht (aaO, 232). 153 Lyons/Reimer, 1998, 20. 154 Vgl. Trunk, 1994, 287. 155 4Q560, zuerst von E. Puech ediert (vgl. Naveh, 1998[Fragments], 254), wurde von Eisenman/Wise 1992 in die „50 key documents“ aufgenommen und veröffentlicht. Dort in der dt. Ausgabe S.269–271 deutsche Übersetzung und Kommentar. 156 Beyer, 1994, 129. 157 Dieser Argumentation folgt auch Lange, 1997, 386. 158 Folgende maßgebliche Übersetzungen geben die Bandbreite der Interpretationsmöglichkeiten wider: Beyer, Bd. 2, 1994, 129f; Penney/Wise, 1994; García Martínez, 1994, 378; J. Maier, Bd. 2, 1995, 238; Wise/Abegg/Cook, 1997, 458f, Naveh, 1998(Fragments) (mit heftiger Kritik an Penney/Wise), García Martínez/Tigchelaar, Bd. 2, 1998, 1116f. 159 Übersetzung nach J. Maier, Bd. 2, 1995, die den fragmentarischen Charakter des Textes zum Ausdruck bringt. Text nach der Veröffentlichung von García Martínez /Tigchelaar, Bd. 2, 1998, 1116f. Da sich diese Lesart sehr von der der Ersteditoren unterscheidet, sei hier 4Q560 nach Penny/Wise, 1994 zitiert:

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Die Zeugnisse [...]w bblw[...] .1 [...]# #y)b dqp }dly twdrm htdlyw [...] .2 )tbqn tylxlxw )rkd )yxlxl )r#bb ll([yd...] .3 bbl t#)w hyr(w )#) (#pw })w( )r[...] .4 yrwtxm )tbqn tykpw rkd \rp )n#b h[...] .5 [...] }y(y#[r...] .6 [...] 7 [...] .1 [... yh]wmdwq .2 [...] w .3 [...] mw yhwmdwq .4 [...] hmwm xwr hn)w .5 [...] )xwr \tymw) .6 [...] }ynn(b )(r) l[(] 7 [...].8

(1) [...]und Herz und L[eber ...] (2) [...]und sie hat ihn zur Welt gebracht (?), Züchtigung (?) haben sie zur Welt gebracht, er befahl (/befiehl) Böses .[...] (3) [...]eintreten[d] in das Fleisch (/den Leib) zu den chalchalja des Männlichen und zu der chalchalit des Weiblichen (4) [...] Verschuldung und Vergehen, Fieber und Frösteln und Herzentzündung (5) [...] im Schlaf prk eines Männlichen und pkjt des Weiblichen (?)[...] (6) [... Fr]evler(?) [...] (2) [...](3) [...](4)vor ihm und [...] (5) und ich, einen Geist beschwöre [...] (6) ich habe dich beschworen, du Geist[...] (7) auf die/der Erde in Wolken[...] (8) [...]

Auf Grund des fragmentarischen Charakters des vorliegenden Textes gehen die Deutungsmöglichkeiten oft weit auseinander. Im Folgenden werden die kontroversen Punkte dargestellt (die oben zitierte Lesart wird nicht mehr diskutiert): Kolumne 1,1: Penney/Wise ergänzen den Anfang zu bbdl(b und rekonstruieren damit die Anrede „Beelzebub“ für den Dämon; dieser Vorschlag ist singulär.160 Naveh liest bblw, „and heart“, Beyer und Maier ergänzen zusätzlich dbcw bblw, „mit Herz und Leber“. García Martínez und Wise/Abegg/Cook

]# #y)b dqp }dly twdrm htdlym[2 [c.25]ykl bbd[ 1Col.1 )tbqn [)]tylxlxw )rkd )y[l]xlxl )r#bb ll([ lk \l hmwm hn)3 bbl t#)w hyr(w )#) (#pw })w( )#ˆnh hwhy {#b }kl hmwm hn)4 }y(y#[r6 yrwtxm )tbqn [)]tyk[r]pw[)]rkd[)y]krp )n#b h[mmyb w) }ymlxb )ylylb hlhbl rys)w5 ]}ynn(b )(r) l(7 yd ])xwr ktymw)6 yd \l ]hmwm xwr hn)w5 ]mmw yhwmdwq4] [...]w3yh]wmdwq2 Col 2 160

Vgl. die Kritik an ihrer philologischen Argumentation bei Naveh, 1998 (Fragments), 255.

Die Diskussion um Zaubertexte in Qumran

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verzichteten bei ihren Übersetzungen auf einen Rekonstruktionsversuch der Zeile. Kolumne 1,2: Das doppelte Auftauchen der Wurzel dly macht die Übersetzung schwierig; htdly übersetzen Eisenman/Wise mit „eine Mutter“, Naveh „and women in confinement“, Meier „sie hat zur Welt gebracht“, Beyer sieht es ebenso als finite Verbform („Du hast Züchtigungen von Mädchen bewirkt“), Penney/Wise lesen htdlym und übersetzen mit „midwife“, ebenso Wise/Abegg/Cook . }dly twdrm übersetzen Eisenman/Wise mit „die Strafe der Gebärenden“, ähnlich Penney/Wise und Wise/Abegg/Cook, ebenso Beyer „“Züchtigung von Mädchen“; Maier übersetzt „Züchtigungen haben sie zur Welt gebracht“, und García Martínez „you gave birth to rebellion“, ähnlich Naveh „bear (children of) rebelliousness“. #y)b dqp übersetzen Eisenman/Wise „ein Befehl (des) Bösen“, dagegen Beyer „befiehl Böses“ (ähnlich Maier). Penney/Wise sehen hier dagegen aufgrund mandäischer Parallelen eine Anspielung auf einen Dämonennamen und übersetzen „an evil visitant“ (dem folgen García Martínez, Wise/Abegg/Cook). Naveh liest dagegen #y)b rqp und übersetzt „evil irrelevance“ Kolumne 1,3: Alle Deutungen gehen davon aus, dass hier etwas in das Fleisch/den Körper eintritt; doch je nach grammatischer Analyse sind zwei Deutungen möglich: a) die Lesart )ylxlx statt )yxlx lässt )tbqn tylxlxw )rkd )ylxlx als zwei männliche und weibliche Subjekte identifizieren, die in das Fleisch eintreten. So deuten Eisenman/Wise: „dem männlichen vergiftenden Dämon und dem weiblichen vergiftenden Dämon (ist verboten), den Körper [zu] betreten“, ähnlich auch García Martínez, Penney/Wise, Wise/Abegg/Cook, Naveh. b) Beyer liest textgemäß )rkd )yxlxl )r#b und sieht dies als Construktusverbindung: „der eintritt in den Körper um zu schädigen das Männliche und den Hohlraum des Weiblichen“ (Maier übernimmt die o.a. Lesart und deutet tylxlx als anatomischen Terminus). Kolumne 1,4: Der zerstörte Anfang dieser Zeile bietet einigen Auslegern Anlass zur Rekonstruktion einer Beschwörungsformel, wie bei Eisenman/Wise oben angegeben („ich beschwöre dich [bei dem Namen dessen, der] Sünden und Übertretungen [ver]gibt“), ähnlich – in Anlehnung an Ex 34,7; Num 14,18 –, Penney/Wise, Wise/Abegg/Cook. In diese Richtung tendiert auch Beyer, der )r[#/qmlw liest ([... und um herbeizurufen/loszulassen] Vergehen und Verbrechen [...]) und das Fragment damit als Incantation eindeutig macht.

78

Die Zeugnisse

Vorsichtiger dagegen übersetzen Maier, Naveh und García Martínez, die an dieser Stelle nichts rekonstruieren. bbl t#)w hyr(w )#) wird meist einfach als negative körperliche Zustände angegeben: Beyer (Fieber, Schüttelfrost, Herzfieber), ähnlich Maier und Naveh (mit Hinweis auf die Deutung von hyr(w )#) als Malaria). Dagegen interpretieren Eisenman/Wise, Penney/Wise, Wise/Abegg/Cook die Stelle als Anrede an entsprechende Dämonen. Kolumne 1,5: Die meisten Ausleger deuten das Fragment aufgrund von )n#b als eine Szene, die „beim Schlaf“ geschieht, allein Naveh parallelisiert es mit )r#bb in 1,3 und übersetzt mit „in the tooth“. Große Uneinigkeit herrscht über die Bedeutung des Ausdruckes yrwtxm )tbqn tykpw rkd \rp. Beyer übersetzt textgemäß „er zerreibt im Schlaf Männliches und die [...] des Weiblichen“, läßt also tykpw unübersetzt, ähnlich Maier, der \rp und tykpw nicht übersetzt: „Im Schlaf prk eines Männliches und pkjt eines Weiblichen.“ Eisenman/Wise emendieren hier tykpw zu tykrpw und übersetzen: „der männliche PRK-Dämon und der weibliche PRK-Dämon“), ähnlich Wise/Abegg/Cook, Penney/Wise. Naveh übernimmt diese Textglättung und übersetzt (mit der Wurzel \rp): „male and female crushing [ente]rs into the tooth“. Über Kol 2 herrscht trotz geringer Varianten insgesamt Einstimmigkeit bei der Übersetzung der Bruchstücke. Kol 2,5f. machen mit )my im Aphel („beschwören“) die Gattung des Textes als Beschwörung deutlich. Wie aus den verschiedenen Deutungsvorschlägen zu ersehen ist, gestaltet sich die semantische Analyse des Fragments als schwierig. Eisenman/Wise, Penney/Wise, Wise/Abegg/Cook, Naveh und auch García Martínez interpretieren den Text deutlich als direkte Beschwörung von Dämonen und ergänzen bzw. übersetzen dementsprechend. Vorsichtiger dagegen ist Beyer, der das Fragment als magischen Text über einen Dämon interpretiert, der bei Männern und Frauen diverse Körperschäden bewirkt. Ganz vorsichtig deutet Maier, dessen Übersetzung den fragmentarischen Charakter bewusst bewahrt und kaum eine Textkohärenz erkennen lässt. Doch trotz der zahlreichen Interpretationsmöglichkeiten sind für das vorliegende Fragment doch einige sicher Aussagen zu machen: – Es handelt sich, wie aus Kolumne 2,6f, hervorgeht, eindeutig um eine

Beschwörung. – Hinter der Beschwörung wird das Subjekt eines Exorzisten deutlich. Es

ist eindeutig, dass der Beschwörer selbst hier spricht und über sein Han-

Die Diskussion um Zaubertexte in Qumran

79

deln Auskunft gibt. Damit ist das Fragment ein eindeutiges Zeugnis für die Innensicht eines jüdischen Exorzisten der Zweiten Tempelzeit. – Es geht in 1,3–5 um die körperlichen Schäden von Menschen, auf die die Beschwörung reagiert. Ob der Exorzist dabei Schadensdämonen anredet oder Schäden benennt, ob er Schäden behebt161 oder verursacht, ist Sache der Interpretation. Sicher ist, dass ein Exorzist im Zusammenhang mit körperlicher Schädigung Geister beschwört. – Das doppelt erhaltene Wort )#) lässt auf einen Zauberspruch im Zusammenhang mit Fieber schließen. Hier kann ein Vergleich mit vielen erhaltenen Texten dieser Art – wenn auch in späterer Zeit – ansetzen.162 Dies nun rückt den Text allerdings in die Nähe der Magie: Wir haben es hier mit einem Exorzismustext zu tun, der formale Nähe zu magischen Amuletten aufweist. Von allen oben besprochenen Qumrantexten scheint mir damit 4Q560 allein eine große Nähe zur Magie zu haben. Ist damit auch für die in der jüdischen Wüste aufgefundenen Schriftfunde eine Nähe zur magischen Zauberliteratur durchaus konstatierbar, so wäre es fast ein Wunder, wenn sich diese Textart nicht auch in der Schriftsammlung des Neuen Testaments finden würde. Dieses Thema soll uns im nächsten Kapitel beschäftigen.

Zauberpapyri und das NT Die neutestamentliche Diskussion um die Gattung der magischen Zauberbücher ist im Wesentlichen mit der Exegese von Acta 19,19 verbunden.163 Im Rahmen eines fehlgeschlagenen Exorzismus dilettantischer jüdischer Exorzisten (Acta 19,13–18) wird der Name Jesu als wirkmächtiger Zaubername überall in Ephesos bekannt, und als Konsequenz verbrennen einige ihre Zauberbücher: i¸kanoiì de\ tw½n ta\ peri¿erga praca/ntwn sunene/gkantej ta\j bi¿blouj kate/kaion e)nw¯pion pa/ntwn: kaiì suneyh/fisan ta\j tima\j au)tw½n kaiì euÂron a)rguri¿ou muria/daj pe/nte.

161

So Penney/Wise, 1994, 649; Eisenman/Wise, 1992, 270. Vgl. Naveh/Shaked, 1987, 45–47.99; auch das Fieberamulett von Sepphoris (Edwards/McCollough, 1997, 143ff) kann in diesem Zusammenhang genannt werden. 163 Grundlegend zum Ephesos-Kapitel der Acta: Strelan, 1996. Lampe, 1992, hatte bei der Erörterung des ephesinischen Lokalkolorits im Spiegel der Inschriften auf die vielen Hinweise auf Magie aufmerksam gemacht. Weitere Vergleichstexte zu Acta 19,19 bei van der Horst, 1990 (1978), 28. 162

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Die Zeugnisse

Viele aber von denen, die Zauberei betrieben hatten, brachten die Bücher herbei und verbrannten sie öffentlich; und sie berechneten deren Wert und kamen auf fünfzigtausend Silberstücke.

Der Begriff „peri/erga“ ist oben schon im Zusammenhang mit Iren Haer 1,23,4 behandelt worden164 und bezeichnet in abwertender Weise Zauberhandlungen aus der Außensicht. Hier ist also die Einstellung des Lukas erkennbar, der das, was auch immer die ephesinischen Magier als Profession betrieben haben, als „peri/erga“ abwertet. Ist oben in Lk 13 zumindest eine Nähe zur magischen Sprachwelt erwägbar und lässt Lukas dort eine explizite Abwertung der Magie vermissen, so erfolgt hier die eindeutig negative Bewertung ganz eindeutig. Auch zur Büchervernichtung durch Verbrennen gibt es in der Antike zahlreiche Parallelen.165 Wie auch in der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland, so waren es in der Antike vornehmlich die Werke prominenter Autoren, die verbrannt wurden166 – und dies lässt auf die Bedeutung der ephesinischen Zauberbücher schließen. Man verbrannte keine völlig unbekannte Literatur, sondern Bücher, die – womöglich nicht ihrem Inhalt nach, aber doch in ihrer Existenz – als landläufig bekannt vorausgesetzt werden dürfen. Das bedeutet, dass man in Ephesos um die Existenz derartiger Zauberliteratur wusste und dass die Verbrennung darum von Lukas als öffentliches Ereignis inszeniert werden konnte, das durch die öffentliche Berechnung von 50.000 Silbermünzen noch unterstrichen wird. Diese Wertangabe ist – wie in jüngerer Zeit K. Ehling untersucht hat167 – mit großen Schwierigkeiten verbunden. Wenn man bei der Frage nach der konkreten Währung der Silbermünzen, die bei Lukas nur durch deren Metallgehalt (Silber) angedeutet wurden, mit Ehling auch eher zu Denaren als zu Drachmen tendieren darf, so ist ein Werttransfer in heutige Zeit oder gar eine Umrechung mit den üblichen Unwägbarkeiten verbunden. Vielleicht gewinnt der heutige Leser eine Vorstellung, wenn er sich von zwei Seiten an die genannte Summe annähert: Ein Denar hat 16 Asse Netto, so wird man bei einem Brotpreis von etwa einem Ass (Petron 44,11) 800.000 Brote kaufen können. Dem Leser bleibt es selbst überlassen, einen gegenwärtigen Kaufwert bei einem aktuellen Brotpreis von etwa 2,5 € zu ermitteln. Geht 164

S.o., S. 89. Vgl. die materialreiche Studie von Speyer, 1970. 166 Beispiele: Bücher des Protagoras (Cicero, De nat deorum 1,63); Epikur durch Alexander von Abonuteichos (Lukian, Alex 47); Ritualtexte der Dionysos – Religion durch den römischen Senat (Livius 39,16,8). Dass besonders geheimnisumwitterte Schriften im Zentrum der Perspektive zeigt Dio Cassius 75,13,2: Septimius Severus lässt aus den Tempeln der Ägypter alle dort befindlichen Geheimschriften holen; Suda, Diokletian: Diokletian lässt die Bücher der ägyptischen Alchimisten wegen deren Gold- und Silbergewinns verbrennen. 167 Vgl. Ehling, 2003. 165

Die Diskussion um Zaubertexte in Qumran

81

man weiterhin davon aus, dass der Jahresetat der etwa 125 AD (also wenige Jahrzehnte nach der Verfassung der Acta) erbauten Celsusbibliothek in Ephesos 25.000 Denare betrug,168 so wird man in 50.000 Denaren den doppelten Jahresetat einer großen Bibliothek annehmen dürfen. Demnach bestimmte Lukas für den Gegenwert der verbrannten Bücher eine für einen Privatmann oder auch für seine Gemeinde eine gewaltige Summe und wollte damit sicherlich den Stellenwert und die Verbreitung der Zauberliteratur in Ephesos unterstreichen.

168

Vgl. Hoepfner, 2002, 123.

Teil III: Die Innensicht der Magie

Würdigung magischer Praktiken im Umfeld des NT

Magie ist abzulehnen – so suggeriert es ein breiter, aus der antiken jüdischen Bibel hervorquellender, vom römischen Rechts- und teilweise Moralsystem genährter und die Mishna, das Neue Testament und die frühen Kirchenväter nährender Traditionsstrom.1 Dennoch ist dieses negative Bild der Magie keineswegs ungebrochen, sondern wird im Gegenteil von breiten Linien durchaus positiver Rezeption der Magie gekreuzt. Das im jüdischen Traditionsstrom mehrfach belegte Verbot jeglicher Art von Zauberei und Wahrsagerei (vgl. Ex 22,18; Lev 20,27; Dtn 18,10–13; Jes 47,9) zeigt einerseits eine breite Wirkungsgeschichte, andererseits ist das Interesse an Magie durch die Jahrhunderte konstant geblieben.2 Diese beiden gegensätzlichen Traditionslinien reagieren mehrfach aufeinander und wurden in ihrem gegenseitigen Verhältnis in der Forschung kontrovers bestimmt.3 Auch für die jüdische Antike selbst ergibt sich keine einheitliche antimagische Haltung, was der reichhaltige Gebrauch von Pentateuch- und Psalmenzitaten in Phylakterien und auf Amuletten zeigt,4 ebenso positive Rezeptionslinien magischer Praktiken etwa im Buch Tobit (vgl. Tob 6,9; 8,2;) und später im Talmud.5 Einerseits zeigen Psalmenrezitationen gegen Schutzgeister, dass Magie auch im rabbinischen Kontext rezipiert werden konnte, andererseits ist auch durch die Rabbinen eine Emendation magischer Elemente zu beobachten.6 1

Vgl. Brox, 1974. Vgl. Kern-Ulmer, 1996, 289. 3 Blau, 1898, 19 verwendete das Schema Orthodoxier (Magieverbot) und Götzendienerei (Magie); vgl. zur Verhältnisbestimmung von Magie und Magieverbot im Judentum Lange, 1997, 377f; speziell für die atl. Zeit: Becking, 1996, 48ff. 4 Vgl. speziell aus Samaria, aber nicht spezifisch samaritanisch Naveh, 1998 (Scripts), bes. 98f. Für die Verwendung der Danieltradition auf Amuletten (Daniel im Feuerofen gegen Fieber) vgl. Quecke, 1963, 257ff (zu P. Heid. Kopt. Inv. 564a). 5 Vgl. bShavuot 15b: Ps 91 als Schutz vor Plagegeistern (vgl. Edwards/McCollough, 1997, 145); in bShab 67a ff werden magische Krankenheilungen (auch Zaubersprüche) aufgezählt; zum Ganzen vgl. Seidel, 1995. 6 Vgl. Kern-Ulmer, 1996, 289ff; magische Praktiken werden emendiert/verdammt z.B. in bShavuot 15b: Wer über eine Wunde flüstert, hat keinen Anteil an der zukünftigen Welt (Übers. Goldschmidt 1996, Bd. 9, 276; vgl. bSanh 90a). Das Eifersuchtsopfer nach Num 5,11–31 wird lt. mSotμa 9,9 von Johμanan benZakkai abgeschafft, „als die Ehebrecher sich mehrten“. Dennoch wird das Ritual weiter kontinuiert, wie mehrere Beweistexte zeigen (vgl. Schäfer, 1996, 542). Ein zentraler Abschnitt über Magie im Talmud steht in bSanh 67a–68a zu mSanh 7,11: „Der Zauberer. Nur wenn er eine Tätigkeit ausübt, nicht aber, wenn er nur eine Augentäuschung vorführt. R. Aqiba sagte im Namen R. Jehoshuas: Zwei lesen Gurken, einer liest und ist frei, der andere aber 2

86

Die Innensicht der Magie

Damit wird deutlich, dass eine positive Rezeption magischer Praktiken im neutestamentlichen Umfeld eine gewisse Basis hatte. Von diesen zur Magie positiv eingestellten Linien sollen die folgenden Abschnitte handeln.

Spuren antiker Magier Flavius Josephus schildert in Ant 20,142 die Vorgeschichte einer gesetzeswidrigen Ehe des Statthalters Felix (52–ca. 59 AD) mit Drusilla, einer Schwester König Agrippas II, die bereits mit König Aziz von Emesa verheiratet war: )JNKESGCUCOGPQLVCWVJPMCK½IC?TJ¥PMCNNGKRCUYžPFKCHGTQWUCNCODCPGK VJLIWPCKMQ?LG RKSWOKŸCPMCK½º$VQOQPQ PQOCVKVYžPG CWVQWHKŸNYPš,QWFCK©QP .WRTKQPFG?VQ?IGPQLOCIQPGK¼PCKUMJRVQOGPQPRGORYPRTQ?LCW VJ?PG£RGKSGP VQ?PC£PFTCMCVCNKRQWUCPCW VžIJOCUSCK

Felix erblickte sie [sc.: Drusilla] – sie zeichnete sich nämlich durch große Schönheit aus – und entbrannte in Begierde nach dieser Frau; er schickte daher einen mit ihm befreundeten Juden zyprischer Herkunft mit Namen Atomos, der vorgab, ein Magier zu sein, zu ihr, und ließ sie dazu bewegen, den Gatten zu verlassen und ihn zu ehelichen.

Im vorlegenden Zusammenhang entscheidend ist die Notiz des Josephus, dass der genannte Atomos anscheinend selbst vorgibt, ein „Magier“ zu sein. Hierbei dürfte es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Selbstbezeichnung dieses Mannes handeln – gerade im Vergleich zu vielen anderen von Josephus genannten Scharlatanen in Ant 18–20, die jedoch mit dem Begriff „Goet“ oder „Pseudoprophet“ belegt sind.7 Hier ist nicht ein Mensch polemisch als „Magier“ diffamiert worden, sondern hat sich wohl selbst entsprechend bezeichnet. Josephus scheint von diesem Atomos eine etwas höhere Meinung zu haben, denn schließlich hat sein Handeln wohl nach Meinung der in diese Geschichte verwickelten Personen durchaus Erfolg gehabt haben können – Drusilla hat ihren Gatten wirklich zugunsten des Felix verlassen. Über die Handlung des Atomos schweigt Josephus sich aus und benutzt ein neutrales Wort – er bringt ihn also nicht explizit mit einem liest und ist strafbar; der dabei eine Tätigkeit ausübt, ist strafbar, der nur eine Augentäuschung vorführt, ist frei.“ (Goldschmidt 1996, Bd. 8, 730). Magie wird als JT\JFYD (Götzendienst) gesehen in bHμul 13a: „Das von einem Minäer Geschlachtete ist Götzen[opfer], sein Brot ist das Brot eines Samaritaners, sein Wein ist Libationswein, seine Bücher sind Zauberbücher [...]“ (Goldschmidt 1996, Bd. 11, 36); Magie gilt an einigen Stellen als [TYO ?TF (der amoritische Weg): mShab 6,10: „Man darf mit einem Heuschreckenei, mit einem Fuchszahne und mit einem Nagel von einem Gehenkten, als Heilmittel, ausgehen – so R. Meír; die Weisen verbieten dies als emoritischen Brauch selbst im Alltag“. 7 Vgl. Krieger, 1994, 145ff.

Spuren antiker Magier

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Liebeszauber in Verbindung8 –, doch gleichwohl führt er uns einen Menschen vor Augen, der von sich selbst vorgibt, ein Magier zu sein. „Ich bin ein Magier“ – so hätte Atomos sich bei seinen Zeitgenossen vorstellen können, und um diese Menschen soll es im Folgenden gehen – die „Innensicht“, des Magiers. Beim Versuch, uns den Menschen und Menschengruppen anzunähern, die sich selbst als Magier hätten bezeichnen können, werden wir von den literarischen Überlieferungen und Überresten ausgehen; diese Herangehensweise hat zur Folge, dass antike „Magier“ in diesem Zusammenhang als nichts anderes definiert werden als Nutzer, Träger und Tradenten der antiken magischen Literatur. Wer auf Spurensuche antiker Magier geht, darf es sich beim Umgang mit den Quellen nicht zu leicht machen. Die Quellenlage über die Gruppe von Menschen, die sich selbst als „Magier“ im Sinne von Tradenten und Trägern der antiken magischen Literatur bezeichnen würden, ist recht dünn, und dies verleitet dazu, die wenigen Spuren durch breiteres Material anzureichern. In der gegenwärtigen Forschungsdiskussion sind hierbei zwei Tendenzen zu beobachten, die beide m.E. mit großer Skepsis zu beurteilen sind: Zum ersten ist hier der Hang der Forschung zu nennen, jeden als „Magier“ zu bezeichnen, der in den Quellen mit Magie in Verbindung gebracht wird.9 Nach dieser Tendenz wäre dann Simon Magus wirklich ein Magier, weil er schon in Acta 8 als magisch Handelnder bezeichnet wird,10 und ein gewisser Markus, der von Irenäus in Haer 1,13,1ff mit Magie in Verbindung gebracht wird, ist dann auch ein Magier. Doch gerade an diesen Stellen ist mit der allgegenwärtigen antiken Magiepolemik zu rechnen, die auch und gerade die uns tradierten Quellen nicht verschont hat, und wir müssen gegenwärtig sein, dass hier jemand als Magier verschrien wird, der dies weit von sich weisen würde. Beispiele: – Muss der Konsul Appius Claudius Pulcher, der bei Cicero, Div 1,29.132

in einem zugegebenermaßen okkulten Zusammenhang erwähnt wird, von sich selbst behauptet haben, ein „Magier“ zu sein? Wahrscheinlich würde er sich als Auguren bezeichnen, zumal er sich über dieses Thema literarisch hervorgetan hat. Doch ob er sich Magier im Sinne der Tra-

8

Gager, 1992, 132, Anm. 44, geht von einem Liebeszauber aus. Als Beispiele für diese Tendenz aus neuerer Zeit vgl. die materialreiche Studie von Dickie, 2001, 162ff; ebenso präsentiert Haar, 2003, 35ff bei seiner Studie über Simon Magus wohl nach Zeitepochen getrennt Erwähnungen antiker „Magier“ in der antiken Literatur, trägt aber trotz sorgfältiger methodischer Vorüberlegungen einer Differenzierung in die Außensicht („das sind Magier“) und die Innensicht („ich betreibe Magie“) keinerlei Rechnung. 10 So beispielsweise bei Wellmann, 1928, der bei gelehrter und detailreicher Quellenkenntnis eine kritische Befragung der Zeugnisse vermissen lässt. 9

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Die Innensicht der Magie

denten und Träger der antiken magischen Literatur nennen würde, ist zweifelhaft wenn nicht gar unwahrscheinlich.11 – Oder: Sind die beiden Schelme Alexandros und Kokkonas, die von dem Spötter Lukian aus Samosata aufs Korn genommen werden (z.B. Lukian, Alex 5: sie „zogen umher und hauten mit Zauberei und Magie die „Dicken“ [VQW?LRCZGKL] übers Ohr“)12 wirklich „Magier“ im Sinne der Tradenten und Träger der Zauberliteratur? Hier wird doch „Magie“ eindeutig in polemischem Kontext gebraucht und muss keineswegs das sein, was die beiden wandernden Schelme selbst unter ihrer Tätigkeit verstanden haben. – Oder: Origenes berichtet in Cels 5,38 von einem in Alexandria wirkenden Ptolemaios, durch dessen Zauberkünste (OCIICPGKC) Sarapis in Erscheinung getreten sei; Ptolemaios wollte den Einwohnern Alexandrias einen leibhaftigen Gott zeigen. Auch hier ist, wie der weitere Kontext zeigt, der Begriff „OCIICPGKC“ deutlich in polemischem Kontext als Dämonenbeschwörung gebraucht – wie wissen nicht, wie jener Ptolemaios seine Tätigkeit selbst bezeichnet hatte; unter die „Magier“ jedoch ist er aufgrund dieser polemischen Notiz des Origenes trotz des Etikettes „OCIICPGKC“ nur mit großer Vorsicht zu rechnen. Also gilt: Keineswegs jeder, der in den antiken Quellen als „Magier“ bezeichnet wird, würde sich selbst als einen solchen genannt haben. Zweitens ist beobachtbar, dass aufgrund der unbestrittenen Nähe der magischen Überlieferung zum antiken Mysterienwesen Informationen über die Mysterienkulte in das Selbstbild der antiken Magier hineingerechnet werden. Seit Albrecht Dieterichs These, dass in magischem Umfeld, nämlich in PGM 4,475–829, eine „Mithrasliturgie“ greifbar sein könnte, wird der Zusammenhang von magischer Initiation und Mysterienpraxis breit diskutiert.13 In jüngerer Zeit hat beispielsweise Fritz Graf aufgrund dieser Affinsetzung die Initiation als Auftakt zum Magierdasein in Kompilation mit Informationen aus den Mysterienkulten detailliert beschrieben.14 Auch an dieser Stelle ist in methodischer Hinsicht Vorsicht angebracht. Darum fragen wir bei der nun folgenden Spurensuche primär nach den Selbstzeugnissen antiker Magier: Wo werden die Tradenten und Träger der antiken magischen Literatur selbst erkennbar? Meiner Meinung nach führen uns die Quellen zu drei Bereichen, in denen Menschen erkennbar werden, die sich selbst als „Magier“ bezeichnet haben könnten. Erstens ist es die 11

Vgl. seine Charakterisierung als Magier bei Dickie, 2001, 168f. Übersetzung nach Victor, 1997, 85. 13 Vgl. Dieterich, 1966; Betz, 1995, 169ff zieht als Vergleich Apuleius, Met 11 heran. Vgl. zum Text auch Merkelbach/Totti, 1992, 155–183 (Pschai-Aion-Liturgie). 14 Vgl. Graf, 1996, 83ff. 12

Spuren antiker Magier

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schon bei Herodot entfaltete Tradition der persischen „Magier“ die sich bis weit in die griechisch-römische Antike zieht. Zweitens und davon inhaltlich unabhängig zu betrachten sind es die Tradenten und Träger der Physikaliteratur, die drittens nicht mit den Trägern und Tradenten der Zauberpapyri identifiziert werden dürfen. Wir werden diesen drei Gruppen im Folgenden nachspüren. Die persischen Magier Die Terminologie „OCIGKCOCIQL“ ist von Persien in den griechischen Sprachraum eingedrungen15 und bezeichnete dort, im fernen Osten zunächst eine achtbare Kunst bzw. deren professionelle Anwender. Den ersten ausführlichen Bericht haben wir von Herodot über einen eigentümlichen Stamm bzw. eine Gesellschaft der persischen „Magier“ (Hist 1,101), die sich um die staatlichen Opfer (Hist 7,43.113f.191), geheime Grabriten (Hist 1,140), Orakelwesen und Traumdeutung (Hist 1,107f.120.128) kümmerten. Magier haben demnach – in dieser positiven Bedeutung – übernatürliches Wissen und können dies auch wirksam vermitteln – insofern ist auch die Nähe zur pädagogischen Tätigkeit der Magier, beispielsweise bei Ps-Plato, Alc 1,122a, immer wieder notiert. Diese Magier sind uns teilweise sogar namentlich überliefert. Bekanntes Beispiel ist der in der Suda, dem großen byzantinischen Lexikon, zweimal erwähnte „Astrampsychos“; er wird dort beispielsweise unter dem Stichwort „Magier“ unter die persischen Magier gezählt. Inwieweit dieser (wie auch Zoroaster) eine historisch greifbare Figur ist, wissen wir nicht.16 Ihm werden in Folge auch magische Texte zugeschrieben, die aus dem Bereich der Zaberpapyri (beispielsweise ein Liebeszauber) und in den Bereich der „Physika“ (beispielsweise eine Abhandlung über magische Steine) fallen. Doch weist die in der Suda notierte Tradition auf seine persische Herkunft hin, und dies wird auch durch sein Hauptwerk, ein umfangreiches Losorakel und das ihm zugeschriebene Fragment einer Traumdeutung, unterstützt. Jenseits dieses berühmten, doch in eine mythische Vergangenheit hineinragenden persischen Magiers sind uns deutlich greifbare Spuren historischer Magier aus Persien erhalten. Beispielsweise in einer zweisprachigen Inschrift (aramäisch – griechisch) aus Farasha (Rhodanos) in Kappadozien aus dem 2. Jh. BC ist zu lesen:17 15 Vgl. die Darstellungen bei Graf, 1996, 24ff; Delling, 1942; die Monographie von de Jong, 1997, behandelt diese Art der Magier ausführlich. 16 Sammlung aller ihm zugeschriebenen Texte mit Einleitung und Übersetzung bei Brodersen (Hg.), 2006. 17 CRAI 1908, 434ff; vgl. Cumont, 1989, 282 (Anm. 23 und 31); Nock, 1972, 320.

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6CICTKQL0CI>CHC@TPQWUVTCVJI>Q?@L $TKCTCOPGKCLG OCIGWUG0KST

Sagarios aus Magapharnos, Stratege von Ariamneia, wurde ein (oder fungierte als) Magier des Mithras.

Hier ist Magier wohl eine Funktionsbezeichnung, eine Art Amt, und wir können davon ausgehen, dass dieser Sagarios sich selbst als „Magier“ bezeichnet hatte und in der Tradition dieser persischen Magier stand. Auch etwa des Plinius Notiz in NH 30,16 vom Magier Tiridates (und dessen Kollegen), der dem Kaiser Nero den Triumph über Armenien überbringt und mit dem Kaiser, freilich ohne ihn in die magischen Mysterien einzuweihen, ein Mahl nach seiner Sitte hält, verweist auf diese persischen Magier. Der Magier ist hier einer, der zwischen Gott und Mensch vermitteln kann – und dies durchaus mit eigener selbstbewusster Gruppenidentität als Angehöriger einer speziellen Kaste – in diesem Umfeld wurzelt das positive Selbstbildnis der Magier in der griechisch – römischen Welt. Man könnte für diese Magiertradition eine Notiz aus Dion von Prusas „Magiermythos“ in seiner Borysthenes-Rede, Kap 41 als definitorischen Kristallisationspunkt anführen: Magier sind Leute, die sich auf die Verehrung des Göttlichen verstehen (G RKUVCOGPQWLSGTCRGWGKPVQ?FCKOQPKQP),18 was sicherlich eine Allusion an die Magiertradition aus Platos Alkibiades (122A) darstellt, die auch in der Apologie des Apuleius (25f), bei Diogenes Laertios (1,6) und im Neuplatonismus bei Porphyrios in Vit Pythag 6 und De abst 4,16 fortlebt. In der älteren einschlägigen religionsgeschichtlichen Forschung, vor allem im gelehrten Werk von J. Bidez und F. Cumont, waren die Quellen über die persischen Magier Anlass, hier den generellen historischen und auch definitorischen Ansatzpunkt für die antiken Magier zu suchen. Magie kommt dann aus dem Osten, ist dort in literarischer Tradition gepflegt worden und wurde in hellenisierter Form in der griechisch-römischen Mittelmeerwelt verbreitet.19 Neben den vielen kritischen Anfragen zu dieser These20 ist es vor allem die Einsträhnigkeit, die an dieser Stelle Anlass zur Kritik geben soll. Selbst wenn sich die Magie historisch vom Zoroastrismus ableiten sollte, so sagt dies über das Phänomen zur Zeit des neutestamentlichen Schrifttums überhaupt nichts aus. Wichtig für unsere Perspektive ist lediglich, dass es noch im Neuen Testament Reflexe über (positiv konno18

Nesselrath u.a., 2003, 52f. Vgl. Bidez/Cumont, 1938. 20 Vgl. die kritische Rezension von Nock, 1972 (1940), der seit seinem Aufsatz ders., 1972 (1933) zu einer einlinigen Verwurzelung des Magiebegriffs im antiken Griechenland tendiert und dabei gerade von vielen Neutestamentlern rezipiert wurde. Schärfer wird von Gordon, 1987, 74– 79, die Rückführung der Magie auf die Praxis persischer Magier als pseudohistorische Ätiologie des Hellenismus gesehen; vgl. die Diskussion bei Bremmer, 1999 (Wiederabdruck bei: ders., 2002); de Jong, 2003. 19

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tierte) Magier aus dem Osten gibt, und dies klingt in biblischem Umfeld wohl noch an zwei Stellen nach. Einmal in Dan 2,2.10, wo „OCIQK[...] VYP ;CNFCKYP“ zusammen mit Zauberern und Heilkundigen genannt werden. Obwohl die Magier in Dan 2 letztendlich versagen und den Traum des Königs nicht deuten können, lässt die Geschichte noch die ursprünglich positive Bedeutung der Magier als Traumdeuter am Königshof erkennen. Zweitens ist in der matthäischen „Weihnachtsgeschichte“ in Mt 2,1–12 ein durchaus positives Bild der Magier zu erkennen, das unten noch ausführlicher besprochen werden soll. Magier der „physika“ Vereinzelt sind Namen von Magiern überliefert, doch ist hier eine kritische Beurteilung der vorliegenden Zeugnisse unumgänglich. Grundlegend ist hier Plinius, NH 30,1–16, eine kleine Kurzgeschichte der antiken Magie aus der Sicht des Universalgelehrten Plinius, von der wir eine große Wirkungsgeschichte annehmen dürfen – beispielsweise wurde dieser Abschnitt von Apuleius in seiner Verteidigungsrede gegen die Magieanklage in Apol 90 herangezogen. Bei der Darstellung des Plinius und dessen Kurzreferate zu den eingesehenen Quellen wird die Buchgelehrsamkeit der Gewährsleute offensichtlich. Für Plinius wurzelt die Magie – unbeschadet jüdischen und keltischen Seitenzweigen – im persischen Zoroastrismus, und er nennt als frühe literarische Zeugnisse die Arbeiten eines Hermippos (3. Jh. BC) und des Osthanes vom Hof des Xerxes. Hier bezieht sich Plinius also auf die Tradition der persischen Magier, die für ihn historisch als grundlegend angesetzt wird. Doch zusätzlich scheint er auch noch auf eine andere Gruppe von Magiern als die persische Priesterkaste zu verweisen. Besondere Aufmerksamkeit sei auf NH 30,9 gerichtet, wo von Demokritos erzählt wird, dieser habe von Apollobeches aus Koptos und von Dardanos aus Phönikien geschrieben und darum nach deren Schrifttum geforscht. Diese Magier, von denen wir sonst kaum etwas wissen, haben sich literarisch geäußert, teilweise in geheimen Schriften. Besonders ist hier Bolos zu nennen, dessen literarischer Nachlass aus Anlass zu einer gewissen Wirkungsgeschichte bietet. Was sind nun die Inhalte dieser Schriften? Wellmann, 1928, verweist hier auf die Gattung der „physika“, die schon oben als eigene Traditionsgattung der Magica vorgestellt wurde.21 In der Tat machen die Zusammenstellungen bei Plinius, NH 30,16ff ebendiesen Eindruck. Es geht hier vornehmlich um die Wirkkräfte der Natur, die Wirkkräfte bestimmter Rituale und Zaubernamen, wie sie uns 21

Vgl. oben, S. 66.

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dann in den erhaltenen Zauberpapyri erscheinen, scheinen darin nicht vornehmliches Thema zu sein. „Magier“ sind in diesem durch Plinius überlieferten Zusammenhang Autoritäten, die sich mit der sympathetischen oder antipathetischen Kraft der Natur auskennen und diese Kenntnis schriftlich tradieren: Es sind die Nutzer und Tradenten der Physika-Literatur. Magier der Zauberpapyri Wenn wir in den PGM selbst nachsehen, so sind dort einige Namen aufgeführt, die wohl historische Magier sein könnten. In PGM 4,2445–2455 (4. Jh. AD) heißt es: Rauchopfer (G RKSWOC): vorgeführt hat es Pachratês, der Prophet (RTQHJVJL) aus Hêliopolis, dem König Hadrianos, wobei er ihm die Wirkung seiner göttlichen Magie bewies. Denn er zwang herbei in einer Stunde, machte krank innerhalb zweier Stunden, tötete binnen sieben Stunden, sandte dem König selbst Träume, als er die ganze Wahrheit seiner Magie erwies. Dieser bewunderte den Propheten und befahl, ihm doppelten Lohn zu geben.22

Dieser Text ist durch die Nennung Kaiser Hadrians zu Beginn des 2. Jh. AD datiert und nennt einen „Propheten“ namens Panchrates, der allerdings deutlich zu den Tradenten und Trägern der Zauberliteratur zählt. Dessen Attributierung als „Prophet“ (und nicht als „Magier“) mag nicht stören oder verwundern. Man könnte hier durchaus an eine Selbstbezeichnung des Panchrates denken, die im paganen Bereich Assoziationen des Numinosen eröffnete, denn „Propheten“ werden die Priester im Heiligtum Delphis (und auch an anderen Orakelstätten) genannt. Dion von Prusa nennt Magier und „Propheten der Musen“ in der Borythenes-Rede, Kap 42, gleichermaßen als Tradenten der Mysterienliteratur. Als weitere Notizen, die als Bezeichnungen echter Magier gelten können, wären zu nennen: Die Syrerin aus Gadara mit ihrem Mittel gegen Verbrennung und die Thessalerin Philinna mit ihrem Zauber gegen Kopfschmerzen in PGM 20 (2./1. Jh. BC), von einem gewissen Agathokleus ist in PGM 12,107ff (300–350 AD) ein Traumsendezauber überliefert, ebenso im gleichen Papyrus ab Zeile 122 eine Traumsendung eines Zimios von Tentyra, ab Zeile 95 ein Rezept eines Himerios,23 ab Zeile 337 ein Rezept eines Uphor, ein (aus Plin, NH 30,9 bzw. Apuleius, Apol 90 bekannter) Apollobex gebrauchte einen bis Zeile 121 notierten Zaubernamen. Von einem Astrapsukos ist in PGM 8,1ff (4. 22

Betz, 1986, 83 bemerkt z.St., dass Pankrates mit dem gleichnamigen Magier in Lukians Philops 34 identisch sein könne. 23 Es gibt keinerlei Hinweise, dass hiermit der bekannte antike Tierarzt Himerios genannt ist, vgl. den entsprechenden Artikel in PRE 8,2 1635.

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oder 5. Jh. AD) ein Liebeszauber notiert.24 Ein gewisser „Thphe, der Hierogrammateus“ hat lt. PGM 13,958 (346 AD) einen bestimmten heiligen Namen, der in einer Schrift an König Ochos notiert war, in bestimmter Weise ausgesprochen. In PGM 4,2427ff (4. Jh. AD) zieht der Kompilator neben einer anderen explizit genannten Vorlage als Autorität einen gewissen Epaphroditos heran.25 Im gleichen Papyrus ist ab Zeile 3003 ein erprobtes Mittel für Besessene aus der Feder eines gewissen Pibeches erwähnt. Das „Mondräucherwerk“ eines gewissen Klaudianos ist ab PGM 7,862 (3. Jh. AD) beschrieben.26 Diese Namen weisen auf Personen aus dem Tradentenkreis der Zauberliteratur hin und beziehen sich damit auf echte Magier. Im Unterschied zu den Zeugnissen der „physika“-Literatur geht es hier weniger um Wirkmächte der Natur, sondern um wirkmächtige Namen und Rituale. Ein Magier ist hier eine Autorität, die Kenntnisse über wirkmächtige Namen und Riten hat und diese schriftlich tradiert. Freilich ist auch hier Vorsicht geboten, da innerhalb der Zauberliteratur die Tendenz besteht, auch breit bekannte Autoritäten nachträglich einer „interpretatio magica“ zu unterziehen und diese dann der magischen Gemeinschaft einzuverleiben. In dieser Hinsicht sind des Öfteren auch die Namen des Mose und des Salomo zu lesen, und wenn etwa in PGM 7,795ff (3. Jh. AD) Traumsendungen nach Pythagoras und Demokrit beschrieben sind, dann aus dem gleichen Grunde. Doch abgesehen davon ist es bei den oben genannten, uns heute nicht mehr bekannten Trägern der zitierten Namen sehr wahrscheinlich, dass sie auf Autoritäten des Tradentenkreises der Zauberliteratur und damit auf Magier bezogen sind. Spuren von Relikten magischer Tätigkeit Da jedwede sprachliche Tätigkeit nicht nur Informationen übermittelt, sondern auch als „Symptomfunktion“ Rückschlüsse auf den Sprecher zulässt, ist es methodisch angebracht, bei den Relikten der antiken Magie – bei den Amuletten, den Fluchtäfelchen und in den Zauberpapyri etwa – nach den Spuren antiker Magier zu suchen. Hierbei ergibt sich jedoch wieder ein methodisches Problem: Wie können wir sicher gehen, das ein entsprechender magischer Text wirklich von einem professionellen Magier und nicht von einem „Dilettanten“ nach magischer Machart angefertigt wurde? Obwohl dieses Problem im Einzelfall kaum gelöst werden kann, ist 24

Vgl. hierzu PRE 2,1796f. Vgl. hierzu Reitzenstein, 1904 (1966), 366. 26 Vgl. hierzu Fauth, 1998. 25

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doch aufgrund einiger Kriterien ein gewisser Wahrscheinlichkeitsgrad zu erwarten: Einmal weist der Gebrauch magischer Formeln zumindest auf eine Vertrautheit mit der magischen Tradition hin. Auf Professionalität kann dabei aufgrund des Verbreitungsgrades bestimmter Formeln – beispielsweise der „Ephesia Grammata“ oder einzelner Zauberworte („Abrasax“, „Iao“) nicht geschlossen werden – nicht jeder, der heute etwa „Hokuspokus“ sagt, verdient sein Geld mit Wahrsagerei. Mehrere Täfelchen mit ein- und derselben Handschrift weisen auf einen Profi hin – gerade dann, wenn mehrere Namen von Auftraggebern oder Verfluchten ersichtlich sind; man hat es dann mit einem Magier zu tun, der mehrere Kunden betreute. Beispiel: D. Jordan beschrieb 12 der in „well V“ auf der Athener Agora gefundenen 17 Bleitäfelchen, die alle aus einer geübten Hand (Schreiber A) stammten, die auch Täfelchen aus „well“ III, VII und IX verfasst hatte; hier dürfte die Handschrift eines professionellen Magiers vorliegen, der die Täfelchen als Auftragsarbeit verfasst hatte.27 Hierbei sind besonders Tafel 8 und 9 zu nennen: Mit dem gleichen Verfluchungsformular soll in Täfelchen 8 die Zuneigung zweier Männer zu einer Frau, in Täfelchen 9 die ebendieser Frau zu ihrem Geliebten unterbunden werden: Tafel 8: %YTHYTDCDCTHQTDC>T@ DCTHQTDCD>CTHQ@TDCDCKJ MTCVCKG?%>GRVWRC@TCFKFYOKUQK /GQUSGPJPMCK?3G>KQP@ VQW?LRTQUGTZQOGP>QWL ,QWNK@CP  G VGMGP0CTMKC K PCM>C@VC[WELCW VQW?L MC>K?VJ?PIPY@OJP[]

(Zauberworte) mächtiger Bepty, ich übergebe Dir Leosthenes und Pelion die sich Juliane zuwenden, der Tochter der Markia, damit du ihren Verstand verdorren lässt.

Tafel 928 DYTHQTDCDCTHQTDC>@TDCDQTCTDCD>CKJ  MTCVGG@%GVRWRCTCFKFYOKUQK ,QWNKCPJ?PJ? PG VG>MGP0CTMKC@ MCK?3QNWPGKMQP K PCMCVC[WELCW VQW>L MCK?VJ?PIPY@OJP[]

(Zauberworte) mächtiger Bepty, ich übergebe Dir Juliane, die Tochter der Markia, und Polyneikos damit du ihren Verstand verdorren lässt.

Man könnte hier spekulieren, dass ein eifersüchtiger Liebhaber Julianes mit Hilfe eines professionellen Magiers zuerst deren bestehende Partnerschaft zerstören wollte (Täfelchen 9), und dass im Gegenzug diese Juliane einen

27 28

Jordan, 1985, 210f. Jordan, 1985, 225–228.

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Gegenzauber gegen diesen Fluch in Auftrag gab – und zwar beim gleichen professionellen Magier! Weiterhin lassen sich an der fehlerhaften Benutzung der Zauberliteratur bei einem konkreten Zauber Laien erkennen. Dies ist ein indirekter Hinweis darauf, dass wir mit Abstufungen der Professionalität bis hin zum Dilettantismus zu rechnen haben.29 Jenseits der oben berücksichtigten literarischen Quellen lassen auch archäologische Zeugnisse auf Tätigkeiten antiker Magier schließen. Dies ist v.a. dann der Fall, wenn archäologische Funde wie Defixionstäfelchen, „Bettelmännchen“ oder Amuletttexte auf Formulare zurückgehen, die auch in den Zauberpapyri belegt sind. Obwohl niemand den Beweis antreten könnte, dass hier ein Anwender aus einem bestimmten erhaltenen Papyrus abgeschrieben hat, sind derartige Übereinstimmungen zwischen den Katalogen der Zauberpapyri und den Anwendungsformen der Defixionen und Amuletten Hinweise auf Benutzung schriftlich fixierter Formen. Beispiel für Benutzungshinweise auf Defixionen oder Amuletten: So ist der Bindezauber aus PGM 4,337ff auf mehreren ägyptischen Metallplättchen belegt, die wohl von PGM 4 oder einer verwandten Rezension abgeschrieben wurden.30 Hierbei ist – wie beispielsweise bei dem Bleiplättchen aus Antionoupolis (SEG 26.1717) zu beobachten –, wie die „Leerstelle“ der allgemeinen Vorlage (FGKPC) mit einem konkreten Namen gefüllt wurde. Die Umsetzung einer allgemeinen Zauberanweisung in der konkreten Praxis ist damit gut nachweisbar. Auch die 1891 von L. Macdonald veröffentlichten 16 zyprischen Bleitäfelchen (3. Jh.) sind alle von der gleichen Art und benutzten das gleiche Basisformular.31 Die Liste der Zauberworte des MacDaniel Phylakteriums Pl. IV.1 (4. Jh. AD) hat die gleiche Vorlage wie PGM 19a, 6–9 (4./5. Jh. AD)32 (Thotho – Logos). Schließlich sind auch „Zaubergeräte“ aus römischer Zeit zu erwähnen, die bislang zweimal gefunden wurden, in Apamea33 und in Pergamon.34 Diese rätselhaften Geräte können hier nicht eingehend besprochen werden, werden aber gemeinhin als Divinationsgeräte antiker Magier interpretiert.

29

Vgl. SEG 7,213; Abdruck, Einleitung und engl. Übersetzung bei Gager, 1992, 53–56, besprochen oben S. 35. 30 Vgl. Gager, 1992, 97ff. 31 Jordan, 1994, 131ff schließt darum auf einen professionellen Magier bzw. auf eine eng zusammenarbeitende Magiergruppe, die das gleiche Handbuch benutzt hat. 32 Heintz, 1996. 33 Donnay, 1984. 34 Das bei den deutschen Ausgrabungen 1886–1898 gefundene Zaubergerät hat bislang die größte Wirkungsgeschichte entfaltet, vgl. der eingehende Besprechung von Wünsch, 1905, weiterhin Agrell, 1936; Barb, 1964, 112; Mastrocinque, 2002; Gordon 2002.

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Auf diesem Hintergrund könnte man aus den Spuren der magischen Publizistik m.E. folgende Aussagen über „Magier“ in griechisch-römischer Zeit machen: – Die „Berufsprofile“ der Magier sind nicht einheitlich, was bedeutet, dass

– –





sich verschiedene Menschengruppen selbst „Magier“ genannt haben könnten. Hier sind zunächst die klassischen „Magier“ im Traditionsstrom der persischen Priesterkaste zu nennen, deren Funktion es ist, professionell zwischen Göttern und Menschen zu vermitteln. Weiterhin können wir je nach literarischem Genre zwischen Fachleuten auf dem Gebiet der geheimen Wirkkräfte der Natur und Fachleuten auf dem Gebiet der magischen Namen und Riten unterscheiden. Spuren für deren professionelles Handeln sind aus der Publizistik der magischen Literatur und aus archäologischen Quellen erschließbar. Magier stehen in einer Tradition von Schriftgelehrsamkeit und beziehen ihr Wissen aus Literatur, die sie benutzen und weiter schreiben. Dies erscheint mir aufgrund der Lektüre der griechischen Zauberliteratur offensichtlich – die direkten Hinweise auf Exzerpte bzw. Kompilationen von Riten und Formeln sind ohne literarische Benutzung schon vorhandener Zauberbücher nicht denkbar. Ebenso ist die Spezialisierung der magischen Fachsprache im Rahmen des Griechischen ein Hinweis auf Schriftgelehrsamkeit und Tradierung des entsprechenden Materials. Diese These hat zur Folge, dass wir eine Initiation eines Magiers, wie es beispielsweise Graf aufgrund einer ergänzenden Heranziehung von Zeugnissen auf der Mysterienpraxis herangezogen hatte, nicht zwingend annehmen müssen.35 Auf die Frage: „Wie wird man eigentlich Magier?“, wird man nicht mit einem Hinweis auf einen Initiationsritus beantworten müssen. Es genügt die Kenntnis der Tradition (vielleicht konkret weniger Zaubertexte) und die – möglicherweise öffentlichkeitswirksam glaubhaft gemachte – Professionalität der Anwendung. Die Zauberpapyri sind darauf angelegt, um angewendet zu werden. Wenn wir „Magier“ als Nutzer und Tradenten dieser Art Literatur betrachten, so können wir als situativen Hintergrund derartiger Anwendungen den Kundenkontakt des Magiers mit seinem Auftraggeber annehmen. Beispielsweise die Namensleerstelle bei den Zauberformeln („VQ?FGKPC“ = jeder x-beliebige Namen): Der Leser bzw. Anwender dieser Zauberformeln konnte jedweden Namen einsetzen und damit auch jeden Kunden betreuen.36 Die Überschriften der einzelnen Logoi dieser 35

Vgl. Graf, 1996, 91ff. Die professionalisierte Magie hat ein Experten-Klienten-Verhältnis zur Folge, vgl. die Ausführungen von Edwards/McCollough, 1997, 144 im Zusammenhang mit dem Fieberamulett von Sepphoris. 36

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Sammlungen weisen ebenso auf die Anwendung hin: Damit wird dem Magier die Suche nach der richtigen Zauberformel erleichtert. – Die Bereiche, in denen Magie betrieben wird, lassen auf die soziale Funktion der Magier schließen. Liebeszauber, Magie bei Gericht und bei Wetten, Verfluchungen persönlicher Gegner, Krankheit, Tod, Rache – in diesen Bereichen des täglichen Lebens wird Magie in Auftrag gegeben und auch angewendet. Der Magier hat hier eine Funktion zu, die in moderner Zeit von Psychologen und Beratern übernommen wird, er kümmert sich kompetent um die Sorgen und Nöte derer, die bei ihm anklopfen. Es ist zu überlegen, ob der Magier hier nicht analoge Funktionen wir der Lebenshilfe spendende antike Philosoph einnimmt.

Magie und Magier im Neuen Testament Spuren magischer Handlungen oder magischer Literatur im NT? Seit der Entfaltung der Religionsgeschichte ist immer wieder auf die Nähe einzelner Aussagen des NT zu magischen Formeln oder Überlieferungen hingewiesen worden – Adolf Deißmanns allseits bekanntes „Licht vom Osten“ mag hier als wichtige Wegmarke genannt werden; damit kann es als schon Jahrzehnte geltenden Grundkonsensus angesprochen werden, dass das frühe Christentum nicht frei von magischen Elementen war.37 In der neueren Forschungsgeschichte macht sich die Magiefrage inhaltlich zumeist an den Wundergeschichten und Exorzismen fest, wie es an den Titeln einschlägiger Studien der letzten Jahre erkennbar ist.38 Die Magiefrage steht dann in einem Dreieck zwischen der Frage nach Wundertätern, Heilungen und Exorzismen und wird damit an andere Phänomene gekoppelt und nicht eigenständig betrachtet – aus dieser Perspektive heraus mag es verständlich sein, wenn die folgende zumeist der neueren Forschungsgeschichte entnommene Aufzählung einzelner „magischer“ Element im NT keineswegs den Eindruck der Einheitlichkeit vermittelt – eine Anwendung eines eigenständigen Magiebegriffes auf das NT, der unabhängig von Phänomenen wie Heilungen oder Exorzismen entwickelt wurde, fehlt noch bislang. Ein besonders exponiertes Beispiel für die Rekonstruktion magischer Zusammenhänge im NT bot 1978 (drei Jahre später auch in einer deutschen Übersetzung) Morton Smith mit seiner Studie „Jesus the magician“, das mit folgenden Spitzenaussagen resümiert werden kann: Der historische Jesus 37

Vgl. Brox, 1974. Vgl. etwa Becker, 2002 (Magie, Wunder, Wundertäter, Dämonismus), Kollmann, 1996 (Magie, Medizin, Schamanismus); Kee, 1986 (Magie, Medizin, Wunder). 38

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war ein Magier, dessen religionsgeschichtlicher Rahmen weniger durch das zeitgenössische Judentum als vielmehr durch die antiken Wandermagier beschreibbar ist39. Smith rekonstruiert aus der in den Evangelien greifbaren Polemik gegen ihn (hier spielt der Beelzebul-Vorwurf Mk 3,20f eine große Rolle) einerseits und der Wunder- und Exorzistentätigkeit andererseits ein „magisches“ Jesusbild, das er mit einer Vielzahl von Einzeluntersuchungen plausibel zu machen versucht.40 Seine These hat die Forschungsgeschichte zwar keineswegs geprägt, aber dennoch lange Zeit fasziniert, und es spricht m.E. für die Qualität seiner Arbeit, dass er immer noch, wenn auch kritisch, rezipiert wird. Neben dieser recht großflächigen Studie von M. Smith wurde an einigen Einzelstellen des NT „magisches Gedankengut“ als Hintergrund vorgeschlagen;41 die folgende Liste führt einige Beispiele auf und skizziert dabei stets auch eine Alternativdeutung. – Mk 1,25: Jesus befiehlt einem Dämon zu verstummen und auszufah-

ren,42 parallel zu Acta 16,18, ActPetr 11, ActThom 73f, 77 PGM 5,158, PGM 4,1242–1244. In den von Macdonald, 1891 publizierten Bleitäfelchen von Amathus/Zypern ist in Täfelchen Nr.7 von einem HKOYVKMQ?P MCVCSGOC die Rede.43 Alternativ: Befehl an die Dämonen als Teil einer „Mandatio“. – Mk 1,24: Der Dämon wehrt sich wie in Acta 19,16, TSal 1,12, Luc, Philops 31, PGM 8,13f.44 Alternativ: Traditionsgeschichtliche Auslegung womöglich mit 1Kön 17,18 oder semitischer Hintergrund der Formel „Was hast Du mit uns zu schaffen: FNY[NJO.45 – Mk 1,31: Die Handauflegung bzw. Berührung hat viele Parallelen in der Umwelt: Plut Sulla 35, PastHerm Vis 1,4,2, Vit Apol 3,39; 4,45 Suet Vesp 7, Tac Hist 4,81 Apuleius, Met 11,22,6 und kann als magische Kraftübertragung verstanden werden46 Alternativ: pneumatische, keine magische Kategorie; Berührung durch eine überirdische Gestalt als besonderer Gunsterweis.47 39 Vgl. die zusammenfassende Rekonstruktion vom Leben des Magiers Jesus bei Smith, 1981, 235ff. 40 Zur kritischen Darstellung seiner These vgl. Bühner, 1983 sowie Busch, 2001. 41 Vgl. beispielsweise die Liste bei Öhler, 1997, 148, Anm. 207 und 208. Nach Öhler werde „das magische Denken der frühen Christen“ in der Diskussion um das Götzenopferfleisch, im „massiven Dämonenglauben“ oder bei der Vikariatstaufe „offenkundig“. 42 Zur Auslegung Twelftree, 1993, 57–71. 43 Vgl. Jordan, 1994a, 143. 44 Vgl. Bauernfeind, 1927, 14f; Kollmann, 1996, 203. 45 Vgl. Twelftree, 1993, 63f mit Vergleichsmaterial. 46 Vgl. Böcher, 1970, 171f. 47 Vgl. Leutzsch, 1998, 393 (Anm. 132) zu Past.Herm vis 1,4,2.

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– Mk 3,20–30 par. Mt 9,34ff; Lk 11,14ff, der Beelzebulvorwurf, ist nach

M. Smith auf dem Hintergrund eines berechtigten jüdischen Magieverdachts gegen Jesus zu lesen.48 Alternativ: G. Twelftree49 sieht sich aufgrund des unterschiedlichen Redaktionsgutes bei der Nennung der Ankläger außerstande, die Anklage an einzelnen Gruppen festzumachen. Beelzebul ist für ihn – aufgrund der gelegentlichen Gleichsetzung von ND\ und ][O im Alten Testament (1Kön 8,13 = 2Chron 6,2; Jes 63,15; Hab 3,11) und einzelnen Qumranschriften (1QM 12,1; 1QH 11[3],34) – als „Herr der Fliegen“ pejorisierte Parallele zu „Herr des Himmels“. Jesus sei damit vom Gegenspieler Gottes inspiriert. Die Pointe der Q-Version sei, dass Jesus die Geister mit der gleichen Macht wie die jüdischen Exorzisten (Eure Söhne) austreibt.50 – Mk 5,9: Namenserfragung als jüdische magische Variante wie bei PGM 4,3037–42; Lukian, Philops 16, Theophil, Autol 2,8, ActThom 74 TSal 2ff.51 Alternativ: Namenserfragung üblicher Teil eines Dialogs. – Die Zaubersprache (T JUKLDCTDCTKMJ)52 in Mk 5,41 (Thalita Kum) und in 7,34 (Hefata).53 Parallelen: Lukian, Philops 9.31; Plinius, NH 28,20, Apuleius, Apol 38 Clem Alex, Strom 1,143,6 Orig, Cels 1,24f; Cels 6,40; Orig, Comm in Mt 26,63; Philostrat, Vit Apol 4,45; PGM 4,3084f; 5,475f; Lukian, Alex 13; Iren Haer 1,21,3 ActPhil 132. Alternativ: Die Zaubersprache ist bis zum 1. Jh. auf den Fluchtäfelchen nicht sehr ausgeprägt.54 Es ist hingegen mit Aramaismen und Volksetymologien zu rechnen. – Gal 2,20: Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir ist mit Röm 15,18 (Christus durch mich gewirkt), 1Kor 5,3ff: (Mein Geist plus Kraft des Herrn in mir: Mensch dem Satan übergeben) parallel zu Mk 6,14 (Johannes d.T. ist von den Toten auferstanden, deswegen wir-

48 Vgl. Smith, 1981; mit anderer Argumentation erkennt Neufeld, 1996, auf sozialgeschichtlichem Hintergrund den Besessenheitsvorwurf von Jesu Familie aus der Notiz „sie konnten nicht essen“ begründet, da Nahrungsaskese Zeichen von sozialer Derivation sei. Jesus habe sich damit gegen seine Familie gestellt. Dies sei auch ein typisches Kennzeichen für Magier, wie aus den PGM erwiesen wird, Vgl. weiterhin die Darstellung der Forschungsdiskussion bei Dwyer, 1996, 104–108. 49 Twelftree, 1993, 104ff. 50 Twelftree, 1993, 107. 51 Vgl. Kollmann, 1996, 207f. 52 Die Nähe zur magischen Zaubersprache bei seinen Exorzismen betonen Aune, 1980, 1532; Twelftree, 1993, 153. 53 Zu Effata vgl. Kollmann, 1996, 233f (mit Literatur). 54 Vgl. Gager, 1992, 5.

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ken solche Kräfte in ihm) als nekromantische Magie verstehbar.55 Ebenso könnte Joh 11,1–44, die Auferweckung des Lazarus, als nekromantische Praxis verstanden werden. Die Auferweckung des Lazarus ist in byzantinischer Zeit in magischem Kontext belegt, beispielsweise auf christlich-gnostischen Amuletten.56 Alternativ: Die Paulusstellen sind im Rahmen einer Christusmystik verständlich; Mk 6,14 als Wiedergabe einer identifikatorischen Akklamation, die Auferweckung des Lazarus als Erweis der Vollmacht des Sohnes. Mk 6,45–52: Der Seewandel zeigt Parallelen zur antiken Magie:57 Der hyperboreische Magier in Lukian, Philops 13, der Korkfüßler in Lukian, VH 2,4 können dies; der Parhedros in PGM 1,42ff kann Flüsse und Meere auf der Stelle gefrieren lassen, ebenso PGM 34,7ff. Alternativ: Naturwundererzählung. Lk 4,39: Das Fieber wird personal gesehen, und Jesus gebietet ihm auszufahren. Hier ist eine Parallele zu dem möglicherweise als Fragment eines jüdischen Zauberbuches anzusprechenden 4Q560 möglich, in dem – nach der Deutung einiger Ausleger – der Fieberdämon ebenso personal dargestellt wird.58 Auch hat der Ausdruck Q RWTGVQ LOGICL (lukanische Redaktion) Parallelen bei zahlreichen Fieberamuletten (JDTJ ).59 Alternativ: Deutung als Exorzismus, nicht als magische Handlung Lk 10,19: „Macht, auf Schlangen und Skorpione zu treten“: Dies ist noch im 20. Jh. in Ägypten im magischen Zusammenhang lebendig, wie ein bohairischer Schutzspruch gegen Skorpione von 1932 zeigt.60 Alternativ: Metaphorik der Macht. Joh 18,30: Die Anklage gegen Jesus vor Pilatus „Wäre er nicht ein MCMQ?PRQKYP (Übeltäter)“ kann als Magieanklage verstanden werden.61 Alternativ: Nicht jeder Übeltäter ist ein Magier, es handelt sich um persönliche Diffamierung.

55

Vgl. Smith, 1981, 64–66. Zur Nekromantie in der atl. Tradition vgl. Becking, 1996; Podella,

1997. 56

Das Amulett bei Bonner, 1950, fig. 339, 225.310 wurde später veröffentlicht bei Goodenough, Bd. 2, 1953, fig. 1057, 232. Ein weiteres Amulett ist besprochen bei Gitler, 1990, 369ff. 57 Vgl. Kollmann, 1996, 275. 58 Vgl. Wise/Abegg/Cook, 1997, 459; Penney/Wise, 1994, 642 beziehen sich bei gleicher Argumentation eher auf die Mk- und Mt-Stellen; allerdings ist die Lesart von 4Q560 1,4 nicht unumstritten. 59 Darauf wiesen Edwards/McCollough, 1997, 145 bei der Edition des Fieberamuletts von Sepphoris hin (vgl. auch das Bronzeamulett von Horvat Kannah bei Naveh/Shaked, 1993, 60ff). 60 Vgl. Schulz/Kolta, 1998. 61 Smith, 1981, 76.

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– In Acta 12,7 entweicht Petrus ohne Schlüssel, in 16,27 Paulus. Wird hier

ein magisches Motiv aufgenommen? Belegstellen: Arnobius, Ad nat 1,43: ohne Schlüssel öffnen, was verschlossen ist (das tun die Magier). Philostrat, Vit Apol 8,5, dort entschwindet Apollonios aus dem Gerichtssaal wie Pythagoras in Iamblichos, Vit Pyth 217 vor dem Tyrannen. Auch bei Apuleius, Met 1 und PGM 13,327.1065, 12,161; 4,447. Alternativ: Befreiungswunder, kein magisches Handeln. – Paulus gebraucht an manchen Stellen Vokabular, das auch in der Magie vorkommt. So ist die Form „anathema“ als Verfluchungsformel in 1Kor 12,3; 16,22; Gal 1,8; Röm 9,3 belegt; diese Form begegnet auf einer Defixionstafel aus Magara (1./2. Jh. AD): MCVCITCHQOGPVQW?LG MCKRJPҏҠ [...] GK VQW?LCW VC?MCK?C PCSGOCVK\QOGPCW VQWL.62 Auch bei Gal 3,1: „Oh ihr unvernünftigen Galater! Wer hat euch verzaubert (G DCUUMCPGP), denen doch Jesus Christus als Gekreuzigter vor Augen gestellt wurde?“ kann G DCUUMCPGP in Verbindung mit dem „Bösen Blick“ gebracht werden.63 Alternativ: Der Gebrauch von Formeln, die auch in magischen Texten vorkommen, sagt noch nichts über die Benutzung magischer Literatur oder magischer Traditionen aus. Die Verfluchungsformel beispielsweise kann auch in der alttestamentlichen Tradition von „Fluch und Segen“ gesehen werden. – Aus manchen Äußerungen der paulinischen Briefe könnte auf magische Vorstellungen in den paulinischen Gemeinden geschlossen werden; Beispiele: 1Kor 8,9–13: Die „Schwachen“ sind von magischer Angst gegen Götzenopferfleisch befallen.64 1Kor 11,10: Frauen brauchen Kopfbedeckung beim Beten: „sichtliche magische Denkmuster“.65 Alternativ: Hier liegt Angst vor Dämonen vor, und diese ist eher im Rahmen der zeitgenössischen Dämonologie und weniger im Rahmen der Magie deutbar. – Gal 6,17, die „Male Christi“, werden von M. Smith mit magischen Tätowierungen in Verbindung gebracht, parallel zu PGM 7,222–232; 8,65ff.66 Wie G. Twelftree dargestellt hat,67 wurde dieser Gedanke schon von Deißmann und Lietzmann in seinem Galaterkommentar vorbereitet, die des Paulus Worte als Metapher sahen, die in einem demotischen Zauberpapyrus Analogien hatte. Im Gegensatz dazu sieht Smith den ent62

Wünsch, 1912, 5; vgl. Gager, 1992, 183f. Vgl. Rakoczy, 1996, 217ff. Neben Mt 6,23 finde in Gal 3,1 die Tradition vom „Bösen Blick“ Einfluss ins Neue Testament; dort werfe Paulus den Galatern vor, sie seien vom Glauben abgefallen, wie wenn jemand einen Bösen Blick auf sie geworfen hätte. 64 Brox, 1974, 158 (ohne begriffliche Trennung von Magie und Aberglaube). 65 Brox, 1974, 159f. 66 Smith, 1981, 87. 67 Twelftree, 1993, 192f. 63

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sprechenden Ausdruck nicht metaphorisch, sondern real. Dies hat seine Vorgeschichte bei Dölger,68 der zu Gal 6,17 Herodot 2,113 als „viel kräftigere Parallele“ (als Deißmanns Papyrustext) vorschlägt: Dort erzählt Herodot von einem Heraklestempel in Ägypten; ein dort hinein flüchtender Sklave, der sich die „UVKIOCVCK GTC“ aufdrücken lässt, darf nicht angerührt werden. Dölger denkt hier an Tätowierung. Alternativ: Die Stelle wird schon in ActPl 8,3,35 nichtmagisch interpretiert; die „Male Christi“ können auf eine Krankheit des Paulus hinweisen. – Ist der Aufhalter in 2Thess 2,6 ein Festhalter wie Hermes in der Magie? Beispielsweise in einem Bleiamulett aus Kalystos/Griechenland, (4. Jh.): 69 Liebeszauber: MCVCITCHY (K UKCFCVJ?P $W VQMNGCLRTQ?L VQ?Pҏ Ҟ(TOJVQ?PMCVQZQPMCVGZGCW VJ?PRCTC?UCWVQP (ich fixiere schriftlich die Isiada, Tochter der Autoklea, bei Hermes, dem Aufhalter: Halte sie fest bei dir!). Alternativ: Der Aufhalter steht nicht in der magischen, sondern in der apokalyptischen Tradition im Sinne der Verzögerung der Endzeit. – 2Thess 2,8: Jesus tötet den Anomos durch den Hauch seines Mundes. In PGM 4,3081ff bläst der Magier auch jemanden gesund, in der Polemik gegen Jesus in Orig, Cels 1,68 blasen ägyptische Magier Krankheiten weg. Alternativ: Das Töten durch den „Hauch seines Mundes“ ist in der Wirkungsgeschichte von Jes 11,4b LXX zu sehen. Allein die doch recht große Menge der angeschnittenen Textstellen zeigt, dass die Nähe des NT zur Magie vielerorts erwägbar ist. Die Frage ist nur, was das konkret bedeutet. Meiner Auffassung nach zeigen diese Textstellen nichts anderes als die Tatsache, dass das NT ebenso wie der Löwenanteil der zitierten Parallelstellen im zeitgenössischen religiösen Vorstellungsrahmen verortbar ist, bei dem die Magie auch eine gewisse Rolle spielt. Ein eindeutiger Hinweis, dass sich ein Autor der neutestamentlichen Schriften explizit in den Traditionskreis der magischen Literatur einfügt und aus dieser seine Traditionen schöpft, ist bislang nicht erweisbar. Es ist kein „Logos“, kein Zauberspruch sezierbar, der einem Zauberbuch entnommen sein oder einer eindeutigen mündlichen magischen Tradition entsprungen sein könnte. Es ist keine „Praxis“, keine Zauberhandlung, erkennbar, die ihren Ursprung in einer magischen Tradition hat – hieraus haben die neutestamentlichen Autoren anscheinend nicht geschöpft; eine Kenntnis dieser Literatur lässt sich erst bei Irenäus nachweisen, etwa in seinem oben zitier-

68 69

Dölger, 1911, 50f. Texte bei Jordan, 1985a, 64; Faraone, 1991, 3; vgl. Gager, 1992, 86f.

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ten Katalog magischer Formeln,70 oder etwas später bei Hippolyts „Refutatio“, in der intime Kenntnisse der magischen Literatur erkennbar sind. Unbeschadet dessen, dass wir in den neutestamentlichen Schriften keine Spuren der Benutzung magischer Literatur eindeutig konstatieren können, werden doch an zwei Stellen eindeutig „Magier genannt, nämlich in Mt 2 und Acta 13.71 Die Magier in Mt 2 Die Kindheitsgeschichten des Matthäusevangeliums sind für die Frage nach „Magie“ im neutestamentlichen Christentum wichtige Zeugen, zumal hier Magier in durchaus positivem Zusammenhang auftreten; die Frage ist allerdings, über was diese Zeugen konkret Auskunft geben: Über eine Würdigung der Magie bzw. der Magier, oder über antimagische Apologie? Tradition und Redaktion in Mt 2 In der Forschungsgeschichte zu Mt 2 wird, bis auf wenige Ausnahmen, von einer Verarbeitung traditionellen Materials durch den Evangelisten ausgegangen,72 und darum ist die Frage nach den Vorstufen des Textes bzw. nach der redaktionellen Arbeit des Evangelisten ein breit diskutierter Schwerpunkt; für Mt 2 ist ein Konsensus spürbar, dass bei der Gestaltung des Kapitels auf vorgeprägtes Material zurückgegriffen wurde. Somit es ist bei einer Sichtung der Auslegungsgeschichte zu beobachten, dass von den üblichen traditionsgeschichtlichen Lösungsmodellen (1. Rezeption einer festen Tradition mit kaum ausgeprägter redaktioneller Überarbeitung, 2. freie Produktion des Autors ohne Aufnahme fester Traditionen, 3. vermittelnde Modelle, nach denen kleinere Traditionen aufgenommen und redaktionell überarbeitet wurden) fast ausschließlich die Möglichkeiten 1. und 3. diskutiert werden:73 70

Vgl. oben S. 49. Die Gestalt des „Simon Magus“ aus Acta 8 soll erst unten im Rahmen der christlichen Magiepolemik besprochen werden, denn schließlich wird er in Acta 8,9 nicht eindeutig als „Magier“, sondern als „einer, der Magie treibt“ dargestellt. 72 Auch die Historizität des Stoffes wird vereinzelt angenommen: Die Magier haben den jungen Jesus tatsächlich besucht, vgl. Maalouf, 1999 (mit detaillierten Informationen zum arabischen Kolorit der Magier). 73 Vgl. hierzu Davies, 1988, 190, der die Forschungsgeschichte zu Mt 2 entsprechend dreifach unterteilte. Brown, 1993, 105f zeigt die Methoden zur Unterscheidung vor-mt. Materials in den Kindheitsgeschichten auf. Als Neubewertung im Sinne der o.g. „Möglichkeit 2“ (freie Konzeption des Evangelisten ohne Verwendung fester Traditionen) ließe sich die jüngere Studie von Holtmann, 2005, anführen, wenn dieser etwa resümierend a.a.O., 241 betont: „Die mt Magierperikope lässt sich am ehesten als redaktionelle Neuschaffung des Mt auf Grund der ihm möglicherweise 71

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Möglichkeit 1: Matthäus könnte in seinen Kindheitsgeschichten auf eine feste, schon schriftlich fixierte Tradition zurückgegriffen haben. Diese These wurde mit großer Akribie von A. Resch Ende des vorletzten Jahrhunderts entfaltet.74 Nach Resch hatte es ein hebräisches, vorkanonisches Kindheitsevangelium gegeben, das von Mt, Lk und Justin parallel benutzt wurde und das „vom vierten Evangelisten zum Gegenstand seiner im Prolog enthaltenen Meditationen erhoben“ wurde.75 Diese These, in Bultmanns „Geschichte der synoptischen Tradition“ noch vorausgesetzt,76 wird in der jüngeren Forschung so nicht mehr vertreten. Die Frage nach mündlicher oder schriftlicher Gestalt der Vorlagen wird in den neueren Bearbeitungen nicht mehr explizit gestellt, und als geschlossene traditionsgeschichtliche Folie zu Mt 2 wird häufig eine Mosehaggada diskutiert.77 Möglichkeit 3: Matthäus hat auf mehrere kleine Traditionen zurückgegriffen und diese redaktionell mehr oder weniger stark überarbeitet. Überlegungen im Rahmen dieses Modells sind von Fragen nach literarischen (oder traditionsgeschichtlichen) Vorstufen des Textes geleitet78 sowie vom Nachweis konkreter Einzeltraditionen bestimmt, die der matthäischen Kindheitsgeschichte traditionsgeschichtlich zugrunde liegen könnten. Neben der Kindheitsgeschichte des Mose werden hier der Engelstraum Josephs,79 eine Tradition der Anbetung Jesu durch die Magier,80 die PassaHaggadah,81 der Besuch Salomos von der Königin von Saba,82 Bileam als heidnischer Seher83 genannt. bekannten Traditionen verstehen. [...] Welche der herausgearbeiteten frühchristlichen Traditionen Mt im Einzelnen vorlagen, kann nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden“. 74 Vgl. Resch, 1897. 75 Resch, 1897, 28f. 76 Vgl. a.a.O., 316f. 77 Vgl. Vögtle, 1965, 32–41: Dort wird diese Haggada ausführlich rekonstruiert. Weiterhin Hengel/Merkel, 1979, 141ff; Davies, 1988, 194; Luz (EKK 1,1), 1989. 78 Nach Kilpatrick, 1946, 55, hat dem Evangelisten das Material mündlich in den Hauptzügen schon vorgelegen und sei dann überarbeitet worden. Davies, 1988, 194 gibt dagegen drei Stadien zur traditionsgeschichtlichen Entstehung von Mt 2 an: 1. vor-mt: Jesu Geburt wird in den Farben Mosis gemalt, 2. vor-mt: Erweiterung mit dem Leitinteresse der Davidischen Christologie und der Magierperikope, 3. mt: redaktionsgeschichtliche Verarbeitung durch Mt. Nolland, 1998, rekonstruiert 2 Quellen (eine über die Magier und eine zu Herodes), die von Matthäus kombiniert wurden. 79 Vgl. Brown, 1993. 80 Dieterich, 1902, der die Kindheitsgeschichte auf dem Hintergrund der Mithrasmysterien liest. Der Zusammenhang zwischen Mt 2 und dem Mithraskult bzw. allgemein dem Parsismus wurde in den 60er Jahren vornehmlich von Geo Widengren herausgearbeitet, vgl. Widengren, 1960, 71–86; dazu Berger/Colpe, 1987, 114 und Ducherne-Guillemin, 1961 (in letzteren Ausführungen wird bei kritischer Rezeption der Thesen Widengrens ein möglicher iranischer Einfluss auf Mt 2 bestritten, leider ohne forschungsgeschichtlichen Rückgriff auf A. Dieterich). In jüngerer Zeit hatte A. Hultgard, 1998, die Dieterich’sche These wieder positiv rezipiert und eine iranische Tradition von den „Magiern und dem Stern“ postuliert. 81 Cave, 1962.

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Mit diesen Traditionsblöcken hat sich im Laufe der Forschungsgeschichte ein weites Geflecht von Beziehungen gespannt, in das die matthäische Kindheitsgeschichte eingefügt ist; verweisen einige Bezugspunkte in die weitere religionsgeschichtliche Umwelt – so die Nähe zum Mithraskult, wird doch deutlich, dass Mt 2 dicht mit dem alttestamentlichen Überlieferungsstrom verwoben ist. Ganz gleich, ob die Parallelen zur Tradition in breiten narrativen Komplexen erkennbar sind – wie ein Vergleich zur Mosetradition zeigt –, oder ob sie nur aus einzelnen Wortfeldern bestehen – wie die Herkunft der Magier und Bileams „aus dem Osten“, so ist die weitere Entfaltung der jüdischen Überlieferung deutlich erkennbar. Die pragmatische Funktion der matthäischen Kindheitsgeschichten Neben den oben paraphrasierten traditionsgeschichtlichen Überlegungen sind Fragen nach der pragmatischen Funktion der Kindheitsgeschichten von großem Interesse.84 Zu welchem Zweck hat der Evangelist auf das vorbereitete Material zurückgegriffen? Hat er auf bestimmte Ereignisse oder zurückliegende Diskussionen referiert? Ist der Text womöglich eine Auseinandersetzung mit einem impliziten Leser? Zu diesen Fragen wurden im Laufe der Forschungsgeschichte vielfältige Überlegungen angestellt. Erstens wurde die Möglichkeit in Betracht gezogen, der Text referiere auf ein bestimmtes historisches Ereignis. – Albrecht Dieterich schlug 1902 vor, der Text könne sich auf die Huldi-

gung Neros durch Tiridates aus Armenien beziehen, die in verschiedenen zeitgenössischen Quellen berichtet wird; die Notiz bei Dio Cassius 63,1–7, Tiridates vollziehe die Proskynese „als sei Nero Mithras“, fügt sich dabei in die von Dieterich postulierte Mithras – Christus – Analogie ein. Die Verbindung zum Begriff der „Magier“ ist nach Dieterich mit Plin.d.Ä., NH 30,16 möglich, wo von Tiridates gesagt wird: „Magos secum adduxerat, magicis etiam cenis eum initiaverat“. Sicherlich ist diese religionsgeschichtliche Parallele, die in den einschlägigen Kommentaren immer wieder erwähnt wird, für das Verständnis von Mt 2 nicht unerheblich, zeigt sie doch, dass zumindest in der Umwelt des Plinius die Huldigung eines Königs durch östliche Magier ein bekanntes Motiv gewesen ist. Dennoch bleibt ein Hinweis auf 82

Bruns, 1961; dies sei aufgrund ähnlicher Geschenke parallel zum Besuch Jesu durch die Magier und Ps 72,10f. 83 Vgl. die Darstellung bei Hengel/Merkel, 1979, 144: Nach Num 23,7 kommt Bileam ebenso C R C PCVQNYP. Die besondere Nähe zur Bileamtradition betont auch Holtmann, 2005, 200ff. 84 Zur pragmatischen Analyse im Rahmen des historisch-kritischen Repertoire vgl. Egger, 1987, 133ff.

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diese Parallele eine Antwort auf die Frage schuldig, was Matthäus mit seiner Magierperikope bezwecken wollte; ist hier ein Überbietungsschema anzunehmen (Jesus höher als Nero)? Wenn ja, inwiefern ist ein Konkurrenzverhältnis Nero – Jesus überhaupt zur Abfassung des Evangeliums denkbar oder aktuell? Spätestens an dieser Stelle müssten Zusatzhypothesen angenommen werden. Trotz des Scharfsinns der Argumentation Dieterichs erklärt ein Verweis auf die Proskynese des Tiridates vor Nero Mt 2 nicht befriedigend. – Bruns, 1961, glaubte in Mt 2 eine Anspielung auf die Einweihung von Caesarea Maris 12 BC durch Herodes zu erkennen, zu der nach Josephus Ant 16,136ff auch die Gesandtschaften (RTGUDGKCK) fremder Völker kamen. Doch erscheint diese Parallele als fragwürdig, denn außer der Tatsache, dass ein König von Ausländern Besuch erhält, lassen sich in den Handlungssträngen Mt 2 und Ant 16,136ff. kaum Vergleichspunkte erkennen. Weiterhin bleibt auch hier die Frage unbeantwortet, was Matthäus zu einer derartigen Anspielung bewegt haben könnte. Bei den oben referierten Thesen bleibt der hypothetische Status ein unbefriedigender Rest. Sicherlich ist eine derart historische Verortung der Magiergeschichte möglich – die Frage bleibt aber unbeantwortet, ob dieser historische Zusammenhang auch vom Autor so gesehen und, viel wichtiger, von den frühen Rezipienten des Matthäusevangeliums auch so wahrgenommen wurde. Diese Verbindung bleiben die oben vorgeschlagenen Thesen schuldig. Zweitens ist die Möglichkeit vorgeschlagen worden, Matthäus reagiere in seinen Kindheitsgeschichten auf bestimmte Missverständnisse oder gar Angriffe, die an die Gemeinde herangetragen wurden; An dieser Stelle rückt in der matthäischen Vorgeschichte neben Kapitel 2 besonders deutlich Mt 1,18ff ins Blickfeld. Krämer, 1964, nahm hier, unter Würdigung ähnlich pragmatisch bestimmter Fragestellungen von Kilpatrick und Stendahl, ein „jüdisches Missverständnis“ an, dass der Messias ein „Sohn Josephs“ sei; die Kindheitsgeschichte nehme auf diese von außen herangetragene Anfrage Bezug und beantworte sie mit Hilfe der Davidsohn-Theologie. – In ähnliche Richtung weist der Vorschlag von Gnilka, 1993, der die

außereheliche Zeugung Jesu (in der Panthera–Tradition belegt) als das jüdische Missverständnis im Hintergrund ansieht; die Geistzeugung Jesu reagiere darauf.85 – Für Mt 2 haben Kilpatrick, 1946 und Stendahl, 1980 ein jüdisches Missverständnis angenommen, das in Joh 7,41f. schon vorformuliert ist: Soll 85

A.a.O., S. 18.

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der Christus etwa aus Galiläa kommen? Die Geschichte von der Huldigung der Magier und der Flucht nach Ägypten diene dazu, die Spannung zwischen der (tatsächlichen) Herkunft Jesu aus Nazareth und der (erwarteten) Herkunft des Messias aus Bethlehem zu überbrücken. Dennoch bleiben auch bei dieser These einige Fragen offen; warum sind es ausgerechnet „Magier“, die Jesus huldigen? Warum die Flucht nach Ägypten? Wenn schon bei einer pragmatisch orientierten Fragestellung eine implizite Anfrage von außen vorausgesetzt wird, so müsste die exegetische Rekonstruktion dieser Anfrage auch die vielen Einzelzüge (Magier/Ägypten/Engel und dergleichen) berücksichtigen. – Dies ist von Morton Smith (1981) geleistet worden, der als Folie von Mt 2 einen jüdischen Magievorwurf an Jesus und das Christentum zu erkennen glaubt. Hauptsächlich aus der jüdischen Magiepolemik, die im Talmud (bSanh 43a.107b) und hinter dem „alethos logos“ des Celsus (Orig, Cels 1,28.38.46.68) überliefert ist, rekonstruiert er ein altes Gegenevangelium, auf das die neutestamentlichen Autoren – und speziell Matthäus in den Kindheitsgeschichten – reagieren. Damit hat Smith ein in sich geschlossenes und mit zahlreichem Material belegtes Konzept vorgestellt, das trotz seiner unbestreitbaren Eleganz hypothetisch bleibt. Die neueren Diskussionen der Thesen Smiths tendieren dahin, nicht die matthäischen Kindheitsgeschichten als Reaktion auf eine jüdische Magierpolemik aufzufassen, sondern diese umgekehrt als späteren wirkungsgeschichtlichen Reflex auf das kanonische Material über den Wundertäter Jesus anzusehen.86 Drittens: Aufgrund der großen hypothetischen Belastungen der beiden oben dargestellten Herangehensweisen erscheint mir die situationsbezogene Annährung an Mt 2 als fruchtbringender: Inwieweit ist die Magiergeschichte in innergemeindliche Diskussionen der Matthäusgemeinde einbettbar?87 Hier ist die weit verbreitete These zu nennen, dass die Magier in Mt 2 ganz allgemein „die Heiden“ bezeichnen, die Jesus huldigen. Dies ist bei den Kirchenvätern belegt und bildet auch in der späteren Sakralkunst entsprechend Ausdruck.88 Die Magier sind dann Identifikationsfiguren für einen heidenchristlichen Teil der Matthäusgemeinde.

86

So Kollmann, 1996, 181. An dieser Stelle ist auch Nolan, 1992 zu erwähnen, der die matthäischen Kindheitsgeschichten, mit Rückgriff auf entsprechende Vorarbeiten von Horsley und Crossan, unter soziologischen Gesichtspunkten als gemeindeorientierte Poimenik interpretiert; leider würdigt er die Rolle der Magier dabei mit keinem Wort. 88 Vgl. Korol, 1996, 217ff. 87

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– Diese These ist in der neueren Forschungslandschaft vielfach modelliert

worden; so ist eine Engführung des „heidnischen Teils“ erwogen worden: Matthäus, so eine These, schreibt auf dem Hintergrund babylonischer Juden in seiner Gemeinde, die zuvor Astrologie und Magie betrieben und sich dann zu Jesus bekehrt hätten.89 Diese These muss hypothetisch bleiben, weil die Existenz derartiger Spezialgruppen innerhalb der matthäischen Gemeinde nicht anhand weiterer Quellen überprüft werden kann. – In anderer Weise wurden die verschiedenen Handlungsträger in Mt 2 als spezielle Typen im Umfeld der matthäischen Gemeinde gesehen: Herodes stehe für die weltlichen und religiösen Oberhäupter, die die Gemeinde verfolgen, die Magier seien die späteren Nachfolger, Juden- und Heidenchristen gleichermaßen.90 Bei diesen Überlegungen bleibt noch die Frage offen, warum sich die matthäische Gemeinde ausgerechnet mit heidnischen Magiern identifizieren sollte; wo ist die Identifikationsbasis, wo der Erfahrungshintergrund für ein derartiges Verhalten? So interessant diese Überlegungen auch sind – eine Verbindung zwischen der matthäischen Gemeinde und dem Phänomen „Magie“ müsste dann im Vorfeld nachgewiesen werden. – Powell, 2000, liest Mt 2 im Zusammenhang mit der Frage nach der „Weisheit“ der Offenbarungsträger bei Matthäus. Gerade nach Mt 11,25 begreifen die Offenbarung gerade nicht die Weisen und Verständigen, und so würden die Magier gerade als die suchenden Ignoranten skizziert, denen die wahre Offenbarung zukommt. Diese Interpretation steht in großer sachlicher Nähe zur paulinischen Kreuzestheologie in 1Kor und setzt eine Ignoranz („foolishness“) der Magier voraus, die im Text nur gezwungen erkennbar ist. Trotz der unterschiedlichen und vielfach hypothetischen Ausgestaltungen der These von den Magiern als „heidnischen“ Prototypen im Evangelium erscheint mir diese Interpretationsrichtung – im Blick auf eine leserorientierte Textauslegung – sehr sachdienlich zu sein. Unbenommen aller möglicher literar- und traditionskritischer Hypothesen ist zu fragen, welche Rolle die Magier im „Plot“ der Geschichte spielen, und die Funktion „heidenchristlicher“ Prototypen liegt hier nahe. Dies setzt im Gesamtentwurf des Evangeliums voraus, sieht man etwa den Taufbefehl und die Öffnung der Mission für Heidenchristen als Pointe an, dass die Magier in Mt 2 positiv

89 Vgl. Mann, 1958. Zu dieser These bemerkte Powell, 2000, 3 lapidar: „No one, to my knowledge, has followed him in acceptance of this conclusion“. 90 Bauer, 1995.

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konnotiert werden:91 Die Weisen der Heidenvölker erkennen, was die Verantwortlichen des eigenen Volkes – vorneweg Herodes und seiner Berater – nicht zu erkennen vermögen. Es bleibt lediglich zu fragen, warum Mt an dieser Stelle dann ausgerechnet auf eine Magiertradition zurückgreift. Hätte er nicht als Vertreter der Fremdvölker besser Philosophen auftreten lassen können, die im Kontrast zur Weisheit des eigenen Volkes die Messianität Jesu paradigmatisch für die Heidenvölker erkennen? Es ist vielleicht gerade die Verbindung von Weisheit und Macht, die einen Rückgriff auf die Magietradition nahe legt. Magiern wird ein wirklicher professioneller Umgang mit der transzendenten Macht zugeschrieben, und dies steigert im Rahmen der erzählten Geschichte ihre Glaubwürdigkeit als kompetente Glaubenszeugen immens. Der Magier Barjesus/Elymas in Acta 13,4–12 Der Abschnitt Acta 13 schildert die erste Missionsreise des Paulus, die über Zypern nach Kleinasien führt. Von Antiochia reisen Barnabas und Paulus und womöglich auch Johannes Markus zunächst in die etwa 25 km entfernt gelegene Hafenstadt Seleukia und lassen sich mit einem Schiff auf die Insel Zypern, zunächst nach Salamis bringen. Von dort reist das Trio dann nach Paphos92 und trifft dort auf einen jüdischen Magier und Pseudopropheten Barjesus/Elymas.93 Die Doppelnennung lässt wohl schwerlich auf zwei von Lukas verwendete Quellen schließen. Möglicherweise hatte dieser Mann zwei Namen, und besonders der Name Barjesus war Lukas hochwillkommen: Die Übersetzung, die ein Leser des Evangeliums wohl mitassoziierte, lautet „Sohn von Jesus“ (wobei Jesu ein gebräuchlicher Name war), und dies konnte sehr gut mit dem „Sohn des Teufels“ in V. 10 kontrastiert werden. Die Bedeutung des Wortes „Elymas“ bleibt unklar – man könnte auf eine semitische Wurzel (Klauck nennt arab. Alim, „weise“ oder aram. „haloma“, Traumsender) verweisen.94 Die Frage ist, ob „Magier“ hier eine Eigen- oder eine Fremdbezeichnung darstellt. Hat sich Elymas selbst „Magier“ genannt oder wird er von Lukas durch das Wort „magos“ als Scharlatan diffamiert?

91 Mit ähnlicher Zielrichtung argumentiert Haar, 2003, 149–157 und weist darauf hin, dass die Magier bei Mt 2 keineswegs „ambigously“ (ebd., 157) gezeichnet seien. Zu den zahlreichen negativen Konnotationen in der Wirkungsgeschichte von Mt 2 vgl. Holtmann, 2005. 92 Zur Reiseroute vgl. Gill, 1995. 93 Zur Auslegung vgl. neben den einschlägigen Kommentaren v.a. Klauck, 1994; ders., 1996; Kilgallen, 1997. 94 Klauck, 1996, 63.

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Für letzteres spricht der Parallelismus mit „Pseudoprophet“ in V.6. Magier und „Pseudoprophet werden hier in einem Atemzuge genannt, und dies macht die These zunächst wahrscheinlich, dass „Magier“ eine polemische Fremdbezeichnung des Lukas darstellt. 95 Andererseits wird das Wort „Magier“ zweimal verwendet, in V.6 und 8. Es steht jedes Mal als Attribut des Namens und könnte damit ein Traditionsstück sein: Elymas der Magier (V.8), diesen stehenden Ausdruck hätte Lukas als Selbstbezeichnung auch übernehmen können. Damit ist die relativ eindeutige Fremdbezeichnung „Magier“ von V.6 in V.8 zumindest nicht mehr eindeutig annehmbar – die Möglichkeit, dass der in Acta 13 genannte Gegenspieler des Apostels als „Elymas der Magier bekannt war und sich auch selbst im positiven Sinne so genannt hat, ist zumindest nicht unwahrscheinlich. Vielleicht kann ein plausibles Gesamtbild skizziert werden, wenn wir uns die recht dürftigen Notizen zu Elymas/Barjesus genauer ansehen: Elymas wird von Lukas als der erste große Gegenspieler des Paulus stilisiert. Es handelt sich um die erste Missionsreise des Apostels, der Streit mit Elymas ist seine erste große Tat an der Missionsfront – damit steht die Auseinandersetzung mit dem fremden „Magier“ an exponierter Stelle in der lukanischen Pauluserzählung. Diese greift allerdings auf Traditionen zurück und wird dabei in für den frühen Leser vertrauten Spuren geführt: Der Streit zwischen Elymas/Barjesus und Paulus/Saulus ist parallel zu sehen mit vielerlei Erzählungen zwischen Vertretern des Guten und des Bösen in religiösen Dingen – Elia und die Baalspropheten, Moses und die ägyptischen Magier, Jesus und die Pharisäer und die in den apokryphen Apostelakten stilisierten Wettstreitigkeiten zwischen Petrus und Simon Magus sind „pattern“, die für die Leser vertraut wirken und in die sich auch die vorliegende Geschichte einordnet.96 Weiterhin könnte man diese Perikope auch als übliche Falschprophetenpolemik ansehen, die auf dem traditionsgeschichtlichen Hintergrund von Jer 23,9–32: Falschpropheten werden in die Finsternis gestoßen und kommen dort zu Fall – und dieses Schicksal wird auch hier von Barjesus beschrieben. Elymas ist also der stilisierte Gegenspieler des Paulus, und auf diesem Hintergrund ist auch der polemische Zug plausibel. Doch würde die Notiz „Pseudoprophet“, gerade im Hinblick auf den traditionsgeschichtlichen Hintergrund in Jer 23,9–32, reichen. Warum musste Lukas noch eine explizite Magiepolemik hinzunehmen? An dieser Stelle kann zwanglos ange95 Nock, 1972, kommt nach einer eingehenden Untersuchung der Begriffsgeschichte von „magos“ und „mageia“ zum Ergebnis, dass Elymas hier als Goet, als Quacksalber beschrieben wird („Acts very definitively associates magia with a Jewish religious adventurer here“, a.a.O., 330), um ihn vom christlichen Wundertäter Paulus abzusetzen. 96 Klauck, 1994, 94.

Magie und Magier im Neuen Testament

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nommen werden, dass er die Notiz vom „Magier“ Elymas selbst als Teil der Geschichte übernommen hatte. „Elymas der Magier“ wäre damit keine lukanische Polemik, sondern wäre als Ausdruck schon von Lukas vorgefunden und – im pejorativen Sinne und durch das Wort „Pseudoprophet“ vereindeutlicht – weiterbenutzt worden. Elymas selbst wird ausdrücklich als „Jude“ bezeichnet, doch spielt seine jüdische Identität im weiteren Verlauf der Perikope keine Rolle. Die Auslegungen, die sich auf die besondere Auseinandersetzung des frühen Christentums mit dem Judentum an dieser Stelle entzünden, haben darum m.E. eine sehr schmale Textbasis. 97 An keiner Stelle wird deutlich, dass es um eine profiliert „jüdische“ Gegnerschaft geht, mit der der Apostel bei seiner ersten großen Amtshandlung zu tun hat. Im Gegenteil, Elymas/Barjesus bewegt sich explizit im Umfeld des Statthalters Sergius Paulus und nimmt damit eine im zeitgenössischen Umfeld mehrfach belegte Rolle ein: Ein „Magier“, der sich durch entsprechende Kompetenzen ausweisen kann, bewegt sich um Umfeld der Herrschenden. Mehrfach wurden als zeitgeschichtliche Beispiele Thrasyllos, der Ratgeber Kaiser Tiberius’, Ptolemaius, der Astrologe Othos (Tacitus, Hist 1,22,2) oder der schon oben erwähnte Freund des Procurators Felix, Atomos, „OCIQLGK PCKUMJRVQOGPQL“ vorgeschlagen, der für Felix in Liebesdingen vermittelte (Josephus, Ant 20,142–144).98 Obwohl Atomos bei Josephus als Jude aus Zypern eingeführt und für Elymas in Acta 13,6 in Cod D als textkritische Variante der zu „Atomos“ ähnlich klingende Name „Hetoimos“ verzeichnet ist, dürfte eine Identität der beiden Personen unwahrscheinlich sein. Dennoch folgen Atomos und Elymas dem gleichen „Berufsmuster“: Sie bewegen sich im Umfeld des römischen Statthalters. Was ist dort ihre Funktion? Bei Atomos ist dies eindeutig – er vermittelt in einer delikaten Herzensangelegenheit, womöglich mittels eines Liebeszaubers. Doch für Elymas haben wir keine derartigen Notizen vorliegen. Vielleicht aber führt die Drohung in V.11 auf eine gewisse Spur: Elymas werde eine zeitlang die Sonne nicht sehen. Traf ihn dieses Strafwunder der Blindheit in seiner Berufsausübung, etwa als Astrologe des Sergius Paulus, der die Sonne für seine Berechnungen braucht? Derartige Überlegungen sind geäußert worden,99 müssen aber Spekulation bleiben. 97

So z.B. die Auffassung, diese Stelle sei als christliche Abwehr des jüdischen Zauberwesens zu lesen, vgl. Bammel, 1997, 5. In jüngerer Zeit bindet Strelan, 2004, Barjesus eng an die Synagoge an und räsoniert sogar über eine Nähe zur christlichen Gemeinde in Paphos. Er sei als „Sohn Jesu“ Lehrer des rechten Weges, stehe aber damit in Opposition zum lukanischen Paulus. Damit handelt die Opposition zwischen Barjesus und Paulus nicht von einem christlich-paganen, sondern von einem christlich-jüdischen oder gar innerchristlichen Konflikt. 98 Vgl. Zahn, 1904, 195–200; Nock, 1972, 326. 99 Vgl. Klauck, 1996, 61.

Teil IV: Die Magiepolemik

Einführung

Bislang wurden vornehmlich die Eigenäußerungen antiker Magieanwender beschrieben – Amulette, Zauberpapyri, Defixionen sind Hinterlassenschaften derer, die Magie selbst anwenden und sich damit in den internen Kreis der Magietreibenden begeben, seien es Dilettanten, die sich mit der magischen Tradition versuchen oder professionelle Magier, die Auftragsarbeit für ihre Kunden leisten. Nun soll die „Außensicht der Magie“ zu Worte kommen, die in der Antike (und von dort bis in die heutige Zeit) meist polemisch geprägt ist. „Das ist ein Magier“ – die Quellen belegen, dass sich mit diesem Schlagwort Griechen, Römer, Juden und Christen gegenseitig gern und nachhaltig diffamiert haben. Im Hintergrund steht ein breiter Überlieferungsstrom, der gegen Magie als solche teils sachlich, teils gekonnt satirisch polemisiert und sie als nichts anderes als Quacksalberei begreift.1 Schon eine der ältesten griechischen Stimmen über Magie, eine Überlieferung Heraklits in Clem Alex, Protr 22,2 gebraucht den Begriff polemisch, und unter den Autoren, deren Wirksamkeit in die Entstehungszeit der neutestamentlichen Schriften fällt, ist v.a. der Spötter Lukian zu nennen, dessen Schriften, insbesondere die drei Werke Philopseudeis, Necyomantia und Navigium allerlei Hohn und Spott gegen zeitgenössische Magier und magische Praktiken erkennen lassen. Auch im Judentum ist, wie schon oben angedeutet wurde,2 ein breiter Traditionsstrom erkennbar, der – im Zuge der Ächtung von Magie und Divination etwa in Dtn 18,10f, magische Handlungen polemisch beurteilt. In Sap Sal 18,3f etwa werden „G TIC HCTOCMGKYP“ (man könnte dies mit „Zauberei“ übersetzen) verurteilt und in 1Hen 8,3 werden Beschwörungen, Divination und Astrologie als Lehre der bösen Engel beschrieben. Die Amulettpraxis der gefallenen jüdischen Freiheitskämpfer wird in 2Makk 12,40 als Grund für deren Tod postuliert, und auch Philo Alexandrinus wehrt sich in Vit Mose 1,277 dagegen, Magie mit Heiligkeit zu vermischen. Diese magiepolemischen Stimmen sollen nun in Folge zu Worte kommen.

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Viele dieser antiken Stimmen sind konzentriert gesammelt bei Nesselrath, 2001, 162ff. Vgl. oben S. 83.

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Die Magiepolemik

Griechisch – römische Magiepolemik Schadenszauber und römisches Recht Der in seiner mythischen Tradition nur etwas beschlagene Grieche oder Römer kannte natürlich den Typus der Magierin, die Männer zu behexen und zu verzaubern vermag. Sei es die schöne Circe, die seit Homer, Od 10,234–240 „schreckliche Gifte“ und einen Zauberstab geraucht und damit die Gefährten des Odysseus in Schweine verwandelt, die nur durch ein durch den Götterboten Hermes überbrachtes Gegengift namens Moly wieder zu Menschen werden können, sei es die „Zauberin“ Medea (Theokrit 2,16; Ovid Met 7,1–403). Im Weltverständnis der griechisch – römischen Zeit (soweit dies überhaupt und nur cum grano salis in irgend einer Form umreißbar ist) verschmilzt die Alltäglichkeit der Magie aufgrund der Existenz professioneller Magier und der Allgegenwart der Defixionspraxis und der apotropäischen Amulette mit der mythischen Tradition und prägt das Weltverständnis – beispielsweise wird die Praxis des „HKNVTQP“, des Liebeszaubers, in der „Pharmakeutria“ bei Theokrit 2 aufgenommen und später bei Catull und Vergil weiter geschrieben. Magie ist damit allgegenwärtig, und vielleicht ist dies der Hintergrund für die Notiz von Plinius, NH 28,19, es gebe in der Tat niemanden, der nicht fürchtet, durch schreckliche Verwünschungen gebannt zu werden. Aus dieser Furcht heraus mag es uns verständlich erscheinen, dass bei unerklärlichen Zusammenhängen der Magieverdacht im Raume steht. Beispielsweise der bei Tacitus, Ann 2,69 beschriebene Magieverdacht gegen Piso im Zusammenhang mit der tödlichen Krankheit des Germanicus; dieser Verdacht schien dann auch wirklich eine gewisse reale Grundlage zu haben, zumal man unter Schwelle von Germanicus’ Sterbezimmer deutlich magische Relikte, wie Zaubersprüche und Bleitäfelchen fand. Entscheidend ist in unserem Zusammenhang, dass sofort der Magieverdacht im Raume stand, wenn beim offenen Konkurrenzverhältnis zweier Männer eine schwere Krankheit auftrat. Magie wird hier vor allem als Schadenszauber verstanden, gerade Tacitus gibt hier in seinen Annalen ein beredtes Zeugnis für das 1. Jh. AD. Weiterhin wird Fremdes, anderes wird gern mit Magie in Verbindung gebracht, und in dieser Hinsicht lässt sich die Magiepolemik gegen fremde Gruppen oder Ethnien, v.a. auch gegen Juden lesen. Unter den heidnischen Autoren des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts erwähnen beispielsweise Juvenal (Sat 6,542ff), Apuleius (Florida 1,6) Lukian (Tragodopodagra 173), Celsos (Cels 1,26) und Numenius (Euseb PE 9,8) jüdische Zauberei als zeitgenössisches Phänomen.

Griechisch – römische Magiepolemik

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Derartige Magieverdächtigungen hatten im römischen Rechtsraum nicht nur gesellschaftliche Ächtungen zur Folge, sondern konnten auch zu ernsthaften juristischen Konsequenzen führen, denn „magisches Handeln“ wurde zu Teilen vom römischen Rechtssystem erfasst. In der mithin ältesten römischen Rechtsquelle, dem Zwölftafelgesetz, ist auf Tafel 8 kodifiziert: Qui fruges excantassit [...]3 (wer Feldfrüchte aus dem Acker heraussingt, also durch Zaubersprüche vernichtet). Bei der Besprechung der Überlieferungen dieses Gesetzes, beispielsweise bei Seneca, QuaestNat 4,7,2 und Plin, NH 28,17, wird deutlich, dass hier nicht Magie als solche, sondern der Übergriff auf fremdes Eigentum bestraft wurde.4 Wer also durch Magie schadet, wird entsprechend bestraft. Es ist also keineswegs Magie an sich, sondern der Schadenszauber, der juristisch belangt werden konnte. Darum ist es verständlich, dass dies nach antikem Rechtsempfinden unter die Gesetze gegen die Giftmischerei subsumiert werden konnte. Von denen ist aus Griechenland ein Gesetz aus der ionischen Stadt Teos von 479 BC zu nennen, in dem die Zubereitung und der Gebrauch von „pharmaka“ ein Kapitalverbrechen darstellt.5 In römischer Zeit bestimmt die Lex Cornelia de sicariis et veneficiis durch Sulla 81 BC nachhaltig die Diskussion.6 Hier werden Schwurgerichtshöfe zur Bekämpfung von Fälschungen und Mordkomplotten eingerichtet und in diesem Zuge die Aktionen mit Strafe belegt, die „einen plötzlichen und unerwarteten Tod zur Folge“7 haben, sei es durch Verabreichung von Gift oder anderer Mittel. Hierunter fallen auch magische Praktiken, und dabei dürfte besonders an die verbreitete Defixionspraxis gedacht sein, durch die Menschen gezielt geschädigt werden sollten. Nach dieser Gesetzeslage wird also Schadenszauber juristisch mit Giftmischerei gleichgesetzt, und diese Gesetzeslage bestimmt die weiteren Jahrhunderte. Zusätzlich müssen Gesetze gegen Einzelheiten „falscher“ Religionsausübung wie Mantik oder Opferschauer in unserem Zusammenhang genannt werden.8 Ein Anwachsen antimagischer Gesetze, in denen die 3

Düll, 1995, 48. Graf, 1996, 42. 5 Text bei Dittenberger, Bd. 1, 1915, Nr.37; Lewis, 1988, Nr. 30A; vgl. auch Gager, 1992, 23; Klinghardt, 1999, 51. Möglicherweise bilden auch die Rachegebete von Rheneia/Griechenland den gleichen geistesgeschichtlichen Hintergrund. Auf zwei nahezu identischen Marmorstelen wird Gott um Rache für zwei Mädchen angefleht, die ermordet (HQPGWGKP) oder vergiftet worden sind (HCTOCMK\GKP). Text, Interpretation und deutsche Übersetzung bei Deißmann, 1923, 351ff; vgl. Gager, 1992, 185f. Auch hier kann eine Verbindung zum Tod durch Magie gesehen werden. 6 Digesta 48,8. 7 So die Interpretation von Graf, 1996, 46. 8 Vgl. Barb, 1964; Hier sind aus der Zeit des Prinzipats und des Dominats zwei kaiserliche Gesetze zu nennen, eines gegen OCPVGKC von Augustus, 11 AD (teilweise exzerpiert bei Dio Cassius 56,25,5) und eines unter Tiberius gegen Haruspices (Sueton, Tib 63, „Haruspices secreto ac sine testibus consuli vetuit“); vgl. Barb, 1964, 105f; Parássoglou, 1976, 262f. Caracalla kriminalisierte 4

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Magie an sich und nicht nur der Schadenszauber unter Strafe gestellt wird, begegnet uns erst in nachkonstantinischer Zeit ab dem 4. Jh.9 – man bedenke, dass der gesamte Titel in Cod Iust IX (Cod Theod 9,16) „de maleficis, mathematicis et ceteris similibus“ (von Schadenszauberern, Zeichendeutern und ähnlichen weiteren Übeltätern) handelt. Man könnte dies einerseits mit dem anwachsenden christlichen Einfluss auf den Staat und der dogmatischen Abwehr von „Magie“ begründen, doch ist dies in jüngerer Zeit mit Blick auf die nachkonstantinische Gesetzeslage zu Recht angezweifelt worden.10 Es ist allerdings konstatierbar, dass, unbeschadet eines unter Konstantin erlassenen Gesetzes in Cod Iust IX,18,4 (= Cod Theod 16,3), das etwa „weiße Magie“ im Gegensatz zum Schadenszauber nicht unter Strafe stellt, in vielen weiteren nachkonstantinischen Rechtsquellen Magie allgemein wie auch heidnische Divination unter Strafe gestellt wurden. Vielleicht könnte man hier eine Auslegungstradition der genannten Lex Cornelia de sicariis et veneficiis erkennen, die zunehmend nicht nur den Schadenszauber, sondern auch die Magie als solche kriminalisiert. In den Sentenzen des Paulus (5,23,17f) aus dem frühen 3. nachchristlichen Jahrhundert jedenfalls wird die Lex Cornelia dahingehend kommentiert, dass Magier lebendig zu verbrennen und die Mitwisser magischer Tätigkeiten den wilden Tieren vorzuwerfen oder ans Kreuz zu schlagen seien. Auch der Besitz magischer Bücher wird bestraft. Hier ist deutlich, dass nicht mehr nur der Schadenszauber, sondern vielmehr Magie selbst – was auch immer

auch Personen, die magische Amulette gegen Malaria trugen (Scriptores Historiae Augustae, Vita Caracallae 5,7). Auch ist als Beispiel noch P.Yale 299 zu erwähnen, ein Rundschreiben von 199 AD des ägyptischen Präfekten über Magie und Divination; dort wird befohlen aufzuhören mit „VJLG RKUHCNQWLVCWVJLRGTKGTIKCL“ (vgl. Parássoglou, 1976, 266). Die genaue Bedeutung von RGTKGTIKC in diesem Umfeld superstitio oder eher curiositas – ist Interpretationssache, der Herausgeber des Papyrus neigt aufgrund der Parallele im Edikt von Constantius (Cod Theod 9.16.4 = Cod Iust 9,18,5) dazu, im Sinne von „curiositas“ zu deuten (ebd., 268f). Das Verbot richtet sich an diejenigen, die etwas zu wissen vorgeben, das über menschliches Wissen hinausgeht (VC? W RG?T C PSTYRQP VKL GK FGPCK RTQURQKGKUSY) und die über das Zukünftige, das noch nicht eingetroffen ist, Auskunft geben (VJ?P OGNNQPVYP C VJNGKCP G RCIIGNGUSY). Die Vergehen werden dabei ausgeübt v.a. durch Orakelsprüche (FKC? ZTJUOYP), so durch schriftliche Aufzeichnungen, die in der Anwesenheit des Göttlichen gegeben werden (J VQK GP ITCHYP FKCITCHYP Y L G RK? VQW SGKQW FKFQWOGPYP). Die zweite Ausübung, auf die angespielt wird, ist nicht deutlich bestimmbar. Der Text „FKC? MYOCUKCL CMCNYVY[ (sic!)J VQK CW VJL RCIICPKCL“ gibt große Rätsel auf. Parássoglou übersetzt: by means of magic (i.e. seer trickery)“, doch nur mit großen Zusatzannahmen: MYOCUKC, üblicherweise mit „Prozession der Götterbilder“ wiederzugeben, wird dabei, nur gestützt durch eine Notiz beim Lexikographen Hesychos, mit „Magie“ übersetzt. Das MYOCUKC näher bestimmende CMCNYVY bleibt unklar, ebenso RCIICPKC, das in „OCIICPKC“ verbessert wird. 9 Vgl. zu den antimagischen Gesetzen in griechisch – römischer Zeit: Barb, 1964, 102ff (besonders zur byzantinischen Zeit). Zum 4. Jh.: Maurice, 1927; Martroye, 1930, Ritter, 2002. 10 Vgl. Ritter, 2002, 321ff.

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man dafür hielt – mit harter Strafe belegt wurde. Diese Tendenz setzt sich dann in der christlichen Ära verstärkt fort. Ein Magieprozess aus früherer Zeit: C. Furius Cresimus Von einem Magieprozess aus Roms Frühzeit berichtet Plinius im achtzehnten Buch seiner Naturgeschichte. Aufgrund der Namensangabe des kurulischen Ädils lässt sich die Begebenheit in die achtziger Jahre des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts datieren: Plinius, NH 18, 41–43: Nequeo mihi temperare, quo minus unum exemplum antiquitatis adferam, ex quo intellegi possit apud populum etiam de culturis agendi morem fuisse qualiterque defendi soliti sint illi viri. C Furius Cresimus e servitute liberatus, cum in parvo admodum agello largiores multo fructus perciperet, quam ex amplissimis vicinitas, in invidia erat magna, ceu fruges alienas perliceret veneficiis quamobrem ab Spurio Albino curuli aedile die dicta metuens damnationem, cum in suffragium tribus oporteret ire, instrumentum rusticum omne in forum attulit et adduxit familiam suam validam atque, ut ait Piso, bene curatam ac vestitam, ferramenta egregie facta, graves ligones, vomeres ponderosos, boves saturos. postea dixit: „Veneficia mea, Quirites, haec sunt, nec possum vobis ostendere aut in forum adducere lucubrationes meas vigiliasque et sudores.” Omnium sententiis absolutus itaque est. Profecto opera, non inpensa, cultura constat, et ideo maiores fertilissimum in agro oculum domini esse dixerunt. Ich kann es mir nicht versagen, hier ein Beispiel aus dem Altertum anzuführen, aus dem man ersehen kann, dass es Sitte war vor dem Volk auch über den Ackerbau gerichtlich zu verhandeln, und wie sich jene Männer zu verteidigen pflegten. C.Furius Cresimus, ein Freigelassener, wurde, weil er auf seinem ziemlich kleinen Acker einen viel größeren Ertrag erzielte als seine Nachbarschaft auf ihren sehr großen Grundstücken, aus Neid verdächtigt, er ziehe fremde Früchte durch Zauberkünste auf seinen eigenen Acker herüber. Er wurde deshalb von dem kurulischen Ädil Spurius Albinus für einen bestimmten Termin vorgeladen. Da er eine Verurteilung fürchtete, weil die Tribus durch Abstimmung darüber zu entscheiden hatten, schaffte er sein gesamtes Ackergerät auf das Forum und brachte sein kräftiges und, wie Piso sagt, wohlgenährtes und gut gekleidetes Gesinde mit, ferner seine ausgezeichnet gefertigten Eisengeräte, schweren Hacken gewichtigen Pflugscharen und seine gut gefütterten Ochsen. Dann sagte er: „Dies, Quiriten, sind meine Zauberwerkzeuge, mein nächtliches Arbeiten, mein Wachen und meinen Schweiß kann ich euch aber nicht zeigen und auf das Forum mitbringen.'“ Er wurde daher einstimmig freigesprochen. Wahrlich, der Ackerbau beruht auf der aufgewendeten Arbeit, nicht auf dem Aufwand an Kosten, und deshalb sagten unsere Ahnen, das Fruchtbarste auf dem Acker sei das Auge des Herrn.11

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Text und Übersetzung: König 1995, 36–39; vgl. als neueren Kommentar Graf, 1996, 58ff.

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Cresimus war „Freigelassener“, also früherer Sklave, und sein Name weist ihn als aus dem griechischsprechenden Osten kommend aus (Cresimus wie gr. ZTJUKOQL, „brauchbar“, „tüchtig“, ein beliebter Sklavenname). Er macht seinem Namen Ehre, indem er auf seiner kleinen Parzelle landwirtschaftlich erfolgreicher als seine autochthonen reicheren Nachbarn ist, und dies erregt deren Neid und Hass, wie es Plinius beschreibt. Die Magieanklage steht im Raum, sie richtet sich wohl nach dem entsprechenden Passus des Zwölftafelgesetzes, es droht ihm damit Verbannung oder gar Tod. Cresimus kann allerdings durch die öffentlichkeitswirksame Demonstration seines und seiner Familie Fleißes einen Freispruch erwirken. Zwei Komponenten kommen bei diesem Beispiel der Magiepolemik zusammen: Einmal ist es ein Außenseiter, ein ehemaliger Sklave, wohl ein Mann aus dem Osten, der in einem etablierten Gemeinwesen seinen Platz beansprucht – das Fremde, Andere macht dem Heimischen die Grenze streitig. Zum anderen hat dieser mehr Erfolg als andere, aus der Sichtweise seiner Nachbarn haben diese weniger Ertrag als der Neuling, und dies ruft das Verdachtsmoment des Schadenszaubers auf den Plan. Ein Magieprozess aus späterer Zeit: Apuleius von Madaura Auf einer Reise nach Alexandria kam der junge, zu dieser Zeit etwa dreißigjährige Philosoph Apuleius aus der afrikanischen Stadt Madaura (dem heutigen Mdaurouch in Algerien) nach Oea, wo er krankheitsbedingt verweilen musste und im Hause seinen Freundes Potianus gesund gepflegt wurde. Während seiner Genesungszeit lernte er die ältere, vielleicht etwa vierzigjährige, früh verwitwete Mutter seines Gastgebers kennen, schätzen und mit den vergehenden Monaten – Apuleius war inzwischen als Hauslehrer des jüngeren Bruders seines Gastgebers, dem jungen Pudens, tätig – auch lieben. Schließlich sprach man von Heirat, und damit fingen die Schwierigkeiten an. Pudentilla hatte ein ansehnliches Vermögen, das im Falle einer Heirat dem fremden Wanderphilosophen Apuleius zu Gute kommen und dem Zugriff der Familie ihres ersten, verstorbenen Gatten entzogen sein würde – und das, obwohl Pudentillas Schwiegervater ihr wohl gerade einen weiteren Sohn, Sicinius Carus, als zweiten Ehegatten schmackhaft machen wollte, um den Familienbesitz zusammenzuhalten. Fritz Graf kommentiert diese Sachlage blumig. „Mitten in diese Kabalen einer Provinzgesellschaft platzt der Philosoph, weltgewandt, jung und krank, der die Witwe und ihr Vermögen erobert“.12 Auch hier gerät wie auch im Fall des Cresimus einige Jahrhunderte früher ein Außenseiter in 12

Graf, 1996, 63f.

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eine etablierte Gesellschaft und hat sichtbaren Erfolg, während die Ansässigen das Nachsehen haben. Damit stand auch hier der Magieverdacht bald im Raum. Ein weiterer Schwager Pudentillas, Sicinius Aemilianus, dürfte der Hauptagitant sein, der sich in Verleumdungen gegen Apuleius ergeht und die Gerüchte in die Welt streut, dieser sei ein Magier und habe durch Liebeszauber die „eigentliche“ Familie der Pudentilla um ihren Besitz geprellt. Somit wurde von der Familie der Pudentilla formelle Anklage erhoben, allerdings nicht von dem Hauptgegner Aemilianus selbst, sondern von dessen Neffen Pudens, der vor Apuleius im Vorfeld unterrichtet worden war. Aemilianus fungierte lediglich als Berater.13 Der Prozess selbst fand zwischen 159 und 161 AD in der Stadt Sabrata, etwa 70 km von Oea entfernt statt (Sabrata war einer der Orte, an dem der Statthalter außerhalb seiner Hauptstadt einen Gerichtskonvent abhielt) und wurde vom Proconsul der Provinz Africa Proconsularis, Claudius Maximus, geleitet. Die referierte Vorgeschichte, die Verhandlung selbst und auch der Ausgang des Prozesses (Apuleius wurde wohl freigesprochen) können fast ausschließlich aus der erhaltenen Verteidigungsschrift „Apologia sive De magia“ des Apuleius rekonstruiert werden. In der Folge soll es darum gehen, die Anklagepunkte und die Verteidigungsstrategie des Apuleius kurz zu referieren, um einen Eindruck von der Argumentation zu erhalten.14 In seinem ersten Redegang geht Apuleius auf Beschuldigungen durch seine Gegner ein, die zur eigentlichen Magieanklage nur indirekten Bezug haben. Er greift hier allgemeine Verdächtigungen gegen ihn auf, die wohl als unterstützende Gerüchte für sein Magiertum tatsächlich von Pudentillas Familie gestreut worden sind: – 4,1: Apuleius sei ein schöner, redegewandter Philosoph.

Dagegen: Der Dichter Statius Caecilius hat gesagt, dass Unschuld auch Beredsamkeit sei (5,2). – 4,6: Er habe sein Haar zur Erhöhung der Reize lang gehalten. Dagegen: Apuleius hat verfilzte Haare 4,6. – 6,1: Apuleius habe einem Freund ein Mittel für die Zahnreinigung gegeben. Dagegen: Ein Philosoph duldet nichts Unreines an sich (7,2), darum hält Apuleius das Zahnreinigungsmittel für wichtig. 13

Vgl. zum Verfahren insgesamt Lamberti, 2002. Zur „Apologia sive de magia“ des Apuleius vgl. die Edition und Übersetzung von Hammerstaedt, 2002 und Helm, 1977. „Klassisch“ ist immer noch die Abhandlungen von Abt, 1908, vgl. auch Butler/Owen, 1914 und aus neuerer Zeit besonders Hunink, 1997, Bradley, 1997. Zur juristischen Grundlage des Prozesses vgl. Lamberti, 2002; Ritter, 2002. 14

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– 9,1: Apuleius hat Liebesgedichte geschrieben.

Dagegen: Ist jeder Poet ein Magier? (9,2). – 10,1 Apuleius habe Akteure seiner Gedichte unter einem Pseudonym

benannt. Dagegen: Auch Catull hat Lesbia statt Clodia gesagt! Pseudonymität ist verbreitet (10,2f). – 11,2: Unsittliche Gedichte lassen auf unsittlichen Lebenswandel schließen. Dagegen: Gegenbeispiele werden angeführt. – 13,3: „Einen Spiegel besitzt der Philosoph“! Dagegen: Was ist es für ein Verbrechen, in einen Spiegel zu schauen? (14,1). – 18,1 Apuleius ist arm! Dagegen: Armut ziemt sich für einen Philosophen. Im Übrigen betont Apuleius seine freiwillige Armut (als Philosoph), obwohl ihm von Hause aus ein stattliches Vermögen vererbt worden sei (23,1). Die eigentlichen Magieanklagen erfolgen ab 25,4: 25,4: Apuleius ist ein Magier. Dagegen: Magier sind seit alters her Weise, wie man aus Plato belegen kann. Die Magieanklage ist ein übliches Muster von Verleumdungen gegen Philosophen. Die Gegner unterstellen als Beweis wohl eine „Magie mit Fischen“ (29,1): Apuleius habe eine bestimmte Art von Fischen durch bestimmte Fischer gesucht. Apuleius nennt in 33,1ff den Namen der Fische: Den Seehasen, eine sehr giftige Seeschnecke, und zwei Fische, deren Namen sexuelle Konnotationen aufweisen. Aus den Ausführungen sind die eigentlichen Verdächtigungen der Gegner gut rekonstruierbar: Die giftige Seeschnecke könne nur für einen Giftmischer nützlich sein, die Fische mit den sexuell anklingenden Namen seien für einen sympathetischen Liebeszauber verwendet worden. Apuleius habe weiterhin den Fischen den Bauch aufgeschnitten, um etwas Böses zu tun. Apuleius spielt – nicht ohne gelegentlichen beißenden Spott – die einzelnen Aspekte dieser Anklage durch: – bestimmte Fischer: Es hätten auch andere Handwerker sein können,

doch Fischer sind eben für das Fischefangen da. – Fische: Lebensmittel kaufen ist doch keine Zauberei! Man zaubert auch

nicht mit Fischen, sondern mit anderen Dingen (hierbei zitiert Apuleius den Liebeszauber Didos aus Vergil Aen 4,513ff, weiterhin – neben vielen anderen Anspielungen - Laevius und Homer). Ergo: mit Fischen kann man also nicht zaubern, und selbst wenn dies möglich wäre, so wä-

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re der Fischkauf noch keine hinreichende Bedingung für den Zauberverdacht, so wie der Kauf eines Schwertes auch keine hinreichende Bedingung für den Mordverdacht ist. – Sympathetischer Liebeszauber ist Unsinn, denn man kann aus der Verwandtschaft der Wörter nicht auf ähnliche Eigenschaften der Dinge schließen. – Fische seziert: Ja! Aber nur, um Anatomie zu studieren! Das Interesse an Fischen ist auf wissenschaftliche Neugier zurückzuführen – Apuleius will darüber in Anlehnung an Aristoteles ein Buch schreiben – und nicht magisch zu interpretieren 27,5: Eine fremde Frau hat ihn nach dreizehnjähriger Witwenschaft geheiratet und vor der Heirat hat sie ihre Ansicht, dass Apuleius ein Magier sei, in einem Brief niedergelegt. – 67,2: Pudentilla hab nach dem Tod ihres Gatten nicht mehr heiraten

wollen, sondern sei durch Zaubersprüche (carmina) dazu gezwungen worden. Dagegen: Sie heiratete aufgrund ärztlichen Rates (69,1ff), im Übrigen hat der Ankläger von ihrer Heiratsabsicht gewusst, wie einer seiner Briefe beweist. – 67,3: In den Briefen gestehe sie des Apuleius‘ Zauberei ein. Die entsprechende Passage wird in 82,1 zitiert: „Apuleius ist ein Magier, und ich bin von ihm behext und verliebt. Komm also nun zu mir, solange ich noch bei Sinnen bin“.15 Dagegen: 78,2ff: Pudentilla habe damit nur ihren Sohn beschwichtigen wollen, die Passage sei böswillig aus dem Zusammenhang gerissen worden (die erweiterte Passage wird in 83,1 wiedergegeben); man dürfe das nicht für wahre Münze nehmen, denn wenn sie Apuleius in ihrem Brief „Consul“ genannt hätte, dann wäre er das ja auch nicht. Im Übrigen nimmt Prudentilla am Ende ihres Briefes den Zaubervorwurf wieder zurück (84,1). – 67,3 Der Ehekontrakt wurde auf dem Landgut, nicht in der Stadt ausgestellt. Dagegen 88,1ff: Dies sei allein aus ökonomischen Gründen geschehen, und im Übrigen nicht illegal. – 67,4: Apuleius hat von der Verliebten eine große Mitgift erpresst. Dagegen ab 90,1ff: Habsucht oder persönliche Bereicherung war kein Heiratsmotiv, wie Apuleius mit vielen Einzelheiten nachweist. Die Widerlegung der Habsucht als eigentliches Motiv für die Heirat steht in der Apologie des Apuleius an exponierter Stelle, nämlich am Ende; darum liegt die Interpretation nahe, dass er dies als den schwerstwiegenden Vorwurf gesehen hat. 15

Die Passage ist griechisch zitiert:  $RQNGKQL OCIQL MCK? G IY? W Rˆ CW VQW OGOCIGWOCK MCK? G TY G NSG? VQKPWP RTQ?L G OG G YL G VK UYHTQPY(Hammerstaedt, 2002, 196).

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27,6: Sie hat, obwohl älter, Apuleius nicht abgewiesen. – 67,3: Sie habe als Sechzigjährige aus sinnlicher Liebe (lubidinis) geheiratet. – Dagegen: 69,1ff: Die Enthaltsamkeit bereitete ihr körperliche Schmerzen, so dass auch Ärzte ihr eine Heirat ans Herz legten. Allerdings ist sie – wie die Geburtsurkunde beweist – nicht sechzig, sondern kaum älter als vierzig (89). 27,7: Apuleius hat zu Hause einen Gegenstand, den er andachtsvoll verehrt – 53,1ff: Apuleius habe etwas in ein Tuch gewickeltes gehabt. Es müssten

„instrumenta magiae“ gewesen sein. Dagegen: Reine Verdächtigung! Das Tuch beinhaltete in Wahrheit heilige Gegenstände der Mysterienkulte (56,1ff). – Zusätzlich untermauern die Gegner diesen Vorwurf noch mit dem Verdacht (57,1ff), Apuleius habe mit einem Freund im Hause des Crassus nächtliche Opferhandlungen (nocturna sacra) vorgenommen, und dies sei durch Kienholzrauch (taedae fumo) und Vogelfedern (avium plumis) entdeckt worden. 61,1: „Da ist auch noch ein Vorwurf, den sie vorgebracht haben, als sie den Brief der Pudentilla verlasen, über die Herstellung einer Statuette, die ich nach ihrer Behauptung mir zum Zwecke schändlichen Zaubers in geheimer Werkstatt aus erlesenem Holz habe anfertigen lassen, und, obwohl sie in der Gestalt eines Gerippes hässlich und gräulich ist, doch eifrig verehre und mit griechischem Wort als „König“ bezeichne.“ Dagegen: Apuleius hat sich von einem allseits bekannten Künstler einen Merkur anfertigen lassen, zur Ausübung seiner privaten Frömmigkeit, keineswegs ein Gerippe, wie durch Vorzeigen bewiesen wird. 27,7: In Gegenwart des Apuleius stürzte ein Knabe zu Boden (vgl. Mk 9). Die Anklage zitiert Apuleius in 42,2: Also haben sie entsprechend der allgemeinen Vorstellung und dem gewöhnlichen Gerede die Lüge erfunden, ein Knabe sei durch einen Zauberspruch nach Entfernung etwaiger Beobachter an einem geheimen Platz, wo nur ein kleiner Altar, eine Lampe und wenige Eingeweihte als Zeugen waren, behext worden und auf der Stelle, wo er bezaubert war, zusammengebrochen und später wieder aufgeweckt worden, ohne etwas von sich zu wissen.

Apuleius entgegnet darauf: Der Knabe ist fallsüchtig und bedarf für seinen Anfall keineswegs die Gegenwart eines Magiers. Apuleius war nur zufällig bei einem Anfall zugegen. Auch hier setzt Apuleius Magie und Wissenschaft kontrastierend gegeneinander: Was den Gegnern als Magie erscheint, ist nur ein medizinisches Phänomen. im Übrigen sei das von den Gegnern beschriebene Nachtritual in dieser Darstellung völlig unsinnig.

Griechisch – römische Magiepolemik

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Die Gegner untermauern die Epileptikerepisode wohl noch durch einen weiteren Vorfall (48,1): Auch eine freigeborene Epileptikerin sei ins Haus des Apuleius gekommen, um sich heilen zu lassen, dort aber behext (incantata) zusammengebrochen. Dagegen: Apuleius habe sich nur erkundigt, ob sie Ohrenklingen habe; sie hatte ihm geantwortet und sich daraufhin sofort entfernt. Am Ende fasst Apuleius nochmals zusammen: 103,2: Zähl nach, ob ich auf das, was ihr mir vorzuwerfen habt, nicht schon mit zwei Worten die Antwort geben kann. „Du putzt die Zähne“: Entschuldige Sauberkeit! „Du schaust in den Spiegel“: Ist Philosophenpflicht. „Du machst Verse“: Ist erlaubt. „Du untersuchst Fische“: Aristoteles lehrt's. „Du weihst ein Holzbild“: Platon rät's. „Du heiratest eine Frau“: Gesetze gebieten's. „Sie ist älter“: Das gibt's. „Du bist auf Gewinn ausgegangen“: Nimm Ehevertrag, bedenke Schenkung, lies Testament!16

Wie man aus dieser Rekonstruktion der Argumente und Gegenargumente entnehmen kann, treibt die böswillige und polemische „interpretation magica“ von Handlungen und Aussagen im Umfeld des Apuleius ihre Blüten. Ist der Verdacht erst einmal geschöpft, so können auch ganz alltägliche Verhaltensweisen (einen Spiegel hat der Philosoph!) schon als kompatible Argumente für die Magieanklage herhalten. Die Magiepolemik macht sich kaum an bestimmten, nach engen Kriterien zu messenden Sachlagen fest; entscheidend ist der Generalverdacht, in den viele Facetten menschlichen Tuns einordenbar sind. Dies gilt keineswegs ausschließlich für das nordafrikanische Milieu des Apuleius, dies wird auch in der Magiepolemik im Umfeld des frühen Christentums erfahrbar, um das es bei den folgenden Überlegungen geht. Pagane Magiepolemik gegen Christen? Nicht zu bezweifeln sind die zahlreichen und unterschiedlich nuancierten Ressentiments, die im imperium romanum und den griechisch-römischen Milieus in den ersten drei Jahrhunderten des Christentums gegen selbiges laut wurden. Die Frage stellt sich allerdings in unsrem Zusammenhang und auf dem Hintergrund des oben in diesem Kapitel aufgeführten konkret, inwiefern denn hier wirkliche Magieanklagen zu verzeichnen sind. Bei den 16 Übersetzung nach Helm, 1977, 148, die mir etwas frecher erscheint als die von Hammerstaedt: ceterum ad haec, quae obiecistis, numera an binis verbis respondeam. Dentes splendidas: ignosce munditiis. Specula inspicis: debet philosophus. Versus facis: licet fieri. Pisces exploras: Aristoteles docet. Lignum consecras: Plato suadet. Uxorem ducis: leges iubent. Prior natu ista est: solet fieri. Lucrum sectatus es: dotalis accipe, donationem recordare, testamentum lege.

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verschiedenen modernen Vorschlägen zur Lesart einzelner Quellen liegt ab und an der Verdacht einer Überinterpretation nahe;17 so beeindruckend beispielsweise der Versuch Morton Smiths auch ist, hinter dem bekannten Brief 10,96 des Plinius an Trajan ein Verhör über magische Praktiken zu rekonstruieren,18 so naheliegend ist auch der Eindruck der Beliebigkeit; denn vom Ausdruck „prava, immodica superstitio“ (wüster maßloser Aberglaube, vgl. des Tacitus Etikett „exitiabilis superstitio“, verhängnisvoller Aberglaube in Ann 15,44,3 und Suetons „superstitio nova et maleficia“, neuer und ruchloser Aberglaube in der Vita Neros 16,2), zu dem sich Plinius an seinem Brief an Trajan hinreißen lässt, auf eine „interpretatio magica“ des Christentums durch Plinius schließen zu wollen, erscheint in jedem Falle gezwungen. Ähnlich gelagert ist der Fall bei der von Apuleius in Met 9,14 mit allen Mitteln der Kunst als fürchterliche Person beschriebene Müllersfrau; obwohl hier vielleicht – wenn nicht eine Jüdin oder eine „Gottesfürchtige“ – eine Christin in ihrem Glauben persifliert wurde, wird man im Wirbel dieser antichristlichen Flut kaum eine eindeutige Magiepolemik finden können.19 Auch des „Lügenpropheten“ Alexander von Lukian in Alex 25 referierte Angriffe gegen Epikureer und Christen lassen sich keinesfalls auf dem Hintergrund der Magie lesen. Etwas anders, aber dennoch uneindeutig verhält es sich bei Lukians Referat des Syrers aus Palästina in Philops 16.20 Der Erzähler wird gefragt, ob er Exorzisten kenne, die „UCHYLG EFQPVGL VC? HCUOCVC“ (offensichtlich durch Zaubersprüche Gespenster austreiben). Wenn auch hier eigentlich das Thema Exorzismus und nicht Magie angegeben ist, so ist dennoch durch einen Hinweis auf ein Austreiben durch Zaubersprüche das Thema Magie berührt. In der daran anschließenden Beispielerzählung von einem exorkisierenden Syrer aus Palästina wollen viele Ausleger Jesus von Nazareth und damit eine Verbindung zum Christentum sehen; wenn man auch dieser Interpretation folgt, so ist dann doch das Motiv exorkisierender Christen als das magisch tätiger Christen berührt. Deutliche Magievorwürfe gegen Christen von heidnischer Seite dürften im 2. Jahrhundert von Celsus überliefert worden sein und sind durch die 17 Vgl. die umfassende Darstellung der antichristlichen Polemik von Benko, 1985; bei der Auflistung der „Vorwürfe der Heiden“ gegen Christen bei Guyot/Klein, 1994, Bd. 2, 140ff, wird als Zaubereivorwurf nur Orig, Cels 6,40 angegeben. 18 Smith, 1981, 95f. 19 Hilfreich sind hierzu die Überlegungen von Schmidt, 1997: Die Beschreibung der christlichen oder jüdischen Bäckersfrau in Met 9,14 nehme den zeitgenössischen antichristlichen Klatsch (S. 58) auf und sei weitgehend parallel zu der Beschreibung der Priester der Dea Syria in 8,28: Von der Sicht des reinen Isiskultes aus wird gegen andere Religionen polemisiert. Dies ist auch und insbesondere gegen das Christentum der Fall, wie Schmidt anhand von Wortfelduntersuchungen (v.a. im nordafrikanischen Bereich, Tertullian) zu zeigen versucht. 20 Text, Übersetzung und Anmerkungen bei Ebner, 2001 z.St.

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Entgegnung des Origenes in Contra Celsum auf uns gekommen. Celsus hat wohl öffentlich bekundet (Orig, Cels 6,40), er habe bei christlichen Presbytern „DKDNKC DCTDCTC“, als barbarische Bücher oder Zauberbücher, mit Dämonenlisten und wunderbaren Begebenheiten (VGTCVGKCL) gesehen. Hier wird eine deutliche Nähe christlicher Amtsträger zur Zauberliteratur bekundet. Auch die Beschreibung Jesu als Goeten bzw. Magier durch Celsus (Orig, Cels 1,6.28) rückt den Gründer des Christentums und damit den Glauben an sich nahe an die Magie heran. Damit ist – trotz des Reigens antichristlicher Polemik von paganer Seite – der Magievorwurf selbst nur mit schmaler Textbasis zu belegen. Dagegen aber werden von christlicher Seite die „Heiden“ anscheinend als die exponierten Magieankläger stilisiert. In den christlichen Akten des Paulus und der Thekla (15) ist es der heidnische Mob, der Paulus einen Liebeszauber an Thekla unterstellt und „Weg mit dem Magier!“ skandiert. Im Tagebuch der Christin Perpetua wird dem zuständigen Tribun aufgrund von Warnungen durch den heidnischen Mob in 16,2 die Furcht unterstellt, Christen könnten sich mittels magischer Praktiken von allein aus dem Kerker befreien. Tertullian geht etwa in Apol 23,12 und in Ux 2,5 schon vorbeugend auf heidnische Magievorwürfe gegen Christen ein, und Augustin schildert in Civ dei 18,53 eine antichristliche Polemik, die den Nachfolgern Jesu, zuvörderst Petrus, Zauberei unterstellt. Man könnte sagen, dass all diese christlichen Stimmen, die auf Magievorwürfe gegen Christen von heidnischer Seite hinweisen, auf realer Grundlage beruhen; doch sperrt sich dies gegen den Befund, dass die erhaltene eindeutige Magiepolemik gegen Christen von Griechen und Römern auf schmaler Quellenbasis gründet. Darum scheint es so, dass die „Heiden“ aus christlicher Sicht als Magieankläger per se stilisiert werden – und dies zeichnet angesichts der Magiegesetzgebung im römischen Reich und der realen Magieanklagen und Verdächtigungen untereinander ein verständliches, wenn auch im realen Verhältnis von frühem Christentum und griechisch-römischer Gesellschaft verzerrtes Bild.

Christliche Magiepolemik Antichristliche Magiepolemik im NT? Wenn die neutestamentlichen Autoren auch nicht explizit aus magischem Schrifttum zu schöpfen scheinen – so könnte es dann doch sein, dass wir an manchen Stellen mit Magiepolemik zu rechnen haben, auf die im Rahmen des neutestamentlichen Schrifttums reagiert wird. Oder anders gesagt: ist eine Abwehr von Magievorwürfen erkennbar? An manchen Stellen des NT

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ist dies erwogen worden. Hier ist nochmals auf die Thesen von M. Smith zu verweisen, der im NT geschilderte Angriffe auf Jesus als Magievorwürfe wertete (besonders auf der Grundlage des Beelzebulvorwurfes, Mk 3,22 par).21 Als weiteres Beispiel wurde der Kreuzesruf Jesu nach Mk 15,35 (Jesus ruft hier „Eli, Eli, lama asabtani“, was auf der Ebene des Markusevangeliums als Zitat aus Ps 22,2 LXX verstanden wird) von Öhler in dessen Studie zur Eliatradition als ein vormarkinisches, von der Eliatradition unabhängiges und nichtmagisches Gebet gedeutet („es ist kein Zauberruf zur Überwindung des Todes, es ist ein Gebet, das die Not des Todes verdeutlicht.“22), aus dem ein „magisches Missverständnis“ erwachsen sei, das Markus bereinigen gewollt und darum als Psalmenzitat umgedeutet habe.23 Im Hintergrund dieser These steht die Auffassung, Markus habe um magische Missverständnisse der Jesustradition gewusst und auf diese durch eindeutige Lesersignale auf einen unverfänglichen Psalm reagiert. Noch weitflächiger nimmt B. Kollmann in seiner Studie zur neutestamentlichen Wundertradition an, dass sowohl das Matthäus- als auch das Johannesevangelium die Wundertradition reduzieren, um magischen Missverständnissen vorzubeugen.24 Auch hier wird ein magisches Misstrauen aus dem Umfeld der jeweiligen Gemeinden der wahrgenommen, auf das die Evangelisten reagiert haben könnten. Für das lukanische Werk sieht S. Schreiber in seinem Buch zum Wundertäter Paulus das Summarium von Acta 19,11f (im Zusammenhang mit der Skeuas – Episode in Acta 19,13ff) im Kontext der Auseinandersetzung zu Magie und Zauberei.25 Im Gebrauch des Terminus FWPCOKL (anstatt VGTCVCMCK?UJOGKC, wie in Acta 14,3;16,17) sieht er einen Anklang an die Jesusüberlieferung. Lukas wende sich hier gegen ein „magi-

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Nach Smith war der historische Jesus ein Magier (vgl. ders., 1981, 235ff), der in die interkulturelle Magie seiner Zeit eingebunden war; seine Wurzeln im Judentum spielen dagegen eine deutlich unterbemittelte Rolle (a.a.O., 253ff). Diese These stützt sich auf die Beobachtung, dass die Hauptlinien in allen vier Evangelien Jesus als Wundertäter darstellen (a.a.O., 30ff); darum liegt nach Smith der Vergleich mit zeitgenössischen Wundertätern – zuvörderst Apollonios von Tyana – nahe, der in der Überlieferung als Magier dargestellt wurde (a.a.O., 154). Neben diesem religionsgeschichtlichen Argument für eine Charakterisierung Jesu als Magier führt Smith noch weitere Beweisgänge an. Innerhalb der Evangelientradition könne der Magievorwurf an Jesus herausgefiltert werden – Smith spielt hier immer wieder auf den Beelzebul-Vorwurf in Mk 3,20ff an –, und dies treffe sich mit dem Magievorwurf der frühen antichristlichen Polemik von jüdischer und heidnischer Seite. 22 Öhler, 1997, 149. 23 Öhler, 1977, 148–153. 24 Nach Kollmann, 1996, 292ff schwächt Mt die markinische Wundertraditionen ab, die zu magischen Missverständnissen führen könnten und reduziert Wunder als Begleitelemente der Lehre. Nach ders., 1996, 296ff sind Dämonenaustreibungen mit ihren magischen Implikationen gänzlich aus dem Johannesevangelium eliminiert. Dabei läßt Kollmann offen, ob dies quellenbedingt oder bewusst aufgrund zeitgenössischer Hintergründe der Fall ist. 25 A.a.O., 100.

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sches Missverständnis“ und betone, dass die Kraft Pauli von Gott komme.26 Damit habe der Vers eine anti-magische Stoßrichtung27. Diese Beispiele für Magiepolemik gegen Christen im Hintergrund des neutestamentlichen Schrifttums und besonders für das erste nachchristliche Jahrhundert machen jeweils auch die Last der Hypothesen bei den jeweiligen Erwägungen deutlich – die antichristliche Magiepolemik, auf die einzelne neutestamentliche Autoren reagiert haben könnten, ist nur mit Zusatzannahmen zu postulieren. Dagegen wind wir ab dem 2. Jahrhundert eine Magiepolemik deutlich greifbar, die sich v.a. an der Person Jesu festmacht. Im 2. Jahrhundert überliefert Justin im „Dialog mit dem Juden Trypho“ 69,7 Stimmen gegnerischer Juden: Sie (gegnerische Juden) sahen Jesu Wunder und wagten es, ihn einen Magier und Volksverführer zu nennen (MCK½ IC?T OCIQP GK¼PCK CW VQ?P G VQNOYP NGIGKP MCK½ NCQRNCPQP). Origenes zitiert in Cels 1,28 jüdische Stimmen über Jesus, der sich nach seiner Flucht nach Ägypten mit einigen „Kräften“ der Ägypter versucht habe – Jesus wird hier in die Nähe der Magie gerückt.28 In den (späten) Pilatusakten aus dem 4./5. nachchristlichen Jahrhundert schlagen sich jüdische Magieverdächtigungen gegen Jesus ganz selbstverständlich literarisch nieder, und im Talmud wird in bSanh 43a die Tötung Jesu unter anderem durch seine Zauberei begründet.29 Die Historizität dieser Magievorwürfe ist mit Recht angezweifelt worden;30 doch gleich, ob seit dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert dem Christentum von jüdischer Seite Magieverdächtigungen entgegenschlagen oder nicht – im frühchristlichen Schrifttum ist an manchen Stellen spürbar, dass man sich entsprechend angegriffen fühlt. Dies kann aber keineswegs verschleiern, dass von christlicher Seite selbst eine massive Magiepolemik aus den Quellen entnehmbar ist. Diese innerchristliche Magiepolemik soll Thema der folgenden Abschnitte sein.

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A.a.O., 102, mit zahlreichen forschungsgeschichtlichen Konsensstellen. „Es fehlt die personale Begegnung des heilsuchenden mit dem Boten Gottes bzw. mit Gott selbst, es fehlt die Haltung des Glaubens und des Vertrauens. Man könnte an eine unpersonale, eben magische Kraftübertragung denken.“, a.a.O., 104. 28 Vgl. Bammel 1997, 3. 29 Zur Historizität: vgl. Maier, 1992, 225ff. 30 Hier ist die Studie von Bammels, 1997, „Jesus der Zauberer“ zu nennen, der die Magiepolemik auf dem Hintergrund des römischen Prozessrechtes als späte Legitimation der Kreuzigung Jesu sieht. 27

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Die Akten des Paulus und der Thekla In den Akten des Paulus und der Thekla finden sich einige Spuren für die interpretatio magica des christlichen Missionserfolges.31 Thekla ist durch die Predigt des Paulus „von Enthaltsamkeit und Auferstehung“ (ActPlThek 5) in Ikonium nachhaltig beeindruckt und hört diesem aufmerksam und uneingeschränkt von ihrem Fenster aus zu. Ihre Mutter Theoklia äußert sich darüber aufgebracht gegenüber Theklas Verlobten Thamyris und zitiert dabei als Grund für Theklas augenfällige Aufmerksamkeit die Kernaussage der paulinischen Predigt in den ActPlThek: „Man muss den einzigen und alleinigen Gott fürchten und enthaltsam leben“.32 In der Gehorsamkeit gegenüber dieser „Lehre“ des Paulus dürfte sich Theklas Verhalten aus Sicht der Trägergruppen der ActPlThek widerspiegeln. Die Mutter Theklas nun gibt als eine Vertreterin der Gegner eine interpretatio magica von Theklas Aufmerksamkeit an: „Meine Tochter ist wie eine Spinne ans Fenster gebunden“,33 wobei der Terminus FGFGOGPQLauf eine magische Defixion anspielt. Was also christlicherseits als Gehorsamkeit gegenüber der Lehre eines Missionars gedeutet wird, wird von gegnerischer Seite magisch verfemt. Weiterhin berichtet Theklas Mutter in ihrer Rede von der dreitägigen Nahrungs- und Schlafabstinenz ihrer Tochter und spielt damit auf einen gängigen Topos der Verliebtheit in der zeitgenössischen Literatur an.34 Der Beginn der christlichen Nachfolge wird hier in erotischen Kategorien gemessen. Vielleicht ist hierin ein Grund zu finden, warum wir in den ActPlThek die einzige – und dies nicht sehr schmeichelhafte – Beschreibung der Physiognomie des Paulus haben: dieser ist nach Kap. 3 zwar von edler Haltung und voll Freundlichkeit, allerdings sonst nicht von körperlicher Schönheit bestimmt.35 Bedenkt man, dass im etwa gleichen Zeitraum 31 Die ActPl haben zahlreiche Anknüpfungspunkte an die kanonische Acta, wie in neuerer Zeit Pervo, 1995, eingehend diskutierte; dennoch dürfen auch von Acta verschiedene inhaltliche Schwerpunkte der ActPl nicht übersehen werden, die durch die speziellen Trägergruppen und Missionsprobleme erklärbar sind, wie beispielsweise Askese und Magie (zur Magie in den ActPlThek vgl. die neuere Darstellung von Bremmer, 1996). 32 ActPlThek 9: 'GK©HJUKŸPG PCMCK½OQPQPSGQ?PHQDGK©USCKMCK½\JPC IPYžL. Die o.a. Übersetzung folgt (gegen Schneemelcher 2, 1989, 217) Bremmer, 1996, 42. 33 J SWICVJTOQWY‰LC TCZPJG RK½VJLSWTKŸFQLFGFGOGPJ. Auch Theklas Verlobter Thamyris bezeichnet deren Nachfolge später (Kap 19) als Syndesmos. 34 Vgl. z.B. Sesonchosis Col 3,19f in Stephens/Winkler, 1995, 262.266 (Appetitlosigkeit); weitere Belegstellen bei Bremmer, 1996, 41f. 35 Vgl. hierzu Bremmer, 1996, 38f. Dieser ordnet die Beschreibung von Paulus‘ Gesichtszügen – mit Rückgriff auf ältere Studien, besonders Grant, 1982 – in antike Physiognomien ein, so auch in neuerer Zeit Malina/Neyrey, 1996, Kap.4 (vgl. hierzu die Besprechung von Brandt, 1997). Dagegen sieht Dunn, 1995, die Physiognomie des Paulus nicht im Zusammenhang antiker Typologien, sondern als Wirkungsgeschichte der kanonischen Paulusliteratur.

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in Nordafrika Apuleius von Madaura wegen (Liebes-)Magie angeklagt und von den Gegnern als schöner, redegewandter und (zur Erhöhung seiner Reize) langhaariger Philosoph diffamiert wurde,36 so liegt es nahe, in der Abwertung der äußeren Reize des Paulus eine Reaktion auf übliche magische Verleumdungen zu sehen: Der Annahme, Paulus sei auf Liebesmagie aus, soll durch die Beschreibung seines wenig attraktiven Äußeren von vornherein der Boden entzogen werden – auch Apuleius betont parallel hierzu die Verfilztheit seiner Haare. Darum ist die erotische Deutung von Theklas Verhalten aus Sicht der Trägergruppen der ActPlThek kaum plausibel. Ihr Verlobter Thamyris wird allerdings aufgrund der Äußerungen ihrer Mutter eifersüchtig und geht gerichtlich gegen Paulus vor: 15 Als Thamyris dies von ihnen gehört hatte, stand er am frühen Morgen voll Eifersucht und Zorn auf und ging zu dem Haus des Onesiphorus mit Beamten und Polizisten und einer beträchtlichen Menge Volks mit Knüppeln und sprach zu Paulus: „Du hast die Stadt der Ikonier verdorben und meine Verlobte, dass sie mich nicht will. Auf, wir wollen zum Statthalter Castellius!“ Und der ganze Haufen rief: „Weg mit dem Magier! Denn er hat uns alle unsere Frauen verdorben!“ Und die Massen ließen sich mit aufwiegeln. 16 Und Thamyris trat vor den Richterstuhl und sprach mit lautem Geschrei: „Prokonsul, dieser Mensch – wir wissen nicht, woher er ist –, der die jungen Mädchen nicht heiraten lassen will, soll vor dir darlegen, weshalb er dies lehrt.“37

Paulus wird aufgrund seines Missionserfolges als Magier bezeichnet. Der gleiche Sachverhalt wird von Paulus dann in seiner Apologie folgendermaßen beschrieben: 17 Und Paulus erhob seine Stimme und sprach: „Wenn ich heute verhört werde, was ich lehre, so höre, Prokonsul: Der lebendige Gott, der Gott der Rache, der eifrige Gott, der Gott, der kein Bedürfnis kennt, der hat, weil er das Heil der Menschen will, mich gesandt, daß ich sie der Vergänglichkeit und der Unreinigkeit entreiße und aller Lust und dem Tode, damit sie nicht mehr sündigen. Darum hat Gott seinen Sohn gesandt, den ich als die frohe Botschaft verkünde und lehre, dass in ihm die Menschen Hoffnung haben, er, der allein Mitleid hatte mit der verirrten Welt, damit die Menschen nicht mehr unter dem Gericht seien, sondern Glauben hätten und Gottesfurcht und Erkenntnis der Ehrbarkeit und Liebe zur Wahrheit. Wenn ich nun lehre, was mir von Gott offenbart ist, was tue ich dann für ein Unrecht, Prokonsul?“38

Was von der Menge als Magie bezeichnet wird, bezeichnet Paulus als Lehre der Offenbarung Gottes. 36 Apuleius, Apol 4,1.6. Apuleius wird als „philosophus formonsus et dissertissimus“ dargestellt. Abt, 1908, 92 hatte darauf hingewiesen, dass forma und facundia nicht allein Naturanlagen, sondern „auch Wirkungen magischer Kräfte“ sein können. 37 Übers. Schneemelcher/Kasser, in: Schneemelcher, Bd. 2, 1989, 218f. 38 Übers. ebd.

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Markus der Magier Irenäus berichtet in Haer 1,13,1ff von einem Schüler eines Häretikers (womöglich Valentin) namens Markus, „OCIKMJL W RCTZYP MWDGKCL G ORGKTQ VCVQL“ („mit großer Erfahrung in Zauberei und Gaukelei“), der dadurch beachtlichen Missionserfolg erzielte. Diese Notizen aus dem Jahre 180 AD39 bieten die ältesten Quellen zu Markus dem Magier, von denen die weiteren Notizen von Hippolyt in Ref 6,39–54, Epiphanius, Pan 34,1–18, Theodoret, Haeret 9 und Euseb, HE 4,11,4f letztendlich abhängen.40 Hieronymus weiß in Ep 75,3 zusätzlich zu Irenäus davon zu berichten, dass Markus ein Schüler des Basilides war und zuerst in Gallien und dann in Spanien missionierte – diese Notizen sind allerdings von zweifelhaftem historischem Wert.41 Die Überlieferung lässt erkennen, dass Markus von verschiedenen Gruppen aus verschiedenen Gründen der Magie bezichtigt wird. Die Entwicklungsgeschichte der Magiepolemik gegen Markus – von den ersten greifbaren Anfängen bis zur Ausgestaltung durch die Kirchenväter – sei nun Thema des folgenden Abschnitts. Magiepolemik vor Irenäus von innen: Apostatinnen der Markusgemeinde Nach den Ausführungen des Irenäus hat Markus besonders bei den Frauen Erfolge verzeichnet. Als sachlicher Hintergrund wird angegeben, dass Markus seinen Anhängerinnen Anteil an der Charis gab. Die Aussage des Markus, von Irenäus in Haer 1,13,3 wörtlich überliefert, wird hierfür repräsentativ sein: NCODCPG RTYVQP C R G OQW MCK? FK G OQW VJ?P ;CTKP („lass dir zunächst von mir und durch mich die Charis geben“). Die Charis, die Markus von Gott erhalten hat, kann er demnach in einer gottesdienstlichen Feier auf die Frauen weitergeben, und dafür werden folgende Situationen geschildert: Die unübliche Liturgie Bei der Eucharistie wird – nach einer unüblichen Liturgie42 – die Charis mit dem Messwein sinnfällig auf die mitwirkenden Teilnehmerinnen übertragen. Dabei wechselt der Wein seine Farbe ins Tiefrote, was von der Gemeinde als Transsubstantiation von Wein zum Blut der Gnade verstanden wird. Die Gemeinde trinkt dies und versteht es als Weitergabe der Gnade an sie. Irenäus kommentiert das liturgische Geschehen, das im Zusammenhang 39 Zur Datierung der Haer vgl. Vallée, 1981, 9. Allgemein zu Markus dem Magier vgl. die gleichnamige Monographie von Förster, 1999 (mit Edition, Übersetzung und ausführliche Besprechung der Quellentexte). 40 Vgl. Joncas, 1990, 100f; Förster, 1999, 7. 41 Vgl. Förster, 1999, 42. 42 Die Kritik des Irenäus zielt auf die Länge der Liturgie, vgl. Klinghardt, 1996, 460. Zur Eucharistie der Markosianer vgl. Hoffmann, 1984; Joncas, 1990, Förster, 1999, 66ff.

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mit der Weitergabe der Charis führt: J FKC? VQW OCIQW VQWVQW MN\QOGPJ ;CTKL („die von diesem Magier beschworene Charis“). Markus beschwört also die Charis als Magier. Eine unübliche Liturgie einerseits und sinnfällige Effekte (Farbwechsel des Weins) sind demnach die Basis für den Magieverdacht. Man kann nun darüber spekulieren, wer diesen Verdacht formuliert hat; da es kaum anzunehmen ist, dass Irenäus Augenzeuge bei einer von Markus geleiteten Eucharistiefeier war, wird er auf kolportierte Informationen von Augenzeugen zurückgegriffen haben. Es liegt die Möglichkeit nahe, dass Apostatinnen des Markus (von solchen berichtet Irenäus in 1,13,5) nach ihrer Rückkehr zur Kirche des Irenäus entsprechend aussagten und selbst schon die Nähe zur Magie äußerten. Enttäuschte Apostatinnen Markus scheint bestimmten Frauen seine Charis übertragen und sie dabei zum prophetischen Reden aufgefordert zu haben – so jedenfalls ist der Satz Q UCL C EKCL J IGKVCK IGPGUSCK OGVQZQWL VJL ZCTKVQL CW VQW RTQHJVGWGKP RQKGK in 1,13,3 zu verstehen. Dies scheint, wie aus 1,13,4 hervorzugehen,

nicht in intimem Rahmen, sondern im größeren Kreis, im Zusammenhang mit einem SKCUQL, einer Kultversammlung, geschehen zu sein, die auch mit FGKRPC verbunden waren; ob hierbei die Eucharistiefeier selbst gemeint ist, bleibt offen. Dagegen spricht, dass die Aufforderung zum prophetischen Reden durch Markus mit einer erneuten Weitergabe der Charis einherging – hier scheint also eine zweite Form der Charisweitergabe vorzuliegen, die keine eucharistischen Züge trägt.43 Elemente der Liturgie dieser Charisweitergabe sind von Irenäus in Haer 1,13,4 skizziert und beinhalten einen Redeteil mit Schlussformel („sieh, die Charis ist auf dich herabgekommen. Öffne deinen Mund und rede prophetisch“) und Epiklesen. Dabei muss die Aufforderung nicht zwingend von Markus stammen, sondern die Teilnehmerinnen der Mahlfeiern forderten sich gegenseitig zum prophetischen Reden auf.44 Diese Art der Charisweitergabe stößt bei Irenäus auf heftige Kritik. Neben dem Vorwurf, dass hier Frauen zur Überheblichkeit angeleitet werden und dem Vorwurf, dass Markus vorzugsweise reiche Frauen auswählt, um sich anschließend von diesen mit Geld und Zuneigung beschenken zu lassen, wird auch in diesem Zusammenhang der Magieverdacht laut: Markus 43 Förster, 1999, 91ff (bes. 121) geht von zwei unterschiedlichen sakramentalen Handlungen aus, einem einmaligen „Initiationsritus“ (Weinverfärbung) und dann dem wiederholbaren Sakrament der Weinvermehrung. 44 Zur Stellung der Frauen bei den Markosianern vgl. Pagels, 1979, 59f; (Frauen fungieren als Priesterinnen); Joncas, 1990, 104f (aufgrund fehlenden Vorsitzes beim Abendmahl keine priesterliche Stellung der Frauen); Dassmann, 1994, 223 (Position der Frauen als Deviation zur Großkirche); Faivre, 1997 (Position der Frauen als archaisches Relikt).

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habe wahrscheinlich einen Parhedros, mit dessen Hilfe er prophetisch reden kann und der diese Gabe auch an die Frauen weiterzugeben wisse. Auch dieser Verdacht scheint nicht von Irenäus selbst zu stammen, sondern aus den eigenen Kreisen des Markus zumindest vorbereitet gewesen zu sein. Es ist nämlich von Szenen die Rede, bei denen einige Frauen ihn angeblasen, verwünscht (MCVCHWUJUCUCK MCK? MCVCSGOCVKUCUCK CW VQP) und daraufhin die Versammlung verlassen hatten. Als Grund gibt Irenäus an, dass diese Frauen genau wussten, die Fähigkeit zum prophetischen Reden rühre von der Gnade Gottes, nicht vom Magier Markus. Markus und seine Charis werden von dieser Seite als Konkurrenz zur Charis Gottes interpretiert, und dieses Konkurrenzverhältnis begründet den Magieverdacht. Man kann nun über den spezifischen religiösen Hintergrund dieser Frauen spekulieren. Förster nimmt an, Markus sei mit seiner Lehre in schon bestehenden christlichen Gemeinden aufgetreten, deren Glieder während des Gottesdienstes die Häresie erkannten und sich von ihm distanzierten.45 Doch diese Rekonstruktion der Vorgänge sperrt sich gegen den von Irenäus vermittelten Eindruck, dass die Gottesdienste der Markosianer in geschlossenen, konventikelhaften Thiasoi gefeiert worden seien; darum scheint es mir zwangloser anzunehmen, enttäuschte Apostatinnen des markosianischen Thiasos hätten Markus in einer internen Feier eine „Szene“ gemacht und anschließend ihre Sicht der Dinge weiter kolportiert. Dann wäre auch hier anzunehmen, dass der Magieverdacht schon aus den eigenen Kreisen (ehemaliger) Markosianerinnen vorbereitet gewesen ist. Ein Hauch Erotik? Dies wird noch an einer anderen Stelle (Haer 1,13,5) deutlich, bei der einige Apostatinnen vorgeben, von Markus durch HKNVTC MCK? C IYIKOC, durch Liebes- und Zwangszauber, sexuell verführt worden zu sein – Irenäus referiert hier ein konkretes Beispiel aus Asien. Auch hier stammt ein expliziter Magieverdacht aus ursprünglich eigenen Kreisen des Markus und wurde nach außen weitergegeben.46 Irenäus konnte demnach bei der Beschreibung des Magiers Markus auf Notizen zurückgreifen, die aus engen Kreisen um Markus selbst stammen. Markus wird hier als Mann beschrieben, der beim Kultus magisch handelt und darüber hinaus noch Liebes- und Zwangszauber anwendet. Damit dürfte die Magiepolemik gegen ihn aus der eigenen Anhängerschaft auf zwei

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Förster, 1999, 128f.400. Förster, 1999, 133ff erkennt hierbei eine Schutzbehauptung abtrünniger Frauen, die ihre Wiederaufnahme in die „Großkirche“ beantragt und ein Bußverfahren zu durchlaufen hatten. 46

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Motive stützen: Ungewohnte Kulthandlungen und andererseits die Fähigkeit, Menschen an sich zu binden.47 Magiepolemik vor Irenäus von außen: Ein Spottgedicht Auch jenseits der ehemaligen Anhängerschaft wurde gegen Markus Magiepolemik laut. So ist uns ein von einem „Alten“ anonym überlieferten Gedicht überkommen48 (Haer 1,15,6), in dem Markus als GK FYNQRQKQL, VGTCVQUMQRQL bezeichnet wird, G ORGKTQL C UVTQNQIKMJL MCK? OCIKMJL VGZPJL, der zur Irreführung UJOGKC vorführt. Auch auf die FWPCOKL des Markus wird hier eingegangen: Er hat sie von der „abgefallenen Macht“, also vom Satan erhalten. Sicherlich ist mit der neueren Untersuchung dieses Spottgedichtes durch Förster49 zu konstatieren, dass „historisch zuverlässige Informationen“ über Markus hier nicht zu erwarten sind, dennoch sind folgende Sachverhalte auffällig: – Im Hintergrund dieser Polemik wird wohl hier das Aufsehen erregende

öffentliche Auftreten des Markus sein, der mit sinnfälligen Effekten arbeitete (Zeichen, Wunder). Damit springt der Anlass für die „interpretatio magica“ durch Autor und Tradenten des Gedichts ins Auge: Die Tätigkeit des Markus ist auf Publikumswirksamkeit hin orientiert. Damit richtet sich die Polemik gegen die Art und Weise, in der Markus öffentlich auftritt. Diese als „Effekthascherei“ kritisierte Arbeitsweise wird später gerade bei Hippolyt kritisiert. – Die wenigen Informationen dieses Gedichtes über Markus decken sich in nichts von dem, was wird von Irenäus über die Markosianische Theologie und Kultpraxis erfahren. Es geht nicht um die Weitergabe der Charis, sondern um Dynamis, es geht nicht um die Eucharistiefeier und nicht um die Zahlenspekulation des Markus: Die Polemik dieses Gedichtes beinhaltet vorwiegend Allgemeinplätze. – Damit ist die These möglich, dass die in diesem Gedicht vorliegende Magiepolemik nicht von Insiderkreisen des Markus formuliert wurde, sondern von Außenstehenden, die mit der Publikumswirksamkeit des Markus in Kontakt geraten waren und diese – aus welchen Gründen auch immer – abstoßend fanden. Damit ist die vor Irenäus aufgekom47 Diese Fähigkeit reizt – jenseits der irenäischen Interpretationen im magischen Bezugsrahmen – auch moderne Ausleger zu weiteren Deutungen; beispielsweise wendet Theißen, 1993, 297f psychologische Kategorien an und deutet das Verhältnis der Anhängerinnen zu Markus parallel zu dem der Prisca und der Maximilla zu Montanus als „Abhängigkeitssyndrom“. 48 Zu diesem Spottgedicht vgl. Förster, 1999, 18ff, der Haer 1,13,3 und 1,15,6 gemeinsam untersucht. 49 Vgl. a.a.O., 25. In diesem Sinne ist auch die „leere Luft“ aus Haer 1,13,3 zu interpretieren (große Wirksamkeit ohne sachlichen Hintergrund), nicht als Hyperventilation (Förster, a.a.O., 119ff).

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Die Magiepolemik

mene Magiepolemik gegen Markus keineswegs nur auf den Kreis der Apostatinnen beschränkt, sondern schon in weiteren Kreisen sprichwörtlich (in Gedichtform) kursiert. Sympathisanten des Markus und die Magiepolemik des Irenäus Irenäus kann sich demnach bei seinen Ausführungen zu Markus dem Gnostiker auf eine ausgeformte Magiepolemik stützen. Dabei allerdings ist zu beachten, dass der Magieverdacht gegen Markus keineswegs die communis opinio dargestellt haben dürfte; Markus scheint auch – jenseits des engen Anhängerkreises – einen weiteren Kreis von Sympathisanten gehabt haben. Diese Gruppe scheint mir bei den folgenden Ausführungen des Irenäus zu Worte zu kommen: Irenäus räsoniert in 1,13,3 über die prophetischen Fähigkeiten des Markus, die er möglicherweise mit Hilfe eines Beistandsdämon entfalten könne (GK MQ?L FG?CW VQ?P MCK? FCKOQP VKPC RCTGFTQP G ZGKP, FK‘ QW CW VQL VG RTQHJ VGWGKP FQMGK, „wahrscheinlich ist es so, dass er einen Dämon, einen Beisitzer, hat, durch den er wahrsagen zu können scheint“). Diese sicherlich mit polemischer Spitze formulierten Aussagen könnten allerdings durchaus auf einen Kern wohlwollender Meinungen über Markus zurückgreifen, denn im zeitgenössischen Kontext ist es durchaus üblich, die prophetische Gabe bestimmter besonderer Menschen durch Eingebung vonseiten eines Begleitdämon zu begründen.50 Dies mag als eine Entfaltung des „FCKOQPKQP“ des Sokrates in seiner Apologie (31d) gesehen werden, dank dessen er in der Wirkungsgeschichte bei Philostrat in der Vit Apol 1,2 Kommendes vorher wusste bzw. in 8,7,9 Zukünftiges lernte.51 Auch Apollonios selbst wird von Philostrat in seiner Fähigkeit der prophetischen Rede dargestellt, die er durch Kontakt mit seinem Begleitdämon erhält. Diese Darstellung hat bei Philostrat allerdings eine polemische Spitze und richtet sich explizit gegen die interpretatio magica von Apollonius‘ prophetischen Fähigkeiten: In 5,11f. etwa sagt Apollonius die Herrschaftsverhältnisse des Vierkaiserjahres 68/69 richtig voraus, und Philostrat beeilt sich zu betonen, dies habe er „FCKOQPK MKPJUGK RTQGIKIPYUMG“ („dank eines göttlichen Impulses

50

Gegen Förster, 1999, 94ff, der hier ausschließlich antignostische bzw. magische Polemik des Irenäus sieht. Allerdings wird bei den von Förster angegebenen Belegstellen die Verbindung zwischen einem Parhedros und der Fähigkeit der Prophetie nicht deutlich; diese Verbindung ist durch die o.a. Vergleichstexte besser begründbar. 51 Vgl. hierzu die Ausführungen zum Begleitdämon bei du Toit, 1999. Zusätzlich zu den von diesem angegebenen Belegen sei noch die Darstellung der Pythia bei Ps-Longinus, „Vom Erhabenen“ 13,2 angeführt: Wenn sich die Pythia dem Dreibock über dem Erdspalt naht, so „wird sie dort mit der dämonischen Macht geschwängert und kündet sogleich die eingehauchten Weissagungen“ (CW VQSGP G IMWOQPC VJL FCKOQPKQW MCSKUVCOGPJP FWPCOGYL RCTCWVKMC ZTJUOFGKP MCV’ G RKRPQKCP).

Christliche Magiepolemik

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vorausgesehen“52) und nicht durch Goetie. In 8,7,9f wird er beschuldigt, die Pest von Ephesos durch Zauberei genau vorausgesagt zu haben und verteidigt sich mit dem Hinweis auf die prophetischen Gaben von Sokrates, Thales und Anaxagoras sowie durch die Äußerung, dass er das Wissen um Zukünftiges – unter Voraussetzung der Reinheit – durch J Q OHJ? VQW FCKOQPKQW („durch die Stimme des Dämon“) erhalte. Die Begründung prophetischer Fähigkeiten durch einen Dämon will an diesen Stellen explizit nichtmagisch verstanden sein. In diesem Zusammenhang ist es durchaus denkbar, dass Aussagen über die durch einen Dämon hervorgerufenen prophetischen Fähigkeiten des Markus zunächst wohlwollend von Sympathisanten kolportiert worden sind. Diese dürften nicht identisch mit den christlichen Anhängern des Markus sein, da in diesem Rahmen stets zur Begründung prophetischer Fähigkeiten von der „Charis“ die Rede ist, nicht von einem „Daimonion“. Man kann sich hier vorstellen, dass die Fähigkeiten des Markus auch in nichtchristlichem Umfeld tradiert und interpretiert, dann aber von Irenäus aufgegriffen und magisch umgedeutet wurden. Dies ließe sich auch auf literarischer Ebene plausibel machen, indem der redaktionelle Eingriff des Irenäus in die von den Sympathisanten kolportierte Tradition unterstrichen dargestellt wird: (ӍMQ?L FG?CW VQ?P MCK? FCKOQPC VKPC RCTGFTQP G ZGKP, FKˆ QW CW VQL VG RTQHJVGWGKP FQMGK („wahrscheinlich ist es so, dass er einen Dämon, einen Beisitzer, hat, durch den er wahrsagen zu können scheint“). Prophetie aufgrund eines Dämons wäre damit Tradition; dass es sich dabei jedoch nicht um so etwas wie das „Dämonische“ des Sokrates, sondern um einen durch Magie hervorgebrachten „Beisitzer“ (Parhedros) handelt, wäre dann die interpretatio magica des Irenäus. Die Charakterisierung des Markus in Haer 1,13,1, dass er „IPYUVK MYVCVQL MCK? VGNGKYVCVQL“ „tiefste Erkenntnis und höchste Vollkommenheit CVQPQOCVYP habe“ und „FWPCOKP VJ?P OGIKUVJP C RQ?VYP C QTCVYP MCK?CM VQRYP“ („die stärkste Kraft aus den unsichtbaren und unnennbaren Regionen“) scheint – trotz der späteren Interpretation durch Hippolyt, Ref 6,39 als Selbstaussage des Markus – nicht auf Markus selbst zurückzugehen und auch kaum aus den engeren Kreisen um ihn zu stammen, denn von der Zahlenspekulation des Markus und der Besonderheit der Gottesdienstfeier, nämlich der Weitergabe der Charis zum Zweck der Prophetie, ist bei den oben angegebenen Attributierungen nicht die Rede – es geht nicht um ZCTKL, sondern um FWPCOKL. Wie ist es nun möglich, dass diese Attribute so wenig mit dem zu tun haben, was wir aus den inneren Kreisen des Markus und von diesem selbst hören? Als Antwort scheint mir erwägenswert, dass

52

Übersetzung nach Mumprecht, 1983, 486.

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Die Magiepolemik

es sich dabei um Stimmen von Sympathisanten des Markus handelt,53 die nicht über detaillierte Informationen verfügten, sondern ihre Sympathie in allgemeineren Topoi formulierten: Markus ist IPYUVKMYVCVQL und VGNGKY VCVQL und besitzt darüber hinaus noch FWPCOKL OGIKUVJ. Diese besonders attributierte FWPCOKL (vgl. auch 1,13,6: C TTJVQLFWPCOKL oder RCUC FWPCOKL ähnlich die FWPCOKLOGICNJ in Acta 8,10) hat nicht nur „negative Konnotationen“ 54, sondern ist auch unpolemisch gebraucht, etwa FWPCOKL RQNNJ in Mk 13,26 für den Menschensohn, FWPCOKL OGICNJ in Acta 4,33 für die Apostel, die FWPCOGKL OGICNCK des Philippus in Acta 8,13. Darum dürften diese Aussagen im vorliegenden Kontext weniger als Teil der Polemik gegen Markus, sondern vielmehr als Schlagworte von Sympathisanten aufzufassen sein, die Irenäus hier referiert. Irenäus korrigiert diese Einschätzungen in 1,13,1 mittels stereotyper Magiepolemik, die an zwei verschiedene Phänomene anknüpft: – Markus hat Missionserfolg: Dies wird in der Eingangsnotiz deutlich, in

der Irenäus es beklagt, dass Markus durch seine Magie „viele Männer und nicht wenige Frauen dazu verführt hat, sich ihm anzuschließen.“ Auch hier provoziert die offensichtliche Fähigkeit, Menschen an sich zu binden, den Magieverdacht. – Markus tritt mit sinnfälligen Effekten öffentlich auf. Gegen Ende des Abschnitts Haer 1,13,1 stellt Irenäus wieder eine Fremdaussage über Markus der eigenen Ansicht entgegen: für die einen (Unverständigen) scheint er FWPCOGKLG RKVGNGKP („über Zauberkräfte zu verfügen“), doch dies sei nichts anderes als eine Mischung aus der RCKIPKC (dem Spott) eines gewissen Anaxilaos und der RCPQWTIKC (der Verschlagenheit) der so genannten Magier. Was die Sympathisanten also fälschlicherweise für FWPCOGKL halten, ist in Wirklichkeit nichts anderes als RCKIPKC und RCPQWTIKC. Die Magiepolemik nach Irenäus Wie bei Hippolyt aus Ref 6,42 hervorgeht, hatten Irenäus’ Ausführungen über Markus auch bei den Markosianer eine Wirkungsgeschichte – sie empfanden sich von Irenäus falsch dargestellt. Hippolyt sieht sich darum in

53

Auch Förster, 1999, 58 fällt auf, dass Irenäus hier von männlichen und weiblichen Anhängern spricht, während das folgende Referat ausschließlich die Anhängerinnen thematisiert. Diese Spannung gleicht er jedoch durch die Darstellungsweise des Irenäus aus (Markus als Frauenheld) und nicht, wie in der vorliegenden Studie, soziologisch (verschiedene Anhängergruppen). 54 Förster, 1999, 59–61, hält diese Aussagen für irenäischen Polemik, hält aber auch Anknüpfungspunkte in valentinianischen Sprachgebrauch für möglich. Dagegen werden in der vorliegenden Studie diese Aussagen als von Irenäus referierte Schlagworte von Sympathisanten des Markus interpretiert.

Christliche Magiepolemik

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der post-ireneischen Diskussion zu noch eingehenderen Recherchen über die Markosianer genötigt. Bei deren Darlegung wird auch in Ref 6,39f eine Weiterentwicklung der Magiepolemik gegen Markus erkennbar. Hippolyt geht es vor allem um die publikumswirksamen Effekte beim Gottesdienst. Den öffentlichen Erfolg des Markus führt Hippolyt auf zwei Faktoren zurück: zum einen seien es Gaukeleien, mit denen Markus die Leute verführt, zum anderen helfen ihm Dämonen. Letzterer Vorwurf, die Hilfe durch Dämonen, ist schon in dem oben angeführten, von Irenäus in Haer 1,15,6 zitierten Gedicht angelegt: Markus hat seine Macht von seinem Vater Satan und voll bringt seine Wunder durch die Engelskraft Asasels. Die dämonologische Deutung der öffentlichen Effekte des Markus, die in besagtem Gedicht schon lange vor Hippolyt angelegt ist, wird bei ihm allerdings nicht entfaltet. Dagegen führt Hippolyt die „Gaukeleien“ des Markus im Zuge der gottesdienstlichen Handlungen – im Rückgriff auf seine Darstellungen zur Magie in Ref 4,28ff – breit aus; Markus ist bei ihm ein Gaukler, der im Gottesdienst Effekthascherei betreibt. Letztendlich werden damit die Effekte des Markus rationalisiert: Die Magiepolemik richtet sich nicht mehr auf die zahlreiche Anhängerschaft, sondern auf effektive und unerklärliche öffentliche Vorführungen, die als magische Tricks rationalisiert werden. Damit hat sich der Akzent deutlich verschoben, und das Bild von Markus dem Magier hat sich zum Gaukler verändert. Diese Sichtweise lässt sich auch bei Theodoret, Haereticarum fabularum Compendium 9 belegen. Markus übt RCTCFQEC und OCIICPGKCK, Auffälligkeiten und Gaukeleien, aus, und seine schriftlichen Vermächtnisse werden nur durch ihre Wirksamkeit charakterisiert, nämlich die Unwissenden in Erstaunen zu versetzen. Auch hier steht die Effekthascherei im Vordergrund. Dieser spezielle Akzent der Magiepolemik wird später bei Euseb, HE 4,11,4 – neben breiter Darstellung des falschen Kultes des Markus – als einzige Notiz zum „Magier“ Markus rezipiert: Er ist OCIKMJL MWDGKŸCL G ORGKTQVCVQL („in Zauberei und Gaukelei sehr erfahren“). Dabei nimmt er alleinig die Notiz aus Iren, Haer 1,13,1 auf, mit der Irenäus den Markusteil eröffnet: Markus ist einer, der mit magischer Täuschung arbeitet. Hier ist der ehemalige Träger magischer Dynamis endgültig zum Gaukler verkommen. Auch Epiphanius weist in Pan 34,1,7 in die gleiche Richtung, wenn er auf den Ritus der Weinumfärbung näher eingeht, der mit einem Zauberspruch (G RFJ) eingeleitet wird. Auch hier richtet sich die interpretatio magica auf die Art und Weise der Tätigkeit, in diesem Falle um die sinnfälligen kultischen Handlungen.

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Die Magiepolemik

Ergebnis Markus war Oberhaupt einer Personalgemeinde, die besondere liturgische Formen und dabei besonders die Weitergabe der Charis zum Zweck prophetischer Rede pflegte. Er scheint dadurch manche Frauen emotional sehr eng an sich gebunden zu haben, war – wie auch in Gedichtform gefasste Polemiken gegen ihn zeigen – einer breiteren Öffentlichkeit bekannt und hatte dort, wie die Ausführungen des Irenäus in 1,13,1.3 nahe legen, auch viele Sympathisanten, die ihre Sympathie in allgemein gehaltenen Termini ausdrückten. Massiver Magieverdacht gegen Markus ist in mehreren Punkten greifbar: – Aus den eigenen Kreisen der Markusgemeinde formulieren Apostatin-

nen nach ihrer Distanzierung von Markus den Magieverdacht, dem Erlebnisse bei den Mahlfeiern einerseits und den emotionalen Bindungen andererseits zugrunde liegen. Konkret knüpft sich der Magieverdacht an die besonders eindrückliche Eucharistieliturgie (Weinverfärbung), and die „Charis“ der prophetischen Rede, die Markus für sich in Anspruch nimmt und weiter gibt und an die emotionalen Bindungen, die einige Frauen Markus gegenüber zeitweise hatten. Die Beobachtung, dass hier für Markus auch Geld eine wichtige Rolle spielte, unterstrich den Verdacht zusätzlich. – Durch ein Spottgedicht über Markus kommen Außenseiter zu Wort, deren Magiepolemik sich besonders an der Art und Weise des publikumswirksamen öffentlichen Auftretens des Markus entzündet. – Irenäus selbst gründet seinen Magieverdacht auf zwei Phänomene, nämlich erstens, vergleichbar zu dem Autor des Spottgedichtes, auf die effektheischende Art und Weise von Markus’ öffentlichem Auftreten und zweitens auf seinen tatsächlichen Missionserfolg, i.e. die Fähigkeit, Menschen (und besonders Frauen) an sich zu binden. – In den Darstellungen nach Irenäus wird durchgehend nur noch gegen die Arbeitsweise (Ekffekthascherei mittels Zaubertricks) polemisiert. Simon und die Simonianer Simon in Acta Urquell aller Häresien ist für die frühen christlichen Apologeten Justin und Irenäus ein gewisser Simon aus Samarien, dessen kurze neutestamentliche Skizzierung in Acta 8 eine an polemischer Dichte kaum wieder erreichte christliche Nachgeschichte evozierte. Simon wird schon in der Apostelgeschichte mit Magie in Zusammenhang gebracht (Acta 8,9–11). Zwar wird

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er nicht ausdrücklich als „Magier“ betitelt, aber nach Interpretation des Lukas betreibt er Magie. Die Forschungsgeschichte zu Simon ist seit jeher, auch in der Nachgeschichte der fast zeitgleichen und dennoch konträren Untersuchungen von K. Beyschlag (1974) und G. Lüdemann (1975), von Grundsatzfragen zur Entstehung der christlichen Gnosis55 oder zur religionsgeschichtlichen Einordnung Simons56 überlagert. Untersuchungen zum Magier Simon führen dabei eher ein Schattendasein. Dennoch lassen sich speziell zum „magietreibenden“ Simon zwei konträre Forschungsmeinungen angeben. – Einmal wird vorausgesetzt, dass Simon ein Magier sei und das von

Lukas erzählte magische Handeln wird als historisch angesehen.57 – Konträr dazu steht die Überlegung, Simon werde von Lukas polemisch mit der Magie in Verbindung gebracht habe mit der historischen Tätigkeit Simons nichts zu tun.58 Der Magieverdacht in unserer ältesten Quelle bei Lukas wird wohl aufgrund des Erfolges in der samarischen Öffentlichkeit zu suchen sein: Wenn er in Acta 8 in Zusammenhang mit OCIGWGKP undOCIGKC gebracht wird, ist stets von seiner Wirkung auf die Menge die Rede (G EKUVCPCK). Hier ist es also das bekannte Motiv des öffentlichen Erfolgs, der den Magieverdacht begründet.59 Weitere Anknüpfungspunkte für den Magieverdacht gehen aus den Notizen des Lukas nicht hervor. Seine Vorgabe, er sei „etwas Großes“, wird nicht magisch ausgedeutet, lediglich die Entfaltung durch die Sympathisanten wird erwähnt. Auch die Anfrage Simons an die Apostel, ob die FWPCOKL zur Weitergabe des Heiligen Geistes mit Geld zu erkaufen sei, wird bei Lukas nicht ausdrücklich im Zusammenhang mit Magie gesehen. Petrus kommentiert die in V 22 als MCMKC („etwas Schlechtes“), aber nicht als OCIGKC. Dies ändert sich allerdings in der weiteren Rezeption der Simon55 So der Grundtenor der ausführlichen Besprechung der beiden o.g. Forschungsansätze durch Rudolph, 1977 und – in neuerer Zeit – die Einschätzung durch Ferreiro, 1996, 149–152; Theißen, 2000, Haar, 2003. 56 Die religionsgeschichtliche Herkunft Simons wird auch den Quellen nach unterschiedlich beurteilt (vgl. Zangenberg, 2000); nach Acta 8 wird er getauft, ist also Heidenchrist, was auch bei Just, 1Apol. 26 und Iren Haer 1,23 vorausgesetzt wird (zu Simon als christlichem Missionar vgl. Bergmeier, 1986, 286; Berger, 1994); Hippolyt, Ref 6 und PsClem, Hom 2,22; Rec 1,12 etwa stellen ihn als paganen Magier hin (so auch die Einschätzung von Lüdemann, 1975, 29), Origenes, Cels 1,57 und Tert, De an 34 als samaritanischen Magier, als Juden zeichnen ihn die ActPetr (ActVercellens 6). 57 So etwa Beyschlag, 1974, 105; Pindel, 1996, Zangenberg, 2000. 58 So etwa Lüdemann, 1975, 41f (dagegen Bergmeier, 1986, 270); Berger, 1994. 59 Diese These steht in genauem Gegensatz zu Beyschlags Meinung in ders., 1974, 105, Anm. 117, wonach Simon „mit Magie aufgeputzte Sensationsmache“ betreibe, denn nach der oben vertretenen These verstärkt nicht die Magie die „Sensationsmache“, sondern diese begründet den Magievorwurf.

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Die Magiepolemik

tradition, bei der mehrere Motive aus Acta 8 Basis für die Magiepolemik bieten.60 Magiepolemik gegen Simon öffentlicher Erfolg Allerdings durchzieht auch – in Anlehnung zu Acta 8 – der Magieverdacht aufgrund des öffentlichen Erfolges Simons die Tradition. Als Signalwort für diese Motivation der Magiepolemik kann der Hinweis auf „viele“ Nachfolger oder „eine Menge“ Gläubige gelten. Schon in der frühen Wirkungsgeschichte ist bei Justin in 1Apol 56 zu lesen: Die Dämonen bewirken, dass Simon und Menander „OCIKMC?L FWPCOGKL RQKJUCPVGL RQNNQW?L G EJRCVJUCP MCK? G£VK C RCVYOGPQWL G£ZQWUK“ („dadurch, dass sie mittels Magie Wundertaten verrichteten, viele betörten und noch in Betörung halten“). Deutlich ist dabei zu erkennen, wie der Magievorwurf aufgrund öffentlichen Erfolges aus Acta bewahrt wurde. 1Apol 26,2 bezeugt, dass Simons magische FWPCOGKL ihm von Dämonen eingegeben wurden; hier geht es um die öffentliche Wirksamkeit, neu ist die Zuweisung der magischen Fähigkeiten Simons an Dämonen. Auch Hippolyt aus Rom bringt in seinen Ausführungen zu Simon und den Simonianern in Ref 6,7ff die Magie in Zusammenhang mit dem öffentlichen Erfolg Simons. Hippolyt beschreibt Simon ganz auf dem Hintergrund der paganen Magier (so in Ref 6,2: Simon stütze sich auf die Magier und Dichter), deren Schriften er aus authentischen Quellen gründlich kennt – wenn wir beispielsweise seine Ausführungen zur Magie in Ref 4,28ff als Auszüge aus antiken Zauberbüchern lesen. Auf die Rezeptionen dieser magischen Literatur bezieht er sich auch bei der Charakterisierung Simons in Ref 6,7: QW¢VQLQ 6KŸOYPOCIGKŸCLG£ORGKTQLY®PMCK½VC?OG?PRCKŸECLRQNNQW?LMCVC?VJ?P 4TCUWOJFQWLVGZPJP¬VTQRC£PYSGPG EGSGOGSC

Dieser Simon, der Magie kundig, täuschte viele durch die Kunst des Trasymedes, wie wir es oben auseinandergesetzt haben.

Auch hier ist wieder der Hinweis auf die Vielen gesetzt, bei denen Simon erfolgreich war; die Kunst des Trasymedes ist nicht eindeutig zu bestimmen und möglicherweise mit Homer, Il 16,321 als C PVKSGQL zu lesen – auch Tertullian hatte in De an 44,2; 49,2 Trasymedes mit besonderen Phänome60

Zur Rezeptionsgeschichte der Simontradition bis ins Mittelalter vgl. den programmatischen Entwurf von Ferreiro, 1996 (allerdings ohne Schwerpunkt des Magievorwurfs); Haar, 2003, 118– 131 bietet eine hilfreiche tabellarische Zusammenstellung zur traditionsgeschichtlichen Veränderung einzelner Aspekte der Simontradition in der Alten Kirche.

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nen zusammengebracht.61 Sehr wahrscheinlich hatte Hippolyt im Zusammenhang mit seiner Rezeption der magischen Literatur in Ref 4,28ff schon einmal Ausführungen zu Trasymedes gemacht, die uns allerdings aufgrund der Textverderbnis nicht erhalten sind. Die öffentliche Wirkung auf die Massen scheint auch in den Darstellungen Eusebs den Magieverdacht zu begründen. In HE 2,1,11 vermerkt dieser, der „damals“ berühmte Simon habe die von seiner Magie Betrogenen so sehr fasziniert, dass sie ihn für die große Kraft Gottes hielten. Auch hier geht die Wirkung auf die Massen (durch Magie) dem Ansehen voraus. Diese Tendenz verstärkt sich bei Euseb in den Darstellungen in HE 2,13,1– 14,6, in denen (mit ausführlichem Verweis auf Justin, 1Apol 26 und Irenäus, Haer 1,23,1–4 als Belege) von den effektiven magischen Kunststückchen Simons in Rom berichtet wird. In der Entfaltung der Simontradition ist zu erkennen, wie die Verführung der Massen durch Magie von den Kirchenvätern relativiert wird; dies kann auf verschiedene Arten geschehen: – Der Versuch, die FWPCOGKL Simons als Trickserei zu diskreditieren, wie

es bei Tertullian in De an 57,7 angelegt ist: Mose zeigte, dass die Schlangen der ägyptischen Magier nicht real waren, und die Techniken Simons und des Elymas sind es ebensowenig. Im Hintergrund dieser Ausführungen steht das öffentliche Auftreten der Magier Simon sowie Elymas. – Die Tendenz, die Zahl der Simonanhänger zu relativieren: Origenes, Cels 1,57: „Es wollte aber auch Simon, der samarische Magier, einige durch Magie verführen (VXOCIGKŸW HGNGUSCKVKPCL). Damals gelang es ihm auch, nun aber ist es, glaube ich, unmöglich in der ganzen Welt dreißig Simonianer zu finden, und vielleicht übertreibe ich ihre Zahl noch. Es gibt sehr wenige in Palästina, während sein Name in der restlichen Welt nirgends erwähnt wird, über die er ja seinen Ruhm verbreiten wollte. Wo sein Name freilich erwähnt wird, stammt dies aus der Apostelgeschichte: Christen sind es, die dies über ihn sagen, was deutlich beweist, dass Simon nichts Göttliches war.62

– Diese Notiz stammt aus einer Aufzählung jüdischer Messiasprätenden-

ten (Judas Galiläus, Theudas, Dositheus) und pointiert Simons Scheitern als möglicher Messias. Dabei ist erkennbar, dass die Wirkungsgeschichte Simons heruntergespielt wird (nicht „viele“, sondern nur „einige“ verführte er; es gibt nur noch wenige Anhänger). Dies ist sicherlich im Zusammenhang der Polemik des Celsus zu sehen, der Jesus hier mit Hinweis auf andere Gottessöhne zu relativieren versucht. Auch in Cels 5,62 61 62

Vgl. Zangenberg, 1994, 245f. Übersetzung nach Zangenberg, 1994, 253.

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Die Magiepolemik

argumentiert Celsus mit einer Zahl von Simonianern, die er kenne und stellt Simon als Wundertäter in Konkurrenz zu Jesus, und in Cels 6,11 relativiert er die Bedeutung der Botschaft Jesu mit Hinweis auf andere Heilsangebote. In Auseinandersetzung mit derartigen Argumenten verfolgt Origenes an den genannten Stellen (Cels 1,57; 5,62; 6,11) die Strategie, einerseits die Zahl der Simonianer, andererseits die Bedeutung der Wunder Simons zu marginalisieren. Dabei steht er sachlich in Spannung zu den Ausführungen des Irenäus, der in Haer Simon als wirkungsgeschichtlich erfolgreichen Ketzer darstellt. Der pekuniäre Aspekt Bei Irenäus in Haer 1,23,1 ist das finanzielle Angebot Simons durch das Missverständnis motiviert, die Apostel verfügten über bessere und wohlfeile magische Techniken. Offensichtlich bewirkt hier der pekuniäre Aspekt bei Heilungen das magische Misstrauen. Der öffentliche Erfolg setzt laut Irenäus erst im Zuge eines verstärkten magischen Bemühens nach der Ablehnung durch die Apostel ein und ist damit als sekundäres Motiv anzusehen; primär geht Irenäus vom pekuniären Aspekt der Simontradition aus. Gegnerschaft zu den Aposteln Simon wird schon in Acta mit den Aposteln kontrastiert: Sein magisches Treiben steht in Spannung mit den Heilungsberichten des Philippus, und in Acta 8,14 wird die Gegnerschaft mit Petrus offen ausgetragen, was sich dann auch in den späteren Traditionen niederschlägt.63 Bei Hippolyt, Ref 6,7ff wird der in den Petrusakten und des Pseudoclementinen entfaltete Konflikt Simons mit Petrus durch dessen magisches Treiben begründet, und bei Euseb in HE 2,1,10f. schließt sich Simon heuchlerisch dem christlichen Glauben an, weil Philippus der größere Wundertäter ist. Bei den Auseinandersetzungen zwischen Simon und den Aposteln spielt die Wundertäterschaft Simons und des Apostels eine große Rolle; obwohl Simon dabei mit magischen Betrügereien manipuliert (so etwa in den Petrusakten Acta Vercellens 17–23 bei der Verführung Eubolas) und gelegentlich die Apostel selbst unter den Verdacht betrügerischer Magie geraten (so Paulus in Acta Vercellens 4 oder Petrus in PsClem, Hom 7,9), scheitert Simon schließlich im Konflikt. Interessanterweise wird dieser Konflikt gelegentlich als Ursache für Simons magisches Treiben beschrieben:

63

Zum Konflikt zwischen Simon und Petrus in den ActPt als spätere Ausgestaltung der kanonischen Apostelgeschichte vgl. Matthews, 1992.

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Simon setzt nach der Darstellung bei Tertullian, De an 34,2 die Magie erst dann ein, als er von den Aposteln zurückgewiesen wurde und aus Rache die Wahrheit bekämpft: Nam et simon samarites in actis apostolorum redemptor spiritus sancti, posteaquam damnatus ab ipso cum pecunia sua in interitum frustra fleuit, conuersus ad ueritatis expugnationem quasi pro solacio ultionis, fultus etiam artis suae uiribus, ad praestrigias uirtutis alicuius helenam quandam tyriam de loco libidinis publicae eadem pecunia redemit [...]. Zu ihnen gehörte Simon aus Samaria, der in der Apostelgeschichte als Einkäufer des heiligen Geistes auftritt. Nachdem er mit seinem Gelde durch diesen zum Untergang verdammt war und darum vergeblich geweint hatte, hatte er sich, gleichsam um sich mit dieser Rache zu trösten, der Bekämpfung der Wahrheit zugewandt. Dabei stützte er sich auf die Kräfte seiner magischen Kunst und kaufte eine gewisse Helena von Tyrus aus einem öffentlichen Haus des Lasters [...].64

Magie wird aus Rache eingesetzt und steht hier – wie auch bei Menander, De an 50,1f – im Zusammenhang mit sexueller Ausschweifung. Eine deutliche Motivation für den Magieverdacht ist hier nicht zu erkennen, die Zuweisung als Magier wird aus der Überlieferung übernommen. Allerdings ist das Konkurrenzmotiv zu den Aposteln stark ausgeführt. Auch bei Hippolyt spielt dies eine Rolle. Dieser hat bei seinen Ausführungen zur Magie Simons in Ref 6,7ff – wie oben deutlich wurde – dessen Wirkung auf die Vielen im Blick, aber die Gegnerschaft zu Petrus kommt auch bei ihm zu tragen: Hippolyt, Ref 6,20,2–4: QW¢VQLQ 6KŸOYPOCIGKŸCKLRQNNQW?LRNCPYžPG PVX6C OCTGKŸW RQ?VYžPC RQUVQNYPJ NGIZSJ:MCK½:G RCTCVQLIGPQOGPQLMCSY¶LG P VCKL3TCEGUKIGITCRVCKC RGWFQMJUCLW UVGTQPVCW VC?G RGZGKŸTJUGPG YLMCKVX ™5YOXG RKFJOJUCLC PVGRGUGVQK©LC RQUVQNQKLRTQ?LQ¡PRQNNC?3GVTQL C PVKMCVGUVJOCIGKŸCKLRNCPYžPVCRQNNQWL2W¢VQLG RK½VGNGKG NSY¶PG P>@W RQ? RNCVCPQPMCSG\QOGPQLG FKŸFCUMGMCK½FJ?NQKRQ?PG IIW?LVQWG NGIZGUSCK IKPQOG PQLFKC?VQ?G IZTQPKŸ\GKPG£HJQ VKGKšZYUSGKŸJ\YžPC PCUVJUGVCKVXVTKŸVXJ OGT MCK½FJ?VCHTQPMGNGWUCLQ TWIJPCKW RQ?VYžPOCSJVYžPG MGNGWUGZYUSJPCK:QK OG?PQW¥PVQ ? RTQUVCZSG?PG RQKŸJUCPQ FG?C RGOGKPGPG YLPWP:QW IC?TJ¥PQ ;TK UVQL Simon täuschte durch Zauberei viele in Samaria und wurde von den Aposteln überführt und verflucht, wie es in den Acta geschrieben steht. Er fiel später ab und verlegte sich auf diese Dinge. Ja er kam bis nach Rom und widerstand den Aposteln; da er viele durch Zauberei verführte, stellte sich Petrus des Öfteren entgegen. Schließlich ging er [...] und lehrte, unter einer Platane sitzend. Und als es am Ende nahe daran war, dass er, weil er dasselbe Geschäft allzu lange betrieb, überführt würde, sagte er, er würde, wenn er lebend eingegraben würde, am dritten Tage wieder auferstehen. 64

Übers. nach Waszink, 1980.

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Die Magiepolemik

Und nachdem von seinen Schülern auf sein Geheiß eine Grube ausgehoben worden war, befahl er, dass er eingegraben würde: Sie taten nun, wie ihnen befohlen; er blieb aber bis auf den heutigen Tag aus; er war eben nicht der Messias.

Im Gegensatz zu Tert, De an 34,2, wo das magische Handeln Folge der Gegnerschaft der Apostel ist, verursacht hier Magie diese Gegnerschaft. Auch ein Konkurrenzverhältnis zum Messias wird hier deutlich, das aber nicht im Zusammenhang mit Simons magischen Tätigkeiten gesehen wird. Eine besondere Nuance gewinnt der Magievorwurf im Zusammenhang mit der Konkurrenz zu den Aposteln in den Petrusakten; dort nennen einige unter dem Eindruck von Simons Wundertaten Petrus einen Zauberer und Gaukler. Götzendienst Tertullian sieht – folgt man De an 57, Magie prinzipiell als „secunda idololatria“ und denkt dabei besonders an Nekromantie: Durch magische Totenbeschwörung als wichtigste Leistung der Magie lässt man sich mit Dämonen ein. Darauf wird wohl auch in Tert, Praescr haer 33 angespielt: „Die Lehre der Simonianischen Zauberei aber, die den Engeln dient, wurde jedenfalls dem Götzendienst zugerechnet und schon vom Apostel Petrus in der Person des Simon verworfen.“ Die Notiz bei Tertullian in Idol 9, die Simon und Elymas als Astrologen und damit als Vertreter einer weiteren Art der Magie sieht, weist in die gleiche Richtung und macht auf das heterodoxe Tun der Magier aufmerksam. Bildung In den Pseudoclementinen, deren Ethos sich gerade aus der apologetischen Auseinandersetzung zwischen griechisch-hellenistischem Bildungsgut und christlicher Predigt rekrutiert (vgl. z.B. die Appiondiskussion in Hom 4), wird die Gestalt des Simon als herausragender Vertreter der fremden, widerchristlichen Bildung gesehen: PsClem, Hom 2,22,3f: QW¢VQLG Pš$NGECPFTGKŸ VXRTQ?L$KIWRVQPҏ IGIQPYLҏ™(NNJPK MXRCKFGKŸRCPWG ECUMJUCLG CWVQ?PMCK½OCIGKŸRQNW?FWPJSGK½LMCK½HTGPYSGK½L SGNGKPQOKŸ\GUSCKC PYVCVJVKLGK¼PCKFWPCOKLMCK½CW VQWVQWVQ?PMQUOQPMVKŸUCP VQLSGQWG PKŸQVGFG?MCK½ZTKUVQ?PG CWVQ?PCKšPKUUQOGPQLG UVYžVCRTQUCIQTGWGK

Während seines (sc.: Simons) Aufenthaltes in Ägypten eignete er sich die griechische Bildung in weitem Maße an und brachte es zu ausgebreiteten Kenntnissen und Fähigkeiten in der Magie. Jetzt tritt er mit dem Anspruch auf, als eine mächtige Kraft eben des Gottes zu gelten, der die Wahrheit erschaffen hat. Gelegentlich spielt er sich als Messias auf und bezeichnet sich als den Stehenden. 65

65

Übers. Irmscher in Schneemelcher, Bd. 2, 19895, 463ff.

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Hier (ähnlich in der Parallele Rec 2,9,3) wird die Magie Simons auf seine besondere griechische Bildung in Ägypten zurückgeführt. Magie ist damit Teil seines widerchristlichen Bildungshorizontes. Die Tätigkeit Simons wird dann wie folgt beschrieben: PsClem Hom 2,25,3: RNJ?PVQKCWVCVKPC™(NNJPKMQK©LOWSQKLUWPRGRNCUOGPC RKSCPYžLC NNJIQTYžPC RCVRQNNQWLG ECKTGVYLRQNNC?VGTCVYFJSCWOCUKC RQKYžPY‰LGKšOJ?X£FGKOGPQ VKOCIGKŸVCWVCRQKGK©J RCVJSJOGPC¤PMCK½CW VQKŸ Indem er so auch andere Erfindungen der griechischen Sage in einleuchtender Weise umdeutet, betrügt er viele, zumal er dabei zahlreiche Wundertaten verrichtet, durch die selbst wir uns hätten täuschen lassen, wüssten wir nicht, dass er sie nur durch Zauberei bewirkt.

Die Nachfolger des Simon Magus Nach den Darstellungen des Irenäus ist Simon der Erzketzer, und alle Ketzereien haben ihren Ursprung bei ihm.66 Simon selbst und seine Nachfolger werden ab Haer 1,23,1 besprochen. Dabei fällt auf, dass die Ausführungen zu Valentin und Markus Gnosticus – trotz der offensichtlich postulierten Abhängigkeit von Simon – von Irenäus in Haer 1 vor diesem behandelt werden. Der Grund hierfür ist – hält man Argumente für eine literarkritische Umstellung der Kapitel für zu wenig stichhaltig67 – in der Komposition von Haer 1 zu suchen: Irenäus beginnt in Haer 1,1–23 – nach einer Vorrede und der Darstellung der Ptolemäer – mit Ausführungen zu diversen gnostischen Meinungen, um deren Widersprüchlichkeit aufzuzeigen; eine zeitliche Sukzession hat er dann erst nachfolgend in Haer 1,23– 31 im Blick.68 Auffällig ist, dass die Häretiker in der Nachfolge Simons zum großen Teil der Magie verdächtigt werden, und hier ist auf die Liste der magischen Handlungen zu verweisen, die oben schon im Zusammenhang mit den Zauberpapyri besprochen wurde.69 Parallel hierzu führt Hippolyt, Ref 6,20: „Seine (Simons) Schüler gebrauchen Zauberei und Beschwörungen, Liebestränke und Verführungsmittel, senden so genannte traummachende Dämonen denen, die sie verwirren wollen. Sie veranstalten auch so genannte Paredren und haben Bildnisse des Simon in der Gestalt des Zeus.“ 66 Vgl. Haer 1,23,2: „Simon autem Samaritanus, ex quo universae haereses substiterunt“; Haer 1,27,4: „omnes, qui quoquo modo adulterant veritatem et praeconium ecclesiae laedunt Simonis Samaritani magi discipuli et successores sunt“. 67 Eine literarkritische Umstellung von Haer 1,23–31 zwischen Haer 1,12 und Haer 1,13 schlägt Tripp, 1991 vor; die These, die Reihenfolge sei womöglich schon zur Zeit des Irenäus geändert worden, bleibt sehr hypothetisch, zumal – wie auch Tripp selbst a.a.O., 157 einräumt, die überlieferte Reihenfolge bei Tert, adv. Valent. gesichert ist. 68 Vgl. zu diesem Kompositionsprinzip Brox, 1993, 116f. 69 Vgl. oben S. 49.

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Unter den Nachfolgern des Simon nennt Irenäus Menander70 und, im vorliegenden Zusammenhang besonders relevant, Karpokrates und seine Schule. Karpokrates ist uns durch Eckdaten seiner Biographie bei Clem Alex, Strom 3,5,1–3 als Alexandrinischer Theologe und Vater eines gewissen Epiphanes bekannt; seine Lebenszeit liegt – geht man von der Reihenfolge des Ketzerkatalogs Hegesipps bei Euseb, HE 4,22,5 aus, vor Valentinus, in der ersten Hälfte bzw. der Mitte des 2. Jh. AD. In der häresiologischen Darstellung der frühen Kirche wird seine Schule des Libertinismus geziehen, was allerdings als übliches Klischee zu werten ist.71 Nun werden die Karpokratianer bei Irenäus und der von ihm abhängigen patristischen Literatur auch mit dem Magievorwurf belegt. Irenäus macht hier in HE 1,25,3 folgende Aussagen: Artes enim magicas operantur et ipsi et incantationes philtra quoque et charitesia et paredros et oniropompos et reliquas malignationes, dicentes se potestatem habere ad dominandum iam principibus et fabricatoribus mundi huius, non solum autem, sed et his omnibus quae in eo sunt facta. Qui et ipsi ad detractationem divini ecclesiae nominis, quemadmodum et gentes, a Satana praemissi sunt, uti secundum alium et alium modum quae sunt illorum audientes homines et putantes omnes nos tales esse, avertant aures suas a praeconio veritatis, aut et videntes quae sunt illorum omnes nos blasphement in nullo eis communicantes neque in doctrina neque in moribus neque in quotidiana conversatione. Das Praktizieren magischer Künste ist auch bei ihnen üblich, genauso Zaubersprüche, Liebeszauber und Reizmittel, Beistandsgeister und solche, die Träume schicken, und sonstige üble Praktiken, wobei sie sagen, dass sie die Gewalt haben, die Archonten und Schöpfer dieser Welt schon zu beherrschen und obendrein alle Geschöpfe in ihr. So gehören sie zu denen, die zur Verleumdung des göttlichen Namens der Kirche vom Satan zu den Heiden geschickt worden sind, damit die Menschen hören, wie ihre Lehre immer wieder anders lautet, und zu der Meinung kommen, dass wir alle sind wie sie, und dann ihre Ohren von der Predigt der Wahrheit abwenden, oder auch damit sie deren Treiben sehen und uns allen pauschal Übles nachsagen, obwohl wir 70 Iren Haer 1,23,5: Sein [sc: des Simon Magus] Nachfolger war Menander, der aus Samaria stammte, ebenfalls ein großer Spezialist der Magie. Nach seiner Lehre ist die erste Kraft allen unbekannt; er (selbst) ist der von den unsichtbaren Höhen gesandte Soter für das Heil der Menschen. Die Welt ist von Engeln gemacht, von denen er wie Simon sagt, dass sie von der Ennoia ausgesandt sind. Durch die Magie, die er lehrt, verleiht er die Erkenntnis, mit der man sogar Macht über die Engel hat, die die Welt schufen. Seine Schüler erlangen die Auferstehung durch die Taufe auf ihn und können von da an nicht mehr sterben, sondern bleiben, ohne alt zu werden, und sind unsterblich (Übers. Brox, 1993, 295): Huius successor fuit Menander, Samarites genere, qui et ipse ad summum magiae pervenit. Qui primam quidem virtutem incognitam ait omnibus; se autem eum esse qui missus sit ab invisibilibus Salvatorem pro salute hominum. Mundum autem factum ab angelis, quos et ipse similiter ut Simon ab Ennoia emissos dicit. Dare quoque per eam quae a se doceatur magia scientiam ad id ut et ipsos qui mundum fecerunt vincat angelos. Resurrectionem enim per id quod est in eum baptisma accipere eius discipulos et ultra non posse mori, sed perseverare non senescentes et immortales. 71 Vgl. Löhr, 1995.

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doch nichts mit ihnen zu tun haben, in der Lehre nicht, in der Moral nicht, noch im täglichen Lebensstil.72

Der Katalog magischer Künste gehört zum Standardrepertoire des Irenäus und ist dem der Simonianer in HE 1,23,4 sehr ähnlich, auch (unter Weglassung der exorcismi in 1,23,4), in der Reihenfolge: Simonianer 1,23,4 Basilidianer 24,5 Karpokratianer 25,3 exorcismi incantationes incantationes incantationes amatoria philtra agogima invocationes charitesia paredri paredros oniropompi oniropompos perierga perierga malignationes Auffällig ist hier der Begriff „charitesia“, der in den griechisch überlieferten Zitaten der Stelle bei Hippolyt, Ref 7,32 und Epiphanius, Pan 27,2 mit „ZCTKVJUKC“ wiedergegeben ist. Hierbei handelt es sich um Gunstzauber, die Zuneigung bezwecken sollen: In PGM 4,2227 werden ZCTKVJUKC synonym mit HKNVTC, also Liebeszauber, gebraucht; PGM 13,338 erwähnt ZCTKVJUKC in einem ähnlichen Katalog magischer Künste zusammen mit C IYICK, Q PGKTQRQORC und Q PGKTCKVJVC. Die doppelte Nennung von Magien zur Zuneigung (philtra, charitesia) könnte eine Interpretationsrichtung zum Hintergrund der Magiepolemik bieten: Die Karpokratianer gewinnen erfolgreich Anhänger. Hier sollte die im o.a. Zitat ausgeführte Wirkung der Karpokratianer auf die „Heiden“ beachtet werden: die Karpokratianer finden Gehör, und es scheint vorgekommen zu sein, dass die Karpokratianer in manchen Gegenden von der heidnischen Bevölkerung als die Hauptrepräsentanten des Christentums angesehen worden – so jedenfalls ist die Notiz des Irenäus, das „einige Menschen glauben, dass wir alle wie sie sind“, zu verstehen. In 1,25,6 nennt Irenäus eine Karpokratianerin beim Namen, Marcellina, die in Rom „multos exterminavit“. Hier scheint durchaus die Möglichkeit zu bestehen, dass wie bei den Simonianern der Missionserfolg – die Gewinnung einer großen Anhängerschaft – ein Motiv für die Magiepolemik bietet, gerade wenn von „philtra“ und „charitesia“ die Rede ist. Diese These wird auch von Ausführungen des Irenäus in Haer 2,31,2f gestützt. Dort greift er die Anhänger des Simon, des Karpokrates und „Wundertäter“ aufgrund der Konkurrenz zu den großkirchlichen Amtsträgern an. Die allgemeine Argumentation lautet: Was die Kirche mit Mitleid, Gebet, Kraft, Erbarmen, 72

Brox, 1993, 309.

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Die Magiepolemik

Nächstenliebe tut, machen die mit Magie und Trugbildern. Sie tun ihre Wundertaten nicht „in der Kraft Gottes und auch nicht in Wahrheit und zum Segen der Menschen“, „sed in perniciem et in errorem, per magicas elusiones et universa fraude“. Sie können auch nicht heilen, und erst recht keine Toten erwecken. Demnach kann angenommen werden, dass die erfolgreiche Missionskonkurrenz der Karpokratianer zur Großkirche den sachlichen Hintergrund für die Magiepolemik (Zuneigungszauber und Täuschung) bietet. Als letzter ist hier der alexandrinische Theologe Basilides (bzw. auch seine Schule) zu nennen.73 Basilides wird von Irenäus in Haer 1,24,3ff als Nachfolger Simons dargestellt. Nach längeren Ausführungen zu seiner Lehre werden seine Anhänger mit der Magie in Verbindung gebracht, was davon wohl abhängig74 später bei Epiphanius, Pan 24,2,2 und Filastrius von Brescia, Div haer liber 32 aufgenommen wurde: Iren Haer 1,24,5: Auch geben sie sich mit Magie ab, mit Zaubersprüchen (incantationibus), Beschwörungen (invocationibus) und all solchen Praktiken (perierga). Sie erdichten bestimmte Namen wie von Engeln und verlauten, dass die einen im ersten Himmel sind, die anderen dagegen im zweiten; dann bemühen sie sich mit aller Kraft, die Namen, Prinzipien, Engel und Kräfte der erlogenen 365 Himmel zu entfalten. So war der Name, unter dem der Soter ab- und aufstieg, ihrer Meinung nach Kaulakau.75

Deutlich ist am Katalog der magischen Praktiken zu erkennen, dass es sich hier um eine allgemeine Magiepolemik handelt – die Basilidianer stehen im Rahmen der üblichen Ketzerpolemik unter Magieverdacht. Da die Notiz, die Basilidianer erdichteten fremde Namen unmitterlbar auf den Magieverdacht folgt, kann hier ein Zusammenhang vermutet werden: Begründet das „Erdichten fremder Namen“ womöglich den Magieverdacht? Kaulakau wird schon bei Epiphanius, Pan 25,5 auf Jes 28,10 zurückgeführt und dürfte Teil der basilidianischen Schriftauslegung sein. Der in HE 1,24,7 im Rahmen der basilidianischen Kosmologie erwähnte Archon Abrasax verweist weiterhin auf ein bekanntes und traditionelles magisches Zauberwort. Doch wie verhält es sich mit dem Erdichten fremder Namen? 73 Eingehende Untersuchungen zu Basilides und seiner Schule bei Löhr, 1996; hier sind allerdings kaum Ausführungen zum Magieverdacht gegen Basilides zu finden. 74 Zur Frage, ob Epiphan, Ps.-Tert. und Filastr. neben Irenäus noch eine weitere Quelle benutzt hatten, vgl. Löhr, 1996, 281ff. 75 Übers. Brox, 1993, 303 z.St. Zur Diskussion um mögliche Quellen des Abschnitts vgl. LeBoulluec, 1985, Bd. 1 (Syntagma Justins als mögliche Quelle, vgl. hierzu auch die Überlegungen von Lüdemann, 1975,36; Beyschlag, 1974, 17f), vorsichtiger Löhr, 1996, 257–261 (Nachzeichnung der Diskussion, rechnet mit der Möglichkeit einer literarischen Vorlage, die allerdings dann durch Irenäus stark redagiert worden sei).

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Das durch Euseb, HE 4,7,5–8 überlieferte antibasilidianische Fragment des Agrippa Castor berichtet davon, „dass er (sc: Basilides) weiterhin für sich selbst Barkabbas und Barkoph zu Propheten ernannt habe und dass er einige andere, die es gar nicht gibt, für sich selbst erfunden habe. Auch habe er ihnen barbarische Namen (DCTDCTQWL) beigelegt um die in Erstaunen zu versetzen, die durch solche Dinge zu beeindrucken sind“.76 Hier wird der von Irenäus genannte Sachverhalt ausgeführt: Basilides installiert neue Propheten und fremdartige Namen in sein Lehrsystem und hat damit wohl öffentlichen Erfolg, denn er kann dadurch andere beeindrucken. Entscheidend ist hierbei, dass sich die Basilidianer auf fremde, den Kirchvätern und Gegnern suspekte Offenbarungsquellen berufen. Dies wird einerseits durch Selbstbezeugungen des Basilides gestützt – beispielsweise in einem bei Hegemonius, Acta Archelai 67, 4–12 überlieferten Zitat der „tractatus“ des Basilides schreibt dieser bei der Erörterung des Dualismus: „lasst uns vielmehr fragen, was auch die Barbaren über die guten und bösen Dinge erforscht haben“.77 Das Interesse an – gemessen am üblichen christlichen Rezeptionskreis – „fremdem“ Gedankengut wird hier deutlich, und dies setzt sich auch in seiner Schule fort. Ein bei Clem Alex, Strom 6,53,2–5 überliefertes Zitat des Basilidesschülers Isidor aus dessen Schrift „Auslegungen des Propheten Parchor“ (G EJIJVKMC VQW RTQHJVQW 3CTZYT) weist ebenso in diese Richtung. Auch hier, vergleichbar mit den in Agrippa Castors Darstellungen bei Euseb, HE 4,7,5–8 erwähnten basilidianischen Propheten Barkabbas und Barkoph, ist von einem sonst unbekannten Propheten die Rede, der womöglich im Kreis der Basilidiander als Offenbarungsquelle galt.78 Ob diese Offenbarungsquellen von den Basilidianern rezipiert wurden oder ob sie – was obige Ausführungen Agrippa Castors nahelegen – als Pseudepigraphon erzeugt wurden, entzieht sich unserer Kenntnis. Mit großer Wahrscheinlichkeit können aber die G EJIJVKMC des Isidor als Zeugnis der Schriftgelehrsamkeit der basilidianischen Schule angesehen werden, die eine Entfaltung dieser für die Kirchenväter fremdartigen Schriften und Offenbarungsquellen zum Gegenstand hatten. Basilides und seine Schule orientierte sich also an – gemessen an den im frühen Christentum sonst rezipierten Traditionen – fremdem Gedankengut und produzierten in diesem Zusammenhang womöglich auch eigene pseudepigraphische Schriften. Weiterhin genossen sie mit diesen Tätigkeiten bei 76

Übers. Löhr, 1996, 5. „Requiramus autem magis quae de bonis et malis etiam barbari inquiserunt“, zitiert nach Löhr, 1996, 219. Löhr, a.a.O., 234ff tendiert dazu, dieses Zitat für authentisch zu halten und interpretiert die „barbari“ nicht unbedingt als persische Weise, sondern als Vertreter einer bewusst hellenistischen Kultur. 78 Vgl. Löhr, 1996, 197–199. 77

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Die Magiepolemik

einer breiteren Öffentlichkeit ansehen, wie aus den Ausführungen des Agrippa Castor hervorgeht. Obwohl nun bei Irenäus die genauen Zusammenhänge nicht explizit sind, kann doch vermutet werden, dass – neben öffentlichem Erfolg – das Interesse an fremdem Gedankengut bei Irenäus den Magieverdacht provozieren.

Phänomene, die den Magieverdacht evozieren Nach der oben erfolgten Besprechung der Magiepolemik ist nun zusammenfassend zu fragen, welche Phänomene nach Sachlage der Quellen einen Magieverdacht evoziert haben könnten. Auch hier ist eine Tradierung erkennbar – nicht nur magische Literatur wird entsprechend weitergegeben, sondern auch der Verdacht, ein Magier zu sein. Beispielsweise Apuleius stand von christlicher Seite im Ruf, Magier gewesen zu sein.79 Augustin vermerkt dies in Ep 138,29, und Laktanz zitiert in Inst 8,3 Hierokles, der Apuleius und Apollonius von Tyana in eine Reihe mit Magiern setzt. Die in der Apologie des Apuleius zurückgewiesene Magiepolemik wird hier offensichtlich weiter tradiert. Als Phänomene, die einen Verdacht erregen, können genannt werden: – Durchbrechung eines funktionierenden Sozialgefüges. Dies kann man

bei den oben besprochenen Magieanklagen gut beobachten: Sowohl der kranke Apuleius als auch C. Furius Cresimus sind Außenseiter einer intakten Gesellschaft – ersterer als zugereister „Habenichts“, zweiter als freigelassener, fleißiger Bauer. Wichtig ist weiterhin, dass beide auf ihre Weise „Erfolg“ zeitigen, und dieser kann jenseits des landwirtschaftlichen Erfolges des Cresimus erkennbar sein: – Öffentlicher Erfolg bei Menschen. Markus der Magier bei Iren Haer 1,23,1 und Simon bei Lk in Acta 8,9.11 verstehen es, die Menge in ihren Bann zu ziehen. Kein Wunder, dass etwa Hippolyt in Ref 6,7 gerade diese Eigenschaft des Simon beklagt. Auch gegen Christen ist dieses Erfolgsmoment als Magieanklage stilisiert: Der Missionserfolg durch die paulinische Missionspredigt in den ActPlThek macht dies offenkundig. – Effektive Vorführungen. Hier ist auf das Bild von Markus dem Magier bei Hippolyt, Ref 6,39f hinzuweisen: Markus der Magier ist ein Gaukler, der im Gottesdienst effektive Tricks vorführt. 79

vgl. Benko, 1985, 106ff.

Phänomene, die den Magieverdacht evozieren

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– Unübliche Religionsausübung: Apuleius wird der Magie verdächtigt,









weil er gewisse in ein Tuch eingewickelte Dinge zu den Laren legte (wie in Apol 53,1), dabei waren dies heilige Gegenstände der Mysterienkulte (Apol 56). Auch Markus der Magier gerät in Iren Haer 1,12,2 aufgrund seiner unüblichen Liturgie unter Verdacht. Auch der bei Tertullian in De an 57 beschriebene Zusammenhang von Götzendienst und Magie als auch die Nähe Simons zur griechischen Bildung nach PsClem, Hom 2,22,3f kann hier eingeordnet werden. Verliebtheit: In Apuleius, Apol 78,2ff erklärt Pudentilla ihrem Sohn in einem Brief, dass Apuleius sie „verzaubert“ habe – und daraus wird diesem ein Strick gedreht. Verliebtheit wird hier anscheinend – durchaus im positiven Sinne – mit magia bezeichnet. Umgekehrt wird in den ActPlThek der Missionserfolg des Paulus bei Thekla, der ja durch deren Mutter als Zauberei interpretiert wird, auch in erotischen Kategorien gemessen. Weiterhin bezichtigen Apostatinnen Markus den Magier nach Iren Haer 1,13 des Liebes- und Zwangszaubers. Naturwissenschaftliches Interesse: Nach Apuleius, Apol 29–41 hat sich Apuleius für Fische interessiert, um darüber in Anlehnung an Aristoteles ein Buch zu schreiben. Die Gegner verdächtigen ihn des sympathetischen Liebeszaubers und der Giftmischerei. Anwesenheit bei als „göttlich“ empfundenen Phänomenen. Hier ist als Beispiel ein Anklagepunkt gegen Apuleius in Apuleius, Apol 42,2ff zu nennen, dass dieser bei einem epileptischen Anfall eines Knaben zugegen war. Epilepsie ist sprichwörtlich, so jedenfalls ein früher Buchtitel unter dem Namen des Hippokrates (5. Jh. BC), „heilige Krankheit“,80 und des Apuleius Präsenz bei einem Anfall reichte offensichtlich als Argument der Anklage aus. Pekuniärer Aspekt bei Heilungen: Dies ist bei Simon in Iren Haer 1,23,1 erkennbar.

80

Vgl. zu Ps Hippokrates, De morbo sacro, Grensemann, 1968; zu medizinhistorischen Abhandlungen vgl. die Tabelle bei Wohlers, 1999, 245ff.

Essayistischer Epilog

Ein früher Leser mit magischer Brille Die Überschrift dieses Abschnittes suggeriert etwas Falsches. Brillen gab es zur Zeit des Neuen Testaments noch nicht. Allerdings – diesem harten Urteil mag die bekannte Notiz des älteren Plinius in NH 37,64 zu Kaiser Nero vordergründig entgegenstehen: Nero princeps gladiatorum pugnas spectabat in smaragdo (der Kaiser Nero sah den Gladiatorenkämpfen durch einen Smaragd zu). Der Kontext dieser Stelle ergibt jedoch, dass es dem Kaiser nicht um die Sehschärfe, sondern um das grüne Farbenspiel ging, in das die blutigen Kämpfe durch seinen optischen Trick getaucht wurden. Der Kaiser erwartete anscheinend ein neuartiges Erlebnis, wenn er die für ihn wohl bekannten Vorgänge der Kämpfe um Leben und Tod durch sein besonderes Licht sah. Der modernen Leserin oder dem modernen Leser dieser Zeilen sei nun vorgeschlagen, es zum Abschluss dieser Studie zu Magie und Neuem Testament dem legendär-berüchtigten Kaiser gleich zu tun. Freilich wollen wir hier nicht Gladiatorenkämpfe betrachten, sondern das Neue Testament. Dies auch nicht durch einen Smaragd, um es einmal in grüner Farbe zu betrachten, dennoch aber in einem besonderen Licht, nämlich in dem der Magie: Unser „Neronischer Smaragd“ sei unser Wissen zur antiken Magie, mit dem wir die uns teilweise so wohl bekannten Texte in neuem Licht sehen wollen. Ob sich hier auch ein besonderes Erlebnis ergeben mag? Ich lade darum die geneigte Leserin oder den geneigten Leser zu folgender Szenerie ein: Sagen wir, zu Beginn des dritten nachchristlichen Jahrhunderts, die Kanonbildung ist weitgehend abgeschlossen, durchblättert eine frühe Leserin oder ein früher Leser aus dem östlichen, griechisch-sprechenden Teil des Imperiums, etwa in einer der größeren Städte Kleinasiens oder Griechenlands ansässig – warum nicht in Ephesos, der Stadt, in der die berüchtigten Zauberbücher aus Acta 19,19 nun den Schätzen der Celsusbibliothek gewichen sind – kursorisch das Neue Testament, das ihr oder ihm, so nehmen wir an, etwa im Wortlaut des heutigen Nestle-Textes vorliegt. Die frühe Leserin, oder, wie ich ihn in Folge nennen werde, der „frühe Leser“, beginnt die Lektüre beim Anfang des Matthäusevangeliums und endet bei Apk 22,21. Wenn wir Heutigen nun diesem fiktiven frühen Leser durch den weiteren Verlauf des NT folgen, so müssen wir uns vergegenwärtigen, dass

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Essayistischer Epilog

er von den Ergebnissen der modernen Literarkritik des 20. Jahrhunderts noch nichts weiß. Die Zwei-Quellen-Theorie ist ihm noch unbekannt. Ebenso kennt er noch nicht (oder nicht mehr) die wie auch immer geartete Logienquelle. Ebenso unterscheidet er nicht zwischen echten und unechten Paulusbriefen. Er vertraut dem Arrangement der neutestamentlichen Schriften so, wie es ihm eben vorliegt. Unser früher Leser des NT ist Christ und kennt sich in der volksreligiösen magischen Tradition seiner Zeit im Rahmen des üblichen aus. Er würde sich niemals Magier nennen, weiß aber, wo ein Magier zu finden wäre, wenn er einmal einen brauchen sollte. Über die verschiedenen Arten der Magier und die Unterschiede ihrer Literatur weiß er wenig, vielleicht hat er einmal gehört, dass „Magier“ ihre Wurzeln im Osten haben. Wie auch alle seine Zeitgenossen fürchtet er sich vor dem „bösen Blick“ und trägt vielleicht auch ein Amulett um den Hals, das ihn davor schützen soll. Möglicherweise ist der Name „Iao“ oder ein Christussymbol darauf eingeritzt. Er weiß, was ein „katadesmos“ ist, ein Bindezauber; Er weiß, was sich hinter den in der magischen Literatur zirkulierenden Fachtermini „oneiropompos“ (Traumsendung) oder „agoge“ (Hinführung) verbirgt. Freilich hat er deswegen noch niemals einen Blick in ein Zauberbuch geworfen, wie auch wir Heutigen ganz selbstverständlich mit den Termini „Parodontose“ oder „Karies“ umgehen, ohne zahnmedizinische Fachliteratur studiert haben zu müssen. Die Termini zirkulieren längst auch schon in der Alltagssprache. Aber er weiß, dass es spezielle magische Literatur gibt, kennt Leute, denen der Besitz derselben nachgesagt wird, und weiß, dass diese Bücher tendenziell geheim und tendenziell teuer sind. Magier und Magie sind für ihn ambivalent, wie für seine Zeitgenossen auch. Er traut den magischen Spezialisten sehr viel zu, aber er fürchtet sie auch. Die magische Polemik ist ihm wie selbstverständlich vertraut. Er weiß als Leser des Neuen Testaments, dass die Gnostiker die Bösen sind, dass sie von Simon dem Magier abstammen, der gegen die wahren Apostel jeden Wettstreit kläglich verloren hat. Er weiß, dass man missliebige Menschen seiner Zeit immer wieder mit Magie in Zusammenhang bringt, vielleicht hat er auch schon von dem einen oder anderen Magieprozess gehört. Kurzum, er lebt ganz selbstverständlich in seiner volksreligiösen magischen Welt, die wir Heutigen mit einiger Mühe erst rekonstruieren müssen. Sei es durch eine biographische Episode geweckt, sei es aus allgemeinem Interesse: Unser früher Leser achtet bei seiner Lektüre des Neuen Testaments ganz besonders auf die Aussagen über Magie. Er hat seine magische Tradition nicht „im Hinterkopf“, sondern sie drängt sich ihm gänzlich ins Bewusstsein, sie ist für ihn wie der Smaragd, durch den der zu seiner Zeit wohl schon längst schon zur Episode verblichene Kaiser Nero die Gladiatorenkämpfe ansah: Magie ist der Lektürefilter für die 27 Schriften des NT.

Ein früher Leser mit magischer Brille

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Welches neutestamentliche Verständnis von „Magie“ würde für ihn plausibel werden? Freilich werden ihm dabei kaum die pragmatischen Vorgänge bewusst sein, die viele Jahrhunderte nach ihm von Linguisten und Semiotikern beim Akt des Lesens analysiert werden. Gemeint sind Ansätze einer „Exegese aus der Perspektive der Leser“, wie sie beispielsweise von Hubert Frankemölle in seinem Patmos – Matthäuskommentar (1994) durchgeführt wurden. Derartige Ansätze können sich auf Theorien der Literaturwissenschaft beziehen, und dabei wird – neben Werken von G. Grimm, W. Iser und H. Weinrich zur Rezeptionstheorie und dem Akt des Lesens aus den siebziger Jahres des 20. Jahrhunderts – vor allem der Name Umberto Eco, vornehmlich mit seinem Werk „lector in fabula“, 1987 und der Aufsatzsammlung „die Grenzen der Interpretation“ (ital 1990, dt 1992) genannt. Ganz lapidar geht es darum, wie die Texte – in unserem Fall das Neue Testament – auf ihre Leserinnen und Leser wirken und wie sie angeeignet werden. Der Text ist dabei keine ein-eindeutige Einheit, die nur in einer einzigen richtigen Interpretation rezipierbar ist. Wer auch immer der Wirkungsgeschichte einer Bibelstelle nachspürt oder sich als Teil der Rezeptionsgeschichte in Predigt, Andacht oder Vortrag um die Applikation bemüht, weiß das. Texte sind – wie Eco es in den sechziger Jahren (1962) im gleichnamigen Buchtitel noch formulierte – ein „offenes Kunstwerk“, das zu vielerlei Interpretationen Anregung bietet. Die Diskussion in diesem Zusammenhang, welche Interpretationen möglich und welche, im Hinblick auf die „intentio operis“, weniger wahrscheinlich sind,81 ist in unserem Zusammenhang weniger relevant. Es geht darum, wie gelesen wird. Und dies hängt einerseits vom Rezipienten in seiner Lebenswelt ab – dem kulturellen Lexikon des Rezipienten, wie Eco es nennt – und andererseits von dem, was der Text vorgibt. Das „kulturelle Lexikon“ ist durch seine volksreligiöse magische Lebenswelt wie oben skizziert vorgegeben. Diese hat sich schon beim Produktionsprozess der neutestamentlichen Schriften mit der erzählten Überlieferung verzahnt und bildet für unseren frühen Leser nun wieder eine neue rezeptive Verknüpfung im Wirkungsstrom der urchristlichen Literatur. Welches neutestamentliche Verständnis von „Magie“ würde für ihn plausibel werden? Eine von unendlich vielen möglichen Verknüpfungsmustern sei im Folgenden vorgestellt und in Themenblöcken systematisiert.

81

Eco, 1999, 144: „ein Text kann zwar unendlich viele Interpretationen anregen, aber nicht jede beliebige Interpretation“.

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Essayistischer Epilog

Ablehnung öffentlich betriebener Magie Unser früher Leser des NT braucht nicht lange zu blättern, bis er auf das Thema Magie stößt. Schon nach wenigen Minuten der Lektüre des ersten Evangeliums, die Familiengenealogie und die wundersamen Ereignisse im direkten Vorfeld von Jesu Geburt sind eben gelesen, entziffert er das Wort „Magier“, OCIQK die ersten Besucher des neugeborenen Davidssohnes. Diese kommen, wie oben besprochen, in der Geburtsgeschichte des Matthäus recht gut weg, nicht im Geringsten ist eine Magiepolemik vermerkbar. Ein rechter Magier ordnet sich also Jesus, dem Sohn Davids unter. Er fällt vor ihm nieder und betet ihn an. Nun ist in jeder uns bekannten antiken christlichen Bibelausgabe das Alte Testament ein wichtiger Teil, der sicherlich auch der Ausgabe unseres frühen Lesers voran gebunden war. Stellen wir uns vor, er blättere zurück zur ersten Stelle, an der Magier erwähnt werden, in Dan 2,2.10 (wir nehmen nicht an, dass ihm Theodotions Septuagintaversion vorliegt). Auch dort handelt es sich um Magier aus dem Osten, aus Chaldäa, die allerdings trotz ihrer Weisheit das Eigentliche nicht zu erkennen vermögen. Dies mag für unseren schriftkundigen frühen Leser Teil seines kulturellen Lexikons, seiner Textwelt sein: Im Gegensatz zu den Magiern bei Daniel begreifen die Magier des Matthäusevangeliums aber, was Sache ist. Und sie sind weise genug, ihr Wissen auch gegen Herodes und seine Schergen praktisch einzusetzen und damit dem Heilsgeschehen seinen Lauf zu lassen. Magier sind dadurch an sich rehabilitiert. Durch diese Eingangsnotiz, so ist vorstellbar, wird ein christlicher Leser auf das Thema „Magier“ eher positiv eingestimmt. „Mit Magiern haben wir Christen also kein Problem“, so mag der frühe Leser sich denken. Unter der Voraussetzung, dass sie Christus als ihren Herrn anerkennen und sich ihm unterordnen. Vielleicht fällt ihm auch in diesem Zusammenhang auf, dass diese Magier in Mt 2 eigentlich gar keine Magie betreiben. Sie sagen keine Zaubersprüche, sie schützen Jesus nicht durch ihre wirkmächtigen Formen – sie bringen ihm lediglich Geschenke und machen damit eigentlich genau das Gegenteil von dem, was ein antiker Magier macht, der ja von einer Profession leben und daher auch Vergütung verlangen muss. Das Lesersignal aber ganz am Anfang der Bibel bleibt den Magiern gegenüber ungebrochen freundlich – solange sie Jesus anbeten und solange nichts von ihren magischen Handlungen vermerkbar ist. Im weiteren Verlauf seiner Lektüre wird unser früher Christ noch auf einen weiteren Magier stoßen, der aber nicht so gut weg kommt. Es ist Barjesus/Elymas, in Acta 13,6.8 explizit „Magier“ genannt. Der ist von ganz anderem Schlage, will den Aposteln widerstehen und positioniert sich als direkter Gegenspieler. Gegen den geistbeseelten Paulus (Acta 13,9) hat dieser allerdings nicht die geringste Chance. „Vor feindlichen Magiern

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brauche ich als Christ also keine Angst zu haben“, so mag unser früher Leser denken. Der Heilige Geist, der in Gebet und Liturgie erbeten werden kann, hilft hier gegen Widersacher aus dem Lager der Magier. Mit den Magiern scheint man sich demnach auf der Basis von Mt 2 arrangieren zu können. Wenn sie Christus anbeten und man von ihrer Magie nichts merkt, dann reicht dies. Es mag das Prinzip sein, das unser früher Leser in Mk 9,38–41 erfahren wird: Wer nicht gegen uns ist, ist für uns. Wenn sich fremde Magier Jesus klar unterordnen und nicht wie Barjesus/Elymas offen das Messer ziehen, dann ist dies akzeptabel. Als Sonderfall wird unser früher Leser wahrscheinlich die Geschichte von Simon Magus in Acta 8,9–25 wahrnehmen; sicherlich fällt ihm als aufmerksamem Rezipienten auf, dass Simon niemals explizit als „Magier“ bezeichnet wird – nur als einer, der Magie betreibt (Acta 13,9: OCIGWYP). „Ist das ein richtiger Magier?“, so wird sich der frühe Leser fragen. Nach den Textsignalen ist es lediglich einer, der Magie treibt, aber dennoch nicht explizit als Magier bezeichnet wird noch sich selbst einen solchen nennt. Es scheint hier, so versteht unser früher Leser die Textsignale, um die praktische Tätigkeit der Magie zu gehen. Auch wer Magie treibt, der darf in unsere Gemeinde, so mag der frühe Leser denken, denn schließlich wird Simon in Acta 8,13 getauft und begleitet den Apostel. Ob Simon im Nachhinein aufgehört hat, Magie zu treiben, erfährt unser früher Leser nicht. Welche Schlüsse mag er hieraus ziehen? Auch wer öffentlich Magie getrieben hat, kann in die christliche Gemeinde aufgenommen werden – vorausgesetzt, er ordnet sich einer anerkannten Autorität unter, wie Simon auch Philippus nachgefolgt ist. Und vorausgesetzt, es ist im Anschluss daran nichts mehr von öffentlicher Magie vermerkbar, wie es auch von Simon im Anschluss daran nicht mehr erwähnt wurde. Diese Lesart hält die Möglichkeit offen, dass auch intern im frühen Christentum magische Praktiken möglich waren, wenn dies nicht publik wurde. Die Frage ist, ob derartige Leserimpulse, wie sie nun für unseren angenommenen „frühen Leser“ rekonstruiert wurden, nicht absichtlich durch Matthäus und Lukas so gesetzt worden waren: Auffällig sowohl bei den Magiern in Mt 2 als auch beim postkonversionalen Simon in Acta 13 ist die Tatsache, dass von magischen Praktiken gar nicht die Rede ist. Sie werden nicht verboten. Sie werden auch nicht gebilligt. Sie werden einfach nicht erwähnt. Man mag nun genau dies als den entscheidenden Leserimpuls verstehen können: „Unser Verhältnis als Christen zu Magiern und ehemals Magietreibenden ist dann gut, wenn die magische Praxis kein Thema ist“, oder anders formuliert: „Was ihr an magischer Zauberei im Geheimen macht, ist egal. Es darf nicht publik werden, ihr habt euch offen und auch ehrlich den anerkannten christlichen Autoritäten zu beugen.“ Ob

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diese Lesart von den neutestamentlichen Autoren genauso intendiert worden war, wissen wir nicht. Aber sowohl wir Spätgeborenen als auch unser früher Leser könnten die Textsignale in genau dieser Weise verstehen. Im Verlauf der weiteren Lektüre des Neuen Testaments wird unser früher Leser nun enttäuscht wahrnehmen, dass das Wort „Magie“ jenseits der oben besprochenen Stellen gar nicht mehr erwähnt wird. Es scheint kein Thema zu sein. Lediglich in 2Tim 3,13 ist von „Goeten“ (IQJVGL) die Rede, die dort mit „bösen Menschen“ parallelisiert sind und im allgemeinen Sprachgebrauch gern im Rahmen der Magiepolemik so bezeichnet wurden und soviel wie „Scharlatane“ oder „Schwindler“ bedeuten. Aber „Magie“ selbst ist kein explizites Thema mehr. Und dennoch wird unser früher Leser mit seinem Leitinteresse „Magie“ im Verlauf der weiteren Lektüre auf zahlreiche Alternativkonzepte stoßen, die einem an Magie Interessierten angeboten werden. Magie selbst, obwohl in der Umwelt des Neuen Testaments fester und pulsierender Teil der Volksreligiosität, ist im NT nur Maginalität. Der Schwerpunkt liegt auf Konzepten, die als „anderer Weg“ zur Magie auffassbar sind.

Göttliche Kraft statt Magie bei Jesus Folgt der frühe Leser den Evangelien, so sind die Wundergeschichten sicherlich die große Verbindungsstelle zur magischen Tradition. Wird nicht auch parallel zur Evangelienüberlieferung den antiken Magiern nachgesagt, dass sie Wunder bewirken, Krankheiten heilen und Dämonen beschwören können? Jesus kann dies auch, und darauf stößt unser früher Leser gleich nach der Versuchungsgeschichte in Mt 4,24: Summarisch wird hier erklärt, dass Jesus hier von Dämonen Besessene (FCKOQPK\QOGPQK) heilt. Wie dies konkret geht, erfährt der frühe Leser in Mt 8,24–34: Jesus trifft hier zwei Besessene in der Nähe von Gadara und heilt sie, wobei in der Geschichte direkt im Anschluss – Jesus heilt hier einen Gelähmten – in Mt 9,6 von der „Vollmacht“ des Menschensohnes die Rede ist. Jesus heilt also nicht aufgrund seiner magischen Gelehrsamkeit und aufgrund irgendwelcher wirkmächtiger Zauberrituale, wie sie von den antiken Magiern bekannt sind, sondern aufgrund seiner göttlichen Kraft. Auf dieses Schema wird unser früher Leser bei seiner Evangelienlektüre immer wieder stoßen. Es ist die göttliche Macht in Jesus, die ihn befähigt, Dinge zu tun, die ansonsten lediglich die antiken Magier zu tun im Stande waren. Was hat es nun mit dieser Kraft auf sich? Die Lektüre der Evangelien stellt hier für uns im Rezeptionsstrom der Evangelien wohl einiges unmissverständlich und den Lesevorgang einengend klar, lässt für anderes aber

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auch einen weiten interpretativen Freiraum. Unmissverständlich klar gestellt wird, dass die Kraft Jesu nicht vom Teufel kommt. Matthäus erwähnt es zweimal kurz hintereinander, dass dies Jesus aus polemischem Munde nachgesagt wird (Mt 9,34; 12,22–30), lässt diesen Verdacht allerdings durch einen eindeutigen Argumentationsgang Jesu zunichte werden, den man auch noch in Mk 3,22–28 und Lk 11,14–23 nachlesen kann. Jesu Kraft kommt nicht vom Obersten der Dämonen. Die Art der Kraft wird eindeutig in Richtung Gott gedeutet, allerdings bleiben hier für den frühen wie späteren Leser große Interpretationsspielräume offen. Bei oben genannter Geschichte von Jesus und Beelzebul, dem Obersten der Dämonen etwa, verweist Matthäus auf den „Geist Gottes“ (Mt 12,28), Lukas auf den „Finger Gottes“ (Lk 11,10), durch den die Dämonen ausgetrieben werden. Bei der weiteren Lektüre der Evangelien wird bei Exorzismen und Krankenheilungen der Bezug Jesu zu Gott immer wieder deutlich. Beispielsweise bei den beiden Stellen, die oben im Zusammenhang mit einem Bindezauber, einer „defixio“ diskutiert worden waren. In Mk 7,34 blickt Jesus bei der Heilung zum Himmel, und in Lk 13,10 wendet sich das ehemals gelähmte achtzehnjährige Mädchen nach erfolgter Heilung als erstes betend an Gott und dankt damit, für den Leser erkennbar, dem eigentlichen Urheber ihrer plötzlichen Gesundung. Derartige Signale geben dem frühen Leser eine eindeutige Richtung an: Wunder, Heilungen und Exorzismen kommen nicht aufgrund der magischen Handlungen Jesu zustande, sondern sind Ausdruck seiner göttlichen Macht. Diese göttliche Macht aber ist im Rahmen der Evangelienüberlieferung schillernd und indifferent gehalten. Welche Schlüsse kann nun der frühe Leser aufgrund dieser rekonstruierten Rezeption bezüglich der Magie in der kanonischen Jesusüberlieferung ziehen? Ich meine, dass hier dieses ungezwungen gefolgert werden kann: – Jesus hat mit Magie nichts zu tun. Er wird noch nicht einmal explizit mit

einem Magieverdacht von Seiten der Gegner belegt (der Beelzebulvorwurf hat mit einem Magievorwurf direkt nichts zu tun). Magie ist für Jesus kein Thema. Die Magier aus dem Osten huldigen ihm als kleines Kind, er steht über den Magiern. Zu ihnen und ihren Tätigkeiten hat er jedoch keinen Kontakt. – Jesus unterscheidet sich von einem Magier. Dieser Schluss dürfte für unseren frühen Leser mit seinem üblichen Weltwissen nach der Lektüre der Evangelien unausweichlich sein. Sicherlich – Jesus tut Wunder wie ein Magier, er heilt wie ein Magier und er hat Macht über Geister wie ein Magier. Aber damit ist die Schnittmenge auch schon erschöpft. Die Benutzung von Zauberliteratur und magischer Fachsprache durch Jesus? Kein Wort davon! Jesus, der wie ein Magier einem Prozessgegner bei einem Rechtsstreit Tod und Teufel an den Hals dichtet? Jesus, der einen

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Liebeszauber bereitet? Jesus, der in der Dekapolis oder im Hippodrom von Jerusalem mittels Magie Pferdewetten beeinflusst? Jesus, der für seine Dienste Geld nimmt? Jesus, der bei Nacht und Nebel Defixionen an den Gräbern von zur Unzeit Verstorbenen deponiert? Kein Wort davon. Nach der Evangelienüberlieferung wirkt Jesus da ein, wo es für den Menschen um die direkte Leiblichkeit geht, bei Fragen der Reinheit, bei Krankheit und Nahrung. Die Schnittmenge zu einem Magier ist damit recht klein. – Jesus hat Alternativen und ist Alternative zu magischen Techniken. Unser früher Leser erfährt dies gegen Ende des ersten Evangeliums in Mt 23,5, wenn er auf das Wort „HWNCMVJTKC“ stößt, das in seiner Umwelt auch für „Amulette“ gebraucht wird. Sicherlich ist wahrscheinlich, dass Matthäus, lesen wir diesen Vers im Sinne einer „intentio auctoris“, damit auf die Gebetsriemen seiner jüdischen Umwelt angespielt haben dürfte (wir haben oben schon ausführlicher darüber gesprochen)82 Dennoch bleibt es in der weiteren Wirkungsgeschichte einem frühen, vom Griechischen nativ geprägten Leser unbenommen, hier an die Amulettpraxis seiner Zeit zu denken. Jesus, so dann die Botschaft, wertet diese ab und stellt in Mt 23,10 unmissverständlich klar, dass sich alles menschliche religiöse Handeln nur auf Christus und sonst niemanden zu beziehen hat: Christus statt Amulette. Sachlicher Hintergrund dieser für den frühen Leser des Matthäusevangeliums an dieser Stelle plausiblen Forderung ist Jesu göttliche Kraft, die in der Evangelienüberlieferung überdeutlich zum Ausdruck kommt, aber dennoch terminologisch wie auch sachlich für ein breites Interpretationsspektrum offen gehalten ist. Göttliche Macht versus magische Technik – hier ist eine Richtung angegeben, die der frühe Leser des NT nun auch im weiteren Fortgang seiner kursorischen Lektüre erkennen kann.

Bevollmächtigung statt Magie bei den Aposteln Auf die Wundertaten der Nachfolger Jesu ist der frühe Leser schon in den Evangelien vorbereitet worden. Einmal ist nach den in den ynoptischen Evangelien gleich vierfach bezeugten Aussendungsreden eine direkte Beauftragung der Nachfolger Jesu zur Krankenheilung (Lk 10,9), bzw. zum Exorzismus (Mk 6,7), bzw. zur Kombination dieser beiden Tätigkeiten (Mt 10,1; Lk 9,1) vermerkbar. Zweitens dürfte jedem Leser bei der Lektüre von Mk 9,38–40 auffallen, dass es unabhängig vom Zwölferkreis fremde Exorzisten gegeben hat, die „in Jesu Namen“ Dämonen austreiben – Jesus steht 82

Vgl. oben S. 29.

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diesen nach den Worten des Markusevangeliums keineswegs restriktiv gegenüber. Und drittens spricht die Langfassung des Markusevangeliums mit einem sekundären Markusschluss (etwa Mk 16,15–20) davon, dass die Apostel in Jesu Namen Dämonen austreiben, Wunder vollbringen und Kranken zur Genesung verhelfen werden. Nicht nur Jesus kann diese Dinge kraft seiner göttlichen Vollmacht, so der mögliche Leserimpuls. Er gibt sie auch an seine Nachfolger aktiv weiter bzw. billigt dies, sofern dies „in seinem Namen“ geschieht. In der Apostelgeschichte nun wird Derartiges in Geschichten entfaltet, die dem frühen Leser nach der Wahrnehmung der Evangelientradition also gar nicht mehr fremd und fragwürdig erscheinen. Da ist beispielsweise die Geschichte mit Paulus und der aufdringlichen Sklavin in Acta 16,16–22. Sie hat ein „RPGWOC RWSYPC“, einen „pythischen Geist“, und dies lässt den antiken Leser an die alt-ehrwürdige Orakelstätte in Delphi erinnern. Der heidnische Gott Apoll selbst also spricht durch diese Sklavin, die Paulus den ganzen Tag hinterherläuft und auch tatsächlich absolut Zutreffendes über ihn sagt. Paulus kann sich nun in der Art eines Exorzismus zum Herrn über diesen Geist gerieren, indem er sich auf den Namen Jesu beruft: „Ich gebiete Dir im Namen Jesu Christi: Fahre aus ihr aus!“ (Acta 16,18). Keine Beschwörung, keine magische Anrufung, kein Ritual – die schlichte Berufung auf den Namen Jesu reicht, um den fremden Geist zur Raison zu bringen. Es ist also auch hier wichtig, dass die Apostel diese besonderen Taten nicht aus sich selbst heraus bzw. mit Hilfe eines magischen Rituals vermögen, sondern dass sie sich auf den von Gott bevollmächtigen Jesus Christus berufen. Dies wird für den frühen Leser in der Apostelgeschichte bei einigen Wunderberichten deutlich. Da ist beispielsweise die Heilungsgeschichte von Paulus und Barnabas in Lystra (Acta 14,8–18). Paulus erkennt bei einem von Mutterleib an gelähmten Mann, „dass er glaube“, weist ihn an aufzustehen, was dieser Mensch nun auch vor dem Angesicht der staunenden Menge tut – er ist von seinem Gebrechen geheilt. Der weitere Verlauf der Geschichte lässt für den frühen wie auch späteren Leser keinen Zweifel daran, dass Paulus dies nicht aus eigener Kraft, etwa: weil er ein griechischer Gott ist, getan hat. Paulus weist in Acta 14,15 explizit auf seine Sterblichkeit und nicht-Göttlichkeit hin und stellt den Bezug zum einen Gott Israels her, auch wenn er und Barnabas daraufhin fast den Tod durch Steinigung erleiden müssen. Was auch immer die Apostel an Wundern tun – sie tun dies nicht aus eigener Kraft, sondern durch Gott, so das Lesersignal. Dies wird auch in der kleinen, auf den ersten Blick recht „magisch“ anmutenden Notiz in Acta 19,11f deutlich: Menschen halten Textilien des Apostels Paulus über Kranke und Besessene und erzielen damit den gewünschten Heilerfolg. Der Autor Lukas setzt überdeutlich den entscheidenden Leserimpuls in Acta 19,11, dass hier eigentlich Gott wirkt und die Apostel lediglich seine Werkzeuge sind. Weiterhin zeigt

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im Anschluss daran die Geschichte der beiden Skeuas-Söhne in Acta 19,13–20, wie es nicht sein soll. Jüdische Hobbyexorzisten verwechseln Ursache und Werkzeug, exorkisieren im Namen des Paulus (und nicht im Namen Jesu), was für sie fürchterliche Konsequenzen hat. Folgende Leserimpulse können hier zusammenfassend ungezwungen angenommen werden: – Wundertaten, Heilungen und Umgang mit Dämonen sind in der Nach-

folge Jesu legitim. Der Umgang mit dem Überweltlichen ist nicht nur möglich, sondern von Jesus in der Evangelienüberlieferung gewollt (s. die Aussendungsreden) und toleriert (s. Mk 9,38–40). Dies mag für den frühen Leser in seiner Lebenswelt wesentlich einfacher zu begreifen sein als für uns postaufgeklärte Heutige. Es zeigt überdeutlich, dass der „neue Weg“, von dem die Apostelgeschichte mehrfach im Zusammenhang mit dem Christentum spricht, keineswegs nur als eine reine Lehre mit Wortverkündigung verstehbar ist, sondern praktischen Umgang mit dem Geisterreich für Christen mit implizieren konnte. Dies bietet sicherlich eine Schaltstelle zu dem, was in der Zeit der Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte der neutestamentlichen Schriften als Magie gelten konnte: Der Kontakt zum Überweltlichen, die Nutzbarmachung besonderer Kräfte, die wunderhafte Erreichung des eigentlich Unmöglichen. Doch dererlei geht in der durch das NT kanalisierten Tradition eben nicht in der antiken Magie auf, sondern gerade durch die Apostelgeschichte wird ein weiterer Punkt suggeriert: – Wundertaten, Heilungen und Umgang mit Dämonen sind aber auch nur in der Nachfolge Jesu legitim, der christliche Wundertäter ist Werkzeug und nicht Ursache. Entscheidendes Lesersignal ist m.E. hierfür die Verbrennung der Zauberbücher in Acta 19,19; dem durch die Evangelienlektüre mit anschließender Wahrnehmung der Aposteltaten vorbereiteten frühen Leser erscheint die allgemeine Vernichtung der ephesinischen Zauberliteratur völlig plausibel: Wozu braucht es Zauberbücher für besondere Handlungen, wenn die Christen doch im Namen Jesu ebendiese erreichen können? Sicherlich ist hier eine implizite Abwertung der magischen Tradition zu vermerken, die wohl auch der „intentio auctoris“ entspricht. Lukas erzählt nicht, dass die Zauberbücher archiviert, verkauft oder weggegeben worden wären – sie wurden verbrannt. Ihre Nutzlosigkeit angesichts der Taten des Paulus wird dadurch als deutliches Lesersignal gesetzt. Magie ist unnötig, so kann der frühe wie auch spätere Leser erkennen. Wir Christen erreichen die gleichen Ergebnisse im Namen Jesu.

Alternativkonzepte zu Magie in der Briefliteratur

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Alternativkonzepte zu Magie in der Briefliteratur Wir stellen uns vor, dass unser früher Leser nun in das neutestamentliche Briefcorpus eingetaucht ist und dieses durch das Licht seines „Neronischen Smaragdes“, also in unserem Zusammenhang durch das Thema Magie, durchforstet. Explizit wird ihm das Thema „Magie“ hier nicht weiter begegnen, aber dennoch wird er auf Themen und Themenblöcke stoßen, die durchaus als Alternativen zu magischem Handeln gelten können. Magie, die einen Kontakt zur transzendenten Götterwelt darstellt, die Leben und Schicksal anderer Menschen beeinflussen kann, die von Menschen Schaden abwendet oder Menschen Schaden zufügt – hier bietet das frühe Christentum schon in kanonischer Engführung eine Menge an Konzepten, die parallel zu magischen Handlungen gesehen werden können. Ich schlage vor, dass wir im weiteren Verlauf dieses Essays die streng kursorische Lektüre unseres fiktiven Lesers, die schon im vorigen Kapitel an manchen Stellen zugunsten systematischer Verknüpfungen aufgeweicht wurde, noch konsequenter verlassen. Vielleicht stellen wir uns vor, dass unser früher Leser nach der Lektüre des Grußteils im Römerbrief schon aufgrund der Fülle der zu erwartenden Informationen und aufgrund einer ab nun fehlenden narrativen Struktur seine tabula cerata hervorholt und diese bei fortschreitender Lektüre mit seinem stilus, nach Themenblöcken geordnet, mit Notizen füllt. Nach Beendigung seiner Lektüre könnten seine Aufzeichnungen vielleicht so aussehen, wie es in Folge rekonstruiert ist: Sünde und Rechtfertigung statt Schadenszauber und Gegenmittel Der Begriff der Sünde, C OCTVKC, durchzieht die neutestamentlichen Schriften wie ein roter Faden. Wenn ein früher Leser des Neuen Testaments vielleicht bei seiner kursorischen Lektüre nicht die vielfältigen Differenzierung wahrnehmen wird, die in der modernen Exegese analysiert worden sind, so wird ihm aber dennoch auffallen, dass mit dem Begriff der „Sünde“ im NT Unterschiedliches gemeint sein kann. Da ist einmal die böse, also Gott missfällige Tat eines Menschen, etwa wenn in Lk 7,37 oder 19,6 ein spezieller Mensch „Sünder“ genannt wird. Andererseits ist „Sünde“ gerade bei Paulus wie eine feindliche Macht, unter der wir als Menschen sind und von der wir uns nicht befreien können. „Alle, Juden wie Griechen, sind unter der Sünde“, so erfährt unser früher Leser in Röm 3,9, und zwei Kapitel weiter in Röm 5,12 wird ihm durch Paulus nahegebracht, dass diese Sünde durch Adam in die Welt kam und den physischen Tod zur Folge hatte.

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Essayistischer Epilog

Rein konzeptionell ist dieser paulinische Sündenbegriff strukturanalog zu einem Schadenszauber lesbar, der mir als Menschen von außen zugefügt wurde und unter dessen Macht ich nun stehe, ob ich will oder nicht. Wenn man dieses intellektuelle Analogiespiel noch weiter treibt – und vielleicht können wir dies unserem frühen Leser nach der Lektüre von Röm 7 und Gal 3 unterstellen –, dann ist das „Zauberbuch“, in dem diese fremde Macht eindeutig dargelegt ist, strukturparallel zum Gesetz lesbar, von dem Paulus spricht. Das Wort vom „Fluch des Gesetzes“, etwa in Gal 3,10, bekommt in diesem Zusammenhang ein eigenes Profil. Wie im Gesetz nach Röm 7,7 die Sünde erfahrbar ist, so ist in einem Zauberpapyrus der Fluchzauber deutlich kodifiziert. Das paulinische Lösungskonzept ist mit dem Begriff der Rechtfertigungslehre beschrieben und gewinnt durch die Bezogenheit auf Jesus Christus eine eigene Prägung. Wir müssen nicht zu einem Magier gehen, um vor dieser Sünde und damit vor unserem Tod Schutz zu suchen, sondern dies geschieht durch den Bezug zu Jesus Christus. Auf die Frage, wie man sich dies genau vorzustellen hat, kann sich unser früher Leser auf seinem fiktiven Wachstäfelchen bei der Lektüre seines NT einige Varianten notieren, das NT ist hier schillernd und vielschichtig. Ob es nun der Glaube eines Menschen ist (wie etwa in Röm 5,1) oder durch den Kreuzestod Christi eine neue Situation eingetreten ist (wie etwa Röm 6,10–13; 1Petr 2,24) – durch Jesus wird diese Macht der Sünde gebrochen. Besonders bei der Lektüre der Paulusbriefe erfährt der frühe Leser durch die entwickelte Rechtfertigungskonzeption eine Alternative zur üblichen „magischen“ Abfolge „Bedrohung durch eine fremde Macht und Gegenzauber“. Wir gehen davon aus, dass unser früher Leser diese Rechtfertigungskonzeption auch aus anderen Zusammenhängen kennt. Das gnädige Erbarmen Gottes über den sündigen Menschen ist in der Antike im Judentum wie auch bei Griechen und Römern ein gängiges Denkkonzept und weder von Paulus noch einem anderen christlichen Autor „erfunden“ worden. Es nimmt aber im NT, vor allem in den Paulusbriefen, breiten Raum ein und setzt dadurch dem Leser ein eindeutiges Signal: „Das ist christliche Denkweise“, so mag bei der Lektüre der Eindruck entstehen. „Christus befreit von schlimmen Mächten, zuvörderst der todbringenden Macht der Sünde. Nicht magische Formeln“. Christus als Befreier Schon bei der Lektüre der Evangelien wurde jedem Leser durch zahlreiche Einzelgeschichten oder Summarien deutlich, dass Jesus von bösen Mächten, seien es Dämonen oder Krankheiten, befreien kann. Diese Fähigkeit

Alternativkonzepte zu Magie in der Briefliteratur

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gibt er dann seinen Nachfolgern weiter, die „unter seinem Namen“ auch über fremde Mächte herrschen können. Diese Konzentration auf Christus als den Befreier aller Widrigkeiten ist schon oben bei der relecture der paulinischen Rechtfertigung deutlich geworden und wird beispielsweise in Röm 5,18f in der Parallelisierung zu Adam auf den Punkt gebracht. Wie durch den einen der Tod in die Welt kam (Adam), so auch durch den einen die Rechtfertigung. Wie ist nun dieser Vorgang der Befreiung konkret vorstellbar? Während in den Evangelien das wirkmächtige Wort Jesu bei den Exorzismen und Dämonenaustreibungen dominiert, kann unser fiktiver früher Leser bei der Lektüre der Briefliteratur eine Fülle weiterer Vorstellungen auf sein Wachstäfelchen notieren. Jesus, der sich zur Stellvertretung entschieden hat wie in 2Kor 5,21 oder Christus, der durch eine Art Kontoausgleich eines hoffnungslos Überschuldeten diesen der Gewalt seiner Gläubiger entzieht wie in Kol 2,14f (Christus hat den Schuldschein des Menschen aus Kreuz geheftet und den Menschen dadurch dem Zugriff der widrigen Mächte und Gewalten entzogen), oder durch einen direkten, offenen Kampf mit den feindlichen Engelmächten wie in Apk 20f. Lesersignal dieser Vorstellungen ist: Wenn jemand feindliche Mächte besiegt, dann ist das Jesus Christus und kein Amulett und keine magische Formel und kein Antidot. Heiliger Geist statt Beschwörungsformeln Nach der Lektüre der Evangelien hat unser früher Leser mit der Apostelgeschichte begonnen, in der die weitere Entwicklung der Kirche direkt nach Jesu Auferstehung nacherzählt wird. Auf ein wichtiges Lesersignal sei hingewiesen, das bei den Briefen dann noch zur Sprache kommen soll: Den Aposteln ist durch den Heiligen Geist Weisung gegeben worden. Die frühen Amtsträger zeichnen sich demnach durch den Geistbesitz aus, der sich bei ihnen in besonderer Form ausprägt. Dies kann für jeden Leser der Apostelgeschichte ein erstes plausibles Erklärungsmodell für die Tatsache sein, dass auch die frühen Apostel, zuvörderst Petrus und Paulus, Wunder vollbringen können. Doch dies gilt keineswegs nur für die Amtsträger, sondern auch für jeden Christen: Nach Röm 5,5 ist der Heilige Geist in unsere Herzen gegeben, und dieser gewinnt im Menschen, so die Vorstellung des Paulus, durchaus ein Eigenleben: Er gibt uns nach Röm 8,15 und Gal 4,6 die rechten, kindlichen Worte, mit denen wir zu Gott beten; er vertritt uns beim Gebet mit Worten, wie wir sonst niemals aussprechen könnten (Röm 8,26). Der Geist ist es, der hier zwischen Mensch und Gott vermittelt, keine Beschwörungsformeln der magischen Tradition.

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Taufe statt Amulette Auf die Taufe wird der Leser des Neuen Testaments schon ganz früh in der Evangelienüberlieferung hingewiesen – der Bezug Jesu zum Täufer ist überdeutlich dargestellt. Die „Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden“, wie der Täufer sie wohl unter Zuhilfenahme von Wasser praktiziert hatte, gilt als legitim und wird in der christlichen Gemeindepraxis nachgeahmt. Dennoch finden sich schon bei den frühen Taufvorstellungen Hinweise auf weitere Konzeptionen, wenn etwa Johannes der Täufer auf einen Nachfolger deutet, der mit dem Heiligen Geist taufen wird (Mt 3,11). Es ist hier nicht der Ort, die frühchristlichen Taufkonzeptionen zu entfalten – in unserem fiktiven Wachstäfelchenexzerpt wird dies wohl auch kaum geschehen sein. Dort wird, wir stellen wir uns vor, zwar ein Themenblock zur Taufe vorkommen, allerdings in Engführung, als Alternativkonzeption zu magischen Vorstellungen. Dies ist dann gegeben, wenn die Taufe als eine Art Schild vorgestellt wird, der den Menschen vor widrigen Mächten schützt. Hier kann einerseits auf die Taufe auf den „Namen Jesu“ hingewiesen werden (Mt 28,19), da dieser Name – wir haben es bei den Wundertaten der Apostel gesehen – durchaus als wirkkräftig angesehen wurde. Auch die Vergebung der Sünden, die Konzeption, die dem Täufer nahe lag und die dem Leser des NT auch in Acta 19,1–7; 22,16 begegnet, wird in diesem Zusammenhang zu nennen sein. Ganz besonders zu erwähnen ist hier aber die Taufvorstellung in 1Petr 3,21. Die Taufe wird dort als „Rettung“ begriffen, dem Kontext nach vor den feindlichen Mächten durch den Bezug auf Jesus Christus. Der frühe Leser dieser Taufkonzeptionen ist vielleicht selbst als Erwachsener getauft worden und kennt daher vielleicht aus eigener Erfahrung den Taufexorzismus, der auch an ihm praktiziert worden ist. In der frühen Kirche – wir erfahren in den apokryphen Thomasakten des 2. Jahrhunderts erstmals konkret davon, dann aber im weiteren Verlauf der Kirchengeschichte gehäuft, dürfte eine Entfaltung der Vorstellung sein, dass durch die Taufe die bösen Mächte letztgültig besiegt werden. Wenn man diese Tauftheologie ernst nimmt, so mag sich der frühe Leser der neutestamentlichen Tradition zu Recht fragen, braucht man dann noch Amulette, um sich vor den Widrigkeiten der Zwischenwelt zu schützen? Die Taufe genügt doch! Gebet statt Amulette oder Gegenzauber In 2Kor 12,8 stößt der frühe Leser des NT auf die eigentümliche und inhaltlich für uns Heutige nicht geklärte Notiz des paulinischen Leidens, den „Stachel im Fleisch“, den Paulus so schmerzhaft in sich spürt – dieser sei

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durch den Engel Satans in sein Fleisch gerammt worden. Interessant in unserem Zusammenhang ist der Lösungsansatz des Paulus gegen sein Leiden. Er sucht weder die antiken Asklepien auf noch hängt er sich ein Amulett um den Hals noch geht er zum Magier, sondern er betet. Hier stoßen wir auf eine ganz eigene Konzeption, die als Alternative zu magischen Praktiken in christlichem Kontext gesehen werden kann: Das Gebet. Das Gebet begleitet den christlichen Alttag – ein früher Leser des NT wird dies in mehreren Ausprägungen vermerken. Gerade für die beiden Werke des Lukas ist dies ein bekanntes Konzept. Unser fiktiver früher Leser wird bei seiner Lektüre des Lukasevangeliums sicherlich beobachtet haben, dass der lukanische Jesus an markanten Punkten seines Lebensweges stets betet: bei der Taufe (3,21), vor der Jüngerberufung (6,12), vor dem Petrusbekenntnis (9,18), vor der Verklärung (9,28f), vor der Passion (22,40–44) und am Kreuz (23,34.46). Der Verlauf der Heilsgeschichte ist damit durch das Gebet begleitet und bestimmt. In der Apostelgeschichte führen dies die Jünger weiter, indem sie vor entscheidenden Momenten beten, etwa vor der Nachwahl des Matthias (1,24f), nach den ersten Konflikten mit den jüdischen Autoritäten (4,23–31), bei der Entsendung der sieben Diakone (6,6), und Petrus empfängt nach eigenen Angaben in 11,4 seine Vision von der Reinheit aller Speisen beim Gebet. Paulus spricht an mehreren Stellen sogar von einem immerwährenden Gebet und fordert seine Gemeinden manchmal brieflich dazu auf (Röm 1,9f; 12,12; 1Kor 1,4; 1Thess 1,2; 2,13; 3,10; 5,17; Phil 1,3f; Phlm 4). Das Leben wird in diesem Sinne als ein einziges Gebet verstanden und wortwährend vom basso continuo des Gebetes begleitet – so stellt sich dies Paulus wohl vor. Es fällt auf, dass dies nun nicht nur auf den Beter selbst, sondern auch auf andere positive Auswirkungen hat. Das Gebet ist Teil des Kampfes gegen die bösen Mächte, so geht es aus Eph 6,10–19 hervor. Damit wirkt es per se wie ein Amulett und wie ein anderer Schutzzauber. Doch gleichzeitig ist gerade bei der Lektüre der Paulusbriefe immer wieder erkennbar, dass beim Gebet auch an andere gedacht wird: „Wir danken Gott allezeit für euch alle und gedenken euer in unserem Gebet“, so schreibt Paulus in 1Thess 1,2 (ähnlich auch Phlm 4; Röm 1,9; Eph 1,15). Das Gebet hat eine deutlich soziale Dimension, die sich in mehreren Aspekten schillernd zeigt: – Als Fürbittgebet, in dem explizit etwas für andere Menschen erbeten

wird, wie es beispielsweise in Jak 5,14f für das urchristliche Krankengebet zu lesen ist. Die Ältesten der Gemeinde beten über einem Kranken und salben ihn mit Öl im Namen des Herrn,

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Essayistischer Epilog

– als „Gedenken für andere“ im Dankgebet, wie es oben bei Paulus deut-

lich wurde, – als „Gebet für die Sünder“ nach 1Joh 5,16, einer besonderen Art der

Fürbitte für den Mitchristen, wenn dieser Sünden begeht, die „nicht zum Tode führen“, – als Gebet des Märtyrers für seine Peiniger, wie es Stephanus in Acta 7,60 über die Lippen ging. Gerade bei letzterem Aspekt wird im Zusammenhang mit magischen Praktiken deutlich: Man kann von den anderen etwas Schlimmes abwenden, indem man für sie betet. Ein Ritual oder ähnliches ist nicht nötig. Das Gebet also nicht nur als Schutz für mich selbst, sondern auch als wirkmächtiger Schutz für andere kann in der neutestamentlichen Tradition als sinnvolle Alternative zur Magie gelesen werden.

Conclusio: Neues Testament und Magie Wir stellen uns vor, dass unser früher Leser des NT nun seine Lektüre beendet hat und sich die Muße nimmt, zusammenfassend über sein Themengebiet nachzudenken. Was sind also, systematisch geordnet, die Grundimpulse der neutestamentlichen Tradition zur Magie? Auf dem Hintergrund der oben erfolgten relecture durch unseren fiktiven frühen Leser lässt sich dies vielleicht in folgenden Punkten beschreiben: – Das NT lässt für Magie und für Magier einen gewissen Spielraum.

Schon die positive Würdigung der Magie in Mt 2 gibt eine Grundtendenz an, dass Magier durchaus in das Christentum integrierbar sind, und schließlich wird in Acta 8 der magietreibende Simon ja auch getauft. – Dem Spielraum sind allerdings Grenzen gesetzt. Man hat sich Christus und den Amtsträgern zu unterwerfen, und Magie darf kein öffentliches Thema sein. Damit ist dem einzelnen Christen eine gewisse Nahtstelle für magisches Treiben schon gegeben – nirgends im NT erfolgt schließlich ein ausdrückliches Magieverbot –, aber dies darf dann auch kein öffentliches Thema sein – so jedenfalls kann das Schweigen der Tradition zu Simons postconversionalem magischen Handeln oder zur Magie der Magier in Mt 2 gedeutet werden. – Eine Nahtstelle zur Magie sind die Wundertaten Jesu oder der Apostel. Doch durch ständigen expliziten Hinweis darauf, dass dies in göttlicher Vollmacht (und nicht durch Techniken oder magische Rituale) geschieht, kann hier ein alternativer, nichtmagischer Weg herausgelesen werden.

Conclusio: Neues Testament und Magie

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– Das NT bietet im christlichen Lebensvollzug eine Menge an Alternati-

ven zur Magie. Insbesondere die Konzeption der Rechtfertigung, Taufe, Gebet und Heiliger Geist sind hier zu nennen. Sie bieten für den Einzelnen selbst und für andere Schutz vor widrigen Mächten, parallel zu den wirkmächtigen Amuletten und Ritualen der Magier.

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Stellenregister

1Hen 8,3 1Kön 8,13 17,18 1Kor 1,4 5,3ff 8,9–13 11,10 12,3 16,22 1Petr 2,24 3,21 1Sam 16,24–23 28 1Thess 1,2 1Tim 6,20 2Chron 6,2 2Kor 5,21 12,8 2Makk 12,39f 12,40 2Thess 2,6 2,8 2Tim 3,10 3,13 Acta 1,24f 7,60 8

11,4 12,7 13,4–12

69, 115 99 98 169 99 101 101 101 101 166 168 73 64 169 50 99 167 168 26, 29 115 102 102 49 160 169 170 87, 103, 138, 140, 141, 142, 144, 152, 159, 170, 174 169 101 109

13,6 13,9 13,13 14,8–18 16,16–22 16,18 16,27 19,11 19,13ff 19,13–17 19,13–18 19,13–20 19,16 19,1–7 19,19 22,16 ActPetr 11 ActPhil 132 ActPilat ActPl 16,2 8,3,35 ActPlThek ActThom 73f 74 Apk 20f 22,21 Apuleius Apol 4,1 Apol 6,1 Apol 9,1 Apol 11,2 Apol 13,3 Apol 18,1 Apol 25,4 Apol 26,3 Apol 27,5 Apol 27,6 Apol 27,7 Apol 29–41

111, 158 158, 159 34 163 163 98, 163 101 163 34, 128 63 79 164 98 168 45, 54, 57, 58, 79, 155, 164 30, 168 98 99 11, 12, 15, 129, 182 127 102 130, 152, 153 98 99 167 155 121 121 122 122 122 122 122 51 123 124 124 153

186 Apol 38 Apol 42,2 Apol 42,2ff Apol 48,1 Apol 53,1ff Apol 61,1 Apol 67,2 Apol 69,1ff Apol 78,2ff Apol 82,1 Apol 88,1ff Apol 90 Apol 90,1ff Apol 103,2 Florida 1,6 Met 1 Met 9,14 Met 11 Archangellike Astrampsychos Augustin Civ dei 7 Civ dei 18,53 Ep 138,29 Babli bHul 13a bSanh 43a bSanh 90a bShab 67a bShavuot 15b Charisius Ars Grammatica 1,105,9 Cicero Nat deorum 1,63 Div 1,29.132 Clem Alex Protr 22,2 Strom 1,143 Strom 3,5,1–3 Strom 6,53,2–5 Cod Iust 9,18 Cod Theod 9,16 16,3 Dan 2,2 2,2.10 4,4 72 Dio Cassius 56,25,5 63,1–7

Stellenregister 99 124 153 125 124 124 123 124 123, 153 123 123 91 123 125 116 101 126 88, 98 56 89, 174 64 127 152 86 107, 129 85 85 85

26 80 87 115 99 148 151 55, 118 118 118 91 158

117 105

75,13,2 80 Dio Chrysostomos Borysthenes 90, 175, 181 Diogenes Laertios Vit 4,54 25 Dtn 7,25f 26 18,10–13 85 18,10f 115 27,15 26 Eph 1,15 169 6,10ff 30 6,10–19 169 Epiphanius Pan 24,2,2 150 Pan 25,5 150 Pan 27,2 149 Pan 34,1 132, 139 Pan 34,1–18 132 Euseb HE 1,24,7 151 HE 1,25,3 52, 148 HE 4,11 132, 139 HE 4,11,4f 132 HE 4,7,5–8 151 HE 4,22 148 PE 9,8 116 Ex 22,18 85 Filastruis v. Brescia Div haer liber 32 150 Gal 1,8 101 2,20 99 3,1 101 3,10 166 4,6 167 6,17 101, 102 Hab 3,11 99 Hegemonius Acta Archelai 67,4–12 151 Herodot Hist 1 89, 111 Hist 2,113 102 Hist 5,92 64 Hieronymus Ep 75,3 132 Hippolyt Ref 4,28ff 139, 142, 143 Ref 6,2 142

187

Stellenregister Ref 6,7 Ref 6,7ff Ref 7,32 Ref 6,20 Ref 6,20,2–4 Ref 6,39 Ref 6,39f Ref 6,39–54 Ref 6,42 Hirt des Hermas Vis 1,4,2 Homer Il 14,216ff Il 14,72f Il 16,321 Od 10,234–240 Od 11 Iamblichos Vit Pyth 217 Irenäus Haer 1,13

Haer 1,13,1ff Haer 1,15 Haer 1,21,3 Haer 1,23

Haer 1,23,4 Haer 1,24,3ff Haer 1,24,5 Haer 2,31,2f Jak 5,14f Jer 23,9–32 Jes 11,4b 28,10 47,9 63,15 Joh 5 11,1–44 18,30 Josephus Ant 1,119 Ant 1,322 Ant 6,166–168 Ant 16,136ff Ant 18–20 Ant 20,142

142, 152 142, 144, 145 149 145, 147 145 132, 137 139, 153 132 138 98 36 33 142 116 64 101 87, 132, 133, 134, 135, 137, 138, 139, 147, 153 87, 132 135, 139 99 49, 53, 80, 141, 143, 144, 147, 148, 152, 153 49, 53, 80 150 150 150 169 110 102 150 85 99 12, 170 100 100 26 26 73 106 86 86

Ant 20,142–144 Jub 8 Justin 1Apol 22 1Apol 26,2 1Apol 54 Dial 69,3 Dial 69,7 Juvenal Sat 6,542ff Kol 2,14f Kyraniden Laktanz Inst 8,3 Lamella Bernensis Lev 20,27 Lex Cornelia de sicariis Livius 39,16,8 Lk 3,21 4,39 6,12 7,37 9,1 9,18 10,19 10,9 11,10 11,14–23 11,14ff 13,10 13,10–17 13,16 19,6 Logienquelle 11,43 Lukian Alex 5 Alex 6 Alex 13 Alex 25 Alex 47 De Dea Syria 8,28 Philops 12 Philops 13 Philops 16 Philops 31 Tragodopodagra

111 69 12 142 12 12 129 116 167 67 152 27, 176 85 60, 117, 118 80 169 100 169 165 162 169 100 162 161 161 99 43, 161 43 43 165 29 52, 53, 88 64 99 126 80 126 45 100 99, 126 98 116

188 VH 2,4 Mishna mShab 6,10 mSota 9,9 Mk 1,24 1,25 1,31 3,1–6 3,2 3,20f 3,20–30 3,22 5,9 5,41 6,14 6,45–52 7,34 7,35 9,38–40 9,38–41 15,35 16,15–20 Mt 2

2,1–12 3,11 4,24 6,23 8,24–34 9,6 9,34 9,34ff 10,1 11,25 12,22–30 12,28 23,2–7 23,5 23,10 28,19 NHC 2,5,102,8f Num 5,11–31 6,24–26 Origenes Cels 1,24f Cels 1,26 Cels 1,28 Cels 1,57

Stellenregister 100 86 85 98 98 98 11 11 98 99 128, 161 99 99 99, 100 100 99, 161 41, 49 162, 164 159 128 163 91, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 158, 159, 170, 177 91, 177 168 160 101 160 160 161 99 162 108 161 161 29 29, 162 162 168 56 85 27 99 116 107 141, 143, 144

Cels 1,68 Cels 5,38 Cels 5,62 Cels 6,11 Cels 6,40 Comm in Mt 26,63 Ovid Met 7,1–403 PGM 1,1f 1,11–19 1,41 1,42–54 1,42–95 1,42ff 1,45f 1,55 1,80 1,96–120 1,139–170 1,146f 1,163–166 1,192 1,203–207 1,236 1,319 2,21 2,21ff 2,44–49 2,82ff 2,142 3,198ff 3,424ff 3,430ff 3,480ff 4,76 4,79–83 4,79ff 4,157ff 4,160 4,180–221 4,200–208 4,251ff 4,255ff 4,330f 4,435ff 4,475 4,775 4,851–857 4,1196–99 4,1227–1262 4,1242–1244 4,1300

102 88 143 144 99, 126, 127 99 116 66 51 60 58 59, 60 100 58 58 50 54 59, 60 51 50 60 52 65 63 65 65 62 64 49 63 57 49 62 61 60 26 59 48 63 51 63 28 59 63 88 62 61 52 61 98 62

Stellenregister 4,1316ff 4,2008ff 4,2011ff 4,2081f 4,2227 4,2427ff 4,2430ff 4,2444ff 4,2445–2455 4,2625ff 4,2785ff 4,3081ff 4,3089ff 4,3174ff 5,98ff 5,158 5,302ff 7,155ff 7,222–232 7,429ff 7,460ff 7,620ff 7,795ff 7,862 7,863 7,919 8,1ff 11a,1 11a,40 12,107ff 12,351 12,365 12,402ff 12,404 13,24ff 13,231ff 13,338 13,470ff 13,732f 13,958 13,971–74 19a 20 20,5 24a 34,7ff 35 40 117 122 Phil 1,3f

28 59 65 62 52, 149 93 62 53 92 28 63 102 28, 64 53 58 98 64 65 101 64 52 57 93 93 58, 66 66 92 66 62 92 66 66 57 55 55 61 52, 149 61 62 93 52 52, 95 41, 45, 46, 48, 55, 68, 92 41 57 100 28, 63 45 45 45, 47, 63 169

Philo von Alexandria Vit Mose 1,277 115 Philostrat Vit Apol 1,2 136 Vit Apol 3,39 98 Vit Apol 4,45 99 Vit Apol 8,5 101 Phlm 4 169 Pindar Olymp 1,75–78 33 Plato Alc 1,122A 89, 90 Resp 2,364B 38 Plinius d.Ä. NH 18 16, 33, 119 NH 28 26, 99, 116 NH 28,17 117 NH 28,38 26 NH 29,112 67, 68 NH 30,1–16 91 NH 30,16 90, 105 NH 37,64 155 Plinius d.J. Ep. 10,96 126 Plutarch Sulla 35 98 Porphyrios De abst 4,16 90 Prov 2,7f 71 Ps 22,2 128 72,10f 105 91 74, 85 PsClem Hom 2,22,3f 146, 153 Hom 2,25,3 147 Hom 7,9 144 PsPhocyl 149 45 Qumran 11QPs 71 11QPsa 72, 73, 74 73, 74 11QPsApa 1Q27 69 1QGenAp 70, 72, 179 1QH 99 1QM 99 4Q184 71, 173 4Q186 69 4Q311 69 4Q318 69

189

190 4Q444 4Q510 4Q511 4Q560 4Q561 4QOrNab CD Röm 1,9f 3,9 5 6,10–13 7 8,15 8,26 9,3 12,12 15,18 Scriptores Histo– riae Augustae Vita Caracallae 5,7 Sefer ha–Razim 1,64 1,95 2,65 Seneca QuaestNat 4,7,2 Suda Diokletian Sueton Nero 16,2

Stellenregister 71 69, 74, 181 69, 74, 181 45, 69, 75, 79, 100, 181 69 72, 73 71, 178 169 165 30, 165, 166, 167 166 166 167 167 101 169 99

118 64 58 64 117 80 126

Tib 63 Vesp 7 Tacitus Ann 15,44 Hist 4,81 Tertullian Apol 23,12 De an 34,2 De an 44,2 De an 57 De an 57,7 Idol 9 Praescr haer 33 Ux 2,5 Theodoret Haeret 9 Theokrit 2,16 Theophilus Autol 2,8 Tob 6,9 TSal 1,12 4,8 Vergil Aen 4,513ff Aen 6 Zwölftafelgesetz

117 98 126 98 127 145, 146 142 143, 146, 153 143 146 146 127 132, 139 116 99 85 98 31 122 64 33, 51, 117, 175

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Dietrich-Alex Koch, Matthias Köckert, Christopher Tuckett und Steven McKenzie

Band 219: Leo G. Perdue

6FULEHV 6DJHV DQG 6HHUV 7KH 6DJH LQ WKH 0HGLWHUUDQHDQ :RUOG 2006. Ca.286 Seiten mit ca. 60 Abbildungen auf separater CD, geb. ISBN 10: 3-525-53083-8 ISBN 13: 978-3-525-53083-2

Band 217: Martin Arneth

'XUFK $GDPV )DOO LVW JDQ] YHUGHUEW  6WXGLHQ ]XU (QWVWHKXQJ GHU DOWWHVWDPHQW OLFKHQ 8UJHVFKLFKWH 2006. Ca. 272 Seiten, geb. ISBN 10: 3-525-53080-3 ISBN 13: 978-3-525-53080-1

Band 216: Klaus Koch

'HU *RWW ,VUDHOV XQG GLH *¸WWHU GHV 2ULHQWV Õ 5HOLJLRQV JHVFKLFKWOLFKH 6WXGLHQ ,, =XP  *HEXUWVWDJ YRQ .ODXV .RFK 2006. Ca. 360 Seiten, gebunden ISBN 10: 3-525-53079-X ISBN 13: 978-3-525-53079-5

Band 215: Jens-W. Taeger

-RKDQQHLVFKH 3HUVSHNWLYHQ $XIV¦W]H ]XU -RKDQQHVDSRNDO\SVH XQG ]XP MRKDQQHLVFKHQ .UHLV  2006. 254 Seiten, geb. ISBN 10: 3-525-53082-X ISBN 13: 978-3-525-53082-5

Band 214: Manuel Vogel

&RPPHQWDWLR PRUWLV .RU Õ DXI GHP +LQWHUJUXQG DQWLNHU DUV PRULHQGL 2006. 408 Seiten, gebunden ISBN 10: 3-525-53078-1 ISBN 13: 978-3-525-53078-8

Band 213: Susanne Rudnig-Zelt

+RVHDVWXGLHQ

5HGDNWLRQVNULWLVFKH 8QWHUVXFKXQJHQ ]XU *HQHVH GHV +RVHDEXFKHV 2006. 311 Seiten, Leinen ISBN 10: 3-525-53077-3 ISBN 13: 978-3-525-53077-1

Band 212: Adrian Schenker

'DV 1HXH DP QHXHQ %XQG XQG GDV $OWH DP DOWHQ -HU  LQ GHU KHEU¦LVFKHQ XQG JULHFKLVFKHQ %LEHO YRQ GHU 7H[WJHVFKLFKWH ]X 7KHRORJLH 6\QDJRJH XQG .LUFKH 2006. 108 Seiten, kartoniert ISBN 10: 3-525-53076-5 ISBN 13: 978-3-525-53076-4

Band 211: Henrik Pfeiffer

-DKZHV .RPPHQ YRQ 6¾GHQ -GF  +DE  'WQ  XQG 3V  LQ LKUHP OLWHUDWXU XQG WKHRORJLHJHVFKLFKWOLFKHQ 8PIHOG 2005. 313 Seiten, Leinen ISBN 10: 3-525-53075-7 ISBN 13: 978-3-525-53075-7

Störenfriede zur Zeit Jesu Novum Testamentum et Orbis Antiquus / Studien zur Umwelt des Neuen Testaments (NTOA/StUNT), Band 56. 2005. XXI, 381 Seiten, geb. ISBN 10: 3-525-53959-2 ISBN 13: 978-3-525-53959-9 Vandenhoeck & Ruprecht/ Academic Press Fribourg

Christoph Riedo-Emmenegger 3URSKHWLVFKPHVVLDQLVFKH 3URYRNDWHXUH GHU 3D[ 5RPDQD -HVXV YRQ 1D]DUHW XQG DQGHUH 6W¸UHQIULHGH LP .RQIOLNW PLW GHP 5¸PLVFKHQ 5HLFK

Mit der ideologisch als Pax Romana deklarierten und abgesicherten Weltherrschaft der Römer gerieten immer wieder Individuen, aber auch Gruppen in Konflikt, die im Namen ihrer eigenen religiösen und/ oder politischen Vorstellungen ein »Königtum Gottes« verkündigten. Diese von den politischen Eliten als Störenfriede eingestuften Gruppen hielten sich nicht an die von Rom diktierten Spielregeln und provozierten durch ihre Aktivitäten und Programme die römischen Machthaber. Riedo-Emmenegger richtet seine Aufmerksamkeit auf Störenfriede wie Jesus von Nazaret und andere prophetisch-messianischen Provokateure und erhellt bisher unbekannte Hintergründe.